BÄYREim

A

HAROLO a LEE LIBRARY

R^JRMAM tOUNG UNiVERSlTT

PROVO. UTAH

^^y\yv

/U

i

4

X3I0 (TXafiltt

•mcto*:&o^q;aHtx^3«

FünFte« «ans

X)D€ fDU83K

Sammlung iliuftrierter €inzeldarfl:ellungen Herausgegeben von

tnen««© 8ct*wu86

Äis^er erfdjienen:

Band I: BeeCfiOVen von mi<3U6r eö&LeittCfi. Band II: DnüDfD€ fDU8DK von 08Km* «De. Band III: WA<5\>€1l - Bt?€V5€t^ herausgegeben von rW*6 von WOLZOöen.

Band IV: 0€8CRDCRC€ £>€!* FrmnZÖöD.

8CR€H ?fcU8DK von aLF^es «twneau. Band V: BftyrteUüfi von nnnö von woLzoeen.

Weitere «ände in Vorbereitung

(Jeder «and in künftlerifd)er «usftattung mit Kunftbeilagen

und Vollbildern in Tonäfcung kartoniert n>lu 1.25

ganz in Leder gebunden Tfck.2.50

ve«Cin©8ÄUCRR»ncLun<3. <5. m. t>. n.

| »ucsscBiDUCK von geo«8 ejypeti I

Digitized by the Internet Archive in 2012 with funding from Brigham Young University

http://www.archive.org/details/bayreuthOOwolz

'802?'

C*p^ 5

AiuL€ nccnce vom vettLeee« vo«»ef>»Lcen

HAROLD a LEE LIBRARY

■WiGMAM YOUNG UNIVERSiTf

PRCVO. UTAH

RICHARD WAGNER

nach der Büste von Lorenz Gedon

Äay«eucR

erjter &bfd)nitt:

t)er ©edanke von ;0ayreut().

€D der großen üeilna[)me, welche ttid)ard Wagner als 8d)öpfer feiner Werke im deutfd)en publikum gefunden f>at, ift: es erftaunlid), weld) ein unklarer;8egriff feine größte 8d)öpfung ,,;6ayreutf)" dod) eigentlich nod) im Äewußtfein der Nation geblieben ift. Lange (Jaf)re f>at es gedauert, bis überhaupt ein nennenswerter Teil der gebildeten Welt in unferem Vaterlande bis zu dem fDaße der Wertfd)ätzung diefes künplerifd)en ;J3efl£es gelangt war, das dem Wuslande, feit er in ein fid)tbares Leben trat, faft nie gefehlt f>at ftber wenn aud) endlid) zu- gejtanden ward, daß dies eigentümliche ;8ayreutf) etwas fei, deffen man fid) nid)t zu fd)ämen brauche, worauf man vielleicht fogar bis zu einem gereiften <3rade als X)eutfd)er (tolz fein dürfe: ein tieferes Verftändnis für feine Bedeutung, fowof)I im Leben Wagners wie für das Leben der deutfd)en Kun|t, ließ fid) immer wieder vermiffen, fobald einmal eine emittiere „Lebensfrage" ;6ayreutf)s in irgend welcher Form auftauchte und einen Wusdruck der ©efinnung, eine €ntfd>eidung, ein eintreten für Wagners 8d)öpfung und Gedanken erforderte. 6nt- ßand z. 1&. ein ttyeater nad) 13ayreutf)er flfoufter, fo galt dies wof)l als ein günftiges Zeichen für die Waf)rf)eit

Rnns von wotzosen

der 3dee; und brachte ein findiger Bühnenleiter den „parfifal" an einem anderen Orte zur Aufführung, fo faf)en viele darin einen Fortfd)ritt in der Verbreitung des Werkes. Daß und warum beides gegen Wagners ausgefprod)enen Willen fei, erfd)ien gewiß der n>ef)rzaf)I derer, welche davon F)örten, ganz unver|tändlid). Die Forderung, dem „parfifal" eine verlängerte öcbu^frift: zu gewähren oder if>n gar durd) ein eigenes ®efe$ an Bayreuth) zu binden, verfließ fo gegen alle gewöhnlichen und l)errfd)enden ftuffaffungen von dem Verj)ältni|fe der öffentlichen Kunft zum großen publikum, daß da- gegen das bejfere Wiffen eines nur red)t kleinen Teiles unmöglid) aufkommen und etwas durcbfe^en konnte. fDan l)ätte eben die Bedeutung des Gedankens von Bayreutb kennen muffen, um in diefen Fragen Befd)eid zu iviflen; und da befand fid) das deutfd)e publikum leider aud) nad) einem ffcenfcbenalter feit der Grund- fteinlegung auf dem Feftfpielbügei immer nod) in der Lage des törigen parfifal, der auf des Guraemanz' fcf>Iicf)te Fragen keine andere Antwort (>at, als: „3d> wußte fie nid)t".

€s fd)eint erftaunlid), daß es fo iß, und dod) ift es kein Wunder, rvenn man die Vorbedingungen in Betracht ziel)t. ?Dan muß fd)on etwas geiftig miterlebt F)aben, um Wagners Gedanken, der fid) in Bayreuth verkörpert bat, aus feinen Wurzeln zu vergeben. Die Welt aber, in der wir leben muffen, ift eine unkünftlerifd)e und gibt ibren Bürgern fo ungeheuerlich) vieles ganz anderer ftrt täglid) zu erleben, daß für eine ernftlicje Befaffung mit den Dingen der Kunft, aud) wenn es fid) nid)t um ein Bayreuth bandelt, in der Zat nid)t Zeit nod) Stimmung bleibt. Dennod) darf der Verfud) nid)t geld)eut und muß immer wiederholt werden, in möglid)ft überfid)tlid)er Zufammenfaffung das ganze große, einheitliche Bild diefes Gedankens von Bayreuth vor dem geizigen ftuge der nid)t völlig künßlerifd) ungebildeten Deutfd)en bis zur €rficf)tlid)keit entheben zu laffen. Um dies zu er-

«ay«eucR

reichen, ifl: es aber vor allem nötig, den abgebrauchten begriff des „ttyeaters", der dabei in fo befonderer 13e- deutfamkeit verwandt werden muß, durd) Wagners eigentümliche 3dee neu zu befeelen. (Jeder Verfud), vom ^ayreutl>er t^eater einigermaßen verftändlid) zu reden, müßte fd)eitern, wenn nid)t zuvor Wagners ttuffaflung von der Kunft überhaupt und vom ttyeater im besonderen den fiörern bewußt geworden wäre. Hur dann gewänne die 13elef)rung freie Faf)rt bis an ein fid>eres Ziel.

I. Das DdeaL

Den Gipfel der Kunft erkannte Wagner und mußte if)n feiner ganzen Anlage nad) erkennen: in der lebendigen Verbindung aller Künfte zum Drama, alfo darin, was wir imül)eater fef)en. Vom ü^eater aber fagte er, man erblicke darin „den dämonifrfjen Abgrund von Möglich- keiten des niedrigften wie des €rl)abenften". ül>m nun bedeutete es von je f)er allein die Möglichkeit des Cr- l)abenften.

Um eine fo \)o\)z ftuffaffung vom "C^eater zu ver- geben, muß man allerdings das befreiende tTf)eater fid) erfl: einmal ganz wegdenken. Man muß an die feltenen Momente denken, in denen man im Cf)eater das Theater vergaß. Die größten tf)eatralifd)en Wirkungen in der Kun|tgefd)id)te muß man fid) vergegenwärtigen. Man muß fid) vor allem daran erinnern, was unferen größten Meinem die Kunfr gewefen ift, und weld) ein <3eijt in iF>r und durd) fie fid) f)cit ausfpred)en und ge- palten wollen.

Das war gewiß ein <3ei|t, wie Wagner if)n einmal d)arakteri(lert 5at: „der zwar nid)t aus der Welt hinaus- führt, der aber innerhalb des Lebens uns über diefes

nane von wonzosen

ergebt und es felbft als ein Spiel erfdjeinen lägt". Die Kunft ift für den Künftler die einzige, von der Wirklichkeit ftreng unterfd)iedene Welt, welche ihm auf der Welt felbfl, als fDoment des Gebens, eine €rhebung und Be- freiung der 8eele gewährt, die er fon|t in aller! Welt nicht finden kann. Ueber die Welt hinaus führt allein die Religion. Dod) eine Ahnung deffen, was diefe eivige Befreiung bedeute, verfchafft uns eine ideale Kunft. Denn fie deutet mit flnnfälligfter Symbolik auf diejenigen Kräfte l)in, welche in uns wirkfam fein können, um uns zu unferer vollen fDenfchenwürde zu ergeben, nämlich zu dem Hange derjenigen <3efd)öpfe ©ottes, die felbft am ewigen Wefen, an ewigen Werten teilhaben, deren wahre fieimat „nid)t von diefer Welt" ijt „Was wir als Schönheit l)ier empfunden, wird einß als Wahrheit uns entgegengeh'n," fang Schiller vor hundert fahren. Hid)t nur ein Bild, nein, eine lebendige, eine empfundene ft^ttimg vom erhobenen und befreiten Dafein der fbenfd>en- feele fdjafft alfo die Kunft. 8ie verfchafft es aber zunächft und zu\)6d)ft dem Künftler. Darum fie diefem etwas „heiliges". 80 fprach es aud) Wagner aus, als er fein Bayreuth begründete: „Die Phänomene der dramatifd)en Kunft: können nid)t hoch und ^eilig genug gehalten werden 1" Und jemehr die Kunjt dem Künftler be\\\$ ip, um fo weniger wird er fie der Welt, wie fie ip, nur eben preisgeben wollen. €r will ja vielmehr damit aud) nur wiederum eine befreiende und weihende Wirkung ausüben. Dies allein ift im ©runde feiner Seele fein Verlangen, wenn er dennoch bemüht bleibt, die ideale Welt, die er gepaltet hat nun auch den Seelen der HMtmenfchen zu erfd)ließen, wenn er ihnen wie Sdf)iller das befreiende Wort zuruft: „Werft die &ng(t des Drdifd)en von €ud) flüchtet aus dem engen dumpfen Leben in des üdeales l?eid)i" Keineswegs eine wider- finnige Vermifd>ung mit dem tteligiöfen hat ein fold)es „fiod> und heilighalten" der Kunß: gegenüber der Welt zu bedeuten, wohl aber berührt fid) \)\er das Künftlerifd)e

«ay^cucR

unmittelbar mit dem n>oralifd>en; und wieder können wir Wagner darüber fid) äugern I)ören: „Das ©ute in der Kunfl: ifl: ganz gleid) dem moralifd) ®uten, das aud) keiner ftbfidbt keinem anliegen entfpringen kann, Unmöglid) kann ettvas wirklid) gut fein, wenn es von vornherein auf eine Darbietung für das Publikum be- rechnet war. X)a$ Werke, deren €ntßef)ung und Aus- führung der ftbfid)t einer Darbietung an das Publikum durchaus fernliegen mußten, dennod) dem Publikum dargeboten werden, ip ein dämonifrfjer, in der tieften nötigung zur Konzeption fold)er Werke aber begründeter 8d)ickfalszug, durd) den das Werk von feinem 8d)öpfer der Welt gleid)fam abgetreten werden muß;. Fraget den ftutor, ob er fein Werk als if)m nod) angef)örig betrachtet, wenn es in die Wege fid) verliert, auf welchen nur das Mittelmäßige angetroffen wird, und zwar das Mittelmäßige, welches fid) für das Gute gibt?*'

80 tief alfo empfand Wagner das Mißverhältnis zwifd)en dem Mitteilungsbedürfnis des Künftlers und dem Charakter der einzig möglichen Mitteilungsart.

„Diefen prozeß dem Walten des Zufalls zu ent- ziehen und ungepört vor fid) gef)en zu laflen, gab mir plan zu den ;8ül)nenfefl:fpielen von 13ayr eutf) ein." X)ies war der Zielpunkt feiner Lebensarbeit; und zweifel- los wird man danad) Wagners Eigenart als Künftler am meinen gerecht werden, wenn man if)tn zugejtef)t, dag; von allen großen Meiftern deutfdjer Kunp er am unbedingteren und am bewußteren fein Leben lang alle feine Kräfte darauf gerichtet f>at, die größtmögliche Verwirklichung jener idealen Welt zu erreichen, in welcher die Kunft if)re eigene fieimat und if)re volle Freiheit fände.

Für diefen Zentralgedanken all feines ötrebens und 8d)affens waren il)m da von Anfang an die Griechen das f)öd)ße Vorbild, ftud) darin, wie in feiner ganzen ernten und (trengen idealen Kunftauffaffung bezeugt er fid) uns als näd)fter ©eiftesverwandter des begeiferten

e nans von wotzosen

Sängers der „öötter Griechenlands**. Wer ()eute an Wagners ©edanken ftnflojf nimmt oder den Kopf darüber fd)üttelt, der J)at den Eiieblingsdid)ter des deutfd>en Volkes nod) nie verbanden, der \)at aud) feinen 8d)iller nod) niemals ernfl genommen. Wagner aber naj)m gleid) ij)m die Kunfl der ©riechen ernfl. €r fd>wärmte nid)t nur für if)re 8d)önf)eit, etwa als eine äflf>etifd)e norm; er erkannte vielmehr in if)r den reinflen Ausdruck des Wefens idealer Kunfl als einer Lebensmad)t, die edelfle :8ewaf)rerin der „flDenfdjen- würde", welche 8d)iIIer in die Rand „des Künfllers" gegeben fand. „Vor welcher €rfd)einung,** ruft er aus, „flehen wir mit demütigenderen Empfindungen als vor der Kunfl: der fiellenen?** „X)ie Hatur flellt uns den fiellenen bin mit ffcutterflolz und ruft uns fDenfd>en allen aus Mutterliebe zu: das tat id> für €ud), nun tut 31>r, aus Hiiebe zu €ud), was DI)* könnt!** Dies erinnert an jenes andere Wort Wagners, welches ein fDenfd)enaIter fpäter von der jungen ;ßayreutl)er Fefl- büfme l>erab ins deutfd)e Publikum drang, und von i()m nod) fo ivenig verbanden ward, als tvenn es min- deflens ,,gried)ifd)** gewefen wäre: „Wir l)aben €ud) gezeigt, was wir können, nun wollet 3f)r» dann f)aben wir eine Kunfl!** Hene Kunfl: nämlid), von der Wagner gefagt bat: „Die Kunfl bleibt an und für (ld) immer, was fie ifl wir mü(Ten nur fagen, dag fie in der modernen OeffentIid)keit nid)t vorfanden ifl.** ttlfo nid)t etwa einzelne Kunflwerke oder Künfller, fondern eben die Stellung der Kunfl zur Oeffentlid)keit überhaupt kommt dabei in :6etrad)t Und wieder blickt Wagner nad) den <3ried)en zurück: „Fmlten wir die öffentliche Kunfl des modernen €uropa in i[)ren fiauptzügen zu der öffentlichen Kunfl der ©riechen, um uns deutlid) den d)arakteriflifd)en Unterfd)ied vor die ftugen zu pellen. Die öffentliche Kunfl der <3ried)en, wie fie in der üragödie il)ren Röl)epunkt erreichte, war der Ausdruck des üiefflen, des Cdelflen des Volks-

«ayfleucfi

bewußtfeins: dasCieffte und Cdelfte unferes menfd)lid)en ißewußtfeins \ft der reine @egenfa£, die Verneinung unferer öffentlichen Kunfl:." ftber er bleibt nid)t bei diefem troftlofen Vergleiche freien, fondern er fd)reitet weiter fort mit der befttmmten, eine €ntfd>eidung for- dernden Frage: „Dft es möglid), dag dem durd) die Wiedergeburt der Kunft (in der neuen Zeit, durd) die deutfd)en fDeifter) neugeftalteten Leben ein UF>eater entftef)e, welches den innerfren fDotiven feiner Kultur in der Weife entfprid)t, wie das gried)ifd)e C^eater der gried)ifd)en Religion entfprad)?"

X)ie f)ier geäußerten Crwägungen, von den <3ried)en ausgegangen, aber alsbald den 30eutfd)en zugewandt, durchziehen in Wagners Leben einen Zeitraum von zwanzig Darren. JDiefe ganze Zeit ifl: angefüllt mit Verfugen, jene ?ftöglid)keit zu errveifen, Verfudjen einerseits : aud) in X)eutfd)land das befreiende üf)eater auf eine edlere Röf)e zu ergeben, andererfeits aber da dies immer und immer wieder verfagen mußte : aud) in X)eutfd)land eine befondere Stätte zu fd)affen, wo das t^eater, aus dem wahrhaftigen ;8edürfnifle nadt) der idealen Welt f)ervorgewad)fen, fid) frei zum ;6eifpiel einer folgen Welt für fid) gehalten könnte. Hid)t litt es il)n länger bei 8d)illers wehmütiger Klage: „?Düf)fam fpäf)* id) im üdeenlande, fruchtlos in der Sinnlichkeit", nod) aud) bei Sd)iIIers faft verzweifelter :6itte an denfiellenengeif*: „Dir nadjzuringen, gib mir Flügel Wagen, did) zu wägen!'« Wagner erkämpfte fld) die Crfüllung, die Verwirklichung, wie er es in der Widmung feines Hibelungenringes fagt: „im Vertrauen auf den deutfd)en C3ei(t**.

IL

XMe €ntividklung der Ddee,

8d)on in der Zeit feiner Dresdener Kapellmeifter* fd)aft, alfo in den vierziger Darren, reichte Wagner beim

8 fians von woLzosen

HMnißerium ein mit größter Sachkenntnis ausgearbeitetes Memorandum ein über eine künplerifdje tteorganifation des fioftyeaters. t)iefer Verfud), fo praktifd) er gedacht war, mußte unberücksichtigt bleiben, da bald danad) die Devolution ausbrad), derzufolge dann felb(t die Kunjt- werke des flüchtigen TCapellmeifters für länger von der königlichen :6üj)ne verbannt wurden. €r felbft aber ging in feiner Verbannung in Zürid) gleid) wieder ans Werk, eine Rebung des dortigen 8tadttf)eaters anzubahnen, worüber feine 8d)rift „€in Theater in Zürid)" aus dem Anfang der fünfziger 3af)re als befd)ämendes Zeugnis vorliegt ;6efd)ämend denn es kam aud) dort, in der wohlhabenden "Republik, nur zu wenigen vereinzelten Aufführungen unter Wagners Leitung; das 8tadttf)eater felbfl: blieb, was es war und was fie alle find und wof)l aud) fein muffen : ein von wed)felnden ^Direktionen je nad) der ©efd)äftslage bejfer oder fd)led)ter geführtes Unterf)altungsin|titut Ungefähr zur felben Zeit fd)ien (ld) in Weimar durd) diszts großherziges Vorgehen für Wagners t^eaterpläne etwas Aus(Id)svolIes zu regen. X)er Hibelungenring war im £ntftef)en, und zugleid) mit dem Anwad)fen diefes großen Werkes, das aus einer l)eroifd)en Oper zu einer Tetralogie (ld) entwickelte, drängte (ld) feinem Sd)öpfer immer ßärker und deutlicher die Ueberzeugung auf, daß feine künftlerifd)en Intentionen im l*af)men der gewöhnlichen 13üf)ne nid)t rein zum Ausdruck kommen könnten Was er fd)on beim beginn feiner Arbeit in der „Mitteilung an meine Freunde" als Ddeal f)inge|tellt f)atte, ein Feßtl)eater, außerhalb der öffentlichen ;0üf)nenwelt, das f)ätte in Weimar red)t wof)l fd)on damals entfielen können, wenn der <3edanke außerhalb der genialen Kün(tlerperfönlid)keit üiszts einiges Verftändnis gefunden l)ätte. Um ein fold)es gerade in Weimar zu vermitteln, fd)rieb Wagner an fciszt feinen offenen #rief über die „<3oetf)eftiftung". Liszts edelfinniger öedanke, unter <3oetf)es Hamen, nad) fürßlid)er Tradition, eine Dnftitution zur Förderung

BLICK AUF BAYREUTH

vom Walde hinter dem Festspielhause aus [Nach einer unveröffeni Achten Original- Zeichnung 'von S. Schinkel]

«nyi?eucR 0

der Kunp zu begründen, ließ fie fid) nid)t aud) auf das "C^eater ausdehnen und diefem auf Weimars ge- weiftem ;8oden der Charakter jener idealen Welt fiebern, die einß aud) das Ziel der großen X)id)ter getvefen tvar ? ftber aud) dies führte zu nichts, und es dauerte nid)t mef)r lange, daß fciszt felbft enttäufd)t und verlebt fid) aus Weimar zurückzog. Für Wagner begannen nun die fo überaus traurigen und notvollen erften fed)ziger Daf)re. ftls er damals in Wien feinen üriftan auf die ^ü^ne zu bringen f)offte, fd)rieb er nod) einmal eine fold)e praktifd)e tteformfd)rift, rveld)e an die näd)ft: vorliegende Wirklichkeit anknüpfte: „Das Wiener Fiofoperntf)eater". ffoan gab aber nid)t einmal den Uriftan; man fagte, man f)abe genug von Wagner, lieber Holländer und üannfjäufer, die er aus feinem €xil an die C^eater f>atte Eingeben muffen, of)ne den geringften perfönlid)en Cinfluß auf il)re Cinßudierung ausüben zu können, f)atte er ausfül)rlid)e ftniveifungen für ^Dirigenten und ttegiffeure niedergefdjrieben und an alle befferen ;0üf)nen verfandt. 8ie rvurden nirgends beachtet, und als er in jenen fed)ziger Darren nad) fftünd)en kam und dort endlid), nad) der paufe eines falben fbenfd)enalters, (Gelegenheit l)atte, feine Werke felbfl: einzufrieren, fand er fein Schweizer packet mit jener Schrift nod) uneröffnet vor. 8ie fyatte alfo tvie er ein dreizehnjähriges 8trafdasein geführt, nur im (Gefängnis anftatt im €xil. „Wie elend ftc[)t es da!*' Diefer fein Ausruf gilt für alle feine €rfaf)rungen mit den befreienden t^eatern, die er auf beftere ;8aj)nen l)atte leiten rvollen. Sein Hibelungen- rverk f)atte er inmitten unterbrechen muffen, tveil deffen Vollendung, rvozu eine feinem ©eifr und Stil entfpred)ende ftuffül)rung durchaus gehörte, ganz unerreichbar fd)ien. allein ivie Faufr fud)te aud) er im Hid)ts das ftll zu finden: in dem enttäufd)ten und verlajfenen Künfrler reifte der plan vom Fefrtf)eater als einer nationalen ünfritution um fo reicher aus. Dm Vonvort zur Aus- gabe der Hibelungendid)tung 1863 tvard er fd)on gerade

Ttidjard ötraufc: Sie TBufik V. #

io nana von wotzosen

fo mitgeteilt» ivie er nad) rviederum dreizehn Darren in ^ayreutf) zur Ausführung kam, nur dort nid)t am deutfdjen Ttyein, fondern in Deutschlands HMtten, jeden- falls aber in keiner großen Stadt, in keinem Zentrum einer Zivilifation, welche dem Künftler, wie if)re Cljeater, nur den Gegenfatj der idealen Kunfl: bedeuten konnte.

Kurz darauf, 1864, trat König Ludwig wunderbar {jilfreid), ja rettend in das Leben Wagners ein. €s war \e\)Y natürlid), dag diefer Fürß nun wünfdjte, das 3dealtf)eater, wofür er fid) begeifert f)atte, möge in feiner eigenen t?epdenzp:adt H>ünd>en fid) ergeben; und ebenfo natürlid) war es, daß Wagner diefem Wunfd)e feines Königs, der feinen jahrelangen öorgen nun ein Cnde vergieß, fld) nid)t widerfe^en mochte. Wie er es fpäter einmal ausgefprod)en bat: „Was mir ftets einzig nod) am fierzen liegen kann, wäre: ein unzweifelhaft deutliches # ei fpiel zu geben, an welchem die Anlagen des deutfd>en 0eipes zu einer fDanifepation, wie jle keinem anderen Volke möglid) i(l, untrüglid) nad)ge* wiefen und einer j)errfd>enden gefellfd>aftlid)en ?Dad)t zu dauernder pflege empfohlen werden könnten" f)ier, und nur f)ier fd)ien diefe Tbacfyt durd) einen König in perfon i()m dargeboten; und damit war aud) das Lokal gegeben, ftber dies alles f)ing an der perfon eben diefes Königs, der einzig und allein in der Welt den (bedanken des Künftlers auszuführen bereit war; und das Lokal war nid)t etwa die 8tadt des fDünd)ener Kindls, fondern König Ludwig's ftefldenz. Hun aber kam fclbft diefer königliche plan nid)t zustande! Dun fd)eiterte aud) er an dem „Widerftand der ftumpfen Welt" fdjeiterte gerade an der 8tadt des fDünd>ener Kindls 1 um vornef)m(ten blatte Bayerns, das ein|t einen 8d>iller zum Redakteur l)atte f)<*ben wollen, lafen die gläubigen H>ünd)ener jener trage das groge Wort: „HMt dem erften 8teine zum Wagnertf)eater würde der @rund|tein zu einer ttuine gelegt fein."

Die Leute, die das glaubten, find entfdjuldbarer als

«ayueucfi 11

die, welche fie es glauben machten; aber aus i!)nen beiden, den Unwiffenden und den Uebeltvollenden, feilte ficf) dod) eben jene OeffentIid)keit zufammen, welcher der Künftler feine Werke Einzugeben f>aben follte, und die es felbß einem Könige nid)t erlaubte, den fDeiper fein Werk fo darpellen zu laflen, wie er es erdacht €in 8turm erf)ob fid) gegen fold) eine exorbitante Forderung, daß ein fDuflker ein eigenes Opernhaus für fid) allein f)aben wolle; denn nur fo konnte man den großen bedanken eines ZJdealtf)eaters im pf)M|terium verftef)em (Jeder fud)t in diefer Welt das Seine, und für große 3deen, für allgemeine, l)öf)ere Zwecke (>at man gewöf)nlid) wenig 8inn, da()er aud) keinen rechten Glauben daran, wenn man dergleichen von einem anderen vertreten fief)t 80 bewahrheitete fi<t> <*ud) an diefem entfd)eidenden fDoment das Wort Wagners, das er fünfzehn #af)re fpdter fprad), als fd)on der bedanke an einen ,/fteid)sfd)utz" für Bayreuth einmal aufgetaucht war: „Unferen beutigen öffentlichen Zu- ftdnden fd)eint nichts ferner zu liegen als die Be- gründung einer Kunftinftitution, deren Dutten nid)t allein, fondern deren ganzer 8inn nur dußerfl: wenigen er(l verftdndlid) i|L Wof)l glaube id> nid)t, es daran fehlen gelaflen zu f)aben, über beides deutlid) mid) kund zu geben: wer f)at es aber nod) beachtet? €in einflussreid)es HMtglied des deutfdjen Reichstages verfid)erte mid), weder er nod) irgend einer feiner Kollegen f)abe die geringfte Vorpeilung von dem, was id) wolle/' Da, das f)aben wir wieder nod) zwanzig <Jaf)re fpdter durd) denfelbeu deutfrfjen Reichstag be- tätigt gefef)en. Vor eben diefem alten, ftets ficf) felber gleiten Öeifte des Hid)twi(fens, den das Uebelwollen leitet, wid) Wagner damals, 1865, aus fDünd)en, und fein König verzichtete für immer auf fein Cf)eater. Von dann ab war fDünd)en nid)t mef)r König fcudwigs 8tadt X)er Künftler aber gab feine Sdee nid)t auf; vielmehr, nun f)<*tte er ja am außerordentlichen Beifpiel völlig

i2 finns von woLzosen

erkannt, wie red)t er mit if)rer urfprünglid)en, jeden Kompromiß; ausfließenden Faflima. gehabt. Von neuem alfo faßte er, fefter nod), alles zufammen, was er als die wefentlid)e und unumgängliche Bedingung für ein foId)es üf)eater eingefe|)en und gefordert f>atte. 8d)on vor einem falben <j]a5rl)undert f)atte er gefd)rieben: „€s muß; jedem 6infid)tsvoIlen deutlid) werden, daß;, foll das ül)eater irgendwie feiner natürlichen edlen :8efl:immung zugewandt werden, es von der notwendig- heit induftrieller Spekulation durchaus zu befreien i(L Wie wäre das möglid)? X)iefes einzige Dnftitut follte einer XMenßbarkeit entzogen werden, welcher heutzutage alle fDenfd)en und jede gefellfd)aftlid)e Unternehmung der fDenfd)en unterworfen find? 3a, gerade das C^eater foll in diefer Befreiung allen übrigen voran- gehen, denn es ifl: die umfaflendjte, einflußreiche Kunfl:- anftalt; und ef)e der fftenfd) feine edelfte Tätigkeit, die künfl:lerifd)e, nid)t frei ausüben kann, wie follte er da fjoffen, nad) niederen ttid)tungen f)in frei und felbft:» jtändig zu werden? beginnen wir, nachdem fd)on der ötaatsdienfl: und der ftrmeedienß: wenigflens kein induftrielles Gewerbe mef)r \% mit der Befreiung der öffentlichen Kunfl:!" Und nid)t anders lauteten feine Worte jetzt, da feine fDünd)ener €rfaf)rungen il>n um eine fd)öne fttöglid)keit gebracht, fein ideales Äeifpiel zu zeigen: „Ftferzu ifl: auf dem Wege des täglichen Verkehrs, namentlich auf der :6afis der ©ewerbs- intereffen, unmöglid) zu gelangen; diefes :ßeifpiel kann nur auf einem von den ^edürfniffen und Dötigungen des alltäglichen C^eaterverke^rs gänzlid) eximierten ;0oden gegeben werden." „6s i(l eine ganz neue, von der Wirklichkeit des Theaters foweit wie möglid) abliegende ünßitution in das Auge zu f äffen." „Bedingung hierfür ip: die Außerordentlich- keit in allem und jedem/' „Die gewerbliche Tendenz im Verkehr zwifd)en publikum und Theater wäre l)ier vollftändig aufgehoben. Der Zufc^auer würde nid?t

«ay^eucR 13

mef)r von dem röedürfniflfe der Zerflreuung nad) der üagesanfpannung, fondern von dem der Sammlung nad) der Zerftreuung eines feiten wiederkehrenden Fefttages geleitet, in dem von feinen gewohnten allabendlichen Zufluchtsorte für tf)eatralifd)e Unterhaltung abgelegenen, eigens nur dem Zwecke diefer außerordentlichen, exi- mierten Aufführungen fid) erfd)ließenden befonderen Feftbau einzutreten, um j)ier, feiner f)öd)|ten Zwecke wegen, die fDüf)e des Lebens in einem edelften 8inne zu vergetfen."

X\ad) dem 8d)eitern jenes königlichen planes durfte Wagner fid) nun ganz und frei diefem feinem urfprüng- lid)en (bedanken wieder zuwenden. Aber es mußten die 8iege von 1670 erkämpft werden, um den Künftler nad) 3Deutfd)land zurückzuführen, und den nun politifd) geeinigten deutfd)en Stämme einen künplerifd)en Mittel- punkt zu fd)affen. Wo konnte dann diefer „Mittelpunkt** einzig gelegen fein? „Fern von dem Qualm und 3ndu|triepefl:gerud) unferer |*ädtifd)en Zivilifation, in einer fd)önen €inöde**, f)atte er fd)on vor 20 #af)ren an tiifzt gefd)rieben wo durfte er nimmer liegen? ,,$d) bin nid)t darauf ausgegangen, mein Unternehmen im ©lanze einer reid) bevölkerten fiauptftadt befpiegeln zu laflfen, was mir allerdings minder fd)wierig gefallen wäre, als mancher zu glauben vorgeben mag.'* „Aus den Winkeln des deutfd)en Vaterlandes wurde mir am kräftigten und ermutigenden aud) für mein Werk zugefprod)en, während in den großen fDarkt- und fiaupt(tädten zu- meifl: nur 8paß damit getrieben worden ijtM 8o ent- band denn fd)ließlid) diefes :Gayreutf), und zwar je^t genau, wie Wagner felbfl: es gewollt: „ein vollftändig ausgeführtes Cf)eatergebäude, ganz nad) meinen An- gaben von mir errichtet, welches nachzuahmen der ganzen modernen Welt unmöglid) bleiben muß."

„8o möge denn die 8ad)e if)ren kauf nehmen und der X)eutfd)e zeigen, daß er endlid) verfl:ef)t, fo wahren und anhaltenden :8emül)ungen für einen fd)mad)los ver-

i4 nnns von wotzosen

wabrloften und dabei fo unbegrenzt einflußreichen Zweig der öffentlichen Kun|t, an weld)e id) mein Leben gefegt babe, aud) die nötige Bead)tung zu fd)enken." HMt diefen Worten an €mil Fieckel begleitete Wagner im $af)ref871 feine Zuftimmung zur Begründung der Wagner- vereine, tvelcfre if)m die HMttel für den Bau des Fe|l- fpielbaufes verfd)affen wollten.

III.

Urteile derzeit

Wie ()at man nun fo im allgemeinen [diefes Cf)eater, das nad) Wagner „als ein n>abnzeid)en in die deutfd)e Welt hinausragen" follte, in der deutfdjen Welt, welche zugleid) die moderne ift, bisher betrachtet und ver- banden ?

Das Verpdndnis äußerte fid) befonders in drei immer wiecjerbolten Urteilen, ftn erßer ötelle begrüßte den plan und Bau von Bayreuth im publikum das alte vorwurfsvolle ?Dünd)ener Wort: „Hur für Wagner!" Das -beißt, entweder: der Künftler i|t fo f)ocf)mütig, daß er für feine Werke ein eigenes tTl)eater verlangt, oder aud): die Werke fpredjen fo wenig für fid) fei bfl:, daß fie eines eigenen Theaters bedürfen. Diefes Urteil be- ruht auf einer Verwechslung der causa efficiens mit der causa finalis, wie der pbMofopb fagt. Wobl war der plan eines Fefttbeaters urfprünglid) verbunden gewefen mit der ftusfübrung des Hibelungenwerkes, das fid) an ünl)alt und Form über das <3ewöl)nlid)e und Ge- wohnte in die öpbäre des außerordentlichen erl)ob, das mit einem Wort keine Oper und nid)t für die Operntbeater gefd)affen war, fo wenig wie ctrva die neunte övmpbonie für die Wiener üanzböden oder das Hermannsdenkmal für den ©emüfemarkt in Detmold. Der TMbelungenring alfo war zunäcbft die causa efficiens

«nyfleucR 15

für die ttyeateridee. nun fd)afft aber kein wahrer Künftler fein Werk für fid) felbft, fondern aus fid) felbft: es ift ein Ceil feines Wefens, und in feinem Wefen, feiner perfönlid)keit, feinem 0enie fdjafft fid) die Kunft felbft einen neuen Ausdruck, eine neue Offenbarung. ;8eetf)oven l)at diefer Waf)rf)eit einmal den fd)önen Ausdruck verliefen: „flede ed)te €rzeugung der Kunft ift unabhängig, mächtiger als der Künftler felbft; fie ke\)Yt durd) if)re €rfd)einung zum <3öttlid)en zurück und bangt nur darin mit dem fDenfd)en zufammen, dag fie Zeugnis gibt von der Vermittlung des <3öttlid)en in if)m!" HMt jedem ffceifter tut die Kunft felbft einen 8d)ritt weiter zur Crfüllung if>res Berufes idealer Welt- beglückung, ftlles, was der Künftler fo aus fid) tut, tut er für die Kunft und für das Volk, deffen (Seift in der Kunft fid) ausfprid)t. -Die Erfüllung des Berufes der deutfd)en Kunft ift alfo die causa finalis einer Cr- fd)einung, wie das Ddealtf)eater Wagners; und mit dem vollen :0etvu&tfein fold)en Berufes f)at der Künftler diefer 8d)öpfung fein Heben geopfert. fDan darf an diefen prozeß dod) nid)t denfelben fDaßftab anlegen, ivomit perfonen, die niemals etwas äf)nlid)e8 wie ein Kunftwerk f)erzuftellen vermocht f)ätten, if>re;8emüf)ungen mefien, fid) etwa eine eigene Villa oder ein eigenes Kapital zu fdjaffen. Diefe verfolgen dabei nur das eigene Dnteretfe und nichts anderes; das eigenfte ünterejfe eines großen Künftlers aber ift eben das der Kunft und des Volksgeiftes. Das erkennt man an den Früd)ten. Die €rfd)einung des ;6ayreutf)er ttyeaters bedeutet nun in der Cat ein großes fboment in der deutfd)en Kunft. Die Deutfd)en f)aben dies zunäd)ft nid)t erkannt, weil bei if>nen die Kunftauffaffung, weldje darin if)ren f)öd)ften Ausdruck fand, bisher nur mel)r die €igentümlid)keit einzelner groger fDdnner geblieben war. ?Def)r Ver- ftändnis zeigten die Fremden, befonders von der romanifd>en Haffe, weil in il)rer Zivilifation das künft- lerifd>e Kulturmoment feit langer Zeit mit einbegriffen

is Rans von woLZo®en

gewefen; oder aud) die Feinde, infofern fie wenigftens mit :6e|timmtf)eit etivas anderes wollten, als was Wagner wollte, und in feinem Werke den ©egenfa^ diefes anderen mit 8d)recken verfpürten. Die Fremden fafjen in ;8avreutf) einen fiöf)epunkt der deutfd)en T<unft; die Feinde Ratten es dagegen leicht, die Deutfd)en darin zu beftärken, dafr es nid)ts fei als ein C{)eater „nur für Wagner*. Hun, und das ivar ja natürlicherweise etwas ganz un- erlaubt HMnderwertiges. $edes 8tadttf)eater verdiente eine reichere Unterftü^ung: das ivar dod) etwas „für uns felbft", etwas für jedermann!

Von diefem „jedermann" f>atte Wagner zeitlebens nur allzu genaue Kenntnis erhalten, und wenn er dennod) in feinem Vertrauen auf den deutfdjen öeift und das deutfd)e Volk nid)t entmutigt ward, fo fd)öpfte er dies nur immer wieder, wie er oft bekannte, aus feinen fd)önen €rfa[>rungen mit einzelnen Seelen, €s wäre alfo ganz in feinem Sinne, wenn diefe einzelnen Seelen, denen gerade feine Kun(t ein wahres Lebensbedürfnis geworden, denen fie die 8ef)nfud)t nad) dem Ddealen jtillt, aud) alle wirklid) zum <3enu|fe diefer Kunft ge- langten. Denn zu dem Ddeal eines Kunjtwerkes, wie es il)m vorfdjwebte, gehörte von jef)er nid)t allein das ideale Theater, fondern aud) das ideale Publikum. Das Vorbild der Griechen fd>Ioß ganz crfict>tlid> aud) das gried)ifd)e Volk mit ein. Das aber war ein kün|tlerifd)es Volk gewefen, dasjenige gerade, was das deutfd)e Volk nod) nid)t f)atte werden können, trol? feiner großen An- lagen, die in feinen ?fceifl:ern fo gewaltig wie fonfl: nur bei den <3ried)en fid) kund gegeben f)at>en. eben darum nannte ja Wagner fein 3deal einKunftwerk der Zukunft, feine eigenen Werke nur er(t Verfud)e, Vorbilder, ;0ei« fpiele für etwas nod) nid)t Vorhandenes, nid)t nur eine £rfd)einung, fondern ein Leben der Kunft. Of)ne die Verwirklichung jenes Ddeales eines künßlerifd)en Volkes bleibt das ideale Kunftwerk immer nur ein Fremdling in der Welt der realen Gegenwart €s follte wof)l aud)

w

w

hJ

hJ

<

S

! !

S

<0

<

c

Q

tf

to

W

CO

Q

r

o

£

P

<

fci

e

ffi

ü

er

D

W

^

tf

i

><

<

PQ

^

O

e

<u

o

vc:

£

,u

ED

**-

55

£

ffi

:9

O

<u

£

c

CS

w

*.

H

ST

c/}

g

w

»42

J^

c/3

>,

^

w

£

o

<

«aytieucR n

fd>wer fein, den ftnfprud) aufrecht zu erhalten, daß die höd)|te und ernftefte Kun|t überhaupt, daß; die größten Kunftwerke, die wir bep^en, heutzutage fdjon in der üat eine „Kunft für alle" wären. Weder von einem Fauft nod) von einer neunten 8ympf)onie wird fid) dies ef)r- Iid>er Weife behaupten laffen. Und ivenn unfer Opern- publikum f)eute vor allem für den Eiof)engrin fd)wärmt und if)m dadurd) die f)öd)fte ftuff üf)rungszaf)I im "Repertoire unferer Operntl)eater verfd)afft, fo bleibt es dod) fef)r fraglid), ob diefe fd)öne Vorliebe if)re Wurzeln viel tiefer gefd)Iagen f)abe, als in die geheimnisvolle und rührende Romantik des Stoffes und in die bezaubernde 6d)önf)eit der fftufik: von der eigentlichen, tief tragifd)en Bedeutung des Werkes, davon, ivas Wagner darin ausgedrückt wijfen rvollte: die Tragödie des (3enius in der Welt, davon wird fid)erlid) der geringfte Ceil des fd)wärmenden Publikums nur erfl: eine Ahnung gewonnen f)aben. Hein, eine Kunft für alle ift eine Wagnerifd>e Kunft überhaupt nid)t, kann und foll fie nid)t fein. €ine Kunft die für alle i|t, ifl: meiftenteils nichts weniger als eine Kunft, tind Wagner felbft fd)on bat über das „neue Fmmanitäts» prinzip", die „Eemokratifierung des Kunftgefdjmackes" gefpottet, welche von dem pölzen :6ewußtfein befeelt werde: „Dun feien die Kunft und if)re Crzeugnijfe nid)t mef)r bloß für die ©elfter der bevorzugten Klaffen vor- fanden, fondern der geringfte Bürger f)abe jet^t Gelegen- freit, die edelften Typen der Kun(t fid) auf feinem Kamine vor Augen zu ftellen." Tritt alfo dem Vorwurfe: „Hur für Wagner* die gegenfä^lidje Forderung „für jedermann" zur Seite, fo ift beides gleidjerweife abzulehnen; es beruht auf demfelben örundirrtum, der die Kunfl: als ein Objekt des perfönlid)en Willens auffaßt, davon ein einzelner, fei es der Künftler, fei es der „jedermann", etwas „J)aben" will. Auf den ©egenfa^ zwifdjen dem üd) und der Kunft läuft fd)ließlid) alles in den #ayreutf)er Fragen f)inaus.

Eod) Wagner wäre nid)t Wagner gewefen, wenn er

i8 «ans von woLzosen

fein Kunftwerk nur gewiffermaßen als ein edleres @enuß- mittel für einzelne ins Leben gerufen f)ätte. Der raftlos Wirkende und einwirkende mußte aud) dem <3enujfe eine Kraft verliefen wünfd)en. 8ein Kunftwerk follte nid)t nur beglücken, es follte aud) erziehen. €s follte eine 8d)ule werden zur künftlerifd)en €rziel)ung des n>enfd)engefct)led)tes, wie Schiller gefagt l)ätte , des deutfd)en <3eiftes, wie Wagner fagt €ine ftrt idealer Kloperfd)uIe, wenn man fo will, da fie fiel) abfeits der Welt galten muffte, um rein und frei wirken zu können; jedenfalls aber ein fef)r ernfl: zu nehmendes Uebungs- mittel, um wenigftens allmäf)lid) in unferem Volksgeifte die künftlerifdjen Anlagen (tärker auszubilden. Gerade je^t mußte eine fold)eöd)uIe entließen; denn niemals war fle gewiß notwendiger als zu unferer Zeit, deren Kinder am entfernteren fid) zeigen von dem Hdeale eines künftlerifd)en Volkes. ?Dan bezeichnet diefe Zeit ausdrücklief) als eine foldje des fDaterialismus, des ünduftrialismus fDan klagt wof)l darüber, aber man läßt fid/s gefallen. ftud) kann man es nidbt ableugnen, daß fie felbfl: auf künftlerifd)em ©ebiete es zu etwas gebracht (>at. fßan darf fie da wof)l eine Zeit der Cec^nik, eine Zeit des Kunftgewerbes nennen. Der Hü^Iid)keits- zweck pel)t freilief) dabei immer voran; dod) regt fid) zweifellos aud) im FUnblick auf die €rreid)ung diefes Zweckes ein wad)fendes künßlerifd)es :0eftreben. Hur füf)rt eben diefes vielmehr abfeits von der großen Kunft. 3n fo!d)er Zeit wird die Kunft beflernfalls zur <3efd)mack8- fad)e, zu einer Zierde der zivilifatorifd)en ftußenfeite des Lebens. ffcan fagt zu einer fold)en modernen Kunfl> erfd)einung wof)l: „made in Germany", aber nid)t: „Qermany". Das gerade ift es aber, was der aus- länder zu Wagner, zu :ßayreutf) fagt: „3n Deinem Lager D e u t f d) 1 a n d." 60 ift es in der "Cat gekommen, daß die ftufmerkfamkeit der Franzofen auf #ayreutf) ein|t jenen früheren, in Deutfd)land faft nod) unbeachteten Feftfpielen das Leben einigermaßen fiebern konnte. Dod)

«ay«eucn is

das ip fd)on 17 Daf)re {>er. Als dann :0ayreutf) feine €xipenzmöglid)keit mit?ttül)e und Hot, aber künplerifd) glücklid) durd) zef)n, ja, durd) zwanzig 3af)re bewährt f)atte, fing das größere deutfd)e Publikum an, nid)t mef)r nad) jedem Fepfpiele von feinen geizigen Leitern unter dem ötrid) es einfad) fid) vorfagen zu laflen: ,,:0ayreutf) ip: tot"; fondern es gab feinem jungen <3iauben daran zunäd)p: den Ausdruck eines neuen Vorwurfs. :8ayreutf) f)atte man ein|t für nid)t lebensfähig gehalten, weil es dod) „nur für Wagner", den lebendigpen unferer Künpler, gefd)affen worden; je^t f)telt man es ef)er für lebensunwürdig in deutfd)en Landen, weil es ndmlid) „nur für Ausländer* feil

Hun, es f)at überhaupt, der Zaf)l nad), niemals mef>r Fremde als £)eutfd)e in :6ayreutf) gegeben, und feit Darren ip: das deutfd)e Clement in ganz bedeutender Ueberzaf)!, bis zu ^Dreiviertel des ganzen Publikums, dort vertreten. Wenn aber die Fremden ef) er kamen, follte man fie etwa dafür mit Zurückweifung beprafen, daß fie den X)eutfd)en vorangegangen find, daß fie pets unbedingter die Bedeutung von ;8ayreutf) anerkannt, fid) oft verpändnisvoller und begeiferter darüber ge- äußert, if)ren X)ank ausdrücklicher kund getan f)aben? 3Daß fie damit am 6nde eben fo aufgefallen find wie durd) i[)re Sprache, und alfo von außen gefe()en und gehört, wie es die meinen tun, den €indruck Fjervor- gerufen f)aben, als fpielten fie eine Rauptrolle, das ip nid)t fo unbegreiflich). Crnpiid) aber behaupten, da$ :8ayreutf) nur für die Ausländer da fei, dürften die X)eutfd)en dod) nur dann, wenn eben fie nid)t für 13ayreutf) da fein wolltenl t)amit bitten fle felber zwar das publikum undeutfd) gemacht: das Kuntfwerk aber bliebe deutfd) und einzig deutfd) und teilte am 6nde and) nid)tdeutfd)geborenen Seelen, die nad) if)tn innig verlangen, etwas vom wahren deutfdjen @eipe mit.

20 nnn8 von wotzosen

IV.

3Dae ßayreutyer Publikum.

60 bleibt denn nur nod) ein dritter Vorwurf übrig, daß in #ayreutb überhaupt das red)te publikum fef)le, dag es fd)ließlid) dod) „nur für die l*eid)enM fei. Wof)I I)at X)eutfd)land, gerade dem Ausland gegenüber, lange als das ärmere Land gegolten; f)eut aber beginnt es dod) ef>er fd)on Heid zu erregen um feiner materiellen Fortfrf>ritte und der Rebung feines Wof)l|tandes willen. 3ene Franzofen z. :©., welche zu Fug von paris nad) ^ayreutf) gewandert waren, nur um das deutfd>e Kun(l- erlebnis zu erfahren, waren gewiß keine wohlhabende Leute. Hod) im legten #af)re kam u. a. ein Amerikaner, der durchaus nid)t zu den HMIlionären jenfeits des Oceans gehörte, eigens über das ?Deer nad) €uropa, um den parfifal zu l)ören, und kehrte danad) fofort auf demfelben Wege nad) Amerika zurück. ?foef)r von X)eutfd)!and zu fef)en, dafür reichten wobl weder feineHMttel, nod) kam fein Dntereffe dafür dem für ^ayreutl) gleid). 8oId)e 13efud)er nahmen eben das deutfd)e Fejtfpiel nid)t als ein Vergnügen unter anderen, fondern fie f)atten es als ein Rauptereignis diefes (Jahres vor Augen, deflen fte fid) unter allen Um(länden einmal verfid)ern wollten; und dazu bedurften fie großer fteid)tümer nid)t. 80 follten fo könnten wir in der fieimat der:6ayreutf)er Kunfl: es dod) gleichfalls mad)en.

$a, und wir f)aben es aud) fo gemacht. €s ift: gar nid)t waf)r, daß nur befonders Wohlhabende nad) :6ayreutf) gekommen find, weil nur fo!d)e daf)in kommen könnten. £iefe „oberen Zef)ntaufend", wie die beliebte pl)rafe lautet, finden fid) vielmehr in den großen Opern- Käufern diesfeits und jenfeits des Oceans. Für diefe gibt man einen „parfifal" in Hew-york ein Broadway- Feftfpielt Von jef)er f)aben fid) Hienfd)en aus allen Lebenslagen und 0efellfd)aftsfd)ici)ten im :6ayreutf)er

^ny^eucR 21

Feflfpielf)aufe zufammengefunden, einzig verbunden durd) das Verlangen nad) einer idealen Lebenserfahrung. Raben fid) dann mit der Zeit aud) fold)e darunter gemifd)t, weld)e meinten, fie müßten 13ayreutf) als eine „fDode" mitmachen, fo find diefe gewiß nid)t wieder- gekommen; denn fie Ratten etwas fo €rnfl:es und Strenges, fo jeder Konnivenz gegen das publikum ftbgewandtes, mit einem Wort etrvas fo Unmodernes dort gefunden, tvie es fid) am allerwenigften zu einer H>odefad)e eignet. Dagegen find die meiften 13efud)er der Feftfpiele wiedergekommen, 5a^cn wiederkommen muffen, find durd) 13ayreutf) zu einer Kunfl:gemeinfd)aft geworden. X)a gab es dann jene fd)önen ;6eifpiele und Momente des Ddealismus, deren H>öglid)keit allein fd)on die Cxipenz einer foId)en einzigen kün|tlerifd)en Dnfti» tution rechtfertigt 3Da gab es diefe rührenden Crfpar- niffe, die der einzelne fid) für die erfef)nte Faf)rt nad) I3ayreutf) auferlegte, wodurd) aliein fd)on die Stellung des ?t>enfd)en als publikum zur Kunft eine ganz andere, die Kunfl: felbft eine öad)e von bedeutfamer Wichtigkeit im Leben des einzelnen ward. Denn da gewann erp: das, was für die gewöf)nlid)en Uf)eatergewof)nf)eiten eine mef)r oder minder gute ftuffüf)rung fein mod)te, den eigenartigen Wert eines wahren Crlebniflfes. 6s ward dem erlebenden felbft zu jenem außerordentlichen, was es feinem Wefen nad) ift.

Kommen wir Deutfd)en wirklid) fd)werer dazu, uns ein fold)es außerordentliches Crlebnis zu verfd;affen, fo liegt dies meifl: viel mef)r an den Berufs- als an den Vermögensverl)ältni(Ten. Wer überhaupt in den Wod)en des Duli und ftuguft aud) nur ein paar Zage zu einer Ferienreife erübrigen kann, und wem dann :0ayreutf) ernftlid) fo viel oder gar mef)r Wert l)at, wie das triefen- gebirge oder die Zugfpi^e, der bedarf bei den billigen fteife»€inrid)tungen unferer Zeit und bei befd)eidenen ftnfprüd)en nod) lange nid)t fo viel für das ganze Crlebnis von :6ayreutf) und des parfifal. Wdren 50

22 nane von woLzosen

oder 60 ffcark denn wirklid) heutzutage für die ?Def)r- za\)\ derjenigen £)eutfd)en, weld)e überhaupt geizig befähigt find, das Publikum für eine foId>e Kunjt zu bilden, eine fo unerfd)winglid)e 8umme, dag fie garnid)t imftande wären, fie durd) Vermeidung anderer aus- gaben für X)inge, welche i^nen dod) weniger am fierzen liegen dürften, zu diefem einen Zwecke, während einiger 3al)re, fief) f)eranzufparen ? Wenn man diefe einfache fted)nung nur einmal mit gutem Willen in :6etrad)t ziel)t und nid)t nur nachredet, ivas man allzuoft l)ören und Iefen mußte: daß :8avreutf) zu teuer fei nämlid) nad) dem fftaßftabe eines ,/Cf)eaterbefud)s", nid)t eines Crlebniffes , fo follte man dod) wof)l foviel zugefl:ef)en muffen, dag es zum minderen nid)t „nur für die fteid)en" da zu fein braucht

Gewiß, es könnten ja nod) viel met)r nad) ^ayreutf) kommen, wenn fte wollten, und wirklich wollen es nod) viele und können es dod) nid)t, befonders von den jungen Leuten, bei denen die großen eindrucke nid)t nur die lebhafteren, fondern aud) die entfd)eidenden find. Wenn dem aber fo iß, fo fragt es fid) dod) vor allem: ja, warum f)aben denn diejenigen, welche je^t :0avreutf) daraus einen Vorwurf machen, nid)t bei Zeiten dafür geforgt, daß es anders werde? 8ind fie denn niemals dazu aufgefordert worden? Rat fie denn :ßayreutf) nur zu kün(llerifd)en ©enüffen eingeladen und nid)t aud) zu moralifcfjen Randlungen ? Warum f)at man I3ayreutl) nid)t längjt derart fictjer zu pellen gefud)t, daß es aus der tatfäd)lid) red)t Übeln Lage herauskam, in der es von Anfang bis beute fid) befinden mußte: nämlid) ganz gegen Wagners urfprünglidjen plan, zur ^Deckung feiner Koften überhaupt „€ntr£e" nehmen zu muffen. €in täglid) fpielendes üf)eater, mit reid)f)altig wedjfelndem Repertoire, in einer großen ötadt, bei l)of)en für(llid)en Unterjlü^ungen, das freiiid) das mad)t aud) nod) Defizits! Und :6ayreutf) mit feinen feltenen, nur vierwod)enlangen öommerfeftfpielen, wozu man aus

«ny^eutR 23

aller Welt €nden kommen muß, nid)t nur das publikum, vor allem aud) die Künftler und es foll welche darunter geben, die nid)t eben billig zu baben find ; dazu diefe unvergleichliche Peinlichkeit in der künftlerifd)en Arbeit; diefe außergewöhnliche fDafle von Arbeitskräften, um wiederum das Außergewöhnliche zu ermöglichen: das Alles erfordert fd)on Ausgaben, deren wirkliche fiölje man fid) kaum vorteilt, die aber in der trat nur eben durd) die Einnahmen aus ganz und ftets gefüllten fiäufern erft im zweiten tJaf>re einer Heuein^udierung gedeckt werden, obwohl dod) an die Veranftalter der Feftfpiele felbft, welche die ganze Verantwortung tragen, niemals ein Pfennig „Tantieme" oder €ntfd)ädigung oder irgend etwas dergleichen, was wie ein hotyn für i[)re Arbeit ausfegen könnte, ausgezahlt worden ift.

Wäre Wagners urfprünglid)er bedanke durchführbar gewefen, fo ftünde es anders. €r f)atte fid) gedacht, fein ;6ayreutl)er Werk folle nid)t für die tteid)en, wof)l aber von den fteid)en gefd)affen werden, fo gefd)affen, daß es alsdann für alle, die danad) ernftlid) verlangen, fid) völlig frei darbieten könne. Die Unentgeltlid)keit der Vor^ellungen war if)m von Anfang an, alfo etwa von 1850, mit der Ddee des üdealtf)eaters verbunden gewefen. Aud) die #efud)er des geplanten ?ftünd)ener Fe|ttf)eaters waren nur als ©äße des Königs gedacht. €rß im 3af)re 1880 f)at er davon abfegen muffen, um bei feinen Lebzeiten nod) wenigpens den parfifal zu ver- wirklichen. Aber im prinzip und als Ziel diefer be- danke be|tef)en geblieben, und was davon aud) unter den je^igen Ver£äItni|Ten fid) konnte erreichen lafien, das war die €rmöglid)ung und €rleid)terung des ;6e* fud)es für Minderbemittelte durd) die €inrid)tung einer ötipendienpiftung.

Aud) diefer <3edanke findet fid) fd)on in den Anfängen der nibelungenarbeit. Feftere Geftalt erhielt er alsbald, nachdem es fid) 1876 gezeigt [)atte, daß die freiwilligen öpenden der begeiferten Freunde durchaus nid)t in ge-

24 finns von wonzosen

nügendem fDaße eingegangen waren, um je das üf)eater aus einem folgen „patronatsfonds" allein zu erhalten. X)a äußerte Wagner zuerfl: um Heuja^r 1877 in einem Schreiben an die Wagnervereine die Anfielt, dag das ü^eater, welches bisher von "fteid) und fiation gleid) unbeachtet geladen worden war, eigentlid) erft dadurch red)t „nationalisiert" rverden könnte, rvenn durd) einen jäl)rlid)en Zufd)uß des "Reiches die €inräumung einer großen ftnzaf)I von Fr eipl eitlen für minderbemittelte Deutfd)e ermöglicht würde. Diefe Anregung verhallte wieder of)ne jedes €d)o* Und fo begründete er denn wiederum felbft allein, 1882, durd) feinen offenen :6rief an einen der feltenften fteidjen, die etwas €rklecklid)es für :8ayreutf) getan Ratten, an Friedrid) 8d)oen, die fUd)ard Wagner-Stipendienftiftung mit der ;6e|ttmmung: „gänzlid) freien Zutritt, ja nötigenfalls aud) die Kopen der fteife und des Aufenthaltes fo!d)en zu gewähren denen mit der Dürftigkeit das Los der meinen und oft tücl)tigpen unter <3ermaniens Söhnen zugefallen ift." X)iefe Stiftung da, befreit nun fd)on feit zwanzig <]af)ren, f)at für jedes Feftfpieljaf)r, foviel fie konnte, HMnderbemittelten aller Stände und :6erufsarten, be- fonders jungen Leuten, Studierenden und VoIksIeI)rern, die fftöglid)keit verfd>afft, :8ayreutf) zu erleben, es find zulegt gegen zef)ntaufend fftark in einem 3af)re dafür ausgezahlt worden: das gewig fef)r fd)ön und erfreulich Aber wenn man bedenkt: zwanzig (]al)re lang während ;6ayreutl) künftlerifd) ftetig wud)s und aud) immer mef)r Achtung fid) errang und immer nod) ift diefe Stiftung fo unbekannt, fo wenig beachtet, fo gering bedacht, daß der Vorwurf ,,:0ayreut]) ift nur für fteidje" fid) behaupten konnte bis auf den heutigen Zag das ift dod) wiederum niederfd)lagend. Wieviel mel)r f)ätte in diefer F>infid)t gefd)e()en follen f)ötte gefd)ef)en können, wenn f)ier das fteid), anftatt den ©edanken zu vertreten „die Kunft für alle**, d. \). anftatt fie jedem zum €rwerbszweig zu überlajfen, lieber nad) dem allgemein anerkannten <3rund»

& £

«nyseucR 25

fa$e „federn das Seine*' Rändeln wollte. Der Kunfl: das Dfjre geben f)eißt das wirklid): ein Ausnahme- gefe$ geben? Aber jletje da: aus Furd)t vor einem Aus- naf)megefe^ gibt man ja gerade ein foldjesl ?Dan pellt die Autorenrechte unter das Kräfte Ausnal)megefe$, daß fle, als :6efi£red)t aufgefaßt, nad) der kurzen Frijt eines ffcenfcfyenalters einfad) ausgelöst werden, was für keinen anderen Crwerbszweig gilt oder nur zu denken wäre. Dun Rändelt es fid) F>icr aber garniert um Äefi^* rechte. 6s Rändelt fid) beim Kunftwerk um ein geiziges fted)t, wozu vor allem der (3ei(t und Wille des Künßlers gehört, der es gefd)affen f)at. Wäre man die Vertretung eines kün|tlerifd)en Volkes, man könnte es fid) garnid)t beikommen laffen, die Kunjt überhaupt unter ein i^r fremdes fted)t zu zwingen, fondern nad) dem :6eifpiel, welches gerade die „^ejH^er", die €rben und Verwalter der Wagnerfd)en Kunft in :8ayreutl) geben, dem #eifpiel der pietätvollen Öelbjtlofigkeit, würde man die Kunft um if)rer felbfl: willen auf dem ;6oden fidler (teilen, wo fie gewad)fen i(t und wo fie, entzogen jeder Hot um die fbaterie, einzig nad) if)rer Cigenart gedeihen kann. Aber da I)at man gleid) nod) ein anderes Schlagwort zur Rand, das allem ins ©e(ld)t fd)lägt, was Wagner felbft: von der Kun(t gefordert: daß fie aus einem tiefen, menfd)lid)enIjebenstriebe,ausdem8eelenbedürfni|Tenad) dem 8d)önen und Cdelen der großen Lebensfymbole f)er- vorgegangen, niemals nur einer egoiftifd)en Befriedigung des 8d)önl)eit8finnes einzelner dienen folle. Dagegen fagtmannun: „Äayreutf) iftdod) nur eine Luxuskunft" mit dem Hintergedanken: es fcuxus, dag man etwas dafür Iei|te. üfl: dies waf)r? Was ifl: denn an der :8ayreutf)er Kun(t das Emxuriöfe? Der große Aufwand, den das Drama zu feiner lebensvollen <3efamterfd)einung verlangt? Aber eben das Drama verlangt if)n, und für diefes Drama i(t es kein Aufwand, fondern Ausdruck, notwendiger, ja am Stile gemeflen maßvoller Aus- druck eines €delen, Crnften, €d)ten, das an flefe gewiß

ltt4>ard Straug; Sit fDuflii V. C

26 nans von wotzosen

zu nid)ts ivenigcr als zum Luxus gehört D|t die Ein- heitlichkeit aller ftusdrucksmittel im :6avreutf)er Kunft- werk etwa eine unkünfl:Ierifd)e Forderung ? Und ifl: vielleicht das r6avreut()er Ord)efl:er, die fDuflh des Kunjtwerkes, wegen der reichen „:ßefel£ung" nur ein Luxus? Hid)t viel mel>r reiner Wusdruck der innerlichen Welt, die es gibt und die nur fo if>re ganze Ciefe, if)ren ganzen fteid)- tum auszufpredjen vermag ? Und diefe Conwelt fordert eine if)r entfpred)endeLid)twelt. €ine Sf)akefpeare*;8üf)ne pagt nid)t zum :6ayreutf)er Ord)efter; und nur diefes wiederum paßt zu der erhabenen Welt der ©ötter und Beiden auf der özene. Alles dies i(l fd}Iießlid) eine Hotwendigkeit des :6ayreutl)er öeiftes, der idealen Kunft. Der geizige Gewalt, den die ;8ayreutl)er Kunft darbietet, i(l fid)erlid) kein Luxus; und die Form, in welcher er fid) darbietet, wäre Luxus, lvenn fie geijtlos rvdre; i(l es aber nid)t, fondern das (Gegenteil, weil fie eben nur jene geizige Welt zum entfpredjenden Aus- druck, zur künftlerifd)en €rfd)einung bringt. Hennt man dies Luxus fo ift es alle Kunft, alles, was über das ®ewöl)nlid)e, das nurHü^lid^e fid) ergebt. DertJdealismus felbft, alle öröße, jedes <3enie ift dann ein fündf)after Luxus, und Luxus alles, was fie getan und ivas dafür getan wird, of>ne 8elbftfud)t und Gewinn,

X)er Vorwurf der „Luxuskunft" oder des Kunjt- iuxus fd>eint tief und ernftlidt) an das fierz der ganzen Kulturerfd)einung zu greifen, die l)eute unter dem Hamen von :8ayreutl) begriffen wird; und dod) läuft er genau befel)en nur wieder auf das alte, ganz äußer- liche Urteil hinaus, das pd) in das Allerweltswort: „zu teuer 1" zufammenfaßte, und wogegen, wie nid)t genug wiederholt werden kann, Wagners eigner le^ter, feinem Volke f)interla|fener Wunfd) der Förderung des Ötipendien-0edankens, wenn er nur wirklid) erfüllt wird, die ausfd)Iaggebende Widerlegung bereits enthält „Wir können nid)t alle nad) :8ayreutl) kommen, darum komme das ;6ayreutf)er Kunftwerk zu uns,4' fagt das

■MIUUMMIIl«IIIJL—Bl«U.imil. II III I , ■IIIIUIII.il I IM. Hill IM. .1.1

grofje Publikum. „Eas :6avreutf)er Kunftwerk ift nur in und mit :6ayreutl) vorfanden, darum kommt alle nad) :6avreutf)l" fagt der fDeifter. „ftller Welt gebort die Kunft, darum gef)e fie f)in in alle Welt," fagt alle Welt „Verlangt alle Welt nad) der Kunft, fo komme alle Welt zu if)r nad) :0ayreutl)", fagt der fDeifter. Und er wufjte wof)l, was er fid) unter „aller Welt" dabei zu denken f)atte! X)en Weg ()<** W *br jedenfalls gewiefen.

X)od)t wenn irgend etwas, fo ift dies bei dem „Kunft* werk der Zukunft", das f)^ute fd)on unter uns fo gegen* wärtig zu leben fd)eint, nod) „Zukunfsmufik" !

©as ftußerordentlidje.

&ber ift nid)t am €nde jedes Außerordentliche, jede« in feiner ftrt Einzige fo etwas wie „Zukunftsmufik", fobald man if)tn zumutet, auf gegenwärtige Verf)ältni|fe und beftef)ende <3ewof)nf)eiten reformatorifd) einzu- wirken? (Jedenfalls ftef)t if)m, einfad) weil es ift, wie es ift, von Anfang an eine mafjlofe fDad)t von Ge- wöhnlichkeit und @ewof)ni)eit fd)roff und zäf) entgegen. Wenn aber etwas überhaupt die Kraft f)at, dies zu überwinden, fo ift es eben das ttufcerordentlicfte, es muß; nur bleiben, was es ift, darf nid)t aud) erft zum Gewöhnlichen, zur <3ewof)nf)eit werden. Oder vielmehr wenn man fid) wirklich da l)ineingewöl)nt, fo ift das gewiß; eine ganz andere (3ewof)nf)eit, kein Zeichen des €rfd)lafftfeins, fondern des Auffd)wungs, kein Zurück- bleiben auf der Flädje, der „platitude", fondern ein Cmporfteigen auf eine fiöf)e. (Ja, wenn etwas als Fortfd)ritt begrübt werden darf, fo ift es eben diefer kräftige Crwerb anderer <3ewof)nf)eiten auf den Fachgebieten des Außergewöhnlichen: „Wir muffen die

28 nans von woLzo©en

Kraft baben, uns andere(3ewof)nf)eiten anzubilden," fagt Wagner (1870) und fügt f)inzu: „Hur ein fef)r ernjl- lid)es, durd) große ©eduld und Ausdauer gekräftigtes :6emüf)en kann aber fold)e (3ewof)nf)eiten unter uns zu einem wirklichen f)erv des Lebens ausbilden, ftus einem parken inneren fDüffen heraus kann uns einzig die fiotwendigkeit zum Rändeln erwad)fen; ol)ne fold)e Hotwendigkeit kann nichts £d)tes und Wahres be- gründet werden.*'

Hun follte man dod) meinen, gerade für unfere Zeit könnte die ©ewöfmung an das ftußergewöl)nlid)e, das ganz Heue, keine fo gar fremde 8ad>e mefjr fein. Wieviel f)at fid) dod) im Laufe des neunzehnten <[Jaf)r- Hunderts an allen <3ewof)nf)eiten der ?Denfd)en ver- ändert! X)ie Kinder diefes merkwürdigen (Jahrhunderts f)aben fold)e Heuigkeiten erlebt wie die €ifenbal)n, den Telegraphen und alle Fortfd)ritte der eiektrizität. Wir Deutfd)e insbefondere find aus einer Winkel- in die Weltpolitik geraten; wir finden uns über Had)t als Kolonialvolk wieder, und f)eute fd)on liegt nid)t mef)r unfere Zukunft auf dem Waffer: wir fd)wimmen fd)on ganz rußig und munter darauf f)erum, mit fiandels- und Kriegsflotten bis nad) Cf)ina und Venezuela. fDan reift heutzutage nad) Amerika und <]apan, wie vor hundert flal)ren in der poftkutfd)e von Weimar nad) (Jena. Warum foll ein fo beweglid) gewordenes Volk nid)t aud) nad) ;8ayreutf) reifen? Will man denn in geipiger :6ezief)ung foweit zurückbleiben f)inter den ted)nifd)en Fortfd)ritten feiner Zeit? Will man fid) gerade auf diefem ©ebiete, das dod) fd)on innerhalb der Hatur etwas außerordentliches, nämlid) das ?ßenfd)lid)e, zu bedeuten f)at, fo gar nid)t vom fieuen imponieren Iaffen, fid) gar nid)t den Gefet^en fügen, durd) deren Befolgung man fclbft zum außerordentlichen fid) ergebt? ftuf die fiöf)e der (Jungfrau wird bald jeder pf)ili|ter kutfd)ieren er braucht fid) nur den (5efe^en der Schweizer #af)ngefellfd)aft zu fügen, $a, warum ver-

«nytteti'Cfi 29

langt man nid)t lieber aud) was fo viel bequemer wäre , die Jungfrau folle zu jedem pf)iiißer kommen ? fftan verlangt es dod) von fold)er geizigen fiöf)e, wie 33ayreutf). Oder: tvarum foll denn eine fold)e geijlige F\öf)e erft dann eine X)afeinsbered)tigung f)aben, ivenn es möglid) iß, dag alle Welt dabin kommt? Dp: denn „alle Welt", die auf die (Jungfrau fdF>rt, nun aud) wirklid) droben? Ad) nein, fie ifl: nur wieder mitten „in aller Welt", nid)t aber in der f)ol)en 13ergeinfamkeit! t)as außerordentliche ift ausgelöst Der 8d)wamm der Allgemeinheit darüber gekommen. 65 bleibt nur nod) ein Uriumpf) der üedmik. €ben dies aber f)aben wir nun bei einer geißigen Außerordentliche^, wie es eine große Kunftfd)öpfung iß, nod) in der Rand: fie vor folgern Auslösen, vor folgern platt- und Glattmachen zu bewahren. 80 wenig ivir es uns einfallen laflfen, die 8ixtinifd)e Madonna in einem üurnus berühmter Gemälde auf Reifen zu fd)icken, um fie in allen 8tädten IDeutfc^lands und der angrenzenden Kulturländer zum Vergnügen des großen Publikums auszufeilen, tveil ja dod) of)ne eine foId)e allgemeine Kenntnisnahme ij)r Wert als Kunßwerk nod) nid)t „voll und ganz" be» (tätigt wäre oder: fo ivenig rvir die peterskird)e auf Collen fetzen und zur Abwechslung einmal auf die fvel)berge bei Berlin karren, damit man im Zentrum deutfd)er Bildung davon Dotiz nehmen könne und HMd)elangelo dod) endlid) aud) in den Kreifen üeltorv und Barnim populär werde und endlid) : fo wenig wir es wünfd)en, daß Oberammergau feine paffions- fpiele etwa ein (Ja^r in H>ünd)en, das näd)ße in Leipzig, dann in Frankfurt u. f. f. bis Ramburg und Königsberg aufführe, damit die armen X)eutfd)en nid)t bis in die bayerifd)en ;0erge zu reifen brauchen, um zu erfahren, was eigentlid) daran fei: ebenfowenig follte man verlangen und mit eben fo geringem 1*ed)te darf man es verlangen, daß eine fo eingeartige €r* fd)einung wie 13ayreutf) ij)re Außerordentlichen, ihre

C*

30 nnne von wotizosen

Cinmaligkeit preisgäbe, etwas anderes, etwas <3e» wof)ntes, etwas allgemeines werde und für jedermann und überall bequem zu f)aben fei.

„"Ja aber," f)öre id) da: „die bildende Kunjt und aud) die religiöfe Kunp in allen €f)ren mit dem Theater i|Vs dod) etwas anderes. Das I)at dod) eben den immenfen Vorteil, dag es überall fein ;6rettergerüfl: auffdjlagen kann, dag überall auf if)tn die grögten dramatifd)en Kunftwerke aller Zeiten dem Publikum allabendlid) und alle nebeneinander dargeboten werden können 1"

„60 i|t der Deutfd)e", entgegnet Wagner felbfl, „fo- bald von Kunft oder gar vom Cl)eater die ftede ift, auf welchem Felde er feinen fo berühmt gewordenen, gediegenen €rnft gerade nid)t bewährt 1 Ueberredet if)n überzeugt if)n durd) Caten ja erfd)üttert il)n! Cr ifl: nod) tapferer als feine öoldaten, diefe fallen, wenn fie erfd)o|fen find, if)n mug man aber, wie den rufflfd)en öoldaten, erft nod) umflogen?"

Hun, Wagner ^atte gewig zeitlebens genug über- redet, durd) Caten überzeugt, erfd)üttert. €r f)atte fid) der Welt immer deutlid) gezeigt als der, der er war: diejenige künftlerifd)e perfönlid)keit, weiche ganz eines war mit if)rer künftlerifd)en üdee und if)rem Werke. Und ebenfo f)^tte er zeitlebens in immer wiederholten gleichen €rfaf)rungen und vergeblichen Verfurfjen, fid) davon überzeugt, dag die befreienden C^eater if)rem Wefen und if)ren Aufgaben nad) zu diefer feiner Ddee und feinem Werke einen unvereinbaren <3egenfa(j bildeten. Was \)a\f if)m das? €r \)a\Xz felbft Werke gefd)affen, die eben den tf)eatralifd)en Vorzug, vor allen erfdjeinen zu können, aufgeben mugten und durften gegen den kün|tlerifd)en Wert, nid)t für alle zu feinl Das alles follte nid)ts gelten. Der Künftler follte nun einmal kein fted)t auf das ftugerordentlid)e l)aben, nur das "Publikum fein Ytecftt aufs Gewöhnliche; und wenn es etwas Un- gewöhnliches j)aben wollte, fo kam dod) nur eine ge- wifle Steigerung des Gewöhnlichen dabei heraus. „Wir

«nyfleucfi 31

rvollen uns," fagte Wagner in den fed)ziger <Jaf)ren, „zur Cf)arakterifierung diefer Auß;erordentIid)keit nid)t mit der Kritik der erfolglofen Verfuge aufhalten, nur er- wähnen rvir, dag; alle fogenannten fDujtervorftellungen bisher nie den ;0oden des alltäglichen Cf)eaters ver- liefen und fid) eigentlich nur als durd) Anhäufung und Hebeneinanderßellung gefteigerte Virtuofenleijhmgen zu erkennen gaben"; und fpäter, fd)on im Anblick feines Cf)eater5, mit einem legten 131ick auf die anderen draußen: „Werke, welche i|)rer Originalität lvegen die f)öd)fte Korrektheit zu if)rer Ausführung erfordern, würden unferem "Cf)eater dadurd) förderlid) werden, daß fie außerhalb def]en gebellt und feiner verderblichen Wirk- famkeit entzogen, in vollfter Korrektheit und ungetrübter fteinl)eit if)m als zuvor unverftändlidje, je^t aber all- feitig klar verftandene Vorbilder entgegengehalten würden.'*

?Dan mag daraus trößlid)er Weife entnehmen, dafc die ftrenge öonderßellung von ;8ayreutf) in Wagners Sinne durchaus keine abfolute Verwerfung der anderen Theater bedeuten follte. Was lebt, foll leben, nur foll es in feiner eigenen Art tüd)tig leben und feinerfeits mit- wirken zum Leben des Schönen und €dlen. (Jedes tTFjeater verdient kräftig erhalten zu werden, das feine künftterifd)en pflichten erfüllt, auf welchem Öebiete der Dramatik es aud) fei. Daraus kann fid) manches fel)r Oute ergeben, felbft für die Wagnerifd)en Werke, be- fonders aber für die jungen Produktionen, welche ganz auf den guten Willen und die guten Leitungen diefer t^eater angewiefen find. Was zur Verbreitung aud) loldjer idealen Werke, wie der Wagnerifd)en, dienen kann, bleibt der pflichttreue diefer üf)eater überladen. Hur dürfte fiel) keines, das auf dem ;6oden der All- gemeinheit, des Verkehrs zwifd)en dem großen publikum und des Direktionsgefd)äftes, oder gar der Spekulation fte[)t, die Würde eines üdealtfreaters, eines :8ayreutf) beilegen, of)ne gegen des TDeifters eigenften Willen und

B027

32 finns von wokzoeen

Lebensgedanken zu verflogen. Denn fein Lebensgedanke und Lebenswerk ein eben fo felbftändiges und un« antaftbares Werk wie etiva feinLof)engrin oder feintTrißan es eben gewefen, gegenüber dem tT^eater für alles und jedermann, gegen überden Stätten der Verbreitung und Verallgemeinerung, jenes eine große ;8eifpiel zu geben, daß aucj) das Theater, daß aud) das Drama etwas einzigartiges, ettvas Einmaliges, und dadurd) gerade etwas Weihevolles fein könne, ganz fo, wie fonft ein Werk bildender Kunft oder eine künftlerifd) * religiöfe Feier. X)aß fo etwas bisber nod) nid)t bei uns dagewefen, follte am Ende dod) dem Stolze darauf, daß es nun einmal da iß, und daß es ein deutfd)es Werk iß, keinen Eintrag tun? Der Deutfd)e ift ftolz darauf, daß der Kölner Dom fertig daftef)t, aud) wenn er ih>n nie zu fel)en bekommt, er freut fi<±> feiner fd)önen Flotte, aud) wenn er nie zur See gef)t Freuen wir uns alfo dod) des ftußerordent!id)en aud) in diefem Falle, und laffen wir uns die Freude daran nid)t ftören!

ftber freilief), wie follte man fid) daran erfreuen, wenn man es garniert verlangt? Wenn man wo()l ein „:0avreutf)" verlangt, aber anders als Wagner es fd)uf, und den parfifal, aber anders als er if)n gewollt? Die Ddeale find nun einmal nid)ts beliebiges, nid)t etwas, wovon man nur eben fagen könnte: „Fuer ift es und dort ift es!'* „Hur einem edlen :8edürfniffe," fagt Wagner, „kann das Weihevolle fid) darbieten, und nid)ts kann die fd)öne €rfd)einung fördern, als die Stärkung der Sel)nfud)t nad) if)r." e».» Das redjte ;0ayreutf)er Publikum wären alfo die nad) dem Weihevollen Sef)nfüd)tigen, und eben einer fold)en SeF>nfud)t bot Wagner zulegt fein 33üf)nenweif)feß- fpiel dar: den parfifaL Darum beftimmte er diefes Werk fo ganz ausdrüdklid) und feierlid) für ;0ayreutl) allein. Dies war der Ie^te Schritt Wagners zu dem Ziele feines Lebens bin, und erft damit Y>at er es wirklid) erreicht Sollte nad) feinem Code die große Spur diefes

& ny n e \xz r\ 33

Schrittes ausgelöst werden, fo ivürde damit Wagners Lebenswerk ausgelöst Wieder blieben von if)m nur die einzelnen, einer gegenfä^lid) gearteten OeffentIid)keit Eingegebenen Werke übrig. Das einzige I3eifpiel der idealen Kunp in Wagners öinne wäre vernichtet €s wäre damit etnms ftef)nlid)es getan, als wenn man das deutfd)e Tteid) wieder in dreißig Kleinpaaten zerlegen wollte und in jeden ein :0ismarck»;OenkmaI ftellte! Wo wäre 13ismarcks Werk geblieben?!

VI.

„parfifah"

?TMt feinem parfifal f)atte Wagner ein Werk gefd)affen, welches nid)t nur wie der tting, für ein nationales Fe)\ bepimmt, durd) feine ungewöhnliche Form und die über- mäßigen ftnfprüd)e an die darpellenden Kräfte ivie an die €mpfänglid)keit des Publikums von vornherein ein „anderes Theater" verlangte und aud) wirklid) fid) ver- fd)afft f)at. ftus einem „innerlichen 0runde" fd)rieb Wagner an Friedrid) 8d)oen, f)abe er den parfifal zu alleiniger £luffüf)rung in 13ayreutf) bepimmt, und diefer örund beruhe in dem „durchaus unterfd)iedlid)en Charakter diefes meines Werkes, welchem id) die Be- nennung eines ;8üf)nenweif)festfpieles zu geben mid) veranlaßt fand". „X)en Veranlagungen, welche den fting des Hibelungen dem 13üf)nenfePfpielf)aus in 13ayreutl) entführten, glaube id) für den parfifal jede ;8e- pimmung meiner €ntfd)lüffe fd)on dadurd) unmöglid) gemacht zu f)<*ben, daß id) mit feiner Dichtung eine unferen Operntf)eatern mit fted)t durchaus abgesandt bleiben follende 8pf)äre befd)ritt."

Den Yttng f)atte er an die Theater Eingeben müfifen, um der materiellen Dot willen, in welche fein Fepfpiel- f)aus geraten ivar infolge der ungenügenden Teilnahme der Dation an dem erpen iP>r gegebenen Fepe. £)as

34 nans von wotzosen

Symbol der fDaterie, des (3oldeö fclbfl alfo mußte f)ier Reifen, die ftealität des tJdeales zu retten. Dahingegen parfifal, das Symbol des tJdeales felbft, follte die Ddealitdt des verwirklichten Fe|ttf)eaters retten. XMefes Werk mit feinem wefentlid) religiöfen Charakter ver- langte nidj)t allein ein „anderes** üf)eater, fondern es „weihte" dieses nun befreiende andere üfjeater zu einer Stätte befonderer ftndad)t des künßlerifd)en fDenfd)en. ©alt es alfo eine TCunft darzubieten, welche nid)t in die Welt hinaus geraten follte, damit fie gerade von ijjrer eximierten Freiftatt aus rein und groß auf die Welt und aud) auf die Kunft wirken könne, fo ward durd) den parfifal einer folgen Kunft die denkbar größere Sicher- tyeit gewährt. Wagner f)atte darüber fd)on im (Jaljre 1880 an den König gefdjrieben: ,,3d) [>abe nun alle meine, fo ideal konzipierten Werke an unfere, von mir als tief unfittlid) erkannte Cfjeaterpraxis ausliefern muffen, daß id) mid) nun wol)l ernftlid) fragen mußte, ob id) nid)t wenigftens diefes letzte und f)eiligfte vor dem gleichen Sd)ickfale einer gemeinen Opernkarriere bewahren follte. €ine entfd)eidendenötigung hierfür f)abe id)endlid) indem reinen Öegenftande, dem Sujet meines „parfifal", nid)t mef)r verkennen dürfen, 3n der Tat, wie kann und darf eine Handlung, in welcher die erl)abenften fftyfterien des d)riftlid)en Glaubens in Szene gefegt find, auf Theatern, wie den unfrigen, vorgeführt werden? 3d) würde es wirklid) unferen Kird)envorftänden nid)t verdenken, wenn fie gegen Sd)außeIIungen der gewellteren fDyßerien auf denfelben Brettern, auf welchen geftern und morgen die Frivolität fid) bef)agiid) ausbreitet, einen fef>r berechtigten 6infprud) ergeben. Hm ganz richtigen <3efüI)Ie hiervon betitelte id) den „parfifal": ein „:6üf)nenweif)fe|lfpiel". So muß id) if)tn denn nun eine 13üf)ne zu weisen fud)en, und dies kann nur mein einfam daftef)endes;6ül)nen- feftfpiclf)ausin rßayreutf) fein. Dort darf der parfifal in aller Zukunft einzig und allein aufgeführt werden; nie foll der parfifal auf irgend einem anderen C^eater

«ny^eutR 35

dem Publikum zum Amüfement dargeboten werden," worauf der König erwiderte: „Sein Wunfd) fei, dafr das ^eilige :6üf)nenweif)feftfpiel nur in;8ayreutf) gegeben und auf keiner anderen größeren :8ül)ne entweif)t werde*'. Rat alfo Wagner durd) den parfifal fein ;8ayreutf) gegen alle, feinem künftlerifdjen kebensgedanken wider- fpred)ende Anforderungen fid)er pellen wollen, fo f)at er andererfeits aud) den parfifal durd) das ;8ayreutf)er Raus vor Jeder €ntweif)ung feiner eigenen religiöfen Idealität fieser gebellt.

Aber dies nid)t die einzige :6efl:immung des parfifal gewefen. €r i(t nid)t nur inf)altlid) ein religiöfes, er i(l feinem Ausdruck nad) ein künfl:lerifd)es Werk, deflfen Ausführung, nad) Wagners Worten, die „allergrößte Korrektheit" verlangt :0ei einem parfifal läßt fid) nid)t durd) Ieidenfd)aftlid)e fDomente und Attitüden oder durd) glänzende Bilder und prahlende Cinzelleißungen über eine mangelhafte Wiedergabe f)inwegtäufd)en. 6in bloßes Simile genügt nid)t; jedes kün(tlerifd)e fDanko ftört als- bald aud) die weihevolle Stimmung, reißt heraus, nid)t nur aus dem X)rama, fondern aus der ganzen idealen Welt, deren Symbol es ift Wagner felbjl f)at die legten Kräfte feines Alters aufgeboten, um eben in diefem :8ayreutf)er parfifal das fDufter in möglicher Voll- kommenheit reftzufetjen für korrekte Aufführungen im Stile feines Kunftwerkes überhaupt, und dies mit dem €rfolge, daß der parfifal von 1882 in der üat als 3Dar- Pellung weit aud) über dem fttng von 1876 ftand.

Sd)on zwei Dafjre zuvor f)atte Wagner öffentlid) erklärt: „Um die fDögIid)keit mir zu wahren, nod) während meines Lebens vollkommen ftilgered)te Auf- führungen meiner fämtlid)en Werke mit der nötigen X)eutlid)feit und nachhaltigen eindringlid)keit vorzu- führen, f)abe id) mid) dazu entfd)Ioflen, zunäd)ft meine neuere Arbeit ausfd)ließlid) und einzig für Auf- füf)rungen in dem :J3üf)nenfeftfpieIf)aufe zu :ßayreutf) und zwar in der Weife zu beftimmen, daß

36 Fmn5 von woLzosen

fie \)\zx dem allgemeinen "Publikum dargeboten fei, wobei dann darauf gerechnet wird, daß; außerordentliche 6innal)men nid)t nur die Koßen diefer er|ljäf)rigen Auf- führungen vollkommen decken, fondern aud) die fDittel zur Fortfe^ung der Feßfpiele im darauffolgenden Dafjre verfd)affen werden, in welchem rvie überhaupt zu- künftig — nur in Bayreutf) der parfifal zur Dar- pellung gebracht tverden foll." Het^t, 1882, knüpfte er in feinem offenen Briefe an mid) das Weitere an: „3n welcher Weife die einzigen Aufführungen des parfifai in Bayreutf) den Hoffnungen dienen können, welche id) wohlwollenden Freunden erweckt F>abe und die nun von diefen forglid)|* feftgef)alten werden dürften (nämlid) die Hoffnungen auf die Begründung einer „8d)ule") wird fid) aus dem Charakter diefer Aufführungen und der Umftände, unter denen fie ftattfinden, leidet ergeben/* Und ferner: ,,üd) f)alte alljährliche Wiederholungen des parfifal für vorzüglid) geeignet, der jetzigen Künftler- generation als 8ci)ule für den von mir begründeten Stil zu dienen, und diefes vielleicht fd)on aus dem Grunde, iveil mit dem Studium desfelben ein nid)t bereits durd) übele Angewohnheiten verdorbener Boden betreten wird, ivie dies bei meinen älteren Werken der Fall ift, deren Auffüf)rungsmodus bereits den :6edürf» niffen unferer gemeinen Opernroutine unterworfen ward." 80 fef)en wir denn, wie parfifal allerdings zu einem Liebensquell für Bayreuth geworden ift, aber in einem ganz anderen Sinne als jenem materiellen, den unferc allzu materiell geßimmte Zeit damit zu verbinden pflegt fftan denkt fid) da die Sad)e fo, daß der parfifal nur deshalb Bayreuth vorbehalten bleiben folle, weil diefes o()ne \\)\\ materiell nid)t exilieren könne. 3Dabei i|* aber nod) gar die Auffaflimg maßgebend, daß Bayreuth überhaupt eine „€innaf)mequelle" fei, welche feine Ver- walter nid)t verlieren wollten. fDan traut alfo den- jenigen, welche ein ideales Werk und eine ideale Stätte mit felbßlofer Aufopferung if)rer Kräfte im ®ei|t if)res

o> i i 3 £>

<

3 ^

ffi

C*

H J

sj

w

- o

a

o

& $

9\

£

■g *

3

c/)

5 $

-er

W

,5 o

Jl

r«\

w £

«ayfleutR 37

8d)öpfers bisher erhalten f)<*ben und von denen man nichts anderes als diefe fiebere üatfac^e weig, of)ne weiteres die davon grundverfd)iedene öefinnung zu, dag fte. um felber vom parfifal zu „leben4*, if)n der „Weif* entzogen ivifTen wollen, Waf)rf)aftig, das f)ätten fie Ieid)ter f)aben können, als durd) einen viertelf)undert- jährigen Kampf des Idealismus gegen alle falfd)en ftnfd)auungen und ftnfprüd)e des Zeitgeiftes! Warum f)at man in :8ayreutl) dann nid)t mit Freuden zugegriffen, als wiederholt für den parfifal foldje Summen geboten wurden, die das Fepfpieltf)eater auf immer fid)er gepellt f)aben würden ? Oder warum \)at man nid)t lieber IängP fd)on von allen Uf)eatern für den parfifal fid) j)ol)e Tantiemen zahlen laffen, anpatt dag man, wie feit zwanzig üaf)ren, nod) zwölf Daf)re länger unbegreiflich für die Weltl „gar keinen öewinn daraus zielet**? 80 bätte man :6ayreutf) erhalten und obendrein „ein <3efd)äft gemacht**. Hur eben den parfifal f)ätte man ^ergeben mü(Ten; warum f)at man if)n nid)t her- gegeben? Hid)t weil ;8ayreutf) des parfifal bedarf, fondern der parfifal ;8ayreutf)s!

Wer diefen ©edanken vergebt, der weiß; damit aud), was der (bedanke von ;6ayreutl) ip. Denn aus diefem Gedanken heraus konnte einp Wagner dem Könige fagen, dag die dem parfifal zu gewährende ;6üf)ne einzig nur fein :Cüf)nenfePfpieIf)aus fein könne, fteugerlid) betrachtet, von dem <3efid)tspunkte der ftuffüf)rbarkeit aus, meint wof)I l)eut nod) mand) ein nachkomme derer, welche vor nod) nid)t fo ferner Zeit jedes neue Werk Wagners für „unauffüf)rbar** erklärten: der parfifal laflefid) dod) am €nde auf jedem „anPändigen" t?f)eater zur ftuffüf)rung bringen. €ine fold)e Aufführung werde dod) gewig immer mit einem ganz befonderen €rnpe vorbereitet werden und mit einer eigenen Feier- lichkeit von Ratten ge()en. Dagegen blieben freilief) für den, welcher einigermaßen allein von der Arbeit in #ayreutf) eine ft[)nung f)at, mindepens nod) fef)r

38 finns von woLzosen

Parke Zweifel übrig, ob die Sad)e überhaupt aud) nur mit der von Wagner geforderten „Korrektheit" durch- geführt und, wenn felbft dies einmal gelungen wäre, auf die Dauer derart erhalten bleiben könnte, ftn die Cf)eaterleitungen und die Künjtlerkräfte werden da viel zu viel andere ftnfprüd)e gebellt, um eine fold)e Konzentration auf ein Werk überhaupt zu ermöglichen ; und wenn man (lej)t, wie es an den beften :6üf)nen beute nod) den anderen Werken Wagners oft genug ergeben mu§ und wie es da vor allem gerade an der einfachen „Korrektheit" zu mangeln pflegt: fo kann man für dies fd)wierig(te, weil eigenartigjte und gegen Störungen der Stimmung empfindliche Werk dod) waf)r- Iid) keine großen Hoffnungen auf ein plötzliches fldb €mporfd)wingen zu :8ayreutf)er Leitungen f)egen follen.

Hun wäre aber mit der ernten künftlerifdjen Korrekt- heit der Aufführung nod) lange nid)t jenes eigentümliche Kunpwerk wirklid) und völlig ins Leben gerufen, ün :6avreut{) gilt es ja überhaupt gar nid)t einzelnen Auf- führungen, und felb|t wenn die jeweilige Vorßellung dort an wefentlid)en Zügen einmal etwas verminen liegte, fo f)ätte man doci) immer nod) das Wefentlid)e des Werkes in der Art feiner ©efamtauffaffung und demnad) <3efamterfd)einung erhalten. Dazu gehört vornehmlich jene ganz befondere Stimmung, welche fid) unmittelbar aus dem rßewußtfein erzeugt, in dem von Wagner fclbft für fein Werk gefdjaffenen Raufe, gewiffer- maßen gegenüber dem Lebenswerke des ffteifters felbft im Original - fid) zu befinden und zu diefem Zwecke allein aus der Ferne an diefe in der Welt einzige Stätte gekommen zu fein, wo man dann wirklid) aud) allein die ?K>öglid)keit F>at, frei von den vielen unkünftlerifd)en Umbänden des gewöhnlichen Lebens in einem ungegarten Frieden für geraume Zeit fid) dem €rleben einer wahr- haftigen Idealität ausfc^Iießlid) zu widmen. 3n unferen <3ro0ftädten, deren Theater dod) die einzigen wären,

«ay^eutR 30

fid) an den parfifal zu wagen, bedeutete aud) die be|te Aufführung immer nur eine fd)öne Abwechslung nad) der Arbeit des Tages und vor der fUif)e des 8d)lafes. 8ie wäre ein Moment im lieben, in einer if)r fremden Welt, aber fte pellte keine eigene Welt für fid) dar, worin der ?Denfd) fid) als in ein oberes und reineres Clement des X)afeins ganz eintauchen könnte. €s wäre fozufagen: ein parfifal of)ne <3ralsgebiet.

80 i^ es denn aud) fef)r zweifelhaft, ob das Publikum jener Orte überhaupt mit dem richtigen Verlangen und im rechten 8inne dem Werke gegenüber treten würde. Jedenfalls würde der parfifal, den das publikum dort zu fef)en bekäme, bei diefem von vornherein auf ein ganz anderes ?Daß von €indrucksfäf)igkeit treffen. Zu der edlen ttuf)e, welche den 8til diefes Werkes benimmt, \\e\)t die Unruhe der Zeit im denkbar krafleften ©egen* fa$. €s bedurfte fd)on der allerftärkften und feltenften Kunftmittel, um dem Werke und feinen fiörern innerhalb diefer Zeit die ?ftöglid)keit dennod) zu verfd)affen, zu einer fo!d)en ttuf)e einmal völlig einzukehren. Dazu mußte eben erft die ganz abfonderlid)e und einzige 8d)öpfung eines außerweltlid)en Kunftafyles ftattfinden, wie Äayreutl). Vieles, wenn nid)t das meifte, was in röayreutf), in jenem befonderen idealen l*af)men, über- zeugend, ftimmungsvoll, ergreifend und entrückend wirkt, weil es dem dort f)errfd)enden feierlichen Tone, den eigenen großen ?toaßen des Außerordentlichen und des Weihevollen entfprid)t, das würde inmitten einer Lebens« fpl)äre, die von if)ren :8ewof)nern tagaus tagein den 0efd)windfd)ritt der modernen Tätigkeit erfordert und wo fid) das ölte „deutfd)e Andante" längft in ein un- deutfd) l)a|tiges Allegro vivace verkehrt f)at, allein fd)on durd) den Tempo unterfd)ied fremdartig, abfpannend, geradezu „langweilig" und deshalb unerträglich wirken. Davon empfindet etwas wof)I |d)on jeder, der fid) törid)terweife etwa direkt mit dem Cilzuge aus durd)- bebten Arbeitswochen zum Fe|tfpielf)aufe daf)in reißen

40 nane von wotzosen

läßt: er muß fid) feine €rgriffenf)eit erfl: müf)fam er- kämpfen aus dem Eindruck übermäßiger breite der Vor- führung heraus. Um parfifal dem Opernpublikum auf die Dauer erträglid) zu machen, müßte er alfo vor allem fein Cempo wed)feln, und damit wäre aus dem Grals- ritter fd)on ein 8d)neIIIäufer geworden. ftber aud) im beflen Falle würde er dem großen publikum gegenüber nur eben als „fiovität" fid) geben und rein als fold)e „intereflant** erfd)einen; diefe aber würde an foldjer ötelle und unter diefen Umbänden fid) bald genug als leidlid) „effektlos4* erweisen, und das €nde iväre, daß das Werk wof)l eine Zeitlang an den Opernbüljnen ab- gefpielt nad) König Ludwigs Wort „entweiht" worden wäre, um dann zulegt dod) wieder an fein eigent- liches ftfvl wie zu feiner Reinigung zurückzukehren.

Der erfte, befonders fd)mäf)Iid)e Verfud), unter völliger Hid)tad)tung des legten Willens eines deutfdjen ffceifters, obendrein mit fiilfe von :6avreutl)er Künftlern, die man gut honorieren konnte, das Weif)efefl:fpiel von ;6avreutf) auf amerikanifd)em Boden zu einem öaifonzugftüdk für 40 Dollar-Zahler und Kaffenßück für einen fid)erlid) be- fonders fpekulativ veranlagten Direktor zu verwerten, gibt allen Vorausfagen über Charakter und Wirkung von &ußer-:6ayreutf)er Aufführungen des Werkes voll- kommen red)t €s war viel getan worden, die 6ad)e anders natürlid) beffer als in Bayreutf) zu machen, wenn man aud) diefelben Kräfte dazu gebrauchte; aber man konnte weder die amerikanifd)en Sitten umwandeln, nod) den amerikanifd)en <3efd)mack täufd)en. Dazu f)atte das amerikanifd)e publikum dem deutfdjen Werke gegen- über die unbepreitbare Berechtigung. €s durfte es „intereffanf* finden, daß der parfifal gegeben ward, und „ennuyant", iF>n anhören zu mü(Ten. Diefe €f)rlid)- keit, welche felbß aus der amerikanifd)en prejfe, allem öoldzauber zum Cro$, deutlid) genug fid) verlauten ließ, war viel mef)r wert als alles künftlerifd)e Vorgeben, der „Weif* und nod) dazu der „neuen** das in

Z* 8 &£*'*&*>.

c^ 6«y cu\~

o^^^CL^. -t>L Aw^ x Jod* . V?

Zs^jl** fts^Cv^t fX^1

*<^?

£m *&Aer unveröffentlichter Brief Richard Wagners

an den verstorbenen Hofkapellmeister Gustav Schmidt in Darmstadt

Mit Genehmigung und im Besitze von Frsu Gattav Schmidt

.s-Ä <L~ n

(sb?<u^4

Q~^//*^/ ^Va^^J/ ^-4S~*~^s£<+ ly^-C

H^1^^ *~*^/<^~^l J>S-^^AJ^t

S*~S<k <-v, ^~)^-/_ Jr^* Jr^ ~^~J -^"vnutVe/

dipt U. *><U>L~ ad^L^ sBü-tfa j^__/

&.

<& nf,-^'

^L «,^t^ S^f* /^Jju^ -^

.v^

c^~\^y c jl^<^« /«^^ t--t^i /

^^-^V/^-t^t-v^t^u^ I

«3^

cxX*- *^~_t -TZ^o^S a_^S JU^& ^JLQ

0 u Oi~<<J<£/sUsj^

'i^L&w™. <*~fsrf^-~tf~' / ■»*-«-- *»-£*, -ÄS.«

-T^ß^ ^^v> <TL^syft 4<jL<4iyL -tzjj&i

*v^

0>.

CUM \.^S ^ - ' -' -

-&^u^u*.

^Oc^S» OL^-zt-**»1 S~hj>^/t% »-t . >**-*-** JU*-V\

^ %5*&jZZ?i>

,^<i

1

ßayfieutR 41

:8ayreutb gefangene Werk Wagners in Freiheit vorzu- führen. Wäre felbp ein Vexierbild gelungen, nie kann es in der Spbäre des Broadway feinen Frieden und :8eftand fyaben, über den fftoment hinaus als ideale Kunp lebendig wirken, als Lebenselement die religiöfe Weibe ausflxömen, die mit dem Willen feiners ffteifters fo feft und beilig verbunden ip, rvie mit dem Werke diefes Willens: :6ayreutb- Wozu :0ayreutb Dabrzebnte brauchte und woran es fort und fort arbeitet, das bringt felbft fiew-york nid)t in einigen Wochen fertig.

ftuf diefen ganzen prozeft der Verweltlid)ung des parfifal lägt fid) red)t wobl der ftusfprud) des be- kannten Heidelberger Ul)eologen Hausrat!) über die plane der öcbloßrenovierung anwenden: „Um zu er- balten, zerftören fie, und fie erhalten, was mit dem, was die Welt entzückte, nur nod) geringe ftel)nlid)keit bat. Um zu fd)affen, was an vielen Orten vorfanden ift, opfert \\)r l)in, was von allen fDen|d)en ibr allein beflißt!" 80 kann, fo wird 13ayreutb niemals tun. Denn f)ier fpricbt nid)t nur der Ubeologe für ein bWorifcbes Denk- mal, fondern der Künftler für ein religiöfes Werk.

VII. 3Der ©eifl: des Äüfjneniveifjfepfpieles,

Der religiöfe Cbarakter des Werkes, der es zum Weibfepfpiel beftimmte, ifl: fcbliefclid) dasjenige Moment, welches aud) für foId)e feine öonderftellung begreiflid) macbcn kann, die weder von der ;6ayreutber Arbeit eine rechte Vorpeilung, nod) aud) für den öefamt- begriff der #ayreutber Kunp, für diefe ftimmungsvolle 8til-6inbcit von Kunßwerk, Kunßftätte und künftlerifd)em Publikum, volles Verftändnis baben. Wer das Religiöfe überbaupt nid)t liebt und nid)t wünfd)t, dag ibm irgend- wober, aud) aus künßlerifd)en eindrucken, neue Kräfte

ttidjard 8trau&: JDie ffcufik V. X>

42 finns von wonzosen

zuwad) fen, der fagt wof)l leid)t()in: „Aud) der parfifal ift: nur ein Kunßwerk, l'art pour l'art, und nur fein Stoff ip zufälliger Weife der d)rifl:Iid)en Legende entnommen, tvie der des Thinges dem f)eidnifd)en 7ftyt\)o&." €s Rändelt fid) aber ^\er nid)t um den Stoff, fondern um den <3eip; und das ifl: derfelbe <3ei|t, der zur Zeit der Vollendung des parfifal and) in den Auffä^en Wagners „Religion und KunjV* und „fieldentum und Cf)ri|tentum** ftd) zum Ausdruck gebracht \)at Dies ift gar nid)t von einander zu trennen; es find die unzweifelbar wahr- haftigen €manationen derfelben ^Individualität, der- felben Weltanfd)auung. €ine andere Weltanfd)auung f)ätte fid) zu if)rem künftlerifd)en ausdrucke freiließ aud) fd)on einen anderen Stoff gewählt Wo das C(>ri|tlid)e nur ein Kleid ift, da befindet fid) aud) nichts darunter, was fid) ausdrücken, fondern nur eben etwas, was fid) verkleiden ivill; und das find niemals Welt- anfd)auungen oder künftlerifd)e perfönlid)keiten. Wer aud) nur die Sd)Iu§klänge des parfifal vernimmt, wie fie die fiörer von ;8ayreutf) wieder in die Welt ent- laden, aus verfd)webenden Spf)ärenklängen der fiarfen Park und fefl wieder zufammengefaßte pofaunentöne des religiöfen fiauptmotives, der muß es mit fieinrid) von Stein tief und deutlid) füllen, daß; l)ier ein Glaubensbekenntnis abgelegt wird. XDurd) das ganze Werk gef)t die ^eilige <3ejtalt des fieilandes, unfid)tbar, aber geheimnisvoll wirkfam l)indurd). Sd)on im Vor- fpiel l)ören wir feine Stimme, feinen Segen und feine Klage; und wieder vernehmen wir fie in feinen Worten von der €infe^ung des Abendmahles, wie fie im <3rals- tempel als Wei^efprud), gewiflermaßen als beilige „Zitate**, mit der zarteren Feierlichkeit wiederholt werden. (Ja, wir fef)en den Ausfluß feines Wefens, das „f)eilige ;81ut** in der <3ralsfd)ale, vor unferen Augen erglühen, wie wir fpäter den Speer felber fef)en, der „dem <3öttlid)en am Kreuze die Wunde ftad)", X)er leidende fieiland zieljt an uns vorüber in den ßillen

«ay^eucR 43

Trauerklängen feiner Kreuztragung, deren Kundry fierodias gedenkt, die fie und nrir mit i()r in der pt)antafie erfd)aut, als fie uns das Furchtbare verrät: ,,3d) fal) 3f)n Df>n und lachte 1" Und aud) in dem Kreuzzeid)en, womit parfifal die Zauberprad)t Klingsors vernichtet, fd)eint fid) die <3efl:alt des Crlöfers als des l*id)ters vor unferem ©eifte fiegreid) f)od) aufzurichten. Wenn dann am 8d)luffe des Werkes die weiße Taube fegnend l)erabfd)webt auf den aus Sünderi)and be- freiten <3ra\ rver empfände da nid)t red)t in innerfter 8eele die Bedeutung der <3nadenmad)t jenes Reilands- geiftes, der die ganze Handlung durd) Leiden, Kämpfen und fioffen weihevoll durd)wel)t l)atte?! (Ja, er ift überall für das empfinden gegenwärtig, rvo nur ein Wort fällt, welches der religiöfen 8pf)äre angehört, und eben darum wirkt ein foldjes Wort aud) ftets feierlid) ergreifend, geradezu religiös (timmend. So, ivenn 6urnemanz von der <3ralsfd)ale fprid)t: „daraus er trank beim legten Ijiebesmal)le", wenn die Jünglinge im Tempel fingen, wie: „den fündigen Welten in taufend 8d)tnerzen einfl: fein 131ut geflogen", rvenn ftmfortas verzweiflungsvoll feine Wunde vergleicht mit der des Crlöfers: „aus der mit blutigen Tränen der <3öttlid)e weint, ob der ?ßenfd)l)eit Sd)mad)", wenn parfifal die Klage des Reilands vernimmt: „6rlöfe, rette mid) aus fd)uldbefleckten Randen 1*', ivenn endlid) der „aller- beiligpe CI)arfreitag" über dem tragifd>en (Gebiete der Randlung aufgebt, und 0urnemanz in feiner Deutung des „Cf)arfreitagzaubers" das Wunder von „<3ottes diebesopfer" verkündet, durd) welches „aud) die ent- fündigte Hatur beut il)ren Unfd)uldstag erwirbt" bis wiederum zu jenem legten feierlid) geheimnisvollen: „6r- löfung dem erlöferi" 8ind das woj)I Worte, find das aud) nur ©edanken und Vorftellungen, welche im „Theater* denkbar wären? fiier ifl: alles fo zart, dag es nur in einem ;6avreutf)er Kunfterlebniffe nid)t als profanierend empfunden wird, und zugleid) fo zart,

44 fiwns von woLzosen

daß es an jedem Operntf)cater nur als profanierend empfunden werden kann.

Der :6efud) einer Vorftellung des parfifal in 13ayreut() bedeutet ein eingeben in die ftuf)e aus der Unruhe des Lebens. 8crjon darin mag man ein fDoment ferjen, weldjes einer religiöfcn Wirkung verwandt ift, aber aud) ein wcfentlicrjes Kennzeichen der 8p[)äre des idealen Kunftiverks fclbcr. Was draußen, aud) in den Werken der Kunft, den Dervöfen, den Leidenfcrjaft- lid)en wiederum leidenfd;aftlid), nervös erferjeint, das erferjeint rjier den 13erur;igten und Freien als gebunden in der Form des 8d)öncn, als befreit in die 8pj)äre des €rr;abencn.

Keineswegs ift aber damit der „parfifal" für ein Werk erklärt, das etwa aus einer „peffimiftiferjen" <3rund- (Kimmung heraus zur quictißifd;cnpa(Tivität führen rvolle! - peffimismus in diefem fe()r landläufigen 8inne ivcder der öeift des parfifal, nod; überhaupt der 13ay reutber Kunft. Wenn aud) Wagner früher einmal gefagt bat, in einem Werke der cdelftcn Kunft werde „die Hid)tigkeit der Welt ivic unter Läcfjeln zugeßanden", fo beifrt dod) die Hid)tigkcit in der Welt erkennen nid)t foviel als in der Welt nur nichtiges erkennen. Vielmehr: die Kunft fclbft, indem fle über die Welt aufklärt, bildet in irjr eine jener großen idealen potenzen, durd) welche der ffrenfd) allein fid) in der Welt moralifd) zu behaupten vermag; flc zeigt irjm die parken und unvergänglichen fittlid)cn Kräfte des fDenfcrjenwefens, rveld)e über alle Hid)tigkcit der Welt fiegreid) fierr zu werden berufen find. 80 wenig ift paffivität die Lef)re der (3rals- tempels, daß; gerade fie ja das fd)were Leiden ift, welches die <3raisritterfd)aft fo tief niederdrückt, und worüber öurnemanz klagt: „Hie kommt uns 13otfd)aft mef)r nodf) ftuf zu ^eil'gen Kämpfen aus der Ferne.** Die ganze Handlung des parfifal dringt auf die €rmöglid)ung reiner, idealer Heldentaten. Der f^Möe Gral felb^ fegnet mit feinem göttlichen <3Ianze das 13rot und den

ä n y tf e u|tr r 45

Wein, dag fie im Leib und 13Iut der fttenfdjen fid) ver- handeln zu neuen Kräften, „um zu kämpfen mit feiigem fDute" und „zu wirken des fieilands Werke". 5o ftrömen aud) von einem Werke tvie parfifal, in deffen reinem €rlebnifle als Kunftwerk, wiederum ideale Kräfte Tat- kräfte — in viele, unzählige empfängnisfäf)ige Seelen. Aus diefen und durd) fie nun können und follen fie weiter wirken in einer Weife und mit einer Kraft, wie fie die reale Welt des träges fonft nid)t kennt nod) von fid) aus übt Aber nid)t etwa nur auf der Linie der Kunft und nid)t nur durd) neue Kunfterlebniffe allein foll diefe Fortwirkung fid) vollziehen, fondern vielmehr nad) allen möglichen Weitungen f)in, wo immer jene Seelen, die befähigt waren, am reinen Quell zu fd)öpfen, nun überall inmitten der Welt als gleid)gefinnte geizige perfönlid)keiten in if)ren vermiedenen Lebenskreifen wirkfam zu werden vermögen: Alle aber in dem Sinne jener Aktivität der Gr aisritt er fd)aft, welche durchaus eine Aktivität ift der fierzensreinf)eit, der Wahrhaftigkeit und der (Gläubigkeit, und die als eine fold)e, gleid) jeder edelen Lebenskraft, nur beitragen kann zur €rf)ebung der n>enfd)l)eit zu ij)rer wahren Würde und Beftimmung. So bildet Kunft Kultur.

Soll aber die Stärkung eines tatkräftigen tfdealismus aud) wiederum der Kunft zugute kommen, fo wird dies nid)t allein in einer Rebung einzelner Kunftzuftände, einer Veränderung einzelner Kunftgewof)nf)eiten beftef)en dürfen: es wird fid) vor allem zurüchbezief)en muffen auf „den Quell, aus dem fie flog*', auf Bayreutf). 3ft der parfifal das Werk und Bekenntnis eines (Glaubens, fo wird die durd) ein Crlebnis, wie das des 13üj)nen- weif)feftfpieles, geparkte Glaubens fäf)igkeit aud) darin fid) zu bekunden l)aben, dag der Glaube an dieDdealitäten des Lebens aud) als Glaube an Bayreuth fid) mef)r denn fonft betätigt. X)ie deutfdje Kunft, welche dort if)re Stätte gefunden, das feftlidje Kunftwerk des Idealismus, bedarf diefes Glaubens wo|)I allermeift inmitten unferer

46 Rnns von wonzosen

Zeit, welche in fo f)of)em Grade gläubig zwar gegenüber dem Idealen und Materiellen, dem üed)nifd)en und Wiflenfd)aftlid)en, ungläubig aber ip gegenüber dem Ddealen. Wagner felbfl:, vom Glauben an den deutfd)en Geift befeelt, \>at den Glauben feiner ?lMtmenfd)en, HMt« deutfd)en fo viel und fo oft vergeblid) angerufen: „Was id) anflrebte,** fagte er, „iß an fid) eine wirkliche ffcöglid)» keit; davon, dag alle die, welche über die Kräfte zu if)rer Verwirklichung verfügen, den Glauben an fie gewinnen, I)ängt if)re Erreichung ab**; und er wugte dabei wof)I, daß; er immer tvieder nur auf den zu Willen erßarkten Glauben der einzelnen könne zu l)offen f)äben, rve\d)e wirklid) „HMtwiffer" feines Werkes geworden waren. „Die von mir gemeinte künfl:Ierifd)e €rfd)einung ift nur durd) die Kraft eines gemeinfamen Willens zu vermitteln, und diefen Willen in einzelnen wohlwollenden HMnnern und denkenden Köpfen angeregt zu b^ben, kann für jefct mein einziger 6rfolg fein, fßöge id) foweit wenigftens HMtwifler und "Teilhaber meiner ftbfid)t gewonnen f)aben, und möge diefen der €ifer ent|tef)en, neue HMtwiffer und Ceilf)aber zu gewinnen/*

jDiefes Wort und diefer Wunfd) find nod) beute in gleicher Geltung, und nod) beute richten fle fid) an alle, die überhaupt von 13ayreutf) etwas wi(fen wollen und um denparfifal fid) bekümmern. X)as Werk von 13ayreutl) ift nod) nid)t vollendet, e\)e nid)t der Gedanke von :6ayreutf) völlig begriffen und durchgeführt ift.

JDazu aber gehört einerfeits ein Wirken des V e r fl: ä n d « niffes, welches eingefet)en l)at, dag die großen 6r- fd)einungen in diefer Welt wof)l gar fef)r Iangfam eine zur anderen fid) addieren, nid)t aber fo gefd)winde und nad) belieben fid) multiplizieren laflen, dag alfo aud) #ayreutl) feiner Eigenart getreu als einziges, wirklid) außerhalb der allgemeinen Cl)eater»Welt gepelltes &fyl der Ddealkunft zu erhalten ift ; andererfeits ein Wirken der Empfindung, welche wünfd)en mug, dag zu diefem fid)felbp erhaltenen 13ayreutf) nun aud)möglid)fl: alle dafür

«ay«eutR 47

empfänglichen Seelen hingelangen, zu welchem Zwecke eine groß ausgeführte Förderung der Bayreutf)er Stipendienpiftung als das gegebene HMttel fid) dar- bietet Dies find Betätigungen einer verwandten, ja, der gleichen ©efinnung, wie (le Bayreuth felbp fd)uf, den parfifal dichtete und nun beides erhält; und (le berufen im ©runde auf Ueberwindung des Egois- mus. Damit ip für die ftuffaflung und Stellung der Kunp überhaupt jener Boden der fDorali tat gewonnen, der nad) Wagner der ©rund jeder wahrhaftigen KunP- blüte fein muß, jene innerliche Kraft, die if)tn als die in Sonderheit deutfd)e Kraft gegolten, wovon er am ©rundpeine feines FePfpielf)aufes vor mef)r als dreißig (Jahren (22. fftai 1872) die Worte gefprod)en f)at: „Dies ip das Wefen des deutfd)en ©eipes, daß er von innen baut" „80 will id) diefen Stein als den Zauberpein bezeichnen, deffen Kraft die verfd)loflenen ©ewiffen jenes ©eipes löfen foll. Sd)on je^t ip er park und fep gefügt, um dereinp den pölzen Bau zu tragen, fobald es das deutfd)e Volk verlangt, zu eigener 61>re mit 3I)nen in feinen Befi£ einzutreten**

Wann wird das deutfd)e Volk dies verlangen ? Hid)t ef)er, als bis es die ganze Bedeutung diefes Befi^es erkannt bat €s ip nid)t ein totes <3ut, das man nur zu f)aben verlangt, fondern ein lebendiges Wefen, das man felber bis zur Vollendung fid) ausleben laflen will. 6s ip der ©edanke von Bayreuth, welcher eine Lebens- gefährte \)<xt, deren Ziel nod) f)eute und wol)l auf Iangef)in ein „Kunpwerk der Zukunft ip".

3

"2.

CT &

C

c

Aufnahme <von E. Bieber, Berlin

SIEGFRIED WAGNER

«ny^eucR 49

Zweiter ftbfd)nitt:

X)ie ©efd)id)te von ;0ayreutf)*

U einer vollftändigen <3efd)id)te von :0ay- reutf) rvürde als ein tvefentlid)er Teil feine Vorgefd)id)te gehören, rveld)e in Ttfd)ard Wagners Leben bis auf den Anfang der fünfziger #af)re des vorigen (Jahrhunderts zurück- reicht öofern als diefe Vorgefcf)id)te zugleid) <3efd)id)te des Gedankens von 13ayreutf) ift, f)at der erfte ftbfd)nitt diefer 5d)rift darauf fd)on ftückfid)t genommen; im übrigen aber j)at gerade die neuere Xeit allen denen, iveldje fid) darüber gut unterrichten ivollen, ein :0ud) gebracht, deflen Studium fie garnid)t umgeben dürfen: <3lafenapps dritten I3and vom „Leben Ytfd)ard Wagners**, rvorin die n?id)tige Periode von H>ünd)en bis zu der ©rundßein« legung in ;0ayreutf) mit der größten f)ifl:orifd)en öenauig» keit abgehandelt und aud) fd)on die befl:e inhaltsreiche und belehrende Veröffentlichung, die Briefe Wagners an Friedrid) Feuftel (13ayreutt)er Blatter, 1903), verwertet tvorden i|t 6s rvar die keidensgefd)id)te des Hdealis- mus, der fid) alsdann, feit ;8ayreutf) rvirklid) befl:ef)t, die unaufhörliche ttotgefd)id)te der Idealität fo!d)er idealen X)inge angefd)loflen f)at 3Die Leidensgefd)id)te zeugte für die öröße und Waf)rf)eit des (Gedankens, der mit einer Welt von Fremdheit, Widerfprud) und

50 Ran8 von wotzosen

Feindfd)aft zu kämpfen f)atte; das Zeugnis würde aber nid)t genügt f)aben, wenn es dem rvillensmädjtigenffteifter nid)t gelungen wäre, den bedanken endlid) aud) in tat und Werk umzufe^en. Hun zeugt das Werk, zeugt das wirkliche und fortwirkende Bayreutf) für if)n, und kann es felbft aud) nur begriffen werden aus jenem (bedanken, fo ermöglicht es dod) feinerfeits erft ein volles Verftändnis für jenen durd) feine fid)tbaren und hörbaren künftle» rifd)en Taten, X)afy diefe nid)t weniger als der (bedanke mit beiden und Höten fort und fort zu kämpfen Ratten und l)aben, ja, dag fie alle nod) nid)t hingereicht l)aben, um das ganze Werk von Bayreutf) zur Vollendung zu bringen, dag vielmehr nod) fef)r Wefentlid)es zu tun bleibt, um Wagners (bedanken durchaus zu verwirk- lichen: das beweift wiederum nur, dag aud) die Realität, die fo bedeutend und glänzend unter uns lebt und wirkt, il)rer idealen ftrt, i^rem geizigen Urfprung, if)rem fDeiper felber treu geblieben ift und als eine Betätigung des reinften Ddealismus das IJeidensfd)ickfal und die Hotbeftimmung alles <3rogen, 6dlen und Wahrhaftigen auf £rden keineswegs eingebüßt f)at ?^ls Zeugnis alfo, nid)t allein für die Waf)rf)eit des (Gedankens von Bayreuth, fondern aud) für die €d)tf)eit feiner ftus» füf)rung und X)urd)füf)rung, möge l)ier die @efd)id)te der 13ayreutf)er Feftfpiele feit 1876 unfere bisher mitfammen angepellten Betrachtungen ergänzen und betätigen,

I.

X)ie Feßfpiele unter Wagner.

X)ie Bayreutf)er Feftfpiele der erßen, abgefd)Io|fen hinter uns liegenden Periode laffen fid) in fünf ©nippen teilen, deren erfte keine ©ruppe iß, fondern der einfame 'Ring von 76; darauf folgen vier £)reif)eiten: die drei erften parflfal 82, 83, 84 , dann, (tets mit il)m ver-

«ay^eucR 51

bunden, zuerfl: die fpäteren Werke: ^riftan 86 und fDeißerfinger 88, 80, f)ißt-auf die früheren: üann^äufer 01, 02 und fcofjengrin 04, endlid) dreimal der erneute Tttng 06, 07, 00, zulegt tvieder verbunden mit den fDeifter- fingern, wie zum erften Ausdruck der Freude über die damit vollbrachte Arbeit erßmaliger Fixierung diefer Werke in I3ayreutf). €ine zweite periode, dem ge- fiederten ;0e fitz der 13ayreutf)er Kunfl: gewidmet, mußte nun die vollßändige tteif)e fämtlid)er Werke mit dem nod) fehlenden Vorfpiel, dem Fliegenden Holländer, beginnen, dem z\mäd)ft der ,/Cannf)äufer" in diefem (Jal)re folgt

blicken rvir je^t auf jene ganze er(le periode zurück, auf die 25 (Jal)re Bayreuth) feit 76, fo dürfen diejenigen, welche fid) an der großen fteif)e kün|tlerifd)er Crlebnifle mit lRed)t erfreut f)aben, nid)t etrva meinen, man wolle diefe Freuden oder auej) das fted)t dazu if)nen ver- kleinern, indem, wer von 13ayreutf) felber f)er alle flöte der Arbeit kennt, zunäd)ft und befonders daran denkt, welche unaufhörlichen öorgen und fftüfjen an die t)ar- bietung fold)er <3enüffe geheftet waren. Dm <3egenteill Wollte man in ;6ayreutf) einer rechten Freude Ausdruck geben, fo wäre es gerade darüber, daß fid) feine id) darf wof)l fagen Heiden umgefet^t f)aben in die Freuden der anderen, all derer, die if)tn Freunde waren und Freunde wurden. Aber es kann nid)t fdjaden, wenn aud) die Freude das 13ewußtfein davon behält, daß fie aus 8d)tnerzen geboren iß, wie alles öroße und 8d)öne diefer Welt t)as Heiden bedeutet dod) einmal die göttliche Berufung des ?ftenfd)en zu feinen l)öd)ften Zwecken und Zielen.

Wie Wagner fclbft f)at leiden, forgen und fid) müf)en muffen, oft faß verzweifeln wollte, dod) nie verzweifelt ip in den bangen Zeiten der Vorbereitungen zu den erßen Feftfpielen, das ifl: ja nun woj)l durd) mancherlei Veröffentlichungen, insbefondere durd) die oben genannten Briefe an Friedrich Feuftel be-

52 R&ns von wonzosen

kannt geworden. fftan weiß, dag die Fepfpiele von 76 nur erp mit knapper Hot überhaupt zupande ge- kommen waren, dag im Ted)nifd)en, 8zenifd)en, Deko- rativen nod) manches daran fehlte, was dann die Kritik für Stilfehler des ffoeifters naf)tn das fogar die äpf)etifd) fo bedeutfame Verfinperung des Zufdjauer- raumes nid)t einmal gefef)en werden konnte, weil die €rleud)tung fclbfl: nod) nid)t fertig ivar, die da I)ätte verfinpert werden follen. Was aber fonp nod) damals beim Werke innerlid), rein künplerifd), alfo am 8til gefehlt, das l)at völlig nur der fßeißer felbp gewußt und mit l)erbem Wef) empfunden. Wie follte er die nod) unbelebten Künpler fo plö^lid) dem „durd) üble Angewohnheiten verdorbenen ;8oden" der Oper ent- ziehen und als lebendige Teile mitten in fein neues ideales Kunpwerk verfemen? T\ad) vielen H>üf)en um if)re Umfd)ulung wenn aud) nur kaum erp ein 8imile, ein Schein feiner Intentionen erreicht war - , wie oft f)at er dann an der Grenze der betreffenden Talente fialt mad)en und entfagend fid) zurufen mü(Ten: „kaffen wir's gef)en!" niemals aber of)ne dem ehrlichen €ifer des von if)tn dod) zum äußerpen ^ingeriflenen Künpiers in rührender Weife feine Achtung und feinen Dank ausgedrückt zu I)aben. Dann mochten diefe getrop meinen, dod) eigentlid) des ffoeipers Wunfd) und Willen erfüllt zu f)aben; und fo konnte mancher nod) <]af)r- zehnte fpäter gutgläubig als Autorität der Tradition gelten, obwohl er dann bisweilen, in Zweifelfällen be- fragt, nad) foviel anderen Theatererfahrungen und (Ge- wöhnungen nid)t mef)r reci)t wußte, ob er felber bei den „unvergeßlichen FePfpielen" rechts oder links auf der ;0üf)ne gefeffen oder gepanden f)atte.

nun ip es aber mit der „Tradition" überhaupt eine eigene 6ad>e. Wo es gilt, lebendige Kunp zu fd)affen und eine foId)e fd)öpferifd)e Aufgabe ip jedes Fep- fpiel in 13avreutf) , da genügt nid)t die leblofe Wieder- holung erparrter fDomente zufälliger Crinnerung. Die

Aufnahme von W. Höffert, Berlin

KAPELLMEISTER HANS RICHTER

«nyfleutR 53

„Uradition** darf nid)t in den Fehler verfallen, gegen den die ganze Kunftart Wagners ankämpfte: fie darf nid)t eine Wienerin des Formalismus werden, Gerade das, ivas :0ayreutl) auszeichnet, und rvas der ?fteifter einfl: als ,,unnad)af)mlid)** für alle Welt bezeichnen konnte, ift dod) die geiftige Kraft, die fiel) darin zu ftets neu lebendigem Ausdruck bringt ftus dem (Seifte der ;6ayreutf)er Kunft, rvie irjr fDeifter if>n feinem großen Werke eingehaucht und darin geftaltet f>at, ift jede Wiedergabe feiner 8d)öpfungen dort einzig zu erreichen. Wer diefen <3eift nid)t von il)m gelernt f)at und in ficf> bervahrt, dem Reifen alle Traditionen, alle Crinnerungs- bilder an gervefene €inzelf)eiten nid)t; er rvird niemals ein :8ayreutf)er Feftfpiel oder etrvas dem ftef)nlid)es zu- ftande bringen. ftm ©eifte ift die €rfd>einung zu meffen; ivas if)m nid)t entfprid)t, aud) rvas ii)tn bei den erften großen Verfugen feiner ©eftaltung durd) den ffteifter felbft nod) nid)t entfpredjen konnte, muß dem lebendigen Wirken rveid)en, das fortdauernd fid) bemüht, die ©e- ftaltung zu vollenden. Hid)t die formale €rfd)einung allein f)ätte die bedeutfame Wirkung der erften Feft- fpiele ausüben können; an if)r vielmehr blieb all das törichte Drren haften, das fid) damals Kritik nannte. X)as, rvas den großen Eindruck hervorrief, der red)t eigentlich die „uradition** von 1876 blieb, indem if)n die 13efud)er jener Vorftellungen mit in irjr Hieben nahmen und alle fpdteren eindrücke daran maßen, das rvar eben die völlig neu rvirkende Kraft des :0ayreutl)er (Seines, den man den freigervordenen ©eift Wagners und feiner Kunft nennen darf. 6s ift über allen Zrveifel ergaben, daß der €in druck von 1876 auf die damals irjn Miterlebenden ein ganz unvergleichlicher, niemals zu wiederholender, ein €rlebnisvon f)öd)fter ftrt gervefen ift. Wir erlebten darin zum erften fftale das ©Iück, die Kunft des mufikaliferjen Dramas aus der Rand if)res ffceifters felbft zu erhalten, orjne fremde Vermittlung und Uebertragung in irjm feind- liche 6pf)ären, die tf)eatralifd)e ©eftaltung des Dramas

54 Rans von wonzosen

felbfl als das eigenfte Werk des fd)affenden Künßlers, de(Ten öeift, deflen Wille, deffen Atem alles befeelte, ivie er es alles einzig ermöglicht f)atte. €ine Wunderwelt, nod) nie gefd)aut, nod) nie gehört, entbanden vor 25 $af)ren, vollendet aber erft in diefem unvergeßlich einzigen Augenblick if)res vollen Lebens.

fßan denke dod) nur: zum allererften fDale auf der Welt f)örten wir den Klang des unfid)tbaren Ord)eßersl Zum erften fDal faf)en rvir die ftyeintöd)ter jauchzend durd) die grünen Fluten fd)wimmen, und rvir Ratten uns fet>r gewundert, rvenn jemand uns gefagt l)ätte, die lebensgefährlichen fd)weren Karren feien nod) lange nid)t das Ddeal der üed)nik für diefe unvergleid)Iid) pf)anta|ttfd) wirkende Szene. Wir erfuhren zum erften fßal den vollen tragifdjen <3ef)alt der dufteren und leidenfd)aftlid)en Stimmung des erften Walkürenaktes, und zum erften fDal erfd)ien auf der :6ül)ne die rvetter- rvild ftürmifd)e Szene der Walküren, verbunden mit jener unerhörten Klangwirkung der Stimmen erfter Sängerinnen, denen der ffteifter eingefd)ärft, eine jede von if)nen muffe fid) als eine Fi eidin füllen. Und zum erften fDal tat fid) der Waldzauber des Siegfried auf faf) man den jungen fielden das Feuer durd)- fd)reiten, auf die fonnenreine, fülle F>öl)e des Felfens emportauchjen, und zum erften fDal errvad)te ;8rünn- f)ilde unter feinem Kuß zum prahlenden Sang der Welt- begrüßung. Zum erften fDale trat die alles überwältigende Tragödie der Götterdämmerung auf eine irdifci)e ;6üf)ne, und es wurden Dinge erlebt, wie das näd)tige Flüfter- gefpräd) zwifd)en Alberid) und Ragen (von Wagner felbft als der kaum begreifliche fiöf)epunkt der neuen Leitungen bezeichnet) und jene gewiß im lyrifdjen Drama nod) unerhörte Szene des Speereides: wie lauter Offenbarungen einer vordem ungekannten tragifd)en Kunft. Und nad) dem allen endlid) nod) Siegfrieds Cod, ;ßrünnf)ildens le^te Worte; der Untergang Walhalls! Dies alles Ratten wir damals zum erften

«nyfl£UCR 55

fDale erlebt, und tvir follten nid)t fagen: das Crlebnis kann nid)t wiederkehren, es kann nid)t übertroffen werden?!

t)as Erlebnis nid)t aber die Kunfl:! t)enn dies alles war dod) für Wagner wie eine 8d)öpfung aus dem Hidjts gewefen. ^a, und es tväre nod) befler gervefen, wenn er wirklid) aus dem Hic^ts f)ätte fdjaffen können. 80 aber mußte er wof)l oder übel dod) tvieder ein Etwas dazu benu^en, wie es eben zur Zeit an den Operntfjeatern, die kaum fdjon etwas von den ffteifter- fingern ahnten, fid) einzig if)tn darbot €rfd)ien das Ergebnis trotzdem fo fef)r als ettvas fteues, Die-0e- fef)enes, als etwas, was nad) der fDeinung der Kritik nie f)ättc fein follen und nie wieder fein dürfe: daraus erkennt man dod), was der entyufiasmierende Impetus des künftlerifd)en Genies im großen und ganzen bereits zu erreichen vermocht f)atte. Eine neue Welt (land da, unvollkommen gewiß in vielem, aber in den Grundzügen fd)on deutlid), eine Welt, die garnid)ts mit der Oper zu tun f>atte, die durchaus in Allem und (Jedem nur den Ausdruck des t)ramas zu gewinnen erftrebte, die fd)on ganz und einzig in diefer 8pf)äre des dramatifd)en Ausdrucks lebte, iF>re erften großen Atemzüge tat Aber rviederum keineswegs die Welt des Wortdramas, fondern die Welt der ?K>u|ik, deren tieffte ivortlofe Gef)eimni(Te im Drama fid) entäußern zum klaren, plaftifd) formenden tiid)te des Stiles.

Was an diefem Stil fd)on beim erften Verfud) fo neu erfd)ien, war wof)I befonders die große edele ttuf)e des Bühnenbildes, welche fclbft nod) den bewegteren Momenten, bis zur größten Allgemeinbewegung, als klare Gliederung in Stellungen und Gruppen maß- gebend inne wof)nte. €s i(t dies die künftlerifd) über- legene ttuf)e der bewußten dramatifd)en 13edeutfamkeit des Momentes. JDas Cf)arakterip:ifd)e, die Seele gleid)fam des Vorganges, erfd)eint gefeflelt im lebensvollen Aus- druck der Gruppierung. Dur aber der große ftyytbmus

56 r\nr)& von wotzosen

einer ffcuflk erhabenen Stiles kann foId>e fzenifd)en Linien ftiliftifd) rechtfertigen und regeln. 3Dies gerade !)atte 1876 zu Wagners häufigem fterger z. B. bei den gruppierten Individualitäten des ftyeingoldes nod) nid)t red)t glücken rvollen. Wir f)ören darüber feine Klage in einem Briefe an Betz: „Füllten 8ie fid) im ftyeingold geniert und nid)t red)t zu Raus, fo fage id) 3I)nen, daß; es uns allen fo ging, und dag id) während der proben felbft auf Schwierigkeiten traf, die id) mid) vergebens zu überwinden bemühte, wogegen id) ver- gebens aud) meine Erfindungsgabe abquälte, uns allen eine gegenfeitig lähmende Steifheit zu benehmen." ftber er fügt aud) gleid) £>inzu: „X)em werden wir je^t ftbf)ilfe zu finden wi(fen; es muß f)ier viel korrigiert werden/* Ratte das Defizit des erften Feßfpiels nid)t die Wiederholung verhindert nid)t um zwanzig volle #af)re l)inausgefd)oben, es wäre fd)on 1877 alles „korrigiert" worden. Was dann im (Jaf)re 96 gerade beim Bayreutf)er ftyeingold erp Staunen, dann Be- wunderung erregte, war nid)ts anderes als diefe „Kor- rektur des ffteifters", durchgeführt von denen, die fid) ij)re mögliche Ausübung und Vollendung zur Aufgabe ij)res Lebens gefegt l)aben.

Die Waf)rf)eit aber über den Anfang von Bayreutf), wie Wagner felbft fie empfand, drückt fid) wof)l am fd)ärffl:en in dem Seufzer aus, der fid) if)tn bald nad) den Feftfpielen 76 in einem Briefe an niemann entrang: „ftlles, was mid) je gequält, folgt mir nad): die ewige Sorge dem Unzureichenden gegenüber. Selbfl: wenn id) der materiellen Sorgen für meine Unternehmung nid)t gedenke, werden gerade Sie mid) vorßef)en, wenn id) nad) all dem ungemeinen, mein fierz tief rührenden Eifer, welcher diefe Aufführungen in das Leben rief, das Werk unferer Bemühungen dod) faß nur als eine Kraft- vergeudung ol)ne Zweck und fiu^en erkenne."

Diefe tiefe Unbefriedigtf)eit Wagners beruhte auf einer Erkenntnis, nid)t auf einer Stimmung. Die HSotive,

Aufnahme <von W. Höffert, Berlin

FELIX KRAUS als Siegfried

<M

£31 *

■^Sp

f .

i4

Kjg^

♦AtSßS '

$ "MM

yf

t

■1'

f J/w 41

1

4

^H 1

4

^fl 1

Aufnahme 'von W. Höffert, Berlin

ANTON VAN ROOY als Wotan

»ay^eucR 57

weld)e die Stimmung für ;8ayreutf) if)m gründlid) ver- derben mußten, kamen er(l nad): nid)t nur jenes elende Defizit, insbefondere das völlige HMßglücken des Sd)ulplanes, auf ©rund deflen die Fortführung der Feftfpiele in großem Sinne gedacht war. X)ie legten koft:- baren $af)re von Wagners Leben gingen darüber ver- loren, indeffen der in aller Welt einzige üf)eaterbau, für fo viele fd)öne fD6glid)keiten errichtet, ftumm und leer fland. 3Die in feinem Stile vorgefd)u!te Künfl:lerfd)ar erhielt er nid)t, womit er die näd)|ten Spiele ganz anders, viel freier und fieserer, die :6ayreutf)er „Crlebnifle" bis zur wirklichen :6ayreutf)er Kunfl: f)ätte durchführen können. „Wollen Sie, dann f)aben wir eine Kunfl:!" 6s ward aber nid)t gewollt Ferdinand $äger, wiflfen wir, rvar der einzige, der auf den ttuf des fßeifters nad) Sd)ülern wirklid) kam und eifrig lernte, rvas nur dort fid) lernen ließ; aber den Vorteil f)atte davon nun Wien, welches den unvergeßlichen Siegfried diefes eckten poetifd)en Dramatikers erlebte, nid)t :6ayreutf), das im tiefen fed)sjäf)rigen Kunßfd)Iaf lag.

Als es dann endlid) 1882 zum zrveiten Feftfpiel, zum parfifal kam, ftand der fiebzigjäf)rige ffteifter ganz den- felben Schwierigkeiten gegenüber tvie 76. ftud) je^t mußte er fid) die Künftler erfi: von den ttyeatern zu- fammenfud)en, um if)nen in nod) kürzer bemeflener Zeit krampfhaften ftrbeitens die Fähigkeit zu if)rer neuen Auf- gabe fa(t nod) mef)r ein- als auszubilden. €ine Aufgabe, die rvaf)rlid) nid)t geringer war als beim ftfng, fd)on von dem @efid)tspunkte aus, den der ffceifter felbfl: feftgeftellt l)atte. X)iefer parfifal, da er nid)t das Produkt einer fd)on beilegenden Sd)ule f)atte fein können, follte (tatt deflen nun vielmehr die örundlage dafür bilden.

Damit dies aber wenigftens nod) zu Wagners Leb- zeiten if)tn ermöglicht wäre, ward il)m nod) jene dritte, bitterfte €rfaf)rung nid)t erfpart: er faf) fid) gezwungen, von der grundlegenden Ddee abzugeben, wonad) diefe Kunft als freie <3abe denen fidf) darbieten follte, die fie

«icfcard ötraujj: Sie fftufik V.

\

58 nnns von wotzosen

„gewollt" und zu if)rer Verwirklichung geholfen Ratten. (Jefct mußte fie dod) vor einem großen Publikum gegen :6ezaf)Iung fid) fel)en laflen. Für Wagner felbft: bedeutete dies eine abfolute Cntfagung. Aber für die Freunde :0ayreutf)s ficF>t es einivenig andersaus: an Stelle einer nod) unmöglichen idealen Wirklichkeit \)at fidfc) feitdem eine unermeßliche ?DögIid)keit aufgetan, $e mel>r Seelen, wie immer vorbereitet, nad) ;8ayreutf) kommen und künft- lerifdje eindrucke in fid) aufnehmen, je mef)re aud) können dadurd) in iljren beften Fähigkeiten ergriffen, vom niederen abgezogen, auf das Ro^e und fteine Ein- geleitet, über das 'Cragifc^e in den Dingen der Welt aufgeklärt, kurz, jeder auf feine Art, zum „:J3ayreutf)er" werden. Wer es einmal ward, der weiß, welche Wohl- tat dies fei, weiß; aber aud), daß zum Werdeprozeß des ;6ayreutl)er ©eiftes vor allem die Werdeftätte :8ayreutf) felbft gehört

80 wäre denn diefe Wirkung fef)r fd)ön gewefen, wenn fie nur etwas rafdjer gekommen wärel Leider aber blieb jene fftenge, welche die vielen ?Döglid)keiten in fid) geborgen f)ätte, nod) lange aus. Dur gerade nod) der erfte parfifal lohnte dem fDeiper die H>üf)en durd) die Befreiung von der äußeren 8orge, daß die 8ad>e wieder finanziell mißglücken könnte. Aud) inkün|tlerifd)er :6eziel)ung, wie fd)on angedeutet, pand das imparfifal er- reichte, trot^ dem fDangel der 8d)ule, bereits l)od) über dem 76 ?ftöglid)en. €s gelang f)ier wirklid) einmal ein ßilgered)t in fid) abgefd)Ioflenes <3anze mit fd)önem ©eifte und in fieberen Zügen bis zu einem f)of)en 0rade der Vollendung zu fördern. Quantitativ war die Auf- gabe ja aud) einfacher gegen die des vierteiligen fttnges, mel)r auf eine örundftimmung betränkt, in fefte, ruhige Formen bis zum Rituellen gefaßt. Die Individuali- täten der Künftler waren glücklid) den wenigen Raupt- rollen angepaßt, und es waren lauter wirkliche Calente, darunter €rfd)einungen fo d)arakterißifd)er Art wie 8caria als öurnemanz, Rill als Klingsor, l*eid)mann

«ayfieucR 50

als ftmfortas. 3Dic ganz eigenartige Kundry der genialen flfoarianne Brandt ifl: als Ausdruck der geheimnis- vollen Seele diefer wunderbaren ©eftalt of)ne @Ieid)en geblieben. Der Zeigen der Blumenmädchen wird jedem unvergeßlid) fein. ftber aud) fein Blumenvater fieinrid) porges, der altgetreue Freund und Reifer, der durd) faß zwei ~ßa\)Yzel)nte diefen lieblichen Kranz immer frifd) mufikalifd) gervunden \)<xtt darf nie vergeben werden, wo es gilt zu bekennen, rvas der ;8ayreutf)er parfifal uns <3utes und Cdeles, und mef)r nod) als Kunfl: gebracht f)at. Daneben freilid) ftand nur erp ein wenn aud) guter Opernd)or zu <3ebote. Denn of)ne die ©nade des Königs fcudwig, welcher Cf)or und Ord)efter feines fioftf)eaters, nebfl: den beiden Kapellmeißern, kevi und Fifd)er, nad) Bayreuth fd)ickte, wäre das Feftfpiel über- haupt unmöglid) gewefen. Während es in Bayreutl) fpdter faß nur nod) der ftrengften Feßf)altung des 82 Fixierten gelten durfte, fo tvar der Fortfd)ritt, der immer nod) anzuheben blieb, in der Zufammenfe^ung und Ausbildung eines wirklichen Bayreut|)er Chores zu fef)en. Was die fpäteren $af)re, insbefondere von den ffoeifterfingern 88 an, in diefer Beziehung auf der 13ayreut()er Büf)ne ermöglicht gezeigt f)aben, gehört gewiß; zum €rßaunlid)fl:en und Glücklichen auf dem müf)famen Wege zu vollendeter Darftellung der Werke. Will jemand nad) einem befonderen Kennzeichen der 13ayreutf)er Kunfl: fragen, fo darf man if)n auf den :8ayreutj)er Cf)or verweifen und an die gewaltigen und fd)önen Wirkungen diefes Chores in den fDeift erfing ern, dem üann^dufer, dem ljof)engrin, dem Holländer er- innern. FMer f)atte man einen wichtigen Faktor des Kunflwerkes ganz in der Rand, if)n nad) Wunfd) zu fd)ulen, und brauchte nid)t erfl: nad) willigen 6inzeltalenten zu fud)en. Damit iß: denn aud) das bedeutende Ver- dien)* des Leiters der fpäteren 13ayreutf)er ötilbildungs- )d)ule, des Cl)ordirektors Julius Kniefe, bezeichnet. Diefer unermüdliche ftuffud)er der Calente an den

eo nnns von wonzosen

Bühnen und rjilfreicfje Cinftudierer irjrer bayreutf)er Auf- gaben ifl: aud) einer der rvenigen, die rvirklid) nad) Bayreutf) kamen, um der 8ad)e allein zu dienen. X)a ivard es denn aud) etrvas 8d)önes und öutes.

Für Wagner felbp: ivar mit diefem erften parfifal, der uns ein Bild der Vollendung fd)ien, freilid) aud) nod) durchaus nid)t alles erreicht, rvas er von der Grund- lage feiner Scfjule errvünfcrjt f)atte. Wer irjm nad) dem Feßfpiel von 82 vertraulich) fid) nähern durfte, mußte es rvof)I bemerken, rvie aud) nad) diefem öiege denn ein Sieg rvar es, aud) über die öffentliche fDeinung —feine Stimmung merjr wehmütig als freudig ivar. €r fal) vor fid) eine unabferjbare neue Arbeit, unabläffige H>üf)en um das Feftrjalten des eben ruie im Fluge 6rreid)ten, orjne jede Erleichterung der HMttel dazu, der künft- lerifd)en rvie der materiellen, mit ganz denfelben alten flöten um die Künftler und um das publikum. X)ie Begründung der Stipendienßiftung rvar ein le^ter Verfud), dem Hdeal fid) tvieder zu nähern, daß nid)t Zahlende, fondern Zählende das publikum von Bayreuth bildeten. X)as künßlerifcrje Hdeal ivard damit geftü^t auf den moralifd)en <3rund edeler Wohltätigkeit Dies ivar "fticrjard Wagners le^tes Werk.

II.

X)ie Feftfpiele feit 1883,

Die rjat Bayreuth merjr Lebenskraft und Lebens- bered)tigung gezeigt als damals, ruie es nad) feines Begründers Scheiden in aller feiner Sd)rvdd)e und Ver- Iaflenf)eit fortbeftand. €ine rjilflofe Creue fagte fid): es muß fein; und als durd) die beiden folgenden $af)re die Wiederholungen des parfifal, vom publikum kaum beachtet, den bejfer Wiflenden verrieten, daß die geizige Kraft, rvelcrje rvir ,/Cradition" nennen, dod) rjier und da nad)zula(fen begann, da griff, rvie rvir rvijfen, rveld)e

«ny^eucR ei

einzig mögliche perfönlid)e Kraft ein, die aus edelßem Willen jenen ©eifl: der "Tradition nid)t nur eine Formel vor allem lebendig und rein zu erhalten ver- mochte.

Wir verdankten diefem entfd)eidenden Eingriff nid)t allein die Rettung des parfifal, in feiner ßeten Wieder- berftellung durd) ratlos erneute Arbeit mit vielfad) wed)felnden Künftlern in 20 folgenden Feftfpieljaf)ren, fondern aud) fofort 1886 den erßen, damals nod) fo kühnen 8d)ritt zur Einfügung anderer Werke nad) des fDeipers binterlaffenem plan. Zugleid) aber hefteten fid) aud) von nun ab an jedes fold)es :6ayreutl)er Weiter- fcbreiten die eifrigen Verfud)e einer am ©roßen ver- ärgerten, kleinlichen papiernen Außenwelt, den Erben Wagners und if)rer Arbeit alles erdenkliche Uebel nach- zureden und i5nen durd) Erfindungen abfd)reckenden Charakters die Fortführung if)res Werkes wenigftens von Fall zu Fall immer aufs neue zu erfd)weren. Vor einem neuen Feftfpiele brachen in :6ayreutf) unfehlbar die flattern aus, oder die erßen öpuren der bei fDaflen- verfammlungen fo gefährlichen Cholera Ratten fid) ge- zeigt (Leider verfammelte fid) nur nod) gar keine fDaffe, als erfl: 300 perfonen dem üriftan Iaufd)ten!) Einmal f)atte fid) das üf)eater fogar fd)on „gefenkt" ftand aber nid)tsdefl:oweniger nieder fe(l auf der fiöf)e, als die ffteifterfinger mit all if)ren Chören und Aufzügen feine ;6üf)ne befd)ritten. flMt Vorliebe ward verbreitet und geglaubt, daft man fid) in 13ayreutf) diefe und jene vorzüglichen Kräfte prinzipiell entgegen la(fe, um minder- wertige zu bevorzugen, of)ne daß; die Möglichkeit aud) nur in 13etrad)t gezogen ward, man könne in 13ayreut$ wie oft genug gefd)ef)en die Gewinnung jener Kräfte Iängfl fd)on, aber nur leider vergeblid), verfud)t l)aben. ;ßayreutl) fd)ien überhaupt nur dazu auf der Welt zu fein, dag es keinem fDenfd)en es red)t mad)e. Und dod) fd)ritt man dort unentmutigt vom Uriftan weiter zu den fDeifterfingern, zum üann^äufer

62 nnns von wonzosen

und zum Lof)engrin, ja, man kam endlid) wieder bis zum fttng. Und immer blieb Bayreutl) eine Stätte, wo Begeiferung geweckt ward, und die Begeiferten kehrten wieder und brachten neue <3äp:e mit, und endlid) ivar aud) einmal das Raus ganz voll, und es blieb voll, von 1882 bis 1901, X)a fiel den l)6d)ft beunruhigten <3egnern diefer allzufüllenden Begeiferung fd)lie§lid) nichts me\)Y ein als der Cinfall des Theaters felbp. Unter den ,/Celegrammen" der üagesblätter las man damals: ?toünd)en, 29. Dezember. Das Wagner-Theater auf dem Feftfpielf)ügel in Bayreuth ifl: feitens einer ftaatlid)en Baukommiffion für baufällig erklärt worden; es ifl: daf)er bereits für die näd)ftjäl)rigen Feftfpiele nid)t mef)r zu verwenden, um ftnfd)IuJ5 an diefe Senfationsnad)rid)t f)ieß; es dann prompt weiter: es muffe durchaus ein neues Fefl> fpielf)aus in fftündjen gebaut werden, auf einem für Baufpekulationen fe^r günftigen üerrain. €ine „Kommiffion" war allerdings dagewefen, auf eine bös- artige Denunziation l)in, und das Crgebnis if)rer Unter- fud)ung ()atte gelautet: das Bayreutf)er Raus fei ein ffcufterbau. Diefe Beifälligkeit war die Baufälligkeit der feindlichen Weisheit! Und während if)r nad)f)all nod) durd) die Welt hinzog ~ gerade wie 76, fo wieder 98: „ün Bayreuth kann nie mef)r gefpielt werden!" be- reitete man an Ort und Stelle fd)on mit emfiger Arbeit das näd)fte Feftfpiel vor. Und es kam zuftande, es folgten if)tn nod) drei Feftfpieljaf)re, und fo 0ott will, kann nod) ein falbes (Jahrhundert lang in dem „baufälligen" Raufe gefpielt werden; wenn das Fundament des ©laubens nid)t wankt.

Viel mef)r als durd) fold)e kleine und große Bosheiten ifl: Bayreuth in feiner erften fd)werß:en Zeit benachteiligt worden durd) den allgemeinen Unglauben, wogegen von keiner Seite im l?eid)e der f)öf)eren Bildung Deutfd)- lands etwas gefdjaf). Bayreutl) (fand tatfäd)Iid) ganz allein, auf fid) felbft angewiefen in der modernen Welt,

«ny^eutR 63

Was aber in diefer Situation if)tn die eigene Arbeit wirklid) erfd)werte, war das bleibende Verhältnis der Abhängigkeit von den ü^eatern, woraus immer von neuem, aud) bei fonft freundlichen Beziehungen, dod) peinliche Komplikationen und Zwangslagen if)m erwad)fen mußten, von denen man draußen gar keine Ahnung f)atte. Aud) als in beginnenden belferen Zeiten der Wagnerifd)e plan der Stiibiidungsfdjule für Schaffung eines eigenen perfonales in befdjeidenen Grenzen wieder auf- genommen rvard, reichten dod) die dafür verfügbaren HMttel (die „Ueberfc^üfle", von denen man bereits fabeitel) bei weitem nid)t f)in, um dies in einer gewiflfen Breite und mit nur einigermaßen nennenswertem 6rfoIg, der großen 8ad)e gemäß, zu verwirklichen. t)ie fid) meldeten, waren meip für Bayreutr) fclbft nid)t brauchbare kleine An- fänger; belferen Kräften ward draußen von „Autoritäten" dringend abgeraten, fid) die Stimmen an der Wagnerei verderben zu laßen. Bedeutende üalente find infolge- de(fen um if)re größte Wirkungsmöglid)keit gekommen. 6d)ließlid) mußte man frol) und dankbar fein, wenn ab und zu dod) ein einzelnes wirkliches Ualent fid) in die direkte Bayreutf)er kef)re begab, ef)e es am üf)eater dieHatürlid)keitund Unberüf)rtf)eit eingebüßt, aus welcher allein jene reinen, großen €rfd)einungen des idealen 8tyles hervorgehen können, die den Charakter der edlen Wahrhaftigkeit tragen. Wenn dann freilief) fold)e Glücks- fälle eintreten, wie mit Burgftall er, Frau ©ulbranfon, van ftooy aud) Friedrichs und Breuer wären dabei zu nennen dann konnte man erkennen lernen, was das Ddeal einer Bayreutf)er 8d)ule wäre. HMt <3eld allein wäre dies freilief) nid)t zu erreichen gewefenl Was dennod) erreicht worden iß, ward es, aud) of)ne die genügenden HMttel, immer nur durd) den rechten ©eift, durd) die ed)te Tradition, durd) die unaufhörliche Arbeit an beßimmten, ausfd)ließlid)en Aufgaben, alfo eben durd) die drei Momente künßlerifd)er Tätigkeit, welche in diefer Weife allein in Bayreutl) möglid) und

64 nnnö von wonzosen

ivirkfam find, €s erreicht zu f)aben, bleibt denn aud), wenn man ettvas rühmen will, der ttuf)tn gerade jenes nod) unbeachteten, unbeförderten :0ayreutl) der erflen #af)re* fiier ifl: nun aud) der Ort, wo wir des fftannes in denkbarer Verehrung denken muffen, der von Anfang an mit felbfllofer Aufopferung feiner ganzen Arbeits- kraft und £iebensruf)e die verwickelten ©efd)äfte der Feflfpiele durd) alle fd)weren Zeiten f)indurd) allein ge- leitet f)at, der im vollen ISewußtfein von den un- erhörten Anforderungen, welche :8ayreutf) an fid) zu pellen I)at, es bis aufs einzelne flets berechnen mußte, wieweit man gef)en mü(fe und gef)en könne in den €infd)ränkungen des Angeflrebten auf das fftaß des erreichbaren, um fowol)I der allgemeinen Aufgabe von 13ayreutf) treu zu bleiben, als aud) die €rfüllung der näd)fl: vorliegenden nod) zu ermöglichen. Ftfer muß; es ausgefprod)en werden, dag für die ganze Periode der meiflerlofen und dod) fletig fortfd)reitenden Feflfpiele das Fmuptverdienfl if)rer €rf)altung im rechten ©eifle, näd)fl der oberflen künfllerifd)en Leitung, dem unver- gleichlichen Verwaltungsrate Adolpf) von ©roß zu- kommt 3n feinem „Bureau** tyat fid) alles Hot- und Sorgenvolle durd) (Jaf)rzef)ntered)t eigentlid) konzentriert €r \)at von allem Großen und 8d)önen, was da droben zuflande kam, weil er drunten arbeitete, nur die Schatten- feiten gefef)en, und nid)t nur das, fondern aud) mit den Schatten felbfl f)öd)fl real kämpfen, fie durd) feine Cnergie und ;8efonnenf)eit niederkämpfen muffen, damit uns die öonne fd)einen könne* Das ifl: jene Cnergie der <3efinnung, jener 8egen der tTreue, wie fie, feiten geworden in der Welt, in #ayreutf) nod) immer if)re red)te fieimat f)aben.

Alles, was ^ayreutj) uns gegeben bat, ward aus diefem deutfd)en ©eifle gefd)affen; und wenn die leidigen Umflände in manchen Stücken die künfllerifd)e Voll- endung der 13ayreutf)er Arbeit nid)t zuließen was nirgends beffer gewußt und fd)tnerzlid)er empfunden

Aufnahme von W. Höffert, Benin

FRÄULEIN WIBORG ALS ELISABETH

ufnah.ne von Hans Brand, k. b. Hofphotograph, Bayreuth SCARIA ALS GURNEMANZ

Aufnahme von W. Höffert, Berlin

FRIEDRICHS ALS BECKMESSER

Aufnahme <von W. Höffert, Berlin

FRAU ROSA SUCHER ALS ISOLDE

ßayfieutR es

rvard als von den arbeitenden felbp , fo f)ätte dod) der moralifd)e Wert diefer felbplofen Arbeit feine An- erkennung als eines unverfälfd)t wertvollen nationalen <3utes von ed)tdeutfd)er Eigenart vor allem verdientl

fftan mag oft in trübe Zweifel geraten, wie weit die moralifd)en Wirkungen einer idealen Kunp gef)en können, die fid) in einer anderen als der künplerifd)en Welt zu vollziehen f)aben; aber man wird an dem Glauben Wagners fepi)alten, daß die ideale Kunp nur auf moraüfd)em 0 runde erblühen und fid) erhalten kann. Auf diefem ©runde, auf if)m allein, darf man fagen, erhoben fid) durd) die $af)re f)in alle die prahlenden Flögen der ;0ayreutf)er KunPerlebnifle, die wir h)ier nod) einmal an uns wollen vorüberziehen Iaflent Weld) ftolze fteif)e dod) unvergleid)Iid) fd)öner und bedeutungs- voller idealer €rfd)einungenl Did)t im öinne von „flDufter- auffüf)rungen" wo gäbe es in aller Welt etwas abfolut n>ufter{>aftes; wem follte dies einzigartige zum „fftufter" dienen? wenn nid)t vielleicht nur ein glatter und glänzender 8d)ein, eine gewiffe pofierung des Aeußer- liefen dafür gelten foll. Aber wof)l können nad) Wagners Worten „13eifpiele" gegeben werden, :ßeifpiele eines muperf)aften, d. f). in feiner Art wahrhaftigen und edelen ©eipes. jedesmal war es fold) ein #eifpiel des <3eipes von ;8ayreutl), des Willens feines 8d)öpfers, welches dort gegeben worden; ein 13eifpiel jener großen Aufgabe, ein Drama zu gepalten und did)terifd)e Ge- palten zu verkörpern in einer, fo!d)en wunderbaren £reigniflen einzig entfpred)enden, idealen Sphäre.

$eder der Wenigen, die 86 zugegen waren, mußte es füllen, wie das intimpe aller X)ramen, das öeelen- drama von üripan und Dfolde, in der feierlichen Ab- gefd)iedenj)eit des ;8ayreutf)er Fepfpielf)aufes erp feine einzig würdige ötätte fand. Ganz unbeeinflußt von der äußeren Welt des allgemeinen Vergnügens, das man Cl)eater nennt, vollzogen fid) f)ier die zartepen und gewaltigpen Vorgänge des Leidens der triebe zweier

66 Rnn5 von wotzosen

fierzen, die fid) zum fef)nfüd)tigen Herzen der Welt felbft nid)t erweitern , fondern vertiefen und ver- innerlid)en. Hur in der idealen Sprache geiftigßer Kunfl: verrät fid) das ©ef)eimnis der Uragik des Dafeins. Das war die Bayreutf)er Sprache das rvar das Bayreutl)er Werk das ivar üriftan und Dfolde, die üragödie der Zwei und für die Wenigpen.

Darauf nun zrvei <3al)re fpäter die ffteißerfinger! fl>an meint zunädjfl:, das fei red)t ein Werk für alle Welt, fürs deutfd)e Volk, <3ewiß ein Werk des Volkes, unferes Volkes, aber tvo konnte es fid) in feiner vollen deutfd)en €igenart, in feiner bewegten und leuchtenden Heiterkeit zu fo freiem, unbedingtem ftus- druck bringen, als wiederum da, wo es fid) nid)t als ftepertoireftück zwifdjen Seinesgleichen und Ungleichen drangen laflen mußte, fondern wo es wirklid) auf einer „Feftwiefe" des menfd)lid)en und künfl:Ierifd)en Hebens erfd)ien und das wahrhaftige Bekenntnis des ©elftes diefer ganzen 8pf)äre ausfprad), daraus es l)ervor- gewad)fen, das Bekenntnis jener reformatorifd)en Kunfl:- auffaflung, die Bayreuth gefd)affen f)at. „Wad) auf, es naf)et gen den Uag" wo f)at das je geklungen, klingen können, als da, wo es der feierliche Ausdruck des (Glaubens war, der in diefer Kunfl: zur üat ge- worden ift.

Was fid) dort aus buntem Leben zu einem einzigen großen Sdjlußmoment von reiigiöfer Stimmung bedeutend erf)ob, eben das fteligiöfe felbjt ward im'Cannöäufer 91 zur 8eele des ganzen Dramas. 80 befeelt erfd)ien die vielbeliebte „alte Oper*', die mancher verwundert in Bayreuth einziehen faf), unferem Bewußtfein zum erflen fftale als Tragödie. Wieder erlebten wir ein Seelen» drama: den Kampf zwifd)en der irdifd)en und f)immlifd)en Liebe, zwifd)en dem Willen zum Heben und dem zur Crlöfung, zwifd)en verzweifeltem Seinen und friede- fpendendem ©lauben, zwifd)en Zauber und Wunder.

«ayi?eucfi 67

Vhz\)r aber nod) als in einer eigentlichen „Handlung*' erlebten rvir diefes innere Drama des üannfjäufer in der gleid) bedeutenden künftlerifd)en Verwirklichung jener fzenifd) fo ausgeprägten Kontra|te zweier Welten: des Venusberges mit feinen vordem nod) unerfd)auten antiken Dionyfien und des f)erb|tabenddunkeln Wartburg« tales als der Stätte tragifd^religiöfer Reinigung im pill- bewegten Cinklang von Hatur und öeele. Clifabetl)! Die {Jungfrau, in der tiefen <3efüf)Iserkenntnis ij)res ^eiligen Berufes, im dämmernden Abend leidvoll, wie entkörpert fcf)on, f)ingefl:reckt vor dem ftouttergottesbilde die le^te üodesentfdjeidung ausßrömend im inbrünftigen <3ebete zur ewigen ©nadenmad)t, und wie die Schatten der fiad)t immer tiefer finken in das irdifd)e üal fie felbft, wie ein zarter Schimmer böseren Lid)tes, emporfteigend aus der Tiefe des Leidens zur fiöf)e, dorthin, wo nun im vollen Dunkel des nächtigen FMmmels f)od) über der füllen wartenden :0urg der ötern der Liebe rein erflraf)It, vom innig weltabgekef)rten 8ange keufd)er Cntfagung fromm begrübt! ftud) das verzweifelte 'Codesringen der öünde gef)t in diefer gereinigten 8pf)äre der tieften Had)t friedvoll zu 6nde eine Welt ver» finkt mit dem legten <3ötterfd)rei: „Verloren!** eine neue ertagt mit dem legten fDenfd>enfeufzer: ,,3d) f)öre!**. Der borgen graut über dem (terbenden n>enfd)en mit dem großen, unjttllbar feinenden Rerzen, frommer Weif>egefang der üodestrauer ertönt, aber die Fackeln bleichen im wad)fenden ?toorgenlid)t, das F>eII und geller aufftraf)lt, als nun vom fiügel fjerab die jungen pilger mit dem grünenden 8tab, atemlos vom freudigften Cifer, immer lauter, immer fiegf)after das Reil verkünden: „fieil! Fieil! Der <3nade Wunder Beil! Crlöfung ward der Welt zuteil!'* Und im glühenden Friedensglanz des vollen flßorgenfonnenfd)eines leuchtet über den erwachen- den Talen die [)of)e 33urg in den klaren Ftimmel, ein f)errlid)er Lid)td)oraI, vereint mit dem aus der Tiefe machtvoll aufklingenden 13ekenntnisfange der Lebenden

68 finnö von wonzosen

am neuen Uag: „fiod) über aller Welt ift <3ott, und fein Crbarmen ifl: kein öpott!"

Rier f)atte die vollendete €inf)eitlid)keit der künfl> Ierifd)en demente ein religiöfes Crlebnis auf der ;ßüf)ne ermöglicht, welches es unmittelbar erklärte, warum eine foldje Kunft, fern der r^eaterwelt, iF>r eigenes Raus [)aben, warum das Publikum diefer Kunp, den (3e- wof)nf)eiten des täglichen Hebens entzogen, von weither da\)\n pilgern mußte, nid)t zum C^eater, fondern zum Drama, und nid)t nur zum Drama, fondern zum :6ilde und Ausdruck idealen Lebens. Zugleid) mit diefem Sichtbarwerden eines innerlichen Dramas war aber aud) die äußerlid) nod) nid)t ganz abgeftreifte Form der Oper, kraft des did)terifd)en <3ef)altes des Werkes, alfo von innen f)er, einmal überwunden worden, hierauf konnte dann der Lof)engrin 94 bereits in einer aud) äußerlid) ganz I)armonifd)en <3efamtf)eit, mit jener befonderen ©röße und tteinf)eit, die man gern „klaffifd)" nennt, durchweg als ein vollendetes Drama fid) bewähren, das die ganze Handlung felbfl: benimmt, durchdringt, umfaßt, an de|fen Handlung aud) die bedeutfam gruppierte, gefd)id)tlid) d)arakterifierte ffoenge, in ftetem lebendigen Wed)felverf)ältnis zu den wenigen typifd)en Cinzelperfonen, if)ren vollen Anteil nimmt Die im dramatifd)en 8inn fo bedeutende Fmrmonie der beiden fbomente, des Einzelnen und des allgemeinen, war das bezeichnende fDerkmal diefes bisher, wie der (Gralsritter, nur einmal und nid)t wieder erfd)ienenen ;0ayreutl)er Kunjfrverks.

öoweit gelangt, durfte :0ayreutf) nad) zwanzig #af)ren aud) den "Ring wieder wagen. Um diefe Cat in kurzen Worten einigermaßen zu d)arakterifieren, wird man auf die fpezififd) dramatifd)e Wirkung verweifen muffen, wie fie fid) ganz befonders Park und entfd)eidend für das ©anze zeigte in dem erfd)ütternd tragifd)en €indruck des fonp für fo elementarifd) küf)l und klar geltenden ttf>eingoldes. Der Flud) des (Soldes, die <3ier nad)

>'

Lh%_

Aufnahme 'von E. Bieber, Berlin

MISS ISADORA DUNCAN

«ayfleutfi 69

fDad)t und tlebermad)t, die Opferung der fciebe durd> den Egoismus, die Verlegung der unfd)uldigen Reuig* Reit der ftatur, all dies kam f)ier zu furchtbarer Deut- lichkeit Die Kunfl: ivard zur propf>etin und Dichterin. Das Drama redete in der Sprache der Urzeit, die aud) dem heutigen üage gar ernfte Dinge verftändlid) zu fagen vermochte. ün fpdteren (Jahren trat die Tragödie der „Walküre**, dank einer befonders günßigen Ver- körperung der tragenden ©eftalten, in die erfte Tteif)e der neufd)öpfungen. Denn dies war gerade bei der Wiederkehr des „Ringes** zu erkennen: nid)t allein fold)e Werke, welche bisher nod) nid)t dort, fondern bloß an den Operntf)eatern gegeben worden waren, aud) fold)e, die bereits in 13ayreutf) if)re künftlerifd)e „Urftänd" erlebt Ratten, erfd)ienen bei jeder neuen ©eftaltung an jener merkwürdigen ötätte als Heu- fd)öpfungen nid)t nur ,,f)errlid)**, fondern „F)errlid)er als am erften üag**. Die darftellenden Kräfte wed)felten dod) nid)t darin lag der fteiz der „fieuf)eit": der fid) darßellende <3ei|* blieb fid) treu, und darin beruhte die produktive H>ad)t

III. 3Die 13ayreutF)er Künjllerfd)aft

Dod) wer an die ;6ayreutf)er Dramen denkt, kann garnid)t anders, er muß fid) zugleid) aud) der einzelnen <3 e ft a 1 1 e n erinnern, welche dort einmal zu if)rer typifd)en Verkörperung gelangt find. Dies konnte nur der Fall fein, wenn die Darfteller fid) eben ganz in den Dienfl: des Dramas als künßlerifd)er <3efamtf)eit pellten, wie das in :ßayreutf) erftes ötilerfordernis ift. X)a$ darunter keineswegs die Individualitäten zu leiden I)aben, wofern man nur wirklid) mit fold)en zu tun f)at, lägt (ld) leid)t erkennen aus der pattlid)en tteif)e wal)r()aft bedeutender €rfd)einungen, die während

70 finns von wotzosen

diefes fftenfdjenalters auf der 13ayreutf)er KSüfyne hervor- getreten find und deren beutiger Künßlerruf großen- teils fogar von dort ausgegangen ift Die Urbayreut()erin ftmalie fDaterna, die erfte :8rünf)ilde, verdient unter diefen aud) die erße Stelle. Die große Erinnerung an den fttng von 76 bleibt ferner eng verbunden mit der an die düfler ragende öeftalt des leidensvollen Wal- fungen Siegmund in if)rer Verkörperung durd) albert Hiemann und des dämonifd)en \)<ifa und wuterfüllten ftlberid) von Karl Rill. Vogls Loge, nebenbei bemerkt, konnte nod) zwanzig 3af)re fpäter betveifen, daß Wagners Kunft: einen Sänger, der wirklid) einer ift, nid)t früh- zeitig um Stimme und Leben bringt! ftls 1896 das „Ttyeingold** nad) ;J3ayreutf) zurückkehrte, ftand ein Friedrichs an Fulls, ;J3riefemeifter an Vogls Stelle, und wieder waren die Typen diefer öeftalten lebendig geworden, in anderer, aber ganzer perfönlid)keit.

Zum :J3ayreutl)er Typus geworden fpäterf)in als ■parfifal die jugendfrifdje perfönlid)keit van Dycks in feiner beften Zeit, als einer, der mit dem Operntf)eater nod) kaum in :6erüf)rung gekommen war und den feltenen Sc^a^ feines romanifdjen Temperamentes und Talentes für die ;6ül)ne willig der idealen deutfd)en Kunfl: zu ©ute kommen ließ. Wir f)aben in ;6ayreutf) neben ad)t parfifal nid)t weniger als zef)n Vertreterinnen der wandelreid)en trolle der Kundry gehabt, jede in if)rer ftrt eine d)arakteriftifd)e und intereffante €r- fd)einung, welche die fd)were Aufgabe auf vermiedene Weife, von vermiedenen Seiten lösbar zeigten: durd) viele ^a\)xe aber bedeutete die nod) von Wagner mit befonderer Roffnung begrüßte fD alten in großen ein- drucksvollen ©rundzügen die „13ayreut!)er Tradition**. Zu diefen traten die Typen des <3urnemanz und ftmfortas in der Verkörperung durd) Scaria und ft ei d) mann, die im ;6ilde des erften „parfifal** nie zu vergeben find.

Der Trißan brachte uns die Dfolde: ttofa Sud) er.

«ny^eutR n

Rier war das Ddeal verwirklicht. „Wir werden niemals ihresgleichen fe|)ent" €s lägt fid) nidjt *>e' fd)reiben, was als €rinnerung in uns fortlebt X)aneben aber rvill nid)t minder, ja einzig, die innig rührende Figur des treuen Kunvenal Fritz planks genannt fein. Die ffceifterfinger hingegen rufen gleid) eine ganze 8d)ar vorzüglicher Vertreter des fians 8ad)s ins Gedächtnis: voran den mit Y*ed)t fo berühmten, künßlerifd) feinfinnigen, fd>aufpielerifd) mei(lerlid)en €ugen <3ura, den volkstümlich wuchtigen, mit fo viel fierzenswärme und Rumor begabten plank. Wenn es aud) nid)t lauter ,/Cypen" in dem f)ier all- gemeinten 8inne waren das rvird man nid)t fagen dürfen, daß; Bayreutf) fid) auszeichnet durd) mangel- hafte Befe^ung, durd) fbediocritäten, durd) eine bloße 8d)ablone, Varianten am Faden der Zeitung 1 Aud) im „üannf)äufer", aud) im „IJoI)engrin" nid)t! Wie viele treffliche Künßler und Künflierinnen f)aben da nid)t mit- geivirkt und find nod) trefflicher geworden, die nid)t Temperament bleiben durften, tvenn es (Id) um die Wertfd)ä£ung fd)öner fceiftungen Rändelte! f)ier, wo nur gewifle typifd)e Gepalten bezeichnet werden follen, ifl: aber z. B. der eigentliche Stern unferer „ffoeifterfinger" nod) gar nid)t genannt: der Beckmefler von Friedrichs. Vom :8ayreutl)er <3efid)tspunkt aus rvird es nid)t unfinnig erfd)einen, wenn id), in :0e- Ziehung auf das üypifd)e, das fDaßgebende, das der üdee €ntfpred)ende, dal)er Hdeale, aus allen anderen gerade dies vorbildliche und dod) unnad)af)mlid)e paar f)ervorf)ebe und zufammen(telle: üfolde und Beckmeffer.

8ogleid) aber füge id) kü\)n und (ld)er die Bay- reutl)er €Iifabet() der drei Uannf)äufer-(Jaf)re 1001/2 und 1904 f)inzu. üannf)äufer f)at in 13ayreutf) entfd)eidend gewirkt, bahnbrechend für die €rkenntnis von der Be- deutung und der Bekundung des innerlid) Dramatiken in den Werken auf diefer BüFjne. €r bat dies aber

72 finns von wonzosen

vorzüglid) getan durd) feine man muß fcfjon fagen Offenbarung des dritten Aktes. 6s war die Anficht des fDeipers felbft: der dritte Akt werde benimmt durd) die €Iifabet(), gleichwie die Waf)l der X)arftellerin der €Iifabetl) davon abzuhängen l)abe, liefern fie für den dritten Akt geartet fei. Diefe €Iifabetf) ifl: eben nid)t als die brillante öoloftimme einer Primadonna im Drama vorfanden, fondern um zu leiden und zu fterben. Ob fie das Gebet als €rlebnis if)res Wefens bringen kann, darauf kommt es an, daraus ergibt fid) alles übrige. Maßgebend für diefen üypus der kindlichen (Jungfrau, die durd) ein fd)merzlid)ß:es Crlebnis zur reinen Reuigen fid) verklärt, ifl; damals die :6ayreutf)er Clifabetf) der jungen Hör« tvegerin Clifa Wiborg geworden. 8ie l)at ganz wie jene zwei großen Künpler das Wefen der dramatifd)en Gewalt uns vollkommen fid)tbar und börbar werden laffen. Als rvürdiges Gegenbild i|tpauline?DaiIf)ac8 im f)of)eri ötil bewundernswert gefaltete Venus zu nennen. X)er tragifd>en Weif)e des Werkes fügte fid) 8d)eidemantels edeler Wolfram i)6d)ft fympatf)ifd) ein.

Dn der f)errlid)en 8tilf)armonie des Lof)engrin trat das perfönlid)e mef)r zurück wo es aber befonders hervortrat, mochte es beinahe frören. 3Dod) wer möd)te die Hör die a als €ifa unerwähnt laffen, wenn man der eigentümlichen :6ayreutf)er Geftalten gedenkt? €s ift aud) immer gar nid)t fd)led)t, wenn €iner oder €ine wirklid) fingen kann!

X)ies und nod) mef)r erfuhren wir im erneuten tting. X)a Ratten wir (feit 18$7) im Wotan vanttooys einen Glücksfall f)öd)ften Grades für ;8ayreutf). X)er erfte ganze Wotan, in der vollen Größe feiner tragifdjen Gewalt» durd) die geniale kün|tlerifd)e :8e- gabung eines vollendeten Sängers ermöglicht t An der fid)tbaren Welt des Thinges f)<*t:te man anfangs, über» rafd)t durd) die ganz neue pJ)cmtafiefd)öprung der Kofrüme, es tadeln zu follen geglaubt, daß gerade ein, wenn aud) genialer, dod) immerhin mef)r als „lyrifd)er

Aufnahme <von Hans Brand, k. b. Hofphotograph, Bayreuth ELLEN GULBRAXSOX

Aufnahme -von W. HoffertT Berlin

LUISE REUSS

«nytteucn 73

Landfd)after" geltender fDeiper, wie Ranßtfjoma, mit der Löfung diefes Problems betraut ivurde of)ne zu bedenken, dag Landfd)aft wie X)id)tung und fDufik eben aus dem künplerifd)en <3enie des deutfd)en <5eipes hervorgegangen waren. Had) diefem :6eifpiele f)ätte man es nun aud) für ganz unzuläffig und untunlid) er- klären muffen, dag ein außerordentlicher Nieder-, ein 8d)ubert-8änger, wie es van ttooy damals war, der nod) nie auf einer ;8üf)ne gepanden, in ;ßavreutf) den Wotan gepalten folle. Ojomas KoPüme wurden erp im zweiten (Jafjre „geglaubt**, van ttooys Wotan trat zum erpen ?DaI auf die #üf)ne und rvar fofort eine „Celebrität". Während er aber als fold)e fid) die Welt eroberte, ge- wann fid) wieder eine andere, ungemein reiche und ed)t germanifd)e Begabung, Theodor ;ßertrams, als ein zweiter Wotan und Holländer, die edelpe Wirkungs- Pätte des FePfpieIf)aufes. Wie diefe bedeutenden Künftler, fo wäre ganz :6ayreutf), wenn es einmal aus lauter „Glücksfällen" fein Ddeal verwirklichen dürfte. Dod) glücklid) aud) war man dort, dem ©öttervater fogleid) eine <3öttertod)ter gefeilen zu können, die in der Un- berüf)rtf)eit von Oper und üf)eater eine ed)te #ayreutf)erin, neben jener mächtigen, Pölzen fDänn!id)keit das gleid) d)arakteripifd)e :J3iId reiner, inniger Weiblichkeit darbot Weld) ideale £>reif)eit edeler germanifd)er Frauengepalten in diefer 13rünn()ilde €llen 0ulbranfon, der 8ieg- linde ftofa 8ud>er und der Fricka Luife tteußl Und dazu, der Uiefe des Werdens mit geheimnisvollem Urweltfang entpeigend, die wunderbare €rfd)einung der €rda: €rnepine 8d)umann-Reink! X)ie be» rühmte ;6rünnf)ilde von 76 gepaltete mef)r die berg- frifd) naivf)eroifd)e Seite des großen Charakters der Walküre mit zündender Kraft, die bis zur f)öd)Pen €nergie des öpeereides fid) natürlid) peigern konnte. Hun erlebten wir zwanzig $af)re danad) die weibliche perfonifizierung jener *Müte der Tragödie, der flftad)t, davon es f)eißt: „öelig in LuP und Leid läßt die Liebe

flid)ard 8trau&: XMe ?Bufih V. F

r4 nans von wotiZosen

nur fein/* Und wiederum ift es ein beweis für die reichen ffcöglid)keiten individualifierender Darßellungen in :ßavreutf), daß; wir neben ein fo liebenswürdiges Haturkind, wie es ;0urg|taIlers Siegfried war, aud) nod) eine fo feine Künftlererfd)einung wie £ r i k 6 d) m e d e s (teilen durften, um durd) beide die edele Daivetät der lid)teßen fieldengeftalt mit poetifd)em fteize verkörpert zu fef)en, während €rnß Kraus, wiederum aus dem befonderen fteid)tum der deutfd)en Begabung, die ganze fDann[)aftigkeit des Wotanfproffes zu bezwingender Geltung brachte.

ftber aud) auf der zweiten Linie der Handlung find f)ier oft, vom Gefamtßile des Dramas benimmt, einzelne typen gleid) vorzüglid) ausgeprägter ftrt erfd)ienen, wovon id) allein die köftlidje fftagdalene von ©ifela ötaudigl und den urtümlichen Fafner €Imbl ad s hervor- heben will, nur eben fo nebenher nod) darauf hin- deutend, daß; einß eine €milie f>erzog den fiirten- knaben fang, und dafr es eine verzweifelte Frage wäre, ob 8d)Ioffer 76 oder Breuer 96 der befte HMme ge- wefen fei, einfad), weil fie es alle zwei waren! £)ie <3ef*alt des ©urnemanz endlid) läßt fid) ja nid)t wof)l als eine „Debenrolle" betrachten, wenn man diefen banalen Cl)eaterbegriff überhaupt auf das große f)armonifd)e Kunftwerk anwenden dürfte; dod) war es den fämtlid)en, gewiß nid)t unbegabten X)arßellern diefer fo ungemein wirkungsvollen partie feit öcarias über alles be- wunderter Leitung widerfahren, daß fie neben jener völlig in die „zweite fteiFje" gerückt wurden. €rp: mit Dr. Felix Kraus, welcher wie van "ftooy aus dem eigentlichen öängertum als ein berufener und aus- gebildeter Künftler hervorgegangen war, ift die wunder- volle öreifengeftalt des Waffenmeifters von fßonfalvat wieder zu einer perfönlid)keit geworden, von welcher man, dem großen Vorgänger gegenüber, etwa fagen könnte: der würdige „Gralsritter", dort in der endlid) gebrochenen Kraft des edlen Rittertums,

«ay^eucR 75

crfd)ien f)ier meljr in der vornehmen Weif)e des ^eiligen Grales.

Dein, man kann waf)rlid) nid)t behaupten , l)at es aber getan! , daß; es an kün|*Ierifd)en perfönlid)- Reiten in ;8ayreutf) gemangelt f)abe. Und ivie viele tüd)tige, ja ausgezeichnete Künßler f)atte id) f)ier nod) nid)t einmal Gelegenheit zu nennen: von des fDeißers erftem, fo f)od)beIobtem Wotan Fr a n z :8 e tz bis zu fo nam- haften öängern rvieperron und Knüpfer! Gerne f)ätte man ja nod) mefjr gehabt, für manche bedeutende ttolle, wie z. 13. für den Ragen, i(l die maßgebende Geftaltung überhaupt nod) nid)t gewonnen worden man kann nod) leichter Armeen aus der 6rde (dampfen, als wie üalente oder gar Genies. Das aber darf man wof)I behaupten: daß diefe perfönlid)keiten zu if)rer vollen und reinen Wirkungsfäf)igkeit er(t dort gelangen konnten, ivo fie mit if)ren Aufgaben an rechter ötelle ftanden und fie im red)ten Geiße, unbefdf)ränkt durd) fremde Umftände, als Künftler Iöfen konnten: in dem ftyled)ten Gefamtbilde des 13ayreutf)er Dramas.

Wenn man von diefem Drama fprid)t, darf das Ord)e(ter nid)t vergeben werden. fiörte man dod) fd)on die ftoIze Verfid)erung: „^Ja, f)ätten wir nur das verdeckte Ord)efter und die fd)öne ftusfid)t von euerem :6ayreutl)er t?l)eaterl)ügel, wir könnten leid)t ebenfo gute Feßfpiele geben wie iP>r l*' ftber aud) das Ord)efter \ft gerade in 13ayreutf) dod) nur ein integrirender, ein organifd) verbundener üeil der ganzen großen €in- ()eitlid)keit des Kunßwerkes. €s wirkt fo wunderbar eigen und neu in feiner unlöslichen Verbindung und fteten lebendigen :ßeziel)ung zum Drama, um deffen- willen es aud) verfenkt worden war. Diefen Zufammen- bang zwifd)en Drama und fDufik ßylgemäß zu erhalten, tft vor allem die Aufgabe der 13ayreut()er Ord)efter- dirigenten. 6ie aud) find es, welche, f)e™orgegangen meift aus der fog. „Hibelungen-Kanzlei" Wagners, jugendliche Reifer des fDeipers von 76, fpäterl)in draußen

76 fiftne von wotzosen

in der fftufik- und Uf)eatenvelt eine neue Dirigenten- Generation gebildet, eine neue Kapellmeifl:er-8d)ule begründet f)aben. ftllmäf)lid) an die erften ;0üf)nen berufen, konnten fie fclbp: dorthin, fo viel als möglid), etrvas von einem neuen <3eifte tragen; tvenn aud) viel- fad), den Verj)ältniflen rveid)end, diefer (3eift fid) dann wieder auf das Ord)efter zurückziehen und das Drama oft nad) dem Cfprit des ftegiffeurs und den Wünfdjen der Sänger laufen laflen muffte!

Um die Bedeutung diefer älteren :8avreutf)er Kapell- mei(ler-8d)ule zu bezeichnen, brauche id) nur Damen zu nennen ivie: flans ttid)ter, als den tting- und fDeifter- fänger-Dirigenten, Felix ffcottl, als den tTrißan- und Üann|)äufer-Dirigenten, ftnton 8eidl, Hermann Levi, Franz Fifd)er, als die parfifal-Dirigenten, denen fpäter nod) TUd)ard Strauß und Karl fDuck von Berlin fid) anreihten. Dazu kommt nod) die gefamte 8d)ar der fog. „mufikalifd)en ftffi|tenz", die u. a. ganz fpeziell dafür zu forgen bat, daß die ;6üf)nenvorgänge ftets im genauen Kontakt bleiben mit dem Ord)eßer eine nur in Bayreuth) durchführbare Aufgabe, tveld)er fid) im Laufe der Zeit außer obigen Hibelungen- Kanzliften unterzogen f)aben: ffcufiker rvie Hermann Zumpe, Engelbert Fwmperdinck, £duard "fleuß, Wilhelm Kienzl, Cdouard Visier, Siegmund von Hausegger, fotvie die heutigen Opern-Kapellmeißer Karl poplig (Stuttgart), Kahler (H^annfjeim), ©orter (Karlsruhe), HMd)ael #alling (Karlsruhe), Franz 13eidler (ffooskau) u. a. m. Zu guterle^t aber fei mit Siegfried Wagner felber nod) einer jener eckten 13ayreutf)er Glücksfälle genannt, der fid) vom Hintergründe eines Leides abf)ob. ftnton 8eidl tvard uns jäf) entriflen, einer unfer fd)iverften Verlufte, und mit feinem legten Worte, das diefer altgetreue 8d)üler feines fDeißers dort gefprod)en, begrüßte der 8d)Tveig- jame nod) feierlid)-freudig feines ffteifters 8of)n als redeten erben ^ayreutl)s.

Sollte nirf>t fdjon die natürliche €mpfindung die

/

«ayneutrR 77

Fterzen einigermaßen bewegt I)aben, als es bekannt ward, dag der Sof>n durd) feine Begabung der Lebens- aufgabe geweif)t fei, das Werk feines großen Vaters fortzuführen? Sollte man da nid>t lieber mit einem freudigen Vorgefühl (tille gewartet, vertraut und gehofft f)aben, anftatt daß fofort wieder Uebelwollen und Zweifel- haft fid) Luft machte in lauter kleinen bi|figen Miß- billigungen, gerade als wäre ein Sof)n Wagners der Le^te auf der Welt, der 8ad)e Wagners tatkräftig und verftändnisvoll zu dienen?! Siegfried Wagner l)at aber nid)t nur fd)on als junger Ord)efterIeiter an gewiß fd)wierigft:er, exponierterer Stelle ein entfd)iedenes individuelles Talent bewiefen; er I)at vor allem gezeigt daß er geborener Theatraliker ift, in feiner glücklichen, vom malerifd)en 131idk begünftigten Anteilnahme an der Führung der :6ayreutf)er fiegie, vornehmlich bei den fo wichtigen meteorologifd)en Vorgängen und :0eleud)tungs- momenten des ttinges. Davon mochten Viele nod) nid)ts erfahren f)aben, da fo!d)e Dinge in 13ayreutf) in aller Stille fict> zu vollziehen pflegen, und es dort nid)t nottut, einer Welt voll Lärmen es erft nod) überlaut in die Of)ren zu fdjreien, was geleitet worden und wer fid) ein Verdienp: erworben l)abe. Allein die „Dnfzenirung" des Fliegenden Holländers im #al)re 1001, welche das fogenannte (Jugendftück Wagners zu einem foldjen, im einaktigen Umfange kleinen, an Kunftwert und Kunft- eindruck großen Wunder aud) für ein künftlerifd) ver- wöhntes 13ayreutf)er publikum gefaltete, die konnte nid)t unbeachtet, unerfragt vorübergehen. Weld) ein ffteifter der :6üf)nenkunfl: f)atte dies in feinen engen ©renzen und einfachen Linien wof)l vollkommenfte rGeifpiel des :8ayreutf)er Stiles gefd)affen? 6s war Siegfried Wagner. Daß innerhalb diefes aufs feinfte abge- stimmten ©efamtbildes der ergreifenden Tragödie der 8el)nfud)t in der Daturfpf)äre des fDeeres aud) gerade die €rlöfungsmad)t der Treue in der ©eftalt der Senta wieder if)re typifd)e Verkörperung gefunden f)atte durd)

rs Rari8 von woLzosen

eine ganz neue 8d)ülerin jenes 8tyles, 6mmv Deftinn: das erfd)ien nun zugleid) als ein freundlicher Funrveis darauf, dag; rvenn aud) fo manche kün|tlerifd)e Kraft am dortigen Kunftrverke im Laufe der Zeiten, äußerlid) oder innerlid) verloren gef)t, der für künftig fo glück« lid) und bedeutungsvoll gefiederten Leitung ein junger Dad)rvud)s niemals fehlen rverde, dem es nur zu gönnen rväre, er könnte einftmals von allem "Crjeatergetriebe frei und fern in eigener 8d)ule, aud) als eine moralifd) im :6avreutf)er <3ei(t gefeßete (Gemeinde ed)ter Künftler- Persönlichkeiten, den flxengen Dienft der f)of)en 8ad>e deutfdjer Kunft mit freudigem Stolze verrichten! Damit tväre die Zukunft von 33ayreutf) völlig im 8inne feines Schöpfers gefiebert, rveldjes bis beute das Ver- trauen der Hation fid) redlid) verdient f)at, durd) die nie erlofdjene, immer neu und fo überrafdjend rvie überzeugend bervärjrte Fähigkeit eines Lebens in feinem ©eifte.

8d)luJ5ivort

Vertrauen rvir denn aud) auf die Zukunft von :3avreutf), und rvünfd)en rvir if)m eine gute Zukunft in das neue <Jal)rr)undert bme*n* X)enn dies :8avreutf) rjat etwas ©utes zu bedeuten inmitten der modernen Welt, merjnnod): in aller deutfd)en Welt 6s rvar eine deutfd)e ffceißertat, es ift ein Stück deutfdjer Arbeit, es ift und bleibt ein ffterk» und Denkmal deutferjen <3eiftes. Vergeben die Fremden aller Hationen darin das deutfdje Wefen, fo erkennen die £)eutfd)en aller Staatsverbände fid) felbft, das, rvas fie als eine fried- liche Kulturmad)t vereint rveit über alles politifd)e Scheiden und Streiten f)inaus vereint in der Welt unferes Rerzens, des innerften ?Denfd)entumes, das dod) niemals nur ein ftbjtraktum, das dod) immer aud)

«ay^eutR 79

ein Volkstum i(t 3Das nationale :8ewußtfein f)ätte zur Zeit des wad)fenden Kosmopolitismus und Hnter- nationalismus aud) auf dem Grunde der größten poli- tischen Tatfac^en nid)t fid) dergeftalt lebendig erhalten können, wenn nid)t eine geizige Kraft, im beften öinne „konfervativ", wie der deutfc^e Geifl: es iß, dabei ge- holfen l)ätte. X)iefe geizige Kraft, die nrir niemals ein- büßen mögen, um als X)eutfd)e exilieren zu können, f)at zur Zeit if)ren unverf)of)Ienften, wirkungsvollen, idealkünftlerifd)en Ausdruck gefunden in Wagner, feiner Kunß und feinem 13ayreutt)« 3n diefer reichen und lauten modernen Welt um uns fyer weld) ein viel beklagtes und dod) nid)t gemindertes Vorwalten materia- lißifd)er Denkweife, materialiftifdjer Tendenzen! Wie feiert dagegen nod) f)eute dort in Äayreutl) ein reiner Hdealismus feine 8iege über das Gemüt und beweifl: fein unerlofdjenes Vorf)andenfein in der deutfd)en Innen- welt an einer Fülle großer tatfäd)Iid)er €rfd)einungen! 3n der Welt f)errfd)t fDad)t vor fted)t, wird der Du^en allen anderen Untereren vorangejtellt, wird ein alles durd)fre(Tender Egoismus kaum mit fdjweren ?DüI)en immer nur ein weniges an foziale pflichten gemannt, zu if)rer Erfüllung oft felbft nur lißig gereizt: eine raftlofe (Jagd nad) Gold und Glück bringt würde- und l)eiIlofe Unruhe in alle Lebensver^ältnifle* Dort in :6ayreutf) flüchtet fid) der ffoenfd) aus diefer großen Unrafl der Welt in einen edelen Frieden, die böfen und (hörenden Gewalten fd)einen gebändigt im fd)önen I3ilde der Kunp, und eine Arbeit wird geleiftet, eine Sadje getrieben „um if)rer felbft willen**, of)ne (Sedanken an Hu^en und Gewinn, eine mit keinerlei Hebenabfid)ten und Hebenrückfid)ten verwickelte, rein künftlerifd)e Aufgabe wird gelöp, und kein anderes Glück damit erftrebt als das der erhabenen Freude am Wahren, €delen, Großen und 8d)önen. Draußen aus der Welt will das Große entfd)winden; fef)nfüd)tig blickt der fftenfd) nad) €rfd)einungen aus, an die er

so nans von woiizosen

freudig glauben, denen er mit Bewunderung, Begeife- rung und Verehrung dienen konnte. Was uns f)ier allzufej)r fef)It, dort in Bayreuth ifl: es uns voll ge- währt: da find rvir in dem freien t?eid>e, wo das öroße ()eimifd) iß, wo die Helden leben und walten, die parken Willen, die f)of)en ©edanken, die edelen ©efüf)le, wo man dem Großen und dem Helden in Bewunderung, Begeiferung und Verehrung dienend feine Treue galten kann. 3n der Welt ifl: die Kunfl felbfl: f)erabgefunken von derHö|)e genialer Weltfd)au in die trüben Diederungen eines kurzzeitigen, l)alt- und ziellofenftlltäglic^keitsflnnes, und f)in und 6er kämpfen vergebens nac^fid)ererftid)tung, nad) fefler Form fügende Meinungen und Begebungen in wirrem ^Durcheinander. 3n Bayreutf) f)at eine in fid) gefeflete Kunfl- und Weltanfd)auung if)ren ausgeprägten, fieberen, großen 8til gefunden, ein fraglos fid) felber voll und rein ausfpredjendes Kunflwerk bietet jedem Suchenden ein weihevolles ftfyl im fteid)e der Freiheit und 8d)önf)eit dar. ün der Welt führen Wiflenfd)aft und politik das große Wort, und fie wollen fid) felbfl: nid)t einfd)ränken laffen durd) die Forderungen eines fentimental gegoltenen fittlid)en Bewußtfeins. 3n Bayreutf) F)errfd)t allein die Kunfl, aber in der tragifd)en ftuffaffung der Welt gibt fie mit großen und edlen Gefühlen und <3eflalten, durd) Leiden, HMtleiden und Ueberwinden, der fittlidjen H>ad)t im ?ftenfd)en« gemüte wieder feflen ©rund und volles Bewußtfein, draußen in der Welt will die überarbeitete fDenfd)f)eit fid) betäuben an einer leeren, leichtfertigen, unbefriedigenden Lufligkeit bis zur Frivolität. Hier in Bayreuth wird fie zurückgeführt auf einen tiefen €rnfl, zur Tragik des Dafeins, aber aud) zum erlöfend Heiligen im Leiden, zur religiöfen ftnfd)auung des Lebens, alles Lebens; und zugleid) wird if)r eben dort und eben damit eine reine Heiterkeit gewährt, die Heiterkeit der natur und des Volkes, wie fie aus Wald und Wiefe des Siegfried und der fDeiflerfinger beglückend zu uns dringt

«ay«eucR

81

60 follen und wollen ivir alfo beglückten Kinder des deutfdjen Vaterlandes in aller Hot der Zeiten es nie ver- geben, daß; ivir nod) ein:ßayreutf) f)aben und was dies 13ayreutf) uns bedeute; eine ideale Welt inner- halb der realen Welt, ein dem künftlerifd)en Sinne der abendldndifd)en Kulturgemeinfamkeit leuchtendes :8eifpiel und öymbol germa- nischer Kunß, germanifd)en ©elftes.

Carl Giessel

Hofbuchhändler Seiner Hoheit des Herzogs Friedrich II. von Anhalt

Bayreuth

Specialität:

Wagneriana

in Literatur, Musikalien, Kunst

Verlag der Coslümbilder der Bayreuther Festspiele

Kataloge gratis und franko

DIE KUNST

SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN

Herausgegeben von

RICHARD MUTHER

Bisher erschienen:

LUCAS CRANACH von RICHARD MUTHER.

DIE LUTHERSTADT WITTENBERG von COR- NELIUS GURLITT.

BURNE-JONES von MALCOLM BELL.

MAX KLINGER von FRANZ SERVAES.

AUBREY BEARDSLEY von RUDOLF KLEIN.

VENEDIG ALS KUNSTSTÄTTE von ALBERT ZACHER.

EDOUARD MANET UND SEIN KREIS von JUL.

MEIER-GRAEKE.

DIE RENAISSANCE DER ANTIKE von RICHARD

MUTHER.

LEONARDO DA VINCI von RICHARD MUTHER.

AUGUSTE ROD1N von RAINER MARIA RILKE.

DER MODERNE IMPRESSIONISMUS von JUL. MEIER-(iRAEFE.

WILLIAM HOGARTH von JARNO JESSEN.

DER JAPANISCHE FARBEN HOLZSCHNITT, Seine Geschichte sein Einfluss von FRIEDR. PERZYNSKI.

PRAXITELES von HERMANN UBELL.

DIE MALER VON MONTMARTRE [Willette, Stein- lein, T. Lautrec, Leandre] von ERICH KLOSSOWSKI.

BOTTICELLI von EMIL SCHAEFFER.

JEAN FRANgOlS MILLET von RICHARD MUTHER.

ROM ALS KUNSTSTÄTTE von ALBERT ZACHER.

JAMES Mc. N. WHISTLER von HANS W. SINGER.

Fortsetzung auf nächster Seite

Band

I.

Band

IL

Band

III.

Band

IV.

Band

V.

Band

VI.

Band

VII.

Band

VIII.

Band

IX.

Band

X.

Band

XI.

Band

XII.

Band

XIII.

Band

XIV.

Band

XV.

Band

XVI.

Band

XVII.

Band XVIIL

Band

XIX.

BARD, MARQUARDT & CO., BERLIN W. 57.

DIE KUNST

SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN

Herausgegeben von

RICHARD MUTHER.

Bisher erschienen ferner :

GIORGIONE von PAUL LANDAU.

GIOVANNI SEGANTINI von MAX MARTERSTEIG.

DIE WAND UND IHRE KÜNSTLERISCHE BE- HANDLUNG von OSCAR BIE.

VELASQUEZ von RICHARD MUTHER.

NÜRNBERG von HERMANN UHDE.BERNAYS.

CONST ANTIN MEUNIER von KARL SCHEFFLER.

ÜBER BAUKUNST von CORNELIUS GURLITT.

HANS THOMA von OTTO JULIUS BIERBAUM.

PSYCHOLOGIE DER MODE von W. FRED.

FLORENZ UND SEINE KUNST von GEORG

BIERMANN.

FRANCISCO GOYA von RICHARD MUTHER.

PHIDIAS von HERMANN UBELL.

WORPSWEDE (Fritz Mackenscn, Hans am Ende, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Karl Vinnen, Heinrich Vogeler) von HANS BETHGE. JEAN HONOR2 FRAGONARD von W. FRED.

HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER von OSCAR BIE.

ANDREA DEL SARTO von EMIL SCHAEFFER.

DIE MODERNE ZEICHENKUNST von OSCAR BIE.

Weitere Bände in Vorbereitung

Jeder Band, in künstlerischer Ausstattung mit Kunstbeilagen,

kartoniert Mk. 1.25

ganz in Leder gebunden Alk. 2.^0

Liebhaber- Ausgabe, ganz in Leder gebunden . . . Mk. 10.

Band

XX.

Band

XXI.

Band

XXII.

Band

XXIII.

Band

XXIV.

Band

XXV.

Band

XXVI.

Band

XXVII.

Band XXVlII.

Band

XXIX.

Band

XXX.

Band

XXXI,

Band

XXXII.

Band XXXIII.

Band

XXXIV.

Band

XXXV.

Band

XXXVI.

BARD, MARQUARDT & CO., BERLIN W. 57.

Date Due

All library items are subjecl to recall at anv time.

JUN 1 7 201(1

JUI 2 0 " "<

Brigham Young University

BRIGHAM YOUNG UNIVERSITY

3 1197 20702 3836

ML;i+10;W2;W87 878027

AUTHOR COp.d

Wolzogen

TITLE

Bayreuth

ML 878027

^1° copy2

W2 SIBLEY MUSICAL LIBRARY l *

Eastman School of Music

University of Rochester

Reference Book Rules

1. Books must be used within the library only and must be properly charged out at ttie Grad- uate Loan Desk for each use^^ ^^ m. M

2. Restricted material nufst be returned to the Desk immediately after each use, or before closing time on each day it is borrowed. this includes periodicals, dictionaries, 6tc.f and all music classified in M 1 through M 4. Non- restricted material may be placed on Cubicle Charge for one month by assigned occupants of cubicles. Otherwise it must be returned before ciosing time on each day it is borrow&L Any exceptions must be specifically approved by the librarian.

3. Each book which is not returned according to these rules will be subject to a fine of twenty-five cents per day.

4. Each borrower is held responsible for all books drawn on his name. All injuries to books and all losses shall be made good to the satis- faction of the librarian.

8HRD

v-

v?

km