NATURWISSENSCHAFT UND TECHNIK HfiRAUSQEGBBEN VON F.DOFLEIK BAU UND LE DER B NATURWISSENSCHAFT UND TECHNIK IN LEHRE UND FORSCHUNG. EINE SAMMLDNe VON LEHR- UND HANDBÜCHERN. Herausgegeben von Dr. f. DOFLEIN Dr. K. T. FISCHER Professor der Zoologie an der Universität Freibvirg i. Br. Professor der Physik an der Kgl. Technischen Hochschule in München Diese Büchersammlung soll in wissenschaftlich strenger, kiitischer, aber objektiver und nicht nur dem Fachmann verständlicher Darstellung das enthalten, was die Naturwissenschaften Positives geleistet haben und gegenwärtig leisten. Gegenüber einer verflachenden Popularisierung der Naturwissen- schaften und einer Überschätzung der Resultate einzelner Zweige derselben macht sich in ernsten Lehrer- und Laienkreisen das Bedürfnis nach einer gediegenen sachlichen Klarlegung ihrer Probleme und wirklichen Er- rungenschaften immer mehr geltend. Dieses Bedürfnis kann nur befriedigt werden, wenn die einzelnen Wissensgebiete von gründlichen Fachmännern dargestellt werden, die auf Grund ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit mit den Quellen unseres positiven Wissens vertraut sind. Redaktion und Verlag setzen sich das Ziel, in einer Serie von Lehr- und Handbüchern die großen Werte, welche im Stoffe und in der Methode der naturwissenschaftlichen Forschung, in den rein wissenschaftliclien Resultaten und in deren praktischen Anwendungen verborgen liegen, hervorzuheben und nutzbringend zu machen, damit es den Naturwissen- schaften leichter werde, in unserem heutigen Leben den sehr nötigen und heilsamen Einfluß zu gewinnen, den jeder ernste, ehrliche Forscher an sich erfahren hat und gerne als ein Gemeingut aller sehen möchte. Äußerlich wird die ganze Serie in zwei Hauptgruppen eingeteilt: in eine physikalisch-chemische und eine biologisch-erdgeschichtliche. Der Um- fang der einzelnen Bände soll durchschnittlich 10 bis 25 Bogen betragen. I. PHYSIK UND CHEMIE. R-edigiert von K.T. Fischer. In (lieser Abteilung werden die Ergebnisse der Forschung und die Problemstellungen im serer Zeit wissenschaftlich und sachlich im engen Anschluß an die Originalarbeiten von Spezialgelehrten im Zusammenhange dar- gestellt werden; eingehende Literaturnachweise und ausführliche Namen- und Sachregister, z. T. chronologisch geordnet, sollen diese Bände zu bequemen Nach- schlagequellen gestalten. Damit der jeweils- neueste Stand der Wissenschaft in dieser Handbuchserie Aufnahme finden kann, werden, soweit nicht Neuauflagen dies überflüssig machen, in Abständen von einem oder mehreren Jahren Ergänzungs- bände erscheinen, so daß die Serie dauernd und vollständig über den wirk- lichen Fortschritt der Wissenschaft unterrichtet. Auf unwichtige Einzelheiten soll nicht -n^ter als mit einem Literaturhinweis eingegangen werden, da solche genügend leicht in den bekannten großen Handbüchern zu finden sind. Dafür kann alles Wesentliche mit der gebührenden Ausführlichkeit behandelt werden. Geodäsie. Eine Anleitunf]^ zu geodätischen Messungen für Anfänger mit Grundzügen der direkten Zeit- und OrtsbestiniTuung. Von Dr.-Ing. H. Ho kenn er, Professor an der Techn. Hochsclmle zu Darnistadt. Mit L>1 6 Fig. [Xll u. 352 S.J gr. 8. 1910. In Leinwand geb. ,ICV2 — Das Buch soll für die infisten leolinischeii Zwecke ausruiulien und zwigclien den umfauKreic}ieii Handljüclicrn und den kleinen Leitfiidon stellen. Deshalb wurden die GruudzUgc der WaBsermengen- und Wassorkniftniessung iu WasserliiuCen auCgeiiouiuien, und aucli die ISuscliroibung einiger Methoden lur direkten (astronomischen) IJcstimniung der gcograpliisclien Koordinaten von I'unkten der Krdober- (liiohc sowie der Azimute terrestrischer Hiehtungeu mit Hilfo des Theodolits wird nianchnra erwünscht sein. Der Beschreibung sosvie der Berichtigung dor Meßinstrumente ist vcrliältnismüBig viel Raum Eugcwieson, weil erfahrungsgemiiO das l'^ntstehen unbrauchbarer Messungen am meisten durch unge- nügendes Vertrautsein mit dem Meligerätc begünstigt wird. Die Messungs- und Borechuungsarten sind durch viele Zahlenbeispiele erläutert, und auch au Figuren zur Unterstützung des Textes ist nicht gespart. Lehrbuch der Physik. Nach Vorlesungen an der Technischen Hochschule zu München. Von Dr. H. Ebert, Professor an der Technischen Hoch- schule zu München. Li 2 Bänden. I. Band. Mechanik. Wärmelehre. Mit 168 Abbildungen. [XX u. 662 S.] gr. 8. 1912. Li Leinwand geb. clC 14. — [n. Band unter der Presse.] "Wahrend für die Ausbildung der Uuivorsitätsstudciiton in der Physik zahlreiche treffliche Begleltwerko zu den Vorlesungen vorhanden sind, fehlte bisher ein solches Lehrbuch für die jungen Ingenieure der verschiedensten Richtungen au einer technischen Hochscliule. Diese LUcke füllt das vorliegende Buch von Ebert ans. Auswahl und Anordnung des Stoffes sind so getroflen, daß sich alles um diejenigen AJlgemeinbogriffe gruppiert, welche bei der Anwendung der physikalischen Gesetze die Hauptrolle spielen: die Energie mit ihrem Erhaltungsgesetze und die Entropie mit dem Gesetze ihres unabänderlichen Anwachsens bei allen natürlichen Prozessen. Entsprechend der Vorbildung de- jungen Ingenieure bijid auch Differential- und Integralrechnung in elementarer Weise angewendet worden. Schon von Anfang an werden die in der Technik eingeführten Maß- einheiten zugrunde gelegt. Zahlreiche Übungsbeispiele sollen die Anwendungen der gefundenen Beziehungen bei technischen Aufgaben erläutern. Ausgiebig ist von den graphischen Methoden und Darstellungen Gebrauch gemacht worden In Vorbereitung befinden sich: Radioaktivität. Von Professor Dr. Stefan Brennstoffe, deren Vorkommen, Gewinnung M e y e I und Prof. Dr. E. von Seh weidler, und Anwendung. Von Dr. GustavSchultz, Privatdozenten an der Universität Wien. Prof. an d. Techn. Hochschule München. Elektrische Entladungen in Gasen. Von Dr. M. T ö p l e r , Prof. a. d. Techn. Hochschule zu Dresden. IL BIOLOGIE UND ERDGESCHICHTE. Redigiert von F. Doflein. Dieser Teil der Serie soll das Gebiet umfassen, welches man früher als das- jenige der „beschreibenden Naturwissenscliafteu" bezeichnete. Mit Absicht wurde diese althergebrachte Bezeichnung nicht gewählt, um dadurch eine wesentliche Tendenz unserer Bücherserie zum Ausdruck zu bringen. Auch in den biologischen und erdgfschichtlichen Lehr- und Handbüchern sollen die Gesetzmäßigkeiten im Naturgeschehen das Gerüst der Darstellung bilden. Nicht die Beschreibung \ieler Kinzeltbrmen soll unser Ziel sein, sondern der Nachweis der Gesetze, welche die Vielheit der Formen beherrschen und in ihnen eine Einheit erkennen lassen. Dabei wollen wir aber versuchen, die Gefahren zu vermeiden, denen die poi)uläre Literatur so oft verfällt, indem sie oberflächlich und ungründlich wird. Unsere Lehr- und Handbücher sollen von dem Leser Arbeit und Hingabe- ver- langen; sie sollen ihm Tatsachen bieten, nicht ein küustlithes Weltbild, w^elches nur durch Hypothesen zusammengehalten wird. Das ist gerade auf dem Gebiete der Biologie besonders notwendig. Deswegen ist es erforderlich, daß in der Darstellung eine strenge Scheidung von Tatsachenmaterial und Theorien durchgeführt wird. Denn die Theorien, welche die Forschung in der Gegenwart bewegen, gehören in unser Programm. Nur wenn der Lernende erfährt, welche Probleme den Foi'scher iu seiner Wissen- schaft begeistern, welche Endziele eine Disziplin als (Janzes und in ihren Teilen sich gesetzt hat, wird er sie richtig verstehen und bewerten. Einleitung in die experimentelle Morphologie der Pflanzen. Von Ge- heimrat Dr. K. G o e b e 1 , Prof. an der Universität München. Mit 135 Abb. [Vin u. 260 S.] gr. 8. 1908. In Leinwand geb. JC 8.— Das Buch gibt zum erstenmal eine ausführlichere Darstellung der bis jetzt vorliegenden Ergebnisse der exporimenteUeu Pflanzenmorphologie und bringt zugleich eine Boihe neuer Unter- suchungen des Verfassers in der Absicht, das Interesse für diesen Teil der Botanik auch in weiteren Kreisen anzuregen. Hat doch die experimentelle Behandlung der Gestaltungsverhältnisse in den letzten Jahrzehnten in der Biologie einen gewaltigen Aufschwung genommen. Die Pflanzen sind für solche Untersuchungen ganz besonders geeignet, weil sie viel „plastischer" sind als die Tiere. Lehrbuch der Paläozoologie. Von Prof. Dr. Ernst Freiherr Stromer von Reichenbach, Privatdozent an der Universität München. In 2 Teilen, gr. 8. In Leinwand geb. I. Teil: Wirbellose Tiere. Mit 898 Abbildungen. [X u. 342 S.] 1909. ofilO.— 11. Teil: Wirbeltiere. [Erscheint im Winter 1912.] Der Verfasser war bemüht, im engsten .Anschlüsse an die besser bekannten und mehr ge- Flchcrteu Resultate der Zoologie vor allem die Organisation der Tiere klarzulegen und auch ihre Ijebensweise kurz zu erörtern. Kg wurde Wert darauf gelegt, der allgemeinen Paläozoologie größeren Kaum zu gewähren. So folgen im ersten Bande der kurzen Definition und Vorgeschichte der Wissensclittft eine ausführlicje Darstellung der KHialtungsbediaguugeu von Tierresten, eine Abhand- lung ülior Skolettbilduiig und eine Klarleguug des Verhältnisses der Paläozoologie zu den anderen beschreibenden Naturwissenschaften. Im speziellen Teile weriien dann die Stämme der Wirbel- losen nach Bau, Einteilung, räumliclier und zeitlicher Verbreitung sowie in bezug auf die Stammes- geschiclite besprochen. In dem zweiten Bande werden die Wirbeltiere ebenso behandelt. Den Sciiluß bildet eine Ergänzung der allgemeinen Paläozoologie. Einführung in die Physiologie der Einzelligen (Protozoen). Von Dr. S. von Prowazek, Zool. Assistent am Seemannskrankenhaus und In- stitut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Mit 51 Ab- bildungen. [IV u. 172 S.J gr. 8. 1910. In Leinwand geb. Ji 6.— Die wichtigsten Tatsachen , die sich auf die Physiologie der Protozoen beziehen, werden hier zum ersten Male in übersichtlicher Weise dargestellt. Gleichzeitig ist der Versuch gemacht, die neuesten Ergebnisse der Morphologie der Protozoen mit der Physiologie in Einklang zu bringen. Die Hauptkapitel sind derart abgefaßt worden , daß der der Protozoonbiologie Femstehende sich über die wichtig8{15n Probleme der Kern- und Protoplasmapliysiologie, über Befruchtung, Vermehrung Ernährung und die verschiedenen Keizerscbeinungea der l'rotozoon orientieren kann. Planktonkunde. Von Prof. Dr. A.Steuer, Privatdozent an der Universität Innsbruck. Mit 365 Abbildungen und einer farbigen Tafel. [XVI u. 722 S.J gr. 8. 1910. In Leinwand geb. Ji 26.— Das vorliegende Werk bietet die erste wirklich umfassende Darstellung der Planktonkunde, diesei für Zoologen und Botaniker wie für den Geographen, Paläontologen und endlich auch den praktischen Fischer gleich wichtigen Gebietes. Fußend auf dem Boden eigener Forschung, und Heranziehung zahlreicher instruktiver Abbildungen, entwirft Verfasser hier ein allseitiges Bild des gesamten Gebietes. Wenn das Buch sich aber auch in erster Linie an die Lehrer und Studierenden iler Naturwissenschaft wendet, so wird es doch auch der gebildete Laie mit Interesse zur Hand nehmen, ist doch die Form der Darstellung eine durchaus gemeinverständliche. Bau und Lehen der Bakterien. Von Dr. W. Benecke, Prof. a. d. Universität • Berlin. Mit Abb. [XIII u. 650 S.J gr. 8. 1912. In Lein w. geb. I{\b.— In dem vorliegenden Buch werden Gestalt, Zellenbau, Verwandtschaftsverhältnisse, allgemeine Lebensbedingungen, Beiz und Ernähruugsphysiologle der Bakterien behandelt, sodann durch Schilderung einiger wichtiger Standorte sowie der geographischen Verbreitung die Bedeutung ftlr den Haushalt der Natur and Menschheit dem Leser vor Augen geführt. Um auch solchen Lesern, denen naturwissenschaftliche Sonderkeuntnisse abgehen, den Gebrauch des Buches zu ermöglichen, hat der Verfasser in einem einleitenden Abschnitt: „Einführung in die Lehre von den Bakterien" eine möglichst allgemein verständliche Darstellung von Bau und Leben der Bakterien gegeben und 60 den Rahmen gefügt für die eingehenderen Ausführungen der folgenden Abschnitte, die dem biologisch geschulten Leser ein Bild von der rüstig vorwärtsschreitenden bakteriologischen Wissen- schaft und ihrer Bedeutung für die Kenntnis der Lebenseracheinungen im allgemeinen geben. Bin eingehendes Namen- und Sachregister wird den Gebrauch des Buches erleichtem. In Vorbereitung bzw. unter der Presse (*) befinden sich zunächst folgende Bände: Einleitung in die Erkenntnistheorie für I Die Wale. Eine Einführung in die Säugetier- Naturwissenschaftler. Von Dr. H.Cor- nelius, Professor an der Univ. München. Blütenbiologie als exakte "Wissenschaft. Von Privatdoz. Dr. A. Günthart in Zürich. Zellen- und Befruchtungslehre. Von Dr. R. Hertwig, Prof. a. d Universität München. Biologie. Von Dr. K. Hesse, Profesäor der Zoologie an der Landwirtschaftlichen Hoch- schule zu Berlin, und Dr. F. Dof lein, Pro- fessor an der Universität Freiburg i. Br. künde. Von Dr. W. Kükenthal, Professor an der Universität Breslau. Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Tiere. Von Dr. O. Maas, Professor an der Universität München. Stammesgeschichte der Pflanzen mit be- sonderer Berücksichtigung d. Krypto- gamen. Von Dr. A. Pascher, Privatdozent an der Universität Prag. Allgemeine Wirtschaftsgeographie. Von Dr. K. S a p p e r , Prof. a. d. Univ. Straßburg i.E . Die Redaktion steht außerdem noch mit einer größeren Anzahl von Gelehrten zwecks Ab- fassung weiterer Bände .auf den einschlägigen Gebieten in Verhandlung. CO NATURWISSENSCHAFT UNI) TECHNIK IN LEHRE UND FOESCHUNG EINE SAMMLUNG VON LEHR- UND HANDBÜCHERN HERAUSGEGEBEN VON Dr. f. DOFLEIN und Dr. K. T. FISCHER O.PROF. DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT A. O. PROF. DER PHYSTK ANDER KCL. TECHW. FREIBURO I. BR. HOCHSCHULE TN MÜNCHEN BAU UND LEBEN DER BAKTERIEN VON WILHELM BENECZE A. O.PROF. AN DER UNIVERSITÄT BERLIN LEIPZIG UND BERLIN DRUCK UND YERLAO VON B. G.TEUBNER 1912 BAU UND LEBEN DER BAKTERIEN VON WILHELM BENECKE A. O. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BERLIN MIT 105 ABBILDUNGEN IM TEXT LEIPZIG UND BERLIN DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEÜBNER 1912 COPTKIGHT 1912 BT B. G. TEUBNER IN LEIPZIG. ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. Vorwort. Vorwort. Es ist meine Absicht, in dem vorliegenden Buch den heutigen Stand der Wissenschaft vom Bau und vom Leben der Bakterien zu schildern unter besonderer Berücksichtigung derjenigen Probleme, deren bakteriologische Bearbeitung der gesaaiten Lehre vom Leben zugute gekommen ist und ihr aller Voraussicht nach auch in der Zukunft noch reiche Anregung geben wird. Dabei soll nicht nur die rein wissen- schaftliche Bedeutung der Bakterien zur Geltung gebracht, sondern auch die Rolle, die sie im Haushalt des Menschen spielen, gewürdigt werden, allerdings mit der ganz wesentlichen Einschränkung, daß die Krank- heitserreger des Menschen als Gegenstände einer bakteriologischen Sonderwissenschaft, in welcher ich mich nicht heimisch fühle, eine nur ganz gelegentliche Berücksichtigung finden. Li der Absicht, mein Buch nicht nur solchen Lesern, welchen die Probleme der Biologie wohl vertraut sind, sondern auch solchen, denen biologische Einzelkenntnisse abgehen, nutzbar zu machen, habe ich eine möglichst allgemein verständliche Einleitung vorausgeschickt, die einen Überblick über unser Wissen von den Bakterien gibt. Aus dem gleichen Grund habe ich auch in den späteren Kapiteln an manchen Stellen etwas weniger vorausgesetzt, als sonst erforderlich gewesen wäre; ich hoffe, daß ich meinen Zweck erreicht habe, ohne die Einheit- lichkeit der Darstellung allzusehr zu schädigen. Ich bin mir darüber klar, daß ich ganz auf den Schultern anderer Forscher stehe, die vor mir Bücher von ähnlichem Charakter herausge- geben haben, ohne daß es möglich gewesen wäre, die aus diesen vielfach unbewußt übernommene Anregung in den Literaturzitaten vollständig zum Ausdruck zu bringen. Ich denke in erster Linie anAlfredFischers Vorlesungen über Bakterien, sodann an die Werke von Migula, sowie von Schmidt und Weis; auch sei hier der Atlas und Grundriß der Bak- teriologie von Lehmann und Neumann o-enannt, aus dem ich mir mit Vorliebe Rat geholt habe in Fragen der medizinischen Schwesterdisziplin. Das Manuskript lag im Januar des vorigen Jahres abgeschlossen vor. Die seither erschienene Quellenliteratur habe ich nachträglich nur VI Vorwort. noch zum Teil berücksichtigen können.^) Als zwei größere zusammen- fassende Darstellungen, die mir zu Gesicht kamen, als mein Manuskript schon im wesentlichen fertig war, nenne ich F. Löhnis, Handbuch der landwirtschaftlichen Bakteriologie, Berlin 1910, und W. Kruse, All- gemeine Mikrobiologie, Leipzig 1910. Das Buch von Löhnis habe ich nicht mehr benutzt, möchte aber an dieser Stelle auf dieses inhaltreiche Werk hinweisen. Das Kruse sehe Werk habe ich nachträglich noch an einigen Stellen zu Rate gezogen, wie sich aus den Literaturzitaten ergibt. Die Abbildungen sind zum kleinsten Teil Originale, zum größten Teil den Werken anderer Autoren, deren Namen in der Figurenerklärung vermerkt ist, entnommen. Charlottenburg, im März 1912, W. Beuecke. 1) Die Arbeit Uhlela"s (Diss. Straßburg i. E., 1911) konnte ich für die Darstellung der Geißelbewegung (Kap. Y) nicht mehr verwerten. Inhalt. VII Inhalt. Kaijitel I. Seite Einführung in die Lehre Ton den Bakterien 1 Infuse als Standorte von Mikroorganismen. — Fäulnis, Verwesung, Gärung als Folge der Lebenstätigkeit von Kleinlebewesen. — Mikroflora und -fauna von Infusen: Ciliaten, Amöben, Flagellateu, grüne und blaugrüne Algen, Sproß- und Schimmelpilze, Bakterien. — Kurze Beschreibung von Zellform, Zellteilung, Koloniebildung, Sporenbildung der Bakterien. — Ernährungsweise der Bakterien, Kampf ums Dasein in der Welt der Mikroorganismen. — Dimensionen der Bakterien. — Bedeutung der Bakterien für den Kreislauf der Stoffe auf Erden. Kapitel II. Die Kulturmethoden der Bakteriologie 50 Begriff der Reinkultur und Einzellkultur. — Notwendigkeit der dauern- den Kontrolle. — Gallertige Nährböden. — Gieß- und Sprühplatten- methode. — Tuschepunktmethode. — Tröpfchen- und Adhäsionskultur. — Form und Struktur der aufgelagerten und eingesenkten Kolonien. — Sekundäre Kolonien. — Riesenkolonien. — Auxanogramme. — Stich- und Strichkulturen. — Anhäufungsmethoden, elektive Nährlösungen. — Züch- tung und Beobachtung von Bakterien unter möglichst natürlichen Bedingungen. Kapitel IIL Morphologie der Bakterienzelle, I 78 Mikroskopische Beobachtung der Bakterienzelle; Zellsaft, Zellwand, Pro- toplasma. — Die Bakterienzelle als osmotisches System. — Turgor und Plasmolyse. — Höhe des osmotischen Drucks in der Bakterienzelle. — Plasmolysierbare und nicht pjasmolysierbare Bakterien. — Abweichend gebaute Bakterienformen (Pellicula bei Schleimbakterien). — Dicke und Struktur der Bakterienzellwand; Gallert- und Schleimbildung, Kapseln und Scheiden. — Bakterienblasen. — Bedeutung der Gallertbildungen. — Chemie der Gallerten und Schleime. — Bau des Protoplasmas. — Waben- struktur. — Chemie des Protoplasmas. Kapitel IV. Morphologie der Baktericnzelle, II 107 Die Bakterien besitzen keine Chromatophoren. — „Grüne Bakterien". Besitzen die Bakterienzellen einen Zellkern? — Fixier- und Färbemetho- 4 0.17^ Vin Inhalt. Seite den (Gramfärbung, Säurefestigkeit, Lebendfärbung). — Hypothese von der Kernlosigkeit der Bakterienzelle. — Annahme von einem oder meh- reren Kernen in der Bakterienzelle. — Annahme eines Chromidialsystems oder Schraubenbandes als Kernäquivalentes. — Bedeutung der Zellkern- frage für phylogenetische Spekulationen. — Chromatinkörnchen bei Beggiatoa. — Untersuchung der Schleimbakterien auf Kerne. Kapitel V. Morphologie der Bakterienzelle, III 128 Mikroskopisch sichtbare ReservestofFe in der Bakterienzelle: Volutin, dessen Unterscheidung von Chromatin. — Metachromatische Körnchen. — Fetttropfen. — logen. — Glykogen. — Amylin. — Polkörnchen. — Abhängigkeit der Reservestoffe von spezifischen und von Außeubedin- gungen. — Farbstoffe. — Bewegungsweise und Schnelligkeit der Bak- terien. — Form und Anheftung der Geißeln. — Lateral und polar be- geißelte, monotriche und lophotriche Formen. — Mechanik der Geißel- bewegung. — Kriechbewegung bei Beggiatoa, Thiothrix und Schleim- bakterien. — Kolonien, die als Ganzes beweglich sind. Kapitel VI. Morpliologie «ler IJaktorieuzelle, IV 1.54 Mikroskopische Beobachtung der Zellteilung. — Querwandbildung bei stäbchenförmigen Bakterien. — Zellteilung der Schleimbakterien, der Spirillen und der Kugelbakterien. — Plasmodesmen. — Zellteilung und Wachstum bei Fadenbakterien. — Echte und falsche Verzweigung. — Teilungsgröße. — Polarität. — Toilungsschnelligkeit. — Bedingungen der Sporenbildung. — Form der Mutterzelle und Vorgänge in der Mutter- zelle vor und während der Sporenbildung. — Verhalten der als Kerne oder Kemäquivalente betrachteten Gebilde während der Sporenbildung. — Bau der l-eifen Spore. — Sporenfärbung. — Sporenbildung bei Bac. Bütschlii und sporonema. — Autogamie. — Sporenkeimung. — Arthro- sporen der Schleimbakterien. — Schwärmsporen und Konidien bei Faden- bakterien. — Chlamydosporen bei Bakterien. — Mikroskopische Beob- achtung des Entwicklungsganges einiger Bakterienformen. Kapitel VIL Systematik der Bakterien 186 Aufbau des Bakteriensystems auf morphologischer Grundlage. — Haplo- bakterien, Desmobakterien. — Coccaceae, Bacillaceae, Rhodobacteriaceae, Mycobacteriaceae, Myxobacteriaceae, Desmobacteriaceae. — Bakterien- systemutik auf physiologischer Grundlage. — Zulässigkeit der Benennung von Bakterien mit Bezugnahme auf physiologische Leistungen. — Her- anziehung physiologischer Merkmale zur Bestimmung und Wiedererken- nung der Arten. Kapitel VIIL Variabilität und Stamniesgesehielite der Bakterien 212 Variabilität morphologischer und physiologischer Eigenschaften. — Bei- Inhalt. IX Seite spiele für Abänderungen, die durch bestimmte Außenbedingungen her- vorgerufen werden und wieder verschwinden, sobald oder einige Zeit nachdem diese Bedingungen aufhören zu wirken. — Abhängigkeit der Zellform, Sporengröße, Nahrungsansprüche, Enzymbildung, Schleimpro- duktion von Außenbedingungen. — Beispiele für Abänderungen, die, durch äußere Bedingungen hervorgerufen, auch dann wieder verschwin- den, wenn die betr. Bedingungen weiterwirken. — Beispiele für künst- lich hervorgerufene, erblich konstant bleibende Abänderungen der Farb- stofFbildung, des Verhaltens gegen Nährstoffe, der Schleimbildung, der Sporengröße, der Beweglichkeit. (Bakterienmutationen.) — Verwandt- schaftliche Beziehungen der Bakterien untereinander und mit den Spalt- algen, Flagellaten, höheren Pilzen. Kapitel IX. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I 247 Beziehungen der Bakterien zur Temperatur; thermophile, psychrophile, mesophile Bakterien. — Verschiebung der Kardinalpunkte der Tempe- ratur. — Abtötung durch extreme Temperaturen. — Kälteresistenz, Hitzeresistenz. — Abhängigkeit der Hitzeresistenz von Wassergehalt und andern Bedingungen. — Widerstandskraft der vegetativen Zellen, der Sporen. — Supramaximale und ultramaximale Temperatur. — Spezi- fische Unterschiede. — Grund der Hitzeresistenz liegt in einer unbe- kannten Eigenschaft des Protoplasmas. — Gesetzmäßige Beziehungen zwischen den Tötungszeiten der Sporen einer Art bei verschiedenen Tem- peraturen. — Beziehungen der Bakterien zum freien Sauerstoff. — AerobC;, anaerobe und fakultativ anaerobe Arten. — Notwendigkeit, die Sauerstoff konzentration zu berücksichtigen. — Bestimmung der drei Kardi- nalpunkte der Sauerstoff konzentration für verschiedene Arten. — Aerophile und aerophobe Bakterien. — Frage der Anpassungsfähigkeit an andere Sauerstoffkonzentrationen. — Förderung luftscheuer Arten durch Sauer- stoffspuren. — Formative Wirkungen des Sauerstoffs bzw. Sauerstoff- entzugs. — Mischkulturen von Aeroben und Anaeroben. — Lockere Bin- dung von Sauerstoff durch Farbstoff bakterien. — Technik der Anaeroben- züchtung. — Leuchtbakterienmethode. Kapitel X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II 279 Abhängigkeit des Bakterienlebens vom Wassergehalt der Umgebung. — Austrocknungsfähigkeit von vegetativen Zellen und Sporen. — Wachs- tumsfähigkeit bei behinderter Wasserzufuhr. — Abhängigkeit von der osmotischen Eigenschaft des Substrates. — Halophile Bakterien. — Spezifische Salzwirkungen. — Geißelstarre, bedingt durch Salzgehalt des Nährbodens. — Balancierte Lösungen. — Wirkung von Giften. — Stimulierende Wirkung kleiner Giftmengen. — Hemmende und abtötende Wirkung von Giften. — Abhängigkeit der Giftwirkung vom Lösungs- zustand und von der Löslichkeit der Gifte. — Auswählende Löslichkeit. — Bildung giftiger und förderlicher Stoffwechselprodukte. — Deren isanta- gonistische und heterantagonistische Wirkung. — Abhängigkeit des X Inhalt. Seite Bakterienlebens von der Bestrahlung (Licht-, Röntgen-, Radiumstrablen). — Wechselseitige Beeinflussung von Mikroorganismen. — Infusorien, Amöben, Schleimpilze und Verwandte als Bakterienfresser. Kapitel XI. Die Reizbewegiingen der Bakterien 305 Phototaxis der Purpurbakterien. — Chemotaxis der Bakterien; Aero- taxis. — Atmungsfiguren und Bakterienniveaus. — Osmotaxis und Geo- tasis. — Unterdrückung der Perzeption bei erhalten bleibender Reaktions- fähigkeit infolge Einwirkung von Narcoticis. Durch Narcotica können bestimmte Reizbarkeiten ausgeschaltet werden, wenn andere noch er- halten bleiben. — ünterschiedsschwelle. — Webersches Reizgesetz. — StoflFe, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig nicht abstumpfen, lösen verschiedene Perzeptionsakte aus. — Begriif der Reizw^ertigkeit. — Stim- mungsänderungen. — Experimentell hervorgerufene Umstimmungen. — Abhängigkeit der Reizbarkeit durch gewisse Stoffe von der chemischen Reaktion des Mediums. — Sind Bakterien oder Menschen empfindlicher V — Biologische Bedeutung der Reizbewegungen. — Hinweis auf Reiz- bewegungen von Bakterienfressern. Kapitel XU. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. Assimilation der Nährsalze 343 Assimilation und Dissimilation. — Elementaranalyse. — Trockengewicht und Frischgewicht der Bakteriensubstanz. — Wahlvermögen der Bak- terien. — Die zur Ernährung unerläßlichen Grundstoffe. — Autotrophie, Heterotrophie, Prototrophie. — Aufnahme des Phosphors, Schwefels, Magnesiums, Kaliums. — Ersetzbarkeit des Kaliums durch Rubidium und Cäsium. — Natrium, Aluminium, Kieselsäure, Kalzium und Eisen als Reizstoße. — Vergleich des Bedürfnisses der Bakterien an Mineral- salzen mit dem höherer Pflanzen. Kapitel XEI. Assimilation der Kohlenstoff- und Stickstoffverbiudungen durch hetero- trophe Bakterien 360 Als Stickstoffquellen kommen in Betracht: Eiweißstoffe und deren Spal- tungsprodukte, andere organische Stickstott'verbindungen, Ammonium- salze, sali^etrigsaure und Salpetersäure Salze. Als Kohlenstoffverbindungen außer den eben schon genannten: Kohlehydrate, Fette, Alkohole, orga- nische Säuren, zyklische Verbindungen. — Beispiele für Nährlösungen. — Multivore Bakterien und Spezialisten. — Pepton- und Amidbakterien. — Pepton-, Amid-, Ammon-, Nitrit-, Nitrat-, Kohlenstoffbakterien. — Elektion organischer Nährstoffe. — Enzyme. — Eiweißfäulnis. — Ver- arbeitung von Kohlehydraten (Zellulose, Pektin, Agar), Fetten, Chitin, niedrigen organischen Säuren. Kapitel XIV. Die Dissimilationserscheinungen heterotropher Bakterien 388 Dissimilation als Betriebskraft liefernder Vorgang. — Dissimilation bei Inhalt. XI Seite Aeroben. — Gaswcchsel derselben. — Verhalten bei Sauerstoffentzug. — Dissimilation der fak. auaeroben und der anaerobeu Bakterien. — Welche Stotfe werden dissimiliertV — Atmungsenzyme. — Verschiebung der Nahrungsansprüche mit dem Maß des Sauerstoffzutritts. — Einige auf- fallende Endprodukte der Atmung. — Energetische Betrachtung der Dissimilation. — Erwärmung infolge der Dissimilationsvorgänge. — Denitrifikation und Desulfuration. — Leuchtbakterien. Kapitel XV. Die GäruDgserscheiiiungeu 416 Gärungen sind Dissimilationsvorgänge, die den Gärungserregern Betriebs- kraft und außerdem Kampfstoffe liefern. — Die alkoholische Gärung. — Die Buttersäuregärung. — Die Milchsäuregärung. (Die Arten der Milch- säurebakterien. Lab- und Säurewirkung. Kefir, Airan, Mazun, Yoghurt usw. Teiggärung. Bakterienflora der Milch, Milchsäurebakterien im Magen und Darmtraktus höherer Wesen.) — Die Essigsäuregärung. (Bieressig-, Weinessigbakterien. Bakterien der Schnellessigfabrikation.) — Harnstoff- vergärung. — Einige andere als Gärungen bezeichnete bakterielle Um- setzungen. Kapitel XVL Autotrophie des Kolileiistofifs , sowie andere eigenartige Stofifwechsel- ersclieinungen 451 Wesen und Bedeutung der Autotrophie. — Obligat und fakultativ auto- trophe Bakterien. — Die wasserstoffoxydierenden Bakterien. — Die Methanbakterien. — Kohlenoxydverarbeitende Bakterien. — Die Nitri- fikation: Nitroso- und Nitrobakterien. — Die Schwefelbakterien: Schwe- felbakterien ohne Schwefeleinschlüsse; denitrifizierende Schwefelbakterien; Bakterien mit Schwefeleinschlüsseu in den Zellen. — Die Purpurbak- terien. — Die Eisenbakterien. Kapitel XVH. Die Stickstoff bindenden Baliterien 499 Freilebende, Stickstoff bindende Bakterien: Azotobacter chroococcum und Verwandte. — Bedingungen der Stickstoffbindung. — Clostridium Pa- steurianum, dessen Beziehung zu andern Buttersäurebakterien {Cl. Äme- ricanum u. a.). — Einige andere als Stickstoff' binder angesprochene Bakterien {Bac. asterosporus usw.). — Erfahrungen an Mischkulturen von stickstoffbindenden mit andern Bakterien. — Die KnöUchenbakterien der Leguminosen. — Entstehung und Bau der Knöllcheu. — Reinzucht der KnöUchenbakterien. — Bakteroidenbildung. — Versuche, die Stick- stoffbindung durch Reinzuchten von KnöUchenbakterien zu erweisen. — Wesen des Zusammenlebens der Bakterien mit den Leguminosen, Sym- biose oder Kampf Verhältnis? — Artverschiedenheit der KnöUchenbak- terien. — Stickstoff bindung durch Nicht -Leguminosen. Kapitel XVUL Vorkommen und Verbreitung der Hakterien auf der Erde 531 Bakterienökologie und Bakteriengeographie im Vergleich mit der Ökologie Xn Inhalt. Seite und Geographie höherer Gewächse. — Vorkommen der Bakterien in der Luft. — Der Boden als Standort der Bakterien; Bakterien im durch- lüfteten und im schlammigen Boden, in jungfräulichem Boden, auf Berg- gipfeln, im humusreichen Boden der Wälder. — Das Wasser als Stand- ort von Bakterien. — Was sind Wasserbakterien? — Bedeutung der Bakterienflora des Wassers zur Beurteilung des Reinheitsgrades der Wässer. — Bakterien der Wasserleitungen. — Bakterien als Bewohner von Orten mit sehr hoher und sehr niedriger Temperatur. — Verbrei- tung der Bakterienarten auf der Erde. — Kosmopoliten und Nicht- Kosmopoliten. — Veränderung des Verbreitungsareals der einzelnen Arten. Kapitel XIX. Die Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und der Wälder 559 Die Bakterien des Ackerbodens. — Die Methoden der Agrikulturbakterio- logie: Plattenzählmethode, Kohlensäuremethode, Bakterienlei tgruppen. Zahl der Bakterien im Ackerboden. — Bedeutung der Bakterien für die Lockerung des Bodens. — Für den Kreislauf der Phosphorsäure. — Bakterien bei der Brache. — Nitrifizierende, denitrifizierende und stick- stofFbindende Bakterien in ihrer Bedeutung für den Landmann. — Boden- müdigkeit. — Bakteriologie der Wiesen und Moore. — Bakteriologie des Waldbodens. Kapitel XX. Die Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner Ton andern Lebe- wesen 597 Bakterien des Benthos. — Bakterien des Strandes, der Strandablage- rungen, der hemipelagischen Ablagerungen und der Tiefseeablagerungen. — Bakterien des Planktons. — Die Bedeutung der Bakterien für den Kreislauf der Stoffe im Meer. — Diskussion der Rolle der Bakterien, die sich am Kreislauf des Stickstoffs im Meer beteiligen — Bakterien als Bewohner von lebenden Pflanzen. — Epiphytische und endophytische Bak- terien. — Bakterien als Erzeuger von Gallen. — Bakterien in ameisen- und insektenfressenden Pflanzen. — Pflanzliche Bakteriosen. — Bakterien als Bewohner von lebenden Tieren undMenschen. — Bakteriosen von Kaltblütern. — Hinweis auf die Bakteriosen des Menschen. — Schluß. Namenregister 628 Sachregister 632 In den Literaturzitaten bedeutet B. C: Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde. — K.J.: Kochs Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gärungsorganismen. — Die anderen Abkürzungen sind ohne Er- läuterung verständlich. — Wenn hinter dem Namen eines Autors nicht auf die Originalarbeit, sondern auf ein Referat hingewiesen ist, so soll das besagen, daß ich diese Arbeit lediglich aus dem betr. Referat kenne und das Original nicht eingesehen habe. Umgrenzung der Aufgabe. Kapitel I. Einfüliniiiü in die Lehre von den I^akterien. Mag heutigen Tages noch so viel von Balderien geredet werden, die große Melirzahl unserer Mitmenschen kennt von ihnen doch nicht viel mehr, als nur den Namen. Und wir, deren Absicht es ist, uns durch die hier folgenden Ausführungen zuerst mit den Grundzügen der wissenschaftlichen Bakteriologie vertraut zu machen und sodann die Probleme kennen zu lernen, bei deren Bewältigung heutigentages die Bakteriologen miteinander wetteifern, wollen uns fürs erste gleichfalls auf diesen Standpunkt des Nichtwissens stellen; indem wir von einigen möglichst einfachen Beobachtungen ausgehen, versuchen wir zunächst uns ein in ganz allgemeinen Zügen gehaltenes Bild von dem Körperbau und von der Lebenstätigkeit der Bakterien, zu welchen bekanntlich die kleinsten aller bis heute bekannten Lebewesen zu zählen sind, zu ent- werfen. Erst wenn wir auf diese Weise den Rahmen gefügt haben, innerhalb dessen sich die späteren Betrachtungen abspielen sollen, wollen wir den Versuch wagen, etwas tiefer in die Geheimnisse der bakterio- loo;ischen Wissenschaft einzudringeu. Wir dürfen nun für unsere Zwecke die Bakterien nicht etwa aus- schließlich in den Arbeitsräumen der Forscher oder in den Kranken- zimmern aufsuchen, überhaupt nicht lediglich in Räumlichkeiten, die der menschliche Haushalt sich geschaffen hat, vielmehr gilt es vor allem ihnen nachzuspüren draußen in der freien Natur. Freilich sind wir fast immer gezwungen, sie unter genau bestimmbaren, darum nicht ganz natürlichen Bedingungen im Laboratorium zu untersuchen, weil wir nur auf diese Weise unseren Kenntnissen eine sichere Grundlage geben können, doch dürfen wir nie vergessen, daß wir sie auch im Freien oder doch unter solchen Bedingungen beobachten müssen, die ihren natürlichen Standortsbediugungen möglichst genau nachgebildet siud. Nur so werden wir sie allseitig kennen lernen und uns von dem durchaus einseitigen Standpunkt fernhalten, als kämen die Bakterien nur in Beziehung zu den Freuden und Leiden des menschlichen Da- seins in Betracht. Wir werden vielmehr sehen, daß sie, mögen sie auch noch so häufig dem Menschen als Freunde zur Seite oder als Feinde Be necke: Bau u. Leben der Bakterien. 1 I. Einführung in die Lehre yon den Bakterien. gegenübertreten, doch auch losgelöst von aller menschlichen Tätigkeit, außer der rein wissenschaftlichen, Interesse erwecken, daß sie berufen sind, die allermannigfaltigsten Aufgaben zu erfüllen draußen in der Na- tur, die uns umgibt. Nun zur Sache. Wir beginnen mit dem Versuch, uns einen Ein- blick in das Leben der Bakterien unter mötilichst naturgemäßen Be- dingiuj^en zu verschaffen, und können zu diesem Behuf so vorgehen, daß wir uns einen Itifns herstellen: Eine Hand voll Heu, die Leiche eines kleinen Säugetiers oder andere beliebige Keste von Pflanzen oder Tieren, d. h. irgend etwas, das, wie der Chemiker sagt, zum großen Teil aus organischen, zum kleinen aus anorganischen Stoffen besteht, über- gießen wir in einem (ilasgefäß mit etwas Wasser, decken eine Glas- platte darüber und stellen es bei nicht zu niedriger Temperatur hin. So werden wir begreiflicherweise nicht im entferntesten die bunte Mannigfaltigkeit aller auf oder unter der Überfläche unseres Planeten vorhandenen Bakterienstandorte nachabmen. Denn wie ein roter Faden wird sich durch unsere ganze Darstellung die Betonung der Tatsache hindurchziehen, daß die verschiedenen Bakterien die denkbar verschie- densten Ansprüche an ihre Umgebung stellen. Immerhin werden wir doch, wenn wir unsere Infuse hinreicbend lang und unter wechselnden Bedingungen beobachten, Bakterien von so verschiedener Gestalt und Lebensführung diese Infuse im Laufe der Zeit beviilkern sehen, daß wir uns die Bedeutung, welche die Mehrzahl der Bakterien für den Haus- halt der Natur hat, wohl veranschaulichen können. Was in solchen „sich selbst" üljerlassenen Infusen erfolgt, hat wolil jedermann schon beobachtet. Es tritt in ihnen Fäulnis ein: Das zuerst klai-e Wasser trübt sich mehr und mehr, bald bildet sich eine schleimige Haut, eine sog. Kaltmltani an der Oberfläche, die bei Berührung zer- reißt und versinkt, um alsbald durch eine neue ersetzt zu werden, und dieser Vorgang kann sich oft wiederholen. Die Flüssigkeit wird bald verfärbt, oft treten gelbe, grün fluoreszierende Farbstoffe auf, Gasblasen entwickeln sich, unangenehme Dünste machen sich bemerkbar, zumal wenn man die Masse umrührt. Bei genauerem Zusehen beobachten wir, daß auch die tierischen und pflanzlichen Beste sich mehr und mehr mit schleimigen Belegen, ähnlich jeuer oberflächlichen Kahmhaut überziehen, daß sie weicher werden und auseinanderfallen, um endlich, wenn wir nur hinreichend lange Zeit warten wollen, bis auf mehr oder minder geringfügige Beste zu verschwinden. Das könnte allerdings ganz außer- ordentlich large Zeit dauern. — Die Flüssigkeit klärt sich, und der als Fäulnis bezeichnete Vorgang hat sein Ende en*eicht. Wann dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von den äußeren Bedingungen ab, zu- Inf'use als Bakterieustandorte. mal von der Temperatur; Lichtzutritt ist für das Zustandekommen der Fäulnis nicht nötig, allzu starke Beleuchtung hemmt dieselbe sogar. — Lassen wir nun nach vollendeter Fäulnis unser Versuchsgefäß im Dunkeln stehen, so wird keine weitere Veränderung in ihm zu beobachten sein. Bringen wir es jedoch ans Licht, so werden unter dem Einfluß der Kraft der Sonnenstrahlen in ihm weitere wichtige Veränderungen sich zeigen, die wir aber erst später kennen lernen wollen. Vorher gilt es vor allem, sich über die stoffliche, d. h. chemische Seite des Fäulnis- und Verwesungsvortjauges in seinen Grumlzücren zu unterrichten. Beschäftigen wir uns zuerst einen Augenblick mit den Gasen, die bei dem eben geschilderten Vorgang entwickelt werden: Ein Chemiker könnte uns nachweisen, daß der unangenehme Geruch, den wir empfun- den haben, zum großen Teil von der Entwicklung von Schwefelwasser- stoff herrührt, jenem brennbaren, den höheren Wesen giftigen, allgemein von Kloakenausdünstungen her bekannten Gas. Zweifellos würde der Chemiker, zumal dann, wenn wir ihm Pflanzeninfuse vorzeigen, auch jene zwei Gase nachweisen können, die man draußen im Freien er- hält, wenn man mit einem Stock sumpfigen Boden aufrührt, nämlich Wasserstoff und Sumpfgas (Methan), zwei gleichfalls brennbare Gase, die in der Atmosphäre unter normalen Verhältnissen nur in sehr ge- ringer Menge nachweisbar sind; warum wir schon an dieser Stelle die Brennbarkeit, d. h. die Fähigkeit, sich mit dem Sauerstoff der Luft unter Wärmeentwicklung zu verbinden, betonen, wird später noch deutlich werden. Auch gasförmiger Stickstoff* wird vielfach bei Fäulnisvorgängen entwickelt. Stickstoff ist bekanntlich ein Gas, welches vier Fünftel der Atmosphäre ausmacht, übrigens in Gasform für die Lebensvorgänge der meisten Wesen ohne Bedeutung, „indifferent'^, ist. Neben gasförmigem Stickstoff entweichen nicht selten gasförmige Verbindungen des Stick- stoffs mit Sauerstoff, z. B. Stickoxydul und Stickoxyd; auch Am- moniak kann entweichen, dann wenn die Flüssigkeit, was im Verlauf der Fäulnis leicht erfolgen kann, beginnt, die neutrale Reaktion zu verlieren und alkalische Reaktion anzunehmen. Ammoniak ist, wie be- kannt, ein wertvoller Nährstoff' für höhere Gewächse und kann ihnen auf diese Weise durch die Fäulnis zum Teil verloren gehen, bis es durch Niederschläge wieder zum Boden zurückgeführt wird. In weit- aus größerer Menge als die genannten Gase wird aber bei Fäulnisvor- gängen in den allermeisten Fällen Kohlensäure entbunden, ein Gas, welches darum so allgemein bekannt ist, weil alle Lebewesen, viel- leicht mit einigen wenigen Ausnahmen, dasselbe bei dem als Atmung bezeichneten Lebensvorgang neben Wasserdampf aushauchen, welches sich darum auch stets in der Atmosphäre, wenngleich in verhältnis- 1* I. Einführung in die Lehie von den Bakterien. mäßig geringer Menge vorfindet: Luft enthält in 1000 Raumteilen durchschnittlich etwa 3 Raumteile Kohlensäure. Dies sind die wichtigst«'n Stoffe, die in Gasform bei der Fäulnis frei werden, zum Teil in der faulenden Flüssigkeit gelöst bleiben, zum Teil auch in die Luft entweichen. Fragen wir nun aber nocli nach dem freien Sauerstoff, der etwa den fünften Teil der atmosj)hiirisclu'n Luft ausmacht und bei der Atmung eingeatmet und verbraucht wird, so würden wir finden, daß dieser sich bei der Fäulnis niemals entwickelt. Im Gegenteil würde der Chemiker, den wir um Untersuchung des Gas- austausches angehen, uns dahin belehren, daß der freie Sauerstoff, so- weit er überhaupt aus der Luft Zutritt zu unseren Infusen hat, in großer Menge verbraucht, „gebunden" wird. Vorgänge, bei denen Sauerstoff verbraucht wird, nennt der Chemiker bekanntlich Verbrennungen, Oxy- dationen, und zwar handelt es sich in unserem Fall um langsame, ohne Lichterscheinung verlaufende Verbrennungen. Immerhin sind sie so lebhaft, daß der zu Anfang im \\'asser des Infuses gelöst vorhandene Sauerstoff" l)ald verschwunden ist und nur noch langsam durch Diffusion von obenher eindringt, um schon in den obersten Schichten des ^Vassers verbraucht zu werden, so daß in tieferen Schichten Fäulnis ohne Sauer- stoffzutritt stattfindet. Wir haben also gelernt, daß der als Fäulnis bezeichnete Vorgang verbunden ist mit Oxydationen oder Verl)rennungsvorgängen, soweit Sauerstoff zu unserem Infus Zutritt hat, und ferner haben wir die nicht minder wichtige Tatsache ermittelt, daß ein Teil der Fäulnisvor- gänge auch ohne Oxydation nifiglich ist, und — das wird zumal in den tieferen Schichten unseres Infuses der Fall sein — auf Stoffzer- trümmerungen ohne Eingriff" des freien Sauerstoffes der Luft beruht. Denn daß es sich um Stoffzertrümmerungen, sei es mit, sei es ohne Hilfe des Sauerstoffs handelt, hat uns ja schon der bloße Augenschein, die Abnahme der organisierten Massen in unserem Infus gelehrt. Diese Zertrümmerungen verlaufen, wie eben schon angedeutet, nicht so plötz- lich, daß sie wie die vom Laien als Verbrennungen bezeichneten Vor- gänge mit Feuerscheinungen verknüpft wären. Wärme wird aber jeder- zeit bei ihnen frei, wie man denn mittels des Thermometers eine, wenn- gleich oft nur l)escheidene, oft aber auch recht beträchtliche Tempera turerhöhung fauliger Massen über die Temperatur ihrer Umgebung nachweisen kann. Ist nun auch die Zersetzung tierischer oder pflanzlicher Reste, „organisierter Stoffe", nicht unbedingt an Sauerstoffzutritt gebunden, so ist doch, wie wir jetzt gleich behufs präziserer Bezeichnung dieser Zersetzungsvorgänge betonen wollen, das Maß des Sauerstoff'zutrittes Fäulnis; Verwesung; Gärung. von ganz gewaltigem Einfluß auf die Art und Weise dieser Zersetzungs- erscheinungen. Reichlicher Sauerstoffzutritt, den wir dadurch erreichen, daß wir keine zu hohe Wasserschicht verwenden, oder dadurch, daß wir die Zersetzung, statt unter Wasser, in wasserdampf haltiger Luft, im „feuchten Raum", vor sich gehen lassen, bewirkt zumal dann, wenn auch die organischen Massen, die wir verwenden, im Verhältnis zu ihrer Masse eine große Oberfläche besitzen, also auch ihrerseits dem Luft- durchtritt kein Hindernis bieten, so schnelle und vollkommene Zer- setzung, daß Zwischenprodukte, sog. Produkte unvollkommener Ver- brennung, die sich vielfach durch ihren schlechten Geruch unangenehm bemerkbar machen, nur vorübergehend auftreten, jeweils also nur in sehr geringer Menge vorhanden sind. Li diesem Falle spricht man von Venvesung oder Vermoderung im Gegensatz zur eigentlichen Fäulnis — man denke an moderndes Laub, das am feuchten Waldboden lagert. Werden hingegen kompakte Massen, tierische Reste oder voluminöse Pflanzenteile, Bohnensamen usw., zumal solche, die sehr eiweißreich sind, d. h. reichliche organische Stickstoffverbindungen enthalten, der Zersetzuno- anheimgeo'eben, so wird in ihrem Innern bald Luftmangel eintreten, und die nun einsetzende, ohne reichlichen Sauerstoffzutritt verlaufende Zerstörun«; ist gekennzeichnet durch die Anhäufung der verschiedensten Zwischenprodukte des Abbaues, die in erster Linie den zerfallenden Eiweißkörpern ihre Entstehung verdanken, und z. T. mittels chemischer Methoden, z. T. auch dadurch, daß sie stark stinken, ohne weiteres nachweisbar sind und infolge mangelnden Luftzutrittes nicht sofort in einfachere, unserer Nase nicht mehr widerwärtige Stoffe über- führt werden können. In solchen Fällen redet man von „echter Fäul- nis'^ Erst wenn der Sauerstoff' der Luft auch in jene tiefsten Schichten unserer Infuse eindringt, dadurch, daß wir häufig umrühren oder Luft hindurchleiten, werden jene eben genannten Zwischenprodukte durch den Sauerstoff' weiter zerstört. Die Zersetzungsvorgänge können also nur bei Luftzutritt zu Ende geführt werden; es sind immer nur be- stimmte Phasen derselben vom Sauerstoff unabhängig. Die große Bedeutung des Luftzutrittes für das Bild, welches uns die Zersetzung im einzelnen zeigt, darf natürlich nicht dazu verleiten, nun diesen Luftzutiitt für ganz allein ausschlaggebend zu halten, viel- mehr spielen begreiflicherweise auch andere Momente, vor allem, wie schon gesagt, auch die Qualität der sich zersetzenden Stoffe selbst eine gewaltige Rolle. Sahen wir doch schon, daß echte Fäulnis an Eiweiß- reichtum gebunden ist. Lassen wir andererseits Reste, die verhältnis- mäßig arm an Eiweißkörpern (StickstoffVerbindungen), aber reich an Kohlehydraten sind — mit diesem Namen bezeichnet der Chemiker stick- I. Einführung in die Lehie von den Bakterien. stoffreie Substanzen, z. B. Zuckerarten, Stärke, Zellulose usw., also z. B. Heu — bei beschränktem Luftzutritt sich zersetzen (d. h. unter Bedin- gungen, unter denen Eiweißkörper faulen), so wird die bei keiner Zer- setzung, wie wir sahen, ganz fehlende Gasentwicklung auffallend deut- lich werden, so lebhaft, daß die im Wasser des Infuses aufsteigenden, zum größten Teil aus Kohlensäure bestehenden Gasblasen die Ptlanzen- teilchen mit an die Oberfläche führen, von wo sie herabsinken, um als- bald wieder in die Höhe gerissen zu werden; ein dichter Schaum kann sich dabei an der Oberfläche bilden, kurzum es erfolgt der Vorgang, den nicht nur der Bakteriologe, sondern auch der Laie als Gäriwfi be- zeichnet, wenn er nicht vorzieht, diese Bezeichnung nur auf die ihm bekannteste Gärung, die alkoholische Gärung von Most und Bierwürze, anzuwenden. So hätten wir die Zersetzungserscheinungeu zerlegt in Verwesung (oder Vermoderung), Fäulnis und Gärung, wollen aber noch hervor- heben, daß diese drei Formen der Zersetzung keineswegs durch scharfe Grenzen voneinander ijetrennt sind, vielmehr jjjleitende Uberijänije zeigen; in unseren Lifusen können diese drei Erscheinungsformen der Zer- setzung organisierter Massen nebeneinander und nacheinander verlaufen. Nun ist uns vorhin der etwas naive Ausdruck entschlüpft: Die organisierten Stoffe „verschwinden^' «ährend der Fäulnis und Ver- wesung, etwas naiv, denn auf Erden kcinnen Stoffe nicht verschwinden, sondern nur umgewandelt werden, und so ist denn der Ausdruck „ver- schwinden'' dahin zu verbessern, daß sie verändert werden, verwandelt in solche, die von unserem Auge nicht mehr so leicht ohne weiteres wahrgenommen werden können. Zum Teil sind sie, wie schon ein- gehend auseinandergesetzt ist, vergast worden, und die Gase haben sich, soweit sie nicht im Wasser gelöst blieben, in die Atmosphäre ver- flüchtigt, sofern die Stofi'e aber nicht vergast wurden, haben sie sich — und das gilt es jetzt noch nachzuweisen — , in anorganische Salze, Mineralsalze verwandelt, die zum großen Teil wasserhislich sind, eine Behauptung, für die der Beweis leic-lit zu führen ist: Nehmen wir an, wir haben reines, rückstandfreies Wasser zu unserem Infus verwendet. Wenn wir nunmehr nach beendeter Zersetzung einen Tropfen des schein- bar reinen Wassers verdunsten lassen, so wird ein salzartiger Rück- stand bleiben, und zwar ein so reichlicher, daß er nicht lediglich aus den Salzen, die zu Anfang in den zum Infus verwendeten organisierten Massen vorhanden waren, herstammen kann. Wir könnten alle mög- lichen Salze, phosphorsaure, schwefelsaure Salze, solche des Kaliums, Magnesiums, Eisens u. a. m., ferner auch stickstoffhaltige Salze, näm- lich Ammoniumsalze und salpetersaure Salze, mittels chemischer Analyse Mineralisierung und Vergasung organischer Stoffe. 7 im Rückstand nachweisen. Daneben entstehen aber auch wasserunlös- liche Salze bei der Zersetzung, so bestimmte Kalksalze, die einen Boden- satz im Gefäß bilden. Wir müssen mithin an Stelle des ungenauen Ausdrucks: „organische Stoffe verschwinden während der Fäulnis und Verwesung", vielmehr sagen: Soweit sie sich nicht in Gasform ver- flüchtigt haben, sind sie in die Form von Mineralsalzen übergeführt worden, und wir kommen also endlich zu folgendem Schluß: Fäulnis, Verwesung, Gärung sind, unbeschadet aller Unterschiede im einzelnen, gleichbedeutend mit mehr oder minder vollkommener Vergasung und Mineralisierung organischer Stoffe. Statt organisch dürfen wir auch organisiert sagen (wie wir auch bereits mehrfach getan haben), sofern zu Beginn der Zersetzung die organischen Stoffe im wesentlichen noch jene Form und Struktur aufweisen, welche für das Organ des Lebe- wesens, dem sie entstammen, charakteristisch sind. Erinnern wir uns daran, daß häufig noch während des Lebens in den Organen Stoff- umwandlungen eintreten, die zum Tod führen und endlich in Fäulnis oder Verwesung ausklingen, so wissen wir, daß bestimmte Krankheits- und Alterserscheinungen der Lebewesen ebenfalls mit den Zersetzungs- erscheinungen, welche wir soeben behandelt haben, verwandt sind, in- sofern sie einleitende Phasen derselben vorstellen können Unschwer erkennen wir nun auch, daß der Vorgang, den wir so- eben im kleinen Maßstab in unserem Glas Wasser haben vor sich gehen sehen, seinem Wesen nach derselbe ist, wie er sich auch draußen in freier Natur im großen jederzeit abspielt, und uns z. B. bei der sog. Selbstreinigung der Flüsse besonders deutlich entgegentritt. Innerhalb der Städte wird das Flußwasser durch die Abfallstoffe dauernd mit orga- nischen Stoffen überladen, die alsbald der Vergasung und Mineralisie- rung anheimfallen, so daß sie unterhalb der Städte nicht mehr als solche nachweisbar sind, und in gleicher Weise wird überall und dauernd in der Natur organische Substanz zerstört. Wie sie wieder rückgebildet wird, wie also m. a. W. der Kreislauf der Stoffe auf Erden geschlossen wird, darüber wollen wir uns, wie oben schon gesagt, erst später unterrichten. Welches ist nun die Ursache der Mineralisierung und Vergasung organischer Stoffe? Es ist heutigentages fast allgemein bekannt, daß es sich vorwiegend um das Werk von Kleinlebewesen (Mikroorganismen, Mikroben, wie sie häufig auch genannt werden) handelt. Doch wollen wir, unserem eigentlichen Ziel, der Erkenntnis der Bakterien uns mehr und mehr annähernd, wiederum annehmen, unser Wissen sei geringer, als es tatsächlich ist, und wir wüßten nicht, durch welche Agentien die Zer- setzung organischer Massen bewirkt wird. Fragen wir nun einmal, ob wir 8 I. Einführung in die Lehre von den Bakterien. einerseits auf Grund dessen, was jedermann über Lebenstätigkeit und Lebensbedingungen höherer Wesen bekannt ist, und auf Grund der Beob- achtungen andererseits, die wir soeben an unserem Infus gemaclit haben, schließen könnten, daß die ZersetzAiug organischer Stoffe das Lebens- werk von kleinen, dem unbewaffneten Auge zum größten Teil unsicht- baren Wesen ist oder nicht. Was spricht für die „biologische Deutung" der Zersetzung organischer Stoffe, was dagegen'? Soviel können wir von vornherein schon sagen: Entschließen wir uns dazu, der biolo- gischen Deutung von Fäulnis, Verwesung, Gärung recht zu geben, so können wir diese Vorgänge, die wir ja als langsame Verbrennungen oder andere langsame StoÖ'zertrünimerungen erkannt haben, offensicht- lich am besten mit den Atmungsvorgängen höherer Wesen vergleichen, denn auch diese sind ja im wesentlichen derartige langsame Verbren- nungen, und wir werden dann weiterhin schließen dürfen, daß sie im großen und ganzen dieselbe Bedeutung wie die Atmung haben: Den sie erregenden Kleinlebewesen die nötige Betriebskraft zur Unterhaltung der Lebensleistungen zu liefern, ähnlich etwa, um ein häutig gebrauchtes, wenngleich keineswegs in den Einzelheiten zutreffendes Bild zu be- nutzen, wie die Verlirennung der Kohle der Dampfmaschine die er- forderliche Betriebsenergie liefert. Auffallend wäre allerdings die Größe der stattfindenden Umsetzungen im Vergleich mit der ja zweifellos sehr geringen Körpergröße der vorläufig noch hypothetischen Mikroorganismen. Entsprechen aber nun die äußeren Bedingungen, unter denen Zer- setzung stattfindet, denjenigen, an welche sonst die Lebenstätigkeit ge- knüpft ist.-' Diese Frage müssen wir jetzt beantworten. Fassen wir zuerst die Abhängigkeit von der Temperatur etwas schärfer ins Auge. Wie schon erwähnt, findet unterhalb einer bestimmten, je nach den Bedingungen etwas wechselnden Temperatur keine oder doch nur so langsame Zersetzung statt, daß sie praktisch gleich Null ist. Steigern wir nun die Temperatur, so wird auch die Zersetzungschnelligkeit steigen, bis ein Punkt erreicht ist, jenseits welches sie wieder abnimmt, um endlich wegen allzu großer AVärmezufuhr ganz zu stocken. Wir können also die Abhängigkeit von der Temperatur durch eine Kurve uns veranschaulichen, deren Verlauf drei sog. Kardinalpunkte zeigt, ein Minimum, unterhalb dessen, ein Maximum, oberhalb dessen keine Zer- setzung stattfindet, und zwischen beiden ein sog. Optimum der Tempe- ratur, d. h. einen Grad, bei welchem die Zersetzung am besten, d. h. am raschesten verläuft. Beachten wir, daß ein ähnliches Abhängigkeits- verhältnis auch für viele andere Lebensvorgänge nachweisbar ist, so würde dieser Befund für die biologische Deutung sprechen, doch ist dieser Schluß nicht eindeutig, da auch für andere nichtbiologische Biologische Deutung dei- Zersetzungserscheinungen. Prozesse, zumal solche komplizierterer Art, ganz dasselbe Abhängig- keitsverhältnis von der Temperatur gilt. Und wir würden an der Richtig- keit der biologischen Deutung von Zersetzungsvorgängen sogar ganz zweifelhaft werden, wenn wir hörten, daß das Temperaturmaximum in vielen Fällen erst um ein Geringes jenseits 70 Grad liegt, d. h. bei einer Temperatur, die sonst alles Leben lahmlegt. Ja noch mehr. Wenn wir unsern Infus, gleich nachdem wir ihn angesetzt haben, zum Kochen er- hitzen, eine Stunde bei Siedehitze lassen und erst dann wieder abkühlen, würden wir finden, daß nunmehr ebenfalls, wenngleich verlangsamt, Zersetzung eintreten würde und dies selbst dann, wenn wir durch sorg- fältigen Verschluß unseres Gefäßes dafür Sorge tragen, daß nicht nach- träglich in den abgekühlten Infus Luftkeime — so nennt man Klein- lebewesen, die, durch den Wind mit dem Staub vom Boden aufgewirbelt, sich in der Luft eine Zeitlang schwebend und lebendig erhalten, hin- einfallen können. Erst wenn wir den Infus noch längere Zeit kochen und dauernd vor Luftkeimen auf das sorgfältigste schützen, würden wir auch auf die Dauer dessen Zersetzung verhindern können. Wollen wir gleichwohl die biologische Deutung retten, so müssen wir also an- nehmen, daß die oder doch einige der fraglichen kleinen Erreger, oder zum mindesten bestimmte Entwicklungszustände derselben gegen hohe Temperaturen ganz auffallend widerstandsfähig sind, nämlich über eine Stunde die Temperatur des kochenden Wassers ertragen, ohne ab- zusterben. Daß ferner jene Luftkeime keine Phantasiegebilde sind, würden wir wohl mit Recht daraus schließen, daß lange Zeit gekochte und sorgfältig verschlossen gehaltene, darum unveränderte Infuse, wenn wir nur kurze Zeit den Deckel oder sonstigen Verschluß lüften, bald in Zersetzung geraten, mögen sie vorher beliebig viele Jahre hindurch un- zersetzt bestanden haben. Man könnte versucht sein, zu glauben, daß das Lüften des Verschlusses nicht deshalb von Bedeutung sei, weil Luftkeime nunmehr ihren Weg ins Innere finden, vielmehr deshalb, weil Luft selbst nunmehr reichlich eindringen kann, daß also die Zer- setzung vorher durch Luftmangel verhindert worden sei. Diese Meinung ist aber schon durch unsere vorherige Beobachtung widerlegt, daß selbst in den tiefsten Schichten unseres Infuses, wo, wie wir hinzu- fügen dürfen, der Chemiker selbst mit den empfindlichsten Methoden keine Spur Sauerstoff mehr finden kann, doch Zersetzung stattfindet. Allerdings würde eben diese Beobachtung solche, welche sich nur aus der Kenntnis höherer Wesen ihre Meinung darüber, was Leben sei, bilden, an der Richtigkeit der biologischen Deutung zweifelhaft w^erden lassen. Die Zersetzungserreger müßten jedenfalls unbedingt zum Teil auch im luftleeren Raum arbeiten können, d. h. unter Bedingungen, IQ 1. EiaführuDg in die Lehre von den Bakterien. unter welchen höhere Wesen ersticken müßten. Schließlich erwähnen wir noch eine Tatsache, die im Gegensatz dazu wiederum geeignet ist, auch den Laien auf die Seite der biologischen Deutung zu drängen: Wenn wir unseren Infus vergiften, etwa durch Zusatz von Karbol- säure, Quecksilbersalzen oder ähulifhen Mitteln, so würden wir hier- durch ji'de Zersetzung verliindern können. In ähnlicher Weise wie Gifte würden auch narkotische Mittel, Äther und Chloroform, wirken, sie würden der Zersetzung Einhalt gebieten, erst nach ihrer Verflürliti- gung könnte sie wieder beginnen. Allerdings würde ein Skeptiker hier darauf hinweisen, daß es auch gelungen sei, Prozesse, die ohne direkte Mitwirkung von Lebewesen verlaufen, (hirch Zusatz von Giften zu hemmen, und wir werden später selbst noch hören, daß durch solche und ähnliche Mittel, z. B. Toluol, eine Flüssigkeit, die u. a. im Steiu- kohlenteeröl vorkommt und vielfach für derartige Versuche benutzt wird, der normale, d. h. natürliche Verlauf der Fäulnis geheniuit, aber doch nicht der Abbau von organischen Stoffen vollkommen unterdrückt werdeil kann. Summa summarum: Für die mikrobiologische Deutung der Zer- setzungsvorgänge spricht viel; wenn aber wirklich Kleinlebewesen in Frage kommen, so müssen sie z. T. gegen hohe Temperaturen sehr widerstandsfähig sein, z. T. ohne Sauerstoff der Luft lebtn können, und endlich müssen sie z. T. wenigstens vorübergehend als lebenskräftige Keime in der Luft zu schweben vermögen. Auch müssen sie dazu be- fähigt sein, im Verhältnis zu ihrer geringen K(')rpergröße gewaltige Stoö'umwandlungen in die Wege zu leiten. Jedenfalls ist es uns nicht gelungen, die Frage, die wir gestellt haben, schlüssig zu beantworten: so wollen wir denn zum Mikroskop greifen, in der begründeten Hoff- nung, daß wir in den der Zersetzung geweihten Massen Kleinlebewesen entdecken; daß wir mit bloßen Augen nicht viel mehr sehen als jene Kahmhautfetzen, deren Wesen wir noch enträtseln müssen, haben wir schon gehört. Allenfalls könnten wir wohl an der OberHäclie einen oder andern jener allbekannten Schimmelpilze, etwa den grünen Pinsel- schimmel oder ähnliche Formen beobachten, zumal dann, wenn wir durch reichliche Lüftung dafür sorgen, daß die Zersetzung nicht das Bild der echten Fäulnis, sondern der Verwesung darbietet, — vielleicht auch das eine oder andere kleine Tier im Wasser umherschwimmen sehen, um welch letztere, als um Objekte, die den Zoologen interessieren, wir uns aber hier nicht zu kümmern brauchen. Gesetzt nun, wir haben vor etwa einem Monat einen Infus aus be- liebigen Resten tierischer oder pflanzlicher Herkunft uns hergerichtet und seither bei mittlerer Temperatur stehen lassen. Wir nehmen nun Mikroskopische Untersuchung von Infusen. H eine Spur jener schleimigen, die Oberfläche bedeckenden Kahmhaut heraus, breiten sie auf einem Objektträger sorgfältig aus und legen ein Deckgläschen auf, wobei wir in geeigneter Weise dafür Sorge tragen, daß der Kahmhautfetzen nicht flachgedrückt wird. Nun beobachten wir das Präparat unter Anwendung starker Linsen und sehen sofort neben den toten Resten der Tiere und Pflanzen, die zur Herstellung des Tnfuses gedient haben und z. T. schon zu schier unkenntlichen Resten geworden sind, unser Präparat auch durch eine Unzahl von Mikroorga- nismen belebt. Doch es erhebt sich sofort die Frage, wodurch wir denn jene kleinen Wesen von allen möglichen toten Resten zu unter- scheiden imstande sind. Nun, offenbar an den gleichen Merkmalen, an denen man überhaupt Lebendiges von Leblosem unterscheiden kann, zumal an der Beweglichkeit, die vielen Lebewesen eigen ist, sei es, daß es sich um freie Ortsbewegung, sei es, daß es sich um Veränderungen der Körpergestalt oder um Bewegungen im Körperinnern handelt. Andere Organismen würden allerdings keine Bewegung zeigen, hier müßten wir auf die charakteristische, bei vielen Individuen wieder- kehrende Körpergestalt achten. Ein weiteres Kennzeichen des Lebens, die Stoffwechselerscheinuugen, etwa die Nahrungsaufnahme, würden wir bei bloßer Betrachtung unter dem Mikroskop nur in sehr beschränktem Maße wahrnehmen — wir kommen darauf gleich zurück. Und über- haupt wird der Anfänger im Mikroskopieren die Wahrnehmung machen, daß es nicht immer ganz leicht ist, zumal wenn es sich um äußerst kleine Formen handelt, an diesen charakteristische Merkmale zu er- kennen. Hat man sich aber erst einmal die nötige Übung in der Be- trachtung mikroskopisch kleiner Wesen angeeignet, so wird es nicht schwer werden, festzustellen, daß von den als Organismen erkannten kleinen Gebilden die einen häufiger, die andern seltener auftreten, die einen einfacher, die andern etwas komplizierter gebaut, die einen etwas größer, die andern kleiner sind. Meistens wird es uns sodann auf- fallen, daß ein und dieselbe Form sich in der Mehrzahl der F'älle in größerer Zahl, „herdenweise", zeigt — es wird später noch deutlich werden, daß das Studium solcher kleiner Wesen sich meistenteils auf Kulturen stützt, die eine große Menge von Lidividuen umfassen, wäh- rend man bei der Untersuchung höherer, größerer Wesen, sich häufig auf die jeweilige Untersuchung eines einzigen Lidividuums als Versuchs- objektes beschränken kann. Hätten wir nun unsern Infus etwas früher oder später untersucht, als wir es soeben in Gedanken getan haben, so hätten wir teilweise andere Formen beobachtet, woraus zu entnehmen, daß die zuerst auftretenden andere, und zwar im allgemeinen größere Ansprüche an die Ernährung stellen als die, welche zuletzt, wenn bereits 22 I- Einführang in die Lehre 7on den Bakterien. viele organische Stoffe niineralisiert sind, sitli einfinden. Ferner zeigen sich in einem Infus, der bei höherer Temperatur steht, andere Kk'in- lebevvesen, als in einem solchen, den wir kühl aufbewahrt haben, und in der Tiefe, wohin der Sauerstoff der Luft nicht dringt, würden sich großenteils andere Formen nachweisen lassen als oben an der Ober- fläche der Kahmhaut. Kurzum, schon eine vergleichsweise recht flüch- tige Betrachtung könnte zeigen, daß unter diesen kleinen Wesen, nicht anders als unter den größeren, jedermann vt-rtrauten, eine weit- gehende Manigfaltigkeit der Körpergestaltung und der Lebensansprüche herrscht. Würden wir nun aber einen Infus mikroskopieren, den wir durch hinreichend langes Kochen vor jeglicher Zersetzung bewahrt haben, ,,sterilisiert" haben, so würden wir in ihm keine derartige Kleinlebe- welt beobachten, auch mit den stärksten Vergrr)ßerungen kcinnten wir im besten Fall einige tote Mikroorganismen darin nachweisen. Wenn wir dann eine Spur eines in Zersetzung begriffenen Infuses dem sterilen hinzufügen, wenn wir diesen mit jenem „impfen'', oder wenn wir den sterilen Infus orten stehen lassen, ihn der ,,Lnftinfektiou" aussetzen, so wiren der Zelle; wenngleich wir den Vorgang der Di-ssimilation nicht direkt mikro- skopisch wahrnehmen können, so sind wir doch häufig in der Lage, seine Folgen zu beobachten. Wenn wir einer gut genährten, darum mit Reservestoffen vollgestopften Amöbenzelle alle Nahrung entziehen, in- dem wir sie in reines Wasser übertragen, so sehen wir, wie die Keserve- stofl'e allmählich abnehmen und die ganze Zelle abmagert. Das ist eben die Folge der Dissimilation, durch welche die genannten Stoffe zu Kohlen- säure und Wasser verbrannt werden, was nunmehr sichtbar wird, da der Ausfall durch Assimilation neuer Nährstoffe nicht mehr gedeckt werden kann. Wollten wir nun an dieser scheinbar so einfach gebauten Amöbe auf weitere Einzelheiten ihrer Organisation achten, so würde sich zeigen, daß sie in Wirklichkeit ein äußerst kompliziert gebautes Wesen ist; zu- mal der Bau und die Teilungsweise des Zellkerns birgt noch viele Fragen, die wir hier nicht einmal andeuten können. Auch ist mit der Beschrei- bung der Zelle und ihrer Zweiteilung der ganze Entwicklungsgang einer Amöbe noch keineswegs erschöpfend dargestellt. Z. B. würden wir Pflanzliche Nahrungsaufnahme. Dissimilation. Flagellaten. 19 finden, daß sie sich bei bestimmten ungünstigen Bedingungen, beim Austrocknen des Wassers, in dem sie lebt, abrundet und eine scbützende Hülle um ihr Protoplasma ausscheidet, innerhalb deren dieses ein un- sichtbares, „latentes" Leben führt, d. h. im ruhenden Dauerzustand ver- harrt. Bei Wiedereintritt günstigerer Bedingungen wird die tote Hülle gesprengt, das Protoplasma nimmt wieder seine amöboide Gestalt an kriecht umher, und die Zelle beginnt wieder sich durch Teilung zu ver- mehi'en. Es kann also die für gewöhnlich nackte Zelle auch einmal eine Haut ausbilden, man sagt, sie „encystiert" sich, sie bildet eine Cyste. In solcher Cyste ist das Protoplasma stets wasserärmer als im nackten Zustand, nämlich von einer etwa wachsartigen Konsistenz, und es ist eine durchgängige Erscheinung, daß wasserarmes Protoplasma gegen alle Unbilden widerstandsfähiger ist als wasserreiches. Nachdem wir somit gesehen haben, daß das „Erhaltungsmäßige" in den Reaktionen der lebenden Zelle gegenüber den wechselnden Be- dingungen der Außenwelt uns auch bei der Amöbenzelle klar entgegen- tritt, beschließen wir diese skizzenhafte Darstellung, um nach weiteren charakteristischen Kleinlebewesen in unserem Infus zu suchen. In sehr großer Zahl treffen wir Vertreter der sogen. Geißeliufu- sorien, Geißelpfiäuzcheyi oder Flagellaten (Abb. 4), von den Amöben schon auf den ersten Blick durch ihre weitaus lebhaftere Bewegung zu unterscheiden, in welcher Beziehung sie den Wimperiufusorien etwa ebenbürtig sind. Auch besteht die Bewegung der Regel nach nicht wie bei den Amöben in einem Kriechen am Boden, sondern in einem Schwim- men in der Flüssigkeit. Die Körpergestalt ist oft birnenförmig, das Vorderende zugespitzt, und an diesem sitzen die Bewegungsorgane, sog. Geißeln, Flagellen, d. h. ziemlich lange, meist nur in geringer Zahl, oft nur in Einzahl vorhandene Portsätze des Protoplasmas, die, schrauben- förmig rotierend, die Flagellaten in eine drehende Vorwärtsbewegung versetzen. Selten ist der Körper starr, oft zeigt er deutliche amöboide Bewegung, bei anderen Arten aber nur geringe Gestaltsveränderung (sog. Metabolie), woraus wir schließen können, daß einerseits eine starre Zellhaut nicht vorhanden ist, es sich also auch um „nackte Zellen'' handelt, andererseits doch die äußersten Lagen des Protoplasmas etwas fester als bei Amöben sind, eine sog. Pellicula (Plasmahaut, Plasma- membran) bilden, die sehr verschieden ausgestaltet sein kann. Genauere Betrachtung des Flagellatenkörpers würde uns sodann zeigen, daß es sich wiedei'um um einzellige Wesen handelt. Im Innern jeder Zelle können wir den Zellkern beobachten, daneben Safträume und Reserve- stoffe verschiedener Art, z. B. Oltröpfchen, Stärkemehlkörnchen u. a. m. Die Vermehrung erfolgt auch hier wieder durch Zellteilung. Zuerst 20 I. Einführung in die Lehre von den liakterien. teilt sich der Zellkt-ni in zwei Tochterkerue , und hierauf /erfüllt das Protoplasma durch Läiigstcilung in zwei Tochterzcllen mit je einem Kern. Nicht selten kimnen wir l)eohachteii, daß diese Längs- teilung stattfindet, nachdem die ursprünglich nackte Zelle eine be- sondere Hülle ausgeschieden hat, innerhall» deren die Teihing un- gestört vor sich gehen kann. Auch zum Schutz gegen ungünstige Außenhedingungen umgibt sich die Flagf'llatenzelle nicht selten mit einer Hülle, encystiert sich also ('l)enso wie die Amfiben. Hierbei könnte man bei Beobachtung bestimmter Flagellatenformen auch finden, Al.b. 4. Flagellat.'D. a Bodo cdax nach Klebs aus Senn in Kngle r- Tran tl, I'flanzenfamilion (Vorg. lOOOl; farb- loser FIsgeUat. h Eu'ilma ririJit nach Senn in Engler-PrantI (Vergr. luOO) ; Flagellat mit grünem, sternfönnigem ChlorophyllkOrpcr. c Chrijtamoeha railian.i nach Klcbs ans Senn in Engler-Fran tl (Vergr. lOOOi ; FlageUat mit zwei braungefarbten FarbBtofftrhgern. il Ltptomonas muscae doiifsticae nach Stein aus Senn, in K n gle r- I'r a n 1 1 , Pflanzenfamilien (Vergr. 1000); farbloser Klapcllat. Mine Zelle in 'l'eihing begriffen. daß nicht die ganze Zelle, sondern nur ein zentraler, den Zellkern einschließender Teil des Protoplamas sich mit einer Haut umgibt, •während die peripheren Teile zugrunde gehen. Man spricht dann von Sporenhildumi, genauer noch von der Bildung von Endosporeu] das ist ein Vorgang, den wir in ähnlicher Weise wieder bei Bakterien an- treffen und bei diesen genauer schildern werden. Fragen wir nun, ob eine solche Flagellatenzelle höher organisiert sei als eine Amöbe, so dürfen wir diese Frage bejahen, zweifellos wenigstens, wenn wir uns Zellteilung und Sporenbildung bei Flagellaten. Polarität. 21 auf Feinheiten im Bau der Zelle, des Kernes, der Kernteilung usw. nicht einlassen, sondern lediglich auf die äußere Gestalt der Zelle achten. Einmal darum, weil wir bei den meisten Flagellaten Vorder- und Hinter- ende deutlich unterscheiden können. Die F'lagellaten sind „polar" gebaut 5 auch die höheren Pflanzen erfreuen sich bekanntlich des Besitzes einer Polarität, sie lassen Wurzel- und Sproßpol unterscheiden, die etwa dem Hinter- und Vorderende der Flagellaten entsprechen würden. Ein wei- terer Vorzug der Flao-ellaten- vor der Amöbenzelle besteht darin, daß besondere Bewegungsorgane ausgebildet sind, während bei der Amöbe die gesamte Körperoberfläche als Bewegungsorgan dienen muß, weshalb diese auf eine festere Ausbildung der äußersten Protoplasmaschichten Verzicht leistet. Die Nahrungsaufnahme der Flagellatenzelle besteht großenteils in der Aufnahme flüssiger und gelöster Stofie, daneben kann auch tierische Nahrungsaufnahme stattfinden, z. B. werden von man- chen Flagellaten auch Bakterien gefressen. Solche feste Teilchen werden oft am vorderen Ende der Zelle verschlungen, es ist also dann ein richtiger Zellenmund vorhanden, während bei den Amöben die gesamte Oberfläche diesem Zweck dienstbar war. Alles in allem können wir sagen, daß in der Flagellatenzelle die Arbeitsteilung zwischen den Organen viel weiter vorgeschritten ist als in der Amöbenzelle, weshalb wir sie als höher organisiert bezeichnen dürfen. Amöben und Flagellaten haben wir bis jetzt ausschließlich in der Form von durchsichtigen farblosen Zellen kennen gelernt. Nun würden wir aber, selten zwar bei Amöben, recht häufig jedoch bei Flagellaten, zumal wenn wir die mikroskopische Untersuchung des Infuses erst dann vornehmen, wenn die Mineralisierung in demselben schon ziemlich weit vorgeschritten ist, auch grün-, seltener auch anderes, z. B. braungefärbte Zellen beobachten (Abb. 4, b und c). Die Färbung beruht darauf, daß sich im Protoplasma dieser Zellen in Ein- oder Mehrzahl kleine gefärbte Körperchen vorfinden, die aber nicht lediglich Reservestofife sind, son- dern ebenso wie etwa der Zellkern Organe der Zelle, die stets durch Zweiteilung sich vermehren, stets also von ihresgleichen abstammen und von den Mutter- auf die Tochterzellen übergehen. Es handelt sich um dieselben Gebilde, die wir auch in den Zellen höherer Pflanzen antreffen und die als Chlorophyllkörper oder Chlorophyllkörner (Farbstoffträger, CJiroiuatophoreii) bekannt sind, von deren Bedeutung für ihre Träger nicht nur, sondern auch für den gesamten Haushalt der Natur später die Rede sein soll. Treten solche grüne Flagellaten in großer Menge auf, und das ist dann der Fall, wenn wir unsere Infuse am Licht stehen lassen, so kann ein Infus schon dem unbeAvaffneten Auge durch und durch grüno-efärbt erscheinen. 22 I. Einführung in die Lehre von den Bakterien. Diese Färbung würde allerdings nicht bloß auf grüne Flagellaten zurückzuführen sein, vielmehr entwickeln sich mit der Zeit auch ein- zellige grüne Pllänzchen, Algen in unserem Infus, Formen, die auch draußen im Freien oft in riesenhafter Zahl vereint auftreten und jeder- mann in Form jener grünen Anflüge, Überzüge auf alten Baum- stämmen, Steinen usw. aufgefallen sind. Die Zellen solcher Algen sind rund, stäbchenförmig, oder wohl auch von komplizierterer Gestalt; sie sind beweglich oder unbeweglich, meist aber letzteres, und von den bislang betrachteten Organismen scharf unterschieden und ohne Ein- schränkung als Pflanzen zu bezeichnen, weil bei ihnen wie bei höheren Pflanzen das Protoplasma nicht nackt ist, sondern mit seinen Organen und sonstigen Einschlüssen in eine besondere Zellhaut (Zellulosehaut) eingeschlossen erscheint. Diese Zellhaut ist fast immer so deutlich, daß man sie unter dem Mikro- skope ohne Schwierigkeiten direkt sehen kann; besonders deutlich wird sie an toten Zellen, deren Inhalt zum Teil verschwunden ist. Folge dieses Umkleidetseins mit einer Zellhaut ist, daß die Zelle, obwohl ihr Protoplasma von derselben fast flüssigen Konsistenz wie etwa das einer Amöbe ist, doch stets eine bestimmte ziemlich starre, ihm von der Zell- haut aufgezwungene, für die einzelnen Arten charakteristische Gestalt aufweist. Amöboide Bewegung oder andere sehr weit- irehcnde Formänderungen fehlen bei zellhautumkleideten Zellen. Cl ^..^ / ^ Die Zellen zeigen in ihrem Protoplasma, wie üblich, I ^^^'l^ '. Zellkern, C'hlorophyllkörper in Ein- oder Mehrzahl, Vakuolen, außerdem Reservestofi'e; vor der Zellteilung teilt sieh der Kern in zwei Tochterkerne, das Proto- C\ ^-^ plasma wird durch eine zwischen beiden Tochter- ^ Abb. 5. kernen sich ausbildende Zell wand, die das Zellumen quer durchsetzt, in zwei Hälften zerlegt, und indem diese Querwand endlich sich in zwei Lamellen spal- n\ nach Wille in tct, zcrfäUt die Zelle in zwei, wiederum allseitig von j Engler- eiucr Zcllhaut umkleidete Tochterzellen. Vor der Zellteilung haben sich auch die Chlorophyllkörper an Zahl verdoppelt; jede Tochterzelle erhält den glei- chen Anteil. Häufig treten solche Algenzellen, — gleiches gilt übrigens für viele Flagellaten, — nicht einzeln, sondern zu mehreren vereint auf, indem sie Gallertmassen ausscheiden, innerhalb deren dann die Zellen liegen, oder indem die Zellen nach der Zellteilung zu Fäden aneinandergereiht bleiben (Abb. 5 b), oder auch auf andere Weise zusammengelagert bleiben (Abb. 5 a). Abb. 5. Grüne Algen. a P/etiroroccus tul'taris nach Wille in Engler- Prantl, Pflan- zonfamilien. (Vergr. 540.) b Ulot/irix :oiitita n.'Kle'bs aus Oltmanns, Algen. (Vergr. 500.) Zellfaden, der Schwärmsporenbildung zeigt. Grüne Algen. Zellkolonie. Zellenstaat. 23 Solche Vergesellschaftungen Ton Zellen, in welchen jede Zelle ebenso aus- sieht wie die andere, und eben dasselbe leistet wie die andere, nennt man ZcUkolonien im Gegensat/ /u höheren Wesen, die zwar ebenfalls viel- zellig sind, aber sogen. ZeUenstaatcn bilden, d. h. Vergesellschaftungen, innerhalb deren weitgehende Arbeitsteilung und Hand in Hand damit auch Unterschiede in der Gestalt der Zellen eingetreten sind; daß die Zellen einer Baumwurzel anders aussehen und anderes leisten als die eines Blattes, ist ja ohne weiteres einleuchtend. Übrigens würden wir auch höher entwickelte grüne Als'en in Form solcher Zellenstaaten in unserem Infus antreffen können, z. B. Algenfäden, deren basale Zellen der Anheftung der Fäden am Substrate dienen, deren Spitzen aber frei in die Flüssigkeit ragen; wir wollen sie hier aber übergehen, da sie für unsere Zwecke an Bedeutung zurücktreten, und da wir später noch Gelegenheit haben werden, in einigen höheren Pilzen kleine Zellenstaaten kennen zu lernen. Statt dessen sei noch erwähnt, daß bei vielen Algen das Proto- plasma aus der Zellhaut austreten, Geißeln bilden, und eine Zeitlang als sog. Schwärmspore nackt umherschwärmen kann, die sich dann bald wieder mit Zellhaut umgibt und sich durch Teilung vermehrt (vgl. Abb. 5b). Auf ein eigenartiges Vorkommen grüner einzelliger runder Algen, welches uns wohl in unserem Infus entgegentreten könnte, sei endlich noch hingewiesen: Nicht selten findet sich nämlich eine An- zahl solcher Algen in jenen oben ganz kurz behandelten Wimper- infusorieu eingeschlossen, und zwar nicht als verschluckte und dem Tod geweihte Nahrungsbrocken, sondern als lebendige, lebhaft sich teilende Zellen. Jene Infusorien gewähren diesen Algen also sozusagen eine Wohnstätte innerhalb ihres Protoplasmas, und zum Entgelt dafür — das werden wir erst später genau verstehen — liefern die Algen ihren Wirten Nahrung. Es scheint somit ein freundschaftliches, gegenseitiges Verhältnis zu sein, in welchem beiderlei Zellen miteinander leben — eine sog. Symh'ose, und da wir später auch im Bakterienleben Symbiosen be- gegnen werden, wollen wir hier schon auf diesen Sonderfall einer Sym- biose achten. Ob freilich das Verhältnis ein durch und durch freund- schaftliches ist, darüber kann man streiten. Vielleicht ist es richtiger, die Algen als Gefangene der Wimperinfusorien zu betrachten. Während die bislang genannten Algen etwa dieselbe Farbe auf- weisen wie die höheren Gewächse unserer Wälder und Wiesen, begegnen wir nun in unseren Präparaten zweifellos noch anders gefärbten Algen, nämlich blaugrünen, bei deren Betrachtung wir noch einen Augenblick verweilen müssen, da man zwischen ihnen und den Bakterien verwandt- schaftliche Beziehungen konstruiert hat, und da sie aus diesem Grunde für uns von ganz besonderem Interesse sind (Abb. 6). Es handelt sich ent- 24 I. Einführung in die Lehre von den Bakterien. weder um einzellige oder um koloniebildende Algen, auch Anläufe zur Bildung von Zellenstaaten linden sich; die Zellen sind stets zellhaut- umkleidet und rund oder langgestreckt oder auch noch anders geformt; Abb. 6. Blaugrüne Algen. a Aplanocapsa Casiagnei nach Kirchner in En gler-Prantl, Pflanzenfamilien. (Vergr. 575.) Kunde, in Gallerte eingeschlossene Zellen. 6 Synechocyatis aqiiatili.% nach Sauvageau a. Kirch- ner iu Engler-Prantl. (Vergr. 1000.) Kunde, z. T. in Teilung begriffene Zellen, r Cluuucoccus /u/-;/i'rf».« nachKirchner inEngler-Prantl. (Vergr. 575.) Runde Zellen in Gallerthüllen, z.T. in Teilung, d Oscillaloria limosa nach Kirchner in Engler-Prantl. (Vergr. 57:').) Zellfaden. e Flectonema ^yolIei nach Kirchner in Engler-Prantl. (Vergr. 260.) Umscheideter Zell- faden mit „gleitender Verzweigung" (vgl. späten. / Spinilina major nach Gomont a. Kirch- ner in Engler-Prantl. (Vergr. 800) Schraubig gedeckte Zellen. — Bei b, c, d, c Bchimmert in der Mitte der Zellen der „Zentralkörpor" durch, der mancherseits für ein Äquivalent des Zellkerns gehalten wird. SO hat man auch schraubenförmige Zellen nachweisen können. Sehr häufior sind die Zellen zu Fäden vereint, die auch noch in besonderen hohl- zylindrischen Hüllen, sog. Scheiden, darinstecken können. Sie sind un- Blaugrüne Algen. 25 beweglich oder beweglich, im letzteren Falle führen die Fäden eigen- artige Kriechbeweguiigen oder „pendelartige" Schwingungen aus, ohne daß ßeweguugsorgane nachweisbar wären. Über den Meclianismus dieser Bewegungen wollen wir uns hier aus guten Grüuden ausschweigen, nur soviel erwähnen, daß die Bewegung wohl mit geringen Deformationen der Einzelzellen des Fadens verbunden ist, — sehr weitgehende Defor- mation ist bei zellhautumkleideten Zellen nicht zu erwarten. Die Zell- vermehrung beruht stets auf einer Teilung, Spaltung der Zellen in zwei gleiche Tochterzellen; man hat diese blaugrünen Algen oder Cyano- phyceen danach aucb als Spaltalgen bezeichnet. Auf den sehr kompli- zierten und sehr verschieden gedeuteten Bau des Protoplasmas dieser Zellen gehen wir hier nicht ein und erwähnen nur kurz, daß der blau- grüne FarbstoJBF dieselbe Funktion hat wie der grüne der anderen Algen, und daß ferner die Frage, ob die Zellen der Spaltalgen einen Zellkern besitzen, ob sie kernlos sind, oder ob andere dem Zellkern äquivalente Gebilde vorhanden sind, noch durchaus strittig ist. Das ist für uns von Bedeutung, weil wir nachher bei Besprechung der Bakterienzelle ganz ähnlichen Kontroversen begegnen werden. Falls solche blaucrrüne Alcren massenhaft im Infus auftreten — und das kann wie bei allen anderen Algen stets nur dann der Fall sein, wenn der Infus am Licht steht — , so fallen sie, da sie gesellig aufzutreten pflegen, dem bloßen Auge bereits als blaugrüne, übrigens häufig auch etwas anders nuancierte Fetzen oder Häute auf. Als solchen begegnen wir ihnen ja auch häufig draußen im Freien an feuchten, unreinen Mauern oder ähnliehen Standorten. Haben wir nun in aller Kürze einige Algen kennen gelernt, so müssen wir uns jetzt noch jenen niederen Pflanzen zuwenden, die sich von den Algen dadurch unterscheiden, daß sie keine grüne Färbung durch Chlorophyll aufweisen, sich als Pflanzen aber, gleich den Algen, durch den Besitz einer ihr Protoplasma umschließenden Zellhaut ausweisen und darum als chlorophyllfreie Parallelgruppe zu den Algen aufgefaßt werden dürfen, nämlich den Pibeii. Vertreter derselben sind fast stets in gi-ößerer Zahl in Infusen anzutreffen, die ihnen vortreffliche Ernährungsbedin- gungen darbieten, und auch von ihnen können wir natürlich nur einige wenige der allerhäufigsten uns ansehen, und zwar wiederum in erster Linie solche, die wir später bei Behandlung der Bakterien zum Ver- gleich mit heranzuziehen haben werden. In großer Menge beobachten wir zunächst Pilzzellen von rundlich- eiförmiger Gestalt, stets unbeweglich, oft zu mehreren von etwas ver- schiedener Größe zu Verbänden vereint (Abb. 7). Die Gestalt ist starr, woraus wir schon auf den Besitz einer Zellhaut schließen können. Be- obachten können wir, ähnlich wie bei den Algen, die Haut wiederum be- 26 L EinfübruDg in die Lehre von den Bakterien. sonders leicht an abgestorbenen Zellen, deren Protoplasma zum großen Teil verschwunden ist. Da von Chlorophyllköruern nichts zu sehen ist, stellen wir diese F'orm zu den Pilzen. Im Protoplasma beobachten wir einen Zellkern, Zellsafträume und wohl auch Reservestoffe. Welche Pilze es sind, wird uns klar, wenn wir die eigenartige Vermehrungs- weise ihrer Zellen ins Auge fassen. An einer Stelle der Oberfläche einer Zelle erscheint ein kleines Kncipfchen, d. h. eine mit Protoplasma gefüllte Ausstülpung der Zellhaut, die allmählich heranwächst, bis sie ungefähr die Größe der erstgenannten Zelle erreicht hat. Xun sehen wir, daß es eine Tochterzelle ist, die auf solche Art aus der Mutter- zelle herausgesproßt ist. Wir haben sog. Sjrroßpihe vor uns. Die Tochterzelle schnürt sich entweder von der Mutterzelle ab, oder bleibt auch vorläufig mit ihr verbunden, um ihrerseits, häufig sogar schon ehe sie ganz herangewachsen ist, eine Tochterzelle heraussprossen zu lassen. So können ganze Sproßverbände entstehen. Zu diesen Sproßpil- zen — einer Habitusbezeichnung, unter welcher verschiedene Pilze zusammengefaßt werden — gehören u. a. auch die Hefepilze, welche Most zu Wein und Würze zu Bier vergären. Kommen solche Hefepilze in ungünstige Bedingungen, unter denen sie nicht weiter sprossen können, so sind sie zum Teil imstande, Sporen in ihrem ^^V r' r ^T^OO^^' ^°"®^'° auszubilden, die, meist in der Vierzahl ErklTrang^lm Text. ^^ J^^^^ '^®^^® entstehend, widerstandsfähiger sind als die Zellen, die sie ausbildeten, und somit als Dauerzellen anzusprechen sind; unter günstigen Bedingungen können sie später wieder zu sprossenden Zellen auskeimen. Es gibt eine Gruppe von Pilzen, die man als Schlauchpilze bezeichnet, weil sie in bestimmten, oft keulenförmig angeschwollenen Zellen, sog. „Schläuchen", die ihrer- seits zu mehrei-en in sog. „Schlauchfrüchten" vereinigt sein können, eine Anzahl, meist acht Sporen ausbilden. Man hält dafür, daß auch die sporen- führenden Sproßpilzzellen als Schläuche, die Sporen als Schlauchsporen anzusprechen sind, weshalb man diese Sproßpilze auch als eine besondere Abteilung der Schlauchpilze betrachtet. Wir werden später sehen, daß man zwischen den Sehlauchpilzen und bestimmten Bakterien verwandt- schaftliche Beziehungen aufzudecken versucht hat. Ebenfalls zu den Schlauchpilzen gehören nun eine ganze Zahl jener gemeinen sog. Schimmelpilze, von denen wir jetzt noch den gewöhnlichen Pinselschimmel untersuchen wollen, um so ein Beispiel für einen typi- schen Zellenstaat kennen zu lernen, d. h. wie erwähnt, eine vielzellige Sproß- und Schimmelpilze. 27 Pflanze, bei der nicht alle Zellen nach Gestalt und Funktion gleich, sondern verschiedenartig ausgebildet sind. Erblicken wir nun solchen Pinselschimmel auf unserem Infus, so fassen wir ihn mit der Pinzette, breiten ihn in einem Tropfen Wasser sorgfältig aus und betrachten ihn mikroskopisch (Abb. 8). Alsbald sehen wir, daß er aus Fäden aufgebaut ist. Diese Fäden oder Hyplicn bestehen aus aneinander- gereihten, zellhautumkleideten Zellen, in jeder Zelle sieht man das Pro- toplasma mit Zellkernen, Zellsaft und Keservestoffeu, z. B. Oltropfen. Auffallend ist, daß jede Zelle mehrere Kerne führt; wir haben also hier ein Beispiel für mehrkernige Zellen. Genauere Betrachtung der Wachs- tumsweise der Hyphen, die man in ihrer Gesamtheit auch als Mycel des Pilzes bezeichnet, würde uns darüber belehren, daß auch hier der Zuwachs durch Zelltei- lung erfolgt, daß aber die Zellen sich nach der Tei- lung nicht voneinander trennen, sondern anein- andergereiht bleiben und daß sich ferner nicht alle Zellen gleichmäßig teilen, vielmehr nur die Spitzen- zellen der Fäden. Es findet sog. Spüsentrachstum statt. Die weiter rück- wärts liegenden Zellen ha- ben Teilungs- und Wachs- tumsfähigkeit, wenigstens unter normalen Verhält- nissen eingebüßt. Die Fä- den sind nun vielfach ver- zweigt. Wir sehen , wie einzelne Zellen der Fäden seitliche Auswüchse treiben, die sich ver- längern und so zu Anlagen von Seitenzweigen werden, die sich dann ihrerseits durch Spitzenwachstum verlängern und Seitenzweige höherer Ordnung treiben können. Nun macht sich aber noch eine weitere Arbeits- teilung zwischen den Zellen des Mycels, außer der eben schon ge- nannten geltend: Die bisher beschriebenen Zellen des Pilzes sind die sogen, vegetativen, sie bauen den Körper des Pilzes auf, indem sie in dem Substrat oder diesem ziemlich dicht aufgelagert dahinwachsen und Nährstoffe aufnehmen. Andere Fäden aber, die in den Dienst der Fortpflanzung treten, erheben sich senkrecht vom Substrat nach oben, Abb. 8. Pinselschimmel nach Brefeld. (\ ergr. 150.) 28 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. verzweigen sich mehrfach wirteiförmig, so daß kleine pinselähnliche Gebilde entstehen (daher der Name des Pilzes), und die letzten Aus- zwoigungon dieser Pinsel schnüren an ihrer Spitze nacheinander eine große Zahl reihenförniig gestellter kleiner runder oder ovaler Zellen ab, die, in ungeheurer Menge gebildet, vom Winde fortgetragen werden, um an günstigen Stellen wieder zu verzweigten Pilzfäden von der so- eben geschilderten Gestalt auszuwachsen. Solche äußerlich abgeschnürte, der FortpHanzuug dienende Pilzzellen pflegt man als Cotiidien zu be- zeichnen, im Gegensatz zu den Sporen, die, wie oben gesagt, stets im Innern einer Mutterzelle entstehen. Die massenhafte Produktion solcher Conidien bewirkt, daß sich derartige Pilze „mit edler Unverschämtheit" überall eindrängen, wo sie halbwegs genügende Xahrung flnden. Die Conidien sind es auch, die dem sonst farblosen Pilz das grünlich graue Aussehen verleihen. Kurz sei noch erwähnt, daß der Pinselschimmel außer diesen Conidien auch Schlauchfrüchte hervorbringen kann, wes- halb er zu den oben genannten Schlauchpilzen zu stellen ist. Ein biologischer Unterschied zwischen ihm und sämtlichen bisher erwähnten Organismen ist aber noch besonders zu betonen: er ist, wie die Bil- dung der Conidien zeigt, dem LufÜehcn angepaßt, er entwickelt seine Conidienträger nur dann, wenn er Gelegenheit hat, sie von der Ober- fläche des feuchten Substrats, in oder an dem er wächst, senkrecht em- porzusenden in die nicht mit Wasserdampf gesättigte Luft. Alle anderen Wesen, die den Infus bevölkerten, sind, soweit wir sie erwähnt haben, im Gegensatz dazu derart organisiert, daß sie ihren ganzen Eutwick- lungsgang untergetaucht, also dauernd von Wasser umgeben, vollenden können, oder sogar vollenden müssen. Auch in dieser Beziehung darf von den bislang behandelten Organismen der Pinselschimmel als der am höchsten organisierte betrachtet werden; ist es doch ein allgemeines Gesetz, daß die höheren Wiesen sich von dem Wasserleben, das ihi'e Ahnen geführt haben, emanzipieren und dem Luftlebeu mehr und mehr sich anpassen. Außer diesem Pinselschimmel, der seinerseits in sehr vielen ähnlichen Formen auftritt, gibt es nun noch andere ihm mehr oder minder nahe verwandte Schimmelpilze, zahlreich wie der Sand am Meer. Einer der bekanntesten ist der sog. Gießkannenschimmel, so be- nannt, weil seine Conidienträger nicht pinselförmig aussehen, sondern oben keulig angeschwollen sind, von welcher Anschwellung allseitig die die Conidienketten abschnürenden Zweige ausstrahlen, so daß ein An- blick ähnlich dem der Brause einer Gießkanne zustande kommt. — Zu nennen wäre hier auch der sog. Kopfschimmel, der ebenfalls ein ver- zweigtes, mit Spitzenwacbstum begabtes Fadensystem vorstellt, aber un- gleich dem des Pinsel- oder Gießkannenschimmels aus einer einzigen. Conidien und Sporen der Pilze. 29 vielfach verästelten großen Zelle besteht. Von derselben erheben sich einzelne Zweige nach oben und tragen an der Spitze eine rundliche köpl'chenartige Zelle, innerhalb deren sich die Verl)reitungsorgane, die wir somit hier als Sporen zu bezeichnen haben, bilden. Durch Zerfließen der Wand jener kopfiirtigen Zelle werden sie frei und können dann durch Luftströmungen verbreitet werden. Ist dieser Kopfschimmel somit ganz wesentlich anders gebaut als die beiden vorhergenannten Pilze, so ge- hört er naturgemäß auch einer ganz anderen Gruppe von Pilzen an, den sogenannten Brückenpilzen, auf deren genauere Betrachtung wir aber verzichten müssen. Wir werden später davon hören, daß solche und ähnliche Pilze, wenngleich höher organisiert als Bakterien, mit diesen doch vielfach die Standorte teilen. Keime von beiden sind in der Natur stets gemeinsam vorhanden; ob Pilze oder Bakterien sich lebhafter entwickeln und das Übergewicht erhalten, hängt wesentlich von den Standortsbedingungen ab. Eine allgemeine Erfahrung ist die, daß Pilze auf sauer reagierenden Böden im allgemeinen besser gedeihen als Bakterien. Doch zeigt diese Regel, wie wir später noch hören werden, vielfach Ausnahmen. Im Fluge haben wir jetzt eine kleine Zahl der unseren Infus bevöl- kernden Mikroorganismen kennen gelernt, zum größei'en Teil waren es einzellige Wesen, zum kleineren solche, deren Zellen nicht einzeln leben, sondern zu Kolonien vereinigt sind. Nur nebenher warfen wir einen flüchtigen Blick auf einige Zellenstaaten. Soweit alle diese Lebewesen aus mit Zellhäuten umkleideten Zellen bestehen, werden sie, wie wir sahen, zu den Pflanzen gerechnet, so die Algen und Pilze. Bei den anderen Formen, die als nackte Zellen uns entgegentreten, kann man oft zweifelhaft sein, ob man sie zu den niederen Tieren oder niederen Pflanzen rechnen soll, oder ein besonderes Reich, das der Protisten, für sie schaffen, da eben in diesen unteren Regionen der organisierten Welt die Unterschiede, die bei höheren Wesen die Unter- scheidung so leicht machen, noch nicht hinreichend scharf ausgeprägt sind. So gilt auch heute noch das Wort eines hervorragenden Bota- nikers^) des vorigen Jahrhunderts, daß zu den niederen Tieren diejenigen niederen Wesen zu rechnen seien, die von den Zoologen bearbeitet werden, während zu den niederen Pflanzen diejenigen zu rechnen seien, die Untersuchungsobjekte der Botaniker darstellen. Meistens besteht die Übung, von den nacktzelligen Mikroben, die wir kennen gelernt haben, die Amöben und die Wimperinfusorien den Zooloo-en als wissenschaftliche Beute zu überlassen, die Flasellaten aber 1) Anton de Bary. 30 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. den Botanikern. Wenn die Flagellaten wesentlich von Botanikern be- arbeitet worden sind, so hat das darum seine innere Berechtigung, weil ein großer Teil derselben mit den höheren Pflanzen den Besitz des Chlorophylls teilt. Man könnte nun versucht sein, die Grenze auch so zu ziehen, daß man die grünen Flagellaten als Pflanzen, die farblosen, des Chlorophylls entbehrenden aber als Tiere verzollt. Das wäre aber ganz unnatürlich, weil man dann Organismen, die, abgesehen von diesem Unterschiede aufs engste verwandt sind, auseinanderreißen müßte. Fällt es doch auch niemandem ein, einzelne chlorophyllose Pflan- zen, die unter den höheren Gewächsen vorkommen, aus dem Pflanzen- reich hinauszuweisen oder den Pilzen die Bewertung als Pflanzen ab- zuspiechen. Alle bisher genannte und noch viele andere Wesen, die wir zweifellos bei längerem Suchen im Infus hätten antreffen können, treten nun an Individuenzahl ganz außerordentlich zurück hinter den Bakterien, welche kennen und verstehen zu lernen wir durch die bisherigen Aus- führunsren hinreichend vorbereitet sind. Es wird uns nicht schwer fallen, zwischen den bisher behandelten Kleinlebewesen noch andere zu beobachten, die durch ihre meist viel geringere Größe sowie durch ihre stattliche Zahl auffallen; das sind die Balierien; bei der Bildung der Kahmhaut entfällt auf sie der Löwenanteil, aber auch in den untersten Schichten der Infuses finden wir Vertreter von ihnen. Sie sind also keineswegs in ihrer Gesamtheit an bestimmte Sauerstoffspannungen gebunden; neben Arten, die viel Luft lieben, umfassen die Bakterien solche, die am besten bei beschränk- tem Lultzutritt gedeihen, und auch solche, die ganz ohne Luftzutritt leben. Die Gestalt der verschiedenen Bakterien ist verschieden; bald sind die Zellen von der denkbar einfachsten Form und stellten winzig kleine Kügelchen fAbb. 9 b) vor. Andere sind stäbchenförmige Zellen (Abb. 9a, a^\ die bald länger, bald küizer gestreckt erscheinen, oder aber die Gestalt ist die einer Schraube (Abb. 9 c, e); im letzteren Fall beobachten wir einen halben oder einen ganzen Schraubenumgang, oder auch deren mehrere. Bei längerwährender Beobachtung ein- und derselben Bak- terienzelle fällt uns auf, daß die Gestalt nicht etwa amöboid veränderlich in ihrem Umriß, sondern fest bestimmt ist, und schließen daraus, daß sie eine mehr oder minder starre, ihre Zellform bestimmende Außenschicht besitzt. Ob diese Außenscbicht allerdings eine besondere Zellhaut ist, die das nackte Protoplasma umgibt, oder ob die äußersten Lagen des Zellformen der Bakterien. 31 Protoplasmas selbst zu einer festeren Schicht verdichtet sind, würden wir bei der geringen Größe der Zellen ohne weiteres nicht deutlich er- kennen köuuen. (jenauere Betrachtuuo; sowie die Verwendung geeig- neter Methoden, die wir später genauer schildern wollen, lehrt, daß ersteres der Fall ist, die Bakterien somit 7a\ den pflanzlichen Mikroben gestellt werden müssen, und zwar mangels grüner Farbstoli'körper im ZeUinnern, zu den Pilzen. — Die Bakterien sind des weiteren entweder unbeweglich, oder sie tummeln sich in lebhafter Sehwimmbewegung in der Flüssig- keit umher. Schraubenbakterieu sind , günstige Bedingungen voraus- gesetzt, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle beweglich; ist ihre Gestalt doch geradezu als an drehende Vorwärtsbewegung „angepaßt'' zu bezeichnen: sie wird gelegentlich sehr anschaulich mit einem Kork- zieher verglichen, und dieser Vergleich bezieht sich nicht nur auf die Form, sondern auch auf die Funktion. Stäbchen- oder kugelförmige Bak- W^' a a^ d c e Abb. 9. Bakterien. (Vergr. ca. 750.) a und a' Stäbchenbakterien, z. T. kurz nach vollendeter Zellteilung, b Kvigelbakterien, ketten- förmig aneinandergereiht, c Kugelbakterien, zu einer Zooglora vereinigt, d Sclirauhenbakterien, jede Zeae stellt einen ganzen Scliraubenumgang dar. c Schraubenbakterieu, jede Zelle stellt einen halben Schraubenumgang dar. Piinige Zellen unmittelbar vor Bildung einer Querwand. / Stiibclienbakterien, zu Fäden aneinandergereiht; in den meisten Zellen hat sich je eine Spore gebildet. terien können entweder beweglich oder dauernd unbeAveglich sein, je nachdem diese oder jene Art vorliegt. Aber auch die beweglichen sind immer nur in bestimmten' Entwicklungsstadien und unter sonst gün- stigen Bedingungen beweglich, können uns somit samt und sonders auch in unbeweglichem Zustand entgegentreten. Außer der Schwimmbe- wegung finden wir in einigen Fällen, die sich aber nicht auf die Bakterien im engeren Sinne beziehen, auch Kriech- oder eigenartige Pendelbewe- gungen, ganz ähnlich denen, wie wir sie bei bestimmten blaugrünen Algen (S. 25) kennen gelernt haben. Nach Bewegungsorganen würden wir, falls wir lebende Bakterien untersuchen, in fast allen Fällen rergeb- lich suchen; nur wenn wir zufällig sehr große Sclirauhenbakterien vor uns hätten, könnte es uns wohl glücken, an den Polen der Zelle Geißeln wahrzunehmen, ähnlich den Flagellatengeißeln, aber feiner, und daraus 32 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. zu schließen, daß auch die übrigen freischwimmenden Bakterien mittels Geißeln sich vorwärtsbewegen. Sehr häufig zeigen die Bakterien, wie wir das früher für so viele andere einzellige Wesen kennen gelernt ha- ben, Koloniebildung. Die einzelnen Zellen der Kolonie sind entweder dicht aneinandergelagert oder aber durch reichliche Schleimmassen von- einander getrennt. Solche schleimige Bakterienkolonien heißen Zooglöen (Abb. 9 c). Kugelförmige Bakterien bilden häufig Zellketten (Abb. 9 b) oder Zellplatten, auch „warenballenartige" Pakete, nicht selten ferner auch unregelmäßige Klumpen. Stäbchenförmige Bakterien können eben- falls zu schleimigen Klumpen, Zooglöen, vereint sein, oder aber sie bilden Zellfäden, die mehr oder minder leicht in die einzelnen Zellen zerfallen können. Nicht selten kommt es auch vor, daß solche faden- artig aneinandergereihten Zellen noch von einer gemeinsamen festen Hülle, der sog. Scheide, umgeben sind, die wir bei blaugrünen Algen auch schon beobachten konnten. Man spricht dann von echten Faden- bakterien. Solch ein Faden kann wohl auch — das ist kein ganz seltenes Vorkommnis — einseitig am Substrat befestigt sein, so daß wir an ihm ein „unten" und „oben" unterscheiden können. Wie ersichtlich liegen hier die ersten, bescheidenen Anfänge einer „Zellenstaat"bildung (S. 23) vor. Schraubenförmige Bakterien pflegen in der Mehrzahl der Fälle solitär aufzutreten, oder höchstens zu kürzeren Fäden miteinander ver- bunden zu sein. Letzteres z. B. in alternden Kulturen. Sofern Bakterien in Form von Zooglöen auftreten, pflegen sie be- greiflicherweise unbeweglich zu sein. Nur in einigen Fällen hat man beobachtet, daß sich Zooglöen als Ganzes kriechend dahinwälzen. Auf den Zellinhalt: Protoplasma, Zellkern, Reservestofi^e wollen wir hier noch nicht eingehen; bei der geringen Größe der Spalt- pilze erheischt das ein genaueres Studium, dem wir uns erst später widmen können. Wie schon angedeutet, sind die meisten Bakterien imgefärbt oder doch höchstens schwach getönt. Manche Arten aber können Farbstoffe bilden, die dann die Umgebung der Zellen mehr oder minder intensiv färben, indem die Farbstoffe in Körnchenform neben den Zellen im Substrat abgelagert werden. In andern Fällen werden wasserlösliche Farbstoffe produziert und diffundieren dann in die um- gebende Flüssigkeit. Diesen „farbstoff'bildenden" stehen „farbstoff- führende" Bakterien gegenüber. Hier sind eigentlich nur die Purpur- bakterien zu nennen, bei welchen das lebende Protoplasma innerhalb der Zellhaut etwa pfirsichblütenfarben ist. In einem Heuinfus trefien wir jederzeit im Sommer, zumal wenn wir ihn stark beleuchtet haben, hauptsächlich an den am intensivsten bestrahlten Stellen, Ansamm- lungen von zahlreichen Purpurbakterien, die schon dem bloßen Auge als ZellteiluDg der Bakterien. 33 rote Fetzen oder Bodensätze auffallen, stets in einiger Entfernung von der Oberfläche. Sehr wichtig und geradezu kennzeichnend ist die Zellvermehrung bei den Bakterien, übrigens ist sie auch denkbar einfach: Es handelt sich stets um eine Teilung der Zelle in zwei gleiche Tochterzellcn, eine sog. „Spaltung", wie w^ir sie schon bei den Zellen der S})altalgen an- trafen. Daher auch der Name ^,SpaUpil2&^ für die Bakterien rührt, den wir künftighin auch gebrauchen werden; ist er doch richtiger als die Bezeichnung: Bakterien, Stäbchen, die ja nur für einen Teil der Spalt- pilze, eben die stäbchenförmigen zutreffend ist. Kugelförmige Bak- terien spalten sich in zwei gleiche Halb kugeln, die sich dann wieder abrunden. Stäbchen spalten sich durch Querteilung in zwei gleiche Tochterstäbchen, ebenso zeigen die Schraubenbakterien Querteilung ihrer Zellen. Eine Längsteilung, wie sie z. B. für Flagellaten cha- rakteristisch ist, kommt bei den Bakterien, von einigen vereinzelten, besonderen Fällen abpfesehen, nicht vor. Der genauere Modus der Tei- hing wird uns später noch beschäftigen müssen. Sobald Ernährung und sonstige Lebensbedingungen günstig sind, ist diese Querteilung bei schnell wachsenden Arten eine so lebhafte, daß etwa alle 20 Minuten bis halbe Stunden aus einer Mutterzelle zwei Tochterzellen hervorgehen können, so daß wir, selbst wenn wir die un- zutreffende Annahme machen, wir seien nicht mit sehr viel Geduld be- gabt, diesen Vorgang leicht unter dem Mikroskop beobachten können. Wenn dann die Tochterzellen in gleicher Zeit zur Größe der Mutterzelle heranwüchsen, um sich abermals zu teilen, so würden, wie ein einfaches Kechenexempel, das ein Altmeister der botanischen Bakterienkunde aus- geführt hat und das seither häufig nachgedruckt wurde, zeigt, schon nach kurzer Zeit eine ganz unvorstellbar große Zahl von Zellen aus eiuer Mutterzelle hervorgehen. Dadurch aber, daß am jeweiligen Stand- ort die Nahrung bald zu mangeln beginnt, wird alsbald die Vermehrungs- geschwindigkeit herabgesetzt, um endlich gleich Null zu werden, und erst später bei Wiedereintritt guter Ernährungsbedingungen eine end- liche Größe wieder anzunehmen. Der sog. „Vermehrungsfuß" ist also, abgesehen von der Eigenart der jeweils vorliegenden Bakterienart ganz von den jeweils herrschenden Lebensbedingungen abhängig. Werden die äußeren Lebensbedingungen nun so ungünstig, daß Zellvermehrung durch Spaltung überhaupt nicht mehr erfolgen kann, 80 bilden viele, aber keineswegs alle Bakterienarten jene Dauerorgane, die wir u. a. schon bei den Hefen antrafen und Sporen nannten: Im Innern der Zelle bildet sich meistens eine, selten mehrere Sporen aus, und sind daim leicht als gut abgegrenzte, stark lichtbrechende Gebilde Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 3 34 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. von runder oder länglicher Gestalt wahrzunehmen (Abb. 9f). Sie sind von besonderer Zellhaut umkleidet, innerhalb deren das Protoplasma ein „la- tentes" Leben führt. Meist werden die Sporen nach einiger Zeit frei, indem die Mutterzelle, die sie bildete, zugrunde geht und verschwindet. Durch starke Trockenheit, Hitze, Gifte, werden die Sporen verhältnis- mäßig wenig geschädigt, so daß sporeubildeiide Bakterien zu den am schwersten auszurottenden Wesen gehören. Wenn wir oben sahen, daß gewisse Infuse auch nach ein stund igem Erhitzen in Zersetzung geraten, so hat das seinen Grund lediglich darin, daß die Sporen einiger Bak- terienarten diesen Eingriff übi'rdauern, während alles andere abgetötet wird. Bei Eintritt günstiger Wachsturasbedingungen keimen die Sporen wieder aus, indem ihre Haut phitzt und aus dem Innern eine Zelle aus- tritt, die sich sofort durch Querteilung vermehrt und so einer neuen Bakterienvegetation den Ursprung gibt. Außer diesen Sporen bilden manche Bakterien noch andere Fortpfianzungs- und Dauerzellen aus, die aber von geringerer Bedeutung sind und uns erst später beschäf- tigen sollen. Aus den bisherigen Beobachtungen ergibt sich schon eine besonders wichtige Erkenntnis, die wir allerdings bei Besj)rechung der andern Mikroben als selbstverständlich vorausgesetzt haben: Wir sehen, daß die Tochterzellen den Mutterzellen, aus denen sie hervorgehen, stets im großen und ganzen gleichen. Schranbenl)akterien geben als Nach- kommen wieder Schraubeubakterien, stäbchenförmige wieder Stäbchen von gleicher Gestalt und Größe. Natürlich können geringe Abweichungen in der Gestalt der Tochter- von der der Mutterzelle auftreten; jene können je nach Lebensbedingungen etwas dicker, dünner, länger, kürzer sein als diese, kurzum wie alle Lebewesen sind die Bakterien form- veränderlich, variabel. Daß aber tjanz regfellos etwa Schraubenbakterieu als Nachkommen von Kugelbakterien erscheinen, oder etwa stäbchen- förmige Bakterien bald kuglige, bald schraubig geformte hervorbringen, ist ebensowenig beobachtet wie etwa die Erscheinung, daß aus einer Buchecker eine Eiche, oder aus einem Graskorn ein Veilchen sich ent- wickelt. Vielmehr sind die Bakterien wie alle andern Wesen insoweit formbeständig, daß man sie in Familien, Gattungen und Arten einteilen kaiiu, die sich auf Grund ihrer Gestalt und sonstigen Eigenschaften voneinander unterscheiden lassen. Man spricht daher von einer Familie der Kugelbakterien, Stäbchenbakterien, Schraubenbakterien, wie man von einer solchen der Veilchen-, Linden-, Malvengewächse redet; inner- halb jeder Familie unterscheidet man Gattungen, innerhalb der Gat- tungen Arten und wendet behufs Benennung der Arten die „binäre Nomenklatur" an, indem man jede Bakterie mit einem doppelten, Benennung der Bakterien. 35 nämlich Gattungs- und Artnamen belegt. So reihen wir stäbchenförmige Bakterien zum Teil in die Gattung Bacillus ein. Eine Art dieser Gat- tung wäre Bacillus carot'irum, der Möhrenbacillus. Schraubenförmige Bakterien gehören meist zur Gattung Spirilliini. Eine besonders wich- tige Art, mit der wir später Freundschaft schließen werden, ist Spiril- lum vokitaus, d. h. das sich drehende Spirillum. Handelt es sich um Halbschrauben, so nennen wir die Gattung Vibrio, z. B. Vibrio cholerae asiüticae. Kuglige Formen gehören vielfach zur Gattung Micrococcus, z. B. Micrococcus aurantiacus, der orangerot gefärbte Mikrokokkus. Dies alles diene zur vorläufigen Orientierung, bis wir später die Bakterien- systematik behandeln und dann weitere Einzelheiten der Benennung dis- kutieren müssen. Man wird sich wohl wundern, daß wir den Hinweis nicht für über- flüssicc sehalten haben, daß sich mit Rücksicht auf die eben ausgeführ- ten Fragen Bakterien ebenso verhalten und einteilen lassen, wie uns das von andern Wesen geläufig ist. Es geschieht auch nur deshalb, weil immer und immer wieder die Behauptung auftaucht, man könne schließlich jedes Bakterium in jedes andere nach Wunsch „umzüchten". Ja, es begegnen uns sogar noch in neuester Zeit gänzlich phantastische Ano-ahnn, daß man aus Aluren oder anderen Gewächsen Bakterien züch- ten könne. Falls solche Behauptungen zuträfen, wäre natürlich von der Möglichkeit einer Bakteriensy&tematik nicht die Rede. Sie treffen jedoch nicht zu, und wir werden später noch hören, wie solche Irrtümer zu- stande kommen können. Es braucht kaum betont zu werden, daß mit derartigen phanta- stischen Meinungen nicht das allergeringste zu tun haben ernste Speku- lationen und experimentelle Untersuchungen über die Stammesgeschichte der Bakterien, Forschungen über die Frage, wie sich im Lauf der Ent- wickluncv der organischen Welt auf unserm Planeten die einzelnen Bak- terienarten auseinander, bzw. aus andern Wesen entwickelt haben, ob sie sich langsam, in kurzen Zeiten unmerklich umbilden, oder ob ge- legentlich sog. sprungweise Veränderungen bestimmter morphologischer und physiologischer Eigenschaften vorkommen und sich auf die Nach- kommen vererben, oder ob beides vorkommen kann. Was darüber be- kannt geworden ist, werden wir später noch kennen lernen; hier genüge der Hinweis, daß auch auf bakteriologischem Gebiet, wie überhaupt auf botanischem sich Untersuchungen dieser Art mehr und mehr von der rein spekulativen Forschung emanzipieren und die sich aufdrängenden Fragen direkt mit Hilfe des Experimentes zu beantworten trachten. In der Bakteriologie ist das um so notwendiger, als uns in dieser Frage die Paläontologie der Bakterien fast ganz im Stiche läßt. * * 3* 36 !• Einführung in die Lehre von den Bakterien. Kehren wir nun, nachdem wir uns ganz kurz über die Gestalt und den Entwickhingsgang der Bakterien orientiert haben, wieder zu unsern Infusen zurück, um uns die Lebensweise der Spaltpilze noch etwas näher zu bringen: Solche Infuse oder andere organische Massen, das haben wir vorhin festgestellt, werden durch viele Kleinlebewesen zer- setzt, die sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verscliaffen; den Hauptanteil daran aber haben die Bakterien. Im Kampf ums Dasein, den sie mit andern Wesen, ihren Konkurrenten, ausfechten müssen, sind sie offenbar recht günstig gestellt; wegen ihrer schnellen Vermehrung pflegen sie. in großer Zahl als numerisch überlegener Feind aufzutreten. Gelangen sie in ungünstige Bedingungen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß von so vielen Lidividuen stets eine nicht unerhebliche Zahl die schlimmen Zeiten überdauert. Besonders gut werden in dieser Be- ziehung die Formen, welche Sporen bilden können, daran sein, wegen der gewaltigen Widerstandskraft dieser Organe. Wir erinnern, um uns die Kampfkraft der Bakterien näher zu bringen, ferner an die Tatsache, daß viele Bakterien auch ohne Luft leben können, und dürfen hinzufügen, daß die chemische Einwirkung der Bakterien auf ihre Umgebung recht kräftig ist; viele, vielleicht fast alle, scheiden Gifte aus, die ihre Feinde schädigen; wirken doch die gefährlichen Krankheitserreger unter den Bakterien derart, daß sie den von ihnen befallenen Körper vergiften und endlich töten. Allerdings kann auch oft genug, zumal an be- schränkten, gut umgrenzten Standorten der Fall eintreten, daß sie sich selbst durch ihre eigenen Stoffwechselprodukte schädigen — „"^er andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein"; — so ist, um nur ein Bei- spiel hierfür zu nennen, das sich auf Heuinfus bezieht, und von dessen erstem bakteriologischen Untersucher ^) schon festgestellt wurde, bekannt, daß bestimmte säurebildende Bakterien durch diese Tätigkeit ihr Sub- strat so stark ansäuern, daß sie selbst schließlich zurückgedrängt werden und Schimmelpilzen das Feld räumen müssen, die solcher Säuerung meistens besser widerstehen können als Bakterien. So sieht man denn stets bei der Zersetzung organischer Stoffe verschiedene Mikrofloren und -faunen aufeinander folgen, nicht eine Form dominiert während der ganzen Zeit, sondern jede hat einen Höhepunkt („Hoch-zeit'^) ihrer Entwicklung, um nach diesem durch andere abgelöst zu werden: aber gerade diese Höhepunkte der Entwicklung werden dadurch ermög- licht, daß zu bestimmten Zeiten bestimmte Formen ihre Feinde aus dem Feld schlagen und unterdrücken, und die Waffe, mit deren Hilfe sie dies tun, ist eben häufig Ausscheidung von Giften, die ihnen, jeden- 1) Ferdinand Colin. Metabiose; Kampf ums Dasein. Enzyme. 37 falls zunächst weniger schaden als ihren Feinden; wenn wir später die Gärungen behandeln, werden wir auf diese Fragen zurückkommen müssen. Aus unseren mikroskopischen Betrachtungen, die wir oben in Gedanken ausführten, ging hervor die Tatsache eines Zusammenlehens vieler Mikroben in Infusen oder an ähnlichen Standorten. Aus dem eben Gesagten geht weiter hervor, daß neben diesem Zusammenleben auch ein Nacheinanderleben bestimmter Organismen und Vergesellschaftungen von Organismen zu beobachten ist, eine sog. „Metabiose'^ Daß den Bakterien der Kampf ums Dasein ebensowenig erspart bleibt wie anderen Wesen, lehrt uns übrigens auch die direkte mikro- skopische Beobachtung: Wir haben gesehen, wie Bakterien von Orga- nismen mit tierischer Nahrungsaufnahme, z. B. Amöben, Wimper- infusorien oder Flagellaten, in großer Menge verschluckt und verdaut werden. Manchmal kann man sehen, wie sie in den Zellsafträumen des Protoplasmas solcher „Fresser" einige Zeit noch beweglich bleiben, bis sie endlich absterben und verschwinden, d. h. assimiliert werden. Übri- gens darf man sich, wenn man sich den erbitterten Kampf, der in solcher Kleinlebewelt tobt, recht eindringlich vor Augen führen will, natürlich nicht einbilden, daß die genannten Bakterien etwa als geschlossene Phalanx ihren Feinden s;effen übertreten, — denn daß die Wissenschaft sie als geschlossene Gesellschaft den andern Mikroben gegenüber stellt, kümmert sie herzlich wenig, — vielmehr bekämpfen sich auch die ver- schiedenen Bakterienarten nicht minder lebhaft, ja sogar die Individuen derselben Art und machen sich die Nahrung streitig, zumal wenn diese spärlich zuströmt. — Hier müssen wir nun gleich noch ein kurzes Wort über die Nahrungsaufnalime der Bakterien einschieben, wollen anders wir die Rolle der Bakterien bei derartigen Zersetzungen ganz würdigen. Als Pflanzen können die Bakterien nur gelöste Stoffe ins Innere ihrer Zeilen aufnehmen und verwerten. Stoffe, die nicht durch ihre ZeUhaut hindurchdiff'undieren können, scheinen ihnen unzugänglich zu sein. Nun bestehen aber tierische und pflanzliche Reste zum großen Teil aus unlöslichen Stoffen; dies gilt, um nur die wichtigsten zu nennen, von den meisten Eiweißkörpern, von der Zellwandsubstanz der Pflanzen und vielen andern mehr. Wenn nun die Bakterien solche Stoffe andern Wesen einfach überlassen müßten, so könnten wir uns nicht vorstellen, mit welchem Recht wir ihnen vor andern Wesen den Hauptanteil an der Zerstörung organisierter Massen zuschreiben durften. Nun scheiden aber die Bakterien, ebenso wie sie Farbstoffe oder Gifte produzieren, auch gewisse andere Stoffe aus, man nennt sie „Enzyme", welche im- stand sind, unlösliche Stoffe in lösliche zu überführen und so dem Bakterienprotoplasma zugänglich zu machen. Bestimmte Bakterien 38 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. scheiden z. B. ein Enzym aus, das die pflanzliche Zellhaut in lösliche Zuckerarten überführt; andere Enzyme führen unlösliche Eiweißstoffe in wasserlösliche Produkte über, noch andere verwandeln Stärke in Zucker. Dadurch, daß Bakterien, welche solche Enzyme produzieren, den zu lösenden Stoffen häufig sich dicht anlagern, erreichen sie, daß die gelösten Stoffe in erster Linie ihnen selbst zugute kommen. In zweiter Linie allerdings auch solchen Wesen, die in Gemeinschaft mit ihnen leben und die Befähigung zur Bildung solcher Enzyme nicht haben, unter Umständen sogar ihren Feinden. So kann die Produktion von Enzymen ein wichtiges Moment werden für das Zustandekommen jener oben skizzierten Metabiose, indem die einen Organismen den andern „die Stätte bereiten". Denn die Befähigung zur Bildung von Enzymen ist nicht derart ausgel)ildet, daß alle Bakterien alle Enzyme bilden können, vielmehr herrscht auch in dieser Beziehung weitgehende Arbeitsteilung. So kommt die Fähigkeit, Zellulose zu zerlegen und löslich zu machen, nur bestimmten Bakterien zu. — Durch diese kurze Bekanntschaft, die wir mit den Enzymen gemacht haben, und die sich später zu einem genaueren Kennenlernen auswachsen wird, sind wir in der Lage, zu verstehen, wie die Spaltpilze auch wasserunlfisliche Stoffe sich zu eigen machen können, ohne auf eine schützende Hülle für ihr Protoplasma verzichten zu müssen. Wir haben uns nun noch einer Frage zuzuwenden, die früher in bakteriologischen Darstellungen einen breiten Kaum einzunehmen pflegte, heutigentages aber nur ganz kurz erörtert zu werdeii braucht. Woher gelangen die Bakterien und andern Kleinlebewesen in unsere Infuse? Nun, wir wissen, daß sie von ihresgleichen abstammen, von Zellen oder Sporen, allgemein gesagt von Keimen, die z. T. den in Zersetzung gera- tenen Massen von vornherein anhafteten, um bei Wasserzutritt zu neuem Leben zu erwachen. Daß sie z. T. auch aus der Luft, aus dem Wasser stammen, haben wir schon früher gehört. Im Infus entwickeln sie sich nun nach Maßgabe ihrer Ernährung, ihrer wesentlich davon abhängigen Kampfkraft mit Feinden, um dann endlich wieder im Daseinskampf zu unterliegen, zu sterben oder Dauerzustände einzugehen und in Form dieser zu ruhen, bis ein neuer Morgen tagt. Die früher vielfach ver- tretene Lehre von der „Urzeugung'', die besagte, daß aus toten Resten sich Kleinlebewesen entwickeln könnten, ist verlassen, seitdem sich ge- zeigt hat, daß beim sorgfältigen Ausschluß von Keimen solcher Wesen Jieinerlei Lebenstätigkeit sich zeigt. Wenn man diese Erfahrung ge- Urzeugung. 39 legentlicb so ausdrückt: die Lehre von der Urzeugung sei widerlegt, so sagt man natürlich mehr, als man behaupten darf, widerlegt werden kann eine solche Lehre natürlich niemals, da man nicht beweisen kann, daß es nicht doch einmal gelingen wird, Bedingungen zu schaffen, unter ■welchen Lebendiges sich aus Leblosem entwickelt. Doch unterlassen ■wir es, diese PVagen, die uns in unserer augenblicklichen Aufgabe doch nicht fördern würden, hier weiter auszuspinnen, und begnügen wir uns mit der sicheren Erfahrung, daß überall, wo Urzeugung behauptet ■wurde, nachweislich ein Irrtum unterlaufen war. Weun man früher aus der Erfahrung, daß selbst längere Zeit gekochte Massen doch noch in Zer- setzung geraten, auf Urzeugung schloß, so wissen wir jetzt, daß die ■wahre Erklärung in der enormen Widerstandskraft der Bakteriensporen zu suchen ist oder in ungenügendem Schutz gegen natürliche Infektion von außin. Ebensowenig ■wie ■wir die Frage nach der Urzeugung bindend be- antworten können, -wissen wir, wie die ursprünglichsten Organismen auf der Erde ausgesehen haben mögen, sei es, daß sie auch heutigen- tages noch entstehen, sei es, daß sie vor undenklich langen Zeiten auf- tauchten. Wenn wir diese Frage hier streifen, so geschieht das nur deshalb, weil man wohl gesagt hat, lediglich so „einfach^' gebaute Wesen -wie die Bakterien könnten die ersten Wesen auf unserm Planeten gewesen sein, und -weil wir die Gelegenheit ergreifen wollen, derartigen Aussprüchen entgegenzutreten. Die Bakterien sind keineswegs primitiv gebaut, selbst der Bau und zumal die Leistungen der Zelle des schein- bar einfachsten Kugelbakteriums bergen zahlreiche Rätsel, wie später noch deutlich werden wird, und außerdem ist zu bedenken, daß die Leistungen der Bakterien, soweit wir dieselben bislang kennen gelernt haben, die Existenz anderer Wesen voraussetzen; leben Bakterien doch von deren Resten. Die fraglichen Urbakterien müßten mindestens ganz andere Ernährungsweise gehabt haben als diejenigen, die wir bisher belauscht haben und die das Gros derselben darstellen; sie müßten sich annähern einer kleinen Gruppe von Spaltpilzen, die wir erst am Schluß dieses Kapitels kennen lernen werden und die durch die Ein- fachheit ihrer Ernährungsweise ausgezeichnet sind, indem sie ohne orga- nische Stoffe zu leben vermögen. Da uns aber alle und jede Unterlage fehlt, um etwas Genaueres über diese Fragen aussagen zu können, wollen wir sie hier nicht weiter behandeln. Die Paläontologie hat nach- weisen können, daß Bakterien bereits im Devon gelebt haben. — Im Zusammenhang mit den eben behandelten Fragen hat man auch das Problem zur Diskussion gestellt, ob die hypothetischen Ahnen unserer Bakterien noch kleiner, vielleicht außerordentlich viel kleiner 40 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. gewesen' seien als diese, und ob es wohl auch heutigentages uoch klei- nere Bakterien, ])esser gesagt Lebewesen gebe, als die Wissenschaft sie bis heute keimen gelernt hat, so klein, daß man sie selbst mit den stärksten Mikroskopvergrößerungen kaum oder nicht mehr wahrnehmen kann. Die Berührung dieser Frage gibt uns den erwünschten Anlaß, nun noch Angaben zu bringen über die Größe der Bakterien, nachdem OD ' wir uns bis jetzt in allgemeinen Ausdrücken über ihre geringen Dimen- sionen bewegt haben. Wir wählen, wie das in der biologischen Mikroskopie üblich ist, als Längeneinheit den tausendsten Teil des Millimeters, der mit /u be- zeichnet wird. Es zeigen uns dann Messungen, die wir mittels geeig- neter Instrumente anstellen, daß viele Kugelbakterien durchschnittlich einen Durchmesser von nur 1 fi haben. Li selteneren Fällen steigt er auf etwa 2 oder gar 5 /i, größere Formen sind nur ganz vereinzelt nachgewiesen worden. Auch die Stäbchen sind von ähnlichen Dimen- sionen: solche, die einen Durchmesser von 2 ^ haben, sind schon als sehr stattliche Formen zu bezeichnen, ein Durchmesser von 3 — 4 //. ist schon als große Seltenheit zu betrachten. Meistens beträgt er etwa 1 ^. Die Länge der Stäbchen ist verschieden, bald sind sie doppelt, bald fünf bis zehmal so lang als ihr Durchmesser, 3 — 6 (i werden als Durchschnittszahlen angegeben. Genauere Angaben über diesen Punkt folgen später. Unter den Schraubenbakterien hat man verhältnismäßig große Formen nachgewiesen. Das sehr häutige Sjn- rillum volutans ist 2 — 3 /t dick, die Zelle umläuft 2'% — S'/g Windungen, und die Höhe jeder Windung beträgt etwa 6^2 i'^- Noch größer sind andere Schraubenformen, z. B. das sog. Sjyirilhim colossus}) In ganz be- stimmten Fällen, bei den Schwefelbakterien, die uns später noch eiu- gehend beschäftigen werden, hat man ganz gewaltige Kiesen gefunden, so Fadenbakterieu, deren Durchmesser bis 50 ,u betragen kann. Daß man solche Riesen schon mit bloßem Auge sehen kann, liegt auf der Hand. Diese Angaben über die Größe von Bakterien mit durchschnitt- liehen Körpermaßen und über auffallend große Bakterien genügen vor- läufig. Fragen wir nun aber nach den Zahlen, die als Maße für die kleinsten angegeben werden. Die Erreger der Influenza sind Stäbchen von gut 1 ^ Länge und knapp Vg ^' Durchmesser. Der Erreger der Mäuseseptikämie, Sact. nmrisepHcum , soll u. a. nur 1 a lang und 0,2 — 0,3 ^i breit sein. Ein Spirillum imrvum, das wir nachher noch zu erwähnen haben, soll bei 1 — 3 u Länge einen Durchmesser von nur 1) Errera, L., Rec. de l'Iustit. bot. Bruxelles, 1902, Bd. 5, S. 347. Dimensionen der Bakterienzellen. 41 0,1 — 0,3 ,a aufweisen. Es muß aber einleuchten, daß derartige Angaben mit srroßem Mißtrauen entge(jen7Ainehmen sind, wenn wir hören, daß man mit Hilfe unserer gewöhnlichen Mikroskope unter den üblichen BeleuchtungsverhäUnissen (Hellfeldbeleuchtung) mit Licht von mittlerer Wellenlänge zwei Punkte nur dann als getrennt erkennen kann, wenn ihr Abstand mindestens 0,25 ^ beträgt. Die kleinsten Bakterien, die man mit gewöhnlicher Mikroskopbeleuchtung überhaupt noch hat sehen können, ohne ihre Form erkennen zu können, sind die Erreger der Lungenseuche des Rindviehs. Andere Krankheitserreger sind so klein, daß man sie nicht hat wahrnehmen können, und so bleibt es natürlich ganz fraglich, ob es Bakterien sind. Dies gilt z. B. für die Erreger der Maul- und Klauenseuche. Der Inhalt der Blasen an Maul und Füßen ist frei von sichtbaren Mikroben, und doch kann man durch ihn nach Filtrieren und Verdünnunof die genannte Infektionskrankheit übertragen. Allerdings bleibt hier immer noch die Möglichkeit, daß keine Mikro- organismen, sondern giftige, unorganisierte Stoffe, d. h. Stoffwechsel- produkte eigener Art, die Krankheitserreger sind, wie das auch für be- stimmte Infektionskrankheiten von höheren Pflanzen als sehr wahr- scheinlich gelten darf. Wie dem nun auch sei, es lag offenbar nahe, die Frage zu erörtern, ob vielleicht unter der Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit liegende minimale Bakterien, ganz abgesehen von etwaigen Krankheitserregern, recht häufig seien, und man hat die experimentelle Losung dieser Auf- gabe auf folgende Weise versucht. Ein Mittel, um Flüssigkeiten frei von Bakterien und andern Mikroorganismen zu machen, besteht dariu, daß man sie durch dichte Filter gießt, und dies Mittel wendet man stets an, wenn man die betr. Flüssigkeit nicht durch Erhitzen sterilisieren will oder kann, z. B. dann, wenn bestimmte Flüssigkeiten sich beim Erhitzen zersetzen würden. Da Papierfilter natürlich viel zu weite Poren haben, um für diesen Zweck zu taugen, wendet man Filter aus andern Massen, z. B. Porzellanfilter an, sog. Kerzen, durch welche man die Flüssigkeit, Sie man sterilisieren will, saugt oder preßt. Die Por- zellanmasse hält dann die Keime von durchschnittlicher Größe zurück, und das Filtrat ist steril. Es wurden nun ^) die verschiedensten In- fusionsflüssigkeiten durch solche Filter hindurchgeschickt, ohne daß es gelungen wäre, nachher Zersetzungs-, Trübungs- oder analoge Erschei- nungen in den Filtraten nachzuweisen, welche darauf hätten schließen lassen, daß unsichtbar kleine Wiesen die Porzellanmasse passiert hätten. Nur jenes für uns noch sichtbare Spirülum parvum konnte in derartigen 1) V. Esmarch, K., B. C. 1. Gr., 1902, Bd. 32, S. 561. 42 !• Einführunof in die Lehre von den Bakterien. P'iltraten nachgewiesen werden. Auch neuerdings^) in dieser Richtung angestellte Versuche verliefen negativ, die Filtrate blieben steril, ob- wohl sie unter möglichst wechselnden Bedingungen, z. B. mit wie ohne Sauerstoffzutritt, gehalten wurden, um solchen hypothetischen unsicht- baren Wesen möglichst alle denkbaren Existenzbedingungen zu bieten. Dies Ergebnis muß eigentlich als ein unerwartetes bezeichnet werden, da man schlechterdings keinen Grund dafür erkennen kann, warum die kleinsten existierenden Lebewesen gerade eben noch mit Hilfe des Mikroskops sichtbar sein sollten. Nicht ohne Grund hat man darauf hingewiesen, daß es möglicherweise doch solche Organismen gebe, diese aber nur unter ganz bestimmten, uns noch unbekannten Bedingungen zum AVachstum zu bringen seien. Die bisher erwähnten Untersuchungen und Größenmessungen von Bakterien wurden ausgeführt mit Hilfe der gew(")hnlichen mikroskopi- schen Betrachtungsweise, bei welcher die zu untersuchenden Objekte dunkel auf hellem Grund im Gesichtsfeld erscheinen. Nun verwendet man schon seit geraumer Zeit die sog. ,, Dunkelfeldbeleuchtung", bei welcher umgekehrt die zu studierenden Objekte hell auf dunkeln) Grund erscheinen, was derart erreicht wird, daß die Abbildung des Objekts ausschließlich durch solche Strahlen erfolgt, welche im Objekt abgebeugt werden; eine direkte Wirksamkeit der beleuchtenden Strahlen muß dabei ausgeschlossen werden, was durch verschiedene Einrichtungen erreicht werden kann, die wir ebensowenig schildern wollen, als wir auf die Beschreibung des Mikroskops überhaupt eingegangen sind.^) Beobachtung bei Dunkel- feldbeleuchtung hat den Vorteil, daß man noch Objekte wahrnehmen kann, die bei der üblichen ,,Hellfeldbeleuchtung" unsichtbar sind, näm- lich solche, deren Durchmesser weniger als 0,2 ju betragen. Sie er- scheinen als helle, runde „Beugungsschei beben"; nur an diesen ist die Existenz solcher kleiner Gebilde zu erkennen, während die Form der- selben nicht wahrzunehmen ist, da eine genaue geometrische Abbildung nicht erfolort, wie wir sie bei Hellfeldbeleuchtuno; und dem Studium größerer Objekte gewohnt sind. Alle Gebilde, deren Durchmesser kleiner ist als 0,2 {i, werden als „Ultramikronen" bezeichnet; lassen sie sich als Beuo;uno:sscheibchen mittels Dunkelfeldbeleuchtunj? sichtbar machen, so heißen sie „Submikronen", sind sie noch kleiner, und zwar kleiner als etwa 0,05 (i, so heißen sie „Amikronen", die überhaupt nicht mehr nachweisbar sind. Um diese letzteren haben wir uns nicht zu kümmern. 1) Cano, ü., B. C. I. Or., 1909, Bd. 49, S. 78. 2) Vgl. Gaidukov, N, Dunkelfeldbeleuchtung und ültramikroskopie Jena 1910. Probien. Submikroben. 43 sondern nur die Frage anfznwerfen, ob man mittels Dunkelfeldbeleuch- tuug, mittels sog". ,, ultramikroskopischer" Betrachtung lebendige Sub- niikrouen nachweisen kann, d. h. kleine Wesen, die zu klein sind, um bei gewöhnlicher mikroskopischer Beobachtung in die Erscheinung zu treten. Diesen Fragen sind einige Forscher nachgegangen, und man hat im weiteren Verfolg derselben nicht nur die Frage aufgeworfen, ob man mittels Dunkelfeldbeleuchtung Wesen nachweisen könne, die den hypothetischen Ahnen unserer Bakterien gleichen, sondern sogar noch die viel kühnere, ob man nicht auch kleine Gebilde nachweisen köime, die den Übergantj zwischen lebendiger und lebloser Materie darstellen, sog. Probien, deren Existenz man schon früher aus theoretischen Grün- den gefordert hatte. Solche Übergänge — das sei hier zwischenge- schaltet — sich vorzustellen, möchte allerdings recht schwer halten, da ja die Grenze zwischen „lebend'^ und „leblos^^ sehr scharf gezogen ist, mag es noch so schwer halten, in wenigen Worten zu definieren, wodurch sich beide Zustände nun eigentlich unterscheiden. Die Frage nun, sind Submikroben nachweisbar? wird verschieden beantwortet. Es gibt Forscher ^), welche behaupten, solche submikro- skopische Lebewesen seien nicht selten, vielmehr weit verbreitet, in fau- ligen Eiweißlösungen, an und sogar in andern Mikroorganismen, z. B. Flao-ellaten, leicht nachweisbar und durch amöboide Gestaltsverände- rung sowie durch Eigenbewegung als lebend zu erkennen. Nachunter- suchungen ^) haben aber dies Resultat nicht bestätigen können, viel- mehr konnte man alle kleinen Wesen, die das Ultramikroskop gezeigt hatte, auch bei gewöhnlicher Beleuchtung unter Anwendung starker Linsen erkennen und als kleine Bakterien bestimmen. Dagegen sind nun von der andern Seite wieder Einwendungen gemacht worden, da- hin lautend, daß man selbst bei Benutzung gewöhnlicher Mikroskope und üblicher Beleuchtungsvorrichtungen an die Grenze der Dunkelfeld- beleuchtung komme, ferner daß das Vorhandensein von Submikronen vollkommen feststehe und es oft schwierig, ja unmöglich sei, hier lebend von tot, Submikroben von Submikronen zu unterscheiden. Gegen die Häufigkeit submikroskopischer Bakterien ist nun aber auch folgende Überlegung ins Feld geführt worden^): Wir haben oben gesehen, daß nicht selten Bakterien in Form von so großen Kolonien vorkommen, daß man sie mit bloßem Auge erkennen kann, und werden noch hören, daß man, zumal auf den künstlichen, gallertigen Nährböden 1) Gaidukov, N., a. a. 0., dort Lit. 2) Molisch, H., Bot Ztg. 1908, Bd. 66, S. 131; ferner Id., Verein z. Verbrtg. naturw. Kenntnisse Wien 1910. 3) Molisch, H., a. a. 0. (1908). 44 I- Eioführung in die Lehre von den Bakterien. der Bakteriologen solcte Kolonien besonders schön ausf^ebildet findet. Submikroskojjische Bakterien würden nun, wenn sie existierten, wohl auch in Form solcher Kolonien auftreten, und falls sie einijiermaßen verbreitet wären, auch nicht selten angetroffen werden als mit bloßen Augen leicht kenntliche Punkte, die aber mit Hilfe des Mikroskops bei Hellfeldbeleuchtung nicht in die einzelnen Zellen aufgelöst werden könnten. Trotz eifrigen Suchens hat man aber bis jetzt nie solche Kolonien aufgefunden, deren einzelne Zellen man bei Hellfeldbeleuch- tung nicht hiitte nachweisen können. Gegen die Beweiskraft dieser Tatsache läßt sich allerdings wie gegen die der oben geschilderten Fil- trierversuche einwenden, daß vielleicht bei Darl)ietung ganz anderer Kulturbedingnngen, als wir sie gewöhnlichen Bakterien bieten, derartige Kolonien von Subbakterien oder Submikroben wachsen würden. Und weiter ist noch dagegen eingewendet worden \), daß doch auch jene gallertigen Nährböden aus toten Submikronen bestehen, und gleichwohl klar und durchsichtig sein köinien, und sich ebensogut aucli Kolonien von Submikroben der Beobachtung mit bloßem Auge entziehen könnten. Alles in allem werden wir der Anschauung derjenigen Forscher recht geben müssen, die bestimmt leugnen, daß der sichere Nachweis von Submikroben gelungen sei. Das ist der Stand der Frage nach dem Vorkommen von Submikroben oder Subbakterien. Auf Grund interessanter theoretischer Erörterungen hat mau nun weiter sich die Frage vorgelegt, ob solche Submikroben, falls sie überhaupt vorkommen sollten, nur verhältnismäßig wenig kleiner sind als die kleinsten bisher bekannten Wesen, oder ob sie möglicherweise ganz außerordentlich viel geringere Dimensionen auf- weisen könnten. Folgen wir ganz kurz diesen Diskussionen! Ein Mensch ist etwa eine Million mal so groß als die bekannten Bakterien von mittlerer Größe; falls es nun unsichtbare, ja unvorstellbar kleine Bakterien geben sollte, die sich in ihrer Größe zu den bekannten Spaltpilzen ebenso verhalten, wie diese zum Menschen — ein derartiger eine Million mal so kleiner Mikrokokkus als die bekannten würde einen Durchmesser von 0,05 /i haben, also gerade eben noch bei bester Dunkel- feldbeleuchtung als Beugungsscheibchen sichtbar sein — so könnten sie höchstens aus etwa 1000 Eiweißmolekülen aufgebaut sein, für welche man ja auch eine Mindestgröße anzunehmen gezwungen ist. Und man hat ausgeführt^), daß es unwahrscheinlich sei, daß solch minimales, aus verhältnismäßig so wenig Molekeln bestehendes Gebilde noch alle die 1) Gaidukov, N., a. a. 0. 2) Errera, L., Rec. de Tinst. bot. L. Errera, 1906, T. 6, S. 73. Verhältnis vom Aufbau zum Abbau. 45 Eigenschaften zur Scliau tragen, sich ebenso entwickeln, auf die Ein- wirkungen der Außenwelt reagieren könne, als wir es von lebendigen Wesen gewohnt sind. Eine von anderer Seite ausgeführte Berechnung führt zum selben Ergebnis.-^) Sie besagt in leidlicher Übereinstimmung mit der eben wiedergegebenen Berechnung, daß ein Mikrokokkus von 0,1 ^u Durchmesser höchstens etwa 30000 Eiweiß- und 10000 Schwefel- moleküle enthalten könne, und schließt, daß die kleinsten de facto vor- handenen Wesen wohl kaum kleiner sein könnten, daß es also Orsra- nismen, deren Durchmesser kleiner sei als etwa 0,1 fi, wohl nicht geben dürfe. Hoffen wir von der Zukunft bündige Beantwortung solcher Fragen. Wir kehren nun nochmals endgültig zu unseren Infusen zurück, um zunächst noch einen Punkt klar zu stellen: Wer unsern früheren Ausführungen aufmerksam gefolgt ist, wird vielleicht unschwer einen Widerspruch in denselben entdeckt haben. Während wir von Gärung, Fäulnis, Verwesunor als von gewaltigen Zersetzung-en und Zerstörungen organischer Stoffe sprachen, war bei Besprechung der diese Fäulnis und verwandte Erscheinungen bewirkenden Mikroben vorzüglich von Zell- vermehrung, also von Aufbau organischer Stoffe die Rede, denn aus solchen hauptsächlich bestehen ja die neugebildeten Zellen. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich folgendermaßen. Es charakterisiert sich der Stoffwechsel dieser Kleinlebewelt ganz ebenso wie der aUer anderen Lebewesen als ein dauerndes Ineinandergreifen von Aufbau und Abbau, wie, um das nächstliegende Beispiel zu nennen, unser eigener Stoffwechsel sich darstellt als ein Zusammenspiel von Aufbau von Körpersubstanz aus der Nahrung, und Abbau, Zerstörung derselben durch die Atmung, welch letztere die Kraft für jenen Aufbau liefert. Nun ist aber für die Bakterien und verwandte Wesen, ganz im Gegen- satz zu höheren Pflanzen charakteristisch, daß der Abbau von Stoffen den Aufbau ganz außerordentlich überwiegt, so sehi*, daß der letztere für den Gesamtkreislauf der Stoffe in der Natur schier ganz vernach- lässigt werden kann; theoretisch natürlich aber nie vernachlässigt werden darf und in bestimmten Fällen, z. B. auch bei typischen Gärungen leicht beobachtet werden kann; zeigt sich doch z. B. nach Beendigung der Verffäruno; von Most durch Hefen am Schluß stets ein beträcht- lieber Bodensatz, die „Hefe", bestehend aus ungezählten Hefezelleu, die sich im Lauf der Gärung entwickelt haben aus den wenigen zu Beginn 1) Bert hold, G., Nachr. d. K. Ges. d. Wiss., Göttingen, 6. Nov. 1909. 46 I- Einführung in die Lehre voa den Bakterien. im Most vorhandenen. So wird natürlich auch in unsern Infusen wäh- rend der Fäulnis viel orpjanischer 8toff in Form einzelliger Wesen auf- gebaut, dadurch aber, daß die Masse der Mikroorganisiuen gegenüber der Masse der zerstörten Pflanzen und Tiere stark in den Hintergrund tritt, außerdem die zuerst gebildete Mikroflora und -fauna von den später auftretenden Kleinlebewesen zum großen Teil wieder aufgezehrt wird, dadurch endlich, daß die Mikrobenzellen nach dem Tod der sog. Au- tolyse (vgl. S. 12) verfallen, d. b. durch ihre eigenen Enzyme angegriffen und teilweise geh'ist werden, macht der ganze Vorgang eben durchau.sden Eindruck einer Zerstörung. Mit vollem Recht nennt darum die Wissen- schaft die Bakterien und ihre Konsorten auch. „Totcufjräbcr der Ichendif/en Natur", wenngleich ihr ganz genau bekannt ist, daß sie durch ihre Zell- vermehrung auch Leben aufbauen. Tritt uns doch auch bei Infektions- krankheiten höherer Wesen der Verfall des Körpers weit augenschein- licher entgegen als die massenhaften Bakterien, die den Körper vor und nach dessen Tod überschwemmen. Wenn also neben einer meistens Lreriimfügitren aufbauenden Tätig- keit die Zerstörung organischer Masseji das Lebenswerk von Bakterien ist, und wenn sich an solcher Zerstörung auch alle andern \\'esen, so- weit ihr abbauender Stoffwechsel in Frage kommt, beteiligen, wie kommt dann der Kreislauf der Stoffe zuwege, von dem wir sprachen; wie werden, so können wir auch sagen, die vergasten und mineralisierten Endpro- dukte der Fäulnis wieder in organische Körper rückverwandeltV Stellen wir unsern Infus nach beendeter Fäulnis ins Dunkle, so wird nichts weiter erfolgen, ein Kreislauf der Stoffe findet unter diesen Umständen also nicht statt. Damit dieser eifolge, muß noch eine andere Kraft in Wirksamkeit treten, nämlich die Kraft der Sonnenstrahlen. Im Lichte, so sahen wir, entwickeln sich massenhaft grüne Flagellaten und Algen, Pflänzchen, deren Keime den zum Infus benutzten Stoffen anhafteten, die Fäulnis überdauerten und sich nunmehr lebhaft ver- mehren, um so lebhafter, je mehr die Fäulnisbakterien zurücktreten; und diese grünen Mikroben verstehen es, wie alle grünen Pflanzen, die Kraft der Sonne dazu auszunutzen, um aus Mineralstoö'en, nämlich den bei der Fäulnis gebildeten anorganischen Salzen und der Kohlensäure, die organischen Stoffe ihrer Zellen aufzubauen. Man könnte auch sagen, die grünen Pflanzen seien die Maschinen, deren sich das Sonnenlicht bedient, um einen Teil seiner strahlenden Energie in die chemische Energie zu verwandeln, die in den organischen Stoffen, welche Bau- steine der Zellen sind, aufgestapelt wird, um beim Verbrennen oder anderweitigen Zerstören derselben wieder in Form von Wärme in Frei- heit gesetzt zu werden, und welche sich also die Bakterien und alle von Bedeutung der grünen Pflanzen f. d, StofiFkreielauf. 47 PHanzeii direkt oder indirekt lebendenWesen, und das sind alle, die auf Erden existieren, zu nutze machen. Neben diesem aufbauenden Stoff- wechsel haben die grünen Pflanzen wie alle andern Organismen auch ihren abbauenden; auch die grüne Pflanze atmet, aber bei ihr über- wiegt der Aufbau den Abbau so gewaltig, daß andere Wesen sich die durch diesen Aufbau gebildeten Stofi'e za nutze machen können und sich zur Nahrung dieneii lassen. Wir wollen nun in Gedanken das Bild des Stofi'kreislaufes in un- serm Infus weiter zeichnen: gleichzeitig oder auch etwas später als die grünen Pflänzchen würden wir auch kleine Tierchen auftreten und sich vermehren sehen, die von jenen leben, bis sie nach einiger Zeit an Nahrungsmangel zugrunde gehen, worauf sich wieder Bakterien breit machen; es beginnt wieder Fäulnis jener kleinen Tier- und Pflanzen- leichen, soweit letztere nicht von ei'steren gefressen Avaren, und damit ist der Kreislauf geschlossen. Ebenso geht es ja auch draußen im Freien zu, mit dem Unterschied, daß dort neben die kleinen Tierchen und Pflänzchen unserer Infuse die großen Tiere und Pflanzen treten und sich ganz wesentlich am Stoff kreislauf beteiligen. Und noch etwas ist zu bemerken. Die Phasen dieses Kreislaufs folgen einander nicht so einfach, wie wir das ge.schildert haben, tatsächlich geben sie vielfach nebeneinander her, derart, daß an einigen Orten, z. B. auf Wiesen, in Wäldern, in klaren Wässern, der Aufbau überwiegt, während gleich- zeitig, aber räumlich getrennt, an anderen Standorten von Lebewesen, z. B. an Stellen, an welchen der Wind das tote Laub zusammenweht oder Tierleicben faulen, in der Tiefe von Sümpfen usw., der biologische Stotiabbau sicli im höberen Maße geltend macht. Daß ferner durch Wechsel der Außenbedingungen, durch Beleuchtungswechsel, Wechsel der Jahreszeit der Kreislauf der Stofi'e im weitgehendsten Maße beein- flußt werden kann, ist eine allbekannte Tatsache. Das Problem des Stofi'kreislaufes kann nun zum vollen Verständnis noch von einer andern Seite angefaßt und beleuchtet werden. Während der Fäulnis, des Abbaues, also auch während der Atmung wird Sauer- stoff verbraucht und gebunden, die endlich entstehenden Fäulnisprodukte, seien es die Mineralsalze, sei es die Kohlensäure, sind somit vollkommen mit Sauerstoff' gesättigt, „total oxydiert", und diese total oxydierten Produkte dienen dann der grünen Pflanze zur Nahrung. Damit sie aus denselben ihren Leib wieder aufbauen kann, muß aber der Sauerstoff ihnen zum großen Teil wieder entrissen werden, sie müssen „reduziert" werden, wie der Chemiker sagt. Stoffaufbau deckt sich also häufig mit Reduktion, ebenso wie Stoö'abbau mit Oxydation zum Teil identisch ist. Zur Reduktion gehört aber Energie, und als solche verwenden die 48 I- Einführung in die Lehre von den Bakterien. grünen Pflanzen eben die des Sonnenlichts. Daß bei dieser Reduktion, unsern Ausführungen gemäß, Sauerstoff entbunden und in Freiheit ge- setzt wird, kann man ja bekanntlich leicht beobachten: grüne Pflanzen scheiden im Licht Sauerstoff aus, und auch im Infus können wir be- obachten, wie von den grünen Pflanzenmassen, die sich darin entwickeln, kleine Sauerstoffbläschen nach oben steigen, wenn das Sonnenlicht sie trifft. So stellt sich als wichtiges Glied jenes Kreislaufs auch der Kreislauf des Sauerstoffs heraus. Durch die grüne Pflanze im Licht aus ihren mineralischen Nährstoffen, vor allem der Kohlensäure, frei ge- macht, gelangt er in die Atmosphäre, um durch Atmung und Fäulnis- prozesse wieder gebunden zu werden, worauf das Spiel von neuem be- ginnt. So sind die grünen Pflanzen nicht nur als Bildner organischer Stoffe, sondern auch als Sauerstoff'lieferauten von Bedeutung für die gesamte Lebewelt. Wir wären am Ende, wenn wir nicht noch eines Punktes gedenken müßten. Wir haben von den schließlichen Fäulnisprodukten als von total oxydierten Stoffen geredet, und das trifft auch für die meisten zu. Immer- hin wollen wir uns jetzt noch der Tatsache erinnern, daß bei der Fäulnis, soweit wir sie oben geschildert haben, auch einige andere, noch nicht ganz oxydierte Produkte entweichen. So entsteht, wie wir sahen, außer der vollständig oxydierten Kohlensäure an Gasen noch Wasserstoff, Sumpf- gas, Schwefelwasserstoff". Diese müssen erst noch oxydiert werden, ehe sie der grünen Pflanze wieder als Nährstoffe dienstbar werden, Wasser- stoff zu Wasser, Sumpfgas zu Kohlensäure und Wasser, Schwefelwasser- stoff zu Schwefelsäure, die dann als schwefelsaures Salz im Boden den Wurzeln höherer Pflanzen wieder zur Verfügung steht. Außerdem ist daran zu erinnern, daß bei der Fäulnis der Eiweißkörper und ver- wandten Stoffe der Stickstoff zum größten Teil in Form von Ammo- niumsalzen frei wird, und daß diese Salze zwar der grünen Pflanze als Nahrung dienen können, daß aber doch die vornehmste Stickstottquelle derselben die salpetersauren Salze sind, die erst durch Oxydation aus den Ammoniumsalzeu entstehen. Wie kommen nun alle die genannten Oxydationen zustande, die erfolgen müssen, damit der Stoökreislauf in jeglicher Hinsicht geschlossen wird? Die Chemie lehrt uns, daß sie auch ohne Intervention des Lebens erfolgen können, für uns ist aber im höchsten Maße beachtenswert, daß bestimmte Bakterien imstande sind, den Wasserstoff, andere das Sumpfgas, noch andere Schwefel- wasserstoff, endlich wieder andere die Ammoniumsalze zu oxydieren. Auch hat sich ermitteln lassen, zu welchem Ende sie das tun. Sie be- nutzen die bei diesen Oxydationen frei werdende Energie in gleicher Weise wie die grünen Pflanzen die Energie der Sonne: zum Aufbau Bakterielle Oxydation von Mineralstoifen ; Stickstoffbindung. 49 ihrer Leiber aus Kohlensäure und Mineralsalzen. Ganz anders als die Bakterien, die wir vorhin in unsern Infusen kennen lernten, bedürfen sie somit zu ihrer Ernährung keiner organischen Stoße; sie bedürfen aber auch des Sonnenlichtes nicht, da sie ja nur chemische und nicht auch strahlende Energie verwerten. An Bedeutung für den Gesamtkreis- lauf der Stoffe, zumal mit Rücksicht auf die Bildung organischer Substanz, stehen sie hinter den grünen Pflanzen ganz außerordentlich zurück, weil die Menge organischer Substanz, die sie in ihren kleinen Leibern bilden, nur gering ist. Außerdem wird, da sie durch Oxydation, oder was das- selbe ist, durch Sauerstoffverbrauch ihren Energiebedarf decken, kein überschüssiger Sauerstoff frei in ihrem Stoffweclisel. Ungeachtet des enormen wissenschaftlichen Interesses, das ihr Stoffwechsel darbietet, bleibt also doch der Satz zu recht bestehen, daß die Bakterien, in ihrer Gesamtheit betrachtet, Totengräber der lebenden Natur sind. Noch ein Gas, das ebenfalls bei Fäulnisprozessen frei wird, haben wir früher bereits genannt, den Stickstoff, dabei auch daraufhingewiesen, daß dieser in Gasform für die meisten Wesen „indifferent", d. h. un- brauchbar ist, so wertvoll auch seine Verbindungen sein mögen. Wie wird nun der freie Stickstoff' in Bindung zurückgeführt und so der Lebe- welt als Nährstoff wieder zugänglich? Das kann durch rein chemische Prozesse geschehen, z. B. durch die elektrischen Entladungen in der Atmosphäre;' es ist allbekannt, daß auch der Mensch neuerdings im großen Maßstab elektrische Kraft dazu benutzt, um aus gasförmigem Stickstoff Stickstoffverbindungen zu schaffen, die als Düngemittel Ver- wendung finden. Hier haben wir nur der Erscheinung zu gedenken, daß bestimmte Bakterien imstande sind, Stickstoff zu binden-, d. h. ihn aus der Atmosphäre aufzunehmen und ihre Leiber mit Hilfe dieser Stick- stoffquelle aufzubauen. So bringen sie ihn also in Formen, in welchen er auch anderen Wesen nutzbar sein kann, die ihn selbst nicht als Nährstoff verwenden können. Die Bakterien, die freien Stickstoff' ver- arbeiten können, nennt man stickstoffyixierende Balderien. In großen Zügen hätten wir hiermit den Kreislauf der Stoffe er- ledigt und werden, wenngleich vieles nur allzuflüchtig hat berührt werden können, doch einen Eindruck von dem gewaltigen Anteil der Bakterien au diesem Kreislauf gewonnen haben. Es wird nun nach diesen bisherigen, mehr skizzenhaften Ausfüh- rungen unsere Aufgabe sein, das Bild vom Bau und Leben der Bakterien auf den folgenden Blättern mit etwas festeren Strichen aufzuzeichnen. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 50 n. Die Eulturmethoden der Bakteriologie. Kapitel IL Die Kulturiiiethoden der Bakteriologie. Nachdem die bisherigen Ausführungen uns gelehrt haben, daß die Bakterien chlorophyllfreie PHanzen, also Pilze sind, die man als Spalt- pilze bezeichnen kann, um die Art und Weise ihrer Zellverniehrung zu kennzeichnen, daß sie ferner, wie andere Lebewesen auch, in zahlreiche Arten (Spezies^ von verschiedener Gestalt und Lebensweise eingeteilt werden kiinnen, gilt es nunmehr die genaue Erforsehung dieser Gestalt und Lebensweise zu versuchen. Vorher müssen Avir aber in Gedanken eine nicht immer ganz leichte Aufgabe im vorliegenden Kapitel zu er- ledigen trachten. Wie niiin sich durch Ansetzen verschiedener Infuse oder auf ähnliche Weise Bakterien im bunten Artendurcheinander ver- schaffen kann, wissen wir jetzt. Wie man aber die verschiedenen Arten trennen und getrennt voneinander, in sog. .,BrinluUiir" weiterzüchten und untersuchen kann, das müssen wir nun noch zu ermitteln suchen. Auf die Erledigung dieser Aufgabe — auf die wir au diesem Ort, wie kaum l)etont zu werden braucht, nur nach ihrer theoretisch-prin- zipiellen Seite eingehen, ohne eine ins einzelne gehende Behand- lung derselben zu bieten und ohne damit Anweisungen zu ihrer prak- tischen Ausfülirnng geben zu wollen*), darf der Bakteriologe offen- sichtlich nicht verzichten. Ebensowenig wie der Botaniker, der mit höheren Ptianzen arbeitet, davon absieht, sich für seine Versuche reines Aussaatmaterial zu verschaffen, ebensowenig wie der nach wissenschaft- lichen Grundsätzen arbeitende Landwirt, um die Ansprüche seiner Pflanzen an die Bodenart und so die Ertragsfähigkeit seiner Acker zu ermitteln, diese mit einem Gemisch verschiedener Samen besät, ebenso wenig dürfen Bakteriologen sich damit begnügen, bei ihren Unter- suchungen lediglich mit einem Gemisch verschiedener Arten zu arbeiten. Für mikroskopische Studien, d. h. für die morphologische Untersuchung der Zelle, ferner zur Feststellung des Entwicklungsganges kann man 1) Der Leser findet solche z. B. bei Küster, E., Kultur der Mikroorganis- men, Leipzig u. Berlin l'.»07; Meyer, A., Praktikum der botanischen Bakterien- kunde, Jena 1903, und Richter, Osw., Bedeutung der Reinkultur, Berlin 1907. Reinkultur. 51 zwar häufig auf die Herstellung und Verwendung von Reinkulturen verzichten und wird das im Interesse der Zeitersparnis nicht selten tun^ doch ist dabei Voraussetzung, daß man sich durch dauernde mikro- skopische Kontrolle vor Irrtümern schützt und eine Klippe, die zumal den Bakteriologen gefährlich werden kann, umschifft, versehentlich ver- schiedene Arten zu einer einzigen zusammenzuwerfen. Jeder Versuch aber, in die physiologischen Eigenarten der verschiedenen Formen tiefer einzudringen, scheitert oder wird doch unendlich erschwert, wenn man auf die Verwendung von Reinkulturen freiwillig verzichtet oder aus irgendwelchen Gründen verzichten muß. — Um nun die Methodik der bakteriologischen Reinzucht leichter zu erfassen, dürfte es sich emp- fehlen, zuerst zu fragen, wie der Botaniker sich Reinzuchten hoch orga- nisierter Pflanzen verschafft, um sodann festzustellen, wodurch die Me- thoden der Bakteriologie sich davon unterscheiden und unterscheiden müssen. Reinkulturen höherer Pflanzen sich zu verschaffen, scheint auf den ersten Blick nicht schwer zu sein. Man kann ja ihre Samen oder Früchte mit Händen greifen, was mit der einzelnen Bakterienzelle nicht gelingt, kann sie aussäen und während des Wachstums vor Unkraut schützen. Solche Kulturen genügen zwar für viele Zwecke, Reinkulturen sind es aber noch nicht. Um sich solche in einwandfreier Weise zu ver- schaffen, müßte man vielmehr die Samen erst vorher durch Einlegen in Giftlösungen von Bakterien und andern Mikroben, die der Samenschale stets in großer Zahl anhaften, befreien, und zwar derart, daß das Gift zwar die Bakterien tötet, aber nicht ins Innere eindringen und den Keimling abtöten kann.^) Alsdann müßte man die Samen nach geeig- neter Entfernung des Giftes in längere Zeit gekochtem, so keimfrei ge- machtem Wasser quellen lassen, sie in Böden aussäen, die man gleich- falls durch langes Erhitzen steril gemacht hat — natürlich kann es sich dabei stets nur um Topfversuche, nicht um Feldversuche handeln. — Dann müßte man Topf nebst Pflanze dauernd unter Glasglocken halten, durch welche man Luft nur durch Glasröhren leitet, in Avelche man be- hufs Zurückhaltung von Luftkeimen sterile Wattebäusche einlegt, man. müßte endlich während der ganzen Versuchszeit nur mit ausgekochtem Wasser begießen und würde trotzdem seine liebe Not haben, unbeabsich- tigte Infektion zu vermeiden. Erfüllt man diese Forderungen, so arbeitet man mit Reinkulturen in des Wortes gewöhnlicher Bedeutung. Streng genommen muß man aber noch weiteren Bedingungen genügen: Wenn man auch äußerlich noch so sorgfältig fremde Keime ausschließt, so ist 1) Schroeder, H., B. C. II, 1910, ßd. 25, S. 492. 52 II- I^ic Kulturmethoden der Bakteriologie. man doch wegen der Möglichkeit der Fremdbestäubung und der Bastar- dierungserscheinungen, die bei vielen höheren Pflanzen vorliegt, nicht sicher, ob man mit „reinem Blut'' arbeitet; ist der Samen auch äußer- lich rein, so kann in ihm doch unvermuteterweise fremde „Erbmasse" darin stecken und sich später nach dem Auskeimen manifestieren. Will man diese Fehlerquelle vermeiden, so muß man Pflanzen wählen, deren Aszendenten mau durch möglichst viele Generationen hindurch vor Fremd- bestäubung geschützt hat, oder, falls möglich, noch besser und einfacher solche, die sich stets nur durch Selbstbestäu])ung fortpflauzen, bei denen also geschlechtliche Vermischung verschiedener Erbmassen un- möglich ist. Und endlicli noch ein Punkt, den man beachten muß. Will man mit einer größeren Zahl von Vertretern ein und derselben Pflanzenform , sagen wir z. B. der „Feuerbohne", viele Vergleichs- versuche anstellen, und verwendet Samen, die der Systematiker als zugehörig zur Art: J'/iascahis mnltiflorus bezeichnet, so ist man gleich- wohl nicht sicher, daß man in seinen Versuchsreihen wirklich mit einer einzigen Form arbeitet, daß also die Versuchsreihen wirklich streng vergleichbar sind , weil solcbe Arten de facto aus mehreren nebenein- ander herlaufenden, zwar sehr ähnlichen, aber doch nicbt ganz gleichen Ahnenreihen, sog. „Linien" bestehen,, oder, wie man sich auch ausdrückt, eine „Po])ulation" darstellen. Wirklieb vergleichl)are\'ersuch9i*eihen wird man immer nur dann erhalten, wenn man mit Vertretern einer einzigen „Linie" arbeitet, die man sich verschaÖ't, indem man lediglich Nachkommen einer einzigen Mutterpflanze zu seinen Versuchen benutzt. Dann ar- beitet man mit einer „reinen Linie"; d. h. vollkommen vergleichbarem Material, das einer einzigen Eizelle entstammt. Zweifellos wäre es nun das Ideal, stets mit solchen reinen Linien zu arbeiten, um so mehr, als wir hören, daß „vielleicht viele miteinander difi"erierende Angaben, z. B. in reizphysiologischen Arbeiten auf die Verwendung von Sippen mit erblich verschiedenem physiologischen Verhalten, oder auf die Ver- wendung einer Population an Stelle einer reinen Linie zurückzuführen sind".^) De facto ist das aber vielfach nicht eben nötig, sogar undurch- führbar, und würde zu zeitraubend sein. In vielen Fällen kann sich der Ernährungsphysiologe z. B. damit beguügen, Bakterien möglichst fern zu halten, wobei er nicht immer so rigoros zu verfahren braucht, wie oben geschildert, und erst nach Ermittelung bestimmter Gesetzmäßig- keiten der Frage nachgehen, ob andere „Linien" anders reagieren als diejenigen, die er untersucht hat. Und umgekehrt wird der Vererbungs- physiologe häufig zunächst darauf sehen, reine Linien zu benutzen und 1) Correns, C, Zeitschr. f. Bot., 1910, Bd. 2, S. 537. Reine Linien. 55 unbekannte, fremde Erbmasse fernzuhalten, ohne befürchten zu müssen, daß einige seinen Pflanzen anhaftende oder im Boden, in dem sie wur- zeln, sich entwickelnde Bakterien seine Kreise stören. Was nun im Vergleich damit unsere Bakterien angeht, so können wir gleich vorwegnehmen, daß in jeder Bakterienzelle „reines Blut" vor- lieo-t, Gefahr einer Bastardienmg ist hier nicht vorhanden: wir werden nämlich später noch hören, daß Geschlechtlichkeit bei Bakterien bisher noch nie nachgewiesen worden ist, jedenfalls keine derartigen Ge- schlechtsprozesse, bei welchen sich die Nachkommen verschiedener Zellen mischen. Um so wichtiger ist es, dafür zu sorgen, daß man mit reinen Linien arbeitet, denn die Grenzen zwischen den Bakterienarten sind vielfach schwer zu bestimmen, und alles, was z. B. unter der Flagge „fluoreszierender Wasserbazillus" segelt, kann trotz großer Ähnlichkeit bei oberflächlicher Betrachtungsweise doch durchaus verschieden sein. Eine Hauptsache, so werden wir schließen, ist es also, stets seine Kul- turen von einer einzigen Mutterzelle abzuleiten. Hat man solche Kul- turen erzielt, so pflegt es, von ganz komplizierten Versuchsbedingungen abgesehen, nicht sehr schwer zu sein, fremde Keime fernzuhalten, d, h. Infektion seiner Kulturen zu vermeiden. Auf technische Schwierigkeiten pflegt vielmehr zunächst nur das Problem zu stoßen: Wie isoliert man eine einzige BakterienzeUe, um sie zum Ausgangspunkt einer Kultur zu machen, da man sie ja wegen ihrer geringen Dimensionen nicht mit Händen greifen kann? Halten wir uns der größeren Anschaulichkeit halber gleich an einen konkreten Fall und nehmen wir an, wir wollten uns aus unserm Heu- infus eine Reinkultur irgendeiner der von uns darin beobachteten Bak- terienarten verschaffen. Da würde es zuerst darauf ankommen, eine ge- eignete Nährlösung herzustellen, und die Tatsache, daß die betreffende Art im Heninfus gedeiht, würde uns hier den Weg weisen, zuerst eine Portion sterilen Heninfus zu bereiten. Wir filtrieren zu diesem Behuf etwas Infus, um eine möglichst blanke Lösung zu erhalten. Da, wie wir oben gehört haben, durch die Poren des P'iltrierpapiers Bakterien mit hindurchgehen, müssen wir nun diese Lösung noch sterilisieren, am einfachsten durch hinreichend langes Kochen. Sollte sie dabei trüb werden, so muß sie abermals filtriert und sterilisiert werden. Das Kochen führen wir aus, indem wir den Infus auf mehrere Glaskölbchen verteilen, diese mit einem W^attepfropfen verschließen und längere Zeit erhitzen. Durch die Watte kann beim Kochen Dampf ungehindert ent- weichen, beim Abkühlen dringt die Außenluft durch dieselbe wieder ein, wird aber filtriert und so keimfrei gemacht. Solch steriler Infus bleibt dann beliebig lange klar. Alsdann entnehmen wir dem Ursprung- 54 II- Die Kulturmethoden der Bakteriologie. liehen Infus ein kleines, von Bakterien wimmelndes Tröpfchen, am besten mittels eines in einen Glasstab eingeschmolzenen, ausgeglühten Platin- drahtes, und übertragen es in eines der mit sterilem Infus gefüllten Kölb- chen, wir „impfen" den Infus. Nun untersuchen wir ein Tröpfchen des- selben, das wir nach gründlichem Umschwenken, wiederum mit der Platinnadel, entnommen baben, mikroskopisch. Finden wir in jedem Tropfen mehr als eine Bakterienzelle, so haben wir für unsere Zwecke zu reichlich beimpft und wiederholen den Versuch, indem wir eine et- was größere Portion des sterilen Infuses mit einem gleichgroßen Tröpf- chen impfen. Finden wir jetzt bei mikroskopischer Betrachtung, daß nun in jedem zweiten Tropfen eine einzige Bakterienzelle sich befindet, so übertragen wir nunmehr in eine ganze Zahl Kölbchen mit sterilem Infus je einen derartigen Tropfen. Wenn alles gut gegangen ist, so haben wir oöenl)ar auf diese Weise die eine Hälfte der KcUbchen mit einer einzigen Zelle beimpft, die andere Hälfte muß aber steril bleiben und wird von uns zur Kontrolle weiter l)eobachtet; sie muß dauernd klar bleiben, in der ersten Hälfte der Kölbchen aber muß sich über kurz oder lang eine von je einer Zelle abstammende Bakterienvegetation ent- wickeln, schon dem bloßen Auge durch Trübung, Kalimhautbildungusw. erkennbar. Jetzt sehen wir auch ein, warum wir zu Anfang darauf hiel- ten, daß der sterile Infus durchaus klar ist: Man kann schon mit un- bewaffnetem Auge erkennen, ob er wirklich steril ist und bleibt oder nicht, während man das in Flüssigkeiten, die von vornherein trüb sind, nicht ohne mikroskopische Beobachtung beurteilen kann. In solcher oder dodi ähnlicher, wie ersichtlich recht umständlicher Weise sind die ersten Heinkulturen, die sich die Forscher überhaupt verschafft haben, entstanden. Will man die Methode verfeinern und gänzlich einwandfrei gestal- ten, so kann man auch die Vegetation unter dauernder mikroskopischer Kontrolle aus einer Zelle sich entwickeln lassen. Dann bringt man, nachdem man den sterilen Infus beimpft hat, und zwar beispielshal])er so reichlich, daß sieh in jedem Tröi)fchen desselben je eine Bakterien- zelle befindet, eines dieser Tröpfchen auf ein durch die Flamme gezo- genes und so sterilisiertes Deckgläschen, kehrt es geschwind um und legt es auf einen sterilen Glasrinji, der in der Mitte eines ebenfalls ste- rilen Objektträgers festgekittet ist. Durch Vaselinverschluß sorgt mau dafür, daß der Tropfen nicht verdunstet. Nun haben wir einen soge- nannten ,, hängenden Tropfen", in dem eine Zelle sich vorfindet, wovon wir uns natürlich durch mikroskopische Beobachtung sofort überzeugen. Wir können das Präparat nun einfach unter dem Mikroskop liegen lassen und etwa jede halbe Stunde betrachten. So sehen wir, wie die Einzellkultur. 55 Zelle sich teilt, und da der Infus für sie eine gute Nahrung ist, bald schon eine ganz stattliche Zahl von Nachkommen hervorgebracht hat (vgl. S. 33), so daß das Tröpfchen sich nach kurzer Zeit stark trübt. Dann können wir von diesem Tröpfchen in ein mit sterilem Infus ge- fülltes, mit Wattepfropf verschlossenes Kölbchen überimpfen. Diese Methode ist ganz sicher, da wir offensichtlich etwaige andere Bakterien- zellen oder sonstige Mikroben, die sich vielleicht neben die eine, auf die es uns ankommt, „eingeschlichen" haben sollten, unbedingt beobach- ten würden, und den Versuch als mißlungen ausmerzen könnten. Haben wir uns nun auf die eine oder andere Weise eine solche „EinzellJiidtur" verschafft — so nennen wir jede Kultur, deren Zellen no- torisch von einer MutterzeUe abstammen — , so wird man aus dieser von Zeit zu Zeit in neue, sterile Nährlösungen überimpfen und sich auf diese Weise beliebig lange Zeit von einer einzigen Zelle hergeleitetes, lebens- kräftiges Material vorrätig halten. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß man bei allen Überimpfungen und ähnlichen Manipulationen aufs sorgfältigste darauf zu achten hat, daß nicht etwa aus der Luft Keime in das Gefäß fallen und so die Kultur „verunreinigen". Oft empfiehlt es sich, zu diesem Zweck einen sog. sterilen Kasten zu verwenden, d. h. einen Glaskasten, in den man reichlich Wasserdampf hineinleitet, der dann beim Abkühlen sich niederschlägt und so aUe Keime aus der Luft niederreißt. Der Kasten besitzt seitliche Klappen, durch die der Experi- mentator seine Hände einführt und nun Offnen der Kulturkolben, Über- impfen usw. im vollkommen sterilen Raum vornimmt. Auch hat man in besonders für bakteriologische Zwecke eingerichteten Laboratorien ganze sterile Zimmer, in denen die Luft auf gleiche Weise keimfrei ge- macht wird und deren Wände und Boden mit Sublimatlösungen abge- waschen werden; in diesen ist ein ganz zuverlässiges Arbeiten möglich. Im allgemeinen wird man allerdings beobachten, es sei denn, daß man in ganz besonders stark verseuchten Räumen zu arbeiten gezwungen ist, daß Luftinfektionen — von Sonderfällen, etwa dem Arbeiten in engen Laboratorien auf Schiffen, die wissenschaftliche Expeditionen tragen, abgesehen — weniger zu fürchten sind als Infektionen, die da- her stammen, daß man Glasgefäße, Nährlösungen, Instrumente, Hände usw. nicht sorgfältig genug keimfrei gemacht hat. Die Wattepfropfen der Gefäße, das sei noch betont, müssen vor jedem Offnen der Gefäße abgeflammt werden, da sich an diesen Stätten begreiflicherweise mit Vorliebe Keime ablagern. Auch ist zu beachten, daß solche Wattepfropfen zwar für Bakterien uudurchgängig sind, daß aber Schimmelpilze vermöge des Spitzenwachstums (S. 27) ihrer Hyphen durch sie hindurch wachsen können bis hinab in die Nährlösung, so- 56 U- I^ie Eultunuethoden der Bakteriologie. bald ihre Sporen oder Konidien auf die Watte falleo und dort genügend Feuchtigkeit zum Auskeimen finden. Darum ist es gut, die Watte- pfropfen durch einige Tropfen Sublimatlösung o. ä. zu vergiften. Das oben geschilderte Reinkulturverfahren ist nun zwar ein sehr sicheres, es bedarf jedoch kaum des Hinweises, daß seine Durchführung sich oft recht schweißtreibend gestalten wird; es ist schon deshalb sehr zeitraubend und in vielen Fällen überhaupt undurchführbar, weil man es ja ganz dem Zufall überlassen muß, welche von den vielen im Infus nebeneinander lebenden Arten man in Gestalt einer einzigen Zelle im hängenden Tropfen erhält, und wenn man z. B. eine bestimmte Art, die man vorher mit andern untermischt mikroskopisch gesehen hat, züchten will, so gilt es, eine sehr große Zahl von Einzellkulturen anzusetzen, bis einem der Zufall die gewünschte Art vielleicht zuführt — vielleicht auch nicht. Bequemer untl einfacher ist nun die zurzeit ganz allgemein be- kannte und geübte Verwendung gallertartiger NährbcUlen, die man her- stellt, indem man die Nährlösung, z. B. Heuinfus, mit etwa lÜ'/j, Gelatine versetzt und sodann nach Filtrieren durch Erhitzen sterilisiert. In der Wärme flüssig, gesteht dieser Nährboden nach dem Erkalten zu einem Gelee, um bei mäßiger Erwärmung wieder flüssig zu werden. Man bringt nun in eine Portion solchen sterilen, durch mäßiges Erwärmen verflüssigten Nährbodens, die sich in einem sterilen, mit Watte ver- schlosseneu Kölbchen, Keagensglas usw. aufbewahren läßt, eine Spur bakterienhaltiger Flüssigkeit, mischt sorgfältig durch Umschwenken und gießt in eine flache, mit übergreifendem Deckel versehene Glas- schale („Petrische Doppelschale") aus, die man vorher durch längeres Erhitzen im „Trockenschrank" auf 150 Grad keimfrei gemacht hat. Bald erstarrt die Gallerte in flacher Schicht, und nun wird die Doppel- schale, unter einer Glasglocke gegen Staub geschützt, sich selbst über- lassen. In ihr finden sich nun die einzelnen Bakterienzellen, ge- trennt voneinander an bestimmte Stellen gebannt vor; bald vermehren sie sich, indem sie den mechanischen Widerstand, den die Gallerte ihnen entgegensetzt, überwinden, und es entsteht an jeder Stelle, wo zu Anfang eine Zelle lag, je ein mit bloßem Auge sichtbares Pünktchen, weiß, gelblich oder von anderer Färbung, das allmählich heranwächst und u. ü. recht stattliche Dimensionen annehmen kann. Mikroskopische Beobachtung würde uns zeigen, daß jedes Pünktchen aus einer großen Zahl von Bakterienzelleu besteht, erwachsen aus der einen, die an der betreffenden Stelle in der Gallerte eingeschlossen war. Man pflegt diese Pünktchen als „Kolonien" zu bezeichnen. ( — Auf Kolonien, die von Schimmelpilzen oder andern Mikroorganismen gebildet werden, gehen Gieß- und Sprühplattenmethüde. 57 wir hier nicht ein — ). Hat man die Gelatine nicht allzu dicht be- impft, so daß die Kolonien hübsch weit voneinander entfernt heran- wachsen, so kann man nach einiger Zeit von jeder Kolonie in ein Kölb- chen mit steriler Nährlösung überimpfen, ohne Gefahr zu laufen, Zellen von einer andern Kolonie gleichzeitig mit zu übertragen. Auch ist es ein Leichtes, Material von den verschiedenen Kolonien vorher mikro- skopisch zu untersuchen und sich zu überzeugen, daß Reinkulturen vor- liegen, soweit das überhaupt durch bloßen Anblick möglich ist, und dann nur von solchen, soweit man sich gerade für sie interessiert, ab- zuimpfen. So bequem diese Methode ist, so hat sie doch einige Schattenseiten und darf nur unter Beobachtung strenger Kritik verwendet werden. Zunächst ist schon häufig darauf aufmerksam gemacht worden, daß viele Bakterien, und zwar gerade auch die interessantesten, weil eigen- artigsten, auf Gelatineböden nicht gedeihen. Sodann haben viele Arten die in diesem Fall unerwünschte Eigenschaft, die Gelatine zu zersetzen und dabei zu verflüssigen, so daß leicht die Kolonien ineinander über- fließen, womit der Zweck der ganzen Maßnahme natürlich vereitelt ist. Man kann sich in beiden Fällen häufig dadurch helfen, daß man statt Gelatine Agar-Agar verwendet, d. h. eine Gallerte, die nicht, wie jene, tierischen Ursprungs ist, sondern aus den Zellwänden japanischer Rot- algen besteht, den Vorteil besitzt, von den allermeisten Bakterien nicht angegriffen zu werden, und vor Gelatine auch noch das voraus hat, daß sie auch bei den höchsten Temperaturen, bei welchen Bakterien (auch die „Orthothermophilen", vgl. darüber später) überhaupt noch wachsen können, o-allertartior gehalten werden kann, während Gelatine bei 25 Grad schon flüssig oder doch so weich ist, daß es unmöglich ist, gallert- artige Gelatinenährböden im Brutschrank bei etwas erhöhter Temperatur aufzustellen. Statt der genannten Gallerten hat man für besondere Zwecke wohl auch andere Gallerte, gallertige Kieselsäure, für wieder andere Formen erstarrtes Blutserum verwendet; oder man ist auch so vorgegangen, daß man Gypsplatten gegossen, Filtrierpapierscheiben geschnitten und mit Nährlösung cretränkt hat und nach der Sterilisation auf deren Ober- fläche dann bakterienhaltige Flüssigkeiten mit dem Sprayapparat ge- blasen hat; das letztere Verfahren, bei dem alle Keime oberflächlich lagern, empfiehlt sich, nebenbei gesagt, in allen den Fällen (auch bei Verwen- dung von Gelatine oder Agar), in denen man verhindern will, daß die Keime sich im Innern der Nährböden entwickeln, also zumal bei sehr luftgierigen Arten. Hiernach kann man von der eben geschilderten „Gießplattenmethode" die „Sprühplattenmethode" unterscheiden. 58 II- Die Kulturmethoden der Bakteriologie. Alle die geuannten Verfahren haben noch einen Übelstand, wenn es auf Herstellung» zweifelsfreier Einzi'llkulturi'u ankommt. Die Bakterien- zelleu haben liiiuti»r so schleimige und klebrige Obertiächei), daü beim Verteilen der Bakterienzelle in der noch flüssigen Gallerte oder in dem Wasser, das bestimmt ist, auf der Oberfläche der Platten zerstäubt zu werden, mehrere Zellen fest aneinander haften bleiben, so daß dann nicht alle Kolonien von einer, sondern einige auch von mehreren Zellen abstammen, die noch dazu vielleicht verschiedeneu Arten angehören. Bei einer besonderen Bakterienfamilie, den sog. Schleimbakterieu, ist es aus diesem Grunde überhaupt noch nicht gelungen, durch Plattenguß Einzellkolonien zu erhalten. Eine Eisenbakterie, die wir später noch kennen lernen werden, deren Zellen mit schleimiger Scheide versehen sind, konnte von einem daran hängenden Kokkus durch Plattenkulturen erst dann befreit Averden, als man die scheidenlosen Schwärmer der Eisenbakterie zum Ausgaug der Kulturen wählte.') Tatsächlich weiß jeder Bakteriologe, daß nicht ganz selten Kolonien auf Agar oder Gela- tine, die für das bloße Auge ganz einheitlich aussehen, gleichwohl aus ganz verschiedenen Zellen be.stehen, sog. ,,Mischkolonien" sind. Beson- ders schlimm ist das für den Fall, daß man wegen der weitgehenden Ähnlichkeit der Gestalt, die viele, sonst ganz verschiedene Bakterien haben können, oft nur sehr schwierig derartige Mischkolonien als solche erkennen kann, beim Weiterarbeiten somit zu falschen Schlüssen ge- lan<4en könnte, z. B. zu dem Schluß, daß sich aus einer Zelle ganz ver- schiedene Deszendenten entwickeln, und diese Schlüsse gehören leider nicht zu den Seltenheiten auf bakteriologischem Gebiet. Jedenfalls ist in den allermeisten Fällen ein derartiger Schluß ein Trugschluß, so zu- stande gekommen, daß man eben nicht von einer Einzellkultur ausging. Um nun solchen oft schwerwiegenden Irrtümern zu entgehen, empfiehlt es sich häufig, auch bei Verwendung gallertiger Böden, die Platte gleich nach dem „Guß" mikroskopisch zu kontrollieren. Man wird daun die Platten nicht in Petrische Doppelschalen gießen, wie das oben geschildert wurde, vielmehr nur eine kleine Menge mit Bakterien beimpfter Gallerte auf einem Deckgrlas erstan-en lassen und dieses in umgekehrter Lage auf einen Glasring, der auf einem Objektträger sich befindet, legen. Nun wird man sofort, ehe irgendwelches Wachstum eintreten kann, einzeln liegende Zellen mikroskopisch aufsuchen, auf dem Deckgläschen, da wo sie liegen, einen kleinen Tusehe])unkt o. ä. anbringen und Aveiß dann ganz sicher, daß diejenigen Kolonien, die sich unter solch einem Tusche- punkt entwickeln, Einzellkolonien sind. Diese Methode ist vor allen au- 1) Molisch, H, Die Eisenbakterien, Jena 1910, S. 37. Mikroskopische Kontrolle der Bakterienkolonien. 59 (lern ganz besonders va\ em))fehlen, vorausgesetzt, daß die gewünschte Art auf gallertigen Nälirb<)den zum Wachstum zu bringen ist. Es wird sich dann meistens empfehlen, zuerst in einer großen Doppelschale eine wahrscheinlich reine Kolonie der betr. Art zu züchten und dann, von dieser ausgehend, eine mikroskopisch zu kontrollierende Kultur sich herzustellen, die dann ganz bestimmt aus einer einer einzigen Zelle er- wachsen ist. Kann man aus irgendwelchen Gründen bei der Verwendung von Plattenkulturen die mikroskopische Kontrolle nicht ausführen, so gießt man meistens nicht eine Platte, sondern mehrere hintereinander, indem man von einer auf der ersten Platte gewachsenen Kolonie abimpft und dies Verfahren nötigenfalls mehrfach wiederholt. So wird die Wahr- scheinlichkeit, daß man Einzellkulturen erhält, größer und größer, bis sie fast zur Gewißheit wird. Auf den Genuß absoluter Gewißheit, wie mikroskopische Kontrolle ihn verschaift, muß man allerdings dabei Verzicht leisten. Neuerdings^) hat man nun noch eine, wie die Erfahrung lelirt, gleich einfache und praktische Abänderung dieser Methode in Vorschlag gebracht, die zumal für den Fall empfehlenswert ist, daß die Bakterien- zelle, auf deren Isolierung man abzielt, sehr klein ist. Solche Zellen sind natürlich selbst in einem recht kleinen Tropfen nicht immer ganz leicht zu sehen, und das ist fatal, sowohl für den Fall, daß sie sich beabsich- tigterweise darin befinden, wie für den andern, daß sie eine unbeabsich- tigte Verunreinigung vorstellen sollten. Man geht dann so vor, daß man die zu isolierenden Bakterien erst in ein Kölbchen mit verdünnter und sterilisierter chinesischer Tusche einimpft, in diese eine durch die Flamme gezogene, dadurch sterilisierte Zeichenfeder eintaucht und ganz kleine Tuschepünktchen in gleichen Abständen auf der Oberfläche einer Gela- tineplatte aufträgt. Da die Tusche nur einen sehr dünnen Überzug auf der Gelatine bildet, heben sich die kleinsten Zellen bei mikroskopischer Betrachtung weiß auf dunklem Grund ab und können nicht übersehen werden. Wie ersichtlich, handelt es sich um eine Art von Dunkelfeld- beleuchtung. Man markiert ihre Lage und verfährt sodann wie oben. Auch hat sich gezeigt, daß die einzelnen Zellen, wenn man die mit Tuschepünktchen versehene Gelatine mit einem Deckgläschen bedeckt und dies dann wieder abhebt, am Deckgläschen haften bleiben; man kann also zunächst die Bakterien in den Tuschepünktchen auf gewöhn- liche, nicht mit Nährstoffen versehene Gelatine bringen, dann mittels 1) Burri, R., Das Tuscheverfabren, als einfaches Mittel zur Lösung einiger schwieriger Aufgaben der Bakterioskopie, Jena 1909. QO n. Die Kulturmcthöden der Bakteriologie. Deckgläschen abheben und auf Nährgelatine übertragen. Diese Methode, die mannigfacher Variation fähig ist, hat man als ,, Tuschepunkt- methode" bezeichnet. Oben war gesagt, daß die wesentliche Schwierigkeit beim Isolieren von Bakterien in der Unmöglichkeit liegt, die einzelne Zelle mit Hän- den zu greifen. Wir wollen nun hier noch kurz bemerken, daß man diese Schwierigkeit noch auf anderm Wege als dem bislang geschil- derten zu umgehen versucht hat, indem man kleine sinnreiche Apparät- chen konstruiert hat, mittels deren man einzelne Zellen aus einem Tropfen herausfischen kann, nämlich dünne, geeignet geformte Glas- fäden, die mittels Schrauben in den von Bakterien wimmelnden Tropfen eingeführt werden. M Wir beschränken uns hier auf diesen kurzen Hin- weis; die Methode ist bisher nur in sehr beschränktem Umfang ver- wendet worden; vielleicht ist sie berufen, noch viel zu leisten, da sie eben den unleugbaren Vorteil hat, daß man ganz direkt auf den Fang eben der Zelle, die man isolieren und zum Ausgang einer Kultur machen will, ausgehen kann. Hat man sich nmi auf die eine oder andere Weise eine Reinkultur verschaflFt, so kann man schon aus dem Anblick, den solche Kulturen dem bloßen Auge bieten, allerlei Schlüsse auf die Le])ensweise der betr. Art ziehen. Im[)ft nuui Bakterien in eine Nährlösung, etwa Heuinfus, und trübt sich die Flüssigkeit nach dem Impfen bald gleichmäßig, so deutet das darauf hin, daß die vorliegende Art beweglich ist. Andernfalls würde sich ein Bodensatz oder auch eine Haut an der Obertläche bil- den. Genaueren Aufschluß über die Gestalt der Zelle ergibt dann die mikroskopische Untersuchung, die nie häufig genug gehandhabt wer- den kann. Handelt es sich lediglich um morphologische Untersuchungen, so "braucht man — das sei hier noch hinzugefügt — die Bakterien nicht erst in Kölbchen zu überimpfen, sehr häufig genügt es vielmehr, sie im hängenden Tropfen längere Zeit zu halten und zu beobachten. Natür- lich muß man dann stets das Deckgläschen, an dem der Tropfen hängt, mittels Vaseline dicht an den Glasring anschließen, um zu verhindern, daß der Tropfen verdunstet. Man redet in diesem Fall auch von „Tröpf- chenkultur".-) Hält man die Kultur nicht im hängenden Tropfen, son- dern in einer gleichmäßig dünnen Flüssigkeitsschicht, die das Deck- gläschen überzieht, wobei dann alle in demselben erwachsenden Zellen offenbar dem Glas adhärieren, so spricht man-) auch von „Adhäsions- 1) Vgl. Küster, E., Kultur der Mikroorganismen, Leipzig u. Berlin 1907, S. 58. 2) P. Lindner. Tuschepunktmethode. Tröpfchen- und Adhäsionskultur. 61 kiütur". — Will man die physiologischen Eigenschaften der Bakterien ermitteln, so würde man Kölbchen mit Reinkulturen verschiedener Arten bei verschiedenen Temperaturen hinstellen, um zu ermitteln, innerhalb welcher Temperaturgrenzen das Wachstum stattfindet, und wann es am o-ünsti'>'sten ist. Zu diesem Zweck werden bekanntlich „Brutschränke" der verschiedensten Konstruktion angefertigt („Thermostaten"), in denen die Temperatur in geeigneter, hier nicht zu schildernder Weise auf der o-ewünschten Höhe gehalten wird. Man würde ferner die Kulturen auch unter den Rezipienten einer Luftpumpe bringen, um zu sehen, ob die Art auch ohne den Sauerstoff der Luft leben kann. Sodann würde man die verschiedensten Nährlösungen verwenden, um die Ansprüche in be- zug auf die Ernährung zu ermitteln, und sich auf solche und ähnliche Weise ein möglichst genaues Bild von Form und Lebensführung der verschiedeneu Bakterienarten machen. Einzelheiten folgen später. Doch sei hier noch soviel gesagt: man darf nicht in den Fehler verfallen, ausschließlich die chemische Qualität seiner Nährlösungen in Rechnung zu setzen, muß vielmehr stets im Auge haben, daß auch die physika- lische Eigenart des Nährsubstrates von großer Bedeutung sein kann; daß z. B. eine Nährlösung unter Umständen ganz anders wirkt, wenn man sterilen Sand mit ihr befeuchtet und dann impft, als wenn man den Zusatz von festen Substanzen unterläßt, Durchlüftungs- und andere Bedingungen spielen begreiflicherweise neben der stofflichen Eigenart der Nährböden eine gewaltige Rolle, wie wir u. a. bei Behandlung der Bodenbakteriologie noch hören werden. Und wenn sich zeigt, daß viele Bakterien in Nährlösungen nicht so gut als etwa auf sterilen Kartoffel- scheiben gedeihen, so spielt dabei nicht ausschließlich die chemische Zusammensetzung, sondern auch die Konsistenz des Substrates eine Rolle. Wir haben oben Bakterienkolonien auf gallertigen Substraten mit Rücksicht darauf kennen gelernt, daß man mit ihrer Hilfe Einzellkul- turen sich verschaffen kann, müssen nun aber nochmals auf dieselben zurückkommen, um nachzuweisen, daß solche Kulturen auch in anderer Hinsicht eine große Bedeutung besitzen; es kann nämlich der gewiegte Bakteriologe, aber auch nur dieser, aus ihrem Anblick mit unbewaff- netem Auge auf chai-akteristische Merkmale der Art schließen, kann somit auch bekanntere und wichtigere Arten makroskopisch an der Form und Struktur der Kolonien auf gallertigen Böden erkennen, so der mikroskopischen Untersuchung vorarbeitend. Wenn wir hier auf diese Fragen zu sprechen kommen, so weisen wir auf ein ungeheuer großes Gebiet hin, deshalb so groß, weil die Bakteriologie, zumal auch die medizinische, seit Einführung der gallertigen Böden in weitgehendstem, 62 IL Die Knlturmetboden der Bakteriologie. nuch dein Geschmack mancher wohl etwas zu weitgehendem Maße den makroskopischen Anblick der Kulturen auf Agar oder (xelatine mit vau Charakterisieruntj der Arten benutzt. Wir beschräidcen uns auf" tolgende kurze Ausführungen: Betrachtet man beimpfte und dann ausgegossene Gelatine- oder Agarplatten, sog. „Plattenkulturen'', nachdem das Wachstum der ein- geimpften Zellen erfolgt ist, so fällt vor allem zunächst auf, daß einige Kolonien aufgelagert, andere eingelagert sind. Das erklärt sich häutig so, daß von luftliebendi-n Arten in erster Linie die zutTillig auf der Oberfläche oder nahe der Obertiäche lagernden Zellen sich zu Kolonien entwickeln, von luftscheuen vorwiegend die tief gelagerten (die Aus- drücke luftliebend bzw. lut'tseheu gebrauchen wir hier der Einfachheit halber statt sauerstotfliebend, sauerstotfscheu). Bei Zucht der letzteren Formen verwendet man, wenn man nicht vollkommenere Einrichtungen zur Entfernung des Sauerstoffes benutzen will, auch statt der Petri- schalen zylinderförmige Gläser, in denen man die Gallerte „in hoher Schicht" erstarren läßt. Umgekehrt wird man dafür sorgen müssen, daß die Keime sehr luftliebender Formen nicht allzu tief ins Innere der Gallerte hinabsinken; manche Formen, das wird z. B. für Schleimbak- terien angegeben, sind in dieser Beziehung so empfindlich, daß sie, in noch fliissige Gallertböden eingeimpft, in denen sie während des lang- samen Erstarrens herabsinken, über- haupt nicht wachsen. Im letztern Falle empfiehlt es sich, die oben schon genannte „S prü h p latte n - Ab 10. Glattrandige, „saftige, erhabene" Kolonien auf Näbrgallerte. a Streptococcus mucomis. b Biict. pneumoniae. Aus Lehmann u. Neumann, Atlas und Grundriß der Bakteriologie Abb. 11. Kolonie des Bac. mycoides („Wurzel- bazillus") auf Gelatineplatte. methode" zu verwenden, die auch sonst Vorteile haben kann; so hat sie u. a. eine schnellere Entwicklung der Keime zu Kolonien und eine charakteristischere Ausbildung der Kolonien zur Folge. Eigenartiger- weise zeigt sich sodann, w^enn wir eine gleiche Zahl gleicher Keime Form und Struktur der Bakterienkolonien. 63 einmal in Guß-, sodaim in Sprühplatten verarbeiten, daß — auch ganz unabhängig von Sauerstoifbedürfnis — von der einen Art eine größere Zahl von Keimen auf Gußplatten, von der andern Art aber mehr Keime auf Sprühplatten zur Entwicklung kommen — aus noch unbekannten Gründen.^) Nun ein Wort über die Form der Kolonien von Platten kulturen^), und zwar zuvörderst der aufgelagerten : Aufgelagerte Kolonien sind ent- weder flach oder auch halbkugelförmig, letzteres besonders dann, wenn die Zellwände sehr schleimig sind. Solche Kolonien sehen oft aus wie trübe Tautröpfchen und lassen sich, wenn der Schleim zäh-elastisch ist, mit einer Nadel als Ganzes von der Gallertoberfläche abheben. Im Umriß sind aufgelagerte Kolonien meistens rund (Abb. 10a, b), sie können aber auch lappige Ausstülpungen, etwa wie eine Amöbe, haben, oder auch wurzelfaserähnliche Ausläufer (Abb. 11), und eben an solchen Eigentüm- lichkeiten kann man oft Arten voneinander unterscheiden. So ist z. B. ein gemeiner Spaltpilz als Wurzelbazillus benannt, danach daß er der- artige Ausläufer an seinen Kolonien bildet. Was die Struktur der Ko- lonien angeht, so sieht man nicht selten konzentrische Schichtung. In bestimmten Fällen hat man nachweisen können, daß diese dadurch be- dingt ist, daß Temperatur und Beleuchtung während des Wachstums der Kolonien wechselten; bei starker Beleuchtung wird das Wachstum gehemmt, die Zellen liegen ziemlich locker, bei Dunkelheit wachsen sie kräftiger, und die Zellen lagern dichter. Ebenso wird bei wechselnder Temperatur die Lagerung der Zellen eine verschiedene sein, was sich gleichfalls schon dem bloßen Auge verrät. In andern Fällen ist eine derartige Abhängigkeit der Schichtenbildung von Licht und Wärme nicht nachweisbar. Wie sehr übrigens die Form und Struktur der Kolonien von äußeren Wachstumsbedingungen abhängt, weiß jeder Bakteriologe: Ein neuer- dings dafür bekannt gegebenes Beispiel bietet der eben genannte Wurzel- bazillus, bei dem die so charakteristischen Ausläufer an den Kolonien nach Zucht bei 32 Grad nicht sichtbar sein sollen, wohl aber nach Kul- tur bei 23 Grad, und gleich verhalten sich einige ähnliche Arten. ^) In solchen Fällen erhebt sich natürlich immer die Frage, inwieweit die äußeren Bedingungen direkt auf den Spaltpilz wirken oder auf die Gal- lerte; denn daß diese in ihrer Qualität durch die Temperatur usw. be- einflußt wird und ihrerseits das Wachstum der Kolonie beeinflußt, ist 1) Spitta u. Müller, A., Ref. v. Behrens, Ztsch. f. Bot., 1910, Bd. 2, S. 288. 2) Vgl. u. a. Hutchinson, H. B., B. C. II, 1907, Bd. 17, S. 13.3. 3) Holzmüller, K., B. C. II, 1909, Bd. 23, S. 304. 64 1^- Die Kulturmethoden der Bakteriologie. klar: Glatte Oberfläche der Gallerte wird bewirken, daß das Wachstum aufgelagerter Kolonien ein weit ausladendes ist, bei rauher Oberfläche werden die Zellen, die das Bestreben haben, auseinanderzuwachsen, sich, behindert durch den Widerstand, übereinanderschieben, was eine Er- höhung der Kolonie und Verkleinerung ihres Umfangs zur Folge hat. Genaue Angaben über die für eine Art charakteristische Kolonieform haben also nur dann Sinn und Verstand, wenn man die Qualität des Nährbodens und die Zuchtbedingungen ganz genau angeben kann. Gleiches gilt von der Form der eingesenkten Tiefenkolonien, über welche neuerdings interessante Beobachtungen und Erwägungen ver- öffentlicht worden sind.*) Die Form solcher Tiefenkolonien ist (es sei denn, daß sie sehr alt sind), ganz dieselbe, welche Gasblasen besitzen, die „zufällig" in der Gallerte eingeschlossen sind, oder die man künst- a h c Abb. 12. „Linsenkolonien" von Bact. typhi aus 1,5 prozenti^er Agarkultur (nach Orsos). Kolonie a ist mit ihrem .\quator senkrecht, b unter einem Winkel von 45 " und c parallel zur optischen Achse gestellt. lieh darin erzeugt, indem man einer Gallerte kohlensaures Natrium zu- setzt und sie dann in verdünnte Säure legt. Diese macht aus dem kohlen- sauren Natrium Kohlensäure frei, die sich nun in Bläschenform im Inneren der Gallerte abscheidet. Die Form solcher Blasen und ebenso die von Tiefenkolonien, ist nun zunächst die der Kugel, dann meistens die einer Linse oder Ellipsoids, oder Kombinationen beider Formen, und diese Formen erklären sich einfach als Resultanten des durch Zell- teilung bedingten Ausdehnungsbestrebens der Kolonien einer-, des ela- stischen Widerstandes der Gallerte andererseits. Meist zeigt sich fol- gendes: Ganz jugendliche Kolonien sind kugelförmig, eine Form, die ohne weiteres verständlich ist als Folge des allseitig gleichen Drucks der Gallerte auf die sich vermehrenden Zellen. Als zweite Form ent- steht dann die Linsen- oder ellipsoidische Form, als Folge einer durch die sich weiter teilenden Zellen bedingten Spaltung der Gallerte. Den 1) Orsos, F., B. C. I, Or. 1910; Bd. 54, S. 289. Dreiblatt-, Sechsblatt-, Saturnuskolonien. 65 Grund dieser Formveräuderung kann man sich rein mechanisch leicht mit der Überlegung klar machen, daß eine Kolonie, die aus der Kugel in die Linsenforiu übergeht, dadurch bei gleichem Volum größere Oberfläche erhält, als wenn sie kugelig bliebe, somit die Verdrängung der Gallerte auf eine größere Fläche verteilt und darum mit geringerem Kraftauf- wand erreichbar ist. Durch den zur ellipsoidischen oder Linsenform führenden Spalt wird nicht nur die Gallerte, sondern auch die junge a b Abb. 13 nach Orsos. „Dreiblattkolonien" von Staphylocoecus pyogenes aureus aus einer Stägigen 2 prozentigen Agarkultur. Kolonieachae in a vertikal, in b parallel zur optischen Achse. Abb. 14 nach Orsos. „Seehsblattkolonien" von Staphylocoecus pyogenes aureus. kugelige Kolonie in zwei Halbkugeln zerspalten, und diese beiden Halb- kugeln sieht man nicht selten noch den Linsen beiderseits in Form kleiner Knöpfchen aufsitzen (Abb. 12). Findet die Spaltung aus irgend- welchen Gründen nicht derart statt, daß die Kolonie in zwei gleiche Halbkugelu zerteilt wird, sondern asymmetrisch, so treten wiederholte Spaltungen ein, und die Kolonie kann ziemlich verwickelte Gestalt an- nehmen, indem sie aus mehreren regelmäßig angeordneten Linsen- segmenten besteht. Man spricht dann von Dreiblatt (Abb. 13), Sechs- blatt (Abb. 14) usw. ***»*• Abb. 15 nach Orsos. „Saturnusförmige" Kolonien aus 3 — 4tägiger Agar-Gelatinekultur von Bact. typhi. Noch ältere Kolonien zeigen noch weitaus kompliziertere Formen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Es versteht sich, daß auch hierbei die Qualität der Gallerte von Bedeutung ist. In Gelatine pflegt die Kugelform länger als in Agar, Ue necke: Bau u. Leben der Bakterien. 5 QQ II. Die Eulturmethoden der Bakteriologie. wohl auch dauernd erhalten zu bleiben. Tritt Spaltung ein, so pflegt in Gelatine ein Ellipsoid mit abgerundeten Kanton aufzutreten, und wenn beiderseits an solchem Ellipsoid die zwei lialbkugeln der ursprüng- lichen runden Kolonie noch sichtbar sind, so treten Formen auf, die man sehr anschaulich als Saturnusformen bezeichnet hat (Abb. 15). Solche Kolonie kann eine abermalige Spaltung parallel der ersteren durch- machen, so daß in den nunmehr gespaltenen Ring sich ein zweiter ein- schiebt und Bilder, wie Abb. 15 rechts (vgl. auch Abb. IGj, sie zeigt, entstehen. Ist also Kugel- bzw, ellipsoidische Form die für Gelatine geltende, so ist die typi- sche Linsenfonn mit scharfen Rän- dern, früher oft auch als „Wetz- steinform" bezeichnet, für den Agar charakteristisch; die Linse ist um so flacher, d. h. die Oberfläche im Abb. 16 nach Oreös. Verhältnis zum Volumen um so grö- „Saturnuskolonie" aus Stägiger Gelatine- ß^^. Je konzentrierter der Agar ist, kultur von Bact. a-icus, plasmolysiert mit 5 7o Kochsalz. A Bact. tijphi, plasmolysiert mit 2^/0 Kochsalz. c Vibrio cholerae, plasmolysiert mit 5 "/„ Kochsalz ; Durchschnüruug des Inhalts in zwei ge- trennte Kugeln, die teilweise noch durch eine dünne Protoplasmabrücke verbunden sind. Nach A. Fischer. Alle Figuren stark vergrößert. Die Bilder der Bakterien sind nach gefärbten Präparaten gezeichnet. Wozu nun diese ganzen Ausführungen? Man hat die Plasmolyse zuerst an Zellen höherer Pflanzen studiert und in der heute allgemein als richtig anerkannten Weise gedeutet, die auch wir hier wiedergegeben haben. Aber auch an der Zelle hierfür geeigneter Bakterienarten hat man^) bei richtiger Versuchsanstellung Plasmolyse und Wiederausgleich derselben nachweisen können und so den Beweis dafür geführt, daß die Bakterienzelle ein in physikalischer Beziehung den Zellen höherer Pflanzen vergleichbares, turgeszentes System darstellt. Wie die Abb. 24, auf welchen einige Bakterienarten im plasmolysierten Zustand abgebildet sind, zeigen, kann bei der Plasmolyse das Protoplasma auch in mehrere getrennt innerhalb der Zellhaut liegende Portionen zerfallen, die unter Umständen durch dünne Protoplasmafäden miteinander in Verbindung bleiben. 1) Fischer, Alfred, Sachs. Ges. d Wiss., math.-phys. Kl. 2. März 1891, u. Jahrb. f. wiss. Bot. 1894, Bd. 27, S. 1. 6* 84 III. Morphologie der Bakterienzelle, I. Es wird uns nunmehr auch erst wirklich einleuchten können, war- um wir mit Recht aus der starreu Gestalt der Bakterienzelle auf den Besitz einer Zellhaut schlössen: Obwohl diese selbst dünn imd schlaff ist und obwohl das fast flüssige Protoplasma keine andere Eigengestalt besitzt als Flüssigkeitstropfen, so kommt eben doch durch die Spannung, die Tui-geszenz, eine durch die Form der Zellhaut bedingte, für die Art charakteristische fest bestimmte Gestalt zuwege. Statt fest bestimmt sagen wir allerdings besser: ziemlich fest bestimmt, denn es ist klar, daß wegen der Elastizität der Zellhaut ein und dieselbe Zelle je nach der Höhe des osmotischen Drucks, der in ihr herrscht und der mit der Lebens- lage wechseln kann, zeitweilig etwas kürzer, länger, dünner, dicker sein kann als gewöhnlich. Auch leuchtet es ein, daß die Zelle, ebenso wie ein gespannter Gummischlauch, durch mechanische Insulte etwas defor- miert werden kann, ohne zugrunde zu gehen. Von einer amöboiden Be- weglichkeit kann aber wegen des turgeszenten Zustandes keine Rede sein. Nach Alfr. Fischer. Abb. 25. Vergr. ca. 1500. Bacillus Solmsii. Präparations-Plasmolyse. Will man die Höhe des osmotischen Drucks der Zellsaftlösung messen, so geht man so vor, daß man die Konzentration einer Lösung ermittelt, welche eben imstande ist, plasmolytische Abhebung des Protoplasmas zu bewirken. Es gleicht dann die Konzentration des Zellsaftes ziemlich genau derjenigen der plasmolysierenden Lösung, und deren Konzentration bzw. osmotischen Druck kann man mittels physikalischer Methoden, z. B. der Gefrierpunktserniedrigung, feststellen. So ermittelt man den Größe des osmot. Drucks. Präparationsplasmolyse. 85 osmotischen Druck des Zellsaftes. Dabei wäre nocli zu bedenken, daß infolge der im normalen Zustand der Zelle vorhandenen elastischen Dehnung der Zellhaut das Volumen des Protoplasmas und Zellsaftes in einer Lösung, die eben Plasmolyse bewirkt, sich verkleinert, ehe die Plasmolyse eintritt, somit auch die Konzentration des Zellsaftes kurz vor oder während eben beginnender Plasmolyse im selben Maße stärker denn im normalen geworden ist, als das Volumen im Verhältnis zum normalen sich verkleinert hat. Ein Beispiel: Gesetzt, wir fänden, daß eine 6-prozentige Rohrzuckerlösung eben Plasmolyse bewirkt bei einem stäbchenförmigen Spaltpilz, und daß dessen Länge im Wasser 5, in der 6-prozentigen Zuckerlösung aber nur noch 4 [i beträgt, so hätte der ZeUsaft im normalen Zustand denselben osmotischen Druck wie eine - = 4,8 prozentige Zuckerlösung. Die physikalische Chemie weist uns nach, daß solche Lösung einen Druck von etwa 3,4 Atm. entwickelt. Übrigens ist die Höhe des osmotischen Drucks, wie alle Eigenschaften lebender Zellen variabel, das haben wir oben schon einmal angedeutet; sie hängt ab vom Entwicklungszustand und von den Lebensbedingungen. Ein osmotischer Druck von etwa drei Atmosphären mag als Durch- schnittswert bei Bakterien, die in Wasser oder verdünnter Nährlösung wachsen, zu gelten haben. Die Kenntnis von dem physikalischen Zustand der Bakterienzelle, die wir uns soeben, allerdings nur in großen Zügen, angeeignet haben, vermittelt uns auch das Verständnis dafür, daß Bakterien ebensowenig wie andere Zeilen in unbegrenzt starken Salzlösungen zu gedeihen ver- mögen. Denn abgesehen von etwaiger Giftwirkung solcher Salze, die uns später noch beschäftigen soll, hemmt die wasserentziehende Wir- kung, die ihnen eigen ist, die Lebensfähigkeit. Auch für die richtige Deutung mancher mikroskopischer Bilder ist die Kenntnis der Plasmo- lysierbarkeit der Bakterien von Bedeutung. Nicht selten bekommt man plasmolysierte Zellen derselben zu Gesicht, wenn man, wie das üblich ist, dieselben in einem Tropfen Nährlösung auf dem Deckglas ein- trocknen läßt, um sie sodann zu färben. Sobald die beim Eintrocknen sich mehr und mehr konzentrierende Lösung stärker wird als der ZeU- saft, kann Plasmolyse, sog. „Präparationsplasmolyse" (Abb. 25 und 26) eintreten; das Protoplasma füllt- den Binnenraum der Zelle nicht mehr voUkommen aus. Nachdem wir uns jetzt mit den grundlegenden Tatsachen bekannt gemacht haben, müssen wir etwas tiefer eindringen, um zu erkennen, daß auch auf dem Sondergebiet der Bakteriologie, das wir jetzt behan- deln, noch mannigfache Fragen ihr^r erschöpfenden Bearbeitung harren, 86 III. Morphologie der ßakterienzelle, I. und daß die verschiedeneu Bakterien nicht alle in gleicher Weise auf den Zusatz von Salzlösungen reagieren, wie das nach den bisherigen Ausführungen scheinen könnte. An plasmolysierten Zellen, so sahen wir, geht aus rein physikalischen Gründen die Plasmolyse zurück, so- bald wir die plasmolysierende Lösung durch Wasser ersetzen. Man beobachtet aber ganz allgemein an Pflanzenzelleu, und besonders gut an denen der Bakterien, daß häufig auch ohne äußere Eingriffe, scheinbar „von selbst", während die Zellen in der plasmolysierenden Lösung liegen bleiben, die Plasmolyse sich wieder ausgleicht und der Turgeszenz- zustand wieder erreicht wird. Das arilt auch für die natürlichen Stand- orte, falls Bakterien an solchen in starke Lösungen von Salzen oder or- ganischen Stoffen geraten. Dieser Rückgang der Plasmolyse ist juiu vielfach darauf zurückzuführen, daß die Undurchlässigkeit des Protoplas- mas für die plasmolysierenden Stoffe, von der wir uns überzeugt haben, nicht vollkommen ist, daß diese Stoffe vielmehr langsam eindringen, ohne daß die Stoffe des Zellsaftes ebenso schnell nach außen diffundieren; hier- durch wird begreiflicherweise die Plas- molyse ausgeglichen werden, da ja dann kein einseitiger Überdruck von außen mehr vorhanden ist. Man könnte davon reden, daß sich die Zellen ihrer veränderten Umgebung anpassen, und das mag auch manchmal zutreffen. In andern Fällen beruht der Rückgang der Plasmolyse aber wohl auf einer Schädigung des Proto- plasmas durch die Lösung. Durchlässigwerden kann ja, wie oben aus- geführt, ein Zeichen für Schädigung oder gar Tod sein. Doch kann der Rückgang der Plasmolyse noch andere Ursachen haben als Ein- dringen der plasmolysierenden Lösung und dann wohl sicher als An- passungs Vorgang gedeutet werden: das Protoplasma kann, durch die Übertragung in plasmolysierende Lösungen gereizt, neue lösliche Stoffe bilden und in seinem Zellsaft stapeln, und zwar in so großer Menge, daß dadurch dessen wasseranziehende Kraft steigt, bis sie wieder stärker ist als die der Außenlösung, und so der normale Zustand der Zelle wieder hergestellt wird. Dieser sog. autoregulative Rückgang der Plasmolyse ist zwar bei Bakterien in noch keinem Fall ganz sicher gestellt; nach Abb. 26. Spirillum undula. Präparationsplasmolyse. Vergr. ca. 1500. Nach Alfred Fischer. Rückgang der Plasmolyse. 87 dem, was iin andern Pilzen beobachtet worden ist, dürfte er aber ver- mutlich vorkommen, wodurch dieser kurze Hinweis darauf gerecht- fertigt winl. Mißt man die Hölu' des Turgors nach erfolgtem Aus- gleich der Plasmolyse und vergleicht ihn mit dem Turgor im früheren Zustand, wiihreuddesseu die Zelle in Wasser oder ganz verdünnter Nährlösung lag, so wird man natürlich finden, daß der Überdruck im Innern der Zelle wieder derselbe ist wie früher, für den Fall, daß der Ausgleich der Plasmolyse lediglich auf dem Eindringen der plasmoly- ßierenden Lösung beruhte. Sollte andererseits der Überdruck nach er- folgtem Ausgleich der Plasmolyse größer geworden sein, als er früher war, so könnte man daraus schließen, daß der Ausgleich nicht nur durch Eindringen der plasmolysierenden Lösung, sondern auch oder aus- schließlich durch Stoffneubildung im Zellsaft erfolgte, welche Stoffe in so großer Menge produziert wurden, daß nunmehr der Turgor höher ist als früher. Die Autoregulation des Turgors stellt sich dann als Uberregulation desselben dar. Sollte aber der Überdruck geringer sein als vorher, so könnte dies auf einem nicht bis zum Diffusionsgleich- gewicht erfolgten Eindringen der Stoffe der Außenlösung, oder auch auf einer nur mäßigen Neubildung von Turgorstoffen beruhen. Denkbar wäre natürlich auch, daß der Überdruck bei einer bestimmten Kon- zentration der Außenlösunff ein Maximum hat. Alle diese Fragen sind bei höheren Pflanzen leidlich genau untersucht, bei Bakterien müssen sie erst bearbeitet werden. Sie erheben sich natürlich auch für den Fall, daß Bakterien, sei es im Laboratorium, sei es in natura aus Wasser oder sehr verdünnten Lösungen in etwas stärkere Lösungen übertragen werden, die noch keine Plasmolyse, sondern nur teilweise Entspannung der Zellhaut bewirken. Wichtiger für unsere Zwecke ist nun noch der folgende Punkt: Die Plasmolyse beruht, so sahen wir, unter allen Umständen darauf, daß die Stoffe der plasmolysierenden Lösung nicht sofort, sondern nur langsam ins Innere der Zelle eindringen. Nun gibt es aber viele Stoffe, die sofort ins Innere des Protoplasmas (und zwar aller daraufhin unter- suchten ZeUen) eingelassen werden, z. B. Alkohol, Glyzerin, Harnstoff. Wäßrige Lösungen dieser Stoffe können also, im Gegensatz zu Zucker, anorganischen Salzen usw., niemals Plasmolyse bewirken, vielmehr nur ein „Zusammenschnurren" des Protoplasmas innerhalb der Zellhaut, aber nur falls sie in ganz starker Konzentration zur Verwendung kommen. Es ist nun aber im höchsten Grade beachtenswert, daß man nicht eben wenige Bakterien gefunden hat, die sich überhaupt nicht plasmolysieren lassen.^) Lösungen jeder Art, die von außen geboten werden, dringen 1) Alfred Fischer. Vgl. auch Vahle, C, B. C. 11, 1909, Bd. 25, S. 178. 88 III. Morphologie der Bakterienzelle, I. sofort ein, so daß Konzentrationsdifferenzen zwischen außen und innen durch ihren Zusatz gar nicht bewirkt werden. Man muß somit zweierlei Bakterien unterscheiden: Die plasmolysierbaren sind zunächst undurch- lässig für Zucker, Salze und lassen nur solche Stoffe gleich ins Innere eindringen, die sofort in das Protoplasma aller Zellen eindringen. Die andern sind in jeder Beziehung durchlässig, lassen sich also überhaupt nicht plasmolysieren, höchstens kontrahiert sich unter dem Einfluß ganz starker Losungen das Protoplasma; das ist dann aber keine eigentliche, Plasmolyse. Von Spaltpilzen, die wir später noch kennen lernen werden oder auch kurz schon genannt haben, gehören zur zweiten, d. h. nicht plasmolysierbaren Gruppe, z. B. JBac. anußohaldvr, Bac. suhtilis, Sp/rillum rubrum, der Milzbrandbaziilus, viele in der menschlichen Mundhöhle lebende Bakterien^), während zur ersten Gruppe (auf die sich unsere obige Darstellung der Plasmolyse gründete) zu rechnen sind Spirillum volutans, Bacterium fluorescens, der Choleraerreger u. v. a. Nach einigen Angaben scheint es so, daß auch der Entwicklungszustand der Zelle dabei in Betracht käme, insofern als Zellen aus jungen Kulturen sich manchmal nicht so leicht plasmolysieren lassen als solche, die älteren Kulturen entstammen. Es schließen sich hier interessante Fragen an, die aber heutigen- tages noch nicht schlüssig beantwortet werden können. So wäre zu untersuchen, ob die durchlässigen Bakterien etwa ganz darauf ver- zichten, ihren Zellsaft qualitativ und quantitativ anders zu gestalten, als die Außenlösung ist. Das wäre ein ganz ungewöhnlicher einzigartiger, darum unwahrscheinlicher Fall, denn dann würde offenbar jeder Turgor fehlen. Möglich wäre auch, daß diese durchlässige Gruppe gegen plötz- liche Erhöhung der Konzentration, wie sie bei Darbietung plasmoly- sierender Lösungen eintritt, ganz besonders empfindlich wäre, die voll- kommene Durchlässigkeit also auf sofortiger Schädigung beruhte. Dann wäre dieser Durchlässigkeit keine Bedeutung für das Leben im Freien zuzuschreiben, es handelte sich vielmehr nur um einen pathologischen Vorgang. Gegen diese Deutung sprechen allerdings einige Beobach- tungen, die darauf hinweisen, daß gerade im Gegenteil die durch- lässige Gruppe gegen Konzentrationsschwankungen verhältnismäßig unempfindlich ist und sich besonders leicht an höher konzentrierte Lösungen anpaßt. So finden wir angegeben^), daß durchlässige Arten, z. B. der Milzbranderreger, um nur einen zu nennen, auf Agar-Agar mit 107o Kochsalzzusatz noch ordentlich gedeihen, während undurch- 1) Swellengrebel, N., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 193. 2) Fischer, Alfred, Vorles. üb. Bakt., 2. Aufl., 1903, S. 29. Nicht plasmolysieibare Bakteiien. g9 lässige Arten, z. B. Bad. jluorescens schon durch geringere Kochsalz- gaben geschädigt werden. Im höchsten Grad erwünscht wäre eine systematische Durcharbeitung dieser interessanten Fragen, zumal auch der Fragen nach der Änderung der Durchlässigkeit, je nach Entwick- lungszustand und äußeren Lebensbedinjjjuncren. Der oben geschilderte Bau der Bakterienzellen — Protoplasma, Zellhaut, Zellsaft — , ist schon im Jahre 1875 an einem Fadenbak- terium, dem sog. Brunuenfaden, CreuotJirix polyspora, ermittelt wor- den^). Es ist noch hinzuzufügen, daß man an sehr kleinen Formen, z. B. minimalen Kugelbakterien, diesen Bau nicht sicher beobachten kann und vielfach nur mit großer Wahrscheinlichkeit schließen darf, daß der Zellenbau derselbe ist wie bei größeren Formen. Auch würden für solche kleinere Arten unsere Ausführungen über den Turjjor nicht mehr ganz passen. Haben wir diesen bei größeren Formen auf die osmotische Leistung des Zellsaftes zurückgeführt, so würde bei kleineren Formen der Quellungsdruck des Protoplasmas, der Zentraldruck der Vakuole usw.-) wesentlich dabei beteiligt sein, — näher können wir auf diese Probleme hier nicht eingehen. Wichtig ist nun aber noch eine andere Frage, die sich erhebt: Wir werden hören, daß das, was wir heutigentages Bakterien nennen, zweifellos eine recht bunte Gesellschaft ist. Sind nun alle Bakterien in diesem weiteren Sinn derart gebaut, daß sie eine besondere Zellhaut besitzen? Dies scheint nicht der Fall zu sein. Man hat bei manchen Formen eine typische Zellhaut, wie sie der echten Pflanzenzeile zu eigen ist, trotz größter Sorgfaft nicht nachweisen können. Statt ihrer ist nur jene dichtere und festere Außenlage des Protoplasmas nach- weisbar, von den Zoologen meistenteils als Pellicula bezeichnet, die wir in unsern ersten Ausführungen schon bei bestimmten einzelligen Wiesen kennen gelernt haben. Solche Formen kann man begreif- licherweise auch nicht plasmolysieren. Es handelt sich hier haupt- sächlich um die Zellen der sog. Schleimbakterien, Myxobakterien^), Formen die auch sonst, z. B. in ihrer Bewegungsweise, von Bakterien im engeren Sinn wesentlich abweichen, wie wir später noch hören werden, ferner zumal auch dadurch, daß ihre Zellen „flexil" sind, d. h. die normalerweise gerade, stäbchenförmige Myxobakterienzelle kann sich kreisförmig biegen oder auch zusammenknicken, wobei es zweifelhaft bleibt, ob das Folge einer aktiven Krümmungsbewegung ist. Bei diesen 1) Cohn, Ferdinand, Beitr. z. Biol. d. Pflanzen, 1875, Bd. 1, S. 108. 2) Pfeffer, \V., Stud. z. Energetik d. Pflanzen, Leipzig 1892. 3) Baur, E., Arcli. f. Protistenkunde, 1904, Bd. 5, S. 92; Vahle, C, B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 178. 90 in. Morphologie der Bakterienzelle, I. Schleimbakterien nimmt man also die Existenz einer sog. Pellikula an, die man in vielen Fällen dadurch deutlich nachweisen kann, daß sie Farbstoffe bei gleichzeitiger Einwirkung von Jodlösungen, die hier als Beize wirken, speichert. Wieweit eino solche Pellikula statt einer distinkten Zellhaut als schützende Hülle auch bei anderen Formen ausgebildet sein mag, muß dahingestellt bleiben. Man wird an solche Möglichkeit denken bei ge- wissen Kugelbakterien (Pneumokokken, Meningokokken), deren Zell- haut durch eigenartige Löslichkeitsverhältnisse ausgezeichnet ist.^) Man wird sich vielleicht wundern, daß man jenen durchlässigen, nicht plas- molysierbaren Bakterien, wie z, B. dem Milzbrandbazillus, nicht auch eine Pellikula statt einer Zellhaut zuschreibt, das Fehlen von Plas- molysierbarkeit also auf den Mangel einer Zellhaut schiebt. Doch ist iM bedenken, daß diese Formen sich durch mangelnde Flexilität der Zellen deutlich von Myxobakterien unterscheiden und den Bakterien mit deutlich darstellbarer Zellhaut auch in der sonstigen Zellenorgani- sation gleichen. So können wir jedenfalls als Fazit dieser Ausführungen hinstellen, daß die echten Bakterien auch eine echte, pflanzliche Zellhaut besitzen. Wie wir weiter unten sehen werden, ist es allerdings möglich, daß diese sich in ihrem chemischen Aufbau nicht so weit vom Proto- plasma entfernt als die Zellhaut der hoch organisierten Pflanzenzellen. Nachdem wir nun die Bakterienzelle als osmotisches System kennen gelernt haben, soweit das der augenblickliche Stand der Erfahrung er- laubt, woUen wir uns jetzt den einzelnen Teilen der Zelle zuwenden und beginnen der Einfachheit halber mit der Zellhaut. Wir wollen dabei zuerst betrachten die Zellhaut selbst, dann die Außenhülle, die bei vielen Arten der Zellhaut als Gallert- oder Schleimschicht usw. auf- gelagert ist Die Zellhaut ist begreiflicherweise sehr dünn, bei größeren Bak- terien im allgemeinen wohl etwas mächtiger als bei kleinen, und dann mit starken Vergrößerungen als doppelt kontourierte Haut zu erkennen. Ihre Dicke ist in bestimmten Fällen vermutungsweise auf 0,01 ^ ge- schätzt worden. Es ist ganz selbstverständlich, daß man etwaige Struk- turen, die wohl sicher vorhanden sind, Schichtungen oder Streifungen, wie man sie an dickeren Zellwänden bei höheren Pflanzen, z. B. bei Bastfasern, beobachten kann, meist nicht sehen kann, wenn wir von den 1) Vgl. z. B. Ficker, M., Arch. f. Hyg. 1908, Bd. 68, S. 1. Zellhaut. 91 Außenliüllon der eigentlichen Zellhaut absehen, die uns erst nachher beschäftigen sollen. In einem Fall, bei einem sehr großen Schwefel- bakterium, ('liroi)iatium^), hat man an der isolierten Zellwand eine ver- hältnismäßig 'weitmaschige Netzzeichnung gesehen und gleiches gilt für den B(i€. BütscJdii.") Eine Schiclitung der Wand wird ferner bei der Schwefelbakterie ThiopJii)S(( beschrieben"'). In den meisten Fällen be- obachten wir, daß die Zellhaut nach außen nicht ganz scharf abgegrenzt erscheint, was so zu erklären ist, daß ihre äußersten Schichten nicht fest sind, sondern mehr oder minder verquellen. So entsteht eine schleimig-klebriore Oberfläche der einzelnen Zelle, welche Eigenschaft man zwar nicht ohne weiteres wahrnehmen, aber doch daraus erschließen kann, daß die Zellen nicht selten fest aneinander haften; wir haben oben schon gehört, daß diese Tatsache der Einzellkultur nicht selten Schwierig- keiten bereitet. Auch hat man folgendes gefunden: In einer Tusche- emulsion bewecren sich die kleinsten Rußteilchen dauernd in lebhafter, zitternder Bewegung hin und her, zeigen sog. „Bro wüsche Molekular- bewegung", eine Erscheinung, die, nebenbei bemerkt, neuerdings von der Physik zur Begründung der Theorie vom Aufbau jeglicher Materie aus distinkten kleinsten Teilchen mit herangezogen wird. Untersucht man nun Bakterien in solcher Tuscheemulsion, so zeigt sich, daß die Ruß- teilchen in unmittelbarer Nachbarschaft der Zellenoberfläche im Gegen- satz zu den andern unbeweglich sind, woraus man schließen darf, daß sie an der klebrigen Oberfläche festhaften. Wie weit allerdings auch molekulare Anziehungskräfte dies bedingen mögen, müßte wohl noch untersucht werden. Gehen wir nun über zur Besprechung jener bei vielen Formen festgestellten, mehr oder minder mächtig ausgebildeten Außenhüllen der Zellen. Von diesen nimmt man an, daß sie gleichfalls durch Verquellung der äußersten Zellhautschichten entstehen. Die Tatsache, daß sich diese Hüllen gegenüber chemischen Reagentien und Farbstofifen nicht selten ebenso verhalten wie die Zellwand selbst, spricht allerdings für diese Entstehungsweise. So hat man*) in einem Fall, nämlich bei be- stimmten Essigbakterien, bei welchen die Zellhautstoä'e die Eigentüm- lichkeit aufweisen, sich mit Jodlösungen zu bläuen, gefunden, daß die ZeUhaut selbst sich intensiv bläut, weniger eine äußere Schicht der- selben, noch weniger, aber immerhin deutlich der eigentliche Schleim, 1) Bütechli, 0., Weitere AusführunLjen über den Bau der Cyanophyceen und Bakterien, Leipzig 1896. 2j Schaudinn, F., Arch. f. Frotk. 1902, Bd. 1, S. 306. 3) Hinze, G., Ber. d. bot. Ges. 1903, Bd. 21, S. 309. 4) Meyer, Arth., Ber. d. bot. Ges. 1901, Bd. 19, S. 431. 92 III. Morphologie der Bakterienzelle, I. der die Außenhülle darstellt. Dies deutet allerdings mit Sicherheit auf Entstehung der Schleimhülle durch Verquellung der Haut unter Wasseraufnahme hin. Doch liegt wohl kein Grund vor zu zweifeln, daß sie in anderen Fällen vom Protoplasma aus durch die Zellhaut hindurch nach außen abgesondert werden könnten. Zunächst ein Wort über die morphologischen und physikalischen Eigenschaften dieser Außenhüllen! Was die Konsistenz angeht, so sind sie häufig als ziemlich zäh - gallertige , mehr oder minder elastische Bildungen zu betrachten, dann auch mit fester, meist leicht sichtbarer äußerer Begrenzung. Man spricht dann von Gallerthüllen, welche wohl auch geschichtet sein können, indem mehr oder minder wasserreiche Schichten mit- einander abwechseln. Man %.|V • Abb. 27. (Natürliche Größe.) Sem ülostridiu m com m iine. Gallertballenhaufen aus einer Zucht in zuckerhaltiger Nährlösung. Nach Maaßen a. Laiars Hdb. • b h Abb. 28. (Vergr. ca. 2000.) Leuconostoc m esenterioides. a ZeUen ohne GallerthüUe. 6 Zellen mit Gallerthülle. Nach Liesenberg u. Zopf aus Lafars Hdb. kann häufig beobachten, daß eine solche Gallerthülle zunächst jede einzelne Zelle umgibt: aber indem diese sich teilt und ihre Tochter- Zellen sich wieder mit je einer Gallerthülle umgeben, während die erst- genannte als gemeinsame Hülle erhalten bleibt, und dieser Vorgang sich mehrfach wiederholt, können endlich viele Zellen, deren jede ihre eigene Hülle aufweist, in gemeinsamen ineinander geschachtelten Gallert- hüllen darin liegen. Solche Zellenkolonien hat man auch mit dem be- sonderen Namen „Zellfamilien" belegt, da alle Zeilen, wie die Mitglieder Gallerthüllen. 93 einer Familie, ein gemeinsames Haus (die äußerste Hülle) bewohnen; der Ausdruck ist. insofern mißverständlich, als Familien nicht aus gleichwertigen Gliedern bestehen, sondern im Vater ein Oberhaupt haben oder doch haben sollten, welches die andern leitet, während bei den Zellfamilien alle Zellen gleich sind. Sind solche Gallerthüllen eini<»;er- maßen dicht, so kann man sie unter dem Mikroskop direkt sehen, sonst sind sie durch besondere Färbemethoden deutlich zum Vorschein zu bringen. Die genannte Gallerthülle ist entweder nur schmal oder nimmt auch ganz gewaltige Dimensionen ein; im letzteren Fall stellen die Bakterienkolonien, bzw. Familien, Klumpen vor, die man leicht mit Händen fassen kann (Abb. 27). Allbekannt ist es, daß verschiedene Bakterien, in Zuckerlösung gezüchtet, diese in große Gallertklumpen verwandeln können, in denen natürlich die Masse lebender Substanz gegenüber der Gallerte ganz außerordentlich zurück- tritt. Solche können auch in Zucker- fabriken bei mangelnder Reinlichkeit des Betriebs Schaden anstiften, da der Inhalt (sog. „Froschlaichbilduug") ganzer Bot- tiche mit Zuckerlösung auf diese Weise unbrauchbar gemacht werden kann. Früher war hauptsächlich ein kettenbildendes Kugelbakterium gefürchtet, der Leucono- stoc mesenterioides und einige verwandte Formen (Abb. 28); bei der heutigen Be- triebsweise sind bestimmte gallertbildende Stäbchen, sog. Semiclostridien (vgl. spä- ter), in erster Linie gefährlich.^) In den meisten Fällen wird solche Gallerte allseitig gleichmäßig abgeschie- den, doch sind auch einige eigenartige Fälle bekannt geworden, in denen die Gallertbildung einseitig erfolgt, so daß die Zellen am Ende von Gallertstielen, die ver- zweigt sein können, sitzen, so daß sehr sonderbare Bilder von Kolonien entstehen. Hier wäre zu nennen das Bact.pediculatum, Abb. 2'J. Bacterium rermiforine auf Ginger-Beer-Nährgelatiue. Vergr. 340. Die drei Figuren rechts oben, die ästige Schleimniassen mit Zellen an den Knden der Äste darstellen, 210 fach vergrößert. Nach Ward aus Lafars Mykologie. 1) Zettnow, E., Ztscbr. f. Hyg. 1907, Bd. 57, S. 154; Maaßen, A., Ref. B. C. II, 1906, Bd. 16, S. 230. 94 ni. Morphologie der Bakterienzelle, I. in einer Gallerte, die einer Zuckerfabrik entstammt, gefunden, dessen Zellen vorzüglich auf ihrer Längsseite Gallerte ausscheiden und darum am Ende langer Gallertstiele sitzen.^) Ferner Bad. vermiforme (Abb. 29), ein Spaltpilz, der gemeinsam mit einer Hefe die „Gingerbeerplant" zu- sammensetzt und aus Zuckerlösungen das in England beliebte Ingwerbier werden läßt. Auch dieses Bacterium scheidet gelegentlich nur einseitig Gallertmassen al). Auch bei vielen pathogenen, im tierischen oder menschlichen Kör- pern lebenden Bakterien hat man eine scharf begrenzte Gallerthülle nachsrevviesen. Der Mediziner bezeichnet sie mit dem uns etwas fremd- artig klingenden Namen „Kapseln" (Abb. 30). Da man in bestimmten Fällen zweifelhaft sein kann, ob eine Kapsel wirklich vorhanden ist oder nur durch bestimmte Präparations- und Färbe- verfahren vorgetäuscht wird, empfiehlt es sich, die- selbe, wenn möglich, an der lebenden Zelle zu stu- dieren und durch Einlegung dieser in Tuscheemulsion sich davon zu überzeugen, ob die Kußteilchen bis unmittelbar an die Zellhaut herantreten oder aber ^1^ 3Q einen hellen Hof um die Zelle lassen. Nur im 3Itcrococcus tetra- letzteren Fall kann eine Kapsel vorhanden seiu. genus Falsche, sog. Pseudokapseln sollen so entstehen mit Kapseln; aus dem können, daß Bakterien im Gewebsaft eintrocknen; Nierensaft ein. Maus, dieser trocknet schnell ein, langsam aber eine die (Sehr stark vergr.) ^elle umhüllende Schleimschicht, die sich dabei zu- T e " uiu sammenzieht: so entsteht ein heller Hof um die Zelle, Lafars Hdb. i , t- i • • der als Kapsel imponiert. Mit Gallertbildungen durch mannigfache Übergänge verbunden und schlechterdings nicht scharf von ihnen zu trennen sind die Schleim- bildungen, also Verschleimungserscheinungen der äußeren Zellhaut- schichten. Schleim ist sehr stark quellbar, oft geradezu zerfließlich, und von fast demselben Lichtbrechungsvermögen wie Wasser, die äußere Grenze darum meist viel schwerer wahrzunehmen als bei Gallert- bildungen, weshalb man bei der Untersuchung auf Schleimbildung ganz besonders häufig die oben genannte Tuschemethode zum Nach- weis heranziehen muß. (Vgl. z. B. die Figuren, die später bei Be- sprechung der Purpurbakterien folgen (Kap. 18).) Es sei hier noch erwähnt, daß man zu gleichem Zwecke wohl auch die auf Schleim- bildung zu untersuchenden Bakterien in einen von andern kleinen Bak- terien wimmelnden Tropfen übertrug und sich nun darüber orientierte, 1) Koch, A., u. Hosaeus, H., B. C. 1894, Bd. 16, S. 225. Schleimbildung. 95 ob diese sich bis dicht an die Zellhaut jener heran '])ewegen oder durch einen Zwischenraum, der von Schleim gefüllt ist, davon getrennt bleiben. Im Gegensatz zur Gallertbildung, bei der jede Zelle ursprüng- lich ihre eigene Gallerthülle absondert, liegen bei Schleimbildung viele Zellen innerhalb eines von ihnen gemeinsam abgesonderten Schleim- tropfens, ohne daß man jeder Zelle eine Sonderschleimhülle zuerkennen könnte; wir reden dann, wie schon oben gesagt, von einer Bakterien- zooglöa, die nach dem, was wir eben ausführten, entweder unbestimmte zerfließende Umrisse hat oder aber auch bestimmte Umrißformen auf- weist, die aber keine deutliche Beziehung aufweist zur Umrißform der einzelnen Zelle (wie die Gallerthülle). Das ist z. B. der Fall bei einer im schmutzigen Wasser häufigen Spaltpilzart, deren verzweigte Zoo- glöen einen überaus charakteristischen Anblick darbieten Wenn die fragliche Art als Zoogloca ramigera bezeichnet wird, so ist das na- türlich zu beanstanden, da „Zoogloea" keine Art-, sondern eine Habitus- bezeiehnung ist. Es wäre endlich noch zu erwähnen, daß außer Schleim auch sog. Gummimassen als Ausscheidungsprodukte von Bakterien zellen nachge- wiesen worden sind. Im Gegensatz zum Schleim sind diese klebrig und fadenziehend ^). Auf die Bildung von Gummi werden wir später noch im anderen Zusammenhang zurückzukommen haben (Kap. 21). Es wäre nun ein Irrtum zu glauben, daß der Besitz oder das Fehlen von GaUert- bezw. Schleimbildungen ein konstantes, spezifisches Unter- scheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Spaltpilzarten sei. Zwar gibt es Bakterien, die niemals mächtige Ausbildung von Außenhüllen aufweisen, aber diejenigen, die dazu befähigt sind, entwickeln die Hüllen nur unter geeigneten Versuchsbedingungen. Gewisse Purpur- bakterien, so ist neuerdings nachgewiesen worden, schwärmen zeitweise lebhaft, ohne GallerthüUen umher, zu andern Zeiten sind sie unbeweg- lich und scheiden Gallerthüllen ab. Von Krankheitserregern weiß man, daß sie ihre „Kapseln'^ nicht selten nur innerhalb des kranken Körpers ausbilden, unter künstlichen Zuchtbedingungen aber nicht (so z. B. das Bad. capsulatum u. v. a. m.). Ja sogar, die nach ihrer Schleimab- scheidunor sogr. Schleimbakterien können, wie man mittelst der Tusche- methode gefunden hat, teilweise ohne Schleimabscheidung ihren ganzen Entwicklungsgang vollenden^). Die Meinung, daß diese Formen über- haupt keinen Schleim bilden, der Namen ihnen also zu Unrecht ge- geben sei, können wir uns nicht aneignen, wir kommen darauf noch 1) Ruhland, W., Ber. d. bot. Ges., 190G, Bd. 24, S. 393. 2) Vahle, C, B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 178. 96 HI. Morphologie der Bakterienzelle, I. zurück. Aucli der so mächtige Gallertmassen bildende Leuconostoc mesenterioides kann ganz ohne derartige GallerthüileD gezüchtet werden. Als ein letztes Beispiel für die Abhängigkeit der Gallertbildung von der Umgebung sei hier noch Bad. agreste genannt, eine Form, die neuerdings in der Bakteriologie des Ackerbodens eine Rolle spielt, und der wir darum noch später begegnen werden. Es bildet nur bei ganz bestimmter Nahrungszufubr Gallertkapseln aus, die aber dann die ganze Kulturflüssigkeit in eine Gallertmasse verwandeln^). Im Anschluß au das Gesagte sind nun noch einige weitere Be- sonderheiten in der Ausbildung der Bakterienzellhaut zu berühren! Wir haben schon gesehen, d;iß viele Formen eine sog. Kahmhaut an der Oberfläche der Flüssigkeiten bilden. Das beruht darauf, daß die meist fadenförmig aneinandergereihten Zellen auch seitlich infolge ent- sprechender Veränderung der Außenschichten ihrer Zellwände verkleben; so entstehen bald zähere^ bald sehleimigere Decken, in denen die Zellen je nach der Art, die vorliegt, enger oder weiter, regelmäßiger oder un- regelmäßiger gelagert sind, und die man offenbar auch als Sonderfall der oben beschriebenen Zooglöa auffassen kann. Essigbakterien bilden solche Häute, die sog. Essigmutter, ebenso viele andere luftgierige Formen. Eine andere Erscheinung ist die Hüllen- oder Scheidenbildung bei den typischen Fadenbakterien, deren Zellen wie in einem festen, hohlen Schlauch darin sitzen. Am häufigsten sitzt je ein Zellfaden in jeder Scheide; andere Arten sind aber dadurch gekennzeichnet, daß bei ihnen ein ganzes Fadenbündel in einer gemeinsamen Scheide sitzt, so be- stimmte Schwefelbakterieu. „Die Scheide ist an jungen Fäden oder an der fortwachsenden Spitze älterer Fäden gewöhnlich nicht sichtbar, tritt an älteren Teilen als zartes, dünnes Häutcheu auf und kann schließ- lich an den ältesten Teilen eine Dicke erreichen, die derjenigen der Zelle gleich kommt." ^) Dürfen wir im allgemeinen die früher erwähnten Gallerten auffassen als Bildungen, die in mechanischer Beziehung weniger fest sind als die Zellhaut selbst, so dürfen diese Scheiden häufig als widerstandsfähiger oder doch ebenso Aviderstandsfähig gelten als jene. Die Scheiden können einfach sein oder verzweigt; wie die Verzweigung zustande kommt, soll später noch beschrieben werden. Nicht selten trifft man sie entleert an, indem die Zellen, nur mehr von der eigent- lichen Zellhaut umkleidet, aus der Scheide austreten; in andern Fällen verschleimen die Scheiden auch geleo-entlich und die Zellen werden frei, um an andern Stellen zu neuen Fäden auszuwachsen. 1) Löhnis, F., B. C. I, Or., 1904, Bd. 49, S. 177. 2) Migula, W., in Lafars Hdb. I, S. 56. ScheidenbilduDg. Bacteriocysten. 97 Ein ganz eigener Fall von Hüllenbildung, den man neuerdings bei bestimmten stäbchenförmigen Milchsäurebakterien gefunden hat, welche gerbstofireiche Obstweine bewohnen, soll noch kurz besprochen werden^). Es handelt sich um Zooglöen von der üblichen schleimigen Beschaffen- heit. Die äußerste Scliicht derselben bildet aber nach einiger Zeit eine eigenartige halbdurchlässige Haut (vgl. ob. S. 81), eine sog. Niederschlags- raembran, die heranwächst und so Veranlassung gibt zur Entstehung großer, bis 2 cm im Durchmesser aufweisender Bakterienblasen, Bac- teriocysten, von mehr oder minder runder Form, in der die Zellen selbst in großer Zahl darin liegen. Mit Recht nimmt der Entdecker dieser Blasen an, daß hier abnorme, durch den Gerbstoffgehalt des Mediums bedingte Gebilde vorliegen, denn Gerbstoff ist auch in anderen Fällen als Komponente von Niederschlagsmembranen bekannt, also nicht Gebilde, die in der Biologie dieser Bakterien eine größere Rolle spielen dürften.-) — Bad. mannitopoewn, das unter Umständen ungegliederte Stäbchen von 50 /i Länge bilden kann, Bad. gracüe, das ähnlich, aber zarter gebaut ist, Micrococcus cystiopoeus und einige andere, gleichfalls unbewegliche, sporenfreie Arten werden als Bildner solcher Cysten be- schrieben. Über die Bedeutung der Gallert- und Schleimbildungen kann man natürlicherweise sehr viele Vermutungen äußern, und es unterliegt keinem Zweifel, daß ihr Nutzen für die sie produzierenden Arten auf sehr verschiedenen Gebieten gesucht werden muß^). Häufig ist der mechanische Zusammenhalt die Hauptsache. So bedarf es keiner weiteren Erläuterung, daß zu Kahmhäuten verbundene Bakterienzellen leichter auf der Oberfläche schwimmen und den Sauerstoff der Luft genießen können, und weniger der Gefahr des Untersinkens ausgesetzt sind als einzeln lebende Zellen. Li anderen Fällen'*) hat man den Vorteil der durch Schleimbildung ermöglichten Koloniebildung darin gesucht, daß 1) Müller-Thurgau, H., B. C. II, 1908, Bd. 20, S. 353. 2) Vgl. Jahn, E., Kryptogatnenflora der Provinz Brandenburg 1911, Myxo- bacteriales, S. 195. Der Autor beschreibt einen Spaltpilz, dessen Zellen bei guter Ernährung einzeln umherschwimmen, bei Verschlechterung der Lebensbedingungen zu einem Haufen sich vereinigen, Schleim abscheiden und Kolonien bilden, die aus verkürzten, kugligen Zellen bestehen. Da diesen verkürzten Zellen Sporen- natur zukommt (vgl. Arthrosporen im Kapitel V), spricht der Autor hier von „fruktifikativer" Koloniebildung eines Spaltpilzes, der im vegetativen Zustand keine Kolonien bildet, und glaubt, daß gleiches vielleicht auch für die im Text genannten Arten gilt. — Vgl. auch Myxobakterien im Kapitel VII. 3) Vgl. auch .Jahn, E. , Myxobacteriales in Kryptogamenflora der Provinz Brandenburg, 1911. 4) Meyer, A., Flora 1897, Bd. 84, S. 185. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 7 9y in. Morphologie der Bakterienzelle, I. die aus einzelnen abgestorbenen Zellen austretenden Stoffe ihren eigenen Artgenossen, nicht fremden Mikroben zugute kommen sollen; es läge also dann eine eigenartige Autophagie der Spezies vor. Auch gegen allzustarke Erwärmung soll Gallertbildung schützen; das ist ausgeführt worden für jene, schon mehrfach genannten, in Zuckerfabriken schäd- lichen LeticonostodoYineu , doch fehlen noch hinreichend übereinstim- mende experimentelle Daten über diese Frage ^). Bewiesen ist allerdings, daß schleimbildende Rassen von Milchsäurebakterien gegen starke Tempei-aturerhöhuug etwas widerstandsfähiger sind als solche, die keinen Schleim bilden-). Die wesentlichste Bedeutung dürften Gallertbildungen als Schutz gegen allzuschnelles und allzustarkes Austrockuen haben. In der Brandungszone des Meeres hat man^) einen Spaltpilz gefunden, der SchleimhüDen um seine Zellen besitzt, und dem dadurch, wie sein Entdecker glaubt, auf dreierlei Weise Vorteile erwachsen. Einmal sollen sie ihn gegen Austrocknen schützen, sodann ihn an den Tangen festkleben und so verhindern, daß er ins Meer hinausgeschweramt wird, und endlich sollen sie, falls das doch vorkommen sollte, seine Schwimm- fähigkeit erhöhen. Daß bei solchen Deutungen die Phantasie immer stark mitspielen muß, liegt auf der Hand, gleichwohl werden nur wenige Forscher das anregende Moment, das in solchen Spekulationen ent- halten ist, missen wollen. Was den chemischen Aufbau der eigentlichen Zellhaut angeht, so besteht sie wohl vielfach aus einem Gemisch verschiedener Stoffe, ab- gesehen von dem Wasser, das sie durchtränkt, solange die Zelle lebens- tätig ist. Die Stoffe nun, welche die etwas quellbaren, mehr oder minder elastischen Häute aufbauen, sind nur recht unbefriedigend bekannt, und zumal muß ungewiß bleiben, ob die häufig gedruckt zu lesende Be- hauptung, daß Eiweißkörper an ihrem Aufbau teilnehmen, zu Recht besteht. Es beruht diese Annahme auf der nicht eindeutigen Beobach- tung, daß das sog. Millonsche Reagens, welches gewisse, aber nicht alle, und auch nicht allein diese Eiweißkörper rot färbt, diese Färbung auch bei Bakterienzellhäuten hervorruft. Außerdem wird sie durch folgenden Gedaukenffang zu stützen gesucht: Bei bestimmten Bakterien, so sahen wir, ist keine Zellhaut, sondern statt ihrer eine Pellicula vorhanden, in deren Aufbau wohl sicher Eiweißkörper mit eingehen, wie in den des eigentlichen Protoplasmas. 1) Zettnow, E., Z. f. Hjg., 1907, Bd. .57, S. 154; dort. Lit. 2) Burri, R. u. Thöni, J., Ldw. Jahrb. d. Schweiz, 1908, S. 292, zit. nach Burri, R. u. Allemann, 0., Z. f. Unt. d. Nahrangs- u. Genußmittel, 1909, Bd. 18, S. 449. 3) Schaudiun, F., Arch. f. Prpt.Kde., 1903, Bd. 2, S. 421. Chemie der Zellhaut. 99 Bei anderen Bakterien, so folgert man weiter, hat sich zwar eine weitergehende Sonderling der Zellhaut vollzogen, aber in chemischer Beziehung ähnelt sie doch noch der Pellikula, aus der sie im Lauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung hervorgegangen ist. Somit dürfte sie auch eiweißhaltig sein. Daß solche Schlüsse nichts Zwinsen- des haben, sondern nur anregende Hypothesen sind, ist sicher. In seltenen und wohl auch zweifelhaften Fällen ist das Kohlenhydrat Zellulose als Baustoff der Zell wand nachgewiesen, d. h. der Stoff, der in so hervorragendem Maße am Aufbau der Zellhäute höherer Pflanzen beteiligt ist. Man weist ihn nach durch Blaufärbung der Haut bei Einwirkung von Jod und Schwefelsäure, während Jodlösung allein die Zellulose nicht bläut. Bei einigen Essigbakterien ist nachgewiesen worden, daß ihre Zellhäute und deren verschleimte Außenlagen sich mit Jodlösung allein bläuen, was auf ein der Zellulose nahestehendes, aber nicht mit ihr identisches Kohlehydrat mit einiger Wahrscheinlich- keit schließen läßt. Außerdem findet sich in der Literatur nicht selten die Angabe, daß die Haut bestimmter Essigbakterien „Zellulosereaktion" gebe, ob hierunter die Blaufärbung mit Jodlösung allein verstanden wird, ob also dieser Ausdruck inkorrekt ist, oder ob die betr. Wände sich tatsächlich mit Jodlösung nur bei Anwesenheit von Schwefelsäure blau färben, ist nicht klar zu ersehen^). Die Zellwände von Beggiatoa und Thiophysa sollen sich färberisch ebenso verhalten wie die Pektinstoffe, aus denen die Mittellamellen der Gewebe höherer Pflanzen bestehen.^) Bei bestimmten Bakterienarten, so dem Tuberkelbazillus, einem Essigbakterium, dem Bad. coli, pyocyaneum, Bac. antliracis, Staphylo- kokken, hat man sodann auch neben anderen Stoffen Chitin in der Zellhaut nacliAveisen können ^) oder doch charakteristische Spaltungs- produkte dieses Stoffes, der den Panzer der Insekten bildet und am Aufbau der Zellhaut höherer Pilze hervorragenden Anteil hat. Andere Forscher^) haben aber trotz eingehender und zuverlässiger Untersuchung 1) Nach Beijerinck, B. C. II, 1898, Bd. 4, S. 209 ist in bestimmten Fällen Säurezusatz nötig; Henneberg, W., B. C. 11, 1907, Bd. 17, spricht bei Bact. xylinum und xyliiwides von Blaufärbung durch Jod und Schwefelsäure; wie Jod allein färbt, wird nicht angegeben; Garbo waki, B. C. II, 1907, Bd 20, S. 108, spricht von „Celluloeercaktion", bezieht sich aber auf Stellen in der Lit., wo von Blaufärbung durch Jod allein die Kede ist. 2) Hinze, G., Wiss. Meeresuntersuchungen, Kiel 1902, N. F.. Bd. 6. 3) Emmerling, 0., B. d. ehem. Ges., 189.5, Bd. 32; Iwanow, K. S., Hof- meisters Beitr., 1902, Bd. 1, S. 524. 4) v.Wi88elingh,C.,Jahrb.f. wiss. Bot., 1898, Bd.31,S.ül9;Garbowski,L., a. a. 0.; Wester, D. H., Diss. Bern, 1909. 1* 100 ni. Morphologie der Bakterienzelle, I. Chitin stets vermißt. Somit wissen wir eigentlich nichts über die Chemie der BakterienzeUhäute; vielleicht wird aber eine genauere Untersuchung der Löslichkeitsverhältnisse, z. B. in Kalilauge, Eau de JaveUe, GaUe (Cholsäure, taurocholsauren Salzen), Wandel schaffen. Die Häute der verschiedenen Bakterien verhalten sich sehr verschieden gegenüber solchen Mitteln. In Eau de Javelle ist die ZeUhaut des Bac. üimescens, der Sarc. iircae und jedenfalls auch vieler anderer Arten lösbar^). Über die chemische Zusammensetzung der verschiedenen Gallerten, Schleime, Gummiarten ist auch recht wenig bekannt. In vielen Fällen handelt es sich um Kohlenhydrate, z. B. Dextran und Lävulan, d. h. Derivate des Traubenzuckers, Dextrose und des Fruchtzuckers, Lävu- lose, aus denen sie durch Zusammenlagerung mehrerer Moleküle unter Wasseraustritt, sog. Kondensation, entstehen. Das ist u. a. der Fall bei den Gallertbildungen in Zuckerlösungen durch Leuconosfoc mcsenterioides. Daß auch die Gummiarten zu den Kohlenhydraten gehören, ist bekannt. Der Schleim gewisser Milchsäurebakterien {Bact. casci), den man aus der fadenziehenden Kulturtlüssigkeit mittels Alkohol und Äther fällen kann, soll aus „einer chitinähnlichen, in einem Zustand hochgradiger Quellung befindlichen Substanz" bestehen^). In anderen Fällen hält man die Schleime für Mucine, d. h. eiweißhaltige Produkte. Das gibt uns Gelegenheit, kurz darauf hinzuweisen, daß man auch eine eigen- artige, von der Beobachtung anderer einzelliger Wesen hergeleitete Deutung dieser Hüllen gegeben hat. Man hat nämlich bei bestimmten Gruppen von Mikroorganismen gefunden, daß das lebende Protoplasma nicht nur im Innern der Zellhaut lebt, sondern sich zum Teil auch außerhalb derselben befindet, daß ein sog. extramembranöses Proto- plasma, dem für die Nahrungsaufnahme und für die Aufnahme äußerer Reize eine große Bedeutung zugesprochen wird, vorkommt. Solches extramembranöse Protoplasma hat man auch bei Bakterien zu finden geglaubt, doch fehlt bis jetzt jeglicher Beweis für das Zutreffende der- artiger Deutungen. Wir lassen uns darum auch nicht weiter darauf ein ^j. Das wenige, was über die Qualität der Sporenhaut der Bakterien be- kannt ist, und was man über die jugendliche Zellhaut, die man während und kurz nach der Zellteilung beobachtet, sagen kann, soll weiter unten mitgeteilt werden. 1) Meyer, A., B. C. I, Or., 1901, Bd. 29, S. 809 ; Ellis, D., B. C. I, Or., 1903 Bd. 33, S. 1. 2) Burri, R. u. Allemann, 0., Z. f. Untersuch, d. Nahrungs- u. Genuß- mittel, 1909, Bd. 18, S. 449. 3) Vgl. auch Eisenberg, P., B. C. I, Or., 1908, Bd. 47, S. 415 u. 1909, Bd. 49, S. 405. Chemie der Gallerten u. Schleime. 101 Wir kommen nun zur Besprechung des Protoplasmas mit seinen Einschlüssen, jener Substanz also, die wir nicht besser oder, wenn man will, auch nicht schlechter definieren können, als wenn wir sagen, sie verstehe das Kunststück zu leben. Es handelt sich um eine im lebens- tätigen Zustand schleimig-flüssige Masse, die sich selbst überlassen, so- viel sahen wir schon bei der Besprechung plasmolytischer Erschei- nuno-en, Kusrelcrestalt annehmen würde, deren bei den verschiedenen Bakterienarten verschiedene Gestalt also durch die Form der Zellhaut bedingt wird, die ihrerseits natürlich vom lebenden Protoplasma ge- modelt wird. Der reiche Gehalt des Protoplasmas an Eiweißkörpern und verwandten Stoffen, sog. Kolloiden, wie man im Gegensatz zu Kristalloiden die Stoffe nennt, die nur sehr schwer durch Membranen hindurchdiffundieren können und die man auch erst zum Teil im kri- stallinischen Zustand hat gewinnen können, bedingt es, daß man das Protoplasma oder doch dessen Grundsubstanz als eine „kolloidale Lösung", als flüssigen Kolloidenkomplex bezeichnet; wohl auch als Hydrosol, wie man im Gegensatz zu gallertigen Kolloiden (den Hydrogelen) flüssige Kolloide nennt. Ein solches Hydrosol sieht unter dem gewöhn- lichen Mikroskop homogen aus, bei Dunkelfeldbeleuchtung sind in ihm kleine, gesonderte Teilchen sichtbar zu machen^), die sich in lebhafter „Brownscher Molekularbewegung'' befinden. Es sei darauf hingewiesen, daß man an solchen Hydrosolen, auch am lebenden Protoplasma bei geeigneter Versuchsanstellung, sog. Entmischungsvorgänge beobachtet hat, indem sie sich in festere und flüssigere Komponenten sondern. Man nimmt an, daß derartige Erscheinungen, die Veränderlichkeit des Zustaudes kolloidal gelöster Stoffe, dieselben besonders geeignet macht, zu Trägern von Lebenserscheinuugen zu werden^). Selbst wenn wir mit Hilfe des Mikroskops am Protoplasma nichts weiter sehen könnten wie an einer beliebigen homogenen Lösung, wäre es doch ganz verfehlt, sich dasselbe als homogene Flüssigkeit vorzu- stellen. Schon theoretische Erwägungen haben die Forscher dazu ge- führt, es auszusprechen, daß alle die verschiedenen Funktionen, denen es gerecht werden muß, die bei jeder Art verschiedene Formgestaltung, die Erscheinungen des Stoffwechsels, der Vererbung usw., wenn über- haupt, so unmöglich anders verständlich gemacht werden können, denn mit der Annahme einer fast unendlich komplizierten Struktur, d. h. gegenseitigen Lagerung der kleinsten aufbauenden Teilchen. Wie sich 1) Gaidukov, N., Dunkelfeldbeleuchtung u. Ultramikroskopie, Jena 1910. 2) Vgl. z.B. Jost, L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, Jena, 2. Aufl., 1908 oder Nathansohn, A., Stoff"wechael der Pflanzen, Leipzig 1910 102 ni. Morphologie der Bakterienzelle, I. der Chemiker die Eigenschaften und Reaktionen verschiedener Zucker- arten nur dadurch verständlich machen kann, daß er den kleinsten Teilchen ( Molekülen) jeder Zuckerart einen Aufbau aus einer bestimmten Zahl von Atomen mit bestimmter gegenseitiger Lagerung im Raum zuspricht, so muß der Biologe annehmen, daß das Protoplasma, sei es der Bakterien, sei es irgendwelcher anderer Wesen, charakterisiert sei durch eine bei den einzelnen Arten, ja Individuen verschiedene Lagerung der dasselbe aufbauenden Teile ( Micellen, wie die kleinsten gesonderten Teile von Kolloiden heißen), die ihrerseits aus Molekülen und Molekül- gruppen bestehen, welche endlich ihrerseits wiederum aus verschiedenen Atomen und Atomgruppen aufgebaut sind. Vorstellen können wir uns diese Struktur, die sog. Organisation des Protoplasmas, nicht, sie muß fast unvorstellbar kompliziert sein, so daß man vielleicht mit Recht gesagt hat, es habe wenig Zweck, sich Gedanken darüber zu machen. Noch viel weniger können wir natürlich diese Struktur sehen oder auch nur hoffen, daß dies einer späten Zukunft gelingen wird, und zwar ebensowenig bei iler größten Zelle höherer Wesen als bei der winzigsten Bakterienzelle. Wir wollen uns darum hier darauf beschränken, zu fragen, ob es gelungen ist, im Protoplasma der Bakterienzelle irgend welche Struktureleraente zu beobachten, wie mau sie in den Zellen anderer Wesen vielfach gesehen und mit mehr oder weniger Recht zu bestimmten Funktionen der lebenden Zelle in Beziehung gesetzt hat. Nach Erledigung dieser Aufgabe wenden wir uns (im nächsten Kapitel) der Frage zu, wie es denn mit jenen seit langer Zeit bekannten Organen des Protoplasmas höherer Pflanzen, dem Zellkern und den Chromato- phoren (Chlorophyllkömern^ bei den Bakterien bestellt ist, und welcher- lei Reservestofie man in Form von Körnchen oder Tröpfchen bei den verschiedenen Spaltpilzarten nachgewiesen hat. Zuerst ist zu erwähnen, daß man in vielen Fällen am Bakterien- protoplasma, kurz gesagt, gar nichts sieht; es sieht aus wie eine klare Flüssigkeit. Sehr häufig ist dasselbe aber auch körnig. Schon bei der Amöbe sahen wir massenhaft Körnchen in demselben, ja man benennt sogar das Protoplasma, soweit es solche Körnchen beherbergt, als Körnchenplasma, im Gegensatz zu den Ranclpartien, die körnchenfrei zu sein pflegen, und darum homogen und durchsichtig. Man faßt solche Körnchen auch als Mikrosomen zusammen; über ihre Bedeutung ist nichts bekannt, nur soviel über jeden Zweifel erhaben, daß es sehr heterogene Dinge, zum Teil auch Reservestoffe sind, die unter dieser Flagge segeln, z. T. w^ohl auch kleine Vakuolen. In der Bakteriologie hat sich der Name nicht eingebürgert; man sucht vielmehr, wenigstens neuerdings, alles, was man an körnigen Einschlüssen sieht, nach Kräften Bakterienprotoplasma. 103 o-enau zu definiereu, so schwer diese Aufgabe auch sein mag und soweit in der Ferne auch eine allseitig genügende Behandlung derselben noch liecren mag. Wir wollen, wie oben erwähnt, auf diese Körnchen, soweit man ihre Natur erkannt hat oder erkannt zu haben glaubt, erst später nach Behandlung des Protoplasmas eingehen. Zum Teil verstecken sich unter den Mikrosouien wohl auch Gebilde, die man als körnige oder fädise Strukturen in der Zelle von Tieren und auch Pflanzen früher nachgewiesen, neuerdings genauer studiert und unter den Namen Chon- driosomen (Plastochondrien) zusammengefaßt hat. Dieselben sind in embryonalen tierischen Zellen zu beobachten, und es bilden sich im Laufe der Entwicklung die Differenzierungsprodukte der Zelle, Muskel- und Nervenfasern usw., aus ihnen heraus^). Bei den Pflanzen gelten sie als die Anlagen der Chlorophyllkörner, Von Gebilden, die mit Chondriosomen identifiziert werden könnten, hat man bisher im Bakterienprotoplasma zwar nichts wahrgenommen, wohl aber Körnchen, die man ^) gleich- zustellen geneigt ist mit den sog. „Plasmosomen", die „wichtige Struktur- elemente des Protoplasmas" tierischer Zellen darstellen sollen; diese „Plasmosomen" werden nun teilweise wiederum für „Chondriosomen'' orehalten. Wenn wir das hier kurz erwähnt haben, so liegt der Grund dafür darin, daß die Chondriosomenforschung jetzt im Aufblühen begriffen ist und es darum, nach früheren Erfahrungen zu schließen, nicht unwahrscheinlich ist, daß bald einmal auch in der Bakterienzelle zweifelhafte Strukturen als solche Chondriosomen gedeutet werden könnten ^). Haben wir somit gehört, daß das Bakterienprotoplasma entweder klar durchsichtig oder körnig ist, so ist nun noch hinzuzufügen, daß man in vielen Fällen, wie bei den Zellen vieler anderer Wesen, so auch bei denen der Bakterien, auch eine wabige oder alveoläre Struktur be- obachten konnte. D. h. nicht nur der Zellsaft oder eine geringe Zahl größerer oder kleineren Vakuolen ist vorhanden, sondern das ganze Protoplasma ist von einer Unzahl kleiner, sich gegenseitig abplattender und nur durch dünne Protoplasmalamellen getrennter Vakuolen durch- setzt. Sind diese Vakuolen außerordentlich klein, so hat man den Ein- druck, als seien sie kleine Körnchen; sagten wir doch oben schon, daß manche „Mikrosomen" wohl de facto kleine Vakuolen seien. Auf diese Wabenstruktur hat man viel Wert gelegt und sie als charakteristisch für alle lebendige Substanz gehalten. Man hat jede der kleinen Vakuolen 1) Meves, F.. Arch. f. rnikr. Anat., 1908, Bd 72, S. 816. 2) Ernst, A, B C II, 1911, Bd. 8., S. 1. 3) Guillievmond konnte (1911) in den von ihm darauf hin untersuchten Bakterien keine Chondriosomen finden. 104 ni. Morphologie der Bakterienzelle, I. als besondere Werkstatt der einzelnen Zelle angesehen und so zu er- klären versucht, daß innerhalb des beschränkten Raums einer Zelle so viele verschiedene Stoö'umwandlungen, ohne sich gegenseitig in ihrem Ab- lauf zu stören, vor sich gehen können. Wie erwähnt, hat man bei be- stimmten Bakterien, z. B. dem großen im Darm der Küchenschabe lebenden Bac. Bütscläii und vielen anderen, solche Wabenstruktur außer- ordentlich deutlich wahrnehmen können, und zwar ohne besondere Präparation, au der lebenden Zelle. Daß aber dieser Struktur wirklich die große Bedeutung zukommt, die ihr muncherseits zugeschrieben wurde, ist unwahrscheinlich, da man gefunden hat, daß viele Bakterien solche Wabenstruktur nur im alternden Zustand, z. B. kurz vor der Sporen- bildung zeigen, während im jugendlichen Zustand das Protoplasma homogen erscheint. Auch hat sich gezeigt, daß man in der Lage ist, solche Waben- struktur künstlich zu erzeugen in dem bis dahin homogenen Proto- plasma^). Wenn man z. B. den Bac. mycoides, das ist jener durch seine mit Ausläufern versehene Kolonien charakterisierte ,,Wurzelbazillus" in Fleischbrühe heranzüchtet und in Wasser überträgt, oder ihn mit sehr verdünnten Laugen behandelt, so wird das vorher homogen erscheinende Protoplasma schaumig; es handelt sich dabei wahrscheinlich um einen jener oben genannten Entniischungsvorgäuge, indem das Protoplasma sich derart sondert, daß die Wände der Waben aus festeren, der Inhalt aus mehr flüssigen Teilchen besteht. Solche und ähnliche Beobachtuugen weisen klar darauf hin, daß der wabige Bau nur eiu Zustand des Proto- plasmas ist. „Der für die lebende Substanz wesentliche, sie charakteri- sierende Bau dürfte in den Wabenwänden verborgen sein." Bei höheren Pflanzen hat man, wie wohl allgemein bekannt ist, Strömungs- und ähnliche Bewegungserscheinungen im lebenden Proto- plasma nachgewiesen als Zeichen für den lebenden Zustand und nebenbei auch für die fast flüssige Formart desselben. Bei Bakterien hat") man nur in einem Fall Strömungserscheinungen nachweisen können, nämlich in der Zelle des Bac. Biitschlii in bestimmten Entwicklungsstadien, und die Richtigkeit dieser Beobachtung wird überdies von anderer Seite ^) in Zweifel gezogen. Zwar hat mau außerdem in einer Zahl von Fällen Bewegungen kleinster Körnchen im Innern des Bakterienprotoplasmas wahrgenommen, indes dürfte es sich dabei lediglich um die schon mehr- fach genannte Brownsche Molekularbewegung gehandelt haben, die man 1) Degen, A., Bot. Ztg., 1905, Bd. 63, S. 163. 2) Schaudinn, F., Axch. f. Prot.kunde, 1902, Bd. 1, S. 306. 3) Meyer, A., Bot. Ztg. 1907, Bd. 61, 2. Abt., S. 1. Eiweißkörper der Bakterien. 105 ebensogut an toten Gebilden, z. B. den Fettröpfchen in der Milch, unter dem Mikroskop beobachten kann. Verschiebungen langsamerer Art innerhalb des Protoplasmas, durch welche Reservestofie transloziert werden, sind natürlich schon aus theoretischen Gründen unerläßlich. Soweit die mikroskopische Untersuchung des Protoplasmas In chemischer Beziehung ist dasselbe, wie schon mehrfach erwähnt, wenigstens im wachsenden Zustand sehr wasserhaltig, im ruhenden, wie es uns später, z. B. in den Sporen, entgegentreten wird, ist es von festerer Konsistenz. Einen wesentlichen Anteil an seinem Aufbau haben Eiweißkörper und zwar, im Gegensatz zu früheren Angaben, echte Eiweißkörper, welche die typischen Eiweißreaktionen geben und gleiche elementare Zusammensetzung aufweisen. Man hat solche aus Bad. pyo- cyaneum, pneumoniae, sodann aus Bac. suhtilis dargestellt, z. B. aus letzterem einen zu den Globulinen gehörigen Eiweißkörper, zu welchen auch das Reserveeiweiß der Samen vieler höherer Pflanzen zu rechnen ist. — Zu den charakteristischen Spaltungsprodukten des Eiweißes ge- hören die dem Chemiker und Physiologen als Aminosäuren bekannten Stofi'e; auch solche, und zwar bestimmte Diaminosäuren hat man nach- gewiesen, nämlich im Tuberkelbazillus. ^) Außerdem finden sich Stofi'e, die erst bei Spaltung Eiweißkörper liefern, die phosphorhaltigen Nukleo- proteide. Man kann diese schon unter dem Mikroskop bei Einwirkung geeigneter Reagentien von gewöhnlichen Eiweißkörpern unterscheiden dadurch, daß man die Zellen mit Magensaft behandelt, der zwar die Eiweißkörper, aber nicht die Nukleoproteide vollständig herauslöst. Chemisch sind sie dadurch gekennzeichnet, daß sie sich spalten lassen in Eiweiß und Nukleinsäure, die ihrerseits als Spaltungsprodukte Phos- phorsäure, dann die sog. Purinbasen und endlich Pentosen, d. h. be- stimmte Kohlenhydrate, liefert. Das Vorkommen von Nukleoproteiden oder doch von Stoffen, die mit Rücksicht auf ihre Spaltungsprodukte als mit ihnen verwandt betrachtet werden dürfen, wurde zuerst für den Heubazillus ^) wahrscheinlich gemacht; dann gelang es, in einem „Trink- wasserbazillus", einem langen, unbeweglichen Stäbchen, die charakte- ristischen Spaltungsprodukte von Nukleoproteiden, d. h. Purinbasen, nachzuweisen^); hierauf wurden aus Kulturen von Pest- und Cholera- bakterien Nukleoproteide dargestellt, ferner aus einem dem Bac. rani- cida ähnlichen Spaltpilz.^) Auf andere Weise konnten sie aus Bad. pyo- 1) Lit. bei Kruse, W., Mikrobiologie, Leipzig 1910, S. 72. 2) V. d. Velde, G., Ztsch. f. physiol. Chemie, 1884, Bd. 8, S. 3()7. 3) Nishimura, Arch. f. Hyg., Bd. 18, S. 325. 4) Galeotti, G., Ztschr. f. physiol. Chemie, 1898, Bd. 25, S. 48. 106 UI. Morphologie der BakterienzeHe, I. cyaneum^), Bac. megaterium, anihracis und Staphylokokken gewonnen werden.^) Das Nukleoproteid ans Bact. pyocyancnm enthielt z. B. 52,7 7o KohlenstoflP, 6,9% Wasserstoff, 10,5 "/„ Stickstoff, 2,1 7o Phosphor, 1% Schwefel. Über das Vorkommen solcher Stoffe im Bact. tuherculosis existiert eine ganze Literatur. Auch im Diphtherieerreger hat man Nukleoprotoide bzw. ihre Spaltungsprodukte gefunden.^) (Über das Volutin vgl. Kapitel V.) Sonst nehmen aui Bau des Protoplasmas noch die verschiedensten Stoffe teil; es ist schwierig oder, richtig gesagt, ganz unmöglich, überhaupt zu entscheiden, welche von diesen Stoffen — das gilt auch für die eben genannten Eiweißstoffe — wirklich Bau- steine des lebenden Protoplasmas sind, welche andererseits nur aufge- speicherte Reservestoffe; wir kcinnen kurz sagen, es ist unmöglich, sicher zu entscheiden, was lebt und was tot ist, um so weniger als nach der Ansicht mancher Forscher die lebende Substanz selbst in einem dauern- den Zerfall und Wiederaufbau begriffen ist. Diese überaus flüchtit^en Hinweise auf die Protoplasmachemie müssen hier genügen. Wir stehen erst im ersten Anfang derselben, manche der eben genannten Befunde sind auf Grund von Analysen von nicht ganz einwandfreiem Material gewonnen und sind noch nicht dem sicheren Besitzstand der Bakterio logie zuzurechnen. 1) Krawkow, zit. nach Iwanow. 2) Iwanow, K. S., Hofmeist. Beitr. l'J02, Bd. 1, S. 5-24. 3) Lit. bei Kruse, W., Mikrobiologie, Leipzig 1910, S. 67. Grüne Bakterien. 107 Kapitel IV. Morphologie der Bakterienzelle, 11. Der Zellkern. Wir haben bisher von dem Protoplasma zwar als von einem sehr komplizierten, aber doch einheitlichen Körper gesprochen; da ist es nun au der Zeit, daß wir im folgenden genauer auf eine Frage eingehen, die wir oben nur flüchtig gestreift haben: bei höheren Pflanzen gliedert sich die lebende Substanz in das Protoplasma im engeren Sinn, das sog. Cjtoplasma, auch Zellenleib, genannt — dessen Struktur ist es, die wir im vorigen Ab- schnitt besprochen haben — ^ sowie in den Zellkern (Nucleus) und die Farbstoffträger (Chromatophoren), welche letztere allerdings den Pilzen abgehen. Zellkern und Farbstoffträo-er haben wir als wichticje Organe des Protoplasmas zu betrachten — sie werden auch „Organellen" der Zelle im Gegensatz zu den Organen des ganzen Körpers genannt — , weil sie nicht vom Cytoplasma je nach Bedarf gebildet werden, ge- legentlich wieder verschwinden, um abermals neu gebildet zu werden, weil sie vielmehr ständige, wesentliche Bestandteile der Zelle sind, die stets von ihresgleichen abstammen, d. h. sich nur durch Teilung ver- mehren, und so von der Mutterzelle auf die Tochterzellen übergehen. Das haben wir ja sclion früher bei der kurzen Behandlung der Amöben, Flagellaten usw. vernommen. Wie steht es nun mit diesen protoplas- matischen Organen bei den Spaltpilzen? Wir nehmen die Chiomatophoren vorweg, da wir sie in Kürze ab- machen können. Man hat sie bei den Bakterien ebensowenig wie bei andern Pilzen nachweisen können. Immerhin wollen wir hier kurz bemerken, daß man gelegentlich an geeigneten Standorten, z. B. auch in Heuinfusen, zur Zeit, da die Mineralisierung im besten Gang ist, kleine, grüne Zellen von Form und Größe der Bakterienzellen beob- achten kann, Zooglöen von grünen, äußerst kleinen Kokken, Stäbchen, schleimige Knäuel von sehr dünnen Fäden usw. Man hat sie auch geradezu als „grüne Bakterien" bezeichnet, freilich nicht ohne damit 1) Winogradsky, S., Beitr. z. Morph, u. Phys. d. Bakt.. Leipzig 1888, S. 44. 108 IV. Morphologie der Bakterienzelle, IL auf Widerstand gestoßen zu sein ^), und das nähere Studium derselben wäre sehr verdienstlich, da es sich doch vielleicht um sehr interessante chlorophyllführende ParaDelformen, d. h. um Verwandte der Spaltpilze, handeln dürfte, die den Algen zuzuzählen sind. Ferner hat man, u. zw. auf Java grün gefärbte kugel-, stäbchon- und schraubenförmige Zellen, die z. T. beweglich sind, z. T. auch, soweit es sich um Stäbchen handelt, Sporen führen, von Bakteriengröße nachgewiesen, die am Licht, wie Chlorophyllpflanzen, Sauerstoff ausscheiden. Doch waren Chlorophyll- körner nicht zu entdecken, vielmehr durchtränkte der Farbstoff das Protoplasma gleichmäßig.^) Endlich sind uns selbst in Infusen, die mit Ostseealgen und Ostseewasser angesetzt wurden, nicht selten grüne Zooglöen, die aus sehr kleinen runden Zellen von knapp 1 jtt Durch- messer bestanden, entgegengetreten. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei kurz erwähnt, daß man auch sonst von grünen Bakterien gesprochen hat, dabei aber aa gewöhnliche Sj)altpilze dachte, die grüne Farbstoffe ausscheiden, welche mit dem Chlorophyll der höheren Pflanzen bestimmt keinerlei Verwandtschaft besitzen.^) Wichtig und lieiß umstritten ist die Frage, ob die Bakterienzelle einen Zellkern besitzt oder ob sie kernlos ist. Diese Frage kann nicht mit wenigen Worten abgetan werden, wir müssen etwas länger bei ihr verweilen und zunächst uns einmal im Flug vorführen, was man über Gestalt und Bedeutung des Zellkerns höherer Pflanzen beobachtet und gedacht hat, — ausdrücklich sei jedoch bemerkt, daß bei andern, zumal niedriger organisierten Wesen der Kern ganz anders aussehen, und auch die gleich zu schildernde Kernteilung ganz abweichend verlaufen kann. Es handelt sich — das Allerwesentlichste haben wir ja schon in kürzester Kürze oben in der Einleitung gesehen — , um ein in Einzahl oder auch in Mehrzahl im Cytoplasma liegendes Körperchen, das aus einem Gerüstwerk, dem sog. Kerngerüst, bestiht, dessen Substanz man Linin getauft hat, welchem kleine Körnchen eingelagert sind, die man darum, weil sie zumal nach zweckentsprechender Abtötung gewisse Farbstoffe, z. B. Karmin oder Methylgrün — basische Farbstoffe — , aufspeichern, als Chromatinkörnchen bezeichnet, ihre Substanz als Chromatin. (Wir führen die Terminologie hier nur insoweit an, als es zum Verständnis der bakteriologischen ZeUkernliteratur unbedingt erforderlich ist.) Außerdem findet man noch das oder die Kernkörper- chen im Kern vor, und dieser ist durch die sog. Kernwand vom Cyto- plasma getrennt. 1) Molisch, H., Die Purpurbakterien, Jena 1910. 2) Ewart, A. .)., Ann. of bot. 1897, Bd. 11, S. 486. 3) Vgl. Dangeard, P. A., B. C. II, 1910. Bd. 26, S. 81, dort frühere Lit. Zellkern der höheren Pflanzen. 109 Die hohe Bedeutung des Zellkerns für die Zelle, die Notwendig- keit, daß seine Substanz möglichst gleichmäßig bei der Zellteilung von der Mutter- auf die Tochterzellen verteilt werde, leuchtet ein bei der mikroskopischen Betrachtung der Kernteilung, die im allgemeinen sehr kompliziert verläuft, und zwar bei den höheren Pflanzen, ganz und gar schematisch betrachtet, etwa folgendermaßen: Aus dem Kerngerüst bilden sich Fäden heraus, die ebenfalls basische Farbstoffe intensiv speichern und deshalb Chromosomen genannt werden. In diesen haben sich die Chro- matinkörner in Form von Querscheiben, getrennt von Linin, angesam- melt und aneinandergereiht, daher ihre starke Färbbarkeit. Jedes dieser Chromosomen erfährt nun eine Längsteilung; sie sammeln sich dann in einer Ebene, in der später bei der Zellteilung, die der Kernteilung folgen wird, die neue Zellhaut ausgespannt wird, an. Nun rücken die zwei Hälften jedes Chromosoms auseinander; so entstehen bald in einigem Abstand voneinander zwei Knäuel von halbierten Chromosomen, die sich zu zwei Tochterkernen umbilden, indem sie allmählich w^ieder die Gestalt des Kerngerüstes annehmen, wie wir es im Mutterkern beob- achtet haben. Kurz erwähnen wir noch, ohne uns in irgendwelche Einzelheiten einzulassen, daß sich während der Kernteilung noch eine spindelartige Figur aus dem Cytoplasma herausdifferenziert, die aus senkrecht zur Teilungsebene orientierten Fasern besteht, und die, wie man annimmt, an der eben geschilderten Verlagerung der Chromosomen aktiv beteiligt ist. Man nennt sie die achromatische Kernfigur. Bei Blutenpflanzen pflegt meistens auf die Kernteilung die Zellteilung zu folgen, indem sich die neue Zellwand mitten zwischen den Tochterkern in hier nicht weiter zu schildernder Weise quer ausspannt. Bei niedrigen Gewächsen, und zwar bei solchen, die vielkernige Zellen haben, ist die Zellteilung von der Kernteilung zeitlich unabhängig.^) Da sich nur in seltenen Fällen der Kern in nicht so komplizierter Weise, nämlich durch einfache Durchschnürung, teilt, ist er, abgesehen von seinem Bau im ruhenden Zustand, zumal eben durch die Art unci Weise seiner Teilung, ein in gestaltlicher Beziehung außerordentlich gut charakterisiertes Gebilde in der Zelle. Heiß umstritten aber ist in vieler Beziehung die Frage nach der Bedeutung des Zellkerns für das Leben der Zelle. Da er, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, keiner lebenden Zelle höherer Wesen fehlt, so kann man sagen, daß bei diesen die Lebenstätigkeit eng an die Wechselwirkung zwischen den beiden Systemen Kern und Zellenleib gebunden ist, oder auch, daß der Kern ein wichtiges Zentralorgan sei, das in steter Wechselwirkung mit 1) Näheres z. B. bei Strasburger, E., im Lehrb. d. Bot. 1910, 10. Aufl. 110 IV. Morphologie der Bakterienzelle, 11. dem Cytoplasma die Ernährung und das Wachstum der Zelle dirigiere, wobei allerdings die AUgenieinheit derartiger Redewendungen die vielen Lücken unserer Einzelkenntnisse in diesen Fragen nur ungenügend ver- deckt. Eine besonders maßgebendeBedeutung aber wird ihm für die Ver- erbungserscheinungen zugeschrieben.^) Man stellt sich vor, daß die im ruhenden Kern unregelmäßig gelagerten verschiedenen „Erbeinheiten" bei d»r Teilung in den Chromosomen reihenförmig augeordnet werden, so daß bei der Spaltung der Chromosomen ebenfalls jede Erbeinheit gespalten und zur Hälfte der einen, zur Hälfte der andern Tochter- zelle überwiesen wird: so verteilt sich die Erbmasse trleichartig auf beide Tochterzellen. Auf ihrem Übergang von der Mutterzelle auf die Tochterzelle beruht deren Befähigung, die für die Art charakteristischen Merkmale zur Entfaltung zu bringen, oder in Form von Merkmals- anlagen (Erbeinheiten) wieder auf ihre Nachkommen zu vererben. Dabei bleibt es ganz zweifelhaft, wie wir uns die Wirkungsweise der Kerne als Träger der Erbmasse vorzustellen haben, ob es Kraft- zentren sind, von denen Anstöße irgendwelcher Art ins Cytoplasma strahlen und dies zu spezifischer Ausgestaltung veranlassen, das wäre eine „dynamische" Vererbungstheorie, oder ob stoffliche Einwirkungen stattfinden, ob Teilchen vom Kern ins Cytoplasma wandern und ihrer- seits dort gestaltend tätig sind; in welcher Weise, das bliebe natürlich auch dann noch ganz zweifelhaft. Da im übrigen die Anschauung, daß der Kern der Vererbungs- träger sei, wesentlich entwickelt wurde bei dem Studium der Ver- erbungserscheinungen höherer mit Geschlechtlichkeit begabter Wesen, und in erster Linie sich stützt auf die Art und Weise, wie deren Ge- schlechtszellen sich ausbilden, so wollen wir diese Fragen hier nicht weiter verfolgen, um so weniger, als nur eine sehr eingehende Behand- lung dieses Gegenstandes dem Vorwurf der Oberflächlichkeit entgehen könnte. Mit Rücksicht darauf, daß wir in den folgenden Ausführungen nicht selten mit dem Begrijff des Chromatins in der Bakterienzelle ope- rieren müssen, wollen wir nur noch betonen, daß es ein Mißverständnis wäre, wollte man die Begriffe „Erbmasse" und „Chroniatin" gleich- stellen. Die Chromatiu menge einer höheren Zelle ist von den je- weiligen Lebensbedingungen abhängig; sie steht wohl sicher in Beziehung zu den Leistungen des Kerns im Stoffwechsel der Zelle, nicht nur zu seiner Bedeutung als Vererbungsträger. Wir hoffen hiermit deutlich gemacht zu haben, daß die Frasre, 1) Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Strasburger, E. , Histol. Beitr. 1909, Heft 7, S. 111. Bedeutung des Zellkerns. 111 ob bestimmte Mikroben keinen Zellkern haben, während er doch bei andern Wesen eine so gewaltige, wenn auch nicht recht scharf zu defi- nierende Rolle spielt, von großem wissenschaftlichen Interesse ist. Ehe wir zur Diskussion dieser Frage nach dem Zellkern in der Bakterien weit schreiten, erwähnen wir noch kurz, daß im Zellkern höherer Wesen, die schon als Bestandteile auch des Cytoplasmas ge- nannten , im Magensaft nicht restlos verdaulichen phosphorhaltigen Eiweißkörper, die Nukleoproteide, in großer Menge nachweisbar sind, auch durch mikrochemische Methoden, also offenbar wichtige Bausteine desselben vorstellen. Will man nun nach Zellkernen in der Bakterien zelle suchen, so wird man zuerst darauf ausgehen, dieselben in der lebenden Zelle nach- zuweisen. Doch wird man damit nicht sehr weit kommen^), wird viel- mehr genötigt sein, ebenso, wie bei der genaueren Betrachtung des Kernbaues höher organisierter Wesen, die Zellen zuerst in geeigneter Weise abzutöten und zu färben, um Feinheiten im Bau derselben zu erkennen. Wir tun darum gut, hier zuvörderst einen kurzen Exkurs über einige in der Bakteriologie übliche Färbemethoden zu geben. Falls es nur darauf ankommt, die äußere Form der Bakterienzelle ge- nau zu erkennen, genügt meistens die sog. Durchfärbung der Bakterien. Man streicht zu diesem Ende ein Tröpfchen bakterienhaltiger Flüssig- keit auf das Deckgläscheu, läßt, gegen Staub geschützt, antrocknen, zieht dann das Deckgläschen dreimal durch die Flamme, um die Bak- terien am Deckglas zu „fixieren", und gießt dann die wässerige Lösung eines geeigneten Farbstoffes, z. B. Fuchsin, Methylviolett usw., auf. Um die Färbekraft zu erhöhen, kann man erwärmen. Auch wendet man zu gleichem Zweck statt der wässerigen Lösung andere an. Man kann z. B. Fuchsin in verdünnter Karbolsäure, sog. Karbolfuchsin, verwenden oder Methyl violett, gelöst in einer gesättigten wässerigen Anilinlösung, sog. Anilin wasser- methylviolett verwenden. Nach beendeter Färbung wird die Lösung abgespült und das Präparat in Wasser betrachtet, oder aber erst getrocknet und dann in Medien von starkem Lichtbrechungsver- mögen, z. B. Kanadabalsam, eingeschlossen. So treten die Bakterien- zellen als gefärbte Kugeln, Stäbchen, Schrauben sehr deutlich in die Erscheinung; von strukturellen Eigentümlichkeiten, Einschlüssen pflegt 1) Ä. Meyer, Arch. f. Protk. 1911, Bd. 24, S. 7G konnte auch mittels der Dunkelfeldbeleuchtung in der lebenden Bakterienzelle die Körnchen, die er nach Fixierung und Färbung beobachtet und als Zellkerne deutet (vgl. unten), nicht sehen. 112 IV- Morphologie der Bakterienzelle, II. aber wenig zu sehen zu sein. So ist diese Methode hauptsächlich zum deutlichen Erkennen der äußeren Form sehr in Schwung, zumal auch in der medizinischen Bakteriologie, ja man darf wohl sagen, daß es viele Jünger der Wissenschaft gibt, die Bakterien im durchgefärbten Zustand sehr häufig, im lebenden aber nur recht selten betrachtet haben. — Viel benutzt wird auch die sog. Gram sehe Färbung, zu- mal zur Unterscheidung von Arten, die mau auf Grund der bloßen Be- trachtung ihrer Form nur schwer auseinanderhalten kann. Färbt man, wie oben erläutert, die Bakterien mit Anilinwassermethylviolett, und behandelt sie dann mit Jodlösung, hierauf mit absolutem Alkohol, so werden durch diesen die einen Arten, die sog. gram-negativen, entfärbt, die andern, die gram -positiven, halten den Farbstoö" in ihren Zeilen fest. Neuere Untersuchungen weisen nach, daß man zur Speziesunter- scheidung die Gram sehe Methode nur heranziehen kann, wenn man stets gleiche Entwicklungszustände vergleicht. — Es hat sich gezeigt, daß von verschiedenen sporenbildenden Formen diejenigen, welche auch sonst sich nahe stehen in morphologischer und i)hysiologischer Beziehung, sich gegenüber der Gramscheu Färbung ähnlich verhalten. 'j Allerdings liegen auch Angaben vor, nach welchen gewisse Milchsäurebakterien gram-negativ werden, wenn man sie häufig auf frische Nährböden über- impft-), und ähnliche Angaben über den Einfluß der Ernährung (Fett- zut'uhr usw.) auf das V^erhalten gegenüber der Gramschen Methode fehlen nicht. Die Frage, auf welcher Eigenschaft des Bakterienproto- plasmas die Gramfestigkeit beruht, ist noch nicht spruchreif. Die einen Forscher sehen in der Gramfestigkeit den Ausdruck einer großen Dichte des Protoplasmas. Von anderer Seite ist darauf hingewiesen worden, daß die gram-positiven Bakterien meistens gleichzeitig plasmolysierbar sind, die gram-negativen nicht.^) Auch sollen die Gram-positiven „trypsin- fest" sein, d. h. bei erhöhter Temperatur nicht so leicht durch das Enzym Trypsin aufgelöst werden. Endlich hat man den Gehalt der Gram-positiven an Lipoiden (d. h. Fetten, u. a. ätherlöslichen Bestand- teilen der Zelle, wie Lezithanen, Cholesterin, s. u.) für diese Eigenschaft verantwortlich zu machen versucht.^) Von Säurefestigkeit der Bakterien, bzw. bestimmter Einschlüsse der- selben, redet man dann, wenn die betr. Bakterien bzw. die Einschlüsse den Farbstoff, z. B. Fuchsin, auch nach Abspülen in verdünnter Säure festhalten. Wird sodann auch durch Alkohol der Farbstoff nicht aus- 1) Neide, E , B. C. II, 1904, Bd. 35, S. 508. 2) Kuntze, W., B. C. II, 1908, Bd. 21, S. 737. 3) Brudny, V., B. C. II, 1908, Bd. 21, S. 62. 4) Eisenberg, P., B. C. I, Or., 1910, Bd. 56, S. 193, dort. Lit. Fixier- und Färbemethoden. 113 gezogen, so redet mau von Alkoholfestigkeit. Der Tuberkelbazillus und der sog. Timotheebazillus sind z. B. sowohl säure- wie alkoholfest, andere ähnliche Formen, mit denen sie wohl verwechselt werden könnten, nur säurefest. Die Säurefestigkeit des Tuberkel- und Timotheebazillus soll auf dem Vorhandensein eines Stoffes im Protoplasma beruhen, der kein Fett und kein Eiweiß ist, sich in 80% Alkohol, in Äther, in ^2% Salzsäure löst und durch Eau de Javelle zerstört wird.^) Säurefest sind auch die Endosporen aller Bakterien; nach Angaben und Bildern in der Literatur^) zu schließen sind aber auch leere Sporenhäute säure- fest. Die Säurefestigkeit der Sporen müßte, sollen diese Angaben zutreffen, andere Ursachen haben als die des Tuberkelbazillus. Im vegetativen Zu- stand sind die allermeisten Bakterien aber nicht säurefest. Dabei ist beachtenswert, daß einige Formen, z. B. JBac. tumescens, rmninatus, mycoides u. a. (sämtlich fettspeichernde Formen, was für spätere Aus- führungen wichtig ist,) als Keimstäbchen säurefest sich erweisen.^) Die Methode des Antrocknens und Färbens der Bakterien ist offen- bar eine recht rohe, ihre Schwächen werden nur durch die geringe Größe der Bakterienzelle bis zu gewissem Grad verdeckt, und wer mit Zellen höherer Pflanzen arbeitet, würde sie geradezu als barbarisch perhorreszieren. Der Bakteriologe wird u. a. zumal darauf zu achten haben, daß Messungen an angetrockneten und gefärbten Bakterienzellen fast immer andere Werte ergeben als an lebendem Material; es muß daher bei genaueren Angaben — streng genommen — immer angegeben werden, ob die Messungen an lebendem oder totem Material vorge- nommen wurden. Bei feineren Untersuchungen über den Bau der Bak- terienzelle, zumal auch bei der Jagd nach Zellkernen, muß man die- selben bewährten Methoden anwenden, welche die Untersuchung höher organisierter Wesen gelehrt hat. Zuerst werden zu diesem Behuf die Bakterien in einem geeigneten Fixiermittel abgetötet, z. B. in Chromosmiumessigsäure, Sublimateis- essig, Formalin o. ä., dann wird das Fixiermittel ausgewaschen und werden die Farblösungen zur Einwirkung gebracht. Dabei achtet man darauf, daß sie nur so lange wirken als nötig, daß also nur die Bestand- teile, auf die es ankommt, den gewünschten Färbungsgrad zeigen. Nötigenfalls wird durch geeignete Mittel der überschüssige Farbstoff wieder ausgezogen, und endlich werden die Bakterien, wie das oben ge- schildert, in Kanadabalsam oder einem andern geeigneten Einschluß- mittel untersucht. Es sei mit Rücksicht auf die gleich folgenden Aus- 1) Grimme, A., B. C. I, Or., 1902, Bd. 32, S. 1. 2) Fischer, Alfr., Vorl. üb. Bakt., 2. Aufl., S. 40. Ben ecke: Bau u. Leben der Bakterien. 11^ IV. Morphologie der Bakterienzelle, II. führuni'eu noch erwähnt, daß die Methode der Eisenhäniatoxylinfärbung auch auf dem Gebiet der Bakteriencytologie gute Dienste geleistet hat. Hierbei werden die Bakterien mit Chromosniiumessigsäure fixiert, mit Hämatoxylin überlarbt und dann mit einer Eisensalzlösuug so lauge be- handelt, bis der erwünschte Färbungsgrad erreicht ist. Einfacher, wenn- gleich wohl weniger sicher zum Ziel führend ist die Methode, das Fixier- und Färbemittel gleichzeitig wirken zu lassen; gelegentlich ver wendet man mit gutem Erfolg eine Lösung von Fuchsin in Formol. Manchmal empfiehlt es sich auch, Doppelfärbung anzuwenden. Hat man /. B. gewisse körnige Ein.'ichlüsse des Cytoplasnias in geeigneter Weise, etwa blau, gefärbt, so kann man durch nachherige Anwendung eines anderen, etwa roten Farbstotfs, auch das Cytoplasma färben und deutlicher hervortreten lassen. Es braucht kaum betont zu werden, daß diese nach „allen Regeln der Kunst" gefärbten Bakterienzellen ganz andere, wissenschaftlich besser verwertbare Bilder liefern als jene angetrockneten und durchgefärbten; es braucht aber erst reclit nicht be- tont /u werden, daß eine möglichst eingehende Kontrolle derselben durch Studium der lebenden Zelle unter allen Umständen nötig er- scheint. Denn Fixiermittel können vielfach jene schon genannten Ent- mischungsvorgänge in der kolloidalen Lösung des Protoplasmas hervor- rufen, alveoläre Strukturen vortäuschen, die im Leben nicht vorhanden zu sein brauchen, auch Fällungen im Cytoplasma bewirken, die sich dann stark färben kiinnen und so die Existenz von Dingen vortäuschen, die gleichfalls in der lebenden Zelle fehlen. Also können auch bewährte Fixier- und Färbemittel nur in der Hand eines kritischen und geübten Forschers gute Resultate geben. Noch ein Wort über den Wert der Färbung im allgemeinen: sie soll eigentlich in erster Linie die färbbaren Körnchen, Strukturelemente usw. nur deutlich hervortreten lassen, nicht aber, oder doch erst in zweiter Linie einen Schluß auf die chemische Beschaö'enheit des ge- färbten Gebildes gestatten. Der Kern, und zwar das Chroraatin der höheren Zellen, färbt sich, wie oben gesagt, intensiv mit basischen Farbstoffen. Körnchen oder ähnliche Gebilde der Bakterienzelle, die sich ebenso verhalten, dürfen wir um keinen Preis darum allein schon für Kerne halten, höchstens auf Grund dieses Verhaltens sagen, sie könnten Kerne oder Teile derselben sein. Färben sie sich aber anders, als wir das von Chromatin gewohnt sind, so wird man daraus auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit den Schluß al)]eiten können, daß die betr. Dinge mit Kernen nichts zu tun haben. Außer dem Verhalten gegen Farbstoffe sind darum unter allen Umständen auch andere Kri- terien für die Kernnatur heranzuziehen. Lebendfärbung. ]^15 Wir erwähnen endlich zum Schluß dieser technischen Ausführungen noch kurz, daß mau auch mit Erfolg Farbstoffe auf die lebende Zelle einwirken lassen kann, z. B. Methylenblau iu sehr verdünnter Wasser- lösung, und so bestimmte Teile derselben färben, ohne die Zelle abzu- töten.^) Man spricht dann von Lebendfärbung. Da immerhin vielfach die Zellen darunter leiden, jedenfalls in einen anomalen Zustand ge- raten, hat man für diese Methode auch den Namen „Krankfärbung" ^) in die Bakteriologie eingeführt. — Auf die Methoden der Sporen- und Geißelfärbung wollen wir erst eingehen, wenn wir diese Organe selbst etwas näher ins Ausfe fassen. Bei einer Durchstöberung der großen Literatur über den Zellkern der Bakterien fällt es uns nun zunächst auf, daß die Meinungen der Forscher sehr weit auseinandergehen, und das hat verschiedene Gründe, die hier vorauszuschicken sich empfehlen dürfte. Zunächst ist die An- nahme sehr naheliegend, daß die so verschieden gestalteten Bakterien sich auch in diesem so wichtigen Punkt nicht ganz gleich verhalten, es würde also von dem jeweiligen Untersuchungsobjekt abhängen, zu welchem Ergebnis man gelangt, und die Resultate der Untersuchung einer Art dürften nur mit größter Vorsicht verallgemeinert werden. Dann sind aber auch ganz andersartige Schwierigkeiten vorhanden, die der Untersuchuno; und eindeutigen Entscheidung dieser Frage hindernd im Wege stehen. Wie soll man überhaupt etwaige Gebilde, die man m der Bakterienzelle findet, als Kerne sicherstellen? Daß färberisches Verhalten sehr trügerisch sein kann, haben wir eben erst ausgeführt, und auf Grund des mikrochemischen Nachweises, daß bestimmte Körnchen Nukleoproteide enthalten, diese nun ohne weiteres als Zellkerne anzusprechen, wie manche Forscher^) getan haben, geht auch nicht an, weil solche Stoö'e auch im Cytoplasma vor- kommen können, ev. als bloße Reservestoffe. Die Frage so zu ent- scheiden, daß man einfach aus der großen Wichtigkeit des Zellkerns für höhere- Wesen die Notwendigkeit ableitet, in gewissen, häufig wieder- kehrenden Körnchen der Bakterienzelle Kerne zu erblicken, ist natürlich erst recht unerlaubt, das wäre eine arge petitio principii. So bleiben nur die morphologischen'^) Eigenschaften der Zellkerne als Charakte- 1) Ernst, A., B. C. II, 1902, Bd. 8, S. 1. 2) Meyer, A., Praktik, d. bot. Baktkunde, Jena 1903. 8) Rucicka, V., Arch. f. Byg., 1904, Bd. 51. Dazu: Nemec, B., Ber. d. d. bot. G., 1908, Bd. 26a, S. 809. 4) Scbaudinn, F., Arch. f. Prot.kunde. 1902, Bd. 1, S. 306. 8* 116 IV. Morphologie der Bakterienzelle, II. ristika übrig, und es ist ja ganz sicher, daß Körnchen innerhalb der Bakterienzelle, an denen man einen gleichen oder ähnlichen Bau wie am Zellkern höherer Pflanzen entdecken, und an denen man die in so hohem Grad kennzeichnenden Teilungsbilder sehen würde, unbedenklich von jedermann als Kerne gedeutet werden würden. Das ist aber wegen der geringen Größe der Bakterienzelle unmöglich. Mau kann ausrechnen, daß man au einem hypothetischen Zellkern der Bakterienzelle, der sich seiner Größe nach zu dem Ausmaß der Zelle verhalten würde wie der Zellkern einer höher organisierten Zelle zu deren Dimensionen, Einzel- heiten des Biyies nicht erkennen könnte; zumal würden etwaige bei der Teilung auftretende Chromosomen unter die Grenze der Sichtbarkeit faUen.i) So müßte man denn versuchen, und hat das auch getan (vgl. später), möglichst große Bakterien zur Untersuchung der Zellkernfrage heran- zuziehen, z. B. bestimmte, geradezu riesenhafte Schwefelbakterien, doch bleibt dann der oben berührte Einwand, daß diese abweichenden Formen vielleicht anders organisiert sind als die Bakterien im engeren Sinn, die nun einmal über ein bestimmtes Größenmaß nicht hinausgehen, so- weit wir bis heute wissen. So bleibt bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse nicht viel anderes übrig, als von den fraglichen Kernen der BakterienzeUen, vor- ausgesetzt, daß sie nicht allzusehr von den Kernen höherer Wesen ab- weichen zu ,,verlangen", daß sie in irgendwelcher Form in allen Stadien, jüngeren und älteren vegetativen Zellen, wie auch Sporen, nachweisbar sind, daß sie sich durch Teilung vermehren und von der Mutterzelle auf die Tochterzellen übergehen. Man müßte nach Möglichkeit, wenn auch nicht Feinheiten im Teilungsprozeß, so doch diesen selbst beobachten können. Auch müßten sie eine annähernd konstante Größe aufweisen (während andere Gebilde, z. B. ()ltro])fen, oder andere Reservestoffe bald größer, bald kleiner sein dürften). Fehlen aber derartige Gebilde oder sind sie nicht nachweisbar, so wird man die Frage nach dem Bakterien- zellkern vorläufig für ungelöst erklären müssen. Die folgende Behandlung der Zellkernfrage stützt sich nun in erster Linie auf die Untersuchung von stäbchenförmigen Spaltpilzen, die Sporen bilden, denn bei diesen „endosporen Bakterien" ist die Frage ganz besonders genau durchgearbeitet worden. Das hat einmal darin seinen Grund, daß diese Formen besonders typische Spaltpilze sind, wie später noch einleuchten wird, und hat sodann den Vorteil, daß bei ihnen ein Kriterium für die Zellkernnatur, das bei nicht sporenbildenden 1) Meyer, Artk, Flora, 1908, Bd. 98, S. 335. Amphiplasma der Bakterien. 117. fehlt, der Übertritt des Kerns in die Spore, seine Nachweisbarkeit also in allen Entwicklungsstadien, vorhanden ist. Dabei müssen wir aller- dings auf die Frage nach dem Eingehen des als Zellkern gedeuteten Gebildes in die Spore erst später, wenn wir den Vorgang der Sporen- bildung in seinen Einzelheiten studieren, nochmals zurückkommen und dadurch die Übersicht, die wir in den zunächst folgenden Ausführungen geben, in einem späteren Kapitel (VII) wesentlich vervollständigen. Der heutige Stand der Frage ist nun etwa der folgende: Eine Anzahl erfahrener Bakterienforscher ^) vertritt den Stand- punkt, daß die Bakterienzelle kernlos sei; weder ein typischer Kern noch ein anderes morphologisches Äquivalent für einen solchen sei vor- handen, oder, vorsichtiger ausgedrückt, bis jetzt nachweisbar gewesen. Sie sind der Ansicht, daß man auch bei vorsichtigstem und sorgfältig- stem Beobachten und nach Aneignung einer großen Erfahrung von jenen Körnchen, die man bald deutlicher, bald weniger deutlich in dem Bakterienprotoplasma erkennen kann, doch keine mit Sicherheit als Zellkerne deuten, von etwaigen Reservestoffen oder ähnlichen Dingen bestimmt unterscheiden könne. Trifft diese Ansicht zu, und sollte nun wirklich der Zellkern den Bakterien fehlen, so müßte man also an- nehmen, daß sämtliche Lebensfuuktionen von dem noch nicht in Cyto- plasma und Zellkern gesonderten Protoplasma geleistet werden könnten. Vertritt man die Meinung, daß im Kern höherer Wesen Stoffe gestapelt sind, ohne die Leben überhaupt, auch bei Bakterien, nicht möglich sei, so müßte man annehmen, daß diese Substanzen im Spaltpilzprotoplasma so fein verteilt, „zerstäubt'^ sind, daß sie sich dem Nachweis entziehen. Man hat vorgeschlagen, Bakterienprotoplasma, bei dem man keine Zellkerne im Cytoplasma nachweisen kann, als „Amphiplasma"^) zu bezeichnen. Auf einem gerade entgegengesetzten Standpunkte stehen diejenigen Forscher, die annehmen, daß die Bakterien Zellkerne besitzen, welche sich von denen höherer Pilze eigentlich nur dadurch unterscheiden, daß sie kleiner und aus diesem Grund auch nach geeigneter Färbung nur als kleine homogene Klümpchen sichtbar sind. Solche Anschauungen sind schon ziemlich früh vertreten worden; man hat z. B. zentral ge- legene Körnchen, die sich mit Methylenblau intensiv färben, als Kerne angesprochen, will auch ihre Teilung in Form einer einfachen Durch- schnürung gesehen haben ^); soweit solche Angaben aber noch aus einer 1) Alfr. Fischer, Walter Migula. 2) Vgl. Swellengrebel, N. H., Ref. B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 241. 3) Vgl. z. B. Nakanishi, B. C, 1901; Wager, H., Ann. of bot , 1891, Bd. 5, S. .513. 118 I^- Morphologie der Bakterieozelle, U. Zeit stammen, in welcher man noch keine ernsthaften Versuche wa i FixiertmitPerenvisFlüs- Bekannten von uns, sodann auch an Bac. astero- sigkeit,KefärbtmitEisen- sporus, tumescens usw. Ferner wurde es auch bei hämatoxyim. SpiriUen beobachtet, z. B. Spirillum vohäans. ^^^^ ^ 'l'j/^^'^''' Während meistens die Chromatinkörner einiger- Versr ca ''000 1) Rucicka, V., B. C. 11, 1909, Bd. 23, S. 289; Swellengrebel, N. H, Ref. B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 241. 2) Guiliiermond, A., Arch. f. Prot.kunde, 1908, Bd. 12, S. 9. Vgl. auch Bull, de l'inst. Pasteur, 1907, Bd. 4, S. A. 122 IV. Morphologie der Bakterienzelle, 11. maßen gleichmäßig durch die Zelle verteilt vorkommen, bietet Bac. radicosus, wenn man ihn auf Mölireii oder Kartoffelscheiben züchtet, das eisrentümliche Bild, daß dieselben nur in der Mitte der Zelle sich zeigen, an den Polen fehlen, und wenn man die Bilder unbefangen be- trachtet (vgl. Abb. 38), so kann man nicht leugnen, daß dies im Zentrum angehäufte ("hroraatin ganz den Eindruck eines Kerns, allerdings ohne Kerumembran und ohne Kernkörperchen macht, also wohl als Vorstufe eines typischen Zellkerns betrachtet werden k()nnte. Noch kompliziertere Bilder wollen andere Forscher gesehen haben.^) Sie behaupten, daß bei bestimmten Formen, z. B. Spirillen (Sp. gigan- teum), der Kern einen chromatischen Spiralfaden darstellt, der im Ruhe- zustand homogen sich vor der Teilung in Chromatiukörnchen und achromatischen Faden differenziert. Die Teilung besteht in Längsteilung von Körnchen und Faden. Eine ähnliche Spirale soll ferner auch im Bacillus niaximus buccalis, einem im Mund des Menschen lebenden Spalt- pilz vorkommen; sodann wird gleichfalls aus der Mundhöhle des Men- schen ein Bacf. hinKchatum beschrieben, eine zweikernige Form; auch hier sollen sich die Kerne färberisch etwa wie Chromatin verhalten, und bei der Kernteilung soll sich gleichfalls ein Spiral- band herausdifferenzieren. Es ist aber mindestens sehr wahr- scheinlich, daß wir dies Spiralband in einigen Fällen ruhig ins Reich der Phantasie verweisen dürfen^), es verdankt seine Ent- stehuncr offenbar dem uncrerechtfertiorten Bestreben, in den Bak- terien einen dem höher organisierten Zellkern ähnlichen Apparat unbedingt nachzuweisen, und das Spiralband dürfte durch cyto- Abb. 33. plasmatische Waben wände vorgetäuscht worden sein. üac radicosus ^^,f jj^ -^ j.^^^ Biitschlii sichtbare S])irale trifft das Fixiert mit Zenkers . , . . , ... i <• .. i » i Flüssif^keit eetarbt nicht zu, wir kommen spater daraui zurück. Auch Eisenhämatoxylin. sei besonders betont, daß der Entdecker des,,Spiral- Z\ inl?m!iüeren pa'r" bauds'' bci Boc. buccfilis uud SiuriUxm ff ig. deren ue der Zellen vereint. In Existcuz gegenüber der Kritik bestimmt verteidigt^), der oberen Zelle sieht man DO O /> die vor der Zellteilung er- und (Jaß auch in audcm Fällen, so bei den im Darm folgte leilung des Chro- . midiaiapparats. vou Kröteu uud t röschcn gefundenen Bac. spiro- Vergr. cii. 2000. ^^^ ^^^^ lunula in der Zellachse gelegene, ijerade Nach A Guillier- . . o n ? o u^on j oder spiralig gekrümmte Fäden beschrieben werden, 1) Swellengrebel, H. N., B. C. II, 1906, Bd. 16, S. 617; id. eod. loco 1907, Bd. 19, S. 193; vgl. auch Rucicka, V., B. C. II, 1909, Bd. 23, S. 289 und Fan- tham, quart. journ. of micr. sc. 1908, Bd. 52, S. 1. 2) Meyer, A., Flora, 1908, Bd. 98, S. 335; Hölling, A., B. C. I, Or., 1907, Bd. 44, S. 565; Guiliiermond, A., Arch. f. Prot.kunde, 1908, Bd. 12, S. 9; Zett- now, E, B. C. I, Or., 1908, Bd. 46, S. 193. 3) Swellengrebel, N. H., B. C. I, Or., 1909, ßd 49, S. 529. Kernspirale bei Bakterien. 123 die zweifellos wirklich vorhanden sind und als eine Art Kern gedeutet werden.^) Endlich wurde auch im Darm einer Seeigelart ein Bazillus gefunden, der in der Zelle ein stark färb bares Band führte, das einen „Kernapparat" darstellen, aber mit dem bei Spirülum gefundenen nichts zu tun haben soll.^) Auch in den Zellen der Fadenbakterien hat man Strukturen beobachtet, die man als Äquivalente des Zellkerns betrachtet. Bei Cladothrix natans soll in den Zellen desselben Fadens sowohl „diffuse", als „netzartige", als auch „zentralisierte" Verteilung des Chromatins sichtbar sein.^) Auch der Gegner der Deutung; der Chromatinkörncheu als eines dem Cbromidialsystem der Protozoen analogen Gebildes wird nicht ver- kennen können, daß diese ganzen Anschauungen etwas Verführerisches haben, und zwar zumal mit Rücksicht auf die stammesgeschichtliche Entwicklung der Pflanzenwelt. Wenn sie zu Recht besteht, so haben wir in den Spaltpilzen eine Gruppe vor uns, innerhalb deren sich allmählich die Differenzierung des Protoplasmas in Cytoplasma und Zellkern vollzieht.'*) Wir könnten eine Reihe konstruieren, die beginnt mit Formen, deren Zellen wirklich kernlos sind, und bei denen man allenfalls nur aus der stärkeren Färbbar- keit des Protoplasmas hypothetisch darauf schließen könnte, daß die sonst im Chromatin vorhandenen Substanzen vollkommen gleichmäßig im Pro- toplasma verteilt seien. Anschließen würden sich solche Formen, bei denen wenigstens in gewissen Entwicklungsstadien ein Cbromidial- system, zuerst gleichmäßig durch das Protoplasma (mit Ausnahme der periphersten Schichten) verteilt, vorkommt, und es würden dann die Formen folgen, bei welchen diese Chromatinkörner auf bestimmte Gegen- den der Zelle lokalisiert, im Protoplasma zentralisiert sind, so daß mehr und mehr das Bild des typischen Zellkerns herausschaut.^) Wir werden später hören, daß manche Forscher^) der Ansicht zuneigen, daß die Bakterien eine in Rückbildung begriffene Gruppe seien-, diese Forscher müßten umgekehrt die letztgenannten Formen als die ursprünglichen, die erstgenannten als die von diesen abgeleiteten betrachten. — Einen nicht ganz leicht wiegenden Nachteil hat allerdings die Chromidien- 1) Dobell, C. C, Ref. B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 278. Journ. of micr. sc. n. s. 1909, Bd. 53, S. 509. Vgl. desselben Autors Arbeit, eod. loco 1911. 2) Guiliiermond, A., Ref. im B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 450. 3) Swellengrebel, N. H., Ref. B. C. II, 1910, Bd. 21, S. 241. Vgl. auch Mencl, Arch. f. Prot.k. 1907, Bd. 10, S. 188. 4) Strasburger, E., Histol. Beitr., Jena 1909, Heft 7. 5) Vgl. auch Swellengrebel, N. H., Ref. B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 241. 6) Vgl. Schaudinn, F., Arch. f. Prot.kunde, 1902, Bd. 1, S. 306. 124 IV. Morphologie der Bakterienzelle, II. theorie. Sie lehnt sich an die Kernstudien in der Protozoenzelle an, die ihrerseits noch als durchaus werdend und kontrovers zu betrachten sind; sogar einer der zuverlässigsten Verfechter der rhromidialtheorie bei den Bakterien erklärt ganz ausdrücklich, daß diese Theorie für den Bakteriologen nichts weiter sei als eine einfache Hypothese, und daß es gewagt sei, augenblicklich schon allzu bestimmte Stellung in dieser Frage zu nehmen.^) Aber als Arbeitshjpothese werden sie wohl auch ihre Gegner gelten lassen, sie regt zu weitergehenden experimentellen Untersuchungen an. Da die Chroniatinkörner den Zellen im jugendlichen Zustand fehlen sollen, müßte es möglich sein, diese Formen durch dauerndes Über- tragen in neue Nährlösung beliel^ig lange chromidienfrei zu hfilten. Wir erinnern uns ferner daran, daß die Lokalisation der Chro- matinbrocken auf das Zentrum der Zelle nur durch bestimmte Zucht- bedingungen erzwungen werden kann; auch die.se Erfahrungen müßten durch geeignete Versuche erweitert werden. Und endlich wollen wir uns daran erinnern, daß der Bdc. radicosus, an dem man das Chromidien- system besonders eingehend untersucht hat, derselbe Spaltpilz ist, dessen Protoplasma man durch künstliche Eingritle aus dem homogenen in den alveolären Zustand überführt hat (S. 104), und es bietet sich somit Ge- legenheit zii untersuchen, ob man auf solche Wei.se künstlich jederzeit nicht nur Wabenstruktur, sondern auch ein Chromidialsystem in der Zelle erzeugen kann. Diese und ähnliche Punkte werden bearbeitet werden müssen, und es wird vor allem auch eine weitere Durcharbeitung der Chromidien- theorie bei den Protozoen vonnöten sein, ehe mau in diesen Fragen endgültig wird Stellung nehmen können. So drängt sich uns bei der Behandlung dieser Fragen deim ein doppeltes Gefühl auf, ein Gefühl der Enttäuschung, weil ein objektiver Beobachter nicht imstande ist, sich ein ganz bestimmtes Urteil darüber zu bilden, ob die Bakterienzelle echte Zellkerne oder Äquivalente solcher, oder nicht einmal diese besitzt; sodann aber auch das andere Gefühl der Freude, daß eine Wissenschaft, die von Problemen förmlich strotzt, ihre Existenzberechtigung nicht erst zu erweisen braucht. Wie ersichtlich, haben wir das Verhalten der als Zellkerne oder als Chromatinkörner gedeuteten Gebilde bei der Sporenbildung bislang nur sehr stiefmütterlich behandelt, werden also spätei', wenn wir diesen Vorgang einer genauen Besprechung unterziehen, nochmals auf die Frage nach dem Zellkern einzugehen haben; dann werden wir auch 1) Guilliermond, A., Arch. f. Prot.kunde. 1908, Bd. 12, S. 9. Chromatinkörner bei Beggiatoa. 125 hören, daß jener große, schon gelegentlich genannte Bac. Bütschlii gleich- falls mit Erfolg zu solchen Untersuchungen herangezogen worden ist. Auch sonst ist man, wie erwähnt, bestrebt gewesen, möglichst große Formen auf den Zellkern zu untersuchen, und da bot sich als ein wegen seiner für Bakterien riesigen Größe besonders günstiges Ob- jekt die Beggiatoa mirahüis ^) , jenes Fadenbakterium, das zu den Schwefelbakterien gehört (Abb. 34). Die Zellen, die bis zu 50 [i dick werden können, zeigen innerhalb der Zellhaut ein wandständiges Proto- plasma, von dem aus Protoplasmalamellen den Zellsaft durchsetzen. Ein Zellkern von der Größe, wie man ihn etwa in andern Zellen von ähnlichen Dimensionen erwartet haben würde, fehlt hier, statt dessen finden sich auch hier Körner, die man nach geeigneter Fixierung, z. B. mittels der Eisenhämatoxylinmethode, nachweisen konnte, und die ziem- lich regelmäßig in den Wabenwänden des Cytoplasmas verteilt waren. Man hat hier oflfenbar die Wahl, ob man annehmen will, daß jede Zelle eine große Zahl sehr kleiner Kerne hat, oder ob das Chroraatin in Form kleiner Körnchen in der Zelle zer- stäubt ist, vorausgesetzt, daß es sich überhaupt um ein Äquivalent des Chromatins bzw. Kerns handelt. Die erstere Deutung begegnet der Schwierigkeit, daß die Körnchen ungleich groß sind. Wir erwähnen in tech- nischer Beziehung noch, daß man diese großen Zellen nicht nur, wie das sonst bei Bakterien üblich ist, in toto betrachtet, sondern auch in Paraffin eingebettet, mit dem Mikrotom geschnitten und dann gefärbt hat, wie das bei cytologischen Untersuchungen von Geweben jvxikrotomlä höherer Organismen heutigentages gang und gäbe ist. Ahnlich wie diese Beggiatoa ist eine andere ebenfalls recht große, aber einzellige Schwefelbak- terie, die im Mittelmeer gefunden und als TJtiopJiysa volutans bezeichnet wurde, gebaut.^) Auch hier haben wir keinen Kern, sondern eine große Zahl kleiner Körnchen, und man hat hier auch eine Tei- lung dieser Körnchen in Form einer Durchschnü- rung beobachtet. Neuerdings^) wurde eine ähnliche, vielleicht verwandte Form in England unter dem Namen Hillhousia beschrieben; auch in ihr sind statt des Zellkerns kleine Kömchen nachweisbar, von denen aber ihre Entdecker annehmen, 1) Hinze, G., Ber. d. bot. Ges. 1901, Bd. 19, S. 369. 2) Hinze, G., Ber. d. bot. Ges. 1903, Bd. 21, S. 309. 3) West, G. S. and Griffiths, B. S., Proc. royal soc. 1909, vol. 81, S. 398. Abb. 34. ängs- schnitt durch Beggiatoa mirahüis. Fixiert mit Flenimings Lösung, gefärbt mit Hä- matoxylin. Chrom atinkörnchen schwarz; außerdem sind sichtbar die kleinen Höh- lungen, innerhalb deren die Schwefeltröpfchen lagen. Vergr. 750. Nach Hinze. 126 I^- Morphologie der Bakterienzelle, II. daß sie nicht aus Chromatin, sondern aus Linin (S. 108) bestehen. Einen Wert wird man derartigen Behauptungen kaum zusprechen können, denn Linin ist eine Substanz, die, abgesehen von färberischem Ver- halten, ausschließlich morphologisch, durch den Ort ihres Vorkommens neben dem Chromatin im Zellkern höherer Wesen charakterisiert ist. Daß von diesen abweichend gebauten Formen nur mit orroßer Vor- sieht auf die Kernverhältnisse in endosporen Bakterien geschlossen werden darf oder umgekehrt, versteht sich von selbst. Und das gilt erst recht von denen der Myxobakterienzelle M, die Mir ja als in mannig- facher Weise abweichend von den typischen Bakterien kennen gelernt haben. Bei einer Art, Myxococcus ruher finden sich in den stäbchen- förmigen Zellen eine wechselnde Zahl von Kcirnchen, die mit der Eisenhämatoxylinmethode dargestellt werden können. In Keimstäbchen findet sich an jedem Zellende je eines, ein sog. Polkörperchen; in der Spore sollen nach dem einen Forscher nur ein, nach dem andern eben- falls zwei Körnchen vorhanden sein. Bei einer andern Schleimbakterien- art, Chondrom i/ces crocatus, werden in der Mitte der Zelle nach Fixie- rung und Färbung (z. B. Eisenhämatoxylin) regelmäßig zwei Körnchen in Gestalt von Binden oder Ballen sichtl)ar, die vielleicht Zellkerne sind. Zwischen beiden Körnchen bildet sich die Querwand bei der Zellteilung und sofort, unter Umständen auch später, erfolgt Teilung der Körnchen. Auch das Verhalten dieser (iebilde bei der Sporenbildung spricht nicht dagegen, daß es sich um Kerne handelt. Der Vollständigkeit halber sei noch eine Anschauung erwähnt, die heutigentages wesentlich nur mehr geschichtliches Interesse hat. Ähn- lich wie bei blaugrünen Algen glaubte man bei großen Bakterien, z. B. bei Schwefelbakterieu, innerhalb des Protoplasmas einen großen „Zentral- körper'' von einer „Rindenschicht'' unterscheiden zu können, eine Mei- nung, die sich als irrtümlich erwiesen hat.') Der Zentralkörper wurde dem Zellkern homolog gesetzt, in ihm vorkommende Körner, die sog. roten Körnchen, für Träger wichtiger Kernstoffe gehalten. Sie haben sich aber inzwischen als Reservestoffe entpuppt. Das Eigenartige an dieser Anschauung war somit, daß jener Zentral- körper den größten Teil der ZeUe einnehme, die protoplasmatische Rindenschicht nur eine ganz dünne Lage vorstellen solle; bei kleineren Formen, und zwar Bakterien von mittlerer und geringerer Größe, sollte 1) Vahle, C, B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 178. 2) Fischer, A., Unters, ü. d. Bau d. Cyanoph. u. Bakterien, Jena 1897; Molisch, H., Die Purpurbakterien nach neuen Untersuchungen, Jena 1907. Kerne der Myxobakterien. — Zentralkörper. 127 letztere sogar ganz verschwinden, diese Formen sollten also nicht kernlose Zellen, sondern umgekehrt zellose Kerne, d. h. Kerne ohne Cytoplasma sein. Diese Anschauung ist wohl jetzt, wenigstens von botanischen Bakteriologen, ganz verlassen, und nur gelegentlich taucht die Be- hauptung auf, man könne in dem Protoplasma großer Schwefelbakterien {Chromatium) Zentralkörper und Rinde unterscheiden^); sie wird aber noch neuerdings durch die Beobachtung zu stützen gesucht, daß der größte Teil des Inhalts der Bakterienzelle im Magensaft unlöslich sei, also aus Kernsubstanz bestehen müsse. Ein natürlich unzulässiger Schluß. De facto darf man daraus nur schließen, daß im Cytoplasma reichlich Nukleoproteide oder andere in Magensaft unlösliche Stoffe vorhanden sind.") Der Forscher^), der als der erste und am energischsten s. Z. gegen diese Anschauung, daß die Bakterien zum größten Teil aus Kernsubstanz bestünden, Front gemacht hat, ist gleichzeitig der Entdecker der Plas- molysierbarkeit der Bakterien und hat auch aus dieser den Schluß ge- zogen, daß jene Theorie falsch sein müsse, da Kerne sich nicht so deut- lich könnten plasmolysieren lassen; dazu seien sie zu fest gefügt. Diese Behauptung hat sich zwar nicht halten lassen, da man tatsächlich sieht, daß die Kerne bei der Plasmolyse der Zellen höherer Pflanzen sehr er- heblich zusammenschrumpfen können. Trotzdem ist jene Kritik aber sehr bedeutungsvoll geworden, weil sie uns mit den Grundzügen der osmotischen Verhältnisse der Bakterien- zeile bekannt gemacht hat. 1) Dangeard, P. A., Ref. B. C. II, 1910, Bd. 26, S. Ul. 2) Nemec, B., Ber. d. bot. Ges. 1908, Bd. 16a, S. 809. 3) Alfred Fischer. 128 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. Kapitel V. Morpliolo^ie der Bakterienzelle, III. Eeservestoffe, Bewegungsorgane. Uiu eine Übersicht über die Bestandteile der Zellen höherer Wesen zu gewinnen, hat man diese Bestandteile eingeteilt in Protoplasma einer- seits, sog. ergastisehe Gebilde andererseits. Am Protoplasma unterscheidet man die Organe, und zwar zuerst die protoplastischen Organe, das sind Cytoplasma, Zellkern und Chromatophoren, sodann die sog. alloplasti- schen Orgaue, die, durch Umbildung gewöhnlichen Protoplasmas ent- stehend, bestimmten Leistungen dienen, z. B. die Geißeln. Unter ergasti- schen Gebilden versteht man die vom Protopla.sma „erarbeiteten" Be- standteile, so die Reservestotfe, die Zellhaut, den Zellsaft.'j Schließen wir uns dieser Übersicht an, so sehen wir, daß wir bisher zuerst, um die ])hysikalische Beschaffenheit der Bakterieu/.elle darstellen zu können,' das Protoplasma als Ganzes, die Zellhaut und den Zellsaft erledigt, sodann die protoplastischen Organe, Cytoplasma und Zellkern besprochen haben, folgerichtig müßten wir nun offenbar den alloplastischen Organen unsere Aufmerksamkeit schenken; gleichwohl wollen wir vorher, im Anschluß an den Zellkern, dem der vorige Abschnitt gewidmet war, andere In- haltsbestandteile der Bakterien ins Auge fassen, nämlich die Keserve- stoffe, soweit sie uns als Körnchen oder Tröpfchen erscheinen, also zu- vörderst die ergastischen Gebilde erledigen. Der Grund dafür, daß wir diese Reihenfolge wählen, ist der, daß die Zellkerne, wie wir schon ge- hört haben, leicht mit Keservestoff'körnchen verwechselt werden können und auch verwechselt worden sind, und wir die unterscheidenden Merk- male beider am besten darstellen können, wenn wir sie unmittelbar hintereinander abhandehi. Was die Reservestoö'körnchen oder Tröpfchen besonders charak- terisiert, ist, daß es transitorische Gebilde sind, die häutig ganz jungen Zellen fehlen, später mehr oder minder reichlich auftreten, um endlich für bestimmte Gestaltungsvorgänge, z. B. die Sporenbildung, wieder auf- gebraucht zu werden.^j 1) Arthur Meyer. 2) Vgl. zu dem Folgenden, abgesehen von der zit. Lit., besonders A. Meyer, Flora, 18'J9, Bd. 86, S. 428 u. Praktikum der botan. Bakterienkunde, Jena 1903. Volutin und Chromatin. 129 Beginnen wir mit dem Volutin! So wird ein Reservestoä" der Spaltpilze genannt, der in der bak- teriologischen Literatur, zumal unter anderm Namen, eine gewaltige Rolle spielt, vielfach verkannt worden ist und übrigens nicht nur bei vielen Bakterien, sondern auch bei anderen Organismen, blaugrünen Algen, Kieselalgen u. a. nachgewiesen worden ist. Er hat daher seinen Namen erhalten, daß er in den Zellen des Spirillum volutans zuerst auf seine Eigenschaften hin genau untersucht worden ist. In der lebenden Zelle schon als lichtbrechende Gebilde sichtbar, färben sich die Volutinkörn- chen oder richtiger Tröpfchen, — denn man hat sich wohl vorzustellen, daß es sich um Vakuolen im Protoplasma handelt, die mit diesem zäh- flüssigen Stoff gefüllt sind, — mit Jodlösung hellgelb, ähnlich wie das Protoplasma selbst. Die chemische Natur des Volutins ist noch keines- wegs sichergestellt. Am meisten Beachtung verdient die Hypothese, daß es sich um einen organischen Stickstoff- und phosphorhaltigen Körper handelt, wie z. B. die Nukleoproteide, von denen im vorigen Ab- schnitt die Rede war. Ein Nukleoproteid ist es aber nicht, da es bei Behandlung mit Eiweißreagentien unter dem Mikroskop keine Eiweiß- reaktionen gibt, somit vielleicht eine Nukleinsäureverbindung unbekannter Natur; falls das zutrifft, dürfte es in der Bakterienzelle eine ähnliche Rolle spielen, wie etwa die Proteinkörner (Reserveeiweißkörner) in den Samen und Früchten höherer Gewächse. Wenn man so wenig Be- stimmtes über die chemische Zusammensetzung des Volutins sagen kann, so hat das darin seinen guten Grund, daß man es noch nicht in größeren Mengen aus der Bakterienzelle rein hat darstellen und makrochemisch hat untersuchen können. — Da nun auch der Zellkern reich an Nuklein- säureverbindungen ist, werden dessen mikrochemische Reaktionen, d. h. die des „Chromatins" mit denen des Volutins einigermaßen ähnlich sein können, und es unterliegt keinem Zweifel, daß man früher häufig als Kerne der Bakterienzelle deutete, was man jetzt für Volutin hält. Diese Verwechslung unterlief, soweit man das beurteilen kann, früher sowohl solchen Forschern, die für die Existenz von Kernen, als solchen, die für ein Chromidialsystem in der Bakterienzelle eintraten; heutigen- tages aber unterscheiden die ersteren scharf zwischen Zellkern und Volutin, die letzteren ebenfalls scharf zwischen Chromatinkörnchen und dem ge- nannten Reservestoff. Und zwar gelingt das auf Grund folgender Reak- tionen: Von den Kernen (bzw. Chromatinkörnchen) kann man das Volutin dadurch unterscheiden, daß sich Volutin (auch ohne vorherige Fixierung der Zelle) mit Methylenblau intensiver färbt, und daß es diese Färbung auch beibehält nach Behandlung mit einprozentiger Schwefel- säure, während Kerne und Chromatin sich durch diese Säure entfärben, Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 9 130 ^- Morphologie der Bakterienzelle, III. ebenso wie die Chromosomen höherer Pflanzen oder wie die Zellkerne anderer Pilze. Mit Fuchsin färbt sich das Volutin weit schwieriger wie die als Kerne gedeuteten Gebilde; ein weiterer Unterschied besteht darin, daß die letzteren durch Kochen im Wasser fixiert werden, während das Volutin in kochendem Wasser löslich ist.^) Es ist noch hinzuzufügen, daß Volutin sich manchmal nicht blau, sondern rötlich färbt auf Zu- satz von Methylenblau, und zwar nach Ansicht des Forschers, dessen Befunde wir eben referiert haben, dann, wenn jenem Farbstoff Methylen- violett (Methylenazur) beigemischt ist. Nach der Meinung eines anderen Forschers-) aber ist es als eine Eigenart des Volutins aufzufassen, daß es sich durch blaue basische Anilinfarbstoffe (z. B. außer durcli Methylen- blau, auch durch Thionin, Kresylblau, sodann auch durch Hämatoxylin) rötlich färbt, im Gegensatz zum Chromatin, welches einen rein blauen Farbenton annimmt. Die sog. „Metachromasie" wäre darnach eine Eigen- tümlichkeit des Volutins, und zwar diejenige, durch welche man es am leichtesten vom Chromatin in fixierten und gefärbten Präparaten unter- scheiden kann. Will man in solchen das A'olutin darstellen, so fixiert man mit Alkohol, Formol oder auch einfach durch Antrocknen, und färbt z. B. mit Methylenblau oder Kresylblau. Diese Farbstoffe würden das Chromatin nur ungenügend färben. Mittels Hämatoxylin könnte man in ein und derselben Zelle Volutin rötlich, Chromatin aber blau färben. Mittels Safranin, von dem wir oben schon ausführten, daß es das Chromatin stark färbt, kann man das Volutin nicht zur Darstellung bringen. Neutralrot soll ein gutes Mittel sein, um Volutin schon in der leben- den Zelle zu färben.^) In der Literatur der Bakterien ist nun häufig die Rede von Babes- Emstschen Körnchen, auch metachromatische Körnchen genannt, da sie sich mit Methylenblau und Hämatoxylin rot zu färben pflegen; diese wurden früher bald für Kerne, bald für Vorstufen der Sporen gehalten, falls man sie in sporenbildenden Bakterienzelleu wahrnahm; es unter- liegt aber wohl keinem Zweifel, daß diese Gebilde, soweit sie über- haupt einigermaßen sicher wieder erkannt werden können, zum größten Teil aus Volutin bestehen. Man hat nun bei dieser Sachlage vorgeschlagen, aus Prioritäts- gründen den Namen Volutin fallen zu lassen und die Körnchen wieder als metachromatische zu bezeichnen. Mag dieser Vorschlag auch histo- risch gerechtfertigt sein — wir wollen ihm doch nicht folgen, und zwar 1) Arthur Meyer. 2) Guiliiermond, A., Arch. f. Prot.-kunde, 1910, Bd. 19, S. 289. 3) Swellengrebel, N. H., B. C. I, Or. 1909, Bd. 49, S. 541. Metachromatische Körner. Fett. 131 im Interesse einer möglichst unmißverständlichen Bezeichnungsweise. Metachromatische Körnchen wurden von ihren Beobachtern bald als Organe oder Organbestandteile angesehen, bald als KeservestofiFe; so könnte die Beibehaltung dieses Namens Verwirrung stiften, die Bezeich- nung Volutin hingegen deutet klar an, daß darunter ein Reservestoff zu verstehen ist. Und diese Unterscheidung zwischen Organ bzw. Organ- bestandteil einerseits, Reservestoff andererseits wenigstens zunächst ein- mal möglichst scharf durchzuführen, scheint uns zur Klärung der Sach- lage dringend geboten. Wie sich hier die Anschauungen weiter entwickeln werden, wissen wir freilich nicht. So gibt es genügend Anzeichen dafür, daß auch das Chromatin nichts Stabiles sei. Manche Forscher wollen be- obachtet haben, daß das Volutin aus dem Chromatin hervorgehen könne, nicht nur bei Spaltpilzen^), sondern z. B. auch bei blaugrünen Algen, und anderen Organismen;") im Gegensatz dazu steht die ganz neuerdings vertretene Meinung^), das Volutin sei ein im Cytoplasma gebildeter Reservestoff für den Aufbau des Kerns, würde bei mangelndem Bedarf vom Kern „zurückgewiesen", und häufe sich dann im Cytoplasma an. Endlich sei erwähnt, daß ja auch in anderen Disziplinen als der Bak- teriologie der Begriff Chromatin kein scharf umrissener ist; man redet in der Zoologie wohl von Erbchromatin und von Nahrungschromatin, eine Bezeichnung, die andeutet, daß sich hier die Grenzen zwischen Or- ganen und Reservestoffen der Zelle verwischen können. Aber eben bei dem unsicheren Stand dieser Fragen in Nachbardisziplinen scheint die Forderung und der Versuch gerechtfertigt, bei Bakterien die beiden Dinge: Volutin und Chromatin möglichst scharf zu trennen; denn nur ein Mißlingen dieses Versuches kann sicher nachweisen, daß die Grenzen nicht so scharf zu ziehen sind, als es nach unserer obigen Darstellung der Fall zu sein scheint. Wir werden auf die Verbreitung des Volutins und auf die Abhängig- keit seines Vorkommens von den äußeren Bedingungen noch zurück- kommen; vorher wollen wir die andern in Tropfen- oder Körnerform in der Bakterienzelle vorhandenen Reservestoffe abhandeln. Ein zweiter Reservestoff, der in Form stark lichtbrechender Tröpf- chen bei vielen Bakterien mikroskopisch nachgewiesen und durch ver- schiedene mikrochemische Reaktionen näher definiert werden konnte, ist das Fett. Zumal dadurch, daß diese Fettröpfchen viele Fettfarb- stoffe speichern und sich darum bei deren Zusatz stark tingieren, sind sie ihrer chemischen Natur nach leicht zu erkennen. Mit Kalilauge kann 1) Swellengrebel, N. H., B. C. I, Or. 1909, Bd. 49, S. 541. 2) Guilliermond, A., Revue gen. d. bot. 1907, Bd. 18, S. A., dort. Lit. 3) Reichenow, E., Arb. a. d. K. Gesundheitsamt 1909, Bd. 33, S. 1. 9* 132 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. man das Fett verseifen; in Chloralhydratlösung ist es löslich, wird aber durch Eau de Javelle kaum angegrifien.^) Bei Zusatz von Jodjodkaliura- lösung färbt sich das Fett gelblichbraun, und zwar schneller als das Cyto- plasma und ist also ev. auch auf diese Weise deutlich zu machen. Aus Kulturen von Tuberkelbazillen hat man das Fett makrochemisch darge- stellt und so die Richtigkeit der Deutung über allen Zweifel erheben können. Mau sollte meinen, daß man das Fett auch durch fettlösende Mittel, z. B. Chloroform, aus der Bakterienzelle müßte ausziehen und auch auf diese Weise seine Natur nachweisen können. Das ist aber nur in vereinzelten Fällen {Sjyirilluni undula minor)') gelungen, meistens zeigt es sich als unmöglich i u. a. bei Milzbrandbazillus), offenbar weil die Zellhaut dem Durchtritt dieser Lösungsmittel Widerstand entgegen- setzt. — Fett ist ein Sammelbegriflf. Es besteht aus Gemischen von Laurin, Stearin, Palmitin, Olein. Das letztgenannte gibt eine (übrigens keineswegs eindeutige) Keaktion, die mikrochemisch viel verwendet wird; es schwärzt Osmiumsäure. Man^) hat das Fett des Milzbrandbazillus mit Osmiumsäure mikroskopisch geprüft und gefunden, daß hier Schwär- zung nicht eintritt, also kein Olein darin vorkommt. Als Fettfarbstoffe, die mikroskopisch anwendbar sind, werden ge- nannt Sudan III, das rot färbt, Dimethylamidoazobenzol, sog. Butter- gelb, das gelb färbt, Naphtolblau'*), endlich Indophenolblau. Interessant ist der Nachweis^), daß man durch vorherige Beizung bewirken kann, daß die Fettropfen auch Farbstoffe, z. B. Fuchsin, die sie sonst nicht speichern, aufnehmen und sich dann intensiv färben. Als solche Beizen können Jod-, Goldchlorid-, Sublimatlösungen dienen, die im Fett löslich, in die Tröpfchen hineindiffundieren und hier mit dem Farbstoff fett- lösliche Verbindungen eingehen. In der Literatur finden sich häufig die sog. Bungeschen Körnchen erwähnt. Diese werden als säurefest beschrieben: sie verschwinden bei der Sporenbildung, stellen also sicher Keservestoffe vor, und zwar sind es in vielen Fällen offenbar Fettropfen (wozu allerdings die Angabe eines Autors*'), daß „Reservefett" in der Bakterienzelle nicht säurefest sei, nicht stimmen will). Nach einigen Angaben scheint es auch, daß diese Bungeschen Körnchen keine einheitlichen Stoffe darstellen, viel- 1) Meyer, A., Flora 1899, Bd. 86, S. 428 und B. C. I, 1901, Bd. 29, S. 809. 2) Zettnow, zit. n. Eisenberg. 3) Eisenberg, P., B. C. I, Or. 1909, Bd. 48, S. 257. 4) Dietrich, A. u. Liebermeister, G., B. C. I, Or. 1902, Bd. 32, S. »58, Meyer, A., ebenda 1903, Bd. 34, S. 578. 5) Eisenberg, P., a. a. 0. und B. C. I, Or. 1909, Bd. 51, S. 115. 6) Grimme, A., B. C. I, Or. 1902, Bd. 32, S. 171. Bungesche Körner. logeu. Glykogen. 133 mehr neben Fett auch metachromatische Substanz, also wohl Volutin, enthalten können.^) — Wie oben schon kurz erwähnt, faßt man Fette mit andern ätherlöslichen organischen Zellinhaltsstofien als Lipoide zusam- men. Von diesen sind mikroskopisch bisher nur die Fette nachgewiesen-, andere Lipoide, so die Phosphatide, d. h. phosphorhaltige, mit Lezithin vielleicht verwandte Stoffe, ferner Phytosterine, dem tierischen Cho- lesterin möglicherweise verwandt, hat in Bakterien nur die chemische Analyse mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit iiachgewiesen. Lezithin- und cholesterinühnliche Stoffe werden von manchen Forschern als Bau- steine jeglicher lebenden Substanz betrachtet. Gehen wir nun über zu den Kohlehydraten, die man als ge- formte Inhaltbestaudteile in der Bakterienzelle gefunden hat. Da ist vor allem zu sagen, daß man die bei höheren Pflanzen ver- breitete Stärke, das Amylum, bei Bakterien bisher nicht mit Sicherheit hat nachweisen können. Statt dessen hat man bei vielen Formen Glykogen, tierische Stärke gefunden, oder richtiger einen Reservestoff, der diesem Glykogen nahestehen dürfte. Auf Jodzusatz sich braunrot färbend, werden die Glykogentröpfchen beim Erwärmen farblos, beim Abkühlen tritt die Färbung wieder hervor. Falls sich in Bakterienzellen Tropfen finden, die sich bei Jodzusatz wie Glykogen färben, aber beim Erwärmen nicht farblos werden, so handelt es sich um andere Kohlehydrate, vielleicht um Dextrine oder ähnliche Stoffe, die eine Mittelstellung zwischen Stärke und Zucker einnehmen. Ganz besonders lange bekannt und in der Tat recht auffallend ist das Vorkommen eines in manchen Bakterien nachweisbaren Stoffes, der sich bei Jodzusatz wie Stärke verhält, also bläut. Der Bac. amyhhaMer, zu deutsch Stärkebazillus, hat daher seinen Namen. Es handelt sich aber nicht um Stärke, sondern um ein dieser nahestehendes Kohlehydrat. Früher nannte man es Granulöse; neuerdings hat man den Namen logen -)^ dafür vorgeschlagen. Seine Natur als Kohlehydrat wurde sichergestellt durch den Nachweis, daß es durch Wirkung schwacher Säuren für das Auge verseh windet, weil es in lösliche Kohlehydrate, Zuckerarten überführt wird. Ferner dadurch, daß Speichel, Malzauszug, die ebenfalls solche Kohlehydrate verzuckern, ebenso wirken. Es ist noch zu be- tonen, daß die Färbung dieses Stoffes durch Jodlösungen sehr von deren Konzentration abhängt. Sehr starke Jodlösungen färben das logen oft braunrot. So sind unter Umständen Glykogen, logen, Dextrin und ähnliche Stoffe nicht immer ganz leicht zu unterscheiden. Es sind eben 1) Preiß, H., B. C. I, Or. 1904, Bd. 35, S. 292. 2) Arthur Meyer. 134 V. Morphologie der Bakterienzelle, lU. alle, wie die Stärke, sog. Polysaccharide, Kondensationsprodukte von Zuckerarten, und diese Produkte treten wohl auch in ein und dem selben Tröpfchen der Bakterienzelle miteinander gemischt auf, so daß eine genauere Charakteristik desselben nicht möglich ist. — Auch bei bestimmten Fadenbakterien, so Br;f(fialoa mirahilis^), kommen nicht näher detinierbare, mit Jod sich blau färbende Kohle- hydrate in Körnchen- oder Tröpfchenform vor; man hat sie als„Amylin"- körnchen bezeichnet. Es ist sodann auf die besonders merkwürdige, schon lange bekannte Tatsache hinzuweisen, daß bei Schwefelbakterien (z. B. bei Beygiatoa neben Amylin und „Chromatin") auch Schwefeltrö])fcheii in der Zelle vor- kommen, als stark lichtbrechende Gebilde. Wie alle Ueservestoffe sind sie in ihrer Häutigkeit von den jeweiligen Lebensbedingungen abhäugig, können also unter Umständen vorübergehend auch ganz fehlen. Wir werden sie später genauer kennen lernen, wenn wir die Physiologie der Schwefelbakterien behandeln werden (Kap. XVI). Noch andere Einschlüsse mancher Bakterienzellen, so die sog. Schwebekörperchen oder Airosomen, werden wir gleichfalls erst später, nämlich bei Besprechung der Purpurbakterien, Kapitel XVI, genauer betrachten. Es sei noch kurz gesagt, daß man begreiflicherweise noch andere Körnchen in manchen Bakterien gefunden hat, die man in keine der oben erwähnten Kategorien einreihen kann. Unter andern spricht man von Polkörnchen ^J, z. B. beim Typhusbazillus, in dem schon im ungefärb- ten Zustand an den Polen der Zelle zwei Kömchen deutlich sind, welche Anilinfarben gierig speichern. Auch im Pestbazillus ^) hat man ein oder zwei entweder am bzw. an den Polen oder auch an anderen Stellen ge- legene Körnchen beobachtet, über deren Natur man nichts weiß. Es ist die Vermutung' ausgesprochen, daß sie gleiche Gebilde sind wie jene S. 119 erwähnten Körnchen im Milzbrandbazillus, die sich mit Fuchsin leicht färben lassen und für Kerne gehalten wurden. Beim Pesterreger aber können es keine Kerne sein, da sie nur bei künstlicher Zucht, nicht aber in Bakterien, die aus dem Tierkörper stammen, zu beobachten sind. Fett ist es nicht. Beim Pestbazillus u. a. redet man auch von Polfärbung, um anzu- deuten, daß der Zellinhalt der angetrockneten und gefärbten Zelle sich nur an den Polen färbt. Das hängt wohl immer damit zusammen, daß 1) Hinze, G., Ber. d. d. bot. Ges. 1901, Bd. 19, S. 369. 2) Lehmann u. Neumann, Atlas. Text, S. 305. 3) Vay, B. C. I, Or. 1909, Bd. 52, S. 305. Amylin. Polkörner. 135 leicht Plasmolyse eintritt, bei welcher das Protoplasma in zwei Portionen zerlallt, die an den Polen sich ansammeln. Es handelt sieh hier also lediglich um ein Kunst- produkt.^) Wir hätten hiermit die wichtigsten ge- formten Inhaltsbestandteile der Bakterien- zelle besprochen. Wie ersichtlich, ist man nach Kräften bemüht, dieselben ausein- anderzuhalten und zu definieren, was einen gewaltigen Fortschritt gegen früher be- deutet; dabei soll nicht geleugnet werden, daß in Praxi die Unterscheidung häufig auf sehr große Schwierigkeiten stößt, die um- gekehrt proportional sind, das versteht sich von selbst, den Dimensionen der be- treffenden Gebilde, und das subjektive Er- messen des Beobachters spielt immer noch eine unerwünscht große Rolle bei den Deu- tungsversuchen. Immerhin ist ein guter Anfang gemacht, nachdem man vor wenigen Jahren noch auf fast jeden Versuch, die verschiedenen Tropfen und Körner ausein- anderzuhalten, verzichten mußte. Wir haben nun noch hinzuzufügen, daß über die Reservestoffe in der Bakterienzelle dasselbe zu sagen ist wie über die Reserve- stoffspeicherung in höheren Gewächsen. Wie für diese bestimmte Reservestoffe charakte- ristisch sind, wie man z. B. den Samen der Bohne von dem der Lupine, auch wenn man nur ein kleines Fetzchen der Keim- blätter vor sich unter dem Mikroskop hat, daran unterscheiden kann, daß der erstere neben anderen Stoffen Stärke speichert, letzterer aber nicht, so sind auch bestimmte Reservestoffe für be- stimmte Bakterienspezies charakteri- stisch. Natürlich ist dann ferner auch bei Bakterien sehr häufig zu beobachten, daß in einer Bakterienart mehrere Reservestoffe nebeneinan- 1) Alfred Fischer. Abb. 36. Bae. alvei. Nach Fixierung mit Methylenblau gefärbt ; Zellen mit Volutin überladen. Vergr. ca. 2000. Nach Guiliiermond. Abb. 35. Spirilluni volutans (verzweigtes Exemplar). Die helleren Tröpfchen'' im Zellinnern sind] Öl , die dunkler gezeichneten Volutin. Sehr stark vergrößert. Grimme aus Arthur Meyer, Prakt. d. bot. Bakterienkunde. 136 ^- Morphologie der Bakterienzelle, III. der vorkommen. So speichert das Spirillum volutans Volutiu und da- neben Fett (Abb. 35), Bac. megaterium Fett, aber kein Volutin, alvei Volutin und kein Fett (Abb. 36), der Bac. atmjlohahtcr neben logen Fett, aber kein Volutin. Für den thermophilen Bac. cj/lindricus ist Glykogeuf^ehalt charakteristisch.') Die Menge, in welcher die betreffen- den Stoffe vorkommen, ist z. T. gleichfalls von der Art, z. T. aber auch von den Ernähruugsbedingungen abhängig. Für Bac. alvci, den wir bei Besjirechung der Bieiieiifaulbrut noch kennen lernen werden, wird angegeben, daß er stets reichlieh Volutin führt (^vgl. Abb. 32), dasselbe gilt für den uns schon bekannten Bac. asterosporus. Bac. mycoides soU unter normalen Frnäbruiigsbediii<^unfjen nur sehr wenig enthalten. Das hindert aber nicht, hängig vom Boden ist, und deren genauerer Betrachtung wollen wir uns jetzt zuwenden. Bei einigen abweichenden Formen (Myxobakterien u. a.) finden auch Kriechbewe- gungen statt; was man darüber weiß, wird später noch kurz zusammen- gestellt werden. Unschwer kann man in den meisten Fällen sehen, daß das Schwimmen eine Vorwärtsbewegung unter steter Achsendrehung ist. Darüber kann 1) Pfeffer, W., Arb. a. d. bot. Inst. Tübingen 1888, IT, S. 582. Bewegungsweise und Schnelligkeit. 139 zumal bei größeren Formen kein Zweifel obwalten, aber aucb bei kleineren Arten ist die Drehung meistens nachweisbar. Häufig ist damit, zumal bei stäbchenförmigen Spaltpilzen, die sog. Trichterbewegung kombiniert, d. h. die Zellachse beschreibt den Mantel eines Doppelkegels, was zu- mal bei langsamer, gehemmter Bewegung deutlich wird. Solche Ver- langsamung der Bewegung kann man nötigenfalls dadurch erzwingen, daß man den Widerstand des Mediums erhöht, indem man die Bak- terien in zähflüssige Gelatine, Schleim o. ä. überträgt. Man sagt wohl auch, die Zelle „wackele" vorwärts. In noch anderen Fällen hat man die Zelle förmliche Purzelbäume schießen sehen. Daß bei den Schraubenbakterien die Form des Körpers eine „An- passung" an die Beweglichkeit ist — will sagen, daß diese Form die Vorwärtsbewegung erleichtert, wissen wir schon (S. 31). Man hat in be- stimmten Fällen beobachtet, daß die Arten mit flachgewundenem Körper schneller um ihre Achse rotieren, als die Arten mit steilen Windungen; ist doch auch bei ersteren der Widerstand, den das Medium bietet, ge- ringer. Sehr häuflg findet eine Umkehr der Bewegungsrichtung statt. Nur in ganz seltenen Fällen handelt es sich dabei um ein „Wenden" der Zellenachse, fast immer wird vielmehr der bisherige vordere zum hinteren Pol und umgekehrt, d. h. das Vorwärtsschwimmen wird von einem Rück- wärtsschwimmen abgelöst. Diese Änderung der Bewegungsrichtung er- folgt bei Schraubenbakterien sehr rasch, bei stäbchenförmigen dauert es einige Zeit, bis nach Aufhören der Vorwärtsbewegung die gegenläufige Bewegung einsetzt.^) Die Bewegungsschnelligkeit ist, wie schon erwähnt, zum Teil von der Eigenart der Spezies, die man untersucht, abhängig. Man kann nicht selten beobachten, daß große plumpe Stäbchen sich schwerfällig dahin- bewegen, kleinere Formen aber flink sind, ohne daß man das etwa als ausnahmslose Ptegel hinstellen dürfte. Einige Zahlenangaben mögen folgen: Chromatium, ein schon früher erwähntes Schwefelbakterium, legt in einer Sekunde 20 bis 40 fi zurück, sich in dieser Zeit drei- bis sechsmal um seine Achse drehend.^) Etwa ebensoschnell bewegt sich Bac. calfador^), eine Art, die in heißen Heuhaufen nachgewiesen wurde und die bei 60** in einer Sekunde ?>0 ^ zurücklegt. Bei Zimmertemperatur legen ferner zurück der Choleravibrio durchschnittlich 30, der Typhus- bazillus 18, Bacterium vulgare 13, der Tetanuserreger 12, der HeubaziUus 1) Reichert, B. C. I, Gr. 1909, Bd. 51, S. 14. 2) Engelmann, W., Bot. Ztg. 1888, Bd. 46, S. 661. 3) Mi ehe, H., Die Selbsterhitzung des Heus, Jena 1907. 140 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. 10 und Bac. megaterimn 8 ^i}) Bestimmte Schwefelbakterien, die „Fon- täneplatten" (Kap. XVI) bilden, legen 20 n in der Sekunde zurück, usw.^) Daß von Außenbedingungen zumal die Temperatur von maßgebender Bedeutung für die Bewegungssclinclligkeit ist, wird nicht wundernehmen zu hören. Während, wie eben gesagt, der Heubazillus sich bei Zimmer- temperatur in der Sekunde um lU /t vorwärts bewegte, legte er bei 45 Grad 23 u in der gleichen Zeit zurück.^) Inwieweit die Bewegungsrichtung von der Verteilung der Nähr- stofie, des Sauerstoffs usw. im Medium abhängt, soU erst später in einem besonderen Abschnitt gezeigt werden (Kap. XI). Nun die Bewegungsorgane I Daß es Geißeln sind, wissen wir schon. Diese Geißeln bestehen aus umgebildetem, der besonderen Funktion an- gepaßtem Protoplasma, sind also als „alloplastische" Organe (vgl. den Eingang dieses Abschnitts) zu bezeichnen. Daß die beweglichen Bakterien solche Geißeln, Flagellen, nach Form und Funktion denjenigen der Flagellaten zu vergleichen, besitzen, ist schon recht lange bekannt. Wenicrstens hat man dieselben an eini<;en sehr jrroßen Formen direkt im lebenden Zustand wahrnehmen können, wohl auch gesehen, daß sich in nächster Nachbarschaft der Stelle, an der sie dem Körper ansitzen, Strudelbewegungen im Wasser zeigten. Man hat auch am SpiriUunt volutaus wahrgenommen, daß schraubenförmige Kontraktionen sich von der Geißelspitze bis zur Basis fortpflanzten, und gesehen, wie die Zelle dadurch in Bewegung gesetzt wurde, hat auch einmal beobachtet, wie die Geißelspitze eines Schraubenbakteriums an einem Fremdkörper fest- klebte und nun die Zelle gleichsam an der Kette lag und daran zerrte.^) Alle derartigen zum Teil schon aus älterer Zeit stammenden Beobach- tungen haben aber nicht verhindern können, daß manche Forscher und zwar sehr verdiente Bakteriologen, die Behauptung, die Schwimm- organe bei allen beweglichen Bakterien seien Geißeln, in Zweifel zogen, da man dieselben eben nur bei einer recht kleinen Zahl von Formen wirk- lich wahrnehmen konnte. Der Umschwung trat ein, und die Zweifel wichen erst, seitdem man lernte, die Geißeln färberisch darzustellen und ihr Vorkommen bei allen beweglichen Arten, sowie ihre Anordnung und Form genauer zu studieren. Ganz neuerdings hat man auch die ultra- mikroskopische Forschung in den Dienst solcher Untersuchungen gestellt, und im folgenden soU wenigstens über die wichtigsten dieser bei Dunkel- 1) Lehmann u. Neumann, Atlas. Text, S. 46. 2) Jegunow, zit. nach Lafar, Hdb. Bd. IH. S. 238. 3) Migula, W., in Lafars Hdb., Bd. I, S. 83. 4) Migula, W. , System der Bakterien, Bd. l, Leipzig 1897. Vgl. auch Winogradsky, S., Beitr. z. Morph, u. Phys. d. Bakt., Leipzig 1888, S. 96. ßewegungsorgane. Geißelpräparate. 141 feldbeleuchtuug gemachten Beobachtungen gleichfalls berichtet werden.^) Doch vorher noch ein Wort über die Art, wie man Geißeln färberisch zur Beobachtung bei der üblichen Hellfeldbeleuchtung darzustellen pflegt: Zunächst gelang es, die Geißeln an Bakterien, die man hatte antrocknen lassen, zu photographieren.^) Später ging man zur Verwendung von Beizen über und hatte den Erfolg, daß man die Geißeln an den angetrock- neten Bakterienzellen mittels Blauholzextraktes und Chromsäure sichtbar machen konnte.") Heutigentages verwendet man meistens Eisentannin- beizen'*), nach deren Einwirkung man die Bakterien mit den auch sonst üblichen Farblösungen, Karbolsäurefuchsin, Säureviolett usw., die, für sich allein angewandt, die Geißeln nicht zur Darstellung bringen würden, färbt. Dabei darf man sich nur auf wirklich gut gelungene Präparate verlassen, sonst kann man leicht durch gefärbte Niederschläge, Schleim usw. zu Irrtümern veranlaßt werden.^) Daß ausnahmsweise dicke Geißeln einiger weniger Formen, die man auch ohne Färbung bei gewöhnlicher mikroskopischer Betrachtung schon sehen kann, nicht erst gebeizt zu werden brauchen, ehe man sie färbt, ist selbstverständlich. Endlich sei auch erwähnt, daß man in allerneuester Zeit versucht hat, Geißeln der direkten Beobachtung zugänglich zu machen, indem man die Bakterien in einer Tuscheemulsion beobachtet, und zwar in einigen günstigen Fällen mit Erfolg.^) — Betrachtet man nun Geißelpräparate, die in der üblichen Weise ge- beizt und gefärbt sind, so sieht man die Geißeln als zarte, längere oder kürzere Fäden, die scheinbar von der Oberfläche der Zelle entspringen und in geschlängeltem Verlauf dem Objektträger oder Deckglas ange- trocknet sind, im Leben also oä'enbar Schraubenwindungen beschrieben. Schon aus diesem Anblick kann man schließen, daß dieselben schrauben- förmige Kontraktionen ausführen und so die Zelle in drehende Vorwärts- bewegung versetzen. Die Dicke der Geißeln ist bei den verschiedenen Arten verschieden, wie schon längere Zeit bekannt ist und neuerdings noch genauer fest- gestellt wurde. Bei SpiriUum volutans wird sie von einem Forscher auf 0,02 bis 0,03 ^ geschätzt, von einem andern auf 0,05 bis 0,06 |u- veran- schlagt. Diese Schätzung ist auf Grund der Beobachtung lebender Zellen 1) Es sei in dieser Beziehung ein für allemal verwiesen auf Reichert, B. C. I, Or. 1909; Bd. 51, S. 14, Fuhrmann, F., B. C. U, 1909, Bd. 25, S. 129. 2) Rob. Koch. 3) F. Löffler; vgl. Migula, "W., System der Bakterien, Leipzig 1897, Bd. 1, S. 101. 4) Vgl. u. a. Kellermann, K. F., Ref. in B. C. II, 1910, Bd. 27, S, 133. 5) Gins, H., B. C. I, Or. 1909, Bd. 52, S. 670. 142 V. Morphologie der Bakterien zelle, III. gemacht worden. Gebeizte Geißeln sind natürlich dicker, als sie in leben- dem Zustand waren. Was die Entstehung der Geißeln anlangt, so z.eigen sie sich zuerst als kurze Fortsätze, welche heranwachsen. Früher nahm man an, dies Wachstum sei ein rasches, während neuere Untersuchungen^) ergeben haben, daß es langsam erfolgt, dafür aber recht lange Zeit dauert, und zwar so lange, als die Zelle lebt. Bei SpirilJi(m rolufans wird die durch- schnittliche Länge der Geißeln auf 12 bis 18, von anderer Seite auf 20 ^ angegeben, doch sind auch 72, u lange Geißeln nachgewiesen worden, die offensichtlich nicht mehr besonders gut als Bewegungsorgane taugen. Da somit die Länge der Geißeln bei ein und derselben Art wechselt, kann nicht viel AUgemeinffültiores darüber, wie über die Zahl der Schraubenumgänge gesagt werden. Die Zahl dieser Umgänge beträgt bei stäbchenförmigen Spaltpilzen im Durchschnitt etwa vier bis sieben, bei Spirillen aber ist sie geringer. Übrigens kann die durchschnittliche Länge der Geißeln, trotzdem sie schwankt, doch als Artmerkmal benutzt werden. Bestimmte Kugelbakterien sind durch auffallend lanjje Geißeln charakterisiert. Für die Stäbchenformen gilt, daß solche, die klein sind, Geißeln besitzen, deren Durchschnittslänge größer als der Längsdurch- messer der Zelle ist. Mittelgroße Stäbchen besitzen meistens Geißeln von etwa derselben Durchschnittslänge wie die Zelle, und große Stäbchen haben oft verhältnismäßig kurze Geißeln. — Um einige Zahlen anzugeben: Der Abstand der beiden Endpunkte der Geißel beträgt bei Bad. vidf/arf durchschnittlich 10, bei JJacf. typhi 12 ,u, die absolute Länge (Geißel gerade gestreckt gedacht) in beiden Fällen 26 /x; sie ist also erheblicher als bei dem größeren Spiril- lum vohdans. — Wie oben gesagt, sieht es in den meisten Fällen so aus, als ob die Geißeln direkt der Zellhaut entsprängen, wenigstens erwecken gebeizte und gefärbte Präparate häufig diesen Eindruck. Schon längere Zeit hat man aber, zum Teil infolge theoretischer Erwägungen, zum Teil auch durch direkte Beobachtung-) großer Bakterien veranlaßt, geschlossen, daß der Schein in jenen Fällen trügt, und daß die Geißeln Fortsätze des lebenden Cytoplasmas sind, die durch enge Poren in der Zellwand nach außen treten. L"nd mittels vervollkommneter Methoden der Neuzeit ist es gelungen, das für SpiriUum vohdans ganz sicher zu stellen.^) Nicht selten reißen Geißeln ab, und es ist schon sehr lange Zeit beobachtet 1) Reichert a. a. 0. 2) Ellis, D., B. C. I, Or. 1903, Bd. 33, S. 1. 3) Fuhrmann, F., a. a. 0. Form und Anheftuns der .Geißeln. 143 worden, daß solche abgerissenen Geißeln sich oft zu großen „Zöpfen" verfilzen und verflechten, die dann im Präparat einen sehr eigenartigen Eindruck machen, wohl auch für andere Organismen gehalten worden sind. Der Kuriosität halber sei erwähnt, daß JBac. Brandenbunjensis, der die Faulbrut der Bienen bedingen kann, Veranlassung zu derartigen Zöpfen gibt, und daß man sie in 22 Jahre alten Faulbrutmassen noch angetroffen hat.^) Es gelingt nun, an solchen abgerissenen Geißeln nicht selten zu beobachten, daß sich an ihrem basalen Ende ein kleines Knöpfchen be- findet. Wie man^) bei Spirillum volidans, dessen Geißeln ein polständiges Büschel bilden, beobachtet hat, ist das so zu erklären, daß dieses Geißel- büschel einem kurzen Protoplasmafaden aufsitzt, welcher durch Jod- lösung-, Färbung; usw. sichtbar zu machen, die Zellhaut durchsetzt. An seinem außerhalb der Zellhaut befindlichen Ende verbreitert er sich etwas, und dieser Verbreiterung sitzen die Geißeln mit ihrer Basis auf Inner- halb der Zelle endet er in einem kleinen Knöpfchen, das sich Farbstoffen gegenüber verhält wie „Chromatin", und zwar noch typischer wie die Chromatinkörnchen bzw. Kerne der Bakterienzelle, von denen im vorigen Abschnitt die Rede war, da es sich auch mit Methylgrün, dem klassischen Färbemittel für Chromatin, färben läßt. Dies Körnchen verdient deshalb unser besonderes Interesse, weil man auch bei anderen begeißelten Mi- kroben an der Geißelbasis solche Körnchen nachgewiesen hat. Man be- zeichnet es bei diesen als „Blepharoplast" und erblickt in ihm ein sog. Bewegungszentrum, von dem aus die Geißeln ihre Bewegungsantriebe erhalten sollen. Auch als motorischer Zellkern wird dieser Blepharoplast bezeichnet. In jugendlichen Spirillenzellen konnten auch an einem Pol zwei Blepharoplasten nebeneinander beobachtet werden, was vielleicht darauf hindeutet, daß sie sich durch Teilung vermehren. Diese Beobachtungen sind übrigens neuen Datums, darum ist ein ab- schließendes Urteil über ihre Bedeutung noch unmöglich: soviel erscheint aber ganz sichergestellt, daß es sich nicht um Verwechslung mit Volutin oder anderen Reservestoffkörnchen handelt. Abgesehen von dem ge- nannten Spirillum hat man noch bei Spirillum spuügenum, einer Form mit seiteuständigem Geißelbüschel und bei dem Vibrio cholerac, der eine endständige Geißel hat, einen derartigen „Basalkörper" beobachten können.^) Man wird abwarten müssen, ob es gelingt, auch bei kleineren, z. B. stäbchenförmigen Bakterien etwas Derartiges nachzuweisen, und da lenkt sich der Gedanke ganz unwillkürlich auf jene Polkörner, die z. B. 1) Maaßen, A, Arb. a. d. k. biol. Anstalt f. Land- u. Forstwirtsch. 1908, Bd. 6, S. 53. 2) Fuhrmann, F., a. a. 0. 3) Yamamoto, J., B. C. I, Or. 1909, Bd. .53, S. 38. 144 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. beim Typhusbazillus beobachtet worden sind (S. 134). Es ist mir nicht bekannt, ob der Gedanke schon ventiliert worden ist, daß diese Polköruer Bewe<;unii-i Geißel betätigt sich und setzt durch sind, so ist das am Vorderpol befandliche Eechtsrotation die zeiie in Links- Büschel um die Zelle gewunden, das andere, Drehung und Vorwärtsbewegung; .~ ' ' vorderer in Ruhe befindlicher hinten befindliche frei, und nur das letztere Schopf in unksgängigen schrauben- arbeitet (vgl. Abb. 38). Windungen um die Zelle gewickelt. Ähnliches gilt für lophotrich begeißelte ^^""^ Reichert. Stäbchen und Kugelbakterien. Auch bei lateral begeißelten Stäbchen sind die in Mehrzahl vor- handenen Geißelschöpfe nach hinten gerichtet. Wechselt das Stäbchen seine Bewegungsrichtung, d. h. beginnt es rückwärts zu schwimmen, so 1) Bütschli, 0., Arch. f. Protk. 1902, Bd. 1, S. 41. 10* 148 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. sieht man, wie die Schöpfe plötzlich nach vorn schnellen und die Be- wegungsric'htung sich umkehrt. Wir verstehen es jetzt auch, wenn wir hören, daß diese Umkehr bei Spirillen rascher vor sich geht als bei lateral begeißelteu Stäbchen: Bei diesen vergeht eben längere Zeit, bis die in größerer Zahl vorhandenen Schöpfe sich umgewendet haben und koordiniert miteinander in umgekehrter Richtung zu arbeiten beginnen. Nicht ohne Interesse ist es auch, die Bewegung von Kugelbakterien, die zu Zellpaketen vereint sind, genauer zu beobachten. Sie bewegen sich lebhaft unter Linksrotatiou (vgl. Anm. a. S. 149) vorwärts, die rückwärts gerichteten Geißeln arbeiten gleichsinnig rechts herum und unterstützen sich so in ihrer Wirkung. Solche energische Vorwärtsbewegung kann aber unter Umständen einer langsameren Platz machen, die Pakete kollern hin und her, die Koordination der Bewegung der Geißeln ist dann ans diesem oder jenem Grund gestört, daher auch die Vorwärtsbe- wegung des Ganzen. Wir wenden uns nun noch einigen Angaben der Neuzeit über Ruhe- gestalt und Bewegungsform der Geißel, sowie über den Bewegungs- mechanismus zu, indem wir uns darauf beschränken, Spirillum volutans zu beobachten, bei welcher Form diese Punkte am genauesten durch- gearbeitet wurden. Die Ruhegestalt des aus 25 Geißeln bestehenden Geißelschopfes ist, wie auch in allen andern FäUen, eine Schraube, und zwar eine solche von ganz bestimmter Gestalt; man kann Ganghöhe wie Durchmesser der Schraubenwindungen feststellen. Diese Schraube ist nicht auf einen Zylinder, sondern auf einen Kegelmantel aufgewickelt zu denken, so zwar, daß die Durchmesser der Windungen am proximalen Ende (d. h. in der Nähe der ZeUe) größer sind als am distalen. Beginnt nun die Bewegung, so verkürzt sich der Geißelschopf scheinbar; in Wirklichkeit verkleinert sich die Steighöhe der Windungen, und zwar um so beträcht- licher, je schneller die Bewegung wird. Der Übergang von der Ruhe- in die Bewegungsform findet schnell, ruckweise, statt, der umgekehrte Übergang beim Aufhören der Bewegung langsam. Durch bestimmte chemische Eingriffe, Wirkung von Morphium u. a., kann man die Win- dungen des Geißelschopfes verflachen und sonst seine Gestalt beeinflussen.^) Wir können uns nun die Wirkungsweise einer Spirillengeißel in folgender Weise klar machen: Setzt die Bewegung ein, so kontra- hiert sich am einen Ende, z. B. an der Spitze, eine Querzone an einem Punkt ihres Umfanges. Diese Kontraktion setzt sich einmal einseitig auf der betrefi'enden Querzoue fort, pflanzt sich aber auch parallel der 1) Fuhrmann, F., a. a. 0. Wirkungsweise der Geißeln. 149 Längsachse der Geißel auf die anstoßende Querzone fort, auf welcher sich nun wiederum die Kontraktion senkrecht zur Geißelachse in der- selben Richtung wie in der ersten Querzone fortpflanzt, und das geht so weiter bis zur Basis der Geißel bzw. des Schopfes. Die Kontraktions- linie umwandert die Geißeloberfläche, und jede Querzone ist der folgen- den in der Kontraktionsphase etwas voraus. So wird die Gestalt der Geißel eine Schraube mit Windungen, die flacher sind, als sie es in der Ruhelage waren. Je schneller sich die Kontraktionen auf jeder Querzone im Verhältnis zur Fortpflanzungsgeschwin- digkeit in der Längsachse der Geißel fortpflanzen, um so mehr Schraubenumgänge entstehen an einer Geißel. Man kann sich alles das leicht an einem weichen Wachslicht als Modell klar machen. Diese schraubenförmigen Kontraktionen umlaufen die Geißel nun stets rechts herum, d. h, von hinten auf die Geißelspitze gesehen, in der Richtung des Uhrzeigers. Die Spirillenzelle ist im Gegensatz dazu immer links herum gewunden. Dreht sich nun das Geißelbüschel rechts herum, so entsteht ein Kraftmoment infolge des Widerstandes des Wassers, welches wir in zwei zerlegen können. Das eine bedingt Linkstorsion, das andere Vorwärtsbewegung der Zelle; damit stimmt auch die Beobach- tung, daß die Zelle links gewunden ist. Man hat eine Schwierigkeit für diese Auffassung daraus herleiten wollen, daß Zelle und Geißelschopf fest miteinander verbun- den sind, daß sich also der Geißelschopf nicht unabhängig von der Zelle zu bewegen vermag, wie es etwa die Schraube eines Dampfers kann. Somit zwingt die links ro- tierende Zelle dem Geißelschopf eine Torsions- richtung auf, die seiner eigenen entgegen- gesetzt ist. Da ist aber nur die Annahme nötig, daß die Kontraktionslinie die Geißeln so schnell umläuft, daß die ihnen von der Zelle aufgenötigte Linksdrehung durch ihre eigene Rechtsdrehung weit überkompensiert wird, somit keine wesentliche Rolle spielt.^) Wir haben hier den Bewegungsmechanismus nur im schnellsten Abb. 39. Die Geißel sitzt am vorderen Pol und besitzt die Gestalt einer Schrau- benlinie. „Ist die Schraube rechts gewunden und rotiert sie rechts herum, der- art, daß, von hinten gesehen, sich jeder ihrer Punkte von links nach oben und über rechts nach unten bewegt, dann übt sie infolge des Widerstandes der Flüssigkeit ein Kraftmoment ^ aus, das sich in die beiden senkrechten Komponenten •f und -<— zerlegen läßt; die erstere bewirkt Vorwärts- , die letztere Drehbewegung der Zelle." VonBütschli konstruiert für ein eingeißeliges Flagellat; gilt auch für einen Vibrio, der mit dem Geißel- pol nach vorn vorwärts schwimmt. Nach Bütschli aus Reichert. 1) Nach Reichert. „Rechts" und „Links" stets im Sinn der Physik. 150 V- Morphologie der Bakterienzelle, III. Flug gestreift, wer sich näher dafür interessiert, muß auf die Original- literatur verwiesen werden. Soviel wird aber aus unserer skizzenhaften Darstellung hervorgehen, daß der Bau des ganzen Bewegungi5a})j)arates sowie jeder Geißel ganz außerordentlich kompliziert sein muß, nicht nur wegen der eigenen Bewegungstätigkeit jeder üeißel, sondern auch darum, weil alle Geißeln gemeinsames Spiel machen müssen. Gleichwohl ist, wie schon erwähnt, von einer besonderen Struktur nichts oder kaum etwas an der Geißel zu erkennen, ein beredtes Zeichen dafür, wie wenig, man könnte versucht sein zu sagen: grenzenlos wenig man selbst mit den besten optischen Hilfsmitteln von den Strukturen sehen kann, auf denen die Lebenstätigkeit beruht. Wir haben nun noch auf die rücksichtlich ihrer Mechanik ganz ungenügend bekannten Kriechbewegungen einiger Bakterien einzugehen, welche von „echten" Bakterien mehr oder minder deutlich abweichen. Von den Schwimmbewegungen unterscheiden sich also diese Kriech- bewegungen dadurch, daß sie nur vor sich gehen können, wenn die Zelle oder doch bestimmte Punkte derselben unterstützt sind. Bei keiner der hierher gehörigen Formen hat man besondere Bewegungs- organe nachweisen können. Die Zelle ist aber mehr oder minder ,,tiexil", d. h. vermag ihre Form zu ändern, und mit dieser Flexilität hängt auch die Bewegungsfähigkeit zweifellos zusammen, Einzelheiten sind aber, wie gesagt, unbekannt; Gallert- und Schleimausscheidungen sind viel- leicht irtrendwie dabei mit beteiligt. Auch die Eij'enschaft, die man als Flexilität der Zelle bezeichnet, ist vielleicht nicht überall dieselbe, muß also auch noch genauer untersucht werden ^ ), denn der ZeUenbau der mit Kriechbewegung ausgestatteten Formen ist verschieden. Die Schwefel- bakterien, wie Beggiatoa, haben eine richtige Zellhaut, während bei den Schleimbakterien eine solche nicht nachweisbar ist, statt ihrer eine Hülle, die wir als Pellicula bezeichnen können. Zunächst einige Schwefelbakterien. Die oben beschriebene ein- zellige Thiopliysa wälzt sich träge auf ihrem Substrat dahin, macht wohl auch ruckweise Bewegungen. Die Fäden der Gattung Beggiatoa kriechen dahin, indem sie sich um ihre Achse drehen, dabei mit der vom Substrat sich etwas abhebenden Spitze eine Schraubenlinie beschrei- bend. Auch hier sind Bewegungsorgane unbekannt; man sieht, wie während der Bewegung Kontraktionswellen über den ganzen Faden da- hinlaufen. Häufig sieht man, daß die langen Beggiatoafädeu nicht ge- rade bleiben, sondern sich mannigfach verschlingen, woraus die Flexi- lität der Zellen sich ohne weiteres ergibt. Die Krümmungen, die zu 1) Fischer, Alfr., Voiles, üb. Bakt. 2. Aufl., S. 18. Flexilität. Kriechbewegung. 151 diesem Sichverscliliugeu führen, sind aber nicht etwa aktiv, wie z. B. die Schraubenbeweguiigen der Geißeln, sondern so zu erklären, daß dem Faden durch das Substrat, z. B. kleine Sandpartikelchen usw., zwischen denen er sieh hindurchwindet, diese Krümmungen aufgezwungen werden. Unabhängig von derartigen Partikeln bewegt sich Beygiatoa geradlinig vorwärts.^) Andere Schwefelbakterien, die Gattung Thiothrix, bestehen aus festsitzenden Fäden. Die Enden des Fadens können sich ablösen, dahinkriechen, sich wieder festsetzen und neue Fäden bilden, und zwar geschieht das in folgender ooc^, Weise: „Ein terminales Stück des Fadens wird ab- gegliedert und stellt ein 8 bis 9 II langes Stäbchen dar, das nur durch die gal- lertige Scheide mit dem Faden verbunden bleibt. Bald wird dies Endstück beweoflich. Zunächst ist es ein kaum merkliches Zit- tern, dann beginnt das Stäb- chen zu schwanken . . . Die Bewegungen sind im gan- zen träge und wechseln mit Ruhepausen ab. Auffallend ist es, daß das Fadenende mit dem Stäbchen aufhört, frei zu flottieren, und dem Glas sich anheftet . . . Die Ablösung des Stäbchens geht aktiv vor sich. Dasselbe beginnt auf dem Glas sehr langsam fort- zukriechen, wobei es den Mutterfaden in Mitleidenschaft zieht. Infolge- dessen wird dieser gewaltsam ausgestreckt oder gebogen, und endlich reißt er vom Stäbchen ab und schnellt wie eine gespannte Feder zurück. Sind die Fäden der Thiothrix sehr lang, so können sich auch mehrere Stäbchen hintereinander abgliedern."^) Sonderbar ist auch die Bewegungsweise der Schleimbakterien; sie kriechen auf der Unterlage, auch am Oberflächenhäutchen des Tropfens, in welchem man sie beobachtet, auch wohl im selbst produzierten 1) Kolkwitz, R., Bar. d. d. bot. Ges., 1897, Bd. 15, S. 410. Vgl. auch Correns, C, Ber. d. d. bot. Ges., 1897, Bd. 15, S. 139. 2) Winogradsky, S., Beitr. z. Morph, u. Phys. d. Bakt., Leipzig 1888, S. 36. a h Abb. 40. Thiothrix nivea. a Gruppe von jungen Fäden, festsitzend, h ein Faden mit abgegliederter „Stäbchenkonidie". (Vergr. ca. 1050.) NB. Scheidewände in den Fäden unsichtbar. Nach Winogradsky. 152 V. Morphologie der Bakterienzelle, III. O» Schleim dahin, ohne Rotation um die Längsachse.^) Schwimmen können sie nicht, sinken vielmehr im Wasser sofort unter. Oft krümmen sich ihre äußerst Hexilen Zellen sehr stark, knicken formlich zusammen, so wenn sie zwischen zwei Hindernissen hindurch müssen, oder auch, wenn sie seitlich von einer andern beweglichen Mikrobenzelle gerammt werden. Eine aktive Krümmung liegt hier offenbar ebensowenig vor wie bei Beggiatoa. Über den Bewegungsmechanismus ist auch hier nicht das Allergeringste bekannt. Geißeln können nicht nachgewiesen werden, ihre Existenz ist auch bei der Art der Bewegung nicht zu erwarten.") — Die Kriechbewegung ist begreiflicherweise langsamer als die Schwimm- bewegung der begeißelten Arten; einige Schleimbakterien legen pro Minute nur 2 bis 3, andere 5 bis 10 /i zurück. Die eben geschilderten Stäbchen von Thiothrix bringen in 1 bis 8 Stunden einen Weg von nur ÖO bis 100 /t hinter sich. Ein Wort über die Gattung Spirochaete, ■'jt, die man, früher und auch heute noch, wegen c\ äußerlicher Ähnlichkeit mit Spirillum zu den Schraubenbakterien stellte. Es sind aber "^fiLt .,,f^ ott'enbar ganz andersartige Wesen, die mit ^^t^ .. lebhaft schlängebider Bewegung ihrer llexilen ^^^F lang gestreckten, dünnen Zellen sich vor- .,, ,, wärts bewecren. Sie haben z. T. Geißeln Abb. 41. " Spirochaete Obemnun. ""'^^^ geißelähnliche Bewegungsorgane, z. T. In menBchiichem Blut. Mit Kuchsin auch eiuc eigenartige, der Zelle längs ange- gefsrbt.^ wachsene, „undulierende" Membran, durch _,, ^ ^ r~ \° deren Bewegung sie vorwärtskommen. Es rhot. V. Zettnow. aus • i m i i »«r c^ n\ ^ Kolle- Wassermann, ^^^^ ^- T. harmlose Wesen, bumpfbewohner, Hdb. d. path. Mikr. Bewohner der menschlichen Mundhöhle, z. T. aber auch gefährliche Krankheitserreger in dieser Gattung anzutreffen. Wenn sie auch jetzt noch häufig bei den Bakterien abgehandelt werden, so hat das nur historische Gründe. Wir wollen auf sie nicht weiter eingehen (Abb. 41 ). Wir wollen endlich darauf hinweisen, daß man Bakterienkolonien kennen gelernt hat, die sich als Ganzes dahinbewegen. Dies gilt für eine Gattung der Purpurbakterien, die den Namen Ämoehohacter^) er- halten hat — eine der interessantesten, gleichwohl noch wenig bekaimten Bakteriengattungen. Es war oben schon die Rede von eigenartigen 1) Baur, E., Arch. f. Prot.k. 1904, Bd 5, S. 92. 2) Vahle, E., B. C, H, 1910, Bd. 25, S. 178. 3) "Winogradsky, S., Beitr. z. Morph, u. Phys. d. Bakt., Leipzig 1888. Bewegliche Bakterienkolonien. 153 Zysten, die bei manchen Milchsäurebakterien unter abnormen Bedin- gungen gebildet werden (S. 97). Zu solchen Zystenbakterien ist nun auch Amöbobakter zu zählen. Man sieht innerhalb einer Hülle dicht- gedrängt Kurzstäbchen liegen, und zwar gehören diese zu den Purpur- bakterien. Beobachtet man solche Zysten, so sieht man, wie sie keimen: die Zystenhülle platzt und der Inhalt tritt heraus. Die Zellen trennen sich nun nicht voneinander, bleiben vielmehr zu Klumpen vereint, in denen die Zellen je nach den Bedingungen bald dichter, bald lockerer gelagert sind, und die als Ganzes amöbenartig umherkriechen; dabei findet Zellvermehrung statt. Die Zellen teilen sich stets nur nach einer Richtung des Raumes, nachträgliche Verschiebungen derselben führen zur unregelmäßigen, klumpigen Gestalt; bei der Bewegung gewinnt man den Eindruck, als ob einzelne Zellen sich von den andern trennen wollten, doch werden sie immer wieder in die Kolonie „eingezogen" endlich aber zerfällt eine solche Kolonie in mehrere, so daß schließ- lich aus einer großen viele kleine hervorgehen können; man nimmt an, daß die Zellen einer Kolonie durch Protoplasmafäden verbnuden sind und auf diese Weise der Zusammenhalt bewirkt wird, freilich ist es nicht gelungen, solche Verbindungen nachzuweisen; hier liegt der erste Fall vor, in welchem man aus Zusammenhang und koordinierten Bewegungen mehrerer vereinigter ZeUen auf das Vorhandensein von Plasmaverbindungen bei Spaltpilzen geschlossen hat (vgl. auch S. 159). Man hat drei Arten dieser eigenartigen Gattung beschrieben. Sie finden sich häufig in Massenkulturen von Schwefelbakterien. Anhangsweise erwähnen wir noch, daß auch Kolonien von großen Bakterien mit endständigen Sporen beschrieben sind, die sich als Ganzes über die Oberfläche der Agarplatten dahin wälzen.^) 1) Müller, Reiner, Münch. med. Wochschr. 1909, Nr. 17. 154 V-f- Morphologie der Bakterienzelle, IV. Kapitel VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. Zellteilung, Sporenbildung und -keimung. Um die Lehre von der Gestalt der Bakterienzelle zu vervoll- ständigen, müssen wir nun hauptsächlich noch zwei Fragen genau be- handeln: Das ZeUwachstum und die Zellteilung, sodann die Sporen- hihlung, und wir wollen mit dem ersteren Punkt beginnen, den wir ja früher nur in groben Zügen kennen gelernt haben. SoUte es unsere Aufgabe sein, einen lebhaft beweglichen Spaltpilz bei der Teilung zu beobachten, so empfiehlt es sieh, denselben in ein zähes Medium zu übertragen; denn wir können als allgemein gültige Regel vorausschicken, daß die Bewegung bei der Teilung nicht eingestellt wird, wie das in der Regel bei Flagellaten der Fall ist (vgl. Einleitung, S. 20). Betrachten wir zuerst (Abb. 22 a. S. 79) einen stäbchenförmigen Spaltpilz, und zwar am besten einen recht großen, während der Teilung! Nehmen wir an, es handle sich um eine Zelle, die sich soeben geteilt hat, so würden wir zuerst Streckungswachstum beobachten, bis Länge und da- mit auch Volumen des Stäbchens sich verdoppelt haben. Während dieser Zeit müßten etwa vorhandene Kerne ihre Zahl verdoppelt haben, auch müssen die Forscher, die den Bakterien ein Chromidialsystem zuschrei- ben, annehmen, daß dies auf die doppelte Größe heranwächst. Ist die Form lateral begeißelt, so würden sich neue Geißeln zwischen die alten einschieben. Wer die pflanzeuphysiologische Literatur vom Wachstum der Zelle und der Zellhaut kennt, weiß, daß sich auch noch viele andere Probleme an das Bild, das wir in Gedanken vor uns haben, knüpfen. Es erhebt sich die Frage, wie die Zellwand wächst, ob durch gleich- mäßige Einlagerung neuer Zellhautteilchen, d. h. durch sog. Intussus- zeption, oder derart, daß vom Protoplasma neue Zellhautlamellen innen an die schon vorhandenen angelagert werden, also durch sog. Appo- sition, oder durch beide Vorgänge. Es würde sich sodann fragen, wie das Protoplasma dies Längenwachstum bewirkt, ob der Turgor der Zelle dabei steigt, sinkt oder konstant bleibt, und es erheben sich noch viele Sukzedane Querwandbildung. 155 andere Fragen mehr, die hier genauer zu präzisieren wir keine Veran- lassung haben, da man, ehrlich gesagt, bei Bakterien gar nichts über die Wachstumsmechanik weiß. Hat nun das Stäbchen die doppelte Länge erreicht, so sieht num, daß in der Mitte der Zelle, quer durch den Zell- saft, falls ein solcher vorhanden ist, eine Cytoplasmabrücke sich aus- spannt, innerhalb deren die neue Querwand gebildet wird; diese wird also, als ergastisches Gebilde, innerhalb des Protoi)lasmas abgeschieden und angelegt, wie das auch bei allen höheren Ptlanzenzellen der Fall ist, sie grenzt niemals direkt an den Zellsaft an. Vorher kann sich auch die Längswand an dieser Stelle etwas eingeschnürt haben. Diese neue Querwand ist nun nicht in ihrer ganzen Erstreckung auf einmal da, sie wird nicht „simultan" gebildet, wie das bei andern Pflanzen der Fall sein kann, sondern erscheint erst als eine Ringleiste innen an der Längswand, welche breiter und breiter wird, bis die ursprünglich in der Mitte offene Querwand sich schließt. Man redet von „sukzedaner" Ent- stehung der Wand, wie sie zuerst an den Zellen einer Fadenalge be- obachtet worden ist. Nun spaltet sich die Wand in zwei Lamellen, und die Teilung ist beendet. Spaltet sich hierbei die Querwand glatt durch, und bleibt sie eben, und hatte sich die Längswand nicht eingeschnürt, so entstehen Zellen, deren Enden quer abgestutzt sind, wie das beispiels- weise beim Milzbrandbazillus der Fall ist. Meistens aber wächst, während die beiden Zellen sich trennen, die neue Querwand jeder ZeRe halb- kugelförmig hervor, so daß die beiden Tochterzellen kurz vor der Tren- nung nur noch in einem Punkt zusammenhängen; die Pole derselben sind dann abgerundet. In der geschilderten Weise verläuft der Teilungsvorgang bei den „echten" stäbchenförmigen Bakterien, so bei den endosporen Stäb- chen, die wir ja so häufig schon als Prototypen für die Bakterien im engeren Sinne hingestellt haben. Abweichend beschrieben ist er unter den endosporen Formen eigentlich nur bei Bac. Bütschlii, jener hoch- interessanten Form, die wir schon mehrfach genannt haben, mit der wir aber erst in diesem Kapitel genauere Bekanntschaft machen werden. Hier tritt in der Mitte der Zelle, sobald dieselbe sich zur Teilung an- schickt, ein stark lichtbrechendes Pünktchen auf, das sich mit Farb- stoffen intensiv fingieren läßt, und das sich allmählich zu einer Scheibe verbreitert, die sich an die Längswand anlegt und so zur Querwand wird. Doch dürfte wohl die Deutung zutreffen, daß diese „Querwand" eine in der Mitte verdickte Protoplasmabrücke ist, innerhalb deren sich erst die Querwand selbst, — in üblicher Weise sukzedan, ausbildet.-^) 1) Vgl. Schaudinn, F., Arch. f. Protk. 1902, Bd. 1, S. 306. Meyer, A., Bot. Ztg. 1903; 2. Abt. Bd. 61, S. 1. Schaudinn, F., ebenda, S. 97. 156 VI. Morphologie der Bakterienzelle, lY. Dies alles würde vorwiegend an der lebenden Bakterienzelle zu be- obachten sein, doch hat man die genannten Vorgänge vor und bei der Teilung der Zellen, zumal neuerdings, auch an fixierten und gefärbten Präparaten studiert. Bei vielen Stäbehenbakterien, z. B- Bac. mycoides, wird angegeben '), daß sich die Querwände im fixierton Zustand außer- ordentlich intensiv färben lassen (Abi). 42). Zuerst sollen zwei seitlich an der Längswand gelegene Körnchen auftreten, diese sich dann zu der erst bikonkaven, dann bikonvexen Querwandanlage vereinigen, die sich endlich in zwei Lamellen spaltet. Daß jene beiden Körnchen auch schon mit Zellkernen verwechselt worden sind, haben wir früher (S. 119) gehört; hier muß aber noch darauf hingewiesen werden, daß es zweifelhaft ist, ob jene zwei Körnchen das optische Bild der Kingleiste sind, als welche nach Beobachtung im lebenden Zustand die junge Querwand sich zuerst zeigt, wie denn überhaupt ein eingehender Versuch, die eben beschriebenen Teilungsbilder gefärbter und fixierter Zellen mit solchen lebender Zellen ganz in Einklang zu bringen, noch fehlt. Daß die junge Querwand sich leicht färben läßt, überrascht insofern nicht, als das auch für jugendliche Querwände anderer Zellen, z. B. Ä. ^ £v II lÄ iß Algeufädeu trilt. I ■ fi 3 I B ■ Ganz anders soll nun der Teilungsvorgang m I I W 1 • ■ verlaufen bei den stäbchenförmigen ZeUen I 1 1 A I ft I ^^^' Schleim bakterien (Abb. 43). Hier zeigt m ■ k ■ Alf ^^^^ ^^^ Längswand schon geraume Zeit vor ^ B " der Trennung l)eider Tochterzellen in der ■ Mitte eingeschnürt, und diese Einschnürung, die, wie wir sahen, ja auch bei echten Stäb- chenbakterien auftreten kann, wird nun bei Myxobakterien stärker und stärker, und end- lich trennen sich beide Tochterzellen, ohne daß sich eine Querwand gebildet hätte; sie werden vielmehr einfach auseinandergeschnürt, die beiden neugebildeten Zellpole sind scharf zugespitzt; die Zellteilung ähnelt dem Auseinandergezogenwerden einer zähen Masse in zwei Teile. Im Inneren der Zelle tritt vor der Teilung an der Stelle, wo die Auseinanderschnürung stattfindet, ein Abb. 42. Bac. radicosHS. Nach FixieruDg mit Kisenhäma toxylin gefärbt. Qnerwaud- bildang. Vergr. ca. 2000. Nach Guilliermond. Abb. 43. Myxncoccus ruher. Teilungsstadien, fixiert mit Flem- mingscher Lösung, gefärbt mit Methylenblau. (Vergr. ca. 2500.) Nach Vahle- 1) Guilliermond, A., Arch. f. Prot.kunde, 1908, Bd. 12, S. 9. Teilung der stäbchenförmigen Bakterien. 157 lichtbrechendes Körnchen unbekannter Natur auf. Auch bei Bac. spo- ronema soll es uicht zur Bildung einer Querwand kommen, die Mutter- zelle vielmehr in der Mitte durchgeschnürt werden. So verschieden nun in den eben geschilderten Fällen die Zellteilung solcher Stäbchen- formen auch verlaufen mag, sie haben doch das gemeinsam, daß die Querwandsanlage die Mutterzelle in zwei von Anfang an gleiche Hälften teilt, wenigstens ist das die Regel. ^) Das ist aber anders bei Bac. maximus buccalis^), einer Form, die im Zahnschleim des Men- schen, zumal morgens kräftig wachsend vorkommt und ein beliebtes Demonstrationsobjekt geworden, auch mit Rücksicht auf die Zellkern- frajje untersucht worden ist. Es sei hier kurz darauf hingewiesen, daß hier die Querwand, die zuerst ebenfalls einen Ring darstellt, nicht immer in der Mitte der Mutterzelle, sondern oft dem einen Ende der- selben genähert, sichtbar wird; ist sie fertig ausgebildet, so spannt sie sich aber quer durch die Mitte der Mutterzelle aus, und dieser Befund läßt nur die eine Deutung zu, daß die MutterzeUe nicht in allen Teilen ihrer Längswand gleichmäßig, sondern terminal wächst; so haben wir also hier eigenartigerweise keine Spaltung der Mutter- in zwei Tochter- zellen, sondern wir können uns den Vorgang derart vorstellen, daß aus dem einen Pol der MutterzeUe die Tochterzelle herauswächst, heraus- sproßt, anfänglich zwar kürzer aber gleich dick wie die Mutterzelle. Wir erwähnen diesen Fall, der übrigens noch genauer untersucht werden muß, in erster Linie deshalb, weil die Möglichkeit nicht ganz ausge- schlossen ist, daß gleiches auch bei anderen Bakterien vorkommt. Dies um so mehr, als man diesen eigenartigen terminalen Wachstumsmodus der Mutterzellwand nur deshalb erkennen kann, weil die Querwand schon augelegt wird, ehe das Längenwachstum beendigt ist. Natürlich erhebt sich auch die Frage, ob man nicht besser tut, den „Bacillus" maximus huccalis aus dem Bakterienreich hinauszuweisen. Gehen wir über zur Betrachtung der Zellteilung der Spirillen! Wenn die Zelle die nötige Länge erreicht hat, so beobachtet man, wie sich zunächst die mittlere Partie derselben von Reservestoffen entblößt, — gleiches würde man übrigens auch bei Stäbchen zweifelsohne be- obachten können, wenn auch Angaben darüber fehlen; die großen Spi- rillenzellen lassen das wohl besser erkennen. Dann wird eine Einschnü- rung der Längswand kenntlich. Ob aber nun bei Spirillen sich eine zu- nächst dünne Querwand mitten durch die Zelle von Längs- zu Längswand ausspannt und sich dann verdickt und unter Abrundung spaltet, oder 1) Ausnahmen bei Meyer, A., Flora 1897, Bd. 84, S. 185. 2) Swellengrebel, N. H., B.C. II, 1906, Bd. 16, S. 617. 158 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. ob die Anlage einer solchen unterbleibt und die beiden Tochterzellen sich einfach auseinanderschnüren, ist insofern nicht ganz sicher, als die Angaben darüber verschieden lauten. Die einen Forscher^) wollen eine Querwand gesehen haben, die andern meinen, daß sich die Hälften aus- einanderschnüren, wobei die Enden der Längswände sich zur Kuppe zusammenschließen würden. Wie dem auch sei, bald nachdem die Zell- teilung perfekt geworden ist, sproßt das jugendliche Geißelbüschel an den neugebildeten Enden der beiden Tochterzellen hervor, so daß die Tochter- zellen sehr bald wieder an beiden Polen Geißeln tragen. Sehr anschaulich wird geschildert"), wie nach Vollendung der Teilung die Lostreniuing beider Tochter- zellen bei SpIHll 1(7)1 vohitans erfolgt: Mau beobachtet ein Hin- und Herzerren infolge des gegenläufigen Arbeitens der zwei Geißelbüschel, gegenseitijjes Ver- drehen um die Längsachse findet statt, endlich klappen die Tochterzellen zu- sammen, legen sich für einen Moment nahe aneinander, und dann eilen sie nach entgegengesetzten Richtungen davon (Abb. 44). A V Bei Vibrionen sind ähnliche Tei- 1 /^^^^^^^^^-^Q~^Z^Z^ ^ lungsvorgänge wie bei Spirillen beob- achtet worden ; daß die neue Geißel sich hier nicht alsbald, sondern erst kurz vor der nächsten Zellteilung bildet, die Zellen hier also die längste Zeit ihres Lebens nur einpolig begeißelt sind, haben wir schon gehört. Die Zellteilung der Kugelbakterien verläuft typisch derart, daß die Zelle durch eine Querwand in zwei Hälften zerfällt, ohne sich vorher zu strecken. Die Zelle wird also durch die Teilung in zwei Halbkugelu zerlegt, die sich dann wieder abrunden und Vollkugelgestalt annehmen. Die erforderliehe Volumverdopplung scheint, nach Angaben in der Literatur zu schließen, bald vor, bald nach 1) Migula, W., in Lafars Hdb., Bd. I. 2) Ellis, D., B. C. I, Or., 1903, Bd. 33, S. 1. Swellengrebel, N. H., Ann. de l'inst. Pasteur, 1907, Bd. 21, S. 577. Abb. 44. Teilung der Spirillen. a, 6 Verdrehung der Tochterzellen um ihre Längsachse, c Zusammenklappen, d Lostrennung der Tochterzellen. Manchmal kommt vor der Lostrennung ein kreisförmiges Sichherumdrehen der Tochterzellen vor. (c) Naeb Reichert. Teilung der Schrauben- und Kugelbakterien. 159 der Teilung zu erfolgen. Auch die Zellen der „Kettenkokken" sollen sich normalerweise vor der Zellteilung nicht strecken. '^) Bei Strepto- coccus tyrogenes soll aber vor der Querwandbildung die Zelle ovale Form annehmen.^) Falls kugelförmige Spaltpilzzellen sich erst in der Längs- richtung zu einem kurzen Stäbchen strecken, ehe sie durch Querteilung wieder in zwei annähernd kugelige Tochterzellen zerfallen, so pflegt man sie nicht zu den eigentlichen Kugelbakterien, sondern zu den stäb- chenförmigen zu rechnen und sie als Kurzstäbchen zusammenzufassen. (Weiteres unter Systematik, Kap. YII.) Sehen wir zunächst von den nachher zu behandelnden echten, mit Scheide ausgestatteten Fadenbakterien ab, so wissen wir, daß auch sonst nicht selten die Zellen nach der Teilung sich nicht trennen, sondern zu Verbänden vereint bleiben können. Stäbchen uud Schrauben zu Fäden, Kugelbakterien zu Ketten, Platten, Paketen. Häufig bleiben bei Kugel- bakterien die beiden TochterzeDen recht lange miteinander in Verbin- duno- und bieten, falls die Wand zwischen beiden etwas bikonvex ist, das Bild zweier bohnenförmiger Zellen, die ihre konkave Seite einander zukehren. Man spricht wohl auch von „Semmelform". Stäbchen sind oft nicht starr miteinander verbunden, sondern etwa so, als ob sie mit einem „Charnier" aneinandergeheftet wären. Beobachtet man mehrere auf solche Weise miteinander verbundene Zellen eines beweglichen Stäbchenbak- teriums, so kann man bei flüchtigem Hinsehen den Eindruck gewinnen, als ob lange, flexile Zellen vorhanden wären, die sich durch das Gesichts- feld des Mikroskope bewegten. Gleichwohl ist jede einzelne Zelle starr, wie exakte Beobachtung zeigt. Beim Anblick solcher beweglicher Fäden oder anderer Zellkolonien erhebt sich nun die Frage, wie die durch tote ZeUwände getrennten Protoplasmakörper nun einheitlich miteinander arbeiten können. Nötig ist das ofi"enbar, denn wenn jede Zelle ihren Weg für sich zurücklegen wollte, so wäre eine geordnete Bewegung, wie man sie tatsächlich be- obachtet, nicht möglich. Das prinzipiell gleiche Problem, wie es er- reicht wird, daß die vielen Geißeln eines Stäbchens koordiniert mit- einander sich drehen, haben wir ja oben schon gestellt, ohne es aber ausreichend beantworten zu können (S. 144). Bei Kolonien wäre es nun möglich, daß die äußeren Bedingungen, Verteilung der Nährstofi'e usw. gleichsinnig auf alle Zellen wirken; es wäre auch möglich, daß eine be- sonders kräftige Zelle alle anderen mit sich reißt, und auf solche Weise die Kolonie sich als einheitliches Ganze vorwärts bewegt. Wahrschein- licher ist aber, daß immer in solchen Fällen ebenso wie bei höheren 1) Migula, W., a. a. 0. 2) Ellis, D., a. a. 0. 160 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. Pflanzen die Protoplasmakörper durch die Zellhaut nicht vollständig voneinander getrennt sind, sondern mittels äußerst feiner Protoplasma- stränge miteinander in Verbindung bleiben, die durch sehr enge Löcher hindurch die Zellwände durchsetzen. Solche Stränge, „Plasmodesmen", würden die geordnete Bewegung, und übrigens auch bei unbeweglichen Kolonien sonstige einheitliche Lebenstätigkeit verständlich machen, — unter Kolonien sind natürlich hier stets nicht die künstlichen Kolonien auf Agar oder Gelatine, sondern Zellverbände zu verstehen, die auch in natura, ohne durch äußerlichen Zwang zusammengehalten zu werden, in die Erscheinung treten, vgl. auch S. 153. Solche Plasmodesmen sind nun, wie das bei der geringen Größe der Zellen nicht wundern kann, nur in wenigen Fällen mit ziemlicher Sicherheit festgestellt worden, z. B. zwischen den Zellen des Faden- bakteriums Chidotltrix dicliototna, und es ist zu sagen, daß gerade bei diesen hochentwickelten Spaltpilzarten, die schon durch den Besitz einer die Zellen zusammenhaltenden Scheide als eine Einheit sich darstellen, auch eine innerliche Einheit, eine Kontinuität der Protoplasmaleiber, am bestimmtesten zu erwarten ist. Übrigens hat man auch gefunden, daß Zellen des Bac. asterosportts, die zu Ketten verbunden, schwärmen, mittels Plasmodesmen, w^elche den die Zellen verbindenden Gallertpfropf durch- setzen, verbunden sind.') Was wissen wir sonst über Zellteilung und Wachstum von um- scheideten Fadenbakterien? Was die Zellteilung anlangt, so dürfte sie ebenso verlaufen, wie wir das für andere stäbchenförmige Spaltpilze geschildert haben; genauere Angaben darüber sind aber nicht vor- handen. Sodann habeji wir schon gehört, daß innerhalb der Fäden die Zellteilung nicht etwa bloß an der Spitze stattfindet, sondern daß alle Zellen des Fadens teilungsfähig sind; ob sich freilich im Fadenverband diese Fähigkeit an allen Stellen der Fäden gleichmäßig manifestiert oder doch in der Nähe der freien Enden kräftiger ist, darüber ist wenig Sicheres bekannt. Bei Thiothn'x scheint es, daß die basalen Teile der Zelifäden sich endlich am Wachstum nicht mehr beteiligen, daß also Spitzenwachstum erfolgt. Jedenfalls läßt sich zeigen, daß die Stoff- wechselerscheinungen, die für diese Art charakteristisch sind (Kap. XVI), in den Spitzenzellen längerer Fäden viel lebhafter vor sich gehen als in den Basalzellen.^) Ganz ungenügend sind auch die Erfahrungen über das Wachstum und die Neubildung der Scheiden. Wie hält die Scheide mit dem Wachs- 1) Meyer, A., Flora, 1897, Bd. 89, S. 185. 2) Winogradsky, S., Beitr. z. Morph, u. Phys. d. Bakt., 1888, S. 34. Plasmodesmen. Gleitende und sprossende Verzweigung. 161 tum des in ihr steckenden Fadens Schritt? Wächst sie bei einigen Arten an den Stellen, an denen sich in ihrem Inneren die Zellen teilen, oder schieben sich bei allen die Zellen infolge ihres Wachstums an der Spitze aus ihr heraus, um sich dort neu zu umscheiden, verlängert sich also die Scheide stets durch Spitzenvvachstum, wie das z. B. für Leptothrix u. a. bekannt ist? Das sind Fragen, die der Beantwortung noch harren. Vom Mechanismus des Scheidenwachstums im einzelnen, ob es durch Ap- position oder Intussuszeption nsw. erfolgt, ganz zu schweigen. Wir kommen auf solche Fragen übrigens später, z. B. bei Be- handlung der Eisenbakterien, noch zu sprechen.^) Fadenbakterien sind entweder einfache Fäden, oder sie sind verzweigt. Auf letzteres deutet ja schon die Be- zeichnung Cladothrix dicliotoma, der Name des Schulbei- spiels für verzweigte Fadenbakterien (Abb. 45 b). Hier finden an mehreren distinkten Stellen des zuerst einfachen Fadens besonders lebhafte Zelltei- lungen statt, ohne daß die Scheide sich im gleichen Maße verlängert. So entstehen an diesen Orten rascher Zellteilung Spannungen, die damit enden, daß die sich lebhaft teilen- den Zellen seitlich die Scheiden durchbrechen, herauswachsen und so Seitenästen den Ursprung geben. Man redet hier gewöhnlich von „fal- scher" Verzweigung im Gegensatz zur echten der höheren Pilze, bei welcher eine Zelle des Fadens selbst eine Ausstülpung treibt und so einen Seitenast bildet. Da aber jener Ver- zweigung bei Cladothrix „sonstige Falschheit", wie man schon vor langer Zeit gesagt hat, „nicht nachzuweisen ist"-), hat man neuerdings^) vorgeschlagen, bei Bak- terien statt von falscher Verzweiö-ung von „gleitender" Verzweigung ZU reden, (die Verzweigung selbst gleitet ja allerdings nicht, sondern die Zweige) — während man die echte Verzweigung der höheren Pilze als „sprossende" Verzweigung bezeichnet wissen will (Abb. 45 a). Bei 1) Näheres bei Migula, W., in Lafars Hdb., Bd. I, S. 56. 2) A. de Bary, Vorles. üb. Bakt., 2. Aufl., 1887, S. 62. 3) Miehe, H., Selbsterhitzung des Heu's. Jena 1907. Abb. 45. (/ Echte „sprossende" Verzweigung des Peiiicil- Ki/m-IMycels. b Falsche „gleitende" Verzweigung der Cladot/irixtsiden. a Nach Brefeld aus A. Fischer, Vorlesungen. (Vergr. 120.) h Nach A. Fischer. (Vergr. 600.) B enecke: Bau u. Leben der Bakterien. 11 162 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. der gleitenden Verzweigung ist offenbar besonders deutlich zu sehn, diili beim Wachstum mechanische Energie gebildet wird. Denkbar ist, dali bei Chtdothrix die in die Scheide' eingeschlossenen Zellen unter Ent- spannung der Zellhaut wachsen, so daß der osmotische Druck des Zell- safts sich gegen die Scheide richtet und sie zersprengt. Es würde dann in mechanischer Hinsicht prinzipiell dieselbe Erscheinung vorliegen wie bei der Zerspreugung eines Felseus durch die Wurzel einer höheren Pflanze. Es sei noch erwähnt, daß in anderen Fällen, bei Cladothrix natans, die Scheide so weit sein kann, daß sie nicht durch die Zweige durch- brochen wird, sondern mehrere Zellfäden nebeneinander herwachsend innerhalb einer Scheide Platz finden. Nun noch ein Wort über die ganz eigenaitige, noch viel zu wenig bekannte Art Plirapmidiothrix midtiscptata^) (Abb. a. S. 20)5), ein Faden- bakterium, das im Kieler Hafen an den Beinen eines kleinen Flohkrebses, Gammarus locnsta, gefunden wurde. Die Fäden sind über lOü /i laug, H bis G /i dick und die einzelnen Zellen sehr kurz, 4 bis Gmal kürzer als breit. Das Auffallende ist nun, daß diese Zellen sich auch der Länge nach teilen. Meist tritt zuerst in der Mitte der Zelle eine Längswand auf, hierauf teilen sich die beiden Tochterzellen alicrmals längs durch eine der ersten parallele Längswand; nun folgen noch Teilungen nach einer zweiten und dritten Richtung des Raums; so kann eine Zelle in eine sarcina- artige Zellgruppe zerlegt werden. Die Fäden sind nicht verzweigt. Nähere Untersuchung dieser bemerkenswerten Form müßte zeigen, ob diese Zerklüftung der Zellen als Bildung von Fortpflanzungs- und Ver- breitungszellen zu deuten ist, — Auf andere Fälle von Längsteilung bei Spaltpilzen kommen wir später (Kap. VHI) noch zurück. Daß endlich die Fadenbakterien sich auch dadurch ganz wesentlich unterscheiden, daß die einen festgewachsen sind, die anderen aber frei im Wasser Hottieren, werden wir später noch genauer hören. Vergleicht man die Ausführungen über Zellteilung und Wachstum der Bakterien mit den Darstellungen, die über die gleichen Vorgänge bei höheren Pflanzen vorliegen, so wird der Vergleich sicher nicht zu unseren Gunsten ausfallen, daran tragen wir aber nicht allein die Schuld, obgleich wir gern bereit sind, einen Teil derselben auf uns zu nehmen, sondern auch der mangelhafte Stand der Kenntnisse heutigen Tages auf diesem Sondergebiet der Bakteriologie. Nun noch einige allgemeine Bemerkungen! Man hört nicht selten von „Teilungsgröße" einer Zelle reden; was ist das? Die Größe, die 1) Engler, A., 4. Ber. d. Commis. z. Unters, d. deutsch. Meere. Kiel 1883. Teilungsgröße. 163 eine Zelle erreichen ninß, nm zur Zellteilung zu schreiten, m. a. W., die maximale Größe, die eine Zelle unter bestimmten Bedingungen hat. Wir erwähnen das hier, um zu bemerken, daß diese Teilungsgröße keineswegs für eine Art vollkommen konstant ist, sondern je nach den Bedingungen wechselt. Kugelbakterien, zumal solche, die zu Zellpaketen vereinigt sind, zeigen nicht selten unter ungünstigen Bedingungen, in alternden Kulturen usw., Zellteilung, bevor die Mutterzelle die normale Größe erreicht hat; es kann zu einer förmlichen Fächerung der Mutter- zelle unter entsprechender Verkleinerung ihrer Deszendenten kommen. Auch Kugelbakterien, die zu Ketten aneinandergereiht sind, teilen sich nicht selten in ähnlicher Weise durch parallele, zur Längserstreckung der Zellkette senkrecht orientierte Zellwände in eine Anzahl kleiner Tochterzellen, die also die Form von flachen, aus einer Kugel herausge- schnittenen Scheiben haben und sich bei ev. Abrundung zu weit kleineren Zellen abrunden als die Mutterzelle. Unter günstigen Bedingungen können solche verzwergte Formen wieder normale Größe erlangen. Auch bei Stäbchenbakterien kommt gleiches vor: Die Bildung einer Querwand erfolgt, ehe die Teilungsgröße erreicht ist, und die Zellen werden kürzer. Auch können Querwände angelegt werden und zu ringförmigen Leisten heranwachsen, ehe die älteren Querwände sich ganz geschlossen haben. Die Zellen werden dann „gekammert". In den Fällen, in welchen das Weiterwachsen, die Längsstreckung der Zellen durch ungünstige Bedingungen vereitelt wird, die Querwände aber, soweit angelegt, sich noch fertig ausbilden, können aus Lang- stäbchen ganz kurze, fast kugelige Stäbchen werden, und diese unter- scheiden sich unter Umständen auch durch größere Widerstandskraft von den langgestreckten. Das findet sich angegeben für Bad. Zopfü. Die nachgewiesene größere Widerstandskraft ist hier allerdings viel- leicht nur ein Sonderfall des allgemeinen Gesetzes, daß fertig aus- gebildete Zellen widerstandsfähiger sind als solche, die noch nicht voll- kommen ausgewachsen sind. Auch bei Spirillen hat man ein ähnliches Schwanken der Teilungs- größe in Abhängigkeit von den Ernährungsbedingungen feststellen können. SpirilJuin volutans'^) zeigt in sehr verdünnten Nährlösungen rasches Wachstum der Zelle, aber nur geringe Zellvermehrung: die einzelnen Zellen werden lang:, können aus mehreren Schraubenumläufen bestehen. Unter anderen Bedingungen sind die Zellen infolge häufig erfolgender Zellteilung kürzer. Wir wollen nun noch eine ganz allgemeine Erörterung über den Bau der BakterienzeUe hier anschließen. 1) Fuhrmann, F., B.C. II, 1909, Bd. 25, S. 129. 11* 164 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. Die Zweige höherer Gewächse sind polar gebaut, sie lassen einen Wurzel- und einen Sproßpol unterscheiden, und es liegt nicht nur ein gestaltlicher Unterschied zwischen beiden Polen vor, sondern auch ein physiologischer (S. 21). Man kann die Polarität nicht umkehren. Denn pflanzt man einen Weidensteckling umgekehrt mit seiner Spitze in den Boden, so bildet er doch an dem nun nach oben schauenden Wurzelpol Wurzeln, an dem nach unten gerichteten Sproßpol bel)lätterte Seiten- zweige aus. Daß jede einzelne Zelle polar gebaut sein kann und auch deren Polarität dann nicht umgedreht werden kann, ist des weiteren z. B. an gewissen Algen zu zeigen, deren Fäden Spitze und Basis be- sitzen; denn Zellen, die auf die eine oder andere Weise aus dem Zell- verband isoliert sind, bilden Wurzelhärchen stets nur an dem Pol aus, der im Fadenverband nach unten orientiert war.^) Ist nun auch die Bakterienzelle polar gebaut, so lautet die Frage, die wir kurz erörtern wollen! Lassen wir die Frage nach der Umkehr- barkeit zuerst ganz außer acht und untersuchen wir, ob man zwei mor- phologisch verschiedene Pole an der Bakterienzelle unterscheiden kann. Ohne weiteres zu bejahen ist die Frage dann, wenn die Zelle einpolig begeißelt ist, dann ist die Polarität ja ohne weiteres zu sehen; also z. B. an einem Vihrio. Aber auch weim das nicht der Fall ist, z. B. bei einem lateral begeißelten oder geißellosen Stäbchen, sind oÖenbar die beiden Pole nicht gleichwertig, obwohl das dem Auge bei mikroskopischer Betrachtung nicht ohne weiteres auffällt. Denken wir uns die Nach- kommen eines Keimstäbchens in eine Reihe geordnet, und bezeichnen wir die Querwände, die am ältesten sind mit 1, die folgenden mit 2 usw., SU leuchtet alsbald ein, daß jede Zelle von ungleich alten Querwänden begrenzt ist, und ferner auch, daß der Altersunterschied zwischen den beiden Querwänden jeder Zelle nicht bei allen Zellen derselbe ist. Da wir solchen Faden eine ,,reine Linie'" (S. 52) nennen können, ergibt sich also, daß jede Bakterienzelle innerhalb einer reinen Linie polar gebaut ist, und zwar sind die Zellen zum Teil von verschieden stark ausge- prägter Polarität. 1 5.5.4.45.5.3 3 5.5 44 5.5.2.2.5.5.44 5.5.3.3.5.5.44 5.5 1 □ □□□□□□ im □□im □□□Ell IUI a d d c c d d b b d d c c d d a In obigem Schema sind Zellen, bei denen der Altersunterschied der Querwände gleich groß ist, mit demselben Buchstaben bezeichnet, zwei mit a, zwei mit b, vier mit c, acht mit d. Es ist wohl denkbar, daß es bei genauer Betrachtuutr auch möglich sein würde, diesen Altersunter- 1) Miebe, H., Ber. d. bot. Ges. 1905, Bd. 23, S. 257. Polarität der Bakterien.. 165 schied zwischen den Querwänden der Zellen, z. B. nach geeigneter Fär- bunsf, unter dem Mikroskop deutlich hervortreten zu lassen. Daß auch auf andere Weise eine Polarität der Bakterienzelle zu- stande kommen könnte, etwa so, wie beim Bac. maximus buccalis, sei hier nur nochmals kurz augedeutet (S. 157). Wozu nun diese Betrachtungen, die manchem müßig erscheinen dürften? Uns scheint es von Wert zu sein, sich auf solche Weise vor Augen zu halten, daß die Nachkommen einer einzigen Zelle, auch wenn sie unter ganz gleichen Bedingungen erwachsen sind, sich doch rück- sichtlich ihrer Organisation unterscheiden. Daß also beim Übertragen von Zellen einer Einzellkultur in neue Verhältnisse doch nicht alle Zellen in identischer Weise auf die Veränderung zu reagieren brauchen, weil sie eben selbst nicht gleich untereinander sind. Und wir werden hören, daß die Erfahrung diesen theoretischen Erwägungen recht gibt, wenn wir später die Variabilität (Kap. VIII) der Bakterien ins Auge fassen. Die Fräse nach der Polarität an festgewachsenen Bakterienfäden genauer zu studieren, liegt nahe. Bei Cladothrix, die, wie später noch gezeigt werden soll, einzelne Zellen als Schwärmer aus dem Faden- verband austreten läßt, sind diese insofern schon für das Auge polar gebaut, als sie ein dem einen Pol genähertes Geißelbüschel besitzen. Ist es nun der ältere oder jüngere Pol, der dies Büschel ausbildet, setzt sich die Zelle, nachdem sie geschwärmt hat, mit dem älteren oder jüngeren Pol fest oder ist das ganz vom Zufalle abhängig; kann man eine ein- mal befestigte Zelle lostrennen und mit dem anderen Pol zur Anheftung bringen? Das sind Fragen, die zunächst vielleicht recht kleinlich aus- sehen mögen, deren konsequente Verfolgung aber doch zu tieferem Ein- blick in die Organisation der SpaltpilzzeUe verhelfen dürfte. Über die Abhängigkeit der Zellteilung, des Wachstums und der Gestaltung von äußeren Bedingungen soll später noch an geeigneten Stellen das Wichtigste berichtet werden. Daß zumal die Schnelligkeit der Zellteilung von äußeren Bedingungen ganz und gar abhängig ist, braucht nicht erst gesagt zu werden, doch sei hier betont, daß dieselbe auch von „inneren" Ursachen abhängig sein kann, insofern als manche Arten bei den günstigsten Wachstumsbedingungen, die man ihnen verschaffen kann, doch nicht so lebhaft wachsen wie andere. Zu den schnell wachsenden Arten gehört z. B. der Darmbazillus, Bad. coli, der alle 20 Minuten eine neue „Generation" bildet. (Näheres S. 248.) Bac. carotarum verdoppelt seine Länge bei 30" in 45, bei 40» in 18 und bei 45*' in 22 Minuten.^) Beggiatoa^) 1) Koch, A., Bot. Ztg. 1888, Bd. 46, S. 316. 2) Winogradsky, S., Bot. Ztg. 1887, Bd. 45, S. 489. Miehe, H., Zeitschr. f. Hyg. 1908, Bd. 62, S. 131. 166 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. andererseits, ferner die säurefesten Bakterien, wie der Tuberkulose- erreger ^), gehören zu den langsam wachsenden Arten. Als letztes, aber nicht etwa unwichtigstes Glied der Bakterien- morphologie wären nun noch die Verbreitungs- und Erhaltungsorgane, die Sporen im weitesten Sinne, zu behandeln, und wir wissen schon, daß von diesen die wichtigsten die der Erhaltung dienenden Sporen sind, die wir genauer als Endosporen bezeichnen, da sie im Inneren der Mut- terzelle entstehen. Solche Endosporen kommen hauptsächUch bei einer Gattung stäb- chenförmiger Bakterien vor, in zweiter Linie auch bei einigen Kugel- bakterien. Eine genaue Betrachtung des Vorganges der Sporenbildung wird nur dann möglich sein, wenn wir dem S|)altj)ilze, den wir unter- suchen, die für diesen Vorgang günstigen Bedingungen schaffen, und das sind im allgemeinen solche, die für die Zellteilung ungünstig sind: Beide Vorgänge schließen einander aus. Werden die Bakterien gut ge- nährt und sonst unter günstigen Lebensbedingungen gehalten, so ver- mehren sie sich durch Teilung. Versagt aber die Ernährung, sei es daß Nährstoffe mangeln, sei es daß sich schädliche Stoffwechselprodukte in der Nährlösung ansammeln, so kann man vielfach beobachten, wie die Bakterien zur Sporenbildung übergehen, für den Fall, daß sie über- haupt dazu befähigt sind. Hierüber liegt eine ganz gewaltige Literatur vor, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Statt dessen erwähnen wir nur einige Beispiele aus der neuen bakteriologischen Literatur da- für, die sich auf solche Arten beziehen, denen wir sonst schon in un- serer Darstellung begegnet sind oder noch begegnen werden. Da ist zunächst für den Bacillus BiitscJtUi') gefunden worden, daß er bei „Verschlechterung der Lebensbedingungen'' Sporen ausbildet, dasselbe gilt nicht minder für einen anderen alten Bekannten, den Bac. mycoides.^) Wird dieser vonNähragar in destilliertes Wasser übertragen, so produziert er Sporen: diese Sporenbildung schreitet auch nach Ivück- übertragung in gute Nährlösungen fort, wenn sie durch längeren Auf- enthalt in Wasser, d. h. Nahrungsentzug, einmal eingeleitet ist. Derar- tige Nachwirkungen machen sich ja auch sonst vielfach geltend. Näherer Untersuchung wert ist ein als „Verjüngung" bezeichneter, der Sporen- bildung vorausgehender und am Bac. Intens beobachteter Vorgang.^) 1) Miehe, H., Zeitschr. f. Hyg. 1908, Bd. 62, §. 131. 2) Schaudinn, F., Arch. f. Prot.kunde 1902, Bd. 1, S 306. 3) Holzmüller, K., B.C. II, 1909, Bd. 23, S. 304. 4) Garbowski, C, B.C. II, 1907, Bd. 19, S. 641. Bedingungen der Sporenbildung. 167 Dieser Spaltpilz bildet auf saner o-ewordenen Nährböden, auch wenn sie erschöpft sind, keine Sporen; überträgt man ihn nun in Wasser, so stirbt ein Teil der durch die Säure des Nährbodens geschädigten Zellen ab, ein anderer aber „verjüngt"' sich, d. h. die Vakuolen im Zellinnern schwinden, der Inhalt wird gleichmäßiger, es findet Streckung und Tei- lung der Zellen statt, und erst nach diesem Verjüngungsvorgang setzt die Sporenbildung ein. Besonders wichtig, damit Sporenbildung eintrete, ist die richtige Regulierung der Luftzufuhr. Formen, die überhaupt nur bei Luftzutritt leben, bedürfen zur Sporenbildung begreiflicherweise auch des Sauer- stoffs, und zwar in manchen Fällen in höherem Maße als zur vegetativen Zellteilung. Auch für solche Spaltpilze, die mit wie ohne Sauerstoff leben können, gilt, daß die Sporenbildung an f\ Ä ^ Abb. 4G. lu Sporenbildung begriffene Zelle des Bac. amylohacter, Kernfärbung. Lebenfärbung mit Methylenblau. Die Bilder zeigen das allmähliche Fortschreiten der Färbung. (Vergr. 2450.) Nach B redemann. Abb. 47. Bac. alvei mit Sporen, fix. u. mit Methylenblau gefärbt. Außerhalb der Sporen einige Vo- lutinkörnchen, die endlich ver- schwinden. Vergr. ca. 2000. Nach Guiliiermond. Luftzutritt geknüpft ist. Das ist z. B. schon lange bekannt für den Bac. anthracis, den Milzbranderreger. Nicht minder interessant ist in dieser Hinsicht das Verhalten der luftscheuen Spaltpilze. Sie bilden bei reich- lichem Zutritt von Sauerstoff, der ihnen das Wachstum durch Zell- teilung unmöglich macht, Sporen aus; übrigens werden diese luftscheuen Arten auch im sauerstoffreien Raum durch Nahrungsentzug zur Sporen- bildung angeregt.^) Wenn sich nun die Zellen einer Kultur zur Sporenbildung an- schicken, so kann man nicht selten auch schon äußerlich verschiedene Veränderungen ihrer Gestalt oder Lebensweise beobachten. Häutig, aber keineswegs immer, stellen bewegliche Arten vor dem Beginn der Sporen- bildung ihre Bewegung ein, reihen sich zu losen Fäden aneinander, bilden Häute. Manchmal zerbrechen umgekehrt auch Fäden in ihre ein- 1) Vgl. z. B. Pringsheim, H., B.C. II, 1906, Bd. 15, S. 316. 168 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. zelnen Zellen. Nicht selten sieht man, daß die Mutterzelle vor der Sporenbildung ihre Form erheblich verändert. Stäbchen können sich spindelförmig aufblähen (Abi). 4G); man nennt solche Formen Klostri- dien. Oder aber die Mutterzelle bildet an einem Pol eine längliche oder kugelrunde Anschwellung, in der die Spore dann liegt (Abi). 47 ) ; man redet hier sehr anschaulich von Trommelschlegelform, nennt dement- sprechend solche Formen Plektridien; Klostridien und Plektridien sind beweglich; handelt es sich um unbewegliche Formen, so wendet man entsprechend die Ausdrücke Faraclostcr und Farnplcctrum an.^) Nimmt die stäbchenförmige Zelle die Form einer Halbspindel an, so hat man sie als Scmklosiridium bezeichnet.-) Es ist häufig von den jeweiligen Bedingungen abhängig, ob eine Sporenmutterzelle ihre Gestalt verändert oder nicht, und welche Form sie annimmt. Bei Seniiklostridien soll z. B., wenn sehr reichlicher Luft- zutritt während der Sporenbildung stattfindet, die Anschwellung unter- bleiben. Sind diese Formänderungen somit offenbar nicht so konstant, daß man sie, wie man das früher hoffte, zur sicheren Unterscheidung von Arten verwenden kann, so sind sie doch recht brauchbare Habitus- bezeichnungen, die man häufig auch in wichtigen Fällen als Artbezeich- nungen gewählt hat; eine sehr interessante, den freien Stickstoff bin- dende Art bezeichnete ihr Entdecker beispielsweise als Clostridium Fasteu- rianum\ wir wollen später die Frage diskutieren, ob es sich dabei nur um eine besondere Form des uns schon bekannten Bac. amylohacter handelt. Sehen wir uns nun die Vorgänge und Veränderungen im Inneren der Sporenmutterzelle bei einem Stäbchenbakterium an. Vorerst er- innern wir daran, daß wir schon früher bei Besprechung der Zellkern- frage einiges darüber gesagt und die Anschauungen der Forscher kennen gelernt haben, die ein Chromidialsystem in der Spaltpilzzelle annehmen. Nach diesen soll das ursprünglich ziemlich homogen aussehende Pro- toplasma kurz vor der Sporenbildung Wabenstruktur annehmen und die Chromatinbrocken sich in den Ecken der Waben ansammeln {Bac. mijcoides u. v. a.), im übrigen verweisen wir auf die obigen Ausführungen zurück. Nun kann man häufig beobachten, wie die Reservestoffe, die bis dahin einigermaßen gleichmäßig im Protoplasma verteilt lagen, sich an einem Ende der Zelle sammeln. Sehr deutlich tritt das beim eben ge- nannten Bac. amylohacter nach Behandlung mit Jodlösung hervor. Das logen nimmt die eine Hälfte der Zelle ein, diese bläut sich; das andere 1) Alfr. Fischer. 2) Alb. Maaßen. Vorgänge in der Zelle vor der Sporenbildung. 169 Ende bleibt frei davon. So kann man nun zwei Pole unterscheiden, einen vegetativen, der Ernährung dienenden und einen fruktifikativen, von ReservestofFen entblößten; der letztere ist derjenige, in welchem die Spore sich bilden wird. In den meisten Fällen bildet sich nämlich die Spore nicht in der Mitte der Zelle, sondern dem einen Ende genähert. Ob der ältere oder der jüngere Pol der Zelle es ist, der die Spore beherbergt, oder ob keine Gesetzmäßigkeiten in die- ser Beziehung obwalten, dürfte noch unbekannt sein. Jedenfalls bilden Bakterien in der großen Mehrzahl der Abb. 48. Bac. in flatus. Zellen von Clostridiumform mit 1—2 ungleich großen, lang zylin- drischen Endosporen. (Vergr. 2100.) Nach A. Koch aus Lafars Hdb. I. Abb. 49. Sporenentwicklung bei Bac asterosporns. Unten freie Spore in Längsansicht und optischem Querschnitt der Spore. Bei letzterer Exine dunkel, Intine hell, die Kreis- fläche innerhalb der Intine ist das Stäbchen. (Stark vergrößert ) Nach Arthur Meyer, Prakt. d. bot. Bakterienkunde. Fälle nur eine Spore in der Zelle aus. Bei Bac. mfJatus (Abb. 48) und ventriculus'^) kommen häufig, bei Bac. amylohacter in seltenen Fällen zweisporige Zellen vor; Angaben, die das bezweifeln, sind unzutreffend. Über Bac. Bütschlii, spirogyra und lunula vgl. später. Als allgemeine Regel kann gelten, daß ZeUen, die, wie das die Norm ist, eine Spore bilden, halbe Teilnngsgröße (S. 162) besitzen („einlang" sind), daß die Zellen, wenn sie zwei Sporen ausbilden, Teilungsgröße haben („zweilang" sind), so z. B. Bac. B'dtscMü] seltener kommt es vor^. daß in zweilangen Stäbchen sich eine Spore ausbildet; dann ist die andere Spore verkümmert.^) Endlich ist auch der Fall beobachtet, daß 1) Koch, A., Bot. Ztg. 1888, Bd. 46, S. 277. 2) Meyer, A., Bot. Ztg. 1903, 2. Abt., Bd. 61, S. 1. 170 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. Zellen, die eine Spore bilden, weniger als halbe Teilungsgröße des vege- tativen Zustands haben. ^) Es wird nun (Abb. 49) zuerst sichtbar die „Sporenanlage": Man sieht nämlich, wie sich am fruktitikativen Fol der Zelle mehr oder minder deutlich eine Portion Cytoplasma absondert, die im Inneren eine oder mehrere Vakuolen beherbergt. Diese Vakuolen dürften reichlich Stoffe gespeichert enthalten, die, aus den Reservestoffen hervorgegangen, später für den Aufbau der Spore Verwendung finden, dedenfalls zeigen diese Vakuolen das Vermögen, Farbstoffe gierig zu speichern. Auch hat man in gewissen Fällen gefunden, daß Fettröpfchen aus dem Cytoplasma in die Sporenanlage hinein- trausportiert werden. In der Mitte dieser Anlage kann man nun vielfach ein Körnchen beobachten, das an Cyto- plasmasträngen aufgehängt ist. Es wird sowohl nach Lebendfärbung mit Methylenblau (Abb. 46), wie auch an der fixierten und mit Eisenhäma- toxylin gefärbten Zelle sichtbar, z. B. beim Bar. amylohader (Abb. 50), und wird von den Bak- teriologen, die für die Existenz eines oder meh- rerer Kerne eintreten, für einen solchen gehalten. Die anderen Forscher, welche ein Chromidial- system annehmen, geben an, daß das Chromatin, mindestens zum Teil, in die Sporenanlage aufge- nommen werde. Die Sporenaiilage wird nun zur sog. „Vorspore"; sie gi-enzt sich schärfer gegen ihre Umgebung ab, indem ein schmaler, heller Hof um sie sichtbar wird. Dieser schmale Saum bietet dem Stoffdurchtritt ein gewisses Hindernis, was daraus ersichtlich wird, daß Farbstoffe nun nicht mehr ins Innere der Anlage eindringen, somit auch der Kern in der Vorspore nicht mehr färberisch darstellbar ist. Genannter Saum stellt die Anlage der Sporenhaut vor. Diese Haut wird nunmehr fertig gebildet, und endlich liegt die Spore als rundliches oder längliches, stark lichtbrechendes Gebilde im Inneren der Mutterzelle, entweder nach wie vor dem einen Ende genähert oder auch in der Mitte, falls die Spore während ihrer Ausbildung dahin befördert wurde. Die Reservestoffe, die man vorher im Cytoplasma sah, sind ganz oder doch zum großen Teil verschwunden und für die Spore verbraucht Abb. 50. Bac. amißobacter. Kerufärbung. a Mit Wasser abgekocht, mit Hämatoxyli7i «efärbt. (Vergr. 2ö00.) 6 Mit Flommings Lösung fixiert, mit Iliimatnxylin ge- färbt. Größe des Zellkerns (d. h. des kleinen schwarzen Punktes) sehr genau ge- zeichnet. (Vergr. 2500.) Nach Arthur Meyer. \\ Z. B. Dobell, C, Ref. in B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 278. Sporenanlage. Vorspore. Sporenreife. 171 worden, bei Bac. ami/lohacter kann man das von dem Togen, beim Bac. ahei (Ahh. 47) für das Volutin sehr deutlich feststellen.^) Ganz l)esonders beachtenswert ist es, daß niemals alles Cytoplasma der Mutterzelle für die Spore verbraucht wird und in diese eingeht; ein Teil bleibt viel- mehr stets in der Mutterzelle erhalten, um mit ilir zugrunde zu gehn. Ist nun die Spore reif, so stirbt die Mutterzelle bei vielen Arten bald ab. Entweder versehwindet ihre Haut und ihr Inhalt bald voll- ständig, und die Spore wird „frei", oder aber die Haut bleibt noch längere Zeit als Außenhülle um die Spore erhalten, so z. B. bei Sarcina ureae. Diese Haut kann auch einseitig aufklaffen, so eine Art von Kapuze bildend, Bac. ami/lohactcr. Wir werden auf die Bildung solcher Sporen- hüllen noch vielfach zurückkommen. Den eigenartigsten Fall bildet Bac. sporoncma, in dem hier die um die Spore erhalten bleibende Mutter- zellhaut beiderseits zu zwei langen Stacheln auswächst, vermittels welcher die Sporen dieses in der Brandungszone des Adriatischen Meeres lebenden Spaltpilzes sich miteinander verfilzen und leichter an den Tangen haften bleiben (Abb. 52, S. 175). In anderen Fällen bleibt die Mutterzelle nach Ausreifung der Sporen noch eine Zeitlang lebendig, und bei beweglichen Formen wird die Spore von jener mit herumgeschleppt. Vielleicht ist das eine ganz nützliche Einrichtung; man beobachtet sie bei luftscheuen Bakterien und hat daran gedacht^ daß die Spore auf diese Weise, wenn sie infolge ungünstiger Lebensbedingungen, bei zu reichlichem Luftzutritt, gebildet worden ist, sofort an solche Stellen der Sümpfe usw. transportiert werden kann, wo sie günstige Keimungs- und Wachstumsbedingungen findet. Wer solchen biologischen Deu- tungen skeptisch gegenübersteht, wird allerdings sagen, daß dann eigent- lich die ganze Sporenbildung überflüssig gewesen sei. Denn die, jeden- falls diskutable Anschauung, daß zur Sporenbildung befähigte Bakterien, um sich dauernd weiter entwickeln zu können, von Zeit zu Zeit den Prozeß der Sporenbildung durchlaufen müssen, ist nicht bewiesen. — Jedenfalls bietet aber die Tatsache der Beweglichkeit sporentragender Bakterienzellen interessante, die Zellkernfrage betreffende Probleme: FaUs den Bakterienzellen überhaupt Zellkerne eigen sind, muß in diesem Fall neben dem in die Spore aufgenommenen noch mindestens einer in der Mutterzelle vorhanden sein, sonst könnte sie ihren Lebensfunktionen nicht mehr für längere Zeit gerecht werden, wenn man von anderen Wesen auf Bakterien schließen darf. Also muß entAveder von vornhei-ein die Zelle solcher Formen, bei denen die Mutterzelle die reife Spore noch 1) Grimme, B.C. I, Or., 1902, Bd. 22, S. 171. 2) Guiliiermond, A., Arch. f. Prot.kunde, 1908, Bd. 12, S. 9. 172 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. umlierschleppt, mehrkernig sein, oder aber es muß kurz vor der Sporen- bildung noch eine Kernteilung stattfinden. Was die Größe der ausgereiften Sporen angeht, so ist sie natürlich von der Größe der Mutterzelle abhängig und im Maximum höchstens etwa halb so lang als diese. Oft ist an ihnen, abgesehen von der äußeren Gestalt, kaum etwas wahrzunehmen, meistens sehen sie etwa aus wie stark lichtbrechende Tropfen, Oltropfen, und solche sind tatsächlich auch von kritiklosen Forschern gelegentlich für Sporen gehalten werden. Ein Unterschied liegt darin, daß Oltropfen gegen Eau de Javelle wider- standsfähiger sind als die Sporen.^) Von ihrem Inhalte ist überhaupt nie etwas zu sehen, wohl aber kann man in günstigen Fällen beobachten, daß die Sporenhaut, ebenso wie bei den Sporen höherer Pflanzen, aus zwei Häuten besteht: der äußeren Sporeuhaut oderExine und der inneren oder Intine. Durch starkes Erhitzen der Spore in Kalilauge ist das manch- mal deutlich zu machen. In wieder anderen Fällen hat man den Eindruck, als ob eine schmale Gallerthülle der Sporenhaut aufgelagert sei. Innerhalb der Exine und Intine muß man dann noch die Existenz einer dritten Haut annehmen, innerhalb deren erst das zwar ruhende aber lebende Protoplasma liegt und welche beim späteren Auskeimen der Spore die Zellhaut des Keimstäbchens abgibt, während Exine und Intine abge- worfen werden. Während in den meisten Fällen die äußere Abgrenzung der Sporen vollkommen glatt ist, macht die Sporenhaut des Bac. asiero- sporiis^) eine eigenartige Ausnahme: Die Exine ist hier mit sechs her- vortretenden Längsleisten versehen, so daß die längliche Spore, von einem Pol aus betrachtet, sternförmigen Querschnitt darbietet. Daher der Name (vgl. Abb. 49, S. 169). Auch die Haut der Spore von Sarcina ureae'^) besitzt eine, wie es scheint, ähnlich gebaute Exine. Über die Chemie der Sporenhäute ist eigentlich gar nichts bekannt. Gegen Eau de Javelle sind sie bei Bac. tumescens, Sarc. ureae und andern Formen widerstandsfähiger als die Haut der Mutterzelle (vgl. oben S. 100). Daß die Sporenhäute für gelöste Stofl^e sehr schwer durchgängig sind, kann man sich auch dadurch vor Augen führen, daß man ver- sucht, die Sporen nach derselben Methode, wie das oben für die Bak- terienzelle geschildert wurde, „durchzufärben" (vgl. S. 111). Sie werden dabei im allgemeinen farblos bleiben; gefärbte, sporenführende Zellen zeigen die Sporen als hellen Fleck. Nur wenn man sehr intensiv mit heißen Farbstoffen färbt, nimmt die Spore den Farbstoff auf und gibt 1) Meyer, A., B. C. I, Bd. 29, S. 809, 1901. 2) Meyer, A., Flora, 1897, Bd. 84, S. 18.ö. 3) Elfis, C, B. C. I, Or., 1903, Bd. 33, S. 1. Bau d. Spore. Sporeubildung bei B. Bütsclilii. 173 ihn dann nur schwer wieder ab, bleibt z. B. bei Behandlung mit schwachen Säuren gefärbt, ist also säurefest. Mau kann infolgedessen, wenn man die Zellen mit den Sporen durchgefärbt hat, z. B. mit Kar- bolfuchsiu, und danu die Zelle selbst durch Säuren entfärbt hat, diese mit einem anderen Farbstoff, etwa Methylenblau, nachfärben. So erhält man ganz übersichtliche Doppelfärbungen, indem die Sporen als leuch- tend rote Kugeln in den blauen Stäbchen liegen (vgl. auch die Aus- führungen über Säurefestigkeit auf S. 112). Der Prozeß der Sporenbildung dürfte bei den allermeisten endo- sporen Bakterien ebenso oder doch ähnlich verlaufen, wie wir ihn eben geschildert haben. i j&i I Abb. 51. Zellteilung und Sporenbildung bei Bac. Bütsclilii. Fixiert und mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Erklärung im Text. (Vergr. ca. 500.) — Nach Schaudinn. Wir müssen uns jetzt aber noch der gesonderten Betrachtung der Sporenbildung bei Bac. Bütsclilii zuwenden.^) Dieser große, 4 — 6 /* dicke Spaltpilz lebt im Darm der Küchenschabe und zeigt sowohl im lebenden als auch im fixierten Zustand ein alveoläres Protoplasma mit Körnchen in den Knotenpunkten der Waben, die sich mit „Kernfarb- stoffen" stark färben, sich aber insofern etwas unterschiedlich verhalten, als sie z.T. metachromatisch (S. 130) sind. Die Zellteilung (Abb. 51, links) ist oben schon geschildert worden (S. 155), betrachten wir nun die Sporen- bildung (Abb. 51, rechts)! Auch diese wird eigenartigerweise durch ZeU- teiluno; eingeleitet, doch trennen sich die beiden Tochterzellen nicht, viel- mehr löst sich die eben entstandene Querwand wieder auf, so daß auch die Protoplasmakörper beider Tochterzellen wieder zu einem verschmelzen. Nun vermehren sich die Körnchen, wandern in der Zelle hin und her, nehmen die „Konfiguration eines geschlängelten Bandes" an, das sich von Pol zu Pol zieht, und endlich bildet ein Teil derselben zwei pol- 1) Schaudinn, F., Arch. f. Prot. Kunde 1902, Bd. 1, S. 306; dazu: Meyer, A., Bot. Ztg., 2. Abt., 1903, Bd. 61, Sp. 1. 174 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. ständige Ansammlungen, Sporenanlagen, die auf Kosten des Spiral- bandes wachsen, das bis auf eine einfache Körnerreihe aufgebraucht wird. Die Sporenanlagen kontraliieren sich, umgeben sich mit je zwei Häuten, deren äußere einen Keimporus führt, und werden so zu zwei polständigen Sporen. Schon früher war übrigens an zwei im Kaulquappendarm aufgefun- denen, sog. „grünen Bazillen'', die Sporenanlage in einer Weise beschrieben worden, die an die Vorgänge bei Bac. Bütschlii deutlich anklingt.^) Von dem Entdecker des Bac. BiUscIdii ist auch der schon mehr- fach genannte Bac. sporoncma zuerst beschrieben worden. Auch hier (Abb. 52) schreitet die Zelle vor der Sporenbildung zur Teilung, doch wird sie nicht vollzogen, vielmehr macht sich nur ein Anlauf dazu be- merklich, indem sich die Längswände in der Mitte einschnüren; diese Einschnürung verschwindet dann wieder, und es bildet sich dann hier eine Spore in der Mitte der Zelle aus, und zwar ungefähr nach dem Schema, das wir oben für andere endospore'Bakterien geschildert haben. Jene bei Bac. BütschUi sichtbare Körnchenansammlung in der Sporen- anlasje unterbleibt also hier. Die auffälliije Umgestaltung der Mutter- zellhaut in zwei Stacheln haben wir vorhin beschrieben. Es sei noch darauf hingewiesen, daß auch in den S. 122 schon genannten B. Sjnrogyra und lumda, die im Darm von Kröten und Fröschen gefunden wurden, gleichfalls vor der Sporenbildung manchmal eine Einschnürung der Längswand, die als Anlauf zur Teilung aufzufassen ist, auftritt, dies aber nur dann, wenn die Zelle zwei Sporen bildet. Normalerweise bildet sich auch bei diesen Arten nur eine Spore in jeder ZeUe.^) Auf die Deutung, welche der vor der Sporenbildung sichtbaren Teilung und Wiederverschmelzung der Zelle, bzw dem Teilungsbeginu gegeben worden ist, kommen wir nachher noch zu sprechen. Die Vor- gänge bei der Sporenbüdung selbst im Bac. BütschUi werden von dessen Entdecker folgendermaßen ausgelegt: Jene Körnchenansammlungen in den Sporen sind echte Kerne, die sich erst kurz vor der Sporenbildung herausdiiferenziereu. Der Vorgang, von dem manche Forscher (^S. 123) annehmen, daß er im Lauf der Stammesgeschichte, Phylogenie der Bakterien, vor sich gegangen sei: die Bildung eines echten Zellkerns aus einem Chromidialsystem soll also hier in der Entwicklung, Onto- genie dieses Spaltpilzes vor sich gehen, derart, daß nur in einem ganz bestimmten Entwickhmgsstadium, nämlich bei der Sporenbildung, ein typischer Zellkern sich zeigt, in allen anderen Stadien lediglich der 1) Frenzel, J., Zeitschr. f. Hjg, 1891, Bd. 11, S. 207; zit. nach Schaudinn. 2) Dobell, C. C.,Ref. B.C. II, 1909, Bd. 25, S. 278. Sporenbildung bei Bac. sporonema. Autogamie. 175 Chromidialapparat. Bac. sporonema soll einfacher organisiert sein in- sofern, als diese Entwicklung eines echten Zellkerns aus den Chro- midien hier nicht sichtbar ist. So genial diese Deutung sein mag, sie stößt doch auf ernste Bedenken. Denn es ist zu sagen, daß die Deu- tung jener Körnchen als Träger diifus verteilter Kernstoäe noch durch- aus zweifelhaft ist, um so zweifelhafter, als jener Teil des „Chromatins", der nicht als solches in die Sporen eingeht, verschwindet und zum Aufbau der Sporen dient, also sich ganz wie ein gewöhnlicher Reserve- stofF verhält. So neigen wir uns der Ansicht des Forschers^) zu, welcher es für möglich hält, daß gar keine Kernstofife, sondern mindestens zum größten Teil Volutin hier vorgelegen habe, und daß jene echten Kerne nichts weiter sind als mit Reservestotfen beladene Sporenanlagen, die mit Kernen nur eine äußerliche Ähnlichkeit haben. Ist diese Ansicht auch nicht streng beweis- bar, so muß sie doch der anderen so lange als mindestens gleich- berechtigt gegenübergestellt werden, bis neuere Untersuchungen am Bac. BütscJdii, der leider, wie es scheint, eine seltene Form ist, die Sachlage geklärt haben, und bis unsere Auf fassuncren über die Natur des Chromatins und über die Um- grenzung dieses Begriffs etwas sicherer geworden sind. Etwas eingehender müssen wir uns beschäftigen mit der Deutung, die der Entdecker des Bac.BiäscMii jeuer der Sporenbildung vorhergehenden, ganz si- cher beobachteten Wieder- verschmelzung zweier Zel- len gibt. Die letztere wird ^^^- ^^• vonihmalsemUeschiechts- ^ ., ^ . ., . / TeilungBversucn mit folgender Sporenbildung. akt angesehen, als sog. Au- ^Vergr. 2250.) - Nach Schau dinn. togamie, Selbstbefruch- tuncf, wie sie bei anderen niederen Wesen beobachtet worden ist; als Autogamie von avtos, selbst, zu bezeichnen, weil nicht zwei entfernte Zellen miteinander verschmelzen, sondern die Tochterzellen ein- und derselben Mutterzelle. Somit wird angenommen, daß die Sporenbildung hier Folge eines Geschlechtsaktes sei. Hier liegt der einzige ernst zu nehmende Fall vor, in welchem bis jetzt bei Bakterien von Geschlechtlichkeit gesprochen wird. Auch die Richtigkeit dieser Deutung ist uns übrigens sehr fraglich, und es er- 1) A. Meyer. 176 VI. Morphologie der Bakterienzelle, IV. scheint einfacher anzunehmen, daß eine gewöhnliche Zellteilung vor- liegt, die aber nicht bis zu Ende, bis zur Trennung der Tochterzellen, durchgeführt wird, vielmehr rückgängig gemacht wird, weil sich in- zwischen Bedingungen für die Sporenbildung einstellten. Dieses ist, so- viel ich aus dem Referat sehe, auch die Deutung, die der Entdecker von Bac. spirogurn und lunula (S. 122) gibt. Es soll nicht geleugnet werden, daß auch diese Deutung subjektiv und problematisch erscheint, hoftentlich > Brei Stab- -r-i- • i i i t^-h xt i i ■ chen mit Geißeln, die fast zur Fimige schr Sonderbare l^alle von „Nachkei- endgüitigen Länge heran- munoren" siud beschrieben worden bei (vgl. gewachsen sind. o "-\ t> i (Verer. ca. 1500) ^- *^0> hac. tumesccns und asterosporus, in Nach Alfr. Fischer. denen das Keimstäbchen, statt sich zunächst eine Zeitlang durch vegetative Zellteilung zu Do O vermehren, sofort wieder eine Spore bildete, die ihre Mutterzelle prall ausfüllte, so daß es den Anschein hatte, als trete aus einer Spore so- fort wieder eine Spore aus. Es handelt sich hier um eine anomale, wie 1) Schaudinn, F., vgl. auch Meyer, A., Bot. Ztg. 1903, Bd. 61, 2. Abt., S. 1. 2) Fischer, A., Jahrb. f. wiss. Bot., 1894, Bd. 27, S. 1. 3) Meyer, A., Flora 1897, Bd. 84, S. 185. Keimung der Endosporen. Arthrosporen. 179 h es scheint, durch Überi'ütteruuo-^ die auf unseren künstlichen Nähr- böden nur zu leicht eintreten kann, bedingte Erscheinung.^) Immerhin hat sie theoretisches Interesse, da sie zeigt, daß die Bakterienzelle in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen stets befähigt ist, Sporen zu bilden, und daß nicht etwa aus unbekannten, in der Organisation liegen- den Gründen immer erst eine bestimmte Zahl von vegetativen Zell- teilungen stattgefunden haben muß, ehe die Zelle wieder die Befähigung zur Sporenbildung erlangt. Redet man ohne weitere Zusätze von Bakteriensporen, so versteht man darunter fast immer die eben behandelten Endosporen. Neben diesen aber gibt es bei an- deren Arten, denen die En- dosporen abgehen , noch andere Sporen , die man wohl auch heute noch mit dem Namen „Arthrospo- ren" bezeichnen kann, ob- wohl sie nicht ganz leicht umgrenzt und definiert wer- den können. Man kann fol- gendes sagen: In physiolo- gischer Hinsicht dienen sie teilweise der Erhaltung der Art unter ungünstigen Be- dingungen, hauptsächlich aber der Vermehrung und Verbreitung, während die Endosporen natürlich auch derVerbreitungdieneu,aber doch in erster Linie dazu berufen sind, der Art an Ort und Stelle über schlimme Zeiten hinwegzuhelfen. So sind denn auch die Arthrosporen widerstands- fähiger gegen Trockenheit, Hitze, als die vegetativen Zellen, aber die Resistenz ist im allgemeinen doch weniger stark ausgeprägt. Immer- hin können z. B. die Arthrosporen der Schleimbakterien im trockenen Zu- stand die Temperatur von 100 Grad während einiger Minuten aushalten, während die vegetativen Zellen nur kurze Zeit 50 Grad ertragen.^) H fÄ ^ k u Abb. 55. a — /( : Sporenkeimung von Myxococcus ruher. (( Ruhende Spore (9''^ Uhr). A Spore mit dem ersten Zei- chen der Keimung (12 Uhr), c. d. c, f Dieselbe Spore, gezeichnet um 2, ;!, 4^", 5 Uhr. ;/ Anderes Stäbchen der- selben Aussaat um 6 Uhr. >i 20 Stunden weiter, kurz vor der Teilung. (Vergr. 3000.) ■i — m: Aufeinanderfolgende Stadien der Sporen- bildung von Myxococcus ruber. (Vergr. 5000.) — Nach Baur. 1) Garbovs^ski, L., Biol. Zentralbl. 1907, Bd. 27, S. 717. 2) Baur, E., Arch. f. Prot.kde. 17'u;» benennen, morgen zw Bacillus stellen, falls andere oder wir „über Nacht" bei ihr Sporen auffinden, die man vorher, infolge ungeeigneter Zuchtbedingungen, noch nicht kannte. Wir nehmen diesen Nachteil in Kauf, da solche Verschiebungen auf Grund zunehmender Kennt- nis sich überhaupt nicht vermeiden lassen, auch dann nicht, wenn man der anderen Fassung folgt, und dann an einem bis dahin für unbeweglich ge- haltenen Spaltpilz durch geeignete Zuchtmethodeu Bewegungsvermögen entdeckt.^) Jedenfalls stellt dann in unserer Fassung die Gattung Ba- cillus (in beschränkterem Maße allerdings die Gattung Bacterium), eine 1) So auch Lehmann, Neumann, R. Kolkwitz u. a. 2) Z. B. W. Migula; A. Fischer; H. Molisch. 3) Vgl. Ellis, D., B. C. U, 1904, Bd. 11, S. 241. Bacillaceae. 1 93 recht natürliche Gruppe vor/) Einzelbeispiele, durch welche die von iius gewählte Bezeichnung begründet werden soll, folgen weiter unten. Die meisten Vertreter der Gattung Bacillus sind beweglich und zwar lateral begeißelt. Als polar begeißelter Sporenbildner ist mir nur B. thermophilux l'rdnjcnsis bekannt (Kap. IX), unbeweglich ist Bac. atifJuacis, carotariou u. a. Auch Bacferiuui umfaßt sowohl bewegliche wie unbewegliche For- men. Die ersteren sind in der überwiegenden Zahl der Fälle gleichfalls lateral begeißelt; einige auch polar, und zwar entweder durch eine Geißel oder durch ein Geißelbüschel. Die polar begeißelten Formen trennt man w^ohl auch als Bseudomonas von Bakterium ab. So kommen wir denn zu folgender Übersicht: Bacillaceae. 1. Sporen vorhanden, Zellen beweglich oder unbeweglich: Bacillus. 2. Sporen fehlen. a) Zellen unbeweglich oder lateral begeißelt: Bacteriiim. b) Zellen polar begeißelt: Bseudomonas. Dazu ist noch zu bemerken, daß man, falls man will, die begeißelten Bacilli in die Gattung Planobacillus stellen, die lateral begeißelten Bac- teria als Planobacterium zusammeufassen könnte. Einige Beispiele: Viele Vertreter der Gattung Bacillus sind im Boden gefunden wor- den, wegen der Resistenz ihrer Sporen sind sie begreiflicherweise viel- fach auch ungebetene Gäste in Kulturen, neuerdings sind sie in morpho- logischer und physiologischer Beziehung außerordentlich genau durch- gearbeitet worden. Bacillus suhtilis, carotarwn, coliaerens, tumescens, asterosporus, Ellenhachensis, amylohacter, u. v. a. m. Als Krankheitserreger der Bac. alvei, ein Erreger der Bienenfaulbrut, der Bac. anthracis, der Milzbranderreger, letzterer von den meisten obigen durch Mangel an Beweglichkeit unterschieden und dadurch mit Recht berühmt, daß an ihm zum erstenmal in mustei-giltiger Weise der ganze Entwicklungsgang eines Spaltpilzes untersucht und der Nachweis geführt wurde, daß durch Einimpfen von Reinkulturen die Krankheit erzeugt werden kann. Baderium umfaßt ebenfalls sehr viele und wichtige Arten, Bact. fuhjare ist eins der häufigsten Fäulnisbakterien, Bact. coli eine überall gemeine, auch im Darm vorhandene und danach benannte Form. Diesem sehr ähnlich ist Bact. typhi. Ein bekanntes Kurzstäbchen ist Bact. pro- iliyiosum, der Erreger der „blutenden Hostie" usw. Als Vertreter der Gattung Pseudoniouas wäre zu nennen: B. pyo- 1) Vgl. auch Jensen, 0., 13. C. II, 1909, Bd. 22, S. 300. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 13 194 Vn. Systematik der Bakterien. cyanea, ein im Wasser, ferner am Körper, in Wunden vorkommender mono- tricher Spaltpilz, der durch die von ihm i^ebildeten Farbstoffe den Eiter blau färbt. Ferner P. termo. ..Bad. tcrmo" spielt besonders in der älteren Bakterienliteratur eine große Rolle; es war Versuchsobjekt bei vielen klassischen Studien, zumal solchen physiologischer Art. Es ist heutigen Tages nicht immer sicher festzustellen, welche Art man damals, als die Artumgrenzung noch weniger genau wie jetzt vorgenommen werden konnte, mit diesem Namen benannte. Vielfach ist man der Ansicht, das alte „Bad. termo'' sei das heutige Bod. vulgare, das wir soeben nannten. Das kann aber nicht allgemein zutreffen, da angegeben wird, daß das yBad. termo'' eine lophotrich begeißelte Form [Fseudomonas) sei, nicht lateral, wie Bad. vulgare. Wir haben früher schon gehört, daß die regelmäßige Stabform der hierher gehörigen Spaltpilzzellen nicht selten abgeändert wird, daß z. B. vor der Sporenbilduug Spindel- oder trommelschlegelförmige Zellen ge- bildet werden. Auch über deren Benennung als Clostridium, Paradoster usw. sind die Ausführungen auf S. IGS zu vergleichen. Außerdem kommt es nicht selten vor, daß infolge bestimmter Einwirkungen der Nährstoffe, der Stoffwechselprodukte, abnorm gebildete Zellen vorkommen; man kann hier ganz allgemein von teratologischen Wuchsformen sprechen; will man andeuten, daß mit diesen Formveränderungen auch eine Schwächung, Degeneration, verbunden ist, so redet man seit langer Zeit von Involutionsformen. Es handelt sich dabei um eigenartige Aufbläh- ungen, Verzweigungen, Aussackungen der Zellen (vgl. d. folg. Kap.). Auch sonst »ibt es Abweichungen von der reo-ulären Stabforra innerhalb der Familie der Bacillaceae. Krummstäbe und „sensenförmige" Zellen (vgl. bei Schwefelbakterien) treten auf; Bac. hinudeaius, den wir bei Besprechung der Zellkernfrage kennen lernten, ist auch ein ge- krümmter Bazillus. 3. SpirUlaceae. Die Form der Zellen ist die einer links gewundenen Schraube^) (über „links" und „rechts" vgl. Abb. 39 und Anmerkung auf S. 149). Stellen die Zellen kurz vor der Zellteilung einen vollen Schrauben- umlauf vor, so rechnet man sie zur Gattung Spirillnm, deren An- gehörige mit einem lophotrichen Geißelschopf als Bewegungsorgan versehen sind. Handelt es sich um Zellen, die nur einen halben Schraubenumlauf beschreiben, so zieht mau sie in die Gattung Vibrio, die mit einer endständigen, ziemlich derben Geißel ausgerüstet ist. Eine 1) Nach Kolkwitz ist Spir. lotdula rechts gewunden. Spirillaceae. 195 wenig bekannte unbewegliche Art wird als Spirosoma bezeicbnet. Ob Sporen bei einigen Spirillaceen vorkümmen, erscheint zum allermin- desten zweifelhaft. Wir haben eben, wie es auch sonst meistens geschieht, die Gattung SjiiriUma und Vibrio auf Grund der Länge ihrer schraubigen Zellen unterschieden. Nach dem, was wir schon früher gehört haben (S. 163), ist diese Scheidung keine ganz scharfe, weil z. B. Spirillimi auch in Form sehr kurzer Zellen auftreten kann. Darum wird von anderer Seite, wohl mit Recht, der Unterschied nur auf die Begeißelung gegründet, die wir soeben gleichfalls erwähnt haben. In Praxi kommt das unge- fähr, allerdings nicht ganz und gar, auf dasselbe hinaus. Die Gattungen Vibrio und SpiriUum zu vereinigen, wie es wohl auch geschah, ist deshalb nicht gut, weil eben, soweit wir heutigen Tages wissen, die Art der Beoeißelung stets eine deutliche Unter- Scheidung erlaubt. Vibrionen werden auch als „Komma- bazillen" bezeichnet, weil sie, am Deckglas angetrocknet und untersucht, tatsächlich Abb. 60. kommaähnlich aussehen. Im lebenden Zu- Spirillen (Vergr. löOOi und stand findet aber bei Schraubenbakterien Vibrionen (Vergr. 2250) -. -j^ ... ^-|, , in natürlicher Form (oben) und am die Krümmung nie m emer Kbene statt Deckglas angetrocknet (darunter). (vgl. Abb. 60). Nach Alfr. Fischer. Als Beispiele nennen wir: SpiriUum temie, undida, volutans, im Sumpfwasser, Brackwasser usw. nicht selten. Das letztgenannte sehr große Spirillum haben wir, weil es häufig Objekt morphologischer Studien gewesen ist, schon genau kennen gelernt. Mit ihm ist wohl Sp. colossus identisch. Vibrio cholerae, der „Kommabazillus^', Erreger der asiatischen Cho- lera-, viele, diesem in morphologischer Hinsicht sehr ähnliche, aber harmlose Arten. Vibrio albensis, ein leuchtender Spaltpilz aus Fluß- wasser. Über die eigenartige schraubig gekrümmte Eisenbakterie GalUo- nella vgl. weiter unten bei Eisenbakterien (im Kap. XVI). — Daß die Gattung Spirochaete auch heute noch — fälschlich — vielfach zu den Schraubenbakterien gerechnet wird, haben wir oben bereits erwähnt. Es sei auf die dortigen Ausführungen zurückverwiesen (S. 152). Als eine Parallelgruppe zu den drei ebengenannten Familien der Haplobakterien sind nun zu betrachten die 13* 196 ^H- Systematik der Bakterien. 4. Rliodobaderiaceae. Die Purpurbakterien siud ausgezeichnet durch den Besitz zweier Farbstoffe, des Bakteriopurpurins und Bakteriochlorins, die, miteinander gemischt, dem gesamten Protoplasma eine meist purpurne Färbung ver- leihen. Da im übrigen die Zellen der Purpurbakterien teils kugelig, teils stäbchenförmig, teils schraul)ig siud, k«Jnuten wir diese Familie auch aufteilen und ihre Vertreter in den drei ebengenannten Familien unterbringen, doch empfiehlt es sich, der Übersichtlichkeit halber sie gesondert hinzustellen. Es sei hier noch erwähnt, daß man neuerdings Spirillum volutans mit einem etwa ebenso großen und gleich geformten Purpurspirilluni genau verglichen hat. Auch abgesehen von dem Farbstoffgehalt, haben sich noch Unterscheidungsmerkmale rücksichtlich der Reservestotte, der Begeißelung, des Verhaltens bei der Plasmolyse ergeben.^) Farblose, sonst den Purpurl)akterien ähnliche Arten .-^ind also nicht schlechthin als farbstofffreie Parallelforraen zu jenen zu l)etrachten. Man kann die Pur])urbakterien in zwei Unterfaniilien einteilen, die Thiorhodohartrriaceac. welche die Fähigkeit haben, Schwefel in Tröpf- chenform in ihren Zellen abzuscheiden, und die Atltiorhodöbacteriaceae, bei denen das nicht der Fall ist. Des weiteren werden sie eingeteilt, je nachdem die Zellen solitär leben oder zu Kolonien vereint sind, ferner nach ihrer Form, Beweglichkeit, Teilungsrichtung der Zellen usw. Wir kommen darauf später bei Behandlung der Biologie dieser merkwür- digen Gruppe noch zurück (Kap. XVI). Sporen vermißt man bei den Purpurbakterien. Wir kommen zur Besprechung der 5. Miicobacteriaceae') , zu deutsch: Pilzbakterien. Wie oben gesagt, kommen bei stä))chenför- migen Bakterien nicht selten Abweichungen von der gewöhnlichen Form vor, unregelmäßige Aufblähungen, Verzweigungen und ähnliche Dinge, die man zum großen Teil mit Recht als Bildungsabweichungen betrachtet. In andern Fällen aber kommt man mehr und mehr davon ab, solche eigenartige Formen lediglieh als Abweichungen von der Norm anzusehen, betrachtet sie vielmehr als typisch für die betreffende Art. Dies gilt vor allem für den „Tuberkelbazillus". Dieser tritt auf in 1) Yahle, E., B. C II, 1910, Bd. 25, S. 78. t>) Mi ehe, H., Zeitscbr. f. Hyg., 1908, Bd. 62, S. 131. Rhodo- und Mycobacteriaceae. 197 Form von Stäbchen (weshalb er früher zu den JBacillaceae gerechnet ^vurde); diese Stäbchon sind aber iinregelmäßi-J- ^ Abb. 62. Actinomyces thermophilus. a Junges Myzel aus Heudekokt. Vergr. 350. h Lufthyphen mit seitl. sitzenden Konidien. Vergr. 800. Nach Miehe. auch dadurch Interesse erwecken, daß sie an recht hohe Temperaturen angepaßt sind, auch den Bakteriologen auf ihren Platten häufig in Ko- lonieform begegnen. Diese Aktinomyzeten haben im Gegensatz zu den Mykobakterien als Körper ein richtiges, verzweigtes Fadensystem, das bei jenen erst angedeutet ist, und schnüren außerdem runde Zellen als Konidien ab, was wir gleichfalls beim Tuberkelbazillus ver- mißten. So sind sie denn, im Gegensatz zu den Bakterien, die unterge- taucht leben, echte Landpflanzen, deren Verbreitungsorgane nicht unter Wasser gebildet werden: ihre eben genannten Kolonien sehen aus wie „kreidige Auflagerungen", da die Konidien tragenden Aste aus der Gallerte heraus in die Luft ragen. Von dem Myzel höherer Pilze unter- scheidet sich das der Aktinomyzeten wesentlich nur durch seine ge- Myxobacteriaceae. 199 ringere Derbheit, ferner auch durch sein sparriges Aussehen, welches dadurch bedingt ist, daß die Seitenäste unter rechtem Winkel von den jeweiligen Hauptästen abgehen (Abb. 62). So können wir denn bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse •eine Reihe konstruieren, die von echten, höheren Myzelpilzen über die Aktinomyzeten und Mykobakterien führt zu echten Bakterien; eine Reihe, die wie alle andern derartigen Reihen nur mit allem Vorbehalt aufgestellt werden kann. Wir kommen später, wenn wir die Phylogenie der Bakterien behandeln, darauf zurück; hier nur noch die Bemerkung, daß ungewiß bleibt, ob wir uns diese Reihe als aufsteig-end oder als ab- steigend zu denken haben; mit andern Worten, ob Aktinomyzeten und Mykobakterien als reduzierte Pilze, oder umgekehrt als Ahnen der höheren Pilze anzusehen sind. Als Anhang an die Haplobakterien haben wir sodann die 6. Myxobacteriaceae, die Schleimbakterien, zu nennen (Abb. 63). Wir sind denselben im Lauf unserer bishericren Darstellung schon häufio^er begegnet, müssen aber hier zunächst ihren Entwicklungsgang im Zusammenhang schildern, da sich später dazu keine Gelegenheit mehr bieten wird. Man^) unter- scheidet zwei Perioden in ihrer Entwickluno-, eine veujetative und eine fruktifikative. In der ersten vermehren sie sich durch Teilung und stellen einen „Bakterieuschwarm" vor, d. h. die Stäbchen kriechen umher, sondern Schleim ab und bilden dergjestalt eine Zoosflöa. Beim Übergang zur Fruktilikation häufen sich die Zellen dann an bestimmten Punkten innerhalb des Schwarms an. Bei Myxococciis werden nun die Stäbchen zu runden Zellen, Arthrosporen, die als ein häufig intensiv gefärbtes Häufchen liegen bleiben, um gelegentlich vom Wind verbreitet zu wer- den. Solche Arthrosporen können zu mehreren kettenförmig aneinander gereiht sein. Bei der Gattung Chondromyces und Polyanginm sind die Sporen nicht kugelig, sondern nur etwas kürzer als die vegetativen Zustände. Eine Anzahl solcher verkürzter Stäbchen umgibt sich nun bei diesen beiden Gattungen mit einer gemeinsamen Membran, bildet eine Zyste, die kugelig, eiförmig, zugespitzt, auch gefingert sein kann. Diese Zysten sind entweder ungestielt, oder aber sie werden in Ein- 1) Thaxter, R., Bot. Gaz., 18'.»2, Bd. 17, S. 389; 1897, Bd. 23, S. 310; 1904, Bd. 37, S. 405. 2) Quehl, A., B. C. 2, 1906, Bd. IG, S. 9. 200 VII. Systematik der Bakterien. Abb. 63. Habitusbilder von Myxobakterien. I. Myxucoccu.i dujitatus (80). 2. Polyangium sorediatum (100). 3. Einzelne Cysten von P. sorediatum (400). 4. C/iondroinyces erectun (66). 5. Polvangiuiii primigeniutii (26). 6. Chondroinyces lichenicola. 7. Cli. serpens (26). 8. Polyanyium fuscuin (52). 9. Myxococcas clncatus (33). 10. C/iondromycea crocatu» (115). II. Einzelne Cysten von Chondroinyces crocatus (170). 12. t'A. gracilipes (200). 13. CA. «ptcuta/u.» (130). 11. Junge Cyste von Ch. ap. (130). 15. Anomaler Fruchtkörper von Ch. ap. (130). in. Polyangium fuscuiii auf Kaninchenmist (10). Nach A. Quehl. Myxobacteriaceae. 201 oder Mehrzahl an der Spitze eines Zystenträgers, „Zystophors", ausge- bildet. Dieser kann sich auch verzweigen und dann die Zysten in Ein- oder Mehrzahl auf den Zweigeuden tragen. Man hat sehr anschaulich von „Bakterienbiiumen*^ gesprochen. Schließlich werden die reifen Zysten, sei es, daß sie frei auf dem Substrat liegen, sei es, daß sie gestielt sind, vom Wind verweht; schließlich platzt die Zystenmeml^ran, und die Sporen werden frei, können auskeimen und wieder zur Schwarmbildung über- gehen. Bei Fohianginm wie bei CJtoitdroiuyces zeigt also die Fruktitikation eine weit höhere Entwicklung als bei Myxococcns. — Das Zystophor ist eigenartig gebaut, denn vielfach werden Fremdkörper, Strohhalme, Fäden anderer Pilze zu seinem Aufbau mit verwendet. Nach den An- gaben der einen Forscher^) besteht es aus Schleim, der außen verhärtet, sich dabei in Längsstreifen legt und so eine feste Außenwand des Zysto- phors vorstellt, die oben einfach in die Zystenmembran übergeht (so bei Choudromyces apiculatus und aurantiacus), nach einer neueren Angabe"), die sich auf CJi. crocatus bezieht, besteht das Zystophor aus sehr dicht o-elafferten Stäbchen ohne schleimige oder sonstio-e Zwischensubstanz. ^) Die systematische Stellung der Schleimbakterien ist durchaus kon- trovers. Nachdem in dieser Beziehung früher vielfach die abenteuer- lichsten Meinungen verbreitet waren, kristallisieren allmählich zwei An- sichten heraus. Die einen Forscher^) wollen sie den Bakterien mög- lichst annähern, und dieser Meinung folgend, haben auch wir sie hier etwas genauer besprochen, ohne zu verkennen, daß Unterschiede vor- handen sind, auf die wir schon aufmerksam gemacht haben, zumal der Mangel einer echten Zellhaut, die kriechende Bewegung, die Flexilität der Zellen, die Zellteilungsweise; die innere Zellenorganisation ist weder 1) Quehl, B. C. 1906, Bd. 16, S. 9. 2) Vahle, E. , B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 78. 3) Jahn, E., Kryptogamenflora der Prov. Brandenburg, 1911, Myxobacteriales, führt aus, daß auch die Zi/stophore von Ch. crocatus aus Schleim bestehen. — Jahn gibt folgende Übersicht der Gattungen: A) Stäbchen verwandeln sich durch Verkürzung in echte, kugelförmige Sporen. Aus ihrer Anhäufung bestehen die Fruchtkörper, die im allge- meinen nur in einen mehr oder weniger erhärtenden Schleim von bis- weilen charakteristischer Foi-m eingebettet sind: 1. Myxococcns. B) Stäbchen verkürzen sich, ohne sich vollständig abzurunden. Sie werden in echte Zysten von bestimmter Form und Größe eingebettet. 1. Zysten liegen frei, einzeln oder nebeneinander in Rosetten, oder sitzen zu mehreren auf einem gemeinsamen Träger: 2. Cho)idroinyces. 2. Zysten nochmals von einer gemeinschaftlichen Hülle umgeben : 3. Polyangium. 4) Thaxter, K., a. a. 0., und Baur, E., Arch. f Prot.-Kunde, 1904, Bd 5, S. 92. 202 YII. Systematik der Bakterien. bei den echten noch bei den Schleimbakterien hinreichend erforscht, um sie für systematische Zwecke durchschlagend verwerten zu können. Die andern Forscher wollen sie den Schleimpilzen, Myxomyzeten im weitesten Sinn beigesellen oder doch annähern, u. zw. den Acrasieae}) Diese Meinung hat mit der Schwierigkeif'') zu kämpfen, daß bei den Acrasieen die Zellen in amöboider Form auftreten, nicht als Stäbchen. So könnte man sie denn höchstens als besondere Reihe der Schleim- pilze an deren Anfang stellen, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auch die sonst zu diesen gestellten Reihen nicht unerheblich in ihrer Organisation differieren. Ein abschließendes Urteil ist also heutigen Tages beim besten Willen in dieser Frage nicht zu fällen.^) Myxobakterien erscheinen auf Mist, der einige Zeit im Freien ge- legen hat und den man dann am besten bei einer Temperatur von 30 — 35 ** hält. Sie sind offenbar weit verbreitet und in Europa, Amerika, Asien (z. B. Java)'), Afrika und Australien nachgewiesen worden. 7. Desniohacfrnaceae. Zellfäden, die umscheidet sind; von den Fäden können sich Einzel- zeUen oder auch Fadenstücke, die unbeweglich oder begeißelt sind, los- lösen und so der Verbreitung dienen; dauernd unterge- tauchte Wasserpflanzen. Wir haben zuerst einige unverzweigte Formen: Leptotltrix (auch ClihimifdotJirix genannt! Fadenbak- terien, die entweder keinen Gegensatz zwischen Basis und Spitze zeigen oder auch einseitig festgewachsen sein können; ZeUen stäbchenförmig, Fäden unverzweigt oder doch nur ganz ausnahmsweise „falsch" verzweigt. Fort- pflanzung durch Zellen, die sich ablösen; auch der ganze Faden kann in ein- oder mehrzellige Fragmente zerfallen. Die Zellen, die sich aus dem Fadenverband lösen, sind r . .1 ■ entweder unbeweglich oder beweglich; Anheftungsweise (Vero-r 100.) ^^^' Greißeln unbekannt; auf Geißeln als Bewegungsorgane NachMignia. kann man aber sicher schließen durch die Art und Weise •1) Vahle, C, B. C. 2, 1909, Bd. 25, S. 178. 2) Thaxter, R., a. a 0. 3) Jahn (a. a. 0.) macht gegen den Anschluß der Myxobakterien an die Acrasieen geltend, daß letztere nur während ihrer fruktifikativen Periode kolonie- bildend auftreten und nicht, wie die Myxobakterien, auch in der vegetativen. 4) Solms, H., Bot. Ztg. 1905, II. Abt. Desmobacteriaceae. 203 der Bewegung. Z. B. Leptothrix ochrncca, Scheide häufig mit Eisenoxyd- hvdrat inkrustiert. Nühere.s bei Eisenbakterien (Abb. 64). Croiotlirir (Abb. öT a. S. 180V Fäden unverzweigt, festgewachsen, d. h. Gegensatz zwischen Basis und Spitze vorhanden. Zellen stäbchen- oder flachscheibenförmig. Fortpflanzung derart, daß sich die Zellen an der Fadenspitze innerhalb der Scheide bei dünnen Fäden nur quer, bei dickeren längs und quer teilen und so zu Konidien von rundlicher Gestalt und ver- schiedener Größe werden, die ohne Eigen- bewesrung vom Wasser verbreitet werden. Crenothrix polyspora, Brunnenfaden, glei- cherweise ein Eisenbakterium. Phragmidiothrix (Ahh. 65). Von Cre- nothrix dadurch unterschie- den, daß die Längs- und Quer- teilung der Zellen, die dort zur Konidienbildung führt, hier auch stattfindet, ohne daß sich die Zellen sofort aus dem Fa- denverband trennen. PItr. mul- tiseptatn. Besonders interes- sante Gattung aus dem Meer- wasser, die aber noch genau- eren Studiums bedarf (vgl. S. 162). Verzweigt sind folgende Gattungen: Cladothrix (Abb. QQ). Festgewachsene Fäden mit Abb. (35. Phragmidio- tlirix multi- septata. Nach Migula. Abb. 66. Cladothrix dichotoma, (Ue falsche Verzweigung und die Scheiden zeigend. (Vergr. ca. 260.) Nach Molisch. gleitender Verzweigung^. Zellen stäbchenförmig. Lo- photriche Schwärmer von gleicher Gestalt wie andere Fadenzellen, vielleicht z. T. auch von Kugelgestalt, durch V^erschleimung der Scheide oder durch Auswanderung frei werdend. Daneben wird auch Vermehrung durch unbewegliche Zellen angegeben. CJ. didiotoma und natans. Letztere von ersterer u. a. durch die nachgiebigere Scheide ausgezeichnet, die aneinander vorbeigleitenden Fäden durchstoßen oft nicht die Scheide, sondern bleiben zu mehreren nebeneinander in einer Scheide liegen.^) 1) Vgl. u. a. Rullmann in Lafars Hdb. Bd. 3, S. 202. S. auch Kap. XVIII. 204 Vn. Systematik der Bakterien. Clonothrix (Abb. 67). Wie Cladothrix, aber die Fäden uach der Spitze zu dünner werdend. „Vermehrung durch kleine, unbewegliche Konidien von Kugell'orm, die durch Längsteilung aus schcibenförniigeu vegetativen Zellen hervor- gehen und einzeln aus den Spitzen hervortreten." \) Eisenbakterium, im Ge- gensatz zur vorigen Gat- tung. Als Anhang au die Des- mobakterien behandeln wir nun noch einige fä- dige Formen, die abwei- chend gel)aut sind und zu den Schwefelbakterien ge- rechnet werden. Ihre Zel- len führen also unter be- stimmten Lebensbedin- gungen SchwefHltröpf- chen (näh. i. Kap. XVI ). Zuerst die Gattung Thi- othrix (Abb. 40 a. S. 151). Unverzweigte mit zarter Scheide versehene Zell- fäden, aus stäbchenförmi- gen Zellen gebildet, die mit knieförmig gebogener Ba- sis festsitzen. Zellen oder Zellfäden, sog. „Hormo- gonien" lösen sich ab und kriechen davon. Diese Gat- tung würde man zu den Desmobakterien stellen und wohl mit Lepfothrix ( CltlamißhAhrrx) vereinen, wenn nicht das Kriech- vermögen der Zellen und Fäden auf eine ganz andere Organisation schließen ließe. Thiothrix nivea u. a. (näheres im Kap. XVI). Abb. 67. Clonothrix fusca. Im Faden links oben beginnende Konidienbüdung. (Vergr. ca. 580.) Nach Moliscli. 1) Molisch, H., Eisenbakterien. Jena 1910. Thiothrix, Beggiatoa und Verwandte. 205 Beggiatoa (Abb. 08). Fäden, deren Zellen zwar fest verbunden sind, aber nicht durch eine Scheide, sondern durch ein dünnes, gemeinsames Außenhäutchen, der Cuticubi, welche die Außenwand der Zellgewebe höherer Pflanzen überzieht, ver- gleichbar. Fäden frei beweglich, kriechend. Hierher viele dickere und dünnere Arten: B. minima von geringem, alba von mittlerem, arachnoidca von größerem , und endlich mirabiUs von auffallend großem Durchmesser der Stäb- chen- oder scheibenförmigen Zel- len. Keine Konidien ; die Fäden zerbrechen in die einzelnen Zellen oder in Fadenstücke. Nahe verwandt mit Beggiatoa und von ihr eigentlich nur durch Einzelligkeit unterschieden ist Tlii- ophysa (müßte also konsequenter- weise im Anschluß an die Haplo- bakterien abgehandelt werden). Zellen ganz denen von Beggiatoa gleichend, zeigen freie Ortsbewe- gung, indem sie sich vorwärts wälzen. Näheres über den Zellen- bau von Beggiatoa und Tliiophysa auf S. 125, über die Beweg-uns- auf S. 150, Dort finden sich auch An- gaben über die Gattung HiUliousia, die mit Thiopln/sa vielleicht ver- wandt ist. Ihre Entdecker bilden zwar geißelartige Organe ab, doch könnte es sich, nacli der Abbildung zu schließen, auch um festgeheftete Fremdkörper handeln. Nähere Un- tersuchungen sind erwünscht. ') Abb. 68. Beggiatoa mirabilis. (Vergr. 260.) Nach A. Engler. 1) West and Griffiths, Proc. royal soc. 1901, Vol. 81, S. 549. 206 VII. Systematik der Bakterien. Wir haben noch einige Worte 7a\ sagen über anderweitige Bak- tei-iensysteme und Bakterienbenennungen, welche nicht auf morpholo- gische, sondern auf physiologische Merkmale gegründet sind. Während die systematische Einteilung höherer Pflanzen das Prin- zip hat, sich auf die Körpergestalt und nicht auf die Lebensleistungen zu stützen, hat man in der Bakteriologie dies Prinzip schon vielfach durchbrochen. Das ist auch durchaus begreiflich. Schon oben haben wir gesagt, daß bei höher entwickelten Pflanzen der komplizierte Kör- perbau meistens hinreichend viele Merkmale zur Beschreibung und Klassifizierung abgibt. Bei den Bakterien wird das vielleicht in spä- teren Zeiten auch einmal der Fall sein, so lange können wir aber mit ihrer Systematisierung nicht warten, und so bleibt deun tatsächlich in vielen Fällen nichts anderes übrig, als auch physiologische Merkmale mit heranzuziehen zur Charakterisierung einer Art, z. B. Wachstums- schnelligkeit, Tem})eraturansprüche usw. Wir kommen auf alle diese Fragen in den nächsten Kapiteln noch zurück. Es gilt das heutigen Tages fast noch in gleichem Maße wie in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als ein hervorragender Botaniker^) vorschlug, die Kugel- bakterien einzuteilen in 1. chromogene, farbstoö'bildende, 2. zymogene, Gärung bewirkende und endlich 3. pathogene, krankheitserregende For- men. Die Bakterien sind eben mit Rücksicht auf ihre chemischen Lei- stungen viel weitgehender diflerenziert als höhere Pflanzen. Zwar können wir auch bei diesen Gruppen absondern, die durch besondere chemische Tätigkeit gekennzeichnet sind, z. B. insektenfressende Gewächse usw.; aber eine derartige j\lanuigfaltigkeit der chemischen Leistungen, wie wir sie im Reich der Bakterien antrefl'eu, fehlt in jeder andern Gruppe von Lebewesen. So macht sich denn das Bestreben geltend, die physiolo- gisch-chemischen Leistungen, da sie sich ganz von selbst in den Vorder- grund drängen, in der Bakteriensystematik mit zu berücksichtigen. Ist es doch in vielen Fällen bei dem heutigen Stand der Kenntnisse häufig schlechterdings unmöglich, Bakterienarten voneinander zu unterscheiden, wenn man nicht auch ihre physiologischen Leistungen studiert. Die Notwendigkeit oder doch Zweckmäßigkeit, den StoflVechsel zu systematischen Zwecken, wenn man so will, zu mißbrauchen, macht sich nun auch häufig in der Benennung von Gattungen geltend. Wir erinnern an den Namen Asotohacter, d. h. Stickstoff bakterium, welcher andeutet, daß diese Form den freien Stickstofi" bindet. Ein anderer Spaltpilz, welcher eigentlich Pseudomonas heißen sollte, wird Nitroso- monas genannt, um daran zu erinnern, daß er das Ammoniak zu 1) Cohn, Ferdinand, ßeitr. z. Biol. d. Pflanzen, 1872, Bd. 1, S. 127. Bakteriensystematik auf physiologischer Grundlage. 207 salpetriger Säure, acidum nitrosum, verbrennt. Ein Stäbehen, welches diese Säure zu Salpetersäure, acidum nitricum, weiterverbrennt, heißt Nitrohacier. Spaltpilze, welche die Fähigkeit haben, zu leuchten, wer- den vielfach als Photohaderium bezeichnet; solche, die den Harnstoff verseifen, Urobakterien. Ein vor kurzem aufgefundenes Eisenbakterium heißt Siderocapsa usw. Kein Zweifel, daß das vom Standpunkt des Systematikers, der in der Gruppierung höherer Pflanzen geschult ist, unzulässig ist, wenigstens solange es nicht gelungen ist, auch in der Organisation der genannten Formen Abweichungen von einem gewöhnlichen Micrococcus oder Bac- terium nachzuweisen. Immerhin wird man doch beim jetzigen Stand der Sache dies Vorgehen, wenn es nicht übertrieben wird, billigen dür- fen, um so mehr, als es in sehr erwünschter Weise mit dem Namen einen Begriff' zu verbinden erlaubt. Wenn man z. B. Yon Pseudomonas europaea spricht, so wird selbst ein gewiegter Bakteriologe darüber nachdenken müssen, was das für eine Art sei. Sagt man aber dafür Nitrosomonas europaea, so wird ein Biologe auch dann, wenn er bakteriologischen Fragen nicht allzu nahe steht, doch gleich an die wichtige Funktion dieser Art erinnert, er kann also mit dem Namen „etwas anfangen"; oder aber: Photohacterkmt javanense und Nitrosomonas javanensis deu- ten schon durch ihren Gattungsnamen an, was sie leisten. Nennt man sie aber nach neuerem Vorschlag Pseudomonas javanica und Pseudo- monas javanensis, so wird das eine Quelle steter Mißverständnisse. Nach dem Gesagten wird es nicht wundernehmen, zu hören, daß man^) neuerdings auch konsequenterweise versucht hat, ein Bakterien- system möglichst vollkommen auf physiologischen Merkmalen aufzu- bauen und soweit als möglich physiologische Benennungen zu schaffen. Man will die ganzen Spaltpilze zwar zunächst auf Grund ihrer Begei- ßelung, also eines morphologischen Merkmals, in Ceplialotrichinae und Peritrichinae einteilen; dann aber in die Familien der Oxydohacteriaceae, Peducihacteriaceae , Acidohacteriaceae, Alcalihacteriaceae usw. Wie der Mineraloge, so hat man gesagt, seine Gesteine nicht auf Grund ihrer Form, sondern auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung klassi- fiziert, so soll aucb der Bakteriologe versuchen, die Spaltpilze nicht mit Rücksicht auf ihre Gestalt, sondern mit Rücksicht auf ihre chemischen Leistungen zu ordnen. Bei diesem Vergleich des Mineralogen mit dem Bakteriologen ist aber offenbar ein Mißverständnis untergelaufen, denn 1) Jensen, 0., B. C. II, l'JO'J, Bd. 22, S. 305; vgl. auch ders., ebenda, 1909, Bd. 24, S. 477. (Vorschlag, durch Zahlen, die hinter die Namen gesetzt werden, die physiologischen Leistungen zu kennzeichnen.) Harding, H., B. C. II, 1911, Bd. 29, S. 519. 208 VII. Systematik der Bakterien. chemische Zusammeusetzung uud chemisch-physiologische Leistung ist offenbar etwas ganz Verschiedenes. Wollte man versuchen, die Bakterien auf Grund des chemischen Aufbaues ihrer Zellen zu klassifizieren, so würde man natürlich am mangelhaften Stand unserer Kenntnisse schei- tern. Wir können aber wohl sagen, daß, wenn es einmal gelingen sollte, ein solches System möglicherweise gar nicht so weit abweichen würde von dem auf Organisationsmerkmalen sich aufbauenden. Dürfen wir doch annehmen, daß bei den ( )rganismen Stoff und Form einander we- nigstens bis zu einem gewissen Grade entsprechen. So kcmneu wir uns denn mit jenen Bestrebungen nach physiologischer Umgruppierung und Umtaufung unter voller Anerkennung ihrer konsequenten Durchführung und ihrer Anreguugskraft nicht einverstanden erklären. Nach allen diesen Ausführungen muß es einleuchten, daß man auch dann, wenn es sich um „t'buugen im Bakterienbestimmen" handelt, fast immer biologische Merkmale heranziehen muß, um sicher zu entschei- den, ob eine jeweils vorliegende Art schon beschrieben ist oder nicht. Nur in seltenen Fällen, etwa wenn eine Scffffiatoa oder ein anderes charakteristisches Fadenbakterium, oder wenn beispielsweise Azotohacter vorliegt, kaim mau sich meistens auf die Beobachtung der Form allein beschränken; wenn aber die Zellgestalt keine sichern Anhaltspunkte gibt, muß man eine Heinkultur zu gewinnen suchen, die Leistungen des betreffenden Spaltpilzes studieren, fragen, ob er besondere charakteri- stische Funktionen auszuüben imstande ist, oder ob es sich um ein „ba- nales Fäulnisbakterium" handelt, ob er Gelatine verflüssigt usw. Nehmen wir, um einen konkreten Fall noch etwas genauer zu verfolgen, an, es liege uns ein Bacillus zur Bestimmung vor, so würden wir^), abgesehen von andern morphologischen Eigenschaften, hauptsächlich Form uud Größe der Zellen und Sporen ermitteln, auf die Qualität der Keservestoffe achten, untersuchen, ob die Zellen auf bestimmten Nährböden mehr oder weniger zur Fadenbilduno^ neigen, feststellen, wie lange unter ganz be- stimmten Bedingungen die Entwicklung von Spore zu Spore dauert, einen oder drei oder mehr Tage, prüfen, welche Veränderung der Nähr- boden erleidet, zumal ob und wie stark er angesäuert oder im Gegenteil alkalisch gemacht wird. Derartige Untersuchungen sind also, wie man sieht, nie übers Knie zu brechen. Und wenn gleichwohl manche For- scher sich darüber hinwegsetzen und auf Grund flüchtiger mikrosko- pischer Betrachtung Bakterien, die sie finden, entweder mit schon beschriebenen identifizieren oder auch für neue Arten erklären, so zeigt das entweder, daß sie eine Erfahrung auf diesem Gebiet be- 1) Neide, E., B. C. II, 1904, Bd. 1-2, S. 1. Bestimmung von Bakterien. 209 sitzen, die gewöhnliehen Sterblichen fehlt, oder aber, daß ihnen das nötige Veraiitwortlichkeitsgefühl für die Richtigkeit ihrer Bestimmun- gen abgeht. Anhangsweise wollen wir nun noch in aller Kürze auf einige Me- thoden hinweisen, die in erster Linie von Seiten der medizinischen Bak- teriologie erprobt worden sind, um, abgesehen von der bloßen mikro- skopischen Betrachtung der Gestalt, Bakterien zu diagnostizieren und die von dort aus in mehr oder minder großem Umfang Eingang in die Kreise botanischer Bakteriologen gefunden haben. Allbekannt ist zuerst das Tierexperiment, mit dessen Hilfe mau die pathogenen Eigenschaften der Bakterien ermittelt, und auf welches hier nicht einzugehen ist. Ferner spielt auch in der medizinischen Literatur die Frage eine ge- waltige Rolle, ob bestimmte Nährböden durch bestimmte Spaltpilze ge- säuert werden oder nicht, z. B. behufs Unterscheidung des Typhuser- regers, von anderen ähnlichen aber harmloseren Formen. Des weiteren kann man manchmal gefährliche Krankheitserreger von anderen, denen sie in der Gestalt gleichen, dadurch unterscheiden, daß jene im Innern von Eiterzellen vorkommen können, diese nur zwischen den Eiterzellen. Beachtenswert ist auch die sehr eigentümliche Tatsache, daß manche Arten (Pneumonie- u. a. Kokken) durch eine Lösung von Galle oder taurocholsaurem Natrium aufgelöst werden, andere nicht (S. 100). Auf anderweitige Lösungserscheinungen, z. B. die Tatsache, daß frisches Blutserum eines Organismus, der den Typhus überstanden hat, Typhus- bakterien auflöst, oder wie man sagt, „bakteriolytisch'^ wirkt, können wir nicht eingehen, verweisen vielmehr auf die medizinische Literatur. Desgleichen wegen der Erscheinung, daß manche Arten gewisse Stoff- wechselprodukte, sog. Lysine, ausscheiden, welche bestimmte Stoffe oder Zellen lösen, z. B. Hämolysine, welche die roten Blutkörperchen auflösen, manche andere nicht. Vielfach wird auch zur Charakterisierung einer Art die Frage untersucht, ob sie aus Eiweißstoffen Lidol bildet, d. i. ein aromatisches Stoffwechselprodukt, welches leicht nachweisbar ist, da es bei Zusatz von salpetriger Säure sich rosa färbt. Neuere Untersuchungen belehren darüber, daß die Methode nicht eindeutig ist; statt ihrer läßt man Dimethylaniidobenzaldehyd auf die Kulturen wirken; Bildung eines roten Farbstoffes zeigt Indol an. Vermittels dieser Reaktion zeigt sich, daß nicht jedes „Bad. coli" Indol bildet, nicht z. B. manche aus Gras iso- lierte Stämme; beachtenswert ist es, daß die Stämme, welche Indol- bildung zeigen, auch noch die Gegenwart eines weiteren Eiweißspaltpro- Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 14 210 VII. Systematik der Bakterien. duktes, das z. B. auch im Harn vorkommt, des Kreatinins, zu erkennen geben; ein anderes Spaltungsprodukt, das Tryptophan, durch violett- rote Färbung bei Chloreiuwirkuiig uucliweisbar, ein Produkt, aus dem Indol entsteht, sammelt sich begreiflicherweise in solchen Kulturen an, welche keine Indolbildung aufweisen.^) Typhusbakterien bilden kein Indol, Bacfrrium coli, aus dem Darm oder Kot isoliert, aber viel Indol. ^) Allerdings scheint es, daß die Befähigung zur Indolbildung schwankt; B.ayreste. eine Form, die uns später noch (Kap. XIX) in der Flora des Ackerbodens begegnen wird, bildet Indol erst nach längerer Kulturdauer.^) Daß ferner in manchen Fällen der makroskopische Anblick von Kolonien auf gallertigen Nähi-böden oft charakteristisch ist, für die je- weils vorliegende Art, haben wir früher schon gehört und woUen hier noch ein Beispiel dafür aus der medizinischen Literatur anführen.*) Der Mediziner kennt verschiedene Formen der Fleischveroriftuncf, welche von Paratyphusbakterien bewirkt werden; die eine verläuft akut, die andere typhusähnlich. Die Erreger dieser beiden Erkrankungen sind nun dadurch zu unterscheiden, daß nur der Erreger der typhusähnlich ver- laufenden Erkrankung, aus dem Menschen isoliert und auf Agar-Agar gezüchtet, sogen. „Schleimwallkolonien" bildet, wenn man ihn zuerst bei Bruttemperatur, sodann bei Zimmertemperatur züchtet. Es ist also für diese Form im Gegensatz zu der andern, welche akut verlaufende Er- krankung bewirkt, charakteristisch, daß sie bei Zimmertemperatur reich- liche Schleimbildung zeigt. Die Fähigkeit zu dieser Schleimbildung kann übrigens verloren gehen, worauf wir im nächsten Kapitel noch zu spre- chen kommen. Wegen der Möglichkeit, Bakterien auf Grund ihres verschiedenen Verhaltens gegenüber der Gram sehen Färbung und mit Hilfe der Un- tersuchung auf Säurefestigkeit zu unterscheiden, vffl. S. 112. Wir wollen schließlich das von Medizinern vielgeübte Verfahren^ mittels der „Agglutination" Bakterien zu unterscheiden, erläutern, in- dem wir sofort einen konkreten (nicht der medizinischen Bakteriologie entstammenden) Fall") beschreiben, in welchem diese Methode zum Ziel führte: wir haben schon das im Ackerboden und an anderen Stand- orten häufige, in Zuckerfabriken u. a. durch Schleimbildung gefährlich 1) Burri, R. u. Andrej ew, P., B. C. I. Or., 1910, Bd. .56, S. 217. 2) Böhme, A , B. C. I. Or., 1906, Bd. 40, S. 129. 3) Löhnis, F., B. C. I. Or., 190G, Bd. 40, S. 177. 4) Müller, Reiner, D. med. Wochschr., 1910, Bd. 36, S. 2387. 5) Maaßen, A. , Arb. a. d. biol. Anstalt f. Land- u. Forstwirtsch. 1905, Bd. 5, S. 1. Indolbildung. Agglutination. 211 werdende Semiclostridhim commune kennen gelernt; es galt nun zu un- tersuchen, ob dasselbe identisch ist mit einigen andern Semiklostridien, *S'. flu mm, citnnm und rubrum, die aus Kuhmist oder Ackerboden iso- liert waren und morphologisch dem erstgenannten glichen, nur in kul- tureller Beziehung etwas von ihm abwichen, und mit gewissen schon früher unter dem Namen: gallertbildende, peptonisierende Milchbakterien beschriebenen Formen verwandt erschienen. Zu diesem Behufe wurden die Zellen einer Reinkultur von S. commune in Kochsalzlösung aufge- schwemmt, die Aufschwemmung durch Watte filtriert und nun Kanin- chen in die Venen injiziert. Das Serum von Tieren hat nun erfahrungs- gemäß, auch in sehr starker Verdünnung (z. B. 1 : 3000) die Eigenschaft, Zellen derselben Art, die injiziert wurden, zu agglutinieren, d. h. zu be- wirken, daß sich in ihm suspendierte Zellen aus einer Reinkultur der betr. Art zu Boden senken und da ein Häufchen bilden; Zellen anderer Arten werden im Gegensatz dazu nicht agglutiniert. In uuserm Fall zeigte sich nun, daß durch das Serum Zellen „anderer Stämme" des S. commune gleichfalls agglutiniert werden, ferner einige Stämme der sog. peptonisierenden Milchbakterien; alle diese genannten sind hiernach zu einer Art zusammenzuziehen, während S. flavum, citreum und rubrum^ sowie andere Stämme von Milchbakterien nicht as-glutiniert wurden, also andere Arten vorstellen. Diese Methode, mittels der Agglutination Artgleichheit bzw. Un- gleichheit festzustellen, spielt zumal in medizinischen Kreisen eine große Rolle, ja, wenn wir den Äußerungen verdienter Forscher^) glauben wollen, eine fast zu große: so wollen wir nur noch kurz erw^ähnen, daß auch von anderer, botanischer Seite Bedenken geäußert worden sind, ob die Agglutininreaktion ihrem Zweck, geringfügige und schwer kenntliche Artunterschiede zu ermitteln, stets genügt, und daß ausgeführt worden ist. „daß die Fähigkeit eines Bakteriums, durch ein bestimmtes Serum agglutiniert zu werden, im allgemeinen eine nur auf Grund von Wechsel- wirkung mit Körperzellen und Säften eines höheren Organismus er- worbene Eigenschaft ist, die sehr scharf ausgeprägt und für längere Zeit fixiert sein kann, die aber unter Umständen auch leicht abgestreift werden kann und unter allen Umständen mit dem Eigenschaftskomplex, den ein Bacterimn als Resultat seiner naturgeschichtlichen Entwick- lung aufweist, nur im losen ^) Zusammenhang steht". 1) M. Ficker. 2) Burri, R., u. Düggeli, M., B. C. I, 11)09, Bd. 49, S. 145. 14^ 212 VIII. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. Kapitel VIII. YariaMlität und Stammesgeschiclite der Bakterien. Die Ausführungen des letzten Abschnittes haben uns darüber be- lehrt, daß wir unser Bakteriensystem in erster Linie auf morphologische Merkmale und, wo diese uns im Stich lassen, auf physiologische Be- fähigungen gründen. Jetzt aber müssen wir noch eine wichtige Eigen- schaft der für systematische Zwecke zu benutzenden Merkmale betonen, die wir vorhin im Interesse einer Vereinfachung der Darstellung noch nicht genügend hervorgehoben haben; diese Merkmale müssen oli'enbar raögliclist wenig abhängig sein von den jeweiligen oder vorhergehenden Lebensbedingungen, müssen also möglichst konstant und wenig ver- änderlich sein. Ganz konstante Merkmale gibt es überhaupt nicht, denn wir haben es ja geradezu als ein charakteristisches Kennzeichen für die lebende Zelle hingestellt, daß alle ihre Eigenschaften schwanken. Von konstanten Merkmalen spricht man dann, wenn diese ihrer quantita- tiven Ausbildung nach um einen bestimmten Mittelwert schwanken, so- fern die Lebensbedingungen überhaupt eine normale Ausbildung er- möglichen. Wir haben früher gehört, daß die Spaltpilze wie andere Wesen zu Arten zusammengefaßt werden, diese zu Gattungen, diese wiederum zu Familien, Reihen usw. Was sind nun die Arten, d. h. die niedrigsten von den eben aufgeführten systematischen Einheiten? Die Antwort lautet: Das, was der Forscher, welcher die Art aufstellt, nach seinem „wissenschaftlichen Takt" darunter zusammenfaßt. Anders kann die Frage offenbar darum nicht beantwortet werden, weil die Natur selbst keine Arten kennt, sondern nur Individuen mit ihrer Aszendenz und Deszendenz, also nur sog. „Linien", und solche Linien faßt eben der Systematiker zu Linienbündeln zusammen, die er Arten nennt. Wie groß oder wie klein er sein Bündel schnüren will, das hängt von seiner wissenschaftlichen Auffassung ab, die von der eines anderen mehr oder minder abweichen kann. Freimachen von dieser subjektiven Umgrenzmig der Arten würde sich der Systematiker dann, wenn er auf noch niedri- Erbliche und nicht erbliche Abänderungen. 213 geren Einheiten als iUmi Arten fußen wollte, eben jenen Linien. Er müßte dann alle Bakterien in Form von Einzellknituren züehteu, und zwar unter den denkbar verschiedensten Bedingungen, unter denen sie über- haupt zu leben vermögen, würde sich all ihre Formen und Eigenschaften in Abhängigkeit von diesen Bedingungen merken und sie in die Diagnose der betreffenden Linie aufnehmen. Alle die reinen Linien, die dann keine Unterschiede in der Diagnose aufweisen würden, müßte er zu syste- matischen Einheiten zusammenfassen, zu sog-, elementaren Arten, und diese von willkürlicher Umgrenzung wenigstens einigermaßen freien Einheiten nach Gutdünken zu höheren Einheiten zusammenfassen. Tat- sächlich ist das nicht möglich; das braucht nicht weiter begründet zu werden, denn jene eben skizzierte Arbeit würde kein Ende absehen lassen. So müssen denn für die praktischen Zwecke der Systematik, d. h. um eine Übersicht über die Formen zu ermöglichen, höhere syste- matische Einheiten gewählt werden, diese dann aber auf solche Merk- male gegründet werden, die möglichst konstant sind, so daß man „die Art", gleichgiltig ob man sie von diesem oder jenem Standort einfängt, oder ob sie von ganz unbekannten Standorten stammen, möglichst leicht wiedererkennen kann. Auf diesen Punkt also sollen die folgenden Ausführungen gerichtet sein, welche diejenigen des vorigen Abschnitts somit wesentlich zu er- gänzen berufen sind. Wir wollen fragen, welche morpho- oder physio- logischen Merkmale, die die Bakterienzelle uns bietet, sind mehr oder minder konstant, welche nicht und darum für den Systematiker un- brauchbar? Wir werden bei den nun folgenden Betrachtungen sehen, daß häufior die Variabilität gewisser Eigenschaften beruht auf einer bestimmten Veränderung der äußeren Lebensbedingungen und darum auch jederzeit willkürlich hervorgebracht werden kann, daß aber in anderen Fällen das die Abänderung verursachende Agens noch unbekannt ist. Es wird sich weiter zeigen, daß solche Abänderungen auch in einer anderen Beziehung in zwei Gruppen eingeteilt werden können. Die einen Ab- weichungen von den als typisch zu betrachtenden Formen und Funktionen verschwinden über kurz oder lang wieder, die anderen aber bleiben, und zwar auch nach Rückkehr in die früheren Lebensbedinsungen, dauernd, d. h. solange als man die Beobachtung hat fortführen können, erhalten. Ist letzteres der Fall, so handelt es sich um „erblich kon- stante" Abänderungen, man kann wohl auch sagen, daß man dann vor seinen Augen aus einer Art eine andere mit einer oder mehreren neuen Eigenschaften hat hervorgehen sehen. Wir wollen nun im folgenden zuerst eine Zahl von nicht erblich 214 Vni. Variabilität und StammesgeBchichte der Bakterien. konstanten, sodann von erblichen Abänderungen besprochen — um hier gleich die Disposition des vorliegenden Kapitels zu geben, — und hierauf uns fragen, was man sunst über die Entstehung der Arten bei den Bak- terien weiß oder, besser gesagt, nicht weiß, um im Zusammenhang damit der weiteren Frage näher zu treten, welche Kleinlebewesen, die man, dem allgemeinen Brauch folgend, nicht zu den Bakterien rechnet, ob- wohl sie mit diesen {gemeinsame Züge tragen, man als blutsverwandt mit den Bakterien in der heutigentages üblichen Abgrenzung ansehen darf. Zunächst also ein Ausblick auf morphologische und physiologische Variabilität'): wir nehmen, wie gesagt, diejenigen Fälle vorweg, bei welchen es sich nicht um dauernde, sondern um vorübergehende Ver- änderungen handelt. Wir nehmen dabei an. daß das Material, welches unter verschiedenen Lebensbedingungen vergleichend untersucht ist, zu einer reinen Linie gehört, obwohl dieser Bedingung in praxi nicht immer genügt worden ist. — Einige vorübergehende Variationen der Gestalt sind die folgenden. Sehr bäuhg ist beobachtet worden, daß je nach der Ernährung: die Größe der Zellen ein und derselben Art wechselt; Spirillen, so sahen wir schon früher, die, auf wasserreichen Böden gezüchtet, lang und dünn sind, können auf konzentrierten Nähr- böden gedrungene Formen aufweisen-). Gleichfalls ist Länge und Dicke der stäbchenförmigen Spaltpilze sehr von den Kulturbedingungen ab- hängig, die Form der Zellen also auch bei diesen oft ein Spiegelbild der Lebenslage und der Ernähruncr. Der Erreger des Maltatiel)ers ist bei Bruttemperatur sehr kurz, bei niedriger Temperatur ein deutlich gestrecktes Stäbchen^). Baderium polycliromicum^) tritt auf Agar in Form von Knrzstäbcheu, auf Kartoffeln in Form von längeren Stäbchen auf. Dasselbe gilt nicht minder für Vibrionen. Sehr häufig werden Bilder reproduziert, welche zeigen, wie stark die Gestalt des Heubazillus, des Choleraerregers von den Lebensbedingungen abhängig sein kann, und solcher Beispiele könnten wir fast noch beliebig viele nennen; bei Streptokokken^) können sich alle oder auch einige Zellen einer Kette durch Weinsäurezusatz oder auch durch Zusatz von Lithiumsalzen zu Nährböden abnorm vergrößern. Auch jene Formen, die wir als terato- logische oder als Involutionsformen bezeichnet haben, wären hier zu 1) Pringsheim, H., Variabilität nied. Organismen. Berlin 1910. 2) Fuhrmann, F., B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 129. 3) Lehmann und Neumann, Atlas. Text, S. 227. 4) Zikes, Wiesner-Festscbrift, 1908, S. 357. .5) Taddei, ß. C. I, Or., Bd 50, S. 561. Variabilität der Zellengestalt. 215 erwähnen^); sie sind häufig gar nicht scharf von solchen Fällen, wie wir sie soeben nannten, zu trennen. Teratologische Formen können durch be- stimmte Salze bedingt werden, Lithiumsalze lösen Verquellungserschei- nungen der Zellwand aus, auch Riesenwuchsformen, bei Spirillen Verzwei- gungen; Magnesiumchlorid bewirkt charakteristische Formabweichungen, Bildung kurzer, hefeähnlicher Formen. Säuerung des Substrats, zu reich- liche Zufuhr von Kohleliydraten im Verhältnis zur Stickstoffzufuhr wirkt gestaltverändernd ^). Das Kurzstäbchen des Baderium prodigiosum kann bei Weinsäurezusatz zu abenteuerlichen lan- gen Formen heranwachsen. Durch Tem- peratursteigerung, d. i. ein klassisches Beispiel,kannmanEssigsäurebakterien^), die sonst in Form mäßig lano-er Stab- chen auftreten, veranlassen, zu langen Fäden auszuwachsen. Senkt man die Temperatur wieder, so zeigen diese Fä- den Aufblähungserscheinungen, ehe sie wieder zur normalen Form zurückkehren und in Stäbchen zerfallen. (Abb. 69.) Hohen Temperaturen angepaßte stäb- chenförmige Bakterien bilden bei 8 — 11 Grad im Laufe eines Tages blasige Schwellformen (Bacillus calfadorY). Vi- brio Proteus ändert ab und bildet kugel- förmige Zellen infolge der Säuerung des Nährbodens, nimmt bei Abstumpfung der Säure wieder gestreckte Gestalt an; dieser Vorgang kann sich innerhalb kurzer Zeit mehrfach wiederholen.^) Badllus cylindricus zeigt Aufblähung seiner ZeUen infolge unbekannter Kulturbedingungen ^). Auch die Art und Weise, wie die Zellen zu Zellverbänden zusammen- treten, schwankt mit den Außenbedingungen. Das haben wir im vorigen Kapitel schon für Kokkazeen erwähnt. Hier seien nur noch folgende Belege nachgetragen: Streptokokken, die z. B. in Fleischwasser immer Abb. 69. Buct. Pasteurianum, Fadenform nach 24 Stunden auf Doppel- bier bei 40— 40,.'>''. (Vergr. 500.) Nach Hansen aus Kloecker. 1) Vgl. auch Fuhrmann, F., Beih. z. bot. Zentralb, 1908, Bd. 231, S. 1. 2) Maaßen, A., Arb. a. d. K. Gesundheitsamt, 1904, Bd. -21, S. 385. 3) Hansen, E. C, C. R. Carlsberg 1894, Bd. 3, S. 182. 4) Miehe, H., Selbsterhitzg. d. Heus, Jena 1907. 5) Fischer, A., B. d. d. b. G., 1906, Bd. 24, S. 55. 6) Meyer, A., B. d. d. b. G., 1905, Bd. 23, S. 349. 216 VIII. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. in Form von Zellketten auftreten, können im menschlichen oder tierischen Köi'per, wenn sie innerhalb der weißen Blutkörperchen vorkommen, staphylokokkenartige Anordnung zeigen. Die Sarcinaform kann man anderen Kokken dadurch am leichtesten aufzwingen, daß man sie in Heuabkochungen züchtet \). Einige andere Beispiele: Ein BaciUns Z^), der uns später noch beschäftigen wird, weil er mit Bezug auf seine lleizbewegungen in aus- gezeichneter und eingehender Weise studiert worden ist, tritt bei starker Konzentration der Nährlösung in Form von Zellfäden auf, sonst mehr in Form von EinzelzeUen. BaciUns Brandoihurgensis^), der bei der Faulbrut der Bienen beteiligt sein kann, bildet Fäden mit Vorliebe auf sauren Nährböden. Andere Arten wiederum zeigen Neigung zur Faden- bilduug bei Verabreichung bestimmter NährstoflFe, Traubenzucker oder auch Fett^). So hat denn, wie wir sagen können, jede Art ihren Variabilitäts- kreis, der größer oder kleiner sein kann. Auch die Beweglichkeit, mit anderen Worten die Geißeltätigkeit ist von den Zuchtbediugungen ab- hängig, häufig durch dieselben Bedingungen, welche Zellfadenbildung auslösen, zu beeinträchtigen. So u. a. beim ebengenannten Bacillus Bramlcnhnryensis. Die Ariheftungs weise der Geißeln aber dürfte bei ein und derselben Art (reinen Linie) konstant sein. Nur für beweg- liche Kokken wird behauptet, daß sie bald monotrich, bald peritrich sein können; doch ist das noch näher zu untersuchen.^) Die weitgehende Abhängigkeit der Zellgestalt von der Lebenslage hat ja an sich nichts Wunderbares au sich, denn jeder Organismus zeigt dasselbe. Nur tritt sie bei Bakterien vielleicht häufiger auf als bei anderen, zumal höheren Wesen, weil niedere Organismen stets plastischer sind als jene, und sodann darum, weil man Bakterien ganz besonders häufig unter verschiedenartigen Bedingungen gezüchtet hat.' Soweit diese Abänderungen nur die jeweilige Lebenslage wieder- spiegeln, mit Erlöschen des auslösenden äußeren Faktors also wieder verschwinden, haben sie auch für den Systematiker nichts „Beun- ruhigendes" an sich, äcliwerwiegender ist es schon, daß Veränderungen, die unter dem Druck bestimmter Außenbedingungen angenommen wurden, vielfach erst längere Zeit, nachdem die Wirkung dieser Faktoren aufgehört hat, wieder verschwinden. So gelingt es, wie eben gesagt^ 1) Lehmann und Neumann, Atlas. Text, S. 194. 2) Kuiep, H., Jahrb. f. wiss. Bot. 1906, B. 43, S. 215. 3) Maaßen, A., Arb. K. biol. Anstalt, 1900, Bd. 6, S. 53. 4) Neide, E., B. C. II, 1904, Bd. 12, S. 1. 5) Ellis, D., B. C. I, Or., 1903, Bd. 33, S. 1. Variabilität der Sporengröße. 217 durch orewisse ungünstige Bedingungen zu erreichen, daß bewegliche Formen unbeweglich werden. Züchtet man sie dann wieder unter ihren gewohnten günstigen Lebensbedingungen weiter, so kann es unter Um- ständen sehr lange Zeit dauern, bis die Beweglichkeit sich wieder einstellt. Ein anderer Fall, in welchem die Wirkungen der Veränderung erst allmählich sieh geltend macht oder doch deutlich in die Erscheinung tritt, wo also Nachwirkungen bestimmter Lebensbedingungen außer der gleichzeitigen Wirkung derselben vorliegen, ist der folgende. Man kann beobachten, daß bestimmte Formen, z. B. Bacillus oxalaticus, die man aus dem Freien einfängt, auf gewissen Nährböden zuerst sehr gut wachsen, züchtet mau sie aber längere Zeit auf diesen weiter, so sieht mau, daß eine allmählich fortschreitende Verkleinerung des Zellendurch- messers, also eine Verkümmerung eintritt, — , wiederum ein Zeichen dafür, daß die Gestalt der Zellen nicht allein durch die augenblickliche Lebenslage gemodelt wird, sondern daß sie vielfach unter dem Druck lange vergangener Zeiten stehen kann.^) Bei der eben geschilderten weitgehenden Plastizität aller morpho- logischen Merkmale der vegetativen Zellformen hat man gehofft, daß bei der Gattung Bacillus vielleicht die Sporengröße etwas weniger ab- hängig sei von der Lebenslage; das mag in gewissem Sinne zutreffen, aber streng gilt es zweifellos nicht. Bei Bacillus tumescens z. B. kann der Durchmesser der Spore je nach den Lebensbedingungen zwischen 2,2 und 1,6 /t schwanken; wohl verstanden auch dann, wenn wir die Deszendenten einer einzigen Zelle untersuchen. In jenen früher (S. 67) genannten sekundären Kolonien verringert sich die Größe der Sporen. Für Bacillus amylohacter belehrt uns ferner eine neuere^) Mitteilung darüber, daß durch „Bodenpassage", d. h. also durch Zucht unter recht natürlichen Bedingungen, die Sporengröße gesteigert werden kann, mit anderen Worten, daß sie durch Kultur unter weniger günstigen Bedingungen sinkt. Wenn wir also zum Schluß des letzten Kapitels (S. 208) gehört haben, daß man wohl mit Erfolg zur Definition einer Sporen tragenden Bakterienspezies u. a. auch die Sporengröße heran- ziehen kann, so zeigt das eben Gesagte, daß man an die Abhängigkeit dieser Größe von den Kulturbedingungen stets denken muß und nur solche Sporen vergleichen darf, die unter gleichen Bedingungen heran- gewachsen sind. 1) Migula, W., System d. Bakt., Leipzig 1900, Bd. 2, S. 538. — Bei A. Koch, Bot. Ztg., 1888, Bd. 46, S. ;-516 findet sich die eigenartige Beobachtung, daß die ersten Deszendenten der Keimstäbchen des B. tumescens weniger dick (1 f/) sind als die späteren (2fi). 2) Bredemann, G., B. C. II, l'JO'J, Bd. 23, S. 9. 218 VIII. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. In allen bisher besprochenen Fällen handelte es sich um Varia- bilität, die durch den Wechsel der äußeren Bedingungen hervorgerufen war, also durch den Vergleich verschiedener Kulturen, deren Objekte Deszendenten einer einzigen Zelle v^aren, ermittelt wurden. Teilweise waren es Formabweichungen qualitativer Art, die wir nannten, z. B. die Involutionsformen, teilweise auch nur quantitativer Art, so die Ver- änderlichkeit der Sporengröße. Nun würden wir außerdem aber auch derartige Vai-iabilität unter „gleichen Außenbedingungen" beobachten können. Die Größe der Stäbchen in einer EinzeUkultur, z. B. des Bac. asterosporus^} , kann verschieden sein, auch die der Sporen in ein und derselben Einzellkultur kann schwanken; das weist uns darauf hin, daß wir, um die Sporengröße einer Art unter bestimmten Bedingungen fest- zustellen, immer eine stattliche Zahl von Einzelmessungen machen müssen, aus denen wir dann den Durchschnitt zu ziehen haben. Ob wir genügend Einzelmessungen vorgenommen haben, um einen richtigen Durch- schnittswert zu erhalten, darüber könnte uns ein Mathematiker auf Grund unserer Zahlenreihen belehren. Eine unzulängliche Zahl von Beobachtungen könnte leicht zu Trugschlüssen führen; das lehrt uns folgende Überlegung: Zwei Arten a und b mcigen sich einzig und allein durch die durchschnittliche Größe ihrer Sporen unterscheiden, und zwar möge a durchschnittlich etwas größere Sporen als b besitzen, wenn beide Arten unter identischen Bedingungen gezüchtet werden. Gleich- wohl können die kleinsten Sporen von a kleiner sein als die gn'ißten von b, und wenn man zufällig nur solche mißt, würde man ein Resultat erhalten, das den Tatsachen nicht entspricht. Eine ausreichende Zahl von Messunoen schließt diese Möo-lichkeit aus. Es sei noch hinzuge- fügt, daß man in diesem Falle sagt: Zwischen beiden Arten a und b herrscht mit Bezug auf das Merkmal Sporengröße „transgressive Va- riabilität". Man würde sich, das sei noch hinzugefügt, in-en, wenn man annehmen wollte, daß die Unterschiede in der Sporengröße oder in sonstigen Größenmaßen ein und derselben Einzellkultur nur auf Messungsfehlern beruhten; vielmehr sind sie damit zu erklären, daß es einmal fast unmöglich ist, innerhalb einer Kultur vollkommen gleiche Bedingungen für alle Zellen derselben zu schaffen, ferner damit, daß, wie oben gezeigt wurde, und zwar eben mit Rücksicht auf solche Fragen, wie sie uns augenblicklich interessieren, die Zellen einer Einzellkultur nicht alle identisch sind, darum auch aus inneren Ursachen auf gleiche äußere Bedingungen verschieden reagieren können. Schon das nicht immer bleiche Verbalten geg-enüber der 1) Meyer, A., Flora 1897, Bd. 84, S. 185. Transgreesive Varial>ilität. 219 Gramschen Färbemethode /oit konstanten physiologischen Merk- 1) Neide, E., B. C. II, 1904, Btl. .'5.5, S. 508. 2) Koch, A., Bot. Ztg., 1888, ßd. 4G, S. 277. 220 Ylll. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. malen zu suchen. Wir haben schon gehört und werden noch weiter hören, daß einige derselben zwar so charakteristisch sind, daß man sie mit Erfolg zur Unterscheidung von Arten benutzt^ daß sie aber im übrigen ebenfalls stark schwanken, meist noch mehr als die morpho- logischen. Fast jede physiologische Eigenschaft kann verstärkt oder abgeschwächt, wohl auch ganz latent werden, sei es Widerstand gegen Gifte oder gegen andere Einflüsse, sei es Assimilationsfähigkeit eines Stoffes usw. SchAvächung kann im allgemeinen durch Zucht unter unffünstiffen Bedin2;um!:eu Stärkuno; d. li. Regeneration verloren ge- gangener physiologischer Eigenschaften durch recht naturgetreue Be- dingungen (Kultur auf Erdboden, Möhren, Kartoffeln, Kartotfelagar, der auf Schleimbakterien eine „auffrischende" Wirkung äußert^) usw.) erzielt werden. Dabei ist beachtenswert, daß die Eigenschaften unab- hängig voneinander variieren können -j: Bestimmte Maßnahmen können die Widerstandsfähigkeit der Sporen eines Bacillus herabsetzen, ohne andere Eigenschaften, z. B. die Enzymbildung, zu schwächen. Was nun zunächst die liesistenz der Sporen gegen hohe Temperaturen angeht, so kann sie mit der nötigen Kritik zur Artunterscheidung mit heran- gezogen werden und somit als spezifisches Merkmal aufgefaßt werden. Beim Bacillus rumiuatns werden die Sporen bei 100 Grad in 4 Minuten, bei 80 Grad in 10 Stunden abgetötet. Beim Bacillus oxalaticus aber bei 100 Grad schon in 2, bei 80 Grad in 200 Minuten. Wenn wir aber hören, daß bei einer anderen Art die Tötungszeit der Sporen einer reinen Linie zwischen 2 und 15 Minuten schwankte, bei einer noch anderen (Bacillus alrri)^) zwischen 15 und 30 Minuten, so leuchtet uns ein, daß auch dieses Merkmal nur auf Grund einer sehr reichen Erfahrung systematisch verwertet werden kann. Auch dürfte sich die Resistenz immer mit dem zunehmenden Alter innerhalb gewisser Grenzen er- höhen, es dürfen darum immer nur ziemlich gleichalte Sporen mitein- ander verglichen werden. Man hat auch gefunden, daß die Qualität des Nährbodens, auf dem die Sporen herangewachsen sind, die Wider- standskraft oreujeu Erhitzuncr beeinflussen kann. Ganz außerordentlich heiß umstritten ist die Frage, ob und inwie- weit eine andere physiologische Eigenschaft die Assimilierbarkeit eines Stoffes, z. B. einer bestimmten Zuckerart, durch einen Spaltpilz als charakteristisches spezifisches Merkmal verwertet werden darf, oder ob sie zu stark schwankt. Sie ist deswegen so stark umstritten, weil sie 1) Quehl, A., B. C. 11, 1006, Bd. 16, S. 9. 2) Bredemann, G., B. C. II, 1909, Bd. 23, S. A. 3) Maaßen. A., Arb. d. K. biol. Anstalt f. Land- u. Forstwirtsch. , 1908, Bd. 6, S. 53. Variabilität physiologischer Befähigungen. 221 viefach mit ungenügenden Methoden, nämlich nicht unter Verwendung reiner Linien bearbeitet worden ist. Wir kommen später bei Be- speehung der sog. Bakterienmutationen noch auf dieselbe zurück und erwähnen hier nur, daß mau tatsächlich lehrreiche Beispiele dafür kennt, daß die Unterscheidung sehr ähnlicher Arten auf Grund er- nährungsphysiologischer Unterschiede möglich ist. Von mehreren durch ihre Vorliebe für hohe Temperaturen gekennzeichneten Bazillen wächst der eine, Bacillus calfactor kräftig auf Heudekokten, sowie auf Kartoffeln ; zwei andere, Bacillus cylindricus nnd foshis, wachsen auf Kartoffeln nicht, unterscheiden sich also dadurch scharf vom erstgenannten. Mit diesen drei Arten leicht zu verwechseln ist ferner Bacillus rohiistus, dadurch aber von ihnen zu unterscheiden, daß er auf Fleischwasserpeptonlösung nicht gedeihen will, was die drei erstgenannten tun. Ob solche ein- ander nahestehende Formen ineinander umzüchtbar sind, wäre zwar noch zu untersuchen, man tut aber gut daran, sich vorläufig an diese exakt festgestellten Unterschiede zu halten^). Nahe verwandt, zum Teil sogar identisch mit der Frage nach der Konstanz oder Variabilität der Assimilierbarkeit eines organischen Stoffes, ist die nach Konstanz oder Veränderlichkeit der Enzjmbildung. Hier lautet die klassische Frage der Bakteriologie: ist Bildung eines Gelatine verflüssigenden Enzyms als spezifisches Merkmal brauchbar-). Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß man in vielen Fällen diese Frage ruhig bejahen darf, in anderen Fällen sind aber einzelne „Stämme" von sonst nicht verflüssigenden Arten nachgewiesen, welche VerHüssigungsvermögen besitzen. So ein Stamm von Bacterium coli, ferner einer von Bact. Güntheri, dem wichtigsten Erreger der Milch- säuerung. Der verflüssigende Stamm dieses letzeren ist neben anderen Spaltpilzen Erreger der Faulbrut der Bienen. Ob mau ihn als eine be- sondere Art hinstellen soll oder nicht, kann erst dann entschieden werden, wenn man weiß, ob auch Nachkommen einer einzigen Zelle des B. Gün- theri je nach den Bedingungen die Gelatine bald verflüssigen, bald nicht. Solange man das nicht weiß, würde es sich bloß um einen Wortstreit handeln. Lehrreich ist es ferner zu beobachten, wie die Bakteriologie inner- halb der Art Bacterium coli gleichfalls physiologische Unterscheidungs- merkmale herbeizieht, sogar herbeiziehen muß, wenn anders sie be- stimmte Stämme auseinanderhalten oder auch „Bact. coli^' als Gruppen- bezeichnung auffassen und in mehrere Arten zerlegen will. Der heutige 1) H. Mi ehe, Die Selbsterhitzung des Heues. 2) Müller, L., B. C. II, 1907, Bd. 7, S. 468. 222 VllL. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. Stand der Anschauungen ist etwa der folgende ^j: Während einige Forscher die Grenzen weit ziehen, zerfallen andere das Bacterium coli in mehrere Arten, Dartukoli, Graskoli, Mehlkoli, wie man diese Arten kurz und bequem, wenngleich nicht sehr schön und nicht eben nach dem Geschmack des systematischen Botanikers nennt. Das aus Mehl isolierte Bacterium coli z. B., das bei der spontanen Teiggährung eine Rolle spielt, und als Bacierium levans bezeichnet wurde, unterscheidet sich vom echten Bucterium coli durch die allerdings schwache Befähi- gung, Gelatine zu verflüssigen, die jenem stets fehlen soll. Aus Gras isoliertes Bacterium coli seinerseits ist nicht einheitlich; von acht Stämmen zersetzen zwei Trauben-, Malz-, Rohr-, Milchzucker, sechs andere nur die beiden erstgenannten Zuckerarteu. Lassen wir diese heutigentags ziemlich müßige Frage der Arteinheitlichkeit, dessen, was man gewöhnlich Bacterium coli nennt, auf sich beruhen. Es gibt nun in Sauermilch vorkommende Parallelformen zum Bacterium coli, morphologisch abgesehen von geringen Größenunterschieden, nur durch den Mangel an Beweglichkeit unterschieden: Bacterium acidi lactici und Bacterium aero(/ci,es (dessen pathogene Parallelform Bacterium pneumoniae sein soll), die vielfach ihrerseits für eine einzige Art ge- lialten werden. Auf welche Unterscheidungsmerkmale stützen sich nun die Forscher, welche diese beiden trennen wollen? Zuerst auf das Schleimbildungsvermögen: Bacterium acidi lactici bildet keinen Schleim, während Bacterium aorogenes Schleim ausscheidet, so daß die einzelnen Stäbchen immer durch solchen getrennt, in einigen Abstand vonein- ander in der Zooglöa liegen. Sodann aber ganz besonders durch ein physiologisches Merkmal: aerogenes kann sich von Rohrzucker ernähren, acidi lactici nicht so sicher. Besonders wichtig aber zur Unterscheidung ist die Gasbildung; aerogenes bildet reichlich Gas, bestehend aus Wasser- stoff und Kohlensäure, und von beiden überwiegt stets die Kohlensäure. Bacterium acidi lactici hingegen bildet nur wenig Gas, in welchem Wasserstoff stets in größerer Menge als Kohlensäure nachweisbar ist. Hierin verhält es sich wie Bacterium coli. Wie man sich nun auch hier zur Frage der Artabgrenzung stellen mag, der Ansicht wird man sich anschließen müssen, daß diese drei Formen sehr nahe verwandt sind; gleichwohl ist Bacterium coli beweglich, die anderen, soweit man bis jetzt weiß, stets unbeweglich. Es ist dies auch einer der wesentlichsten Gründe, weshalb wir uns (vgl. das vorige Kapitel) entschlossen haben, in der Gattung Bacterium bewegliche und unbewegliche Arten zu ver- einigen, sonst müßte man trotz naher Verwandtschaft „Bacillus'^ coli 1) Burri, R., u. Düggeli, M., B. C. I, Or., 1909, Bd. 49, S. 145. Stämme des B. coli. — Variabilität der Schleimbildung. 223 von „Bacterium'' st dann, wenn die Temperatur nicht wieder sinkt. Man könnte dann von erfolgter Ano;ewöhnung an die neue Lage reden. Untersuchungen über diesen Punkt liegen aber nur in geringer Zahl vor; mir ist hier nur die Angabe gegenwärtig,. daß Farbstoffbildung, die durch geeignete Zuchtbedingungen zum Ver- schwinden gebracht wird, nach einiger Zeit unter eben denselben Be- dingungen infolge einer Akkommodation an dieselben wiederkehrt. Bact. fluorescens, das z. B. bei 22^ unter lebhafter Farbstoff bildung wächst, gedeiht gut auch nach Übertragung in einen Wärmeschrank, dessen Temperatur 35° beträgt, bildet dann aber keinen Farbstoff aus. Bei 37,5" findet kein Wachstum mehr statt. Wird es nun längere Zeit bei 35*^ gezüchtet, und zwar alle 24 Stunden auf neue Nährböden über- impft, so zeigen sich, nachdem es 15x24 Stunden bei 35** gewachsen FarbstoflFbildung in Abhängigkeit Ton den Lebensbedingungen. 227 ist, die ersten Spuren der wiederkehrenden Farbstoff bildung, nach 18 X 24 Stunden bildet unser Spaltpilz wieder ebenso reichlich Farl)- stolt' wie der nicht angewöhnte bei 22'^.^) Wir wenden uns nunmehr zum Studium der folgenden Frage: üibt es auch Veränderungen, sei es morphologischer, sei es physio- logischer Art, die dauernd erhalten bleiben, selbst dann, wenn die Bedingungen, unter denen sie entstanden, nicht mehr weiter wirkenV Können wir, so lautet die Frage anders formuliert, Eigenschaften, wie wir sie sonst wohl auch zur Unterscheidung von Arten mit heranziehen, plötzlich vor unsern Augen auftreten sehen oder durch künstliche Beeinüussung willkürlich hervorrufen und unsern Objekten auf die Dauer anzüchten? Können wir künstlich neue Arten aus andern vor unsern Augen entstehen sehen oder entstehen lassen? Diese P'rage ist für gewisse Fälle mit Ja zu beantworten. Orien- tieren wir uns zuerst einmal über Verlust der Farbstoffbilduncp und die Entstehung neuer Farbstofle bei gewissen Arten. Da die Farbstoffe, um die es sich hier handelt, Abfallprodukte des Stoffwechsels sind, so han- delt es sich um die Frage nach der Variabilität der exkretorischen Tätig- keit der Zelle. Es gelingt^) durch bestimmte Einwirkungen, z. B. er- höhte Temperatur, Zufuhr von Giften, wie Kupfersulfat u. a., normale, roten Farbstoff produzierende Kulturen des Bad. prodigiosum zur Ein- stellung der Farbstoffbildung zu veranlassen. Auch kann man durch Gifte statt des roten einen violetten Farbstoff erzielen. Solche Verände- rungen verschwinden aber wieder entweder gleich oder nach einiger Zeit, nachdem wieder normale Lebensbedingungen eingetreten sind; sie gehören also zu jenen Veränderungen, die wir oben schon abgehandelt haben; mau hat vorgeschlagen, sie als Modifikationen zu bezeichnen. Man kann aber auch durch bestimmte Bedingungen erreichen, daß die Farbstoff bildung unterdrückt wird und nicht wiederkehrt, unter welchen Bedingungen man auch immer nachher die Zucht fortsetzen mag. Dies kann erreicht werden durch einen Zusatz von Sublimat zum Nährboden. In einem andern Fall konnte durch Sublimatabgaben erzielt werden, daß eine andersartige dauernde Veränderung eintrat, nämlich der Farb- stoff dunkelrot wurde, und gleiches gelang auch durch Zusatz anderer Stoffe. Man hat in Anlehnung an die bei höheren Pflanzen übliche 1) Dieudonne, ßiol. Zentralb., 1895, Bd. 15, S. 103. 2) Wolff, F., Ztschr. f. indukt. Abstammungs- u. Vererbungslehre, 1909, Bd. 2, S. 90. 16* 228 YUl. Variabilität und Stammesgeschichte der Bakterien. Nomenklatur vorgeschlagen, diese plötzlich auftretenden und vom Augen- blick ihrer Entstehung an konstanten Veränderungen im Gegensatz zu den Modifikationen als Mutationen zu bezeichnen; darüber später noch mehr. Neben diesen konstanten Mutationen konnten dann auch rück- schlagende Mutationen gefunden werden: ein Teil der Deszendenten be- hält die angenommene Abweichung bei, ein anderer schlägt wieder zur Stammform zurück. Auch am Staplnßococcns piiogenes konnten solche in veränderter FarbstoffbilduDg bestehende Modifikationen einer-, Mutationen anderei"- seits hervorgerufen werden. Zitronengelbe Modifikationen entstanden bei bestimmter Ernährung, rotgelbe durch Temperaturerniedrigung, eine Mutation, und zwar Verlust der Farbstotf l)ildung, aus unbekannten Gründen. Sodann hat man bei gefärbten Myxobakterien, Mijxococcus ruhesccns und virescens, sowohl Modifikationen wie Mutationen durch Temperaturschwankungen, durch Änderung der Ernährung und durch Giftzusätze erzielen können. Bei solchen üntersuchun. parafi/j^hi, wel- ches typhusähnliche Erkrankung bewirken kann, auf Agar bei Zimmer- temperatur, so bildet es, wie auch schon mehrfach erwähnt, schleimige Kolonien. Wartet man aber einige Zeit, so wachsen aus diesen trockene Bakterienhäute heraus, die sich auf der Oberfläche des Agars ausbreiten. Impft man nun von diesen schleimfreien Häuten ab, so tindet man, daß nunmehr keine schleiraicren Kolonien mehr orebildet werden, daß unsere Form vielmehr von nun an dauernd ohne Schleimbildung wächst, sich also in diesem Merkmal den andern, akute Erkrankungen bewirkenden Paratyphusbakterien annähert. Man hat die Meinung ausgesprochen, daß auch diese Umänderung einen Fortschritt für die Art bedeuten könne, insofern dieselbe nunmehr in der Lage sei, durch ihr weitaus- greifendes Wachstum den Nährboden besser auszunützen ; ob diese Mei- nung zutrifft, ist eine andere Frage. Es sei noch besonders betont, daß man in all den eben genannten Versuchen auf das peinlichste darauf geachtet hat. daß keine Verunreinigung der Kultaren durch fremde Arten eintrat. Fast immer ging man bei denselben von einer einzigen Zelle aus. Daß Schleim bildung auch in anderen Fällen, z. B. bei Milch- säurebakterien, ein sehr veränderliches Merkmal ist, haben wir früher schon ausgeführt, die Erfahrungen an den Paratyphusbakterien fordern dazu auf, zu untersuchen, ob und welche Veränderungen des Schleim- bildungsvermögens bei Milchsäurebakterien dauernd erhalten bleiben, und umgekehrt auch dazu, ob bei den Paratyphusbakterien der Verlust der Verlust der Schleimbildung; Asporogenie. 235 Schleimbildung durch geeignete Kulturbediugungen wieder rückgängig gemacht werden kann. Bis jetzt ist das nicht gelungen. Wenden wir uns nun der Frage zu, ol) es im Bakterienreich auch noch andere dauernd erhalten bleibende Abänderungen gibt, die im Ver- lust einer Eisenschaft bestehen, und betrachten wir zu diesem Behuf arer Zeit ab- stirbt, ultramaximal (minimal) ist aber die Temperatur, bei welcher der Tod sofort, d. h. jiraktisch gesprochen, nach einer Sekunde schon er- folgt. Ein Beispiel: Für wasserdurchtränkte Sporen des Bac. suhfilis ist die Temperatur von 148 Grad ultramaximal, die von 100 Grad z. B. supramaximal. \) Was nun zunächst sehr niedrige Temperaturen angeht, so wirken solche meistens selljst bei recht langer Einwirkung nicht tödlich, kommen also für praktische Zwecke nicht in Betracht. In einem bestimmten Fall zeigte sich, daß die Einwirkung von minus 100 Grad während einer Woche noch nicht alle Keime abgetötet hatte; immerhin ließ sich doch eine gewisse Schädigung erkennen, denn auf der Agarplatte er- wuchsen nach derartiger Behandlung weniger Kolonien als vorher. Über Leuchtbakterien linde ich die Angabe, daß bestimmte Arten derselben während des einen Monat dauernden Aufenthaltes bei minus 172 bis 190 Grad nicht leuchteten, beim Auftauen aber wieder Licht- entwicklung eintrat, die Temperatur war also auch hier noch nicht ultraminimal. So ist es denn auch nicht wunderbar, daß selbst in den Tropen beheimatete Bakterien, die bei uns unerwünschte Gastrollen geben, der Choleraerreger, selbst durch unsere strengste Winterkälte nicht abgetötet wird. In dieser Beziehung liegen nun seit kurzem einige interessante Beobachtunoren vor über die Einwirkung der sibirischen Winterkälte 1) Arthur Meyer. Abtötung durch hohe Temperatur. 255 auf verscliiedene Arten von Spaltpilzen.-^) Wurden dieselben (Agar- oder Fleischwasserkulturen) während des ganzen Winters (drei Monate lang) unter einer zwei Meter mächtigen Schneelage aufbewahrt, so schadete das fast allen nichts; das Temperaturminimum betrug in diesem Falle allerdings nur minus 4 Grad. Wurden sie während derselben Zeit im Freien aufgehoben, nur in einer Kiste eingeschlossen, so wurden ge- tötet verschiedene Vibrionen, so der der asiatischen Cholera (allerdings in alter Kultur), ferner der Dysenterieerreger, unbeschädigt aber blieben unter vielen andern der Erreger des Typhus, des Milzbrandes, Bad. coli, Bac. siihtüis, 31icrococciis pyogenes, Bad. prodigiosum Die Minimal- temperatur, der die Kulturen bei dieser Yersuchsanstellung ausgesetzt waren, betrug hier minus 44,8 Grad. Mehrfach wiederholtes Gefrieren- und Auftauenlassen der Kulturen ergab stärkere Schädigungen, doch machten sich auch hierbei große spezifische Unterschiede geltend. Einige Arten vertrugen hundertmaliges Gefrieren und Wiederauftauen, andere waren nach zwölf solchen Ver- suchen getötet. Arten, die schon lange in Reinzucht gehalten worden waren, schienen weniger resistent zu sein-, dieser Punkt könnte z. T. die obigen Versuchsergebnisse mit beeinflussen. (Vgl. oben bei Vibrio cholerae) Ungleich viel wichtiger ist die Abtötung durch hohe Temperaturen. Fragen wir zunächst nach der Widerstandskraft vegetativer Zellen, so finden wir ano-egeben, daß solche meist zwischen 50 und 60 Grad in kurzer Zeit absterben. Spirillum rubrum als ein Beispiel für viele im Verlauf einer Stunde. Manche Kugelbakterien, „Staphylokokken", Sar- cinen {S. ureae) sollen mehr vertragen können, und es ist nach unsern obigen Ausführungen klar, daß diese Werte nur für psychro- und meso- phile Formen gelten können. Die Zellen thermophiler oder sogar ortho- thermophiler Arten muß man zur Abtötung stärker erwärmen; in Wasser von 100 Grad sterben auch sie schnell ab. Psychrophile Arten werden im Gegenteil unter Umständen schon durch Temperaturen getötet, die unter 50 Grad liegen, man vergleiche das, was oben über bestimmte Leuchtbakterien ausgeführt wurde. Ob die Angabe stimmt, daß die vegetativen Zellen von sporentragenden Spaltpilzarten durchweg gegen Hitze etwas widerstandsfähiger ist als die von solchen, die keine Sporen ausbilden, bleibt abzuwarten.-) Die Zahlen gelten für den Fall, daß die Zellen mit Wasser durch- tränkt sind. Im trockenen Zustand würden sie eine stärkere Erhitzung 1) Butjagin, T. VV., B. C. II, 1910, Bd. 27, S. 216. 2) Eisenberg, P., B. C. I, Or., 1908, Bd. 48, S. 187. 256 IX. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien. vertragen können, vorausgesetzt, daß sie den Austrocknungsprozeß als solchen überstehen. Liegen die Zellen in andern Flüssigkeiten als im Wasser, so beeinflußt das begreiflicherweise ihre Resistenz gleichfalls, und zwar entweder im positiven oder negativen Sinn. Von medizini- scher Seite liegt die Angabe vor, daß Bakterien, wenn sie in eiweiß- haltigen Lösungen, KörperÜüssigkeiten, erwärmt werden, widerstands- kräftiger seien, als wenn sie in Wasser erhitzt werden. Wohl zu beachten sind natürlich auch hierbei die individuellen Differenzen, welche die Zellen ein und derselben Kultur bieten. Darüber belehrt uns u. a. eine neuerdings durchgeführte Versuchsreihe mit Bad. coli}) Eine gleiche Zahl von Zellen einer Reinkultur dieser Art wurden in physiologischer Kochsalzh'isung, d. h. Ü,7-prozeutiger Lfisung von Chlornatrium (d. d. einem „möglichst indifferenten" Medium, vgl. dazu al)er die später folgenden Ausführungen über den Einfluß von Salzen auf Bakterien), in kleineu Köhrchen aufgeschwemmt, diese Köhrchen verschieden lange Zeit in ein Wasserbad, das auf ca. 50 Grad erwärmt war, versenkt, diese dann zu Agarphitten verarl)eitet und bei 25 Grad aufbewahrt. Auf diesen wurden dann die aufkommenden Kolonien nach '.] sowie nach 15 Tagen gezählt. Nun zeigte sich, daß in einer Versuchsreihe aus nicht erwärmtem Material nach drei Tagen 336 Millionen Kolonien erwachsen waren. Schon infolge Erwärmens des Impfmaterials während einer halben Mi- nute sank die Zahl aber auf knapp die Hälfte: je länger man erwärmte, um so weniger Kolonien kamen auf, und nach 6 Miimten langem Er- wärmen zeigten sich die Platten am dritten Tage steril. Beachtenswert ist aber, daß die Ergebnisse sich ändern, wenn man erst nach 15 Tagen untersucht. Wenn mau das Impfmaterial nur kurze Zeit, eine halbe Minute, erwärmt hat, so erhält man zwar dieselben Ergebnisse wie oben, dauerte aber die Erwärmung länger, so zeigten sich am 15. Tag bedeutend mehr Kolonien als am dritten. Die Zellen werden also z. T. durch die Erwärmung nicht abgetötet, aber doch soweit geschwächt, daß sie bedeutend später ihr Wachstum erst wieder aufnehmen, während ohne Erwärmen oder bei nur kurzem Erwärmen alle Zellen annähernd gleich schnell zu Kolonien auswachsen. Noch nach 35 Minuten langem Erwärmen konnte am 15. Tage eine Kolonie beobachtet werden. Auf solche Nachzügler ist also bei derartigen Untersuchungen stets zu achten, nicht zum mindesten auch dann, wenn die Versuche im Interesse der Praxis ausgeführt werden. Näheres sagt die folgende Tabelle.") 1) Eijkman, C, Ref. B C. II, 1909, Bd. 22. S. 508. 2) Reichenbach, H., Ztschr. f. Hyg. 1911, Bd. 69, S. 171, konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen hohe Temperatur. 257 Dauer der Erwüruiuug Zahl der am 3. Tage Kolonien 1 am 15. Tage 0 Minuten 336 Millionen 336 Millionen 1 144 144 i 115 128 2 51 65 V, „ 3 11 5 ,, 4 800 000 33 V-. ,1 3 " .1 6 0 600 000 10 0 4 000 15 0 1 000 35 0 1 Wir wenden uns zur Besprechung der Widerstandsfälligkeit der Endosporen gegen Hitze. Auch diese sind, das sei vorweggenommen, im durchfeuchteten Zustand durch hohe Temperaturen viel leichter ab- zutöten als im trockenen. Die Sporen des Bac. carotarum gehen im nassen Zustand in W^asser von 100 Grad nach 5 bis 6 Minuten zu- erande, im trockenen Zustand bei 120 Grad erst nach 4 Stunden. Will man angetrocknete Sporen unbekannter Arten sicher abtöten, so wird man sie etwa eine halbe Stunde lang auf 150 Grad erhitzen müssen. Betrachten wir einige weitere Zahlen- und Zeitangaben^), wobei wir möglichst zuverlässige herausgreifen. Die Sporen von Bac. mycoide^ «cehen in Wasser von 100 Grad nach 9 bis 10 Minuten, in Wasser von 80 Grad nach 7 bis 8 Stunden zugrunde. Für Bac. coliaerens lauten die gleichen Zahlen 5 Minuten bzw. 8 Stunden. Für Bac. ruminatus 4 bis 5 Minuten bzw. 9 bis 10 Stunden. Für Bac. suhülis 3 bis 4 Stun- den bzw. 74 bis 75 Stunden. Sehr widerstandsfähig sind u. a. die Sporen Ton Bac. cylindricus und iostus, deren Sporen in Wasser von 100 Grad erst nach etwa 20 Stunden abgestorben waren. Auch die Sporen jener oben (S. 211) genannten Semiklostridien waren in Wasser von dieser Temperatur nach 10 Stunden noch nicht alle tot. Als allgemeine Regel liat sich bis jetzt wohl nur die eine aufstellen lassen, daß Sporen aus der Gattung Bacillus bei solchen Arten, deren Temperaturmaximum der vegetativen Zellteilung recht hoch, über 60 Grad liegt, ebenfalls sehr resistent gegen Hitze sind, ohne daß genaue Proportionalität bestände zwischen jenem Maximum und der Tötungszeit. Wir verweisen auf die folgende Tabelle, die Minimum, Optimum, Maximum des vegetativen Wachstums, sowie Tötungszeit der Sporen im kochenden Wasser für 10 (noch nicht benannte) tropische (javanische ) thermophile Bacilli gibt.-) 1) Blau, 0., B. C. II, 1906, Bd. 15, S. 97. 2) de Kruyff, E., B. C. II, lUlO, Bd. 26, S. 65. Benecke: Bau u. Lebeu der Bakterien. 17 258 IX. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. No. 1 Minimum Optimum Maximum Tötungszeit in koch. Wasser 37« 60» 70» 5V. — 6 Stunden ' o 45" 65» 73» 6 "..-7 3 38» 60» 70» 6% „ i 4 43» 63» 72» 8 5 39» 60» 67» 6".. „ 6 35» 65» 73» 4\ „ 7 35» 55» 70» ö',-0 ^ 3y» 58» 70» 7% ., ! 9 38» 60» 67» 7 10 3S'> Cd" CS" ■'' Für Sarcina ureae, deren vegetative Zellen im tlurclifeuchteteu Zu- stand bei 100 Grad nach weniger als 30 Sekimdcu, bei 80 Grad nacli ca. 2 Stunden absterben, finden wir angegel)en, daß die Sporen bei lUO Grad nach etwa o Minuten, bei 80 Grad nach knapp 2 Stunden tot sind. Hier zeigte sicli auch, daß starke Erwärmung, auch wenn sie den Tod iiocb nicht herbeifülirte, doch Ijewirkt, daß die Sporen verzögert aus- keimen; denn Sporen der genannten Sarciua hatten sich bis zu einer mit bloßem Auge sichtbaren Kolonie nach 2 Tagen, wenn sie 30 Sekunden, erst nach ö Tagen, wenn sie 2 Minuten erhitzt worden waren, entwickelt. V> Bei diesen Bestimmungen der Tötungszeiten durchfeuchteter Sporen ist immer angenommen, daß dieselben in Wasser liegen. Falls sie sich in Lösungen irgendwelcher Stoffe, z. B. solchen, die alkalisch oder sauer reagieren, auch alten Nährlösungen, befinden, so kann dadurch die l'ötungszeit beträchtlich herabgesetzt werden. Auch dürfen nur voll ausgereifte Sporen, die unter gleichen und genau defijiierten Be- dingungen gebildet sind, am besten von solchem Material, das schon längere Zeit unter diesen gleichen Bedingungen gezüchtet worden ist, benutzt und miteinander ver<;lichen werden. So <>elancrt mau zu obigen Werten, die ihrerseits wegen der individuellen Schwankungen nur Durchschnittswerte aus vielen Einzelmessungen sind. Aber selbst, wenn man die obengenannten Vorschriften innehält, gelangt mau manchmal nicht zu brauchbaren Durchschnittswerten, da die Einzelbestimmungen zu sehr schwanken. So z. B. beim Buc. asterosporus. Hier zeigte sich bei einem genauen Vergleich vieler Stämme (Einzell- kulturen), daß die Tötuu.g6zeit zwischen 2 und 3 Minuten und IG — 18 Mi- nuten in Wasser vou 100 Grad schwankt. Auch geliugt es vorläufig aus gleichem Grunde nicht, für Bac. anujluhacter die Tötuugszeit ganz be- stimmt festzulegen. Nur soviel war sicherzustellen, daß sie bei 100 Grad höchstens 5 Minuten beträgt, bei 80 Grad nicht mehr als 1 Stunde.^) 1) Ellis, U., B. C. I, Gr. 1903, Bd. 33, S. 1. 2) Bredemann. G., a. a. 0. Tötungszeiten verschiedener Sporen. 259' Trotz dieser erheblichen Schwankungen haben wir die obigen Zahlen wiedcrgegel)eu, weil sie ein sehr anschauliches Bild von der hohen Resistenz der Sporen geben. Ihr Charakter als Durchschnitts- werte darf aber nie vergessen werden. Aus diesem Grund haben wir oben schon darauf hingewiesen, daß die Tötungszeiten als Merkmale zur Artunterscheidung in einigen Fällen auf Grund sehr reicher Erfah- rung zu verwenden sind, bei vielen Arten aber zweifellos ganz versao^en. Um eine Vorstellung davon zu geben, wie man die Kardinalpunkte der Temperatur für verschiedene Funktionen in bestimmten Fällen zur Unterscheidung von Arten verwerten kann, seien die auf S. 220 schon gegebenen kurzen x4.usführungen über diesen Punkt nun noch durch ein etwas größeres Zahlenmaterial ergänzt. Wir hörten schon, daß die Sporentötungszeit des Bac. oocalaticus in Wasser von 100 Grad 1 bis 2 Minuten beträgt, des Bac. rummatus aber 4 bis 5 Minuten. Das Temperaturmaximum der Sporenkeimung- liegt für oxalaticus bei 46 bis 47 Grad, für rnminatus bei 47 bis 50 Grad. Das Optimum der Keimung für oxalaticus bei 35 bis 39, für rnminatus: bei 35 bis 37 Grad. Endlich das Maximum der Sporenbildung für oxalaticus bei 39 bis 41, für ruminatns bei 41 bis 45 Grad. Da außer- dem, wie wir schon (S. 219) hörten, bei niminatus die MntterzeWmemhran eine Sporenhülle bildet, bei der andern Art nicht, so hält man beide für verschiedene Arten. — Wie schließlich die Entscheidunsf fallen wird,. ist zweifelhaft, da es sich bei einer Bearbeitung der „Formen" des Bac. amylohacter gezeigt hat, daß diese Merkmale nicht zur sicheren Ab- grenzung von Arten ausreichen. Solche Bestimmungen sind aber unter allen Umständen äußerst wertvoll, da sie erst eine sichere Grundlage schaffen für die Beurteilung derartiger Fragen und erhoffen lassen, daß man bald wird schärfer sehen können als jetzt. So wird die überaus große Arbeit, die diesen Beobachtungen zugrunde liegen, nicht umsonst gewesen sein, selbst wenn sich mit der Zeit zeigen sollte, daß die daran geknüpften Folgerungen der Korrektur bedürfen. Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Tötungszeiten der verschiedenen Sporen! Empirisch festgestellt sind zunächst die großen Differenzen in der Sporentötungszeit, und da erhebt sich naturgemäß die Frage, worauf dieselben beruhen. Man könnte an die Qualität der Sporenmembran denken; wenn man aber sieht, daß die Subtil is-'Spoven bei 100 Grad erst nach 3 Stunden, die Sporen von Bac. Ellcnhachensis schon nach 2 bis 27, Minuten abgetötet werden, daß aber das Mikroskop keinen Unterschied im Aussehen beider erkennen läßt, so wird die An- nahme unwahrscheinlich, daß wechselnde Qualität der Haut die so sehr verschiedene Widerstandskraft der Sporen bedingt; zudem ist es, wie 11* 260 I^- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. früher ausgeführt wurde, überhaupt nicht recht einzusehen, wie ein Quali- tätsunterschied in der Membran das von ihr umhüllte Protoplasma mehr oder minder gegen Tod durch Erhitzen schützen sollte. So ist denn die Resistenz der Sporen gegen hohe Temperaturen zweifellos auf eine Eigenschaft des Protoplasmas zurückzuführen, die Tötung auf einen uns noch unbekannten Vorgang, eine Veränderung im Protoplasma. Doch kann der Vorgang nicht bei allen Arten ganz gleich sein, das zeigt die spezifisch verschiedene Resistenz; sodann die Beol)achtung, daß das Verhältnis der Tötuugszeiten der Sporen verschiedener Arten bei ver- schiedenen ultramaximalen Temperaturen sehr verschieden ist. Sporen des Bar. suhtiJis sterl)eu bei 100 Grad in 3 Stunden, l)ei 80 Grad in 75 Stunden, das Verhältnis der Zeiten ist 1 : 25. Die Sporen von Bac. Elleuhachmsis sterben bei 100 Grad in 2 Minuten, bei 80 Grad in 7 Stunden, das Verliältnis ist 1 : 200. Diese Verhältniszahlen zeiiren weiter, daß der Tod durch hohe Temperatur nicht beruht auf Beschleuni- gung einer jederzeit im Protoplasma verlaufenden Reaktion, denn sonst müßte nach der van't Hoffschen Regel, die besagt, daß Steigerung der Temperatur um 10 Grad die Reaktionsgeschwindigkeit verdoppelt, im Vergleich mit der Tötungszeit bei 80 Grad, die bei 100 Grad größer sein, als sie gefunden wird. Nun erhebt sich die Frage, ob die Todes- verschiedenen Arten vielleicht eine prinzipiell gleiche, nur graduell ver- ursache bei den schiedene ist. Das würde mau wohl mit Wahrschein- lichkeit annehmen können, wenn sich eine die Tötungszeit aller S])oreu ))etretfende Gesetzmäßigkeit auffinden ließe, und wir können nun zei<»'eii. daß es in der Tat gelungen ist, auf diese Weise etwas Ordnung in das Zahlenchaos zu bringen; es handelt sich allerdings um einen ersten Ver- such.^) Faßt man nämlich die Tötungszeiteu der Sporen ein und der- selben Art bei verschiedenen Temperaturen ins Auge, so ergibt sich die Gesetzmäßigkeit, daß die Tötungszeit annähernd in geometrischer Progression sinkt, wenn die Temperatur in arithmetischer Progression wächst. Dies ist bis jetzt für drei Arten, Bac. suhülis. rohttr, sowie einen „roten Kartoffelbazillus" mit ziemlicher Sicherheit festzu.stelleu gewesen. Bestimmt man nämlich die Tötungszeiten bei mehreren supramasi- malen Temperaturen und berechnet mau dann aus zweien dieser ge- fundenen Zeiten die anderen unter Zugrundelegung jener Gesetzmäßig- keit, so findet man, daß die gefundeneu und die berechneten Werte so gut stimmen, als das zu erwarten ist. Man vergleiche die folgende kleine Tabelle. 1) Meyer, Arth., Ber. d. bot. Ges. 1906, Bd. 24, S. 340. Gesetzmäßigkeiten, welche die Tötungszeit betierten. 261 Tötungszeiten B. subtiUs B. r beobaehtet berechnet beobachtet obur berechnet 110« 120° 130" 140^^ 38' —39' 7,5'— 8' 2' — 2,5' 25" —30" 36' 7,2' 89" 22" 7'— 8' 48'— 50" 12"— 14" 5,2' ' 50,8" 11,8" Es ist keine Frage, daß auch diese Untersuchungen durch die oben genannte individuelle Differenz in der spezifischen Widerstandskraft der Sporen aufs äußerste erschwert werden. Sie sind aber von großem Interesse, weil sie zeigen, auf welch überraschenden Wegen die Bak- teriologie in diesen schwierigen Fragen vorwärtszudringen gezwungen ist, und auch deshalb, weil die Resultate solcher Berechnungen dermal- einst auch für die Praxis von Bedeutung werden könnten. Denn falls es gelino-en sollte nachzuweisen, daß diese gesetzmäßio-en Beziehungen zwischen den Tötungszeiten einer Art bei verschiedenen Temperaturen allgemein vorhanden sind, — es bedarf ja kaum des Hinweises, daß das noch für viele andere Arten erst ermittelt werden muß, so kann man, wenn man einmal für eine Art zwei Tötungszeiten ermittelt hat, die anderen einfach berechnen. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Daß man dann aus den Tötungszeiten bei zwei supramaximalen Tempera- turen gleichfalls die ultramaximale Temperatur berechnen könnte (in praxi die Temperatur, bei der die Tötungszeit eine Sekunde beträgt) ist ohne weiteres klar. — Beschließen wir nun diese Ausführungen über die Beziehungen der Bakterien zur Temperatur mit einem Ausblick auf höhere Gewächse, soweit extreme hohe Temperaturen in Betracht kommen! Die obere Temperatargrenze des Wachstums höherer Wesen pflegt zwischen 30 und 40 Grad zu liegen, seltener erst bei 45 Grad; thermophile Formen fehlen also bei hoch organisierten Pflanzenfamilien. Außer bei den Bak- terien gibt es offenbar überhaupt nur wenige thermophile Wesen, so einige höhere Pilze, blaugrüne und andere Algen. Was die Tötungstemperatur angeht, so gelten vielfach die Sporen der Bakterien für Gebilde, mit deren Widerstand sich keine anderen pflanzlichen Organe messen könnten. Immerhin finden wir doch An- gaben, daß gewisse Samen oder Früchte höherer Pflanzen sehr wider- standsfähicp gegen Erhitzen sind. Gründlich getrocknete Getreidekörner vertragen stundenlanges Erhitzen auf 100 — 110 Grad. ^) Die Samen 1) Fischer, Alfr.. Vorl üb. Bakt., S. 108. 262 IX. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. einiger Arten des Schneckenklees ^), Medicago, vertragen zum Teil eine trockene Hitze von lOO Grad während 17 Stunden, eine solche von 120 Grad während einer halben Stunde. Ja, sogar siebeneinhalbstündige Behandlung mit Wasser von 98 Grad oder halbstündio-e mit Wasser von 120 Grad war noch nicht imstande, alle abzutüten, vielmehr über- dauerten einige auch diese Behandlung. Der Widerstand gegen heißes Wasser beruht wesentlich darauf, daß diese Samen „hartschalig" sind, darum Wasser durch die Schale nur sehr schwer hindurchdringen kann. Etwas eingehender müssen wir die Beziehungen der Bakterien zum Gehalt des sie umgebenden Mediums am freien Sauerstoff behandeln, in welcher Hinsicht dieselben ja ebenfalls ganz verschiedene Ans])rüchc stellen. Das gilt bis zu einem gewissen Grad auch von den höheren Pflanzen, die einen sind empfindlicher, die anderen weniger em])findlieh gegen starke Veränderungen im Sauerstoffgehalt der sie umgebenden Luft. Und es gelingt auch bei diesen bis zu einem gewissen Grad, die Unter- schiede, die das physiologische Experiment verrät, verständlich zu machen mit der Eigenart der natürlichen Standorte. Wurzeln von Sumpfpflanzen vertragen den Sauerstoffmangel schon eher als Wurzeln solcher Gewächse, die dürren, durchlüfteten Heideboden bewohnen, aber ungleich viel auffallender sind doch bei S])altpilzen die Unterschiede ausgeprägt; zumal ist zu betonen, daß keine andere Pflauzensippe Arten umfaßt, die dauernd ohne jegliche Spur von Sauerstofl' leben können. So ist denn, seit man vor reichlich einem halben Jahrhundert zum ersten- mal einen luftscheuen Spaltpilz beschrieb, über die Beziehungen der Bakterien zum Sauerstoff' der Luft sehr viel und liäuflg gearbeitet worden, und es macht sich zumal neuerdings eine Vertiefung des Problems da- durch geltend, daß man mehr und mehr versucht, es von der quantita- tiven Seite zu packen. Gemeiniglich teilt man die Bakterien mit Rücksicht auf ihr Sauer- stoffbedürfnis in drei biologische Gruppen ein: Die „aeroben" die „anaeroben" und die „fakultativ anaeroben". Die erstgenannten ver- mögen nur bei Sauerstoffzutritt zu gedeihen, die anaerobeu im Gegen- teil wachsen nur ohne Sauerstoff, die fakultativ anaeroben endlich ge- deihen sowohl ohne Sauerstoff', wie bei Sauerstoff'zutritt. Bei diesen letzteren liegt in der Bezeichnung darin, daß sie besser bei Sauerstoff- zutritt fortkommen als ohne Sauerstoffzutritt. FaUs man Spaltpilze 1) Scbneider-Orelli, 0., Flora, 1910, Bd. 100, S. 305. Aerobe, anaerobe, fakultativ anaerobe Bakterien. 263 laude, die ohne Sauerstoff besser als mit Sauerstoff gedeihen, so wäre für diese die Bezeichnung- ^^fakultativ aerobe" geboten. Unter Sauer- stott' ist hier, wie auch im folgenden natürlich, freies Sauerstoffgas zu verstehen. Diese Einteilung kann a])er nur für die erste Orientierung aus- reichen, für diese allerdings recht gut, und wir werden auch in dem Verlauf unserer Darstellung diese Bezeichnungen vielfach anwenden müssen. Doch sehen wir, welche weitere Fragen sich hier anschließen: Zuerst wohl die Frage, ob die Aeroben durch Sauerstoffmano-el in ihren Lebensfunktionen nur gehemmt oder ob sie getötet werden, und ferner, ob umgekehrt die Anaeroben durch Luftzutritt nur am Wachsen ver- hindert oder ob sie geschädigt werden, Fragen, bei deren Beantwortuncj natürlich auch die Zeitdauer der Einwirkung mit berücksichtigt werden muß. Was die erstere Frage angeht, so weiß man, daß viele Aerohen im luftleeren Raum nicht sofort ersticken, vielmehr ihre Lebensäuße- rungen einstellen und längere Zeit, oft viele Wochen lang, ein latentes Leben führen, um sofort bei Luftzutritt wieder zu erwachen. Sjnril- him nihriüu'^) stirbt im luftleeren Raum nach drei Wochen ab. Aus- reichende Untersuchungen über diese Frage liegen allerdiuo-s nicht vor. Sporen dürften gegen Sauerstoffmangel auf die Dauer unempfindlich sein. (Vgl. auch Kap. XIV.) Was den Erfolg des Luftzutritts auf vegetative Zellen der Anae- roben betrifft, so fand man andererseits, daß sie nicht bloß gehemmt, sondern nach recht kurzer Zeit getötet werden können, z. B. ging jener Spaltpilz, an dem man zuerst anaerobes Leben nachwies, schon durch zweistündige Lüftung der Kulturflüssigkeit zugrunde; die Zellen einer später isolierten, streng anaeroben, als Bacillus hutyrirus bezeichneten Form, gingen nach fünfzehnstündiger Lüftung zugrunde, ein großer Teil derselben erwies sich schon früher als geschädigt. Hier wirkt also die Luft als Gift; zulängliche Untersuchungen fehlen aber auch in dieser Frage. Nur soviel sei hier noch erwähnt, daß die Sporen von anaerobeu Artengegen Sauerstoftzutritt ganz unempfindlich sein dürften. Wenigstens hat man die Sporen des Bac. amylohactcr während 15 Wochen in einer Luft gehalten, die 25 Gramm Sauerstoff im Liter enthielt, d. h. in Sauerstoff, der unter einem Druck von 20 Atmosphären stand, ohne daß Schädigung eingetreten wäre.-) Die Sporen des vorher genannten „Bac. htifyriciis" waren nach 265-tägigem Liegen an der Luft „abge- schwächt", nicht getötet. Ob dabei aber wirklich der Sauerstoff' schä- digend wirkte, entzieht sich meinem Urteil. 1) Vahle, E., B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 78. 2) Bredemann, G., B. C. II, 1909, Bd. 23, S. A. 261 IX- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. Wir haben nun weiter zu beachten, daß die Einzelfunktionen der Zelle nicht in gleicher AVeise vom Siiuerstoö'zutritt abhängen. Zell- teilung, Sporenbildung, Beweglichkeit, Farbstotfbildung, Euzymproduk- tion, haben alle ihr Sonderverhältnis zum Sauerstoff. Es ist oben schon erwähnt worden, daß die Sporenbildung der Anaeroben bei reichlicherem Sauerstoftzutritt erfolgen kann als die vegetative Zellteilung, und einige andere Beispiele werden wir nachher zu erwähnen haben. Endlich ist noch darauf hinzuweisen, daß das Maß des Sauerstott- bedürfnisses auch abhängt von der sonstigen Lebenslage, zumal der Ernährung. Es wird später (Kap. XIV) noch die Rede davon sein müssen, daß das Leben ohne Sauerstoff' vielfach nur bei Zufuhr bestimmter guter Nährstoffe, die für diesen Zweck taugen, möglich ist. Zumal Zuekerarten sind tür diesen Zweck geeignet. Besonders bei den fakul- tativ Anaeroben ist es häufig leicht zu beobachten, daß sie bei Sauer- stoffzutritt weniger große Ansprüche an die Qualität der Nahrung stellen als bei Sauer.stoffentzug. All das Erwähnte würde aber noch nicht gegen jene Einteilung in Aerobe, fakultativ Anaerobe und Anaerobe sprechen, sondern nur zeigen^ daß sie die Frage nicht erschöpft; was man mit Recht') dagegen ein- gewendet hat, ist vielmehr, daß sie nur mit Sauerstoffmangel einerseits. Sauerstoffzutritt andererseits rechnet, ohne die Menge des zutretenden Sauerstoffs genauer zu präzisieren. Häufig wird in der obigen Einteilung statt „Sauerstoff^' auch „Luft" gesagt, dann wird zwar die Sauerstottkonzentration festgelegt, aber unter den verschiedenen möglichen diejenige willkürlich herausgegritt'en, die in der Atmosphäre vorhanden ist. Und doch muß sowohl der Labora- toriumsphysiologe wie auch der Biologe, der die natürlichen Standorte im Auge hat, daran denken, daß für das Bakterienleben, z. B. in Sümpfen, auch geringere Sauerstottkonzentrationen, als sie in der Luft vorliegen, von Bedeutung sind, und der erstere wird sich auch für die Frage interessieren, wie höherer Sauerstottgehalt reiner Sauerstoff', sogar solcher, der unter dem Druck von mehr als einer Atmosphäre steht, wirkt. Der erste sichere Beweis für die Richtigkeit der Überlegung, daß man die Abhängigkeit der Bakterien vom Sauerstoff' als quantitatives Problem auffassen müsse, wurde mit der Entdeckung geliefert, daß Schwefelbakterien, Beggiatoen, ihr Sauerstoffoptimum bei einer niedri- geren Konzentration als derjenigen der Atmosphäre haben, durch abso- luten Sauerstoffmangel aber getötet werden.-) Es folgten^) Untersuchun- 1) Art haar Meyer. 2) Winogradskj, S., Bot. Ztg. 1887, Bd. 45, S. 489. 3) Beijerinck, M. W., B. C. 1893, Bd. 14, S. 827. Einfluß der Sauerstoffkonzentration. 265 gen, die nachwiesen, daß bewegliche Bakterien sich an solchen Stellen der Präparate ansammelten, an denen sie ihnen zusagende Mengen von Sauerstoff, je nach der Art bald mehr, bald weniger vorfanden; und es schlössen sich dann ') endlich Untersuchungen an , die mit einer be- stimmten, zahlenmäßig festgestellten Sauerstofikonzentration rechneten und die Abhängigkeit des Bakterienlebens von der Sauerstoflkonzon- tration in Form einer Kurve mit den drei bekannten Kardinalpunkten darzustellen suchten. Wie wir nachher noch im einzelnen verfolgen werden, wurde dabei zunächst ermittelt, daß die anaeroben Arten ein spezifisch verschiedenes, naturgemäß recht tief liegendes Maximum der Sauerstoffkonzentration besitzen, daß aber auch aerobe Formen {Bac. siibtüis) eine obere Grenze der zulässigen Konzentration dieses Gases haben. Weitere Untersuchungen ergaben, daß man für die verschiedensten Arten ein Minimum und Maxi- mum der Sauerstofikonzentration nachweisen kann, und daß die Lao-e dieser Punkte sowie ihr Abstand, die sog. Sauerstofflatitude der betr. Art, sehr verschieden ist. Gleichzeitig, z. T. auch schon vorher, wurden Stimmen laut, die sagten, daß die Lage des Maximums und Minimums sich mit den Lebensbedingungen verschiebt, ja sogar, daß so starke Angewöhnungen an höhere Sauerstoffkonzentrationen stattfinden könnten, daß Arten, die man sonst zu den anaeroben rechnet, sich der aeroben Lebensweise anpaßten. Wie weit das wirklich nachgewiesen ist, dar- über später. Im Laufe der eben geschilderten Entwicklung der Kenntnisse von den Beziehungen der Bakterien zum Sauerstoff tauchte dann noch eine weitere Meinung auf, die manchen Anhänger gefunden hat und die wir hier kurz besprechen wollen. Aus gewissen Beobachtungen zog man nämlich den Schluß, daß die sog. Anaeroben de facto diesen Namen zu Unrecht trügen, nämlich Aerobe seien, die aber nur geringe Sauerstoft- mengen vertrügen, diese jedoch unbedingt nötig hätten. Sie seien „mi- kroaerophil'^-j im Gegensatz zu den Aeroben, die besser als „makro- aerophil'^ zu bezeichnen seien. Dieser Anschauung liegt eine Wahrheit und ein Fortschritt gegen vorher zugrunde, die Erkenntnis eben, daß man nicht die Antithese: „Sauerstoff''^ — „kein Sauerstoff" machen dürfe, sondern fragen müsse: wieviel Sauerstoff? Ln übrigen hat sie sich aber nicht betätigen lassen, denn es ist ganz sicher bewiesen, daß es anaerobe Bakterien gibt, die ohne jede Spur von freiem Sauerstoff' 1) Ghudjakow, X. v., B. C. II, 1898, Bd. 4, S. 389; Porodko, Th., Jahrb. f. wiss. Bot. 1904, Bd. 41, S. 1; Meyer, A., B. C. I, Or. 1909, Bd. 49, S. 305. 2) M. W. Beijerinck. 266 I^- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. leben können. Dies wurde zuerst wohl ermittelt in einwandfreier Weise an Kulturen des Clostridium P((stci(tiiinui>i (1>((C. (iniyJobddrr), das in einer Nährlösung, durch welche ein Strom von verläßlich reinem Stick- stoff geleitet wurde, gezüchtet wurde und gut gedieh. Neuerdings hat man^) das z.B. auch für den fak. anaeroben Biv. asterosporus mittels einer interessanten Technik über allen Zweifel erhoben, gleiclizeitig die Möglichkeit eines beliebig langen Lebens ohne Sauerstoff bewiesen. Mehrere, durch seitlich angeschmolzene Glasröhrclien miteinander ver- bundene Reagensröhrchen wurden mit Nährlösung beschickt, deren Niveau die Ansatzstellen jener Seitenröhrchen nicht erreichte. Das erste Keagensrohr wurde mit dem genannten llacillus beimpft, der ganze Apparat nach außen dicht verschlossen, z. B. zugeschmolzen bis auf ein kleines Röhrchen, durch das die Luft aus dem Innern ausge- pumpt, und das dann zugeschmolzen wurde. Auch durch geeignete chemische Mittel, auf die wir nachher noch zu sprechen kommen, wurde in anderen Fällen der Sauerstoff entfernt. Bald entwickelten sich die Bakterien im ersten Röhrchen, durch leichtes Neigen des kleinen Apparats konnte dann leicht durch das seitliche Röhrchen ein Tröpfchen aus dem ersten in das zweite bis dahin sterile Reagensröhrchen gebracht werden, daim aus diesem, sobald sich darin eine Vegetation entwickelt hatte, in das dritte usw. So konnten beliebig viele „Generationen" gezüchtet werden, ohne daß inzwischen auch nur die geringste Spur Sauerstoff hätte zutreten können. Die Bakterien entwickelten sich im letzten Röhrchen ebenso schnell und ebenso kräftig wie im ersten. Das zeigt also, daß anaerobe und auch fak. anaerobe Spaltpilze auf die Dauer ohne Luft leben können (zureichende Nährstoffzufuhr vorausgesetzt). Dieser Nachweis ist von Bedeutung, weil auch die Meinung verfochten worden v/ar, daß die anaeroben und zumal die fak. anaeroben nur temporär anaerob seien, also von Zeit zu Zeit Avieder der Auffrischung durch Luftzutritt bedürften. Auf gleiche Weise konnte sodann auch gezeigt werden, daß solche fak. anaerobe, die bei Luftzutritt unbedingt besser gedeihen als ohne Luft {Bad. coli), eben- falls beliebig lange Zeit im sauerstofffreien Raum gezüchtet werden können.^) Wir wenden uns nun jenen exakten Versuchen über die Abhängig- keit der Spaltpilzarten, und zwar bestimmter Lebenserscheinungen von der Sauerstoffkonzeutration zu.^) 1) Kürsteiner, J., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 1. 2) Burri, R , B. C. II, 1906, Bd. 17, S. 804. 3) Mejer. Arthur, B. C. I, Or., 1909, Bd. 49, S. 305. Minimum, Optimum, Maximum der Og -Konzentration. 267 Am besten uud, wie wohl wir sagen dürfen, fast unverdient gut, wenn wir die vollkommen mangelhaften Kenntnisse bei anderen Arten vergleichen, sind in dieser Beziehung verschiedene Arten der Gattung Bacillus untersucht, und zwar hauptsächlich die Abhängigkeit der Sporenkeimung oder, was ziemlich auf dasselbe hinauskommt, des vege- tativen Wachstums der Zellen vom Maße des Sauerstoffzutritts. Die Sporenbildung zeigt durchgängig ein anderes Verhalten, wir werden darüber nachher noch einiges hören. Die Sporen der zu den Versuchen herangezogenen Arten befanden sich dabei auf der Oberfläche eines mit Zucker versetzten Nähragars, also unter genau delinierten, identischen Bedingungen. Beginnen wir mit dem Typus, der z. B. durch Bac. amylohacter vertreten wird, also einem „anaeroben" Spaltpilz. Wie wir soeben gehört haben, fehlt hier ein Minimum, er gedeiht bei 0 Gramm Sauerstoff im Liter. Das Maximum liegt bei 25 Milligramm Sauerstoff' im Liter. Das Optimum bei einer so geringen Sauerstoffspannweite festzustellen, stößt begreiflicherweise auf Schwierigkeiten. Als zweites Beispiel behandeln wir einen „fak. Anaeroben", und zwar den Bac. asferosponis. Auch hier fehlt, wie oben schon gesagt, das Minimum. Das Maximum liegt aber sehr hoch, nämlich bei 5600 Milli- gramm im Liter. Ein höheres Maximum ist bisher bloß bei einer ein- zigen anderen Art, dem Bac. parvns, gefunden worden: Bac. asterosporus hat also eine verhältnismäßig enorme Spannweite. Das Optimum liegt für asterosporus bei 100 Milligramm im Liter, d. h. also Aveit unter dem Sauerstoffgehalt der Luft, welche bei 18 Grad und 750 Millimeter Druck 276 Milligramm Sauerstoff' im Liter führt. Auch andere fak. anaerobe Arten haben, früheren Angaben zufolge, ein sehr hohes Sauerstoffmaximum ; sie sollen größere Sauerstoffmengen vertragen als Aerobe.^) Es folgen nun in analoger Weise einige Beispiele für verschiedene „aerobe" Typen. Bac. mycoides. Minimum bei 4Vo7 Optimum bei 70, Maxiraum bei 1340 Milligramm Sauerstoff im Liter. Hier liegt also das Optimum auch weit unter Atmosphärendruck. Hieran schließt sich eine Aerobengruppe, deren Optimum bei At- mosphärendruck liegt, z. B. Bac. parvus, dessen Minimum bei 3, Op- timum bei 276 und Maximum bei 5690 mg im Liter liegt. Oder auch Bac. carotanun, mit einem Minimum bei 7, Optimum bei 276 und Maximum bei 2160 mg im Liter. Endlich kommt eine Aerobengruppe, deren Optimum noch höher liegt, und zwar so hoch, daß sie es in 1) Porodko, Tb., Jahrb. f. wiss. I3ot., VM)\, Bd. 41, S. 1. 2G8 I-^- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. natura uie erreichen können. Hierher der Bac. snht'di^, dessen Kardinal- punkte bei 4V2, -lOU und 4320 lug im Liter liegen, oder Bac. lacfis, dessen Minimum bei 20 mg (also verhältnismäßig hoch), Optimum bei 400 und Maximum bei 1330 mg im Liter sich befindet. Zu beachten ist bei dem letzgenannten die verhältnismäßig geringe Latitude der Sauer- stoffspannung. Ein Rückblick auf diese Aeroben zeigt uns, daß es eine recht bunte Gesellschaft ist. Was das Minimum angeht, so kann man zwar sagen, daß die meisten zur Not mit recht geringen Sauerstoffmengeu auskommen. B((c. lactis ist schon auffallend anspruchsvoll in der Beziehung. Sonst kommen recht anspruchsvolle Aerobe, z. B. Ba( . tiimci>cc)is oder silva- ticiis, wie hier noch nachgetragen sei, mit etwa 10 mg im Liter aus. Das Optimum liegt aber sehr verschieden, entweder unter, bei oder über dem Sauerstoffgehalt der Atmosjihäre; auch über das Maximum ist Allgemeingiltiges nicht zu sagen. Von nicht sporentragenden Formen sind noch Spin'Iluin vißhtfaiis und nthrn»! untersucht.^) Bei SpiriUuvi vohitans liegt das Minimum zwischen 1 und 5 mg, das Optimum reicht von 70 mg bis etwa zum Atmosphärendruck, das Maximum ist mit ö Atmosphären noch nicht er- reicht. Das Minimum für SpirUlum ruhrum liegt tiefer, nämlich zwischen Yo und 1 mg, das Optimum fällt mit dem von SpiriUnm vohilans zu- sammen, das Maximum ist mit 5 Atmosphären schon überschritten. Diese Zahlen gelten für das vegetative Wachstum dieser Schraubenbakterien auf sog. Spirillenagar — (ein Agar, der im Liter Fleischwasser je 1 Gramm Pepton, Ammoniumsulfat und Kaliumnitrat enthält). Sonst liegt für nicht sporenführende Bakterien brauchbares Zahlenmaterial kaum vor. Wir erwähnen noch, daß für den Choleravibrio das Optimum oberhalb des Sauerstotfgehaltes der Luft liegt.-) Jetzt, nach Kenntnisnahme dieser Daten, können wir auch erst sanz klar auseinandersetzen, was wir oben schon andeuteten: Warum die Definition der Aeroben, Anaeroben und fak. Anaeroben als Formen, die Sauerstoff bedürfen, ohne Sauerstoff leben müssen, und mit wie ohne Sauerstoff leben können, nicht ausreicht. Wir können nach dieser Definition keine scharfe Grenze ziehen zwischen Anaeroben und fak. Anaerobeu, weil eben alle Anaeroben gleichzeitig fak. anaerob sind, wenn sie gleich nur eine geringe Spannweite, d. h. ein tiefliegendes Maximum haben. Anaerobe, die durch die geringsten Spuren Sauerstoff am Leben gehindert werden, „obligat Anaerobe'" in der strengsten Bedeutung^ des 1) Vahle, E., B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 78. 2) Süpflc, K, B. C. I, Or., 1910, Bd. 53, S. 309. Aerophile und aerophobe Bakterien. 269 Wortes, sind bislang nie nachgewiesen, und es ist sehr zweifelhaft, ob sie überhaupt existieren. So muß nuiu denn jene Definition anders zu fassen suchen, und zwar etwa folgendermaßen^): Anaerob sind solche Spaltpilze, die kein Sauerstoffminimum und ein tief lieo-endes Maximum, etwa bei 50 mg Sauerstoff im Liter haben. Fakultativ anaerob diejenigen, denen ein Minimum ebenfalls fehlt, deren Maximum aber höher, sagen wir min- destens beim Sauerstoffgehalt der Atmosphäre liegt. Aerob sind dann alle Arten, die ein oft recht tiefliegendes Minimum besitzen, deren Maximum aber ganz verschieden liegen kann; in dieser Hinsicht ist nur soviel zu sagen, daß aerobe Arten, deren Maximum unterhalb des Sauerstoffgehaltes der Atmosphäre liegt, bis dato noch nicht nachgewiesen werden konnten. Auf Berücksichtigung des Optimums verzichten wir bei dieser Einteilung. Bei den Aeroben ist ein solches vielfach leicht nachweisbar; vgl. die oben angeführten Zahlen; bei den fak. Anaeroben (z. B. B. astero- ■sporus und Bad. coli) liegt es nicht bei Sauerstoff -Null, sondern bei einer bestimmten Sauerstoff konzentration; ob es fak. Anaerobe mit dem Optimum bei völligem Sauerstoffmangel gibt, ist nicht bekannt; diese wären richtiger als fak. aerob zu bezeichnen. Wo das Optimum der Anaeroben liegt, ist z. B. an Bac. amylobader wegen der geringen Sauerstofflatitude nicht nachweisbar gewesen. Auf die Frage, ob andere Anaerobe ein Optimum bei einem gewissen, sehr kleinen Sauerstoff'druck haben, kommen wir noch zu sprechen. In dem eben festgelegten Sinn wollen war nun im folgenden die Ausdrücke aerob, anaerob, fak. anaerob gebrauchen. Die Einteilung ist klar und scharf, insofern allerdings willkürlich, als wir die Lage des Maximums bei Anaeroben und fak. Anaeroben nach Griitdünken festgelegt haben. Um diesen Mangel abzuhelfen, hat man^) vorgeschlagen, für praktische Zwecke die Spaltpilze vorläufig nur in zwei Gruppen zu teilen, deren Grenze zwar auch willkürlich, aber doch in biologischer Hinsicht recht zweckmäßig festgelegt wird, nämlich beim Sauerstoff- gehalt der Luft, und zwar nennt man nach diesem Vorschlag „aerophil" die in Luft gedeihenden Formen, während „aerophob'^ solche heißen, die in Luft nicht zu wachsen vermögen, weil ein Gehalt von 276 mg Sauerstoff" im Liter ihnen schon zuviel ist. Wenn wir gleichwohl fiirderhin doch auch die drei andern, vorher genannten Bezeichnungen anwenden werden, so hat das einen triftigen Orund, den wir am besten an einem Beispiel klar macheu können: 1) Althur Meyer. 270 IX. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, I. „Aerophil" sind sowohl Bac. astrrosporiis, der ganz ohne Sauerstoff ge- deihen kann wie z. B. Bac. ladis, der ein verhältnismäßig anspruchs- voller Aerober ist. Und es ist notwendig, eine kurze Bezeichnung zu haben, durch die man die verschiedenartige Beziehung zweier solcher Arten zum Sauerstoff andeutet. Wenn wir später hören werden, daß dem „fak. anaeroben'' Bac. astcrosporus die Fähigkeit, freien Stickstoff zu binden, zukommt, so wissen wir sofort, daß dieser ^\^chtige Prozeß hier mit wie ohne Sauerstoö'zutritt verläuft; aus der Bezeichnung: „aerophiler" Bac. astcrosporus können wir dies nicht entnehmen. Das einzig Richtige wäre es offenbar, jede Art nicht durch diese oder jene Bezeichnung in ihrem Verhältnis zum Sauerstoff" zu kenn- zeichnen, sondern dadurch, daß man die Lage der drei Kardiualpunkte neben ihren Namen setzt; z. B. Bac. mycoides — 4,3 + 70/1060 oder Bac. astcrosporus — 0 + 100/5600. Das Aväre aber erst dann (Uircliführ- bar, wenn die experimentelle Durcharbeitung dieser Fragen unendlich viel weiter fortgeschritten wäre, als sie es heutigentages ist. Zur Ergänzung muß nun noch folgendes ausgeführt werden: Vergleicht man die Zahlen, die wir vorhin über Spirillnm ridirnm auf Grund neuerer Angaben in der Literatur brachten, mit früheren Angaben, so wird man eine Übereinstimmung vermissen. Dies Spirillum soll nämlich früher, bald naelidem mau es eingefangen hatte, „anaerob" gewesen sein, sich aber allmählich dem aeroben Leben angepaßt haben; und auch sonst gibt es Angaben genug, denen zufolge solche Ange- wöhnung stattgefunden haben soll. Das wird z. B. für manche patho- gene Formen, den Bac. hotulinus, den Bacillus des malignen Odems und Emphysems u. a. behauptet. Ferner auch für das oben genannte „Bactrier Stoffe cjeh'lst enthält, welche die ungehinderte Aufnahme und Verwertung dieses Wassers durch die Pflan- zen unmöglich machen. Solche Stoffe können zunächst — das ist der Fall, wenn ihre Konzentration eine ziemlich beträchtliche ist — weniger durch die chemische Qualität als durch ihre Quantität, dadurch, daß sie Wasser entziehen und eine „osmotische" Wirkung (S. 81 f) ausüben, schädlich sein. Dabei kann es sich um ziemlich harmlose Stoffe handeln; in natura kommen vorwiegend Salze, wie z. B. Kochsalz, in Betracht, im Lal)oratoriumsver8Uch oder im menschlichen Haushalt auch organische Stoffe, z. B. Zuckerlösungen. Neben diesen osmotisch wirkenden Stoffen könuen aber auch solche Stoffe physiologische Trockenheit bewirken, welche durch ihre chemische Eigenschaften schädlich sind, oft schon dann, wenn sie in sehr geringen Mengen im Standortswasser gelöst sind, also Soor, oriftiore Stoff'e. Betrachten wir zunächst das Bakterienleben in Abhängigkeit von der osmotischen Wirkung des Mediums! Das Verständnis dafür haben wir uns früher durch die Behandlung der Bakterienzelle als osmotischen Svstems und durch die Besprechung plasmolytischer Erscheinungen er- möglicht ( S. 80 f.). Allbekannt ist es, daß man durch Einpökeln Fleisch haltbar machen kann; hier ist es die osmotische Leistung des Pökelsalzes, welche den dem Fleisch anhaftenden Bakterien die Vermehrung unterbindet, denn meist handelt es sich dabei nur um Hemmung; Abtötung des Bakterien- lebens erfolgt zunächst nicht oder nur in mehr vereinzelten Fällen. Aus gleichen Gründen wird Gemüse durch Salzen haltbar gemacht. Wenn Fleischextrakt nicht verdirbt, so rührt das gleichfalls daher, daß er bis zu sehr starker Konzentration der in ihm vorhandenen Muskelsalze ein- gedickt ist. Die sog. Sojasauce ^), ein vegetabilischer Fleischextrakt, seit 1) Saito, B. C. U, 1906, Bd. 17, S. 20. Physiologische Trockenheit. 283 alter Zeit l)ei den Japanern als ,,Würz- und Salzmittel" gebräuchlich, kommt in flüssiger Form in den Handel und muß aus diesem Grund sehr stark gesalzen werden, um haltbar zu sein. Derartige Lösungen geben begreiflicherweise oft sehr gute Gelegenheit, Bakterien aufzu- finden und einzufangen, die in stark salzhaltigen Lösungen noch ge- deihen können. So hat man aus Soja mehrere Formen, u. a. das Buc- teriuni Sojae und Sarc. Hamaguchiae, isoliert, die in 17prozentigen Koch- salzlösungen noch sich vermehren können, im Gegensatz zu den meisten andern Bakterien. Hier oder etwas höher, bei zirka 20 Prozent Koch- salz liegt die obere Grenze des osmotischen Druckes, die noch von ver- einzelten Spaltpilzen vertragen wird, und ihr Wachstum nicht hemmt. Weitere Untersuchuno-en zeigen aber auch hier die außerordentlich große Verschiedenheit der einzelnen Arten. Der gefürchtete, bestimmte Formen der Fleischvergiftung erregende JBac. liotulinns ist schon in Öprozentiger Kochsalzlösung vermehrungsunfähig ^); da dieser wie auch andere Bakterien gegen Säuren recht empfindlich ist, kann man oft zweckmäßigerweise Salzen und schwaches Säuern haltbar zu machender Nahrungsmittel kombinieren. — Daß mau beim Salzen vom hygieni- schen Standpunkt auch des Guten zuviel tun kann, lehrt hübsch die folgende Erfahrung: Bekanntlich salzt man auch Butter, um sie halt- barer zu machen. Immerhin dai'f man höchstens 2,5 bis 3 Prozent Salz hinzufügen, weil sonst bestimmte Milchsäurebakterien, die der Butter ein angenehmes Aroma verleihen, unterdrückt werden, statt ihrer viel- leicht sogar schädliche, höheren Konzentrationen angepaßte Formen auftreten könnten.^) Haben wir eben Beispiele von konservierender Salzwirkung be- handelt, so ist andererseits z. B. die Haltbarkeit des Sirups ein bekanntes Beispiel dafür, daß auch organische Stoffe, sobald sie in hinreichender Konzentration vorhanden sind, den Bakterien nicht verfallen. Solche hemmende Wirkung gelöster Stoffe, für welche wir einige Beispiele aus der menschlichen Praxis herausgegriffen haben, macht sich nun auch in natura geltend. Wenn die See eine teilweise andere Bak- terienflora hat als das süße Wasser, so hat das zum größten Teil darin seinen Grund. Bei dem relativ geringen Salzgehalt des Meeres wird es anderseits nicht wundernehmen zu hören, daß auch viele Bakterien des Festlandes in der See leben können und umgekehrt auch viele Formen, die man aus der See isoliert hat, in Süßwasser. Die genauere Diskussion dieser Fragen versparen wir auf später, wenn wir die Bedeutung der Spaltpilze für den Stoffwechsel im Meere eingehender behandeln werden. 1) Lehmann und Neumann, Atlas, Text S. 449. 2) Fettick, 0., B. C. II, 1909, Bd. 22, S. ;^2. 284 X. Allgemeine Lebeusbediogungen der ßakterien, II. Wir erwähnen hier nur, daß es auch echte Meeresbakterien gil>t, d. h. solche, die ohne einen beträchtlichen Salzgehalt ihres Mediums nicht leben können; unter diesen sind am bekanntesten die Leuchtbakterien; bei diesen ist also ein Minimum des osmotischen Druckes leicht nach- weisbar. Doch gilt das nicht nur für Moeresbakterien, sondern auch Leuchtbakterien, die vom Festland stammen, z. B. vom Schlachtdeisch isoliert wurden, sind derartige Salzbakterien. Man hat daraus ge- schlossen, daß diese vielleicht vor verhältnismäßig kurzer Zeit aus dem Meer aufs Land gewandert sind, vielleicht auch täglich mit Seetieren dahin verschleppt werden. Bei Besprechung der Leuchtbakterienphjsio- logie müssen wir noch darauf zu sprechen kommen. Solche Bakterien nennt man „halophil" und hat für sie auch den Gattungsnamen Halibacterium geschaffen. Bekanntlich gibt es auch Blütenpflanzen, die an salzigen Standorten wachsen, die Halophyten, die fleischigen Pflanzen des Meeresstrandes; diese gedeihen aber im Laboratoriumsexperiment auch ohne Salzzusätze und unterscheiden sich von andern Pflanzen nur dadurcli, daß sie mehr Salz als jene ertragen können und aus dem Boden auch mehr Salz aufnehmen als jene; „halo- phile", salzliebende Bakterien hat man aber ohne Salz bis jetzt auch in Reinkultur nicht züchten können. Auf die eben genannten Beispiele zurückblickend, können wir fol- gendes sagen: Wollten wir vollständig sein, so müßten wir ähnlich wie bei der Besprechung der Temperatur und des Luftzutritts die Abhängig- keit jeder Art und zwar jeder Lebensfunktion von dem durch den Salz- gehalt l)edino'ten osmotischen Druck des Mediums in Gestalt einer Kurve mit Minimum, Maximum und Optium darzustellen versuchen, eine Auf- gabe, die in praxi wohl niemals vollkommen lösbar sein wird. Wir würden dabei nicht nur die mannigfachsten spezifischen Unterschiede nachweisen können, sondern auch Akkommodationsfähigkeit an höhere und niedrigere Konzentrationen. Ein Maximum würde jede dieser Kurven aufweisen, ein Minimum würde in vielen Fällen fehlen, d. h. es gibt Funktionen im Bakterien- leben, die in einem Medium von osmotischem Druck =0, d.h. in reinem Wasser vor sich gehen; ob ein Optimum vorhanden ist, müßte auch in jedem einzelnen Fall untersucht werden. Eine gewisse Schwierigkeit erwächst der exakten Festlegung der Kurven daraus, daß manche Funk- tionen, vor allem die Vermehrung, nicht ohne Zufuhr von Nährstoß'en untersucht werden können. Immerhin genügt es, wie später gezeigt werden soll, in den meisten Fällen, Nährstoffe in so geringer Kon- zentration zu bieten, daß der osmotische Druck, den sie veranlassen, ver- nachlässigt werden kann. Halopbile Bakterien. Wirkung isosmotischer Salzlösungen. 285 Kurz sei noch erwähnt, daß aus gewissen Studien hervorgeht, daß destilliertes Wasser in einigen Fällen, vielleicht auch Aveun es ganz rein ist und frei von giftigen Beimcnguugcn, schädlich wirkt und manche Bak- terien in demselben absterben; ob Mangel an Nährsalzen oder andere Ursachen dafür verantwortlich zu machen sind, ist zweifelhaft; daß das Fehlen des osmotischen Druckes den Tod verursacht, ist unwahrscheinlich. \) Wenn nun die gelösten Stoife des Außenmediums, seien es anorga- nische Salze, seien es organische Stoffe, auf die Bakterienzelle lediglich durch den osmotischen Druck wirkten, so müßten sie alle von gleichem Einfluß sein, sobald sie einen gleich hohen osmotischen Druck ent- wickelu, „isosmotisch" sind. Dies ist nun nicht der Fall; so kann eine Lösung von Zucker z. B. in vielen Fällen günstiger wirken als eine isos- motische von Kochsalz, wenn wir von der Nährwirkung des Zuckers ganz absehen, und solche Beobachtungen belehren uns, daß jeder Stoff, auch der scheinbar harmloseste, neben seiner osmotischen auch noch eine andere spezifische, durch die ihm eigene chemische Konstitution be- dingte Wirkung ausübt, welche wir als Giftwirkung kennzeichnen, falls sie sich schon bei ziemlich niedriger Konzentration geltend macht. Bei Bakterien hat man das besonders klar erkannt, als man^) die maxi- male Konzentration verschiedener Salze ermittelte, Avelche eben noch die Beweglichkeit bestimmter Bakterien zuließ, oberhalb welcher also Geißelstarre eintrat. Da zeigte es sich, daß dies nicht durch isosmo- tische Lösungen von Kochsalz, Kalisalpeter, Ammonium-, Magnesium- Calciumchlorid usw. bedingt wird. Vielmehr hemmte beispielsweise eine Kalisalpeterlösung die Bewegung schon in einer Konzentration, die einen weit geringeren osmotischen Druck entwickelt als eine Koch- salzlösung, die diesen Effekt hatte. Das erstgenannte Salz ist also schäd- licher als das letztere. So gelangen wir denn zur Kenntnisnahme einer spezifischen Salzwirkung, auf die zunächst kurz eingegangen werden soll. Zunächst ein kleiner Ausblick auf grüne Pflanzen! Die spezifische Salzwirkung tritt bei diesen, so bei Algen, die viel- fach empfindlicher sind als die Bakterien, deutlicher hervor. Bei ihnen hat man auch die bemerkenswerte Entdeckung gemacht, daß die schä- digende Wirkung eines Salzes häufig durch die gleichzeitige eines andern mehr oder minder abo-eschwächt, auch Q-anz behoben werden kann: Kalium-, Natrium- und Calciumsalze sind vielfach, falls jedes für sich allein geboten wird, schädlich; sind sie gemeinsam im Außenmedium in geeigneter Konzentration vorhanden, so schwindet die schädliche Wirkung. Die Lösung ist dann, wie man sich ausdrückt, ausgeglichen, 1) Ficker, M, Z. f. Hy,«r. 1898, Bd. 29. 2) Fischer, Alfred, J. f. w. Bot. 1894, Bd. 27, S. 1. 286 ^- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. ausbalanciert. Worauf das beruht, wissen wir nicht. Vielleicht trifft die Erklärimg zu, die da behauptet, daß der kolloidale Zustand, der das lebendige Protoplasma auszeichnet, davon abliängig sei, daß eine Salz- lösung von geeigneter Zusammensetzung dasselbe umspült. Wenn nun auch, wie gesagt, derartige Beobachtungen leichter an empfindlichen grünen Pflanzen tremacht werden können, so sind doch auch Bakterien geeignete Versuchsobjekte dafür. Ein Beispiel*): Bac. siibtUis zersetzt Eiweißkörper, in deren Lösungen er ausgesät wird, und die Stärke dieser Zersetzung kann mau au der aus dem Eiweiß abgespaltenen Ammoniak- menge ersehen, die man auffängt und quantitativ bestimmt. Nun zeigt sich, daß die Ammoniakabspaltung durch Salze, die in bestimmter Menge zugefügt werden, verzögert und geschwächt wird: in geringem Maß durch Kalium- und Xatriumchlorid; diese sind also verhältnismäßig un- schädlich. Stärker hemmt schon Magnesium- und ganz besonders stark Calciumchlorid, was darum etwas auffallend ist, weil eben Calciumsalze sonst, wie wir noch hören werden, auf andere bakterielle Funktionen wohltätig wirken. Alle Salze werden in solchen Versuchen natürlich in isosmotischen Konzentrationen angewendet. Wendet man nun Salzgemische an, so ergibt sich, daß die un- günstige Wirkung von Natrium und Kalium, Natrium und Magnesium, Kalium und Calcium sich in diesem Fall mehr oder minder vollkommen aufhebt; Magnesium und Calcium sind nicht stark antagonistisch, was auffällt, weil bei grünen Pflanzen die Gegenwirkung dieser beiden Basen besonders deutlich ausgeprägt ist. In andern Fällen^), in denen Ent- wicklungshemmung von Bakterien durch Salzgaben beobachtet werden konnte, war die Hemmung, welche Lithiumchlorid bewirkte, durch Calcium- und Magnesiumchlorid aufzuheben, die Hemmung, welche von Mangansalzeu ausging, durch Kalium- und durch Calciumsalze. Beachtenswert ist es, daß man bei eingehenden^) L'ntersuchungen über die Frage, welche Salzgemische am wenigsten schädlich auf die Ammoniakabspaltung aus Eiweiß wirkten, fand, daß dies eine Mischung von Kalium-, Natrium-, Calcium- und Magnesiumsalzen ist, die diese Salze im selben Verhältnis wie das Seewasser gelöst enthält. Seewasser ist also eine besonders gut ausgeglichene Lösung. Das ist kein ver- einzelter Befund, sondern gleiches gilt auch für die Wirkung von Salz- gemischen auf andere Pflanzen und Tiere sowie pflanzliche und tierische Organe. Auf dieser Erkenntnis hat man natürlich naheliegende phylo- 1) Lipman, C. B., Bot. Gaz., 1909, Bd. 48, S. 105. 2) Eisler, M. v., B. C. I, Or., 1909, Bd. 51, S. 546. 3) Lipman, C. B., Bot. Gaz, 1910, Bd. 49, S. 41. Ausgeglichene Salzlösungen. 287 genetische Spekulationen aufgebaut und über die etwaige Abstammung der Bakterien von Meeresniikroben diskutiert. Wir müssen uns mit diesen Hinweisen begnügen, weil alle die angeführten Beobachtungen noch zu jungen Datums sind, als daß man über ihre Tragweite Sicheres aussagen könnte. Doch ist man imstande, mit diesen Erscheinungen einige Tatsachen in Zusammenhang zu bringen, die dem Bakteriologen schon lange bekannt sind, aber bis dato der Erklärung spotteten. So findet man manchmal, daß Natriumsalze, obwohl sie für die Ernährung unnötig sind, doch, in geringer Menge der Nührlösung zu- gesetzt, günstig wirken; ähnliches gilt, wie oben schon angedeutet, für Calciumsalze, die ebenfalls nicht zu den unerläßlichen Nährsalzen für Spaltpilze gehören. Vielleicht dienen sie in diesen Fällen dazu, die Wirkung anderer Salze abzuschwächen, die Lösung auszubalancieren. Ein weiteres Beispiel: Man ist häufig in der Lage, Bakterienaufschwem- mungen verdünnen zu müssen, z. B. bevor man sie in Platten ausgießt. Da zeigt sich dann nicht selten, daß man besser daran tut, diese Ver- dünnungen durch Zugabe von Fleischbrühe oder ähnlichen Lösungen, die mehrere Salz enthalten, vorzunehmen, als durch W^asser oder durch Lösung eines Salzes, z. B. Kochsalz. Auch hierbei dürfte es sich häufig um antagonistische Salzwirkung handeln. Mit der Tatsache, daß wir Kochsalzlösungen eine mäßige Gift- wirkung zuschreiben, ist natürlich noch nicht gesagt, daß die Lösungen dieses Salzes stets schädlicher wirken müßten als reines Wasser. Es kommt u. a. auch ganz wesentlich auf die Konzentration an, wie weiter unten noch gezeigt werden soll. Eine Beobachtung der Neuzeit besagt, daß bestimmte Leuchtbakterien t^Vibrionen) in reinem Wasser früher geschädigt werden als in 0,7prozentigen Kochsalzlösungen.^) Zu unter- suchen bleibt hier, ob Salzgemische noch günstiger wirken würden, wie denn überhaupt das ganze Gebiet, das wir eben durcheilt haben, noch experimentell gründlich durchgearbeitet werden muß.-) Es sei schließlich noch darauf hingewiesen, daß auch organischen Stoffen gelegentlich eine Gegenwirkung gegen schädliche Salze zugeschrieben worden ist. Diese Betrachtungen leiten uns schon hinüber zur Besprechung der Wirkung von Giften im engeren Sinn, d. h. von Stoffen, welche schon in verhältnismäßig geringer Konzentration schädlich wirken, übrigens natürlich von den weniger schädlichen Stoffen, wie etwa jenen eben be- handelten Salzen, nicht ganz scharf zu trennen sind. Wir wollen nun im 1) Ballner, B. C. 11, 1907, Bd. 19, S. 572. 2) Vgl. noch Lipman,C. B., B.C. 11, 1911, Bd. 32, S. 58. Lemmermann, O., ebenda, 1912, Bd. 32, S. 2(35 u. Krzemieniewska, H. , ac. sc. Cracovie, 1910, S. 376 {Azotohader). 288 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. folgenden zweierlei Gifte nacheinander besprechen: Zuerst sei die Rede von solchen Giften, welche der Physiologe auf die Bakterien einwirken läßt. Sodann von solchen, welche die Bakterien selbst produzieren und auf sich selbst oder auf Mit- bezw. Nachbewohner ihrer Standorte ein- wirken lassen. — Die Sterilisation und Desinfektion, d. h. die praktische Seite dieser Frage lassen wir im folgenden unberücksichtigt. ^^'ir dürfen zunächst als festgestellt erachten, daß wir für alle Gifte, seien es ori>anische Stoffe, seien es Mineralgifte, sei es daß sie in sre- löster Form, sei es daß sie als Dämpfe einwirken, eine untere Grenze der Konzentration nachweisen können, unterhalb deren sie wesren allzu großer Verdünnung ü})erhaLipt nicht zur Geltung kommen. Steigern wir nun allmählich die Menge wirksamen Giftes, so werden wir, und das ist beachtenswert, weil dem Laien überraschend, zunächst eine Kon- zentration erhalten, in welclie diese Stoffe nicht schädlich, sondern im Gegenteil anregend wirken. Sie beschleunigen die Lebenstätigkeit, Zell- teilung usw., wirken also als Reizstoffe, als Stimulantien. Wenn man nun die Konzentration noch weiter steigert, so setzt endlich die allbe- kannte Giftwirkung t'iii : Hemmung der Lebenstätigkeit, oder bei noch weiter gesteigerter Konzentration oder länger fortgesetzter Einwirkungs- dauer der Tod. Die betreffenden Konzentrationen kann man somit als Reizwert, Hemmungswert und Tötungswert der Gittlösungen unter- scheiden, Werte, die für jedes Gift und jeden Organismus wechseln. Die beiden letztgenannten Werte sind nur mit Berücksichtigung der Ein- wirkungszeit festlegbar. Für den Tötuugswert ist das von vorneherein klar, für den Hemmungswert gilt das insofern, als er bei längerer Ein- wirkung in den Tötungswert übergefit, es sei denn daß im Lauf der Zeit, ehe der Tod eintritt, eine Akkommodation an das Gift erfolgt; darüber später noch ein Wort. Als Beispiel für die stimulierende Wirkung, welche Giftspuren ausüben, haben wir oben schon die Wirkung geringer Sauerstoffspuren auf Anaerobe mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hinstellen können. Ein anderes sehr bekanntes Beispiel bieten Milchsäiirebakterien; solche werden durch geringe Mengen der verschiedensten Gifte in ihrer Tätig- keit gefördert. Die Bewegung von Typhusbazillen und Choleravibrioncn soll durch gewisse Spuren von Quecksilberchlorid beschleunigt werden.^) Ein weiteres Beispiel aus der neueren Literatur wollen wir mit Zahlen belegen.-) Hier wurde das Bad. coli mit und ohne Zusatz von Kupfer- sulfat zum Nährboden gezüchtet. Wurde auf lUOüO Gewichtsteile des 1) Liacbowetzki, M., B. C. I, Or., 1909, Bd. 50, S. 473. 2) Hüne, B. C. I, Or., 1908, Bd. 48, 8.135 Reizwirkung von Giften. 289 Nährbodens ein Teil Kupfersulfalt geboten, so erfolgte kein Wachstum. Bei einer dreimal so geringen Menge (1 : 30000) erwuchsen reichlich 2000 Kolonien. Bei einer Verdünnung von 1 : 100000 aber 7550, bei einer Verdünnung von 1 : 10000000 fast 4000, bei einer zehnmal so starken Verdünnung nur noch gegen 3000, und endlich ebensoviel, wenn überhaupt kein Kupfersulfat gegeben wurde. Bei längerer Versuchs- dauer verwischten sich die Unterschiede. Diese Zahlen sind folgendermaßen auszulegen: Die einzelnen aus- gesäten Zellen des Bad. coli verhalten sich auf ungekupferten Böden verschieden (vgl. S. 256); ein Teil wächst sofort an, ein anderer aber mit beträchtlicher Verzögerung, ein Teil wohl auch überhaupt nicht. Setzt man aber Kupfersulfat in passender Konzentration zu, so werden am deutlichsten eben diese Nachzügler, bezw. auch solche, die auf kupferfreien Böden nicht auswachsen würden, zu alsbaldigem Wachs- tum stimuliert; bei denjenigen, welche ohnehin schnell auswachsen, tritt die Reizwirkung nicht so deutlich hervor. Der Reizwert des Kupfer- sulfats liegt in diesem Fall etwa zwischen 1:60000 und 1:50000000, das Optimum desselben bei 1 : 100000. Beispiele für derartige Reizwirkung geringer Mengen von Giften finden sich noch reichlich in der Bakterienliteratur. ^) In jedem einzelnen Fall ist zu untersuchen, ob die gesamte Lebenstätigkeit oder nur ein- zelne Funktionen, und welche, am stärksten gefördert werden. Auch steht zur Frage, ob Zusatz solcher Giftspuren den Ablauf der Entwick- lung lediglich beschleunigt, oder ob er eine bessere Ausnutzung der Nahrung und sonstio;en Lebensbedingungen, also erhöhte Produktion lebendiger Substanz zur Folge hat. Nachdem wir gesehen haben, wie außerordentlich stark die Art der Giftwirkung von der Konzentration abhängt, müssen wir nochmals auf jene spezifischen Salzwirkungen zurückgreifen, von denen oben die Rede war, um darauf hinzuweisen, daß auch bei diesen die Konzentration eine ausschlaggebende Rolle spielt. Man wird nämlich erwarten dürfen, daß jene schädigende Wirkung der Salze bei hinreichender Verdünnung in ihr Gegenteil umschlägt, und das ist für gewisse Fälle auch nachge- wiesen. Die hemmende Wirkung, welche Kalium- oder Natrium chlorid auf die Eiweißzersetzung ausüben, wird bei hinreichender Verdünnung dieser Salze zu einer fördernden. Eingehende Untersuchungen über diesen Punkt wären erwünscht. Lassen wir nun diese Reizwirkung von Giften und gehen wir auf 1) Fred, E. B., B. C. 11, 1911, Bd. .31, S. 185 findet u. a., daß bestimmte Bakterien durch geringe Gaben von Schwefelkohlenstoff, Salvarsan, Kupfersalzen, doppelchromsaurem Kalium gefördert werden in ihrer Stoifwechseltätigkeit. Be necke: Bau u. Leben der Bakterien. 19 290 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, IL die schädigenden Wirkungen, die Giftwirkungen im engeren Sinn, ein — Als Gift, das schicken wir voraus, wirken die allerverschiedensten Stoffe, Mineralsäuren, Laugen, Metallsalze, wie die des Quecksilbers, Silbers, Kupfers usw., organische Stoffe wie Karbolsäure und andere organische Säuren, Alkohole und ein ganzes Heer anderer Körper. Wodurch sie wirken und endlich töten, ist sehr verschieden, auch noch nicht in allen Fällen klargestellt. Viele bedingen, ebenso wie starke Erwärmung, eine „Denaturierung" der Eiweißkörper des lebenden Protoplasmas, d. h. diese verlieren ihre kolloidalen Eigenschaften, und so wird das Leben ver- nichtet. Andere wirken durch starke Oxydation usw. Besonders beachtenswert sind mit Bezug auf diese Fragen Studien, die untersuchen, ob durch gewisse Gifte ganz bestimmte wichtige Lebens- funktionen vernichtet und so das Leben zerstört wird. Das gilt u. a. für das Zyankaliuni. Dies sistiert, wie man hat nachweisen können, die Atmung und wirkt darum tödlich. Andere Gifte wirken derart, daß sie zunächst andere Funktionen stören und so den Tod herbeiführen, wobei natürlich auch die Atmung aufhört. Dies trifft z. B. zu für starke Atherdosen; diese hemmen also die Atmung nicht direkt, sondern in- direkt, sekundär, während beim Zyankalium eine primäre Wirkung auf diesen Vorgang vorliegt So ist es auch verständlich, daß dies furcht- bare Gift verhältnismäßig harmlos ist, wenn es auf ruhendes Proto- plasma statt auf lebenstätiges einwirkt. Die bezüglichen Untersuchungen sind zwar hauptsächlich für andere Wesen als für Spaltpilze durchgeführt worden, doch dürfen ihre Ergebnisse wohl sicher auch auf diese ange- wendet werden.*) Daß Bakterien gegen Gifte sehr ungleich widerstandsfähig sind, haben wir schon betont. Desgleichen daß sich auch gegen Gifte die große Widerstandskraft der Endosporen glänzend bewährt. Während vegetative Zellen des Milzbrandbazillus durch 0,1 ''q Sublimatlösungen bereits innerhalb zehn Minuten abgetötet werden, wie andere vegetative Bakterienzellen auch, wird das Leben der Sporen durch die gleiche Lö- sung in zwei Stunden noch nicht vernichtet. Ohne uns auf die ungeheure Literatur über diese Fragen weiter einzulassen, wollen wir im folgenden nur noch einige weitere Ergeb- nisse von theoretischem Interesse kurz herausheben. Die Literatur weist eine stattliche Zahl von Arbeiten auf über die Akkommodation der Bakterien an Gifte. Es hat sich nämlich gezeigt, daß durch allmählich gesteigerte Giftgaben der Hemmungswert allmäh- lich in die Höhe geschraubt werden kann. Noch neuerdings wurde für eine große Zahl von Bakterien die Anpassungsfähigkeit an Sublimat 1) Schroeder, H., Jahrb. f. wies. Bot., 1907, Bd. 44, S. 409. Akkommodation an Oifte. 291 dargetuü. In der betreifenden Studie^) zeigte sich, daß die Arten, die von vornherein verhältnismäßig wenig empfindlich gegen Sublimat waren, z. B. noch wuchsen, wenn 1 Teil dieses Salzes auf 5000 Teile Peptonbouillon kamen, im allgemeinen auch am besten an höhere Sub- limatmengen gewöhnt werden konnten. Diese Angewöhnung ließ sich bei ganz allmählicher Steigerung der Sublimatmengen am weitesten treiben und erhielt sich auch eine Zeitlang bei weiterer Zucht ohne Giftzusatz, um dann allmählich Avieder auszuklingen. Sehr häufig ist mit gesteigerter Rezistenz gegen Gifte auch eine eigenartige Wachs- tumsweise verbunden, z. B. Bildung von Häuten bei solchen Arten, die sonst diese Wuchsform nicht zeigen. Über die Möglichkeit, durch Giftwirkungen Stämme verschiedener Arten zu züchten, die dauernd geschwächt sind, oder die Befähigung zur Sporenbildung verloren haben, ist früher schon einiges mitgeteilt worden (S. 235). Da diese Frage für die Therapie von großer Bedeutung ist, muß wegen weiterer Einzelheiten auf die medizinische Literatur verwiesen werden. Will man eine gewisse Menge eines Giftes einwirken lassen, so ist es nicht gleichgültig, in welcher Form das geschieht, vielmehr ist der Einfluß des Lösungsmittels von durchschlagender Bedeutung. Das würde sich leicht zeigen, wenn man versuchen wollte, Sporen eines Bazillus, etwa des Milzbranderregers , oder vegetative Zellen , etwa Staphylo- kokken, das eine Mal durch eine wässerige, das andere Mal durch eine alkoholische Lösung von Sublimat, Quecksilberchlorid zu töten. Die erstere würde wirksam sein, die letztere nicht. Man erklärt das mit dem verschiedenen Lösungszustand des Sublimates in Wasser und in Alkohol. In jenem ist es z. T. „dissoziiert", in seine Ionen zerfallen, in Chlorionen einerseits, Quecksilberionen andererseits, und nur diese letzteren, nicht aber das undissoziierte Sublimat wirken giftig. In alko- holischer Lösung findet solche Dissoziation nicht statt. Man kann die Richtigkeit dieser Anschauung auch dadurch erhärten, daß man durch . solche Zusätze, welche die Dissoziation verringern, z. B. durch Natrium- chlorid, die Giftigkeit von wässerigen Sublimatlösungen vermindern kann. Der Einfluß der Dissoziation ist nur für wasserlösliche Mineralgifte zu beachten, für organische Gifte, welche in Lösung nicht dissoziieren, cjelten diese Ausführungen nicht. Nun kommt aber noch ein zweiter Einfluß des Lösungsmittels hinzu, der sowohl für anorganische Gifte wie für organische in Betracht zu ziehen ist. Bringen wir Zellen in eine Giftlösung, so hat das Gift so- zusagen die Wahl, im Lösungsmittel zu bleiben oder aber sich in die 1) Butjagin, P. W., B. C. II, 1910, Bd. 27, S. 217. 19* 292 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. Zellen hineinzubewegen und sie zu töten. Das letztere wird es nun um 80 schneller und vollständiger tun, je leichter es in der Zelle bzw. deren Bestandteilen, Wand, Protoplasma usw. löslich ist und je weniger es löslich ist in dem Lösungsmittel, in dem wir es bieten. Sublimat ist nun z. B. in Alkohol weit löslicher als in Wasser und wird aus diesem Grund aus der alkoholischen Lösung in geringerer Menge in die Zelle übertreten als aus der wässerigen Lösung. Dieser Umstand wirkt, wie ersichtlich, gleichsinnig mit der Dissoziation. Ein anderes Beispiel: Die Wirkung wässeriger Karbolsäure wird durch Salzzusatz zum Wasser «rhöht, weil ein solcher die Löslichkeit der Karbolsäure in Wasser her- absetzt, in der zu vergiftenden Zelle somit vergleichsweise erhöht. Somit spielt das sog. „Prinzip der auswählenden Löslichkeit" eine entscheidende Rolle. Doch noch ein Drittes ist zu berücksichtigen: die Diffusionsgeschwindigkeit der Giftlösung, welche die Schnelligkeit der Wirkung erhöht. Alkoholische Lösungen diffundieren schneller als wässerige; wenden wir diese Erkenntnis auf die Sublimatlösungen an, so sehen wir, daß dieses Moment im entgegengesetzten Sinne wirkt als die Dissoziation und auswählende Löslichkeit, und somit die Frage nach dem Einfluß der Lösungsmittel in etwas kompliziert. Tatsächlich hat sich auch gezeigt, daß ein gewisser Alkoholzusatz zur wässerigen Sublimatlösung die au sich kräftiger wirkt als die alkoholische, in ge- wissen Fällen zu empfehlen ist, um die Diffusionsfähigkeit zu vermehren. Daß die Giftwirkung sich fast immer mit der Temperatur und mit der Konzentration der Giftlösung erhöht, erklärt sich natürlich einfach aus den chemischen Erfahrungen über die Reaktionsfähigkeit der Stoffe im allgemeinen. Gehen wir nun über zur Besprechung solcher Gifte, welche von den Bakterien selbst gebildet und in ihre Umgebung ausgeschieden wer- den!^) Da müssen wir uns vor allem daran erinnnern, daß die gesamte medizinische Bakteriologie zum großen Teil besteht aus der Lehre von giftigen Stoffwechselprodukten; daß die pathogenen Bakterien durch solche wirken, daß der Arzt durch geeignete Maßnahmen, Zucht bei hoher Temperatur, bei Zusatz von Giften, z. B. Karbolsäure oder doppelchrom- saurem Kalium, zu Kulturen des Bac. anfJiracis, gefährliche Formen ab- schwächen, d. h. ihre Giftigkeit herabsetzen kann und auch durch Ein- impfen solcher abgeschwächter Kulturen einen Organismus gegen die Infektion durch nicht abgeschwächte widerstandsfähig, „immun" machen kann. Eins der häufigsten Schlagwörter in der medizinischen Literatur ist darum Giftigkeit, „Virulenz" von Bakterien, und es wird von mehr 1) Küster, E., Vortr. üb. Entwicklungsmechanik 1909. Hier Lit. StotFwechselprodukte als Gifte. 293 oder niiuiler virulenten, ev. avirulenten Stämmen eines Krankheits- erregers gesprochen. Auf dies große, mit bewundernswertem Fleiß und Erfolg bearbeitete Gebiet, zumal die praktisch-hygienische Seite, gehen wir im folgenden nicht ein, da es eben eine Wissenschaft für sich dar- stellt. Nur einiges über giftige Stoffwechselprodukte und die Beein- einflussunff ihrer Erzeuger sowie anderer Bakterien durch dieselben sei mitgeteilt — ziemlich unabhängig von der Frage, wieweit das mensch- liehe Dasein von ihnen betroffen wird. Es liegt eine außerordentlich umfangreiche Literatur vor über gegenseitige, bald günstige, bald ungün- stige Beeinflussung verschiedener Bakterienarten. Man hat solche Beein- flussungen durch Mischkulturen zweier Arten ermittelt, wohl auch prak- tischen Zwecken dienstbar zu machen gesucht, indem man Tiere durch Impfen mit Kulturen bestimmter Arten gegen andere schädliche Arten, die sich in ihrem Körper festgesetzt hatten, widerstandsfähig zu machen trachtete. Betrachten wir nun zuerst etwas genauer ein Beispiel für die hemmende Wirkung eines Spaltpilzes auf andere: Es war aufgefallen,^) daß auf Nährgelatineplatten, auf denen Sarcina tetragena, eine im ge- sunden wie im kranken menschlichen Körper vorkommende, auch Eite- rungsprozesse erregende Art, gezüchtet wurde, eine runde Stelle von Kolonien dieser Form freiblieb, in deren Mitte sich die Kolonie eines großen Kugelbakteriums als Verunreinigung zeigt, von welcher offen- sichtlich eine Wachstumshemmung ausging; auch war deulich zu sehen, daß zwischen beiden Arten ein „Kämpft stattfand: jener große Kokkus konnte nämlich bei weiteren Versuchen seine wachstumshemmende Wir- kung auf die fefra^ewa- Kolonien nur dann geltend machen, wenn diese nicht zu zahlreich waren, und wenn er unmittelbar nach ihnen, etwa in Form einer Stichkultur, auf die Platte gebracht wurde. War die Sarcina in großer Menge vorhanden oder schon kräftig angewachsen, wenn ihr Feind eingeimpft wurde, so konnte sie offenbar durch Aus- scheidung von Stoffwechselprodukten die hemmende Wirkung mit Er- folg überwinden. Worin besteht nun das Wesen dieser Hemmung? Man könnte an Nahrungsentzug denken; der war aber in diesem Fall sicher ausgeschlossen; auch war möglich, daß der große Kokkus den Boden sauer oder alkalisch machte; denn daß durch Alkalischmachen des Nährsubstrates (infolge Ausscheidung von kohlensaurem Ammon) bestimmte Bakterienarten andere schädigen können, war schon lange bekannt; daß andererseits auch Säuerung, die z. B. von höheren Pilzen ausgehen kann, auf viele Bakterien bald mehr, bald weniger schäd- lich wirkt, ist ja eine Erfahrungstatsache, die auch von bakterien- 1) Lode, A.. B. C. I, H»01, Bd. :^3, S. 196. 294 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, 11. geographischer Bedeutung ist, denn saure Böden sind infolge ihres Ge- haltes an Humussäuren bakterienarm, und auf ihnen pflegen höhere Pilze zu obsiegen und den Hauptanteil der Mikroflora auszumachen. Aber in unserem Fall konnte eine solche Veränderung des Nährbodens durch den großen Kokkus gleichfalls nicht in Frage kommen, da der Nährboden dauernd ziemlich neutral blieb. So mußte man denn an giftige Stoff- wechselprodukte unbekannter Art denken, die der große Kokkus ausschied, und die Richtigkeit dieser Ansicht konnte auch bewiesen werden: Denn züchtete man ihn in Reinkultur in Fleischwasser, das man kräftig lüftete, filtrierte man dann die Flüssigkeit durch ein bakteriendichtes Filter (Berke- feldfilter) und brachte vom zellfreien Filtrat zwei bis drei Tropfen auf eine mit Sarc. tetragena beimpfte Platte, so blieb in der Nähe dieser Tropfen das Wachstum aus. Es konnte dann weiter noch ermittelt werden, daß dieser Hemmungsstoff nur bei reichlichem Sauerstoffzutritt gebildet wird, daß er durch Erhitzen zerstört wird, „thermolabil" ist; endlich, daß er die Sarcina nicht nur zu hemmen, sondern sogar zu töten vermochte. Auch wurde die Frage, ob jener Hemmungsstoff nur die Sarcina oder auch andere Arten zu töten vermag, dahin beantwortet, daß er sich auch gegenüber zahlreichen anderen Spaltpilzen, dem Milzbrand- erreger, dem Vibrio cholerac, dem Bact. typJii, coli u. a. als giftig erwies. Hier ist also ein interessanter Fall von schädlicher Beeinflussung von Arten durch den Stoffwechsel einer andern Art gegeben; ein Fall von sog. „Heterantagonismus". Ob dieser Hemmungsstoff des großen Kokkus auch das Wachstum der Art, die ihn produziert, schädlich beeinflußte, ob auch sog. „Isantagonismus" vorlag, findet sich nicht angegeben. Eine gleiche hemmende und tötende Wirkung wurde auch an Fil- traten der Bouillonkulturen zahlreicher anderer Arten nachgewiesen; so des Bact. flnorcscois, prodigiosnm, vulgare u. a. m. Durch sie wurden z. B. Typhus- und Milzbranderreger geschädigt. Bald waren die betreffen- den Gifte schon nach wenigen Tagen, bald erst nach längerer Kultur- dauer nachweisbar; schließlich pflegen sie aus den Kulturen wieder zu verschwinden. Auch sie werden durch Erhitzen zum Verschwinden ge- bracht, sie sind also „thermolabil"; wieweit das auf etwaiger Flüchtig- keit der betreffenden Stoffe oder auf Zerstörung durch die hohe Tempe- ratur beruht, muß allerdings wohl noch untersucht werden. Sonst sind die Stoffe gänzlich unbekannter Natur. Viel zitiert wird sodann auch die schon ältere Angabe, daß rohes Themsewasser o^ni Bact. typhi und coli eine schädliche Wirkung ausübe, die durch Erhitzen, in anderen Fällen schon durch Filtrieren des Wassers entfernt werden konnte. Auch hier ist es möglich, daß es sich um die Wirkung thermolabiler Stoffwechselprodukte anderer Bakterien bandelt. Heterantagoiiismus und Isantagonismus. 295 Sehr viel ist in solchem Zusammenhang auch die Rede von der „Pyozyauase"^), d. h. unbekannten Stoffwechselprodukten des Bad. pyo- cijancum. Diese wirkt auf andere Bakterien, z. B. Diphtherie- und Milz- brandbazillen, sehr schädlich; sie verquellen unter ihrer Einwirkung und werden aufgelöst; weniger schädlich wirkt sie z. B. auf den Cholera- erreger und den Erreger der epidemischen Genickstarre, gar nicht auf den Tetanusbazillus, den Heubazillus, das Bact. vulgare, Streptokokken und Staphylokokken. Beachtenswert ist es, daß die Pyozyanase auch gegenüber dem Bact. pyocyaneum selbst sich als schädlich erweist. Hier liegt also ein Fall von Heterantagonismus und gleichzeitigem Isantago- nismus vor. Wir kommen hiermit zur Besprechung weiterer Beispiele für isant- agonistische Wirkung! Wir haben früher schon manchmal betont, daß in den Reinkulturen auf Agar oder Gelatine häfig die Mehrzahl der Zellen bald abstirbt, und da hier von Nahrungsmangel nicht die Rede sein kann, liegt es nahe, an die schädliche Wirkung selbst erzeugter Stoffwechselprodukte zu denken, soweit nicht Veränderung der chemischen Reaktion des Nähr- bodens dafür verantwortlich zu machen ist. Dasselbe ergibt sich bei Betrachtung der Tatsache, daß in flüssigen Reinkulturen von Bad. coli, Bac. anthracis, Vibrio cJiolerae, die beim Optimum der Temperatur, 37°, erwachsen sind, schon nach zwölf Stunden ein großes Sterben einsetzt, bei Zimmertemperatur erst nach späterer Zeit. Auch hat man mit Recht darauf hingewiesen, daß der Anblick von Kulturen auf gallertigen Nährböden zum selben Schluß führt: In Strich- kulturen pflegen die Bakterien oben am Strich, wo nur eine dünne Gal- lertschicht unter ihnen lagert, also giftige Stoffwechselprodukte nicht so leicht durch Diffusion sich verteilen können, kümmerlicher zu wach- sen als unten am Strich, und in einigen solcher Fälle hat man tatsäch- lich das Vorhandensein isantagonistisch wirksamer Stoffe nachweisen können. Impft man z. B. Nährgelatine oder Agar mit Bad. coli, läßt dieses einige Zeit wachsen, verteilt sodann nach Verflüssigung der Gal- lerte durch vorsichtiges Erwärmen die Bakterien gleichmäßig und be- impft nach dem Erstarren mit demselben „Stamm" dieses Spaltpilzes in Form eines Striches auf die schräge Oberfläche, so unterbleibt jegliches Wachstum. Kümmerlich wachsen andere „Stämme" des Bact. coli, was offenbar sehr deutlich auf eine isantagonistische Wirksamkeit der in der Gallerte anjresammelten Produkte hinweist. Erwärmt man vor dem 1) Rettger, B. C. II, 190G, Bd. 15, S. 244. Bocchia. B. C. I. Or. 1909, Bd. 50, S. 220. 296 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. Widerimpfen den Nährboden auf reichlich 50^ oder mehr, so versehwin- det dadurch die hemmende Wirkung, was auf Thermolabilität der Hem- mungsstoffe hinweist. Ganz gleiche Ergebnisse, somit weitere Beispiele für Isantagonis- mus konnten auch noch an den Kulturen vieler anderer Bakterien erhalten werden. Übrigens war nach derselben Methode auch Heterant- agonismus häufig nachweisbar; Bact. coli schädigte durch seine Stoff- wechselprodukte auch das Bact. typhi. Ferner werden Colibakterien durch die Produkte des Choleravibrio gehemmt, aber nicht umgekehrt dieser durch Stoffwechselprodukte des Bact. coli. Choleravibrionen und diesem ähnliche Vibrionen andererseits beeinflussen sich gegenseitig schädlich durch die Erzeugnisse ihres Stoffwechsels. Um im Anschluß an das Gesagte noch einen mehr natürlichen Bakterienstandort zu erwähnen, an welchem solche Antagonismen sich geltend machen, sei darauf hingewiesen, daß menschliche Fäces unge- heure Mengen von Bakterien, die freilich zum größten Teil tot sind, beherbergen, ja sie bestehen geradezu hauptsächlich aus Bakterienleibern. Hier hat man nun das Vorkommen von antagonistisch wirkenden, thermo- labilen Stoffwechselprodukten auf folgende Weise nachgewiesen: Läßt man frische Fäces bei 37° stehen, so vermehren sich die in ihnen vor- handenen noch lebenden Bakterien um etwa das Dreifache. Erhitzt man aber die Fäces auf etwa 80° und impft sie hierauf mit einer kleinen Menge nicht erhitzter Fäces, so steigt nach derselben Zeit die Zahl der Keime um das 26 fache der Anfangszahl. Auch wachsen auf frischen Fäces Bact. jpyocijaneum, Vibrio cholerae u. a. nicht an, wohl aber auf Fäces, die man auf 80° erhitzt hat. Man könnte alle diese Erfahrungen auch so auslegen, daß durch die Erwär- mung die lebenden Bakterien der Fäces abgetötet, die toten Leiber auf- geschlossen werden und so günstigere Ernährungsbedingungen geschaffen werden. Dieser Umstand spielt sicher mit; da aber auch in nicht er- wärmten Fäces mehr als genug Nährstoffe vorhanden sind, dürfte doch wohl die Annahme thermolabiler Stoffwechselprodukte, die ihre Wir- kung äußern, ernster Beachtung wert sein; weitere Untersuchungen hier- über sind aber begreiflicherweise überaus notwendig. Man hat derartige thermolabile Stoffe unbekannter Natur als en- zymähnliche Stoffe aufgefaßt, da auch Enzyme durch Erhitzung zerstört werden. Doch darf uns diese Analogie nicht über die gänzliche Unbe- kanntschaft mit der Natur der fraglichen Stoffwechselprodukte hinweg- täuschen. Soviel über antagonistische Stoffe. Neben diesen hat man auch Stoffwechselprodukte nachgewiesen, die im Gegenteil förderlich wirken, Förderung durch Stoffwechselprodukte. 297 sowohl auf die Art, die sie produziert, als auch auf andere. Schon län- gere Zeit ist bekannt, daß eine Lösung, in der Choleravibrionen wuchsen, nach Sterilisierung durch Kochen und abermalige Beinipfung mit der- selben Spaltpilzart dieser besonders günstige Ernährungsbedingungen liefern. Hier müßte es sich also um die Wirkung thermostabiler, be- günstigender Stoife handeln. Ferner liegen derartige Untersuchungen vor für Bavt. fluoresccns: Beim Übertragen in neue Nährlösungen findet zunächst ein gehemmtes Wachstum, langsame Zellvermehrung statt; erst durch die Wirkung eines von den Bakterien gebildeten, kochfesten, nicht filtrierbaren Stotfwechselproduktes tritt Wachstumsbeschleunigung ein. Die anfängliche Hemmung wird also um so schneller überwunden werden, je größer die Impfmasse ist, und die Erfahrung bestätigt dies Postulat. In alten Kulturen desselben Spaltpilzes konnte dann — in Übereinstimmung mit den früher behandelten Erfahrungen an Bad. coli u. a. — wiederum Wachstumshemmung beobachtet werden, und zwar durch einen thermolabilen Stoif, der durch Tonfilter nicht filtrierbar war; diese Tatsache, die übrigens auch für den isantagonistisch wirken- den Stofi" des Bad coli gilt, erklärt sich ungezwungen mit der Adsorp- tion der betreff"endeu Stoffe durch die Filtermasse. Erfahrungen an Mischkulturen sprechen endlich für Abscheidung, von Stoffen, die das Wachstum fördern, und zwar auch das Wachstum anderer Arten. Es wird angegeben, daß die Kolonien des Influenzabazil- lus in nächster Nähe von Kolonien des StapJiylococcus pyogenes aureus sich besonders kräftig entwickeln. Ob es sich hier um reichliche Nah- runo-szufuhr aus abgestorbenen Kokken handelt oder um andere Erschei- nungen, müßte allerdings noch untersucht werden. Blicken wir nochmals zurück auf die Untersuchungen über Ab- scheidung hemmender und fördernder Stoffwechselprodukte, so sehen wir alsbald, daß die Frage nach zwei Seiten hin weiter ausgebaut wer- den muß. Zunächst ist dringend erforderlich, die gänzlich hypothetischen Stoffe rein oder doch einigermaßen rein darzustellen und in chemischer Beziehung zu charakterisieren. Wenn das gelungen ist, wird die Unter- suchung aus dem rein qualitativen in das quantitative Stadium über- treten und die Wirkung der fraglichen Stoffe als eine Funktion ihrer Konzentration dargestellt werden müssen. Bei Besprechung der Gifte haben wir ja gehört, daß die Wirkung ein und desselben Giftstoffes je nach der Konzentration eine hemmende oder eine fördernde ist, und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß gleiches auch für die eben besprochenen Stoffwechselprodukte gilt. Solche, die in geringer Konzentration das Wachstum fördern, können, wenn reichlich ausge- schieden, die gegenteilige Wirkung haben. So bezweifeln wir, daß die 298 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. Einteilung in hemmende und fördernde Stoffwechselprodukte, die wir, der Literatur folgend, übernommen haben, sich bei fortschreitender Kenntnis wird aufrechterhalten lassen, da derselbe Stoff je nach der Konzentration eine ganz verschiedene Wirkung ausüben und folglich derselbe Stoff je nach Konzentration und andern Umständen sowohl isantagonistisch, aber auch heterantagonistisch wirksam sein kann. Ein Spezialpunkt, der noch Beachtung verdient, ist der, ob der Ausdruck „thermolabil" immer zutreffend ist, ob sich nicht unter diesen Stoffen auch solche verbergen, die nicht durch Hitze zerstört werden, sondern nur beim Erwärmen sich verflüchtigen. Die genauere Untersuchung dieser Dinge wird nicht nur für den Physiologen großes Interesse haben, sondern ganz besonders auch für die ökologische Betrachtung des Bakterienlebens. Man wird mehr, als das bisher geschehen konnte, die Wirkung der Stoffwechselprodukte auf solche Organismen studieren müssen, die als Bakterienfeinde bekannt sind, z. B. bakterienfressende Infusorien und Amöben. Auch wird man statt wie bisher je nach dem gerade im Laboratorium vorhandenen Be- stand von Reinkulturen beliebige Bakterien in Mischkultur aufeinander zu hetzen oder nacheinander in derselben Lösuntj wachsen zu lassen, TD / solche auswählen, von denen bekannt oder doch wahrscheinlich ist, daß sie auch draußen in freier Natur um die Nahrung konkurrieren müssen. So wird man allmählich dazu kommen, sich Rechenschaft darüber ab- zulegen, wieweit in natura heterantagonistisch wirkende Stoffe ein Mittel im Kampf ums Dasein sind. Und andererseits wäre zu untersuchen, ob günstige Wirkung vtn Stoffwechselprodukten einer Art auf andere Arten besonders dann zu beobachten sind, wennbeide sehr verschiedene Lebens- ansprüche haben, somit als Feinde nicht in Betracht kommen. Wir haben ja oben, als wir in Gedanken unsern Heuinfus betrach- teten, schon darauf hingewiesen, daß es keine Art fertig bringt, andere dauernd von ihren Standorten zu verdrängen; daß aber sehr häufig ein plötzliches, explosionsartiges Auftreten einer Form zu beobachten ist, die dadurch andere verdrängt, um über kurz oder lang selbst wieder weichen zu müssen. In dieser Weise spielt sich auch an natürlichen Standorten sehr häufig die Metabiose ab, und da liegt es nicht fern, an- zunehmen, daß dies plötzliche, überwiegende Auftreten einer Art nicht nur darauf beruht, daß sie die Bedingungen des Standorts kräftiger aus- nutzt, sobald ihr diese günstig werden, sondern auch darauf, daß sie mit heterantagonistisch wirkenden Stoffwechselprodukten arbeitet. Beson- ders in den allerersten Anfängen einer Wucherungsperiode wird das von Bedeutung sein, ebenso wie bei dem Kampf zwischen Sarcina tetragena und ihrem Feind, den wir oben schilderten. ökologische Bedeutung der Stolfwechselprodukte. 299 Biologen, die solchen Gedankengängen nachgehen, werden dieisant- agonistischen Wirkungen, die wir ja gleichfalls zur Genüge beobachtet haben, mehr ins Laboratorium verlegen und auf unnatürliche Verhält- nisse der Nährlösungen zurückzuführen suchen, sie höchstens z.T. für das plötzliche Ende einerWucherungsperiode in natura verantwortlich machen. Andere Forscher, die ihren Blick weniger ins Freie richten, sind heutigen Tages allerdings mehr geneigt, allen diesen Stoffwechselpro- dukten die ,,Kampfnatur" abzusprechen, sie schieben isantagonistische Wirkungen in den Vordergrund ihrer Betrachtungen als interessanten physiologischen Beleg dafür, daß nicht nur das menschliche Leben an LTn Vollkommenheiten krankt. Wir kommen auf diese Fragen zurück, wenn wir von der Bedeu- tung der Gärprodukte der Bakterien zu handeln haben werden, und dann nochmals bei der Besprechung des Baktei'ienlebens im Boden, wollen aber diese Ausführungen über ökologisch bedeutsame Wir- kung von Stoffwechselprodukten nicht schließen, ohne nochmals auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen zu haben, sie darzustellen und besser kennen zu lernen. Sonst würde man mit Betrachtungen über ihre Bedeutung Gefahr laufen, des Bären Haut zu verhandeln, ehe man ihn selbst gefangen hat. Sind wir somit zu dem Schluß gelangt, daß man die giftigen Stoff- wechselprodukte ihrer chemischen Natur nach nicht kennt, so dürfen wir uns hier daran erinnern, daß man andere Stoffwechselprodukte zwar z. T. auch nicht besser kennt, aber doch wenigstens sehen kann, näm- lich Farbstoffe. Manche Bakterien, davon war im Kap. VI die Rede, scheiden fluoreszierende Farbstoffe aus, und man^) hat die Meinung aus- gesprochen, daß vielleicht solche, von deren Funktion man sonst kaum etwas weiß, als Kampfstoffe aufzufassen sind. Es ist eine bekannte Tatsache, daß fluoreszierende Stoffe Giftwir- kungen entfalten können, und diese Giftwirkungen sind im Licht stärker als im Dunkeln. Man hat dann gefunden, daß gleiches auch für die fluoreszierenden Bakterienfarbstoffe gilt, und daß diese sich gegenüber Feinden der Bakterien giftiger erweisen als gegenüber den farbstoff- produzierendeu Bakterien selbst. So sind z. B. VVimperinfusorien als Bakterienfresser besonders empfindlich dagegen. Es kcmnten also fluo- reszierende Farbstoffe vielleicht eine Schutzwirkung haben. Wieso es aber von Nutzen sein könnte, daß diese Wirkung sich bei Beleuchtung im erhöhten Maß geltend macht, muß zweifelhaft bleiben. Wie wir gleich hören werden, schadet Beleuchtung, falls sie zu intensiv ist, den 1) Schroeder, H., Bot. Ztg. 1905, Bd. 6.S, S. 129. 300 X- Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, 11. Bakterien, und so könnte man denken, daß sie bei Beleuchtung eines erhöhten Schutzes bedürftig sind. Man wird derartige Betrachtungen als Anregung zu weiterem experimentellen Forschen betrachten und begrüßen. Wir wollen nun noch einige Worte über die Abhängigkeit des Bak- terienlebens von der Bestrahlung sagen. Zunächst von den Lichtstrahlen: Hier können wir auf schon Ge- sagtes verweisen; die meisten Formen sind von Licht mittlerer Intensi- tät ziemlich unabhängig, werden aber durch direktes Sonnenlicht ge- schädigt, auch wenn man die Wärmestrahlen durch geeignete Kristalle oder Lösungen, z.B. Alaunkristalle, Lösungen von Eisenoxydulsalzen usw., ausmerzt. Über diese Fragen liegt eine sehr große medizinische Lite- ratur vor, und jedermann weiß, daß wegen der baktericnfeindlicheu Wir- kung des Lichtes dieses eine große hygienische Bedeutung hat. Übrigens machen sich große spezifische Unterschiede in der Beziehung geltend, und sogar Stämme ein und derselben Art, z. B. des Bac. mycoideSy können sich verschieden verhalten.^) Auch die Abhängigkeit der Schädigung durch Licht von der Wellen- länge ist viel studiert worden; wir beschränken uns darauf, zu erwähnen, daß nicht nur sichtbare, sondern auch ultraviolette Strahlen sich als schädlich erwiesen haben. Daß die Purpurbakterien vom Licht nicht unabhängig sind, haben wir gleichfalls schon gehört; hier sei noch hinzugefügt, daß für diese S})altpilze die ultraroten Strahlen besonders vorteilhaft sind. Sie können sich also auch im Dunkeln entwickeln, vorausgesetzt, daß ultrarote Strahlen (Wärmestrahlen ) sie treffen. (Mehr im Kap. XVL) Bei der Besprechung der Farbstoffbildung durch Bakterien haben wir ferner vorhin schon orehört, daß die cpiftif''e Wirkung fluoreszieren- der Farbstoffe durch Belichtung gesteigert wird. Nachdem wir eben gehört haben, daß auch Lichtstrahlen schädlich wirken, können wir diesen Satz auch umkehren und sagen, daß die schädliche Wirkung des Lichtes durch Zusatz einer geringen Menge eines fluoreszierenden Farb- stoffes zum Xährboden gesteigert werden wird. Das hat man auch durch Zusatz von Eosin zu den belichteten Bakterienplatten tatsächlich nach- weisen können. Die Frage, worauf die Schädigung der Bakterien durch Lichtstrahlen beruht, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit richtig beantworten: 1) Holzmüller, K., B. C. II, 1909, Bd. 23, S. 304. Einfluß der Bestrahlung aufs Bakterienleben. 301 Es zeigt sich einmal^ daß die Schädigung bei Ausschluß des SauerstofiFs ausbleibt, und weiter, daß durch die Belichtung der in den Nährböden absorbierte Sauerstoff in „aktive" Form überführt wird, d. h. in Ozon, Wasserstoffsuperoxyd und ähnliche, kräftig oxydierend wirkende Stoife. Kombiniert man diese beiden Beobachtungen, so kann man schließen, daß das Licht durch Aktivierung des Sauerstoffes eine Giftwirkung ent- faltet. Damit erklärt sich auch die Beobachtung, daß Nährböden, die vor dem Beimpfen besonnt werden, nachher ungünstigere Wachstums- bedingungen darbieten: sie enthalten nunmehr aktivierten, schädlich wirkenden Sauerstoff. Präzisiert man die schädliche Wirkung der Lichtstrahlen etwas näher, so ist zu sagen, daß bei hinreichend langer und intensiver Be- sonnung endlich der Tod eintritt, je nach der spezifischen Widerstands- kraft der geprüften Arten früher oder später. Führt die Belichtung nicht zum Tod, so macht sich Hemmung des Wachstums oder sonstige „Schwächung" geltend, und es ist auch hier häufig eine schädliche Nach- wirkung beobachtet worden. Wir können durch Belichtung Stämme erzeugen, die auch bei nachheriger Zucht im Dunkeln in manchen Be- fähigungen, z. B. der Verflüssigung von Gelatine (also Enzymbildung) oder Farbstoffproduktion gehemmt sind. Ahnliches haben wir ja auch bei der Einwirkung anderer Schädlichkeiten gehört.-^) Auch Röntgen- und Radiumstrahlen ^) hat man auf Bakterienkulturen einwirken lassen. Meistens war der Erfolg der, daß eine Tötung^ nicht zu beobachten war. Was die an zweiter Stelle genannten Strahlen angeht, so hat man z. B. ein Glasröhrchen, welches 10 Gramm Radiumbromid enthielt, mit Nährgelatine überzogen, die mit Bact. phosphoreum, einem Leuchtbakterium, beimpft war. Nach einigen Tagen hörten die Bak- terien in der Nähe des Präparates auf zu leuchten, waren aber, wie wei- tere Überimpfung ergab, nicht abgestorben, sondern noch entwicklungs- fähig geblieben. Einige ältere Beobachtungen liegen vor, die auf eine stärker schädigende, auch abtötende Wirkung der Rudiumstrahlen hin- weisen. Wegen aller weiteren Einzelheiten sei auf die medizinische Literatur verwiesen, auf welche hier einzugehen uns zu weit führen würde. Ungemein viele Angaben liegen auch vor über die wechselseitige Beeinflussung von Bakterien und anderen Mikroorganismen; einige Bei- spiele dafür haben wir oben kurz erwähnt; weisen wir nun mit einigen 1) Nach Lehmann und Neumann, Atlas, Text, S. 3ü. 2) Körnicke, M., Ber. d. d. bot. G. 1Ü04, Bd. 22, S. 148, dort weitere Literatur. 302 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, 11. Worten auf derartige Fälle hin, in welchen beim Aufeinandertreffen die Bakterien den kürzeren ziehen, getötet, gefressen werden durch andere Kleinlebewesen. Daß Infusorien den Bakterien nachstellen und sie ver- schlingen, wissen wir schon. Ich verweise hier auf eine Angabe,^) die besagt, daß Infusorien, wenn man sie züchten wiU, mit lebenden oder toten Bakterien gefüttert werden müssen; es kommt hier also offenbar ebenso wie in den gleich folgenden Beispielen wesentlich auf die Zu- fuhr zusagender Eiweißkörper an. Sodann existieren viele Angaben darüber, daß Amöben mit Bakterien sich nähren und ohne solche nicht gezüchtet werden können. Im allgemeinen werden sie aufgenommen und im Innern verdaut, in einigen Fällen soll auch Verdauung durch aus- geschiedene Enzyme stattfinden.^) Man kann Amöben, wenn sie sich enzystiert haben, von Bakterien leicht trennen, da die Zysten eine lange Behandlung mit starken Laugen vertragen, welche Bakterien, wenn man dafür Sorge trägt, daß keine Sporen zugegen sind, abtöten; solche Amöbenreinkulturen wachsen nun nur bei Zufuhr lebender Bak- terien; viele Bakterien eignen sich für diesen Zweck, z. B. Typhusbakterien, der Choleraerreger, Staphylokokken; andere sind ungeeignet oder sogar schädlich, z. B. „grün fluoreszierende Erdbakterien". Im Menschenkörper vorkommende Amöben sind schwieriger zu züchten. Es empfiehlt sich, in solchen Versuchen die Amöben mit den Bakterien nicht auf Nähr- böden zu kultivieren, die letzteren aUzu günstige Entwicklungsbedin- guugen bieten, damit die Bakterien nicht überhandnehmen und die Amöben unterdrücken. Mit toten Bakterien gelingen Fütterungsver- suche im Gegensatz zu früheren Angaben nicht.^) Endlich ein Wort über die Beziehungen der Bakterien zu den Schleimpilzen, jener eigenartigen Pilzklasse, deren Vertreter am faulen- den Holz, im Laub des Waldbodens, auf Mist anzutreffen sind. Die Literatur belehrt uns darüber, daß man auch Schleimpilze nicht ohne Bakterien züchten könne. Schon seit längerer Zeit weiß man, daß Schwärmer und Amöben der Schleimpilze Bakterien in ihre Vakuolen aufnehmen, und daß dann in diesen die Bakterien bald schneller, bald langsamer gelöst werden, lebend verschlungene bleiben oft länger sicht- bar als solche, die erst nach ihrem Tod aufgenommen wurden. Plas- modien, d. h. die Gebilde, die aus der Verschmelzung von Amöben ent- stehen, sind vielfach weniger der Aufnahme von Bakterien als von 1) Tsujitami, Ref. im B. C. I. Ref. 1905, Bd. ; 6, S. 514. 2) Musgrave, W. C, und Clegg, M. T., Ref. B. C. I. Ref. 1906, Bd. 37, S. 417. 3) Frosch, Ref. in B. C. I. Ref. 1910, Bd. 45, S. 347; vgl. auch Gaudu- cheau, A., ebenda, S. 346. Weitere Lit. bei Potts. Bakterienfresser. 303 größeren Brocken angepaßt; sie stoßen aufgenommene Bakterien ge- legentlich wieder aus, auch können Bakterien, die mit Eiweißklümp- chen in die Vakuolen von Plasmodien geraten, sich in diesen noch ver- mehren.') Spätere Studien-) zeigten, daß Schleimpilze ohne Bakterien überhaupt nicht leben können; es gelang, sie in Mischkultur mit Rein- kulturen eines einzigen Spaltpilzes {B. Intens) zu züchten. — Was die Gruppe der Acrasieen, die sich von den echten Schleimpilzen durch Mangel der Plasmodienbildung auszeichen, angeht, so überzeugte man sich zunächst davon, daß die Bakterien, deren Gegenwart unerläßlich waren, nicht gefressen wurden, und dachte an eine „Symbiose"^) beider Organismen miteinander, ein „Verhältnis zum beiderseitigen Vorteil". Man nahm auch an, daß die Bakterien für die den Acrasieen zuträgliche ehemische Reaktion des Nährbodens sorgten. Nach neueren Studien^), deren Okjekt die Acrasiee Didijostelium mucoroides, ein z. B. auf Mist häu- figer Organismus ist, war, liegt die Sache wesentlich anders: werden die Bakterien auch nicht aufgefressen, so werden sie doch von Didyostelium verdaut, und zwar durch ausgeschiedene Enzyme (Ektoenzyme). Bak- terienkolonien, innerhalb deren Didijostelium lebt, werden durchsichtig, nachdem die Zellen vorher eigenartige Involutionsformen als sichtbares Zeichen der schädlichen Beeinflussung angenommen haben. Es gelang Didijostelium durch Reinkulturen der uns schon bekannten Bac. mega- terium, suhtilis und Bad. fluorescens zu ernähren, ferner mit solchen des Bad. ßmbriatum, das zumeist mit Didyostelium auf Pferdemist lebte. Ob und inwieweit die verschiedenen Bakterienarten taugen, hängt großen- teils von dem Nährboden ab, auf dem man sie mit den Sporen des Didijostelium aussät. Sehr geeignet war in bestimmten Fällen Mais- dekoktagar. Wenn man geeignete Bakterien auf geeignete Weise, z. B. mittels Chloroform tötete, so konnten auch ihre Leichen als Myxomy- cetenfutter dienen. Doch auch diese Angaben sind geschmolzen im Feuer der Kritik. Nachprüfung hat ergeben"), daß auch Didijostelium intrazellulär Bakterien verdauen kann, ob außerdem auch extrazellulär bleibt zweifehaft. Weiter gelang es Didyostelium in Mischkultur mit Reinkulturen verschiedener, beachtenswerter Weise sets gram-negativer Bakterien zu züchten, die, rücksichtlich ihrer Stoffwechseltätigkeit von Didyostelium in mannigfacher Weise beeinflußt, auch ihrerseits spezi- 1) Lister, A., Journ. Linu. soc. 1890, Bd. 25, S. 435; Ann. of botany 1890, Bd. 4, S. 281. 2) Celakovsky, L., Flora 1892, Bd. 7, S. 182. 3) Nadson, G., Scripta Botanica; zit. nach Potts. 4) Potts, G., Flora 1902, Bd. 91, S. 281. 5) Pinoy, E, These, Paris 1907. 304 X. Allgemeine Lebensbedingungen der Bakterien, II. fisch verschiedenen Einfluß auf dessen Formgestaltung haben. — Plas- onoiUopliora Brassicae. ein die Kohlhernie bewirkender parasitischer Pilz, der früher auch zu den Sehleimpilzen gestellt wurde, schleppt mit seinen in die Kohlpflanze eindringenden Schwärmern stets Bakterien mit hinein, verschafft diesen so Wohnstätte und Nahrung, die Bak- terien bewirken nachher Fäulnis und Zerfall des Kohls, so daß die Plasmodiophoras-poren wieder in Freiheit gesetzt werden. Hier liegt also eine Symbiose vor. Autonome und ätionome Bewegungen. 305 Kapitel XI. Die Eeizbewegiingen der Bakterien. Im Anscliluß au die iii den zwei letzten Abschnitten gebrachte Dar- stellung der Abhängigkeit des Bakterienlebens von den Faktoren der Außenwelt soll nun im folgenden eine zusammenhängende Behandlung CT Do der „Reizbewegungen" der Spaltpilze gegeben werden. Alles Leben ist Bewegung, das gilt nicht nur für die schnellen Ortsbewegungen der Organismen, es gilt auch für die langsameren, dem bloßen Auge zumeist unsichtbaren Wachstumsbewegungen und Stoff- wanderungen in der Zelle, ja es gilt auch für den Stoffwechsel, denn wir können uns diesen auch nicht anders vorstellen, denn als eine Be- wegung, als ümlagerungen der Atome im Molekül und Neubildungen von Molekülen. Und da alle diese Bewegungen in Abhängigkeit von der Außenwelt stehen, da die Faktoren der Außenwelt auf sie alle als Reize wirken, kann man schließlich das ganze Leben als eine Verkettung von Reizbewegungen ansehen. Im folgenden aber soll der Begriff Be- wegung nicht so weit gefaßt werden, vielmehr soll nur das mitgeteilt werden, was erarbeitet worden ist über die Abhängigkeit der freien Ortsbewegung der Bakterien vom Wechsel der Außenbedingungen. Zur Orientierung schicken wir nun folgendes voraus: Der Experi- mentator kann die Faktoren der Außenwelt in zweierlei verschiedener Weise wirken lassen und ihre Einwirkung untersuchen: entweder nach Qualität und Intensität unverändert, oder aber wechselnd in qualitativer und quantitativer Beziehung. Für beides je ein Beispiel. Wir beobach- ten die Bewegung eines Spaltpilzes mit Rücksicht auf ihre Art, Schnellig- keit usf., der sich in günstiger Nährlösung, bei günstiger, konstanter Temperatur und ohne daß sonst irgend wesei\tliche Änderung eintritt, befindet. Die Bewegung verläuft dann als sog. autonome Bewegung. Für die.se wie für jede andere autonome Bewegung ist ein richtiges Maß der Außenfaktoren unerläßlich, da diese aber in dem von uns an- genommenen Fall nicht variieren, treten sie für den Beobachter zurück hinter der im Organismus selbst liegenden Befähigung zu dieser oder jener Bewegung, daher die Bezeichnung autonom von avtog, selbst. Oder aber: Es verändert sich während der Beobachtung eines beweg- lichen Bakteriums diese oder jene Außenbedingung; sinkt oder steigt z. B. die Temperatur, so verlangsamt oder vergrößert sich die Schnellig- Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 20 306 XI- I^iß Reizbewegungen der Bakterien. keit der Bewegung; die betr. Veränderung wirkt als Reiz, und die Ant- wort der Bakterien auf diesen Reiz, ihre sog. Reaktion, hier die verän- derte Beweguugsgeschwindigkeit, ist eine Reizbewegung. Da uns hier der variable Faktor der Außenwelt besonders deutlich entgegentritt als Ursache der Veränderung in der Bewegungserscheinung unsers Versuchs- objektes, nennen wir solche Reizerscheinungen wohl auch im Gegensatz zu autonomen ätionome Erscheinungen, Bewegungen usw., von alxia, die Ursache. Es leuchtet ein, und man kann das in jeder physiologischen Darstellung zur Genüge ausgeführt finden, daß ein Reiz nicht nach Maßgabe seines Euergieinhaltes wirkt oder zu wirken braucht: kräftige Reize können unscheinbare Reaktionen, schwache Reize starke Reak- tionswirkungen zur Folge haben. Der Reiz wirkt auslösend oder hem- mend auf die in der Zelle gespeicherten Kräfte ein. — Im übrigen kann ein Reiz in zweierlei verschiedener Weise ätionome Bewegungen aus- lösen: entweder derart, daß er allseitig, diffus, wirkt. So würde z. B. eine gleichmäßige Temperaturerhöhung des Außenmediunis als diffuser Reiz dann in Betracht kommen, wenn wir dafür sorgen, daß im ganzen Tropfen des Präparates die Temperaturerhöhung gleichmäßig und gleich- zeitig stattfindet. Eine „diö'use" Reizwirkung liegt auch vor, wenn, wie das beobachtet worden ist, Zufuhr von schwefelwasserstoifhaltigem Wasser zur Folge hat, daß sich die dichte Lagerung der Zellen einer Amocbohader- Kolonie lockert, daß sauerstoffhaltiges Wasser umgekehrt wirkt. ^) Oder aber der Reiz wirkt einseitig; daß z. B. dann, wenn im Tropfen, in dem sich Bakterien umhertummeln, plötzlich ein so starkes Temperaturgefäile eintritt, daß die verschieden starke Erwärmung beider Zellenpole zum Reizanlaß wird. Über autonome Bewegungen ist nun auf den vorhergehenden Blättern schon allerlei mitgeteilt worden (vgl. z. B. die Bewegung der fak. Anaeroben in ihrer Abhängigkeit vom Luftzutritt). Wir wenden uns darum nunmehr sofort zu einer Betrachtung ätionomer Reizbe- wegungen und beginnen mit solchen, die durch Lichtwechsel hervor- gerufen werden. Daß wir mit gewöhnlichen Fäulnisbakterien bei solchen Unter- suchungen nicht viel ausrichten werden, können wir schon aus früheren Angaben schließen, aus denen hervorgeht, daß solche vom Licht, es sei denn, daß sehr starkes Licht auf sie wirkt und ihr Leben beeinträchtigt, ziemlich unabhängig sind. Angaben darüber, daß sie Lichtquellen fliehen oder aufsuchen, liegen somit nicht vor, abgesehen von einer neben- bei mitgeteilten, Beggiatoa betreffenden Beobachtung ^) und von Be- ]) Winogradsky, S., Bot. Ztg. 1887, S. 377. Reizliewegungen. — Phutotaxis der Purpurbakterieu. 307 bauptuni^ien, daß z. B. im Flußwasser Bakterien Tags die obersten Schichten meiden, indem sie vor dem Tageslicht nach tieferen Schichten flücliten. Solche und ähnliche Beobachtungen sind noch nicht so weit durchgearbeitet, daß es sich lohnte, sie hier genauer mitzuteilen. Ganz anders aber die Purpurbakterieu.^) Diese zeigen sich in ihren Be- wegungen vom Licht abhängig, und zwar in einer Art und Weise, die auch für die Beurteilung von Keizbewegungen höherer Wesen von größtem Interesse sind und darum eingehender Behandlung wert. Wir stellen uns in Gedanken ein Präparat her von einem gut beweglichen Purpurbakterium, etwa jenem schon erwähnten Chromatium, dessen stäbchenförmige Zellen durch eine endständige Geißel sich bewegen, oder von einem lophotrichen Purpurspirillum. Wir beobachten sie zunächst, wie sie im Präparat unter dem Deckglas bei ziemlich heller Beleuch- tung gleichmäßig und flink „autonom" umherschwimmen, und könnten, nebenbei gesagt, möglicherweise beobachten, daß dies um so lebhafter geschieht, je heller innerhalb gewisser Grenzen die Beleuchtung ist, und schieben sodann ein kleines hohles, mit verdünnter Tuscheemulsion se- fiilltes Glasprisma derart zwischen Lichtquelle und Präparat, daß nun- mehr ein steter, nicht zu langsamer Abfall des Lichts von einer nach der andern Seite des Tropfens statthat. Nach kurzer Zeit finden wir, daß unsere Purpurbakterien nach der einen, und zwar der helleren Kaute des Präparates hin gewandert sind und dort eiuen Saum bilden, den das bloße Auge schon als feine „portwein- oder ungarweinfarbige" Linie erkennt. Solche durch einseitige Wirkung eines Außenfaktors ausgelöste Bewegungen freibeweglicher Pflanzen nennt man Taxieen, handelt es sich um das Licht, so spricht man von Phototaxis, der man das positive Vorzeichen gibt, wenn die Lichtquelle aufgesucht wird, das negative, wenn sie geflohen wird. Was wir also bisher konstatiert haben, ist „positive Phototaxis" unserer Purpurspaltpilze. Doch es gilt nun, sich bei diesem Wort nicht zu begnügen, sondern tiefer in das Wesen dieser Bewegung einzudringen, um zu ermitteln, wie derartige Ansamm- lungen erfolgen. Das könnte man sich auf Grund von Erfahrungen an anderen be- weglichen Pflanzenzellen folgendermaßen zurechtlegen: Jede Bakterien- zelle befindet sich bei unserer Versuchsanordnung in einem Lichtgefälle: je nach der augenblicklichen Lage ihrer Körperachse zum Prisma ist ent- weder ein Pol heller beleuchtet als der andere oder eine Kante heller als die andere, oder sie nehmen schräge Zwischenlagen ein. Dieser freilich mi- 1) Winogradsky, S., Beitr., 1888, S. 77. Engelmaun, W., Pflüg. Arch. f. Phys. 188-2, Bd. .30, S. 21; Bot. Ztg. 1888, Bd. 46, S. 661. Molisch, H., Die Purpurbakterien, Jena 1907, S. 29. 20* 308 ^- I^iö ReizbewegTingen der Bakterien. nimale Unterschied in der Beleuchtung der Zelle könnte nun als Reiz wir- ken und zur Folge haben, daß die Zellen sich sämtlich so stellen, daß die Längsachse parallel zum Lichtgefälle gerichtet wird, der eine Pol nach der helleren Seite hinschaut, zum Vorderpol wird und die vorwärts- schwimmende Zelle auf diese Weise das hellere Licht erreicht. Wir hätten dann eine sog. „strophische Reizbarkeit vor uns, von GxQBcpco, ich richte, bei der also der äußere Reiz zunächst eine richtende Wirkung auf die Zelle ausübt. Auch „topisch'^ hat man solche Reizbarkeit genannt, weil sie auf die Erreichung eines Ortes, „rÖTCog", direkt abzielt. Weitere Ver- suche würden uns aber darüber belehren, daß solches bei unsern Purpur- bakterien nicht stattfindet. Gehen wir z. B. so vor, daß wir unser ganzes Präparat verdunkeln, mit Ausnahme eines hellen Fleckes in der Mitte, der Abb. 72. Abb. 73. Deckglaspräparat von BhodospiriUum Schattenfigur eines auf das Deckglas photometricum mit Terpentinlack ver- gelegten Stanniolkreuzes, hervor- Bchlossen (Photographie). gerufen durch Der heUe Kreia in der Mitte stellt eine Ansamm- jRhodospirillllin photometriCUm. lang von ungeheuer vielen Bakterien vor, die ,p, , v.' n durch intensives Licht in die Lichtfalle gelockt l^rnotograpüie.) wurden. Nach M 0 1 i 8 C h. Nach Molisch. scharf und ohne Übergänge an die dunkleren Stellen des Präparats an- grenzt, dadurch etwa, daß wir unter das Präparat ein Stück schwarzes Papier legen, in das wir mit einer feinen Nadel ein Loch gebohrt haben, so würden wir gleichfalls beobachten, wie die Zellen sich in dem hellen Fleck ansammeln, und bei dieser Versuchsanordnuug würden wir uns auch über das „Wie" leicht orientieren können: Wir sehen nämlich, daß unsere Bakterien natürlich nicht etwa zielbewußt, „als ob sie Augen hätten", nach dem hellen Fleck einen Zellpol hinrichten und ihn so er- reichen, daß sie vielmehr nach wie vor ziellos durcheinander schwimmen und derart, wie an andere Stellen des Präparates, auch zufällig in den hellen Fleck geraten. Ist dies einmal geschehen, so sehen wir, wie die betr. Zelle nunmehr den Wiederübertritt ins Dunkle vermeidet, so daß im Laufe der Zeit alle Zellen in dem hellen Fleck des Präparates ge- fangen werden wie in einer Falle und sich hier festsetzen; man redet geradezu von einer Lichtfalle. Abb. 72 zeigt ein Deckglaspräparat (nach einer Photographie) der Purpurbakterie BhodospiriUum photometricum ; Topiache oder phobische Phototaxia? 309 die Zellen haben sieh in der hell erleuchteten Mitte angesammelt. Abb. 73 stellt ein Präparat derselben Art dar, bei welchem ein Stanniolkreuz auf das hell erleuchtete Präparat gelegt worden war, unmittelbar nach Abheben des Kreuzes. Die Ansammlung im Hellen beruht somit nicht auf einer Anlockung durch das Licht, sondern auf einer Repulsionswirkung, die von der Dunkelheit, dem minder hellen Licht, ausgeht. Wir sprechen statt von topischer Reizbarkeit, von „phobischer" Reizbarkeit (von tpößog^ Furcht), da unsere Bakterien den Eindruck erwecken, als ob sie die Dunkelheit fürchten. Es liegt also ein Fall von „Phobophototaxis" vor. Genauere Betrachtung solcher in die Lichtfalle geratenen Zellen zeigt uns sodann, daß sie vor dem Übertritt ins Dunkle förmlich zurück- schrecken, eine schleunige Rückzugsbewegung antreten, ohne sich zu wenden, indem einfach das bisherige Vorderende zum Hinterende wird. So können sie um das Mehrfache ihrer Körperlänge zurückprallen, so- dann wieder vorwärts schwimmen, um abermals an der Grenze zwischen Hell und Dunkel zurückzuschrecken. Bis jetzt haben wir somit festgestellt, daß Übergang von Hell nach Dunkel die Bakterien zurückprallen läßt, während der umgekehrte Über- gang keine Reizbewegung auslöst. Gilt das nun aber für alle Lichtintensitäten? Diese Frage darf verneint werden. Gesetzt, wir wenden wieder, wie oben, unser Tusch- prisma an, benutzen aber diesmal als Lichtquelle die direkten nötigen- falls konzentrierten Sonnenstrahlen oder äußerst intensive künstliche Beleuchtung, so würden wir finden, daß unsere Bakterien nunmehr nicht die hellsten Stellen des Präparats aufsuchen, da ihnen diese eben zu hell sind, vielmehr sich ansammeln in einem Streifen, der sich an einem Orte zwar recht hoher, aber doch nicht der maximalen Licht- intensität befindet. Wir können also sagen, daß ein Licht von be- stimmter Intensität als Optimum gelten darf, Übergang aus solchem ins dunklere sowohl als auch ins hellere Licht wirkt zurückschreckend. Wenn man unter gewöhnlichen Bedingungen die Purpurbakterien sich an den hellsten Stellen des Präparates ansammeln sieht, so liegt dies nur daran, daß das Optimum dieser Formen bei recht hoher Licht- intensität liegt, so daß es unter gewöhnlichen Beleuchtungsverhältnissen mikroskopischer Präparate nicht überschritten wird. Summa Summa- rum: „Die Entfernung der Litensität des Reizmittels vom Optimum wirkt als Reiz auf unsere Organismen und veranlaßt sie, sich zurück- zuziehen, nicht aber die Annäherung an das Optimum".^) 1) Rothert, W., J. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 39, S. 1. 310 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Ist nun die eben angeführte Deutung richtig, so muß offenbar jene schreckhafte Rückwärtsbewegung auch dann eintreten, wenn wir uu- sern sleichmäßior mit Licht von mittlerer Intensität durchleuchteten Tropfen plötzlich gleichmäßig verdunkeln oder auch gleichmäßig sehr stark erhellen. Dem ist nun tatsächlich so: Bei plötzlicher allseitiger Verdunkelung des ganzen Präparates schrecken alle Zellen um das Mehrfache ihrer Körperlänge zurück, um dann die alte Bewegungsrich- tung wieder aufzunehmen, gleichgiltig, ob die Verdunkelung anhält oder die ursprüngliche Beleuchtung wieder in ihr Recht tritt. Be- dingung für Gelingen dieses Versuchs ist plötzliche Abnahme der Helligkeit, starke Abnahme derselben ist weniger nötig. Allmähliche Abnahme löst aber keine Schreckbewegung aus. Derselbe Versuch ge- lingt auch bei plötzlicher starker Erhellung des ganzen Gesichtsfeldes; wenn hierbei die Schreckbewegung nicht immer so deutlich ist, son- dern sich mehr Bewegungen geltend machen, die auf eine „Beunruhi- gung'' der Bakterien hindeuten, so ist das bei dem hochliegenden Optimum der Lichtintensität nur begreiflich. Aus allen diesen Ver- suchen geht nun also ganz klar hervor, daß nicht das Lichtgefälle, nicht eine Differenz in der Beleuchtungsstärke von Vorder- und Hinterende der Zelle den Reizanlaß abgibt, sondern ein die ganze Zelle gleichmäßig treffender Beleuchtungswechsel. Das schließt natürlich nicht aus, daß große Purpurbakterien schon dann zurückschrecken, wenn beim Übergang vom Hellen ins Dunkle erst ihr vorderer Körperpol im Dunkeln sich befindet, der hintere Pol aber noch keinen Beleuchtungswechsel empfängt oder wenn letzterer allein ver- dunkelt wird. Bislang war stets von Lichtintensität die Rede; wie steht es nun mit der Qualität? Da ist zu sagen, daß aUe unserm Auge sichtbaren Lichtstrahlen auf Purpurbakterien wirksam sind, ferner aber ganz besonders die Strahlen von der Wellenlänge 0,8 — 0,9 fi. Entwirft man mittels geeigneter Instrumente ein kleines Spektrum in dem Tropfen, in dem die Purpurbakterien umherschwärmen, so werden sie von dem ultraroten Teil eingefangen. Man darf somit unsern Bakterien eine phobische Reizbarkeit auch durch Wärmestrahlen zu- schreiben. Es ist zur Ergänzung nun noch hinzuzufügen, daß diese phototak- tischen Reizbewegungen je nach den sonstigen Lebensbedingungen bald mehr, bald weniger deutlich in die Erscheinung treten. Allgemein wird angegeben, daß sie bei geringer Konzentration des Sauerstoffs oder, was ungefähr dasselbe besagt , Gegenwart von Schwefelwasserstoff deutlicher werden als bei ungehindertem Luftzutritt. Bei totalem Sauer- Abhiiugigkeit der Reizbarkeit von Außenbedingungen. 311 Stoffentzug werden sie, laut früheren Angaben, starr, nach neueren Befunden sind sie aber ohne Sauerstoff dauernd beweglich , vielleicht spielen spezifische Unterschiede oder sonstige Bedingungen hier mit. Läßt man bei den eben geschilderten Versuchen das Deckglas weg, so reagieren die Purpurbakterien nicht besonders prompt auf Licht- schwankungen. Ja wenn man über einen Tropfen, in dem die Bakterien innerhalb einer Lichtfalle sich gefangen haben, Sauerstoff' leitet, so kann es vorkommen, daß die Ansammlung sich wieder zerstreut, der Über- gang vom Hellen ins Dunklere nun keine Schreckbewegung mehr aus- löst. Ob das in biologischer Hinsicht für die Purpurbakterien von Be- deutung ist, wäre noch zu untersuchen. Sonst zerstreuen sich in einer Lichtfalle gefangene Bakterien erst dann wieder und verteilen sich gleichmäßig in dem ihnen zur Verfügung stehenden Raum, wenn man die Lichtfalle zum Verschwinden bringt, indem man das Präparat gleich- mäßig beleuchtet. Das trifft wenigstens dann zu, wenn sie sich noch nicht allzulange bei gleichmäßiger starker Beleuchtung befunden haben. Ist letzteres der Fall, so kann es vorkommen, daß sie auch bei ein- tretender Veränderung der Beleuchtungsbedingungen keine Tendenz zum Schwärmen mehr zeigen. Überhaupt sollen einmal zur Ruhe gekommene Chrom atien oft hartnäckig festsitzen und erst wieder durch geeignete Mittel, Variation der Sauerstoffzufuhr, zum Schwärmen zu bringen sein. Andererseits hat man festgestellt, daß auch allzulange konstante Ver- dunkelung Dunkelstarre hervorruft, d. h. Unbeweglichkeit und Reak- tionsunfähigkeit bei neu einsetzender Beleuchtung. Sogar sekunden- lange Verdunkelung soll sie für einige Sekunden unempfindlich für Lichtschwankungen machen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß man nicht selten findet, daß Bakterien „ohne Grund", d. h. ohne bekannten Grund nicht auf Licht reagieren, was offenbar vielfach eine Folge des Vorlebens ist; auch hat man mit der Schwierigkeit der individuellen Differenzen zu kämpfen, der „Launenhaftigkeit'^ der einzelnen Zellen. Man hat das auch so formuliert, daß man gesagt hat, es gibt unter den Purpurbak- terien, wie auch sonst, apathische und nervöse Individuen, und es ist sicher ein Zeichen ihrer komplizierten Organisation, daß Neurasthenie sich auch bei ihnen schon eingeschlichen hat. Weitaus wichtiger für das tägliche Leben und tägliche Brot der Bakterien ist ihre Chemotaxis, wie man das Verhalten der Bakterien gecjenüber wasserlöslichen chemischen Stoffen bezeichnet, und diesen chemotaktischen Reizbewegungen haben wir uns nun zuzuwenden. Vor- ausgeschickt sei, daß alle beweglichen Bakterien in dieser oder jener Weise chemotaktisch zu reagieren befähigt sein dürften; nur eine kurze 312 ^- Die Reizbewegungen der Bakterien. Notiz, daß das für bestimmte Meeresbakterien nicht zutrifft, habe ich aufgefunden. So sind wir denn für das Studium der Chemotaxis nicht auf eine bestimmte Bakteriengruppe angewiesen, wie das bei dem Stu- dium der Phototaxis zutrifft. Wirft man in einen Tropfen Wasser, in dem sich Fäulnisbakterien umhertummeln, ein Klümpchen geronnenes Eiweiß, so sieht man als- bald, wie sich die Bakterien um dasselbe ansammeln. Solche Ansamm- lungen hat schon der erste Entdecker der Bakterien in der Zeit der Morgenröte mikroskopischer Forschung beobachtet.^) Später suchte man darin die Äußerung eines Geselligkeitstriebes, den man wissen- schaftlich nicht weiter zu analysieren" trachtete, und noch später er- kannte man, daß es sich um Ansammlung rund um einen Nahrungs- brocken, d. h. um Folgen einer „Witterung" der Bakterien handle. So lag also der Schluß, daß die betr Brocken sich zum Teil im Wasser lösten und so durch ihre chemische Qualität die Bakterien anzögen, nahe genug. Zwar hat man in vereinzelten Fällen beobachtet, daß auch um un- lösliche Körnchen u. ä. sich Bakterien infolge einer sog. Berührungs- reizbarkeit ansammeln; stoßen sie zufällig im Präparat an solche Gegen- stände, so trennen sie sich für eine kürzere oder längere Zeit nicht wie- der von denselben. Diese Berührungs- oder Kontaktreizbarkeit ist z. B. für Chromaünm Weissii (vgl. unten) sicher gestellt.^) Die Zellen von Spirillum undula sollen sich infolge gleicher Reizbarkeit am Oberflächen- häutchen des Tröpfchens, in dem sie sich befinden, ansammeln. Daß es sich aber in den oben angezogenen Fällen um die Reizwirkung seitens gelöster Stoffe handelt, hat man durch eingehende Studien ermittelt, die zu den wertvollsten und anregendsten auf dem gesamten Gebiet der Reizphysiologie zu zählen sind.^) Man ging so vor, daß man einseitig zu- geschmolzene Glaskapillaren von 50 a Durchmesser mit Lösungen sol- cher Stoffe anfüllte, die auf ihre Reizwirkung untei-sucht werden sollten, und sie dann mit dem offenen Ende in einen Tropfen hineinschob, in dem Bakterien gleichmäßig verteilt umherschwaramen. Ein Deckglas aufzulegen, empfiehlt sich meistens nicht, da es darauf ankommt, daß die Luftverteilung im Präparat eine recht gleichmäßige sei. Alsbald diffundiert aus der Kapillarmündung die Lösung heraus, es bildet sich um dieselbe eine Diffusionszone, ein sog. Konzentrationsgefälle des ge- lösten Stoffes aus, und man kann dann, geeignete Bakterien und geeig- 1) A. V. Leeuwenhoek. 2) Miyoshi, M., Journ. coli, of science Tokyo, 1897, Bd. 10, S. 11. 3) Pfeffer, W., Untersuch, a. d. bot. Inst. Tübingen 1888, Bd. 2, S. 582. Kontaktreizbarkeit. — Ciiemotaxis, 313 nete Lösungen vorausgesetzt, nach kurzer Zeit beobachten, wie sich die Bakterien um die Kapillarniündung ansammeln und endlich wohl auch in die Kapillare hiueinschwimmen. Man vgl. Abb. 74a und b, welche das Schwefelbakterium Chronmtinm Weissii darstellt, einmal unmittel- bar, nachdem eine mit 0,3 % salpetersaurem Animon gefüllte Kapillar- röhre in den von ihm durchschwärmten Tropfen hineingelegt war, zum andernmal drei Stunden später. So hat man denn gefunden, daß ganz außerordentlich viele Stoffe, seien es organische, seien es mineralische, als Lockmittel für Bakterien gelten dürfen. Sie im einzelnen zu nennen, würde uns hier zu weit führen, nur soviel sei gleich gesagt, daß es keineswegs immer Nährstoffe sind, die anlockend wirken. So geht, um nur einen Fall zu nennen, solche Wirkung von den nicht als Nährsalze fungierenden Lithiumsalzen aus, während das als Nährstoff nicht un- brauchbare Glyzerin nicht anlockt. Die Bezeichnung Trophotaxis (von TQO(pyj^ Nahrung) ist also nur teilweise zutreffend. Als klassisches üntersuchungsobjekt für derartige Untersuchungen^ auf welches sich auch das eben genannte Beispiel bezieht, darf Bar- terium termo gelten, ein gemeines Fäulnisbakterium, das heutigen Tages zwar gewöhnlich mit Bad. vulgare identifiziert wird, sich aber von die- sem, das lateral begeißelt ist, durch einen eudständigen Geißelschopf unterscheiden soll (vgl. S. 19-4). Dieses wird, wie viele andere Spalt- pilze, durch Phosphate und durch Eiweißkörper, sowie deren Spaltungs- produkte besonders kräftig angelockt. Im übrigen zeigen sich die mannig- fachsten spezifischen Differenzen, die zum großen Teil mit dem Stoff- wechsel der betr. Form zusammenhängen. So wird es uns nach dem,, was wir später über die Ernährung und Atmung der Schwefelbakterien hören werden, nicht weiter wundern, daß sich Schwefelbakterien viel- fach durch Lösungen von Schwefelwasserstoff anlocken und in Kapil- laren einfangen lassen, übrigens auch durch phosphorsaure, salpeter- saure, weinsaure Salze. Ferner sei darauf hingewiesen, daß Dextrin für Bad. fermo ein starkes Reizmittel ist, nicht aber für SpiriUtmi undula^ das mit jenem gemeinsam untersucht wurde. Gleiches gilt für be- stimmte Salze: so wirkt Magnesiunichlorid und Calciumchlorid auch nur auf termo, nicht auf das genannte Spirillmn als Reizmittel, Kalium- phosphat lockt im Gegensatz dazu beide Arten an. Ganz wesentlich für das Verständnis chemotaktischer Erscheinungen ist es aber nun, zu wissen, daß die Konzentration der Stoffe, von der wir bisher noch gar nicht geredet haben, von ausschlaggebender Be- deutung ist, ebenso, wie bei der Phototaxis die Intensität des Lichtes über den Reaktionserfolg entscheidet. Betrachten wir nunmehr die Konzentration: ist der Stoff in der Kapillare äußerst verdünnt und rea- 314 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. gieren deshalb die Bakterien nicht darauf, so sagt man, der „Schwellen- wert" des Stoffes sei noch nicht erreicht, die „Reizschwelle" noch nicht überschritten. Dieser Schwellenwert liegt für jeden Stoff und jede Bak- terienart bei verschiedenen Konzentrationen, wechselt auch stark mit äußeren Umständen. Um ein Beispiel einer tief liegenden Reizschwelle zu nennen, sei erwähnt, daß bestimmte Salze, auch Albumosen für emp- findliche Bakterien schon in einer Konzentration von 0,001 7q Reiz- u h c Abb. 74. a Proschemotaxis von CliromatinmWeissii', die Kapillare enthält 0,3% Ammon- nitrat; gezeichnet unmittelbar nach dem Einschieben der Kapillare.' 6 Dasselbe Piäparat, einige Zeit nachher. c Apochemotaxis von CJiromatium Weissii; die Kapillare enthält 0,5 % Apfelsäure. Nach Miyoshi. mittel sind, Bac. Z wird sogar durch 0,0001% Asparagin angelockt, während z. B. für Äther, der eigenartigerweise in manchen Fällen an- lockt, die Schwelle erst bei etwa 0,8 "/o liegt. Wird nun die Reizschwelle überschritten, so findet, falls überhaupt der betr. Stoff anlockend wirken kann, die Reaktion statt. Die Bakterien sammeln sich in der Nähe der Kapillarmündung und schwimmen endlich hinein (Abb. 74a, b). Steigert man nun die Konzentration noch weiter, so findet bei einer gewissen Konzentration letzteres nicht mehr statt, vielmehr findet die Ansammlung vor der Kapillare statt, je weiter wir die Konzentration steigern, um so entfernter von der Mündung. Ein Bild, wie es Abb. 74c uns zeigt, kann also auch durch einen Stoff hervorgerufen werden, der in geringerer Konzentration stark anlockend wirkt. Es zeigt sich also ganz dieselbe Abhängigkeit der chemotaktischen Bewegungen von der Kon- Pros- und Apochemotaxis. 315 zeiitration, die wir bei der Phototaxis mit Bezug auf die Liclitfülle beobachtet haben. Ein Stoff, der chemotaktische Reiz])ewegUDgen aus- löst, wirkt nur innerhalb bestimmter Grenzen anlockend, „positiv'^ oder pros- chemotaktisch. Wird die Konzentration zu stark gesteigert, so wirkt er ,, negativ" oder apo-chemotaktisch. Das gilt wenigstens für die meisten StoÖe; eine Anzahl anderer macht eine Ausnahme; sie wirken, wenn überhaupt, so stets negativ chemotaktisch; das klassische Bei- spiel hierfür ist der Alkohol. — Abb. 74c zeigt Chromaiiiim Weissil, das durch eine Ygprozentige Lösung von Apfelsäure abgestoßen wird. Hier ist die freie Säure an diesem Erfolg schuld. Die Lage des Minimums und Optimums jedes einzelnen Stoffes ist nun, wie schon angedeutet, ganz verschieden, je nach den Bakterien, auf die der Stoff wirkt. Das lehrt z. B. wiederum ein Vergleich der Reaktionen des Bact. iermo einer-, des SpiriUuni undula andererseits. Letzteres flieht nämlich schon Lösungen von solcher Konzentration, die ersteres noch anlocken. 2 — Sprozentige Chlornatriumlösungen locken iermo noch an, treiben das Spirilluni zurück. Legt man ein Stückchen Fleisch in einen Tropfen, in dem beide Arten gemeinsam miteinander umherschwärmen, so zeigt sich, daß sich termo dicht an das Stückchen herandrängt, wäh- rend Spirillum undula sich in einiger Entfernung, wo die Konzentra- tion der ins Wasser diffundierenden Stoffe geringer ist, ansammelt. So kann man sog. „Bakterienniveaus" konstruieren. Füllt man Lösungen, welche die eine Form anlocken, die andere abstoßen, in eine Kapillare, so kann man erreichen, daß sich nur die eine in dieser ansammelt, und es leuchtet ein, daß man so zwei Arten von- einander trennen kann. Es liegt hier eine elektive Methode vor, die man bei Reinzuchtversuchen anwenden kann, auch gelingt es auf diese Weise, bewegliche und unbewegliche Formen voneinander zu trennen oder doch aus Mischkulturen einen großen Teil der beweglichen Formen zu iso- lieren, indem man z. B. ein Stück Fleisch, einen toten Regenwurm o. ä. in ein kleines Mullsäckchen einbindet, dies in die Mischkultur hängt und nach einiger Zeit herausnimmt. Solche Methoden sind tatsächlich bei chemotaktischen Studien zur Beschaffung geeigneten Bakterienma- terials verwendet worden. Wir haben bis jetzt immer die Ausdrücke „Abstoßung" und „An- lockung" gebraucht für den Fall, daß negative oder positive Chemo- taxis vorlag. Nun müssen wir aber betonen, daß diese Ausdrucksweise zwar der Bequemlichkeit halber allenfalls zu dulden, aber inkorrekt ist. De facto liegt nämlich in den Fällen scheinbarer Anlockung ebenfalls eine Abstoßung vor, und zwar ein Zurückschrecken vor ungeeigneten Konzentrationen, also eine phobische Reaktion. Es handelt sich also um 316 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Phobochemotaxis, ^) ganz ebenso wie wir oben von Phobophototaxis 7Ai reden hatten. Erläutern wir das nun etwas näher: Wir fassen eine große Form, etwa den riesigen, bedächtig dahin- schwimmenden Bac. Solmsii (vgl. Abb. 25, S. 84), einen aus Sumpfwasser stammenden Spaltpilz, ins Auge und verfolgen die Art und Weise, wie sich die einzelnen Individuen an der Kapillarmündung ansammeln. Wir sehen, daß sich die Zellen nicht etwa mit ihrer Längsachse in die Rich- tung des Konzentrationsgefälles, also mit dem Vorderpol nach der Ka- pillarmündung gerichtet, einstellen, um zielbewußt darauf loszusteuern, vielmehr ist deutlich zu beobachten, wie sie „zufällig" in nächste Nähe der Kapillarmündung geraten, sich dann zufällig wieder von dieser ent- fernen, nun aber in geringer Entfernung von ihr wieder zurückschrecken und so in der Nähe der Mündung bleiben. Otfenbar wirkt also in diesem Fall der Übergang in eine niedrigere Konzentration, wie sie in einiger Entfernung von der Kapillarnüindung vorliegt, zurückschreckend. Wenn wir in einem zweiten Versuch nun die Kapillare füllen würden mit demselben Stoff, aber in so hoher Konzentration, daß das Optimum überschritten ist, und denselben Versuch wiederholten, so würde der Bac. Solmsii, wenn er zufällig in die Gegend der Kapillarmündung ge- riet, nun schon in einiger Entfernung von dieser zurückprallen, da nun- mehr der Übereranff in zu starke Konzentration als Reiz wirkt, der die Rückwärtsbewegung veranlaßt. Kurzum: Es gibt ein Optimum der Kon- zentration, jede zu weite Entfernung von diesem Optimum, sei es nach oben, sei es nach unten, löst phobische Reaktion aus. Bei sehr kleinen Bakterien mag es schwierig sein, mit derselben Sicherheit, wie bei großen, festzustellen, daß phobische Reaktionsweise bei der Chemotaxis vorliegt, trotzdem kann man nicht daran zweifeln, da schon bei Beobachtung mit verhältnismäßig schwacher Vergrößerung nicht der Eindruck des zielbewußten llinsteuerns nach der Kapillare erweckt wird, vielmehr der einer allmählichen Ansammlung und sodann der des Umherschwimmens in der Nähe der Kapillarmündung, das an das „Tanzen eines Mückenschwarms in der Sonne" erinnert. Wir wollen aber nicht verschweigen, daß von maßgebender Seite ^) vermutet wird, daß weitere Untersuchungen neben phobischer auch topische Reizbar- keit der Bakterien nachweisen wird, da beide sich nicht ausschließen. Die Probe auf phobochemotaktische Reizbarkeit würde man nun ganz ebenso wie bei der Phototaxis machen können: Brächte man Bak- terien, die in einer Lösung von zusagender Qualität und Konzentration 1) Jennings u. Crosby, Am. J. of phys. 1901, Bd. 6, S. 29, zit. nach Pfeffer. — Rothert, W., Flora 1901, Bd. 88,' S. 371. 2) Wilh. Pfeffer. Topochemotaxis oder Phobochemotaxis? 317 uraherschwimmen, plötzlich in Lösungen höherer oder geringerer Kon- zentration, die, falls einseitig geboten, ein Zurückschrecken bewirken würden, so müßte auch bei solch allseitiger Konzentrationsänderung eine Schreckbewegung erfolgen. Dies auszuführen, ist nun in den meisten Fällen praktisch fast unmöglich, immerhin hat man folgendes festgestellt: Gewisse Purpurbakterien werden durch Kohlensäure zurück- geschreckt, und wenn man einen Wassertropfen, in dem solche herum- schwimmen, plötzlich gleichmäßig mit Kohlensäure belädt, indem man dies Gas darüberhinleitet, so kann man Schreckbewegung beobachten, wie die Theorie es fordert. Da Überleiten von Wasserstoff nicht so wirkt, ist auch festgestellt, daß nicht etwa Verdrängung des Sauerstoffs für „den Schreck" verantwortlich zu machen ist. Als einen besonders wichtigen Spezialfall der Chemotaxis wollen wir nun das Verhalten beweglicher Bakterien gegenüber dem freien Sauerstoff", der in ungleichmäßiger Verteilung geboten wird, betrachten: Man redet hier von Aerotaxis, genauer wäre der umständliche Ausdruck Oxygenotaxis. Wie früher eingehend erörtert wurde, haben alle Bak- terien für ihre Funktionen ein freilich oft recht breites Optimum des Sauerstoffgehaltes, das bald bei oder vielleicht richtiger in der Nähe von 0 Gramm Sauerstoff liegt, bald bei höheren, wohl auch recht hohen Konzentrationen, man vgl. dazu die früheren Erörterungen (S. 262 ff.). Viele bewegliche Formen können nun dies Optimum selbst aufsuchen, sobald sie sich an Orten höherer oder geringerer Konzentration befinden. Dies gilt allerdings nicht für alle beweglichen Spaltpilze; eine Ausnahme macht z. B. der oben genannte, sonst gut chemotaktisch reizbare JBac. Solmsii. Wir haben schon früher kurz erwähnt, daß man diese Befähi- gung zuerst an bestimmten farblosen Schwefelbakterieu entdeckt hat, die sich an Orten ansammeln, wo der Sauerstoff in geringerer Kon- zentration als in der Atmosphäre vorliegt; dasselbe gilt für Purpur- bakterien, von denen viele nur „äußerst geringe Sauerstoff'mengen" gut ertragen konnten, andere hinwiederum mehr Sauerstoff liebten. Sehr eingehend hat man diese Fragen aber auch an den verschiedensten andern Bakterien studiert, und zwar durch Beobachtung der sog. „At- mungsfiguren", die dieselben bilden. Als Atmungsfiguren bezeichnet man die Anordnung beweglicher Bakterien unter dem Einfluß des Sauerstoffs (und der übrigen Nähr- stoffe) bei bestimmten Versuchsbedingungen. Wirft man z. B. einen le- benden Bohnensamen in ein Reagensröhrchen mit Wasser, so quillt er und absorbiert infolge seiner beginnenden Atmungstätigkeit den Sauer- stoff, läßt andererseits Nährstoffe für Bakterien ins Wasser austreten. Bakterien, deren Keime der Bohne anhaften, entwickeln sich nun 318 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. und trüben zuerst das Wasser gleichmäßig, um bald, wenn sie unter Sauerstoffmangel zu leiden beginnen, eine dünne Schicht, ein „Bakterien- niveau" zu bilden, unterhalb des Wasserniveaus, wo von unten die Nährstoffe, von oben der nötige Luftsauerstoff" sie erreicht. Verdünnt man oben die Luft, so hebt sich das Niveau, steigert man den Sauer- stoffgehalt über dem Wasser, so senkt sich das Niveau, ein sicheres Zeichen, daß das Maß des Sauerstoffzutritts seine Lage mitbedingt. Ein an verschiedenen Hülsenfruchtsamen anhaftender Spaltpilz bildet solche scharf abgesetzte, horizontale Niveaus besonders schön und hat daher von dem Entdecker derselben den Namen Bad. perlibratum erhalten.*) Eingehendere Versuche hat man derart angestellt -j , daß man an den Grund eines Reagensröhrchens einen Tropfen Nährgelatine brachte, diesen beimpfte mit Bad. coli, typin, pyocyaneum, fluorescens, dioleme u. a. ( — aerophobe Arten wurden bis jetzt in dieser Weise nicht unter- sucht — ) imd sodann steriles Wasser darüber schichtete. Bald bildete sich ein papierdünnes Bakterienniveau an einer bestimmten Stelle der Wassersäule; oberhalb und unterhalb desselben, von ihm durch einen klaren Zwischenraum getrennt, zeigen sich durch Bakterien bedingte Trübungen; worauf diese Trübungen beruhen, ist zweifelhaft; wir be- trachten darum nur die Lage des Niveaus selbst etwas genauer. Daß diese von Sauerstoff abhängig ist, kann nuin eleganterweise auch da- durch beweisen, daß mau dem Wasser etwas Methylenblau, einen Li- dikator für freien Sauerstoff, der sich bei Mangel an diesem entfärbt, zusetzt. Hat sich nach 2 4 stündiger Kulturdauer das Niveau gebildet, 60 zeigt sich bald die Flüssigkeit unterhalb desselben farblos, d. h. sauerstofffrei, die über dem Niveau aber blau gefärbt. Das Niveau liegt also da, wo sauerstofffreie und sauerstoffhaltige Wasserschichten anein- andergrenzen, die Bakterien im Niveau setzen selbst dem tieferen Ein- dringen des Sauerstoffs eine Grenze. Verringert man den Zutritt freien Sauerstoffs von oben, indem man Ol über das Wasser schichtet, so steigt alsbald das Niveau in die Höhe. Ist dadurch der Einfluß der Niveaulage von Sauerstoffzutritt aufs klarste gekennzeichnet, so läßt sich andererseits zeigen, daß die aus der Gelatine herausdiffundierenden Nährstoffe ebenfalls für die Lage des Niveaus verantwortlich zu machen sind: Enthält diese reichlich Nährstoffe, so bildet sich das Niveau wei- ter oben, als wenn sie nährstoffarm ist; auch kann man nachweisen, daß das Wasser oberhalb des Niveaus fast frei von gelösten Stoffen ist. Sehr interessant sind auch die vertikalen Verschiebungen, die das 1) M. W. Beijerinck. 2) Lehmann, K. B.. und Cuuhard, H., B. C. IL, 1Ü05, Bd.'U, S. 449. Bakterienniveaus. 319 Niveau im Laufe der Kultur zeigt. Zunächst bildet es sich im allge- meinen in einer ziemlich tiefen Wasserschicht, um allmählich zu steigen^ in einem FaU nahm es z. B. am 9. bis 12. Tag die höchste Lage ein, etwa 6 cm über der Gelatine; dann beginnt es wieder zu sinken. Je mehr Nährstoffe die Gelatine am Grund des Wassers enthielt, um so schneller und höher stieg das Niveau im Wasser, offenbar können dann die Bakterien ihrem Sauerstoffbedürfnis besser nachgehen, ohne in die Gefahr des Nahrungsmangels zu geraten; das endliche Sinken des Ni- veaus ist wohl auf Nahrungsmangel, der sich schließlich einstellt, zu- rückzuführen. So sieht man denn hier klar den Antagonismus zwischen Sauerstoff und Nahrungsbedürfnis sich in der jeweiligen Lage des Ni- veaus widerspiegeln. — Unbewegliche Formen bilden keine derartigen Niveaus, höchstens Trübungen, die ziemlich scharf gegen das klare Wasser abgesetzt sein können, die Niveaubildung ist also zweifelsohne als Folge einer Reizbewegung der beweglichen Bakterien aufzufassen. Das Niveau wird als „papierdünn" geschildert, da aber die Bakterien sich während des Versuchs vermehren, kann es nur deshalb so dünn bleiben, weil von Zeit zu Zeit sich Bakterienmassen von ihm absondern und in Form von fädigen Gebilden zu Boden sinken. Und auch sonst sind gelegentlich Trichter, Säulenbildungen und andere Veränderungen am Niveau zu beobachten, die zum Teil als Folge aktiver Bewegungs- erscheinungen, zum Teil als bloße Wirkungen der Schwere aufzufassen sein dürften, aber noch näher erklärt werden müssen. Bemerkenswert ist auch das Ergebnis, das man erhält, wenn man die Gelatine am Grunde der Wassersäule mit zwei Arten infiziert. Es entsteht dann nur ein Niveau, und dies pflegt nur aus Zellen der einen Art zu bestehen, offenbar der behenderen; die der andern Art können sich nachträglich nicht eindrängen, da erstere bereits die mit Rücksicht auf Sauerstoff- und Nahrungszufuhr günstigsten Stelle okkupiert haben. Falls man zwei Arten mit sehr verschiedenen Ansprüchen an Luft und Nahrung in gleicher Weise gemeinsam untersuchen würde, könnte man möglicherweise doch die Entstehung zweier Niveaus beobachten. Die Trübung unterhalb des Niveaus pflegt bei Mischinfektionen aus Zellen beider Arten zu bestehen. Niveaus, die nicht eben und dünn sind, sondern durch ihre sonder- bare Gestalt auffallen, werden z. B. von bestimmten begeißelten Schwefel- bakterien, einzelligen gekrümmten Stäbchen, gebildet. Hier hängen an der Bakterienschicht „Quästchen'*, gebildet aus Bakterien, die in der Achse dieser Quästchen dauernd sich nach unten bewegen, um, am un- teren Ende angelangt, umzukehren und am Rande der Quästchen wie- der nach oben zum Niveau zurückzuschwimmen, auf diesem Wege die 320 XI. Die ßeizbewegungen der Bakterien. für Schwefelbakterien charakteristischen chemischen Umsetzungen be- wirkend, die wir später noch kennen lernen werden. In jedem Quäst- chen spielt sich also eine auf dem Kopf stehende „Fontänenbewegung" ab (Abb. 75, 76). Auch im mikroskopischen Präparat kann mau leicht aerotaktische Bakterienansammluntjen beobachten: Sobald durch die Atmungstätigkeit der Bakterien und anderer etwa anwesender Mikro- oro-anismen der Sauerstoff unter dem Deckorlas ganz oder zum Teil verbraucht ist, sammeln sich die luftliebenden Formen am Rande an, und zwar sehr luftliebende schon lange, bevor aller Sauer- stoff' im Innern des Tropfens verschwunden ist. Bei lufttliehenden Arten, z. B. dem Bac. amylo- bacter, hat man beobachtet, wie sie zuerst den Sauerstoff' verbrauchen, indem sie gleichmäßig verteilt im Präparat umherschwimmen, um sich sodann in der Mitte des Tropfens möglichst weit entfernt von der Luft anzusammeln. Hierbei kann, wie wir das oben bei den Atmungsfiguren im Reagenzglas gesehen haben, Aerotaxis, und zwar hier negative mit positiver Chemotaxis gegen Nährstoffe in Widerstreit geraten. In einem kon- Icreten FaDe, bei Bac. annjlohacter, hat man ge- funden, daß dabei die Chemotaxis siegte und der genannte Bazillus sich in der Nähe des Deck- glasrandes ansammelte, falls ausschließlich dort Xähr^itoffe vorhanden sind, vorausgesetzt, daß nicht allzuhohe Konzentration des Sauer- stoffs ihm das unmöglich machte. (Bei Purpur- bakterien hat man, nebenbei bemerkt, den Fall beobachtet, daß Stellen des Präparats, die in- folge Verdunkelung gemieden waren, bei wieder einsetzender Beleuchtung aufgesucht werden, wohl infolge von Chemotaxis.^)) Arten end- lich, die ein mittleres Sauerstoff'optimum ha- ben, sammeln sich zunächst, solange der Sauer- stoff unter dem Deckglas noch nicht ver- braucht ist, in der Mitte zwischen Deckglasrand und Präparatenmitte -fsif^c- Abb. 75. Zucht V. Schwefelbakterien aus den Limaneu (d. h. seichten Seen an der Küste des Schwarzen Meers, deren Boden mit durch Schwefel- eisen geschwärzt. Schlamm bedeckt ist). Zu unterst schwarzer Schlamm; darü- ber Flüssigkeit, deren Me- niskus ganz oben sichtbar; dazwischen Bakterieuplatte mit 5 Fontänen. Nach Jegrunow. 1) Molisch, H., Die Purpurbakterien, Jena 1907 Atmiingsfiguren. 321 an. Dies letztere gilt u. a. für Spirillen, z. B. Sp. tenue, so daß man hier auch von einem Spirillenty pus im Gegensatz zum Aerobien- und Anaerobien- typus gesprochen hat. Besonders schön ^) kann man die drei Typen beobachten, wenn man ein Stückehen dünnen Platindraht unter eine Kaute des Deckglases legt, so daß unter diesem eine keilförmige Flüssig- keitsschicht entsteht (Abb. 77). Beim Aerobientypus beobachtet man dann, am besten mit der Lupe, eine scharf begrenzte Anhäufung von beweglichen Bakterien am freien Rand des Tropfens, von dieser getrennt in der Mitte des Trop- fens einen Klumpen ru- hender Bakterien , die den Rand nicht mehr erreichen konnten, da sie infolge Sauerstoff- mangels zu früh starr wurden. Diese Ansamm- lunec in der Mitte unter- bleibt bei solchen aero- ben Arten, welche ver- hältnismäßig lange Zeit ohne Sauerstoff beweg- lich bleiben, und es ent- steht der sog. anormale Aerobientypus. Beim Spirillentypus zeigt sich eine sehr scharf abge- grenzte Bakterien- schicht parallel zum und in einiger Entfernung vom Rand des Tropfens; die Mitte bleibt frei, wei} sich diese Formen auch bei sehr geringem Sauerstoffgehalt noch nach ihrem Optimum verfügen köimen. Beim Anaerobientypus sammeln sich die Bakterien, wie schon erwähnt, möglichst weit vom Sauerstoff' der Luft an. Noch sei erwähnt, daß man häufig mit gutem Erfolg auch Luft- blasen im Tunern des Präparatentropfens als Sauerstoffquelle benutzen kann. Luftgierige Arten sammeln sich dicht um solche an, andere Ar- ten fliehen sie mehr oder minder enercfisch. Abb. 76. Teil der Bakterienplatte in Abb. 75, stärker ver- größert. (Vergr. 11.) Nach Jegunow. 1) Beijerinck, M. W., B. C. 1893, Bd. 14, S. 844. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. Sil 322 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Es wird jetzt ohne weiteres einleuchten, daß man an solchen mikro- skopischen Präparaten früh den verschiedenen Bedarf der Bakterien an Sauerstoff studiert hat; derartige Atmungstiguren bieten zwar keine Handhabe, um quantitative Versuche anzustellen, wohl aber ermöglichen sie, einen schnellen Überblick über das ungefähre Sauerstoffbedürfnis verschiedener Arten zu gewinnen. So hat man neuerdings jene schon erwähnten Versuche mit Purpurbakterien wieder aufgegriffen uud an der Hand von Atmungsfiguren in Bestätigung der früheren Angabe ge- funden, daß das Sauerstoffoptimuni der allermeisten Purpurbakterieu ziemlich tief liegt, bei allen untersuchten Arten unter dem Sauerstoff- // Abb. 77. „Hor'zoiitalprojektionen von Bakterienpräparaten in je einem großen Wasser- tropfen. Objektträger nicbt wiedergegeben, sondern nur die drei runden Deck- gläser. Zwischen Objektträger und Deckglas ist an einer (in der Zeichnung obersten) Stelle ein Platindrähtchen eingelegt zu denken, so daß also jedes Deckglas mit dem Objektträger einen sehr spitzen Winkel bildet." m Meniskus der Wassertropfen. I. Aerobitiitijjjtis. a Sauerstoffhaltige Randzone, in der sich die sich bewegenden ZeUen ansammelu , während die ruhenden ;• im Innern liegen bleiben. / bakterienfreier Raum. II. Sjjirilletüypus. tp Ansammlung der Zellen. III. AiinerobientypHs. a n Luftscheue Bakterien, in der Mitte des Tropfens angesammelt. Nach Beijerinck aus Lafars Hdb. gehalt der Atmosphäre, daß weiterhin das Maxiraum bei den meisten ebenfalls unter dem Sauerstoffgehalt der Luft liegt : einige wenige können sich bei freiem Luftzutritt noch entwickeln. Sodann hat man im Gegensatz zu früheren Angaben gefunden, daß es auch Purpurbak- terien gibt, die ganz ohne freien Sauerstoff gedeihen können. Interessant ist es zu hören, daß gewisse aus dem Meer stammende Cbromatium- arten in einer durch Terpentiuharz sauerstofidicht abgeschlossenen Deck- glaskultur mehr als ein Jahr gesund und beweglich blieben und auf Wunsch phobophototaktische Schreckbewegungen ausführten. Nach sol- chen Präparaten sind Abb. 72 und 73 vom Entdecker dieser Tatsache ausgeführt. So sehen wir denn innerhalb der einen Gruppe der Rhodo- bakterien sehr verschiedene Ansprüche au Lüftung des Standortes. Atmungsfiguren. 323 Freilich zeigte sich gerade bei solchen Untersuchungen der At- mungsfiguren von Purpurbakterien eine weitgehende Inkonstanz und t'in Wechsel der „Sauerstoffstimmung". Individuen ein und derselben Art, z. B. des RhodosjyiriUuni (jiganteum, aus einem Heuinfus isoliert^ zeio-en teilweise Spirillen-, teilweise Anaerobientypus. Während eines läno-ere Zeit dauernden Versuches zeigt sich bei der genannten sowie andern Purpurbakterieu, daß sie Schichten von niedrigerer Sauerstoä- konzentration als zu Beginn des Versuchs aufsuchen. Nach früheren Untersuchungen trifft das auch für Glironiatium zu, und es scheint, als ob hierbei auch die Frage, mit wieviel Schwefelwasserstoff die Zellen vorher in Berührung waren (es handelt sich ja bei den genannten For- men um rote Schwefelbakterien), eine Rolle spielt. a B C E b Abb. 78. Algenfaden im Mikrospektrum. Falls die Energieverteilung im Spektrum gleichmäßig wäre, würde bei F eine zweite ebenso starke Bakterienansammlung wie zwischen B u. C stattfinden. Nach Pfeffer. Interessant ist auch, was man ermittelt hat über die unter dem Deckglas sich bildenden Atmungsfiguren von fakultativ Anaeroben ^): Dieselben zeigen fast immer den Aerobentypus, sammeln sich also am Rand des Tropfens an. Eine Ausnahme machte z. B. Bad. cloacae, eine Art, die dem Bad. coli gleicht, aber sich durch Verflüssigung der Gela- tine und durch die Erzeugung stinkender Stoffwechselprodukte davon unterscheidet. Dies zeigt den mit dem Spirillentypus nahe verwandten sog. Vibrionentypus, d. h. eine Ansammlung, die in sehr kleinem Abstand vom Rand des Meniskus sich bildet, nicht so scharf abge- grenzt ist wie beim Spirillentypus, und bei welcher eigenartigerweise sich auch noch eine sehr feine Ansammlung im Meniskus selbst zeigt. Wie das zustande kommt, ist zweifelhaft; man hat auf Spaltung der betr. Art in zwei physiologische Rassen geschlossen, die sich gegen Sauerstoff verschieden verhalten. Andere Versuche, bei einer Art zwei Niveaus zu erhalten, sind gescheitert. — Wie schnell sich die Ansamm- 1) Porodko, Th., J. f. wiss. Bot. 1904, Bd. 41, S. 1. Ritter, G., B.C. II, 1907, Bd. 20, S. 32. 21* 324 XI- Die Reizbewegungen der Bakterien. lungeii bilden, hängt natürlich von den spezifischen Befähigungen der betreffenden Art, mit der man experimentiert, und von den Lebens- bedingungen ab. Bei fac. Anaeroben, z. B. Bad. vulgare, bildete sich das Niveau bei Verwendung von Peptonwasser als Kulturflüssigkeit im Laufe einer halben Stunde, wurde Zucker zugegeben, wodurch die Be- weglichkeit dieser Formen bei mangelndem Sauerstoffzutritt länger an- dauert, so war das Niveau erst nach einer Stunde fertig. Statt Luft kann man auch andere Sauerstofl'quellen für derartige Versuche verwerten, besonders bemerkenswert ist es, daß mau mit Er- folg grüne Algenzellen, die im Licht Sauerstoff ausscheiden, dazu be- nutzen kann. Luftgierige Bakterien sammeln sieh bei Beleuchtung, falls sie beweglich sind, in dichten Schwärmen um solche Zellen an, und zwar eben um die Stellen, wo die Chlorophvllkörner liegen, um sich bei eintretender Dunkelheit wieder zu zerstreuen. Umgekehrt fliehen sauerstofffeindliche Formen solche Algenzellen, wenn man Lieht zu- treten läßt, noch andere Formen halten sich in gewisser respektvoller Entfernung von diesen Sauerstoffgasometern. Mittels dieser Methode kann man schon ganz fabelhaft geringe Sauerstotfspuren, die von Pilan- zenzellen ausgeschieden werden, nachweisen, und es ist bekannt, daß sich die Pflanzenphysiologie dieser Methode bedient, um in zweifelhaften Fällen nachzuweisen, ob bestimmte grüne Zellen unter diesen oder jenen Bedint^uuffen Sauerstoff aushauchen oder nicht. Man hat so u. a. auch die Frage zu fördern gesucht, in welcher Lichtfarbe die Sauerstoffaus- scheidung der grünen Zelle am lebhaftesten vor sich geht, indem man ein kleines Spektrum auf den Mikroskoptisch entwarf und beobachtete, an welcher Stelle des Spektrums die stärkste Ansammlung von Bak- terien stattfindet. Man werfe einen Blick auf Abb. 78 und vgl. darüber die physiologischen Handbücher. Wie nochmals zum Schlüsse hervorgehoben sei, zeigen alle Be- obachtungen über Aerotaxis, daß es eine phobische Reizbewegung ist wie andere chemotaktische Bewegungen auch, daß sie also besteht in einem Zurückprallen vor Konzentrationen des Sauerstoffes, die sich zu weit nach oben oder nach unten vom jeweiligen Optimum entfernen. Versuche, auch die lufto-ierigsten bisher bekannten Bakterien vor allzu hohen Sauerstoffkonzentrationen zurückprallen zu machen, liegen noch nicht vor, ihre Ausführung dürfte auch auf Schwierigkeiten stoßen. Daß sie aber cfelingeu würden, unterliegt wohl keinem Zweifel. Wenden wir uns mit wenigen Worten zur Osmotaxis der Bakterien- zelle! Während Chemotaxis ausgelöst wird durch Stoffe, die kraft ihrer chemischen Eigenart wirken, wird die Osmotaxis hervorgerufen durch Stoffe, die durch den osmotischen Druck ihrer Lösungen, d. h. durch Osmotaxis. 325 das Maß der iliren Lösungen inuewolmenden wasseranziehenden Kraft, die Bewegimgserscheinungeu von Bakterien zu beeinflussen vermögen. Schon aus früher Gesagtem wissen wir, daß Stofle, die nur osmotisch und nicht auch chemisch wirken, nicht existieren, woraus folgt, daß eine saubere Scheidung zwischen Osmotaxis und Chemotaxis der Natur der Sache nach unmöglich ist. Immerhin dürfen wir dann, wenn ein Stoff bei geringer Konzentration keine oder doch keine bemerkenswerte Chemotaxis auslöst, wohl aber sich wirksam zeigt, sobald seine Kon- zentration so hoch steigt, daß der osmotische Druck seiner Lösung für die Zelle nicht mehr gleichgiltig ist, auf osmotaktische Reizung schließen. Daß Bakterien solche osmotaktische Reizbarkeit zeigen, d.h. vor Lösungen zu hoher oder zu niedriger Konzentration zurückweichen, kann nicht wundernehmen, da sie ja an ihren Standorten an bestimmte Konzentra- tionen mehr oder minder scharf akkommodiert sind. Das leuchtet be- sonders ein für Seewasserbakterien. So hat man denn auch gefunden, daß Spirillen des Meeres vor Lösungen von höherer wie auch von nied- rigerer Konzentration, als sie dem Seewasser, in dem sie leben, zukommt, fliehen, — d. h, phobo-osmotaktische Reizbewegungen ausführen. Und auch auf folgende Weise hat man Osmotaxis nachgewiesen: Man hat auf Bakterien mittels der oben geschilderten Kapillarmethode Lösungen von Reizstoffen wirken lassen, die für sich allein eine Ansammlung um den Mund der Kapillare hervorrufen würden, diesen Stoffen aber Salze beigefüg-t und untersucht, bei welcher Konzentration diese Salze durch ihre negativ osmotaktische Wirkung eben imstande sind, die positiv chemotaktische Wirkung des Reizmittels aufzuheben. Es zeigte sich nun, daß die betr. Grenzkonzentrationen der verschiedenen geprüften Salze, soweit sie nicht chemisch wirkten, „isosmotisch" waren, denselben os- motischen Druck entwickelten, woraus man auf osmotische Wirksam- keit schließen darf.^) Li diesem Fall fliehen also Bakterien zu hohe Kon- zentrationen, Avahrscheinlich würde man bei geeigneter Versuchsanstellung auch finden, daß sie destilliertes Wasser fliehen, also Orte, wo der os- motische Druck gleich Null ist, da destilliertes Wasser zwar „vom Himmel fällt", aber doch an Bakterienstandorten nicht haltbar ist. Man hat ge- schlossen, daß nur solche Bakterien, die plasmolysierbar sind (S. 87 f.), auf osmotische Beeinflussung reagieren könnten, der Schluß scheint aber nicht zwingend, da ja auch ohne deutliche Plasmolyse, d. h. ohne daß dem Zellsaft größere Wassermengen entzogen werden, lokaler Wasserentzug durch osmotisch wirksame Stoffe aus bestimmten Stellen des Protoplasmas denkbar ist. 1) Massart, J., Arch. de biol. 1889, Bd. 9, S. 515. 326 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Als letzter Taxis sei uuu noch der Geotaxis gedacht, der Erschei- nung, daß die bewegliche Bakterienzelle den Mittelpunkt der Erde flieht oder sich ihm nähert, einfacher ausgedrückt, daß .sie im Kulturgefäß nach oben oder nach unten schwimmt. Man^) hat zwei Spirillen gefunden, Spirilho)! a und Sph-iUuni h: das erstere bewegt sich in eineni senkrecht gestellten Röhrchen nach oben, das letztere nach unten, und zwar nicht passiv fallend, sondern aktiv nach unten schwimmend. Ersteres ist so- mit als negativ, letzteres als positiv geotaktisch zu bezeichnen, voraus- gesetzt, daß diese Beobachtung zutrifft, was etwas zweifelhaft erscheint. Außer in dem eben genannten Fall ist Geotaxis nur bei bestimmten Purpurbakterien mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit beobachtet worden, jedenfalls .spielt die liichtung der Schwerkraft im Gegensatz zu dem, was für höhere Gewächse allbekannt ist, nur eine untergeord- nete Rolle im Bakterienleben. Der Annahme, daß Bakterien die Rich- tung der Schwere als lu'iz auf sich wirken lassen k(>nnen, steht an sich nichts im Wege; nur kann es sich natürlich nicht um eine phobische Reaktion handeln, man könnte denken, daß Inhaltsbestandteile der Zelle, Reservestotfkönichen oder ähnliches sich immer nach der erdwärts ge- richteten Seite der Zelle senken, so dieser die Richtung der Schwere vermittelnd. Das wäre dann ebenso wie nach der Statolithentheorie bei höheren Pflanzen, welchen ebenfalls durch Senkung schwerer Körperchen, wie Stärkekörner, in der Zelle die Richtung der Erdschwere angezeigt werden soll. Solche Fragen eingehend zu diskutieren, hätte aber erst dann Zweck, wenn Geotaxis bei Bakterien über allen Zweifel erhaben wäre. — Wie anhauffsweise noch erwähnt sei, hat man bei dem schon mehrfach genannten Bart. Zopf'ti beobachtet, daß es, in Gelatine-Stich- kulturen gezüchtet, vom Stichkanal in zahlreichen vom Stich schräg nach oben verlaufenden Strahlen wächst, deren Richtung man als durch die Richtung der Schwerkraft bedingt ansah. Durch diese Strahlen hauptsächlich unterscheiden sie sich von Kulturen des Bad. vulgare. Nach neueren' Untersuchungen handelt es sich aber zweifellos darum, daß in der Gelatine beim Abkühlen Spannungen entstehen, und daß die Bakterienzellfäden senkrecht zur Richtung der Druckspannungen, d. h. in der Richtung der Zugspannungen wachsen, und zwar dürfte das ein- fach aus rein mechanischen Gründen erfolgen, nicht aber eine Folge davon sei, daß diese Spannungen Reizerscheinungen auslösen. Man hat um dieser Erscheinung auch einen gelehrt klingenden Xamen zu geben, von „Elastikotropie" gesprochen.-) 1) Massart, J., Bull. ac. roy. belg. 1891. Bd. 22, S. 148. 2) Jacobsen, H. C, B.C. II, 1907, Bd. 17, S. 53. Sergent, E., Ann. de l'inst. Pasteur 1907, Bd 21, S. 842. Eisenberg. P., B.C. I, Or. 1910, Bd 48, S.125. Geo- und Galvanotaxis. 327 Schließlich sei au dieser Stelle abermals auf einige Erscheinungen hingewiesen, die wohl als Taxieen zu deuten sind, aber noch näherer Aufhellung bedürfen: Wenn wir eine flüssige Kultur des Uac. astero- sporus oder einer ähnlichen Form mit bloßem Auge beobachten, so sehen wir in der ersten Zeit die Nährlösung gleichmäßig getrül)t, dann sammeln sich die Bakterien zu Klümpchen an, und in den zu solchen Klümpchen vereinten Zellen findet dann Sporenbildung statt. Betrachten wir die Vorgänge mit dem Mikroskop, so sehen wir, daß von den um- herschwärmenden Zellen einige unbeweglich werden, daß dann andere, vorläufig noch bewegliche an erstere heranschwimmen, sich wieder ent- fernen, um sich bald darauf wieder zu nähern und endlich in unmittel- barer Nähe der ersteren unbeweglich liegen za bleiben. Andere folgen ihrem Beispiel, und so entstehen jene klumpigen Anhäufungen. Wahr- scheinlich beruht dieser „Geselligkeitstrieb", der sich hier offenbart, auf chemotaktischen Erscheinungen.-^) Gleiches beobachteten wir auch bei der Fruchtkörperbildung der Myxobakterien, bei denen die vegetativen Stäbchen durch die sich zur Sporenbildung anschickenden angezogen werden, wodurch der erste sichtbare Anfang der Fruchtkörperbildung zuwege kommt. Es sei endlich noch auf eine beachtenswerte Erschei- nung verwiesen, die sich gleichfalls als Chemotaxis bei genauerem Studium entpuppen dürfte. Beobachtet man zwei einander benachbarte Schwärme von Myxobakterien auf der Oberfläche von Gallertnährböden, 60 pflegen, wenn sie bei fortschreitender Vergrößerung aneinanderstoßen, sie zu einem zu verschmelzen, wenn es sich um Schwärme derselben Art handelt. Anderenfalls bleibt zwischen beiden, auch wenn sie sich unmittelbar berühren, doch eine scharfe Trennungslinie bestehen. Auf solche Weise hat man in schwierigen Fällen auch die Frage zu ent- scheiden versucht, ob zwei Schwärme ein und derselben Art angehören, oder nicht.^) Endlich sei erwähnt, daß auch galvanotaktische Reizbar- keit bei Bakterien nachgewiesen ist.^) Nachdem wir im vorhergehenden einige der wichtigsten Reiz- bewegungen der Bakterien kennen gelernt haben, wollen wir im fol- genden die Frage erörtern, nach welchen Richtungen wir unsere bis- 1) Meyer, A., Flora 1897, Bd. 84, S. 185. 2) "Wolf, F., Ztschr. f. indiikt, Abstatamungs- u. Vererbungslehre 1909, Bd. 2, S. 90. 3) Verworn, M., Pflüg. Arch. 1889, Bd. 46, S. 290. Lortet, L., Compt. rend. 1896, Bd. 12'2, S. 892. 328 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. herigen Ei-fahrungen noch ausbauen können und weitere Arbeiten kennen lernen, welche das Fundament bilden für eine allgemeine „Keizphysio- logie" der Spaltpilze! Wir beginnen mit einigen Ausführungen termino- logischer Natur! Daß die äußeren Bedingungen, und zwar ihr Wechsel, die „Inhomogenität'' des Mediums auf die Zellen als sog. „Reize" wirken, haben wir schon gehört, ebenso, daß man die Bewegungserscheinungen, die man als Folge davon beobachten kann, als „Reaktion" oder „Ant- wort" der Zelle aul den Keiz bezeichnet. Da in diesen Reizphänomenen offenbar Erscheinungen vorliegen, die man in prinzipiell derselben Weise an allen Wesen, auch an den kompliziertesten, den Menschen, beobachtet, so sagt man niclit bloß, die Bakterien seien wie wir selbst und alle anderen Organismen durch Reizbarkeit ausgezeichnet, man hat sich vielmehr daran gewöhnt, die Ausdrucksweise, die sonst in der menschlichen Psychologie üblich ist, in weitgehendem Maße auf diese physiologischen Beobachtungen an Bakterien (und auch anderen Pflanzen) zu übertragen; so sagt man, die Bakterien „empfinden" („perzipieren") den Reiz, man sjiricht ihnen Enipliuduugsfähigkeit, Empfindlichkeit, Sensibilität zu. Ausdrücke, die deshalb nur im übertragenen Sinne zu verstehen sind, weil man unter Empfindung gewöhnlich einen mit Be- wußtsein gepaarten Vorgang bezeichnet und weil physiologische For- schung, über deren Ergebnisse wir hier berichten, natürlich gar nicht in der Lage ist, über derartige psychische Prozesse etwas auszusagen: Da aber die betreffenden Ausdrücke gut eingebürgert sind, so verdienen sie beibehalten zu werden, sobald der Physiologe ihnen keinen psycho- logischen Beigeschmack anhaften läßt. Auch haben sie das Gute, daß sie davor hüten, die ganzen Reizerscheinungen, die offenbar äußerst komplizierter Natur sind, allzu grob mechanisch aufzufassen, wie das von Seiten solcher, denen der Überblick fehlt, immer noch allzu häufig geschieht. Richtiger wäre es natürlich, zu sagen: die Bakterien „nehmen" die Reize „auf". Man hat auch die Erfahrungen über phobische, che- mische und andere Reizbarkeit, über die wir berichtet haben und zu denen wir noch im folgenden Ergänzungen bringen wollen, auf die Formel gebracht: die Bakterien haben „Sinne", Gesichtssinn, Geschmack- sinn usw.; auch diese Ausdrucksweise — das wird nachher noch ein- leuchten, wenn wir neuere Fragestellungen erörtern — ist jedenfalls sehr anschaulich; man wird allerdings nicht leugnen können, daß sie schon etwas stark „menschelt". Spricht man von „Sinnen" der Bakterien, so geht man nur einen kleinen Schritt weiter, wenn man auch nach Sinnesorganen fragt, d. h. nach Orten der Zelle, die für die Reizaufnahme (Perzeption) bestimmt und befähigt sind. Von solchen Sinnesorganen weiß man nun bei Bak- Sinne und Sinnesorgane. 329 terien gar nichts. Denkbar wäre zunächst, daß die Orte der Reaktion, d. h. in unseren Fällen die Geißeln, auch die Orte der Perzeption wären, das ist aber so gut wie ausgeschlossen. Man wird vielmehr annehmen, daß die Reizaufnahme dem Protoplasma im Inneren der Zellwand vor- behalten ist, muß es aber ganz ungewiß lassen, ob das gesarate Proto- plasma dazu befähigt ist, oder nur bestimmte Teile, Strukturen des- selben, etwa jene Protoplasmaorgane körnigen Aussehens, von denen die Geißeln ihren Ursprung nehmen (vgl. S. 143 f.). Auch ist bei chemischer Reizung unbekannt, ob der Reizstoff ins Innere eindringt oder ob Kon- takt mit der Außenschicht des Protoplasmas genügt. Wie dem auch sei, unter allen Umständen müssen im Zellinneren von den reizempfindlichen Teilen des Protoplasmas Impulse zu den ßewegungsorganen geleitet werden, welche Richtung und Schnelligkeit der Bewegungen bestimmen. Ob solche Reizleitung an bestimmte Bahnen (Stränge, die mit unseren Nervenbahnen verglichen werden könnten) im Protoplasma gekettet ist, oder ob das gesamte Protoplasma zur Reizleitung befähigt ist, muß unbestimmt bleiben. Im ersteren Fall würde man von diffuser Reiz- leitung durch das Protoplasma sprechen. Es dürfte übrigens nicht all- zu schwer fallen, die Notwendigkeit einer derartigen Reizleitung im Bak- terienleib direkt zu beweisen: Sobald es gelänge, zu beobachten, wie ein nur am Hinterende mit Geißeln versehenes Purpurbakterium schon bei Verdunkelung seines vorderen Poles zurückschreckt, wäre das erreicht; bei anderen niederen Wesen ist derartiges tatsächlich gelungen. Daß auch zum Verständnis des koordinierten Zusammenwirkens vieler Geißeln an einer Zelle oder Kolonie die Annahme von Reizleitungen unerläß- lich ist, haben wir früher schon gehört. Es sei noch hinzugefügt, daß man die Kette von Vorgängen, chemischen oder physikalischen, die sich von den Orten der Reizaufnahme zu denen der Reaktion ausspannt, als „Reizkette" zu bezeichnen pflegt. Gehen wir nun dazu über, zu untersuchen, inwieweit es gelungen ist, die Berechtigung des eben Ausgeführten auch für die Reizbewegungen der Spaltpilze experimentell zu bekräftigen. Wir wenden uns zunächst solchen Studien zu, die klar beweisen, daß Perzeption, also Reizaufnahme und Reaktion, also Bewegung zwei gesonderte Vorgränse sind, sranz crleichojiltig, ob sie räumlich mehr oder minder weit getrennt in der Zelle erfolgen. Zuerst könnte man versucht sein anzunehmen, daß dieser Beweis auf zweierlei Weise geführt werden könne. Entweder dadurch, daß man zwar die Perzeption erhalten bleiben läßt, aber die Reaktionsfähigkeit (Beweglichkeit) ausschaltet, oder aber umgekehrt, indem man die Perzeption für Reize unterdrückt, aber die Beweoiichkeit nicht eliminiert. De facto ist aber offenbar der erste Weg 330 XI. Die ReizbeweguQgeD der Bakterieu. nicht gangbar, da man bei ausgeschalteter Beweglichkeit vorläufig kein Mittel hat, um das Erhaltenbleiben der Perzeption, eines uns heutigen Tages unsichtbaren Vorganges, auf den man ja nur aus der Reaktion schließt, nachzuweisen. Somit bleibt nur der andere Weg, durch ex- perimentelle Eingriffe zu erreichen, daß unsere Versuchsobjekte zwar sich noch bewegen können wie vorher, aber gleichwohl in keiner Weise durch Ansammlung, Schreckbewegung oder ähnliches auf Reize rea- gieren; in diesem Falle wäre zwar die Reaktionsfähigkeit ungehemmt, die Reaktion aber unterl)leibt, da offenbar die Perze])tiousfähigkeit ver- nichtet ist, — ebenso wie bei einem höheren Tiere, das man geblendet oder durch geeignete Eingriffe im Nervensystem für Liehtreizf unemp- fänglich gemacht hat, ohne seine Muskeltätigkeit zu schädigen. Daß nun tatsächlich etwas derartiges auch bei Spaltpilzen mr»glich ist, das lehrt schon der Anl)liek fast jedes Präparates beweglicher Bak- terien, die man auf Reizbewegungen untersucht: Neben den Zellen, die sich prompt in der Lichtfalle oder am Mund der Kapillaren bei chemo- taktischen Versuchen sammeln, finden sich fast immer solche, die nicht reagieren, obwohl sie ebenso lebhaft beweglich sind als die anderen. Hier muß also in der Perzeption oder der Reizleitung irgend etwas in Unordnung sein, während die Geißeln normal funktionieren. Auch hörten wir schon, daß oft ganze Kulturen gut beweglicher Spaltpilze zu Reiz- versuchen nicht zu brauchen sind; hier gilt dasselbe also nicht für ein- zelne, sondern für alle Individuen. Weitaus wichtiger aber ist es nun, daß es in gewissen Fällen gelungen ist, durch ganz bestimmte Beein- flussungen zu erzielen, daß zwar die Reaktion unterbleibt, nicht aber die Reaktionsfähigkeit, und zwar durch geeignete narkotische Mittel, die man auf die Bakterien einwirken läßt. Bei der Wichtigkeit der Tat- sache sei darüber, sowie über sonstige narkotische Wirkungen etwas eingehender berichtet: Wenn man Äther oder Chloroform in geeigneter Dosis auf bewegliche Bakterien einwirken läßt, indem man sie in wäs- serigen Lösungen dieser Stoffe schwimmen läßt, so gelingt es, eine Kon- zentration abzupassen, bei welcher zwar die Beweglichkeit' nicht im allermindesten gehemmt ist, wohl aber die Reaktion auf Reize unter- bleibt. Die Bakterien bewegen sich also kreuz und quer durch die Licht- falle hindurch oder an der mit ReizstofiFen gefüllten Kapillarenmündung vorbei, als ob sie nicht da wären. Ganz besonders gut gelingt dies bei Bad. termo. In 20prozentigem Äther- oder lOprozentigem Chloroform- wasser schwärmen die Zellen dieser Art lebhaft umher, aber zeigen keine chemotaktische Reizaufnahme. Stärkere Dosen der Narcotica würden dann auch die Beweglichkeit sistieren und endlich zum Tod führen. In gleicher Weise kann mau z. B. die aerotaktische Empfindlich- Perzeption u. Reaktion. Wirkung v. Narcoticis. 331 keit ohne Scliädigung der Bewegung ausschalten. Auch bei anderen Bakterien kann mau dasselbe erreichen, nur findet man dann häufig, daß die Beweo-lichkeit immerhin etwas unter solchen Konzentrationen der Narcotica leidet, welche die Reizempfindlichkeit aufheben. War bei Had. tenno die Perzeption und Reaktionsfähigkeit glatt zu trennen, so gelingt dies etwas weniger leicht bei Bac. Solmsi, Spirillum undula und Bac. amylohnder. Während somit bei termo die Grenzwerte des Narko- tikums für Unempfindlichkeit und Bewegungsunfähigkeit ziemlich weit auseinanderliegen, rücken sie bei den anderen Formen näher und näher. Zu erwähnen ist noch, daß in praxi beim Bac. Solmsii diese Trennung überhaupt nur durch Chloroformwasser von geeigneter Konzentration, nicht aber durch Ätherwasser zu erzielen ist. Atherwasser wirkt auf diesen Spaltpilz erst in einer sehr hohen Konzentration narkotisierend, welche auch seine Beweglichkeit schon sehr stark herabsetzt. Allbekannt ist es, daß man bei höheren Wesen durch Narkotika prinzipiell dasselbe erreichen kann, was wir soeben an Bakterien schil- derten. Und so hat der Forscher^), welcher zuerst die genannten Ver- suche mit Bakterien anstellte, mit Fug und Recht gesagt, daß „hier ein schöner Beweis vorliege für die heutige Anschauung, daß die Reizbar- keit in der ganzen belebten W^elt dem Wesen nach gleich ist und daß das Empfindungsvermögen bei allen Organismen auf prinzipiell denselben Eigenschaften des Protoplasmas beruhe". Es ist nun beachtenswert, daß die Aufhebung der Empfindlichkeit durch Narkotika keine l^\inktion der Zeit ist-, hebt die betr. Konzen- tration die Empfindlichkeit für Reize überhaupt auf, so tut sie es im ersten Moment ihrer Einwirkung bereits. Anders die Wirkung der nar- kotischen Mittel in höheren Konzentrationen, in denen sie schädigen, die Beweglichkeit beeinträchtigen und endlich den Tod herbeiführen. Bei der durch sie bewirkten Hemmung der Beweglichkeit und Schädi- gung des Lebens spielt die Zeitdauer eine große Rolle, Bewegung und Leben wird also nicht stets sofort, sondern unter Umständen durch nicht allzu große Dosen erst allmählich sistiert. Olfenbar wirken in diesem Falle die genannten Mittel nicht nur narkotisierend, sondern haben noch schädliche Nebenwirkungen, die sich mit der Zeit steigern. Noch in anderer Beziehung sind die eben genannten Erfahrungen für die gesamte Physiologie von Bedeutung geworden. Ein um die Lehre von der Narkose sehr verdienter Forscher^) hat auf Grund seiner Erfahrungen den Satz aufgestellt, daß die Emp- 1) Rothert, W., ,1. f. wiss. Bot. 190.S. Bd. 39, S. 1. 2) E. Overton, zit. nach Rothert. 332 XI- I^ie Reizbewegungen der Bakterien. iindlichkeit der gesamten Lebewelt gegen Narkotika abhängig sei von der Entwickelungshöhe der Organismen bzw. Zellen, auf welche sie einwirken: Je hciher die Entwicklungsstufe, um so größer die Empfind- lichkeit. Die Erfahrungen an Spaltpilzen, über die wir eben berichteten, lehren aber, daß diesem Satze allgemeine Gültigkeit nicht beizumessen ist. Denn die einzelnen Bakterien sind in dieser Beziehung von sehr ver- schiedener Widerstandskraft, obwohl man ihnen doch wenigstens an- nähernd dieselbe Organisationshöhe zusprechen muß. Daß z. B. Bac. amylohader gegen Äther weit unempfindlicher ist als Bact. Urmo, haben wir oben erwähnt, und gleiches gilt auch für andere Spaltpilze, selbst solche, die sich morphologisch äußerst ähnlich sind. Nachdem wir durch ol)ige Mitteilungen gezeigt haben, daß die Reizerscheinungen der Spaltpilze wie die der komplizierteren Wesen verschiedene Phasen durchlaufen, welche durch narkotische Mittel in ungleicher Weise beeinfiußt)ar sind, somit durch solche getrennt dar- gestellt werden können, gilt es weiter vorwärts zu dringen und zu unter- suchen, ob wir die Analogie zwischen der Reizbarkeit von Bakterien und höheren Wesen noch weiter treiben können, — ist es doch klar, daß wir durch solche Versuche das Wesen der Reizbarkeit niederer Or- ganismen am leichtesten unserem Verständnis nahe bringen können. Und so lautet denn die weitere Frage, deren Beliandlung wir uns nun zuwenden, wenn wir sie gleich etwas drastisch formulieren wollen: Haben die Bakterien nur einen Sinn oder mehrere Sinne, wie höhere Wesen? Die Frage scheint sehr kühn, nachdem wir gehört haben, daß von Sinnesorganen der Bakterien schlechterdings nichts bekannt ist; darum hat es großen Reiz für uns, zu verfolgen, wie man zunächst aus einigen Erfahrungen geschlossen hat, daß den Bakterien mehrere Sinne zugeschrieben werden müssen, bis es in neuester Zeit gelang, die Rich- tigkeit dieses Schlusses einwandfrei zu beweisen. Doch formulieren wir erst die Frage, um die es sich handelt, etwas genauer und ol)- jektiver. Über die Art und Weise, wie die Reize aufgenommen werden, über das Wesen des Perzeptionsvorganges also, wissen wir nichts, müssen aber annehmen, daß irgendwelche Eigenschaften des Protoplasmas vor- handen sind, die sich bei der Reizaufnahme verändern; diese Verände- runjjen wären dann das erste Glied der Reizkette. Beruhen nun die verschiedenen Empfindlichkeiten auf ein und derselben Eigenschaft des Protoplasmas, oder sind es verschiedene Qualitäten desselben, auf die sich die verschiedenen Empfindlichkeiten gründen? Das ist die Frage, die wir entscheiden müssen, wenn wir wissen wollen, ob die Bakterien „einen Sinn oder mehrere Sinne*' besitzen. Besitzen Bakterien einen oder mehrere Sinne? 33-5 Schon die ersten^) exakten Untersuchungen über Chemotaxis der Bakterien liefern Beiträge zur Entscheidung dieser Frage, und zwar in dem Sinne, daß die Bakterien mehr als eine chemische Empfindlichkeit besitzen. Viele Bakterien, so sahen wir, reagieren auf Fleischextrakt, von diesen aber nur einige auf Dextrin, andere auf Schwefelwasserstoff. Somit beruht die Empfindlichkeit gegen Fleischextrakt auf einem anderen Vorgang als die gegen Dextrin, diese wiederum auf einem anderen als die gegen Schwefelwasserstoff. Ein Spaltpilz also, der gleichzeitig durch Fleischextrakt und durch Dextrin oder durch ersteres und durch Schwe- felwasserstoff gereizt werden kann, besitzt mindestens zwei chemische Sinne, zwei „Geschmackssinne". So ist also chemotaktische Empfind- lichkeit ein Sammelbegriff', ebenso wie der „Geschmack" ein Sammel- name für die Empfindungen süß, salzig, bitter, sauer usw. ist. Und zu gleichem Schluß führen uns folgende sehr beachtenswerte Erfahrungen: Es hat sich gezeigt'^), daß bestimmte anorganische Salze, nämlich sal- petersaure Salze für SpirülHm rubrum keine chemische Reizmittel sind, sondern im Gegenteil die chemische Empfindlichkeit aufheben, aber nicht mit Bezug auf alle, sondern nur auf einige chemischen Reizmittel. Schwimmt der genannte Spaltpilz statt in Wasser in Lösungen sal- petersaurer Salze, so wird er z. B. nicht durch Kaliumchlorid und Ammoniumchlorid, die sonst gute Reizmittel sind, wohl aber durch schwefelsaure Salze, Erbsendekokt usw. gereizt. Diese partielle Ab- stumpfung der Empfindlichkeit deutet gleichfalls darauf hin, daß eben diese Empfindlichkeit auf verschiedenen Eigenschaften, „Sinnen" des Protoplasmas beruht. Da wir auf Grund dieser Erfahrungen darauf schließen, daß die Spaltpilze mehr als einen chemischen Sinn haben, ist es eigentlich schon sicher, daß chemische, osmotische, aerotaktische Empfindlichkeit wesens- verschieden sind. Damit im Einklang steht der Ausfall der folgenden Versuche: Behandeln wir^j Bakterien mit narkotischen Mitteln, etwa Äther, und untersuchen wir sie auf ihre osmo-, aero- und chemotaktische Empfindlichkeit, so finden wir, daß die Grenzwerte der Konzentrationen des Ätherwassers, welche Unempfindlichkeit bewirken, nicht identisch sind. Der Grenzwert liegt bei osmotaktischen Versuchen tiefer als bei chemo- und aerotaktischen. Wir können also Bakterien so narkotisieren, daß sie zwar noch chemisch, aber nicht mehr osmotisch reizbar sind. Hieraus folgt, daß andere Eigenschaften des Protoplasmas die osmo- tische, andere die chemische -Reizbarkeit bedingen. 1) W. Pfeffer, a. a. 0. 2) Kniep, H., Jahrb. f. wiss. Bot. 1906, Bd. 4b, S. 215. :^) Rothert, W., .Jahrb. f. wiss. Bot. 190.3, Bd. .39, S. 1. 334 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Wollen wir nun den Versuch machen, die Frage nach der Wesens- Verschiedenheit der Perzeptionsvorgänge ganz exakt, nämlich zahlen- mäßig zu behandeln, so müssen wir etwas weiter ausholen: Falls wir Bad. termo, das in Wasser schwimmt, durch eine einprozentige Fleisch- extraktlösung chemisch zu reizen suchen, so werden wir bald eine lebhafte Ansammlung um den Mund der Kapillaren und in dieser be- obachten. Falls es aber von vorneherein schon in einprozentiger Fleisch- extraktlösung sich bewegt, so wird die Ansammlung natürlich unter- bleiben, da ja nunmehr jede Differenz, die als Reiz wirken könnte, fehlt. Untersuchen wir nun weiter, wie stark die Konzentration in der Kapillare sein muß|, um Ansammlung zu bewirken, wenn die Flüssig- keit, in der die Bakterien sich vorlinden, eiuprozentig ist, so zeigt sich, daß innerhalb der Kapillaren mindestens eine fünfprozentige Fleischextraktlösung geboten werden muß. Das Verhältnis von Innen- zu Außenlösung, also in unserem Fall 5:1, nennt man die Uuter- schiedsschwelle. Bestimmt man nun weiter diese Unterschieds- schwelle für denselben Spaltpilz und dasselbe Reizmittel, aber für andere Konzentrationen dieses letzteren, so zeigt sich, daß sie von der Konzentration ziemlich unabhängig ist; sie wird in unserem Falle also innerhalb bestimmter Grenzen stets 5 betragen. Lassen wir unsere Bakterien z. B. in einer dreiprozentigen Lösung schwimmen, so müssen wir in die Kapillare eine mindestens löprozentige füllen, damit An- sammlung erfolge. Es kommt also nicht auf die absolute Differenz im Gehalt inner- und außerhalb der Kapillare an, sondern auf das Verhältnis der Konzentrationen drinnen und draußen. Man nennt das Gesetz, demzufolge die Unterschied.sschwelle innerhalb gewisser Grenzen von der Konzentration des Reizmittels unabhängig ist, das Weber- sehe Reizgesetz. Daß die Unterschiedsschwelle für jedes Versuchsobjekt und für jedes Reizmittel einen anderen Wert hat, braucht nicht be- tont zu werden. Bekannt ist, daß dies Reizgesetz zuerst für mensch- liches Empfindungsvermögen formuliert wurde, und daß seine Richtig- keit z. B. für den Geschmackssinn oder für die Gewichtsempfindlichkeit nachgewiesen werden kann. Für die pflanzlichen Reizerscheinungen wurde seine Gültigkeit zuerst ^) bei chemotaktischen Studien nachge- wiesen, sodann auch bei vielen anderen Reizerscheinungen höherer wie niedrigerer Pflanzen. Die in der Unterordnung unter das Webersche Gesetz sich aus- sprechende Analogie zwischen dem „Empfindungsleben" des Menschen und der einfachsten Pflanze ist sehr beachtenswert; dabei ist allerdings 1) W. Pfeffer, a. a. 0. Webersches Reizgesetz. 335 uicht zu vergessen, ihiü mau bei Versuchen mit dem Menschen Emp- findungsintensitäten, d. h. psychische Prozesse, als Folge äußerer Rei- zungen untersucht, während wir beim Experimentieren mit Bakterien aus guten üründen objektive Vorgänge, nämlich sichtbare Bewegungs- erscheinungen, durch äußere Reize zur Auslösung bringen. Wie können wir nun die Tatsache, daß das Webersche Gesetz auch für das Reizleben der Bakterien gilt, verwerten bei der Beantwortung der Frage, die uns oben schon beschäftigte: Beruht die Empfindlichkeit eines Spaltpilzes gegenüber verschiedenen Stofi'en auf einer oder auf ver- schiedenen Eigenschaften des Protoplasmas? Offenbar folgendermaßen: Befindet sich derselbe Stoff außerhalb wie innerhalb der Kapillare, so tritt gemäß jenem Gesetz eine abstumpfende oder sogar aufhebende Wirkung auf die Empfindlichkeit gegenüber dem Kapillareninhalt ein. Ganz dasselbe muß aber der Fall sein, wenn zwar ein in chemischer Beziehung anderer Stoff, der aber doch den gleichen Perzeptionsakt auslöst, sich außerhalb der Kapillare befindet. Bestimmen wir also für einen Stoff a den Schwellenwert, indem wir die niederste Konzentration ermittelu, welche, in die Kapillare gefüllt und den in Wasser befind- lichen Bakterien geboten, Ansammlung hervorruft, und finden wir so- dann, daß dessen Höhe nicht geändert wird, wenn wir die Bakterien statt in Wasser in einer Lösung, die den Stoff b enthält, schwimmen lassen, findet also keine Abstumpfung der Empfindlichkeit gegen a durch Anwesenheit von b oder umgekehrt statt, so dürfen wir daraus mit Sicherheit entnehmen, daß die Perzeption beider Stoö'e a und b auf verschiedenen Eigenschaften des Protoplasmas beruht. Würden wir gegenseitige Abstumpfung finden, so wäre die Möglichkeit vor- handen, daß beide Stoffe denselben Perzeptionsakt auslösten. W^as lehrt nun der Versuch? Der erste ^) mit dieser Fragestellung ange- setzte Versuch verlief folgendermaßen: Versuchsobjekt war Bac. amylo- hacter, der sowohl auf Fleischextraktlösung als auch, wie wir wissen — höchst sonderbarerweise — auf Atherwasser von geeigneter, nicht zu hoher Konzentration positiv chemotaktisch reagiert, und es frug sich nun, ob die Empfindlichkeit gegen Äther und die gegen Fleisch- extraktlösuug auf derselben Eigenschaft des Protoplasmas beruhe oder nicht. Da zeigte sich nun, daß die Empfindlichkeit gegen Fleisch- extrakt dann nicht aufgehoben wurde, wenn die Bakterien sich in Ätherlösungen (statt in Wasser) befanden, (natürlich immer voraus- gesetzt, daß deren Konzentration so niedrig war, daß keine narko- tische Wirkung eintrat). Hier liegen also zwei verschiedene Empfind- 1) Kothert, W., Flora, a. a. 0. 336 ^^- ^iß Reizbewegungen der Bakterien. lichkeiten, zwei Geschmäcker vor. Die Yersuchsanordnung war hier der- art, daß zuerst starke Ansammlung der in Wasser schwimmenden Amy- lobakterzellen um den Mund einer mit P/o Bleischextraktlösung gefüllten Kapillare beobachtet und dann festgestellt wurde, daß die Ansammlung nicht minder lebhaft und schnell erfolgte, wenn die Bakterien sich in 1,6-prozentigem Ätherwasser befanden und die Kapillare sowohl Fleisch- extrakt als auch Ätherwasser der angegebenen Konzentration enthielt. Später schlössen sich dann noch analoge Experimente an^), die zum selben Ergebnis führten, aber insofern erst ganz beweiskräftig waren, als zahlenmäßig Schwellenwerte gegen einen Stoff festgestellt wurden und ermittelt wurde, ob diese sich änderten, wenn die Bakterien sich in der Lösung eines anderen, el)enfalls positiv chemotaktisch wirkenden Stoffes befanden. Nur für den Fall mangelnder Verschiebung der Reiz- schwelle durch Gegenwart eines andern Stoffes wurden verschiedene Perzep- tionsakte für beide angenommen. Hierzu diente wieder S2nnUHmruhrKnK Dies war stark reizbar dui'ch Kaliumchloridlösung, diese Reizbarkeit wurde aber abgestumpft dann, wenn das Spirillum sich in einer Lösung von Ammoniumchlorid statt in Wasser befand. Bei Darbietung von ver- schieden starken Lösungen dieser beiden Salze „empfinden" die Bak- terien also nur Intensitäten, aber keine Qualitätsunterschiede. Dasselbe gilt für Kaliumsulfat und Ammoniumsulfat. Auch Lcisungeu dieser beiden Salze stumpfen sich in ihrer Reizwirkung gegenseitig ab. Die genannten Chloride und Sulfate aber beeinflussen sich gegenseitig nicht. Zwecks Reizung durch eines der beiden Sulfate ist es gleichgültig, ob die Spi- rillen sich in Wasser oder in einer Lösung eines der Chloride befinden und umgekehrt. Die Reizbarkeit durch die vier genannten Salze beruht also auf nur zwei verschiedenen „Geschmäckern", zwei verschiedene Per- zeptionsakte vermitteln die Reizbarkeit durch Chloride und die durch Sulfate. In technischer Beziehung geht man hier derart voi-, daß man sich zuerst zu überzeugen sucht, ob gegenseitige Abstumpfung zweier Stoffe vorliegt oder nicht. Hat man keine Abstumpfung gefunden, so wird man behufs zahlenmäßig genauer Schwellenbestimmungen in die Kapil- are außer dem einen Stoff, der die chemotaktische Ansammlung be- wirken soU, auch den anderen, der in der Außenflüssigkeit, in der die Bakterien umherschwärmen, sich befindet, in gleicher Konzentration füllt. Findet gegenseitige Abstumpfung statt, so wird behufs genauer Schwellenbestimmuug in die Kapillare nur der eine Stoff' gefüllt, während die Außenlösung nur den anderen enthält. Man redet im ersteren Fall 1) Kniep, H., a. a. 0 Mehrfache Reiz Wertigkeit, 337 von Arbeiten im homogenen Medium, im anderen im inhomogenen Medium. Zu welch komplizierten, aber auch zugleich interessanten Ergeb- nissen die weitere Analyse solcher Keizerscheinungen fübrt, zeigt sich, wenn wir noch kurz auf den Begriff der „Reizwertigkeit'' ^) eines StoflFes eingehen. Wir haben oben zwei Fälle auseinandergehalten, den einen, daß zwei StoflFe sich gegenseitig abstumpfen in ihrer Reizwirkung, und den anderen, daß dies nicht der Fall ist. Nun ist noch ein dritter Fall möfflich und auch verwirklicht: daß nämlich ein Stoff die Wirkung eines anderen abstumpft, daß das aber nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Man hat nämlich gefunden, daß Bakterien, die in Lösungen von Kalium- (oder Ammonium-)chlorid schwimmen, dadurch in ihrer Empfindlich- keit gegen Kalziumchlorid nicht geschwächt werden, daß aber umge- kehrt Bakterien, die in Kalziumchloridlösuugen sich befinden, in ihrer Empfindlichkeit gegen Kaliumchlorid abgestumpft erscheinen. Die Perzeption anderer Stoffe als des Kaliumchlorids wird aber durch Kalziumchloridlösungen nicht abgeschwächt; so wirken Sulfate als ebenso gute Reizmittel, wenn die Bakterien in Kalziumchlorid- lösungen, als wenn sie in reinem Wasser sich befinden. Was folgt daraus? Zuerst, daß Kalziumchlorid nicht etwa einem Narkotikum ähnlich, „allgemeine Schwächung der Reizbarkeit" be- wirkt, da es ja die Aufnahmefähigkeit des Reizes, den Sulfate bedin- gen, nicht hemmt. Sodann aber, daß Kalziumchlorid mehr als einen Perzeptionsvorgang auslösen muß: Der eine ist identisch mit dem, der die Reaktion gegen Kaliumcblorid zur Folge hat, denn diese wird ja durch Kalziumchlorid abgestumpft; der zweite ist derjenige, welcher ungeschwächte Reaktion auf Kalziumchlorid zur Folge hat, wenn die Bakterien in Kaliumchloridlösungen sich befinden, ein zweiter Perzep- tionsakt, der seinerseits wieder verschieden sein muß von dem durch Sulfate ausgelösten. Von solchen Stoffen wie Kalziumchlorid kann man nun sagen, sie besitzen eine „doppelte Reizwertigkeit", die Bakterien haben, ihnen gegenüber, man erlaube den Ausdruck, zwei Eisen im Feuer; wird der eine Perzeptionsvorgang etwa durch Kaliumchlorid un- möglich gemacht, so ist der andere noch ungeschwächt wirksam und bedingt chemotaktische Ansammlung gegenüber Kalziumchlorid. Aus all den eben angeführten Experimenten und Betrachtungen geht also mit Sicherheit hervor, daß bei ein und demselben Spaltpilz nicht bloß der Perzeptionsakt für chemische, aerotaktische und osmoti- sche Heize verschieden ist, daß vielmehr einer Spalt}) ilzzeUe auch ver- 1) Kniep, H., a. a. 0. Bonecke: Bau u. Leben der Bakterien. 22 338 XI- I^ie Reizbewegungen der Bakterien. schiedene, chemische Reizharkeiten, „Sinne", zukommen. Manche Stoffe, z. B. Kalium- und Ammoniumchlorid, lassen zwar dieselbe Saite im sen- sibeln Protoplasma anklingen, andere jedoch greifen an verschiedenen Eigenschaften der lebenden Substanz an und bewirken hier Verände- ruDgen, die als Anfangsglied einer Reizkette fungieren und endlich zur Reaktionsbewegung führen. Wir haben nun noch mit einigen Worten auf die sog. Stimmungs- änderungen bei Bakterien zurückzukommen, Erscheinungen, die wir ja be- reits mehrfach berührt haben und die darin bestehen, daß Bakterien durch bestimmte, zum großen Teil allerdings noch unbekannte Bedingungen ge- wisse Reizbarkeiten einbüßen, um, wie wir noch sehen werden, statt ihrer manchmal neue zu erwerben. Selbst Bakterien, die sonst trefi'lich für Reizversuche geeignet sind, versagen unter Umständen total. Für Pur- purbakterien haben wir das schon gehört, auch Bad. tcrmo ist gelegent- lich für chemotaktische Versuche, ohne daß ein Grund einzusehen wäre, nicht zu brauchen; bei einem aus Erbsen aufgüssen isolierten und als Bacillus Z benannten Spaltpilz zeigte sich, daß die Reizschwelle gegen Ammoniumchloridlösungen, die ursprünglich bei einer Konzentration von nur 0,005 "'„ lag, sich allmählich verschob und endlich bei 0,ö% sich befand. An diesen letzten Fall knüpfen sich nun Versuche an, die den Anfang darstellen für die Erkenntnis der Ursachen solcher Stim- mungsänderungen. Daß hier äußere Bedingungen den Ausschlag geben, zeigte sich zunächst darin, daß diese Verschiebung der Reizschwelle nur bei Züchtung des Bacillas Z auf Nährgelatiue, nicht aber in Erbsen- dekokt erfolgte, eingehende Versuche ergeben dann weiter, daß die genannte Art in ihrer Reizbarkeit von der chemischen Reaktion des Nährmediums ganz außerordentlich abhängig ist. In sauren Nährmedien reagiert sie nämlich auf Phosphate, in alkalischen auf Ammoniumsalze, während sie im ersteren Fall gegenüber stickstofflialtigen Salzen, im letzteren gegenüber Phosphorhaitigen versagt. Hier tritt also eine sog. Umschaltung ein, die übrigens nicht allgemein verbreitet ist, denn Sjii- rilluni rubrum u. a. zeigen eine derartige Abhäncrigkeit von der Reak- tion nicht. Wir können diese Erfahrung auch hier wiederum so formu- lieren, daß wir sagen, Bac. Z ist durch den Besitz von mindestens zwei chemischen Empfindlichkeiten, Sinnen, ausgezeichnet, die eine wird durch alkalische, die andere durch saure Substrate ausgeschaltet Damit stimmt auch die weitere Erfahrung, daß die Empfindlichkeit gegen Ammonium- salze in den Kapillaren durch Anwesenheit von phosphorhaltigen Salzen in der Außenlösung nicht abgestumpft wird und vice versa. Alsbald aber erhebt sich die Frage, ob vielleicht noch eine dritte Reizbarkeit chemischer Art bei Bac. Z vorhanden ist, die nicht von der Reaktion StimmungBänderungen. — Sind Menschen oder Bakterien empfindlicher? 339 abhäuot, und in der Tat zeigte sich, daß im Asparagin ein Stoä ge- o-eben ist, der positiv chemotaktisch wirkt, sowohl in schwach sauren, wie in schwach alkalischen Medien. Asparagin löst also einen dritten Perzeptionsakt aus. Es sei noch hinzugefügt, daß die Umstimraung des Bac. Z bei Übertragung aus sauren in alkalische Medien sofort erfolgt: ein und dieselbe Zelle, die vorher noch in sauren Medien auf Phosphate reagierte, reagiert bei Übertragung in alkalische Medien gleich auf Am- moniumsalze. Die entgegengesetzte Umschaltung geht weitaus lang- samer vor sich, erfolgt im Verlauf einiger Stunden, während derer viele Zellteilungen erfolgen können. — Hat man nun versucht, wie wir das eben getan haben, sich einen Überblick zu verschaffen über die Sensibilität der Bakterien, so ist es von großem Reiz, eine Parallele zu ziehen zwischen diesen und den Reizerscheinungen beim Menschen.^) Zunächst könnte man die Frage aufwerfen, ob Menschen oder Bakterien empfindlicher seien, und wenn diese Frage in dieser ganz allgemeinen Fassung nicht beant- wortet werden kann, so hat es doch Interesse, einige speziellere Fragen der Art zu beantworten. In vielen Fällen sind Bakterien zweifellos empfindlicher. Ein Kulturmensch kann z. B. eine 0,3prozentige Salz- lösung nicht mehr schmecken, während Bakterien noch den Reiz auf- nehmen, der von einer 0,001 prozentigen Salzlösung ausgeht, und dabei wissen wir nicht, ob nicht vielleicht noch stärker verdünnte Lösungen eine Perzeption im Bakterienprotoplasma zur Folge haben, aber nicht mehr zu einer sichtbaren Reaktion führen, uns deshalb unbekannt bleiben. Was andererseits verdünnte Säuren angeht, so ist diesen gegenüber auch der Geschmackssinn des Menschen sehr empfindlich, so daß er hierin wohl den Spaltpilzen nicht nachsteht. Und wenn wir nach der Differenzie- runor der Sinne, z. B. des Geschmackssinnes, fragen, so dürfen wir, wenigstens auf Grund der bis jetzt vorliegenden Erfahrungen an Bak- terien sagen, daß die Menschen den Bakterien wohl überlegen sind, d. h. mehr chemische Sinne haben als diese. Der Mensch kann z. B. die Chloride des Kaliums und Ammoniums am Geschmack unterscheiden, während die bisher daraufhin geprüften Bakterien diese beiden Salze nur der Intensität nach, nicht der Qualität nach unterscheiden. Sehr beachtenswert sind dann noch die folgenden Analogien, die sich finden zwischen den Reizerscheinungen der Bakterien und des Menschen. Sahen wir z. B., daß salpetersaure Salze die Empfindlichkeit der Bakterien für einige, aber nicht für alle andere Stoffe ausschalten, so 1) Kniep, H, a. a. 0. 22* 340 ^- I^iß Reizbewegungen der Bakterien. ist für den Menschen bekannt, daß bestimmte Stoffe den Sinn für bitter und süß, nicht aber für sauer ausschalten. Ferner bewirkt allzu hohe oder zu tiefe Temperatur, daß wir sauer nicht mehr empfinden, andere Geschmäcker aber noch beibehalten. Kokainlösungen schalten in nicht zu hoher Konzentration zuerst den Sinn für bitter aus, die anderen Ge- schmacksempfindungen aber erst in stärkerer Konzentration. Wasser schmeckt süß, wenn wir den Mund vorher mit chlorsaurem Kalium aus- gespült haben; hierin liegt ein Analogou dazu vor, daß Bac. Z erst nach Kultur in Säuren den Geschmack an Phosphaten gewinnt. Verbreiten wir uns noch über die biologische Bedeutung der Reiz- barkeit für die Bakterien! Wenn wir als „zweckmäßig" solche Reaktionen bezeichnen, die bei normalem Verlauf der Dinge, d. h. mit einem großen Grad von Wahr- scheinlichkeit geeignet sind, die Art im Kampfe ums Dasein zu fördern oder zu erhalten, — und einen anderen Sinn wird der Naturforscher dem Worte zweckmäßig niemals unterschieben — , so dürfen wir sagen, daß ein großer Teil der auf den vorigen Seiten geschilderten Reaktionen zweckmäßig ist, also erhaltungsmäßigen Charakter besitzt. Die Ansamm- lung um Nahrungsbrocken, die osmotische Reizbarkeit usf. redet eine so deutliche Sprache, daß es überflüssig ist, das breiter auszuführen. Daneben gibt es aber auch viele Reizerscheinungen, deren Bedeutung für den Organismus wir nicht einsehen können, die uns vielmehr zweck- los, sogar zweckwidrig erscheinen; hierher die Ansammlung um nicht nährende Stoffe, oder die positiv chemotaktische Reizwirkung des Äthers, die wir beim Bac. amylobader beobachtet haben. Wenn nun auf Grund solcher Befunde manche Forscher es überhaupt für absurd halten, die Zweckmäßigkeit der Reizbewegungeu zu diskutieren, so müßten sie auch die Bewegungserscheinungen des menschlichen Körpers, die dem Nah- runsrserwerb und der Verdauung dienen, dieses Charakters entkleiden angesichts der Tatsache, daß sie Menschen nur allzuhäufig dem Alkohol- genuß fröhnen sehen. Auch im Verhalten gegen Gifte finden wir erhaltungsmäßige Reak- tionen sowohl als andere. Daß Bakterien stets den Alkohol fliehen, ist zweifellos ein empfehlenswertes Verhalten, unzweckmäßig aber ist es, daß, wie sich gezeigt hat, sie sich durch Fleischextrakt anlocken lassen, welcher mit Sublimat versetzt ist. Dieser interessante Befund führt uns zur Frage, wie wohl im Lauf der Zeiten die Reizbarkeit entstanden sein mag, und da dürfen wir sagen, daß das in steter Wechselwirkung mit den natürlichen Standortsbedingungen erfolgt sein muß. Daher rührt es offenbar, daß Bakterien den Alkohol meiden, dessen schädliche Wir- kung ihnen sonst an vielen ihrer natürlichen Staudorte verhängnisvoll Zweckmilßif^keit der Reizbewegungen. 341 werilen könnte, wiiliriMul sie das Sublimat, das in iiatuia kennen zu lernen sie wohl nie GeJegenheit haben, nicht als schädlich empfinden. Deutet dies darauf hin, daß die Bakterien ihre Sinne erworben haben, daß die Sensibilität ein Anpassungsmerkmal an die Verhältnisse in der Natur ist, so scheinen einige Keizerscheinungen allerdings nicht eben dafür zu sprechen. So die Erscheinung, die wir noch nicht erwähnten, daß die Bakterien gegen die Salze des Rubidiums und Cäsiums positiv chemotaktisch reagieren, obwohl sie draußen diese seltenen Stofie kaum antreöen. Hier dürfte vielleicht die Erklärung darin zu suchen sein, daß die orenannten Salze denen des Kaliums so sehr ähnlich sind, daß sie denselben Perzeptionsakt auslösen wie diese. Die Bakterien verwechseln diese Salze miteinander, ebenso wie sie Kalium und Am- moniumchlorid verwechseln. Experimentelle Bearbeitung dieser Frage steht noch aus. Grr)ßere Schwierigkeiten macht es schon, die positiv chemotaktische Reizbarkeit durch Äther als Folge einer Anpassung zu erklären. Möglich wäre immerhin, daß Äther denselben Perzeptions- akt auszulösen vermag wie andere in der Natur verbreitete Stoffe, oder aber, daß er Vorgänge zur Folge hat, wie sie an irgendwelchen Stellen normaler Reizketten sich vorfinden, und auf diese Weise Reaktionsbewegungen auslöst. Darüber muß zukünftige Forschung belehren. Noch ein kurzes Schlußwort über die Reizbarkeit, zumal die che- motaktische, von solchen niederen Tieren, die uns als Bakterienfeinde, Bakterienfresser schon begegnet sind, z. B. den Ziliaten. Diese zeigen nicht die Reizbarkeit durch so viele organische und mineralische Stoffe, wie sie uns so schön bei den Bakterien entgegentrat; das hängt eben damit zusammen, daß sie bei ihrer Ernährung weniger auf lösliche Stoffe angewiesen sind als die Bakterien. Dagegen werden sie chemo- taktisch gereizt durch Sauerstoff, ferner durch schwache Säuren, z. B. Kohlensäure, was zur Folge hat, daß sie durch die Atmungskohlensäure der Bakterien gefangen werden und so sich in der Nähe ihrer Opfer ansammeln. Solche Ansammlungen von Ziliaten um Bakterieuzooglöen kann man tatsächlich aufs deutlichste beobachten. Wenn wir Bakterien in Bedingungen bringen, unter denen die Atmung, d. h. die Kohlen- säureausscheidung, möglichst kräftig stattfindet, unter Bedingungen also, die der Physiologie als optimale Bedingungen für die Atmung bezeichnen müßte, so ist dies Optimum somit in natura, d. h. für die Erhaltung der Art ani Staudort oft geradezu ein Pessimum^), da dann die Bakterien am leichtesten ihren Feinden zum Opfer fallen. Also wiederum ein 1) Rother t, W., Flora l'JOl, Bd. 88, S. 371. 342 XI. Die Reizbewegungen der Bakterien. Zeichen, daß physiologisches und biologisches Optimum zwei ganz ver- schiedene Dinge sind. Noch ein weiteres lehrt uns die Betrachtung der Reizbarkeit der Bakterienfresser. Es braucht keineswegs immer derselbe Stoff zu sein, welcher chemotaktisch wirkt und welcher für die betr. Wesen als Nährstoff von Bedeutung ist; hier wirkt z. ß. der eine Stoff, die Kohlensäure, chemotaktisch, und auf die anderen Stoffe, hier die Baustoffe der Bakterienzelle, ist es abgesehen.^) Vielleicht erklärt sich damit auch, wie wir als Ergänzung zu den vorherigen Ausführungen noch nachtragen können, die so häufige che- motaktische Keizwirkung nichtnährender Stoffe auf Bakterien.^) Damit nämlich, daß es sich um solche Stoffe handeln könnte, die an natür- lichen Standorten fast immer mit Nährstoffen vergesellschaftet vor- kommen, vielleicht in größerer Menge als diese. Unter allen Umständen müssen solche Erwägungen angestellt werden, ehe man sich dazu ent- schließt, die Reizbarkeit durch Nichtnährstoffe zu schlechthin unzweck- mäßigen Reaktionen zu stempeln. 1) Über Chemotaxis der Myxomycetenschwärmer (S. 302) vgl. Kusano, S., Journ. Coli, of Agric. Tokyo, 1909, Bd 2, S. 1. 2) Goebel, K. E., Festrede, K. b. Ak. d. Wiss., München 1898, S. 15. Assimilation uud Dissimilation. 343 Kapitel XII. Einleitung in den Stoffweclisel der Bakterien. Assimilation der Nälirsalze. Wir treten nunmehr in den folgenden Abschnitten der Aufgabe näher, unsere Kenntnisse von der Ernährungslehre der Bakterien zu er- weitern und zu vertiefen, nachdem wir dieselben bisher nur in ganz allgemeinen Zügen behandelt haben. Ernährung wird, wie wir schon hörten, auch als Stoffwechsel be- zeichnet, und zwar deshalb, weil sie eine dauernde Umbildung von Stoffen darstellt; nämlich einmal die Umbildung der Nährstoffe oder solcher Stoffe, welche die Zelle aus den NährstoflFen gebildet und als Reservematerial aufgestapelt hatte, in Bausteine der lebenden Zelle; hierbei handelt es sich, wenigstens im großen und ganzen, um die Bil- dung komplizierterer Stoffe aus einfacheren. Hand in Hand damit ver- läuft aber stets auch ein entgegengesetzt gerichteter Prozeß, nämlich Umwandlung komplizierterer Stoffe in einfachere, sei es durch Spal- tungsprozesse, sei es durch Oxydationsvorgänge (Verbrennungen). Diese beiden miteinander verbundenen Stoffwechselvorgänge bezeichnet man als Assimilation einer-, als Dissimilation andrerseits. Und die Bedeu- tung dieser beiden Prozesse wird uns klar, wenn wir sie nicht nur von der chemischen, sondern auch von der „energetischen" Seite betrachten. Bei vielen chemischen Vorgängen wird entweder Energie verbraucht oder entbunden, Energie, die wir z. B. als Wärme messen können. Pro- zesse, bei denen Wärme entbunden wird, werden als exothermische, solche, bei denen Wärme verbraucht wird, als endothermische bezeichnet. Die Assimilation nun stellt als Ganzes betrachtet einen endothermischen, Kraft erheischenden oder bindenden Prozeß vor. Um solche Assimilation unterhalten zu können, d. h. um wachsen und sich vermehren zu können, überhaupt für alle Arbeitsleistungen, bedürfen die Bakterien also einer Quelle, die ihnen die nötige Kraft dazu liefert, und diese Quelle er- bohren sie sich selbst, indem sie dissimilieren, d. h, exothermische, kraftliefernde Prozesse unterhalten oder beschleunigen. Das alles hatten wir im wesentlichen bereits in den einleitenden Ausführungen gehört. 344 XII. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. Es ist nun ganz klar, daß wir, um einen vollständigen Überblick über die Assimilation zu haben, „jedes einzelne Nührstofiteilchen auf seinen Wegen vom Eintritt in die Zelle bis zu seiner Festlegung in irgendwelcher Form verfolgen müßten"; so würden wir nicht nur über die Nährstoffe, sondern auch über die Baustoffe der Zelle sowie über alle Zwischenstadien, die sie durchlaufen, vollständig orientiert werden. Dieser Forderung steht aber unsere äußerst mangelhafte Kenntnis dieser Dinge im Wege, die bewirkt, daß wir nicht allzuviel Sicheres über die Bausteine der Bakterienzelle wissen, sehr wenig auch über die all- mähliche Umwandlung der Nährstoffe in jene; verhältnismäßig noch am befriedigendsten gestaltet sich unser heutiges Wissen von den Nährstoffen, die wir den Bakterien bieten müssen, und von den ver- schiedenen Ansprüchen, die die verschiedenen Arten in dieser Hinsicht stellen. Und nicht viel anders steht es mit der Dissimilation. Hier muß man sich vielfach darauf beschränken, die Endprodukte in quali- tativer und quantitativer Hinsicht möglichst genau zu beschreiben^ während unsere Kenntnisse von dem näheren Verlauf der Dissimilation noch recht kümmerliche zu nennen sind. Um nun zunächst auf Grund der Stoffwechselerscheinungen u. zw, in erster Linie des Nährstoff'bedürfuisses, eine Einteilung der Bakterien zu gewinnen, müssen wir vor allem den Begriff „Nährstoffe" zu defi- nieren suchen. Da ist zu betonen, daß von vielen Forschern, zumal solchen, die wesentlich die Ernährung der ausgewachsenen Zellen bzw, Organismen vor Augen haben, als Nährstoffe ausschließlich solche be- zeichnet werden, welche Energie liefern können, Stoffe, die, wie man sagt, freie Energie besitzen, d. h. einen chemischen Energieinhalt, der durch Spaltung oder Oxydation in Freiheit gesetzt und dem Organismus dienstbar gemacht werden kann^ Wir aber wollen hier den Begriff Nährstoff wesentlich weiter fassen und darunter alle die Stoffe begreifen^ die den wachsenden Zellen, denn um solche handelt es sich ja stets in gut gedeihenden Bakterienkulturen, zur Verfügung stehen müssen, da- mit sie sich vermehren können. Nährstoffe sind dann z. T. solche, die wesentlich durch ihren Energieinhalt von Bedeutung sind, z. T. aber auch solche, die keinen chemischen Energieinhalt aufweisen, so z. B das Wasser, bestimmte Nährsalze, wie Salpeter, schwefelsaure Salze usw. Zur Fortführung dieser Betrachtungen knüpfen wir nun am besten an die chemische Zusammensetzung der Bakterienzelle an. Das Aller- wesentlichste darüber haben wir schon früher kennen gelernt und uns über die Qualität der Eiweißkörper des Protoplasmas, der Zellhautsub- stanzen, der Reservestoffe schon orientiert. Nun aber gilt es zunächst in Gedanken eine sog. Elementaranalyse auszuführen, die uns darüber Elementaranalyse. 345 Unterricht 011 wird, welclu' rhemisclicu Griindstoüi; oder Elemente in den Hakterien/elleii jederzeit unzutrelt'eu sind. Uni uns zu diesem Behuf das niitige Material zu verschaÖ'en, würden wir Reinkulturen verscliiedener Bakterienarten züchten, am besten zunächst auf recht natürlichen Nähr- böden; statt vieler anderer nennen wir nur Kartott'elsiheiben, wenn wir die betreffende Art von pHanzlichen Teilen isoliert haben, Fleischwasser- agar, wenn es fäulniserregende Formen aus tierischen Leichen sind^ dann die Bakterienmassen mögliehst sauber von den Nährböden ab- kratzen und nach den Kegeln der chemischen Kunst weiter verarbeiten. Zunächst würden wir den Wassergehalt feststellen und finden, daß etwa 85 °o Wasser, um nur einen Durchschnittswert zu nennen, mit 15% Trockensubstanz vereint sind. Analysieren wir dann die Trockensubstanz weiter, so finden wir zuerst, daß jederzeit organische neben mineralischen Stoffen vorhanden sind, welch letztere also beim Veraschen als unver- brennlieher Kest zurückbleiben. Die Asche würde unter normalen Be- dingungen etwa 15% der Trockensubstanz betragen. Untersuchen wir nunmehr endlich, welche chemischen Elemente die Bakterienmasse zu- sammensetzen, so ergibt der Wassergehalt zunächst schon Wasserstoff und Sauerstoff. Die Trockensubstanz würde zum größten Teil aus Kohlen- stoff bestehen, ferner würden nie fehlen Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium, Magnesium, Kalzium, Natrium, Eisen, Chlor, Aluminium^ Silizium und wohl noch einige andere Grundstoffe, die wir nicht auf- zuzählen brauchen. Besonders beachtenswert ist, daß die Höhe des Wassei'gehaltes, das Verhältnis der organischen zu den Mineralstoffen, ferner das Verhältnis der einzelnen Grundstoffe zueinander, je nach dem Nährboden, nach dem Entwicklungsstadium mehr oder minder schwanken kann; daß ferner — das braucht allerdings kaum betont zu werden — verschiedene Arten selbst dann, wenn sie auf ganz gleichen Böden gezüchtet wurden, sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Jede Art hat ihr „Wahlver- mögen*'; die eine nimmt viel Aschensalze auf, die andere wenig, die eine nimmt dies, die andere jenes Element in bevorzugtem Maße auf usw.; die chemische Zusammensetzung könnte ra. a. W. häufig ein brauch- bares Hilfsmerkmal zur Unterscheidung von Arten sein, wird aber des- halb wenig gebraucht, weil sie oft schwer ohne allzu große Arbeit festzustellen ist. Alsbald aber erhebt sich für den Ernährungsphysiologen die Frage, ob die Bakterien zelle nur solche Stoffe von außen aufnimmt, die sie wirklich notwendigerweise für ihr Wachstum braucht oder auch andere, und die Wissenschaft hat für Bakterien diese Frajje ganz ebenso beant- wortet wie für alle andern Wesen, nämlich mit nein. Auch unnötige 346 XII. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. Stoffe, die dargeboten werden, gelangen in die Zelle, oft allerdings nur in verhältnismäßig geringer Menge; ferner gibt es sog. nützliche Stoffe, die zwar nicht uuentbehrlich sind, aber doch für die Entwicklung förder- sam. Wollen wir nun ermitteln, welches die unentbehrlichen Grund- stoffe sind — und dies ist offenbar eine Grundfrage der Ernährungs- pbysiologie — , so müssen wir etwas anders vorgehen als bisher; näm- lich unsere Bakterien nicht auf natürlichen Substraten, die meist eine sehr komplizierte, nur teilweise bekannte Zusammensetzung haben, züchten, sondern auf Nährböden, die wir uns künstlieh herstellen, indem wir gut definierte, chemisch reine Stoffe in reinem destilliertem Wasser lösen und diese Nährlösungen mit unsern Bakterien beimpfen. Manchmal dürfte es sich empfehlen, in derartige Nährlösungen unlösliche Partikel- chen, Platinkügelchen, Bergkristallpulver hineinzuschütten, bis sie eben bedeckt sind, um etwas natürlichere Bedingungen zu schaffen. Tritt Wachstum ein, so ersehen wir daraus, daß die betreffende Nähr- lösuno: alle notwendigen Grundstoffe enthält, und indem wir Versuchs- weise bald den einen bald den andern Grundstoff eliminieren, ermitteln wir endlich, welche Stoffe unbedingt geboten werden müssen. Aus solchen Versuchen hat sich nun ergeben, daß für alle Bakterien, die man bisher in genau bekannten Nährlösungen hat züchten können, folgende Grundstoffe ganz unerläßlich sind: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Kalium, Magnesium. Die andern Stoffe, die wir in Bakterien nachweisen konnten, die auf natür- lichen Substraten erwachsen waren, also z. B. Natrium, Kalzium usw., sind entbehrlich, im besten Fall nützlich. Die Frage liegt äußerst nahe, ob nicht auch innerhalb des Reiches der Bakterien Unterschiede bestehen mit Rücksicht auf den Bedarf an chemischen Grundstoffen; wir können diese Frage dahin beantworten, daß es trotz aller sonstigen Verschiedenheiten bisher nicht gelungen ist, sichere Unterschiede in dieser Beziehung festzustellen, wenn wir von vereinzelten, mehr untergeordneten, nachher noch zu behandelnden Fällen absehen. Sonst läge es natürlich sehr nahe, auf Grund solcher Unterschiede die Bakterien in ernährungs- physiologisch unterschiedene Gruppen einzuordnen, so aber müssen wir nach andern chemisch-physio- logischen Einteilungsprinzipien uns umsehen. Welche das sind, wird uns sofort klar, sobald wir daran denken, daß jene Grundstoffe zum größeren Teil nicht als solche, nicht als chemische Elemente, nicht im „freien" Zustand, sondern vielmehr in Form geeigneter chemischer Ver- bindungen aufgenommen werden und zur Nahrung dienen. Auf Grund der Verbindungsform, in welcher die unentbehrlichen Nährelemente in die Bakterienzelle eingehen, können wir somit die Bakterien vom Stand- Unerläßliche Grundstoffe. 347 puukt des Eruähningsphysiologen gliedern, und es wird, bevor wir uns auf die Besprechung der einzelnen Nährstoffe einlassen, jetzt unsere Aufgabe sein, diese Gliederuno- behufs besserer Übersicht in großen Zügen durchzuführen. Fragen wir zuerst nach den Verbindungen, in welchen Kalium, Magnesium, Phosphor und Schwefel geboten werden müssen, so gilt bezüglich dieser vier Stoffe, daß sie von allen Bakterien, soweit bis jetzt bekannt, in Form von Mineralsalzen assimiliert werden können und auch wohl meist assimiliert werden, z. B. als phosphorsaures Kalium und schwefelsaures Magnesium; möglich wäre, daß bestimmte Formen ihren Bedarf an Schwefel oder Phosphor nur aus organischen Schwefel- bzw. Phosphorverbindungen decken könnten, doch ist, wie nachher noch ge- zeigt werden soll, nichts darüber bekannt; jedenfalls eignen sich die genannten vier Elemente nicht dazu, daß man die Bakterien auf Grund verschiedenen Verhaltens ihren Verbindungen gegenüber in ernährungs- physiologische Gruppen einteilen könnte. Wir kommen zum Wasser- stoff. Dieser wird von allen Spaltpilzen einmal mit dem Wasser aufge- nommen, sodann auch mit vielen mineralischen oder organischen Stoffen. Nur von einem verschwindenden Bruchteil von Spaltpilzen wird freier, gas- förmiger Wasserstoff in den Stoffwechsel gezogen. Es folgt der Sauer- Stoff. Auch dies Element wird von allen Wesen in gebundener Form mit dem Wasser aufgenommen, ferner mit den allermeisten andern Nährstoffen, seien sie nun organischer oder anorganischer Natur, eben- falls in gebundener Form. Im Gegensatz zu den meisten andern Nähr- dementen spielt aber auch freier Sauerstoff eine gewaltige Rolle, so gewaltig, daß wir uns veranlaßt sahen, diese Rolle schon früher in einem besonderen Abschnitt eingehend zu würdigen. Es genügt hier, auf diese Ausführungen zurückzuverweisen (Kap. IX). Bleiben noch Stickstoff und Kohlenstoff, und gerade bei diesen beiden Stoffen spielt die Verbindungsform eine so durchschlagende RoUe, daß wir etAvas länger dabei verweilen müssen. In der Verschiedenheit der Ansprüche an die Kohlenstoff- sowie an die StickstoffqueUe liegt, abgesehen von der verschiedenartigen Anpassung an freien Sauerstoff', der wesentlichste Unterschied in der Bedeutung der verschiedenen Bakterienarten für den Haushalt der Natur begründet. — Auf Grund des verschiedenartigen ernährungsphysiologischen Verhaltens gegenüber diesen beiden Ele- menten teilt man daher die Bakterien mit Vorliebe in Gruppen ein, wie das im folgenden nun auch geschehen soU. Beginnen wir mit den Kohlenstoffquellen! Wie wir schon wissen, bedarf die übergroße Mehrzahl der Bakterien des Kohlenstoffes in organischer Bindung. Wir nennen sie „hetero- 348 ^^- Einleitung in den Stoffw^echsel der Bakterien. troph", da diese organischen Kohlenstoffverbindungen von andern {etEgoi} Wesen, in letzter Linie den grünen Pflanzen ihnen bereitet werden. Wir können unter den heterotrophen Bakterien wiederum zwischen sapro- trophen (saprophytischen) und paratrophen (parasitischen) unterscheiden. Die ersteren leben von toten organischen Massen, die letzteren greifen lebende Zellen oder Organismen an. Eine strenge physiologische Schei- dung zwischen Saprotrophie und Paratrophie ist übrigens unmöglich; das liegt daran, daß wir lebende und tote Materie überhaupt nicht scharf auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden können. Neben den heterotrophen haben wir die „uutotrophen*' Bakterien^ die den Kohlenstoff aus anorganischen Verbindungen assimilieren. Hier kommen hauptsächlich Kohlensäurezehrer in Betracht, die somit die- selbe Kohlenstoffquelle benutzen wie die grünen Pflanzen. Vereinzelte autotrophe Bakterienarten sollen auch vom Kohlenoxyd leben. Über Beziehungen des Bakterienlebens zum elementaren Kohlen- stoff — man würde hier von Kohlenstoff- Prototrophie reden — ist nichts bekannt; zwar ist erwiesen, daß amorphe Kohle (Stein- und Holz- kohle, Kuß) durch Bakterien bei Luftzutritt oxydiert sind, falls die ob- waltenden Bedingungen, Feuchtigkeit, Temperatur usw., dem Bakterien- leben förderlich sind. Doch ist „Kohle" kein Kohlenstoff, sondern eine Verbindung von Kohlenstoff mit Sauerstoff, Wasserstoff, auch Stickstoff. Übrigens ist die Oxydation der Kohle noch genauer zu untersuchen.') Soweit der Kohlenstoff. In durchaus gleicher Weise können wir die Bakterien mit Bezug auf ihren Stickstoö'bedarf in autotrophe, heterotrophe und prototrophe unterscheiden. Die Mehrzahl der Bakterien kann zur Deckung ihres Stickstoff- bedarfs nur gebundenen Stickstoff verwerten, und sehr viele unter ihnen lieben besonders organische Stickstoffverbindungen, d. h. Eiweiß- körper und verwandte Stoffe, ferner Aminosäuren, d. h. Spaltungspro- dukte der ersteren, und viele andere mehr. Diese Spaltpilze wären also stickstoff-heterotroph. Daraus, daß organische Stickstoffverbinduogen gleichzeitig auch kohlenstoffhaltig sind, folgt schon ohne weiteres, daß die stickstoff-heterotrophen Spaltpilze gleichfalls mit Bezug auf den Kohlenstoff heterotroph sind, zum mindesten einen Teil ihres Kohlen- stoffbedarfs aus organischer Bindung an sich reißen. Daneben gibt es eine kleinere, aber doch noch sehr stattliche Schar, die anorganische Stickstoffverbindungen aufnimmt und assimiliert, d. h. also Ammonium- 1) Potter, M. C, B. C. II, 1908, Bd. 21, S. 647. Heterotrophie, Autotrophie. 349 salze, salpetrigsaure uud sulpetersaure Salze. Sie leben stickstofi'-auto- troph. Es folgt dann noch eine kleine, aber besonders interessante Ge- sellseliaft, welche den gasförmigen Stickstoff der Luft benutzen kann, um ihre stickstoffhaltigen Körperstotfe zu formieren. Sie sind Stick- stoff-prototroph (Kap. XIII). In allen diesen Fällen müssen wir nun offenbar, um den Nahrungs- bedarf genau zu charakterisieren, noch hinzufügen, ob die betreffende Binduugsform des Kohlenstoffs und Stickstoffs die einzige ist, welche der jeweiligen Bakterienart zugänglich ist, oder ob auch andere den Bedarf decken können; dies geschieht, indem wir die Worte „fakultativ'^ oder „obligat" verwenden. Wir werden Spaltpilze kennen lernen, welche ■den Kohlenstoff nur aus anorganischer Bindung (Kohlensäure) assimi- lieren können — richtiger gesagt, welche in der Natur stets von Kohlen- säure leben dürften, und die im Laboratorium mit andern Kohlenstoff- verbindungen zu züchten bis jetzt nicht gelungen ist; sie sind „obligat kohlenstoff-autotroph^'. Da die fraglichen Formen auch den Stickstoff nur in Form von anorganischen Salzen verwerten können, sind sie eben- falls obligat-stickstoff-autotroph. Andere Formen sind fakultativ kohlen- stoff- oder stickstoff-autotroph, d. h. können sowohl organische wie an- organische Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen verwerten. Um noch ein Beispiel zu nennen: Sämtliche Bakterien, die man bis jetzt als stick- stoff-prototroph kennen gelernt hat (die also freien Stickstoff verarbeiten können), vermögen auch von Stickstoffverbindungen sich zu ernähren. Mit andern Worten: Obligat-stickstoff-prototrophe Spaltpilze sind bis- lang nicht gefunden worden. Nach dieser aUgemeinen Orientierung wenden wir uns nun zur «ingehenden Behandlung der einzelnen Grundstoffe, die für die Er- nährung nötig sind, und woUen beginnen mit denjenigen, welche ge- meiniglich in Form von Mineralsalzen, den sog. Nährsalzen, gegeben werden, wobei wir allerdings die Besprechung der stickstoffhaltigen Nährsalze auf später verschieben. Es handelt sich also zunächst, wie schon erwähnt, um phosphor- und schwefel-, kalium- und magnesium- haltige Salze. Züchten wir unsere Bakterien auf natürlichen Nähr- böden, Kartoffelscheiben, Möhrenscheiben, auf Heudekokt, Erbsendekokt, Fleisch- oder ähnlichen Nährsubstraten, so sind die eben genannten Nährsalze immer in diesen vorhanden, brauchen also nicht besonders hinzugefügt zu werden, da ja auch die höheren Pflanzen oder Tiere ohne diese Nährsalze nicht wachsen können und sie reichlich in ihren 350 XII. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. Zellen aufgestapelt enthalten. Stellen wir aber künstliche Nährlösungen her, so fügen wir als Salze hinzu: phosphorsaures Kalium und schwefel- saures Magnesium; sehr geringe Mengen genügen, z. B. von jedem etwa 0,1 — 0,05 g in 100 ccm Lösung. Meist gibt man das Phosphat in größerer Menge als das Sulfat, da die Bakterien laut Aschenanalyse von dem ersteren mehr enthalten. Doch s(*luulet es auch nichts, wenn man von beiden Salzen gleiche Mengen gibt, da, wie oben gesagt, die ZeUe das Vermögen hat, von einem Salz, das sie in größerer Menge be- nötigt, auch mehr aufzunehmen als von einem andern, von dem sie weniger bedarf, selbst wenn dies letztere in gleicher oder sogar größerer Menge von außen geboten wird als jenes. Zu beachten ist, daß für sehr viele Spaltpilze schwach alkalische Reaktion günstiger ist als saure Reaktion; man wird also alkalisch reagierende Phosphate verwenden, oder die Lösung mit Natronlauge, Zusatz von Alkalikarbonaten usw., alkalisch machen. Handelt es sich um Kultur auf Kartotfelscheiben oder andern pflanzlichen Teilen, so wird man gleichfalls daran denken müssen, daß die Zellsäfte höherer Pflanzen schwach sauer reagieren, und wird darum durch Beigabe von kohlensaurem Kalk oder andern geeigneten Stoffen die Säure abstumpfen. Wenden wir uns nun den einzelnen Stoffen zu, zunächst dem Phos- phor. Daß dieser nötig ist, können wir leicht mit der chemischen Er- kenntnis in Einklang bringen, der zufolge bestimmte organische Stoflfe, die keiner Zelle fehlen, phosphorhaltig sind. So vor allem die uns schon bekannten Nukleoproteide, die bis zu 3% Phosphor enthalten können. Außerdem gibt es noch andere minder wichtige phosphor- haltige Eiweißkörper, die vielleicht auch in Bakterien vorkommen; daß man ferner den bis heute nur mikroskopisch und mikrochemisch leid- lich genau definierten Reservestofi" Volutin ebenfalls für einen phosphor- haltigen Körper betrachtet, haben wir oben (S. 129) schon eingehend erörtert. Zu erinnern ist endlich daran, daß sehr verbreitete phosphorh altige organische Stofl'e, die der Chemiker als Phosphatide benennt (Lezithine u. a.), ebenfalls bei Bakterien nachgewiesen wurden. Alle diese orga- nischen ])hosphorhaltigen Stoffe und noch viele andere, die man z. T. noch nicht kennt, vermag also die BakterienzeUe aus den anorganischen phosphorsauren Salzen aufzubauen. Man hat sich vorzustellen, daß diese zuerst in den Zellsaft gelangen und bei reichlicher Phosphat- zufuhr zunächst in demselben gespeichert, sonst aber sofort in orga- nische Bindung gezwungen werden: ob ein konstantes Verhältnis zwischen organischen und anorganischen Phosphorverbindungen in der Bakterienzelle nachweisbar ist — was für andere Pflanzen zutrifft — Aufnahme des Phosphors. 351 wäre noch zu untersuchen. Nach dem Tod der Bakterieuzelle zerfallen diese Stoife unter Bildung von Phosphorsäure, die alsdann, durch Basen, Kalk, Kali usw. gesättigt, in den Boden gelangt, um von andern Ba1\- terien oder andern PHanzen aufgenommen und assimiliert zu werden. Das ist in aller Kürze der Kreislauf des Phosphors in der organischen Welt. Ob bei Fäulnisprozessen auch das an der Luft entzündliche Gas Phosphorwasserstolf entsteht, auf welches man versucht hat das Phä- nomen der „Irrlichter" zurückzuführen, ist zweifelhaft.^) Die Phosphate, die wir somit als unerläßliche Nährsalze der Bak- terien kennen gelernt haben, bezeichnet der Chemiker genauer als Salze der Orthophosphorsäure. Daneben gibt es noch andere phosphorhaltige Mineralsalze, so die Pyrophosphate u. a. m., die, soweit bekannt, eben- falls als Phosphorquelle dienen können. Wichtiger ist noch die Frage, ob auch organische phosphorhaltige Stoffe diesen Zweck erfüllen können, ob also Bakterien auch mit Bezug auf Phosphor heterotroph sind. Diese Frage ist noch nicht ausreichend untersucht. Doch dürfte kein Zweifel sein, daß z. B. Lezithine, die ja z. B. von Bad. prodigiosum in Glyzerin- phosphorsäure, Cholin und Fettsäuren gespalten werden, für viele Bak- terien eine treffliche Phosphorquelle darstellen. Auch Phytin, eine organische, in Pflanzensamen hävifige Phosphorverbindung, wäre zu prüfen. Vielleicht ist das üppige Wachstum vieler Spaltpilze auf natür- lichen Nährböden z. T. darauf zurückzuführen, daß hier Lezithine und ähnliche phosphorliefernde organische Stoffe ihnen zur Verfügung stehen. Verwendet man Nährlösungen, die keinerlei phosphorhaltige Stoffe enthalten, so findet kein Wachstum statt; sie bleiben nach der Impfung dauernd klar, um sich erst dann infolge Bakterienentwicklung zu trüben, wenn mau nachträglich eine geringe Spur eines Phosphates zufügt. Bei bestimmten farbstoffbildenden Spaltpilzen hat man ^) gefunden, daß in phosphorarmen Lösungen in erster Linie die Farbstoffbildung beein- trächtigt wird. Hier liegt also wiederum ein Spezialfall für die so häufige Erscheinung vor, daß bestimmte Partialfunktionen in ungleicher Weise durch äußere Faktoren, hier Entzug eines Nährstoffes, beeinflußt werden. Es läge nahe, analoge Untersuchunoren über die Abhängigkeit der Sporenbildung oder ähnlicher Gestaltungserscheinungen von der Zufuhr der Phosphate anstellen; doch liegen darüber noch keine Er- fahrungen vor. Wir kommen zur Behandlung des Schwefels. Daß dieser in den Nährstoffen mit geboten werden muß, wundert uns keineswegs, da ja 1) Lit. bei Lalar, Bd. 3, S. 108. Vgl. auch Kulka, W, B. C. I, Or. l'JU, Bd. 61, S. 336. 2) Lit. z. B. bei Benecke, W., Bot. Ztg. 1907, Bd. 0.5, S. 1. 352 XII. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. die Eiweißkörper schwefelhaltig sind und bis zu V-j^j^ von diesem Grund- stoff enthalten können; auch andere schwefelhaltige organische Stoffe, Spaltungsprodukte von Eiweißkörpern, sind bekannt, z. B. das Zj^stin, «in außerordentlich weit verbreitetes Spaltungsprodukt von Eiweiß- körperu, und möglicherweise auch in der Bakterienzelle enthalten. Zur Formierung solcher Stoffe verwendet das Bakterienprotoplasma wie er- wähnt schwefelsaure Salze, also Schwefel in vollkommen oxydierter Bindung, und um daraus organische Schwefelverbindungen herzustellen, bedarf es einer Reduktion derselben, eines Vorganges, der wie die meisten assimilatorischen Prozesse Energie erheischt. Statt der schwefel- sauren Salze können übrigens auch andere schwefelhaltige Mineralsalze als „Schwefelquelle*' dienen, so die schwefligsaaren Salze, die unter- schwefligsauren Salze u. a. m. Ferner organische Schwefelverbindungen können zweifellos diesem Zweck dienstbar gemacht werden; soweit solche Stoffe giftig wirken, dürfen sie nur in geringen Konzentrationen verwendet werden. Aus diesen bisherigen Ausführungen würde folgen, daß Nähr- lösungen, denen man keine Sulfate oder sonstige „Schwefelquellen" zu- fügt, beim Beimpfen steril bleiben. Doch müssen wir zur Ergänzung hinzufügen, daß es de facto nicht recht gelingen will, durch Schwefel- entzuff das Bakterienwachstum ganz zu unterdrücken. Offenbar wird nur so wenig von diesem Grundstoff gebraucht, daß es fast unmöglich ist, Verunreinigung der übrigen Nährstoffe mit Spuren schwefelhaltiger Körper zu verhindern; auch der in der Atmosphäre in sehr geringen Mengen vorhandene Schwefelwasserstoff und andere flüchtige schwefel- haltige Stoffe dürften dabei mitwirken. Da diese Stoffe leicht an der Luft in Schwefelsäure übergehen, könnten sie auch solchen Formen dienlich sein, die nur Schwefelsäure und ihre Salze verwerten können. Freilich darf nicht übersehen werden, daß es nicht ganz ausgeschlossen ist, daß die oder doch einige Bakterien tatsächlich ganz ohne Schwefel auskommen können, also schwefelfreie Eiweißkörper besitzen. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Schließen wir hier einen kurzen Ausblick auf einige weitere durch Bak- terien bewirkte Umsetzungen von Schwefelverbindungen an. Sehr häufig wird Schwefelwasserstoff" aus Eiweißkörpern abgespalten, je nach Zucht- bedingungen und Bakterienspezies mehr oder weniger. Lüftung pflegt die Abspaltung zu hemmen, desgl. Zugabe von Zucker; bei Zucker- zusatz wird offenbar dieser in den Stoffwechsel gerissen und dadurch die Spaltung der gleichzeitig gebotenen Eiweißkörper vermindert — ein Nährstoff' „deckt" den andern (vgl. Elektion von Nährstoffen im Kap. XIII). Auch „Azetondauerpräparate" (vgl. Kap. XVj von Bakterien, die mit Umaatz von Schwefelverbiudungen. — Magnesium. 353 Sand behufs Eröffnung der Zellen zerrieben werden, bewirken noch Schwofe hvasserstoffabspaltuiio; aus Albumosen, was auf die Wirkung oiues Enzvms schließen läßt, allerdings verträgt das fragliehe Enzym im Get^ensatz zu andern die Kochhitze. Ferner wird Schwefel selbst, sodann unterschwefelsaure uud andere Salze zu Schwefelwasserstoff reduziert; auch hier darf man auf Euzymwirkung schließen, da auch Preßsäfte von Bakterien diese Reduktion bewirken (Bad. proteus u. a.). Schließlich werden aus Eiweißkörperu Merkaptane, durch ihren ent- setzlichen Geruch bekannt, gebildet. Solche können außerdem synthe- tisch aus Alkoholen und Schwefelwasserstoff durch die Tätigkeit be- stimmter Spaltpilze (Bad. csterificans) entstehen.^) Über Reduktion von schwefelsauren Salzen zu Schwefelwasserstoff vgl. Kap. XIV. Über den gegenläufigen Prozeß Kap. XVI. Konnten wir uns den Bedarf der Spaltpilze an Phosphor und an Schwefel ohne weiteres verständlich machen, wenn wir die Tatsache, daß bestimmte aUverbreitete Körperstoffe diese beiden Elemente ent- halten, als gegeben hinnahmen, so gilt das nicht vom Kalium und auch nicht vom Magnesium. Warum diese beiden Grundstoffe nötig sind, weiß man nicht, sieht vorläufig auch nicht ein, warum nicht z. B. an Stelle des Kaliums das Natrium, an Stelle des Magnesiums etwa das Kalzium treten kann, und doch lehrt der Ausfall der Versuche, daß dem nicht so ist. Denkbar wäre, daß die Unentbehrlichkeit des Kaliums und Mao-nesiums, wie die des Phosphors und Schwefels darauf beruht, daß sie in die chemische Konstitution wichtiger Baustoffe eingehen. So hat man bei höheren Pflanzen das Magnesium als Bestandteil bestimmter Eiweißkörper und anderer Stoffe nachgewiesen und die Vermutung aus- gesprochen, daß gleiches auch für das Kalium zutreflen könnte. Es wäre aber auch möglich, daß die beiden Stoffe nicht in chemische Ver- bindung mit Eiweiß- oder andern Körpern eintreten, sondern daß die die Eiweißkörper des lebenden Protoplasmas umgebende Salzlösung aus irgendwelchen Gründen kalium- und magnesiumhaltig sein muß, um den für die Lebenstätigkeit erforderlichen physikochemischen Zustand jener zu gewährleisten. (Vgl. Kap. IV.) Das 3Iagnesiiii]i wird, wie schon gesagt, stets in Form geeigneter Magnesiumsalze geboten; aus Bequemlichkeitsgründeu verwendet man meist das schwefelsaure Magnesium, natürlich könnten Chlormagnesium, Magnesiumphosphat oder andere ebensogut diesem Zweck dienen, wenn der Schwefelbedarf anderweitig gedeckt wird. Die Unentbehrlichkeit des Magnesiums ist meist leicht nachweisbar, indem sonst vollständige 1) Lit. bei Kruse, W., Mikrobiologie. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 23 354 XU. Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. aber magnesiumfreie Lösungen Wachstum vermissen lassen. Bei farb- stoff bildenden Bakterien hat man gefunden, daß die Farbstoff bildung besonders durch reichliche Magnesiumgaben gefördert wird, u. a. auch bei Bnct. synxanthum, wenn es in nährsalzhaltigen Rohrzuckerlösungen wächst^); die Angabe aber, daß Farbstoff bildner ohne Magnesiumzufuhr zwar wachsen und sich vermehren, aber keinen Farbstoff produzieren könnten, hat sich als nicht richtig herausgestellt. Magnesium dürfte vielmehr für die Vermehrung aller Spaltpilze unerläßlich sein. Sicher nachgewiesen ist das z. B. für Bad. pyocynneum u. a.^) Lehrreich ist es, hier auf eine Fehlerquelle zu achten, die zu falschen Ergebnissen führen kann. Gewisse Glassorten, die auch zur Herstellung von Kulturgefäßen Verwendung finden, enthalten Magne- siumsilikate, und benutzt man scdche, so findet auf Nährlösungen in ihnen Bakterienwachstum auch dann statt, wenn kein Magnesium zu- gefügt worden ist. Hier genügen also die geringen, aus dem Glas in die Lösung übertretenden Magnesiunisj)uren, um das Wachstum zu er- möglichen. Wendet man Kulturkolben an, welche nicht magnesiumhaltig sind, so unterbleibt in magnesiumfreien Nährlösungen das Wachstum, um erst bei Hinzufügen einer Spur eines Magnesium salzes zu erwaelien. Schwieriger ist es im allgemeinen, die Unentbehrlichkeit des Kaliums zu beweisen, denn man wird meistens die Erfahrung machen, daß auch in Nährlösungen, die Kaliumsalze nicht enthalten, Bakterien Wachstum nach der Beimpfung eintritt. Sucht man aber nach Möglichkeit alle Fehlerquellen auszuschließen, verwendet man Kulturgläser, die notorisch kaliumsilikat frei sind, legt man ganz besonderen Wert darauf, daß alle Nährstoffe möglichst rein sind, zumal auch das destillierte Wasser keinerlei Verunreinigungen enthält, so wird man in kaliumfreien Lösun- gen nur ein äußerst kümmerliches Wachstum bemerken. Das gilt wenigstens für Bad. fluorescens wn^pyocyaneum, Azotobader chroococcum^) und einige andere, dürfte aber wohl allgemeine Bedeutung haben, da ja auch die höheren Pflanzen ohne Kaliumzufuhr nicht wachsen können. Mit Bad. fluorescens hat man auch einige Versuchsserien mit allmählich abfallendem Kaliumgehalt angestellt. Hierbei diente als Kohlenstoff- und Stickstoffquelle das Asparagin; Magnesiumsulfat und -phosphat dienten als Nährsalze. Während nun ohne Zufuhr von Kaliumsalzen das Wachstum ganz oder beinahe ganz ausblieb, zeigte sich, daß schon ganz außerordentlich geringe Mengen vom Kaliumsulfat (oder andern 1) Kossowicz, A., Z. f. d. landwirtsch. Versuchswesen Österr. 1907, Bd. 4, S. 404. 2) Kuntze, W, B. C. I, Or. 1907, Bd. 44, S. 299. 3) Krzemieniewska, H., Bull. ac. Sc. Cracovie 1908, S. 445. Kalium; Ersatz durch Bubidium oder Caesium. 355 Kaliumsalzen), nämlich ganz geringe Bruchteile eines Milligramms in 100 ccm Nährl()sung ein recht befriedigendes Wachstum auslösen konnten. Etwas größere Mengen von Kaliumsulfat hatten Beschleuni- gung des Wachstums zur Folge. Bei Beurteilung der Wirkung so ge- ringer Mengen ist allerdings daran zu denken, daß in solchen Kulturen nach einiger Zeit eine große Zahl der Bakterienzellen abstirbt und die kaliumhaltigen Bestandteile der Leichen nunmehr andern Zellen zur Ver- fügung gestellt werden. Denkbar wäre auch, daß lebende Zeilen, die aus- gewachsen sind, gleichfalls einen Teil der aufgenommenen Salze wieder nach außen treten lassen, ohne abzusterben, und so andern Zellen zur Verfügung stellen. Beweise dafür stehen aber noch aus. Um nun nach Möglichkeit etwas einzudringen in das Geheimnis der Unentbehrlichkeit des Kaliums für die Lebewelt, hat man wie bei andern Pflanzen, so auch bei Spaltpilzen versucht, Kaliumsalze durch nahe verwandte Salze zu ersetzen und zu beobachten, ob sie durch solche in ihren Funktionen vertreten werden können. Da hat sich denn gezeigt, daß Natrium, Ammonium- und Lithium salze nicht in der Lage sind, für das Kalium einziispringen. Züchtet man z. B. Bakterien auf Nälu*- lösungen, die kein Kalium, statt dessen das entsprechende Natriumsalz enthalten, so ist der Effekt derselbe, als wenn das Natriumsalz auch wegbliebe. Interessant ist auch der Befund, den anderweitige Studien zeitigten, daß Bakterien aus Nährlösungen, die gleiche Mengen vonKalium- wie von Natrium salzen enthalten, die ersteren in weit größerer Menge resorbieren, also Wahlvermögen zeigen, ganz ebenso wie das für die Wurzelzellen der höher organisierten Pflanzen seit langer Zeit bekannt ist. Bemerkenswert ist es aber, daß die Salze des Rubidiums und des Cäsiums, also zweier dem Kalium sehr nahe verwandter Metalle, das Kalium ersetzen können. Wenigstens ist das für Bad. fluorescens und liyocyaneum nachgewiesen; für Azotobader scheint diese Vertretbarkeit nicht zu Recht zu bestehen. Und auch für die zwei erstgenannten Spaltpilze gilt, daß der Wirksamkeit der Rubidium- und Cäsium salze engere Grenzen gezogen sind als derjenigen der Kaliumsalze. Denn in einigermaßen hoher Konzentration, in welcher Kalisalze noch recht gute Wirkung zeigen, sind die beiden andern Salze bereits so schädlich, daß sie kein Bakterienwachstum mehr aufkommen lassen, und auch nach unten hin, d. h. bei sehr starker Verdünnung, sind sie weniger leistungs- fähig als die Kaliumsalze, da so äußerst geringe Spuren wie bei diesen nicht genügen, um ergiebiges Wachstum zu ermöglicbeu. Es wäre dankenswert, solche Untersuchungen fortzuführen; so könnte sich u. a. ergeben, ob die physiologische Bedeutung des Kaliums, wie von manchen Seiten geäußert wurde, damit zusammenhängt, daß die Kaliumsalze be- 23* 356 XII Einleitung in den Stoffwechsel der Bakterien. stiramter Eiweißkörper schwerer löslich sind als die Natriunisalze, oder ob andere Erklärungen zu suchen sind. Leider ist aber bei der weiten Verbreitung der Kaliunisalze und bei der dadurch bedingten Schwierig- keit, diesen Grundstoif sicher auszuschließen, die Technik derartiger Versuche eine äußerst schwierige und umständliche. Aus diesem Grund haben auch die oben referierten nackten Tatsachen noch keine weiteren Anregungen für die wissenschaftliche Forschung ergeben, und haben wir auch darauf verzichtet, über die obigen Versuche von der Vertret- barkeit des Kaliums durch Rubidium und Cäsium durch Angabe des maximalen und minimalen Gehaltes der Nährlösung au diesen Salzen zahlenmäßig zu referieren. Übrigens wäre es von großem Interesse zu ermitteln, ob die Ver- tretbarkeit des Kaliums durch Kul)idium und Cäsium bei sporenbildeu- den Bakterien auch für die Sporeubildung zu Recht besteht, oder ob für diesen Vorgang Kalium unter allen Umständen notwendig ist. Das wäre denkbar, weil für höhere Pilze Erfahrungen vorliegen, die an- deuten, daß die Bildung der Reproduktionsorgaue auch rücksichtlich der Zufuhr von Mineralstoifen höhere Ansprüche stellt als Wachstum und Teiluucr der vegetativen Zellen. In bioloti-ischer Beziebuii*; hat die Vertretbarkeit des Kaliums durch Rubidium und durch Cäsium kaum Bedeutung, da die beiden letzteren Elemente, zumal das Cäsium, in der Natur selten sind. Wir bescbließen die Besprechung der Bedeutung des Kaliums im Stoffwechsel der Spaltpilze mit der Bemerkung, daß man versucht hat, die Bedeutung, die dem Kalium im Gegensatz zum Natrium eignet, wenn nicht physiko-chemisch zu erklären, so doch dem Verständnis näher zu bringen und historisch zu erläutern mit dem Hinweis, daß die Salze des Kaliums im Gegensatz zu denen des Natriums von dem Boden absorbiert und festgehalten, während die des Natriums ausgewaschen und endlich dem Meere zugeführt werden. So ist es denn für Boden- bakterien zweifellos recht „zweckmäßig", daß dem Kalium jene physio- logische Rolle zufällt und nicht dem Natrium; immerhin ist doch darauf hinzuweisen, daß auch das Natrium, trotzdem es ausgewaschen wird, überall so häufig ist, daß wohl kaum jemals Mangel an ihm eintreten würde, faUs es nötig wäre. Abgesehen von diesen unentbehrlichen Mineralstoffen, die wir in der Asche jeder Bakterienzelle finden, nehmen nun, wie erwähnt, die Spaltpilze aus natürlichen Nährsubstraten immer auch andere auf, und da man dann natürlich auch diese in der Asche nachweisen kann, nennt man sie auch entbehrliche Aschensalze. Über diese nun noch ein kurzes Wort. Entbehrliche Aschensalze; Reizstoflfe. 357 Bei Zucht auf künstlicheii Nährböden empfiehlt es sich nicht selten, solche entbehrlichen Aschensalze außer den unentbehrlichen zu- zufügen. So haben wir schon gehört (S. 287), daß eine gewisse Menge eines Natriunisalzes von Vorteil sein könne, z. B. eine gewisse Koch- salzdosis; ferner ist sehr bekannt, daß Gaben von Kalziumsalzen auf Bakterien des Ackerbodens, u. a. auch auf solche, die vom freien Stickstoff lelx'u, fr)rderlieh einwirken und ihre Funktionen unter bestimmten Be- dingungen stärken können. Wir haben früher schon darauf hingewiesen, daß eine zureichende Erklärung für diese Erscheinung; fehlt, und daß die Wirkung dieser Salze vielleicht damit zusammenhängt, daß sowohl Außenlösung wie Zellsaft sog. ausgeglichene Lösungen sein müssen, damit das lebende Protoplasma optimale Bedingungen erhalte. Giftige oder schädliche Wirkungen eines Salzes werden häufig durch die Gegen- Avart anderer Salze behoben; wir verweisen dazu auf unsere früheren Ausführungen, aus denen auch hervorgeht, daß im Gegensatz zu der so oft beobachteten günstigen Wirkung der Kalziumsalze diese unter Um- ständen auch schädlich auf bestimmte Funktionen, z. B. Ammonium- abspaltung aus Eiweißkörpern, wirken können. — Hier ist auch der Ort, nochmals daran zu erinnern, daß bestimmte Mineralsalze, die, in etwas größerer Menge geboten, schon giftig wirken, in geringen Dosen günstigen Einfluß auf das Wachstum haben, eine sog. Reizwirkung ent- halten, ü. a. sind hier besonders die Salze des Zinks und zumal des Eisens zu nennen. Das letztgenannte Element wird bei Verwendung von Kulturgefäßen aus Glas immer, das andere in manchen Fällen (Jenaer Glas) auch unbeabsichtigterweise in die Nährlösung geraten. Die günstige Wirkung, welche geringe Eisengaben haben, ist so auf- fallend, daß von einem Forscher die Ansicht vertreten wird, daß auch das Eisen zu den unentbehrlichen Grundstoffen gehöre und nur darum nicht immer besonders den Bakteriennährlösungen zugefügt werden müsse, weil es in Spuren stets zugegen und selbst durch sorgfältigste Maßnahmen nicht vollkommen zu entfernen sei.^) Für alle solche Stoffe, welche nicht eben nötig, aber doch förder- lich sind, hat man den Namen Reizstoffe eingeführt. Daß diese Reizstoffe von den Nährstoffen (in unserm Sinn, vgl. S. 344) nicht ganz scharf geschieden werden können, lehrt die Überlegung, daß auch Nährstoffe, je nach der Konzentration, in der sie geboten werden, bald mehr bald weniger das Wachstum stimulieren, daß also auch den Nährstoffen, 1) Hans Molisch. — Käser er, II., Ber. d. d. bot. Ges. 1910, Bd. 28, S. 208. In bestimmten Fällen soll nicht nur Eisen, sondern auch Aluminium, beide als Silicophosphate gelöst geboten, zur Ernährung nötig sein. 358 ^I^- Einleitung in den Stolfwechsel der Bakterien. falls sie in optimaler Konzentration geboten werden, kräftige Reiz- wirkung innewohnt. Wir wollen nunmehr noch ausdrücklich betonen, daß alle unsere Kenntnisse von den unentbehrlichen und den entbehrlichen Aschen- bestandteilen nur au verhältnismäßig wenigen Spaltpilznrten gewonnen worden sind, daß also vielleicht andere Formen sich anders verhalten. Ohnehin haben wir schon früher gehört, daß bestimmte Meeresbakterieu, Lenchtbakterien, insofern anspruchsvoller sind mit Bezug auf die Salz- zufuhr, als man ihnen größere Salzmengen bieten muß wie andern, wobei aber nicht sowohl die chemische Qualität als die osmotische Leistung dieser Salze in Betracht kommt. Wir verweisen auf unsere Ausfüh- rungen auf S. 285 und werden die Frage bei Behandlung der Leucht- bakterien später nochmals zu besprechen haben. Mit Rücksicht auf neuere^) Befunde an gewissen Kieselalgen der See wäre es nicht ausge- schlossen, daß bestimmte typische Meeresbakterieu nicht nur Kalium, sondern auch Natriumsalze als Nährsalze beanspruchen; darüber müssen weitere Untersuchungen Aufschluß geben. Wir schließen diese Betrachtungen des Mineralsalzbedürfnisses der Spaltpilze, indem wir es in kurzen Worten mit dem der höheren, grünen Pflanzen vergleichen. Diese sind anspruchsvoller als die Bakterien, denn außer Kalium, Magnesium, Phosphor und Schwefel bedürfen sie noch des Eisens, sowie, mit Ausnahme einiger bestimmter Algen, des Kalziums; auch ist Vertretbarkeit des Kaliums durch Rubidium oder Cäsium nicht nachgewiesen. Im übrigen liegen aber unsere Kennt- nisse auf diesem Gebiet bei höheren Gewächsen noch eben.so im argen wie bei Bakterien. Was die Notwendigkeit des Kaliums für grüne Pflanzen angeht, so weiß man über deren Ursache gleichfalls nichts; es ist ganz unklar, warum es nicht durch andere Salze (Natrium z. B.) vertreten werden kann; zu welchen Zwecken Kalziumsalze nötig sind, ist gleichfalls noch unbekannt. Bezüglich des Schwefels und Phosphors gilt etwa dasselbe für grüne Pflanzen, was wir oben für Bakterien ausführten. Vom Eisen weiß man nur, daß es nötig ist, um das Er- grünen der Pflanzen zu bewirken, ohne daß es ein Bestandteil des Chlorophyllfarbstoffes selbst wäre. Nur mit Bezug auf das Magnesium ist man bei grünen Pflanzen etwas weiter gekommen als bei den Spalt- pilzen, denn man hat, wie wir eben hörten, nachgewiesen, daß dieser Grundstoff" ein integrierender Bestandteil des Cholorophyllfarbstoffes ist. Allerdings ist aus der Erfahrung, daß auch die chlorophyllfreien Bak- 1) Richter, 0., Denkschr. math.-nat. Kl. d. Ak. d. Wiss., Wien 1909, Bd. 89, S. 660. Mineralsalzbedarf der Bakterien im Vergleich mit höheren Pflanzen. 359 terien dieses Grundstoffes nicht entraten können, zu entnehmen, daß ihm wahrscheinlich auch bei höheren Gewächsen noch andere Funktionen als der Mitaufbau des Chlorophylls zukommen. Diese wenigen Aus- führungen mögen genügen, um zu zeigen, in wie hohem Grad die in Wechselwirkung tretende Erforschung des Mineralstotfbedürfnisses der höheren Gewächse einer-, der niedrigsten Pflanzen andrerseits sich gegenseitig zu befruchten vermag. 360 Xin. Die Assimilation von KohlenstofiF- und Stickstoffrerbindungen. Kapitel XIII. Die Assimilation von Kohlenstoif- und Stickstoff- verbindungen durcli lieterotroplie Bakterien. Wir kommen nun zu der Aufgabe, die Verwertung der kohlen- stoff- und der stickstoifhaltigen Nährstoö'e durch die ' Bakterien ins Auge zu fassen, und haben schon im vorigen Abschnitt, als wir eine Übersieht über die ernährungsphysiologischen Eigenarten der ver- schiedenen Bakterienarten zu geben versuchten, darauf aufmerksam ge- macht, daß wir hier auf die allerverschiedensten Ansprüche stoßen, wenn wir eine größere Zahl von Spaltpilzen miteinander vergleichen, anders als bei den Nährsalzen, rücksichtlich deren alle Bakterien ähn- liche oder sogar gleiche Ansprüche geltend machen, wenn anders wir heutigen Tages richtig orientiert sind. Um uns nun die Übersicht über den Kreislauf des Stickstoffs und des Kohlenstoffs, soweit er von Bakterientätigkeit abhängig ist, zu er- leichtern, erinnern wir uns zuerst an das, was wir einleitungsweise schon gehört haben: Das Gros der Bakterien nimmt die beiden ge- nannten Grundstoffe behufs Aufbau der Zellen stets aus Verbindungen auf, kann beide nur „in gebundener Form assimilieren". Und was die Art der Bindung angeht, so wissen wir, daß der Stickstoff, je nach den Arten, die wir untersuchen, bald aus organischer, bald aus anorganischer Bindung assimiliert wird, während der Kohlenstoff dem Gros der Bak- terien nur in organischer Bindung zugänglich ist. Diese Bakterien, die sog. saprophjtischen und parasitischen Bakterien, gilt es nun zunächst bei dem Aufbau ihrer Stickstoff- und kohlenstoffhaltigen Körperstoflfe zu belauschen, um sodann in späteren Ausführungen die ernährungs- physiologischen Sonderfälle, Assimilation anorganischer Kohlenstoffver- bindungen, sowie Aufnahme freien Stickstoffs, zu behandeln. Fragen wir, welche Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen nun für unsere ernährungsphysiologischen Versuchszwecke in Frage kommen, so sind es in erster Linie dieselben, die auch draußen in der Natur den Bakterien zur Verfügung stehen, sei es, daß man sie von draußen sich Ernährung heterotropher Bakterien. 361 verschafl't und rein darstellt, oder im Laboratorium durch künstliche Synthese sich herstellt, das ist natürlich gleichgültig. In zweiter Linie ■würde es sich auch um solche handeln, die bislang nur als künstliche Produkte der chemischen Synthese im Laboratorium hergestellt wurden, in der freien Natur aber noch nicht angetroffen wurden, und deren Eignung als Nährstoäe zu untersuchen, hat natürlich einen ganz be- sonderen Reiz, da man so Aufschluß darüber erhält, inwieweit die Be- vorzugung dieser oder jener Stoffe durch die Bakterien Folge von Adaptation an natürliche Verhältnisse ist oder nicht; wie ersichtlich handelt es sich hier um ganz ähnliche Fragen, wie wir sie oben kurz streiften, als wir untersuchten, wieweit der „Geschmackssinn'^ der Bak- terien auch solchen Stoffen gegenüber entwickelt ist, denen sie in der Natur nie begegnen (S.340f.). Doch ist begreiflicherweise die ernährungs- physiologische Untersuchung von Stoffen, die in der freien Natur nicht vorkommen, noch nicht sehr weit gediehen, und die Zahl von Ver- suchen mit solchen tritt gegenüber den anderen außerordentlich stark zurück. Es empfiehlt sich für uns nun, zuerst einen ganz summarischen Überblick über die Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen uns zu ver- schaffen, die uns für unsere Versuche zur Verfügung stehen, dann der Frage näher zu treten, wie wir aus demselben Nährlösungen formieren, und wie die Bakterienzelle sich dieselben aneignet, um endlich durch eine Beschreiliung einiger besonders interessanter Einzelfälle der Auf- imhme von Stickstoff- und Kohlenstoffverbiudungen das Gesagte zu illustrieren. Beginnen wir mit den Stickstoffverbindungen, und zwar mit den kompliziertesten, den organischen, um sodann zu den anorganischen herabzusteigen. Da treten uns natürlich zuerst die Eiweißkörper und verwandte Stoffe entgegen; es sind das, wie wir schon wissen, stickstoff'haltige Kohlenstoffverbindungen, die schwefel-, z. T. auch phosphorhaltig sind. Die eigentlichen Eiweißkörper oder Proteine sind phosphorfrei; es handelt sich in erster Linie um die sog. Albumine und Globuline, erstere in Wasser löslich, letztere nicht. Die am besten bekannten Proteine des Pflanzenreichs stammen aus den Samen und Früchten, wo sie als Reserveeiweiß aufgestapelt werden. Als phosphorhaltige Eiweiß- körper kommen die aus Tieren oder Pflanzen stammenden Proteide, und zwar wesentlich die uns schon bekannten Nukleoproteide in Betracht. An die Proteine und Proteide schließen sich die sog. Albuminoide an, die wir hier nur darum erwähnen, weil zu ihnen das Kollagen gehört, aus welcher Grundsubstanz der Knochen und Knorpel die Gelatine ge- 362 XIII. Die Assimilation von Kohlenstoff- und StickstofFverbindungen. Wonnen wird, die, wie wir sahen, ja auch vielen Bakterien, den „ver- flüssigenden", als Nahrung verfällt. Spaltungsprodukte von Eiweißkörpern sind die Albumosen, sodann die Peptone, für uns wichtig, weil sie ganz besonders häufig zur Her- stellung künstlicher Bakteriennährlösungen Verwendung finden. Die Peptone können ihrerseits in sog. Polypeptide zerlegt werden, und das sind miteinander verkettete, stickstoffhaltige organische Stoffe, die als Aminosäuren allbekannt sind. Leuzin, Tyrosin, Arginin, Glykokoll, zu- mal in Samen und anderen Pflanzenteileu sehr häufige Abbauprodukte der Eiweißkörper und als Bakterieunährstoffe in künstlichen Nähr- lösungen sehr beliebt; auch das Asparagin wird oft verwendet. Eine große Masse weiterer organischer StickstoffVerbindungen, die im Tier- oder Pflanzenleib gegeben sind, übergehen wir hier als für unsere Zwecke minder wichtig und erwähnen gleich den Harnstoff und die Hippursäure, d. h. die Endprodukte des Abbaues stickstoffhaltiger Stoffe im Tierkörper; auch sie spielen in der Ernährungsphysiologie der Bakterien eine nicht unbedeutende Rolle, wie sich später zeigen wird. Sie vermitteln schon den Vbergang zu den anorganischen Stick- stoffverbindungen, denn außerhalb des Körpers zerfallen sie in Am- moniumsalze, die ihrerseits bei Luftzutritt zu salpetrigen und salpeter- .«^auren Salzen oxydiert werden. Wieweit bei allen diesen Umwandlungen Bakterien mitwirken, soll später noch gezeigt werden. Wir hätten hiermit eine Auswahl der wichtigsten stickstoffhaltigen Nährstoffe, die bei Stickstoffheterotrophie (Eiweißkörper und deren Spaltungsprodukte, Harnstoff usw.) und bei Stickstoffautotrophie (Ammoniumsalze, sal- petrige und salpetersaure Salze) im Laboratorium wie im Freien Ver- wendung finden, aufgezählt. Wenden wir uns nunmehr den Kohlenstoffquellen zu, so haben wir soeben in den stickstoflhaltigen Kohlenstoffverbindungen, die wir er- wähnten, schon äußerst wichtige Kohlenstoftquellen erwähnt. Denn Eiweißkörppr, Peptone, Aminosäuren u. a. m. sind natürlich, falls in Nährlösungen geboten, nicht nur zur Versorgung mit Stickstofl' geeignet, vielmehr dienen sie als kombinierte Stickstoff-Kohlenstoffquellen. Neben diesen gibt es aber noch jene Legion von stickstoffreien Kohlenstoff- verbindungen, die zumal im Pflanzenkörper eine so wichtige Rolle spielen und nicht minder als Nährstoffe für Mikroorganismen. Hier sind vor allem zu nennen die verschiedenen Kohlehydrate: Stärke, Zuckerarten, Zellulose u. a. m. Ferner die Fette, sodann die Alkohole, von denen zumal die mehrwertigen, wie Glyzerin, Mannit, Dulzit, vielfach als Kohlenstoffquelle für Bakterien dienen, endlich die große Schar organischer Säuren, wie Zitronensäure, Apfelsäure, Wein- Nährstoffe für heterotrophe Bakterien. 363 säuren, Milchsäuren, Buttersäure, Essigsäure und Ameisensäure, welche nun schon hinüberleitet zur Kohlensäure, deren Eignung als Bakterien- nährstoff aber späteren Betrachtungen vorbehalten sein soll. Die eben erwähnten Stoffe gehören der sog. Fettreihe an. Nebenher können aber auch zyklische Kohlenstoffverbindungen, z. B. die China- säure u. a., als Nährstoffe dienen, ja, dies gilt sogar von der Karbolsäure, also einer ausgesprochen giftigen Substanz, falls sie nur in genügender Verdünnunof g'eboten wird. Aus solchen Stoffen können wir nun die mannigfaltigsten Nähr- lösungen und Nährböden konstruieren, verschieden je nach dem Bedarf der Biikterien, für die wir uns jeweils interessieren. Bequemer ist es natürlich fast immer, sog. natürliche Nährböden, die wir schon häufig kennen gelernt haben, zu verwenden, wie Kartoffelscheiben, Möhren; sehr beliebt ist ferner auch Fleischwasser, Heudekokt, Mistdekokt, Hühnereiweiß u. a. m., und auf solchen Substraten, die ja Kohlenstoff-, Stickstoff- und mineralische Verbindungen stets reichlich enthalten, wird man fast immer ganz besonders schöne Kulturen erzielen, wenn man den Boden für die betr. Art möglichst elektiv zu gestalten weiß, ihren Bedürfnissen durch richtige Auswahl des Substrates Rechnung zu tragen versteht. JBac. Brandenhurgensis. uns als ein Erreger der Bienen- faulbrut schon bekannt, ist schwer in künstlichen Lösungen zu züchten; wächst aber gut auf Bienenmaden — seinem natürlichen Standort — . Für ernährungsphysiologische Zwecke im engern Sinn wird man solche komplizierte Medien aber nur dann verwenden, wenn einfachere und ihrer Zusammensetzung nach genau bekannte Böden versagen. Wir lassen nun einige Beispiele von komplizierten und einfachen Nährböden für kohlenstoff heterotrophe, saprophytische und parasitische Spaltpilze folgen. WoUen wir echte Eiweißkörper bieten, und das ist für anspruchs- volle Formen, wie z. B. manche Krankheitserreger, vonnöten oder doch empfehlenswert, so können wir als solche z. B. das Blutserum höherer Tiere benutzen. Dasselbe wird entweder in flüssiger Form verwendet oder nach Erwärmen auf 65 Grad, wodurch es starr wird. Dies Serum enthält als Eiweißkörper Albumin und Globulin, außerdem sind aber noch andere Stoffe, wie Fett, Zucker, Salze, in ihm enthalten, so daß bei Verwendung von Serum Zusatz weiterer Stoffe nicht nötig ist. Solche B()den dürfen nicht durch Kochen sterilisiert werden, weil starke Er- wärmung die Eiweißkörper denaturieren würde. Man sterilisiert ent- weder nach Möglichkeit durch mehrmaliges Erwärmen auf 65 Grad oder aber dadurch, daß man Chloroform zugibt und dies, nachdem es längere Zeit gewirkt hat, sich wieder verflüchtigen läßt. Wegen dieser 364 XIII. Die Assimilation von Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen. Schwierigkeit der Sterilisation ist die Verwendung von Serum oder anderen Eiweißkörpern nur dann üblich, wenn man mit anderen Stoffen nicht auskommt. Weitaus gebräuchlicher ist die Verwendung von Spaltungsprodukten der Eiweißkörper, z. K. dem Pepton des Handels, d. s. Albumosen, und solche peptonhaltigen Nährlösungen dürfen heutigen Tages als die am meisten gebräuchlichen gelten. Man pflegt von Pepton etwa 5% zu- zugeben, d. h. weitaus mehr als von den Nährsalzen; übrigens lassen sieh begi-eiflicherweise darüber keine genaueren Vorschriften geben, da die einen Bakterienarten aus dem Vollen zu schöpfen lieben, andere, z. B. echte Wasserbakterien, aus sehr verdünnten Lösungen ihre Nähr- stoffe in sich aufzunehmen pflegen. Eine vollständige peptonhaltige Nährlösung würde also etwa enthalten: 57o Pepton, 0,1% Kalium- phosphat, 0,( ).')"„ iNlagnesiurasulfat. Wenn es auf genaue Kenntnis der Nährsalze nicht ankommt, kann man statt deren Fleischwasser oder Fleischextrakt verwenden. Sodann ist hier, wie in allen anderen Fällen, genau darauf zu achten, daß man der Nährlösung die richtige Reaktion gibt. Die meisten Bakterien werden, wie schon früher gesagt, bei schwach alkalischer Reaktion des Mediums gezüchtet; würde man aber z. B. versuchen, das mit dem schon mehrfach genannten Bac. Brandcn- ht(nje)isis^ ] ebenfalls zu tun, so würde es nicht gelingen. Dieser verlangt z. B, neutrale oder schwachsaure Böden, und solches gilt auch für andere Formen, u. a. auch viele Anaerobe. Und auch sonst müssen natürlich immer die richtigen Zuchtbedingungeu getroö'en werden, wenn man gute Resultate erzielen will. Zumal auf richtige Regelung der Temperatur und des Luftzutritts ist zu achten. Die genannten Nährlösungen haben nun einen Nachteil: Eiweiß- stoffe, Albumosen und ähnliche Körper sind häufig nur schwer oder z. T. auch gar nicht in vollkommen chemisch reinem, genau definierbarem Zustand zu beschaffen. Selbst wenn man kristallisierte Eiweißkörper, etwa Edestin, verwendet — das ist übrigens bis heute nur selten ge- schehen — dürfte das schwierig sein. Die „Handelspeptone" sind in ihrer Zusammensetzung sehr verschieden, schwer kontrollierbar; sie von mineralischen Beimengungen zu befreien, dürfte unmöglich sein. Hat man anspruchslosere Bakterien zu züchten, die nicht unbedingt Eiweißkörper benötigen, so kann man statt deren ihre Spaltungsprodukte, die Aminosäuren oder Amide als Kohlenstoff- Stickstoffquellen, verwen- den, und eine Nährlösung, die etwa Asparagin und die nötigen Nähr- salze enthält, ist für viele Fälle recht geeignet. 1) Maaßen, A., Arb. d. K. biol. Anstalt, 1908, Bd. 6, S. 53. Stickstoff- und kohlenstoff-heterotrophe Bakterien. 365 Diese Beispiele für Nährlösungen, die einen einzigen Stoff als gleichzeitige Kohlenstoff und Stickstoffquelle fuhren, mögen genügen. Häufiu" macht mau nun bei Verwendung; solcher Nährlösuujfen die miß- liehe Erfahrung, daß man verhältnismäßig zu viel Stickstoff und zu wenig Kohlenstoff" bietet. Nicht selten kann man das daran erkenuen, daß die Bakterien in diesem Fall aus dem Eiweiß, dem Pepton, den Amino- säuren so reichlich Ammoniak abspalten, daß sie es nicht zum Aufbau 1 1 -1 TT-! iage alten Kolonie von nicht auszunützen, offenbar, da ihnen das Enzym Bact. plwsphoreum im Laktase fehlt. Auch in anderer Beziehung ver- Eigenlicht, halten sich die Arten den Kohlehydraten gegen- nie Kolonie leuchtet an ihrem '' o o Rand , wo die Vermehrung über verschieden. Baderium phosphoreimi zer- vorwiegend stattfindet, star- setzt Traubenzucker unter starker Gasbildung, Nach Molisch was für die beiden anderen Arten nicht zutrifft. Andererseits wächst und leucbtet Baderium Pflügeri gut auf Kartoffeln, Baderium phosphoreum und phosphorescens aber nicht oder wenig. Durch solche und ähnliche Merkmale muß man so gut als möglieb versuchen, die nahe verwandten Formen der Leuchtbakterien zu unterscheiden. Besondere Untersuchungen darüber, inwieweit diese Merkmale konstant sind, fehlen aber. Unerklärt ist noch die Erscheinung, daß Leucht- bakterien, die keine Lichtentwicklung mehr zeigen, durch Stoflfwechsel- produkte von anderen Pilzen wieder dazu angeregt werden.^) Was die Temperaturansprüche der Leuchtbakterien betrifft, so haben wir früher gehört, daß die in den kalten Meeren heimischen und die bei uns eingebürgerten psychrophil sind. Sogar unter 0*^ kann 1) Lode, A., Ref., B. C. II, 1909, Bd. 22, S. 421. 412 XIV. Die Dissimilationserscheinungen heterotropher Bakterien. Leuchten noch stattfinden, man kann sich leuchtendes Eis verschafi^en. Will man sich Rohkulturen von Leuchtbakterien hersteUen, so bringt man deshalb die Seefische, Fleischstücke, die in Kochsalzlösung liegen, usw. in einen feuchten, kühlen Raum; dann entwickeln sich auf diesen die Kolonien der Leuchtbakterien, ehe die Fäulnisbakterien zu wuchern beginnen. — Die aus den Tropen stammenden Leuchtbakterien lieben höhere Temperatur. Gegen Sonnenbestrahlung sollen Leuchtbakterien, und zwar von Seefischen gezüchtete Vibrionen sehr empfindlich sein, empfindlicher noch als beispielsweise Typhusbakterieu.^) Nun der Leuchtprozeß selbst! Er findet, sonstige günstige Be- dingungen vorausgesetzt, immer nur bei Zutritt des freien SauerstoS's statt, ist von der Sauerstofi'atmung abhängig;. Entzieht man den Sauerstotf, so erlischt alsbald die Lichtentwicklung und auch das Wachstum ; denn die meisten Leuchtbakterien sind obligat aerob; nur Bader iuni phospho- rescens soll fak. anaerob sein, wächst im luftleeren Raum, ohne zu leuchten. Andererseits genügt schon der Zutritt fabelhaft ge- ringer Sauerstofi'spuren zur Licht- entwicklung, so daß man Kultu- ren von Leuchtbakterien mit gu- tem Erfolg als Reagens auf mi- nimale Mengen von freiem Sauer- stoff" benutzen kann (S. 278). Man nimmt, um das Leuchten zu er- klären, an, daß ein im Innern der Bakterienzelle gebildeter Stofi", das sog. „Photogen", leuchtet, ohne daß man allerdings mit dieser An- nahme nun tiefer in das Wesen des Vorganges eindränge. Durch Äther und Chloroform in creeiorneten Dosen kann man das Photogen außer Tätigkeit setzen, ohne die Zellen abzutöten. Agglutination schadet aber nichts, denn ago-lutinierte Leuchtbakterien leuchten noch ebenso wie nicht agglutinierte. -) Das Licht wird stets von der Zelle selbst ausgestrahlt, das „Photogen" also nie nach außen abgeschieden; trennt Abb. 81. Leuchtende Kolonien des Bact. pJiospho reum, Plattenkultur, 6 Tage alt. Photographie im eigenen Licht; Kxpositionszeit 15 Stunden. Nach Mo lisch. 1) Lüde, A., Ref. im B. C. ü, 1909, Bd. 22. S. 421. 2) Ballner, F., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 572. Bedingungen der Lichtentwicklung. 413 man durch geeignete Filter Bakterien und Nährlösung, so leuchten erstere, das Filtrat aber nicht. Die Farbe des Lichts ist gelblich-weiß oder auch mehr bläulich- grünlich; das hängt von der Art, welche man beobachtet, und auch von den Züchtungsbediugungen ab. Die Lichtent- wicklung ist eine ruhige, gleichmäßig andauernde; sie kann zwar durch Zuo-abe von Reizstoffen verstärkt werden, ist aber nicht an solche ge- bunden, im Gegensatz zum Aufleuchten auderer Wesen (z. B. bestimmter Flagellaten), das nur bei Applikation von mechanischen oder chemischen Keizen vorübergehend erfolgt. Die Intensität des Lichtes ist im all- gemeinen nur mäßig, durch Aus- wahl geeigneter Arten und Ernäh- runssbedingungen kann man aber so hell leuchtende Bakterienkulturen herstellen, daß man sie (Abb. 80 — 82) oder andere Dinge in ihrem Licht photographieren kann, daß lichtempfindliche Keimlinge höherer Pflanzen sich nach dieser Lichtquelle hinkrümmen, ja daß man sogar allen Ernstes auf den absonder- lichen Gedanken verfiel, Bakterien- lampen für technische Zwecke zu verfertigen, nämlich die Innenseite großer Glaskolben mit einer Schicht von Nährgelatine, die man reichlich mit Leuchtbakterien impft, zu be- kleiden, und dann als Grubenlam- pen zu benutzen (vgl. Abb. 82 a). Ob das Leuchten für die Leuchtbak- terien eine Bedeutung hat, ist nicht zu sagen, wir wissen darüber nichts; wenn wir es hier bei den Dissimi- lationserscheinungen abgehandelt haben, so hat das seinen Grund lediglich darin, daß es wie die Sauer- stoffatmung an Sauerstoffzutritt geknüpft ist. Es ist klar, daß die Energie, die bei diesem Vorgang entwickelt wnrd, soweit sie sofort als Licht nach außen strahlt, nicht mehr als Betriebsenergie für die Bak- terien in Betracht kommen kann. Abb. 82. a „Bakterienlampe", in ihrem eigenen Licht photographiert. h Photographie einer Strichkultur von Bact. pJwsplwreum im Eigenlicht. Nach Molisch. 414 XIV. Die Dissimilationserscheinungen heterotropher Bakterien. Nach Erledigung des assimilatorischen und dissimilatorischen Stofif- wechsels der Bakterien wollen wir nun in Kürze noch auf die Frage nach dem Verhältnis des Ausmaßes von Assimilation vmd Dissimilation zu sprechen kommen. Beide Prozesse, so sahen wir, sind stets untrennbar miteinander verbimden; da erhebt sich begreiflicherweise die Frage, ob das Verhältnis der Intensität beider Prozesse immer gleich ist, oder ob je nach den Lebensbedingungen bald die Assimilation, bald die Dissi- milation stärker hervortritt. Es ergibt sich nun, daß dies Verhältnis keineswegs konstant ist, sondern stark schwanken kann; wir werden ofl'enbar diejenigen Lebensbedingungen als die günstigsten bezeichnen, unter welchen bei einem gegebenen Ausmaß der Dissimilation die Assi- milation am kräftigsten vor sich gelit, bei welcher also zur Erzielung ein und derselben Erntemeuge möglichst geringe Stoff'mengen durch Dissimilation zerstört werden. Um Zahlen zu erhalten, kann man so vorgehen, daß man die Assimilation mißt an dem Trockengewicht der in einer gewissen Zeit unter bestimmten Bedingungen erwachsenen Bak- terien, die Dissimilation aber an der Gewichtsmenge der gleiclizeitig ver- brauchten Nährstoöe und zwar der Kohlenstoöquelle der Nährlösung. Man bezeichnet das Verhältnis zwischen verbrauchter Nahrung und er- wachsener Trockensubstanz auch als den „ökonomischen Koeffizienten".^) Wenn derselbe unter bestimmten Bedingungen (z. B. der Ernährung mit Zucker) beispielsweise zwei, unter andern, z. B. der Zufuhr von essigsaurem Salze, aber drei beträgt, so besagt das, daß die letzteren Bedingungen ungünstiger sind als die ersteren; so kann man also am ökonomischen Koeffizienten z. B. die Güte von Kohlenstoffquellen ver- gleichend messen-, oder aber, wenn bei Ernährung mit ein und der- selben Kohlenstolfquelle die eine Stickstoffquelle (z. B. Ammonsalze) einen kleinern Koeffizienten ergibt als die andere fetwa Nitrate), so wird man sagen können, die erstere sei die bessere Stickstoffnahruug, da sie dem Spaltpilz ein ökonomischeres Arbeiten ermöglicht. Solche Unter- suchungen des ökonomischen Koeffizienten sind hauptsächlich an Kul- turen von Schimmelpilzen durchgeführt worden, und es hat sich u. a. gezeigt, — dasselbe trifft im allgemeinen wohl auch für Bakterien zu, — daß der ökonomische Koeffizient in ein und derselben Kultur mit der durch Stoffwechselprodukte usw. zunehmenden Verschlechterung der Nährlösung steigt. Bei Bakterien stößt man auf die nicht ganz geringe Schwierigkeit, die Ernte von der Nährlösung sauber zu trennnen; wir können hier auf die Methoden, die man verwendet, nicht näher ein- gehen. So hat man denn bei Bakterienkulturen statt der erreichten 1) W. Pfeffer. ökonomischer Koeffizient. 415 Trockensubstanz gelefi^entUeli auch die Intensität bestimmter anderer Lebensleistuugen mit dem Ausmaß der dafür erforderten Dissimilation verglichen; z. B. bei stickstoffbindenden Arten gefragt, wieviel gas- förmigen Stickstoff sie festlegen auf die Gewichtseinheit verbrauchter Kohlenstoö'quelle; wir werden später dafür Beispiele kennen lernen. Statt das Verhältnis zwischen Assimilation und Dissimilation in der eben geschilderten Weise gewichtsmäßig zu ermitteln, kann man auch den chemischen Energieinhalt, d. h. die Verbrennungswärme, in Kalorien (S. 398, Anm.) feststellen, und zwar die Verbrennungswärme der Bakterienmasse einmal, diejenige der zur Erzielung dieser Masse ver- brauchten Nahrung (Kohlenstotfquelle) zum anderumal, und das Ver- hältnis zwischen beiden, das Verhältnis zwischen „Ansatz" und „Umsatz", wie man es auch genannt hat, festzustellen.^) Wie auf Grund der Er- mittlung des ökonomischen Koeffizienten nicht anders zu erwarten war, schwankt auch dies Verhältnis außerordentlich; u. U. kann der Ansatz in einer Kultur ganz aufhören, der Umsatz aber noch weiter gehen. Bei sehr starker Einsaat kann man in bestimmten Fällen auch erreichen, daß von vornherein kein Ansatz stattfindet, sondern nur Umsatz, d. h. der gebotene Nährstoff wird von den eingesäten Bakterien gespalten, ohne daß diese sich vermehren. Das Verhältnis Ansatz: Umsatz wird ferner kleiner bei schlechten Kulturbedingungen, bei ungünstiger Reaktion der Nährlösung. — Statt nach umgesetzten Stoffen schlechthin zu fragen, kann man auch untersuchen, ob vorwiegend stickstoffreie oder stick- stoffhaltige Stoffe dissimiliert werden. Man hat gefunden, daß Vibrio Finkler i und Bad.proteus bei gleicher Ernährung nicht gleiches Material als Kraftquelle benutzen, vielmehr letzterer als „echter Fäiüniserreger" mehr stickstoffhaltige Stoffe als ersterer, dessen Kraftquelle vorAviegend stickstoffreies Material ist.^) Wir können auf diese Fragen, die äußerst interessante wissenschaftliche Zukunftsprobleme in sich schließen, nicht weiter eingehen, erwähnen aber noch, daß unter bestimmten Bedin- gungen das Verhältnis zwischen Ansatz und Umsatz von der Tempe- ratur unabhängig ist^). 1) M. Rubner. 2) Nawiasky, Arch. f. Hyg. 1908, Bd. 64. 3) Rubner, M., Arch. f. Hjg., 1906, Bd. 57, S. 193. 416 XV- Die Gärungserscheinungen. Kapitel XV. Die Gärungsersclieinungen. Unsere Ausführungen über die Dissimilation der Bakterien seien nun mit einem Ausblick auf die Gärungserscheiuungen beschlossen. Die Gärungen sind es, die, abgesehen von den krankheitserregen- den Eigenschaften vieler Bakterien, dem Laien, dem menschlichen Haus- halt die Bakterien so nahe bringen, und auch in wissenschaftlichen Werken werden die Bakterien mit andern Mikroorganismen oft schlecht- hin als Gärunffsorffanisnien bezeichnet. Weil man daraus den Schluß ziehen könnte, dal3 auch an dieser Stelle die Gärungen einer sehr ein- gehenden Behandlung unterzogen werden sollten, sei gleich betont, daß wir hier lediglich versuchen wollen, unter Aufführung einiger anschau- licher Beispiele das Problem von der prinzipiellen Seite zu fassen, d. h. zu fragen, wie sich die Gärungserscheinungen in die andern Le- beusbetätigungen der Bakterien, die wir kennen gelernt haben, einglie- dern. Wegen aller Einzelheiten, zunuil auch betr. der technisch wich- tigen Gärungen, sei auf die umfangreiche und teilweise auch ausgezeich- nete, diese Dinge gesondert behandelnde Literatur verwiesen; auch die rein wissenschaftliche Behandlung der Gärungsvorgänge, ihr Chemis- mus, sowie die Enzyme, die dabei mitwirken, haben viele treifliche Be- arbeitungen erfahren, auf die hier verwiesen sei, da wir im folgenden nur einige Hauptpunkte herausgreifen können. Gärungen sind Stotfwechselerscheinuugen von Mikroorganismen, und zwar Stotfwechselerscheinungen abbauender Natur, oder doch solche, bei denen die abbauenden Phasen vor den aufbauenden weit vorherr- schen, so daß sie, als Ganzes betrachtet, exothermische, energieliefernde Prozesse sind, als solche auf innigste verwandt mit den Dissimilations- prozessen. Für viele Gärungen ist nachgewiesen, daß sie nicht unmittel- bar vom lebenden Protoplasma ausgelöst werden, sondern von Enzymen^ die dieses sich geschalfen hat; wahrscheinlich sind alle Gärungen enzy- matische Prozesse. Für die meisten Gärungen ist ferner bezeichnend, daß sie sehr umfanfirreiche Stoffzertrüminerungen darstellen unter Ent- stehung eines oder auch mehrerer unsern Sinnen auffallender Produkte. Vielfach pflegen sie unter mächtiger Gasentbindung zu verlaufen, oft Deutung der Gilnmgserscheinungen. 417 sagt man von Kulturen, aus denen sich viel Gas entwickelt, selbst dann, wenn weitere Umsetzunoren nicht untersucht werden, ohne weiteres: „die Kulturen gären". Man pflegt die Gärungen derart zu bezeichnen, daß in der Bezeichnung sowohl der Stoif, welcher der Vergärung an- heimfällt, als auch das charakteristische Endprodukt der Gärung namhaft oremacht wird. Die alkoholische Gärung des Traubenzuckers, dieWasser- stotfgärung der Zellulose sind Beispiele für derartige Bezeichnungen. Die Gärungserregung durch Mikroorganismen ist nun natürlich von großer Bedeutung, zunächst für den Organismus, der sie erregt, so- dann auch für die andern, die mit oder nach ihm leben. Die Hauptbedeutung der Gärung für die sie unterhaltende Zelle wird von den meisten Forschern darin gesucht, daß die durch sie ent- wickelte Energie für die Zwecke des Lebens dienstbar gemacht wird. Soweit sind Gärungen nichts anderes als Sonderfälle von Dissimilations- erscheinungen; sahen wir doch oben schon, daß z. B. die alkoholische Gärung gleichbedeutend ist mit einer stark gesteigerten intramoleku- laren Atmung. Abgesehen davon werden im Verlauf von Gärungen aber auch Stoffe gebildet, welche dann wieder zum Aufbau dienen; die Gärung der Zellulose liefert dafür ein einleuchtendes Beispiel und ist deshalb auch oben schon abgehandelt worden bei der Assimilation (S. 379). Noch in einer andern Richtung hat man die Bedeutung der Gä- rungen gesucht, und zwar, wie mir scheint, mit Glück. Die bei der Gärung gebildeten Stoffe üben selbstverständlich spe- zifische Wirkungen aus sowohl auf die Gärungserreger als auch auf an- dere Wesen, die mit ihnen die Standorte teilen. Im allgemeinen handelt es sich um schädliche Wirkungen, die durch die gewaltige Ansammlung solcher Gärprodukte ausgeübt werden. Die Gärungserreger werden selbst durch sie geschwächt, ja u. U. sogar getötet; aber auch andere Orga- nismen, und zwar, wie sich gezeigt hat, solche, die in der freien Natur als die hauptsächlichsten Konkurrenten der ersteren zu gelten haben, in ganz besonders hohem Maße. Somit wären die Gärprodukte auch als Kampfstoffe zu bezeichnen und jenen andern Giften an die Seite zu stellen, welchen wir früher schon mehrfach begegnet sind. Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß manche Forscher die Auffassung der Gärprodukte als Kampfstoffe verwerfen und in dieser Auffassung eine unberechtigte „teleologische Deutung" sehen, die mit der kausalen For- schung dieser Dinge im Widerstreit stünde! Dem ist entgegenzuhalten, daß diese Auffassung natürlich nicht besagt, daß die Gärung von den betr. Wesen „zu dem Zweck" unterhalten wird, um Feinde zu vernich- ten, sondern nur soviel, daß die Bildung von Gärprodukten diesen Er- Be necke: Ban u. Leben der Bakterien. 27 418 XV. Die Gärungeerscheinungen. X "^ folg hat, und ob dem so ist, kann man durch ebenso streng kausale Experimentalforschung ermitteln wie jede andere physiologisch -biolo- gische Tatsache. Ganz klar werden wir allerdings hier erst dann sehen, wenn die natürlichen Standortsverhältnisse etwas genauer erforscht sein werden als heutigen Tages; bis dahin ist es ,^ ^ bis zu einem gewissen Grade Geschmacks- sache des einzelnen Forschers, ob er die selbst- schädliche Wirkung der Gärungen mehr in den Vordergrund schieben will oder die schäd- liche Wirkung auf die Feiiule der Gärerregcer. Falls diese Theorie der Gärungserschei- nungen als Kampfmittel sich allgemein Bahn '— -^ ^ ^^ brechen sollte, Aväre damit doch noch nicht r^fe /«^ A ^ erklärt, wie die Verwendung dieses Kampf- V ^x Jb mittels in derWelt der Mikroorganismen sich ^ — "^ Eingang verschaö't hat. Wenn auch diejeni- gen, welche über den vielen Einzelerschei- iiunifcn des Lebens das Erhaltungsmäßige des ganzen Getriebes übersehen, zwar die Bäume sehen, aber nicht den Wald, so muß doch betont werden, daß auch diejenigen, welche den Kamjtf ums Dasein nicht unter- schätzen, die Antwort auf die Frage schuldig bleiben müssen, wie die Organismen gelernt haben mögen, sich Waö'en für diesen Kampf zu schniieden. Ehe wir in die Besprechung der einzelnen Gärungen eintreten, wollen wir noch einer äußerst interessanten Anregung gedenken, der man wohl folgen könnte, um in be- stimmten Fällen zu entscheiden, ob Gärungs- Vorgänge Energie zu liefern berufen sind oder im Interesse der Produktion von Kampf- stoffen unterhalten werden. Wir werden noch hören, daß man Gärungserreger bei geeigne- ter Ernährung in Reinkultur auch ganz, ohne daß sie gären, züchten kann. Falls nun die Gärung Energie liefert, so ist zu erwarten, daß im Fall unterbundener Gärung andere energieliefernde Prozesse dissimilatorischer Art vikariierend für die Gärung einspringen, Prozesse, die man entweder durch chemische oder durch kalorimetrische Unter- -^ .-^ o Abb. 83. Saccharomyces Cerevisiae J. Zellen aus dem Bodensatz einer jungen Zucht in Bier- würze. (Vergr. 1000.) Nach Hansen a. Lafars Hdb. Alkoholische Gärung des Zuckers. 419 suchungen feststellen könnte. Falls man solche Prozesse nicht nach- weisen könnte, gleichwohl aber das Wachstum ohne die Gärung lebhaft und ungeschädigt verliefe, so würde das für die Annahme sprechen, daß dfe Gärung nicht als energiespendender, sondern als Kampfstoffe liefern- der Prozeß von Bedeutung ist.^) Wir haben das eben Gesagte nun durch Besprechung einiger Gä- rungen zu erläutern. Wenn es sich dabei für uns auch um Bakterien- gäruugen handelt, wollen wir doch zuerst einen kurzen Blick auf die von Hefepilzen unterhaltene alko- o ? n ■ ■ t ^ baccliarowyces Cerevistae I. holische Gärung werfen, da diese Sporenbildung. (Vergr. 1000.) besonders instruktiv ist, und da die Xach Hansen aus Lafars Hdb. Bakterien mit den Hefen vielfach draußen in der Natur wie auch in menschlichen Betrieben in Wechsel- wirkung treten. Die wichtigsten Erreger der alkoholischen Gärung sind die vielen Arten der uns schon bekannten Gattung Saccharomyces (Abb. 83, 84). Diese vermögen den ihnen gebotenen Zucker in Alkohol und Kohlensäure zu zerlegen. Die Zuckerarten verfallen entweder direkt dieser Zerlecfunsr (z. B. Traubenzucker), oder aber, das gilt vom Milch-, Rohr-, Malzzucker, sie werden erst in Zuckerarten mit kleinerem Molekül gespalten und dann vergoren. Wie wir sahen, erfolgt diese Spaltung durch Enzyme, und ob eine Art diesen oder jenen Zucker zerspalten und dann vergären kann, hängt somit von ihrer Enzymproduktion ab. Die Vergärung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure erfolgt, wie man früher annahm, über das Zwischenprodukt Milchsäure, nach neueren Angaben über eine Vorstufe der Milchsäure^). In dem Preßsaft, welchen man aus den zer- trümmerten Hefezellen erhalten kann, befinden sich also neben andern Stoffen und Enzymen mindestens zwei Enzyme, die früher sog. Lactaci- dase, die Zucker in die Vorstufe der Milchsäure überführt, und die eigentliche Zymase, die jene Vorstufe unter Bildung von Alkohol und Kohlensäure zerlegt. Neben diesen zwei Hauptprodukten der alkoholi- schen Vergärung des Zuckers treten immer Nebenprodukte auf. Jeder- mann weiß, daß bei der Gärung Glyzerin und Bernsteinsäure entstehen, ferner neben dem Äthylalkohol höhere Alkohole, Fuselöle; diese letz- teren entstehen aus Aminosäuren, sei es, daß man der Hefe solche in 1) Rubner, M., Ref. K. J., 1906, Bd. 17, S. 96. 2) Buchner, E. u. Meisenheimer, Ref. B. C. U., 1910, Bd. 17, S. 243. 27* 420 ^^- ^^6 Gärungserscheinungen. der Nährlösung bietet, sei es, daß sie durch Zerspaltung der Eiweiß- körper der Hefezellen entstehen. Doch sehen wir davon ab und weisen wir noch darauf hin, daß Saccharomyces nur Zucker vergären kann; bietet man ihm keinen Zucker, sondern andere Nährstoffe wie Eiweiß- körper, so lebt er, ohne zu gären. Die Gärung ist also ein Prozeß, der von unserm Pilz nicht immer unterhalten wird, sondern nur dann, wenn er Zucker vorfindet. Fragen wir nun nach der Bedeutung dieser Gärung, so erhalten wir Autwort auf unsere Frage, wenn wir die Beziehungen des Saccharomyces zum Sauerstoff der Luft ins Auge fassen. Wir können ihn wohl im luftleeren Raum züchten, aber nur dann, wenn er gären kann, wenn wir ihm also Zucker darbieten; die Gärung ermöglicht es ihm, des freien Sauerstoffes zu entraten, sie liefert ihm die nötige Betriebs- energie, wenn er keine Sauerstoffatmung unterhalten kann. Ohne Zucker geht er im luftleeren Raum bald zugrunde. Läßt man Luft zu der Kul- tur zutreten, so zeigt sich, daß er ganz gut wachsen und sich vermehren kann, auch wenn ihm mangels Zuckers zur Gärung keine Gelegenheit geboten ist. Hiermit ist die Gärung als energieliefernder Prozeß, der bei Sauerstoffmangel für die Atmung eintritt, sicher gestellt. Man könnte nun aber versuclit sein, anzunehmen, daß Gärung tatsächlich nur dann erfolgt, wenn sie nötig ist, also nur bei Sauerstoffmangel; dem ist aber nicht so, vielmehr unterhält Saccharomyces, wenn ihm Zucker geboten wird, auch bei Luftzutritt lebhafte Gärung, ja diese wird augenschein- lich durch Luftzutritt gefördert. Wie ist das zu erklären? Da wir ge- hört haben, daß höhere aerobe Pflanzen ihre Sauerstoffatmung ebenfalls mit den ersten Phasen der alkoholischen Gärung einleiten, um dann die entstandenen Produkte zu oxydieren, könnte man sich vorstellen, daß die Saccharomycesarten sich insofern spezialisiert hätten, als sie diese Gärung besonders stark ausgebildet haben, so stark, daß nicht alle Pro- dukte wegoxydiert werden können, sondern trotz Sauerstoffzutritts reich- lich erhalten bleiben. Es liegt auch kein Grund vor, diese Annahme zu verwerfen, daß hier die intramolekulare Atmung auch bei Sauerstoff- zutritt weit stärker als bei andern Pflanzen zur Gewinnung von Be- triebsenergie benutzt wird. Es ist nun aber, wie oben gesagt, sehr ein- leuchtend, daß außerdem der hohe Alkoholgehalt der Umgebung die Hefen im Kampf gegen ihre Feinde schützt und auf diese Weise die Gewohnheit, auch bei Luftzutritt zu gären, verständlich zu machen ist. Man hat sogar angenommen, daß die Bedeutung des Alkohols als Kampf- stoff die primäre gewesen sei und die Hefen erst allmählich gelernt hätten, die bei der Gärung freiwerdende Energie für den Fall des Sauerstoffmangels' zu verwerten. Tatsächlich kann man beobachten, nicht etwa bloß sich vorstellen, wie in gärenden Zuckerlösungen alle Bakterien als Alkoholbildner. 421 niöf^lichon andern Mikroorganismen, je nachdem sie mehr oder weniger durch Alkohol geschädigt werden, früher oder später gehemmt werden, um endlich denjenigen Hefen, für welche die jeweiligen Bedingungen am günstigsten sind, das Feld zu räumen. Saccharomyces verträgt 10 — 167o Alkohol, je nach der Art, die vorliegt; von bekannteren Bak- terien z. B. werden im Wachstum gehemmt prodigiosuni durch 5°/^, c}iolerac?>^lQ, imratijphi A^Iq, typhi 8^/q. Wenn also gegenüber dem letzt- genannten Alkohol kein besonders kräftiger Kampfstoff ist, so ist doch zu bedenken, daß dieser im Freien, oder etwa im Most kaum je mit Saccharomyces in Konkuri-enz treten wird.^) SoAveit die alkoholische Gärung der Zuckerarten durch Hefen. Nur kurz erwähnen wir, daß Äthylalkohol neben andern Alkoholen und sonstigen Gärprodukten auch bei vielen bakteriellen Gärungen auftreten kann, wenngleich nie in solchen Mengen, daß man an technische Ver- wertung des Alkohols hätte denken können. Ganz beachtenswert ist es, daß u. a. auch pathogene Bakterien, so das Bad. pneumoniae^ aus Zucker und andern organischen Stoffen neben organischen Säuren auch Äthyl- alkohol bildet; das gleiche gilt vom Bacillus oedematis maligni, der ebenfalls aus Zucker neben organischen Säuren (hauptsächlich Milch- und Buttersäure) Alkohol bildet, bei anderer Ernährung auch andere Alkohole, z. B. Kaprylalkohol. Auch Bact. formicicum kann Alkohol bilden, wie wir oben (S. 386) kurz angedeutet haben. Sehr häufig wird unter den Bakterien als Alkoholbildner ein Bad. ethaceticum, eine aus Schafmist isolierte sporenfreie, lebhaft bewegliche Form genannt, welche aus Mannit, Glyzerin, Traubenzucker, ferner auch aus Arabinose und Xylose nicht unerhebliche Alkoholmengen (neben andern Stoffen in Essig-, Ameisensäure usf.) bildet. Arabinose und Xylose sind Zuckerarten mit fünf Kohlenstoöatomen im Molekül, Pen- tosen; es ist bemerkenswert, daß der genannte Spaltpilz auch aus diesen Alkohol bildet, weil die Saccharomyceten nur Zuckerarten, die drei oder ein Multiplum von drei Kohlenstoffatomen im Molekül besitzen, zu ver- gären imstande sind. Wenn also die Hefen quantitativ die Bakterien mit Rücksicht auf die Alkoholbildung weit übertreffen, so können doch die Bakterien verschiedenartigere Stoffe dazu verwerten. Noch mag der im Pariser Leitungswasser nicht seltene sog. Ba- cillus amylozyma genannt sein, ein Spaltpilz, der zu den Buttersäure- gärern gezählt werden darf und wohl zweifellos identisch ist mit Butter- säurebakterien, die auch unter anderem Namen segeln. Auch er bildet 1) Stokvis, B. C. I, Or., 1908, Bd. 48, S. 436; Bierberg, W., B. C. II, 1909, Bd. 24, S. 432. 422 X^ • Die Gärungserscheinungen. bei Zucht auf Stärke, auf Kartoffelscheiben außer andern Stoffen Al- kohole. Es handelt sich dabei um höhere Alkohole, ferner aber auch um Äthylalkohol. Früher maß man diesen und verwandten Formen große technische Bedeutung zu, weil man sie für die Yerursacher der Fuselölbildung und damit der „schweren toxischen Nachwirkungen des Alkoholrausches" hielt, während, wie oben gesagt, die Hefen bei der Vergärung von Aminosäuren diese schädlichen Produkte bilden. — Falls Bakterien höhere Alkohole bilden, soll es sich, neueren Forschun- gen zufolge, um Propylalkohol handeln. Daß man bei der Bildung mä- ßiger Alkoholmengen, für welche wir eben einige Beispiele nannten, nicht von alkoholischer Gärung sprechen wird, ist klar. Mit der Erwähnung des Bac. (unylo2ynia sind wir schon zu den Butter- säuregärungen hinübergeglitteu, einer für uns zumal in historischer Be- ziehung besonders wichtigen Gruppe von Gärungen. Wurde doch bei der Beobachtung der Buttersäuregäruncj vor reichlich einem halben Jahrhundert zum erstenmal nachgewiesen, daß Bakterienleben ohne freien Sauerstoff möglich sei, und wenn auch damals noch nicht mit Reinkul- turen gearbeitet wurde, so konnten doch schon mit Hilfe des Mikro- skops anaerobe Wesen beobachtet und einige wichtige Eigenschaften derselben ermittelt werden, z. B. die Tatsache, daß sie nur bei Luftab- schluß beweglich sind, ihre Bewegung einstellen und endlich absterben, wenn zuviel Luft an sie herantritt. Damals wurde auch schon der Grundsatz aufgestellt, daß die Gärung es sei, welche das Leben ohne freien Sauerstoff' ermöglicht, somit eine auch heutigen Tages noch durchaus zu Recht bestehende Lehre, wenn auch der weitere im An- schluß daran gezogene Schluß, daß Gärung immer nur durch Sauerstoff- abschluß ausgelöst werde, in dieser ganz allgemeinen Fassung jedenfalls nicht zutrifft, wie soeben gezeigt wurde. Sehen wir ab von der Bildung geringer Spuren von Buttersäure, die auch sonst vielfach anzutreffen sind, so dürfen wir sagen, daß die eigentliche unter Bildung größerer Mengen dieser Säure vor sich gehende Buttersäuregärung bewirkt wird in erster Linie durch Arten der phy- siologischen Gattung Grcmidohactcr, deren Zellen also durch den Besitz von logen ausgezeichnet sind. Wir sind solchen Arten schon früher häufig begegnet; hier sei an die Zersetzung der Pektinstoffe durch die- selben erinnert, auch war schon davon die Rede, daß wichtige stickstoft'- bindende Formen {Clustr. Fasteurianuni) hierher gehören, und wir haben gleichfalls schon gehört, daß man neuerdings mit Glück den Versuch gemacht hat, eine größere Zahl solcher Formen, u. a. auch jenes stick- stoff'bindende Clostridium, zu einer Gattung, dem alten Genus Bac. amylobacter, zusammenzuziehen. Dies sind also die typischen Butter- Buttersäuregärung. 423 säuregärer. Man kann sie sich jederzeit verschaffen, indem man diese oder jene PHanzeiireste, Samen von Leguminosen, Getreidespelzeu usw. in kohlehydratreicher Nährlösung bei Sauerstoä'abschluß stehen läßt. Es empfiehlt sich, nach dem Beimpfen kurz aufzukochen, um sporen- lose Erreger der Eiweißfäulnis, die sonst mit auftreten würden, zu ver- nichten. Stets wird sich dann eine Buttersäuregärung entwickeln, kennt- lich einmal an dem Gestank, den diese Säure verbunden mit andern Zer- ßetzungsprodukteu hervorbringt, und stets begleitet von lebhafter Ent- wicklung von Gasen, nämlich Kohlensäure und Wasserstoff". In ähnlicher Weise war auch jene erste Buttersäuregärung eingeleitet worden, von der oben die Rede war, und man erkannte auch damals schon, daß man, um die Gärung nicht vorzeitig stillstehen zu sehen, zur Neutralisierung der Buttersäure Kreide zusetzen muß — ein Zeichen dafür, daß die Gär- erreger an ihren eigenen Produkten zugrunde gehen können. Als Material der Buttersäuregärunof dienen in erster Linie Zucker- arten oder andere Kohlehydrate, aber auch mehrwertige Alkohole, wie Glyzerin oder Mannit; ferner auch Milchsäure. Es ist ja allbekannt, daß sauere Milch durch Buttersäurebildung „verdorben" werden kann. Man nimmt an, daß die genannten Kohlehydrate und Alkohole von den Amy- lobakterarten stets zuerst in Milchsäure überführt, dann erst weiter ver- arbeitet werden. Die Anfangsstadien der Buttersäuregärung würden also bei der Vergärung von Kohlehydraten mit der alkoholischen Zucker- vergärung identisch sein Diese Anschauung bietet auch darum Inter- esse, weil die Milchsäure nur drei, die Buttersäure aber vier Kohlen- stoff'atome im Molekül hat; hiernach würde die Buttersäure ihre Ent- stehung nicht unmittelbar einem Zerfall, sondern einer Synthese ver- danken; ein Beispiel dafür, daß nicht alle Phasen einer Dissimilation oder Gärung abbauender Natur zu sein brauchen. Neben Buttersäure, so hörten wir schon, treten nun auch immer andere Produkte auf, zumal, wie oben schon bei dem sog. Bac. amylo- zyma erwähnt, Alkohole und niedrigere organische Säuren. Die Gase, die entstehen, verdanken, wie mancherseits angenommen wird, ihre Ent- stehung dem Zerfall dieser letzteren Säuren; die Ameisensäure kann z. B., wie wir oben schon hörten, in Wasserstoff" und Kohlensäure ge- spalten werden, vielleicht ist das auch hier der Fall. Da solche Butter- säuregärung stets durch Anaerobe erfolgt, ist ihre Bedeutung 'als ener- gieliefernder Prozeß klar. Wie sich die Erreger der Buttersäuregärung als „Anaerobe" gegenüber geringen Mengen Sauerstoff' verhalten, ist oben (S. 267) so eingehend erörtert worden, daß wir hier darauf zurückver- weisen können. Die Frage, wieviel Energie die Buttersäuregärung liefert, ist leicht 424 ^^- Di^ Gärungserscheinungen. zu beantworten, wenn man annimmt, daß etwa Zucker einfach in Butter- säure, Kohlensäure und Wasserstoff zerlegt würde: CgH^^Oe = C.HgO^ + 2C02 + 2W. Zucker Buttersäure Da aber diese Annahme nicht zutrifft, sondern, wie gesagt, immer an- dere Produkte entstehen, wollen wir hier keine Zahlen anführen, son- dern nur bemerken, daß diese andern Produkte in energetischer Be- ziehung zumal dann von Bedeutung sind, wenn Milchsäure das Aus- gangsprodukt der Buttersäuregärung ist. Man hat nämlich berechnet, daß dann ein erheblicher Energiegewinn nur infolge von Bildung an- derer Säuren neben der Buttersäure möglich ist, z. B. von Propion- oder Essigsäure. Wie steht es nun mit der Frage, ob auch bei der Buttersäure- gärung die Gärprodukte, und zwar in erster Linie diese Säure selbst als Kampfstoff in Betracht kommt? Denn es sei nochmals gegenüber Feinden der ökologischen Gärungstheorie ausdrücklich darauf hinge- wiesen, daß die Auffassung der Gärungen als energieliefernder Vor- gänge einerseits, als Produzenten von Kampfstoff"en anderseits sich keineswegs ausschließt. Exakte Untersuchungen fehlen zwar in be- sagter Frage, immerhin ist wahrscheinlich, daß auch die Buttersäure mit Erfolg gegen Konkurrenten der Buttersäureerzeuger dienen kann. Sieht man doch häufig, wie mit Einsetzen dieser auch für den Menschen so widerwärtigen Gärung andere Mikroorganismen, z. B. Hefen, verschwin- den. Von zahlenmäßigen Angaben kenne ich nur die eine, daß Bac. amylohacter etwa l*^/,) Buttersäure verträgt, ohne wesentlich geschädigt zu werden, andere Bakterien aber bereits durch YgVo gehemmt werden.^) Der exakte Beweis für die Richtigkeit der Anschauung ist begreif- licherweise auch wieder wegen der vielen Nebenprodukte, die ihrerseits ebenfalls Giftwirkung ausüben, schwer und nur durch sehr umfangreiche Experimente zu führen. W^ährend die Buttersäuregärung zumal in der Geschichte der Wissen- Schaft von Bedeutung ist, ist es die Milchsäuregärung in derjenigen der Menschheit, denn es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Milchsäure- gärung die erste ist, welche von Menschen praktisch verwertet wurde, schon als sie noch im Nomadenzustand lebten.^j Auch bei der Milchsäuregärung pflegen neben dem Hauptprodukt Milchsäure andere Stoffe, Säuren, gasförmige Stoffe usw., aufzutreten, wie wir gleich noch sehen werden. 1) Fischer, Alfr., Vorl. üb. Bakt., S. 271. 2) Lafar, F., Technische Mykologie, S. 200. Milchsäuregärung. 425 Im wesentlichen aber handelt es sich um eine Zerlegung von Zucker- arten in Milchsäure: Zucker Milchsäure. Sehr viele Arten von Spaltpilzen sind dazu befähigt, Traubenzucker, auch Rohr- und Malzzucker (nach onzymatischer Spaltung vermittels der Saccharase bzw. Maltase) in Milchsäure zu überführen, andere Kohlenhydrate, wie Stärke, oder Alkohole, wie Mannit, werden nur von wenigen Bakterien unter Milchsäurebildung zersetzt; die bekannteste Bildung der Milchsäure aus Milchzucker, d. h. die Erscheinung, daß Milch sauer wird und dadurch ihre Eiweißkörper gerinnen, wird eben- falls nur von einer bestimmten Zahl von Arten bewirkt. Diese Formen verfügen über das Enzym Laktase, das den Milchzucker in Trauben- zucker und Galaktose spaltet, die dann vergoren werden. Typische Milchsäurebakterien würden wir nur solche zu nennen haben, welche diese Säure in sehr erheblichem Maße produzieren. Dar- über ist nicht zu vergessen, daß auch im Stoffwechsel sehr vieler an- derer, vielleicht übertreibt man nicht, wenn man sagt, aller andern Spaltpilze etwas Milchsäure gebildet wird, die sich aber nicht in großen Mengen ansammelt, z. T. weil sie nach Maßgabe ihrer Entstehung so- fort weiter verarbeitet wird; und sodann gibt es Zwischenformen, welche keine allzu erheblichen Mengen von Milchsäure bilden, darum keine wahre Milchsäuregärung erregen, immerhin aber doch ganz stattliche Säuremengen produzieren. Hier wäre z. B. das Bad. aroinaticum zu nennen, das wir am Schluß dieses Abschnittes noch kennen lernen wer- den. U. a. wird sodann von Leuconostoc mesenteroides^) oder vom Cho- leraerresfer u. v. a. m. erzählt, daß sie Milchsäure bilden. Was nun die Erreger echter Milchsäuregärung anlangt, so handelt es sich um viel untersuchte und umstrittene, oft sehr schwer gegenein- ander abzugrenzende Formen, die so viel gemeinsam haben, daß sie un- beweglich sind und daß sie keine Sporen bilden. Wir können zur bes- seren Übersicht vier Gruppen unterscheiden.^) Zur ersten Gruppe zählen wir die Formen, welche sich nach der Gramschen Methode (S. 112) färben lassen, sodann das gemeinsame Merkmal haben, daß sie auf künstlichen, starren Böden nicht aUzu üppig 1) Diese und die folgenden Gärungsgleichungen sind entnommen: Jensen, 0., B. C. II., 1909, Bd. 22, S. 305. Die Stoffe sind in Wasser gelöst zu denken. Als Einheit sind kg-Kalorien („große Kalorien", vgl. S. 398, Anm.) gewählt. 2) Maaßen, A. 3) Löhnis, F., B. C. IL, 1907, Bd. 18, S. 97 426 ^^ • ^^® Gärongserscheinungen. gedeihen und kein Gas produzieren. „Kein Gas" ist wohl jederzeit 80 zu verstehen, daß keine deutliche Gasentwicklung sich bemerkbar macht; größere oder geringere Mengen von Atmungskohlensäure dürften gleich- wohl stets nachweisbar sein. Zu dieser Gruppe gehört der wichtigste Erreger der Sauermilch, eine Form, die als Streptococcus acidi luctici, Str. lacticus, Bacteriutn lac- tis, lactis acidi, Bad. Güntheri, B. lacticum bezeichnet wird. Wie man sieht, herrscht hier ein buntes, bei einer so wichtigen Art nicht erfreuliches Durcheinander von Namen, das z. T. h. daher rührt, daß der betr. Spalt- pilz bald als Kugelbakterium mit häufig kettenförmig aneinandergereihten Zellen auftritt, bald als Stäbchen und zwar als Kurzstäbchen. Auch kommen lanzettförmige Doppelkokken vor, denen des Str. lanceolatus (S. 180), einer der wichtigsten pathogenen Kokkenarten gleichend. Da echte Kokken, wie wir sie früher (S. 189) definierten, nicht in der Form von Kurzstäbehen auftreten *), halten wir den Gattungsnamen Bactcrium für den richtigen-) und wollen ihn hier, um einen Artnamen zu haben, der nicht zu Verwechslungen Anlaß gibt, B. Güntheri nennen.'') Diese Form ist also fast stets in Sauermilch anzutrefien und säuert mit wie ohne Luftzutritt; exakte Untersuchungen über die Beeinflussung durch die Menge zutretenden Sauerstofi'es fehlen noch, doch bevorzugt er offenbar geringe Sauerstoffspannung für seine säuernde Tätigkeit. Das Minimum der Temperatur liegt bei etwa 10 — 12, das Optimum bei 30 — 35". Man unterscheidet viele Stämme dieser Art, die aber weder in morphologischer noch in physiologischer Beziehung ganz durch- greifende Unterschiede aufweisen. Wie bei anderen Milchsäurebakterien gibt es auch Stämme, die Schleim bilden und so unter Umständen Milch- fehler bedingen, daneben aber auch genießbare Milchpräparate liefern, so die „lange Wei'* in Holland. Schleimbildende und nicht schleim- bildende Stämme können ineinander übergeführt werden (vgl. S. 223j. Von manchen Autoren werden auch nähere Beziehungen dieser Art zu pathogenen Kokken, z. B. Str. pyogenes, konstruiert; aus den Stämmen unseres Milchsäurebakteriums .sollen sich pathogene Formen in An- passung an bestimmte Ernährungsbedingungen (Eiweißzerspaltung) herausgebildet haben. Auch der Erreger einer Euterentzündung der Kühe, der Streptococcus der gelben Galt, gehört in diesen Verwandt- schaftskreis. Die Gelatine wird von den genannten Formen nicht ver- flüssigt, darin unterscheidet sich von ihnen der „Streptococcus'' apis, ein Erreger von Bienenfaulbrut. 1) Müller, L., B. C. II, 1907, Bd. 17, S. 468; Wolff, A., B. C. II, 1909, Bd. 24, S. 55. 2) Anderer Meinung ist Löhn is, F., B. C. II, 1909, Bd. 22, S. 553. 3) Allerdings wäre aus Prioritätsgründen Lact, lactis richtiger. Gruppierung der Milchsüurebakterien. 427 Eine i^weite Gruppe von Milchsäurebakterien ist dadurch aus- gezeichnet, daß sie sich nach Gram nicht färbt, auf künstlichen, starren Böden zu größeren, häutig kuglig-schleiniigen Kolonien heran- wächst und bei der Vergärung der Milch reichlich Gas entbindet. Hier- her gehört Bactcrium acidi lacfici (nahe verwandt mit ihm ist Bad. lac- tis aerogenes (vgl. S. 222)). Die Form der Zellen dieser Art ist ganz die gleiche wie die der Zellen des JJact. coli, von diesen in morphologischer Beziehung somit nur durch den Mangel an Geißeln zu unterscheiden. Auch ihn hat man mit pathogenen Formen in Beziehung zu setzen versucht, nämlich mit Bad. pneumoniae , der gelegentlich Bronchitis und Pneumonie erregt. Er ähnelt ihm in der Form seiner Kolonien auf Gelatine; wieweit sonst diese Parallele berechtigt ist, entzieht sich meinem Urteil. Über die Zusammensetzung der Gärungsgase vgl. das auf S. 222 Gesagte. Auch Bad. acidi ladici ist häufig Erreger der Milchsüueruug und findet sich mit Bad. Güidheri oft vereint; auch er ist fac. anaerob, säuert aber im Gegensatz zu jenem bei Luftzutritt min- destens ebensogut wie ohne Sauerstofi" und liebt etwas höhere Temperatur; 15°, 30 — 40*^ und 45° sind die Kardinalpunkte der Temperatur. Diese beiden Formen, Bad. GüntJieri und Bad. acidi ladici, sind also die wichtigsten Spaltpilze, denen wir den Genuß der Sauermilch verdanken. Zur dritten Gruppe gehören schlanke, stäbchenförmige Milchsäure- bildner, übrigens, wie es scheint, von außerordentlich variabler Gestalt, gegenüber der Gramschen Färbung sich stets positiv verhaltend und mäßige Gasmengen produzierend. Die wichtigsten Arten gehören zu dem Artenkreis von Bad. caucasicum (^„Bacillus ladis acidi^'). Charakte- ristisch für Bad. causicum ist die Agarstichkultur, die das Bild eines „umgekehrten Tannenbaums^^ darbietet. Auch jenes Bad. casei, das wir oben erwähnten (S.22o), gehört hierher, ferner auch der „technische Milch- säurespaltpilz, Bad. DelbrücJci^), den wir schon in seiner Bedeutung für den menschlichen Haushalt kennen gelernt haben. Von allen den bisher genannten unterscheidet dieser letzte sich wesentlich dadurch, daß er Milchzucker nicht angreifen kann, somit z. B. nie als Milchsäuerer auf- zutreten vermag. Die Fähigkeit zur Bildung von „Laktase" fehlt ihm. Für die Vertreter dieser ganzen Gruppe ist in biologischer Hinsicht beson- ders zu beachten, daß es mehr oder minder thermophile Formen sind. Für Bad. Delhrücki wissen wir das schon. Aus Yoghurt ist eine hierher- gehörige Art rein gezüchtet worden, die bei 22° nicht wuchs, selbst bei 37° nur dürftig, und ihr Optimum zwischen 45 und 50° hatte. Dem Sauerstoff' gegenüber sind sie eher aerophob. Manche Formen zeigen 1) Vgl. auch Heuneberg, W., B.C. II, 1904, Bd. 11, S. 144. 428 XV. Die Gärangserscheinungen. gelegentlich sprossende Verzweigung und wurden wohl auch mit Strep- tothrix in verwandtschaftliche Beziehung gebracht. Endlich hören wir noch von einer vierten Gruppe von Milchsäure- bakterien, typischen Kokken, die nicht als Streptokokken, sondern ein- zeln, zu zweit als Diplokokken, oder endlich als Staphylokokken auf- treten. Hierher gehört: Micrococcus lactis acidl, der wie Bart, caucasi- cum und Genossen als therm ophil bezeichnet werden darf. Als patho- gene Parallelgruppe wird M. pyogenes aufgefaßt. Wir werfen nun noch einen Blick auf diese und verwandte Formen in ihrer Bedeutung für den Haushalt der Menschen. Daß bei uns die Sauermilch in erster Linie durch Bad. Günther i und acidi lactici ge- säuert wird-, hal)en wir schon gehört, desgl. daß letzteres zumal bei etwas erhöhter Temperatur, ferner bei reichlicher Lüftung die erstere, im allgemeinen wichtigere Form unterstützt. Durch die entstehende Milchsäure werden die Eiweißkörper der Milch zur Gerinnung gebracht, und diese wird „dick". Nun lehrt uns die Physiologie, daß vielfach auch in höheren Pflanzen sowie Tieren das sog. Labonzym (Chymosin) vor- kommt, das auch bei neutraler Reaktion, jedenfalls ohne Säurewirkung, Eiweißkörper zum Gerinnen bringt: Das Kasein wird in Parakasein und gelöstes Molkeneiweiß gespalten, das erstere fällt aus unter dem Einfluß der Erdkalisalze der Milch Chymosin aus Pflanzen wurde „in neuerer Zeit" in den Käsereien benutzt; meist wird es aus den Mägen von Kälbern gewonnen; und so muß sich die Frage einstellen, ob auch typische Milch- säurebakterien unabhängig von ihrer Säurebildung durch ein Lab-Enzym die Milch zum Stehen bringen. Da finden wir die Angabe, daß dem aller- dings vielfach so ist. Neben andern Bakterien (I>. prodigiosum) wird Lab- wirkung auch manchen der oben genannten Formen zugeschrieben; man hat darauf geschlossen, weil die Eiweißkörper schon gerinnen, wenn die Reaktion der Milch erst schwach sauer ist. Eine ausreichende Bearbeitung dieser Frage, über welche übrigens manche Forscher mit beneidenswerter Leichtigkeit hinweggehen, fehlt aber noch. Für Labwirkung soll charak- teristisch sein, daß die Koagulation der Milch von unten nach oben fort- schreitet. Auch tritt bei Labwirkung „lockeres", bei Säurewirkung „strammes" Gerinsel auf. Wir finden angegeben, daß Bakterien, die labende Wirkung ausüben, gleichzeitig auch stets proteinlösend (pepto- nisierend) wirken. Züchtet man sie auf geeignet hergestellten Milch- agarplatten, so bildet sich um sie herum ein weißes Gerinnungsfeld. Gleiches erfolgt natürlich auch bei der durch Säurebildung erfolgenden Gerinnung; doch soll sich im ersten Fall das Feld durch zugefügte 1) V. d. Beck, B. C. II. 1906. Bd. 17, S. 366. Labwirkung. Kefir. 429 normale Lauge nicht auflösen, wodurch eine Unterscheidung mög- lich wäre. Nun gibt es, wie allbekannt, noch eine ganze Zahl anderer, exoti- scher, z. T. auch bei uns eingeführter und beliebter Milchpräparate, und wir wollen einige der wichtigeren mit Rücksicht auf die Rolle, welche Milchsäurebakterieu bei ihrer Herstellung spielen, besprechen. In den Kaukasusländern wird seit alters Kefir ^) bereitet, indem Milch in ledernen Schläuchen, neuerdings auch in irdenen Gefäßen mit den Kefirkörnern versetzt und der Vergärung überlassen wird. Der nach zwei Tagen fertige Kefir wird für den Gebrauch abgezogen, ein Teil wird stets im Inneren des Gefäßes belassen und neue Milch zu- ffeQ;e))en. Von Zeit zu Zeit werden Kefirkörner, die an Masse und Menge allmählich zunehmen, herausgenommen, sorgfältig getrocknet und zu späterem Gebrauch aufbewahrt. Fertiger Kefir ist nun eine moussierende, schwach alkoholische Flüssigkeit, die sauer schmeckt und in welcher sich das Kasein, in einem sehr feinen flockigen Zustand gef äUt, vorfindet. Je älter der Kefir wird, um so mehr wird das Kasein peptonisiert und das Getränk dünnflüssiger. Die Milch wird also im wesentlichen derart verändert, daß der Milchzucker zum Teil in Alkohol und Kohlensäure vergoren, zum Teil aber in Milchsäure verwandelt wird und die Ei- weißkörper gleichzeitig in der eben angegebenen Weise verändert werden; es ist nun die Frage, welche Mikroben dabei mitwirken und sich in den Kefirkörnern vorfinden. Was zuerst die uns hier am meisten in- teressierenden Milchsäurebakterien angeht, so ist Bact. caucasicum in jungen Kefirkörnern anzutreffen, aber keineswegs zur Herstellung des Kefirs unbedingt nötig, vielmehr können die stets und zwar auch in älteren Körnern vorhandenen Bact. Güntheri und acidi lactici die Säue- rung ebensowohl übernehmen. Sie dürften überhaupt stets die Haupt- rolle spielen, da die Herstellung des Kefir bei so niederer Temperatur zu ertolgen pflegt (ca. 17 Grad), daß jene thermophilen Formen wie Bact. caucasicum dafür weniger geeignet sind. Von weiteren Mikroben führen nun Kefirkörner immer Hefen, und man nahm bisher stets an, daß diese den Milchzucker in Alkohol und Kohlensäure vergärten. Nach neueren Untersuchungen sollen sie aber neben dieser Wirkung, die mehr nebensächlich ist, die Milchsäure- bakterien bei ihrem Werk günstig beeinflussen, Kasein peptonisieren und ihnen so gute Stickstoffquellen zur Verfügung stellen. Es findet sich ferner stets ein als Bac. esterificans benaimter Spaltpilz, zu den Buttersäurebakterien gehörig, der reichlich Alkohol bildet und wahr- 1) Kuntze, W., B.C. U, 1909, Bd. 24, S. 101. 430 XV. Die Gärungeerscheinungen. scheinlich in dieser Hinsicht wichtiger ist als die Hefe. Sodann ist er gemeinsam mit einem zweiten Sporenbildner, Bacilhis Kefir, gleich- falls einem Buttersäiirebildner, für die fein flockige Ausfällung der Ei- weißkörper, die guten Kefir charakterisiert, verantwortlich zu machen. Jene Hefe soll dafür sorgen, daß die Buttersäurebazillen keine über- mäßige Buttersäuregärung in die Wege leiten können. So soll denn im Kefir zuerst eine gelinde Buttersäuregärung einsetzen; gleichzeitig findet Alkoholbildung und Kuseinfällung statt. Die Hefe hindert das Überhandnehmen dieser Buttersäurebildner und beg-ünstifft die Milch- säurebildner. In ganz altem, endlich verderbendem Kefir nehmen schließ- lich die Buttersäurebakterien überhand. Will man auf Grund dieser Er- fahrungen Kefir mittels Reinkultureu sich herstellen, so gibt man zu einer kleinen Probe steriler Milch Bnc. esterificans, Bac. Kefir, Bad. Güntheri und eine beliebige aus Kefir isolierte Hefe, läßt 24 Stunden bei 20 Grad vergären und fügt einige ccm davon zu saurer Milch, die in größeren Flaschen unter mehrmaligem Schütteln zuerst bei mäßigen Luftzutritt, dann fest verschlossen 24 Stunden aufbewahrt werden. Ein dem Kefir ähnliches Präparat ist Airan^), aus Ziegenmilch bereitet, mit etwas geringerem Alkohol geb alt. Sodann der bekannte Kumys^), die in den südrussischen Stepjien aus Milch von Stuten berei- tete Sauermilch, wie der Kefir alkoholhaltig, aber durch weitergehende Peptonisierung der Eiweißk(>rper ausgezeichnet. Während die genannten Milchpräparate flüssige, wenngleich zäh- flüssige Getränke sind, zeichnet sich die armenische Sauermilch, der Mazun-'l, durch geleeartige Konsistenz aus, ein Milchprodukt, das selbst als Nahrungs- und Genußmittel dient und zur Butterbereitung umfang- reiche Verwendung findet. Zu Büffel-, Schaf- oder Ziegenmilch, die ge- kocht oder eingedampft wird, setzt man nach dem Abkühlen auf ca. 40 Grad alten „Mazun" hinzu und stellt die Milch neben den Herd, bewahrt sie also bei ziemlich hoher Temperatur auf. Hier ist somit Gelegenheit für die Tätigkeit thermophiler Milchsäurebildner, und tatsächlich finden sich solche im Mazun immer vor, es handelt sich um Langstäbchen, das sog. Bact. Mazun, das in Wirklichkeit offenbar mit Bad. caucasicum iden- tisch ist. Mazun unterscheidet sich von unserer Sauermilch, abgesehen von der zäheren Konsistenz, durch den Gehalt an aromatischen, an- genehm riechenden Stoffen, welche neben geringen Mengen von Alkohol 1) Kuntze, W., B.C. II, 1909, Bd. 24, S. 101. Makrinoff, S., B.C. II, 1910, Bd. 26, S. 374. 2) Rubinsky, K, B. C. U, 1910, Bd. 28, S. 161. 3) Düggeli, B.C. II, 1906, Bd. 15, S. 577. Weigmann, Gruber, E., Huß, H., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 70. Airan, Kumys, Mazun, Yoghurt u. a. 431 von einer Hefenart gebildet werden. Außerdem finden sich noch Milch- silurebakterien, die zu Micr. lactis acidi zu stellen sind. Die Süurebildung, zumal durch Bad caucasicum, kann so stark werden, daß der Mazun dadurch ungenießbar wird. Sehr nahe verwandt mit Mazun ist das ägyptische Leben raib, ferner der sardinische Zioddu. Der „Streptobacillus Lehenis" und der „Bac. sardoub", die in diesen Präparaten die Säuerung bewirken, sind mit Bad. caucasicuni identisch.^) Auch in der bulgarischen Sauermilch, Yoghurt^), ist als Säurer Bad. caucasicum tätig, denn Bad. ,,lmlgaricutn" ist nur ein Synonym. Neben ihm wird hier noch erwähnt das Vorkommen eines sog Körnchen- bazillus, der sich von jenem unterscheidet dadurch, daß sein Temperatur- optimum etwas niedriger liegt und er gegen Austrocknen empfindlicher ist. Seine Bezeichnung rührt daher, daß er reichlich Volutin speichert. Es handelt sich dabei offenbar um eine Form des Bad. caucasicum. Neben diesen Formen wird im Yoghurt auch noch ein Diplokokkus erwähnt^ der Milch säuert; offenbar gehört er zu Micrococcus lactis acidi. Was die Herkunft der Milchsäurebakterien im Yoghurt anlangt, so hat man die Meinung ausgesprochen, daß sie im Magen junger Wiederkäuer und Füllen ihre eigentliche Heimat haben. Zumal in recht heißen Gegenden, wo die Milch schnell verdirbt, ist die Verwendung solcher gesäuerter darum verhältnismäßig haltbarer Milchpräparate von großer Bedeutung; so wird es uns nicht wundern, zu hören, daß auch in Ostindien (Kalkutta) in fast jedem Haushalt ein die Milch säuerndes „Ferment" vorrätig gehalten wird und sich von einer Generation auf die andere vererbt, sog. Dadhi. Die Milch wird gekocht, bis auf 40 Grad abgekühlt, beimpft und warm gestellt. Also auch hier fungieren wie im Mazun, Leben, Yoghurt und im Gegensatz zum Kefir thermophile Säurer, der sog. Streptobacillus Dadhi -^ er säuert sehr stark, bewirkt aber sonst an der Milch keine Veränderung, bildet kein Gas und ist, wie es scheint, gleichfalls das Bad. caucasicum. Das gute Aroma, welches Dadhi auszeichnen soll, und andere Veränderungen der Milch als Säurebildung sind auf Kosten von Mikroben zu setzen, die in dem „Ferment" mit Bact. caucasicum vergesellschaftet sind.'^) Als lange Wei bezeichnet man in Holland nnd als tjätmolk (Dicht- milch) in Schweden schleimige Molken, die für die Käseherstellung dienen. Die Schleimbildung wird bewirkt durch die Tätigkeit des Strep- 1) Vgl. auch White, B., u. Avery, 0. F., B. C. II, 1909, Bd. 25, S. 161. 2) Lürssen, A., u. Kühne, M., B. C. II, 1908, Bd. 20, S. 234. Kuntze, W., B.C. II, 1908, Bd. 21, S. 737. 3) Chatterjee, G. C, B. C. I, Or. 1910, Bd. 53, S. 103. 432 XV. Die Gärungserscheinuagen. tococcus hollandicus, einer Milchsäurebakterie, die als schleimbildende Rasse des Bad. Güntheri anzusprechen ist. Interessant ist es, daß Str. JioUancUcus auch im russischen Dongebiet^) zur Herstellung einer Sauermilch dient. Übrigens wird es uns nach allem, was wir schon gehört haben, nicht weiter wundern, daß auch dieser Streptococcus in verschiedenen Formen vorkommt. So wächst eine Form auf üblichen Fleischpeptonböden bei Zimmertemperatur, während es für die andere charakteristisch ist, daß sie auf Peptonböden nur schwer zum Wachsen zu bringen ist. Der Säuerungsvorgang durch Str. Itollandicus unter- scheidet sich von dem durch Bact. lactis acidi dadurch, daß er langsamer verläuft, endlich aber zum selben Säuregrad führt. Bact. caucasicum ist durch Bildung stärkerer Säuerungsgrade ausgezeichnet. Die große Rolle der Milchsäurebakterien in der Milchwirtschaft würden wir natürlich nur dann ganz würdigen können, wenn wir auch ihre Bedeutung für die Butter- und Käsebereitung berühren woUten, doch würde uns das zu weit führen.-) Wir ziehen vor, statt dessen die Bedeutung der genannten Spaltpilze für andere Gewerbe ins Auge zu fassen, z. B. für die Bäckerei.'') Es handelt sich dabei um die Teiggärung, die jederzeit mit Milch- säuregärung verknüpft ist. Zuerst die sog. spontane Teiggärung, die man studieren kann, indem man Mebl und Wasser zusammenrührt und sich selbst überläßt. Der Teig wird sauer und „geht", und zwar wird diese Lockerung und Säuerung hervorgerufen durch die Tätigkeit eines milchsäure- und gasbildenden Spaltpilzes, der sich von von Bac. coli, und zwar dem echten, sog. „Darmcoli", nur durch Gelatineverflüssigungs- vermögen und durch seine Gasbildung unterscheidet. Er wurde als Bact. levans von coli abgetrennt, auch einfach als „Mehlcoli" bezeichnet. Der- selbe findet sich stets an Getreidekörnern und kommt so ins Mehl. Auch einige aus „gärendem Gras" zu gewinnende „Gras-coli"-Arten sind mit ihm identisch, andere aber nicht, gleichen vielmehr einer weiteren, nahe verwandten Form, dem Bact. enteritidis, welcher Paratyphus erregt. Be- achtenswert ist es, daß man aus Gras fast stets bewegliche Arten erhält; unbewegliche Formen, die also zu Bact. acidi lactici gehören, finden sich fast nie in Gras oder an ähnlichen Standorten, — so leicht sie auch aus Sauermilch zu gewinnen sind (^vgl. auch S. 222). — Während also bei der 1) Makrinoff, S., B. C. H, 1910, Bd. 26, S 374. 2) Vgl. darüber Weigmann in Lafars Hdb. u. Jensen, 0., B. C. II, 1912, Bd. 32, S. 202 u. Sorini, G., ebenda. S. 406 3) Maurizio. A., B. C. II, 1906, Bd. 16, S. 573. Burri, R., u. Holliger, W. B.C. II, 1909, Bd. 23, S. 99. Burri, R. u. Düggeli, B.C. I, Or. 1909, Bd. 49 S. 145. Sauerkraut. 433 spontanen Teiggiirung ein luid derselbe Mikrobe, Bad. levans, für Lockerung und Säuerung sorgt, ist das anders im Sauerteig. Ahnliche Formen, nach anderen Angaben Jkuf. Günthcri und Bad. acidißcans longissimum, das in die Gruppe des Bad. caucasicum gehört, bewirken die Säuerung; diese hat aber nur den Vorteil, daß unerwünschte Neben- crärungeu im Sauerteig ausgeschlossen werden, das „Aufgehen" des Sauerteiges wird durch Hefegärung bewirkt; die dieser entstammende Kohlensäure lockert den Teig, die gleichzeitige Alkoholbildung durch tlie Hefe hat den Vorteil, daß Schimmeln des Sauerteiges verhütet wird. Auch die Preßhefe enthält Milchsäurebakterien. Wenn bei Preßhefe und Sauerteig gasbildende Bakterien (wie B. levans bei der spontanen Gärung) als Lockerer keine Rolle zu spielen vermögen, so liegt das daran, daß sie durch die genannten nichtgasbildenden energischen Milchsäurer {B. Güniheri) unterdrückt werden. Allerdings sind auch Sauerteigproben be- kannt geworden, in denen die Lockerung infolge des Zurücktretens von Hefen und jener starken Säurebildner durch gasbildende Bakterien, ähn- lich dem Bad. levans bewirkt wird. Im Anschluß an die Teiggärung ist der nationalpolnischen Fasten- speise „Zur" zu gedenken. Es handelt sich dabei um Roggenmehlteig, der mit Wasser angerührt und der Vergärung durch Hefe und Säuerung durch Milchsäurebakterien, Bad. Güntheri, überlassen wird. Das Zur be- herbergt Reinkulturen der Hefe und des Milchsäurebakteriums; alle anderen Mikroben sind durch Alkohol und Milchsäure im Wachstum gehemmt.^) Auch die Sauerkrautbereitung ^) ist ein Vorgang, der von der Tätig- keit der Milchsäurebakterien abhängt. Nach dem Zerschneiden der Kohlköpfe werden die Schnitzel gesalzen, in Gärbottiche eingestampft und mit beschwertem Deckel belastet. Die osmotische Wirkung des Salzes hat zur Folge, daß der Zellsaft alsbald als „Brühe" austritt, und in dieser stellt sich Säuerung und Gasentwicklung ein. Während die Gasentwicklung durch die alkoholische Gärung von Hefen bewirkt wird, beruht die Säuerung auf der Tätigkeit von Milchsäurebakterien, vor allem einer als Bad. Brassicae bezeichneten Form des Bad. Güntheri:, Daneben kommen noch andere, schlanke, bewegliche Formen vor, die schwach ansäuern. Thermophile Milchsäurebakterien fehlen begreiflicher- weise, da die Säuerung bei niederer Temperatur (6 — 12 Grad) zu ver- laufen pflegt. Wieweit sich der Bottich infolge der Gärung erwärmt, ist 1) Teichert, K., B.C. II, 1907, Bd. 17, S. 376. 2) Wehmer, C , B. C. II, l'J03, Bd. 10, S. 625 und 1905, Bd. 14, S. 682. Henneberg, W., B.C. 11, 1904, Bd. 11, S. 187. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 28 434 ^^' I^i^ GärungBerscheinungen. mir allerdings unbekannt. — Wie es scheint, ist die wirksame Bakterien- flora nicht immer dieselbe; denn in einem anderen Falle konnten lang- stäbchenförmige, energisch säuernde Bakterien in der Krautbrühe ge- funden werden, deren Temperaturoptimum zuerst bei 36 Grad lag, später mit fortschreitender Säuerung auf 28 Grad sank. Der Gehalt an freier Milchsäure stieg dabei bis fast IVaVo- Auch hier kann die Säuerung so stark werden, daß die Milchsäurebakterien endlich in ihren eigenen Pro- dukten absterben. Schließlich sei daran erinnert, daß Milchsäurebakterien auch bei der Zubereitung; mancher Biere von Bedeutung sind. Das Berliner Weiß- hier verdankt seine erfrischenden Eigenschaften zum großen Teil seinem Milchsäuregehalt, der darauf beruht, daß die Kohlehydrate der Würze nicht nur durch Alkoholhefen vergoren, sondern auch zum Teil durch Bakterien in Milchsäure überführt werden. Es handelt sich hierbei um den „Sacharohacillus^'' Berolinensis (Formen des Bad. caucasicum), ein langzelliges, nicht sporenbildendes Stäbchen.^) — Auch das Gingerbeer der englischen Haushaltungen wäre hier zu erwähnen. Über der Bedeutung, welche die Milchsäuregärung für den Menschen hat, dürfen wir nun aber nicht vergessen, nach ihrer Bedeutung für die Spaltpilze selbst zu fragen. Zunächst ist klar, daß dieser Prozeß als energieliefernder Vorgang zu bewerten ist, und zumal dann, wenn an- aerobe Milchsäuregärung stattfindet, als solcher in Betracht kommt. Dis- kutieren wir nun noch die Frage nach der Milchsäure als Kampfstoff, wozu unsre obigen Ausführungen gute Gelegenheit geben. Ganz offen- sichtlich ist zunächst, daß die Säure vielfach ihre Produzenten selbst hemmt, schädigt, ja tötet; so hörten wir von dem Bad. hrassicae, daß es in Reinkultur in Kohlsaft gezüchtet, sich durch die eigene Säuerung endlich selbst mordet, auch von einer anderen Form des Bad. Gün- theri, dem Streptococcus apis wird dasselbe berichtet. Andererseits kann man schlechterdings nicht übersehen, daß die Milchsäure in besonders zahlreichen Fällen den Konkurrenten der Milchsäurebakterien äußerst schädlich ist; oben haben wir ja eine ganz stattliche Zahl von Fällen betrachtet, in denen der Mensch daraus seinen Nutzen zieht (Milch- säuerung, Brennerei u. a. m ), und nur so ist es zu erklären, daß so oft die Milchsäurebakterien ganz allein oder fast allein das Feld beherrschen. Natürlich finden wir auch hier wieder, daß die Widerstandskraft der verschiedenen Wesen gegen Milchsäure sehr verschieden ist. Das Stu- dium der Sauerkrautgärung hat ergeben, daß bestimmte sog. Kahm- 1) Henneberg, W., B. C. II, 1902, Bd. 8, S. 184. Rommel, W., ebenda, 1911, Bd. 30, S. 655. Schutzwirkung der Milchsäure. 435 hefen, ferner das Oldiuni ladi)^, der Milehschiminel, von freier Milch- säure als Koblenstoffquelle sogar besonders gut leben k()nnen, sie ver- arbeiten und so zum ^'erscbwindeu bringen. Diese aus dem Feld zu schlagen, würde also den Milchsäurebakterien nicht wohl gelingen, dürfte aber für sie auch nicht von Belang sein, da sie einmal selbst die Milchsäure nicht verzehren und ferner jene Organismen als sehr luftliebende Wesen andere Ansprüche an die Umgebung machen, somit keine wahren Konkurrenten der Milchsäurebakterien sind, nöchstens indirekt könnten sie schaden dadurch, daß sie den Kampfstoff vernichten. Diese Gefahr ist aber auch nicht groß, weil dann, wenn die Kahmhefen die Milclisäure zum Verschwinden bringen, die wahren Feinde der Milchsäurebildner, z. B. die Buttersäurebakterien, wohl immer schon lahmgelegt sind. — Die hemmende Wirkung der Milchsäure richtet sich natürlich nicht allein gegen andere Bakterien; vielmehr können auch kräftige Milchsäurebildner durch ihre Gärtätigkeit andere Milch- säurebakterien, welche weniger große Dosen dieser Säure vertragen, vernichten oder hemmen. Wir haben z. B. gesehen, daß im Sauerteig gewisse Bakterien, die wenig Milchsäure (aber Gas) produzieren, unter- drückt werden durch nicht gasbildende starke Säurebildner. Es sind das ganz dieselben Verhältnisse, welche wir, nebenbei gesagt, bei der Wir- kung des Alkohols antreffen. Alkoholbildende Mikroben verdrängen aus gärenden Mosten usw. andere Wesen, die keinen Alkohol bilden; sodann werden aber auch Hefen, die wenig Alkohol produzieren und vertragen, durch solche Hefen unterdrückt, welche eine stärkere alkoholische Gärung unterhalten. Die ausschließende Wirkung der Milchsäure zeigt sich besonders dann sehr deutlich, wenn wir die in gewöhnlicher Milch erfolgende Bakterienmetabiose betrachten. Folgen wir den Ausführungen eines Forschers, der diese schildert.^) Zuerst tritt in Milch die sog. Vor- flora auf, d. h. solche Formen, die schon durch sehr geringe Mengen Milchsäure (Y, com normaler Milchsäure in 100 ccm) gehemmt werden. Bei niederer Temperatur besteht die typische Vorflora aus Kokken, die vom Euter stammen, sodann aus Verwandten des Bad. fluorescens. Wäre die Temperatur höher, so würden sich Vertreter der Heu- und Buttersäure- bazillengruppe zeigen. Neben solch typischer Vorflora zeigt sich auch eine mehr „akzidentelle'^; hierher gehören viele Arten, die Milchfehler bedingen, auch pathogene Formen, Harnstoffvergärer, die bei unrein- lichem Betrieb in die Milch gelangen. Daim setzt aber die sog. Haupt- floi-a ein, bestehend aus milchsäurebildenden Arten. In der ersten Phase 1) V. d. Leck, J., B.C. II, 1907, Bd. 17, S. 366. 28' 436 ^^ • ^^ß Gärungserscheinungen. der Hauptflora zeigen sich Formen, die zwar mehr Säure als die Yor- flora, aber doch nicht allzuviel Säure vertragen, jedenfalls mehr als ein halbes Kubikzentimeter normaler Milchsäure in 100 ccm. Hierzu gehört Bad. coli, Bad. aerogenes (S. 222), endlich ein Bad. aromaticum, das ein fruchtätherartiges Aroma büdet; nähere Charakteristik desselben folgt gleich. Und dann endlich treten die typischen Milchsäurebakterien auf, die alles andere zurückdrängen, nur gewisse Hefen, die Milchzucker vergären (solche hatten wir ja z. B, im Kefir usw. angetroffen), Kahni- hefen, sowie Oldiion ladis (vgl. Sauerkrautgärung, S. 434) können sich noch behaupten. Bedingung für die Entwicklung typischer Milchsäurebak- terien — das können wir schon aus früheren Ausführungen schließen — ist nicht zu niedrige Temperatur-, unter 15 Grad treten nur Bad. fhwresccns u. a. auf. Bad. aromaiivum gedeiht gut bei 22 — 23 Grad; welche von den uns schon bekannten typischen Milchsäurebakterieu sich entfalten können, hängt gleichfalls, das wissen wir auch schon, von der Tempe- ratur in erster Linie ab. Widmen wir nun jenem Bad. aroniaticum als einer besonderen Form der Milchsäurebildner noch ein Wort! Es hat etwa die Form des Bad. coli, unterscheidet sich aber dadurch von diesem, daß es polar be- geißelt ist, also genauer als Bseudomonas aromatica zu bezeichnen wäre. Durch die Beweglichkeit unterscheidet es sich andererseits von den ty- pischen Milchsäure])akterien, die sämtlich unbeweglich sind, und ist vor diesen dadurch im Vorteil, zumal in geronnener, gelabter Milch, indem es spontan günstige Standorte aufsuchen kann. Sodann gibt uns das Bad. aromaticum noch Gelegenheit, auf eine Methode zur Unterscheidung ähnlicher Arten hinzuweisen, die wir bislang noch keine Gelegenheit hatten, zu erwähnen. Glykoside sind bekanntlich, so lehrt die Chemie, Stoffe, die gebildet sind durch die Vereinigung von Zuckerarten mit aromatischen Körpern, und manche Bakterien sind dazu befähigt, be- stimmte Glykoside enzymatisch in die Komponenten zu spalten, andere nicht. Ein bekanntes Glykosid ist das Indikan, das gespalten werden kann in Traubenzucker und Indoxyl, Avelch letzteres unter dem Einfluß des Sauerstoffs der Luft in das bekannte Indigoblau übergeht. Züchtet man nun Bakterien auf indikanhaltigen Substraten, so werden sich ihre Ko- lonien blau färben, sobald sie das Indikan spalten können, und es zeigt sich nun, daß Bad. aromaticum diese Befähigung nicht hat, im Gegen- satz zu Bad. coli, Cladoihrix, Bac. aathracis u. a., so daß die Unterscheidung von den letzteren auf derartigen Nährböden nicht schwer ist. Ein anderes Glykosid, das durch Bad. coli, nicht aber durch Bad. aromaticum ge- spalten wird, ist das in der Rinde der Roßkastanie vorkommende Askuliu. Dies wird gespalten in Zucker und Askuletin, und dies letzte Spaltungs- Bakterienflora des Magen- und Darmkanals. 437 produkt färbt sich bei Zusatz von Eisenoxydsalzen braungrün. Also ist auch die Spaltung des Askulius durch Bakterien leicht nachzuweisen und als ditferentialdiagnostisches Merkmal zu verwerten. Kehren wir zurück zur Frage nach der Kampfstoffnatur der Milch- säure, so ist auch in gesundheitlicher Beziehung die hemmende Wirkung der Milchsäure auf andere Bakterien sehr bekannt. Jedermann weiß, daß in saurer Milch pathogene Bakterien viel weniger zu fürchten sind als in nicht gesäuerter; auch ist bekannt, daß eine ganze medizinische Schule den möglichst reichlichen Konsum von milchsäurehaltigen Produkten empfiehlt, um Bakterien, die sonst im mensclilichen Darm eine schäd- liche Tätigkeit entfalten, zu hemmen und so zur Gesundheit und zum längeren Leben des Menschen beizutragen. Werfen wir im Zusammenhang damit einen ganz flüchtigen Blick auf den Bestand der Bakterienflora des Magen- und Darmtraktus höherer Wesen an starken Milchsäurebildnern !^) Daß die Mikrobenflora des Yog- hurt und ähnlicher Präparate aus dem Magen von Schafen, Kälbern, Füllen usw. stammen dürfte, haben wir schon gehört; in Labmägen konnte man Bad. casei in verschiedenen Formen nachweisen, jene Art, die, zur Gruppe des Bad. caucasicum gehörig, u. a. für die Reifung des Emmenthaler Käses von großer Bedeutung ist. Auch Bad. GüntJieri ist im Darmtraktus der Rinder nachgewiesen worden. Beim Menschen finden sich im Magen, zumal bei Erkrankungen, lange Milchsäurebakterien, die an Säure derart gewöhnt sind, daß ihnen die Salzsäure des Magens nichts schadet; sie bedürfen sogar zu ihrem Wachstum saurer Substrate. Außer ihnen fand sich z. B. noch „Pedio- coccus" acidi ladici, vielleicht identisch mit Micrococcus ladis acidi. Ferner eine Form, die dem Bad. Delbrüdci sehr nahe steht. Im Säuglingsstuhl finden sich, sobald die Ernährung mit Milch beginnt, lange, gerade Stäbchen, deren Optimum bei 37 Grad liegt, die bei 22 Grad nicht mehr wachsen, unter Umständen echte Verzweigung aufweisen; das sog. Bad. acidiphüuw, auf festen Nährböden können seine Kolonien eigenartige Ausläufer, „Ranken", bilden; auch bei er- wachsenen Menschen ist es anzutreffen; es verträgt viel Säure und bildet reichlich Säure, ob vorwiegend oder ausschließlich Milchsäure, ist wohl noch fraglich. Von dieser Form, die vielleicht auch in den Formenkreis der langstäbigen, thermophilen Milchsäurebakterien gehört, wird an- genommen, daß sie vielleicht durch ihr Säurebildungsvermögen das Aufkommen schädlicher Fäulniserreger im Darm verhindert. Bevor wir die Milchsäuregärung verlassen, müssen wir noch zwei 1) Lit. bei Kuntze, W., B. C. 11, 1908, Bd. 21, S. 737. 438 X.V. Die Gärungserscheinungen. Punkte kurz berühren. Wir sprachen bis jetzt immer von der Milch- säure: in Wirklichkeit, so lehrt uns die Chemie, kommt diese Säure in zwei sog. stereoisomeren Modifikationen vor, der Rechts- und der Linksmilchsäure. Außerdem gibt es noch die inaktive Milchsäure, be- stehend aus gleichen Teilen beider eben genannter Modifikationen. Zu- erst war man der Ansicht, daß die „Gärungsmilchsäure'' stets inaktiv sei, bis man auch Bakterien entdeckte, welche Hechts- und sodann auch solche, die Linksmilchsäure produzieren. Von den uns bekannten Gruppen bilden die zu Bact. Giudheri gehörigen meist die linksdrehende Modifikation, seltener die inaktive oder die rechtsdrehende. Andererseits wird von Bact. acidi Inctici und Verwandten fast stets rechtsdrehende Milchsäure gebildet, seltener die anderen, während schließlich die Gruppe des Bact. caucasicion meistens Linksmilchsäure produziert. Übrigens 8])ielen die Zuchtbedingungen hierbei sehr wesentlich mit, so daß man jedenfalls diese Frage zur sicheren Unterscheidung von Arten nicht be- nutzen kann. Dies gilt auch für das uns schon bekannte Bact. formicicum, das bei Ernähruncr mit Mannit und anorganischen Salzen so reichlich Milchsäure bildet, daß es unter diesen Umständen als typisches Milchsäurebakterium bezeichnet werden darf. Es bildet bei Zufuhr von Mannit und Mineral- salzen reichlich Linksmilchsäure, bei Ernährung mit Mannit und Pepton inaktive Säuren in geringer Menge (aber viel Bernsteinsäure); eine andere, recht nahe stehende Form, die aus Zwiebelsaft isoliert worden war, bildet bei Zufuhr von Mannit und Mineralsalzen Rechtsmilchsäure. ^) Schließlich noch ein Wort über den enzymatischen Charakter der Milchsäuregärung.-) Es ist gelungen, für Bact. Delbrück i (und ai'rofjenes) den Nachweis zu führen, daß die Milchsäurebildung die Tätigkeit eines Endoenzyms ist, das offenbar mit der Zymase verwandt sein dürfte. Zwar gelaug es nicht, wie bei den Alkoholhefeu einen wirksamen Preß- saft aus den Kulturen dieser Spaltpilze zu gewinnen, immerhin konnte man doch die Bakterien durch Versenken unter Aceton abtöten, trocknen, mit Quarz zerreiben und auf diese Weise ein totes „Dauerpräparat'' ge- winnen, welches Zuckerlösungen in Lösungen von Milchsäure überführte. Dies geschah auch dann, wenn man die Lösungen durch Toluolzusatz vergiftete, also die Wirksamkeit lebender Bakterien bestimmt ausschloß außerdem durch Kreidezusatz die entstehende Säure abstumpfte. Eigen- artigerweise entstand bei Einwirkung solcher toten Massen des Bact. 1) Omelianski, V., B. C. II, 1904, Bd. 11, S. 177. vgl. auch Herzog, R. V. u. Hörth, F., Ref. in B.C. II, 1910, Bd. 20, S. 2.53 2) Buchner, E., u. Meisenheimer, Lieb. Ann. 190(3, Bd. 249, Heft 40, Essigsäuregärung. 439 DelbriicM inaktive Säure, während in den Kulturen des lebenden Spalt- pilzes Linksmilclisäure nachweisbar zu sein pflegt. Vielleicht ist das so zu erklären, daß auch der lebende Spaltpilz zunächst die inaktive Säure bildet, von deren beiden Komponenten aber die Rechtssäure nach Maß- gabe ihrer Entstehung sofort weiter abbaut, so daß Linksmilchsäure allein sich in den Kulturen ansammeln kann. Wenn wir für die eben besprochenen Gärungen die Gärungs- gleichungen aufstellen, d. h. Anfangs- und Endprodukte in Form einer chemischen Gleichung hinschreiben, so sehen wir, daß freier Sauerstoff nicht in diese Gleichungen eingeht, daß es sich nicht um Oxydationen durch freien Sauerstoff handelt. Da ihre Erreger sämtlich auch ohne freien Sauerstoff leben können, so können also auch diese Gärungen im luftleeren Raum erfolgen, andererseits gehen sie auch, so sahen wir, bei Luftzutritt von statten, es sei denn, daß ihre Erreger, wie die der Buttersäuregärung, anaerob sind. Wenn wir jetzt einen Blick werfen auf die Essigsäuregärung des Alkohols, so sehen wir, daß diese sich von den bisher behandelten wesentlich unterscheidet: ihre Gärungsgleichung ist eine Oxydation, eben die Oxydation von Äthylalkohol zu Essigsäure und Wasser: C^HgO-f 0,= C,IL^O^i-il^O + 115 Kai Sie kann also nur bei Luftzutritt erfolgen, ihre Erreger sind die aeroben Essigsäurebakterien. Suchen wir uns zuerst über deren Morphologie ^) und über die Ab- grenzung der Arten zu unterrichten, so ist das nicht eben leicht, da die Spezialforscher auf diesem Gebiete in ihren Ansichten oft wesentlich differieren, überhaupt die eingehende morphologische Behandlung der in Betracht kommenden Arten nach botanischen Gesichtspunkten viel- fach noch ein pium desiderium ist. Ganz allgemein gilt, daß es zum größten Teil unbewegliche Bakterien sind, deren Zellen Stäbchenform haben und die Sporenbildung vermissen lassen; häufig bilden sie Häute auf den alkoholischen Flüssigkeiten, die sie säuern, welche Häute bei den verschiedenen Arten nach Konsistenz und chemischer Zusammen- setzung so verschiedenartig sein können, daß man physikalische und chemische Qualität der Haut mit zur Artabgrenzung heranzieht. Im übrigen wollen wir, ohne uns zu verhehlen, daß es sich nur um eine Noteinteilung vorläufiger Art handelt, die Essigsäurebakterien 1) E. C. Hansen, vgl. Fischer, A., Vorles., u. Lafars Hdb. Bd. I. 440 XV. Die Gäi-ungserecheinungen. einteilen, in die drei Gnij)}ien der Bieressigbakterien, der Weinessig- bakterien und der Bakterien der Schuellessigfabrikation. Die Bieressigbakterien, denen die „freiwillige" Säuerung des Biers zu verdanken ist, sind morphologisch wohl noch am besten bekannt. Ursprünglich als Bad. aceti zusammengefaßt, werden sie heute in den drei Arten Bad. aceti, Pasteurianum und Kützingianum untergebracht. Bad. aceti und Bastenrianum sind Kurzstäbchen, die bei schneller Tei- lung sanduhrförmig eingeschnürt erscheinen und kettenförmig aneinander- gereiht sind. Bad. Kützingianum bildet keine Ketten, ist sonst in der Gestalt der Zellen ähnlich. Charakteristisch ist die früher schon kurz erwähnte Färbbarkeit der Zellwand und deren Schleimhülle durch Jod- lösung. Während Bact. acdi sich nicht durch Jod färbt, bläuen sich ZeUwände und SchleimhüUen der beiden anderen Arten bei Zugabe von Jodlösungen. Der Stoü', der diese Färbung bedingt, ist unbekannt. Zu erwähnen ist, daß die Blaufärbung durch Jod bei Bact. Pasteurianum und Kützingianum durch Kultur auf Biergelatine vorübergehend ver- loren gehen kann, ja daß bei Kützingianum sogar der dauernde Verlust dieser Eigenschaft an einzelnen Zellen gelegentlich beobachtet werden konnte. Endhch zeigen sich Unterschiede in der Hautbildung. Bei 43 Grad auf „Doppelbier" gezüchtet, bildet Bact. acdi eine schleimige, glatte Haut, Pasteurianum eine solche mit trockener Überfläche, dieser ähnlich ist die Haut von Kützingianum , die aber Neigung haben soll; an der Glaswand der Zuchtgefäße emporzuklettern. Auch durch die Verschiedenheit ihrer Ansprüche an die Tempera- tur kann man die drei Arten unterscheiden: Bact. aceti entwickelt sich noch bei 4 bis 5 Grad, Pasteurianum bei 5 bis 6, Kützingianum bei 6 bis 7 Grad. Das Maximum liegt für die drei Arten bei 42, das Optimum bei etwa 34 Grad. Unsere drei Arten sind auch dadurch bekannt und deshalb häufig erwähnt worden, weil sie infolge von Züchtung bei erhöhter Temperatur eigenartige Formumbildungen ihrer Zellen auf- weisen. Wir haben das im Kap. VIII besprochen. Soweit die Bieressigbakterien! Über die Essigsäurebakterien, die in Weinessigfabriken, welche das Orleansverfahren anwenden, auftreten, unterrichten neuere Untersuchungen.^) Sie zeigen, daß diese Flora sehr wechselnd sein kann, und besteht aus unbrauchbaren, sog. wilden, und brauchbaren Kulturweinessigbakterien. Sie unterscheiden sich u. a. durch die Konsistenz ihrer Hautbildungen. Ist die Haut eine sog. Staubhaut, die leicht zerfällt, — das gilt z. B. für Bact. ascendens und vini acetati^ 1) Henneberg, W., B. C. II, 1908, Bd. 20, S. 528. Vgl. auch Perold, J., B. C. II, 1909, Bd. 24, S. 13. Bieressig-, Weinessig-, Schnellessigbakterien 441 so trüben die Bakterien den Essig und sind unbrauchbar, trotzdem sie lebhaft säuern. Die gute Verwendbarkeit des Bact. orleanense beruht jiudererseits darauf, daß es ebenfalls stark säuert, aber eine feste zu- sammenhängende sog. Seidenpapierhaut ])ildet, die nicht untersinkt. Dieser Kulturweinessigbakterie ähnlich ist Bact xijlinoides, ebenfalls eine ,,brauchbare" Form, die sich u. a. dadurch unterscheidet, daß ihre Hautbildungen sehr verschieden ausfallen können, bald seidenpapier- artig, bald schaumig, bald dick und zäh, wie bei der folgenden Art. Bact. xylinmn endlich, eine unbrauchbare Art, ist durch dicke, galler- tige Häute ausgezeichnet, die leicht untersinken, so die Zellen vom Sauerstotf entfernen, wodurch ihre säuernde Tätigkeit gehemmt wird. Auch säuert es sehr langsam und verleiht dem Essig einen schlechten Geruch. Mit Reinzuchten von Bact. xylinoides und orleanense konnte Essig im größeren Maßstab erfolgreich hergestellt werden; es trat in diesen Fällen schnelle Hautbildung auf der Weinessigmaische ein, da- mit ging parallel schnelle Säuerung, was für den Ausschluß schädlicher Mikroben, z. B. der „Kahmhefen'' (vgl. unten), von großer Bedeutung ist, und der gewonnene Essig war „stets blank und sehr aromatisch". Die Oxydation verlief in den fraglichen Reinzuchten so lebhaft, daß sich die Flüssigkeit um volle 6 Grad über die Zimmertemperatur, die 25 Grad betrug, erwärmte. Die Zellen der genannten Weinessigbakterien sind kürzer oder länger stäbchenförmig, neigen gleichfalls zur Involution, Aufbauchung, Krümmung usw. Sie lassen sich teilweise durch die Kardinalpunkte der Temperatur, die begreiflicherweise zumal für die Praxis von Bedeutung sind, unterscheiden. Charakteristisch ist für Bact. xijlinum wie xylinoides, daß die Schleimmassen Zellulosereaktion geben, d. h. sich mit Jod und Schwefelsäure blau färben. Bei Bad. xylinoides ist das nur dann der FaU, wenn die Hautbildungen nicht dünn, sondern dick, xylinum-ähnlich ausgebildet sind, was unter bestimmten noch nicht genau definierbaren Bedingungen erfolgt. Genauere Artabgrenzungen dieser Weinessigbakterien auf Grund zellulär-morphologischer Merkmale wäre erwünscht. Die beiden Kulturweinessigbakterien orleanense und xijlinoides werden sich vielleicht als identisch herausstellen. Während bei dem Orleansverfahren die eben geschilderten Arten in Form von Häuten auf der Oberfläche der Weinessigmaischen vege- tieren, leben die Essigsäurebakterien in der sog. Schnellessigfabrik ^) bekanntlich an und auf Buchenspähnen, über die das Essiggut, — ver- dünnter Alkohol, — hinabtropft. Diesen Spähnen sitzen sie außer- ordentlich fest an, in kleinen Rissen und Vertiefungen, nicht minder 1) Henneberg, W., B. C. II, 190ü, Bd. 16, S. 551 u. 1907, Bd. 17, S. 789 442 2[V. Die Gärungserscheinungen. auch im Inneren von Holzgefäßen findet man mit Hilfe des Mikroskops massenhafte Zooglüen derselben, ohne mit bloßem Auge oder durch das Gefühl etwas von ihnen wahrnehmen zn können. Bei geringer Mi- kroskopvergn'ißerung lassen sie sich als hellbräunliche Belege erkennen. Die Schnellessigbakterien werden der Art Ikict. Sdiützi)iha'•*" Auch für den Nitratbildner wurde die Abb. 88. Unbrauchbarkeit organischer Stoffe zum Nitritbildner aus Quito. Prä- Zweck der Ernährung und die Empfindlich- parat aus einer Kolonie auf keit gegen organische Stoffe festgesteUt, Kieselsäuregallerte. doch ist er nicht so empfindlich wie der Nitrit- J^ ^^^^' '^ bildner. Außerdem zeigt sich, daß die hem- ,, , „. ^ ^ , , . o ' c, nc Nach Winogradsky aus raende Vv irkung dieser organiscnen btone Lafars Hdb. sich mehr auf das Wachstum und die Ver- mehrung als auf die Oxydationstätigkeit erstreckt: gut „eingearbeitete^', nitratbildende Kulturen, d. h. solche, in denen größere Mengen des Nitratbildners sich befinden, werden durch organische Stoffe weniger geschädigt als solche, die nur mit geringen Mengen von Nitratbildnern beimpft werden. Sodann ist ein Anpassungsvermögen des Nitratbildners unverkennbar. Fleischwasser z. B , in welchem die Nitratbildung stark gehemmt wird, verliert diese Wirkung, wenn der Nitratbildner allmäh- lich an höhere Konzentration desselben gewöhnt wird. Eine Verarbei- tung der organischen Stoffe des Fleischwassers findet dabei aber nicht statt. Endlich ist noch folgendes zu beachten: Allem Anschein nach wird auch der Nitratbildner ebenso wie der Nitritbildner (S. 464) durch sehr geringe Mengen organischer Stoffe, z. B. Zucker, gefördert, wenn er auf Sand oder Erde gezüchtet wird.^) Diese Zuckerspuren können die Kohlensäure nicht ersetzen, auch hier muß vielmehr die Zucker- 1) Coleman, L. C, B, C. II, 1908, Bd. 20, S. 401. 30" 468 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. Wirkung vorläufig unerklärt bleiben. Übrigens hatte schon der Ent- decker^) des Nitrobacter festgestellt, daß in dessen Reinkulturen die Nitratbildung befördert wird durch geringe Mengen von HarnstoÖ' und Pepton, insonderheit bei reichlicher Beimpfung, d. h. dann, wenn die genannten organischen Stoffe sich auf eine große Zahl von Zellen verteilen. Auch Heu- und Blätterinfus in geringer Konzentration wirkt fördernd; wie diese Förderung sich erklärt, entzieht sich heutigen Tages ganz ebenso wie das Wesen der Förderung des Nitritbildners durch Abb. 89. Nitratbildner aus Quito aus dem den Boden des (rcfäßes auskleidenden Häut- chen in einer flüssioreu Kultur. (Vergr. 800.) — Mikrophotographie. Abb. 90. Nitratbildner aus Petersburg. Präparat aus einer Kultur auf Nitritagar. (Vergr. 800.) Mikrophotographie. Nach Winogradsky aus Lafarts Handbuch. geringe Mengen gewisser organischer Stoffe unserer Kenntnis. Da die Zufuhr von Eisensalzen zur nitrithaltigen Nährlösung die Überführung des Nitrits iu Nitrat außerordentlich begünstigt, wird man sich dem Eindruck nicht entziehen können, daß in den Fällen, in welchen Blatt- dekokte oder andere, ähnliche Zusätze die Förderung bedingen, gar nicht die organischen Stoffe, sondern mineralische Bestandteile begünstigend wirken mögen. Ganz besonders beachtenswert ist endlich die große Empfindlichkeit des Nitratbildners gegen Ammoniak und seine Verbindungen.^) Freies Ammoniak ist ganz außerordentlich schädlich, in einer Konzentration von 0^0005 °Q bedingt es schon Hemmung der Nitratbildung aus Nitrit; es wird angegeben, daß es die Vermehrung des Nitratbildner.s noch ungünstiger beeinflusse als seine oxydative Tätigkeit. Auch Ammonium- 1) Winogradsky, S. und Omelianski, W., B. C. H, 1899, Bd. 5, S 329 2) Löhnis, F.. B. C. II, 1904, Bd. 13, S. 706. Morphologie der Nitratbildner. 469 salze, z. ß. schwefelsaures Ainmouium, wirken scliädlicli, aber doch erst in weit höherer Konzentration. Jedenfalls ergibt sich hieraus schon, daß alkalisch reagierende Böden, die Ammoniunisalze enthalten, für die Entwicklung des Nitratbilduers nicht geeignet sind. Erwähnt sei auch, daß Nitritlösungen^ welche mehr als 2^/q Nitrit enthalten, nicht vom Nitratbildner oxydiert werden. Auch bei einem zu hohen Nitratgehalt i2,5%) stockt die weitere Nitratbildung. Der Nitratbildner wird durch eine Temperatur von 55 Grad inner- halb der Zeit von 5 Minuten abgetötet. Das Temperaturoptimum liegt bei 37 Grad.M Nitrobakterien, d. h. Vertreter der physiologischen Gattung Nitro- hader (Bacterium Nitrobacter) sind zuerst aus amerikanischen, dann auch aus deutschen und aus russischen Böden isoliert worden (Abb. 89, 90). In allen Fällen Jiandelt es sich, wie schon kurz angedeutet, um sehr kleine, etwa 1 ^ lange, dünne Stäbchen mit zugespitzten Enden, an Avelchen man durch geeignete Präparation die Ausbildung einer Schleim- hülle nachweisen kann. Andere Spaltpilze oder gar höhere Pilze, die zur Nitratbildung be- fähigt wären, sind bislang noch nicht nachgewiesen Avorden, manchen gegenteiligen Angaben zum Trotz, und umgekehrt vermögen unsere Bak- terien nur Nitrite zu oxydieren, nicht aber andere Stickstoffverbin- dungen zu verbrennen. Züchtet man Nitroso- und Nitrobakterien in Mischkultur in Fleischwasser, so wird der Stickstoff" aus dessen orga- nischen Verbindungen nur dann in Salpeterstickstoff überführt, wenn man als dritten Spaltpilz noch einen heterotrophen, z.B. Bac. mycoides, der aus Eiweiß Ammoniak abspaltet, hinzugesellt. Es liegt dann eine lehrreiche Vergesellschaftung von drei Bakterienarten vor.^) Somit steht die Physiologie der nitrifizierenden Bakterien in ihren Grundlinien fest. Im einzelnen ist aber vieles noch erst zu erforschen, und allen anderen Fragen voran erhebt sich die folgende: Ob diese Bak- terien, denen ein eigenartiges Oxydationsvermögen für ganz bestimmte anorganische Stoffe zukommt, neben diesen Oxydationen regelmäßig auch noch eine typische Veratmung organischer Stoffe unterhalten, vielleicht unterhalten müssen, um zu leben, oder nicht. Beim heutigen Stand der Kenntnisse können wir darüber nichts aussagen, wir wissen es nicht. In jenen oben mitgeteilten Versuchen, aus denen hervorgeht, daß geringe Zuckermengen die Nitrifikation fördeni, hat man nachgewiesen, daß der 1) Boullauger und Massol, Ref. in K. J. 1903, Bd. 14, S. 444. 2^ Omelianski, W., B. C. II, 1899, Bd. 5, S. 473. 470 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. Zucker nicht etwa katalytisch wirkt, sondern verschwindet, also offenbar von den Bakterien zerstört wird. Die Befähigung zur Dissimilation or- ganischer Stoö'e ist also jedenfalls vorhanden. In welcher Weise die Oxydation des Ammoniums zu Nitrit, bzw. des Nitrits zu Nitrat mit der Reduktion und Assimilation der Kohlen- säure verknüpft ist, darüber wissen wir schlechterdings nichts. Es dürfte wahrscheinlich sein, daß es sich bei den genannten Oxydationen um Enzymwirkungen handelt. Versuche, solche Enzyme nachzuweisen, oder gar zu isolieren, schlugen aber fehl.*) Wie verläuft nun draussen in der freien Natur die Nitrifikation? Es hat lange Zeit gewährt, bis festgestellt war, daß sie stets in zwei auf- einanderfolgenden Phasen vor sich geht, der Nitrit-, und der sich an schließenden Nitratbildung, und das hat darin seinen Grund, daß an den meisten Standorten der Nitrifikationsbakterien, z. B. im gut durchlüfte- ten Boden, nichts davon wahrzunehmen ist; im selben Maße als Ammo- niurasalze verschwinden, treten vielmehr, scheinbar sofort, salpeter- saure Salze auf; die Nitrite scheinen als Zwischenstufe zu fehlen. Auf Grund der uns nun bekannten kulturellen Erfahrungen darf diese Tatsache so gedeutet werden, daß die von den Nitritbildnern produ- zierte salpetrige Säure von den Nitratbildnern, die mit erstereu die ge- nannten Standorte teilen, sofort übernommen und weiter oxydiert wird. An manchen Standorten in der freien Natur ist allerdings auch Nitrit- bildung zu beobachten, indem dieses Salz sich bis zu einem gewissen Gi'ade anhäuft, ehe es weiter verbrannt wird. Das ist z.B. in manchen sauren Böden der Fall. Es dürfte wohl noch aufzuklären sein, ob die Bodensäure hier die Nitratbildung, aber nicht die Nitritbildung hemmt, oder ob vielleicht beschränkter Sauerstofizutritt dafür verant- wortlich zu machen ist. Gute Durchlüftung fördert, wie gesagt den Ablauf der Nitrifikation stets ganz außerordentlich. Andererseits ist es ohne Schwierigkeiten zu verstehen, warum in ammoniakhaltigen Böden die Nitratbildung gehemmt wird und Nitrit sich ansammelt: das be- ruht eben auf der erwähnten, großen Empfindlichkeit des Nitratbildners gegen freies Ammoniak. Darauf ist vielleicht auch zurückzuführen, daß man in der See häufig nur Nitritbildung, nicht aber Nitratbildung beobachten kann: im Seewasser sind an den Standorten nitrifizierender Bakterien natürlich stets Ammoniumverbindungen, gebildet durch Fäul- nis der Meeresorganismen, vorhanden; wegen der alkalischen Reaktion des Seewassers ist somit auch immer, wenngleich nur spurenweise, freies Ammoniak vorhanden, und genügt vielleicht schon, um den Nitrat- 1) Omelianski, W., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 263. Natürlicher Verlauf der Nitrifikation. 471 bildner zu schädigen; doch muß das noch genauer untersucht werden (vgl. Kap. XX). Auch in Kulturen kann man die Unterdrückung der Nitratbildung durch Ammoniak ohne Schwierigkeiten nachweisen: Impft man ammo- niumsalzhaltige Kulturen, welche durch Zusatz von basischem Magnesium- karbonat alkalisch reagieren und infolgedessen freies Ammoniak ent- halten, mit Bodenproben, so entwickelt sich zunächst wesentlich nur der Nitritbildner, und das Nitrit häuft sich in der Nährlösung an; erst wenn alles Ammonium zu Nitrit oxydiert ist, setzt die Tätigkeit der im Impfmaterial vorhandenen Nitratbildner ein. Sorgt man aber dafür, daß diese Nährlösungen kaum alkalisch, sondern fast neutral reagieren, z. B. dadurch daß man statt der Magnesia kohlensauren Kalk verwendet, so wird aus dem Ammoniumsalz keiH Ammoniak frei, der Nitratbildner kann, durch das gebundene Ammonium nur verhältnismäßig wenig ge- hemmt, in Tätigkeit treten, sobald der Nitritbildner ihm Nitrit liefert, und kann dieses nach Maßgabe seiner Entstehung sofort weiter verbrennen. Zum Zwecke der glatten Durchführung der Nitrifikation ist es also empfehlenswerter. Kreide statt Magnesia den Nährlösungen hinzuzufü- gen, und das hat auch noch den Vorteil, daß dann kein Ammoniakgas in die Luft entweicht und verloren geht.^j Es ist zur Vervollständigung des Bildes, das wir von der Nitri- fikation entworfen haben, noch darauf hinzuweisen, daß bei diesem Vorgang auch auf andere Weise Stickstoffverluste entstehen können, indem freier Stickstoff entweicht; das ist so zu erklären: Wie jeder Chemiker weiß, entwickeln Lösungen von salpetrigsaurem Ammon, — d. h. von dem Salz, welches bei der Nitrifikation stets vorhanden ist, solange noch nicht alles Ammon oxydiert und solange auch noch nicht alle salpetrige Säure in Salpetersäure überführt ist, — freien Stickstoff, zumal beim Erwärmen. Aus diesem Grund kann auch während des Ab- laufs der Nitrifikation freier Stickstoff entweichen. Bis über 15% des Ammoniumstickstoffs soll u. U. auf solche Weise verloren gehen.*) Anhangsweise sei kurz darauf hingewiesen, daß ein obligat auto- trophes Bad. nitrator beschrieben worden ist, welches Ammoniak direkt zu Nitrat oxydieren und hieraus die Energie zur Assimilation der Kohlensäure schöpfen soU, ferner ein Bad. azotofluorescens^ das Am- moniak unter Stickstoffentwicklung zersetzen soll. Eingehende Begrün- dung dieser Angaben fehlt bisher.^) 1) Löhnis, F., B. C. II, 1904, Bd 13, S. 706. 2) Godlewski, E., zit. nach K. J. 1895, Bd. 6, S. 278. 3) Kaserer, H., Ref. in B. C. 11, 1908, Bd. 20, S. 170. 472 X.VI. Autotrophie des Kohlenstoffs. Wir kommen nun zu der großen Gruppe der sog. Sehwefelbak- terieu/) von denen es z. T. sicher bewiesen ist, z. T. aber mit großer Wahrscheinlichkeit behauptet werden darf, daß sie autotroph leben. Die Kraft zur Reduktion der Kohlensäure gewinnen sie durch Oxydation von nicht mit Sauerstoff gesättigten, anorganischen Schwefelverl)indungeu, Schwefelwasserstoff, sehwetiigsauren, unterschwefligsauren Salzen ujid ähnlichen Verbindungen. Bekanntlich oxydieren sich Lösungen .solcher Stoffe schon unabhängig von biogenen Prozessen langsam an der Luft; Schwefelwasserstoff z. B. zunächst zu Wasser und Schwefel, wobei Gl, und der Schwefel zu Wasser und Schwefelsäure, wobei 141 Kalorien frei werden. Die Schwefelbakterien beschleunigen diese Oxydationen und verschaffen sich so in kurzer Zeit verhältnismäßig bedeutende Energie- mengen. Wir können in morphologischer Hinsicht die Schwefelbakterien zu- nächst in zwei große Gruppen sundern, einmal solche, welche zeitweilig Schwefel in ihrem Zellinneren ablagern, sodann solche, welche das nie- mals tun. Beginnen wir, ohne uns um die geschichtliche Entwicklung unserer Kenntnisse zu kümmern, mit den letzteren. Impft man^) eine rein mineralische Nährlösuug, die außer den not- wendigen Nährsalzen (Kalium-, Ammonium-, Magnesiunisalzen, Phos- phaten) noch unterschweHigsaures Natrium enthält und außerdem koh- lensaures oder doppeltkohlensaures Natrium, mit etwas Grabenschlamm, so überzieht sich bei Luftzutritt die Lösung bald mit einer Haut, die aus Bakterien und zwischen diesen liegenden Schwefeltröpfehen besteht. Gleichzeitig wird das unterschwefligsaure Natrium unter Schwefelab- scheidung oxydiert, und zwar zu schwefelsaurem Natrium. Der Versuch gelingt um so besser, je sorgfältiger man für Ausschluß organischer Kohlenstoffverbindungen sorgt. Die Bildung organischer Stoffe aus Kohlensäure läßt sieh durch Verbrennung der Bakterienhaut quantitativ ermitteln. Außer den unterschwefligsauren Salzen werden Schwefel- wasserstoff, Schwefelkalzium, ferner auch die sog. polythiousauren Salze z. B. tetrathion saure Salze oxydiert. Die Reinkultur dieser Formen gelingt leicht auf Agarplatten, die mit den entsprechenden Nähi*- und Energiestoffen versetzt werden. Es handelt sich um kleine, bewegliche Kurzstäbchen, die mit dem Namen Thiobacterium Utioparum belegt worden sind. Durch einen ebenfalls autotrophen, Thiobacterium denürificans be- l),Vgl. die Literaturzitate in Omelianskis Bearbtg. d. Schwefelbakterien in Lafars Hdb. Bd. 3, S. 2U. 2) Beijerinck, M. W., B. C. 11, 1904, Bd. 11, S. 593. Schwefelbakterien ; TMobacterium. 473 iianuten Spaltpilz, der gestaltlich dem ebengenannten außerordentlich ähnlieh ist, soll ferner Schwefel oxydiert werden zu schwefelsauren Sal- zen, und zwar mittels des aus salpetersauren Salzen durch Denitrifikation freiwerdendeu Sauerstoffs. Freier Stickstoff (oder Stickoxydul und Stickoxyd) würden also bei diesem Prozeß entbunden. (5S + 6KNO3 + 2H2O = K^SO, + 4KHS0, + 2N, + 626 Kai.) Nähere Untersuchungen dieser Ernährungsweise fehlten bis vor kurzem, neuerdings wird aber berichtet, dali man jederzeit solche Formen leicht demonstrieren kann: Man isoliert sie aus Meeresschlamm und züchtet sie auf Agar, welchem man verbreunliche Sehwefelverbindungen (Thio- sulfat) beigibt. Anaerob vermögen sie nur bei Salpeterzufuhr zu Avach- sen. Hier wird also der Schwefel durch den Nitratsauerstoff oxydiert und die dabei freiwerdende Energie zur Assimilation der Kohlensäure verwendet. ^) Wir sind hiermit auf Meeresbakterien zu sprechen gekommen und müssen nun noch sagen, daß man, schon bevor man das Thiohacterium fliioparum kennen lernte, im Seewasser des Neapler Golfs autotrophe Spaltpilze nachgewiesen hat,^) welche dieselben oder doch ähnliche Oxy- dationsvorgänge unterhalten wie jenes. Als Kraftquelle, die der minera- lischen Nährlösung zugesetzt wurde, diente hierbei Schwefelkalium oder unterschwefligsaures Natrium. Es bildete sich dicht unter der Oberflä- che ein aus Schwefeltröpfchen und aus beweglichen Stäbchen beste- hendes Häutchen, aus dem die Bakterien auf Agar reingezüchtet werden konnten. Bei Ausschluß von freier Kohlensäure und Mangel eines koh- lensauren Salzes in der Nährlösung unterblieb die Entwicklung, trat langsam ein, wenn nur freie Kohlensäure geboten wurde, schnell aber, wenn ein Karbonat oder ein solches und freie Kohlensäure gegeben wurde. Also diente auch hier Kohlensäure, frei oder gebunden, als Bau- stoff. Die Oxydation, welche die Kraftquelle vorstellt, soll allerdings etwas anders verlaufen als bei Thiohacterium thioparmn: es soll näm- lich aus dem unterschwefligsauren tetrathionsaures und schwefelsaures Natrium gebildet werden, und der freie Schwefel soll seine Entstehung der Wechselwirkung zwischen dem entstandenen Tetrathionat und dem in der Lösung gebotenen unterschwefligsauren Natrium verdanken. Wei- tere Untersuchung dieser Frage ist geboten.^) Aus der Erfahrung, daß Zucker, den man den soeben behandelten autotrophen Meeresbakterien darbietet, nicht angegriffen wird, hat man geschlossen, daß die fragli- 1) Nathansohn, A., Stoffwechsel der Pflanzen, Leipzig 1910, S. 312. 2) Nathansohn, A., Mitt. a. d. Zool. Stat. z. Neapel 1902, Bd. 15, S. 655. 3) Beijeriuck, M. W., B. C. II, 1904, Bd. 11, S. 593. 474 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. chen Spaltpilze außer der Oxydation der Schwefelyerbindungen keine anderweitigen Oxydationen unterhalten, also keine Atmung, die in einer Verbrennung selbst gebildeter, organischer Stoffe besteht. Falls dieser Schluß zwingend ist, wäre also für diese Schwefelbakterien die oben für Nitrifikationsbakterien notgedrungen offen gelassene Frage, ob orga- nische Stoffe veratmet werden, negativ beantwortet. Es erscheint jedoch fraglich, ob nicht von Thiohacierium andere organische Stoffe als Zucker dissimiliert werden können oder sogar müssen. Inwieweit die Lebenstäticrkeit der genannten Schwefelbakterien auf Enzymtätigkeit beruht, entzieht sich noch unserer Kenntnis. Mit weni- gen Worten wollen wir aber darauf hinweisen, daß auf Agarplatten in einiger Entfernung von den Bakterienkolonien Oxydationswirkungen, die also extrazellulär wirkenden Enzymen zugeschrieben werden müssen, beobachtet werden konnten. Es wird nämlich Schwefel oxydiert, so daß sich auf schwefelgetrübten Platten um die Kolonien herum ein klarer Hof bildet. Vielleicht hat das den Sinn, daß so der unlö.sliche Schwefel in lösliche schwefligsaure Salze überführt werden soll, welche dann von den Zellen aufgenommen und oxydiert werden.^) Wir kommen jetzt zur Behandlung derjenigen Schwefelbakterien, welche Schwefeltröpfchen in ihrem Zellinuern ablagern können; es sind das die zuerst bekannt gewordenen Schwefelbakterien. Früher waren die Physiologen der Meinung, daß sie vorwiegend Reduktionsprozesse unter- hielten, und daß die Entstehung von Schwefelwasserstoff auf ihre Rech- nung zu setzen sei, bis man erkannte^), daß sie im Gegenteil den Schwefelwasserstoff oxydieren, und zwar zuerst zu Wasser und Schwefel: 2H2S -f Oo = 2H2O -I- 2S -f- 122 Kai, welch letzteren sie in ihrem Protoplasma speichern, um ihn sodann nach Bedarf zu Wasser und Schwefelsäure weiter zu verbrennen: 2S -f 3O2 + 2H2O = 2H2SO, + 282 Kai. Die Schwefelsäure tritt mit kohlensauren Salzen der Umgebung, vor allem mit Kreide in Berührung, und so entsteht endlich unter Freiwer- den von Kohlensäure schwefelsaurer Kalk, Gips. Da letzterer u. U. wie- der durch Bakterien reduziert werden kann (S. 408j unter Bildung von Schwefelwasserstoff, so ist hiermit des Kreislauf des Schwefels innerhalb der Bakterienwelt geschlossen. Zählen wir die wichtigsten, hierhergehörigen Formen auf! 1) Nathansohn, A., Stoffwechsel, S. 383. 2) Winogradsky, S., Bot. Ztg., 1887, Bd. 45, S. 439. Beggiatoa, Thioploca, Tliiothrix. 475 Die bekanntesten Schwefelbakterien gehören zur Gattung Bcygiatfxi mit ihren verschiedenen Arten. Wir erinnern uns daran, daß es sich um kriechende Zellfäden handelt, die sich auf Grund verschiedener Dicke in viele Arten zerlegen lassen. Die häufigste Form ist vielleicht Beggiatoa alba, 4 — 5^2 ^ dick (Abb. 1>1). Durch sehr dünne Fäden ausgezeichnet ist B. minima, 1 — 2,5 ^ dick. Zwi- schen beiden steht B. media, 2,b — 4 [i dick. B. arachnoidea ist etwas dicker als B. alba, und end- lich am mächtigsten ist B. mirabilis, jene zumal aus Bi'ackwasser bekannte Riesenform (Abb. 68, S. 205). Zwischen diesen Arten gibt es nun alle möglichen Ubergangsformen, man könnte denken, daß es sich um eine einzige Art handle, deren Ver- treter je nach den Lebensbedingungen bald dickere, bald dünnere Fäden ausbilden. Es hat sich aber gezeigt, daß die Fäden, längere Zeit fortgezüchtet, die ihnen eigene Dicke konstant beibehalten, d. h. ein Übergang von einer Art in eine andere konnte nicht erwiesen werden. Doch sind weitere Unter- suchungen dieser Frage erwünscht (vgl. S. 224). Ein wunderbares Schwefelbakterium ist Thioploca Schmidlii,^) im Grundschlick des Untersees (Boden- sees) gefunden. Es handelt sich um Beggiatoa- ähnliche Fäden, die seilartig umeinandergewunden in einer weit abstehenden Gallertröhre darin stek- ken. Die Zellen sind bis gegen 10 ft, die Röhren bis 160 // dick und mehrere Zentimeter lang. Die Gattung Tliiothrix, in Schwefelquellen mit Beggiatoa stets vereint vorkommend, aber im Gegensatz zu dieser festgewachsen und zur Bildung beweglicher Konidien befähigt (vgl. Abb. 40 auf S. 151), zerfäUt ebenfalls jenacb dem Durchmesser der Fäden in verschiedene Arten. Th. nivea, tenuis und teimissima werden unterschieden. Übrigens ist zu beachten, daß die Fäden der erstgenannten Art nicht überall gleich dick sind, bei Th. nivea verjüngen sich die Fäden von der festgewachsenen 1) Lauterborn, R., Ber. d. d. bot. Ges. 1908, Bd. 25, S. 238. Abb. 91 Beggiatoa alba vom toten Grund der Kieler Föhrde. (Vergr, ca. 400.) Nach A. Enffler. 476 XVI. Autotropliie des Kohlenstoti's. Basis zum freien Ende hin. An der Basis sind sie 2 — 2,5 a in der Mitte 1,7 (i, am Ende 1,5 a dick. Th. tenuis ist 1,1 fi dick, tenuissima „fast unmeßbar*' dünn. Sodann haben wir noch die Gattungen Thiopltysa (Abb. 92) und Hillhousia , wegen deren wir auf S. 205 verweisen. Ferner gibt es Schwefelspirillen, Th iospiriUum Wiuoijrads- Jß9j^^ l>yi, eine Form von sehr schwankender YTit , ^\Sp Länge und B jw Querdurchmesser. Einige - ,*»<^ andere Arten, die als Schwefelspirillen be- ^^^£^m schrieben werden, sind entweder zu den Pur- "*"' purbakterien zu rechnen, oder aber es ist Abb. 92. ^jg jij^at^ij. ihrer Einschlüsse wohl noch nicht Thioplußa vnhüans. g-^.j^^j. festgestellt.^) Auf die in Limanen Schwetelbelailene Zellen, , , , , i x-- i -i i j o i, ,1 TU -1,4. zu beobachtenden, JNiveaus bildenden öchwe- nach dem Leben gezeichnet. ' ■ i • i , Yg j. 950 ) felbakterien kommen wir gleich noch zu Xacli Hinze. sprechen. Wir haben hiermit eine kurze Übersicht über die farblosen Schwefelbakterien gegeben,^) die roten Schwefel- bakterien werden wir später behandeln. Es sei nun zunächst betont, daß der größere oder geringere Gehalt an Schwefel der Zellen kein spezifisches Unterscheidungsmerkmal ist, da der Gehalt je nach der Lebenslage wechselt, mit dem Gehalt der Umgebung an Schwefelwasserstoff steigt. Wie aus dem mikro.skopischeu Bild hervorgeht, bildet sich der Schwefel nicht in Form kleiner Kri- ställchen in den Zellen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach in der Form zäher Tröpfchen. Diese liegen im Protoplasma, teilweise so stark peripher, daß die Meinung auftauchen konnte, sie lägen außerhalb des Protoplasmas, nur von der Zellhaut bedekt. Wahrscheinlicher aber ist 1) Omeliauski, W., B. C. II, 19U5, Bd. U, S. 709. 2) Nachtr. Anm. Molisch, H., B. C. II, 191-J, Bd. 3--', S. 55 beschreibt noch eine Anzahl weiterer farbloser Schwefelbakterieu mit intrazellulärem Schwe- fel, ein aus Süßwasser stammendes SpiriUum, ferner ein marines Bacterium und ein marines SpiriUiim, sodann zwei neue Thiothrix- und eine neue Beggiatoaavt aus der See, endlich das eigenartige Bact. Bovista, gleichfalls marinen Unspruugs; dieses bildet blasenförmige Kolonien, die bis zu 4 mm Durchmesser erreichen können; aus einer Blase können durch eine Art von Knospung Blasengruppen entstehen; die Zellen liegen in der Haut der Blasen, die von einer zellfreien Flüssigkeit erfüllt sind. Moli seh sagt ferner, daß aucji die Gattung Achro- matium (Monas), die ziemlich große oval -zylindrische Zellen bildet und von welcher Vertreter an der Küste von Diinemark (A. MiiUeri) sowie im Schlamm von Altwä.^sern des Rheins* (J.. oxalifejuiiu gefunden wurden, farblose Schwefel- bakterien sind. A. oxaliferum soll mit Hillhousia identisch sein, während ich glaubte, HiUhousia in die Nähe von Thiophyui stellen zu sollen (vgl. S. 125). Thiophysa, Thiospirülum, Hülhousia. 477 es, daß sie immer iuuerhalb des Protoplasmas, manchmal vielleiclit nur durch eine sehr dünne Protoplasmaschicht von der Zellhaut getrennt liegen. Flüssiger Schwefel ist nun unter gewöhnlichen Bedingungen nicht beständig, sondern neigt zur Kristallisation. Gewöhnlich wird gesagt, das lebende Protoplasma verhindere auf irgendeine unbekannte Weise, daß es zu solcher Kristallisation komme. Tatsächlich kann man auch, wenn man die Zellen abtötet, leicht erreichen, daß dieser Kristallisa- tionsprozeß vor sich geht. Essigsäure soll ein zu diesem Behuf beson- ders geeignetes Tötungsmittel sein. Der Schwefel erscheint dann in Form beständiger rhombischer Pyramiden, die, u. U. die Zellhaut durch- setzend, in und an den toten Zellen oder Zellfäden sichtbar werden und durch ihr Verhalten gegen Lösungsmittel ganz sicher als Schwefelkri- ställchen diagnostiziert werden können.^) Was wissen wir nun über den Stoffwechsel dieser Schwefelbakterien mit intrazellulärem Schwefel? Zunächst hat man an Objektträgerkultu- ren von Beggiatoa und Thiothrix, — R^einkulturen sind noch nicht ge- glückt, — festgestellt, daß sie unbedingt die Oxydation des Schwefel- wasserstoffs zu Schwefel und dieses zu Schwefelsäure unterhalten müs- sen, um leben zu können, sie sind darauf im gleichen Maße eingeschworen, wie etwa Nitroso- und Nitrobakterien auf die Nitrifikation. Hält man sie auf dem Objektträger ohne Zufuhr von Schwefelwasserstoff, so ver- schwindet der Schwefel aus ihren Zellen, indem er zu Schwefelsäure oxy- diert wird. Schwefelfreie Fäden von Beggiatoa bewegen eich noch etwa 24 Stunden lang, werden dann aber inhaltsarm und sterben ab, indem ihr Protoplasma vakuolig wird. Führt man aber rechtzeitig neuen Schwefelwasserstoff zu, so treten schon nach wenigen Minuten wieder Schwefeltropfen im Zellinnern auf als Zeichen dafür, daß die vitale Oxy- dation wieder eingesetzt hat, und die Fäden leben munter weiter. Der tägliche Bedarf der Zellen an Schwefelwasserstoff soll das Gewicht der Zellen um das Mehrfache übertreffen. Die eben geschilderte Speicherung und Wiederauflösung des Schwefels geht bei Thiothrix besonders leb- haft vor sich. Diese Gattung wächst auf dem Objektträger nur dann gut, wenn man dafür sorgt, daß ihre Zellen dauernd mit Schwefel voll- gestopft sind. Fragen wir nun nach der Bedeutung dieser eigenartigen Oxydationserscheinungen für den Stoffwechsel der Schwefelbakterien I Als man zuerst ihre Befähigung zur Oxydation des Schwefelwas- serstoffs entdeckt hatte, neigte man der Annahme zu, sie lebten vermit- telst der Energie, die sie sich dadurch beschaffen, von einfachen Kohlen- stoffverbindungen organischer Natur, wie solche sich in sehr geringen 1) Litt, bei Corsini, A., B. C. II, 1905, Bd. U, S. 272. 478 XVI. Autotrophie des Eohlenstoffs. Mengen auch in reinsten Schwefelwässern finden. Das Weilbacher Schwefelwasser entält z.B. 0,005 °qq organische Substanz. Die Verbren- nung des Schwefel wasserstoits sollte eine „anorganische Atmung'^ sein, bestimmt, die Energie zu liefern zum Aufbau der Zellen aus solchen einfachen Kohlenstoffverbindungen und zu sonstigen Lebensäußerungen. Man geht aber wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß diese Energie auch hier ebenso wie bei den Schwefelbakterien ohne intrazellulären Schwefel dazu dient, die Kohlensäure als Nährstoff zu verwerten, daß also auch Bef/(/iatoa, Tltiothrix, ThiospiriUum und die andern mit intra- zellulärem Schwefel begabten Formen autotroph sind. Das ist ganz besonders wahrscheinlich geworden seit der Entdeckung des Thiohade- rium und seiner physiologischen Ebenbilder, deren Autotrophie aus dem Verhalten in Reinkultur bestimmt erschlossen werden kann. Nehmen wir nun einmal an, das sei sicher nachgewiesen, so bleibt es immer noch zweifelhaft, ob sie nebenher noch andere Oxydationen ausführen, durch welche organische Stoffe, die sie aus Kohlensäure gebildet haben, zer- stört werden, eine Frage, die wir ja auch bei Tliiohactcrium tJiioparum offen lassen mußten und auch bei den Nitrifikationsbakterien nicht beantworten konnten. Solche und andere sich anschließende Fragen an der Hand von J5ey/7«aYoareinkulturen zu lösen, wäre eine Aufgabe, „des Schweißes der Edlen wert". Reinkulturen würden uns auch erst über die Frage belehren, wie die Schwefelbakterien mit intrazellulärem Schwe- fel ihren Stickstoöbedarf decken. Man darf vermuten, daß sie anorga- nische stickstoffhaltige Salze verwenden. In Schwefelwässern werden „Spuren von ammonium- und salpetersauren Salzen gefunden". Im Bedarf an sonstigen Nährsalzen, Phosphaten, Kali- und Magnesiumsalzen usw. dürften sie wohl von andern Spaltpilzen nicht abweichen. Wir haben nun einen Punkt noch im Zusammenhang für alle Schwefelbakterien zu erörtern. Sie sind angewiesen auf Schwefelwasser- stoff (oder andere nicht mit Sauerstoff gesättigte Schwefelverbindungen) einerseits, der oxydiert werden, und auf Sauerstoff' andererseits, der oxy- dieren soll. Schwefelwasserstoff' und Sauerstoff sind nun aber zwei Gase, die nebeneinander nicht beständig sind, da sie sich zu Schwefel und Wasser umsetzen; ein dauernder Überschuß des einen verhindert die An- wesenheit des andern. So ist es denn begreiflich, daß unsere Schwefel- bakterien an ihren Standorten immer die Stellen aufsuchen, an denen von der einen Seite, meist von unten zuströmend, Schwefelwasserstoff, von der andern, meist oberen Seite Sauerstoff' aufeinander stoßen und sich auch ohne Bakterientätigkeit, wenngleich langsamer, vereinigen würden. So erklärt sich ohne Schwierigkeiten die Tatsache, daß jene oben (S. 473) genannten Schwefelbakterien aus dem Mittelmeer ein Niveau in einiger Physiologie der Schwefelbakterien. 479 Entfernung von der Oberfläche bilden. Von Thiohacttrium thioparum hat man auch Atmungsfiguren unter dem Mikroskop studiert und ge- funden, daß es Ansammlungen in einiger Entfernung vom Deckglasrand bildet, also dem „Spirillentypus" folgt. Thiothrix, deren Fäden festgewach- sen sind, kann durch ihre beweglichen Konidien geeignete Stellen auf- suchen und hat vor nicht festgewachsenen Schwefelbakterien den Vor- teil, daß sie sich auch in strömenden Schwefelwässern, an günstigen Stellen, von welchen z. B. Beggiatoen weggespült werden würden, halten kann. Thiothrix ist ein „exquisiter Quellenbewohner". Bei Beggiatoen, die man auf dem Obkektträger untersucht, kann man sehr hübsch beob- achten, wie sie sich nach der Mitte des Tropfens hinbewegen wo viel Schwefelwasserstoff vorhanden ist, sich dort mit diesem Gas beladen, dann dem Rand des Tropfens wieder nähern, um es unter Bildung von intrazellulärem Schwefel, sodann von Schwefelsäure zu verbrennen, wor- auf sie wiederum Orte mit höherer Schwefelwasserstoä'spannung auf- suchen. Sehr charakteristische Niveaus, welche bestimmte Schwefelbak- terien bilden, kann man — davon war früher schon die Rede (S. 319f.) — auch beobachten, wenn man in ein Reagensglas fauligen Schlamm gibt und darüber Wasser, in dem die besagten Mikroben sich vor- finden. Von solchen Niveaus, „BaMerienplatten", die sich in einiger Entfernung vom Niveau des Wassers bilden, und zwar bei reichlichem Schwefelwasserstoffgehalt näher an der Oberfläche als bei spärlichem, hängen aus Bakterien bestehende „Quästchen" nach unten, in deren Achse die Bakterien nach unten schwimmen, um an der Oberfläche der Quästchen zur Platte zurückzukehren. Die mikroskopische Unter- suchung lehrt nun, daß in der nach unten gerichteten Spitze der „Quästchen" die Zellen sich mit Schwefel beladen, den sie aus dein von unten her zuströmenden Schwefelwasserstoff bilden, dann nach oben schwimmen, wo er zu Schwefelsäure oxydiert wird, die an die Außenflüssigkeit abgegeben wird, und nun beginnt der Kreislauf der Zellen von neuem. Solche komplizierten Bakterienplatten sind zuerst studiert worden an Bakterien, die isoliert wurden aus den Lima- nen, d. h. flachen Salzseen an den Küsten des Schwarzen Meeres, deren Grund mit einem durch Schwefeleisen geschwärzten, Schwefelwasser- stoffentbindenden Schlamm bedeckt ist. Die betreffenden Bakterien sind schwach gekrümmte Stäbchen mit Befähigung zur intrazellulären Schwefel- ablagerung, von denen eine größere und eine kleinere Art beschrieben wird. Sie sind begaißelt und haben die Befähigung, sich gelegentlich auch festzusetzen. Wie ersichtlich, handelt es sich hierbei um Erscheinungen, die ganz analog den Bewegungen der Beggiatoen sind, die man unter dem 480 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. Deckglas beobachten kann, nur entsprechend der andern Organisation dieser Limanenbakterien verändert. — Plattenbildungen kann man ferner auch in Kohkulturen des T hiospirillum Winogradskyi (S. 476) beobach- ten. In einem Glaszylinder, in dem sich ein mit Gips und organischen Resten versetzter Schlamm unter einer 40 cm hohen W assersohicht befand, zeigte sich nach mehrmonatlicher Versuchsdauer im untern Drittel eine aus der genannten Art bestehende Platte. 8ie strebte, offen- bar von Schwefel Wasserstoff hunger getrieben, laugsam zu Boden und verschwand im Schlamm. Rührte man diesen um, so erschien, wenn der Schlamm sich gesetzt hatte, die Platte bald wieder, um al)ermals allmäh- lich nach unten zu sinken. Somit macheu die Lebensbedürfnisse der Schwefelbakterien, die wir soeben kennen gelernt haben, uns ihre Anpassungen an den freien Sauerstoff", die wir bereits früher (S. 2()4) beschrieben haben, ver- ständlich. Es sind die ersten Bakterien, bei welchen man beobachtet hat, daß sie weder ganz ohne Sauerstoff leben können, — ohne solchen ersticken sie alsbald, sie können darum nicht allzuviel Schwefelwasser- stoff vertracren, da dieser allen Sauerstoff des Wassers mit Beschlag belegen würden, — noch auch so hohe Sauerstoffspannung lieben, wie sie in der Atmosphäre vorhanden ist; sie gedeihen also am besten bei einem zwischen diesen beiden Werten liegenden Sauerstoffgehalt. Exakte, d. h. zahlenmäßige Angaben darüber, bei welchem Gehalt das Optimum liegt, sind aber nicht vorhanden; es kann nach dem, was wir oben gehört haben, keinem Zweifel unterliegen, daß dies Optimum mit dem J]rnährungszustand wechselt. Draußen in der Xatur finden sich Schwefelbakterien zunächst überall da, wo durch Fäulnisbakterien Schwefelwasserstoff gebildet wird. Will man im Laboratorium in Rohkulturen die natürlichen Standorte dersel- ben nachahmen, so kann man auf den Boden eines Glases faulende Was- serpflanzen (z. B. das Rhizom von der Schwanenblume) legen, Sand oder Erdboden darüber schichten und dann mit Wasser auffüllen. Auch kann man Gips hinzufügen, der in den tieferen Schichten reduziert wird, wodurch der Gehalt an Schwefelwasserstoff, d. h. Atemmaterial der Schwefelbakterien, noch gesteigert wird. Bald sammeln sich Beggiatod und Genossen an der Oberfläche des Sandes an, diesen oft mit mächti- gen, weißen, Spinngewebe -ähnlichen Überzügen versehend. Nicht in di- rekter Abhänjricrkeit von andern Mikroben, darum reiner und vielfach auch besonders schön ausgebildet findet man sie aber, wie schon erwähnt, in den Schwefelquellen: auch hier fallen sie dem bloßen Auge durch ihre vom Schwefelgehalt herrührende, weiße Färbung auf, und ihre Vege- tationen hören in einiger Entfernung von der Austrittstelle der Quelle, Standorte von Schwefelbakterien. 481 sobald sich kein Schwefelwasserstoff mehr im Wasser vorfindet, „wie abgeschnitten" auf. Was die Temperaturausprüche angeht, so wären wohl weitere Un- tersuchungen darüber, ob die verschiedenen Arten der eben genannten Schwefelbakterien in dieser Hinsicht Unterschiede zeigen, angebracht. Betrachten wir sie als eine Gesamtheit, so dürfen wir sagen, daß sie ein recht großes Temperaturintervall haben. Nicht nur in Schwefelthermen, sondern auch in 5 — 8 Grad kalten Schwefelwässern des Berner Ober- lands finden wir Schwefelbakterienvegetationen. Wir wollen nun anhangsweise mit einigen Worten noch eines eigen- artigen Vorkommens^) von Bakterien gedenken, die ebensowenig wie Thiohaderium Schwefel in ihrem Innern ablagern und übrigens nur mit Vorbehalt zu den Schwefelbakterien (nach unserer obigen Um- grenzung dieser Bezeichnung), gerechnet werden dürfen, solange nicht genauere Untersuchungen vorliegen. Als Schwefelrasen, „Baregine", kann man in Schwefelquellen festgewachsene Bakterienzooglöen be- zeichnen, die mit Schwefel durchsetzt sind und recht beträchtliche Dimen- sionen annehmen können. Solche werden^) z. B. recht anschaulich aus japanischen Schwefelthermen beschrieben, wo sie sich in Wasser, das eine Temperatur von 51 bis 70 Grad hat, vorfinden. Es handelt sich also um thermophile Formen. Die Zooglöen stellen Zöpfe oder Stränge vor, in rasch fließendem Wasser bis 2(J cm lang, von gelblicher oder weißer Färbung. Gelblich sind sie in langsam fließendem Wasser, wo der Schwe- fel in Form größerer Kriställchen sich an dem Bakterienschleim vor- findet, weiß in schnell strömenden Bächen, wo er sich an ihnen in Form kleinster, amorpher Partikelchen festsetzt. Solche Zöpfe finden sich in den fraglichen Thermen stets im fließenden, nie im stehenden Wasser, immer in geringer Entfernung von der Oberfläche an Stellen, zu denen noch genügende Mengen von freiem Sauerstoff dringen, also nur in seichtem Wasser am Grund festgewachsen. Die Abscheiduns; von Schwe- fei aus dem im Wasser gelösten Schwefelwasserstoff ist ein Oxydations- vorgang, von welchem in diesem Fall noch fraglich ist, ob er mit oder ohne bakterielles Zutun durch den Luftsauerstoff erfolgt. Jedenfalls hat der Bakterieuschleim eine für solche Abscheidung sehr günstige Kon- stitution, denn mit Gelatine überzogene Fäden oder andere künstliche Nachbildungen solcher Zooglöen inkrustieren sich nur in unbedeutendem Maß mit Schwefel. Untersucht man solche Rasen mikroskopisch, so zei- gen sie in dem Schleim „sensenförmige" Bakterien, deren Zellen durch- schnittlich 20 fi lang und anderthalb ^ breit sind. Andere Rasen zeigen 1) Miyoßhi, M., Journ. of the coli, of science 1897, Bd. 10, S. 2. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 31 482 ^^^^- Autotiophie des KohlenstofiFs. ähnliche, aber viel kleinere ZeUen. Untermischt mit diesen finden sich andere Bakterien in mehr oder minder großer Zahl. Es liegt nun in der Tat die Vermutung nahe, daß diese eigenartigen, sensenförmigen Spaltpilze Schwefelbakterien sind, die den Schwefelwasserstoff des Ther- malwassers zu Schwefelsäure oxydieren und sich durch diese ihre Le- benstütigkeit Betriebsenergie verschaffen. Diese Hypothese wird dadurch gestützt, daß man sie bislang außer in schwefelwasserstoffhaltigen Wäs- sern nie gefftnden hat. Wenn sie sich nur im tiioßenden Wasser anzu- siedeln vermögen, so könnte das damit zusammenhängen, daß in diesem die bei der Oxydation entstehende Schwefelsäure schnell entführt wird, während sie sich im stehenden Wasser in schädlichem Maße ansammeln würde. Ganz besonders eiijenartijf und interessant dürfte ferner eine in andern japanischen Thermen, und zwar solchen, die durch geringen Schwefelwasserstoffgehalt und starken Gehalt an freier Säure (0,24 "q Schwefel- und gegen M,l "^ Salzsäure) ausgezeichnet sind, vorkommende Vegetation von Fadenbakterien sein, „deren schlanke, dünne, oft meh- rere Dezimeter i ?) lange, dicht mit feinem Schwefelpulver bedeckte Fäden in ruhigem oder langsam fließendem Wasser senkrecht oder etwas schräg noch oben stehen und saufte Bewegungen mit der Stromrichtung aus- führen". Die Form wird als Leptotlirix sulfurea bezeichnet, ihre ZeUen führen im Innern nie Schwefel, und erst weitere Untersuchungen können ergeben, oIj es sich um Schwefelbakterien handelt. Körperform und Standort sind jedenfalls so eigenartig, daß die kurze Erwähnung dersel- ben in diesem Zusammenhang gerechtfertigt sein dürfte.^) Wir schließen hier eine Besprechung der Ernährungsphysiologie der Purpurbakterien') an, jener eigenartigen, schönen Bakterien, die uns mit Rücksicht auf ihre Körpergestalt, ihr Verhalten zum freien Sauer- stoff, sowie ihre Keizbeweguugen schon mehrfach beschäftigt haben. Wir fassen unter diesem Namen, wie wir uns erinnern, nicht etwa alle beliebigen dem bloßen Auge rot erscheinenden Bakterienansammlun- gen zusammen, vielmehr nur solche Arten, bei denen der Farbstoff intra- zellular sich vorfindet, und zwar das gesamte Protoplasma gleich- mäßig durchtränkt; er ist nicht etwa auf eine äußere Schicht der le- benden Substanz, wie man früher wohl annahm, oder gar auf besondere 1) Miyoshi, M., a. a. 0. 2) Molisch, H., Die Purpurbakterien, Jena 1907, dort. Lit.; vgl. auch: Vahle, C, B. C. 11, 1910, Bd. 25., S. 178. Bakteriopurpurin, Bakteriochlorin. Airosomen. 483 Farbstoflfträger beschränkt. In chemischer Beziehung stellt er eine Mi- schung aus zwei Farbstoffen vor, einem grünen Farbstoff, dem „Bakte- riochlorin", und einem roten, dem „Bakteriopurpurin", die beide in spek- troskopischer Beziehung gut gekennzeichnet sind. Der grüne ist vom Chlorophyll der höhereu Pflanzen durchaus verschieden. Der rote kommt in mehreren, mindestens zwei, etwas verschiedenen Modifikationen vor. Wenn in der Natur die Färbung der Purpurbakterien recht verschie- den ist, bald leuchtend rot, bald schmutzig violett oder bräunlich, so beruht dies zum Teil darauf, daß je nach Art und Standortsbedingungen die beiden Farbstoffe nicht im selben Verhältnis gemischt sind, zum Teil auch darauf, daß es, wie erwähnt, verschiedene Bakteriopurpurine gibt. Neben andern Faktoren beeinflußt auch der Schwefelwasserstoff- gehalt des Mediums den Farbenton: bei reichlicher Zufuhr dieses Gases wird die Färbung gesättigt rot oder rot-violett. Daß man die Wirkungsweise des Schwefelwasserstoffs auf die Fär- bung der Purpurbakterien untersuchte, hängt damit zusammen, daß die Purpurbakterien zum Teil gleichzeitig Schwefelbakterien, und zwar mit intrazellulärem Schwefel sind. Früher hielt man sogar alle Purpurbak- terien oder doch die meisten für Schwefelbakterien, bzw. rechnete solche, die keinen intrazellulären Schwefel abzulagern vermögen, nicht zu ihnen, heutigen Tages aber stellt man zu den Purpurbakterien alle diejenigen Formen, welche durch den Besitz des charakteristischen, oben gekennzeichneten Farbstoffs ausgezeichnet sind, und unterscheidet dem- gemäß schwefelführende von schwefelfreien Purpurbakterien, Thiorho- dobakteriazeen von Athiorhodobakteriazeen. In den Zellen mancher Purpurbakterien hat man nun noch eigen- artige Einschlüsse gefunden, denen wir bei andern Bakterien nicht be- gegnen, sogenannte Airosomen oder Schwebekörperchen. Die große stäb- chenförmige, von einer Schleimhülle oder auch in andern Entwicklungs- stadien schleimhüUenfreie und dann bewegliche Purpurbakterie EJio- docapsa suspensa aus der Adria zeigt unter gewissen Verhältnissen diese Schwebekörperchen als eigentümliche, stark lichtbrechende Körper- chen von „unregelmäßiger Form und rötlicher Farbe, die den Plasma- leib wie gekammert und bizarr zerklüftet erscheinen lassen". Diese Kör- perchen besitzen ein sehr geringes spezifisches Gewicht und bedingen offenbar die Fähigkeit dieser Form, sich schwebend als sogenannte Was- serblütezu erhalten Entfernt man die Airosomen, was z.B. durch Druck erfolgen kann, so verlieren die Zellen ihre Schwebefähigkeit. Auch Rhodotliece pendens (Abb. 93) ist durch den Besitz von Airo- somen und gleichzeitig durch Schwebefähigkeit ausgezeichnet. Die Airo- somen können gemeinsam mit Schwefeltröpfchen in den Zellen vor- 31* 484 ^"^I- Autotrophie des Kohlenstoffs. kommen. Sie sind übrigens noch problematische, in stofflicher Be- ziehung recht unbekannte Dinge, die man auch bei andern Wasserblüte- bildenden Pflanzen nachgewiesen und dort vielfach als Gasvakuolen ge- deutet hat. Die Purpurbakterien leben in Teichen, Sümpfen, Brackwasser- gräben, Meerwasser in Küstennähe und bilden oft mächtige, dem bloßen Auge auifallende rote Ansammlungen, stets an gut beleuchteten Stellen. Eine besonders häufig erwähnte Art anderer- seits, Spirillum rubrum, wurde aus einer toten ^luus isoliert. Man kann sich Purpurbakterien k'icht verschafi"en, wenn man organische Stofie, Heu, Tiere, ein Ei, Knochen usw., unter einer hohen Wasserschicht bei Lichtzutritt faulen läßt. Sie entwickeln sich zumal dann kräftig, wenn man den Versuch im Frühjahr oder Som- mer ansetzt. Es empfiehlt sich, durch Uber- . , > schichten des Wassers mit Ol den Luftzutritt Bhodothece pemlens, einzuschränken. Was die Reinkultur anlangt, lebend in Tusche. SO ist Sp. rubrum schon lange in solcher er- (Vergr. ca. 470.) halten und weiter gezüchtet worden. Sie ge- Nach Molisch. linjjt auch bei andern, wenigstens bei schwefel- freien Formen, wie neuere Versuche gezeigt haben, unschwer dann, wenn man Agar, dem man Nährsalze, Pepton und ein Kohlehydrat oder Glyzerin zusetzt, verwendet. Je nachdem das Sauerstoflfbedürfnis größer oder kleiner ist, erscheinen die roten Kolonien höher oder tiefer im Agar. Behufs längerer mikroskopischer Beobach- tung kann man sich auch Kulturen unter dem Deckglas anlegen, dessen Rand man am besten mit venetianischem Terpentin luftdicht verkittet. Da nun die Purpurbakterien, wenigstens soweit man sie bisher in Reinkultur untersuchte, ohne organische Stoffe nicht gedeihen können, sind sie gewöhnliche, saprophytische Bakterien. Früher war häufig der Gedanke erwotjeu worden, ob wohl der Farbstoff dieselbe Rolle wie das Chlorophyll spiele, ob also am Licht Sauerstoff ausgeschieden, Kohlen- säure reduziert und zum Aufbau der Zellen verwendet würde. Doch zeigte sich, daß alle Purpurbakterien, die man untersuchte, im Licht keine Spur von Sauerstoff ausscheiden und daß sie zudem, wie eben ausgeführt, or- ganischer Stoffe bedürfen, d. h. von Kohlensäure nicht leben können. Weiter hat sich gezeigt, daß in vielen Fällen, z. B. bei der Reinzucht auf gallertigen Böden, das Licht zum Wachstum nicht unbedingt nötig ist, förderlich ist es jedoch immer. Versuche, Purpurbakterien in flüssigen I^ährböden ohne Lichtzutritt zu züchten, bleiben häufig ohne Erfolg, und Physiologie der Purpurbakterien. 485 in Rohkulturen, wie man sie durch Ansetzen von Heuinfus o. ä. erzielen kann, ist Belichtung fast unerläßlich, um gutes Wachstum zu erzielen. Nur in seltenen Fälleu, so wird angegeben, können auch Kohkulturen im Dunkeln gedeihen. Die Vermutung, daß hierbei Wärmestrahlen das Wachstum ermöglichen, ist vielleicht zu Recht ausgesprochen worden, und es darf möglicherweise gesagt werden , daß auch in jenen andern Fällen, in welchen Reinkulturen im Dunkeln gedeihen, strahlende Wär- me das Licht ersetzen mag. Sahen wir doch oben bei Behandlung der Reizbewegungen, daß Purpurbakterien auf ultrarote Wärmestrahlen be- sonders intensiv reagieren. Mag nun diese Vermutung das Richtige treffen oder nicht, welche Rolle die strahlende Energie im Stoffwechsel der Purpurbakterien spielt, wissen wir nicht. Doch ist das Nächstliegende anzunehmen, daß sie zu Zwecken der Synthese verwendet wird. Wie grüne Pflanzen das Licht benutzen zur Reduktion der Kohlensäure, so können vielleicht die Pur- purbakterien strahlende Energie zum Aufbau ihrer Zellen aus anderwei- tigen Stoffen verwerten. Ein Punkt muß aber hier noch besonders betont werden: Was eben über die Ernährungsweise der Purpurbakterien ausgeführt wurde, ist bis jetzt erst an den Reinkulturen einiger stets schwefelfreier Arten nachgewiesen worden, z. B. des Rhodohaderium palusire, einer Form des süßen Wassers, sowie des TUiodobacterium capsulatum, das aus der See stammt. Wie verhalten sich nun die roten Schwefelbakterien? Die Kenntnisse über deren Stoffwechsel sind ganz unbefriedigend. In dieser Hinsicht weiß man nur soviel, daß ein großes, aus dem Meer stammendes Chromaiium nicht ohne Pepton, oder allgemeiner gesagt, organische Stoffe gedeihen kann, somit gleichfalls heterotroph ist. Denn es gedeiht trefflich auf Agar oder Gelatine, die 1 % Pepton und Yg % Dextrin enthalten. Reinkulturen von diesem Chromafimn sind freilich noch nicht geglückt. Über den Schwefelstoffwechsel der roten Schwefelbak- terien ist im wesentlichen nur dasselbe bekannt wie über den der farblosen Schwefelbakterien. Bei Zufuhr von Schwefelwasserstoff verarbeiten sie diesen zu Schwefel, der von ihnen dann weiter zu Schwefelsäure oxydiert wird. Daß diese Verbrennungserscheinung im Stoffwechsel bedeutsam ist, daran ist natürlich nicht zu zweifeln, ob sie aber wie für Becjgiatoa eine conditio sine qua non für das Leben ist, darüber ist viel diskutiert worden. Die eben genannten Erfahrungen mit Cltromatium deuten daraufhin, daß das nicht der Fall ist, and daß die Schwefelverbren- nung ein fakultativer Vorgang ist. Doch wollen wir nicht vergessen, daß das letzte Wort in diesen Fragen ganz gewiß noch nicht gesprochen ist. Zumal wäre noch zu untersuchen, ob vielleicht bei Schwefel- 486 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. wasserstoffzufuhr autotrophes Leben der roten Schwefelbakterien mög- lich ist. Über die sehr verschiedenartigen Beziehungen der Purpurbakterien zum freien Sauerstoff vergl. S. 322. Die Kardinalpunkte der Sauer- stoffkonzentration sind bisher nur für Sjjirilhim ruhruni ermittelt (S. 268). Die Reizbewegungen der Purpurbakterien bebandelt Kap. XI. Wir geben an dieser Stelle endlich noch die neueste systematische Übersicht über die Purpurbakterien ^) wieder: Alm. y4. Abb. 95. Bhodocystis gelatiuosa, Bhodococcus capstdatus, Lebende Kolonien in Tusche liegend, lebend in Tusche, um den Schleimhof um den Schleimhof zu zeigen. zu zeigen. (Vergr. ca. 280.) (Vergr. ca. 400.) Xach Molisch. 1. ZeUen besitzen die Fähigkeit, Schwefel intrazellulär abzulagern : Thiorhodaceae. a) Zellen zu Familien vereinigt. A) Teilung der Zellen nach 3 Richtungen des Raums: Thio- capsaceae. B) Teilung der Zellen zuerst nach 3, dann nach 2 Richtungen des Raums: Lamprociistaceae. C) Teilung der Zellen nach 2 Richtungen des Raums: Thio- pediaceae. D) Teilung der Zellen nach einer Richtung des Raums: Amoe- hohaderiaceae. b) ZeUeu frei. A) Zellen zeitlebens schwärmfähig: Chrom atiaceae. 1) Nach Moli8cb,H., a.a.O. (Die Molischsche Gattung ühodobacillus, die bewegliche Arten umfaßt, ist oben auf Grund unserer (Kap. IX S. 192) Umgren- zung von Bacillus mit Bhodobacterium vereinigt, — mit welchem Recht, muß sich später zeigen.) System der Purpurbakterien. Eisenbakterien. 487 B) Zelleu nicht oder nicht zeitlebens schwärmfähig: Bhodocap- saceae. 2. Zellen besitzen nicht die t'ähigkeit, Schwefel im Zellinhalt ab- zulagern: Athiorhodaccac. a) Zellen zu Familien vereint. A) Zellen stäbchenförmig, zu vielen in gemeinsame Schleim- hülle eingebettet: liJiodoci/stis (Abb. 94). B) Zellen rund oder Kurzstäbchen, perlschnurartig aneinander- gereiht, jeder Faden von einer Schleimhülle umgeben: Rho- donostoc. h) Zellen frei. A) Zellen kugelig, unbeweglich : Ehodococcus (Abb. 95). B) Zellen geradstäbig, beweglich oder unbeweglich: Bhodobac- terium. C) Zellen bohnenförmig, mit endständiger Geißel: Rhodovibrio. D) Zellen schraubig gekrümmt mit endständiger Geißel oder Geißelbüschel : Rhodospirillum. Wir schreiten nunmehr zu einer Besprechung der Eisenbakte- rien, ^) Formen, die gleichfalls in morphologischer wie physiologischer Beziehung sehr interessant und viel umstritten sind. Wir schicken vor- aus, daß es sich um Spaltpilze handelt, deren Gallerthüllen (Kapseln) oder Scheiden mindestens in bestimmten Entwicklungsstadien durch Ein- lagerung von Eisenhydroxyd oder Manganhydroxyd oder beiden Stoffen rotbraun gefärbt erscheinen und die in größeren Ansammlungen bereits dem bloßen Auge auffallen. Einigen Arten fehlt eine Scheide oder an- dere Außenhülle der Zellen. Ob hier die Inkrustation mit Eisen oder Mangan durch Imprägnierung der Zellwand selbst erfolgt oder ob Auflagerung auf diese stattfindet, geht aus den Literaturangaben nicht mit Bestimmteit hervor. Wir beginnen mit der Besprechung der Morphologie. Während man früher nur fädige, umscheidete Eisenbakterien kannte, ist ganz neuer- dings auch eine Gattung von Kapseleisenbakterien beschrieben worden, Siderocajosa. Ihre Arten überziehen die submersen Teile der verschiedensten Wasserpflanzen in der Form von Eisenoxydinseln, welche heranwach- sen und zu ockerigen Krusten verschmelzen. Die Wasserpflanzen kön- 1) Molisch, H., Die Eisenbakterien, Jena 1910. Dort. Litt. 488 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. nen dadurch vollkommen braun gefärbt erscheinen. In jenen Krusten liegen runde helle Höfe und innerhalb dieser die Bakterienzellen selbst in Form von Zooglöen. Hiernach sind nur die peripheren Teile der Gallerthüllen mit Eisen inkrustiert, die unmittelbar um die lebenden Zellen herum liegenden aber nicht, und darum farblos. Man kann zwei Arten unterscheiden, 2/r//o^//>7'.r für sie vorschlagen. Zunächst wird man sich des Verdachts nicht erwehren können, daß jene „aus- sprossenden" Konidien äußerlich festgesetzte Schwärmer sind und daß die Gliederung der Fäden in Zellen übersehen worden ist. Es folgt Gallionella ferriiginea. Diese Art kommt untermischt mit andern Eisenbakterien, z. B. Leptothrix, nicht selten vor. Schier in Rein- kultur konnte sie beobachtet werden auf Rostbrocken, die aus Wasser- leitungsröhren zutage befördet wurden und auf deren Innenwand sie einen orangeroten Überzug bildete. Solch ein Überzug kann im Lauf von 30 Jahren eine Dicke von 3 cm erreichen.-) Auch in hygienischer 1) Ellis, D., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 502, und 1910, Bd. 26, S. 321. 2) Schorler, B., B. C. II, 1905, Bd. 15, S. 664. 490 XVI. Autotrophie des Kohlenstofifs, Beziehung ist GaJHöueUa von einiger Bedeutung, da sie in Eisenquellen häufig ist, so auch in die mit Eisenwässern gefüllten Flaschen gelangt und deren Inhalt verderben kann. Es ist diejenige Form der Eisenbak- terien, die vor langer Zeit zuerst in Raseneisenerzlagern gefunden, da- mals allerdings zu den Kieselalgen gerechnet wurde. Ihre Form hat man sehr anschaulich beschrieben als die einer Haar- nadel, die man schraubenförmig tordiert hat (Abb. 96). Die Fäden pflegen noch dünner zu sein als bei Lepto- tJirix, die Windungen bald enge, bald locker. Eine von der Zellwand deutlich zu unterscheidende Scheide fehlt, ja es scheint sogar schwer zu sein, eine distinkte Zellhaut nachzuweisen. Auch eine Gliederung in Zellen ist nicht zu beobachten. Von besonderen Verbreitungs- organen werden von einem Autor auch bei dieser Gat- tung auf der Außenseite warzenförmig hervorsprossende Konidien angegeben. Sollte sich das bestätigen, so hätte Gallionella viel Ähnlichkeit mit Conidiotlirix, zu- mal auch die Gliederung in Zellen fortfällt. Es schließt sich an Spirophyllum ferrußineum.^) Der Körper stellt ein abgeflachtes, schraubig um seine Längsachse gewundenes Blatt dar, und ist bis 6 ^ breit, biß 200 u oder mehr lang. Konidienbildung wird ebenso wie bei GallioneUa angegeben. Vermehrung durch Teilung konnte bislang nicht beobachtet werden. Diese Form wurde zuerst in Schottland am Grund eisenhaltiger Wasserläufe nachgewiesen. Endlich ist noch zu erwähnen das sog. NodopJnjllum ferrugineum}) Reiht man Emser Pastillen derart aneinander, daß die Längsachsen eine Gerade bilden, aber jede folgende Pastille um einen rechten Winkel ge- dreht ist, so hat man ein Modell dieser seltsamen Form. Zellteilungen wurden nicht beobachtet, die Eiseneinlageruug soll schwach sein. Weitaus befriedigender als die letztgenannten zum Teile recht pro- blematischen Formen sind nun beschrieben die Gattungen Crenothrix und Clonothrix. Crenothrix polyspora, der Brunnenfaden, ist zumal dadurch bekannt, daß er durch seine gewaltigen Wucherungen in Wasserwerken lästig fallen kann, wenn man nicht für rechtzeitige Entfernung aus den infi- Abb. 9G. Gallionella ferru- ginea. (Vergr. 1200.) Nach Miffula. 1) EUis, D., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 502. 2) Ellis, D., B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 321. Vgl. auch Ref. in B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 311. Crenothrix. Clonothrix. 49 1 zierten Brunnen- oder Rohrleitungen sorgt. Es ist eine festsitzende Eisenbakterie, die z. B. am Grund von Brunnen als lockerer, fast wollig- zottiger bis 3 nrni dicker Schlamm von gelber bis graubrauner oder fast dunkelbrauner, ja schwarzer Farbe wuchert. Ihre aus stäbchen- oder scheibenförmigen Zellen bestehenden P'äden sind urascheidet,un verzweigt, und werden nach dem freien Ende hin dicker. Hier bilden sich die Konidieu, die durch Längs- und Querteilung der Fadenzellen entstehen und als runde oder gestreckte Zellen aus der am Ende offenen Scheide austreten. Die Größe der Konidien kann am selben Faden schwanken. Der Durchmesser der runden beträgt zwischen '2 und 4 /i, die Länge der zylindrischen kann reichlich 7 }i betragen. Junge Fäden sehen farblos aus und enthalten in ihren Scheiden nur wenig Eisen, ältere Fäden, die bei Betrachtung mit bloßem Auge gelbe Massen l)ilden, haben viel Ei- sen- oder Manganhydroxyd in ihren Scheiden eingelagert, und das ist in noch höherem Grad der Fall, wenn die Vegetationen dem bloßem Auge dunkel, fast schwarz erscheinen. Meist handelt es sich dann allerdings nicht mehr um lebende Fäden, sondern um tode Scheiden. Li andern Fällen, so finden wir angegeben, bleiben die Scheiden ganz ohne mine- ralische Einlagerung und sitzen dann gelatinösen Eisenoxydhydratbröck- chen auf. Die Zeit der üppigsten Vermehrung und Konidienbildung ist bei uns das Frühjahr. Zu andern Jahreszeiten triff"t man Fäden mit dicken, stark inkrustierten Scheiden und hat solche auch als Dauerformen unseres Spaltpilzes angesprochen. Crenothrix scheint eine Pflanze zu sein, die in Flüssen lebt und zu Zeiten hohen Wasserstandes sich in die Brun- nen und Wasserwerke einschleicht, um sich da lebhaft zu vermehren. Wenigstens konnte sie im Elbgebiet stets nur in solchen Brunnen nachgewiesen werden, die im Uberschwemmungsbereich der Elbe liegen, nicht aber in andern, die aus von den Höhen kommenden Wasserläufen gespeist werden. Endlich die Gattung Clonothrix^)] sie ist verzweigt im Gegen- satz zu Crenothrix. Ihre Zellfäden zeigen gleitende Verzweigung, nach dem freien Ende hin verjügen sie sich, an der Basis können sie samt Scheiden 5 — 7, an der Spitze 2 a Durchmesser aufweisen. Die Zellen sind wie bei Crenothrix stab- oder scheibenförmig. 2 jt auf 2, 6 — 8, ja sogar 20 ^ werden als Maße angegeben. Sie können auch Längsteilung eingehen; so entstehen kleine rundliche Konidien, die wie bei Creno- thrix Eigenbewegung nicht besitzen. Die Scheide ist an älteren Fäden dick und eisen- oder manganhaltig. ClonotJirix fusca ist eine oft mit Crenothrix vercjesellschaftete Art, die zuerst in sächsischen Wasserwer- ken beobachtet wurde. 1) Schorler, B., B. C. II, 1904, Bd. 12, S. 6S1. 492 XYl. Autotrophie des KohlenstoflFs. Auch die uns schon gut bekannte Cladothrix dichotomn wird man- cherseits für ein Eisenbakterium gehalten, die Eisenspeicheruug ist aber niemals beträchtlich, so daß kein Grund vorliegt, sie hierher zu rechnen. Versuchen wir, das Gesagte in wenigen Worten zusammenfassend, nun noch einen Überblick über die Eisenbakterien zu geben. 1. Kapselbakterien. Siderocapsa. 2. Fadenförmige Bakterien. A) Gliederung des Fadens in Zellen nicht nachweisbar. Scheide fehlt, Konidien bilden sich durch Aussprossung auf den Längs- wänden, Conidiothrix, GaUionella, SpiropliyUum, NodvphyUum. Die einzige hierhergehörige Form, die bei allerbescheidensten Ansprüchen in morphologischer Hinsicht einigermaßen ge- nüo-end bekannt ist, ist Gallionella. B) Umscheidete Zellfäden. a) Un verzweigt: Leptotltrix mit beweglichen Schwärmern. Crenotkrix mit Konidien, ohne Eigenbewegung. b) Verzweigt: Clonothrix mit gleitender Verzweigung, mit nach oben sich verjüngenden Fäden und mit Konidien ohne Eigenbewegung. Wie kommen nun die Ablagerungen von Eisen- oder Manganhy- droxyd in den Scheiden, Gallerthüllen und auf den Zellwänden dieser Spaltpilze zuwege, und hat dieser Vorgang irgendwelche Bedeutung für diese Wesen? Vergegenwärtigen wir uns erst in ganz allgemeinen Zügen den Kreislauf des Eisens, soweit er für uns in Betracht kommt: In eisen- haltigen Wässern findet sich das Eisen zum Teil in Form von kohlen- saurem Eisenoxydul gelöst. Dies Salz oxydiert sich sehr leicht an der Luft, es entsteht Eisenhydroxyd, das sich bald ausscheidet und zum oToßen Teil zu Boden sinkt, dort jene braunen Überzüge bildend, die man am Grund von Wiesenbächen usw. jederzeit beobachten kann. Auch an der Oberfläche solcher Wässer schwimmt fast immer ein Häutchen, das hauptsächlich aus oxydierten Eisenverbindungen besteht. Gelangt dieses Eisenoxyd auf die eine oder andere Weise in die Tiefe, so wird es leicht durch Produkte, die bei der Fäulnis oder bei analogen bakte- riellen Vorgängen, z. B. bei der Vergärung der Zellulose entstehen, re- duziert, nun durch das kohlensäurehaltige Wasser wiederum als kohlen- saures Eisenoxydul gelöst, um sodann wieder bei Luftzutritt der Oxy- dation zu verfallen. Diese Oxydation verläuft nun zweifellos jederzeit auch ohne das Eingreifen von Bakterien oder anderen Wesen. Finden sich aber in Bedeutung der Eiaeneinlagerung. 493 Eisenwässern Eisenbakterien, was fast stets der Fall ist, so speichern diese das entstehende Eisenoxyd in ihren Scheiden, und wie das zustande kommt, darüber herrseht zwischen den verschiedenen Forschern keine Einigkeit. Die einen sprechen die Meinung aus, es handele sich um einen Vorgang, der mit dem Leben gar nichts zu tun habe und zu ver- gleichen sei der Einlagerung beliebiger Stoife in tote Gallertraassen. Gegen diese Meinung spricht nun die Beobachtung, daß man aus den mit Eisenhydroxyd durchsetzten Scheiden der Eiseubakterien, ohne diese zu töten, mittels kohlensäurehaltigen Wassers das Eisen herauslösen kann und nunmehr beobachtet, daß sich beim Wiedereinbringen der- artiger, eisenfrei gemachter Fäden in Wasser, welches kohlensaures Eisenoxydul enthält, nur an den Stellen der Scheide, wo lebende Zellen sich belinden, wiederum Eisenhydroxyd abgelagert wird. Das spricht entschieden dafür, daß das lebendige Protoplasma irgendwie beteiligt ist an der Oxydation des Oxyduls und folgenden Ablagerung des Oxyds. So nehmen andere Forscher an, daß es sich um einen insofern vitalen Vorgang handle, als das lebende Protoplasma die Substanz der Scheiden in einer derartigen physikalisch-chemischen Beschaffenheit erhalte, daß sie zur Ablagerung und Speicherung des Oxyds befähigt ist. Mit dem Absterben soll die fragliche Beschaffenheit der Scheiden verloren gehen. Die Oxydation selbst soll unabhängig von der Zelle durch den Sauer- stoff' des Wassers erfolgen, das Oxyd aber im Moment seiner Bildung oder gleich nach seiner Bildung in den Scheiden abgelagert werden. Weiter wird ausgeführt, daß in biologischer Hinsicht der Vorgang eine ähnliche Bedeutung haben könne wie etwa die Einlagerung von Kiesel- säure in die Zellwände der Gräser, d. h. als Festigungsmittel in Betracht kommen. Mit der Ernährung, Assimilation oder Dissimilation soll aber die Eiseneinlagerung nichts zu tun haben, die Eisenbakterien sollen sich ernähren von organischen Verbindungen und Mineralsalzen, wie sie in jedem mehr oder minder verunreinigten Wasser vorkommen, sie sollen also gewöhnliche saprophytische Wasserbakterien sein. Die dritte Anschauung besagt folgendes: Die Eisenbakterien nehmen das im Wasser ihrer Standorte gelöste Eisenoxydul auf, und zwar durch ihre Scheiden hindurch ins Innere der Zellen, und hier, im lebenden Protoplasma, wird es oxydiert. Das Oxydationsprodukt wird dann nach außen abgegeben, um sich in den Scheiden oder auf der Zellwand abzu- lagern. Es soll sich also hierbei um eine echt vitale Oxydation, einen Dissimilationsvorgang handeln, bei welchem mineralische Stoffe veratmet werden, und zwar einen Vorgang, der für das Leben der Eisenbakterien unerläßlich ist und diesen die erforderliche Betriebsenergie spendet. Hiernach hätten die Eisenbakterien die Fähigkeit, die fragliche Oxyda- 494 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. tion, die auch rein cheraiscli erfolgt, durch vitale Kräfe zu beschleuni- gen und zu verwerten. Wer sich dieser Meinung anschließt, wird sich der weitereu Hypothese kaum entziehen können, daß die Energie in orleicher Weise verwendet wird wie etwa die bei der Verbrennung des Ammoniums frei werdende Energie seitens der Nitrifikationserreger, nämlich zur Assimilation der Kohlensäure. Danach wären die Eisen- bakterien ganz besonders interessante, autotrophe Wesen. Diese Meinung stützt sich nicht auf das Ergebnis von Reinkulturen, sondern nur darauf, daß es bei Beobachtung von Objektträgerkulturen den Anschein hatte, als verhungerten die Eisenbakterien {Leptothrix ochracea) ohne Zufuhr von Eisenoxydulverbindungen, ferner auf die oben schon erwähnte Eigen- tümlichkeit, daß die Scheiden nur in der Nähe von lebenden Zellen Eisen- oxyd speichern, wenn man es vorher durch Kohlensäure weggelöst hatte. Diese Anschauung, nach der die Eisenbakterien autotroph leben, ist nun aber durch neuere Versuchsergebnisse zum mindesten stark erschüt- tert worden. Ein älteres Rezept zur BesehafiFung von Eisenbakterien in Rohkulturen lautet: Man koche mazeriertes Heu mit Wasser aus, füge etwas Eisenhydroxyd hinzu und fülle das Gefäß mit Brunnenwasser auf; bald zeigt sich Gasentwicklung, das Eisenoxyd am Boden des Ge- fäßes wird durch Gärungs Vorgänge reduziert, und nunmehr entwickelt sich oben im Niveau des Wassers eine Vegetation von Eisenbakterien, die das Eisen wiederum oxydieren. Nun hat sich aber gezeigt, daß man denselben Erfolg auch ohne Zugabe von Eisenhydroxyd erreicht. Die Eisenbakterien wachsen dann ebenfalls üppig und zeigen keine bedeu- tende Einlagerung von Eisenoxyd in ihren Scheiden. Wenn sie über- haupt Eisen nötig haben, so können sie es in diesem Falle höchstens aus dem Heu oder aus dem Brunnenwasser in verhältnismäßig geringer Menge beziehen. Neuerdings sind nun auch Reinkulturen von Leptothrix gelungen: Es zeigte sich, daß Manganpepton, ein als „Tonicum und Nutritivum" bei Anämie gebrauchtes Präparat, eine sehr gute Nahrung für das genannte Eisenbakterium ist. Lösungen, die dasselbe enthalten, kann man zunächst an Eisenbakterien anreichern und diese dann mittels Man- ganpeptongelatine in üblicher Weise isolieren. Ihre Kolonien sind an- fangs farblos, später braun oder rostrot, da die Manganverbindung zu Mangauoxyd oxydiert wird, das sich ablagert, und zwar je nach den Be- dinofuncren in den Scheiden, oder in Form brauner Kugel eben in der Nähe derselben. Überführt man nun die reingezüchtete Leptothrix in peptonhaltiges Leitungswasser, so gedeiht sie auch in dieser Lösung ohne weiteren Zusatz von Eisen oder Mangan üppig, und wenn sie hier auch nicht gänzlich ohne Eisen wächst, da solches sowohl im Pepton als auch im Leitungswasser vorkommt, so ist sie doch bestenfalls auf ge- Physiologie von Leptothrix. 495 ringe Mengen angewiesen, wächst ohne wesentliche Eisen- oder Mangau- einlagerung in ihre Scheiden und ist unter diesen Bedingungen voll- kommen farblos. Hieraus hat man geschlossen, daß Eisenoxydulsalze (bzw. Manganoxydulsalze) keine notwendigen Stoffe für die Eisenbak- terien sind, sie leben heterotroph, und ihre Eigenart ist eben nur die, daß ihre Gallerten und Scheiden ein auffallend großes Speicherungsver- niögen für Eisen und Manganoxyd aufweisen. Durch diese Erfahrungen ist also festgestellt, daß die Eisenbakterien, richtiger, daß ein Eisenbak- terium, Leptothrix ochracea, auch ohne daß es Eisen- oder Manganver- bindungen zu oxydieren in der Lage ist, gut gedeiht; Versuche mit Nähr- stoffen, welche leichter ganz rein darstellbar sind als Pepton, wären aller- dings erwünscht. Ist nun mit dieser Beobachtung die Oxydation von Eisen oder Manganoxydul definitiv ihrer Eigentümlichkeit als biologisch wichtiger Oxydations Vorgang entkleidet? Das scheint noch nicht erwiesen. Auch in Reinkulturen soll nämlich Manganpepton und wohl auch analoge Mangan- oder Eisenverbindungen für Leptothrix besonders vorteilhaft sein, so daß deren Oxydation, vielleicht neben anderen Dissimilatious- prozessen, doch wohl auch als ein Betriebsenergie liefernder Vorgang in Frage kommen könnte, ein Vorgang, der zwar für unsere Form nicht obli- gatorisch ist, ohne besonderen Schaden auch ganz unterbleiben kann, aber doch vorteilhaft ist, falls die äußeren Bedingungen seine Durchführung gestatten. Den Vorteil, den anerkannterweise Eisen- oder Manganver- bindungen in Rohkulturen bieten, kann man ja allerdings auch darauf zurückführen, daß die Eisenbakterien solche Verbindungen in größerer Menge gut vertragen als andere Formen und darum in der Konkurrenz obsiegen; die günstige Wirkung der genannten Stoffe in Reinkultur fordert aber eine andere Erklärung, die wir eben zu geben versuchten. Wir haben ja auch sonst Beispiele dafür, daß notorisch Energie-spendende Oxydationen, welche autotrophe Bakterien unterhalten nicht obligat sind: Die Wasserstoff-oxydierenden Bakterien können auch als ganz ge- wöhnliche Heterotrophe leben, falls ihnen Wasserstoff mangelt und sie somit aus dessen Verbrennung keine Energie schöpfen können. Wie der Stoffwechsel anderer, noch nicht in Reinkultur untersuchter Eisenbakterien verläuft, müssen erst weitere Versuche zeigen. Bei dem gewaltigen Interesse, das sich an den sicheren Nachweis einer in ener- getischer Beziehung verwertbaren Oxydation von Eisen- oder Mangan- oxydul knüpfen würde, wird man es uns verzeihen, wenn wir für einen Augenblick aus der Rolle des nüchternen Berichterstatters herausfallend die Hoffnung aussprechen, daß es der Wissenschaft der Zukunft gelin- gen möge, autotrophe Eisenbakterien kennen zu lehren. 496 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. Aus der Beobachtung in freier Natur, das sei noch hinzugefügt, kann man den Stoffwechsel der Eisenbakterien, wie begreiflich, nicht ermitteln. Für heterotrophe Lebensweise scheint die Beobachtung zu sprechen, daß sie, allerdings nur teilweise, mit Vorliebe in verunreinigten Wässern vorkommen, ganz besonders aber die andere Beobachtung, daß die Eiseneinlagerung in die Scheiden erst spät, d. h. nicht zur Zeit des lebhaftesten Wachstums erfolgt. Es sei auch daran erinnert, daß viele andere Organismen, Algen, Flagellaten usw., bei denen man an eine Ver- wertung der bei der Verbrennung von Eisenoxydul frei werdenden Energie wohl kaum denken kann, ebenfalls Eisenoxydeinlagerung in ihre Gallerthüllen und Gallertstiele zeigen. Andere Beobachtungen spre- chen andererseits vielleicht noch eindringlicher dafür, daß unsere Spalt- pilze oxydiertes Eisen nicht bloß speichern, sondern auch durch ihre Lebenstätigkeit die Oxydation katalytisch beschleunigen: Sterilisierte, auf Flaschen gezogene Eisenwässer halten sich länger als solche, die nicht sterilisiert sind. Hier muß zur Erklärung irgendwelche Wirkung der lebenden Eisenbakterien zugezogen werden, sei es, daß man an- nimmt, daß sie das W^asser alkalisch machen und so das Eisen aus- fällen, oder aber daß man die Meinung vertritt, daß sie, vielleicht durch ein Enzym, das Oxydul in unlösliches Oxyd verwandeln. Bei dem mangelhaften Stand der Kenntnisse von der KohlenstofiF- versorgung der Eisenbakterien nimmt es natürlich nicht wunder, daß man ihr Nährsalzbedürfnis und ihre Stickstoffassimilation kaum kennt. LeptotJtrix ocJiracca kann nach obigen Angaben jedenfalls als „Pepton- bakterie" leben. Es handelt sich, wie wir wissen, um aerobe Formen; über die Kardinalpimkte des Sauerstoffgehaltes ist nichts bekannt. Versuche, sie künstlich ohne Sauerstoff' zu züchten und auf diese Weise die Oxy- dation von Eisen oder Mangan auszuschließen, fehlen. Was die Temperatur angeht, bei welcher sie leben, so sind sie of- fenbar wenig wählerisch. Sie gedeihen im kalten Flußwasser wie auch in Thermen.^) Li dem 41 bis 45" heißen Thermalwasser von Ikao in Japan, welches 0,02 g kohlensaures Eisenoxydul im Liter führt, bilden sie an Steinen oder auf dem Grund an der Quellenmündung einen ocker- gelben, wollig- schleimigen Schlamm, der ausschließlich aus Leptothrix- ähnlicheu Eisenbakterien besteht. Wie oben schon häufiger gesagt, könnte man die Eisenbakterien ebensogut, ja manchmal noch besser als Manganbakterien bezeichnen; denn bietet man ihnen statt Eisen die betreffende Manganverbindung, so speichern sie diese in großen Mengen, und die Gallertscheide, die sich da- 1) Miyoshi, M., Journ. of the coli, of science, 1897, Bd. 10, S. 137. Manganspeicherung; Raseneisenerzbilduug. 497 bei tiefbraim färbt, wird daini noch mächtiger, als wenn ilir nur die (xelegenheit zur Eisenspeicherung gegeben ist. Sehr beachtenswert sind neuere Angaben ^) über das Wahlvermögen der Gallertscheiden bei gleichzeitiger Darbietung von Eisen und Mangan: Im Tolkewitzer Wasserwerk enthalten die Scheiden der Crotothrix etwa 6 bis 9 7o Eiseuoxyd und 30 bis öG^^ Manganoxyd, während das Wasser vier- bis fünfmal soviel Eisen als Mangan führt. Und auch in den Dresdener Wasserwerken speichert Croiothrix mehr Mangan als Eisen. Das zeigen die Ergebnisse folgender Analysen: Das Wasser enthält in einem Liter etwa 0,2 mg Eisen und 0,3 mg Mangan; gleichwohl enthalten die Schei- den der aus dem Brunnen stammenden Crenothrix vier bis fünfmal so- viel Mangan als Eisen, die Scheiden der aus den Hochbehältern stam- menden sogar elfmal soviel. Im Saloppen- Wasserwerk führt das Wasser Mangan nur in Spuren, Eisen aber reichlich 0,2 mg im Liter, und doch verraten die Scheiden der Crenothrix auch hier durch die dunkelschwarze Färbung ihren Mangangehalt. Auf die Ernährungsphysiologie der Eisen- und Manganbakterien dürfte die Ersetzbarkeit des Eisens durch das Mangan kaum Licht werfen. Im Zusammenhang mit den oben behandelten Fragen steht eine andere, die zumal geologisches Interesse hat: in welchem Unfang waren und sind Eisenbakterien tätig beim Zustandekommen der Raseneisen- erzlager? Daß man in vielen derartigen Ablagerungen organisierte Reste, die man heute als Seheiden von Eisenbakterien erkennt, nach- weisen kann, ist schon längere Zeit bekannt. Daraus sowie aus der RoUe, welche die Eisenbakterien in eisenhaltigen Wässern spielen, hat man den Schluß gezogen, daß die Ablagerung von Raseneisenerz höchst- wahrscheinlich stets der Tätigkeit solcher Organismen zuzuschreiben sei. Spätere Untersuchungen haben aber gezeigt, daß von vielen darauf- hin untersuchten Raseneisenerzproben nur wenige die Reste von Eisen- bakterieu zeigten; daraus wurde gefolgert, daß diese Ablagerungen in der Regel ohne Mitwirkung von Bakterien entstanden seien. Doch auch in diesem Punkte sehen wir noch nicht klar, da neuerdings die Beobach- tung gemacht wurde, daß Eisenhydroxydmassen, welche in Wasserlei- tungsröhren nachweislich durch die Anwesenheit von Eisenbakterien, und zwar Gallionella ferruginea entstehen, gleichwohl bei mikroskopi- scher Betrachtung Reste dieser Spaltpilze nicht mehr erkennen lassen. Es findet nämlich ein nachträglicher Kristallisationsprozeß statt, durch den die zuerst die Form der Scheiden zeigenden Eisenhydroxydmassen in KristaUtäfelchen oder formlose Kristallklumpen umgewandelt werden, 1) Schorler, ß., B. C. II, 1907, Bd. 12, S. 681. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 32 498 XVI. Autotrophie des Kohlenstoffs. in denen Reste der Bakterieuscheiden nicht mehr oder nur noch ganz spärlich nachzuweisen sind. ^) Wir kommen somit zu dem Schluß, daß Kaseneisenerze jedenfalls wohl auch ohne Bakterientätigkeit zur Ab- lagerung gebracht werden können, daß wir aber vorläufig nicht wissen, in welchem umfang das in der Natur ohne Zutun der Eisenbakterien geschieht. Das obige Kapitel war geschrieben, als eine Arbeit") erschien, die den Nachweis führt, daß eines der oben genannten Eisen bakterien, Spi- rophyllum ferrngineum, bei Zufuhr von Eisenoxydulkarbonat tatsächlich autotroph lebt, indem es die Kohlensäure auf Kosten der bei der Oxy- dation des Oxyduls freiwerdenden Energie assimiliert: 4FeC03 + OHgO + 0, = 2Fe2(OH)6 + 4CO2 -}- 58 Kai. In den bisher vorliegenden Kulturen hat sich der genannte Spaltpilz als obligat autotroph erwiesen, heterotrophe Ernährung war nicht mög- lich. Man wird gut tun, künftig solche Arten, die sich durch Oxydation von Eisenoxydul Betriebsenergie zu verschafi'en vermögen, als echte, typische Eisenbakterien von andern Eiseubakterien zu unterscheiden, bei welchen die Eisenspeicherung nicht, oder doch nicht erwiesenermaßen Folge eines Betriebsenergie liefernden Vorgangs ist.^j 1) Schorler, B , B. C. II, 1906, Bd. 15, S. 564. 2) Lieske, R, Jahib f. wiss. Bot. 1911, Bd. 50, S. 328. H) Nachtr. Anm. Vgl. noch Rullinann, VV., B. C. II, 1912, Bd. 33, S. 277, u. Schwere, H., ebenda S. 273. Autotrophie der Eisenbakterien. — Stickstoffbindung. 499 Kapitel XVII. Die Stickstoff bindenden Bakterien. Die folgenden Ausführungen handeln von der Aufnahme und Ver- wertung des freien, gasfiirmigen Stickstoffs der Atmosphäre durch die Spaltpilze. Wie früher eingehend ausgeführt wurde, sind die meisten Bakterien auf StickstofiVerbindungen, seien es organische oder anorga- nische an gewiesen, der freie Stickstoff ist für sie ein nutzloses Gas. Im Gegensatz zu ihnen tritt nun die kleine Schar „stickstoffprototropher" Arten, die uns im foI<>-enden beschäftigen soll, die stickstoffixierenden^ Stickstoff bindenden oder, wie sie auch weniger glücklich genannt Avorden sind, stickstoff'gammelnden Spaltpilze. Zuerst einige Bemerkungen ganz allgemeiner Art: WoUen wir stickstoff'bindende Bakterien züchten, so müssen wir ihnen erfahrungsgemäß eine organische Kohlenstoffverbin- dung geeigneter Art als Baustoff und Energiequelle darbieten. Sämt- liche bisher genau bekannte stickstoffprototrophe Arten haben wir also als kohlenstoffheterotroph zu bezeichnen. Zwar werden neuerdings auch einige Bakterien beschrieben, die den freien Stickstoff binden und gleich- zeitig autotroph sein, d. h. von Kohlensäure leben sollen, doch sind sie noch nicht genügend erforscht, um eingehend behandelt werden zu können (vgl. unten). Was die Ansprüche der Stickstoffbinder an den Sauerstoff angeht, so sind sie zum Teil aerob, zum Teil anaerob; ferner leben sie zum Teil frei im Boden, zum Teil aber auch in Lebensgemeinschaft mit höheren Pflanzen, in deren Wurzeln hausend sie dem Geschäft der Stickstoff bin- dung nachgehen. Endlich ist noch zu erwähnen, daß es bis jetzt nicht gelungen ist, obligat stickstoäprototrophe Arten nachzuweisen. Sie haben vielmehr stets auch die Befähigung, sowohl organische wie anorganische Stickstoffverbindungen zu verarbeiten. — Betrachten wir nun zuerst die freilebenden Arten. Um uns solche, zunächst in- Rohkultur, zu besorgen, wenden wir offenbar am besten auch hier wieder elektive Anhäufungskulturen an: Wir lösen eine geeignete KohlenstoffVerbindung, z. B. Zucker, Mannit^ Salze organischer Säuren, und fügen als Nährsalze Fvaliumphosphat und Magnesiumsulfat, aber keine Stickstoffverbindungen hinzu; auch wäre 32* 500 XVII. Die stickstoffbindenden Bakterien. eine Zugabe von Kalziumsalzen angebracht, wenngleich solche nicht unbedingt nötig sind. Als Impfmaterial würde sich in diesem Falle eine Prise Ackerboden besonders bewähren. Wir sorgen für reichlichen Zu- tritt der Luft zur Oberfläche der Nährflüssigkeit und damit des in der Luft enthaltenen Stickstofi's. Bald sehen wir, wie die Lösung sieh trübt, auch Gasblasen auf- steigen, als Zeichen dafür, daß in den am Grund des Gefäßes ruhenden Bodenproben sich Gärprozesse abspielen, ein unangenehmer Geruch, in «rster Linie nach Buttersäure, stellt sich bald ein, außerdem aber würde in den meisten Fällen eine stattliche Kahmhaut unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken, welche die Oberfläche der Lösung überzieht und sich mit zunehmendem Alter braun verfärbt. Nehmen wir das Mikroskop zu Hilfe, so sehen wir, daß die Kahmhaut aus dieser Frage haben nun zu dem Ergebnis geführt, daß es gar keine or- giinischen Bestandteile des Bodens, sondern anorganische sind, auf deren liechnung die Förderung im Stickstoffgewinn zu setzen sei, und zwar soll Eisen, Aluminium, Kieselsäure und wohl noch andere Stoffe dafür in Betracht kommen. Denn bietet man diese in geeigneter den Bakterien zugänglichen Form, anstatt Boden zu den Kulturen hinzuzufügen, so findet ebenfalls kräftige Stickstofl'bindung statt; z. B. legt Azotobacter dann im Lauf von 10 Tagen reichlich 12 mg Stickstoff unter Verbrauch von 1 g Traubenzucker in gebundener Form fest. Die ganze Frage ist noch nicht vollkommen geklärt, andere Forscher^) sind geneigt, wesent- lich nur dem dem Humus beigemengten Eisen oder auch der Kiesel- säure die betreffende Wirkung zuzuschreiben. Wie dem auch sei, es ist anzunehmen, daß die Erklärungsversuche jetzt den richtigen Weg ein- geschlagen haben, indem sie auf mineralische Bestandteile der Humus- körper achten (vgl. auch S. 357, Anm.). Es sei hier noch daran erinnert, daß die günstige Wirkung von Humuskörpern auf Harnstoffbakterien (S. 446) eine wesentlich andere ist, und daß offenbar Humuskörper im Bakterienleben aus verschiedenen Gründen von Bedeutung sind. Die förderliche Wirkung der Humusstoffe auf die Stickstoffbindung des Azotobacter macht sich nicht nur dann geltend, wenn man ihn in Lösungen, sondern auch dann, wenn man ihn auf festen Böden, z. B. Agar züchtet, doch deuten einige Erfahrungen daraufhin, daß in letzterem Fall die Gegenwart von Humusstoffen nicht so notwendig ist, wenn man für den richtigen Feuchtigkeitsgrad des Nährbodens und für möglichst reichlichen Luftzutritt zu den Zellen sorgt. Sodann ist noch darauf hin- zuweisen, daß den Humusstoffen auch eine fördernde Nachwirkung inne- zuwohnen scheint, denn wir hören, daß man unter Umständen gut daran tut, Azotobacter auf mit Dextrose versetztem, sterilem Boden vorzukulti- vieren, „um das durch längere Kultur auf Agar geschwächte Stickstoti'- bindungsvermögen wieder zu regenerieren'', ehe man es auf die Nähr- böden überträgt, auf denen es unter Stickstoffhindung wachsen soU.^) 1) Käserei, H., Ber. d. d. bot. Ges., 1910, Bd. 28, S. 208. — B. C. II, 1911, Bd. 29, S. 232. — Ref. B. C. II, 1911, Bd. 30, S. .509. 2) Remy, Th. u. Rösing, G., B. C. II, 1911, Bd. 30, S. 349. 3) Koch, A., u. Sevdel, S., B. C. II, 1911, Bd. 31, S. 570. 506 XVn. Die 8tickstoffbindenden Bakterien. Im übrigen ist betreffs der Ernährung des Asotohacter noch zu sagen, daß es, wie schon erwähnt, auch von gebundenem Stickstoff leben und sich dabei kräftig vermehren kann. Hauptsächlich kommen anor- ganische Stickstoffverbindungen in Frage, salpetersaure und Ammonium- salze: organische Stickstoffverbiudungen werden in stärkerer Konzen- tration verschmäht. AUzukräftige Fleischbrühe verhindert z. ß. sein Ge- deihen; in dieser Frage sind übrigens weitere Versuche erwünscht. Auch ist noch nicht hinlänglich bekannt, ob längere Zeit andau- ernde Züchtung unter Zufuhr von gebundenem Stickstoff ihm die Be- fähigung zur Bindung des gasförmigen rauben kann. Jedenfalls können wir auf Grund des eben Ausgeführten uns ein Bild von der Tätigkeit des Azotohacter im Boden machen: Es wird auf Kosten der organischen Stoffe, die es als Reste von Pflanzen und Tieren im Boden vorfindet, und in dauerndem Kontakt mit Humusstoffen reich- lich Stickstoff aus der Bodenhift aufnehmen und binden, d. h. also in Eiweißstickstoff überführen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nach dem Tod des AzotohacUr diese Stickstoffverbindungen auch in natura solchen Metabionten, die selbst keinen Stickstoff binden, zugute kom- men, ganz ebenso, wie wir das für die Rohkulturen ausführten. Die Frage nun, ob Azotohacter an seinen natürlichen Standorten kräftig Stickstoff binden kann, wird ganz wesentlich davon abhängen, ob es genügende Mengen von organischen Stoffen als Energiematerial vor- findet. Es hat sich gezeigt, daß die durch ihn (und andere Bakterien) bedingte Stickstoffbindung besonders durch Gegenwart von Algen im Boden gefördert wird'), woraus man früher auch den heute als falsch erkannten Schluß zog, daß jene Algen selbst den freien Stickstoff zu binden vermöchten. Der Fall liegt in Wirklichkeit so, daß die Algen durch ihre Kohlensäureassimilation organische Stoffe bilden, welche nach dem Tod der AlgenzeUen in den Boden gelangen und so dem Azotohacter die Energie zur Stickstoffbindung verleihen. Die so ge- schaffenen Stickstoffverbiudungen treten dann uach^dem Tod der Azo- tohacterzeMen und nach deren Fäulnis als Ammoniumsalze in den Boden, und diese stehen dann, event. nach Nitrifikation, wieder den Algen zur Verfügung, die sich vermehren und dann den Boden wieder an Kohlenstoffverbindungen bereichern können. So „wäscht eine Hand die andere". Aus einigen Angaben in der Literatur darf man schließen, daß neben den grünen auch die blaugrünen Algen eine große Be- deutung für das Gedeihen stickstoffbindender Bakterien haben. ^) Wir I 1) Lit. bei Koch, A., Lafars Hdb. Bd. 3, S. 1. 2) Bouilbac, zit. nach Koch, A. in Lafars Hdb. Bd. 3, S. 1; Keutner, J., Zusammenwirken von Äzotobacter mit andern Mikroben. 507 liaben hiermit das Vei-hältnis des Äzotobacter zur grünen Alge als Metabiose hingestellt; da erhebt sich aber die Frage, ob das Verhältnis nicht vielleiclit auch als Symbiose sich deuten ließe, derart, daß die AzotobacterzeMen schon während ihres Lebens Stickstotfverbindungen nach außen treten lassen und Mitbewohnern des Bodens zur Verfügung stellten. Auf diese Frage muß natürlich das Experiment Antwort geben, und einige vor nicht langer Zeit durchgeführte Versuche haben in Be- stätigung älterer Angaben Material beigebracht, welches vielleicht ge- eignet sein könnte, die Frage nach solcher Symbiose im bejahenden Sinn zu entscheiden: In Reinkulturen des Äzotobacter kann man^) näm- lich nicht nur innerhalb der Bakterienzellen, sondern auch draußen in der Nährlösung Stickstoffverbindungen nachweisen, die von den Zellen sezerniert worden sind und in letzter Linie dem gasförmigen Stickstoff der Luft entstammen. In Mischkulturen muß dieser gebundene Stickstoff Svmbionten zugute kommen. Ehe man aber über das Vorkommen solcher Svmbiose etwas ganz Bestimmtes aussagen kann, müßte man nachweisen, daß jene in der Nährlösung auftretenden Stickstoffverbin- dungen nicht etwa geschädigten oder gar toten AzotobacterzeRen ent- stammen, Zellen, wie man sie in jeder Reinkultur in Masse nachweisen kann, und das ist bis jetzt noch nicht geschehen. So haben sich denn auch manche Forscher gegen eine Symbiose ausgesprochen, und es läßt sich auch nicht leugnen, daß die oben (S. 504) mitgeteilten Erfah- rungen, nach denen die Stickstoffbindung mit der Zellvermehrung in den Kulturen eng verknüpft ist, dafür sprechen, daß lebende Azotobacter- zellen wesentlich nur für eignen Bedarf Stickstoff binden. Spruchreif ist die Frage aber noch nicht, vielleicht entscheiden die Lebensbedin- gungen darüber, ob Sym- oder Metabiose stattfindet. Unsere Ausführungen über Äzotobacter seien mit einem Rückver- weis auf den schon früher gestreiften Gaswechsel dieses Spaltpilzes ge- schlossen: Wir hörten (S. 389), daß er ein echter Aerobiont ist, nur an gut gelüfteten Standorten wird er seine Tätigkeit entfalten, und auch in Kulturen ist der wohltätige Einfluß starker Lüftung leicht zu be- obachten. Wir fügen hinzu, daß außer Kohlensäure kein Gas von ihm ausgeschieden wird, also nicht auch Wasserstoff, wie man aus der Unter- suchung unreiner Kulturen fälschlich geschlossen hat. Auch organische Säuren bildet er nicht und ist gegen solche sehr empfindlich. — Wie nun die Stickstoffbindung in chemischer Hinsicht verläuft, ist vollkommen Wiss. Meeresunters. Kiel 1904, N. F. Bd. 8; Fischer, H., B. C. II, 1904, Bd. 12, S 267. 3) Krzeminie wski, S., a. a. 0. 508 XVn. Die Stickstoff bind enden Bakterien. unbekannt. Denkbar wäre, daß der freie Stickstoff durcb Wasserstoff reduziert und in Ammonium überführt wird. Wenn im Stoffwechsel des Azotohactcr kein freier Wasserstoff entsteht, so könnte dies daran liegen, daß er nur insoweit gebildet wird, als er sofort zur Reduktion des Stickstoffs verwandt wird. Möglich, wenngleich unwahrscheinlich, wäre andrerseits auch, daß der Stickstoff erst oxydiert wird, und diese Oxydationsprodukte, welcher Art sie auch sein mögen, dann dem Auf- bau der Zellen dienen. Dieser Aufbau würde dann auf einem Umweg erfolgen, denn im Eiweiß ist der Stickstoff an Wasserstoff gebunden. Bei unserer gänzlichen Unkennt- nis auf diesem Gebiet wäre es aber nicht unerlaubt, anzunehmen, daß dieser Umweg eben der bequemere Weg für den Organis- mus ist. Sollten solche oxydierten Produkte entstehen, so müßte man annehmen, daß sie nach Maßgabe ihrer Entstehung sofort weiter verarbeitet werden, denn sie in Azo- tohadcr\i\\\i\xren nachzuweisen ist bisher nie gelungen. Äzotobader chroococcum, wie die Art ge- nannt wurde, von der bisher die Rede war, wurde zuerst in den Niederlanden entdeckt, und seither wurde eifrig Jagd auf sie ge- macht, so eifrig, daß über dieser mehr ex- tensiven Untersuchung ihres Vorkommens die intensive Untersuchung ihrer Morphologie und Physiologie zweifel- los gelitten hat. Gleichzeitig mit ihr wurde noch eine zweite Art, Äzo- tobader agile, entdeckt, eine Form, die aus niederländischem Kanal- wasser isoliert wurde (Abb. 97). Sie ist etwas größer als Äzotobader diroococcum, von ihm dadurch unterschieden, daß sie lophotrich be- geißelt ist. In den Zellen sollen Kern und Vakuolen deutlich sichtbar sein, sie macht ihre Nährlösung fluoreszieren. Diese eigenartige Form ist sonderbarerweise seither nie mehr gefunden oder doch nie mehr genauer beschrieben worden. Außer ihr wurden noch eine ganze Reihe von anderen ,,Formen" oder anderen „Arten" der Gattung Äzo- tobader beschrieben, die sich zum Teil aber nur durch untergeordnete Merkmale unterscheiden. So wurde im Golf von Neapel eine Form nachgewiesen, deren Gallerthüllen sich bei Zusatz von starken Jod- lösungen blau färbten. In Amerika wurden Formen gefunden, die sich von A. diroococcum nur durch geringere Größe unterscheiden. Sodann Abb. 97. Azotobaeter agile. Kultur auf Phosphat-Glukose- Agar, 2 Tage alt. Photographiert nach d. Leben (Vergr. 800.) Nach Beijerinck aus Lafars Hdb. I Aitcu der Gattung Azotobacter. öO!» eine als A. Beijerinclii benannte Art mit ovalen Zellen, die größer als die von A. chroococcmn sind nnd sich dadurch auszeichnen, daß sie in älteren Kulturen nicht als Sarzinen, sondern in Form von Strej)tokokken^) auftreten, doch soll sie außerdem auch in Form schwefelgelber, nicht brauner Sarzinen vorkommen-). Gleichfalls aus Amerika wird ein A. Vine- landii beschrieben, im Gegensatz zu A. Beijerinclcii mehr zur Sarzinen- als zur Streptokokkenform neigend, wohl dem A. af/tlc nahe stehend und wie dieser Fluoreszenz 'der Nährlösung hervorrufend. Bei Leipzig wurde A. vitrcum^) gefunden, stets unbeweglich, nie als Stäb- chen, sondern immer rundzellig auftretend, sich nie verfärbend und einen glasigen Schleim bildend. Endlich sei noch auf A. Woodstoni hingewiesen, von den anderen scharf dadurch unterschieden, daß die Befähigung zur Stick- stofi'bindung ihm abgeht. Eine systematische Durcharbeitung all der genannten Formen fehlt noch. Wir wenden uns nun zur Besprechung jenes zweiten Stickstoiibinders, den wir in unserer Rohkultur bereits beobachtet haben, und den wir bei Untersuchung solcher von Stickstoffverbindungen freien Lösungen wohl nie vermissen werden, das ist jener logen- führende Spaltpilz, der zumal in den tieferen Schichten unserer Nährlösung haust, der erste frei im Boden lebende Spaltpilz überhaupt, bei dem man die Befähigung zur Stickstoffbinduug nachgewiesen hat.*) Er erhält als Buttersäurebilduer in Rohkulturen über Asotohacter das Übergewicht, wenn man nicht für Abstumpfung der Säure sorgt. Zumal in zuckerhaltigen Rohkulturen kann solche Buttersäuregärung so lebhaft werden, daß Asotohoder vollkommen unterdrückt wird. Auch kann man aus den Rohkulturen das Azotohacter dadurch ausschalten, daß man pasteurisierten Boden als Impfmaterial benutzt Dann sieht man, sobald die Buttersäuregärung einsetzt, Bakterienmassen auftreten. Abb. ccm Bodenextrakt, in welchem phos- phorsaures Kalium und 1 7o Traubenzucker gelöst war, wurde mit den Reinkulturen von Knöllchenbakterien, zum Teil von Klee, zum Teil von der Saatwicke stammend, geimpft und in vollkommen reiner Luft gehalten. Nach drei Wochen waren etwas mehr als 3 mg Stick- stoff festgelegt worden. ^) Von verschiedenen Seiten ist behauptet worden, daß bei Zusatz geringer Mengen eiweißartiger Nährstoffe die Stickstoffbindung in solchen Kulturen besser nachweisbar sei. Doch auch das dürfte noch nicht sicher gestellt sein. Wie vereinbart sich nun dies zweifelhafte Resultat mit der nachweislich so starken Stick- stoffbiudung, die innerhalb der Knöllehen ganz zweifellos stattfindet? Da sind mehrere Hypothesen ausgesprochen worden: die einen For- scher glauben, daß die Knöllchenbakterien innerhalb der Knöllehen jenes Maß der Sauerstoffspannung finden, welches für die Zwecke der Stickstoff bindung geeignet sei; auch wurde die Meinung vertreten, daß die Bakterien in der Wurzel vollkommen anaerob lebten, indem das lebende Protoplasma der knöllchenführenden Wurzelzellen ihnen den Sauerstofi' gänzlich entzöge und daß sie nur unter solchen Um- ständen, ähnlich den anaeroben, freilebenden, stickstoffbindenden Bak- terien den Stickstoff' fixierten. Das würde aber die weitere Hilfshypo- these nötig machen, daß die außerhalb der Leguminose in Rein- kultur streng aeroben Knöllchenbakterien innerhalb derselben aus 1) Löhnis, F. u. Pillai, K., B. C. 11, 1908, Bd. 20, S. 781. Stickstoft'bindung der Knöllchenbakterien. 525 irofoiul welchen unbekannten (Iründen des freien Sauerstoffs entraton könn- ten. Wahrscheinlicher ist es wohl, daß die Bakterien innerhalb der Wurzel irgendwelche speziellen Ernährungsbedingungen vorfinden, die auf sie einwirken, ähnlich wie Hnniüsstoffe auf das Asotohacter, und sie zur ener- gischen Bindung des Stickstoffs befähigen. Nähere Untersuchungen müssen diese Frage noch aufklären. Beobachten wir nun unsere Bakterienreinkulturen unter dem Mikro- skop, so sehen wir, daß es sich um kleine Stäbchen handelt. Unter ge- eigneten Kulturbedingungen, bei Zufuhr bestimmter Stoffe können wir auch eicrenartige Umwandlungen ^.^.i I 5i © ihrer Gestalt wahrnehmen, Umwand- lungen, welche, wie wir schon hör- ten, in den Knöllchen, falls diese normal ausgebildet sind und Stick- stoff fixieren, regelmäßig aufzutreten pflegen: die Bildung der sog. „Bak- teroideu'- (Abb. lOo). Die ZeUen werden dabei größer, blähen sich unregelmäßig auf, verzweigen sich wohl auch, treiben kleine Aus- sprossungen usw. Im Inhalt treten Stoffe auf, die sich auf Jodzusatz intensiv braunrot färben. Was hat nun diese Bakteroidenbildung für eine Bedeutung? Während man frü- her annahm, daß es sich um eine durch die Leguminose bewirkte krankhafte Umbil d un g der Bakterien handle, und daß die Bakteroiden bald nach ihrer Entstehung von der Leguminose gelöst würden und so deren stickstoffhaltige Inhaltsstoöe der Leguminose zugute kämen, neigt mau neuerdings^) der gleichfalls noch unbewiesenen Ansicht zu, daß diese Bakteroiden nicht verdaut werden, vielmehr noch im lebenden Zustand von der Wurzel ausgenützt werden, indem Teile ihres Inhalts durch die BakterienzeUwand nach außen hindurchtreten und von der Leguminose verwertet werden soUen. Gestützt wird diese Meinung unter anderm dadurch, daß jene mit Jod reagierenden Inhaltmassen in den Baktero- iden sich ansammeln, falls aus irgendwelchen Gründen ihre Ausnützung Abb. 103. Entwicklung von Bakterien zu Bak- teroiden; aus dem Teilungsgewebe eines Wurzelknöllchens der Saatwicke. (Vergr. 700.) Nach Beijerinck aus Lafar, Mykologie. 1) Vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen: Hiltner, L., in Lafars Hdb., Bd. 3, S. 24. 526 XVII. Die stickstoffbindenden Bakterien. durch die Pflanze unterbleibt. Während nach der ersteren Auffassung die Bakteroiden lediglich Involutioiisformen sind, die dem baldigen Tod verfallen, dürfen "svir sie nach der zweiten Auffassung eher als Wuchs- formen besonderer Art bezeichnen, d. h. von der Norm abweichende Formen, welche durch die beso)ideren Lebensbedingungen hervorgerufen werden und in diesem Fall diejenige Form darstellen, in welcher die Bakterien der Stickstoffbindung obliegen. Wie soll man nun das gegenseitige Verhältnis zwischen Bakterien und Leguminose benennen? Früher nannte man es Symbiose, stellte sich also vor, daß stets beide Konsorten Nutzen daraus zögen: Die Bakte- rien erhalten Behausung und organische Kohlenstoffverbindungen ; man kann in der Tat nachweisen, daß in dem Knölkhen sich von der Legu- minose gebildete Stärke ansammelt, welche dann den Bakterien als Nahrung verfällt. Die Leguminose erhält als Gegengabe gebundenen Stickstoff, schließlich aber wandelt sicli diese Symbiose um in einen Para- sitismus der Leguminose auf den Bakterien, die Bakteroiden werden verdaut, nur ein Teil gelangt schließlich beim Faulen der Knöllchen wieder ins Freie, um zu überwintern und im nächsten Jahre wieder in die Wurzeln einzuwandern. Neuerdings faßt man das Verhältnis von vorne herein als ein Kampfverhältnis auf, als einen Parasitismus der Bakterien auf der Leguminose. Deren Wurzeln werden von den Bakterien befallen, und nun entsteht ein Kampf: Sind die Bakterien „geschwächt'', oder sonstwie dem Aufenthalt in der Wurzel nicht „angepaßt", so wer- den sie von den Wurzelzellen bald vertilgt, die Invasion hat keine weiteren Folgen. Das soll zum Beisjiieldann vorkommen, wenn der Legu- minose reichlich gebundener Stickstoff zur V erfügung steht. Tatsäch- lieh kann man schon durch geringe Salpetergaben die Entstehung der Knöllchen an den Wurzeln verhindern. Es soll aber in diesem Fall auch vorkommen, daß die Bakterien es zwar bis zur Knöllchenbildung brin- gen, daß sie dann aber von der Pflanze überwältigt werden und zu- grunde gehen; das Ergebnis sind dann wirkungslose, nicht stickstofl- bindende Knöllchen. In diesen Fällen, die nicht zur Stickstoffbindung führen, erweisen sich also die Leguminosen als die kräftigeren. Das an- dere, gleichfalls nicht zur Stickstoffixierung führende Extrem wird da- durch dargestellt, daß die Bakterien die kräftigeren sind. Sie schädigen die Pflanze, dringen ein in die Wurzeln, werden aber nicht zu Bakteroiden umgewandelt, fixieren darum auch keinen freien Stickstoff, sondern leben als reine Parasiten in der Leguminosen wurzel. Man sagt, es sei „Bak- terienüberwucherung" eingetreten. In der Mitte zwischen diesen beiden Fällen liegt nun der typische: daß Stickstoff bindende Knöllchen ausgebildet werden; dann sind im Kampf die Bakterien und die Legu- Physiologie und Morphologie der Knöllchenbakterien. 527 minose einander gewachsen; die ersteren dringen zwar ein und vermeh- ren sich kräftig, werden aber zu Bakteroiden umgewandelt und versehen die Ptlauze mit gebundenem Stickstofi". Aus dem Kampfverhältnis ist sozusagen eine Symbiose geworden, bedingt dadurch, daß keiner der bei- den Konsorten die Kraft hat, den anderen ganz zu überwältigen. — Wir haben soeben ältere und neuere Anschauungen nebeneinandergestellt, die letztere hat den Vorteil, daß sie auch die von der Norm abweichenden Fälle erklärt, also umfassender ist; ob sie aber wirklich zutrifft, muß erst die Zukunft lehren. Wir haben noch nichts Näheres über die Systematik der Knöllchen- bakterien gesagt. Gemeiniglich werden sie als Bacferium radicicola be- zeichnet. Innerhalb der Knöllchen sind sie unbeweglich, außerhalb der Pflanze begeißelt, und zwar nach den einen Forschern monotrich,^) nach den anderen lophotrich, nach wieder anderen lateral.^) Wir haben also die Auswahl! Von weiteren Angaben über ihre Biologie führen wir hier nur die an, daß sie in trockener Erde drei Jahre lang lebendig bleiben; so- dann, daß sie sich in feuchtem Boden und unter sonst Dünstigen Bedin- gangen lebhaft vermehren^), daß ferner geeignete Versuche gezeigt ha- ben, daß sie innerhalb 24 Stunden im Boden unter günstigen Bedingun- gen 12 mm weit zu wandern vermögen. Die Frage, ob es sich um eine einzige oder viele Arten handelt bei den verschiedenen Leguminosen, ist viel diskutiert worden. Längere Zeit war man der Meinung, daß man zwei gut unterschiedene Arten vor sich hätte, die eine wurde als Bacterium Beijerinckii von Baderium radici- cola abgespalten. Die erstere wächst nicht auf Gelatine-Nährböden, sie erregt die Knöllchen bei Seradella, Lupine und Sojabohne, während die ändere, die auf Gelatine gut wächst, die Erregerin der Knöllchen bei den anderen daraufhin untersuchten Leguminosen sein sollte. Neuere Untersuchungen aber deuten daraufhin, daß man mit dieser Spaltung in zwei Arten nicht auskommt, daß man vielmehr eine größere Zahl von Arten solcher Knöllchenbakterien unterscheiden muß, die man nicht ineinander überführen kann. Man^) kann diese Arten unterscheiden durch ihr verschiedenes Wachstum auf verschiedenen Nährböden, durch Verschiedenheiten in der Säure- und Schleimbildung, ferner auch dadurch, daß die Bakteroiden- 1) z. B, Harrison, F. C, u. Barlow, B , B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 2C4. 2) Maaßen u. Müller, Mitt. a. d. biol. Anstalt f. Land- u. Forstwirtsch., 1906. Kossi, Gino de, Ref. in Ztsch. f. Bot. 1910, Bd. 2, S. 345. 3j Maaßen u. Müller, Mitt. a. d. biol. Anstalt f. Land- u. Forstwirtsch., 1907, Heft 4, S. 42. 528 XVII. Die stickstoffbindenden Bakterien. formen, die durch Zusatz bestimmter Stoffe zu den Nährböden er- zeugt werden können, bei den verschiedenen Arten verschieden aussehen und verschieden schnell auftreten.-^) Bei früherer Gelegenheit haben wir schon gehört, daß man, veran- laßt durch die eigenartigen Formabweichungen, welche die Bakterien bei ihrer Verwandlung in Bakteroiden durchmachen, die Ansicht aus- gesprochen hat, daß die Knöllchenbakterien keine eigentlichen Spaltpilze seien, sondern zu den Mykobakterien gehören, jener Pilzfamilie, welche zwischen Bakterien und höheren Pilzen steht (S. 19()). Diese Anschauung würde also besagen, daß die Bakteroiden keine teratologischen, durch bestimmte Einflüsse der Umgebung ausgelösten, pathologischen Um- bildungsformen seien. Das sind, in gedrängtester Kürze dargestellt, die Meinungen, welche man über Morphologie, systematische Stellung der Knöllchenbakterien und über das Wesen ihres Zusammenlebens mit den Wurzeln der Leguminosen ausgesprochen hat. — Welche Bedeutung die auf solche Weise zustandekommende Stickstoff bindung für die Landwirtschaft hat, ist in aller Munde. Darüber wird im übernächsten Kapitel noch einiges zu sagen sein. Doch auch abgesehen davon wird die Bedeutung für den Haushalt der Natur uns einleuchten, wenn wir hören, daß die Legumi- nosen etwa 7000 Arten umfassen, und daß es sich dabei vielfach um mäch- tige Waldbäume handelt, es sei erinnert an die tropische Unterfamilie der Caesalpiniaceen, welche Farbhölzer, Nutzhölzer, offizineile Gewächse, Bäume mit eßbaren Früchten in großer Zahl umschließt. Auch darauf sei hingewiesen, daß bäum- oder strauchartige Leguminosen jedenfalls durch die Symbiose mit Bakterien zur Pionierarbeit auf jungen Böden befähigt werden, und solche Arbeit vielleicht auf jungen vulkanischen Böden vereint mit anderen mykotrophen Pflanzen leisten.-) Immerhin wird man sagen dürfen, wenn anders man sich den obigen Ausführungen an- schließt, daß dies Zusammenleben von Bakterien und Leguminosen ein 1) Nachtr. Anm. Vergl. Zipfel, H., B. C. II, 1911, Bd. 32, S. 97. Die Arbeit handelt von der Biologie der Knöllchenbakterien; Kardinal- pnnkte der Temperatur für das Wachstum der einheimischen Arten sind 3 Grad (Minimum), 18 — 20 Grad (Optimum), 45 Grad (Maximum). Mit Hilfe der Aggluti- nationsmethode (vergl. »S. 210) wird das oben wiedergegebene Resultat bestätigt, daß es mehrere artverschiedene Knöllchenbakterien gibt. Das Erbsen- und Bohnen- bakterium ist z. B. ein anders als das Klee- und Saubohnenbakterium. Die Be- geißelung wird als peritrich bezeichnet. Die Bakteroiden sollen zustande kom- men durch die Einwirkung bestimmter Eiweißzersetzungsprodukte (Xanthine) der Leguminosenwurzel auf die Bakterien, Produkte, welche unter dem Einfluß des Stickstoffhungers in den Leguminosen auftreten. 2) Miehe, H., Abh. sächs. Ges. d. Wiss. 1911, Bd. 22, S. 380. KuöUchen der Erlen und Ölweiden. 529 Beispiel dafür ist, daß Erscheinungen, von denen überaus oft die Rede ist und deren praktische Bedeutuui? außer Frage steht, in rein wissen- schaftlicher Beziehung doch recht ungenügend bekannt sein können. Das zeigt die große Zahl von Lücken, welche die obige Darstellung aucli dann aufweisen würde, wenn sie eingehender wäre. Anhanujsweise soll nun noch darauf hingewiesen werden, daß auch einige andere, nicht zu den Leguminosen gehörige Pflanzen knöllchen- tragende Wurzeln besitzen, mit deren Hilfe sie sich elementaren Stick- stoff zunutze machen.^) So vor allen die Erlen, sodann die Olweiden- familie. Die Frage, welche Mikroben hier die Knöllchen erzeugen, ist zweifelhaft, meistens werden sie zu den Bakterien gestellt, wohl auch als nahe Verwandte der Leguminosenbakterien angesprocben.^) Es sind aus Zellfäden gebildete Wesen, deren Fäden in kleine, bakterienähnliche Stäbchen zerfallen können, und die eigenartige, rundliche Anschwel- lungen bilden können, welche oft die ganze Wurzelzelle ausfüllen. Bei den Erlen kann man die Befähigung, mittels dieses Knöllchen- organismus den Stickstoff zu binden, durch Kultur der Bäume in wäßrigen Nährlösungen nachweisen; hierbei bilden sich die bei dem genannten Baum begreiflicherweise ausdauernden, großen Knöllchen auch unter Wasser aus, während, wie nachgetragen sein möge, Wasserkulturen von nicht ausdauernden Leguminosen keine oder doch nur unvollkommen funktionierende, submerse Knöllchen auszubilden vermögen. Knöllchen- führende Erlen bedürfen dann ebensowenig wie knöllchenführende Leguminosen der Zufuhr von gebundenem Stickstoff. Auf die Bedeutung der Stickstoffbindung der Erlenknöllchen zumal bei der Entstehung der Flachmoore ist hingewiesen worden. Daß die Sanddornarten {Elaeagmis und Verwandte), die z. B. auf dem sandigen Boden an der Meeresküste wachsen, auf diesen mageren Böden durch die Stiekstoffbindung in den Knöllchen gefördert werden, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Abgesehen von den eben genannten FäUen, in welchen die Stick- stoffbindung seitens ' der Knöllchenmikroorganismen sicher erwiesen wurde, gibt es nun noch eine ganze Zahl anderer Vergesellschaftungen der Wurzeln höherer Pflanzen mit den verschiedensten Pilzen, denen gelegentlich mit mehr oder minder großer Bestimmtheit auch die Fähig- keit zur Stickstof fixier ung zugeschrieben wird, die sog. Mykorrhizen, Wurzelverpilzungen, die dadurch zustande kommen, daß Pilze im engen Kontakt mit Pflanzenwurzeln deren Oberfläche überziehen (ektotrophe 1) Hiltner, L., a. a. 0., S. 60. 2) Peklo, .)., B. C. ir, 1910, Bd. 27, S. 451. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 34 530 XVn. Die stickstoffbindenden Bakterien. Mykorrhiza) oder aber im luuern der Wurzelzellen hausen (endotrophe Mykorrhiza). Bei den letzteren ist nun tatsächlich die Wahrsclieinlichkeit groß, daß es sich um Stiekstotfl)iu(hiiig durch den Pilz handelt, nach- gewiesen ist es aber bis jetzt nur für einen Fall, die Wurzelverpilzung der chinesischen Konif'erengattung Fodocurpus. Die Frage muß also noch als ofien bezeichnet werden, ob höhereu Pilzen, die in Gemeinschaft mit Wurzeln leben, ein erheblicher Anteil an tler Bindung freien Stickstoffs zuzusprechen ist. Ökologie und Geographie der Bakterien. 531 Kapitel XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Es gilt nunmehr den Versuch zu wagen, alles, was wir in den bisherigen Kapiteln behandelt haben, zusammenzufassen zu einem Bild, welches die Lebensweise und die Verbreitung der Bakterien auf der Oberfläche unserer Erde schildern soll. Dabei berücksichtigen wir nicht nur solche Orte, die von der menschlichen Kultur nicht oder wenig berührt sind, sog. natürliche Standorte, sondern auch diejenigen Orte unserer Umgebung oder anderer Kulturgegenden, die man im Gegensatz zu natürlichen Standorten wohl auch als künstliche bezeichnen kann (z. B. den Ackerboden), wenn man es nicht vorzieht, auch den Menschen und seine Tätigkeit zur Natur zu rechnen. Den Einzeitatsachen, die wir hier bringen wollen, seien einige allgemeine, erläuternde Bemerkungen vorausgeschickt. ■') Es handelt sich um zwei Sonderdisziplineu der Bakteriologie, denen wir uns zuzuwenden haben, um die Bakterienökologie und die Bakterien- geographie, zwei noch recht wenig bekannte Gebiete der Ökologie und Geographie der Pflanzen. Unter Ökologie verstehen wir die Standorts- lehre, unter Geographie die Verbreitungslehre der Gewächse. Behandelt man Standorts- und Verbreitungslehre der Pflanzen, so kann man den Stofl' in zwei Teile sondern, einen sog. beschreibenden, der uns erzählt, wie die Pflanzen auf der Oberfläche unseres Planeten verteilt sind, ob einzeln oder zu Beständen vereint, ob in diesen oder jenen Weltteilen usw., und einen erklärenden, der verständlich zu machen sucht, waram sie so und nicht anders verteilt sind, und ZAvar verständlich zu machen einmal auf Grund der Ansprüche, welche die Pflanzen an die Faktoren ihres Standorts stellen und welche wir durch Beobachtung und Versuch erschließen, und sodann auf Grund der geschichtlichen Entwicklung unserer Erde und ihrer Lebewesen. Was nun die Verbreitung der höheren Gewächse angeht, so ist 1) Miehe, H., Natw. Wocbscb. 1908, Bd. 7, Nr 62. 34* 532 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. dieselbe heutigen Tages recht gut bekannt, und die Hauptaufgabe der Geographie derselben ist es, die Erklärung dieser Verbreitung sowohl auf physiologischer als auch auf geschichtlicher Basis 7ai geben. ^j Anders bei den Bakterien. Deren Beobachtung im Laboratoriam, — unter künstlichen Bedingungen — hat sehr lange im Vordergrund des Interesses gestanden, und erst später hat man sich der Aufgabe zugewendet, ihr Vorkommen in der Natur zu studieren; zumal die Untersuchung ihrer Verteilung auf der Erde ist Gegenstand einer ziemlich jungen Wissen- schaft. Lange Zeit hat man es für ausreichend befunden, über die weite Ver- breitung vieler Bakterien, z. B. bestimmter Fäulniserreger, über die strenge Lokalisierung einiger anderer, z. B. der Erreger tropischer Erkrankungen, einige Worte zu sagen, und dieser Rückstand gegenüber der Geographie höherer Gewächse hat mehrfache Gründe: Nur in seltenen Fällen kann man, sei es in der Heimat, sei es bei der Bereisung ferner Gegenden, die Bakterien ohne optische Hilfsmittel sehen, und selbst wenn das der Fall ist, wenn mau Ansammlungen von Purpurbakterien oder etwa von Eisenbakterien ohne weiteres schon mit bloßem Auge erkennen kann, so bedarf es doch zur Sicherung der richtigen Deutung und zur Erkennung der einzelnen Arten derselben des Mikroskopes. In den meisten anderen Fällen heißt es aber, sie aus Bodenproben, aus \^'ässern usw. erst herauszuzüchten, um sie überhaupt Avahrnehmeu zu können; um festzustellen, ob man sie mit schon bekannten Arten zu identifizieren hat oder als neue Formen anerkennen darf, bedarf es, wie wir wissen, meist umfangreicher und zeitraubender Kulturversuche. Immerhin wären unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet schon Aveitaus bessere, wenn sich die Reisenden schon früher häufiger, als es jetzt geschieht, mit regelrecht entnommenen Wasser- oder Bodenproben versehen hätten, um sie nachträglich bakteriologisch zu analysieren. Schwerer aber wiegt ein Umstand, der durch die leichte, aber nicht sinnfällige Ver- breitbarkeit der Bakterien bedingt wird. Abgesehen vom Einfluß des Menschen erfolgt die Verbreitung der Bakterien auf nähere und weitere Entfernung durch Luftströmungen, Flüsse; die Verbreitung von Seuchen zeigt den Einfluß dieser beiden Vehikel; daß auch Tiere Bakterien ver- schleppen, braucht nicht gesagt zu werden; in sehr weitgehendem Maße findet wohl durch Exkremente Verbreitung von Bakterien statt. Neben ffrößeren sind kleinere Tiere nicht zu vercressen: Essigbakterien locken durch den Geruch ihrer Stoff'wechselprodukte bestimmte Insekten an, welche jene an ihren Füßen von Frucht zu Frucht verschleppen, — um 1) Miehe, H.. a. a. 0. ßakteriengeographische Methoden. 533 nur ein Beispiel zu nennen. Züchten wir nun aus irgendeiner Probe Bakterien heraus, so ist immer die Frage noc-h zu beantworten, ob dieselben wirklich an dem betreffenden Ort in größerer Menge gehaust haben und umfangreiche Stoffumsetzungen unterhalten haben, ob wir also wirklich einen „Standort" der betreffenden Art entdeckt haben, oder aber, ob die Keime nur zufällig dortin gelangt waren, sich zwar in unseren elektiven Nährlösungen, — und auf solche ist man ja in der Regel angewiesen, — üppig entwickeln, an Ort und Stelle aber keinerlei Rolle im Haushalt der Natur gespielt haben, sei es wegen ungünstiger Ernährungsbedingungeu, sei es wegen der Unmöglichkeit, mit besser angewöhnten Formen zu konkurrieren. Hierfür ein Beispiel: Wollen wir eine gegebene Bodenprobe auf das Vorkommen von Azotohacter untersuchen und übertragen sie in Fleischwasser, so würde der genannte Spaltpilz sich dort vermutlich im Widerstreit mit anderen Mikroorganismen nicht entwickeln können, unserer Aufmerksamkeit also entgehen, auch wenn er in der betreffenden Probe reichlich vorhanden ist. Verimpfen wir andererseits etwas von derselben Probe in eine für Stickstoffsbinder geeignete Lösung, so wäre umgekehrt die Möglich- keit denkbai-, daß er sich in derselben aus einigen wenigen, zufällig mit dem Wind von weit her dorthin gelangten Keimen zu einer üppigen Vege- tation entwickelt und sein Vorkommen somit an solchen Stellen vorge- täuscht wird, wo er sich nur als zufälliger Gast befunden hat und im natürlichen Verlauf der Dinge bald ausgemerzt worden wäre, ohne für den dortigen Kreislauf der Stoffe von Bedeutung gewesen zu sein. Diese Schwieriarkeit fällt bei höheren Formen weg: Ob eine hochorga- uisierte Pflanze, bzw. deren Früchte oder Samen durch Meeresströ- mungen, durch den Wind, durch Tiere, durch den menschlichen Verkehr oder ähnliche derartige Faktoren nur zufällig und vorübergehend irgend- wo hingelangt, oder ob sie an Ort und Stelle einen lebenskräftigen dauernden Bestandteil der Vegetation bildet, ist wohl meistens leicht fest- zustellen, Schwierigkeit macht es höchstens zu entscheiden, seit wann und unter dem Einfluß welcher Faktoren sie dortin gelangt ist. Aus diesem Grunde wird es sich denn auch bei der Untersuchung des Vorkommens von Bakterien künftig darum handeln, neben elektiver Zucht immer nach Möglichkeit auch die direkte, mikroskopische Beobachtung in Anwendung zu bringen, auch da wo es auf den ersten Blick fast un- möglich erscheint, um aus der Häufigkeit, aus dem Umstand, ob es sich um wachsende und sich teilende Zellen oder um Dauerformen han- delt, zu erschließen, ob die jeweils vorliegenden Arten nur Gäste oder einheimische Formen sind. Bei leicht kenntlichen Arten, z. B. dem Azo- tobader, hat man dies auch in einigen Fällen schon versucht. Die 534 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Methoden müssen aber erst nach Möglichkeit weiter ausgearbeitet werden. M Gesetzt nun, es sei gelungen, für eine bestinimtr Bakterienform zu ermitteln, daß sie an irgendeinem Ort tatsächlich ein dauernder Bestand- teil der mikroskopischen Vegetation ist, so schließt eich sofort die wei- tere Aufgabe an, die Ötandortsbedingungen möglichst genau zu erfor- schen, um sich ein Urteil über die Art der Lebenstätigkeit des betref- fenden Spaltpilzes bilden zu können; und hier ist eines Punktes zu ge- denken, der die bakterienökologischen Studien zu besonders subtilen macht und als natürliche Folge der geringen Größe der Bakterienzelle erscheint: Zwar muß auch die Erforschung der Standorte höherer PHau- zen-) damit rechnen, daß der Boden zusammengesetzt ist aus „einer Menge kontrastierender Bodenflecke", daß er ein „Mosaik'' bildet aus vielen in physikalischer wie chemischer Hinsicht verschiedenen Teilen. Während al^er für die Erforschung der Standorte höherer Pflanzen diese Teilchen, mögen sie auch viel kleiner sein, als man gemeiniglich früher angenommen hat, doch immerhin so groß sind, daß Kulturboden, z. B. die Fläche eines Ackers im Gegensatz zum mosaikartijfeu W'ild- bodeu als ein einheitlicher Standort größerer Pflanzen anzusehen ist, muß der Bakterienökologe daran denken, daß er mit einer Handvoll, ja mit einer noch viel kleine reu Portion Ackerboden schon eine ganz gewaltige Menge verschiedener Bakterienstandorte, damit auch Bakterien- gesellschaften vom Bodeu aufhebt: mehr oder minder gut durchlüftete, wasserärmere und wasserreichere Staudorte, solche die mehr und solche, die weniger Nahrung bieten, liegen hier vor; im Ackerboden sind sie zwar gleichmäßiger durcheinander cremischt als in Wildboden, müssen aber scharf auseinandergehalten werden. Das beweist u. a. schon die Er- fahrung, daß im „best durchlüfteten" Boden luftscheue Bakterien neben luftgierigen üppig gedeihen können. Betrachten wir nunmehr in großen Zügen die Faktoren der Außen- weit, von denen die Verbreitung der Pflanzen abhängt, so können wir sie, wenn wir uns auf die Behandlung der nicht lebendigen Faktoren zunächst beschränken, in klimatische i atmosphärische) und in edaphische (von iöcicfo^ Erdboden) einteilen; die letzteren beruhen auf den physikali- schen sowie auf den chemischen Bodeneigentümlichkeiten; es ist nun klar, daß die klimatischen P^aktoreu für die höheren Pflanzen, die mit ihren oberirdischen Teilen mehr oder minder weit in die Luft ragen, neben den 1) Nachtr. Anm. Über direkte Zählung von Bakterien in Wässern mit Hilfe des Ultramikroskops vgl. Amann, J., B. C. II, 1911, Bd. 29, S. 381. 2) Kraus, G., Boden und Klima auf kleinstem Raum. Jena 1911. Edaphische und klimatische Faktoren. 535 edapbischen von gewaltiger Bedeutung sind, wobei allerdings zu beach- ten istjM daß die atmosphärischen Bedingungen in der Nähe des Erd- bodens von diesem weit mehr beeinflußt werden, als man vielfach glaubt, während im Gegensatz dazu für die Bakterien die edapbischen, zumal die chemisch edapbischen eine sehr große Rolle spielen, eine weit größere als für die höheren Gewächse. Das liegt zum Teil au der verschiedenen Or- trauisation höherer Gewächse und der Bakterien, zum Teil liegt es aller- dings auch in dem heutigen Stand unserer Erkenntnis begründet. Es ist vorauszusehen, daß in der Geographie der höheren Pflanzen später eben- falls chemische Fragen etwas mehr in den Vordergrund treten werden als jetzt, daß z. ß. das Wesen der Kalkfeindlicbkeit oder der Giftigkeit von Moorboden usw. genauer studiert werden wird als heutzutage, daß also höhere Pflanzen mit Rücksicht auf die Ansprüche an die chemische Bodenbeschaflenheit feiner werden differenziert werden können. Aber andererseits ist doch jetzt schon als feststehend zu erachten, daß derart gewaltige Unterschiede, wie sie etwa zwischen echten Fäulnisbakterien und nitrifiziereuden Spaltpilzen vorliegen, daß ein ähnliches unbedingtes Gebundensein an ganz bestimmte chemische Stoffe, wie wir es bei bestimmten Bakterien finden, bei höhereu Gewächsen in dem Maße nicht vorkommt. Luftgehalt, Wassergehalt und die durch diesen bedingte Erwärmung des Bodens werden wohl auch im Auge der künftigen For- schung die für das Wurzelsystem höher organisierter Pflanzen wichtig- sten edapbischen Faktoren sein, — wir sehen dabei ab von künstlichen Standorten, welche wegen Entnahme der Ernte der Düngung, damit der Zufuhr bestimmter chemischer Stoffe bedürfen. Sind somit die chemisch-edaphischen Faktoren für Bakterien von größter Bedeutung, so sind darum natürlich auch für sie die eben ge- nannten physikalisch-edaphischen sehr wesentlich; die klimatischen Fak- toren aber haben iui Gegensatz zu den edapbischen für den Bakteriologen mehr ein indirektes Interesse, nämlich insofern als sie für die edapbi- schen, und zwar sowohl die physikalisch-edaphischen als auch die chemisch-edaphischen, für letztere z. B., indem Niederschläge Stickstoff- verbindungen dem Boden zuführen, und insofern als sie zur Verbreitung von Bakterienkeimen durch die Luft beitragen, von Bedeutung sind. Auch sonst bringt es die verschiedenartige Lebensweise hoch und niedrig organisierter Gewächse mit sich, daß sich dem Ökologen und dem Pflanzengeographen, der höhere Pflanzen bearbeitet, andere Proble- me darbieten als dem Bakterioloo^eu. So sei nur noch darauf hinsje- wiesen, daß die ökologische Pflanzengeographie, soweit höhere Pflanzen in 1) Kraus, G., a. a. U. 536 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Frage stehen, auch auf die Lebensdauer ihrer Objekte zu achten hat. 8ie unterscheidet bekanntlich ephemere, ein-, zwei-, mehrjährige, aus- dauernde Gewächse. Wenden wir diese Fragestellung auf die Bakterien an, so finden wir, daß alle Bakterien typisch ephemere Pfianzen sind, die beliebig oft innerhalb eines Jahres ihren Kreislauf vollenden können, sobald nur günstige Bedingungen herrschen. Ruheperioden werden stets nur durch die jeweiligen Lebensbedingungen aufgezwungen. Ein erblieh festgehaltener Rhythmus, ähnlich etwa dem Ruhezustand höherer Ge- wächse im Winter, welcher bisher durch künstliche Eingriffe nur bis zu einem gewissen Grade verändert werden konnte, ist niemals im selben Maße nachzuweisen, weil die Generationsdauer der Bakterien eine so außer- ordentlich viel kürzere ist. Zwar finden wir angegeben, daß bestimmte Eisenbakterien wesentlich nur im Frühjahr Schwärmer bilden (S. 491); wir hören ferner, daß sich in Wasserleitungen eine von der Jahreszeit abhängige Periodizität im Auftreten der Wasserbakterien feststellen läßt, derart, daß in der kalten Jahreszeit etwa doppelt soviel Keime als in der warmen auftreten, was mit dem Vorkommen besonders großer Mengen von bakteriellen Stofi'wechselprodukteu während des Sommers in Zusammenhang gebracht wird.^) Viele Bakterien des Ackerbodens und ähnlicher Standorte zeigen ebenfalls eine Periodizität; das Maxi- mum der Entwicklungshöhe fällt nicht mit dem der Temperatur zu- sammen, sondern ist in unserer Breite etwa im Mai zu beobachten, worauf die Zahl im Sommer zurückgeht, um im Herbst wieder anzu- schwellen; das ist ermittelt worden für Azotohacter, für eiweißzersetzende Bakterien u. a.'i Diese übrigens nocli näher 7a\ untersuchende Tatsache dürfte wohl so zu erklären sein, daß im Sommer die Temperatur sich in- direkt betätigt, indem sie vor allem den Wassergehalt und Nährstoffgehalt des Standorts im ungünstigen Sinn beeinflußt, während dann, wenn im Winter Bakterienleben unterdrückt wird, eine direkte Wirkung der Kälte vorliegt.^) Jedenfalls dürfen wir annehmen, daß zur Erklärung lediglich die ieweili2;en äußeren Standortsbedingungen herancrezogen werden müssen, nicht eine durch den jährlich wiederkehrenden Rhyth- mus aufgezwungene Periodizität, die nicht jederzeit im Experiment leicht umgestoßen werden könnte. Wir können somit sagen, die Unterschiede in der Organisation und 1) Ruttner, F., Arch. d. natw. Landesdurchforsch. Böhmens, 1906, Bd. 13, S. 1. Ref. natw. Rdsch. 1907. 2) Löhnis, F., B. C. II, 1908, Bd. 20, S. 781. Barth el, Ch., B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 108. 3) Vgl. aber auch Conn, H. J., B. C. IL, 1910, Bd. 28, S. 422 und 1911, Bd. 32. S. 198. Periodizität im Bakterienleben. 537 in der Lebenweise der Bakterien einerseits, der liöheren Pflanzen anderer- seits sind so große, daß auch der Stand der ökologisch-geographischen Forschung ein sehr verschiedener ist. „Die ökologische Geographie höherer Pflanzen ist in der Inventarisierung^) weiter;" die Bakterio- loo-ie andererseits hat eine deutlicher und stärker ditierenzierte Lebens- weise ihrer Objekte kennen gelehrt und kann darum heutzutage vielfach eine befriedigender Erklärung für das Vorkounnen mancher Formen an gewissen Standorten geben. Nun hörten wir, daß die pflanzeugeographische Forschung auch eine historische Seite hat; das Fehlen bestimmter Pflanzen an gewissen Standorten ist gelegentlich nicht damit zu erklären, daß die Standorts- bedingungen ihnen nicht zusagen, sondern damit, daß Keime der betref- fenden Arten zufällig noch niemals an die betreffenden Orte gelangt sind; die Pflanzengeographie hat häufig zu untersuchen, wieweit die Verbreitung der Pflanzen durch das frühere Antlitz der Erde beeinflußt wird. Auch bei den Bakterien erhebt sich stets die Frage, ob das Fehlen einer Art an irgendeinem Fleck der Erdoberfläche ökologische oder ge- schichtliche Gründe hat. Um diese Frage zu entscheiden, hat man^) auch vorgeschlagen, svstematisch Aussaatversuche mit Bakterien zu machen, d. h. charakteristische Arten, die man an bestimmten Stellen vermißt, dortin zu übertragen und dann abzuwarten, ob sie sich ansiedeln oder nicht. So wird man in vielen Fällen die eben aufgeworfene Frage ent- scheiden können; bis jetzt liegen derartige Versuche noch nicht vor, doch braucht nicht besonders betont zu werden, daß der Mensch vielfach unbewußt in dieser Weise gewirkt hat, indem er Bakterien von einem Ort zum andern verschleppt, eine Tätigkeit, deren Umfang übrigens schwer abzuschätzen ist. In wenig befriedigender Weise pflegte man früher — heute geschieht es wohl nur noch selten — erstens die Luft, zweitens den Erd- boden und drittens das Wasser als Bakterienstandorte zu bezeichnen, denn als Standort, d. h. eine Lokalität, an welcher die Pflanzen wachsen, gedeihen und sich vermehren, scheidet die Luft natürlich aus. Gleichwohl geben wir hier zunächst einen kurzen Überblick über das Vorkommen von lebenden Bakterien in der Luft, denn Untersuchungen darüber sind, wie schonmehrfach ausgeführt, von großer Bedeutung: Sehen wir von der jeder- mann bekannten gesundheitlichen Seite dieser Frage auch ganz ab, so 1) Miehe, H., a. a. 0. 2) Koch, Alfr., Ztsch. f. Bot. 1909, Bd. 1, S. 349. 538 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. leuchtet doch ein, daß derartige Untersuchungen ims unterrichten köuncTi über die pflanzengeograpbiscli wichtige Frage, in welchem Umfang Bak- terien von einem Ort zum andern durch Luftströmungen transportiert werden können, unter welchen Bedingungen und in welcher Jahreszeit das geschieht, und vor allem, welche Bakterien es sind, die überhaupt auf weitere Entfernungen die Luft zu „durchwandern" vermögen, Untersuchungen, die natürlich ergänzt werden müssen, durch Laboratoriumsversuche über die Widerstandskraft der Bakterien gegen Austrocknuug und gegen inten- sive Sonnenstrahlung (Kap. X). Die Methoden, die man anwendet, um das Vorkommen und die Dichte der Bakterien in einem bestimmten Luft(juantuni kennen zu lernen, sind bald einfache, bald kompliziertere. In manchen Fällen genügt es, offene, mit Nährlösungen oder Xährjjal- lerte gefüllte Schalen aufzustellen, nach einiger Zeit zu verschließen, unter bestimmten Bedingungen aufzubewahren und dann zu ermitteln, was und wieviel wächst. Auch kann man K (ihren aus (ilas, die man innen mit Nährgallerte auskleidet und durch die man mittelst eines Aspirators eine bestimmte Luftmenge langsam hindurchsaugt, verwenden. Aus der Zahl von Kolonien, die sich auf der Gallerte entwickeln, erhält man die Zahl von Luftkeimen, die in dem durchgesaugten Luftvolumen schwebten. Falls die Untersuchung einer geringen Luftmenge ausreicht, kann man auch innen mit Nährgallerte ausgekleidete, dann luftleer ge- machte und zugeschmolzene Röhren verwenden, die man am gewünschten Ort öffnet und alsbald mit Watte wieder verschließt.^) Auf andere Appa- rate kommen wir gleich noch zu sprechen. Unter allen Umständen wird man recht verschiedene Nährlösungen verwenden, auch sonst die Knlturbedingungen möglichst abändern, z. B. sowohl bei Luftzutritt als auch ohne solchen kultivieren, um möglichst viele Formen zum Wachsen zu bringen. Die meisten derartigen Untersuchungen wurden für die prak- tischen Zwecke des Hygienikers ausgeführt, und alle bakteriologischen Leitfäden und Handbücher sind voll von Zahlenangaben, die nachweisen, wieviel Keime im Kubikmeter der Großstadtluft, der Krankensäle usw. enthalten sind, die ferner unter anderem zeigen, daß die von Mensch und Tier ausgeatmete Luft keimfrei ist, daß also eingeatmete Keime von den Schleimhäuten festgehalten werden, usw. Wir l)eschränken uns darauf, folgendes über diese Fragen auszuführen: Bakterienkeime gelangen in die Luft mit dem vom Wind aufgewirbelten Staub, an dem sie kleben. So ist es durchaus begreiflich, daß mit zunehmender Seehöhe die Luft reiner und reiner werden muß, bis sie in großer Höhe endlich keimfrei ist-, Zahlen folgen gleich. 1) Ficker, M., Ref. in B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 24.5. Luftkeime. 539 Auch über Scbneefelderu, auf bober See kann die Luft aus gleicbeni Gruud keimfrei sein. Wurden auf bober See große Luftmengeii durch Sandlilter gesaugt und danu mit dem Sand Näbrgelatineplatten (z. B. Häringsdekoktseewassergelatine) beimpft, so konnte in 50 Litern Luft ein Keim nachgewiesen werden. Bei großer Landnähe war der Einfluß der Windrichtung ohne Scbwierigkeiten festzustellen; wehte der Wind von Land her, so konnte man z. B. bereits in einem Liter einen Keim finden. Wenn Landkeime in weiter Entfernung von der Küste nicht mehr nachweisbar sind, so wird das durch die schädigende Wirkung der Sonnenstrahlen erklärt.-^) Gleichfalls ist die Luft in sehr kalten Gegenden, wo wegen allzu großer Kälte der Boden und darum auch der Staub nur wenig Keime be- herbergt, bakterienarm. Auf der Lisel Snow Hill (Grahamland) ist die Luft fast steril, offen hingestellte, mit Fleischwassergelatine gefüllte Petri- schalen „fangen in zwei Stunden durchschnittlich einen Keim", da vom Boden aufgewirbelte Teilchen, die hier aus mineralischen Stoffen bestehen, wegen ihres großen spezifischen Gewichts schnell zu Boden sinken.-) Ganz besonderen Einfluß auf den Keimgehalt der Luft hat natür- lich die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens. Feuchtigkeit des Bodens hat zwei entgegengesetzte Erscbeinungen zur Folge; sie bewirkt, daß in den oberen Bodenschichten die Keime sich schnell vermehren und da- rum auch vom Wind mit dem Staub in großer Menge aufgewirbelt werden können. Doch wird dieser Einfluß zum Teil dadurch paralysiert, daß feuchter Boden weniger Staub abgibt als trockener. Das baben u. a. neuere Untersuchungen über den Bakteriengehalt der Luft in Tokyo'') gezeigt, Untersuchungen, welche ferner in Bestätigung älterer Angaben ergeben baben, daß in kalten und feuchten Perioden wenig, in warmen und trockenen viel Keime in der Luft sich finden, daß sie in regenreichen Perioden ganz zurücktreten, daß Winde unter Umstän- den sehr keimreich sein können. Achtet man bei derartigen Unter- suchungen nicht nur auf Bakterien, sondern auch auf Scbimmelpilzkeime, so zeigt sich beachtenswerterweise nicht durchweg Parallelität im Vor- kommen beider. Denn Schimmelpilzsporen nehmen bei nassem Wetter in der Luft zu, im Gegensatz zu dem, was wir bei Bakterien hörten. Wie weit das damit zusammenhängen mag, daß die Pilze ihre Sporen frei in der Luft, oberhalb des Substrats bilden, diese also nicht nur dem 1) Fischer, B., Ztsch. f. Hyg., 1894, Bd. 17, S. 185. 2) Ekelüf, F., K. J., 1907, Bd. 18, S. 195. 3) Saito, K., Journ. of the coli. of. Sc. Tokyo 190-, Bd. 29, Art. 15, dort auch Lit. 540 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Staube anhaftend in die Lüfte entführt werden, wäre noch zu unter- sucheu. Nicht ohne Interesse ist es zu hören, daß man durch solche Untersuchungen der Luft auf Bakterienkeime auch eine t^anze Anzahl neuer Arten oder, vorsichtiger ausgedrückt, solcher Arten gefunden hat, die mit bekannten nicht zu identifizieren waren. Was die Zell- formen angeht, so wurden beispielsweise in der Luft Tokyos n.ö Arten von Bacillaceen und 17 von Kokkaceen nachgewiesen, darunter IS ,,neue". Während die eben genannten Resultate gewonnen wurden, indem man Schalen mit Nährgallerte an Luft einige Zeit otfen stehen ließ, wurden weitere Ergel)niBse auf Ballonfahrten gewonnen, und diese sind von besonderem Interesse, da sie nicht nur für deu Bakteriologen, sondern auch für den Meteorologen von Bedeutung sind. Wir zitieren die wesent- lichsten bakteiiologischen Ergebnisse einiger in neuerer Zeit von der bayrischen Hochebene aus durchgeführter Fahrten. V) Durch ein außerhalb der Peripherie des Ballons angebrachtes, aus einer mit sterilen Berg- kristallperlen gefüllten Röhre bestehendes Bakterieufilter wurde Luft durchgesaugt mittelst eines im Korb befindlichen elektromotorisch betriebenen Aspirators. Ein an diesem befindliches Zählwerk gestattete, die Menge der durchgesaugten Luft festzustellen. Es erwies eich als empfehlenswert, im Sommer während 10 — 15 Minuten 50 Liter, im Winter, da dann die Luft keiniärmer ist, im Verlauf von 20 — 30 Mi- nuten 100 Liter Luft durchzusaugen. Nach beendetem Versuch gelangten die Bergkristallkörnchen in Petrischalen mit steriler Nährgallerte. Wäh- rend einer und derselben Fahrt können eine größere Zahl von Bestim- mungen ausgeführt und auf diese Weise Bakterienkurven erhalten werden, welche die Häufigkeit von Keimen in übereinanderliegenden Luft- schichten versinnlichen. Die wesentlichsten Ergebnisse sind nun die folgenden: Zunächst zeigt sich auch hier wieder eine Abnahme der Keimzahlen sowie des Staubes mit der Höhe, und zwar stets dann, wenn man Durchschnittswerte aus einer größeren Zahl von Einzelbestimmun- gen ausrechnet und vergleicht. Denn im übrigen wird die Keimzahl von auf- und absteigenden Luftströmungen beeinflußt, die Verteilung ist also keine durchweg gleichmäßige. Aufsteigende Luftströmungen steigen im Sommer höher als im Winter. Darum ist auch im Sommer die obere Keimgrenze höher gelegen, nämlich bei 3000 Meter Höhe über dem Meeresspiegel, als im Winter, wo sie bei etwa 1700 Meter liegt. Die mittlere Höhe der „Cumulo-Nimbi" (getürmte Haufenwolken), die durch aufsteigende Luftströmungen mitbedingt wird, ist ebenfalls im Sommer höher als im Winter, und die Keimgrenze deckt sich etwa mit der 1) Hahn, M., B. C. I, Or. 1909, Bd. 51, S. 17. Bakt. Ergebnisse der Luftschiffahrt. 541 Höhe dieser Wolken. Auch in großer Bodennähe ist zum Teil aus gleichem Grund die Keimzahl im Sommer höher als im Winter. Der Abfall der Keimzahl mit der Höhe findet im Winter stetig, im Sommer unregelmäßig statt; auch damit geht parallel das ,, Spiel der Luft- strömungen". Und wenn sich endlich findet, daß der Keimgehalt dem Feudi- tigkeitsgehalt der betreffenden Luftschicht entspricht, so erklärt sich das gleichfalls mit der Tatsache, daß ,,ein wesentliches Charakteristikum der vom Boden aufsteigenden Luftströmungen ihr Feuchtigkeitsgehalt ist". So erklärt sich denn der Keimgehalt zum großen Teil ungezwungen aus meteorologischen Faktoren. Daß nebenher auch sonstige Umstände, lebhaftere Vermehrung der Keime an der Bodenoberfläche im Sommer usw. mitspielen, haben wir oben schon gehört. — Bei den genannten Fahrten konnten zumal viele gelbe Sarzinen gefunden werden, und es war früheren Beobachtern schon aufgefallen, daß sich in der Luft häufig farbstofi'bildende Bakterien vorfinden. Man hat die Vermutung aus- gesprochen, daß die FarbstoflFe ein Scbutzmittel zur Absorption der schädlichen, stark brechbaren Lichtstrahlen sein könnten, doch fehlen Beweise für diese Meinung. Nachdem dui'ch derartige Untersuchungen eine gewisse Summe von Kenntnissen angehäuft ist, wird man sich fragen, nach welcher Seite hin sie noch vergrößert zu werden verdient, und da darf man sagen, daß der Keimgehalt der Luft fast noch gar nicht mit Hilfe elektiver Nährlösungen untersucht worden ist. Bisher wurden fast stets Nährböden für diese Zwecke verwendet, mit deren Hilfe man saprophytische oder krankheits- erregende Bakterien fangen kann, Böden also, die reich an organischen Stoffen sind, elektive aber wohl nur insofern, als man Jagd auf ganz be- stimmte pathogene Keime machte (z. B. Tuberkelerreger). Aber die Ver- wendung von Nährböden für autotrophe Formen oder andere, die von den Durchschnittsbakterieu abweichen, fehlen fast ganz, und doch würden sie der Wissenschaft über deren Verbreitung wichtige Aufschlüsse geben können. Wir werden später noch hörea, daß u. a. nitrifizierende Bakterien in großen Bergeshöhen wachsen, und Untersuchungen, inwie- weit solche in der „keimfreien Luft" des Gebirges vorhanden sind, wür- den zwar zunächst kein hygienisches, wohl aber pflanzengeographisches Interesse haben. Gleiches gilt für die Untersuchung der Luft auf stick- stoflfbindende Keime u. a. m. Wenn oben von „Keimfreiheit der Luft", gesprochen wurde, so heißt das also nur: frei von Keimen, die auf den zur Verwendung gekommenen Böden wachsen konnten. Soviel über den Keimgehalt der Luft! 542 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Der Hauptstandort der Bakterien ist natürlich der Boden. ^) „Der Boden ist", so belehrt uns die Landwirtschaft, „ein (ienienore von mehr oder minder festen Teilehen, Luft und Wasser, welehes, versehen mit den erforderlichen Pflanzennährstolfen, Träger einer Vegetation sein kaun."^) Diese Definition können wir uns 7a\ eigen machen, wenn wir, wie wohl selbstverständlich ist, auch die Mikroorganismeji des Bodens mit zur Vegetation rechnen.^) Der Boden stellt in chemischer Beziehung ein Gemenge der ver- schiedensten Stoffe dar; liegt nicht ganz jungfräulicher Boden vor, so sind neben anorganischen Bestandteilen in mehr oder minder großer Menge organische Stoffe zugegen als Reste von Tieren und Pflanzen. Ganz besonders ist hier zu nennen der Humus, der zwar als Kohlenstoö- und StickstoffqueUe, soviel wir wissen, mit einer einzigen Ausnahme ( S. 447) für die Bakterien nicht in Betracht kommt, a]»er doch, wie wir gleichfalls wissen, für das gesammte Baktericnleben von größter Be- deutung, ist, zum Teil aus unbekannten Gründen (S. 50ö), zum Teil aber deshalb weil er viele Nährstoffe absorbiert und verhindert, daß sie ausgewaschen werden. Zwischen den Bodenteilchen hausen nun die Bakterien gemeinsam mit vielen andern Mikroorganismen oft in ijroßer Menge und im bunten Artendurcheinander und Wechsel der Lebensansprüche. Heterotrophe Formen, untermischt mit autotrophen, die von jenen ihre Kraftquelle und die Kohlensäure zur Assimilation erlialten, nicht nur aerobe, son- dern auch anaerobe, oft in nächster Xäht* der Atmosphäre und durch die Sauerstoffgier der mit ihnen vergesellschafteten, luftliebenden Mi- kroben, gelegentlich auch durch reichlichen Wassergehalt des Bodens vor den schädlichen Einflüssen des Sauerstoffs bewahrt, und zwischen ihnen Spaltpilze mit großer Sauerstofflatitude, die unbekümmert um das Maß des Luftzutritts ihrem Stoffwechsel oV>liegen. Die einen For- men fetten, die andern mageren Boden l)evorzugend, vielleicht zum Teil auch von flüchtigen organischen Stoffen in der Bodenluft lebend und so als „Luftreiniger" wirkend (Bad. olif/ocarhophilum). Wir finden da ein Nebeneinander wie ein Nacheinander der verschiedensten Bakterien- gesellschafteu. Schon eine verhältnismäßig geringe Änderung der Außen- bedingungen kann in kürzester Zeit die Bakterienflora wesentlich ver- ändern. Wird gut durchlüfteter Boden durch Regengüsse, wenn auch nur für kurze Zeit überschwemmt, so werden sich alsbald bei der Rasch- 1) Nachtr. Aum. Vgl. Behrens, J., Jb. d d. Landwirtschaftsges. 1911, S. 19. 2) MitscberlioL, E A., Bodenkunde für Land- u. Forstwirte. Berlin 1905. 3) Über die Methoden der bakt. Bodenuntersuchung vgl. das folg. Kap. Standorte der Bodenbakterien. 543 lebio-kcit der Bakterien andere Arten an Stelle der früheren, die in Dauerzustände übergeben oder absterben, einstellen. Nehmen wir beispielweise an, daß sich Amnioniumsalze in größerer Menge angesammelt haben als Folge der Verwesung organischer Reste, m. a. W. als Folge der lebhaften Tätigkeit heterotropher Bakterien, so können nunmehr eine Zeitlang, falls genügende Lüftung stattfindet, nitrifizierende Bak- terien ans Werk gehen; diese werden dann, wenn aus irgendwelchen Gründen die Durchlüftung mangelhaft wird, durch denitrifizierende ver- drängt werden, und sobald diese eine Zeitlang gehaust und Stickstoff frei gemacht haben, ist vielleicht infolge des Mangels an StickstofiVer- binduuffen die Stätte für stickstoffbindende Bakterien bereitet. Ein o weiteres Beispiel: Haben irgendwo im Boden unter dem Einfluß ihnen zusagender Bedingungen Anaerobe kräftig gearbeitet und Pflanzenreste unter Bildung erheblicher Mengen von Butter- und andern organischen Säuren vergoren, so wird in solchem gesäuerten Boden zunächst viel- leicht das Mikrobenleben zeitweilig stocken; sobald dann auf diese oder jene Weise wieder Sauerstoff zutritt, werden sich von aeroben Bakterien zuerst nur solche einfinden, die freie Säure vertragen, wenn sie gegen andere Mikroorganismen, wie z. B. Schimmelpilze, überhaupt aufkommen, und erst wenn solche die Säure verzehrt haben, werden als ihre Metabionten sich die üblichen, gegen Säure empfindlichen Spaltpilze breit machen können. Solche Beispiele kann sich jeder in beliebiger Menge kon- struieren. Es ist ferner auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß etwa durch Regengüsse, Wind, Tiere und Menschen bestimmte Keime in großer Zahl an irgendwelche Standorte im Boden gelangen und, obwohl ihnen die dort herrschenden Bedingungen nicht durchweg zusagen, doch in- folge ihrer Übermacht sich eine Zeitlang halten und andere Bakterien niederzwingen, bis diese, durch die Gunst der Außenbedingungen ge- fördert, jene allmählich wieder verdrängen. Ja, der Fall ist auch denkbar und kommt wohl sicher vor, daß bei solcher M.asseninvasion die Ein- dringlinge, sei es durch ausgeschiedene Stoffwechselprodukte, sei es durch andere Stoffwechselvorgänge die autochthone Flora ganz verdrän- gen oder verändern und sich so allmählich Gebiete erobern, in denen einzelne dortin verschlagene Keim sich nicht hätten ansiedeln können. Soeben haben wir versucht, die Abhäno-iorkeit des Bakterienlebens von chemisch-edaphischen Faktoren durch einige Beispiele zu beleuch- ten. Nun ist daran zu erinnern, daß chemische Faktoren auch die physikali- schen Lebensbedingungen und so auch indirekt das Bakterienleben beein- flussen: A"on dem chemischen Faktor Wassergehalt ist das Maß der in den Boden eingestrahlten Wärme abhängig, es ist nämlich dem Wassergehalt annähernd umgekehrt proportional. Der Wassergehalt wird also auf das 544 XVIII. Vorkommen und Verbreitung der Bakterien auf der Erde. Mikrobenleben nicht nur dadurch von Einfluß sein, daß er den Sauer- stoffzutritt reguliert und die Konzentration der im Boden befindlichen Stoffe beeinflußt, sondern auch dadurch, daß er die Temperatur des Bodens mitbedingt. Sinken des AVassergehaltes wird unter Umständen zur Folge haben können, daß Bakterien mit größerem Wärmebedürfnis in der Mikroflora mehr in der Vordergrund treten. M Ohne Einschränkung ergibt sich aus dem Gesagten jedenfalls soviel, daß ein ungeheuer kompliziertes Lebensgetriebe sieh im Boden auf kleinstem Kaum abspielt, und daß es ungeheuer schwierig ist, den Anteil der einzelnen Bakterienarten au den bakteriell bedingten Umset- Zungen im Boden festzustellen. Für diesen wie für alle nudern Bakterien- standorte gilt, daß der BakterienstoÖVechsel für alle im Boden erfol- genden Umsetzungen von großer Bedeutung ist, nicht minder gilt aber, daß auch umgekehrt die Qualität des Bodens den Stoffwechsel der Bakte- rien im weitgehendsten Maße l)eeinflußt, und zwar auch, wenn wir nur eine einzelne Art, nicht die gesamte Bakterienflora ins Auge fassen: Denitrifizierende Arten gedeihen, ohne Stiekstoffverbindungen zu ver- gasen, wenn ihnen die Nitrite und Nitrate fehlen, ja sogar bei Gegen- wart von Nitraten werden diese unter bestimmten Bedingungen intakt gelassen. Stickstoffbinder lel)en von gebundenem Stickstoff und fixieren dies Gas nicht, falls ihnen zusatrende SticktoflVerbinduncjcn in reich- lieber Menge zugeführt werden, manche autotrophe Arten leben von organischen KohlenstoftVerbindimgen, wenn sie diese in ihrer Umgebung vorfinden. Wir haben diese uns aus früheren Ausführungen schon be- kannten Tatsachen an dieser Stelle wiederholt, um recht eindringlich vor Augen zu führen, wie schwierior es ist, die Tätigkeit der Bakterien im Boden oder an einem sonstigen natürlichen Standort richtig einzu- schätzen; die genaueste Kenntnis des potentiellen Stoffwechsels eines Bakteriums sagt uns nur wenig über seine Wirksamkeit an einem bestimm- ten Standort, solange wir die dort herrschenden im steten Fluß befind- lichen Bedingungen nicht kenneu, und sie kennen zu lernen ist oft sehr schwierig, zumal die Standorte sehr kleiu und so außerordentlich ver- schiedene Standorte auf engstem Raum vereint sein können. Was die vertikale Verbreitung der Bodenbakterien im Boden betrifft, so ist diese ganz von der Bodenqualität und der Bakterienart abhängig. Im allgemeinen findet sich die Mehrzahl in den oberen Schichten, weniger an der Oberfläche selbst, die zu leicht austrocknet, oft auch zu intensiv bestrahlt wird. Die meisten Arten gehen nicht allzu tief, Zahlenangaben für einige im Ackerboden praktisch bedeutsame Arten folgen noch (im folg. Kap.). 1) Vgl. Kraus, G., Klima und Boden auf kleinstem Raum. Jena 1911. Ökologie der Bodenbakterien. 545 Steifft der Wassero-ebalt im Boden, etwa bei Hochwasser, so orelan ^^ zeigte sich keine wesentliche Denitrifikation; der Salpeter wurde vielmehr in or- ofanische Stickstoffverbinduugen verwandelt, die am Aufbau der Bakterien teilnehmen, d. h. er wurde von den Bakterien assimiliert, aber nicht denitri- fiziert, während andererseits bei einer Steigerung des Wassergehaltes auf 30 °/o dieselbe Art lebhaft zu denitrifizieren begann und gasförmigen Stick- stoflF in die Luft schickte. Wiederum ein glänzendes Beispiel dafür, „wie fein die Bakterien auf die so häufig vernachlässigten physikalischen Bodeneigenschaften abgestimmt sind", und wie schwer es ist, ohne die genaueste Kenntnis aller Eigenschaften des Bodens, welche außerdem im stetigen Wechsel begriffen sind, die Tätigkeit der Bakterien in dem- selben abzuschätzen! In praktischer Beziehung deutet der Erfolg des genannten Versuches darauf hin, daß im aUgemeinen die Gefahr der Denitrifikation meistens, d. h. bei normaler Durchlüftung des Bodens wohl keine allzu große sein dürfte^), während sie allerdings bei ab- norm starkem Wassergehalt oder allzufester Lagerung der Bodenteil- chen oder sonstwie bedingter Luftarmut des Bodens sich geltend machen könnte. Größer ist nach dem vorliegenden Versuch die Gefahr, daß Sal- peter von den Bakterien assimiliert und der Stickstoff so in organische Form überführt wird, so daß er den Kulturpflanzen erst wieder nach dem Tod der Bakterien zugänglich werden würde. Zu bedenken ist allerdings, daß im obigen Versuch der Boden gezuckert war und unter natürlichen Verhältnissen eine so lebhafte Vermehrung der salpeter- assimilierenden Bakterien, wie im Versuch, nicht stattgefunden haben würde. Jedenfalls haben wir soviel gelernt, daß die Denitrifikationsgefahr mit dem Zustand des Ackerbodens wechselt, und es ist sehr bemerkens- wert, daß ein Forscher^), welcher früher energisch vor Überschätzung der Denitrifikationsgefahr gewarnt hat, jetzt die Meinung vertritt, daß mindestens in Gefäßversuchen, bei Strohdüngung, Schädigungen durch 1) Koch, A., u. Pettit, H., B. C. II, 1910, Bd. 2t5, S. 335. 2) Vgl. auch Lemmermannn, 0., und Mitarbeiter, a. a. 0. 3) Th. Pfeiffer. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien 37 578 XIX. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. Denitrifikation eintreten könnten, und daß man nicht wissen könne, wie sich die Sache im natürlichen Ackerboden verhalte. Von anderer Seite war früher schon die Beobachtung, daß große Feuchtigkeit den Ernteertrag bei Strohdüngung herabsetzt, auf Rechnung der unter solchen Bedingungen kräftigen Denitrifikation gesetzt worden, was nach den eben zitierten Versuchen mit Baderium pyocyanenm leicht möglich erscheint.^) Was das Temperaturoptimum für die Denitrifikation im Ackerboden angeht, so wird 28,5° angegeben, dabei aber der leicht begreifliche Hinweis nicht unterlassen, daß in dieser Beziehung allge- mein gültige Zahlen nicht angeführt werden können.-) Wir kommen nun zur Besprechung der Frage, inwieweit die phy- siologischen Antipoden der Denitrifikationsbakterien, nämlich die stick- sfcoffbindenden Bakterien, für den Landmann von Nutzen sein mögen. Hierbei müssen wir, wie früher (Kap XVH), scharf scheiden zwischen den freilebenden, stickstoffbindenden Bakterien und den Knöllchenbak- terien; schon aus dem Grunde, weil die ersteren in praktischer Hinsicht sehr verschieden bewertet werden, während an der Bedeutsamkeit der letzteren für den Menschen und seine Kulturpflanzen, auch abgesehen von den Leguminosen, niemand zu zweifeln sich erkühnen kann. Wie dem auch sei, daß die Frage nach dem Nutzen .«tickstoffbindender Bak- terien für den menschlichen Haushalt von großer Bedeutung ist, erhellt aus der Tatsache, daß die Kulturpflanzen jährlich mindestens 100 kg Stickstoff pro ha in Form von Stickstoffverbindungen dem Acker ent- nehmen, und daß im Jahre 1905 in Deutschland verbraucht wurden 570000 t Salpeter, 210000 t schwefelsaures Ammonium und 57000 t Guano als Stickstoffdünger.^) Beginnen wir nun mit der schwierigen Frage: Fixieren im Acker- boden freilebende Bakterien, das Azotobader , das Clostridium Pasfeii- rianum und andere so viel Stickstoff, daß derselbe im erheblichen Maße unseren Kulturgewächsen zugute kommt, derart, daß unter Umständen die Stickstoffdüngung durch ihre Tätigkeit überflüssig gemacht oder 1) Literatur bei Koch, A., u. Pettit, H., a. a. 0. 2) Nachtr. Anm. (Ergiinzung zu den Ausführungen über Denitrifikation im Kap. XIV, S 401). Fred, E. B., B. C. II, 1912, Bd. 32, S. 421: Denitrifizierende Bakterien {B. H'trthhi) haben zu ihrer Vermehrung Sauerstoff nötig; Denitri- fikation findet auch ohne Sauerstoffzustritt statt. — Caron, H. v., B. C. II, 1912, Bd. 33, S. 62: gute Literaturübersicht; das Wachstum der denitrifizierenden Bak- terien findet am kräftigsten bei starker Durchlüftung der Kulturen statt, die Denitrifikation selbst aber wird durch Sauerstofi'entzug gesteigert. Im übrigen Bestätigung von Koch und Pettit. — Vgl. noch Wegner, 0., Diss. Berlin 1910. (Als Kampfstoffe haben Nitrite für die Denitrifikationsbakterien keine Bedeutung.) 3) Nach J. Simon. (1 t = 1016 kg.) Azotobacter im Ackerboden. 579 doch eingeschränkt werden kann? Wir schicken voraus, daß es den Anschein hat, als ob, wenigstens in unseren Gegendon, vorwiegend oder sogar ausschließlich Azotobacter dafür in Frage käme, wenngleich diese Meinung nicht als gesichert gelten darf. Da ist nun offenbar zuerst der Frage näher zu treten, ob im guten Ackerboden auch für stickstoff- bindende Formen günstige Bedingungen herrschen, eine Frage, die wir im allgemeinen jedenfalls bejahen dürfen; wissen wir doch seit 1892, daß natürliche Humusstoffe im Boden dessen stickstoff binden de Kraft günsticr beeinflussen.^) Garer, gut durchlüfteter Boden ist zumal für Azotohader ohne Zweifel ein guter Standort. In solchem ist er nachgewiesen bis zu öO, ja 80 cm Tiefe.') In wie hohem Maße der Boden sich eignet, hängt wiederum natürlich zunächst von Feuchtigkeits- und Temperaturbedin- gungen ab. Werden diese aber richtig geregelt, so zeigt sich, daß durch Azotohdcfer und eventuell andere stickstoÖ'bindende Arten in erheblichem Maße Stickstoff festgelegt wird. Wenn mau ') z. B. in geeigneter Weise für gute Durchlüftung sorgt, etwa derart, daß man locker geschich- teten, nicht zu kleinkörnigen Ackerboden von unten her stets mäßig feucht hält, so kann man unschwer nachweisen, daß beträchtliche Stick- stoffgewinne stattfinden, und daß Azotobacter in solchem Boden ökono- mischer arbeitet als in Lösungen. Sehr empfehlenswert ist in vielen Fällen, allerdings nicht*) unter allen Umständen, Kalkung des Bodens, sodann, das scheint allgemein zuzutreffen, Zufuhr von Phosphaten, etwa in Form irgendeines geeigneten, phosphorhaltigen Düngemittels. Auch Eisenzufuhr, z. B. zu lehmigen Böden, begünstigt Azotobacter.'') Ganz wesentlich für den Erfolg ist aber, daß geeignete Kohlenstoffquellen, d. h. stickstofffreie, organische Stoffe, in ausreichender Menge im Boden sich finden, und es erhebt sich die Frage, — das ist die Grundfrage, um die sich hier alle Diskussionen drehen — , ob tatsächlich unter den nor- malen Verhältnissen im Ackerboden genügend derartige Stoffe, sei es aus Ernterückständen, sei es aus Stallmist oder Gründüngung stammend, im Boden sich vorfinden. Und diese Frage wird von dem einen Forscher bejaht, von dem andern verneint. W ährend die einen Forscher glauben, daß die praktische Landwirtschaft infolge von Mangel an stickstoffreien organischen Nährstoffen für die stickstoffixierenden Bakterien auf die Mitarbeit dieser Formen ganz verzichten soUe, treten andere dafür ein, 1) Berthelot, Comptes rendus, 1892, Bd. 115, S. o69. 2) Koch, A., Vortrag i. d. ök. Ges. i. Kgr. Sachsen. 4. 12. 03. 3) Schneider, P., Landw. Jahrb., 1906, Ergbd. IV, S. 63. 4) Koch, A., Mitt. d. d. Ldwschge.sellsch. 1907, Stück 12. Remy, Th., B. C. n, 1907, Bd. 18, S. 315. Christensen, H. R., B.C. II, 1911, Bd. 29, S.347. 5) Koch, A., J. f. Ldwsch., 1907, S. 355. 37* 580 XIX. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. die Lebensbediogungen für dieselben im Boden nach Kräften günstig zu gestalten, um sie so vollkommen als möglich in den Dienst der Mensch- heit zu zwingen. In diesem Zusammenhang ist ganz besonders die eine Frage lebhaft diskutiert worden, ob während der Brache, welche oflen- bar für Azotobacter sehr günstige Bedingungen bietet, eine wesentliche Ersparnis an stickstoffhaltigem Dünger möglich sei. Daß nach der Brache der Bedarf an solchem wesentlich eingeschränkt ist, wird allseits zu- gegeben, aber auf grundverschiedene Weise erklärt. Neben den For- schern, die diese Erscheinung auf die Tätigkeit von stickstoifbindenden Arten während der Brache zurückführen, gibt es andere Bodenbakterio- logen, die folgender Erklärung den Vorzug geben: Im humusreichen Boden ist stets eine größere oder geringere Menge von organischen Stickstoffverbindungen enthalten, die zunächst für die grünen Pflanzen unzugänglich, also ohne Belang sind und erst mineralisiert werden müssen, ehe sie ihnen als Nahrung dienen. Während nun die Minerali- sierung im allgemeinen langsam verläuft und somit Schonung des vor- handenen Stickstoffkapitals stattfindet, wird, wie wir oben sahen, wäh- rend der Brache sehr lebhaft mineralisiert und auf diese Weise orga- nische StickstoÖVerbin düngen im großen Umfange in mineralische Form, schließlich in salpetersaure Salze überführt, so daß nunmehr nach der Brache die Kulturpflanze von diesem mobilisierten Kapital zehrt und dasselbe verringert. Düngt man nun, durch diesen Erfolg verleitet, nicht mehr mit Stickstoffdünger, so wird sich das Kapital von Stickstoffver- biudungen allmählich vermindern und endlich verschwinden. Hiernach wäre die Ersparnis an Stickstoffdünger nach der Brache ein Raubbau, der sich mit der Zeit als verderblich erweisen müßte. Die Brache wirkte zwar Stickstott'düngung sparend, aber Stickstoffverbindungen vergeudend.^) Alliuählich scheint sich nun der Streit zu klären: Man vertritt mehr und mehr die Ansicht, die von manchen Forschern schon lange ausgesprochen worden ist, daß die Stickstoff'bindung durch Bakterien auch unter natürlichen Verhältnissen eine zwar „langsam fließende, aber eben doch fließende Quelle" ist, die unseren Kulturgewächsen eine ge- wisse Menge gebundenen Stickstoff zuführt. Für eine der Landwirtschaft günstige Wirksamkeit frei lebender stickstoffbindender Bakterien des Ackerbodens spricht besonders ein häufig zitierter Versuch: Ein Hallenser Versuchsfeld^), welches stets mit Winterroggen bestellt wurde, ergab über 20 Jahre lang gute Er- 1) Mitscherlich, E. A., Mitt. d. d. Ldwschges., 1909, S. 715. Ref. B. C. U. 2) Kühn, J., Fühl, Ldw. Ztg. 1901. Ref. in K. J., Bd. 12, S. 366. Hallenser Versuchsfeld ohne StickstofFdüngung. 581 träge, obwohl es nie mit stickstoffhaltigem Dünger versehen wurde. Da auf eiuer Koutrollparzelle Stickstoffdiingung während der ganzen Zeit den Betrag erhöhte, und zwar während der ganzen Zeit im selben Grade, kann ein wesentlicher Vorrat an stickstoffhaltigem Kapital, von welchem der Koggen gezehrt haben könnte, von Anfang an nicht vorhanden ge- wesen sein. Der Stickstoff, der jährlich mit der Ernte in gebundener Form abgeführt wurde, mußte vielmehr aus der Atmosphäre stammen. Hierbei könnte es sich um Ammoniak und um andere Verbindungen gehandelt haben, die mit den Niederschlägen dem Boden zugeführt wurden. Aber diese Menge genügt, wie Versuche und Berechnungen zeigen, nicht vollkommen, um den Verlust an gebundenem Stickstoff, der mit der Ernte entzogen wurde auszugleichen. So ist das Nächstliegende? anzunehmen, daß stickstoffbindende Bakterien diesen Ausfall decken, und das wurde auch von dem Leiter dieser Versuche angenommen, und in dem Feld konnten stickstoti'bindende Bakterien nachgewiesen werden, die in 100 ccm Nährlösung 4}/^ mg Stickstoff banden, also Mengen, die mit den früher angeführten wohl übereinstimmen (vgl. S. 504, 510).^) Ein anderer, lange Zeit andauernder, prinzipiell gleicher Versuch, der in Rothamsted durchgeführt wurde, führte zum selben Resultat. Wenn allmählich ohne Stickstoffdüngung die Ernten hier abnahmen, so hängt das, wie m. E. überzeugend -j ausgeführt wurde, offenbar damit zusammen, daß endlich, wenn dauernd die Stallmistzufuhr unterbleibt, offenbar auch die organischen Kohlenstoffverbindungen zu mangeln beginnen, welche für die Stickstoff bindenden Bakterien uner- läßlich sind. Mag also die Bedeutung von Azotobader mancherseits wohl über- trieben worden sein, so ist es doch sicher nur ein Fallen in den ent- gegengesetzten Fehler, wenn man sie vollkommen leugnet. Beachtens- wert ist es, daß neuerdings auch diejenigen Forscher, welche früher äußerst scharf für die gänzliche Bedeutungslosigkeit der frei lebenden Stickstoffbinder eintraten, jetzt zugeben, daß ein Teil der günstigen Stickstoffbilanz nach der Brache auf die Tätigkeit von Asotobader zu- rückzuführen sein dürfte, wenngleich andere Maßnahmen, auf die wir hier nicht eingehen, ebenso günstig wie Brache wirken können. So wird denn angenommen^), daß unsere Bakterien je nach der Bodenqualität und je nach dem Wirtschaftssystem zwar verschieden gut arbeiten, daß aber im Durchschnitt durch sie etwa 40, höchstens 50 kg Stickstoff pro ha und Jahr gebunden und den grünen Pflanzen zur Verfügung ge- 1) Krüger, W., und Schneidewind, W., Ldwsch. Jb. 1900, Bd. 21t, S. 771. 2) Löhnis, F., Ref. in B. C. II, 1910, Bd. 26, S. 259. 3) Remy, Th., B. C. H, 1909, Bd. 22, S. 561. 582 XIX. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. stellt werden, wenn keine besondere Zufuhr organischer Stoffe außer denen des Düngers und der Ernterückstäude stattfindet. Dabei würden von den Stickstoff bindenden Bakterien verbraucht etwa 40 — 50000 kg stick- stoffreien, organischen Materials, welche somit von Ernterückständen, Stallmist und Gründüni^ung herzuleiten wären. Aus den Ert^ebnissen jenes oben genannten Halleuser Versuches war kalkuliert worden, daß etwa 16 kg Stickstoff pro Morgen durch die Bakterien gebunden sein müßten, d. h. etwa doppelt soviel, als soeben gesagt. Die ältesten Zahlen über Stickstoffgewinne im Boden, die wir zum Vergleich hinzufügen, hatten ergeben, daß pro ha Sandboden ca. 20 kg, Lehm ca. 30 kg und Humusboden ca. 150 kg Stickstoff crelmnden wurden. Alles in allem ist zweifellos der Versuch gerechtfertigt, durch möglichste Verbesserung der edaphischen Lebensbedingungen das Azotohader und andere Stickstoff- fixierer zu möglichst energischer Tätigkeit anzuregen, mag man dem Erfolg noch so skeptisch entgegensehen. Besonders wertvoll muß es sein, nachzuweisen, daß künstliche Maß- nahmen, welche das Äzotohncfpr in seiner Tätigkeit fördern, dadurch indirekt auch die Kulturpfianzen in den Stand setzen, ohne oder bei mäßiger Zufuhr von Stickstoffverbindungen kräftig zu gedeihen. Dieser Nachweis ist nun auch neuerdings gelungen, und damit ist diese Frage in prinzipieller Beziehung gelöst, — ein großer Erfolg, wenngleich auch die betreffenden Versuche bis jetzt noch schlechterdings nicht für Übertragung in die Praxis reif sind. Es wurde von mehreren Seiten^) sichergestellt, daß man durch Zusatz von Kohlenstoffverbindungen, Dex- trose, Rohrzucker, Stärke und zumal Mannit zu Boden erreichen kann, daß die in ihm vorhandenen stickstoffbindeudeu Bakterien sehr kräftig arbeiten und Stickstoff in meßbarer Menge festlegen. Sehr gut brauchbar für solche Zwecke war ein Mergelboden, der Xähr.salze und Zucker ent- hielt. Günstig erwies sich eine einmalige Zugabe von 2^^^ Zucker. Es konnte auf 1 g Zucker bis zu 10 mg Stickstoff gebunden werden. Fortführung-) dieser Versuche ergab nun, daß solcher in Form von Bakterienkörperstoffen festgelegter Stickstoff sehr bald nitrifiziert wird. Und so lag nun der Versuch nahe, in solchem gezuckerten Boden Kul- turpflanzen zu erziehen, um zu sehen, ob sie von dem Nitrat, welches auf besagte Weise in den Boden gelangt, Nutzen zu ziehen vermögen. Zunächst mißlangen zwar solche Experimente, offenbar weil die Wur- 1) Koch, A., Biedermanns Zentralbl., Bd. 36, S. 676. Schneider, P., B. C. II, 1907, Bd. 18, S. 318. Koch, A., J. f. Ldwsch., 1909, S. 269 (vgl. dort weitere Literatur). 2) Koch, A., Mitt. d. d. Ldwschges., 1906, Stück 10. Ders. u. Mitarbeiter, J. f. Ldwsch., 1907, Bd. 55, S. 355. Ders., J. f. Ldwsch. 1909, Bd. 57, S. 269. Stickstoff bindung in gezuckertem Boden. 583 Abi). 105. Links: Hafer auf gewöhnlichem Boden. Rechts: Hafer auf Boden, der einen Zuckerzusatz erhalten hatte. Nach Alfred Koch. 584 XIX. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. zeln der Kulturpflanzen durch giftige, aus dem Zucker infolge von Bak- terientätigkeit entstehende Produkte geschädigt wurden. Doch gelaugt man zum vollen Erfolg, wenn man den gezuckerten Boden erst im zweiten Jahre mit Kulturgewächsen bepflanzt, d. h., wenn man ihn nach der Zuckerung einige Zeit ruhen läßt, bis jene giftigen Produkte ver- schwunden sind. So wurde Boden von Ende Dezember an vier Wochen im Brutzimmer mit Zucker behandelt, sodann bis zur Einsaat von Hafer im Freien liefen y;elassen. Dann erfolgte keine Schädigung des Hafers mehr, und der Hafer in dem gezuckerten Boden wuchs kräftiger als der in dem nicbt mit Zucker behandelten. Das Erntegewicht war mehr als doppelt so hoch, und der Stickstoö'gehalt war sogar fast dreimal so groß als bei den Pflanzen auf nicht gezuckertem Boden. Einige Zahlen: Setzen wir die Trockensubstanz der Pflanzen auf nicht ge- zuckertem Boden gleich 100, so betrug dieselbe auf gezuckertem 218. Wird die Ernte an Stickstoff in ersterem Falle wieder gleich 100 gesetzt, so beträgt sie in letzterem Falle 201. Es sei auf Abb. 105 verwiesen. Die Weiterführuug dieser Versuche ergab sodann, daß Stit-kstotf- Verbindungen, die auf solche Weise durch Bakterientätigkeit im Boden festgelegt werden, mehrere .lahre nachwirken kc'hinen. Im Jahre 1905 gezuckerter Boden zeigte noch 1!>0Ü Erntevermidirung als Nachwirkung dieser Behandlung. Es flndet also eine nur laugsame Ausnutzung des durch Bakterien gebundenen Stickstoti^s seitens der grünen Pflanzen statt. Gleiches gilt ja auch für die StickstuöVerbindungen des StaUmi.stes oder Gründüngers. Während diese Versuche mit humusreichem Ackerboden angestellt wurden, gelangen später gleiche Versuche auch unter Anwendung von Sand, welcher anfänglich frei von gebundenem Stickstotf war. Es ist dadurch jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß die Ernteerhöhung nicht auf Stickstoöbindung, sondern etwa auf dem Aufschluß (Mineralisierung) organischer StickstoäVerbindungen beruht habe, die von vornherein im Versuchsboden entlialten waren. Wurde Sand gezuckert, so fand auf 2 g zugegebenen Rohrzucker eine Bindung von G mg Stickstoff statt. Zwei Jahre später konnten dann Bucliweizenkeimlinge auf diesem Boden erzogen werden za Pflanzen, die kräftiger waren als die auf Sand ohne Zuckerbehandlung erwachsenen. Zwei Jahre mußte aber gewartet werden, weil die giftige Nachwirkung hier erst nach diesem Zeitraum erlosch. Handelte es sich in den eben beschriebeneu Fällen um Topfversuche, so wurden auch einige gleiche Versuche mit demselben Enderfolg im freien Land ausgeführt Im zweiten und dritten Jahr nach erfolgter Zuckerung war der begünstigende Einfluß auf Weizen, Roggen und Hafer bemerklich. Da der fragliche Erfolg nur auf solchen Böden, wel- Algen als Kolilenstofflieferanten für Äzotobacter. 585 che Azotobader enthielten, eintrat, war auch dadurch, wenn das noch nötig gewesen wäre, der Beweis geführt dafür, daß Stickstoffbindung durch Bakterien, insonderheit durch Azotohadcr Jiier im Spiel ist. Auch von anderer Seite sind dergleichen Versuche ausgeführt worden, mit demselben Resultat: Es wurde gezeigt^), daß 300 kg Rheintalsand, der mit Thomasmehl versetzt, gekalkt, gezuckert und vom Mai bis zum Juni unter häufigem Bebrausen und Umschaufeln liegen gelassen wurde, nachher eine weit größere Ernte an Senf, Kohlrüben, Zuckerrüben, Reis ergaben als gleicher Sand, der ohne Zuckerzusatz verblieben war. So wird es denn Aufgabe weiterer Versuche sein, Bedingungen im Boden zu schaffen, die das Azotobader oder andere Arten von gleicher physiologischer Befähigung zu möglichst ökonomischer Arbeit anregen Kalkung, Phosphatdüngung und vor allem Zufuhr von so billigen Kohlenstoffverbindungen, daß sich die Umsetzung der wissenschaftlichen Erfahruno-en in die Praxis wirklich lohnt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es am empfehlenswertesten wäre, diese Kohlenstoffverbindungen durch Bodeualgen herstellen zu lassen. Und es ist hier zu erinnern an jene Erfahrungen^) (S. 506 j, denen zufolge solche Algen tatsächlich die erforderlichen Stoffe bilden können. Auch bei den dort genannten Ver- suchen war Phosphatdüngung notwendig, und in den Versuchsgläsern, die mit weißem Quarzsand gefüllt waren, zeigte sich, wie zu erwarten war, die Stickstoff'zunahme nur in den äußersten Schichten, soweit als das Licht in den Quarzsand eindringen konnte. Es liegen ferner auch schon Angaben darüber vor, daß Senf und andere Pflanzen auf Boden, welcher Algen und stickstoff'bindende Bakterien führt, ohne Stickstoffdüngung wachsen, ohne daß sich das ungünstig bemerkbar gemacht hätte.^) Es ist endlich noch darauf hinzuweisen, daß auch nach ganz neuen Erfahrungen wenig bearbeiteter, daher „begrünter", d. h. mit Algen und Moosvor- keimen bewachsener Boden deutlichere Stickstoff bindung zu erkennen gibt als bearbeiteter und darum nicht begrünter.^) Nun liegt, wie wir oben schon einmal erwähnten,^) eine anderweitige sehr billige Kohlenstoffquelle vor, welche sowieso mit dem Mist und dem Gründünger dem Acker zugeführt wird, nämlich die Zellulose, und der Versuch drängt sich auf, diese den stickstoffbindendeu Spaltpilzen zugäng- 1) Remy, Tb., B. C. 11, 1909, Bd. 22, S. 561. 2) Lit. bei Koch, A., in Lafars Hdb., Bd. 3, S. 1. 3) Wilfahrt, H., u. Wimmer, G., Ldw. Versuchsstat., 1907, Bd. 67, S. 27. 4) Engberding, D., B. C. II, 1909, Bd. 23. 5) Über geglückte Yersucbe, in Mischkulturen unter künstlichen Bedin- gungen Zellulose Stickstoff bindenden Bakterien zugänglich zu machen, vgl. S. 519. 586 XTK.. Bakterien des Ackeibodens, der Wiesen und Wälder. lieb zu machen, und zwar dadurch, daß man sie gemeinsam mit zellulose- lösenden Bakterien züchtet, da sie selbst die Befähigung, dieses Kohle- hydrat zu verarbeiten, nicht besitzen. Beschickt man nun^) den Acker- boden mit Zellulose, etwa durch ünterpflügung von Papier, in der Hotf- nunjjf, das besajjte Ziel zu erreichen, so kann dieser Versuch fehlschlacjen. Man hat nämlich gefunden, daß man in bestimmten Fällen auf diese Weise denitrifizierende Bakterien fördern kann, der Ackerboden bleibt dann, solange Zellulose sich noch darin vorfindet, dauernd frei von Salpeter, und sein Ertrag kann dadurch stark herabgesetzt werden. Sorgt man jedoch dafür, daß außer der Zellulose auch die richtigen Zellulose- bakterieu eingeimpft werden, so gelingt der Versuch: Es hat sich er- geben, daß im Mist aerobe, zellulosezersetzende Bakterien vorkommen, — die genauere Untersuchung derselben steht noch aus — , welche mit stickstoöbindenden Bakterien vortrefflich zusammenarbeiten können. So- mit bewirkt Zellulosezufuhr Vermehrung der Stickstoffverbindungen im Boden, wenn man gleichzeitiij Mist oder Rohkulturen der betreffenden Mistbakterien zuführt. Diese Versuche sind im Laboratorium, aber unter sonst möglichst natürlichen Bedingungen durchgeführt worden, und es ist kaum zweifelhaft, daß sie auch auf dem Acker gelingen würden. Wenn in der Praxis Gründüngung sich besonders bei gleichzeitiger Zufuhr von Mist bewährt, so deutet dies die Mciglichkeit an, daß auch in diesen Fällen der Mist spezifische, zelluloselösende Bakterien mit- bringt, denen dieser Erfolg zu danken ist. Ebenso dürfte die günstige Nachwirkung anderer zellulosehaltiger Pflanzenteile, z. B. untergepflügter Rübenblätter, darauf zurückzuführen sein, daß ihnen zelluloselösende Arten anhaften, die diesen Stoff den Stickstoffixierern zur Verfügung stellen. Wir dürfen uns wohl jedenfalls nach den Ergebnissen der Ar- beit, über die wir eben berichtet haben, der Ansicht anschließen, „daß durch die geschilderten Resultate die Wertschätzung der stickstoöbin- denden Bakterien im Haushalt der Natur gewinnen dürfte'*. Falls in einem Boden Azotobacter fehlt, würde es natürlich keine Schwierigkeit haben, den fraglichen Boden auch mit Äzotohuier-WemkvilinxQn zu be- impfen. Tatsächlich haben einige derartige Versuche bis jetzt keinen Erfolg gehabt, und mau hat das damit erklärt, daß dieser Spaltpilz immer nur da wächst, wo ihm die Bodenbedingungen zusagen, und daß er, wenn das der Fall ist, sich im allgemeinen von selbst einstellen wird. Für außerordentlich viele Fälle trifft das zu.^J Es könnte sich aber doch vielleicht lohnen, solche Impfversuche in größerem Maßstab 1) Koch, A., B. C. n, 1910, Bd. 27, S. 1. 2) Remj, Th., B. C. II, 1909, Bd. 22, S. 561. Zusammenwirken stickstoflPbindender und zelluloselösender Bakterien. 587 zu wiederholen. Nachdem Azotobader entdeckt worden war, glaubte man zunächst, daß es so gut wie keinem durchlüfteten Bakterienstand- ort fehle. Systematische Versuche zeigten aber, daß es z. B. in 34 unter 105 Bodenproben aus der Schweiz nicht vorkam.^) In Laub- und Nadelstreu war es fast immer nachzuweisen^); andererseits fehlte es z. B. wieder in vielen Bodenproben aus der Göttinger Gegend.^) Die Ursache dieser ungleichmäßigen Verteilung kennen Avir noch nicht, erwiesen ist nur soviel, daß nicht ausschließlich die Schwere des Bodens, ferner die Durchlüftung des Bodens in Betracht kommt. Sicher ist jedenfalls soviel, daß man leicht auf Orte stößt, wo Azoto- hacter fehlt, und es wäre denkbar, daß auf solchen Böden Impfungen doch vielleicht Erfolg haben könnten.*) Auch wird angegeben^), daß Frost unseren Spaltpilz auf längere Zeit unterdrücken kann, und daß die stickstoffbindende Kraft des Bodens sich erst nach Monaten wieder erholt. Man könnte also auch gleich nach starken Frösten Impfversuche anstellen. Vielleicht wäre es auch nicht aussichtslos, dem Versuch näher zu treten, kräftige, sparsam arbeitende Azotohactef^\^'Äxnme zu züchten und solche als Impfmaterial zu benutzen. Man behauptet, daß es gelingt, auf Kreidepulver, welches mit Nährlösung durchtränkt ist, besonders leistungsfähicre Stämme zu züchten. Kommen wir nun zu den KnöUchenbakterien, so ist ja hier ganz klar, daß der von ihnen gebundene Stickstoff nicht allein ihnen oder der Leguminose, in deren Wurzeln sie leben, allein zugute kommt, son- dern auch denjenigen Tieren und Menschen, welche vom Kraut oder von den Samen der Leguminosen sich nähren, oder den Pflanzen, die auf dem Acker leben, in welchem die Leguminosenwurzeln und Stoppel- rückstände verbleiben oder die ganzen Pflanzen als Gründüngung unter- gepflügt werden. In Deutschland allein sind 5 Millionen ha mit Leguminosen be- pflanzt. Eine Mittelernte liefert pro ha 100 kg Stickstoff. Nehmen wir au, daß etwa die Hälfte davon durch die KnöUchenbakterien gebunden wird, so würden diese in Deutschland 5 Millionen Zentner Stickstoff 1) Burri, R., Ref. in K. J., 1904, Bd. 15, S. 402. 2) Düggeli, M., zit. nach A. Koch. Vgl. u. a. auch Perotti, R., Ref. in B. C. n, 1907, Bd. 17, S. 2C4. 3) Koch, A., J. f. Ldw., 1909, S. 219. Vgl. auch Thiele, R., Ref. in B. C. II, 1906, Bd. 16, S. 557. Christensen, H. R., B. C. II, 1907, Bd. 17, S. 109. v. Fei- litzen, H., Ref. in B. C. II, 1911, Bd. 29, S. 232. 4) Koch, A., J. f. Ldwsch., 1909, S. 269. Dort weitere Lit. (auch über Impf- versuche im großen). 5) Koch, A-, J. f. Ldwsch., 1907, S. 355. 588 XIX. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. liefern, welche einen Wert von 33 Millionen Mark haben. Deutschland kauft für 60 Millionen Mark Salpeter in Chile.^) Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Leguminosenzucht erhellt aus diesen Zahlen ohne weitere Erläuterung. So ist denn auch seit alters auf dem Acker Leguminosengründüngung eine bekannte Form der Zufuhr von Stickstoifverbindungen, welche aus dem freien Luft- stickstoff herstammen, und zumal auf Sandboden empfehlenswert. Wir haben oben (S. 575 ) schon gehört, daß die von den KnöUchenbakterien gebildeten StickstofiVerbindungen nach ünterpflügung der Legumi- nosen sehr bald in Salpeter übergehen, falls die Bedingungen für nitri- fi zierende Bakterien nur einigermaßen günstig sind. Als Salpeter stehen sie dann den Wurzeln anderer Kulturpflanzen zur Verfügung. Auch ist oben schon darauf hingewiesen, daß Salpeter leicht ausgewaschen werden kann; nach einem nicht zu kalten, feuchten Winter kann im Februar schon die Hälfte der Stickstoffverbindungen ausgewaschen sein, wenn die Unterpflügung der Gründüngungspflanze im Oktober statt- gefunden hatte; aus welchem Grunde es sich empfiehlt, leichten Sand- boden stets unter Vegetation zu halten. Auf schweren Böden ist die Nitrifikation verlangsamt, die Gefahr des Nitratverlustes geringer, wes- halb auf solchem die Gründüngung früher untergepflügt werden darf ^), — auf schweren Böden wirkt allerdings die Gründüngung nicht mit gleicher Sicherheit günstig wie auf leichten. — Bekannt ist es, daß bei Leguminosenanbau, falls die geeigneten KnöUchenbakterien nicht schon im Boden vorhanden sind, sich häufig die Impfung des Ackers mit Reinkulturen der zugehörigen KnöUchen- bakterien unter Innehaltung der günstigen Bedingungen, z. B. des rich- tigen Feuchtigkeitsgehaltes^), nützlich erwiesen hat, wiederum zumal auf leichten Böden. Solche Reinkulturen werden in flüssiger Form oder auf Nährgallerte und neuerdings auch auf Bodenproben für die Praxis hergestellt; in letzter Form sollen die Bakterien ihre stickstoffbindende Kraft sehr lange bewahren, — ein weiterer Hinweis auf die günstige Einwirkung von Humusstoffen auf Bakterien.^ ) Eine andere Methode der Bodenimpfung besteht bekanntlich darin, daß man Impf boden von einem mit den betreffenden Leguminosen bestandenen Acker in größeren Mengen auf denjenigen Acker bringt, welcher geimpft werden soll. Impfung ist zumal dann von Bedeutung, wenn auf einem Feld die betreffenden Legu- 1) Nach Th. Remy. 2) Vgl. Seelhorst, C. v., Anm. auf S. 575. 3) Hiltner, L., Wochenschr. d. Idw. Ver. Bayern, 1906, Nr. 11, Ref. B. C; Hiltner, L. u. Westermann, Ref. B. C. 11, 1909, Bd. 22, S. 449. 4) Simon, J. , Vortr. i. d. ök. Ges. i. Kgr. Sachs, am 13. 'Sov. 1908. KnöUchenbakterien ; Bodenimpf ang. 589 minosen bis dahin noch nie , S. 269. H8* 596 XIX.. Bakterien des Ackerbodens, der Wiesen und Wälder. Worten. Die ganze Frage bedarf aber erneuter Bearbeitung und ist keineswegs geklärt.^) Andere Forscher vertreten die Meinung, daß im Wald in erster Linie höhere Pilze als Stiekstoffbinder tätig sind, eine Behauptung, von der wir gleichfalls schon gehört haben (S. 521), daß jede weitere expe- rimentelle Stütze nur erwünscht sein kann. Wir schließen mit dem Hinweis, daß Nitrifikation im Waldboden nachgewiesen werden kann, im allgemeinen wohl erst in einiger Tiefe, 10 bis 20 cm unter der Oberfläche, da die obersten Schichten sauer reagieren und darum nicht für nitrifizierende Bakterien orünstiur sind. O DO Es zeigte sich, daß die Nitritbildung in Kulturen, die mit Waldboden angesetzt waren, rasch verlief, die Nitratbi4dung aber langsam, so daß sich Nitrit in den Lösungen ansammelte.^) 1) Hornberger, vgl. Ehrenberg, B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 342. 2) Migula, W., B. C. II, 1990, Bd. 6, S. 365. Albert, K., u. Luther, A. Ref. in B. C. II, 1909, Bd. 24, S. 255. Nacbtr. Anm.: Vgl. Weis, F., B. C. II, 1910, Bd. 28, S 434. Benthos; Plankton; Nekton. 597 Kapitel XX. Die Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewoliner anderer Lebewesen. Im Anschluß an die Bakterien der Felder, Wiesen und Wälder wollen wir nunmehr die Bakterienflora des Meeres im Zusammenhang behandeln, nachdem wir schon früher über Meeresbakterien allerlei ge- hört haben. Auch das Meer ist ja, wie jene anderen eben genannten Standorte, dem Menschen als Nahrungsspender dienstbar. Gegenüber dem Acker besteht zwar insofern ein wesentlicher Unterschied, als der Mensch das Meer nicht bestellt und höchstens unfreiwillig mit den im Flußwasser vorhandenen Abfallstojffen düngt. Immerhin entnimmt er ihm gewaltige Nahrungsmengen in Gestalt von Fischen und anderen Tieren, so gewaltige, daß die Frage, ob im Meer Raubfischerei getrieben wird, auftauchen konnte. So ergibt sich denn hier die auch für den menschlichen Haushalt wichtige Frage, inwieweit Bakterien durch ihre Lebenstätigkeit für die Produktiouskraft des Meeres mitbestimmend sind. Alles das würde auch für den Fall zutreifen, daß das Meer ein Süßwasserbecken wäre; der besondere Reiz der Meeresbakteriologie liegt aber u. a. auch darin, daß sie sich mit der Frage zu befassen hat, inwieweit der Salzgehalt die Ausbildung einer besonderen Flora von Meeresbakterien mit sich bringt, ob dieselben oder andere Arten dort jene eigenartigen Leistungen für den Kreislauf der Stoffe voll- bringen, wie auf der Feste, inwieweit Bakterien, die von dem Festland ins Meer gelangen und umgekehrt, sich an ihrem neuen Standort be- haupten oder bald im Konkurrenzkampf untergehen. Die ganze Organismenwelt des Meeres, und gleiches gilt übrigens auch von den größeren Süßwasserbecken, wird eingeteilt in das sog. Benthos, das Plankton und das Nekton. Dem Benthos wird alles zugerechnet, was am Boden des Meeres lebt, dort festgeheftet ist oder auf demselben kriecht, Plankton ist alles, was im Wasser treibt, zum Teil zwar Eigenbewegunff zeigt, aber doch willenlos den Meeres- Strömungen preisgegeben ist, während endlich als Nekton die Gesamt- heit aller Wesen bezeichnet wird, die im Wasser nicht treiben, sondern 598 ^^- Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. schwimmeu, d. h. vor allem größere Formen, wie Fische, Wale usw. Können wir nun in ähnlicher AVeise auch die Meeresbakterien einteilen V Dem Benthos wären offenbar zunächst alle Bakterien zuzarechnen, welche wie Beggiatoa am Grund des Meeres dahinkriechen, sodann Arten, die in Form von Zooglöen oder sonstwie im unbeweglichen Zustand Schlamm, Steine, Muschelschalen usw. am Meeresgrund überziehen; endlich vor allen die festgehefteten Bakterien, Fadenbakterien, die z. B. auf anderen Algen als so_ . Epiphyten wachsen, eventuell auch auf Tieren am Grunde des Meeres oder auf faulenden Leichen von Tieren oder Pflanzen. Aber auch frei bewegliche Arten, die zwischen den Bodenteilchen oder un- mittelbar über der Oberfläche des Meeresgrundes hausen, weil sie dort in erster Linie ihre Lebensbedingungen verwirklicht finden, gehören zum Benthos. Dem Plankton würden wir zurechnen müssen alle jene Formen, die unabhängig vom Grunde das Wasser bevölkern, seien es geißellose Formen, seien es geißeltragende. Denn auch die letzteren treiben als ein Spiel der Meeresströmungen dahin. Auch solche Bak- terien, die auf anderen Planktonwesen festsitzen, würde mau als Bak- terien des Planktons zu bezeichnen haben. Dem Xekton endlich könnte man nur solche Bakterien zurechnen, von denen man nachweisen kann, daß sie auf Tieren des Xektons ihren vorzüglichsten Standort aufgeschla- gen haben. Daß hier keine scharfen Unterschiede vorliegen können, ist klar. Lebt ein Leuchtbakterium z. B. mit Vorliebe auf der Oberfläche eines Fisches, so wird es gleichwohl auch als Planktonform gedeihen können. Bakterien des Benthos werden gleichfalls dauernd durch Strömungen in die Höhe gerissen werden und zeitweilig dem Plankton angehören, Strö- mungen, die ganz analog wirken dem Wind, der auf dem Land den Staub emporwirbelt. Oft wird es äußerst schwierig sein, zu entscheiden, wo die bevorzugten Standorte eines aus dem Meer isolierten Spaltpilzes sind. Da offenbar in Wasserbecken die Mischung der Arten eine weit- aus vollkommenere sein wird als auf dem Lande, so wird es seine be- sondere Schwierigkeit haben, in jedem Fall die Entscheidung sicher zu treffen, ob ein Meeresbakterium an der Stelle, wo man es findet, bloß ein vorübergehender Gast oder steter Bewohner ist. Behalten wir diesen Mangel an festen Grenzen im Auge, so können wir der besseren Übersicht halber die genannte Gruppierung beibehalten und wollen nun mit einem kurzen Ausblick auf die Benthosbakterien becrinnen. Fang-en wir in Gedanken mit dem küstennahen Benthos an, um sodann in die Tiefen der Weltmeere hinabzusteigen. Wir M betrachten 1) Die auf den folgenden Blättern besprochenen Bakterienstandorte sind benannt in engster Anlehnung an Krümm eis Hdb. der Ozeanographie 1907. 2. Aufl. Bakterienflora der litoralen Ablagerungen 599 zunächst die sog. litoralen oder landnahen Ablagerungen, die miin ein- teilt in die Ablagerungen des Strandes und die sog. Schelfablagerungen, welch letztere sich an den Strand nach unten hin anschließen. Der Strand ist der ,,Berühruugssaum zwischen Meer und Land", und die Strand- ablagerungen können ein sehr verschiedenartiges Gepräge zur Schau trafen. An Felsküsten handelt es sich um den mit Blöcken übersäten sog. Blockstrand. Über diesen ist in bakteriologischer Beziehung wohl nur insofern einiges zu sagen, als er stellenweise mit Tangen besetzt ist, welche anderen Wesen einen Unterschlupf bieten, somit auch Bak- terien beherbergen, welche hier reichliche organische Nahrung finden, obwohl Abfallstoffe von Tieren und Leichen von Tieren und Pflanzen in den meisten Fällen in die Tiefe entführt werden. Daß Bakterien, welche in diesen Zonen leben, eigentümliche Anpassungen zeigen, haben wir früher gehört, erinnern uns hier z. B. an den Bacillus sporouema, der im sporenführenden Zustand fadenförmig auswächst und dessen fadenför- mige Fortsätze als Ankerorgane dienen, d. h. zur Festheftung, und auf diese Weise bewirken sollen, daß bei sinkendem Wasser die Zellen nicht ins Meer hinausgeschweramt werden, umgekehrt zur Zeit der Flut dafür soro-en, daß dieselben ihren Standort nicht verlassen, nicht zu weit land- einwärts getragen werden. Wir haben ferner gehört, daß man den Be- sitz von GallerthüUen , den dort wachsende Bakterien zeigen, auch als einen Schutz gegen Austrocknung betrachtet, somit als eine Anpassung an die Eigentümlichkeit, daß ihr Standort bald von Wasser entblößt, bald mit Wasser überschwemmt wird. Nähere Untersuchungen über die Bakterienflora dieses Algengürtels stehen noch aus. Bakterien, welche die Zellhäute der Rotalgen {B. gelatigum), sowie die der andern Meeres- algen, auflösen, werden wohl immer nachweisbar sein. Auf einige Fälle von Epiphytismus und Parasitismus kommen wir später noch zu sprechen. Im Gegensatz zu dieser Felsküste steht nun der weiche, kiesige oder sandige Strand, der jedenfalls da, wo das Wasser bewegt ist, im allgemeinen arm an organischen Stoffen ist. Lnmerhin leben in demselben Kiesel- alo-en, kleine blaugrüne Algen usw., so daß wir auch aus solchem Meeres- sand heterotrophe Bakterienformen herauszüchten können. Es wäre noch zu untersuchen, ob die Bakterienflora wechselt, je nachdem der Sand mehr oder minder Kalk beigemengt enthält. Von Formen mit beson- derem Stoffwechsel wäre hier Asotobader zu erwähnen, das auch vom eigentlichen Strand aus landeinwärts im Sand nachweisbar ist, soweit die nötige Feuchtigkeit in demselben vorhanden ist: zumal in der Nähe der Wurzeln höherer Pflanzen findet man es und jedenfalls auch eine ganze Anzahl weiterer Bakterien, die zum Teil noch ungenügend be- 600 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. kannt sein dürften. Wandern wir in Gedanken noch etwas weiter land- einwärts, so gelangen wir in den salzfreien Sand der Dünen, in welchem sich keine halophile, sondern eine sog. psammophile Flora vorfindet; auch hier hat man Azotohader nachgewiesen, hier finden wir von höheren Gewächsen, wie schon S. 529 bemerkt wurde, Ölweidengewächse, ferner auch Leguminosen {Lathtjrns maritimus u. a. m.), d. h. Pflanzen, welche in Wurzelkuöllchen Stickstoff bindende Bakterien führen, and es wäre interessant zu untersuchen, ob die an solche Ptianzeu angepaßten Knöll- chenbakterien sich weitgehend unterscheiden von denen, welche wir auf unseren Ackern finden. Kehren wir zum eigentlichen Strand zurück, so sehen wir, daß die obere Grenze des Wellenbereichs gebildet ist von los- gerissenem, faulendem Seegras und Algen, die in Zersetzung begriffen sind; hier entfaltet sich natürlich wegen des Reichtums an organischen Stoffen ein lebhaftes Bakterienleben, besonders die üblichen hetero- trophen Fäulnisbakterien können sich hier betätigen. Untersuchungen, wieweit in diesen salzdurchtränkten Massen die Fäulnisbakterien mit denen des Süßwassers übereinstimmen, sind noch nicht in hinreichendem Umfang angestellt. Besonders interessant, zum Teil auch in bakterio- logischer Hinsicht etwas besser bekannt sind jene Strandabhigerungen, die sich nicht am Hand von bewegtem, sondern von ruhigem Wasser bilden, sog. SchlickaV)lagerungen, gekennzeichnet durch reichliche Bei- meno-un»; orsranischer Stoffe. Hier entfaltet sich ein buntes Bakterien- leben, hier sind u. a. die Stellen, wo man von ganz flacher Wasser- schicht bedeckt Ansammlungen von Purpurbakterien, Beggiatoen und anderen Schwefelbakterien nachweisen kann. Hier sind die Fundstellen für jene noch so wenig bekannten Gattungen von Fadenbakterien, wie z. B. Fhragmiiliothrix. Von wichtigeren Formen wären ferner zu nennen yitrosomonas und Xitrohacter, die in reinem Sand infolge des Maugels von Ammoniumverbindungen nicht nachweisbar sind, hier aber die allerobersten Schichten des Grundes bewohnen. Auf ihre Eigenart und Bedeutung für den Meeresstoffwechsel kommen wir weiter unten noch zu sprechen. Auch BüciUus amylohactcr, dieser auch in der Tiefe des Schlammes, ebenso Azotohader finden sich hier. Auch denitrifizie- rende Arten hat man hier gefunden, zwei ziemlich anspruchsvolle Formen, Bad. adinopeltc und lohatum-^ im Laboratorium gedeihen sie sehr gut in Muscheldekoktnährlösungen; ihre Temperatur liegt bei 22°, doch denitrifizieren sie noch bei 5*^, so daß ihre Tätigkeit auch am kalten Meeresgrund nicht lahmgelegt ist. B. lobatum vermag nur Nitrite zu zerlegen, nicht Nitrate; adinopelte auch Nitrate: doch scheint bei letzterer Art die Befähigung zur Nitratzerlegung ziemlich wechselnd zu sein, und B. lohatum soll durch längere Reinkultur die Kraft, Nitrite zu Bakterienflora des Meeresschlicks. 601 zerlegen, gleichfalls einbüßen.^) Das eben Ausgeführte gilt in erster Linie für die Ostsee. Nicht im entferntesten genügend bekannt sind die Fäulnis- und anderen Bakterien in jenen tropischen Schlammlagern, in den Mangrovedickiehten, die als unübertrefi'liche Schlickf andrer be- zeichnet werden. Ferner in jenen ganz aus Pflanzen bestehenden Torf- lagern mariner Tange, die z. B. an der französischen und spanischen Küste angegeben werden. Auch wird sich der Blick des Bakteriologen richten auf jene Stellen des Strandes, an welchen große Mengen von Treibholz angeschwemmt sind, und er wird sich fragen, ob in diesem in tropischen Gegenden schnell faulenden Treibholz eine andere Bak- terienflora nachweisbar ist als in den Treibholzlagern der sibirischen Küste, welche infolge der großen Kälte nur langsam der zersetzenden Bakterientätigkeit verfallen. Daß Treibhölzer, die in großen Mengen angehäuft sind, zumal dann, wenn sie im Laufe der Zeiten allmählich mit Ton bedeckt und vergraben werden, einen besonders günstigen Stand- ort für anaerobe Bakterien abgeben, ist einleuchtend ; wir haben darüber ja auch schon einiges gehört bei Besprechung der Methanquellen an der Mississippimündung (S. 459), und wir werden bei dieser Gelegenheit auch daran wieder erinnert, daß solche und ähnliche Schlicklager mehr oder minder stark durch Flußläufe genährt, d. h. immer wieder mit neuen organischen Massen versehen werden, und daß wir stets die Frage zu untersuchen genötigt sind, ob die dort hausenden Bakterien echte Meeres- bakterien oder vom Lande her eingeschwemmt sind. Es ist zu betonen, daß zumal das Brackwasser am Strande ein besonders beliebter Standort für viele interessante Bakterien ist. Schöpft man aus Brackwassergräben, an deren Oberfläche grüne Wasserpflanzen gedeihen, mit einem Glas Wasser heraus, so kann man nicht selten beobachten, daß dasselbe schon in ganz dünner Schicht undurchsichtig, schmutzig rot-violett gefärbt ist von ungezählten Purpurbakterien, die in demselben leben. Von den Bakterien der eigentlichen Strandablagerungen sind nicht scharf zu trennen diejenigen der Seichtwasserablageruugen oder Schelf- ablagerungen. In Meeren, welche keine Gezeiten haben, z. B. der Ostsee, wachsen hier auf Sand und Steinbänken Algen. Durch meerwärts ge- richtete Wasserströmungen werden alle abgestorbenen fauligen Massen weiter nach unten entführt, so daß die Algen im reinen Wasser wachsen, wie das für die meisten derselben eine unerläßliche Lebensbedingung ist. Gleichwohl findet man auch auf ihnen eine noch näher zu untersuchende 1) Baur, E., Wiss. Meeresuntersuch.. Kiel l'JOl, N. F. Bd. 6, S. 11. Xachtr. Anm. Vgl. noch Parlandt, D., Ref. Bot. Ztbl. 1912, Bd. 119, S. 52 (Denitrifikation im baltischen Meere). 602 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. Flora epiphytischer Bakterien, z. B. ist auch Azotohacter in der Ostsee auf ihnen nachgewiesen worden. Man 'J hat die Anschauung vertreten, daß Azotohacter auch auf andern Meeresaloren so reichlich vorkomme, daß diese zum guten Teil von ihm ihre Stickstoffverbiudungen beziehen könnten. Diese anregende Arbeits- hypothese war ausgesprochen worden mit Rücksicht auf die fabelhaft schnelle Entwicklung gewisser Meeresalgen, Braunalgen, die zumal in kalten Meeren förmliche Wälder bilden, welche das Interesse des For- schers und des Laien in gleicher Weise erwecken und die zum Teil zwar ausdauernd sind, zum Teil aber auch im Laufe eines Jahres zu großen Pflanzen heranwachsen müssen. So wurde man veranlaßt, nach einer Quelle von Stickstoffverbiudungen zu suchen, die recht in ihrer Nähe flösse, weil es schwer hält, sich vorzustellen, daß die großen Mengen Stickstoffverbiudungen, welche für das Wachstum benötigt werden, in verhältnismäßig kurzer Zeit aus der verdünnten Lösung von Stickstoff- verbiudungen, welche das Seewasser vorstellt, geschöpft werden könnten. Es wäre lohnend, zu untersurhen, ob auf Algen, die dauernd von Wasser bedeckt werden, eine andersartige Bakterienflora sich vorfindet als auf jenen oben genannten, die im auftauchenden Gürtel leben. Natür- lich dürfte man dann nur solche Standorte vergleichen, die im ül)rigen, was den Salzgehalt usw. angeht, möglichst gleichartig sind. Das eigentliche Zersetzungsmaterial dieser Algen sammelt sich, wie eben gesagt, als sog. Modde an tieferen Stellen an, und hier entfaltet sich wiederum ein reiches Bakterienleben, ähnlich dem, wie wir es oben in den Schlicklagern des Strandes schon schilderten, mit dem es ja im direkten Zusammenhange steht. Überall finden sich hier anaerobe Fäul- niserreger, Buttersäurebakterien; in der Ostsee hat man nachgewiesen jene zwei oben genannten Denitrifikationsbakterieu; auf der Oberfläche des Schlammes haust in der Kieler Föhrde Azotohacter. Auch nitri- fizierende Bakterien hat man in der Ostsee gefunden, an seichteren Stellen sowohl Nitrosomo7ias als auch Nitrobacter, an tieferen, etwas landfernen Stellen nur den erstgenannten.") Beides sind Salzwasserformen, die am lebhaftesten dann arbeiten, wenn die Näiirlösung denselben Salzgehalt hat wie ihr Standort. Doch können sie an höheren wie an niederen Salz- gehalt gewöhnt werden. Auch in der Nordsee sind in der Helgoländer Fahrrinne Nitrobakterien nachweisbar. Im Golf von Neapel, in welchem sie von einem Forscher vermißt worden sind, wurden sie von einem andern gefunden,-) Es handelt sich dabei um Formen, die allem Anschein nach 1) Reinke, J., Ber. d. d. bot. G. 1903, Bd. 21, S. 371 u. 1904, Bd. 22, S. 95. 2) Tb 0 rasen, P., Diss. Kiel 1908 (aucb wissensch. Meeresuutersucbungen). Bakterien der Schelfablagerungen. 603 dem Salzgehalt des Mittelmeers besser angepaßt sind als niedrigeren Salz- konzeutrationen. Morphologisch sind sie von den aus westeuropäisch em Ackerboden isolierten nicht zu unterscheiden. Au der norwegischen Küste gelang es im allgemeinen nicht, nitrifizierende Bakterien im Meere zu linden.^) Die Angaben, ob Azotohader im Neapeler Golf vor- kommt, lauten widersprechend. Eingehende, zu verschiedenen Jahres- zeiten ausgeführte Untersuchungen wären erwünscht.^) An Stellen, wo Schwefelwasserstoff der Modde entsteigt, fehlen natürlich Schwefelbakterien niemals, und zumal an künstlich veränderten Lokalitäten, in Häfen von Städten, in Kriegshäfen, deren Wasser durch Ab- fälle stark verunreinigt werden, — der Kieler Hafen ist dafür ein gutes Bei- spiel, — findet sich häufig ein an Schwefelbakterien und anderen Formen reicher Moddegrund, welcher den Bakteriologen in Entzücken versetzen kann, während er umgekehrt von anderen Lebewesen gemieden und von den Fischern als toter Grund bezeichnet wird. Es sei noch kurz er- wähnt, daß man in Scbelfablagerungen manganhaltige Überzüge be- obachtet hat auf Steinen usw. und diese auf Bakterientätigkeit hat zu- rückführen wollen. Auch hat man eigenartige Phosphatkonkretionen, die man oft in reichlicher. Menge findet, auf ein Massensterben unter den Fischen und eine Zersetzung der organischen Substanz derselben, d. h. auf Bakterientätigkeit zurückzuführen gesucht.^) Wir kommen nun zu den sog. hemipelagischen Ablagerungen, die sich von etwa 200 ra Tiefe nach unten an die litoralen Ablagerungen anschließen; sie bedecken die abfallenden Böschungen der großen Kon- tinente in den großen Meeren, in kleineren Meeren bedecken sie auch den Meeresgrund. Es handelt sich bei ihnen wesentlich um Lager, die aus verschiedenen Schlickarten bestehen und, um nur einige für das Bakterienleben wichtige chemische Stoffe in ihnen zu nennen, mehr oder minder Kalk führen und mehr oder minder durch die organischen Reste zersetzter Lebewesen gefärbt sind; dunkle Färbung ist auf den Gehalt an Schwefeleisen in erster Linie zurückzuführen. Li bakteriologischer Hinsicht sind dieselben noch so gut wie ganz terra incognita, im großen und ganzen wird ihre Bakterienflora ähnlich sein derjenigen der eben geschilderten litoralen Schlicklager. Im Neapeler Golf konnten im Schlamm aus 1100 m Tiefe noch 24 000 Keime aus 1 ccm herausge- 1) Gran, H. H., zit nach Nathansohn, Abh. d. math. phys. Kl. d. aächs. Ges. d. Wiss. 1906. Bd. 29, S. 335; Nachtr. Anm. vgl. Issatschenko, B. L., B. C. II. 1908, Bd. 21, S. 430. 2) Nathansohn, A., a. a. 0.; Benecke W., Ber. d. d. bot. Ges. 1908, Bd. 25, S. 1. 3) Zit. bei Krümmel, a. a. 0. 604 ^^- Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. züchtet werden.^) Doch wäre zu untersuchen, ob sich nicht mit zu- nehmender Tiefe — die hemipelagischen Ablageruugeu können bis 4000 m Tiefe gehen — und mit den damit gleichzeitig erfolgenden sehr weitgehenden Veränderungen der Lebensbedingungen, zumal der Tem- jjeratur, Qualität organischer Stoffe usw. eine Veränderung der Bak- terienflora nachweisen läßt. Wir erwähnten eben schon die dunkle Färbung derartiger Sehlickmassen, und man weiß allgemein, daß nach diesen das Schwarze Meer seinen Namen hat, in welchem der Tiefen- schlick zur Hälfte aus Schwefeleisen besteht. Unterhalb 230 m, so finden wir für das Schwarze Meer angegeben, findet sich kein Sauerstoff, und hier entfalten neben anderen anaeroben Bakterien, zumal reduzierende Fäulnisbakterien ihre Tätigkeit, während die höheren Schichten, soweit Sauerstoff", wenngleich nur in geringen Quantitäten Zutritt hat, ein Tummelplatz für interessante, oxydierende Schwefelbakterien, die wir zum großen Teil kennen gelernt haben, sind. Wir werfen noch einen ganz kurzen Blick auf die sog. eupela- gischen Ablagerungen, d. h. den roten Tiefsecton und die darauf lagern- den biogenen Ablagerungen, welche großenteils aus den in Wasser her- absinkenden Kiesel- und Kalkgehäusen von Planktonwesen bestehen. Zunächst ist zu nennen der Globigerinenschlamm, am schönsten aus- gebildet im Atlantischen Ozean und 105 Millionen Quadratkilometer bedeckend. In diesem Globigerinenschlamm hat man zwar wenig orga- nische Substanz gefunden, aber docli einen gewissen Prozentsatz, z. B. eiweißai'tige Körper, Fette, die offenbar aus den Leibern von Plankton- wesen herrühren, und Fäkalien von Planktonwesen. Es dürften sich also auch heterotophe Bakterien eigener Art in jenen Tiefen finden, es ist jedoch nichts darüber bekannt. Ebenso ist fast nichts zu sagen über den Diatomeen- und Pteropodenschlamm, und dasselbe gilt für den Radio- larienschlamm. Xicht ohne Interesse wäre es, zu untersuchen, ob der Kalkgehalt in den erstgenannten biogenen Ablagerungen der Mangel an Kalk in dem zuletzt genannten Kadiolarienschlamm — unterhalb 4000 Meter Tiefe fehlt der Kalk in den Tiefseeablagerungen — einen Einfluß auf die Bakteriologie derselben ausübt, vorausgesetzt, daß über- haupt ein eigenartiges Bakterienleben in diesen Tiefen sich wird nach- weisen lassen. Endlich noch der eben erwähnte rote Tiefseeton; der- selbe führt einige Prozent organischer Substanz und beherbergt eine besondere Tierwelt: Bedingungen für Bakterienleben sind also zweifei- los vorhanden. Auch sind reichliche Manganknollen, von denen wir oben gehört haben, daß sie vielfach, allerdings noch ohne zureichenden 1) Russell, H. L., Ztschr. f. Hyg. 1891, Bd. 11, S. 58. ßakterienflora eupelagiacher Ablagerungen 6(J5 Grund mit Balvterientätii>-keit in Zusammenhang gebracht werden, im roten Tiefseeton nachzuweisen. Kein Zweifel, daß es ein besonderes Interesse hätte, in jenen großen Tiefen mit ihrem kalten, an Kohlensäure so reichen Wasser Bakterien nachzuweisen und auf ihre Leistungen zu untersuchen, auf Aerobiose, Anaerobiose und andere Befähigungen zu achten. Man ^) hat auch darauf hingewiesen, daß man vielleicht in solchen Gegenden Bakterien mit ganz eigenartigem Stoffwechsel, über welchen man sich auf Grund der Kenntnisse der in unserer Umgebung lebenden Bakterien noch keinerlei Vorstellung machen kann, würde nachweisen können. Heutigen Tages ist nur soviel zu sagen, daß im Atlantischen Ozean von 1525 bis zu 5250 Meter Tiefe am Grund keine Bakterien gefunden werden konnten, die auf Seefischgelatine Kolonien bildeten. Da in der Sargassosee bei 3500 Meter Tiefe die Temperatur nur 2Y2 Grad beträgt, könnten dort unten nur psychrophile oder psychrotolerante Formen zu erwarten sein. Nach solchen wäre aber unter Verwendung der ver- schiedensten Methoden nach Kräften zu suchen.^) Im südlichen Eis- meer konnten im Gegensatz dazu aus Bodenwasser von 3 — 4000 Meter Tiefe fast immer Bakterien herausgezüchtet werden. Im Innern des antarktischen Bodenschlamms aus 4000 Meter Tiefe waren aber Bak- terien nicht nachweisbar.^) Was die Methodik anlangt, so würde es darauf ankommen, mittels derselben oder ähnlicher Apparate, welche auch der Ozeanograph für seine Zwecke benutzt, Grundproben heraufzuholen unter sorgfältigster Verhütung einer Infektion mit Bakterien aus höheren Wasserschichten oder gar aus der Luft. Es wäre zu bedenken, daß es überhaupt Schwierig- keiten haben könnte, Bakterien aus jenen Tiefen an die Oberfläche mit ihren ganz andersartigen Lebensbedingungen zu bringen, ohne daß sie bei dem Transport geschädigt werden oder absterben. — Wir wenden uns nunmehr den Bakterien des Planktons zu und bemerken zunächst, daß reines Seewasser alle für Bakterien nötigen Nährstoffe enthält. An Ammoniak ist 0,05 mg pro Liter, an Salpeter und salpetriger Säure 0,47 mg in der gleichen Wassermenge in der Antarktis, 0,1 mg an dem Äquator und im nördlichen Atlantischen Ozean nach- zuweisen, außerdem hält Seewasser organische Stickstoffverbindungen in Lösung (vgl. unten). Phosphorsäure ist ferner z. B. im Ostseewasser in einer Menge von 0,14 bis 1,4 mg im Liter gefunden worden.*) Der 1) Alfred Fischer. Vorl. üb. Bakt., 2. Aufl., S. 90. 2) Fischer, B., Ergebn. d. Planktonexpedition, Kiel 1894. 3) Gazert, H., Deutsche Revue 1906. 4) Gebbing, J , Internat. Kevue d. Hydrogr. u. Hydrob. 1910, Bd. 3, S. 50. 606 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. Gehalt an organischen Stoffen wechselt stark, auf hoher See ist er wesentlich durch die Abfallstoffe der Tiere und die aus der Zersetzung von Tier- und Pflanzenleichen herrührenden Stoffen bedingt. — Wie jeder- mann heutigen Tages weiß, stellen nicht etwa die Pflanzen und Tiere des Beuthos, sondern die des Planktons die sog. Urnahrung für höhere Wesen, schließlich für Fische und auch für den Menschen, soweit er von Seetieren lebt. Fast die gesamte Produktionskraft des Meeres ist also abhängig von der Kraft, mit welcher die kleinen Planktonpflanzen, es handelt sich dabei hauptsächlich um Kieselalgen und um Flagellaten, (U-ganische Substanz produzieren aus der Kohlensäure, die im Seewasser gelöst ist, mit Hilfe der Energie der Sonnenstrahlen. Die liöheren Meeresalgen des Benthos, das lehrt uns schon ein Blick auf die Karte, bilden an den Küsten einen allzu schmalen Gürtel, um als Produzenten organischer Substanz mit den Pflanzen de.s Planktons, die ein weitaus größeres Areal bevölkern, erfolgreich konkurrieren zu können. Nach welchen Methoden werden wir nun im Plankton nach Bakterien suchen? Es ist bekannt, daß mau die Plauktonweseu, um sich ein exaktes Urteil über ihre Häufigkeit und über ihre Verteilung bilden zu können, nach quantitativen Methoden untersucht, indem man auf geeignete Weise die in einem bestimmten Wasservolumen vorhandenen Wesen zählt und ihr Volumen mißt, auch ihre chemische Zusammen- setzung untersucht. Neuerdings hat man nachgewiesen, daß man für viele Zwecke einfach so vorgehen kann, daß man eine gegebene kleine Wassermenge schöpft, zentrifugiert und den Bodensatz quantitativ ver- arbeitet. Ohne uns irgendwie auf Einzelheiten einzulassen, erwähnen wir nur, daß es ganz zweifellos empfehlenswert wäre, einmal den Ver- such zu wagen , in besagter Weise kleine Wassermeugen unter dem Mikroskop auf Bakterien zu untersuchen und direkt die Menge der- selben zahlenmäßig festzustellen und so zu ermitteln, ob ganz bestimmte Formen in bestimmten Gegenden vorkommen, und festzustellen, wie der Bakteriengehalt mit der Tiefe wechselt, mit der Jahreszeit, mitTemperatur, mit der Beleuchtung usw. Anläßlich jener eben genannten Plankton Unter- suchungen sind nun auch schon einige bakteriologische Untersuchungen in der Kieler Bucht angestellt worden, indem abgemessene Wasser- proben zentrifugiert und im Sedimente nach Bakterien gesucht wurde. Es konnten während des ganzen Jahres Bakterienkolonien nachcfewiesen werden, die offenbar einer Art angehören : Kurze, gekrümmte Bakterien ron 3 u Läuffe sind in einer Gallerte von unrecpelmäßi»; kugelicrer Ge- stalt eingebettet. Sie waren im Juni am häufigsten, einmal fanden sich gegen acht Kolonien in 1 ccm. Mittels vervollkommneter Methoden, Antrocknen und Färben der Planktonbakterien. 607 Sedimente usw. würde man auf diesem Weg zweifellos weiter kommen. Allerding-s dürfte es auf Schwierigkeiten stoßen^ Bakterien, die in der Probe gelebt hatten, von solchen, die abgestorben waren, und als Leichen im Plankton schwebten, 7ai unterscheiden.') Auf diese Weise würde man auch ermitteln können, welche Bak- terien des Planktons frei im Wasser leben, welche andererseits mit Vor- liebe auf anderen Plankton wesen zu hausen pflegen. Bislang hat man sich aber fast ganz darauf beschränkt, mittels verschiedener Methoden aus Wasserproben verschiedene Formen herauszuzüchten, und die Meeres- bakteriologie ist in dieser Beziehung etwa denselben Weg gegfanffen. den die Bakteriologie überhaupt zurückgelegt hat; man hat zunächst auf gewöhnliche, aerobe, heterotrophe Formen gefahndet, indem man Wasserproben zu Gelatine- oder Agarplatten mit geeigneten Nährstoffen verarbeitet hat. Eine große Rolle spielt Heringsdekoktgelatine oder Agar in diesen Fragen. Daß alle die Bedenken, die wir früher bei Besprechung ähnlicher Methoden in der Bodenbakteriologie ausgeführt haben, hier wie- derkehren, daß man auf diese Weise niemals alle, sondern nur einen kleinen Teil, einen unbestimmbaren Prozentsatz der vorhandenen Formen in den Zahlen, welche angegeben werden, wiederfindet, brauchen wir nicht zu betonen. Es soll darin auch kein Vorwurf liegen, denn es mußte mit derartigen Methoden ein Anfang gemacht werden. Später hat man sich dann mehr darauf verlegt, auch mittels elektiver Methoden Formen von be- sonderem Stoffwechsel, nitrifizierende Bakterien usw. aus dem Meere her- auszuzüchten. Hier würde das oben gleichfalls schon ausgesprochene Be- denken in Frage kommen, daß mau unter Umständen aus vereinzelten Keimen kräftige Kulturen erzielen kann und die Umsetzungsgröße in solchen elektiven Nährlösungen keinen bestimmten Rückschluß auf die Umsetzung in der Natur erlauben. Daß man sich bei allen solchen Unter- suchungen vor einer Infektion der Kulturen nach Möglichkeit hüten muß, ist klar; zumal in Landnähe, wo bis jetzt die meisten Untersuchungen an- gestellt wurden, kann man die Gefahr einer Infektion des Meerwassers mit Landkeimen kaum vermeiden, und da ist die Gefahr natürlich be- sonders groß, daß trotz des Salzgehaltes in elektiven Nährlösungen sich Landkeinie entwickeln, die mit dem Wind jederzeit vom Land aufs Meer getragen werden und dort unter natürlichen Bedingungen im Kampf ums Dasein bald unterlegen wären. Daß man also bei Untersuchungen von Planktonbakterien die Proben soweit als möglich entfernt vom Land zu entnehmen hat, braucht kaum betont zu werden, außerdem an Stellen, wo das Wasser möglichst tief ist, will man keine Grundbak- 1) Lohmann, H., Wiss. Meeiesuntersuch., Kiel 1908, N. F., Bd. 10, S. 129. 608 XX- Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. terien aus dem Plankton herauszüchten. Gleichwohl ist wegen des Vor- handenseins vertikaler Meeresströmungen diese Gefahr auch bei großer Umsicht wohl stets vorhanden. Wir werfen zunächst einen Blick auf die heterotrophen Meeres- bakterien, nach welchen man im Plankton unter Verwendungf von See- fischgelatineplatten oder ähnlichen Nährmedieu gesucht hat. Man hat allgemein, gefunden, daß in der Nähe des Landes mehr Keime als auf der Hochsee vorhanden sind, und diese Erscheinung leicht und treffend damit erklärt, daß in Landnähe das Seewasser durch Flüsse, durch auf- gerührten Meeresgrund usw. reicher an organischen Nährstoffen ist als draußen auf hoher See. Aus gleichem Grunde sind auch die Binnen- meere durchschnittlich keimreicher als die offenen Ozeane. Etwa 5, nach anderen Angaben erst 25 km von der Küste entfernt, macht sich der Küsteneinfluß auf die Keimzahl nicht mehr geltend: wenn die Angaben in diesem Punkt nicht ganz übereinstimmend lauten, so liegt das offen- bar daran, daß die Art und Weise der Küsteubildung, ihr steilerer oder weniger steiler Abfluß mit von Einfluß ist. Ln alljiemeinen darf das Meer- wasser als bakterienarm gelten. In Ost- und Nordsee erwuchsen aus 1 ccm Wasser in knapp der Hälfte der untersuchten Proben mehr als 250 Keime zu Kolonien. 1 ccm Wasser aus dem offenen Ozean führte nur in etwa 30 ^ q der Fälle mehr als 250. Von Einfluß auf den Bak- teriengehalt ist natürlich auch die Tiefe, aus welcher man das Wasser schöpft. Nachuntersuchungen, dieauf der Planktouexpedition angestellt wurden ^) sinkt der Gehalt von 200 m Tiefe abwärts sehr deutlich. Bei 400 m Tiefe sind im Mittel noch etwas mehr als 100 Keime in 1 ccm nachweisbar. Aber auch aus einer Tiefe von 1100 m kann man noch Keime einfangen. In den allerobersten Wasserschichten treten sie an Zahl zurück, was offenbar auf einem schädlichen Einfluß des Lichtes beruht. Im Juli, d. h. dem Monat, in welchem die Sonnenstrahlung am lebhaftesten ist, war auch der Keimgehalt des Oberflächenwassers am niedrigsten. Aus grleichem Grunde war er abends niedriger als morgens. Die angeführten Zahlen beziehen sich auf den Atlantischen Ozean. Bei der Verteilung der Bakterien wurde auch auf den Einfluß von Meeres- strömungen geachtet, ein besonders hoher Gehalt zeigte sich nicht selten an der Grenze zwischen zwei Strömungsgebieten, ferner auch da, wo sogenannte Stromkabbelungen zu beobachten sind, deren Vorkommen auf aufsteigende Strömungen zurückgeführt wird. Es wurde das gedeutet mit dem größeren Bakterienreichtum tieferer Schichten; möglicherweise hängt dieser auch mit dem größeren Nährstoffgehalt tiefer Schichten zu- 1) Fischer, B., Erg. d. Planktonexpedition 1894, lY. Ref. in K. J. Heterotrophe Planktoubakterien. 609 sammen.*) Da im übrigen die Bedingungen für das Bakterienleben im Ozean je nach Ort, Zeit usw. sehr wechsehide sind, darf man sich nicht wundern 7Ai hören, daß auf anderen Seereisen zum Teil etwas abweichende Resultate gefunden wurden. Auf einer Fahrt, welche von den kanarischen Inseln nach Pcrnambuko den Ozean überquerte, konnte man') unter Verwendung von Heringsdekoktagar im Maximum 120, im Mittel nur 60 Keime in 1 ccm Seewasser nachweisen. Was die vertikale Verbreitung angeht, so zeigte sich auch hier, daß die Keime nicht in den obersten Wasserschichteu, sondern etwas darunter am reichlichsten vorkommen, z. B. bei 4 — 50 m Tiefe. Jenseits 50 m sank die Zahl wieder, und bei 200 m waren sie schon beinahe ganz verschwunden. Es dürfte also die wechselnde Qualität des Seewassers, zumal der NährstolFreichtum, die vertikale Verbreitung stark beeinflussen. Man wird sich vorstellen dürfen, daß diese Bakterien von Exkrementen und Leichen der Plank- tontiere und Pflanzen leben, welche dauernd im Seewasser langsam herabsinken, und bei diesem langsamen Sinken ist es begreiflich, daß schon in relativ geringer Tiefe viel organische Stoffe zersetzt und mine- ralisiert sind, weshalb saprophytische Bakterien meistens zurücktreten. Kompaktere Massen, Fäkalballen, ferner Leichen größerer Tiere, z. B. des Nektons, sinken weit schneller, gelangen ja auch zum Teil auf den Grund und werden erst da vollkommen zersetzt. Daß sich in solchen Fällen auch weit unter der Oberfläche lokale explosionsartige Vermehrung von Fäulnisbakterien einstellt, welche nach getaner Arbeit sich der Be- obachtung wieder entziehen, ist ohne weiteres klar. Einige Zahlen, die aus demGolf von Neapel vorliegen, deuten übrigens darauf hin, daß hier die Dichte der Bakterien von der Tiefe einigermaßen unabhängig ist. — Was nun die Arten angeht, welche man auf die geschilderte Art und Weise im Meere gefunden hat, so ist die Anzahl derselben besonders auf hoher See gering. Man findet die Angabe, daß kugel- und stäbchenförmige Zellen an Zahl zurücktreten gegenüber schraubenförmigen, und daß dieselben, auch die erstgenannten jedenfalls der großen Mehrzahl nach beweglich sind. Das hat ein Interesse für uns, weil wir daraus entnehmen dürfen, daß die fraglichen Arten frei im Seewasser treiben und nicht andern Plan- ktonwesen aufsitzen. Von Interesse ist auch die Angabe, daß Reinkulturen derselben sich in sterilisiertem Nordseewasser ohne weitere Zugabe von Nährstoffen vermehren können, ein sicheres Zeichen dafür, daß die sehr verdünnte Nährlösung, welche das Meerwasser vorstellt, ihren Bedürf- nissen genügt. Von bekannteren Arten hat man unter den stäbchen- 1) Nathansohn, A., Abh. sächs. Ges. d. Wiss., math.-nat. Kl., 1906, Bd. 29, S. 359. •2) Neumann, R. 0., u. Otto, M., B. C. II, 1904, Bd. 13, S. 481. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 3'J 610 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. förmigen Spaltpilzen z. B. Bacterium fluorescens, coli, vulyare oder doch nahe Verwandte derselben gefunden. Mit besonderem Eifer hat sich nun das Studium der Planktonbak- terien auch auf Formen mit besonderen chemischen Befähigungen gewor- fen. So hat man z. B. im Plankton der Ostsee chitinzerlegende Bakterien angetroffen, die offenbar von den Gerüstsubstanzen der kleinen Plankton- krebse usw. zehren. Auch agarlösende Bakterien würde man zweifellos im Plankton nachweisen können, wenngleich der eigentliche Standort derselben der Meeresgrund mit seinen Algen sein dürfte. Besonders in- tensiv ist nun aber im Seewasser nach solchen Bakterien gesucht wor- den, die das Rad des Stickstoffkreislaufs drehen, und da hat man vor allem Bakterien mit Denitrifikationsvermögen stets und reichlich ange- troffen. Teilweise kann man im freien Wasser auch jene Formen, die wir als Schlickbewohner oben kennen gelernt haben ( Bacterium actino- peHe und lohatuni) nachweisen, jedenfalls im landnahen Ostseewasser. Noch interessanter^) sind einige denitrifizierende Bakterien des Meeres, welche weniger anspruchsvoll sind und auf nährstoffreichen Lö- sungen nicht gut gedeihen, so z. B. Bacterium Hcnscnii, welches Zucker nicht in seinen Nährlösungen liebt, sondern organische Säuren vorzieht. Diese Form reduziert Nitrate und Nitrite unter Bildung von gasförmi- gem Stickstoff (Stickoxyd, Stickoxydul?). Zwei andere Formen, welche ebenfalls im Seewasser an der holländischen Küste gefunden wurden, Bacterium triviale und repens, bilden Ammoniak bei der Zerlegung der Nitrate (vgl. S. 404). Einige Versuche ergaben, daß diese Formen 4 g einer Kohlenstoffquelle, z. B. Mannit, benötigen, um 1 g Nitrat zu zerlegen. In der Nähe der Küste dürfte ihnen zweifellos genügende organische Nahrung zu diesem Zweck zur Verfügung stehen. Es ließ sich noch nachweisen, daß Bacteriinn Hensenii ein Meeresbakterium ist, welches salzfreie Nähr- böden nur sehr langsam ausnutzen kann, während umgekehrt denitrifi- zierende Bakterien aus Gartenboden, sowohl in Süßwasser als in Salz- wassernährlösungen denitrifizieren konnten, immerhin durch den Salz- gehalt so stark gehemmt wurden, daß sie im Meer zweifellos bald im Kampf ums Dasein unterliegen, falls sie durch Flüsse, Luftströmungen usw. dorthin geführt werden sollten. Auch im freien Atlantischen und Indi- schen Ozean konnten denitrifizierende Arten nachgewiesen werden.^) Man hat ferner im Plankton nach nitrifizierenden Bakterien ge- sucht, solche aber bis jetzt nicht nachweisen können^), sei es nun, weil 1) Gran, H. H., Berg. Mus. Aarbog 1901, Nr. 10. 2) Gazert, H., Deutsche Revue, Mai 1906. 3) Gazert, H., Verh., d. 15. Geographentags, Danzig 1905, S. 29. Denitrifizierende und stickstoff'bindende Planktonbakterien. 011 sie wirklich fehlen, sei es, weil man noch nicht die richtigen Methoden angewendet hat. Endlieh hat man nach stickstoffbindenden Planktonbakterien ge- sucht und solche auch gefunden, z. B. Asotobader in der Ostsee.*) Ob auch außerhalb von Binnenmeeren Stickstoffbinder im Plankton der Hochsee leben, ist noch unbekannt. Die Frage, ob von den bisher genannten Meeresbakterien echte Nekton-Bakterien (S. 598) abgegrenzt Averden können, wollen wir hier wegen des Mangels der nötigen Grundlagen nicht diskutieren. — Wir haben soeben die wesentlichsten Befunde über Meeresbakterien registriert und cresehen, daß auf dem Gebiet der Meeresbakteriologie zwar viel gearbeitet ist, aber noch viel zu tun übrig bleibt. Da über die Rolle derjenigen Bakterien, die am Kreislauf des Stickstoffs mitbe- teiligt sind, besonders viel diskutiert worden ist, soll kurz nochmals im Zusammenhang dargestellt werden, was wir darüber wissen. Allgemein anerkannt und vielfach nachgewiesen ist das Vorkommen gewöhnlicher Fäulnisbakterien, die Eiweiß und andere ähnliche Stoffe abbauen, wobei der Stickstoff als Ammoniak, bzw. Ammoniumsalz frei wird. Doch schon die Frage, ob im Meerwasser der bakterielle Abbau von Eiweißkörpern der Tiere und Pflanzen des Meeres in ganz demselben Maß wie etwa im Erd- boden zur Ammonbildung führt, ob nicht vielmehr lösliche organische Stickstoffverbindungen, ehe sie ammonisiert werden, im weitesten Um- fang alsbald wieder dem aufbauenden Stoffwechsel der Meeresorganismen dienen, ist noch zweifelhaft. Viele Forscher nehmen an, daß die Pflanzen des Meeres nicht nur, sondern auch Meerestiere organische Stickstoff- verbindungen resorbieren und assimilieren; solche hat man tatsächlich auch im Meerwasser nachgewiesen.") Es würde uns zu weit führen, diese Frage hier eingehend zu erörtern; daß Ammonium bei Fäulnisvorgängen auch im Meer reichlich entsteht, ist sicher. Inwieweit Bakterien des Meeres dieses oder andere anorganische Stickstoffverbindungen zu assi- milieren vermögen, ein Vorgang, der, wie wir uns erinnern, auf dem Ackerboden von praktischer Bedeutung ist, da durch ihn Stickstoff fest- gelegt, d. h. den Kulturgewächsen entzogen werden kann, ist noch nie systematisch untersucht worden. Besonders umstritten ist aber die schwierige Frage nach den wei- teren Stickstoffumsetzungen, wie sie auf der Feste durch nitrifizierende, denitrifizierende und stickstoff'bindende Bakterien unterhalten werden. Wie schwierig die Frage sein muß, erhellt schon daraus, daß die einen Forscher die Tendenz haben, nach bakteriellen Stoffwechselvorgängen 1) ßenecke, W., u. Keutner, J., Ber. d. d. bot. Ges. 1903, Bd. 21, S. 333. 2) Vgl. z.B. Nathansohn, A., Internat. Revue der Hydrobiologie, 1908, S. 36. 39* 612 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. zu suchen, welche die Konzentration der Stickstoffverbindungen im Meer erhöhen, um das Gedeihen der Meerespflanzen verständlich zu machen, während umgekehrt andere-) nach Vorgängen suchen, welche es erklären, daß nicht im Lauf der Zeit eine den Pflanzen schädliche Überladung der See mit Stickstoffverbinduugen eintritt, allerdings dann auch zu dem Ergebnis kommen, daß derartige Vorgänge in solchen Umfang statt- finden können, daß wiederum eine Verarmung an Stickstoffverbindungen eintritt. Bedenkt man, daß mit Flüssen und Niederschlägen reichlich Stick- stoffverbindungen anorganischer Art dem Meer dauernd zuströmen, so kann man unbedingt an die Gefahr einer schädlichen Bereicherung des Meer- wassers an solchen denken. Nun nehmen die einen Forscher^) an, daß diese StickstoäVerbindungen, soweit es sich um Ammon handelt, als kohlensaures Ammon aus dem schwach alkalischen Meerwasser dauernd verdampfen, um vom Festlandboden absorbiert zu werden, soweit es sich aber um Nitrit oder Nitrat handelt, sollen sie von den Meeresalgen ge- speichert, zum Aufbau verwendet, d h. in Eiweiß überführt werden, um nach dem Tode der Algen in Form von Ammon wieder frei zu werden und dann ebenfalls durch Verdampfung sich zu verflüchtigen. Denitrifi- kation soll nach dieser Anschauung im Meer keine Rolle spielen, die im Meer nachgewiesenen Denitrifikationsbakterien sollen leben, ohne zu denitrifizieren; ebensowenig wird Nitrifikation im Meer zugegeben. Von anderer Seite ^) wird die Bedeutung jenes Destilliervorgangs von Am- moniak aus der See aufs Land bestritten, folgerichtig gesucht nach an- dern Vorgängen, durch welche überschüssige Stickstoffverbindungen aus der See eliminiert werden, und solche gefunden in der Denitrifikation, durch welche das im Meer durch Nitrifikation aus Ammoniak gebildete oder mit Flüssen oder Gewitterregen ins Meer von außen beförderte Nitrit und Nitrat vergast wird. Eine Entscheidung dieser Frage wird erst möglich sein, wenn fest- gestellt sein wird, ob auf der Hochsee Nitrifikation stattfindet oder nicht. Man könnte geneigt sein, das für unwahrscheinlich zu halten und auch jenen in Küstennähe am Grunde gefundenen Nitrifikationsbakterien keine wesentliche Rolle zuzuschreiben, nämlich glauben, sie seien bloß vom Land her eingeschwemmt, um ein kümmerliches Dasein zu fristen, und zwar aus der Erfahrung heraus, daß submerse Stand- orte und wasserreicher Boden diesen Formen überhaupt wenig zu- sagen; immerhin ist vorsichtige Behandlung dieser Frage geboten, da Erfahrungen vorliegen, daß Nitrifikationsbakterien in dieser Be- 1) AI. Nathansohn. 2) Karl Brandt. Kreislauf des Stickstoffs im Meer. 613 Ziehung anpassungsfähig sein könnten. Wir wollen jedenfalls die Frage offen lassen, ein wie großer Prozentsatz der in der See nachge- wieseneu Nitrite und Nitrate der Tätigkeit von Meeresnitrobakterien entstammt und wieviel aus den Flüssen und Niederschlägen von außen zugeführt wird. — Was die Denitrifikation im Meer angeht, so wird man sich der Einsicht nicht verschließen können, daß die Durch lüftungs- verhältnisse im Meer für diesen Prozeß recht zuträglich sind; und wenn wir bedenken, daß zwar in einer Tasse Seewasser nur wenig organische Stoffe, sowie Nitrate und Nitrite, d. h. Stoffe, an welche die Denitrifikation gebunden ist, vorkommen, daß aber das Meer doch eine recht „große Tasse" ist, so werden wir wohl entschieden der Ansicht zuneigen, daß beträcht- liche Mengen von Nitrit und Nitrat, sei es, daß sie im Meer gebildet sei es, daß sie durch Flüsse oder Niederschläge zugeführt werden, durch denitrifizierende Meeresbakterien vergast werden.^) — Bakterielle Stick- stoffbindung im Meer würde das eben Gesagte nicht wesentlich kom- plizieren. Der durch diesen Vorgang gebildete Eiweißstickstoff würde nach dem Tode der Stickstoffbinder oder der von ihnen lebenden anderen Wesen wieder ins Meerwasser treten, in Ammonstickstoff übergehen, und dann, sei es durch Destillation, sei es nach erfolgter Nitrifikation durch Denitrifikation verschwinden, soweit er nicht im Meer wieder dem Auf- bau lebender Zellen dient. Die Hypothese, die eine Versorgung großer Meeresalgen durch Stickstoff bindende Meeresbakterien annimmt (S. 602), rechnet ja nicht damit, daß im ganzen Meer zu wenig gebundener Stickstoff vorhanden sei, sondern nur damit, daß seine Konzentration in nächster Nähe der betreffenden Algen vielleicht nicht hinreichend sei, um das schnelle Wachstum derselben zu ermöglichen. Wir kommen damit zum Schluß, daß Denitrifikation im Meer wohl keine ganz unbedeutende Rolle spielt, daß auch Nitrifikation und Stick- stoffbindung im Meer stattfindet, daß aber vorläufig die nötigen Grund- lagen fehlen, um Ausmaß und Bedeutung der beiden letztgenannten Vorgänge abschätzen zu können. Hoffen wir, daß es der Meeresbakterio- logie durch energische Weiterarbeit gegeben werden möge, in nicht allzu ferner Zeit ein etwas befriedigenderes und voUständigeres Bild vom Leben der Bakterien im Meere zu zeichnen, als es heute möglich ist. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Meeresbakteriologie auch noch viele morpho- logische Probleme in sich schließt; es leben im Meer eine große Anzahl von Spaltpilzformen, die für das Studium der Zellkernfrage und anderer, auch entwicklungsgeschichtlicher Studien ofi'enbar gute Objekte abgeben 1) Nachtr. Anm. Issatschenko, B., u. Rostowzew, S., Bull, jardin bot. imp. St. Petersb. 1911, Bd. 11, S. 91 (Denitrifikation im Schwarzen Meer). 614 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. würden. — Die Erscheinung, daß die Gruppe der Eisenbakterien im Meer fehlt, ist eines der vielen noch ungeklärten Probleme der Meeres- bakteriologie. * * * Wir versuchen jetzt noch, uns einen Überblick zu verschaffen über die Frage, inwieweit Bakterien den lebenden Körper anderer Organis- men sich zum Standort auserseheu. Nach dem Ort, an dem sich solche Bakterien ansiedeln können, unterscheiden wir solche, die sich auf der äußeren Körpertläche ansiedeln, von andern, die im Gegensatz dazu im Innern anderer Lebewesen hausen. Zunächst die ersteren: Solchen sind wir schon vorhin bei der Be- sprechung der Meeresbakteriologie begegnet, vor allem den Faden- bakterien, die ihr Quartier auf Algen aufschlagen, oder zooglöabil- denden Formen, die auf Fischen usw. leben. Im allgemeinen können Bakterien sich in erster Linie auf Wasserpflanzen oder Wassertieren kräftig entwickeln, da bei Laudpflanzen, wenigstens soweit sie in die Luft ragen, und Landtieren die äußere Oberfläche im allgemeinen zu trocken ist. Zwar schleppen höhere Wesen eine Unmasse von Bak- terien auf ihrer Haut mit sich herum; meistens handelt es sich aber da- bei nur um ruhende Formen, die höchstens unter abnormen Bedingungen zum Leben und zur kräftigen Vermehrung sich anschicken. An sehr feuchten Standorten, z. B, im tropischen Regenwald könnte man ge- neigt sein, nach epiphytischen Bakterien auf Blättern von Bäumen zu suchen. Genaueres darüber ist nicht bekannt, vielmehr bilden dort in erster Linie höhere Pilze, Flechten, auch Algen, eine epiphytische Flora. Immerhin müssen wir doch einen Fall von Bakterien-Epiphytismus auf höheren Pflanzen, über den einige Mitteilungen vorliegen, kurz be- sprechen, obwohl die Bedeutung desselben noch nicht geklärt er- scheint.') Auf Früchten und Samen höherer Pflanzen finden sich Bak- terien vor, die nicht als zufällige Verunreinigung betrachtet werden, sondern eine charakteristische, stets wiederkehrende Bakterienvergesell- schaftung vorstellen sollen, die also nicht etwa aus herabgefallenen Luftkeimen besteht. Sie vermehren sich beim Auskeimen der Samen lebhaft, wie man durch Aussaat in sterile Keimbetten festgestellt hat, sind dann auch au den oberirdischen Teilen der Keimlinge und Pflanzen stets anzutrefieu und haften ihnen da mittels Schleim an, der ihnen auch einen Schutz gegen ungünstige Witterimgs Verhältnisse, zumal gegen 1) Burri, R., B.C. II, 1903, Bd 10, S. 756. Düggeli, M., B.C. H, 1904, Bd. 12, S. 602. Beyerinck, M. W., u. Rant, A.. B.C. TI, 1906, Bd. 15, S. 966. Epiphytiache Bakterien. 615 Trockenheit verleiht. Von der Wurzeloberfläche der Keimlinge schwär- men die betr. Bakterien in großer Zahl ins Erdreich aus, so die jewei- lioro Hüdentlora zum Teil verdrängend. Umgekehrt sollen sich Bakterien, die aus dem Boden stammen, nur vereinzelt auf den Pflanzen festsetzen. Als derartige Epiphyten hat man hauptsächlich folgende Arten gefunden: einmal das uns schon gut bekannte Bad. (Fseudomonas) fluoresccns. Es unterscheidet sich von der typischen Form dadurch, daß es massen- haft Schleim bildet, eine Eigenschaft, die nach längerer Zucht auf künst- lichen Substraten verschwindet. Sodann eine zweite, die wichtigste auf der Pflanzenoberfläche oft fast in Reinkultur befindliche Art, Bad. her- hicola aureum, eine unter Bildung eines schön goldgelben Farbstoffs wachsende, häufig charakteristische, wurstförmige Zooglöen bildeiicie Art (auch Bad. anglomerans genannt). Überträgt man solche Zoo- glöen in Wasser, so „schmelzen sie von außen ab, indem die Stäb- chen durch Auflösen des Schleims freiwerden und sich lebhaft schwän- zelnd entfernen.^' Beobachtet man ältere Zooglöen mit äußerlich ver- härtetem Schleim, die in Wasser liegen, so beginnen zuerst die Stäb- chen im Innern sich zu bewegen, bald bricht „ein heller Aufruhr^' los, endlich reißen die äußersten Schleimschichten an einer Stelle, und die Stäbchen werden aus dem Innern frei. Schließlich lösen sich auch die peripher gelagerten Stäbchen los. Endlich ist als Epiphyt zu erwähnen Bad. putidum. — Die eben referierten Angaben sind, wenn sie zutreifen, deshalb von Bedeutung, weil sie zeigen, daß höhere Pflanzen die Bodenflora wesent- lich beeinflussen können. Ob dadurch auch das Wachstum der Pflanzen beeinflußt wird, wäre noch zu untersuchen. Es wird angegeben, daß z. B. auf dem Klee pro Gramm Pflanzensubstanz 30 Millionen Keime anzutreifen seien. Der Keimgehalt soll bei trockenem Wetter nicht wesentlich abnehmen, die Vermehrung kann gleichwohl, jedenfalls auf den oberirdischen Teilen, nur bei sehr feuchter Witterung oder an sehr feuchten Standorten vor sich gehen. Günstige Standorte finden solche Epiphyten an den schleimigen Wurzeloberflächen, und jeder, der Wasser- kulturen höherer Pflanzen angesetzt hat, weiß, daß an den sich abschül- fernden, verschleimenden Zellen der Wurzelhaube viele Bakterien sich entwickeln. Neuerdings werden gelbrote, seltener rote Zooglöen solcher Arten (Bacfcrinm herhicola, Bader iiim fluorescens) beschrieben, die sich an Gerstenwurzeln ansiedeln und deren Wachstum behindern.^) Im üb- rigen schaden solche Epiphyten, wenn sie sich nicht allzu kräftig ent- wickeln, den Pflanzen nicht. Höchstens sind Fälle denkbar, in denen, 1) Zikes, H., Sitzb. Ak. d. Wiss., Wien, math.-nat. Kl. 7, I. 1910. 616 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. sie, falls ihr Träger unter Bedingungen gelangt, die ihm ungünstig sind, oder falls er sich Verwundungen zuzieht, eindringen und sich in schädliche Schmarotzer verwandehi. Meistens aber beanspruchen die fraglichen Bakterien von ihren Trägern nichts als den Wohnort, allenfalls auch abgestoßene, tote Zellen als Nahrung, und haben häufig davon ihren Vorteil. Festgewachsene Bakterien werden von Strömungen nicht an ungünstige Orte verschleppt. Falls es sich um sauerstoffliebende Arten handelt, können diejenigen, die sich auf Algen oder anderen Wasserpflanzen festsetzen, von dem Sauerstoff, den jene Pflanzen im Licht ausscheiden, Vorteile haben. Vielleicht zehren sie auch von dem Schleim, der die Oberfläche von Algen überzieht, ohne diesen wesent- lichen Schaden zuzufügen. Bakterien, die sich außen auf Fischen fest- setzen, werden auf diese Weise verbreitet und nützen so der Erhaltung ihrer Art, weitere Beispiele kann sich jeder leicht ausmalen. Bakterien, welche obligaterweise auf anderen Lebewesen sitzen, gibt es nicht; Arten, die meistens auf Algen sich anheften, wird man ebensogut sich auf Muschelschalen, Pfählen usw. ansiedeln sehen, wenn an solchen Stellen der Reinheitsgrad des Wassers und die sonstigen Bedingungen ihnen zusagen. Wichtiger sind die im Innern anderer Wesen hausenden Bakterien. Wir werfen zuerst einen Blick auf Endophyten, d. h. solche, die im Innern von Pflanzen zu hausen pflegen, sei es innerhalb der Zellen oder zwischen den Zellen. Den Übergang zwischen endo- und epiphytischen Bakterien bildet Sarcinastrum Urosporae, dem wir schon im Kap.\'II begegnet sind: dieser Spaltpilz wächst auf der grünen Meeresalge Urospora mirahilis; er löst die die Zellhaut der Alge überziehende Cuticula auf und nistet sich in den äußeren ZeUhautschichten koloniebildend ein. Die befallene Zelle wird zu abnorm gesteigertem Wachstum angeregt, bildet eine kleine Galle, wie wir sie gleich noch in typischerer Ausbildung antreffen wer- den, und geht endlich zugrunde; es handelt sich hier also im Gregensatz zu den bisher beschriebenen Fällen um echten Parasitismus, der mit dem Tod der Wirtszelle endigt.^) Wir kommen nun zu typischen Endophyten. Da ist zuerst daran zu er- innern, daß auch solche in nicht seltenen Fällen eigenartige Gestaltsver- änderungen an den von ihnen befallenen Pflanzenteilen auslösen, ge- schwulstartisce Bildungen oder Gallen. Am bekanntesten sind hier die Bak- 1) Lagerheim, G. v., Ref. Bot. Ctb. 1901, Bd. 85, S. 280. ■ Endopliytische Bakterien. 617 teriengallen der Leguminosen wurzeln, die wir früher schon eingehend be- sprochen haben, und au die sich die gleichen Bildungen an den Wurzeln der Ölweiden usw. anreihen (S. r)21). Während man über die Bedeutung dieser Gallen wenigstens in großen Zügen orientiert ist, wissen wir nichts über die Bedeutung einiger anderer analoger Bildungen. Schon längere Zeit ist bekannt, daß an bestimmten Meeresalgen, z. B. Botalgen, kleine zunächst rundliche, später höckerige Anschwellungen sich zeigen. Mikroskopische Schnitte belehren uns ^) darüber, daß innerhalb dieser Anschwellungen massenhafte Bakterien von ovaler Gestalt hausen, und zwar stets interzellular, nicht, wie die KnöUchenbakterien der Leguminosen im Lmern der Zellen. Der Verband der Algenzellen, die offenbar durch einen seitens der Bakterien ausgeübten Reiz zu dem anomalen, das Knöllchen bedingenden Wachstum angeregt werden, ist zuerst ziemlich fest, später lockert er sich, und die Bakterien gelangen ins Meerwasser hinaus, um neue Algen zu befallen. Welche Bedeutung dies Zusammen- leben hat, weiß man nicht, vielleicht ist es ein Parasitismus der Bak- terien, die von den Mittellamellen der Algenzellwände zehren. Unter- suchungen über etwaige besondere Befähigungen der Bakterien — am nächsten läge es natürlich, an Stickstoffbindung zu denken — wären er- wünscht. Sichtlichen Schaden erleiden die Algen seitens dieser Bak- terien im allgemeinen nicht. Solcher Bakteriengallen gibt es nun noch eine ganze Anzahl, ohne daß man über ihre Bedeutung etwas aussagen könnte. So hat man Bakterienknöllchen an den Wurzeln des Topi- nambur entdeckt,^) viel untersucht sind Bakteriengallen an oberirdischen Teilen des Ölbaums,^) desgl. an den Zweigen verschiedener Kieferarten, am Oleander hat man Bakteriengallen gefunden und auch nach Ver- wundung der Pflanze durch künstliche Infektion hervorrufen können.*) Bakteriengallen wurden ferner an den Blättern von Rubiaceen (Krappgewächsen) entdeckt, sodann an den gleichen Organen der tro- pischen, ostasiatischen Myrsinacee Ärdisia crispata. Seit etwa 30 Jahren kennt man an den Blättern dieses Strauches kleine Knoten von ^^ ^^ Durchmesser, die „in regelmäßigen Abständen in einiger Entfernung vom Blattrand'' sichtbar sind. Man hielt sie früher für Eiweißdrüsen, weiß aber heute, daß es Bakteriengallen sind, in denen die Bakterien interzellular vorkommen. „Schon im Samen zwischen Nährgewebe und Keimling, zunächst in spärlichen, dann bei der Reifung des Samens in 1) Schmitz, H., Bot. Ztg. 1892, Bd. 50, S. 624. 2) Vöchting, H., Sitzb. d. Berliner Ak. d. Wiss. 1894, Bd. 34, S. 1. 3) Petxi, L., B. C. II, 1907, Bd. 19, S. 531. 4) Tubeuf, C. V., Ref. in Ztschr. f. Bot. 1912, Bd. 4, S. 250. Vgl. im übrigen Küster, E., Die Gallen der Pflanzen, Leipzig 1011. 618 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. größeren Mengen vorhanden, gehen die Bakterien bei der Keimung auf den VegetatioDspunkt der Pflanze über und wachsen hier mit ihm so- wohl als auch mit seinen Verzweigungen fort. Sie treten in die jungen Blattanlagen durch auffallend früh gebildete Spaltöffnungen ein, ge- lancren in eine von Sekret erfüllte Lakune und werden durch Wachs- tumsvorgänge samt dieser in die Tiefe in ein eisenartiges Gewebe ver- lagert, während die Spaltöffnungen verschlossen werden. Hier vermehren sie sich und füllen die zwischen den Zeilen entstehenden Interzellularen in dichten Massen aus. Das ganze Gebilde tritt als Bakterienknoten in die Erscheinung. Gehen Vegetationspunkte zur Blütenbildung über, so werden die Bakterien in die Fruchtknotenhöhlung eingeschlossen, von wo sie auf einem vorläufig unbekannten Weg in den Embryosack ge- langen. Damit ist der Kreislauf geschlossen." Das Eigenartige an diesem Zusammenleben ist also, daß es eine hereditäre Symbiose ist, und daß die Bakterien dauernd innerhalb der Pflanze leben, daß nicht, wie es z. B. bei den Leguminosenknöllchen der Fall ist, die Keimpflanzen zunächst bakterienfrei sind und von außen immer wieder infiziert werden. Die Bakterien selbst, Bad. foUicoJa, sind lange, dünne, unbewegliche, sporen- freie, gelegentlich mehr oder minder gebogene Stäbchen, die grupjien- weise in Schleim eingeschlossen sind, solange sie am Vegetationspunkt und im Samen liegen. In den jungen Knoten sind die Bakterien von dickerer, gedrungener, bohnenförmiger Zellform, vermehren sich leb- hafter, schwellen keulenförmig Jin, verzweigen sich. In alten Knoten ist „körniorer Zerfall" der Bakterien zu beobachten. Der Inhalt der Bakterien, die im Knoten hausen, ist vakuolig, Jodzusatz läßt braune Körnchen erkennen, die vielleicht aus Glykogen bestehen. — Die Rein- zucht des Bad. foliicola ist noch nicht gelungen, und so unterläßt es der Forscher ^), dessen Darstellung wir soeben folgten, anerkennens- werterweise, naheliegende und billige Vermutungen über den Sinn dieses interessanten Konsortiums auszusprechen. Während in den eben besprochenen Fällen die endophytischen Bak- terien einen Gestaltungsreiz auf die Gewebe der höheren Pflanze aus- üben, leben andere endophy tische Bakterien im Innern von Organen höherer Gewächse, ohne diese in ihrer Gestaltungstätigkeit zu beein- flussen, indem sie in einer im allgemeinen noch nicht genügend be- kannten Weise für ihre Ernährung von Bedeutung sind. Die im malay- ischen Archipel heimische, epiphvtische Ameisenpflanze Myrmecodia^) besitzt eine von Höhlungen durchzogene StammknoUe. Diese Höhlungen 1) Miehe, H., Abb. Sachs. Ges. d. Wiss., math. phys. Kl. 1911, Bd. 32, S. 399. 2) Miehe, H., ebenda, S. 312. Endophytische Bakterien. 619 sind von Ameisen besiedelt, haben streckenweise glatte, strecken- weise warzige, mit Absorptionsorganen versehene Wanchingen, und die Ameisen setzen ihre Exkremente, die der Pflanze als Nahrung dienen und von den genannten warzigen Organen resorbiert werden, ausschließ- lich in den Höhlungen mit warziger Wand ab. Ob nun die Aufnahme der Exkremente nach mehr oder minder weitgehender Mineralisieruns ihrer organischen Bestandteile erfolgt, ist unbekannt, nachgewiesen ist aber das Vorkommen nitrifizierender Bakterien an diesen Stellen, so daß die Pflanze jedenfalls auf diese Weise einen Zuschuß an Nitraten be- zieht — vielleicht neben organischen Stickstoffverbindungen. Wir er- wähnen diesen Fall hier, um zu zeigen, daß die genauere Erforschung der noch viel umstrittenen Nahrungsaufnahme solcher Gewächse von bakteriologischen Untersuchungen nicht absehen kann. — Es war ferner früher die Meinung aufgekommen, daß die insektenfressenden Pflanzen die von ihnen gefangenen Tierleichen nicht selbst auflösen, sondern daß dies das Werk von Fäulnisbakterien sei, die in den Kannen oder sonstigen Fangorgaueu hausten. Wenn das der Fall wäre, so hätten wir hier einen weiteren wichtigen Fall endophy tischen Bakterienlebens, doch hat sich diese Behauptung in allen genauer untersuchten Fällen als haltlos er- wiesen, die Pflanzen wirken jedenfalls hauptsächlich durch selbst pro- duzierte Enzyme, die vielleicht manchmal durch autolytische Vorgänge in den Tierleichen unterstützt werden. Selbst in den Fällen, in denen man beobachten kann, daß die gefangenen Insekten längere Zeit in den Fallen lebendig bleiben vmd in denen man annimmt, daß die Pflanze eine Zeitlang von den Exkrementen zehrt, ehe das Tier abstirbt und selbst als Nahrung dient, dürften wohl Bakterien beim Zersetzen der Exkremente keine besondere Rolle spielen, da sich gezeigt hat, daß die Flüssigkeit in den Kannen und Blasen vielfach bakterientötende W^irkung hat, u. a. bei den Wasserhelmgewächsen {Utricidaria). Immerhin wäre eine genauere Untersuchung geboten, da die Frage noch nicht ganz geklärt ist. Wir kommen nun zu den durch Bakterieninfektion bewirkten Krank- heiten der höheren Pflanzen, den Bakteriosen im engeren Sinne. Man hat den Bakteriosen der Pflanzen lange Zeit großes Mißtrauen entgegen- gebracht und es läßt sich auch gar nicht leugnen, daß nicht Bakterien, sondern die mit Spitzenwachstum begabten Schimmelpilze weitaus ge- eignetere Organismen sind, um eine Pflanze anzufallen, in sie einzudringen und ihren ganzen Körper zu durchwuchern und endlich zu töten. ^) Bakterien fehlt dies ausgeprägte Wandervermögen, und derTranspirations- 1) Alfr. Fischer. 620 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. ström, der in den Gefäßen der Pflanzen fließt, kann dafür nur schwachen Ersatz bieten, schon deshalb, weil er Bakterien immer nur in der Rich- tung, in der er fließt, von unten nach oben, auf eine gewisse Strecke mit sich reißen kann. Es kommt noch hinzu, daß anders als bei tierischen Wesen, bei welchen die innere Körperoberfläche große Nahrungsmengen für den Parasiten führt, bei Pflanzen die Zwischen- zellräume nur feuchte Luft und höchstens Spuren von Nährstofi'en enthalten. Ein Vorteil für Bakterien, die Pflanzenkrankheiten bewirken, liegt allerdings gegenüber solchen, die Warmblüter angreifen, darin, daß sie nicht an höhere Temperaturen angepaßt zu sein brauchen, somit stets in der Umgebung der Pflanzen als Saprophyten leben können, bis zufällige Umstände, die zum großen Teil noch nicht genügend erforscht sind, ihnen erlaubt, von der saprophjtischen Lebensweise in nächster Nähe, ev. auf der Oberfläche der Pflanzen, zur parasitischen überzugehen. Welche Bakterienerkrankungen der Pflanzen darf man nun als „gut beslaubifft" betrachten? Man muß zunächst in einer kranken Pflanze Bakterien mit dem Mikroskop nachweisen, muß dieselben sodann rein zu züchten suchen, mit einer solchen Reinzucht gesunde Pflanzen impfen und beobachten, ob nun dieselben Krankheitssymptome sich zeigen. Man wird auch Wert darauf legen, zu konstatieren, daß keinerlei andere Mikroorganismen sich nachträglich einschleichen, um sicher zu sein, daß das gesamte Krankheitsbild auf das Konto der erstgenannten zu setzen ist. Da ferner „Krankheit" und „Gesundheit" keine eigentlich physiologischen, sondern ökologische Begriffe sind, wird man auch stets zu ermitteln haben, wie Bakterien unter natürlichen Bedingungen in die Pflanze ein- dringen und sich dann allmählich ausbreiten. Beobachtet man, daß einmal unter ganz besonderen Bedingungen eine Pflanze durch Bakterien zugrunde geht, etwa nach abnorm starker Verletzung, die bedingt, daß sich in den abgetöteten Zellen Fäulnisbakterien ansammeln, die nun durch ihre Stoffwechselprodukte die ganze Pflanze weiter schädigen oder töten, so wird man darin noch keine eigentliche Bakterienerkrankung erblicken.^) Eine sehr weit verbreitete, aber gleiphwohl wegen ihrer Harm- losigkeit wenig bekannte und beachtete Erkrankung des Kohls ist dessen Schwarzfäule. ^) Sie kann alle gebauten Kohlarten befallen, führt aber nur selten zur Vernichtung der Pflanze. Die Blattnerven werden schwarz, 1) Smith, E. F., U S. A. Dep. of agric. Washington 1905. Potter, M. C, B. C. II, 1910, Bd. 28, S. 625. Tubeuf, C. v., B. C. U, 1911, Bd. 24, S. 340. 2) Smith, E. F., B. C. II, 1897, Bd. 3, S. 284. Brenner, W., B. C. II, 1904, Bd. 12, S. 725. Pflanzliche Bakteriosen. 621 die dazwischenliegenden Blattinseln tretten gelb hervor, schließlich tritt Fäulnis ein, au der alle möglichen Bakterien oder sonstiffeu Pilze beteiligt sein können. Zu Beginn der Erkrankung kann man massenhafte Zellen einer als Pseudomonas campestris bezeichneten Art in den Ge- fäßen erblicken, in denen sie durch den Transpirationsstrom weiter geschleppt werden. Sie lösen dann die Gefäßwände auf und dringen zwischen die Zellen ein, deren Verband lockernd und lösend; die Zellen sterben ab, und der Spaltpilz ernährt sich von den aus den toten Zellen austretenden Stoffen. Man kann Fs. campestris ohne Schwierigkeiten rein züchten, da sie eine sehr genügsame Art ist; die Zellen sind auf künstlichen Böden langgestreckt, in der Pflanze kurzstäbchenförmig; auf Platten wächst sie in Form wachsgelber Kolonien, von denen man Material durch kleine Wunden der Pflanze einimpfen und so die Schwarz- fäule experimentell erzeugen kann. Es dauert dann 2 — 3 Worten, ehe Krankheitssymptome sichtbar werden; solange beträgt also die Inkuba- tionszeit. In der Natur dürfte der Spaltpilz durch die Wasserspalten der Blätter eindringen; man hat nachgewiesen, daß er in den von jenen Wasser.spalten ausgeschiedenen Tropfen leben und sich vermehren kann, und daß die Krankheit ausbricht, wenn man dafür sorgt, daß ausge- schiedene und infizierte Tropfen wieder zurückgesaugt werden. Auch durch Schnecken oder Blattläuse kann er verbreitet und auf gesunde Pflanzen übertragen werden. In die Gefäße gelangt findet er als anspruchslose Art in den hier befindlichen geringen Mengen von Kohlenstoffverbindungen, Nitraten, usw., genügend Nährstoffe, um sich zu vermehren, er wird dann, wie gesagt, durch den Transpirationsstrom in dieser Pflanze verbreitet und dringt endlich durch die Gefäßwand hindurch ins Gewebe, wo er die MitteUamellen der ZeUen zerstört und endlich die Zellen abtötet. Aus dieser Schilderung geht mit Sicherheit hervor, daß er in der Lage ist, die verholzten ZeUwände und die Pektinstoffe der MitteUamellen durch Enzyme zu zerstören, die Zellulosewände selbst sind ihm offenbar un- zugänglich. Ob er sonst noch pathogene Eigenschaften entfalten, etwa giftige Stoffe besonderer Art ausscheiden kann, die ihn zum Parasitismus befähigen, ist unbekannt. Noch eine große Zahl ähnlicher „Weichfäulen" ^) ist bekannt. Fseu- domonas destnidans^) greift Rüben an, deren Weißfäule bewirkend, I^ad. carotovorum'^) bedingt die Möhrenfäule, Bad. hrassicae die des Blumenkohls; bei allen diesen Arten hat man die Befähigung zur enzy- 1) Spieckermann, A., Ref. B. C. II, 1902, Bd. 8, S. 716. 2) Potter, M. C, B. C. II, 1909, Bd. 23, u. B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 624. 3) Jones, L. R., B. C. II, 1905, Bd. 14. 622 XX. Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. matischen Lösung der Pektinstoffe der Mittellamelleu nachgewiesen. JB. hrassicae^) soll auch Zellulose lösen können, die andern aber, wie angegeben wird, nur quellend auf die Zellulose wirken^); in einem Fall hat man auch das Eindringen der Bakterien durch die verquollene Zellwand gesehen, sonst aber scheint es, daß die Bakterien von Stoffen leben, die durch Diffusion aus den abgetöteten Zellen in die Zwischen- zellräume treten. Es ist mir nicht bekannt, ob die Frage, inwie- weit die Bakterien auch durch die Tüpfel isolierter Zellen ins Zelllumen wandern, bereits bearbeitet worden ist. In manchen Fällen wird ihre Wirkung außer auf „Toxine",') d. h. auf giftige Stoffwechselprodukte, auch auf Bildung von Oxalsäure zurückgeführt, durch welche sie schäd- lich und tödlich wirken. Die Art und Weise des ersten Eindringens in die Pflanze dürfte verschieden sein. Für Ps. destructans wird angegeben, daß sie die jugendliche Epidermis von Kübenpflanzen soll durchdringen können, die Epidermis ausgewachsener Rüben aber nicht.*) Noch sei erwähnt, daß man auch Bakteriosen beschrieben hat, bei welchen die Gefäße durch Gummiausscheidungen seitens der Bakterien verstopft werden, so daß der Tod der PHanze durch Verwelken eintritt. Die Bakterien sollen sich entweder auf die Gefäßdurchwucherung be- schränken oder aber auch die sonstigen Gewebe überschwemmen. In aller Kürze erwähnen wir noch, daß viele dieser krankheitser- regenden Arten durch ihr Verhalten gegen Kohlehydrate sich sollen unterscheiden lassen. ^) In ähnlicher Weise werden offenbar viele Pflanzen, seien es Kultur- gewächse, seien es wilde Pflanzen, geschädigt. Um noch eine Arznei- pflanze zu nennen, erwähnen wir, daß auch das Liebstöckel unter den Angriffen von Bakterien zu leiden hat:*"') Kleine, braune Stellen ent- stehen an den Blättern, diese Flecken vergrößern sich, und endlich welken größere Partien ab. Am Stengel treten längere braune Streifen auf. Aus derart erkrankten Pflanzen kann man ein Kurzstäbchen, Ps. 1) Harrison, F. C, B. C. II, 1904, Bd. 13, S. 46. 2) Vgl. dazu Merker, E , B. C. II, 1911, Bd. 31, S. 578. Der Autor be- schreibt zwei Mikrokokkei), M. cytophagus und melanoeyclus, welche die Blatt- zähne und das angrenzende Blattgewebe bei der Wasserpest und anderen Pflanzen zerstören, indem sie die Zellulose der Zellwand an den noch lebenden Zellen auflösen. Besonders die erstgenannte Art soll Zellulose kräftig zersetzen, es ist aber bis jetzt noch nicht gelungen, sie rein zu züchten. (Vgl. auch S. 381.) 3) V. Hall, C. G. J., Ref. in B. C. II, 1904, Bd. 12, S. 507. 4) Vgl. Dale, E., Ann. of bot. 1912, Bd. 26, S. 133. h) Harding, H. A., Morse, W. J., Jones, L. R., Ref.: B. C. II, .1910, Bd. 27, S. 648. 6) Osterwalder, A., B. C. II, 1910, Bd. 25, S. 260. Weichfäule; Bakterienbrand. 623 Levisüci herauszüchten und auch mittels Reinkulturen dieser die Krank- keit weiter übertragen. In der Natur dürfte die Infektion durch die Spalt- ötfnunyreu erfolgen können. Das erkrankte Gewebe wird endlich voll- kommen desorganisiert, an der Grenze zwischen lebendem und totem Ge- webe zeigt sich bei mikroskopischer Betrachtung eine Bakterien zooglöa. Wir schließen die Besprechung ptianzlicher Bakteriosen mit einem Hinweis auf den „Bakterienbrand", d. h. eine Rindenerkrankung der Kir- sche, Pflaume, Reineclaude, eine Krankheit die den Vorzug hat, recht genau und zuverlässig beschrieben zu sein.^j Im Jahr 1905 trat sie in Deutschland plötzlich auf. Die Brandstellen der Rinde sinken ein, Über- wallungswülste umgrenzen dieselben, häufig tritt Gummi aus; das sind die ersten Symptome, an welchen man die Krankheit erkennt. Aus den Gewebestücken in der Rinde unterhalb solcher Stellen kann man massenhaft Bakterien herauszüchten, aber nur bei besonderer Sorgfalt gelingt es, den Krankheitserreger zu fassen, das Bact. (Pseudo- monas) spongiosum, mittels dessen Reinkulturen man dann die Krank- heit auf gesunde Bäumchen übertragen kann. Die Überimpfung mag in der Natur u. a. auch durch Borkenkäfer erfolgen. Diese Krankheit, die zumal im zeitigsten Frühjahr grassiert, ist sehr gefährlich, da sie die Bäume vernichten kann. Vermutlich wirkt das Bact. spongiosum in erster Linie durch ausgeschiedene Säuren (Butter-, Essigsäure) auf die Rindenzellen. Nicht ohne Interesse ist es, daß solche Krankheiten, ähnlich wie das auch für Krankheiten des Menschen bekannt ist, mehr oder minder plötzlich und unvermutet auftreten und ebenso nach einiger Zeit wieder verschAvinden. Es erhebt sich die Frage ob das an der Veränderuncr^ welche die menschliche Kultur mit sich bringt, liegt, oder ob Bakterien aus andern Gegenden einwandern, oder ob autochthone Bakterien plötzlich neue Eigenschaften annehmen, die sie zu Krankheitserregern stempeln, und auch wieder verlieren. Für die Lehre von den pflanzlichen Bakteriosen könnten sehr be- deutungsvoll werden Nachuntersuchungen früherer Angaben, denen zufolge Spaltpilze, z. B. Bact. coli, lebende Kartoffeln abtöten und die Mittellamellen der Zellwände lösen können, wenn man sie eine Zeitlang auf Kartoffeln, die durch Behandlung mit verdünnter Lauge oder durch bestimmte Düngung „geschwächt" sind, gezüchtet hat. Die Virulenz der Bakterien steigert sich durch weitere Zucht auf lebenden Kartoffeln, geht aber verloren durch Kultur auf toten Substraten oder anderen 1) Aderhold, R., u. Ruhland, W., Arb. a. d. k. biol. Anstalt, lit07, Bd, 5, 293. 624 XX- Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. lebenden Böden. Es ist allerdings die Gefahr nicht gering, daß Nach- untersuchungen solcher Angaben ein recht trauriges, nämlich schlech- terdings ganz negatives Ergebnis haben könnten.^) Wir kommen endlich zu den im Menschen und Tier lebenden Bak- terienarten. Bekannt ist, daß in höheren und niederen Wesen, zumal im Darmtraktus eine ganze Zahl der verschiedensten, saprophytischen Bakterien haust, zum Teil solchen, die nur ganz zufällig mit der Nahrung eingeschleppt sind und dort nur ein ziemlich kurzes Dasein führen, andere aber, die man fast regelmäßig antrifft. Bei niedern Tieren sind systematische Untersuchungen erst in ziemlich geringer Zahl angesteUt. Wir erinnern uns daran, daß z. B. jener wichtige Bac. Bütschlii zuerst aus dem Darm der Küchenschabe isoliert wurde, wir denken an Bac. spirogi/rae u. a., die wir bei Behandlung der Zellkernfrage kurz erwähn- ten. Die Untersuchungen des Darminhaltes der Regenwürmer dürfte bei weiterer Durchforschung manche interessante Probleme aufrollen, zumal wegen der Einwirkung jener auf den Ackerboden, usw. Gehen wir zur Besprechung höherer Wesen, des Menschen, über, so ist jeder- mann bekannt, daß auch hier, z. B. im Mund, im Darm eine reiche Flora solcher Wesen existiert, deren sachverständige Beurtheilung wir dem Mediziner überlassen (vgl. auch S. 437); wir erinnern hier nur noch kurz daran, daß uns die menschliche Mundhöhle interessante Formen für die mikroskopische Untersuchung der Bakterieuzelle liefert, aerobe, wie anaerobe Arten, Bad. maximum hiiccaJe, das anaerobe Spirilhtm sputigenum^) und viele andere mehr. Der Darm andererseits liefert uns mit seinem Bad. coli^) und Genossen solche Formen, die ganz abgesehen von ihrer Bedeutung für die Verdauungsprozesse des Menschen ein reiches Material liefern für Studien, die sich mit dem Kampf der Bakterien untereinander befassen, und solche, die der mor- phologischen und physiologischen Variabilität gewidmet sind. Neben diesen in erster Linie harmlosen, nur unter besonders un- sjünstioren Bedincrungen crefährlich werdenden Bakterien stehen aber dann die massenhaften Krankheitserreger. Zunäch.st folge ein flüchtiger Blick auf einige Kaltblüterbakteriosen: Wir nennen nur kurz den Bac. are- nicolae^), der, im Borstenwurm Arenicola hausend, dort stellenweise Epithel Verletzungen bewirken und so den Tod des Wurms herbeiführen soll, ein Bacillus mit endständiger Spore, wie auch andere, die an ähn- 1) Laurent, E., Ann.de Tlnst. Pasteur, 1899, Bd. 1.3, S. 1. Lepoutre, L., Ref. B. C. n, 1903, Bd. 10, S. 189. 2) Mühlen s, P., B. C. I, Or. 1908, Bd. 48, S. 523. 3) Vgl. u. a. Gärtner, A., Z. f. Hyg. 1910, Bd. 67, S. 56. 4) Fantham, A. B., u. Porter, A., B. C. I, Or. 1909, Bd. 52, S. 329. Bakteriosen von Tieren und Menschen. 625 liehen Orten beobachtet wurden, zum Studium der Zellkernfrage ge- eignet und, wie ihre Entdecker mitteilen, durch den Besitz eines Chro- midialsystems (S. 120) ausgezeichnet. Au Bakteriosen kcinnen ferner Echinokokken und Finnen zugrunde gehen dadurch, daß aus dem Darm des Wirts Bakterien in die den Parasiten umgebende Flüssigkeit ein- wandern und sie zum Absterben bringen.^) Genauer wollen wir hier nur noch referieren über einen Fall einer Kaltblüterbakteriose, welche nach den Grundsätzen der botanischen Bakteriologie sehr genau studiert worden ist,-^) zumal deren Er- reger uns in unsern früheren Ausführungen schon häufig begegnet sind. Es handelt sich um eine schon dem Aristoteles bekannte, in Deutschland seit dem 16. Jahrhundert beschriebene Infektionskrankheit des Verdauungstraktus der Bieuenmaden. Diese werden schlafi und weich und sterben unter Fäuluiserscheiuuno-en ab. Die Erkrankung kann in zwei Formen auftreten, als die Seuche der offenen Brut, bei welcher zuerst in den offenen ZeUen einige Maden absterben und von den Bienen her- ausgeschleppt werden, und als das Sterben der gedeckelten Brut. Auch bei dieser, welche in Deutschland häufiger ist, werden zuerst einige, dann aber alle Waben ergriffen. Geruch nach Schweiß (Kapron- säure) ist für die erste, Geruch nach faulem Leim für die zweite Form charakteristisch. Was die Erreger angeht, so handelt es sich meistens um eine Mischinfektion. Bac. alvei ist eine Art, die bei dem Ster- ben der offenen Brut beteiligt ist, Bac. hrandenhurgensis andererseits bei der Fäule der gedeckelten Brut. Bei beiden wirkt noch Streptococcus apis mit. Da diese Art einen Geruch nach „saurem Kleister" entwickelt, redet man in den FäUen, in welchen sie allein die Krankheit verursacht, auch von Sauerbrut. Mit Reinkulturen des Bac. hrandenhurgensis gelingt es leicht, die Seuche hervorzurufen; soweit ist also die Ätiologie derselben sicherge- stellt. Der Krankheitserreger ist bei der mikroskopischen Untersuchung kranker Maden hauptsächlich im Fettkörper, weniger im Darm nachzu- weisen. Er besitzt auffällig kurzwellige, laterale Geißeln, die, wie früher schon erwähnt, sogar in 22 Jahre alten Faulbrutmassen noch nachweis- bar waren. Was die Yerbreitungsweise der Krankheit angeht, so kann dieselbe durch räuberische Flugbienen erfolgen. Die Verschleppung kann auf weite Entfernung durch Handel mit Bienen und Honig erfolgen. Die 1) Mehlhose, R., B. C. I, Or. 1909, Bd. 52, S. 43. 2) Maaßen, A., Arb. a. d. k. biol. Anstalt, 1908, Bd. 6, Heft 1. Vgl. auch Burri, R., Ref. in B. C. I, Ref. 1907, Bd. 39, S. 389. Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. 40 626 ^^- Bakterien des Meeres. Bakterien als Bewohner anderer Lebewesen. Inkubationszeit ist nur kurz. Was die Vorbeugung betrifft, so handelt es sich um Schutz der gesunden Völker gegen Ausgeräubertwerden; was die Heilung des Volkes angeht, so müssen die Waben, Pollenvor- räte, Honig, Brut entfernt werden und das nackte Volk in neue Stöcke übertragen werden, nötigenfalls sind auch die Bienen zu töten. ^) Man sieht, daß es sich im Grund genommen um dieselbe Beschrei- bung und Erforschung einer bakteriellen Infektionskrankheit handelt, wie sie auch bei derartigen menschlichen Krankheiten üblich ist, mit dem einen Unterschied, daß Impfversuche, Sektionen erkrankter Wesen usw. durch keine Rücksichtnahmen behindert werden; die Erhaltung des einzelnen Individuums ist nur dann erforderlieh, wenn durch seine Ver- nichtung allzugroße materielle Werte zerstört würden. Und so würde sich denn ungezwungen hier die Behandlung der menschlichen Bakteriosen anschließen; doch alles, was auf diesem Gebiet in staunenswerter Arbeit die Mediziner geleistet haben, liegt außerhalb des Bereiches unserer Betrachtungen. Wir erinnern hier nur in Er- gänzung der Ausführungen auf S. 191» an folgendes: Die ganzen Anschau- ungen und Kenntnisse über das Wesen der Bakterienkrankheiten des Menschen und der Organismen überhaupt nehmen ihren Ausgang von der Untersuchung des Milzbrands, bei welchem zum ersten Mal aus dem kranken Körper der Erreger in Reinkultur herausgezüchtet, nach Kultur unter künstlichen Bedingungen in gesunde Tiere überimpft und somit der Beweis geführt wurde, daß Bakterienzellen, wenn sie im Körper Ge- legenheit zur Entwicklung finden, die Krankheit mit allen ihren Sym- ptomen auslöst, daß nicht giftige Stoffe, die mit dem Impfmaterial eingeführt werden, sondern Gifte, die der Bazillus während seiner Ver- mehrung in Körper bildet, wirksam sind.^) Anton de Bary pflegte seine, in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gehaltenen Vorlesungen über Bakterien mit den Worten einzuleiten, daß tagtäglich dem gebildeten Publikum nicht viel weniger vorgehalten werde, als daß ein gut Teil allen irdischen Heils und Un- heils den Bakterien zuzuschreiben sei. Aus diesem Grund sei ihm der übliche Teil der Einleitung seiner Vorlesung, die dem Zuhörer die Wichtigkeit des Gegenstands ans Herz legt, erspart. Die Worte, so sollte 1) Über Bac. alvei vgl. S. 1.S5, 193; über Bac. brandenburgensis, vgl. S. 143; über Streptococcus ajjis vgl. S. 4'26. 2) Robert Koch. Rückblick. 627 man meinem, selten erst recht für die seither verflossene Zeit, die den außerordentlichen Aufschwung der medizinischen Bakteriologie gesehen hat und Zeuge gewesen ist jenes erfolgreichen Kampfes, den sie gegen die Krankheitserreger geführt hat und jetzt noch führt. Immerhin macht sich doch vielfach ein Rückschlag geltend, da allzu oft den Gebildeten auch von unberufener Seite die Bedeutung der Bakterien in grellen Farben geschildert und in übertriebener Weise vor Augen geführt wird. Wir aber wollen hoifen, daß es uns gelungen sein möchte, durch unsere Ausführungen nachzuweisen, daß die Beachtung, welche den Bak- terien von allen wissenschaftlich interessierten Kreisen, nicht allein von den Bakteriologen selbst, zugewendet wird, eine wohlverdiente ist. 40* 628 Namenregister. Namenredster. A. Ackermann, D. 460 Aderbold, R. 623 Allemauu, 0. 71. 100. 136 Amann, J. 534 Audrejew, P. 210 Avery, C. F. 431 B. Babes, E. 190 Ballner, F. 287. 412 Barber, H. A. 236. 248 Barlow, B. 527 Barthel, H. 405. 536. 565 de Bary, A. 29. 161. 180. 244 Baur, E. 89. 152. 179. 201. 601 Bazarew'ski, S. 464. 573. 574. 575 Bebrens, J. 63. 514. 542. 552. 559. 562. 568. 594 Beijerinck, M. W. 99. 235. 265. 318. 321. 367. 371. 405. 407. 458. 459. 472. 473. 500. 503 515. 614 Bergbaus 376 Bertbelot 579 Berthold, G. 45 Bierberg, W. 421. 444 Biernacki, W. 384 Blanck, E. 576 Blau, 0. 251. 257 Bocebia 295 Böbme, A. 210 Bouilbac, 506 BouUanger 464. 465. 469 Brandt, K. 612 Brascb, W. 398 Bredemann, G. 118. 239. 258. 263. 513. 516. 557 Brenner, W. 620 Brown, C. 571 Brudny, V. 112 Buchner, E. 419. 438. 443 Bublert 564 Burk, A. 229 Burri, R. 59. 98. 100. 136. 210. 211. 222. 230 231. 266. 272. 275. 432. 587. 614. 625 Busch 549 Bussen, B. 280 Butjagin, P. W. 255. 291. 389 ßütscbli, 0. 91. 147 c. Cano, U. 42 V. Caron, H. 578 Celakovsky, L. 303 Chatterjee, G. C. 431 Christensen, H.R. 445. 563. 579. 587 V. Chudjakow, N. 265. 270 Clegg, M. T. 302 Cohn, F. 36. 89. 206 Coleman, L. C. 464. 467. 574. 591 Conn, H. J. 537. 567 Correns, C. 52. 151. 224 Corsini, A. 477 Crosby 316 Cunbard, H. 318 D. Dale, E. 622 Dangeard, F. A. 108. 127 Degen, A. 104 Delbrück, H. 76 V. Delden, A. 503 Dieudonne 76. 227 Dietrich, A. 132 Dobbell, C. C. 123. 170. 174 Doflein, F. 244 Düggeli, M. 211. 222. 230. 430. 432. 587. 595. 614 Dzierzbiecki, A. 565 E. Ehrenberg, P. 596 Eijkman, C. 256 Eisenberg, F. 68. 100. 112. 132. 136. 255. 326 Eisler, M. 286 Ekelöf, E. 556 Ellis, D. 100. 142. 158. 159. 172. 191 192. 216. 217. 258. 489. 490 Emmerling, 0. 99, 448 Engberding, 0. 561. 565. 567. 585 Engelmann, W. 139. 307 Engler, A. 162 Ernst, A. 103. 115 Errera, L. 40. 44 V. Esmarch, E. 41 Euler, H. 404, 407 Ewart, A. J. 108 F. Fabricius, 0. 594 Fantham, A. B. 122. 624 T. Feilitzen, H. 587. 594 Fettick, 0. 283 Fickendey 564 Ficker, M. 90. 137. 211. 285. 539 Fischer, A. 78. 83. 87. 88. 113. 117. 126. 127. 135. 1.50. 168. 178. 181. 182. 192. 215. 244. 261. 270. 285. 424. 442. 602. 619 Fischer, B. 409. 539. 605. 608 Fischer, H. 402. 449. 507. 509. 561. 564. 567. 573. 576. 593 Namenregister. 629 Franzen, H. 386. 405 Fred, E. B. 289. 503. 578. 5'JO Frenzel, J. 174 V. Freudenreich, E. 397 Frosch 302 Fuhrmaun, F. 136. 142. 143. 148. 1G3. 183. 185. 214. 215 G. Gaidukov, N. 42. 43. 44. 101 Galeotti, G. 105 Galle, E. 555 Gantner 443 Garbowski, L. 67. 99. 166. 177. 179. 239 Gärtner, A. 624 Gauducheau, A. 302 Gazert, H. 605. 610 Gebbing, J. 605 Georgewitsch, P. 251 Gerlach 589 Gins, H. 141 Goebel, K. E. 342 Gorini, C. 432 Gottheil, 0. 66 Gran, H. 383. 603. 610 Greve, G. 386 Griffiths, B. S. 125. 205 Grimme, A. 113. 132. 171 Gruber, E. 430 Guiliiermond, A. 103. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 130. 131. 156. 171 Gutzeit, E. 574. 593 H. Hahn, M. 540 y. Hall, C. G. J. 622 Hansen, E. C. 215. 280 Harding, H. 207. 622 Harrison, F. L. 527. 622 Hashimoto, S. 190 Hattori, H. 551 Heine 280 Heinze, B. 570. 591 Henneberg, W. 99. 427. 433. 439. 441. 443. 444 Herzog, K. 438 Hesselink v. Suchtelen, F. 562. 563. 567 Hiltner, L. 521. 525. 529. 588. 591 Hinze, G. 91. 99. 134 Hoffmann, C. 252 Holliger, W. 432 Hölling, A. 122 Holzmüller, K. 63. 166. 300. 557 Hornberger 596 Hörth, F. 438 Hosaeus, H. 94 Hüne 288 Hüppe, F. 451 Huss, H. 71. 385. 430 Hutchinson, H. B. 63. 137 I. J. Jacobsen, H. 326 de Jager 176 Jahn, E. 77. 97. 201. 202 Jegunow 140 Jennings 316 Jensen, H. 401 Jensen, 0. 193. 207. 242. 397. 402. 407. 425. 432. 442 Immendorff 568 Jones, L. R. 621. 622 Jost, L. 101. 391 Issatschenko, B. L. 603. 613 van Iterson, G. 576 Iwanow, S. 99. 106 Kappen, H. 576 Karpinski, A. 574 Kaserer, H. 357. 455. 459. 460. 505 Keding, M. 280 Kellermann, K. F. 141 Keutner, J. 391. 500 Klebs, G. 185 Klein, L. 184. 244 Kniep, H. 216. 333. 336. 337. 339 Koch, A. 80. 94. 137. 165. 169. 177. 217. 219. 239. 252. 504. 505. 506. 520. 537. 566. 571. 573. 575. 576. 577. 578. 579. 582. 585. 586. 587. 590. 592. 593. 594. 595 Koch, R. 141. 626 Kohn, E. 551 Kolkwitz, R. 151. 192. 194. 459. 548. 549. 550. 551 Körnicke, M. 301 Kossowicz, A. 354. 378 Koestler, G. 272. 273 Krainsky, A. 503 Kraus, G. 534. 535. 544 Krawkow 105 Kroeber, E. 571 Krüger, W. 570 Krümmel, 0. 598. 603 Krais, K. 119 Kruse, VV. VI. 105. 106. 353. 373 de Kruyff, E. 251. 253. 257. 384. 517 Krzemieniewski, S. 501. 507. 516 Krzemieniewska, H. 287." 354 Kühl, H. 405 Kühn, J. 580 Kühne, M. 431 Kulka, W. 351 Kuntze, W. 112. 354. 428. 430. 431 Kürsteiner, J. 266. 272. 278 Kusano, S. 342 Küster, E. 50. 60. 176. 292. 617 L. Lafar, F. 424 V. Lagerheim, G. 190. 616 Laine 574 Laurent, E. 624 Lauterbom, R. 475 Lebedeff, A. F. 403. 455. 457. 458 V. d. Leck, J. 428. 435 V. Leeuwenhoek, A. 312 Lebmann, K. B. 134. 140. 144. 192. 197. 214. 216. 252. 279. 283. 301. 318. 380. 394 Lemmermann, 0. 287. 562. 571. 576. 577. 593 Lentz, 0. 395 Liachowetzki, M. 288 Liebermeister, G. 132 Lieske, R. 498 Lindner, P. 60 Lipman, C. B. 286. 287. 509 Lister. A. 303 Lode, A., 293. 411. 412 Löffler, F. 141 630 Namenregister. Lohmann, H. 607 Löhnis, F. VI. 96. 210. 253. 366. 425. 426. 509. 515. 518. 524. 536. 564. 565. 566. 573. 574. 581. 589 Lortet, L. 327 Loew, 0. 386. 571 Lücken, G. 593 Lürssen, A. 431 M. Maassen, A. 75. 93. 143. 168. 210. 215. 217. 220. 252. 280. 364. 425. 458. 527. 594. 625 Makrinotf, J. 465. 466 Makiinoif, S. 430. 432 Massart, J. 325. 326 Massini, R. 229 Massol 464. 465. 469 Matzuschita, T. 190 Maurizio, A. 432 Mehlhose, R. 625 Meisenheimer, J. 419. 438 Mencl, A. 123. 503 Merker, E. 381. 622 Meves, F. 103 Meyer, A. 50. 79. 91. 97. 100. 104. 111. 115. 116. 118. 122. 128. 130. 132. 133. 136. 155. 157. 160. 169. 172. 173. 175. 178. 182. 215. 218. 245. 248. 254. 260. 264. 265. 266. 268. 327 Miehe, H. 139. 161. 164. 165. 166. 196. 215. 221. 250. 251. 528. 532. 536. 546. 552. 555. 618 Migula, W. 78. 96. 117. 140. 141. 158. 159. 161. 188. 192. 217 Minkmaun, D. C. J. 403. 458 Mitscherlich, E. A. 542. 572. 581 Miyoshi, M. 312. 481. 496 Molisch, H. 43. 58. 108. 126. 181. 192. 204. 307. 320. 357. 407. 476. 482. 486. 487. 554 Morse, W. J. «22 Mühlens, P. 624 Müller, A. 63 Müller, L. 221 Müller, R. 72. 153. 210. 232 Müller 527 Müller-Thurgau, H. 97 Müntz 574 Musgrave, W. C. 302 N. Nabokich, A. J. 455 Nadson, G. 303 Nakanishi 117 Nathansohn, A. 101. 391. 453. 458. 473. 474. 546. 603. 611. 612 Nawiasky, P. 376. 415 Neide, E. 208. 217. 219 Neisser, M. 137 Nemec, B. 127 Nestler, A. 281 Neumann, R. 0. 134. 140. 144. 192. 197. 214. 216. 252. 279. 283. 301. 380. 609 Nikitinsky, J. 458 Niklewski, B. 455. 456. 457. 461. 563. 569. 574 Nishimura 105 0. Omelianski, W. 386. 387. 438. 459. 464. 468. 469. 472. 476. 501 Orsos, F. 64 Osterwalder, A. 622 Otto, M. 609 P. Panek, K. 384 Parlandt, D. 601 Parr, A. 564 Pasteur, L. 461 Peklo, J. 529 Perold, H. J. 69. 443 Perotti, K. 572. 587 Pettit, H. 576. 577. 578 Petri, L. 617 Pfeffer, W. 89. 138. 239. 253. 273. 312. 316. 333. 334. 369. 391. 410 Pfeilfer, Th. 577 Pillai 515. 518. 524 Pinoy, E. 303 Porodko, Th. 265. 267. 275. 323 Porter, A. 624 Potonie, H. 555 Potter, A. 571 Potter, M. C. 348. 367. 620. 621 Potts, G. 302. 303 Prazmowski, A. 603 Preiss, H. 67. 119. 120. 133 Pringsheim, E. 519 Pringsheim, H. 167. 214. 272. 370. 512. 518. 519 Quehl, A. 199. 201. 220 B. Rahel, G. 521 Rant, A. 614 Rayman, B. 119. 217 Reichenbach, H. 232. 256 Reichenow, E. 181 Reichert 139. 141. 142. 145. 146. 148 Reinelt, J. 409 Reinke, J. 273. 602 Remy, Th. 505. 563. 564. 579. 581. 584. 586. 588. 590 Rettger, L. F. 295 Richter, 0. 50. 358 Riemer 389 Ritter, G. 275. 323. 395. 404 Ritter, G. A. 564 Rösing, G. 505. 564 de Rossi, G. 522 Rostowzew, S. 613 Rothenbach 444 Rothermuudt, M. 549 Rothert, W. 309. 316. 331. 333. 335. 341 Rubinsky, K. 430 I Rubner, M. 399. 415. 419 Rucicka, V. 115. 121. 122 Ruhland, W. 95 Rullmann, W. 203. 498 Russell, H. L. 604 Ruttner, F. 536. 551 i S. Sabaschnikoff, A. 589 Sackett, W. 571 Saito, K. 282. 539 Salomon, E. 398 Namenregister. 631 Sano 304 Schaudinu, F. 91. 98. 104. 115. 120. 123. 155. 160. 173. 178 Schmitz, H. 617 Schueider, P. 567. 579. 582 Schueiiler-Orelli, 0. 262 Schönewald 458 Schorler, B. 489. 491. 497. 498 Schroeder, H. 51. 290. 299 Schwers, H. 498 V. Seelhorst, C. 575. 588 Sergent, E. 326 Severin, S, 556. 572 Seydel, S, 504. 505. 520 Simon, J. 578. 588. 689 Smith, E; F. 020 Solms, H. Graf zu 202 Söhngen, N. L. 445. 446. 459 Spitta 63 Stahl, E. 593 Steinbrinck, C. 82 Stevens, F. L. 574 Stoklasa, J. 562. 572. 576 Stokvis, C. S. 421. 444 Störmer, K. 370. 385. 591 Strasburger, E. 109. 110. 123 Süchting, H. 595 Süpfle, K. 268 Suzuki, .T. 403. 518 Swelleugrebel, S. H. 88. 117. 121. 122. 130. 131. 146. 157. 158 T. Tacke, B. 403 Taddei 214 Teichert, K. 433 Thaxter, R. 199. 201. 202 V. Thieghem, P. 251 Thiele, B. 515. 587 Thomsen, P. 602 Thöni, J. 71. 98 Tsujitami 302 V. Tubeuf, C. 617. 620 U. Ulehla, V. VI V. Vahle, C. 80. 87. 95. 120. 152. 196. 201. 202. 252. 263. 268. 482 Vejdowsky, F. 120 V. d. Velde, G. 105 Verworn, M. 327 Vöchting, H. 617 Vogel 564. 589 W. Wager, H. 117 Weigmann, H. 223. 250. 430. 432 Wegner, 0. 578 Wehmer, C. 280. 433 West, G. S. 125. 205 Weeter, D, H. 99 Westermann, F. 509. 518. 688 White, B. 431 Wilfahrt, H. 585 Wimmer, G. 574. 585 Winogradsky, S. 107. 151. 152. 160. 165. 239. 264. 306. 307. 461. 464. 468. 474. 500. 609 V. Wisselingh, C. 99 Withers, W. A. 574 Wohltmann, F. 567 Wolf, F. 227. 327 Wolff, A. 426 Wolff, M. 559 Y. Yamamoto, J. 143 Z. Zeller 564 Zettnow, E. 93. 98. 122. 132 Zikes, H. 214. 615 Zipfel, H. 528 Zopf, W. 393 632 Sachregister. Sachregister. Die * verweisen auf die Abbildunsfen. A. Ab flammen des Watte- pfropfs 55 Abstumpfung der Empfind- lichkeit gegen einen Stoff durch einen andern 334 ff. Abtötung durch extreme Temperatur 254 f. Acetonpräparat von Essig- bakterien 443 Achromatium Mülleri 476 — oxaliferum 476 Acidobacteriaceae 207 Ackerboden, Mikrobiologie 559 — , tropischer 555 Ackergare 570 Acrasieae 202 — als Bakterienfresser 303 Actinomyces chromogenes, Tyrosinase 394 — monosporus 555 — thermophüus 198.* 555 Actinomycetaceae 198 Actinomyceten , thermo- phile 250 Adhäsionskultur 60 Aerob 262. 265. 268 Aerobientvpus (Atmungs- figuren)" 320. 322* Aerotaxis 317 if. — von Wasserbakterien 549 — im Widerstreit mit Che- motaxis 320 aerophil 269 aerophob 269 Agar-Agar zur Isolierung von Bakterien 57 — , Lösung durch Bakterien 303 Agglutination 210 f. Airan 430 Airosomen 134. 483 Albumine als Nährstoffe 361 Albuminoide als Nährstoffe 361 Albumosen als Nährstoff'e 362. 364 — , Reizschwelle 314 Alcalibacteriaceae 207 Algen, blaugrüne 24.* 25 — , grüne 21 Algenfaden im Mikrospek- trum 323* Alkalibildung 70" Alkalisierung der Nährlö- sung 366 Alkohol, Apochemotaxis 315 — als Nährstoff 363 — , Nährstoff für denitr. Bakterien 403 — bei Plasmolyse 87 — , Resistenz der Es.sig- bakterien gegen A. 442 Alkoholfestigkeit 113 Alkohol. Gärung und Luft- zutritt 420 Aluminium , Wirkung auf Azotobacter 505 Ameisensäure , Zerlegung durch Bakterien 386 Amidbakterien 368 Amikronen 42 Aminacidase 375 Aminosäuren 105 — , Elektion 369 — , Gärung 449 — als Nährstoffe 362. 364 Ammoniak. Wirkung auf Nitratbildner 468 — , kohlensaures, bei Ham- stoffvergärung 446 — , kohlensaures, als Kampfstoff" 448 Ammon - Kohlenstoff bakte- rien 368 Ammouiumsalze als Nähr- stoffe 366 — , reizen Bac. Z in alk. Lösung 338 Amoeba proteus Ib* Amöben 15* — fressen Bakterien 302 Amoebobacter 152 f. — , Einfluß von Sauerstoff und Schwefelwasserstoff 306 Amoebobacter iaceae 486 Amphiplasma 117 Amylin 134 Amylum 133 Anaerob 262. 265. 268 Anaerobe, Sporenbildungs- bedingungen 167 — , veratmen 0, 271 Anaerobientypus (Atmungsfiguren) 320. 322* Angewöhnung an andere Oj-Spannung 270 f. Anheftung der Geißeln 142 — , konstantes Artmerkmal 216 Anilin Wasserfarbstoffe 111 Anlauf zur Sporenbildung 174 — zur Zellteilung 174 Anpassung, direkte 237 — , funktionelle 237 — an größere Zucker- mengen 552 Anpassungsmerkmal 186 Anreicherung 73 Ansatz 415 Antagonistische Stoffwech- selprodukte 296 Antagonismus von Salzen 286 Antrocknen 113 Apathie bei Purpurbakte- rien 311 Sachregister. 633 Apfelaäure, Nähistotf für Äzotobacter 503 — , Keizwirkuu';; 315 AphanDcapsa Castagnei 24* Apoclieuiütaxis 314* Apposition 154 äquatoriale Keimiuijj 177 Anlisid crisji(it<( 617 Art, Detiuitiou 21-2 Arthrosporen 179 f. — der .Myxoliakterien 179 — der Myxobakterien. Re- sistenz gegen Trockenheit •281 Artuuterschiede , Nivellie- ning durch Kultur -224 Aschengehalt 345 Aschensalze, entbehrliche 357 Äekulin 436 Asparagin , Reizschwelle 314 — reizt Bac. Z 338 Asporogen 68 Asporogenie des JSac. anthracis 253 Assimilation 17 Assimilation und Dissimi- lation 343 Äther, Giftwirkung 291 — ^ Reizschwelle 314 Ätherwirkung 330. 333. 591 Athiorhodaceae 483. 487 ätionom 306 Atmung abgestorbener Bak- terien 394 — , anorganische 478 Atmungsintensität, Abhgk. von 0., -Konzentration 400 Atmungsquotient 389 Aureole von Kreide 446 Außenbediugungeu, Nach- wirkung von Außenbe- dingungen 216 tf. Austrocknungsfähigkeit 279 Auswaschung des Salpeters 575 Autogamie 175 Autolyse 375 Autonom 305 Autoregulation 87 autotroph 34s Auxanogramm 70 auxanographische Methode 383 Äzotobacter, agile 508* — Beijerinckii 509 — chroococcum 190. 206. 500 ff. 533. 547. 565 — , Atniungsquotient 389 — Eiseuzufuhr 579 — , Gaswechscl 507 — , auf Kalium angewiesen 354 — , Kalium nicht vertretbar durch Kb. u. Cs. 356 — , Kultur auf Agar 505 — , Bedeutung für die Land- wirtschaft 578 ff. — im Meer 599. 602. 603 — , Misch kultur mit Bac. metha»igenes 520 — , Mischkultur mit Baet. gelaticum 519 — im Plankton 611 — und Pektinvergärer 591 — , Rassen 501 — , Resistenz gegen Trockenheit 280 — , Beeinflussung durch Schwefelkohlenstoff 591 — , Einfluß von Stickstoff- verbindungen 506 — , Stickstoff bindung an nat. Standorten 506 — , Stickstoffbindung in Reinkulturen 503 — Sym- oder Metabiose mit Algen? 507 — , Verbreitung 558 — , vertikale Verbreitung 579 — , Vinelandii 509 — , vitreum 509 — , Woodstoni 509 B. Babes-Ernstsche Körner 130 Bacillaceae 188. 191 Bacillus 192 — d. mal. Ödems 270 — ; Unterschied v. Bacte- rium 222 — , Variab. d. Sporengröße 217 — alvei 135*. 193 — — , Asporogenie 235 — — , Reservestoffe 136 — — , Resistenz der Sporen 220 Bacillus alvei, Sporenbil- duiig 167* — annjlohacter 193. 272. 500 — — , Frage der Arteinheit 225. 513 — — , Asporogenie 235 , Anaerobientypus 320 greift Zellulo.se nicht an 380 — — , Abschnürung von Kokken 239 im Meer 600 — — , Trennung von Per- zeption und Reaktion 331 — — , nicht plasmolysier- bar 88 — — , Reizbarkeit durch Äther 340 — — , Reizbarkeit durch Äther und Fleisch- extrakt 335 — — , Reservestoffe 136 — — , Rotteerreger 382 , Kardinalpunkte des Sauerstoffzutritts 267 , gedeiht ohne Sauer- stoff 266 — — , keine Verschiebung der Sauerstoffkardiual- punkte 271 — — , Sporen unempfind- lich gegen Sauerstoff 263 , Sporenbildung 167*. 168 , Veränderlichkeit der Sporengröße 217 — — , SporeuhüUe 171 — — , zweisporig 169 — — , Kardinalpunkte der Temperatur 253 , Tötungszeit der Spo- ren 258 — — , Verbreitung 557 , Zellkern 148 — amylozyma 421 — anthracis 295 , Asporogenie 235. 253 , Abschwächung durch Gifte 292 — — , Resistenz gegen Gifte 290 — — , Verhalten gegen Glykoside 436 — — , sek. Kolonie 68 — — , Nachkeimuug 176 634 Sachregister. Bacillus anthracis, Sporen- bildungsbedinorungenl67 — — , uubeweglicli 193 , Zellliiiut 9i> , Zellkern 119 — arenicolac 624 — asterosponis 193. 275 — — , Ernährung bei Anaerobiose .395 — — , Chromidien 121 — — , Keimstäbchen 178 — — , Ansprüche au die Ernährung bei Luftab- schluß 365 — — , Nachkeimung 178 , zerstört Pektin .S81 — — , Plasmodesmen 160 — — , Reservestoffe 136 — — , Kardinalpunkte des Sauerstoffzutritts 267 , gedeiht ohne Sauer- stoff 266 — — , Sporenbildung 169* ,Variabilitätd. Sporen- größe 218 — — , Tötungszeit der Sporen 258 , Stickstoff bindung 516 , Verbreitung 557. 558 , Zellkern 118 — botulinus, Angewöhnung an 0, 270 — — , Ernährung 395 — — , Hemmung durch Kochsalz 283 — brandenburffensis 143 — — , Beweglichkeit abh. von Ernährung 216 , Ernährung 363 , Fadenbildung 216 — — , Lebensdauer der Sporen 280 — Bütsdilii, Geißelinsertion 144. 145 — — , Sporenbilduug 173* — — , Strömungserschei- nungeu 102 — — , Wabenstruktur 102 , Zellhaut 91 — — , Zellteilung 173* — butyricHS, Plasmolyse 83 — — , Verhalten gegen Sauerstoff 263 , veratmet 0^ 271 — — , Sporen empfindlich gegen Luft 263 Bac. but. mob. non liquefac. 512 — calfactor 553* , Unterscheidung von ähnlichen Arten 271 — — , Keimung 178 — — , Schnelligkeit 139 — — , Schwellformen 215 — — , Kardinalpunkte der Temperatur für Sporen- bildung 253 — — , orthothermophil251 — carotarum, Ernälnungs- ansprüche bei anaerob. Leben 365. — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Nachkeimung 176 — — , Reservestoffe 137 — — , Kardinalpunkte des Sauerstott'zutrittß 267 — — , unbeweglich 193 — — , Wachstumsschnel- ligkeit 165 — cohaerens 193 — — , Chlamydosporen 182* — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Keimung 177* — — , Verzweigung 245* , Zellkern 119 — ciiUndricus, Unterschei- dung von ähnl. Arten 221 — — , Aufblähung derZel- len 215 — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Reservestoffe 136 — — , thermophil 251 — Danicus 518 — EUenhachensis 193 — — , Chlamydosporen 182 — — , Widerstand d. Spo- ren gegen Hitze 260 — esterificans 429 • — fossiculanim 380 — — , Mischkultur mit Ch Americanum 520 — gmnmari 120 — inflatxs mit Si3oren 169* — — , Sporengröße 219 — Keßr 430 — Icptosporus 184 — luteus, Zerfall in Kokken 240* Bacillus luteus, sekundäre Kolonien 67 — — , Mischkultur mit Schleimpilzen 303 , Herabsetzung der Teilungsgröße 239 — malabarensis 517 — mallci, Reservestoffe 137 — maximus buccalis 165 , Kernspirale 122. 624 , Teilung 157 — niethanigenes 380 — — , Mischkultur m.J^20- tobakter 520 — — , Mischkultur mit Cl. Americanum 518 — megaterium, erblich kon- stante Abänderung 230 — — , als Futter f. Dictyo- stelium 303 — — , Nuklcoproteide 105 — — , Reservestoffe 136 , Schnelligkeit 140 — mycoidcs 469 — — , Chromidien 121 — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Kolonieform 62* — — , Empfindlichkeit gegen Licht 300 — — 1 psychrophil 250 — — , Querteilung 156 — — , Reservestoffe 136 — — , Verbreitung 557 — — , Kardiualpunkte des Og-Zutritts 267 — — , Säurefestigkeit 113 — — , Sporenbildung 168 — — , Lebensdauer d. Spo- ren 281 — — , künstliche Waben- struktur 102 — nitroxux, Asporogenie 235 — oedematis maligni bildet Alkohol 421 — orraZafiCM«, Resistenz der Sporen 220 — — , Unterscheidung von ruminatus 219. 259 — — , Stickstoffbindung • 518 — — , Veränderlichkeit in der Kultur 217 — parvus, Kardinalpunkte des 0,-Zutritts 267 Sachrearister. 635 Bac. putrificus 275. 373 f. 518 — — , Asporogenie 235 — — , Ernährung 395 — — , Förderung durch Sauerstoffspuren 272 — — coli, Anpassung an Luft 271 — radieosus, Chromidieu 121 — — , Querteiluug 156* — — , künstliche Waben- kultur 104 — ranicida, Nukleoprote- ide 105 — rohur, Unterscheidung von ähnlichen Arten 221 — — , orthothermophil251 — — , Tötungszeiten der Sporen bei supramaxi- maler Temperatur 261 — ruminatus , Chlamydo- sporeu 182 — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Ansprüche an Nähr- stoffe bei Luftabschluß 365 — — , Unterscheidung von oxaJaticus 219. 259 — — , Säurefestigkeit 113 — — , Resistenz d. Sporen 220 — sessilis 184 — silvaticus, Minimum des Sauerstoffzutritts 268 — So/ms«, mangelndeAero- taxis 317 — — , Trennung von Per- zeption u. Reaktion 331 — — , Phobochemotaxis 316 — — , Plasmolyse 84* — spirogyra 122. 624 — sporonema, Sporenbil- dung 171 — — , Teilung 157 — subtiUs 193. 275. 286 — — , als Futter f. Akra- sieen 303 — — , Resistenz gegen Hitze 257 , Wirkung der Kälte 255 , Keimung 178* Bac. subtiUs, Nukleoprote- ide 106 — — , nicht plasmolysier- bar 88 — — , Kardinalpunkte des Oj-Zutritts 268 , Schnelligkeit 140 — — , Lebensdauer d. Spo- ren 281 — — , Widerstand d. Spo- ren gegen Hitze 260 — — , Tötungszeiten der Sporen bei supramaxi- malen Temperaturen 261 — — , supra- u. ultramaxi- male Temperatur 254 — — , wärmetolerant 252 — tetani 295 — — , Sporenbildung bei Sauerstoffzutritt 274 , Stichkultur 73* , Zellkern 119 — tliermophilus Vranjensis 193. 251 — tostus, Unterscheidung von ähnlichen Arten 221 — — , Resistenz gegen Hitze 257 — — , Keimung 178 — — , orthothermophil251 — tumescens 193 — — , Chromidieu 121 — — , Durchmesser d. Zel- len 217 — — , Keimstäbchen 178 — — , Nachkeimung 176. 178 — — , sek. Kolonien 67 — — , Reservestoffe 136 — — , Säurefestigkeit 113 — — , Minimum des Sauer- stoffzutritts 268 — — , Sporengröße 217 — — , Herabsetzung der Teilungsgröße 239 — • — , Zellhaut löslich in Bau de Javelle 100 , Zellkern 118 — ventriculus 169 — vahiaius, Lebensdauer der Sporen 281 — — , wärmetolerant 252 — Z, Fadenbildung 216 — — , Umschaltung der Reizbarkeit 338 Bäckerei 432 BacteriiiDi 192^) — , Unterschied von Bacil- lus 222 — accti 439 — acetigenum 442 — acidi lactici 427 — — Unterschied von coli und aerogcnes 222 — acidi propionici 397 — acidi/icans 432 — acidiphiliim 437 — aHinopclte 600. 610 — aerogenes, Unterschied v. coli und acidi lactici 222 — agreste 96. 592 , Indolbildung 210 — — , verarbeitet Nitrat 366 — — , Temperatur- ansprüche 253 — anglomerans 615 — aromaticiim 425. 435 f. — ascendens 440 — azotofluorescens 471 — BeijenncMi 527 — binucleatum 194 — — , Kernspirale 122 — Bovista 476 — Brassicae 433. 621 — brunnewm 274 — carotovorum 621 — casei 427 — — , Reservestoffe 136 , Schleim 100 — — e, Mischzucht mit Kahmhefe 223 — — — , Schleimbildung 223 — — — , Förderung durch Sauerstoffspuren 272 — caucasicum 427. 429 ff. — cinnabareum 274 — chitinovorum 385 — cloacae, Ernährung bei Anaerobiose 395 — — , Atmungsfiguren 323 — coli 76. 193. 294—297. 518. 610. 624 — — , Verh. zur Ameisen- säure 387 — — , verarb. rac. Amino- säuren 370 — — , Ernährung b. Anae- robiose 395 b. Eiweißfäulnis 373 1) Vgl. auch Pseudomonas 636 Sachregister. Bact. coli, Resistenz gegen Essigsäure 444 — — , Gelatineverflüssi- gung 221 — — , Verh. gegen Glyko- side 436 — — , individuell verschie- dene Resistenz geg. Hitze 256 , Indolbildung 209 — — , Wirkung der Kälte 255 — — , sek. Kolonien 68 — — , Beeinflussung durch Kupfersulfat 289 — — , Verh. gegen Milch- zucker 228 — — , Niveaubildung 318 — — » psychrophil 250 — — , Reservestoffe 137 — — , gedeiht besser bei O.-Zutritt 266 — — , Sippen mit langen Zellen 236 — — , unbewegliche Sip- pen 236 — — , Abhängigkeit der Zellteilung von der Tem- peratur 248 — — , Wachstumsschnel- ligkeit 165 — — , Umgrenzung 221 -- — , Unterschied v. aero- genes u. acidi Jactici 222 — — , Virulenz 623 , Zellhaut 99 — — foenicola 553 mutahile 228 tf. — Delbnicki 249. 427 — denitrificans 403. 406 — dysentctiae^ Verh. zur Ameisensäure 387 — enteritidis 432 — erythroijenes 589 — esterificcnis 353 — ethaceticiim 421 — faecalis alc, Verh. zur Ameisensäure 387 — ferrugineum 379 — fimbriatum, Futter für Dictyostel ium 303 — fluorescens 294. 518. 610. 615 — — , Futter für Akrasieen 303 — — , Denitrifikation 403 Bact. fhwrescens, b. Eiweiß- fäulnis 373 — — , Einfluß tler Tempe- ratur auf FarbstofFbil- dung 227 , spaltet Fett 384 — — , hat Kalium notwen- dig 354 — — , sek. Kolonie 68 — — , Niveaubildung 318 — — , plasmolysierbar 88 — — 1 psychrophil 250 — — , empfindlich gegen Salz 89 — — , Schwarmbildung 550 — — , Wachstumsbeschleu- nigung durch StoflFwech- selprodukte 297 — — , Verschiebung d. Kar- dinalpunkte der Tempe- ratur 253 — foliicolu 618 — formicicum 386. 396. 438 , bildet Alkohol 421 — Fraenkelii 190 — GaerUieri 233 — gelaticum 383 f. 599 — — , Mischkultur m.^-l^^o- tohactervi. Cl.Americanum 519 — giacile 97 — Güntheri 426 — — , Gelatine Verflüssi- gung 221 — — , Schleimbildende Parallelformen 223 — HarÜehi 403. 578 — Hensenii 610 — herbicola aureum 615 — imperfectnm 230 f. — Janthimini 274 — Kirchneri 589 — Krakataui 517 — Kützingianum 439 — lacticum 426 — lactis 426 — — aerogenes 515 — — viscosutn 515 , löst Agar 384 — lerans 432 — — , Unterschied von coli 222 — Jipolyticum 385 — Lipsiense 589 — lobatum 600. 610 Bact. lunula 122 — mamiitopoeum 97 — Mazun 430 — methylicutn 307. 386 — molestum 515 — muriseptieum 40 — mutatum 229 ff. — Nenckii 384 — nitrotor 471 — nitrobacter 469 — oligocarbophilum 455. 460. 542 — orleanense 440 — pantotrophitm 455 — Paratyphi 421 — — , Verh. zur Ameisen- säure 387 — — , Verlust d. Schleim- bildung 235. 238. — Pasteuriaiium 439 — pediculatum 93 — perfectum 2 30 f. — iwrlibratum 318 — pestis, Beweglichkeit 1 44 — Pflügeri 409 — phosphorescens 409 — — , Tyrosinase 394 — phosjilioreum 409* ,R3.dium8trahlen,Wir- kung auf Bakt. 301 — pneumoniae 222.378.421. 427. 515 — — , Kolonieform 62 — — , Ernährung b. Anae- robiose 395 — polychromicum 214 — jirodigioswn 193. 294. 518 — — , Resistenz gegen Al- kohol 421 — — , Ernährung b. Anae- robiose 395 — — , Resistenz geg.Essig- säure 444 — — , Farbstoffbildung in Abh. V. Temperatur 253 — — , Einfluß von Giften u. Temperatur auf Farb- stoffbildung 227 — — , Involution 215 , Wirkung d. Kälte 256 — — , Labwirkung 428 — — , sijaltet Lezithin 361 — — , Verbreitung durch Wasser 549 Sachregister. 637 Bact.priitciis (= li vulgare), Erniilnungb.Anaerobiose 395 — — , Asparaginzerlegung •449 — — , reduzierende Wir- kung 353 — putidum 394. 615 — })yociianeum 295. 296 — — , im Ackerboden 577 , denitriliziert403.406 — — , Kalium ist nötig für Ernährung 354 — — , Kalium vertretbar durch Rubidium- u. Cä- siuuisalze 355 — — , erheischt Magne- sium 354 — — , Niveaubildung 318 — — , Nukleoproteide 105 — — , Reservestofte 137 , Zellhaut 99 — radicicoJa 527 ■ — radiobacter 515. 592 — repens 610 — Schiitzenbachi 441 — Sojae 283 — spongiosum 623 — Stutzeri 403. 406 — synxantltuni 354 — termo 138. 194. 274 — — , Chemotaxis 313 — — , nicht immer reizbar 338 — — , Scheidung von Per- zeption und Reaktion 330 — triviale 610 — turcosicm 518. 592 — typhi 65*. 193. 421 — — , Verh. zur Ameisen- säure 387 , Futter f. Amöben 302 , Geißeldicke 146 , Geißeln 142 — — , Isantagonismus und Heterantagonismus 294. 296 — — , Wirkung der Kälte 255 — — Beeinflussung durcli Kohlensäure 277 — — , Kolonieform 64* — — , Verh. gegen Milch- zucker 228 , Niveaubildung 318 -, Plasmolyse 83* Bacf. typhi, Polkörner 134 — — , Reservestotfe 137 — — , Verh. zu Rhamuose 233 , Schnelligkeit 140 — — , Reizung d, Subli- matspuren 288 — — , Sippen mit langen Zellen 236 — vermiforine 93*. 94. 277 — vernicosuui , Ernährung bei Anaerobiose 395 — vini acetati 440 — vulgare VJ'S. 294: 295.556. 610 (s. a. Ti. Proteus) — — , Atmungsfigur 324 — — , Chemotaxis 313 — — , b. Eiweißfäulnis 373 — — , Ernährung 365 , Geißeldicke 146 , Geißeln 142 , Schnelligkeit 140 — xylinoides 440 — xylinum 440 — Zopfii 163. 180. 326 Bakterien, Bestimmung 2 08 f. — , farbstoifbildende 32 — , farbstofführende 32 — , grüne 107. 246 — , Verwandtschaft m. Fla- gellaten 244 Schlauchpilzen 245 Bakterienaufschwemmung , Verdünnung von 287 Bakterienbrand 623 Bakterienfresser 14. 15. — , Reizbarkeit 341 Bakteriengallen an Algen 617 — — Kiefern 617 — — Ölbäumen 617 — — Topinambur 617 Bakteriengeographie 531 Bakterienlampen 413 Bakterienleben 283 — im Boden 543 Bakterienleitgrujjpen 563 Bakterienniveau 315. 318 ßakterienökologie 531 Bakterienplatten, Schwefel- bakterien 480 f. Bakterienschwarm,b.Myxo- bakterien 199 Hakterienstammbaum 241 Bakterienslandorte im Bo- den 534 Bakterienüberwucherung 526 Bakterien Wachstum im ste- rilisierten Boden 593 Bakterienzahl im Boden 566 — — Seewasscr 608 Bakterienzüchtung mit u. ohne Sauerstoff 275 Bakteriochlorin 483 Bakteriocysten 97 bakteriolytisch 209 Bakteriopurpurin 483 Bakteroidcn 522. 525* Ballon , Untersuchung der Luft vom Ballon aus 541 Baregine 481 Barsczc 384 Bedingungen für Sporen- bildnng 166 Beeinflussung, wechselsei- tige 302 Beggiatoa 205. 475 tf. — , Artunterscheidung 225 — , Bewegung 150. 151 — , Oxydationstätigkeit 477 — , Phototaxis 307 — und Sauerstoff 264 — , Wachstumsgeschwin- digkeit 165 — , Zellhaut 99 — alba 475 — arachnoidea 475 — media 475 — minima ilö — mirabilis 205*. 475 — — , Chromatin 125 — — , Reservestoffe 134 Beizen 141 Belichtung, Einfluß auf En- zymbildung 301 Benthos 597 Benthosbakterien 598 Bergesgipfel, Standort von Bakterien 545 Bernsteinsäure bei Gärung 419 Berührungsreizbarkeit 312 Bestimmung von Bakterien 208 f. Bestrahlung, Einfluß von 300 BeugungsBcheibchen 42 Beunruhigung 310 Bewegungsorgane 140 638 Sachregister. Bewegungszentrum 144 Bieressigbakterien 440 Bipolare Keimung 178 Blätterextrakt, Wirkg. auf Nitritbildner 464 Blätterbaufen, Selbsterwär- mung 554 Blaugrüne Algen, Einfluß auf Stickstoff bindung 507 Blauholzextrakt 141 Blepharoplast 145 Blutserum als Nährboden 363 Boden, jungfräulicher als Bakterien Standort 545 — , als Kultursubstrat .'i66 Bodenbakterien , vertikale Verbreitung 544 Bodeneigenschaften , phy- sikalische 577 Bodenextrakt, Einfluß auf Nitrifikation 574 Bodenmüdigkeit 590 Bodenpassage 516 Bodenproben, Kultursub- strat zur Regeneration der Stickstotfbindung 513 Bodenzuckerung zur Förde- rung d. Azotobuctcr 582 f. Bodo edax 20* Bonalweite 248 Brache 571 — , Stickstoffdüngung spa- rend 580 Brackwasser CGI Brunnenfaden 89 Brutschrank 61 Bukettstofte b. Essiggäxung 443 Bungesche Kömchen 132 Butter, Aroma 223 f. 283 Buttergelb 132 Buttersäure, Kampfstoff 424 Buttersäuregärung 422 f. c. Caesalpiniaceen 528 Caesiumsalze , Reizmittel 340 Calciumchlorid als Reiz- mittel 313 Cephalotrichinae 207 Chemosynthese 452 Chemotaxis 311 ff. Chinasäure als Nährstoff 363 Chitin 99 — , Zerlegung 385 Chitinase 385 Chlamjdobakterien 188 Chlamydosporen 181 Chlamydothrix 202 Chlorcalcium als elektives Mittel 75 Chloroformwirkung 330 Chlorophyllfunktion ohne Chlorophyll 451 Cholerabakterien , elektive Züchtung 76 — , Plasmoptyse 182 Choleraerreger, Variabilität 214 Cholesterin 133 Cholin 351 Cholsäure, Löslichkeit der Zellhaut in 100 Chondriosomen 102 Clwndromyces 199 — apiciilatus 200* — aurantiacuf: 201 — crocatus 200* — ercctus 200* — gracilipcs 200* — lichenicola 200* — ruber, Kern 126 — serpens 200* Chromatiaceae 486 Chromatin, färb. Verhalten 129 Chromatinkörner 108. 121 Cliroinatium 485 ~, Phototaxis 307 — , Sauerstoffstimmung 323 -, Schnelligkeit 140 — , Zellhaut 91 — Weißii, Berührungsreiz- barkeit 312 , Chemotaxis 313. 314* Chromatophoren 21. 105 Chromidialsystem 120 — während der Zellteilung 154 Chromiole 121 Chromosmiumessigsäure 113 Chromosomen 109. 116 CJiroococcus turgidus 24* CJirysamoeha radians 20* Chymosin 428 Ciliaten 14 Cladothrix 203* — , Verh. geg. Glykoside 436 Cladothrix, Plasmodesmen 160 — , Polarität 165 — , Schwärmer 180* — , falsche Verzweigung 161* — , Variab. d. Zellgröße 219 — dichotoma 203 — — , Entwicklung 184 — natans 162. 203 — — , Kernäquivalent 123 Clonotlirix fusca 491. 492 Clostridium a — £ 512 — Aviericanum 512 — — , verarb. rac. Amino- säuren 370 — — , Mischkultur m.i?oci. fossictilarum 520 — — , Mischkultur m.Baci. gelaticum 519 — — , Förderung durch Sauerstoff 272 — Pasteurianum 509*. 510 — — in Symbiose m. Aero- philen 273 — — , Bedeutung für die Landwirtschaft 578 ff. , gedeiht ohne Oj 266 — — , Vergärung organ. Stoffe 511 • im Wald 596 — Wolhynicwn 512 Coccaceae 187 f. Conidiothrix 489. 492 Crenothrix, Manganspeiche- rung 497 — polyspora 180*. 203. 490. 492 , Zellenbau 89 Cumulo-nimbi 540 Cyanophyceen 24*. 25 Cysten 19 Cytoplasma 16. 107 D. Dadhi 431 Darmcoli 222 Dauerpräparat, Milchsäure- gärung 438 Denitrifikation 401 — in der Arktis 556 — im Boden 576 — im Meer 612 — , Energetik 406 — , Temperaturoptimum 578 Sachreffister. 639 Denitrifikation durch Thio- bacterium denitrilicnns 47-2 Denitrifikationsgefahr 577 Dt'samidase 375 Desmobakterien 188. 202 Destill. Wasser, Bakterien- tlora 552 — , Wirkung 285 Dosulfuration 407. 458 Devon, Bakterien im 39 Dcxtrau 100 Dextrin 133 — , Nährstoff für Asotobac- ter 503 — , Reizmittel 313 Diaminosäure 105 DictijosteJiu m m ucoro ides 303 Diffuse Reizwirkung 306 Diifusionsgeschwiadigkeit, Einfluß auf Giftwirkung o<(2 Diphterieerreger, Nukleo- proteide 105 — , Reservestofle 137 Dissimilation 18 — . d. fak. Anaeroben 392 — , d. Heterotrophen 388 Dissoziation, Einfluß auf Giftwirkung 291 Doppelfärbung 114. 121 — , Sporen 172 Doppelkokken 191 Dreiblattkolonie 6ü Druck, osmotischer 82 Düngerbakterien 568 Düngerhaufen, Selbsterwär- mung 508 Düngerverrottung 592 Dunkelfeldbeleuchtung 42 DunkeLstarre , Purpurbak- terien 311 Durchfärbung 111 Durchlässigkeit, Regulation der 81 Durchlüftung des Bodens, Einfluß auf Bakterienzahl 568 Durchschnürung 156. 157 Durchwacheung von Watte- pfropfen 55 Dysenteriebakterien , Wir- kung der Kälte auf 255 E. Eau de .Javelle, Verh. des Öls zu 172 — , Verh. der Sjioren zu 172 — , Löslichkeit d. Zellhaut 100 edaphisch 534. 557 Edestin 304 Einlang 169 Einpolig begeißelt 145 Einschlußniittel 113 Einzellkultur 55 Eis, leuchtendes 412 Eisen, Kreislauf des 492 — , Reizwirkung 357 — , Wirkung a. Azotöbacter 505 Eisenbakterien 487 f. Eisenhämatoxylin 113 Eisentanninbeize 141 Eiterzellen, Vorkommen in oder zwischen den 209 Eiweißbildende Bakterien 592 Eiweißfreie Nährlösungen 377 Eiweißkörper der Bakterien 105 — , Schwefelgehalt 352 Eiweißfäulnis 373 — im Meer 611 Ektoenzyme 370 Elaeagnus, Knöllchen 529 Elektion von Nährstoffen 380 — Organ. Stoffe 368. 369 Elektive Kultur 75 Elektrische Entladungen, bilden ox-gan. Stoffe 546 Elementaranalyse 344 Endoenzyme 370 Endogene Neubildung 180 Endophyten 616 f. Endosporen, Resistenz geg. Gifte 290 Endprodukte der Atmung 376 Energetik der Atmung 398 Energie, mechanische beim Wachstum 162 Entfaltung der Geißeln 147 Entmischungsvorgang 101 Entwicklungsgang , üm- schaltung des 185 Enzym 37. 370 f. Enzymbildung, Veränder- lichkeit der 221 Enzyme, Atmungsenzyme 393 — bei Nitrifikation 470 — bei Thiobactcrium 474 Eosin befördert schädliche Lichtwirkung 300 Epiphyten 614 Erbeinheit 110 Erbmasse, fremde 52 Erbse, Wurzelhaar *521 — , Düngungsversuche *523 Erdboden, Auffrischung auf 220 Erdgeruch 385. 592 Erlenknöllchen 529 Ersatzenergiequelle 464 Erwärmung der Bakterien- zelle 399 Essigbakterien, Lebensdau- er im trockenen u. feuch- ten Zustand 280 — , Riesenkolonien 69 — , formative Wirkung der Temperatur 215 — , Verabreichung 532 — , Zellhaut 91 Essigsäure, Nährstoff f. Azo- tobacter 503 Essigsäuregärung 439 Euglena viridis 20* EupelagischeAblagerungen 604 Exine 172 Extramembrauöses Proto- plasma 100 F. Fadenbakterien, Wachstum 160 — , Zellteilung 160 Fak. Anaerobe 262. 268 — — , Atmungsfiguren 323 Färbemethoden Ulf. Farb.stoffbildende Bakteri- en, Einfluß von Mgzufuhr 353 — — , geben Sauerstoff ab 273 Farbstoffbildung , Beein- flussg. durch Phosphate 351 Farbstoffe als Exkrete 137 640 Sachregister. Farbstoffe, fluoreszierende, als Kampfstoffe 299 Faulbrut der Bienen 625 Fäulnis, Definition 2 ff. — , echte 5 Fäulniskraft des Bodens 564 Fett 131 ff. — , bedingt Fadenbildung 216 — als Nährstoff' 384 Fettfarbstoffe 132 Fettsäuren (a. Lezithin) 351 — als Nährstoffe 363, 367 Fettspaltung 384 Feuchtigkeitsgehalt, Einfl. auf Nitrifikation 573 Filtrierpapier, als Nährstoff 563 Fixieren, am Deckglas 111 Fixiermethoden 113 Flagellaten 19. 20* — , endospore 20 — , Verwandtschaft m. Bak- terien 244 { Fleischbrühe, Wirkung auf | Äzoiobacter 506 Fleischvergiftung 210. 233 Flexil 89. 150 " I Fontänenbewegung 320 Förderung durch Stoffwech- | selprodukte 297 i Formol 113 Formolfuchsin 118 Fraktionierte Sterilisierung 177 Froschlaichbildung 93 Fresser 37 Frost, Beeinflussung d. Bak- terieniebens 567 — , — von Azotohacter ö81 Fuchsin 111 Fuselöl, Entstehung aus Aminosäuren 419 G. Galle, Löslichkeit der Zell- haut in 100. 209 Gallen 521. 617 Gallertbildung 75 Gallerte, ehem. Zusammen- setzung 100 Gallerthülle 92. 93 — um Spore 170 Gallionella ferruginea 489. 492 Gallionella fefniginea, Bil- dung V. Rostbrocken 497 Galt, gelbe 426 Galvanotaxis 327 Gärungsenzym der Milch- säuregärung 438 Gärungserscheinuugen 41 6f. Gärungsmilchsäure 437 Gasvakuolen 483 Gaswechsel 389 Geißelinfusorien 19 Geißeln, Dicke 146 — , Zahl, Verteilung 144 f. Geißelrichtung während der Bewegung 147 Geißelschöpfe 146. 147 Geißelstarre durch Salz- lösungen 285 — durch Sauerstoffentzug 275 Geißelzahl im Schopf 147 Geißelzöpfe 143 Gelase 383 Gelatine zur Isolierung der Bakterien 57 Gelose 383 f. Genetischer Nährstoff 442 Geotaxis 325 Geschlechtlichkeit b. Bak- terien 175 Geschmackssinn 333 Geselligkeitstrieb 327 Getreidekörner, Hitze- resistenz 261 Gießplattenmethode 57 Gifte, Akkommodation an 291 — , Einfluß auf Farbstoft- bildung 227 — , als Reizstoffe 288. 590 Giftwirkungen 290 Gingerbeer 94 Gipsplatten als Substrat 564 Glasfäden (zur Abhaltung von Druck) 79 Glasgefäße, Löslichkeit 354. 551 Glaskapillare bei chemo- takt. Versuchen 312 Globulin 105 — als Nährstoffe 361 Glukosamin 385 Glutaminsäure, d- u. 1- 369 Glyzerin bei Gärung 419 — bei Plasmolyse 87 Glyzerinphosphorsäure 351 Glykogen 133 Glykogen bei Azotohacter 502 Glykoside 436 Grahamland 556 Gramsche Färbung 112 — zur Unterscheidung der Milchsäurebakterien425f. Granulobacter 422 — pectinovorum 382 Granulöse 133 Graskoli 222 Größe der Bakterien 40 ff. Grundstoffe , unerläßliche 346 Gründüngung 575 Grundwasser 545 Grüne Bazillen 174 — Bakterien 107 Guano, als Stickstoffdünger 578 Gummi 95. 382 H. Hafer, Wachstum im ge- zuckerten Boden 583* — , — im sterilen Boden 593 halbdurchlässig 81 Halihncterium 284 Hallenser Versuchsfeld 580 halophil 284 Halophyten 284 Hämolysin 209 Hanfrotte 370. 381 Haplobakterien 188 Häringsdedoktgelatine 539 Harnstoff als Nährstoff 361. 362 — bei Plasmolyse 87 — , Wirkung auf Nitrat- bildner 468 — , Zwischenprodukt beim Zyanamidabbau 589 HarnstoflVergärung 445 Hefe, reißt Sauerstoff an sich 277 Hellfeldbeleuchtung 41 Hemipelagische Ablagerun- gen 603 Hemmuugswert von Giften 288 herbivor 577 Heterantagonismus 294 Heterotroph 347 Heubazillen, falsche 184 Sachregister. 641 Heubazillus 74 — , Entwicklung iS,-} — , Variabilität -'U Heuluiufou, Stanilort für Tliermoi)hile 2ül. 552 Ht'xoson 37S HoYilou, Nillirstotl' 5t)-2 Jlillliousia V26. 20ö. 476 Hitzeresistonz von Endo- sporen 257 tf. — , Ursache 259 f. Hochmoore 594 Hoeh-zeit 3G Hofdünger 569 Holzstotf Ö81 Homogenes Medium .336 Hormogonien 204 Humus, künstlicher 504 — , Bedeutung 542 Humussäure, Nährstoff für Urobakterien 447 Humusstotfe, Wirkung auf Azotobaeler 507 f. Hydrogel 101 Hydrogenomonaft flava 456f. — ritrea 456 f. hydrophil 281 Hydrosol 101 Hygrophil 281 Hyphe 27 I. J. Jenaer Glas, Zn-haltig JS57 lm\)fangnnt Azotohactei^S" — mit Knöllchenbakterien 588 Indikan 436 Individuelle Differenzen in der Widerstandskraft ge- gen Erwärmung 256 Indol 374 Indolnachweis 209 Indolphenolblau 132 Infus 2 lufusorien als Bakterien- fresser .-502 Inhomogenes Medium 336 Intine 172 Intramolekulare Atmung ;5'jo — , Verkettung mit Sauer- stoffatmung 391 Intussuszeption 154 Involution 194 Jodkalium zum Nachweis der salpetrigen Säure 401 Jodlösung, Hläuung d. Zell- haut durch 91 logen 133 Irrlichter 351 Isautagoiiismus 294 Jugendfurm, fixierte 2 42. 246 K. Kahmhaut 2. 96 Kahmhefe, Mischzucht mit Bact. ectsci 223 Kahmhefen 441 Kalilauge, Löslichkeit der Zellhaut in 100 Kalium, Absori)tion im Bo- den 356 — , chlorsaures 339 — , nicht vertretbar durch Ammon, Li, Na 355 — , vertretbar durch Rubi- dium und Caesium 355 — , notwendig zur Ernäh- rung 353 f. Kaliumbichromat als Sti- mulans 289. 591 Kalkstickstotf b-d Kalkung des Bodens 579 Kalorimeter 399 Kalziumchlorid , doppelte Reizwertigkeit 337 Kammerung 163 Kampfstoffe bei Gärung 417 Kapsel 94 Kardinalpunkte 8 — der Temperatur 247 f. Karmin, Kernfarbstoff 108 Karnivor 377 Kartoffeln, Auffrischung auf 220 — , Kolonien auf 70 — , Regeneration d. Sporen- bildung auf 235 Kartoffelbazillus, roter; Tö- tungszeiten der Sporen bei supramaximalen Tem- peraturen 261 Käse, Bakterienkolonien in 71 Kasein 428 Katalase 407 Kaulquappendarmbazillen 174 Benecke: Bau u. Leben der Bakterien. Kefir 429 Keimgehalt der Luft 541 Keimgrenze u. Wolkenhöhe 540 Keimstäbchen 178 Keimung, bipolare 178 — , laterale, polare, äqua- toriale 177 — , schiefe 178 — , Bac. anthnicis 178 — , Bac. in flatus 178 — , Bac. subtilis 178 — , Bac. ventriculus 178 Kern 16 — , während der Zellteilung 154 Kerntigur, achromatische 109 Kerngerüst 108 Kernlosigkeit der Bakterien 117 Kernteilung 109 Kettenkokkenforni, abh. y. Lebensbedingungen 216 Kieler Bucht, ßakterienflora 601—603 Kieselsäure, Wirkung auf Azotohacter 505 Kiuderkot 399 Klee 524 Kleemüdigkeit 590 Klimatische Beding'ingen 535 Knallgaskatalyse 453 Knöllchenbakterien 521 ff. — , Artverschiedenheit 527f. — , Beziehung zum Sauer- stoff 524 — , systemat. Stellung 528 — , Verb z. Temperatur 528 — , Züchtung in Reinkultur 524 Knöpfchen 67 Koeffizient, Ökonom. 414 Kohle, bakt. Oxydation 348 Kohlehydrate als Reserve- stotfe 133 — als Nährstoffe 362 Kohlenoxyd 460 Kohlensäure, lockt Bakte- rienfresser an 341 — , löst Schreckbewegung aus 317 — , Wirkung der 276 Kohlensäurebilduug 389 — , Aerober ohne 0» 391 41 642 Sachregister. Kohlensäurebildung durch Bodenbakterien 571 Kohlensäuremethode 562. 592 Kohlenschliffe, Bakterien in 459 Kohlenstoff bakterien 411 Kohlenstoffbedarf 348 Kohlenstotf-Peptonbakteri- en 411 Kohlenstoffverbindungen 361 — , gute und schlechte 867 Kohlhemie 304 Kokain 339 Kokken, wasserstoffoxydie- rende 455 Kollagen 361 Kolloid 81. lül Kolloidale Lösung 101 Kolonien , aufgelagerte 63 — , Aussehen bei B. coli 223 — , Bakterien- 56 — , bewegliche 153 — , eingesenkte 63 — , makroskopischer An- blick 61 ff. 210 — . saturnusförmige 65. 66 — , sekundäre 67 — , sekundäre des Bact. coli mutnhile 229 Koloniebildung, fruktifika- tive 97 — , ökol. Bedeutung 97 Konzentrationsschwankun- gen, Empfindlichkeit da- gegen 88 Konidien der Bakterien 181 — , Crenothrix 181 — der Pilze 28 — , Ihiothrix 181 Konsortium 273 Kontraktion der Geißeln 149 — des Protoplasmas 80 Kontrolle , mikroskopische 59 Koordination der Geißelbe- wegung 148 Kopfschimmel 28 Korkstoff 381 Körnchen, rote 126 Kosmopolitische Bakterien 556 Kotbakterien 76 Krankfärbung 115 Kreatinin in Bakterienkul- turen 210 Kresylblau 130 Kriechbewegung 150 f. Kristalloid 81 Krümelstruktur 570 Kuhkot, Bakterienflora 568 Kultur, elektive 75 Kulturessigbakterien 440 f. Kumys 430 Kupfersulfat, Einfluß auf Farbstoff bildung 227 — , Reizwirkung 591 L. Labenzym 428 Labmagen, Flora 437 Laviprocystaceae 486 Latentes Leben infolge von Wasserentzug 279 Laterale Begeißeluug 145 — Keimung 177 Laubstreu, Azotolacter in 587 Launenhaftigkeit 311 Lävulose 100 Lathyrux maritimus 600 — silcestris 522* Lebendfärbung 115 Lebensbedingungen, allge- meine 247 ff. Leguminosen, Verhältnis zu den KnöUchenbakterien 528 Leguminosenzucht, Bedeu- tung 587 Lein, Wachstum im sterilen Boden 593 Leptomonas muscae 20* Leptothrix 202*. 551 — ochracea 203. 488 f. — dderopoufi 488. 492 — suJfnyed 482 Leuchtbakterien 383. 408 f. — , orthopsychrophil 250 — als Reagens auf freien Sauerstoff 278 — , Schädigung durch Was- ser und Kochsalz 287 — , Salzbedürfnis 284. 358 Leuconostoc 100 — mesenterioides 93. 96. 98. 425 Leuzin, d- und 1- 369 Lezithin 350 Licht, Verstärkung d. Gif- tigkeit fluoreszierender Stoffe durch 300 Lichtfalle 3i)9 Lichtgefälle 307 Lichtgrün - Safranin , Dop- pelfärbung 121 Lichtwechsel 306 Liebstöckel 622 Linien, reine 52 f. Linin 108 Linksrotation der Zelle 149 Linksmilchsäure 438 Linksweinsäure 369 Linsen form 64 Lipase 384 Lipobacter 384 Lipoide 112. 133 Lithiumsalze , formative Wirkung 214 f. Litorale Ablagerungen 599 lophotrich 145 Löslichkeit, auswählende 292 Lösung, ausgeglichene 285 Lösungsmittel, Einfluß auf Giftwirkung 291 Luftblasen als Sauerstoff- quelle 321 Luftkeime 9. 537 f. Luftströmungen , aufstei- gende 541 Luftreinigung durch B. oli- gocarhophiluni 543 Luftzutritt, Einfluß auf De- nitrifikation 405 Lysine 209 M. Magen-Darmkanal , Flora 437 Magnesium, Bestandteil des Chlorophyllfarbstoffs 358 Magnesium, unentbehrlich zur Ernährung 353 Magnesiumchlorid, forma- tive Wirkung 215 — als Reizmittel 313 Maische, Säuerung der 75 Maltafieber, Erreger des 214 Manganhydroxyd, Einlage- rung 49-2. 496 f. Manganpepton 494 Manganspeicherung 497 Mangrovesümpfe 555 I Sachregister. 643 Mannit, Nährstoff für Azo- tobacter 503 Maul- und Klauenseuche 41 Mazun 430 Medicago, Hitzeresistenz d. Samen '2()2 Meer, I'roduktiouskraft 597 Meeresbakterien ö'J? if. — , luaugelnde Chemotaxis 312 — , Salzbedürfnis 358 Meeresmikroben, Abstam- mung der Bakterien von 287 Mehlkoli 222 Melassen, Gärung 449 Membran, uudulierende 152 Meningokokken, Zellhaut 90 Mesophile Bakterien 252 Mesosaprobien 550 Metabiose 37 — im Wasserleitungswasser 551 — in Milch 435 Metachromasie 130 Methau 459 — , Entstehung 459. 601 Methodik, bodenbakteriolo- gische 560 Methylenazur 130 Methylenblau, Kernfärbung 117 — , Lebendfärbung 115 — , Reagens auf freien Sauerstoff 277 — zur Volutintärbung 130 Methylgrün , KerufarbstofF 108 Methylviolett 111 Merkaptan 353 Merkmale, Veränderlichkeit der 213 Micrococcus 189 — agilia 274 — aqueus 552 — candicans 73*. 191 — citreus 274 — cystipoeus 97 — denitrificans 403 — ftanm 73* — gonorrhoeae 191 — intracellularis 191 — lactis acidi 428 — phonphoreus 409 — pyogenes 191. 428 — — , Wirkg. der Kälte 255 Mtcrococcus sulfureus 517 Mikroaerophil 265 Mikroaerophilie, bei Deni- trihkationsbakterien 406 Mikrosomen 16. 102 Mikrospektrum 310. 323* Milchbakterien, peptonisie- rende 211 Milchsäure als Kampfstoff 435 — , Nährstoff f. Azotobacter 503 — , stereoisomere Modifika- tion 437 — , Zwischenprodukt bei alkoholischer Gärung 419 Milchsäurebakterien, aero- phobe , gefördert durch Sauerstoffspuren 273 — in Butter, Beeinflussung durch Salz 283 — , Gramsche Färbung 112 — , Resistenz geg. Trocken- heit 280 — , Stimulierung durch Gifte 288 Milchsäuregärung 424 f. Milchschimmel 434 Milchzucker, Verh. d. Bact. coli iinitabile zum 229 f. Milzbrandbazillus s. B. an- thracis. Milzbrandsporen, Resistenz gegen Trockenheit 280 Mineralisierung während d. Brache 570 Mischkolonie 58 Mischkulturen aerophober und aerophiler Bakterien 273 Mistbakterien 568 Modifikation 227 Möhren, Auffrischung auf 220 Molkeneiweiß 428 monotrich 145 Moorboden 594 Morphin , Wirkung auf Geißelgestalt 148 Mucin 100 Multivore Spaltpilze 317 Mutation 228. 326 — bei Bakterien, Vergleich mit der M. höherer Pflan- zen 217 Mycel 27 Mycobacferiaceae 188 196 Myc(>b((cfcrii(7>i phhi 197 — tubirculoxts 197* — — , thermophil 250 Mykorrhiza 529 f. Myniiecodia 618 Myxobacteriaceue 188 Myxobakterien s. Schleim- bakterien. Myxobakterien 199. 200* — , Bewegung 151 — , Zollteilung 156 Myxobakterienschwärmer 327 Myxobakteriensporen, Re- sistenz 179 3Iyxococcu!< 199 — clavatiis 200* — digitatus 200* — ruber. Kern 126 — — , Sporenbildung 179* — — , Sporenkeimung 179* , Zellteilung 156* — /•«öescens, mesophile 262 — — , Modifikationen und Mutationen 228 — virescew.s^Modifikationen und Mutationen 228 N. Nachkeimung 176 178 Nährlösung, elektive 75 Nährsalze, Einfluß auf Koh- lensäureproduktion im Boden 562 Nährstoff 344 — , Heyden 562. 564 Nahrungsaufnahme, pflanz- liche 17 — , tierische 17 Narcotica 330 f. Naphtolblau 132 Natrium , taurocholsaures 209 NeaplerGolf, Bakterienflora 602. 603 Negative Plattenkultur 463 Nekton 597 Nervöse Individuen bei Pur- purbakterien 311 Neubildung, endogene 180 Neutralrot 130 Niederuugsmoore 594 Nitrat - Kohlenstoff bakteri- en 368 41* 644 Sachregister. Nitrifikation 4 60 f. — im Acker 573 — in der Arktis 556 — auf Bergesgipfeln 545 f. — im epiphyt. Boden 547 — im Meer 470. GOO. 602 — in Myrynecodia 619 — in der Natur 470 — im Wald 596 Nitrifikationskraft des Bo- dens 564 Nitrifizierende Bakterien, vertikale Verbreitung 575 Nitritbildner, Morphologie 465 Kitrobaeter "207 — im Meer 600. 602 Nitrobakterien 412 f. 466 Nitrosococcus 466 Nitrosoinonas 206 — im Meer 600. 602 — javaneitsis 460 — europaea 465 NodophiiUu m ferrugincum 4l»(>. 49--' Nomenklatur, binäre 34 Nukleus 16 Nukleinsäure 129 Nukleoproteide 105 — im Kern 111 0. obligat anaerob 268 Oidien 246 Oicliu»! lactis 434. 436 Omnivore Spaltpilze 368 Organisation 102 Orgauisationsmerkmal 186 Organische Stotfe erhöhen Bakterienzahl im Boden 566 — , Wirkung auf d. Nitrat- bildner 467 — — , Wirkung auf Nitri- fikation im Boden 574 — — , Wirkung auf Nitrit- bakterien 464 Organstückchen entziehen Sauerstoif 277 Optimum des SauerstofiFge- halts für Anaerobe 273 Orleansverfahren 440 Orthopsychrophile Bakte- rien 250 Orthothermophile Bakte- ri.-n 250 251. 553 if. Oscillatoria Jtmosa 24* 0.smotaxis 324 f Osmotischer Druck 82. 84 f. Osmotische Saugung 82 — Wirkung des Mediums, Einfluß aufs Bakterien- leben 282 Oxalate, Nährstoffe f. Uro- bakterien 446 Oxalsäure bei ßakteriosen 622 Oxalsäure Salze als Nähr- stoffe 367 Oxydasen 372. 394 Oxydation, postmortale 394 Oxydohdcteriuceae 207 Oxygenotaxis 317 Ozon 301 P. Paracloster 168 Paraffin Verschluß 71 Parakasein 428 Faraitiaecium 14* Farapledum 168 paratroph 348 Paratyphus 210 Pasteurisierung 177 PediococcHx l«9. 190 — acidi lactki 487 Pektiuase 382 Pektinstoffe 99 — , untauglich für Azuto- bacter 503 Pektinvergärer und Azoto- bacter 591 Pektinzersetzung 381 f. Pektinzerstörer^.Bae. a7)iy- lobnctcr 513 Pellikula 19 — bei Myxobakterien 89 Penicillium, echte Verzwei- gung 161* Pentosen 105. 378 — , Nährstoffe für denitr. 1 Bakterien 403 peptolytisch 374 Peptonbakterien 368 Peptone als Nährstoffe 362. 364 Peptonisierende Labbakte- 1 rien 428 Peptonkohlenstoffbakte- rien 368 Periodizität im Bakterien- leben 537 peritrich begeißelt 145 Peritiichinae 207 Peroxydase 407 Perzeption und Reaktion, Trennung 329 Pestbakterien , Polfärbung 134 Petrischale 56 PferdemistdekoktjWirkung auf Nitritbildner 464 pflanzliche Nahrungsauf- nahme 18 Phoboaerotaxis 324 Phobochemotaxis 315 Phobophototaxis 309 Phosphat, Beeinflus.'^ung der Farbstoffbildung 351 Phosphate als Reizmittel 313 — reizen Bac. Z in saurer Lösung 338 Phosphatide 133. 350 Phosphor 350 Photobacterium javan^nse 207 — , Temperaturansprüche 254 Photogen 412 Photosvnthese 452 Phototaxis 306 ff. 549 — der Purpurbakterien 307 — derWasserbakterien 307 Pli ra qm idioth rix midtisep - iata 162. 203. 600 Phytin, Phosphorquelle 351 Phytosterin 113 Pigmentbildung bei Azoto- bacter 501 Pilze 25 Pinselschimmel 27* Plankton 597 Planktonbakterien 605 f. — , chitinlösende 610 — , denitritizierende 610 Planubacillus 193 Planobacterium 193 Planosarcina 190 — Kirae 146* 445. 446* Plasmodesmen 160 Plasmodiophora Brassicae, Symbiose mit Bakterien 304 Sachregister. 645 Plasmolyse 83* — , Rückgang 86 f. Plasmoptyse 182 Plasuiosomen 102 Plastoeliondrien 102 Platinschwamm 461 Plattonguß 58 Plattenkultur 62 — , negative 463 I'lcctonema WoUei 24* Flectridium foetidum, An- passung an Luft 271 — pcciiitovorum ö82 PlcKrococcits vulgaris 22* Podocarpns,My'korvhv/.a, b'60 Pökelsalz, osmotische Lei- stung 282 Polare Begeißelung 145 — Keimung 177 Pneumokokken, Zellhaut 90 Pneumoniekokkenkultur 72* Polarität 21. 164 — innerhalb reiner Linien 164 Poltarbung 134 Polkörner 134. 144 Poli/angium 199 — primiyenium 200* — sorcdiatum 200* Polysacharide 134 Polysaprobien 550 .Porzellanfilter 41 Postmortale Oxydation 394 Präparationsplasmolyse 85 Preßhefe 433 Primäre Bakterienflora in Wasserleitung 551 Probien 43 Propionsäure 397 — bei Buttersäuregärung 424 — , WühiatoS {. Azotobacter 503 Propylalkohol, Bildung 422 Pros-chemotaxis 314* Proteine als Nährstoffe 361 proteolytisch 374 Protoplasma 15 — , extramembranöses 100 prototroph 348 psammophil 600 Pseudokapseln 94 Pseudomonas ') 193 1) VgL auch Bacterium. Pseudomonas aromatica 436 — campestris 381. 621 — carotae 223 f. , Kälte liebend 250 — destruclanx 621 — Italica 409 — Levistici 623 — javanica 207 — lucifer 409 — methanica 460 — pyocyanea 194 — termo 194 Psychrophile Bakterien 2 50 f. Psych rotolerant 252 Pulverisierung von Arten 226 Puriubasen 105 Purpurbakterien 482 — , Aerotaxis 317 — , Atmungsfiguren 322 Pyozyanase 295 Pyrogallusfiäure 72.277.278 Pyrophosphate 351 Q. Quästchen an Bakterien- niveaus 319 Quecksilberchlorid, be- schleunigt Bewegung 288 Quellenbewohner, Thiothrix 479 Quelluugsdruck 89 Querwandanlage 119 R. Radiumstrahlen 301 Raffinose 378 — , Verh. von Paratyphus- bakterien 233 Rahm, Ranzigwerden 385 Raseneisenerzlager 497 Rauschbrandbazillus 395 razemisch 369 Reaktion , chemische der Nährlösung 29. 350 — u. Perzeption, Trennung 329 Rechtsmilchsäure 438 Rechtsrotation der Geißel 149 Rechtsweinsäure 369 Peducibacteriaceae 'i 07 Regulation der Durchlässig- keit 81 — des Turgors 87 Reinkultur 50 ff. Reinwasserzone 551 Reinzucht, natürliche 76 Reizbarkeit, phobische 309 — , strophische 308 — , tropische 308 Reizbewegungen 305 ff. Reizgesetz, Webersches 334 Reizkette 329 Reizmittel (Atmung) 389 Reizschwelle 314 — , Verschiebung 338 Reizstoffe 357 Reizwertigkeit 336 f. — , doppelte 337 Rhamnose, Verh. d. Bact. typhi 233 Rhodobacteriaceae 188 Bhodobacteriiim 196. 487 — cajisulatum 485 — palustre 485 Rhodobakterien s. Purpur- bakterien. Bhodocapsaceae 487 Bhodococcus 487 — capsulatus 486* EliO'locystis 487 — giiativosa 486* Bhodonostoc 487 BJwdospirillu))! 487 — pJiotometricum 308* — yiganteum , Sauerstoff- stimmung 323 Bhodothecerendens iS'd* . iSi Bhodoribrio 487 Riesenkolonie 69 Riesenwuchsformen 215 Rindenschicht 126 Rohrzucker, Verh. d. Bact. imperfcctum zum 230 Rothamsted 581 Rotte 382 Rüben, Kolonien auf 70 Rübenäcker 594 Rubidiumsalze, Reizmittel 340 Rückgang der Plasmolyse 86 Rückzugsbewegung 509 Ruhegestalt der Geißel 148 Rutheniumrot 118 646 Sachregister. S. Saatwicke 525 SaccharobaciUus berolinen- sis 434 Saccharomyces cerevUiae I 418*. 419* Safranin - Lichtgiün , Dop- pelfärbung 121 Salpetrige Säuren, Nach- weis mit Jodkalium 401 Salpetrigsaure Salze als Nährstoffe 366 Salpeterhütten 461 Salpeterreduktiou 401 Salzbedürfnis höhererPflan- zen 358 Salze, Wirkung a. Animon- bildung durch Bac. sub- tihs 286 Salzmilch 411 Salzwirkung,spezifische 285 Salvarsan als Stimulans 289. 591 Samen höherer Pflanzen, Lebensdauer im trocke- nen Zustand 281 Samojedenhalbinsel 556 Sanddorn, Knöllchen 529 saprotroph 348 Sarcina 189. 190 — aiirantiaca 191 — Humaguchiae 283 — methanica 459 — pulmonum 191 — tetrageua 94*. 293. 298 — ureae 191 258 — — , Reservestoffe 137 — — , Sporenhaut 172 — — , Sporenhülle 171 — — , Wärmeresistenz 255 — — , Zellhaut, löslich in Eau de Javelle 100 Sarzinaform, Abb. von Er- nährung 216 SarcinastruDi Urosporae 190. 616 Saubohne 527 Sauerbrut 625 Sauerstoff, aktiver 301 — , locker gebundener 274 — , schädlich f. Wasserstoff- bakterien 456 Sauerstoffausschluß, Tech- nik des 276 Sauerstoffbedarf d. Schwe- felbakterien 480 — , Einfluß auf Beweglich- keit der Purpurbakterien 310 — , — a. Orthothermophile 555 Sauerstoffbombe 276 Sauers toffkonzentration, Abhängigkeit der Bak- terien von 267 f. Sauerstoffentzug 275 Sauerstofflatitude 265 — der Sporenbildung 275 Sauerstoff lieferanteu, grüne Pflanzen als 48 Sauerstoffspuren, fördernde Wirkung 272 Sauerstoffstimmung, Pur- purbakterien 323 Sauerstoffverbrauch 389 Säuglingsstuhl, Flora 437 Saugung, osmotische 82 Sauerteig 433 Säuerung der Essig -Mai- schen 444 — der Nährlösung 366 Sauerkrautgärung 433 Saure Böden, Nitrifikation 470 Säurebildung 70* — bei Atmung 397 Säurefestigkeit 112 — des Volutins 129 Schaumgärung 449 Schattenfigur von Rhodo- sjnrilhDn 308* Scheide, Wachstum 161 Scheidenbildung 96 Schelfablagerungen 599 Schicht, hohe 62 Schiefe Keimung 178 Schimmeli)ilze 26 Schimmelpilzsporen in Luft 539 Schizophyten 243 Schlamm, Bakterienstand- ort 545 Schlauch 26 Schlauchfrucht 26 Schlauchpilze 26 — , Verwandtschaft m Bak- terien 245 Schlauchspore 26 Schleim 94 Schleimbakterien , Auffri- schung auf Kartoffelagar 220 Schleimbildung, Variabili- tät 223 Schleimgärung 449 Scbleimpilze, Bez. der Bak- terien zu den 302 Schleimwallkolonien 210. 233 Schlickablagerungen (lOO Schneckenklee s. Medicago. Schnellessigfabrik 441 Schreck 317 Schüttelkultur 230 Schwächung durch Belich- tung 301 — d. Röntgenstrahlen 301 Schwürmerbildungb. Lepto- ihrix 181 — bei Cladothrix 181 Schwärmspore 23 — der Bakterien 181 Schwaizfäulo des Kohls 620 Schwebekörperchen 483 Schwefel 351 — , intrazellulärer 472. 477 — , Kreislauf 474 — , Reduktion von 353 Schwefelbakterien 472 f. — , Vorkommen in d. Natur 480 Schwefelentzug , Wirkung 352 Schwefelkohlenstoff als Sti- mulans 289. 590 Schwefeltliermen 481 Schwefel Verbindung, Um- setzung 352 Schwefelwasserstoff, Ab- spaltung aus Eiweiß- körpern 352 — , Einfluß auf Beweglich- keit der Purpurbakterien 310 — , Reizmittel 313 Schwefel wasserstoft'abspal- tung aus Albumosen 3ü3 Schwellenwert 314 Sechsblattkolonie 65 Seewasserbakterien, Osmo- taxis 325 Seidenpapierhaut 440 Sekundäre Flora in Wasser- leitungen 551 Sachregister. «;4: Sekundäre Kolonien, Ver- änder. der Sporengröße •217 Sellistbetruclituiig 170 Semivlostriitiiim 168 — citrcuvi 211 — com tu low 211 — flaniin 211 — rubrum 211 Semiklostridien 93 — , psychrotolerant 252 — , Resistenz gegen Hitze 257 semipermeabel 81 ' Semmelform 159 Senf, Wachstum im steri- lisierten Boden 593 Sensenförmige Bakterien 481 Sensibilität der Bakterien, verglichen mit der des Menschen 339 Seradella 527 Sexualitätbei Bakterien 175 Sida-ocapsa 207. 487. 492 — maior 488 — Treubii- 488 Sinne 328 Sippe 224 Skatol 373 Snow Hill 539 Sojabohne 526 — sauce 282 Sorbit 444 Spaltalgen 24*. 25 — pilze 33 Spaltung der Zelle 33 Spezialisten , ernährungs- physiologische 367 Sphaerotihif! natans 548. 550 SpiriUaceiie 188. 194 Spirillen, Osmotaxis 325 — typus bei Bact. Stutzeri 406 — bei Thiobacterium thio- parum 479 Spirillum 194. 195* — , Verzweigung 215 — a Ueotaxis 326 — b (jeotaxis 326 — coloKsus 40. 195 — ^/(/o»ieMW, Kernband 122 — parvum 40 41 — rubrum 484 — — , Angewöhnung au verschied. 02spannung271 Spirilhtm rubrum , Auf- hebung der Reizbarkeit durch Nitrate 333 — — , Folge des OjCntzugs 263 — — , Kardinalpunkte des SauerstotFzutritts 208 — — , nicht plasmolysier- bar 88 — — , Reizbarkeit 338 — — , — durch Chloride und Sulfate 336 — — , wiirmetolerant 252 — — , Wirkung erhöhter Temperatur 255 — spiitü/enum 193. 624 — tenue 195. 274 — — , Spirillentypus 321. 322* — volutauA 40 135*. 195 — — , Chromidien 121 , Geißeldicke 142. 146 , Geißellänge 142 — — , Kardinalpunkte des Sauerstoffzutritts 268 — — , ReservestofFe 136 , Teilungsgröße 163 — — , Trennung nach Tei- lung 158 — •-, Volutiu 129 — — , wärmetolerant 252 — — , ohne Zellhaut 183 — undula 139. 195. 274 — — , Berührungsreizbar- keit 312 — — , Chemotaxis 313. 315 — — , Trennung von Per- zeption u. Reaktion 331 — — , plasmolysierbar 88 — — , Präparationsplasmo- lyse 86* — minor 132 Sptrochaete Obermeieri 152* Spirogi/ra 82* Spirojihyllum ferrugineum 490. 492 — — , Autotro])hie 498 Spiroftoma 194 — ferrugineum 489. 492 Spindina maior 24* Spitzenwachstum 27 Sporen 280 — , Doppelfärbung 172 — , Lebensdauer im trocke- nen Zustand 280 f. — , Ruhezeit 177 Sporenanlage 170 Sporeiibilduiig bei Bac. spo- ronema 171 — , Be. Cubofd). mit 107 flbb. (Bö. 282.) Die Stammesgefchichte unferer Baus- ticre. Don Prof. Dr. C. Keller, mit :8 5ig. (Bö. 252.) Die fortpflanzung derCiere. Don Prof. Dr.R.fiolöfdimiöt. mit77flbb. (Bö. 253.) DeutTches Vogellebcn. Don Prof. Dr. fl. Doigt. (Bö. 221.) Vogelzug und Vogelfcbutz. Don Dr. IP. R. (Edaröt. mit 6 flbb. (Bö. 218.) Korallen unö anöere geftcinbilöenöe tTiere. Don Prof. Dr. tD.m a r). mit 455 flbb. (BÖ.231 .) Lebensbedingungen und Verbreitung derCiere. Don Prof. Dr. (D. m aas. mit 11 Karten u. flbb. (Bö. 139.) Die Bakterien. Don Prof. Dr. (E. (5ut = 3eit. mit 13 flbb. (Bö. 233.) Die CQelt der Organismen. 3n (Entroi(f= lung unö öujammenljang öargeftellt. Don Prof .Pr. K. £ a m p e r t. mit 52 flbb. (Bb.236.) Zwiegeftalt der Gefcblecbter in öcr 5Iier= roelt (Dimorpliismus). Don Dr. 5r. K n a u e r. mit 37 Sig. (Bö. 148.) Die Hmeifen. Don Dr. 5r. Knauer. mit 61 5ig. (Bö. 94.) Das SüBwaffer-plankton. Don Prof. Dr. ®.3 a d) a r i a s. 2.flufl. mit 49 Rbb. (Bö.156.) jvieeresforfchung und jyiccrcsleben. Don Dr. (D. 3 a n ( 0 n. 2. flufl. mit 41 5ig. (Bö. 30.) Das Hquarium. Don (E. ID. Sdimiöt. mit 15 5ig. (Bö. 335.) XUuftricrte "Verzeicbtiirrc umTotirt und poftfrei vom Terlag. Oerlag Don B. (5. Sciibner in Ceipjig unö Berlin Die erfte mobernc Cicrbiologie (Eierbau unö (Eierleben in iljrein 3ufainnicnl)ang bctradjtct Dr. R. Reffe Profciior an 6er Canf.roirtfdiaflliit.cn fjod)fd]iiIe in Berlin unö Dr. f. Doflciti Profeflor öcv Soologie an bet UniDerjität 5reiburg i. 13r. 2 Bänöe Don je ca. 800 S. £cf.=8. llTit ca. 900 abbilöungen unö ca. 35 Q:afcln in Sd)n)ar3= unö Buntörucf unö (ördoürc nad) ©riginalcn oon f^. (Bcnter, ni. I7 ö p t e I , (E. £. I7 ö 6 , (E. K i 6 1 i n g , U). K u I] n c r t , C. 111 e r c u l i a n 0 , £. IUüIler = nTain3, ®. üollratf) unö öen Derfaffern. (I)cf(i)macfDolI gcbunöen in Original-Oanzlcincn je HI. 20. — , in OrCginal-nalbfranz je XU. 22.— I. Banö: Der Cierkörper als felbrtändigcr Organismus. DonR. f^effe. mit 480 abbilöungen unö 15 Q:afeln. [XVII u. 789 S.] 1910. il. Banö: Das Cicr als Glied des JSaturganzen. Don 5- Boflein. [(Erfdjcint IDinter 1912.] Aus ber geroaltigcn 5üllc naturrotijenfdiaftlidjer Sdtrtften unö Büdier, Ijcroorgerufen burd) öas in immer roeiterc Kretfe öringcnbe Derlangcn nad) natnrroilfenfd)afllidicr nnb Ijauptfcidilidi Biologifdier (Erfenntnis, ragt bas a"'ert von fjc||c unö roflcin in meljr ols einer Bejicliung l)er= Dor. Sid) ntd(t auf eine Befdireibung öcr ein3clnen Giere befttiräntcnö, (onöern in meijter= Ifafter ITeife öas 2tipifdie, allen Ceberocfen fficmoinfamc Ijeraustjreifcnö, fd)ilöert es auf (Bruno öer mobernften 5orf(hungscrgebniffe öie tierifcfje (Drganifatioii unö£ebensroeijc, bie (fntnndlungs», SortpfIan3ungs= unö Dercrbungsgete^e, öie flbl)ängig!cit öer einzelnen üeile uom (Bcianitorganis^ mus unb roicöerum öeren (Einfluß auf bas (Banse, fitr3, alle öie fraget', öie l)cutc bcn 5orjd)er roie öen intercjfierten £a{en beroegen. Dabei Bereinigt öas lüert mit unbcöingter roii|cn(d}aft= Iid)er öuüerläjfigfeit eine feltene Klarfjcit öcr Spradje, öie eine Ccttüre besfclbcn für jebcn (Bebilöetcn ju einem (Benufe gcjtaltet. €inc gro^e fln3al)l fünftlerifdicr Bilöer unö Eafeln, Don erjten Künfllcrn befonöers für öas tt^ert Ijcrgeftcllt, unterftüt3t öen Seit, fo öa^ öie innere roie äugere flusftattung als bcroorragenö beseidjnet rocröcn muß. Hus den Bcfprccbungcn: „ . . . Der erfte Banö von R. f^ejfc liegt je^t cor, in prädjtiger flusftattung unö mit fo ge= öiegcnem 3nf)alt, öa^ mir öcm Derfaffer für öie Beroältigung feiner fdjoiierigen Aufgabe auf= riditig öantbar finö. 3cöer 3oologe unö jeöer 5rcunö öer üiertnelt roirö öiefes lüert mit Der= gnügen ftuöieren, öenn öie moöerne 30oloüifdie Literatur tocilt tein IDert auf, roeldjes in öic'er gro63Ügigen IPeife alle Seiten öes lierifdjen (Organismus fo eingetjeiiö beljanöelt. Sdjon ein Über» blid über bie ocrfdiieöcnen Kapitel lä^t öen Reidjtum öos 3nl)alls erfenncn. . . . fjcffes IPert roirb fid) balö einen (Eljrenplati in .jeöer biologifdien Bibliott)e{ erobern." (Iv. plate ftn Hrchtv für Raffen- und 6cfcUfcbafts-ß(ologic.) „.. . Daneben oeimitteln eine grofee fln3al)l Don ticftfiguren öas Derftänönis öer biolo= gifdien Betradjtungen. . . . (Eine reid^e Sülie gefid)erter roiffenjdtaftlidicr (Iat!ad)cn ijt l)ier in anfd)aulid)fter IPeife unö bei öer 3ufammcnl)ängenöen Betradjlung ooti Bau unö 5unftion in neuer interejfanter Bcleud)tung öargcftdlt. 3um Beroeis öafür, roie neitgef)enö öem ncuejten Stanbpuntt öer IPiifcnfdiaft Rcdinung getragen ift, fei auf öas Kapitel öer Dererbung oer^ iDiefen. . . . Befonöers fei nod; auf öen meifterljaft gcfeJiriebcnen flbfdjnitt über bie Sinnesorgane nerroiefen, ein ©ebict, auf bem öie IPificnfd}aft öen Spesialarbeiten öes Derfajfers roidjtige 5ortidiritte oeröantt. . . . Die Ceftüre öes fcifelnö gefd^riebcnen IPertes roirö für jeöeu 5veunö öer naturniiffenfd-,aft ein l)ol)er (Benu^ fein." (Die 6rcn2boten.) ,, ... (Ein in leöcr I^in[id}t (aud^ betreffs flusftattung) ausge3eidinetcs IDcrt. (Es uereinigt fodilidie, ftreng roifienfdiaftlidie Befjanölung öes (Begeiiftanöes mit flarer, jeöem, öer in rcd^tcr initarbeft an öas IDert lierantritt, Derftänölidjer Darftellung. 3m ttjeorcltidien iLeil roeröcn In ft|ftematiid)er 5orm Begriffe unö Terminologien erläutert, öie JIl)eorien felbft objcftio unö fadjltd) auseinanöergefc^t. Die 5ülle öer tEatfad^en ift logiidj unö überseugenö oernjenöct. rttrgenös ijt poetifd^en Übertretbungen Raum gegeben. 3nfolgeöef)en roirö jeöer öas Bud) mit großem (Beroinn unö tro^öem großem ffienu| lefen unö (Einblld in öen ifrnjt öer IDiifenidiaft geiDinnen. Das fdiöne HJert öarf als IHufter noltstümlidicr Beiianölung roilfenfdiaftlidior Probleme be3eid)net roeröen." (Lftcrarifcher 'jlahffsbericht des Dürerbundes.) 3üu|tncrter projpeft umfonjt vom Perlag. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin Zentralblatt für Zoologie allgemeine und experimentelle Biologie Herausgegeben von Reg.-Rat Professor Dr. A. SCHUBERG und Professor Dr. H. POLL in Berlin Vereinigtes Zoologisches Zentralblatt begründet von Reg.-Rat Prof. Dr. A. Schuberg Zentralbl. f.allg. u. exp. Biologie begründet von Prof. Dr. Heinrich Pol! Jährlich 2 Bände zu je 30 Bogen Großoktav. Preis für jeden Band zu je 12 Heften M. 20. — Von Anfang an war es das Ziel des Zoologischen Zentralblattes gewesen, aus dem weiten Gesamtgebicte der Zoologie über alle jene wissenschaftlichen Schriften zu be- richten, deren Inhalt ein über das besondere Einzejgcbiet hinaasgehendes Interesse dar- bietet; auch wichtige Arbeiten aus den der Zoologie benachbarten Zweigen des, Wissens sollten berücksichtigt werden. Das Zentralblatt für allgemeine und experi- mentelle Biologie hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, die Arbeiten von allgemein biologischem Interesse aus allen Gebieten der Naturlehre zu referieren und die experi- menteile Biologie als den jüngsten Zweig der biologischen Wissenschaften mit besonderem Nachdruck zu pflegen. Die Aufgaben, welche beide Blätter sich gestellt haben, berühren daher einander vielfach und sind zum Teil sogar in weitgehendem Maße übereinstimmend. Durch die Vereinigung wird das Gebiet jeder der beiden Zeitschriften nur teilweise er- weitert und in erwünschter Weise ergänzt. Anderseits indessen wird es, dank dieser Neuordnung, infolge Fortfallens zahlreicher sonst in beiden Blättern referierter Arbeiten ermöglicht, der großen Masse der literarischen Neuerscheinungen rascher und vollständiger gerecht zu werden- Die neue Folge der vereinigten Zeitschriften, für deren regelmäßii;e und rasche Bericht- erstattung ein großer und bewährter Stab erprobter Mitarbeiter gewonnen ist, wird die nachstehenden Forschungsgebiete berücksichtigen: Allgemeines (Bibliographie, Nomen- klatur, Geschichte und Biographie, Lehr- und Handbücher, Nachschlagewerke, Sammel- werke, Naturphilosophie usw.). Allgemeine Morphologie, Phylogenie, Deszendenz- theorie. Nlorphologie der Zelle, Gewebe undOrgane. Physiologie der Zelle, Gewebe und Organe. Fortpflanzung. En twickelung, Regeneration, Trans- plantation. Vererbung, Variation, Mutation. Oekologie. Verbreitung der Organismen im Raum. Verbreitung der Organismen in der Zeit. Landwirt- schaftliche und forstliche Zoologie, Fischerei. Spezielle Zoologie (Protozoen, Mesozoen, Spongien, Coelenteraten, Vermes, Echinodermen, Arthropoden, Mollusken, Tunicaten, Vertebraten, Anthropologie). Die Referate werden in deutscher, englischer oder französischer Sprache erscheinen. Außer den regelmäßigen Referaten über die selbständig und periodisch erscheinende Literatur sollen auch,, dem gerade herrschenden Interesse der Forschung folgend, über größere Abschnitte des allgemeinen und speziellen Teiles zusammenfassende, kritische Sammelberichte erscheinen, wie dies im Zoologischen Zentralblatt bisher schon geschah. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin ARCHIV FÜR RASSEN- UND GESELL- SCHAFTS-BIOLOGIE EINSCHLIESSLICH RASSEN- UND GESELLSCHAFTS-HYGIENE. Eine deszendenztheoretische Zeitschrift für die Erforschung des Wesens von Rasse und Gesellschaft und ihres gegenseitigen Verhältnisses, für die biologischen Bedingungen ihrer Erhaltung und Entwicklung sowie für die grundlegenden Probleme der Entwicklungslehre. Herausgegeben von Dr. A. Ploetz in Verbindung mit Dr. A. Nordenholz (München), Professor Dr. L. Plate (Jena), Dr. E. Rüdin (München) und Dr. R. Thurnwald (Berlin). IX. Jahrgang 1912. Jährlich 6 Hefte zu etwa 8—10 Bogen. Preis für den Jahrgang M. 20. — DasArchivfürRassen-undOesellschafts-Biologie will eine deszendenztheoretische Zeitschrift sein „für die Erforschung des Wesens von Rasse und Gesellschaft und ihres gegenseitigen Verhältnisses, für die biologischen Bedingungen ihrer Er- haltung und Entwicklung sowie für die grundlegenden Probleme der Entwicklungs- lehre". Speziell beim Menschen gehören in die Rassenbiologie alle Betrachtungen über Geburten- und Sterbeziffer, Aus-, Ein- sowie Binnenwanderung und daraus resultierende Veränderungen der Rassen, über Fortpflanzung, Variabilität und Vererbung, über Kampf ums Dasein, Auslese und Panmixie, über wahl- lose Vernichtung und kontraselektorische Vorgänge, über direkte Umwandlung durch Umgebungseinflüsse, über die Ungleichheit der etwaigen verschiedenen Rassen in bezug auf Entwicklungshöhe, über 'ihren Kampf um« Dasein gegen- einander sowie über die aus allen diesen Faktoren sich ergebenden Kon- sequenzen für die Erhaltung und Entwicklung einer Rasse, für die Rassen- Hygiene, mögen sie die einzelnen, die Familie, Gesellschaften' oder Staaten betreffen, mit allen ihren Ausstrahlungen auf Moral, Recht und Politik. - Das Phänomen der Gesellschaft ist von dem der Rasse verschieden. Beim Men- schen sind Gesellschaft und Rasse zwei vielfach in- und durcheinander ge- schobene Gruppierungen, die sich gegenseitig stark beeinflussen. Auch die Gesellschaft hat eine biologische Grundlage und baut ihre Funktionen auf die Organtätigkeit«n der sie bildenden Individuen auf. Somit muß es auch bio- logische Bedingungen der Erhaltung und Entwicklung einer Gesellschaft geben, also auch optimale für ihre sicherste Erhaltung und beste Form (Gesellschafts- Hygiene), die ebenfalls noch der wissenschaftlichen Diskussion offen sind. Ausführliche Lheraturberichte sowie Notizen über hervorragend wichtige poli- tische und kulturelle Ereignisse und Tendenzen sind jedem Archivheft beigefügt. Probehefte umsonst und postfrei vom Verlag