DIE bau: & KUNST: DENKMAELER DER

KREISE BIEDENKOPF DILL0BER:WESTER: WALD WESTERBURG

HEINRICH KELlER FRANKFURT A M

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DIE

BAU- UND KUNSTDENKMÄLER

DER

KREISE BIEDENKOPF, DILL, OBER-WESTERWALD UND WESTERBURG

DIE

BAU- UND KUNSTDENKMÄLER

DES

REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN

HERAUSGEGEBEN

VON DEM

BEZIRKSVERBAND DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN

IV. BAND:

DIE KREISE BIEDENKOPF, DILL, OBER-WESTERWALD UND WESTERBURG

FRANKFURT A.M. KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER. 1910.

DIE

BAU- UND KUNSTDENKMÄLER

DER

KREISE BIEDENKOPF, DILL, OBER- WESTERWALD UND WESTERBURG

IM AUFTRAGE

DES BEZIRKSVERBANDES DES REGIERUNGSBEZIRKS WIESBADEN BEARBEITET VON

FERDINAND LUTHMER

FRANKFURT A. M. KOMMISSIONSVERLAG VON HEINRICH KELLER. 1910.

Druck und Papier von Ph. von Zabern, Hofdruckerei, Mainz.

Photographische Aufnahmen von der Königlichen Messbildanstalt, Berlin, dem Photographen Hardt in Limburg und anderen.

Clich^s von Guhl & Co., Frankfurt a. M.

Geographische Karte von Ludwig Ravenstein, Frankfurt a. M.

VORWORT.

ER nördliche Teil des Regierungsbezirks Wiesbaden, der in den Kreisen Biedenkopf, Dill, Ober-Westerwald und Westerburg den Inhalt des vierten Bandes der Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden bildet, ist seinem grösseren Teile nach ein Wald- und Ackerbaugebiet, das erst in den letzten Jahrzehnten dem Verkehr und der Industrie erschlossen wor- den ist. Wenn es daher im Reichtum an Baudenkmälern hinter den andern Teilen Nassaus zurücksteht, so hat es dafür manche unverwischte Eigenart, manchen Rest bodenständiger Volkskunst bewahrt, denen in dieser Sammlung ihr Platz anzuweisen war. So wurde auch unter die Abbildungen manches aufgenommen, für das der Name eines Kunstdenkmals vielleicht beanstandet wird, das aber im obigen Sinne nach der Ansicht des Verfassers in den Rahmen eines Inventars gehört. Die mannigfache Förderung, die dem Unternehmen von allen beteiligten Kreisen, besonders von den lokalen Forschern und Vereinen zuteil wurde, ist auch hier wieder mit geziemendem Danke hervorzuheben.

VI

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

(Die nicht mit Quellenangabe versehenen oder nach Photographien hergestellten Abbildungen sind vom Verfasser nach eigenen Aufnahmen gezeichnet.)

Fig. 1. Dorfplatz in Ruppach n. Aufn. v. Baurat Engel.

,, 2. Stadt Biedenkopf n. Merian.

3. Schloss Biedenkopf. Lageplan 4. von Südost

5. Grundrisse des Wohnbaues. Kgl. Bauinspekt. Biedenkopf

6. Biedenkopf. Kanzel aus der früheren Kirche, jetzt im städtischen historischen

Museum zu Frankfurt

7. Schloss Biedenkopf, Durchschnitt 4

8. Biedenkopf. Holzpfeiler aus dem Schloss

9. Frühere Pfarrkirche, Grundriss . . Aus dem Pfarrarchiv.

10. Breidenbacher (Not Gottes-) Kapelle

„11. Eckhaus Stadtgasse und Untergasse

12. Stadtwappen Landesarchiv.

13. Achenbach. Evangelische Dorfkirche . . . nach Arch. L. Hofmann.

14. Battenberg. Pfarrkirche, Taufstein

15. Grundriss und Längsschnitt

16. Rathaus

17. Battenfeld. Kirchturm

18. Pfarrkirche, Längsschnitt

19. Grundriss

20. roman. Türbeschlag

21. Breidenbach. Malerei am Gesimsbrett der Kirche 22. Kirchturm

23. Pfarrkirche, Längsschnitt

24. ,, Grundriss

25. Bromskirchen. Pfarrkirche, Grundriss, Jochsystem und Details

26. Buchenau, Haustür

27. Dautphe. Pfarrkirche, Grundriss und Einzelheiten

28. Emporen- und Unterzugstützen aus Battenfeld und Dautphe

29. Dautphe. Emporenstütze

30. Dexbach. Pfarrkirche, Äusseres

31. Emporenstützen aus Holzhausen bei Biedenkopf und Friedensdorf

32. Friedensdorf Pfarrkirche, Einzelheiten

33. Frohnhausen. Pfarrkirche, Grundriss und Längsschnitt

34. Holzarbeiten

35. Gladenbach. Marktplatz

36. Pfarrkirche, Grundriss

37. Westteil

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

VII

Fig. 38.

39.

40.

41.

42.

43.

44.

45.

46.

47.

48.

49.

50.

51.

52.

53.

54.

55.

56.

57.

58.

59.

60.

61.

62.

n 63.

64.

65.

66.

67.

68.

69.

70.

71.

72.

73.

74.

75.

76.

77.

78.

Gladenbach. Pfarrkirche, Längsschnitt

Alter Pfarrhof

Gitter am Katasteramt

Hatzfeld. Einzelheiten aus der Pfarrkirche Hatzfeld und Dexbach. Kirchengrundrisse

Ruine Hermannstein. Blick in das Erdgeschoss der Unterburg

Hermannstein nach Meissner.

Ruine Hermannstein von Südost

Unterer Grundriss

Turmgrundrisse

Querschnitt NW nach SO

Hermannstein. Pfarrkirche, Grundriss Leisa. Dorfkirche, Ansicht und Turmkreuz Niederweidbach. Kirchentür

Wandtabernakel Kirchen-Grundriss Emporenstützen aus Dodenau und Reddighausen Reddighausen. Kirchturm Allendorf. Kirchturm

Dillenburg nach Merian.

Festung Dillenburg ....

Dillenburg. Pfarrkirche, Grundriss Choransicht

Innenbild nach

Längsschnitt

Querschnitt

Archiv ....

Stadtwappen Ansicht der Stadt Haiger . Haiger. Pfarrkirche, Grundriss Südansicht

n. d. Grundriss Valkenbergs 1619. nach L. Hofmann, desgl.

nach L. Hofmann, desgl.

i nach Zeichn. der Kreis- / bauinspektion Dillenburg. Landesarchiv, nach Merian.

Längsschnitt . Choransicht . Malereien im Chorgewölbe Fenstermasswerk

Stadtwappen ....

Herborn. Ansicht

Strassenbild mit dem Rathaus Pfarrkirche, Grundriss .

Längsschnitt

Chor der Pfarrkirche

nach Aufnahme von E. Stiehl 1873.

Landesarchiv, nach Merian.

nach L. Hofmann, desgl.

VIII VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

Fig. 79.

Herborn. Pfarrkirche, Malerei im Chor

))

80.

Schloss, Erdgeschoss-Grundriss

nach L. Hofmann.

V

81.

Ostseite

n

82.

Grundriss des Obergeschosses

nach L. Hofmann.

83.

Grabplatten im Chor der Pfarrkirche

84.

Geschnitzte Türe am Rathaus

))

85.

Hohe Schule, Grundriss

nach L. Hofmann.

)i

ÖO.

Ansicht . . . .

gezeichnet von R. Stier.

)'

87.

Alter Pfarrhof

))

88.

Paulshof

))

89.

Försterei „Neues Haus" bei Herborn

))

90.

Herborn. Schloss, Fensterkorb . . . .

nach L. Hofmann.

))

91.

Ansicht von Süden

11

92.

Landesarchiv.

11

93.

Burgruine Beilstein von Norden

11 11

94. 95.

Ruine Beilstein, Grundriss Beilstein, Holzhaus

1) 11

96. 1 97.} 98.

Ruine Beilstein, Süd- und Nordansicht . Beilstein, Renaissancehaus neben der Burg .

1 nach Aquarellen v. 1824 \, im Landesarchiv, nach Reifienstein.

11 11

99. 100.

Burgruine von Osten Holzhaus Roos

11

101.

Bergebersbach. Pfarrkirche, Grundriss

11

102.

,, Kapital und Turmdach

11

Steinkanzel

11

104.

Driedorf, Ruine der Unterburg

II

105.

nach L. Hofmann.

11

106.

Nenderoth. Pfarrkirche, Choransicht

11

107.

Burg Tringenstein (nach einem rekonstruierten Modell von J. H. Hoffmann).

11

108.

Hachenburg. Katholische Kirche vor dem Umbau, Inneres

11

109.

11 11 11 11 11 II

Äusseres

11

110.

Schloss, Erdgeschoss-Grundriss

Zeichn. b. d.Kgl.Regierg.

11

Iii

III.

Stadtwappen

Landesarchiv.

11

112.

Altstadt. Pfarrkirche

11

113.

Grundriss . . . .

nach L. Hofmann.

11 11 II

114. 115. 116.

Taufstein Höchstenbach. Pfarrkirche

Grundriss

11

117.

Hoen. Pfarrkirche, Grundriss

11

118.

Pfeilerkopf

)i

119.

Pfosten im Turm

II

120.

Stuhlwange

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

IX

Photographie der Königl. Messbildanstalt.

f. 121. Hoen. Pfarrkirche, TUrring

122. Langenhahn, Pfarrkirche

123. Marienstatt, Gesamtansicht d. Klosters v. Nordwest

124. Kirche, Westseite ....

125. Choransicht

126. ,. Grundriss des Erdgeschosses

127. Chorumgang . . Photogr. d. Kgl. Messbildanstalt.

128. Kapitale der Chorpfeiler

129. Längsschnitt

130. Grundriss in Höhe des Triforiums . nach Görz. 13L Masswerk des Fensters im Westgiebel

132. Übersichtsblatt der Schiftspfeiler

133. Masswerk im nördlichen Querschiffsgiebel

134. Inneres gegen Osten . Photogr. d. Kgl. Messbildanstalt.

135. Chordurchschnitt

136. Schlussteine in den westlichen Schiffsjochen

137. Altartisch, Fliesen und Bleiverglasung

138. Piscina

139. Chorgestühl ....

140. Grabmal Gerhards II. V.Sayn

und seiner Gemahlin

141. Pietas ....

142. Beichtstuhl .

143. St. Ursula-Altar .

144. Abteigebäude, Mittelbau .

145. Kirche, Chorgitter in den Seitenschiffen

146. Seitenaltar Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.

147. Westerburg von Nordwesten

148. Evangelische Kirche, Inneres

149. Grundriss

150. St. Annen-Altar

151. Ruine der Liebfrauenkirche

152. Schloss, Vorhalle der Kapelle

153. Grundriss des ersten Stocks

154. Kapellentür und Fenster

155. Vom Kamin im Archiv

156. Ansicht nach einem alten Bilde

157. Elsoff, Kapelle

158. Grundriss

159. Gemünden. Kirche, Grundriss

160. Westteil

161. Meudt. Pfarrkirche, Südostansicht

Photographie der Königl. Messbildanstalt.

X

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

Fig. 162. Meudt. Pfarrkirche, Grundriss

163. Hof Langwiesen

164. Schloss Molsberg Nach einem Modell.

165. ,) )i ••■•■•>))) ))

166. Vogelperspektive . .

167. Salz. Pfarrkirche von Norden . . . Phot- d. Kgl. Messbildanstalt.

168. Pütschbach. Pfarrkirche, Ostansicht und Grundriss

169. Salz. Pfarrkirche, Weihkessel

170. Innenblick nach Osten . Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.

171. Grundriss

172. Seck. Pfarrkirche, Grundriss

173. Naurother Hof

174. Die Weltersburg mit dem Brambacher Schlösschen

175. Hof Westert

176. Haus Hastrich in Himburg

177. Rathaus zu Rehe

178. Holzhaus zu Molsberg Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.

179. Haus Kestler zu Enspel

180. Haus Nr. 36 in Bilkheim

181. Fensterbildung in Enspel

182. Holzhaus in Berod Phot. d. Kgl. Messbildanstalt.

183. Haus Baldus in Bellingen

184. Stippverzierungen aus Günterod

185. Friedensdorf

186. Westerburg. Stadtwappen

XI

INHALTSVERZEICHNIS.

Seite

EINLEITUNG XIII-XX

I. KREIS BIEDENKOPF 1-50

Stadt Biedenkopf 1-9

Achenbach 10

Battenberg 11 14

Battenfeld 15-17

Breidenbach 17—19

Breidenstein 20

Bromskirchen 20-21

Buchenau 22 23

Dautphe 23-26

Dexbach 27

Frankenbach 27

Friedensdorf 28 29

Frohnhausen 30—31

Gladenbach 31-35

Günterod 36

Hartenrod 36

Hatzfeld 36-39

Hermannstein 40—46

Königsberg 46

Leisa 46—47

Naunheim 47

Niederweidbach 48—50

Reddighausen 50

II. DILLKREIS 51-100

Stadt Dillenburg 51-59

Stadt Haiger 60-65

Stadt Herborn 66-83

Beilstein 84-91

Bergebersbach, Strassebersbach 91—93

Breitscheid 93

Burg 94

Dernbach 94

Driedorf 94—96

Feldbach 96-97

Hörbach 97

XII

INHALTSVERZEICHNIS.

Seite

Nenderoth 98

Tringen stein 99

Wallenfels 100

UI. OBERWESTERWALDKREIS 100- 136

Stadt Hachenburg 100-104

Altstadt 105-108

Dreifelden 108

Höchstenbach 109-110

Hoen 110-113

Kroppach 113-114

Marienstatt, Kloster 114—134

Niederrossbach 134—135

Rotzenhahn 135

Steinebach 136

IV. KREIS WESTERBURG 136-164

Stadt Westerburg 136—144

Berod 144-145

Elsoff 145-146

Gemünden . 146—149

Hüblingen 149

Meudt-Langwiesen 149—151

Molsberg 152-155

Neunkirchen 155

Niedererbach 156

Nomborn 156

Pütschbach 156-157

Salz 157-159

Seck, Seligenstadt 159—161

Weltersburg, Bilkheim, Naurother Hof, Hof Westert .... 161—164

DAS BAUERNHAUS 165-174

XIII

EINLEITUNG.

flS^^Sp ER vierte Band der „Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks kV^I^lD Wiesbaden" umfasst den Kreis Biedenkopf, den Dill- und Oberwesterwald- kreis und den Kreis Westerburg. Dies Gebiet, das nördliche Gebirgs- •fiSKSS^^ land des Regierungsbezirks, schliesst diesen nach Norden ab und hängt nur südlich mit altem Nassauer Land zusammen: mit dem Oberlahnkreis, dem Kreis Limburg und dem Unterlahnkreis, dem sich südwestlich der Unlerwesterwaldkreis anschliesst. Die Westgrenze scheidet unser Gebiet von dem Kreis Altenkirchen der Rheinprovinz. Nördlich grenzt es an den westfälischen Regierungsbezirk Arnsberg, nämlich an dessen südlichste Kreise Siegen, Wittgenstein und Brilon. Die östlich an- grenzenden Kreise Frankenberg und Marburg gehören zum Regierungsbezirk Kassel ; südöstlich folgt mit der Giessener Gegend das Grossherzogtum Hessen, Provinz Ober- hessen, und weiter schneidet der zum Regierungsbezirk Koblenz gehörige Kreis Wetz- lar ins untere Dilltal ein.

Über die geognostischen Verhältnisse des nördlich von der Lahn ge- legenen Teiles des Regierungsbezirks ist bereits im dritten Bande dieses Werks eine knappe Übersicht gegeben worden. Es mögen daher hier nur kurze Ergänzungen über die geologische Gestaltung des obersten Laufs der Lahn und des Westerwaldes Platz finden. Für ersteren war massgebend „Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung" von August Spiess (Ems 1866), für letzteren „Der Westerwald und seine Bewohner etc." von E. Heyn (Marienberg 1893).

Da, wo die Lahn, etwa 20 km von ihrer Quelle, in den Kreis Biedenkopf ein- tritt, hat sie bereits das Gebiet des Spiriferensandsteins verlassen, das sich von den die Lahn, Eder und Sieg entsendenden südlichen Höhen des Rothaargebirges weit nach Süden und Westen erstreckt. Schon bei Feuchtingen, 10 km vor unserer Grenze, tritt der Fluss in die letzten südlichen Ausläufer der Calceolaschichten oder des Lenneschiefers mit den darüber liegenden Flinzschichten, der in Westfalen und dem öst- lichen Teil des Rheinlandes ein ausgedehntes Gebiet beherrscht. Darüber liegen talab- wärts unmittelbar oberdevonische Schichten, welche sich hier als rote und graue Kra- menzelschiefer sowie als einförmiger Kramenzelsandstein ziemlich mächtig ausbreiten.

XIV

EINLEITUNG.

Die Oberdevonschichten werden hier von der Lahn fast im rechten Winkel durchbrochen und dauern an bis gegen Eckelshausen unterhalb Biedenkopf. In dieser Partie schieben sich an zwei verschiedenen Stellen schwache Kulm-Mulden, unmittel- bar im Lahntal auslaufend, ein. Zwischen ihnen erscheint eine sattelförmige Lamelle älteren Schiefers, der mit dem Orthoceras-Schiefer von Wissenbach zusammenhängt, und gabbroartige Hyperite mit echtem Hypersthenfels durchsetzen die Schichten der Kramenzelformation, wie auch die darunter und darüber auftretenden Schichten der nächsten Umgebung.

Im weiteren Flusslauf nach Osten, bis da, wo die Lahn unweit Gossfelden eine entschieden südliche Richtung nimmt, bestehen die Berge beider Talseiten aus den Schichten des unteren Steinkohlensystems. Die Kulmformation stellt sich dar in plattenförmigen Kulmkalken und einer Reihe schön gefärbter Hornsteine und Kiesel- schiefer ; neben diesen findet man auch graue Tonschiefer mit zahlreichen Versteinerungen. Der flözleere Sandstein dieser Partie ist sehr einförmig und besteht aus mehr oder weniger grobkörnigen Bänken eines rauhen, braungrauen Sandsteins, der in fein- körnigen Sandsteinschiefer und in massige Konglomerate übergeht.

In diesen wechselnden Lamellen von Kulm und flözleerem Sandstein brechen viele Hypersthenfelse in schönen, körnig-kristallinischen Partien. Dabei tritt noch ein dichtes, mandelsteinartiges Gestein der Grünsteingruppe in lagerhafter Form auf, welches aus einer besonders im Dilltal stark verbreiteten Varietät des Mela- phyrs besteht.

Die erwähnten kristallinischen Hyperite wie auch die festen Kieselschiefer dienen in dieser Gegend als Wegebaumaterial. Die Kulmkalke sind besonders wichtig für die Eisenhüttenindustrie, die Kalkbrennereien und die Landwirtschaft.

Die geognostischen Verhältnisse des Westerwaldes liegen einfacher. Er stellt sich als ein Teil des niederrheinischen Schiefergebirges dar und teilt mit diesem die aus Gesteinen der azoischen Zeit, Graniten und Gneissen, bestehende Unterlage. Darüber finden sich aus paläozoischer Zeit Schichten des Devon, aus den känozoischen Schichten des Tertiär, dann des Diluviums und des Alluviums. Zu diesen vom Wasser abgesetzten Gesteinen treten dann noch die ebenfalls der jüngeren Zeit der Erd- bildung angehörigen Eruptivgesteine: Basalt, Trachyt, Bimssteinsand.

Die dem Devon angehörigen ältesten Gesteine des Westerwaldes, die als Koblenz- schichten, Spiriferensandstein oder Grauwacke bezeichnet werden, bilden im Westen des Gebietes überall das Oberflächengestein; sie setzen sich auch unter dem Gebirgs- stock des hohen Westerwaldes fort, sind aber hier bis auf wenige Stellen, wo sie zutage treten (Gegend von Marienberg), überall von Tertiärablagerungen und Basalten überdeckt.

Dem Devon aufgelagert finden sich Schichten der Tertiärzeit. Sie nehmen in sehr ausgedehntem Masse das Hochplateau des Westerwaldes ein, wechsellagern vielfach mit Eruptivgesteinen (Basalten, Trachyten etc.), sind von diesen durchbrochen und haben mit ihnen eine Mächtigkeit bis zu 150 m Zu den tertiären Schichten gehören ausser den Basaltkonglomeraten (Zersetzungsprodukten des Basalts) die

EINLEITUNG.

XV

Freusberg Dernbach Greifenstein Bicken

Tone, von denen die reinplastischen Tone die Grundlage für die ausgedehnte keramische Industrie des Westerwaldes und einen wichtigen Ausfuhr-Gegenstand bilden. Ferner gehören hierher als wichtigstes Glied die Braunkohlen, meist auf ausgedehnten Basalt- strömen gebettet. Sie werden im grossen abgebaut bei Marienberg, Bach, Hof, Eichenstruth, Grosseifen, Höhn-Urdorf, Westerburg, Roth, Gusternhain und Breitscheid. Neben den dem Diluvium angehörenden ausgedehnten Schichten von Lehm und Basaltbruchstücken und dem Alluvium, zu dem in den zahlreichen Talmulden des Westerwaldes auch der Torf zu zählen ist, haben hier die Eruptivgesteine eine besondere Bedeutung. Auf dem höchsten Westerwald breiten sich mit den Braunkohlenschichten ausgedehnte Basaltdecken aus. Daneben tritt der Basalt in Gang- und Kuppenform auf, die sich auch ausserhalb des Westerwaldes in zahlreichen Kuppen im Norden bis an die Sieg, im Süden bis zur Lahn, im Osten bis an den Vogelsberg verfolgen lassen. Im ganzen Gebiet des Westerwaldes sind nicht weniger als 410 Basaltkuppen gezählt worden. Trachyte beschränken sich in ihrem Vorkommen auf den südwest- lichen Teil des Gebirges und bilden hier zwischen Montabaur, Selters und Westerburg etliche 20 Bergkuppen.

Die Bodengestaltung unseres Gebietes kennzeichnet sich im allgemeinen als ein von der Nordgrenze nach Süden sich allmählich abdachendes Bergland ohne stark hervortretende Bergformen. Seine höchsten Erhebungen bleiben unter der Grenze von 700 m.

Im Kreis Biedenkopf gruppieren sich die höchsten Erhebungen der Eder- berge um Battenberg. Es sind : Die hohe Warte (646 m), die Sackpfeife mit gleicher Höhe, der Bubenberg bei Hatzfeld (614), Hassenrod (625), denen der Galgenberg bei Oberhörlen mit 546 und der Moltenberg bei Lixfeld mit 581 m folgen. Die südlicheren Lahnberge um Biedenkopf halten sich in Höhen zwischen 400 und 500 m.

Im Di 11 kr eis weist die Nordhöll mit der Quelle der Diezhölze und der Höll- berg bei Driedorf die grösste Höhe mit 643 m auf. Der Angelberg, auf dem die Scheide entspringt, folgt mit 610, die Haincher Höhe bei Offdilln mit 607 und der Knoten bei Mengerskirchen mit 604 m. Von den übrigen Bergen des Kreises, die sich zwischen 500 und 600 m halten, ist der Bolzenberg bei Offdilln mit 567 m der höchste.

Der Ober westerwaldkreis und W esterburg, das mit seinen nördlichsten Ortschaften noch bis auf den hohen Westerwald reicht, verzeichnen in der Fuchs- kaute (657 m), dem Salzburger Kopf (655), dem Altenberg (652), dem Kühfelderstein (643)

XVI

EINLEITUNG.

und dem Homberg (635) die höchsten Erhebungen des Westerwalds, denen sich Alsberg (613), Ketzerstein bei Weissenberg (612), der Krimberg, Backofen, Reu- schenberg mit um 600 und der Gallpusch mit 595 m anschliessen. Aus der südlich auf 300 bis 400 m herabgehenden Abdachung seien noch die Weltersburg (436) und der Sengelberg bei Molsberg (447) hervorgehoben.

Die Wasserläufe der vier Kreise gehören zum weitaus grössten Teil an der ganzen Süd- und Ostabdachung des Gebirges in das Quellgebiet der Lahn. Im Norden des Kreises Biedenkopf nimmt die Ed er den Elbrigshauser- und den Linspher- bach auf, während die Bäche des nördlichen Westerwaldes in das Gebiet der Sieg gehören.

Die Lahn tritt bei Breidenstein in den Kreis Biedenkopf ein, wo sie rechts den Perfbach und links bei Wallau den kurzen Hainbach aufnimmt. Unterhalb Bieden- kopf fliessen ihr auf der rechten Seite noch zu : Bei Friedensdorf die Dautphe, weiter südlich die bei Bottenhorn entspringende Salzböde, durch deren Tal die Querbahn Niederwalgern— Herborn geleitet ist.

Einer der Hauptnebenflüsse der Lahn, die Dill, durchströmt den nach ihr be- nannten Kreis. Von ihrer Quelle bei Offdilln auf der Haincher Höhe fliesst sie gerade südlich und nimmt bei Rodenbach von links den Rossbach auf. Nachdem sie von Haiger bis Dillenburg entschieden nach Osten abgeschwenkt ist, nimmt sie bis zu ihrem Austritt aus dem Kreise bei Edingen wieder südliche Richtung an. An Zu- flüssen erhält sie von rechts bei Haiger den Weiherbach, dessen Tal als „Hicke- grund" bekannt ist, und den von Süden kommenden Amdorferbach, zu denen unter- halb Herborn noch der von Rehe herabfliessende Rehbach kommt. Bedeutendere Zu- flüsse von links sind noch die Diezhölze, von der NordhöU an der westfälischen Grenze kommend, der Nanzenbach, die Scheide und die Aar mit dem Siegenbach.

Der Hauptfluss des Westerwaldes ist die grosse Nister, die zwischen Brett- hausen und Willingen entspringt, bis Emmerichenhain südlich und von da bis zu ihrer Mündung in die Sieg unterhalb Wissen in westlicher und nordwestlicher Richtung fliesst. Ihr unterer Lauf ist durch Felsen eingeengt und weist bei Kroppach bekannte landschaftliche Schönheiten auf.

Nebenbäche der Nister sind: Der Biedenbach bei Emmerichenhain, der Ross- bach (rechts), die vom Kühfelderstein kommende schwarze Nister bei Langenbach, links die von Süden kommende Hornister, die früher die Grenze zwischen dem Nieder- lahn- und Avalgau bezeichnete. Bei Korb auf der rechten Seite mündet der Wäsch- bach, gegenüber der Alpenroder Bach; dann folgt mit der kleinen Nister, auch hintere Nister genannt, der bedeutendste Zufluss, der, aus einem grossen Sumpfe zwischen Heimerich und Stegskopf entspringend, unweit Kroppach rechts einmündet. Auch der Oberlauf der dem Rheine zuströmenden Wied, die bei Dreifelden aus vier Bächen zusammenströmt, gehört dem Oberwesterwaldkreis an, den sie bei dem Dorfe Borod verlässt.

Durch den Kreis Westerburg fliesst die Elb, die aus zwei aus den Sümpfen bei Ailertchen und aus der Nähe von Kakenberg herabkommenden Bächen entsteht und sich bei Staffel mit der Lahn vereinigt.

EINLEITUNG. XVII

Westerburg Walderdorff Irmtraut Döring

Die Bodenkultur der nördlichen Kreise unseres Bezirks und die Beschäftigung ihrer Bewohner bietet ein mannigfaches Bild. Im allgemeinen ist es, von einigen offenen Tälern abgesehen, ein gebirgiges, vom Klima wenig begünstigstes Land, in dem der Ackerbau vor der Wald- und Wiesenkultur zurücktritt; der Ertrag an Erzen und anderen Mineralien, besonders die Hartstein-Industrie, hat in den letzten Jahren, seit der Erschliessung des Landes durch Bahnlinien, eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Immer sind noch zahlreiche Arbeitskräfte darauf angewiesen, während der guten Jahreszeit fern von ihrer Heimat, namentlich am Niederrhein und im Bergischen, als Bergleute, Maurer oder Weissbinder Verdienst zu suchen, während die Bestellung der Felder den daheim bleibenden Frauen und Alten obliegt.

Der Kreis Biedenkopf ist eiti Berg- und Waldland, dessen landschaftliche Schönheit noch zu wenig bekannt ist, um in entsprechendem Masse fremde Besucher anzuziehen. Mit Ausnahme einiger getreidebauenden Täler, wie das Breidenbacher-, das Dautphe- und das Lahntal unterhalb Biedenkopf, ist hier die Nutzung der Wälder und der Wiesenbau die hauptsächliche Erwerbsquelle. Ahnlich liegen die Verhältnisse im Dillkreis, wo daneben die durch das Tal führende Bahn eine bedeutende Industrie ins Leben gerufen hat; die neue Westerwald -Querbahn hat der Verwertung des Basaltreichtums des Landes neuerdings bedeutenden Auf- schwung gebracht.

Auch der Kreis Westerburg, der in seinem oberen Teile schon den Westerwald- Charakter trägt, sieht hier die Hartstein-Industrie in bemerkenswertem Aulschwung, während dem südlichen Teil sein milderes Klima neben ausgedehnter Wiesenwirtschaft den Getreidebau gestattet.

Auf den Oberwesterwald hat die von Riehl geprägte Bezeichnung des „Landes der armen Leute" mit der Kartoffel als einziger Kulturpflanze ihre Bedeutung ver- loren, dank der Erschliessung durch mehrere Bahnlinien und den energischen Be- mühungen der Behörden und landwirtschaftlichen Verbände um die Hebung der Vieh- zucht. Auch hier ist die Hartstein-Industrie als Mehrerin des Wohlstandes ein- gezogen. Daneben nimmt die Landwirtschaft mit kleinbäuerlichen Besitzverhältnissen eine bedeutende Stelle ein. Die planmässige Züchtung der zwar kleinen, aber in dem rauhen Klima besonders ausdauernden Rindviehrasse hat der Schlachtvieh- und Milch- wirtschaft einen bemerkenswerten Aufschwung gegeben. Der Ackerbau erzeugt neben Futterpflanzen Gerste, Hafer und Kartoffeln. Auch der Bergbau auf Braunkohle, der

XVUI

EINLEITUNG.

an vielen Orten betrieben wird, gibt vielfache Arbeitsgelegenheit, sodass die Abwan- derung der Bergleute in die Eisengruben des Siegerlandes im Abnehmen begriffen ist.

Die alte karolingische Gauverfassung rechnete in unserem Gebiet den Westerwald zum Engers- und Avalgau, in den im Elbtal bei Westerburg der Nieder- lahngau hineinreichte. Zwischen ihnen bestand die „Herrschaft zum Westerwald" als Mark der „freien Leute", die Gemarkungen Emmerichenhain, Marienberg und Neu- kirch umfassend. Das Dilltal mit seiner Umgebung gehörte dem Erdehe- und Haiger- gau an, Biedenkopf dem Oberlahngau. Als Territorialherren begegnen uns später Kurtrier und Kurköln, die Grafen von Sayn und Nassau. Die Ausdehnung der letzteren Herrschaft über den grössten Teil des Gebietes vollzog sich allmählich im Laufe des 14. Jahrhunderts. Biedenkopf, das von früh an zu Hessen gehörte, kam erst 1866 unter preussische Herrschaft. Nach der früheren nassauischen Ämter-Einteilung gehören zu den drei ursprünglich nassauischen Kreisen die früheren Ämter Hachen- burg, Marienberg, Dillenburg, Herborn, Rennerod und Walmerod.

Auffallend klein ist die Zahl der Städte in dem hier bearbeiteten Gebiet. Ausser den jetzt zu teilweise recht unbedeutenden Dörfern herabgesunkenen Orten, die im Mittelalter Stadtrechte besassen, Battenberg, Breidenstein, Hatzfeld, Königsberg im Kreise Biedenkopf und Driedorf im Dillkreise sehen von den jetzt noch bestehenden Städten : Biedenkopf, Hachenburg, Westerburg, Dillenburg, Haiger und Herborn nur die beiden letzten als Vororte alter Gauverbände auf ein hohes Alter zurück. Die übrigen sind als Ansiedelungen um die Burgen der Landesherren oder eingesessener Dynasten erst in der zweiten Hälfte oder am Ende des 13. Jahrhunderts entstanden. Von ihnen treten Dillenburg als Residenz des Nassau- Oranischen Fürstenhauses, Herborn als Sitz einer hohen Schule in der späteren Geschichte mit grösserer Bedeutung hervor.

Auch an geistlichen Ordensstätten ist das Gebiet arm; ein Kloster der Benediktinerinnen zu Seligenstadt bei Seck ging schon vor 1500 ein. Die Existenz eines Frauenklosters bei der Kirche von ßromskirchen steht geschichtlich nicht fest, bei den Kirchen von Gemünden und Salz bestanden bis ins 14. und 15. Jahrhundert regulierte Chorherrnstifter. Nur in dem Zisterzienserkloster Marienstatt besass der Westerwald seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts eine geistliche Stiftung, die sich nicht nur in der Kultivierung ihres weit ausgedehnten Gebietes, sondern auch in einem Kirchenbau von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung ein bleibendes Denkmal gesetzt hat.

Wenn auch der Besitz des Gebiets an Burgen und Schlössern, der grossen Zahl grösserer und kleinerer Territorialherren entsprechend, nicht unbedeutend ist, so ist doch der grösste Teil derselben nur in kümmerlichen Resten auf uns gekommen. An die Burgen der Geschlechter von Battenberg, Hatzfeld, Breidenstein, Molsberg, Trin- genstein erinnern nur noch Mauertrümmer, oder sie sind gänzlich verschwunden und, wie bei Molsberg, durch einen glücklichen Zufall in einem vor der Zerstörung ange- fertigten Modell erhalten. Von den Burgen von Driedorf und Königsberg geben die erhaltenen Mauerreste keine Vorstellung mehr. Nur Biedenkopf, Hermannstein und

EINLEITUNG.

XIX

Molsberg Breidenbach Beilstein Scheuch s. Sc/iweinsberg

Beilstein gestatten aus dem Erhaltenen einen einigermassen sicheren Rückschluss auf ihre einstige Bedeutung und die Art ihrer Wehranlagen.

An Schlossbauten späterer Zeit besitzt das Gebiet in dem Schloss der Grafen Sayn zu Hachenburg und dem Walderdorffschen Schlosse zu Molsberg zwei ansehn- liche Barockbauten, von denen namentlich das letztere, wenn auch nicht in der ur- sprünglich geplanten Ausdehnung ausgebaut, doch dadurch unser Interesse erweckt, dass sein Erbauer, der baulustige Trierer Erzbischof Johann Philipp von Walderdorff, sich bei anderen Schlossbauten der Hilfe des Architekten Baltasar Neumann bediente, sodass Beziehungen dieses Meisters der Barockzeit auch zu dem Schlosse Molsberg nicht ausgeschlossen erscheinen. Als ein stattlicher Barockbau darf auch das Abtei- gebäude von Marienstatt gelten.

Das Schloss Westerburg, ein nüchterner Bau der klassizistischen Zeit, gewinnt eine gewisse baugeschichtliche Wichtigkeit durch den wohlerhaltenen Kernbau aus frühgotischer Zeit, den sein Torbau birgt.

Von kleineren Herrensitzen und befestigten Höfen konnte der Naurother Hof, das Brambacher Schlösschen auf der Weltersburg, der Hof Westert und Hof Lang- wiesen in das Verzeichnis aufgenommen werden.

Unter den kirchlichen Bauwerken überragt die Klosterkirche von Marien- statt so sehr alle andern, dass der bau- und kunstgeschichtliche Wert der übrigen von einem andern Gesichtspunkt zu beurteilen ist. Eine sehr rege kirchliche Bau- tätigkeit, die in den nördlichen Ämtern von Nassau und in Biedenkopf in dem Jahr- hundert des ausgehenden romanischen Stils (1150 1250) geherrscht haben muss, hat uns zahlreiche über das ganze Gebiet verstreute typische Beispiele einer romanischen Baukunst erhalten, die mit den bescheidensten Mitteln als Maurerarbeit, mit dem ge- ringsten Aufwand an Gesimsgliederungen und einer fast primitiven Steinmetz- Orna- mentik dennoch beachtenswerte Werke geschaffen hat. Sie beweisen, vielleicht als lehrreiche Mahnung für die Gegenwart, mit wie geringem Aufwand sich das kirchliche Bedürfnis in monumentaler Weise befriedigen lässt, ohne doch eines malerischen Reizes zu entbehren, der oft in der gut gewählten Lage im Ortsbild und in der guten Einfügung des Glockenturms in die Silhuette zu suchen ist. Altstadt und Höchstenbach im Oberwesterwald, Gemünden, Elsoff, Pütschbach und Salz im Wester- burgischen, Breidenbach, Dautphe, Frohnhausen, Battenberg, Battenfeld, Bromskirchen, Gladenbach im Kreise Biedenkopf sind solche bei aller Verschiedenheit doch unter

XX

EINLEITUNG.

sich verwandte Beispiele. Meist schlichte Pfeilerbasiliken, flachgedeckt oder gewölbt, manche mit Querschiff, sind sie zum Teil nach dem Ubergang zum protestantischen Bekenntnis ihrer Seitenschiffe beraubt worden; die schweren Pfeiler hinderten den Blick auf die Kanzel. Die hier verlorengegangenen Plätze wurden durch eingebaute Emporen ersetzt, die den protestantischen Kirchen des Gebietes ein besonders charakteristisches Innere geben. Daneben lassen sie uns oft die Kunst des Zimmer- manns im 16. und 17. Jahrhundert bewundern; eine Auswahl besonders bemerkens- werter Holzkonstruktionen der Emporen sind in die Sammlung aufgenommen.

Flg. 1- Blick in ein Westerwäläcr Dorf (Ruppach) .

An städtischen Pfarrkirchen sind die spätgotische Kirche von Westerburg und die derselben Zeit angehörigen Chöre der Kirchen von Dillenburg, Herborn und- Haiger zu nennen, während die Schiffe den weniger ausgesprochenen Stempel einer späteren Zeit tragen. Sehr allgemein scheint im späteren Mittelalter die Ausmalung der Kirchen unseres Gebiets gewesen zu sein ; nicht nur die Kirchen von Haiger und Herborn brachten unter der späteren Tünche Bilderzyklen zutage, die sich als der Konservierung wert erwiesen, auch in Altstadt und mehreren kleineren Kirchen des Dillkreises Hess sich eine durchgeführte Bemalung nachweisen.

Das Interesse an dem Wohnhausbau im nördlichen Nassau gipfelt in den städtischen und bäuerlichen Fachwerkbauten. Letztere besonders geben, dank der konservativen Gesinnung der Bewohner und der dem Verkehr entzogenen Lage der Dörfer, heute noch ein so geschlossenes und vollständiges Bild des fränkischen Holz- baus vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, dass es angezeigt schien, diesem eine besondere Behandlung am Schluss dieses Buches zu widmen.

Fig. 2. Die Stadl liicäoikopj iiacli iji r um .

im

BIEDENKOPF.

Literatur: Wenck, Hess. Landesgesch. 2. l86 d. Urkundenbuchs. Kuchenbecker, Analecta Hass. 3, 13. Landau, Die hess. Ritterburgen 3. 3—8. G. Zitzer, ,,Aus der Geschichte von Burg und Stadt Biedenkopf", Biedenkopf 1907. Abbildungen: In Dilichs Synopsis descript. tot. Hassiae ; Merian, Topogr. Hassiae 1655; Libellus nov. polit. Emblematicus civitatum, p. Via, F. 66.

!IE Kreisstadt Biedenkopf in anmutiger, höhenumkränzter Lage an der Lahn, die kaum 30 km von hier entspringt, schmiegt sich mit ihren auf- steigenden Strassen an den bewaldeten Schlossberg, der von den ansehn- lichen Resten der alten hessischen Landgrafenburg bekrönt wird. Geschichtliches. Ob diese Reste der ersten, 1232 in einer Legende der heiligen Elisabeth zuerst erwähnten Burg angehören, ob früher eine andere Burg auf einem rückwärts gelegenen Teil des Schlossberges gestanden hat, wie aus einer Stelle der hessischen Reimchronik vermutet wird, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Ge- schichtlich überliefert ist, dass 1296 das Schloss zu Biedenkopf dem Grafen Otto, dem Sohne des Landgrafen Heinrich mit dem Beinamen „das Kind", der sich Umtriebe gegen seinen Vater hatte zu Schulden kommen lassen, als Verbannungsort angewiesen wurde. Nach des Vaters Tode begann (nach Kuchenbeckers analecta Hass. 3, 13) Otto einen Neubau augenscheinlich mit unzureichenden Geldmitteln, da das Schloss mehr- fach verpfändet wurde. Ein umfassender Ausbau oder die Fertigstellung des Neu- baus muss zwischen 1360 und 1365 stattgefunden haben, da um diese Zeit Johann von Breidenbach wieder bedeutende Gelder gegen Besitzrechte auf die Burg vorschiesst.

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BIEDENKOPF, GESCHICHTLICHES.

Wahrscheinlich ist um diese Zeit erst der Wohnbau entstanden, dessen Bauformen auf das 14. Jahrhundert hinweisen, während Otto's Bautätigkeit sich nach Lötz' An- sicht auf den Turm beschränkt haben mag.

Erst Ludwig der Friedfertige machte die Burg wieder schuldenfrei und erliess von hier 1455 seine „Gerichts- und Polizeiverordnung für Hessen". Sein Sohn,

Heinrich III., ver- schrieb die Burg sei- ner Gemahlin Anna von Katzeneln- bogen als Witwen- sitz.

Im folgenden Jahr- hundert scheint sie baulich vernachläs- sigt worden zu sein, sodass sie Anfang desr 17. Jahrhunderts schon zum Teil fen- sterlos war; ein In- ventar von 1629 weist kaum noch Ausstat- tungsstucke auf. Sie diente als Festung und im 19. Jahrhun- dert bis 1866 als kammerfiskalischer Fruchtspeicher,nach- dem 1843 und 1847 eine gründliche Her- stellung vorgenom- men war. Gegen- wärtig wird die Burg vom Domänenfiskus erhalten ; ihre Räume

Fi's- 3. Schloss Biedenkopf. Lageplatt. dienen dem Altertumsverein Biedenkopf als Ortsmuseum.

Als erster Burggraf wird 1283 ein Ritter Eckehard genannt. Als spätere Burgmannen kommen vor die Herren von Breidenbach, Biedenfeld, Buchenau, Bicken, Melsbach, Linnen, Knoblauch, Döring und Hohenfels, von denen die beiden letzteren auch in der Stadt begütert waren.

DIE STADT BIEDENKOPF wird zuerst 1304 genannt (Gudenus, Cod. dipl. HI. 24). Im Jahr 1335 erfährt sie eine namhafte Erweiterung durch die Spital- und Hainstrasse,

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BIEDENKOPF.

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Fig. 4. Schloss Biedenkopf von Südost.

die von den Einwohnern ausgegangener Dörfer der nächsten Nachbarschaft angelegt wurden. Die Stadt, die auf dem Merianschen Stich noch Befestigungen im Zusammen- hang mit dem Schlosse, einen ßrückenturm auf der hölzernen Lahnbrücke und zwei Tortürme mit Spitzdächern und Ecktürmchen aufweist, besass drei Tore : Am unteren Eingang die Marienpforte, am oberen Ausgang nach Wallau zu die Eich- oder Wallauer Pforte und am Ausgange der Spitalstrasse die Neue Pforte.

DIE PFARRKIRCHE, die Lötz bereits seit 1866 wegen Baufälligkeit ausser Ge- brauch fand, ist 1888 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt worden. Nach der Beschreibung von Lötz war sie eine dreijochige Hallenkirche, die dem Über- gangsstil angehörte. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit des Grundrisses mit dem der Kirche von Breidenbach (s. Fig. 24). Auch der Turmhelm, der am Neubau dem früheren nachgebildet ist, gleicht dem der Breidenbacher Kirche. Der achteckig ge- schlossene Chor hatte (ähnlich wie in Herborn) neben sich zwei Osttürme, von denen nur der nördliche ausgebaut war. Der Chorschluss und der Turmhelm war spät- gotisch (um 1500). Die Masse waren im Lichten: Länge 28,/5 m. Breite 13,40 m, davon das Mittelschiff in den Pfeilerachsen gemessen 6,38 m, Jochweite im Mittel 6 m, Höhe des Hauptschiffs 11,2 m. Das Schiff hatte viereckige mit starken Holzsäulen besetzte Pfeiler, die rippenlose, spitzbogige Kreuzgewölbe trugen. Die Gewölbe der

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BIEDENKOPF.

Seitenschiffe mit halbkreisförmigen Schildbögen stiegen etwas gegen das Mittelschiff an. Die Fenster waren teilweise rundbogig, teilweise durch spätgotische mit Mittel- pfosten und Masswerk ersetzt. Der Westturm, viereckig aufsteigend und mit einem Rundbogenfries abschliessend, trug einen schönen, schlanken, achteckigen Helm, hatte unten vier beschieferte Holzgiebel mit je zwei rundbogigen Schallfenstern, konkaven

Schenkeln und po- lygoner Spitze, am Fusse des oberen Drittels acht kleine Giebel, über denen er sich in etwas ver- jüngter Form fort- setzte. Von der alten Kirche ist ausserden Glocken und einigen Aus- stattungsstücken noch die „Not- gotteskapelle" erhalten, die zwi- schen der Nord- seite des Chors und dem Turm lag. Sie scheint 1415 erbaut zu sein, in welchem Jahre ein Joh. Banff eineWiese zuihrem Bau schenkt ; 151 1 macht die Schuh- macherzunft für sie

Fig. 5. Scfiloss Biedenkopf. Grundriss vom Erd- und Obcrgeschoss. eme Stiftung Sie

hat zwei spitzbogige Kreuzgewölbe mit hohlprofilierten Rippen, die aus den nach innen gezogenen Strebepfeilern hervorwachsen. Türe und Fenster sind spitzbogig mit schrägen Gewänden ; an der Nordecke ist ein Relief, drei Figuren unter Wimpergen, eingemauert.

Glocken. Die grösste : Ularia l)eiß idt) Ijeinridt) hangefer oon gefen gos mitj) amen, anno domini m CCCC LXXXD (1485).

Die zweite : f flum turbOF procul ccdat ignis grando tonitrus fulgor fames peftis gladius fatl)an et öomo malignus f ljus (?) ob graciam crifti marie fancti ioöannis o ref glorie ueni cum pace t anno milleno c quater ac quadrageno (1440) per magiffrum petrum agaft cognomine dictum fefto poft feftum die natiüitatis marie duo adjuncta campana confufa (Inschrift in drei Zeilen).

Fig. 6. Biedenkopf. Kansel aus der früheren Kirche (jetzt im histor. Museum in Frankfurt).

BIEDENKOPF.

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Die dritte: NOS ET NOSTRA PIA GUBERNA VIGO (Virgo) MARIA JOHS. Darunter A und il mit Kreuzen bekrönt.

Fig. 7. Schloss Biedenkopf. Durchschnitt .

Von der alten Ausstattung sind noch vorhanden :

Eine Messinggrabplatte etwa aus dem 18. Jahrhundert (Lötz) mit der Um- schrift: Dominus hiltirinus üoUator facre töeologie arciumque doctor egregius trium beneficiorum fundator plebearius (sie) ljuius ecclefie Digilantiffimus obüt 1520, 24. febr.

Ein Geistlicher in spätestgotischem Flachrelief mit scharfbrüchigen Gewand- falten. Ein anderes kleines Messingrelief von 1573 mit zahlreichen Figuren, hand- werksmässige Glockengiesser-Arbeit.

Gusseisenplatte von einem Ofen von 1535 mit Relieffiguren im Renaissancen- stil, zirka 1 m hoch, 23 cm breit.

Tauf stein im Übergangsstil, der Oberteil jetzt als Springbrunnen im Pfarr- garten stehend, grosses rundes, unten zwölfeckiges mit zwölf Rundbogen verziertes Becken. Es stand ursprünglich auf sechs jetzt verschwundenen Säulchen, deren glatte Kelchkapitäle aus dem oberen Rande vorspringen ; zwei Sockel sind noch vorhanden.

Holsskulptur . Pietas, klein, spätgotisch, von charakteristischer Arbeit, nament- lich die Köpfe.

Die schöne Holskansel mit Schalldeckel in Renaissanceformen des 17. Jahr- hunderts wurde beim Abbruch der Kirche an das städtische historische Museum in Frankfurt abgegeben, wo sie gegenwärtig aufgestellt ist (s. Fig. 6).

DIE SPITALKIRCHE, eine Stiftung des Ritters Gerlach von Breiden- bach und Junkers Hermann von Löwenstein wurde 1417 erbaut. Das Schiff,

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BIEDENKOPF.

Fig. S. Biedenkopf. Holapf eiler aus dem Sc/tloss.

unter einem Baldachin, eingefügt. Die Schlussteine sind ebenfalls mit den Wappen der Breidenbach und anderer belegt. Das Chorhaupt und das folgende Joch haben in jedem Schildbogen ein Fenster, im nächsten Joch fehlen dieselben. Diese sieben Fenster liegen in schrägen, aussen zu einer Hohl- kehle ausgearbeiteten Leibungen, sind zwei- teilig mit hohlprofilierten Pfosten und schlich- tem, spätgotischem Masswerk. Unter den Fenstern sind die Wände flachbogig aus- genischt. Der Chorbogen ist aussen und innen mit einer Hohlkehle abgefast.

In einer mit Nasen besetzten Blende des Chors ist eine Piscina. Die Holzkanzel, Spätrenaissance, 17. Jahrhundert, ähnelt der in der Stadtkirche und der Kanzel der Kirche von Breidenbach.

das im 17. Jahrhundert eine Erweiterung erfuhr, ist neuerdings gotisierend restau- riert. Der achteckig geschlossene Chor hat drei Kreuzgewölbjoche, deren fast rundbogige Gurte und Gräte einfach ge- kehlt auf Diensten ruhen. Diese, mit Kehle und Plättchen in die Wand über- gehend, haben dreiteilige, unten runde, darüber achteckige Basis. Ihre Kapitäle sind mit spätem Laub, Köpfen und Wap- pen der beiden Stifter verziert. In den Dienst der Nordostecke ist ein spät- gotisches Figürchen, ein Engel Gabriel

Fig. 9. Biedenkopf. Frühere Pfarrkirche.

BIEDENKOPF.

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DAS SCHLOSS besteht im wesentlichen aus einem Hauptgebäude, das die östliche Seite des mit einer Mauer umzogenen Burghofs einnimmt. In der südlichen Schmalseite des Mauerrings erhebt sich der runde Turm, halb inner-, halb ausser-

Fig. /y.ij Bitäenkopf. Breidenbacher (Aot Gottes-) Kapelle.

halb des Berings stehend. Er beherrscht einen tiefer liegenden Zwinger, durch den von Westen her der ursprüngliche Burgweg emporstieg. Das Burgtor, durch das man den inneren Burghof betritt, steht ebenfalls unter dem unmittelbaren Schutz des Turmes ; ausser diesem dient zu seiner Verteidigung noch ein an der Sudostecke des Mauer-

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BIEDENKOPF.

berings aus dem Wehrgang unmittelbar über dem Tor vorgekragtes Türmchen mit Pyramidendach. Ein langer Zwinger ist der ganzen Ostseite des Schlosses vorgelegt..

Der Turm hat seinen einzigen, hochgelegenen Zugang von dem mit Zinnen be- setzten Wehrgang der Hofmauer. Den untersten Teil nimmt das Verliess mit durch Vorkragung gebildetem Kuppelgewölbe ein, ein zweites Gewölbe schliesst das Innere

oben ab und bildet den Bo- den der Wehrplatte, deren Zinnen von der Herstellung des Jahres 1847 herrühren.

Durch Balkenlagen ist der Turm in mehrere Stock- werke geteilt, die durch eine zu derselben Zeit erbaute Wendeltreppe zugänglich gemacht sind. Die spärliche Beleuchtung erfolgt durch einige Lichtschlitze.

Das Wohngebäude, vor dessen Westfront im Hofe ein Eingang in den Keller führt, ist sehr massiv in zwei Stockwerken erbaut, deren Verbindung ursprüng- lich durch einen aus der Westseite vorspringenden Treppenturm vermittelt wur- de. Jetzt dienen Holztreppen im Innern dem gleichen Zweck. Jedes der Stock- werke enthält in der Mitte einen grossen, 8 auf 12,5 m messenden Raum, dem sich

Fig. 11. Biedenkopf. Eckhaus Stadtgasse und Untergasse.

nördlich und südlich je ein kleiner Raum vorlegt. Der untere Saal ist vom Hof her durch eine Spitzbogentür zugänglich, deren Gewände aus einem Rundstab zwischen Hohlkehlen besteht. Spitzbogig sind auch die inneren Türen, während die Fenster rechteckige, steinerne, schlicht abgefaste Kreuzstöcke haben. Zwei Auskragungen auf Konsolsteinen an der Nord- und Ostseite dürften eher als Abtritte denn als Guss- erker anzusehen sein. Die Balkenlagen ruhen auf Unterzügen, die durch starke, ab- gefaste Pfosten mit Sattelholz und Kopf bändern gestützt werden. Ein Kamin im Saal des ersten Stockwerks hat noch seinen Mantel, der durch Steinpfeiler mit schlichten, im Viertelkreis vorgekragten und kräftig gefasten Konsolsteinen getragen wird. Im Erdgeschoss ist die Küche mit grossem Rauchfang, Wasserstein und Backofen erhalten.

STADTMAUER.

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Von der alten STADTMAUER sind noch Reste zu verfolgen, die vom Burg- bering auf einem Felsgrat bis zum Wallauer Tor sich hinunterziehen, an dem noch der Rest eines Rundturms erhalten ist. Die Stützmauern der Gärten der Untergasse ent- halten ebenfalls noch Teile der Stadtmauer.

Der ältere innerhalb des Mauerrings gelegene Teil der Stadt weist einige gute Fachwerkhäuser auf. Ein gutes Strassenbild gewährt das Zusammenschneiden der Untergasse mit der Stadtgasse (s. Fig. 11).

Flg. 12. Biedenkopf. Stadtwappen.

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ACHENBACH.

ACHENBACH.

JFig. 13. Acliciibach. Evangelische Dorjkirche.

AS Dorf Ache n - bach, 11 km Süd - nach West von Biedenkopf gele- gen, besitzt in seiner, dem 18. Jahrhundert entstammenden evan- gelischen Dorfkir- che ein Beispiel von einer so vorbildlichen Anordnung für die Ge- staltungkleinsterDorf- kirchen, dass ihre Auf- nahme in dies Ver- zeichnis berechtigt er- scheint. Ein quadrati- scher Raum, 9,90 m innerer Weite mit abgeschräg- ten Ecken, sodass ein nicht ganz vollständiges Achteck entsteht, trägt über einem Zeltdach ein schlichtes, beschiefertes Mittel- türmchen für die Glocken. Sie- ben Fenster geben dem Innern grosse Helh'gkeit; besondere Beachtung verdient die Anord- nung der Kanzel, die über dem Altar aus der Brüstung der Empore hervortritt. Eine höl- zerne Wand, die als wirksames dekoratives Motiv mit zwei Brettstützen bis zur Decke em- porgeführt]ist,[bildet den Hinter- grund der Kanzel. Unter der Empore, im Angesicht der Ge- meinde, haben der Pfarrstuhl und die Sitze für die Kirchen- vorsteher ihre Stelle gefunden.

BATTENBERG, GESCHICHTLICHES.

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BATTENBERG.

Wenck, Hess. Landesgesch. 3, 91 ff. Schmidt, Gesch. des Grossherzogtums Hessen 1, 250; 2, 262. Lacomblet, Urkundenbuch i, 286, 314, 332. Gudenus i, 546, 547, 549, 854; 2, 54, 55. Landau, Beschr. von Kurhessen 402.

US dem breiten und anmutigen Edertal erhebt sich, den Fluss zu einem grossen Bogen zwingend, ein steiler Schieferfels, der auf seinem Rücken die Stadt Battenberg trägt. Fluss und Fels mit der auf seinen Rand vorgeschobenen Baumasse der ,,Neuburg" bilden ein sehr schönes Land- schaftsbild, im Hinlergrund abgeschlossen von den bewaldeten Höhen des oberen Edertals, aus denen der Burgberg dicht hinter der Stadt in schöner Linie hervorspringt.

Geschieh tli che s. Ein Graf von Holenlint (Hohenlinden) scheint auf dem Fels über der Eder zuerst eine Burg erbaut zu haben. Als erster, der den Namen von Battenberg führte, findet sich 1166 ein Theodoricus de Battenburg als Zeuge in einer Urkunde des Erzbischofs Reinald von Cöln (Lacomblet, Urkundenbuch I, 286). 1174 er- scheint ein Nachkomme des Grafen von Hohen- linden, Graf Werner von Widechenstein (Witgenstein), der sich mitunter Graf von Batten- berg nennt (a. a. O. i, 314, 332). Im 12. Jahrhundert erstreckte sich die Herrschaft der Battenberger über einen grossen Teil des Oberlahngaues, wie sie denn nach dem Aussterben der Gisonen (1137) länger als ein Jahrhundert die höchste Gerichts- barkeit in der Grafschaft Stift (Wetter) ausübten, bis sie aus dem Besitz derselben in den Centen Dautphe, Lixfeld, Laasphe und Wetter durch die Landgrafen von Hessen verdrängt wurden. Ein Sohn jenes W^erner von Witgenstein, Graf Werner von Battenberg, trat 1228 in das Johanniter- Ordenshaus zu Wiesenfeld ein und wurde 1238 Komtur desselben (Gudenus l, 546, 549; F'Sl4. Battenberg. Pfarrkirche. Tauf stein. 2, 55. Landau, Beschr. von Kurhesseu 402). 1234 trat dessen Bruder, Graf W i 1 1 ek i n d vonWitgenstein-Battenberg, die Hälfte der Schlösser Battenberg und Keller- berg nebst der dazu gehörigen Grafschaft Stift an den Erzbischof von Mainz ab, der 1291 Schloss und Stadt Battenberg allein erhielt (Gudenus i, 547, 854; 2, 54), während Hermann I. von Battenberg das Schloss Kellerberg bekam, das aber sechs Jahre später durch Kauf ebenfalls an Mainz gelangte. 1227 hatten die beiden Brüder Schloss Kellerberg dem Landgrafen Heinrich Raspe zu Lehen aufgetragen. Der letzte Graf von Battenberg, Graf Gerhard, starb 1342 als Domherr zu Mainz. Im Jahre 1464 waren beide Schlösser noch in gutem Zustand und Battenberg von einem Mainzer Beamten bewohnt; damals kam Battenberg an Hessen-Darmstadt, 1866 an Preussen.

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BATTENBERG.

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Fig. 15. Battenberg. Pfarrkirche.

DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE, 1886 renoviert, ist eine dreischiffige gewölbte Hallenkirche, deren Erbauungszeit um 1300 anzusetzen ist. Das Schiff ist dreijochig. Die schmalen Seitenschiffe sind durch starke Rundpfeiler vom Mittelschiff getrennt, deren Kämpfergesimse, aus Platte und Kehle bestehend, in der Barockzeit teilvpeise mit antikisierenden Stuckgesimsen überkleidet wurden. Die spitzbogigen breiten Längs- und Quergurte springen nicht vor den Gewölbekappen vor. Die halben

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PFARRKIRCHE.

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Kreuzgewölbe der Seitenschiffe und diejenige des Mittelschiffs haben keine Rippen ; die Gräte des letzteren verlaufen kuppelartig gegen den Scheitel. Die Seitenschiffe en- digen gegen Osten in halbrunden Wandnischen; der Chor ist rechteckig, der Chor- bogen breit und ungegliedert. Die Gräte des ebenfalls kuppelartigen Chorgewölbes entspringen östlich aus den Ecken, während sie westlich auf Eckpfeilern aufsetzen. Das Chorgewölbe hat in der Barockzeit eine Stuckverzierung erhalten.

Fig. 16. Battenberg. Rathaus.

In der Ostwand des Chors ist ein Spitzbogenfenster, teilweise vermauert, dessen hohlprofilierter Mittelpfosten einfaches spätes Masswerk trägt. Zwei kleine Fenster mit stumpfen Spitzbögen in den Ostnischen der Seitenschiffe sind vermauert. Die übrigen Fenster haben bei einem Umbau ihre Mittelpfosten verloren und viereckigen Schluss erhalten. Im Westgiebel ist eine früher an der Südseite des Schiffs befindliche spitzbogige Pforte mit spätestgotisch profiliertem Gewände; über der Westseite ein viereckiger grosser Dachreiter mit achteckigem Helm.

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BATTENBERG.

Ein Tauf stein aus Marmor mit der Jahreszahl 1608, von vier Konsolen ge- tragen, zeigt eine zierliche Barock-Silhuette. Ausser ihm enthält der Chor einige un- bedeutende Epitaphien.

Elisabeta Ebelin, geborene Ganetin, f 1628. In Spätrenaissanceformen.

Jost Bücking, genannt Rümpel, Rentmeister, f 1633. In einem Renaissance-Säulen- rahmen ein Kruzifixus mit An- betenden, Reste von Bemalung.

HansGrebe. Ohnejahres- zahl, mit verstümmelten Wappen und Bildnissen.

Carolus Joh. Phil. Loehner de Laurenburg, Hessen - Darmstädtischer Offi- zier, t 1708.

Glocken : Feuerglocke , 1510, mit^denl Namen St. Maria, Lucas, Marcus, Johannes und Matthäus. Grosse Glocke, 1526, mit einem Kruzifix in Re- lief und den Namen Jesu Christi ^^'jiO-^'^^^^und der Maria. Totenglöck- ^^~^lein, 1609, von Peter Nelmann

gegossen (Lötz).

''ig. 17. Battenfeld. Kirchturm.

Von dem al- ten STADT- SCHLOSS ist nur noch ein Keller mit rund- bogigem Ton- nengewölbe und rundbogigem

Eingang, anscheinend aus dem 16. Jahrh. herrührend, unter dem Pfarrhause vorhanden.

Von der Ruine des Schlosses Kellerberg auf dem Burgberge steht nur noch ein runder Turm in Bruchsteinmauerwerk.

DAS RATHAUS, ein stattlicher Holzbau, mit (neu) beschieferter West- und Nordseite, erhebt sich mit einer hohen Freitreppe auf der höchsten Stelle des an- steigenden Marktplatzes. Auf den Ecken der nach Westen gewendeten Giebelseite springen im zweiten Stockwerk zwei achteckige Erker vor. Die Südseite hat vom ersten Stockwerk an einen starken Überhang, der auf Holzsäulen gestützt ist.

BATTENFELD, PFARRKIRCHE.

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Fig. IS. Battenfeld. Pfarrkirche. Längsschnitt.

BATTENFELD.

Aufnahme^von Lechner in „Denkmäler deutscher Baukunst, dargestellt von dem Hess. Verein für die Aufnahme mittelalterlicher Kunstwerke zu Darmstadt", 1856, l. Bd.

ATTENFELD, 1,5 km östlich von Battenberg im Edertal gelegen, ist ein grosses Kirchdorf, von dessen Wohlhabenheit eine beträchtliche Anzahl gut erhaltener Fachwerkhäuser in der derben, dem hessischen Charakter verwandten Bauweise der Gegend zeugen.

DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE ist eine durchweg gewölbte Pfeiler- basilika mit Querschiff, quadratischem Chor und viereckigem Westturm, deren Seiten- schiffe verschwunden sind ; in Bruchstein mit Sandstein ausgeführt. Die Formen

Fig. 19. Battenfeld. Pfarrkirche. Grundriss.

deuten auf das 12. Jahrhundert. Das Innere macht durch die plumpe Pfeilerbildung und die durch Aufhöhung des Bodens verminderte Höhe einen schweren Eindruck.

Die zwei nahezu quadratischen Schiffsjoche haben Blendbogen auf kleinen Eck- pfeilern und sind durch einen auf einem viereckigen Pfeiler aufsetzenden ungegliederten Gurt im stumpfen Spitzbogen getrennt. Die Kämpfergesimse der scharfgratigen Kreuz- gewölbe, die im späteren Mittelalter erneuert zu sein scheinen, bestehen aus ein-

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BATTENFELD.

Fig. 20. Battenfeld. Pfarrkirche. Tiirbesclilag.

fachen Schmiegen. Die vermauerten niedrigen Seitenarkaden, aussen und innen erkennbar, haben teilweise mit Schuppen und Zahnschnitt verzierte Kämpfergesimse auf den sehr breiten Pfeilern.

Der Bogen nach der Vierung ruht auf Pfeilern mit mehrfach abgetreppten Vorlagen und einem Kämpfergesims aus Platte und Kehle zwischen zwei Wülsten. Das niedrige, romanisch rundbogige Kreuzgewölbe der Vierung ist von eben- solchen Gurten umgeben; die Kreuzflügel mit schmalen Tonnen geschlossen. In den Schildmauern des Querschiffs stehen je zwei kleine rundbogige Fenster, in den Schiffsjochen je ein solches. Der Chor, etwas schmäler als das Schiff, hat ein spitzbogiges Kreuzgewölbe mit im Scheitel verlaufenden Gräten, die auf kleinen Eckpfeilern aufsetzen. In der Süd- und Ostwand des Chors öftnen sich grosse spitzbogige Fenster ohne Mass- werk mit schrägen Gewänden.

Das Erdgeschoss des Turmes, von aussen unzugänglich, ist mit einem kup- pelartigen rundbogigen Kreuzgewölbe überdeckt und öffnet sich nach dem Schiff in einer Rundbogentür mit abge- trepptem Gewände und rohem roma- nischem Kämpfergesims. Im äusseren steigt der Turm völlig schmucklos ohne Fenster auf und trägt eine gotische Spitze, die von vier hölzernen und beschieferten Ecktürmchen umgeben ist. Auch sonst

ist das Äussere der Kirche völlig schmucklos und ohne Gesimse.

An der Nordseite des Chors schliesst sich die mit zwei rundbogigen Kreuz- gewölben überdeckte Sakristei an.

An Skulpturen ist eine an der äusseren Giebel wand des Querschiffs hoch eingemauerte Rüterfigur mit Schild zu erwähnen, eine sehr primitive Arbeit aus der Entstehungszeit der Kirche. Im Scheitel des Trennungsgurtes der beiden Schiff- gewölbe sind zwei Wappenschilde in spätgotischer Form angebracht.

BREIDENBACH, PFARRKIRCHE.

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Die Nordtür des QuerschifFs besitzt noch ihren alten romanischen Beschlag von sehr charakteristischer Form. Einzelne Teile fehlen, andere sind bei einer Herstellung an unrichtiger Stelle angebracht ; doch konnte er in Fig. 20 nach den auf dem Holz zurückgelassenen Spuren in"der ursprünglichen Form wiedergegeben werden.

Fig. 21. ßi i ideiibach. Malerei am Gcsinisbretl der Kirche.

BREIDENBACH.

Kremer, Origines Nass. 2, 51. Archiv f. hess. Geschichte, Darmstadt 1836, i. 2. 231.

AS Pfarrdorf Breidenbach am Perfbach, kurz unterhalb von dessen Vereinigung mit dem Dietebach, liegt 6 km west-südwestlich von Bieden- kopf in einem breiten, äusserst fruchtbaren Talgrund, der nach ihm seinen Namen trägt. Früher waren hier 30 Orte eingepfarrt, jetzt sind

deren noch 10.

Der Ort besass schon 913 eine Kirche, die dem Stift Weilburg gehörte. Die zu ihr gehörige Kapelle zu Yzenhusen (Ober-Eisenhausen im oberen Perftal) wurde 1103 von ihr getrennt. Im frühen Mittelalter wird Graf Eb er hard , Konrads I. Bruder, als Herr im Grund Breidenbach im Perfgau, einem Untergau des Oberlahngaus, ge- nannt. Um 1 100 übte Graf Werner als Vogt hier die oberste Gerichtsbarkeit aus. Diese ging nach Aussterben seines Geschlechtes zunächst an die Grafen von Batten- berg und hierauf an die Herren von Breidenbach und Breidenstein über.

DIE PFARRKIRCHE ist eine dreischiffige, dreijochige Hallenkirche, die den Übergangsstil des 13. Jahrhunderts zeigt. Der Bau ist sehr plump in Bruchsteinen gemauert, hat quadratischen Chor und ebensolchen Westturm, beide der Breite des Mittelschiffs entsprechend.

Die Mittelschi ff spfeiler haben quadratischen Querschnitt mit drei vorgelegten Halbsäulen, auf denen die ungegliederten Gurtbögen aufsetzen. In den Seitenschiffen laufen diese unmittelbar von den Pfeilern aus, denen an den Seitenschiffwänden breitere Vorlagen entsprechen, sodass sich auch die Gurte hierher verbreitern. An der Turmseite werden die Längsgurte ebenfalls von Halbsäulen aufgenommen; an der Chorseite fehlen diese. Die Halbsäulen haben plumpe, gemauerte Würfelkapitäle ohne Halsring, deren Deckplatten nicht um den viereckigen Pfeilerkern verkröpft sind.

2

18

BREIDENBACH.

Der breite, ungegliederte Chorbogen ist stark eingezogen; sämtliche Bögen zeigen den stumpfen Spitzbogen des 13. Jahrhunderts mit Ausnahme der Schildbögen in den Seitenschiffen, die den Halbkreis haben. An der Ostwand jedes Seitenschififs

ist eine rundbogige Altarnische ausgespart. Die Ge- wölbe des Mittelschiffs wie des Chors und des Turm- Erdgeschosses sind sehr hochbusige Kreuzgewölbe mit im Scheitel verlaufenden Rippen; die Seitenschiffjoche sind mit halben gleichartigen Gewölben überdeckt.

Von den schlanken Fenstern des Schiffs haben einige noch den Rundbogen; andere haben wohl bei einer späteren Veränderung spitzbogigen Schluss er- halten. Ebenfalls später eingesetzt sind die Chorfenster; eins in der Ostwand, das seinen Mittelpfosten verloren hat, mit flachprofiliertem Steingewände und einem Vier- pass auf zwei Spitzbogen, und ein südliches Fenster mit Fischblase über zwei nasenbesetzten Rundbogen.

Im Äussern befinden sich unter der Sohlbank dieses Fensters zwei quadratische Blenden mit Nasen- verzierung; sie ent- halten zwei Wap- pen, eins das Brei- denbachsche mit der doppelten Wolfs- angel, das andere in der unteren linken Hälfte zwei oder drei Sparren, in der oberen rech- ten nichts enthal- tend; dazu die In- schrift: Anno do- mini mcccclxxix (1479) gerard von

Breidbach, Lvse sin husfrawe (Lötz). Eine rundbogige Tür mit ungegliederter Ein- fassung führt in das nördliche Seitenschiff; die Westtüre, die in das sich in voller Breite gegen das Mittelschiff öffnende Turm-Erdgeschoss führt, ist neueren Datums. Das Äussere der Kirche ist völlig schmucklos, durch später angebaute gewaltige Strebepfeiler, die nach oben stark geböscht sind, verunziert. An der Südwestecke hat sich an dem schrägen Gesimsbrett noch die Spur einer flotten Malerei hellrot auf dunkelrot erhalten.

Der völlig schlichte Turm, dem an der Nordwestecke ebenfalls ein Strebepfeiler vorgelegt ist, hat einen sehr schlanken Helm, dessen Gratsparren um ein Achtel ge-

Fig. 22. Breidenbach. Kirchturm.

PFARRKIRCHE.

19

dreht sind. Am Fuss wird er von vier einwärts geschweiften Giebeln mit Nasengauben begleitet, die eine htibsche Silhuette geben. Im obersten Geschoss des Turmes öffnen sich vier kleine spitzbogige Schallöffnungen.

Fi^. 23. Breidenbaeft. Pfarrkirche. Durchschnitt.

Das Innere der Kirche ist stark durch Emporen verbaut; das Gestühl der Herren von Breidenstein rechts und links neben dem Chorbogen zeigt ein gutes Barock.

Fig. 24. Breidenbach. Pfarrkirche. Grundriss.

Von sehr schöner Renaissance-Arbeit mit reichem Intarsienschmuck ist die Kanzel, welche die grösste Ähnlichkeit mit der früheren Kanzel aus der Kirche in Biedenkopf, jetzt im städtischen Museum zu Frankfurt, zeigt (s. Fig. 6).

2*

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BREIDENSTEIN. BROMSKIRCHEN.

BREIDENSTEIN.

'ON Breidenbach 3,5 km im Perftal abwärts liegt die ,,St(idt" Breiden- stein, ein alter Ansitz der Herren von Breidenbach, die hier ein neueres Schloss mit Park besitzen. Die Brüder Gerlach und Johann von Breidenbach, Johannes von Breidenbachs Söhne, trugen 1395 dem Landgrafen Hermann von Hessen zu Lehen auf „den Hubenberg samt der Burg, die sie auf demselben erbauen wollten". 1398 erhielten sie vom Kaiser Wenzel die Erlaubnis, unter den Mauern der Burg, genannt Breidenstein, ein Städtchen an- zulegen (Urk. b. Senckenberg, Selecta juris et historiarum 5, 55). Zeit und Art der Burg sind unbekannt (Schmidt, i, 243, 246).

Nur Stücke der Ringmauern der Burg von Bruchsteinen sind noch vorhanden (Lötz).

Die kleine KIRCHE (Filialkirche von Breidenbach) ist architektonisch unbedeutend, auf zwei Drittel der Höhe in Bruchsteinen gemauert, darüber ein Holzdrempel mit sichtbarem Zimmerwerk, auf dem Dache ein kleines Glockentürmchen.

BROMSKIRCHEN.

Denkmäler der deutschen Baukunst, Darmstadt 1856 (Abbildung).

ER Marktflecken Bromskirchen, der nördlichste Ort des Regierungs- bezirks, 21,5 km nordöstlich von Biedenkopf im Lensphetal, gehörte als Fromeldiskirchen zum Oberlahngau und war Sitz eines Centgerichts unter dem Obergericht Wetter. Aus dem Besitz der Herren von Battenberg kam es 1238 an Mainz, das es 1464 mit anderen Ortschaften an den Landgrafen Heinrich II. von Hessen verpfändete.

Die evangelische PFARRKIRCHE ST. MARTIN soll zu einem Nonnenkloster gehört haben. Der jetzige Bau zeigt verschiedene Entstehungszeiten. Das Schiff stellt sich als den Rest einer dreischiffigen romanischen Basilika dar, deren Seitenschiffe wahr- scheinlich zur Reformationszeit abgebrochen worden sind. Die zwei Joche des wohl schon ursprünglich flachgedeckten Mittelschiffs haben Wandblenden mit halbkreis- förmigem Schluss ; sie waren durch einen Gurtbogen getrennt, dessen Pfeilervorlagen jetzt auf Kämpferhöhe aufhören. In jedem Joch öffneten sich zwei niedrige Arkaden nach den Seitenschiffen, deren Bogen auf sehr kurzen und breiten Mauerpfeilern mit verzierten Kämpfersteinen aufsetzen. Die Sockel liegen unter dem Kirchenfussboden. Die Arkarden sind jetzt zum Teil ganz geschlossen, zum Teil als Fenster benutzt. Die ursprünglichen Oberfenster sind im spätesten Mittelalter, etwa im 16. Jahrhundert, durch grössere mit Vorhangbogen geschlossene Fenster ersetzt. Der im halben Seckseck geschlossene, flachgedeckte Chor ist inschrfftlich 1700 erbaut. Die verzierten

PFARRKIRCHE.

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Schmiegen der Arkadenpfeiler sind teils mit schuppenartigem, teils mit Blattornament geziert, dessen Formen auf das 12. Jahrhundert deuten; zuweilen wechselt das Ornament an verschiedenen Seiten desselben Pfeilers.

Fig. 25. Bromskirchen. Pfarrkirche.

Eine WesttUr, inschriftlich von 1585, ist rundbogig geschlossen und reich profiliert ; von den Rundstäben ist der eine gewunden, der andere hat einen ge- wundenen Sockel.

Ein Turm ist 1644 abgebrochen, an seiner Stelle ist über dem beschieferten Westgiebel ein viereckiger Dachreiter mit achteckigem Helm erbaut. Das Äussere ist ganz schmucklos in Bruchsteinen erbaut und verputzt. Die Emporen im Innern zeigen gute Holzarbeit; sie wurden inschriftlich 1580 errichtet.

Der Ort besitzt einige einfache, aber charakteristische Holzbauten. Der stattlichste ist das neben der Kirche stehende Rathaus, dessen zierliche Tür die Jahres- zahl 1619 trägt.

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BUCHENAU.

BUCHENAU.

flS^i^yAS Dorf Buchenau, 6,5 km südöstlich von Biedenkopf, 1,5 km von der VwöKqR Grenze des Regierungs-Bezirks Kassel an der Lahn gelegen, besitzt eine ^p^^^K wahrscheinlich der Spätgotik angehörige Kirche von geringem kunst- VÄShC*-* geschichtlichem Interesse. Sie ist einschiffig und flachgedeckt. Der Chor, im Erdgeschoss des an der Ostseite liegenden Turmes untergebracht, zeigt in seinem rippenlosen Kreuzgewölbe und im Chorbogen den Spitzbogen. Einige Fenster haben

iHHllllll I I I I I I I I I I

Fig. 26. Buchenau. Haustüre.

BUCHENAU, KIRCHE. DAUTPHE.

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spätgotisches Masswerk auf Mittelpfosten. Eine vermauerte Tür in der Nordwand ist rundbogig geschlossen.

DIE KIRCHE ist die Begräbnisstätte der Familie von Döring, vo^ der drei Grabsteine Kunde geben: 1. Der mit der lebensgrossen Figur des Ritters und wappen- geschmückte des Philipp von Döring, t 1563; 2. Grabstein „die edel und tugenthafte frawe Magdalena Döringer, geborne von der Lip gnt. Htm der got gnot", t 1575, eine gute Renaissancearbeit mit schöner Schrift und vier Wappen, von der Lip gen. Hun, Rozheim, von Ulmen und Winnenberg ; 3. Alexander v. Döring von Elmshausen, t 1596, mit langer lateinischer Inschrift und dem Sinnspruch: ,,Le dernier ou la fin de tout est la mort."

Eine bemerkenswerte Bauernarbeit ist ein tragbarer Opferstock aus Holz, von becherartiger Form und durch Hohlschnittverzierung gefällig geschmückt (Fig. 34).

Das Dorf Buchenau ist mit geringen Ausnahmen an der nach dem Bahnhof führenden Strasse ein fast unberührtes Beispiel eines in malerischer Schönheit er- haltenen Fachbaudorfes, dessen stattliche Häuser und Gehöfte sich frei von jedem Fluchtlinienzwang gruppieren. Eins der grössten, das Haus Nr. 64, in dem früher eine Schmiede betrieben wurde, hat in den fächerförmig geschnitzten Sockelstreben der Pfosten und in den bandartig gewundenen Füllbrettern zwischen den Balkenköpfen schon deutlichen Anklang an niederhessische Art. Sehr hübsch ist auch die mit der Jahreszahl 1682 bezeichnete Haustüre, die Fig. 26 dargestellt wird.

DAUTPHE.

AS Pfarrdorf D a u t p h e , 6 km südlich von Biedenkopf gelegen, wird schon 970 erwähnt, und war im 15. Jahrhundert Gerichtsort über 13 Dörfer.

DIE PFARRKIRCHE besteht aus drei durch Vertikalfugen im Mauerwerk getrennte Teile, von denen die beiden westlichen jetzt unter einem Dach vereinigt sind : einem Westteil, wahrscheinlich dem Erdgeschoss eines unvollendet gebliebenen Turms, dem aussen ebenso breiten Schiff und dem ein wenig eingezogenen Chor. Über diesem hat man, wie schon aus der besonderen Stärke seiner Mauern geschlossen werden kann, einen Turm errichtet, nachdem der Bau des West- turms aufgegeben war. 1823 ist derselbe durch Blitzschlag zerstört und der Rest mit einem niedrigen Dach mit achteckigem Glockentürmchen auf der Spitze versehen worden.

Der Westraum, ohne Fensteröffnungen, hat flache Decke. Bemerkenswert ist er durch das im Äusseren und Inneren sichtbare Ährenmauerwerk ; an der Südmauer sind immer zwei bis drei Schichten in dieser Art, übrigens nachlässig gemauert; ihnen folgen zwei Schichten in lagerhaftem Verband. Eine roh gemauerte Öffnung mit stumpfem Spitzbogen verbindet diesen Raum mit dem Schiff; sie ist durch eine hübsche, gestäbte Holztür mit der Jahreszahl 1534 verschlossen

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DAUTPHE.

Gleichzeitig mit dem Westbau, Anfang des 13. Jahrhunderts, scheint das Schiff zu sein, das einschiffig und flach gedeckt ist. Seine Mauern zeigen gute Bruchstein-

I I I I I I I I Ai-tilvd Cjrundnlj öie Eiiifclheitfii iuHOjndic» lllnjslab

Fig. 27. Dautphe. Pfarrkirche. Grundriss und Einzelheiten.

ausführung , hier .und da mit Spuren von Ährenverband; Ecken und Ttir- und Fenster- umkleidungen in Haustein. An den vier Ecken ragen oben unter dem Dache zierlich profilierte Kragsteine vor; in der Nähe der Südv^estecke ist eine kleine kreisrunde Öffnung, die innen in einer viereckigen Blende liegt. Die kleinen romanischen Fenster

PFARRKIRCHE.

25

Fig. 28. Emporen- und Uiileraug-Sliitaeit.

mit schrägen in guter Hausteinarbeit ausgeführten Gewänden liegen hoch; daneben kommen auch einige gotische und dem Barockstil angehörige Fenster vor. In der Süd- wand ist eine rundbogige Türe mit glattem Gewände.

Die Ostmauer des Schiffs fehlt, sodass der Chorbogen in der Westmauer des Chors liegt, die hier 1,83 m Stärke hat, während die andern Chormauern 1,75 m dick sind. Der Chor verrät in seinen Architektur- formen seine Entstehung in frühgotischer Zeit, etwa zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Der hohe, ungegliederte Chorbogen ist spitzbogig mit schön profiliertem Kämpfer- gesims ; ebenso das Chorgewölbe mit Rippen aus stumpfem Birnstab zwischen Hohlkehlen, und einem Schlusstein mit einem von acht Blättern umgebenen Kopf. Die Eckdienste des Gewölbes sind bis auf die Kapitäle und den achteckigen Sockel zerstört. Das Ost- fenster des Chors hat frühgotisches Mass- werk, das, von einem mit Kapitälchen und Sockeln versehenen Rundstab begleitet, aus zwei nasenbesetzten Spitzbögen und Kreis mit Dreipass besteht. Die Süd- und Nord- fenster sind einfacher und ohne Rundstab, auch zum Teil zerstört. In der Südwand -s^ des Chors befindet sich eine hübsche früh- Fig. 29. Dautphe. Emporensiatse.

26

DAUTPHE, PFARRKIRCHE.

gotische Tür, das Gewände mit einem Eckrundstab belegt, der auf dem Sturz ein flach ausgegründetes Tympanon in Kleeblattform mit bewegten Lilienblumen bildet.

Im Chor ist eine frühgotische Piscina erhalten, in einer viereckigen Nische liegend, die oben mit einem hohen spitzbogigen , nasenbesetzten Blendbogen endigt.

Die Altarmensa, mit abge- schrägten Ecken, besitzt noch ihre schön frühgotisch profilierte Platte (grosse Kehle zwischen zwei Rund- stäben, darüber Platte).

Von sehr kräftiger Zeichnung sind die Emporbühnen des Schiffs, inschriftlich von 1543; auch ein Fa- milie i ige stühl an der Nordseite zeigt Spätrenaissanceformen von einem gewissen Reichtum und trägt die In- schrift : Jere- mias Breiden- stein für mich und meine Er- ben lassen die- sen Stuel berei- ten anno Do- mini 1619. Aus derselben Zeit dürfte auch die reich ornamen- tierte, der frühe- ren Biedenkop- fer sehr ähnliche

Fig. 30. Dexbach. Pfarrkirche. Kanzel sein.

DEXBACH. FRANKENBACH.

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DEXBACH.

jpjJl^iK^ AS Pfarrdorf Dex bach , im engen Waldtal des Treisbaches, 5,5 km nord- ksÄ^^JsIc östlich von Biedenkopf gelegen, hat eine der Spätgotik angehörige ein- ^■?5f5<3)f\ schiffige Pfarrkirche. Das Schiff enthält zwei Joche, durch einen breiten VCrK.»»-. Gurtbogen getrennt, der, wie die kräftig eingesetzten Schildbögen spitzbogig und ganz ungegliedert ist und auf Wandpfeilern ohne Kämpfergesims aufsetzt. Die rip- penlosen Kreuzgewölbe verlaufen gegen den Scheitel kuppelartig. In der Südwand eine Türe mit geradem Sturz; die Fenster der Süd- und Westwand sind bei einer nach 1874 ausgeführten Herstellung gleichmässig im Spitzbogen überdeckt worden, das im östlichen Joche mit einfachem Masswerk auf Mittelpfeiler. Der Chor, im äusseren schmäler als das Schiff, hat ein spitzbogiges Kreuzgewölbe, dessen hohlprofilierte Rippen auf runden Eckdiehsten aufsetzen ; diese haben schlichte runde Sockel und kelchförmige, vieleckige Kapitäle; den Schlussstein des Chorgewölbes deckt ein spätgotischer Schild mit dem Buchstabens. Diebeiden Chorfenster haben Fischblasenmasswerk auf einer Mittelstütze.

Das Chordach ist auf seiner östlichen Hälfte durch einen Holzdrempel erhöht; auf dem First erhebt sich ein hölzerner, beschieferter Dachreiter, dessen Dach die Eigentümlichkeit zeigt, dass seine Giebel sich nicht über den Seiten, sondern über den abwechselnden Ecken erheben und dadurch in der Mitte gebrochen sind.

FRANKENBACH.

l^%^yj:RANKENBACH. DORFKIRCHE. In dem als Chorraum dienenden Erd- Vj^^^l^i^J geschoss des Turmes sind bei einer im Jahre 1909 vorgenommenen Her- u^bÄ^i«^ st^ll^'^S Anstrichs Wan dbil der am Gewölbe und den Wänden zutage oi^iei^^ getreten, die Evangelisten darstellend, die auf das Ende des 15. Jahrhunderts deuten. Sie wurden erhalten und fixiert.

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FRIEDENSDORF.

FRIEDENSDORF.

>^BTRAGUNG DES UNTERZUG^ VOIM?En CHORBO&EN

AS Dorf Fried ensdorf liegt 7,5 km südlich von Biedenkopf im Lahntal. Seine kleine KIRCHE besitzt einen dem 13. Jahrhundert angehörigen Chor, übrigens einen völlig schmucklosen, viereckigen Basaltbau mit Kreuzgewölbe, dessen Gräte auf Eckpfeilern ohne Kämpfergesims auf- ruhen. Der Chorbogen und die

kleinen Fenster sind spitzbogig mit schlichten Schrägen.

Das flachgedeckte, aus Fach- werk gebaute Schiff ist bemer- kenswert durch die schöne und sorgfältige Arbeit der einen mitt- leren Unterzug tragenden Stützen, die in Fig. 31 abgebildet sind; der untere Teil mit ^1^^ flachen Kerbschnitten ver- ziert. Um den Chorbogen nicht durch einen Pfeiler zu verstellen, hat der Zimmer- mann einen Wechsel auf zwei Ständer neben dem Bogen gelegt, der ge- schickt gegen den Unterzug verstrebt ist.

Der Kir- c h enf u s sbo- den zeigt ein besonders hüb- sches Beispiel der in der Ge- gend häufigen

Pflasterung mit Lahnge- schieben, die in Reihen fisch- grätenartig an-

^K'i. 32. Friedensdorf. Pfarrkirche. Deckenstütse undtPßasterung. geordnet und

am Chor wie an der Westtür durch Rosetten unterbrochen sind. Die West tür hat noch die alten, einfach jaber ^übsch gearbeiteten Eisenbänder. Friedensdorf ist in seinen Fachwerkhäusern noch reich an eingeritzten und schwach nachmodellierten

PFARRKIRCHE.

29

Putz-Verzierungen, eine Technik, die im Kreise Biedenkopf bis in die jüngste Zeit gepflegt wird. Das jüngste Beispiel ist vom Jahre 1893 datiert. Auf dem im letzten Kapitel d. B. („Holzhäuser") mitgeteilten, 1878 ausgeführten Beispiel nennt sich als Meister „Dam von Holzhatisett (bei Gladenbach) verfertigt von Schneider, den 12. Juli".

|riiiiiiii| r I I I I I I I I I Fig. 33. Frohnhausen. Pfarrkirche. Längsschnitt und Grtindriss.

30

FROHNHAUSEN.

FROHNHAUSEN.

Jas evangelische Pfarrdorf Frohnhausen liegt 9 km nordöstlich von Riedenkopf in einem anmutigen Wiesental am südlichen Fuss des Ziegen- bergs und des höheren Kohlenbergs.

Seine KIRCHE, in die auch das benachbarte Dorf Oberasphe ein- gepfarrt ist, soll zu einem Benediktiner-Nonnenkloster gehört haben, das seit der Re- formation verschwun- den ist. Sie stellt in ihrem jetzigen Zustand eine kleine romanische, gewölbteBasilikaohne Querschiff und mit feh- lendem stidlichen Sei- tenschiff dar. Die Ge- wölbe des nördlichen Seitenschiffs und des Mittelschiffs sind zer- stört ; ersteres ist jetzt flachgedeckt ; das Mit- telschiff ist später, viel- leicht zur Zeit der Her- richtung für den pro- testantischen Gottes- dienst, mit einem qua- dratischen, rundbogi- gen und zwei oblon- gen, scharf spitzbogi- gen Gewölben aus Holz und Lehmsta- kung überdeckt. Zur selben Zeit dürfte auch der viereckige, aussen beschieferte Dachrei- ter mit achteckigem Helm auf der West- seite entstanden sein, zu dessen Unterstüt- zung durch die Mitte des westlichen Joches eine Fachwerkwand

Fig. 34. Frohuluaisen. Holsverzicriuiguiul Haustür. gezogen worden ist.

OPrtRiTOCK.NBULHtNAU HOLZ m Mf3SINCTLLLEi\

FROHNHAUSEN, KIRCHE. GLADENBACH.

31

Im Chor ist noch das ursprüngh'che rundbogige Kreuzgewölbe mit im Scheitel verlaufenden Gräten vorhanden, die auf Eckpfeilern aufsetzen. Die Fenster sind zum Teil in gotischer Zeit, zum Teil später erweitert; in der Nordwand ist eine späte spitzbogige Tür mit gefastem Gewände. Die Sakristei nördlich neben dem Chor ist mit einer Längstonne überdeckt. Vor dem Altar steht ein Taufstein in roh-spät- gotischen Formen mit der Jahreszahl MVXII (1512).

Von den vier Glocken hat nur die grösste eine Inschrift : tllaria JOl)anCS ftcis

Id!) in godes namen leidet man mid) bes roeter uertreiben id). Darunter Christus

am Kreuz mit Maria und Johannes in Relief. 16. Jahrhundert.

An den Holzhäusern des Ortes befindet sich manche hübsche Schnitzerei, wo- bei die häufige Anwendung des Rades auffällt. Eine charakteristische Haustür aus dem 17. Jahrhundert besitzt noch das Bürgermeisterhaus.

Fig. 35. Gladenbach. Marktplatz.

GLADENBACH.

ER Marktflecken Gladenbach liegt 16,5 km südlich von Biedenkopf in einem Nebental der Salzböde an der Bahn Niederwalgern - Herborn. Der stattliche Ort ist der Hauptort des ehemaligen hessischen „Hinterlandes". Die evangelische KIRCHE ST. MARTIN stellt sich als eine ur- sprünglich flachgedeckte romanische Pfeilerbasilika dar, die in spätgotischer Zeit einen durchgreifenden Umbau durch Hinzufügung eines im Achteck geschlossenen Chors und Einwölbung des Mittelschiffs erfahren hat. Durch die tiefe Lage der Ar- kadenkämpfer und eine fast beispiellose Verbauung mit mehrgeschossigen hölzernen Emporen macht das Innere einen wenig erfreulichen Eindruck.

Die ursprüngliche Anlage hatte drei Bogenstellungen des Mittelschiffs, von denen die westlichen ganz schmal und rundbogig, die beiden folgenden in gedrücktem

32

GLADENBACH.

Spitzbogen überwölbt sind. Die Pfeiler sind von ungewöhnlicher Breitenausdehnung. Das letzte Pfeilerpaar vor dem Chor hat flache Vorlagen, denen ebensolche Wandpfeiler

I I I I I I I I I I I

Fig. 3b. Gladenbach. Pfarrkirche. Grundriss. an den Seitenschiffwänden entsprechen. Diese Vorlagen, die jetzt dicht über Kämpfer- höhe abgebrochen sind, trugen wahrscheinlich im Mittelschiff den Chorbogen, dem

Fig. 37. Gladenbach. Pfarrkirche. Westteil.

34

GLADENBACH.

ein quadratischer Chorraum mit rundbogiger Öffnung nach den Seitenschiffen folgte; diesem dürfte sich eine runde Hauptapsis angeschlossen haben, die beim Neubau des Chors entfernt wurde. Ob auch die Seitenschiffe, die man sich ebenfalls mit Rundbogen über den erwähnten Vorlagen abgeschlossen zu denken hat, Nebenapsiden besassen, würde sich nur durch Fundamentaufgrabungen nachweisen lassen.

Fig. 39. Gladenbach. Aller Pfarrhof.

Die Obermauer des Mittelschiffs ist noch von den ursprünglichen kleinen roma- nischen Rundfenstern durchbrochen, die ohne Achsenbeziehung zu den Schiffarkaden verteilt sind; diejenigen des früheren Chorraums stehen näher zusammen und sind durch einen grösseren Zwischenraum von den übrigen getrennt. Die Rundbogenfenster in den flachgedeckten Seitenschiffen scheinen in neuerer Zeit vergrössert zu sein. Bei der Überwölbung in gotischer Zeit wurde die ganze Länge des Schiffs in vier an- nähernd gleiche Felder geteilt. Die spitzbogigen Kreuzgewölbe haben einfach gekehlte Rippen, die auf schlichten Konsolen aufruhen; die romanischen Oberfenster sind zum

KIRCHE ST. MARTIN.

35

Teil in die Gewölbkappen eingeschnitten. Der Chor hat zwei Kreuzgewölbe mit gleichem Rippenprofil und Konsolen, deren einer an der Nordwand ein Wappenschild angefügt ist, das in roher Arbeit Kelch und Hostie trägt. Der jetzige Chorbogen ist an der Westseite abgefast. Die zweiteiligen Chorfenster mit schrägen Gewänden haben spätgotisches Mass werk. Zwei Türen in der Süd- und Westfront sind in schlichtem Rundbogen ohne alle Profile geschlossen.

Das Äussere ist verputzt und ohne architektonische Gliederung; ein Dachgesims fehlt. Das Dach trägt zwei Dachreiter, von denen der westliche, grössere, viereckig, der kleinere über dem Chor sechseckig ist.

Im Chor ist ein gleichzeitiges, sehr verstümmeltes Wandtabernakel mit profi- lierten Eckpfosten und einem Blendgiebel, dessen Spitzbogen mit Fischblasenmasswerk gefüllt ist ; am Gesims zwei Wappen.

Der Ort, der durch seine Lage am Hügel malerische Strassenbilder bietet, ist leider durch zahlreiche moderne Bauten seines ursprünglichen Charakters stark ent- kleidet. Einige alte Holzhäuser von gutem Charakter sind erhalten, unter denen besonders der alte Pfarrhof mit dem Namen des Erbauers Johmin Wacke, 1607 (jetzt in Privatbesitz) unterhalb der Kirche zu nennen ist, mit hübscher Haustür und Schnitzereien zwischen den Balkenköpfen des Überhangs. Ein anderes, von einem Bäcker bewohnt, im obersten Teil des Ortes trägt den Na.men Johnini Jost Roth, 1798 und am Stall die Inschrift ,, Werkmeister war der berühmte Zimmermeister Jakob Blöcher su Gladenbach, 1800." Ein drittes steht am unteren Ausgang des Ortes jenseits des Baches an der Brücke.

Ein guter Barockbau ist das jetzige K at a s t e r am t an dem kleinen Marktplatz, der, durch das staffeiförmige Zurücktreten der Häuser der Marktstrasse gebildet, ein gutes Architekturbild bietet. Das Katasteramt ist ein zweistöckiger Massivbau von fünf Fenstern Front mit Mansardendach. Seinen Hauptschmuck bildet der mit der Haustür architektonisch zusammengezogene Balkon, dessen gutgezeichnetes Schmiede- gitter die gekrönten Buchstaben L L (Landgraf Ludwig) enthält. Die Stockwerk- treppe hat ein hübsches Geländer von ausgesägten Brettern (s. Fig. 35).

Fig. 40. Gladenbach. Gitter am Katasteramt.

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GÜNTEROD. HARTENROD. HATZFELD.

GÜNTEROD.

^^ÜNTEROD, 20 km südlich von Biedenkopf gelegen, besitzt in der KIRCHE ST. PETER einen unbedeutenden einschiffigen Bau mit schmälerem, vier- eckigem Chor, der dem ährenförmigen Verbände seines Mauerwerkes und der (vermauerten) Rundbogentür an seiner Südseite zufolge noch aus der romanischen Bauzeit (12, oder 13. Jahrhundert) herrührt, aber 1809 seinen Chorbogen und seine alten Fenster verloren hat. Sein achteckiges Helmdach, worin die Glocken hängen, gibt ihm ein turmartiges Aussehen. Das Schiff hat eine hölzerne Tür von 1729.

Zwei Glocken : die grössere von 1453, die kleinere ohne Jahreszahl mit der In- schrift: joöan bruiDilre gois mid) (Lötz).

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HARTENROD.

ARTENROD, 18 km südlich von Biedenkopf.

Taufstein aus der 1845 abgebrochenen alten Kirche, spätgotisch, achteckig mit Reliefschmuck : Christus, Maria, Blumen, Wappen. Steht seit etwa 35 Jahren vor der Tür des Wirtshauses als Wasserbehälter (Dr. Ph. Dieffenbach; Pfarrer Hemmann in Hartenrod, 1875; Lötz).

In dem wohl von altersher wohlhabenden Dorfe finden sich noch schöne Bei- spiele von Holzbauten mit ungewöhnlichen Verriegelungen, wie auch gute Haus- türen aus dem 18. Jahrhundert erhalten.

HATZFELD.

AS Städtchen Hatzfeld, 9 km nordöstlich von Biedenkopf, in anmutiger Lage an der Eder, aus deren Wiesental schönbewaldete Berge empor- steigen, lehnt sich an den Bergkegel, auf dem noch geringe Mauerspuren den Stammsitz eines der bedeutendsten hessischen Adelsgeschlechter bezeichnen. Der erste Hatzfeld, Volpertus de Hepisuelt et frater ejus" , erscheinen in einer Urkunde des Erzbischofs Arnold von Köln 1138 bis 1151; zwei andere Namen des Stammes, Volpertus et Godefrid de Hapesveld, werden 1213 genannt (Gudenus, Codex i, 429, 488). Seit 1311 wurde die Burg Lehen der Landgrafen von Hessen, denen sie von den Brüdern Gottfried und Krafto aufgetragen wurde. Die Blüte des Hauses datiert von M e Ich i o r v o n Ha t z f eld (1593 bis "1658), der im dreissigjährigen Kriege sich als kaiserlicher Heerführer auszeichnete und später als kaiserlicher Generalfeld- marschall ein Hilfskorps von 16 000 Mann dem König von Polen in dessen Krieg mit den Schweden zuführte. Schon 1635 in den Reichsgrafenstand erhoben, erhielt er die der Familie Schaffgotsch konfiszierte Herrschaft Trachenburg in Schlesien. Diese

HATZFELD.

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PftlLER NEBLN PER KANZEL

Fig. 41. Hatafeld. Einaelheiten äey Kirche.

wurde 1741 von Friedrich II. von Preussen zum Fürstentum gemacht, was 1748 die Erhebung der Familie in den Reichsfürstenstand zur Folge hatte. Die Stammburg des jetzt noch in mehreren Zweigen blühenden Hauses war noch 1707 bewohnt. Jetzt ist sie bis auf einen Turmstumpf und unansehnliche Mauerreste verschwunden.

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HATZFELD, PFARRKIRCHE.

Einen Kilometer talabwärts von dem Städtchen, an der Stelle des im dreissigjährigen Kriege von den Schweden zerstörten Dorfes Niederhatzfeld, steht auf dem jetzigen Friedhof der Stadt die Emmauskapelle, heute nach einer in den 70er Jahren vorigen Jahrhunderts vorgenommenen Hersteilung kaum noch als Kirche kenntlich. Ursprüng- lich wohl als kleine romanische ßasilika angelegt, ohne alle Kunstformen, hat sie die beiden Seitenschiffe eingebüsst, deren vermauerte Arkaden im Innern noch als Blenden hervortreten, während sie im Äusseren fast bis zur Kämpferhöhe verschüttet sind. Das Hauptschiff hat zwei oblonge Kreuzgewölbe, deren Trennungsbogen auf Wandpfeilern ruht, mit Schildbögen auf Pfeilerecken. Der Chor, dessen Mauern mit denen des Schiffs nicht in Verband gemauert, also wohl etwas später, aber noch im 12. Jahrhundert angebaut sind, ist rechteckig und mit einem Kreuzgewölbe ohne Schildbogen überdeckt, dessen Rippen, ebenso wie bei den Schiffgewölben, nach dem Scheitel zu flach verlaufen. Unter jedem Gewölbe sitzen nahe unter dem Schildbogen kleine rundbogige Fenster. Das flache Zeltdach mit Dachreiter ist neu.

HATZFELD

DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE von Hatzfeld, am Burgberg über dem Ort gelegen, ist ein nicht uninteressanter Holzbau auf massivem Bruchsteinsockel,

der an der Bergseite höher ist als an der Vorderseite. Sie besteht aus zwei viereckigen Räumen, deren vor- derer, das Schiff, 10 m lang und breit, der hintere mit dem Altar 8,60 m lang und 6,30 breit ist. Die flache Decke hat Längsunterzüge, die im vorderen Raum von sechs, im Chor von zwei Pfeilern mit Sattelhölzern und Kopf- bändern gestützt werden. Vor den übrigen schlichteren Rundpfeilern mit achteckigem Sockel zeichnet sich der südliche Trennungspfeiler zwischen Chor und Schiff, neben dem die Kanzel frei aufgebaut ist, auffallend aus durch seine energische und wohlabgewogene Profilierung, die durchweg aus dem 47 cm starken Holz herausgearbeitet ist. Als Untersatz dient ihm ein um-

PEXBACH

Fig. 42. Hatzfeld und Dexbach. Kirchengrundrisse.

gekehrtes romanisches Steinkapitäl, von dessen Säule ein kurzes Stück viereckig ab- gearbeitet ist. Nach den Formen des Holzwerks dürfte als Entstehungszeit der Kirche das Ende des 17. Jahrhunderts anzunehmen sein. Sie als eine für kurze Dauer errichtete Notkirche anzusehen, verbietet die fast elegante Zimmerarbeit. Die Eingangstür neben dem erwähnten Pfeiler zeigt eine primitive Barockumrahmung in ganz flacher Holzschnitzerei und trägt die Inschrift: Erneuert im Jahre 1787. Einer Überlieferung

HATZFELD.

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des Kirchenbuchs zufolge wurde die Kirche 1797 (87?) durch einen Sturmwind stark beschädigt; durch einen Zimmermeister aus Allendorf wurde sie wieder gerade ge- richtet und mit neuen Pfeilern versehen. Vielleicht ist der Kanzelpfeiler der Rest des Zustandes vor dieser Herstellung.

Fifi. -)3. Ruine Herinannstein. Erdgeschoss der Unterburg.

Bemerkenswert ist ein jetzt an der nördlichen Emporenbrüstung im Chor aufge- hängtes Kreuz mit den vier in Vierpässen liegenden und mit gotischen Lilien besetzten Evangelistenzeichen von schöner, spätestens ins 16. Jahrhundert zu setzender Zeichnung.

Eigentümlich ist auch der Fuss der barocken Kanzel; es ist eine auf dem Kapitäl stehende kurze Steinsäule ; wenn dieses auch dem romanischen Kapital unter dem Pfeiler ziemlich treu nachgebildet ist, so lässt die Säule mit ihrem verjüngten und stark geschwellten Schaft ihre Entstehung im 17. Jahrhundert vermuten.

Das kupferne Taufbecken hat als Untersatz einen viereckigen Holzpfeiler, dessen Profilierung mit der des Kanzelpfeilers durchaus verwandt ist.

Der Ort Hatzfeld hat noch eine Anzahl sehr charaktervoller, mit Stroh ge- deckter Holzhäuser, bei denen sich bereits die Nachbarschaft von Westfalen in den gekreuzten, als Pferdeköpfe ausgeschnittenen Giebelbrettern ankündigt. Am Hause des^Schmiedemeisters Wetter ist eine schön geschnitzte Türunirahmung mit Wappen und der Jahreszahl 1711 erhalten.

40

HERMANNSTEIN.

HERMANNSTEIN.

Literatur: Wenck, Hess. Landesgesch. 3. 153 155. C. F. Günther, Bilder aus der hess. Vorzeit, 347 351 (mit Abb.), Darmstadt 1853. G. Landau, Die hess. Ritterburgen und ihre Besitzer (Cassel 1839), 4. 81 90. DiefFenbach, Hermannstein. Hess. Archiv, 7. 167—173. Piper, Burgenkunde (1895) I. 270—272. Abbildungen: Meissner, in Libellus nov. polit. emblem. civitatum. pars Via F. 66.

Tal der Dill, da, wo sich dieses bei seiner Ausmündung in das Lahn- tal zu einer weiten Ebene ausbreitet, 3 km nördlich von Wetzlar, erhebt sich zur Linken des Flusses der Schwarzenberg. An seiner Abdachung ragen auf einem mässig hohen, aber nach zwei Seiten fast senkrecht ab- fallenden Felsklotz die Trümmer der Burg Hermannstein, von weitem kenntlich durch zwei hohe Schornsteine, die über einem mächtigen Turmbau frei in die Luft emporsteigen.

Geschichtliches. Hermannstein ist eine hessische Grenzburg, nach ihrem Erbauer, dem Landgrafen Hermann I., dem Gelehrten, benannt, der von 1376 bis 1413 regierte. Dieser hatte mit den Ritterbündnissen, die sich um diese Zeit im Rhein- und Lahntal bildeten, schwere und langwierige Kämpfe um seine Territorialhoheit zu bestehen. Aus dem eben erst aufgelösten Sternerbund bildete sich ein neuer, der Bund „der alten Minne", in dem wieder seine alten Feinde und Nachbarn, der an der Ausdehnung seiner Herrschaft arbeitende Graf Johann von Nassau-Dillen- burg und Johann von Solms, seine Grenzen bedrohten. Letzterer hatte bürger- liche Unruhen in Wetzlar benutzt, um sich dieser Stadt zu bemächtigen, und Hermann bedurfte gegen diesen Feind eines neuen Stützpunktes, den er sich auf Solmsschem

GESCHICHTLICHES.

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Fig. 45. Ruine Heymannstein von Südost.

Boden, mitten in der durch die Solmsschen Grenzburgen Hohensolms, Königsberg, Wetzlar und Braunfels bezeichneten Linie, unter dem Schutz einer ansehnlichen Streitmacht von 1373 bis 1379 erbaute. Erst durch einen in letzterem Jahre geschlossenen Vertrag wurde die Fehde endgültig beigelegt, das neuerbaute Schloss für alle Zeit den Landgrafen von Hessen als eigen zugesprochen und die Erbauung eines ge- meinschaftlichen Ortes mit einer Burg am Fusse des Hermannsteins vereinbart. Das früher hier gelegene Dorf Mülheim, das wahrscheinlich während dieser Kämpfe zu- grunde gegangen war, wurde wieder aufgebaut und später nach der Burg benannt. Die Talburg scheint nicht zur Ausführung gekommen zu sein.

42

HERMANNSTEIN.

Die weiteren geschichtlichen Erwähnungen der Burg beschränken sich auf mehr- fache Verpfändungen. Im Jahre 1466 war der Pfandinhaber der dortige Amtmann Ludwig von Mudersbach, von dessen Witwe 1481 der Hofmarschall des Land- grafen Heinrichs III., Johann Schenk zu Schweinsberg, die Burg mit tausend Gulden einlöste und mit Bewilligung des Landgrafen in seinen Besitz brachte. Von da ab ist Hermannstein Eigentum der Familie Schenk, in der die Nachkommen

ClNTCRBUFl,C £WTES OBERCE)CHO)b

Fig. 46. Ruine Hermannsteiii. Unterer Grundrtss. jenes Johann einen gesonderten Stamm bilden, der sich die Hermannsteiner Linie nennt. Von diesen wird die Burg, die nie eine gewaltsame Zerstörung erfahren hat, sondern durch Vernachlässigung zur Ruine geworden ist, in diesem Zustande erhalten.

Baubeschreibung. Die Burg besteht aus zwei Teilen, die in ihrer Höhen- lage so verschieden sind, dass das Erdgeschoss des oberen Baues mit dem zweiten Obergeschoss der Unterburg in einer Ebene liegt.

Der eigentliche in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts erbaute Wehrbau ist der mächtige Wohnturm, auf der vorgeschobenen Klippe des Schwarzenbergs erbaut,

BAUBESCHREIBUNG.

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die nur an der Nordseite «Biit dem Bergzug zusammenhängt und hier durch einen tiefen Hohlweg, wohl den ursprünglichen Halsgraben, von ihm getrennt ist. Wahrscheinlich ist dieser Hohlweg, der sich jetzt um den östlich von dem Turm liegenden unteren Bau zum Dorf hinabzieht, im Lauf der Zeit angehöht worden. Nach Nordwest, West und Südwest fällt der den Turm tragende Fels steil ab; an seinen Fuss gruppieren sich die Wirtschaftsgebäude, darunter ein Haus von 1483.

Der Grundriss des Turmes bildet ein verschobenes Viereck von bedeuten- der, im Erdgeschoss durchschnittlich 2,50 m messender Mauerstärke mit drei abgerundeten Ecken, während die vierte, nördliche, einfach abgeschrägt ist. Aus der Angriffsseite (Nordost) springt eine halbkreisförmige, massive Vorlage her- aus, die den Turm auf seine ganze Höhe begleitet. Der Turm enthält zwei hohe, mit Kreuzgewölben überdeckte Räume, deren jeder durch eine Holzbalkenlage in zwei Stockwerke geteilt war. Das oberste Gewölbe bildet die Wehrplatte, über der sich der Wehrgang noch um 3,20 m erhebt. In der Ostecke liegt, nach aussen nicht hervortretend, der Treppen- turm, der vom letzten Absatz unter der Wehrplatte in die Mauerdicke der Nord- ostseite überspringt. In der Mitte dieser Seite tritt die Treppe auf die Wehrplatte aus, um die Ecke für einen der kleinen Rundtürme freizugeben, die, ebenfalls aussen nicht vortretend, die drei abge- rundeten Ecken einnehmen. Durch die vierte, gebrochene Ecke führt ein schma- ler Durchgang zu einem auf zwei Kon-

Fis:. 47. Ruine Herntannstcin. Turnigruiidrisse.

solstemen vorgekragten Abtritt. In der

Südostseite, gerade über dem hier zu ebener Erde liegenden Turmeingang, ist ein Gusserker auf Konsolen vorgekragt; in der gegenüberliegenden Wand ist ein Kamin. Zwei hohe Schornsteine überragen den Wehrgang, unten durch abgesetzt vortretende Verbreiterungen gestützt. Bis 1780 war der Turm mit einem hohen Walm- dach bedeckt, das an den vier Ecken mit Wichhäusern besetzt war (s. Abb. 44). In der Südwestwand ist ein grosses Fenster mit steinernem Kreuzstock, der durch Kehle und Falz gegliedert ist. Ähnliche Fenster sind in den unteren Stockwerken ; nur die Angriffsseite hat keine Durchbrechungen.

44

HERMANNSTEIN.

Von den mit schlicht gekehlten Rippen versehenen spitzbogigen Kreuzgewölben ruht das unterste auf einem achteckigen Mittelpfeiler, der am Fuss und Kämpfer ins Viereck übergeführt ist ; das obere auf einem Pfeiler von quadratischem Querschnitt,

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1

aus dem die Gurte und Rippen glatt hervorwachsen. Im untersten Saal, dessen Fenster auffallend hoch über dem Fussboden liegen, ist ein Ge- wölbefeld durch eine fast bis zur Mittelsäule vorspringende Mauer ab- geteilt ; ein grosser Kaminmantel lässt in dieser Abteilung die Küche ver- muten; im ersten Obergeschoss liegt ein Kamin an der Südostwand.

Der untere Bau entbehrt voll- ständig alle Wehrvorrichtungen ; nur die links neben ihm in ein schmales unteres Höfchen führende Tür ist durch einen aus der Futtermauer vor- springenden Rundturm verteidigt. Im übrigen gibt sich das Gebäude als Herrenhaus aus spätgotischer Zeit zu erkennen. Nichts an den erhal- tenen Bauformen würde hindern.

AO&tBKOCHEN

Fig. 48. Ruine Herniannstcin. Querschnitt NW.fnacli SO.

seine Entstehung um 1480, nach der Erwerbung der Burg durch die Schenksche Familie, zu setzen.

Der in der südlichen Stirnseite gelegene Eingang führt zunächst in einen Raum, dessen vier rippenlose Kreuzgewölbe an den Wänden auf zum Teil roh skulptierten Tragsteinen, in der Mitte auf einer Rundsäule ruhen, die am Sockel ins Sechseck, am Kapitäl ins Viereck übergeht.

KIRCHE.

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Unter dem rechten, hinteren Gewölbe ist ein Einbau aus Steinplatten erhalten, der als Herdplatz oder Räucherkammer zu deuten ist und den Raum als Küche erkennen lässt (s. F"ig. 43). Hinter derselben, durch eine spitzbogige Tür zugänglich, liegen die ebenfalls gewölbten Keller, von denen einer einen. Zugang von aussen hat. Links vom Eingang führt eine sich anfangs um eine abgerundete Mauerecke herumbiegende, dann gerade laufende Treppe in das erste Obergeschoss, das zwar zum grossen Teil ab- gebrochen ist, seine Anordnungen aber noch deutlich erkennen lässt. Es hat an seinem rückwärtigen, an den Fels gelehnten Teil einen Korridor, von dem ungefähr in der Mitte ein schmaler Gang mit Tonnengewölbe bis zur Vorderfront läuft. Dieser teilt das Geschoss in einen grossen Vordersaal und einen , vielleicht als Küche benutzten Hinter- raum. Der vordere Saal war auf einer runden Mittelsäule mit vier Kreuzgewölben über- deckt, deren Rippen sich am Kämpfer überkreuz- ten. In der Südwand war ein grosses Fenster mit gekehltem steinernen Kreuzstock ; aus der Ostwand sprang ein Erker im halbem Achteck vor. Seine noch erhaltene Bodenplatte ruht auf mit Rippen besetzten Auskragungen, denen ein männlicher und ein weiblicher Kopf als Stütze dienen. Auf dem Meissnerschen Bilde reicht dieser Erker durch zwei Stockwerke und ist mit einem Satteldach bedeckt, das in das hohe Dach des Hauptgebäudes einschneidet. An der Rückseite dieses Stockwerks beginnt die in einem polygonalen Turm liegende stattliche Wendeltreppe, die zu dem fast ganz zer- störten zweiten Obergeschoss und damit zu dem Eingang in den Wohnturm führt.

Das Wohngebäude und den Burgfelsen umziehen in verschiedenem Abstand und verschiedener Höhenlage Zwingermauern, die an der Westseite sich mit den hier im Tal angebauten Wirtschaftsgebäuden vereinigen. Ausser dem erwähnten 1483 errichteten Bau sind es langgestreckte, um einen länglich-viereckigen Hof gelegene Fachwerkbauten mit einer teilweise reichen, auf das 16. Jahrhundert deutenden Holz- behandlung. Derselben Zeit scheint auch das steinerne Erdgeschoss eines der Flügel zu entstammen.

I^ig. 49. Hermannstein. Kirchengrundriss.

DIE KIRCHE des Dorfes Hermannstein ist inschriftlich 1491 und 1492 erbaut, also nach dem Übergang der Burg an die Schenksche Familie. Der sehr schlichte Bau besteht aus Westturm, Schiff und im Achteck geschlossenen Chor. Letzterer hat ein Netzgewölbe mit hohlprofilierten Rippen und zweiteilige, spitzbogige Fenster mit spätgotischem Masswerk. Der ebenfalls spitzbogige Chorbogen ist an der Chor- seite gefast, nach dem Schiff zu mit einer Hohlkehle profiliert.

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KÖNIGSBERG. LEISA.

Das Schilf hat eine im Korbbogen gewölbte Bretterdecke, in der Oberlicht- fenster liegen. Der Turm erhebt sich in drei Stockwerken und ist mit einem spitzen Zeltdach bedeckt. Die Westtür, die zur Turmvorhalle führt, ist mit einem Rund- stab zwischen Kehlen profiliert, der sich im Scheitel überschneidet und mit spät- gotischen Sockeln versehen ist. Die jetzt als Fenster verwendete Tür in der Süd- mauer besitzt noch die alte Angel aus Stein und den Mauerschlitz für den Sperrbalken.

Über ihr befindet sich ein Steinrelief inschriftlich von 1492, die Geburt Christi darstellend.

Aus der gleichen Zeit scheint der Tauf stein zu stammen, dem der untere Teil fehlt und der achteckige Pokalform hat.

Epitaph: Heinrich Christophorus Schenck zu Schweinsberg in Hermannstein und Katharina Susamia de Butter. Gute, handwerkliche Renaissancefiguren, der Ritter in voller Rüstung.

KÖNIGSBERG.

ONIGSBERG, 30 km südlich von Biedenkopf gelegen, besitzt noch die Reste einer gräflich Solmsschen Grenzburg. R e i n b o 1 d , Graf v o n S o 1 m s (1255 bis 1273j nannte sich 1257 und 1260 Graf von Cuningesberg (Gudenus, Codex 2, 157, 184, 267), welchen Namen er vermutlich von dem von seinem Vater Marquard (1225 bis 1255) erbauten Wohnsitze angenommen hatte (Wenck, 3, 143 und Urk. S. 127 f.; Beyer, 3,978). 1357 erwarb Landgraf Heinrich II. von Hessen, der Eiserne genannt, Königsberg mit seinen Zugehörungen von dem Grafen von Solms (Wenck, 3, 142 u. 2, Urk. 389; Schmidt, Gesch. v. Hessen 2, 242 f., 2735.).

Unbedeutender Bruchsteinbau von unregelmässiger Anlage mit Einzelheiten von Sandstein (grösstenteils 1874 abgebrochen). Die rechteckigen Fenster mit Fasen- gewänden meist ausgebrochen. An einer Ecke des äusseren Zwingers ein kleiner runder Turm mit Rundbogenfries (Lötz 1874).

Die mit den zahlreichen Zwingern der Burg zusammenhängende Orts- befestigung ist nur in einzelnen Mauerresten erhalten. Neben einem abgebrochenen Tor steht noch ein runder Mauerturm an der Dorfstrasse.

LEISA.

IE Dorfkirche von Leisa, 12 km nordöstlich von Biedenkopf, 2,5 km süd- lich von Battenberg, dürfte ihre Entstehungszeit an einen 12% erteilten Ablass knüpfen, wenn auch die primitiven Formen des Schiffs keine ge- nauere Bestimmung zulassen. Der Chor ist laut Inschrift 1723 erbaut. Das Langhaus ist durch zwei sehr nahe an die Seitenwände gerückte Rundpfeiler

NAUNHEIM.

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mit schlichtem Schmiegenge- sims in drei gleichhohe Schiffe geteilt, mit rippenlosen, roh gemauerten Gewölben , deren Gräte im Scheitel kuppelartig zusammenlaufen. Von den ur- sprünglichen kleinen Rund- bogenfenstern ist nur in der Nordwand eins erhalten. Nach Westen schliesst sich an das Langhaus ein flachgedeckter schmaler Raum, der in derWest- wand drei Schiesscharten hat. Der Chorbogen ist spitzbogig und ungegliedert. Über ihm ein viereckiger , beschieferter Dachreiter mit ins Achteck übergeführtem Helm; auf dem First des Chordachs eine eiserne Spitze mit sogenanntem Wie- derkreuz, Herz und Sonne.

Fig. 50. Leisel. Dorf kir che.

NAUNHEIM.

AUNHEIM, 37 km südlich von Biedenkopf, 3,7 km nord nordwestlich von Wetzlar.

KIRCHE. Turm spätgotisch vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Schiff inschriitlich von 1739. Im niedrigen mit Walmdach versehenen Turme liegt der Chor mit einem Kreuzgewölbe, dessen Rippen mit einfachstem Hohlprofil auf rohen Köpfen oder einem Brustbilde oder einer männlichen Gestalt mit einer Perlenschnur um den Hals aufsetzen. Unter dem einen Kopfe ein jetzt verstümmeltes Wappenschild mit Mono- gramm H. S. Der Chorbogen ohne alle Gliederung. Die Fenster zweiteilig mit die äussere Mauer berührendem Masswerk.

Taufstehi, westlich von der Kirche, spätgotisch, ohne Schmuck, oben pris- matisch zwölfeckig, darunter ein spätgotisches Kehlengesims, unten rund, bauchig, fast konisch sich nach unten verengend (Abb. bei Dr. Ph. Dieffenbach, Mittelalterl. Taufsteine im Archiv für hess. Geschichte Bd. 6 225, Fig. 13).

Holsskulpturen : Christus am Kreuz, Maria und Johannes, spätgotisch. Maria mit dem Kinde auf dem Halbmonde, desgleichen, jetzt an der Emporbühne (Lötz).

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NIEDERWEIDBACH.

NIEDERWEIDBACH.

jAS Dorf Niederweidbach, 23,5 km südlich von Biedenkopf, 3 km östlich von der Bahnstation Bischoffen (Herborn— Niederwalgern) gelegen, besitzt in seiner jetzt evangelischen Kirche eine spätgotische, der heiligen Jungfrau geweihte Wallfahrtskirche, deren Schiff nach einer über dem Südportal eingemeisselten Zahl 1498 erbaut worden ist. Der Chor scheint seinen

einfacheren For- men nach älter zu sein. Sie ist eine der in un- serem Bezirk seltenen zwei- schiffigen Hal- lenkirchen; über dem gegen das Schiff nur wenig eingezogenen Chor erhebt sich ein niedriger Turm.DasSchiff ist mit sechs ob- longen Kreuz- gewölben über- deckt , deren Gurte doppelt, die Rippen ein- fach gekehlt sind; der auf den Chorbogen zu- führende Gurt ist gegabelt. Das Gewölbe wird in der Mitte von zwei Pfeilern ge- tragen, von de- nen der östliche rund, der west- liche achteckig

Fig. 51. Niederweidbach. Kirchentür 1825.

ist; sie haben einfach gekehlte Kämpfergesimse, auf denen die Rippen und Gurte so auf- setzen, dass ihre Platten mit der des Gesimses bündig liegen. Die Gewölbkonsolen an den Wänden sind zum Teil mit Köpfen und Wappen geziert. Die drei Südfenster des

KIRCHE.

Schiffs sind zweiteilig mit Fischblasen- masswerk, die zwei nördlichen unge- teilt. Die Türe in der Südseite hat eine reiche, aber erst dicht unter dem Kämpfer beginnende Gliederung , deren mit gedrehten Sockeln ver- sehene Stäbe sich mehrfach über- schneiden; eine ähnlich gegliederte Türe befindet sich in der südlichen Chorwand. In die Nordwestecke des Schiffs springt ein kleiner Treppen- turm ein.

Der quadratische Chor hat ein rippenloses Kreuzgewölbe, in der ge- raden Ostwand ein zweigeteiltes Fen- ster mit Masswerk, das auf höheres Alter als das Schiff deutet, in der Süd- und Nordwand je ein einteiliges Fenster mit nasenbesetztem Gewände. Der Chorbogen ist stark verengt und von auffallend dicker, ungegliederter Leibung.

Das Äussere ist ganz schlicht; Strebepfeiler fehlen. Der Turm über d^m Chor hat ein neueres Dach, in welchem die Glocken hängen, von zwei übereck gespannten, gemauerten Rundbogen getragen.

An der Nordwand des Chors ist ein zierliches, leider von der Orgel- empore überschnittenes Wandtaber- nakel, das auf einer gedrehten Säule ruht. Der Schrein ist von zwei über- eck gestellten Fialen begleitet, die, in ihren oberen Verdachungen mit lilienförmigen Kreuzblumen belegt, unter dem sehr kräftigen, mit Zinnen besetzten Abschlussgesims endigen. In dem mit Krabben besetzten Giebel- feld sind die Leidenswerkzeuge (hei- liger Rock, Staupsäule und Dornen- krone) angebracht.

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Fig. 52. Niederweidbach. Tabernakel.

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REDDIGHAUSEN.

Fig. 53. Nieäerweidbac/i. Kirche.

Ein jetzt vor der Kirche liegender gotischer Tauf- steiii ist schlicht konisch, mit zilindrischem Rand, der mit zehn nasenbesetzten Rundbogen verziert ist.

Ein Flügelaltar , der sich aus katholischer Zeit er- halten hat, ist ein nicht unbedeutendes, leider durch un- geschickte Restauration an den Gemälden der Flügel ge- schädigtes Werk der späten Gotik, wahrscheinlich aus der Erbauungszeit des Schiffs. Unter einer dreiteiligen Bal- dachin-Architektur steht Maria mit dem C)iristnski>ule, links Jakobus der Jüngere (in Pilgertracht), rechts Bischof Nikolaus von Myra (Bibel mit drei Broten).

Die sehr wertvollen, auf gemustertem Goldgrund gemalten Bilder der Flügel, auf denen besonders einige ausdrucksvolle Köpfe hervorstechen, behandeln unter einer Renaissance-Umrahmung : Die heilige Familie, die Hinmiel- fahrt Mariae in Gegenwart der Apostel und ihre Krö- nung durch Gott Vater und Christus.

REDDIGHAUSEN.

lORF Reddighausen an der Eder, 4 km westlich von Battenberg.

KIRCHE, Holzbau. Interessant durch die gute Ausbildung der Deckenstützen mit Sattelhölzern und Kopf bändern und durch die hübsche für Dorf kirchen vorbildliche Zeichnung des achteckigen Dachreiters, dem die acht kleinen Schallöcher im oberen Achteckaufsatz eine gefällige Bereicherung geben. Auch Dodenau, 2 km von Reddighausen, hat gut gezeichnete Deckenstützen.

DoileRau

Fig. 54. Kirchen zu Dodenau und Reddighausen. Empoi eiistützen.

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DILLENBURG, GESCHICHTLICHES.

DILLENBURG.

Kremer, Orig. Nass. II. 293. Amoldi, Gesch. der Nass.-Oran. Länder I. 188; IL b, 82. Vogel, Beschr. v. Nassau 707 ff. Nass. Ann. 10, 223 252. A. Cremer in der Zeitschr. für das Bauwesen 1873, 495—502 u. Bl. 56, 57, Atlas. C. Dönges, Belagerung etc. von Schloss und Festung Dillenburg (Veröffentl. d. histor. Vereins in Dillenburg Nr. 3), Dillenburg 1904.

IE Kreisstadt Dillen bürg ist zwar im Vergleich zu den uralten Nach- barstädten Herborn und Haiger eine jüngere Ansiedelung; als Residenz der Grafen, später Fürsten der Nassau-Ottonischen Linie wurde ihr jedoch fast von der Zeit ihrer Gründung im 13. Jahrhundert an eine hervor- ragende Bedeutung zuteil.

Geschichtliches. Die Gründung der Stadt Dillenburg knüpft sich eng an die Erbau- ung des Schlosses durch den Grafen Heinrich II. von Nassau (1197 bis 1247). Als I^andesherren in dieser Gegend linden wir die Nassauer Grafen zuerst 1231 ; es ist also anzu- nehmen, dass auch bald nach i dieser Zeit als Schutz- und Wljj^^Z- Grenzburg des neuerworbenen Landes die Burg auf dem Dillenberg in der Gemarkung des Dorfes Veitbach erbaut worden ist. Erwähnung findet sie zum erstenmale nach Hein- richs Tode im Jahre 1255. Von seinen Nachfolgern mehrfach zum Wohnsitz gewählt, wurde sie ständige Residenz von Wil- helm dem Reichen (1516 bis 1559) an bis zum Aussterben der Beilstein-Dillenburger Linie

Fig. 58 . Festung Dillenburg nach tleiii Grundriss Valkeiibergs 1619. j^jf Christian 1739.

Die Stadt scheint ihren Ursprung von den Ansitzen der zahlreichen Burg- männer genommen zu haben, unter denen die von Dillenburg 1279 bis 1342 vorkommen, zu denen ferner die von Abenrade, Fleckenbühl, Heyde, Haiger, Hunsbach, Rols- hausen, Schönbach und Sprikast gehörten. Sie wohnten meist am Fuss des Burg- bergs in der Marbach, dem ältesten Teil der Stadt, die schon, ehe sie noch durch Mauern und Tore geschützt war, von Kaiser Ludwig 1344 Stadtrechte erhielt.

PFARRKIRCHE.

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Bis 1441 stand die Stadt unter dem Gericht von Herborn; mit der Verleihung eines eigenen Gerichts vergrösserte sie sich bald und erhielt 1479 die zweite Haupt- strasse, die ,,iieue Stadt". Eine starke Zunahme erfuhr sie später durch den Zuzug der Einwohner aus dem benachbarten Dorfe Feldbach, dessen Pfarrei 1490 hierher verlegt wurde. An diese Erweiterung schliesst sich auch die Erbauung der Stadt- kirche, während seit 1453 hier nur eine Kapelle bestanden hatte. Die bis dahin offene Stadt wurde erst durch Johann den Älteren {1559 bis 1606) mit Befestigungen ver- sehen, der auch im übrigen durch Gewährung bürgerlicher Freiheit und Anordnung von Jahrmärkten für ihr Aufblühen sorgte.

Fig. 59. Dille)ibuyg. Pfarrkirche (vor dem Bau des Trcppcnturiiis).

Nachdem das Schloss im siebenjährigen Kriege 1760 [durch die Franzosen zer- stört war, erweiterte sich die Stadt beträchtlich, in der 1787 die neue Marktstrasse angelegt wurde. Bedeutende Feuersbrünste (suchten die Stadt 1524 und 1723 heim. Die Reformation wurde 1530 eingeführt; 1536 entstand eine Lateinschule, die 1744 zu einem Pädagogium erhoben wurde.

DIE PFARRKIRCHE ST. JOHANN, während der Regierungszeit des Grafen Johann V. 1475 bis 1516 erbaut, ist eine einschiffige, spätgotische Kirche, mit ge- wölbtem Chor, flachgedecktem, 1594 bis 1597 erneuertem Schiff und Westturm.

Der Chor, aus zwei oblongen Jochen und halbem Achteck bestehend, hat Slerngewölbe mit einfach hohlprofilierten Rippen, die auf Konsolen mit Blattwerk und Köpfen aufsetzen und von deren Schlussteinen einer das nassauische Wappen trägt. Die spitzbogigen Fenster liegen in glatten, schrägen Gewänden und haben anstelle des verloren gegangenen Masswerks, ebenso wie das Schiff, eine Teilung durch schmiedeeiserne Rahmen. Die Strebepfeiler sind einmal abgesetzt und haben gebrochene Pultdächer aus Haustein. Der Chorbogen ist ungegliedert.

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DILLENBURG.

Die Wände des Schiifs sind aussen durch flache Vorlagen geteilt. Das Innere ist mit Holzemporen angefüllt, die in einer gefälligen Renaissancearchitektur gehalten, sich auch über die nördliche und südliche Chorwand erstrecken, hier, wegen der um 1,10 m höheren Lage des Fussbodens, ein- geschossig, während im Schiff noch ein un- teres Geschoss gewonnen ist.

Die Erhöhung des Chors hat ihren Grund in dessen Bestimmung als Begräbnis- stätte einer grossen Anzahl von Angehörigen des Nassau-Oranischen Fürstenhauses, unter denen Graf Wilhelm der Reiche, f 1559, dessen Gattin, Juliane von Stolberg, f 1580, die Eltern Wilhelm des Schweigers und dessen Bruder, Johann VI , f 1606, hervorzuheben sind.

An der Südseite des Chors ist eine Gruftkapelle angebaut, die, mit zwei rip- penlosen Kreuzgewölben überdeckt, mehrere hölzerne mit Metall beschlagene Särge ent- hält ; über derselben ist ein von dem hinter der Kirche stark ansteigenden Gelände eben- erdig zugänglicher, vielleicht ursprünglich als Fürstenloge bestimmter Raum angeordnet.

Nördlich vor das westlichste Joch des Chors ist in den letzten Jahren durch den Architekten L. Hofmann (Herborn) ein acht- eckiger Turm mit einer Emporen- treppe eingebaut, der ein Teil eines nicht zur Ausführung ge- kommenen Erweiterungsprojek- tes der Kirche bildete.

Eine von der Südseite in das Schiff führende Tür ist rundbogig, im Profil mit einem Rundstab, der sich im Scheitel kreuzt.

Der Turm, einfach qua-

Fig. 60. Dillenburg. Pfarrkirche Choransicht. Ij. |^| dratisch, hat im Erdgeschoss ein rippenloses Kreuzgewölbe. Die an der Nord- und Südseite gekuppelten Schallöff- nungen ruhen mit ihren Rundbogen auf eckigen, oben durch Auskragungen bis auf

Fig. 61. Dillcnbuy^i. Pfarrku clic. Iniuiibihi mich Osten.

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DILLENBURG.

die Mauerdicke verstärkten Pfeilern. Grabplatte im Chor mit der Inschrift: ,,hie ligt das .... und . . . gehirn johan graven csu fiassau csu dietz csii viganden her CSU Herda sin hercz begraben dein got gnedig sie obiit antio domini m cccc» Ixxv" of saut blasius tag" (1475). Zwei Halbfiguren von Engeln, die das Herz halten, unter einem geschweiften mit Krabben besetzten Wimperg, am Fuss ein grosser rundbogiger Schild mit dem nassauischen Wappen.

Glocke)i. Die grösste mit der Kreuzigungsgruppe in zwölf Zentimeter hohen Relieffiguren geschmückt, ist 1515 von Heinrich von Prüm gegossen.

Die zweite im gleichen Jahre von demselben gegossen, trägt als Schmuck die sitzende Gestalt der heiligen Anna und Maria mit dem Christuskind auf dem Schoss.

Die dritte trägt die Jahreszahl 1485.

SCHLOSSRUINE. Von der ersten Gründung durch Graf Heinrich II. in der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zu dem gewaltigen Baukomplex, von dem uns das Meriansche Bild eine Vorstellung gibt, hat das Schloss Dillenburg eine Anzahl von Bauperioden durchgemacht, als deren wichtigste folgende genannt seien:

In der Dernbachschen Fehde unter Heinrich I. (t 1343) soll es schon zerstört aber in grösserem Umfang wieder aufgebaut sein. Eine bedeutende Erweiterung erfuhr es unter Graf Johann V. zwischen 1468 und 1486, nachdem es 1461 mit Pulver- geschütz versehen war. In den Jahren 1535 und 1536 erbaute Wilhelm der Reiche die noch heute bestehende gewallige Futtermauer von 20 m Höhe und 300 m Länge aus Säulenbasalt ; als Baumeister wird Uz oder Ulrich von Anspach genannt. An den bedeutendsten aus dem Geschlecht der Oranier, den 1533 auf dem Schlosse ge- borenen Wilhelm den Schweiger, den Vorkämpfer der niederländischen Freiheit, erinnert die noch heute grünende ,, Wilhelmslinde" , unter der er am 14. April 1568 die niederländischen Gesandten empfangen haben soll, die ihm die Führerschaft in dem Freiheitskampf gegen Spanien anboten. Bei Beginn des dreissigjährigen Krieges, 1619, wurde das Schloss durch den holländischen Ingenieurhauptmann von Valkenburg auf seine Kriegstüchtigkeit geprüft, der auch einen noch gut erhaltenen Plan des Schlosses anfertigte. Doch scheint dieses von den Schicksalen des dreissigjährigen Krieges nicht berührt worden zu sein, um erst im siebenjährigen Krieg ein Ende zu finden. Inzwischen hörte es schon 1742 mit der Verlegung der Nassau-Oranischen Regierung nach Dillenburg auf, fürstliche Residenz zu sein und wurde zur Unter- bringung der Verwaltung der vier Fürstentümer Dillenburg, Siegen, Diez und Hadamar nebst den hierzu nötigen Beamtenwohnungen benutzt.

Im Jahre der Zerstörung, 1760, stand der damals zwölfjährige Erbprinz Wilhelm V. unter der Vormundschaft des Herzogs Karl I. von Braunschweig- Wolfenbüttel. So erklärt es sich, dass, obwohl die Nassau Oranier im siebenjährigen Kriege neutral geblieben waren, dem Herzog Karl von Braunschweig für ein Friedrich zu Hülfe gesandtes Kontingent englisch-hannoverscher Truppen das Schloss Dillenburg als Stützpunkt eingeräumt wurde. Nachdem das französische Korps des Generals Broglie unter Oberst Filley diesen achtzehn Tage belagert und beschossen hatte, musste die

SCHLOSSRUINE.

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Besatzung unter General Düring am 15. Juli das in Brand geschossene Schloss übergeben.

Die Brandruine stand noch acht Jalire, bis die nassauische Regierung den Be- fehl zu der vollständigen Zerstörung derselben gab, namentlich um daraus Bau- material für die 1768 angelegte Wilhelmstrasse zu gewinnen.

Fig. 63. Dillenbtirg. Pfarrkirche. Querschnitt durch den Chor.

Diese Zerstörung erfolgte so gründlich und wurde durch Planierungsarbeiten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts so wirksam zum Abschluss gebracht, dass ausser den gewaltigen unterirdischen Gängen und Kasematten und der grossen Stützmauer nach der Stadtseite heute nur noch dürftige Mauerreste von dem ehemals stolzen Schlosse übrig sind. Es würde also über das ehemalige Aussehen und die Anlage desselben heute kaum ein sicheres Bild gewonnen werden können, ohne die von Dillich 1605 gezeichnete und später von Merian 1654 benutzte Ansicht und den oben erwähnten Grundriss Valkenbergs, wozu noch eingehende Inventare und Schil- derungen der Innenausstattung hinzutreten, die von Prof. A. Spiess (Nass. Ann. lo, 223—252) benutzt worden sind.

Einen allgemeinen Überblick über die Anlage gewährt auch Dönges, (L. C. S. 12), nach dem das Wesentliche hier mitgeteilt sei (s. Fig. 58).

„Vier Bollwerke bildeten die Hauptverteidigungspunkte des Schlosses : Nach Süden das „Rondel", das „Junkergemach" nach Osten, die „scharfe Ecke" nach Norden und das ,,Jägerge mach" nach Westen.

58

DILLENBURG.

Drei Haupteingänge führten zum Schloss: Das Feldtor, es befand sich da, wo heute die WilhelmsHnde" noch steht, das Kirch entor bei der „scharfen Ecke" und das Grabentor, unter dem „Junkergemach" hindurch auf den unteren Schlosshof führend. Man gelangte, durch das Kirchentor ankommend, in den Wallgraben zwischen der scharfen Ecke und dem Junkergemach durch ein Tor in die grosse Tor-

fahrt unter dem Fischerschen Garten. Aus der Torfahrt gelangte man durch den Wallgraben nach dem Feldtor. Hinter den Wallgräben lagen hier und auch zwischen Feld- und Gra- bentor die Kasematten stellenweise in drei Stockwerken übereinander."

Über die eigentlichen Schlossbau- ten sagt Spiess (S. 235^); „Auf der höchsten Höhe des Berges umgaben die Gebäude des alten Schlosses, meist noch in mittelalterlichem Stile, den sogenannten oberen Schlosshof, welcher ein unregelmässiges Vier-

D

STADTBEFESTIGUNG.

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eck bildete. Hier haben wir die früheren Wohnungen der Herrschaft mit ihren mannigfachen Gängen und Treppen, mit ihren ungleichen Gemächern und verschie- denen Kellerräumen zu suchen, sowie sich auch die Kanzlei und der ansehnliche Bau der Schlossküche hier befand. Ausserdem aber schloss sich nach Norden zu an diese Bauten die in neuerem Stil aufgeführte Schlosskirche an. In dem nördlichen Winkel des Vierecks stand, nur zur Hälfte mit seiner Rundung aus den Gebäuden hervortretend, der alte, nicht sehr hohe Schlossturm. Dieser Schloss- hof war indessen mit Fuhrwerk nicht zu erreichen ; es führten nur durch die ihn um- gebenden Gebäude Zugänge zu ihm, ehe Graf Johann die vom unteren Schloss- hof aufwärts gehende grosse Freitreppe angelegt hatte.

Der nach Süden zu gelegene unter e Schlosshof war westlich von dem vom Grafen Johann erbauten stattlichen, mit einem Turm versehenen Zeughaus und von dem sogenannten Wächter- oder T h e i s gen st u r m , südlich und südöstlich von dem Marstal 1, der Schmiede, Schlosserei und anderen Gebäuden, sowie an der Seite des alten Schlosses hin von dem wahrscheinlich auch schon von Johann erbauten neuen Bau umgeben, welcher mit den älteren Schlossgebäuden in Verbindung gesetzt war."

Ein monumentales Barockgebäude besitzt Dillenburg in dem früheren Archiv, jetzigen Amtsgerichtsgebäude, dessen Entstehung bald nach der Anlage der Wilhelm- strasse, um 1770 zu setzen ist. Es ist aus Bruchsteinen mit Eckquadern, Fenster- einfassungen und Hauptgesims aus rotem Sandstein errichtet, jedes der beiden Ge- schosse mit zwölf oblongen Kreuzgewölben und einem quadratischen Kreuzgewölbe über dem Vorraum der Treppe überwölbt.

STADTBEFESTIGUNG. Obgleich wie erwähnt Dillenburg seit 1344 im Besitz

von Stadtrechten war, blieb es doch noch dritt- halbhundert Jahre ein offener Ort. Die Ansicht von 1517 zeigt noch Pal- lisaden längs des Dill- ufers und nur am süd- lichsten Teil ein Stück Mauer mit Zinnen, die das unterste Tor vertei- digten. Die 1588 begon- nenen Mauern und Tore, die man auf dem Merian- schen Bilde die Stadt um-

Fig.65. Dillenburg. Stadtwappen.

ziehen sieht, sind fast ganz verschwunden. Nur an der Dill ist noch ein Stück mit niedrigen, tief- liegenden Schiesslöchern und einem runden Mauer- turm erhalten, der kürz- lich hergestellt worden ist ; ausserdem sieht man noch am Ende der Mar- bach ein Stück des von hier den Berg empor zum Schloss führenden Mauerzugs.

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HAIGER, GESCHICHTLICHES.

Fig. 66. Ansicht der Stadl Haiger nach Merian.

HAIGER.

Vogel, Beschreibung 159, 186, 367, 711 ff. Gesch. der Oran.-Nass. Lander I 133 ff.; Illb 165.

Kremer, Origines 2, 40, 120. Arnoldi, Codex Laurishain. III Nr. 3058, 3047.

IE Stadt Haiger Hegt b km westlich von Dillenburg in einem anmutigen durch das Zusammentreffen dreier Täler gebildeten Talgrund, in dem sich die Wässer des Au- und Weierbachs mit der Dill vereinigen.

Geschichtliches. Der Ort, dessen hohes Alter zumeist aus den Lorscher Urkunden zu belegen ist (ao. 781, Heigrehe) war Mittelpunkt und Gerichts- stätte des Haigergaus, dessen Grenzen in einem 913 errichteten und 1048 erneuerten Weistum festgelegt sind. Sie liefen von der Quelle der Diezhölze (nahe bei der Lahnquelle) bis zu deren Mündung in die Dill oberhalb Dillenburg und zogen in einer schwach nach Süden abweichenden Linie nach Westen bis sie zwischen Marienberg und Hachenburg die grosse Niester erreichten. Dieser folgten sie bis zur Boden- bach und wandten sich dann wieder scharf nach Osten auf durchschnittlich 10 km Entfernung mit der ersten Linie parallel, das Siegener Land durchschneidend, bis zur Kalten Eiche, von wo sie längs der jetzigen Grenze des Regierungsbezirks wieder die Quelle der Diezhölze erreichten.

Als Gaugrafen kommen für den Haigergau erst spät im 13. und 14. Jahrhundert die Dynasten von Molsberg vor. Ob Vogels Annahme richtig ist, dass sie auch in dieser Würde die Erben der im 12. Jahrhundert ausgestorbenen, in diesem Gau an- sässigen Grafen von Freusberg waren, oder ob der Gau in ältester Zeit Königsgut war, muss dahingestellt bleiben. Die erste Erwähnung des Ortes Haiger findet sich in einer Schenkung an das Kloster Lorsch von 778, die 781 bestätigt wird; eine andere Schenkung an das Kloster Weissenburg datiert aus demselben Jahrhundert. Im Anfang des 10. Jahrhunderts hat König Konrad I. hier eine Kirche erbaut, die

PFARRKIRCHE.

61

als Ecclesia baptismalis bezeichnet wird. Er fundierte sie auf den kaiserlichen Hof mit Zehnten und schenkte sie 913 an das von ihm gegründete Stift zu Weilburg, mit dem sie 993 an Worms überging. Nach einem Erweiterungs- oder Neubau wurde sie 1048 von den Bischöfen von Trier und Worms geweiht (Philippi, Siegener Urkundenbuch Nr. 2).

Fig. 67. Haiger. Pfarrkirclie.

Schon im 13. Jahrhundert besass in dem Haigerer Gericht auch das Haus Nassau Gerechtsame, die bei der Teilung von 1255 an die Ottonische Linie fallen. Heinrich I. erwirbt 1311 und 1323 von Gyso von Molsberg die Landeshoheit über das Gericht Haiger und bringt auch alle Gerechtsame, welche die Adligen von Haiger hier be- sassen, durch Kauf an sich, sodass von da ab Haiger dauernd zum nassauischen Be- sitz gehört. Bei der Erbteilung der alten Dillenburger Linie von 1425 erhält Johann III. die Burg zu Haiger als Wohnsitz. Dreissig Jahre später ging diese als Erb- Burglehn an ihre ursprünglichen Besitzer, die Adligen von Haiger zurück. Dieses Geschlecht, das urkundlich zuerst 1158 erscheint, erlosch 1511, worauf auch ihr Stamm- sitz bald zerfiel, sodass 1617 nur noch einige Reste übrig waren. Heute ist sie bis auf die letzte Spur verschwunden.

DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE wurde, wie erwähnt, von Konrad I. als „Taufkirche" erbaut; an ihr bestand bis zur Einführung der Reformation 1537 das Ruralkapitel oder Erzpriestertum für den ganzen ehemaligen Gau.

Baubeschreibung. Die jetzige Kirche, die Lötz mit Recht „ein sehr merk- würdiges Gebäude nennt", zeigt zwischen einem ganz ungegliederten massiven West

62

HAIGER.

türm und dem ebenso massiv gebauten, in drei Seiten des Fünfecks geschlossenen Chor ein fast quadratisches Schiff, das aus neun oblongen, auf vier Pfeilern ruhenden gleichhohen Gewölbfeldern besteht. Diese, durch die Leichtigkeit ihrer Umfassungs- wände auffallende Hallenkirche, macht den Eindruck eines Zen- tralbaus. Einigermassen verwischt wird die zentrale Anlage da- durch, dass die beiden östlichen Seitenschiffjoche in wenig orga- nischer Weise eine Erweiterung nach Norden und Süden durch vorgestreckte Abschlüsse im halben Achteck erhalten haben, deren Gewölbe 1,50 m tiefer als die Schiffgewölbe liegen. So erhält der Grundriss Ähnlichkeit mit einer kreuzförmigen Hallen- kirche, als welche wir sie bei Lötz bezeichnet finden.

Die Bauformen, durchweg der spätesten Gotik angehörig, weisen als Zeit der Erbauung auf die zweite Hälfte des 15. Jahr- hunderts. Die vier Mittelpfeiler haben Vierpass-Querschnitt auf zylindrischen hohen Sockeln, anstelle der Kapitäle ungegliederte Platten. Die Gewölbe sind spitzbogige Kreuzgewölbe mit hohl gegliederten Rippen, die in Spitzen in die Wände verlaufen, nur

Fig 68. Haiger. Pfarrkirche. Siidausichl .

im westlichen Joch der Seitenschiffe ohne Rippen, im östlichen Joch des nördlichen Seitenschiffs von Köpfen, des südlichen von gegliederten Konsolen gestützt. Auch im Mitteljoch, das ein Sterngewölbe hat, ruhen die Rippen auf Kragsteinen mit Köpfen oder Wappenschilden. Der dies Gewölbe nach Osten begrenzende Gurt- bogen ist halbkreisförmig, der Chorbogen ungegliedert, der Chor mit zwei Ge- wölben überdeckt, von denen dasjenige des Chorschlusses im Schlusstein den heiligen Martin mit dem Bettler zeigt.

PFARRKIRCHE.

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Die Fenster sind durchweg spitzbogig mit schrägen Gewänden und spätgotischem hohlprofiliertem Masswerk. Das östliche Chorfenster ist dreiteilig, die übrigen zwei- teilig und ungeteilt. Die Fenster der Seitenschiff- Vorbauten liegen im Äussern in flachen Blenden , oben durch Rundbogenfriese abgeschlossen. Eine spitz- bogige Tür im Chor und eine rundbogige im süd- lichen Seitenschiff sind ganz ungegliedert.

Die Strebepfeiler am Chor sind flach und un- gegliedert , mit Pultdä- chern abgedeckt ; ausser ihnen finden sich noch Strebepfeiler an der Süd- wand und der Nordwest- ecke des Schiffs.

Unter dem Ostteil des Chors befindet sich eine kleine Krypta von unregelmässig fünfseiti- gem Grundriss, mit einem rippenlosen, rundbogigen Kreuzgewölbe überdeckt, dessen Schildbogen teils rund und teils spitzbogig sind. Die Eingangstür hat einen mit Nasen be- setzten Spitzbogen.

Der Turm, nur von aussen durch eine rund- bogige Tür zugänglich, geht massiv, an der West- seite mit einem gebösch- ten Strebepfeiler besetzt, bis zur First des Kirchen- dachs. Hierauf setzt sich eine in Holz erbaute und beschieferte Glockenstu- be, die eine welsche Hau- be trägt. Im Innern steigt

64

HAIGER.

der Glockenstuhl frei verzimmert von einem 3 m über Erdgeschoss liegenden Mauer- absatz auf. Die Nordwand des Chors enthält ein steinernes Watidtaberiiakel in plumpen spätgotischen Formen mit Wimperg. Bei der Neutünchung der Kirche im

Jahre 1902 kamen alte Wandmalereien zum Vor- schein, die, soweit sie im Schiff nur aus spärlichen, zusammenhanglosen Resten bestanden, wieder zu- getüncht wurden. Diejenigen des Chors erwiesen sich jedoch als eine nach bestimmten Grundgedanken abgeschlossene Bilderfolge von so erheblichem Kunst- wert, dass ihre vollständige Aufdeckung und Erhal- tung beschlossen und unter Beihilfe der kgl. Staats- regierung und des Bezirksverbandes bis zum Herbst des Jahres 1905 mit einer Aufwendung von rund 5000 Mark von dem Maler Wilhelm Batzem in Köln in vorzüglicher Weise ausgeführt wurde.

Die Bilder, deren Entstehung ihrem Stil nach in das Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts zu setzen ist, haben zum Gegenstand die Passion, die zwölf Apostel und das jüngste Gericht. Letzteres, an den Gewölben dargestellt, hat zum Mittelpunkt Christus als Weltrichter nach der Darstellung der Offenbarung Johannis. Christus thront mit segnend erhobener rechter Hand, aus seinem Munde geht ein Schwert und ein Lilienstengel hervor. Zu seiner Rech- ten und Linken knieen zwei gegen ihn geneigte Gestalten. Die Gewölb- kappen nächst dem Chorbogen wer- den von Engeln des Gerichts ein- genommen, die mit ihren Posaunen die Toten erwecken, andere Engel tragen die Leidenswerkzeuge. In den Gewölbzwickeln nächst den Lang- wänden sind die Strafen und Beloh- Fis. 70. HaiKcr. Pfarrkirche. Choransicht. nungen des jüngsten Tages zur An-

schauung gebracht ; die Anordnungen der Figurengruppen ist meist so getroffen, dass in den vom Schiff der Kirche sichtbaren Feldern die dem Weltrichter durch Engeln zugeführten Seligen, in den abgewendeten Feldern die Verdammten angebracht sind, die von Teufeln in oft sehr drastischer Darstellung gepeinigt werden. Die vier Ge- wölbzwickeln des Chorschlusses enthalten die vier Tiere (Offenbarung 4), welche später die Bedeutung der Evangelischen Symbole angenommen haben, in besonders schöner, streng heraldischer Zeichnung.

Fig. 71. Haiger. Pfarrkirche. Mcilereieii im Clioygen.'ölbe.

PFARRKIRCHE.

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Von den Schlussteinen des Gewölbes strahlt ein Ornament aus in den Formen der spätesten Gotik. Die Fläche der Kappen ist mit einem Blumenmuster überstreut.

Um den unteren Teil der Wände unter den Fensterbänken zieht sich in fries- artig aneinandergereihten Bildern die Darstellung der Passion entlang. Die Bilder,

Fig. 72. Haiger. Pfarrkirche. Fenstermasswerk.

die an der Nordseite bei dem Triumphbogen mit dem Einzug in Jerusalem beginnen und an der gleichen Stelle an der Südwand mit der Grablegung endigen, sind auf weissem Grund gemalt, der durch ein Streumuster von roten Rosen mit je zwei grünen Blättern belebt ist. Als unterer Abschluss dient ein gelbes Band, auf dem rote Ro- setten gleichmässig verteilt sind.

Über diesem Passionsfries umzieht die Chorwände eine Folge der Apostel, grosse Figuren in lebendig bewegten Stellungen und mit zum Teil vorzüglich gemalten Köpfen ; sie halten Schriftrollen mit ihren in gotischen Minuskeln geschriebenen Namen. Ein Teil

der Apostelfiguren hat in den breiten Leibungen der Fenster Platz gefun- den. An der südlichen Seite ist auf der Leibung des Chorbogens noch das ausserhalb dieser Bilder- folge stehende, in kleinem Masstab ausgeführte,aber wohlerhaltene Bild von dem Begräbnis des hei- ligen Sebald aufgefunden

Leichnam desHeiligen, an Pilgerhut und Heiligen- schein erkennbar, wird, vne er es nach der Le- gende bei Lebzeiten be- stimmt hatte, auf einem mit zwei Stieren bespann- ten Wagen vor ein Haus geführt, in dessen Tor- weg und näherer Umge- bung mehrere Personen mit dem Ausdruck des Er-

und erhalten worden. Der Fig. 73. Haiger Stadtwappen. Staunens zu sehen sind.

5

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HERBORN.

Fig. 74. Herborn. Aitsiclit nacli Mcrian.

HERBORN.

J. H. Steubing, Topographie der Stadt Herborn, Marburg 1792, 8". Vogel, Beschreibung, 159, 212, 718. P. Wagner, Nass. Annalen, Bd. 32, 26—44.

!IE Stadt Herborn, 6 km südlich von Dillenburg an der Dill gelegen, sieht auf ein hohes Alter zurück, dessen erste Jahrhunderte leider nicht durch sichere geschichtliche Kunde aufgehellt werden. Von der Mitte des 13. Jahrhunderts an finden wir die Stadt und Mark Herborn im Be- sitz der nassauischen Grafen. Der Weg, auf dem sie zu diesem Besitz gelangt sind, kann bis jetzt nur vermutungsweise angegeben werden. In der oben angeführten Abhandlung widerlegt P. Wagner die von C. D. Vogel aufgestellte Vermutung, dass die Herborner Mark ein AUodialbesitz der Grafen von Gleiberg gewesen und infolge Heirat durch Erbfolge an das nassauische Haus gekommen sei. Er selbst gelangt zu der Überzeugung, dass die Herborner Mark nicht ein Teil des alten Erdehe-Gaus, sondern ein selbständiger Untergau des Niederlahngaus und in ältester Zeit unmittelbares Königsgut gewesen sei. Bis zum 13. Jahrhundert ist nicht nachzuweisen, dass eine auswärtige Herrschaft darin Fuss gefasst habe. Herborn war schon im frühen Mittelalter der wirtschaftliche, kirchliche und politische Mittel- punkt der Herborner Mark, einer Landesgemeinschaft, die ihren Namen von der Stadt trug, nicht umgekehrt. Ihre Grenze erstreckt sich von einer Linie Heiligen- born-Fleissbach im Südwesten, anfangs stark ausbauchend, dann sich wieder ver- jüngend, bis zu einer Linie Eiershausen-Hirzenhain- Wallenfels im Nordosten. Ihre Ostlinie fällt ziemlich genau mit der Grenze des Kreises Dillenburg zusammen.

GESCHICHTLICHES.

67

Die erste Erwähnung der Mark Herborn geschieht 1048 in einer Urkunde über die Weihe der dem Walpurgiskloster in Weilburg geschenkten Kirche in Haiger sowie über die Begrenzung des Kirchspiels ,,inter Donerbach et Haigere, übt termi- natur Herbore marca" etc. Da diese Grenzbestimmung aber eine wörtliche Wieder- holung derjenigen von der Schenkung selbst ist, die im Jahre 914 erfolgte, so kann man die erste Erwähnung der Herborner Mark in dieses Jahr setzen.

Fig. 75. Herborn. Strassenansicht mit dem Rathaus.

Von 1231 an ist Nassau im Besitz der Hoheitsrechte über die Mark ; es musste diese Rechte im 13. und 14. Jahrhundert wiederholt gegen zwei einheimische Ge- schlechter, die Dernbach und Bicken, verteidigen. Die erste Kunde von nassauischem Besitz gibt 1231 die Schenkung des Patronats über die Herborner Kirche an den Deutsch-Orden durch Graf Heinrich II. von Nassau. Ursprünglich trug dies Patronat der Landgraf von Thüringen vom König Heinrich VII. zu Lehen und hatte seinerseits damit den Nassauer Grafen belehnt. Wenn die Annahme richtig ist, dass die Herborner Mark Königsgut war, so ist zu vermuten, dass König Heinrich nicht nur die Kirche, sondern alle Königsrechte an der Mark dem Landgrafen von Thüringen gegeben hat, der in dieser Zeit (1130—1247) auch Graf von Hessen war.

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HERBORN.

Im 14. Jahrhundert ist die Mark also hessisches Lehen. Nachdem (sie bei der ersten nassauischen Teilung 1255 an Otto gefallen war, ging sie bei der zweiten

Teilung 1303 mit dem Kalen- berger Zent an den jüngsten der Brüder, Johann, über, der ohne Nachkommen starb. Er sicherte aber seinem Bruder -Heinrich das Land, indem er es ihm zu Lehen auftrug. Hierzu gibt Landgraf Heinrich von Hessen als Oberlehensherr seine Zustimmung.

Auch in die erwähnten lang- jährigen Kämpfe der Nassauer mit den einheimischen Adels- häusern griffen die hessischen Landesherren wiederholt ein.

Die Nassauer nahmen sich des Herborner Gebietszu- wachses eifrig an ; auf Bitten der Grafen Walram und Otto verlieh der deutsche König Wil- helm dem Orte Herborn 1251 Stadtrechte (Kremer, Origines 2, 287). Sie oder ihre Nachfolger bauten daselbst eine Burg, die 1341 zuerst urkundlich erwähnt wird. Im 15. und 16. Jahrhun- dert gedieh die Stadt durch Handel und Gewerbe zu an- sehnlicher Blüte. Einer der be- deutendsten Herrscher aus dem Nassau- Oranischen Hause, Graf Johann VI. von Dillen- burg, stiftete hier eine hohe Schule, die am l.juli 1584 er- öffnet wurde und bald, nament-

I

Fig. 76. Herborrt. Pfarrkirche. Grundriss. lieh durch ihre theologische Fakultät, eine grosse Bedeutung im wissenschaftlichen Leben Deutschlands gewann.

DIE STADTKIRCHE, von deren Schenkung an den deutschen Orden 1231 bereits die Rede war, dürfte in ihren ältesten Teilen, den beiden sehr nahe beiein-

STADTKIRCHE.

69

ander stehenden Chor- türmen, aus romanischer Zeit stammen. Der jetzige Bau zeigt einen spät- gotischen , einschiffigen Chor, im halben Achteck geschlossen und mit rei- chen Netzgewölben über- deckt. Diese sind ein- fach hohl profiliert und setzen auf roh gearbei- teten wappenhaltenden Brustbildern von Engeln, an den östlichen Ecken auf Köpfen auf. Die schmalen, spitzbogig ge- schlossenen Fenster, mit spätem Holzmasswerk ausgesetzt, zeigen noch Ansätze des alten Stein- masswerks, das bei einer jetzt im Werk begriffenen Herstellung wieder er- gänzt werden soll. Im Westteil wird der Chor verengt durch zwei vier- eckige Türme, die auf dem Merianschen Plan noch über das Dach hoch- geführt und mit welschen Hauben (urkundlich von 1562) bedeckt erscheinen. Sie wurden 1815 bis 1817 abgetragen und endigen jetzt unter dem Chordach Das Schiff ist ein nahezu quadratischer , schmuckloser Raum, des- sen flache Decke vermit- telst zweier starker Unter- züge von vier schlanken, steinernen Rundpfeilern

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10

HERBORN.

mit schlichten Knaufprofilen und Sattelhölzern getragen wird. Auch hier sind die Fenster spitzbogig mit Holzmasswerk.

Der Turm, im Erdgeschoss nach der Kirche zu in seiner ganzen Breite rund- bogig geöffnet, hat keine Gewölbe, sondern vier Balkenlagen. Er ist 1620 hergestellt,

Flg. 78. Herborn. Chor der Pfarrkirche.

eingestürzt. Das jetzige achteckige Glockenhaus mit geschweiftem Dach wurde 1822 erbaut. Auf dem Merianschen Bilde hat er ein schlankes Spitzdach.

Die Kirche ist ganz mit Holzemporen, im Schiff zwei-, im Chor eingeschossig, angefüllt, deren gut profilierte Stützen und nicht ohne Aufwand gearbeiteten Brüstungen

STADTKIRCHE.

71

auf die Mitte des 17. Jahrhunderts weisen. Als Bauzeiten der Kirche führt Lötz nach Steubing die Jahre 1598 bis 1609, 1650, 1705, 1802 an. Bei einer Herstellung, der die Kirche im laufenden Jahr unterzogen wird, sind im Chor Reste von Bemalung aus drei verschiedenen Perioden zutage getreten. Von einer in ornamentalen

Fig. 79. Heyborn. Pfarrkirche. Maleret im Chor.

Streifen und einem Bilderfries aus dem Leben Jesu bestehenden frühgotischen Deko- ration sind nur undeutliche Reste erhalten, in welche mehrere ihrer Form nach noch ältere Konsekrationskreuze unorganisch einschneiden. Hierüber liegt als zweite Schicht eine reiche spätgotische Bemalung, die am unteren Wandteil aus sehr schönen

72

HERBORN.

Üppigen Blumenranken im Dürer-Charakter mit eingefügten Evangelistenzeichen be- steht; darüber in Fensterhöhe grosse Apostelfiguren unter Baldachinen, ähnlich wie in Haiger. Eine grosse Christoforus-Figur auf der Nordwand verschwindet zum Teil hinter den Gewölbansätzen; dies in Verbindung mit Resten von Tünche der Ober-

Fig. 80. Herborn. Schloss. Erdgeschoss.

mauern über den Gewölbkappen lässt den Schluss zu, dass der Chor zur Zeit dieser Bemalung flachgedeckt war. Diese reiche Bemalung ist, wie ein Schild mit der Jahreszahl und den Buchstaben K. D. besagt, 1491 mit weisser Tünche zugestrichen worden. Die roten Kanten der Fensterleibungen und ein reiches, flottes Ranken- muster aus schwarzen Linien mit grünen Blättern und farbigen Blumen (s. Fig. 78) auf den Gewölbkappen scheinen dieser Zeit zu entstammen.

DAS SCHLOSS, auf den westlich die Stadt einrahmenden Höhen aus grünem Buschwerk aufsteigend, beherrscht in charaktervoller Weise das Stadtbild. Seine Erbauungszeit ist jedenfalls kurz nach dem Jahre 1251 zu setzen, in welchem dem

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HERBORN.

Dorf Herborn Stadtrechte verliehen wurden und die Grafen von Nassau als neue Landesherren sich hier einen festen Sitz erbauten. 1341 geschieht seiner zum ersten- male urkundliche Erwähnung.

Nach der Gründung der hohen Schule 1584 wurde es vorübergehend zu Auditorien, Bibliothek und der „Kommunität" (dem gemeinschaftlichen Tisch der Studenten) be- nutzt. Bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts war hier die Nassau-Oranische Münz- stätte. 1725 wurde es zum Witwensitz der Fürstin Dorothea eingerichtet, in den achtziger Jahren brachte die Einrichtung von Beamtenwohnungen viele entstellende Umbauten. Gegenwärtig wird das Schloss von einem Lehrerseminar eingenommen.

Fig. 82. Herhorn. Schloss. Obcrgesc/toss.

Das Schloss bildet einen dreistöckigen, nach Osten gerichteten, wenig liefen Baukörper, der an den beiden Enden von Rundtürmen begrenzt wird, während ein dritter Turm aus der Front an der Stelle vorspringt, wo diese nach aussen einen stumpfen Winkel bildet. Dieser Turm ist im Krdgeschoss viereckig, in den oberen Stockwerken rund mit halbkreisförmigen Vorlagen, die unter dem auf gemauertem Rundbogenfries vorgekragten Wehrgang aufhören. Ein gleicher Wehrgang beendigt die Ecktürme. Alle Türme haben Pyramidendächer, aus denen nach dem Merianschen Bilde vier schlanke Dacherker vorsprangen; jetzt sind sie nur bei dem südlichen erhalten. An die Rückseite des Schlosses schliesst sich ein ummauerter Hof mit Nebengebäuden an, der an der Nordwestseite ein früher durch zwei Rundtürme ver- teidigtes Tor besitzt, von denen nur der linke erhalten ist.

Das Innere des Schlosses hat infolge der vielen Umbauten alles Charakteristische verloren. Zu erwähnen ist noch an dem Erdgeschoss der mit einem Treppengiebel endigenden Nordfront ein schöner Fensterkorb aus Schmiedeeisen (s. Fig. 90).

RATHAUS. Das älteste Rathaus der Stadt war der östliche Flügel des Hoch- schul-Gebäudes. Diesen überliess 1588 die Stadt dem Grafen Johann dem Älteren als dieser die hohe Schule zu gründen beabsichtigte, gegen 650 Rädergulden und das nötige Holz zu einem Rathaus-Neubau, der dann laut Inschrift im folgenden Jahre am Buttermarkt errichtet wurde.

Flg. 83. Herborn. Grabplatten aus der Kirche.

RATHAUS.

75

Bei dem grossen Brande von 1626 wurden die beiden oberen, in Fachwerk er- bauten Stockwerke eingeäschert, aber schon am 1. August 1629 wieder aufgeschlagen.

Das Erdgeschoss und erste Obergeschoss sind in Stein erbaut ; zwei rundbogige Portale führen in das Erdgeschoss. Das am Buttermarkt hat in den Gewänden kleine

Flg. 84. Herborn. Tür am Rathaus und andere Holsschnitsereien.

mit Muscheln geschlossene Nischen, die Umrahmung mit Karniesprofil und Schmuck aus Wappen und Beschlagornament ; hierin wie in den Schnitzereien der Stockwerk- gebälke und Füllbretter ist ein unverkennbarer Anklang an niederhessische Art. Das Tor der Seitenfront zeigt in seiner Gliederung noch mittelalterliche Anklänge. Eine weitere Rundbogentür hat ein schön geschnitztes Holzgewände mit ausgegründetem Rankenornament und der Inschrift:

RECHT EHL MAS UND GEWICHT GEFELT GOT UND RECHT GERICHT 1627.

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HERBORN, SCHULHOF, STADTBEFESTIGUNG.

Die nicht unmalerische Halle im Erdgeschoss mit olfener Holztreppe und einem Holzgitter hat eine Balkendecke, deren Unterzug von einem geschnitzten Pfosten mit Sattelholz und Kopfbändern gestützt wird.

DER SCHULHOF wurde unter Benutzung des alten Rathauses wahrscheinlich Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, als nach Fertigstellung des neuen Rathauses 1591

Fig. 85. Ilcrboi ii. Dey Schulhof . Obergeschoss.

jenes frei wurde. Er ist ein massiver Bau von zwei Stock- werken mit einem runden, mit welscher Haube gedecktem Treppenturm in der Ecke, den der genannte Bau mit einem jüngeren in Holz gebauten Flügel bildet. Das Erdgeschoss wird durch eine grosse Halle gebildet, deren Balkendecke von schweren Holzsäulen mit Kopfbändern getragen wird. Sie diente der Hochschule als Aula. Dacherker und ein ' Giebel an der Strasse mit schönem Riegelwerk geben dem Gebäude seinen Schmuck, ebensowie ein steinerner Erker, der an diesem Nordgiebel inschriftlich im Jahre 1645 angebracht ist und an seinen starkgegliederten Konsolen und den Fensterumrahmungen mit Flachrelief-Ornament geschmückt ist.

STADTBEFESTIGUNG. Von der Stadtbefestigung, deren Erbauung bald nach der Stadtrechtverleihung 1251 zu datieren ist, sind noch wesentliche Teile erhalten, die dem Ortsbild stellenweise ein mittelalterliches Gepräge geben. Die alte Stadtmauer, von der bis zu dem Brande vom 11. August 1904 noch fast die ganze Ostseite stand, aber auch heute noch zahlreiche Reste erhalten sind, war an der Westhälfte von einem trockenen, an der Osthälfte von einem nassen Graben umzogen, der aus dem die Stadt fast genau in der Mitte durchziehenden Mühlgraben sein Wasser erhielt. Die Ringmauer war durch zwei Türme verstärkt ; diese waren, von der Südostecke be- ginnend : der Hexenturm, der Turm des Untertors oder Sinner Porte mit seinem von zwei Ecktürmen flankierten Vortor, der Speckturm am Eintritt des Mühlgrabens in die Stadt, der Hainturm zum Schutz der Hainpforte. Die Südwestecke der Um- mauerung nimmt das Schloss ein; ihm folgt auf der Westseite der Hexenturm und der Karzerturm, auf der Nordseite der Bürgerturm und als besonderes Verteidigungs-

Fig. 6'6. Herburn. Hohe Schule.

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HERBORN.

werk der Zwinger, der sich mit einer zweiten Mauer vor die Bornpforte, den Aus- tritt des Mühlgrabens und die Schieiter Porte mit ihrem Übergang über die Dill vermittelst der 1901 abgebrochenen Brücke legte. Die Bornpforte wurde durch den „dicken Turm", der Mühlgraben durch den Schleifturm und die Brücke durch das

Fig. 87. Herborn. Alter Pfarrhof.

Johannistürmchen geschützt. Die Nordostecke nahm der Dillturm ein, und das öst- liche Stadttor schützte der Leonhards- oder Sandturm. Von diesen zwölf Türmen stehen noch der Hexen-, Leonhards-, Dillturm und der dicke Turm; sie sind in den letzten Jahren sachgemäss hergestellt worden.

So, wie die Stadt in ihrem äusseren Gesamtbild noch den malerischen Charakter ihres mittelalterlichen Aussehens trägt, so sind auch in ihren Strassen noch eine Reihe stattlicher, heute meist an der Wetterseite beschieferter Giebelhäuser erhalten, die ihr in einem überraschenden Reichtum malerischer Strassenbilder das Gepräge der wohl- habenden und betriebsamen alten Landstadt bewahrt haben. Um einige davon hervor- zuheben, sei das nördlich von dem Schloss auf der Höhe stehende dritte Pfarrhaus von 1687 genannt, ein malerischer Bau mit massivem Erdgeschoss und zwei Fach- werk-Obergeschossen, von denen das obere verschiefert ist; aus der Mitte der Front springt ein mit welscher Haube bedeckter achteckiger Treppenturm vor. Ferner ist das frühere Corvinsche Haus nördlich von der Pfarrkirche an der früheren Bornpforte zu nennen, auch der P a u 1 s h o f genannt, früher der Sitz einer Druckerei,

NEUES HAUS.

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ebenfalls mit Giebel und Treppenturm geschmückt, leider nicht ganz in seiner ursprüng- lichen Gestalt erhalten.

Am Buttermarkt, dem Rathaus gegenüber, ist kürzlich ein besonders stattliches Haus des 17. Jahrhunderts von der Tünche befreit worden (Besitzer H. Nassauer).

Fig. 88. Herborn. Paulshof.

Das vierstöckige, mit Mansardendach bedeckte Haus ist besonders dadurch wertvoll, dass es die Fensteranordnung noch unverändert und wenigstens auf der Seitenfront noch das ursprüngliche Holzwerk des Erdgeschosses aufweist.

NEUES HAUS. Etwa 3 km nördlich von Herborn liegt auf einer Anhöhe über dem Amdorf-Bache die Unterförsterei „Neues Haus", die als eine Anlage des 18. Jahrhunderts Interesse beansprucht. Das Haus ist augenscheinlich über die Zwecke des Forstdienstes hinaus als Ausflugsziel für die Bewohner von Herborn und Dillenburg von vornherein angelegt, als welches es heute noch dient. Darauf deutet in der Grundrissanlage der grosse Saal des Obergeschosses, dessen Wände mit landschaftlichen Malereien verziert sind; ebenso auch eine das ganze Haus umziehende, auf Holzsäulen toskanischer Ordnung ruhende Halle, die den Be- suchern Wetterschutz und schöne Ausblicke in das anmutige Waldtal gewährt. Zwei Treppenhäuser im Innern sind augenscheinlich bestimmt, den Verkehr der Besucher vom Wirtschaftsbetrieb zu trennen.

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HERBORN.I

DAS HEIMAT-MUSEUM, durch Herrn J. H. Hoff mann im Laufe eines Vierteljahrhunderts mit ungewöhnlicher Hingabe gesammelt, ist im Erdgeschoss und ersten Oberstock des alten Hochschul-Gebäudes aufgestellt. Einer kurzen Übersicht tlber den zeit- und sittengeschichtlich wertvollen Inhalt sind die Notizen des Ge- nannten zugrunde gelegt.

J^ig. 89. Försterei „Neues Haus" bei Herborn.

Vor- und friihgeschichtlich: Zimmer 1 Erdgeschoss, Sieben Schaukasten mit Funden aus den Steinkammern bei Erdbach, zahlreiche Ton- und Steinzeug- Gefässe, ein Pfahlbau-Modell und Funde aus Schweizer Pfahlbauten ; Urnen, Knochen und Scherben aus einem Brandgrab, Grabfund nebst Torf aus der La T^ne-Zeit. Raum 11, Obergeschoss: Fränkischer Grabfund von See Ibach, bestehend aus Perlen und einer 60 Millimeter grossen goldenen Fibel, einigen silbertauschierten Gürtelteilen, Pfeilspitzen und einem Kurzschwert. An militärischen Altertümern aus späterer bis zur jüngsten Zeit enthält das Museum (Raum 15) Fahnen aus dem 17. bis 18. Jahrhundert, Abbildungen von Nassauer Soldaten und Ausrüstungsgegen- stände für solche aus der Rheinbundzeit (1808 bis 1813), in Raum 3 eine Gruppe Nassauer Soldaten in Rheinbund-Uniformen, ebensolche in Raum 7. Ferner als Proben der bereits im 15. Jahrhundert blühenden Herborner Geschützgiesserei *) ein Wall- geschütz und mehrere Hakenbüchsen. An die Waffen schliesst sich die heral- dische Abteilung mit (Raum 7) Wappen der Adelsgeschlechter, die hier Burgmänner

*) S. Mittelalterliche Geschützfabrikalion im vorm. Fürstentum Nassau-Dillenburg, Vortrag von G. Voigtmann-Haiger.

HEIMAT- MUSEUM.

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waren oder Burgsitze hatten, 13 Holztafeln vom Rathause, 1628. Die Wappen von Nassau- Dillenburg, Herborn, zwei von Angehörigen der Solmser Linien, Bürgermeister- und bürgerliche Wappen sowie 30 Kaisersiegel in Raum 10.

An Bildnissen sind zunächst etwa hun- dert teils in Öl, teils in Druck zu nennen , die meistens Mitglieder des Hauses Nassau darstellen; ihnen schliessen sich im Raum 10 die Bildnisse der Parlamentsmitglieder von 1848 an, endlich in dem oberen Korridor eine grosse Sammlung von Trachtenbildern, die ein Bild der männlichen und weiblichen bürger- lichen Tracht aus der Zeit von 1834 bis zur Gegen- wart geben.

Die Vergangen- heitderStadtist durch Modelle und Abbildungen reichlich vertreten , in Zimmer 1 befindet sich ein in Zinn gegossenes Mo- dell des Schlosses, in Raum 11 ein zirka 5 qm grosses Modell der Stadt aus der Zeit um 1600. Man überblickt durch eine in einer Mauer angebrachte Maulscharte die alten Mauern mit zahlreichen Türmen, den Zwinger, die Vortore und auf der Anhöhe das Schloss und die Kirche; im Vordergrund den Hintersand, den Friedhof mit St. Leonhardskirche, Garten usw. Diese Modelle werden ergänzt durch zahlreiche Bilder von Herborn von 1600 an bis zur Gegenwart.

Fig. 90. Herborn. Schloss. Fensterkorb.

6

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HERBORN.

J^ig. 91. Herboni. Das Schloss von Süäen.

Die in Raum 9 aufgestellte Bücherei, über 3000 Bände umfassend, enthält interessante Urkunden und Einblattdrucke, zu denen im Raum 3 noch fünf Schau- kasten mit Wiegendrucken und Proben der alten Herborner Offizin hinzutreten.

Von den eigentlich kulturgeschichtlichen Altertümern ist nur ein Teil gesondert aufgestellt, wie die über 50 Beleuchtungsgeräte aus ältester Zeit bis zur Gegenwart, Backformen aus Holz in Raum 1, kunstreich gearbeitete Kämme der Frauen- und Mädchentracht, Gussplatten von Öfen mit Wappen und biblischen Ge- schichten, Druckformen zu Kleiderstoffen, Wirtshausschilder, eine Schlüssel- und Schlossammlung. Die meisten dieser Gegenstände sind, wie es dem Charakter eines

HEIMAT-MUSEUM.

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Heimatmuseums entspricht, zu Raumbildern vereinigt, die, zum Teil mit der Staffage von Kostümfiguren ausgestattet, eine lebendige Anschauung des bürgerlichen Lebens in früheren Jahrhunderten geben.

So zeigt Raum 4 eine Bauernstube mit dem Webstuhl für die hier früher be- triebene Strumpfwirkerei, daneben eine Küche mit Herd und allen Geräten von 1700. Raum 11 enthält die vollständige Hochschul- Apotheke mit Mörsern, Büchsen, Flaschen, Retorten und Wagen ; an sie schliesst sich das Zimmer eines Gelehrten, mit Planetarium, Himmelsglobus, Elektrisiermaschine, alten Landkarten und ähnlichem.

Raum 13 stellt ein gut bürgerliches Wohnzimmer gegen Ende des 18. Jahr- hunderts dar, in dem die Wände mit Porträts und Kostümbildern bedeckt sind und der Glasschrank altes Porzellan und Glas enthält. Ein altes Spinett und ein Spinnrad ergänzen das Bild. Endlich ist Raum 14, ein Turmzimmerchen, als Trinkstube aus- gestattet, mit Leuchterweibchen, Zinn- und Steinkrügen, Wappengläsern und ähnlichem.

Fig. 92. Wappen der Stadl Hefborn.

6*

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BEILSTEIN.

Fig. 93. Burgruine Beilstein von Norden.

BEILSTEIN.

Vogel, Beschr. v. Nassau 363 ff., 726 ff. Sauer, Nass. Ann. 28, (1896) i— 51. C. Knetsch, Die Erbauung der Kirche zu Beilstein, Nass. Ann. Bd. 34 (1904) S. 278 ff.

M oberen Tal des Ulmbachs, der vom nördlichen Abhang des Knoden herabkommend, sich bei Biskirchen mit der Lahn vereinigt, 15 km süd- lich von Dillenburg, stehen auf einem sich wenig über das Tal er- hebenden Basaltfelsen die Trümmer der Burg Bellst ein. Um ihren Fuss dehnt sich das ansehnliche Dorf, mit seiner Kirche dicht an das Schloss ange- schmiegt, mit seinen letzten Häusern auf das linke Bachufer emporsteigend.

Geschichtliches. Ein Adelsgeschlecht Nobiles de Beilstein erscheint in Ur- kunden seit 1129. Ein Krafto von Beilstein ist zu dieser Zeit und 1141 zweimal Zeuge in Schenkungsakten für das Kloster Schiffenberg bei Glessen. Ein zweiter Krafto erscheint 1195 als Bürge für Walram von Nassau gegen Worms, und 1229 als Zeuge in einem Erbvergleich der Virneburger. Dass das Geschlecht auch an der

mittleren Lahn begütert war, geht aus einer Schenkung hervor, die dieser Krafto II.

und seine Tochter Irmengard mit einer Kornrente in Oberweyer bei Hadamar an das neu gegründete Kloster Beselich machten und die später gegen eine solche in der Runkelschen Gemarkung vertauscht wurde. Ausser diesen beiden ist noch ein Rudolf von Beilstein geschichtlich nachweisbar, der vor 1226 seinen Anteil an Schloss Merenberg an Hartrad IV. von Merenberg verkaufte. Über das Ver- schwinden dieses Geschlechtes und den Übergang seines Besitzes an das Haus Nassau

GESCHICHTLICHES.

Tal - 5e»te

Fig. 94. Ruine Beilstein. Grundriss,

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BEILSTEIN.

ist geschichtlich nichts Sicheres festzustellen. Sauer bringt es mit dem planmässigen Vordringen des letzteren Hauses im Calenberger Zent und dem Erdehegau zu Anfang des 14. Jahrhunderts zusammen, dem Merenberg durch Kauf anheimfiel. Er hält es für möglich, dass die Beilsteiner als Nachbarn und Verwandte der Merenberger dem gleichen Schicksal verfielen und sich auf die Herrschaft Greifenstein zurückgezogen

Fig. 95. Beil st ein. Holahaiis an der Dorfstrasse.

hätten, sodass der obengenannte Rudolf von Beilstein identisch mit dem als erste geschichtliche Stammesperson nachweisbaren Rudolf von Greifenstein wäre.

Jedenfalls finden wir von 1341 an Beilstein in nassauischem Besitz. In diesem Jahr findet eine Erbteilung zwischen den beiden Söhnen Heinrichs II. von Nassau- Dillenburg statt, von denen Otto II. diese Linie fortsetzt, Heinrich, ursprüng- lich dem geistlichen Stande angehörig, diesen verlässt, sich mit Meyna, der Tochter Siegfrieds II. von Westerburg, vermählt und bei der Teilung den Calenberger Zent erhält mit den Festen Beilstein, Mengerskirchen und Eigenberg sowie Haus Lieben- scheid und „die Herrschaft zum Westerwalde". Das hiermit gegründete Haus Nassau- Beilstein erfährt im Verlauf von fünf Generationen (Vogel, a. a. O.) mannigfache

Fig. 96. Ruine Beilstcin. Süd ansieht.

Fig. 97. Ruine Beilstein. Nordansicht.

BAUBESCHREIBUNG.

87

Erbteilungen, bis Johann III. 1556 den ganzen Besitz wieder in seiner Hand vereint, aber nach kinderloser Ehe mit Anna von Nassau- Weilburg bei seinem Tode 1561 die Nassau-Beilsteinische Linie beschliesst. Der Besitz fällt dann an Johann VI. den Älteren der Oranischen Linie. Durch die Erbteilung von 1607 begründete sein Sohn Georg die neue Beilsteinische oder neue Dillenburger Linie. Er residierte seit 1612

Fig. 98. Beilstein. Renaissancehaus neben der Burg.

im Schloss Beilstein und verlegte 1620 seine Residenz nach Dillenburg. Schloss Beilstein bestand bis 1813, in welchem Jahr es von den Franzosen auf Abbruch ver- kauft wurde. Jetzt wird es vom preussischen Domänenfiskus als Ruine erhalten.

Baubeschreibung. Ein Bruchsteinbau aus Säulenbasalt ohne jede Kunst- form, zeigt der Bau in ausgeprägter Weise den eigentümlichen Mauerverband dieser Steinart aus Binder- und Streckerschichten. Das vollständige Fehlen breiter Auflager- flächen sowie die geringe Haftung des Mörtels an der glatten Aussenfläche der kristallinischen Säulen macht diese Bauart besonders wenig widerstandsfähig gegen zerstörende Einflüsse und hat die Burg in weniger als hundert Jahren zu einer ein- sturzdrohenden Ruine gemacht, ein Zeitraum, der an manchen Schieferbauten des Rhein- und Lahntals fast spurlos vorbeigegangen ist.

Der Hauptbau der Burg ist ein von Südost nach Nordwest langgestrecktes Rechteck auf einem erhöhten Felsklotz, der nach dem Ulmbachtal steil abfällt. Hier ist auf demselben ein grosses Rundell errichtet, das jetzt schwer zugänglich ist. Die Langmauern des Hauptbaus haben 2'/2 ni, die schmalen Kopfseiten S'/a oi Stärke. Der südöstliche Kopfbau ist über das drei Stockwerke enthaltende Gebäude noch um zwei Stockwerke höher emporgeführt; schmale, dieselben verbindende Treppen liegen in der Mauerdicke; im ersten Obergeschoss nimmt ein Kamin die Mitte der Innenwand ein. So ist diesem Kopf bau, der an seinen Ecken durch stark vor- springende massive Rundtürme von 4'/2 m Durchmesser verstärkt ist, die seiner Lage an der Angriffseite entsprechende Bedeutung eines Bergfrieds zuzuschreiben. Er erinnert als solcher an die ähnliche Anlage der Schildmauer auf der Burg Ehren-

88

BEILSTEIN.

Fig. 99. Beilstein. Burgruine von Osten.

fels am Rhein. Auch der allerdings viel selbständigere Bergfried der benachbarten Burg Greifenstein mag zum Vergleich herangezogen werden.

Auch die schmale nach der Talseite gerichtete Nordwestfront besitzt die gleichen, allerdings weit niedrigeren Eck-Rundtürme. Zwischen ihnen befindet sich die enge, spitzbogige Eingangstür. Auch hier führt eine Treppe in der Mauerdicke auf den Wehrgang. Eine Abbildung des Schlosses von 1824 im Landesarchiv zu Wiesbaden

BAUBESCHREIBUNG.

89

zeigt über dieser Kopfseite noch einen hohen Giebel ; die Ecktürmchen des südöst- lichen Kopfbaus haben auf dieser Ansicht Zinnen und Bogenfries (s. Fig. 96, 97). Die Langseiten sind mit unregelmässig angeordneten Fensteröffnungen durchbrochen, die Flachbogenschluss gehabt zu haben scheinen.

I^ig. 100. Beilstein. Hans Roos.

Ob in diesem Hauptbau ein Rest der Burg der Edlen von Beilstein aus dem 12. Jahrhundert steckt oder ob sie nach dem Besitzwechsel des 14. Jahrhunderts von den Nassauer Grafen von Grund aus neu aufgebaut worden ist, lässt sich bei dem Fehlen jeder Kunstform nicht feststellen; die Einheitlichkeit der Anlage spricht für das Letztere. Zweifellos hat die Burg als Residenz der Nassau-Beilsteinschen Linie viel von ihrer Wehrhaftigkeit eingebüsst. So ist der Graben, der sie von dem über- höhenden Gelände der von Südosten herabsteigenden Berglehne getrennt haben muss,

90

BEILSTEIN, PFARRKIRCHE.

gänzlich verschwunden. Ein wenig tiefer Graben von geringer wehrhafter Be- deutung zieht sich jetzt an der Südwestseite bis zum Bachtal hinunter. Hier erheben sich auf hoher Futtermauer zwei augenscheinlich spätere Gebäude, die erheblich tiefer als die Hauptburg liegen. Sie haben ein rundbogiges Tor und regelmässige Fenster- reihen. Der nördliche dieser beiden Nebenbauten zeigt im Obergeschoss die Reste von zwei Kreuzgewölben. Zwischen diesen Bauten und dem Hauptbau ziehen sich in verschiedener Höhe Mauern hin, vielleicht Zwingeranlagen, die unter dem massen- haften sie überlagernden Schutt nicht genauer festzustellen sind.

Die südöstliche Grenze der Burganlage , die Stelle, wo sich früher der Halsgraben befunden haben mag, wird von einem ausgedehnten, in stumpfen Winkeln sich zwei- mal umbiegenden Stall- und Scheunenbau eingenommen, der zwar noch unter Dach, aber so baufällig ist, dass sein südlichster Teil, der einen Torbau nach dem vorher erwähnten südwestlichen Aussenbau bildete , erst vor wenigen Jahren eingestürzt ist. Grosse später angefügte Strebepfeiler an dieser Ecke deuten darauf hin, dass man diese Gefahr schon früher erkannt hat. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man in diesen Aussenbauten die Erweiterungen sieht, die Graf Georg von 1607 an aus- führen Hess, ehe er 1612 seine Hofhaltung hierher verlegte. Der letzterwähnte grosse Bau steht in Zusammenhang mit einem auf einer etwas tieferen Geländestufe östlich sich anschliessenden Renaissancebau. Dieser schliesst einen nach Norden ge- legenen Wirtschaftshof ab, von dem aus ein mit einer zierlichen Vorhalle überbauter Eingang auf die Empore der sich ostwärts noch tiefer anschliessenden Kirche führt.

DIE EVANGELISCHE PFARRKIRCHE ist ein grosser Saalbau mit flacher Decke, nach der Inschrift am unteren Portal 1614 begonnen, 1616 vollendet. Sie ist im Innern mit Emporen gefüllt, welche die gesunde Konstruktion und die nicht un- gefälligen Einzelformen der Zeit aufweisen.

Der Turm, ein schon bestehender Bau, der beim Kirchenbau benutzt wurde, trägt eine in drei Stockwerken gegliederte welsche Haube mit dem Glockenstuhl. Das schön geschmiedete Turmkreuz zeigt die Jahreszahl 1769. Über den Verlauf des Baues, die dabei beschäftigten Handwerker, die aus ganz Nassau herbeigeholt wurden, sowie über die Kosten gibt der oben genannte Aufsatz von Knetsch sehr genaue An- gaben. Wir erfahren daraus, dass der Maurermeister Jost Haibach aus Ernsthausen im Amt Weilmünster war, die Zimmerarbeiten von den Meistern Peter Cundts aus Leun und Thebes Pauli aus Fleisbach, die Schreinerarbeiten von Simon Balthes aus Dillenburg ausgeführt wurden. Der Gesamtbetrag, der für die Maurer- arbeiten gezahlt wurde, belief sich auf 924 Gulden, der für die Zimmerarbeiten auf 381 Gulden.

Die neue Kirche bekam vier Glocken. Die grösste wurde zu Emmerichen- hain gegossen; sie erhielt als Inschrift den Namen des Grafen Georg und der Gräfin Amalia, von den andern berichtet Vogel (Nachlass), dass die Mittagsglocke die Inschrift

hatte: Hoctes atque dies proclamo tempora mundi ooce orba et üita nec mil)i lingua fubeft lauf Ru&er gos mitit) zu Dirfdtjftein ano 1597. Die Gemeindeglocke : Tlüe ntaria

BERGEBERSBACH, KIRCHE.

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0 vtf glorie ueni cum pacc. Die Bürgermeisterglocke: Rinkcr üon Icun goß midi) anno 1798.

An Holzhäusern besitzt das Dorf Beilstein einige schöne Beispiele, leider ohne Datierung. Die hierbei abgebildeten sind ein teilweise vernachlässigtes grosses Haus an der Hauptstrasse, der Mühle gegenüber und das Haus des Besitzers Roos, Nr. 35.

BERGEBERSBACH, STRASSEBERSBACH.

Vogel, Beschreibung 713. Vogel, Archiv i, 118 144.

5 AS evangelische Pfarrdorf Bergeber sb ach liegt 10,5 km nördlich von Dillenburg im Tal der Diezhölze. Wenn auch auf ein hohes Alter des Ortes aus dem Umstand geschlossen werden darf, dass bereits im 10. Jahr- hundert hier ein eigener von Haiger getrennter Kirchspielsverband be- standen hat, so ist aus seiner Geschichte doch nichts anderes bekannt, als dass sein Besitz im 14. Jahrhundert Gegenstand langwieriger Streitigkeiten zwischen Nassau und den Herren von Bicken war. Dieser endete erst 1486 mit einem Vergleich, wonach die letzteren das Gericht Ebersbach mit Ausnahme des Kirchensatzes und anderer Vorbehalte für 3000 Gold- gulden an Nassau erblich überliessen (Vogel).

Im Jahre 1769 brannte das Dorf fast gänzlich ab.

DIE KIRCHE stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat im 15. Jahrhundert einen Umbau erfahren. Der Turm- helm scheint nach dem Brande von 1769 neu aufgebaut zu sein. Sie ist eine Hallenkirche mit tiefem, im Achteck ge- schlossenen Chor und viereckigem Westturm.

Der Chor liegt um fünf Stufen höher als das Schiff und hat zwei spitzbogige, rippenlose Kreuzgewölbe ; die Wände sind durch ebenfalls spitzbogige Schildbogen ohne Kämpier- gesims gegliedert. Der breite Chorbogen hat in der Mitte einen eckigen Vorsprung, der auf zwei 70 cm starken Halb- säulen ruht. Diese sind leider stark verstümmelt, doch haben sich die mit Eckblättern belegten , frühgotisch profilierten Basen und an der Südseite ein schön gezeichnetes Kapitäl erhalten, dessen Blätterschmuck und Deckplatte noch fast romanisch sind. Das Schiff, ursprünglich wohl flachgedeckt, hat in spätgotischer Zeit eine Teilung in drei Schiffe erhalten, die mit neun Kreuzgewölben überdeckt wurden. Diese haben einfach hohlprofilierte Gurten und Gräte, die aus vier schlanken

J^ig. 101. Bergebersbach. Pfarrkirche.

92

BERGEBERSBACH.

Rundpfeilern ohne Kapitale hervorwachsen ; die Gurte setzen tiefer an als die Gräte, deren Schlussteine durch Ringe bezeichnet sind. Die schlanken, teils rundbogigen, teils viereckigen Fenster sind nicht die ursprünglichen; eine Tür, die von Süden in den

Chor führt, scheint noch aus der roma- nischen Bauzeit zu stammen.

Der Turm ist eine schlichte, vier- eckige Mauermasse und öffnet sich in dem mit einem rippenlosen Kreuzge- wölbe überdeckten Erdgeschoss mit ei- nem hohen Bogen gegen das Mittel- schiff. Die hochgelegenen Schallöff- nungen sind klein. Das (neue) Glocken- haus bildet einen aus Zimmerwerk er- bauten verschieferten Aufsatz mit ein- wärts geschweiftem Zeltdach und vier mit Schall-Lucken versehenen Giebeln.

Die Steinkansel ist nüchtern spät- gotisch, achteckig, getragen von einer Säule mit gewundener Riefelung ; mit ähnlichen dünnen Säulchen sind die Kanten besetzt, die Flächen mit flachem Fischblasenmasswerk belegt.

Die Kirche ist ganz mit Emporen angefüllt, die zum Teil gute Holzarbeit, namentlich im Chor schön profilierte Rundpfosten haben. Eine hübsche Holz- treppe mit offener, gewundener Spindel führt in der Südwestecke des Schiffs zu den Emporen ; eine zweite Steintreppe liegt im Mauerwerk der nördlichen Turmwand.

Ein gusseisernes WcDidepitaph im Chor enthält die Inschrift:

JOHANNES HEIDFELDIUS THEOLOGUS ET PHILOSOPHUS PROFESSOR IN INCLYTA NASSOVIA HUJUS ECCLESIAE PASTOR PIETATE, ERUDITIONE ET SCRIPTIS CLARUS NATUS WALTROPII WESTPHOR. A. C. 1563 DENATUS EBERSßACHII NASSOVIOR. 1629 ET

CATHARINA NOVIOMAGA DICTA GELDENHAUSEN 1560-1624.

SPIRITUS IN COELO RECUBANT HIC MOLLITER OSSA HEIDFELDI TOTO FAMA SED ORBE VOLAT

G. CORVINUS FEC.

Fig. 102. Bernebersbach. Pfarrkirche. Kapitäl am

Cliorbogcn. Turiiispitse.

STRASSEBERSBACH. BREITSCHEID.

93

Zwei Glocken haben die Inschriften :

Hoe maria gracia plena | dominus tecum benedicta | tu in mulieribus et | benedictus fructus üentris | tui i ö s fus amen f MCCCCXLII (1442).

0 fancta oirgo margarettja 1 omni tempore benedicta | pro nobis tu criftü implora | mala inftat nobis aura | millefimo quingentelimo xii | menfe octo-

bri (1512 wahrscheinlich bei Pestgefahr gestiftet).

Das im Tal liegende Dorf Strass- ebersbach hat eine kleine, St. Jo- hannes dem Täufer geweihte Kirche in völlig schmucklosem romanischem Über- gangsstil. Das rechteckige Schiff ist flachgedeckt, der schmälere Chor im Achteck geschlossen und mit einem spitzbogigen, rippenlosen Kreuzgewölbe bedeckt, die Wände mit sehr spitzen Schildbögen. Fenster und Westtüre haben sehr gedrückte Spitzbögen.

Die einzige Glocke der Kirche hat

die Inschrift : fuit öomo miffus a deo I cui nomen erat ioöannes | W uenit tefti^ monium anno|dni MDXii (1512).

Fig. 103. Bergebersbacli. Pfai rkirche. Sti inkansel .

BREITSCHEID.

Vogel, Beschr. von Nassau 721.

REITSCHEID. 9,4 km südwestlich von Dillenburg. Eine Kapelle war (nach Vogel) hier schon 1349 vorhanden. Die jetzige Kirche soll 1629 und 1727 erbaut sein. Dies kann sich nur auf das Schiff beziehen, indem der Turm, ein ganz roher und unbedeutender Bruchsteinbau, der Zeit vor

1349 angehört. Er ist ein niedriger, viereckiger Basaltbau mit modernem Dache und steht an der Ostseite der Kirche. Sein Erdgeschoss mit spitzbogigem Kreuzgewölbe ohne Rippen und ohne vortretende Schildbögen, mit kleinen, schmalen Spitzbogen- fenstern bildet den Chor. Der Triumphbogen ohne Gliederungen zeigt den Halbkreis (Lötz ).

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BURG. DERNBACH. DRIEDORF.

BURG.

Vogel, Besclir. von Nassau 720.

URG, 2 km nördlich von Herborn.

DIE PFARRKIRCHE „Unsrer lieben Frau auf dem Berge" liegt neben einer vielleicht in der Dernbachischen Fehde (13. Jahrhundert) zer- störten Burg, von der sich (nach Vogel) nur noch Spuren in der Erde finden. Roher Bruchsteinbau in romanischem Übergangstil ; besteht aus einem flach- gedeckten Schiff, gegen welches sich eine gleichbreite, halbrunde Apsis mittels eines weit engeren Rundbogens öffnet.

Einige Spitzbogenfenster mit schrägen Gewänden, eine vermauerte Tür am Ostende der Südseite mit nur drei Steine zählendem Rundbogen und eine ebenfalls vermauerte Spitzbogentür an der Westseite sind nebst den flachen, roh gemauerten Streben am Anfang der Apsis die einzigen alten Einzelheiten. Der Westseite ist in neuerer Zeit ein kleiner, schlichter, viereckiger Turm von Backsteinen vorgesetzt worden (Lötz).

DERNBACH

Vogel, Beschr. von Nassau 722.

ERNBACH, der südlich von Herbornseeibach auf der linken Seite der Aar gelegene, jetzt bis auf wenige Spuren verschwundene Stammsitz des gleichnamigen Rittergeschlechtes kommt 1263 zuerst vor, dessen sämt- liche Ganerben (concastellani hi Dermbach) ein gemeinschaftliches Burg- siegel hatten. In der Fehde mit Nassau räumten die Besitzer 1309 die Burg Hessen ein, das sie wiederherstellte. Nach mehrmaliger Zerstörung und einer letzten Her- stellung im Jahr 1337 ging sie bald durch Feuer gänzlich zu Grunde. Ein neben der Burg gelegenes kleines Dorf, das 1376 noch genannt wurde, soll zu einer Pest- zeit ausgegangen sein.

Tonrelief: Meister Reinecke predigt den Gänsen, drei Zoll lang, zwei Zoll hoch, bei der Ruine gefunden, seit 1855 im Museum zu Wiesbaden (Period. Blätter, Februar 1855, Nr. 4, S. 124) (Lötz).

DRIEDORF.

Wenck, i. 509 f. und Urk. 213 f. 225, 328, 329. Vogel, Nass. Ann. i, Heft 2, 3, S. 214 bis 224; 2. Heft I, S. 171 180; Vogel, Beschr. von Nassau 249 f., 725.

RIEDORF, 13 km südwestlich von Dillenburg im weiten Tal des Reh- bachs, ist eine frühe Ansiedelung, die durch ihre Lage an der alten von Köln nach Frankfurt führenden Strasse schon früh eine gewisse Bedeutung gehabt haben muss.

GESCHICHTLICHES.

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Fig. 104. Driedorf. Ruine der Unterburg.

Geschichtliches. Seine erste Erwähnung geschieht 1100; 1285 ist es Sitz des Centgerichtes und wird bereits 1290 als „Stadt" bezeichnet, obgleich die Ver- leihung der Stadtrechte erst 1305 durch König Albrecht auf Betreiben des Grafen Emich von Nassau-Hadamar erfolgte.

Besonders begütert waren hier die Herren von Greifenstein und Licht en- stein. Die Ausdehnungsgelüste der Nassau-Ottonischen Linie, denen man im 13. Jahr- hundert in diesem Landesteil begegnet, mussten sie bald mit diesem Hause in feindliche Berührung bringen. In einer Fehde der Brüder Crafto und Rorich von Greifen- stein mit Nassau unterlagen die ersteren ; um 1280 wurde ihre Stammburg zerstört und auf ihrem Eigentum in Driedorf zwei Trutzburgen von Nassau erbaut. Ein 1290 geschlossener Vergleich verschaftte den drei Söhnen Ottos, den Grafen Heinrich, Emich und Johann, die Hälfte des Greifensteinschen Besitzes in Stadt und Kirch- spiel Driedorf Dieser Anteil kam bei der Teilung von 1303 an Emich, den Begründer der alten Nassau-Hadaniarschen Linie, der hier residierte; durch Kauf wurde er 1316 um die andere Greifensteinsche Hälfte und 1334 um den Lichtensteinschen Anteil vergrössert.

Nach Johannes, des Sohnes Emichs, Tode zog Hessen 1370 als Lehensherr das Lehen ein und gab im folgenden Jahre zwei Teile desselben an Graf Ruprecht, Walramischer Linie, den Schwiegersohn Johanns und, als dessen Witwe Anne sich in zweiter Ehe mit Diether VI. von Katzenelnbogen vermählte, an dieses Haus. In den Fehden, die sich hieraus zwischen Nassau und Hessen entspannen, scheint die obere Burg Schaden gelitten zu haben, da 1403 ihre damaligen Besitzer Landgraf Hermann vonHessen und Graf JohannvonKatzenelnbogen ihren Wieder- aufbau beschlossen. Von 1470 an war Hessen im alleinigen Besitz von Driedorf und trat es erst 1557 an Nassau ab, das im folgenden Jahre eine neue Kellereiwohnung baute. Von 1604 bis 1739 war die neue Nassau-Dillenburger Linie im Besitz; im ersten Jahre liess Grafjohann die Burg von Grund aus herstellen und vergrössern; in der oberen Burg erbaute Fürst Ludwig Heinrich 1660 eine Schlosskirche. Stadt und Burgen wurden mehrmals durch Feuersbrünste heimgesucht ; so durch die von 1635 und die von 1672, die der oberen Burg den Untergang brachte. Der grosse

FELDBACH.

Stadtbrand von 1819, infolgedessen der ganze Ort neu aufgebaut wurde, war auch die Veranlassung, dass die bis dahin bestehende Stadtbefestigung, aus einer mit Türmen besetzten Ringmauer bestehend, und ihre vier Tore, die nach den Städten Mainz, Koblenz, Köln benannt waren, abgebrochen wurden.

Das einzige erhaltene Stück der Stadtbefestigung, bei den Resten der oberen Burg stehend, besteht noch aus zwei Türmen nebst dem verbindenden Mauerstück. Die Türme sind viereckige „Schalen" mit nach der Stadtseite offener spitzbogiger Überwölbung, das Erdgeschoss geschlossen und mit einem Flachbogen überwölbt. Die Treppen sind in geraden Läufen teils an, teils in der Turmmauer hochgeführt, der Wehrgang rechtwinklig ausgekragt.

Von der Oberburg sind nur Reste sehr starker Mauern, die sich von der Stadtmauer ziemlich weit in die bewohnten Quartiere erstrecken. Sie haben hier abgerundete Ecken, lassen aber die Einzelheiten der Anlage nicht mehr erkennen.

Auch die Unter bürg ist ein von Jahr zu Jahr sich vermindernder Trümmer- haufen ohne architektonische Einzelheiten. Sie war eine Talburg, in einem von dem Rehbach gespeisten Teiche gelegen, der jetzt eingeebnet ist (wie es heisst mit den Steinen des 1780 umgestürzten viereckigen Hauptturms). Sie wurde 1347 den Herren von Mudersbach als Erbburgmännern übergeben, die sie später von Hessen zu Lehen trugen. Nach ihrem Aussterben 1600 fiel die Burg an Hardmut von Cronberg, der sie damals schon als Halbruine 1610 an Nassau verkaufte.

Die Burg nahm ein Quadrat von 38 m Seitenlänge ein ; der Innenraum war durch eine Mauer in ein Wohngebäude und einen breiteren Hof geteilt. Eine Tür und einige Fenster, die in dem zerfallenden Basalt- Mauerwerk noch zu erkennen sind, haben stichbogigen Abschluss. Die Kragsteine der Balkenlagen und einiger Kamine sind noch vorhanden, letztere sind einfach gerundet und abgekantet.

FELDBACH.

Vogel, Beschr. v. N. 709. Gütz, Regesten S. 276, 10. Lept.

ER Hof Feldbach (dem Domänenfiskus gehörig), 1,4 km südlich von Dillenburg, früher ein Dorf, besass schon im 13. Jahrhundert eine Kirche, von Graf Otto von Nassau erbaut, von seiner Witwe Agnes vollendet und 1294 von der Mutterkirche in Herborn getrennt. Von da ab diente sie bis 1490 als Pfarrkirche für Dillenburg. Als die Pfarrei an diesen Ort verlegt wurde und 1576 Graf Johann der Ältere das Dorf und den Pfarrhof vertauschte, was die Bewohner zur Auswanderung nach Dillenburg veranlasste, wurde die Kirche als Scheune benutzt; als solche brannte sie 1860 aus und steht seitdem als Ruine.

Sie ist ein einschiffiger, gotischer Bruchsteinbau mit schmälerem, im halben Achteck geschlossenen Chor und ohne Turm.

HÖRBACH.

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Der Chor ist noch mit zwei spitzbogigen, rippenlosen Kreuzgewölben geschlossen, die gegen ungegliederte Schildbögen anfallen. Drei zweiteilige Spitzbogenfenster im Chorschluss haben hohlgegliedertes Masswerk, teilweise zerstört. Der ungegliederte Chorbogen ist spitzbogig. Das Schiff hatte eine gewölbte Bretterdecke mit sichtbar durchlaufenden Binderbalken und spitzbogige Öffnungen. Alle Formen der Ruine lassen erkennen, dass sie nicht dem Bau des 13. Jahrhunderts, sondern einem späteren Neubau des 14. oder 15. Jahrhunderts angehört.

Fig. 105. Rittershausen. Kapelle.

HÖRBACH.

ÖRBACH, 3 km südwestlich von Herborn.

KAPELLE. Hatte bis zur Reformation eigene Kapellane. Auf das 13. Jahrhundert deuten die kleinen Rundbogenfenster in Verbindung mit dem spitzen Chorbogen und rippenlosen Kreuzgewölben des in einem niedrigen Turm befindlichen Chores. Der Turm oben nur mit Lichtspalten ver- sehen; sein oben achteckiger Helm und das teilweise aus Fachwerk bestehende Schiff aus späterer Zeit (Lötz).

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NENDEROTH.

NENDEROTH.

Vogel, Beschr. 728. Schannat, Hist. Wormat. II 32.

^AS evangelische Pfarrdorf Nenderoth, 15,8 km südwestlich von Dillen- burg, auf weitschauender Höhe nahe der Quelle des Kahlenberger Bachs gelegen, sieht auf ein hohes Alter zurück. Im Jahre 993 schenkte König Otto das Dorf, das nach dem Tode seiner Besitzerin, einer Freifrau Acela, dem Reiche heimgefallen war, nebst seiner neu erbauten Kirche dem Bistum Worms. Es war der Mittelpunkt des Calenberger Zents, den die Herren von Merenberg als

Vögte von Worms um 1226 unter dem Namen des Gaues Nencherode (Nancheresrode) zu Lehen trugen und der hier sei- nen Gerichtssitz hatte. Durch Kauf ging dies Gericht mit allen Leibeigenen 1310 an Nassau über.

PFARRKIRCHE. Die jetzige Pfarrkirche ist nach ihren schlichten Formen des Über- gangsstils in den Anfang des 13. Jahrhunderts zu setzen. Das flachgedeckte Schiff hatte ein südliches Seitenschiff, dessen zwei rundbogige, ungegliederte Arkaden in der Südwand ver- mauert sind. Die spitzbogigen Oberfenster dieser Wand sind jünger ; die Tür in der West wand zeigt den Spitzbogen, ist aber

Fig. 106. Nenderoth. Pfarrkirche. SOnst ganz Ungegliedert.

Der im Osten stehende Turm bildet im Erdgeschoss den Chor, dem sich eine Apsis mit Halbkuppelgewölbe anschliesst. Das Gewölbe im Turm ist wie der un- profilierte Chorbogen spitzbogig und rippenlos ; starke Schildbögen ruhen auf Eck- pfeilern. Der Chor hat kleine romanische Rundbogenfenster, davon drei in der Apsis. Der Turm hat gekuppelte Schallöffnungen, deren Rundbogen auf kleinen Säulen ruhen, mit primitiven Knospenkapitälen und attischen Basen mit runder Unterlags- platte. Der Ort besitzt einige gut erhaltene Fachwerkhäuser.

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TRINGENSTEIN

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Fig. 107. Burg Tringenstein. (Nach einem Modell).

TRINGENSTEIN.

Vogel, Nachr. über die Burg Tringenstein. Nass. Annal. 3 b. 24— 3 5 . Vogel, Beschr. v. Nassau 724.

IE Burgruine Tringenstein liegt auf einem nach der Tringensteiner Scheide abfallenden Hügel, 9,5 km östlich nach Norden von Dillenburg. Als Nassau-Dillenburgsche Grenzburg gegen Hessen soll die Burg (nach Vogel) 1323—1325 in der Dernbachschen F"ehde von Graf Heinrich I. erbaut sein ; ihre erste urkundliche Erwähnung findet sich erst 1356.

Graf Johann IV. erweiterte und verschönerte sie 1472; unter seinem Nach- folger wurde die Kapelle 1489 neu geweiht. Im 17. Jahrhundert war sie bereits ver- fallen, sodass Graf Ludwig Heinrich sie 1625 herstellen liess. Nach dem Aus- sterben der Dillenburger Linie scheint sie dem Verfall preisgegeben worden zu sein, der, nachdem 1773 die Türen und Fenster verkauft waren, schnellen Fortgang nahm, sodass jetzt kaum noch die Grundmauern zu erkennen sind. Nach einer 1828 von Chelius in Dillenburg aufgenommenen Grundrisskizze im Landesarchiv zu Wiesbaden und eigenen Zeichnungen aus den vierziger Jahren hat Herr J. H. Hoffmann in Herborn die Burg in einem Modell zu rekonstruieren versucht, wonach die Figur 107 gezeichnet ist.

Der Grundriss des Wohngebäudes war eckig-oval ; ihm schloss sich nördlich der Burghof an, der durch ein in der Ostecke befindliches Tor zugänglich war ; das Tor- haus war beiderseitig rund abgeschlossen, für Rundtürme (wie Lötz annimmt) war kein Platz. Die Nordwestecke des Hofes nahm die Kapelle ein, die einen achteckigen Chorschluss und an der Südwestecke ein rund vorspringendes Türmchen hatte. Weiter nach Westen standen im Anschluss an das „Schloss" Wirtschaftsgebäude. Eine Glocke von der Burgkapelle, jetzt in der Kapelle des Dorfes hängend, hat die

Inschrift- ludiDig ftenridt) ßroff zu naffau - hans henfdöele uon Itlain^ goß midt) 1636.

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WALLENFELS. HACHENBURG.

WALLENFELS.

ALLENFELS, eine Burgruine, deren kaum noch erkennbare Reste am Siegenbach 3 km nördh'ch von Tringenstein liegen, scheint dieselbe Ent- stehungsursache wie diese gehabt zu haben. Sie wurde 1334 zum erstenmal erwähnt, als H e i n r i c h I. v o n N a s s a u sie an Hessen zu Lehen auftrug. Später wurde sie nebst dem Dorfe an die Herren von Bicken verpfändet, die hier ihren Wohnsitz nahmen. Mit der Rückgabe an Nassau 1486 erlöschen alle Nach- richten von ihr (Vogel, Nass. Ann. 3 b 14 bis 23).

HACHENBURG.

Vogel, Beschreibung 217 ff., 690 f.

ACHENBURG, Stadt und Schloss auf weithin herrschender Höhe über dem linken Ufer der grossen Nister gelegen, ist alter Gräflich Saynscher Besitz. Dies Geschlecht wurde um 1176 von dem Erzbischof von Köln damit belehnt, als es das Erbe der Grafen von Saffenburg als kölnischer Vögte des Avalgaus antrat. Vorübergehend ging der Besitz 1247 an die Grafen von Sponheim über, als Graf Heinrich III. von Sayn (der zweite Gründer von Marienstatt), der in kinderloser Ehe mit Mathilde von Wied-Neuerburg ver- mählt war, die vier Söhne seiner mit Johann von Sponheim vermählten Schwester Adelheid zu Erben einsetzte. Der Enkel der letzteren, Gottfried vonSponheim, erhielt bei einer Erbteilung die Grafschaft Sayn mit Hachenburg. Er nannte sich von da ab von Sayn und trug die Grafschaft dem Pfalzgrafen Ludwig zu Lehen auf. Diese Linie starb 1606 aus, und die Grafschaft fiel an die jüngere Linie Sayn- Wittgenstein, von der sie durch weibliche Erbfolge an die Burggrafen von Kirchberg und 1799 an Nassau- Weilburg kam.

Den Namen Hachenburg scheint zuerst der jetzige Nachbarort Altstadt geführt zu haben; als um 1200 in seiner Gemarkung durch die Grafen von Sayn die Burg erbaut wurde, ging der Name auf diese und die alsbald um dieselbe entstehende Stadt über. Die Burg wird zuerst 1221 erwähnt. Bei dem Übergang der Grafschaft an Sponheim 1247 wird dabei auch die Burg und Stadt Hachenburg aufgeführt. Stadt- rechte erteilte ihr erst Kaiser Ludwig 1314, der von hier aus mehrere Urkunden datierte.

DIE STADT HACHENBURG enthält keine Reste aus ihrer frühesten Ver- gangenheit, da sie von zahlreichen Feuersbrünsten heimgesucht wurde. Dafür bietet ihr Marktplats ein selten schönes Stadtbild. An dem stark ansteigenden Platz, dessen unteren Teil ein schöner Brunnen mit dem nassauischen Löwen schmückt, reihen sich Giebelhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aus denen sich am obersten Teil die evangelische Kirche abhebt, mit einem Durchgangsbogen an die schwere

Fig. 108. Hachenburg. Katholische Pfarrkirche vor dein Umbau. Seitenaltar , Kanzel und Beichtstuhl.

KIRCHEN.

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Baumasse des Schlosses gelehnt. An der Nordseite des Platzes tritt der stattliche Renaissatice-Giebelbati des Gasthauses „zur Krone" hervor, daneben die schöne Barockfassade der katholischen Kirche, neben der in den letzten Jahren ein mit Geschick in das Stadtbild komponierter Glockenturm erbaut worden ist.

DIE EVANGELISCHE KIRCHE ist aus der Nikolaikapelle entstanden, die Graf Gerhard von Sayn (geb. 1417, f 1493) stiftete und für die er 1459 einen hundert- tägigen Ablass erwirkte. Chor und Turm stammen noch von diesem ersten Bau, der fünfmal, nämlich 1439, 1484, 1503, 1594 und 1654 abbrannte. Das Schiff ist 1575 und 1576 erbaut; von ihm führt ein mit einem Bogen über die Strasse geleiteter Gang zum Schloss.

Der Chor, im Achteck geschlossen und dreijochig, ist jetzt flach gedeckt; die Gewölbe wachsen aus den nach innen gezogenen flachen Strebepfeilern heraus, die sich oben als spitzbogige Blenden zusamnienschliessen. Die Fenster, in einfach schrägen Gewänden liegend, haben spätgotisches Fischblasen-Masswerk, das auf einer, im Ost- fenster auf zwei Mittelstützen ruht. Der Turm steht südlich neben dem zweiten Chorjoch; er steigt schlicht viereckig ohne Streben auf und enthält im Erdgeschoss die Sakristei, die mit einem rippenlosen, spitzbogigen Kreuzgewölbe auf Konsolen überdeckt ist. Ein steinerner Altartisch in der Sakristei hat ähnliche Ecksäulchen wie der zu Marienstatt.

DIE KATHOLISCHE PFARRKIRCHE ist ursprünglich eine Franziskaner- Ordenskirche. Salentin Ernst von Manderscheid hatte dem Orden eine kleine Kirche nebst Wohnhaus erbaut, die 1664 vollendet wurde. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts waren Kirche und Kloster baufällig geworden, doch stiess die Absicht eines Neubaus auf Schwierigkeiten bei dem protestantischen Landesherrn, Grafen Georg Friedrich von Sayn (1715 bis 1749), die erst gehoben wurden, als der Franziskanerprovinzial Angelus Brinkmann eine Bittschrift einreichte, die der ganze Konvent unterzeichnet hatte. Nach der 1732 erteilten landesherrlichen Erlaubnis wurde zwei Jahre später der Grundstein gelegt und 1739 die Kirche geweiht. Leider lässt das Fehlen schrift- licher Aufzeichnung eine Nachprüfung dieser mündlich überlieferten Daten nicht zu. Die Jahreszahl 1734, die sich in einer jetzt an der Dachspitze über dem Chor ange- brachten Wetterfahne findet, lässt der Vermutung Raum, dass die Erbauungszeit der Kirche 1732 1734 anzunehmen ist (Mitt. des Pfarrers Dr. Steyer).

Nach der Aufhebung des Klosters 1813 wurde die Kirche zur Pfarrkirche ge- macht; in den letztvergangenen Jahren wurde sie nach den Plänen des Architekten C. Senff in Bonn durch Hinausrücken des Chors nach Osten erweitert und an der Strassenfront über dem nördlichen Nebenausgang mit einem Turm versehen, der sich in glücklicher Weise den Bauformen der Kirche anschliesst.

Die Kirche war eine einschiffige, dreijochige Saalkirche, mit einem Korbbogen- gewölbe mit Stichkappen überdeckt. Die breiten Gurten waren als Pilaster mit tos- kanischem Gebälk an den Wänden fortgesetzt. Die Schiffsbreite war nach dem

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HACHENBURG.

schmäleren Chor durch zwei Schrägwände übergeleitet, an denen die Seitenaltäre ihren Platz fanden. Diese sowie der Hochaltar und die an der Nordwand befindliche, durch eine aussen hegende Treppe zugängliche Kanzel sind hervorragende Werke der Barockkunst in einer reich verkröpften Säulenarchitektur aus Eichenholz mit Nussholzfournier und Maserholzeinlagen, mit lebensvoll geschnitzten Engel- und Heiligenfiguren reich besetzt. Die Chorschranken sind durch kräftige viereckige Docken mit Deckgesimsen aus verschiedenfarbigem Nassauer Marmor gebildet. Das Kirchengestühl hat gut profilierte, mit dicken Kugeln besetzte Kopfstücke aus Eichenholz. Die Kanzel mit einem etwas zu wuchtigen Schalldeckel-Aufbau hat auf den vier Seiten zwischen reich geschwungenen Konsolen die in Öl ge- malten Bilder der Evangelisten in reich geschnitzten Barockkartuschen. Die Kanzel wurde bei dem Umbau an die Südwand versetzt und erhielt eine neue Treppe mit geschnitztem Geländer.

Da die Kirche auf einem schmalen, von Nachbargrundstücken beengten Bau- platz liegt, so hat nur ihre Westfront eine monumentale Ausbildung erhalten. Sie ist durch vier Lisenen gegliedert, von denen sich die beiden mittelsten über das ver- kröpfte Hauptgesims bis zum obersten Giebeldreieck erheben, von dem aus elegant gezeichnete Voluten zu den Ecken des Hauptgesimses überleiten. Ein Haupt- und ein nördliches Nebenportal haben über den mit einem Korbbogen geschlossenen Tür- öffnungen geschweifte und gebrochene Giebel. Die drei grossen Fenster der West- fassade sind ebenso wie die der Südseite rundbogig geschlossen, unter ihnen sind zwei viereckige Fenster zur Erleuchtung des Raumes unter der Orgelbühne angebracht, die sich inwendig der Westwand vorlegt. Auch das Orgelgehäuse zeigt in etwas ein- facheren Formen die gute Ausführung der anderen Ausstattungsstücke.

An Altargeräten besitzt die Kirche zwei silberne, teilweise vergoldete Barockkelche und eine derselben Stilperiode angehörige silbervergoldete Somien- moHstranz.

DAS SCHLOSS scheint im 17. Jahrhundert, als Hachenburg ständige Residenz der Sayner Grafen wurde, an der Stelle der alten Burg des 13. Jahrhunderts erbaut zu sein. Um das obere eigentliche Schlossgebäude, das den Gipfel des Schlossbergs einnimmt, legen sich auf einer tieferen Terrasse lange Flügel des unteren Schloss- gebäudes, Remisen und Stallungen. Durch den südlichen Trakt dieses Schlossteils führt eine Durchfahrt in den unteren Schlosshof, von dem man vermittelst einer Brücke über den jetzt zugeworfenen Schlossgraben das Obers chloss betritt. Dieses, jetzt von einer Königlichen Forstschule, einer Oberförsterei und dem Katasteramt eingenommen, ist ein aus fünf zusammenhängenden Flügeln bestehender Bau, der sich mit einer offenen Terrasse gegen Nordost öffnet. Er hat über zwei Kellerge- schossen ein Erdgeschoss, ein Zwischen-, ein Ober- und ein Mansardgeschoss. Das Innere enthält noch einige Reste der alten Ausstattung, die zwar keinen grossen herrschaftlichen Aufwand bekunden, aber immerhin als Originalarbeiten des 17. und 18. Jahrhunderts kunstgeschichtliches Interesse haben. Es sind: ein Speise-

SCHLOSS.

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Zimmer im Erdgeschoss des Westflügels mit eingebautem Büffet aus Eichenholz ; im ersten Obergeschoss des westlichen und südwestlichen Flügels sowie der Südostecke daselbst einige Räume, deren Wände in ganzer Höhe mit Eichenholz

Fig. 110. Hachenburg. Scliloss. Grundriss des Erdgeschosses.

verkleidet sind, Marmorkamine mit eingelassenen Spiegeln, Stuckdecken und einige gemalte Supraporten.

Das Äussere ist in einem ziemlich nüchternen, klassizistischen Stil erbaut und wirkt nur durch seine imponierende Baumasse. Nur der Südwestflügel kennzeichnet sich als ältester, dem Anfang des 17. Jahrhunderts angehöriger Teil durch gekuppelte Fenster mit Falzprofilen. Ein Eisengitter auf der Westecke des Schlosses, das den unteren Schlosshof gegen die ,, Schanze" abschliesst, enthält ein ziemlich kunstvolles schmiedeeisernes Tor. Ein auf der Mitte der Terrasse aufgestellter, jetzt als Blumen- behälter dienender, augenscheinlich stark restaurierter Taufstein, über dessen Herkunft keine Nachrichten vorliegen, ist demjenigen der Kirche zu Altstadt ähnlich.

Das Gasthaus „Z ur Krone" am Marktplatz, neben der katholischen Kirche gelegen, ist ein stattlicher Steinbau in Spätrenaissanceformen von drei Stockwerken

104

HACHENBURG.

über dem Erdgeschoss und einem zweigeschossigen Giebel, der mit Voluten und steinernen Spitzen besetzt ist. Aus dem ersten Obergeschoss springt ein mit den gekuppelten Fenstern des Erdgeschosses zusammengebauter steinerner Erker mit tos- kanischen Pilastern auf verzierten Steinkonsolen vor, der auf dem Schwellstein die Inschrift trägt: Wer wel baven an de Strusen der moss sech kein vnnevtse reden in verross (?) ne ehren (irren) lasen. Eine Wetterfahne auf einer schön ver- zierten Stange überragt den Giebel. Im Innern ist die schwer aus Eichenholz erbaute Treppe mit hübschem Geländer erhalten.

Fig. III. Hachenburg. Stadtwappen.

ALTSTADT, PFARRKIRCHE.

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Fig. 112. Altstadt. Pfarrkirche.

ALTSTADT.

Vogel, Beschreibung 691. Mitt. des Nass. Altert. -Ver. 1867, 5, 6, S. 16 f.

Wt^^jj^^P AS Pfarrdorf Altstadt, 1 km südlich von Hachenburg gelegen, führte kB'j^^Sc nach Vogel ursprünglich den Namen dieser Stadt, den es erst verlor, als, 2lv5^2lf£ vermutlich um 1200, mit dem Bau der Saynschen Landesburg in seiner VCRäj'- Gemarkung die jetzige Stadt Hachenburg entstand.

DIE PFARRKIRCHE ST. BARTOLOMÄUS, die als die Mutterkirche der Hachenburger Kirche gilt, ist eine romanische Basilika mit Querschiff, drei halb- runden Absiden und Westturm. Die flach gedeckten Schiffe des Langhauses werden durch eine auf vier breiten, viereckigen Mauerpfeilern ruhende Arkatur getrennt; der östliche Bogen der Südarkade hat grössere Spannweite als die übrigen. Die Pfeiler haben Kämpfergesimse, die teils aus einfachen Schmiegen, nächst dem Chor aus Karnies mit Platte oder Platte, Kehle und Rundstab bestehen und von denen eins im Westen zwei tauförmig gewundene Stäbe zeigt.

Die Vierung, der ursprüngliche Chor, ist mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe bedeckt, das ebenso wie alle Bögen, Fenster und Türüberdeckungen den Rund-

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ALTSTADT.

bogen zeigt. Nur die ebenfalls flach gedeckten Kreuzflügel haben in ihren Bögen und den Fenstern der mit Halbkuppeln überdeckten Apsiden den Spitzbogen und verraten sich hierdurch als spätere, wohl dem 13. Jahrhundert angehörige Zusätze. Die Nord- und Südwand der Kreuzflügel sind nachträglich zur Verbreiterung der Seitenflügel ein Stück nach Westen verlängert worden. Die Hauptapside hat eben- falls eine Halbkuppel und drei Rundbogenfenster.

Fig. 113. Altstadt. Pfarrkirche. Grttndriss.

Die Fenster des Langhauses sind bis auf zwei kleine rundbogige im Westen erneuert und zum Teil in viereckige Holzrahmen eingeschlossen.

Das Äussere bietet, namentlich von der Chorseite, durch die steilen Giebel des Mittelschiffs und das über das Chorhausdacb herüberragende Dach des Langhauses ein malerisches Bild ; nur die Seitenapsiden, über welche die Dächer der Kreuzflügel herabgeschleift sind, wirken roh. Der architektonische Schmuck des Äussern ist sehr gering. Die Hauptapside hat unter einem Hauptgesims aus Platte, Kehle und Viertelstab einen gemauerten Bogenfries auf gekehlten Konsolen ; ein ebensolcher Fries scheint die Obermauer des Mittelschiffs geschmückt zu haben, wo er noch am Chor und über den beiden ursprünglichen kleinen Fenstern der Westseite erhalten ist. Die Fenster der Hauptapside liegen in Blenden, die schon einen schwachen An- satz zum Spitzbogen zeigen.

Der Turm ist ganz schmucklos und hat auf den vier Seiten gekuppelte, rund- bogige Schallöffnungen, deren Mittelsäulchen rohe Würfelkapitäle mit Zickzack- Ver- zierung, aber ohne Halsglied, und als Basen umgekehrte Kapitäle oder schlichte Rund- stäbe haben. Der ins Achteck übergeführte Dachhelm ist aus neuerer Zeit.

Das Innere der Kirche ist ganz angefüllt mit Emporen aus dem 17. Jahr- hundert, die charakteristische Holzformen und gute Ziermotive der ländlichen Zimmer- kunst an Ständern und Brüstungen besitzen.

PFARRKIRCHE.

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DREIFELDEN.

Im südlichen Querschiff steht der 1864 restaurierte Taiifstein, ein gutes Werk spätromanischer Steinmetzarbeit. Das Becken, zwölfkantig, hat einen auf kleinen Konsolen ruhenden Rundbogenfries. Darüber zieht sich ein zierlich gemeisselter Ornamentfries, in dessen Laubverschlingungen die Kapitale von sechs Säulchen hineingearbeitet sind, die das Becken freistehend umgeben und zierliche attische Basen mit Eckblättern haben.

Das nördliche Querschiff enthält mehrere im Boden liegende gusseiserne Gräb- platten der Barockzeit.

Von den zwei Glocken des Westturms ist die kleinere 1453 von Arnold von Sayn gegossen (Inschrift: t anno domini M CCCC LIII f S. Clfcbctl) licpffen ld|). arnolt Oan fepen gops mpdt)). Die grössere trägt die Jahreszahl 1616.

Auf der Ostseite des Schiffdachs ein schmiedeeiseviies Kreuz mit Wetterhahn von ungewöhnlicher Form.

Die Kirche hat nach einigen kürzlich aufgedeckten Resten eine vollständige hitienbemaliing besessen. In der Halbkuppel der Apsis war in einer von den Evangelistenzeichen umgebenen Mandorla ein thronender Heiland dargestellt, dem sich zur Rechten und Linken je zwei Heilige anreihten. Die vergoldeten Hei- ligenscheine sämtlicher Figuren sind durch Eindrücke in den feuchten Mörtel schwach reliefiert.

Auf den Schiffswänden sind die Spuren überlebensgrosser Apostelfiguren unter gotischen Baldachinen zutage getreten, die einen mit Rosen verzierten Hintergrund umschlossen. Ein grosser, 6—7 m hoher Christoforus hat die nördliche Schiffswand neben dem Chorbogen eingenommen. Es ist Aussicht vorhanden, die Malereien, wenigstens im Chor zu erhalten.

DREIFELDEN.

AS Filialdorf Dreifelden, 8 km südlich von Hachenburg, besitzt in dem Turm und Chor seiner Kirche den Rest einer romanischen Anlage, deren Schiff am Ende des 17. Jahrhunderts neu erbaut ist. Der viereckige, schlichte Ost türm bildet in seinem mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe überdeckten Erdgeschoss das Altarhaus, dem sich eine halbrunde Apsis anschliesst. Der halbrunde Chorbogen hat schlichte Schmiegengesimse. An der Nordseite zwei niedrige Rundbogenblenden ; an der Südseite ein kleines Spitzbogenfenster mit schrägen Gewänden und zwei kleine spitzgiebelförmig überdeckte Blenden. Drei Glocken, die grösste ohne Inschrift, die mittlere von 1481, die kleinste mit Christus am Kreuz, Maria und Johannes von 1506 (Lötz). Die Kanzel trägt an ihrem Fuss die Jahreszahl 1695.

HÖCHSTENBACH.

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Fig. 115. Höchstenbach. Pfarrkirche.

HÖCHSTENBACH.

Vogel, Beschr. v. N. 695.

AS Dorf Höchstenbach, 7 km südwestlich von Hachenburg, kam gegen das Ende des 15. Jahrhunderts durch Verpfändung aus der Grafschaft Wied in Saynschen Besitz. Seine PFARRKIRCHE war dem heiligen Georg geweiht ; der romanische Übergangsstil, in dem sie erbaut ist, weist auf

110

HOEN.

den Anfang des 13. Jahrhunderts. Der Chor besteht aus einem quadratischen, mit einem rippenlosen, spitzbogigen Kreuzgewölbe überdeckten Raum, dem sich eine

halbrunde Apsis anschliesst. Die Chorfenster sind rund- bogig; im Äussern umzieht den Chorbau ein Rund- bogenfries, die Apsis ist durch drei stumpf-spitzbogige Blenden gegliedert. Das Schiff hat eine flache Decke und neuere Fenster ; ein südlich angebautes Seitenschiff ist ebenfalls neu. Der Westturm , schlicht viereckig aufsteigend, hat gekuppelte Schallöffnungen mit Säul- chenteilung; an der Nord- und Südseite liegen sie in Rundbogenblenden. Trotz ihrer Schlichtheit zeichnet sich die auf einer kleinen Anhöhe über der Dorfstrasse liegende Kirche durch eine gefällige Silhuette aus.

Höchstenbach hat geschichtliches Interesse durch ein im Koalitionskriege hier geliefertes Gefecht, in welchem General Marceau, der Bezwinger der Vendee und Sieger in der Schlacht von Fleurus als Befehls- haber der französischen Nachhut beim Rückzug des Generals Jourdan am 19. September 1796 tödlich ver- wundet wurde. Er starb vier Tage später in Alten- kirchen, in dessen Gemarkung ihm ein Denkmal ge- setzt wurde.

Fig. IIb . Höchstenbach. Pfarrkirche. Grundriss.

HOEN.

Vogel in Nass. Ann. i, 99 iio. Vogel, Beschreibung 705.

^ AS Pfarrdorf H o e n , 12,3 km ostsüdöstlich von Hachenburg gelegen, sieht auf ein hohes Alter zurück. Schon im 10. Jahrhundert erscheint es als „Hana" im Besitz des Herzogs Hermann von Allemannien, der es V^SsCSöu! mit der Kirche in Humbach (Montabaur) an das Florinsstift in Koblenz schenkt. Dies scheint auch hier eine Kirche gebaut zu haben, die nebst der Pfarrei schon 1100 vorhanden war und von der noch der jetzige übrigens ganz formlose Turm herrühren kann. Im Jahr 1114 hatte die Gegend, die damals als „Provinz Hana" bezeichnet wird, unter einem kriegerischen Einfall eines Lehnsmannes des Grafen Ulrich aus der Königshunderte schwer zu leiden. Von späteren Kriegs- nöten hören wir gelegentlich des Streites zwischen Adolf von Nassau und Diether von Isenburg um den Mainzer Stuhl, als 1462 Philipp von Katzenelnbogen und Dieter II. von Sayn in der Hoener Gegend ihre Fehde als Parteigänger der Genannten ausfochten. Hierbei wurde der Ort vom Erstgenannten verbrannt, wobei auch die alte Kirche zugrunde gegangen zu sein scheint.

PFARRKIRCHE.

III

Neben dem Florinsstift war das Kloster Oberwerben in Waldeck im Besitz des Präsentationsrechtes und vieler Huben in Hoen, die nach der Säkularisation dieses Klosters an Waldeck fielen und 1560 von diesem an das Kloster Marienstatt verkauft wurden. Dies blieb bis 1572 im Besitz des Kirchensatzes, wo die Pfarrei, die übrigens ihren Sitz immer in dem benachbarten Schöneberg hatte, an die Franziskaner in Hadamar überging.

DIE PFARRKIRCHE St. Jo- hannis des Täufers und Valentinus, seit 1644 St. Maria, ist eine sehr unregelmäs- sige spätgotische Hallenkirche, deren Bauzeit wohl bald nach dem Brand von 1462 anzusetzen ist. Sie ist dreischiffig _^ mit einem. Chor am Mittelschiff und einem solchen am nördlichen Seiten- schiff und dem erwähnten romanischen, ins Mittelschiff eingebauten Westturm.

Der Hauptchor, im Achteck ge- schlossen, mit vorgelegtem Kreuzge- wölbejoch hat im Chorhaupt ein Stern- gewölbe. Die Schlussteine und Kreu- zungsstellen sind mit Vierpässen be- legt, die im Sterngewölbe das Haupt Christi, die Evangelistenzeichen und

Fig. 117. Hoen. Pfarrkirche. Grundriss,

das Haupt Johannis des Täufers, im Kreuzgewölbe das Lamm Gottes tragen. Die schlicht gekehlten Rippen wachsen ohne Kapitäl aus runden Wanddiensten hervor, die Fenster sind zweiteilig mit spätem Masswerk. Der Chorbogen ist ein unge- gliederter Spitzbogen.

Der nach dem halben Zehneck angelegte nördliche Seitenchor ist wohl mit dem 1490 gestifteten Marienaltar gleichzeitig. Das Chorhaupt ebenso wie ein vorgelegtes quadratisches Joch sind mit rippenlosen, spitzen Kreuzgewölben, letzteres mit sechs Gräten überwölbt. Gegen den Hauptchor und das nördliche Seitenschiff öffnet er sich in ungegliederten grossen Spitzbögen. Die spitzbogigen Fenster sind ungeteilt.

Das schief gegen Norden abweichend an den Chor anschliessende Mittelschiff hat zwei Gewölbjoche, deren Scheidebögen unprofiliert auf einen Mittelpfeiler auf- setzen. Der südliche ist von sechseckigem Querschnitt, Sockel und Kämpferstein mit einfach schrägem Anlauf ; der nördliche hat einen Vierpass als Querschnitt, wobei der nördliche Dienst oben eckig ist, unten gebrochene Ecken hat. Die Überleitung zum

112

HOEN.

Kämpferansatz zeigt eine merkwürdig kompliziert-unbeholfene Lösung (s. Fig. 118). Sämtliche Schiffe sind mit Sterngewölben überdeckt, deren einfach gekehlte Rippen durchweg verzierte Schlussteine haben. Diejenigen des Mittelschiffs tragen Wappen, die im südlichen Seitenschiff Maria mit dem Kinde, den heiligen Valentin, eine weib- liche wappenhaltende Gestalt, im nördlichen Seitenschiff das Veronikatuch, [einen Kelch mit Hostie und eine Rose. ^ -

Fig. 118. Hoen. Pfarrkirche. Fig. 119. Hoen. Pfarrkirche. Pfosten im Turm.

den Mitteljochen beider Seitenschiffe führen Pforten ins Freie, die südliche mit einer ganz einfachen, offenen Vorhalle und einem mit durchkreuztem Rundstab be- legten Gewände.

Am Chor und nördlichen Seitenschiff sind gemauerte Strebepfeiler mit Pult- dächern von Schieferplatten vorgelegt.

Der Turm steigt als schlichtes Viereck auf und hat im Obergeschoss ungeteilte stümpf-spitzbogige Schallöffnungen. Seine beiden unteren Geschosse sind mit rund- bogigen Tonnen, die Westtür mit einem plattgedrückten Kleebogen überdeckt. Eine Treppe in der Mauerdicke führt zum Glockenstuhl, unter dem sich eine hübsche Ver- zimmerung erhalten hat.

KROPPACH.

113

Von den drei Glocken hat die grösste die Inschrift: Ofatina ))t\^V\ idt) alle

boze iDcder uertriben iiö dielman üon batbenborg gos miib anno üomini mcccclxii

Fig. 120. Hoen. Pfarrkirche. Stuhlwange. Fig. 121. Hoen. Pfarrkirche. Türring.

Die eichenen Kirchenstühle haben hübsch ausgegründete Wangen, die dem Stil nach auf das Ende des 16. Jahrhunderts deuten.

Ein kunstvoll geschmiedeter Türring auf einem Lilienkreuz hat sich an der südlichen Tür erhalten.

KROPPACH.

IE EVANGELISCHE KIRCHE des 7 km nordwestlich von Hachenburg gelegenen Dorfes Kr opp ach ist eine flachgedeckte, romanische Basilika mit einem aus der Übergangszeit stammenden Chor und 1835 erneuertem Turm. Der in halbem Sechseck geschlossene Chor ist mit rippenlosen, stumpf-spitzbogigen Kreuzgewölben bedeckt; die Fenster der drei Sechseckseiten sind rundbogig geschlossen und liegen in sehr dicken, einfach abgeschrägten Gewänden. Die flachen Strebepfeiler des Äusseren sind mit Pultdächern abgedeckt.

Die niedrige Arkatur des Schiffes besteht aus vier auf schweren, viereckigen Mauerpfeilern ruhenden Rundbögen, die nördlichen Pfeiler haben flachgekehlte Kämpfergesimse. In der Südseite haben sich die ursprünglichen vier kleinen rund- bogigen Fenster der Oberwand erhalten; die nördlichen Fenster sind alle viereckig. Das nördliche Seitenschiff endigt mit einer kleinen halbrunden Apsis.

8

114

MARIENSTATT.

Ein alter romanischer Tauf stein, der aussen an der Westseite steht, bildet einen schlichten Cylinder von zirka 1 m Durchmesser und ist aussen mit einem Fries von sieben Rundbogen verziert, von denen zwei ein Kreuz enthalten.

Gusseiserne Grabplatte eines geharnischten Ritters mit Flachrelief: Berthram von Haldinckhausen zu Lützelnauen f 1576.

Drei Glocken. Die grösste mit der Inschrift : PetruS Reißen llj) alle bOfen

lüeüer uerüriben idt) in (eljre) gots luden iit) anno domlni mcccclxxx (1480).

Die mittlere von 1720, die kleinste von 1411 (Lötz).

Fig. 122. Langenhahn. Pfarrkirche.

MARIENSTATT.

Sublimis advocatio ecclesiastica ordinaria comiti Saynensi in coenobiuin Marienstadt vindicata, Wetzlar 1765, Urkundenbuch I. Vogel, Beschreibung 257 f. Beyer, Urkundenbuch 3, 35, 877; 3, 39. Gaspar Jongelinus, notitia abbatiarum ordinis cisterciensis, Coloniae Agrippinae 1640, 2, 38 f. Mertens in Kuglers Museum 1835, 174. Fr. Bock im Organ für Christi. Kunst Köln 1860, S. 217, 229, mit Nordansicht und Querschnittskizze von Wiethase. R. Görz, Die Abteikirche zu Marienstatt bei Hachenburg in „Denkmäler aus Nassau", Heft 4, mit 12 Tafeln, Wiesbaden 1866. Sachs und Rossel, Album von Nassau Nr. 4. F. Luthmer, Die Cisterzienser- abteikirche Marienstatt in ,, Zeitschrift für Bauwesen", Berlin 1867, 157 und Tafel 22 24. Sauer, Excurs zu Nass. Annalen 28, S. 48, 49 und Ann. 29, 68 ff. P. Gilbert Wellstein, S. O. Cist. Die Cisterzienserabtei Marienstatt im Westerwald, Marienstatt 1 907 (mit ausführlicher Literaturangabe). E. F. A. Münzenberger, Zur Kenntnis und Würdigung der mittelalterlichen Altäre Deutschlands, Frft. 1885, I. Bd. mit Abb. auf Tafel 74, 75. Necrologium des Klosters im Landesarchiv.

REI Kilometer unterhalb Hachenburg verengt sich das Tal der grossen Nister zu einer waldigen Schlucht, durch die der Bach, von vortretenden Felsen eingeengt, in Windungen dahinfliesst. Am Eingang dieses Engtals erheben sich die Gebäude des Zisterzienserklosters Marienstatt, in das seit dem Jahre 1888 die Brüder von der Regel des heiligen Bernhard wieder eingezogen sind.

MARIENSTATT, GESCHICHTLICHES.

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Geschichtliches. Marienstatt verdankt seine Gründung einer Stiftung des Burggrafen Eberhard von Arberg und seiner Gemahlin Aleydis von Mols- berg (aus dem Stamme der alten Gaugrafen des Haigergaus), Herrin von Freus- burg. Diese hatten im Jahre 1215 das zu dieser Herrschaft gehörige Kirchspiel Kirburg auf dem Westerwald mit der Landeshoheit und der Gerichtsbarkeit, die sie vom Erzstift Trier zu Lehen hatten, an den Abt Heinrich von Heisterbach zur Grün- dung eines neuen Zisterzienserklosters abgetreten. Nach der Bestätigung dieser Schenkung durch den Erzbischof Theodorich von Trier wurden zwölf Brüder von Heisterbach unter dem Abt Hermann, der bis dahin Abt des Klosters Himmerode in der Eifel gewesen war, nach dem für das neue Kloster locus S. Mariae be- stimmten Ort entsandt, der eine halbe Stunde nordwestlich von Kirburg gelegen, noch heute als „Hof Altenkloster" die Erinnerung hieran bewahrt hat.

Der Bestand des Klosters an diesem Orte war indes nicht von langer Dauer. Bedrängt durch die Verwandten der Gräfin Aleydis, die Herren von Molsberg, von Ziegenhain und von Helfenstein, welche die Schenkungen anfeindeten, sodass Papst Honorius III. das Kloster 1219 unter seinen besonderen Schutz stellen musste, mehr noch bedrängt durch die Ungunst der Lage auf der rauhen Höhe des Wester- waldes, plante der Konvent schon die Rückkehr nach Heisterbach. Doch bot der Graf Heinrich von Sayn und seine Gemahlin Mechtild von Wied-Neuerburg 1222 durch die Schenkung „ihrer Besitzung Nistria am Bache Nister mit dem Felsen, auf dem vordem eine Burg gestanden, und allen Zubehörungen" die Möglichkeit, das Kloster in ein milderes Klima zu verlegen. Diese Übersiedelung knüpft sich an die Legende von einem mitten im Winterschnee blühenden Weissdorn, der dem Abt in einer Vision verheissen war. An der Stelle im geschützten Nistertal, wo er mit seinen Brüdern diesen blühenden Strauch fand, erbaute Guda von Greifenstein, Vogtin von Hachenburg, eine Kapelle, die noch im 14. Jahrhundert neben dem ihr angebauten Krankenhaus des Klosters stand. Im Jahre 1227 war der Klosterbau im Nistertal so weit gediehen, dass unter dem dritten Abt Konrad die Übersiedelung stattfand. Das „Alte Kloster" wurde zu einem Hof (Grangia) eingerichtet und blieb bis zum dreissigjährigen Krieg im Besitz des Klosters.

Als erstes Gotteshaus der neuen Gründung diente wohl die von Guda gebaute Kapelle; denn der Bau der Kirche begann erst im Jahre 1243 nach einer Angabe im Necrologium, die lautet : „Item anno dni. M CG XLIII primum fundamentum novi monasterii posuit bone memorie Heynricus comes Seynensis, sub abbate Cunone et eodem tempore praeter aliä contulit nobis ad aedificationem ipsius templi c. 1. marcas. Pro eo misereatur anime sue misericors deus."

Der Bau dieses „neuen Münsters" vollzog sich nicht ohne lange Verzögerungen und Unterbrechungen. In einem Zuge und nach einheitlichem Plan scheint von 1243 an nur der Chor gebaut worden zu sein. ,Schon bei den westlichen Vierungs- pfeilern zeigt sich eine Änderung in architektonischen Einzelheiten (von der später eingehender zu sprechen sein wird), die auf eine Pause zwischen dem Bau der Ost- und Westpfeiler schliessen lässt. In gleicher Weise bemerkt man an den ein-

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MARIENSTATT, KIRCHE.

zelnen Jochen, nach Westen fortschreitend ; Abweichungen, die zeitlich einen ziemlich langen Entwicklungsgang, in der Qualität der Arbeit meist ein abnehmendes Bau- verständnis und bescheidenere Baumittel bekunden.

Eine Weihe der Kirche fand 1324 statt, vollzogen (nach P. Wellstein) vom Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg. Dass der Bau zu dieser Zeit noch nicht bis zum jetzigen Westgiebel vollendet war, scheint schon aus dem Ablass hervorzugehen, den der Erzbischof denen versprach, „die mit ihren Gespannen an dem Bau des Münsters helfen oder für die an diesem Orte begrabenen Toten ein Gebet stiften würden" („praeterea omnes structuram monasterii cum suis vecturis juvantes et orationem pro defunctis in isto loco tumulatis fundentes 40 dies indulgentiarum consequentur"). Die Untersuchung der Bauformen lässt etwa zu, im Jahre 1324 als vollendet anzu- nehmen : den Chor, das Querschiff und die zwei nächstfolgenden Joche, hinter denen ein provisorischer Abschluss das Kircheninnere begrenzt haben mag. Da zu dieser Zeit die Kirche noch nicht (wie im 19. Jahrhundert) als Pfarrkirche diente, so würde, das Presbyterium für die patres abgerechnet, der vorhandene Raum in den zwei Schiff- jochen für die Laienbrüder ausgereicht haben. Bestimmend für diese Annahme ist aber der Nachweis, den Sauer auf Grund eingehender heraldischer Studien*) geführt hat, dass die Gewölbe der vier folgenden Joche nach den in den Schlussteinen eingemeisselten Wappen der Stifter nicht vor dem ersten Viertel des 15. Jahr- hunderts ausgeführt sein können, die völlige Fertigstellung der Kirche also etwa um 1430 anzunehmen wäre.

Von den alten Klostergebäuden, deren Bau wohl mit der Saynschen Schenkung von 1222 begonnen hat, ist leider kein Rest mehr erhalten. Sie wurden unter dem Abt Petrus IV. Emons, der von 1734 bis 1751 den Abtstab führte, abge- rissen, um einem Neubau im Stil der Zeit Platz zu machen, der, wenn er auch in einzelnen Teilen, wie im Mittelflügel des Hauptgebäudes mit seinem monumentalen Treppenhaus nicht der architektonischen Grösse entbehrt, uns doch nicht für die verschwundene romanische Klosteranlage schadlos halten kann.

Ohne auf die einzelnen Schicksale der Abtei, die P. Wellstein in seinem Buche ausführlich schildert, hier eingehen zu können, sei nur erwähnt, dass das Kloster 1803 aufgehoben und nach kurzem Privatbesitz von der nassauischen Regierung zu- rückgekauft und als Domäne verwaltet wurde. 1864 von Nassau an den Bischof Peter Josef Blum von Limburg verkauft, wurde es zu einer Rettungsanstalt für Knaben eingerichtet und 1888 durch die Vermittelung des Limburger Bischofs Karl Klein seiner ursprünglichen Bestimmung als Zisterzienserkloster zurückgegeben.

Baubeschreibung. Die Kirche ist eine durchweg spitzbogig gewölbte Basi- lika mit Chorumgang, Kapellenkranz und Querschiff, nach Zisterzienserregel ohne Turm, nur mit einem über der Vierung stehenden hölzernen Dachreiter.

Der älteste Teil, der Chor bis einschliesslich der Ostwand des Querschiffs, trägt durchaus einheitlich den Charakter der Frühgotik. Er besteht aus einem ob-

*) Näheres s. S. 122.

J^ig. 125. Marienstatt. Kirche. Choransicht.

Fig. 126. Marienstatt. Kirche. Grundriss des Erdgeschosses.

118

MARIENSTATT, KIRCHE.

longen Kreuzgewölbe, an das sich mit sieben Seiten des Zwölfecbs das Chorhaupt anschliesst. Um die acht Rundpfeiler desselben zieht sich ein Umgang in Seiten- schiffhöhe, dem sieben Kapellen von etwas mehr als halbkreisförmigem Grundriss vorgelegt sind. Ihre Aussenmauern treten zwischen den Strebepfeilern in entsprechender Rundung hervor. Der oblongen Chortravee entsprechen zwei quadratische, dem Kapellenkranz sich anschliessende Seitenkapellen, die sich neben je einem den Chor- pfeilern gleichen Rundpfeiler sowohl nach dem Chorumgang wie nach dem Quer- schiff öffnen. In der Ostwand des letzteren sind ausserdem noch zwei länglich-vier- eckige Kapellen ausgespart, sodass der Chor im ganzen elf Kapellen enthält.

Die Rundpfeiler des Chors haben attische Basen der frühgotischen Form auf achteckigen, nach unten durch einen aufsteigenden Karnies verbreiterten Sockeln. Die Kapitale tragen über einem in scharfem Profil ausladenden, mit Laubknospen von sehr verschiedenartiger Zeichnung (s. Fig. 128) besetzten runden Kelch einen unregelmässig sechsseitigen Kämpferstein, aus Karnies und Platte bestehend. Nach innen sind die Kapitäle durch Vorlagen erbreitert, welche die Gewölbdienste aufnehmen. Diese, in der Höhe des Triforium- und des Fensterbankgesimses durch Ringe unterbrochen, sind zu dritt nebeneinander geordnet. Nur an dem ersten, die viereckige Gewölbetravee abschliessenden Gurt ordnen sie sich zu je zwei neben einen schmalen, rechteckigen Mittelpfosten, der den noch rundbogigen, ebenfalls recht- eckig profilierten Trennungsgurt zwischen den beiden Chorgevvölben aufnimmt. Die zur Aufnahme der Gewölbrippen bestimmten Dienste haben in Kämpferhöhe schlichte Kelchkapitäle ; die anschliessenden, den Schildbogen begleitenden Dienste sind an dieser Stelle noch einmal durch einen Ring unterbrochen und tragen ihre Kapitäle in der Höhe des Bogenansatzes der Oberfenster.

Die unprofilierten Bögen zwischen den Chorpfeilern sind mit Ausnahme des graden Joches stark gestelzt und liegen in ebenfalls scharfkantigen, noch schlankeren Blenden. Über ihnen folgt ein Gesimsgurt, der triforien artige, aber geschlossene, im Kleebogen überwölbte Blenden trägt; mit dem obersten Bogen des Kleeblatts konzentrisch führt eine selbständig profilierte, kreisrunde Öffnung in das Dach des Kapellenkranzes. Die über dem folgenden Gesimsband aufsetzenden schlanken Ober- fenster liegen in unprofilierten schrägen Leibungen und sind ungeteilt. In der Höhe dieses Gesimses durchbricht ein schmaler Laufgang die zwischen den Fenstern rechteckig vorspringenden Pfeiler (s. Grundriss Fig. 129). Dieser Laufgang zieht sich auch um den Südflügel des Querschiffs herum und ist hier durch ein an der Südost- ecke aufsteigendes Treppentürmchen zugänglich.

Die Gewölbe des Chor Umgangs haben glatte Gurte und Rippen mit gradlinigem, zugespitztem Profil; die Rippen der Kapellen sind mit einem trapezförmigen Quer- schnitt den Gewölbgräten vorgelegt, ruhen auf kleinen Konsolen und haben ebenso wie die des Umgangs keine Schlussteine. Die Rippen des Hauptgewölbes sind mit einem von zwei Rundstäben begleiteten kräftigen Birnstab und zwei Kehlen profiliert.

Die beiden östlichen Pfeiler der Vierung haben einen Querschnitt, der aus einem quadratischen, an den Ecken abgekanteten Kern besteht; vor die Seiten sind

Fig. 127. Marieiistatt. Kirche. C/toruiiigaiig.

MARIENSTATT, KIRCHE.

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vier rechtwinklige Vorlagen mit aufgesetzten starken, runden Diensten vorgelegt; diesem Querschnitt entsprechend sind auch die Wandvorlagen des Querschiffs gebildet. Die Dienste haben attische Basen wie die Chorsäulen, runde Sockel und viereckige Kapitale mit Knospenverzierungen; an den Wanddiensten fehlen die letzteren. Der

Fig. 128. Marietislatt. Kirche. Kapitale der Chorpfeiler.

Aufbau der östlichen Vierungsjoche entspricht im übrigen vollständig denen des Chors ; nur die Seitenkapellen in den freistehenden Jochen des Querschiffs öffnen sich gegen dieses vollständig mit rundbogigen Tonnen.

Gab der bisher beschriebene Teil das völlig einheitliche Bild einer frühgotischen, von französischen Vorbildern beeinflussten Choranlage, so begegnen uns in den nach Westen folgenden Teilen des Baues Verschiedenheiten und Unsicherheiten der Archi- tektur, die auf Unterbrechungen in der Ausführung und einen sehr wechselnden Zu- fluss der Baugelder schliessen lassen.

Der mit 1324 abschliessenden Bauperiode gehören mutmasslich das Querschiff und die nächsten zwei Joche des Schiffs an, wenn auch in diesen sich manche auf- fallende Abweichungen von einem einheitlichen Plan finden.

120

MARIENSTATT, KIRCHE.

Die Chorweite scheint für den Weiterbau nicht genügend befunden zu sein ; durch das Auseinanderrücken der westlichen Vierungspfeiler um 1,30 m hat das Vierungsgewölbe trapezförmigen Grundriss erhalten, und auch die beiden äusseren Gurten der Querschiffgewölbe sind schräg beigezogen. Der Querschnitt der westlichen Vierungspfeiler ist rund mit acht vorgelegten Diensten, von denen diejenigen der Gurte stärkeren Durchmesser haben; sie haben glatte Kelchkapitäle.

Die im übrigen glatten Giebelwände des Querschiffs haben Oberfenster, von denen das kleinere südliche einfach dreiteilig ist mit drei nasenbesetzten Spitzbögen, während das nördliche ein grosses, ganz frühgotisch profiliertes Masswerk mit grosser fünfteiliger Rose über drei mit Nasen besetzten stumpfen Spitzbögen hat. Beide Fenster liegen in ungegliederten Schräggewänden. Unter dem letzteren ist eine Tür, aussen in rundbogiger Blende liegend, mit giebelförmigem, von seitlichen Krag- steinen unterstütztem Sturz. Die Scheidebögen der Seitenschiffe nach dem Querschiff sind schlicht rechteckig ohne Profil.

Im Langhaus sind die Pfeiler glatt und rund, bedeutend stärker als die- jenigen des Chors, die Kelchkapitäle durchweg ohne Blattschmuck. Auffallend ist die schlichte, beinahe rohe Kapitälbildung der ersten drei Pfeiler der Nordseite (I, II, III des Übersichtsblattes, s. Fig. 132). Auch die Basen, wenn auch untereinander ab- weichend, sind sehr einfach gehalten. Die über diesen Pfeilern aufsteigenden Dienste setzen ohne Sockel auf den Deckplatten auf.

Alle übrigen Pfeiler haben entschieden gotisch profilierte Kapitale mit scharf unterschnittenem Kelch und zwölfeckiger, birnstabartig profilierter Deckplatte. Die Sockel, ebenfalls übereckstehend, zwölfeckig, mit abgeschrägtem Untersockel haben ein aus Birnstab, Kehle und kleinem Rundstab bestehendes, rundes Oberglied.

Die Dienste setzen mit halbachteckigem Sockel und rundem Oberglied auf den Kapitalen auf; diejenigen der ersten drei Pfeiler haben schlichte Kelchkapitäle, von da ab fehlen dieselben, und die Rippen und Gräte wachsen in spätgotischer Weise glatt aus ihnen empor.

Von den Seitenschiffen hat nur das nördliche Wandpfeiler ; die Südwand ist mit spitzbogigen, unprofilierten Blendbögen besetzt, gegen deren rechteckige Pfeiler die Ge- wölbe mit Konsolsteinen einfachster Form anfallen. Die den beiden ersten Schiffspfeilern entsprechenden Wandpfeüer des nördlichen Seitenschiffs bestehen aus drei durch Hohl- kehlen getrennten Diensten mit zierlich profilierten, glatten Kelchkapitälen ; die folgenden Pfeiler haben als Querschnitt ein halbes Sechseck und ziemlich roh gebildete Kapitale.

Die einzigen, feiner profilierten Rippen finden sich, mit einem scharfen Birnstab versehen, in den zwei östlichen Feldern des nördlichen Seitenschiffs; alle anderen Gewölbe des Querschiffs, des Mittel- und der Seitenschiffe sind einfach hohl profiliert, die Gräte der Vierung und der beiden nächsten Mittelschiffgewölbe mit doppelten Kehlen an beiden Seiten. Die Schlussteine tragen als Schmuck in den zwei ersten Schiffsgewölben Blumen und Blattkränze, in den beiden folgenden Schilder mit aufge- malten (also wohl späteren) Wappen , in den beiden westlichsten gemeisselte Wappen, deren Benennung durch Sauer die ziemlich sichere Datierung dieses Teils ermöglicht hat.

c . Längsschnitt.

I

Fig. 130. Marienstatt. Kirche. Grundriss in der Höhe des Triforiums.

122

MARIENSTATT.

Fig. 131. Marieiistatt. Kirche. Masswerk. Westgiebel,

Durch diese Untersuchung,*) auf deren Einzelheiten hier nicht näher eingegangen werden kann, ist erstens mit grosser Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass das Wappen im Schlusstein des letzten (westlichsten) Mittelschiffgewölbes dasjenige des Henne von Wyngersdorf, t 12. April 1417, ist. Sein Bruder Arnold siegelt 15. August 1417 die ßestätigungsurkunde einer von diesem gemachten testamentarischen Bestimmung, durch welche dieser dem Kloster Marienstatt „mitnamezu dem buwe daselbs" den halben Hof zu Heelden by der Lynden im Kirchspiel Wissen zuwies, mit diesem Wappen. Bestätigend findet sich im Necrologium die Eintragung zum 12. April: obiit Johannes de Wyngerdorff, qui legavit operi VII albos perpetui census cedentes in parrochia Wyssen", ein Geschenk, das sein Bruder nach der Eintragung ergänzte : Januar 20 „obiit Arnoldus de Wyngerdorf, qui legavit perpetuo tres albos de bonis zo der Helden." Zweitens ist die Vermutung nicht abzuweisen, dass das Wappen des Schlussteins im vorletzten Mittelschiftjoch (der Mudersbach, eines Geschlechtes, das dem Kloster den 1381 und 1382 nachweisbaren Abt Bernard von Mudersbach gab), das- jenige das Ludewicus de Muderspach ist, von dem das Necrologium berichtet, dass er mit seiner Frau Alveradis „plus quam ducentas marcas" schenkte.

*) Nass. Annalen 29 : Nachtrag zu der Abhandlung ,,Die Herren von Beilstein und Greifen- stein", Anm. 28, S. 1 52 von Dr. W. Sauer S. 68. ff. XV.

KIRCHE.

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I I I I I I r

WANDPrElLER 17^ . NÖRDL SEITENSCHIFF

Fig. 132. Marienstatt. Kirche. Übersichtsblatt der Schiffspfeiler.

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MARIENSTATT, KIRCHE.

Fig, 133. Marienstatt. Kirche. Masswerk. Nördlicher Querschiffgiebcl.

Drittens enthalten die Schlussteine der nördlichen und südlichen Seitenschiff- gewölbe Wappen nachweisbarer bürgerlicher, meist in Hachenburg ansässiger Familien, nämlich der Ingelnbach, Goldershofen, von Hattenrode (ein niederer Adel, der seinen Burgsitz zu Niederhattert bei Hachenburg besass) und Bernkot, von denen mehrere als Geschenkgeber „ad fabricam" urkundlich feststehen.

„In der vorstehenden Untersuchung", schliesst Sauer, „ist bezüglich von wenigstens acht der in Frage kommenden Wappen im allgemeinen wohl hinlänglich begründet worden, dass dieselben dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts angehören, von dreien derselben ist dies wohl als nachgewiesen anzusehen , namentlich von einem dieser letzteren, dem Allianzwappen Hattenrode- ßernkot, dass es nicht vor dem Jahre 1422 angebracht sein kann. Und dass die besonders hier in Betracht kommenden Wappen in den beiden Seitenschiffen von zwei Künstlern, aber zu einundderselben Zeit ausgeführt sind, ist schon bemerkt. Nach dem vorhin Gesagten kann dies nur gegen das Ende des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts geschehen sein, um welche genauer nicht zu begrenzende Zeit demnach die Gewölbe dieser beiden Schiffe erst fertiggestellt und mit den Wappen solcher Personen, welche sich um die endliche Fertigstellung des lange dauernden Kirchenbaues verdient gemacht hatten, abge- schlossen wurden."

Diese, wie man zugeben muss, mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit aufgestellte späte Datierung des westlichen Teils der Kirche wird bestätigt durch zwei Einzelheiten des Baubefundes. Einmal durch das Fehlen der Kapitäle an den Diensten der drei westlichsten Pfeilerpaare. Die in Stuck später angesetzten Kelch- kapitäle, die frühere Abbildungen noch aufweisen, wurden bei der jüngsten Herstellung entfernt. Ferner weist auf eine späte eilige Ausführung der Ersatz des über den Scheidebogen des Schiffs sich hinziehenden, frühgotisch profilierten Gesimses durch ein mit Eisenklammern vorgesetztes Holzgesims mit schlichter Kehlung in der west- lichsten Travee.

Das Steingesims selbst zeigt hinter dem zweiten Pfeiler (vom westlichsten Vierungs- pfeiler gerechnet) einen Wechsel des Profils, der die Vermutung unterstützt, dass an dieser Stelle ein einschneidender Abschnitt in der Baugeschichte (der von 1324) an- zunehmen ist.

Auf dem genannten Gesims stehen in der Mitte jedes Feldes kleine, in die Dächer der Seitenschiffe führende Öffnungen Rudimente einer Triforienanlage, die mit gekehltem Profil durch einen mit Nasen besetzten Spitzbogen geschlossen sind.

Fig. 134. Marienstatt. Kirche. Inneres. Ansicht gegen Osten.

Fig. 135. Marienstatt. Kirche. Chordurchschnitt.

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MARIENSTATT.

Die Oberfenster des Mittelschiffs sind ohne Masswerk im Spitzbogen geschlossen und liegen in schrägen Gewänden. Ebenso schlicht sind die Fenster des nördlichen Seitenschiffs gebildet.

Der Westgiebel wird im Mittelschiff von einem hohen, vierteiligen Fenster durchbrochen, dessen äussere Leibung mit einer grossen Hohlkehle und einem Birnstab profiliert ist. Das Masswerk, aus einer grossen Rosette bestehend, der

sich vier nasenbesetzte Spitzbogen anschmiegen, zeigt die Formen und Profile der entwickeltsten Gotik.

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Fig. 136. Marietistatt . Kirche. Schlussteine in den ■westlichen Schiffsjochen.

unbehfliint" -ßolöenhofpn

Die kleineren, zweiteiligen Seitenschiff-Fenster der Westfront in einfach ge- kehlten Gewänden liegend, verraten in ihrem etwas plumpen Masswerk entweder die Spätzeit des Stils oder eine noch spätere Erneuerung.

Das Äussere der Kirche ist von grosser Einfachheit, wie sie die Ausführung in steinsichtig verputztem Schieferbruchstein mit sparsamer Verwendung des Hausteins (Trachyt von Wölferlingen) zu Strebepfeilern und Gesimsabdeckungen mit sich bringt. Dennoch, oder vielleicht gerade wegen des Fehlens von reicheren architek- tonischen Schmuckmotiven, trägt der Bau einen durchaus eindrucksvollen, monumentalen Charakter, wozu die edlen Verhältnisse der Westfront und die belebenden Linien der Strebebögen nicht wenig beitragen. Von besonderer, wenigen deutschen Bauten dieser Zeit eigenen Schönheit ist die Choransicht mit ihrem aufsteigenden Kranz von Strebebögen und der bewegten Linie der rund vortretenden Kapellen. Die viermal abgesetzten Strebepfeiler sind mit Satteldächern abgedeckt, die sich über die schweren ungegliederten Strebebögen zu den flachen Wandpfeilern des hohen Mittelschiffs empor- schwingen. Über diese zieht sich in der Form kleiner Satteldächer das Dachgesims,

i

KUNSTGESCHICHTLICHE EINORDNUNG.

127

am Chor aus Platte, Plättchen, Kehle und Viertelstab bestehend, an den übrigen Teilen des Baues eine einfache Schrägung mit Kehle. Das in schlankem Spitzbogen geschlossene Westportal hat ein tiefes äusseres Gewände, das in vier verschieden breiten Kehlen mit zwischenliegenden Birnstäben gegliedert ist. Eine Pforte, die im dritten Joch von Westen in das nördliche Seitenschiff führt, hat ein ebenfalls spitz- bogiges, mit Platte, Kehle, Stäbchen und Viertelstab gegliedertes Gewände, dem im

Fig. 137. Marienstatt. Kirche. Altartisch, Fliesen und Bleiver glasung.

Scheitel eine schöne fünfblätterige Rose eingefügt ist. Der übereck gestellte acht- eckige, sehr schön silhuettierte Dachreiter hat über den Schallöffnungen acht spitze Giebel, ist ganz beschiefert und mit schlichten, bleiernen Wasserspeiern versehen.

Wenn man die kleine Zahl der Monumente überblickt, an denen sich das Ein- dringen des gotischen Stils auf deutschem Boden im 3. und 4. Jahrzehnt des 13. Jahr- hunderts verfolgen lässt, so wird man nicht umhin können, der Kirche von Marien- statt, als dem ersten rein gotischen Zisterzienserbau in Deutschland, die Bedeutung eines wichtigen Merksteins der Baugeschichte beizulegen. Was die Erbauer dieser Kirche, die Brüder eines der konservativsten Ordens, veranlasst hat, von dem Typus der Zisterzienserkirchen, wie wir ihn in klarster Form in Eberbach besitzen, in so vielen Dingen abzuweichen, wird kaum zu ermitteln sein.

Das Eindringen des an den grossen französischen Kathedralen ausgebildeten gotischen Stils in den deutschen Kirchenbau ist von dem 1. Jahrzehnt des 13. Jahr- hunderts an zu verfolgen; sei es nun, dass es die Bauherren waren, deutsche Kirchen- fürsten, die in Frankreich ihre Bildung empfangen hatten und die neuen Bauformen und Baugedanken bei ihren kirchlichen Schöpfungen anzuwenden wünschten, sei es, was wohl in der Mehrzahl der Fälle zutraf, dass deutsche Werkleute, ob bürger-

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MARIENSTATT.

liehe Handwerker oder Laienbrüder ist im einzelnen Falle schwer zu entscheiden, die von der überaus lebhaften kirchlichen Bautätigkeit nach Nordfrankreich gezogen waren, die Kenntnis des neuen Stils in ihre Heimat mitbrachten. An zahlreichen Bauten dieser Zeit, Magdeburg, Naumburg, Bamberg, Wimpfen und vielen andern, lässt sich verfolgen, wie der in Deutschland um diese Zeit zur reifsten Entfaltung gelangte romanische Stil sich gegen das Neue wehrte, wie er die neuen Baugedanken

Fig. 138. Marienstatt. Kirche. Piscina.

und konstruktiven Motive mit den altheimischen zu verschmelzen suchte. Etwa um 1230 hört dieses Ringen auf, und mit der Liebfrauenkirche in Trier (1227 bis 1244), der Elisabethkirche in Marburg (1236 bis 1263), der Minoritenkirche in Köln (1239 bis 1240) und dem Chor von Marienstatt (1243) sehen wir die ersten, rein gotischen Kirchen auf deutschem Boden entstehen.

Diejenigen Merkmale, welche zur Einreihung von Marienstatt in diese Gruppe berechtigen: die völlige Herrschaft des Spitzbogens, das durchgeführte Strebebogen- system, der auch im Äusseren zutage tretende Kapellenkranz um den offenen Chor- umgang, die, wenn auch verkrüppelte Triforienanlage, sind im einzelnen schon bei früheren deutschen Bauten nachzuweisen. So hat das Münster zu Bonn schon 1221 die freiliegenden Strebebogen, Heisterbach, das Mutterkloster von unserer Kirche, den Kapellenkranz, der hier aber noch gleichsam versteckt in der runden Chormauer liegt. Alle diese Merkmale aber weisen mit Deutlichkeit auf Vorbilder in Nord- frankreich, wo, wie wir wissen, der Zisterzienserorden seinen in Burgund ausgebildeten

Fig. 139. Marienstati. Kirche. Chorgestülil.

MARIENSTATT, KIRCHE.

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Sonderstil schon früh aufgegeben hatte. Was aber gerade Marienstatt unter den oben aufgeführten frühesten deutschgotischen Bauten eine besondere Stellung anweist, ist die Übertragung der aus einem ausgebildeten Hausteinbau hervorge- gangenen neuen Bauge- danken auf einen mit be- scheidenen Mitteln er- richteten Bruchsteinbau, der uns damit als ein ruhm- vollesZeugnis für das selb- ständige Können deut- scher Werkleute von be- sonderem Wert sein muss.

Von den älteren Aus- stattungsstücken ist bei den Erneuerungen , die Kirche und Kloster im 18. Jahrhundert erfahren haben, nur eine kleineZahl übriggeblieben ; manches ist auch bei der letzten Herstellung an einen an- deren Platz gerückt wor- den. Hier ist folgendes aufzuführen :

Altartisch des Hoch- altars von streng früh- gotischer Form. Die Vor- derplatte ist mit vier Blenden verziert, die, mit einem feinen Karnies- profil umzogen, früher wahrscheinlich gemalte Heiligenfiguren enthiel- ten. In die Ecken sind Säulchen mit schlichten Kelchkapitälen eingelegt,

Fig;. 140. Marienstatt. Kirche. Grabmal Gerhards II. von Sayn und seiner Gemahlin.

die starke Platte mit einer von zwei Wülsten begrenzten flachen Kehle profiliert.

Piscina von Stein im östlichen Teil des südlichen Seitenschiffs. Unter einer spitzbogigen Wandnische springen drei halbkreisförmige Becken vor, das mittelste durch einen roh gearbeiteten Kopf, die seitlichen durch spitze, kannelierte Konsolen gestützt.

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MARIENSTATT, KIRCHE.

Grabplatte einer Matrone im nördlichen Kreuzflügel, von schwarzem Marmor mit eingegrabenen Umrissen, der durch ein Kopftuch verhüllte Kopf und die Hände

von weissem Marmor eingesetzt, unter einem einfachen, von nasenbe- setzten Spitzbogen ge- tragenen Giebel; spät- gotisch.

Grabmal des Grafen Gerhard II. von Sayn (t 1493) und seiner Ge- mahlin, einer Gräfin von Syrck, (früher unter dem südöstlichen Seitenbo- gen des Schiffs, jetzt an die Westmauer des nörd- lichen Seitenschiffs ver- setzt). Grosse Tumba mit Spuren spätgotischer gemalter Figuren auf den Seitenwänden. Die Gestalten , in offenbar charakteristischer Por- trätähnlichkeit, mit Re- sten früherer Bemalung, der Graf in voller Rü- stung, liegen auf Kopf- kissen , die Füsse von

Fig. 141. Marienstatt. Kirche. Pietas.

Zu den Häupten halten zwei knieende Engel das

Löwengestalten unterstützt. Saynsche Wappen.

Zwei Grabsteine im nördlichen Seitenschiff zeigen in guten Relieffiguren den Grafen Johann IV. von Sayn (f 1529) und seine Gemahlin Maria von Limburg (f 1525). Weitere drei Grabsteine im Fussboden der Kirche und fünf im Kapitelhause, die wenig künstlerischen Wert haben, führt P. Wellstein a. a. O. S. 108, 109 mit aus- führlichen Inschriften an.

Ein grosser, gotischer Reliquienbehälter aus Stein, der vor der letzten Restau- ration zwischen den westlichen Chorpfeilern auf der Evangelienseite stand, befindet sich jetzt an der Westwand des nördlichen Kreuzarms. Die reiche Gliederung seines Rahmens, in der Mitte von dem Saynschen Wappen gekrönt, umschliesst ein vergoldetes Eisengitter.

Marienbild aus Stein über dem Nordportal des Querschiffs, schlicht und streng, Anfang des 14. Jahrhunderts.

Fig. 142. Marienstatt. Kirche. Beichtstuhl.

MARIENSTATT, KIRCHE.

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Maria mit dem Jesuskind über dem Westportal (Stein mit Resten der Be- malung). Die lebhafte Bewegung der Figur und der ausdruckvolle Faltenwurf deuten auf die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Reste von Fussbodenßiesen mit eingeritztem Ornament in den Chorkapellen.

Fünf Marmoraltäre , davon drei früher den Chorabschluss bildend, zwei jetzt im südlichen Seitenschiff, drei in der St. Annakapelle des Klosters; reiche und gut auf- gebaute Barockwerke, inschriftlich von 1718, mit Engeln, Putten und Heiligenfiguren aus weissem Marmor.

Gräbplatte von Gusseisen im nördlichen Kreuzflügel: Johann von Selbach, Marschalck zu Crutorf, f 15 . . mit der geharnischten Figur in Flachrelief.

Chorgestühl, nach der strengen Zeichnung und der wirkungsvoll geschnitzten, derben Ornamentik dem Anfang des 14. Jahrhunderts zuzuschreiben, in zweimal zwei Reihen unter der Vierung und der ersten Travee des Langhauses aufgestellt. An den Zwischenlehnen Blattknäufe, Köpfe, Vögel und Fabelwesen, die Miserikordien einfach konsolartig. Der Abtstuhl hat in seiner Ornamentik eine reichere Verwen- dung von Rosen und einen frei geschnitzten Pelikan mit seinen Jungen.

Holzskulptur der heiligen Anna mit der kleinen Maria, gotisch, gegen Ende des 15. Jahrhunderts, mit erneuter Polychromierung.

Pietas, Holz mit erneuerter Bemalung, die Madonna in Bewegung und Aus- druck von besonderer Innigkeit. Jetzt auf dem nördlichen Seitenaltar am Eingang des Presbyteriums.

Zwei Beichtstühle mit reicher Barockschnitzerei, wahrscheinlich wie die Altäre unter Abt Benedikt Bach um 1718 entstanden.

Fensterverglasungen in einigen Kapellenfenstern in verschlungenen Band- mustern, der Zisterzienserregel folgend ohne Farbe.

Der grosse Flügelaltar, der vor dem Barockumbau des Kircheninnern vielleicht als Hochaltar gedient hat, jetzt aber in den nördlichen Querschifflügel versetzt ist, darf als das wertvollste unter den Kunstwerken der Kirche bezeichnet werden. Er misst aufgeschlagen 5 m Breite bei 2,30 m Höhe ; die Tiefe beträgt 0,32 m. Er ist aus Holz geschnitzt und zum grossen Teil vergoldet. Die überaus klare und rein entwickelte Hochgotik seiner Architektur und der Stil der Figuren lässt als Ent- stehungszeit etwa die Zeit um die erste Weihung der Kirche 1324, als Herkunft eine Kölner Werkstatt vermuten.

Die Architektur baut sich in drei Geschossen übereinander auf; das unterste, das mangels einer Predella als Sockel dienen muss, hat mit schlichtem, etwas dünnem Masswerk verschlossene Behältnisse, die zur Aufnahme von Reliquien bestimmt waren.

Hierüber folgen zwölf durch Querwände getrennte Nischen, zwischen Fialen durch spitzbogige Wimperge mit Krabben und reichen doppelten Kreuzblumen ge- schlossen. Sie enthalten die Büsten von zwölf heiligen Jungfrauen, von denen die sechs mittleren einen eigentümlichen aus Rüschen gebildeten Kopfschmuck tragen. Auch sie enthielten Reliquien, die durch runde, mit Mass werk gefüllte Öffnungen in der Brust sichtbar waren.

132

MARIENSTATT, KIRCHE.

Hinter den Kreuzblumen der Wimperge zieht sich ein Fries von Vierpasskreisen, der einen wahrscheinlich ebenfalls für Reliquien bestimmten Hohlraum abschliesst.

Das oberste Geschoss enthält unter den spitzgiebeligen, mit spitzbogigem Mass- werkbogen geschlossenen Baldachinen die Gestalten der zwölf Apostel, die bis auf einen neuerdings ungeschickt ergänzten eine in das Auge fallende Ähnlichkeit mit den steinernen Apostelfiguren an den Chorpfeilern des Kölner Doms haben und wohl zu den besten Holzskulpturen der Hochgotik gerechnet werden dürfen. Hinter den Wimpergen zieht sich wieder eine mit spitzbogigem Masswerk ausge- setzte Gallerie entlang.

Die Mitte des Altars wird von einem 34 cm vorspringenden Vorbau eingenommen, der bei geschlossenem Altar von den Flügeln nicht bedeckt wird, aber, wie die an den Kanten der letzteren noch nachweisbaren Scharniere beweisen, früher besondere Verschlussflügel hatte. Der untere Teil wird von einer mit Eisen vergitterten Nische eingenommen, die, da sie als Sakramentshaus aus ritualen Gründen nicht anzusehen ist, wahrscheinlich als Behältnis für eine besonders kostbar gefasste Reliquie gedient hat. Das Fischblasenmasswerk, das den breitgezogenen, stumpfspitzbogigen Wimperg ausfüllt, lässt eine spätere Ergänzung vermuten. In der mit zwei Wimpergen über- deckten Nische der oberen Zone stellt ein besonders schön und graziös geschnitztes Bildwerk die Krönung der Maria dar, welche die Hände betend zu dem neben ihr thronenden, segnenden Heiland erhoben hat.

Die Architektur sowie sämtliche Haare und Kleider der Figuren sind vergoldet, auf den Gewändern reich mit eingepunztem Ornament geschmückt. Nur die Um- schläge der Gewänder sowie einzelne Profile des Rahmwerks sind durch lebhafte Farben hervorgehoben. Die Wände der Figurennischen sind blau mit goldenen Sternen.

Die Aussenseiten der Flügel sind in zwei Zonen mit leider stark zerstörten Ge- mälden aus dem Leben Christi geschmückt, deren Darstellungen auf die verlorenge- gangenen Deckflügel der mittleren Nische übergegriffen haben. Die auf Goldgrund unter einer schwarz konturierten Architektur gemalten Bilder stellten dar: rechter Flügel in der oberen Reihe : Anbetung der Könige, Beschneidung Christi, den Jesus- knaben im Tempel (halb); untere Reihe : den bethlehemitischen Kindermord, Tod Mariae, Mariae Himmelfahrt (halb). Auf dem linken Flügel: obere Reihe: Christus am Ölberg, Gefangennahme, Christus vor Pilatus; untere Reihe: Verspottung Christi (halb), Ab- nahme vom Kreuz, Grablegung.

Der Altar wurde 1830 nach Wiesbaden verbracht und einer unsachgemässen Herstellung unterzogen, dann 1835 im dortigen Museum aufgestellt und in den neun- ziger Jahren wieder in die Kirche zurückgebracht. Gegenwärtig befindet er sich zum Zweck einer umfassenden Herstellung in Berlin.

Aus der Zeit des Klosterneubaues um 1718 stammen in der Kirche noch zwei be- merkenswerte Schmiedearbeiten : die mit Toren versehenen Abschlussgitter des Pres- byteriums, eins im Mittelschiff zwischen den Chorstühlen, je eins im nördlichen und südlichen Seitenschiff, am Ende des ersten Schiffsjochs. Ihre leichte und bei aller Freiheit des Barockstils gesetzmässige Form zeigt Abb. 145; ferner das sehr reiche

Flg. 144. Maritiiitutt. Ablfmebäinic. Miltclbiiii.

MARIENSTATT, KIRCHE.

133

Fig. 145. Marienstatt. Kirche. Chorgitter in den Seitenschiffen.

Geländer der Treppe, die am südlichen Querschiffgiebel in das obere Stockwerk des Klostergebäudes führt.

Bis zu der jüngsten Herstellung enthielt die Kirche noch die gesamte dekorative Innenaustattung der Barockzeit, namentlich einen mächtigen, bis zum Gewölbescheitel aufsteigenden Hochaltar, der mit einer Fülle überlebensgrosser, in Holz geschnitzter Engel- und Heiligenfiguren geschmückt war, wie auch ähnliche Figuren vielfach ander- wärts zur Dekoration des Kircheninnern verwendet waren. Diese Skulpturen, die zum Teil im Kreuzgang ihren Platz gefunden haben, zum Teil auf dem Dachboden des nörd- lichen Klosterflügels einer würdigeren Aufbewahrung harren, sind von verschiedenem

134

NIEDERROSSBACH.

Werte. Alle zeigen die für unsere Zeit immer wieder beneidenswerte handwerkliche Sicherheit des Schnitzers, einige aber auch in der Freiheit der Bewegung und der deli- katen Behandlung von Köpfen und Händen einen höheren Grad künstlerischen Vermögens.

Das Abteigebäude besteht aus zwei Flügeln, die in jüngster Zeit durch Ausführung des für die Klosterbibliothek bestimmten Südflügels zu einem nach Westen offenen Hufeisenbau vervollständigt sind. Die Architektur ist von grosser Schlichtheit; nur in der Mitte des Hauptflügels erhebt sich ein durch Mansardedach, geschweiften Giebel und eine toskanische Pilasterstellung hervorgehobener Pavillon, der das imposante Treppenhaus einschliesst. Dessen Hauptschmuck ist die in dunklem Eichenholz geschnitzte Treppe, die in geschwungenen Doppelläufen sich zu der mit einer doppelten Arkadenstellung geöffneten Hinterwand emporschwingt, während an der Frontwand eine Galerie, mit der gleichen, reichgeschnitzten Rokokobrüstung wie die Treppenrampe geschmückt, die Verbindung im Obergeschoss vermittelt. Die Decke hat hier, wie in mehreren anderen Räumen der Abtei, einen bescheidenen Dekor durch angetragenen Stuck erhalten.

BURG NISTRIA. Mit der Burg Nistria, die in der Schenkungsurkunde von 1222 erwähnt wird, und deren Spuren man noch auf dem westlich von der Abtei auf dem linken Nisterufer steil aufsteigenden Felsen, dem „Burgberg", verfolgen kann, hat sich A. von Cohausen in Annalen XIX., 186 beschäftigt. Hier seien dieser Arbeit die kurzen Notizen entnommen, dass Graf Heinrich III. von Sayn, der die Grundherr- lichkeit Nister vom Erzbistum Köln zu Lehen trug, die Burg 1211 bis auf die Grund- mauern zerstörte. Was jetzt noch von ihr auf dem Felsenkopf zu erkennen ist, be- schränkt sich auf einen im Osten der Anlage den Bergrücken durchschneidenden Halsgraben von 6 m Tiefe und 4,50 m Sohlbreite. Zehn Schritt nach Westen ist die 3 m tiefe, 12 m ins Geviert messende Fundamentgrube für den Bergfried in den Felsen vertieft, in dem sich das Verliess als eine besondere, 1 m tiefe und 6 m ins Geviert messende Grube kenntlich macht. Nördlich und südlich vom Turm deuten Terrassierungen auf die Palas-, Wirtschafts- und Zwinger-Anlagen. Auf einer westlich vorgelagerten, tieferen Felsplatte von hundert Schritt Länge und fünfzig Schritt Breite wird die Vorburg vermutet, für deren Turm in einer quadratischen Vertiefung von 4,50 m Seitenlänge und 6 m Tiefe der Ort gefunden wird.

3^

NIEDERROSSBACH.

Vogel, Beschr. v. N. 695.

AS Dorf Niederrossbach, 12 km südwestlich von Hachenburg, 3,5 km von der Station Mündersbach (Hachenburg-Selters) gelegen, war Wied- scher Besitz und wurde 1362 an Sayn verpfändet, das den Ort 1460 von I den im Besitz grundherrlicher Rechte und Zehnten befindlichen Herren

von Helfenstein und Geyssler erkaufte.

Fig . 146. Alarienstatt. Kirche. Seitenaltar.

ROTZENHAHN, PFARRKIRCHE.

135

DIE PFARRKIRCHE ist eine flachgedeckte romanische Basilika mit halbrund geschlossenem, früher gewölbtem Chor und viereckigem Westturm. Von den wahr- scheinlich nach Einführung der Reformation abgebrochenen Seitenschiffen sind noch die im Innern sichtbaren je vier vermauerten Pfeilerarkaden mit schh'chtem Kämpfer- gesims erhalten, über dem in der Obermauer je vier kleine Rundbogenfenster. Aussen Rundbogenfriese, am westlichen Teil des Chors auch Lisenen. In der Chorapside drei grosse Rundbogenfenster mit schlichtem spätgotischem Masswerk. Der Turm, fast so breit wie die Kirche, hat gekuppelte Schallöffnungen mit sehr einfachen Mittel- säulchen und eine welsche Haube.

Zwei Glocken. Die grössere, 800 Pfund schwer mit gotischer Majuskelinschrift : t 0 rCf glorie Oeni cum pace maria ohne Jahreszahl, vom Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts. Die kleinere, 500 Pfund schwer, mit Reliefs Maria mit dem Christuskinde und zwei Heiligen, darüber zwischen gotischen Fialen in einem Runde das Haupt Christi ; Anbetung der Könige ; St. Katharina mit Rad, Schwert und Krone, auf einer Blume stehend ; sitzende gekrönte Maria mit dem Kinde ; ein sitzender bärtiger Mann mit spitzer Mütze, einen Krummstab haltend, der Stuhl mit Drachenköpfen verziert, unter welchen zwei kleine, die Hände flehend er- hebende Figuren. Inschrift : Katerina Reißen idt) alle boße (a) iDeüer lüertrifen i(ö M CCCC - L (1450). Bei (a) ist das Wappensiegel des Glockengiessers, enthaltend in der Mitte eine Glocke und am Rand den Namen Ludovicus .... (undeutlicher Familienname). Unter der Inschrift ein zierlicher Kranz von Eichenblättern (Lötz nach Pfarrer Vömel und Pfarrer Gust. Todt, 1864).

ROTZENHAHN.

Vogel, Beschr. v. N. 703.

AS Dorf Rotzenhahn, (8,5 km südlich von Hachenburg), früher der Nassau-Diezschen, seit 1621 der Hadamarschen Linie gehörig, hatte schon 1289 eine Pfarrkirche, die bald nach diesem Jahr dem Stift in Diez in- korporiert und an der 1413 eine Frühmesserei gestiftet wurde.

PFARRKIRCHE. Das jetzige Schiff der Kirche ist 1743 erbaut ; der Chor gehört dem Anfang des 14. Jahrhunderts an. Er ist aus dem Achteck geschlossen und mit zwei Kreuzgewölben überdeckt, deren hohlprofilierte Rippen auf halb acht- eckigen, nach unten zulaufenden Konsolen aufsetzen. Die Fenster sind ungeteilt, ihr hohlprofiliertes Gewände mit Nasen besetzt. Die schmalen Strebepfeiler sind einmal ab- gesetzt und mit Pultdächern abgedeckt. Der Chorbogen ist rundbogig. Der Turm öffnet sich nur gegen das Schifi^ mit einer flachbogigen Öffnung in dem mit einem Tonnen- gewölbe überdeckten Erdgeschoss. Das Obergeschoss ist von Holz und beschiefert.

136

STEINEBACH. WESTERBURG.

STEINEBACH.

Lötz, Beschr. v. Nassau 685.

AS Dorf Steinebach, 6 km südlich von Hachenburg, bewahrt in einigen spärlichen Resten einer Talburg, dem Stumpf eines vier- eckigen Turmes mit einem spitzbogigen Torweg, sowie anderen Mauer- stücken — die Erinnerung an das Rittergeschlecht gleichen Namens. Es tritt zuerst 1273 auf und trug 1424 seine Stammburg von Wied zu Lehen, die 1485 noch in vollem Wesen stand. Graf Johann von Sayn kaufte sie und sie wurde ihm in der Bruderteilung von 1555 vorbehalten. Die von Steinenbach schenkten 1270 ihr Gut hier an das Kloster Marienstatt und empfingen dagegen 1292 dessen aus 33 Mansen bestehendes Eigentum als Erblehen. Das Geschlecht starb am Ende des 16. Jahrhunderts mit Joachim aus.

Fig. 147. Westerburs von Nordwestett.

WESTERBURG.

Vogel, Beschreibung 251, 734. Wenck, hess. Landesgeschichte I 475 482, 656. J. St. Reck, Geschictte von Isenburg, Runkel & Wied, Weimar 1825. Wenck, hess. Land.-Gesch. Urkdb. 124.

US dem Tale des Schaf bachs, einem nördlichen Zufluss des Elbbachs, erhebt sich ein steil nach Westen abfallender Basaltrücken, der das Stammschloss der Grafen von Westerburg trägt. Auf dem Abhang des Hügels gruppiert sich die gleichnamige Oberstadt, in ihrer Mitte von einer kleinen Schlucht, dem früheren Burggraben, zerschnitten; im Tal zieht sich an einer dem Bachlauf folgenden Strasse die Unterstadt hin.

Ein „Herr von Westerburg" erscheint 1221 zuerst in einem Vergleich mit dem Stift Gemünden; es ist Siegfried von Runkel, der die Herrschaften von Wester- burg und Runkel in seiner Person vereinigte. Als ersten Vertreter der letzteren,

Fig. 14S. Westerburg. Evang. Kirche. Inneres.

WESTERBURG, KIRCHE.

137

die ursprünglich aus einer geringen Grundherrlichkeit bei dem an der Lahn gelegenen Dorfe Wenigen- Weimar hervorgegangen war, betrachtet Vogel einen Siegfried, der 1158 als Bürge für die Gräfin Beatrix von Laurenburg bei Verhandlungen über die Burg Nassau erscheint.

Der obengenannte Siegfried von Westerburg begegnet uns zuerst 1194 als Zeuge ; zu Anfang des 13. Jahrhunderts scheint er das Kloster Seligenstadt bei Seck besonders mit Stiftungen bedacht zu haben und erliess diesem 1219, bei Antritt einer Kreuz- fahrt, alle Abgaben, die es ihm als seinem Vogte schuldete. Aus der Vogtei über das Kollegiat- stift zu Geraünden, das den heiligen Severus zum Patron hatte, scheint die Herrschaft Westerburg hervorgegangen zu sein. Wenigstens umfasste ihr rings von der Grafschaft Diez umschlossenes Gebiet nur die jenem Stift zugehörigen Orte : Gemünden, Seck, Stocken, Westerburg, Hergerod, Stahlhofen und Wengenrod und führt in alten Dokumenten den Namen: „Bifang des heiligen Severus". Eine Scheidung des Geschlechtes in die Linien Westerburg und Runkel fand unter Siegfrieds Söhnen Sifrid und Dietrich statt, von denen nach der unter Vermittelung des Grafen Adolf von Nassau 1288 erfolgten Gebietsteilung Sifrid Westerburg und Schadeck erhielt.

Mehreren Nachfolgern Sifrids begegnen wir im 14. Jahrhundert in der Limburger Chronik als kriegerischen Herren. Eine bedeutende Gebiets- erweiterung des Hauses knüpft sich an die Ver- mählung Reinhards IV. (1388-1449) mit Mar- garethe von Leiningen im Jahre 1422, die ihm einen ansehnlichen Teil der Grafschaft Lei- ningen zubrachte. Von dieser Zeit datiert der Titel Grafen zu Leiningen- Westerburg.

Die Stadt Westerburg, oder „das Tal", wie sie genannt wurde, scheint mit der Burg annähernd gleichzeitig entstanden zu sein, da sie bereits 1250 erweitert wurde. Auf eine wehrhafte Anlage mit Mauern und Graben weist der Umstand, dass sie bereits eine Oppidan-Einrichtung hatte, als 1292 ihr vom König Adolf auf Betreiben seiner Schwägerin Agnes von Westerburg Stadtrechte verliehen wurden.

Fig. 149. Westerburg. Evang. Kirche. Grundriss,

DIE EVANGELISCHE KIRCHE .ist 1516 neu erbaut worden. Sie ist eine spätgotische Hallenkirche mit einem in drei Seiten des Achtecks geschlossenen Chor in der Breite des Mittelschiffs und einem viereckigen vor letzterem stehenden Westturm.

138

WESTERBURG, KIRCHE.

Der Chor, unter dem sich ein Gruftgewölbe des Westerburger Grafenhauses befindet, liegt infolgedessen um sechs Stufen über das Schiff erhöht. Sein schlichtes Kreuzgewölbe, das mit hohlprofilierten Rippen auf einfachen Konsolen ruht, ist nied- riger als das des Schiffes. Der Schlusstein trägt ein Schild mit dem Wester- burgischen Wappen.

Das Schiff hat vier Joche, deren spitzbogige Arkaden, auf den Abkantungen mit einer Hohlkehle versehen, auf schlanken Rundpfeilern aufsteigen. Das Kämpfer- gesims wird durch eine achteckige Platte mit unterer Schrägung gebildet, dem auch die Sockel entsprechen. Ein engmaschiges Netzgewölbe bedeckt die drei Schiffe, im Mittelschiff mit doppelt, in den Seiten mit einfach gekehlten Rippen; eine Besonder- heit sind die einfach gekehlten, kurzen Rippen, die im Mittelschiff über jedem Pfeiler gerade aufsteigen und die nächste Raute des Netzgewölbes halbieren. Die Schlussteine sind im Mittelschiff mit Vierpässen ohne weiteren Schmuck belegt.

Die Fenster sind zweiteilig, meist mit Fischblasenmasswerk. Von den Türen ist die nördliche im Gewände mit Hohlkehlen gegliedert, der Sturz durch zwei reichprofi- lierte Konsolen getragen; die südliche einfach rechteckig mit Fasengewände; in den Turm führt von Süden eine Spitzbogentür mit im Scheitel durchkreuzter Hohlkehle.

Der Turm, einfach viereckig, öffnet sich nach dem Schiff im Erdgeschoss mit einem Rundbogen, im Obergeschoss spitzbogig. In beiden Geschossen sind die Kreuz- gewölbe, deren Kämpfer noch vorhanden sind, eingestürzt.

Die rundbogigen Schallöffnungen liegen gekuppelt auf Mittelsäulchen in flachen Rundbogenblenden. Der Turmhelm, achteckig, ist neuerdings auf den vier Seiten mit unschönen Giebelbauten für die Uhr versehen.

Die Kirche enthält drei Westerburgische Grabsteine , die in der Wand des südlichen Seitenschiffs eingemauert sind und gute dekorative Arbeiten des 16. Jahr- hunderts darstellen; sie enthalten in Relief die stehenden Figuren der Bestatteten: Graf Georg von Leiningen-Westerburg, f 1580.

Graf Reinhard von Leiningen-Westerburg, tl584; Meisterzeichen H R H. Oda, Gräfin vonManderscheid-Blankenburg, Gemahlin des vorigen.

An der Ostwand des südlichen Seitenschiffs ist ein Flitgelaltarbild aufgehängt, das aus der Liebfrauenkirche auf dem Reichenscheid stammt, eine gut erhaltene Arbeit aus der Mitte des 16. Jahrhunderts von nicht bedeutendem Kunstwert. In der Mitte Anna mit dem Christuskinde und Maria, auf den Flügeln Lazarus und Magdalena, das Ganze in dem ursprünglichen, mit einem Giebel bekrönten Rahmen.

LIEBFRAUENKIRCHE. Einen Kilometer talaufwärts von Westerburg, an der Stelle des ausgegangenen Dorfes Reichenscheid, liegt die jetzt als katholische Wallfahrtskirche wiederaufgebaute Liebfrauenkirche. Lötz, der sie noch als Ruine sah, gibt von ihr folgende Beschreibung:

„Sie war bis zirka 1600 von dem Kirchhofe für Westerburg und die oberen Dörfer umgeben. Ein viel verehrtes Marienbild veranlasste Prozessionen und Wall- fahrten zu ihr sowie die Stiftung von vier Bruderschaften. 1487 vermachte Bernhard

I

WESTERBURG, LIEBFRAUENKIRCHE.

139

Ft;^. 151- Westerburg. Ehemalige Ruine der Liebfrauenkirche.

von Wonsdorf, genannt Mudersbach, einen halben Malter Hafer jährlich zum Bau der Kirche." (Vogel, Beschr. 735; Wagner, Regentenfamilie von Nassau-Hadamar I. 124!.)

Gotische Hallenkirche mit einschiffigem, dreiseitig aus dem Sechseck geschlos- senem Chore und mit viereckigem Turme über dem eine Emporbühne enthaltenden Westbau. Basaltbau mit Einzelseiten von Tuffstein.

Der Chor hatte zwei Kreuzgewölbe, wovon der östliche sechsteilig war; die Rippen mit einfachstem Hohlprofil wuchsen aus kurzen, runden Diensten hervor, die auf runden Kragsteinen mit monotoner Gliederung oder auf rohen Köpfen aufsitzen. Die zweiteiligen Fenster haben ihr Masswerk verloren. Die Strebepfeiler, welche nur am Chor vorkommen, haben oben abgeschrägte Sockel und hohlprofiliertes Traggesims und scheinen mit Pultdächern versehen gewesen zu sein. An die Nord- seite des Chors schloss sich eine Sakristei mit zwei Kreuzgewölben an. Vom Lang- hause sind nur noch Mauerreste vorhanden.

Der Turm mit Nebenhallen öffnete sich im Erdgeschoss nach Westen und Osten in grossen Bogen einfacher Art, im zweiten Geschoss nach dem Mittelschiff in einem grossen Spitzbogen, dessen Gewände von Tuffstein an den Ecken eine reiche Gliederung, ähnlich einer attischen Basis, zeigen, nach Westen in einem grossen Fenster mit schrägen Gewänden und hohlprofilierten Pfosten. An der Südseite des Turmes ist oben ein Fenster mit zwei Nasen am Spitzbogen erhalten.

140

WESTERBURG.

Fig. 152. Westerburg. Schloss. Vorhalle B (s. Grundriss).

DAS SCHLOSS, heute noch von seinem Besitzer bewohnt, lässt nach seinen ältesten,dem romanischen Übergangsstil angehöri- gen Teilen seine Erbau- ung in die Zeit seiner ur- kundlich ersten Erwäh- nung 1209 und 1221 setzen. Ausser diesen, im Grund- riss schwarz gezeichne- ten, die Nordostecke ein- nehmenden Teilen A, B, C enthält das Schloss in der Ostfront und in dem west- lich liegenden mit D be- zeichneten Saal Teile, die nach ihren schlicht go- tischen Formen dem 15. Jahrhundert angehören, während der Rest den einfachen Wohnhauscha- rakter des 18. Jahrhun- derts trägt.

Durch den ältesten Teil führt unter den Räumen B,CeinTorweg mit einem einfachen Rundbogentor, an das sich teils rund-, teils spitzbogige Tonnen- gewölbe anschliessen. Er führt in den von drei Seiten umbauten, an der Talseite durch eine Mauer begrenzten Hof. Aus die- sem gelangt man über eine gewundene Treppe in einen zweiten kleineren Hof, der in der Ecke die zu den oberen Wohnräu- men des Südflügels füh- rende Wendeltreppe ent-

SCHLOSS.

141

Fig. 153. Westerburg. Schloss. Grundriss des erste» Stocks.

142

WESTERBURG.

hält ; eine zweite Treppe, wahrscheinlich dem ältesten Bau angehörig, ersteigt den Ost- flügel. Im Erdgeschoss schliesst sich an den Torweg links ein grosser, nur durch Licht- spalten erleuchteter Raum mit einem viereckigen Mittelpfeiler, der zwei Rundbogen zur Unterstützung der Balkendecke trägt. Rechts befindet sich ein rechteckiger Raum mit zwei kuppelartigen, rippenlosen Kreuzgewölben, die durch einen auf den Kanten mit Rundstäben belegten Gurtbogen getrennt sind. Der turmartige Aufbau über

Fig. 154. Westerburg. Scitloss. Kapellentür und Fenster.

diesem Raum enthält im ersten Obergeschoss einen flachgedeckten Saal A mit einem Vorraum B und weiter nach Osten einen Raum C, der jetzt als Sakristei der nach Süden anstossenden Schlosskapelle dient und wohl auch ursprünglich die gleiche Bestimmung für den Raum A gehabt hat, den man als die frühere Kapelle anzu- sprechen haben wird. Hierauf weist die nach Osten in der Dicke der Aussenmauer liegende Altarnische, eigentlich die schräge Leibung eines grossen Rundbogen- fensters, die an den Ecken mit eingelassenen Säulchen geschmückt ist. Diese haben attische Basen mit Eckblättern, Schaftringe und Knospenkapitäle, über denen sich die Schäfte als starker Rundstab fortsetzen.

Den gleichen Stilcharakter des beginnenden 13. Jahrhunderts trägt die besonders reich gegliederte Vorhalle B. Die Westwand, die nach dem Hof zu unter einem tiefen Stichbogen liegt, ist in eine zierliche Arkatur (mit jetzt fehlender Mittelsäule) aufgelöst. Drei schwach anlaufende Säulchen tragen auf Knospenkapitälen Spitz- bögen, hierüber steilere Spitzbögen, die über den Kapitälen auf abgetreppten Konsolen aufsitzen, je zwei durch einen runden Blendbogen zusammengefasst. Die gegenüberliegende Wand ist von zwei grossen Halbkreisbögen durchbrochen, die auf

SCHLOSS.

143

einer den Fensterwandsäulen entsprechenden Mittelsäule aufsetzen. Das zur Kapelle führende Portal der Nordwand ist besonders reich gegliedert. Über der durch einen geraden Sturz abgeschlossenen Türöffnung erhebt sich ein aus eckiger Platte, Wulst und kleiner Unterplatte gegliederter Rundbogen, der einen Blendbogen aus Zacken- bögen einschliesst. Das Ganze ruht auf Ecksäulen mit anlaufendem Schaft, Eckblatt- basis und Knospenkapitäl, auf dessen Deckplatte zwei charakteristisch gezeichnete Löwen ruhen. Leider ist diese ganze, reich und zierlich gegliederte Architektur so dick mit Tünche und glänzender Ölfarbe über- deckt, dass für die Einzelheiten der Kapi- täle usw. keine Genauigkeit beansprucht werden kann.

Die Sakristei C besitzt ein Kreuz- gewölbe mit Rundstabrippen, die sich in den Ecken als Säulchen mit zierlichen Knospen- kapitälen fortsetzen, und einen mit einer grossen Rose geschmückten Schlusstein. Der nach Osten liegende Vorraum , aus welchem sie ihr Licht empfängt , scheint ursprünglich eine offene Nische in der Ost- front gewesen zu sein, deren Öffnung nach- träglich mit einer in Holz konstruierten Fensterwand zugesetzt ist.

Die südlich anschliessende, mit moderner Fig. 155. Westerburg. Schloss. Vom Kamin i in Malerei ausgestattete, jetzige Schloss- rcttv. kapelle hat zwei rippenlose, rundbogige Kreuzgewölbe. Auch im Ausseren trägt der nordöstliche Eckbau noch Spuren des romanischen Übergangsstils in einem Rundbogen- fries an der Ost- und Westfront, bestehend aus ungegliederten Rundbögen auf zierlich profilierten Konsolen, darunter ein aus Rundstab und Kehle bestehendes Gesims.

Neben der Schlosskapelle an der Südostecke befindet sich noch ein grosser Ecksaal, aus dem nach der Ostfront ein dreiseitiger, spätgotischer Erker vorspringt. Dieser wird von zwei einfachen Konsolen mit darübergelegten, ungegliederten Stich- bögen getragen. Die achteckigen Fenster haben abgekehlte Gewände.

Im Erdgeschoss des Westflügels befindet sich in der Nordwestecke das Schloss- archiv D, ein geräumiger Saal mit einem Netzgewölbe mit einfach gekehlten Rippen. Die mit steinernen Mittelpfosten versehenen Fenster liegen in tiefen Nischen mit Seitenbänken ; in der Westwand ist ein Kamin, auf dessen in eine Spitze empor- geschweiftem Deckgesims eine zierlich gemeisselte Frauengestalt die Leiningen- Wester- burgischen Wappen hält.

In etwa 300 m Entfernung nördlich von der Südostecke des Schlosses ragt auf einem einzelnen Felsklotz der Stumpf des runden Bergfrieds empor; wann derselbe abgelegt oder umgestürzt ist, wird nicht überliefert. Auf einem im Schlosse aufbe-

144

BEROD.

Fig. 156. Westerburg. Nach einem alten Bilde.

wahrten, wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert stammenden Ölbild des Schlosses erscheint der Turm schon als Ruine, mit Buschwerk bewachsen, hat jedoch noch seine ganze Höhe, die sich aus einem dicken unteren und einem an Höhe etwa ein Drittel des ersteren messenden, abgesetzten oberen Teil zusammensetzt, der noch seinen Zinnenkranz, aber kein Dach hat. Dasselbe Bild zeigt noch den Mauergürtel der Oberstadt mit zwei Toren, von denen das am westlichen Abhang des Burgbergs ge- legene ein steiles Zeltdach mit einem geschweiften Glockenttlrmchen auf dem First trägt.

In der Schlosskapelle sind an einzelnen Kunstgegenständen zu nennen : Stein- skulptur, Pietas, gute gotische Arbeit, erste Hälfte 15. Jahrhunderts. Eine aus der Liebfrauenkirche stammende //btes^M//)^«;', wertvolle Arbeit des 14. Jahrhunderts (Ende), sitzende Maria mit dem stehenden Christuskinde auf dem Schoss. Glasmalereien, die aus benachbarten Dorfkirchen, namentlich aus Wilmerod stammen, ausgezeichnete Arbeit 13. Jahrhunderts : Christus zieht den sinkenden Petrus aus dem Wasser. Ein Engel. Frühgotisch: Maria mit dem Kinde. 15. Jahrhundert : Evangelistenzeichen Lucas und Marcus, darüber Gott Vater und Christus. Das Leiningensche Wappen (auf rotem Grunde gelber Adler).

5^

BEROD.

AS Dorf Berod, 9 km südlich gegen Westen von Westerburg, hat einen Kirchturm aus romanischer Zeit, während die jüngere, architektonisch bedeutungslose Kirche in neuerer Zeit mit Geschick in einen Neubau des Schiffs als Querschiff eingefügt ist. Der Turm ist schlicht viereckig mit Pyramidendach. Das mit einem rippenlosen Kreuzgewölbe überdeckte Erdgeschoss öffnet sich gegen das Schiff im Erdgeschoss und auf der Empore mit schlicht rund- bogigen Türen. Die gekuppelten Schallöffnungen liegen in Rundbogenblenden; ihre Mittelsäulchen haben keine Kapitäle, doch einfache Wulstbasen und unter dem üblichen Kämpferstein einen Hal§wulst.

ELSOFF.

145

Zwei Glocken. Kilianus Ijeißen id!) alle boffe iDcder uerdriben i(ö

MCCCCLXXV (1475). Die kleinere

sagt angeblich: ]m Hamen Jefu

Cbrifti floß i(ö, Paulus Zimmermann in mainz goß midt) anno 1599 (Lötz).

Unter den Holzhäusern, die im Orte noch in ziemlicher Anzahl erhalten sind, zeichnet sich das Haus Nr. 7 an der Strasse nach Walmerod (s. Fig. 182) durch seine gesunde Kon- struktion, das wohlerhaltene Stroh- dach und den „Niederlass" aus.

Fig. 157. Elsoff. Kapelle.

ELSOFF.

Vogel, Beschreibung 733.

AS Dorf Elsoff, 10 km östlich von Westerburg gelegen, befand sich im frühen Mittelalter, als zur Herrschaft Ellar gehörig, unter Diezscher Ge- richtsbarkeit, aus der es 1337 durch Kauf an Nassau-Hadamar überging. Seine Kapelle stand ursprünglich unter der Mutterkirche in Seck, zu deren Bau es nach einem Vertrage von 1449 die Hälfte der Kosten beitragen musste. 1477 stifteten die noch jetzt zu seinem Kirchspiel gehörigen Dörfer Elsoff, Westernohe, Mittelhofen, Oberrod in der Kapelle einen Altar für einen ständigen Priester.

10

146

GEMÜNDEN.

KAPELLE. Diese Kapelle, jetzt als Pfarrkirche St. Peter und Paul geweiht, ist eine romanische, sehr schlichte Anlage mit gleichbreitem Schiff und Chor, dem sich eine halbrunde Apsis anschliesst. Vor der Südseite des Chors steht ein vier- eckiger, im Mauerwerk schwach verjüngter Turm, dessen hoher, achteckiger Helm von

vierEcktürmchen umgeben ist und nach einem Bran- de von 1727 im folgenden Jahre neu errichtet wur- de. Die gekup- pelten Schallöff- nungen sind ver- mauert. Sämt- liche Räume der Kirche sind rund- bogig überwölbt

Fig. 158. Elsoff. Kapelle. Gruniiriss.

mu Kreuzgewölben, deren Gräte im Scheitel kuppelartig verlaufen; die Apsis mit einer Halbkuppel. Die breiten Gurte werden von derben, unprofilierten Pfeilern gestützt, denen nachträglich im Äusseren anlaufende Strebepfeiler vorgelegt sind; der Chor hat flache, rundbogige Wandblenden. Die Türen und Fenster, klein und rundbogig geschlossen, befinden sich zum Teil nicht mehr im alten Zustand; in die Apsidenfenster sind gotische Nasen eingesetzt.

Der Friedhof, der die etwas hochgelegene Kirche malerisch umgibt, hat auf der Westseite ein Torhaus mit spitzbogigen Öffnungen.

GEMÜNDEN.

Kremer, Orig. Nass. 14. Vogel, Beschreibung 178, 252, 735. Histor. Beschreibung des Stifts Gemünden, Handschr. im Landesarchiv zu Wiesbaden von 1758.

jEßER die Kirche des 3 km östlich von Westerburg gelegenen Dorfes Ge münden, deren Gründung bis in die älteste Geschichte des Landes zurückgeht, sind nur spärliche geschichtliche Nachrichten überliefert. Eine Feuersbrunst, die im 15. Jahrhundert die Kirche und das Stiftsgebäude heimsuchte, soll auch sämtliche Urkunden vernichtet haben. Ein Kloster, das der Gaugraf des Niederlahngaues, Gebhard, mit königlicher Unterstützung zu Kettenbach an der Aar um die Mitte des 9. Jahrhunderts errichtete, wurde nach Gemünden ver- legt, wo die Kirche s. t. S. Severi 879 vollendet und in Gegenwart König Ludwigs III. von Erzbischof Berthold von Trier geweiht wurde. Mit ihr war ein Stift von zwölf Kanonikern, sechs Priestern, drei Diakonen und drei Subdiakonen verbunden, das von dem Stifter, der selbst als Mönch eintrat, mit Gütern ausgestattet und mit der

KIRCHE.

147

Stiftung zu Kettenbach vereinigt wird. Aus der Vogtei über dieses Stift, die den Herren von Westerburg übertragen wurde, schreibt sich die Entstehung dieser Herr- schaft her, der wir daher unter dem Namen „Bifang des heiligen Severus" begegnen. Bei der Teilung 1288 in die Linien Westerburg und Runkel traten diese beiden in das Vogteiverhältnis ein. Die Probstei besetzte bis 1336 der Kaiser, von wo an Kaiser Ludwig dies Recht erblich an die Westerburger übertrug, die auch in der Kirche ihr Erbbegräbnis hatten. Bis zur Zeit der Reformation verschlechterte sich der Besitz des Stiftes derart, das er nur noch für sechs Präbenden ausreichte, mit deren Übertritt zur Reformation 1570 das Stift einging. Im dreissigjährigen Krieg wurde vorübergehend durch Trier wieder das katholische Bekennt- nis eingeführt.

Wann und durch welche Um- stände die ursprüngliche Kirche des 9. Jahrhunderts verschwunden ist, lässt sich nicht mehr nachweisen.

KIRCHE. Die jetzige Kirche lässt unter mancherlei Veränderungen das Schema einer flachgedeckten, ro- manischen Pfeilerbasilika erkennen mit Querschiff, gerade geschlossenem Chor und zwei Westtürmen. Von der engen Bogenstellung der Südarkade sind noch drei Pfeiler erhalten, die beiden westlichen noch mit ihrem

D j j 1 1 tt„ Fig. 159. Gemünden. Kirche. Gritmiriss.

Bogen und dem aus Deckplatte,

Karnies und Plättchen bestehenden Kämpfergesims; letzteres ist auch an dem nächsten Pfeiler ; an dem Wandpfeiler neben dem Chorbogen eine einfache Schmiege. Derselben Zeit gehören an : die unteren Teile des westlichen Turmbaus, (an dem die Bogenöffnungen der Zwischenhalle keine Gesimse haben) sowie die Mauern des Chors und des Querschiffs. Die oberen Geschosse der Türme sind dem 13. Jahr- hundert zuzuschreiben. Ein grösserer Umbau hat 1510 nach einem in den dreissiger Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts stattgefundenen Brande das nördliche Seitenschift umgestaltet. Hierbei wurden anstelle der sechs schmalen Joche, wie sie an der Südarkade noch erkennbar sind, drei Spitzbogen auf zwei rechteckigen

10»

148

GEMÜNDEN.

Pfeilern angeordnet, die keine Kapitale haben, und das Seitenschiff dementsprechend in drei Jochen mit einem gotischen Netzgewölbe überdeckt. Zu einer späteren, nicht nachweisbaren Zeit wurde die flache Decke des Mittelschiffs und die Kreuz- vierung durch ein auf Holzrippen konstruiertes Lehmgewölbe ersetzt. Wahrscheinlich wurden bei dieser Gelegenheit auch der dritte und fünfte Pfeiler der südlichen Ar- kade entfernt und grosse, tiefer als die früheren Bögen ansetzende Rund- bögen der Südarkade ein- gefügt, sowie sämtliche Schiffe mit einem Dach überdeckt. Die Seiten- flügel des Querschifls blie- ben nach diesem Brand dachlos und unbenutzt, gegen die Vierung zu- gemauert, liegen; erst neuerdings haben sie zwar keine Decke, aber Walm- dächer erhalten. Der Chor wurde bei dem Um- bau vom Jahre 1510 mit einem gotischen Kreuz- gewölbe mit hohlgeglie- derten Rippen auf schlich- ten Konsolen überdeckt, das so tief liegt , dass unter den Rundbogen gegen die Vierung ein Spitzbogen angebracht

Fig. 160. Gemünden. Pfarrkirche. Westteil. werden musste.

Von den romanischen Fenstern ist vielleicht noch in den jetzt unter dem Dach liegenden drei grossen rundbogigen Öffnungen in der Aufmauerung über der Süd- arkade ein Rest des alten Lichtgadens erhalten. Alle anderen Fenster sind mit Fisch- blasenmasswerk im 16. Jahrhundert verändert. Die Westtür, in ungegliedertem Rund- bogen geschlossen, gehört ebenfalls dem romanischen Bau an; zwei Pforten, eine in der Nordvvand des Querschifls, eine im westlichsten Joch der Südwand, haben Haustein-

HÜBLINGEN. - MEUDT.

U9

gewände und flachgiebelförmigen Sturz. Von den beiden Westtürmen ist nur der nördliche, ein stark anlaufender, schlichter Basaltbau ausgebaut und trägt ein achteckiges Spitzdach von 1856. Spitzbogige Schallöffnungen sind durch ein verjüngtes Mittelsäulchen mit rohem Würfelkapitäl geteilt. Der südliche Turm endigt unter dem Querdach, das die Vorhalle bedeckt und südlich mit einem Giebel abschliesst.

Der schlichte Altartisch ist noch frühgotisch ; er hat einfache, eingelassene Säulchen auf den Ecken.

Drei Glocken. Die kleinste, völlig schmucklos, deutet durch ihre sehr schlanke Form auf hohes Alter. Die zweite hat die Inschrift: DCUS IjOtnO faCtüS eft annO doi

millefimo CCCC fcüo sabbo poft fac inctio (1402). Die grösste: maria Ijeißen idt) den lebten oeud den doden lulden id) poftan bruiDüre gois mid) fub anno dni mo CCCC flüii (I447j.

Im Chor sind noch Reste von geschnitzten Chorsiiihloi aus spätgotischer Zeit in der üblichen Form erhalten, mit kleinen Säulchen besetzt, die Wangen mit Blättern, Fabeltieren und Fratzenköpfen verziert.

HÜBLINGEN.

ÜBLINGEN, 8 km östlich von Westerburg.

Die evangelische KIRCHE, ursprünglich eine Marienkapelle, ist ein romanischer Basaltbau, nach den Ermittelungen von Dr. Götze (Nass. Ann. 13, 282) allerdings erst 1385 erbaut. Einschiffig mit schmälerem, vier- eckigem Chor, der das Erdgeschoss des Turmes einnimmt und ein rippenloses, auf rohen Kragsteinen aufsitzendes und gegen unprofilierte Schildbögen anfallendes Kreuz- gewölbe hat. Der Chorbogen ohne Gesimse; östlich und südlich je ein kleines Fenster. Diese und Chorbogen rundbogig. Der sich über dem Chor erhebende Turm ist nach Osten aussen abgeschrägt, sodass sein Zeltdach unregelmässig sechseckige Form hat (Lötz).

MEUDT. LANGWIESEN.

Vogel, Beschreibung 741, 742. Acta academiae palatinae III, 808. Broweri ann. Trevirenses I, 572.

ER Flecken Meudt, 10 km südwestlich von Westerburg gelegen, er- scheint in der Geschichte im Jahr 1097, als Adelheid, die Gemahlin des Pfalzgrafen Hermann, Bauerngüter, die sie in Muede besass und die das Benefizium ihres Kapellans Manegold ausmachten, an das Stift des heiligen Georg zu Limburg schenkte, eine Schenkung, die 1124 durch Bischof Adalbert von Mainz bestätigt wurde. Hierdurch entstanden Gerechtsame, welche die Herren von Isenburg als Vögte des Georgsstiftes in Meudt besassen.

150

MEUDT, PFARRKIRCHE.

4-

Fig. 161. Meudt. Pfarrkirche.

KIRCHE. Eine Kirche bestand hier schon 1200 (Lacomblet, Arch. für die Gesch. des Niederrheins I b, 367). Nach der Ansicht von Lötz war dies die Vorgängerin der jetzt noch vorhandenen St. Gangolphskirche. Die jetzt hier bestehende ist ein ganz schmuckloser, einräumiger Basaltbau ohne Kunstwert, in der bei einem Umbau 1872 Fundamente und Altar eines älteren Baus gefunden worden sind.

PFARRKIRCHE. Die Pfarrkirche St. Petrus, in erhöhter, malerischer Lage, hat einen romanischen Westturm, der wohl dem 12. Jahrhundert zuzuschreiben ist.

LANGWIESEN.

151

Er erhebt sich halb aus der Westwand der Kirche, von wo eine schlichte Rundbogentür ins Innere führt. An der Südseite des oberen Teils ist eine mit einem Rundbogenfries abgeschlossene Blende, die das Zifferblatt der Uhr enthält. Die Schall- öffnungen liegen auf allen vier Seiten zu zwei, jede in einer rundbogigen Blende, als Zwillings- fenster, deren Mittelsäulchen einfache Würfel- kapitäle und schlichte aus einem Wulst gebildete Basen haben. Der spätere Turmhelm geht oben ins Achteck über.

Das Schiff, von zwei niedrigen, vom Haupt- dach überdeckten Seitenschiffen begleitet, die sich gegen das Mittelschiff in zwei grossen Halbkreis- bögen öffnen, ist ohne Kunstform und wahrschein- lich im 17. Jahrhundert erbaut.

Der mit einem spitzen Pyramidendach be- deckte Chor scheint aus der spätesten Zeit der Gotik zu stammen. Er ist im Achteck geschlossen, ohne Streben und mit einem schlecht ausgeführten Kreuzgewölbe überdeckt, dessen hohlprofilierteRip- pen zum Teil in Holz vorgesetzt sind. Das Mass- werk der drei durch einen Mittelpfosten geteilten Chorfenster zeigt späte, unverstandene Ausführung. 1""'""' i i i i I ' i ' i I ' ' ' ' . Die Zwickel sind zum Teil nicht durchbrochen. F'S- '62. Meudt. Pfarrkirche. Grundriss.

Von den Glocken ist die zweite von 1842, die erste und dritte haben die In- schrift : Ofanna (bei der dritten „Htaria") l)eifen id) alle boefc ujeder oerdriben itö in ere gots lupdt man midt) anno domini mcccclfffi (1481).

Der schlechte Zustand des Schiffs und Chors und der geringe Kunstwert dieser Teile haben zu dem Beschluss geführt, die Kirche durch einen Neubau zu ersetzen, bei dem der Turm erhalten bleiben wird.

Drei Kilometer südwestlich von Meudt liegt der alte Hof Langwiesen, 1525 im Besitz der Freien von Dehrn, den die Edlen von Irmtraud im 16. Jahr- hundert zu ihrem Adelssitz erkoren (Vogel). Von ihnen ging er an die von Esch über und ist jetzt im Besitz des Gräflich Walderdorffschen Hauses. Er ist ein befestigter Hof, dessen Hauptbau, wohl dem 16. Jahrhundert entstammend, mit vier Ecktürmen besetzt und von einem jetzt trocknen Graben umgeben ist.

5^

152

MOLSBERG.

4

Fig. 163, Hof Laii^wiesett.

MOLSBERG.

Vogel, Beschr. 256, 277, 745. A. Görz, in Ann. 3, 5, 37 90. Kremer, Orig. 2, 154. Hontheim, bist, i, 801 f. A. Görz, Regesten, S. 287, 31. Okt.

%^?v^![^UF einem Basaltkegel, 6 km südlich von Westerburg, erhebt sich das Schloss der Grafen von Walderdorff, an das sich der Namen des einst in Cfl^^FTj diesem Gau blühenden Geschlechtes der Herren von Molsberg knüpft. ^*E*«vÄ» Die „nobiles viri domini de Mollesberg", deren einer im 14. Jahr-

hundert sogar den Grafentitel führt, erscheinen zuerst im 11. Jahrhundert, als Kaiser Heinrich II. der Trierer Abtei St. Maximin viele ihrer weitverbreiteten Güter entzog und mit den im goldenen Grund gelegenen Niederbrechen und Niederselters 1023 Anselm von Molsberg belehnte.

Die Tochter Anselms IL, des zweiten Nachfolgers des vorigen, Adelheid, vermählt mit Burggraf Eberhard von Arberg, die wahrscheinlich zuvor mit einem Herrn von Freusberg verheiratet gewesen war, schenkte 1215 ihr Gut zur Gründung des Klosters Marienstatt, worüber sie den Erzbischof von Trier als Schirmherrn setzte. Durch den Streit, der sich über diese Schenkung zwischen ihren Neffen Florentius und Heinrich von Molsberg und dem Erzstift erhob, erlitt das Haus Molsberg schwere Einbusse ; Heinrich, der das Kloster sehr geschädigt, wurde seines Schlosses beraubt. Sein Neffe Diether, Sohn des Florentius, erhielt es 1273 als Trierisches Lehen zurück, doch schreitet von da ab der Verfall des Geschlechtes schnell vorwärts. Der Aus- dehnungspolitik der Nassau-Dillenburger verfiel zwischen 1311 und 1327 durch Ver-

154

MOLSBERG, GESCHICHTLICHES.

kauf an dieses Haus die Landeshoheit über das Gericht Haiger und das Gericht Ebersbach, die durch Adelheids Ehe mit Freusberg im 13. Jahrhundert an Molsberg gekommen waren. Dann verkaufte 1365 G y s o II. an den Erzbischof CunovonTrier das Stammgut, Burg und Herrschaft Molsberg mit Niederbrechen und Selters. Die Pankratiuskapelle auf der Burg verlieh 1493 Erzbischof Johann II. dem Priester Arnold im Rebstock von Montabaur. Mit Georg stirbt 1390 das Geschlecht von Molsberg aus. Eine dem niederen Adel angehörige Familie dieses Namens kommt schon 1223 vor und bestand bis in die neuere Zeit.

Burg und Herrschaft wurden von Trier mehrmals verpfändet, zuerst 1436 an Hessen, 1575 an Philipp von Reifenberg, 1581 an die Familie Elz, und von dieser kam sie 1657 endgiltig an die Herren von Walderdorff, die, später in den Grafenstand erhoben, noch jetzt die Eigentümer der Herrschaft sind. Der Trierer Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff Hess 1760 die Burg abbrechen und an ihrer Stelle ein Schloss im Barockstil erbauen, das unvollendet geblieben ist. Über diesen Neubau findet sich in dem Tagebuch des Oberhofmarschalls Ludwig Boos von Waldeck fol- gende Notiz: (mitget. im Rh. Antiqu. I, l. S. 645, 146)

„So wie er bedacht wäre, durch die viele Gebäulichkeiten seinen Nahmen zu verewigen, ebenso wollte er auch seiner hohen Famillie ein herrliches Denkmal hinterlassen. Zu dem Ende liesse er das alte Schloss zu Molsberg niederreissen und untenhin ein sehr prächtiges Schloss mit grossen Kosten aufbauen; der Tod über- raschte ihn, wesshalben dann auch nur ein Hauptflügel fertig geworden, welchen er jedoch mit kostbaren Meubles ausschmückte, (usw.)."

Vor dem Abbruch wurde von der alten Burg ein Holzmodell angefertigt, das 65 cm hoch ist, noch jetzt in dem Schlosse aufbewahrt wird und eine ziemlich genaue Vorstellung des alten sehr ausgedehnten Wehrbaues gibt.

Durch eine von einem mit Kegeldach bedecktem Rundturra und durch Mauern mit vorgekragtem Wehrgang verteidigte Pforte führte der Zugang über eine Brücke in einen Torweg, der ein langes, Wirtschaftszwecken dienendes Gebäude durchsetzte und über dem sich, nach einem kleinen Glockenturm zu schliessen, wahrscheinlich die Pankratiuskapelle befand. Nach dem unteren Hof, den man zuerst von diesem Torweg aus betrat, hatte das Torgebäude einen mit einem Giebeldach bedeckten, im ersten Obergeschoss vorspringenden Erker. Auch die übrigen Seiten dieses Hofes waren mit Stallungen und Wirtschaftsgebäuden besetzt. Ein kleinerer, viereckiger Hof schloss sich, durch eine Mauer umgrenzt, in gleicher Höhenlage dem Wirt- schaftshof zur Linken an, nach der Talseite ebenfalls durch einen langen Wirtschafts- flügel, gegenüber durch die Futtermauer der Oberburg begrenzt. Weiterhin schloss sich an diesen zweiten Hof ein tiefer liegender, durch eine Treppe zugänglicher, ge- räumiger Zwinger, dessen zinnenbesetzte Mauer in einen niedrigen, viereckigen Turm ohne Dach auslief.

Die Treppe, von der aus die für Wagen und Pferde nicht zugängliche O b e r - bürg erstiegen wurde, führte unter dem Schutz des Bergfrieds im Innern eines poly- gonen Zwingers aufwärts, über dem sich der Bergfried, in seinen unteren bis zur Dach-

I-ig- 766. Das frühere Schlcss Molsberg Nach einem Modell.

NEUNKIRCHEN.

155

höhe der umgebenden Gebäude reichenden Teil mit einem starken Mantel geschtltzt, mächtig und steil aus dem Wirtschaftshof zu ansehnlicher Höhe erhob. Die Treppe, in der linken Ecke des Zwingers die Höhe der Oberburg erreichend, führte durch einen Durchgang der hier aneinanderstossenden Gebäude in den oberen Schlosshof. Der Mantel des Turmes schloss oben mit einem auf Rundbogen vorgekragtem Wehr- gang ab; der obere schlanke Rundturm war mit einer Glockenhaube bedeckt.

Rückwärts an den Hauptturm, den Mantel teilweise in seine Baumasse aufnehmend, lehnte sich der Palas, ein grosses, dreistöckiges Gebäude, das aus seinen aus einem Mitteldach und zwei Querdächern bestehenden Dachgeschoss den Zugang zum Wehrgang des Bergfrieds bot. Die vom letzteren rechts gelegene Ecke war mit einem durch zwei Stockwerke reichenden, auf Rundbogen zweimal ausgekragten Ecktürmchen mit welscher Haube besetzt. Weiterhin sprang ein ebenfalls zwei- geschossiger Erker vor.

Vor der dem Bergfried abgewandten Seite des Palas lag der obere Burghof, rings von einem dreiflügeligen, jedenfalls auch zu Wohnzwecken bestimmten Gebäude umgeben, das, etwas niedriger als der Palas, an seinem Mittelflügel mit einem vom ersten Stock in den Hof vorspringenden Erker versehen war.

NEUNKIRCHEN.

EUNKIRCHEN, 10 km östlich von Westerburg.

DIE PFARRKIRCHE gehörte dem Stift zu Limburg und wurde der Dekanei desselben 1234 einverleibt (Vogel, Beschr. v. N. 733). Turm schlicht romanisch, 12. Jahrhundert. Viereckiger Westturm mit ins Achteck über- gehendem Dache. Unten östlich und westlich schmucklose Rundbogenöffnungen, oben jederseits Schallöffnungen mit zwei Rundbogen, die in der Mitte auf rohen Säul- chen ruhen. Ihre stark verjüngten und geschwellten Schäfte haben unten vier zylindrische Ansätze als Erinnerung an Eckblätter, während keine Basis vorhanden ist oder auch nur eine viereckige Platte. Der Sattelstein mit Platte, Rundstab und flacher Kehle ist unten gefast, sodass er mit einem Achteck unmittelbar auf dem Säulenschaft aufruht. Die Kirche ist 1740 bis 1741 erbaut.

Der Taufstein, jetzt als Wasserbehälter am Pfarrbrunnen benutzt, ist spät- romanisch, rund, mit Rundbogenfries, am Rande vier Knospenkapitäle von ver- schwundenen Säulen.

Holsskulptur. Der Kopf Johannes des Täufers auf einer Schüssel, unbe- deutend (Lötz).

156

NIEDERERBACH. NOMBORN. PÜTSCHBACH.

NIEDERERBACH.

lEDERERBACH, 7,5 km nordwestlich von Limburg.

PFARRKIRCHE. Katholische Pfarrkirche St. Katharina. West- turm spätromanisch, viereckiger Bruchsteinbau, im Erdgeschoss früher ein Tonnengewölbe. Die Westtür jetzt mit Stichbogen, oben schmale Licht- spalten. Im obersten Geschoss westlich und südlich Eckleisten mit Rundbogenfriesen, westlich zwei rundbogige Schallöffnungen, an den übrigen Seiten je zwei gekuppelte Öffnungen, durch Säulchen mit schlichten Würfelkapitälen geteilt. Die Basen mit Eck- blättern, jetzt meist eingemauert. Die Bogen mit ausgeeckter äusserer Kante (Lötz).

Die Kirche ist in dem letzten Jahrzehnt neu gebaut und hierbei der Turm sachgemäss hergestellt worden.

Drei Glocken. Die grösste mit der Inschrift: aue maria gracia pleiia dominUS

tecum. Katrin beißen icö fub anno domini mxlvii (mit weggelassenen CCCC 1447).

Die mittlere: 5. Katrin beißen itb -donre un nieder uerdriben itb-in goeft naem luet men mid) den lenen oen doden luden id) teil uan Keppel gois mid) fub anno domini

MCCCCXLVU (1447).

NOMBORN.

ATHOLISCH.es Filialdorf Nomborn, 11 km nordwestlich von Limburg.

KAPELLE ST. KILIAN. Schmucklos, romanisch; einschiffig mit schmälerem, viereckigem Westturm. Der Chor mit rundbogigem, rippen- losem Kreuzgewölbe fällt gegen starke, unprofilierte Schildbögen an, der halbrunde Chorbogen hat Kämpfergesimse mit Schmiegenprofil. An jeder Seite des Chors ein kleines Rundbogenfenster mit schrägen Gewänden. Das flachgedeckte Schiff, das mit dem Turm durch einen Rundbogen verbunden war, ist in letzter Zeit nach Westen verlängert worden, als der Turm wegen ßaufälligkeit abgelegt und durch einen neuen, in der Silhuette des früher gehaltenen Turm ersetzt wurde.

Drei Glocken. Die grösste mit der Majuskelinschrift : 0 ref glorie ueni CUm pace.

Die mittlere mit der Inschrift: tnaria beißen id) poban bruu)ilre gos mid) fub anno domini mlcccc xlviii (1447).

PÜTSCHBACH.

IE ANTONIUSKAPELLE des 9 km östlich von Montabaur, 12,5 km süd- lich von Westerburg gelegenen Dorfes Pütschbach gehörte nebst vielen Gütern zu dem Isenburgischen Hubengericht zu Meudt (Vogel). Sie ist ein schlichter Basaltbau mit nahezu quadratischem, flachgedecktem Schiff, das sich mit einem unprofilierten Rundbogen gegen den Chor öffnet. Dieser ist aus fünf Seiten des Achtecks gebildet und mit einem Kreuzgewölbe mit (späteren) Stuckrippen

Fig. 167 . Salz. Pfarrkirche von Norden.

SALZ.

157

bedeckt. Aussen hat der Chor einmal abgesetzte, durch Pultdächer beendigte Strebe- pfeiler. Die spitzbogigen Fenster mit Eisensprossen stammen von 1866.

Ein architektonisches Interesse bietet die Emporführung der Chormauern, die sich durch Abschrägungen über dem Chorbogen zu einem unregelmässig achteckigen Turm ausgestalten. Dieser ist mit einem Pyramidendach bedeckt und hat acht kleine, mit gebrochenen Spitzbögen über- deckte Schallöffnungen.

Die grössere der beiden Glocken hat die In- schrift : Antonius fteißen idj) alle boeß ioedder WX' driben id) mccccxlviii (1448) (Lötz).

Fig. 16S. Pütschbach. Pfarrkirche .

SALZ.

Wenck,

Vogel, Beschreibung etc. 743. Reinhard, jur. hist. Abhandlungen I. 98, 99, 103. Landesgeschichte l, 548.

*AS katholische Pfarrdorf Salz, 6 km südlich von Westerburg, auf einem weitblickenden Berggrat gelegen und malerisch von seiner alten Kirche überragt, zehntete im 13. Jahrhundert dem Stifte zu Diez und den Adeligen, die von diesem belehnt wurden. Graf Gerhard von Diez trat 1255 ein Viertel seines grossmütterlichen Erbes an diesem Gericht an Siegfried von Runkel ab, wovon sich der spätere Westerburgische Besitz in Salz ableitet.

DIE KIRCHE gehörte zu einem Stift regulierter Chorherren, das 1255 zuerst erwähnt wird, aber keine grosse Bedeutung gehabt zu haben scheint; als es 1289 mit dem neuen Stift in Diez vereinigt wurde, konnten diesem nur drei Präbenden einver- leibt werden. Mit dem Stift wurde auch die Kirche mit ihrem Zehnten dem Diezer Stift zugewiesen.

Die Kirche stellt sich noch in ihrer ursprünglichen Form als flachgedeckte, romanische Pfeilerbasilika ohne Querschiff mit Turm vor der Westseite des Mittel-

158

SALZ, KIRCHE.

Schiffs dar. Vier Pfeiler von quadratischem Querschnitt, ursprünglich ohne Kämpfer- band, jetzt mit einem in Gips angesetzten Karniesprofil, tragen die fünf ungegliederten Rundbogen der Seitenschiffarkatur.

Das schlanke Mittelschiff und das nördliche Seitenschiff haben noch ihre flache Decke ; im südlichen ist sie in gotischer Zeit durch Kreuzgewölbe mit hohlprofilierten,

aus der Wand hervorwach- senden Rippen ersetzt. Der Chor ist in spätgotischer Zeit umgebaut: Abschluss in drei Seiten des Achtecks, reiches Sterngewölbe mit Wappenschilden auf den Schlussteinen und am An- satzpunkt der hohlprofilier- ten Rippen ; drei spitzbogige Fenster in den Achtecksei- ten mit schrägen Gewänden und Fischblasenmasswerk ; die anderen Chorfenster un- geteilt. Der Chorbogen, un- profiliert, ist spitzbogig. An die Nordseite des Chors schliesst sich eine romani- sche Seitenkapelle an, mit zwei durch einen Gurtbogen getrennten , rundbogigen Tonnengewölben überdeckt. In dieser Kapelle und in den Obermauern des Mittelschiffs finden sich noch die ursprüng- lichen romanischen, kleinen Rundbogenfenster ; diejeni- gen der Seitenschiffe sind durch grössere flachbogige ersetzt. Vom Chor führen in die romanische Kapelle und gegenüber in die südlich neben dem Chor liegende Sakristei rundbogige romanische Türen; alle anderen Türen sind modern.

Der schlicht viereckige Turm, der, ohne Aussentür, sich innen nach dem Schiff mit einem ungegliederten Rundbogen öffnet, hat in seinen beiden Obergeschossen eine Lisenenteilung, welche die zwei gekuppelten Schallöffnungen mit einer rundbogigen Blende einfasst. Die Mittelsäulchen sind roh ohne Kapitäle, nur mit einem Sattelstein die Bögen aufnehmend; unter der Fensterbank sind Reste eines Rundbogenfrieses.

Fig. 169. Salz. Weihkessel.

i

I

SECK, KIRCHE.

159

Von den Begräbnissen, welche die Herren von Molsberg, von Bremberg, Walder- dorff u. a. in dieser Kirche hatten, ist ein Grabstein von rotem Sandstein erhalten:

Cuno fterr üon und zu Reiffenberg, herr zu hordtjljeim t 1586, mit vier Wappen.

Ein schöner, bronzener Weihxvasserkessel, 32 cm hoch, 22 cm weit, dessen Bügel in zwei Drachen ausläuft, enthält zwei Wappen und den Stifter : Herrmann Johann

Fig. 171. Suis. Pfarrkirche. Gruiuiriss.

von Brombach 1591. Umschrift: ASPERGAS ME DOMINE YSOPO & MUNDABOR. PSAL. 50.

Zwei Chorstühle, einer einfach gotisch mit der Jahreszahl 1478, der andere in einfachem Renaissancestil trägt das Walderdorlfsche Wappen und die Zahlen 1670, 1672.

SECK. SELIGENSTADT.

Vogel, Beschreibung 731, 732. Kremer, Origines Nass. II. 135. ^^^ß^nAS katholische Pfarrdorf Seck, 6 km östlich von Westerburg, kommt J^i^^AJ^ unter dem Namen Seckaha 1059 zuerst vor, wo Kaiser Heinrich IV. zwei nJ^f^Wn ^^^^ Stift Limburg schenkte. Bei der Westerburgischen

^^ÄSßjW Teilung von 1599 fiel es an R u nke 1 , wurde 1611 an Westerburg über- lassen und von diesem 1637 an Nassau-Hadamar verkauft. Die Pfarrkirche bestand schon 1212, wo der Pfarrer den Zehnten in seiner Gemarkung mit dem benachbarten Kloster Seligenstadt teilte.

DIE KIRCHE, eine romanische Pfeilerbasilika von regelmässigem Grundriss mit halbrunder Apsis, gewölbtem Chorhaus und zwei Türmen zur Seite desselben stand von 1637, in welchem Jahre die Seitenschiffe niedergelegt und die Schiftarkaden zugemauert wurden, bis 1878 als einschiffige Kirche. In diesem Jahre brannte sie ab und wurde im selben Jahre einem Wiederaufbau unterzogen, der sie fast als neue

160

SECK.

Kirche erscheinen lässt und den ursprünglichen Zustand beinahe verwischt hat. Es sei daher die Beschreibung hier eingefügt, die Lötz 1874 von ihr gegeben hat:

Der südliche Turm erhebt sich jetzt nur so hoch, dass das niedrige Kirchen- dach mit seiner Fortsetzung nach unten ihn bedeckt. Die Seitenschiffe, 1637 abgerissen, haben sich nicht bis an die Westseite des Hauptschiffs erstreckt, indem in

der Südwand desselben, nächst der West- seite, ein alter Eingang (mit extradossiertem Rundbogen ohne alle Gliederung) und öst- lich von ihm der Anschluss der Westmauer des Seitenschiifs, welches sich in fünf rund- bogigen Arkaden gegen das Hauptschiff öffnete, noch vorhanden ist, während an der Nordseite nur drei Arkaden und auch nur im östlichen Teil derselben noch zu sehen sind. Bei dem Wiederaufbau sind von den auch hier vorhandenen fünf Ar- kaden aus nicht erkennbaren Gründen nur die erste, dritte und fünfte geöffnet wor- den. Die Arkaden, jetzt ganz vermauert, hatten keine Kämpfergesimse. Die kleinen, schmalen, hochgelegenen Rundbogenfenster des Hauptschiffs, je vier an jeder Lang- seite, sind erhalten, doch innen vermauert ; zu ihrem Ersatz sind an tieferer Stelle grössere Stichbogenfenster angebracht wor- den. Die Westseite hat gar keine Öffnung, der Triumphbogen halbkreisförmig auf Fiz.172. Seck. Pfarrkirche. Grundriss. Kämpfergesimsen mit reicher Gliederung

(Platte, Rundstab, Plättchen, Kehlleiste) aufsetzend. Der Eingangsbogen der Apsis ebenso mit Gesimsen, die unter der Platte nur eine flache Kehle zeigen. Das Kreuz- gewölbe des Altarhauses ohne Rippen, mit Schildbögen, die sich in Pfeilerecken nach unten fortsetzen. Die Apsis mit Halbkuppelgewölbe. Von ihren drei Fenstern nur das nördliche ursprünglich rundbogig, das mittlere zugespitzt, das südliche spätestgotisch mit stumpfem Spitzbogen, unter dem zwei nebeneinanderliegende Rundbögen schweben.

Die Türme im Erdgeschoss, mit rundbogigem Tonnengewölbe, durch recht- eckige Türen mit dem Altarhause verbunden, der südliche durch eine kleine, jetzt vermauerte Rundbogentür ohne Gliederung ehemals von aussen zugänglich. Die Ostseite des Nordturmes hatte früher gekuppelte Schallöffnungen.

Abgesehen von einigen Lisenen und rohen Rundbogenfriesen an der Apsis und dem dritten Turmgeschoss entbehrt das Äussere jeden Schmuckes.

Taufstein, derb spätromanisch, aus dem 13. Jahrhundert. Das runde, bauchige Becken wird von einer fast gotischen Basis getragen, deren Pfühl über die Seiten

SELIGENSTADT, KLOSTERRUINE. WELTERSBURG.

161

der sechseckigen Plinthe überquillt. Sein im Grundriss zwölfeckiger Rand mit Platte, Kehle, Rundstab und Nagelkopfverzierung wird von sechs Säulchen mit attischen Basen und runden Plinthen gestützt, deren Kapitale teils mit Knospen geschmückt, teils durch rohe Köpfe vertreten sind.

Eisenbeschläge an der südlichen Chortür, romanisch.

Seligenstadt, 0,9 km nördlich von Seck.

KLOSTERRUINE (domänenfiskalisch), Benediktinerinnenkloster, um 1212 von Sifrid von Runkel gestiftet, stand schon 1499 verlassen.

Es sind nur noch die zirka 1 m starken Umfassungsmauern in einer Höhe von 1 bis 3 m vorhanden, welche einen Acker von 1200 qm Fläche einschliessen. Rechteck mit westöstlicher Längenachse. In der Mitte der Westseite eine halbrunde Apsis. An den Ecken der Westseite kleine übereckstehende, viereckige Türme, die im Innern auf Stichbogen ruhen, welche über die Winkel des Rechtecks geschlagen sind. Türen oder Fenster nicht sichtbar (Lötz 1874).

WELTERSBURG.

BILKHEIM. NAUROTHER HOF. HOF WESTERT.

Vogel, Beschreibung 744.

UF einem weithin sichtbaren, 4,5 km südwestlich nach Süden von Wester- burg gelegenen Basaltkopf liegen im Walde verborgen die spärlichen Trümmer der Weltersburg. Mit einem Wigandus von Welters- burg als Zeugen kommt der Name 1220 zum erstenmal vor; 1244 und 1261 finden sich in Molsbergischen Urkunden die Brüder Conrad und Heinrich, genannt Butzhamir als Ritter von Weltursberg erwähnt. Schon 1264 war die Burg im Besitz der Grafen v on Say n , da sie in der Sponheimischen Bruderteilung von diesem Jahr unter den Vesten genannt wird, die bei diesem Hause bleiben. Dem dabeiliegen- den Orte erteilte 1314 Kaiser Ludwig Stadtrechte. Als Heiratsgut der Gräfin Kuni- gunde von Sayn kam die Burg 1355 an Westerburg, von dem Katzenelnbogen 1364 das Öffnungsrecht erlangte. 1423 wurde sie in einer Fehde mit Trier, Nassau-Saar- brücken und Katzenelnbogen erobert und beschädigt, jedoch bald wieder von den mit Isenburg verbündeten Westerburgern zurückgewonnen. Schon 1485 und später hatte eine Linie von Reiffenberg die Burg pfandweise von Runkel inne und wohnte hier.

Von der eigentlichen Burg sind neuerdings durch Grabungen einige Fundament- reste aufgedeckt worden, die jedoch über die Gesamtanlage keinen Aufschluss geben. Ein runder Zwingerturm an dem südlichen Fuss des Hügels ist nebst den anschliessen- den Mauerstücken der einzige noch aufrechtstehende Rest der Burg. Nahe bei diesem Rest steht an der Südseite das „Brambacher Schlösschen", ein wohlerhaltener Burgsitz dieses Adelsgeschlechts, das schon 1408 Besitzanteil an der Burg hatte und

U

162

BILKHEIM. NAUROTHER HOF.

noch 1700 von Westerburg mit diesem ßurgsitz belehnt wurde. Auch auf dem Hofe Westert hatte dies Geschlecht 1525 einen Adelshof. Das „Schlösschen" ist ein massiver, quadratischer Bau mit vier Giebeln und vier mit achteckigen Spitzdächern versehenen Rundtürmen auf den Ecken, mit einem anschliessenden Ökonomiehof; es befindet sich jetzt in Walderdorffschem Besitz.

Fig. 173. Naurother Hof.

Die Herren von Brambach, die 1773 ausstarben und von den Grafen von Wal- derdorff beerbt wurden, finden wir auch in dem benachbarten Dorfe Bilkheim und dem Hofe Neurod (heute Nauroth) begütert; der Wäppeling Dietrich von Bram- bach nennt sich 1345 von Bullincheym.

Das Dorf Bilkheim ist heute noch reich an bemerkenswerten Fachwerk- häusern, deren Riegelwerk ungewöhnliche Holzstärken aufweist.

Der Naurother Hof, im Besitz der Grafen von Walderdorff, ist ein Wasserschloss aus dem 17. Jahrhundert von quadratischem Grundriss mit Mansarden- dach, aus dem die Nordostecke als Turm emporgeführt ist. Über der durch eine massive Brücke über den Schlossgraben zugänglichen Eingangstür findet sich das Walderdorffsche Wappen mit der Inschrift : J0t)annes Philippus, Uber barO a njaldet''

üorff, 2irdt)idiaconus 16 (26?).

164

HOF WESTERT.

An dem Wege, der vom Naurother Hof nach Salz führt, steht ein schönge- zeichnetes Wegkreus aus Sandstein, dessen oberem Teil eine gutgemeisselte Kreuz- tragung aus weissem Marmor eingefügt ist. Es trägt die Inschrift Rad auf''

geri(t)t Peter Jung Speigermeifter auf dem SiJ)los ntols« berg gebirdig in ßeüotl) 176t.

Von Wester- burg 4,5 km süd- westlich liegt, un- weit des Dorfes Hartlingen, zu dem er gehört, der Hof Westert. Er bestand 1525 aus vier Adels- höfen , die den von Irmtraud, Brambach und Doringenberg eigen waren. Heu- te ist er Eigen- tum der Grafen Walderdorff. r)as Hofgebäude ist ein hoher, mit dem Giebel nach der Strasse ge- richteter Baukör- per, dem sich an Fig. 175. Hof Westert. der Hinterseite ein

kurzer Flügel rechtwinklig anschliesst. In diesem liegt die Haustür, durch eine primitive Freitreppenanlage von der tieferliegenden Strasse zugänglich. Das hohe, massive Untergeschoss hat in der Giebelfront den halbkreisförmig geschlossenen Eingang zu dem grossen, gewölbten Keller, darüber im Erdgeschoss zu zwei und drei gekuppelte Fenster mit steinernen, hohlgekehlten Gewänden. "*

Das niedrige Obergeschoss ist aus Fachwerk, dessen Wirkung durch die un- verputzte, aus einer späteren Herstellung herrührenden Backsteinausmauerung der Fächer beeinträchtigt wird. In den Brüstungsbrettern sind stark verwitterte, figür- liche Schnitzereien.

Fig. 177. Rathaus in Rehe, Kreis Westerburg,

DAS BAUERNHAUS.

165

DAS BAUERNHAUS.

Das Bauernhaus im deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten, herausgegeben vom Ver- bände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, Dresden 1906. H. Behlen, das nassauische Bauernhaus (Nass. Ann. 1905, XXXV, 237 263). E. Heyn, der Westerwald und seine Be- wohner. Marienberg 1893, 205—218. B. Henftmann, Hessische Holzbauten, Marburg 1907. Dr. P. Lehfeldt, Die Holzbaukunst, Berlin 1880. Karl Caesar, Alte und neue Baukunst in Hessen- Nassau, Berlin 1910. Pfr. Karl Spiess (Bottenhorn), , .Schmuck und Dekoration an Hinterländer Bauernhäusern", „Haustüren am Bauernhaus" (Hessenkunst, Marburg 1909 1910).

ist es zu verdanken, dass sich in den vier nördlichen Kreisen des Bezirks in noch höherem Masse als im übrigen Nassau Grundformen des ländlichen Holzbaus erhalten haben, die hier eine gesonderte Behandlung dieses Gegenstandes lohnend erscheinen lassen.

Die mehrfach, unter anderen auch von Behlen, ausgesprochene Annahme, dass in dem fränkischen Bauernhause eine nahe Verwandtschaft mit der ursprünglichen Form des Stadthauses zu finden sei etwa so, wie uns manche Einzelheiten der Bauerntracht die dem Wechsel der Mode entgangenen Bürgertrachten früherer Zeit erhalten haben findet im nassauischen Bauernhaus vielfache Bestätigung.

Zunächst zeigt sich diese Verwandtschaft schon in der Anlage der Orte selbst. Im Gegensatz zu der zerstreuten Wohnweise, bei der die Gehöfte inmitten ihrer Felder liegen, das Ortsweichbild also eine bedeutende Fläche einnimmt, herrschte hier, wie Heyn ausführt, die Sitte, die einzelnen Gehöfte nahe beieinander aufzu- schlagen und das umliegende Land von der gemeinschaftlichen Ansiedlung (Hofstatt) aus zu bestellen. Diese war von einem Zaun umgeben, vor dem sich gewöhnlich noch ein Graben befand. Die Ausgänge der Strassen verschlossen Tore, welche von selbst zufielen. Diese Einfriedigung des Ortsberings, die auch Infang hiess, bezweckte zunächst den Schutz der Herden gegen Wölfe, die auf dem Westerwald in früheren Zeiten in Menge vorkamen. Gleichzeitig bot sie aber auch Sicherheit gegen feind- lichen Überfall. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung, befestigte Dörfer mit Mauern und Gräben waren in Nassau keine Seltenheit, Reste sind noch heute zahlreich erhalten.

Aus dieser Umfriedung des Orts ergab sich dann für das Dorfinnere ein städtischer Anklang der Wohnweise die Häuser nahe aneinandergerückt, nur schmale Durchgänge (Wich) zwischen den einzelnen Gehöften.

Ein weiteres verwandtschaftliches Merkmal zwischen Stadt und Land ist die vorwiegend zweigeschossige Anlage des nassauischen Bauernhauses, die nur in ein- zelnen armen Dörfern des hohen Westerwaldes, anderwärts beim „Armeleuthaus", gegen das nur aus einem Erdgeschoss bestehende Haus zurücktritt.

Endlich ist die konstruktive und wenigstens bei reicheren Bauernhäusern die formale Abhängigkeit von den städtischen Holzhäusern unverkennbar, wie sie sich in den alten Städten des Landes noch in erfreulicher Menge zum Vergleich darbieten.

fs^T^ER Westerwald und das Bergland des Dill-, Lahn- und Edertals war, wie schon in der Einleitung erwähnt, bis in das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahr- hunderts vom grossen Verkehr abgeschnitten. Diesem Umstand, verbunden SKj'** mit dem angeborenen konservativen Sinn der bäuerlichen Bevölkerung,

166

DAS BAUERNHAUS.

Die Urform des hessisch-fränkischen Hauses, die sich von der Werra bis zum Niederrhein verfolgen lässt, kann zwischen manchen späteren durch Änderungen in der Wohnweise bedingten Abweichungen im Bauernhause unseres Gebietes noch deut- lich festgestellt werden.

Trotz der Zweigeschossigkeit ist es das Erdgeschoss, in dem sich das Leben des Bauern abspinnt. Da das Haus, seltene Ausnahmen abgerechnet, mit der Giebelseite

Fig. 178. Molsberg, Kreis Westerburg.

nach der Strasse liegt, so hat es seine Türe in der Mitte der nach dem Hof gewendeten Breitseite. Durch das Hoftor schreitend, betreten wir von einem gepflasterten, vor der Haustür mit einigen breiten Steinplatten belegten Zugang den Hauptraum des Hauses. Nicht selten ist dieser Zugang, namentlich wenn die Höhenlage einige Stufen fordert, mit einem Schutzdach versehen, das entweder frei über der Tür vorspringt oder durch zwei auf dem Treppenabsatz stehende Holzpfosten gestützt wird. Dieser Vorbau ist nicht häufig und scheint an gewisse Ortsgruppen gebunden zu sein. So findet er sich in dem oberhalb Herborn in das Dilltal ausmündenden Aartal in Offenbach, Bicken,

DAS BAUERNHAUS.

167

Herbornselbach, dann wieder südlich der Lahn zwischen Katzenelnbogen und Lahn in Cramberg, Gutenacker, Bremberg, Ebertshausen, hier sogar mit einem Oberstock- zimmer überbaut, und noch sonst verstreut.

Der Flur, den wir betreten in Nassau „der Ern" ist der eigentliche Haupt- raum des Hauses, der dessen Mittelpunkt, die Feuerstelle, den Herd enthält und in dem Herrschaft und Gesinde ihre Tagesbeschäftigung, soweit diese ins Innere des Hauses gehört, zu verrichten pflegen. Neben ihm, nach der Strassenseite zu, liegt das Familien-

Fig. 179. Haus Kestler in Enspel, oberer Westerwald.

Zimmer, die Stube, gegenüber schliesst sich der Stall an. Der Ern geht wohl ursprüng- lich durch die ganze Tiefe des Hauses ; in späterer Zeit ist er durch eine leichte, oft nur aus Gitterwerk bestehende Wand geteilt. Der hintere Raum dient dann als Speise- oder Vorratsraum, südlich der Lahn auch wohl als Küche. Der Ern ist nicht gedielt, sondern hat einen gestampften Lehmfussboden, bei besseren Häusern Steinplattenbelag. Hinter dem Ern je nach der Lage des Hauses auch wohl an einer anderen Stelle findet sich häufig noch ein niedriger Raum von untergeordneter Bedeutung angefügt, der als Stall, Waschküche, Vorratsraum dient, und an der am meisten ausgesetzten Wetterseite des Hauses als Schutz den Wohnräumen vorgelegt wird. Er führt den Namen „Niederlass" und wird von dem hier tiefer herabgeführten Hauptdach be- deckt (s. Fig. 179 u. 182).

168

DAS BAUERNHAUS.

Das wichtigste Stück des Ern ist der Herd, der seinen Platz an der die Stube abtrennenden Wand hat, an ihn angebaut ist der eingemauerte Waschkessel ; sein Schornstein, der einzige des Hauses, erhebt sich mit einem grossen Rauchmantel über der Feuerstelle und dient zugleich dem Ofen der Stube (des einzigen heizbaren Gemaches: „stufa")^ dessen Feuerloch auch von dem Ern aus beschickt wird. Von dieser ursprünglichen Einrichtung finden sich natürlich manche Abweichungen, wie

Fig. 180. Haus Nr. 36 in Bilkheim, Kreis Westerburg.

denn auch an die Stelle des bodenständigen, aus einer niedrigen, viereckigen Stein- mauerung bestehenden Herdes fast allgemein der eiserne Sparherd getreten ist.

Der Fussboden der Stube pflegt um mehrere Stufen über den Ern erhöht zu sein, weil unter ihr sich der kleine auf diesen Raum beschränkte Keller befindet, im Gegensatz zu den weinbauenden Teilen des Landes, wo der Keller mit seinem äusseren Schroteingang einen der wichtigsten Teile des Hauses bildet. Einen Eingang von aussen hat der Keller nur da, wo das Haus an die Berglehne gebaut ist und wo der nach der Talseite unvermeidliche massive Unterbau häufig als Stall für eine Kuh oder Ziege ausgenutzt ist. GewöhnHch liegt die Kellertreppe im Ern unter der in das Obergeschoss führenden Treppe.

Da die Stube die Strassengiebelseite des Hauses einnimmt, so pflegt sie, um sowohl Strasse wie Hof übersehen zu können, in der Hofecke eine Fenstergruppe zu haben, unter welcher der Familientisch mit umlaufender Bank steht. Von der Tiefe der Stube ist gewöhnlich eine besondere Kammer abgeteilt, die als Schlaf kammer der Eheleute dient. Meist besteht die Trennungswand aus einem oben offenen oder mit Gitterwerk ausgesetzten Holzverschlag ; wo sie eine feste Wand ist, pflegt der Stuben- ofen in einer darin ausgesparten Öffnung zu stehen.

DAS BAUERNHAUS.

169

Die Treppe zum Obergeschoss liegt im Ern, in unserem Gebiet meist in der Ecke zwischen Haustür und Stubentür, oft als Spindeltreppe mit hohler, profilierter Spindel aus einem durchgehenden Eichenstamm nicht ohne Kunst gebaut. Wo der hintere Teil des Ern durch eine Wand als Küchenraum abgetrennt ist, pflegt die Treppe sich von den zur Stube führenden Treppenstufen abzuzweigen und längs dieser Wand emporzuziehen.

Dem Obergeschoss, das un- gefähr dieselbe Raumeinteilung wie das Erdgeschoss hat, ist im Tages- leben des Bauern bei weitem nicht die gleiche Bedeutung wie diesem zuge- teilt. Es dürfte sogar als ein nicht unwichtiger Beweis für seine Über- tragung aus dem Stadthaus anzuführen sein, dass es im Bauernhaus eigent- lich entbehrlich ist. In der rauhen Jahreszeit wegen Mangel an Öfen unbenutzbar, dienen seine Räume

als Vorratskammern, als Schlafzim-

. Fig. 181. Fensterbildung in Enspel, Ober -Westerwald.

mer des Gesmdes oder erwachsener

Kinder, in seltenen Fällen als Ausgedingwohnung für die Eltern. Mieter sind im Bauernhause unbekannt, höchstens in neuester Zeit in den zu Vororten von Fabrik- städten gewordenen Dörfern vereinzelt anzutreffen. Der Hohlraum des Dachs, der Speicher, dient wie überall, so auch in Nassau, zur Aufbewahrung von Feld- früchten und ähnlichem.

Der Bau des Bauernhauses ist ursprünglich durchweg Holzbau; auch das Erdgeschoss hat meist diese Konstruktionsweise noch bewahrt. Manchmal hat die Stube von vornherein zwei Steinmauern. In den meisten Fällen hat man wohl das uns oft begegnende massive Erdgeschoss als eine spätere, durch das Faulen der Grundschwellen und der in sie eingezapften Pfosten notwendig gewordene Erneuerung anzusehen. Als eine durch die Mode geforderte „Verschönerung" mag es gelten, wenn in manchen Dörfern alles Fachwerk des Erdgeschosses überputzt ist, wobei man nur die starken Eckposten im Holz stehen zu lassen liebte.

Das nassauische Holzhaus der nördlichen Gebiete trägt in seiner ganzen Er- scheinung einen wesentlich ernsteren, massiveren Charakter als das der rheinischen und südlichen Taunusgegend. „Die leichtere, lebhaftere Art des Rheingaus äussert sich baulich in einer grösseren Mannigfaltigkeit der Massenverteilung, die stets mit Mass und feiner Abwägung vorgenommen wird; sie zeigt sich im Gegensatz zum Norden freier bewegt, leichtlebig und weltfroh."*) Alle die anmutigen Gruppierungen der einzelnen Gebäudeteile, die malerischen Dachverschneidungen, die Zwerchgiebel, die

') H. Lutsch, im Text zu „Bauernhaus im deutschen Reich usw."

170

DAS BAUERNHAUS.

Erker mit Ecktürmchen usw., die den malerischen Charakter rheinischer Dorfstrassen ausmachen, fehlen dem Norden. Geschlossen viereckig, mit schlichtem Satteldach zwischen zwei Giebeln, selbst ohne den die starre Silhuette mildernden Krüppelwalm erhebt sich das Haus des Westerwaldes und der Biedenkopfer Landschaft stämmig

Ftg. 182. Haus in Berod, Kreis Westerburg.

und selbstbewusst im Schmuck seiner starken, schwarz vom weissen Verputz sich abhebenden Pfosten und Riegel.

Die Zweigeschossigkeit der Häuser kommt auch in der Konstruktion aufs deut- lichste zum Ausdruck. Der Ständerbau, bei dem die Eckpfosten vom Sockel bis zum Dach durchgehen und die Schwellen in diese eingezapft sind, ist äusserst selten und fast nur bei Scheunenbauten zu finden ; nur die Grundschwelle des Erdgeschosses ist manchmal in den stumpf auf die Steine des Sockels aufgesetzten Eckpfosten ein- gezapft. Das Haus besteht meist aus zwei selbständig verzimmerten Teilen, sodass sich das Erdgeschoss über der Zwischenbalkenlage noch einmal wiederholt.

Pfosten, Streben und Riegel beleben in einem durch ihre konstruktive Bedingt- heit besonders reizvollen Spiel die Flächen. Bei den älteren Typen findet man selten die durch ihre Regelmässigkeit langweilige Pfostenaufteilung, die das heutige Fachwerk kennzeichnen. Nur die Bundpfosten der inneren Zwischenwände gliedern

DAS BAUERNHAUS.

171

aussen sichtbar die Fläche (s. Beilstein, Fig. 95, 100. Rehe, Fig. 177). Gleichwertig mit ihnen wirken die starken, oft aus Krümmlingen gearbeiteten Streben, die in starker Neigung (50 bis 60 Grad) von der Schwelle gegen das obere Ende des Pfostens anfallen; eine kurze, häufig geschweifte Knagge stützt von hier aus die Pfette. Auf den Ecken

Fig.JS3. Haus Baldus in BeltiHgen, oberer Westerwald.

entsteht durch die hier (immer von innen nach aussen, nie umgekehrt) von beiden Seiten anlaufenden Streben der sogenannte „Riese". Der starke, oft 40 bis 50 cm messende Eckpfosten wird, auch wo sonst keine Schnitzerei angewendet wird, gern mit Ornamenten verziert. Es ist nicht uninteressant, zu verfolgen, wie dem ursprünglich naiven Schnitz- messer neutrale, band- oder flechtwerkartige, auch wohl rankende Verzierungen nahe- liegen, während später eine „architektonische" Schulung des Zimmermanns hier pilaster- oder kandelaberartige Ziersäulchen entstehen lässt. Im klassizistischen Zeitalter be- gegnet man hier sogar manchmal einer auf Grund geschnittenen Quaderung.J

Die Zwischenpfosten, häufig nur einer zwischen zwei Bundpfosten, trennen zu- gleich die gern paarweise angeordneten Fenster; bei älteren Bauten finden sich die seit- lichen Fensterpfosten in die Streben eingezapft, eine Anordnung, die für das Gebirgs- haus "charakteristisch zu sein scheint. Zwei Reihen von Riegeln bilden die Horizontal- bänder, die unteren als Fensterbänke ziemlich hoch, selten unter 1 m über der Balkenlage

172

DAS BAUERNHAUS.

liegend, die oberen am Anfallspunkt der Streben an die Pfosten. Den Fenstersturz bildet bei der geringen Stockwerkhöhe (2,50 bis 2,70 m) häufig die Pfette selbst, manchmal sind noch besondere Fensterstürze unter dieser eingeschoben.

Kleinere Streben, die den unteren Teil der Hauptstreben abstützen, andere, welche die oberen Gefache durch eine Diagonallinie teilen, endlich das mannigfaltige Spiel von Kreuzriegeln in den Fensterbrüstungen beleben mit ihren oft geschweiften, eingekerbten

Fig. 184. StippversieriiH^ aus Günterod, Kreis Biedenkopf.

oder sonst ausgegründeten Formen die Fläche. Doch ist das mutwillige Spiel der Linien, das am Rhein und in den südlichen Kreisen zuhause ist, im Gebirge nicht beliebt.

Auch an Schnitzereien ist das Holzwerk der Gebirgshäuser nicht reich. Fenster- brüstungen, in die geschnitzte Füllbretter eingesetzt werden, Wappen, Hausmarken oder biblische Geschichten enthaltend, kommen beispielsweise am Hof Westert und am Baldusschen Hause in Bellingen vor (s. Fig. 175 u. 183); auch der Türsturz nimmt in einer Kartusche wohl die Jahreszahl und die Namen der Erbauer nebst einem Bibel- spruch auf. Im nördlichen Biedenkopfer K'reis zeigt sich niederdeutscher Einfluss in den Schnitzereien der Balkenköpfe und der zwischen ihnen eingesetzten Füllbretter. Die an gedrehte Taue erinnernden Motive der letzteren und die Fächermotive, die sich hier an den (sonst nicht vorkommenden) Fusstreben der Pfosten finden, erinnern an niedersächsische Holzbauten (Gladenbach [s. Fig. 39], Buchenau, Hatzfeld). Hierher

DAS BAUERNHAUS.

173

gehören auch die als Unikum in letzterem Ort (nahe der westfälischen Grenze) vor- kommenden gekreuzten Giebelsparren mit Pferdeköpfen. In den Walddörfern des südlichen Teils von Biedenkopf begegnet uns das ziemlich willkürliche auf Eck- oder Türpfosten geschnitzte heidnische Sonnenrad (s. Fig. 34).

Der farbige Eindruck der Häuser ist durch das Schwarz des Holzwerks, das Weiss des Verputzes in den Fachen und das Grau des Schiefer- oder das dunkle Bronzegrün des Strohdachs ein sehr ernster; die an sich meist bedeutende Stärke

Fig. 185. Stippversierung ans Friedensdorf, Kreis Biedenkopf.

der Hölzer wird manchmal durch schwarzes Überstreichen auf den Putzgrund ge- steigert. Das dem deutschen Holzhause ursprünglich eigentumliche Rot des Holz- werks, das sich im Süden und Westen noch erhalten hat und hier mit dem Gelb des Verputzes ein freundlicheres Bild gibt, findet sich im Norden nicht. Eigentümlich ist diesem an manchen besonders rauhen Orten die Beschieferung (Battenberg, Rathaus [s. Fig 16]), die aus dem Sauerland herübergenommen ist und in Herborn die ganze Länge der nach Norden und Westen gerichteten Strassenfronten zu bedecken pflegt.

Einen besonderen Schmuck erhielten die Putzflächen durch die Kratz- oder Stipptechnik. Wenn sie auch keine unserer Gegend ausschliesslich angehörige Verzierungsart ist, sondern auch in Oberhessen, im Taunus und im Odenwald häufig getroffen wird, so ist diese Kunst doch namentlich im Norden des Kreises Bieden- kopf in einer so hohen Ausbildung erhalten geblieben wie an keinem anderen Orte. Die Wirkung, die durch verschiedenartige Manipulationen erzielt wird und gelegent- lich auch die Färbung des Putzes zu Hilfe nimmt, beruht im Wesentlichen auf dem

174

DAS BAUERNHAUS.

Gegensatz von glatten und rauhen Putzflächen, Die Rauhigkeit (meist des Grundes) wird im nassen Mörtel entweder durch Kämmen (Schraffieren) oder durch Stippen mit zusammengebundenen Reisern erzielt. Ein derartiges Instrument, das beim Ein- drücken in den Putz einen aus fünf Punkten bestehenden Stern hinterlässt, wird auch, Stern neben Stern, zum Konturieren verwendet. In den aufgerauhten Putz wird nun die Zeichnung mit einem Stift eingeritzt und innerhalb des Konturs mit einem löffel- artigen Eisen glattgestrichen, auch wohl schwach modelliert. Bewundernswert ist bei vielen der erhaltenen Beispiele die Sicherheit, mit der die an Abwechslung reichen und den verschiedenen Putzfeldern in vortrefflicher Raumverteilung angepassten Ornamente improvisiert sind. Es ist eine Kunst, die nur durch lebendige Überlieferung gepflegt werden konnte und erfreulicherweise noch nicht ausgestorben ist. Die in unserer Abbildung 185 mitgeteilte Scheunenwand in Friedensdorf ist laut Inschrift von Meister Dam in Holzhausen (bei Gladenbach) 1878 verfertigt; eine andere Putzverzierung im gleichen Dorfe trägt die Jahreszahl 1893.

Da das Holzhaus im Spiel seiner Pfosten und Riegel seinen Schmuck an sich trägt, so finden wir auch kaum eine weitere Hervorhebung einzelner Teile. Die aus schwächeren Pfosten vor die Konstruktionsteile vorgenagelten Fensterumrahmungen, die aus zwei unten in Konsolen ausgehenden Seitenpfosten, einem darübergelegten, profilierten Deckbalken und einem eingezapften Brüstungsriegel bestehen, ein Schmuck, der dem fränkischen Hause in seinem ganzen Gebiete eigen ist, findet sich hier nur ausnahmsweise. Dagegen ist die Haustüre raeist durch eine vorgesetzte Um- rahmung hervorgehoben. In dem oben zitierten Aufsatz des Pfarrers Spiess sind acht charakteristische Beispiele abgebildet; hier sind in den aus Buchenau von 1682 und Frohnhausen (s. Fig. 26 u. 34) mitgeteilten weitere Typen gegeben.

Fig. 186. Westerburg. Stadtwappen.

175

NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.

(Die Zahlen bezeichnen

Achenbach, Dorfkirche 10.

Allendorf, Kirche, Glocken- turm 50.

Altstadt, Pfarrkirche 105 bis 108.

Innenbemalung 108.

Taufstein 107 .

Arberg, Graf Eberhard von

115.

'Battenberg, 11—14.

Grafen von 11.

Pfarrkirche 12—14.

Rathaus 13. 14.

Stadtschloss 14. Battenfeld 15.

Pfarrkirche /4-16. romanischer Türbe- schlag 16.

Bauernhaus, das 165—174.

Bau-Eigentümlichkeiten 169.

Dorfanlage 165.

Ern, der 167.

Herd 168.

Keller 168.

Kratz- oder Stipptechnik 173.

Niederlass 167.

Niedersächs. Einfluss 172.

Obergeschoss 169.

Pfosten, Streben, Riegel 170-172.

Riese 171.

Schnitzereien 172.

Ständer- und Geschoss- bau 170.

Stube 167.

Treppe 169.

Tür- und Fenster-Ein- rahmung 174.

Tür-, Vor- und Über- bauten 166.

Urform 166.

Zweigeschossige Bauten 165.

die Seiten, die kursiv gedruckten

Beilstein 84—91.

Beilstein, Edle von 84.

Burgruine 84—90.

Fachwerkhäuser 86. 89. 91.

Pfarrkirche 90. Bergebersbach, Pfarrkirche

ßl-93.

Epitaph 92.

Steinkanzel 92. 93.

Berod, Kirche 144. Biedenkopf 1—9.

Holzhaus 8.

Pfarrkirche(frühere)3— 6.

Ausstattungsstücke 5.

Glocken 4.

Not Gottes-Kapelle 7.

Schloss 2. 7-8.

Spitalkirche 5. 6.

Stadt 3.

Stadtmauer 9.

Wappen 9. Bilkheim 162.

Brambach, Dietrich von 162. Brambacher Schlösschen

161. 162. 163. Breidenbach 17.

Familie von Breidenstein 17.

Pfarrkirche 17—19.

Ausstattung 19. Breidenstein 20. Breidenstein, Gerlach von 5. Breitscheid, Pfarrkirche 93. Bromskirchen, Pfarrkirche

20. 21.

Holzbauten 21. Buchenau, Pfarrkirche 22. 23.

Haustür 22. Burg, Pfarrkirche 94.

Dautphe 23-26.

Pfarrkirche 23-26.

Ausstattung 26.

Holzeinbauten 25. Dernbach 94.

solche mit Abbildungen.)

Dernbach, Edle von 94. Dexbach, Pfarrkirche 26.

27. 38. Dillenburg 51— y^.

Archivgebäude 58. 59,

Pfarrkirche 53 57. Gruftkapelle 54.

Schloss, Ruine 56—59. Wilhelmslinde 56.

Zerstörung 56. 57.

Stadtbefestigung 59.

Stadtwappen 59. Dodenau, Kirche, Holzdetail

50.

Dreifelden, Kirche 108. Driedorf, Oberburg 96.

Unterburg 96.

Elsoff, Kapelle 145. 146.

Feldbach, Hof, Kirche %. 97. Frankenbach, Pfarrkirche 27. Friedensdorf, Pfarrkirche 28.

Fussboden 28.

Holzeinbauten 27.55.

Frohnhausen, Pfarrkirche

29.

Holzarbeiten 30.

Gebhard, Gaugraf des Nie-

der-Lahngaus 146. Gemünden 146—149.

Kirche 147. 148.

Altartisch 149.

Chorstuhl-Reste 149.

Gladenbach 31—35.

Holzhäuser 34. 35.

Katasteramt 35.

Marktplatz 31.

Pfarrkirche 31 35. Glocken.

Altstadt 108.

Battenberg 14.

Beilstein 90. 91.

Bergebersbach 93.

Berod 145.

176

NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.

Glocken.

Biedenkopf 4. 5.

Dillenburg 56.

Gemünden 149.

Günterod 36.

Hoen 113.

Meudt 151.

Niedererbach 156.

Niederrossbach 135.

Nomborn 156.

Pütschbach 157.

Strassebersbach 93. Goldershofen,Fam. 124. 126. Grabsteine und -Denkmale.

Altstadt 108.

Battenberg 14.

Battenfeld 16.

Biedenkopf 5.

Breidenbach 18

Buchenau 23.

Dillenburg 56.

Herborn 74.

Hermannstein 46.

Marienstatt 129. 130.

Salz 159.

Westerburg 138. Günterod, Pfarrkirche 36. Greifenstein, Crafto u. Rorich

von 95. Greifenstein, Guda von 115.

Hachenburg 100—104.

Evang. Pfarrkirche 101.

Gasthausz.Kronel03. 104.

Kathol. Pfarrkirche 101.

Altäre und Altarge-

rät 100. 102.

Marktplatz 100.

Schloss 102. 103.

Stadtwappen 104. Haiger 60—65.

Adlige von 61.

Haigergau 60. 61.

Pfarrkirche 61—65.

Wandmalereien im

Chor 64. 65.

Stadtwappen 65. Hartenrod 36. Hattenrode-ßernkot, von

124. 126.

I Hatsfeld 36-39.

I Emmauskapelle 38.

Holzhäuser 39.

Pfarrkirche 37. 38. Hatzfeld, Grafen von 36. Heisterbach, Abt Heinrich

von 115. Herborn, 66—83.

Alter Pfarrhof 78.

Corvinsches Haus 79.

Försterei Neues Haus 80.

Heimat-Museum 80—83.

Herb. Mark 66-68.

Hohe Schule 68. 76. 77.

Rathaus 67. 74. 75.

Schloss 72—74.

Stadtbefestigung 76. 78.

Stadtkirche 68-72.

Bemalung im Chor,

Epitaphien 71. 72. 74.

Stadtwappen 83. Her/nannstein 40— Ab.

Burgruine 41 44. Palas 44.

Wohnturm 42—44.

Holzhäuser 45.

Pfarrkirche 45. 46. Hessen, Hermann I. Land- graf von 40. 95.

Ludwig der Friedfertige, Landgraf von 2.

Otto, Landgraf von 1. Hörbach, Kapelle 97. Höchstenbach , Pfarrkirche

109. 110. Hoen 110-113.

Pfarrkirche 111—113.

Stuhlwange 113.

Hohenlint, Graf von 11. Holz- und Bauernhäuser ,

Holsdetails.

Allendorf 50.

Beilstein 86. 89.

Bellingen, Haus Baldus 171.

Berod 170.

Biedenkopf 8.

Bilkheim 162. 168.

Bromskirchen 21.

Buchenau 22. 23. 30.

Hols- und Bauernhäuser, Holsdetails.

Dodenau 50.

Enspel Haus Kestler/67. Fenster 169.

Friedensdorf 173:

Frohnhausen 30.

Gladenbach 34. 35.

Günterod 172.

Hartenrod 36.

Hatzfeld 37.

Herborn 75. 78. 79.

Hermannstein 45.

Himburg, Haus Hastrich 164.

Hof Westert 164.

Molsberg 166.

Nenderoth 98.

Reddighausen 50.

Rehe, Rathaus 164. Hüblingen, Kirche 149.

Ingelnbach, Fam. 124. 126.

Katzenelnbogen, Graf Joh.

von 95. Kirchberg, Burggrafen von

100.

Königsberg, Burgruine 46. Kroppach, Pfarrkirche 113. 114.

Langenhahn, Kirche 114. Langwiesen, Hof 151. 152. Leisa, Pfarrkirche 47. Löwenstein, Junker Herm. von 5.

Marienstatt 114—134.

Abteigebäude 132. 134.

Altenkloster, Hof 115.

GründungsgeschichtellS. 116.

Klostergebäude 114. 116.

Kirche, Altartisch 127. 129.

Äusseres 7/6.126.

Ausstattungs - Stücke

129-134. Barockaltäre 131.

NAMENS-, ORTS- UND SACHVERZEICHNIS.

177

Marienstatt, Kirche, Barock- Beichtstühle 130. 131.

Bauperioden 116.

Chor //6— 118.

Chorgestühl 128. 131.

Chorkapellen 118.

Datierung der West- joche 122. 124.

Fenster -Verglasung

127. 131.

Fussbodenfliessen/.57.

131.

Grabplatten 129. 130.

131.

Grundrisse 117. 121. Holzskulptur, hl. Anna

131.

Kunstgesch. Einord- nung 127. 128.

Langhaus 120-725.

Marienbilder 130. 131.

Fietas 130. 131.

Piscina 128. 129.

Querschiff 120.

Schiffspfeiler 120. 123.

Schmiedearbeiten 132.

133.

Steinerner Reliquien- behälter 130.

Ursula-Altar 131. 132.

Vierung 120.

Vierungspfeiler 118.

Hermann I., Abt von 115.

Petrus IV^. Emons, Abt v. 116.

Meudt 149-151.

Kirche St. Gangolph 150.

Pfarrkirche 150. 151. Molsberg, Aleydis von 115.

Adelheid von 152.

Georg von 154.

Gyso II. von 61. 154.

Schloss 152-155.

Modell 153. 154.

Mudersbach, Ludw. v. 42. 122.

Nassau, Heinr. II. Graf v. 52.

Johann V. Graf von 53.

Wilhelm der Reiche, Graf von 52.

Nassau - Dillenburg, Wil- helm V., Erbprinz v. 56. Nassau- Hadamar,Emichv. 95. Naunheim, Pfarrkirche 47. Naurother Hof 162.

Wegkreuz 164. Nenderoth, Pfarrkirche 98.

Fachwerkhäuser 98. Neunkirchen, Kirche 155.

Kopf Joh. des Täufers,

Holz 155. Niedererbach, Kirche 156. Niederrossbach, Kirche 134. 135.

Niederweidbach, Pfarrkirche 48-50.

Flügel- Altar 50.

Tabernakel 49. Nistria, Burg 134. Nomborn, Kapelle St. Kilian

156.

Pütschbach, Kapelle St. An- tonius 156. 157.

Reddighausen, Kirche, Holz- detail 50. Rittershausen, Kapelle 97. Rotzenhahn, Kirche 135. Runkel, Reinh. IV. v. 137. Runkel, Siegfr. v. 136. 161.

Salz 157-159.

Chorstühle 159.

Kirche 156. 158. 159.

Weihkessel 158. 159. Sayn, Graf Heinr. III. v. 100.

Graf Heinrich von 115.

Gräfin Kunigunde v. 161.

Graf Johann von 136. Schenk zu Schweinsberg,

Johann 42. Seck 159.

Kirche 159. 160. 161. Seligenstadt, Klosterruine

161.

Se verus„Bifang des heil. " 1 47. Sponheim, Graf Gottfr.v. 100. Steinebach 136. Strassebersbach, Pfarrk. 93.

Tauf steine und Weihbecken etc.

Altstadt 107.

Battenberg 11. 14.

Biedenkopf 5.

- Buchenau, Opferstock 23.

30.

Hartenrod 36.

Hatzfeld 39.

Naunheim 47.

Neunkirchen 155.

Niederweidbach 50.

Salz 158.

Tringenstein , Burgruine 99.

Ulrich von Anspach, Bau- meister 56.

Valkenburg, Hauptmann von 56.

Virneburg, Er zbischof Hein- rich von 116.

Walderdorff, Joh. Philipp

von 154. Walderdorffscher Besitz 162.

164.

Wallenfels, Burgruine 100. Weltersburg 161. 162. 163. Weltersburg, Edle von 161. Westerburg 136—144.

Kirche 136. 137. Flügelaltarbild 138.

Liebfrauenkirche Rei- chenscheid 138. 139.

Schloss 140-UX. Kapelle 142. 143.

Sakristei 143.

Schlossarchiv 143.

Schlossturm 144. Westerburg, Stadtwappen

174.

Westert Hof 164. Widechenstein, Werner von 11.

Wied -Neuerburg, Mechtild

von 115. Wyngersdorf, Henne von 122.

126.

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