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ZEHN JAHRE MIT BÖCKLIN

Druck von Alphons Bruckmann, München.

Nach einer Photographie.

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Selbstporträt 1 88s. Original hu Besitz von Frau Dr, Meyer in Freiburg i. /■'. IV , i

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ZEHN JAHRE MIT

BÖCKLIN

AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

VON

GUSTAV FLOERKE

ZWEITE, VERMEHRTE AUFLAGE

MÜNCHEN 1902 VERLAGSANSTALT F. BRUCKMANN A.-G.

BRA

APR2- 19/0

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

r:5 :

VERZEICHNIS DER BILDERTAFELN

Seite

Porträt des Verfassers, nach Photographie

Selbstbildnis Arnold Böcklins vom Jahre 1885

Böcklin, Triton und Nereide 6

Die Nereide (Seeschlange) 26

Die Toteninsel, alle fünf Ausführungen 36

Herbstgedanken 63

Sieh, es lacht die Au 72

Meeresstille 74

Meeresidylle 76

Der Abenteurer 78

Heimkehr 80

Im Meere (Seetingeltangel) 82

H. v. Marees, Die Lebensalter 168

Die Hesperiden 170

INHALTSVERZEICHNIS

Seile

Vorbemerkungen 1

Persönliches 11

„Einflüsse"; Entwickelung; Autodidakt 18

Bei Schack und heute 28

Künstlerische Charakteristik 32

Böcklins Ästhetik 51

Kompositionsmittel; Bildentstehung; Bilder 59

Modell? Vor der Natur? 85

Porträt Ol

„Keine Natur!" 94

Korrektheit und Fertigmachen 101

Was ist Zeichnen? 105

Ton; Farbe 108

Sehen 116

Kunstwerk und Beschauer 120

Böcklin als Lehrer; Schüler 122

Böcklin und das Monumentale 126

"Das „Moderne" in Böcklin 129

Farbige Skulptur 131

Gedanken über Bildhauerei etc. (Einzelnes) 152

Technisches 162

Böcklin und Hans von Marees 168

Urteile Böcklins über Andere 179

Koller und Böcklin 192

Böcklin über Rudolf Schick 194

Unsere Zeit; Mode; Publikum 196

Moderne Malerei 204

Varia 229

Schlussbemerkung 260

Generalregister 261

Vorbemerkungen.

Gustav Floerke*) wurde am 4. August 1846 zu Rostock in Mecklenburg als Sohn des (juristischen) Senators Dr. G. Floerke geboren, studierte in Jena die Rechte, in Berlin und München Kunstgeschichte und promovierte in seiner Vater- stadt. Schon auf der Schule hatten sich seine dichterischen Neigungen angekündigt, die späterhin im Berliner „Tunnel über der Spree" und im Münchener „Krokodil" lebhaft gefördert wurden, und während eines jahrelangen Aufenthaltes in Rom reiche Nahrung fanden.

Im französischen Kriege, wo er verwundet wurde, ver- diente er sich das Eiserne Kreuz. Von 1873 79 lebte er als Professor der Kunstgeschichte in Weimar, ging von dort für mehrere Jahre nach Florenz, darauf nach Zürich (1884), München (1886) und Rostock (1892), wo er am 15. Ok- tober 1898 starb.

Seine wissenschaftlichen Aufgaben und das Unstäte seines Lebens haben ihn nicht zu einer Sammlung der vielen Aufsätze und novellistischen Arbeiten kommen lassen, die er in ver- schiedenen Zeitschriften veröffentlichte.

Im Buchhandel erschienen sind bis jetzt nur: „Die vier Parochialkirchen Rostocks" (1871); „Von unseren Truppen im

*) Diese Biographie ist im wesentlichen der von Paul Heyse der „Volskerin" (im „Neuen Deutschen Novellenschatz") beigegebenen entnommen. A. d. Herausgebers.

Floerke, Böcklin. 1

2 BÖCKL1N-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWURFE

Felde" (1871); „Schwarze Bilder aus Rom und der Cam- pagna*) (1874); „Das Märchen von den sieben Raben" (1874); „Ein lustig Mirakelstück von der gar schweren Kunst der Mahlerey" (1878); „Die Insel der Sirenen" (Capresische Dorf- geschichten) (1879); „Italisches Leben" (1892); „Sommer- fäden" (1896).

Gustav Floerke lernte Böcklin 1881**) in Florenz kennen, wo sich zwischen beiden bald ein intimer Verkehr entwickelte. Fast jeden Abend kamen sie bei Rossi am Palazzo Strozzi beim Wein zusammen; Mittwochs fand später ein Musik- abend bei Floerke in der Via Luigi Alamanni statt. Den Sommer 1883 verbrachten sie bei la Spezzia in San Terenzo und der Vallata. Dieser Verkehr, der zwischen Atelier und Weinstube wechselte, setzte sich 1885 und 86 in Zürich fort und endigte in München, wo Böcklin den Freund mehrmals besuchte.

Die vorliegenden Aufzeichnungen, die sich nach einer Notiz des Verfassers „jedem als eine bunte, niemals nachgelesene Reihe von Einfällen und Studien darstellen", stammen aus den Jahren 1883—89. Alles vorher (1881—83) Fixierte ist in der Vallata zusammen mit einem Schatz von novellistischen Entwürfen, Skizzen und Studien untergegangen, ein Unglück, das für die ganze schriftstellerische Produktion und Thätigkeit Gustav Floerkes wenn er es auch nicht eingestand zum Verhängnis wurde, und auch das Vorliegende dazu verurteilte, Fragment zu bleiben. Doch darf mit Bestimmtheit behauptet werden, dass der Verkehr mit Böcklin vor 1883 seinen Nieder- schlag in der späteren Charakterisierung des Meisters ge- funden hat.

Es hätte keinen Wert, darüber zu reden, wie diese Arbeit ausgefallen wäre, wenn der Verfasser von „Italisches Leben"

*) D. h. der Text zu den „Schwarzen Bildern" von Schulze. A. d. H. **) Wie mir Sigmund Landsinger mitteilte, der wohl am längsten von allen Freunden mit Böcklin verkehrt hat, geschah dies schon 1879 im Antico Fattore, einer Kneipe bei den Uffizien. A. d. H.

VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

sie selbst mit seinem Geleitbrief versehen in die Häuser der Wenigen hätte senden können, zu denen es ihn zu sprechen freute. Ein Brief an Böcklin und der Entwurf zu einem Vor- wort, die ich folgen lasse, mögen aber Aufschluss geben über die Absichten des Autors :

1. „Ich möchte eine Monographie schreiben, so concis und lapidar wie möglich in der Darstellung der wesentlichen, also treibenden und unterscheidenden künstlerischen Faktoren ihrer Persönlichkeit, so einleuchtend durch Farbe und Gegen- sätze wie möglich. Überall aber möchte ich durch das implicite darinliegende Wissen, die klare Einfachheit schlagen- der knapper Wirkung mir als einziges Ziel setzen soweit eine Entwickelung auch von einem Bilde in Ihrem Sinne naturgemäss leider entfernt bleiben muss. Und um die Ent- wickelung kommt der Historiker nun mal nicht herum er wäre ja keiner!"

2. „Wer hier die ganze Alpenkette mit dem Mont Blatte in der Mitte, von meinem Standpunkt aus dargestellt, zu über- sehen erwartet, täuscht sich. Es soll hier nicht das müssige Spiel getrieben werden, alle Werte nach einer neuen Münz- einheit umzuwerten und eine Währung herzustellen, die vielleicht keinem der Lebenden passt. Dazu ist keiner der Mitlebenden berechtigt.

Indessen soll dieser Versuch doch dazu beitragen, das schwankende Bewusstsein halber Anhänger einer wirklichen Goldwährung in künstlerischen Anschauungen zu schärfen und wach zu halten.

So ungeheuer auch das nationale Interesse an solchen Fragen beteiligt sein sollte, so gewiss handelt es sich - - in fitt de' conti doch um internationale Werte, für welche das Bewusstsein der Nation zu schärfen wäre, die einen solchen Fonds von nahezu unveränderlichem Wertmetall besitzt und nicht genügend in Rechnung zu ziehen scheint. Sehet her! Warum sollen wir uns auf die Zukunft vertrösten, da doch

4 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

auch Ihr äusserliche und innerliche Augen habt, nur dass Ihr sie meist wo anders und darum anders eingestellt habt?

Gewiss, und Gott sei Dank, weiss ich manche, die mit mir auf demselben Aussichtspunkt stehen. Ihnen soll dies Buch nur Gruss und Handschlag sein !"

Gustav Floerke hat sich über Böcklins Kunst zum erstenmal meines Wissens 1876 in der „Gegenwart", anlässlich der 50. Ausstellung der Akademie der Künste zu Berlin ausgesprochen. Zum Vergleich mit seinen späteren Anschauungen gebe ich diesen Versuch einer Würdigung des Meisters im folgenden wieder:

. . . Für einen seinem innersten Wesen nach den Achen- bachs vielfach verwandten Künstler ersten Ranges halte ich Böcklin. Zuerst ist er, wie Andreas, unbekümmert um Modemalerei und Publikum, seinen eigenen einsamen Weg gegangen und geht ihn noch, manchmal zwar in so rücksichts- losem Aufzug, als ob er allein auf der Welt wäre. Auch er hat viel von den Alten und ebensoviel von der Natur gelernt und weiss auf allen zweien zu fussen. Er hat aber auch mit Oswald die poetische Anschauung seiner grossartig malerischen Phantasie gemein und mit beiden das Schätzen und Wiedergeben des Moments, des ersten Eindrucks. Mag dieser Moment bei ihm auch weniger, als in der realen Natur gesehen, erscheinen, sondern sich vielmehr als innerlich Geschautes darstellen, so weiss Böcklin doch diese seine Phantasiegebilde mit mehr und grossartigerer Natur zu bekleiden und malerischer zu verwirk- lichen, wie irgend ein zweiter deutscher Figurenmaler der Gegenwart. Auch Böcklin würde nichts malen, was ihn nicht poetisch interessiert, bewegt hätte, obgleich diese seine Em- pfindungen oder Ideen so stark und echt malerisch auftreten, wie bei wenig anderen. Er erzielt also, wie Oswald, seinen Eindruck durch die überall in seinen Bildern webende poetische Idee und drückt sie wie jener aus durch die fabelhafteste malerische Erscheinung. Man könnte sagen, er sei das in

VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

düsterem, weltzerfallenem Ernst, was jener in frohem Geniessen ist. Darum sind die Würfe, die er thut, seltener, aber auch tiefer, wuchtiger in ihrer Poesie, als die unerschöpflichen Leuchtkugeln des grossen Düsseldorfers, und seine Malerei erscheint noch einfacher, grossartiger und rücksichtsloser.

Böcklins Poesie erscheint den Wenigsten verständlich. Meinetwegen. Die Malerei ist überhaupt kein Mittel, um Ge- fühle oder Gedanken deutlich auszusprechen, sondern nur, um anzuregen, und es dürfte dem Werte eines Bildes wenig schaden, wenn jeder Empfindungsfähige von ihm in anderer Weise berührt erschiene. Noch heute z. B. streiten sich Ge- lehrte und Ungelehrte ganz ernsthaft darüber, was Tizians „Amor sacro e profano" schliesslich vorstelle. Adolf Stahr erzählte mir sogar eine ganze Novelle, die er aus dem Bilde herausgelesen hatte. Ich habe bis heute noch nicht bemerkt, dass dasselbe durch irgend eine neue Erklärung besser oder schlechter geworden wäre oder dass es dadurch an Wirksam- keit gewonnen hätte. Vielmehr muss ich gestehen, dass ich vor diesem Bilde stets den höchsten Genuss empfinde, wenn ich lediglich die Augen aufmache in mir steigt dann jedes- mal erwärmend das Gefühl auf, als hätte ich einen Blick in die eleusinischen Gefilde der Schönheit thun dürfen will ich mehr, Fängt der Verstand an zu fragen, so fällt der Vor- hang. Und ich habe diese Probe oft genug gemacht vor dem Original in der Galerie Borghese und vor der Kopie, die seit Jahren über meinem Schreibtisch hängt.

Auch bei Böcklin ist die Schönheit eine derartig tausend- fältige, unabhängige, die sich wohl an hundert Einzelheiten nachweisen lässt, als Ganzes aber dennoch nur je nach der Subjektivität des Beschauers empfunden werden kann. „Das ist grosse Malerei"*), sagt der Eine. Gut. „Das ist eine See,

*) Gemeint ist: „Triton und Nereide auf der Felsklippe" (oder „Vor dem Sturm") 1875. Böcklinwerk der Phot. Union Band I, 27. Besitzer: F. A. Sim- rock, Berlin. A. d. H.

BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

vor der selbst dem Seemann graust. Das ist der Tod alles menschlichen Lebens, die menschenfeindliche Natur selber, mit dem Wenigsten gemacht." Auch wahr. „Und da wo alles Leben erstarrt, auf schwammförmiger Klippe, vor dem gefrässigen heranbrausenden Sturm, liegen zwei Wesen. Sie kümmert das Wetter wenig. Gerade das ist ihr Element, ihr Behagen." Auch dieser Gegensatz ist schön. „Der Mann, tierartig menschen- ähnlich, schaut mit grossen sehnsüchtigen Augen mit was für unvergesslichen Augen ins Weite. Sehnt er sich ein Mensch zu sein, ein armseliger, furchtsamer, aber gottähnlicher Mensch, so wie der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene Mensch Gott gleich sein möchte . . .? Sehnt er sich nach einer Seele oder nach der verlorenen Seligkeit, denn die Wasser- männer, glaube ich, sind verdammt...? Haben diese Augen vor dem Sturz der Engel Gott geschaut - - seine Herrlichkeit und seinen Zorn? Denn es sind mehr wie Menschenaugen." Ich muss gestehen, bester Leser, ich weiss es nicht, warum sich dieser tierische Leib so krampfhaft an den Felsen klammert, während die menschliche Seele in ganz anderen als Sturmes- nöten in den gegenwartvergessenen Augen zittert. Und neben ihm lagert und streckt sich seine körperlich viel schönere Hälfte ein menschlich schönes nacktes Weib leichtsinnig und mit Behagen geniesst sie das menschentötende Wetter, bei dem allein ihre Art zur Oberfläche auftaucht. Sie wird ihn auslachen, wenn sie den Träumer sieht, und ihn unbekümmert und lustig in die heimische Einöde hinabziehen . . . Was weiss ich! Böcklin hat das Grauen des Meeres gesehen in Momenten, wo nur die geheimnisvollen Wesen der Tiefe aufzutauchen wagen, und er lässt uns hineinschauen in die märchenhafte Realität noch unentdeckter Existenzen. Es ist diesmal kein blosser Zufall, wenn dieses „Seekalb" dem verehrlichen Publico noch nicht vorgekommen ist. Da draussen, wo das Sonntags- kind Böcklin es hat sehnsüchtig emportauchen sehen, sind keine reservierten Plätze, weder für Naturforscher noch für

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TRITON UND NEREIDE

VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

neugierige Alltagsmenschen. Auch der dreisteste Special- korrespondent wäre längst verweht und gefressen, ehe er dahin käme, wo die Natur dermassen bei sich zu Hause ist. Solchen bleibt es auch viel richtiger überlassen, vor diesem Bilde nachzurechnen, wie viele Verzeichnungen an den darauf befindlichen Gliedmassen etwa zu entdecken wären!

Auch die Nationalgalerie hat die „Meeresidylle" von Arnold Böcklin nicht gekauft. Offiziöse Reporter dürfen, taktvoller- weise, über eine solche Schöpfung spötteln .... Wie mag es wohl mit der Zukunft der grossen Kunst in Preussen aus- sehen? . . ."

Die Aufgabe des Herausgebers bestand im wesentlichen darin, das ungeordnete Material zu sichten, es in einen gewissen Zusammenhang zu bringen, direkte Wiederholungen auszu- scheiden, solche, die einen Gedanken deutlicher aussprachen oder von einer anderen Seite beleuchteten, in Klammern anzu- fügen und hier und da, wo eine Trübung des Charakters der Aufzeichnungen nicht zu befürchten war, einfache Übergänge zu schaffen.

Es war nicht seine Aufgabe, das Skizzenhafte und Im- provisierte mancher Wendungen und Ausdrücke in „besseres Deutsch" zu übertragen. Die Wahrung der Frische und Un- mittelbarkeit des oft flüchtig hingeworfenen Satzes und Wortes musste ihm als oberstes Gesetz erscheinen.

Die Kapitelüberschriften bezeichnen die Gesichtspunkte, nach denen der Verfasser seine Arbeit ordnen wollte. Sie wurden, trotzdem sie sich manchmal mit dem Inhalt der Ab- schnitte nicht ganz decken, beibehalten.

Unter der Rubrik „Varia" wurde alles auf Böcklin und die Kunst Bezügliche vereinigt, was sonst keinen Platz finden konnte, und doch ein wenn auch bedingtes Recht auf die Angliederung hatte. Fortgelassen wurden die Kapitel:

8 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

„Wladimir von Svertschkoff" *) und „Vorwürfe und Kritik". Ersteres, weil es mit Böcklin und seiner Kunst nicht unmittel- bar zu thun hat, letzteres, um mit der Heimführung der Herman Grimm, Bluemner, Otto Knille, Herman Becker etc., deren Kritik alle Phasen vom Missverständnis bis zur völligen Verständnislosigkeit durchläuft, nicht Längstbegrabenes wieder hervorzuscharren; doch haben einige allgemeinere Bemerkungen aus diesem Abschnitt, wo es wünschenswert erschien, Aufnahme gefunden.

Manches in dem Vorliegenden Ausgesprochene ist in- zwischen für die Modernen Gesetz und Glaubenssatz geworden. Man dürfte aus diesem Umstände kaum einen Vorwurf gegen die hiermit der Öffentlichkeit übergebenen Blätter konstruieren können.

Hanns Floerke.

Basel, im April 1901.

Vorbemerkungen zur zweiten Auflage.

Ende Oktober 1901 wurde die erste starke Auflage des vorliegenden Buches herausgegeben. Wider Erwarten schnell ist eine neue notwendig geworden. Dieser Umstand rechtfertigt, abgesehen von persönlicheren Gründen, am besten das Wagnis, eine Reihe von Studien, Aufzeichnungen und Aphorismen, ja selbst Bruchstücken über einen Künstler und eine Kunstan- schauung zu veröffentlichen.

*) Der Maler W. v. Svertschkoff (1822—88), auf dessen Besitztum am Mugnone in Florenz Böcklin sein Atelier hatte und Gustav Floerke eine Zeit lang wohnte, war ein Freund des Meisters und ihm in Charakter und Weltanschauung sehr nahe verwandt. Eine ganz ausserordentliche Urteilsschärfe und Arbeitskraft, schonungslose Offenheit und unbeirrbare Ehrlichkeit gegen sich und andere waren seine hervorstechendsten Eigenschaften. Gustav Floerke zeichnete ihn in der Person des Malers aus Russland in: „Pour arriver" („Kunst für Alle" IL). A. d. Herausgebers.

VORBEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

Ein Teil der übrigens in ihrer grossen Mehrheit günstigen Kritik hat die Veröffentlichung von Böcklins Ur- teilen über andere beanstandet und gefunden, dass des Meisters Bild dadurch eine Trübung erfahren habe, andere sprechen von Weinlaune, in der diese Dinge und so manche andere gesagt seien, ein besonders mimosenhafter Kritiker fühlt sich durch das Kapitel über Schick in der Seele des jungen Malers verletzt. Das sind Sentimentalitäten, mit denen niemand gedient ist. Der Herausgeber hat es nicht nötig, Kotau zu machen und schätzt die litterarische Ehrlichkeit höher als die Gunst der „Angekommenen". Und was die Weinlaune oder Wirtshausstimmung betrifft, überlege man sich nachstehende Wahrheit, mit welcher der Verfasser seine eigene Lage charakteri- siert hat: „Man wirft eigentlich zu viel weg im Wirtshaus, ver- sprüht zu viel Phosphor, giebt ganz fertige, zugespitzte Sachen her. Wein und nette Kerle, steile Behauptungen regen immer von Frischem an, die Wahrheit zu sagen und furchtbar zu kämpfen und am andern Tag, am Schreibtisch, ist man müde und macht nichts."

Der in seinen Kunstanschauungen gekränkte Bremer Mono- grammist A. F. besitzt die Naivetät, nach dem Beglaubigungs- schreiben Gustav Floerkes, „eines Kunstprofessors wie hundert andere" zu fragen. Er will wissen, was Böcklin von den Fähig- keiten seines Interpreten gehalten habe. Ich begnüge mich, eine Stelle aus einem Nachruf wiederzugeben, die ich ganz zufällig fand. In „Arnold Böcklin, ein Gedenkblatt von Ludwig Perzi" („Die weite Welt" 20 No. 40) ist zu lesen: „Mit wahrer Schwärmerei rühmte er (Böcklin) Floerkes Schilderungen ita- lienischen Lebens, die er als Meisterstücke bezeichnete." Ausser- dem war Gustav Floerke laut schriftlichem Übereinkommen vom 19. Oktober 1889 zwischen Künstler und Verleger für die Bearbeitung des Textes zu dem grossen Böcklinwerk der Photographischen Union, den jetzt Professor H. A. Schmidt in Basel geschrieben hat, in Aussicht genommen.

10 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Aber wer kennt Gustav Floerke, wer hat sein „Italisches Leben" gelesen, dieses Buch, vor dem Gottfried Keller und Paul Heyse von anderen zu schweigen den Hut abzogen? Gewiss, man braucht ihn und seine Novellen nicht zu kennen, ausser wenn man kritisieren will.

„Dieser Narr, anstatt billig zu beweisen, wollte sein Leben lang Künstler sein und seine Erfahrungen an typischen Figuren darlegen. Und als Künstler war dieser Narr wieder so dumm, wissenschaftlich, dass er nichts darstellen wollte, was er nicht des Genauesten begriffen oder beobachtet hätte," so schrieb Gustav Floerke, als er am Ende seiner Schaffenskraft das Facit zog.

Ich glaube, dass diese Worte pro domo keiner Entschul- digung bedürfen.

Die neue Auflage hat einige Veränderungen erlitten. Neben wenigen geringfügigen Streichungen und Berichtigungen haben die Kapitel: „Gedanken über Bildhauerei"; „Mo- derne Malerei" und „Varia" grössere Zusätze erhalten. Ferner wurden die Bilder: „Pietä" und „Ruggiero und Angelika" durch die „Seeschlange" und den „Abenteurer" ersetzt.

Endlich möchte ich an dieser Stelle Veranlassung nehmen, der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. für ihre Sorg- falt und ihr bereitwilliges Eingehen auf meine Wünsche meinen besonderen Dank auszusprechen.

Der H erausgeber. München, im Februar 1902.

Persönliches.

Die höchste Begabung ist die stets frische Entwickelangsfähigkeit.

Arnold Böcklin ist jedenfalls, so poetisch seine Bilder aussehen und wirken, persönlich ohne jede Neigung zur Empfind- samkeit, ohne alle lyrischen Allüren. Ein durch und durch selbständiger, selbstbewusster, unermüdlicher Mann, klar, offen, gesund an Körper und Geist, ein Mann der That, der Thätig- keit, und der unentwegt weiss, was er will. Viel Herz und Gemüt hat er wohl nicht gerade. Oder er unterdrückt es längst als unbrauchbar, unnütz. Darin ist er Schweizer. Was er über Leben und Kunst sagt, ist nicht direkt genial, aber vor- züglich beobachtet und zweckbewusst klar durchdacht. Seine bedeutende Persönlichkeit, die sich der möglichst leichtflüssigen Mittel leicht bedient, zieht er bei all seinen Auseinander- setzungen nicht in Betracht.

Er trug auch einmal langes Haar und sah poetisch drein. Jetzt (achtziger Jahre) sieht er unerbittlich aus, positiv, zur Sache, geht stramm, trägt sich kurzgeschoren, mit festem Schnurrbart. Er ist eine durch und durch einheitliche Persön- lichkeit geworden, die ihre ganz bestimmte Strasse geht, sonn- tägliche Wege wandert, ohne rechts und links das Handwerk zu grüssen. Alles bezieht sich bei ihm auf seine Kunst, alles misst er nach ihr, sie ist ihm alles, ist Er. Dass er exklusiv ist? Das kommt daher, dass er eine Überzeugung hat. Und das ist das Entscheidende.

Ein Eingehen auf seine Lebensschicksale und sein Familien- leben würde von seiner künstlerischen Art und Thätigkeit nichts erklären, weil alles ausserhalb Liegende nichts an seiner Kunst zu ändern vermochte. Er hielt es damit wie mit dem einzelnen Bild: nur das wesentlich und sachlich Dazugehörige,

12 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Notwendige. Nur kein Hineinragen, Hineinschimmern irgend- wie nicht momentan zur Sache gehöriger Interessen! Reine Malerei! Nichts von dem, was nach ihm gekommen ist, hat ihn auch nur einen Augenblick beeinflusst, weder Frau noch Kinder. Er ist zu ausschliesslich positiver Kopf, zu sicher zweckbewusst, als dass ihn Not oder Glück, eigenes oder anderer, wesentlich hätten beeinflussen sollen.

Das Malen, äusserte er einmal, sei ähnlich wie Zimmer- turnen, eine der gesundesten Beschäftigungen, weil es eine fortwährende körperliche Anstrengung bedinge. Man stehe den ganzen Tag, müsse bald dies bald das holen, zurücktreten, die Palette halten, Flächen zustreichen etc. Besonders grössere Bilder seien sehr gesund. Auch die nötige geistige Anstrengung sei dabei, meinte ich. „Viel weniger, als man glauben macht, nur einmal, bis man sich klar ist, kommt sie vor. Und das kann im Bett sein. Nachher ist das meiste wenigstens An- wendung des Handwerks, das man gelernt hat Technik."

Das Malen ist ihm Vergessen alles Hässlichen.

Die überall auf sich selbst angewiesene schweizer Art und sein unzweifelhaft allemannischer Schädel sind sehr bemerkens- wert für ihn. Es geht Arnold Böcklin wie jenem alten Rabbi, der die sichere Verstandesklarheit seines Volkes damit erklärt, dass sie, die Juden, nie dumm gemacht wären ihr Gehirn mit keinen Lügen belastet worden sei, an deren Abarbeitung andere ihre schönsten Jahre -- unproduktiv verschwenden. Auch Böcklins Malerei, d. h. seine Augen, sein Verstand, seine Empfindung, haben sich durch keine Schule, keinen Glauben je dumm machen lassen. Während man sich im lieben Deutsch- land malerisch so oder so bethut und bethätigt, ohne zu einiger Selbständigkeit zu gelangen in der Reihe der Schattenkönige letzter Generationen, steht abseits ein alemannischer Mann, weder grollend noch lässig, sondern einfach, ohne Streberei, Patriotismus, Gesellschaft, Mode und andere Surrogate, mit denen die anderen handeln, sein selbsterworbenes Gut einfach und durchsichtig in der Hand haltend, ganz auf sich und seine Sache gestellt, die allein ihm heilig ist, ihm ausreichende Stellung in den Schädeln derer behauptend, die wie er, ohne die Verzogen- heit der letzten Jahrzehnte irgend einer Kunst klar ins Auge blicken. Er gehört nicht zu den „edeln Menschen" und Vater-

PERSÖNLICHES 13

landsverteidigern in usum delfini, sondern er wagt es unent- wegt, nackt Künstler, d. h. er selbst zu sein. Bei ihm ist alles frühlingshaft, sprudelnd und klar. Er packt zu und wirft fort mit vollen Händen, ohne Bedauern oder Rücksicht wie der Frühling. Für ihn ist der schon ein Narr, der nur einen Augenblick vergisst, dass er sich als Künstler ja nur in erhöhtem Masse seines Lebens freuen und diese seine neue, bisher noch nicht dagewesene Freude verschenken will. Er wollte sich nicht recken und strecken, bis er gross sei wie ein anderer, er beneidete und erstrebte weder Griechen noch Cinquecentisten er wollte das aushorchen und ausbilden, wozu ihn die Natur gemacht hat, er wollte sich machen, mit sich im Grase liegen und die Schmetterlinge haschen, die ihm zuflogen.

Böcklins bewusster Gegensatz zu allem, was man als Historien-, Genre- oder Ab-Malerei bezeichnen kann, und welch alles er in jedem Sinne für unkünstlerisch hielt, trieb ihn wohl auch dazu, seine Eigenart immer mehr zu bethätigen, machte ihn einsamer und Hess ihn bis zuletzt den Verkehr mit Nichtkünstlern vorziehen. Besonders in Rom mag das den Arbeitsamen angespornt haben, und in diesem Sinne mag auch seine Familie, die er ernähren sollte, Einfluss auf seine Thätig- keit gehabt haben. Einen anderen gewiss nicht. Seine soge- nannten Mäcene die er nie gehabt erst gar nicht. Graf Schack, der zumeist genannte, setzte den Künstler ebenso häufig in Verlegenheit, dadurch, dass er bestellte Bilder nicht nahm, mit deren Bezahlung der Familienvater bereits gerechnet hatte, als dass er andere sehr massig bezahlte.

Phantasie hat er immer noch. Aber er hat sie gebändigt, erzogen ; sie ist zielbewusst.

Seit München meint er, sei er „durch". (Ich nicht.) Zwar habe Schack ihn nach Möglichkeit ruiniert. Er bestellte Bilder und nahm sie dann nicht. Arbeit und Zeit für den Maler waren verloren, einmal, und zweitens benutzten die guten Freunde die Gelegenheit, das begreiflich zu finden, solchen unmöglichen Schmierereien gegenüber.

An der Spitze der guten Freunde stand Piloty, der seine Schüler sogar vor dem Umgang mit dem Schweizer warnte. Das, was er predige, sei der Ruin der Kunst. Frei- lich hatte Böcklin die „Historienmalerei" geradeso im Magen

14 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

wie deren Vertreter ihn und die Gefahr, die von seiner Seite drohte.

Wie sehr man ihn aber auch gerade in Malerkreisen be- feindete, so schätzte man ihn doch und wusste ihn zu benutzen. Für Kaulbach hat er gemalt, für viele andere in Rom. Lenbachs Bilder richtete er meist zu Bildern her, so noch den Kaiser Franz Joseph für die Wiener Weltaus- stellung*), der völlig unmöglich war, im letzten Augenblick. Auch Winterhalter schleppte gleich seine ganzen Leinwände her, wenn Böcklin ins Atelier kam, um sie sich etwas bild- artig zusammenbringen zu lassen.

In Stuttgart sollte er, ich glaube 1862, Direktor und Reformator werden, die Alten abschaffen oder kalt stellen. Die Hofpartei war für ihn, an der Spitze die Königin, momentan auch Herr Luebke. Zuerst stiess er auf den alten Rüstige, dessen Bilder er auslachte, und der ihn väterlich auf die Schwierigkeiten der Lage, die nötige diplomatische Vorsicht etc. hinwies. Böcklin wurde scheu, blieb aber doch probehalber vierzehn Tage in Stuttgart. Die pekuniären Vorteile waren für den Familienvater, dessen Bilder unverkäuflich waren, zu wesentlich. Aber bald sah er die Unhaltbarkeit der projektierten Position, die Übermacht der Myrmidonen, die er erdrücken sollte, ein: zu einem Intriguenspiel, in dem die anderen geschult waren, hatte er weder Lust noch Talent, und so gab der mittel- lose Mann die Chance auf. Er war in Weimar, wie er er- fahren, unmöglich er begriff, dass seine Idee: vielleicht geht's in Stuttgart, eine zweite und letzte Illusion dieser Güte ge- wesen war.

Böcklins Vater und Grossvater waren Weber. (Der Gross- vater — der erste seiner Ahnen, den er kennt aus Beg- gingen, am Fuss des Randen im Kanton Schaffhausen. Dort giebt's noch Böcklins.) Er selbst hat die Weberei auch angefangen. Darum ging er auf der Wiener Weltausstellung so gern und fast nur zu den Japanern, sie weben zu sehen. „Da begreift man, dass unser Webstuhl so einfach ist, nämlich wegen unserer europäischen Ungeschicklichkeit und Tölpelhaftigkeit." (Sonst ging er höchstens noch in den Maschinenraum. Die

*) Zu diesem Porträt hat, wie mir Landsinger sagte, Böcklins ältester Sohn Arnold dem Vater in Uniform Modell gestanden. A. d. H.

PERSÖNLICHES 15

Kunstausstellung betrat er nicht, „sollte man überhaupt nicht ansehen".)

Böcklin ging erst nach Düsseldorf zu Schirmer. Hier erkundigte er sich genau nach den unverdaulichsten Gerichten; denn um seinen gesunden Hunger und Magen zu befriedigen, dazu war kein Geld da, er musste etwas haben, womit sein Magen zwei Tage lang zu thun hatte. Von dort ging er nach Antwerpen und Brüssel. Unterwegs sang er öffentlich mit Michelis, da der dumme Kerl, der die Kasse führte, das Geld verloren hatte. Aber sie konnten nur drei Lieder zu- sammen, lauter sentimentale, z. B. : „Wenn die Schwalben heimwärts ziehn." Er ass, wo die Arbeiter assen, da gab es grosse Portionen. Aber er verdarb sich vorher noch den Appetit, damit er nicht zwei Portionen esse. Dann ging er nach Genf, Calames wegen, der ihm aber nicht gefiel. Da- rauf nach Paris.*) Nach seinem Typhus (München 1857), wäh- renddem ihm ein Kind starb, war er wie ein Kind, musste ge- führt werden, streckte den Leuten die Zunge entgegen etc. Aber das Schlimmste war, dass er völlig von vorne anfangen musste. Aber auch nie habe er sich mit solcher Wollust ins Anschauen und Aufsaugen der Natur gestürzt wie damals.

Böcklins Frau, die übrigens aus guter und sehr wohl- habender römischer Familie ist, war in der Cholerazeit, wo ihre Eltern starben, in eine Art Findelhaus oder Kloster gethan worden, mit vielen anderen Kindern, ein Zeichen um den Hals. So ward sie auch erzogen. Böcklin sah sie bei ihren noch lebenden Tanten täglich im Vorübergehen, wenn sie zur Messe ging. Sie verliebten sich und heirateten sich wider den Willen aller. Die 40000 Scudi Mitgift aber erhielt der Pro- testant nie, und als er immer weiter drängte und klagte, wurde ihm bedeutet: wenn er nun überhaupt nicht bald Rom verlasse, würde man ihm was anderes zeigen.

Sein zweiter Sohn war seine ganze Freude, von ihm hoffte er grosse Stücke. Dies Feinsinnige, das Tastvermögen schätzte er so ungemein hoch. Und da musste der plötzlich auslassen und langsam verlöschen.

*) In den Galerien zu Antwerpen, Brüssel und Paris hat Böcklin haupt- sächlich gezeichnet. A. d. Verf.

16 BÖCKL1N-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Böcklin im Gespräch:

„Woheraus soll man heutzutage zum künstlerischen Schaffen angeregt werden? Im Altertum hat das Leben das über- nommen ; aber das Leben, wie es sich heutzutage abspielt, drängt eher alle Produktion zurück. Wir „leben" so wenig! Wie wohnen wir zum Beispiel? Kaum zur „Existenz" aus- reichend. Zusammengepfercht, in fremdem Haus, mit verbauter Natur, ohne Licht und Luft. Wie kleiden uns unsere Vor- urteile und Kunstfremdheit, unsere Prüderie! Auch da ist nichts für Auge und Sinn. Menschliche Formen, von Weibern gar, sehen wir höchstens mal bei Unglücksfällen. (Wenn sie selber auch bei dieser pflichtschuldigen Geheimnis- krämerei trocken und sehnsüchtig verblühen.) Die Familie haben wir nicht, sie hat uns. Die Frau na, im Grunde hat doch keine von ihnen ein ernsthaftes, echtes Interesse. Die Kinder? Anfangs vielleicht viel Freude, aber später Kampf und Sorgen. Patriotismus? Ich wäre der Tambourmajor, wenn alle Unpatriotischen im heutigen Sinn mal ausgetrieben würden. Woheraus soll man nun künstlerisch schaffen? Wo- durch einmal heller sehen, freudiger, leichter sich aussprechen? Da bleibt nur der Wein. Der allein ist ein wirklicher Ge- nuss, er erhebt uns erst zum Menschen. Nur der Wein hilft uns gegen das Leben, trotzdem schaffen, nur er schenkt einem noch manchmal Stunden, wo man den ganzen Kram vergisst, und wunder glaubt wer und wo man wäre."

„Man wird eigentlich erst seines Lebens froh, wenn man gesellschaftlich keinen Ruf mehr zu verlieren hat".

„Neue Bekanntschaften machen heisst doch nur, sich neue Gene auferlegen. Heraus kommt dabei ja doch nie etwas Menschliches."

„Mit wem soll man verkehren! Man hat ja gar keine Anknüpfungspunkte. Auch bei Malern nicht, erst recht nicht. Alle, wie sie da sind, wollen sie nicht in, sondern mit ihrer Kunst etwas erreichen, versuchen's so oder so, sind Streber, Affaristen, Jongleurs; der eine will reich, der andere gesell- schaftlich angesehen, der dritte berühmt oder berüchtigt, der vierte Akademiedirektor werden. Keiner denkt daran, ruhig, ohne rechts oder links zu blicken, das, was in ihm ist, heraus- zubilden. Der einzige Sand reu ter macht eine Ausnahme.

PERSÖNLICHES 17

Ich fürchte nur, er ist denkfaul. Denn auch zum Malen ge- hört Denken. Freilich nicht das Abstrakte eines Cornelius oder das Genellfsche."

„Es war sehr nett und anständig diesen Winter (1884) beim Montepulciano (Avignonesi; in der Cantina Mengotto, proprietä di A. Capelli, piazza delV olio, Florenz). Es waren keine Maler und Bildhauer da", sagte Böcklin, als wir uns in Zürich wiedersahen.

„Ich habe in Viareggio wieder recht gesehen, was ich opfere. Zusammengepfercht mit der Familie, zu deren alleiniger Verfügung, nur nicht zu meiner. Ja wie denn! Ich habe doch noch Ansprüche an die Welt. Ich thue ja meine Schuldigkeit für meine Leute. Darüber hinaus aber kann ich nicht, ich kann unmöglich in sie aufgehen. Den ganzen Tag mit der teuren Gattin hocken! Schopenhauer, glaub' ich, sagt mal: wir haben das und das und das und dann die Familie, nein, die Familie hat uns! Sie legt sich um mich herum, will mich verschlingen."

„Lassen Sie ihn schiessen, er ist nicht wert, Witwer zu sein", sagt er von jemandem, der sich zum zweitenmal ver- heiratete.

Floerke, Böcklin.

„Einflüsse", EntWickelung, Autodidakt.

Vor der Natur, nach der Böcklin in Düsseldorf malte, wurde ihm klar, dass das, was man dort male, keine Wieder- gabe der gesehenen Reize sei, in der Galerie von Antwerpen gingen ihm die Augen weiter auf, aber bei diesen Studien sah er bald ein, dass uns mittlerweile auch die Mittel verloren gegangen waren, um dem Glanz und der Tiefe in der Natur nahe zu kommen.

So wurde das ganze Leben Böcklins, nachdem er ein- gesehen hatte, dass wir ohne jede Überlieferung in Mal- dingen — alle Abenteurer sind, ohne Kompass auf dem fremden Fahrzeug und unbekannten Meere, ein Kampf um die Mittel, die man ja doch braucht, um die Freude, die man an der Natur haben kann oder gehabt hat, so schnell, frisch, deutlich wie möglich auszusprechen: das, was man davon gehabt hat, nicht die Natur zu wiederholen suchen. Die ist ja für den Packträger so, für den Künstler u. s. w. so.

Aus dieser Überlieferungslosigkeit und seinem aleman- nischen Schädel, der durch muss, erklären sich alle Phasen von Böcklins Malerei.

Schon in den 50er Jahren bereitete er „punisches Wachs" („Wachsseife"). Noch heute (1881 1889) ist er stets um seine Mittel besorgt.

Aber inzwischen ist alles bei ihm zum Ganzen geworden. Mittel sind ihm nicht Zweck, sondern Mittel geblieben: die Natur so gut wie die Palette. Die Farbe (es wäre ihm das Wort „Kolorist" lächerlich), der Ton (als Zweck!), Fertig- machen oder durch Zeichnung brillieren, alle die Interessen einzelner Malergruppen und Moderichtungen sind ihm an und

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für sich nichts, sondern lediglich Ausdrucksmittel, die zur Hand sein müssen, wenn er seine Fülle an Naturfreude dar- stellen möchte.

* *

Pecht hat Einflüsse entdeckt.

Nach Böcklin's gelegentlicher Aussage mir gegenüber waren Vater und Grossvater „Weber", und er selbst hatte das gleiche angefangen. Und zwar in Basel, einer wohl nicht gerade anregenden Stadt. Was ihm also ausser der Freude am Tech- nischen (die freilich bei ihm eine grosse Rolle spielt) angeboren und in der Jugend angeflogen sein kann, sehe ich nicht ein.*) Denn an Holbein und die Basler Sammlungen darf man doch wohl kaum denken.

Hol bei n interessierte den Knaben, ja, weil er ihm so erstaunlich lebenswahr und einfach erschien, aber dieser junge Mann malte dann Landschaften, ging zu Schirmer etc.

Hess kannte er garnicht. Übrigens war Hess nicht ein- mal barock, sondern talentlos ungeschickt und in dem, was Böcklin instinktiv interessierte, in Bezug auf die Farbe, völlig unwissend und gefühllos.

(Der Einfluss von Hess gehört ins Fabelreich. Wenigstens hat Böcklin ihn in Basel nicht gekannt und ihn, als er später Bilder von ihm sah, für einen gewöhnlichen und ungeschickten Menschen erklärt, der z. B. von der Bedeutung einer Farbe keine Idee gehabt habe, : „die Zürcher Truppen waren rot, also streichen wir Zinnober hin, bis in den Hintergrund.")

* * *

Wir sprechen von Schirmer. „Ja, ich war lange Schüler

*) Diese Anschauung des Verfassers möchte ich durch seine spätere, die hier Platz finden möge, berichtigen: „Wie viel Unentwickeltes geht ins Grab und keimt unter besseren Verhältnissen beim Kinde, vererbt, auf. Wie viel Glück gehört dazu, dass nur ein Keim zu seinem Recht komme ein Wort zerstört ihn oft. Die Eltern waren vielleicht ganz dumme, unschein- bare Leute. Aber wer weiss, was in ihnen unentwickelt lag und mit ihnen begraben wurde, ohne dass sie oder sonst wer daran dachten. Vielleicht weil des Lebens Not andere Kräfte ganz in Anspruch nahm. Vielleicht musste der Vater Pfennige umdrehn, die Mutter zweimal. Und plötzlich wacht es in dem Sohn auf, dem irgend ein Sonnenstrahl darauffällt, und das Kind „unbedeutender, obskurer Eltern" ist zu aller Erstaunen ein Genie. Und auch das war Vererbung". A. d. H.

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von Schirmer, aber ich habe auch lange gebraucht, um mich von ihm loszumachen." „In was?" „In der ganzen Weltanschauung."

Auch die Pariser Schreckenstage haben Böcklin gewiss nichts gegeben, was er nicht bereits bei der Seele hatte. Zu spüren ist von ihrem Einfluss nicht das Geringste. Er ging vielmehr ruhig und mit offenen Augen seine eigenen stillen Wege, nebenher mit den Augen, dem Crayon (trotzdem Pecht letzteren nicht wahr haben will) etc. studierend.

Franz Dreber war bei allem künstlerischen Verstand schwerlich der Mann, der diesen zielbewussten Kopf, ihn längst überflügelnden Geist, beeinflussen konnte.

Feuer bach war damals unzufriedener und suchender als je und malte überhaupt nicht. Wenn Böcklin einsam herum- strich, so geschah das, weil er mit sich selber allein sein wollte, musste, weil er sich mit den anderen nicht einig fühlte. Die Einflüsse des nun beginnenden Experimentierens sind jedenfalls seinen Bildern, die alle wohl erhalten sind, nicht schädlich geworden.

Einfluss von Poussin warum Poussin, wo er selbst wie jener in der gleichen Landschaft in gleicher (nicht erzwun- gener, sondern seinem Genie eigener) Weise im Spazieren- gehen zu schauen, aufzunehmen und zu begreifen liebte.*)

Auch die Antike hat ihn durch ihre Formenwelt nie direkt beeinflusst (er benutzt nur die Allgemeinverständlichkeit ihrer Formensprache), so gern er auch seine Stoffe bei ihr er- gänzt. Und hier handelt es sich um Erinnerungen an Lektüre und um die Freiheit von irgendwelchem Kostümzwang, also nur um eine scheinbare Wurzel seines Schaffens.

(Er malt meist, was man so Antike nennt. Aber er malt es, weil seine Phantasie sich dort freier bewegen kann, weil es dort keine vorgeschriebenen Kostüme und Farben, dafür aber jede Möglichkeit des Nackten giebt kurz weil er dort ganz freier Mann, ganz Künstler sein darf. Übrigens sind seine Figuren ja auch nur relativ und nicht als Darstellung dieser

*) Wie mir Landsinger erzählte, machte ihn Böcklin wiederholt auf die vier Landschaften des von ihm hochgeschätzten Gaspard Poussin (Dughet) im Pitti aufmerksam, wie die Landschaft dort auseinandergehe etc. A. d. H.

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oder jener Sage da: sie helfen eben nur irgend einen persön- lichen Natureindruck deutlicher zum Ausdruck zu bringen.)

Seine Lektüre antiker Schriftsteller und sein römischer Aufenthalt spielen wohl eine Rolle. Auch seine Vorliebe für den Umgang mit gebildeten Nichtkünstlern. Aber die klassischen Schriftsteller boten seiner ganzen Art nach nie den Stoff, son- dern nur den Einschlag in die von der Anschauung her bereits gespannte Kette.

Auch der Einfluss Italiens wird sicher überschätzt. Man sieht das, wenn man an seinen Bildern nachrechnet. Böcklin hat wohl an der lebendigen, farbigen italienischen Natur seine Phantasie befruchtet, dagegen nie Anschluss an irgendwelche italienische Malerei gesucht. All seine Farbenrechnungen wenn sie nicht so sehr harte, eigene Erfahrung wären decken sich vielmehr mit den Alt-Niederländern und Deutschen, bis auf Rubens, aus deren Bewunderung er denn auch nie ein Hehl gemacht hat.

Die Einwirkung der Quattrocentisten auf ihn war nur eine scheinbare: Er ging den Weg des Autodidakten, lebte also lediglich vom Beobachten, Versuchen und Lernen, er musste sich die Ausdrucksmittel für das, was er sah, und was in ihm glühte, selber schaffen, und Autodidakt war er, weil er bei den Zeitgenossen für sich nichts zu lernen fand und alle Wege in die Überlieferung zurück für verschüttet erachtete. So fragte er, auf eigene Faust Erfahrungen summierend, direkt bei der Natur und bei den alten Meistern, wo diese ihm in seinem Sinne zielbewusst vorzugehen schienen, und die Kräfte der Farbe bewusst in ihren Dienst stellten, nach dem „Warum" und „Wodurch" ihrer kompositioneilen Eigentümlichkeiten und einfach grossen Wirkungen.

Nur so fielen ihm auch die Florentiner auf.

Was er gefunden zu haben glaubte, versuchte er praktisch, manches fand er auch, während er es direkt auf der Lein- wand versuchte, in der nötigen Grösse . . . .: und so entstand manches seiner „florentinisierenden" Bilder, so und nicht etwa aus einem seiner Zeit abgewandten Sichversenken in den Geist einer aus anderen Abgründen heraus schaffenden anderen Epoche.

Er hat stets an den Beschauer appelliert, soviel Kluges er ihm auch, erleichternd, zu geben hatte. Daher seine

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Florentiner Gartenmauern etc. Die Vorstellungs- resp. Ein- bildungskraft seines Publikums wollte er durch das Geheimnis- volle seinem Bilde zu Nutzen machen.

Und dies Quattrocentomotiv der Mauer etc. soll eine Ent- lehnung oder eine Anlehnung sein? Lebt nicht die ganze Architektur von „Baumotiven", die sie neu zusammenfügt? Und die Monumentalbildhauerei? Warum soll da der Maler nicht ein Bildmotiv gebrauchen, über dessen Herkunft er sich lediglich in praxi informiert hat, d. h. welches ihm nicht bloss auf den Bildern der Alten als Atelierüberlieferung aufgefallen war, sondern welches ihm, wie damals jenen, täglich wieder neu zuwuchs: sobald er nur aus Florenz vors Thor ging, war die Wirkung da, wie sie es für jeden ist, von der direkt malerischen Brauchbarkeit zunächst noch ganz abgesehen. (Wer vor Florenz spazieren geht, als Maler und Poet, empfindet bald nicht bloss den Zwang dieser ewigen Mauern, sondern gewinnt ihrem Vorhandensein den Reiz ab, den sie haben können.)

[Ähnlich der Witz mit der Nische oder dem schmalen Teppich mit Ausblick nicht oben, sondern schmal zu beiden Seiten (hier handelt es sich um einen dunklen und gemusterten Hintergrund, dessen Ton und Behandlung das Fleisch auf ihm isoliert, weiss und ruhig erscheinen lässt) mit den zwei flankierenden Heiligen und den Knieenden unten. Er geht ebenso durch. Um den Stoff und seine Anordnung hatten sich die Renaissance-Leute nicht zu kümmern. Freilich haben sie An- strengungen gemacht, um aus dem Gegebenen herauszukommen.]

Jene scheinbare Beeinflussung war also mehr eine Beein- flussung seitens der neuen Landschaft, des Bodens mit seiner uralten, überall zu Tage tretenden Kultur alles Übrige war Neugierde und Versuch sie durch ein Experiment zu be- friedigen.

Böcklin ist Beobachter, überall bohrt er sich hinein, geht er dem Wesen nach. Also sah er gleich die kluge Art wie die Toskaner sich mit Loggien und Terrassen auf die Hügel hinauf- bauen, mit sichtbaren Strassen, die dazu führen, mit den Cypressen und Oliven, dazu der grossblumige Blütenschmuck der Frühlingswiesen alles das musste gemalt werden.

Sonst kann ich versichern, dass er in den Uffizien ausser nach den beiden Rubens hauptsächlich nach Memling und Rogier

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van der Weyden lief, die er, wie die alten Deutschen überhaupt, aufs höchste bewunderte. Freilich interessierte ihn dabei auch die unlösliche Frage nach ihrer Technik, wie sie alle die feinen Fädchen der schönen Muster aufgesetzt hätten, wie das

alles so unbegreiflich ungemacht aussähe.

* *

Die Italiener, von denen Böcklin bei genauester Kennt- nis sehr wenige achtet, hat er als Künstler nie geschätzt, sie vielfach ausgelacht und gern an den berühmtesten Qatt ro- und Cinquecentisten (Florentiner) über ihre kolossale Un- fähigkeit, Unfreudigkeit und Unkenntnis doziert.

Ich habe also von Einflüssen wenig Direktes entdecken können. Der Künstler selbst weiss von solchen auch nichts. Woher auch sollten sie gekommen sein, zu einer Zeit, wo kaum jemand in seinem Sinne etwas wollte oder konnte. Nein, er steht merkwürdig allein, allen geltenden und verlassenen Be- strebungen widersprechend.

Es wird wohl starken Charakteren immer so gehen, dass nichts auf sie Einfluss gewinnt, als was gewissermassen ihres eigenen Geistes ist, von ihnen ebensogut hätte gefunden werden können. Sie erkennen, was sie stützen kann, weil sie es suchten, weil es in ihrem Sinne, von ihrem Geiste.

Auf sich wirken lässt das bewusste Talent nur das Ver- wandte, über die eigenen Ideen Aufklärende, Bestätigende. Und das fand Böcklin nie bei den Italienern, sondern nur bei den Süd-Niederländern und Alt-Deutschen.

Soweit ich sehe, hat er sich selten imponieren, nie dumm machen, brauchen oder mitfortreissen lassen, weder von den Lehrern irgend einer halb- oder ganzkonventionellen Schule noch gar von einer Ästhetik, sondern ist mit offenen Augen zur Natur und zu den Alten gegangen, um dort Geistesverwandte zu suchen. Die Negation der herrschenden Kunstprinzipien, mit der er begann, war die erste Äusserung seines gewaltigen Natursinnes. Bei den verwandten Deutschen und Flam- ländern fand er zuerst dem Ausdruck gegeben, was er in der Natur sah, und worüber er studierend Klarheit suchte. Da er sofort auf die Unzulänglichkeit seiner bisherigen Ausdrucks- mittel für das Gefundene stiess, so ging von Anfang an das Bedürfnis und bei seiner energischen und positiven Natur das

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Suchen nach Flüssigmachung und Erweiterung derselben Hand in Hand. Das eine lebte in dem andern, beide blieben sein Leben lang eins, untrennbar verbunden: das Streben nach immer eindringlicherer Naturwahrheit in Einfachheit und Deut- lichkeit und die Entwicklung aller irgendwie deutlichen Mittel und Hilfsmittel. In beiden Beziehungen verschmähte er selbst- verständlich das Beispiel jener nicht, die vor ihm ähnliche Ziele erstrebt und zu ihrem Teil in seinen Augen erreicht hatten. Von irgend einem andern Einfluss auf seine künst- lerische Individualität war dabei keine Rede.

Dass in ernsthaft koloristischer Beziehung, d. h. Kom- position durch die Farbe im Florentiner Quattrocento voll- ständig kindliche Bewusstlosigkeit herrscht, sollte wenigstens jeder Kunstschreiber wissen, jeder Historiker voraussetzen.

Wir andern haben bisher stets so gethan, als ob wir die Farbe verachteten, d. h. wir kannten sie nicht, und noch heute kennen ihre Kräfte die wenigsten. Wir kamen nicht von der An- schauung, sondern von der Abstraktion, nicht auf künstlerisch eigenem, sondern auf historisch-philosophischem Schulwege. Wir kamen von der „Erkenntnis" des Altertums von Winckelmanns Gnaden, und unser Weg führte über die Italiener, die was z. B. Florenz anlangt ähnlichen Weges kamen, durch ähn- liche Irrtümer hindurch und nie etwas von Farbe verstanden.

Man vergleiche als Laie nur die Flamländer in den Offizien etc. und ihre Florentiner Nachahmer daraufhin: von den Pollaiuoli bis zu Ghirlandajo. Man sehe ihre ältere schwarz- weisse (später ganz farblose) Architektur. Dort, in der Malerei steht z. B. in allen Plänen, hinten und vorn, das gleiche Rot in gleicher Valeur; hier machen sie die Gliederungen schwarz auf weiss, obgleich doch weiss vortritt und schwarz zurück. Von der Schilderhäuserei ganz abgesehen.

Böcklin konnte von allem, aus der Natur, andern Meistern, Büchern etc. lernen, d. h. wie sie das machten und erreichten, was ihm dienlich schien; aber sich von irgend etwas beein- flussen zu lassen, war er nicht der Mann; auch nicht von Hunger, Familie, Ehrgeiz, Mäcenen, Kritik, Mode, Menge etc. Ebensowenig war er so einseitig, jenen Künstlerhochmut zu besitzen, den man ihm nachsagt: nur an sich zu glauben und sich um die Welt nicht zu kümmern. Er freut sich im Gegen-

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teil stets, etwas Hübsches mitzuteilen, ein reizendes oder über- mütiges Naturmärchen zu erzählen.

Wo es ihm damit nicht glückte, lag es selten an ihm, sondern an der Art des Beschauers. Freilich kann der Künstler immer nur von Gewissen und unter gewissen Voraussetzungen verstanden werden. Und irgend Konzessionen zu machen, gegen seine Individualität und seinen Kunstglauben, ist ihm allerdings nie auch nur von weitem eingefallen. Gerade in der geschlossenen, vollentwickelten und vollbewussten Individualität sah er alle Möglichkeit einer wahrhaft künstlerischen Wirkung auf andere, auf die „andern", die überhaupt in Betracht kommen.

Und schadet es schliesslich irgendwem, uns, wenn Böcklin sich wirklich einen und den andern malerischen Gedanken, eine und die andere erprobte Werkstättenerfahrung be- wusster Tage die früher zu lernen das höchste Bestreben war aus der allgemeinen Überlieferungslosigkeit wieder auf dem Erfahrungswege herausgerettet hat?

Es giebt keine Kunst ohne Verabredung, Konvention, Überlieferung und darauf beruhenden Voraussetzungen; beim trompe l'ceil so gut wie bei Schwind. Ein Bild ist eben nichts Zufälliges, sondern etwas Gewolltes.

Böcklins fortwährend wechselnde Produktion sollte ihn schon vor dem Verdacht bewahren, als sei er in seinem Innersten beeinflussbar gewesen. Er malte in Rom die Eindrücke rö- mischer Campagna und Berge, in Basel die Gänsehaut, die er sich in den menschenfeindlichen Hochgebirgsschluchten geholt hatte, oder die fürchterliche Naturgewaltigkeit der Hoch- gebirgseinsamkeit. Er ward unheimlich, weil ihm wollüstig unheimlich zu Mute gewesen war. Er malte in Florenz floren- tiner Landschaft und suchte zu ihrer Erkenntnis unter an- derm Aufklärung bei den Alten, wenigstens interessierte es ihn, wie sie sie gesehen, angewandt und zur Wirkung ge- bracht hatten. Das italische Meer entzückte ihn, aber hätte er es so unübertrefflich herzaubern können, wenn nicht alles, was dazu gehörte, in ihm gelegen wäre? Geht es ihm doch ebenso mit Felsen, Bäumen, Lüften, kurz mit allem, was er anpackt.

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Die italische Landschaft hat ihn in dem beschränkten Sinne beeinflusst, als sie ihm zu immer farbigeren, licht- volleren Scenen den äusseren Anlass gab und die Verbin- dung mit innerlichen, aus antiker Lektüre geschöpften Ideen herstellte.

Wäre er nicht in Italien gewesen, so fehlten uns natürlich die italienischen Motive unter seinen Bildern. Seine Art zu sehen, anzupacken, zu vereinfachen, das Wesentliche gross und verständlich hinzustellen, hätte sich offenbar gerade so ent- wickelt, die Grösse des Malers gerade so gut ausgewachsen, wenn für das schwärmende Publikum auch mancher Reiz ver- loren gegangen wäre. Böcklin sah am ersten Tage in Zürich mit so viel Freude in die Natur ( gleich erschien denn auch ein blühender Apfelbaum auf einem der nächsten Bilder ) wie am letzten am ligurischen Meer.

* *

An wen erinnert denn sein Prometheus, seine Toteninsel, Meeresidylle, Seetingeltangel*), seine brennenden Schlösser, an wen erinnern sie? An niemanden. Selbst die Bildung der Fabelgeschöpfe gehört seiner Laune und Phantasie, seinem Humor, und das ist es ja gerade, was die perplexen Schul- meister ihm vorwerfen, weil sie ihm mit ihren festgenagelten Überlieferungen nicht folgen können, wenn sein Einhorn das Hörn anders trägt als die auf Seite so und so viel, wenn seine Sirenen nicht der Beschreibung des X. entsprechen u. s. f.

Es hat ihm so ein federschwingender Schulmeister allen Ernstes aus Meiers oder Müllers archäologischem Handbuch nachgewiesen, dass die Sirenen garnicht so aussahen, wie Böcklin sie malt. Ein anderer macht die Kentauren kurfähig, indem er ihre Verdienste aufzählt und die Achtung konstatiert, die sie derentwegen genossen . . . Wie ein Einhorn ausschaut, weiss jedes kleine Kind, bloss Böcklin nicht.

* * *

Weder die Zeit noch der Widerspruch der Zeit waren von Einfluss auf ihn. Kaum dass er sich immer mehr zuspitzte, je mehr er sich im Gegensatz zu den Kunstanschauungen der

*) Gemeint ist „Im Meere" (1887), in Basler Privatbesitz. Böcklinwerk der Phot. Union, Band III, 14.

Original in der Schackgalerie in München.

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DIE NEREIDE

.DIE SEESCHLANGE-

„EINFLÜSSE-, ENTWICKELUNG, AUTODIDAKT 27

herrschenden wechselnden Richtungen fühlte. Er blieb sich selbst treu, und die scheinbaren Schwankungen beweisen nur, dass er darunter kein Selbstanbeten, kein Stillstehen verstand, sondern ein fortwährendes autodidaktisches Ringen nach dem Erwerb der richtigen Ausdrucksmittel und Formen, der Er- kenntnis der Grenzen, dem stets lebendigen Interesse an neuen oder ihm unbekannten Problemen.

Von Büchern und Bildern sprechend, sagt Böcklin: „Wer nicht aus allem lernen kann, der lernt nichts."

Die ganze sichtbare Welt gehört dem Künstler, sowohl jene, welche in der Natur, als die, welche in Kunstwerken für das Auge vorhanden er kann lernen aus allem.

Ein anderes Mal: „Man kann nichts lernen von andern. Man muss alles an sich selbst erfahren. Und von den Alten erst recht nichts. Es giebt ja kein Bild, das heute in der Farbe noch so aussähe, wie sie es gewollt haben."

In diesem Sinne und in Rücksicht auf unseren Mangel an Tradition ist Böcklin durchaus Autodidakt zu nennen, soweit das eben möglich ist. Klare Erkenntnis seines Zieles, gesunde, bewusste Willenskraft und ein gewaltiges, rapid bewegliches Gedächtnis, auf starke Anschauungs- und Empfindungsfähigkeit gestützt, befähigen ihn dazu.

Bei Schack und heute.

Bei Schack siehe Böcklins erste Richtung, wie er selbst sagt ; damals war ihm das „Poetische" die Hauptsache, die Malerei Mittel. Jetzt ist ihm nur noch die reine Malerei Zweck. Den Anfang in dieser Hinsicht bedeutet bei Schack die „Meeresidylle"*) („Seeschlange").

Nur noch malerische Ziele, fest und klar im Auge. Alle Weichlichkeit, Sentimentalität, Zweideutigkeit, alles Konzessionen- machen, und was sonst eine Figur unklar erkennbar macht, ist von ihm abgefallen, wenn je etwas davon da war.

Wenn Böcklin sagt, mit der „Meeresidylle" habe er den Poeten ganz aufgegeben, so will er damit doch wohl nur sagen, dass ihm nichts als der malerisch empfangene und darstellbare Eindruck mehr den Pinsel führt, dass er solche Vorwürfe resp. Effekte nicht mehr malt, die etwas Ungelöstes, Spannendes, kurz ein Nacheinander enthalten, sondern nur noch den Moment. Zur ersten Art gehören dann „Via Mala" kriegt der Drache die Ausreisser? die „Erinyen" dito der „Panische Schrecken"**) alles stürzt in wilder Bewegung vorwärts u. s.w. In den späteren Arbeiten, beginnend mit der „Meeresidylle", ist der bewusste Gegensatz zu aller Geschichts- und Geschichten- malerei betontes Prinzip, ist die Reinigung der Lehre von der Malerei im Böcklinschen Sinne praktisch vollzogen, freilich von einem Menschen, der die Welt mit seinen eigenen Augen und Hirn sieht.

•) Böcklinwerk der Phot. Union Bd. III, 27 („Triton und Nereide"). ••) Böcklinwerk der Phot. Union, Bd. II, 33. („Die Felsenschlucht." 1870) II, 29. („Ein Mörder von Furien verfolgt." 1870.) I, 40. („Pan erschreckt einen Hirten.") A. d. H.

BEI SCHACK UND HEUTE 29

Er musste damals schon ein anderer sein, weil seine Kunst, die der Farbe, damals noch nicht getrieben wurde, also nicht bekannt war, weil ihm keine Atelierüberlieferungen und Traditionen lebendig zur Seite standen, weil er sich folglich, von Natur und den alten Niederländern auf ein anderes gehetzt, um seine Mittel mit ihnen schlagen musste, bis er sie klar- bewusst besass, so klar, dass ein heutiges Bild eine erfolg- sichere Rechnung ist, an der man keinen Strich hinzufügen oder ändern dürfte, ohne zu merken, dass man die überall lebendige Gesamtabsicht, das Kunstwerk, zerstört hat.

Auch die Klarheit dessen, worauf es ankommt, des reinen Anschauens, fehlte mit den Mitteln, den verwirrenden Prinzipien der Alteren und der Erziehung des Publikums, bei seiner eigenen Jugend. Sie kam ihm erst als und weil er aus allem zu lernen verstand.

Mit dem Klarsehen und Beherrschen der Mittel wurde seine Kunst immer breiter, offener, heiterer.

Es handelt sich nicht mehr um ein kraft- und kunstvoll zusammengezwungenes Zweierlei, nicht mehr um eine poetische Auffassung, für deren malerisch gewollten Ausdruck die Mittel nicht reichten und die Idee sich nicht allein an das Auge wandte, also für die Mittel auch nicht bezwingbar war, selbst wenn sie schon in sicherer Hand gestanden wären. Nicht dass er nicht damals schon so zielbewusst gerungen hätte, wie heute. Aber heute erst ist das damals Gewollte ganz erkennbar geworden in schlackenloser Einfachheit und Deutlichkeit: lauter klar dar- gestellte, grosse, reine Anschauung eines durch und durch be- wussten feinfühligen Malermenschen.

Die Dumpfheit, von der Heyse singt, war nur die Ahnung der Gesetze, die er heute voll und bewusst vertritt.

Alles Mitmachen, alle Mode hat er von jeher, alle Geschick- lichkeit seit Schack („Seeschlange") direkt vermieden.

* *

*

Er war ein grosses Glück für mich, der erste Böcklin, den ich bei Schack sah. Da konnte man doch noch anteilsvoll mitgehen, mit diesem Wollen.

Alles kräftig, gewagt, jugendlich, liebevoll und voller Leben, alles nach einem Ausdruck ringend. Es gab also doch noch Erstrebenswertes in der Kunst!

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Aber die heutige Ökonomie, jene weise Sparsamkeit, die griechisches Nationaleigentum war, hat er nur im bewussten Erwerb der Mittel mit der Erfahrung der Jahre, der Ruhe der Mannesjahre erreicht. Heute freilich steht man bei ihm stets einer unerbittlich geplanten Anlage gegenüher, die mit dem Not- wendigsten an Mitteln die höchste Deutlichkeit erreicht. Und das

Vernünftige, Verständliche, Beherrschte ist doch die Hauptsache.

* * #

Er hat damals, als er für Schack malte, noch Flöte ge- blasen und Glöcklein geläutet vor seinen Bildern er hätte so gern die Musik mit darauf gemalt. Dann als fertiger, seine Mittel überschauender Mann hat er eingesehen: das geht eben nicht. Er hat lieber ein Gedicht zu machen versucht, um auch das Nichtdarstellbare zu seinem Recht zu bringen. Er hatte noch im Jahre 1887 auf seinem Lebensbild eines. Das liebe Kind Musik hat er hinausgeworfen und ist hart geworden,

gerade weil es ihn so viel gekostet.

* * *

Bruckmann nennt ihn einen Romantiker. Seine Bilder, erinnert er mit Recht, haben stets einen subjektiven inneren Anlass, ihren Ursprung in seiner jeweiligen Stimmung. So die „Pietä"*), deren Entstehung auf den unter besonders tragischen Umständen erfolgten Tod seines Töchterchens zurückzuführen ist. Der Tod mit dem Wirbelwind, Blitz und Brandstätte**) ist nicht umsonst 1871***) gemalt, wie auch die „Via Mala" nur seine Angst gemalt haben will, die er empfand, als er von Italien zu Fuss da durchkam.

[Böcklins Bilder sind nie Illustrationen. Nehmen wir die Drachenhöhle: Das Grauen der starren, menschen- feindlichen Alpenschluchten stieg mächtig in ihm auf nicht die Vedute, nicht der Goethe'sche Vers-f) aber mit der

*) Böcklinwerk Bd. II, 28. *•) Ebenda I, 32. („Der Ritt des Todes.")

***) Das Bild ist 1870 in Basel entstanden, allerdings unter dem Ein- druck des deutlich vernehmbaren Kanonendonners. A. d. H. f) Die letzte Strophe von „Mignon":

„Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;

In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;

Es stürzt der Fels und über ihn die Flut." A. d. H.

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schnellen Ideenassociation des Künstlers, der um jeden Preis deutlich werden und sich auf alle mögliche Weise ausdrücken will, fiel ihm zu der schaurigen Felsklamm von weitem die Teufelsbrücke und der Goethe'sche Vers ein, und aus der Vor- stellung des Grauens war ein sprechender Bildgedanke ge- worden.

Vers und Bild haben den gleichen Ursprung.

Und wenn er heute im Sturm auf dem Mittelmeer segelt, sagen wir mal bei den Ponza-Inseln und sich an die Sirenen erinnert, so ist bald ein Bild da; in der sonnigen Campagna bei gutem Wein wird sich anderes verbinden; bei einem Ver- lust und einer Totenfeier kann er im Gegensatz dazu doch, um den Schmerz auszudrücken, auf eine Pietä kommen.

Nicht alle landschaftlichen Eindrücke scheinen ihm, zur Lebendigmachung der ihnen für ihn innewohnenden Stimmung, so grosse Figuren zu brauchen. Die eine kleine war gross genug für die einsame überwucherte Villa am Meer.]

So einige Beispiele genügen. Sie sollen ja nur die Bild- entstehung aus dem Subjektiven, die behauptet wurde, beweisen und nicht in den vorbereitenden Stimmungen und Schicksalen des Künstlers herumgraben. Weiter als die Bilder selber sprechen, geht uns das nichts an. Kunstwerke wollen aus sich selbst heraus verstanden werden.

Wenn das Romantik ist, dass der Künstler subjektive Empfindungen auf andere zu übertragen strebt, dann ist Böcklin gewiss Romantiker, trotzdem man ihn vielleicht noch einmal einen Klassiker der Farbe nennen wird.

Ich will ihm zu allerletzt den Poeten absprechen, wie es bei diesen Auseinandersetzungen über den Böcklin bei Schack und den seit der „Seeschlange" in aufsteigender Linie scheinen könnte. Ich will nur betonen, dass seine Phantasie immer selbstbewusster oder lediglich auf die ausgedehnteste Kenntnis seiner Kunstmittel und Grenzen gründet.

Künstlerische Charakteristik.

Der künstlerische Mut, mit dem Böcklin die heterodoxesten Sachen anpackt, sein unentwegter Glaube an sich selber, stehen heutzutage fast einzig da in ihrer Art.

Wir müssen doch wohl nicht so satt sein „des Kramens in anderer Worten, des Schauens mit anderer Augen, des Denkens mit anderer Gedanken", wie Karl Hillebrand meint. Denn wenn einer kommt, der er selbst ist, „der die Kraft dazu hat, die Selbstverleugnung, sich selbst zu bejahen", so ver- stehen wir ihn nicht, geben uns auch keine Mühe darum, sondern belächeln ihn.

Böcklin hat schwer gearbeitet, um die künstlerische Welt- anschauung seiner Düsseldorfer Zeit los und er selbst zu werden. Nicht etwa im französischen Sinne „pour arriver", um dann wenn er sein Terrainchen, seine Specialität in Reitern, Soldaten, Rokokofiguren gefunden, ja nichts mehr daran zu ändern, son- dern in dem deutschen Sinne, dass der, der still steht, aufhört Künstler zu sein. Er geht unentwegt gerade aus, aber seinen Weg, von seiner wachsenden Erfahrung und Erkenntnis ge- leitet, weder rechts noch links fragend. Es ist manchmal recht dunkel um ihn her gewesen, aber jetzt hat es denn doch längst angefangen hell zu werden.

Er hat niemals seiner Zeit geschmeichelt, noch den Be- dürfnissen irgend eines „Mäcens". Aktualität und Konnivenz sind für ihn nicht Sache der Kunst.

Ich glaube seine Unfähigkeit Haupt- und Staatsaktionen mit vorgeschriebenen Gesichtern, Uniformen und Empfindungen

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 33

zu malen, oder sich sein Bild von einem andern vor- resp. durchdenken zu lassen, beschwören zu dürfen. Er kann nicht und nirgends unfrei sein.

* * *

Böcklin erzählt in seinen Bildern doch nicht eigentlich. Es ist freilich stets eine gewisse ganz deutliche Handlung da, oder doch eine sprechende Staffage. Aber jene berichtet nie über einen historischen oder genrehaften Einzelfall, sondern sucht unter dem Einzelnen das Allgemeine darzustellen. Nehmen wir an, er malt eine Schlacht, so wird er sich nicht durch Waffenröcke und Porträts an den Einzelfall binden, sondern den sozusagen elementaren Charakter des wilden Ringens dar- stellen. Höchstens dass er der allgemeinen Bewegung den Gegensatz eines ruhigen Feldherrn entgegensetzte und dadurch auf diesen den Blick lenkte, dem Ereignis auch nach dieser Seite hin seine Individualität wahrte.

Ich denke dabei an Rubens, der es ebenso machte, speziell an seinen prachtvollen Sieg Heinrichs IV. in den Uffizien. Schlacht das heisst für ihn Kampf: Alles ist Be- wegung, Verkürzung, überall noch Gegensätze, nirgends breites Ausruhen, Ausgleiche. Gegeben war nur die gepanzerte Figur des Königs: die hellsten Glanzlichter auf dunklem sehr aus- geführtem Grund. Alles andere konnte er nun, im Gegensatz zu ihr, breit und wild gestalten, als freiesten Ausdruck künst- lerischer Absicht, nicht weiter fertig als es zu dieser Grund- idee ihm nötig schien umsomehr blieb trotzdem die Majestät des Siegers Hauptsache.

Oder im andern Fall: er erhöht durch seine sprechende Staffage nur die Deutlichkeit der empfundenen Stimmung, ver- körpert noch einmal das Angeschaute, hilft ihm zu zweifelloserem Ausdruck er ist zu reich, um sich mit der blossen Land- schaft zu begnügen, so sehr er ihrer Herr ist. Er muss die Natur gleich den Alten vermenschlichen, beleben, nicht mit Individualitäten, sondern mit Verkörperungen ihrer Kräfte. Sie sind nicht ihrer selbst wegen da, sondern relativ, sie helfen seinen Eindruck ins Grosse, Allgemeine erheben. Es ist nicht bloss Stimmung auf diese Weise, es sind Naturmythen, die er dichtet.

* *

Floerke, Böcklin. 3

34 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE.

Böcklin ist jedenfalls der bewussteste und konsequenteste Farbenrechner und Malkünstler, den wir seit den grossen Tagen unabgeblasster Malerei besassen. Und das will in unserer traditionslosen Zeit etwas sagen. Wie dies möglich war, wird nach uns als Illustration zu unserer verwissenschaftlichten Streberepoche manch einer noch schwerer begreifen als wir selbst.

Im Gegensatz zu der Färb- und Freudlosigkeit und Kor- rektheit unserer heutigen Kunst, welche durch stramme Haltung die fehlende innere Wärme zu ersetzen sucht, steht hier die heitere genussfrohe Farbenkunst, die jugendliche treffsichere Bewusstheit Böcklins.

Bei ihm ist keine Farbe, kein Ton, kein Strich, der nicht das freie Walten einer mit allen Machtmitteln ausgerüsteten überzeugt malerischen Phantasie bewiese. Natürlich verstehen wir darunter nicht willkürliche Phantastik, sondern die Erschei- nungswelt im Lichte einer sich selbst und die Mittel ihrer Kunst beherrschenden, auf Anschauung beruhenden Einbildungskraft.

Er sucht und weiss stets gleich, wo die Wirkung liegt, oder wie er sagt, „der Witz liegt". „Accentuieren!" „Es kommt immer mehr Zusammenhang in die Sache."

H. Ehrlich sagt von Schubert, Schumann, Mendels- sohn, sie „sind nicht mehr wie ihre Vorgänger die reinen Mu- siker, sondern ihre Werke enthalten eine poetische Tendenz, sind schon „Programmusik", da sie sich auf bestimmte poetische Gedanken beziehen, wie schon die Titel vieler Mendelssohn'scher Musikstücke zeigen: „Sommernachtstraum", „Fingalshöhle" etc."

Einen umgekehrten Gang könnte man Böcklin nachsagen. Er hat sich vom Poeten herkommend, der seine Mittel zwang, immer mehr zum reinen Maler durchgearbeitet. Die Titel seiner Bilder sind nicht von ihm selbst.

„Man sollte keinen Bildern Namen geben müssen. Das Wesentliche, worauf es dem Maler ankommt, wird ja dadurch doch nur gestreift, die Entstehungsart verschleiert oder ge- fälscht. Man nimmt den Stoff, der auf der Strasse liegt und mit dem sich wohl die Unfähigkeit deckt für den Autor, der etwas zu sagen hat. Was er geschaut, was er empfunden,

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 35

hat das aber sieht niemand, danach fragt keiner", sagt Böcklin.

*

Böcklin und Schwind sind unsere einzigen originellen und unerschöpflichen Künstler.

Böcklin ist niemandes Schüler, aber er hat es vermocht, jeden zu verstehen, der ihm kongenial war, von allen und aus allem zu lernen, was seiner Fülle assimilierbar erschien.

Seine Bilder sind Wirklichkeiten, die Photographiebilder*) sind nur seelenlose Abbildungen, Schein irgend eines toten Moments, gewesener äusserlicher Wirklichkeit, kalt und tot wie die Kerlchen, die's machen, und für die Menge in Menge.

Freilich ist er ein Gebildeter seiner Zeit, und der Künstler in ihm kann aus seinem reichgefüllten vollen Innern künstlerisch schaffen, er kann sich selber malen, während die andern nichts bei der Seele haben, also etwas anderes abschreiben müssen.

Seine „unmöglichen" Geschöpfe sind viel lebensfähiger, seine „zu blaue" See ist viel mehr See, als alle noch so schön vor der Natur heruntergemalten. Er hat das Wesentliche ge- sehen, behalten und wiedergegeben, die andern alles Zufällige; denn was wissen und sehen die vom Wesentlichen, Ewigen. Ihnen hat das Viele das Grosse und Wahre umgebracht.

Bei Böcklin giebt es nichts Hübsches, Einzelnes, was seiner selbst wegen auch noch da wäre. Alles bezieht sich aufs Ganze oder quillt aus diesem (der Idee, der Begebenheit) hervor.

„Ich sehe gar nicht ein, warum ich hübsche Weiber malen muss. Ich male ja nicht aus Höflichkeit, oder damit es jedem geilen Kerl gefällt."

Ein absolutes Nichteingehen auf alle von aussen kommenden, also nicht mit der Empfindung zusammenhängenden Ansprüche seitens Zeit und Publikum ist es, was Böcklin charakterisiert, und für die Menge, die demnach nichts mit ihm anzufangen weiss der er nirgends die Hand reicht, unzugänglich macht.

Für diejenigen, die ihre allerlei Kenntnisse zu Hause lassen

*) Hierunter sind nicht Photographien, sondern Kopien der Natur zu verstehen. A. d. H.

3*

36 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

und sich Zeit nehmen, ist seine Kunst eine Führerin zu den dunklen Schätzen des eigenen Innern.

Keine Spur von Eitelkeit oder Spekulation, kein Prunken mit Können und Wissen wie das alles nur die ganz in sich Ruhenden entbehren können.

Ich kann ihn meinen Lesern daher auch nicht näher führen, indem ich sein Wurzeln in nationalen Ideen nachwiese.

Das Ausschlachten der Kunst zu patriotischen Zwecken und damit verbundenen weiteren Annehmlichkeiten lag ihm schon als Schweizer fern.

Der Staat etc., der Patriotismus mögen sich der Kunst bedienen, das ist ihr Recht die Kunst ihrerseits aber muss, um zu sein, was sie sein will, solcher ihr fundamental fern liegenden Interessen entraten können, muss von ihnen, wo sie unverfälscht thätig sein will, fernbleiben.

Und ich kenne kaum jemanden, der sich so wenig in den Dienst ausserkünstlerischer Interessen gegeben hätte, seien sie noch so empfindsam privater oder noch so bestechend öffent- licher Natur.

Mit hellen ungetrübten Künstleraugen sieht er seinem Stoff ins Gesicht. Seine Stoffe (oder besser Anlässe; denn Stoffe, die ihn in irgend einem Sinne bänden, giebt es für ihn nicht. Er will keinen Mythos illustrieren, nichts von anderen Ge- dachtes bindet ihn. Es handelt sich nicht um ein malerisches Abfinden, Zurechtlegen. Kein Kostüm, keine Ähnlichkeit, kein Modell zwingt ihn, zieht ihn ab. Keine Forderung oder Vor- schrift macht ihn seufzen. [Daher nutzt er seine „Stoffe" auch nicht aus: z. B. Prometheus*) ohne Najaden, Angelika**) ohne Felsen]), seine Anregungen („Stoffe") findet er in eigener Anschauung, eigenem Empfinden und schnell sich ankrystallisierenden, schnell zuschiessenden Vorstellungen und Erinnerungen (Ideen- Association, zuschiessende, sich zusammen als Eins krystalli- sierende, an die Oberfläche des Bewusstseins tretende Ideen, ja, aber diese Ideen sind rein malerische, sind lebendig

*) Böcklinwerk Bd. I, 23. **) Ebenda, Bd. III, 24 („Ruggiero befreit Angelika aus den Klauen des Drachen.")

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Original im Besitz z'on F. A. Simrock in Berlin.

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Original in: Besitz von Frau T. Schöu-Rtiu in II',

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Original im Städtischen Museum in f.-

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DIE TOTENINSEL

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KUNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 37

werdende und lebendig machende Anschauungen, irgend einmal erworben, die sich werdelustig zur Verfügung stellen), sie ver- deutlichen ihm das Empfundene, vergrössern es, ermöglichen ihm die Übertragung auf andere.

Dabei schliesst seine rein malerische Natur von vorne- herein alles aus, was nicht lediglich mit den Mitteln seiner Kunst (der Palette im weitesten Sinne) ganz deutlich zu machen ist, ohne Rest aufgeht, irgendwelche Interessen anruft oder An- sprüche (Captationes benevolentiae) erhebt. Schon in der Idee will sein Bild nur den Beschauer von sich selbst befreien und in die blosse Anschauung versenken. Alle seine Poesie und Phantasie bewegt sich bewusst in diesen Grenzen. Sie alle dienen nur dem Maler. Alle sind an der Hand der Natur, d. h. aus Anschauung, Empfindung und momentaner Ideen-Association entstanden.

Die gewaltige Naturnähe in seinen Sachen kommt von der bewussten Beschränkung, sowohl was das Sichtbare anlangt, als was das Zurückziehen auf den Gesichtssinn und seine Fort- setzung in der Arbeit betrifft.

Böcklins Talent besteht zu einem grossen Teil in der Fähigkeit, künstlerische Erfahrungen zu machen und diese in Fleisch und Blut aufzunehmen.

Seine „Wiederholungen" bedeuten stets ein Weiter- bilden und Ausreifen, sie werden jedesmal einfacher und schlagender.

Grimm redet viel von diesen Wiederholungen. Aber weniger weil Böcklin „sich nicht losreissen konnte", sondern weil anderen das nicht glücken wollte, und sie ihm keine Ruhe Hessen, bis er ihr Geld nahm und das Bild in neuer Redaktion um sich nicht selbst zu langweilen noch einmal malte. Zwei gleiche Bilder hat Böcklin nie gemalt, noch weniger sich selbst kopiert.

Er hielt es nicht aus, gebunden zu sein, das Neugestalten fand er viel leichter. Das beweist, wie wenig Bedeutung der „Stoff" hat.

Um zu sehen wie Böcklin immer klarer geworden ist und das für ihn Sichtbare immer mehr an Stelle des Subjektiven (Denken, Empfinden) gesetzt hat, vergleiche man nur seine „Wiederholungen", z. B. die toskanischen Villen, den Vinum

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KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 39

sofern er völlig in den Dienst jenes getreten und nichts mehr zu fürchten ist.

Die sogenannte S t i m m u n g ist durchaus nicht immer etwas Sentimentales, Poetisch-phantastisches, welches den Menschen beherrscht, sondern ein Sichtbares, welches der Maler packen und beherrschen kann. Sonneneinsamkeit, Meeresöde, Waldes- schweigen sind in den sie zusammensetzenden Naturerschei- nungen keine Produkte unserer Empfindsamkeit, sondern für den Sehenden erkennbare charakteristische Lebensäusserungen gewisser wiederkehrender Naturmomente.

(Auch eine Landschaft hat ihre Individualität, die Böcklin zu entbinden strebt, jeder Winkel Erde, jede Tageszeit hat ihre Stimmung, jede Stimmung ihr entsprechendes Stück Welt, Jahres- und Tageszeit, und es ist nur Sache der schnellen Ideen- verbindung, dass sich das Entsprechende von selbst zusammen- findet, um zu überzeugendem Ausdruck zu gelangen.)

Ich kann beim „Sehen" des Lebendigen das Leben nicht übersehen, ebensowenig beim Anschauen der Natur. Licht, Luft und Raum sind sichtbar und also Gegenstand der Malerei.

Die Fabelwesen, welche solchen Anschauungen oder Vor- stellungen zu stärkerem Ausdruck verhelfen, sind darum noch lange keine eitle Ergänzung oder Verbesserung der Natur. Sie bedeuten nichts weiter, sie wenden sich nicht an unser gelehrtes Wissen, sie sind das überzeugende Produkt solcher eigenartigen Naturmomente: und wenn sie auch zufällig noch niemand gesehen hat, sind sie darum in ihrer Naturumgebung nicht minder wahr gleichviel ob die Natur sie zu machen vergessen oder nur kein Mensch bisher sie gesehen hat. Nichts Idealistisches, Bezügliches macht sie schattenhaft oder entrückt sie dem reinen Gebiet der Malerei: der Verlebendigung des vom äusseren oder inneren Auge Wahrgenommenen.

Böcklin ist immer mehr Maler geworden. Aber in einer Beziehung doch nicht in Conrad Fiedlers Sinn. Ihm genügt das ewige Figurenstilleben von Adam und Eva, des Porträts, der Sante Conversazioni nicht.

(Das rein Malerische ist ihm auch zu wenig. Darum liebt er z. B. die Italiener nicht und begreift ihre Sante Conversazioni und schön posierenden Zuschauer nicht. Freilich empfängt auch er seine Bilder lediglich durch die Augen, aus der Anschauung

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der Natur, auch ihm ist das malerische Problem die Haupt- sache, aber dann, sei es auch erst während der Arbeit, muss das gewählte und verwandte Material, müssen die Requisiten ebenso streng geschlossen dem Ausdruck eines Vorganges dienen, wie sie ursprünglich wegen eines malerischen Problems er- funden und verteilt worden sind, z. B. sein Kentaur, der sich den Huf beschlagen lässt.

„Wie kommen Sie dazu?"

„Ganz zufällig natürlich. Ich dachte nicht daran einen Witz zu machen, etwas zu erzählen. Mir fiel das plötzlich ein, und nun muss es herauskommen."

Nach einigen Tagen: „Sie haben das Ganze verändert."

„Ja, der Junge war überflüssig. Der Meister sah nach der dicken, weissen Kentaurin. Das war falsch und brachte einen Nebengedanken in das Bild. Er muss den Kopf sachverständig und überlegend schief halten, nur sehen, wie sich das wohl machen lässt, während der ganz rohe Bauernkentaur ihm seine Schwierigkeiten mit diesen ewigen Eisen klagt. Zürich 1885.)

Ohne Sentimentalität und ähnliche Nebenempfindungen oder Nebengedanken sieht er ausser der Form die Bewegung, das Leben und sucht es durch die Arbeit zu ergründen ; er sieht nicht nur sie, sondern das Geistige, welches der Form wie der Gruppe ihren darwinischen wie momentanen Stempel aufdrückt: er sieht die Scene, die Stimmung, und sucht auch sie als etwas in der Natur Geschehenes, dieser Eigentümliches, voll und klar zu entbinden.

Höchste Lebendigkeit, knappstes Zusammenfassen, streng gefugt, bis zur grössten Einfachheit und doch oder darum Be- stimmtheit, Sachlichkeit, Deutlichkeit, Klarheit reizbarste malerische Feinfühligkeit überall gegenwärtige Kritik, das ist's, was Böcklin in seinen Arbeiten auszeichnet.

Ich wüsste keine bewusstere Thätigkeit als die, welche sich in jedem Strich Böcklinscher Bilder ausspricht und darum erst recht ist das Kunst.

(Keine Zufälligkeiten, auch wenn es frappant so aussähe, keine Zweideutigkeiten, dabei viel mehr Natur als in den gemalten Zufälligkeiten anderer.

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 41

Man müsste das doch sehen oder dahinter kommen können: hier ist alles Absicht, nichts Zufall. Weil das eine so ist, muss das andere so sein; weil das eine spricht, muss das andere schweigen; nichts ist ungekonnt, sondern urteilsmässig nicht gewollt; keine Farbe, Form, Unruhe, Helligkeit ist um ihret- willen oder gar allein da, sondern alles ist relativ, dient dem Ganzen.)

Klar und eindeutig muss er sein. Darum schreibt er auch noch so sehr auch alles zweckdienlich zur Sache spricht „Vinum bonum" über die antike Osterie oder „Melancholia" auf den Spiegel seiner schönen letzten Figur. (Zürich 1885.)

Ihn füllt jene Vorstellung der sichtbaren Welt, auf die er sich konzentriert, und die er immer körperlicher verdichtet, ganz aus mit ihrer lebendigen Gegenwart und Werdelust, alle seine geistigen und körperlichen Kräfte nimmt sie in An- spruch.

Wenn schon, so möchte ich, ohne vergleichen zu wollen, was ich übrigens in vielen Beziehungen nicht scheuen würde, an Rubens denken, der die Natur packt, wo es gerade ist und sie hinstellt: eccola qua! Auch Böcklin bemächtigt sich ihrer mit ähnlich gewaltiger Selbstverständlichkeit, wenn er die hinreissende Kraft von Rubens auch nicht besitzt.

Das Bewusstsein für malerische Mittel und Notwendig- keiten (welches mit dem Ästhetischen oder mit der sogenannten poetischen Empfindung gar nichts zu thun hat, sondern ihnen weltfern steht) ist selten so ausgebildet verkörpert gewesen wie in Böcklin.

Wenn man sich ehrlich über Malerei unterhält -- unter der Voraussetzung, dass man weiss, um was es sich dabei handelt (und hier ist das Loch im gegenseitigen Verständnis) so muss man zugeben, dass wir es hier mit dem klarsten, positivsten, bewusstesten Vertreter der Kunst unter den Lebenden zu thun haben.

Gerade ihm gegenüber sind alle laienhaften Vorstellungen von phantastischer „Genialität", von interessanter Nervenüber- reizung (oder gar Originalitätshascherei) absolut lächerlich und beruhen auf vollständigem Nichtkennen seiner Person und unverbesserlichem Verkennen seiner Werke.

Die heitere Kraft Böcklins, auch wo sie am übermütigsten

42 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

mit den Kombinationen seiner Phantasie spielt, wurzelt immer fest und sicher in dem realen Boden der Naturwahrheit, seine tollsten Fabelwesen sind körperlich durchaus organisch und ebenso organisch mit ihrer Landschaft verbunden.

Bei jedem Erklärungsversuch der Böcklinischen Kunst muss man von seiner unbegrenzten Genussfähigkeit gegen- über der Natur ausgehen, von seinem unerhörten Gedäch t- nis andrerseits. Jene lehrt ihn an allem Eigentümlichen und Sprechenden sich freuen, der Individualität eines Naturmoments mit künstlerisch geniessendem, verstehendem Auge nachzugehen, dieses bewahrt ihm das Genossene und sendet aus seinem Reichtum eine Fülle des Verwandten, sei es des Erlebten oder Assimilierten, sodass aus geringem Anlass mit rapider Ideen- association ein Bild vor seinem geistigen Auge entsteht. Das Gedächtnis aber ist die Grundlage dessen, was wir Phantasie nennen.

(Phantasie = Beweglichkeit, Erregbarkeit, Sichtbarwerden des Gedächtnisses, d. i. der in uns ruhenden Summe von irgendwie Erworbenem.)

Das Arbeiten aus dem Gedächtnis bringt es mit sich, dass der Künstler ungebunden von den mit tausend Zufällig- keiten behafteten Einzel- und Momenterscheinungen, frei mit dem für ihn Wesentlichen zu schalten vermag, mit dem, was ihm wirklichen anschaulichen Genuss gewährte, was ihm die Eigentümlichkeit des Moments aussprach, offenbarte.

Böcklin sagt: „Man darf absolut nichts Unwahrscheinliches machen. So ein Münchner macht dahinten irgendwo, um den Raum zu füllen, als ob es sich um eine Arabeske handle, eine Fahne, die sohin weht, und Bänder, die andershin flattern. Und die Schreier nach Natur finden nichts dabei."

Er ist der personifizierte künstlerische Verstand bis in den kleinsten Strich, bis auf den unscheinbarsten Ton, in jeder Unterlassung nicht minder. Dieser Verstand ist Herr der reichsten, unermüdlich selbsterworbenen technischen Erfah- rungen. In ihrem Kreise hält er, an strenger Longe, den un-

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 43

erschöpflichen Vorspann eines allseitigen Gedächtnisses und die Naturempfindung eines wahren Künstlers.

(„Form und Farbe müssen sich der Idee unterordnen", sagt er.

Nein das trifft bei ihm nicht ganz zu: denn er em- pfindet oder sieht beides zugleich mit, wenn er seinen Eindruck im Kopfe zum Bilde fertig komponiert. Er dichtet sozusagen nur im Kreise seiner Ausdrucksmittel. Das Farbenproblem deckt sich bei ihm mit dem dichterischen. So wird letzteres ja auch erst ein malerisches. Wo die Form eine direkte Rolle spielen soll, bei ganzen Figuren etc. wird auch sie ihm zugleich mit klar sein. Er ist ja doch kein Illustrator oder Darsteller von anderer Leute Gedanken.)

Freuen wir uns, wenn einem noch die Sonne ins Hirn scheint, dass er Licht und Farbe sieht und aufweisen will, wo für andere nur weissliches Grau ist!

Es ist in der Kunst wie Kette und Einschlag beides gehört zum Gewebe die Natur und der Mensch, der sie zu neuem Besitz bildet. Aber begreiflicherweise kommt alles da- rauf an, ob diese Weberei bloss ein dressiertes Können ist, wie z. B. bei Lenbach, oder eine jedesmalige eigenartige An- schauung.

Ich weiss den einzigen Vergleich mit unserem Freund Gottfried Keller, der auch sein künstlerisches Gut in festen Händen trägt und es blitzen lässt, wie er will, nicht mehr und nicht weniger. Beide haben durch hellen allgegenwärtigen Ver- stand ihr Talent zu etwas ungleich anderem gemacht als zu einem blossen selbstleuchtenden Ding.

Es ist eine Freude, Böcklin jetzt (1887) im Atelier zu sehen. Nur noch „giudizio". Wie er so vor seinen grossen Bildern steht und abwägt. Die letzten Decimalstellen ausgleichen überlegen: welche Dummheiten muss ich stehen lassen, um Anderes, Wertvolleres zu erreichen das ist so jetzt seine Hauptarbeit. Die sichtbare Arbeit ist immer im Augenblick gethan.

Es giebt da kein „das bedeutet", sondern nur „das ist" und zwar „ist" ohne Hintergedanken und Hineingeheimnisstes: Anschauung für die Anschauung.

44 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Wie ein Ringer, voll allseitig gespannter Aufmerksamkeit, Kraft und Klugheit, packt er seine Aufgabe, sie überall fassend, wo sie fassbar wird während des Kampfes, jeden blitzschnell gefühlten, neuentstehenden Vorteil, so weit es geht, auszu- nutzen.

*

Noch originell sein, das, dächte ich, hiesse allein schon

etwas nach so weithin übersichtlicher Kunstentwickelung!

* *

*

Böcklin ist natürlich nicht nur Bewusstsein und Berech- nung. Ungeheuer viel undefinierbarer Instinkt, wunderbar aus- gebildetes künstlerisches Taktgefühl steckt doch in ihm ein Können, Fühlen, für welche Fähigkeit, für welches Halbbewusst- sein es keinen Ausdruck giebt.

Das lediglich Empfundene kann man wohl sicher aus- üben, aber nicht bewusst beherrschen, d. h. definieren. Vieles weiss Böcklin, und er dringt hinein in das Unbewusste (seit Schack) mit der Leuchte des Forschers aber vieles, vieles bleibt, das er nur ahnt. Und er macht es dennoch, eben weil er seines Gefühls sicher ist, nicht seiner Berechnung allein (obgleich auch dies Gefühl in all seinen Berechnungen seine sichere Rolle spielt).

Irgend ein seiner Zeit erschautes Stück Natur taucht vor dem geistigen Auge des Künstlers wieder auf, und bei der Übersetzung in seine Farbensprache fliessen ihm plötzlich, ohne dass er sich immer Rechenschaft geben könnte, wo, in welchem Zusammenhang, und ob irgendwann er sie gesehen, und ohne dass er sie je gemalt, Dinge Kleinigkeiten auf die Lein- wand, die, Stimmung von jener Stimmung, echt und wie un- trennbar erscheinen, weil sie aus dem Ganzen geboren sind.

Das Individuelle, Stimmunghaltende ist haften geblieben, dies baut er nun als ein Naturwahres und doch ihm persön- lich Gehöriges wieder auf, das Warum dem Beschauer durch Übermittlung der eigenen Stimmung deutlich machend.

Um ihre Eindringlichkeit zu erhöhen, sucht er diese Stimmung durch Figuren, die geistig, in Lebensbethätigung und Farbe ihren Charakter festhalten, noch einmal lebendig aus- zusprechen.

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 45

Wie fein und sensibel solche künstlerische Stimmungen sind! Bruckmann kommt ins Nebenatelier, ohne zu denken, dass Böcklin da ist und fängt ganz laut und derb an, sich die Marseillaise zu pfeifen. Aber nach den ersten vier Takten sieht er irgend etwas, was ihm auffällt, und er hört auf. Böcklin, der Gott weiss in welcher Grotte unter dem Meere war, kann, wie die Fortsetzung gar nicht kommt, nicht anders er muss sie weiterpfeifen. Damit kommt er aber auch zu Bruckmann ins Atelier und sagt ihm: „Herrgott, jetzt hast Du mir glücklich mein Motiv totgepfiffen!"

Für jeden Künstler, denk' ich, wird das Gewollte, Wer- dende etwas anderes, wenn es in Form seiner Mittel Gestalt annimmt und wächst oder zurückbleibt, wenn die Vorstellung locker und modellierbar bleibt oder auf einem Punkt versteinert.

Die augenblickliche günstige oder ungünstige Stimmung übt während der Arbeit den grössten Einfluss aus.

Ich habe erlebt, dass Böcklin, wohl in der Meinung fertig zu sein, drauf ging wie ein Wilder, aber oft genug etwas anderes fand als den Ausdruck seiner Vorstellung, und so habe ich ihn vieles wegwerfen sehen, was ihr nicht in einem Guss aus- reichend entsprach.

Auch er wusste, wenn er anfing, nicht ganz genau, wohin er kommen würde. Er wartet auch, was aus dem Reichtum aus ihm heraus dazukommt während der Arbeit und dann meinetwegen anderes umstösst. Auch er muss oft, ohne sich alles Zugehörigen vorher kühl bewusst zu werden, wagen, ver- suchen wie weit die Kräfte reichen, wie weit seine Empfindung stark genug gewesen, um schöpferisch vorzuhalten bis zum Fertigsein, bis die grosse Rechnung stimmt.

Die meisten Künstler allerdings kommen erst durch die Anschauung des Werdenden, die Anregung der entstehenden Zufälligkeiten zu ihrem kaum vorher berechneten Resultat.

Noch einmal die Sensibilität künstlerischer Schöpfungs- launen: Goethe schrieb Hermann und Dorothea ohne das Zimmer zu verlassen, d. h. er hatte anstatt der hundert kleinen gar kein anderes Verhältnis zu irgend etwas auf der Welt als das zu seinem Stoff, zu dieser Sache. Und nun macht er nicht

46 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

etwa einen „Prometheus", sondern kommt der Antike viel

näher, macht etwas Gutes, indem er das formt, was er genau

kennt, über das spricht, wovon er am meisten (intimsten) zu

sagen weiss. Er will durchaus nichts Grossartiges machen. Er

lebt nur von dem einen Gegensatz der gross und einfach

ist zwischen der beschaulichen, philisterhaft befriedigten

Ruhe des kleinstädtischen Marktplatzes und den hineingeworfenen

Versprengten.

* *

*

Der Künstler ist vor allem ein gesunder Mensch. Nur der sieht die Welt richtig in seinem Lebensgenuss. Der Kranke sieht all seine Qual in die Welt hinein und will und kann andern keine Freude mitteilen. Böcklin macht das Fenster auf, und die Sonne lässt das Meer erglänzen und lebendig werden.

Eine weise, offene, zugängliche Kunst, voller Erfahrung und ohne Geheimnisse (für die, die sehen, den Faden nehmen wollen), ein staunenswertes, überall stichhaltendes sich-Decken und sich gegenseitig Unterstützen zwischen Mitteln im weitesten Sinn und Zweck Zusammenfallen der beabsichtigten Erregung des Auges i. e. Aufmerksamkeit des Beschauers und des Interesses, des Rätselworts des Bildes: gerade da steht das „Sesam" (nicht, „wo ist die Katz" wie meistens) also des sprechenden Ausdrucks des mit dem Ganzen Gewollten.

Böcklin arbeitet wie ein Bildhauer: schon wenn dieser das Gerüst zusammenbiegt, weiss er ganz genau, was er will, hat er seine Arbeit in der Vorstellung fertig. Ebenso Böcklin, wenn er an die Leinwand tritt. Und dann geht's schnell. Merkt er in der praktischen Arbeit, dass er sich verrechnet hat, so ist's gleich aus. Weg damit!

Wir können und besitzen ja viel mehr als wir alltäglich zur Hand haben. Er kommandiert das in glücklichen Momenten alles mit einander genau für denselben Zweck.

Wie männlich bewusst, unerschrocken und frei von aller Gefallsucht ist diese Kunst, diese unbekümmerte, alles, was nach Geschicklichkeit aussieht, ängstlich vermeidende Malerei eines Mannes, der seine Zeit vollauf kennt und ganz auf sich und sein künstlerisch Erarbeitetes angewiesen ist, gegenüber den Palaisposten voran Anton von Werner und jedem

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 47

anderen, der nach rechts oder links und nach den Achselstücken schauen muss, oder gar vor Publikum und Kunsthändlern (Mode) salutiert.

*

„Wenn es im Lauf der Arbeit plötzlich irgendwo fehlt, so fehlt es meistens nicht da, sondern in der Idee, von vorn- herein. Man sucht dann mit Schärfen, mit Durcharbeiten die Sache zu zwingen, zu etwas zu kommen, das alles ist nur ein Verstecken, das nutzt alles nichts. Alles Sichschinden und -Plagen, Schönmachen und Appretieren, Suchen etc. nutzt nichts es fehlte von vornherein in der Rechnung. Dieser böse Punkt, wo die Mittel versagen, war übersehen."

Dieser Satz gehört zu Böcklins besten Weisheiten, wie er selbst sagt.

Was er macht, ist ihm (trotz alles Zuhorchens auf den einschiessenden innern Reichtum von Neigung, Vorstellungs- kraft, Leidenschaft etc.) nicht passiert, sondern das hat er durch und durch ziel- und zweckbewusst geschaffen.

„Deutlich werden, mit äusserster Ausnutzung aller Mittel" könnte man seine Devise nennen, d. h. das Vorgestellte, wel- ches also noch nicht da war, so herbringen, dass es nun real dasteht. Deutlich sein ist die erste künstlerische Bedingung. Das Unverständliche, Unklare reizt unser Denkvermögen und wirkt damit nur indirekt auf unser Empfinden.

* *

Ordnende Kraft hat er sich im höchsten Masse erworben. Er weiss genau wie ein Glasmaler des 13. Jahrhunderts, welchen Ton es giebt, wenn er z. B. soviel von dem Blau und soviel von dem Rot so oder so zusammenbringt, wie eine Farbe der andern hilft oder vom Amte hilft oder ein Drittes zeugt.

Er steht vor einem Bilde, oder man steht mit ihm nach- denklich davor. Glockenklar muss das sein und wird das sein; die Empfindung hatte man wohl bei einander; aber eine bar- barische Klarheit wird nun auch verlangt! (Da waren z. B. nur noch die Augen einer tragischen Muse, die ihn schon drei Tage gekostet hatten.) „Wenn gerade dieser Ton nicht ganz scharf und richtig angeschlagen wird, stimmt der ganze gewollte Accord nie."

48 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWURFE

Wenn das Rechenexempel im Kopf fertig ist, kommt es nur darauf an, dasselbe so leicht begreiflich und deutlich dar- zustellen wie möglich. Das ist die Novelle ä la Paul Heyse. Das Individuelle, Persönliche liegt wesentlich in der Wahl und Stellung der Frage, des Exempels dann im Vortrag, nicht in Figuren und Charakteristicis. Die Wirkung, auf die es an- kommt: das „Dämonische des Einfachen" ist fast allemal erreicht; vieles freilich ausgeschlossen, was denn doch sein Recht haben dürfte, auch wenn es hier keinen Platz finden darf ebenso in der erzählenden Kunst neben den Heyseschen Novellen, wie in Böcklins summarischen, monumental-dekora- tiven, zielbewussten oder sagen wir gleich: siegreich am Ziel jubelnden Bildern. Brandes hat darin Heyse gegenüber gewiss die richtigen Einwendungen gemacht (Rundschau).

Glaubwürdig sein ist Böcklins erste Forderung an seine Arbeiten. In jeder Beziehung glaubwürdig machen, was man zu sagen hat. Er sucht so viel wie möglich von dem Reiz des anschauend Genossenen in seine Übertragung hinüberzuretten. Und er weiss die dafür mögliche Ausdrucksweise stets mit lebendigem Gefühl zu finden.

Und die kleinsten Reize hat er genossen und aufbewahrt. Man findet sie und empfindet sie überall, wo es eben geht, ohne zu stören. Überall noch Beobachtung. Aber zu wissen, dass ein Mensch noch ein Ohr hat, wenn er schon so seine Wirkung thut, dünkt ihn keine Beobachtung, kein Genuss der Mitteilung wert wenigstens.

Bei all seinem Zug nach dem Einigen, Grossen steckt die unbegrenzte Freude an allem Lebendigen, Sichtbaren in ihm, wie etwa bei Dürer. Er muss manchmal, wo es nicht stört, mitteilen, wie sehr er auch das und das noch genossen hat. Er lässt dann all seine Anschauungsfreude spielen: dahinein und dahinein sah ich auch noch und fand die Welt schön ohne aber je damit der Hauptsache Abbruch zu thun, im Gegenteil, das Ganze erheiternd oder der Genussfröhlichkeit des Ganzen entsprechend.

Sag' mir, was du von der Welt hast. Lass es mich be- greifen, nachempfinden. Wie kommt dir der Frühling vor, der Tag, die Sonne, das Weib, sag' mir das ganz und voll, dann bist du ein Künstler.

KÜNSTLERISCHE CHARAKTERISTIK 49

Einen unsichtbaren Inhalt eines Kunstwerks giebt es nicht. (Conrad Fiedler.)

Aber was das Auge beginnt, das künstlerische Gestaltungs- vermögen im Sinne der späteren darstellenden Thätigkeit durch die Hand soweit das möglich ausreift, das wird uns, unter Einsatz aller vollbewussten seelischen Kräfte und Hilfs- mittel, so zielbewusst und abgeklärt lebendig gemacht, in so klarer sprechender Bestimmtheit zu eigen gegeben, wie nur bei den Grössten.

Ihm wachsen die Bilder nicht gedanken- und vorstellungs- los aus der Technik heraus, so sehr er Techniker ist.

Mit welcher alles wagenden Plötzlichkeit, mit welchem Elan, mit welchem lodernden Zusammenraffen aller Kräfte er wohl manchmal auf eine starke Empfindung, wie auf eine Hoff- nung einer augenblicklichen Erweiterung seiner Mittel stürzen mag, um so schnell, so viel wie möglich davon zu retten, zu er- reichen. Wie manche geniale Farbenkumulation mag so entstanden sein. Und im nächsten Augenblick ist er wieder ganz abwägen- der Verstand, ganz Selbstkontrolle. Dies sein geniales Übersich- selbsthinausgehen kann natürlich niemand von ihm lernen.

Wie oft mag er denken, oder sagen wir jedesmal, da bin ich bei der letzten Möglichkeit angelangt, weiter haben wir nichts: wenn ich jetzt nur noch einen Ton weiter, näher hinzu könnte! Die Natur ist ja immer viel prachtvoller als alles Erreichbare.

Es ist bezeichnend für den Stand unserer Kunstanschauung, dass man überall sagt: er ist Poet! Kolorist! u. s. w. Aber keiner achtet darauf, wie gross und bewusst er in den Aus- drucksmitteln, im Technischen, im Material ist (woran die andern, die ihre Farben beliebig kaufen, gar nicht denken).

Er sucht fortwährend, weil er ja nicht eine Technik er- lernen wollte, deren man eines Tages Meister sein kann, sondern der Sache, die man, je näher man ihr kommt, immer besser sieht, so stark und wesentlich wie möglich auf den Leib zu rücken. Es ist entschieden ein Zeichen von Beschränktheit,

Floerke, Böcklin. 4

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wenn man glaubt: man kann es und stehen bleibt. (Ich denke gerade an Franzosen wie etwa Cabanel im Gegensatz zu Henner. „Es giebt nur einen Cabanel !a „Gott sei Dank!")

Farbe, Ruhe oder Bewegung etc. Wir wissen sehr wohl, dass die Geschicklichkeit Mittel hat, um die eigentümlichen Wirkungen dieser zu paralysieren. Böcklins Eigentümlichkeit ist es fast allein, gerade diese physiologischen (optischen) Eigen- schaften seiner Mittel bis zum äussersten zu erkennen, aus- zunutzen, in einem Brennpunkt zusammenzufassen.

(Die mühsam erkannten physiologischen Gesetze scheinen Böcklins Auge angeboren zu sein, und die in diesem Sinne ge- leitete Erfahrung hat die Gabe ohne wissenschaftliche Stu- dien — zum unfehlbaren Bewusstsein verstärkt.)

Böcklins Ästhetik.

„Gieb acht, was auf dich wirkt. Erst wenn du das „Warum" weist, kannst du's auch."

Böcklin giebt sozusagen nur den untersten Ton an, und der soll weiterklingen, bei dem Beschauer alles zusammenraffen und mit emportragen zum vollen Accord wie im Battistero zu Pisa.

Die Kunst kann nur Anregungen geben, in gewisser Richtung zwingende Anregungen, die den ganzen Menschen in Thätigkeit setzen, wie der ins Wasser geworfene Stein je nach Kraft und Grösse und Uferausdehnung seine Kreise erzwingt.

Ein Kunstwerk muss also, so einfach und deutlich es auch sprechen soll, in der Seele des Beschauers etwas voraus- setzen (wie der Schall Gehör, das Sichtbare ein Auge, oder wie Saiten eines Instruments einen Resonanzboden), für seine Phantasie etwas übriglassen, so sicher es sie auch hält und führt. Es muss zwingend, mit sicherer siegreicher Hand und doch kaum merklich, im gewollten Sinne, in der gewollten Linie anregen, alles Vorhandene aufrütteln, und so in seinem Beschauer lebendig werden.

Böcklin will in erster Linie deutlich sein, unmittelbar durch die Augen wirken, die Empfindung anregen. Man kann sich denken, wie wenig er zu Richard Wagner passte, der ihn doch für von seiner Art hielt und Dekorationen von ihm wollte.

[Bezeichnend ist auch sein Harmonium (nicht Klavier, weil er da dem einzelnen Ton kein Leben geben kann) und seine Noten: einfache Motive von Bach, Händel u. s. w. Klare, grosse Motive in breit einherschreitenden Accordfolgen.]

4*

52 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Böcklin will auf den ersten Blick, ohne Studien und Vor- aussetzungen verstanden sein und auch bei längerem Betrachten den Beschauer nie von der ersten Empfindung abziehen, son- dern dieselbe nur und überall verstärken.

Das Wesentliche erkennen und zur Geltung bringen, das macht den Künstler. Schon deshalb (auch wenn es nicht lang- weilig wäre) kann man nicht alles gleichwertig behandeln oder nur mitteilen. Man kann auch in der Malerei geschwätzig sein. Den meisten Dingen ist mehr als ihr Recht geschehen, wenn man sie andeutet. Böcklin macht nichts, was nicht wirkt, also auch nicht irgend Überflüssiges. Er erzählt seine Eindrücke und Vorstellungen mit den wenigsten Mitteln.

„Man muss absolut nichts mehr machen, als für die, für die man malen möchte, unerlässlich ist."

„Man ist durchaus nicht so frei beim Malen, wie es aus- sehen könnte. Einem darf nur einfallen, was nützlich ist."

Das Malen ist eine Sache, die Applikation oder Nutzbar- machung resp. Fruktifizierung ausserhalb liegender Ideen eine andere, für die die Malerei etwa Raum gewährt, wie ein Roman für Archäologie, Patriotismus oder sonstige an sich schöne Sachen. Das eine hat mit der Kunst (durchaus nicht bloss mit der Technik, sondern mit den wahrhaftigen Mitteln und Grenzen der Kunst) zu thun. Das andere mit dem Verkaufen oder der gesellschaftlichen Stellung, die man hat oder sucht.

Böcklin ist sicherlich ein grundsätzlicher Gegensatz zu dem, der sich Historien- oder Genremaler nennt, er ist Maler, d. h. er sieht mit malerischer Phantasie die Natur, und hat, was er braucht, in sich und auf der Palette. Hilfe oder Ehre aus seinen Stoffen oder deren Behandlung zu ziehen, liegt ihm absolut fern. Verbindet sich eine verdeutlichende Reminiscenz oder Idee mit der aus der Natur geschöpften Anschauung va bene so zieht sie mit am Wagen.

Man muss nie etwas „Bedeutendes" machen wollen. Das thun die Streber, die nur an den Erfolg denken. Man muss machen, was einem gefällt. Das ist der einzige Weg, auf dem was wird. Die andern reden schon von dem göttlichen Michelangelo, ehe sie was verstehen und können. Und daran kennt man sie.

„Was kann ich mit meinen Mitteln machen?" sagt Böcklin. Was können sie leisten? Das ist die ganze Frage. Darin

BÖCKLINS ÄSTHETIK 53

besteht die Kunst: in ihren Grenzen, an ihrer Hand seine Vorstellungen und Gedankenverbindungen zu haben und deut- lich zu machen."

„Je leichtflüssiger die Mittel, je schneller man das bischen, was man Eigenes zu sagen hat, hinschreiben kann, um so weniger geht durch die Hindernisse des Materials verloren."

„An Einfällen fehlt es nicht. Der Verstand muss nur Ruhe und Klarheit genug haben, um von vornherein die Ökonomie des Ganzen zu übernehmen. Nächst dem Zusammen- fassen seiner Vorstellungen und Mittel besteht die Kunst in dem Erkennen und Hinauswerfen des Überflüssigen. Das kostet die meiste Zeit. Viel weniger noch darf man etwas hineintragen wollen. Das weg, das weg dann erst geht einem plötzlich ein Licht auf, dass man mit seiner Vorstellung recht hatte und wie sie ausführbar ist: richtig, darauf kam es an in praxi! Alles andere macht sich dann von selber und schnell da kommt einem alles, was man ist, kann und im Gedächtnis hat man weiss oft selber nicht woher willig zu Hilfe. Nur nicht phantasievoll sein wollen die Phantasie braucht man schon genug ad hoc, um das Wesentliche lebendig zu machen. Nur nicht geistreich, sondern einfach, nicht künst- lich, sondern natürlich!"

Sandreuter sagt gelegentlich, als er uns ein neues Bild zeigt: „Ich glaube, ich habe diesmal in Böcklins Sinn das Viele vermieden, was mir bisher stets das Grosse zerschnitt."

„Ja", sagt Böcklin, „es gehört so wenig dazu. Man macht meist zu viel. In allen Künsten. Was bleibt z. B. klar und sicher im Gedächtnis? Immer nur das Bestimmte, Einfache. Die meisten aber machen immer wieder Sachen, die sie, noch dazu in dem Augenblick, gar nichts angehen."

„Jedermann behält das, was ihm in seinen Kram passt. Warum auch anders? Ich dachte früher auch an alles Mögliche, was ich noch in mir ausbilden könnte. Ich bin froh, dass ich mich beschränkt habe. Ein jeder muss begreifen, was er vor allem kann, und nur das machen, und dann nicht rechts und nicht links. Ich z. B. will kein Historienmaler sein. Auch kann ich keine präcisen Umrisse machen. Ich ziehe mich also vollwissentlich auf rein malerische Wirkungen zurück, auf vage Vorstellungen aus dem Kreis dessen, was mich beschäftigt."

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„Der Maler sieht und lebt mit den Augen. In ihm klingt irgend etwas, das verbindet sich mit den Formen und Farben, belebt das Angeschaute und wird dadurch zu etwas Bestimmtem."

Die Welt redet durch die Augen zu ihm und weckt das Schlafende in ihm zu schneller Verbindung und Neuschöpfung.

„Ich sei intolerant, sagen die Leute, gegen andere Rich- tungen. Richtungen! Es giebt nur eine Kunst, aber so viele Individualitäten wie wirkliche Künstler oder solche, die es ehrlich werden wollen. Aber Affaristen und Leute, die sich vor ein gefälliges Stück Natur setzen, um es nachzuahmen und höchstens den Ausschnitt aus dem Ganzen, das Format, be- stimmen, sind eben keine Künstler."

Es steckt hinter diesem, „es giebt nur eine Kunst", nicht die Engherzigkeit oder Eitelkeit des Professors, sondern das ist der weite Blick des Genies und die Erfahrung des Ringenden, der oft genug die kleinen persönlichen Zwecke des ausgenutzten und angewandten Talents neben sich hat zu ihrem Ziel kommen und sich decouvrieren sehen.

Es führen doch nicht alle Wege nach Rom!

„Die Kunst für alle." Sehr vorzüglich! Eine nette Sorte! Ungefähr von der Güte: „Aus dem Volk für das Volk."

„Ich verlange vom Künstler, dass er einer der im besten Sinne Gebildeten seiner Zeit sei. Raffael z. B. hätte gewiss auch aus sich selbst heraus etwas Gescheidtes aus den Stanzen gemacht, etwas Entsprechendes, festlich Würdiges, etwas, was dorthin gehört, und nicht etwa einen Schäfer, der seiner Herde etwas vorflötet, oder so was. Man hätte ihn nicht durch ein Programm zu binden brauchen. Unterstützung war das durch- aus keine, wie feinfühlig, klug und malerisch er sich auch damit abgefunden haben mag. Das beste eben lag nicht im Programm, sondern leistete seine künstlerische Empfindung. Die hinzugethanen Figuren, die ganz sein unabhängiges Eigentum sind, sind sogar regelmässig das allerbeste in den Bildern."

BOCKLINS ÄSTHETIK 55

„Mach' nichts bestimmt, behaupte nichts schon, bevor du dir nicht ganz klar bist (auch über alle Folgen), dass es dein ist, das andere sind Skizzen. Sei vorsichtig, suchend, aber dann mit ganzer Kraft, Tugend. Und es gehört eine Art spar- tanischer Kraft dazu gegenüber dem Geschmack unserer Tage."

„Man soll jede Vorstellung so hoch als möglich schrauben, sie bis ans Ende verfolgen. Man soll sie aber auch nicht eher anpacken, als bis man sie ganz hat, von allen Seiten, und dann nicht loslassen, bevor nicht die letzten Mittel erschöpft sind. Man kommt gewöhnlich höchstens bis an die Hälfte des Weges, dafür ist gesorgt! Die Florentiner wollten ein gewaltiges heiliges Gotteshaus und kamen bis zu einer schönen Kuppel. Hildebrand möchte alles in seinem Marmor und bleibt schon im Anlauf stehen." (Gelegentlich seines Diskuswerfers.)

Bei Böcklin ist alles im Bilde des Bildes wegen da, nicht seiner selbst willen, alles relativ. Darum erscheint ihm die Vollendung des Einzelnen sobald er seinen Bildgedanken ausgesprochen und das Auge gezwungen hat, ihm zu folgen unnötig, langweilig, falsch. Formen, Farben, alles hat seinen Zweck, bedingt einander und vermittelt den Ausdruck der Idee, wie er sie will. Er ist darin der absolute Gegensatz zu Marees,*) der in seine prächtigen Figuren und Kompositionen alles Mög- liche und Unmögliche hineingeheimnissen möchte, denen man alles, was sie je gedacht, erlebt und wert gewesen, ihre Be- stimmung etc. soll ansehen können, die stets den absoluten Menschen alles in allem darstellen wollen: Adam und Eva mit ahnungsvollen Kindern.

Ob oder dass ein Ding an sich, für sich, schön oder voll- kommen, so oder so sei, ist Böcklin gleichgültig, für ihn steht es in Reih und Glied, ist es nur da als Hilfsmittel seine Bild- empfindung zum Ausdruck zu bringen. Es steht nichts müssig da, um zu prahlen, den Raum zu füllen, hier hat alles und jedes, ich wiederhole es immer wieder, die Devise: „ich dien'." Und mehr Diener als er braucht werden nicht angestellt, damit sie sich nicht im Wege stehen.

*) Siehe den Abschnitt „Böcklin und Hans von Maries" S. 167. A. d. H.

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Wollten wir nach einem grossen und deutlichen Beispiel suchen, so Hesse sich Böcklin am ehesten mit Rubens ver- gleichen. Dieser scheint wohl manchmal die Natur zu verge- waltigen (d. h. die Natur, welche die „anderen" sehen), aber in Wirklichkeit macht er sie nur seinen künstlerischen Neu- schöpfungszwecken dienstbar. Und diese künstlerische Wahrheit ist nun einmal alles in allem überlegt wahrer als alles vermeintliche Ab- oder Nachschreiben.

Die moderne Sucht nach scheinbarem Reichtum, das Hier-noch-was und Da-noch-was, kennt Böcklin nicht. Er will ja nicht das und das und noch was darstellen. Die Kunst des Nebeneinander und Auseinander ist nicht seine Kunst; die heisst: mit- und durcheinander. Er will nicht das Geschaute darstellen, sondern das Angeschaute, d. h. das beim Sehen Empfundene. Er will irgend einer seelischen Erinnerung zu möglichst knappem und deutlichem Ausdruck verhelfen. Bild- lich: nicht das Rad in der Uhr interessiert ihn, sondern seine Funktion und das Resultat, und darum und bis dahin macht

ß;r es. Sprechende Formen, Farben und Bewegungen, das st die Hauptsache. Das Übrige, soweit es unerlässlich, ist in_ seiner Behandlung gleichgültig. Drücken drei Hände das aus, was empfunden war und mitgeteilt werden soll, so ist die vierte überflüssig, wenn sie nicht geradezu stört. Für die Farbe gilt das gleiche. Farbe als Selbstzweck (Kolorismus) ist ihm ein Unsinn.

Das Objekt liegt auf der Strasse. Zum künstlerischen Leben gelangt es erst durch das Erkennen (die Anschauung) seitens des Subjekts. Seinen sehr verschiedenen Wert in malerischem Sinne verdankt es eben der Verschiedenheit der subjektiven Anschauungen (Gehirne, Genies).

Landläufiger Begriff des Realismus: das scheinbar auf- fassungslose „Abschreiben" der Erscheinungswelt (scheinbar, denn faktisch ist das ja auch eine Auffassung, wenn auch keine künstlerische) von irgend einer Ecke an bis zu einer beliebigen anderen.

Auch wir sind Naturanbeter aber anders. Gerade weil wir es sind, haben wir eine höhere Sorte Respekt vor ihr, als

BÖCKLINS ÄSTHETIK 57

dies Sichkümmern um ihre alten Hosen und Stiefel, Runzeln und Warzen.

Ohne Übersetzen, Beherrschen, Verdauthaben, Extrahieren des Stoffes ist von Kunst nicht die Rede.

M. war auch an der Riviera gewesen und konnte mit seinen Studien beweisen, wie es da aussah, genau da z. B., bei dem und dem Himmel, um 2'/z Uhr, am 16. Mai u. s. w. „Ja", sagt Böcklin, „aber darum, um das zu wissen, reist man doch nicht nach Italien. Wenn da für den Menschen und Künstler keine höhere Anregung und Wahrheit zu holen ist, genügen ja von nun an die Studien, die ganz echt aussehen".

Böcklin hat die Courage, seine Vorstellung darstellen zu wollen und meint durch den Versuch, dieselbe darzustellen, werde erst der Mensch sich seiner Kraft und künstlerischen Aufgabe gewärtig. Und diese Freude an der Erkenntnis und Mitteilung, die er hat!

„Nur was machen, arbeiten! Nur sich nicht sorgen, wie es wird. Lieber was Schlechtes als gar nichts. Überhaupt nichts Bedeutendes, Endgültiges machen wollen. Nur sich selbst und seine Freude am Geschauten, Begriffenen mitteilen!

Marees verrannte sich in die Sackgasse des Sichniegenug- thunkönnens und machte deshalb nichts, verzehrte sich. Was thu' ich mit Leuten, die bloss immer sagen: Heute habe ich von dem das gelesen, von dem dies gesehen! Selbst was machen !"

„Willen will ich sehen in jedem Strich, nicht Sklaven!" „Was nicht entschieden ist, wirkt nicht", sagen alle seine Sachen.

„Der andere soll aus meinen Bildern verstehen, was ich an Natur, Leben etc. genossen habe; also muss ich mir vor allem klar darüber sein und mich klar ausdrücken können."

„Jemand, der sich statt des ganzen Eindrucks einzelne Teile anschaut, halte ich für einen Knoten. Man setzt sich doch nicht hin und malt Hände und Füsse für irgend jemand."

„Wenn man nur ein paar Farben und Gegensätze hat, kann man schon in beabsichtigter Weise auf die menschliche Seele wirken."

Eine klare, knappe, interessante Idee, Böcklin macht sich eine deutliche Vorstellung davon, wirft alles, was Un- nötiges daran hängt, weg er kann es ja als reicher Mann und da habt ihr das Bild.

58 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

In unserer Zeit des Stiefelputzens und Wäschezeichnens, die sich mit ihrer Dressur und mangelhaften Produktionskraft auch noch aufbläht, ist eine solche Erscheinung doppelt merk- würdig, unendlich erfreulich, erfrischend.

Seine Ästhetik, wie sie aus jedem seiner Bilder zu uns spricht, dürfte wenig Ähnlichkeit haben mit jener des herr- schenden Gelehrtentums. Auch die Menge kann weder die ge- lernten Phrasen auf seine Schöpfungen anwenden, denn der fremde mitgebrachte Masstab stimmt nirgends, noch sich an äussere Hilfsmittel halten, die dem Bildungsmenschen etwa aus dem Gemälde die Hand entgegenstreckten. Von allem, was dem nicht künstlerisch sehenden Auge schmeicheln könnte, kommt ihm nichts entgegen : weder Erbauung noch Patriotis- mus ziehen mit an den Strängen, nicht dramatische Erregung oder Charakteristik, weder Geschichte noch Geschichten im landläufigen Sinne, kein stupend gemaltes Kostüm erregen das „stoffliche Interesse", kein abstrakter Gedanke wendet sich an den rätselgeübten Verstand, jede Eselsbrücke fehlt, die schein- bar zu einer Art äusserlichen Verständnisses des Kunstwerks führen könnte. Nur die Kunst waltet hier mit ihren eigensten Mitteln, freilich sich höchster Deutlichkeit befleissigend, aber ihre Sprache vernimmt nicht der Verstandesmensch, sondern nur der „Sehende", sei es, dass er noch unbefangen anzuschauen vermöge (was heutzutage wohl kaum noch vorkommt), sei es, dass er den Bildungsstaub unseres Jahrhunderts wieder aus Augen und Herz zu wischen vermocht und wieder sehen ge- lernt hat, was auch nicht gerade jedem mehr gelingt, und so die heitere Kunst wieder auf sich wirken lassen kann.

Kompositionsmittel. Bildentstehung. Bilder.

Das Bild ist im Kopfe fertig, bevor Böcklin anfängt. Das kann auf dem Sopha geschehen sein. Nun handelt es sich darum, zunächst beim Übersetzen auf das Brett, alles hinaus- zudenken, was sich nicht absolut zur Verdeutlichung des Ge- wollten, der eigenen lebendigen Vorstellung, nötig erweist und darum stören oder ablenken könnte. (Mitteilung von Vorstel- lungen ist eigentlich Kunst. Ich sehe wohl den und den vor mir, kann ihn aber nicht malen. Unsere meisten Maler auch nicht er muss sich schon daher setzen. Sie haben keine Vorstellung und nicht die Fähigkeit, das etwa Vorhandene mit- zuteilen, mit den Mitteln ihrer Kunst.) Diese Bilder sind also keine Skizzen, sondern bis auf das Wesentlichste, Sprechendste konzentrierte künstlerische Vorstellungen, aus denen alles für den Ausdruck dieser Empfindungen Unwesentliche hinausgeworfen ist. [Wer von einer „Verachtung der Form" bei ihm spricht, hat wenig von ihm gesehen und wenig Fühlung mit dem, was Rubens z. B. unter Umständen für unnötig, ja schädlich hielt. Es giebt für den Maler höhere Gesetze als die der Form: Jene der Bildeinheit und der schlagenden Übersicht der Idee mal ge- wiss. (Nicht alle seine Figuren sind durchmodelliert, aber nicht jedes Bild verlangt das. Mit dem Modellieren des Gipses oder Aktes unter bestimmtem Licht haben wir es im Bilde ja über- haupt in den seltensten Fällen zu thun.)] Wo sich Detail wie blumige Wiesen, sprossende Stämme, findet, da erblüht es aus der Freude des reichquellenden heiteren Grundgedankens, dem es auch seinerseits zum Ausdruck verhilft (wie bei Dürer).

60 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Dabei ist aber die grösstmögliche Ausnutzung und An- spannung der Farbenskala seine ganze Freude. Für ihn sprechen alle Farben und wiederum übersetzt sich alles, was er auch äusserlich oder innerlich (ohne das Auge, welches ja nur farbige Eindrücke empfängt) wahrnimmt, in Farbe. Ich bin überzeugt, dass für ihn z. B. ein Trompetenstoss zinnoberrot ist.

Böcklin weiss sehr wohl, dass er hier und da verstärken (übertreiben) anderswo massigen muss, um möglichst viel für die Glaubwürdigkeit des Ganzen in seine Übersetzung hinein zu retten.

Jedes Bild ist eine Übertragung aus der riesigen Licht- skala des Sichtbaren in die unzulängliche der Palette, nicht nur was Licht (Farbe) angeht, sondern auch aus dem Raum auf die Fläche, aus dem Vielen ins Einheitliche, aus dem Unendlichen ins Abgeschlossene, aus dem Grossen ins Kleine etc.

Es wird von Ästhetikern wie Publikum, scheint mir, viel zu wenig Wert gelegt auf die innerhalb der Optik der Malerei gefundenen Ausdrucksmittel. Wer giebt sich, wenn er eine Wirkung empfindet, Rechenschaft über ihre äussere Veranlassung?

Alle Wirkung beruht auf Gegensätzen von Farben, Be- wegungen, Mengen, Ruhe und Unruhe etc. Kontraeffekten warum soll man seine Ausdrucksmittel, seine Macht über das Auge nicht kennen und benutzen?

Böcklins Liebe, durch Gegensätze Leben zu schaffen, kann man bis in seine eigentümliche Technik hinein verfolgen.

Es ist schon physiologisch klar, dass alles, was man em- pfindet, nicht allein, sondern nur im Gegensatz zu anderem zur Wirkung kommen kann. Alles, was auf der Welt unter- scheidbar, wirksam ist, beruht auf, besteht aus Kontrasten. Künstlerisch gilt genau das Gleiche. Alle Wirkung beruht auf Gegensätzen, die überall zu sein haben und (allein) Leben bringen, den Geniessenden fesseln, ob er das Mittel merkt oder nicht.

Und wie das schon die Alten gewusst haben! Man sehe nur so einen antiken Kopf an. Immer und überall Gegensätze. Geht es hier beim Ohr hinaus, geht es daneben ganz betont hinein, da hinauf, daneben herunter. Im Profil niemals etwa eine hohe Stirn und eine lange Nase. Sondern Stirn niedrig,

KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 61

Nase lang, Oberlippe kurz u. s. w. Gegen die grade, ruhige, längere Linie von Stirn und Nase tritt die bewegte kürzere von Mund und Kinn.

Man könnte an Shakespeares komische Intermezzi er- innern, wenn nicht die ganze Musik, so wie sie da ist, ein so einziges Beispiel böte.

„Es ist ein einfaches optisches Gesetz, dass man z. B. das Zarte nicht als zart empfinden kann, wenn nichts Derbes da- gegen steht als Gegensatz" (gelegentlich der derb eingerahmten Poesie von Raffael, Stanzen-Decke).

Auch ein Pigment allein wirkt ja nicht farbig an sich, sondern nur neben andern, im Gegensatz zu diesen.

Die Geschichte von den Komplementärfarben ist nur der Anfang, die Kinderstufe. Denn z. B. um es wirken zu machen, brauche ich nicht neben Grün Rot zu setzen, sondern nur Dunkel. Die Rechnung beruht vielmehr auf dem Gegensatz von positiven und neutralen Farben.

All das Können und Wissen, von dem man da redet, ist ja nur Voraussetzung, fliesst in einen (nicht mehr mit stetem Bewusstsein ad hoc hergestellten) schöpferischen Strom zu- sammen. Man wird wie ein gut ausgespieltes Instrument, das hunderte von Mitteltönen mit Leichtigkeit, wie von selbst, wiedergiebt, nur was doch der Zweck ist überzeugender wirken. Was alles dazu gehörte, zusammenkommen musste, geht ja den Geniessenden nichts an. Will man aber speciali- sieren, wie vielerlei, wie vielen überall waltenden Verstand, wird man entdecken!

Das Bewusstsein der Gegensätze von hell und dunkel, kalt und warm ist das roheste, ebenso wie die Geschichte von den Komplementärfarben das kennen selbst die Genremaler.

Dann kommt die Beobachtung, dass positive Töne (orange, rot etc.) in ihrer Wirkung erhöht werden, dadurch, dass man neutrale daneben setzt, dass umgekehrt diese durch jene zurück- getrieben werden. (Aber auch scharf in die Augen fallende Blau's können vorne stehen, vortreten, so gut man selbst Zinnober zwingen kann, zurückzutreten, wodurch er also im Hintergrund verwendbar wird, wenn man z. B. warmes Braun daneben setzt und ihn dadurch zurückhält.)

Auch die Form thut für diesen Zweck viel. Ein Rund

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wird das Auge weniger beschäftigen als ein Dreieck. Also scharfe Formen kommen mehr nach vorne als runde; z. B. ein rundliches Ornament wird, abgesehen von der Farbe, einen Mantel im Hintergrund mehr zurücktreten lassen als ein scharf- zackiges, welches selbst eine neutrale Farbe, die man vortreten lassen möchte, herausrückt.

Die genaue Kenntnis der Farbenwerte und ihrer Wirkung gegen- und übereinander ist das eigentlich malerische Mittel, um Raum zu schaffen, und selbst die göttlichste Linearperspek- tive wird durch Farben wieder aufgehoben.

Denn das Loslösen von der Tafel, das Glaubwürdigmachen ist die ganze Kunst des Malers. Aber an etwas menschlich Interessantem muss er sie geltend machen können. Sonst brauchte man ja nur einen glaubwürdigen Würfel zu malen. Zu dem kommt bei Böcklin dann ungeheuer viel Erlebtes, Genossenes [bis ins Nebensächlichste hinein, so die Türkisen in den goldenen Kapitalen der „kastalischen Quelle".*) (Er er- innerte sich aus seiner Jugend an eine schöne Frau, die in Gold gefasste Türkisen als Ohrringe hatte und ihn aufhob resp. sich über ihn beugte, als er krank war.)] Man behält einen fröh- lichen, traurigen etc. Ausdruck, den die Natur hatte, Kleinig- keiten, die einem aufgefallen sind und giebt sich Rechen- schaft darüber.

Böcklin erzählt z. B.: „Ich ging in München quer durch den Hofgarten und sah eine Reihe winterlicher Baumstämme, mosig schwarz. Darauf Epheu, auch dunkelgrün mit grünen Rippen, dazu ein einziges Chromgelbes Blatt, auf fast weissem Hintergrund. Ich habe nie vergessen, wie ernst das war. Kein fröhlicher Dur-Accord, keine Auflösung. Scharfe Gegen- sätze gegen das Dunkel; nicht eine einzige freundliche Ab- weichung, nicht einmal in dem Grün des Epheus oder Mooses. Wäre das Blatt rot gewesen, ich wäre pfeifend vorüber- gegangen, das Ganze hätte mir keinen Eindruck gemacht."

Das ist ein Beispiel von hundert Kleinigkeiten, die einem von der Kinderzeit her bestimmte Eindrücke gemacht haben und geblieben sind.

Alles dies und so vieles andere, was das bewegliche Ge-

*) Gemeint ist „Dichtung und Malerei" und zwar die erste Version mit der Pergola. A. d. H.

Original im i m n Berlin.

HERBSTGHDANKI N

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dächtnis besitzt, fliesst mit der dauernden Darstellungsarbeit in einen Strom zusammen (fast unbewusst, wie ein Mensch, der z. B. schluckt, auch nicht daran denkt, welche Muskeln er dazu in Bewegung setzen muss), aber man muss das erworben haben und sich dessen jeweilig bewusst werden können. Leute wie Makart hatten davon auch manches, ohne klares Bewusstsein freilich, und machten damit in gutem Sinn Wirksames, bis zu einem gewissen Grad Gutes. Etwas auszusprechen, mitzuteilen (ich möchte das Wort „erzählen" vermeiden, es deckt sich nicht mit dem „Erzählen" im Sinne Böcklins!) muss man haben. Das kann einem kommen wie einem Novellenschreiber. In einer halben Stunde kann ihm aus kleinen äusserlichen An- lässen sein Thema gekommen und klar geworden, alles Un- nötige weggedacht, abgestreift sein, der Ton, der nötig ist, im Ohr klingen, und wenn nachher die Arbeit fertig ist, sieht er, wieviel scheinbar gar nicht Gemachtes, aber doch Beob- achtetes, Erlebtes, Berechnetes darin ist, ohne dass er noch alle die inzwischen erworbenen Kräfte mit Mühe hätte

aufmarschieren lassen.

* *

Nicht nur durch das Dunkelsichabheben gehen Figuren vom Himmel vor, resp. dieser zurück, sondern auch dadurch, dass man sie in positiven vorleuchtenden und körperhaften Farben hält, während man so einen Himmel, der fern zurück- gehen soll, doch nicht mit reinem Blau hinstreicht, sondern in helleren neutralen Tönen halten wird.

Ein Beispiel zu den „positiven und neutralen" Farben: An der Rämistrasse*) haben sie drei neue Häuser gebaut. In den Fries über der letzten Etage sind Marmorplatten eingelassen, beim Mittelbau rote, bei den Flügelbauten graue. Sieht man nun von gegenüber (von der Promenade, also von gleicher Höhe ungefähr wie die Marmoreinlagen) die Häuser an, mit dem Auge auf diese ihre Krönung gerichtet, so scheint es, als ob der Mittelbau weit vor die Flügel vorspringe, während in Wirklich- keit das ganze Risalit den Flügeln nur um die Stärke einer Halbsäule vorgerückt ist.

Böcklins erste Frage ist immer: warum steht die Farbe da, gerade die Farbe, in der und der Menge? Welchen Faktor

*) In Zürich. A. d. H.

64 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

bildet sie in dem schwierigen Rechenexempel, welches man im Sinne des Materials, mit dem man malt also der Farbe ein Bild nennt. Wie kommt sie zur Geltung oder wie hilft sie andern zur Geltung? Kurz was leistet sie, mit welchem Zweck- bewusstsein nimmt sie ihre Stelle im Ganzen ein?

Das heisst, er hat die Rechnung stets gegenwärtig. Er weiss, warum er dort z. B. gestern Blau hingesetzt hat .... es fehlt auf der andern Seite eben noch das Gegengewicht, dazu kam er nicht mehr und so sieht das Blau einstweilen noch kurios aus. Mit dem Rot daneben bekommt es erst seinen wirklichen Wert, sieht man es nicht mehr an sich.

Dies Rechenexempel umfasst natürlich zugleich den ganzen Bildgedanken. Die Ausführung ist nun nichts als die Zuspitzung, die Verdeutlichung dieser Idee, des dargestellten Zusammen- hanges oder Vorganges. Denn das eigentlich „Erzählende" oder „Dramatische" ist trotz allem andern Schein nicht seine Sache.

Wenn Böcklin so was hinsetzt, wie das gleich hundertfach seinen Zweck erfüllt und nicht etwa bloss dem einen koloristi- schen Accord zu Liebe dasteht, sondern Stimmung bedingt, deutlich macht, trennt oder verbindet, vorrückt, unruhig oder ruhig, festlich oder ernst macht, das Hauptgewicht verlegt, mit- erzählt etc.

Aber nicht nur durch die Farbe sind seine Sachen sprechend, sondern auch noch, wenn diese mit dem Licht verbleichen oder sich verändern, in Hell und Dunkel völlig klar und in Ordnung (Gefilde der Seligen).

Verachtet Böcklin auch ziemlich die „Sante Conversazioni" der Italiener, so spricht das nur scheinbar gegen meine Auf- fassung. Denn dieser Mangel an Fühlung erklärt sich aus Gründen der Farbengebung (seitens der Italiener) zuerst, dann freilich steht ihm diese Art puppenhaft Nebeneinanderstehens, das völlige Verachten eines mehr als koloristischen Zusammen- hanges fremd gegenüber, und selbst diese koloristische Idee der Italiener ist ihm eine durchaus unzureichende, weil er sie nicht durch das ganze Bild überall als zielbewusste Rechnung nachweisen kann im Gegenteil überall Schnuseleien in dieser Hinsicht bemerkt, die er wohl im zeichnerischen Fertigmachen zulässt, sobald nur das Wesentliche da ist, oder wenigstens zum völligen Ausdruck des von ihm Beabsichtigten und für das

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Wesentliche Gehaltenen ihm nicht mehr nützlich erscheint. (Darin geht er gewiss vielen zu weit. Aber die kümmern ihn nicht. Sie verlangen von ihm etwas für ihn Unnötiges. Er hat sich ausgesprochen also verstehen sie seine Sprache nicht, wenn sie noch mehr verlangen. Wie der Bildhauer das, was die Farbe vollständiger ausspricht, nicht macht, sondern dem Maler überlässt, so macht auch der Zeichner nicht, was mit einer farbigen Andeutung genügend angedeutet ist.)

Nicht bloss als hervorragendes Modellier- und Komponier- mittel ist aber die Farbe bei Böcklin verwendet, sondern sie schafft zugleich mit Form und Raum auch wesentlich an der Stimmung des Bildes mit, sie erfreut oft bei ihm sogar zu- gleich um ihrer eigenen Pracht willen. Mit seiner Form- gebung verhält es sich ähnlich. Scharfe, eckige Formen ziehen das Auge an; zugleich aber machen sie durch den Gegensatz andere Teile des Bildes ruhiger, scheinbar einfacher und ge- statten doch deren grosseste Ausführung, sind vielleicht nur deswegen da.

Ich erinnere mich an ein Bild von ihm : ein melancho- lischer Wiesenabhang voll von tausend blassen Herbstzeitlosen, eine einsame blaue Frauengestalt starrt in den verrinnenden Bach, die Luft darüber aber ist erfüllt von scharfzackigen Platanenblättern,*) und sie waren es zum grossen Teil, welche durch ihren Gegensatz die Wiese trotz allen Details so still und herbstlich öde machte. („Sie glauben hoffentlich nicht, dass ich diese zackige Geschichte um ihrer selbst willen gemalt habe! Van Dyck und andere waren klugerweise im stände, einen Kopf, der ruhig erscheinen sollte, trotz aller Arbeit darin, mit einem Teppichornament etc. zu umgeben. Einen Stoff um seiner selbst willen, so einen bunten Lappen malen, weil er glaubt, das sei was, kann doch nur ein Münchner.")

Und wie so jemand seine Teppichornamente oder Tapeten um den Kopf herum malt, um ihn ruhig erscheinen zu lassen, so malt Böcklin seine Platanenblätter und Ästchen in die Luft hinaus, damit es drunter um so einfacher und stiller werde.

•) „Herbstgedanken", Böcklinwerk Bd. III, 13. A. d. H.

Floerke, Böcklin.

66 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

(Er bekennt, nur einen Jugendeindruck vermitteln zu wollen, der ihn stets stark gepackt habe Herbstzeitlosen.)

Daher auch seine Fischschwänze, Kentauren etc. Er hält sich nicht von den Verhältnissen des menschlichen Oberkörpers, den er malt, für das Untere gebunden, sondern sucht einen Gegensatz.

Wie lustig gerade da, wo alles sich rundet und abgleitet, ein aufwärtsstrebendes rauhes Faunenschwänzchen !

Böcklin ist eben Maler, dessen Kunst den dekorativen und sprechenden Teil ihrer Wirkung in klug berechneten Gegen- sätzen sucht.

Der glücklichste Zustand, als ein Fördernder, ist für den Menschen der Moment des Verstehens.

Das Verstehen liegt im Vergleichenkönnen.

Das Vergleichenkönnen wird um so leichter, je verschie- dener die verglichenen Dinge sind, oder: Kontraste machen begreifen.*)

Ein gutes Kunstwerk ist lauter Kontrast und macht des- halb zunächst den Beschauer glücklicher, indem es ihm gestattet, im Gegensatz zum Erkennen in der Natur, mühelos zu be- greifen. Da es eine verkörperte Vorstellung ist, so steht es; im Kontrast zur Wirklichkeit, beide werden dadurch deut- licher: das Unfreie, Vergängliche, Zufällige der unmittelbaren Wirklichkeit und das Freie, Gewollte, Göttliche der vorgestellten.

Dass der Mensch den Begriff der Vergänglichkeit etc. der wirklichen Welt habe, ist für ihn förderlich und zu seiner Ent- wickelung nötig; das Leben ist kurz; dass er sich in einer vor- gestellten Welt davon befreie, ist auch für ihn förderlich und nötig; denn er muss an die Ewigkeit des Bestehenden und des Strebens glauben, damit er schafft, d. h. begreifen mag, geniessen mag strebt.

Ebenso, nur in viel höherem Masse, wird er im Kunst- werk beglückt, gegenüber dem Zustande, in welchem er die Natur geniesst, dadurch, dass das Kunstwerk aus lauter Kon- trasten und zwar im besten Falle aus den grösstmöglichen

*) Zu erinnern wäre an den Witz. Jeder Witz beruht auf Kontrast. A. d. H.

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besteht, was in der Natur kaum oder nur durch ausserordent- lichstes zufälligstes Zusammentreffen denkbar ist.

Dazu kommt noch das erhebende Gefühl, dass dies von seinesgleichen gewollt und gekonnt ist und kein Zufall.

Das beste Kunstwerk wird man daran erkennen, dass die Kontraste alle in der Vorstellung, die ausgedrückt werden sollte, notwendige Faktoren sind.

Wie unlebendig, wie langweilend ist eine direkte Wieder- holung, sind zwei gleiche Dinge nebeneinander, besonders für das Auge (sie können ja unter Umständen gerade durch Häufung für den Kontrast arbeiten), wenn der Kontrast ausbleibt oder nicht berechnet ist. Zwei Finger gleich lang, zwei gleichartige Falten, zwei ganz ähnlichwertige Farbentöne und wie müde wird der Beschauer! Also hält man das Interesse nur wach, flösst ihm nur Leben ein durch Kontraste, Gegensätze in allem, in jedem Sinn gespannt und schlaff, blank und stumpf, flüssig und fest, hinaus und hinein etc., von den grossen: viel und wenig, ruhig und unruhig, horizontal und vertikal, lang und kurz, breit und schmal, hell und dunkel, erregend und neutral gar nicht zu reden.

(Z. B. Durch daneben gesetzte Unruhe macht man das Ruhige um so ruhiger, gewinnt das Mittel, es mehr ausführen zu können, ohne diese Ruhe zu schädigen, also sie in diesem ihrem nötigen Wesen zu beeinträchtigen und zugleich das Auge zu dieser Ruhe und Wirklichkeit, als der Hauptsache, hinzu- führen.)

Ein Satz Böcklins: „Sehen Sie, es kommt darauf an, dass die Nachbartöne ihn (einen wesentlichen Ton) nicht schwächen, sondern stärken, so kräftig wie möglich machen. Die Skala unserer Palette ist kurz, aber sie kann, mit solchem Bewusst- sein beherrscht, das scheinbar Unmögliche an Licht und Raum schaffen."

„Im Gegensatz liegt die Kunst", sagt Victor Hugo.

Übrigens wissen das die Welt und die Jahrtausende und verstehen sich darin. Da liegt ein persischer Gebetteppich, an dem ich täglich meine Freude habe. Da ist bald etwas ver- schwommen, etwas Scharfes daneben prachtvoll bloss. Und das ist aus einem andern Weltteil, einem andern Jahrhundert, von einem Volk andrer Rasse für andere, fremd religiöse Zwecke

5*

68 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

gemacht. Und hier sitz' ich und erkenne mit vergnügtem Be- wusstsein, warum das so schön wirkt. Daran muss doch wohl was sein.

„Sagen Sie mal wie servieren wir am hübschesten den Fisch?" ... Böcklin stellte die Schale mit dem Tier auf eine geflochtene Matte und diese erst auf das weisse damastene Tischtuch. Wie blank und glatt nun der Fisch wurde, wie interessant die unruhige Matte, wie ruhig und breit und doch leise belebt das damastene Tischtuch!

„Wenig hell steht immer gut zu viel Dunkel (auf einem dunkleren Hintergrund), von der gleichen Farbe." Wie schön war das kleine Stück neulich, die rosa Kerze im eisernen Schraubenleuchter auf atelierrotem Hintergrund!

Man erinnere sich bei so scheinbar kindlichen Beispielen, dass diese Böcklinsche Malerei lauter so unendlich einfache Weisheit, so klar und bewiesen ist. Man sollte meinen selbst- verständlich. Aber es scheint, gerade darum ist er „verrückt", gerade das versteht ein moderner Schädel nicht. Das was jeder Maler wissen und pflegen sollte, was ihn zum Maler macht, das kümmert ihn möglichst wenig.

Natürlich will Böcklin auf seinem eben gekennzeichneten Wege (i. e. durch Gegensätze) zu einem Resultat kommen, wel- ches den Beschauer gefangen nimmt, ohne dass dieser den Weg zurück zu verfolgen brauche, den er gegangen, ohne all die ein- zelnen Faktoren nachzurechnen, aus denen das Exempel ent- standen.

Mit andern Worten: das Konstruktive verschwindet vor der errungenen, leuchtenden Form, Bilderscheinung oder wie man will.

Damit ist nicht gesagt, dass es dem Wissenden nicht grösste Freude machte, all die kleinen und grossen malerischen Ge- scheidtheiten zu verfolgen, die gerade diese Farbe und keine andere, gerade diese Linie, diesen Gegenstand, gerade so viel und nicht weniger oder mehr dort nebengesetzt, abgewogen haben.

Es ist ja keine Hexenmeisterei, was Böcklin will. Der Verstand hat daran seinen überall greifbaren Anteil, ebenso wie

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die künstlerische und handwerkliche Erfahrung. Er verlangt ja nur, dass jeder die Wirkungsfähigkeit und die Wirkungs- grenzen seiner eigenen Kunst (seiner Mittel) kenne und danach vorgehe, dass er die Natur als Maler behandle und nicht wie ein Apparat oder Geschichtenerzähler oder ein sezierender oder beschreibender Gelehrter. Er verlangt ja nur, dass man seine jedesmalige Aufgabe unerbittlich auf das Wesentliche hin prüfe, sie innerhalb seiner Mittel sich vorstelle und suche ebenso alles Nebensächliche davon abzuthun wie jenes selbst zum Aus- druck zu bringen.

Dass diese jedesmalige Aufgabe nicht in so oder so ver- teilten drei Tönen (Calame), in dem oder jenem Farben- kontrast allein besteht, versteht sich bei einem Manne von selbst, der von einem Künstler verlangt, dass er zu den Ge- bildetsten seiner Zeit gehören solle. So einer sieht mit allen Geisteskräften und wird nur gefesselt, wo auf dem Wege malerischer Anschauung seine künstlerische Empfindung ge- troffen wird. Diese dann dem Beschauer im stärksten Masse zu übermitteln, das ist dann die Aufgabe.

Gelegentlich seiner Pietä*) (die er eigentlich nicht verkaufen wollte, weil seine verstorbenen Kinder darauf sind): „Wenn ich da z. B. die ganzen Engel auf die Wolken setzte, zöge das ab. Es käme da zu viel zu sehen und zu viel hell. Ich könnte den Ausdruck der kindlichen Teilnahme nicht heraus- oder zwingend zum Bewusstsein des Beschauers bringen, auf den es mir doch allein ankommt, da ich ihn nicht festhielte."

Wer Böcklinsche Bilder in ihrer Plötzlichkeit hat entstehen sehen, der ist überzeugt, dass irgend ein Naturmoment, welches irgend einmal, vielleicht in der Jugend, auf die empfängliche Seele des Künstlers Eindruck gemacht hat, vor seinem geistigen Auge anschaulich aufgetaucht ist, in einem Augenblick, wo eine

*) Das Bild von 1873 in der Nationalgalerie zu Berlin. Böcklinwerk II, 28. Die Pietä hat lange Jahre im Atelier gestanden und zeigt sich heute nicht in ihrer ursprünglichen Fassung. Ich glaube, dass Böcklin dreimal Änderungen daran vorgenommen hat, denn ich erinnere mich, 1885 oder 86 in Böcklins Zürcher Atelier nur die untere Hälfte gesehen zu haben. Die obere war gelöscht. A. d. H.

70 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

verwandte, mit jenem sich schnell verbindende Stimmung ihn bewegt, und dass er dieser durch die beseelte Wiedergabe jenes Ausdruck verleiht; oder dass sofort Phantasie und künstlerischer Verstand an die Arbeit gegangen waren, das eine durch das andere zu gestalten und durch schnell sich ankristallisierende Ideenverbindungen zu verdeutlichen und zu beleben.

Man überzeugt sich dabei leicht, dass wenigstens seit der „Meeresidylle" es in erster Linie durchaus nur malerische Anschauungen waren, welche seine Phantasie in Bewegung setzten; dass er alles im lebendigen Bewusstsein seiner Dar- stellungsmittel zur malerischen Vorstellung zusammengeschlossen, und dass er mit der vollendeten, von nun an stets gegenwärtigen Rechnung, mit dem fertigen Bild im Kopf vor die Leinwand getreten sei und sich mit der Darstellung nur so spielend, mit dem Hinauswerfen des Überflüssigen und der Beschränkung auf das wirklich zur Sache Sprechende aber angestrengt be- schäftige.

Dann wird das ganze Arsenal der Mittel in Bewegung gesetzt. Und so falsch es immer ist, die Kenntnis, Beherr- schung und Erweiterung dessen, womit man sich auszudrücken hat, zu unterschätzen, so doppelt falsch ist es in unserer über- lieferungslosen Zeit, in welcher jeder einzelne, der wirklich von Erkenntnis zu Erkenntnis steigt, sich dieselben erst einzeln wieder zu erobern hat. Denn er steht auf keines Schultern, und auf Beifall hat er, wo es keine Wissenden mehr giebt, nicht zu rechnen. Auch Böcklin hat lange die Schackschen Bilder beweisen das die Mittel, die ihm zur Verfügung ge- standen, gequält, damit sie ihm seinen Willen thaten und einer freilich wesentlich poetisch konzipierten Idee zum Ausdruck verhalfen. Heute hat er sich den Kreis des Möglichen, Dar- stellbaren durch unablässiges Suchen und Versuchen derartig erweitert, hat durch scharfes Nachdenken und Erfahrung den Kreis seiner Ideen derartig auf die aus rein malerischer Natur- anschauung Entsprungenen beschränkt, dass man sagen kann, er denkt mit seinen Mitteln, innerhalb derselben.

Was ist ein Bild? Der möglichst knappe und deutliche einheitliche Ausdruck einer rein malerischen, d. h. innerhalb

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1 .

der zur Verfügung stehenden voll ausgenutzten Mittel empfun denen Anschauung samt allen sich anschliessenden Ideen- associationen ... so etwa sagte ich.

„Na ja", sagt Böcklin, „und dann muss es noch eine ge- schlossene dekorative Wirkung üben. Es muss nicht nur eine Empfindung ausdrücken, sondern auch etwas Prachtvolles sein, das Schönste, Herrschende in dem Raum, in den es kommt."

3

Auch Böcklin hat immer etwas zu erzählen: „man muss immer etwas zu erzählen haben", es klingt wie ein Märchen, wie eine Romanze aus seinen Bildern aber das ist nur in sogenannte Handlung übersetzte Stimmung der Natur, die er belauscht, er spricht das Gleiche noch einmal aus, um seine Erklärung schlagender, seine künstlerische Naturbelebung um so deutlicher zu machen.

Ein Bild ist wie ein Sonett. Welche Menge von Erfahrung, geübtem Gehör, Geschicklichkeit gehören dazu, wieviel Vorstel- lungen und Ideenverbindungen müssen dem Maler im Moment zuschiessen resp. gegenwärtig sein, sozusagen ungetrennt, wenn er nicht hölzernes leeres Gereimsei machen will.

Zur „Veritas"*) die sich enthüllt: „Dorthin allein muss das Auge; denn nur dort in dieser Bewegung liegt der Sinn des Bildes. Der erste Blick muss dort gefesselt und das Bild klar werden. Ich finde jetzt, wo sie fertig ist, dass ich sie zu weit entblösst habe, das Auge wird abgelenkt und nicht ge- zwungen." (Zürich 1885.)

(Spätere Notiz): Er hatte eine „Veritas" gemalt, die sich enthüllt, fertig. Sie hatte sich schon zu weit enthüllt. Der Blick wurde nicht mehr auf die Enthüllungsbewegung hin- gezwungen, sondern hatte zu viel Spielraum nach unten. Farbe, Helligkeit und Gedanke sollten aber überall gleich sich decken, zweckbewusst zusammenarbeiten. Am andern Morgen war das ganze lebensgrosse Bild abgekratzt und das leere Brett stand

*) Vergleiche die „Veritas" von 1881, Böcklinwerk Band I, 18. A. d. H.

72 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWURFE

da. Es kommt ihm auf die klare Vermittlung seiner Empfin- dungen an, nicht auf die Reize des Modells oder auf sonstige Wahrheiten gleicher Güte. (Zürich 1885.)

Hätte Böcklin in Genf*) in den jungen lernbegierigen Jahren nur einen Lehrer gehabt! So hatte er für manches (zu lernen und später zu besitzen) keine Zeit zur Aufmerksamkeit, so schnell und mühsam ging er seinen eigensten Zielen nach. Siehe später seine „Amazonenschlacht", die eine Skizze blieb. Er wusste nicht (und merkte plötzlich, dass er nicht wusste) wie ein Pferd so oder so auf den Beinen stand. Alle Anatomie half ihm nicht locker.

Die Kreuzabnahme war nicht schön. Sie war in einem viel zu kleinen Atelier gemalt, in dem man nichts übersehen konnte.

Basel.**) Man muss nur den Opferhain unter der ver- schwommenen Dianajagd sehen, um das fast erschreckliche Anwachsen des Positiven, Klugen, Bewussten zu erkennen, gegenüber dem Dusel von früher so schön der doch ist. Wie kahl und reich ist in jeder Beziehung der „Hain". Wie sieht man alles, was draussen liegt, mit fast nichts gegeben!

Ebenso die Kentauren. Man muss die Sachen bei ein- ander sehen, um den Fortschritt zum Bewussten, zum Be- herrschten zu empfinden. Wie hat sich der Mann vielleicht zum Bedauern der Romantiker in jeder Weise zum Positiven

*) Hier muss hinzugefügt werden, dass der Verfasser, ehe ihm Böcklin seine hauptsächlichsten Lebensdaten aufschrieb, der Meinung gewesen war, dass der Meister vor seiner Düsseldorfer Zeit in Genf gewesen sei. Obenstehende Notiz stammt aus dem Jahre 1886. A. d. H.

**) Der Verfasser ist vor Mitte 1886 mit Böcklin von Zürich aus in Basel gewesen. Bereits am 5. Februar 1886 hatte dies in seiner Absicht gelegen, was aus einem gleichzeitigen Notizbuchvermerk hervorgeht: „Wir wollten heute zusammen nach Kloster Wettingen, Königsfelden, Basel und Kolmar und nun liege ich da und habe ihn allein reisen lassen müssen." A. d. H.

l/. von Hevi in Darmstadt.

SIEH, ES LACHT DIE AU!

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ausgewachsen! (Bei den Kentauren zeigt sich schon die Liebe für die „Flecken" i. e. Gegensätze, wie bei dem Fischweib in Blau, so hier in Braun.) Man sieht keine Bergspitzen, nur ganz schliessendes, geballtes Gewölk und wenig Blau; links alter, grauer Schnee vorn auf dem wenigen Fels. Sonst nimmt er die Situation mit dem wenigsten und lässt sich auf keine Ver- führungen ein.

Auch seine Farbe gehört ihm; denn er hat sie sich auf langem Wege erworben. Nichts lehrreicher als eben seine Dianajagd und der heilige Hain darunter resp. die Kentauren vis-ä-vis.

In der Jagd der Diana ist meinetwegen das Angeborene; sie ist noch aus der süssen Dumpfheit herausgemalt; die Genussfähigkeit Böcklins graste noch sozusagen herum, freilich bereits die besten Kräuter mit beneidenswerter Gourmandise erschnuppernd. Aber darunter hängt die erworbene lächelnde Bewusstheit.

Er macht tausenderlei in seiner Dianajagd unter an- derem die rosablühenden Bäume die nicht wirken, nicht ein- mal für den Wissenden sichtbar werden.

Er ist durchaus schwarz in seiner Magdalena, um nur zu wirken.

Ich halte die Frage Böcklin auch für eine Geschmacks- sache. Aber in dem Sinne, dass, wer künstlerischen Verstand verlangt (und ein Recht hat zu verlangen) ihn finden wird, der hingegen doch auf die Dauer unbefriedigt bleiben wird, der sich durch romantische Äusserlichkeiten angezogen fühlt. Noch klüger mit seinen Mitteln rechnen wird nicht leicht jemand.

Siehe Basel (Museum).

* *

Zürcher Bild von 1880, Frühlingssehnen und Frühlings- lust: eine Florentiner Landschaft im Erwachen wie sie keiner je gemalt, mancher empfunden hat. Ich habe an Giorgione gedacht, wie wir ihn uns vorstellen müssen.

Welchen Stoff zum Spott dürfte diese Farbenoffenbarung mit einigen Böcklinschen Eigentümlichkeiten ( ich habe nicht nötig schöne Weiber zu malen, sagt er selbst) dem Mann der „Didaskalia"*) geben!

*) Gemeint ist wohl ein Kritiker, der sich in der Zeitschrift „Didas- kalia" erging. A. d. H.

74 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Pappeln magerer Fluss auf roter Erde dann Früh- lingsblumen in Pracht. Alles schlankes Frühlingsgewächs, Quellen und Wachsen, Frühlingssehnen auch das Alter wird wieder jung, und von den fernen Bergen leuchtet noch der Schnee.

Die Köpfe seien zu gross, zu allgemein du lieber Gott, was doch nicht so jemanden alles an einem Bilde interessiert!

Übrigens individualisiert Böcklin solche Figuren nicht, diese Frühlingssymphonie mit ihren tiefatmenden vollen Ac- corden hat dazu keinen Platz. An allzuviele wendet sich dies Bild natürlich nicht.

[Wie verschiedenes Interesse man an der ewig gleichen menschlichen Figur nehmen kann, beweist z. B. die „Aldo- brandinische Hochzeit" und ein Böcklinisches Bild, etwa der Frühling in Zürich aus der Florentiner Zeit. Manche haben freilich die menschliche Figur (die uns immer das nächste bleiben wird) nur als Arabeske genommen.]

(„Bei San Domenico" 1887.*) „Erst wenn alles bestimmt dasteht, das Ganze wiegt und, was man so nennt, fertig aus- sieht, erst dann nach abgeschlossener und für richtig befundener Rechnung kann man sich hier und da das Vergnügen machen, seinen Erinnerungen die Zügel schiessen zu lassen, da in der im Ton stehenden Ecke die ersten Tulpen in dem dürren vorjährigen Gestäude erblühen lassen das macht dann nichts mehr."

Andrerseits, je leuchtender, stärker er die Damengruppe, selbst herausbringt, um so tiefer wird der Himmel hinter ihr, um so mehr kann er zugleich in die Cypressengruppe, an die sie heranschreiten, Details hineinmalen, kleine hübsche Beob- achtungen anbringen, ohne dass es stört, auffällig oder un- ruhig wird, um so deutlicher wird der Gegensatz zu den links ganz im Wald- und Mauerschatten blumenpflückenden Land- mädchen.

Also immer wieder: Ein Bild ist eine fortwährende Balance nach allen Seiten, ein Spiel mit zehn Kugeln. Hier zu ernst, da zu süss dort kräftiger werden und doch das Ganze im Auge behalten. Wenn ich aber erst z. B. eine Figur fertig

*) Gemeint ist: „Sieh, es lacht die Au". Böcklinwerk Bd. I, 10. A. d. H.

m Mitsettm .

II, 71

MEERESSTILLE

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mache, so bin ich selbst fertig ich weiss nicht mehr, was meine Palette mir nachher noch übrig lässt, gestattet, ob ich nicht in allem oder einzelnem zu weit gehe.

Gestern waren die Cypressen noch Orangen. Heute ist deren leuchtende Farbe auf die reiche Damengruppe über- gegangen und dort noch verstärkt: die eine ist zinnoberrot (die reine Farbe noch gesteigert durch allerlei Pelzbesatz), die andere in festes, voller goldiger Lichter strahlendes Grün gekleidet dazwischen eine dritte in violettem Schwarz. Die Cypressen bleiben dabei doch noch tief leuchtend, weil dort eben stärkere, schärfere Gegensätze stehen so z. B. das schmale, senkrechte (fast weisse) Licht (Durchblick) zwischen den Stämmen.

In einer anderen Art Gegensatz stehen dann zu der heiteren, geschmückten, licht- und glanzvollen Gruppe rechts (prächtige Laute schlagende und singende Florentinerinnen) die zwei im Schatten links blumenpflückenden resp. anbietenden Landmädchen.

Kreuzabnahme; Madonna etc. Bei den gegebenen Motiven, kam es ja gar nicht auf das Motiv an, sondern auf das immer neue, lebendige Verhältnis, das der jeweilige Bear- beiter zur lebendigen Natur zu gewinnen wusste, auf das indi- viduell freie künstlerische Bewusstsein, auf die Erfüllung der vorgeschriebenen Komposition mit Leben, Eigenem. Da lag auf jedem Fussbreit vorwärts das Persönliche, das einzig künstlerisch Befreiende, alles, was in Frage kam.

(Hier wäre der „kosmischen" Motive zu gedenken, die immer da sind, jedem gehören so das Tragende (Säulen) und Lastende, hier das Blau und Gold der Madonna, das immer unvergleichlich schön ist u. s. w.)

Susanna im Bade. Er ist weder für noch gegen jemand. Das ist bloss seine künstlerische Freude. Da Anti- semitismus wittern ist Unsinn, heisst Böcklin gar nicht kennen. Ihm gehört alles, was für ihn aufnehmbar ist, damit basta.

76 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

„Meeresstille" 1887.*) Hier das vereinfachende Zusammen- fassen aller der künstlerischen Weisheit und poetischen An- schauungsfähigkeit, die er zuerst ganz in der „Seeschlange" be- wiesen. An klarer Einfachheit und Klugheit ist er allen über. Der reine Palma! Sie, die Nereide ist gerade auf ihrer flachen, buntbewachsenen Klippe aus einem bösen Traum er- wacht, den sie wie einen Alp von sich stösst, in noch halb traumhafter Bewegung, auf ihr sitzen noch drei Möven während das Untier, das sie wirklich belauscht hat, just Ringe bildend in die Tiefe verschwindet, den bunten stachlichten Schwanz noch draussen. Wie der Kerl unterm Wasser gesehen und gemalt ist, das ist schon unglaublich in all den Ringen. Über dem Ganzen schwerer, dunstiger Himmel, atembeneh- mende, luftlose Mittagshitze, bei der einen der Schlaf unwider- stehlich zwingt.

Auf der Nereide sitzen, wie gesagt, drei Möven er sah sie selber auf Delphinen sitzen oder Dr. Dohrn in Neapel hatte ihm solche Fälle erzählt aber es sind andere Möven mit schwarzen Köpfen und roten Schnäbeln, so gut wie auch das Weib kein gewöhnlich geschautes ist, das Ungetüm noch nicht gefischt wurde. Dass es indes solche Geschöpfe giebt, davon ist man gleich überzeugt, nur ist das so weit weg, dass so leicht kein Herr Naturforscher hinkommen wird, und Böcklin selber wird ihm seine neuentdeckten Gegenden gewiss nicht verraten.

(Späterer Zusatz: 1887. Wieder eine prachtvolle Meeres- idylle, diesmal das Frauenzimmer mit drei schwarz und weissen Möven er hatte so was gebraucht; da waren ihm die schwarz- halsigen Schwäne am Quai in Zürich eingefallen, und er machte solche Möven. Später erfuhr er in der ornithologischen Samm- lung des Polytechnikums, dass es auch solche Möven gäbe, die aber, ich weiss nicht wo, und auch da selten seien. Ja die Möven! Was werden sich die Leutchen darüber den Kopf zerbrechen. Die Wohlwollenden werden nachdenklich in ihrem mytho- oder sonstwie logischen Material umherfahren und fragen, was sie wohl bedeuten sollen, wie sie als Attribut zu erklären seien, was der „gelehrte Maler" wohl mit ihnen habe sagen

*) Böcklinwerk II, 11. Museum, Bern. A. d. H.

Original im Bt l rnst Seegcr 'n

MEERESIDYLLE

KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 77

wollen. Die andern werden sagen, dass es solche nicht giebt und ihm wieder den Beweis der mangelnden Natur und der "Willkür aufbrummen.)

Wer hätte nicht auf offenem Meer die Empfindung gehabt (ganz abgesehen von den aufgefischten Wundern der Tiefe und den an die Oberfläche kommenden Walen, Haien, Delphinen, Robben etc.): warum sollte jetzt oder dort nicht ein wunder- bares Geschöpf auftauchen ? Die Gipfel der Gebirge, die aus der unbekannten Tiefe des Wassers hervorragen, sieht man wohl und noch ein Stück hinab aber dann ist's aus eine Welt, die nicht die unsre ist. Sehen doch selbst Seeleute immer wieder die Seeschlange. (Und siehe Jules Verne's Erfolge; muss denn aber jede Phantasie in unkünstlerischen wissenschaft- lichen Bahnen wandeln?)

Diese Böcklinschen Sachen sind ja gar nicht willkürlich gemacht, sondern natürliche Folgen des Eindrucks eines wiederholt Genossenen den das Meer und das Meerleben auf den Künstler gemacht hat. Heine sah versunkene Städte auf dem Meeresgrunde Böcklin, der gar kein Träumer ist, lässt seine „Seekälber" die Einsamkeit des hohen Meeres noch viel eindringlicher aussprechen.

Zur Deutlichkeit rechnet Böcklin, dass er einen alten Hausknecht*) nicht wie einen jungen Gott malt, dass er diesen interessanten Meerbewohner die Folgen seines Elements in Form von allerlei Zeug tragen lässt, mit dem er bewachsen ist, wie ein alter Karpfen oder Schiffskiel, dass die Küchenokeaniden (die das klassische Altertum und darum Herr Professor Bluemner nicht kannte), mit denen jener sich seinen Sonntag macht, nicht wie Amphitriten oder des westlichen Okeanos liebliche Töchter aussehen die für die Kunst ohne jegliche Bedeutung sind schon damit niemand glaube, seine, Böcklins, Scene spiele im Altertum, irgend welchem, und habe deshalb das Placet der Herren Archäologen einzuholen. Schon darum macht er sie so wahrscheinlich, in ihrem Element lebensfähig.

Ein Esel braucht auch nach den „Regeln der Schönheit" nicht wie ein Pegasus auszusehen, und einen federschwingenden

*) Und da sie Knaus malen darf, warum er nicht auch die seiner Phantasie? Anm. des Verfassers.

78 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Schulmeister würde man nicht wie einen in die Leier greifen- den oder gar eidechsentötenden Apoll darstellen.

Anregungen aus Lektüre der Alten ja. Aber nur für die innere Anschauung. Und nur Anregung. Denn die Ge- lehrsamkeit hat kein Recht an ihm. Sein Meervolk ist von jeder Bedeutsamkeit frei, lebt aus sich selbst gehört ihm resp. seinem Element. Böcklin liest, ja, aber als ein Sehen- der, als Maler. Aus ähnlichen Gründen greift er zum Märchen.

„Wie mir diese Vertikale gut thut, glauben Sie gar nicht", sagt er, als ich über die Inschrifttafel auf seinem Lebensbild*) wie über einen Abreisskalender spotte. Nebenbei, es steht drauf:

„Die Jugend ist ein Morgen

Voll Licht und ohne Sorgen,

Jedoch sie hält nicht an.

Das Kind wird Weib, wird Mann.

Es folgt ein rastlos Streben

Nach höherm Glück im Leben,

Bald Freude und bald Not,

Zuletzt der süsse Tod."

„Tritonen, Meermenschen mit dem Seehund."**) Lauter kluge, bewusste Gegenbewegungen in diesen Geschöpfen, die da zu einem Bilde zusammenstehen.

„Der Seehund oh, der wird ganz schön apfelartig. Ich habe mal als Schuljunge so einen Tornister gehabt, der steht mir ganz vergnügt und lebendig vor Augen."

„Wenn ich das Wasser male, dann kommt mir allerlei, so Spielereien, von denen ich nicht mehr weiss, wann ich sie gesehen habe, die mir aber geblieben sind."

*) Von 1887; jedenfalls „Vita Somnium Breve", das dann 1888 seine heutige Redaktion erfahren hätte. Museum zu Basel. Böcklinwerk I, 7. A. d. H. **) Böcklinwerk III, 12 („Meeresidylle" 1887). A. d. H.

Original in der Kimsthalle in Bremen.

i

DER ABENTEURER

KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 79

„Dem Bilde wird der Rahmen gut thun, d. h. für den, der's nicht gemacht hat."

Ja, denn wenn man's macht, rechnet man bereits mit dem Gold, man setzt keine konkurrierenden Töne gegen den Rand, kein Rosa, Orange etc., sondern grau, schwarz, blau, grün etc. Aber dann wird freilich mit dem blanken Gold alles plötzlich weit, tief, geht zurück wenn's sonst recht war."

„Das weiss jeder Maler, was sein Rahmen wert ist. Aber das „Warum" scheint's, in seinen Bildern wenigstens, ist ihm wurscht. Warum sonst macht er seine ganze Farbenrechnung nicht nach dieser Erfahrung?"

„Seit der Rahmen da ist, habe ich gesehen, dass ich mich verrannte und viel zu viel Wert auf feine Tonunterschiede legte jetzt im Rahmen sehe ich nur wieder die Hauptsache, das eine."

* *

„Was einer nicht sucht, sieht er nicht." (Das bezieht sich auf das Raffinieren in feinsten Tonunterschieden, die nur der krankhaft raffinierte Maler sieht und sich zu sehen zwingt [und die er plötzlich für das allein Wertvolle hält], die aber seinem Beschauer nicht erschlossen werden und der Sache nicht weiter dienen.)

* * *

Man sagt, Böcklin sei Landschafter und fordert immer Landschaften von ihm. Ja, aber er ist es ungern. Bei Figuren, die er viel lieber malt, ist die Freiheit eine viel grössere, die dekorativ wirkenden und hauptsächlich sprechenden Gegensätze, Gegenbewegungen etc. liegen viel breiter in der Hand des Künstlers. Er kann so einer Figur je nach Bedürfnis ein rotes oder ein schwarzes Gewand anziehen, kann das Hemd zeigen oder verdecken, den Hals mehr oder weniger sichtbar machen, Farbe gebrauchen, in welcher Menge, fast an welcher Stelle er will. In der Landschaft nun ist, abgesehen von dem Plus des Gegebenen (für ihn also des Bindenden), viel mehr von kleinen Gegensätzen, mit denen man sich abfinden muss, um

80 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

zu wirken, d. h. seine Anschauung ins eigene beschränkte Material zu übersetzen.

Er zeigte mir das über Figuren und Landschaft Gesagte an der „Herodias" und der brennenden Stadt mit den See- räubern (1887).*) Er schnitt ein rundes Loch in ein weisses Papier: die bedeutendsten Unterschiede in dem ganz toll ge- malten Felsen waren kaum wahrnehmbar, Farben gab es in dem Ausschnitt neben dem Weiss eigentlich gar nicht, sondern nur unbezeichenbaren Schmutz. „Mit solchen Lumpereien hat sich der Landschaftsmaler herumzuschlagen, um seine Wirkung zu balgen." Legte man das durchlöcherte Papier auf die Grenze von Fleisch und Hemd oder Gewand oder Hintergrund etc. der Figur, so waren überall scharf sprechende Gegensätze.

Von seinen Seeräubern sagt er: „Wenn ich heller würde, würde ich das Rätselhafte verlieren, was bei so einem halb nächtlichen Vorgang not thut. Auch die nasse Abendluft brächte ich nicht heraus, die über allem liegt."

Anschliessend an Viollet-le-Duc**) VII. 93, könnte man bei Böcklins Meerbildern auch sagen: Neben solchem Blau, gehoben durch diese polierten Gold rahmen, ist keine Farbe brillant oder intensiv (d. h. rein) genug.

Er wagt alles, jedesmal. So einen Wirbelwind wie auf seinem „Tod auf der Brandstätte" (1870)f) hat noch kein Mensch gemacht. Ja, die andern, die schimpfen, die malen in ihrer Gedankenfaulheit eine Mittagsstimmung und darin sitzt eine Kuh und schaut die andre an, und damit ist das Bild für den Goldrahmen reif.

* * *

„Ruggiero"ff) ich wette darauf, dass Böcklin noch heute

*) Autotypie in der „Kunst für Alle", IX, 2. A. d. H. **) Viollet-le-Duc: „Dictionnaire raisonne de l'Architecture francaise du XI. au XVI. siede." A. d. H.

t) Böcklinwerk I, 32. („Der Ritt des Todes.") A. d. H. ff) Gemeint ist der „Abenteurer", wie mich S. Landsinger, der das Bild entstehen sah, berichtigt, nicht „Ruggiero befreit Angelika". A. d. H.

Original n, ;-ou M. von N . ^armstadt.

"

HEIMKEHR

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nicht weiss, dass er so heisst ist doch keine Illustration zu Ariost. Aber im Sommer ist das Bild gemalt, das weiss ich nicht nur zufällig, sondern das sieht man. Ich denke mir, Böcklin ging über so ein Stück weisser, unerbittlicher Sonne, am Strand, und es fiel ihm (lachend) ein, wie nun erst so einem schönen Ritter in schwarzem Eisen zu Mut sein möchte, müsste er da hinüber hindurch.

Der „Flagellant" (bei Schack)*) war in Rom als Feder- zeichnung gemacht, dann in München gemalt.

Die (Fünfzig Gulden-) Nixe oder Nymphe**) (sehr nach- gedunkelt — nach Pechts Meinung ä la Poussin) in Rom gemalt.

„Gefilde derSeligen".f) Ein scharfer Gegensatz, eine dreiste Überschneidung wie viel Leben kann das bringen, in Raum, Farbe, Empfindung, nach allen Seiten. Allerdings immer nur für den Mitempfindenden.

Eine Bemalung verändert die Form nach Belieben: eine blosse Überschneidung zerstört die ganze schöne Rechnung und damit den sichersten Effekt oder, wenn richtig gewollt, macht ihn erst voll: macht das Lagernde weich, ruhig, fern. Herr Bluemner freilich, der die Hälse der Schwäne „schön" krumm haben will (die Schönheitslinie, das kann man lernen und glauben, ist krumm) ahnt das nicht. In diesem Sinne wird dem Publiko manche zweckbewusste That Böcklins unverstanden und ungeniessbar vorkommen. Wer kann was dafür?

„Ruggiero und Angelika".ff) Skizzenhaft sagen viele. Es ist die alte Geschichte: Er für sich war fertig. Er hatte gesagt,

•) Böcklinwerk II, 38. („Ein Anachoret ir. wilder Felsgegend.") **) Böcklinwerk III, 39. („Ideale Landschaft.") A. d. H. f ) Böcklinwerk I, 16. A. d. H. ff) Böcklinwerk III, 24. A. d. H.

Floerke, Böcklin. "

82 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWURFE

was er Neues hatte. Weiter wollte er die Gutmütigkeit dem Publikum gegenüber doch nicht treiben.*)

* *

*

„Heimkehr".**) Der Wasserspiegel und sein Reiz auf den Menschen. Immer stand er davor, sprach davon, und als er gefunden hatte, wie sich das ausdrücken lässt, die Gegensätze, die es thun (den Reiz auslösen), hat er das Bild gemalt: Mühle, stiller Hügel mit Buchenwald, eng und idyllisch, und er der Landsknecht schaut hinab in reicher Kriegertracht.

Die „Villa am Meer",f) so schlagend für Böcklins Kom- positionsprinzip der allseitigen Deutlichkeit besonders einem modernen pressanten Beschauer gegenüber. Hat der Maler aber erst einmal den Dreiklang: verfallene Villa, ödes Wetter und die übriggebliebene schwarze Dame, so hat er die Stimmung und den Beschauer. Nun bleibt der stehen, fängt an zu be- trachten und schenkt dem Maler die Aufmerksamkeit, die dieser zunächst verlangt. Er wird ihn dann schon nicht loslassen, sondern ihn weiterführen von Baum zu Baum.

Deutlichkeit da liegt zugleich die Frage vom Fertig- machen, wie es der Laie liebt. Wir standen vor seinem „Freien Sonntag" (oder wie diese Seetiroler sonst getauft worden sind.-H*) „Sehen Sie, die Frauensperson soll schreien man muss sie singen hören, das ist der Zweck, so wahr muss das Ganze wirken. Ich habe tagelang nichts gethan als darauf hingearbeitet, dass es in Meer und Luft immer stiller und lichter werde, immer weiter und die Farbe nur da zu konzentrieren, wo sie direkt auf einen Blick aufnehmbar ist, zur Hauptsache spricht. Das ist so fertig, dass ich vorn in den Figuren machen könnte, was ich wollte, sie ausführen bis ins Kleinste. Aber ich habe versucht z. B. wenigstens die Backen der Frauensperson

*) S. Landsinger sagt mir: Svertschkoff hatte Böcklin das noch nasse Bild ohne weiteres von der Staffelei genommen und es mit ca. 1000 Mark bezahlt. Das damals namentlich in der Fusspartie der Angelika noch un- vollendete Bild wurde einige Monate später von Böcklin fertiggestellt. A. d. H. **) Böcklinwerk II, 3. A. d. H. f) Böcklinwerk I, 38 und II, 31. A. d. H. ff) Gemeint ist „Im Meere". Böcklinwerk III, 14. A. d. H.

Original im Bs5.;t~ z'<m A. Mylius in Basel.

IM :

IM MEERE

.SEETINGELTANGEL"

KOMPOSITIONSMITTEL. BILDENTSTEHUNG. BILDER 83

mehr zu modellieren nichts leichter als das, sehen Sie selbst (und im Augenblick war mit einigen sicheren Strichen das relativ Richtige gemacht), aber es musste und muss wieder weg. Sie hat ein Ohr, natürlich" da sass es auch schon aber die modellierte Ohrmuschel zog ab: „ich darf nur das machen, was das Schreien ausspricht, nicht das für ihre absolute Existenz Nötige. (Übrigens kann so ein Seetier auch ohne Ohr- muschel auskommen.) Man soll um Gotteswillen nicht am unrechten Ort zeigen wollen, dass man ein fleissiger Schüler war, dass man Kenntnisse erworben hat, zeich- nen kann etc. Für solche Knabenrenommistereien hat das einheitliche künstlerische Wollen keinen Platz. Alles an seiner Stelle."

Aber noch einmal: die ganze sogenannte realistische Füh- rungsverpflichtung ist Unsinn. Man überlege nur, was von dem ganzen Apparat wirklich wirkt, und dass man meist mit wenigem Bewussten in der Kunst mehr macht. Das bisschen in den Moment (den allein die Kunst darstellen kann) zusammen- gedrängte Leben darf doch nicht der Aufmerksamkeit entzogen werden durch das (ermüdende) Gleichwertigmachen alles dessen, was die verwendeten Geschöpfe oder Gegenstände sonst noch haben, ausser den zum Ausdruck des Moments nötigen Organen, Affekten etc. Ich rufe, um deutlicher zu werden, die Kari- katuren an, Oberlaender z. B., der die gleiche künstlerische Kraft besitzt, das Nichtwahre wahrscheinlich zu machen mit allen Mitteln. (Oberlaender ist sehr fein: er macht nur das Komische. Alles andere lässt er durch seine witzige Form so draussen, dass niemand es von ihm verlangt. Jedes Mehr wäre zu viel bei diesen Zeichnungen und bedeutete [für die zwangs- weise scharfe Auffassung des Wesentlichen, Lächerlichen]weniger.) Das Glaubhafte, Wahrscheinliche, was Oberlaender hineinbringt in irgend einen dummen unmöglichen Witz, macht ja erst das Künstlerische, den Oberlaender. Man glaubt, dass ein Velo- cipedist über einen wütenden Stier hinüberradelt, der Länge nach, so wohl thut das Kitzeln der Bestie, so stolz arbeitet der Radfahrer, so dumm schauen die Kühe zu. (Mit welch blutigem Ernst Oberlaender so eine halbe Stunde zusehen kann, wie die Rekruten Stechschritt machen, um sich das Komische darin auf das Tvpische zu reduzieren; dem es dann niemand mehr

6*

84 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

übelnimmt, wenn er nur macht, was ihm dient, und dem man für dies Bewusstsein und diese Weisheit wirklich dankt!)

Gerade in dieser Gedankenrichtung wäre eine Verwandt- schaft zwischen Oberlaender und Böcklin notwendig zu finden. Auch letzterer macht mit der klarsten Anschauung, der alles umfassenden Vorstellung, mit jedem Mittel und der grössten Konzentration auf das hin, sein Phantasiegebilde wahrscheinlich, glaubwürdig, naturwahrscheinlich.

Auch muss ich pardon, sans comparaison Immer bei ihm an die so simple und doch so bewundernswerte Zweck- bewusstheit japanischer und chinesischer Naturnach- ahmungen denken. Wie haben die Kerle das Wesentliche weg und mit wie fast lächerlichen Mitteln stellen sie es wieder dar! Etwa einen ganzen Vogel aus drei grossen Federn, etwas Spahn und Draht, und der ist viel mehr Vogel als alles, was die mühseligste europäische Imitation, die an allem gleichwertig klebt und darüber das Leben verliert, zuwege brächte, wir haben ihm gegenüber viel mehr Lebensgefühl als vor mühsam ausgestopften. Uns steht die Wissenschaftlichkeit geradezu im Wege.

Woher hat Böcklin das alles, fragt man vor seinen Bildern. Nur vom ungeheuren Interesse, mit dem er alles an den Dingen sieht und begreift. Nicht vom Kennen des Innern, nur von der Wirkung. (Das anatomische Studium darf nie der Aus- gangspunkt sein, nur für einen ganz festen Künstler. Sonst macht man anatomische Entgleisungen wie in der Renaissance, die Antike kennt das nicht.)

Da muss einer den Glauben haben an seine Sache und die Erfahrung wie ein altgewordener Mann.

Hier entsteht die einfache Klarheit des malerischen Ge- dankens durch Form und Farbe, die nur und ganz in dem Masse da sind, wie sie zur Verdeutlichung jener bewussten Empfindung dienen. Früher quälte er seine Kunst des Ge- dankens wegen. Andere und die Meisten schaffen eine Form auf Kosten des Gedankens. In Goethe's Faust II. Teil kann man andererseits sagen, hier sei nirgends die geringste Schädi- gung des klarsten Gedankens durch die reinste Formvollendung herbeigeführt.

Modell? Vor der Natur?

Böcklin malte und zeichnete seiner Zeit auch viel nach der Natur. Zuerst in Düsseldorf, dann in Genf. (Auch sein Kopieren in Brüssel, Antwerpen und Paris muss in Anschlag gebracht werden.) Ebenso, trotz anderweitiger Behaup- tung, in den Sabinerbergen (ich selbst habe solche Studien gesehen, in denen er mit unsäglicher Liebe und Feinfühligkeit der Natur nachging) und in der Campagna. (An der Via Flaminia, in Torr'del Quinto liegt noch eine ganze Mappe voll. Der junge Künstler stand dort des Regens wegen unter und verbarg, um weiter zu gehen, seine Mappe in einem halb- zerfallenen Gewölbe. Als er sie wieder zu holen kam, war das Gewölbe eingestürzt und nichts mehr zu wollen.)

Jetzt malt er schon lange, lange ohne Modell und Studien, weil er den Maler vor der Natur unfrei findet und unfähig Nebensächliches, Zufälliges zu unterscheiden und zu vermeiden. Ihm das nachzumachen möchte ich freilich wenigen raten.

Er arbeitet nicht vor der Natur. Das setzt sein eminentes, stets zur Verfügung stehendes Gedächtnis für die Erscheinung, seine stets lebendige malerische Anschauung voraus. Wenn Phantasie nichts anderes ist, als Beweglichkeit des Gedächt- nisses, Zurhandsein alles auf irgend einem Wege Aufgenommenen, so ist die seinige eine der reichsten und zugleich positivsten.

Aber auch in der Neugestaltung seiner Empfindung, in der Umwandlung derselben die doch am Ende auch mit zur Phantasie gehört steht dieser Sommernachtstraum- und Wintermärchenerzähler als einziges Sonntagskind da. Vor ihm öffnet das Meer, das er so oft befuhr, seine Buchten in Augen- blicken, wo gewöhnliche Sterbliche vor Grauen sterben. Er

86 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

sah alles, was die schlauen Phönizier den Leuten vorschwatzten, und betrat die seligen Inseln wie die Toteninsel. Das Grauen des Hochgebirgs wusste er so gut auszugestalten wie er auf son- nigen Wiesen mit Kindern Blumen zu pflücken verstand. Ihm waren die Herbstzeitlosen nicht zu gering, wenn sie den Menschen an den herannahenden Winter erinnern. Im deutschen Walde begegnete er dem Einhorn. Er trank römischen Wein mit römischen Soldaten, legte mit Seeräubern Feuer an Küsten- schlösser, er hat die bekannten Kentauren denn doch noch anders gesehen als Genelli, er hat den Prometheus angeschmiedet erblickt, wie keiner zuvor, ist nach Emmaus gegangen und hat den Hain des Herakles betreten etc. etc.

„Die Natur hat zwischen höchster Helligkeit und tiefster Dunkelheit für das menschliche Auge eine Skala, die wir von 1 100 annehmen. Dann habe ich auf der Palette eine solche etwa von 45 55. 50 ist also mein Mittel, an das ich mich halten muss, wenn ich für Licht und Schatten noch ausreichen will. Schon darum kann man nicht nach der Natur malen, weil man, bei aller nötigen Übersetzung doch bei seinen Nach- ahmungsversuchen stets zu hoch greift und nachher nichts mehr auszugeben hat, den Natureffekt erst recht nicht erreicht. Nein, das Exempel muss vorher im Kopf fertig ausgerechnet sein und aus der Erinnerung die Vorstellung wiedergegeben werden. Man sollte vor der Natur höchstens richtig stellen, (so machte er's z. B. bei Kellers Porträt, das er nur nach der Natur in der Zeichnung korrigiert und dann ohne dies malt) aber nicht mit der Palette vor sie hinsitzen."

Die meisten jungen Maler werden dadurch verdorben, dass sie in den Jahren, wo sie noch empfänglich sind, ganz einseitig Studien malen. Die Entwickelung und Anregung der Phantasie müsste damit mindestens gleichen Schritt halten. Später glauben sie sonst ehrlich und fest - - das sei das einzig Wahre, das sei alles, was zu erstreben und zu können sei. Als ob die Natur Zweck und nicht Mittel sei aller Kunst.

Böcklin selbst sagt: „Das Studienmalen sollte verboten

MODELL? VOR DER NATUR? 87

werden. Im Atelier hat man nachher doch was ganz anderes, kann die Studie nicht brauchen. Auch vom mnemotechnischen Standpunkte ist Studienmalen ein Unsinn. So einer, der immer nur den augenblicklichen Schein abmalt, lernt nichts, ist das nächste Mal wieder hilflos. Nehmen wir einen ganz einfachen Fall. Sie zeichnen ein Vergissmeinnicht ab. Aber dadurch lernen Sie es nicht verstehen, können es sich nicht vorstellen, wann und wie Sie wollen. Sie wissen nicht, wie sich das aus- einander entwickelt, wie dieser Teil an jenen ansetzt, wie das Gelb zum Blau umrissen ist etc. Sie können eben nur wieder das abmalen, was Sie sehen. Sehen Sie's aber an und versuchen nun, sich das Ding aus dem Gedächtnis zu zeichnen, sich davon Rechenschaft zu geben, vergleichen Sie das Gemachte dann mit der Natur oder gehen, wenn Sie nicht weiter können, wieder auf sie zurück, so korrigieren und befestigen Sie Ihre Begriffe. Und Vorstellung ist nötig, Nachahmung rötlich."

Bei ihm ist denn auch alles aus Vorstellung entstanden und diese auf Angeschautes (d. h. Erlebtes, Genossenes, Empfun- denes) zurückzuführen.

Er sieht auf diese Weise nicht bloss den schönen Schein der Dinge, sondern die Sachen selbst lernt er kennen, er sieht sie im Zusammenhang, auch was dahinter ist, drum herum. (Er sieht sie nicht geistreicher, vielmehr auf ihr Wesentliches reduziert.) Schon darum haben seine Bilder alle Raum, nicht nur, weil er ihn mit Perspektive und Farbe zu schaffen versteht.

Die Modellmaler beherrscht die Erscheinungswelt (auch die Stimmungsmaler, die erst durch die Natur in eine gewisse Empfindung gebracht sein wollen). Böcklin aber beherrscht sie mit seiner durch und durch bewussten Kunst.

Die Natur im Böcklinschen Sinne innerlich geschaut

bindet nicht, sondern macht frei.

Man lache nicht, indem man etwa an Hans von Bülow denkt, der auch „zur Erhöhung des Effekts" aus dem Gedächt- nis spielt. Dies aus dem Gedächtnis-Produzieren und -Reprodu- zieren macht den Künstler frei, lässt nur das wirklich Unter- scheidende oder doch das wirklich Genossene zu.

Wenn du etwas hast und weisst, was dein ist, von dir,

dann geh' her und mach' es. Wenn du dir aber, weil du nichts hast, etwas herholst, ein Modell, um irgend etwas zu

88 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

ersetzen, was du eben nicht hast, um eine Lücke deiner lahmen Vorstellungskraft auszufüllen, oder um diese überhaupt zu ersetzen : so hörst du auf irgend etwas Selbständiges, auch nur Interessantes zu machen. Du betreibst eine von vornherein unmögliche Repetition. Du machst etwas, was nicht dir gehört, folglich nicht und nichts ist. Du bist kein Schöpfer, sondern ein Sklave. Du stehst nicht über, sondern unter der Sache. Du bist einfach abhängig vom Modell.

Schau nach, was auf dich wirkt. Wenn du erst das „Warum" weisst, kannst du es auch beherrschen, d. h. andern mitteilen. Erst durch den Versuch deine Vorstellung darzustellen, wirst du deiner Kraft und der Tragweite deiner künstlerischen Aufgabe gewärtig.

Caran d'Ache dreht dem Apoll, den er zeichnen soll, den Rücken zu, und es geht plötzlich.

„Et c'est cela justement qui donne aux dessins de Caran d'Ache leur caractere si personnel. II ne fait pas poser son modele immobile. Son oeil, toujours aux aguets, epie les mouvements de la vie, et c'est dans sa memoire extraordinaire comme une collection de photographies instantanees, saisies au vol. De la grandeur epique et tout ensemble si diver- tissante de sa formule."*) Sehr verständig.

„Das ist mir ein schöner Künstler, Schöpfer: wenn er einen kleinen Finger braucht, muss er warten, bis die Lina Zeit hat."

Böcklin wird seine prachtvolle Welle im „Spiel der Wellen" wohl auch nach dem Modell gemalt haben! „Kommen Sie morjen früh wieder!" Ja mit eurer Modellmalerei. Ich bestelle mir morgen einen Wald ins Atelier.

Da muss einer einen Schuh malen das weiss er schon zwei Tag vorher und dazu braucht der ein Modell und läuft in der ganzen Stadt herum, um grad so einen Schuh zu erwischen, sonst kann er nichts.

(Modell im Nebenzimmer.) Die Vorstellung, auf deren Freiheit alles ankommt, wird leicht erdrückt oder abgelenkt,

•) Figaro, 22. Mai 1888.

MODELL? VOR DER NATUR? 89

besonders da, wo sie während der Arbeit plötzlich sich unsicher erweist, nicht ganz ausreichen will durch das Modell, das man um Rat fragt, und seine Zufälligkeiten. Man will ja nicht den Augenblick um seinetwillen, nicht das zufällige Lebe- wesen und seine Reize, sondern die Korrektur der eigenen Vorstellung, ihre Auffrischung, Verstärkung, man will begreifen lernen, drum herumgehen, um das „Warum" zu verstehen und nicht bloss die Lage nachzeichnen. Z. B. Hand und Arm im Zusammenhang sind keine Dinge zum Abmalen in einer zu- fälligen Lage, sondern zum Verstehen, kluge auch zu weiteren komplizierten Bewegungen fähige Werkzeuge, deren Funktionen man verstanden haben, und die man verständlich, selbstver- ständlich machen muss. Aber die Reize der Naturerscheinung, des Modells, sind für den formfreudigen Menschen leicht zu stark, er folgt ihnen und kommt von seinem graden Wege. Es handelt sich bei solchem Anschauen eines Modells im Nebenzimmer also einmal um sichere Stärke der Vorstellung des gewollten Ganzen, zweitens nur um Sachen, Erkenntnisse, die man etwa ebensogut aufschreiben könnte, nur dass ein Zeichnen des vermissten Zusammenhanges etc. bequemer, kürzer, näherliegend ist.

So würde Marees denken; Böcklin geht weiter. Ich erinnere an seine „Flora" bei Fiedler.*) Da sass schliesslich der eine Arm in der Schulter wie ein hineingesteckter Röhren- löffel, der nur diese eine Bewegung machen konnte. Aber diese sprach, was sie an dieser Stelle zu sagen hatte. Mehr wollte, mochte Böcklin nicht. Und es schadet auch wirklich nichts. Das Bild ist doch so schön, wenn auch nicht leicht und bestechend. Jenes Plus, welches zu vermissen wäre, geht einen nichts mehr an, der ganze Kerl ist da, und damit basta.

In dieser Unbekümmertheit, in seinem „ach lassen wir das, wozu noch?", „darauf kommt's ja nicht an" könnte man eine Grenze seiner künstlerischen Persönlichkeit sehen: ich glaube, es ist richtig zu sagen: darin liegt ein bewusstes Selbst- oder Glaubensbekenntnis, eine deutliche Erklärung über seine ästhetische Ansicht vom Wesentlichen im Kunstwerk.

(„Warum über die Strasse schicken nach einem Stümpf-

*) Böcklinwerk I, 20. A. d. H.

90 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

chen, wenn einem das Licht ausgeht, wo man ebensogut Feier- abend machen könnte? Ein andermal!" sagt Böcklin.)

Marees würde natürlich im Gegensatz dazu darstellen wollen, wozu ein Arm oder Glied alles fähig ist, wie es sich auch noch bewegen kann, es biegsam und benutzbar zeigen.

Er hat zwei Räume. In dem einen, wo er arbeitet, herrscht die Vorstellung im andern wartet vielleicht das Modell. Wenn ihm die Vorstellung irgendwo unzureichend erscheint bei der Darstellung des Figürlichen (wo der Maler gebundener ist als im Landschaftlichen), geht er also hin, legt oder setzt sich die Person zurecht und macht sich (im Kopf) seine Notizen. Aber wenn er ins Atelier kommt, hat er wieder volle freie Anschauung und nicht das zufällige Modell, das zufällige Licht. Er kann den Arm etc. dicker, länger, anders machen, er arbeitet ja wieder allein aus seiner Vorstel- lung heraus, ihm bleibt auch jene von der Wesenheit des frag- lichen Gliedes mit allen seinen beweglichen Möglichkeiten unbeschnitten. Er ist nur um den Akt herumgegangen, um das „Warum", sagen wir einer Muskelanschwellung oder Ver- schiebung, zu verstehen: „Aha! daher kommt das, darum sitzt das Licht dort, deshalb wirkte das bei mir nicht, wie es sollte ..."

Böcklin sagt: nur wenn und soweit er aus der puren klaren Vorstellung schafft, ist der künstlerische Wille frei und unentwegbar, den Zweck allein vor Augen. Durch die hinein- tretende Erscheinung des zufälligen, an sich existierenden Modells muss er vom Dienst des Ganzen abgelenkt werden.

(Marees, auch während er nach dem Modell zeichnet, hat doch immer seinen Zweck vor Augen, sieht den Vorgang, der ihn gerade beschäftigt und nicht den zufälligen Wuchs. Er

weiss davon ganz zu abstrahieren.*)

* *

*

Bruckmann bekehrt sich zum Modell.

„Ich habe bemerkt, dass ich nach so und so vieler Arbeit auch vor der Natur frei werde, und dazu wird mir das End- resultat garantiert. Gewisse Richtigkeiten sind denn doch mass- gebend und unverrückbar, wer die nicht hat, kommt nie zu einem ausreichenden Eindruck."

*) Siehe den Abschnitt „Böcklin und Hans von Marees" S. 168 fg.

Porträt.

„Wer auf der Akademie einen fleissigen Studienkopf her- untermalen gelernt hat, kann ja auch das, was die Leute ein ähnliches Porträt nennen, machen."

Porträtmalen erinnert Böcklin an Modellmalen und steht ihm so hindernd am Eingang zur Kunsterkenntnis für die Menge. Wie er sich auch damit abfindet, es bleibt ihm zuviel Ge- gebenes, und das langweilt ihn. Alles steht fest, alles Wesent- liche, woran er sich halten muss. Der Raum, der Mensch wie er ist, Gesicht, Figur etc. alles, was spricht, ist gegeben, also kommt der Künstler selbst nicht zu Wort; ihm bleibt nichts zu erzählen, nichts Eigenes hinzuzuthun, womit er zu der Seele des Beschauers sprechen, ihn packen könnte. Böcklin ist zu voll, und mit einer in sich selbst ruhenden Einzelfigur ist so wenig anzufangen.

Was der Photographie auch passieren kann, hält er nicht für künstlerisch wertvoll. Schon darum auch das Porträt nicht, ,,die elendeste aller Kunstgattungen, weil der Künstler dabei am meisten gebunden ist".

Ein Porträt kann wohl mit dem Eindruck stimmen, den ich (der Maler) von der Person habe, aber nie mit dem Menschen, der daneben sitzt, und der noch mit der gesteigerten Palette der Natur sichtbar gemacht wird.

Aber Böcklin hilft sich auf allerlei Weise. Muss er z. B. eine schöne Frau malen, so malt er sie aus dem Kopf, nur das, was ihm von ihr im Gedächtnis geblieben. Denn das muss seiner Meinung nach dasjenige sein, was sie von tausend anderen schönen Frauen unterscheidet. Hingegen sie als Modell behan- deln und alles Gleichgültige, Allgemeine und Zufällige auch

92 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

noch malen, wie die Maschine, nur aus dem dummen Grund, weil es gerade da ist, alles sehen müssen, was ein Friseur, Hühneraugenoperateur, Zahnarzt etc. auch noch sieht, das giebt sicherlich kein richtiges Bild von dem, was an dem Original erfreulich und individuell ist.

„Ich habe von ihm gemacht, was ich an ihm liebte, was mir sein Eigentümliches, Unterscheidendes, Erfreuliches war. Was geht mich's an, was die Gattung für Merkmale hat."

(Ich zeigte ihm das Porträt meiner Schwiegermutter von G. Richter und sagte: „Neunundneunzig Sitzungen und doch nichts geworden." „Eben darum nicht", antwortete Böcklin lachend. „Das kann ja nur ein gemalter Steckbrief werden, in dem alles steht, was gleichgültig ist. Das beweist nur, dass der kein Künstler war, der auf diese Weise ein lebendiges Indivi- duum packen und darstellen wollte.")

Wo Böcklin kann, hilft er sich auch noch auf andere Weise aus der Langweile der Einzelfigur. Der Frau Gurlitt*) giebt er ihr Kind auf den Arm, und es giebt nun alles zu sagen. Er zeichnet Gottfried Keller auf, nachdenklich vor einem Glas mit Blumen sitzend. „Ja", sag' ich, „man sieht nie Blumen bei ihm." „Macht nichts", meint Böcklin, „dann sind das seine Gedichte."

Natürlich mussten auch seine Selbstporträts noch etwas sagen einmal dem Geigenspiel des Todes lauschend malt er sich**), das andere Mal stramm, in heiterem Geniessen, hält er das volle Weinglas in der Rechten f).

Und noch eins kann er von eigenem dazuthun: Den Kopf in breiter Lichtwirkung sich einfach und ruhig abheben lassen vom Hintergrund. Sei es durch Farbenkontraste oder durch Linienkontraste.

(Zu erinnern wäre z. B. an van Dyck, der einen Kopf, der ruhig und einfach, trotz aller Arbeit darin, erscheinen sollte, mit scharfzackigen Krausen, einem Teppichornament etc. zu umgeben wusste.)

*) Reproduziert bei F. H. Meissner: Arnold Böcklin („Das Künstler- buch"), pag. 65. A. d. H.

**) Böcklinwerk I, 1. (Bild von 1872 in der Nationalgalerie zu Berlin.) A. d. H.

f) Siehe das Titelbild.

PORTRÄT 93

„Na überhaupt das Porträt, trotz dem bisschen, womit man sich unterhalten kann! Zum Glück hat van Dyck anders- wo Gelegenheit gehabt, zu zeigen, dass er mehr konnte als Porträtmaler sein."

Was die Porträtmalerei in der Kunst wert ist, das beweist immer mehr die Photographie, geradeso wie in allen Fällen, wo es sich um Abmalen der Natur handelt. Ich habe Kinder wohl zwanzigmal photographieren lassen, bei Momentphoto- graphen, die nicht lange quälten und retouchierten, und mehr malerisch liebenswürdige Menschlichkeit gewonnen, als in allen durch die Herren Maler erzielten Porträts, trotz aller „Auf- fassung".

Was diese anlangt, siehe überhaupt Lenbach und die Albertschen Bismarck-Photographien. Ästhetischer Schwindel alter Schule. Sand in die Augen.

„Keine Natur!"

Die Leute, auf welche Böcklin den grössten Eindruck macht, sagen: wundervoll, nur darf man nicht nach Natur- wahrheit fragen. Ich wüsste niemand, der mit so kindlicher Freude, so stets offenen Organen an den Brüsten der Natur söge. Ja, wenn er jedes Tönchen und Färbchen nach der Natur malte, müsste er ebenfalls mogeln und wirkte nicht so ein- dringlich. Jedes Bild ist übrigens eine Rechnung, eine Über- setzung.

Welche ist mir da lieber: die sklavisch-philologische, in der ich jedes Wort wieder finden kann, oder die geistvoll- künstlerische, freie? Welche entbindet den Geist mehr und wirkt eindringlicher? In der Malerei will das heute niemand verstehen. In der Litteratur weiss längst jeder, dass lange Landschaftsbeschreibungen gar keinen Eindruck machen, sondern ein kurzer voller Blick dem Leser viel mehr Genuss gewährt und Kunst verrät.

Unsere verwissenschaftlichte Generation mag anders denken, aber es wird auch wieder anders werden.

Also das ist keine Natur! Man sollte glauben wir stünden schon ganz im Zeichen des Zola, oder könnten Kunst und Wissenschaft nicht mehr unterscheiden. Naturbeschreibung allerdings nicht! Böcklin hat sich nicht dumm davor gesetzt und, soweit das geht, abgemalt, was er sah. Sondern er hat sich Rechenschaft gegeben: warum wirkt diese Landschaft, diese Jahreszeit so ganz anders als jene, worin besteht ihr unterscheidender Reiz, womit wirkt sie, und warum ist das, womit sie wirkt, da?

Auch der flüchtigste Moment wird ihm so einen Stimmungs-

„KEINE NATUR!" 95

eindruck hinterlassen. Aber den bewahrt er in der Seele des Poeten bis zum rechten Augenblick.

Er idealisiert nirgends in dem Sinne, dass er sich über die Natur erheben wollte, sie zu verbessern trachte im Gegenteil, selten wohl sind die „Grenzen der Kunst" so inne- gehalten, aber auch mit so raffiniertem Bewusstsein ausgefüllt worden, wie von ihm. (Und damit bitte ich um die Erlaubnis zu wissen, was ich thue, wenn ich die Klugheit auf den Thron hebe. Ich bin gewiss der letzte, welcher den künstlerischen Instinkt, dem jene dient und hilft, unterschätzt. Nur nebenbei ist es nicht wahr, dass die Kunst im Düstern geboren wird und von Bauernjungen oder Salontirolern getrieben werden kann. Die eine Hälfte freilich ist Begabung, Individualität, die andere, sehr notwendige, Erkenntnis, Abschätzung, Direktion . . .) Er verkehrt mit ihr so intim, dass er sie wohl in manchem glücklicheren Moment belauscht hat, als andere, und durch- schnittlich wird ihm die Idee zum Pinsel zu greifen erst kommen, wenn er den wesentlichen Ausdruck eines Moments oder Gegenstandes erkannt zu haben glaubt und genossen hat. Diese echte Naturwahrheit hält und belebt auch seine phan- tastischsten Sachen.

Er reinigt die „Natur" (d. h. die zufällige) im Aristoteli- schen Sinne, er „legt sie aus" im Sinne Goethes.

(Es heisst, er verstehe die sichtbare Natur falsch. Man versteht die Natur überhaupt nicht. Sie entsteht erst in uns, indem wir sie ansehen. Wir malen uns und können uns natür- lich das grösste Armutszeugnis von der Welt geben.)

Alle unsere „Italienkenner" kennen das „Land" durch einen Winter in Rom, durch meinetwegen alljährliche, sechs- wöchentliche Rundreisebillets, durch zweckbewusste, auf Archive, Galerien oder Gesellschaft abzielende Reisen in die grösseren Städte, aber wer hat jahrelang mit offenen Maleraugen in Sonne und Kälte gesessen, Schiffe gechartert und sich vom Winde führen lassen, die Natur belauscht, wo sie eigentlich ein Recht hatte, vor Fremden sicher zu sein? Wer kennt die unwirtlichen Inseln, wenn sie in der schweren Sommermittags- hitze, wo selbst der grosse Pan schläft, brennen, oder wenn der Sturm sie vor der lebenden Welt verschliesst?

Keiner von denen, die ihre zu kurzen kritischen Zollstäbe

96 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

an das Werk des Meisters legen, dessen Blicken die Natur all ihre Geheimnisse preisgeben musste.

Böcklins Bilder sind von geradezu gewaltiger Naturnähe aber eben weil er nicht sklavisch gebunden die Einzelheiten nachmacht, sondern das Ganze, das was er vor seinem innern Auge genossen, wieder aufbaut.

Wo gäbe es einen genussfroheren Naturkultus als den seinen. Aber er respektiert seinen Schatz und malt ihn nicht tot.

Es ist gerade die ungeheure Freude an der Natur, das Geniessen im Beobachten, was Böcklin eigentümlich ist. Er wird zunächst immer nur das darstellen, was er genossen, durchempfunden hat. Sein künstlerischer Verstand wird dann freilich das Unwesentliche ebensogut auszuscheiden suchen, wie das zum deutlichen Ausdruck seiner Empfindung Unnötige. Aber man kann nicht sagen, dass gerade das innere Leben, das Wesentliche, vom Zufälligen Abgeklärte, seine künstlerische Phantasie zuerst beschäftige und sich herauskrystallisiere.

Also die Natur als Ganzes nicht die Figur als Profil, als Ton, Relief, Überschneidung, nicht das Gegenständliche als Coulisse und körperloses Versatzstück sieht Böcklin. Das heisst, er sieht den mit körperhaften Gegenständen gefüllten Raum, dessen Grundriss man zeichnen könnte, dessen Gegen- stände rund gesehen und gedacht sind wie von einem Plastiker. Er sieht, dass ein Fels soo gewaltig hineinrückt, er sieht hinter ihn, und was dort hinten steht und sichtbar wird, ist wieder rund in Licht und Luft.

Freilich macht er nicht alles, was, rein optisch gesprochen, nacheinander sichtbar wäre. Er malt nur seine Freude, die er als genussfroher, prächtiger Mensch am Leben, an der Erschei- nung gehabt hat. Es handelt sich natürlich um ein künstlerisches Geniessen: er sieht z. B. das ist eine kräftige, eine nervöse Hand; und so wie er das mitsamt dem „Warum" auf einen Blick sieht, stellt er es auch nur so mittels des Eindruck- machenden, Unterscheidenden, Sprechenden dar.

Was ist denn die „Natur", die die Menge sieht? Die Geschichte, die Gegend, die Tageszeit, die Ähnlichkeit, der Ausdruck, die „Zeichnung", das Moderne, Konventionelle, Sen- sationelle etc. Die Leute wollen immer mehr Detail Zier- raten, Kunststücke, Gelerntes aber sie sehen die Sache nicht.

.KEINE NATUR!" 97

Alles, was nach Geschicklichkeit aussieht, macht Böcklin nicht mehr, das zieht ab. Er geniesst die Erscheinungswelt, aber er seziert sie nicht zu dem Zweck, er will sie lebendig. Zudem ist Kunst auch keine Natur, sondern mitgeteilte Vor- stellung.

Man braucht es ja einem Menschen mit Augen nicht zu sagen, aber: all das Intimste, was man durch Sehen geniessen kann, hat er bis ins kleinste aufs Andächtigste im Freien studiert und genossen. „Und dabei wird einem immer noch was dazu geschenkt: eine Schlange, ein Eichhörnchen etc.", sagt Böcklin.

Naturwahrheit haben alle Künstler aller Zeiten angestrebt, rufen die modernen Realisten. Ja, ich wüsste nicht, was man selbstverständlicheres sagen könnte. Alle Kunst basiert auf der Anschauung. Fragt sich nur, wer anschaut. Die sichtbare Welt spricht zum Menschen, fragt sich nur, wie die Organe beschaffen sind, die sie vernehmen sollen. Denn so wenig man die Natur eliminieren kann, so wenig kann man das Anschauungs- vermögen des Gehirns loswerden, dessen Besonderheit ihr Bild reflektiert. (Das Streben nach Naturwahrheit, lehrt die Kunst- geschichte, war allen Malern das Höchste etc. Gut. Sollte da nicht wirkliches Leben und ganze Lebensfähigkeit das erst sein, was Wahrheit gäbe? Oder sind es wirklich die toten Zu- fälligkeiten, mit denen das Leben sich bekleidet, die einzelnen Organe, mit denen es funktioniert? Malt man mit der pein- lichen Wiedergabe von so und so viel Muskeln Leben? Das Leben kann nur der Geist verstehen und festhalten. Nur der Künstler.)

Eine direkte Reproduktion giebt es nicht, kann es nicht geben. Da liegt der Irrtum derer, welche auf die panorama- tische, photographische, impressionistische etc. Naturwahrheit schwören. Es giebt, so lange es sich um Kunst handelt, nur eine künstlerische Naturwahrheit, die man nicht mit der des Anatomen, der das Leben beim Sezieren totschneiden muss, oder mit der des Weinreisenden verwechseln sollte. Und das nicht abschreibbare Leben, welches man mit der minutiösesten Anatomie noch lange nicht zu Wege bringt, gehört ja vielleicht auch zur Welt des Sichtbaren.

Floerke, Böcklin. '

98 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Schon die Beschränkung der Palettenskala gegenüber jener des Lichts, des Raumes gegenüber der Unendlichkeit der Er- scheinungswelt, die Notwendigkeit der abgeschlossenen Einheit, die daraus hervorgeht, sollten auch den Eifrigsten daran er- innern, dass derjenige, der in seinem Bilde Naturwahrheit an- strebt, schon durch ganz äusserliche Bedingungen gebunden ist. Er sollte ferner bedenken, dass der Mensch seine Persönlich- keit, sein Hirn nicht loswerden kann, dass es nicht die Natur ist, die er darstellt, sondern das, was er von ihr sieht, d. h. dass die Welt des Sichtbaren für ihn erst in seinem Schädel entsteht, dass je energischer und gewaltiger diese somit schöpferische Persönlichkeit der Erscheinungswelt gegenübertritt, die Wesen- heit des Geschauten bis in die Darstellungsmanier hinein einen anderen Charakter annehmen wird. Denn nicht die Natur hat den Künstler, sondern er hat sie.

Auf den Wert der anschauenden Persönlichkeit und wie anders spiegelt sich in Böcklins Kopf die Welt wird es also immer ankommen, und wenn jemand diese auf das Niveau eines photographischen Apparats reduzieren zu müssen glaubt, und es scheint wirklich manchen von ihnen*) nicht schwer zu werden so wird er eben wohl nicht viel mehr bei der Seele haben. Sähe er mehr und besser, so würde er wahr- scheinlich besser zu malen versuchen und das Beschämende eines solchen Vergleichs nebst dem Überflüssigen solcher Be- strebungen selbst einsehen.

Die ganze einsichtige Kritik hat denn auch Böcklins ungeheure Naturnähe erkannt. Für den Rest die Majorität scheint es in unserer Zeit der Demokratisierung der „Kunst" zunächst die fehlende Kalendergeschichte zu sein, die diesen Realismus irgendwelcher exklusiver, aristokratischer Neigungen verdächtig macht. Bedenklich sind von vornherein die offenen Mittel reine Farben ohne Sauce mit denen dieser Realis- mus des Sonnenscheins, des Raumes, der Öde, der Meeresweite und -Tiefe hergestellt wird, verdächtig in unserer weiss-grau- schwarzen Zeit.

Noch niemandem ist, scheint's, die Realität des Märchens begegnet, es muss nun mal die der Wachtparade, des sozialen

") Sc. Modernen. A. d. H.

„KEINE NATUR!" 99

Elends oder dergleichen „für alle" sein. Warum soll er seinen Werken nicht „unbegreifliche", „dämonische", ja „grässliche" Elemente einfügen, wenn es die Erhöhung der Vorstellung gilt!

Um die Menschenfeindlichkeit des Hochgebirgs ganz aus- zusprechen, warum kein rasender Ken taurenkampf über den Wolken des Abhangs, um das Grausenerweckende des stürmischen Meeres deutlich zu machen, warum keine See- schlange etc.?

Das alles ist hinzugethan, um zu dienen. Wo es einem graust, wollte er Grausen erwecken, so als er die Schrecken der „Via Mala" erhöhte, da er nicht mit den gleichen Mitteln wie die Natur: Einsame Verlassenheit, Gefahr etc. wirken konnte.

Und dann sind diese Schreier nach Naturwahrheit noch in einem anderen Irrtum befangen, abgesehen von ihrer eigenen wahllosen Nüchternheit und Anschauungsblässe: man erzielt durchaus nicht den Eindruck der Naturwahrheit, wenn man alles malt, was etwa für den spazierengehenden Blick noch zu sehen wäre. Das Viele schliesst das Bewusste aus, macht aber auch äusserlich das Ganze, gewiss das Grosse tot. Man muss die einfachen breiten Mittel sehen, mit denen die Natur wirkt und mit ihnen im Verhältnis seiner übertragenen Sprache wieder zu wirken suchen.

Die ganze Wirklichkeit hat niemand, auch der nicht, der sie will.

Man muss überall opfern in der Kunst, um mit seinen andersartigen Mitteln und eigenen Absichten nur halbwegs auf die Höhe zu kommen, man muss übertreiben und vernach- lässigen. Zwischen Nicht-Können und Vernachlässigen ist ein Unterschied, wie er auf diesem ganzen Gebiet nicht grösser zu denken ist. Man opfert die Richtigkeit der Proportionen der Ausdrucksstärke der Geste, die relative Wahrheit des Tons seiner Wirksamkeit, die Zeichnung der sprechenderen schöpfe- rischen Farbe etc., in summa den Zufall in der Natur und seine Wahrhaftigkeit der Absicht und ihrer Wahrheit. Die Kunst erfordert ein ewiges Zugestehen des Wissens an die Wirkung. „Man muss der Verständlichkeit zu Liebe manches thun", sagt Böcklin. Und gerade dies ununterbrochene Ab wägen der Vorteile und das Opfern der geringeren ist ein grosser Teil seiner Kunst. Böcklin greift, ähnlich wie zur

7*

100 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Antike, zu Märchen wesen, weil ihn da die Richtigkeitskrämer, so wähnt er! nicht kontrollieren können. „Entschuldigen, Sie werden mir's nicht übel nehmen aber ist der Arm nicht zu kurz?" Ja, meinetwegen. Aber mir kam es auf ganz etwas anderes, Sprechenderes an, ich wollte Sie fesseln, dass Sie der- gleichen so wenig nachrechnen, wie ich in dem Bestreben nur in der einigen Hauptsache recht deutlich zu werden. Und wer sagt Ihnen, dass so ein Wesen nicht so kurze Arme haben muss? Kennen Sie seine Existenzbedingungen, Herkunft etc.?

Er lügt nicht, und wenn er lügt, ist es erst recht richtig. Ein gutes Märchen ist auch voller Natur. Er mutet einem auch nicht zu, aus dem herauszugehen, was man schon hat, sondern rechnet damit und vergrössert höchstens. Und jedes Kunstwerk ist eigentlich ein Märchen. Der Superlativ, der zweckbewusste heisst das, aus der Unähnlichkeit der Mittel hervorgehend, ist auch eine Kunstform. Böcklins Kentauren etc. sind Phantasielogik, freilich keine Erfahrungslogik oder Be- obachtungslüge.

Bei Böcklins kolossalem „Realismus" (Naturwahrschein- lichkeit, Momentwahrscheinlichkeit, Stimmungsstärke), wegen dessen die modernsten Impressionisten, die er auslacht, ihn vergöttern, bei dieser seiner Wirklichkeitsnähe, sollte man sich vielleicht auch an die ungeheure (allerdings unbewusste und ganz unkontrollierte) Realität des Traumes erinnern.*)

*) Zu den hier, vorher und nachher immer wieder vertretenen An- schauungen vergl. folgende Sätze Friedrich Nietzsches: „Ein geborner Psycholog hütet sich aus Instinkt, zu sehn, um zu sehn; dasselbe gilt vom gebornen Maler. Er arbeitet nie „nach der Natur", er überlässt seinem Instinkte, seiner camera obscura das Durchsieben und Ausdrücken des „Falls", der „Natur", des „Erlebten" . . . Das Allgemeine erst kommt ihm zum Be- wusstsein, der Schluss, das Ergebnis: er kennt jenes willkürliche Abstrahieren vom einzelnen Fall nicht."

Und weiter: „Die Natur, künstlerisch abgeschätzt, ist kein Modell. Sie übertreibt, sie verzerrt, sie lässt Lücken. Die Natur ist der Zufall. Das Studium „nach der Natur" scheint mir ein schlechtes Zeichen: es ver- rät Unterwerfung, Schwäche, Fatalismus, dies Im-Staube-Liegen vor petits faits ist eines ganzen Künstlers unwürdig. Sehen, was ist das gehört einer andren Gattung von Geistern zu, den antiartistischen, den thatsäch- lichen. Man muss wissen, wer man ist . . . ." Aus: „Streifzüge eines Unzeitgemässen" 7. A. d. Herausgebers.

Korrektheit und Fertigmachen.

Wie manches dem Laien Unentbehrliche kann malerisch überflüssig sein ! Ich betrachte z. B. eben „Amor profano e sacro" von Tizian und sehe den linken Arm der Nackten nicht. Das Bild ist darum nicht ärmer geworden.

Unkorrektheit und Unfertigkeit hat man Böcklin so oft zum Vorwurf gemacht.

Bei Rubens, Tizian etc. unterwirft man sich dem kunst- wissenschaftlichen — mitgebrachten Urteil. Sogar schon bei Herrn von Lenbach, weil er Mode ist und Rembrandt zu Vorwand und Entschuldigung hat. Und dann, weil es Porträts (nebenbei grosser Leute) sind. Denn dabei sagt wiederum die „Wissenschaft" erklärend, dabei kommt es nur auf das Wesent- liche, Unterscheidende, auf den Kopf und in ihm hinwieder auf die Seele an, die z. B. schon mit Augen und Mund allein fertig ausgesprochen sein kann. Wenn aber das so einfach wahr ist (und es kann wahr sein, nur bei Herrn von Lenbach nicht, der ganz gewiss nicht zur Abwechslung einmal ä la Holbein malen würde*), warum gilt das gleiche Gesetz nicht auch für andere moderne, für andere auf knappe einheitliche Wirkung mittels malerischer Mittel komponierte, d. h. berechnete Bilder?

Warum soll sich ein Maler, wenn er das Seinige eindring- lich und knapp ausgesprochen hat, noch lange mit Details er- müden, „die heutzutage jeder leicht lernen kann", und die, wenn sie auch nicht notwendig abziehen, doch sicherlich nur solche Beschauer freuen würden, zu denen der Künstler gewiss nicht hat sprechen wollen. Hat er seinen Natureindruck künst-

•) Siehe pag. 247. A. d. H.

102 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

lerisch herausgestaltet, so fehlt nichts mehr als ein genügend empfänglich gewordener verwandter Mensch, um mitzuempfinden, und wenn's weiter geht, das künstlerische „Warum" des Aus- und Eindruckes zu begreifen.

In Florenz, im „Niobidensaal", also als Hintergrund resp. Dekoration einer Sammlung weisser (z. T. bedeutend über lebensgrosser) Marmorfiguren hängen zwei der schönsten R u- bens*), die er jedenfalls völlig höchstselbst gemalt hat. Aber sie haben zwei Fehler. Einmal den (ich will nicht sagen der Konkurrenz; denn daran nur zu denken, sind die Italiener zu eitel; aber den) der A usländerschaft. Und schon deshalb verkommen sie. Der zweite Fehler sind die Niobiden, die auf Gott weiss welcher Gartenmauer gestanden haben mögen, und diesen Bildern gegenüber besser ständen. Die Nio- biden sind scheint es fertig; die Rubens nicht. Ergo! Die Niobiden sind antik, die Rubens nicht. Jene sind berühmt, diese nicht (weil sie in Florenz hängen). Punktum für das Galerievolk. Alles für das Volk! Die Kunst für alle! Aus dem Volk, für das Volk! Evviva! Referendum in Kunst- sachen! Ecco.

Korrekt sein! Seit herausgemessen ist, dass der Schädel der Venus von Milo total unmöglich, nach allen Dimensionen falsch modelliert ist (siehe die Hasse sehen Messungen), wird den Ruhmestitel der Korrektheit wohl niemand mehr für den künstlerisch unerlässlichsten halten. Der Künstler wird doch wohl gewusst haben, warum er's nicht „besser" gemacht hat, und gemerkt hat's ja bislang auch keiner; die beabsichtigte Wirkung war also da.

So sagt Böcklin auch nicht „richtig", sondern „deutlich". Und weil so viel Richtiges, Massgebendes in seinen Bildern da ist, glaubt man alles andere zu sehen.

Es fehlt ja nicht bei ihm, es kommt nur darauf an, dass seine unerbittliche Kritik ein Mehr für notwendig hält. Dann ist es gleich da. Die Anschauungen des Malers von seiner Kunst mögen ja, je nach der Privat- oder Dutzendästhetik des Beurteilers, mangelhafte genannt werden können, sein Können

*) Einzug Heinrichs IV. in Paris und Sieg Heinrichs IV. in der Schlacht von Ivry. Siehe pag. 22 und 33. A. d. H.

KORREKTHEIT UND FERTIGMACHEN 103

schwerlich, wenigstens nicht für den, der sich mit ihm be- schäftigen konnte. In all solchen als „Unfertigkeit", „Skizzen- haftigkeit", „Unkorrektheit" gestempelten Fällen fehlt einfach das Wollen des Künstlers, sein Urteil sagt: halt! und dies Urteil ist der innerste Kern seiner künstlerischen Indivi- dualität.

Diese „Nachlässigkeiten" etc. sollten von der künstlerischen Klugheit Böcklins zeugen und thun es auch jedem künstlerisch Anschauenden gegenüber. Man schwatzt nicht mehr lange, wenn man seine Sache gesagt hat, wie man sich's vorher über- legt hatte. Pedanten und Handwerker nur kräuseln Schnitzel, das ist ihr Geschäft, das für die Menge und ihren Verbrauch zu vertreten sie da sind.

Der Maler muss absolut nicht mehr machen, als für die, für welche er malen möchte, unerlässlich ist, eigenes nie störendes Vergnügen ausgenommen.

Das Männliche an Böcklins Kunst liegt eben gerade darin: der Zweck steht deutlich und einfach vor Augen, und nur zu seiner Erreichung nötige Bewegungen werden gemacht. Das Künstlerische liegt dicht daneben, oder sagen wir, deckt sich fast damit. Es liegt in der Fähigkeit, unbedingt malerische Gedanken zu erzeugen und in der gleichzeitigen, erregtbleibenden, bewussten Fähigkeit der rein malerischen Ge- staltung derselben.*)

Man erinnere sich an das Schreibheft des kleinen Moritz von Oberlaender. So hatte neulich der kleine Barth**) einen Mann gezeichnet, der hoch oben an der Wand einen Strich zieht. Es war alles falsch daran, alles, aber den Strich zog er doch und viel überzeugender vielleicht, als

*) Brücke (> Physiologie der Farben«) sagt pag. 297 von alten Ge- weben: »Die Mehrzahl von ihnen unterscheidet sich wesentlich dadurch von den modernen, dass in ihnen alles, selbst, wo es sein musste, die Solidität der Technik, der künstlerischen Wirkung untergeordnet ist, der künstlerischen Wirkung in dem Abstände, für welchen sie berechnet war.< Und nun vergleiche man erst die Berechnung bei alten Glasgemälden und die Scheiben nahe bei! Anm. d. Verfassers. **) Sohn des Malers Ferdinand Barth. A. d. H.

104 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

wenn alles von einem unserer Durchschnittsmeister richtig gemacht worden wäre. Man sah nur das und lächerlich ein- leuchtend.

„Und mag ein Ding auch noch so ungeschickt oder ver- zeichnet sein, egal, ich will in jedem Strich den Willen sehen, das ist alles, Korrektheit nichts", sagt Böcklin.

Was ist Zeichnen?

„Komposition", „Zeichnen" sind die Hauptschulmeister- wörter.

Komposition ! Als ob nicht jeder wirkliche Maler kom- poniere, wenn es dem Philister auch nicht sichtbar, bewusst wird. Die Schulmeister, die diesen Begriff gepachtet haben wollen, verstehen nicht genug von der Malerei und ebenso- wenig von der Herkunft ihrer Ästhetik. Sie überlegen nicht, dass der Maler nicht bloss seine Linien und Körper symmetrisch aufzubauen hat, sondern dass er ebensowohl seine Farben und Tonmassen die auf das Auge verschieden wirken gegeneinander und zum Ganzen abwägen muss und dadurch komponiert.

Damit ist es gerade so wie mit dem ewigen Schreien von Zeichnen- und Nichtzeichnenkönnen. Jene verstehen darunter eigentlich nur „Umrisse machen". Von einer Zeichnung implicite, wie sie der eigentliche Maler meist allein anwenden kann, von einer Formgebung durch die Farbe, begreifen sie nichts, dazu können sie nicht genug zeichnen. Oder ist das kein Zeichnen, alles das, was man von Form haben will, an seine richtige Stelle, in richtige Funktion und wirksamen lebendigen Zusammen- hang zu setzen?

Ist es keine Perspektive, wenn Böcklin, wie gewiss wenig andere, dem Raum und der Form durch die Farbe Ausdruck zu verleihen weiss?

Bei Böcklin findet sich freilich nicht die aufdringliche Zeichnung jener, die nicht farbig sehen, sondern abstrahieren, jener also, die nicht Eindrücke empfangen, und daraus erwachsene Vorstellungen aussprechen, sondern Gedanken ausdrücken

106 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

wollen, indem sie ihnen allerlei malerischen Faltenwurf um den blassen dürren Leib hängen und sich gewöhnlich vorge- nommen haben, bedeutend zu sein. In Bildern von Böcklin ist, wie in jedem echten malerischen Kunstwerk, Zeichnung implicite, jedes Licht sitzt an seiner rechten Stelle, das Terrain ist verständlich ohne affichierte Linienführung, wie von selbst. Jenes ist Abstraktion, dieses unmittelbar. Zeichnen muss der Maler können, nicht wollen resp. wie ein Akademie- schüler zeigen wollen, dass er's kann. Böcklin zeichnet also wie ein Maler und nicht wie ein Zeichenlehrer oder einer aus dem Publikum, der bei so einem „zeichnen" gelernt hat.

Wo unsere „Koloristen" scheinbar (d. h. für das Laienauge) keine Form sehen, sehen sie das, was jene unter Umständen zum Teil aufhebt: Licht, Luft und die mit ihnen zusammen- hängende Farbe, durch welche erst die Erscheinung sichtbar wird.

Zeichnen mit dem Stift (akademisches Zeichnen) und Zeichnen mit der Farbe, Sehen in Licht und Luft und ab- strahierte Form, sind also zwei sehr verschiedene Dinge, die ganz verschiedene Voraussetzungen, Bedingungen haben.

Ich kann ja einen Schäfer unter einem blühenden Holunder- strauch zeichnen, und das kann, wenn z. B. Ludwig Richter das macht, ganz poetisch wirken. Wenn derselbe aber malt, kann z. B. das Weiss dort gar nicht möglich sein, und darauf kommt es dann an, ob das Weiss dahin passt. Ich erinnere mich an ein Liebespaar in der Rosenlaube versteckt von dem Zeichner Richter gemalt: ja, man sah viele Rosen, aber die Hauptsache, das Liebespaar, geriet so ins Dunkel, dass man das, was das Bild wollte, gar nicht sah.

Den einen reizt die Kohle, den andern die Farbe. Aber der Kartonzeichner soll nicht verlangen, dass man einen Karton koloriere, wenn man malerische Wirkungen erstrebt, er wird ja aus einer Farbenskizze auch nicht klug und kann nichts mit ihr anfangen.

Zeichnen sollte doch weiter nichts bedeuten als Projizieren der Form resp. des Raumes auf die Fläche, mit dem freilich durch die Kunstgewöhnung vielfach erleichterten Schein des Runden, Räumlichen. Nur in diesem Sinne kann man die Farbe bekennende Malerei eine zeichnende Kunst nennen indem sie Form und Raum durch Farbe, Ton und Gegensätze

WAS IST ZEICHNEN? 107

aller Art, nicht durch Zeichnung im engeren Sinne, bestimmt (welch letztere immer eine gewisse Abstraktion der wirklichen Erscheinung ist).

Ein Zeichner, abgesehen davon, dass er es nicht kann wird schon darum keine brillanten Farben gebrauchen, weil diese von der Wertschätzung seines Ausdrucksmittels, seiner Technik, auf die es ihm doch ankommen muss, abziehen würden.

„Merkwürdig", schrieb ungefähr ein französischer Kritiker (in der „Gazette des Beaux Arts'% „da ist ein Mann, der kann nicht zeichnen und nicht malen, und ist doch ein malerisches Genie." Ja, da haben wir, was man heutzutage unter zeichnen und malen versteht: l'art, c'est le fini. Dieser Herr hat da- mit von seinem befangenen, modern französischen Standpunkt aus nur erkannt, dass weder Kalligraphie noch Pinselfechterei für Böcklin irgend einen selbständigen Wert haben. Zeichnen ist Prunken mit akademischer Kenntnis und ordnungsmässiger Richtigkeit aller Art, die heutzutage jeder Langweiler erwerben kann („die mein Pudel auch lernen kann", sagt Böcklin). Glatt- machen in der Malerei kann jeder Handwerker, der nichts zu sagen weiss, und das verstecken möchte. Es ist kein Kunst- stück, ein Sonett zu machen womöglich nach gegebenen Reimen. Erst wenn jedes knappe Wort darin sich in jeder denkbaren Richtung als dienstpflichtig erweist, kann das ein Kunstwerk sein.

Ton, Farbe.

„Ist mal Ton und Farbe bewusst mein Aus- drucksmittel, so muss ich, will ich nicht rein dekorativ werden, mit der Palette in diesem Sinn bewusst komponieren und modellieren." A. Böcklin.

Böcklin folgt in all seinem Denken und Schaffen selbst- verständlich keiner der Ästhetiken, die aus den Irrtümern der Renaissance resp. Winckelmanns hervorgewachsen, noch heute unsere Gewohnheit beherrschen. Ihm ist die Farbe die Natur und das ihm gegebene Pfand, das er auszunutzen hat. Seine Kunst ist sinnlich, unmittelbar, nicht abstrakt, gedanken- haft, auf Umwegen wirkend.

Ist die Natur die feinfühligste, unfehlbare Koloristin bis ins kaum bemerkbare Detail, warum soll der Mensch der Farbenmensch Maler! in dieser Richtung stumpfsinnig un- ausgebildet bleiben müssen? Weil er sich, einmal verrannt und einseitig künstlerisch geschult, natürlich seine künstlerische Theorie zurecht macht, damit er und andere nicht mehr an die sauren Trauben zu denken brauchen.

Wir haben keine anderen Eindrücke von allem Sichtbaren als farbige, je nach dem Licht heller oder dunkler, können keine anderen haben. Denn das Licht wird uns zurück- geworfen von einer Oberfläche erst und nur als Farbe sicht- bar. Nun ist der Maler wie keiner auf das Sehen angewiesen. Wie soll er seine farbigen Eindrücke nun übersetzen? Womit malt er denn? Mit Farben dächte ich. Soll er sich da ihrer enthalten, sie nicht studieren? Soll er dies sein Hauptaus- drucksmittel nicht so weit zu vervollkommnen suchen, als ihm nur möglich?

TON, FARBE 109

Ein Sänger, der seinen Ton in der Kehle bildet und nicht vorn im Munde, ist ein Esel; denn er nutzt sein Pfund nicht und versteht seine Kunstmittel nicht. Aber ein Maler soll seine Farben in den Tuben behalten oder doch ihre Ausnutz- barkeit und Wirkungsfähigkeit für seine Farbenkunst nicht verstehen. (Er soll sie höchstens hinstreichen, wie man eine Zeichnung koloriert, nach ikonographischen, kostümgeschicht- lichen oder sonstigen Regeln.) Merkwürdig! Womit stellt er denn dar, was er an Eindrücken empfangen hat? („Mein Gott, womit malt man denn?" fragt Böcklin ganz erstaunt, wenn er erfährt, dass man ihm die konsequente Ausbildung des Farben- materials, der Technik und der Farbe in ihrem künstlerischen Auftreten vorwirft.) Wozu die Blässe des Gedankens, die zwi- schen Anschauung und Wiedergabe tretende, das Kunstwerk unweigerlich zerstörende Abstraktion? Ich habe nie begriffen, warum einen Maler die Farben nicht geradezu führen sollen, die doch seine einzigen Ausdrucksmittel sind. Gerade diese seine Mittel lehren ihn seine Wege und Grenzen. Und da letztere eng sind ( mit Licht und Luft malt er nicht, und doch kann er sich ohne deren Existenz nichts vorstellen und nichts darstellen; sie in ihrer Qualität als Farbe sind überall Gegenstand seiner Darstellung; alles, was in sein eigentliches Gebiet fällt, existiert für ihn durch das eine und in dem anderen ), so ist er schon auf ein Rechenexempel, auf eine Übersetzung und Vereinfachung angewiesen, die nicht jedem draussenstehenden Interesse Rechnung tragen kann.

Erst durch die verschiedene Stärke des Lichts (Ton) und seine Qualität (Farbe) wird in der Natur die Form dem Auge wahrnehmbar. Die Reinheit und Leuchtkraft der Farben wird um so sprechender auftreten, je glänzender das Licht, je durchsichtiger die Atmosphäre ist. In diesem Sinne unter- stützte die italienische Erscheinungswelt Böcklin in seinen Bestrebungen, bereicherte seine Farbensprache und machte ihn kühner und positiver. Hier konnte man nicht mogeln, wie in der dicken nordischen Luft, sondern man musste Farbe bekennen ohne Gnade, nackt zeigen, was man be- herrschte und von Anfang an gewollt hat. Mit Schmieren und Zusammenlasieren kann man hier keinem Bilde „Haltung" geben. Nicht die matt gewordenen Wände von Pompeji,

110 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

sondern der dunstlose Himmel des Südens lehrten ihn immer farbenfroher sehen.

An die stillschweigende Konvention in der Malerei (die ihre Grundlage ist) denkt niemand. Sie muss mit zehn Prozent der Mittel, durch welche die Natur wirkt (d. h. sich sichtbar macht), dieser scheinbar gleichzukommen suchen. Die so be- schränkte Farbenskala der Palette scheinbar zu erweitern, ist eine beabsichtigte Eigentümlichkeit der Böcklinschen Bilder. (Wie viel grösser die Skala der Natur ist, erhellt am besten aus Beispielen. Was ist z. B. das höchste Licht im Bilde gegen ein Glanzlicht, das auf den Goldrahmen fällt! Was ist das leuchtendste Orange, die leuchtendste aller Farben, plötz- lich für ein dunkler Dreck, wenn ein Schimmer Abendsonne darauffällt!)

Daran, dass alle Farbe als eine Qualität des Lichts in der Erscheinungswelt relativ ist, denken auch wenige. Dass sie (als Einzelfleck) nur ein Faktor in der Rechnung des Künstlers ist, die man Bild nennt, ebensowenig. Das isoliert sich irgend einen Fleck aus dem Bilde, eine Farbe, sieht sich fest, wo es gar nichts zu suchen hat, und sagt: „Das ist gelb (oder Neapelgelb mit Beinschwarz) so sieht kein Weisser aus."

Die eigentümlichen Fähigkeiten seines Materials legen dem Bildner in Böcklin Bedingungen auf, wollen nicht gequält werden, sondern zum Ausdruck kommen und ausgenutzt werden.

Diese Rücksicht auf das Material gilt nicht nur im Kunst- gewerbe (in welchem Falle die „Gebildeten" nichts mehr da- gegen haben), sie gilt ebenso in der Kunst, und ein Maler ist nur in seinem Recht, wenn er nur innerhalb der Grenzen und unter möglichster Ausnutzung der Fähigkeiten seines Dar- stellungsmittels, der Farbe, erfindet.

Die Farbe schafft Raum, modelliert, macht Stimmung, sie komponiert, führt das Auge und verdeutlicht ihm die künst- lerische Gliederung, sie reizt die Aufmerksamkeit und fesselt sie im Sinne des Künstlers sobald er ihre Gesetze erkannt und zu den seinigen gemacht hat.

Böcklins Farbe, d. h. die Art sie anzuwenden, schafft ihm die tiefe lebendige Glut seiner düsteren, den zauberischen Glanz, die ungebrochene Heiterkeit seiner in den krystallenen Äther des Südens getauchten lichten Kompositionen. Er weiss:

TON, FARBE m

alles koloristische Leben hängt für die mit lichtlosem Schlamm malende Kunst von dreisten (ganzen) Farben ab, die allein- stehend übertrieben, aber durch berechnete Gegensätze, im Zusammenhange, auf das wahrscheinliche Niveau zurückgeführt erscheinen, aber doch, unmerklich, lebendiger zum Ganzen wirken, als eine direkte Übersetzung der Lichter und Schatten, der Lokalfarben und Reflexe etc. in zahme gebrochene Paletten- tönchen.

(Frühere Notiz: Er hat wieder mit ganzen Farben ange- fangen zu malen, weil er ihre grössere Wirksamkeit [optisch] erkannte und damit sozusagen seine Palettenskala erweiterte, und weil er die Verlegenheits- und Verlogenheitsmalerei der Sauce- maler, die Natur heuchelten, ihr Nichtskönnen verbargen, so- wenig wie die fleckige Buntheit der Neueren (seit Fortuny), welche ihm das „Wesen der Farbe, mit der sie spielten, nicht verstanden", leiden konnte.)

In dieser seiner selbsterworbenen Beherrschung und Dienst- barmachung seiner eigensten Darstellungsmittel die er in ihren Kräften und Wirkungen studiert hat, wie etwa Viollet-le-Duc die Eigenschaften der gefärbten Gläser etc. für die Glasmalerei liegt ein grosser Teil des Geheimnisses seiner Leuchtkraft, mit der er uns so häufig über den geringen Umfang unserer Palette der Natur gegenüber hinweggetäuscht hat, uns in Glanz und Leuchten versenkend.

In der künstlerischen Gesamtrechnung geht vieles Erreich- bare verloren, um anderes ad hoc Wertvolleres dafür einzu- tauschen, in der Farbe so gut wie in der Formausbildung. Um das höchste Licht zum Ausdruck zu bringen, müssen alle Mittel- töne — die wir hätten in ihrer Kraft und Helligkeit ver- ringert werden, damit ein der Erscheinungswelt ähnliches Ver- hältnis eintritt. Um das Interesse zu konzentrieren und damit künstlerisch zu befriedigen, kann manche Form nur als bewegte helle oder dunkle Masse dastehen. Z. B.: Das und das ist in diesem Zusammenhang gar kein Gesicht wie es auf einem Porträt sein müsste, wo es alles wäre, sondern nur ein Teil eines bewegten Lichtes, das Ausklingen eines Vorgangs etc. oder, das sind in dieser Gesamtrechnung doch keine Hände, an denen später einmal bewiesen werden soll, dass auch wir, resp. Herr X., Anno so und so fünf Finger daran hatten.

112 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Ferner, hätte Böcklin seinen formlosen Drachen (Via Mala) in blutiger Heraldik hergestellt, mit allen Stacheln seiner schreck- lichen Phantasie herausgekitzelt, so hätte jener mehr Interesse absorbiert als er durfte ist er doch nur das Pünktchen auf dem längst für die meisten lesbaren i. Dass einer da und auf- merksam geworden war, war genau genug.

Man kann von einem Farbfleck reden, der seine sprechende Deutlichkeit ganz allein dem Wissen und Wollen des bild- abwägenden Künstlers verdankt und nur in diesem Sinne in- teressiert und etwas ist (nicht etwa bedeutet). Dass er bei Böcklin immer auch noch etwas andeuten wird (einen unwesent- lichen Leibesteil, ein Stück nötige Nebenperson etc.) ist eine andere Sache.

Auch Farbe und Ton sind ihm so wenig Selbstzweck, dass er über die Bezeichnung „Kolorist" lachen würde. Das wäre ein dummer Mensch, der mit Verdeutlichungs-Ausdrucks-Mitteln spielt, anstatt sie, wie etwas Dienstpflichtiges bis aufs äusserste im Dienste seiner Idee anzuspannen. Sie müssen da sein wie alle übrigen aus der Natur, dem Wissen, der Erfahrung, dem Empfinden, der Phantasie zur Hand sein müssen, wenn er seine Fülle an Naturfreude darstellen möchte.

Wir sprechen von Koloristen: „Alles kann man doch nicht mit der Palette machen", sage ich. „Nein", sagt er, „im Ge- genteil ist die Palette nur dazu da, so weit möglich zu helfen."

Und von den Graumalern sprechend, sagte er: „Sie sind Esel, auf das, was sie irgend an Ausdrucksmitteln haben, zu verzichten."

Böcklins Farbe ist die des Bedürfnisses, der Notwendig- keit. Er hat sie entfesseln gelernt, um deutlich werden zu können, und zwar mit den Mitteln des Malers, als deren oberstes und Vernachlässigtestes er sie erkannte.

Er konnte diese seine Farbe von niemand lernen. Es ist vielmehr durchaus die Farbe des auf sich und seinen innern Vorstellungsdrang angewiesenen Autodidakten, der freilich für seine Zwecke aus allem zu lernen vermochte, und der sich dabei der Gesetze, unter denen die Übertragung aus der wirk- lichen Erscheinungswelt des Lichtes, der Form und des Raumes in die nachgeahmte, auf der Fläche dargestellte Welt der Pa- lette möglich ist, wie kein anderer bewusst wurde, und darauf-

TON, FARBE 1 13

hin keinen Meister zu studieren, resp. ihm auf die Knochen zu fühlen, unterliess. Praktisch suchte er sich über das „Warum" der Wirkungen klar zu werden oder den Zweck gewisser, immer wiederholter kompositioneller Eigentümlich- keiten zu erkennen, die ihm bei Schulen auffielen, deren Zweck- bewusstsein in diesem seinem Sinne ihm klar geworden war, und denen er das Geheimnis ihrer einfachen und grossen Wir- kungen abringen wollte.

So hat er farbentechnisch aus allem gelernt, manches selber gefunden, das meiste sich selber wieder erworben aber ebensoviel ahnt er zur rechten Stunde, ist eine momentane Steigerung oder unerklärte Konzentration seines Gehirns.

Er erzählt, er habe einmal eine rote Blume an einem langen grünen Stengel gemalt und habe plötzlich gesehen, dass die Blume zu schwanken anfange. Der Grund für diese natürlich unbeabsichtigte Erscheinung lag offenbar in dem Hin- undhergezogenwerden des Auges durch danebenstehende, sehr verschieden erregende Töne, in dem Verhältnis der Blume zum Stengel, in Ruhe und Unruhe der in Frage kommenden Bild- stelle etc. Bei einer geringen Änderung verschwand die Er- scheinung und war auch trotz aller Versuche nicht wieder zu

erreichen*).

* *

*

„Grün! Grün leuchtet nie", sagt er zu Svertschkoff, der auf seinem Bilde, auf welchem nur Grünzeug ist, absolut keine Brillanz herausbringen kann und Böcklin seine Not klagt.

Elementare Sätze:

Ein Ton wirkt nicht allein, sondern durch seinen oder seine Nachbarn; es kommt also für seine relative Kraft, die beim Malen allein interessiert, darauf an, in welcher Gesell- schaft er steht.

*) Vergleiche den Aufsatz: „Ober autokinetische Empfindungen" von Sigm. Exner, in der Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnes- organe, Bd. XII, pag. 312—330. A. d. H.

Floerke, Böcklin. 8

114 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Ebenso kommt es auf die Menge an, in der er resp. seine Nachbarschaft auftritt. (Also auf die Verteilung und Bewegung der Massen.) Die Mengen, in denen sich zwei Töne gegenüber- stehen, bestimmen die mehr oder minder angenehme Wirkung auf das Auge.

In Bezug auf die Intensität handelt es sich noch besonders darum, nie zwei Töne von gleichem Wert (valeur) nebeneinander zu setzen.

Man kann denselben Ton durch seine Nachbarschaft fad oder strahlend machen, zurückdrängen oder doppelt erregend wirken lassen.

„Pour donner ä un ton toute sa valeur qu'il doit avoir, il faut qu'il ne se presente ä Voeil que par parcelles, par echappees" , sagt Viollet-le-Duc. (Man vergleiche Böcklins Tupf- und Fleckenmanier: „nicht mischen, sondern rein neben- einander setzen".)

Weiter sagt Viollet-le-Duc: „Aucun genre de decoration n'est plus entrainant que la peinture. Si vous monlez un ton, il faut monter tous les autres pour conserver Vaecord."

Ein nachgedunkelter Böcklin z. B. das geht nicht. Ein Bild bei ihm ist eben wie ein Musikwerk, in dem alles stimmen muss. Wenn nicht alles so genau auf einander angewiesen wäre, würde das ja soviel nicht machen. Aber erst in der letzten Abwägungsfähigkeit liegt bei ihm die Sache.

(Es ist begreiflich, dass ein Farbenmensch durch und durch wie Böcklin zu denjenigen toten oder lebenden Kollegen kein Verhältnis findet, welche, häufig von einer hochmütigen Ab- straktion herkommend oder infolge ästhetischer Vorurteile, die Farbe beim Malen nur sozusagen aus Gewohnheit, als notwendiges Übel anwenden, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, sie folglich in Misskredit bringen und ihr das Verständnis des Publikums langsam aber sicher entzogen haben, ebensogut wie die auf falschen Voraussetzungen gebauten ästhetischen Sätze der italienischen Renaissance, mit denen das ganze Unheil anfing.)

„Ton" im heutigen Malerjargon ist ihm ein unfassbares Ding, von dem man nicht weiss, wo es anfängt und aufhört.

TON, FARBE 115

Böcklin kennt und braucht daher das Wort in diesem Sinne nicht (d. h. Ton als etwas an sich Wertvolles, Ansprucherhebendes).

Genau so geht es (wie anderweitig ausgeführt) mit der Form etc. Das sind alles Mittel. Er will keine Figur machen, sondern er braucht eine, er benutzt seine Kenntnis derselben, soweit ihm dienlich erscheint, zur Darstellung seiner Vorstellung.

Dieser Mann will genau soviel wie die lautesten „Impres- sionisten"; aber er hat Vorstellungen, Eindrücke und besitzt die Mittel, sie voll und bewusst deutlich zu machen.

Nichts hat für ihn einen Wert an sich, ein Recht zum i Dasein im Bilde. Alles ist nur Ausdrucksmittel. Aber alles ist l demgemäss in zweckdienlicher Ordnung (auch die Silhouette)^^

Wo bleibt bei dieser ganzen fast brutalen Anschauungs- theorie des echten Modernen der Märchenschatz unserer Jugend, die Freude, die naive an dem ersten Erkennen, Geniessen? der Schatz von dem und mit dem man weiterleben sollte? Warum werfen wir den Reichtum über Bord, den wir mitbringen und am natürlichsten erworben, ganz unser eigen nennen können ? Warum sollte dieser Besitz mit dem „Sehen" nicht zusammengehen, zu- sammenschiessen können?

Die Realität der farbigen Erscheinung der Erscheinung durch Licht und Farbe, in ihren reiz- und machtvollsten, also komponierenden Einzelmomenten nicht jene der körperlichen Reize oder Gebrechen ist Böcklins künstlerischer Realismus.

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Sehen.

Sehen! Es ist ja klar, dass nicht alle Instrumente gleich gut sind, nicht jede Netzhaut gleich empfindlich ist (— Böcklin sieht z. B. mit seinen Augen gleich die Komplementärfarben mit in richtiger Sättigung und Helligkeit), noch weniger aber alle Schädel, denen dies Instrument das Sichtbare vermittelt. Man kann nun einmal nicht, wie sich die naiven Herren Im- pressionisten vormachen, den Sehprozess zu einem rein opti- schen Vorgang herabdrücken ( die Maschine Auge arbeitet nicht ohne das Gehirn ), in dem Sinne, dass die persönlichen Eigentümlichkeiten des menschlichen Einzelhirns gar nicht in Betracht zu kommen hätten (abgesehen davon, dass dort erst der künstlerische Vorgang beginnt). Nur das Übrige, das Per- sönliche kann wertvoll sein, das rein Optische besorgt der gut geleitete Apparat des Photographen am besten.

Die Impressionisten wollen „möglichst rein optisch" sehen. Als ob in diesem Wollen nicht bereits eine Auffassung der Er- scheinungswelt als Gegenstand der Kunst läge! Von allem Anerzogenen, Angewöhnten, Technischen, der Macht der Kon- vention, den Anschauungen der Richtung, gar nicht zu reden. Auch sie schrauben sich nicht zur photographischen Platte zu- rück, sondern sind verantwortlich für das, was sie ein Kunst- werk nennen.

[Conrad Fiedler („Ursprung der künstlerischen Thätig- keit") konstruiert sozusagen ein eigenes isolierbares Organ des Sehens. Doch geschieht jedes Sehen nicht nur mechanisch auf der Netzhaut, sondern im Gehirn. Der rein optische Eindruck, das ophthalmologische Sehen, darf aber mit dem künstlerischen Sehen, der lebendigmachenden Anschauung, trotzdem nicht ver-

SEHEN 117

wechselt oder zusammengeworfen werden : das Sehen des Laien (und wenn er auch Künstler ist) geht aufs Detail, das rein künstlerische Sehen aber aufs Ganze, ersteres sieht Einzelheiten, die es addieren kann, um dann noch lange nichts Künstlerisches gesehen zu haben, letzteres empfängt einen Gesamteindruck, ein Bild.]

Jedes Sehen ist subjektiv, das künstlerische Sehen aber welches Meldung macht von der Art und Stärke der künst- lerischen Beanlagung (welche nichts anderes ist, als starke Sub- jektivität, Eigentümlichkeit), ist das Subjektivste, was es giebt. Ein Künstler sieht nur, was ihm an einem Sichtbaren gefällt, was er daran geniesst, liebt. Dadurch charakterisiert er das Objekt und sich (seine Auffassung). Wo dieser Prozess vor sich geht, darf man von „Kunst" reden. Es kommt darauf an, was sich jemand von der Welt als sein Teil aussucht; denn, dass er die ganze nicht haben kann, begreift jeder Akademie- schüler. Wie weit er nachher Herr seines Genossenen ist, das ist die zweite Frage, die über den Wert eines Künstlers gestellt werden kann und mit entscheidet.

Beobachten ist noch keine Kunst; aber eine Anschauung haben und sie warm also nicht auf kaltem Wege über- tragen, da fängt sie an. Nicht dass einer sieht, sondern was er sieht, d. h. in wem sich's spiegelt, und was er davon als interessierend und wesentlich erkennt, ist das Entscheidende. Mein Hausknecht sieht auch.

(Ein Mensch, der beobachtet, ist darum noch lange kein besonderer Mensch. Das ist der Naturzustand. Er ist nur kein Krüppel, nicht durch die Schule etc. verdorben. Siehe die Kinder. Also das macht den Künstler noch nicht, da spricht man noch nicht einmal von Kunst.)

Es giebt komische Leute, die pochen darauf, dass sie nichts lernen wollen, weil sie „ihre Individualität" zu verlieren fürchten. Als ob einer von der loskommen könnte! Sie versäumen also nur das gewöhnlich nicht sehr Besondere --zu erziehen.

Solche komische Leute erklären dann gewöhnlich, dass sie malen, „was sie sehen". Als ob nicht alles darauf ankäme wie einer sieht, und was er bei der Seele hat.

118 BÖCKLIN-AUFZE1CHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Es giebt gebildete und ungebildete Menschen und eben- solche Augen.

Schliesslich ist ja jedes Sehen eine Auffassung, eine Ge- hirnfunktion.

Verschiedenen Leuten wie verschiedenen Zeiten kommt es auf sehr Verschiedenes an. Jeder sieht was er brauchen kann, auf seine Art.

Ein Chinese, ein Hottentotte, ein Quattrocentist „sieht sich die Sache an". Sollte er sie nicht anders sehen als wir? Und wenn?

*

Es kommt schon darauf an, wieviel Blut im Gehirn ist. Jedes Kind weiss, dass die Farben sich verstärken, wenn man den Kopf zwischen die Beine nimmt.

Je leerer das Hirn, um so „optischer", unbeeinflusster ist das Sehen. Es lebe der Packträger!

„Mais", sagt Viollet-le-Duc, „ce n'est pas sur lagrossier- ete des sens du plus grand nombre que nous pouvons etablir les regles de l'art."

Der Frosch fragt den Adler, der da ganz oben kreist: „du, was siehst du?" Und der erzählt ihm von Wäldern und Gebirgen und Flüssen und Städten. „Du Schwindler", denkt der Frosch, der im Graben sitzt und sich auch noch in seinem Loch ganz genau vorsieht, dass ihm kein Schaden von irgend- woher geschieht.

Wenn man nur immer das Bewusstsein des absolut ver- schiedenen Gesichtswinkels sich erhalten wollte, unter welchem zwei Menschen, die auf verschiedenen Wegen daher kommen, die Welt anschauen, noch dazu ein Maler und ein Gelehrter!

Man sollte nicht bloss sagen: das sieht mein Hausknecht auch, sondern auch: das sähe mein Schuster, Schneider, Friseur, ein Weinreisender, mein Pudel etc. aber ein Maler nicht.

Sehen! Ja Sehen und Sehen. Was alles haben Böcklins Augen wie seine Bilder beweisen gesehen!

Anstatt sich zu freuen, dass wieder einmal jemand indi- viduell ganz mit eigenen Augen aus eigenem Schädel zu sehen wagt, schrieen die Philister wie immer: er sieht anders als die Herde, als wir kreuzige ihn! Freilich ist das ein besseres Zeichen für ihn, als wenn sie Hosiannah! geschrieen hätten.

SEHEN 119

Wer sieht denn in Deutschland? Paul Meyerheim sagt: „Die Deutschen sehen mit den Ohren."

Wir wollen ausserdem unserem Wissen Genugthuung be- reiten, nicht nur unsere Phantasie anregen lassen, die nun ein- mal nicht zu Hause bleiben kann, wenn wir ein Kunstwerk betrachten.

„Denkfaul" sagt man wohl. Sehfaul ist noch viel häufiger.

Dass in der Kunst (also in der Anschauung und Dar- stellung des Sichtbaren) das allgemeine Stimmrecht resp. die Majorität wenig Wert hat, sollte in weiteren „denkenden" Kreisen

begriffen sein.

* *

Horner in Zürich, damals wohl unser bedeutendster Augenarzt, erklärte unserem Böcklin, er habe noch keine so vollkommenen Augen gesehen.

„Sie können wohl in ziemlich helles Licht sehen?" „Ich sehe sogar gern in die grösste Sonne."

Über das, was einer Sehen nennt, ist schwer höflich zu streiten. Man diskutiert dabei eben um seinen Intellekt.

Kunstwerk und Beschauer.

Wir sind nicht mehr gewohnt, so viel Erfahrung und Ver- stand lediglich im Dienst einer künstlerischen, in keiner Hin- sicht spekulierenden (rechts oder links schauenden) Bestrebung thätig zu sehen.

Wir wenden uns mehr als je mit unserer Kunst an die Massen, und diese sind mehr als je verstandesmässig erzogen, ihre Bildung ist immer abstrakter geworden. (Die Eitelkeit der „gebildeten Masse" in der Kunstfrage, ihr Eintritt in die- selbe, ist gleich der der Ungebildeten.) Die „Kunst" ist dabei in Angebot und Nachfrage auf den Markt geworfen, hat den Forderungen ihrer Abnehmer nachzuforschen, und ist damit ruiniert. Der Markt will nicht, kann nicht ergo haben wir keine Kunst.

Wer sieht denn, ohne zugleich an eine Verwendung für sein Empfindungs- oder Verstandesleben, für sein Interesse zu denken, wer vergisst sich selbst und seine Welt, sowie die Welt um sich herum vor der Welt des Kunstwerks? Wer stellt den Strom seines eigenen Lebens ab, um nur allein durch die Augen in der Anschaungsthätigkeit eines anderen zu leben?

Man kann ja in ein Kunstwerk mancherlei Interessen hineintragen (und das wissenschaftliche, archäologische, histo- rische, ästhetische etc. ist dabei genau so viel wert, wie ein an- deres, an sich geringeres) - - aber je nach ihrer Befriedigung den Künstler beurteilen, den keines von diesen Interessen geleitet hat, ist doch wenigstens gedankenlos und ungerecht.

Was den Laien an einem Motiv oder Bild interessiert, wird den nicht spekulierenden Künstler meist als unvermeid- liches Vehikel langweilen.

KUNSTWERK UND BF.SCHAUER 121

Jeder sucht eine Wiederholung des ihm als vorhanden Bekannten im Kunstwerk. Aber alles Kennen und Wissen führt uns dem fremdartigen Leben desselben nicht näher.

So ein Bild auf das betrachten, was einen persönlich inter- essiert, kommt mir vor, als wenn man in den Freischütz geht wegen der Wolfsschlucht.

Wer sich nicht an ein Kunstwerk ausliefern kann, viel- mehr dasselbe an sich selber misst; wer nicht sozusagen gläubig (mit gutem Willen), sondern kritisch (mit sozusagen bösem Willen) herantritt, hat schon keine Berechtigung mehr mit- zusprechen. Vor einem Kunstwerk sollte man gar nichts denken und gar nichts fragen. Sobald man das thut, hat der Künstler seinen Zweck verfehlt.

Offen, klar und voll wie ein Glas Wein muss das Kunst- werk sein.

Freilich für den Beschauer, der nur Zerstreuung sucht (der nur sich mitbringt, anstatt sich zu Hause zu lassen), öffnet sich kein Kunstwerk.

Alle „Korrekturen" und Ausstellungen des betrachtenden Publikums beruhen auf Kennen und Wissen, haben aber gerade darum mit dem künstlerisch-schöpferischen Sehen gar nichts zu thun.

Wir haben uns nur beim Künstler (vor seinem Werke) Rats zu erholen über das, was er gewollt (wir müssen ver- suchen, dem Werdeprozess des Kunstwerks zu folgen), gewiss nicht bei uns, unserem Denken, Empfinden, unseren Interessen und Wünschen.

Umgekehrt muss der Maler mit seiner Umrechnung den Beschauer daran erinnern, was dieser selbst einmal von der Natur etc. gehabt hat. Er muss darauf rechnen. Denn seine Farbe ist eben sein Dreck in Tuben. Er hat schwarz und weiss und dazwischen allerlei Pigmente, die wohl farbig sind, ja, aber ihm fehlt das Glänzende, Strahlende. An dessen Darstellung, Beschreibung sozusagen, muss er einen grossen Teil seiner Ge- schicklichkeit, Geistesgegenwart und Erfahrung wenden.

Böcklin als Lehrer; Schüler.

Böcklin hat niemals eigentliche Schüler gehabt (geschweige solche, die ihm hätten helfen können), trotzdem er in Weimar Professor und in Florenz der Mittelpunkt eines grösseren Künstlerkreises war.

Man hat auch behauptet: er dürfe existieren, aber Schüler verdürbe er. Ich stelle das Paradoxon auf, dass die ganze deutsche Malerei bei ihm in die Schule gehen soll. Ein Lehrer sollte er sein für die malerisch schaffende und empfindende Welt. Die Logik seiner Kunstwerke sollte beide in Erstaunen versetzen, umsomehr als sie immer nur der technische Träger einer Idee ist und niemandem eine Träumerei verdirbt. Ich glaube, unsere malerische Zukunft liegt in diesem Mann, und wenn ich, wenigstens in Künstlerkreisen, um mich schaue, sehe ich und gewiss am meisten in der Reichshauptstadt die Zahl derer wachsen, die nicht zu Nachahmern und „Schülern" gemacht sind, sondern deren klares Talent sie die Klarheit Böcklins erkennen und ihm folgen lehrt, auf eigenen Beinen.

(Er ist ein eminenter Lehrer, aber freilich nur für Er- wachsene, die nicht glauben, sondern erkennen und darum doch sich selbst nicht preisgeben. „Da hat er Recht", muss einer sagen können „da aber fange ich an". „Das kann ich brauchen, damit kann ich wachsen" und das wird ungeheuer viel sein!)

Eine Reihe von Böcklins „Schülern" haben ihn la Lang) in ihrer unkünstlerisch ästhetisierenden Simpelei zehn Jahre schlechthin für ihresgleichen gehalten und missverstanden, und später, als sie sich enttäuscht fanden (gesellschaftlich und persönlich wurde ihm so einer gelegentlich zu dumm, seine

BÖCKLIN ALS LEHRER; SCHÜLER 123

Geduld riss, er überlegte sich's, mit wem er da eigentlich seine Zeit versitze und Hess ihn fallen) erst recht, indem sie ihn plötzlich für roh, einseitig, handwerkerhaft, vorurteilsvoll, in- tolerant erklärten. Sie erklärten damit nur sich selbst.

Böcklin streitet jedem die Berechtigung ab, sich seinen Schüler zu nennen. Den einen und anderen, besonders Sand- reuter (der fähigste aus dem Kreise) habe er wohl häufiger im Atelier besucht und wie immer seine Meinung offen aus- gesprochen. Wenn der aber ihn nachahme und sich verrenne, dafür könne er nichts.

Allerdings möchte er Schüler haben, d. h. Mitarbeiter in der alten Bedeutung, dass sie in seinem Sinn fertig machten, was ihm, der sich künstlerisch ausgesprochen, seine Aufgabe gelöst hat, durchzuschustern zu langweilig wäre, während sie dabei, ausser der Übung und Erfahrung lernten, worauf es ihm ankommt (seine grosse Anschauung und einfache Darstellungs- art). Aber dazu sei der Geringste zu stolz.

Sandreuter, der so fliegende kluge Studien vor der Natur macht, skizzenartig, aber alles Wesentliche enthaltend Sandreuter krystallisiert sich niemals sozusagen eine ganz sein gewordene Figur, sondern interessiert sich studienmässig für das Einzelne, und so wird dann, während er etwa einen Fuss zum „Fuss" machen will, daraus ein Ding soo lang und ge- waltig .... Das Ganze war ihm darüber verloren gegangen.

Von denen, die bisher „mitgemacht" haben, ist der einzige Bruckmann vielleicht eine Hilfe für ihn obgleich er im strikten Gegensatz zum Alten (den dieser empfindet und aus- spricht) nicht recht von der Stelle kommt und etwas Tiftler ist. Andrerseits ist zu überlegen, dass Bruckmann noch stark mit sich ringt; denn er kommt von Marees, Hildebrand etc. her. (Böcklin wirft Marees etc. vor, dass ihr Theoretisieren an Bruckmanns römischer Unthätigkeit Schuld sei). Sobald man ihn vor eine positive Arbeit stelle, arbeite er wie einer, wie man an der (inzwischen zusammengefallenen) Licht- spenderin*) sehe.

Einfluss? Böcklinianer? Ich sehe keinen und kenne keine. Auch die italienische Farbe ist spontan und ganz

*) Fackeltragende Sklavin aus Tettmayerschem Stuck. A. d. H.

124 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

anders gemeint. Er hat nichts damit zu thun (wie Dr. Hans Barth gelegentlich der venetianischen Ausstellung von 1887 im „Berliner Tageblatt" meint).

Böcklins optische Weisheit macht ihn schon zum Lehrer, (nicht einzelner Schüler, sondern der modernen Malerei) durch- aus nicht seine Genialität, seine grossartige Anschauung. Er ist Lehrer für alle, die absehen von den Surrogaten und Reizmitteln in der Kunst, von der angewandten Kunst. (Patriotismus, Sinnlichkeit, Atelierwitze etc.)

Man soll von niemandem so wenig von einer ver- gangenen Zeit wie von einem lebenden Menschen lernen wollen, was er macht, sondern wie er's macht: seine Prin- zipien, Erfahrungen. Und hier sind Erfahrungen gemacht, mangelnde Überlieferungen ersetzt, Wahrheiten wieder in Erinne- rung gebracht, Raisonnements bewiesen, Prinzipien wieder auf- gestellt und ohne jeden akademischen Schein ad oculos demon- striert, hier hat er der Malerei wieder zu einem bewussten und umgänglichen Schatz von lebendiger Erkenntnis verholfen und ihn in seinen Bildern aufgespeichert.

Darin muss er Vorbild, Lehrer sein, epochemachend, wenn es noch einmal wieder aufwärts gehen soll.

Ich weiss nicht, ob wir nicht ein Recht auf den Wunsch nach einem Glaubensbekenntnis hätten, warum wir es nicht haben sollten ( in der Kunst meine ich, der lebenden; denn die Tempelwächter, die Ästhetiker, haben ihre Bekenntnisse). Der Dilettantismus zusammen mit dem Lernbaren greifen immer erschreckender um sich unter den sogenannten Malern, was will man da vom Publikum sagen! Es ist hier wie mit dem Theater. Man sucht die Ausstattung, nicht das Stück, den Virtuosen voller Nuancen, nicht den auf warmem Wege schaffen- den Künstler.

Die Summe von Erfahrung, Können und Wollen, die grosse Anschauung, die Fülle dieses Hirns und Herzens, die sich hier zur einfachsten Einheit kombinieren, müsste anziehen, sollte die Berufenen nachdenklich machen und zur Selbstprüfung anregen.

Aber im Lande der Denker (— und mit Denken allein fasst man allerdings das Kunstwerk nicht ) giebt das Ausder-

BÖCKLIN ALS LEHRER; SCHÜLER 125

uniformtreten keinen Kredit, das gesellschaftlich Nichtmit- spielen noch weniger.

Jeder, dem es um die Kunst ernst ist, und der den Preis kennt, um den sie, selbstzufrieden genug, heute Mode ist, resp. dienen darf, müsste mit Hoffnung und Dankbarkeit auf die unabhängige selbstbewusste Gestalt Böcklins blicken.

Böcklin und das Monumentale.

Mit seinem Sinn für Improvisieren aus der reichen Fülle seiner künstlerisch empfangenen und poetisch vorgestellten Eindrücke, ebenso mit seiner wie bei jeder Farbenkunst dekorativen Art auch das Intimste klar auszusprechen, anstatt des Zufälligen das Wesentliche, statt des Vielen das Grosse zu suchen, einer Richtung, die ihn von allen Seiten ebenso von der blossen Landschaft wie vom Porträt wegzieht und selbst- verständlich vor jeder Gedankenmalerei, vor Historie und Genre bewahrt mit dieser seiner künstlerischen Individualität hängt auch Böcklins Sinn für das Monumentale zusammen, den zu bethätigen er so wenig Gelegenheit hatte.

(Alles Monumentale kann und sollte unbeschadet aller anderen berechtigten Ansprüche dekorativ so sehr dies Wort im heutigen Atelierjargon verpönt ist sein, d. h. durch die Farbe, Licht und Schatten räumlich, klar, deutlich, einfach und gross wirken [und für seinen Platz gedacht sein].)

(Das Monumentale muss trotz aller ästhetischen Ein- wendungen — dekorativ sein, muss es in allen wirklich lebendigen Kunstperioden gewesen sein, und braucht dadurch an Grösse der Anschauung nicht zu verlieren.)

(In unserem Sinne [d. h. für den Böcklinschen Fall] ist das Monumentale zugleich das Dekorative, wie früher, wo alle Kunst nur dekorativ gedacht war, wo die Künste „sich nicht gegenseitig schwächen, sondern stärken, zur Geltung bringen wollten". [Viollet-le-Duc]

Dass die Kunst nicht stets dekorativ sein müsse, konnten uns erst die Akademien [wieder die Renaissance, ebenso wie in der Farbenfrage bei der Skulptur] lehren, [in deren geistiger

BÖCKLIN UND DAS MONUMENTALE 127

Gefolgschaft wir noch heute marschieren] indem sie die Malerei und Skulptur ins Atelier verwiesen und selbständig machten. Dort liegt die Wurzel aller Missverständnisse, aller Dekadence und auch alles modernen ästhetischen Schlittschuhlaufens.)

Von anderer Seite befähigen Böcklin sein erworbenes technisches Können, seine mancherlei Erfahrungen und seine gewaltige praktische Arbeitskraft dazu. Nur in den Dienst einer Tendenz ( der Geschichte z. B.) wäre er nicht zu ziehen.

Trotz alles Gegenscheins, trotz meiner Behauptungen von seiner unbeeinflussten Subjektivität, hat er doch fast noch nie malen können, was er wollte, d.h. sich, ganz von allen Bedingungen äusserlicher Art frei, selbst darstellen können. Es war ihm stets nur möglich im kleinen er selbst zu sein.

Wer sich wie Fr. Pecht die Mühe nicht hat verdriessen lassen, die Basler Fresken zweimal zu sehen und sie zu bewältigen, der wird zum Lohn die Überzeugung gewonnen haben, dass alles in ihm zum Monumentalen drängt und wir ihn vorüber gehen lassen ohne zugegriffen zu haben.

Von Schack an ist er immer mehr Monumental- maler geworden.

Auch bei ihm ist nur Natur; aber nicht mit solch miss- verstandenen Ansprüchen der Einzelheiten, dass sie nicht dekorativ-monumental wirken könnte.

(Die französische Landschaft hat dies Joch seit Rousseau abgeschüttelt und ohne Widerspruch.)

Ich bin der Überzeugung, dass, nachdem der Gedanke, die Empfindung, die Bedeutsamkeit, Tiefe etc. am Ruder ge- wesen sind und keinen dauernden keimfähigen Frühling gebracht haben, die Wege einer neuen Monumentalmalerei, die aller- dings in direktem, bewusstem Gegensatz zu der verflossenen Kartonzeichnerei stünde, allein in Böcklins Bestrebungen und Leistungen zu finden sind.

Ich sehe in ihm den Künstler, der uns gegenüber dem sogenannten Gedanken etc. und der bedeutsamen blassen Form, den Weg zu einem neuen, wahrhaft malerischen, durchaus und unverfälscht echten monumentalen Stil nicht bloss zeigt, sondern ihn in seiner ganzen Thätigkeit als mit Bewusstsein und Er- folg betreten aufweist.

128 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Die Rehabilitation des Lichtes (und implicite der Farbe nicht der bloss dekorativen, sondern der sprechenden, kom- ponierenden — ) und des Raumes, den es nebst der Form schafft, als deren bewusstester Vorkämpfer Böcklin betrachtet werden muss, ist das Wesentlichste, was unserer heutigen Kunst vorbehalten ist. Ob sie es der Konvention und dem Affaris- mus gegenüber löst, ist eine andere Sache.

„Eine wahrhaft monumentale Malerei soll wie eine grosse Improvisation sein."

Zum Überlegen: Wie steht die Frage vom Repräsen- tieren resp. nötigen Komödiespielen zu der Böcklinkunstfrage? Z. B. ein König von Preussen setzt sich seine Krone selbst öffentlich auf. Er kann das nicht thun ohne gewisse Feierlich- keit etc. Für was thut er das? Für die Wirkung auf andere, die beabsichtigt ist. Die Handlung selbst (die nun freilich kein Kunstwerk ist) wäre vollendet mit dem simplen Übernehmen vor den zuständigen Personen. (Etwas Feierliches brauchen wir in der Kunst. Ohne alles Pathos geht es nicht überall. Ein König z. B. kann sich nicht die Krone beim Hutmacher aufsetzen.)

Das „Moderne" in Böcklin.

Griechen sein! Wir? Warum sind die Griechen Griechen? Weil sie machten was sie sahen, wie es ihnen recht schien. (Die Antiken haben ja keine Antiken machen wollen, soviel ich weiss, bloss wir wollen das.) Aber gleich das Ganze, mit allem Leben, und nicht davon ab und unter allen Umständen bei der ursprünglichen Vorstellung geblieben. Das müssen wir wieder, heute, rücksichtslos. Lebensvoll, wie wir es sehen und verstehen. Nicht ab davon, bevor nicht möglichst alles, jedenfalls alles Erreichbare, aus dem Eigenen gesagt und ge- geben ist. Was thun wir mit den modernen Röhrenverstopfern ! Frisches Wasser des Lebens wollen wir, und das quillt auch uns wie immer, wie für die Griechen. Nur dann sind auch wir Griechen, wenn wir's auf unsere Art fassen. Aber hier schläft alles oder treibt Röhrenverstopfen.

Haben wir nicht so gut wie sie in den Butterblumen ge- legen, unter denselben Apfelbäumen ins Blau geträumt? Ist das nicht dieselbe Welt, aus der sie ihren Honig sogen? Ist das Leben nicht schön? Und wenn sie anders sein mag, unsere Natur, in der wir geboren, vielleicht ist es doch dieselbe: versuchen wir's nur mal! Vielleicht packen auch wir sie das Leben, immer nur das eine!

Aber wie hätte wohl ein Schaffender in dem Moment, wo er alles in sich zusammenrafft, was ihm gehört, und darum produktiv, fortpflanzbar, zeugungsfähig ist Zeit daran zu denken, wie das sein Kind wohl ein anderer gemacht haben würde Raffael oder Phidias ganz gleich. (Wie- viel hat man schon bei Rubens zu überwinden. Was geht uns gar die Antike an, d. h. die Allüren der Antike. Die Alten hatten ihre Gründe, das so und so zu machen, die wir nicht

Floerke, Böcklin. 9

130 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

mehr haben. Auf das künstlerische Erkennen und Aussprechen der besonderen Wesenhaftigkeiten kommt es an. Mit seiner Zeit hat man zu thun.)

Nein, die lieben Griechen haben ihre Freude haben dürfen an der Natur und sind dadurch gross geworden: warum steht uns nicht das gleiche Recht zu?

Von allen anderen (Begas ausgenommen, der mit seinem Berliner Brunnen, gesteckt voll Leben, einen monumentalen Böcklin macht) wagt sich keiner heraus. Höchstens dass mal einer seinen Neuerungstrieb in antiquarischen oder kostümlichen Scherzen beruhigt. Alles horcht aufeinander oder auf etliche mit der Gewalt bekleidete, um nicht Gewaltige sagen zu müssen.

Cornelius hat doch wenigstens seiner Zeit seine Be- hauptungen mit Stentorstimme in die Welt hinausgeschrieen, heute wagt keiner was.

Aber: trotz der Welt wird das Gute gemacht.

Gott sei Dank, dass wir mit Böcklin endlich einmal aus der Kunstgeschichte herauskommen! „Das sind keine griechi- schen Sirenen . . ." Also Gott sei Lob und Dank nein! Das sind seine, seine Kentauren, sein Ungeziefer, seine See, sein Leben, „die du nicht gemacht" kann er in prometheischem Trotz sagen, und zu denen ihm kein Wissender die Regeln vor- geschrieben hat. Die Natur und seine Natur zeugten das allein.

Warum soll er im Meer nicht mehr sehen als das Nasse, das Badewasser? Warum soll er mir nicht mit seinem Sturm und Sonnenschein ins Herz greifen? Lassen wir getrost Conrad Fiedler Recht haben und auf kalten ästhetischen Höhen wissenschaftliche Schlittschuhblumen beschreiben, und freuen wir uns mit Böcklin in den Butterblumen des Thaies, in der lebenschaffenden Sonne.

Auch ich will hier keinen Band vergleichender Weisheit schreiben, sondern ebenfalls nur thun und sagen, was mich freut.

Farbige Skulptur.

Die Frage von der farbigen Skulptur war Böcklin wie mir seit dem ersten Sem per- Lesen absolut klar. Was vor- her künstlerischer Instinkt und Vermutung gewesen, wurde damit zur Gewissheit. Wie hatte man nur den Griechen, diesen prächtigen Orientalen, das weisse, augenverderbende, schreiende, in der Sonne unförmlich werdende Zeug bei den Gegensätzen zutrauen können. Alles, was Semper, Fechner, Treu etc. zusammen boten, war uns aus dem Herzen gesprochen. Wir gingen weiter. Es war ja lächerlich, einem reichen Mann zuzumuten, er solle auf das Material Rücksicht nehmen. Natür- lich nahm man für ihn das beste, geeignetste. War Marmor angezeigt, so wuchs er noch dazu vor der Thür. („Ach so, das „herrliche Material!" Na der dumme Philisterschnack [Nur nicht gleich so grob!] gehört genau wie all das andere zu den anerzogenen Vorurteilen, der „Pauvretät", den überkommenen, ins Blut übergegangenen Dogmen einer Zeit, die von falschen Anschauungen ausging. Marmor ist einfach Baumaterial wie Ziegelstein auch.") Auch Bronze, aus technischen Gründen für gewisse Gegenstände gewählt, war nur Material und wurde farbig behandelt (ein ägyptischer König nahm vielleicht Gold, weil er's konnte).

Die Vorstellung wie die Ausführung war farbig, nicht zahm, sondern leuchtendfarbig, mit Sonne, Vegetation, Dekoration, Teppichen, Malerei im Einklang, ein gleiches Produkt gleicher Bedingungen.

Was die Bronze betrifft, so war den griechischen Künst- lern nicht zuzutrauen, dass sie Werke in einem Material hätten schaffen mögen, dessen farbiges Aussehen sie nicht in Berech-

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nung ziehen konnten, weil es mit der fortschreitenden Oxy- dation von Tag zu Tag ein anderes werden musste.

Zudem die leeren Augen des Marmors und die Email- augen der Bronze. Sollte ein ungelehrter künstlerischer Instinkt wie Böcklins es begreifen, wie einer, der Menschenbildner war, auf die Darstellung dessen verzichten könne, was für das innere Leben des Menschen am wesentlichsten ist, wie er das Auge (des Marmors) „in weiser Beschränkung" tot lassen konnte? (Man überlege doch: wenn jemandem nur ein Auge fehlt, wie viel fehlt gleich seiner Erscheinung! Und alle beide, das ganze Leben werfe ich weg! Allerdings helfen sich die Heutigen wie sie eben können mit bildhauerischen [!] Pupillen. Da soll man seinen Figuren doch lieber gleich die Augen zu machen wie beim „Barberinischen" Faun in der Münchner Glyptothek.) Eben- sowenig gewiss Hess sich das einsame kalte Emailauge dekora- tiver grüner Bronzen verstehen. (Das moderne „Auge" in der Skulptur ist eine natürliche Konsequenz der Renaissancemiss- verständnisse und des ausdrucksmittelbedürftigen Talents. Ver- rocchio mit seinen immer gleich spitzen Augen, Michelangelo etc. erscheinen den Herren heute mit so einem Auge wie ein Knopf oder wie ein Bohrloch, ein unmöglicher Eingriff in die Fläche. Der einfachste Schluss wäre nicht, dass man jemals die Farbe aufgeben konnte ohne sie so oder so, also durch die Form zu ersetzen, sondern dass man trotz der verzwungenen modernen Bildhauerei, welche die Renaissanceästhetik auf dem Gewissen hat, auf sie, die Farbe, in irgend einer Weise zurück- kommen muss.)

In der That hatte Böcklin das auch nie begriffen. Und so war der Farbenmensch bei der ersten Anregung und darauf- folgenden Beschäftigung mit der antiken Skulptur sofort von ihrer Farbigkeit überzeugt. (Er hat nicht, wie es die Wissen- schaft musste, entscheidende Thatsachen abgewartet, sondern seinem kongenialen künstlerischen Empfinden geglaubt, die innere Notwendigkeit der Farbe in den antiken Skulpturen gefühlt.) Hatte er doch, da er von jeher sein eigener Ästhe- tiker war und nie wie die Menge und wegen ihrer gesehen, keinerlei Überkommenes oder Konventionelles über Bord zu werfen. Zudem hat er als Künstler lange im farbenfrohen Süden gelebt, beobachtet und geschaffen. Hier wollte es denn

FARBIGE SKULPTUR 133

auch der Zufall, dass er anfangs der sechziger Jahre, glaube ich den Augustus des Braccio nuovo*) in der Villa der Livia in seiner ganzen, jetzt verblichenen Farbenpracht aus- graben sah. Diese Vorstellung trug er seither mit sich herum, auch nach Pompeji, wo er so manches Stück in seinem wirk- lichen Farbenglanz der Erde entnehmen sah, das ihn über die Farbenfreude, das Farbenbedürfnis der Alten künstlerisch völlig aufklärte.

Die Stellen über farbige Behandlung bei antiken Schrift- stellern hatte er bald selbst gefunden. Er höhnte schliesslich, wenn man diesen klugen Griechen, diesen ganzen Kerlen, die Halbheit der Farblosigkeit in ihrer Skulptur zutraute und, selbst verbildet, sie mit den dummen Theoretikern und Affaristen der Renaissance (vor deren Doktrinarismus und der durch ihn irregeleiteten Kraft er nie einen besonderen Respekt gehabt hat) in Italien verwechselte, die aus sich selber nichts hatten, in der Natur nichts sahen, und erst als der Zufall ihnen die Antike in die Hände spielte resp. ihr Wert klar wurde, etwas merkten, zu messen und nachzuahmen, aber auch sofort misszuverstehen anfingen, indem sie die farblose Skulptur erfanden, nebst den ästhetischen Anpreisungen dazu. Diese Nachkommen der Etrusker und Römer, in ihrem verwüsteten Lande ohne Tradition, wollten die Griechen verstanden haben, die in Sonne und Farbe schwammen, an dem Meer, in der Formation und Vegetation diese Teppichweber mit der ganzen Tradition der uralten afrikanisch-asiatischen Welt! (Die Frage ist klar: dass wir mit der „farbigen Skulptur" die Renaissance aufgeben müssen. Das hat man sich durchaus vor Augen zu halten. Theoretisch wie praktisch ist es mit ihrem Lehramt aus.)

Dazu kamen technische Erwägungen. Wer konnte denn so einen Relieffries in der Höhe überhaupt sehen? Welcher Narr verschwendete seine Arbeit dort. Ein Grieche? Wer lacht da? (All die Freude, die er am Leben, an der Er- scheinung gehabt hat, will doch gewiss der genussfrohe Grieche aussprechen, darstellen. Und dazu gehört doch in erster Linie die Farbe.

*) Die Augustusstatue im Braccio nuovo des Vatikanischen Museums wurde 1863 in der Villa der Livia bei Prima Porta an der alten Via Ftaminia gefunden. A. d. H.

134 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Aber dies Geniessen war ein künstlerisches. Also macht er auch nur, was ihn als Künstler freut, aber das so einfach, sicher und prachtvoll wie möglich.) Farbe ist da, um die Fläche aufzuheben, um Raum zu schaffen, vor- und rücktreten zu lassen. Ihrer selbst willen angewendet, würde sie in der Skulptur freilich Dummheiten abgeben. Sie ist da, um deut- lich zu machen, die Figuren scheinbar frei und rund hinzustellen und um das zu wiederholen: überhaupt erst auf die Entfernung und bei der Gesamtfarbigkeit sichtbar und selbständig zu machen resp. den Raum zu erweitern, die Handlung eindringlich zusammenzufassen und zu trennen, alles wie etwa beim Parthenonfries.

Die Farbe spricht da, wo die Form nicht mehr sprechen kann. (Wir haben wenig Plätze, wo die Skulptur das Licht hat, unter welchem sie gemacht wurde, und das also für ihre gewollte Wirkung wesentlich bleibt. Ferner haben wir so wenig wie die Alten Räume, in denen weisse Gipse oder Marmors für einen halbwegs selbstgewachsenen und selbsterzogenen Ge- schmack möglich sind, so wenig etwa wie Photographien und Stiche dekorativ eintreten können, wo man auf farbige Wirkung ausgeht die Farblosigkeit ist eben nur übertragen, phrasen- haft, geistreich vielleicht mais voilä tout.)

Was für eine Natur, wie die Böcklins, den Reiz (an jenen Entdeckungen) erhöhen musste, das war zuerst der Versuch das am Augustus Gesehene selbst zu machen, dann aber das neue Material: ein Zement, der heute knetbar wie Ton und wenige Tage darauf mit dem Meissel zu bearbeiten war, an dem man hinzuthun und wegnehmen konnte*) aus dem man ein Original schuf, direkt aus den Händen des Bildners her- vorgegangen, eine Schöpfung, bei welcher der Bildhauer Böck- lin bei der Arbeit stets den Maler Böcklin im Auge hatte, und ersterer nichts machte, was letzterer besser auszudrücken ver- mochte oder tot gemacht hätte. Also von vornherein keine zu bemalende Statue, sondern eine vom Maler und Bildhauer in

*) Dieser Zement hat nun freilich getäuscht und ist nach allen Seiten gerissen. Aber die Hoffnungen ruhen wieder auf einem neuen. A. d. Verf.

FARBIGE SKI 135

einer Person für die farbige Erscheinung und ihre Hilfsmittel dazu erfundene, ... i te Figur.

Ich sah ihn während der Arbeit. .Weg mit den Falten!

So müssen sie liegen, dann sprechen sie. so, das ist viel deut- licher", oder: ..Man kann mit der, Falten nicht so tief gehen, weil sie ja ein durchs : ges Gewand darstellen und man selbst unter den Schatten das Fleisch schimmern sehen muss' . _Ein Eindruck .. gesu : werden, wie er empfangen ist

also farbig. Darauf kommt es an, ebensogut in der Ski

Als das Allerbescheidenste wäre zu vt . .n, dass wo die S ihr ausreichendes Licht von aussen weder voraus-

.n noch verlangen kann, sie es sich, wie die Malerei, seiber rgt. Mindestens in diesem Sinne der aiso den Maler bei der Er:, gong des Kunstwerks voraussetzt, ist Büeklin :h die 5eele der augenblicklichen Mode :nrersuchc Bruckmanns, seines einzigen nachgiebigen und nachkommenden Schülers. Bruckmann sucht nur auf die Intentionen des Aiten, die die farbige Erscheinung zum Zweck und vor Augen haben, einzugehen. Dann ist der Alte gegen das Werk des Bildhauers unerbittlich, wie gegen sc ic c zenen. Das weg weg was grau in grau vielleicht von Bedeutung für Klarlegung des Gedankens war. muss für die Farbe abs anders behandelt werden . . . Der Meissel muss unbarmfu heraus . . . Weg damit denn erst seit man sich das Ding

g denkt, sieht man, dass das unnötig und folglich - war . . .

Wie manche Antiken versteht man in ihrer rühret! Unverschämtheit erst, wenn man bedenkt, was der prakl sc . er dem praktischen Maler .ss. Hundert u

Fliehe Marmors werden einem klar, ein horizon;..; abge- ; mittener Hin:. . e nes Sitzenden, ein rohes Gewan< .: emaillierte Augen und tausend D erst ver-

stehen kann, wenn vorausgesetzt, - zuer sie mit

Bewusstsein seinem Kollegen von --spart h.

der das wirksamer konnte. Man macht nur die Hauptbeweg

*> Formal, nicht technisd

136 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

und nicht auch die kleinen Nebenregungen, wenn man auch nur einen farbigen Schleier darüber legen will.

Also: was er dem Maler vorbehielt, machte der Bildhauer nicht, was er ihm vorbereitete, wirkt heute als Selbstzweck, also anders wie beabsichtigt. Wie Unrecht thun wir demnach immer noch (so gut wie Winckelmann den Griechen mit seinem Lob- gesang auf den Apoll vom Belvedere) mit Lob und Tadel über heute farblose Skulpturwerke, wenn wir nicht lernen sie uns, dem Künstler nachempfindend, zu erklären und im wesent- lichen zu ergänzen. Darin geht es manchem, der genauer nach dem „Warum" des Künstlers gefragt hat, anders als den Archäologen und sonstigen „von der Farblosigkeit herkom- menden" Erziehungsmenschen (so benehmen sich alle Germanen als arme Leute oder homines novi dem Stoff [Marmor! Bronze!! Gold!!!] gegenüber wie die Bettler. Als ob der den Griechen hätte interessieren können, abgesehen von der vom Material zu verlangenden Vorzüglichkeit, Vornehmheit etc.). Abgesehen davon, dass ich gegen die Farbe niemals etwas hatte, stand ich vor einer Menge oben angedeuteter Rätsel, die erst lösbar ge- worden sind, seit wir uns zu so manchen skulpturalen „Nach- lässigkeiten" und eigentümlichen Rechenexempeln den bisher ausgelassenen Faktor der Farbe hinzurechnen dürfen.

Am komischsten waren uns die Halben ä la Kugler, die weissen Griechen mit vergoldeten Haaren und kleinen bunten Säumchen um die Gewänder, oder die bronzenen mit email- lierten Augen und sonst nichts, deren Patina jeden Tag anders aussieht, wie als der Künstler sein Werk fertig sah. Sehr ver- ständig und positiv erschien uns dann die Rede von Guido Hauck (Berlin 1885) über „die Grenzen zwischen Malerei und Plastik und die Gesetze des Reliefs" bis zu der Thorwaldsen- alternative, wo wir uns zwar nicht ganz auf die Gegenseite schlugen (Böcklin vielleicht), aber jedenfalls ihre Aufstellung für falsch hielten und die überkommenen Anschauungen, alias Bil- dungsvorurteile in der Überschätzung Thorwaldsens zu Wort kommen sahen. Aber der Gipfelsatz konnte unterschrieben werden:

„Wenn man allgemein das Bestreben, im Relief den Flächeneindruck zu überwinden, als ein Ausgehen auf male- rischen Effekt bezeichnet hat, so dürfte hierin gerade im Gegen-

FARBIGE SKULPTUR 137

teil ein Entfernen vom Malerischen (d. h. von der ebenflächigen Abbildung) und Hinzielen auf erhöhte plastische Wirkung er- kannt werden."

Ich fand in ihm (ohne sonst gegen seine Logik etwas sagen zu können) freilich die falsche Voraussetzung, als könne es ebenflächige Reliefs geben, und wenn das nicht darin ent- halten, so vermisste ich unbestritten das Bewusstsein des Schreibers, dass dies Flächenüberwinden zum grossen Teil durch Farbe geschah. Auch später redet er von farblosen Skulpturen, bei denen die Griechen klugerweise nicht versucht hätten, den Glanz des Augensternes wiederzugeben, während sie ihn in der farbigen Plastik der Malerei überlassen hätten. Das Gefühl vermisste ich hier, dass doch nicht die gleiche Zeit dergleichen nebeneinander sehen kann, dass überhaupt leere Augen tot, un- möglich, tötend für das Ganze sind und damit der beste Be- weis für die Farbigkeit aller Skulptur, wenn wir noch Beweise brauchten.

Treus Broschüre: „Sollen wir unsere Statuen bemalen" (nebenbei ein unglücklicher Titel. Es kann sich selbstverständ- lich nie um ein Färben handeln, sondern nur um das vo vornherein farbig Denken; noch schlimmer die „Buntfarbig keit der Antike" [Th. Alt]; ein unglücklicheres Wort wie „bunt" gegenüber der immer ernsthaften und sozusagen monu- mentalen Skulptur nun gar der antiken war auch nicht zu finden) brachte uns als Neues also nur die Thatsache, dass die Wissenschaft auch im Zentrum zu wanken beginnt, was wir in Florenz und Zürich, nur der Kunst und dem Leben zugewandt, übersehen hatten. Dass im Museo borbonico alles einmal farbig gewesen, hatte ich schon im Jahre 1871, von dem farbigen Pompeji aus (wo wir im Sole hausten) für mich fest- gestellt, auf Trendelenburgs Untersuchungen mich stützend und sie fortsetzend. Mit den Ausnahmen, an denen nichts zu erweisen war, war nichts bewiesen. Aber trotzdem fand Treus energisches Betonen des praktischen Probierens und sein Re- sultat: die Berliner Ausstellung plastischer Kunstwerke, als in dem Berlin Kuglers möglich, unsere höchste Anerkennung, und Böcklin-Bruckmann modellierten dazu eine „Meduse",*)

*) Aus Pozzolanerde und Kalk, zerstört. A. d. H.

138 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

die, nach einigen Versuchen und Änderungen, denn auch an verblüffender Wirkungskraft nichts zu wünschen übrig liess. Freilich, ein „Genremaler" oder ein „Tyroler" muss nicht über den Marmor kommen, und nicht jeder lebensgrosse Knote von Bildhauer, der lebensgrosse Röcke, Hosenstoffe, Uhrketten etc. aus Gips machen kann, liefert Arbeit für den Maler, oder soll sie gar selbst anstreichen, karrieren etc.*)

Die Menge der Handwerker unter den Bildhauern, die es so herrlich weit gebracht, diese Generation muss erst aus- sterben. Nur in China kann man verlangen, dass jemand sich selbst den Bauch aufschlitzt. In dreissig Jahren aber wird über ihren Leichen bei uns alles farbig erblüht sein, wir werden diese eitel aufgebauten Strümpfe und Würste, dieses impotente Wollen los sein. (Wünschen wir unseren Kindern oder Enkeln; denn jene werden noch durch weissnäsige Schul- meister verdorben wieder eine farbigere, anschauungswürdige, [und fähige] weniger von der Blässe des Gedankens ange- kränkelte Welt!)

Alles, was unsere, nach immer mehr Realismus strebenden Bildhauer stachelt, ist ja nichts als die düstere Empfindung von der Unzulänglichkeit der weissen akademischen Kunst. Wer überhaupt heisst denn der Skulptur, dem schwarzen Rock oder der Uniform, Garnitur Nummer so und soviel, Denkmäler setzen! Eine farbig gebliebene Skulptur wäre dahin überhaupt nicht gekommen. Die farbige Vorstellung und Notwendigkeit hätte sie zurückgehalten, sich unter dem Vorwande Helden zu bilden, alte Mäntel zu giessen.

Am blamiertesten werden dann, wenn die Polychromie erst wieder begriffen ist, die lieben Italiener sein; denn ihre Haupteitelkeit die Neuerfindung der Bildhauerei, ist dann endlich, gering gesagt, gegenstandslos, ihr technisches Raffinement gleichgültig selbst für Laien. (Ähnlich wie viele Maler, die nicht rechtzeitig genug das Plattenputzen lernen können, um nach Erfindung der Farbenphotographie Photo- graphen werden zu können.)

Die Farbe verdeckt keine Leibschäden der Skulptur, sondern

*) Siehe Kissling und seinen Alfred Escher auf dem Züricher Bah !i hofplatz A. d. Verf.

FARBIGE SKULPTUR 139

tritt nur ein, um das ihr möglichere mit der wünschenswerten Deutlichkeit zu übernehmen.

Freilich, dass Herr Hähnel z. B. seinen Raffael nachträg- lich bunt bekleiden solle, meint Böcklin gewiss noch heute nicht, wo er längst selber in der farbigen Skulptur thätig ist. Auch die Cauersche Gesamtvergoldung dürfte ihm ein richtiges und vielangewandtes Mittel übertreiben und wertlos machen heissen. (Die Archäologie sagt, dass sie nur Marmormalerei auf Gold- unterlage kennt. Damit sagt sie, als Wissenschaft, aber durch- aus nicht mehr, nicht etwa, dass aller Marmor zu statuari- schen Zwecken vergoldet gewesen sei. Ein Künstler sieht die Unverständigkeit einer solchen Unterstellung sofort ein und wird die Möglichkeit solcher unsinnigen Selbstermordung so klug berechnenden Menschen wie den griechischen Künstlern nicht zutrauen. Wo man so offen nach Wirkungsmitteln sucht, begiebt man sich nicht eines der wirksamsten. Das Gold braucht der Bildhauer, aber den Marmor auch [noch dazu jener, der den grosskrystallisierten pentelischen hatte und nicht die carrarische Kreide, die dann ihre eigene Technik erzeugt hat], Fleisch wird er nie vergolden [Beweis, wenn nötig, auch das zu Gold und Elfenbein Greifen]. Der Marmor wird mit der Gold- oder Silberauf lage ein ganz anderer Körper [wie es ja auch Brauen, Haare etc. sowohl dem Fleisch gegenüber als auch im Sinne der plastischen Behandlung sind], aber kein antiker Künst- ler, um das zu wiederholen, der nicht archaistische Scherze machen wollte [die ja wohl zu allen Zeiten beliebt waren], wird den Marmor da vergolden, wo er allein das Durchscheinen des Fleisches im Gegensatz zu den vergoldeten, also gänzlich ge- deckten Teilen wiedergeben kann. Also, um bildhauerisch so unmögliche Sachen wie Barte, Haare, Augenbrauen zu machen, um warmes und nicht kaltes Reflexlicht auf dem Rot der Lippen zu haben, da braucht er Gold. Das Gold war also nur da, um durch eine Lasur durchzuschimmern und diese leuchtend zu machen. (Als Haarfarbe war Rotblond Regel.) Wie sollte er sich aber der Gegensätze zwischen Fleisch und Stoff begeben, die den Hauptreiz aller Erscheinung in der Natur ausmachen! Wie herrlich sind z. B. die Gegensätze von Haar, flaumigen, weichen Wangen, beweglichen Nasenflügeln, durchscheinenden Ohren, festem Schädel und festen Brüsten! [Ohren und Nasen-

140 BÖCKLINAUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Hügel wird kein Bildhauer, der ein Künstler ist, vergolden, wenn er Marmor unter Händen hat.] All diesen Reiz kann der Bild- hauer nicht einmal nachmachen, und dabei soll er doch sogar noch mehr: er soll monumental sein, d. h. den Typus an die Stelle der Einzelerscheinung setzen.

[Ebenso schwer geht es dem „Bemaler"! Mancher, der seine Vorstellung nicht einmal auf die Fläche werfen kann, glaubt Marmor „anstreichen" zu können. Ja, da soll er merken, wie bald ihm die Mittel ausgehen, wie bald er mit Böcklin sagt: „es geht nicht, ich habe nichts mehr" trotz der überlegtesten Rechnung, der raffiniertesten Ökonomie, der stärksten Wagnisse. Eine Erscheinung auf die Fläche projizieren kann bald jeder; aber die Reize der Natur nicht allein im Moment wieder- geben, sondern auch noch zu monumentalisieren, ohne dass zu- viel verloren geht und mit wie geringen und spröden Mitteln!

das ist eine andere Sache).] Von den zarten Tönungen und sonstigen Ängstlichkeiten begriffe Böcklin sicherlich nicht den Grund ihres Daseins. „Das farbig Angeschaute (und andere Anschauungen giebt es nicht in der Natur) soll der Künstler farbig wiedergeben", sagt er und arbeitet darauf los, das Relief sichtbar und rund machend, die Wirkungsfähigkeit der Rund- figuren mit klug vorbedachter Farbennachhilfe erhöhend, die Dekorationsfähigkeit der Skulptur auch für unser modernes farbig gewordenes Haus erhöhend.

Man konnte früher, als man in der Bildhauerei noch mit Farben rechnete, sich viel breiter und ruhiger statuarischer

in der Form und dem Ganzen halten, viel weiser auf die Wirkung hin vorgehen, als heute, wo das Bedürfnis nach klarer Deutlichkeit und doch überall lebensvoller Sachlichkeit, bis zur Ausnutzung der kleinsten, raffiniertesten Gegensätze geführt hat die der Bildhauerei nur das ersetzen wollen, was ihr durch die aufgezwungene Einfarbigkeit an Sprache, Ausdrucksmitteln entzogen ist, und die dadurch den Charakter der Skulptur viel bedenklicher ändern über ihre Grenzen hinaus wie durch vorbedachte Bemalung, die sich ja bei jedem Volk und zu jeder Zeit, für jeden Zweck mehr oder weniger verschieden gestalten wird. Gerade die neuere monumentale malerische Be- handlung beweist, trotz aller gegen die Farbe gerichteter Äusse- rungen der Techniker in diesem Sinne (sogar Begas; wenn

FARBIGE SKULPTUR 141

er dagegen ist, so geschieht es, weil er viel kann und die farbige Behandlung nicht kann und das weiss), dass die Bild- hauerei etwas vermisste, was sie sich nun auf Kosten ihrer selbst, jedenfalls ihrer Monumentalität, auf rein marmortechni- schem Wege wieder zu erwerben lange genug versucht hat.

Was man an die Stelle der Farbe in der Bildhauerei ge- setzt hat gebohrtes Auge etc. ist viel gewaltthätiger als diese. Von hier aus allein wäre ein Rückbeweis für die Farbigkeit zu führen.

Tiefen und beleuchtete Höhen machen sich gerade im besten Marmor Konkurrenz etwas Braun, und die Sache ist da. Man hat die Farbe durch andere Mittel ersetzt, die sowohl der statuarischen Kunst viel ferner liegen als auch jeder feineren Empfindung und Vorstellung wehthun müssen: Einen Blick z. B. durch ein tiefgebohrtes Auge herstellen zu müssen; Brauen, die der Bildhauer schon gar nicht machen kann, mit dem Spitzeisen einmeisseln, Wimpern durch Verstärkung der Lider herstellen, wo die beabsichtigte Schattenwirkung je nach der Beleuchtung ausbleibt oder verändert erscheint etc.

Der Umstand, dass man bei antiken Skulpturwerken nur fleckenlosen Marmor findet, beweist mit, dass sie bemalt waren: denn die Eisenflecken etc. würden eine gleichmässige Behand- lung verhindern, wo es sich nicht um starkes Decken handelt. Der weissen Renaissance war die Fleckigkeit des Blockes nach- her denn auch kein wesentliches Hindernis.

Es ist zuzugeben, dass man bei manchen auch antiken Werken unter den richtigen Umständen kein Bedürfnis nach Farbe verspürt. Vielleicht ist aber auch das nur ein un- verdauter Rest unserer weissen Erziehung.

„Farbigkeit der Skulptur" - - ein Prinzip, gegen welches sich Bildungsphilister und Gewohnheitsbildhauer begreiflicher- weise feindlich verhalten. Sie haben es ja so herrlich weit ge- bracht — sollen sie an ihren kurulischen Sesseln rühren lassen?

Wenn man farbig zu arbeiten anfängt, lernt man erst die Antike verstehen. Denn für die Zwecke einer bemalten Skulp- tur ist höchste Vollendung der bildhauerischen Arbeit und höchste Einfachheit nötig. Die Gegner der Farbe vollenden

142 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

und vollenden bis ins letzte - eigentlich zwecklos wo es eine geistreiche Skizze thäte.

Die Gegner stützen sich merkwürdig wenig auf das, woher sie kommen, auf die Antike Winckelmannscher Ästhetik. Sie führen sogar schon die römische Dekadenz für sich an und be- rufen sich auf die „malerische" Behandlung (im modernen Sinne) des Marmors, um nur die böse Farbe nicht zugeben zu müssen. Sie kümmern sich wenig um klassische Zeugnisse und behandeln spätere (Pompeji) als spätere, zusammenhangs- lose, sie, die Vertreter des Zusammenhangsprinzips. [Es ist denn doch stark, die bemalten Figuren (Statuen) auf pompejanischen Bildern nur als Beweis für römischen Geschmack des 1. Jahr- hunderts hinzustellen. Die Villa der Livia soll auch nicht mehr beweisen. Der darin gefundene Augustus auch nicht. Aber machte Rom den Geschmack der Griechen, die seine Kunst machten, oder nahm Rom die fremden Götter und Musen wie es sie fand? Thaten das nicht schon die Etrusker, die die Griechen imitierten und mit ihren Mustern Handel trieben? Hat Italien je Kunst aus sich selbst gezeugt? Jedenfalls zur Augusteischen Zeit nicht und zur Zeit der Etrusker auch nicht. Also brachten die Griechen den farbigen Geschmack. Dass sie ihn in archaistischen Zeiten besassen, wissen wir dass sie ihn zur Zeit des August übten, wissen wir auch [an die Dummheit bloss vergoldeter Haare (der Venus von Medici) wird kein Kunstverständiger glauben], dass ihre (Pausanias) und spätere Schriftsteller von farbigen Figuren, von berühmten Malern reden, die anstrichen, wissen wir auch. Woher also die Insinuation: die pompejanischen farbigen Figuren (auf Wand- gemälden) beweisen nur den Geschmack ihrer Entstehungszeit?] Sie wollen nicht zugeben, dass man die Frage einmal wieder auf ihren natürlichen Boden stelle, sondern pochen auf den Boden der Gewöhnung, auf dem sowohl die Führer stehen, die sich einmal festgelegt haben, wie die Menge, und sind nach gesell- schaftlichen Gesetzen wohl auch der Zukunft sicher.

Das Lied von den alleinseligmachenden Alten wird also plötzlich nicht weiter gepfiffen. Anstatt zu sagen, dass wir im Irrtum waren und sie falsch verstanden, können die modernen Griechen plötzlich nicht mehr folgen, und die Alten sind na- türlich schuld daran. Das angenehme Wort von der „dekora-

FARBIGE SKULPTUR 143

tiven Kunst", von jener, die sich „dem Kunsthandwerk nähert", und wie die Spässe der modernen ästhetischen Kleiderordnung heissen, stellt sich zur Wahrnähme der ästhetischen Interessen rechtzeitig ein. Herrliche Helden führen den Chorus Herr Paul Lindau, Herr Dr. Dircks etc. während die frühere archäologische Opposition, nachdem sie die Wahrheit einmal nicht mehr leugnen kann, sich unverdrossen ans Werk macht, die anfangs Unbequeme nun auch möglichst klar und ganz zu Tage zu fördern.

(Die Geschichte von der farblosen Skulptur und Archi- tektur im Altertum glaubt kein Mensch mehr, der in Betracht kommt, die Historie von dem also Nichtfolgen der Antike, sondern einen besseren Geschmack haben, glauben auch nur noch die Beteiligten wohl aber, dass die Bildhauerei in Er- mangelung anderer auf der G-Saite allein hat spielen lernen und nun diese Geschicklichkeit nicht umsonst erworben haben, sondern weiter vormachen will. In der Not frisst der Teufel Fliegen und mag es darin wohl auch zur Virtuosität bringen.)

Einen wesentlichen Einfluss auf unsere Entfremdung von der Farbe, auf unsern Sinn für das Sachliche und Stoffliche, dürfte ausser dem Raffinement der Marmortechnik, das „Schwarz und Weiss" haben, in jedem Sinn, vor allem in dem der Re- produktion. Durch Photographien etc., Radierungen etc., Holz- schnitt etc. sind überall wohl gewisse Kenntnisse verbreitet, man hat Vorstellungen erwecken können aber immer andere als der Maler beabsichtigen konnte, der mit anderen Faktoren und auf sie rechnete wenn er Maler war.

(„Die farblosen Begriffe", sagt Schopenhauer. Dies „farblos" ist auch als Beiwort für die Abstraktion gut zu ver- wenden, die die Mutter der farblosen Skulptur und Architektur ist. Farblos sind nur Begriff und Abstraktion, unmöglich die Anschauung und die auf ihr basierende Vorstellung.)

Da steht die Herkulesschale des Hildesheimer Fundes vor mir. Oben am innern Rand ein ornamentaler Fries mit Hasen, Antilopen, Hunden und so was, die keine Hasen etc. sind. Ganz naiv, aber nett und lustig das Band ist ja auch nur da, um das zufällig darüber hingleitende Auge einen Moment

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zu beschäftigen, etwa noch im Gegensatz zu der polierten Höh- lung, die bis zum Boden der Schale reicht. Wer das heute machen wollte! Jeder weiss das besser. Und den Rest thut die offizielle Prüderie. Arme Bildhauerei! Jetzt ist es genau so weit, das man das Nackte nicht verwenden kann und das Zeitkostüm auch nicht. Überall ertappt man sich seufzend da- bei, dass man auf Antiquarisches zurückgreifen muss, die eigene Zeit gehört einem nicht. Wer wird uns da herausreissen, uns die alte Freiheit wieder schaffen, uns die Hände wieder lösen! Unsere Generation unmöglich. Und immer mehr wächst uns der moralische, wissenschaftliche Schulmeister über den Kopf.

Die Skulptur müsste wieder mehr teilnehmen an dem Schmuck unserer wohlhabenden Häuser. Vielleicht ist der far- bige Stuck berufen, ihr die Thüren zu öffnen. Wie viel frischer und direkter bringt er die Vorstellung aus der Hand des Künstlers, wie viel leichter kann er für bestimmte Zwecke oder an Ort und Stelle bearbeitet werden. Und da kommt wieder die Frage von der Farbigkeit hinzu. Was ist das für ein präten- tiöses Monopol, weiss dastehen zu wollen und zu dürfen, wo alles wieder seine Farbe hat? Das Holz des Tisches, des Bodens etc., die Teppiche und Wände, die Bilder und Zier- gegenstände, — und die Skulptur beansprucht das Recht, ein Loch in diese Dekoration zu machen? Zu ihrem Vorteil gewiss nicht. Sie schliesst sich damit selber aus manchem Räume aus, und da sie, in weissem Zustande, die zu ihrer Deutlichkeit nötige Beleuchtung nicht selber mitbringt, sondern ihr Licht lediglich von aussen erwartet, so verliert das bei Oberlicht gearbeitete Objekt in unsern Zimmern meist jede beabsichtigte Wirkung. Wirklicher Geschmack wird ein solches Unding, welches noch dazu stört, nicht dulden.

Zur Material- und speziell Marmorfrage: Nur der Marmor ist, streng genommen, für die farbige Plastik verwendbar. Das feste, nirgends durchscheinende Material, wie Stuck und Bronze, wirft so unbekannte schwarze Schatten, besonders in Nase und Ohren, dass man natürlich ganz falsch werden muss,

FARBIGE SKULPTUR 145

besonders in der Bemalung. Im Marmor, der durchscheinend ist, ist diese Sache schon recht.

Ein Material kann einem Freiheiten geben, die man sonst, selbst in der Bronze, nicht erreicht.

Andererseits aber zwingt es mich wieder, während der grössten Zeit der Arbeit, bis zu einem gewissen Punkt der Ausführung, ihm Rechnung zu tragen, macht mich durchaus abhängig, begrenzt mich.

Dann aber kommt der Moment, wo der blosse Künstler das Wort hat, allein: Gott sei Dank! Jetzt kann's losgehen, das Material tot zu machen.

Das klare Korn des Marmors sieht man nur sehr nahe- bei, aus der Ferne nicht. Immerhin hat ja niemand etwas dagegen, dass der es benutzt, der seinen Vorteil darin sieht. Nur muss man nicht immer auf das „edle Material" zurück- kommen.

Material! Kostbar oder billig, ist ganz gleich. Nachgiebig, brauchbar, leicht zu überwinden, heisst die Forderung. Die Kunst ist ein Kampf mit dem Material - man kann nie etwas besseres von ihm reden, als dass es leicht überwindbar sei. Es kann nur darauf ankommen, es als solches ganz vergessen zu machen, erst da kommt der Künstler zu Wort.

Wenn die Dinge im Kunstgewerbe etwas anders liegen, so hängt das so zusammen: Auch im Künstler steckt notwendig viel begabter und interessierter Handwerker. Fingerzeige be- kommt dieser, je feinfühliger er ist, umsomehr, wie er das Material bei seinen Schwächen packen, seine Stärken ausnutzen, und ganz unter seinen Willen beugen könne, mit seinem Leben zu füllen vermöge. Und nutzt also der Künstler sein Material aus, so ist der Kunstgewerbetreibende, der Nutzgegenstände macht, materielle Sachen, und dabei auf den handwerklichen Betrieb und das Bedürfnis der Menge angewiesen ist, geradezu auf die Ausnutzung jenes unvermeidlichen Restes einer Herr- schaft des Materials und seiner eigentümlichen Bildefähigkeit hingewiesen, hat sich sogar durch dieselbe anregen lassen.

Böcklin wird auf der Jubiläumsausstellung (Berlin) mit drei farbigen Skulpturen vertreten sein, die er mit Bruckmann zusammen gearbeitet hat: einer leuchtenden Sklavin und zwei Hermen, die Köpfe der bekannten Meer- und Sumpfgötter

Floerke, Böcklin. 1"

146 BÖCKL1N-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

eigener Mythologie tragen.1) Die eine, ganz Dienerin, soll leuchten, in einem Treppenhaus etwa, folglich reckt sie den Arm und biegt sich vor. Die andern zwei, Hermen, sind rechts und links von der Thür gedacht, als Portiers. Sie glotzen ins Leere (die Glasaugen wirken so blöd und stumpf, so wenig lichtgewohnt, sehen einen nie an, sondern ins Nichts, weil das Licht immer von der Seite durch die vorgequollene Iris fällt). Alles Übrige, nicht mehr Wesentliche, ist unbelebt, einfacher Pilaster, nicht einmal verjüngt. (Das ist doch wohl etwas rück- sichtslose Konsequenz.) Aber das soll stark und straff doch zugleich auch wieder gleichgültig sein, damit das Auge von den Augen da oben gefesselt wird. Zudem steckte der Rest ja doch im Portierrock.

Böcklin tritt damit voll und ohne Vorbehalt öffentlich für die farbige Plastik ein. Wie er freilich sein Publikum finden wird, welches aus seinem reinen Versuch eines Beweises Be- lehrung ziehen will oder kann, ist unklar. Schon als Maler wird er dekorativer skulpieren als ein moderner Marmor- techniker. Zudem kommt es ihm in seiner simplen Künstler- schaft nicht darauf an, das zu treffen (oder nur darauf zu achten), was gerade „schön" heisst, oder was man an Geschicklichkeit etc. etc. jeweilig besonders hochachtet. Seine Figuren, die eines Malers, brauchen ja die „malerischen" Kunststücke der Bild- hauer nirgends zu erreichen sie werden aber ein an jenen grossgezogenes „Kenner-" oder „Feinschmecker-" Publikum schwer überzeugen. Auf Leute, welche die Frage ernsthaft nehmen sie nur einmal wieder auf ihren natürlichen Boden gestellt sehen wollen, kommt es erfahrungsgemäss zunächst nicht an. Die Gewöhnung hat das Wort. Ruhe in der Minorität! Und ich fürchte, diese Ruhe wird eintreten. Denn schliesslich lebt auch der Künstler von seinen Wählern. Leider!

Böcklins neuer Stuck (von Prof. Hauenschild in Zürich, hergestellt in der Fabrik von A. Fleiner in Aarau).

*) Ist bekanntlich nicht geschehen. Nur der eine Paddex, der aus Stuck war, wurde ausgestellt, die anderen zerfielen. A. d. V.

FARBIGE SKULPTUR 147

Vorzüge: Man kann ihn kneten wie Thon, dann schneiden, dann meisseln, dann wird er eisenhart. So lange er ganz frisch ist, kann man ihn al fresco bemalen (er ist so hässlich, dass sich das Bemalen von selbst versteht), später mit Kaseinfarben.

Der Bildhauer braucht nun weder Former noch Marmor- arbeiter zwischen sich und seinem Werk. Er macht alles selbst und vollendet da, wo er angefangen hat. Verlässt es seine Hand und seinen Tisch, so ist es fertig. Aus seinem Material wird durch die Luft und durch das Wasser von selber sozusagen Marmor der Marmor des Nordens.

„Marmor und Deutschland! Im Freien ist er nicht zu brauchen, im Innern für weitere Verbreitung der Skulptur und für Bemalung zu teuer."

„Sie haben in Deutschland keinen Marmor, und daher der blöde Respekt vor ihm, und darum haben sie ihn auch nie recht behandeln können."

„Eine Marmorarbeit ist immer eine Kopie, die mir als künstlerische Schöpfung nur in ausserordentlichen Fällen im- ponieren kann. Das Original war der Thon, das Wachs."

„Denken Sie an Ihre schönen, weissen Berliner Öfen, Sie Töpfer Sie, von denen Sie auch nicht lassen wollten. Was hat Ihnen alle Vervollkommnung der Glasur, „des edlen Materials" genutzt?"*)

Wie dumm, stumpf, grau und ohne Leuchten steht der bemalte Gips da (ich erinnere daran nur zum Beweis für die oben vertretene Theorie, dass man bei Marmorarbeiten das Fleisch nicht durch Belegen undurchsichtig gemacht habe wie sehr auch das Gold etc. durchleuchtet), wie zum Verzweifeln steht er dem Maler entgegen , dem Marmor und Marmorarbeit entgegen kommen würden. Wo soll man bei diesem Mangel des Materials das Fleisch, oder gar den weichen Schmelz der Wangen etc. hernehmen, wie den Gegensatz zu Haaren, Ge- wand, Schmuck, Hintergrund etc. wirksam, künstlerisch wahr- scheinlich machen?

B ruckmann, der gerade (Dezember 1887) eine Figur

*) Bezug und Zusammenhang unbekannt. A. d. H.

10*

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arbeitet, die auf Farbe gedacht ist, meint, dass man in solchem Falle es als unerlässlich empfinde, ganz aus der Vorstellung, zielbewusst allein, zu arbeiten, immer nur an das Ganze, Beab- sichtigte zu denken nie nach der ja an sich interessanten Natur, wie sie einem der Zufall oder die Wahl als scheinbares Hilfsmittel ins Atelier führt. Weit weg vom Modell.

Böcklin hat Bruckmanns Rundrelief: Madonna mit Kind (1888) bemalt.

Man sieht daran also eine Meinung über Polychromie ausge- sprochen, von einem Manne, der interessieren dürfte, und die ich verbreitet sehen möchte, da ich der Sache eine Zukunft wünsche.

Wir hatten im Atelier (München) zwei Exemplare, eines bemalt, eines unbemalt. Das bemalte vor mir in seinem milden Glanz, seiner weichen Deutlichkeit, soll dasselbe sein, wie das kalte, fast unsichtbare und durch das Licht ganz ungewollt und falsch wirkende Gipsrelief. Gips und nichts das eine. Weich und still das andere ganz vom Standpunkt unabhängig. Man sieht, die weissen etwas harten Blumen im Rahmen mussten von Anfang an gedacht sein, um diese Milde herzustellen. (Wäre Böcklin da, so würde er die weissen Blumen des Rahmens, die Barth etwa violett oder blau sich dächte, als notwendig nach- weisen und die Rechnung machen wie ein Wirtshauskonto. Vielleicht nehmen die Blumen das Licht aus dem Fleisch heraus, aber es ging nicht anders. Die ganze Palette war erschöpft. Andrerseits treiben sie das „Bild" zurück und lassen den Rahmen als etwas anderes, zweites erscheinen, lassen das Bild für sich und schaffen Raum.) Die Haare, Augenbrauen, Lippen zunächst mal um keine kalten stumpfen Töne zu haben , mit Gold resp. Silber unterlegt. Mit dem kalten Glanz hört das Leben, die Teilnahme daran auf. Wärme!

Die hohen Lichter hat man mit Wachs in Terpentin ab- gedämpft. Wenn nun gar noch der Reiz des Marmors und der Marmorarbeit hinzukommt!

Diesen farbigen Gegenstand kann man in fast jedes Licht hängen.

Die Bruckmannsche Arbeit ist ja nichts Vollendetes, son- dern nur ein Entwurf (und die erfahrungsmässige Wahrheit ist,

FARBIGE SKULPTUR 149

dass nichts, was farbig auftreten soll, etwa bildhauerisch unvoll- endet gelassen werden könne) nur Entwurf, nur Gips. Der Bildhauer soll so weit gehen, als er kann (darum auch das Material nehmen, in welchem das möglich ist Marmor), dann soll der Maler kommen und auch seinerseits, rein malerisch, mit der Palette so weit gehen, als er kann.

Das ist unsere Meinung. Barth (Ferdinand) meint, es sei ihm zu viel gemalt. Er möchte es mehr bloss kolorieren. In- dessen ist da immer einzuwenden, dass ja nichts in der Farbe modelliert ist.

Nochmals: da ist ein Entwurf, ein Versuch, den man nicht gleich in Marmor machen wollte. („Hier muss ich mehr verbergen, als zeigen. In Marmor würde ich mehr zeigen können", sagt Bruckmann.) Ergo hat der Maler vieles für den Bildhauer machen müssen, was von dem nicht da war. Da es jener nicht gethan, hat der Maler das Relief zur grösstmöglichen Evidenz bringen wollen der Bildhauer hat dem Farben- menschen viele Schwierigkeiten gemacht.

Böcklin selbst würde ja lachen, wenn das Ding herunter- fiele und zerbräche.

Summe der Erfahrungen in Böcklins und Bruckmanns Atelier: Man soll mit den reifsten malerischen Erfahrungen, der positivsten Kenntnis der Palette, in der malerischen Behand- lung resp. Unterstützung der Wirkung so weit gehen als man kann. (Um mit der Natur zu konkurrieren, ihr über zu werden, aufzufallen, sichtbar zu werden, nahm man*) [von den Formen abgesehen] Farben, die in der Natur selbst nicht vorkommen, schon so den Gegensatz herbeiführend. Ein rein künstlerischer Gedanke, im Gegensatz zu den thörichten modernen Natur- sklaven.)

„Die Auslese in Bezug auf Erfahrungen auf dem Gebiet der polychromen Plastik war über alles Erwarten gross und reich. Vor allem zwei Punkte: die äusserste Formvollendung der zu bemalenden Arbeit ist unbedingt erfordert, und ohne Goldgrundierung eine ganze Reihe von Wirkungen nicht hervor-

*) Im Altertum. A. d. H.

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zubringen", schreibt mir Bruckmann am 28. Mai 1888 aus Zürich und Böcklins Atelier.

Die Bildhauerarbeit kann für die Bemalung nicht „finia genug sein. Der beste, klügste Böcklin kann sonst nichts machen. Mit Löcher Hineinschlagen, wie beim Hals des Moses von Michelangelo (der der erste Skizzenmacher war), um nur die gewollte Wirkung zu erzielen, ist da für die farbige Behand- lung nichts zu machen. Die Farbe bringt alles an den Tag. Man sehe nur die Griechen an. Sie hatten doch auch Besseres zu thun, als den Abbozzatore, den blossen Fertigmacher zuspielen. Die Zeit war damals für den Erfindenden ebenso kurz, der Marmor just so hart, die Bronze gerade so schwierig zu behan- deln, wie heute. Und doch haben sie ihre bemalten Skulpturen völlig fertig gemacht und nicht auf Wirkung hin behandelt. Sie können das nur darum gethan haben, weil sie, die erfahrensten Techniker der polychromen Plastik, die Un- möglichkeit anders zu wirken, genau kannten. Freilich lag die Verführung nach rein dekorativer Wirkung durch die Bild- hauerei allein ihnen nicht nahe, da sie für diese auf die Farbe rechneten.

Zur Technik: Eine grosse Schwierigkeit für den nicht absolut Sicheren: Man kann wohl mit dunkel über hell lasieren, aber nicht mit hell über dunkel, das wird sofort schmierig. Heller konnte z. B. Bruckmann das Gesicht seiner Mädchen- figur nicht mehr bringen, was doch, da ihm das Vollenden der roten Haare den Fleischton ganz veränderte, nötig gewesen wäre.

Weit abseits von den ins Volk gedrungenen Hauptsätzen einer ererbten Ästhetik und ebenso entfernt von den einseitigen Bestrebungen der modernen Kunst steht Böcklin. Und doch dürfte niemand sich über seine Kunst klarer geworden sein, niemand sich allseitiger mit ihr beschäftigt, sie allseitiger ernst genommen haben und nur in ihr denken und leben wie gerade er.

Ich bin der Meinung, dass dieser nicht eigensinnige, uni- verselle Maler für uns die Malerei der Zukunft bedeutet (über- haupt für die bildende Kunst vielfach wegweisend sein wird), wenn sie eine haben soll.

FARBIGE SKULPTUR 151

Ich bin der Überzeugung, dass wir hier Manifestationen der reichsten malerischen Phantasie (Phantasie im Sinne des beweglichen, kombinierenden Gedächtnisses für das stimmungs- voll Angeschaute oder sonst Assimilierte), dass wir bei ihm zugleich Bethätigungen des schärfsten künstlerischen Verstandes gegenüberstehen wie den bemalten Figuren der Treu-Aus- stellung in der Nationalgalerie oder der akademischen Jubelausstellung, d. h. uns ist das Wesentliche oder doch vom Künstler Gewollte, also Nötige, ungewohnt geworden (unheilvoll verwirrend auf unsere modernen gelehrten und künstlerischen Anschauungen ja hat [abgesehen von den Missverständnissen der Renaissance] nicht bloss „Winckelmann als Erzieher", sondern auch Lessing mit seiner schroffen Grenzsperre zwischen den Künsten gewirkt), m i t uns den meisten Künstlern Böcklin aber ist das Salz nie taub geworden, keine ererbte oder an- erzogene Schulmeinung hat ihn auch nur für Augenblicke dumm gemacht.

Gedanken über Bildhauerei etc. (Einzelnes.)

Die Bildhauerkunst der Alten ist schon darum von uns nicht zu imitieren, weil sie zum grossen Teil auf dem täglichen freien Verkehr unbekleideter Leute, der Öffentlichkeit des Lebens und dem Verhältnis zwischen Liebhabern und Lieblingen, Herren und schönen Sklaven beruht. Wie konnten da Anschauung und Vorstellung immer sicherer, nach allen Seiten wesentlicher, be- weglicher werden! Wer wird da an Modell gedacht haben!

Die alten Griechen machten sich nicht zu Sklaven der wirklichen Natur. Um ihren Eindruck zu erreichen und das menschliche Auge zu korrigieren, fälschten sie sie. Die Kur- vatur ihrer Tempel ist doch schon der merkwürdigste Beweis eines raffinierten künstlerischen Zweckbewusstseins. Zwanzig Fuss unterm Boden leidet schon jeder Stein seiner Form nach darunter, dass der Erbauer des Parthenon einen kleinen, rein künstlerischen Vorteil oder Erfolg erzielen will: um für das menschliche Auge horizontal oder senkrecht zu wirken, im scharfen Gegensatz zu der weichhügeligen, gleichförmigen Natur, arbeitet er alles geschwungen. Also man wollte konkurrieren mit der Natur •, da musste man genau wissen, was seinen Zwecken diente und wie weit die Mittel reichten.

(Man sieht all diesen künstlerischen Willen, diese Absicht, Gewalt am deutlichsten in ihrer Polychromie: Farben be- nutzen und ausspielen, die die Natur nicht hat, die in ihr nie vorkommen, sich also in bewussten Gegensatz zu ihr stellen.)

Zeus vonOtricoli. Giebt es ein schlagenderes Beispiel, wie die Griechen (auf die das ja zurückgeht) ihre Weltan-

GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI etc. (EINZELNES) 153

schauung allein, trotz der Natur, durchzusetzen den Mut und die Kraft hatten ! Aber freilich, in Ordnung hatte so einer sie auch, seine Weltvorstellung: schneidig, bewusst, praktisch.

Die alten Griechen haben der Anschauung und Vorstellung ihrer Leute nichts zugemutet der Armbewegung des Zeus entsprach die Schwere der Blitze, und umwickelt waren sie auch noch erst mit der R e n a i s s a n c e fängt das freie ornamen- tale Spiel mit solchen Sachen an.

Das Vernünftige, Verständliche, Beherrschte ist doch die Hauptsache. Ich kann doch nur in der Renaissance dem Moses zwei Lichtstrahlen aus dem Schädel gehen lassen und verlangen, dass jemand in Marmor darin Licht sieht. (Raffael malt seinen Knaben auf dem Delphin ganz ruhig wie auf einem Tisch, ohne ihn einsinken zu lassen. Er durfte offenbar schon denken: so zeige ich meinem Publikum den ganzen schönen Kerl, sonst nur einen halben. Das hätten die Griechen nicht versucht,

noch ertragen.)

* *

Diese Anfänge der Griechen! Das ist ja der grossartigste Trotz der Welt, dass sie das rein Vorgestellte hinauszustellen wagen in die atembare Luft, unter die herumlaufende Wirk- lichkeit — während man heute das Modell abgiesst oder Photo- graphien, — je zufälliger, je wahrer!!

M: *

*

Griechischer Bildhauer und sein Abbozzatore. Der Künstler muss dem andern wenigstens deutlich gemacht haben, was im wesentlichen die Absicht ist: das sind die Hauptpunkte, da geht es hinunter, da stemmt es sich im Gegensatz auf sonst wirkt die ganze Richtigkeit nicht.

(Die Hälfte der Eigenart griechischer Bildhauerei erklärt sich offenbar daraus, dass der Künstler sich auf das Modellieren oder Zeichnen des Wesentlichen beschränkte für den Abbozzatore. Nun kann er mir doch nicht Alles verderben. Und das Ganze Gruppe, Farbe, Bild übertönt das Gefehlte.

Selbst am Parthenongiebel haben ganz ungeschickte Hände mitgearbeitet.

154 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNCEN UND ENTWÜRFE

Wie viel Sachen muss einer oft auf seinen Namen ver- einigen lassen! Das erklärt sich nur so. Auch Michelangelo musste so verbohrt eigensinnig sein und 90 Jahre alt werden, um allein das fertig zu bringen, was er hinterlassen hat.)

* * *

Im Sinne der Abbozzatori (Marmorarbeiter im Tagelohn) sollte man endlich mal die antiken Kunstwerke (gerade bei den „Antiken" verdanken wir den Abbozzatore-Wiederholungen fast alles [das Wort Abbozzatore freilich mehr im Sinne des Wieder- holers genommen, der er ja aber auch heute, im Grunde ge- nommen, lediglich ist]) ordnen Mode und Handwerk einerseits, wirkliche produktive Arbeit von schöpferischer Hand andrer- seits, allein unterscheiden. Aber darin herrscht noch die grösste erklärliche Konfusion, da es der Wissenschaft auf hundert andere Dinge ankommt (von denen allein sie auch Kenntnis haben kann), als auf die reine Kunstfrage die freilich doch wieder die Kulturfrage xaf 8;oxnv wäre, wenn sie auch in erster Linie Künstlerfrage ist. Anstatt des Menschen, der Leben will und schafft, sieht man leicht den Kopisten oder Abbozzatore, der ohne Sorge arbeitet, pfeift, wegschlägt: das kann er. Sein Auge ist geübt, Material und Eisen ist er ge- wohnt, die Hand sicher. Aber wie anders, wie uninteressiert, beziehungslos zum Lebenswillen des Ganzen sieht seine Arbeit aus! Alles gleichwertig, nirgends das Warum oder Warumnicht, glatt und vergnügt wie der Schädel ihres Verfertigers.

Die „Venus von Medici" und auch die vom „Kapitol" sind gewiss für Bronze gedacht. Welche Freude könnte ein Bildhauer daran haben der weiss, was Marmorarbeit ist diese Arbeit unter den Armen weg, bald von oben, bald von unten, zu machen und welche Stärke der ersten Vorstellung, um, trotz all der Ableitung doch etwas Frisches zu stände zu bringen! Das ist nicht die Arbeit eines produktiven Menschen, von dem doch die Figur ersonnen ist.

*

»

Wir Deutschen haben ja nie eine ordentliche nackte Menschenfigur modelliert. Man stelle nur eine Aphrodite von Melos neben jedes unserer Bildwerke! Immer Grillenfängerei.

GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI etc. (EINZELNES) 155

Wie meisterhaft ist doch dem gepflegten Königspferd des

(später daraufgesetzten) Marc Aurel auf dem Kap i toi das

Vergnügen an seiner Existenz, die Genugthuung darüber,

auf den Leib geschrieben!

* *

*

Dieser Adler des Gian Bologna, oder wer ihn sonst ge- gossen haben mag! Ein so kluger, überlegener Künstler, der das gemacht hat! Allen Wert hat er auf die Bewegung gelegt. Mit wenigen leichten Federmotiven kommt er aus, infolgedessen wird einerseits jene interessanter, da nichts von ihr abzieht, andrerseits gewinnt er an Volumen. Dieser Adler ist nicht unser edles, spektakelmachendes Radautier, sondern die Bestie; nur blank und glatt im Gefieder, den Kopf lauernd zur Seite geneigt, ganz Anschlag, Aufmerksamkeit: man sieht, mit einem Male ist er da und schlägt mit Schnabel, Krallen und Flügeln zu. . .

Alles hat seine dekorativen Hintergedanken darum versteht man so manches Ding in den Museen nicht oder ganz falsch. Sobald aber so eine Fragwürdigkeit wieder an der richtigen Stelle steht, spricht sie wieder den Ton aus, der da- mit gemeint war.

*

Mass nehmen beim Bildhauen. Dann bin ich ein Schuster, der Mass nehmen muss, aber kein Künstler. Wenn eine Nase z. B. das ganze Gesicht überstrahlt, oder die Augen thun es, so mache ich sie grösser, resp. wie sie mir vorkom- men, bis ich diesen Eindruck erreicht habe. Sonst wird ja z. B. eine Büste auch mein Lebtag nicht ähnlich, da sie doch eine Über- setzung ist in ein anderes Material mit anderen Eigenschaften.

Ich mache ja die Erscheinung, nicht die Thatsache; wie es mir vorkommt, nicht wie es ist. Der Bildhauerzirkel macht die Wahrheit auf seine Art, und mir nimmt er die Freiheit.

* *

Farbige Vorstellungen! Moderne Bildhauer haben ja nur noch Vorstellungen in Gips. Was ahnen sie vom Marmor, mit dem sie selbst nichts machen können.

156 BÖCKL1N-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Mit der zehnfachen Schwierigkeit der Bildhauerei (der Malerei gegenüber) hat es seine guten Wege. Zunächst kann ich doch immer nur eine Vorstellung von einer Seite haben und werde froh sein, wenn ich die sprechend ausdrücken, körperhaft erscheinen lassen kann. Siehe nicht bloss die Re- liefs (deren früher geträumtes Gesetz der zwei idealen Flächen längst als ästhetische Willkür selbst von der Archäologie auf- gegeben ist*), sondern auch Giebelfelder, Nischen, überhaupt alles Figürliche auf Hintergründen. Was liegt daran, ob sie auch hinten, unten, oben und in allen ihnen nicht zugedachten Lagen ausgeführt sind! Zu solchen Experimenten ist doch so eine Arbeit nicht da. Wer nicht an die absolute Figur unter der Glasglocke glaubt, sondern an die, welche Licht, Luft, Raum resp. Standort und Umgebung braucht und also in Rech- nung zieht, wird das zugeben müssen oder doch der Über- legung wert finden.

* *

*

Abbozzatore! Kaltblütig macht er seine Sache herunter pfeift dazu alle Vorstellung von Fleisch geht bei dem Strickstrumpf natürlich verloren , das ist eben nicht Erfin- dung, sondern Nachahmung.

Abbozzatore! Warum nicht? Ob der, der's fertig macht, rote oder schwarze Haare hat was geht's mich an!

Freilich ist zu bedenken, dass sich der Bildhauer sehr wohl seinen geschickten Marmorarbeiter heutzutage ziehen darf, wenn er nur das entscheidende Übergehen in Hand und Meissel hat.

Wenn ein Bildhauer als Erfinder soweit ist, dass er die Stellen, wo das Licht aufprallt, fest bestimmen kann wie Marees in seinen Aktzeichnungen für Bruckmann , dann hat er als Bildhauer leichtes Spiel.

*) Abgesehen von der längst zugegebenen, bewiesenen und dogma- tisierten Farbigkeit, hat die Archäologie inzwischen auch für die beste Zeit, z. B. des Phidias , die untere ideale Ebene des Reliefs als unhaltbar aufgegeben. Es ist klar, dass diese raummordende, schulmeisterhaft kon- struierte Pseudoebene mit dem Augenblick lächerlich war, wo man die raum- schaffende Farbe zugeben musste. A. d. V.

GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI etc. (EINZELNES) 157

Natur und Kunst. Bronzen im Freien. Wenn diese dumme Natur an dem durch und durch absichtlichen, fertigen Werk herum schweinigelt (sie giesst darauf herunter, was sie hat) in dieser Beziehung hat sie gar nichts mit Kunst und Kunstwerk zu thun. Wenn der Künstler patiniert, weiss er, dass er seinem Werk nachhelfen, ein bewusstes Ausdrucks- mittel im Sinne einer farbigen Skulptur anwenden will.

Atelier! sagen die Franzosen. Studio die Italiener das gilt für jeden „artiste" oder „artista" warum sagt ihr Bildhauer nicht „Werkstatt"? Weil ihr nicht werken könnt, sondern wenn das bisschen Erfindung hineingeknetet ist, Leute braucht, die das Handwerk verstehen und euch zum Sichtbarwerden verhelfen können.

Das ist der eine Standpunkt.

Der andere wenn Böcklinisch, richtig, sonst immer falsch und faul sagt: ich erfinde. Das ist der Geist. Es wäre schade um die Zeit, das auszuführen ; denn das kann auch durch andere geschehen. Was kann ich nicht inzwischen Neues erdenken! Wenn ja. Meist aber gehört auch für den Genialsten dazu, dass er das, was sein Abbozzatore macht, im wesent- lichen der Marmortechnik, auch könnte und bewiesen hätte. Der Bildhauer kommt um diese Kraftprobe nicht ungestraft herum.

Breitgesichter von Ohr zu Ohr gerechnet, nicht wegen der Backenknochen, sind viel plastischer und inter- essanter als Langköpfe. Das wussten die Ägypter und Griechen sehr genau. Bei den Langköpfen ist höchstens das Profil inter- essant, von vorn sieht man so gut wie nichts Sprechendes, Brauchbares keine Flächen, alles verschwindet.

Auch die modernen Römer haben so schöne breite Köpfe. Wenn er oder sie sich irgendwie wendet, sieht man immer wieder neue, sprechende, deutliche Flächen.

Ein nackter, etwa 15jähriger Italiener steht an einer Thür, den Klopfer in der Hand, wie man etwa den seelenführenden Hermes darstellt. Das Sonnenlicht direkt von oben. Alles

158 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

klug, gross, klar und offen. Hohes dichtes Haar auf dem deut- lichen Schädel mit scharfem Schatten über der breiten Stirn, breitschattende Wimpern alles klar disponiert und prächtig. Nur die Nase soviel unregelmässig, dass das Gesicht nicht lang- weilig wird. Aber Nacken, Schultern, Arm und Hand, diese Brust! Darunter allerdings die bekannten Wurst-, Nudel- oder Maccaronibeine, ohne Kniee, ohne dass man sieht, wie das zusammenhängt, wodurch es funktioniert oder nur steht. Keine Knochen, Muskeln und Sehnen.

Wir sind wie gotische Kurrentschrift, lauter Spiesse und Haken und Schnörkel. Wie die schönen klaren lateinischen Anfangsbuchstaben sind in Italien körperlich die

Menschen auch.

* *

*

Danneckers Ariadne. Auf dem Katzenbuckel kann ja niemand liegen, ohne ihn einzubrechen. Von einer kleinen Gemme mag er das haben. Da bin ich in voller (freier, orna- mentaler) Phantasie. Wenn ich aber mal in der realen Luft der Bildhauerei atme, geht das nicht. Dannecker hat das auch gefühlt; denn er hat den Panther so stämmig wie möglich ge- macht.

* * *

Adolf Hildebrand. Er ist sehr klug, kennt seine Mar- mortechnik und die Bedingungen seiner Aufgaben: Das ist wesentlich; aber das muss noch wieder weg, das beein- trächtigt; — das spricht nicht, ist nur zufällig und in der Übertragung störend für den Zusammenhang wie für die Deut- lichkeit des Wichtigen - - so was wird leicht gleichwertig und damit das andere (also als wichtiger Gewollte) aufhebend. (Ich habe nie mit Hildebrand über seine Kunst gesprochen. War indessen in Florenz mit Karl Hillebrand bei ihm*) und sah sein „ceuvre" in Gips, sowie mancherlei Neues in Gipsmodell und Marmorarbeit. Auch in Thon arbeitete er gerade davon - ich glaube Fiedlers und Hillebrands Büsten. Ich sprach abends bei Rossi im Palazzo Strozzi zu Böcklin. Er war aber ziemlich indifferent.)

Wenn er in die Tiefe gehen kann, der menschlichen Natur

*) Im April 1881. A. d. H.

GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI ETC. (EINZELNES) 159

nach, bis auf die Knochen also in der Porträtbüste ist Hildebrand ganz famos, als Bildhauer also, als Künstler dagegen traurig, da fällt ihm gar nichts ein.

Bei solcher Arbeit*) (Porträtbüste) ist alles sachlich, nichts persönlich. Hat er ihn mal, so lässt er ihn auch nicht wieder los, bis alles drin ist, was sichtbar.

(Sachlich, rein sachlich sind wohl nur die Masse, nachher fängt schon die persönliche Arbeit an, das Material tritt in seine Rechte, ich kann nicht mehr die Dinge machen, sondern ihren Schein, Haare kann ich aus Marmor nicht machen, sondern nur etwas, was den Eindruck davon wiedergiebt.)

Das System hat er nach der Natur durchgebildet und mit- genommen, dann aber das Feinere, Lebendige aus der Erinnerung, nach Notizen und kleinen Zeichnungen und sonstigen Ge- dächtnishilfsmitteln in Florenz fertig gemacht und herge- schickt.

Büste des Herzogs Karl Theodor, als solche vor- züglich. Genie gehört dazu keins. Eigentlich sollte das jeder lernen können. Nur Besonnenheit, kluger Verstand. Das Sachliche ist ihm gegeben, die nötige Abstraktion wird durch die Übersetzung in ein anderes Material erzwungen. Da macht er, was ihm scheint, sonst was vor ihm ist. Die höhere Modellarbeit.

Wie ein Renaissancebildhauer, ja. Nur hat er nicht die- selben gesunden Gründe dazu wie einer von denen.

Hildebrand bringt es auch noch dahin, dass sich kein Mensch mehr für ihn erwärmen kann. Wenn die Leute erst anfangen: „Wie, mag ich das?" also mit dem Verstand lösen wollen, ist's zu Ende.

Erfinden wollen, ist die Ursache der Kunst, nicht Fixieren des Vorhandenen. Und wenn das auch für Hildebrand nicht ganz zuträfe, so steckt er doch sicher in der Sackgasse:

Er will nicht etwas ausdrücken, sondern er will eine Figur machen, die Figur, das „ceuvre", über welches die Welt staunen soll und muss.

Die Alten sind alle nur Vorahmer von ihm.

*) Auf welche Büste sich die folgenden, Anfang 1889, in München niedergeschriebenen Notizen beziehen, konnte ich nicht ermitteln. A. d. H.

160 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Er bedeutet schon den Eispunkt. Da hat und verbreitet Begas*) denn doch ein bisschen andere Wärme!

Gelegentlich seines für den Münchener Maximiliansplatz bestimmten Brunnens:

Die Rechnung in jedem Sinn famos, sobald er aber

schenken soll, ist er geizig.

* *

*

Herr Urs Eggenschwyler, Bildhauer von Zürich, der lebensgrosse Bestien, wahrscheinlich für die Naturgeschichte herstellt, sagt, Thorwaldsens Löwe in Luzern könne nicht stehen.

Warum soll er stehen können?

Er kann es nicht, weil die Nische zu niedrig ist. Er kann es nicht, weil er ergo ein liegender Löwe sein musste, ferner weil er ein sterbender Löwe ist, der sich nimmer aufrichtet. Wenn er nur liegt. Das ist die Hauptsache, und da lag die Aufgabe. Wenn die erfüllt ist, hat der Künstler sich aus- gesprochen und wenig mehr mit anatomischen Nebendingen zu thun.

Bei einem Denkmal, welches nicht das Denkmal eines gewesenen, veritablen Löwen ist, sondern ein Symbol, wo man etwas mehr Stil als anatomische Spezialkenntnisse verlangt, dürfte doch wohl sehr auf solche Einzelheiten, die nacheinander das Auge beschäftigen müssten, zu verzichten sein.

Thorwaldsen durfte gar nicht auf das kommen, was Herr Eggenschwyler will. Wenn man so weiter ginge, müsste so ein Tier bald auch noch alle Haare haben.

[Siehe den Naturalismus, z.B. Eggenschwylers Löwen. Er präpariert die Skelette, die Felle, studiert die Bestien, sobald irgendwo eine verendet, anatomisch, sonst lebendig im Käfig. Er kennt den Löwen in- und auswendig. Aber gerade bei seinen Bestien sieht man es so überzeugend: Der naturge- schichtliche Löwe muss doch erst in einen künstlerischen über- setzt werden, wenn er andere Funktionen übernehmen soll als die eines Lehrmittels. (Und das kann er nicht einmal. Denn bei aller „Richtigkeit" kann so ein Naturhistoriker-Bildhauer das „Schwinden" im Gips oder Marmor nicht ersetzen, er

*) Gemeint ist hier der Begas des Berliner Neptunsbrunnens. An den heutigen Hofbildhauer darf man nicht denken. A. d. H.

GEDANKEN ÜBER BILDHAUEREI etc. (EINZELNES) 161

kann ja nur abgiessen, messen und das Gefundene genau machen, und das stimmt, wie jeder Praktiker weiss, nachher im toten Material nicht mit dem Bilde, welches das Auge vom Leben bewahrt hat.) Er kann nie ein Löwe werden, vor dem sich nur jemand fürchtet, er kann niemals als symbolischer Löwe etwas Stolzes, Grosses vertreten, sondern wird immer ein jämmerliches Einzelexemplar werden, halb Pudel, halb mageres

Kätzchen.]

* *

*

Wenn ich nur den Raum empfinde und zur Empfindung bringe das ist die Hauptsache. Nicht Reliefgesetze. Ob ich den Körper einer Figur verletzen muss, wenn ich ein dünnes Gewand über ihn lege durch Einritzungen weiss nur der Bildhauer, dem durch den geringsten Auftrag alles anders, plump wird. Er weiss allein, dass er entweder das thun, oder seine schönste, nackt modellierte Figur, sobald er sie mit Gewändern bedeckt, überall auspolstern muss, damit die Form noch durchwirkt.

Das sind die anderen Bedingungen des Materials, der Übersetzung, die eben nicht die Natur ist. Farblosigkeit (des Materials), Blut (in der Natur) etc. spielen doch ihre grosse Rolle.

Floerke, Böcklin.

i:

Technisches.

Die Palettenfrage ist nie so klug und sachbewusst zu lösen versucht worden, wie durch Böcklin.

„Es ist ungeheuer viel Handwerkliches in der Kunst, viel Erfahrungssache dabei, viel Probieren nötig, viel mechanische Arbeit." (Schon darum ist sie ganz etwas anderes als die rein geistige Arbeit des Dichters. Schon darum kann ein rechter Maler, der etwas bei der Seele hat, viel länger und viel mehr arbeiten als ein rechter Poet.)

Man kann nicht ganz Genie sein, man muss auch ver- gnügter Handwerker sein.

Der Geistesgegenwart, Entschlossenheit, wie dem Plötz- lichen in der Malerei sollte es leicht gemacht werden durch das Material. Wie viel fliegt einem nicht zu während der Ar- beit! Wie viel ist unvorbedacht praktische Erfahrung während der That! Und die günstige Minute entgleitet so leicht! Am andern Tag ist einer in ganz anderer Stimmung.

„Wir sind (die heutigen Maler) ja alle Abenteurer, ohne Halt, Steuer und Kompass. Jeder in seiner Nusschale. Keiner hat einen Halt an Früherem. Er weiss nichts, glaubt nichts, schaut nach und versucht's."

Ohne Konvention, ohne Überlieferung! Wie viel geht verloren, weil der Letzte, der es wusste und seine Vorteile kannte, es nicht weiter sagte oder sagen konnte. Dann steht man davor: wie ist das gemalt!? Georg Hirth sagt es nachher, aber es ist nicht wahr. Und welche Fülle von gün- stigen äusseren Zufällen und Kombinationen braucht es, bis so etwas wieder gefunden ist! Wenn einer mal nicht mehr weiss, dass Dampfnudeln und Strauben nur nach einer Seite gerührt werden dürfen dann verliert er seine Zeit, mit den Nudeln ist's aus, und man kann lange warten, bis das jemand wieder auffällt.

TECHNISCHES 163

Nachdem der Farbenmensch Böcklin einmal geboren war und zwar mit diesem enormen Willen und Gedächtnis war der Techniker, der ihm erst die verlorengegangenen Aus- drucksmittel wieder verschaffen musste, notwendig. Suchen, Erfahrungen machen, war sein natürliches Los, weil der einzige Weg vorwärts zu kommen. Und wenn er nie aufgehört hat, nach immer deutlicheren Ausdrucksmitteln zu suchen, um was ihn gefreut, immer schöner und lebensvoller darzustellen, so kann ich darin nur eine weitere Bestätigung seines rastlosen, nie einseitigen Künstlergeistes sehen.

Böcklin ist durch und durch Maler, der richtige Maler. Er hat an Malmethoden soviel wieder herausversucht und fest- gestellt wie kein anderer. Ihn lässt das immer rege Gefühl des echten Malers für seine technischen Mittel nicht ruhen, trotzdem er so gering denkt von der darstellenden Technik, wo sie um ihrer selbst willen bewundert werden will. Aber das ist bei ihm nicht Lust am Handwerkern und Zeittotschlagen. Im Gegenteil, der Wunsch lebt darin immer schneller und deut- licher das ausdrücken zu können, was er noch alles zu sagen hat, immer schneller und flüssiger vortragen zu können und nicht zum mindesten seinen Bildern Dauer zu geben.

Alles, was er in alten Rezeptbüchern auftreiben konnte, versuchte er successive und fand so durch die Praxis manche richtige Auslegung derselben. Auch die griechischen Schrift- steller durchsuchte er nach technischen Rezepten, die er alle praktisch versucht und interpretieren gelernt hat.

Wir haben zwar keine technische Überlieferung, aber eine Vergangenheit. Wenn Böcklin irgendwo immer wieder hin- schnuppert und den Knochen vergraben weiss, so sind es die altrheinischen Meister.

„Man bleibt sein Lebenlang ein dummer Junge. Nach zwanzig Jahren komme ich manchmal auf das Ei des Kolumbus. Hätte man mir das damals gesagt, hätte ich es damals gewusst, wieviel Dummheiten hätte ich unterlassen, wieviel weiter wäre ich, denk' ich oft."

„Malerei ist ein Überzug. Bei jedem der halten soll, muss die untere Schicht die härteste sein. Das Bindemittel ist

11*

164 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

das Härteste, jede Zuthat von Farbe erweicht dasselbe: Also wenig Farbe, Farbe ruiniert. Es entstehen Risse, wenn man das Härtere nach oben nimmt."

„Die Eigentümlichkeiten, die „Individualität" des Materials wollen zum Ausdruck gelangen."

Schon in den fünfziger Jahren bereitete Böcklin punisches Wachs („Wachsseife") und malte damit. Ebenso Fresko.

Von seinen für Schack gemalten Bildern war eines, ein antikes Oktoberfest (die erste Form von „Vinum bonum" und „Vinum Optimum") mit Weihrauch gemalt, d. h. die Farben damit gemischt. Die zunächst blinde Malerei wurde durch Über- gehen mit einem heissen Eisen wie mit einem festen durch- sichtigen Firnis überzogen. (Schack refüsierte übrigens das Bild.)

Die Eitempera führte Böcklin zuerst ein. (1874 in München und Florenz.) Eiweiss mit Firnis gemischt, mit Terpentin ver- dünnt und Petroleum dazu geschüttet, auf dicken schluckenden Grund aufgetragen.

Er malt jetzt (1883, Florenz) mit purem Leim. „Was man zu sagen hat, ist damit bald und mühelos gesagt. Die Mal- mittel sind die Haupthindernisse."

Er hat mal wieder (November 1885, Zürich) ein neues Malmittel erfunden. Nach Tempera, Petroleum, reinem Leim, Fresko und Gott weiss was, braucht er nun einen Firnis, der wie reiner Leim aus dem Pinsel fliesst. Das erste Bild, welches er damit gemalt hat, ist in der That weniger spröd als andere, sondern weich, morbido, im Vortrag, an Tademas Marmor etwa erinnernd. („Vinum Optimum.") Der Firnis besteht aus sechserlei: gekochtem Leinöl, Bernstein, Mastix, Balsam copaive, Petroleum und Terpentin. (Er hat in seinem Leben Kameen geschnitten, gebildhauert, farbige Skulpturen gemacht, Fresken gemalt, die alte Tempera wieder neu belebt, mit purem Leim, mit Petroleum etc. gearbeitet und nun benutzt er wieder ein

TECHNISCHES 165

Malmittel, durch welches faktisch der Vortrag seiner letzten Bilder (seit dem „Vinum Optimum") etwas besonders Weiches und Flüssiges erhalten hat. Es steckt noch ein Stück alter Künstler- schaft in ihm, die noch etwas gelernt und erfahren haben musste und den goldenen Boden selbsterworbener Technik hochachtete.)

Böcklin zeigt mir dabei einen neuen Zinnober und freut sich, wie der bei (künstlichem) Licht leuchtet (während sein stärkstes Blau farblos und dunkel wird, so dass von der Ab- sicht, mit der es hingesetzt war, das Gegenteil übrig bleibt). Er war auch bei Tage schön, der rote Zinnober, aber lange nicht so. „Wissen Sie, warum ich das hingestrichen habe? (Als Gewand eines tanzenden Frauenzimmers). So was braucht man, nicht bloss weil es immer vornsteht, wo man's auch hin- setzt, sondern auch, um so neutrale Töne, wie die da im Hinter- grund daneben (Aussicht auflichtgraues Meer) zurückzubringen." Und wie weit gingen die Fernen zurück!

(Mai 1887.) Sein neuestes Malmittel ist halb Bernstein- firnis, halb Kopalfirnis.

Schellack, Kolophonium, Kirschharz etc. sind Lacke, jetzt lebende Harze. Im Gegensatz dazu die fossilen Harze: Bern- stein und Kopal. Letztere sind die einzig brauchbaren, fast unveränderlichen, in schönen Stücken in gekochtem Leinöl ge- schmolzen.

* * *

Jetzt (Mitte 1888) malt er mit Kirschharz und Wasser,

nach einem von Lessing mitgeteilten Rezept.

* * *

„Gelöschter Kalk mit Zieger*) zusammen auf der Reibplatte gerieben, giebt eine harte, in Wasser unlösliche Verbindung.

Auch das alte Fresko war nicht allein durch die Aus- schwitzung des Kalks gebunden, sondern durch Zufügung eines organischen Körpers, KaseTn oder Milch. Daher Glanz und Leuchtkraft. Alle späteren sind matt."

*) Nicht grüner Ziegerkäse, sondern Quark, d. i. die nach Ausscheidung der Molken von geronnener Milch übrigbleibende weiche käseartige Masse. Diese braucht der Zimmermann in einer Mischung mit gelöschtem Kalk, um Hölzer aneinander zu kleben, welche der Witterung ausgesetzt werden sollen. Diese Klebemasse hält die Hölzer auch im Wasser zusammen, im Gegensatz zum Tischlerleim. A. d. H.

166 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

(Aber sollte nicht gerade die Anwesenheit eines organischen Stoffes der Anfang vom Ende sein?)

Böcklins Basler Fresken nach Vitruv.

Freskotechnik: Grober starker Untergrund, etwas feinere Lage darüber, noch feiner die dritte. (Drei Siebe ver- wandt.) Die dritte Lage wird geschlagen allerdings erwiesen sich die Stöcke und auch die vorgeschlagenen schwanken Latten als ganz wirkungslos, wohl aber thaten grosse, schwere und breite Holzklötze, die an Stöcken (als Handhabe) befestigt waren, den gewünschten Dienst. (Böcklin sah das auflschia.) Dann noch zwei feine Schichten fünf im ganzen. (Die ersten nur mit dem Richtscheit abgestrichen.) Man konnte dann vierzehn Tage feucht malen.

„Diese KaseYn-Farben sind direkt gefährlich. Man kann mit ihnen umgehen, wie man will, darüber malen, fertig machen, immer nochmal, bis so eine Figur blank und voller Zieraten dasteht. Dann glaubt der Maler, der es so bequem hatte, und alles zeigen konnte, was er gelernt hat, und womit man besticht, er habe etwas ganz Besonderes geleistet, und das Publikum glaubt es erst recht; während eine wahrhaft monumentale Kunst wie eine grosse Improvisation sein sollte denn, caeterum censeo: das Viele bringt das Grosse um."

Weiss leuchtet nicht, d. h. pures Weiss (ohne Cadmium etc.). Grün leuchtet nie.

Jetzt (Mitte 1889) hat er wieder nach einem Rezept des Theophilus nichts weiter als Wasser, Terpentin und Copaiva- balsam als Malmittel und bewies mir überzeugender als je in der Alten Pinakothek (München), dass die ganze van Eyck- Schule, trotz aller auf Ol lautenden Kontrakte, dass Dürer in den meisten Fällen nicht, dass Rubens nicht und Tizian nicht in unserm Sinne mit Öl gemalt haben können. Pinsel- strich, Flüssigkeit, nachweisbare Schnelligkeit der Übermalung, Farben, die es in Öl nicht giebt, etc. Eine Reihe von Farben,

TECHNISCHES 167

die noch Dürer hat, sieht er mit Neid wir haben sie nicht mehr. So etwas ist etwa durch Zufall gefunden und einmal verloren gegangen braucht es einen neuen Glücksfall. Überall bedauert er die Unterbrechungen in der Überlieferung. So hat er denn auch einen Heidenrespekt vor allen schriftlichen Re- zepten des Altertums. Denn dass die Alten auch in der Malerei mit vollem Bewusstsein viel gewusst und gekonnt haben, ist ihm ganz klar.

* *

*

Böcklin führte zum erstenmal wieder ganze Farben in die Malerei ein Siegellackfigürchen sagten die Münchener als er Zinnober brauchte.

Sorgfältige selbstgeschliffene Gründe, er korrigiert nicht, sondern kratzt weg und malt's neu. Seine Farben reibt er meist selber. Er experimentiert aus, um die Sache so schön wie möglich zu machen, das Wasser rieselnd, das Glas durch- sichtig, das Gold flimmernd. Die wichtigsten Wahrheiten sagt er witzig oder andeutungsweise.

Er konnte vierzehn Tage malen an einem Bild.

Er nahm die Welt als ein Ganzes, von der dem Maler- poeten alles gehört. Bei wenigem Fremdartigen mag allerdings das Farbenexperiment den grösseren Anteil haben, aber ge- schadet hat er sich mit diesem gewiss nicht.

Böcklin lacht natürlich über alles, was Ateliergeheimnis heisst.

Böcklin und Hans von Marees;*) eine Parallele.

Böcklin will die Erscheinung also auch das sie Be- stimmende — in ihrer stimmungtragenden und vermittelnden Wesenheit. Im Gegensatz zu ihm prätendieren die Marees, Hildebrand, Pidoll, zur Helle etc. nicht nur bis zu den Lebensquellen einer einzelnen ruhigen Figur zu dringen, sondern auch alles, was sie je bewegt hat, und was sie ahnt, hinein- geheimnissen zu können.

Marees will alles vollständig, im höchsten Sinne, das, was es sein kann, gewesen ist und sein wird, Böcklin dagegen alles relativ, nur des Gesamten, der möglichst deutlich auszu- drückenden Vorstellung wegen.

Zur Helle: „Nur nicht das Reizende, nur das hinaus! Das Strenge, Wesentliche ist's, von dem nichts abziehen darf. Abgrundtief muss so ein Menschenbild dastehen."

So steht das denn ohne Rücksicht auf malerische Wirkung nebeneinander. Die Menge der gleichartigen, gleichwertigen Dinge macht solche Bilder so eindruckslos, während Böcklins Sachen auf lauter malerisch klugen Kontrasten beruhen.

Marees giebt nicht nach. Wenn er einmal eine Vorstellung sich gemacht hat, so muss sie so und nicht anders heraus, und

*) Das Nachstehende, so weit es persönlicher Natur ist, kommt viel- fach aus zweiter Hand. Ich habe nur insofern ein eigenes Recht daran, als ich über Marees mit seinen nächsten Schülern und Freunden reden konnte und seiner Zeit vielfach in deren Interessen und Anschauungen, die (was die Kunst anlangt natürlich) meistens von ihm gepflegt und grossgezogen waren, aufging. Anm. d. Verfassers.

Original in der K. Galerie zu Schleisshe

HANS VON MAKEES

DIE LEBENSALTER

BÖCKLIN UND HANS VON MAREES 169

wenn er jahrelang sich mit ihr und seinen (unzulänglichen) Mitteln herumbalgen sollte.

Böcklin, der von vornherein nur innerhalb seiner Mittel denkt, stutzt bei der ersten Schwierigkeit, sagt vielleicht zu der Idee nochmal: dreh' dich mal um, ob's dann geht dann ist's aber auch gleich aus: das Ding muss von vornherein falsch gedacht sein weg damit!

Dem Mareesschen Selbstterrorismus war Böcklin zu be- weglich, zu leicht was kümmerte den eine Schulterverkürzung, wenn er nur das Bild hatte. Marees musste aber gerade die auch haben, und wenn auch aus dem Bilde nichts werden sollte oder das Bild daran zu Grunde ging.

Und so malte Marees schliesslich wegen der Schwierig- keiten, Böcklin trotz ihrer.

Marees hat seine philosophisch ausgetiefte Vorstellung und quält um ihrer künstlerischen Verwirklichung willen die Mittel. Bei Böcklin sind Vorstellung und Mittel eins, zu gleicher Zeit geboren, übersehen, überlegt, und dann wird so ein Bild das einfachste, klügste Rechenexempel, das möglich ist: „was kann ich machen, wie weit reicht die Palette, was kann sie aussprechen, was muss ich haben, um das und das auszudrücken und übrigens muss ja nicht alles gemalt werden, was einem einfällt." Dabei ist er natürlich der gleiche Poet geblieben. Wer wird sich selber los! Er kommt sogar dem Publikum, soweit es sein künstlerisches Gewissen erlaubt, entgegen, er will verständlich werden, deutlich sein, Freude machen, während Marees sagt: Maul halten! Das (sein Bild) ist die Manifestation einer Individualität. Anschauen, zu ergründen versuchen und sich davor verneigen! Denn was giebt es Höheres?

Böcklin dagegen sagt: „Das Typische, die Abstraktion im Sinne Marees' ist nichts. ObjektiveMenschen, gedachteMenschen, wie sie vielleicht hätten sein sollen, giebt es nicht. Man muss verständlich, durchsichtig seine einzelnen Vorstellungen aus- sprechen". Er freut sich auch jedesmal ehrlich, wenn einer vor ein neues Bild bei ihm tritt und seine offene Freude daran hat. Marees dagegen sagt: Ein Laie versteht davon doch nichts. Die andern Knoten auch nichts. Hinaus!

Was man vor 1868 in München Kolorismus nennen zu sollen glaubte, malte Marees lange vor ähnlich bewussten

170 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Strebungen anderer (z. B. einen Schimmel in der Sonne vor einer weissen Mauer), dann Porträts wie sie später Lenbach wieder aufnahm (nur hat er [Lenbach] nie diese ersehnte fette Rembrandtische Breite erreicht), und das war schon nichts als Versuchen, Suchen, Lernenwollen. Er ist dann später in ein un- erbittliches, immer tiefer grabendes Formenstudium aufgegangen. Alles, was sich nur künstlerisch erreichen und ausdrücken Hess, suchte er durch die Form zu bewältigen, immer wollte er nur lernen, lernen, um tiefer zu dringen, einfacher mehr zu geben. Er ist darüber den Zeitanschauungen und Modestrebungen sehr fremd und feindlich geworden, und die Zeitgenossen werden fragend vor seinen Bildern stehen. Man wird sich mühsam an ihn gewöhnen müssen, ebenso wie man sich an Böcklin erst hat gewöhnen müssen.

Marees (der früher alles mögliche machte) sah, bei seiner philosophisch angelegten Art, dass unsere heutige Kunst die älteste, schwierigste, grundleglichste und ewige Grundfrage alles künstlerischen Interesses überall vernachlässigte oder umging : das Begreifen des menschlichen Körpers in seinem Zusammenhang.

Er warf sich nun ganz auf diesen Punkt, in welchem er zu unglaublichem Bewusstsein und klarstem Können kam. Er zeich- nete für seine Schüler Bildhauer z. B. einen Akt von vier Seiten im Gespräch hin, damit diese die Hauptsachen begriffen hätten, bevor das Modell kam. („Glauben Sie aber nicht, dass das mit der Kunst etwas zu thun hat, was wir hier treiben. Das kommt noch weit vor dem Anfang", sagte er dabei.) (Marees' Zeichnungen sprechen nicht wie die der alten Meister oft für das, was er gekonnt. Er zeichnete ja nicht, um eine Zeich- nung herzustellen, sondern nur für seinen Zweck im Bilde.)

„Der Mensch", der Mensch in der Natur war das, was ihn ganz erfüllte. Bis zum Gewand, seinen Gesetzen und seiner Rolle im Zusammenhang wie Michelangelo kam er nicht. (Wurde auch nicht so alt.) Er sei ein Anfänger, meinte er und könne sich noch nicht soweit vorwagen. (Andere Lebewesen: Pferde, Hunde etc. gehörten schon in seinen Bereich. Eine Menge Blätter von ihm sind nur Gespräche mit dem Rötel über dies oder jenes Tier: so würde ein Hund das machen, ein Wolf dabei so aussehen.)

vai in der K. Galei isskehn.

HANS VON MAREES DIE HESPERIDEN

BÖCKLIN UND HANS VON MAREES 171

Schnurgerad und unbarmherzig, nirgends kümmerlich, Klar- heit, männliche Kraft, Entschlossenheit überall, ja, aber das sind ja lauter Vorbereitungen. Er kommt ja nicht zu dem, was er will, und stirbt darüber, und wenn er hundert Jahr alt wird. Er ist mit seinen ewig ungenügsamen Abstraktionen auf dem besten Wege, die Mittel für den Zweck zu nehmen. Die Welt besteht doch nicht bloss aus nackten Menschen, sondern aus tausend anderen Dingen, die dem Künstler zu- gänglich sind.

Er blieb dabei: es kam ihm nur darauf an den bewegungs- fähigen Menschen im Zusammenhang zu erkennen, künst- lerisch zu erfassen. (Obgleich er zunächst das Wichtigste be- tonte, übersah er doch nichts, was zur Mechanik des Ganzen gehört.)

Nur auf den Zusammenhang des Körpers kam es ihm an. („Der Kopf ist bloss ein Kopf. Wurscht. Aber das z. B. herauszubringen, worin es liegt, dass der so lässig dasitzt, das ist eine Sache." [Die Beine waren nach ihm das Schwerste „nicht bloss, weil daran alles überall so drumherumgeht das ist bei den beweglichen Armen auch nicht leichter aber auf den Beinen steht man, sie tragen die ganze Figur und ihre Bewegung. Fehlt es da im Geringsten, gleich ist der ganze Kerl nicht in Ordnung".])

Vom Skelett wusste er nicht viel. Das ging ihn auch gar nichts an.

Perspektive ist Unsinn, sagt er. Aber dafür war sein Geheimnis, das ihn die Erfahrung gelehrt, dass alle seine Figuren sich stets überschnitten. Allerdings tritt begreiflicherweise das Überschneidende schon dadurch vor, dass es dies ist.

„Ach was, schön! Ein Ding an seinem rechten Fleck ist schön" (vergl. Böcklin : „Kolorismus! Unsinn! Farbe ist dann schön, wenn sie ihren Zweck erfüllt").

Niemals geistreich sein wollen, nur nicht posieren, das war sicherlich eine der ehrlichsten Sorgen Marees'. Ein unerbittlicher Verstand, ein ebensolches Herrscherbewusstsein, Souveränetätsgefühl erfüllte ihn und trug sein ganzes künst- lerisches Wollen.

172 BÖCKLIN-AUFZE1CHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Sein alles waren die Griechen. Und ihm wie ihnen war die vorgestellte Welt lieber, stand ihnen höher als die schon einmal vorhandene.

Man ist immer in Renaissance- oder (in deren Sinn) an- tiker Atmosphäre bei ihm, allerdings ohne dass man an Nach- ahmung denken könnte.

D. h. was die Alten wollten, wissen wir ja nicht, so wenig wie die Quattrocentisten: wie die Skizzen und ersten Mo- delle ausgesehen haben mögen, die z. B. des Phidias eigenster Geist, verkörpert, waren, nur das enthielten, worauf es ihm ankam. Er musste die Sache ja dann dem Marmorarbeiter weitergeben etc., denn er hatte Besseres, Neues zu thun. Insofern sahen schon die Alten nicht den lebendigen Geist ihrer Meister durch und durch, so lange sie auch dessen fertiggestellte und an Ort und Stelle gebrachte Verkörperungen „intakt" bewunderten.

Marees' Kunst steht da zwanzig Stufen hoch wie in einem Chor (San Zeno) mit der Krypta der Antike und Renaissance unter sich, an die man erst einmal glauben muss, und nach denen die Kirche heisst. Oben wird nur celebriert. Was sich in den Schiffen herumtreibt, ist unheiliges Volk.

Böcklin: „Die Alten sind auch nur dadurch gross geworden, weil sie den Vorstellungen und der Anschauungsweise ihrer Zeit künstlerischen Ausdruck gaben. Aber wenn jemand (wie Marees) die „drei Grazien" macht, so malt er für uns drei nackte Frauenzimmer, die sich in unpassender Weise zusammen- drängen und sich betätscheln. Denn, was ist uns Hekuba? Was bedeuten für uns die drei Grazien? Welchen Platz nehmen sie ein in unserem Glauben und Vorstellen? Sie exi- stieren darin nicht trotz aller klassischen Bildung und Ein- bildung Gebildeter. Sie sind Nuditäten."

Bruckmann meint im Gegensatz zu Böcklins Urteil über etwaige drei Grazien oder ähnliches: „Marees' Figuren sind nackt. Darf ich die Erde nackt sehen und darstellen, so kann ich auch die aus ihr hervorgegangenen Menschen dar- stellen, so wie sie geschaffen sind, wie sie sind, ohne den wechselnden Kram, mit dem Prüderie, Eitelkeit und Bedürfnis sie behängen, und der mich nicht interessiert. Und seine, Marees', Geschöpfe wirken nicht wie Nuditäten, man kann die

BÖCKLIN UND HANS VON MAREES 173

prüdeste Engländerin davor stellen. Sie sind reine Produkte seines künstlerischen Verstandes."

Böcklin hat sich doch wohl viel zu wenig mit Marees be- schäftigt. „Aktzeichnen," meinte er z. B. in Rücksicht, dass Marees scheinbar nie etwas anderes that, nie weiter kam, „Aktzeichnen kann doch jeder Pariser hundertmal besser."*) Offenbar achtete Böcklin gar nicht darauf, was Marees mit seinem Aktzeichnen suchte; gewiss nicht den Akt. Nicht den menschlichen Körper oder das Individuum, sondern die Wesen- heit, den Menschen, eine Art Abstraktum, und für sich suchte er die Freiheit, das volle Verständnis, die Souveränetät. (Über die Hesperiden**) von Marees war Böcklin übrigens seiner Zeit so entzückt, dass er ihm einen langen begeisterten Brief schrieb den Marees allerdings mit seiner ganzen übrigen Korrespondenz verbrannt hat, den Bruckmann, Böcklins Schwiegersohn, aber noch, wie er mir erzählt, gelesen hat.)

Das Individuum kann sagen: heute will ich lustig, traurig sein, so sein oder so sein. Das also ging Marees nichts an. Er wollte nur das Wesen, den Begriff Mensch, oder besser den Inbegriff alles Menschlichen, in dem alles liegt, aus dem alles möglich und erklärbar ist, wie er sich die Absicht des antiken Künstlers vorstellte. „Ich kann ja aus mir von der Sonne dasselbe herausbrüten lassen wie die Griechen", meinte er, „die Welt hängt immer in denselben Angeln, die gleiche Sonne scheint, alle Bedingungen sind da." Vielleicht vergass er gerade die eine: die Böcklin sehe Heiterkeit und Sorg- losigkeit des Schaffens.

Doch ging er mit einer fabelhaften Zuversicht immer von neuem wieder vor.

Er mit seinen blossen nackten Existenzfiguren konnte natürlich in unseren Tagen nur noch in Rom leben.

Langweiligen Kerlen gegenüber, die er doch nicht los werden konnte, log er: er rettete sich so durch Produktion vor dem faden Gespräch. Alles setzte sich bei ihm in Produktion um.

*) Siehe: „Urteile über Andere", pag. 186. A. d. H. **) Im Besitz v. Conrad Fiedler, jetzt in Schieissheim. A. d. H.

!74 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Häufig wandte er als Redensart den Goetheschen Vers: „Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg", an, den er wie entschuldigend für sich vorbrachte, wenn so ein Geheimrat an seinen Bildern herumfragte. Und ebenso boshaft: „Man soll nie sagen, was 'ne Sache ist." Allerdings ist das letztere sozusagen das Motto seiner Selbstungenügsamkeit.

Marees wusste nicht, ob das was Bruckmann brachte, Schneeglöckchen oder Maiglöckchen waren. Ich bin kein Blümchensucher. (Hildebrand macht ihm das nach.) Erkennt keine Liebe für das Kleine, für den Geruch, keine Spur von deutscher Intimität, Sinnigkeit. („Um Dürers willen wäre ich gewiss nicht Maler geworden" [so wenig Marees Dürer nachem- pfand, so wenig imponierte ihm Rubens. Als Künstler gar nicht sehr. Er war ihm zu oberflächlich, schnell zufrieden, Dekorateur. Ja freilich, Rubens beherrschte das All und malte zahllose Bilder].)

Böcklin dachte bei jener Blumenscene natürlich: o du . . .!

„Wo stehen solche Dinger?" fragt Hildebrand, durch ihren starken Geruch auf Veilchen aufmerksam gemacht, die jemand in der Hand trägt.

„Grad hier an Ihrem Haus, wo alles vollblüht, habe ich sie gepflückt."

Er wusste das gar nicht. Dergleichen Nebensachen wie Frühling und Veilchen gingen ihn nichts an.

Da jenen nun ihrer männlichen Anlage gemäss doch etwas Lebensaufgabe sein musste, so wurde es das Allgemeine. Philo- sophiert wurde viel, besonders Spinoza.

Ich denke immer, das jüdische Blut, das in beide hinein- spielt (Hildebrands Mutter war eine Jüdin, ebenso Marees' Grossmutter, wenn ich nicht irre), kann dabei mitgewirkt haben. Marees sah aus wie ein Franzose. Auch Bart- und Haarwuchs. In ihm war die ganze ursprüngliche Absicht der Natur mit seinem Stamme noch einmal zum Durchbruch gekommen.

Marees war technisch und persönlich ungeschickt. Wenn er sagte: „so muss man den Pinsel halten" (er lehrte ja so gerne), lief ihm der Terpentin in den Ärmel; bei den grossen gelben

BÖCKLIN UND HANS VON MARIES 175

Pflaumen auf Ischia (die wir assen, während der Bursch lang- sam vom Cafehaus her mit dem Kaffee durch die Sonne über die weisse Strasse kam), ging's ihm ebenso. Er konnte sie nicht brechen, sondern zerquetschte sie, und der Saft lief ihm in die Ärmel. Er kriegte bis der Bursch da war nicht eine, ich ass zwölf. Eier dito: er drückte zu stark, und sie liefen ihm über die ungeschickten Finger. Maccheroni konnte er nicht zum Munde bringen. Wenn er fertig war, lag alles um ihn herum, auf dem Hemd, sass im Bart etc. Fisch wurde immer mehr unter seinen Händen der Schweiss stand ihm dabei auf der Stirn: es blieb dreimal so viel übrig, wenn er gegessen hatte als vorher war: er brächte das Wunder der Speisung der 4000 fertig. Äpfel er schälte so lange, bis er etwa einen Würfel hatte, kaum ein Drittel der Frucht. Zu dieser Ungeschicklich- keit kam noch, dass er sehr schwächlich war. Wenn er eine Stunde gearbeitet hatte, war er kaput.

„Allerdings" begann Marees jede Erwiderung. Das Hess ihm Zeit und späteres Recht zu Einschränkungen.

Auch Böcklin ist stets so höflich anzufangen: „Zum Teil haben Sie gewiss recht", nachher hat er dann immer noch die Möglichkeit das Ganze umzustossen.

„Sind die Lichter, die aufgesetzten, von Ihnen?" fragt Bayers dorfer Bruckmann, der ihm Handzeichnungen von Marees zeigt. Ich lache. Bruckmann sagt: „Wissen Sie, Herr Doktor, wenn ihm links sein Blei nicht mehr ausreichte und alles Lecken es nicht mehr schwärzer machte, versuchte er es eben rechtsrum mit aufgesetzten Lichtern."

Bruckmann setzt Wollen und Können daran, die Marees'schen Anschauungen bei Seite zu lassen, in den künstlerischen Inten- tionen Böcklins klar zu sehen und das Seinige davon dem Alten zur Hilfe auszuführen; und wahrhaftig wenigstens anfangs oft mit grossester Entsagung des Bildhauers gegenüber dem Maler.

176 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Unterschiede.

Böcklin erzählt, voller Freude an seinem Reichtum und dem der Natur, mit der er auf du und du steht.

Marees will herrschen; er wartet nicht auf den glück- lichen Moment (ich weiss Tage und Bilder, da wollte er nicht seine gute Stunde abwarten, nichts dem überlassen, was während der Arbeit zusammenschiesst; er wollte herrschen, und wenn er nachts um zwölf Uhr aufstand, wollte er zu jedem Werk ganz da sein): das ist sein Erworbenes, Erkanntes, also .

Böcklin ist subjektiv.

Marees objektiv.

Böcklin lässt es darauf ankommen, was ihm während der lösenden Arbeit die gute Stunde aus dem Schatz seiner Individualität zusammenschiessen lässt.

Marees verrennt sich in die Sackgasse des Sichniegenug- thuns, nimmt die Mittel für den Zweck. Erkenntnis, Abstrak- tion, Begriff.

Böcklin: all seine Liebe, Sinnigkeit, Innigkeit arbeitet mit. Er ist darin ganz deutsch. Seine Kunstwerke sind spontan, wie Märchen, wie Poesie er ist wie der Frühling.

Marees: mit Griechenkenntnis und Vergleichen be- schwert. Nichts Deutsches in seiner Kunst. Den Italienern verwandt, denen auch jede Anlage, jedes Verständnis oder Be- dürfnis für das Liebevolle, Intime fehlt.

Böcklin will nie das Bedeutende oder gar Abschliessende machen, sondern nur sich.

Marees arbeitet nur per far il grande.

Böcklin umfasst alles.

Marees ist nur bis zum absoluten Menschen gekommen. Nicht bis zum Gewand. Keine Blumen, keine Stimmung.

Böcklin sagt: ich male mein Bild doch nicht wegen der Schwierigkeiten, die umgeht man.

Marees sagt: das ist mein königlicher Wille, der muss voll und ganz durchgesetzt werden. Fluchend macht er seine Sachen: ich will dir schon zeigen, ich zwing' dich schon!

Der Hauptunterschied zwischen Marees und Böcklin dürfte schliesslich der sein: Der eine wollte sich immer strecken und recken, damit er soweit käme wie die Alten oder wie die Renaissance, also wie andere schon gekommen waren er

BÖCKLIN UND HANS VON MAREES 177

suchte deren verloren gegangene Wege.*) Den anderen ging das gar nichts an, er suchte sein Gesetz allein in sich, er wollte nur sich herausarbeiten. (Die Antiken wollten ja auch keine Antiken machen.) Nach Marees war ihm die Figur „nur ein Ornament", während jener sie wie ein Bildhauer fasste.

Böcklin wurde dabei immer produktiver und heiterer, Marees immer selbstquälerischer, steriler und verbissener.

Wenn man den gewaltigen Unterschied zwischen Böcklin und Marees einmal festgestellt hat, kann man sehr wohl von der einzigen, konzentrierten Lebensempfindung in beiden reden. Die Arbeiten beider sind stets die eines ganzen Mannes; nur ein solcher kann das machen. Ferner: bei beiden hilft im Bilde eins dem andern, nichts steht müssig oder der blossen Erscheinung wegen da. Marees wollte etwas Ganzes schaffen wie Böcklin, nur in ganz anderer Art, er sucht den lauteren Begriff herauszukrystallisieren.

Es sieht fast so aus als ob er sein Individuum gewalt- sam zerstört habe, wenigstens eine Menge Dinge in ihm, nur um „allgemein" anschauen, auffassen zu können.

Seine Arbeiten wurden immer mehr das Wissen von den Sachen, Erkenntnis, Begriff. Der Genuss an ihnen wird daher auch immer mit sehr viel Reflexion verbunden sein.

Marees putzt und denkt hinweg, bis er den Begriff rattenkahl da hat. Solange schält er daran herum, bis nur diese Abstraktion noch übrig bleibt. Und darin ist er das absolute Gegenteil von Böcklin. Dieser erzählt alles, was er davon ge- habt hat und hat, er spricht sich aus. Ein Stein ist ein Stein bei ihm, aber wirklich einer, rund herum, mit allem drauf und dran mit soviel Liebe ist er angesehen. Alle Blumen, jedes Moos: so steht's in Böcklin geschrieben. Und das gehört auch zu einem, ist deutsch, klingt wie aus alten Märchen. (Und ich fürchte, darum werden wir intimen sinnigen Deut- schen in dieser harten Zeit unsere Rolle ausgespielt haben.)

Marees sucht lediglich immer objektiver zu werden. Von seiner Individualität kann man nur rücksichtlich ihrer Trägerin, seiner Begabung und seines Willens reden. (Bei

*) >Was geht mich die Antike an<, sagt dagegen Hoffart, als moderner Bildhauer, >an deren Überschätzung ist schon mancher talentvolle junge Mann zu Grunde gegangen.« Durch ihre Unterschätzung auch. A. d. V.

Floerke, Böcklin. 12

178 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Böcklin umgekehrt alles Individualität, alles sein Reichtum, seine persönliche Weltfreude.)

Auch Böcklin wollte vielleicht Begriffe schaffen, er überlegt viel, um allgemein verständlich zu sein und konnte seinerseits den Verstand nicht ausschliessen. Ausserdem ist mit den Jahren, also in der bewussten Kunst, Besonnenheit mehr als Begeisterung, die fliessende Quelle vorausgesetzt.

Eine dunkle Wolke schattet über der prometheischen Ar- beit Marees', Feuerbachs und der andern: nur Böcklin steht heiter atmend im rosigen Licht daneben schöpferischer als je. Er macht seine Gebilde so gut er gerade es kann.

Wer denkt nicht an die graue Sorge Feuerbachs, an das ewige Steinewälzen Marees', wenn er dieser heiteren Schaffenskraft aus demselben Brodeln der Zeit und der Talente (siehe auch Franz Dreber) gegenübersteht! Er ist schliess- lich doch die einzige Erfüllung jener deutsch-römischen Tage: er griff nie unselbständig auf die Früheren zurück; er griff nie über sich und über die Grenzen seiner Kunst, d. h. die Leistungsfähigkeit ihrer Mittel hinaus dies Rüstzeug aber handhabte er. (Als echter Künstler von Natur natürlich auch die allermöglichen anderen Künste und Techniken.)

Vieles ist der Wille mit Bewusstsein sich zu entwickeln, aber die höchste Begabung ist die stets frische Entwicke- lungsfähigkeit.

Immerhin, die rein künstlerische Absicht, wenn sie ohne Rück- und Aussicht auf den „Erfolg" als Lebensaufgabe dasteht, ist doch sehr viel. In magnis voluisse l

Urteile Böcklins über Andere.

Italiener: „Nein, dieser Kerl wie heisst er doch der Signorelli! Etwas Talentloseres habe ich nie gesehen. Ich habe mich vergebens gefragt, warum um Gotteswillen der Kerl das alles gemacht, wie er das ausgehalten hat. Von allen Seiten aus habe ich mir's angesehen, aber nirgends ist mir eine Erklärung geworden. Nichts hat der Kerl zu sagen, keiner- lei künstlerischer Gedanke malerischer oder plastischer Art, keinerlei Freude an irgend etwas, nicht einmal am Können, nichts von Komposition oder Anatomie, oder was es sonst sei lauter mühseliges geduldig nebeneinander gezeichnetes Zeug."

„Wie Raffael während der Arbeit lernte, sieht man deut- lich in den Stanzen. Das alte Motiv der Florentiner ist

so gut wie bei Fra Angelico etc. sein Kompositionsrückgrat bei diesen Wandbildern. In der Disputa liegt es noch völlig nackt und naiv da. In der Schule von Athen hat er dies Hervortreten des Schulknochengerüsts gemerkt; der Witz bleibt zwar im wesentlichen derselbe, aber er ist nicht mehr so simpel für jedermann affichiert. Er versuchte ihn zu verdecken durch Auflösen oder Zerstreuen der grossen, die Komposition bildenden Glieder. Sonst haben wir wiederum die untere, von beiden Seiten hinaufgebaute Masse, und die obere, in deren Mitte, wie dort der hl. Geist etc., hier der lichte Bogen mit den

12*

180 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

zwei Figuren. Aber hierbei merkte er, dass das Ding unruhig geworden war, und nun machte er den Heliodor fast auf der gleichen Kompositionsbasis, aber frei, unabhängig und so gross und breit in den einzelnen Versatzstücken und Figuren, dass hier niemand mehr das Rechenexempel sieht, und wer es findet, freut sich über seine geniale Einfacheit und Feinheit."

„Diese alttoskanische schwarz und weisse Architektur ist sehr bezeichnend für die grossen Florentiner. Sie beweist: sie verstehen ja weder was von Architektur noch von malerischer Wirkung. Sonst könnten sie nicht die Sache immer gerade umge- kehrt machen, wie sie gemacht sein will. Was soll z. B. bei dieser Bauerei wirken? Die Gliederungen und nicht die tote Mauer. Das Weiss tritt nun ohne Gnade vor Schwarz vor, weit heraus. Sie aber haben es umgekehrt hinten in ihren Füllungen, hinter schwarzen Säulen oder Pilastern. Da ist dann jede Wirkung von vornherein aufgehoben und geärgert wird man dazu. Umgekehrt sollten die Pilaster weiss sein und die Füllungen etwa von poliertem schwarzem Marmor, der durch diese Behandlung auch nicht mehr so brutal zu dem Weissen stehen würde."

Vollständig unkünstlerisch schien ihm auch die Renais- sancearchitektur. Die „Architektur des schönen Scheins" zu- gegeben (wenn auch ungern), hätte man sich doch auf den möglichst exakten Ausdruck des Notwendigen, Zweckdienlichen in der Fassade kondensieren sollen und hätte andrerseits das Relief, dessen man sich zur Gliederung derselben bediente, so logisch richtig wie eben möglich durchführen sollen. Aber da sind womöglich die Profile der Fensterumrahmungen stärker als die - doch weit vorne gedachte Pilasterordnung der gleichen Etage oder des Oberbaues, die Gesimsbänder, welche die Fenster- tabernakel verbinden, überschneiden um ihre Dicke (natürlich von der Seite gesehen, im Profil) die Pilaster (wie sie freilich nicht anders können), und so geht die gewollte Illusion oder nur die logische Übertragung (einer gegliederten Fenstermauer hinter eine freistehende Säulenhalle) verloren. Zudem werden diese paar immer wiederkehrenden Motive, die gar keine wesentlichen Bestandteile der Fassade sind, betont, überladen, zum Ausgangspunkt von Spielereien und Dekorationsgeist- reicheleien gemacht, die schliesslich nichts mehr wollen und

URTEILE BÖCKL1NS ÜBER ANDERE 181

sagen als: „sind wir nicht schön", d. h. die zur Hauptsache werden.

„Unsere modernen Architekten gar sind, ebensogut wie etwa der Erbauer einer Inkapyramide mit seinen unverständ- lichen, ihm aber als notwendig überlieferten Baumotiven nichts wie Leute, die einen gefüllten Phrasenschatz sich angeeignet haben und nun damit neue Sätze bilden, einen fertigen Bau- kasten, ein Mosaikspiel geerbt, mit dem sie manipulieren ge- lernt haben."

Das wäre so ein Ballast, wie so mancher geistige, den eine Kulturstufe von der vorigen ererbt, Vorstellungen, die zu dem neuen Denken durchaus nicht mehr passen, aber hartnäckig als leere bedeutungslose Formeln beibehalten werden, gerade so wie jene zwecklosen Organe, die jede physische Organi- sationsstufe dem weiter entwickelten Wesen der folgenden zu- rücklässt.

„Diese Florentiner! Wenn man von den Niederländern kommt Nacht wird's. Kinder sind sie. Beobachtungen machen giebt's nicht. Nach 50jahren hat Ghirlandajo noch nicht gesehen, dass gewisse Farben immer vortreten (das ist ihr Charakter, bei dem der Maler sie fassen muss), dass z. B. (in der Natur) gewisse Rot in verschiedenen Entfernungen ver- schieden wirken. Er aber setzt dasselbe hinten und vorn hin. Kein Raum daher, keine Ruhe folglich. Und nun: nicht ein- mal eine künstlerische Rechnung, eine grössere, haben sie machen können. Nirgends fällt ihnen etwas ein zur Sache. Wo ein leerer Raum bleibt, wird ein Gewandschnörkel oder ein Blumentöpfchen hingemalt. Eine Wirkung, z. B. die mit dem Teppich, mit der Mauer etc., einmal entdeckt, wird unerbitt- lich weiterbenutzt als das A und O.

Nie haben sie etwas zu erzählen, etwas mitzuteilen: die Niederländer sind bis in die kleinsten Fingerspitzen voll. Kinder sind die Florentiner in der Kunst, ärmliche hohle Ge- sellen sind diese B o 1 1 i c e 1 1 i etc. Während so ein v a n E y c k- Schüler durchempfunden ist bis ins kleinste, und doch all dies Kleine nur wieder aus der liebevoll durchempfundenen, alles belebenden Idee, aus dem Grossen heraus, als mit dem Ganzen Eins er- und empfunden ist."

.Nein, dieser Rogier van der Weyden z. B. Bis ins

182 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

letzte, kleinste hinein alles belebt, alles durch und durch ver- standen, alles künstlerisch, nirgends gepfuscht. Und womit und wie das gemalt ist, ist nun vollends ein Rätsel. Gemalt scheint es überhaupt nicht. Man sieht keine Arbeit, kein Sich- abmühen mit widerspenstigem Material. Mit Öl, Firnis, oder was wir sonst haben, ist das nicht gemalt.

Daneben nun die besten I taliener als Maler. Gleich hört's auf, überall setzt das Können aus und nun gar an Stellen, wo sie sich unbeobachtet glauben! Nehme man selbst jedes Bild von Tizian, z. B. gleich die „liegende Venus" (Uff izien) und sehe sich den grünen Vorhang an. Meinetwegen hatte Tizian sich schon ausgesprochen und wollte sich nun nicht mehr unnütz mit Nebendingen aufhalten. Aber er brauchte, bei der andeutendsten Behandlung, nicht zu zeigen, dass er nicht wusste, wie solcher Stoff in der Ferne wirkt, wie er Fällt etc. Er konnte das mit ebensowenig alles machen und zwar richtig. „Aber nein, dahinten pfuscht er eben."

„Wir haben da einen Perugino mit seinen ganz gewöhn- lichen, gemeinen Ateliergewandkniffen und wenn gleich da- rauf Fra Bartolommeo sich eine Bettdecke hinlegt und sie nachmalt, wird der Kohl auch nicht fetter."

„Ich kann diese Kerle von Italienern nicht leiden, aber ich möchte doch wieder hin. Noch ein paar Jahre, und ich spiele wieder va banque. Wollen Sie mit, gut. Sonst geh' ich allein." (Zürich, Ende 1885.)

„Ein Volk, das so jeden Begriff von Rechtlichkeit, Sitt- lichkeit und Zuverlässigkeit bei sich ausgerottet hat, wie die Italiener, von welchen jeder einzelne so absolut nur an sich und an die Befriedigung seiner Eitelkeit denkt, kann nichts werden. Übrigens waren sie zur Renaissancezeit schon gerade so."

„Die Italiener waren stets frech, wie jeder, der unfehlbar, also kritiklos, lächelnd von sich überzeugt ist. Und der Majo- rität imponiert ein sicheres Auftreten immer. Danach wird einer beurteilt. Zudem sagten und schrieen sie's von jeher selbst. Daher die Rolle, die sie in Europa und besonders in dem schwerfälligen, derben oder bescheidenen Deutschland spielen konnten."

Zum Italiener ausnahmslos hielt er höchstens das Verhältnis wie zu einem hübschen Haustier für möglich.

URTEILE BÖCKLINS ÜBER ANDERE 183

»Geschickt sind sie, diese Italiener. Sie gehen z. B. nach Paris zum Salon, sehen, was neues da ist, Glück macht, geht; sie begreifen sofort, worin das Eigentümliche liegt, und gleich machen sie's nach."

[Das rein Malerische genügt Böcklin nicht. Auch darum liebt er z. B. die Italiener nicht, weil er ihre „Sante conver- sazioni" und schön posierenden Zuschauer nicht begreift.]

Auf sich wirken lässt ein bewusstes Talent eben nur das Verwandte, und das fand Böcklin nie bei den Italienern. In seinen Ansichten über die Italiener stimmte er vollkommen mit Svertschkoff überein, nur dass dieser sie noch schärfer for- mulierte.

* *

*

Deutsche: „Ja die Altdeutschen!" Jedesmal, wenn Böcklin kam, musste ich mit in die vorderen Säle der Alten Pinakothek (in den Glaspalast etc. ging er nicht). Jedesmal stand er vor seinem Rogi er etc.: „Schauen Sie mal hin, die Luft in dem Zimmer*), die Sauberkeit, wie wohl einem da wird, das offene Fenster, die Reinlichkeit und Verständlich- keit in der Landschaft draussen ah!"

(Rogier van der Weyden: der Mut, die Klugheit der Rechnung, das stete Bewusstsein, welches dazu gehört, um noch solch ein Fenster zu wagen, wie auf seinem Bild in der „Alten Pinakothek!")

Nicht die Holländer, sondern die ungesauceten bestimm- ten, lichtvollen Flamländer sind Böcklin so viel wert.

Immer wieder seine Niederländer (die Schwind so jämmerlich findet). Böcklin exemplifiziert auf die „Anbetung der Könige" von Rogier van der Weyden (München, Pina- kothek) und sagt: „man könnte meinen, das sei bloss so blau und rot etc. ikonographisch nebeneinander gesetzt. Und ich versichere, alles ist die klügste, nirgends ein Loch lassende Berechnung, ein Exempel, welches auf jede Probe stimmt."

Quentin Matsijs: Pietä. „Diese Anschauung und Kennt- nis zugleich!"

[Oho die Niederländer Realisten! Sie haben immer ein

•) Gemeint ist Nr. 100 (Kat. v. 1898) „St. Lukas, der die Madonna zeichnet". A. d. H.

184 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Bild, also eine Neugestaltung der Natur in selbstgesetzten Grenzen, immer ein Farbenproblem (was sich bei ihnen damit deckt) und stets eine frische, vollkräftige heitere Phantasie, die, Gott sei Dank, ihre Formen und Bekleidungen aus der einzig möglichen Quelle, aus der unversiegbaren Natur, wie sie den Augen erscheint, nimmt. Nur sehen nicht alle gleich. Aber von van Eyck bis Rubens sehen die niederländischen Maler wie Künstler, als welche sie sich ihre Aufgaben gestellt hatten. Phantasie! Gehört zu einer raffaelischen Madonna mehr Phantasie als zu so manchen van Eyckschen Kompo- sitionen! Vorstellungskraft heisst das, Vorstellungsenergie dem Geschauten und Wiedergewollten gegenüber und nicht roman- tische, imaginäre Poetasterei, bei der die Mittel der Malerei und jede Kunst aufhören. Und nun gar ein Kruzifix mit vier ge- gebenen Punkten! Und doch, was ist oft daraus gemacht! Die alten Künstler hatten überhaupt keine Patente auf die Idee. Sie wagten sie nicht einmal zu ändern. Innerhalb derselben fanden sie genug Raum, sich zu bethätigen. Welche Tiefe des Erlittenen in diesem geneigten Haupt, welche Kraft in diesem Körper, welche Festigkeit in den Schulterknochen, welch klarer, z. B. schwäbischer Typus, welche bewusste Behandlung in diesen armen Füssen, und welche künstlerische Freude am Können in

der Ausführung!!]

* *

*

„Holbein ist ungeschickt, wo es ihm nicht darauf ankommt, ganz Positives auszudrücken.

Er ist nur Porträtmaler, und das waren am Ende sein Vater auch und Ambrosius auch wenn auch sehr sub- jektiv (so dass er auf die Dauer unangenehm wird). Auf seinem Th. Moore*) ist z. B. alles gleichwertig, nur er, der Alte, am gleichgültigsten."

Hans Holbein: „Glasscheibenbreite."

„Famos Nikolaus Manuel Deutsch, Hans Sebald Beham, Hans Baidung Grien, Urs Graf (von den beiden letzteren zwei Kentauren in Basel), Nikolaus Glockenton und

*) Federzeichnung im Basler Museum. A. d. H.

URTEILE BÖCKLINS ÜBER ANDERE 185

der Affentanz Dürers, ein Heidenspass, das Lustigste, Ge- nossenste, was es giebt."

Da waren neulich wieder vier Apostel bei Hauser zum Restaurieren, von einem unbekannten alten deutschen Meister, -- „mit einer Geschicklichkeit, einem Eifer, einem Ernst gemacht, dagegen sind die Modernen die reinen

Billardspieler.

* *

*

Der Rubens in Berlin ist für ihn echt. „Ein ganz vor- zügliches Bild, jeder Strich ein Meisterstrich." Es sollen zwar Beweise da sein, dass es nicht von Rubens, sondern von Snyders u. s. w. sei „das ist mir ganz egal ich weiss nicht, was die im besten Fall gekonnt oder nicht gekonnt haben, aber, so leid es mir thut, dass die Schreibzeuge Recht behalten: das ist einer der vorzüglichsten Rubens, die er gemacht hat oder gemacht haben könnte."

Makart, Bilder in der Neuen Pinakothek: „Eine Ge- dankenlosigkeit, eine Verwirrung herrscht da, die unglaublich ist. Man weiss nicht, was vorn und hinten ist, warum das da ist, nur um sich gegenseitig zu stören, man weiss nicht, mit was für einem Schädel man es zu thun hat und daneben hängen so ruhige, einfache, klare, bewusste ältere Bilder, etwas philiströs meist, aber doch von Männern gewollt und gemalt."

Böcklin sagt : „Y ist ein Erst hat

er mich missbraucht, später half ihm Makart. Der hat's dann selbst mal eines Tages gesagt mit den deutlichsten Worten. Aber nach acht Tagen war mein Y. wieder da. Dass er nach Rom übersiedelte, war der letzte mögliche Versuch. In Deutsch- land hatte er so ziemlich alles abgegrast. Frankreich konnte selbstverständlich nicht in Frage kommen. England Fred. Leighton hätte den Zauberer schön ausgelacht. In Wien sass Makart. Aber in Rom war damals Minghetti, sein Freund, Minister, und die Gräfin Dönhoff hatte die Chancen heraus- gefunden und das Ganze entrepreniert. Da kam die Consor- teria von der Gewalt, Nicotera oder Cairoli, wer war's

186 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

übernahm das Ruder, und mit der Herrlichkeit Y.'s ward es nichts.

Makart ist übrigens durchaus kein Schwindler. Was er macht, ist sein, und wenn es auch nicht sehr hoch steht, so hat er es doch auch nie für mehr ausgegeben. Andere haben anderes für sich darin gefunden, haben es anders genannt, und mein Gott er hat es sich gefallen lassen" (1885).

„Kalckreu th.*) Der? Macht ausgezeichnete Geschäfte. Er malt ja immer dasselbe Bild. Da weiss der Kunsthändler ganz genau vorher, was er bekommt, und kann ruhig bestellen."

Von Gebhardts „Abendmahl" sagte Böcklin, es habe ihm in der Photographie sehr gefallen. Als er es dann im Original gesehen, sei es eine ganz gewöhnliche, erbärmliche Modellmalerei gewesen.

Vor Lessings „Kirchhof im Schnee" habe er als junger Maler staunend und mit hochklopfendem Herzen gestanden.

Menzel ist für Böcklin natürlich vorstellungslos in künst- lerischem Sinne (wenn auch nicht im kulturgeschichtlichen). Er sieht und erfasst nur die Oberfläche, die ihm zugewandte Seite der Dinge, die er geistreich abzeichnet. Er stellt sich nicht das Ganze vor, das Rundherum, das im Raum stehende, welches auch ein Hinten hat.

Marees**). „Wer so wie er, wie ein Akademiker, an den ersten Schwierigkeiten, die ihn gar nichts mehr angehen sollten, scheiterte, ist doch kein bewusster grosser Künstler. Ja, er blieb in den Anfängen stecken, nahm sie schon für die

*) Graf Kalckreuth, Direktor der Weimarer Kunstschule. A. d. H. •*) Siehe: „Böcklin und Hans von Marees", pag. 168 ff.

URTEILE BÖCKLINS ÜBER ANDERE 187

Hauptsache. So ein Fuss geht bei ihm oft zwanzigmal in eine Figur. Er fing eben oben an, malte sich fest, und nun sah er das Ganze nicht mehr. Über das Aktmalen ist er überhaupt nie hinausgekommen. Und bei nichts braucht man weniger zu denken, als beim Aktmalen. Ein Lebewesen nur weil es einmal da ist, mit grösser werdender Geschicklichkeit nachzumalen, es so oder so hin- und nebeneinanderzustellen das heisst doch noch kein Bild malen; da fängt es ja noch gar nicht an."

„Also er hatte keine Idee von Proportion. Das Ganze sah er nicht. Er fing oben an und endigte unten wie Gott will."

Lenbach. „Was man nicht gesehen hat, kann man nicht malen. Die Welt im ganzen, den Zusammenhang sah er nie. Aber er kopiert vortrefflich, weil er nur den jeweiligen Fleck für sich allein sieht und darum sagen kann: das ist lichter Ocker mit Beinschwarz."

Gelegentlich eines Bildes von Lenbach: Kaiser Wilhelm I., in altgemachtem Rahmen : „Schmutz zu Schmutz steht immer gut." (Das Bildnis braunsaucig, ohne Farbe zu bekennen, und der Rahmen ohne blankes Gold.) „Diese Feigheit, keine dreisten Gegensätze zu wagen. Natürlich malt er dann auch den lustigen

Rahmen alt."

* *

*

Böcklin lacht fürchterlich über Leibl, der drei Jahre in einer Dorfkirche gesessen, um drei alte Weiber zu malen, unter anderm auch eine Haube, die zu sticken viel leichter gewesen wäre. „Muss das ein langweiliger, denkfauler Kerl sein"!

(So die Sorte Leibl sagt: Wer das Glas da täuschend machen kann, hat mehr geleistet als der ganze Schwind. Sieh' her: Wenn nun noch eine Hand dazukommt und einer malt die ebensogut mit. Das ist noch mehr. Und wenn dazu noch ein Kopf kommt, der das Glas und die Hand am Mund hat. Das ist das Höchste. Wenn der Kopf nun aber Beine hat und geht. Das kann man nicht mehr machen. Nein, du nicht. Aber das kann Schwind. Der kann die Leut' auch noch schweben und schwimmen machen, dass man's glaubt. Wer hat nun mehr Natur von euch?)

188 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Winterhalter. „Er war ein herzlich massig begabter Mensch, hingegen hat der alte Kaiser als Lithograph viel, viel bessere Porträts gemacht."

Der „Jongleur" von Knaus. „Die Hauptsache der Bild- moments, der Kanarienvogel, hat malerisch gar keinen Wert und ist eben doch die Pointe. Aber der Philister sieht lauter Weiber mit dicken Armen, lachenden Gesichtern etc."

Piainairis ten. „Nichts können ist noch lange keine neue Richtung", sagte er in der Zürcher Kommission, als man ein solches Bild ankaufen wollte, „da es doch eine neue Richtung

repräsentiere."

* *

Adolf Hildebrand. „Ein Hellenist in Renaissancesauce."

* * *

Ich erzählte Böcklin von Schleich und Volz, mit denen ich durch die Campagna fuhr. Der eine fand keine Lüfte, der andere konnte mit den weissen Stieren nichts anfangen sie schoben enttäuscht wieder ab. „Ja", sagte er, „die italienische Landschaft eignet sich eben nicht zum Sudeln."

Und Volz sollte mal für den Grafen Palffi einen Saal ausmalen die Skizze war so: links von der Thür kam ein Zug rotweisser, lebensgrosser Kühe heran, und rechts trat ebenso einer in umgekehrter Richtung ins Wasser. Über der Thür ein Hochbild mit Kühen en face und daneben links und rechts zwei gestreckte Dachauer Landschaften, auch mit denselben Kühen, aber klein. Weisse, ungarische aber konnte er nicht. Die hatte er nicht gelernt, sich nicht angewöhnt.

Böcklin sah den Prinz-Regenten einmal zum „Vieh-Volz" kommen und meinte nachher : „Man merkte, er sah doch bald, dass das nicht wichtig war, was der da malte" (in München).

„Die Kerlchen in München wissen ja alle nicht, um was

URTEILE BOCKLINS ÜBER ANDERE 189

sie sich quälen. Keiner weiss richtig zu accentuieren, weiss,

wo der Witz liegt".

* * *

„Stückelberg ist auch so ein . . ., da malt er aus Gott- fried Kellers „Romeo und Julie" die Kinder mit der Puppe, und hinten pflügen die zwei Alten. In Öl keine auch so schon überflüssige Illustration als selbständiges Bild, Aus- stellungsbild natürlich. Muss ich Kellers Historien gelesen haben, wenn ein Bild des Herrn Stückelberg zu mir reden soll? So merkt man höchstens, dass die Puppe wohl etwas zu bedeuten hat, dass zwischen den Kindern und den Alten ein Zusammenhang da sein soll, den der Inhaber des Nacheinander, der Dichter, darstellen kann und dargestellt haben mag, der Maler natürlich nicht, selbst wenn Erzählen seine Aufgabe wäre."

* *

*

„Herr von Werner? Der empfindungsloseste Unteroffizier. Papilloten, Kalligraphie, Pfauentum."

„Aber um noch einmal von Herrn von Werner, von dem viel „geschickteren" de Neuville, und von wem Sie wollen zu sprechen : das sind alles Panoramamaler, also absolut un- künstlerisch strebende Leute. Die Stiefel, die Sporen, die Pflastersteine werden auch noch gemalt, alles was ein Commis voyageur sieht, aber ein Maler nicht.

Das bisschen Malerische, was sie scheinbar haben, z. B. dass das und das im Schatten, im Ton liegen muss schon weil es hell nicht mehr geht, kennt und kann heute beinah' jeder künstlerische Konfirmand.

Wie könnten alle diese Soldatengeschichten auch was werden! Überlegen Sie nur: ich muss doch nicht da und da und da Rot hinsetzen, weil ich muss (wie bei Uniformen), sondern weil es muss (weil es das Bild verlangt, aus male- rischem Zwang, als Faktor des Rechenexempels). So ein Kerl muss einen gelben Kragen machen, wo er Blau nötig hätte, und wird (achselzuckend) antworten: das ist richtig so. Hier ist also nicht das malerische Bewusstsein, sondern die militä- rische Kleiderordnung verantwortlich in einem Kunstwerk. Roter Zinnober z. B. ist für den, der ihn zu benutzen versteht, eine sehr wertvolle Farbe. Wer ihn der Husaren und Füsiliere

190 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

wegen hinstreicht, ist natürlich ein Esel. Es ist ja künst- lerisch gedacht so furchtbar gleichgültig, ob jemand einen vorschriftsmässigen Rock und ein paar Hosen, selbst im Zu- sammenhang mit einem Bismarckkopf und einem Bewegungs- motiv darin reproduzieren kann.

So eine Malerei, die sich an allen Ecken bindet das ist, als wenn jemand zuerst alle Reime zu einem Sonett macht. Das wird auch was Gescheidtes.

Neuville ist ungefähr so ein Talent wie Werner, nur geschickter. Doch was man sich als Illustration, als Erklärung gefallen lassen muss, warum soll man das so durchgemalt wie eine Farbenphotographie leiden können!

Zudem hat dieser Mensch stets „Absichten", die ausser- halb der künstlerischen Aufgabe liegen."

* * *

Koller hat eine grosse Photographie nach Millets „Ave Maria" hängen, die er bewundert. Böcklins energische Ein- seitigkeit oder Klarheit geht so weit, dass er das nicht zugeben kann. Und doch sieht auch er hauptsächlich malerisch, d. h. landschaftlich, naturwahr (bei seinem „Prometheus" war er unzufrieden trotz des erreichten Effekts. Solche drohenden Wolken, wie er sie da habe, zögen niedriger), er sieht mehr Ton als Form. Zudem wirkt der Millet doch gross, ist nur Ton (und wie fein!) und wirkt für den, der dergleichen sucht oder nicht gerne entbehrt, sogar als tief poetisches, religiöses Bild. Böcklin begreift nicht, wie man sich für das Tagelöhner- pack interessieren soll. Wäre es für ihn etwas anderes, wenn da zwei griechische Feldherrn ständen und der Acker ein Schlachtfeld wäre? Nein, ich glaube, Böcklin ist zu gewaltig in Farbenprobleme verwickelt, ihm fehlt hier einfach das Arbeiten

mit und nach Farbe.

* * *

„Ein Fresko von Bleib treu? möcht' ich auch wohl

mal sehn!"

* * *

„Möricke kommt mir gerade wie Genelli vor: schlecht, weil lauter Posen, komplizierte übertriebene Stellung."

URTEILE BÖCKLINS ÜBER ANDERE 191

„Martin Salander*) und manches andere Kunstwerk: je länger man liest, umsomehr Zusammenhang merkt man, um so festere Beziehungen kommen in die Sache."

„Ich habe mich wieder mit dem Professor Werdmüller, natürlich nutzlos, herumgestritten. Es schade doch nichts, es erfreue vielmehr eine Reihe von Wissenden, wenn histo- rische Kostüme echt seien. Ja, darauf kommt es ja aber bei einer malerischen Aufgabe absolut nicht an. Wer das sucht, will ja kein Bild sehen. Was gehen mich die Kerle an, denen das Spass macht! Wie kann einer, der an so was denken muss, der davon nur im geringsten beeinflusst wird, eine klargestellte, rein künstlerische Aufgabe vor Augen haben! Was mein Pudel oder mein Hausknecht sieht, das sehe ich ja nicht."

* *

*

„Dieser B . . . . t gehört zu den Leuten, die jedes Ge- spräch sofort ins Gewöhnliche, Triviale hinabziehen. Wir sassen gestern beim Strozzi (meine Frau wollte den Aleatico pro- bieren) eine Viertelstunde beisammen, und er hat in der Zeit mehr geredet als ein anderer in vier Wochen und lauter Dinge, die man überhaupt nicht sagt: Persönliches, Klatsch. Kaum nannte man einen Namen, so ging's los. Alles Dinge, die uns und ihn nichts angingen, und die wir nicht wissen wollten. Er versteht sofort dem Gespräch jedes Interesse, alles Individuelle zu nehmen, es zur Konversation zu machen."

Kunst- Aus Stellung, Berlin 1886. „Über die Aus- stellung, die ich zweimal besucht, will ich kein Wort verlieren. Ich freue mich auf die frische unverdorbene Luft am Zürisee"**)

*) Roman von Gottfried Keller. A. d. H.

•*) Stelle aus einem Briefe Böcklins an den Verfasser, datiert: Berlin, 11. September 1886. A. d. H.

Koller und Böcklin.

Koller: „Es giebt in der ganzen Malerei nichts so Schönes, dass es nicht in der Natur noch schöner vorkäme. Die Natur bleibt immer das Schönste."

„Grade der Tiermaler kann ohne fortwährende Natur (Modell) keinen Schritt thun."

„Man soll sich überall als ein Könner ausweisen und sich nicht schämen, zu wissen, was jeder Akademieschüler freilich schon weiss. Man soll sich nirgends schämen, zu wissen, dass auf a b folgt. Sonst beleidigt man den Augeninstinkt des Be- schauers resp. provoziert seine nicht zur Fähigkeit des Ge- niessens gehörigen Kenntnisse. Ein Tiermaler muss Realist sein, d. h. wirkliche Tiere nach der Natur malen. Ein Seemaler muss die See und die Schiffe kennen, verstehen. Man lacht, wenn er hier rein malerisch nur Töne, Überschneidungen sieht. Man verlangt, dass die Schiffe auch segeln können. Von diesem Verlangen ist bei keiner Art Malerei ganz abzusehen möglich. Das Verhältnis wird sich ja, je nach der Stärke der rein male- rischen Potenz resp. Wirkung, sehr verschieden stellen. Auch das mehr oder weniger phantastische Stoffgebiet hat einigen Einfluss. Aber seine Prozente muss jeder diesem „Wissen" des Nichtmaler-Auges zahlen, schon weil ein Maler wie Böcklin verlangt zu den Gebildeten seiner Zeit gehören und sich dessen nicht schämen sollte."

„Ob einer was davon versteht, sieht man gleich, wenn er ins Atelier hineinkommt, wie er die Sache anpackt."

„Faune, Nymphen und Kentauren sind an sich noch nicht malerischer als Geisbuben und Küh. Es giebt keine Rangliste für den Maler. Es kommt auf das „wie" an, nicht auf das „was".

KOLLER UND BÖCKLIN 193

„Ich bin durchaus für die Agitation für eine Zürcher per- manente Ausstellung."

Böcklin: „Ja, um Gotteswillen, siehst du denn nicht ein, dass ihr schon an einer Wanderausstellung zu viel habt?"

„Ja, aber ich verkauf halt nix."

„Der ist schon zu faul und zu pfahlbürgerisch, um im Ausland in die Konkurrenz zu treten", sagt Gottfried Keller, „er ist Züribieter, und der Kanton soll ihn ernähren."

Mit Kollers Malerei ist das so: „Ja, weischt, das sind Züri-See-Küh, und das sind Appenzeller. Jeder Küher kann kommen und kennt sie gleich." (Neulich freilich korrigierte ihn einer, und Koller änderte sofort.)

„Ja, das ist mein ganzer Stolz, dass jeder, der eppes da- von verstaht, gleich siecht, dass das 'n Appezeller Kuh ist und keine vom See oder von Bern."

Böcklin: „Ja, malst du denn für Bauern und Vieh- knecht?"

Koller muss nach Hause: ihm kalbe eine Kuh.

„Was so ein Maler doch alles können und thun muss!" sagt Böcklin. „Weil ihm ein Modell kalbt, muss er heim. Aber das kommt von der Tiermalerei."

Böcklin freut sich schon, wenn die farbige Skulptur erst so missverstanden sein wird, dass die Tiermaler ihre Viecher plastisch machen und anstreichen oder vorhandene plastische naturgetreu bemalen.

Floerke, Böckli.. 13

Böcklin über Rudolph Schick.

Er war ein ordnungsliebender, hoffnungsvoller Jüngling; ein Ungeheuer von Ordnung. Er bezog ein Stipendium für zwei Jahre und kam damit vier aus. Seine Crayons Nr. 2 und 3 trug er in beiden Westentaschen mit einer Schnur um den Hals vereint.

Ein Staat waren seine Skizzenbücher, sauber, wie neu. Vor einer Studienreise präparierte er sich das Buch und versah es mit einer sauberen Aufschrift, z. B. „Studienreise nach Wälsch- tirol, Sommer 79. Begonnen am 1. August." Und wenn es glücklich ganz voll war, schrieb er darunter: „abgeschlossen den so und sovielten. Gottlieb*) Schick." (Wenn Raffael das auch so gemacht hätte!) Worauf er es dann befriedigt auf den hohen Stapel ebenso grosser legt.

Und was man in so einem Skizzenbuch nicht alles findet. Da hat er z. B. eine Genziane ganz genau lebensgross abge- zeichnet und daneben geschrieben: blühte am 20. August da und da, so und so hoch etc. und dazu den botanischen (nach- geschlagenen) Namen was ihn als Maler doch zum Teufel alles gar nichts angeht.

Sonst richtet er seine Skizzen, wie seine Studien, gleich so ein, dass er sie später zum Bild gebrauchen kann. Er zeichnet sauber und penibel. Natürlich wird unter jedes Blatt Tag, Tageszeit, Ort etc. bemerkt. Jedes wird fixiert und dann ein Stück Seidenpapier dazwischen gelegt. Er raucht nicht und trinkt nicht. Ich habe immer Verdacht gegen solche Ordnungs- helden und Musterknaben. (Als Böcklin ihm einmal sagte, er

•) Der Vorname ist ironisch zu verstehen. A. d. H.

BÖCKLIN ÜBER RUDOLPH SCHICK 195

möge Leute, die nicht rauchen und kneipen, nicht leiden, ver- suchte Schick es gleich, fing es aber natürlich dumm an, rauchte aus einer Thonpfeife unglaublich schweren Tabak etc.)

Seine Bildung vervollkommnete er systematisch nach eigenem System. Er hatte in seinem Atelierzimmer Rahmen voller Photographien berühmter Leute (gez. von Jäger, R.Paul und Konsorten), die er wochenweise wechselnd sich einzeln vor Augen stellte, während er entsprechend ihre Werke oder über ihre Werke las.

Natürlich besuchte er fleissig die Sitzungen des archäolo- gischen Instituts. Wenn er vom Kapitol kam oder aus der ihm sehr angenehmen Gesellschaft von Philologen, sprach er ein ganz anderes, gehobenes, selbstbewusstes Hochdeutsch, dialektlos, tief bedeutend, so aus dem Kehlkopf hervor; man hörte gleich, dass was dahinter war: so ä la Flasch: Ordnung, Autorität, Abgeschlossenheit ohne Widerspruch. Freilich er sprach nur so.

Er schenkt sich zu seinem Geburtstag einen roten Shlips, bindet ihn um, zieht seinen guten Rock an und bittet, ihn vom Zeichenunterricht (den er zu geben hätte) zu dispensieren: er möchte den Tag in Feststimmung verbringen.

O dass er ewig grünen bliebe!

Edel und feierlich stieg er herab, schritt er daher. „Raffael als Knabe", sagte Böcklin, als er Schick das erste Mal die Stufen der Akademie herabschreiten sah, „der hat gewiss in Dresden studiert."

Zu Schick passend wäre wohl auch die Äusserung, die ein junger Raffael auf Capri that: „Ich male schon 14 Centi- meter grosse Figuren und bin der fünftgrösste Maler in Weimar!"

13*

Unsere Zeit, Mode, Publikum.

Jede Zeit will die ihr eigene Kraft, ihre Lust etc. aus- sprechen, wie ein Individuum, jede hat ihre eigene Art, in der sie angeredet werden will.

Jede wirkliche, d. h. neue und damit nach Möglichkeit freie Kunst beleidigt naturgemäss eine Menge von Erziehungs- resultaten in ihren Zeitgenossen. Der in der wissenschaftlichen wie künstlerischen Mode seiner Zeit versimpelte und darauf natürlich eitle Mensch ist der natürliche Feind aller ausser seiner Specialität und Gewohnheit liegenden Weiterentwickelung, jeder in sein System nicht passenden Sondererkenntnis.

Kunst ist Fortschritt, kann nicht anders gedacht werden und muss ergo jeden angelernten etc. Besitzstand beleidigen, zur Verteidigung auffordern und die übrigen Armen am Geiste, die von den Brosamen oder von dem väterlichen Kapital an Ästhetik leben, zu jenen hintreiben. Denn das Neue und das ist jedes Kunstwerk verstehen sie nicht, sie können nichts darüber sagen, weil davon nichts in ihren Dogmen steht. Und reden müssen sie nun mal.

Von einem Allgemeingefühl oder einem Volksinstinkt in Kunstsachen kann ja längst nicht mehr ernsthaft die Rede sein weder oben noch unten, auch nicht in jenem äusser- lichen, nationalstolzen, kirchturmeitlen Sinn wie früher.

Unsere grämlich-ernsthafte Zeit, unsere verwissenschaft- lichte Welt versteht die Heiterkeit der Kunst nicht mehr. Unsere ganze Geisteswelt ist seit Generationen in das Zeichen des Schulmeisters getreten. Kunstgeschichte und Ästhetik, aber keine Kunst; Reflexion und Wissen, aber keine Anschauung; Präparate, aber kein Leben; Stücke, aber kein Zusammenhang;

UNSERE ZEIT, MODE, PUBLIKUM 197

Goethe- oder Shakespearegesellschaften, aber nicht der kleinste Goethe oder Shakespeare. Wir kennen alles und beherrschen nichts. Der Verstand wird erzogen und bestimmt unsere An- schauung. Neben ihm beherrschen uns die Gesellschaft, der es beliebt Moral feilzuhalten, die Politik, die Gleichmacherei etc.

Andrerseits haben zu allen Zeiten Erziehung und Gewohn- heit uns das Konventionelle als Natur erscheinen lassen, ist jede neue Erkenntnis den Massen unbequem gewesen; nun gar den Kunstrichtern, die gerade die ästhetischen Dogmen, wie sie unter anderen Voraussetzungen geformt wurden, auswendig gelernt haben, einen Masstab zu besitzen glauben und nun wieder um- lernen, resp. selbst anschauen und empfinden lernen sollen.

Jeder Einzelne übersieht die äusseren Einflüsse, unter denen er steht und geworden ist. Die ästhetischen Dogmen und Voraussetzungen unserer Väter sind auch uns in Fleisch und Blut übergegangen, und sie wirken noch in unseren populären Büchern und Gymnasiallehrern nach, Generationen lang. Jener, die sich davon selbständig zu machen wussten, und doch noch Kraft genug hatten, das Selbsterrungene zu ge- messen oder zu gestalten, sind wenige.

Unser Denken, Beobachten, Empfinden etc. ist viel mehr, als die meisten glauben, verstaatlicht oder vergesellschaftlicht. Wie könnte es auch anders sein! Wir Publikum und Künstler sind alle der Mode unterworfen, oder sagen wir: dem Zug der Zeit.

Man ahnt nicht wie viel bei der Beurteilung eines Kunst- werks von der jeweiligen Modeanschauung (im weitesten und zusammengesetztesten Sinne) abhängt. (Treu spricht, etwas zu eng, meine ich, von den „Gewohnheiten des Geschmacks".)

Man lächelt über einen unmodischen Schnitt als auffällig, man lächelt ebenso unselbständig oder unbehaglich über ein Bild, welches sich nicht unter die Zeitschablone stellt, nicht dem „Zeitgeist" Rechnung trägt.

Wir sehen konventionell, generationen-, gesellschafts-, in Summa herdenweise. Das Publikum ist ebensogut stets manieriert wie das Gros der Künstler. Nur Eigensinn und Genie brechen aus und gehen eigene Wege. Natürlich versteht das das Dutzendpacket nicht. Es lacht hinter ihnen her wie hinter jemandem, der lange Haare trägt, wenn die Herde ge- rade geschoren herumläuft.

198 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Es ist neben der ererbten Gewohnheit lediglich dieser Mangel an Selbständigkeit und Erfahrung im Anschauen und an Nachdenken darüber (was mit „Mode" identisch ist), was die Leute über Böcklins Farben resp. seine „Verachtung der Form" staunen oder spotten lässt. Auf diesem Gebiet wird die Gleichheit aller niemals Wirklichkeit werden. Jeder sieht, ja, aber von der Wahrheit doch nur das Stück, das ihm ver- wandt ist. (Wahr ist für den einzelnen, was er erkennend geniesst, und als seiner Natur verwandt sich assimilieren kann.)

Es ist nur die Anschauungskraft, die zur Anschauungs- fähigkeit spricht. Auf die Schädel, die sich treffen, kommt es an.

Unsere Zeit, die so sehr die selbstbewusste unentwegte Klugheit schätzt, sollte gerade dieses klugen Künstlers Spuren mit etwas mehr Vertrauen zu folgen suchen. Aber wir sind aller- dings mit anderen Dingen beschäftigt und zwar fahren wir in tiefen Geleisen, die auch wohl so bald nicht ausgebessert werden. Nächstens ist alles Staatsbahn von der Wiege bis zum Grabe und auch die kleinsten Wässerchen werden auf die Mühlen des Staats geleitet. Die grossen freilich versanden inzwischen.

Dass die Böcklin'sche Ästhetik die Menge so fremdartig berührt (auch z. B. in Frankreich, wo unser ästhetisches System von Winckelmanns Gnaden längst keine Gläubigen mehr findet), kommt eben daher, dass sie eine ganz individuelle, mit nichts direkt Überliefertem zusammenhängende ist, gross- gezogen aus dem Widerspruch gegen das Konventionelle und Halbkonventionelle.

Böcklin ist nicht „seltsam grellbunt". Wir sind nur die Farbe nicht gewöhnt, welche Raum schafft und Form ausspricht; wir wissen auch nicht mehr, dass die Kunst heiter sein sollte. Wir vererben einstweilen die Galoschen der sog. „Zeichnung" und des „Gedankens" weiter, und nach deutscher Art werden noch Kind und Kindeskind darin zu schlurfen haben.

Weil einem eingeschlafenen Ohr eine Harmonie fremd- artig erscheint, ist sie deshalb schon Disharmonie? Muss die Minorität schon Unrecht haben, weil die Majorität anderer An- sicht ist? Ich will an dieser Stelle gewiss nicht unparlamen- tarisch werden, aber ich muss manchmal so ganz von Ferne und sans comparaison an das alte Wort denken : „wat de Bur nich kennt, dat frett he nich".

UNSERE ZEIT, MODE, PUBLIKUM 199

Also: die meisten Leute sehen wie es gerade Mode ist, glauben aber an ihre eigenen Augen und Hirn. Ergo sehen nicht sie falsch, sondern der, der anders anschaut als sie. Meine Versicherung, dass Böcklin selbst in seinem „Gefilde der Seligen" noch lange nicht an die „Effekte" des südlichen Himmels reicht, wird darin nichts ändern, auch berührt das ja nur ganz äusserlich die Frage. Versuchen wir es lieber mit dem Satz: Auch das künstlerische Sehen setzt eine bestimmte Anlage vor- aus und will gelernt und geübt sein. Vor allem aber kommt es darauf an, wer sieht. Sonntagskinder z. B. sollen mitunter mehr sehen als photographische Apparate.

So gewiss die dichterische Wahrheit wahrer ist als die historisch gefundene, so sicher ist künstlerisch gesehene Natur wahrer als philisterhaft gelehrte oder mechanisch angeschaute, wahrer als die photographierte.

Aber dass irgend eines Tages auch das Publikum diesen Satz glauben würde und anfangen sollte künstlerisch zu sehen, erscheint mir nicht einen Augenblick wahrscheinlich. Ebenso- wenig wird es aber auch der Versuchung widerstehen können, in Dingen der Kunst sein Urteil abzugeben.

Die „Kunst für alle" ist ein Wort, an das ich nur so lange geglaubt habe, als ich mit der Kunst noch keinen direkten Verkehr pflog, sondern einer von den „Allen" war.

Für je weniger die Kunst ist besser, an je weniger ein Kunstwerk sich wendet, um so vornehmer wird es wohl sein.

Das Publikum will sehen, was Seinesgleichen und von Seinesgleichen ist, oder es will staunen wie in der Seiltänzer- Zaubererbude, und zwar das vornehmste Publikum so gut wie das maulaufreissende. Sehen, aber nicht empfinden nicht sich umändern müssen!

(Einem Publikum, welches Specialisten, Virtuosen und Spekulanten bewundert, wird freilich der nach immer grösserer Einfachheit, nach immer klarerer Individualisierung strebende Künstler wenig zu sagen haben.)

Demnach richten sich die meisten heutigen Bestrebungen auch nicht auf die Kunst, sondern dienen dem Ehrgeiz die Maschine (die das Alltägliche, überall umsonst zu Habende, billigst leistet), die Photographie für teures Geld zu erreichen. Soweit wird es der Mensch nun allerdings kaum bringen.

200 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Über das Banalste staunen natürlich die meisten, und da- für ist folglich auch am meisten Geld flüssig.

Das Niveau des technischen Durchschnittskönnens ist, ebenso wie die Virtuosität, in der Malerei so gestiegen (ebenso wie in allen anderen Reproduktionsverfahren, die man noch immer Künste nennt), dass ihre Produkte in Wertschätzung und Preis sinken müssen, dass eine Übersättigung des Publikums eintreten muss. Was jeder lernen kann, was die Maschine auch giebt, wird bald niemand mehr zahlen wollen. Allerdings sinkt zu gleicher Zeit und besonders mit der allgemeinen Verwissen- schaftlichung auch das Niveau der Fähigkeit zu wahrem Kunst- genuss.

Leitet selbst die Kunst keine Überlieferung wie bei Böcklin wie ratlos steht dann erst das durch keine Ge- wöhnung geleitete Publikum vor einem Schatzhaus, zu dem es keinen Zugang sieht, und von dem es nicht einmal durch her- kömmliche sprechende Formen weiss, dass es eins ist.

Sie sehen nie, worauf es ankommt, sondern nur, was drum herumhängt. Mit welchem Abglanz von Kunst die Menge sich selbstzufrieden abfinden lässt, ist kaum zu glauben (mit dem von der Kunst untrennbaren äusserlichen, sinnfälligen Moment resp. den Empfindungen oder Erinnerungen, die es erregt).

Das „Nacheinander" und „Immernochwas" ist die Freude des Bildungsphilisters und Virtuosenbewunderers, der diese „Künstler" nennt und sich damit für einen Kunstkenner hält.

Seit Böcklin ihn manchmal besucht, sieht Sandreuter plötzlich den Wald, den er früher vor Bäumen nicht sah. (Das Viele macht das Grosse unmöglich.) Das Publikum sieht und sucht immer noch lediglich Bäume oder gar Baumschlag, d. h. Blätter in charakteristischer Zusammenstellung und will dies sein trauriges kleines „Wissen" oder „Kennen" zuerst befriedigt sehen. Der eine verlangt, was dasselbe ist, Zeichnung wie er sie versteht, der andere Nebelbewohner Luftperspektive im Süden, der dritte vor allem Anatomie. Ebenso recht hat der zehnte, wenn er richtige Portepees, Kammerstiefel und echte Stoffe verlangt. Als ob das nicht jeder Malklassenschüler, Student der Medizin, Kommissoldat oder Schuster besser kennte und zu wissen nötig hätte als der Künstler.

UNSERE ZEIT, MODE, PUBLIKUM 201

Alle diese Leute sehen überhaupt nicht im künstlerischen Sinne und haben ergo nichts dreinzureden.

„Leute, die bei einem Mondscheinbild nur das Licht sehen, weder z. B. die falschen Wolken, noch das unmögliche Meer (wodurch der Effekt hervorgebracht ist), bemerken und ver- missen den Fingernagel, der auf einem innerlich tief lebendigen Figurenbild fehlt", sagt Böcklin.

Man kann hinter jedem Renaissance- Hinz und -Kunz herlaufen und braucht doch kein Verhältnis zu Böcklin zu finden. Man kann sogar die „Regesten" Michelangelos schreiben und braucht noch lange nichts von Kunst zu verstehen.

Es ist immer der grosse Künstler, der diese oder jene den Stoff krystallisierenden Einfälle hat. D. h. in der Kunst- oder Litteraturgeschichte. In Wirklichkeit ist es bloss der, der den Geistern gleicht, die er begreift, der das Hilfsmittel benutzt, welches die Kritik für die Gangart der Kunst hält, welches aber nur eine Krücke ist. Das Hohe in der Kunst ist für diese Leute das, was sich verstandesmässig begreifen und dar- stellen lässt. Darum wird es auch im Druck so sehr pussiert. Mit der Kunst selbst hat es nichts zu thun. Aber die „Denken- den", die ja vor allen mitreden müssen, nehmen es dafür, resp. haben es erfunden. Die Künstler, die dergleichen in den Vordergrund schieben, sind entweder keine, d. h. sie gehören eigentlich zu jenen und haben nur aus Versehen oder Selbst- verkennung das Handwerk gelernt, oder sie haben jene, die naturgemäss die Herrschenden sind, nötig und arbeiten in ihrem Sinne, um die Raufe voll zu haben.

Ganz gelehrte Menschen (oder vielmehr gerade die Ge- lehrten, als die ganz einseitig und jedenfalls nur verstandes- mässig erzogenen, die heutigen Gelehrten mit ihrem absichtlich kleinen Gesichtskreis = Specialität), halten eigentlich so einen Künstler für eine Art Missgeburt, für einen seltsamen „Fall", der alles gerade so sehen müsse, anders als andere Leute. Weil

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sie nicht sehen und selbständig durchschauen gelernt haben, glauben sie, der andere sei der „Eigentümliche", „Einseitige", an dessen Merkwürdigkeit man sich immerhin erfreuen könne. Während doch gerade der Künstler, der wirklich einer ist, der Normalmensch ist, der für alles Auge und Verständnis hat, der an allem teilnehmen muss; gerade er muss die ganze Bildung seiner Zeit besitzen, kein einseitiges Wissen freilich. Gerade er macht nichts zufällig. Gerade er braucht so viel klaren zielbewussten Verstand wie nur einer, nur um die Rechnung seines Bildes aufzustellen und stets ganz vor Augen zu haben, alle Faktoren aneinander abzuwägen, um den einzelnen wie die zu erzielende Summe zu ihrem vollen (höchstmöglichen) Wert gelangen zu lassen. Niemand hat so sehr als ein ganzer Mensch an seine Aufgabe (an jede neue) hinanzutreten, niemand muss sich so reich erweisen im Verlauf der Zeit, wie gerade der Künstler, der nicht wie der Gelehrte ein Steckenpferd reiten darf, eine Fähigkeit seines Geistes einseitig ausbilden kann. Sehen, angeregt empfinden und mit Verstandesgewalt kompri- mieren muss er zu gleicher Zeit.

Wenn die Gelehrten nicht einmal sehen, noch durch das Sehen anzuregen sind und nun die Herrscherthätigkeit des Verstandes in einem Kunstwerk nicht begreifen, so liegt das an ihrer einseitigen Ausbildung, welcher die gleichzeitige Viel- seitigkeit einfach unfassbar ist und bleiben muss.

„Um Gotteswillen" sagt Herr X. Kunstschriftsteller „wir sitzen in unserm dunkeln Drehturm mit dem grossen ästhe- tischen Teleskop von Winckelmann, Lessing & Co. und sehen da oben in dem endlosen Schwarz ein helles Pünktlein und finden wieder eins und notieren es denken Sie sich, ich habe geträumt, ich sei dagewesen, und es seien Welten gewesen, nicht bloss auf dem Papier ausgerechnete!"

Ehrliche Menschen, d. h. solche, die mitteilen, was sie meinen und empfinden, giebt es ja nach moderner Schulung kaum noch. Die Geschichtsschreibung an der Spitze, so positiv sie thut, kann gar nicht. Wenn ein preussischer Professor

UNSERE ZEIT, MODE, PUBLIKUM 203

Friedrich den Grossen schreibt, schreibt er eben mit vorbe- dachter Absicht einen grossen Mann. So schreiben wir, mit beabsichtigten, nicht mit erkannten Resultaten Raffael, Michelangelo und jeden sonstigen Renaissanceonkel. Nur weil die Geschichte mal im Gange ist, die Schüler im Train ihrer Lehrer laufen (schon weil sie Professuren haben wollen), geht der Glaube weiter, wie jeder andere.

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Der Gelehrteste bleibt der Kunst gegenüber immer ein Dilettant. Die Archäologen am meisten.

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Wir leben in einer Zeit, in der man jede Beobachtung eine Bosheit nennt, und nebenbei den Japanismus etc. (Ober- länder nicht zu vergessen) versteht.

Den Böcklinianern ist die Karikatur unheimlich. Böcklin sagte einmal: sie sei der Ausdruck der Enttäuschung. Bruckmann meint, sie sei immer unbarmherzig. Wenn so einer langsam und einzeln alle die momentan ihn entstellenden, wesen- losen, kleinen Schwächen eines Menschen etc. gesammelt, über- trieben und zusammengestellt habe, sage er: das ist er! Alle guten Seiten, alles Ausgleichende, Verschönernde hat er unterschlagen.

Das Leben, den wahren Zusammenhang, die Existenz- berechtigung und Freude, die Kraft, aus der er existiert, das Gute, Menschliche, Erfreuliche, also das, worauf es dem Künstler ankommen kann = das Unwichtige. Zufälligkeiten = Wesen ; Äusserlichkeiten = der Mensch; Nebensachen Hauptsache. Das ist keine künstlerische Auffassung, Thätigkeit.

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Es ist auch ein charakteristisches Zeichen unserer Zeit, dass man sich um die Bildhauerei so wenig kümmert. (Nicht nur wo sie selbst Schuld daran ist.) Immer nur Malerei! Malerei! Und immer mehr Damen!

(Der immer grösser werdende Anteil der Frauen an der Malerei beweist auch, wie sehr viel an dieser modernen Art lernbar ist.)

Moderne Malerei.

,, . . . la flear sans parfam de la vie parement exterieure." A. Daudet.

Unsere Zeit der Überladung, des Virtuosentums, der Specialitäten und Ausstattungsstücke, der allgemeinen Bildung und populären Wissenschaft, der Prachtbücher, Illustrationen, Photographie etc. etc., sucht auch in der Malerei ihren Feuer- werks-, Seiltänzer- und Konversationslexikonsgeschmack. Sie muss staunen, sie muss die Genugthuung haben ihr Wissen befriedigt zu sehen oder einen Rebus gelöst zu haben. Die Einfachheit der Kunst zu beachten hat niemand mehr die Naivetät oder die Feinheit der Sinne. Nicht die Kunst, sondern Kunststücke imponieren.

Was den meisten Bildern zum Durchschlagen verhilft, ist was ganz anderes als ihre künstlerischen Qualitäten, denn nicht malerische Interessen sind es, die meistens in ihnen Befrie- digung suchen.

Diese modernen, vollgestopften, „ausgeführten" Bilder sind vielleicht gut zum Lernen, aber nicht zum Empfinden. Der Künstler zeigt, was er weiss, und das Publikum freut sich um so selbstgefälliger, je mehr es ihm in die Einzelheiten zu folgen vermag, sei es in den Kostümen, sei es in Sitte und Einrich- tung u. s. w. Das Ganze nennt man Kunst, resp. Kunstgenuss und freut sich, dass die aktive und passive Teilnahme an den bildenden Künsten immer grösser wird.

Diese modernen Figurenbild-Stilleben („historische" i. e. Stoff- und Waffenstilleben mit vorgeschriebenen Porträts und Aktionen) und Landschaften wollen nur Nachahmungen sein ihre Urheber verzichten freiwillig, soweit denkbar, auf die eigene Gehirnmitwirkung und das ist auch ein Glück bei den meisten.

MODERNE MALEREI 205

Das simple Bewusstsein der malerischen Mittel, ihrer Grenzen und ihrer Ausdehnungsfähigkeit, vor allem der Farbe als Kompositionsmittel, sind bei den meisten verdunkelt und ganz verdrängt durch unmalerische Nebeninteressen, die auf ganz ausserhalb Liegendes bewusst oder unbewusst spekulieren.

Ein Maler, der sich Historien-, Genre-, Landschaftsmaler nennt oder schelten lässt, ist gewöhnlich mehr Gewerbetreibender als Künstler, oder ein Mensch, der abstrakte Ideen mit Formen und Faltenwurf bekleiden zu können wähnt. Denn dem Künstler gehört die ganze sichtbare Welt der Erscheinung, er ist mit jeder neuen Aufgabe ein anderer. Jene ästhetischen Rangklassen exi- stieren nicht für den Schaffenden, sie sind gelehrten Ursprungs.

Ich denke, es geht dem Künstler in allen Bethätigungsarten gleich : er gestaltet, was der Augenblick bringt, oder verlangt.

Karl Hillebrand („Briefe eines ästhetischen Ketzers") nennt die ganze Stoffmalerei (Geschichte, Genre etc.) also Delaroche, Gallait, Piloty, Geröme, Knaus, Heil- buth etc. veredelte Bilderbögen und spottet über den Be- schauer, der sich über das ernste oder lustige Geschichtchen freut, das| man ihm erzählt, froh ist, wenn er's errät. Ebenso über die „Ausdruck"simpel ä la Ary Scheffer, bei denen der Hauptreiz für den Philister darin besteht, diesen Ausdruck zu verstehen; schliesslich über die Herbeiziehung von Patriotismus, Frömmigkeit etc.

Tiermaler, Marinemaler du lieber Gott! All diese Dinge werden falsch geboren, weil sie sich an die Richtigkeit binden, und weil sie sich an eine falsche Adresse wenden, nicht an den Kunstsinn, sondern an die Kennerschaft (von Pferden oder Schiffen), an einschlägige Liebhabereien.

Die Frage liegt ja fast immer so: nimmt einer ein künst- lerisches oder sonstwie hergestelltes Interesse als Leitmotiv. Was will er: gefallen, resp. es dem Publikum etc. recht machen oder Künstler sein, d. h. blind dem Erkannten folgen und dem Erkennen weiter nachstreben. Auf was spekuliert er mit seinem Bildwerk? Ist er Künstler oder Affarist?

Böcklin hasst die Historien- und Genrefritzen, weil sie sich abhängig machen, ihr eigenes und des Publikums Interesse in allerlei suchen, was Kostümschneider und Militärs bestechen kann, aber zum Ausdruck der eigenen Bildidee nicht nur über-

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flüssig, sondern störend resp. abziehend sich verhalten muss, weil sie etwas malerisch Nebensächliches zur Hauptsache machen, Accessoirsma\er sind.

Man denke an die Düsseldorfer „Kostümpoesie". Wo ist sie geblieben?

Man dürfte schwerlich auf die Idee kommen, einen Böck- lin zu zerschneiden, wie z. B. einem Knaus geschehen, um die einzelnen Hunde etc. des Bildes als Originale einzeln zu verkaufen, als Porträts etc., eine Idee, die, so kunsthändler- haft sie auch sein mag, doch für unsere heutige Produktion wie für die Konsumenten gleich bezeichnend ist.

Warum es dort hell oder dunkel ist, bewegt oder ruhig, warum der so blau, jener so rot sein muss, wird heute bei den wenigsten Bildern jemand sagen können. Höchstens: das geht gut zusammen, oder: das giebt eine eigentümlich reizvolle Stimm- ung, oder: das war so, resp. das ist Vorschrift. Weiteren Zweck (Komposition, Deutlichmachung, kurz Ausnützung der natür- lichen Kräfte der Farben) hat der heutige Kolorismus meistens nicht. Rechenschaftsloser (unverantwortlicher) „Ge- _ schmack" an Stelle bewusster Kunst. „On a ce qu'on nomine du goüt et cela sufflt, croit-on . . . ." sagt Viollet-le- Duc. Auch künstlerischer Instinkt genügt nicht. Atelier- überlieferung hält ihn nicht; denn die haben wir nicht. Also: Erfahrung und Rechnung (Bewusstsein).

Es hat bis auf die Pleinairisten noch kein Mensch be- stritten, dass der Maler so gut wie jeder andere Künstler durch Gegensätze jeglicher Möglichkeit zu wirken hat. Das sind seine Mittel, ist seine Sprache. Also hat auch noch nie- mand bestritten, dass der Schatten (Schlagschatten) dazu gehört, um auf der Tafel das Licht wirksamer zu machen. Ja, aber die Farbenkontraste! Da schreien alle. Auch die der ältesten Observanz. Ist denn aber das was anderes als die Helligkeits- kontraste??

Es erfasst einen ein gelindes Grauen, wenn man an das ge- waltige Heer der heutigen Maler denkt. Wer zu nichts anderem taugt, wird Maler. Die affichierte Originalität dieser Burschen ist nichts als nackte Armut. Sie machen das, weil sie nichts zu

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sagen, nichts bei der Seele haben. „Wenn sie besser malen könnten, thäten sie es schon" sagt, glaube ich, Andreas Achen- bach. Wer keinen Überfluss zu verzapfen hat für andere, der soll doch davon bleiben. Nicht wie die Weiber Kinder kriegen.

In Paris ist dies Naiv-Aussehen schon wieder Geschick- lichkeit, Berechnung. So einen Körper ganz flach auf einen Teppich stellen oder ähnliche unerwartete Witze -- das zieht. Das Publikum will ja nur Neues oder Chic, Bizarrerie darum ist meist schon ein kapriciöses Modell für den Maler alles. Hat er das gefunden, so hat er seine künstlerische Specialität gefunden, so gut wie alle grossen Franzosen.

Aber auch das gilt noch von der Pariser Malerei: „Depuis qu'ü est quelque avantage ä posseder du talent, chacun veut en tenir boutique."

In Paris einer wie alle. Die Künstler verderben sich selbst untereinander: „tu devais te faire une specialite; tous les peintres ä la mode ont une specialite." Immer wieder damit kommen, so dass im nächsten Salon jeder sagt: „tiens, un Leopold Laurent! et tu seras lance." Oder: „Pas changer! Vous etes arrive." Und darauf kommt es an. Er hat seinen Typ gefunden, unter dem das Publikum ihn kennt, er hat seine Specialität.

Jeder hat seine Specialität, von Meissonier bis Breton, von Cabanel bis de Nittis, von Geröme bis Henner, von Bouguereau bis Bastien Lepage.

Nein, „wer immer das Gleiche macht", sagt Böcklin*), „ist ein Schweinhund. Kein Mensch, so lange er sich Künstler nennt, kann eine Manier haben. Man bleibt keinen Tag der- selbe. Was einem Zwanzigjährigen gefällt und richtig erscheint, kann einen Mann nicht mehr anregen. Was man erreicht hat, ist ab. Jedes Bild hat in diesem Sinne etwas anderes zu sagen, und wenn es eine Wiederholung wäre.

Breton ist gerade so wie die anderen. Aber er macht Schule. Eine Menge Münchner hat er verführt."

„Ein Künstler kann so wenig eine Specialität haben wie eine Manier. Ein Streber oder geschickter Handwerker muss sie haben; denn er ist an ihr kenntlich, nur sie sucht seine

*) Böcklin über Breton zu Koller, Zürich 1884. A. d. H.

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Art Kunstfreunde bei ihm. Ich sage dies mit absichtlicher Beziehung auf moderne französische Kunst. Ein Deutscher, der so viel kann, der so weit durch ist, macht dann etwas anderes, vielleicht nicht Besseres, aber er will doch mehr. So ein Pariser, nein! Er bleibt stehen und wird eleganter Chicqueur. Und das ist die Gemeinheit. Denn wer so viel kann, weiss auch, dass es immer noch ein Höheres, Künst- lerischeres giebt. Aber ob damit ein „Hotel" und Tagesruhm bei der „Nation" verbunden wären, weiss er freilich weniger gewiss."

Diese phantasielosen rohen Kerle, die ein Stück Natur heruntermalen können, sind um so gefährlicher, je besser sie in ihrer Arbeit sind. Dann läuft ihnen wieder alles nach, was Ihresgleichen ist. So hat der Knote Courbet in Frankreich unendliche Verwirrung und viel Schaden angestiftet.

Da sind mir die fleissigen Schafsköpfe immer noch lieber. Das ist wie ein kleines Bierorchester von zwei Geigen und einer Flöte bescheiden und stillvergnügt plötzlich fängt jemand daneben einen Trommelwirbel an, schleudert die Schlegel unterm Bein durch etc. Damit macht er jene tot, und alles hört nur ihn und staunt ihn an.

Dagnan-Bou veret: Porträts. Was ihm noch bleibt, nachdem er sich aller Freiheiten begeben hat, die der Künstler haben muss, das hat er ausgenutzt mit einem Raffinement . .

„Sie ahnen nichts von dem Zwingenden in einem Kunst- werk, die »Modernen?, am wenigsten die Franzosen. So ein Maler wetteifert mit dem photographischen Apparat. Die Photo- graphie giebt alles, darunter oft das Unwesentlichste hervor- ragend gross und wichtig, im Ton falsch, während der Künstler sieht, wägt, begreift: hier ist das wichtig, wesentlich, bedingt den Charakter der Erscheinung etc., das macht er, weiter nichts, und man hat doch und erst recht eine Auffassung des Menschen, des Moments; die Phantasie des Beschauers ist sicherer geleitet und angeregter, als wenn ihr alle Zufälligkeiten gleichwertig nebeneinander aufgebaut werden. Sich aussprechen

MODERNE MALEREI 209

und sich deutlich aussprechen je schneller, je wärmer das ist alles."

D i e wollen Böcklin als den Ihrigen reklamieren, die Herren mit dem herabgebrannten Lichtstumpen (die Impressionisten) ä la Joseph, den, der die Wände und Köpfe anzündet mit seiner Glut? Diese affektierten Sozialisten, die in Staub und Asche einhergehenden Elegants gehen doch den nichts an!

Böcklin hat mit keiner der modernen Malerschulen etwas gemein. Er wird nie danach streben, eine Manier zu erfinden, auf welche hin seine Bilder von Modemenschen gekauft werden; er wird nie ein Stück Natur nachquälen, um glauben zu machen, er sei ein Künstler, er wird das Geschichtenerzählen und Witze- machen immer für die Aufgabe eines Illustrateurs halten.

Das Amüsanteste von Begriffsverwirrung vollzieht sich. Der Mensch darf nicht mehr geniessen. Er sieht. Aber nicht wie er. Er bemüht sich wie eine Maschine zu sehen wie ein Objektiv. Heilige Objektivität und deine Prediger! Als ob nicht die Subjektivität das Einzige wäre, was in Frage kommen kann. Objektivität! Gewiss. Aber ich will den Herrn Objektivus haben.

Modernste. Jetzt soll das bewusste (empfundene, be- sonnene) Kunstwerk aufhören ( als ob das ginge) und einem mit scheinbarem Unbewusstsein kokettierenden Platz machen. Nur immer wieder rin in die Eier, nachdem ihr sie noch nicht mal vom A . . . . habt, wenn sie auch zerbrochen und leer sind! (München 1890.)

Heute sind die selig, die da geistig arm sind.

Wenn die Kunst nur andeuten und anregen kann, so setzt sie jedenfalls doch die vollste Kenntnis der Dinge und das präziseste Bewusstsein seitens des Künstlers voraus.

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Floerke, Böcklin. 14

210 BÖCKLIN-AUFZE1CHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Der Natur glaubt man alles. Ein Kapuziner wie eine Glocke mit einem Mal läuft er weg. Aber ein gemalter Stein muss beweisen, dass er da ist.

Die Natur ist trotz ihrer Unendlichkeit immer harmonisch, das Zusammenaddieren unserer Modernen wird es, da sie nicht mit Licht und Luft alles umfassen, nie werden, und sie werden die wesentlichste Bedingung der Naturwahrheit nicht erreichen.

Kann jemand in der Poesie den schönsten Helden ein Lebenlang leben lassen, oder muss er ihn durch wenige be- zeichnende Thaten und im Spiegel seiner Umgebung zeigen? Kann ich einen Geschwätzigen dadurch darstellen, dass ich sein Gewäsch stundenlang stenographiere, oder bin ich um so mehr Künstler, mit je weniger bezeichnenden Worten ich sein Wesen klarmache ? Hier ist jedem die Wahl leicht. Der bildenden Kunst gegenüber steht es leider anders. (Zürich, Febr. 1886.)

„Da müsst' ich ja Genremaler sein, wenn ich nicht wüsste, dass es auf das und das ankommt, und dass lediglich der Kunst un verstand noch anderes verlangt. So ein Genrefritze, bei dessen, nehmen wir mal an, ganz netter Scene doch z. B. alles auf die zwei freundlichen Gesichter von Ihm und Ihr an- kommt, und höchstens noch auf die oder jene helfende Be- wegung, - ja der macht noch den Hund und die Katz, und den Ofen auch mit dem Kalender dran von 1886 und die Nägel am Lehnstuhl und ist stolz darauf. . . nämlich, dass er den Blick von der Hauptsache abzieht und hin und her zerrt."

(N. : „Man kann auch noch das machen und das machen . ." Böcklin: „Nein, man kann nicht das eine und das andere, wenn man Maler sein will. Man kann nicht, wenn es auf zwei Köpfe ankommt, hinaus kommt, noch Stiefel und Knöpfe inter- essant und fertig machen. Dann kommt einmal das Gewollte nicht heraus, und zweitens langweilt die Menge der gleichwertig nebeneinander stehenden Dinge.")

„Alle die Hexenmeistereien auf modernen Bildern gehen mich nichts an."

MODERNE MALEREI 211

Wenn man alle Register auf einmal zieht, giebt es ein Geheul, aber keine Musik.

„Technik! Technik kann jeder Schafskopf haben, kann

jeder lernen."

* * *

Nur auf eine gewisse Entfernung kann man eine Sache richtig übersehen, kann eine Landschaft Eindruck machen, malerisch wirken. Aber die Tiftler vergessen den Baum über seinen Blättern und morden den Wald durch Bäume. Wen die Blattform an sich interessiert, der mag Herbarien wälzen, aber nicht Bilder malen: die interessieren ihn ja nicht.

Die Böcklinsche Kunst mit ihrer Verachtung aller Pariserei etc. ist keine Einseitigkeit. Das Zusammenstellen und frappierend Hinpimpeln von netten Einzelheiten, die mit Gedanken und Vorgang nichts Notwendiges zu thun haben, die Richtigkeit von Kostümen und Uniformen, kurz die ganze akademische und sonstige Korrektheit (über die Korrektheit der Niederländer, die sich absolut mit Böcklinschen Prinzipien vertrüge, ein andermal*), ferner das Motiv an sich, seine Tendenz, das Pathos, der Witz, die Erzählung, das Drama, das sog. Kolorit, (wenn es Manier ist und nicht jedesmal mit dem Bildgedanken selbst geboren und gross wird), das alles, und was man sonst heutzutage noch lernen kann, hat mit der Kunst ja herzlich wenig zu thun; die Wahrheit des künstlerisch Geschauten steht auf der Leinwand nicht als ein Additionsexempel (welches wohl Kenntnis aber keine Empfindung bewirken kann). Wir verlangen in der überzeugenden Wesenheit einer auf uns über- tragenen künstlerischen Anschauung vielmehr Empfindung, den besonderen Fall und den individuell Anschauenden zu verstehen.

* * *

Notizen anlässlich der III. In ternationalen Kunst- Ausstellung in München 1888.**)

Die Kunst in Deutschland zeigt mehr als je die Tendenz pariserisch zu werden, jede Neigung zu nationalen Eigen-

•) Vergl. pag. 239 und 240. A d. H. **) Auszug. A. d. H.

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212 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

tümlichkeiten wird, besonders bei den Jüngsten, verlacht, gilt als komisch.

Die Franzosen haben ihre Kommune gehabt und ihren Zola noch warum sollen sie nicht mal auch in dem Sinn malen? Aber was geht das uns an?

Jede Pariser Nervosität müssen unsere Modernsten auch fühlen wie Modedamen oder Gecken. Bei den Parisern ist sie wenigstens folgerichtig entstanden und entwickelt; sie haben sie erfunden. Unsere weil einer und der andere mal in Paris war machen sie kalt nach und versuchend damit. Den Malern imponieren sie immer.

Es ist unsäglich gleichgültig, jedenfalls zu keinerlei Über- hebung berechtigend, welches Stück Wahrheit die jeweiligen Modeführer als das Ganze oder das Alleinseligmachende pro- klamieren. Für die Entwickelungsgeschichte ist einzig das individuelle Streben wertvoll. Den Zusammenhang nachweisen wollen, ist schon recht oft als müssige Schreiberei und Kon- jekturenmacherei entlarvt.

Das ersehnte Naturstudium ist da, aber es ist nicht der Kunst zu gute gekommen, sondern selbständig (und die Kunst verdrängend) aufgetreten.

* *

*

Natürlich heisst es gleich seitens der Modernen: das ver- stehst du nicht! Na natürlich. Wie kann auch ein Mensch ohne Cul de Paris gehen, wenn man grade 1888 schreibt.

Auch ich glaube nicht an eine „historische" Kunst am wenigsten für unsere Tage (wo sie ausserdem fast stets nur ein Deckmantel für zurückgebliebene Professoren und beleidigte Ästhetiker ist). Aber ebensowenig an dies prätentiöse, im- portierte, nach Paris gehörige Gegenteil, an die Proletarier- malerei, „die nun mal 'ran müssen". Nein. Die Sache liegt so: die Herren, die das hoffentlich gar nicht so blutig nehmen, „müssen auch mal ran" an die Berühmtheit, die Krippe etc.

Auch mir ist eine konventionelle Kunst keine Kunst mehr (obgleich uns viel mehr Atelierüberlieferung und Gewissen not

MODERNE MALERI 213

thäte) aber ich will dafür nicht eine andere Mode, sondern eine, gleichviel wie, womit und über was gemachte Kunst des Herzens, der Andacht sozusagen vor der Natur, ich will die Begeisterung nicht aus der Welt getreten sehen kurzum keine Kunst des „objektiv gemachten" Auges.

Ich gebe zu, dass die Hingabe an die Natur von Zeit zu Zeit nicht selbstlos genug geschehen kann. Aber das sind die Übergänge. Die Frage bleibt immer: was wird daraus?

Es handelt sich für die Kunst sicher nicht um das ver- feinerte Sehvermögen, auf welches die Modernsten so viel und nur zu viel Wert legen so sehr dasselbe als Durchgangs- punkt zu wünschen war.

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*

Ich spreche hier nicht für das Bedrohte, Absterbende, Alte dessen Beseitigung, soweit es wirklich saftlos, ich nur zu verdanken hätte; sondern gegen die Einseitigkeit, Erkenntnis- losigkeit (Ungebildetheit) und Unduldsamkeit der Pleinairisten, die doch nur offene Thüren eingerannt und doch nur Sturm- böcke geblieben sind, die höchstenfalls etwas niedergerissen haben, aber uns glauben machen wollen, sie hätten bereits auch die neue messianische Idee geboren. „Sarah soll Heil gebären!" Das glaubte schon Millet und wahrlich mit mehr Recht als seine Apostel in Deutschland.

(Die angenehme Unduldsamkeit, mit der die Modernsten vorgehen, macht auch anderen, ruhiger Zuschauenden, den Ton leichter, die Stechbahn frei.)

Der durchsichtige genetische Zusammenhang erscheint mir als die Schönheit eines Bildes.

Jetzt sind sie meist nur oratorische Meisterstücke, künstlich gefügt, blendend; aber nicht innerlich geboren, seelenlos.

* * *

Böcklin steht zu diesen Modeherren wie Oberlaender zu Schlittgen. Er macht, was er weiss, was er von der Welt in sich hat. Darum wirkt's. Er macht nicht, was er im Augen- blick sieht und lernt.

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Die Kunst lebt heutzutage von der Verwirrung der

Begriffe und sollte doch von der Lösung derselben leben.

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Die Freude am Begreifen, am leichten Begreifen ist der Grund aller Kunst wie auch der Wissenschaft. Das ist die Lebensfreude, das Draussen zu vereinfachen. Die Natur kann das nicht, kann diese Freude nicht bereiten. Sie ist viel zu kompliziert, zu zufällig. Und es kommt doch nur auf die (Erkenntnis-) Freude an, die jemand gehabt hat. Es gehört der warm fühlende erklärende Mensch dazu, der die verständliche Formel findet.

Das, was die Neuen an der Natur sehen, ist für sie augen- blicklich alles, was an ihr malerisch und anschauenswert ist, und in ihrer Art gehen sie dem Dogma ja so feinsinnig, fleissig und strenge nach, dass man das anerkennen muss.

Diese Kunst ist auch sonst ganz echt. Sie nimmt, der Zeit angemessen, überall wissenschaftliche, populäre, sozialistische, pessimistische Allüren an.

Das Ergebnis sind Studien, die jeder, der die Malerei (wenn auch nicht die Kunst zunächst) für eine interne Ange- legenheit der Maler hält, zu den frischesten und feinsten rechnen muss, die ein Vize-Photograph herstellen kann.

Gewiss, der Lebende hat Recht. Aber er braucht darum nicht alle die totzuschlagen, die von demselben Recht ihrer Zeit Gebrauch gemacht haben. Warum soll das nur der Historiker und nicht auch der Künstler begreifen können!

Die ganz „nackte Malerei" wird bald erfroren sein !

Impressionismus. Es sind ja so subtile malerische Feinheiten dabei, gewiss, sie sind aber künstlerisch meist viel zu teuer erkauft und beweisen, dass Schulen, die dergleichen so hoch schätzen, viel zu wenig Schulung haben und von der Tagesmode leben. Sonst wüssten Sie, dass all das, was unser empfindsames Zeitgenossenauge unterscheidet, für die nächste Generation bereits in einen gleichen Brei zusammenfliessen wird - - weil es immer die Mittel, höchstens die Nebensachen waren, die man eine Zeitlang für den Zweck ausgab.

MODERNE MALEREI 215

Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit wer wünschte und wollte sie nicht! Nur verstehen selten zwei das Gleiche darunter, da bei der Formulierung der Begriffe von Manchen so Vieles ausgelassen wird.

Die Malerei wird bei uns so gut, wie seinerzeit in Paris, durch die Impressionisten aufgerüttelt werden und wie dort Vieles von ihnen lernen. Dass sie allein in ihrer strengen Observanz den Anforderungen irgend einer Zeit genügen sollten, kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, sie haben gethan, was in ihrem Programm liegt und sich Dank erworben. Aber es giebt eine grössere Welt, die noch adäquaten Ausdruck verlangt, als jene, die sie umspannen, eine Welt mit mehr Blut, Herzschlag, Wärme, Erhebungsbedürfnis, Schmuckbedürfnis und Stilgefühl, Heiterkeit und Freude an dem Glanz der Welt und der verklärenden Poesie.

Der neue Held heisst die Atmosphäre. Die malte man zwar auch sonst schon, aber nur „mit". Damit man das meinetwegen neue Stückchen Wahrheit aber möglichst neu erscheinen lassen könne, isolierte man es, indem man alle von anderen Ausgangspunkten aus gefundenen Wahrheiten zu negieren vorgab und z. B. auf Kompositionslosigkeit hin komponierte.

* *

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Es gehen mal wieder schwere Schlagwörter um, und wer die Ohren in die richtigen Ateliers hängt und dann voll hat, kann gleich heim laufen und einen aktuellen Artikel seinem kurzen Darm entlassen.

Es ist die alte Geschichte fable convenue nur so wirst du selig Regierungsprinzip Mode; dies uner- träglich Aufdrängende wie bei Wagner: „Ihr sollt und müsst daran glauben!"

Habemus papam! sagen die Herren Muther und Helferich.

216 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Wenn ihr wollt, so haben wir eine neue Kunst, sagten ihnen nämlich vorher die Herren Lieber mann und Uhde.

Die unbekannte Grösse, die man nationale Kunst nennt, ist dabei freilich nicht deutlicher geworden (bei deren Unter- scheidung nur Temperament, Manier resp. Schule etc. eigen- tümlich sind, das Künstlerische aber naturgemäss überall auf den gleichen Voraussetzungen ruht).

* *

*

Bloss malerisch kann natürlich alles gleichmässig interessant sein, und gegen „paysage intime" hat natürlich als gegen alte Geschichten kein Mensch was. Aber ein Unter- schied bleibt es doch, wer malt. Die blosse Rechtgläubigkeit thut es nicht. Die Poeten aus den 30er Jahren (Schule von Fontainebleau) bis zu Bastien Lepage waren eben mehr als blosse Augen, Herz und Hirn dirigierten die Sache.

* *

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Es ist ja nicht wahr, dass die Impressionisten der Natur näher kommen. Es ist das nur ein neues Rezept zur Aus- nutzung der vorhandenen unzureichenden Mittel Täuschung, Berechnung wie alle und jede Malerei aber die Böcklinsche (und manche andere) ist mir lieber, weil sie bewusster und darum künstlerischer ist (von aller Phantasie und der Freude daran abgesehen).

Auch ich halte das überzeugte Wollen für das allein leben- schaffende, also künstlerische Prinzip. Die starke Individualität, die persönliche, belebende, fortpflanzende Anschauung, wo ist sie hier, bei dieser Objektivität von Millets Gnaden?

In der Form Böcklin sehe ich ja in der modernen Rich- tung das alleinige Heil. Aber wenn ich auch die Berührungs- punkte nicht übersehen kann, so sehe ich doch viel deutlicher die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen ihm und den von Helferich und der Breslau verteidigten Impressionisten, die ihm noch (siehe Helferich) zum Heil der Kunst (!) überlegen sein sollen. Aber bange machen gilt nicht, und ein Auflauf ist keine Zeitströmung.

Die Kunst wird eben auch bald rechts, bald links geritten,

MODERNE MALEREI 217

sie bleibt, Bereiter und Reiter wechseln, ob sie nun abge- worfen oder abgesetzt werden.

In diesem Sinne ist die „Malerei" vielleicht überhaupt keine Kunst, sondern nur eine Geschicklichkeit.

Wer hat einen Wirbelwind gemalt wer das Grauen des Meeres die Menschenfeindlichkeit des Hochgebirges, wenn er auch die Erscheinung: alle Pässe, Stürme etc. mit seinen Farben verkleinert abgemalt hätte? Das, was den Menschen bei der Seele packt, nicht bei den Augen und rechnenden Sinnen, das zu malen, ist des Künstlers Sache.

Es fällt gewiss mir zuletzt ein, irgendwelchen internen Fragen der Malerei ihr eigenes Austragsrecht im geringsten zu bestreiten; auch lebe ich viel zu sehr in meiner Zeit, um sub specie aeterni urteilen zu wollen. Aber die immer und naturgemäss wiederkehrenden Einseitigkeiten und Ansprüche der jugendlichen Mode darf man doch von seinem Standpunkt aus von den dauernd Reformatorischen, Schöpferischen trennen.

Übrigens wird die ganze Frage so sehr als Privateigen- tum der Maler resp. der Beteiligten behandelt und ist es auch so sehr geworden, dass man kaum noch mitreden mag.

Aber es liegt nicht in der Macht des unbeteiligten, ruhig weiterschauenden Beobachters, in einer nehmen wir an, noch so glänzenden jeweiligen Zeitbethätigung das alles Frühere ausschliessende Evangelium der Malerei zu sehen. Vieles wird man ihnen gerne preisgeben; aber mit der Gewissheit, dass eine spätere Generation auch von ihnen Vieles preisgeben wird.

Indessen ist das das Schicksal aller Pioniere, und wenn die Herrn sich nur als solche ihrer Resultate freuen, darf man sie nicht missverstehen.

Das wirklich Wertvolle in dem Streben der „Neuesten" ist nicht ihre Hellblaumalerei, ihre „Natur", sondern ihre un- erbittliche Stellungnahme gegen jeden Schlendrian in der Malerei.

Eine breite Luftwelle weht daher, die vieles Alte mit sich reisst und und das wird sie am besten im Innern recht-

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fertigen Arnold Böcklin an die Spitze trägt. Unter dieser Flagge kann man die unvergorene Begeisterung der Impressio- nisten völlig willkommen heissen.

Eine Menge Jugend die überall das Recht ihrer Kraft hat muss man auch immer wieder in Betracht ziehen.

Wir sind im grossen Ganzen endlich wieder ganz andere Beobachter und Liebhaber geworden - - ä la bonne heure! aber da wir vor der Natur arbeiten (und nicht die Phantasie möblieren), so haben wir es über Studien kaum hinausgebracht. Alles auf kaltem Wege gemacht, in vollster Abhängigkeit und Temperamentlosigkeit. Wer so die Zufälligkeit der Natur an- betet, wird nie den störenden Ballast über Bord werfen lernen, um in künstlerische, leichtere Luft aufzusteigen. Es giebt noch keinen Daudet unter diesen Modernsten ich sage absichtlich Daudet, nicht Zola.

Die Kunst hat keine Zeit wie die Natur, sie ist auch nicht gleichgültig wie diese; vielmehr muss sie deutlich sein und will verstanden werden.

Auch Böcklin lebt nur von der Natur. Aber er schwelgt in dem unendlichen Glanz der Welt und sucht ihre Pracht zu entbinden, die bis ins kleinste Angeschaute und Ergründete in ruhigem ordnenden Nachgeniessen, mit klarem künstlerischem Willen komponierend, fügt er die disjecta membra nach seinem Bedürfnis zu einem neuen Naturprodukt zusammen, das für den Menschen verständlich und erfreulich wirkt.

Die heutigen Maler appellieren nicht an ihre Phantasie, sondern an die der andern.

Ich kann nicht glauben, dass wir eine so bloss geschickte und kluge, aber gemütlose Gesellschaft sind. Das ist ähn- lich wie Ibsen eine Etappe, aber nicht das Ziel, hoffent- lich auch nicht schon das Ende.

Todesfälle, Leichen, Betrübnis wozu das alles? Die Herren sind ja doch keine Philosophen!

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Soziale Fragen haben mit der Kunst gar nichts zu thun (so wenig wie Staatsaktionen etc.), und wer sie hereinzieht, handelt mindestens ausserhalb seines Mandats.

„Wer in die Kunst Tendenz bringt, der ist eben kein Künstler", sagt Böcklin.

Alles, was sich Kunst nennt, soll auf Behagen hinauskommen. Aber man entlässt uns mit Unbehagen. Unbehagen zu erzeugen ist erst der modernen Kunst vorbehalten geblieben.

„Neue Kunst!" Es giebt nur eine Kunst, das andere ist Mode, Eitelkeit, gegen deren Überwuchern sich gelegentlich eine andere Mode aufbäumt, oder Andere, die mit was anderem auch mal an die Reihe wollen ehrlich und unehrlich.

Ich bin nur erstaunt, wo das Neue liegen soll. Wir sagen Liebermann und Uhde. Ja, Liebermann vertrat seinen Pariser Import und seine Bethätigung übrigens schon damals mit dem bemerkenswertesten verwandten Talent bereits zu Anfang der siebziger Jahre in Weimar und auch nicht als etwas Neues.

Herrn von Uhde aber als einen Apostel anzusehen, bin ich so wenig imstande, wie seine Apostel als solche zu nehmen. Im übrigen malt die halbe Welt längst Pariser Jargon.

(Das Malen von Vorgängen im Freien in Freilicht war zu- dem nie eine Erfindung derer von Fontainebleau, sondern wurde von ihnen nur in dankenswertem, bewusstem Gegensatz zu einer erstickenden, akademischen Konvention zu den möglichst sicht- baren Extremen geführt und mit mehr Recht ausposaunt, als es jetzt die um Liebermann etc. uns gegenüber machen.

Die Unterschiede, auf die man sich berufen wird, werden gegenüber demGesamteindruckderSchule bald unbemerkt bleiben.)

Lieber mann ist keinen Schritt von seinem vorgezeichneten Wege abgegangen. Aber er ist viel feiner, ausgeglichener ge- worden; nicht mehr so ganz Schwarzspiegel.

Ich habe meinen alten gewissen Respekt vor Liebermann nur erhöhen können. Aber freilich immer noch lediglich vor seiner verschärften, auf ein Ziel gerichteten Energie, nicht vor seinem Kunstprinzip.

Es hilft doch nichts: die Kunst kommt nicht aus dem Verstände, der steht nur am Ventil oder am Steuer.

220 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Was geht uns eigentlich dieser absichtlich seelenlose Momentschein der Dinge an. Charakterisiert ist höchstens der Augenblick (5 Uhr 25), nicht einmal etwas von den ihn (schein- bar) zufällig bildenden Dingen selbst.

(Vergleiche Whistlers Stimmungen! 7. August, 6V2 Uhr nachmittags etc. Das gehört in einen Nachlass, aber nicht von einem Lebenden auf eine Ausstellung.)

Man hätte sich unter normalen Verhältnissen damit be- gnügen können, Uhdes grosse Fähigkeit der Charakteri- sierung zu rühmen und Liebermanns schneidiges Festhalten und Ausbilden eines entlehnten Prinzips anzuerkennen (ohne in dem einen oder andern mehr zu sehen als malerische Talente, die Recht behalten, Zeitblasen, die an die Oberfläche kommen wollen) aber seit diese Herren sich die Litteratur dienstbar gemacht haben, muss man doch anders über sie reden.

Uhde. Wenn Filippino seine Florentiner Madonnen- erscheinungen malte, oder Rembrandt seine Juden, so waren sie naiv, resp. arbeiteten für ein naives Publikum, was z. B. Herr von Uhde (der sich schämen würde, einen Rembrandt gemacht zu haben) mit seinen Anachronismen (Abendmahl etc.) nicht mehr sein und thun kann.

Dieser Wahrheitssucher verleugnet jegliche Wahrheit aus Wissen und Begreifen moderner Menschen, seiner Zeit. In dem Spitalerkostüm seiner Apostel wird die Welt nicht erobert! Ich möchte seinen Aposteln nicht wünschen, dass sie mal denen von Dürer in der alten Pinakothek begegneten. Was würden sie da für Haue kriegen! Mit denen ist kein Spass zu machen. Verbohrte Menschen. Denen glaubt man's. Aber Uhdes Krankenhäusler sollen hinausgehen in alle Welt! Die können froh sein, wenn sie heimkommen. Kein Realist wird sie für grosse Fanatiker und Evangelien-, resp. Briefschreiber taxieren. Das sind noch lange keine Sozialdemokraten, nicht einmal Anti-Vivisektionisten. Da ist mir eine sog. konventionelle Auffassung« la Paul Veronese oder sonst eine schon lieber.

Ein üblich gewordener Typus Christi steht den modernsten Scherzen gegenüber. Hätte er wenigstens den konsequenten Mut gehabt, den Herrn mit zu kurzen Hosen als Schulmeister

MODERNE MALEREI 221

oder Pfarramtskandidaten darzustellen! Warum hat er nicht den Mut, den Herrn gerade so „realistisch" darzustellen, zu „behandeln", wie die Apostel? Es würde eben keiner diese Leute für Apostel halten, wenn er nicht sein konventionelles Merkzeichen, den Christus, daneben malte, über den er ja nicht rauskommt. Aber wenn er den braucht, dann ist's schon aus. Dann giebt er zu, dass er mit seinem „Realismus" nicht reicht und die Geschichte sonst ganz in Haidhausen*) spielen würde.

(Und das will Realismus sein! Realismus diesen Themen gegenüber. Da ist mir doch Wereschtschagin noch lieber, der wenigstens auch in Bezug auf Licht und Raum und Lebens- art realistisch sein will und extra dazu in den Orient gereist ist, wenn nun doch mal in „Realismus" gemacht werden soll.)

Firle macht doch die Leute wenigstens wie sie sind in Gottesnamen aber Uhde braucht noch einen geborgten Christus dazu.

Gerade wegen dieser Betonung der exklusiven, ultra- realistischen Modernität, verlange ich diese auch voll und ganz (was sie ad absurdum führen würde). Es lässt sich eben nichts trennen in der künstlerischen Thätigkeit, und was von der An- schauung und Erkenntnis gilt, muss auch von dem erfindenden Rest des betreffenden Künstlerhirns gelten.

Ich will, um kurz und deutlich zu sein, die einzelnen Köpfe gern als an Ibsen erinnernd bezeichnen. Aber ich würde der durchgreifenden, wirklich modernen Energie des grossen Norwegers Unrecht thun, wenn ich das eigentliche Werk, das Bild, mit seinen bewussten, geschlossenen Dicht- ungen vergliche.

Sachgemässe, momenterklärende Charakterisierung (d. h. nicht etwa den grossen historischen Moment) die aber nicht ausreicht für das Ganze, und die ja vor allem nichts Neues ist, sondern stets mindestens ebenso gross war.

Und die Malerei? Ist dies Anschummern mit lichtem Ocker oder Weiss, um die Tiefen aufzuheben und die Leute in „Luft" zu setzen, ehrliche realistische Malerei? Noch weniger wie der ganze Gedanken- und Empfindungsaufbau.

[Was geht das die Kunst an, ob z. B. Rembrandt soge- nanntes Schornsteinlicht liebte oder ob Uhde ein Zusammen-

*) Vorstadt Münchens. A. d. H.

222 BÖCKL1N-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

schummern mit Weiss und lichtem Ocker vorzieht? Das hat mit der jeweiligen Malmode oder einer persönlichen technischen Anschauung resp. Erziehung zu thun. Für die Kunst hängt wenig davon ab.]

Bei Uhde hebt das Licht den Schatten auf und der Schatten das Licht. Was soll das sein? Womit soll das wirken? Mehlsuppe!

Zu alledem kommt, dass er die Helligkeit seiner Figuren nicht motivieren kann. Man müsste ein grosses Fenster auf Seite des Beschauers annehmen, und dann wäre die Geschichte wieder nicht richtig. Es gäbe dann ganz andere Lichtkreuzungen.

Sehr viel feines Studium wird ihm natürlich der Kenner nicht abstreiten.

Wie Engel (Heilige Nacht) durch's Dach steigen - alles voller persönlicher Teilnahme mag er malen wie ein Holz- hacker, das ist dem gegenüber gleichgültig.

Es kann auch so sein: Alles voller Teilnahme. Aber um das frisch zu übermitteln (zu erreichen, aufzuweisen) wirft er alles andere bei Seite.

Die Empfindung in den Arbeiten hat mir viel Freude ge- macht. — Das Studium doch auch?

Nein. Davon hat man doch nichts. Darauf geb' ich nichts.

(Es thut mir leid, dass dies nicht Gelegenheit bietet, um Fleiss, Studium, jugendlichen Eifer, Gesinnungstüchtigkeit etc. festzunageln; wir haben wenig Zeit und Raum und müssen uns deshalb darauf beschränken, nur von Kunst zu reden.)

Wenn man Uhdes Gesamtproduktion ansieht, überkommt einen doch eine Idee von grosser Zerfahrenheit, man sieht keinen Hintergrund, Eklektizismus!

Über das ganze heutige Getriebe ä la Liebermann, Uhde etc. muss man weit hinaus kommen, ehe das was werden kann. Bartels hat vielleicht schon am meisten wirklich intim Ge- schautes in der „neuen" Manier.

L. von Kalckreuth. Herrgott! Etwas vornehmer könnte doch ein Graf die Natur sehen. Das ist ja recht gut gemalt.

MODERNE MALEREI 223

Aber das zieht endlich nicht mehr, das versteht sich mal wieder schon von selbst, glücklicherweise.

* *

* Haider. Ernste, sinnige Kunst. Aber so sind wir ja nicht

mehr gewöhnt, Kunst zu sehen. Wir leben auf einem Jahr- markt und sehen da die Bravourstücke der erlernbaren Pinsel- fechterei oder des entsagungsvollen Sitzfleisches vor der Natur „denn Gedanken stehn zu fern". Und angenehmer kann man es der Menge und sich nicht machen. Was hilft dem guten Haider aller Ernst, dass er ein „innerlicher" Künstler ist, streng und still und damit kraftvoll wie ein alter Venezianer! Geh heim, dummer ehrlicher Kerl! Heut' haben die Harfen- schläger und Zithervirtuosen das Wort.

Klinger. Der Rahmen! Als ob ein Zahnbrecher ausstellt. Stellt er Rahmen aus oder Bilder? Sonst ist das dieselbe Sack- gasse wie bei Marees und Hildebrand und das gerade Ge- genteil von Böcklins künstlerischem Willen.

(Für so ein Auftreten kann er lange nicht genug. Und

merkwürdig, seinen Böcklin hat er gar nicht verstanden, auch

nicht geahnt. Man wäre noch eher milde, wenn er nicht alles

absichtlich „genial" machte: „da bin ich, findet euch mit mir

ab, wie ihr wollt!")

* *

*

Thoma. Auch Thoma steckt in so einer Sackgasse. Er ist vielleicht noch beweglich und nicht eigensinnig genug, um noch einmal wieder herauszukommen. Aber jetzt! Ja, wenn man die ganze Erscheinung der Natur so ignoriert, das geht doch nicht.

Thomas Bilder: mal ganz was Dummes, dann aber auch daneben etwas ganz Heftiges und nun mit einem Mal zuge- griffen, zusammengepackt und hergezeigt -ah!

Er hat doch den Wind und segelt mit seiner Vorstellungs- kraft. Ob er dabei etwas zu weit geht oder nicht, ist eine andere, sekundäre Frage.

Er hat Phantasie und traut sich seinen Vorstellungen nachzugehen.

224 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Bei den meisten anderen muss man sagen: Seine Sachen gehen nicht individuell von ihm aus; sie scheinen, resp. sind nur individuell, soweit er sie nach seinem Geschmack (aus Altem) zusammengestellt hat. Bei ihnen ist sehr vieles nur aus dem malerisch-technischen Betrieb heraus gemacht.

[Spätere Notiz.] Thoma hat Heftigkeit, Empfindung, Vor- stellungen, aber er ist nachlässig und kann nichts; er riecht nach alten Kleidern, er mäuselt, viel Kümmerliches. Er weiss nicht, was warm und kalt ist. Er kann nicht genug, um zu böcklinisieren, weder aus der Natur, noch aus der Vorstellung, so fällt bei ihm oft alles aus dem Rahmen einer möglichen, wahrscheinlichen Erscheinung heraus.

Lenbach. Warum musste sich Lenbach mit seiner Sonder- ausstellung selbst diese Konkurrenz machen? Das verstehe ich nicht. Toujours perdrix und immer in derselben Sauce.

Wie gut (erinnernd, korrigierend) hätte das gethan unter den blassen, blauen Bildern der Ausstellung verstreut. Und jetzt in der vornehmen? Dunkelheit!

Ebenso macht ein Bismarck dem andern Konkurrenz. Beide Male sieht er ganz anders aus. An welchen soll man nun glauben. Welcher ist er? Ist das eine er und das andere sein Bruder?

Lenbach ist aber doch heftig eingegangen. Das Interesse der Leute, die man in seinem Teppichsaal findet, ist völlig von den Berühmtheiten absorbiert, die er gemalt hat Neu- gier — nach dem Künstler und seiner Kunst fragt niemand.

Bei seiner Diktatur in München (wie wäre sie sonst zu erklären!) muss er doch wohl auch als Künstler für Künstler etwas Fascinierendes haben. Wenn man sieht, was für scheuss- liches Zeug andere nach Photographien malen, muss man ihm zugeben, dass er diese Eselsbrücke gut benutzt.

Ein Marees'sches Porträt (Selbstporträt) in der historischen Sammlung bezeichnet sehr deutlich den Ausgangspunkt der Lenbachschen Porträtmalerei (ganz markant).

MODERNE MALEREI 225

Die Ägypter.*) Durchweg haben die klugen Leute die Augen so gross gemacht, wie sie wirken, nicht wie sie wirklich sind.

Und das will gar nicht mal Kunst, sondern Handwerk sein . . . O Lenbachsaal, o Lenbachsaal, wie welk sind deine Blätter!

Man hat an ihnen das Können die Forderungen und das Anschauen der Zeit. Wie schön wäre es erst gewesen, wenn man etwas ganz Persönliches, einen grossen, stark inner- lichen, individuellen Künstlerwillen darunter gefunden hätte!

Erst sehen wir selbst, was uns nötig thut. Dann spannen

wir die Schimmel ein die Archäologen und lassen uns

das Weitere Wissenschaftliche herausholen, erklären.

* *

*

Rottmann Rettich (Arkadenbilder). So inbrünstig wie Rottmann das herausgebracht hat, kann ja Rettich das nicht. Aber sonst famos.**)

*

Gabriel Max ist der einzige Münchener Künstler, der nicht entgleist ist.

Ich vergleiche nicht gern. Aber man schaue nur mal den leeren anspruchsvollen Piglheinf) an und dann die blasse prachtvolle Madonna von Max, so barock es immerhin ist, einen Rahmen in einen Rahmen zu malen. Und dann wie die Kerzen wirken in all dem Licht! Bei Uhde wirken sie eben nur im Dunkeln.

An bewusstem seelischen Glanz, an konzentriertem künst-

*) Gemeint sind die in enkaustischer Manier auf Holz gemalten alt- ägyptischen Porträts, die von ihrem Besitzer, Th. Graf in Wien, in Felsen- gräbern der Oase Fajjüm in Ägypten entdeckt wurden. Diese Sammlung war gegen Ende 1888 in einem Saale des Museums der Gipsabgüsse in München ausgestellt. A. d. H.

**) Ein Kunstwerk ist das Produkt von Begabung, Temperament, augen- blicklicher Stimmung und tausend unwägbaren Nebenumständen, die dem Nachschaffenden, dem Kopisten, nie in auch nur annähernd gleicher Weise zur Verfügung stehen können. Unter diesem Gesichtspunkt erhält das obige Urteil sein volles Gewicht. Zehn dieser prächtigen Nachschöpfungen Rettichs haben, nachdem in München selbst das Interesse an der Rettung von Rottmanns Arkadenfresken nicht geweckt werden konnte, eine proviso- rische Aufstellung in der Aula der „Grossen Stadtschule" zu Rostock ge- funden. A. d H.

f) Grablegung Christi. A. d. H.

Floerke, Böcklin. 15

226 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWURFE

lerischem allseitigem Willen wüsste ich nichts neben Böcklin und Gabriel Max zu nennen. Benlliure kommt als Ueber-

gang hinzu.

* *

*

Der Ganzeste von allen ist und bleibt wollen wir's hoffen Oberlaender.

Verrückt und albern sind unter den französischen Im- pressionisten A. Falguiere und Raffaelli. Sie führen das Prinzip gründlich ad absurdum.

* *

*

Die Holländer gefallen mir noch am besten, meist voll Andacht und Beschaulichkeit. Bei uns hat so etwas kaum hie und da mal ein Landschafter, der eben draussen bummelt oder in Ruh vor einer Kuh hockt.

Die in den Städten: Alles eine Hetz nach „Gedanken", nach Auffallendem, am schlimmsten sind darin die Ungarn. Und Formate für die „Gedanken"! Ich danke. Bloss um auf- zufallen und nicht schlecht gehängt werden zu können.

Unmittelbar aus der Vorstellung, aus dem Herzen in die Hand ist die „Vision im Kolosseum" des grossen Spaniers (Benlliure), voller Erkenntnis! Da soll einer staunen, wie das gemacht ist, gar nicht nur so glatt und bewusst hin- geschrieben. Wie man da jeden Luftzug spürt . . . . ! Und was dazu gehört, so eine Leinwand nur zusammenzuhalten, geschweige denn sie so gewaltig einfach und deutlich zu gestalten, das be- weist der Matejko gegenüber*), der in der einen Ecke so gleichwertig ist wie in der andern und überall. Was geht mich das verschwendete Wissen und Können an, die Mühe und der geistige Aufwand, den er gemacht hat. Ich will nicht sehen, wie gekocht wird, und was alles dazu kommt, sondern was daraus geworden ist. (Grade als ob ich fragen wollte: wie ist das gekocht? Nur ob's schmeckt, interessiert mich.)

*) Jan Matejko: „Die Jungfrau von Orleans führt den königlichen Hof von Reims zur Krönung in die Kathedrale". A. d. H.

MODERNE MALEREI 227

Benlliure kann Menschen, dumme schwere Kapuziner, schweben, fliegen lassen, und man glaubt's ihm gleich. Leute wie Leibl vermeinen bereits, dass man sie nur gehen lassen könne. Er kann sie freilich bloss Modell stehen lassen.

Benlliure ist doch lange nicht so bewusst wie Böcklin, bei dem Alles bewusst berechnet ist, dabei ganz ungeniert, ganz wurscht, ob's jemand gefällt. Wenn er z. B. im „Spiel der Wellen" „einen schönen Kopf" gemalt hätte, hätte er sich ja sein ganzes Bild verdorben. Wer so viel kann, ist doch nicht dazu da, „schöne Köpfe" zu malen !

So ein Spanier thut sich leicht. Er hat ja gar nicht den Gegensatz wie wir zu unsern gescheidten Wissenschaftlern. Er macht ein gutes Bild und die Andern freuen sich.

Die drei Bilder von Habermann*) muss man ansehen. Da kann man sich gleich die Seele eines Künstlers zusammen- bauen. Er spielt halt den Pariser und ist geschmeichelt, wenn man's merkt. Ohne allen Ernst, ohne Herz.

Skarbina („Der Mann mit dem Coke"**). Wozu malt er das? Der Mann wäre ja ohnedem auch da. Den kann ich mir ja kommen lassen und wieder wegschicken, wie jedes Modell, jeden Packträger. Ein Bisschen musste daran doch wenigstens

von mir sein.

* * *

Ich nannte nur wenige Namen, weil mir die Menge durch- aus uniform aussieht: fleissig und geschickt. Aber nach hundert Jahren könnten alle die Bilder von einem und demselben unglaublich produktiven Menschen sein.

* *

*

Wir haben nicht zu viel,sondern zu wenig Überlieferung in Deutschland. Beweis schon die Abhängigkeit von Paris, dessen jeweilige Modekrankheiten wir unbesehens begeistert

*) ,Jagdstück"; „Ein Sorgenkind"; „Morgendämmerung". A. d. H. **) „Kücbenbof"? A. d. H.

15*

228 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

nachmachen. Beweis ferner der Mangel an irgendwelchem historischen Sinn bei unsern meisten Malern und der naive Stolz darauf.

Helmholtz schreibt bezüglich Suggestion etc.: „Seitdem (seit dem Tiermagnetismus) sind viele verschiedene Phasen derselben Geistesrichtung einander gefolgt. Jede einzelne hat nur eine beschränkte Lebensdauer; häufen sich die Enttäuschungen zu sehr, so ändert man eben die Methode."

Dies gilt genau so für die zeitgenössische Kunstentwicklung.

Nachdem die intimsten Reize des Allüberall gründlich entdeckt und zusammengestellt waren, sind sie auch einmal herrschende Mode geworden, was nur zu begrüssen, weil sie dadurch zum Bewusstsein aller kommen und das Gemeingut aller Maler werden konnten. Aber eine Mode ist keine allein- seligmachende Weltanschauung und schliesst andere Moden schon nicht für lange aus, für nie aber die Wahrheit, dass die Natur ausser ihren unscheinbaren Schönheiten und Wahrhaftig- keiten auch noch anderes Sehens- und Nachschaffenswürdige habe und das deshalb nicht aufgehört habe zu existieren.

Varia.

Reproduktion :

Alle handwerklichen oder mechanischen Übersetzungen in Schwarz und Weiss müssen bei Böcklin Übertragungen in eine unzulängliche Sprache bleiben.

Jemand, der alles durch die Farbe zu schaffen scheint: Raum, Licht, Stimmung und Form könnte in Schwarz und Weiss überhaupt nicht wiedergegeben werden, wenn nicht auch sonst ausserdem noch alles in Ordnung wäre (Linienperspektive, Komposition, Silhouette, Form, Ton). „Handwerkliche Über- setzungen in eine unzureichende Sprache" nennt Böcklin Hechts Radierungen und Holzschnitte nach seinen Bildern bei Schack, nur von der „Meeresidylle" ist er wirklich befriedigt. Auch Klinger entsprach seinen Anforderungen nicht.

In Mailand haben sie heuer die ganze „Norma" pfeifend aufgeführt, und ich sah in Florenz den Troubadourtext als Schau- spiel aufgeführt nur das Publikum sang hin und wieder. Warum sollte man nicht auch Böcklins Bilder in eine unzu- längliche Sprache übersetzen, schneiden oder radieren?

Fiedler; Marees; Antike.

Böcklin sind die Porträts und „Sante Conversazioni" nicht genug, er will mehr Leben. Conrad Fiedler („Ursprung der künstlerischen Thätigkeit") betont immer nur allein, und wie mir scheint, in zu engem Sinn, das Sichtbare, es wird bei ihm zum Statuarischen. Aber ist nicht auch der ausgeprägte Geist in der Gestalt (Lebensart, Rasse etc.), die zusammen- gefasste, zum Auge sprechende Situation in der Gruppe sicht- bar? Dies zugleich mit der eigenartigen körperlichen Erschei- nung, im entsprechenden Ambiente von Licht und Luft zu einem

230 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

sichtbaren Ausdruck herauszuarbeiten (zusammenzuarbeiten), das ist Böcklins reichere Kunst. Der Mensch z. B. ist doch etwas Gewordenes, unter einflussübenden Verhältnissen Ge- wordenes. Alles das muss man mitsehen. Daher das zottige tierische Aussehen Böcklinscher Meermenschen. Das Meer soll öde und bös sein. Aber seine Geschöpfe glatt und geschniegelt! Müsste er den Kritiker malen, so würde er ihn auch nicht durch die „Gesetze der Schönheit" glaubwürdig machen können, son- dern die Einwirkung der verba magistri, der ungelüfteten Stu- dierstube mit alten Schmökern und schlechter Tabaksluft an ihm aufweisen. Und das gäbe auch gerade keinen Apollino.

Vielleicht hat es die alten Griechen gefreut, so, wie Marees und folglich Hildebrand und Fiedler meinen, zu bilden. Aber jede Zeit hat ihre eigene Sache zu sagen, ihre eigene Kraft und Kunst auszusprechen und will auf ihre eigene Art angeredet werden. Keine philosophische Untersuchung über die letzten Dinge kann daran etwas ändern.

Alle diese Bienenarbeit Fiedlers bringt uns höchstens die Herren von Marees und Hildebrand näher. Gletscher- besteigung — Nordpolexpedition, um den veritablen Nordpol zu finden und zu merken, dass von ihm nichts zu „sehen" ist.

Fiedler hat einen konzentrierten Menschen vor sich. Alles Abstraktion. Nicht etwa einen voll Leidenschaft, der darum auch mal eine Dummheit macht!

Ich halte Fiedlers Ausführungen über den Ursprung der künstlerischen Thätigkeit etc. schliesslich doch für grundfalsch. Absolutes Kunstwerk ohne Mitwirkung des sklavischen Beschauers will er, Anregung des ähnlich Empfindungsfähigen will ich vom Kunstwerk.

Das vollendetste, innerlichste Kunstwerk bleibt tot ohne die nachschaffende Mitthätigkeit des angeregten Beschauers, dessen eigenste Erlebnisse angerufen werden müssen.

Das Kunstwerk muss sich erst der in uns schlummernden Erinnerungen und Vorstellungen bemächtigen, um dann wie unser Eigentum zu erscheinen, unser zweifelloses, mühelos und ganz zu geniessendes Eigentum.

Bruckmann meint, Böcklin sei durchaus Improvisator, besonders aber den Alten gegenüber, die er doch wiederum als die einzigen bewussten Maler schätzt. (Pompeji.)

VARIA 231

Er sei durchaus kein Handwerker, wie sie. Er wolle das zwar nicht wahr haben, aber er vereinfache sich alles Dahin- gehörige auf alle Weise und wäre froh, wenn ihm das jemand abnähme. Böcklin selbst nennt sich im Grunde einen Skizzen- maler. (Er sei der geborene Skizzenmacher, sagt er selbst. Das ist nun gewiss nicht wahr. Auch nicht so Improvisator, wie es scheinen könnte.)

Mar e es sagt: „l'art c'estle nuu da liegt Böcklins Antike.

Warum nicht auch mal ein Kalauer: Marees wollte sein Leben lang das Ei des Kolumbus ausbrüten, Böcklin stellte es, jedesmal von neuem, lachend und fest auf die Spitze.

* * *

Ausstellungen: „Ja dies Ausstellungswesen! Es wäre leicht dafür zu malen. Aber es bringt um, wie der „Salon" die Franzosen umgebracht hat. Jeder fragt sich bloss: was wirkt, und dahin geht die ganze Rechnung. Besonders, was wirkt von weitem dieser oder jener ungewöhnliche perspektivische Witz, sagen wir mal, eine Untersicht oder Aufsicht, ein nicht im Bilde vorhandener Horizont, eine Zickzackperspektive etc. Stärkeres zu finden ist der künstlerische Zweck geworden. Das Elend, was da entsteht, sieht man." Böcklin will auch im halbdunkeln Zimmer wirken, wie er's beabsichtigt. Licht ver- tragen, aber nicht nötig haben!

* *

*

„Einen Ort ernsthaft gehalten ist mehr als zehn Löwen, Helvetien, Krieger etc. in Marmor oder Bronze."*)

* *

Stufen zwischen Bühne und Zuschauerraum im Münchener Residenztheater: Falsch gedacht, würde Böcklin sagen; das soll getrennt sein. Das da oben ist Vorstellung (wie ein Bild und jedes Kunstwerk), nicht Natur.

* Böcklin spricht viel von geordneten (Bayersdorfer)**) und

*) Geht wohl auf das St. Jakobs-Denkmal in Basel. A. d. H.

**) Der Name Bayersdorfer ist vom Herausgeber irrtümlich an diese Stelle gesetzt worden. Er fand sich als Randbemerkung zu obenstehender Notiz. Eine später gefundene Notiz des Verfassers, die ein Wort Böcklins

232 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

ungeordneten, sowie von leicht verwirrbaren (neulich gelegent- lich des Spiritismus) Köpfen.

* *

*

Er macht uns den Unterschied zwischen Romanen und Germanen so deutlich, dass wir Germanen, die wir das Gegen- teil gewohnheitsmässig erstreben, darüber erschrecken und uns selber in ihm, unserem Bekenner, nicht zu finden wissen, oder uns nicht trauen uns wiederzufinden.*)

* * *

Wenn jemand eine weisse Weste an hatte und sich be- sonders schön fühlte, sagte er gern: „Wie steht bei Cennino Cennini?"- „Jedes unvernünftige Tier ist am Bauche weiss."

* * *

„Wozu über Bilder schreiben? Die sprechen für sich

selbst."

* *

*

Ein Professor besucht Böcklin. Im Garten zeigt dieser auf ein Loch, in das er seine Zigarrenstummel wirft und sagt: „und das ist meine Tabakpflanzung". „Ja", sagt der Gelehrte, „so geht das nicht. Da müssen Sie Samen einlegen, wenn Sie

Tabakspflanzen haben wollen " Ich erzähle diese kleine

Thatsache nur, um damit zu sagen: So stellen sich nur zu leicht die Wissenschaftler den Künstler vor: Das ist so ein träume- rischer Mensch, der macht etwas, was er eigentlich gar nicht weiss, und die andern, die Liebhaber, die 's auch nicht ganz verstehen, klatschen aus ihrer eigenen Unklarheit heraus. Ge- fühlsduselei!

*

Böcklin geht, zu päpstlicher Zeit, in Rom mit seiner Frau auf dem Monte Mario spazieren, schlägt vor der Villa Meilini einen Weg rechts ein, von dem er denkt, dass er nach Ponte

wiedergiebt, lautet nämlich folgendermassen : „Es giebt Schädel, die in Ordnung sind und solche, die nicht. Unter jenen aber solche, die sich leicht in Un- ordnung bringen lassen und solche, die beharren. Ich weiss bald nicht mehr, wohin ich mit dem unter die Spiritisten gegangenen Freund Bayers- dorfer soll." A. d. H.

*) Beziehung auf Böcklin nicht ganz zweifellos. A. d. H.

VARIA 233

Molle führen müsse. Der Weg wird immer schmutziger, so dass er seiner Frau sagt, sie soll stehen bleiben, er will sehen, ob es denn überhaupt noch weiter geht. Am trockenen Rand des immer hohler werdenden Weges sich hindrückend, sieht er plötzlich oben durch die Hecke einen ganz echten Räuber mit Riesenperücke und Bart, Sonntagssammtjacke, Pistolen und Dolche in der Fascia, ohne Hut und eine Trompeten- donnerbüchse in den Händen hätte Frank Buchser nicht schöner machen können. Und unten, am Knick des Weges, kniet im Anschlag auf die Ecke, um die man kommen muss, ein zweiter. Er erinnert sich, dass oben, als sie in den Weg einbogen, jemand mit einem schäbigen Hund, der ihnen nach- lief, gepfiffen hatte, dem Köter wie er damals glaubte. Lang- sam tastet er sich an der Wand zurück bis zu seiner Frau und sagt: „Gieb mir die Hand. Komm mal her: so was hast du noch nie gesehen. Leise!" Und er zeigt ihr die beiden. Als sie dann wieder zurück sind und auf die hohe Heide neben dem Hohlweg steigen, von wo man die ganze Situation übersah, sind die Herren Banditen weg.

Böcklin brauchte einmal Tauben und hatte sie bisher doch nie so recht angesehen. Also suchte er sich auf dem mercato vecchio (Florenz) zwei aus, die ihm auch im Ton sehr glück- lich erschienen, und gedachte, sie einige Tage bei sich herum- laufen zu lassen und ihnen dann die Freiheit zu geben. Er habe noch einen Gang zu machen, sagte er, dann, in zehn Minuten, komme er, sie abzuholen. Als er wieder kommt, überreicht ihm der höfliche Toskaner lächelnd zwei nackte,

gerupfte Tierchen.

* *

„Als Jungen kriegten wir jeder zu Weihnachten einen Teller Pfeffernüsse, mit einigen schönen Paradestücken oben drauf. Sofort vertauschte ich meine Zuckersachen gegen die Pfeffernüsse der anderen und hatte dann stets einen ver- dorbenen Magen. Das ist für mich das Bezeichnendste in der Erinnerung an Weihnachten", erzählt Böcklin.

234 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Die alte Mutter Böcklins schickt ihm, wie sein Ältester geboren wird, aus der Schweiz Häubchen nach Rom, die Böck- lin selbst als Wickelkind getragen hat, mit Seidenbändchen etc. Der Alte muss damit von Schalter zu Schalter gehen, fünf Scudi zahlen und einen Tag verlieren. Dabei war auch ein grün- seidener Geldbeutel mit einer scheinbar güldenen Perle daran . . . und dabei kein Geld, nichts zu essen haben!

„In Deutschland scheint keine Sonne. Sie lag mir auf den Schultern, aber ich fühlte sie nicht. Die Schatten schleier- artig und doch der Himmel blau. Und nun diese Profusion von Licht, dies Brennen plötzlich diesseits der Alpen. Ich habe den ganzen Tag nur Licht genossen."

*

Böcklin auf Ischia (Krankenbesuch). „Ja, ich bin zwar kein Doktor, aber als Forestiere weiss man doch immer etwas mehr. Also wo ist der Kranke? Gut. Erst mal die Fenster auf, dass er was zu atmen hat, wenn er kann. Dann Schnee auf den Kopf, auf die Hände. Und dann einen Brodo*), sobald er Hunger, zu trinken, so oft er Durst hat ...

Ja, aber das frisst und trinkt ja alles das Fieber . . ?

Unsinn! Und zuerst mal alle die alten Weiber weg! (Die ganze Nachbarschaft umstand heulend über seinen nahen Tod den Kranken.)

Tamarinden: Die giebt's überall in Italien, die erfrischen, via!

* * *

Wir gehen spazieren. „Herrgott", sagt er plötzlich, „wie das Grün mit einem Male frisch, kräftig und satt wird, seit die Sonne (die warme Beleuchtung?) weg ist!"

* * *

„Bei nichts braucht man so wenig zu denken, wie beim Aktzeichnen", sagt Böcklin.

*) Fleischbrühe. A. d. H.

VARIA 235

Ich versuchte (zeichnend), ob ich gesehen hatte. Böcklin wusste bei jeder Statue, von der wir sprachen, nach wenigem Suchen die Stellung und karikierte sie. (Florenz 1881.)

„Ich glaube, dass der Ort, sowie der Umgang sehr wenig Einfluss auf den Menschen haben, wenn derselbe von innen heraus schafft, und dass ein Trunk 83er z. B. und ein auch nur einigermassen erträglicher Umgang genügen, um einen gesund angelegten Mann auf dem Damm zu erhalten."*)

Ein alter Herr, Franzose, kommt tagelang und sitzt stumm vor Böcklins Arbeiten. Am letzten drückt er ihm unter der Thür die Hand: „Continuez, continuez, et vous arriverez" ! Natürlich doch bei der Ehrenlegion. So denken die Franzosen über Kunst.

[Notiz; Zürich, vor Mai 1886.] Böcklin erzählt: Frau Direktor Piloty mit der grossen Bewegung: „Dann werden Sie ausgestossen" ! „Woraus"? (fragte Böcklin und hätte lieber gesagt: „stehn Sie einen Augenblick still"! Er sah nur das blauseidene Mantelfutter und das interessierte ihn.) aus der Künstlerschaft". (Böcklin sollte mit ausstellen. München müsse alle seine Kräfte zusammennehmen, in einer Art histori- scher Ausstellung sein Werden und heutiges Können zeigen.

Er sei kein Münchener, sagte Böcklin, gehöre keiner Schule Münchens an, halte sich nur vorübergehend hier auf, halte übrigens Ausstellungen für schädlich )

Wedekinds Bilder**) sind auf Shirting mit Leim und Kleister gemalt.

*) Aus einem Brief Böcklins an den Verfasser; datiert: Florenz, 28. Jan. 84. A. d. H.

**) „Die Beziehungen des Menschen zum Feuer", Wandbilder- cyklus von Böcklin in der Villa Wedekind, Berlin. A. d. H.

236 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Bei Schack sind „Amaryllis"*) und „Seeschlange" in Eitempera gemalt.

Schack bezahlte die „Villa am Meer" mit 1000 Gulden, die „Seeschlange" mit 3000 Gulden, bei den übrigen Bildern handelt es sich um „Hunderte" von Gulden, nicht mehr.

Der Mäcen hat ihm drei Bilder refüsiert: Ein „Oktober- fest", eine „Villa am Meer", und ein grosses Bild, das später Kopf in Rom besass: „Faunfamilie im Frühling an der Quelle."

Typhus 58—59.

„Dianajagd" in Basel wurde 62 gemalt; die „Masken"**) im Jahre 71 gemeisselt.***)

Basler Masken. Böcklin giebt von Persönlichem gar nichts zu. (Er kann keine einzelnen gemeint haben; denn es müssen grosse Gegensätze sein. Er lebt mit seinen sehen- den Augen unter denen und findet schliesslich, als die Arbeit kommt, dass er fünf bis sechs Typen unterschieden hat, und die macht er.)

Böcklin und Gottfried Keller. Die im Reich hat Krieg und Politik gebraucht. Die Deutschen draussen in der Schweiz haben uns das Beste gegeben inzwischen was unsere Zeit in Kunst bezeichnen wird.

Gottfried Keller. Man sollte es überall am Pulsschlag greifen, dass das Erlebnis für den Künstler war, was er gemacht hat. Man sieht überall so recht, wo die Wurzeln sind, wo die Scholle ist, auf der er wächst, mit der er notwendig zusammen- hängt die schönsten Sterne Edelweiss wachsen gerade auf dem schwierigsten Boden.

Er hat darin niedergelegt, was er vom Leben hatte und verstand diese höchste Freude des erkenntnisfrohen Menschen

*) „Daphnis und Amaryllis" („Die Klage des Hirten") siehe Böcklinwerk I, 35. A. d. H.

**) Sechs Sandsteinmasken an der Gartenfassade der Kunsthalle zu Basel. Autotypieen dreier Masken im „Böcklinwerk" und in der „Kunst für Alle", III, 2. A. d. H.

***) Diese Notizen sind einem Briefe von Böcklins Schwiegersohn, Peter Bruckmann, an den Verfasser entnommen. A. d. H.

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in die Breite und in die Tiefe. Wenn das leicht ist, hat er sich leicht gethan; im allgemeinen nimmt man aber doch an, dass das schwer sei.

Die Sieben Legenden sind nun mal ganz froh und heiter, rein geschenkt, versöhnlich, ariostisch.

Keller. Ein merkwürdiger Zwiespalt: In seiner Litteratur hat er so viel Teilnahme, dass er alles verzeiht, an allem noch etwas findet, um sich daran zu erfreuen. Und im Leben ist er unbarmherzig: nach sieben Seiten guter Leistung z. B. fällt er über die achte her, wenn sie ihm nicht gut scheint und verzeiht sie unter keinen Umständen.

Böcklin wie Keller: Er fasst an, man fühlt er hat die Hände voll, es geht nicht anders, er ist unbekümmert, will nichts scheinen, sondern nur machen.

Manchen sieht man ganz genau mit dem blossen Auge rosten, der so blank dastehen könnte! Aber alle Tage um die- selbe Ecke, mit den gleichen Leuten auf der nämlichen Zunft siehe Gottfried Keller in Zürich.

Der richtige Abstand von einem Bild ist nach Böcklin die doppelte Länge desselben.

* * *

Merkwürdig ist doch, dass sich Qualitäten, die die Herren Pleinair-Maler so hoch schätzen, auf dem ihnen diametral ent- gegengesetzten Wege durch Böcklin den sie zu den Ihrigen zählen möchten (!), und der sie für Packträger hält, erreichen

lassen!

* * *

„Kunstwerke werden im Arbeiten geboren", sagt heute wieder einer (Hoffart), im handwerklichen Arbeiten, nicht vor- her auf dem Sopha. Ich gebe das soweit zu, als ich sage: Raffael ohne Hände ist, trotz Lessing, eine ästhetische Dumm- heit. Ein Künstler, der bloss im Kopf arbeitet, ist keiner; denn er wäre keiner, sobald man ihm die Hände dazu gäbe.

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Die ästhetische Kleiderordnung (welche einteilt in Historien-, Genre- etc. Maler) wurde nicht von den Schaffenden, sondern von den Registrierenden erfunden, nicht der Künstler, sondern nur der Gewerbetreibende oder Emporkömmling wird sie sich

gefallen lassen.

* *

*

Alle ästhetischen Meinungen sind Abstraktionen, d. h. aus dem Geschaffenen gezogen, kommen also stets hinterher und können nie Gesetze werden, ausser leider für einige Generationen Publikum. Inzwischen sorgt dann die Kunst für neue, wenn es einen guten Jahrgang giebt.

[Die Ästhetik ist nur der Versuch, die jeweilige Kultur zusammenzufassen und zu erklären, aber sie ist nichts Dauerndes. Nach so und so viel Jahren giebt sie nach und macht das Gleiche.]

Mein Verhältnis zur Ästhetik ist dasselbe, welches Fon- tenelle zur Metaphysik unterhielt: „Ich war recht jung, als ich darin unterrichtet wurde", schreibt er irgendwo, „aber schon damals habe ich angefangen, nichts zu verstehen."

Die Allegorie, z. B. ein „Amor sacro e profano" ist

der Anteil der Zeitmode. Dass er den Maler nicht erdrückt,

sondern belebt hat, ist ein Beweis mehr für sein Genie. Das

Interesse an dem, um dessentwillen etwas gemalt geglaubt war,

kann lange tot sein und das Gemälde doch noch leben.*)

* *

*

Dürer: „Ritter, Tod und Teufel". Für den „Forscher", der vom Gedanken herkommt, ist es natürlich viel interessanter, zu ertüfteln, was Dürer sich gedacht als was er gemacht. Was er künstlerisch konnte und geleistet hat, empfindet er nicht,

*) Hier möchte ich mit Hinweis auf Seite 5 eine gelegentliche Notiz des Verfassers zur Diskussion stellen: „Amor sacro e profano. Über den Vorwand sich zu streiten den nun einmal jeder Maler zu seiner Be- thätigung braucht hiesse dem eigenen Verständnis der Kunst und gar jener Tage Unrecht thun. Was war dem Künstler, was ist uns Hekuba: Anders ist, wenn man sich den Anlass renaissancemässig so denkt, dass Ercole Farnese sich von Tizian die Lucrezia Borgia und dieGonzaga, die lesbisch in einander verliebt waren, und die er beide besass, ohne dass sie gegenseitig darum wussten, malen liess. Das Wappen der Gonzaga, die

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weil er von den Vorbedingungen zur Entstehung eines Kunst- werks nichts weiss, so gelangt er nur zum Versuch, den Ge- danken zu verstehen.

Übrigens bis zu Dürer, der doch den Sozialisten, den Sektierer, Fanatiker etc. in seinen Aposteln auffasst und fest- hält, macht bei uns doch jeder seinen Nachbarn aus der Strasse oder der Trinkstube. Immer fällt ihm wieder der ein. Man sieht ordentlich die Leute noch hinter ihren engen Mauern

wohnen.

* *

*

Die kleine Nürnberger Madonna. Nicht hölzern und nicht steinern sieht sie aus, d. h. die Mittel, mit denen der Hand- werker in jedem wahren Künstler so lange kämpfen muss, bei jedem neuen Werk, sind überwunden und das reine Kunstwerk ist ganz frei geworden.

Die Gotiker, oder sagen wir gleich Germanen, lassen sich doch wenigstens nie von den Mitteln verführen, von ihrer Idee, Vorstellung, von dem, was sie darstellen wollen, abzugehen und nur mit jenen oder gar mit dem Material zu prunken. Die I taliener z. B. sofort. Sobald sie nur etwas Neues Technisches erworben haben: einen Arm richtig und lebendig mit dem Brustansatz verbinden, oder sonst irgend etwas gelingt, so wird ihnen das unter den Händen zur Hauptsache. Sie machen in Neugierde, Vergnügen und Eitelkeit einen Akt anstatt der Vor- stellung, mit der es losging, schreiben aber nachher doch da- runter: Johannes der Täufer.

Alte Italiener. Kein selbständiger Sinn für die Er- scheinung. Keiner sagt sich: „ich sehe ja Wasser genug", sondern : „Wasser macht man so", „mit Wellen so". Erst die

Schlange, die eine Jungfrau frisst, ist am Sarkophag. Sieben Jahre lang stand Tizian mit den Borgia in den nächsten Beziehungen; er hat die Lu- crezia oft gemalt; aber alle diese Porträts sind verschwunden. Amor, der zwischen beiden das Wasser trübt, ist auch da. Aber das soll natürlich auch nichts als eine Renaissancevermutung sein." A. d. H.

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Niederländer, und was dazu gehört, sahen so etwas, und mit der unglaublichsten Liebe und Innigkeit (bis zu Dürer und Böcklin), ohne sich ihr Kunstwerk im Geringsten durch ihr Überallsein stören zu lassen.

Später ist es dann gerade die Erlösung und Bethätigung dieser selbständigen Erkenntnis der Wesenheit und der Lebens- äusserungen der sichtbaren Welt (seitens des einzelnen), die in den immer gleichen, gegebenen Kompositionen Genüge findet (sich sogar zunächst der Schranke nach einer Seite hin freut, weil sie sich ganz auf die andere werfen kann), und sich unbe- kümmert bethätigen kann, indem sie jene mit individuellem Leben füllt.

Das ist eben mein Umbrien, mein Sposalizio, sagt z. B. Raffael. Weil ich eben ein anderer Mensch bin und mich male, muss es auch innerhalb des Kompositionszwanges und der Schulmanier ein anderes Bild werden. Der Zwang hindert damals nicht nur nicht, sondern lässt das neue Bedürfnis sich auf sein Wesentlichstes, Persönlichstes konzentrieren und da- durch schnell erstarken.

Von den Pollaiuoli her, also seit dem Ankauf Hugos van der Goes,*) Memlings etc. haben sie eine Menge neuer „Malmotive" sozusagen (wie man Baumotiv sagt) von den Nieder- ländern. Den Teppich, resp. die Gartenmauer, die Fenster, die Durchblicke rechts und links. Und diese malerischen Klug- heiten, deren sich die meisten kaum bewusst geworden sind, hat Lionardo allerdings in erstaunlicher Weise verstanden und ausgenutzt.

Alle anderen haben von diesem „in die Tiefe arbeiten" der Niederländer kaum eine Idee.

(Merkwürdig ist die Doppelarbeit H. v. J. Goes' z. B. schwebende prachtvolle Engel die er doch nicht vor der Natur gemalt haben kann, und schwarze Fingernägel etc. genau nach dem Modell auf demselben Bilde, und zwar auf einem Bilde.)

Mit van Eyck tritt eine der heutigen Zeit absolut ver- wandte Richtung auf die Natur ein. Nur als Teil von ihr ist die Figur gedacht. Nur in ihr, zu ihrem malerischen Ge-

*) Der Porti narialtar in Sta. Maria Nuova in Florenz. A. d. H.

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samteindruck, wird sie, die bewegliche, farbenspendende, ver- wendet. Die Komposition löst sich und macht dem scheinbaren Zufall der Gruppen Platz. Scheinbar insofern die Figuren nicht in feste Gruppen, sondern frei wie im Leben verstreut sind, künstlerisch bewusst aber doch, insofern sie die Träger notwen- diger oder schöner Farbe sind. Das Licht und mit ihm die leuchtende Farbe tritt auf.

* *

*

Das was Herr Lessing über die „Dekoration" sagt, die nie die „Form" zudecken solle (Frauen-Zeitung, April 1885), ist sehr richtig für die Lehrjungen, Handwerker etc. etwa wie die Religion für die Masse. Es steht da wie der verstandes- mässige (wissenschaftliche) Begriff dem künstlerischen Anschauen gegenüber. Wo bleiben da die soviel gepriesenen Chinesen, die rein malerisch wirksamen Dekorationen? Dass er im Grunde Recht hat so weit sich die Sache für die Ästhetik ausschlachten lässt, weiss jeder Schuljunge.

Wenn die Alten z. B. blaue Fernen malten so blau ist das ja nicht, auch der Himmel sieht nicht so aus so macht das nichts. Aber wehe einem Modernen! Jene wussten wohl, dass die Palette nicht ausreicht, um den Glanz der Welt dar- zustellen.

* . * *

Realismus! In der Theaterkunst halte ich das z. B. nur für eine Vortragsart. Denn das ganze Ding, Stück geheissen, das Verhältnis zu den Coulissen, dem Publikum, dass ich, den jeder kennt, für einen ganz anderen genommen werde, das alles ist doch von Anfang bis zu Ende nie etwas Reales, sondern Kon- vention. So geht's in der Malerei auch. Bleibt die Frage als einzig entscheidend wenn wir nicht von blossen Virtuosen reden: was haben sie zu sagen, vorzutragen?

[Was heisst Realismus in der Malerei? Schon die Be- grenzung ist Sache der Individualität, welche suchend vor die reale Natur tritt, dann gar die Farbenskala; denn jene der Natur ist nicht die des Malers.]

* * *

Floerke, Böcklin. 16

242 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Romanische Skulptur: Gemacht ist das nicht, aber ge- dacht. Dumm ist das Detail, aber der Künstler fühlt, dass er einem Künstler gegenüber steht, der nur unbegreiflicher- weise nicht so gross ist wie der Architekt seiner Zeit. Wie so ein Kerl geglaubt und gewollt hat! Das ist für mich Modernen ja dumm aber ein Hanswurst ist er nicht, der das gemacht hat.

Es ist dem, der neben den klassischen Säulenstell- ungen z. B. auch noch das Romanische geniessen kann, nicht etwa der Sinn für Verhältnisse abhanden gekommen, sondern er hat vielmehr ein neues Verständnis hinzugewonnen. Er bethätigt damit nur eine unterscheidende vielseitige Genuss- fähigkeit, die dem modernen Menschen eigentümlich ist: ver- gangenen Weltaltern sogar in ihrem Schönheitsgefühl folgen zu können. (Was wir an eigener schöpferischer Kraft dabei ein- büssen, oder ob wir nur, weil wir solche nicht haben, jene Fähigkeit ausbilden konnten, ist freilich eine andere Frage.)

Trotzig und selbstbewusst erfunden und hingestellt ist doch so eine Gotik wie z. B. der Ulmer Münster.

Die Baukunst weiss ja nicht mehr, was sie sagen, aus- sprechen soll. Alles muss möglichst abgeschliffen sein. Früher wollte einer sagen und gesagt haben in seinem prächtigen oder trotzigen Bau: hier wohnt der und der, so ein Kerl wie ich! Heute mag keiner auffallen, sondern fragt: was sagt der arme Bruder dazu? Bellt er nicht? Daher die Zaghaftig- keit der Architekten sich anders als in gewohnten hergebrachten Formen auszusprechen das darfst du nicht so schroff sagen !

In der Musik ist es nachgerade schon ebenso. Und doch ist auch sie nur ein Spiegelbild des Lebens, wenn sie Kunst sein will, und muss sich radikal ausdrücken können.*)

Ich glaube, die Musik erlöst manchmal durch das Gegen- teil von dem, was ich immer fordere. Giebt es z. B. einen

*) Geschrieben Anfang der 80er Jahre. A. d. H.

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grösseren Gesang als die „Adelaide"? Und: Beethoven

will da ja nichts haben. Grade dies quasi Zwecklose wirkt.

Eine übersteigerte Welt!*)

* *

*

Wir haben ein Bedürfnis nach Kunst. Aber aristokratisch verkleinert ist alles, Kunst für reiche Leute und folglich keine Kunst. In unseren Zeiten des Sozialismus sollten wir uns freuen, wenn das heitere Erziehungsmittel der Kunst allen zu teil werden könnte, wenn das anspruchsvolle kleinliche Sopha- bild, welches bestenfalls bestimmt ist, in den Museen Kunst- oder Sittengeschichte zu lehren, der Fassadenmalerei den Platz im öffentlichen Interesse abtreten müsste. Wir haben keinen Stil und auch nicht die Vorbedingungen zu einem solchen. Das Malerische, Individuelle in der Architektur ist dafür wieder eingetreten. Insoweit sind also der Fassadenmalerei die Wege gebahnt. Abgesehen von allem andern wird ihr Eintreten in unsere Bauthätigkeit das Auflösen der Fassaden in nichts als Bauglieder und Fenster zurückdrängen; denn sie braucht Flächen. Sie wird aussen angewandt somit auch das Innere unserer Häuser umgestalten, grössere Wände, weniger Fenster und grössere Intervalle schaffen, die wiederum stattlichere Möbel verlangen und abgeschlossenere Häuslichkeit herstellen helfen.

*) Bei dieser Gelegenheit dürfte auch folgendes interessieren: „Bayers- dorfer erzählt von der Generalprobe zu Tristan und Isolde, die Wagner selbst dirigiert. Die Musik macht schon 28 Takte dieselbe kurze Figur von zwei Takten Erfindung, ein naturalistisches Ankeraufwinden von wirksamer Eintönigkeit. Da schaut der Meister auf und merkt, dass die Kerle auf der Bühne (es war im Münchener Residenztheater) das Aufwinden vergessen. Er schreit sie an: „Wollen Sie wohl an die Winde! Wenn man Sie nicht winden sieht, hat ja die ganze Musik keinen Sinn ....!" „Das wollen wir uns merken", sagt Bayersdorfer. Und so ist die ganze geistreiche Musik. Wie hätte Wagner z. B. den Don Juan angefangen? Keine Ruh (unruhige Figur) bei Tag (kikeriki, heller Hornstoss) und Nacht (dumpfer dito), Nichts, was mir Vergnügen (titiritirili) macht, Schmale Kost (armseliges Teller- klappern) und wenig Geld (Klappern kleiner Münze), u. s. w.

Dabei fällt mir B.'s denkender Schauspieler ein, der singt: „Ein (hebt einen Finger hoch) Schütz (legt an) bin ich (zeigt auf sich) in des (weist über die Schulter) Regenten (Kronen andeutend mit beiden Händen übern Kopf) Sold (Bewegung des Geldzahlens)." Notiz des Verfassers. A. d. H.

16*

244 BOCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Noch im Rokoko sah man von einem Zimmer aus bis ins letzte, etwa achte heut bauen sie wie die Schwalben : da ein Bröckl und da ein Bröckl. Der Fuchs baut auch so.

Die englische Gartenkunst ist der Ausdruck der Verlegenheit: ich bin sentimental, Natursimpel etc., und dem geb ich nach, das mach ich mir sozusagen, Wille aber ist Wille, und will ausgedrückt sein. Z. B. Villa Albani! Da ist eine schwarze mauerartige Hecke, die die Architektur in das Wein- bergland hinaus vermittelt. Aber sie hat vor allem den Zweck, mich hundert Schritt mit Scheuklappen zu führen. Dieser Gärtner ist ein bewusster Künstler, kein sklavischer Natur- nachbeter. Er erlaubt sich die Landschaft zu überschneiden, zuzumachen, jedes hat hier seine Pflicht zu thun fürs Ganze und nun führt er dich nach den hundert Schritt an die freie, lichte, farbige Aussicht ja wie dankbar ist man ihm da für diese Absichtlichkeit! (1880.)

Pincio. In den Pincioanlagen spricht man sozusagen ein paar Sprachen zugleich: man will's den Fremden recht machen, den Patrioten, dem König auch eine ziemlich konfuse Arbeit.

Villa Albani etc. Wie klug hat das Winckelmann gedacht (oder wer sonst) mit der langen dunkeln Allee, bevor man an das Museum kommt. Der Mensch, der aus dem bunt- farbigen, aufdringlichen Leben der Stadt kommt, muss doch erst beruhigt, vorbereitet werden, damit er den Gegensatz voll empfinde.

Ähnlich geht es mit dem Mausoleum bei Charlotten- burg. Und Ähnliches ist doch gewiss auch bei den ältesten Kirchen, z. B. Basiliken wie Sta. Maria in Trastevere beabsichtigt gewesen. Tritt man ein aus dem blendenden Tag, von dem weissen Pflaster: Dunkelheit und Kühle. Zuerst sieht man nichts, erst langsam taucht hier und dort etwas auf, leuchtet ein Goldgrund, nur allmählich erkennt das Auge das Ganze. Unterdessen hat der Mensch Zeit sich vorzubereiten, man muss doch auch künstlerisch den Menschen nicht anders nehmen als er ist und damit rechnen!

Und dann fängt es aus der mittlerweile geheimnisvoll leuchtenden Höhe an zu klingen wie Engelsstimmen die ge-

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schickte Hand, die sich auf die Orgeltasten legt, siehst du nicht jeder Schritt, den du wagst, hallt so eigentümlich: der Gegensatz ist glänzend da, und seine Wirkung hat dich. (1880.)

Ich glaube, dass der Raum einen grossen Einfluss auf den Menschen ausübt. Ein Mensch, der in einem dreieckigen Zimmer aufgewachsen ist, muss doch ein anderer sein als ein in einem runden Aufgewachsener. Ich erinnere z. B. an das Pantheon. Alle die Voraussetzungen, die man hatte und nur ahnte, werden einem da bestätigt, erfüllt, Gegenwart, einem ist pudelwohl. Dagegen die boshafteste menschenquäle- rischeste Erfindung ist der schiefe Turm von Pisa, den man stellenweise mit aller Anstrengung hinauffällt und hinunter aufwärts zu steigen glaubt, bald nach innen, bald nach aussen durch die Öffnungen stürzt, bis einem nachher draussen aller Sinn für ordentliches Auftreten, für das Horizontale etc. auf Minuten genommen ist.

Nationale Kunst internationale Gott segne das Ackerfeld, das mich erzeugt hat, aber ich habe Flügel gekriegt, um drüber hinaus zu fliegen frei muss der Künstler werden, sein können damit fängt er ja erst an !

Ich kenne nur eine internationale Kunst. Für den Fran- zosen riecht eine Rose gerade so gut, ist eine schöne Frau ebenso an- und aufregend, ist die Natur just so vorhanden; er hat dasselbe Bedürfnis das auszudrücken, mit den gleichen Mitteln. Er hat auch keine 25 Kopflängen. Wer mir so viel von der Sonne zu erzählen weiss, so viel zu schenken hat, der darf doch wohl mein Mann sein?

Feuerbach. Diese ewig „ringenden" unfreudig ringen- den — die Mitmenschen (an der Spitze Dichter und Mit-Maler) verachtenden, „denkenden" Künstler, d. h. das Denken und ihr Herkommen vom Denken betonenden Künstler, sind gar keine ganzen Künstler. Auch Feuerbach nicht, auf dessen „Vermächt- nis", diese kastrierte Jeremiade gegenwärtige Bemerkungen gehen.

246 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Schade, dass das bedeutende Mass grosser Anschauung, grossen ehrlichen Bewusstseins von den Pflichten seiner Kunst und grossen erarbeiteten Könnens so sehr von des Gedankens Blässe angekränkelt war. 0 si tacuisses! Du und Schack, der schöne Graf Schack! (von dem ich in schwachen pietätvollen Stunden angenommen hatte, er empfinde etwas für und verstände etwas von Malerei! Daran war wieder allein der verd . . . deutsche Respekt, alias anerzogener Aberglaube, schuld. Prüfet selber!) Donatio inter vivos. Ähnlich schon macht Herr von Bülow sich und seinen Lasalle: tüchtige Virtuosen alle beide quand meme Turmseil oder Quatre mains. L'etat oder l'ari, c'est nous. Publikus klatscht und reisst zu jeder Garnitur Herrgott, wie sie gerade ausgegeben wird, das Maul auf.

Heyse wird auch schon mehr Novellenpapst, d. h. die Novelle von seinen Gnaden ist die Unfehlbarkeit. Alles andere Dreck. Kolorismus, Charakterzeichnung bis ins Wort ist wurscht. Seit er wieder ganz Dramatiker ist, ist der Stoff alles und kritisiert er die Novellisten. (Zürich 1884.)

C.F.Meyer: „Hochzeit des Mönchs". Nicht Sommer oder Winter, nicht warm noch kalt, und von der Luft der Frührenaissance weht kein Hauch in dieser Gartenlaube.

(Zürich 1885.)

* *

*

Ich bin kein Verehrer der Problemnovelle. Die individu- elle Kraft des Erzählers muss sie vielmehr vor mir rechtfertigen, indem sie sie aus dem Akademischen heraushebt.

Leibl. Er hatte Kräfte wie ein Stier. Aber er war schwerfällig und konnte nicht den vollen Gebrauch davon machen. Allerdings, was er einmal zwischen den Fingern, in der Hand hatte einen Rock oder so was das gehörte ihm.

Ferd. Barth hatte ihn unterlaufen und angesprungen wie eine Katz, und da lag er. Am andern Morgen lag Barth im Fenster und Leibl kommt vorüber. Da tritt er der Sicher- heit halber doch einen Schritt zurück; denn das war Parterre,

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und Leibl, der die gestrige Niederlage kaum verziehen, hätte ihn ganz leicht plötzlich beim Gewand nehmen und zum Fenster herausholen können.

Die Kunst trieb er unter dem Protektorat seiner Körper- kraft-Eitelkeit, mit allem dadurch erlaubten Hochmut und mit mehr als erlaubter Dummheit.

„Nach allen Regeln der Kunst" sagt jemand wie sprich- wörtlich. — Als ob es Regeln gäbe!

Welche Vorstellung wir von den schwierigsten mensch- lichen Gliedmassen etc. haben, beweist mir z. B. der Umstand, dass mir heute, fast im Dunkeln, der blosse Kontur einer Hand die dann gichtisch sich erwies so abenteuerlich falsch vorkam, dass mir fast angst wurde. Etwas, was ich be- sass, war hier einen Augenblick umgestossen, das ist ein sehr

peinliches Gefühl.

* #

*

Wie ganz anders als wir Gefühlsmenschen denkt ein Italiener! Ganz sachlich, jeder Stimmung entkleidet, nackt, roh sind seine Begriffe. Teilnahmslos.

Es kommt stets nur auf das Unterscheidende (also Sprechende, Verdeutlichende) an in der Kunst, nicht auf das Gemeinsame.

Lenbach: Er kann nicht, wie z. B. Holbein, das Ganze übersehen. Dazu kann er nach keiner Seite genug. Aber er kann eine Hauptsache herausfinden und die soweit treiben wie nur möglich. Er kennt seine Einseitigkeit das ist seine

Kraft.

* *

*

Oberlaender. Das Komische erst sich vorstellen und es dann auch darstellen können, dass es auch für andere so erscheint, also künstlerisch ganz sauber gemacht, alles Über-

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flüssige erkannt und fortgelassen dazu gehört ein verdammt

geordneter Kopf.

* *

Das ist ja gerade das Grosse in der Kunst, das Unend- liche, — dass jeder das Wichtige wo anders findet. Es giebt, Gott sei Dank, nicht eine Lösung für Jedes, wie Böcklin meint.

Wer von der Natur abgeht, muss freilich beweisen, dass er das künstlerisch nötig hatte, um sich deutlich zu machen. Ich kann dich anlügen wie ich will, sagt der Künstler, wenn du mir nur glaubst. Ich will wahrscheinlich sein, nicht wahr.

Solange mir einer sagt: das Herz regiert den Mann und seine Kunst, bin ich immer voll und ganz dabei.

Was giebt der Künstler? Was einer ist. Also muss er doch erst mal was sein und was erleben. Also der bloss oder über- haupt fleissige Künstler ist ein Unsinn.. Freilich arbeiten wird der Künstler immer, aber um zu erleben, „voll Figur" zu werden, mit allen Sinnen und Poren, durch die Leben ein- dringt.

Freilich die Akademie beschäftigt sich damit noch nicht. Die hat zunächst mit dem Fleiss zu thun, mit den Vorbeding- ungen.

*

Ausstellung im Glaspalast (München [1888?]). In Ansehung der Farbe, des Einzelnen, ist ja viel Schönes im Glaspalast. Aber das ist doch nur ein verfeinertes Instrument. Dagegen ist ja Böcklin bloss grosser Wurf. Hat der einen Reichtum im Leib! Das ist ja der einzige schöpferische Künstler. Wie der mit tausend Fühlern nach der Natur greift!

Wenn man alles durchgenommen hat, und sich vorher vielleicht an diesen und jenen Merkwürdigkeiten gestossen hatte, die man noch nicht unterzubringen wusste (neben all der heut- zutage üblichen dahergetragenen Geschicklichkeit), muss man

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immer wieder sagen: da hat unsere Maschinerie einen ganz anderen Gang genommen. Das ist Ernst.

Nichts von dieser menschlichen Schwäche, die der Einzel- natur anhaftet! Böcklin ist wie die Natur selbst. Wie voll- gesogen muss dieser Mensch sein!

Da ist doch die Planke mal weg, hinter der sonst das Publikum zurückgehalten wird!

Wie roh man wird durch solche Ausstellungen, wie im Feldzug! Das sind nur noch Massen und werden als solche behandelt. Man geht wie über ein Schlachtfeld, man sieht die Leut' ruhig, kalten Bluts im Graben verrecken, während man sonst wütend wird, wenn ein roher Kerl ein Hunderl haut. Man thut meinetwegen jedem Unrecht. Für all die Mühe da in den Goldrahmen hat man keine Zeit, kein Auge in dem allgemeinen Totschlagen: man sucht in all dem Können und Mühen nach etwas geistig Höherstehenden und lässt die andern hängen. Man sieht all die freundlichen, wohlmeinenden Künstler nicht verrecken!

Ja diese Ausstellungen! Diese Bilderwände (man kann ja der Mühe des einzelnen nicht gerecht werden) sehen aus wie lauter Gobelins, zwischen denen hübsche plastische Weiber und Mädel herumstehen ja eben, die sind dann plastisch.

Das klingt nicht ernst, ist aber viel ernster als der affichier- teste Kritikerernst, der behauptet, jedes Bild „geprüft" zu haben.

Immer mehr Leute, die malen lernen resp. malen können, weil sie Geld haben, und daneben Leute, die malen könnten, aber kein Geld dazu haben. Das hängt durcheinander. Den- selben Vergolder resp. Rahmen haben sie beide. Eine zweck- lose Malereiausstellung. Wohin mit all dem Zeug?

Ich gehe allemal durch wie ein abgehärteter Landgraf. Diese Bilder sagen ja nicht mehr lieblich: schau mich an, sondern: geh weg! Sowohl was die Themata als auch was die Farbe und Malerei anlangt. Lauter abgemarterte Maler. Das will ich erkennen und nachweisen, ob der oder der aus Drang,

Kraft und Freude schafft oder nicht.

* *

*

Ich steh' ja dem Künstler immer so gegenüber: mit offenen Händen gieb mir was! Du hast ja alle Taschen voll!

250 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Ich sah schnell durch den grossen Refraktor auf der Florentiner Sternwarte und schon war der Uranus vorüber- gesaust, den man mir eingestellt hatte. Mit einem Schlage war mir die Thatsache und Schnelligkeit der Erdumdrehung deutlich.

Ein Einschwenken der Musik, ein Vorbeimarsch, ein un- erwarteter, ein endloses Hurrah vor dem grüssenden Kron- prinzen, — und Sedan war in meinem Schädel vorhanden.

Es hat immer etwas Feierliches, wenn einem plötzlich ein Begriff Thatsache wird.*)

Böcklin sieht unerbittlich gleich hinter die Vergoldung, da

wo der Pappendeckel ist, und das ärgert die Leut'. Andere

lassen ihnen doch wenigstens das Häutchen, den Überzug, den

verlogenen.

* *

*

Ist einer ein geistreicher Mensch und muss hier und da was fangen in der Luft und dann wieder einen Gedanken kon- densieren, — oder ist er ein Holzhacker, der seine Muskeln zur Verfügung braucht, -- egal, diejenige Nahrung, welche es immer sei, wird die richtige für ihn sein, die ihn am arbeits- fähigsten macht denn das bedeutet seine höchste Gesund- heit — sei es sogar Wein, Cognac, Tabak etc.

Die Griechen, als Menschen und Künstler und nicht Theo- logen und Schulmeister, waren nicht so dumm, die Leiden- schaft als nicht von den Göttern stammend zu erklären und

zu verachten.

* *

Da lag eine Katze im Sonnenschein, am Boden, ein Hinter- bein hoch, den Kopf sah man nicht. Ich komme immer wieder darauf zurück: überzeugen muss man als darstellender Künstler. Das war gar nicht überzeugend. Ein richtiger Moderner hätte es vielleicht grade deswegen gemacht.

Dem Bauern, der in die Stadt kommt, sind alle Gäule

*) Dieser Gedanke ist wohl als Beispiel für Böcklins Kunst als eine Offenbarung über das eigentliche Wesen der Kunst gedacht. A. d. H.

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zu klein, der ungewohnt grossen Umgebung gegenüber. - So sieht jeder nach seiner Leibeshöhe. Die Städte, die mir in meiner Jugend so gross erschienen, weil ich sie mit 1 Meter Höhe sah, sind jetzt, wo ich lang und gross bin, überall zu Ende, wo ich ausschaue und ausschreite.

Das Bekannte, Unrichtige, ist unter Umständen viel mehr wert, als das unbekannte Richtige, mit dem ich keine Wirkung hervorbringe. Ich brauche eben mein Publikum. Wie viel ist z. B. in diesem Sinn die deutliche, allgemein verständliche Formensprache der Antike wert!

Das Wahrsein allein hilft gar nichts. Überzeugen muss man als Künstler.

Z. B.Ibsen. Weil er selbst ein grässlicher Eistropf ist, macht er andere Leute auch unglücklich, wie ein grausamer Metzger.

(Ibsen. Wer nichts bringt, sondern was wegnimmt, gehört vor die Thür. Wenn einer Wahrheit will, soll er zum Philo- sophen oder Pfarrer gehen, die zwar auch keine haben. Aber dahin, auf das Terrain gehören diese Fragen. Der Künstler soll nicht das Unheil ausschlachten, das er erlebt. Das ist zu allerletzt sein Beruf. Er soll die Lebenskraft mit seiner Heiter- keit stützen, nie sie unterminieren.

Die Stühle stehen leer bei uns. Wer kommt setzt sich darauf, aus Norwegen oder sonst woher. Das Publikum mag das Ibsensche „Werk" aufregend finden. Publikum! [Ein Schlachtfeld ist ja das reinste Tingeltangel dagegen: z. B. „Nora". Er ist dumm, sie ist albern diese nordische Philisterei will uns belehren!] Aber vom künstlerischen Stand- punkt aus bringt er das bisschen Heiterkeit, welches er bieten kann und soll, ja bloss in Misskredit. Wie gesagt: Stütze der Lebenskraft sei die Kunst und nicht Unterminierung.)

Bei Ibsens Kunst ebensogut wie bei der von Haber- mann etc. bleibt zuletzt nur ein Arzt mit sieben Brillen und eine Leichenfrau übrig.

Anstatt dass er mir die Hand giebt und sagt: Komm herauf! Da ist gute Luft, Blumen und Schmetterlinge, da kannst du n der Sonne liegen und die Welt vergessen, soweit sie dir Sorge macht, statt dessen stösst er mich in das Loch zurück: „so seid ihr, so stinkt's bei euch." Ja dazu brauch' ich doch ihn nicht, den Künstler nicht.

252 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

Da werd' ich ja lieber Bauer und geh' gleich hinter meinem Mist her.

Da weiss ich ja, dass das Loch da ist und geh' ihm mein Lebenlang aus dem Wege. Heiter ist die Kunst, denk' ich und gehe in den Glaspalast, oder in Ibsens Gespenster, oder lese Zolas „La terre". Jawohl, da gähnt das Loch, und überall zeigt mir's der Künstler und kriecht selber hinein in die Kuhle und zieht mich noch mit!

Da klettert z. B. Begas doch noch vergnügt an seiner Stange und glaubt daran, dass er den Mond herunterholen könne an die Phantasie.

Ibsen ist enragierter Böcklinianer. Er sagt, ein Künstler werde erst da interessant, wo er über seine Kunst hinausgehe (sehr billig denn Kunst soll Mache heissen).

Solche Sachen wie die von Ibsen gehören an die Universität.

Das ist ein Psychiater oder Irrenarzt, der seinen Beruf verfehlt hat.

* * *

Da die vorgestellte Welt diejenige ist, in der man lebt,

und nicht die wirkliche, so muss man überall Rücksicht nehmen

auf unsere Vorstellungen: man darf nicht mit einer, wenn auch

neuen, Secierschere Geflügel zerlegen oder Bowle in einem

wenn auch ungebrauchten Nachttopf auftragen.

* *

Welcher Unterschied ist nun schliesslich zwischen dem, der ein Boot auf dem Chiemsee photographiert und dem, der es gleich malt, anstatt es im Böcklinschen Sinn zu begreifen, zu behalten, zu späterer freier Verwendung, die etwa aus dieser Anregung hervorgegangen sein könnte?

Der Künstler giebt sich alle Mühe, sein Werk als einen Gegensatz zur wirklichen Welt erscheinen zu lassen. Alle Mittel ergreift er, die ihm dazu helfen. Auch der Bühnen- künstler.

* * *

„Das passt nicht dahin" heisst ungefähr gerade so viel

als „das ist unkünstlerisch".

* * *

Die Kunst ist auch eine Glaubenssache, könnte man vor Böcklinschen Bildern sagen.

VARIA 253

Die Kunst ist eine so eigentümlich satte, gesteigerte Vor- stellungskraft, dass sie sich schöpferisch genugthun und damit auf andere übertragen kann wie die Elektricität.

Die Kunst, auch die pessimistische, ist Anteilnahme an der Welt.

Ich denke, die Kunst wird wohl eine Art Erkenntnis der Erscheinungswelt sein ; ob so oder so ist wie die Anschauung (Vorstellung) rein individuell.

Dies Professorentum das ist der Tod der Kunst. Wenn man's mal formulieren kann und ausgesprochen hat, kann man's auch bleiben lassen.

Wenn man weiss oder sagt: so muss es gemacht werden: hier sieben Muskeln, da sitzen die drei etc. ex est mit der

Kunst.

* *

*

Das Fertigmachen, wo es künstlerisch nicht nötig ist, ist doch nur Höflichkeit gegen das Publikum.

Wieder einmal Herr Uhde und Konsorten. Das Ver- mischen von Christussen, Engeln etc. mit modernen Kindern, Stuben, Tendenzen in realistischer Ausführung betreffend: Anders wollen sie nie mit, wenn das Wort Phantasie fällt, aber gerade da wollen sie alles durchbrechen, was felsenfest steht, in unserer nicht heuchelnden Vorstellung des modernen Zeitalters.

Die Kunst in Deutschland (nirgends anderswo) ist gänz- lich international geworden oder zu werden bestrebt. Am meisten chic ist Paris. Sie laufen denn auch schon mit Cylin- dern in die Akademie. Aber das ist gleich, sie haben in Schlapp- hüten oder wegen der Schlapphüte auch nicht besser gemalt, und weisse Gamaschen an Händen und Füssen thun's auch nicht.

254 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

„Die verachten einen Ingenieur, der eine Lokomotive ver- bessert und zweckmässig baut, die Malerlackl, denen nichts einfällt", sagt Ferdinand Barth.

* * *

Der Zweck ist die Frucht, sagt der kluge Mensch. Der Romantiker freut sich an der Blüte. Der Zweck ist ver- kaufen, sagt der heutige Maler.

Dadurch verderben sich viele Leute ihr Leben, dass sie von dem abgehen, was sie bei der Seele hatten eines geringen momentanen Vorteils halber.

Ich möchte so sterben, dass man sagen muss: er hat nicht nachgegeben, er ist bei der Stange geblieben.

* * *

Es ist so schwer, dass jemand ein sicherer Künstler werde! Kommt er zur rechten Zeit an den richtigen Mann, der ihm das nötige sagt . . . Wie kommt er über die Weiber weg? . . . Glück, gemeines Glück gehört auch viel dazu. Vom Ererbten, Anerzogenen etc. ganz abgesehen!

* * *

Taktfragen sind das Wichtigste in der ganzen Kunst. So fragt Böcklin stets, ob das daher passt. Wenn mir einer roh daher kommt, ist er kein Künstler. Takt ist die Summe alles beruhigten Wissens und Könnens sich und seiner Zeit gegenüber.

Über allgemeine Dinge soll und kann der Künstler nicht urteilen. Dazu hat er keine Zeit, keine Übung, ist er nicht da. Über seine eigene Sache hingegen, ja. Weil zum Unternehmen und Durchsetzen einer Arbeit das höchste Selbstvertrauen ge- hört, muss er wissen, was er macht. Jenes sollen andere thun, die dies nicht können. Ordnen, vergleichen, abwägen, rechts und links gerecht sein was geht das ihn an, der alle Kräfte für eine Vorstellung auf dem Fleck haben muss.

Ja dieser verdammte Schulmeister! Er nimmt den Jungen ihre Instinkte aus der Brust, die Freude an ihrer Eigen-

VARIA 255

art, das Wagen und Wollen, ohne es zu wissen, vielleicht.

Er arbeitet immer in usum delfini in Menschen. Darum ist

das Einzige, was ich zu sagen weiss: den Schulmeister soll

unter allen Umständen der Teufel holen. (Gefühle, die ich mir

gelegentlich Cornelius' ins Notizbuch schrieb.)

* *

*

Es ist mit den Rednern wie mit den Künstlern. Der eine sagt nur, was er davon weiss, was er der Sache abge- rungen hat, wie ein wissenschaftlicher Arbeiter, ohne Rücksicht darauf, ob es gefallt oder nicht. Der andere sagt nur, was gefällt und spricht, weil er sich gefällt. Jener fürchtet fast jedes Wort (er bricht die einzelnen ab wie widerspenstige Brocken gediegenen Erzes), dieser schwelg in ihrer Leichtflüssigkeit. Bei jenem findet der Kampf während der Rede statt. Man merkt ihm an, er ringt mit dem Stoff, hat alle Hände voll, aber lässt nicht aus, schaut nicht rechts noch links; darum macht er Pausen das sind seine Anläufe zum Sprung dann hat er wieder ein Stück gebändigt und legt es hin: das ist für mich da. Und man fühlt: er ruht nicht bis er fertig ist. Da ist kein Platz für Geschicklichkeiten, auch zum Geistreich- sein hat er keinen Atem, so gründlich schwer nimmt er seinen Gegner, so ganz will und wird er ihn haben.

Also der eine sagt: Steigt mir den Buckel rauf! es kommt ihm darauf an zu sagen, was er weiss. Der andere will den Beifall und sagt, was er sagt, weil es gefällt.

Ich habe auch den Zustand, dass ich über die schwierigen

Ecken meiner Arbeit weiter denke, wo ich schlafen sollte, und

das ist falsch. Böcklin z. B. weiss, so bald er aus dem Atelier,

von nichts mehr, ihn interessiert nur das Gegenwärtige, ebenso

später der Schlaf, auf dem Hinweg ins Atelier die Natur, alles

drinnen springt er frisch mit beiden Beinen wieder hinein.*)

* *

*

Das in die Augen Fallende verwerten und davon leben,

*) Wer mit „Ich" gemeint ist, kann ich nicht sicher feststellen. Ver- mutlich P. Bruckmann. A. d. H.

256 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

das thut doch ein altdeutscher Künstler nicht. Davon leben die heutigen Halb-Franzosen.

Wenn ich nur das Ziel noch schimmern sehe, ist es ja bei- nahe egal, ob ich ihm nahe oder noch ferne bin, wenn ich nur einsehe, dass ich auf dem rechten Wege bin.

Es mag ja sehr stolz machen und in gewissem Sinne frei, auf einem Gaul immer zu reiten, auf einem Wappengaul wo- möglich, aber zu Fuss kann man überall gehen, Blumen pflücken, auf Bäume und Berge klettern, gewiss der Natur viel näher stehen.

Die künstlerische Fähigkeit die Welt durchs Auge zu begreifen nimmt angesichts unserer Glas- und Eisenunter- bauten mit Steinhäusern darüber, Brücken ohne Träger etc. immer mehr ab.

* *

*

Ein Bild muss ausschauen wie: du brauchst mich ja nicht zu mögen. Ich ruf keinen. Solche Bilder mag ich.

Es ist viel leichter, sämtliche Faltenmotive auswendig zu wissen, als irgend etwas von Kunst zu verstehen.

Aus dem Verstand geschaffen wird nichts in der Kunst, wohl aber mit und unter ihm ausgeführt.

Nicht die Natur kann man ja überhaupt darstellen, sondern seine Sensibilität ihr gegenüber.

* *

*

Niemand kann z. B. meine Hand zum zweitenmal machen,

VARIA 257

nochmal machen; er kann nur machen, was er davon sieht.

Und darauf kommt folglich alles an, ob er das mit Technik thut oder mit durchdringendem Formgefühl.

Der eine legt ein Ei. Der andere schlägt es auf und schaut's an. Das ist doch verschieden? Künstler und Kritiker.

Der eine macht alles, was er sieht, der andere (Böcklin) nur, was er braucht.

*

Für den Künstler ist es im Einzelfall ganz gleichgültig, ob er etwas Verunglücktes macht, wenn er nur während der Arbeit das Beste wollte, d. h. sein bestes, nicht etwa etwas „Bedeutendes", das wird allemal eine Narrheit.

Unsere Freiheit der Anschauung haben wir an den Schul- meister verschenkt. Und nun stelle man sich vor: der und die Kunst!

Wir haben immer treue gute Augen für die Natur gehabt und den Zusammenhang mit ihr nie verloren, sobald man uns nur halbwegs schnaufen Hess.

Brillen und Säbel*) sind gut, aber wir haben zu viel davon für die Kunstentwickelung.

Ich habe vor nichts so viel Angst als vor der Wissenschaft in der Kunst, besonders wenn sie geistreich auftritt. Allen Glauben, alle Zuversicht verliert man, alles Blut entströmt einem, wenn da so ein naturwissenschaftliches Ding aufgewiesen wird. Der Künstler soll mir nicht seine Sache wie ein zweifel-

•) Geht auf Gelehrte und Maleroffiziere. A. d. H.

Floerke, Böcklin. 17

258 BÖCKLIN-AUFZEICHNUNGEN UND ENTWÜRFE

loses Präparat, ein wissenschaftliches Objekt dahertragen, von ihm hergestellt, und darauf stolz sein.

Wir wissen nicht mehr, was wir wollen, sondern nur noch, was wir können.

Gerade indem ein Mensch zeigt, dass er die Welt genossen, wie teilnahmsvoll er überall zu ihr gestanden, wie er sie sich ohne Groll und Trübung die ja keinem erspart bleiben als seine Freudenquelle zu eigen gemacht und reingehalten hat zeigt er ja, dass er sie begriffen, nicht indem er sich pessi- mistisch von ihr abwendet.

Dereine will ein Bild malen, der andre will bloss gut malen. Der Künstler hat stets zu wenig Mittel und zu viel zu sagen.

Pleinair. Wie nur jemand sein Leben auf ein Schlag- wort einrichten mag!

Die ganze Pleinair-Geschichte ist oder war, als ob sich jemand plötzlich mit seinen Jüngern öffentlich zusammenthut, um endlich auch für die gesamte deutsche Rechnung das Einmaleins zu erfinden und fortwährend darüber lärmende Be- richte erscheinen lässt: jetzt sind sie schon bei 4X4.

Pleinair. Es ist in erster Linie die Beschränktheit und Unduldsamkeit der Schule, nicht ihre Richtung, was sie lebens- unfähig macht.

* *

*

Wer es nicht darauf ankommen lässt, von seinen lieben Mitmenschen eventuell alles Mögliche gescholten zu werden, bringt als Künstler schwerlich viel zu stände.

VARIA 259

Wenn man alles verstünde, das „warum" begriffe, so ginge man ganz heiter und beruhigt über diese Welt, der Zorn kommt nur von dem mangelnden Verständnis. Das könnte man auch von den Anti-Böcklinschen Kritikern sagen.

Das gar zu wüste Schimpfen hat jetzt allerdings aufgehört, und merkwürdigerweise sind es unter den Malern die mo- dernsten, zuletzt sogar noch die Impressionisten gewesen, die gemerkt haben, in welch unheimlicher Naturnähe sich Böcklins Kunst bewegt nicht jener posierenden Natur, von der man ein Stück Aussenseite mehr oder weniger erwischen kann, sondern der ungebändigten, wo das alles Empfindung ist, wo man früher „Unnatur" schrie, in jenem blöden, am Äusserlichen klebenden Kritikertum .... jene Natur, die man empfunden haben muss, um sie wiederzugeben, nicht, weil sie nicht stillhält, sondern weil man sie nur aus der Vorstellung wieder in Fluss setzen kann, die genial (künstlerisch) vermensch- lichte Natur. Böcklin packt auf diese Weise das, was man von ihr haben kann, und was er nicht bloss für das Auge und den ordnenden Verstand des Menschen, sondern auch, und erst recht, für sein ganzes Empfindungsleben gewonnen hat, als grosser Naturdichter.

Andre Mittel, andre Wege. Er will nur ebenso ein- dringlich werden können, wie die gewaltige Natur es seiner Dichterseele gegenüber zu werden vermochte.

„Die Welt bewegt sich nur vorwärts durch den Hass feindlicher Brüder", sagt Renan. Hoffen wir diesmal zu ihrem Vorteil. Es kommt ja nicht bloss darauf an, wer der grössere Bruder sei (d. h. für den gewünschten direkten Ein- fluss), sondern darauf, wem die Meisten beistehen.

17*

Schlussbemerkung.

Eine in elfter Stunde gefundene Notiz des Verfassers glaube ich dem Vorliegenden anfügen zu müssen. Sie bezieht sich auf das speziell über Böcklins Kunst Gesagte und stammt aus dem Anfang des Jahres 1885.

Alles dies ist nicht mein ausschliessliches Eigen- tum, sondern vertritt die hundertfach besprochenen Ansichten einer kleinen Gruppe florentiner Freunde, zu welchen der Maler selbst und Karl Hillebrand gehörten. Es würde schwer sein, einem jeden seinen Teil an geistigem Eigentum zurück- zuerstatten.

Sollte eins und das andere an Hillebrandsche Auslassungen anklingen, so bitte ich ebenfalls das Obige zu bedenken, näm- lich, dass Hillebrand gebend und empfangend zu dem Kreise gehörte, und dass das meiste im Gespräch gezeugt wurde."

DER HERAUSGEBER.

BERICHTIGUNGEN.

Seite 9, Zeile 2 von unten, lies Schmid statt Schmidt.

Seite 108, Zeile 5 von oben, lies Pfund statt Pfand.

Seite 149, Zeile 11 von oben, lies das statt da.

Seite 151, Zeile 11 von oben, lies hat hier statt ja hat.

Seite 158, Zeile 5 von unten, lies gerade statt gerade davon.

Seite 158, Zeile 4 von unten, lies ich sprach davon abends

statt ich sprach abends.

Seite 238, Zeile 5 von unten, lies Hekuba! statt Hekuba.

Seite 240, Zeile 8 von unten, lies H. v.d. Goes statt H. v.J. Goes.

Seite 261, Zeile 19 von oben, lies 256 statt 255.

Seite 265, Zeile 19 von oben, ergänze 259 neben 226.

Seite 268, Zeile 9 von unten, lies Schmid statt Schmidt.

REGISTER

Abbozzatore, der 150, 153, 154, 156,

157. „Abenteurer", Bild v. Arnold Böcklin*)

10, 80. Ab-Malerei 13, 18, 35, 54, 56, 57, 85

bis 100, 204, 211, 218. Abstand von Bildern 211, 237. Achenbach, Andreas, 4, 207. Achenbach, Oswald 4. Ägypter 157, 225. Albani, Villa 244. Albertsche Bismarckphotographien

93. Aldobrandinische Hochzeit 74. Allegorie 238.

Alma-Tadema, Lorenz 164. Alt, Th., Ästhetiker 124. Altdeutsche Kunst 21, 23, 163, 183,

184, 185, 255. Altniederländische Kunst 21, 23, 24,

29, 181, 183, 184, 211, 239, 240, 241.

„Amaryllis" (= „Daphnis und Ama- ryllis") B. v. B. [Böcklinwerk I, 35] 236.

„Amazonenschlacht" Skizze v. A. B.72.

„Anachoret in wilder Felsgegend" s. „Flagellant".

Anatomie 84.

Angelico, Fra, da Fiesole 179.

Antike (Griechen) 4, 13, 16, 20, 23,

30, 33, 46, 60, 61, 100, 129—133, 135—137, 142, 143, 149, 150, 152, 153, 157, 167, 172, 176, 177, 229, 230, 231, 250.

Antwerpen s. unter Böcklin.

Apoll vom Belvedere 136.

Apostel, vier, von altdeutschem Meister

185. Arbeiten aus dem Gedächtnis 42, s.

auch unter „Modell? Vor der

Natur" und „Porträt". Architektur, alttoskanische 24, 180;

moderne, 181, 242, 243; der Re- naissance 180. Ariost 81. Aristoteles 95. Ästhetik, Ästhetiker 23, 124, 150, 154,

197, 198, 205, 212, 248. Augustusstatue im vatikanischen

Museum 133, 134, 142. Ausstellungen 15, 183, 193, 231, 235,

248, 249. Autokinetische Empfindungen 113.

Bach, Sebastian 51.

Baidung, Hans, gen. Grien, Kentaur mit Kind a. d. Rücken, Feder- zeichnung i. Basler Museum 184.

Barberinischer Faun 132.

Bartels, Hans von, 222.

Barth, Prof. Ferdinand, Maler 103, 148, 149, 246, 253.

Barth, Sohn von F. Barth 103.

Barth, Dr. Hans, Schriftsteller 124.

Bartolommeo, Fra 182.

Basel 19, 25; Kunsthalle 236; Museum 72, 73; Böcklinfresken 127; St. Ja- kobsdenkmal 231.

Bayersdorf er, Adolf, Kunstgelehrter 175, 231, 232, 242, 243.

Becker, Herman, Schriftsteller 8.

•) Statt „Bild von Arnold Böcklin" wird im Folgenden geschrieben : B. v. B.

262

REGISTER

Beethoven, Ludwig van 242.

Begas, Reinhold 130, 140, 141, 159, 252,Neptunsbrunnena.d. Berliner Schlossplatz 130, 159.

Beggingen 14.

Beham, Hans Sebald 184.

„Bei San Domenico" („Sieh, es lacht die Au!") B. v. B. 74, 75.

Benlliure y Gil, Jos6 226, 227.

Berlin 137.

Berliner Ausstellung plastischer Kunstwerke s. Jubiläums-Ausstel- lung; Jubiläumsausstellung (1886) 137, 145, 151, 191.

B er 1 i n ,50. Ausstellungder Akademie der Künste 4; Nationalgalerie 7, 69, 92; Villa Wedekind 235.

Bildernamen 34.

Bildhauerei 152—160, 203, s. auch „Farbige Skulptur".

Bindemittel s. Malmittel.

Bleib treu, Georg, Maler 190.

B 1 u e m n e r , Prof. Dr. H., Archäologe 8, 77, 81.

Böcklin, Arnold, Abstammung 14; als Kopist 85; als Romantiker 30, 31; Anfeindung 13, 14; bei der Arbeit 42—47, 82, 83, 135; im Gespräch 12, 16, 17, 233; im Umgang mit Nichtkünstlern 13, 16, 17, 20; in Antwerpen 15, 18, 85; in Brüssel 15, 85; in der Schackperiode 28—31, 38, 44, 70, 127; in Düsseldorf 15, 18, 32, 72, 85; in Florenz 2, 7, 17, 21, 22, 25, 74, 122, 158, 164, 191, 233, 235; in Genf 15, 72, 85; in München 2, 13, 15, 62, 81, 164, 166, 183; in Paris 15, 20, 85; in Rom 13, 14, 15, 20, 25, 81, 232, 234; in Weimar 14, 122; in Zürich 2, 17, 26, 38, 40, 41, 69, 71, 72, 76, 137, 150, 164, 188, 207; typhuskrank 15, 236; und die Farbe 42, 43, 60, 63, 64, 73, 98, 108, 110—14, 123; und die italienische Malerei 20, 21, 22,

23, 179 183; und seine Familie 13, 15, 16, 17; und seine Heirat 15; und seine Lektüre 21, 24, 25, 26, 78, 133, 163; und seine Mäcene 13, 24, 32; und seine Selbstpor- träts 92; und seine Stoffe 36, 37; und seine technischen Bestre- bungen 18, 20, 21, 23, 24, 25, 29, 49, 70, 112, 113, 134, 163—167.

Böcklin, Arnold, d. J. 14.

Borghese, Galerie 5.

Borgia, Lucrezia 238.

Botticelli, Sandro 181.

Bouguereau, Adolphe 207.

Brandes, Georg,Litterarhistoriker48.

Breslau, Louise 216.

Breton, Jules-Adolphe 207.

Brücke, Physiologie der Farben 103.

Bruckmann, Peter 30, 45, 90, 123, 135, 137, 147—150, 156, 172, 173, 174, 175, 203, 230, 236, 255; „Licht- spenderin" 123, 145, 146, 150; „Madonna mit Kind" 148, 149; „Meduse" 137, 138.

Brüssel s. unter Böcklin.

Buchser, Frank 233.

Bülow, Hans von, Musiker 87, 246.

Cabanel, Alexandre 50, 207. Cairoli, Benedetto, Staatsmann 185. Calame, Alexandre 15, 69. Campagna, römische 85, 188. Capri 195. Caran d'Ache 88. Cauer, Karl, Bildhauer 139. Cennini, Cennino 234. Charlotten bürg, Mausoleum 244. Chinesen 241.

Chinesische Naturnachahmung 84. Cinquecentisten 13, 22. Consorteria, gemässigt liberale Partei

in Italien 185. Cornelius, Peter von 17, 130, 254. Courbet, Gustave 208.

Dagnan-Bouveret 208. Dannecker, J. H. von 158.

REGISTER

263

Daphnis und Amaryllis s. Amaryllis.

Daudet, Alphonse 204, 218.

Dekoration 241.

Delaroche, Paul 205.

Deutsche Meister s. „altdeutsche

Kunst". Deutschen, die 177, 236. Deutschland 234, 253. „Dianajagd", B. v. B. (Böcklinwerk II,

40) 72, 73, 236. „Dichtung und Malerei" s.„Kastalische

Quelle." Didaskalia, Kritiker der 73. Dircks, Dr. 143. Dönhoff, Gräfin 185. Dohrn, Dr. Anton 76. „Drachenhöhle" s. „Via Mala". Dreher, Franz, 20, 178. Dresden 195. Dürer, Albrecht 48, 59, 167, 174;

„Affentanz", Federzeichnung im

Basler Museum 185; „Ritter, Tod

und Teufel" 238; „Vier Apostel"

220, 239. Düsseldorfs, unter Böcklin. Düsseldorfer Kostümpoesie 206. Dyck, Antoon van 65, 92, 93.

Eggensch wyler, Urs. 160.

Ehrlich, H. 34.

Einhorn in „Das Schweigen des

Waldes", B. v. B. (Böcklinwerk

I, 11) 26, 86. „Erinyen", B. v. B. 28. Etrusker 133, 142. Eyck, van, Schule 166, 181, 184, 240.

Fabelgeschöpfe 6, 26, 33, 35, 39, 41, 42, 44, 76, 77, 78, 83, 100, 130.

Falguiere, A. 226.

Farbe, Farben, s. auch unter „Skulptur, farbige"; als Modellier- und Kom- positionsmittel 63, 64, 65, 110, 112, 189, 205; als Raumwert 24, 61, 62, 63, 110, 134, 165, 180, 181, 198; als Stimmungswert 65, 110; Aus- nutzung 60, 109; Blau 61,64, 79,

80; Braun 61, 141; Gegensätze

60, 61, 62, 65, 68, 73, 111, 206 Grau 79; Grenzen (Relativität) 60 86, 94, 98, 109, 110, 111, 121 Grün 79, 113, 166; in der Natur 108, 109; Kasein 147, 166 Komplementäre, positive, neutrale

61, 63, 116; Orange 79, 110; Rosa 68, 79; Rot 64, 68; Schwarz 79; und das menschliche Hirn 118; Weiss 166; Zinnober 19, 165, 167, 189.

Farnese, Ercole 238.

Fassadenmalerei 243.

„Faunfamilie im Frühling an der

Quelle", B. v. B. 236. Fayüm, Oase in Aegypten 225. Fechner, G. Th., Physiker 131. „Felsenschlucht" s. „Via Mala". Feuerbach, Anselm 20, 178, 245. Fiedler, Conrad, Aesthetiker 39, 49,

89, 116, 130, 158, 173, 229, 230. Figaro 88. Figurenstilleben 204, s. weiter „Sante

Conversazioni". Fil ippi no s. Lippi. Firle, Walther 221. „Flagellant" („Anachoret in wilder Fels-

gegend"), B. v. B. 81. Flamländer s. „Altniederländische

Kunst". Flasch 195. Fleiner, A. in Aarau, Zementfabrik

146. „Flora", B. v. B. 89. Florentiner55;alsMaler21,22, 181. Florentinisierende Bilder 21, 179. Florenz 22, 24, 158, 227, 235, 240

s. weiter unter „Böcklin" ; Palazzo

Svertschkoff 7; Sternwarte 249;

Uffizien 22, 24, 33; Niobidensaal

102. Fonta/neWau-Schule 216, 219. Fontenelle, Bernard, le Bovier de 238. Form 43, 59, 65, 84, 111, 112, 115,

127, 134, 170, 241. Formen als Raumwerte 61, 62.

264

REGISTER

Fortuny, Mariano 111. Frankreich 198. Franzosen 50, 107, 212, 235. Französische Kunst, moderne s.

„Pariser Kunst". Fresko 164, 166, 169. „Froschkönig", Herme von Böcklin-

Bruckmann 146. „Frühling", B. v. B. (Böcklinwerk II,

21) 73, 74. „Frühlings-Erwachen" s. „Frühling". „Fünfzig- Gulden -Nymphe" („Ideale

Landschaft") B. v. B. 81.

Gallait, Louis, 205. Gartenkunst 243, 244. Gazette des Beaux Arts 107. Gebhardt, E. von 186. Gedankenmalerei 126, 127, 198, 226. „Gefilde der Seligen", B. v. B. 64,

81, 199. Gegensätze alsKunstprinzip46, 60— 69,

149, 152, 252. Gelehrte, Schulmeister, Professoren-

tum 201, 202, 203, 232, 250, 253,

254, 257. Genelli, Bonaventura 17, 86, 190. Genf, s. unter „Böcklin". Genre-Malerei 13, 28, 52, 61, 126, 205,

210. Germanen 232. Geröme, Leon 205, 207. Geschichtsschreibung 202, 203. Geschicklichkeit in der Malerei 29,

46, 50, 97, 207, 217, 248. Ghirlandajo, Domenico 24, 181. Giorgione da Castelfranco 73. Giovanni da Bologna 155. Glasmaler des 13. Jahrh. 47, 103. Glockenton, Nicolaus 184. G o n z a g a 238. Goes, Hugo van der 240. Goethe 95; Faust IL Teil 84; Her- mann und Dorothea 45, 46;

Verse aus „Mignon" 31, 174. Gotik 242. Gotiker, die 239.

Graf, Th. in Wien 225.

Graf, Urs. „Sitzendes Weib mit Knaben und Kentaur", Feder- zeichnung im Basler Museum 184.

Griechen s. Antike.

Grimm, Hermann 8, 37.

G u r 1 i 1 1 , Porträt der Frau. v. A. B. 92.

Habermann, Hugo von 227, 251.

Hähnel, Ernst-Julius 139.

Händel, G. F. 51.

Haider, Karl 223.

„Hain des Herakles", B. v. B.

(Böcklinwerk I, 8) 86. Hasse'sche Messungen 102. Hauck, Guido, Mathematiker 136. Hauenschild, Prof. in Zürich 146. Hauser, Prof. Alois, Konservator in

München 184. Hecht's Radierungen u. Holzschnitte

229. Heilbuth, Ferdinand 205. „Heiliger Hain" („Opferhain"), B. v.

B. (Böcklinwerk I, 9) 72, 73. „Heimkehr", B. v. B. 82. Heine, H. 77.

Helferich, Hermann 215, 216. Helle, Victor zur 168. H e 1 m h o 1 1 z 228. Henner, Jean Jacques 50, 207. „Herbstgedanken", B. v. B. 65, 66. Herkulesschale des Hildesheimer

Silberfundes 143. „Herodias", B. v. B. 80. Hess, Hieronymus 19. Heyse, Paul 1, 10, 29, 48, 246. Hildebrand, Adolf 55, 123, 158.

159, 160, 168, 174, 188, 223, 229,

230; Büste des Herzogs Karl

Theodor 159; Diskuswerfer 55;

Witteisbacher Brunnen auf dem

Maximiliansplatz in München 160. Hillebrand, Karl, Kulturhistoriker

32, 158, 205, 260. Hirth, Dr. Georg 162. Historien-Malerei 13, 28, 32, 46, 52,

53, 126, 189, 190, 191, 204, 205.

REGISTER

265

Historische Kunst 212. Hoffart, Johann 177, 237. Holbein, Ambrosius 184. Holbein, Hans d. Aelt. 184. Holbein, Hans d.Jüng. 19, 101, 184,

247; Familie des Thomas Morus

184. Holländer 183, 226. Horner, Ophthalmologe in Zürich

119. Hugo, Victor, citiert 67.

Ibsen, Henrik 217, 221, 251, 252;

Gespenster 251; Nora 251. „Ideale Landschaft" s. „Fünfzig-Gul-

den-Nymphe". „Im Meere" s. „Seetingeltangel". Impressionismus, Impressionisten 97,

100, 115, 116, 209, 214, 215, 216,

217, 226. Ischia 166, 175, 234. Italiener 176, 182, 183,247; als Künstler

22, 24, 138, 179, 182, 183, 239,

240. Italienische Motive auf Böcklinischen

Bildern 26. Italische Natur 21, 22, 26, 95, 109, 188.

Jäger, Karl 195.

„Jagd der Diana" s. „Dianajagd".

Japaner 14, 84.

Japanismus 203.

Kaiser 188.

Kalckreuth, Stanislaus, Graf 186.

Kalckreuth, Leopold, Graf 222.

Karikatur, die 83, 203.

„Kastalische Quelle" („Dichtung und Malerei"), B. v. B. 62.

Kaulbach, Wilhelm 14.

Keller, Gottfried 10, 43, 193, 236, 237; Martin Salander 191; sein Porträt von B. 86, 92; Romeo und Julie auf dem Dorfe 189; Sieben Legenden 237.

Kentaurendarstellungen 86.

Kentaurenkampf als Motiv 99.

Kentaurenkämpfe, Bilder v. B. 38,

72, 73. „Kentaur vor der Dorfschmiede", B.

v. B. 40. Kissling, Richard 138. Klinger, Max 223, 229. Knaus, Ludwig 77, 205, 206; „Jong- leur" 187. Knille, Otto, Maler 8. Koller, Rudolf 190, 192, 193, 207. K o 1 m a r 72. Kolorismus 18, 49, 56, 112, 169, 171,

206, 208. Komposition 105, 179, 180, 214. Königin von Württemberg 14. Königsfelden b. Baden, Schweiz 72. Korrektheit 101 104, 211. Kosmische Motive 75. „Kreuzabnahme", B. v. B. (Böcklin-

werk II, 4 ?) 72, 75. Kritik, Kritiker 7, 8, 68, 73, 98, 107,

121, 198,201,230,249,256,258,259. Kugler, Franz, Kunsthistoriker 136,

137. Kunstgeschichte 201, 202, 203. Kunstgewerbe 145.

Landschaftsmalerei 79, 80, 204. Land singer, Sigmund 2, 14, 20, 80,

82. Lang, Albert 123. Lasalle 246. „Lebensbild", („VitaSomnium breve")

B. v. B. 30, 78. Leibl, Wilhelm 187, 227, 246. Leighton, Frederic 185. Lenbach, Franz von 43, 93, 101, 170,

187, 224, 247; Bismarckporträts

224; Porträt des Kaisers Franz

Joseph 14; Porträt des Kaisers

Wilhelm I. 187. Lepage, Bastien 207, 216. Lessing, G. E. 151, 202, 237. Le ss ing, Julius 165, 241. Lessing, K. F. 186. „Lichtspenderin", farbige Skulptur von

Böcklin-Bruckmann 123, 145, 146.

266

REGISTER

Liebermann,Max216,219, 220,222.

Ligurisches Meer 26.

Lindau, Paul 143.

Lionardo da Vinci 240.

Li ppi, Filippino 220.

Livia, Villa der 133, 142.

Luebke, Wilhelm 14.

Aläcene s. unter „Böcklin".

„Madonna mit Kind", Rundrelief von Böcklin-Bruckmann („Kunst für Alle" X, 16) 148.

Madonnenmotiv 75.

„Magdalena", (Magdalena's Trauer an der Leiche Christi) B. v. B. (Böcklinwerk I, 33) 73.

Mailand, Norma-Aufführung 229.

Makart, Hans 63, 185, 186; „Gaben des Wassers und Gaben der Erde" 185.

Malgrund 164, 167.

Mal- und Bindemittel: Bernstein 164, 165, Copaiva-Balsam 164, 166; Eitempera 164; Eiweiss 164; Fir- nis 164, 182; Kirschharz 165; Kolophonium 165; Kopal 165; Leim 164; Leinöl 164, 165; Mastix 164; Oel 166, 182; Petroleum 164; punisches Wachs (Wachsseife) 164; Schellack 165; Terpentin 164, 166; Wasser 165, 166; Weih- rauch 164.

Manuel, Nikolaus, gen. Deutsch 184.

Marc Aurel-Monument in Rom 155.

Marees. Hans von 55, 57, 89, 90, 123, 156, 168-178, 186, 223, 229, 230,231; „Die drei Grazien" 172;„DieHesperiden" 173; Selbst- porträt 224.

Masken von A. B. an der Kunsthalle zu Basel 236.

Matejko, Jan 226.

Materialfragen bei der Skulptur 123, 131, 134, 136, 137, 139, 144 bis 147.

Matsijs, Quentin 183.

Max, Gabriel 225, 226.

Medusenschild von Böcklin-Bruck- mann 137, 138.

„Meeresidylle", s. Tritonen, Meer- menschen mit dem Seehund.

„Meeresstille", B. v. B. 76.

Meissner, F. H. 92.

Meissonnier, Louis-Ernest 207.

„Melancholia",.B. v. B. 41.

Memling, Hans 22, 240.

Mendelssohn-Bartholdy, F. 34.

Menzel, Adolph, 186.

Meyer, Konrad Ferdinand 246

Meyerheim, Paul 119.

M ichel i s, Maler 15.

Michelangelo Buonarotti 52, 132, 150, 154, 170; „Moses" 150, 153.

Millet, Jean Francois 213, 216; „Ave Maria" 190.

Minghetti, Marco, Staatsmann 185.

Mode 4, 12, 18, 24, 29—32, 35, 197, 199, 213, 215, 217, 219, 222, 228.

Modell 36, 85, 87—91, 192, 193, 207.

Modernen, Die 98, 115, 149, 185, 208, 209, 210, 213, 218, 241, 250.

Moderne Kunst 34, 150, 204—228.

Monumental-Dekorative, das 48, 71, 126, 127, 128, 155.

„Mörder, von Furien verfolgt" s. „Erinyen".

Möricke, Eduard 190.

München 209, 220, 225, 235, 248 s. auch unter Böcklin; Alte Pina- kothek 166, 183; Bruckmanns Atelier 148; III. internationale Kunst-Ausstellung 211; Glas- palast 183, 248, 251 ; Hofgarten 62; Museum der Gipsabgüsse 225; Neue Pinakothek 185, 211; Residenztheater 231, 243.

Münchener Maler, Malerei 42, 65, 167, 169, 188, 207.

Museo borbonico, Neapel 137.

Musik 30, 34, 51, 242, 243.

M u t h e r, Richard, Kunsthistoriker215.

Naturnachahmung s. Ab-Malerei. Neuville, A. de 189, 190.

REGISTER

267

Nicotera, Giovanni, Politiker 185. Niederländer s. Altniederländer. Nietzsche, Friedrich 100. „Niobiden", die, antike Marmorgruppe

102. Nittis, Giuseppe, de 207. Nürnberger Madonna 239.

Oberlaender, Adolf 83,84. 203,213, 226, 247; „Schreibheft des kleinen Moritz" 103.

Oktoberfest, antikes s. „Vinum novum, bonum, Optimum".

Oriola, Graf 38.

Palffi, Graf 188.

Palma-Vecchio, Jacopo 76.

„Panischer Schrecken", („Pan er- schreckt einen Hirten") B. v. B. 28.

Panoramamaler 189.

Pantheon 245.

Paris 212, 227,s. auch unter „Böcklin".

Pariserei 211, 219, 227, 255.

Pariser Kunst 173, 207, 208, 253; Salon 183, 231.

Parthenon 152.

Parthenonfries 134.

Parthenongiebel 153.

Paul, R. 195.

Pausanias, Periegetes 142.

Pecht, Friedrich 20, 81, 127.

Perspektive 62, 87, 105, 171, 200.

Perugino, Pietro 182.

Perzi, Ludwig 9.

Phidias 156.

Photographie 91, 92, 93, 116, 143, 199, 204, 208.

Pidoll, Karl von 168.

„Pietä", B. v. B. 10, 30, 31, 60.

Piglhein, Bruno 225.

Piloty, Karl von 13, 205; seine Frau 235.

Pinakothek s. München.

Pincio, Monte 244.

Pisa, Battistero von 51; schiefer Turm 245.

Plainair, Pleinairisten 188, 206, 213,

219, 237, 258.

Pollaiuoli, die (Antonio und Pietro)

24, 240. Pompeji 109, 133, 137, 142, 230. Ponzainseln 31, 38. Porto-Venere 36. Portät 39, 91—93, 126, 229. „Pour arriver" 52, 54. Poussin, Nicolas 20, 81.

, Gaspard 20. Preussen, Kunst in 7. Prinzregent Luitpold von Bayern 188. Proletariermalerei 212, 218. „Prometheus", B. v. B. 26, 36, 86. Prometheus-Motiv 46. Publikum 4, 35, 121, 197, 199, 200, 204, 246, 251.

Quattrocento, Quattrocentisten 21, 24,

172. Quattrocentomotive 22, 181.

Raffael 54, 129, 194,237, 240; „Dis- puta" 179; „Knabe auf dem Del- phin" 153; Madonnen 184; „Poesie" 61; „Schule von Athen" 179; Stanzen 54, 179; „Vertreibung des Heliodor" 180.

Raffaelli, J. F. 226.

Rahmen 61, 79, 80, 223, 226.

Randen, der 14.

Realismus 56, 83, 97, 98, 100, 115, 138, 220, 221, 241.

Rembrandt, Harmensz van Rijn 101,

220, 221.

Renaissance, italienische 22, 108, 114, 126, 132, 133, 153, 162, 176, 180, 181, 182.

Renan, Ernest 259.

Repräsentation, Frage der 128.

Reproduktion 200, 229.

Rettich, Karl 225.

Richter, Gustav 92.

Richter, Ludwig 106.

„Ritt des Todes", s. „Tod auf der Brandstätte".

268

REGISTER

Ri v iera 57.

Rokoko 243.

Rom 142, 173; Sta. Maria in Traste- vere 244, s. auch unter Böcklin.

Romanen 232.

Romanische Skulptur 241.

Romanischer Stil 242.

Römer 133; moderne 157.

Rostock, Aula des Gymnasiums 225.

Rottmann, Karl 225.

Rousseau, Teodore 127.

Rubens, Peter- Paul 21, 33, 41, 56, 59, 101, 129, 166, 174, 184; Bild in Berlin 185;EinzugHeinrichsIV. in Paris(NiobidensaalderUffizien) 22, 102; (Sieg Heinrichs IV. in der Schlacht von Ivry (Niobidensaal der Offizien) 22, 33, 102.

„Ruggiero befreit Angelica",1 B. v. B. 10, 36, 81, 82.

Rüstige, Heinrich von, Maler 14.

Sabinerberge 85.

Sandreuter, Hans 16, 17, 19, 53,

123, 200. Sante Conversazioni 39, 64, 183, 229. San Terenzo 2.

Schack, A. F., Graf 11, 30, 164, 245. Schackgalerie 28, 29, 70, 81, 229. Schackperiode Böcklins siehe unter

„Böcklin". Schaffhausen, Kanton 14. Scheffer, Ary 205. Schick, Rudolf 9, 194, 195. Schirmer, J.W. 15, 19, 20. Schleich, Eduard? 188. Schieissheim, Schlossgalerie 173. Schlittgen, Hermann 213. Schmidt, Heinrich Alfred, Böcklin-

biograph 9. Schopenhauer, Arthur 17, 144. Schubert, Franz 34. Schulze, Fritz, Bildhauer 2. Schumann, Robert 34. Schwind, Moritz von 25,35, 183, 187. „Seeräuber" B. u. Motiv v. B. 38,

80, 86.

„Seeschlange" („Meeresidylle"; „Tri- ton und Nereide") B. v. B. 10, 28, 29, 31, 70, 99, 229, 236.

„Seetingeltangel" („Freier Sonntag"; „im Meere") B. v. B. 26, 82, 83.

Sehen 108, 115—119, 199, 209.

Sem per, Gottfried, Architekt 131.

Sensibilität künstlerischer Stimmun- gen 45.

Shakespeare 61.

„Sieh, es lacht die Au" s. „Bei San Domenico".

Signorelli, Luca 179.

Simrock, F. A. 5, 38.

„Sirenen", Bildmotiv v. A. B. 26, 31.

Skarbina, Franz 227.

Skulptur, farbige 65, 126, 131—151, 164, 193.

Snyders, Franz 185.

Spanier 227.

Spezialitätenmalerei 32, 207.

Spezzia, la 2.

„Spiel der Wellen", B. v. B. (Böcklin- werk II, 15) 88, 227.

Spinoza, Baruch 174.

Stahr, Adolf, Schriftsteller 5.

Stimmung 38, 39, 40, 44.

Stoffe s. unter „Böcklin".

Stüekelberg, Ernst 189.

Studienzeichnen und -Malen 85,86,87.

Stuttgart 14.

Süd-Niederländer, s. „Altniederländ. Kunst".

„Susanna im Bade", B. v. B. 75.

Svertchkoff, Wladimir von 8, 82.

Technische Bestrebungen s. unter „Böcklin".

Technische Fragen 20, 23, 53, 114, 141, 148, 149, 150, 155, 162—167, 221, 222, 235, 236.

Teufelsbrücke 31.

Theophilus 166.

Thoma, Hans 223, 224.

Thorwaldsen, Bertel 136; Luzerner Löwe 160.

Tizian Vecellio 166, 172, 238, 239; „Amor sacro e profano" 5, 101,

REGISTER

269

238, 239; Liegende Venus, Offi- zien 182.

„Tod auf der Brandstätte", B. v. B. 30, 80.

Ton 79, 113, 114, 115.

Tor di Quinto an der Via Flaminia 85.

„Toskanische Villa", Motiv v. B. 37.

„Toteninsel", Motiv v. B. 26, 38, 86.

„Tragische Muse", B. v. B. 47.

Trendelenburg, A. 137.

Treu, Prof. Dr. Georg 131, 137.

Treu-Ausstellung 151.

„Tritonenfamilie", Bildmotiv v. B. 38.

„Tritonen, Meeresmenschen mit dem Seehund", („Meeresidylle") B. v. B. 78.

„Triton und Nereide" („Meeresidylle") s. „Seeschlange".

„Triton und Nereide auf der Fels- klippe" s. „Vor dem Sturm".

Uhde, Fritz von 216, 219, 220, 221, 222, 225, 253; „Abendmahl" 220, 221; „Heilige Nacht" 222.

Ulmer Münster 242.

Ungarn, die 226.

Unsere Zeit 34,58,98, 120, 144, 196-204, 222.

Vallata, la 2.

Venetianische Ausstellung von 1887 124.

Venus vom Capitol 154.

Venus von Medici 142, 154.

Venus von Milo 102, 154.

„Veritas", B. v. B. 71.

Verkörperungen der Naturkräfte siehe Fabelgeschöpfe.

Verne, Jules 77.

Veronese, Paolo Cagliari 220.

Verrocchio, Andrea del 132.

„Via Mala" („Felsenschlucht"; „Dra- chenhöhle") B. v. B. 28, 30,31, 99, 112.

Viareggio 17.

„Villa am Meer", B. v. B. 31, 82, 236.

„Vinum novum, bonum, optimum", („Antikes Oktoberfest") Bilder v. B.-37, 38, 41, 164, 165, 236.

Viollet-le-Duc, Eugene 80, 111, 114, 118, 126, 206.

„Vita somniumbreveus. „Lebensbild".

Vitruv 166.

Voltz, Ludwig 188.

„Vor dem Sturm" (Triton und Ne- reide auf der Felsklippe) B. v. B. 5, 6, 7.

Wagner, Richard 51, 215, 242, 243.

Weberei 14, 19

Wedekind, Konsul 235.

Weimar 195, 219, s. auch unter „Böcklin".

Weltausstellung, Wiener 14.

Werdmüller (Warthmüller?), Prof. 191.

Wereschtschagin, Wasilij 221.

Werner, Anton von 96, 189, 190.

Wettingen, Kloster im Aargau 72.

Weyden, Rogier van der 22, 181, 183; „Anbetung der Könige" 183, „St. Lukas, die Madonna zeich- nend" 183.

Whistler, J. Mc. 220.

Wiederholungen 37, 38.

Winckelmann, J. J. 24, 108, 136, 142, 151, 198, 202, 244.

Winterhalter 14, 188.

Zeichnen, Zeichnung 105 107, 198

bis 200, 234. Zeus von Otricoli 152, 153. Zola, Emile 94,212,218; „La terre"

251. Zürich 210, 235, 237, 246, s. auch

unter „Böcklin"; Häuser in der

Rämistrasse 63. Züricher Truppen 19.

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Herausgegeben von

ERNST STEINMANN.

Erster Teil:

Bau und Schmuck der Kapelle unter Sixtus IV.

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Im Frühjahr 1899 bewilligte der Reichstag die nötigen Summen zur Herausgabe einer grundlegenden Monographie über dieSixtinische Kapelle, deren erster Teil im Oktober 1901 erschienen ist. Die amtliche Vertretung lag beim Reichsamt des Innern, während das Auswärtige Amt die Interessen des Unternehmens im Auslande vertrat; die Verhandlungen mit dem Vatikan wurden durch den preussischen Gesandten beim Päpstlichen Stuhl geführt.

Bei so ungewöhnlicher Unterstützung eines wissenschaftlichen Unternehmens durch den Staat konnten der Publikation zahlreiche Beziehungen und Kräfte nutzbar gemacht werden, die sonst schwer heranzuziehen gewesen wären. Zahlreiche Monumente und Doku- mente aus den Galerien und Archiven Italiens, Frankreichs und Englands werden zum erstenmal veröffentlicht; das ungemein reich- haltige und wertvolle Bildermaterial des Werkes beruht zum grossen Teil auf eigens für den Zweck hergestellten Zeichnungen und Originalaufnahmen, die im Handel nicht zu haben sind.

Der zweite, abschliessende Teil, die Deckengemälde und das Jüngste Gericht Michelangelos behandelnd, soll im Frühjahr 1904 erscheinen und wird voraussichtlich ebenfalls 100 Mark kosten.

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