IE Sa LIBRARY 0.8 } > THENEW YORK BOTANICAL er PURCHASED 1923 FROM Bes TANLGAL a SR "7 wi, DBaD- Q ve = al = Br > r Ae), iR Sibson-iv U, . re DUPLICATA ne BIBLIOTHEQUR DU VONSERVATCIEE BOTANIQUE DE GE VENDU EN 1922 = Ä x ! Pe. / si 5 ls Ep $ Beiträge »s# zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Erster Band. Mit fünfzehn zum Theil farbigen Tafeln. LIBRARY NEW YORK ' 2 - & BABES ; - HVARDEN AS as 1A 8 i& Ir i> Breslau 1875. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). DUPLICATA DE LA BIBLIOTHEQUE DU CONSERVATCITYE BECT£TITGE DE GENEVE VI5HDU EN 1922 Mg a . 4 er Pa - y ns we Em 2.5 e- ep +» pam i2 > Inhalt des ersten Bandes. Die Pflanzenparasiten aus der Gattung Synchytrium. Von Dr. J. Schroeter. (Mit Tafel I-III.) RITTER PR, Ueber die Fäule der Cactusstämme. VonH.Lebert und F. Cohn. Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. Von Dr. Ferdinand Cohr. (Mit Tafel IV. und V.). Se EDER: Ueber die Stammfäule der Pandaneen. Von Dr. J. Schroeter. Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. VonDr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel VI). A ee 32 Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wntzeh Von Dr. Theophil Ciesielski. (Mit Tafel I.) .. > Ueber die Lage und die Richtung schwimmender und submerser Phan- zentheile.. Von Dr. A. B. Frank. : Ueber parasitische Algen. Von Dr. Ferd. Coht (Mit Tafel In.) Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Schroeter.. BE RENTE LE TE ARE U ID BR NEL TE Untersuchungen über Bacterien. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel IIL). a NE Entwicklungsgeschichte er Basler. Vor Dr. J. Schroeter. Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Ver- dunstung entgegensetzen. Von Dr. L. Just. ’ Prüfung einiger Desinfeetionsmittel durch Beobachtung er Finwir- kung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Schroeter.. Ueber die einseitige Beschleunigung des Aufblühens einiger kätz- chenartigen Infloreseenzen durch die Einwirkung des Lichtes. Von Dr. A. B. Frank. : ; : Ueber die Function der Ele von Alliörahen ca Urranlarien von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel IL). NEN. Die Entwickelungsgeschichte der Gattung Volvox. Von Dr. Fer- dinand Cohn. (Mit Tafel II.). Untersuchungen über Pythium Equiseti. VonDr. Ri i os od s a e be ec k. (Mit Tafel III. und IV.). Untersuchungen über Bacterien 1. Yon D> Berdınand Cahh (Mit Tafel V. und VI). N DE Untersuchungen über Bacterien. III. Beiträge zur Biologie der Bac- terien. 1. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung vom Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Eidam. Heft. Seite, Br t 51 I. 58 8 I. 108 m II. 31 U:ni87 1I. 109 II. 127 IM. ı im. ıı II. 30 II. 51 18, 7 II. 93 II. 117 II. 141 IlI. 208 nn — Register zum ersten Bande. Ciesielski, Dr. Theophil, Untersuchungen über die Abwärtskrüm- mung En w urzel. (Mit Tafel I.) . : . Cohn, Dr. Ferdinand, Ueber die Fäule der ER — Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. (Mit Tafel IV. u. v) — Ueber den Brunnenfaden (Crenothrixz polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. (Mit Tafel VI.). R Men Sie — Ueber parasitische Alran (Mit Tafel II.) . — Untersuchungen über Bacterien. (Mit Tafel III.). ; — Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia. (Mit Tafel 1.) en Tr ET ER De — Die Entwickelungsgeschichte der Gattung Volvox. (Mit Tafel II.) — Untersuchungen über Baeterien II. (Mit Tafel V. und VI1.). Eidam, Dr. Eduard, Untersuchungen über Bacterien. III. Beiträge zur Biologie der Bacterien. 1. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duj. Frank, Dr. A. B., Ueber die Lage a a Richtung . dad submerser Pflanzentheile . 5 — Ueber die einseitige Beschlouihtiien des Aufblühens Ainigeh kätzchenartigen Infloreseenzen durch die Einwirkung des Lichtes Just, Dr. L., Untersuchungen über den Widerstand, den die Haut- gebilde der Verdunstung entgegensetzen . Lebert, Dr. H., siehe Cohn, Ueber die Fäule der Phreiselakanel Sadebeck, Dr. Richard, Unter ee über Pythium Equiseti. (Mit Tafel III. u. IV) Schroeter, Dr. J., Die Pfonzennareie aus 2 TER TER Sa trium. (Mit Tafel I-IIL). — Ueber die Stammfäule der Pandaneen . — Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigiwenie — Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze . — Prüfung einiger Desinfeetionsmittel durch Begbachuaet er Einwirkung auf niedere Organismen Heft. Seite, 1. I. L NUR a 7 4 F $ er! 8 * | E03 3 % Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Erstes Heft. Mit sechs zum Theil farbigen Tafeln. Breslau 1870. Sek ern’s. Verla (Max Müller). De ea a y h 4 4) ern 71 ng? ’ mmwlbrs'i. a a; a t 1 ddeon | LIBRARY HREW YORK BOTANICAL GARDEN Vorwort. Die Beiträge zur Biologie der Pflanzen sind zunächst dazu bestimmt, die im Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Breslau gemachten Untersuchungen in einem selbstständigen Organ zur Veröffentlichung zu bringen. Im vorliegenden ersten Hefte wurden mehrere Arbeiten über mikroskopische Algen und Pilze und deren Bezie- hungen zur Pathologie der Pflanzen, der Thiere und des Menschen vereinigt, welche von meinem Freunde und Mitarbeiter Herrn Regimentsarzt Dr. Schroeter und mir selbst im jüngster Zeit zum Abschluss gebracht wor- den sind. In den von uns in Aussicht genommenen Fortsetzun- Ngen dieser Beiträge sollen vorzugsweise solche botanische s Untersuchungen berücksichtigt werden, welche allgemeine Se „biologische Fragen behandeln, oder zu den praktischen > x Naturwissenschaften, Medizin, Landwirthschaft u. s. w. in mehr oder minder directer Beziehung stehen. £ Vu a Bu a TEE Ev en Wenn es die Verhältnisse gestatten, so würden ein- schlagende Arbeiten, zu deren Behandlung die nunmehr fast an allen Universitäten errichteten pflanzenphysiologischen Laboratorien besondere Anregung geben, auch von andern Forschern Aufnahme finden und dadurch die Lücke ergänzt werden können, welche in der botanischen Literatur durch das Eingehen der eine ähnliche Tendenz verfolgenden „‚Bota- nischen Untersuchungen“ von Karsten entstanden ist. Ferdinand Cohn. Die Pflanzenparasiten aus der Gattung Synehytrium. Von Dr. J. Schroeter. 1. Die folgenden Blätter beschäftigen sich mit einer kleinen Gruppe von Pflanzenschmarotzern, die schon desshalb ein allgemeineres Interesse verdienen, weil die Bekanntschaft mit ihnen noch verhältnissmässig neu ist, und weil sie in dem ganzen Verlauf ihrer Entwicklung von den vor ihnen bekannten pilzlichen Pflanzenparasiten vollständig verschieden sind. Die Zeit liegt noch nicht weit hinter uns, in der die Entwicke- lungs- und Verbreitungsgeschichte der endophytischen Pilze für den Forscher ebenso wie für den Pflanzenfreund ein halbes Räthsel war. Als man schon diese Organismen als Begleiter der meisten Pflanzen- krankheiten erkannt hatte, konnten immer noch die hervorragendsten wissenschaftlichen Auctoritäten die Behauptung vertheidigen, dass sich die Sporen aus den krankhaft veränderten Säften der Nährpflanzen bil- deten, und dass der Grund für diese krankhafte Veränderung in dem nachtheiligen Einfluss einer fortgesetzten Cultur zu suchen sei. Die wissenschaftliche Forschung, mit den vervollkommneten Mitteln der neueren Zeit ausgerüstet hat diese Theorie so vollständig widerlegt, dass uns fast die Erinnerung an sie entschwunden ist; wenn wir aber darauf zurückblicken, wie sich die Lehre von der selbstständigen und selbstthätigen Natur der Schmarotzerpilze zur allgemeinen Geltung gebracht hat, so finden wir, dass dies nur durch eine schrittweise, man möchte sagen systematisch vorgehende Untersuchung geschehen ist. Als man die Beobachtung über die Pflanzenkrankheiten weiter ausdehnte, und dabei nicht allein die angebauten sondern auch die wildwachsenden Pflanzen beachtete, fand sich, dass Letztere ebenso häufig, oft sogar viel stärker von den die Krankheit bildenden Schmarotzern ergriffen waren. Dadurch wurde sogleich der Satz widerlegt, dass eine durch die Kultur bedingte Saftverderbniss die Ursache der Krankheiten sei. Sodann 1 2 fand sich bei gründlicherer Untersuchung, dass die Sporen gar nicht durch freie Zellbildung aus dem Safte der Nährpflanzen entstehen, dass sie vielmehr in ihren Jugendzuständen an Fäden anhängen, die zwischen den Zellen lagern, und erst später von diesen abgeschnürt werden. Diese Sporenträger, zeigte es sich weiter, entspringen immer von einem Fadengeflecht, das in der kranken Pflanze wuchert, in diesem umsich- greifenden Mycel war also der Ursprung der Krankheit und der Pilz- sporen gefunden. Es war jetzt nur noch nöthig nachzuweisen, dass die Sporen keimen, dass ihre Keimschläuche in die Gewebe gesunder Pflan- zen eindringen, hier das verflochtene Mycelium bilden, von dem sich wieder die Sporen abschnüren, um über die Entwicklung der pilzlichen Parasiten vollständig aufgeklärt zu sein. Diese Entwicklungsweise wurde auch bald für die meisten derselben nachgewiesen. Bei den Synchytrien, die hier besprochen werden sollen, ist jedoch von dieser Art der Mycel- und Sporen -Bildung nichts wahrzunehmen. Ihre Sporen finden sich immer im Inneren von Zellen der Nährpflanze und nie ist ein Mycel zu sehen, von dem sie abgeschnürt sein könnten, ebenso wenig keimen sie zu einem Mycel aus. Hätte man sie in frühe- rer Zeit gekannt, so würde man sich ihre Entstehung nicht haben anders deuten können als durch freie Zellbildung aus dem Safte ihrer Nährzellen, und sie würden noch lange der alten vorher erwähnten Lehre zur Stütze gedient haben. Als jedoch De Bary und Woronin im Jahre 1863 das erste Synchytrium entdeckten und in seiner Entwick- lung genau verfolgten '), war die Kenntniss der parasitischen Organis- men schon wieder weiter gefördert, wodurch es möglich wurde, den neuentdeckten Schmarotzern sogleich ihre richtige Stelle anzuweisen. Es war durch Alexander Braun eine Familie einfach organisirter chlorophylifreier Parasiten an Wasserpflanzen entdeckt werden, die Chytridiaceen, von denen einzelne Species ebenfalls im Inneren der Zelle leben, von der sie sich nähren. Sie pflanzen sich durch Schwärm- sporen fort, die sich in die Nährzelle einbohren. Hier schwellen sie zu einem sphäroidalen Körper an, dessen Inhalt bei der Fortpflanzung wieder vollständig in Schwärmsporen zerfällt. Ganz so verhielt sich der neue Parasit, und das Ueberraschende bei seiner Entdeckung bestand besonders darin, dass er in grünen Landpflanzen vegetirt, während bisher die Chytridien nur als Bewohner des Wassers bekannt waren, für welches ihre ganze Organisation ange- passt zu sein schien. A) DeBaryund Woronin. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Chy- tridiaceen in den Berichten der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg. 1863. 3 Die Auetoren der eitirten Arbeit hatten nur zwei Arten ihrer neuen Gattung Synehytrium aufgestellt: Synchytrium Taraxacı in Taraxa- cum officinale W eb. und Synch. Succisae, in Succisa pratensis Mnch. lebend. Erst nach mehreren Jahren wurden einige neue Synchytrien hinzugefügt. Fuckel') machte im Jahre 1866 ein Synchytrium Mer- curialis bekannt, das in Mercurialis perennis vorkommt, und erklärte später einen von ihm unter dem Namen Uredo pustulata ausgegebenen Parasiten ?) auf Stellaria media als ein Synchytrium Stellariae. Im Jahre 1868 zeigte Woronin°), dass der von De Candolle als Sphaeria Anemones und von ihm und De Bary als Uhytridium '(?) Anemones beschriebene Schmarotzer auf Anemone nemorosa L. ein echtes Synchytrium sei. Endlich entdeckte noch J. Kühn ein Syn- chytrium in Myosotis strieta Lk., das er Synch. Myosotidis nannte *). Die Zahl der bekannten Synchytrien war dadurch auf 6 herange- wachsen, ein deutliches Zeichen fir das Interesse, welches einzelne Forscher dem Aufsuchen dieser einfachen Organismen zugewendet hat- ten. Im Allgemeinen sind sie indess sehr wenig bekannt, und es könnte dadurch der Glaube entstehen, sie bildeten eine nur selten und spärlich vorkommende Klasse von Pflanzen-Parasiten. Dies ist jedoch durchaus nieht der Fall. Seit einigen Jahren habe ich auf das Vorkommen die- ser Schmarotzer geachtet und mit Unterstützung meines Freundes Dr. phil. Schneider, des eifrigen Sammlers und Herausgebers schlesi- scher Pilze und des Herrn Lehrer Gerhard in Liegnitz, sämmtliche bis dahin bekannte Formen aus Schlesien erhalten, und manche der- selben sehr weit verbreitet gefunden. Auch traf ich ziemlich häufig Synchytrien auf solchen Nährpflanzen, wo sie früher noch der Beach- tung entgangen waren, und auch diese neuen Arten waren, wie ich sah, nichts weniger als selten. Die einfache Organisation dieser Parasiten macht das Studium ihrer Entwicklungsgeschichte verhältnissmässig leicht. Dennoch ist dieselbe bisher nur an zwei Arten Synch. Taraxaci und Synch. Mercurialis vollständig beobachtet worden. Ich hatte es mir zur Aufgabe gestellt an dem mir reichlich zu Gebote stehenden Material die Entwicklung der Schmarotzer so weit es mir möglich war zu verfolgen, und gebe im Folgenden die Resultate dieser Beobachtungen. Die Arbeiten hierüber 1) Fuckel. Fungi rhenani No. 1607. 2) Fung. rhen. No. 409. 3) Woronin. Neue Beiträge zur Entwieklungsgeschichte einiger Chytri- dieen, Botanische Zeitung 1868, No. 6 und 7. . 4) L.Rabenhorst. Fungi europaei exsiecati No. 1177. ı* 4 wurden im pflanzenphysiologischen Institut der Universität Breslau ausgeführt und ich verdanke dem freundlichen Interesse, welches Herr Professor F. Cohn an dem Fortgang derselben genommen hat, im Wesentlichsten ihre Förderung. 2. Ehe ich zu den einzelnen Species übergehe, muss ich einige gemeinsame Charaktere der Gattung Synchytriöum kurz zusammenstellen. Die Schwärmsporenbildung geht in der für die Chytridiaceen gewöhn- lichen Weise durch simultane Theilung des Protoplasmainhalts vor sich, dabei wird aber der einfache Typus der Chytridien um einen Schritt weiter geführt. Der Inhalt zerfällt nämlich nicht sofort in Schwärm- sporen, sondern erst in eine Anzahl grösserer Tochterzellen, deren Inhalt sich erst in Schwärmsporen theilt. Die so entstandenen Sporan- gien, jedes für sich ein Chytridium repräsentirend, bleiben noch eine Zeit lang zu einer Kugel vereinigt, und dieser Eigenthümlichkeit wegen hat die Gattung den Namen Synchyirium erhalten. Ausser den Schwärmsporen besitzen alle Synchytrien Dauersporen, grosse dickwandige Zellen, die sich am Ende einer Vegetationsperiode bilden, und für eine längere Ruhezeit, besonders während des Winters bestimmt sind. Jede Dauerspore bildet sich aus dem ganzen Inhalt eines Synchytriums, indem sich derselbe mit zwei Häuten umgiebt, von denen die äussere dick und braun, die innere zart und farblos ist. Diese Structur ist für die Dauersporen der Synchytrien characteristisch, und wenn man solche Sporen in dem Innern von Zellen lebender Pflan- zen auffindet, kann man sie jedesmal für Synchytrien erklären, auch ohne die Bildung der Schwärmsporangien in der für Synchytrium bezeichnenden Weise direkt beobachtet zu haben. Als ein gemeinschaftliches Merkmal der Synchytrien muss ferner die Einwirkung, die sie auf ihre Nährpflanze üben, angeführt werden. Im Ganzen richten sie in den Pflanzen, welche sie befallen, wenig Scha- den an, ihr Einfluss erstreckt sich nur auf die Zellen in denen sie leben und die Nachbarschaft derselben. Durch diesen aber unterscheiden sie sich von vielen ihrer Verwandten. Die meisten Chytridien leben an oder in einer Zelle, saugen sie aus und tödten sie, üben aber keinen formgestaltenden Einfluss auf sie aus. Die einzige mir bekannte Aus- nahme hiervon macht Ohytridium Saprolegniae A. Br., welches an dem Theile der Saprolegniazelle, in dem es lebt, besonders am Ende des Fadens, grosse blasige Auftreibungen veranlasst. Die Synchytrien bedingen immer eine bedeutende Ausdehnung ihrer Nährzelle, und sehr häufig verursachen sie auch eine Wucherung des um diese liegenden Gewebes. Dadurch entstehen wirkliche Gallen, die sich von dem gesunden Pflanzengewebe oft wie dieke Knötehen abheben und solchen 5 Missbildungen auffallend gleichen, wie sie durch die Thätigkeit von Insectenlarven und anderen thierischen Schmarotzern auf den Pflanzen erzeugt werden. Das Protoplasma der Synchytriumzellen ist entweder farblos, wodurch die Schmarotzer weiss erscheinen, oder es ist durch Oel- tropfen gelb oder orangeroth gefärbt. Woronin hat diese Unter- schiede benutzt, um die Synchytrien in zwei Gruppen zu theilen, die ausser in der Farbe des Protoplasmas auch in der Entwicklung der Schwärmsporen verschieden sind. Bei den weissen Synchytrien bilden sich diese aus den Dauersporen und zwar nicht auf der lebenden Pflanze, sondern erst nachdem diese abgestorben und die Dauersporen freigeworden sind, bei den anderen erstehen die Schwärmsporangien- kugeln aus den Schwärmsporen auf der lebenden Pflanze. 3. Die Synchytrien der ersten Gruppe scheinen am häufigsten zu sein, es gehört dahin Synchytrium Mercurialis Fuck. und Synch. Anemo- nes (DC) Wor., ausserdem einige später zu erwähnende Synchytrien. Synchytrium Mercurialis Fuck. schmarotzt auf Stengeln und Blättern von Mercurialis perennis L. In unseren Bergwäldern, wo diese Pflanze sehr häufig ist, bis in die Ebene und die Umgegend von Breslau herab, findet sich der Parasit überall an seinen Nährpflanzen nicht selten, in grösster Menge aber traf ich ihn namentlich an den Bergabhängen, in Schlesien z. B. in dem Fürstensteiner Grunde und in den Schluchten des Rummelsberges bei Strehlen. Da Fuckel denselben Schmarotzer im Nassauischen und Woronin bei Petersburg fand, scheint er eine grosse geographische Verbreitung zu besitzen. Die Entwiekelung dieses Synchytriums ist schon von Woronin lückenlos beobachtet und erschöpfend beschrieben worden, ich kann mich daher, in Hinweis auf dessen eitirte Abhandlung in der botani- schen Zeitung, begnügen, hier die wesentlichsten Punkte darüber zu referiren. Der Parasit zeigt sich zuerst an den ganz jungen Mereurialis- Pflanzen, welche im Beginn des Frühjahrs hervorspriessen. In dem Jugendlichsten Zustande erkennt man ihn hier als weisse, von einer sehr feinen Membran umschlossene Protaplasmaklümpchen, die frei in einer anfangs noch nicht veränderten Epidermiszelle ruhen. Die Kugel nimmt an Grösse zu und umgiebt sich mit einer etwas festeren farb- losen Haut. So wie sie heranwächst, wird ihre Nährzelle bedeutend ausgedehnt, auch die Nachbarzellen vermehren und vergrössern sich, und überwuchern jene als eine gallenartige Bildung. Für das blosse Auge gleichen diese Gallen hellen Perlen, die über den dunklen Blatt- grund verstreut sind, bei mikroskopischer Betrachtung erscheinen sie auf den Blättern als gestielte becherförmige Wärzchen, an den Stengeln 6 gewöhnlich als halbkugelige Höcker; in der vertieften Mitte ruht der weisse Parasit. Bei reichlicher Einwanderung fliessen die Wärzchen zu einer unebenen Kruste zusammen, in welche die Synchytrien einge- bettet liegen. Bei der Reife werden die Dauersporen dunkler, die Wärzchen fallen zusammen und bedecken als braune Kruste die knöt- chenartig aus dieser vorspringenden glänzend kastanienbraunen Sporen. Wenn diese isolirt werden, so erscheinen sie kurz elliptisch mit Durch- messern, die sich wie 2:3 oder wie 4:5 verhalten. Ihre Grösse ist sehr verschieden. Die grössten fand ich 0,17 ®"- Jang, 0,11 m breit, die meisten 0,14 bis 0,16 "”- lang und 0,09 bis 0,1 "”- breit, viele aber auch viel kleiner, 0,1 ""- lang und 0,08 bis 0,07 ""- breit. Sie enthalten einen gleichmässig feinkörnigen, mit farblosen Oeltröpf- chen gemischten Protoplasmainhalt, der von einer farblosen dünnen inneren und einer dicken braunen äusseren Haut umschlossen wird. Die letztere ist meist glatt, bei den entleerten Sporen bemerkte Woro- nin oft an ihr spiralig gestellte Leisten. Ich habe bei den reifen Spo- ren auch leistenartige Verdickungen gesehen, die mir den Contouren der darüber lagernden Wärzchenzellen zu entsprechen schienen. Auf der lebenden Pflanze findet sich nie ein anderer Entwicklungs- zustand des Parasiten als die Dauer-Sporen. Im Herbst, wenn ihre Nährpflanzen absterben, fallen diese mit ihnen auf den Boden und werden nach und nach durch Verwesung der Wärzchenzellen, in denen sie ruhen, frei. Im Frühjahr nach ihrer Ausbildung beginnt ihre wei- tere Entwickelung. Diese kann leicht verfolgt werden, wenn man abgestorbene Mercurialis-Pflanzen, die die Parasiten enthalten, mit öfter erneuertem Wasser übergossen im Zimmer beobachtet. Wie in der Natur, werden auch hier die Sporen von ihren Nährpflanzen befreit. Im Beginn des Frübjahrs sieht man, dass die Sporenmembran seitlich eine feine Oeffnung erhält, durch welche der Inhalt allmählich heraus- tritt. Er ist mit einer farblosen Membran umgeben, welche der inne- ren Sporenhaut fest anhaftet, daher hängt er auch, wenn er sich schon ganz entleert hat, der Spore fest an als eine weisse, mit feinkörnigem Inhalt erfüllte Kugel. Bald bilden sich in ihr durch simultane Thei- lung des Inhalts Tochter-Zellen, welche das Innere der Kugel ganz ausfüllen. Diese Tochterzellen sind Schwärmsporangien, sie treten endlich noch zu einer Kugel vereinigt aus ihrer Hüllmembran aus. In ihnen bilden sich hierauf ebenfalls durch simultane Theilung Schwärmsporen, die durch eine Oeffnung in der Membran aus den Spo- rangien ausschwärmen. Sie sind rundliche kleine Protoplasmaklümp- ehen mit einem farblosen Oeltröpfehen im Innern und einer langen Öilie an einem Ende, mittelst deren sie sich in hüpfender Bewegung 7 fortschnellen. Jede Schwärmspore kann sich in eine Merecurialiszelle einbohren und sich wieder zu einer Dauerspore ausbilden. Bei den wildwachsenden Pflanzen bringt der Schmarotzer in der Regel kaum eine Störung in der gesammten Entwicklung hervor, sie bleiben kräftig, blühen und setzen Früchte an, wie gewöhnlich. . Selbst die lokale Wirkung bleibt hier nur beschränkt; wenn die Wärzchen isolirt auftreten, bemerkt man an Stengeln und Blättern kaum eine Ver- änderung gegen die gesunden Pflanzen; wenn sie sehr dicht stehen, so werden die Blätter etwas kraus und eingerollt, der Stengel etwas ver- diekt. Dass der Parasit aber auch in einer gefährlicheren Weise auf- treten kann, hatte ich im Breslauer botanischen Garten Gelegenheit zu beobachten. Hier kommt Mercurialis perennis sehr häufig vor, besonders ist es in vielen vereinzelten Gruppen durch den parkartigen Theil desselben verbreitet, die Pflanzen gedeihen hier sehr üppig und sind ganz frei von dem Syncehytrium, dieses findet sich nur auf einer kleinen Partie von Merc.-Pflanzen, die in der Abtheilung der offieinellen Pflanzen eultivirt werden. Diese Isolirung ist ein interessantes Bei- spiel für die Art und Weise, wie sich die Synchytrien weiter verbreiten. Uredineen, Peronosporeen und andere Schmarotzer-Pilze mit leicht durch den Wind transportabelen Conidien können sich schnell auf weite Strecken hin ausbreiten, die Synchytrien können nur allmählich um sich greifen, weil die in der Nähe der zuerst befallenen Pflanzen lie- genden Dauersporen nur die nächsten Nachbarn derselben mit ihren Schwärmsporen infieiren können. In grössere Entfernung können sie nur von Pflanze zu Pflanze, durch eine zusammenhängende Brücke gleichartiger Nährpflanzen übertragen werden. Nur wenn die Dauer- sporen aus dem Boden aufgewühlt und mit Wasserströmen forgeführt werden, können sie auch auf grössere Entfernung hin wirken. Diese Gelegenheit findet sich z. B. an Bergabhängen, wenn im Frühjahre der plötzlich thauende Schnee den Boden in tiefen Rinnen aufreisst und mit sich fort trägt, oder auf Wiesen, die den Frühjahrs-Ueberschwemmungen ausgesetzt sind. Hier konnte der Parasit die Grenzen des kleinen Beetes nicht über- schreiten, dafür fand er sich aber dort in der grössten Menge. Jeden- falls war er auf einer oder ein Paar Pflanzen eingeschleppt worden, hatte sich vermehrt, und allmählich, da er sich nicht auf grössere Ent- fernung zerstreuen konnte, alles Erreichbare in verstärktem Grade infieirt. Schon im Jahre 1868 fand ich hier an fast jedem Exemplare reichliche Synchytrien, im Jahre 1869 war aber die Vermehrung noch viel weiter fortgeschritten. Die Stengel der im ersten Frühjahr her- vorbrechenden Pflanzen waren dicht von einer dicken, höckerigen, 8 glasartigen Kruste umzogen, die sich im Laufe der Zeit in flügelartigen Leisten abhob, die weit den Stengel herabliefen und auf beiden Seiten dicht mit den weissen Körnchen des unreifen Parasiten übersät waren. Die Blätter erschienen fast gänzlich eingerollt und verschrumpft, und überall mit den schimmernden Höckerchen, wie mit feinem Kiessande überstreut. In diesem Zustande entwickelten sich die Pflänzchen äus- serst kümmerlich, blühten wenig und starben bald ab, so dass Ende September auf dem Beete nur noch wenige Exemplare zu finden waren, und zwar waren dies solche Stengel, die erst nach beendigter Einwan- derung des Parasiten aufgeschossen waren. In den anderen Theilen des Gartens standen um dieselbe Zeit die Mercurialis-Pflanzen noch kräftig und üppig. Hier hatten wir also das Beispiel einer durch die kleinen Schmarotzer verursachten verderblichen Pflanzenepidemie, die voraussichtlich die ganze isolirte Colonie ihrer Nährpflanzen zerstören wird, wenn sie sich noch einige Jahre hintereinander in gleicher Heftig- keit wiederholt. 4. Der zweite Repräsentant dieser Gruppe ist Synchytrium Anemones (DC) Wor., das in Schlesien, wahrscheinlich aber auch in ganz Deutsch- land, das häufigste Synehytrium ist. Es kommt auf Anemone nemo- rosa L. ganz allgemein verbreitet vor, ist aber nicht auf diese Nähr- pflanze beschränkt, sondern findet sich auch auf Anemone ranuncu- loides. Die Aehnlichkeit beider Pflanzen veranlasste mich, auf der letzteren oft nach dem Parasiten zu suchen; es gelang mir indess nicht, ihn dort anzutreffen; im vorigen Frühjahr hat jedoch Herr Lehrer Gerhard in der Umgegend von Liegnitz auf den Blättern von A. ranunculoides Synchytrien gefunden und mir mittheilen lassen, die sich in nichts von dem gewöhnlichen S. Anemones unterscheiden. Der Schmarotzer liebt besonders solche Pflanzen, die an feuchten Waldstellen, in schattigem Gebüsch wachsen, und an solchen Orten wird man nie vergeblich nach ihm suchen. In der Umgegend von Breslau findet er sich z. B. überall in den Wäldern bei Oswitz, Schott- witz, Lissa, Canth ete. An solchen Anemonen indess, die an frei gele- genen Stellen, besonders etwas trockneren Wiesen wachsen, habe ich die Synchytrien nie gefunden. Man erkennt die Parasiten als kleine schwarze Knötchen, welche das Ansehen einer kleinen Sphärie haben, und daher früher auch für eine solche angesehen worden sind. Der Einfluss, den sie auf die Nährpflanzen ausüben, ist sehr gering und in charakteristischer Weise von dem anderer pilzlicher Schmarotzer verschieden, die mit ihrem Mycel diese Pflanze durchdringen. Die Anwesenheit von Urocystis ‚pompholigodes ist schon lange vorher zu erkennen, ehe seine Sporen die Oberhaut durchbrechen. Die Blattstiele, in denen er wuchert, sind verkrümmt und werden zu dieken Wülsten aufgetrieben, die Blatt- spreiten bleiben verkümmert, die ganze Pflanze gedeiht äusserst spär- lich und stirbt bald ab. Puceinia und Anemone verändern ebenfalls das Ansehen der ganzen Pflanze: die Stiele der Blätter, die ihr Mycel durchzieht, sind länger als normal, die Blattzipfel schmal, die ganze Blattspreite schon lange ehe der Pilz hervortritt durch ein blasses, fettglänzendes Ansehen charakterisirt. Das Synchytrium ist hinge- gen der gutartigste der verschiedenen auf Anemone vorkommenden Parasiten. Er stört die Gesammtentwicklung der Pflanze in keiner Weise, und bringt selbst nur sehr geringe Localwirkungen hervor. Am Stengel erscheint er nur als dunklerer Punkt in kleinen hyalinen Wärzchen, am Blatt unter der Form der erwähnten schwarzen Knöt- chen, und nur wenn diese sehr dicht stehen, wird die Spreite des Blattes etwas verbreitert und blasig verunebnet, der Rand zuweilen etwas eingerollt. — Nicht selten findet sich das Synchytrium mit einem oder dem anderen der beiden vorher genannten Schmarotzer auf dem- selben Blatte, ich fand sogar im Frühjahr 1868 einige Wurzelblätter der Anemone nemorosa von allen dreien angegriffen. Die Blattstiele und Blattrippen waren durch Urocystis stark verunstaltet, aufgetrieben und verkrümmt, die sehr verkümmerte Spreite war von Puceinia in diehten Häufchen besetzt, und auf dem kleinen Rest gesunden Gewebes, besonders an den Blatträndern, sassen die schwarzen Knötchen des Synchytriums. Die erste Entwicklung des Parasiten ist von De Bary und Woronin beobachtet worden '). Sie fanden, dass er ebenfalls zuerst in einer Epidermiszelle als zarthäutige, weisse Kugel ohne Spur eines Myceliums auftritt. Er wächst durch gleichmässige Anschwellung und dabei vergrössert sich die Nährzelle, die Nachbarzellen umwuchern sie und bilden um sie ein halbkugeliges Wärzchen. Der Zellsaft der Wärzchenzellen färbt sich in der Regel dunkelviolett, und durch diese Färbung erscheint die ganze Wucherung für das unbewaffnete Auge schwarz. Woronin verfolgte?) die Ausbildung dieser chytridienar- tigen Gebilde etwas weiter. Er fand, dass sie später von einer brau- nen Haut umgeben werden, dass dann die Nährzelle zusammenfällt und den Parasiten als eine dicke braune Kruste umhüllt. Weicht man diese in Kalilösung auf, so tritt die reife Spore heraus. Sie ist gewöhn- lich kugelig und besteht aus einem weissen Protoplasmainhalt, umge- 1) 1. c. p. 26 ff. 2) Bot. Ztg. 1868 p. 100. 10 ben von zwei Häuten, einer äusseren, dicken, braunen, die auf ihrer Oberfläche etwas warzig ist, und einer dünnen, farblosen inneren Haut. Diese Bildung entspricht ganz der, welche die Dauersporen von Synch. Mercurialis zeigen, und es ist nicht zu bezweifeln, dass sich aus ihnen nach Ablauf einer gewissen Ruhezeit, in derselben Weise wie bei jenen, Schwärmsporen bilden werden. Diese Entwicklung ist indess noch nicht beobachtet worden, und es ist nicht zu leugnen, dass sich der weiteren Beobachtung des Parasiten ganz besondere Schwie- rigkeiten entgegensetzen. Es gehört dazu ein grösseres Material der Synchytrien, das sich wegen der kurzen Vegetationszeit der Nähr- pflanze nur schwer beschaffen lässt. Die Sporen müssen ganz reif eingesammelt werden, sie sind es aber erst, wenn auch die Blätter welk sind, und dann sind diese braun und unkemntlich, legen sich auf den Boden und verschwinden in wenigen Tagen. Durch Cultiviren befallener Pflanzen in Töpfen oder im Garten lassen sie sich am besten gewinnen, aber auf diese Weise lässt sich nicht leicht eine etwas grössere Menge von Sporen zusammenbringen. Hat man sie einge- sammelt, so bereitet die Behandlung, die man ihnen während ihrer langen Ruhezeit zukommen lassen soll, neue Bedenken. Die Beob- achtung an Sporen anderer Art lehrt nämlich, dass die Ruhezeit keines- wegs immer nur eine Periode des Stillstandes ist, die man dadurch nachahmen kann, dass man die Sporen an einem trockenen Orte auf- bewahrt. Es zeigt sich das deutlich an vielen Sporen von Puccinia, Phragmidium ete. Wenn man sie im Spätherbst einsammelt, den Winter über im Zimmer aufbewahrt und dann im Frühjahr in einen feuchten Raum bringt, ist es oft unmöglich, sie zum Keimen zu bringen, wenn man sie aber erst am Ende des Winters einsammelt, keimen sie sofort aus. Es scheint also, dass diese Sporen während ihrer schein- baren Ruhe eine gewisse Wachsthumsperiode durchmachen, in der sie durch den Einfluss natürlicher Agentien, wie Temperatur und Feuch- tigkeitseinflüsse, eine Reihe von Umwandlungen eingehen, die sie erst für eine weitere Entwickelung befähigen. — Sind dieselben Bedin- gungen für Synch. Anemones massgebend, so müssen seine Dauer- sporen, um sich weiter zu entwickeln, bei künstlicher Cultur dieselben Verhältnisse finden, wie im Freien. Wenn sie im reifen Zustande mit den Blättern auf den Boden gefallen sind, verwest die Blattsubstanz und die Sporen liegen frei in der Erde, dem Wurzelstock der Nährpflanze nahe. Ende Mai, spätestens Anfang Juni, mögen sie der Regel nach in den Boden gelangen, und müssen hier bis zum nächsten Frühjahre ruhen, dem Einflusse der luft und der Witterung ausgesetzt. Soll dieses nachgeahmt werden, so bleibt nichts übrig, als die mit reifen 11 Sporen eingesammelten Blätter in Töpfen in die Erde einzugraben, den Sommer, Herbst und Winter im Freien zu lassen und erst im nächsten März oder April hervorzuholen, um auf ihre weitere Entwicklung zu warten, eine zwar etwas langwierige, aber nicht unausführbare Aufgabe. 5. Im Frühjahre 1869 fand ich auf einer feuchten Wiese hinter Scheit- nig bei Breslau an Vrola canina L. und Viola persicifolia Schk. var, pratensis einen Parasiten, der den beiden vorigen sehr nahe steht und den ich als Synchytrium globosum hierherstellen will. An den Blättern obiger Pflanzen bemerkte ich nämlich nicht selten kleine perlenartige Knötchen, Sie fanden sich vorzugsweise an den unteren Blättern, besonders auf der Rückseite und an den Blattstielen, und da wo sie etwas dichter standen, waren die Blattrippen wulstig aufgetrieben, das Blatt selbst kraus und oft vollkommen eingerollt. Ebensolche Wärz- chen standen an dem Stengel und am dichtesten sassen sie an dem unteren Theile desselben, der von lockerem Rasen und Moos umhüllt war, sie überzogen ihn dort als eine höckerige, krystallartige Kruste, aus der kleine graue Pünktchen durchschimmerten. Einen weiteren als den eben geschilderten Einfluss übten auch hier die Parasiten auf ihre Nährpflanzen nicht aus, diese bildeten vielmehr eben so kräftige Stöcke wie ihre gesunden Nachbarn und blühten reichlich. Während die beiden Veilchenarten auf der ganzen Wiese überall häufig vor- kamen, waren sie nur auf einem kleinen Theile derselben von dem Parasiten befallen. Dieser Fleck nahm ziemlich die tiefste Stelle der Wiese ein, lehnte sich an einer Seite an einen Graben an und erstreckte sich etwa 40 Schritt in die Länge und 10 Sehritt in die Breite. Ich habe ihn noch häufig aufgesucht und das Synchytrium bis in den späten Herbst hinein hier beobachtet. Die Wärzchen auf den Blättern und am oberen Theile des Stengels vertrockneten während des Sommers bald, an ihrer Stelle erschien eine mit glänzenden Knötchen besetzte braune Kruste. An den unteren Stengeltheilen blieben die Wärzchen bis in den September blass und durchscheinend, aber in ihrem Innern machte sich ein dunkelbrauner Kern bemerkbar. Bei der mikroskopischen Untersuchung konnte ich die Entwicklung des Schmarotzers bis auf ziemlich frühe Zustände zurück verfolgen. Ich fand in manchen Epidermis-Zellen der Blätter, die nur wenig über die normale Grösse ausgedehnt waren, die weissen von sehr zarter Membran umschlossenen Protoplasmakugeln, die schon mehrfach als Jugendliche Formen der Synchytrien erwähnt worden sind. In späteren Stadien waren die Parasiten vergrössert, so dass sie die Nährzelle bei- nahe ausfüllten, die Nachbarzellen fingen an ebenfalls zu schwellen und 12 jene etwas zu überdecken. In noch späteren Zuständen war die Nähr- zelle wieder bedeutend mehr ausgedehnt als der Parasit, die Wuche- rung des benachbarten Gewebes hatte zugenommen, bis endlich die Wärzchen ihre grösste Entwicklung erlangt hatten. Die fertigen Wärzchen sind halbkuglig, auf ihrem Scheitel findet sich eine Einsen- kung. Auf einem centralen Durchschnitt bemerkt man, dass die Mitte von der grossen angeschwollenen Nährzelle eingenommen wird. Ein kleiner Theil derselben liegt frei in der erwähnten Vertiefung, nach unten ist sie in das Blattparenchym eingesenkt und seitlich von den Nachbarzellen überwuchert. Letztere liegen oben in zwei, gegen den Grund zu in zwei und drei Lagen, haben dicke Wände und einen farb- losen wässerigen Inhalt, ihre Grösse ist sehr verschieden, gewöhnlich übertreffen sie aber in ihrem Durchmesser die normalen Epidermiszel- len um das zwei- bis dreifache. Der Parasit ruht frei in seiner Nähr- zelle, die er bei vollendetem Wachsthum etwa zur Hälfte ausfüllt, er ist kugelig im Jugendzustande bei auffallendem Lichte weiss, bei durch- fallendem fast undurchsichtig schwarz, und besteht aus einer farblosen Haut und einem aus feinen Körnchen und vielen farblosen, stark licht- brechenden Tröpfehen, gemischten Inhalt. — Am Stengel erreichen die Wärzchen oft 1””- Höhe und Breite, am Blatte bleiben sie flacher und kleiner. Gewöhnlich enthält jedes nur einen Parasiten. Wenn diese sehr dicht bei einander stehen, wie ich es besonders an den Blattstie- len oft gesehen habe, wo manchmal in einer ganzen Strecke jede Zelle von ihnen ergriffen war, finden sich wohl auch zwei, und selbst drei Schmarotzer in einer Nährzelle. Bei so dichter Einwanderung kommt es dann auch nicht zur Wärzchenbildung, sondern die Nährzellen wer- den nur etwas ausgedehnt, und ihre obere Wand über die normale Epi- dermis vorgewölbt. — Wenn der Parasit seiner Reife entgegengeht, stirbt gewöhnlich seine Nährzelle ab, sie trocknet mit ihrem Inhalt zusammen und legt sich als braune Kruste dieht um die Spore herum. An den Blättern und Blattstielen schrumpfen dann gewöhnlich auch die Wärzehen ein, und es erscheint dann auf der Pflanze nur eine dünne braune Kruste. Am unteren Theile des Stengels erhalten dagegen die Wärzchen lange ihre Gestalt. Auf einem Durchschnitt (Taf. I. f. 1) sieht ein solches einer durch den Stich eines Insekts entstandenen Galle, in der ein Ei ruht, nicht unähnlich. Der kugelige Parasit wird von einer dunkelkastanienbraunen Masse umschlossen, die ungefähr eiförmige Gestalt hat und mit ihrer Spitze frei in dem vertieften Schei- tel des Wärzchens liegt. Präparirt man den Parasiten mit seiner Hülle heraus, so erscheint er als dunkelbrauner, unregelmässig höckeriger, fast undurchsichtiger Klumpen. Durch Zusatz von Aetzkalilösung wird 13 er etwas durchsichtiger, so dass man die Spore durchschimmern sieht. Durch gelinden Druck und Verschieben lässt sich die braune Kruste jetzt leicht sprengen, und die Dauersporen werden frei. Diese sind bei auffallendem Lichte hellgelb, bei durchfallendem hellbraun. Sie sind immer ganz glatt und da, wo sie sich einzeln in den Nährzellen ent- wickelt haben, besonders am Stengel kugelrund, an den Blattstielen mitunter etwas elliptisch, und da, wo sie sich zu zwei oder drei in einer Zelle finden, an den Berührungsstellen abgeplattet. Am Stengel, wo sie am grössten werden, erreichen sie ziemlich gleichmässig einen Durchmesser von 0,14 bis 0,17 ==, an den Blättern dagegen varirt ihre Grösse bedeutend. Wenn hier die Wärzchen entfernt von einan- der gestanden haben, halten sie gewöhnlich auch die obigen Masse ein, wenn aber eine reichlichere Einwanderung stattgefunden, so dass sie dichter an einander sassen, bleiben sie viel kleiner und haben oft nur 0,06 und 0,08 "=: im Durchmesser. — Bei vorsichtigem Zerdrücken springt die äussere Haut der Dauerspore mit scharfem glatten Risse, und sie zeigt sich als hornartige, dicke, glatte, hellbraune Membran. (Taf. 1. f. 2.) In ihr liegt ein Körper, welcher der unreifen Spore in allen Stücken gleich ist, er hat wie diese eine wasserhelle, zähe, dünne Hüllmembran und einen weissen, grösstentheils aus farblosen Oeltröpf- chen bestehenden Inhalt. Durch die geschilderte Entwicklung und Structur ist der Parasit den Dauersporen von Synch. Anemones und S. Mercurialis so ähnlich, dass ich von Anfang an kein Bedenken getragen habe, ihn für ein Synchytrium zu betrachten; ich hatte aber noch in vorigem Herbst Gelegenheit, mich durch seine weitere Entwickelung von der Richtig- keit meiner Vermuthung zu überzeugen. Ich suchte Ende October vorigen Jahres noch einmal nach den Synchytrien und fand sie auch bei einer Anzahl Veilchenstöücke am Grunde des Stengels noch vor. Jetzt waren auch hier die Wärzchen ganz geschrumpft, und die schwarzbraunen Klumpen, welche die Spo- ren enthielten, lagen locker darin; sehr oft waren sie sogar heraus- gefallen, denn viele Wärzchen, die ich nach dem Einweichen der Stengel in Kalilösung noch deutlich als solche erkennen konnte, waren entleert. — Die Stöcke wurden mit frischem Wasser übergossen und im geheizten Zimmer stehen gelassen. Schon nach 24 Stunden sah ich an vielen Sporen, während sie noch lose in den Wärzchen ruhend an den Stengeln hafteten, eine Weiterentwicklung eintreten. An einer Stelle, wo die Spore am wenigsten von ihrer Hülle verdeckt zu sein schien, gewöhnlich an einer der Langseiten, zeigte sich an dem brau- nen Klumpen ein weisses Tröpfehen. Schnell vergrösserte sich das- 14 selbe und wurde zu einer Kugel, die die Grösse der in dem braunen Klumpen ursprünglich eingeschlossenen Spore erreichte. Wenn dies geschehen war, sah man, dass die Mitte des Klumpens, die vorher undurchsichtig gewesen, ganz hell und durchsichtig geworden war, der Inhalt der Spore war also in Form der weissen Kugel herausgetreten, Sie hing fest an dem Sporenballen an und war nach vollendeter Aus- bildung meist nicht ganz regelmässig, sondern etwas elliptisch, und gegen ihre Ansatzstelle hin abgeplattet. Sie war von einer ziemlich starken farblosen Membran umgeben, und von einem sehr dichtkörnigen Protoplasma erfüllt. Beim Zusatz von Jod erhielt die Haut eine rosenrothe, durch Jod und Schwefelsäure sofort eine lebhafte violette, etwas in’s Bräunliche spielende Farbe. Es war nicht leicht, die Dauersporen aus ihren Hüllen heraus zu prä- pariren, wenn dies gelang, zeigten sie sich jetzt vollkommen durch- sichtig, sie hatten aber ihre Form erhalten und waren mit wässeriger Flüssigkeit gefüllt. Das dieke Episporium war von einer feinen Oefl- nung durchbohrt und konnte sowohl von der inneren Haut, als von der der ausgetretenen Kugel losgesprengt werden, die innere Haut hing mit letzterer fest zusammen und bei dem Losreissen blieben meist an der Trennungsstelle Fetzen derselben hängen, die die erwähnte violette Färbung annahmen. Die ursprünglichen Sporenhäute werden durch diese Reagentien nicht gefärbt. Der rosenrothe Hof, den Woronin an der Mündungsstelle der inneren Sporenhaut bei Synch. Mercurialis nach Jod- und Schwefelsäurezusatz eintreten sah, rührte gewiss daher, dass an ihr ein Rest der neugebildeten Membran haften bleibt. Sehr bald zerfällt der Protoplasmainhalt der Kugel, während sie noch fest an der Spore befestigt ist, in eine grosse Anzahl Tochterzellen. (Taf. 1. f. 3.) Die Theilung scheint simultan stattzufinden, denn ich konnte auch hier, wie es schon von Synch. Mercurialis und S. Ta- raxacı angegeben ist, nie Zustände auflinden, in denen das Protoplasma in zwei oder nur wenige Portionen getheilt war, wodurch man auf eine succedane Zweitheilung zu schliessen berechtigt gewesen wäre. Nach der Theilung zerreisst die Mutterzelle an ihrem Scheitel unregelmässig und die Tochterzellen treten aus. Sie bleiben gewöhnlieh vereinigt und schwimmen als weisse Kugel, die jetzt durch das Vorwölben der Zellwände auf ihrer Oberfläche regelmässig warzig erscheint, auf dem Wasser herum. Die Kugeln sind aus einer sehr wechselnden Zahl von Zellen zusammen gesetzt, sie schwankt natürlich nach der Grösse der Sporen, aus denen sie sich gebildet haben, ich fand gegen 150 bis 200 in einer Kugel. Zerdrückt man diese, so findet man, dass der Raum zwischen den einzelnen Zellen durch eine feine wasserhelle Substanz 15 ausgefüllt wird, die nach dem Austreten der Zellen als zartes scharf gezeichnetes Maschenwerk zurückbleibt. Die Gestalt der einzelnen Zellen ist im Allgemeinen kugelig oder kurz elliptisch mit Durch- messern von 0,0145 bis 0,019®=- In der Kugel haben sich ihre Seiten durch den wechselseitigen Druck vielfach abgeplattet, die reine Kugel- form der Zellen wird dadurch vielfach verändert und sie erscheinen in der Flächenansicht durch Bogenstücke begrenzt, die sich in mehr oder weniger scharfen Ecken treffen (Taf. I. f. 4); einzelne werden sogar sehr unregelmässig, polyedrisch, wurmförmig langgestreckt, und errei- chen dadurch mehr als die doppelte Länge der meisten anderen Zellen. Die Membran derselben ist ziemlich dick, wasserhell, der Inhalt weiss, bei durchfallendem Licht leicht gelblich gefärbt. Jod und Schwefel- säure färben weder die Membran, noch die Zwischensubstanz, der Inhalt wird dadurch gelbbräunlich, und meist tritt dabei ein Tropfen farblosen Oels aus ihm heraus. Diese Zellen sind Schwärmsporangien. Ich sah in vielen derselben die Bildung der Schwärmsporen eintreten, die sich von der bei Synch. Mercurialis beschriebenen in Nichts unterschied. Der grössere Theil ‚der Sporangien ging indess ohne weitere Entwickelung zu zeigen zu Grunde. Offenbar ist der Herbst nicht die richtige Zeit für die Aus- bildung der Schwärmsporen, sondern diese wird wohl in den ersten Frühlingstagen erfolgen. Ich versuchte die jungen Triebe der Viola- Pflanzen, die im Herbst schon vollständig vorgebildet sind, durch die Schwärmsporen zu infieiren, erreichte damit aber nichts. Nach den Resultaten, diede Bary und Woronin bei der Inficirung von Taraxa- cum durch Synchytriumschwärmsporen erhielten, konnte mich dies nicht überraschen, denn auch damals hatte es sich herausgestellt, dass die ganz jungen Blätter ebensowenig inficirt wurden wie die alten. Solche Blätter, die eben in der Enfaltung begriffen sind, wie sie von den Synchytrien befallen werden, fehlen im Herbst an den Veilchen- stöcken, die Einwanderung konnte also nicht zu Stande kommen. 6. In Adoxa Moschatellina L. lebt ein anderer Verwandter dieser Schmarotzer. Ich fand seine ausgebildeten Dauersporen schon im Win- ter 1868 an Adoxa-Blättern, die zu Skarsine bei Trebnitz gesammelt und mir von Herrn Dr. Schneider zur Untersuchung mitgetheilt worden waren. Schon damals wurde es uns sehr wahrscheinlich, dass wir ein Synehytrium vor uns hatten, durch die sparsamen getrockneten Exemplare, in denen namentlich über das Vorhandensein oder Fehlen des Myceliums keine Gewissheit zu erlangen war, liess sich indess noch keine sichere Bestimmung treffen. Durch diese Mittheilung auf- merksam gemacht, untersuchte ich im vergangenen Frühjahr die Adoxa- Be... Pflanzen genauer und fand sie auch in den feuchten Wäldern der Um- gebung von Breslau, z. B. bei Canth, Sibyllenort ete., ziemlich oft mit den Parasiten besetzt. Auch in der Umgegend von Liegnitz sind sie mit ihren Synchytrien eingesammelt worden. Die Missbildungen auf der lebenden Pflanze sind denen sehr ähnlich, welche auf Vrola durch das Synchytrium verursacht werden. Es sind halbkugelige Hervor- ragungen mit einer centralen Depression, kleinen farblosen Glasperlen an Gestalt und Grösse ähnlich. In dieser Form standen sie an den Stengeln, den Blättern, besonders an der unteren Seite derselben und an den Blattstielen, meist vereinzelt und weit von einander entfernt. Im unteren scheidenartigen Theile des Blattstieles fand ich sie zuweilen in grösserer Menge, sie hatten dann keine Wärzchen gebildet, sondern nur die Oberhaut etwas gehoben, aus der sie als feine weisse Pünkt- chen hervorschimmerten. Die Nährpflanzen gediehen immer in ganz normaler Weise. Die mikroskopische Structur der Wärzchen ist der der Synchytrium- Gallen auf Viola ganz gleich. Der Parasit ruht in einer sehr erwei- terten Epidermiszelle, die im Scheitelpunkt des Wärzchens frei liegt, und im Uebrigen von einer Wucherung der Nachbarzellen umhüllt wird. Manchmal hatte sich der Schmarotzer in einer von den, der Oberhaut zunächst gelegenen Parenchymzellen ausgebildet, diese war dann eben- falls sehr ausgedehnt und die Epidermis etwas emporgehoben, eine Wucherung der Nachbarzellen war aber hierdurch nicht entstanden. An Blattspreite und Stengel fand ich immer nur einen Parasiten in einer Nährzelle, an dem unteren Theile des Blattstieles aber oft zwei, drei und mehr, bis zu acht. In ihrer Structur gleichen sie ganz den bisher beschriebenen Synchytrien, sie bestehen im unreifen Zustande aus weissem Protoplasma, von einer zarten farblosen Haut umschlos- sen, reif werden sie von einer zarten inneren farblosen und einer dicken hornartigen äusseren Membran umhüllt. Letztere ist ganz glatt und bei auffallendem Lichte hell ochergelb, bei durchfallendem Lichte bräunlich. Gewöhnlich sind die reifen Sporen noch in eine bräunliche Masse eingebettet, die sich fest an sie anschliesst und in den langge- streckten Epidermiszellen des Blattstiels von ihnen als spindelförmige Verlängerung in die Spitzen dieser Zellen ausläuft, diese Masse besteht offenbar aus dem eingetrockneten Inhalt der Nährzelle. Von seinen Verwandten unterscheidet sich dieses Synchytrium, das ich hier als Synch. anomalum aufführen will, besonders durch die sehr wechselnde Grösse und unregelmässige Gestalt seiner Dauersporen. In den Wärzcehen des Stengels sind sie meist lang elliptisch, so dass sich ihre Durchmesser wie 1 zu 2, selbst wie 1 zu 3 verhalten, sehr 17 oft sind sie unsymmetrisch, auf einer Seite abgeflacht, selbst bohnen- förmig gebogen (Taf. I. fig. 5), ihre Durchmesser schwanken zwischen 0,04 zu 0,12 und 0, 1 zu 0,21 ”=- Auf den Blättern sind sie bei dich- terem Stande der Wärzchen kleiner, kurz elliptisch, ihre Durchmesser variiren hier gewöhnlich von 0,06 zu 0,08 bis 0,07 zu 0,1 m Am Blattstiele sind sie ebenfalls lang elliptisch, oft fast eylindrisch, den Wänden der Nährzelle dicht anliegend (Taf. I. f. 6). In den Zellen der Blattscheiden, wo sich meist viele Parasiten in einer Zelle entwickelt hatten, waren sie am unregelmässigsten, bald kugelig, bald elliptisch oder eiförmig, selbst bohnen- und nierenförmig, sie waren hier am kleinsten und hatten zuweilen nur 0,021 bis 0,013 =”. im Durchmesser (Taf. 1.f.7). Die Weiterentwieklung der Sporen habe ich nicht verfolgt. 7. Ich komme jetzt zu der zweiten von Woronin aufgestellten Gruppe, welche die Syncehytrien enthält, deren Protoplasma orange- roth gefärbt ist, und deren Schwärmsporangien sich im Sommer auf der lebenden Nährpflanze bilden, es sind dies Synch. Tarazacı, 8. Succisae und Synch. Stellariae. Synch. Taraxaci De By. et Wor. bildet orangerothe Knötchen an Taraxacum officinale Web. Die Parasiten finden sich an den Blättern, dem Blüthenschaft und den Blättchen der Blüthenhülle, sie stören das Wachsthum der ganzen Pflanze in demselben geringen Maasse wie die anderen Synchytrien, die befallenen Blätter werden bei einigermassen reichlicher Einwanderung etwas verdickt, ihre Ränder wulstig ver- bogen und eingerollt. Durch diese Einwirkung, sowie durch das gleichzeitige Auftreten am Blüthenschafte, werden die Schmarotzer sofort von den im ungeöffneten Zustande ihnen etwas ähnlichen Aeei- dien, die auf derselben Pflanze vorkommen, unterschieden. Denn diese kommen nicht am Schafte und in der Blüthenhülle vor, und bewirken, wenn sie, wie es meist der Fall ist, in einem kleinen Kreise vereinigt stehen, höchstens eine blasige Auftreibung der erkrankten Stelle, nie eine Verkrümmung und Verdickung des ganzen Blattes. Den Angaben seiner Entdecker nach ist das Synchytrium im Südwesten Deutschlands sehr häu- fig, bei uns scheintdiesnichtder Fall zu sein, ich fand es, trotzdem ich ihm sehr sorgfältig in der Ebene und in dem schlesischen Gebirge nach- gespürt habe, nur ein Paar mal in feuchten Wäldern der Breslauer Umgegend, bei Tschechnitz und Canth, und auch dort nur in wenigen Exemplaren. Nach der erschöpfenden Schilderung, welche De Bary und Woronin in ihren ersten Beiträgen von der Entwicklung dieser Schmarotzer gegeben haben, konnte ich dieselben leicht verfolgen; in Verweisung auf die eitirte Schrift will ich jedoch hier nur die wesent- lichsten Punkte aus ihrer Entwicklungsgeschichte anführen. Sie 2 18 zeigen sich zuerst als kleine zartwandige, in der Mitte rothgefärbte Protoplasmakügelchen in einer Epidermiszelle der Nährpflanze. Bei ihrem Heranwachsen zu einem grossen kugeligen oder ellipsoiden Körper füllen sie die Nährzelle allmählich aus, veranlassen darauf eine starke Ausdehnung derselben und eine Wucherung der Nachbarzellen, die als halbkugeliges Wärzchen die Nährzelle des Parasiten umgiebt. Der Inhalt desselben ist nun gleichmässig orangeroth gefärbt und besteht aus farblosen Protoplasmakörnchen und rothgelben Oeltröpf- chen, die farblose Membran ist stärker geworden, aber immer noch leicht zerreisslich. Nach vollendetem Wachsthum zerfällt der Inhalt durch simultane Theilung in eine sehr wenig constante Zahl von Tochterzellen, die durch den gegenseitigen Druck in ihrer Mutterzelle eine unregelmässig polyedrische Gestalt annehmen, eine dicke farblose Membran und feinkörnigen orangerothen Inhalt besitzen. Am schön- sten und leichtesten sieht man diese Theilungen bei denjenigen Synchy- trien, welche sich in den langgestreckten Epidermiszellen des Schaftes entwickeln; hier bilden sie sich zu lang ovalen oder spindelförmigen, meist ziemlich flachen Körpern aus und veranlassen oft gar keine Wuche- rung der Nachbarschaft, so dass sie, nur von der Membran der Nähr- zelle bedeckt, leicht übersehen werden können. Die bei der Theilung gebildeten Tochterzellen liegen am Rande, oft auch durch den ganzen Körper, nur in einer Schicht und ihre Grenzen sind ohne weiteres zu erkennen, treten aber nach dem Zusatz von Glycerin, durch welches der Inhalt kontrahirt wird, noch deutlicher hervor. Der so zusammen- gesetzte Körper ist wieder der Sporangienhaufen, die einzelnen Tochter- zellen die Sporangien, in denen sich noch auf der lebenden Pflanze die Schwärmsporen bilden. Legt man einen Theil derselben in Wasser, so gruppirt sich der rothe Inhalt der Sporangien in einzelne Portionen und zerfällt in Schwärmsporen, diese treten durch eine Oeffnung der Membran, die vorher durch einen Gallertpfropf verstopft war, aus. Es sind farblose Kügelchen, etwa 0,003 "=. im Durchmesser, in ihrer Mitte mit ein oder zwei rothen Oeltröpfehen, an einem Ende mit einer langen Cilie versehen. Wennsie auf Taraxacum-Blätter gebracht werden, die schon völlig entfaltet, aber noch nicht zu alt sind, bohren sie sich in die Epidermiszellen derselben ein und wachsen wieder zu Synchy- trien heran. Die Bildung der Sporangienhaufen wiederholt sich durch mehrere Generationen, endlich aber, wenn die Vegetationsperiode des Parasiten zu Ende geht, werden in der herangewachsenen Synchytrium- kugel keine Tochterzellen mehr gebildet, sondern sie umgiebt sich mit einer dicken braunen Membran, unter der noch eine zarte farblose Haut liegt, und wird so zur Dauerspore. Als solche zeigt sie erst nach einer 19 mehrmonatlichen Ruhe, nachdem sie durch Verwesung der Nährpflanze wieder frei geworden ist, eine weitere Entwickelung. Es bilden sich dann, wenn sie einige Zeit im Wasser gelegen hat, in ihr Schwärm- sporen, welche den auf der lebenden Pflanze in den Schwärmsporangien gebildeten ganz gleich sind. Sie dringen wieder in die Nährpflanze ein und der geschilderte Cyclus wiederholt sich. 8. Synch. Succisae De By. et Wor. war schon im Jahre 1852 von‘ De Bary auf einer feuchten Wiese bei Berlin gefunden worden, seit- dem aber hatte es dieser sowohl als Woronin, trotz vielen Suchens darnach, nicht wiedergesehen. Da über die Entwickelung dieses Parasiten fast noch nichts bekannt gemacht worden ist, war ich sehr erfreut, ihn in der Nähe von Breslau anzutreffen und ihn längere Zeit hindurch auf der lebenden Pflanze beobachten zu können. Ich fand ihn zuerst im Augnst 1868 auf einer feuchten Waldwiese bei Arnolds- mühle, damals hur auf wenigen Pflanzen. Im Juli 1869 suchte ich den Standort wieder auf und traf diesesmal den Parasiten in grös- serer Menge, auf einigen späteren Excursionen konnte ich ihn bis in den September hinein einsammeln. Während dieser Zeit sah ich an ihm die Bildung von Schwärmsporen und Dauersporen, meine Bemer- kungen umfassen aber nur seine Entwickelung vom Juli bis September. Der Fleck, auf dem ich im vorigen Jahre den Parasiten fand, hatte eine ähnliche Beschaffenheit wie der, auf dem ich das Vorkommen von Synch. globosum beobachtet hatte. Er umfasste ebenfalls nur einen Theil der Wiese und entsprach ihrer tiefsten Stelle, wo sie sich gegen einen Graben zu senkte, und hatte etwa 10 Schritt im Durchmesser. Hier waren fast sämmtliche Suceisa-Pflanzen von den Parasiten befal- ien, an andern Stellen der Wiese hingegen, wo Succisa eben so häufig und eben so üppig wuchs, zeigte sich an ihnen nie eine Spur derselben. Am dichtesten sassen sie an den Wurzelblättern, besonders an der unteren Seite derselben. Im Juli sah ich sie oft über ihre ganze Fläche verbreitet, sie waren dann dicht mit goldgelben Punkten bedeckt, dabei aber nicht im geringsten verunstaltet, so dass es fast das Ansehen hatte, als ob die gelben Punkte normale Drüsenbildungen auf ihnen wären. An später gebildeten Blättern fand ich solche gelbe Punkte in gesonderten Inseln zusammenstehen, besonders an den Blatt- Rändern, die dann stark verdickt und verkrümmt erschienen. Diese Unterschiede kommen gewiss daher, dass die ersten Blätter von den aus den Dauersporen ausgeschlüpften Schwärmsporen auf ihrer ganzen Unterseite getroffen wurden, die späteren nur an einzelnen unbedeckten Stellen. An den unteren Theilen des Stengels fanden sich ebenfalls sehr zahlreiche Parasiten, die Oberhaut war bier in langen Streifen I* 20 aufgewulstet, oft auch zu einer durchscheinenden, den ganzen Stengel umziehenden Kruste angeschwollen, in der die rothgelben oder in spä- teren Zuständen braunen Parasiten eingebettet waren. An den oberen Blättern waren sie spärlicher, vereinzelt aber sogar noch an den Deck- blättchen im Blüthenköpfehen anzutreffen. Auch hier wieder hatte der Parasit keinen nachtheiligen Einfluss auf das Gesammtwachsthum der ‘ Nährpflanzen ausgeübt, diese blieben kräftig, trieben hohe Blüthen- stiele und blühten reichlich. Gestützt auf die bekannte Entwicklungsgeschichte von Synch. Ta- raxaci war es leicht, die Entwicklung des Parasiten zu verfolgen. In den Epidermiszellen junger Blätter fanden sich oft kleine Kugeln von etwa 0,004 ”” Durchmesser, mit sehr zarter, kaum nachweisbarer Membran, und hellem, in der Mitte röthlich gefärbtem Inhalt, die als erste Jugendzustände des Schmarotzers anzusehen waren. Durch all- mähliche Uebergänge zu den grösseren Formen zeigt® es sich, dass sie sich durch allseitige Anschwellung vergrösserten, wobei der Inhalt nach und nach gleichmässig orangeroth, die Membran dicker und deut- lich vom Inhalt abgegrenzt wurde. Die grössten Synchytriumkugeln hatten 0,1 bis 0,17 ®®- im Durchmesser. Die Epidermiszellen, welche die jüngsten Parasiten enthielten, waren nicht ersichtlich von ihren Nachbarn verschieden, mit der zunehmenden Grösse des Schmarotzers waren aber auch die Nährzellen weiter angeschwollen, sie wölbten sich anfangs über die Nachbarzellen vor, bei noch weiter gediehenem Wachs- thum begannen aber auch diese sich auszudehnen und zu vermehren, und bildeten endlich eine Hülle um die Nährzelle herum. Die Wärz- chen, in denen sich ausgewachsene Synchytriumkugeln befinden, erschei- nen bei schwacher, etwa 25facher Vergrösserung als durchscheinend blassgrüne, halbkugelige Erhabenheiten. Ihre Oberfläche ist durch die angeschwollenen Epidermiszellen warzig, wie mit Perlen besetzt, ihr Scheitel mit einer runden Vertiefung versehen, aus deren Grunde ein lebhaft orangerothes Kugelsegment des Synchytriums hervorleuchtet. Auf dem Durchschnitte (Taf. II. f. 1) sieht man, dass das Wärzchen aus mehreren Schichten diekwandiger Zellen mit farblosem Inhalt besteht, die an Grösse die normalen Epidermiszellen übertreffen. Seine Mitte wird von der stark vergrösserten Nährzelle eingenommen, welche in der Vertiefung am Scheitel frei an der Oberfläche liegt. Ihr Lumen wird von dem Parasiten fast vollkommen ausgefüllt, dessen Wachsthum also mit ihrer Ausdehnung bis dahin ziemlich gleichen Schritt gehalten hat. Von jetzt ab nehmen die Wärzchen noch einige Zeit an Höhe zu und die Nährzelle vergrössert sich, so dass der Parasit, der nicht weiter gewachsen ist, kaum die Hälfte ihres Inhalts ausfüllt. 21 Die Bildung der Schwärmsporangien ist nicht so leicht zu beob- achten, wie bei Synch. Taraxacıi, weil die stärkere Wucherung um die Nährzelle eine directe Betrachtung derselben sehr erschwert. Wenn man indess isolirte Wärzchen in einem späteren Entwicklungszustande, besonders nachdem sie auf die Einwirkung von Glycerin durchsichtiger geworden sind, vorsichtig comprimirt, sieht man schon durch die Betrachtung von oben, dass sich in ihnen auch hier Kugeln bilden, aus einer grossen Zahl von Zellen zusammengesetzt, analog den Sporangien- haufen bei Synch. Taraxaci. Zu genauerer Einsicht gelangt man aber erst mittelst senkrechter Schnitte durch die Mitte derartiger Wärzchen. Diese dürfen nicht zu dünn sein, sonst wird die Nährzelle verletzt und ihr Inhalt fliesst aus; unter einer grösseren Zahl von Präparaten finden sich aber genug solcher, die dick genug sind, um den Parasiten nicht zu beschädigen, und doch hinreichend durchsichtig werden, wenn sie einige Zeit in Glycerin gelegen haben. An einem solchen Vertical- schnitte (Taf. II. f. 2) zeigt sich, dass die Centralhöhle in zwei fast gleiche Theile zerfällt. In dem oberen ruht ein orangeroth gefärbter Körper, aus vielen Zellen zusammengesetzt, den wir ohne Weiteres als Sporangienhaufen bezeichnen können. Er hat nur selten regelmässige Kugelform, sondern ist oben meist abgeplattet und verbreitert, seitlich den Wänden der Nährzelle dicht anliegend, die Zellen werden von einer zarten, kaum wahrnehmbaren Haut umschlossen. Im unteren Theile der Nährzelle liegt eine kugelige Zellhaut, sie hängt dem Spo- rangienhaufen an einem Punkte fest an, ist von lichtbrauner Farbe, aber durchscheinend, sie ist leer oder mit wässeriger Flüssigkeit erfüllt, aber nur wenig faltig und fast gar nicht zusammengedrückt. Hat man sich mit diesen Verhältnissen in der natürlichen Lage bekannt gemacht, so kann man sich auf leichtere Weise von ihrer Constanz überzeugen, wenn man den Pflanzentheil, an dem die Wärzchen sitzen, einige Tage in Wasser maceriren lässt. Die äusseren Zellen des Wärzchens werden durch die Maceration erweicht und die Nährzellen mit ihrem Inhalt lassen sich leicht freipräpariren. Gewöhnlich erscheinen sie als keulen- formige Körper, oben von den verbreiterten Sporangienhaufen erfüllt, an denen unten die leere Kugelzelle hängt, beide umschliesst die etwas gebräunte Nährzelle, die sich noch stielförmig unter ihren Inhalt verlängert. Selten nur liegt die entleerte Zellhaut seitlich von dem Sporangienhaufen, in den von mir untersuchten Fällen war sie immer vorhanden. In ihrer Grösse entspricht diese Membran vollständig der erwachsenen Synchytriumkugel, und es ist keine andere Deutung mög- lich, als dass sie eine entleerte Haut derselben ist. Der Parasit hat also vor seiner weiteren Entwicklung eine Häutung bestanden, sein 22 Inhalt ist vor der Theilung in die Nährzelle herausgetreten, er ist, wie sich aus der festen Adhärenz des Sporangienhaufens mit einem Punkte der entleerten Zellhaut ergiebt, durch eine feine Oeffnung am Scheitel der ursprünglichen Membran in die Nährzelle hineingewachsen. Diese Art der Sporangienbildung ist analog demselben Process bei den weiss- sporigen Synchytrien, es wird also dadurch eine Verbindung zwischen diesen beiden so verschieden erscheinenden Gruppen hergestellt. Bei einer grossen Zahl aus verschiedenen Pflanzentheilen und zu verschie- denen Zeiten angefertigter Präparate habe ich neben den entleerten Synehytriumhäuten nie ungetheilte Protoplasmakugeln gefunden, und nie solche, die nur in zwei, vier, oder eine andere auf fortgesetzte Zwei- theilung deutende Zahl von Tochterzellen zerfallen waren; ich schliesse daraus, dass die Theilung sehr bald nach dem Austritt des Inhaltes in die Nährzellen erfolgt, und dass die Bildung der Tochterzellen durch simultane Theilung zu Stande kommt, wie es ja auch für die anderen Synchytrien anzunehmen ist. Die Haut, welche die Sporangienhaufen umschliesst, ist sehr zart und lässt sich leicht zersprengen, worauf die Sporangien frei werden und sich von einander trennen, eine Zwischensubstanz wie bei Synch. globosum ist mir nicht bemerklich geworden. Die Zahl der in einem Haufen enthaltenen Zellen ist meist ziemlich bedentend, ich zählte mehrmals 120 bis 150. Die Gestalt der isolirten Sporangien (Taf. Il. f.3) ist sehr wechselnd, meist erscheinen sie unregelmässig polyedrisch, mit scharfen Ecken und bogigen Kanten, zuweilen sind sie sehr lang und gebogen, manchmal bestehen sie aus einem grossen polygonalen Stücke, an welches ein langer schmaler Fortsatz angesetzt ist, wodurch sie flaschenförmig aussehen, kurzum sie haben dieselben unregelmässigen Formen, welche bei den Schwärmsporangien anderer Synchytrien bekannt sind, und durch den gegenseitigen Druck der Tochterzellen in ihrer Mutterzelle erklärt werden. Eben so schwankend ist ihre Grösse, als Durchschnitt lässt sich etwa 0,025 "=: für ihren Durchmesser anneh- men, doch sind sie auch oft genug doppelt so lang oder auch nur halb so gross. Sie haben eine feste und ziemlich dieke farblose Membran und einen mennigrothen gleichmässig feinkörnigen Inhalt. Durch Alkalien und Säuren, selbst durch Schwefelsäure sah ich keine Ver- änderung in der Färbung des Letzteren eintreten, durch Zusatz von Jod und Schwefelsäure wurde er braunviolett. Die Membran blieb farblos. Diejenigen Sporangien, welche ich freipräparirt unter Wasser und in feuchter Luft auf dem Objectträger aufbewahrte, in der Absicht, 23 ihre weitere Entwicklung abzuwarten, zeigten mir dieselbe nie, sie hiel- ten sich oft wochenlang unverändert, dann entfärbte sich der Inhalt allmählich, zog sich von den Wänden zurück, schrumpfte zusammen, und sie gingen zu Grunde. Dagegen kam die Schwärmsporenbildung in ihnen oft rasch zu Stande, vom Nachmittage bis zum nächsten Mor- gen, wenn ich frisch eingesammelte Blätter mit Wasser übergoss. Der Inhalt der Sporangien nimmt danach eine hellere, fast rosenrothe Farbe an, dann treten die rothen Körnchen desselben zu einzelnen Gruppen zusammen, so dass zwischen ihnen farblose Flecken bleiben (Taf. II. f. 4), endlich sieht man den Inhalt in eine grosse Zahl kleiner Kügelchen zerfallen, die durch sehr zarte Linien von einander getrennt sind (Taf. II. f. 5). Mit der Beendigung der Sporenbildung treten auch an der Wand kleine halbkugelige farblose, stark lichtbrechende Erhabenheiten auf, manchmal nur einzeln an einer Zelle, manchmal an jeder Kante Eine, es sind die Stellen, an denen später die Schwärm- sporen austreten. Diese sieht man sich schon in der Mutterzelle bewe- gen, erst langsam, dann immer schneller, bis sie endlich lebhaft durch einander wimmeln. Zuletzt treten sie einzeln aus dem Sporangium heraus (Taf. II. f. 6), schwärmen noch eine Zeit lang in dessen Nähe durcheinander und zerstreuen sich dann, wie es mir schien von Licht und anderen natürlichen Agentien ganz unabhängig, im Wasser. Sie bewegen sich dabei in der, den Chytridienschwärmern eigenthümlichen Weise, indem sie häufig hüpfend wegspringen, sich dann an feste Kör- per gewissermassen bohrend anheften und plötzlich wieder davon- schnellen. Die meisten Schwärmsporen sind rundlich (Taf. Il. f. 7), etwa 0,002 bis 0,003 ”®- Jang, in der Mitte mit einem rothen Tröpf- chen, an einem Ende etwas zugespitzt und mit einer einzelnen langen Cilie versehen. Ausser diesen giebt es noch eine andere Form von Schwärmsporen. Sie sind lang gestreckt, fast stäbchenförmig 0,002 mm- breit, 0,004 bis 0,005 lang, zuweilen fast doppelt so gross, ebenfalls mit ein oder zwei rothen Punkten in der Mitte (Taf. II. f. 8). Ich habe diese Form noch innerhalb der Sporangien und einmal ein ganzes Spo- rangium nur mit solchen langen Sporen erfüllt gesehen. Ob dieselben eine andere functionelle Bedeutung haben als die gewöhnlichen Schwärm- sporen habe ich nicht ermitteln können. Wenn die Schwärmsporen auf junge Suceisa-Blätter gebracht wur- den, liess sich nach kurzer Zeit ihre Einwanderung in die Epidermis- zellen nachweisen. Sie erschienen hier am Tage nach der Aussaat als sehr kleine blasse Kügelchen (Taf. II. f. 13) mit rothem Mittelpunkt und nicht deutlich nachweisbarer Membran, vergrösserten sich allmählich, 24 wurden gleichmässig orangefarben und zeigten sich überhaupt den frü- hesten Entwickelungszuständen des Parasiten, wie sie auf der Nähr- pflanze gefunden worden waren, gleich. Die Dauersporen des Synchytriums fand ich vom August an immer reichlich an Stengel und Blättern der Nährpflanze. Sie liegen zu grös- seren Partien vereinigt ebenfalls in besonderen Wärzchen. An den Blättern, wo diese meist isolirt stehen und am grössten werden, erschei- nen sie als stecknadelknopfgrosse Höcker von graubrauner Farbe. Bei schwacher Vergrösserung werden sie als eylindrische Erhaben- heiten von etwa 1 "= Höhe und Breite erkannt, sie sind im oberen Theile farblos, im unteren grünlich, und in ihrer Mitte schimmern die bräunlichen Sporenmassen durch. Ihr Scheitel ist abgeflacht, in der Mitte tief nabelförmig eingezogen. Auf dem senkrechten Schnitt durch die Mitte der Wärzchen zeigt sich immer eine charakteristische Struetur derselben (Taf. II. f. 10). Von der centralen Depression zieht sich in das Innere eine Höhlung bis etwa zur Mitte herab, sie ist mit einer braunen krümeligen Haut ausgekleidet und hat gewöhnlich eiförmige Gestalt, bei Anwesenheit vieler Dauersporen ist sie dagegen bis auf ein enges Lumen eingeschränkt, und gleicht dann ganz einem durch den Stich eines Insekts gebildeten Gange. Um diese Höhle herum liegen die Dauersporen, die auf dem Durchschnitte als kreisförmige oder elliptische Scheiben erscheinen. Sie sind immer in einzelne Gruppen gesondert, jede dieser Gruppen enthält 3 bis 8 Sporen, die durch eine braune Zwischensubstanz zu einem kugel- oder keulenför- migen Körper vereinigt sind. Diese sehen mit dem breiteren Ende nach der Peripherie des Wärzchens, mit der Spitze nach dessen Mitte, und dadurch scheinen die Sporengruppen an dem Centralgange zu hängen wie Trauben an einem gemeinschaftlichen Stiele.e. Um die Sporen herum folgen drei bis vier Lagen unregelmässig geformter Zellen mit dieken Wänden und farblosem Inhalt, die den übrigen Theil des Wärzchens ausmachen. Sie haben etwa den dreifachen Durch- messer der normalen Epidermiszellen und gehen am Grunde allmählich in diese, im Innern in die gewöhnlichen Parenchymzellen über. Da wo die Wärzchen dichterstehen, fliessen sie oft zusammen, so dasssich ein Theil ihrer Wandungen vereinigt, die Verschmelzung kann sogar so voll- ständig werden, dass sie eine nur leicht verunebnete Kruste bilden, in welche die Sporenballen eingebettetsind; aber selbst bei dieser Verschmel- zungistaufdem Durchschnitt immernoch die centraleAushöhlung zwischen den Sporengruppen und die strahliche Anordnung derselben erkenntlich. Um die Bildung dieser Verhältnisse zu verstehen, sind jüngere Zu- stände zu Hülfe zunehmen, Sie finden sich in Wärzchen, die an Grösse ar und Gestalt den letztbeschriebenen gleich sind, die aber durch ihren durchleuchtenden Inhalt lebhaft goldgelb gefärbt erscheinen. Auf dem Durchschnitte dieser Wärzchen sieht man in ihrer Mitte eben- falls die Höhlung, und um diese herum eine Lage sehr erweiterter Zellen, deren Membran indess noch farblos und durchsichtig ist. In jeder derselben befindet sich eine Anzahl kugeliger oder ‚meist elliptischer Körper, so angeordnet, dass in dem schmaleren, der Mitte zugewendeten Theile der Nährzelle ein, in dem nach der Peripherie gerichteten, weiteren Theile nebeneinander mehrere derselben lie- gen. Sie sind lebhaft orangeroth gefärbt, haben einen gleichmäs- sigen rothen Inhalt und eine farblose Membran, gleichen also den unreifen Synchytrien. In den verschiedenen Zellen findet sich die Entwicklung der Parasiten oft verschieden weit fortgeschritten, man kann darum oft in einem Wärzchen solche unreife Zustände in die reifen übergehen sehen, indem der Parasit mit einer dunkleren Haut umgeben wird, der Inhalt der Nährzelle vertrocknet, sich zwischen die Sporen lagert und sie so zu einer Gruppe vereinigt. In noch jüngeren Dauer- sporen-Wärzchen sind die um die Centralhöhle gelagerten Zellen noch weniger ausgedehnt, die Parasiten noch kleiner und weiter von einan- der entfernt. Durch allmähliche Uebergänge gelangt man zu den jüng- sten Zuständen der Dauersporen. Diese finden sich in Wärzchen, die an Grösse und Bildung denen gleich sind, in welchen sich die Schwärm- sporenhaufen gebildet hatten. Die Centralhöhle hat dieselbe Grösse wie bei dieser, in ihrem Grunde findet man noch Spuren der entleerten Synchytrienhaut und leerer Schwärmsporangien, in den Zellen um diese herum, die nur wenig grösser sind als die anderen Wärzchenzellen, lie- gen kleine Kugeln von zarter Membran umschlossen, mit blassem, in der Mitte roth gefärbtem Inhalt, den frühesten Jugendzuständen des Synehytriums gleich (Taf. II. f. 9). Aus diesen Befunden lässt sich schliessen, dass die Schwärmsporen aus den Sporangien in die Zellen des Wärzchens selbst einschlüpfen und sich hier zu Dauersporen ent- wickeln, indem sie diese ausdehnen, durch gleichmässige Anschwel- lung wachsen, und sich endlich mit einer diekeren braunen Haut umgeben. £ Einigemale habe ich direct beobachtet, wie die Einwanderung in die Wärzchenzellen Statt fand. Ich trennte einige kleinere Wärzchen, die in ihrer Mitte Schwärmsporangien enthielten, mit der Epidermis von der Blattfläche ab, feuchtete sie an und hielt sie auf dem Object- träger in einem feuchten Raume. Ich konnte an ihnen die inneren Wärzchenzellen ziemlich gut übersehen und fand sie beim Beginn der ‚Beobachtung leer. Am nächsten Tage sah ich in ihnen sehr kleine 26 rothe Pünktchen, die bald zu röthlichen Kügelchen, jungen Dauer- sporen, anschwollen, indess die Sporangien in der Mitte grösstentheils entleert waren. | Die einzelnen Wärzchen enthalten immer eine bedeutende Anzahl von Dauersporen, ich habe in Einzelnen 120 und mehr gezählt. Sie lassen sich nach Einwirkung von Aetzkali, welches die braune Zwischen- substanz zwischen ihnen lockert, leicht isoliren, und zeigen sich dann als dunkelkastanienbraune, fast undurchsichtige Körper mit meist ganz platter Oberfläche (Taf. II. f. 11). Sie sind kugelig oder kurz ellip- tisch, manchmal auch an den Enden abgeplattet, was sich durch den gegenseitigen Druck der gemeinsam in einer Zelle gereiften Sporen erklärt. Ihr Durchmesser schwankt zwischen 0,05 und 0,08 "=, doch haben die kugeligen meist Durchmesser von 0,05, die elliptischen von 0,06 zu 0,08 ®m: Durch weitere Behandlung mit Aetzkali werden sie durchsichtiger, man erkennt dann schon, dass ihre Membran aus meh- reren Schichten zusammengesetzt ist, sie lassen sich jetzt leicht zer- sprengen, wobei man findet, dass ihr Inhalt aus einem durch zahlreiche hellrothe Oeltropfen gefärbten Protoplasma besteht, das von einer farblosen, dünnen und zähen inneren und einer braunen, dicken, brü- chigen äusseren Haut umschlossen wird (Tab. II. f. 12). Gegenüber den vielen Tausenden von Schwärmsporen, welche in einem Sporangienhaufen gebildet werden, ist die Zahl derer, welche sich in den Wärzchen selbst zu Dauersporen entwickeln, immerhin nur gering. Es ist darum nicht unwahrscheinlich, dass ein Theil dieser Sporen aus den Wärzchen austritt und sich anderswo weiter entwickelt. Bei der Anwesenheit von vielem Wasser, welches die Schwärmsporen fortschwemmt, wird dieses leicht geschehen können. Wie schon ange- führt, traten bei meinen Culturen die Schwärmsporen in das Wasser, mit dem die Blätter übergossen waren, und wanderten in die Epidermis- zellen junger Blätter ein, in der freien Natur können heftige Regen- güsse denselben Erfolg haben. Es finden sich auch sehr häufig in anderen Theilen isolirte Dauersporen, welche nur von ausgetretenen Schwärmsporen herstammen können. Zunächst sieht man eine oder die andere derselben zuweilen in einer peripherischen Zelle der Wärz- chen, sie haben hier dieselbe Form und Grösse wie die in der Mitte, befinden sich aber meist in einem anderen Reifezustande. Die Dauer- sporen, welche zerstreut in den Epidermiszellen der Blätter vorkommen, haben dagegen ein ganz anderes Ansehen. Sie liegen hier in flachen halbkugeligen Wärzchen, auch wohl von gar keiner Wucherung der Nachbarzellen bedeckt, frei in der ausgedehnten Nährzelle. Sie sind meist kugelig, 0,06 bis 0,07 ®=- im Durchmesser, ungefähr eben so IE gross, als die gewöhnlichen Dauersporen. Der Inhalt ihrer Nährzelle trocknet ein und bildet um sie eine feste braune Kruste, so dass dadurch ganz so wie bei Synch. Anemones und 8. globosum höckerige unregelmässige Sporenklumpen gebildet werden. Man könnte sich versucht fühlen, diese, durch ihr isolirtes Auftreten von den erstbe- schriebenen so verschiedenen Dauersporen für die Sporen eines zweiten Parasiten auf Succisa anzusehen, ihre Jugendzustände sind aber denen des Synch. Succisae ganz gleich, die obige Annahme hätte also vorläufig keine weitere Stütze. Ob die weitere Entwicklung der beiden Sporen- formen eine verschiedene ist, kann ich nicht angeben, da ich diese bis jetzt noch nicht beobachten konnte. — Immerhin bleibt es auffallend, dass sich aus den in eine Epidermiszelle eingedrungenen Schwärm- sporen Sporangienkugeln, in dem anderen Falle Dauersporen bilden, und es ist von Interesse, nach etwaigen Gründen dafür zu suchen. Diese verschiedene Art der Ausbildung könnte erstlich von einer spe- eifisch verschiedenen Natur der eingedrungenen Schwärmsporen her- rühren. Dass sich bei diesen einige Verschiedenheiten finden, ist erwähnt worden, aber bis jetzt ist ein Zusammenhang derselben mit den verschiedenen Entwicklungsformen des Parasiten nicht zu consta- tiren. Die Ursache könnte ferner in den verschiedenen Witterungs- verhältnissen gesucht werden, denen der Parasit während seiner Vege- tationszeit ausgesetzt ist; bei Synch. Taraxacı, wo im Frühjahr und erstem Sommer Schwärmsporen, später dann nur Dauersporen gebildet werden, wird man sehr geneigt sein, dem Einfluss der Jahreszeiten diese Differenzen zuzuschreiben, bei 5. Succisae sehen wir aber beide Sporen- bildungen lange Zeitnebeneinander vor sich gehen, besonders am Stengel Schwärmsporen-, am Blatte Dauersporenbildung. Die dritte der Mög- lichkeiten, dass die Unterschiede der Entwicklung auf Unterschieden im Nährmaterial des Parasiten beruht, hat noch die grösste Wahr- scheinlichkeit. Die Ausbildung des Parasiten zu Schwärmsporangien- haufen würde demnach davon abhängig sein, dass seine Schwärmsporen in junges bildungsfähiges Zellgewebe gelangten, in welchem ihnen durch die zarteren Zellwände ein reicheres Ernährungsmaterial zuge- führt wird. Zu Dauersporen würden sich dagegen diejenigen Schwärm- sporen umbilden, welche in ältere Zellen eingedrungen sind, wie in den Wärzchen und den mehr herangewachsenen Blättern, wo die dickeren Zellwände eine Diffusion des Nahrungssaftes aus dem Nachbar-Gewebe erschweren, der Zellsaft selbst durch die reichlichere Ausscheidung des Zellstoffs schon verändert ist. Nach dieser Auffassung würde die Ent- stehung der Dauersporen einer nicht ausreichenden Ernährung zuzu- schreiben sein, sie wäre einer Einkapselung des Protoplasma’s, wie sie bei vielen niederen Organismen in Folge ungünstiger Lebensbedin- gungen vorkommt, an die Seite zu stellen, und das Auftreten der Dauer- sporen im Herbst und beim Absterben der Nährpflanze liesse sich auf dieselbe Ursache zurückführen. Die Ruheperiode wäre einfach dadurch zu erklären, dass der Parasit durch das unzureichende Nährmaterial noch nicht vollständig genug ausgebildet ist, wenn er sich einkapselt, und erst während der Ruhezeit weitere Veränderungen eingehen, weiter ernährt werden muss, ehe er zu der ferneren Entwicklung fähig ist. 9. Synchytrium Stellariae Fekl., welches, wie schon Woronin bemerkt, dem Synch. Succisae am nächsten steht, konnte ich in der Umgebung von Breslau nicht auffinden, dagegen wurde es von Herrn Lehrer Gerhard in der Nähe von Liegnitz reichlich angetroffen, und von dorther erhielt ich mehrmals Sendungen lebender Exemplare von Stellaria media L., auf denen ich die Entstehung der Schwärmsporen und Dauersporen des Schmarotzers verfolgen konnte. Die Schwärm- sporen bilden sich in halbkugeligen Wärzchen, welche durch den hin- durchschimmernden Parasiten lebhaft gelbroth erscheinen. Sie stehen entweder einzeln auf den Blättern oder fliessen zu einer Kruste zusam- men, das letztere ist besonders an Stengeln, Blatt- und Blüthenstielen der Fall, die dann bedeutend verdickt sind. Die Dauersporen erschei- nen als glänzend kastanienbraune Punkte oder Knötchen an den Blät- tern, Blattstielen, Stengel, Blüthenstielen und selbst den Kelchblättern, sie stehen ebenfalls oft sehr dicht, so dass ein ganzes Stengelglied mit einer dicken braunen Kruste umzogen, oder ein ganzes Blatt fast gleich- mässig braun gefärbt ist. Dabei veranlasst der Parasit nur sehr geringe Missbildungen auf der Nährpflanze, sogar die Blätter werden nur manchmal eingerollt und verkrümmt, wenn eine sehr reichliche Einwanderung Statt gefunden hat, in vielen Fällen behalten sie selbst dann noch ihre normale Form. Das Gedeihen der Nährpflanzen im Ganzen scheint selbst durch das reichlichste Auftreten des Parasiten nicht gestört zu sein, sie verzweigten sich immer üppig, blühten und trugen normale Früchte, wenn sie auch bis auf die Kelchblätter hinauf dicht mit dem Synchytrium übersäet waren. Es braucht wohl kaum ausgeführt zu werden,- dass sich Synch. Stellariae ebenso wie seine vorher beschriebenen Verwandten in einer Epidermiszelle entwickelt, indem die in diese eingedrungenen Schwärmsporen zu einer orangerothen Kugel anschwellen, die Nährzelle ausdehnen und eine Wucherung der Nachbarzellen veranlassen. Sie erreichen gewöhnlich einen Durchmesser von 0,08 bis 0,15 "=: Zur Zeit, wo die Bildung der Schwärmsporangien stattfindet, ist ihre Nähr- 29 zelle bedeutend vergrössert, so dass sie nur etwa zur Hälfte von dem Schmarotzer ausgefüllt wird. Ein Vertikalschnitt durch die Wärzchen mit fertigen Sporangien- haufen (Taf. III. f. 1) zeigt, dass die Bildung derselben ähnlich wie bei Synch. Succisae geschieht. Man findet nämlich neben der Sporangien- kugel immer noch eine kugelige leere Zellhaut, die den ursprünglichen Synchytriumkugeln an Grösse gleich ist, und es ist also auch hier der Inhalt des Synchytriums durch eine Oeffnung der ursprünglichen Mem- bran aus dieser heraus in die Nährzelle gewachsen, und hier erst ist die Theilung in die Sporangien eingetreten. Einen Unterschied von Synch. Succisae sah ich darin, dass die entleerte Membran constant den oberen, die Sporangienkugel den unteren Theil der Nährzelle einnahm. Die Nährzellen wurden von dem Parasiten auch nie so dicht ausgefüllt wie bei S. Suceisae, und liessen sich leicht öffnen, ohne dass der Zu- sammenhang der Sporangienkugel gestört wurde. Es war dann deut- licher zu erkennen, dass die letztere von einer ziemlich starken farb- losen Membran umschlossen war. Sie hing an einem einzigen Punkte fest an der entleerten Membran an, und wurde mit derselben im Wasser herumgetrieben (Taf. III. f.2). Die Membran der Sporangienkugel wurde durch Jod und Schwefelsäure immer lebhaft violett gefärbt mit etwas bräun- lichem Anfluge; dieselbe oder eine etwas mehr bräunliche Farbe nahm in der Mehrzahl der Fälle, aber nicht ganz’constant, die entleerte Membran an (Taf. III. f. 3). Die Zahl der in einem Haufen enthaltenen Sporan- gien fand ich stets viel geringer als bei Synch. Succisae, sie betrug gewöhnlich nicht mehr als 30, oft auch viel weniger, bis 10 und 8. Isolirt haben sie ungefähr dieselbe Grösse und dieselbe mannichfaltige Gestalt wie die des vorherbeschriebenen Synchytriums (Taf. II. f. 4), und ebenfalls eine dicke farblose Membran und feinkörnigen orange- rothen Inhalt. Durch Jod und Schwefelsäure wird die Membran nicht gefärbt, der Inhalt zieht sich dadurch zusammen und wird braun vio- lett. Die Bildung der Schwärmsporen weicht von der bei den anderen Synchytrien dieser Gruppe nicht ab, ihre Entleerung und Gestalt (Taf. IIL. f. 5) ist ganz wie bei Synch. Taraxacı', ich brauche deshalb auf diese Momente hier nicht weiter einzugehen. Die Dauersporen bilden sich einzeln oder zu zwei, seltener zu drei (Taf. III. f. 6), in einer Epidermiszelle aus, diese wird dadurch eben- falls bedeutend vergrössert, so dass sie etwa den 2- bis 23 fachen Längendurchmesser einer Dauerspore erreicht. Die Nährzelle wird von einer Wucherung der Nachbarzellen umgeben, die bei isolirter Stellung ein flaches halbkugeliges Wärzchen bildet, bei dichterer Ein- wanderung aber, wie es sich gewöhnlich findet, in eine unebene Kruste 30 zusammenfliesst, in welche die Sporen tief eingelagert sind. Im unrei- fen Zustande sind sie orangeroth, von einer farblosen Membran einge- schlossen, reif dunkelbraun, fast undurchsichtig, von einer krümeligen, rothbraunen Masse umhüllt. Diese entspricht dem vertrockneten Inhalt der Nährzelle, durch Kalilösung wird sie erweicht, und die Dauersporen werden isolirt. Sie sind immer kugelig, mit glatter Oberfläche und haben 0,057 bis 0,147, meist aber 0,075 == im Durchmesser. Durch weitere Einwirkung von Kali wird auch hier wieder die Spore viel durchsichtiger und sie lässt sich zersprengen. Sie ist von einer brau- nen dicken äusseren und einer dünnen farblosen inneren Haut einge- schlossen. Der Inhalt besteht aus farblosen Protoplasmakörnchen und hellrothem Oel. 10. Es giebt noch eine Anzahl Synchytrien, welche in keine der bei- den bis jetzt betrachteten Gruppen eingereiht werden können und darum zu einer besonderen Abtheilung zusammengefasst werden müssen. Ich habe eines derselben, welches ich als Synchytrium laetum bezeichnen will, seit dem April 1868 an Gagea lutea Schult. beob- achtet. Damals fand ich in einem Gehölz bei Wildschütz, in der Nähe von Breslau, viele Blätter dieser Pflanze, die über und über mit lebhaft schwefelgelben Pünktchen übersät waren. Diese waren so klein, dass sie dem blossen Auge eben nur durch den Contrast mit der dunkel- grünen Blattfläche bemerklich wurden. Ich glaubte zuerst die Sper- mogonien einer Uredinee vor mir zu haben, bei der mikroskopischen Untersuchung stellte es sich jedoch heraus, dass es kleine einzellige orangerothe Parasiten waren, die in den Zellen der Oberhaut vegetir- ten. Später fand ich denselben Schmarotzer in allen Wäldern um Breslau, wo ich Gagea lutea darauf hin untersuchte, so dass ich über- zeugt bin, er wird auch in anderen Gegenden nicht selten sein. Er kommt am häufigsten au den Wurzelblättern vor, aber auch am Schaft, den Blüthenhüllblättern, und zuweilen selbst am Perigon. Einen wesentlich nachtheiligen Einfluss auf die Entwicklung der Nährpflanze üben die Schmarotzer nicht aus, nur scheinen die Wurzelblätter, wenn sie sehr stark von ihnen befallen sind, früher abzusterben und zu ver- trocknen, als wie gewöhnlich. Die Epidermis von Gagea lutea besteht aus sehr langgestreckten, parallelwandigen Zellen, gewöhnlich von 0,4 ®=. Länge und 0,03”®- Breite. Die kleinsten Formen des Para- siten, welche ich in ihnen traf, waren farblose Kügelchen mit rother Mitte, von einer sehr zarten Membran umschlossen und etwa von der Breite der Epidermiszelle. Bei der Vergrösserung strecken sie sich zuerst etwas in der Richtung der Zelle und liegen ihrer Membran dicht 31 an, darauf wird diese ausgedehnt, und der Parasit nimmt elliptische Gestalt an, zugleich wird er gleichmässig orangeroth gefärbt. Inerwach- senem Zustande besteht er endlich aus einer farblosen, ziemlich starken, aber leicht zerreisslichen Membran, und einem bei durchfallendem Lichte orangeroth, bei auffallendem chromgelb gefärbten Inhalt, der aus farb- losen Protoplasmakörnchen und zahlreichen rothen Oeltröpfehen gemengt ist, aber keinen abgesonderten Zellkern enthäit. Ein Mycel findet sich ebenfalls nie an den Schmarotzern, es wird ihnen dadurch ihre Stellung unter den Chytridiaceen angewiesen. Bei dem fortschreitenden Wachs- thum des Parasiten wird auch die Nährzelle immer mehr ausgedehnt, aber immer nur in der Mitte, da wo jener in ihr eingebettet liegt. Hier schwillt sie bauchig an, so dass sie im Ganzen spindelförmige Gestalt erhält und als kleiner Höcker über die Blattfläche erhoben wird, die Nachbarzellen werden zwar etwas zusammengedrückt und bei Seite gedrängt, aber nie findet sich eine Anschwellung oder Wucherung derselben. Wir haben also hier einen der einfachsten Fälle von Gallen- bildung vor uns, in welchen sich der Einfluss des fremden Organismus nur auf eine einzige Zelle erstreckt, ja nur auf einen Theil dieser Zelle. Es schliesst sich dies an die einfachen Gallenbildungen an, die von Ohytridium Saprolegniae in den Saprolegnia-Schläuchen und denen, die von einem Räderthier in Vaucheria-Fäden gebildet werden; auch sie bestehen nur in einer Anschwellung eines Theiles der Nährzelle, gewöhnlich in einer kolbenförmigen Aussackung des Fadenendes. Manchmal eutwickeln sich zwei oder drei Parasiten in einer Zelle. Sie wachsen dann so lange fort, bis sie sich begegnen, platten sich an den Berührungsflächen gegenseitig ab und bilden zusammen einen spindel- förmigen Körper, in welchem jedoch die einzelnen Individuen getrennt bleiben. Zuweilen finden sich die Parasiten auch in Parenchymzellen, welche zunächst unter der Epidermis liegen. Sie werden hier kugelig und dehnen ihre Nährzelle ebenfalls kugelig aus. Diese hebt die Epidermis etwas empor und drängt die Nachbarzellen zur Seite, eine Wucherung in der Umgegend wird aber ebenfalls nicht veranlasst. Nach Vollendung ihres Wachsthums umgeben sich die Parasiten mit einer dieken braunen Haut und werden ziemlich undurchisichtig. Sie scheinen dabei etwas einzuschrumpfen; es lässt sich dies daraus schliessen, dass die zu drei oder mehreren in einer Zelle heranwach- senden Sporen im unreifen Zustande ihre Nährzelle vollständig aus- füllen und sich mit ebenen Flächen breit berühren, während sie bei der Reife auch da, wo sie zusammenstossen, an den Ecken ziemlich weit- 32 lin abgerundet sind und die Nährzelle zum Theil frei lassen; auch haben die grössten der reifen Sporen nicht ganz dieselben Dimensionen, die man bei den unreifen auffindet. Die Nährzelle wird in späterer Zeit zuweilen braungelb und brü- chig, behält in anderen Fällen aber ihre normale Beschaffenheit. Man sieht dann in ihnen die reifen Parasiten gelagert (Taf. I. f. 8). Gewöhn- lich werden sie noch von einer hellbraunen Masse eingehüllt, die sich nach den Enden der Nährzellen zuspitzt, sie entspricht dem vertrock- neten Inhalt der Letzteren. Die Gestalt der reifen Parasiten ist in den Epidermiszellen mehr oder weniger lang elliptisch, wo sich zwei oder mehrere in einer Zelle gebildet, sind sie durch gegenseitigen Druck stumpf dreieckig oder eylindrisch, die in den Parenchymzellen gereiften sind rund. Die Grösse schwankt bedeutend, sie sind 0,149 bis 0,183 "m. Jang, 0,05 bis 0,11 ==. preit. Mit der Zahl der in einer Zelle enthaltenen Parasiten nimmt die Grösse der Einzelnen ab; die in den Parenchymzellen gereif- ten sind ebenfalls viel kleiner und haben gewöhnlich einen Durchmes- ser von 0,037 bis 0,07 m Wenn die Membran durch Einwirkung von Aetzkali durchsichtiger gemacht wird, zeigt sie sich wieder aus mehreren Schichten gebildet. Bei ihrem Zerspringen fliesst ein durch zahlreiche hellrothe Fetttröpf- chen gefärbter kleinkörniger Inhalt aus, und es machen sich zwei Häute bemerklich, die ihn umschlossen haben. Die innere ist farblos, dünn und zäh, die äussere braun, dick und brüchig. Die Letztere ist meist glatt, zuweilen an den spitzen Enden mit höckerigen Verdickun- gen besetzt, sie zeigt meist eine sehr zarte und dichte Längsstreifung, welche bei Behandlung mit Schwefelsäure besonders deutlich wird. Die angegebene Structur und Entwicklung ist ganz dieselbe wie bei den Dauersporen der Synchytrien, es ist deshalb keinem Zweifel unter- worfen, dass auch dieser Parasit den Synchytrien zuzuzählen ist. Der gelbrothen Farbe seines Protoplasma’s zufolge würde er unter die Syn- chytrien der zuletzt betrachteten Gruppe zu stellen sein, in seiner Ent- wieklung weicht er aber bedeutend von ihnen ab. Ich habe die mit dem Parasiten behafteten Blätter vom ersten Frühjahr, wo sie eben hervorgeschossen waren, bis zu ihrem Abwelken häufig controlirt und nie eine Bildung von Schwärmsporangien gefunden, ich glaube deshalb sicher annehmen zu müssen, dass dieselbe nicht wie beiSynch. Taraxacı und seinen nächsten Verwandten auf der lebenden Pflanze zu Stande kommt, sondern dass die Entwicklung desParasiten der von Synch. Mer- curialis und Synch. globosum gleich ist. Die letzten Blätter von Gagea Ppratensis fand ich in der ersten Hälfte des Juni, von da ab verschwinden 33 sie und kommen erst Ende März wieder hervor. Die Dauersporen, welche durch die Verwesung der Blätter frei geworden, sind also auf eine neunmonatliche Ruhe angewiesen, ehe sie wieder Gelegenheitfinden, in ihre Nährpflanze einzudringen. Wahrscheinlich bilden sich, wie bei den Synchytrien der zuerst besprochenen Abtheilung, die Schwärmspo- rangien in den ersten Frühjahrstagen aus den freigewordenen Dauersporen, und ihre Schwärmsporen dringen in die Epidermis der jungen Gagea- Blätter ein, um sich in dieser sofort wieder zu Dauersporen auszubilden. — Synchytrium laetum nimmt demnach eine Mittelstellung zwischen den beiden Gruppen ein, indem es mit der Zweiten die Farbe des Proto- plasma’s, mit der Ersten die Art der Entwicklung gemein hat. 11. Im Breslauer botanischen Garten fand ich an Gagea pratensis Schult. sehr häufig einen Schmarotzer (Taf. I. f. 9), den ich anfangs mit dem vorher Beschriebenen identifieirte. Die Gallenbildung, welche er veranlasst, ist ganz dieselbe, nur auf die Nährzelle beschränkt. Wo der Parasit einzeln in einer Zelle vegetirt, ist auch Form und Grösse der Sporen der von Synch. laetum gleich. Gewöhnlich hatte‘aber eine sehr reichliche Einwanderung Statt gefunden, so dass bei der Reife der Sporen ganze Strecken des Blattes, besonders seine Spitze, durch die kleinen glänzenden Knötchen derselben gleichmässig braun gefärbt waren. Es fanden sich hier in einer Zelle viel mehr Parasiten, oft acht bis zehn, welche entweder in einer Reihe über einander oder in zwei Reihen gelagert und bedeutend kleiner waren. Sie hatten gewöhnlich die Form abgeplatteter Kugeln von 0,05 bis 0,07 ®=- Durchmesser. Gar nicht selten waren sie auch in den Schliess-Zellen der Spalt- Oeff- nungen anzutreffen, sie waren hier kurz elliptisch, 0,035 "=. Jang, 0,025 "=. breit, die Nährzelle war von ihrer Schwesterzelle nicht merk- lich an Grösse verschieden. Auch bei den reifen Sporen bleibt der Protoplasmainhalt weiss, aus feinen Körnchen und farblosen Oeltröpf- chen bestehend, ihn umschliesst eine dünne farblose Haut, welche wieder von der braunen dicken Aussenhaut umgeben ist. Letztere ist in ihrer ganzen Fläche von regelmässig gestellten glänzenden Punkten besetzt, die sich meist als punktförmige Eindrücke erkennen lassen, manchmal erhebt sich aber auch die Zwischensubstanz in Form grös- serer brauner Warzen. Die Beschaffenheit der äusseren Membran und besonders die des Protoplasmainhalts macht es nöthig, dieses Synchytrium von dem auf Gagea lutea vorkommenden zu trennen, ich habe es daher als Synch. punctatum in die Reihe der weisssporigen Synchytrien gestellt. 12. Dem Synch. laetum steht höchst wahrscheinlich Synch. Myoso- tidis Kuehn sehr nahe, welches von dem Entdecker selbst in Schlesien 3 4 aufgefunden worden ist. Ich habe dasselbe noch nicht auf lebenden Myosotis-Pflanzen gesehen, dagegen hatte ich Gelegenheit, einen auf Lithospermum lebenden Parasiten zu untersuchen, der von jenem nicht verschieden zu sein scheint. Die Pflanzen waren auf einem Acker bei Liegnitz ebenfalls von Herrn Gerhard gesammelt worden, und ich erhielt sie von dort durch die freundschaftliche Vermittlung des Herrn Dr. Sehneider zu verschiedenen Zeiten, so dass ich den Parasiten in verschiedenen Entwicklungszuständen sah. Im unreifen Zustande bil- det er auf Stengel und Blättern von Lithospermum arvense L. gelb- rothe Knötehen, die gewöhnlich so dicht stehen, dass sie zu einer dicken, gleichmässig rothbraun gefärbten Kruste zusammenzufliessen scheinen. Der Stengel ist oft auf weite Strecken von einer solchen Lage umzogen und erscheint dadurch bis zur Stärke eines Rabenfeder- kieles verdickt, die Blätter, welche von ihr bedeckt werden, haben meist scharf eingerollte Ränder und sind auf mannichfaltige Weise verkrümmt. Die. reifen Sporen sind kleinere, schwarzbraune Körnchen, welche in langen Linien oder breiteren Gruppen zusammengestellt sind. Ich fand sie an den obersten Blättern, auch am Kelch und selbst auf der Oberfläche der Nüsschen, ohne dass Wachsthum, Blüthe und Frucht- bildung der Nährpflanzen alterirt wurden. Schon bei schwacher Ver- grösserung eines Querschnittes durch das Blatt wird es ersichtlich, dass die Knötchen aus kugeligen wasserhellen Blasen bestehen, die auf der Blattoberfläche aufsitzen und selbst bei dem dichtesten Stande nicht zusammenfliessen. Ihre Färbung verdanken sie sphäroidalen Körpern, die ohne Spur eines Mycels zu zeigen, in ihrer Mitte ruhen. Auf feineren Durchschnitten (Taf. II. f. 11) sieht man, dass die Blase eine erweiterte Epidermiszelle ist. Ihr Grund liegt zwischen den ganz unveränderten Epidermiszellen und hat die gewöhnliche Breite der- selben, ihr oberes Ende erhebt sich zu einer Aussackung von etwa 0,136 m. Breite und 0,19 "= Höhe, die ganze Zelle erhält dadurch eine umgekehrt beutelförmige oder flaschenförmige Gestalt. Die Nachbar- zellen werden durch den Parasiten in ihrem Wachsthum gar nicht gestört, die Gallenbildung, welche er veranlasst, ist daher hier von der- selben einfachen Natur wie die auf Gagea. Sie gleicht einer abnormen Haarbildung und hat die grösste Aehnlichkeit mit den durch verschie- dene Phytoptus-Arten erzeugten Missbildungen, die unter dem Namen Phyllerium und Erineum beschrieben worden sind. Auch hier bestehen die oft mannigfach gefärbten wollartigen Krusten aus gesonderten haar- artigen Wucherungen, die, wieich wenigstens in den von mir untersuchten Fällen sah, durch Verlängerung einzelner Epidermiszellen entstehen, wahrscheinlich solcher, die durch die Milbe verletzt worden sind. 35 Die normalen Haare von Zithospermum sind wie die ‚vieler Bora- ginaceen pfriemlich, spitz, mit stumpfen Warzen bedeckt. Sie sind mit den abgerundeten, glattwandigen Synchytrium-Nährzellen nicht zu verwechseln und stehen hier und da zwischen ihnen, aber viel spar- samer als an gesunden Theilen der Pflanze, so dass es den Anschein hat, als würde die normale Haarbildung durch die Anwesenheit des Parasiten unterdrückt. Manchmal fand ich auch, wie sich der Schma- rotzer in einem Haare entwickelt hatte, er ruhte in dessen Basis und hatte diese kugelig aufgetrieben, die Spitze dagegen war unverändert pfriemlich, spitz und mit den gewöhnlichen stumpfen Warzen besetzt. Im unreifen Zustande sind die Synchytrien auf Zithospermum kuge- lige Körperchen, die bei auffallendem Lichte chromgelb, bei durch- fallendem orangeroth erscheinen. Sie haben eine farblose dünne Mem- bran und einen gleichmässigen, durch rothes Oel gefärbten Inhalt. Diereifen Sporen sindkugelig, seltener kurz elliptisch, 0,071 bis 0,136 mm. im Durchmesser. Die in den Haaren gebildeten bleiben viel kleiner, sie werden nur etwa 0,05 "= breit. Meist entwickelt sich nur eine, zuweilen zwei, selten drei in einer Nährzelle. Innerhalb der Zelle werden sie von einer braunen Masse umhüllt, durch welche sie eine unregelmässige, oft vieleckige Gestalt erhalten, es ist der vertrocknete Inhalt der Nährzelle. Wenn zwei oder mehr Sporen in einer solchen gereift sind, ist diese braune Masse auch als feste Bindesubstanz zwi- schen ihnen gelagert. Durch Kali-Lösung wird sie leicht erweicht, die isolirten Sporen zeigen dann eine glatte Oberfläche, sie sind glän- zend kastanienbraun, haben einen rothen, sehr ölreichen Inhalt und, wie die anderen Synchytriumdauersporen, eine farblose zarte innere und braune dicke äussere Haut. Kuehn beschreibt sein Synch. Myosotidis in der den getrockneten Exemplaren in der Rabenhorst’schen Sammlung beigefügten Bemerkung folgendermaassen: tuberculis aggregatis, confluentibus, primo luteis, dein fuscis; cellulis nutritüis subrotundis, plerumque ovoiders, mascıime emersis, praecipue hypnosporangium unum, non raro bina, rarius terna concludentibus; hypnosporangüisrotundis, fuscis, diam. 0,06—0,11 Mm. — Alle hier angeführten Merkmale finden sich bei dem Synehytrium auf Lithospermum wieder, nicht nur die Parasiten selbst, sondern auch die durchsie verursachte Gallenbildung ist auf den beiden Pflanzen gleich, die Synchytrien müssen daher zu einer Species gerechnet werden. Der von Kuehn gewählte Name ist freilich nichtmehrrechtzutreffend, ein Uebel- stand, der sich fast immer einstellt, wenn parasitirende Organismen nach ihren Wirthen benannt werden, das Gesetz der Priorität verlangt aber die Erhaltung des von dem Entdecker aufgestellten Speciesnamens. 5* 36 Bei keiner der vielen Lithospermum-Pflanzen, welche ich durchsah, fand ich Schwärmsporangien des Parasiten, ich sah auch nie Spuren davon, dass sie vorhanden gewesen waren, auch Kuehn erwähnt bei Synch. Myosotidis nur Dauersporen. Demnach glaube ich, dass sich die Schwärmsporangien überhaupt nicht auf der lebenden Pflanze bil- den, sondern dass sie erst aus der überwinterten und durch Verwesung der Nährpflanze von ihr abgelösten Dauersporen hervorgehen, die in die jungen Nährpflanzen eingedrungenen Schwärmsporen aber direct zu Dauersporen heranwachsen. Synch. Myosotidis würde demnach in seiner Entwicklung dem Synch. laetum am nächsten stehen, mit welchem es auch in Bezug auf die Gallenbildung die meiste Aehnlichkeit hat. 13. Als ich im Frühjahr 1869 in Gesellschaft mit Herrn Dr. Sehneider den mir bekannten Standort von Synch. Succisae auf- suchte, fanden wir auf derselben Wiese einen anderen Parasiten auf Lysimachia Nummularia, Cardamine pratensis und Prunella vulgaris, der auf diesen Pflanzen ebenfalls lebhaft goldgelbe Knötchen bildete, wie die auf Succisa, so dass wir auf den ersten Anblick glaubten, Synch. Succisae sei auf diese Pflanzen eingewandert. Die nähere Untersuchung bestätigte diese Vermuthung nicht, es fand sich vielmehr, dass der neue Parasit, den ich als Synchytrium aureum bezeichnen will, in seiner Ent- wicklung den beiden zuletzt betrachteten Arten nahe steht. Am reichlichsten und schönsten fand er sich an Zysimachia Num- mularia L., und ich traf ihn an dieser Pflanze auch anderwärts ziem- lich häufig, namentlich auch in der grössten Nähe von Breslau auf den Ohle-Wiesen bei der Margarethenmühle und an feuchten Böschungen zur Seite der Hundsfelder Chaussee, der Parasit ist also wahrscheinlich gar nicht selten. Die erkrankten Pflanzen sind oft über und über mit goldgelben Punkten bestreut. An den Blättern stehen sie meist gleich- mässig über die ganze Fläche vertheilt, der Umriss des Blattes ist dabei nicht verändert, seine Fläche aber durch blasenförmige Auftreibungen, in deren Mitte der Parasit sitzt, wellig verunebnet. An den Stengeln sitzen sie in hyalinen Wärzchen, die zuweilen die Grösse eines Steck- nadelknopfes erreichen; häufig fliessen einige dieser Wärzchen zusam- men, so dass man in einer grösseren Hervorragung zwei oder mehrere gelbe Punkte durchschimmern sieht; die Verschmelzung kann auch noch weiter fortschreiten, dann entstehen dicke Leisten, die sich oft weit längs des Stengels hin erstrecken, oder Krusten, die sich ganz um ihn herumziehen. Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man in den fast durchsichtigen Wärzehen den Schmarotzer als eine lebhaft chromgelbe, gleichförmige Kugel ruhen. Auf dem Durchschnitt ergiebt sich, dass die Gallenbildung derjenigen ganz gleich ist, welche Synch. 37 globosum auf den Veilchenarten anregt, sie besteht aus einer halbku- geligen, später fast eylindrischen Zellwucherung, an deren Scheitel sich eine Depression befindet. Die Zellen sind diekwandig, ihr Inhalt farb- los, nur an den, der Depression zunächst gelegenen Zellen oft violett gefärbt, wodurch dann der Scheitel des Wärzchens roth erscheint. Den Mittelpunkt nimmt die vergrösserte Nährzelle ein, deren Wand an der centralen Einziehung frei liegt, im Uebrigen von ein bis drei Lagen der wuchernden Nachbarzellen umhüllt ist. So lange bis der Parasit aus- gewachsen ist, bleibt die Membran der Nährzelle farblos und ihr Lumen wird von jenem fast ganz ausgefüllt (Taf. III. f. 6), der Schmarotzer selbst ist in diesem Zustande von einer farblosen Haut eingeschlossen, welche sehr leicht zerreisst, sein Inhalt besteht aus einem Gemenge von Protoplasmakörnchen und reichlichen gelben Oeltropfen. Bei der Reife der Sporen bräunt sich der Inhalt der Nährzelle und legt sich dicht an sie an, so dass dadurch ein unregelmässig eiförmiger Körper gebildet wird, dessen spitzes Ende im Scheitel des Wärzchens frei zu Tage tritt (Taf. III. f. 7). Die Sporen werden immer einzeln in ihren Nährzellen gebildet, und sie gehören zu den grössten Synchytrium- dauerzellen, die überhaupt vorkommen, sie sind immer kugelig und haben Durchmesser von 0,12 bis 0,26, meist aber von 0,16 bis 0,18 mm. Wenn durch Kalilösung die braune Hülle der Nährzelle abgelöst ist, erscheinen sie glänzend kastanienbraun und auf ihrer Oberfläche ganz glatt. Durch vorsichtigen Druck lässt sich die äussere hornartige, dieke braune Haut für sich absprengen und die in ihr enthaltene Kugel erscheint dann ganz so wie das unreife Synchytrium, lebhaft goldgelb, von einer dünnen farblosen Membran eingeschlossen und fast ganz von gelben Oeltropfen erfüllt. Auf Prunella und Cardamine fanden sich die Schmarotzer viel sparsamer, als auf Lysimachia, auf Cardamine möglicherweise nur deshalb so selten, weil im Juni, wo ich Synch. aureum zuerst antraf, überhaupt nur noch wenige Wurzelblätter dieser Pflanze vorhanden waren. Die Sporen lagen hier in steeknadelkopfgrossen isolirten Wärz- chen, bei Prunella war der Inhalt der Wärzchenzellen gewöhnlich violett gefärbt. In Form, Grösse und Struetur unterschied sich der Parasit nicht von dem Synehytrium aureum auf Lysimachia, es ist darum für jetzt kein Grund vorhanden, ihn von dieser Species abzutrennen. Ich fand auf diesen Pflanzen niemals Schwärmsporangienhaufen des Synehytriums, und schloss deshalb schon früher, dass sie sich auf der lebenden Nährpflanze nicht entwickeln würden, sondern erst, wie bei der ersten Gruppe, nachdem die Dauersporen durch Verwesung der Nährpflanzen frei geworden. Noch in vorigem Herbst konnte ich die 38 Entwicklung des Parasiten weiter verfolgen und mich überzeugen, dass die erwähnte Ansicht richtig war. Ich hatte Ende October eine grös- sere Menge Lysimachia-Pflanzen eingesammelt, an deren unteren Stengeltheilen und welken Blättern reichliche Synehytriensporen sassen. Ich legte sie nach der von Woronin zur Cultur von Synch. Mercu- rialis eingeschlagenen Methode in frisches Wasser und erneuerte dieses durch einige Zeit täglich. Die welken Blätter und die vertrocknete Epidermis an den unteren Stengelgliedern erweichten sich schnell und lösten sich ab, die Sporen wurden frei und lagerten sich am Boden des Gefässes. Sie waren noch in ihre Nährzelle gehüllt und bildeten mit derselben die beschriebenen dunkelbraunen, fast undurchsichtigen, eiförmigen Klumpen. Schon drei Wochen nach Beginn der Maceration, also Ende November, begann die Weiterentwicklung der Sporen, die im Wesentlichen der von Synch. globosum ähnlich war. Die Membran der Nährzelle und die äussere Sporenhaut waren jetzt sehr brüchig geworden, so dass sie durch leichtes Verschieben des Deckgläschens abgetrennt werden konnten, durch die Maceration selbst wurden sie indess nie losgelöst. Der Inhalt der Sporen, der bei ihrer Reife fast ganz aus Oeltropfen bestand, nahm ein immer mehr feinkörniges An- sehen an. Während anfangs die feinen Protoplasmakörnchen isolirt waren und mit den feinsten’ Oeltröpfehen leicht verwechselt werden konnten, traten sie in späteren Entwicklungs-Stadien zu kleinen Klümpchen zusammen, die sich als kernartige, bei durchfallendem Lichte dunkele Gebilde, von dem Oele deutlich unterschieden. Nach einiger Zeit sah man nun auf den braunen Klumpen lebhaft chromgelbe Punkte erscheinen, die schnell zu kleinen Kugeln heranwuchsen. Wenn ihr Wachsthum beendet war, hatten sie dieselbe Grösse wie die Synchytriumsporen und sassen an einem Punkte fest an dem braunen Sporenballen auf. Die Mitte desselben erscheint jetzt hell und es wird ersichtlich, dass der Inhalt in Gestalt der gelben Kugel aus der Spore ausgetreten ist. Sie sieht den unreifen Synchytrien sehr ähnlich, und besteht aus einem sehr dichtkörnigen gelben Protoplasma und einer ziemlich dicken farblosen Membran, die durch Jodzusatz rosenroth, durch Jod und Schwefelsäure lebhaft violett gefärbt wird. Die ent- leerten Häute der Spore werden durch diese Reagentien nicht gefärbt. In dieser Kugel bildet sich eine grosse Anzahl von Tochterzellen (Taf. III. f. 8), etwa 150 bis 200, soweit ersichtlich durch simultane Theilung. Sie liegen dicht gedrängt und haften fest an einander, so dass sie eine zusammenhängende Kugel bilden. Ihre Hüll- Membran reisst unregelmässig ein, die Sporangienkugel tritt aus und schwimmt auf der Oberfläche des Wassers umher, Wenn sie zerdrückt wird, 39 zeigt sich zwischen den einzelnen Zellen auch hier ein zartes Netz aus farbloser Zwischensubstanz. Die einzelnen Sporangien (Taf. III. f. 9) sind unregelmässig polygonal oder sphäroidal, mit all den Form- Abweichungen, die bei den Schwärmsporangien anderer Synchytrien vorkommen. Sie unterscheiden sich von denen des Synch. globosum nur durch die gelbe Farbe ihres Protoplasmas. Nach Zusatz von Jod und Schwefelsäure bleibt die farblose Membran unverändert, der Inhalt zieht sich von den Wänden zurück und schrumpft zu einem rothbraunen Klumpen zusammen, wobei sich meist aus ihm ein oder zwei Tropfen gelben Oeles ausscheiden (Taf. III. f. 10). In den beschriebenen Zellen bilden sich wahrscheinlich die Schwärmsporen in derselben Weise wie bei den anderen Synchytrien. Ich habe im Herbste ihre Entwicklung nicht beobachten können, und vermuthe, dass die Jahreszeit nicht gün- stig dafür war, denn im Freien kommt gewiss die Bildung der Spöran- gien und Schwärmsporen erst im Frühjahr zu Stande. Bis zu Anfang Mai dieses Jahres fand ich sämmtliche Stellen, an denen ich vorher Synch. aureum gefunden, mit Wasser bedeckt, und wahrscheinlich findet der Schmarotzer hier jedes Jahr diese, für seine Entwicklung und weitere Verbreitung so günstigen Bedingungen. Eine Einwanderung in Zysimachia oder (ardamine, die dort unter einander wuchsen, war bis zur genannten Zeit noch nicht erfolgt. 14. Wenn wir die systematischen Merkmale der bisher beschrie- benen Synchytrien noch einmal kurz zusammenfassen, so können wir sie in drei Abtheilungen gruppiren, und die einzelnen Arten folgender- maassen auseinanderhalten. 1. Eusynehytrium. Protoplasma gelbroth gefärbt. Auf der leben- den Pflanze werden aus den herangewachsenen Schwärmsporen zuerst kugelige Haufen von Schwärmsporangien gebildet, am Schluss der Vegetationsperiode Dauersporen. 1) 8. Taraxaci de By. et Wor. Die in die Nährzelle eingedrun- gene Schwärmspore schwillt zu einer Kugel an, in der durch directe Theilung die Schwärmsporangien entstehen. Die Dauersporen werden einzeln in einer Epidermiszelle gebildet. Die Gallenbildung ist im ent- wickeltsten Zustande halbkugelig. — Auf Taraxacum officinale Web. 2) Synch. Succisae de By. et Wor. Die Synehytriumkugel theilt sich nicht direct, sondern ihr Inhalt entleert sich durch eine feine Oeff- nung in die Nährzelle und zerfällt dann in den Sporangienhaufen, der meist über 100 Sporangien enthält. Die entleerte Sporenhaut liegt im unteren Theile der Nährzelle. Die Dauersporen werden meist zu meh- ‚.reren in den Zellen der Galle gebildet und sind dann viel kleiner als bei 8. Tar. Gallenbildung eylindrisch, — Auf Succisa pratensis Mnch, 40 3) Synch. Stellariae Fuck. Bildung der Schwärmsporangien wie bei Synch. Succ., doch enthält eine Kugel meist weniger als 30 Spo- rangien. Die entleerte Sporenhaut liegt im oberen Theile der Nähr- zelle. Die Dauersporen werden zu ein bis drei in den Epidermiszellen gebildet. Gallenbildung halbkugelförmig. — Auf Stellaria media Vill. II. Ohrysochytrium. Protoplasma rothgelb oder gelb gefärbt. Die in die lebende Pflanze eingedrungenen Schwärmsporen bilden sich sogleich zu Dauersporen aus. Aus den durch Verwesung der Nähr- pflanze freigewordenen Dauersporen tritt der Inhalt nach Ablauf einer Ruhepause aus und theilt sich in Schwärmsporangien, 4) Synch. laetum n. sp. Dauersporen länglich elliptisch, meist einzeln, seltener zu mehreren in einer Zelle gebildet. Gallenbildung auf eine bau- chige Auftreibung der Nährzelle beschränkt. — Auf Gagea lutea Schult. 5) Synch. Myosotidis Kuehn. Dauersporen kugelig oder kurz elliptisch. Nährzellen sackartig erweitert und weit über die Epidermis vorgezogen. — Auf Myosotis stricta Lk. und Lithospermum arvense L. 6) Synch. aureum n. sp. Dauersporen grosskugelig. Gallenbil- dung in einer cylindrischen oder halbkugligen Wucherung der Epider- miszellen bestehend. — Auf Zysimachia Nummularia L., Cardamine ‚pratensis L. und Prunella vulgaris L. III. Leucochytrium. Protoplasma weiss, Entwicklung wie bei Chrysochytrium. 7) Synch. Mercurialis Fuck. Dauersporen kurz elliptisch, äus- sere Sporenhaut hellbraun, glatt, Gallen becherförmig. — Auf Mercu- rialıs perennis L. 8) Synch. Anemones (DC) Wor. Dauersporen kugelig, äussere Sporenhaut dunkelbraun, meist höckerig, Gallen halbkugelig. — Auf Anemone nemorosa L. und Anemone ranunculoides L. 9) Synch. globosum n. sp. Dauersporen kugelig oder kurz ellip- tisch, äussere Sporenhaut gelb, glatt, Gallen halbkugelig oder eylin- drisch. — Auf Viola persicifolia Schk. und Viola canına L. 10) Synch. anomalum n. sp. Dauersporen von sehr verschie- dener Gestalt und Grösse, oft bohnen- oder nierenförmig, äussere Sporenhaut hellbraun, glatt, Gallen halbkugelig oder eylindrisch. — Auf Adoxa Moschatellina L. 11) Synch. punctatum n. sp. Dauersporen elliptisch, äussere Sporenhaut braun, feinpunktirt oder warzig, Gallenbildung auf An- schwellung der Nährzelle beschränkt. — Auf Gagea pratensis Schult. Während bisher 6 Synchytrien auf 6 Nährpflanzen bekannt gemacht waren, habe ich in der vorstehenden Uebersicht 11 Species dieser Gat- tung, die sich auf 16 verschiedenen Pflanzen finden, aufführen können. 41 15. Ob alle diese Formen wirklich scharf getrennte Arten repräsen- tiren, darf freilich noch nicht als bewiesen angesehen werden, denn wenn sie auch anscheinend alle unter einander bedeutende Verschiedenheiten zeigen, so sind doch grade bei den Synchytrien einige Unterscheidungs- merkmale, die bei anderen Organismen zu den wichtigsten und con- stantesten gehören, so veränderlich, dass sie zur speeifischen Beschrei- bung nicht benützt werden können. Allgemein fühlt man sich versucht, zwei Parasiten für specifisch verschieden zu halten, die auf systematisch weit von einander ent- fernten Pflanzen vorkommen. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass einzelne Schmarotzer nur auf einer einzigen Pflanzenart leben, andere nur auf den Mitgliedern einer bestimmten Pflanzenfamilie, und dass es nicht gelingt, sie auf eine fremde Species, resp. die einer fremden Familie zu übertragen. Dieser Erfahrung nach würde es genügen, für die Unterscheidung des Synch. globosum von S. Anemones und Synch. laetum von 8. Myosotidis ihr Vorkommen auf Pflanzen aus weit verschie- denen Familien anzuführen. Ob grade für Synchytrium diese Erfahrung Geltung hat, muss erst durch weitere Versuche ermittelt werden, es ist daher vorläufig kein unterscheidender Werth darauf gelegt, und z. B. unter S. aureum ein Parasit vereinigt worden, der sich auf Pflanzen aus drei im natürlichen System sehr getrennt stehenden Familien findet. Die Gallenbildungen, welche die einzelnen Synchytrien hervorrufen, sind anscheinend für die Species sehr charakteristisch. Kein Anderes ver- anlasst becherförmige Wärzchen wie Synch. Mercurialis, kein Anderes die haarartigen Zellaussackungen wie S. Myosotidis. Zur Artunter- scheidung der Parasiten selbst können diese Merkmale aber nicht mit Recht benützt werden, denn die Galle ist kein Theil, der zu jenem gehört, sondern sie ist ein Theil des durch den Eindringling zu einer Reaction veranlassten Wirthes. Es hat demnach mehr Wahrscheinlich- keit, dass die Verschiedenheit der Gallenbildung durch die Verschieden- heit der Nährpflanze, als durch die specifischen Verschiedenheiten der Parasiten bedingt wird, und es erscheint sehr möglich, dass die Schwärmsporen von S. Mercurialis, wenn sie sich in den Epidermis- zellen von Gagea entwickeln können, nur eine bauchige Auftreibung derselben, die von 5. globosum auf Mercurialis eine becherförmige Wucherung veranlassen werden. Wir sahen sogar, dass sich auf ver- schiedenen Theilen derselben Pflanze die Gallen desselben Schma- rotzers nicht gleich bleiben, z. B. bei $. Mercurialis am Blatte becher- förmig, am Stengel halbkugelig sind, bei S. anomalum am Blatte halbkugelige Wärzchen werden, am Blattstiele zuweilen auf die An- sehwellung der Nährzelle beschränkt bleiben. 42 Bei den meisten niederen Sporen - Pflanzen ist die Grösse der aus- gebildeten Sporen sehr constant, und die genaue Messung derselben gehört zu den wichtigsten Merkmalen der Bestimmung. Bei den Syn- chytrien ist dieses nicht der Fall, das Maximum der Grösse schwankt bei den Dauersporen der verschiedenen Species viel weniger, als die Grösse der einzelnen Sporen bei derselben Art. Es ergiebt sich sogar, dass die Grösse durch bestimmte Verhältnisse bedingt ist, nämlich durch die Grösse der Nährzelle und die Zahl der in einer Zelle heran- wachsenden Parasiten: je grösser die Nährzelle, desto grösser der Parasit, je zahlreichere Schmarotzer in einer Zelle, desto kleiner der Einzelne. Wenn wir nun finden, dass die Dauersporen der einzelnen Arten in den Epidermiszellen eine oft ziemlich constante Grösse haben, so können wir dieses auf eine constante Grösse der Epidermiszellen bei den einzelnen Nährpflanzen zurückführen, und brauchen keine spe- eifische Verschiedenheit der Parasiten daraus abzuleiten. Wie mit der Grösse, so verhält es sich auch mit der Gestalt der Dauersporen, auch diese wechselt bei derselben Species oft recht erheblich. Wir konnten freilich finden, dass sie bei dem Einen fast immer rund, bei dem Anderen kurz- oder lang-elliptisch, bei einem Vierten oft unsymmetrisch ist, so konstant blieben aber diese Unter- schiede nie, dass sie immer zutrafen, zur genauen Trennung der Arten können sie also nicht dienen. Uebrigens ist die Form der Nährzelle von unverkennbarem Einfluss auf die Gestalt der Sporen, wie sich z. B. deutlich bei Synch. laetum zeigt, dessen Sporen lang elliptisch sind, wenn sie sich in den lang gestreckten Epidermiszellen, rundlich, wenn sie sich in den rundlichen Parenchymzellen entwickelt haben. Wenn wir von den hier beleuchteten Merkmalen abstrahiren, so bleiben bei dem sehr einfachen Baue der Synchytrien nur wenige Punkte übrig, durch welche bei ihnen Arten unterschieden werden könnten, es sind dies im Wesentlichen nur die Farbe des Protoplasmas und die verschiedene Entwicklung. Durch Entwicklungsverschiedenhei- ten zeichnen sich nur die drei Arten der Gruppe Eusynchytrium aus, für dieangenommenen Arten der Gruppe Uhrysochytrium und Leucochytrium sind noch keine charakterisirenden Arteigenthümlichkeiten bekannt. Fassen wir den Begriff der Species nicht rein morphologisch, son- dern genetisch auf, als eine solche Verschiedenheit zwischen zwei Organismen, dass sich der Eine nicht aus den Keimen des Anderen ent- wickeln kann, so lassen sich nur durch Culturen die Artverschieden- heiten nachweisen. Bei Synchytrium sind diese grade nicht schwer, und mit einiger Geduld könnten bald sichere Resultate gewonnen werden, es sind aber noch wenig Versuche der Art angestellt worden. De Bary 43 und Woronin übertrugen die Schwärmsporen von Synch. Tarazxaci auf junge Suceisa-Pflanzen und fanden, dass dadurch keine Ansteckung her- vorgebracht wurde. Die Schwärmsporen von Synch. Suceisae brachte ich andererseits auf junge Sprossen von Zysimachta Nummularia und Taraxacım, und ich sah auch hier keine Einwanderung erfolgen. Ueber die Uebertragbarkeit der weisssporigen Synchytrien, die sich offenbar am nächsten stehen, auf die verschiedenen Nährpflanzen habe ich noch keine Versuche einleiten können, ich will aber einer Beob- achtung erwähnen, die ich in der freien Natur gemacht, und die einem absichtlich angestellten Experimente ziemlich nahe kommt, Unter den Mereurialis-Pflanzen im botanischen Garten, welche in so bedeutendem Maasse von Synchytrium befallen sind, wachsen viele Stöcke von Viola odorata. Wenn der Parasit auf Mercurialis mit dem Synchytrium globosum identisch wäre, so würde er gewiss auch in die Viola-Pflanzen eingewandert sein, denn Viola odorata steht den Veilchenarten, auf denen sich $. globosum befindet, nahe genug, um ihn für den Parasiten zu ersetzen. Die Veilchen blieben jedoch immer von dem Synchytrium verschont, und daraus möchte ich auf die specifische Verschiedenheit dieser beiden Schmarotzer schliessen. 16. Durch Culturen liesse es Sich auch entscheiden, ob die Syn- chytrien noch auf andere als die bisher angeführten Pflanzen über- wandern können. Diese Frage hat eine praktische Bedeutung, die hier nicht unerwähnt bleiben darf. Dass die Synchytrien häufiger sind, als es nach den bisherigen Angaben zu erwarten war, haben mich meine eigenen Befunde gelehrt, sie kommen wahrscheinlich aber sehr ver- breitet vor, und werden noch in weiteren Formen aufgefunden werden, wenn erst die Aufmerksamkeit allgemeiner darauf gerichtet ist, ich kann es wenigstens nicht anders erklären, dass mir diese Parasiten in der ziemlich kurzen Zeit und auf dem beschränkten Gebiet, in dem ich auf sie geachtet, so häufig vorgekommen sind. Auch fehlt es nicht an Andeutungen, dass sie Anderen schon öfter aufgestossen sind. Raben- horst') führt z. B. bei der Beschreibung der von De Bary und Woronin aufgestellten Synchytrien an, dass er ähnliche Schmarotzer in Aegopodium, Sagittaria, Vaccinium, Dipsacus, Knautia und La- thyrus gefunden habe. Er erwähnt freilich, dass er beikeinem derselben Schwärmsporenbildung beobachtet hat, leider erfahren wir auch durch ihn nichts über die Grösse und Struetur der Sporen, es würde dann leichter gewesen sein zu beurtheilen, ob sie wirklich zu Synchytrien gehörten. Manche der von früheren Auctoren als Protomyceten aufgestellten Arten mögen ebenfalls hierher gehören. 1) L.Rabenhorst, Flora europaea Algarum. Lps. 1868. III. p. 284, 44 Bei der grossen Verbreitung der Synchytrien ist es auffallend, dass sie noch auf keiner unserer Culturpflanzen gefunden worden sind. Dass sie indess auch diese befallen könnten, ist von vornherein nicht unwahrscheinlich. Es ist im Eingange darauf hingewiesen worden, dass man jetzt die Pilzkrankheiten der wildwachsenden Pflanzen der- selben Beachtung würdigt wie die der Culturpflanzen. Dadurch ist man zu der Erfahrung gekommen, dass die meisten Pilze, welche unseren angebauten Gewächsen schädlich werden, auch auf wildwach- senden Pflanzen vorkommen und sich von ihnen erst auf jene aus- breiten. Es könnte demnach immer einmal eine neue Krankheit auf- treten, die ihren Grund in massenhaftem Auftreten von Synchytrien hätte. Auf diese Möglichkeit weiter einzugehen, scheint jetzt, wo noch nicht der geringste Anhalt für ihr Zustandekommen vorhanden ist, überflüssig, ich will nur erwähnen, dass nach den bekannten Lebens- bedingungen der Synchytrien ihr Auftreten in erster Reihe nicht bei den Gräsern und Leguminosen, die das Gros unserer Feldfrüchte bilden, zu erwarten wäre, sondern eher bei den Gemüsepflanzen unserer Gärten. 17. Es mögen mir zum Schlusse noch einige Bemerkungen über die systematische Stellung der Organismen, die uns hier beschäftigt haben, gestattet sein. Dass die Synchytrien zu den Chytridiaceen zu rechnen sind, wurde schon bei ihrer Entdeckung erkannt, über die Stellung dieser Familie selbst können einige Zweifel entstehen. Wenn sie, mehr aus Rücksicht auf die ihnen verwandten Orga- nismen, als auf ihre einfachen Lebenserscheinungen, unzweifelhaft zu den Pflanzen gerechnet werden müssen, kann man nur schwanken, ob man sie als Algen oder Pilze ansehen will. Nach der noch immer gangbarsten Definition fasst man unter dem Namen der Pilze dieje- nigen Pflanzen zusammen, die aus ihren Sporen entstehen, kein Chloro- phyll enthalten und darum auf schmarotzende Lebensweise angewiesen sind. Der einzige Unterschied zwischen Algen und Pilzen bestände demnach in dem Chlorophylimangel der Letzteren, und die chlorophyli- losen Chytridiaceen gehörten unter die Pilze. Dennoch findet sich in den neueren mykologischen Werken diese Familie kaum erwähnt, vielleicht wegen ihrer grossen Abweichungen von den meisten anderen Pilzen. In der That besitzen dieselben in dem fadenförmigen Mycel eines der wichtigsten Merkmale, welches so constant bei ihnen auftritt, dass man sie ja schon mit den Flechten und einem Theile der Algen in eine grosse Gruppe der Fadenpflanzen, Ino- phyten, vereinigt hat. Man hat es als unerlässlich für die Charakteri- sirung eines Pilzes erklärt, dass sich aus der Spore ein Zell-Faden ent- wickelt, der als vegetatives Organ dient, und von dem sich später das 45 teproductive, sporenbildende Organ als ein besonderer Theil abgliedert. Der Mangel dieses Entwicklungsganges bei den Myxomyceten ist z. B. als gewichtiger Grund für ihre Ausscheidung aus der Klasse der Pilze aufgeführt worden. Bei den Chytridiaceen finden sich diese Merkmale ebenfalls nicht, sie besitzen kein Mycel und die Abgrenzung einer Fruchtzelle von einem vegetativen Theile findet nicht Statt, sondern dieselbe Stelle ist zuerst mit allen ihren Theilen vegetatives Organ, indem sie durch gleichmässige Vergrösserung wächst, und wird dann mit allen ihren Theilen Reproductionsorgan, indem sie vollständig zur Spore wird oder in Sporen zerfällt. So isolirt nun auch dieser Entwicklungstypus unter den Pilzen dasteht, so fehlt es doch nicht ganz an Uebergängen zu anderen Fami- lien. Schon bei einigen Genera der Chytridiaceen, bei Ahrzophydium und Khizidium finden sich die ersten Andeutungen einer Mycelbildung, und bei Pythium, das von den Saprolegniaceen nicht zu trennen ist, ist dieses ebenfalls nur sehr rudimentär ausgebildet. Bei Arhrzıidium findet sich auch schon in einem bestimmten Entwicklungszustande die erste Abgliederung eines Reproductionsorganes ebenso ausgebildet wie bei Empusa, die vielleicht zu den Saprolegniaceen gerechnet werden kann. So finden sich, wenn auch wenige, so doch ganz unverkenn- bare und stufenweise Uebergänge von den Chytridiaceen zu anderen Familien aus der Abtheilung der Phycomyceten. Bleiben diese in der Reihe der Pilze stehen, so müssen auch die Chytridiaceen zu denselben gezählt und als erste und unentwickeltste Familie der Phycomyceten hingestellt werden, Wenn man die Pilze nach ihrer durchgreifendsten Entwicklungs- eigenthümlichkeit, der Sporenbildung, eintheilt, wird es sich empfehlen, neben den Ascosporeen und Basidiosporeen auch noch eine Abtheilung der Zoosporeen und der Zygosporeen, vielleicht auch eine fünfte der Schicosporeen anzunehmen. Zu den Zoosporeen würden ausser den Chytridiaceen noch die Saprolegniaceen und die Peronosporaceen zu rechnen sein. Durch die Art der Fortpflanzung und das Verhalten des vegetativen zum reproductiven Organe, sowie durch die ganze Vege- tation überhaupt, sind diese drei Familien etwa durch folgende Merk- male von einander geschieden: 1) Die Chytridiaceen besitzen nur Fort- pflanzung durch ungeschlechtlich gebildete Schwärmsporen und Dauer- sporen, ein Unterschied zwischen vegetativen und reproductiven Organen findet nicht Statt; 2) die Saprolegniaceen pflanzen sich durch reichliche, ungeschlechtlich gebildete Schwärmsporen und ausserdem durch geschlechtlich gebildete Sporen fort, das Reproductionsorgan ist 46 von dem fadenförmigen Vegetationsorgane deutlich abgegrenzt, eine Conidienabschnürung findet sich bei ihnen nicht; 3) die Peronospora- ceen besitzen geschlechtlich gebildete Sporen und ungeschlechtliche Schwärmsporen, beide aber nicht bei allen Arten, das vegetative Organ ist als reich verzweigtes Mycel sehr entwickelt und an ihm findet regel- mässig Conidienbildung Statt. Vollständig scharf ist übrigens die Trennung nicht durchzuführen, alle drei Familien sind vielmehr als verschieden weit entwickelte Gruppen desselben Bildungstypus anzusehen, die vielfach in einander übergehen. 13. In neuerer Zeit bricht sich immer mehr die Ueberzeugung Bahn, dass unsere jetzt noch herrschende Eintheilung der niederen Pflanzen eine ganz unnatürliche ist. Dass sich das Gebiet der Algen und Pilze, namentlich in ihren einfachsten Zuständen, nicht trennen lässt, hat Ferd. Cohn schon vor längerer Zeit behauptet und an einigen schlagenden Bei- spielen dargethan'). Er kommt zu dem Schlusse, dass das Reich der Pilze überhaupt als ein eigenes Reich aufzuheben sei. Es würde mich über die Grenzen dieses Aufsatzes hinausführen, wollte ich auf eine Gruppirung der einzelnen Pilzfamilien in diesem Sinne weiter eingehen, ich beschränke mich daher auf die Untersuchung, welche Stellung den Chytridiaceen bei einer Auflösung des Pilzreiches zuzuweisen sein wird. Am nächsten liegt es, sie unter die Algen zu versetzen, und die meisten Auctoren haben dies auch schon gethan, Rabenhorst führt sie z.B. mit den Saprolegniaceen als Anhang zu den Siphophyceen auf). Da die Algen aber ebenfalls dem Schicksale der Auflösung verfallen sind, müssen wir uns näher nach den natürlichen Verwandten der Chytridien umsehen. Agassiz hat den Grundsatz aufgestellt, dass die Systematik auf die Embryologie basirt werden müsse. In der Zoologie ist derselbe allgemein anerkannt und mit grossem Scharfsinn und grossem Glück durchgeführt worden, in der Botanik wird er jedoch noch nicht in glei- cher Vollständigkeit beobachtet, wiewohl er hier dieselbe Berechtigung hat. Gehen wir darauf zurück, wie die Chytridiaceen in ihrem ersten Entwicklungszustande auftreten, so finden wir sie als Zoospore, und wir sehen, dass sich diese Zoospore ohne Zuthun eines zweiten orga- nischen Elementes zur vollständigen Pflanze ausbildet. Diesen Entwick- lungsgang finden wir noch bei einer Anzahl anderer Pflanzenfamilien, die wir unter dem Namen der Zoosporeen vereinigen können, es sind aus- 1) Dr. Ferdinand Cohn, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der mikroskopischen Algen und Pilze, (Novaacta acad. C.L. C. Vol. XXIV. P, 1. p. 4—42). 2) L. Rabenhorst, Flora europaea algarum p. 277 ff. 47 ser den schon oben angeführten pilzartigen Organismen, von Algen beson- ders: ein grosser Theil der Palmellaceen, die Volvocineen, Vaucheria- ceen, Oedogoniaceen, Confervaceen etc. Diese Familien zeigen die- selben Unterschiede, welche wir vorher bei den Phycomyceten gesehen haben: sie besitzen entweder ungeschlechtlich gebildete Schwärm- sporen als einzige Art der Fortpflanzung oder ausserdem geschlechtlich gebildete Sporen, ebenso ist bei einem Theile von ihnen vegetatives und reproductives Organ in einer Zelle vereinigt, bei einem anderen Theile getrennt. Die nächsten Verwandten der Chytridiaceen finden wir unter den chlorophylihaltigen Algen bei den Palmellaceen, bei ihnen ist die einzelne Zelle ebenfalls zu gleicher Zeit vegetatives und reproduktives Organ, und bei der Fortpflanzung zerfällt bei einem grossen Theil von ihnen ebenfalls der ganze Inhalt in Schwärmsporen, von denen jede einzelne durch gleichmässige Anschwellung zu einem dem Mutterorganismus gleichen Individuum heranwächst. Sehen wir also nur auf den Gang der Entwicklung, so können wir die Chytridia- ceen einfach zu den Palmellaceen stellen. Die Palmellaceen, auch wenn man nach dem Vorgange aller neue- ren Auctoren die Chroococcaceen und Volvocineen von ihnen abge- trennt hat, vereinigen aber immer noch eine grosse Anzahl Arten von sehr verschiedener Entwicklungsweise. Ein Theil von ihnen pflanzt sich durch unbewegte Sporen fort, z. B. Pleurococcus, Schizochlamys etc., ein anderer durch Schwärmsporen. Nur mit den Letzteren haben die Chytridiaceen Aehnlichkeit. Die Characien und Pediastren stehen ihnen in vieler Beziehung sehr nahe, sie unterscheiden sich aber funda- mental von ihnen durch die Bildung der Schwärmsporen, welche bei Characium und Pediastrum durch fortgesetzte Zweitheilung, bei Chytridium durch simultane Theilung zu Stande kommt. Naegeli') unterschied von den Palmellaceen die Protococcaceen dadurch, dass sie sich durch freie Zellbildung fortpflanzen, es würde daher passend sein, die Chytridiaceen unter die Protococcaceae Naeg. zu rechnen, wenn die Familie in dieser Begrenzung erhalten werden soll, wogegen sich schon A. Braun erklärt hat?). Protococcus Ag., Haematococ- cus Ag. und Ühlorococcum Grev. sind Gattungen, die in Bezug auf ihre Fortpflanzung noch zu wenig bekannt sind, und es ist namentlich auch bei Naegeli nicht angegeben, ob sie, was höchst zweifelhaft erscheint, Schwärmsporen bilden. Von den bis jetzt genauer bekannten Palmellaceen findet sich 1) C, Naegeli, Die neueren Algensysteme, Zürich 1847, p. 153, und: Gat- tungen einzelliger Algen, Z. 1849, p. 17 u. p. 40. . 2) A. Braun, Algarum unicellularum genera nova, Lips. 1855, p. 20 u. 25. 48 Schwärmsporenbildung durch simultane Theilung des Inhalts nur bei den Gattungen: Hydrodictyon Rott., Hydrocytium A. Br., Codiolum A. Br., Sciadium A. Br. und wahrscheinlich Ophiocytium Naeg. Sie lassen sich wieder in zwei Abtheilungen gruppiren, bei den Einen, Hydrodictyum und Hydrocytium, zerfällt nur der Belag der Zellwand in Schwärmsporen, bei (odiolum der ganze Inhalt der Zelle. Letzteres genus steht also den Chytridiaceen am nächsten. Es würde überflüssig sein, hier die Unterschiede aufzuführen, welche immerhin noch die Chytridiaceen von ihren nächsten chloro- phylihaltigen Verwandten trennen. Ihre parasitische Lebensweise muss schon an sich charakteristische Eigenthümlichkeiten herbeiführen. Es genügt am Schlusse, das Resultat der letzten Betrachtung dahin zusammenzufassen, dass die chlorophylllosen Chytridiaceen in ihrer Entwicklung die grösste Aehnlichkeit mit vielen schwärmsporenbilden- den Palmellaceen zeigen, und sich in dieser grossen Abtheilung als eine eigene Familie einreihen lassen, die unter den bis jetzt bekannten Palmella- ceen mit Hydrocytium, Codiolum ete. am meisten übereinstimmt. Als der Druck dieses Aufsatzes schon abgeschlossen war, erhielt ich einige von Herrn Gerhard bei Liegnitz gesammelte Exemplare von Potentilla argentea L. mitgetheilt, deren Blätter mit kleinen, gallen- artigen Bildungen bedeckt waren. In frischem Zustande erschienen sie als karminrothe Kügelchen, die so dicht standen, dass sie stellenweise zu einer Kruste zusammenflossen. Sie erwiesen sich als Synchytrien- Gallen, ganz analog denen von Synch. Myosotidis durch beutelförmige Ausdehnung der Epidermiszellen gebildet. Ihre Farbe rührte davon her, dass die Nährzelle mit einer carminrothen Flüssigkeit erfüllt war. Durch Kali wurde dieselbe grün gefärbt, durch Glycerin konnte sie ganz ausgezogen werden. Dann sah man in den Nährzellen den Para- siten ruhen, der von einer glatten braunen, dicken äusseren, einer farb- losen, dünnen inneren Membran umgeben und von einem durch hellrothes Oel gefärbten Inhalt erfüllt war, also im Ganzen den Sporen von Synch. Myosotidis glich, nur waren die Zellen viel kleiner, meist oval und oft nach unten etwas verschmälert. Mit Verweisung auf meine über die Artverschiedenheit vieler Syn- chytrien geäusserten Zweifel will ich bis auf Weiteres diesen Parasiten nicht als besondere Spezies aufstellen, sondern nur als var. Potentillae zu Synch. Myosotidis stellen. — Immerhin bietet der Befund ein neues Beispiel von der unerwartet weiten Verbreitung der Synchytrien auf Pflanzen der verschiedensten Familien. mn Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 3 Fig. 4 Erklärung der Abbildungen. Tafel 1. Fig. 1—4. Synchytrium globosum. Reife Dauerspore in ihrer natürlichen Lage. Senkrechter Schnitt durch die Mitte des Wärzchens. 200. Reife Dauerspore zersprengt, so dass die äussere gelbe, dicke, und die innere farblose zarte Haut sichtbar werden. 200. Entwicklung der Schwärmsporangienkugel. 200. Isolirte Sporangien mit dem Netz der hyalinen Zwischensubstanz. 500. Fig. 5—7. Synchytrium anomalum. Reife Dauersporen aus den Parenchymzellen des Stengels. 50. Reife Dauersporen aus den Epidermiszellen des Blattstiels. 200. Reife Dauersporen aus den Epidermiszellen der Blattscheide. 200. Fig. 8. Synchytrium laetum. Reife Dauersporenin den Epidermiszellen und in einer Parenchymzelle. 200. Fig. 9. Synchytrium punetatum. Reife Dauersporen in einer Epidermiszelle und einer Spaltöffnungszelle gebildet. 200. Tafel II. Synchytrium Suceisae. Ausgebildete Synehytriumkugel in ihrer Lage. Senkrechter Durchschnitt durch das Wärzchen. 200. Schwärmsporangienhaufen und entleerte Synclhytriumzelle in der Central- höhle des Wärzchens. Senkrechter Durchschnitt durch dasselbe. 200. Isolirte Sporangien. 500. Theilung des Inhalts der Sporangien bei Beginn der Sporenbildung. 500. 4 Fig. 5 Fig. 6. Fig: 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10 Fig. 11 Fig. 12. Fig. 13. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. S. Fig. 9. Fig. 10. Fig: 11. Fig. 12. 50 Sporangium mit fertigen Sporen und Entstehung der Ausgangsöftnun- gen. 900. Ausschlüpfen der Sporen. 500. Gewöhnliche Schwärmsporen. - 700. Lange Schwärmsporen. 700. Einwanderung in die Zellen des Wärzchens. Centraler Verticalschnitt durch dasselbe. 200. . Reife Dauersporen in ihrer Lage. Centraler Verticalschnitt durch das Wärzchen. 50. . Isolirte Dauersporen. 400. Gesprengte Dauersporen. 400. Frische Einwanderung der Schwärmsporen nach Aussaat auf die Epi- dermis. 200. Tafel II. Fig. 1—6. Synchytrium Stellariae. Sporangiumhaufen und entleerte Synchytriumzelle in ihrer Lage. Senk- rechter Schnitt durch das Wärzchen. 200. Isolirter Sporangiumhaufen mit der entleerten Synchytriumzelle. 200. Dieselbe nach Einwirkung von Jod und Schwefelsäure. Isolirte Sporangien. 500. Ausschlüpfen der Schwärmsporen. 500. Dauersporen in ihrer Lage. Verticalschnitt durch die Wärzchen. 200. Fig. 7. Synchytrium Myosotidis. Centraler Verticalschnitt durch die Nährzellen. 200. Fig. 8—12. Synchytrium aureum. Unreife Dauerspore in ihrer Lage. Verticalschnitt durch ein Wärzchen am Blatt. 50. Reife Dauerspore in ihrer Lage. Centraler Verticalschnitt durch ein Wärzchen am Stengel. 50. Sporangienkugel mit Sporangien, zersprengt. 100. Isolirte Sporangien mit ihrer Zwischensubstanz. 400. Dieselben nach Einwirkung von Jod und Schwefelsäure. 400. Annan ann Ueber die Fäule der Caetusstämme. Von H. Lebert und F. Cohn. Bekanntlich befallen die Arten von Peronospora, deren Entwicke- lungsgeschichte hauptsächlich durch De Bary festgestellt worden ist, die verschiedensten Pflanzen, und veranlassen in der Regel Gallenähn- liche Gestaltveränderungen in den Organen, in deren Innern ihr Myce- lium vegetirt. Als typisch für diese Einwirkung auf die Nährpflanzen können wir z. B. die Peronospora parasitica bezeichnen, welche die blühenden Stengel der Crueiferen, insbesondere häufig von Capsella Bursa Pastoris bewohnt und eine Anschwellung und Missgestaltung derselben herbeiführt, wie sie in ganz ähnlicher Weise auch von den Gallenerzeugenden Thieren aus der Klasse der Gallwespen, Cecidomyien, und Pflanzenmilben (Phytoptus) veranlasst werden. In allen diesen Fällen wird das angegriffene Zellgewebe nicht getödtet, sondern viel- mehr zu krankhafter Hypertrophie veranlasst. Der Kartoffelpilz (Peronospora infestans) macht insofern eine Aus- nahme unter den Peronosporen, als er nicht eine gallenähnliche Wuche- rung des befallenen Zellgewebes, sondern vielmehr ein Absterben des- selben herbeiführt, welches mit einer Braunfärbung der Zellmembranen und bei hinreichender Feuchtigkeit mit einer fauligen Zersetzung der- selben verbunden ist; daher das von der Peronospora infestans befal- lene Laub der Kartoffelpflanze sich schwarz färbt und abstirbt, während die befallenen Knollen im Boden faulen. Wir haben Gelegenheit gehabt, einen neuen Fall dieser Zellen- fäulniss erregenden Wirkung von einer Peronospora zu constatiren. In der reichen und interessanten Cacteensammlung, welche der berühmte Agaveenforscher General v. Jacobi neben seinen Lieblingspflanzen eultivirt, begannen im Winter 1867/8 mehrere Exemplare, insbeson- dere von Üereus giganteus und Melocactus nigrotomentosus, in eigen- 4* thümlicher Weise zu faulen. Während die Epidermis des Cactus nicht wesentlich verändert ward, zeigte das von ihr bedeckte Zellgewebe eine vollständige Zersetzung, zunächst unter Auflösung der Intercellular- substanz, so dass die einzelnen Parenchymzellen sich leicht von einan- der isoliren liessen. Der Inhalt dieser, etwa 0,15 "”- grossen Zellen warabgestorben, bräunlich gefärbt, ihre Zellhauterweicht, zum Theil völ- lig aufgelöst, so dass beim Darstellen eines mikroskopischen Präparats das ganze Gewebe gleichsam zerfloss, und die prächtigen Krystalldrusen von oxalsaurem Kalk, sowie die grossen zusammengesetzten Stärke- körner, aus den zerstörten Zellen herausgefallen, frei auf dem Objectglas herumlagen. So machte der Cactus den Eindruck innerer Fäulniss, ähnlich wie ihn die kranken Kartoffeln darbieten. In der Regel war die Pflanze bis zur Wurzel abgestorben; nur einmal erhielten wir ein Exemplar, in welchem neben dem faulen und abgestorbenen noch ein gesunder Theil vorhanden war. Lässt man einen solchen faulen Cactus in feuchter Luft (unter einer Glasglocke) stehen, so beginnt er sich mit weissem Schimmel zu bedecken, der erst isolirt, allmählich die ganze Oberhaut überzieht. Unter dem Mikroskop zeigen Stücke aus dem Parenchym des kran- ken Cactus, welche im Januar 13638 zur Untersuchung kamen, die Anwesenheit eines Mycelium, das in dichtem Geflecht das ganze Zell- gewebe durchwuchert. Es besteht aus einzelligen, ausserordentlich langen und dünnen, wellig gebogenen, gleichmässigen oder formlosen Schläuchen, welche mit farblosem Protoplasma erfüllt, zahlreiche, fast unter rechtem Winkel abgehende und mit den Hauptstämmchen meist gleich dieke Aeste ausschicken, die selbst sich wieder in ähnlicher Weise meist durch rechtwinklige Zweige und Zweiglein verästeln. Scheidewände sind in der Regel im Innern der Mycelfäden nicht vor- handen. Die Dicke der Mycelfäden beträgt im Allgemeinen 0,004 bis 0,006 "m. Anfänglich schien es, als ob die Aeste dieses Mycels die Zellen des Cactusparenchyms selbst durchwachsen hätten; bei genaue- rer Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass das Mycelium sich nnr zwischen den Zellen in den Intercellularräumen hinzieht, welche in zusammenhängendem Kanalsystem das Gewebe des Cactus durch- setzen, dagegen in das Innere der Zellen selbst niemals eindringt; Saugwärzchen wurden nicht beobachtet. Schon aus dieser Darstellung des Mycel lässt sich erkennen, dass der in Rede stehende Pilz nur zu den Peronosporeen oder Mucorineen gehören kann, welche sich bekanntlich in der Beschaffenheit des ein- ‚zelligen, rechtwinklig verzweigten Mycels nahekommen. Dass wir es aber mit einer Peronospora zu thun haben, ergiebt die im Innern des 93 kranken Caetus stattfindende geschlechtliche Fruchtbildung. In dem braunen, fauligen Gewebe des Cactus erkennen wir nämlich schon mit blossem Auge dunklere schwärzliche Flecken, welche unter dem Mikroskop sich als Haufen von zahllosen, dicht aneinander gelagerten Oosporen erweisen. Auf den Mycelfäden bilden sich in traubenförmigen Büscheln von einzelnen Hauptästen ausgehend, rechtwinklig abstehende kurze schmale Aestchen, welche an der Spitze anschwellen und sich in kuglige kurz gestielte Blasen ausbauchen; diese füllen sich mit diehtem körnigem Plasma so vollständig, dass sie fast undurchsichtig werden. Zur Seite und zwar unterhalb dieser kugeligen Gebilde, welche wir als Oogo- nien zu bezeichnen haben, entspringen andere noch feinere Zweige des Mycelfadens, die sich in mannigfaltiger Krümmung hin und her schlän- geln und unter Aussendung von kurzen Aestchen sich eng um die Oogonie herumschlingen. Diese Gebilde sind die Antheridien, und es lässt sich leicht an jeder Oogonie das zur Befruchtung an dieselbe herantretende Antheridium nachweisen. Schwieriger ist es, die Art der Copulation zwischen der Oogonie und ihrer Antheridie zu ermit- teln, da eben durch die vielfachen Krümmungen der letzteren die Ver- bindungsstelle zwischen beiden Organen undeutlich wird. Der Inhalt der Antheridie verdichtet sich zu einem Samenkörper, der die keulen- förmig etwas angeschwollene Spitze derselben dicht ausfüllt, während der übrige fadenförmige Theil inhaltsleer erscheint, jedoch ebenfalls mancherlei bauchige Erweiterungen zeigt. Von derterminalen Anschwel- lung der Antheridie scheinen trichterförmige Befruchtungsröhren aus- zugehen, die unmittelbar an die Oogonie herantreten, im Innern der- selben aber nicht zu erkennen waren. Oogonien und Antheridien von Peronospora Cactorum. I. Erste Entwicklung. II. Mit Befruchtungskugeln und Samenkörperchen. III. Reife Oospore. j 54 Die unbefruchtete Oogonie ist mit einem gelblichen, wegen der Undurchsichtigkeit grau erscheinenden Protoplasma erfüllt; die befruch- tete erscheint braun, indem sich das Protoplasma in ihrem Innern zu einer vollkommen kugeligen Oospore umbildet, welche mit einer dicken, scharf und doppelt conturirten, aussen bräunlichen, glatten Membran umkleidet, sich als eine Dauerspore verhält; ihr Durchmesser beträgt 0,020 bis 0,027 ==, im Mittel 0,024 ®®- Der Inhalt der Oospore zeigt sich bald mit zahllosen grösseren und kleineren Oeltröpfchen erfüllt, beim Austrocknen in eine einzelne ölartige Masse zusammengezogen; eine weitere Entwicklung derselben und insbesondere deren Keimung zu beobachten, ist jedoch nicht gelungen. Wie schon oben erwähnt, bedeckt sich der pilzfaule Cactus nach einiger Zeit mit einem zarten weissen Schimmel, welcher die Oberfläche überzieht. Unter dem Mikroskop erkennen wir, dass durch die Spalt- öffnungen hindurch aus dem im Innern wuchernden Mycel schlanke Aeste nach Aussen treten, welche sich auf der Cuticula zum Theil aus- breiten und mit Hülfe kurzer rechtwinkliger, wiederholt abgehender Verzweigungen auf ihr befestigen. Von diesen Aesten erheben sich Fruchtträger, als dünne einzellige, oft der Cutieula sich anschmiegende Fäden, welche an der Spitze eine kleine birnförmige Anschwellung zeigen. Diese erweitert sich allmählich blasenförmig und erfüllt sich dicht mit hellem, etwas gelblichem Plasma; sie trennt sich schliess- lieh durch eine Scheidewand von dem Stiele, der sie erzeugt hat. Wir habenhier dieungeschlecht- lichen Fortpflanzungskörper unserer Peronospora, welche de Bary bei P. infestans als Spo- rangien bezeichnet, denen wohl aber besser die allgemeine Benennung von Conidien zukömmt. Unterhalb des Ursprungs einer solchen Conidie wächst der Faden in seitlicher Aus- biegung fort, um an seiner Spitze wieder zu einer zweiten Conidie anzuschwellen, und dieser Vorgang kann sich mehremal wiederholen, so dass der ganze Fruchtstand das Anse- 1: Oo bratenie Fl hen eines Wickel ( eincinnus) erlangt. TEILE Consden Die reifen Conidien fallen leicht IV. eine keimende Conidie. von den erzeugenden Fäden und Peronospora Cactorum Conidien. 95 liegen massenhaft auf der Oberseite der Cutieula, während gleichzeitig auf der Unterseite derselben die Oosporen sich entwickeln. Die reifen Conidien haben eine eigenthümliche, an eine Citrone erinnernde Form, sie sind selten kugelig, meist eiförmig, am oberen breiteren Ende abge- rundet, am schmäleren in ein Spitzchen schnabelartig verdünnt, selbst hakenartig schwach gekrümmt; sie sind 0,035 — 0,068 ""- lang, im Mittel 0,048 ®®-, also doppelt so gross als die Oosporen. Sie be- sitzen eine zarte Membran und als Inhalt nur Protoplasma, aber kein Oel; sie keimen leicht, indem sich die Spitze unmittelbar in einen dün- nen Keimschlauch ausstülpt, ohne wie bei P. infestans Zoosporen zu bilden; oft kommt es vor, dass dicht unter dem Ursprunge des Keim- schlauchs sofort ein rechtwinklig abgehender Ast entspringt; selten keimt eine Conidie mit zwei Keimschläuchen, die an entgegengesetzten Punkten ihrer Oberfläche auslaufen. Die von unserer Peronospora erzeugte Krankheit der Cacteen scheint nicht häufig zu sein; wenigstens ist es uns nicht gelungen, in der Samm- lung des hiesigen botanischen Gartens und anderwärts, wo wir zahl- reiche, zum Theil ebenfalls kranke und faule Cacteen untersuchten, die Peronospora anzutreffen. Diese Seltenheit des Materials setzte uns ausser Stande, manche noch übrig gebliebenen Lücken in der Entwick- lung auf experimentellem Wege zu ergänzen. In den aus anderen Ursachen (Erfrieren, übermässige Bodenfeuch- tigkeit etc.) abgestorbenen und ausgefaulten Cacteen entwickeln sich viele Schimmelpilze, z. B. Penicillien, Fusisporien, Cladosporien und Anfänge verschiedener Sphaeriaceen, welche auch später an der Ober- fläche des todten Cactus mit ihren Fruchtkörpern hervorkrechen; ihre meist vielzelligen, oft bräunlichen Hyphen dringen in die todten Caetus- zellen ein und tragen zu weiterer Zerstörung derselben bei; diese Pilze können aber nicht als Urheber einer eigenthümlichen Cactuskrank- heit, sondern nur als unzertrennliche Begleiter der Fäulniss ange- sehen werden. Nur die Peronospora des Cactus zeigt uns einen neuen Fall tödt- licher Einwirkung dieser Pilzgattung auf die Nährpflanze, der um so interessanter ist, als, wie wir oben gesehen, ein directes Eindringen der Mycelfäden in das Innere der Cactuszellen gar nicht stattfindet. Da in Gewächshäusern keine Peronosporen bekannt sind, deren Uebertragung auf Cacteen vermuthet werden könnte, so muss wohl angenommen werden, dass die Peronospora des Cactus durch ein- zelne, aus ihrer amerikanischen Heimath importirte Originalexemplare mit eingeschleppt sein mag, wodurch sich auch ihre anscheinende Sel- tenheit erklärt. Wir halten die von uns beobachtete Peronospora vorläufig für eine neue Art, die wir als Peronospora Cactorum bezeichnen und folgender- massen charakterisiren: Peronospora Cactorum n. s. Mwycelüi tubi graciles nonnunguam torulosi ramosi, ramis angulo recto patentibus, haustorlis destituti. Stipites conidiophori tenues, in modum eincinni unilateraliter pauce- ramosi, sub apieibus ramorum conidiferis non raro vesiculoso - inflati. Oonidia in stipitibus pauca hyalina, ellipsoidea vel ovata, apice papilla prominente munita majuscula = 0,048 mm. (5 — 75"). Oogonia conglomerata membrana tenui marcescente munita, singula oosporam singulam ewacte globosam episporio valido luteo-fuscg pellu- cido laevi praeditam foventia, diametro = 0,024mm. („| "m.), Habitat in meatibus intercellularibus parenchymatis variorum (actorum quorum morbum putredine quadam finitum effieit. Observ. hieme 1868/9 in viridario ewcellentissimi ducis a Jacobi Vratislaviae. Vergleicht man nach obiger Beschreibung unsere P. (actorum mit der von De Bary in seiner Monographie der Peronosporeen (Zecherches sur le developpement de quelgues champignons parasites Ann. d. sc. nat. 4. Ser. XX. 1863.) gegebenen Zusammenstellung, so sollte die- selbe nach Art und Weise der von uns beobachteten Keimung der Conidien durch einen an der Spitze hervorbrechenden Keimschlauch zunächst mit P. gangliformis in die Abtheilung III. Acroblastae (Coni- dia candıida apice papillata germinando tubum e papilla terminali pro- trudentia) gestellt werden. Indess unterscheidet sich unser Pilz von diesen und fast allen anderen, durch ihre vielfach diehotomen, mit zahl- reichen kleinen Conidien bedeckten Fruchtträger charakterisirten Perono- sporen durch seine nur sehr wenig verzweigten, nicht diehotomen und daher nur wenig Conidien hervorbringenden Fruchthyphen, und stimmt in dieser Beziehung, wie selbst im dünnen Mycelium ohne Saugwarzen, in den Anschwellungen unter den grossen geschnäbelten Conidien ete., allein mit dem Kartoffelpilz Per. infestans Montagne, Caspary auf- fallend überein (Tribus I. stipitibus proprie ramosis (asparıy, Monats- berichte der Berliner Akademie 1855). Allerdings erzeugen die Conidien des Kartoffelpilzes zunächst Zoosporen und bestimmen in de Bary’s System daher die Stellung der P. infestans in der Seetion I. der Zoo- sporiparae. Aber de Bary selbst hat beobachtet, dass unter gewis- sen Verhältnissen die Conidien des Kartoffelpilzes an der papillosen Spitze sofort in einen Keimschlauch auswachsen, wie ich dies beim Cactuspilz beobachtet habe (vgl. die Abbldg. in der Abhdlg. der Ann. d. sc. nat. l.c. pl. 5. fig. 4); und es lässt sich daher wohl denken, dass vielleicht nur die für alle Keimungsvorgänge so ungünstige Jahreszeit 97 (im Winter) bei unserer Beobachtung des P. (actorum die Entwicklung der Zoosporen gehindert habe. Bekamntlich sind bei P. infestans noch keine geschlechtlichen Fortpflanzungskörper bekannt, falls nicht Berkeley’s und Caspary’s Vermuthung, dass Artotrogum hydno- carpum Mont. die Oosporen des Kartoffelpilzes seien, angenommen wird. De Bary erklärt sich gegen diese Vermuthung trotz der Aehn- lichkeit des Artotrogum mit den Oosporen der Peronosporen, weil Montagne das Artotrogum nicht blos im Stocke der Kartoffeln, son- dern auch in Rüben beobachtet habe. Es drängt sich nunmehr von selbst die Frage auf, in welchem Verhältniss die Peronospora Cactorum zur P. infestans steht, welche aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Kartoffel selbst und den Cacteen dieselbe gemeinschaftliche Heimath, Amerika, besitzt; dass der Pilz des Cactus dem der Kartoffel sehr nahe verwandt sei, liegt auf der Hand. Versuche, den Caetuspilz auf Kartoffeln zu übertragen, blieben jedoch im Winter 1868 erfolglos, und es ist uns in neuester Zeit zu unserem Bedauern kein neues frisches Material zugekommen, um diesen in so vieler Beziehung interessanten Punkt experimentell zu erledigen. Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. Von Dr. Ferdinand Cohn. Mit Tafel IV. und V. 1. Verheerung der Raps- und Roggenfelder durch Erdraupen. Das Jahr 1869 war für die, Schlesische Landwirthschaft durch die vielen Feinde aus der Klasse der Insekten verhängnissvoll. Nachdem im Frühjahr die Fritfliege (Oscinis Frit) in der Sommerung (Hafer und Gerste), später im Verlauf des Sommers Hessenfliege (Cecidomyra destructor) und bandfüssiges Grünauge (Chlorops taeniopus) unge- heure Verheerungen in der Wintersaat (Weizen und Gerste) angerichtet (vergleiche meinen Aufsatz: Untersuchungen über Insektenschaden in den Schlesischen Getreidefeldern während des Sommers 1869, Abhandl. der Schles. Gesellschaft für 1869, Naturwissenschaftl. Heft), so ertönten im Herbst wieder neue Klagen über die Verwüstungen der Rapsfelder durch Erdraupen. Wie Herr Rittergutsbesitzer Moritz Eichborn auf Hundsfeld bei Breslau mir am 3. September 1869 anzeigte, war auf seinem Gute der junge Raps durch die Erdraupen derart abgefressen worden, dass 40 Morgen hatten umgeackert werden müssen. Aehnliche Nachrichten kamen mir auch von andern Kreisen Schlesiens, und es scheint insbesondere auf dem Rechten Oderufer und in Oberschlesien der Raps von den Erdraupen in grösstem Maassstabe beschädigt worden zu sein. Herr Rittergutsbesitzer v. Treu auf Rosen bei Constadt benachrichtigte mich am 27. September, dass auch unter der frühesten Roggensaat die Raupen Verwüstungen angerichtet, wie sie ihm in seiner l5jährigen Praxis nicht vorgekommen waren. Am meisten litt eine brache gelegene Ackerfläche, welche den Sommer über als Schaf- weide benutzt, im August umgepflügt, im ersten Drittel des Septembers mit Knochenmehl gedüngt und mit Roggen besät worden war. Die Roggensaat war kräftig aufgegangen, aber bald zeigten sich an tiefer 59 gelegenen, feuchten Stellen, an den Ackerrändern und um die Wasser- furchen ganz vollständig ausgefressene, 3—4 Quadratruthen grosse Flecke, die sich durch den hell durchscheinenden Ackerboden schon von Weitem kenntlich machten und bei näherer Besichtigung ‘sowohl ober- halb, als auch unter der obersten Erdschicht mit Raupen erfüllt waren; indem diese Thiere kreisförmig in der Peripherie immer weiter schrit- ten, fanden sie sich nach vollständiger Vertilgung der Roggenpflanzen besonders massenhaft an den Rändern der kahlgefressenen Stellen. Die Verwüstung der Saaten machte täglich grössere Fortschritte; in der zweiten Woche des October hörten jedoch die Raupen auf, die Saatpflanzen zu zerstören, indem sie sich zum Winterlager in’s Innere der Erde begaben, und waren Ende October in grossen Mengen 2—4 Zoll tief im Boden zu finden. Der Frost und die Nässe des November schadeten ihnen nichts; nur gingen sie noch tiefer in die Erde. Herr v. Treu fand die Raupen auch im Weizen, in Luzerne und Kartoffel- kraut, wo sie jedoch weniger Schaden anrichteten; ich selbst habe die- selben für meine Untersuchungen noch im November 1869 zahlreich aus Kohlgärten um Breslau gesammelt. In allen diesen Fällen war es ein und dieselbe Spezies von Erd- raupen, welche sich dem Acker so verderblich gezeigt hatte. Ihr an 2 Zoll langer, plumper walzlicher, mattglänzender, nackter Körper von erdgrauer oder mehr bräunlicher oder grünlicher Farbe, mit dunkleren gelblichen Längsstreifen längs dem Rückengefäss, mit kleinen schwärz- lichen, gleichmässig über die Haut vertheilten Schüppchen und schwarz- umränderten Luftlöchern, das weisslichbraune, nur an der hinteren Hälfte der Kinnbacken schwarze Gesicht liessen diese Raupen leicht als die der überall gemeinen Wintersaateule Agrotis (Noctua) segetum erkennen; bei Tag waren sie träge, meist unbeweglich und ringförmig zusammengerollt; des Nachts kamen sie aus den Verstecken und nagten mit unersättlicher Gefrässigkeit alle Pflanzen ab, die ihnen geboten wurden, in der Gefangenschaft selbst Farnkräuter. 2. Epidemie unter den Erdraupen. Drei Raupen der ersten Sendung aus Rosen bei Constadt vom 27. September brachte ich Anfang October in ein Glas mit Ackererde, in welche sie sich sofort einbohrten. Beim Untersuchen dieser Raupen Mitte October fand ich, dass zwei derselben abgestorben, aber, statt zu faulen, eingeschrumpft waren und sich in kohlschwarze trockene Mumien verwandelt hatten, während die dritte lebendig blieb. Beim Oeffnen der todten Raupen zeigten sie sich erfüllt mit schwarzen ungewöhnlich grossen Pilzsporen, so dass sich auf den ersten Blick herausstellte, 60 dass dieselben einer tödtlichen Pilzkrankheit erlegen waren. Auf freundliche Anordnung des Herrn v. Treu erhielt ich von dessen Inspector Herrn A. Kanus am 28. October eine zweite Sendung der Erdraupen. Unter diesen sollten nach der Angabe des Herrn Kanus 4 todte Raupen sich befinden; es fanden sich aber beim Empfange am 30. October deren sechs vor, so dass während des zweitägigen Trans- ports noch zwei zu Grunde gegangen waren. In der letzten Sendung vom 18. November waren 3 todte und 15 lebende; doch erlagen von den letzteren in den nächsten Tagen noch eine grosse Anzahl der Pilz- krankheit, nachdem sämmtliche Raupen in trockene Ackererde sich eingegraben hatten. Allerdings starben auch im Laufe des Winters alle übrigen Raupen, ohne die Symptome der Pilzkrankheit zu zeigen, indem dieselben einschrumpften, runzlich wurden und schliesslich völlig austrockneten; die Ursache lag wohl einfach im Mangel an Nahrung, da die Raupen nicht mehr gefüttert wurden, während die im Zimmer stets mässig hohe Temperatur das Eintreten eines Winterschlafes, wie im Freien, unmöglich gemacht hatte; die trockene Erde wirkte dann austrocknend auf die abgestorbenen Thiere. Aber die von der Pilz- krankheit getödteten unterschieden sich leicht durch ihre schwarze Färbung und die Gegenwart von Pilzen im Innern ihres Körpers. Bald gelang es mir auch, unter den lebenden Raupen einzelne zu finden, welche sich durch Trägheit und .Unempfindlichkeit als pilzkrank mani- festirten, und durch Beobachtung derselben bis zum Absterben ein voll- ständiges Krankheitsbild zusammenzustellen, 3. Krankheitserscheinungen. Wie schon oben bemerkt, ist das auffallendste Symptom der Pilz- krankheit die schwarze Färbung, welche die Raupe annimmt. Diese beruht zunächst in einer Umfärbung der Cutis — eine Erscheinung, welche mitunter an einzelnen Stellen, aber nie vollständig, auch ohne Krankheit bei den Erdraupen auftritt. Von einer Anzahl gesunder Raupen, die ich in Spiritus getödtet und aufbewahrt hatte, bekamen einige an verschiedenen Theilen ihres Körpers schwarzbraune bis schwarze Flecken. Auch andere Raupen, sowie die beinfarbenen Larven vieler Käfer (z. B. Zabrus gibbus) werden in Spiritus oft schwarzbraun. Bei der Pilzkrankheit der Erdraupen, welche ich in Zukunft als schwarze Muskardine bezeichnen will, kommt jedoeh, wie ich später zeigen werde, zu dem Melanismus der Haut noch das Auftreten eines kohlschwarzen Pigments im Blute hinzu. Bei den kranken Raupen färbt sich in der Regel zuerst der Kopf schwarz und zeigt eine spiegelglänzende, gleichsam schwarz polirte Fläche; von hier 61 schreitet die schwarze Färbung nach dem After fort; ich fand halbtodte Raupen, deren vordere Hälfte schwarz, abgestorben war, während die hintere noch lebendig schien und die natürliche graue Färbung zeigte; am folgenden Tage war die Raupe mit dem inzwischen erfolgten Tode auch gleichmässig schwarz geworden (vergl. Tab. V. Fig. 17). Der Tod tritt ganz allmählich ohne sichtbare Krämpfe ein, indem das schon von Anfang an äusserst träge Thier seine Bewegungen nach und nach völlig einstellt. Die todte Raupe ist zuerst angeschwollen, weich, ihre schwarze Haut fettglänzend, wie ölig; in. der That ist dieselbe von öliger Flüssigkeit durchtränkt, welche durch die Haut durchschwitzt und auf Papier Flecke macht; mit Wasser benetzt, wird sie nicht nass, indem der Tropfen wie von Oelpapier abläuft. Mit der fettglänzenden mattschwarzen Farbe der Haut contrastiren die hornigen Theile des Kopfes, Afters und der Wärzchen, die einen spiegelnden Glanz wie polirtes Ebenholz annehmen (Tab. V. Fig. 18). Allmählich trocknet die todte Raupe zu einerschwarzen Mumie aus, wobei sie sich mehr und mehr nach allen Richtungen hin zusammenzielht und dabeiquerrunzelt; sie ver- liert schliesslich alle Feuchtigkeit und wird ganz hart, klingend, zeigt sich dabei meist verbogen, S-artig gekrümmt (Taf. V. Fig. 19); wieviel die Raupen bei diesem Mumificirungsprocess an Gewicht verlieren, ergiebt die am 30. October vorgenommene Wägung dreier lebendiger Raupen aus Breslau, die übrigens durch längeres Fasten im Winter- lager selbst schon an Körpergewicht eingebüsst haben mochten, zusam- men 1,642", also im Mittel 0,55 2”. wogen, während 6 Mumien aus Rosen 0,42 2”-, also jede im Mittel 0,07 €”: Gewicht besassen und dem- nach mindestens $ an Gewicht verloren haben mochten. 4. Pilzsporen in den todten Erdraupen. Die der Krankheit erlegenen Raupen sind in hohem Grade spröde, so dass sie bei jeder unvorsichtigen Behandlung in Stücke zerbrechen; diese Stücke sind von der eingeschrumpften Haut umgeben, inwendig aber gleichmässig mit einer kohlschwarzen zunderartigen, schwammigen, trockenen Masse ausgefüllt, ohne dass sich die inneren Organe der Raupe zunächst unterscheiden liessen; nur der von Pilzen frei gebliebene Darm bildet meist eine leere Höhle im Innern der kleinen Mumie. Eine Portion der zunderartigen Masse mit Hülfe der Nadeln auseinander gezerrt, zerfällt in zahllose, tief schwarz- braune, völlig undurchsichtige, kugelrunde Sporen von solcher Grösse, dass sie mit blossem Auge unterschieden werden können, die ganze Substanz also eine mehlig-feinkörnige Beschaffenheit besitzt (vergl. Tab. V.). Diese Sporen zeigen nicht unbedeutende Verschiedenheiten 62 sowohl in den Dimensionen, als in der Beschaffenheit ihrer Membranen und des Inhalts; aus zahlreichen Messungen habe ich jedoch 0,05 ""- (50 Mikromillimeter) als mittleren Werth ihres Querdurchmessers gefun- den. Die grössten Sporen erreichen einen Durchmesser von 55 Mikrom. (Fig. 12), die kleinsten nur von 36—40 Mikrom. (Fig. 7.8.) Hiernach gehören dieselben unter die grösseren der bekannten Pilzsporen. Wenn die bei weitem meisten Sporen sich, wie oben bemerkt, als regelmässige Kugeln zeigen, so fehlt es doch nicht an abnormen For- men, wo die Sporen birnförmig in die Länge gezogen (z. B. 100 Mikrom. lang, 30 Mikrom. breit) oder grade abgestutzt sind (Tab. V. Fig. 9); häufig sind Formen mit papillenartigem Fortsatz an einem Ende (Fig. 7. 8). Die Sporen sind gewöhnlich zu 2, 3 oder mehreren ketten- artig aneinander gereiht, ohne dass eine organische Verbindung deut- lich wäre; sehr häufig zeigen sich jedoch zwei Sporen mit grader Scheidewand dergestalt aneinander geheftet, dass dieselben sich nicht von einander trennen lassen und dadurch einen entwicklungsgeschicht- lichen Zusammenhang anzeigen (Fig. 9. 11). Der äussere Contour der Sporen ist in sehr vielen Fällen ringsum ein- gekerbt (Fig. 10. 12); und am leichtesten bei trockener Untersuchung überzeugt man sich von der Anwesenheit einer äusseren tiefbraunen Sporenhaut, dem Episporium, welches von unregelmässig gewundenen Furchen durchzogen ist. In vielen Sporen sind in dieser äusseren Schicht die gewundenen Falten nicht zu erkennen (Fig. 5. 11), sei es, dass dieselben überhaupt schwächer oder gar nicht ausgebildet, sei es, dass sie in Folge der Undurchsichtigkeit später undeutlich wurden; solche Sporen sind dann von einer anscheinend glatten, ziemlich dicken, fast undurchsichtigen Haut eingeschlossen, welche bei plötzlichem Druck auf das Deckglas leicht in unregelmässige Fetzen zerspringt (Fig. 13). Wendet man beim Zersprengen des Episporium eine gewisse Vorsicht an, so findet man, dass unter demselben noch eine zweite Haut, das Endosporium (Fig. 15. 15. 16) vorhanden ist, welche sich als eine verdickte, völlig farblose, glashelle Cellulosemembran darstellt. Es schien mir, als ob in solchen Sporen, die schon längere Zeit aufbe- wahrt waren, das Endosporium dicker geworden, vielleicht aufgequollen sei. Durch Jod wird das Episporium schwarzpurpurn, das Endosporium gelb; eine Blaufärbung durch Jod nnd Schwefelsäure gelang nicht. Die Sporenhäute in ihrer doppelten Schichtung sind in der Regel so undurchsichtig, dass sie die Beschaffenheit des Zellinhalts nur schwer erkennen lassen (Fig. 12). Durch Aufbewahren in Glycerin oder auch dureh Digeriren in Aether oder Kalihydrat werden sie durchsichtiger (Fig. 11. 14). _Am besten untersucht man den Sporeninhalt, wenn es 63 gelingt, die äusserste Haut abzulösen. Derselbe. verändert im Laufe der Entwickelung seine Beschaffenheit; er erscheint zuerst als ein dich- tes farbloses Protoplasma, in welchem zahllose kleine Oeltröpfehen gleichmässig vertheilt sind (Fig. 5); diese vereinigen sich später in eine kleinere Zahl grösserer Oeltropfen von zellenähnlichem Ansehen (Fig. 11. 14), oft auch in ein bis zwei grosse Oelkugeln, welche das Protoplasma an den Rand der Spore zurückdrängen (Fig. 6. 10. 15. 16). Die freien Sporen bilden die überwiegende Hauptmasse der schwar- zen zunderartigen Substanz, welche den Körper der todten Raupen zwischen Haut und Darm ausstopft; denn die Eingeweide und der Fett- körper sind, wenn auch nicht verschwunden, so doch zu desorganisirten Fetzen eingeschrumpft, die von den Sporenkugeln dicht umlagert sind; nur die Tracheenstämme in den verschiedensten Dimensionen ziehen sich unversehrt durch die Sporenmasse. Eine Unzahl Fetttröpfchen, aus dem zerstörten Fettkörper herstammend, umgiebt die Sporen, so dass wir ein klares Bild derselben erst dann erlangen, wenn wir durch einen Wasserstrom den grösseren Theil der Fetttröpfehen auf dem Objectglase fortgespült haben, was durch Anlegen eines Fliesspapier- streifens an den Rand des Deckgläschens nnd Zuführen von destil- lirtem Wasser an den entgegengesetzten Rand desselben leicht her- gestellt wird. 5. Mycelium. Zwischen den freien Sporen finden wir, wenn auch meist nur spär- lich, Bruchstücke eines Myceliums, dessen Fäden sich selten auf län- gere Strecken verfolgen lassen. Es sind Schläuche von verhältniss- mässig bedeutendem Querdurchmesser, meist zwischen 0,008—0,025 mm. (8—25 Mikrom.), bald eylindrisch (bis zu 50 Mikrom.), bald in einzel- nen Strecken blasenförmig erweitert (Tab. V. Fig. 4. 5. 10), entweder einzellig oder durch Scheidewände in lange Glieder (bis zu 125 Mikrom.) getheilt, mit spärlichen, meist rechtwinklig abgehenden Aesten. Die Membran dieser Myceliumfäden ist entweder farblos oder häufiger schwärzlich gefärbt (Fig. 10), ihr Inneres entweder leer oder voll grösserer Oeltropfen. Mitunter sind jedoch auch noch grössere Reste des Mycels in den Mumien der Raupen vorhanden, welche mit öligem Protoplasma so dicht erfüllt sind, dass man sie für Dauermycel halten könnte, das unter Umständen seine Thätigkeit wieder zu begin- nen vermag; ob dies wirklich der Fall, ist jedoch durch meine Ver- suche nicht mit Sicherheit zu ermitteln gewesen. Da das Mycelium in den todten Raupen offenbar in Desorganisation begriffen ist, so gelingt es nur schwierig, den Zusammenhang zwischen Spore und Mycel zu | 64 ermitteln; bei genauerer Prüfung findet man jedoch einzelne Sporen auf einem kurzen Stiel sitzend, der an ein Myceliumfadenstück angewachsen ist (Tab. V. Fig. 6. 10). Wälzt man die Sporen, so kann man fast bei allen eine kreisförmige verdünnte Stelle erkennen, welche ihrem ehe- maligen Anheftepunkte entspricht (Fig. 11), oder man findet selbst einen Rest des Stiel als kurzes Anhängsel der Spore (Fig. 7. 12). Hier- aus wird klar, dass die Sporen auf kurzen Sterigmen an den Fäden des Myceliums entspringen, aber bei der Zerstörung des letzteren isolirt werden. Um jedoch die Entwicklungsgeschichte der Sporen genauer zu ermitteln, muss man auf frühere Zustände zurückgreifen, wo die Raupen den Beginn ihrer Krankheit durch Trägheit und dunklere Verfärbung der Haut erkennen lassen. 6. Untersuchung des Blutes. Die Krankheit macht sich, wie ich schon oben bemerkt, im Innern der Raupe zunächst durch Schwarzfärbung des Blutes bemerklich, welches in gesunden Thieren gelblich, klar und von Blutkörperchen reichlich erfüllt ist. Mit dem Fortschritt der Krankheit verschwinden die Blutkörperchen, während im Blute selbst zahllose schwarze Pünkt- chen auftreten, so dass dasselbe chinesischer Tusche ähnlich wird (Tab. IV. Fig. 4). Beim Anstechen kranker Raupen tritt daher das Blut in grossen schwarzen Tropfen heraus: die im Blut schwimmenden Pünktchen zeigen Moleeularbewegung; es könnte zweifelhaft sein, ob dieselben als moleculare Fetttröpfchen aus dem bereits in Auflösung begriffenen Fettkörper stammen, oder ob sie eine Bacteridienform sind, wie sie Pasteur, Davaine und Andere für verschiedene Thierkrank- heiten angezeigt haben. Bald darauf treten auch echte Bacterien im Blute auf, welche sich sprungweise oder ziekzackartig bewegen und selbst die grösseren Oeltröpfehen, in Bewegung versetzen, so dass diese durcheinander zu hüpfen und im Ziekzack blitzschnell umherzurollen scheinen; doch folgen sie eben nur dem von den Bacterien gegebenen Anstosse. Auch schlängelnde Vibrionen beleben das in Zersetzung übergehende Blut. In dem kranken Blute bilden sich auch zahlreiche farblosa Krystalle von verschiedener Form, theils Bündel kleiner Rhaphiden (Taf. IV. Fig. 4%), theils grössere, anscheinend klinorhombische Säulen mit ausgebildeten Endflächen (Fig. AP), oft zu Zwillingen (Fig. 4°), auch wohl drusenartig durcheinander gewachsen. Eine zuverlässige Bestim- mung dieser Krystalle war mir nicht möglich; doch beobachtete ich, dass in mehreren mikroskopischen Präparaten des kranken Blutes sich 65 auch die bekannten Octaeder des oxalsauren Kalks ausschieden, die ich im frischen Blute nicht bemerkt hatte; die oben erwähnten Krystall- formen widersprechen nicht der Vermuthung, dass auch sie oxalsaurem Kalk angehören, bekanntlich einer, bei so vielen Gährungs- und Fäulniss- prozessen in Folge der Zersetzung einer organischen Substanz durch in ihr entwickelte Pilzzellen auskrystallisirenden Verbindung. Auf einen Zuckergehalt des Blutes scheint es mir hinzudeuten, dass in mehreren mikroskopischen Präparaten, welche ich von den Pilzen im Blute der Erdraupen anfertigte, sich noch nach dem Verschluss des Deckgläs- chens echte Hefezellen entwickelten, und durch Sprossung so reichlich vermehrten, dass dadurch die Präparate getrübt wurden. 7. Gonidienbildung. Gleichzeitig mit der Schwarzfärbung beobachtete ich im Blute die Anfänge des Pilzes in stets wachsender Zahl. Es sind freie kugelige oder ovale Zellen von verschiedener Grösse, mit einer zarten, aber all- mählich bei zunehmendem Wachsthum stärker werdenden und dann doppelt conturirten Membran, und von einem trüben feinkörnigen, fast farblosen Protoplasma gleichmässig so dicht erfüllt, dass sie dunkel- grau und wenig durchsichtig erscheinen (Taf. IV. Fig. 7); sie haben einen Querdurchmesser von 0,007—0,015 ®®- (”—15 Mikromm.). Wenn gleiehzeitig mit dem Auftreten dieser Zellen der Darm, die malpighischen Gefässe und der Fettkörper der Raupe in sichtlicher Desorganisation begriffen sind, so hängt dies sicherlich damit zusammen, dass diese Pilzkugeln in zahllosen Exemplaren chytridienähnlich an die Aussen- seite jener Organe geheftet sind, wobei sie oft gruppenweise sich dicht aneinander reihen (Fig. 7°). Der grösste Theil der kugeligen Pilz- zellen aber schwimmt frei im Blute, das die Eingeweide der Raupe umspült. Woher diese freien Zellen stammen, ist nicht schwer zu ermitteln. Sie entstehen aus Schläuchen, die sich ebenfalls im Blute finden und grade in die Länge gestreckt eylindrisch, oder sichelförmig gekrümmt (Fig. 5P- *), hakenförmig zusammengebogen (Fig. 5%), S-förmig geschlän- gelt (Fig. 5°) oder ziekzackförmig hin und her gebrochen (Fig.5‘) sind; diese Schläuche erreichen zum Theil bedeutende Länge (bis 100 Mikrom.), ehe in ihnen eine Theilung bemerklich wird; bald aber nehmen sie eine septirte Beschaffenheit an, indem sich durch successive Quer- scheidewände der mehr oder weniger eylindrische Schlauch in ein- facher Reihe in eine grössere oder kleinere Zahl von Zellen abtheil (Tab. IV. Fig. 5°'). Nach der Theilung dehnen sich die einzelnen Zellen in verschiedenem Grade aus, bald mehr eylindrisch sich in die 5) 66 Länge streckend, bald der Quere nach kugelig anschwellend, und bilden so rosenkranzförmige Ketten mit abwechselnden grösseren oder kleineren, kugeligen, oder mehr oder weniger verlängert walzlischen Gliedern in den verschiedensten Dimensionen (Fig. 6°-°). Oft verküm- mert ein Glied zwischen zwei stärker ausgedehnten und erscheint dann als seitlicher Anhang (Fig. 6°.*). Einzelne Zellen, welche blasenförmig angeschwollen und durch seitliche Ausbuchtungen eine drei oder mehr- strahlige Form angenommen haben, entwickeln, indem sich die Ecken durch Scheidewände von dem Mittelkörper der Zelle abtrennen, aus jedem ihrer multipolaren Enden besondere Zellreihen. So entstehen die mannigfaltig verästelten Gebilde, von denen ich auf Fig. 54. 6" 9. Tab. V. eine Darstellung zu geben versuchte. Die Zellreihen zerfallen leicht in ihre einzelnen Glieder. Ueberall findet man an den rosenkranzförmigen Fäden zahlreiche Zellen, die sich kugelig abgerundet haben und ablösen, andere Fäden zerbrechen ziekzackartig in grössere und kleinere Stücke, die dann wieder sich in ihre einzelnen Zellen isoliren (Fig. 6*%!). Alle die kugeligen und ovalen freien Pilzzellen im kranken Blute sind aus. zerfallenden Zell- reihen hervorgegangen; ich werde diese Gebilde bei unserem Pilz als Gonidien bezeichnen. In einem gewissen Zustande der Erkrankung finden wir im Blute weiter nichts, als zahllose, einreihige oder verzweigte Gonidienketten, deren jedes Glied, abgelöst, den Anfang einer neuen Kette abgiebt. Wie aus obiger Darstellung erhellt, ist es mir nicht gelungen, den ersten Anfang der Infection bei den Erdraupen wahrzunehmen, da das beschränkte Material, mit dem ich arbeiten musste, mir nur solche Raupen zu Gebote stellte, in welche bereits die Keime des Pilzes ein- gedrungen waren, eine Ansteckung gesunder Raupen durch die schwar- zen Sporen aber niemals Erfolg hatte. Nachdem aber nun einmal der Pilz Eingang in den Körper der Raupe gefunden, stellt sich die wei- tere Entwicklung so dar, dass die schlauchartig verlängerten Pilz- keime durch wiederholte Quertheilung sich zu vielzelligen Gonidien- ketten entwickeln, die in ihre einzelnen Glieder zerfallend, schliesslich das ganze Blut als kugelige oder eirunde Zellen der verschiedensten Grösse in zahlloser Menge erfüllen. Das Material zur Bildung dieser Zellen liefert ausser dem allmählich resorbirten Blute selbst haupt- sächlich der Fettkörper der Raupe, den wir inzwischen sich in eine schmierige schwärzliche Masse auflösen sehen, dessen Fettkörnchen wir im Inhalt der Pilzgonidien zugleich mit feinkörnigem Protoplasma wieder antreffen, so dass eine direete Einsaugung derselben durch die Parasiten wohl vermuthet werden kann. 67 8. Keimung der Gonidien. Bildung der Dauersporen. Bringt man einen Tropfen Bluts voll dieser kugeligen Gonidien in die feuchte Kammer, um ihn längere Zeit zu beobachten, so sieht man dieselben innerhalb weniger Stunden keimen, indem sich an irgend einer Stelle ihrer Oberfläche ihre Zellhaut in einen Schlauch aussackt, der oft sofort am Ursprung rechtwinklig abgehende Aeste bildet; ander- wärts entstehen zwei Keimschläuche an verschiedenen Punkten der Gonidie; das Plasma als homogene dichte Flüssigkeit wandert in den Keimschlauch aus der Gonidie heraus, welche selbst entleert wird, bis auf einzelne Körnchen, die in ihr zurückbleiben (Tab. V. Fig. 8). In der kranken Raupe selbst beginnt dieses Auskeimen der freien Gonidien kurze Zeit vor dem Tode; und so entwickeln sich aus diesen kugeligen Zellen zahllose fadenförmige Pilze von 0,005 — 0,01" im Durchmesser, die sich in lange Schläuche verlängern, durch rechtwink- lige Aeste sich mehrfach verzweigen, mit dichtem, feinkörnigen, fettrei- chen Protoplasma füllen, und entweder gar nicht oder doch erst später durch Querscheidewände septiren (Tab. IV. Fig. 9.10). Diese schlauch- artigen Fadenpilze, die anfänglich isolirt, später dicht verfilzt durch- einander wachsen, bilden in ihrer Vereinigung ein Mycelium, das in steter Vergrösserung die Eingeweide der Raupe verdrängt und die Leibeshöhle mit Ausschluss des Darmes und der Tracheen ausstopft. Die Spitzen der Fadenäste vergrössern sich alsbald keulenförmig, füllen sich mit diehterem Protoplasma und gliedern sich dureh Querscheide- wände ab, zum Theil um neue Gonidien zu bilden (Tab. V. Fig. 1”); andere, theils terminale, oder noch häufiger seitliche Aestehen, die aus den Fadenschläuchen hervorsprossen, schwellen an ihrer Spitze kugelig auf und bilden sich allmählich zu Sporen aus, die mit einem dünneren Stiele (Sterigma) auf dem Faden sitzen (Tab. V. Fig. 2. 4*). Oft lässt sich noch der Zustand erkennen, wo die Höhle des Zellfadens direet mit der zur Spore sich entwickelnden Ausstülpung communieirt, so dass das Protoplasma des Fadens in die schwellende Spore einströmt, dort sich ölartig umbildet, während gleichzeitig deren Zellhaut eine immer dunkler werdende Färbung annimmt (Fig. 2. 3). Die reife Spore gliedert sich endlich durch eine Scheidewand von der Spitze ihres Stiels ab, und erhält unter ihrer primären Haut, die zum Exosporium wird, noch eine zweite innere Hautschicht. Wie oben erwähnt, theilen sich diejenigen Fadenäste, welche zu Sporen werden, oft vorher durch Querscheidewände in 2 (oder mehr) Glieder; wo dies der Fall, durchlaufen in der Regel beide Glieder die Metamorphose zur Spore nach einander, so dass z. B. die Endzelle Sr 68 bereits eine vollständige ausgewachsene Spore mit doppelter und dem- nach undurchsichtiger Sporenhaut darstellt, während die unter ihr befindliche kleinere Gliederzelle mit hellerer, mehr röthlicher und durchsichtigerer Membran und Plasma reicherem, Oel ärmerem Inhalt noch einen jüngeren Zustand anzeigt (Tab. V. Fig. 5). Die paarweise oder selbst zu dreien verbundenen, mit graden Scheidewänden anein- ander gewachsenen Sporen, die wir so häufig in den todten Raupen finden, sind aus solchen Entwickelungszuständen hervorgegangen. (Fig. 9. 11.) Mitunter gestaltet sich nur die terminale Zelle zur Spore, die unter ihr befindliche wird als Mycelzelle abgegliedert (Fig. 6). Einzelne Sporen sind von wurmförmig oder hakenartig gekrümmten Mycelästen derartig auf's Engste umschlossen, dass mir der Gedanke entgegentrat, es möchte sich hier vielleicht gar um geschlechtliche, ‘durch Antheridien befruchtete Oosporen handeln (Tab. V. Fig. 4). Es ist mir jedoch nicht möglich gewesen, dieses Auftreten hakenförmiger Aeste zur Seite der Sporen als regelmässige Erscheinung insbesondere in den jugendlichen Entwicklungszuständen zu constatiren, so dass ich die Vermuthung eines geschlechtlichen Fortpflanzungsprocesses bei diesen Sporen nicht zu erweisen vermag. Während auf solche Weise im Innern der Raupe das Blut und die assimilirbaren Substanzen des Fettkörpers und der Eingeweide von den Schläuchen des Mycels resorbirt werden, diese letzteren aber das von ihnen aufgenommene Protoplasma und Fett wieder in die Sporen einströmen und daselbst sich verdichten lassen, tritt der Tod des allmählich erschöpften und daher ganz unmerklich verlöschenden Thie- res ein. Die Mycelfäden selbst werden nun grösstentheils inhaltsleer; ihre anfangs glashellen Membranen färben sich schwärzlich (Tab. V. Fig. 10) und sind leicht zerreissbar; in einzelnen Theilen der Mycel- fäden sammeln sich mitunter dichtere Protoplasmamassen, grenzen sich durch Querscheidewände von den benachbarten Fadenstücken ab, während das übrige Mycel zerstört und die Sporen dadurch isolirt werden; sie stellen jene eigenthümliche Form der Dauermyecelzellen dar, wie sie auch bei Prlobolus, Mucor, Achlya, Peronospora und anderen Phycomyceten auftreten (vgl. Schröter, über Gonidienbil- dung bei Fadenpilzen, Jahresber. der botanischen Section der Schles. Gesellschaft für 1868 p. 133). Indem schliesslich die Sporen zur Reife gelangen, wird ihr Inhalt immer dichter, ölreicher, ihre beiden Häute dicker und fester, und nachdem das während dieser Reifungs vorgänge ausgeschiedene Wasser durch die Haut der Raupe verdunstet ist, wird diese völlig trocken und hart, und nimmt jene schwarze 69 Mumienartige Beschaffenheit an, welche mich veranlasst hat, dem hier beschriebenen Pilze den Namen des Tarichium megaspermum zu geben (von taptyoz, apıyıov beiHerodot, kleine Mumie), 9. Keimversuche an Dauersporen. Mein nächstes Bestreben war nun darauf gerichtet, die Keimung der Sporen zu ermitteln. Ich habe zu diesem Zweck die schwarzen Raupenmumien bald nach dem Tode in Wasser, in feuchte Erde, in eine feuchte Kammer gebracht. Die im Herbst auf solche Weise der Cultur unterworfenen Mumien bedeckten sich mit einem Schimmel, der dieselben schliesslich völlig mit weissem Ueberzug bedeckte, oder stellenweise sich zu dichten Coremiumartigen Massen verflocht. Der Schimmel bestand aus dünnen und langen septirten Penicilliumartigen Pilzfäden von 0,001— 0,002 ””- Dicke, welche an der Spitze wie im obersten Knoten des septirten Fadens paarweise gegenständige Wirtel langer farbloser Sporenketten auf pfriemenförmigen, 0,04 ®®. langen Sterigmen erzeugten. Diese Ketten zerfallen leicht in die einzelnen Sporen (Conidien) von charakteristischer glockenförmiger Gestalt; die- selben sind nämlich elliptisch mit breiterer abgestutzter Basis, am ent- gegengesetzten Ende in eine feine Spitze verdünnt, daher die Sporen- ketten an jedem Gliede scharf eingezogen. Die Sporen sind 0,006 bis 0,007 mm. Jang; sie keimen leicht, indem sie nicht an einem der beiden Enden, sondern an der Seite einen dünnen Keimschlauch austreiben, der selbst wieder rechtwinklige Aeste abgiebt. Mit Rücksicht auf die Art der Sporenbildung, welche an den Typus von Penicillium erinnert, sowie auf das Vorkommen dieses Schimmels auf todten Raupen, könnte man denselben als eine Art der Insekten tödtenden Isarien betrachten, obwohl die Grösse der Sporen die gewöhnlichen Isariensporen über- trifft. Ich muss jedoch unsern Pilz nach der ganzen Entwicklungs- geschichte als völlig indifferent zu der Krankheit der Raupen, vielmehr als einen nur zufällig angeflogenen Schimmel betrachten; ich möchte ihn deshalb nicht als eine /saria, sondern als eine Spicaria bezeichnen. Während die Spicaria die todten Raupen mit weissem Staube ein- hüllte, blieben die schwarzen Sporen des Tarichium unverändert. Ebensowenig gelang es mir, eine Portion der schwarzen Sporenmasse durch Einimpfen in den Körper einer gesunden Raupe zur weiteren Entwicklung zu bringen; die auf solche Weise angesteckten Raupen blieben gesund oder starben an der Operation ohne Pilzbildung. Die ganze Organisation der Sporen weist unzweifelhaft darauf hin, dass dieselben Dauersporen, d.h. Fortpflanzungskörper sind, welche erst durch eine längere Winterruhe ihre Keimfähigkeit erlangen, wie 70 sie uns von so vielen Algen und Pilzen bekannt sind. Nachdem ich in Folge der vielen während des Winters erfolglos gebliebenen Keim- versuche zu dieser Ueberzeugung gelangt war, wartete ich das Früh- jahr ab, um die überwinterten Raupen-Mumien in den Keimapparat zu bringen. Aber sei es nun, dass die todten Raupen, welche im warmen Zimmer in einem verschlossenen Glasfläschehen aufbewahrt worden waren, allzustark ausgetrocknet, oder dass sonst die Bedingungen des Keimens nicht richtig gewählt wurden, die Sporen des Tarichium, obwohl sie unter dem Mikroskop anscheinend normale Beschaffenheit zeigten, konnten doch lange Zeit nicht zu weiterer Entwicklung gebracht werden. Während die Tarichiumsporen unverändert blieben, sprossten auf oder um die aufgeweichten Mumien verschiedene Schimmelpilze, meist ästiger Mucor und ‚Penieillium ; auch siedelte sich in einem thö- nernen Keimkasten (dem Nobbe’schen Keimapparat) auf den schwar- zen Flecken, welche sich in der Umgebung der aufgeweichten Mumien sofort bilden, das von Brefeld entdeckte und in so ausgezeichneter Weise erforschte Dietyostelium mucoroides an — der dritte Standort neben Kaninchen- und Pferdemist (Brefeld) und Milch (Bail) für diesen merkwürdigen Myxomyceten. Säte ich die zu Pulver zer- bröckelte Sporenmasse auf Wasser, so trat bald Fäulniss mit Zoogloea- bildung ein, und die Sporen wurden offenbar getödtet. Endlich in den letzten Tagen des Mai, nachdem inzwischen die Lufttemperatur bedeu- tend gestiegen war, hatten meine Bemühungen Erfolg. Die Sporen in einigen Mumien, die in feines Fliesspapier gewickelt — um sie wieder- finden zu können — in feuchter Erde einige Wochen gelegen hatten, veränderten die Beschaffenheit ihres Inhalts sichtlich. Das Oel, wel- ches beim Reifen sich in grossen Tropfen aus dem Zellinhalt der Sporen ausgeschieden hatte, schien sich wieder gleichmässig in diesem zu ver- theilen, und bildete zuletzt nur einen grossen centralen Kern- (Sporo- blast-) ähnlichen Tropfen mitten im feinkörnigen, dicken Protoplasma. Der gesammte Sporeninhalt verdichtete sich ein wenig und bildete eine freie Kugel innerhalb der Sporenhäute, die erweicht und durchsichtiger erschienen (Tab. IV. Fig. 20). Endlich verschwand auch der letzte Oel- tropfen im Mittelpunkt der Spore, und das Protoplasma nahm nun eine gleichmässige, stark lichtbrechende Beschaffenheit an, zeigte auch Vaeuolenbildung, Formveränderung und theilweise Contractionen, welche die erwachende Thätigkeit desselben deutlich anzeigten. End- lich wurden, vielleicht in Folge dieser Contraetionen, beide Sporen- häute durch eine mehr oder weniger tiefe Querspalte gesprengt: ging der Riss um die ganze Sporenkugel, so bildete der Inhalt eine kugelige oder eirunde Plasmamasse, die frei in’s Wasser trat; war die Spalte 71 nur partiell, so quoll durch dieselbe das Plasma entweder als eine bisquitförmig eingeschnürte Masse, ähnlich wie die Zoospore von Vaucheria, so hervor, dass anfänglich noch die grössere Hälfte in der Spore zurückblieb. Oder es trat der Inhalt in Form eines ceylindrischen Schlauchs hervor, der aus dichtem, homogenen, sehr stark lichtbrechen- dem vacuolenhaltigem Plasma bestand, von unregelmässigem gewunde- nem Contur, anscheinend von keiner Zellhaut umschlossen (Tab. Vl. Fig. 2). Diese Plasmaschläuche verliessen die Sporenschale, die leer zurückblieb, traten in’s Wasser, verlängerten sich in unregelmässigen Windungen und schickten kurze rechtwinklich abstehende Aeste aus (Tab. VI. Fig. 22). So fanden sich bei der Cultur auf dem Objectglase, welche ich zuletzt, um die Veränderungen der keimenden Sporen besser controliren zu können, vornahm, neben zahlreichen entleerten Sporen auch eine Menge der ausgetretenen einfachen oder verästelten Plasma- schläuche, zum Theil in sonderbaren Formen. Ob aus diesen Schläu- chen die vielzelligen Gonidienketten hervorgehen, welche ich ganz ähnlich den auf pag. 66 beschriebenen in den Mumien zwischen den Sporen mehrfach antraf, konnte ich nicht sicher ermitteln. 10. Arten von Tarichium. Aus allem oben Geschilderten geht zunächst hervor, dass unser Tarichium mit keiner der bis jetzt untersuchten im Innern von Insekten lebenden Pilzformen übereinstimmt; es unterscheidet sich von diesen einerseits durch die Bildung von Dauersporen, andererseits dadurch, dass diese Sporen sich nicht, wie in allen übrigen Fällen von Pilzkrank- heit bei Insekten, an der Aussenseite der durchbohrten Cutis, sondern im Innern der Körperhöhle vollständig ausbilden. Dass jedoch Arten unserer Gattung Tarichium schon früher beobachtet worden sind, ergiebt sich aus den Abbildungen und Beschreibungen des scharfsichtigen Fre- senius. In der bot. Zeitung von Mohl u. Schlechtendal v. 5. Dec. 1856, p. 889 (Notiz, Insektenpilze betreffend), sowie in der Abhandlung über die Pilzgattung Entomophthora (Abhandl. der Senkenbergisch. Gesellschaft Bd. II. p. 207, Tab. IX. Fig. 59—78) wird Entomophthora sphaerosperma Fres. aufgeführt, die Dr. Mettenheimer im Octbr. 1856 „in vielen vor der Verpuppung zu Grunde gegangenen Raupen des Kohlweissling“ entdeckt, und als wahrscheinliche Ursache ihres Todes bezeichnet hatte; Fresenius, der diese Raupen untersuchte, fand in ihrem Innern isolirte, mehrzellige engere und weitere Pilzfäden, und dazwischen kugelige Sporen mit bräunlicher mehrschichtiger Haut, 2, "m (0,020— 0,027 =), meist Z5 ?” (0,025 ®”-) im Durch- messer, deren Zusammenhang mit den Fäden anfangs dunkel blieb; im 72 folgenden Jahre (1857) ermittelte jedoch Fresenius, dass die Sporen sich an den Enden und seitlich von den Mycelfäden abgliedern. In einer vorläufigen Anzeige des von mir bei den Erdraupen beob- achteten Pilzes in der Sitzung der Botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft vom 18. November 1869 hatte ich für den letzteren wegen seiner grossen Aehnlichkeit mit dem von Fresenius beschriebenen auch dessen Speciesnamen (sphaerospermum) beibehalten; es sind jedoch die Sporen des Fresenius’schen Pilzes nach der eigenen An- gabe dieses Autors um die Hälfte kleiner, als die unsrigen, welche ich zu 0,036 — 0,055 "®-, im Mittel zu 0,050 ==. bestimmt habe. Wie überhaupt bei den Dauersporen der meisten Pilze, finde ich diese Grössenverhältnisse, wenigstens in ihrem mittleren Werthe, nach den von mir an den Sporen aus verschiedenen Erdraupen gemachten sehr zahlreichen Messungen, für constant; und da auf der anderen Seite die Genauigkeit der Messungen eines so gewissenhaften Forschers wie Fresenius umsoweniger angezweifelt werden kann, als er selbst die relative Kleinheit der Sporen bei dem Pilz der Kohlraupen als charak- teristisch hervorhebt, so scheint es mir für jetzt nicht zulässig, trotz der unleugbaren, sehr nahen Verwandtschaft die Identität beider Arten anzunehmen; vielmehr ist nach Analogie des bei andern Entophyten und Entozoen üblichen Verfahrens eine specifische Differenz der auf verschiedenen Wirthen lebenden Parasiten so lange festzuhalten, als nieht eben der Mangel jeglicher morphologischer Verschiedenheit, und vor Allem das Eixperimentum erucis der Uebertragbarkeit von einem Nährorganismus zum andern, die Identität ausser Zweifel setzen. Aus diesem Grunde habe ich den Pilz der Erdraupen unter dem Namen Tarichium megaspermum als eine zweite Art derselben Gattung auf- gestellt, in welche der Pilz der Erdraupen nunmehr als Tarichium sphaerospermum Fres. zu versetzen ist. Denn dass diese beiden Arten in ein besonderes Geschlecht gebracht werden müssen, ist zunächst durch die eigenthümliche Art ihrer Sporenbildung geboten und war auch bereits von Fresenius angedeutet worden, indem derselbe auf Absonderung derjenigen Arten von Entomophthora, welche in der geschlossenen Leibeshöhle eines Insects ihre Sporen bilden, hinwies (l. ce. p. 208). Eine dritte Species von Tarichium (Tarich. Aphidis) wurde von H. Hoffmann in Giessen in Blattläusen auf (ornus sanguinea ent- deckt und ebenfalls von Fresenius als Entomophthora Aphidis beschrieben und abgebildet. Die kugelrunden Sporen dieser Art erfüllen, gemischt mit Mycelresten, meist die Leibeshöhle ungeflügelter Blattläuse, sind aber auch in geflügelten aufgefunden worden; sie 73 messen 0,033 — 0,044, meist 0,037 — 0,040 "=, stimmen also mit denen unseres 7. megaspermum näher überein, ohne dass sich bei der Verschiedenheit der Wirthe die Identität bis jetzt nachweisen liesse. So bildet unsere neue Gattung Tarichium einen eigenthümlichen, nun bereits aus drei verschiedenen Insecten, anscheinend auch in drei verschiedenen Arten bekannten Pilztypus, der zunächst mit den übrigen insektenbewohnenden Pilzen verglichen werden muss. Bei diesem Vergleich können nur die botanischen Merkmale der Pilze in Betracht kommen; denn die Krankheitserscheinungen, resp. Organverletzungen in den befallenen Insekten scheinen bei allen Pilzkrankheiten, von wel- cher Art sie auch herrühren mögen, wesentlich die nämlichen zu sein. Ueberall scheint das Blut in analoger Weise desorganisirt zu werden; wenigstens ist nicht nur bei dem Tarichium der Erdraupen, sondern auch bei Botrytis Bassiana auf Seidenraupen von Guerin Meneville (nach Robin, Histoire des vegetaux parasites p. 569 pl. VII.) und von Vittadini (nach Lebert, Pilzkrankheit der Fliegen, p. 39; Die gegenwärtig herrschende Krankheit des Insektes der Seide, Tab. 6 fig. 29), bei der Muscardine auf Gastropacha Rubi von De Bary (Bot. Zeit. 1867 p. 3) das Auftreten von Krystallen oxalsauren Kalks im Blute beobachtet; bei der Muscardine ist eine saure, bei der Gattine eine schwach alkalische Reaction des Blutes direet nachgewiesen. Die Ent- wicklung von Bacterien und Bacteridien im Blut sterbender Raupen ist bei der Krankheit der Seidenraupen durch Botrytis Bassiana von Guerin Meneville, bei der Gattine und den Morts flats von Pasteur angezeigt. Ebenso scheint bei allen Pilzkrankheiten die Resorption des Fettkörpers durch die Pilzzellen, die Aussaugung der Eingeweide durch die Hyphen, bei vielen auch die Fleckenbildung durch schwarzes Pigment, und das Austrocknen zur Mumie in völlig gleicher Weise einzutreten. 11. Vergleich mit Botrytis und Isaria. Der als Botrytis Bassiana Bals. Montagne bekannte Schimmel in der Muscardine der Seidenraupen, welcher zwar schon seit 1763 gekannt, in der dritten und vierten Decade dieses Jahrhunderts aber ganz beson- ders verheerend auftrat, ist seit Mitte der fünfziger Jahre in räthselhafter Weise allmählich so vollständig aus den Seideneulturen verschwunden, dass es mir, wie andern Naturforschern, schon seit langen Jahren trotz vielfältiger Nachforschungen nicht mehr gelungen ist, aus Italien oder Frankreich, den einstigen Heerden der Epidemie, auch nur ein einziges frisches Exemplar der Muscardine auf Seidenraupen zu erlangen. Dieser Mangel an Beobachtungsmaterial ist ergänzt worden durch die von 74 De Bary untersuchte spontane Erkrankung der Raupen von Bombyx Rubi, Quercus, Caja, Sphinz Euphorbiae, sowie durch eine von ihm constatirte Epidemie der Kieferspinner in den Forsten des nordöstlichen Deutschlands in Folge eines Pilzes, dessen Identität mit der Botrytis bassiana durch die von De Bary (Botanische Zeitung 1867 p. 588) berichtete Uebertragung des Pilzes von Bombyx Rubi auf B. Mori, wie umgekehrt durch die schon früher Turpin und Anderen geglückte des Pilzes der Seidenraupen auf andere Raupen und Larven, in der That ausser Zweifel gestellt scheint. De Bary gelang es, die beiden Hauptfragen in der Lehre von den Insekten tödtenden Pilzen zum Abschluss zu bringen, welche von den früheren Beobachtern nur unvollständig gelöst worden waren: 1) Auf welche Weise geschieht die Ansteckung der Insekten durch die Sporen des Pilzes, und 2) wie verhalten sich die Pilze im Innern des ange- steckten bis zu ihrer Sporenbildung an der Aussenseite des getödteten Thieres? In Bezug auf die erste Frage stellte De Bary ausser Zwei- fel, dass die von Aussen angeflogenen Sporen der Botrytis (Kugel- conidien) auf der Haut der Raupe keimen, ihre Keimschläuche durch die Haut hindurchbohren und nun im Innern des Insekts strahlig sich verästelnd, zwischen den Läppchen des Fettkörpers ein Mycel bilden, von dessen weiterer Entwicklung die Krankheitserscheinungen aus- gehen. Die Verbreitung des Pilzes im Blute geschieht, wie De Bary in Bestätigung und Vervollständigung der Vittadini’schen Unter- suchungen nachwies, nicht in Folge einer Durehwucherung des einge- drungenen Mycels, welches vielmehr von der Eintrittsstelle aus sich höchstens einige Millimeter weit ausbreitet, sondern durch köpfchen- ärtige Ahbschnürung zahlloser Cylinderconidien auf den Spitzen der Hauptäste oder auf kurzen Sterigmen; die Conidien lösen sich ab und erzeugen selbst wieder neue secundäre, diese alsbald tertiäre Cylinder- conidien in solcher Anzahl, dass das Blut, in welchem sie sich verbrei- ten, von ihnen weisslich gefärbt scheint. Endlich hört die Bildung der Cylindereonidien auf; diese wachsen zu ästigen Mycelfäden aus, die zu einem massigen Geflecht verbunden, das Blut und alle Organe aufzehren, den Körper ausstopfen, und so den Tod des Thieres 10—12 Tage nach der Ansteckung herbeiführen, schliesslich die Haut desselben wieder durehbohren und auf der Aussenseite wieder Kugelconidien (Sporen- köpfchen) erzeugen. Nach den durch Tulasne in die Mykologie eingeführten An- schauungen über die Polymorphie der Fruchtbildung bei den Ascomy- ceten ist der hier dargelegte Entwicklungskreis der Dotrytis Bassiana insofern kein vollständiger, als neben den Conidienträgern noch ein 75 Fruchtstand mit Ascosporen zu erwarten ist; als solcher wird nach der Vermuthung von de Bary und Brefeld (Bot. Zeit. 1869 p. 590 und 768) die von Tulasne auf todten Maikäfern gefundene Melanospora parasitica, oder eine dieser ähnliche Form bezeichnet, welche jedoch Bail in der Sitzung der Bot. Seet. der Naturforscherversammlung in Innsbruck vom 31. September 1869 als höhere Fruchtform zu I/saria farinosa gezogen hat. Letztere /saria, welche von Hartig (Mittheil. über die Pilzkrankheiten der Inseeten im Jahre 1868) und Bail (Ueber Pilzepizootieen der forstverheerenden Raupen 1869), sowie von de Bary (Bot. Zeitung 1869) vorzugsweise in den Raupenepidemieen der norddeutschen Kieferwälder beobachtet ist, überzieht die von ihr getödteten Raupen bald als weisser Schimmel, bald erhebt sie sich auf ihrem Körper in Form blass orangefarbener, 1 Centim. hoher Knäul- chen, bald dicker, 1,5—2 Centim. hoher, lebhaft orangerother Körper, welche an der Spitze Conidientragende Zweige garbenähnlich ausbrei- ten. Die von de Bary gegebene Entwicklungsgeschichte stimmt voll- ständig überein mit der von Dotrytis Dassiana, bis auf den Umstand, dass die auf der Haut keimenden Kugelconidien nicht durch diese sich hindurehbohren, sondern durch die Stigmen der Haupttracheenstämme eingeführt werden. Als Perithecien-Form von /saria farinosa wird von Bail, Hartig und de Bary Cordiceps militaris vermuthet; doch ist die Zusammengehörigkeit noch zweifelhaft. (Vgl. de Bary, Bot. Zeit. 1869 p. 604; Bail,l. ec. p. 12 und 22.) So mancherlei Analogieen nun auch die durch /saria und Botrytis, sowie die durch den echten Cordyceps militaris, möge derselbe nun zu diesen „Vorläufern“ gehören oder nicht, veranlassten Epidemieen zu der von uns bei den Erdraupen beobachteten Krankheit bieten, so kann doch von einer näheren Verwandtschaft der Pilze offenbar nicht die Rede sein. 12. Entwicklungsgeschichte von Empusa, Weit innigere Beziehungen zeigt unser Tarichtum zu Empusa. Als ich im Jahre 1854 den ersten Versuch machte, eine längst als epide- misch bekannte Krankheit der Stubenfliegen auf die Entwicklungs- geschichte eines parasitischen Pilzes, meiner Empusa Muscae'), zurück- 1) Fresenius und Lebert glaubten den von mir gewählten Namen Empusa in Entomophthora resp. Myophyton umändern zu müssen, weil jener bereits früher an eine Heuschreckengattung vergeben sei; ich finde jedoch, dass das Verbot homonymer Gattungsnamen in beiden Naturreichen als unausführbar längst auf- gegeben worden ist, und glaube daher, an der auch wohl in der Literatur einge- bürgerten Empusa festhalten zu dürfen. 76 zuführen, waren die bahnbrechenden Arbeiten von Tulasne über Polymorphismus der Brandpilze noch unbekannt. Damals konnte ich den Anfang des Fliegenpilzes nicht über das Auftreten zahlloser, freier kugeliger Zellen im Blute kranker Fliegen zurückführen, während deren weitere Entwicklung bis zu den Conidien, welche auf der Oberfläche der von ihnen getödteten und gesprengten Thiere abgeschnürt und fort- geschleudert werden, sich dann vollständig feststellen liess. Lebert in seinen Untersuchungen über die Pilzkrankheit der Fliegen (Zürich 1856) kam zü den gleichen Ergebnissen. Gebannt an die bis dahin in der Mycologie noch unerschüttert geltenden Anschauungen über Mycel- und Sporenbildung der Hyphomyceten, glaubte ich mich genö- thigt, die Entstehung der von Anfang an isolirt auftretenden Empusa- zellen durch freie Zellbildung im Blute anzunehmen, wie sie damals für die Hefezellen noch durch Schleiden, Mohl und Naegeli gelehrt wurden. Als jedoch noch vor Beendigung des Druckes meiner Empusa- abhandlung Tulasne’s M&moire sur les Ur£dindes et les Ustilagintes (Ann. d. science. nat. 4 ser. t. 11. 1854) mir zur Hand kam und völlig neue Thatsachen über die Entwicklung mikroskopischer Organismen enthüllte, beeilte ich mich, in einer Nachschrift zu meiner Abhandlung (Nova Acta Acad. Car. Leop. nat. cur. vol. XXV. P. ]J.) die Vermu- thung auszusprechen „dass im Innern oder auf der Aussenseite einer Fliege wenige, daher leicht zu übersehende Empusa-Sporen zur Ent- wicklung gelangten, und zwar zuerst, gleich den Brandpilzen, kurze Keimschläuche treiben, dass dann diese auf irgend eine Weise eine grosse Anzahl kleiner, aber ganz verschieden gebauter Zellchen (Spori- dien) hervorbrächten, die später zu vollständigen Empusen auswüchsen; alsdann liesse sich allerdings auch das massenhafte Auftreten von freien kleineren Empusazellen erklären, ohne dass der Eintritt eben so vieler Empusa-Sporen oder eines ausgebreiteten Mycelium dazu erforderlich ist“ (l. ec. p. 356, Carton a—c.). Bei der grossen Schwierigkeit, den ersten Beginn der Krankheit bei den Stubenfliegen zu erkennen, und der Unmöglichkeit, durch künstliche Bestäubung oder Fütterung mit Empusasporen die Krankheit erfolgreich hervorzurufen, war es mir nicht gelungen, diese Vermuthung durch direete Beobachtung zu erproben. Nur.die früh erlöschende Keimfähigkeit der Empusaconidien, welche ich nur bis zu einem Anfangszustande (der sogenannten Häutung der Spore oder Bildung einer secundären Spore (vgl. meine Empusaabhand- lung Tab. XI. fig. 17; Lebert, Pilzkrankheit der Fliegen, Tab. III. fig. 31) hatte verfolgen können, und das Auftreten der Empusakrank- heit an anderen Dipteren auch in den Sommermonaten wurde von mir 77 noch nachträglich ermittelt. Als sich im Mai 1869 eine Zwergeicade, Jassus sexnotatus in den Getreidefeldern Schlesiens so ausserordentlich vermehrt hatte, dass diese Thierchen die Halme wie ein schwarzer Staub bedeckten und unter den Landwirthen allgemeinen Schrecken erregten, fand ich von Mitte bis Ende Juni zahlreiche Exemplare von einer kleinen Empusa hinweggerafit. Die vom Pilz getödteten Cicaden liessen sich dadurch erkennen, dass sie an den Blättern der Getreide- pflanzen festhafteten, ihre vier Flügel wie zum Fluge ausgebreitet. In feuchter Luft brachen bald nach dem Tode die. schlanken Empusa- schläuche durch die Haut des todten Jassus, hüllten den aufgeschwol- lenen Körper in einen sammetartigen weissen Schimmelüberzug und streuten zahllose, von einer Hülle umgebene, nur 0,02% grosse kugelige Conidien aus, welche sofort Keimschläuche trieben. Inzwischen war von Fresenius Zmpusa auch auf Heuschrecken, Tenthredolarven und Mücken entdeckt worden; Bail hatte diesen Pilz 1867 und 68 als „einen Retter der Forsteulturen nachgewiesen, indem in der Tuchler Heide auf Tausenden von Morgen die gefrässige Forleule Noctua piniperda durch eine Empusa so gut wie vernichtet wurde.“ Die erste Beobachtung epidemischer Empusa in Raupen wurde nach Bail’s Nachweisung (Ueber Pilzepizootieen p. 1) von Frauenfeld bei Euprepia aulica im Frühjahr 1835 gemacht, aber von diesem erst 1849 publieirt und 1858 von Reichardt auf eine Empusa (E. Aulicae) zurückgeführt. Noch älter ist die Veröffentlichung unseres ausgezeich- neten Entomologen und Künstler Assmann im fünften Bericht des Schlesischen Tauschvereins für Schmetterlinge 1844, über das Absterben und Schimmeln der Raupen von Euprepia aulica: „die Raupen schwellen erst zu ungewöhnlicher Dicke, dann zeigt sich der Schimmel in Gestalt eines weissen feinen Staubes auf der Haut, wächst dann innerhalb weniger Stunden über die Borsten hinweg oder doch wenigstens diesen gleich. Bricht man die Raupe auseinander — sie werden nämlich durch den Schimmel ganz steif und hart, — so findet man sie inwendig ganz mit derselben Substanz ausgefüllt. Selbst Puppen sind von die- sem Schimmel nicht befreit.“ Als ich die Assmann’schen Beobachtungen 1855 in meiner Empusa- arbeit (l. c. p. 350) wieder abdruckte, bezog ich dieselben irrthümlich auf die echte Muscardine. Erst in diesem Jahre (30. April 1870) erhielt ich durch Herrn Assmann eine Anzahl todter Raupen der Kuprepia aulica, welche in seiner Kultur vor, einige selbst nach der Verpuppung sämmtlich zu Grunde gegangen und in der oben beschriebenen Weise verschimmelt waren, wobei ich mich leicht überzeugte, dass wir es hier mit Reichardt’s Empusa Aulicae zu thun haben. 78 Die mir übergebenen Raupen hingen ziemlich fest aneinander, wie zusammengebacken, und waren, wie sie Assmann geschildert, mit weissem sammtartigem Ueberzug bedeckt, aus dem die rothen und schwarzen Haare nur mit den Spitzen hindurchragten; Mycel und Coni- dien hatten bereits ihre Keimfähigkeit verloren, in Wasser oder in feuchter Luft faulten die Raupen sofort. Nur eine Puppe erhielt ich in frischem Zustande, deren Inneres mit freien kugeligen Pilzzellen voll- gestopft war; Tags darauf wurde die schwarze Puppenhaut in unregel- mässig gewundenen, erst vereinzelt, dann über die ganze Oberfläche sich hinziehenden Querrissen gesprengt; durch diese traten die fructifi- eirenden Schläuche in gewundenen, allmählich zusammenfliessenden weissen Linien, ca. 1 ®=- hoch, heraus und schleuderten eiförmige, mit stumpfer Papille versehene Conidien von 0,03 "®: (0,027—0,038 wm.) im längeren und 0,024 ==. (0,02— 0,027 ® m) jm kürzeren Durchmesser im Umkreis von mehreren Zoll umher. Auf bethautem Glase bildeten die Conidien nach wenigen Stunden von einem oder mehreren Punkten ihrer Oberfläche ausgehende grosse, 0,005 mm- dieke Keimschläuche, die jedoch nach kurzer Entwicklung abstarben. Zu Ansteckungsver- suchen fehlte es mir an geeignetem Material. Die Entwieklungsgeschichte von Empusa ist in neuester Zeit durch die bis jetzt nur in einer vorläufigen Mittheilung bekannt gewordene Unter- suchung von Oscar Brefeld an denRaupen desKohlweisslings (Pieris Brassicae) in den wichtigsten Punkten ergänzt worden. (Ueber Empusa muscae und E. radıicans, Botan. Ztg. 1870 No. 11. 12.) Brefeld infieirte gesunde Kohlraupen, indem er dieselben in Wasser brachte, das frische Empusasporen in Masse enthielt; er verfolgte die Keimung dieser Sporen auf der durchsichtigen Haut der Raupe; er sah diese von dem Keimschlauch durchbohrt, welcher in Schlangenwindungen am dritten Tage bis zum Fettkörper vordringt und sich dann in einen Zell- faden theilt, während das Protoplasma aus der Spore in die Endzelle des Fadens einwandert. Letztere schickt zahlreiche dieke Aeste aus, welche in einem Tage den ganzen Fettkörper mit dem dichtesten Hyphengeflecht ausfüllen. Die fortwachsenden Enden gehen in das den Fettkörper frei umspülende Blut; kleine, zufällig vom Haupt- mycel getrennte Seitenäste werden vom Blutstrom fortgerissen und durch den Körper verbreitet; sie entwickeln sich einzeln im Blut der lebenden Raupe zu einem normalen Mycel und füllen, Darm und Tracheen ausgenommen, den Körper derselben aus, so dass „die Raupe in der Masse des Pilzes erstarrt.“ Auf der Unterseite der todten Raupe brechen Bündel septirter Heftfasern, auf der Oberseite die Sporen bil- denden Schläuche hervor. Die spindelförmigen Conidien haben ganz 79 andere Form und Dimensionen, als die der Emp. Aulicae; jene nach Brefeld 17,6 Mikromm. Länge, 5,4 Breite. diese 30 Mikromm. Länge, 24 Mikromm. Breite; die Conidie von &. Muscae ist 22— 33, im Mittel 25 Mikromm., die von Jassus 20 Mikromm. lang und breit. Brefeld übertrug die Krankheit der Kohlraupen auch auf Fliegen, giebt aber keine nähere Beschreibung ihres Verhaltens. Dagegen gelang es ihm, die Stubenfliegen auch durch Zusammenbringen mit Exemplaren, die an Empusa Muscae gestorben, anzustecken!), und das Eindringen des Keimschlauches der Empusaspore durch die Haut in die Leibeshöhle hinein zu beobachten. Das eingedrungene Ende des Keimschlauchs stellt eine grosse Zelle dar, die sich durch hefenartige Sprossung vermehrt; die Tochterzellen trennen sich von der Mutterzelle und sie- deln sich im Fettkörper an; jede wird wiederum zur Mutterzelle, und indem die Vermehrung durch eine Reihe von Generationen fortdauert, wird die Zahl der Pilzindividuen eine sehr bedeutende. Endlich hört die Vermehrung der Pilzindividuen auf; ein jedes derselben wächst in bekannter Weise schlauchartig aus und wird zu einem Sporen tragenden Faden. Gewissermassen das Ideal einer Kugelspritze, schleudert nach diesen Untersuchungen eine mit fructificirenden Empusen bedeckte Fliege oder Raupe in ununterbrochenem, Stunden lang anhaltendem Feuer in weitem Umkreise, nach allen Richtungen hin gleichzeitig, einen Kugelregen von Sprenggeschossen, welche in den Leib jeden Opfers, das sie erreichen, die tödtliche Ladung hineintreiben. 13. Verhältniss von Empusa zu Tarichium. Als ich zuerst das Zerfallen der Gonidienketten bei den jungen Tarichien ermittelt, drängte sich mir sofort die Vermuthung auf, es möchten die freien Empusazellen im Blute frisch erkrankter Stuben- fliegen eine ähnliche Entstehung haben. Indess stimmt die Art und Weise, wie sich die Keimschläuche der Empusa im Innern der Kohl- raupen und der Fliegen nach Brefeld vermehren sollen, weder unter- einander, noch mit den Vorgängen bei den Erdraupen überein. Ich habe bei letzteren weder zufällige Loslösung von Mycelästen, wie sie bei Empusa radicans, noch hefenartige Sprossung, wie sie bei Empusa Muscae stattfinden soll, gefunden, sondern das Zerbrechen einer aus wiederholter Quertheilung hervorgegangenen einfachen oder verzweig- 1) Meine eigenen gleichartigen Versuche missglückten, weil ich den Versuch aufschob, bis die Empusaepidemie unter den Stubenfliegen erloschen schien, um die Möglichkeit spontan erkrankter Subjecte auszuschliessen (l. c. p. 342). Ich übersah dabei, dass nur frische Sporen keimen, » 30 ten Zellenreihe in ihre einzelnen Glieder; ich habe diesen Vorgang schon oben als Gonidienbildung bezeichnet. Das Charakteristische der von Schroeter bei zahlreichen Faden- pilzen verfolgten Vermehrung durch Gonidien besteht eben darin, dass ein Mycelfaden ganz oder theilweise in eine Reihe von Zellen zerfällt, welche aus ihm durch Theilung entstanden sind, im Gegensatz zur Bil- dung der Conidien, welche auf Sprossung beruht. H. Hoffmann und Bail haben zuerst die Gonidienbildung bei Mucor nachgewiesen, ersterer bei Mucor ? melittophthorus in kranken Bienenmagen (Hedwi- gia 1857 No. 19), letzterer an einem Mucor, der in einem flüssigen Medium (Bierwürze) gekeimt und ein sogenanntes Wasser- oder Schizo- mycelium entwickelt hatte (Flora 1857 No. 27. 28); er sah auch die Ketten der Mucorgonidien in kugelige Glieder zerfallen (daher Glieder- hefe), leitete jedoch ihre Vermehrung von Sprossung nach Art der ech- ten Bierhefe ab. Bekanntlich haben die in der Cultur von Fäkalstoffen gezüchteten Mucorgonidien in der jüngsten Geschichte der Mykologie und Nosologie ein gewisses Aufsehen gemacht, indem sie als Oidium- form eines Cholerapilzes bezeichnet wurden (vgl. meinen Aufsatz über Choleradejectionen, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft Bot. Section für 1867 p. 124; Schroeter über Gonidienbildung bei Fadenpilzen, Jahresbericht der Bot. Section für 1868 p. 135; sowie insbesondere den Bericht von De Bary über Cholerapilze in der Botan. Zeitung 1868 p. 738 seq.). Vermehrung durch Gonidien entdeckte Caspary an einem in Wasser gewachsenen Fusisporium und bezeichnete sie als Arthrosporen (Monatsb. der Berl. Akad., Mai 1855); auch die Oidien der Erysipheen gehören in die Klasse der echten durch Theilung der Hyphen entstandenen Gonidien, wie zuerst Mohl für den Traubenpilz nachgewiesen (Botan. Zeit. 1855 p. 591, Tab. XL); vergl. Tulasne (Select. Fung. carpol. I. Jcones); De Bary über Oridium lactis (Bot. Zeit. 1868 p. 741). Die Vermehrung der Tarichiumzellen im Innern der Raupen stimmt ganz mit der Entwickelung der Mucorgonidien im Innern von Flüssigkeiten, sowie der in der Luft gebildeten Oidien überein '). 1) Nur als zweifelhaft ziehe ich in den Kreis der Gonidienbildung eine Beob- achtung, deren Kenntniss ich meinem verehrten Gönner und Freunde Prof. v. Siebold verdanke. Derselbe sandte mir im August 1368 aus Berchtesgaden ein Objectglas, auf welchem das Blut einer kranken Wespe (Polistes gallica) ein- getrocknet war; die Substanz war undurchsichtig weisslich; im Wasser vollkom- men aufquellend, zeigte sie unter dem Mikroskop zahllose ceylindrische oder stäbcehenförmige, nach beiden Enden abgerundete farblose Pilzzellen von ver- schiedener Länge, 0,015—0,03 mm., im Mittel 0,021 mm., in Breite 0,005—0,006 mm., 81 Ich bin augenblicklich noch nicht im Stande festzustellen, in wie weit die freien Empusazellen, welche sich beim Beginn der Pilzkrank- heit in den Fliegen und auch in den Raupen von Euprepia aulıca finden und dem Blut derselben in diesem Stadium eine mehlartige Beschaffenheit verleihen, sich ihrer Entwicklung nach den zerfallenden Gonidienketten von Tarichium vergleichen lassen. Eine Analogie bei- der Gebilde ist mir aber wahrscheinlich, und macht es begreiflich, dass von mehreren unserer bedeutendsten Mycologen die Identität von Empusa und Mucor, sowie von der auch zur Gonidienbildung befähig- ten Achlya angenommen worden ist. (Vergl. Hoffmann, Ueber Sapro- legnia und Mucor, Bot. Zeit. 1867 p. 345; Bail, Hedwigia 1867 No.12; De Bary, Beiträge 1866, II. p. 21.) Bail hat auch die Sporen von Tarichtum für Mucorgonidien erklärt, was sicher nicht geschehen wäre, wenn er erstere nicht blos aus der Darstellung von Fresenius gekannt hätte. Ich selbst halte diese Ansichten für irrig und freue mich mit Brefeld in der Ueberzeugung übereinzustimmen, dass Empusa, Mucor und Saprolegnia zwar verwandte, aber generisch durchaus verschiedene Pilzgattungen sind, die unter einander in keinem entwicklungsgeschicht- lichen Zusammenhange stehen (Brefeld, Ueber Zmpusa, Bot. Zeit. 1870 p. 184). Dagegen hat sich mir im Verlauf dieser Untersuchung die Vermu- thung entgegengedrängt, ob nicht Empusa und Tarichium in der That in den Entwicklungskreis eines und desselben Pilzgeschlechts gehören, wie dies bereits Fresenius — wenn auch seinerseits ohne hinreichen- den Grund — dadurch ausgesprochen hatte, dass er beide Formen in seiner Zintomophthora provisorisch vereinigt hatte. Ich lege hierbei weniger Gewicht auf das schlauchartige Mycel die- ser Pilze, das sich ebenso auch bei den Mucorineen und Peronosporeen findet, oder auf die Analogie, welche die freien wie die auskeimenden Gonidien im Vorbereitungsstadium der Erkrankung bei Tarichium und Empusa zeigen. Ich halte mich vielmehr hauptsächlich an die That- Viele dieser Stäbehenzellen waren durch Scheidewände quer getheilt, bald in zwei gleiche, bald in ungleiche Hälften; die meisten Exemplare zeigten auch Beginn von Keimung, indem bald an einem, bald aber auch’ an beiden Enden gleichzeitig kurze, dünne, gewundene Keimschläuche (0,015 mm. lang) hervor- sprossten (vgl. Tab. IV. Fig. 1—3). Einen höheren Entwicklungszustand bot das Präparat nicht, und muss ich dahingestellt sein lassen, ob wir es hier mit jungen, in Theilung und Auskeimung begriffenen Gonidien einer Empusa, oder mit Ent- wicklungszuständen eines noch nicht genauer untersuchten besonderen Pilztypus zu thun haben, Vielleicht dient obige Mittheilung dazu, Bienenzüchter oder ‚andere Entomologen auf diese Pilzbildung im Blute der Hymenopteren aufmerk- 'sam zu machen. 6 82 sache, dass nach unserer bisherigen Kenntniss offenbar die Entwick- Yungsgeschichte von Empusa und Tarichium, jede für sich, unvollstän- dig ist. Die sogenannten Sporen von Empusa sind Conidien, welche nur im frischen Zustande keimen und durch Austrocknen oder durch die Winterruhe ihre Entwicklungsfähigkeit verlieren. Andererseits sind die Sporen von Tarichtum Dauer- oder Teleutosporen (vielleicht Oosporen?). Der Gedanke liegt nahe, dass beide Fructificationen sich ergänzen; dass mit anderen Worten Empusa die Conidienform eines Pilzes sei, dessen Teleutosporenform unser Tarzchtum darstellt. Ist diese Vermuthung richtig, so verhalten sich Empusa und Tarichium gewissermassen wie Oidium zu Erysiphe, wie Uredo zu Puccinia ete., vielleicht wie die epiphytischen Conidienstiele von Peronospora zu deren endophytischen Oosporen. Allerdings sind bis jetzt die Arten von Empusa und Tarichtum grösstentheils in verschiedenen Insecten gefunden worden; wir kennen noch keine Fliege mit Tarichium, keine Blattlaus und Erdraupe mit Empusa. Aber die Kohlraupe, an welcher Fresenius 1856 sein Tarichium (Entomophthora) sphaerospermum beschrieben, ist das näm- liche Thier, an dem Brefeld 1869 seine Empusa radicans entdeckte; auffallend ist dabei, dass beide Beobachtungen in derselben Jahreszeit (Herbst) gemacht sind. So viel Wahrscheinlichkeit unsere Vermuthung für sich zu haben scheint, so muss ich doch daran erinnern, dass bis jetzt der Beweis noch nicht geführt ist, so lange es noch nicht gelang, durch die Aus- saat von Empusasporen Tarichium hervorzurufen oder umgekehrt. Die eigenthümliche Keimung der Tarichiumsporen steht unter den wenigen bis jetzt bekannten Entwiceklungsgeschichten von Dauersporen noch sehr isolirt; ich weiss für dieselbe kein Analogon, als De Bary’s Beobachtung bei Peronospora densa und den als Plasmatoparae bezeich- neten Arten, bei denen das Plasma aus der keimenden Conidie nackt austritt, und erst nachträglich sich mit einer Zellhaut umkleidet. In der freien Natur müssen offenbar die mehrere Zoll unter der Erde begrabenen, von Tarichium mumifieirten Erdraupen im Laufe des Win- ters vermodert, die Sporen dadurch in Staubform freigemacht sein, ehe dieselben bei Beginn der wärmeren Jahreszeit keimfähig werden. Es lässt sich vermuthen, dass die im Anfang des Frühlings aus dem Winter- lager heraufkommenden Erdraupen mit dem Sporenstaube in Berührung kommen. Wandern die von uns beobachteten Keimschläuche durch die Haut in die Leibeshöhle der Raupen, so brauchen sie sich nur zur Theilung anzuschicken, um sich in Gonidienketten aufzulösen. Ob aus diesen wieder eine Tarichiumgeneration oder zunächst eine Generation 83 von Empusaeconidien hervorgeht, wird hoffentlich sich ermitteln lassen, sobald die Aufmerksamkeit allgemeiner aufdiese merkwürdigen Parasiten gelenkt sein wird. Sollte die Zusammengehörigkeit von Empusa und Tarichtum sich später herausstellen, so würde natürlich die letzte ihr Gattungsrecht aufgeben, und eben nur zur Bezeichnung einer beson- deren Fruchtform, die vielleicht in verschiedenen Species, sicherlich in verschiedenen Generationen der Insecten auftrit, als ein Formgenus (De Bary, Handbuch p. 173) nach Analogie von Oidium, Isaria, Uredo, Aecidium ete. beizubehalten sein. Für jetzt muss jedoch die Selbstständigkeit der Gattung Tarichtum noch festgehalten werden. Aus der Schilderung der Verwüstungen, welche nach den im Eingange dieses Aufsatzes gegebenen Mittheilungen die Erdraupe in unseren Fel- dern anrichtet, ist Turichtum, insofern es deren Vermehrung in Schran- ken hält, unter die eulturfördernden Pilze zu zählen. Die Stellung im Pilzsystem, welche £mpusa und Tarichium anzu- weisen ist, lässt sich endgültig nicht bestimmen, so lange deren Zusam- mengehörigkeit nicht ausser allem Zweifel steht. Nur soviel steht fest, dass diese Pilze zuden Phycomyceten gehören, also in eine Klasse mitden Chytridiaceen, Saprolegniaceen, Peronosporeen, Mucorineen. Welcher dieser Abtheilungen unsere Insectenpilze am nächsten stehen, darüber lassen sich gegenwärtig nur Vermuthungen aufstellen, die den Mangel einer vollständigen Kenntniss nur ungenügend ersetzen. Die Aehnlich- keit, welche Tarichium in der Bildung seiner Sporen mit Protomyces, sowie mit der merkwürdigen Endogone (Tulasne, Fungi hypogaei, Tab. XX.) zeigt, entspricht sicher keiner näheren Verwandtschaft. 14. Diagnose von Tarichium. Mycelit entozoi tubi liberi ampli torulosi simplices vel septati achroi ramosi ramis sparsis patentibus protoplasmate oleoso, in insecti cujus- dam sanguine evoluti, quo absorbto omnibusque organis exchaustis, cavum corporis — alvo et tracheis exceptis — prorsus explent, morbum denique mortem efficiunt, post fructificationem nigrescunt, maxima ex parte evanescunt. Propagationis Örgana: 1. hypno- vel teleutosporae (oosporae?) numerosissimae in insecti interiore corpore evolutae nunguam libere erumpentes in tubis mycelii terminales vel laterales globosi breviter stipitatae, maturae pro- toplasma oleosum continentes, endosporio achroo episporio nigro-brunneo valido plicato-incrassato munitae, per hiemem quiescentes, germinando tubum simplicem mox ramosum protoplasmaticum protrudentes, qui insecti cujusdam cutim penetrare videtur. 6* 84 2. gonidia, tuborum primordialium in seriem cellularum monilı- formem simplicem vel ramosam divisarum et in articulos globosos vel ovales secedentium partitione succedanea orta, sanguinem morbi initio creberrime replentia, ante mortem singula in mycelium sporiferum excrescentia. Status Üonidiophorus an Empusa? Tarichium megaspermum Cohn in Agrotidis segetum erucis hieme, sporae diameter 0,05 "”- (0,036 — 0,055 "".). Tarichium (Entomophthora) sphaerospermum Fr esen., sporae diameter 0,025 "m. (0,02—0,027 "".) in Pieridis Brassicae erucis hieme Mettenheimer. Tarichium (Entomophthora) Aphidis Fresen. Sporae diameter 0,04 "m. (0,033 —43""-) in Aphidis Corni larvis Hoffmann. Breslau, 1. Juni 1870. Erklärung der Abbildungen. num Tabula IV. Fig. 1—3. Pilz aus dem Blute einer Wespe (Polistes gallica). Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4a. or Fig. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Cylindrische Pilzzellen verschiedener Grösse, Theilung der Zellen. Bildung von Keimschläuchen: a. an einer ungetheilten Pilzzelle an bei- den Enden; b. an einer getheilten ebenfalls an beiden Enden; Fig. c. d. an ungetheilten Pilzzellen nur an einem Ende, Fig. 4—10. Tarichium megaspermum. Blut einer kranken Erdraupe (Agrotis segetum) mit schwärzlichen Pigment- körperchen und Rhaphidenbüscheln; 4b. einfacher, c. Zwillingskrystall aus dem Blute. Pilzzellen im Blute (von eingedrungenen Keimschläuchen herstammend ?) a. kugelig; b. e.d. cylindrisch, zum Theil gekrümmt; e. S-förmig; f. zick- zackartig gebogen; g- mit beginnender Quertheilung; h. dreigablig, die Enden durch Querscheidewände abgegliedert; i. in Gonidien sich auflösend. Bildung der Gonidienketten; a. zweigliedrig; b. Oidiumartige Reihen von Zellen bildend, die sich kugelig abrunden; bei * ein zur Seite gedrängtes Gonidium; c.d.e. f. Gonidienketten, einfaeh oder sich verästelnd, in die einzelnen, bald kugeligen, bald cylindrischen, bald grösseren, bald kleine- ren, durch Quertheilung sich beständig vermehrenden Glieder zerfallend. Aeussere Darmwand der Raupe mit kugeligen Gonidien dicht bedeckt; b. ce. isolirte Gonidien. Keimung der Gonidien kurz vor dem Tode der Raupe; a. Keimschlauch an einem, b. an beiden Enden der Gonidie; c,d. e. Keimschläuche an der Ursprungsstelle rechtwinklig verästelt. Ausgewachsenes Gonidium, dessen mehrfache Enden durch Quertheilung wieder Gonidien erzeugten. . Mycelbildung aus gekeimten Gonidien: dichotom verzweigte Schläuche, deren Aeste theils wurzelähnlich, tbeils durch Quertheilung in Gonidien- ketten gebildet, theils durch Anschwellung zur Sporenbilduug sich vor- bereitend. Sämmtliche Figuren sind 400 mal vergrössert. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 86 Tabula V. Tarichium megaspermum. Mycel in der absterbenden Raupe; einzelne Enden der Schläuche sind kugelig aufgeschwollen, im Begriff sich zu Dauersporen umzubilden; bei * bildet sich eine Doppelspore. 250. Ende eines Mycelastes, zur Spore sich umbildend. 400, Desgl.; die in Entwicklung begriffene Spore communiecirt noch mit der Höhle des Mycelfadens. 400. Mycel aus einer todten Raupe, quergetheilt, mit Plasma und Oel gefüllt; bei * eine Spore in der Entwicklung, noch mit dem Schlauch communi- eirend; die grössere Spore ist von einem Mycelaste hakenförmig nach Art einer Antheridie (?) umgeben. 400. Doppelsporen an einem Mycelfaden, die obere Spore ist bereits ausgebil- det, die untere erst in der Entwicklung begriffen, 400. Dauerspore mit kurzem Sterigma an einem abgerissenen Mycelast sitzend. 400. Sehr kleine Spore mit kurzer Papille. 400. Eine etwas grössere mit stärker entwickelter Papille, 400. Doppelspore, unregelmässig ausgebildet. 250. Spore mit Papille an einem Mycelast hängend, dessen Haut sich bereits dunkel gefärbt hat. 400. Doppelspore; die Spore links zeigt im Centrum eine verdünnte Stelle, dem Anheftepunkte entsprechend; die Spore rechts ist durchsichtig gemacht, um die Beschaffenheit des ölreichen Inhalts zu zeigen. 400. Spore mit gewundenem Episporium und abgerissenem Sterigma. 400. Spore zerquetscht; das braune Episporium ist unregelmässig gesprengt und lässt das darunter befindliche farblose Endosporium unterscheiden. 250. . Eine Spore nach der Winterruhe in Kali durchsichtig geworden, um das Episporium und das darunter befindliche, verdickte Endosporium, sowie den Inhalt zu zeigen. 250. . 16. Das Episporium ist durch vorsichtiges Wälzen der Spore abgestreift und lässt den ölreichen Sporeninhalt nur von dem Endosporium bedeckt erkennen, das in Folge der Rollung elliptische Form angenommen hat. 250. 17—19. Raupen von Agrotis segetum durch Tarichium getödtet; Fig. 17. eine 20. 21. 22. halbtodte Raupe, vorn schwarz, hinten grau; Fig. 18. ganz schwarz, bald nach dem Tode; Fig. 19. Dieselbe zur schwarzen Mumie eingeschrumpft; natürl. Grösse. Spore mit Vorbereitung zur Keimung. Der Sporeninhalt hat sich zu einer Plasmakugel verdichtet, mit einem centralen Oeltropfen. 250. (Auf Tab. VI.) Der Sporeninhalt tritt als Plasmaschlauch aus der gesprengten Sporenhaut. 250. (Auf Tab. VI.) Verlängerter und verästelter Keimschlauch, anscheinend nur aus Plasma bestehend, aus der entleerten Spore ausgetreten. 250. Ueber die Stammfäule der Pandaneen. Von Dr. J. Schroeter. nun Allen, die sich mit der Cultur von Pandaneen befassen, ist es bekannt, dass diese Gewächse häufig von einer Krankheit ergriffen werden, in deren Verlauf der Stamm zu faulen beginnt und sehliesslich gewöhnlich ganz zu Grunde gerichtet wird. Als in diesem Frühjahr ein schöner Pandanus des hiesigen bota- nischen Gartens erkrankte und endlich rettungslos abstarb, wurde mein Interesse auf diese Krankheit gerichtet, und ich fand bei Durch- sicht der früheren Gartenbau-Literatur, dass sie schon seit langer Zeit bekannt und gefürchtet, auch schon mehrmals beschrieben und eingehend erörtert worden ist. Die älteste Mittheilung, die mir darüber zu Gesicht gekommen, ist aus dem Jahre 1836 von Sinnig, damaligen Inspector des botanischen Gartens zu Poppelsdorf!). Der Verfasser beruft sich auf das häufige Vorkommen der Krankheit und die grosse Furcht, welche die Gärtner vor ihr haben. Der kranke Pandanus utilis, der seiner Beobachtung zu Grunde lag, wurde zuerst dadurch auffällig, dass bei ihm die ober- sten Blätter gelbfleckig wurden und abstarben. Bei Revision der Krone fanden sich die innersten Blätter derselben, das sogenannte Herz, in Fäulniss übergegangen, während die Blätter, die dasselbe umschlossen, verhältnissmässig gesund’ waren. Von diesem Herzen aus ging die Fäulniss einerseits auf die nächsten Blätter, andererseits auf die Spitze des Stammes über. Die Entstehungsursache der Krankheit lässt er unbestimmt, glaubt aber, dass dieselbe nicht so ungünstige Aussichten bietet, wie wohl 1) Allgemeine Garten-Zeitung von Otto und Dietrich. Berlin 1836. 4. Band pag. 401. 88 angenommen wird. In seinem Falle wurde das kranke Herz mit der angefaulten Stammsubstanz ausgeschnitten und die Wunde mit pulveri- sirter Holzkohle gefüllt. Dadurch gelang es, das Exemplar mit seiner Blattkrone zu erhalten. | In einer Anmerkung zu diesem Aufsatze bemerkt Otto, dass ein Pandanus des berliner botanischen Gartens ebenfalls von dieser Krank- heit ergriffen worden war. Sie machte sich auch hier durch eine gelbe Farbe der jungen Blätter bemerklich, endlich ging der Stamm in Fäul- niss über, die Krone neigte sich, und die ganze Pflanze starb ab. Auch in anderen Gärten, führt er an, wurde das Leiden öfter beobachtet. In neuerer Zeit hat sich der Inspector des königl. botanischen Gar- tens in Berlin, Herr Bouch&, mit der Frage über die Entstehung der Pandanuskrankheit, beschäftigt, und dieselbe durch Experimente zu lösen gesucht. Er kommt dadurch zu dem Schlusse, dass der Frost als Ursache derselben zu betrachten sei, indem durch ihn die Vege- tationsspitze getödtet und darauf einzelne Stellen des Stammes erweicht würden. Auch er empfiehlt das Ausschneiden der weichen Stellen als Radicalkur, giebt aber an, dass sich das Leiden oft von selbst begrenze. Nach solehen und anderen Erfahrungen muss zugegeben werden, dass das von diesen Beobachtern geschilderte Leiden, welche unter dem Namen der Gipfel- oder Kernfäule der Pandaneen bekannt ist, als genügend ergründet zu erachten ist, und es scheint beinahe über- flüssig, auf die Pandanuskrankheiten überhaupt noch einzugehen. Dennoch halte ich das Thema noch nicht für ganz erschöpft, denn die Krankheit, welche unseren Pandanus befallen hatte, zeigte einen Ver- lauf, der von dem der Gipfelfäule bedeutend abwich, und verdient darum eine besondere Betrachtung. Der erkrankte Stamm war ein herrliches Exemplar von Pandanus odoratissimus Jacg, der im Jahre 1845 als etwa 1M. hohe Pflanze in den Besitz des Gartens gekommen und jetzt zu einer der grössten Zierden desselben herangewachsen war. Er wurde im Palmenhause eultivirt und nahm hier in der Mitte desselben gewissermassen den Ehrenplatz ein. Sein Hauptstamm war etwa 3 N hoch, am Grunde 20 ©” dick, bis zur Höhe von 1 " durch zahlreiche starke Stützwurzeln getragen. Er war besonders durch seine schöne Verzweigung ausgezeichnet. Etwas über dem höchsten Wurzelansatz entsprangen 3 in einen Quirl gestellte starke Aeste, die fast rechtwinklig abgingen, weiter oben noch zwei kleinere Zweige, so dass der Baum im Ganzen sedfis mächtige Blattkronen trug, die sich über einen Raum von etwa 8 Schritt im Durchmesser ausspannten, 89 Ende März dieses Jahres wurde bemerkt, dass der schöne Baum zu kränkeln anfıng. Er stiess in ganz auflfälliger Menge seine Blätter ab, und dabei wurde beobachtet, dass diese fast vollständig grün und frisch, namentlich nicht fleckig und an der Spitze nie welk waren. Nur an der Basis waren sie etwas erweicht und missfarben. Durch diesen Blattfall wurde nach und nach an den verschiedenen Aesten ein, etwa 20 m: Janges Stück des Stammes entblösst, welches sich durch seine mehr gelbgraue Farbe von den darunterliegenden, bräunlichen Stammtheilen scharf abhob. Bei weiterer Untersuchung fanden sich hierauf dicht unterhalb der Stelle, wo vor dem Beginn der Krankheit die Krone angesessen hatte, eine Anzahl isolirter Flecke, die sich weich anfühlten und etwas ver- tieft und missfarben erschienen. Die Flecke vergrösserten sich und wurden zahlreicher und bald flossen mehrere zusammen, so dass sich nach einiger Zeit an der Grenze des früheren Blattansatzes ein erweich- ter Ring um den ganzen Stamm herum bildete. Oberhalb dieses Ringes, den ich als Demarkationslinie der Krankheit bezeichnen will, zeigte sich äusserlich zu keiner Zeit etwas Krankhaftes, unterhalb desselben war der Fortschritt des Leidens immer weiter bemerklich. Von oben nach unten fortschreitend, traten immer neue Flecken auf, und an den zuerst ergriffenen Stellen-drang die Erweichung immer tiefer ein. End- lich zeigte sich am Gipfel ein etwa 25 ©” langes Stück des Stammes von der beschriebenen Linie abwärts ganz erweicht, es wurde welk und schrumpfte zusammen. Es vermochte das Gewicht der Krone nicht mehr zu tragen, diese neigte sich und drohte von selbst abzubrechen. Das Leiden hatte gewiss an der Endigung des Hauptstammes ange- fangen, denn hier war es am weitesten vorgeschritten; als es bemerkt wurde, waren aber auch die Enden der beiden obersten Zweige schon ergriffen. Bald nachher erkrankte einer der drei unteren Aeste, erst viel später im Mai ein zweiter. Ueberall nahm die Krankheit densel- ben Verlauf: sie begann unter dem Ansatz der alten Krone, es bildete sich eine Demarkationslinie, die Erweichung schritt von dieser aus mit fleckartigen, sich erweiternden Herden abwärts. Unaufhaltsam drang die Zerstörung weiter, und als auch der zweite der unteren Aeste in wenigen Wochen unter unseren Augen vernichtet worden, schien nichts übrig zu bleiben, als die Aeste zu entfernen. Es wurden zuerst die Kronen abgeschnitten und der ganz erweichte Theil der Aeste, als aber die Krankheit noch weiter ging, musste auch der grösste Theil des Stammes abgesägt werden, so dass von ihm jetzt nur noch ein kleiner Rest mit den Stützwurzeln und einem einzigen Aste erhalten, das Exemplar in seiner Schönheit also vollständig vernichtet ist. 90 Bei dem Bestreben, die Ursache dieser Erkrankung zu ergründen, war immer constatirt worden, dass das sogenannte Herz der Krone gesund sei. Dadurch besonders, sowie durch das eigenthümliche, begrenzte Fortschreiten der Erweichungen, war ersichtlich geworden, dass hier ein ganz anderer Krankheitsprozess vorlag, als die vorer- wähnte Gipfelfäule. Es mag im Gegensatz zu derselben als Stamm- fäule bezeichnet sein. 2 Ich will gleich bemerken, dass ziemlich früh an dem erkrankten Stamme eine Pilzbildung beobachtet wurde, deren Entwicklung mit der Ausbreitung des Leidens immer gleichen Schritt hielt. Es wurde bald die Vermuthung aufgestellt, dass der Pilz mit der verheerenden Krankheit in ursächlichem Zusammenhange stehe, ehe jedoch dieselbe weitere Beachtung beanspruchen konnte, musste erwogen werden, ob sie etwa durch andere schädliche Einflüsse veranlasst sein konnte. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Stammfäule ebenso wie die Gipfel- fäule durch die Winterkälte entstanden sei. Der Winter 1869/70 war bekanntlich auch für Breslau einer der strengsten seit langer Zeit und hunderte von Bäumen sind ihm in den städtischen Anlagen zum Opfer gefallen. Es wäre demnach nicht wunderbar gewesen, wenn sich auch in den Gewächshäusern die schädliche Wirkung des Frostes in vorragen- der Weise bemerklich gemacht hätte. Viele Gärtner haben in der That durch diesen Winter erhebliche Verluste an Warmhaus-Pflanzen gehabt, der botanische Garten scheint aber in dieser Hinsicht wenig gelitten zu haben, und gerade im Palmenhause ist keine Beschädigung durch den Frost vorgekommen. Speciell für unseren Pandanus fehlte jeder Grund, weshalb gerade er durch die Kälte betroffen sein sollte. Trotz seiner Grösse und erhöhten Stellung blieb die Krone immer noch eirca 3 M von dem Dache des Glashauses entfernt, andere Pandanus-Arten, von denen doch eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Temperatur- einflüsse nicht bekannt ist, kamen demselben viel näher und hatten nicht gelitten. Wie erwähnt, wurde die Krankheit erst im März bemerkt, also zu einer Zeit, wo die strenge Kälte längst vorüber war, indess könnte immer der Grund zu ihr schon im Februar gelegt worden sein, in den bei uns die kälteste Zeit fiel. Ihre ersten Anfänge an den obersten Zweigen konnten übersehen worden sein. Für den zuletzt befallenen Ast kann dies aber nicht gelten, seine Erkrankung kann sicher erst im April begonnen haben. Auch die Localisation der Krankheit entspricht nicht der Entstehung durch Frost. Diese würde vorwiegend die der Kältequelle zunächst gelegenen Theile angegriffen haben, also mehr ausschliesslich die oberen Aeste, und von diesen mehr ausschliesslich 91 die Spitzen der Kronen. Warum sie nur auf einen Theil des Stammes und zwar gleichmässig an allen, auch den tieferen, in ganz geschützter Lage befindlichen Aesten eingewirkt haben sollte, blieb geradezu unbegreiflich. Leichter wäre ein solches Allgemeinleiden der Fflanze durch eine Beschädigung ihrer Wurzeln erklärlich geworden. Das Krankheits- bild entsprach indess von vornherein nicht dem, welches sich bei Wur- zelerkrankungen zu zeigen pflegt. Gewöhnlich erkranken dann zwar auch zuerst die unteren Blätter und fallen zu Boden, die Blattkrankheit wird dabei aber viel augenfälliger und vollständiger. Das Blatt wird zuerst gelbfleckig und an der Spitze welk, von da vertrocknet es nach dem Grunde zu und fällt ab, wenn es ganz oder grossentheils verwelkt ist. Die Krankheit setzt sich nach der Mitte der Krone zu fort, bis sie schliesslich die Vegetations-Spitze erreicht, Uebrigens wurde es nicht versäumt, die Wurzeln zu untersuchen. Die Stützwurzeln waren sämmtlich kräftig und ganz gesund, nirgends fand sich an ihnen eine weiche oder sonst Verdacht erweckende Stelle. Eine derselben, welche der Boden noch nicht erreicht hatte, zeigte sogar ein sehr lebhaftes Wachsthum, indem sie sich während der Krank- heit des Stammes um circa 6 ©®- verlängerte. Auch an den in der Erde befindlichen Wurzeln, die man durch Entfernung einer Daube des Gefässes blossgelegt hatte, konnte nichts Krankhaftes entdeckt werden. Aehnlich wie bei einem Wurzel-Leiden würde der Verlauf gewesen sein, wenn Mangel an Ernährungsmaterial den Grund dafür abgegeben hätte. An diese Ursache wurde zuerst gedacht, als das erste Abfallen der Blätter eintrat, denn der Baum war lange Zeit nicht verpflanzt worden und befand sich in einem, für seine Dimensionen etwas kleinem Gefässe. Es wurde darum der Versuch gemacht, durch Auffüllen mit Erde und Bedecken des Bodens mit Lohe mehr Nährstoff zuzuführen, dies blieb aber ohne allen’Einfluss auf den Verlauf. Auch ein durch zu grosse Trockenheit entstandenes Leiden war auszuschliessen. Eine Vernachlässigung im Giessen rächt sich bei den 'Pandaneen, die eine Menge Wasser bedürfen, sehr schnell und eine solche kann im Winter leicht vorkommen, wo die anderen Pfleglinge des Hauses die gleiche ängstliche Sorgfalt nicht bedürfen, aber hier lag eine solche Vernachlässigung nicht vor. Es würde nach ihr auch eher eine Gipfeldürre, wie eine Stammfäule eingetreten sein. Sonach konnte die Krankheit nicht auf allgemeine schädliche Wit- terungs- und Ernährungsstörungen zurückgeführt werden, und es musste ‘zu ihrer Entstehung eine Schädlichkeit angenommen werden, die gerade 92 nur local auf bestimmte Stammstücke eingewirkt haben konnte. Als solche war zunächst eine grosse, auf bestimmte Stellen einwirkende Feuchtigkeit in's Auge zu fassen. Das Wasser, welches nach den Kronen des Pandanus gespritzt wird, häuft sich gern in der trichterförmigen Mitte derselben und in den ausgehöhlten Blattansätzen an. Hier kann es leicht stagniren und Veranlassung zu Fäulnissprocessen geben. Darum ist es nöthig, das angesammelte Wasser sorgsam zu entfernen, wenn es sich nicht anders thun lässt durch Aufsaugen mit Lappen oder Schwämmen. Die Gärt- ner kennen diese Vorsicht und versäumen sie nicht. Gefährlicher ist das von der Bedachung des Gewächshauses herab- träufelnde Wasser, besonders im Winter, das von allen Blättern auf die es fällt nach der Mitte der Krone und nach dem Stamm zu concentrirt wird und hier Erkältung und Fäulniss zugleich veranlassen kann. Ein grosses Exemplar von Pandanus utilis Bory des Gartens ist vor einigen Jahren erheblich dadurch beschädigt worden. Es stand unter einer beschädigten Stelle des Daches, von wo der schmelzende Schnee in seine Krone herabtropfte. Als die Krankheit bemerkt wurde, bot sie ganz das Bild der Gipfelfäule: die innersten Blätter waren abgestorben, das darunterstehende Stammende hatte angefangen zu faulen. Die Entfernung der faulenden Theile und bessere Placirung der Pflanze genügten, das Leiden zum Stillstande zu bringen. Die Krone wuchs wieder weiter, aber auch jetzt noch sieht man an den lückenhaften und beschädigten Blättern im mittleren Theile der Krone die Folgen der überstandenen Krankheit. In diesem Winter fand sich in der Fügung des Daches keine Beschädigung, dennoch könnte kaltes Wasser von dort herabgetropft sein, indem sich in den kalten Nächten der Wasserdampf des Hauses an den höchsten Stellen niedergeschlagen hätte. Die erkalteten Tropfen, welche die Blätter des Pandanus trafen, würden sich in den Blattinsertionen haben sammeln und hier ihre schäd- liche Wirkung äussern können, So würde sich allerdings das Absterben der Blätter an ihrer Basis und ihr Abfallen erklären lassen, nicht gut aber der Umstand, dass der Stamm erst unterhalb des Blattansatzes krank wurde. Der regelmässige Fortschritt der Krankeit, ihr unauf- haltsames langsames Umsichgreifen, ihr Uebergang auf die gesunden Theile zu einer Zeit, wo von Winterfrost und erkältetem Tropfwasser nicht mehr die Rede sein konnte, würde damit nicht in Zusammenhang zu bringen sein. Dieser Verlauf entspricht ganz dem, solcher Pflanzen - Krankheiten, die durch die Anwesenheit von Schmarotzerpilzen entstehen. Da nun hier eine exquisite Pilzbildung im Verlaufe des Leidens auftrat, war bei 93 Ermangelung anderer ausreichender Gründe der Verdacht motivirt, dass dieselbe auch eine Hauptschuld an seiner Entstehung und Ausbreitung trug. Zur Entscheidung dieser Frage war eine Untersuchung der kranken Stämme und des Pilzes selbst erforderlich, die Herr Geheimerath Goeppert die Güte hatte mir zu überlassen. Es wurde dadurch zunächst festgestellt, dass die abgeschnittenen Kronen bis in ihren innersten Kern hinein gesund waren. Die mittel- sten Blätter waren frisch und fest zu einer scharfen dreischneidigen Spitze geschlossen, bei deren Entfalten auch die kleinsten Blättchen gesund erschienen. Die Kronen bestanden immer noch aus einer grossen Zahl schöner, ganz unversehrter Blätter, die den Enden der Aeste fest anhafteten. Unmittelbar unter den Kronen war der Stamm in allen Fällen durch und durch gesund, äusserlich konnte auch bis zu der oben erwähnten Demarkationslinie nichts Krankhaftes nachgewiesen werden, bei dem Durchschneiden zeigte es sich aber, dass sich die Erkrankung auch etwas nach oben hin fortsetzte. Die Erweichung drang an der Demar- kationslinie durch den ganzen Stamm hindurch, und erstreckte sich von da in den oberen Theilen innerlich kegelförmig weiter, schnell von der äusseren Schicht zurückweichend und sich allmählich verlierend. An den kürzeren oberen Aesten drang sie so in der Mitte bis wenige Cm. unter die Krone vor, während sie an den unteren Aesten noch etwa 3 ©m- von ihr entfernt blieb. Dadurch wurde an den Kronen ein ziem- lich langes Stammstück erhalten, das ganz gesund war und für genügend erachtet wurde, um sie wieder einzupflanzen und weiter zu eultiviren. Von der Demarkationslinie abwärts war der Stamm eine Strecke weit, bis zu 8 °®-, durch und durch erweicht. Tiefer unten war der innere Theil seines Gewebes gesund, die Erkrankung nahm die äusseren Partien ein und drang später nur noch etwa 8 "”- weit unter die Ober- haut. Endlich, an noch tieferen Stamm-Theilen, traten die Erweichungen nur noch als vereinzelte Flecke auf, an denen sich die Erkrankung nur einige Millimeter unter die Epidermis erstreckte. Ueberall characterisirte sich das erkrankte Gewebe durch eine mehr oder weniger dunkelbraune Färbung und hob sich dadurch immer scharf von den weissen gesunden Theilen ab. Während sich das normale Gewebe durch eine grosse Zähigkeit auszeichnet, in Folge deren es schwer wird, einen Stamm mit dem Messer zu durchschneiden, waren die kranken Theile so erweicht, dass sie leicht selbst mit stumpfen Instrumenten zu zerstückeln waren. Beim Eintrocknen schrumpften die kranken Stammstücke stark zusammen, fast doppelt so stark, wie die unversehrten Theile, und bildeten eine fasigere, brüchige Masse, in der 94 sich die einzelnen Gefäss- Bündel leicht auseinander ziehen liessen, ja fast von selbst zerfielen, und unter den Fingern beinahe zu Staub zer- rieben werden konnten. Bei mikroskopischer Betrachtung fand sich, dass die Zellhäute an den kranken Stellen meist gebräunt und brüchig geworden waren. Der Zusammenhang der die Gefäss-Bündel constituirenden Zellen war nicht aufgehoben, aber der Verband der Zellen des Grundgewebes meist stark gelockert und die Zwischenräume zwischen ihnen durch eine Flüssigkeit gefüllt, in welcher die im ganzen Gewebe ungemein reich- lich verbreiteten Nadeln von oxalsaurem Kalk, frei herumschwammen. An allen Stellen, die sich gebräunt und erweicht zeigten, fand sich in dem Pflanzengewebe ein feines Pilzmycelium uud zwar überall von ziemlich derselben Beschaffenheit. Es bestand aus zarten Fäden mit farbloser Membran und meist farblosem, nur in den dickeren Stellen leicht gelblichem, homogenen Inhalt. Die Aeste waren ziemlich gleich- mässig cylindrisch, die dickeren 0,002 bis 0,003 "m, die dünneren 0,001 ®®- breit. Häufig aber in sehr verschiedenen Zwischenräumen zeigten sich wahre Scheidewände. Die Aeste verliefen ziemlich grade. Die Zweige traten in unregelmässigen Zwischenräumen, meist rechtwinklig von den Hauptfäden ab, nur selten zeigten sich an diesen einseitige knorrige Auftreibungen (Astanfänge), die Spitzen der frei endenden Aeste waren abgerundet. Auf den Gefäss-Bündeln lief das Mycel, meist der Längsrichtung derselben folgend, lange hin und gab nur sehr sparsame Zweige ab, in die verholzten Theile derselben drang es nicht ein. In dem Grundgewebe dagegen verzweigten sich die Fäden ausserordentlich reichlich und verbreiteten sich überall zwischen den Zellen, so dass jede von ihnen mit einem ziemlich dichten Netze dieser zarten Fäden umsponnen war. In die Zellen selbst drang dieses Mycel nie ein. An der Stammesoberfläche wurde die Pilzbildung zuerst in der Form schwarzer Keulchen bemerkt, die, in mehr oder weniger grossen Flecken zusammenstehend, durch die Oberhaut hervorbrachen. Sie hatte an den Stellen begonnen, an welchen auch die Stammerweichung ange- fangen hatte, und zwar war sie da bemerkt worden, ehe die Krankheit einen besonders hohen Grad erreicht hatte. Bald sah man auch den Pilz an tiefer gelegenen Stellen derselben Theile auftreten, an denen noch keine Krankheitserscheinungen bemerkt worden waren, aber nach dem Auftreten des Pilzes stellten sich diese auch hier ein. Nach und nach befiel er nun auch die tieferen Aeste und zwar in derselben Reihen- folge, wie sie von der Krankheit ergriffen wurden, und immer wurde der Pilz vor der Krankheit selbst bemerkt, und immer verbreitete er 95 sich, während er oben bedeutend zunahm, weiter nach abwärts, auf gesunde Theile übergreifend. Als die Aeste abgeschnitten wurden, überzog er dicht unter der Demarkationslinie die Stammenden dicht bis auf weite Strecken herab, isolirte, mit den schwarzen Keulen besetzte Fleck&, reichten bis zu der ersten Theilungsstelle des Stammes herab, und auch an dem’letzten, bisher gesund gebliebenen Aste, an welchem lange nicht die geringste Pilzbildung sichtbar, fingen an sich einzelne derartige Flecke zu zeigen. “ Bei näherer Untersuchung sind diese anscheinenden Keulchen von sehr verschiedener Gestalt, entweder kurz und dick, an der Spitze in einen starken Knopf angeschwollen oder mehr verlängert, oft bis zu 2 und 2,5 °=- In letzterem Falle sind sie meist geschlängelt, unregel- mässig gekrümmt oder rankenförmig eingerollt, bandartig, bis zu 1,5 "m- breit, und in ihrer ganzen Länge tief gefurcht. Sie sind dunkelschwarz, mit einem Stich in's Grünliche. Im Wasser zerfliessen sie vollständig zu einem schwarzgrünem Schleime. Sie entspringen von warzenartigen Gebilden, deren erste Anfänge sich an solchen Stammtheilen finden, die nicht die geringste anderwei- tige Erkrankung zeigen. Sie treten hier zuerst isolirt als kleine Höckerchen auf, welche die Oberhaut leicht emporheben, und gleichen in diesem Zustande den ersten Ursprüngen von Luftwurzeln. Dann durchbrechen sie die Epidermis mit einem länglichen oder dreieckigen Spalt, und haben so grosse Aehnlichkeit mit den Lenticellen der Dieoty- ledonenstämme. Hierauf wachsen sie zu flachen Warzen von etwa 2,5 "=- Höhe und 4—5 ""- Breite an, die gewöhnlich in der Richtung des Stammumfanges verlängert sind. Bald vermehren sie sich, ihre Stel- lung wird dichter und es fliessen mehrere zusammen, so dass sie dann bandartige Streifen bilden. Die Farbe der Warzen ist dunkelgrau, auf ihrer Oberfläche wie kleiig bestäubt; am Grunde werden sie von der aufgestülpten Oberhaut umgeben. Ihr Gewebe ist weich, im Inneren blass, und besteht hier aus dicht verflochtenen Hyphen, deren Glieder etwa 0,003 bis 0,004 "= breit und 2 bis 3mal so lang sind. Nach der Oberfläche zu nehmen diese Glieder mehr rundliche Formen an, färben sich dunkeler, zuletzt fast schwärzlich grün und bilden eine Art Epidermis über das Wärzchen. Einige ihrer Endglieder laufen über derselben in farblose freistehende, kugelige oder haarförmig dünne Zellen aus und constituiren so den kleienartigen Ueberzug. In ihren Innern enthalten die Wärzehen schon in sehr frühen Entwicklungszuständen Höhlungen, die kleineren nur eine, die grösseren mehrere. Letztere bestehen daher aus vielen Kammern, die unregel- 96 mässig neben- und zum Theil übereinander liegen. Meist hängen diese Kammern mit einander zusammen, vereinigen sich auch oft in eine Höhlung, welche dann in wellenförmigen, stellenweise erweiterten Windungen das ganze Wärzchen durchzieht. Die Enden der Hyphen, welche das Wärzchen gebildet haben, ragen frei in die Höhlungen hinein und bilden hier eine farblose Schicht (Hymenium), deren einzelne Zellen pallisadenartig, aber frei neben ein- ander stehen. Diese Sterigmen sind nicht ganz gleich, aber meist 0,019 ”®- Jang und 0,002 "=. breit. Bei der Sporenbildung spitzen sie sich an ihrem Ende zu und es sprosst aus diesem eine kugelige und farblose Zelle, die bald in die Länge wächst und eine schwarzgrüne Farbe annimmt. Darauf trennt sie sich von dem Sterigma. Vielleicht wiederholt sich der Process der sogenannten Sporenabschnürung bei denselben Sterigmen mehrmals, denn schon in jungen Wärzchen sieht man bald die ganze Höhlung mit schwarzen Sporenbrei gefüllt, und an den Enden der Sterigmen immer wieder junge Sporen. Am Ende verlängert sich die Höhlung nach dem Scheitel des Wärz- chens zu in einen weiten Hals und jener wird durch eine oder mehrere Oefinungen durchbohrt, entsprechend der Zahl der einzelnen Kammern. Die Sporen treten heraus, durch einen reichlichen, zwischen ihnen gela- gerten Schleim zu einer schwarzen zähflüssigen Masse vereinigt. In sehr feuchter Luft bildet derselbe grosse Tropfen, die sich ver- binden und den Stamm hinabfliessen, so dass dieser dann nach dem Eintrocknen der Masse auf weite Strecken hin wie von Kienruss geschwärzt erscheint. Tritt der Schleim hingegen bei der gewöhnlichen feuchten Luft des Gewächshauses aus, so verdickt er sich bei lang- samen Austreten zu einer zähen Masse und dann bilden sich aus ihm die kopfförmig verdiekten Keulen und rankigen Fäden, oder, bei der Vereinigung des aus mehreren Oefinungen getretenen Schleimes die flachen, gewundenen und gefurchten Bänder, welche an unseren Pan- danus zuerst die Aufmerksamkeit auf die Pilzbildung lenkten. Die einzelnen Sporen sind gewöhnlich länglich elliptisch, an beiden Seiten abgerundet, manchesmal eiförmig, an dem einen Ende etwas mehr, zuweilen selbst scharf zugespitzt, oft fast ceylindrisch, meist grade, nur selten etwas gekrümmt. Ihre Länge beträgt 0,0057 bis 0,0094 "m, ihre Breite 0,0026 bis 0,0038 "=": Sie sind graugrün mit ziemlich dünner Membran, einzellig, im Innern mit zwei, bei den längsten Sporen mit drei gelbgrünen Oeltropfen. Während einer Beobachtung von mehreren Wochen sah: ich sie nie keimen. 97 Die hier beschriebene Pilzform ist schon von L&veill&e an Pan- danus in den Gewächshäusern des Pariser botanischen Gartens gefunden und als Melanconium Pandant bestimmt worden!). Nach der Begren- zung der älteren Auctoren gehört Melanconium Link zu den Tuber- eularieen Fries und hat ein freies, auf einem fleischigen Träger ruhen- des Fruchtlager. Unser Pilz besitzt aber ein Gehäuse und würde daher nach der früheren Systematik in die Familie der Cytisporeen Fries gestellt werden müssen. Es hat indess keine Bedeutung mehr, die Frage, in welche der alten Genera dieser Familien ein Pilz einzureihen sei, weiter zu erwägen, da die Arten der Tubereularineen sowohl, wie Cytosporeen jetzt nicht mehr als selbständige Pilzspecies, sondern als Conidienfruchtformen von Sphaeriaceen zu betrachten sind. Nach Tulasne’s Vorgang werden diese in freie Conidien, Spermatien und Stylosporen unterschieden. Ein durchgreifendes Unterscheidungsmerk- mal zwischen den beiden letzten existirt bekanntlich nicht”), und so lange man die Funetion der Spermatien nicht kennt, wird es immer mehr oder weniger der Willkür des einzelnen Beobachters überlassen bleiben, welcher der beiden Formen er sie zurechnen will. Melanconium Pandani gehört zu den Formen, bei denen die Entscheidung schwer ist. Da die Sporen verhältnissmässig klein sind und ihre Keimung nicht beobachtet worden ist, könnten sie als Spermatien (Mikrostylosporen) angesehen werden. Wenn wir nun entscheiden wollen, zu welcher Species von ausge- bildeten Sphaeriaceen dieselben gehören, müssen wir nach anderen in den Formenkreis von Sphaeriaceen gehörigen Fruchtformen auf dem abgestorbenen Pandanus suchen. Es fand sich eine ausgebildete Stylosporenform vor, welche einige Aehnlichkeit mit dem Melanconium hatte. Sie zeigte sich als schwarze Höcker, die auf ihrer Oberfläche von graugrün schillernden Haaren sammtartig besetzt waren. Sie waren aus dicken, schwarzgrünen, locker verwebten Hyphen gebildet, die auf der Oberfläche als 0,005 bis 0,006 *"®- breite, knorrig verdickte, mitScheidewänden versehene Fäden freistanden. Im Innern enthielten sie eiförmige Höhlen, mit einem Hymenium ausgekleidet, auf dem zwischen farblosen, langen fadenförmigen Paraphysen, grosse farblose, elliptische Sporen, 0,026 bis 0,030 "=. lang, 0,013 bis 0,019 "”- breit, auf kurzen Sterigmen abgeschnürt wurden. Sie wurden bei der Reife als weisse Ranken aus den Perithecien ausgestossen. Die Ranken färbten sich an der Luft schnell schwarz, dabei nahm die Membran der Sporen eine 1) J. H, Leveill&: Champignons exotice No. 319 in Annales des sciences naturelles ser. III. t. 3. 1345. p. 66. 2) cf. L,R. Tulasne: Selecto fungorum carpologia I. P. 1861. p. 58. 7 98 . schwarzgrüne, später dunkelbraune Färbung an, und während sie beim Verlassen der Perithecien einzellig waren, bildete sich jetzt eine starke Querscheidewand, durch die sie zweizellig erschienen. Diese, einer Stilbospora auct. entsprechende Form fand sich indess nur spärlich, ohne Regelmässigkeit und ohne sichtlichen Zusammenhang mit dem Melanconium, und nicht auf dem frisch abgeschnittenen Stamm, sondern sie stellte sich nur einigemale auf den weiter eultivirten Stammstücken ein, es würde demnach sehr gewagt erscheinen, diese Stylosporen in den Formenkreis des Melanconium zu ziehen. Eine andere Sphaeriaceenfrucht trat in reichlicher Fructification als vollendete Ascosporenfrucht in Gestalt orangerother Krusten an dem absterbenden Pandanus auf. Sie folgte der Melanconium-Form mit grosser Regelmässigkeit und ergriff dieselben Pflanzentheile in dersel- ben Reihenfolge wie jene, aber immer stellte sie sich erst viel später ein, nachdem das Melanconium schon wochenlang bemerkt worden war und sich erheblich ausgebreitet hatte. Nie zeigte sie sich an noch grünen Theilen des Stammes, sondern da, wo ihre Krusten erschienen, war der Stamm schon in grössere Tiefe, meist durch und durch abgestorben. Am frühesten fand ich die Sphaerie an dem Gipfelaste, dicht unter der Demarkationslinie. Als jener entfernt wurde, zog sie sich, von oben nach unten an Menge abnehmend, etwa 16 ©”: weit am Stamme herab. Sie folgte hier besonders den Narben der Blatt-Insertionen und bedeckte diese vollständig, so dass sich von ihr orangerothe Gürtel von 3 bis 6 "®- Breite um den Stamm herum erstreckten. Auf den dazwischen liegenden Stellen standen die Sphärien vereinzelt oder in kleinen Häufchen, die etwa die Grösse einer halben Erbse erreichten. Die einzelnen Perithecien sitzen auf einem gemeinschaftlichen Lager (Stroma). Dieses ist weiss, verschieden stark entwickelt, bei isolirter Stellung der Peritheceien fast fehlend, gewöhnlich aber etwa 0,6 selbst bis 1,5 "= hoch und besteht aus weiten Zellen, von denen jede gewöhnliche einen grossen farblosen Oeltropfen enthält. Die Perithecien sind fast kugelig 0,2 bis 0,5 ""- im Durchmesser, an der Spitze nur sehr wenig kugelförmig zugespitzt, ohne deutlich abge- setzte Mündung, die Farbe ist bei der Reife lebhaft orangeroth, ver- blasst aber mit der Zeit, indem sie schmutzig fleischfarben, später mit einem Stich ins Ochergelbe, wird. 27 Die Hülle ist glatt, weich, leicht zerdrückbar, behält aber nach der Entleerung der Sporen und nach dem Vertrocknen ihre Gestalt bei. Sie besteht aus wenigen Lager flacher polyedrischer Zellen, jede etwa 0,009 ®®- im Durchmesser, mit farbloser Membran und in der Mitte mit einem grossen orangefarbenen Oeltropfen. Dieses Oel wird wie das, ” 99 welches das Protaplasma im Zellinhalt vieler anderen Pilze färbt (Syn- chytrien, Uredineen, Acrostalagmus cinnabarinus, Sphaerobolus ete.), durch Alealien nicht verändert, dureh Schwefelsäure dunkler, fast violett gefärbt und an der Luft ziemlich schnell gebleicht. Sie sind mit Schläuchen erfüllt, zwischen denen sehr sparsame Paraphysen stehen. Letztere sind fadenförmig, etwa 0,04 ""- Jang, 0,002 bis 0,003 wm. breit, nicht septirt. Man kann zweifelhaft sein, ob man in ihnen besondere Organe oder nur in ihrer Entwicklung zurückgebliebene Schläuche zu sehen hat. Jedenfalls sind sie unconstant und sind zu einer Abtheilung der sogenannten Pseudoparaphysen zu rechnen. Die Schläuche sind lineal, an der Spitze leicht keulenförmig ver- diekt, 0,052 bis 0,06 "=- lang, 0,006 bis 0,008 "=. breit. Ihre Mem- bran ist sehr dünn und farblos, eine besondere Innenhaut nicht unter- scheidbar. Sie werden von den Sporen bis zum Grunde dicht ausge- füllt, sind also, wie man sagt, ungestielt. Die Sporen liegen, acht in jedem Schlauche, etwas schief, die untersten drei einzeln, die nächsten vier zu zwei, die oberste wieder einzeln. Sie sind farblos, in den jüngeren Schläuchen elliptisch, ungetheilt, mit zwei Oeltröpfehen ver- sehen. In völlig ausgebildetem Zustande sind sie durch eine deutlich sichtbare Scheidewand zweizellig, in der Mitte stark zusammengeschnürt, bisquitförmig, 0,010 bis 0,011 ””- lang, 0,004 bis 0,005 "=- breit, die einzelne Zelle gegen das Ende verschmälert, aber an der Spitze abge- rundet. Der Inhalt ist homogen, ohne Oeltropfen. Das Freiwerden der Sporen scheint dadurch zu erfolgen, dass sich die Schlauchhaut vollständig auflöst. Ein Zerreissen derselben und Ausschnellen der Sporen ist wenigstens nicht bemerklich. Die erweichte Substanz zieht wahrscheinlich aus der feuchten Luft Wasser an, denn die Sporen treten schliesslich, in Schleim eingebettet durch eine feine Oeffnung aus dem Scheitel des Peritheciums aus, und erscheinen zuerst als weisse zarte Ranken, dann lagern sie sich als mehlige Flocken über die Sphärien-Häufchen. Nach den angegebenen Merkmalen gehört diese Sphäriacee zu den Nectrien und ist jedenfalls dieselbe, welche schon Tulasne auf Pandanus gefunden, und in einer Bemerkung zu seiner Nectria Stilbosporae als Nectria Pandani beschrieben hat'!). Die Nectria bildete sich an den abgeschnittenen Stammstücken, die in feuchter Luft gehalten wurden, immer weiter fort, so dass ich an ihnen die Entwicklung der Peritheecien beobachten konnte. Es zeigte 1) L.R. Tulasne. Selecta fungorum carpologia T. III. P. 1865. p. 71. 7F 100 sich, dass ihnen eine Conidienfruchtform vorausgeht, welche mit der anderer Nectrieen übereinstimmt. Als erste Anfänge traten kleine weisse Polster von etwa Stecknadelkopfgrösse auf, die meist sehr dicht standen und bald eine grössere Strecke des Stammes überzogen. Sie bestehen anfangs nur aus farblosen schimmelartigen Fäden von 0,002 ®"- Dicke. An ihrem Grunde bildet sich dann ein festes weisses Lager, aus diehtverwebten stark oelhaltigen Zellen bestehend, das sich ver- grössert und schliesslich zu einem kleinen Höcker anwächst, den man nach der alten Nomenclatur als Tubercularia bestimmen würde, Die Oberfläche‘ ist mit den farblosen Hyphen dicht besetzt, die an ihrer Spitze farblose, einzellige, länglich elliptische, etwa 0,002 "”- breite und 0,0035 bis 0,004 ®”- Jange Sporen abschnüren. Diese Sporen sind sofort keimfähig und senden gewöhnlich nur an einem Ende einen ein- fachen 0,001 "m dieken Keimschlauch aus. Die conidienabschnürenden Fäden sind meist nicht einfach, sondern mehrfach. verzweigt. Bei diehtem Stande der Fruchthyphen stehen diese Aeste aufrecht dicht an einander, bei weniger beengter Stellung gehen sie hingegen in stärkeren Winkeln ab, und die Verästelung wird reicher. Wenn sich, wie es häufig geschieht, einzelne Aeste stärker und freier entwiekeln, so imitiren sie gewisse Schimmelformen, die früher als eigene Gattungen in der Familie der Hyphomyeceten beschrie- ben wurden. Wenn die Zweige in starken Winkeln vom Hauptaste abgehen, und die Endverzweigungen als pfriemliche kurze Aeste zusam- menstehen, so wird dadurch der Typus eines Vertieillium repräsentirt, wenn die Zweige dem Hauptaste dicht anliegen, und die Endverzweigun- gen ziemlich in einer Ebene zu stehen kommen, wird ein Penieillium gebildet. Man kann sich leicht durch alle möglichen, zwischen dieser Art der Verzweigung vorhandenen Uebergängen überzeugen, dass sie keine specifisch verschiedenen Formen darstellen, die Breite des Mycels, die Grösse und elliptische Gestalt der farblosen Sporen ist bei beiden dieselbe. In der Nähe der Tubereularien-Wärzchen, oft auch in grösseren Strecken von ihnen hin verbreitet, trifft man lose Schimmelrasen, welche den freien Aesten der Conidienträger so ähnlich sind, dass ich an ihrer Zugehörigkeit in den Formenkreis der Neetria Pandani nicht zweifele und sie kurz als Schimmelfrüchte derselben bezeichnen möchte. Mycel und Sporen sind den Conidienträgern und Conidien gleich, nur ist das erstere weiter entwickelt und mit entferntstehenden Scheide- wänden, die aber auch den grösseren Conidienträgern nicht fehlen, versehen. Die nach einander abgeschnürten Sporen bleiben oft ketten- “ förmig an einander hängen. Der Schimmel nähert sich manchmal mehr 101 einem Penieillium, manchmal einem Verticillium, die Sporen bleiben immer wie die Conidien weiss und elliptisch und unterscheiden sich dadurch von den am häufigsten auftretenden Schimmelformen mit der- selben Verzweigung. Tulasne hat jedenfalls dieselben Schimmelfrüchte beobachtet, denn er sagt, dass er in Gesellschaft der Nectria sehr häufig einen Schimmel bemerkt habe, der dem Acrostalagmus eirnabarinus Corda sehr ähnlich, und von ihm nur dadurch verschieden war, dass er sehr lange die weisse Farbe behielt. Zwischen den auf dem Tubercularieen- stroma sprossenden Conidienzweigen und den freien Schimmelfrüchten findet eine gleiche Parallele statt, wie zwischen den aus dem Sclerotium durum sprossenden und den frei auf den absterbenden Pflanzentheilen schimmelartig vegetirenden Botrytis-Formen. Wie die Schimmel ent- stehen, ob aus gekeimten Conidien- oder aus Nectriasporen oder auf andere Weise ist nicht ganz sicher festgestellt, wenn mir auch die Mög- lichkeit der Entstehung aus den Nectriasporen sehr wahrscheinlich ist. Diese sind nach der Entleerung aus dem Perithecium sofort keim- fähig und keimen sehr leicht. Hält man sie in destillirtem Wasser unter einem Deckglase, so zeigt sich schon in den nächsten Stunden eine Veränderung an ihnen, sie schwellen etwas an, so dass jede Hälfte breiter und fast kugelig, die Einschnürung deutlicher, die Scheidewand aber verwischt wird. 12 Stunden nach der Aussaat haben sie schon Keimschläuche getrieben, gewöhnlich an beiden Enden, seltener seit- lich. Zuweilen treibt eine Spore, nachdem sich die ersten Schläuche schon verlängert, noch nachträglich einen dritten und vierten Schlauch seitlich aus. Die Schläuche sind 0,002 ®®- diek und verlängern sich in der Richtung der Längsaxe der Sporen in gradem oder leicht geschlängelten Verlauf und bleiben gewöhnlich überall gleich dick. 14 Stunden nach der Aussaat haben sie meist schon die 4 bis 6 fache Länge der Sporen erreicht. 36 Stunden nach der Aussaat waren sie bis 0,5 ”=- Jang und hatten zahlreiche Seitenäste getrieben, die unregel- mässig alternirend, rechtwinklig vom Hauptaste abgingen und diesem an Dicke gleichkamen. Bis zum vierten Tage verfolgte ich die Mycelien unter dem Deckglase. Sie verlängerten sich dabei noch mehr, verzweigten sich vielfach in derselben Weise und verflochten sich zu einem dichten Gewebe. Bei der Aussaat der Sporen auf Kartoffeln sah ich an den Aussaat- Stellen, nachdem die reichliche Keimung hier constatirt worden war, einen weissen zarten Schimmel auftreten, der an kurzen Endästen elliptische farblose Sporen abschnürte, ganz so wie die Conidienträger auf der Tubereularia. Auf feuchtgehaltenen Stücken des Pandanus- stammes verloren sich die gekeimten Sporen bald, es gelangt mir jedoch nicht mit Sicherheit nachzuweisen, dass die Keim-Schläuche in das Gewebe eingedrungen waren. Die in dichter Schicht auf den Perithecien liegenden entleerten Sporen keimen hier ebenfalls bald und bilden dichte, verfilzte, den Conidienhymenien ganz gleiche Lager. Dort sah ich sie oft aus- wachsen, die Fäden sich verflechten und auf diese Weise säulenartige, fleischige Körper entstehen, aus deren Seiten und Spitzen kurze, sporen- abschnürende Aeste hervortraten. Diese Verpflechtung der Hyphen ist bei vielen Schimmeln sehr häufig. Sie ist von Penicillium glaucum allgemein bekannt, bei Acrostalagmus cinnabarinus sah ich sie auch sehr oft eintreten. Es werden durch dieselbe Schimmel gebildet, die nach früherer Bezeichnung unter die Hyphomyceten-Gattungen, Stilbum, Ceratium, Isaria ete., gestellt werden müssten. Auch bei den gewöhnlichen Conidienlagern kommt dieses Auswach- sen der Hyphen in Säulen oder Stacheln häufig vor. Diese stehen dann meist in Büscheln von 4 bis 6 zusammen, erreichen eine Länge von 2 bis 25 "®: Die Stilbumartige Bildung der Conidienstromata ist characteristisch für die Tulasne’sche Gattung Sphaerostilbe. Ihr sel- teneres Vorkommen bei unserer Nectria neben dem häufigeren Tuber- cularienstroma beweist, dass beide Gattungen nicht scharf und ohne vermittelnde Glieder getrennt sind. Am Grunde der conidienabschnürenden Fäden erscheinen die jungen Perithecien innerhalb des Stromas als kleine rothe Knötchen, so dass bei ihrem Auftreten das ganze Lager einen rosenrothen Schimmer annimmt. Bei ihrer allmählichen Vergrösserung werden die Fäden immer mehr verdrängt, sie überziehen aber anfangs noch die jungen Perithecien und sprossen vereinzelt aus den Zellen ihres Gehäuses, selbst ausgebildete Verticillien habe ich manchmal, wie ich glaube, in unmittelbarem Zusammenhange mit Wandzellen des Peritheciums gesehen. Endlich schrumpften die Fäden ganz ein, die Perithecien werden glatt. Ueber die Ausbildung der Schläuche und Sporen habe ich nichts Bemerkenswerthes mitzutheilen, sie scheint der von Neciria cinna- barina ganz analog zu sein. Ich will nur erwähnen, dass ich das Auf- treten zahlreicher stäbchenförmiger Körperchen in den Schläuchen, das bei anderen Nectrien gesehen und von Tulasne') als eine besondere vielsporige Form der Schlauchfrüchte, von Sollmann?) als ein 1) Selecta fung. carp. III. p. 65. 2) A.Sollmann, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Sphäriaceen. Botanische Zeitung 1864. No. 35 u. 36. 105 besonderer Befruchtungsact, von Janowitsch') als Sprossungen der Sporen in den Schläuchen gedeutet worden ist, bei Nectria Pandani nie beobachtet habe. Auch unterschied sich die Keimung der Sporen in Fruchtzuckerlösung nicht von der in destillirtem Wasser. Wenn wir nun annehmen, dass die eben beschriebenen Tubereularia-, Stilbum-, Vertieillium- und Penieillium-artigen Fruchtformen in den Entwicklungskreis der Neetria Pandani gehören, so frägt es sich, ob das zuerst beschriebene Melanconium nicht auch noch in denselben hin- hineingezogen werden muss. Tulasne, welcher ebenfalls Melanconium und Nectria zusammen - antraf, scheint anzunehmen, dass die Letztere nur als Schmarotzer zwischen dem Melanconium lebt, ähnlich wie Nectria Stilbosporae zwischen der Stilbospora macrosperma, den Stylosporen von Melan- conis macrospermum. Gegen die Vereinigung der beiden Formen sprechen einige Gründe, die jedenfalls zur Vorsicht mahnen. Erstlich ist ein direeter Zusammenhang der Stromata von Melan- conium und Nectria nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Gewöhnlich treten sie ganz isolirt von einander auf, und selbst da, wo die Neetria direct über den Melanconium-Lagern erscheint, ist meist eine Trennung zwischen den beiden Stromata aufzufinden. Zweitens ist hervorzuheben, dass gewöhnlich eine gewisse Ueber- einstimmung in der Bildung der Stromata herrscht, welche die Peri- thecien und derer, welche die Conidien tragen. Bei den Nectrieen, deren Perithecien frei auf dem Stroma stehen, bilden sich meist auch die Conidien auf freiliegenden Lagern. Die Bildung der Letzteren in Peritheeien ist vielmehr characteristisch für die Abtheilung der Valseen. Drittens finden sich bei lebhaft gefärbten Perithecien nicht leicht dunkele Conidien, diese sind vielmehr am häufigsten in den Sphaeriaceen mit tiefschwarzem Stroma und man fühlt sich desshalb von Anfang an versucht, unser Melanconium eher in dem Entwicklungskreis einer Massaria oder Melanconis-Art etc. zu suchen, als in dem einer Neetria. Alle diese Gründe sind nicht beweisend. Es giebt Sphaeriaceen genug, bei denen Conidien und Ascosporenfrüchte nie auf demselben Lager, sondern immer nur getrennt von einander vorkommen. Es giebt Neetrien die ihre Conidien- (Spermatien-) Früchte in Höhlungen bilden (nach Tulasne?) z. B. Nectria sinopica) und die Farbe der 1) A. Janowitsch: Ueber die Entwicklung der Fructifieationsorgane von Nectria. Botanische Zeitung 1865. No. 19. 2) ].c. Il, p. 90. 104 Conidien und Conidienträger wird oft auch bei solchen mit lebhaft gefärbten Perithecien dunkler. Die Gründe, welche für eine Zusammengehörigkeit der beiden Pilz- formen sprechen, sind folgende: ö Erstlich das Fehlen jeder anderen entwickelten Ascosporenfrucht auf Pandanus in deren Entwieklungskreis das Melanconium gehören könnte. Möglicherweise könnte eine solche’ noch übersehen worden sein, da aber Melanconium Pandani schon öfter beobachtet, von mir auch längere Zeit eultivirt worden ist, ohne dass eine andere Sphäriacee gefunden worden, verliert dieser Umstand nicht alle Bedeutung. Zweitens das häufige gesellige Vorkommen beider Pilzformen oder besser gesagt, ihre häufige und gesetzmässige Folge. Wenn Tulasne sich nicht veranlasst sehen konnte nach dem einmaligen Befunde einen specifischen Zusammenhang zwischen beiden Pilzen anzunehmen, beson- ders, da er durch das Beispiel von Nectria Stilbosporae gewarnt war, so gewinnt es schon grösseres Gewicht, dass bei uns ebenfalls beide zusammen erschienen. Wichtiger noch ist es, dass sich auf dem ganzen Stamm Melanconium und Nectria in der beschriebenen gesetzmässigen Weise folgten. Dies geschah nicht nur an dem lebenden Stamme, sondern auch an den abgeschnittenen Stücken. Ein solches, welches reichlich mit Melancolium-Warzen bedeckt war, aber nirgends eine Nectria- Frucht zeigte, wurde lange Zeit unter einer Glasglocke isolirt in feuch- ter Luft gehalten. In der ersten Zeit vermehrte sich das Melanconium sehr stark und das ganze Stammstück wurde von dessen Sporenbrei schwarz tingirt. Nach etwa acht Tagen erschienen die weissen Coni- dienlager der Tubereularie, die sich weithin ausbreiteten, bald darauf auch die Nectrien, die immer häufiger wurden und nach und nach das Melanconium ganz verdrängten. Derselbe Versuch wurde mit anderen Stücken aus anderen Gegenden des Stammes mit demselben Erfolge wiederholt. Ein dritter und wichtiger Haupt-Grund ist der, dass beide Formen von demselben Mycel zu entspringen scheinen. Ich habe in allen Geweben des untersuchten Pandanus nur eine Art von Mycel gefunden, wenn wirklich beide Formen von verschiedenen Mycelien entsprungen wären, so müsste das Eine entweder so unscheinbar sein, dass es nicht hätte bemerkt werden können, oder beide müssten so gleich sein, dass sie nicht zu unterscheiden wären. Der erstere Fall ist nicht wahr- scheinlich, besonders auch weil ich sowohl unter dem Gewebe, auf dem die Nectria, als auch unter dem, worauf Melancolium fruetificirte, reich- liches Mycel fand. Dass das im Inneren des Stammes verbreitete Mycel wirklich zu den beiden Pilzformen gehörte, liess sich bald beweisen. 105 Ein Stück des Stammes, auf welchem äusserlich nur ‚Nectria fruetifieirte und welches durch und durch von dem Mycel durchzogen war, wurde quer durchschnitten und in feuchter Luft gehalten. Bald traten auf dem Querschnitt weisse stecknadelkopfgrosse Knötchen hervor, welche schwärzlich wurden und am dritten Tage an ihrer Spitze einen dicken schwarzen Schleimtropfen ausstiessen. Die Knötchen glichen voll- ständig kleinen Behältern, der schwarze Schleim dem Sporenbrei von Melanconium Pandanti. Sie erschienen zuerst an der Peripherie, der Oberhaut zunächst und verbreiteten sich bis in die Mitte hin. Auf einem neuen Querschnitt zeigten sie sich nach einigen Tagen wieder in derselben Weise. Dasselbe trat auf einem Längsschnitt an einer beliebigen Stelle des Stammes ein, und auf jedem frisch blossgelegten Längsschnitte brachen sie immer wieder neu hervor. Wurde die Cultur weiter fortgesetzt, so hörte nach 10 bis 12 Tagen die Bildung des Melancolium auf und es erschienen, von der Peripherie aus, fortschreitend, die Conidienstromata (hier meist Stilbumartig) und darauf die Perithecien der Neectria. Hiernach ist es mindestens höchst wahrscheinlich, dass Melanconium und Nectria von demselben Mycel entspringen und daher zu derselben Species gehören. Die Fruchtfolge würde sich also folgendermassen aufstellen lassen: 1) Graugrüne Conidien, deren Keimung noch nicht beobachtet ist, lang elliptisch, fast eylindrisch, gebildet in den Höhlungen weicher, aus der Oberhaut hervorbreehender Warzen (Mikrostylosporen). 2) Farblose Conidien, welche sofort keimfähig sind. Sie sind klein, kurz elliptisch. Ihre Träger treten in drei verschiedenen Formen auf: a) Tubereularien-Form. Die Hyphen des aus der Oberhaut her- vorbrechenden Mycels sind am Grunde zu einem flachen warzenartigen Träger verflochten, der auf seiner Oberfläche die conidienabschnüren- den Fäden trägt. b) Stilbum-Form. Die Mycelhyphen sind zu fleischigen, säulen- oder zahnartigen Körperchen verbunden, die gewöhnlich in strahligen Büscheln zusammenstehen und auf ihrer ganzen Oberfläche mit conidien- abschnürenden Fäden bekleidet sind. c) Schimmel-Form. Die Mycelfäden bleiben lose und fructifieiren nach Art eines Vertieillium oder Penicillium. 3) Ascosporen. Gebildet in orangerothen, auf einem gemeinschaft- lichen Stroma stehenden Perithecien. Sie sind sofort keimfähig und bilden an der Luft wahrscheinlich wieder die Conidien-Form. ; Nach dem bisher Gesagten sind nur noch einige Worte über den Zusammenhang der Nectrienbildung mit dem Erkranken und Absterben des Pandanus-Stammes nöthig, 106 Unter den vielfachen Krankheiten der Gewächse, welche durch Schmarotzer-Pilze veranlasst werden, haben die, welche die Sphaeriaceen hervorrufen, noch ziemlich wenig Beachtung gefunden. Die grossen Beschädigungen, welche Sphaeriaceen und ihre Conidien-Formen in vielen Feldfrüchten anrichten, sind bekannt, aber wenig untersucht, der schädliche Einfluss der zahlreichen, auf Baumzweigen vegetirenden Sphaeriaceen wird aber gar nicht geachtet, oft geradezu abgeleugnet. Der bis jetzt herrschenden Ansicht nach würden sie gar keine ächten Parasiten sein, sondern sich nur auf den absterbenden oder abgestor- benen Pflanzentheilen ansiedeln. In neuerer Zeit führt eine genauere Beobachtung zu anderen Anschauungen und ich verweise besonders auf die Gründe und Beispiele, welche Nitschke anführt, um den wahren Parasitismus und die schädliche Wirkung vieler baumbewohnender Sphaeriaceen zu beweisen '). Bei dem Pandanus-Pilz kann nicht bezweifelt werden, dass er als ächter Parasit lebt. Das Melanconium bricht aus völlig nnversehrten Stellen des Stammes hervor und, wenn man selbst zugeben will, dass die Stammspitzen möglicherweise einer anderen schädlichen Wirkung ausgesetzt gewesen, auf Stellen, die weit von einer solcher Krankheits- quelle entfernt lagen. Aber auch seine schädliche Wirkung ist als hinreichend erwiesen zu erachten. Es ist von Hause aus zu erwarten, dass ein Mycelium, welches sich unter der Epidermis entwickelt, an einen Monocotyledonenstamme ganz andere Verwüstungen anrichten kann, als in einem dicotyledonischen, oder Coniferenbaume. Bei diesem setzt der geschlossene Holzkörper seinem Vordringen eine Schranke entgegen, die er meistens nicht überschreitet, bei dem Monocotyledonen- stamme findet es unter der Oberhaut dasselbe Gewebe, in dem es sich bis zum innersten Kern ausbreiten kann. In der That sahen wir auch, dass das Mycel des Parasiten mit der Zunahme der Krankheit immer mehr nach innen vordrang, bis es das ganze Grundgewebe durchzogen hatte. Die Beobachtung, wie das Mycel und die Melanconiumfrucht an immer neuen vorher gesunden Theilen erschien und dem Auftreten desselben bald intensivere Krankheitserscheinungen folgten, brauche ich nicht zu wiederholen und ich will nur noch wieder hervorheben, dass ich nirgends erweichte Stellen ohne Mycelbildung fand. Demnach kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die Pilzbildung direct die Ursache von dem Umsichgreifen und der verheerenden Wirkung der Krankheit war. Ob sie auch die Ursache derselben war, ob die Sporen des Pilzes in dem gesunden Stamme einkeimten und diesen erst krank machten, lässt sich natürlich ohne direete Culturversuche, für die 1) Dr, Th. Nitschke: Pyrenomycetes germanici. I.B. Breslau 1867. p.109. 107 mir zur Zeit eine zur Infieirung geeignete Pflanze fehlte, nicht mit Gewissheit entscheiden. Ich muss nur bemerken, dass für jetzt nichts gegen diese Annahme spricht. Das erste Auftreten der Krankheit an den Stammenden lässt sich dadurch erklären, dass hier die günstigsten Bedingungen für eine Keimung von angeflogenen Pilzsporen vorhanden waren, indem durch das von den Blättern beständig abfliessende Wasser hier ein permanent feuchter Boden erhalten wurde, wie er weiter unten am Stamme nieht mehr vorhanden war. Oberhalb dieser Stelle wurde der Stamm durch die Blätter gegen die Sporen geschützt. Wie der Pilz auf unseren Pandanus gekommen, ist vorläufig nicht zu eruiren. Es ist nicht unmöglich und nach eingezogenen Erkundi- gungen sogar wahrscheinlich, dass das Melanconium schon längere Zeit unbeachtet auf dem Stamme vegetirt hat, ehe es sich in der gefährlichen Weise ausbreitete. Es wäre interessant zu erfahren, ob es häufiger und auch auf anderen Pflanzen in unseren Gewächshäusern vorkommt. Bis jetzt ist darüber nichts bekannt und in dem Palmenhause des bres- lauer botanischen Gartens konnte ich es weder an Pandaneen noch an anderen Gewächsen finden. Nectrien kommen bekanntlich an exoti- schen Pflanzen auch in unseren Warmhäusern nicht selten vor. Ob eine derselben mit der auf Pandanus vorkommenden identisch sei, ist noch fraglich. Ich fand in vorigem Winter auf abgestorbenem Zucker- rohr eine solche, welche von Nectria Pandan? Tul. nicht zu unter- scheiden ist. Die vorgehende Erwägung, welche, wie ich glaube, mit möglichster Vorsicht angestellt worden ist, hat in dem der Beobachtung zu Grunde liegenden Falle von Stammfäule des Pandanus eine durch einen para- sitischen Pilz veranlasste gefährliche Pflanzen-Krankheit erkennen lassen, ob dieselbe Ursache auch in anderen Fällen der Stammfäule der Pandaneen zu Grunde liegt, muss weitere Beobachtung lehren. Mit der Erkenntniss der Ursache wäre auch der Weg zur Beseiti- gung der Krankheit gefunden worden, er bestände hauptsächlich in Bekämpfung der Pilzbildung, die im Anfange gewiss von Erfolg begleitet sein würde. Wo man zuerst die auffallenden grauen Warzen, die auf dem Durchschnitte schwarz erscheinen, auftreten sieht, würde man auf sie direct und in ihre nächste Umgebung pilztödtende Mittel anwenden, als welche sich besonders Theer und Carbolsäurelösung empfehlen lassen. Auch das Ausschneiden erkrankter Stammstücke, welches bei Pandaneen keine gefährliche Operation ist, wäre anzurathen. Auf diese Weise würde die weitere Ausbreitung der Pilzbildung und die durch sie ver- anlasste Stammerweichung vielleicht verhindert werden. Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische AnalysedesBrunnenwassers. Von Dr. Ferdinand Cohn. Hierzu Tab, VI. 1. In seiner soeben erschienenen „Aetiologie und Statistik des Rück- fallstyphus und des Fleektyphus“ (Deutsches Archiv für klinische Medi- zin, Band VII. Heft 3—4) hat Lebert von Neuem die Aufmerksamkeit auf den Einfluss hingelenkt, welchen die Beschaffenheit der Trinkbrun- nen auf den öffentlichen Gesundheitszustand, welchen insbesondere schlechtes, dureh organische Bestandtheile verunreinigtes Trinkwasser auf die Entstehung und Verbreitung gewisser epidemischer Krankheiten ausübt. Indem Lebert seine Untersuchungen hauptsächlich an die Verhältnisse der Stadt Breslau anknüpfte, hat derselbe auch Bezug genommen auf eine Reihe von mikroskopischen Analysen, welche ich selbst mit den Trinkbrunnen dieser Stadt vorgenommen habe. Als in der Choleraepidemie des Jahres 1852 und dann wieder in der noch verheerenderen des Jahres 1866 der Verdacht erregt wurde, dass in den Trinkbrunnen der ganz besonders heimgesuchten Strassen und Häuser eine Quelle der furchtbaren Intensität dieser Epidemie vorhan- den sei, wurden mir von Seiten des Stadtphysikus, Geheimen Medizinal- rath Dr. Wendt, eine grosse Anzahl verdächtiger Brunnen zur mikros- kopischen Untersuchung übergeben. Die Resultate meiner Analysen aus dem Jahre 1852 habe ich in der Günsburg’schen Zeitschrift für klinische Medizin, Band IV. Heft 3, p. 229, sowie in einem vor der Naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft am 109 30. März 1853 gehaltenen Vortrage „über lebendige Organismen im Trinkwasser“ (Jahresbericht d. Schles. Ges. 1853. p. 91) veröffentlicht; die Analysen des Jahres 1366 befinden sich in den Acten der Breslauer Polizeibehörde und wurden von mir in der Sitzung der Naturwissen- schaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft vom 24. October 1866 zusammengestellt. Das sanitätspolizeiliche Interesse, welches sich an derartige Untersuchungen knüpft, ist von Lebert in seiner Eingangs eitirten Abhandlung so ausführlich erörtert worden, dass ich diesen Gesichtspunktnicht zu berühren brauche; dagegen scheint es mir zweck- mässig, über die von mir befolgte Untersuchsmethode und die aus ihr sich ergebenden naturhistorischen Thatsachen eine kritische Zusammen- stellung zu geben, wobei ich von den lokalen Einzelheiten, welche in der Lebert’schen Arbeit theilweise aufgenommen sind, abstrahire; ich schliesse daran die specielle Untersuchung einer von mir in neuester Zeit im Brunnenwasser unterschiedenen Alge, welche in systematischer und entwicklungsgeschichtlicher Rücksicht vielfaches Interesse bietet, und zugleich den Beweis liefert, dass die mikroskopische Brunnenana- Iyse, wenn auch zunächst im Dienste der öffentlichen Gesundheitspflege unternommen, doch auch der reinen Wissenschaft manches werthvolle Material zu unterbreiten vermag. 2. Gegenüber den chemischen Analysen des Trinkwassers, deren Zahl und Genauigkeit sich von Jahr zu Jahr steigert, ist die Menge der mikroskopischen Untersuchungen, so weit sie mir bekannt geworden, noch eine ausserordentlich geringe. Seit Arthnr Hill Hassal im Jahr 1850 in seiner Schrift (a microscopie examination of the water supplied to the inhabitants of London and the suburban distriets) die zahllosen lebendigen und abgestorbenen Organismen im Londoner Trink- wasser abbildete und benannte, ist mir nur Radlkofer’s mikrosko- pische Untersuchung der organischen Substanzen im Brunnenwasser (von München) in der Zeitschrift für Biologie, Band I., so wie die „Berichte über die Erhebungen der Wasserversorgungs-Commission des Gemeinde- raths der Stadt Wien '1864“ zu Gesicht gekommen. Gleichwohl ist nicht zu bezweifeln, dass eine richtig geleitete mikroskopische Trink- wasseruntersuchung die chemische Analyse in den wesentlichsten Punkten unterstützt und ergänzt und über gewisse Fragen, gegen welche die Reagentien der Chemiker unempfindlich sind, allein Aus- kunft giebt. In seiner von Zeit zu Zeit in offizieller Form publieirten Analysen des Londoner Trinkwassers vertheilt Frankland die Bestandtheile desselben in drei Haupt-Kategorien, die nachstehend characterisirt werden: 110 1) soap destroying, nämlich Kalk und Magnesiasalze, die den Härtegrad des Wassers bedingen und deren Quantität durch die Menge der zersetzten Seifenlösung bestimmt wird; 2) Present sewage contamination, d. i. stiekstoffhaltige organische Verbindungen, von verwesenden Thier- und Pflanzenkörpern her- rührend, welche durch die Cloaken in das Wasser gelangt sind; 3) Previous sewage contamination, d. i. Salpetrig- und Salpeter- saure, sowie Ammoniaksalze, von denen angenommen wird, dass sie von den organischen Stoffen ad 2 herstammen, welehe nach längerer Anwe- senheit im Wasser zu Kohlensäure, Ammoniakverbindungen und Nitraten oxidirt sind. Diese drei Kategorien von Körpern im Trinkwasser vermag auch das Mikroskop nachzuweisen. Die im Wasser lebenden Pflanzen fällen durch ihre Vegetation die kleinsten Spuren kohlensauren Kalks zwischen ihren Fäden in Krystallen aus; so habe ich im Landecker Thermal- Wasser Kalkkrystalle unter dem Mikroskop erkannt, noch ehe die Anwesenheit minimaler Spuren von kohlensaurem Kalk in diesem Wasser zuerst durch Lothar Meyer nachgewiesen wurde. Auch der Eisengehalt des Wassers, sowie etwaiger freier Schwefelwasserstoff, macht sich sofortan den mikroskopischen Algen bemerklich. Vor allemaber giebtdie mikroskopische Untersuchung über die Anwesenheit, selbst über die qualitativen und quantitativen Verhältnisse der stickstoffhaltigen Ver- bindungen im Brunnenwasser entschiedene und direete Auskunft, welche die chemische Analyse nur in ungenügender Weise zu ermitteln vermag. 3. Die von mir selbst während der Choleraepidemie von 1852 und 15866, sowie in zahlreichen Fällen auch ausser diesen Zeiten unter- suchten Wasser-Proben waren von Polizeibeamten im Auftrage der Sanitätsbehörde aus Breslauer Trinkbrunnen, insbesondere in stark infieirten Häusern, auf gewöhnliche Art in vorher sorgfältig gereinigte Wein- oder Selter-Flaschen geschöpft und die Korke mit amtlichem Siegel verschlossen. Aus diesen Flaschen wurde zunächst das Wasser in eine Porzellantasse gegossen, mit einer Glasplatte bedeckt und mehrere Stunden sich selbst überlassen; nach einiger Zeit wurde das Wasser abgegossen oder mit dem Heber abgezogen und die gebildeten Niederschläge unter das Mikroskop gebracht, wobei zugleich die Quan- tität und die äussere Beschaffenheit des Niederschlages — ob flockig, fädig, pulverig — notirt wurde. Die im Wasser lebenden Organismen suchte ich in einzelnen Tropfen, die auf’s Gerathewohl, namentlich am Rande des Wassers herausgenommen wurden; man findet sie gewöhn- lich in grösster Anzahl zwischen den Flöckehen des Niederschlages, von dessen Bestandtheilen sie sich ernähren. In neuester Zeit bediene 111 ich mich einer eigens dazu hergerichteten Glas-Pipette, um kleine Flöckchen direet aus den Original-Flaschen herauszuholen, ohne dass dieselben ausgegossen zu werden brauchen. Ich benutze eine 36 °®- lange dünne Glasröhre, die am unteren Ende offen und hakenförmig schwach gebogen ist, um auch in enghalsigen Flaschen mit demselben den ganzen Boden erreichen zu können; das andere Ende ist glockig erweitert und mit einer Kautschukkappe luftdicht verschlossen. Drückt man den Finger auf die Kautschuklamelle, ehe man die Röhre in die Wasserflasche einführt, und hebt denselben wieder, sobald man die Spitze der Röhre einem Flöckehen genähert, so kann man dieses leicht herausholen und indem man das Wasser durch den Druck des Fingers aus der Röhre tropfenweis heraustreibt, das kleinste Flöck- chen schliesslich mit einem einzigen Wassertropfen auf das Objeetglas bringen. 4. Der mikroskopischen Analyse geht stets eine vorläufige Unter- suchung des Trinkwassers mit blossem Auge voraus. Das Brunnen- wasser ist entweder a) klar und farblos, b) klar und gefärbt, meist gelblich, e) trübe. a. Wasser, welches klar, farblos, krystallhell, bildet keinen oder doch erst in grösseren Quantitäten nach längerem Stehen einen unbe- deutenden Absatz und zeigt unter dem Mikroskop gewöhnlich keine oder so gut wie gar keine mikroskopischen Beimengungen, namentlich weder Pilze noch Infusorien in irgend erheblicher Zahl. Solches Wasser, das in der Regel auch kohlensäurereich, daher sofort beim Eingiessen oder später an den Seitenwänden der Gläser Gasperlen aus- scheidet, dabei nicht allzu kalkreich und daher bei längerem Stehen ‘an der Luft sich nur mit unbedeutendem Kalkhäutchen bedeckt, scheint erfahrungsgemäss die zu einem wohlschmeckenden und gesunden Getränk erforderlichen Eigenschaften zu vereinigen. In Breslau sind Brunnen mit gutem Trinkwasser, namentlich in der innern Stadt, nicht ganz selten. In einem Theile der Schweidnitzer Vorstadt dagegen bil- den selbst diejenigen Trinkbrunnen, welche normalen Anforderungen einigermassen entsprechen, gewöhnlich nach kurzer Zeit ein weisses Häutchen an ihrer Oberfläche, welches die Innenseite der Trinkgläser trübt und aus Krystallen von kohlensaurem Kalk besteht. Es schei- nen diese Brunnen allzuhart, einen übermässigen Gehalt an doppelt- kohlensaurem Kalk zu besitzen. b. Klares aber gelblich gefärbtes Trinkwasser enthält Eisenoxydul in Lösung, welches sich nach einiger Zeit an der Oberfläche als ein 112 opalisirendes Häutchen, so wie am Boden als ein rothbrauner, rostfar- bener, feinkörniger Niederschlag abscheidet; der letztere sammelt sich mit der Zeit in Flocken, welche oft sehr regelmässig auf dem Boden sich anordnen, ist aber amorph, nicht fädig, daher mit der Pinzette nicht herauszubekommen und bei jeder Bewegung des Wassers zerstiebend. Ist im Trinkwasser sehr viel Eisen ausgefällt, so erscheint dasselbe unmittelbar nach dem Schöpfen oder nach dem Schütteln schmutzig gelb, braun und trübe, wird aber nach kurzer Zeit durch Absetzen wieder klar mit gelblichem Schimmer. In Breslau sind mir namentlich in der Siebenhubener- und Sonnenstrasse Trinkbrunnen vorgekommen, die fast als Eisensäuerlinge betrachtet werden können. Gewöhnlich sind die eisenreichen Brunnen Breslau’s auch reich an Kalk und freier Kohlensäure. c. Trübes Wasser nimmt vor allem die mikroskopische Untersuchung zur Ermittelung der Ursache seiner Trübung in Anspruch. Die Trübung rührt her von gelösten, meist organischen Substanzen, oder von einer masslosen Entwicklung von lebenden Organismen — Infusorien und Wasserpilzen, — in beiden Fällen tritt eine Klärung durch Absetzen gar nicht oder erst nach sehr langer Zeit ein. Oder sie rührt von fremden im Wasser suspendirten Körnchen oder Flöckchen her, welche sich früher oder später als Niederschlag absetzen, worauf das Wasser wieder klar wird. Der Niederschlag besteht aus 1) anorganischen, aus 2) Resten abgestorbener organischer und 3) aus lebenden Körpern und ist meist aus allen drei Kategorien gemischt. 1) Die unorganischen Niederschläge sind theils amorphes Eisenoxyd- hydrat, das wir bereits oben (ad b.) besprochen haben, theils kohlensaure Kalkkrystalle (vergleiche oben ad a) theils Fragmente von Russ, Quarz und anderen Mineralien, die durch den Staub ins Wasser gelangt sind. 2) Die Reste abgestorbener Thiere und Pflanzen stammen theils ebenfalls aus dem Staube (Leinen, Baumwolle, Wollfasern, Daunenstrah- len von Gänsefedern, Pflanzenhaare, Holz- und Strohpartikeln, Amylum- körnchen, viele Pilzsporen) theils aus Spülicht und Cloakenstoffen, die in die Brunnen gelangen (Mundepithel und Schleimkörperchen, Faeces, Reste von Nahrungsmitteln, Kartoffelzellen, Getreidezellen, Spiralgefässe, Fleischreste, Pilzsporen), theils von den Holztheilen der Pumpe (vermo- derte Zellen von Laub- oder Kieferholz, Borkenzellen), theils von Thie- ren, die zufällig im Brunnen ertrunken sind (Rattenhaare, Schmetterlings- schuppen, Fliegen- und Spinnenbeine, Chitintheile verschiedener Insek- ten), theils endlich von Thieren und Pflanzen, die im Brunnenwasser gelebt haben und noch darin lebend angetroffen werden. 3) Die im Trinkwasser lebenden Organismen sind zwar bei der noch 113 immer viel zu geringen Zahl sachverständiger Untersuchungen durchaus nicht vollständig gekannt und noch weniger vollständig erkannt; doch haben alle bisherigen Beobachter überall bis jetzt dieselben Speeies auf- gefunden, so dass sich wohl annehmen lässt, dass in den eigenthümlichen Verhältnissen der Brunnen nur eine ganz bestimmte Klasse von Thieren und Pflanzen vorkommt. Wir können diese Organismen in drei Kategorien theilen, welche einem verschiedenen Grade der Reinheit des Wassers entsprechen. Diatomeen und grüne Algen (Üonferven, Protococeus, Scenedesmus etc.) setzen ein an organischen Stoffen armes Wasser, sowie Zutritt des Lich- tes voraus, unter dessen Einfluss sie die Kohlensäure des Wassers zer- legen und zu ihrer Ernährung verwerthen. In faulendem Wasser gehen diese Algen bald zu Grunde; von ihnen ernähren sich gewisse grössere und schönere Arten der Infusorien, insbesondere viele Ciliaten (Nassula, Loxodes, Urostyla etc. ete.), von letztern oder direet von den Algen wieder Entomostraceen (Daphnia, Oyclops, Oypris) und die meisten Räderthiere, sowie Borstenwürmer (Naiden) und Mückenlarven. Ihre Gegenwart in geringer Zahl ist daher innerhalb gewisser Grenzen mit der Reinheit des Wassers durchaus nicht unvereinbar. Brunnenwasser, das viel organische Reste in fester Form suspen- dirt enthält, ist der Boden für Wasserpilze, welche sich von jenen Ueberresten nähren. Von organischen Resten leben auch die carni- voren Infusorien (gewisse Amoeben, Paramaecium Aurelia, Amphilep- tus Lamella, Oxytricha Pellionella, Epistylis spec., Ohrlodon Cucul- lulus, Euplotes Charon ete.), ferner Anguillulae und das Räderthier Rotifer vulgaris, sowie gewisse Tardigraden und Milben. Brunnenwasser endlich, das organische Stoffe in grosser Quanti- tät gelöst enthält, befindet sich in einem Zustande der Fäulniss oder Gährung, der sich oft durch übelen Geruch und Entwickelung von Gasen bemerklich macht, und wimmelt in Folge dessen von Gährungspilzen und den eigentlichen Fäulnissinfusorien, die mundlos, sich ausschliess- lich von gelösten organischen Verbindungen ernähren und mit dem Aufhören des Fäulnissprocesses verschwinden. Es sind das Schizomy- cetenaller Art und die meisten Infusoria flagellata : Bacterien (Zoogloea), Vibrionen, Spirilen, Monaden, Ohilomonaden, Uryptomonaden ete., gewisse Amoeben, Peranema trichophorum, auch wenige grössere bewimperte Infusorien (Glaucoma scintillans, Vorticella infusionum, Colpoda Cucullus, Enchelys, Paramaecium putrinum, Oyelidium Glaucoma, Leucophrys pyriformis), welche sich unter solchen Bedin- gungen am reichlichsten und zwar so massenhaft entwickeln, dass das Wasser von ihnen oft undurchsichtig milchähnlich getrübt, opalisirend S 114 aussieht. Solches Wasser ist offenbar zum Getränk nicht geeignet; gleichwohl habe ich gefunden, dass einige breslauer Brunnen diesen Character an sich getragen haben. 5. In Bezug auf die Beziehungen des Trinkwassers zu einer Epi- demie kann die mikroskopische Untersuchung entweder darauf gerichtet sein, in wiefern das Wasser im Allgemeinen eine der Gesundheit zuträg- liche oder nachtheilige Beschaffenheit hat, in welch letzterem Falle das- selbe dieausanderen Ursachen herbeigeführte Erkrankung beschleunigen oder auch zur Infeetion eine Gelegenheitsursache abgeben kann. In meinem vor 17 Jahren veröffentlichten Bericht über die breslauer Brun- nen habe ich diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund gestellt. Die seitdem gemachten Entdeckungen über die durch Pilze veran- lassten Epidemieen im Thier- und Pflanzenreich nöthigen uns aber auch einen zweiten Gesichtspunkt nicht ausser Acht zu lassen, dass nämlich ein eigenthümliches Typhus- oder Choleragift, das selbst in geringer Quantität auf einen Menschen übertragen, dessen Infeetion veranlasst, möglicherweise im Trinkwasser enthalten sei. Ist dieses Gift eine nicht organisirte, gasförmige oder flüssige Substanz, so wird natür- lich dessen Existenz im Wasser durch das Mikroseop nicht direet nach- zuweisen und nur indireet der Verdacht seiner Anwesenheit gerecht- fertigt sein, wo eine Communication des Trinkwassers mit notorischen Quellen von Contagien sich nachweisen lässt. Enntsteht insbesondere das Choleragift nach der gegenwärtig allge- mein verbreiteten Anschauung wirklich aus den in Zersetzung begriffe- nen Dejeetionen der Cholerakranken, so muss jede Verbindung der Brunnen mit Latrinen, Cloaken, Spülwässern dem Trinkwasser den Giftstoff unmittelbar zuführen. Eine solche Verbindung lässt sich nun durch das Mikroskop direct nachweisen, wenn im Trinkwasser Faecal- massen unter dem Mikroskop erkennbar sind oder indireet vermuthen, wo eine grosse Menge von organischer Substanz, resp. der von ihrer Zersetzung sich ernährenden Pilze und Infusorien im Wasser vorhan- den ist. 6. Aber wenn auch keine directe Communication der Brunnen mit den Cloaken stattfindet, giebt diemikroskopische Untersuchung noch über eine andere, in neuerer Zeit angeregte Frage Auskunft. Nach einer bekannten Theorie wird das Choleragift, nachdem es aus den Dejectio- nen der Kranken sich entbunden, in den oberen Bodenschichten durch das Grundwasser verbreitet, die mit organischen Stoffen übersättigt, in Folge der Bewegungen des Grundwassers zu einem Heerde des Conta- giums werden. Das Mikroskop giebt uns nun Mittel an die Hand zur Unterscheidung der Brunnen, welche aus tieferen Erdschichten ent- 115 springen, zu denen das Grundwasser keinen Zutritt findet und denen, die ihr Wasser nur oder doch zum Theil aus den oberflächlichsten Lagen der Erdrinde erhalten. Während die ersteren nur anorganische Bestandtheile und daher gar keine Pilze und Gährungsinfusorien, son- dern, wenn überhaupt Organismen, nur braune und grüne Algen und von diesen sich nährende Wasserthierchen enthalten, sind letztere an orga- nischen Bestandtheilen bei weitem reicher; sind insbesondere bedeu- tende Quantitäten solcher Stoffe im Brunnnenwasser gelöst und dieses dadurch in Fäulniss gerathen, so ist als sicher anzunehmen, dass das Wasser Erdschiehten durchsickert hat, welche mit gährungsfähigen Stoffen übersättigt waren; für solches Wasser wird daher stets die Vermuthung gestattet sein, dass dasselbe auch mit Contagien infiltrirt sei, selbst wenn specifische, optisch unterscheidbare Träger des Giftes nicht nachweisbar sind. 7. Indess darf doch die Möglichkeit nicht ausser Augen gelassen werden, dass unter den mikroskopischen Organismen des Trinkwassers auch solche vorhanden sind, welche zu den Epidemien in direeter Beziehung stehen. Bekanntlich hat Klob angenommen, die sogenann- ten Reiswasserstühle der Cholera seien, verschieden von gewöhnlichem Darmschleim, Gallertmassen, welche die Organisation einer Zoogloea besitzen und aus zahllosen äusserst kleinen (0,003 =), in Gallert eingebetteten farblosen Zellchen bestehen, die auch frei sich als Bacterien bewegen; diese Angabe ist meines Wissens noch nicht widerlegt wor- den. Andererseits hat sich aus den zahlreichen Verhandlungen in der Pariser Akademie und insbesondere durch die Versuche von Raimbert (Comptes rendus 11. October 1869) mit hoher Wahrscheinlichkeit her- ausgestellt, dass die von Davaine im Blute von milzkrankem Vieh kurze Zeit vor dem Tode in ungeheurer Menge beobachteten Bacteri- dien, durch Aasfliegen auf gesunde Thiere gebracht, die Ansteekung übertragen. Anscheinend sind diese Bacteridien den corpusculus en chapelets verwandt, welche nach B&echamp’s und Pasteur’s Beschrei- bungen im Blute der an der epidemischen A7acherie leidenden Seiden- raupen gefunden werden; hieran reiht sich der durch Chauveau mit glücklichem Scharfsinn durch Diffusionsversuche geführte Nachweis, dass das Virus der Schafpocken, der Vaceine und Variola weder gas- förmig noch flüssig sein kann, sondern dass es an geformte ausser- ordentlich kleine Körperchen gebunden sein müsse. Erwägt man alle diese Thatsachen, so lässt sich, wie ich bereits im Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1867 (Verhandlungen der botanischen Section vom 12. December p. 57) hervorgehoben, die Möglichkeit nicht in Abrede stellen, dass unter denSchizomyceten und farblosen Palmellen 5*# 116 (Bacterien, Zoogloeen ete.) des Brunnenwassers auch die mikrosko- pischen Träger speeifischer Contagien vorhanden seien. In dieser Be- ziehung ist hervorzuheben, dass ich fast in allen von mir untersuchten Brunnen, die aus besonders stark von der Cholera infieirten Häusern herrührten, bewegliche Bacterien oder Zoogloeagallert meist in grösster Menge beobachtet habe. In den Brunnen der Mehlgasse und des Laurentius-Kirchhofs, wo 1866 die Seuche mit ganz besonderer Intensität wüthete, habe ich so zahllose Bacterien gefunden, dass dieselben den von mir oben pag. 114 geschil- derten Character boten und dass ich in meinem amtlichen Bericht an den Stadtphysikus, Geh. Medizinalrath Dr. Wendtim August 1566 die Vermuthung ausgesprochen habe, die sich mir dureh den Anblick des mikroskopischen Befundes gewissermassen unwillkührlich aufdrängte, es möchten jene Bacterien vielleicht die unmittelbaren Träger des Choleragiftes sein. Wenn diese Beobachtungen noch zu keinen bestimmten Schlussfolgerungen berechtigen, so liegt dies an dem viel zu spärlichen und unsicheren Material der bisherigen Untersuchungen, namentlich darin, dass noch von keinem einzigen Brunnen regelmässige mikroskopische Analysen, welche längere Zeiträume umfassen und etwaige Unterschiede in normalen Zeiten und während einer Epidemie hervortreten lassen könnten, gemacht worden sind. Um so dringender scheint mir die Pflicht der Sanitätsbehörden, solche Beobachtungsreihen an möglichst zahlreichen Trinkbrunnen zu veranlassen, deren Ergeb- nisse, seien sie positiver oder negativer Art, in gleicher Weise der öffentlichen Gesundheitspflege zu Gute kommen würden. 8. Abgesehen von den Baeterien und Zooglocen enthalten die Brunnenwässer eine grosse Menge von farblosen oder gelb oder braun gefärbten Fäden, welche ich früher geneigt war als eigenthümliche Species sogenannter Pilzalgen (Mycophyceae), zu betrachten, von denen es aber mir jetzt wahrscheinlicher ist, dass sie von wirklichen Fadenpilzen stammen, die im Wasser gekeimt und zu mehr oder minder abnormen Mycelbildungen entwickelt sind. Es ist bekannt, dass Penieillium glaucum, Mucor Mucedo, Aspergillus, Fusisporium und zahlreiche andere Pilze im Wasser ihr Mycel üppig entwickeln, ohne zu fructifieiren, und ich zweifle nicht daran, dass unter den in allen Brunnen von mir und Anderen angetroffenen, meist als Leptothri, Hygrocrocis, Leptomitus bezeichneten Fäden ein grosser Theil Mycelien von den oben erwähnten Arten, oder anderen vielleicht noch unbekann- ten Pilzen sind. Auch sporenähnliche Zellen finden sich im Brunnenwasser in grösster Mannigfaltigkeit und oft in zahlloser Menge. Mag auch ein Theil der- 117 selben mit dem Staube oder verwesenden Stoffen ins Wasser hineinge- fallen sein, wie ich das von den zahlreich beobachteten Ustilago-, Puc- einia-, Phragmidium-, Cladosporium- und Fusisporium-Sporen annehmen muss, so lassen doch viele dieser Formen sich durchaus nicht mit bekannten Sporen identifieiren und mögen theils eigenthümliche Fructi- ficationen (Sporen, Gonidien, Conidien) von Wasserpilzen, theils über- haupt gar keine Pilzkeime, sondern eneystirte Monaden, Amoeben oder Myxomyceten-Formen sein. Endlich ernährt das Brunnenwasser anscheinend eine Anzahl ihm eigenthümlicher Organismen, die bis jetzt noch gar nicht oder doch nicht genügend gekannt sind. Radlkofer hat in den Brunnen von München eine farblose Palmelle (Palmellina flocculosa) mit äusserst kleinen dicht gelagerten Zellchen gefunden, die dort die Hauptmasse des Brunnenschlamms darstellt, von mir selbst hier nicht sicher unter- schieden worden ist. Ich selbst habe in den meisten Breslauer Trink- brunnen braune Flöckchen beobachtet, oft in ausserordentlicher Menge, und habe dieselben stets als Anzeige eines reichlichen Eisengehalts betrachtet, da die braune Farbe vom Eisen herrührt. Aber die Flocken sind keineswegs immer anorganischen Ursprungs, vielmehr bestehen sie grösstentheils aus dünnen einfachen oder verästelten durcheinander gefilzten Fäden, zwischen denen oft amorphes Eisenoxydhydrat ausge- fällt ist. Sind diese Fäden dieker und diehotom verästelt, so werden sie gewöhnlich als Stereonemen bezeichnet; d. h. es sind die Stiele von köpfchenbildenden Monaden (Anthophysa vegetans), welche sich später losreissen und als traubenartige Colonien (Üvella) im Wasser umher schwimmen; sie bezeichnen ausser dem Eisengehalt auch einen Zustand angehender Fäulniss im Wasser, an dessen Oberfläche sie oft dunkel- braune Häute bilden. Nicht minder häufig habe ich aber in braunen Flocken fädige Bildungen angetroffen, welche unverzweigt, farblos oder gelblich, von mir früher als Arten von Leptothrice oder Hygrocrocıs betrachtet wurden, bis ich mich in neuester Zeit überzeugt habe, dass es eine bis jetzt nicht unterschiedene Gattung und Art sei, welche eine monographische Bearbeitung verdient. 9. Durch Herrn Geheimrath Professor Dr. Lebert erhielt ich am 3. März 1870 zwei Flaschen mit Wasser aus dem Brunnen Grosse Rosengasse No. 13, einer berüchtigten Typhusgegend von Breslau. Das Wasser war etwas trübe, wie dies stets der Fall ist, wenn in dem- selben Bacterien reichlicher entwickelt sind; ausserdem aber schwam- men im Wasser eine nicht geringe Menge kleiner hellbraungelber Flöckchen von 1—2 ""- Grösse, die sich nach einiger Zeit am Boden absetzten und leicht zu grösseren Flocken zusammenballten. Die 118 Flöckchen waren von Bacterien und Vibrionen, Amoeben und Monaden, von Glaucomen und Oxytrichen umschwärmt, sie selbst bestanden aber — abgesehen von zufällig eingestreuten Woll- und Leinwand- fasern, Schmetterlingsschuppen und Milbenbälgen, sowie verschiedenen Wasserpilzen — aus den Fäden einer farblosen Alge, welche locker durcheinander gewirrte Räschen darstellten. Seit dieser Zeit habe ich zum Zwecke weiterer Untersuchung bis Ende Juli sehr häufig Wasser aus diesem Brunnen holen lassen und ohne Ausnahme darin stets die nämlichen gelben Flöckchen bald in grösserer bald in geringerer Zahl gefunden. Auch in mehreren ande- ren Brunnen um und in Breslau beobachtete ich dieselbe Alge, so das ich sie für eine im Brunnenwasser sehr verbreitete Form halten muss. Möglich freilich, das der ursprüngliche Wohnort derselben nicht das Trinkwasser selbst, in welchem ich sie bisher allein beobachtet, son- dern entweder der Grund oder die Seitenwände des Brunnens sind, und dass sie nur zufällig beim Auspumpen in einzelnen Räschen losgerissen werden. Indess spricht der Umstand, dass diese Alge bisher noch nie in offenem Wasser gefunden wurde, sowie ihre Farblosigkeit dafür, dass dieselbe für die von Licht abgeschlossenen Räume der Brunnen charak- teristisch ist, und ich halte mich daher berechtigt, da sie einer meines Wissens noch nicht gekannten Gattung und Art angehört, sie als Brunnenfaden (ÜÖrenothrix polyspora) zu beschreiben. 10. Wie ich schon oben bemerkte, sind die gelben Flöckcehen der Hauptsache nach gebildet durch dünne und lange, steife oder wenig gekrümmte, oder auch in einander geflochtene Algenfäden, welche im Wesentlichen die bekannte Structur der Oseillarien zeigen (Vgl. Tab. VI. Fig. 20); ein jeder Faden besteht aus einer einfachen Reihe gleich- artiger Zellen und ist von einer starren Scheide eingeschlossen. Der Inhalt sämmtlicher Zellen ist ein durchaus farbloses, homogenes oder feinkörniges Protoplasma ohne Spur von Phycochrom oder einem ande- ren Farbstoff; in stärkeren Fäden erkennt man, dass das dichte Pro- toplasma nur einen Wandbelag auf der Innenseite der Zellhaut bildet und dass die Zellhöhle von wasserhellem farblosen dünneren Zellsaft eingenommen ist, daher die Zellen wie hohl aussehen. (Fig. 1, 13, 15.) Die Seheiden sind bei den dünnen Fäden unmessbar zart und nicht zu unterscheiden, in den dickeren Fäden dagegen sind sie stär- ker entwickelt, mit scharfer Doppelcontur, pergamentartig, von dem Gliederfaden selbst deutlich geschieden (Fig. 5, 6), in abgestorbenen Fäden als leere Hülsen zurückbleibend (Fig. 16); auch kann im Laufe der Entwicklung der Faden aus seiner Scheide ganz oder theilweise heraustreten. Ohne Zweifel entsteht die Scheide aus den äussersten 5 119 eylindrischen Lamellen sämmtlicher Gliederzellen, deren einzelne Stücke, wie bei der Bildung der Cutieula, unter einander verschmelzen ; diese Lamelle verdickt sich im Laufe der Entwicklung und scheint manchmal an ihrer Aussenfläche gallertartig aufzuquellen; wenigstens werden die Scheiden oft durch anhängende Körnchen trübe und so undurchsichtig, dass der eingeschlossene Gliederfaden kaum erkennbar ist (Fig. 17). Die Scheiden sind anfänglich farblos; werden aber später lebhaft gelb oder braun; diese Färbung rührt von Eisen- oxydhydrat her, welches sich durch die Vegetationsthätigkeit der Zellen in ähnlicher Weise in der Membran der Scheiden ablagert, wie die Kieselerde in den Panzern der Diatomeen oder der kohlensaure Kalk in den Zellmembranen der Melobesiaceen. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man zu den gelben Crenothrixfäden ein Gemisch von Salzsäure und gelbem Blutlaugensalz hinzutreten lässt; es wird alsdann das durch die Säure ausgezogene Eisen noch in den Scheiden sofort wieder ausgefällt, so dass diese sich dann auf das Schönste blau färben. Die Zellen des Fadens selbst sind farblos und enthalten auch kein Eisen. Fügt man das Blutlaugensalz erst nach der Salzsäure zu, so bildet sich natürlich auch Berlinerblau, aber da das Eisenchlorid sich vorher in der Flüssigkeit vertheilt hat, in amorphen Flocken, ohne dass sich der Sitz des Eiseng dadurch feststellen liese. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die gelbe oder braune Färbung, welche auch in den Scheiden anderer Nostochineen und Scytonemeen und in den sogenannten Stereonema-Fäden (den Stielen der Anthophysa vegetans) beobachtet wird, ebenfalls von eingelagertem Eisen herrührt. Wenn die Crenothrix-Flocken übrigens schon dem blossen Auge sich bräun- lichgelb gefärbt zeigen, so ist die Ursache davon nicht blos der Eisen- gehalt der Scheiden, sondern auch eine eigenthümliche, das Licht stark brechende, hell- oder dunkelgoldgelbe, oelartig ausehende, klare Sub- stanz, welche die Fäden auf weite Strecken mehr oder minder gleich- mässig oder in knotigen Anschwellungen einhüllt, in Salzsäure gelöst wird und durch Zusatz von Blutlaugensalz sich eisenhaltig erweist (Fig. 20). Ich vermag nicht anzugeben, was es mit dieser Substanz für eine Bewandniss hat. 11. Bei den Crenothrix-Fäden fällt zunächst deren ausserordentlich verschiedene Dieke auf, welche auf den ersten Blick es zweifelhaft macht, ob man es nicht mit verschiedenen Arten zu thun habe. Ich mass Fäden von 0.00525, 0.0040, 0.0036, 0.0033 "®: (5,25—3,3 Mikro- millimeter); aber in demselben Filz treffen wir auch Faden von 2, ja nur 1,5 Mikrom. (Fig. 17, 8, 7, 6, 1). Bei genauerer Untersuchung finden wir, dass die Breite in einem und demselben Faden zwischen den oben 120 angegebenen Extremen variürt. Die Fäden sind nämlich nicht gleich- mässig eylindrisch, sondern sehr verlängert pfriemförmig, an dem einen Ende, das wir als die Basis bezeichnen können und das in der That oft als Anheftepunkt des Fadens dient, am dünnsten, verdicken sie sich ganz allmählich nach dem entgegengesetzten Ende, der Spitze, wo sie den grössten Durchmesser erreichen (Fig. 20, 9, 10). Ebenso verschieden ist das Verhältniss der Höhe der einzelnen Glieder des Fadens zuihrer Breite. Bekanntlich vermehren sich die Fadenglieder der Oseillarieen durch beständige Quertheilung der Zellen, so dass wir bei allen Oseillarieen in einem und denselben Faden Zellen von einfacher bis doppelter Höhe finden, je nachdem die Quertheilung mehr oder weniger vorbereitet ist. Aber bei Crenothrix bewegen sich die Differenzen in der Höhe der Zel- len innerhalb viel weiterer Grenzen. Bezeichnen wir die Zellenhöhe als die normale, welche ihrer Breite gleichkommt (quadratischer Contur, Fig. 1, 15), so finden wir nicht blos Fäden oder Fadenstücke mit halb so hohen Gliedern (Fig. 9, 10), sondern auch insbesondere dünnere Fäden, bei denen die Zellen umgekehrt doppelt, ja viermal so hoch als dick (Fig. 7, 17) sind (Höhe der Zelle von 2,1 bis 3,15 und 5,25 Mikrom.). 12. In vielen Fäden ist das Endglied bei weitem länger als die übrigen Zellen; ich mass in einem Faden von 3,67 Mikrom. Breite das cylindrische Endglied von 26,25 Mikrom., während die nächstfolgenden Zellen 5,25 Mikrom. Höhe massen, also fünfmal kürzer waren (Fig. 15). Mitunter ist dieses Endglied nicht blos länger, sondern auch breiter als die eigentlichen Fadenglieder und zeigt eine verlängert ellipsoidische Gestalt, erinnernd an die Sporen von Öylindrospermum (Fig.13,14). Ein solches verlängertes Endglied begrenzt stets das Wachsthum des Fadens in der Richtung seiner Achse, indem die Zelle zunächst unter dem End- glied durch eine schiefe Scheidewand sich theilt, verlängert sie sich zugleich seitlich unter dem Endglied und wächst in Folge wieder- holter Quertheilungen zu einem nach der Seite ausbiegenden Aste aus, welcher an die Astbildung der Scytonemeen erinnert (Fig. 13, 14). Solche Fäden mit angeschwollenem Endglied und seitlichem Aste fand ich in verschiedener Dieke von 3— 5,25 Mikrom. Die angeschwolle- nen Endglieder sind nicht mit klarem Safte, wie die sogenannten Grenz- zellen der Nostocaceen, sondern mit feinkörnigem Protoplasma erfüllt, so dass sie den Manubrien der Rivularien gleichen und wie diese viel- leicht als Sporen betrachtet werden können; doch habe ich ihre wei- tere Entwicklung nicht verfolgen können und vermuthe nur, dass aus der Membran (Scheide) des Endgliedes der Inhalt anscheinend als eine grosse Spore austritt; wenigstens beobachtete ich an mehreren Fäden entleerte Endglieder, die an der Spitze durehbohrt schienen (Fig. 13). Von die- 121 sen „Sporen“ stammen, wie ich glaube, farblose kurze Osecillarien-ähn- liche Fäden, aus höchstens acht eylindrischen Gliedern bestehend, 5—6Mikrom. breit und etwa doppelt so hoch, mit äusserst zarter, durch- sichtiger Membran, scheidenlos und mit einer eigenthümlichen langsamen gleitenden Bewegung begabt, welche ich einige Mal in Crenothrix-Flöck- chen beobachtete (Fig. 19). Nach ihrer Farblosigkeit muss ich anneh- men, dass diese eigenthümlichen Fäden in den Entwicklungskreis von Crenothrix gehören und aus den „Sporen“ in ähnlicher Weise hervor- gehen, wie sie de Bary für die Entstehung der Rivularien-Fäden aus den Manubrien (Beitrag zur Kenntniss der Nostocaceen, Flora 1865) und Thuret für Oylindrospermum (Ann. sc. nat. 5. ser. Tom. 2) beobachtet haben. 13. Während die Bildung sporenähnlicher Endglieder bei Crenothrix seltener auftritt, finden wir eine andere Fortpflanzungsweise so über- aus verbreitet, dass ich sie fast in allen Fäden zu den verschiedensten Beobachtungszeiten antraf und ihre ganze Entwicklungsgeschichte unter der feuchten Kammer verfolgen konnte. Die von mir zu- diesem Zwecke im Pflanzenphysiologischen Institut benutzte feuchte Kammer ist aus dem von Prof. Nobbe construirten, im Tharander forstlichen Jahrbuch für 1869 beschriebenen Keimapparat hervorgegangen, den wir aus der Ziegelfabrik von J. M. Pröhl in Chemnitz bezogen haben; sie besteht aus einer unglasirten, gebrannten, porösen Thonplatte von 5 °=- Höhe und 10 ©" Seite; an ihrer Oberfläche befindet sich eine flache uhrglasartige Aushöhlung von 2 ©®- Tiefe, zur Aufnahme der Objectgläser, die mit einer dicht aufliegenden Glasplatte bedeckt werden kann. Wird diese Thonplatte in einen Glasnapf mit Wasser gestellt, so saugt sie sich voll und das Präparat auf dem Objectglas befindet sich innerhalb der mit der Glasplatte verschlossenen Aushöh- lung in einer mit Wasserdampf stets gesättigten Atmosphäre, so dass der das Präparat umgebende Wassertropfen, vom Deckglas bedeckt, nach 24 Stunden nur äusserst wenig durch Verdunstung verliert; wurde alle Tage ein Tröpfehen destillirtes Wasser zugefügt, so konnte das Präparat wochenlang unversehrt erhalten und seine Entwicklung bequem verfolgt werden. Zu dem gleichen Zweck benutzen wir mit Vortheil Glas- oder glasirte Thonnäpfe, welche mit einer Glasplatte zugedeckt und mit Moos, das sich im Wasser vollgesogen, gefüllt sind. Werden die Objecetgläser auf das feuchte Moos gelegt, so widerstehen die Was- sertropfen mit den Präparaten sehr lange Zeit der Verdunstung. Die Fortpflanzung von Crenothrix beginnt damit, dass sich der farblose Inhalt än den einzelnen Zellen von der Zellwand etwas abhe- bend, zu sphäroidalen Plasmamassen verdichtet. In Folge dessen 122 erscheint der in der Fortpflanzung begriffene Faden rosenkranzförmig gegliedert, an die Fäden von Nostoec erinnernd (Fig. 6, 8), während der sterile Faden die gewöhnliche Struetur der Oseillarien mit eylindrischen Zellen repräsentirt (Fig. 7, 14). Die Fortpflanzung tritt ein bei Fäden des verschiedensten Durchmessers, dünnen wie dieken; sie verfolgt zwei, übrigens nicht scharf getrennte Modificationen, die ich als Macro- und Microgonidienbildung unterscheiden will. 14. Die Mierogonidien sind die häufigste Fortpflanzungsweise; ich habe sie stets bei den diekeren Fäden beobachtet. Die Zellen sol- cher Fäden dehnen sich zuerst etwas in die Breite und indem sie sich gleichzeitig der Quere nach theilen, nehmen sie dadurch die Gestalt niedriger Scheiben an, die kaum halb bis ein Viertel so hoch als breit sind. Alsdann theilt sich ihr Inhalt vermittelst einer durch die Längs- achse gelegten Scheidewand zunächst in zwei, darauf durch eine zweite ebenfalls durch die Längsachse gehende und auf der ersten senkrecht stehende Scheidenwand in vier keilförmige Stücke; durch mehrfach wiederholte Theilung, die sich im Speciellen wegen ihrer Kleinheit nicht gut verfolgen lässt, zerfallen endlich die Zellen des Fadens, jede in eine grosse Zahl, mindestens 16 sehr kleiner Plasmakugeln, welche von mir als Mierogonidien bezeichnet werden (Fig. 9). Dieser Vor- gang beginnt an dem einen Ende des Fadens, das hierdurch als ein oberes bezeichnet und gewöhnlich frei aus dem Rasen hervorragt, und schreitet mehr oder weniger weit nach abwärts fort. Die einzelnen Gonidien sind anscheinend membranlose Primordialzellen, die in ihrer Anordnung anfangs den ursprünglichen Fadengliedern entsprechen, aber sich bald zwischen einander verschieben, indem die Zellstoffquerwände, welche die Glieder trennten, von ihnen durchrissen oder resorbirt wer- den. Die Scheide nimmt an den Theilungsvorgängen keinen Antheil; sie umhüllt vielmehr als Sporangium die Gonidien, welche bald einen grösseren oder kleineren Theil der oberen Fadenhälfte einnehmen, in der Regel eine Röhre von 200 Mikrom. Länge dicht erfüllen. Während der Entwicklung der Gonidien dehnt sich gleichzeitig die Scheide mehr oder weniger, bisweilen selbst auf das Doppelte und Dreifache ihres früheren Durchmessers aus und nimmt dadurch eine fast keulen- oder bandförmige Gestalt an, indem sie eine Dicke von 6,5—7,3— 9 Mikrom. erreicht (Fig. 9, 10, 11). In einem Falle bildet das gonidienführende Ende eine Keule von 14,7 Mikrom., das sich ganz allmählich in den sterilen, nur 5,25 Mikrom. breiten Faden verjüngte und von zahllosen kugeligen, farblosen Gonidien vollgestopft war (Fig. 12). Die Gonidien streben nunmehr aus der Spitze des Sporangium oder der Fruchtkeule auszutreten und schieben sich an einander nach vorn, # 123 etwa wie die Zoosporen von Achlya, wenn dieselben im Ausschwär- men begriffen sind. Aber die Gonidien von Crenothrix bewegen sich nur langsam gleitend der Spitze zu, vor der sie sich allmählich zu vielen Tausenden anhäufen, um bald durch nachgleitende Gonidien verdrängt zu werden. So entleert sich allmählich die Fruchtkeule von den Goni- dien vollständig, so dass jene eine leere Hülse darstellt, in welcher höchstens vereinzelte Gonidien, die den Ausweg nicht finden konnten, zurückbleiben (Fig. 12), während in den tieferen Gliedern des Fadens die Gonidienbildung weiter fortschreitet (Fig. 10). In der Regel kann man in der Länge des Fadens alle Stufen der Gonidienbildung beob- achten; oft folgt nach einer Anzahl von ungetheilten Zellen wieder mitten im Faden eine Gruppe von solchen, die sich zur Gonidienbildung anschicken. (Fig. 9.) Die ausgetretenen Gonidien haben eine kugelige oder verlängert- rundliche Gestalt, so dass sie in dem einen Querschnitt kreisrund, im anderen mehr eylindrisch aussehen (Fig. 3); sie sind vollständig farb- los und lassen mit der Immersionslinse Gundlach VIII. Protaplasma und Zellsaft (eine centrale Vacuole) oft deutlich, eine Membran dagegen nicht sicher unterscheiden; ihr kürzerer Durchmesser beträgt höchstens 2 Mikrom. und mag bis auf 1 Mikrom. herabsinken; dagegen sind sie oft um das Doppelte länger, alsdann der Quere nach in der Mitte einge- schnürt. Sehr viele Gonidien sind völlig quergetheilt und besitzen semmelförmige Gestalt. Sie sind anscheinend unbewegt; betrachtet man sie aber sorgfältig durch einige Zeit in Wassertropfen, so findet man, dass viele derselben eine langsam rollende gleichsam sich wälzende Bewegung haben, die der Moleeularbewegung ähnlich sieht, aber nach einem gewissen Zeitraum nicht unbedeutende Ortsveränderungen zur Folge hat. 15. Die Bildung der Macerogonidien, die fast nie gleichzeitig an demselben Faden mit der der Microgonidien vorkommt, unterscheidet sich von den hier geschilderten Vorgängen zunächst nur dadurch, dass die einzelnen Zellen des Fadens sich nur in zwei, höchstens in vier Stücke theilen, die dem entsprechend eine relativ bedeutendere Grösse, von 3—5 Mikrom, im Durchmesser, besitzen, im Uebrigen aber in der- selben Weise sich zwischen einander hin schieben und aus dem vor- deren Ende der Scheide hervordrängen (Fig. 1). Im Wasser bleiben die ausgetretenen Macrogonidien ebenfalls in kleinen Häufchen verbun- den vor dem offenen Ende des Fadens liegen, weleber keine keulen- förmige Anschwellung zeigt (Fig. 1), kis sie sich allmählich mit gleitend- wälzender langsamer Bewegung zerstreuen. Einige Mal beobachtete ich einen vor der Oeffnung der Scheide liegenden Haufen von Maero- 124 gonidien, die an einander haftend als Ganzes langsam rotirten, etwa wie der Embryo einer Rotifere innerhalb seiner Eischale umherrollt. Ihrer bedeutenderen Grösse gemäss lässt sich die Beschaffenheit der Maerogonidien als kurz eylindrische Zellen mit wandständigem Proto- plasma und wässrigem Zellsaft noch besser erkennen; auch sind die- selben meist in Quertheilung begriffen und demnach in der Mitte einge- schnürt oder zu Doppelgonidien paarweis verbunden (Fig. 2). Bei schmäleren Crenothrix -Fäden (von 5 Mikrom. oder weniger im Querdurchmesser) entsteht in jeder Fadenzelle nur eine einzige Macro- gonidie, indem sich der Inhalt derselben zu einer freien Primordialzelle abrundet, die meist durch eine mehr oder minder tiefe Quereinschnürung in der Mitte den Beginn der Theilung anzeigt. Diese Macrogonidien drängen sich unter Durchbrechung der Querscheidewände des Fadens aus dem vorderen Ende der nicht erweiterten Scheide in einfacher oft unterbrochener Reihe heraus, und unterscheiden sich im Wasser durch- aus nicht von den aus der Zwei- oder Viertheilung in dickeren Fäden hervorgegangenen Gonidien (Fig. 1, 5, 8). Auch kommt es vor, dass am selbem Faden sich Reihen von Macrogonidien aus dem Vollinhalt neben solchen aus getheilten Zellen bilden. Wo immer die Fäden die Rosenkranzform von Nostoe zeigen, sind dieselben in Maerogonidienbil- dung begriffen, wie sich dies bei längerer Beobachtung unter der feuch- ten Kammer durch allmähliche Entleerung der Scheiden herausstellt. 16. Auf diese Weise lassen die Crenothrix-Fäden im Laufe der Zeit ihre sämmtlichen oder doch einen grossen Theil ihrer Zellinhalte ins Wasser austreten, welche sich als Gonidienhaufen an der Spitze der Scheide lagern, dann unter langsamen Gleitbewegungen im Wasser zerstreuen oder in zahlloser Zusammenhäufung Palmellenähnliche Mas- sen bilden und in der That, wie die Zellen der Palmellen, durch eine schleimige Zwischensubstanz lange Zeit verbunden bleiben (Fig. 18). Die weitere Entwickelung der Gonidien ist nicht ohne Schwierigkeit festzustellen. Ich habe unter der feuchten Kammer oft die in den Scheiden eingeschlossenen oder ins Wasser ausgetretenen Gonidien- haufen drei und mehrere Tage auf dem Objectglase verfolgt, ohne dass eine Veränderung sich zeigte. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass unter günstigen Verhältnissen die ausgetretenen Gonidien, und zwar ebenso gut die grösseren Macrogonidien als die kleinen Miero- gonidien zu neuen Crenothrix-Fäden auskeimen. Sehr häufig finden sich an den alten Scheiden, insbesondere an der Oberfläche der Frucht- keulen anhaftend, dünne Crenothrix - Fäden, welche offenbar aus gekeimten Gonidien hervorgegangen sind (Fig. 1). Oft bilden diese dünnen Fäden wahre Bündel, die strahlig an einem oder mehren Punk- 125 ten eines alten Fadens festsitzen und durch ihre Feinheit und Zartheit als junge Entwieklungszustände, durch ihr allmähliches Anschwellen nach dem entgegengesetzten Ende und durch die Vorbereitung zur Gonidien- bildung als wirkliche Crenothrix sich erweisen (Fig. 20). Mehrere Male beobachtete ich auch auf einem Objectglase, auf welchem ich einen Rasen gonidienführender Crenothrix-Fäden, nebst zahllosen Hau- fen entleerter Mierogonidien durch mehrere Tage in der feuchten Kam- mer eultivirte, nach eirca 42 Stunden im Wassertropfen eine ausser- ordentlich grosse Menge kurzer farbloser Nostocähnlicher Zellschnüre oder Stäbchen, welche alle Zwischenstufen ihrer Entwicklung aus den einfachen und doppelten Mierogonidien darboten (Fig. 4). Diese nur 1—2"- dieken Stäbehen bestanden aus zwei, vier oder acht kurz eylin- drischen Gliedern, jedes wieder in seiner Mitte mit einer mehr oder minder tiefen Einschnürung als Zeichen beginnender, oft schon weit fortgeschrittener Quertheilung versehen. Diese kurzen Stäbchen schei- nen sich in normalen Verhältnissen an irgend einer Unterlage {meist einer älteren Scheide) festzuheften und durch successive Quertheilung in sämmtlichen Zellen, sowie durch allmähliche Anschwellung am freien Ende in die gonidienbildenden Fäden fort zu entwickeln. Die Miero- gonidien scheinen sich von den Maerogonidien nur dadurch zu unter- scheiden, dass sie zunächst dünneren Fäden Ursprung geben, 17. Es bleibt uns noch übrig, die systematische Stellung von Üre- nothrix zu bestimmen. Ich habe dieselbe oben als Alge bezeichnet, weil sie mit unzweifelhaften Algengattungen nächst verwandt ist; wenn freilich der Mangel des Chlorphylis allein eine Pflanze als Pilz kenn- zeichnet, so müssten wir Ürenothrix unter die Pilze einordnen; doch ist, wie ich selbst anderwärts gezeigt und auch in diesen Blättern Schroeter (über Synchytrium pag. 46) ausführlich erörtert hat, die Anwesenheit oder der Mangel des grünen Farbestoffs nur ein vegetati- ves Merkmal, dem bei der Feststellung der Verwandtschaft nur seeun- däre Bedeutung zukommt; denn exelusiv und consequent durchgeführt, ° würde es auch Monotropa oder Lathraea unter die Pilze verweisen. Nach der Beschaffenheit der kurz gegliederten, von einer hyalinen Scheide umhüllten Fäden schliesst sich offenbar Ürenothrixe an die Öseillarien, die freilich in der Regel blaugrünes Phyrochrom enthalten; aber wir finden unter den Öseillarieen auch farblose Gattungen, vor allem Deggiatoa und Spirochaete; ich reihe hieran noch Hygrocrocis, insoweit dieser Namen wirklich eine besondere Gattung und nicht wie zweifellos bei den meisten sogenannten Aygrocrocis- Arten blos die Wasser-Mycelien von Penzeillium und anderen Faden-Pilzen umfasst. Nach ihrer besonders reichlichen Vermehrung im Wasser mit organi- 126 schen Stoffen zu schliessen, sind die Nährstoffe der farblosen Oseilla- rieen, wie bei allen chlorophyllfreien Pflanzen, nicht blos anorganische sondern auch organische Verbindungen; in der Hedwigia 1865 habe ich gezeigt, dass insbesondere die Beggiatoen sich im Meerwasser vor- zugsweise in der Nähe verwesender Thiere und Pflanzenkörper ent- wickeln; auch scheinen dieselben, nach ihrem Vorkommen in Schwefel- quellen zu schliessen, Sulphate zu ihrer Ernährung zu bedürfen und Schwefelwasserstoff zu entbinden. In ihrer Ernährungsweise schliessen sich daher die farblosen Gattungen Beggiatoa, Spirochaete, Hygrocrocis, Ürenothrix etc. an die Wasserpilze, während ihre Organisationsverhält- nisse vollständig mit den phycochromhaltigen Oseillarieen übereinstim- men. Unter: diesen zeichnet sich Urenothrixe durch die nicht gleich- mässigen, sondern nach der Spitze sich verdickenden Fäden, durch die Theilung der Zellen in der Richtung der Längsachse des Fadens bei der Fortpflanzung und vor allem durch die von zahllosen freien Goni- dien dicht gefüllten oft keulenförmigen Sporangien aus. Die Oseillarien nehmen im Allgemeinen eine durchaus isolirte Stel- lung im Pflanzenreich insofern ein, als sie unserer bisherigen Kenntniss nach aller Fortpflanzungszellen und zwar ebensowohl der geschlecht- lichen wie der ungeschlechtlichen entbehren, und ihre Vermehrung ganz allein, wie bei den Schizomyeeten, auf der 'Theilung der Zellen und dem gelegentlichen Zerbrechen der Fäden beruht. Ich habe jedoch schon bei der von mir im Meerwasser aufgefundenen Deggiatoa mirabilis hervor- gehoben, dass zwischen den Fäden dieser farblosen Oseillariee über- aus zahlreiche farblose, kugelige oder eirunde Zellen vorkommen, die oft der Quere nach eingeschnürt oder mehr oder minder vollkommen zweigetheilt, eine kräftige, langsam rollende oder sich wälzende, gleich- sam taumelnde Bewegung besitzen und nach der ganzen Beschaffenheit ihres Inhalts sich als zum Entwicklungskreis von Deggiatoa gehörig anzeigen, obwohl es mir nicht gelang, die Entstehung derselben aus den Beggiatoa-Fäden direct zu beobachten. (Beiträge zur Physiologie der Phyeochromaceen und Florideen inMax Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie, Band III. 1867. Tab. I. Fig. 6.) Die Uebereinstimmung dieser Zellen in Form und Bewegung mit den Goni- dien unserer Ürenothrix macht es mir jetzt wahrscheinlich, dass die- selben als Gonidien von Deggiatoa zu deuten sind. Es giebt noch eine zweite Gattung der Osecillarieen, welche noch mehr mit ÜUrenothrixc übereinstimmt, nämlich der von Braun und Grunow aufgestellte C’hamaesiphon, welcher mir allerdings nur aus der Beschreibung und Abbildung (Fig. 28) in Rabenhorst Flora europaea Algarum aquae duleis etc. Band U. p. 148 bekannt ist. Die 127 äusserst kurzen 0,008 — 0,04 "”- Jangen, einzeln oder in dichten Bün- deln auf anderen Algen schmarotzenden, blaugrünen oder violetten, kurzgliedrigen Fäden der Chamaesiphon - Arten, verdieken sich keulen- oder birnförmig nach der Spitze und stecken in einer gestielten hyalinen Scheide; die durch suecedane Quertheilung nach Art der Oseillarien sich vermehrenden Zellen isoliren sich schliesslich an der Spitze des Fadens, runden sich ab und treten aus der sich öffnenden Scheide als ruhende Sporen heraus, welche ohne Befruchtung keimen. Hiernach stimmen Ürenothrix und Ohamaesiphon überein in dem Bau der Scheiden und der Fortpflanzungsweise durch Gonidien; unser Brunnenfaden unterscheidet sich nur durch die langen oscillarienähn- lichen, farblosen, zu Räschen verflochtenen Fäden und die Bildung von zahllosen Macro- und Mierogonidien in oft keulenartigen Fadenenden. Auf alle Fälle gehört (renothrix in die unmittelbare Nähe von C’hamae- siphon, zwischen diesen und Lyngbya. Auch bei letzterer Gattung findet, wenn ich nicht irre, nach den mehr oder weniger vollständig entleerten Scheiden bei Z. semiplena, Nemaleonis etc. zu schliessen, eine Goni- dienbildung statt; vermuthlich wird auch noch bei anderen Oseillarieen die Fortpflanzung durch Gonidien gefunden werden, welche sich von den Zoosporen der Chlorophyli-grünen Algen (Ühlorosporeae) durch den Mangel der Geisseln unterscheiden, gleichwohl aber nach Art der Dia- tomeen und ÖOscillarien eigenthümlicher Gleitbewegungen fähig sind. Die bei Nostoc von Thuret 1844 entdeckte Fortpflanzung (Ann. sc. nat. 3e Ser. Tom. 2. p. 319; Observ. sur la reproduction de quelques Nostochinees. Mem. Soc. imp. sc. nat. Uherbourg V. Aug. 57) beruht bekanntlich darauf, dass die in einer gemeinschaftlichen Gallert ein- gebetteten Fäden vermittelst contractiler Bewegungen aus dieser aus- wandern; die Gallert selbst ist nichts weiter als die zu formloser Substanz aufgequollenen Scheiden der Fäden und man erkennt durch Erhärtung einer Nostoc-Kugel in Alcohol leicht deren Zusammensetzung aus dicht an einander gepressten Gallert-Cylindern, welche die einzelnen Rosenkranz-Fäden umhüllen; ebenso ist die Gallert von Rivularıa aus den vorzugsweise am oberen Fadenende aufgequollenen Scheiden her- vorgegangen. In den aus ihren Gallert-Scheiden ins Wasser heraus- getretenen Nostoc-Fäden dehnen sich die einzelnen Glieder zuerst der Quere nach scheibenförmig, theilen sich dann vermittelst einer oder zweier durch die Längsachse gelegter, rechtwinklich sich kreuzender Scheidewände, jedes in 2—4 Stücke, welche sich bald zu kuglichen Gonidien abrunden; schliesslich ordnen sich alle Gonidien in eine Reihe und vereinigen sich zu einem einzigen gewundenen Nostoc- Faden. Der einzige Unterschied dieser Entwicklung von der unserer 128 Ürenothrix beruht, abgesehen von dem Mangel der Grenzzellen, haupt- sächlich auf der völligen Isolirung der Gonidien bei letzterer Art, bei welcher die Fäden erst nachträglich aus der successiven Quertheilung der Gonidien hervorgehen. 18. In meinen „Beiträgen zur Physiologie der Phyeochromaeeen und Florideen“ habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass die ersteren, gewöhnlich als Chroococcaceen, Oseillarineen oder Nostocaceen bezeich- net, sich als niedrigste Stufe zunächst an die Florideen anschliessen, mit denen sie als auszeichnendes Merkmal Fortpflanzungszellen ohne beweg- liche Geisseln — im Gegensatz zu den Zoosporen der Chlorosporeae und Phaeosporeae — gemein haben. Unsere Gattung Ürenothrix bietet ein neues Verbindungsglied zwischen den beiden Klassen, indem sie zunächst an die Florideen-Gattung Dangia sich anreiht. In meinem oben eitirten Aufsatze (Archiv f. mikrosk. Anat. Band III. Tab. II. Fig. 5) habe ich gezeigt, dass die aus einreihigen Zellen gebildeten Fäden einer marinen Dangia (B. subaequalis Kg.) durch Aufschwellen der Scheide zu einem keulenförmigen Sporangium sich umbilden, während die Zellinhalte, ungetheilt oder durch suecedane Längsscheide- wände verdoppelt und vervierfacht, zu kugligen oder eiförmigen Goni- dien sich abrunden und ans der Scheide heraustretend, im Wasser sofort zu einem neuen Faden auskeimen, der oft mit dem einen Ende sich an den Mutter-Faden anheftet. Die Analogie dieser Entwicklungs- geschichte mit der von Örenothrix leuchtet ohne Weiteres ein. Wenn Solier und Derb&s in ihrem preisgekrönten Memoire sur la Physio- logie des Algues (Supplem. aux Compt. rend. de Acad. de science. 1. p.64, Tab. 16. Fig. 13—19 und Tab. 23. Fig. 1-—-3) von Dangia lutea und ‚Fusco purpurea berichten, dass diese Algen sich noch auf eine zweite Weise fortpflanzen und zwar durch eine Theilung der Zellen in sehr zahlreiche kleine Kügelchen, so sind diese letzteren zwar von den Auto- ren selbst als lebhaft beweglich und mit einer Geissel versehen beschrie- ben und für Antherozoiden einer männlichen Pflanze angesehen worden; mir selbst scheinen diese Körperchen, welche auch Thuret als bewe- gungslose Spermatien betrachtet — da die angebliche hüpfende Bewe- gung wohl auf eine Verwechslung mit Monaden oder Chytridien-Zoospo- ren zurückzuführen ist — mit den Mierogonidien von Ürenothrie die grösste Analogie zu zeigen. Die Gattungen Oscillaria, Lyngbya, Orenothrie, Bangia bilden, wie ich glaube, eine natürliche Reihe, welche die Oseillarieen mit den Florideen verknüpft. 19. Noch muss ich schliesslich eine auffallende Aehnlichkeit, wenn auch vielleicht nicht Verwandtschaft, der Gonidien von Urenothrix mit gewissen Schizomyceten und farblosen Palmellen hervorheben, durch 129 welche die sichere Feststellung ihrer Entwicklungsgeschichte in eigen- thümlicher Weise erschwert wird. Bekanntlich werden unter dem Namen Bacterien eine Menge von farblosen, meist ausserordentlich kleinen, kugligen ovalen oder kurz ceylindrischen Zellen zusammenge- fasst, welche vermuthlich zu verschiedenen Gattungen und Arten gehö- ren, aber mit unseren optischen Hülfsmitteln nicht sicher unterschieden werden können, sich in gährungsfähigen Flüssigkeiten oder auch in der Luft an der Oberfläche faulender Körper entwickeln und offenbar sich auf Kosten dieser Substanzen, deren Zersetzung sie veranlassen, ernäh- ren und oft in unendlicher Zahl vermehren. Wir finden diese Bacterienformen in gewissen Entwicklungszu- ständen zu Palmellenartigen farblosen Gallertmassen (Zoogloea) verbun- den, aus denen sie durch Lösung der Zwischenzellsubstanz als freie Zellen wieder austreten können. Solche Zoogloeagallert ist nicht nur bei der gemeinsten und kleinsten Bacterienform beobachtet, welche als Bacterium Termo Duj. bezeichnet wird; ich habe auch in dem näm- lichen Brunnenwasser, in welchem ich die Crenothrix auffand, farblose Gallertmassen beobachtet, wo stabförmige, 5,25 Mikrom. lange und etwa den vierten Theil so breite, einfache oder zu Doppelstäbchen ver- bundene Zellen mit dunkelkörnigem Inhalt in wasserheller Gallert ziemlich locker eingelagert waren; während der Beobachtung fingen zu meiner Ueberraschung einzelne dieser stabförmigen Zellen innerhalb der Gallert an sich zu drehen, in ununterbrochener, gewissermassen bohrender Rotation; plötzlich schwammen sie aus der umhüllenden Gallert eine kurze Strecke heraus, kehrten dann, um und schwammen wieder zurück; nunmehr zeigten sie die bekannte Form und Bewegung der von Ehrenberg als Vzbrio Lineola bezeichneten Körperchen; hierdurch wurde festgestellt, dass auch V?brio Lineola einen Zoogloea- zustand besitzt. Die als Bacterien hier zusammengefassten Zellen sind in freiem Zustande zwar meist in eigenthümlicher Weise und oft ausser- ordentlich lebhaft bewegt; es fehlt aber auch nicht an unbeweglichen oder doch sehr langsam bewegten Zuständen (Bacteridien); characte- ristisch ist aber für alle diese Formen, dass sie stets in Quertheilung angetroffen, und daher in der Mitte eingeschnürt auch wohl zu 2, 4—8 aneinander hängend angetroffen werden. Die isolirten Mierogonidien unserer Ürenothrix ähneln nun gewissen grösseren unbeweglichen Bac- terienzellen, welche sich gleichzeitig in dem Brunnenwasser fanden, um so mehr, als dieselben, wie ich oben bemerkte, auch meist in der Quer- theilung begriffen und daher eingeschnürt sind. Die Mierogonidienhaufen endlich, welche oft zu Millionen in der Umgegend eines Crenothrixräs- chen zusammengelagert und anscheinend auch durch Zwischensubstanz 9 130 verbunden sind (Fig. 18 unserer Tafel), zeigen eine so überraschende Aehnlichkeit mit den Zoogloeaformen der Bacterien, oder wenn man will mit farblosen kleinzelligen Palmellen, dass eine Verwechselung leicht ist, ohme dass ich deshalb einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang dieser Formen behaupten will. Es könnte schliesslich noch die Frage aufgeworfen werden, ob der Crenothrix, die wir, wenn auch nur spärlich, in verschiedenen zum Theil sehr verderbten Brunnen aufgefunden haben, ein Einfluss auf den Gesundheitszustand zugeschrieben werden darf. Ich kann darauf nur erwiedern, dass mir keine Thatsache bekannt ist, welche zu einer Antwort auf diese Frage berechtigte. 20. Die Diagnose der neuen Gattung und Art, mit welcher dieser Aufsatz sich beschäftigt, habe ich folgender Massen gefasst: Crenothrix n. g. Trichomata plus minus strieta arcuata vel contorta in caespitu- los libere natantes intricata libera vel alia alüs affıza, in modum Oscillariarum eylindrica elongate filiformia basi tenuissima sursum paullatim incrassata subulata vel subclavata divisione transversa suc- cedanea articulata vaginata hyalina, cellulurum plasmate homogeneo intus saepe cavo non gramuloso, vagina tenerrima hyalina demum indurata nec non ferro intussuscepto flava. Sporangia terminalia apice trichomatum vagina intumescente elongato-claviformia, gonidiis subglobosis numerosissimis densissime repleta; gonidia duplieis generis, saepissime in filis diversis formata: 1) Mierogonidia, e serie cellularum divisione longitudinali et trans- versa succedanea multi-partitarum orta, rotundata et diaphragmatibus ruptis in sporangium terminale densissime congesta, demum ex apice vaginae erumpentia, in aqua motu lento circumvoluta secedentia vel in cumulos gelatinosos Zoogloeis consimiles coacervata, ciliis destituta globosa ovalia elliptica tranverse plus minus constricta vel divisa, demum in trichomata evoluta. 2) Macrogonidia, singula e cellulae contento toto indiviso, vel bi-vel quadripartito orta rotundata, ex apice vaginae vix inflatae erumpentia secedentia, motu forma microgonidiis simihia sed majora et minus numerosa, demum germinantia. Sporae?, ex articulo trichomatis terminali elongata aucto,formata plasmate denso repleta, quod e vagina erumpere et in trichoma Osci- lariaeforme evolvi videtur. 131 Genus inter Lyngbyam et Ohamaesiphonem intermedium neo non ad Bangias accedens Oscillarieas cum Florideis connectit. O. polyspora n. s. caespitulis minutissimis flavo-brunneis in aqua libere natantibus, trichomatibus hyalinis longissimis, 0,0015 — 0,005 ""- crassis, articulis aequi-longis vel duplo longıoribus vel dimidio brevioribus, sporangüs subclavatis 0,006 —0,009""- crassis, microgonidüs 0,001— 0,002 "", macrogonidüs ad 0,005 "”- latıs, sporis terminalibus ad 0,026 ""- longis. Observ. in aqua puteali Wratislaviae et ad fontes Cudovanos. 1870. 9* ig. 10. x) 1: 20. Erklärung der Abbildungen. Tab. VI. Fig. 1—20. Crenothrix polyspora. Vergrösserung von Fig. 1. 2. 13. 15. 800, der übrigen Figuren 500. Ein Faden mit Macrogonidienbildung durch Theilung der Zellen in 2—4; in mehreren anhaftenden dünneren Fäden beginnt zum Theil auch Macro- gonidienbildung aus dem Vollinhalt der Zellen. | Ausgetretene Macrogonidien, zum Theil in der Mitte eingeschnürt oder quergetheilt. Ausgetretene Microgonidien; einzelne quergetheilt. Kurze Fäden aus rundlichen quergetheilten farblosen Zellen, anscheinend aus gekeimten Gonidien hervorgegangen. Ein dünner Crenothrixfaden, dessen Zellen einzeln als Macrogonidien austreten. Ein ebensoleher, mit Zweitbeilung im obern Ende, während tiefer die ungetheilten Zellen als Macrogonidien austreten. Ein dünnes Fadenstück, steril, mit ungleicher Länge der Zellen. Ein ebensolches, aber in Gonidienbildung begriffen ohne Anschwellung der Scheide. Ein Faden, dessen Scheide nach oben keulenförmig verdickt zu einem Sporangium wird, das mit Microgonidien erfüllt, an der Spitze bereits entleert ist, Im untern Theile des Fadens bilden sich einzelne Zellreihen durch Theilung zu Gonidien um, während andere ungetheilt bleiben. Ein anderer Crenothrixfaden mit stark aufgeschwollener Scheide, die sich bis in grosse Tiefe mit Mierogonidien gefüllt hat. Ein Sporangium in der Mitte bandförmig verbreitert. i Eine keulenförmige Scheide, mit dickerer Membran, am Grundo gelb gefärbt. Ein stärkerer Crenothrixfaden mit einer grösseren eiförmigen seitlich ansitzenden Zelle (Spore?). Ein eben solcher aber schwächerer Faden. Ein Faden mit sehr verlängerter Endzelle (Spore ?). Eine leere gelbe Scheide, aus welcher der Faden ausgetreten. Ein sehr dünner Faden, nur am Grunde von einer gallertartig aufgequol- lenen Scheide umgeben. Microgonidienhaufen, anscheinend durch schleimige Intercellularsubstanz nach Art von Zoogloca zusammengehalten. Ein oscillarienartig bewegter farbloser kurzer Faden, vielleicht aus einer Spore (Fig. 13—15) hervorgegangen. Ein kleiner Rasen von Crenothrix, dessen Scheiden zum Theil gelb gefärbt und von einer goldgelben klaren ölartigen Substanz stellenweise eingehüllt; an einzelnen Stellen sprossen strahlige Bündel von dünnen Crenothrix- fäden, welche aus gekeimten Microgonidien hervorgegangen sind. Druck von Robert Nischkowsky in Breslau. Essmarnlih. globosum. 5% Synch.anomalum. sch. taetum.I Sync. punctatum. Irıum P - E > - 3 as” “ \ j i s a F IR a 2 4 F . y D 2 j “ ’ r ” > $' s z . N DS. 1° e r 5 A i L _ r I v Pie de “ ‘ ’ # EZ aa 4 Zu u 3 r anti ai Tap Hi. E ) DM) j =! =) II j S\ m , SLCCLSAL. ynehytrium pi y P6) < Taf =) r Pe Srrarr Geh 76, Synchylrıum Stellariae, %, Sync. Myosohdis. I 72, Synch.aureum. Tarıchrum megaspermum C. 7 Z, Re ar] Dash Irukv.S Lilienfeld, Breslau A.Assmanr Öih Äh aatr | Ai F Cohr ad rat del. : { Assmann litfe Tarichium megaspermum Cl. CIEIEISZS vo Oo: S OONG a oe TI a SER ECH a £ Cohn adnrat. del. Crenothrnc polyspora C. Druck v. 5. Lilienfeld, Breslau. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Zweites Heft. Mit drei zum Theil farbigen Tafeln. Breslau 1872. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). Ki BRCRN x (de ui Inhalt des zweiten Heftes. Seite. Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. Theo- BeeeTestelski (Ms Datelkl.) no 10. oe ee essen Ueber die Lage und die Richtung schwimmender und submerser Pflanzen- thelleseV/on®Drz.Ar BB ran 2 Ueber parasitische Algen. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel IL.) 87 Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Schroeter 109 Untersuchungen über Bacterien. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit BEER 7 He RE a RE ee 2 Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. Theophil Ciesielski. Mit Tafel 1. Ueber die Ursachen, welche die Abwärtskrümmung der Wurzeln ver- anlassen, ist in den letzten Jahren, insbesondere durch Hofmeister und Frank, eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht worden, welche zu einer heftigen Controverse geführt haben '), ohne zu einem Abschluss gelangt zu sein. Um zu einer Entscheidung der hierbei zur Sprache gekommenen Fragen durch selbständige Untersuchungen beitragen zu können, habe ich auf Veranlassung des Herrn Prof. Dr. Cohn in dem unter seiner Leitung stehenden Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Breslau eine Reihe von Versuchen angestellt, die mich theils zur Be- stätigung, theils zur Modification früherer Ansichten geführt haben, und die ich in den folgenden Capiteln auseinander legen werde. $ I. Wachsthum der Wurzel. Sämmtliche in dieser Arbeit angeführte Versuche wurden ausgeführt in einem heizbaren, halbdunklen, nach Angabe Prof. Cohn’s construir- ten Blechkasten. Dieser oben offene und durch eine gut anliegende Glasplatte verschliessbare Keimkasten ist mit doppelten Wandungen versehen, deren Zwischenraum mit Wasser gefüllt wird, das durch eine unter dem auf vier Füssen ruhenden Kasten befindliche regulirbare kleine Gasflamme erwärmt, den Innenraum desselben in einer von der äusseren Luftwärme selbst im Winter unabhängigen Temperatur von 20— 24° C. gleichmässig erhält. Die bei früheren Keimversuchen die- ser Art herausgestellte Schwierigkeit, Wurzeln längere Zeit in normaler Entwickelung und der Beobachtung stets zugänglich zu erhalten, ohne sie in Erde oder eine Nährflüssigkeit eintauchen zu lassen, haben wir auf folgende Weise überwunden. Goeppert hat nachgewiesen (Isis 1833), dass die Menge des beim Keimen von den Samen aufgesogenen 1) Bot. Zeitung 1369. Sp. 369 ff. Bot. Zeitung 1870. Sp. 793 ft. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. l 2 Wassers constant ist und gewisse Grenzen nicht überschreitet, dieses wird jedoch beim Wachsthum eonsumirt und muss von neuem ersetzt werden. Für diesen Zweck ist es durchaus nicht nöthig, dass die Wurzel selbst in Wasser eintaucht, .es genügt vielmehr, wie unsere Experimente ergeben haben, dass den Cotyledonen oder dem Eiweiss- körper während der ersten Wachsthumsperiode das erforderliche Wasser direct zugeführt werde um die hier aufgespeicherten Reservestoffe zu lösen und zu einer normalen Ernährung des Keimlinges zu verwenden. Wir haben deshalb die betreffenden Samen, nachdem sie auf einem nassen Filze zu keimen begonnen, mit nasser Baumwolle, die später nach dem Bedürfniss von Zeit zu Zeit wieder benetzt wurde, umwickelt und mittelst langer Insektennadeln an dem, auf dem Boden des Keimkastens liegenden, mit Wasser reichlich durchtränkten Filze in einem Abstande von 2—3 m. von demselben befestigt. (Tab.1. fig. II?.) Bei diesem Ver- fahren entwickelten sich Wurzeln wie Stengel in der mit Wasserdunst gesättigten Atmosphäre des Keimkastens völlig normal, so lange die Reservestoffe im Samen ausreichten. Der für das Wachsthum der Wurzel günstige Ausschluss des Lichtes wurde einfach durch Bedecken der, den Apparat schliessenden Glasplatte mittelst eines Pappbogens erreicht. — Es könnte vielleicht auffällig erscheinen, dass, indem wir die Er- scheinungen und Eigenschaften wachsender Wurzeln im Allgemeinen prüfen und erörtern wollen, wir uns nur auf die ersten Entwickelungs- stadien derselben aus dem embryonalen Zustande beschränken; doch abgesehen davon, dass wir gerade in diesem Momente den ganzen Wachsthumsvorgang am sichersten überwachen, und ohne grosse Mühe zu jeder Zeit zahlreiche Observationsexemplare verschaffen können, erschliesst uns die Beobachtung von Keimpflanzen die allgemeinen Wachsthumsgesetze der Wurzel insofern vollkommen, als auch bei alten Wurzeln nur ihre fortwachsende Spitze in Betracht kommt. Schon Duhamel hatte durch mannigfache Versuche '), indem er bald die Wurzelspitze abschnitt, bald dieselbe mit Marken versah, con- statirt, dass das Wachsthum der Wurzel nur auf einen kleinen Theil der Spitze beschränkt ist, und dass unterhalb dieses Stückes die Wurzel wohl am Umfange, nicht aber an Länge zunimmt. In Uebereinstimmung mit Duhamel beobachtete E. Meyer), dass die Neubildung der Wurzelzasern allein an der Spitze stattfindet, ihr Streckungsvermögen aber sich nur auf die Zone von einigen Linien von der Spitze rückwärts beschränkt und nur von kurzer Dauer ist. 1) Phys. des arbres I. p. 83. 2) Linnaea Bd. VII. p. 455. 3 Von der Richtigkeit dieser Beobachtung kann man sich leicht über- zeugen, wenn man nach Ohlert’s') Vorgange das Endstück der Wur- zel genau und nach erfolgter Streckung wiederholt graduirt. Alsdann sieht man, dass die äusserste Spitze der Wurzel, von 0,5—1 Mm. Länge, unverändert bleibt, während die weiter rückwärts bis 5 Mm. liegende Zone — bei Pisum, Vieia, Lens — in Längsstreckung begriffen ist. Freilich ist die Grösse dieser Zonen nicht constant, vielmehr ist sie, nicht nur an Exemplaren verschiedenartiger Pflanzen, sondern auch bei Individuen derselben Species, ja sogar an einem und demselben Exem- plar im Laufe seiner Entwickelung variabel. Dies veranschaulichen folgende Versuche, die an abwärts gerichte- ten 10—12 Mm. langen Wurzeln von. Pisum, Vieia, Lens angestellt wurden; aus einer zahlreichen Reihe, deren Resultate im wesentlichen einander gleich sind, heben wir hier nur einzelne hervor. Drei Wur- zeln von Pisum 12 Mm., Vieia 10 Mm. und Lens 10 Mm. lang wurden von der Spitze aufwärts mit 14 Marken versehen, deren Abstände 0,5 Mm. betrugen, und in verticaler Richtung aufgestellt; nach 20 Stun- den ergaben sich folgende Werthe: (Von der Spitze aufwärts fortschreitend) Ticia sativa |0,5 0,5 |0,8] 1,2] 1,9]2,3|23,8] 3,6 | 1,8 | 1.210,81 0,5 | » | | _ Pisum sativum | 0,5 | 0,5 | 0,6 | 0,9 | 1,41 2,0] 283,1 13,91 2,11 1,5 10,9 [0,5 0,5 Lens eseulenta | 0,5 | 0,5 | 0,7 | 1,3120 |3,3]1,711,110,7105]051 DESEN Die in Fig. I. aus diesen Werthen eonstruirten Curven versinnlichen uns die Wachsthumsintensität dies Wurzeln, wobei die Zeit constant (20 h) genommen ist; die Länge der Abseissen — in der Richtung von A nach X — entspricht der Grösse des markirten Wurzelstücks von der Spitze aufwärts und die Coordinaten der Grösse des Zuwachses des entsprechenden Wurzelstückes nach 20stündigem Wachsthum. Aus letzterer Beobachtungsreihe, in Uebereinstimmung mit vielen ähn- lichen glaube ich schliessen zu dürfen, dass die Wurzel in einiger Ent- fernung von der Spitze das Maximum ihrer Ausdehnung besitzt, und dass in der Richtung von dieser Zone nach der Spitze zu wie nach den älteren Theilen ihre Wachsthumsintensität ziemlich stetig abnimmt. SU. Vorgang der Abwärtskrümmung. Wird die Wurzel eines keimenden Samens, welche sich bekanntlich stets nach ihrem Austritt aus der Samenschale senkrecht abwärts rich- tet und diese Richtung bei ihrem weiteren Wachsthum beharrlich be- 1) Linnaea Bd. XI. p. 615. 1 * 4 hauptet, durch irgend eine äussere Kraft aus derselben abgelenkt, so beschreibt ihre Spitze beim Fortwachsen eine Krümmung, bis sie auf dem kürzesten Wege wiederum in ihre ursprüngliche normale Lage zurückkehrt. Wie wir schon oben gezeigt haben, wächst die Wurzel nur in einer verhältnissmässig kleinen Zone oberhalb der Spitze, und diese Stelle ist es auch, in der die Krümmung erfolgt. Wird eine gerade, senk- recht abwärts gewachsene Wurzel nach der oben angeführten Weise graduirt, und alsdann in irgend einer anderen Richtung aufgestellt, so verlängert sie sich zunächst in derselben Richtung ein wenig weiter — an der Stelle, wo die letzte Ausdehnung der Zellen stattfindet, — krümmt sich aber nach kurzer Zeit in der Zone, wo das Längswachs- thum sein Maximum erreicht, in einem gegen den Nadir concaven Bogen (Fig. II®); dieser wird um so geschlossener sein je mehr, und um so offener je weniger die Wurzel von der Normale abgelenkt wurde, das Maximum (180°) erreicht er, wenn diese in der entgegengesetzten Richtung — senkrecht aufwärts — aufgestellt wird. In Ueberein- stimmung hiermit stehen auch die Beobachtungen von Frank!) und C. N. J. Müller?); wenn dagegen Hofmeister?) als Beleg für die entgegengesetzte Ansicht, dass nämlich die Krümmung einer Wurzel nicht in die Zone ihrer grössten Ausdehnung fällt, eine Beobachtung aufführt, wo eine horizontal aufgestellte Erbsenwurzel sich im Laufe von 24 Stunden um 9 Mm. verlängert und trotzdem keine Krümmung abwärts gezeigt hatte, so werde ich weiter unten nachweisen, dass die- selbe in das Gebiet der abnormen Erscheinungen gehört. Man kommt bei irgend einer reichlichen Anhäufung von Versuchen zu der Ueberzeugung, dass keineswegs bei allen Wurzeln der Krümmungs- vorgang so regelrecht, wie angegeben abläuft, sondern, dass auch Aus- nahmen, wenn auch selten, vorkommen, indem die Wurzel bald nach irgend einer anderen Richtung sich krümmt, bald weiter gerade fort- wächst ohne überhaupt einer Krümmung fähig zu sein, bald auch ihr Wachsthum und in Folge dessen die Krümmung einstellt. Die beiden ersten abnormen Erscheinungen werden wir später eingehender erörtern, hier wollen wir nur hervorheben, dass die Krümmung einer Wurzel ab- hängig ist von ihrem Wachsthum, und wenn dieses unterbleibt, auch jene nicht zur Geltung kommt. Dies hat zunächst Frank *) gezeigt, und man 1) Beiträge zur Pflanzenphysiologie p. 35. 2) Bot. Zeitung 1869 Sp. 390 und 406, 3) Pringsh., Jahrb. II. p. 98. 4) A. a. O.p. 36, 37 und 38. b) kann sich jederzeit davon überzeugen, wenn man nach seinem Vorgange eine gerade gewachsene Wurzel graduirt und sie horizontal in einem Raume aufstellt, dessen Temperatur zwischen O0 und + 5° C. liegt. Bei dieser Temperatur steht das Wachsthum still, die Wurzeln krümmen sich aber auch nicht, wenngleich sie dadurch keineswegs ihr Krümmungs- und Wachsthumsvermögen eingebüsst haben; denn wird der Raum wie- der erwärmt, so wachsen sie weiter, und es lässt sich auch nach kurzer Zeit eine Krümmung wahrnehmen. Es kommen aber auch Fälle vor, dass selbst bei höherer Temperatur, aus irgend einer anderen Ursache, (wie z. B. bei Beschädigung, Mangel an Feuchtigkeit, oder beim Ueber- setzen der Pflanzen aus einem in ein anderes Medium), das Wachsthum und somit auch die Krümmung einer Wurzel entweder ganz oder nur auf kurze Zeit unterbleibt. $ III. Welche Kräfte bedingen die Abwärtskrümmung einer Wurzel. Vor allem müssen wir unsere Untersuchungen darauf richten, ob nicht im inneren Aufbau der Wurzel selbst die Ursache für die wichtige Erscheinung gelegen ist, dass jede normal wachsende Wurzel eine aus- geprägte Tendenz zum senkrechten Abwärtswachsthum besitzt. Die mikroskopische Untersuchung zeigt bekanntlich, dass die wachsthumsfähige Spitze einer jeden Wurzel aus Urmeristem besteht, und dass an der Stelle ihrer grössten Verlängerung die Zellen desselben sich beträchtlich vergrössern, namentlich durch Wachsthum in der Längsachse. Spaltet man eine gerad gewachsene Wurzel in dem von der Stelle, wo die Zellen bereits in Dauergewebe übergegangen sind, nach der Spitze zu gelegenen Theile, so behalten die beiden Hälften ihre ursprüngliche Lage genau bei; wird aber die Spaltung noch weiter aufwärts fortgesetzt, so bemerkt man alsbald, dass die beiden Stücke sich mehr oder weniger mit ihrer Aussenfläche coneav biegen. Diese Erscheinung wird seit Hofmeister’s massgebender Untersuchung über diesen Gegenstand !) so aufgefasst, dass in den ausgewachsenen Theilen gerader Wurzeln eine Gewebespannung ausgeprägt ist, während in der Wurzelspitze eine Spannungsdifferenz der einzelnen Gewebschichten, welche eine Krümmung zur Folge haben könnte, nieht vorhanden ist. Da aber die Abwärtskrümmung der aus der Lothlinie gebrachten Wurzeln nur an der Stelle ihres grössten Längswachsthums erfolgt, hier aber, wie wir oben gezeigt haben, eine Spannungsdifferenz der Gewebe nicht vor- 1) Pringsh. Jahrbücher etc. III. p. 100. handen ist, so kann das die Abwärtskrümmung einleitende Moment keineswegs inder, aus der Anordnung dieser Ge- webe an und für sich hervorgerufenen Spannung gesucht werden. Was ferner die Erscheinung anbelangt, auf welche Dutrochet seine früher erwähnte Krümmungstheorie gegründet hat, dass eine ge- spaltene Wurzel — von Erbse, Wicke, Linse ete. — in Wasser gelegt, sich nach einiger Zeit an der Stelle, wo sonst das energische Längs- wachsthum eintreten würde, mit den Schnittflächen eoncav krümmt, so ist sie von durchaus keiner Bedeutung bei der Abwärtskrümmung einer unverletzten Wurzel, da ja auch bei Pflanzen, — wie Mais, Schwertlilie, Froschlöffel — deren gespaltene Wurzel in Wasser diesen Vorgang nicht zeigen, sondern unverändert gerade bleiben, die Abwärtskrümmung im unverletzten Zustande mit derjenigen der oben erwähnten Pflanzen vollkommen gleichwerthig ist. Die Beobachtung, dass die Wurzel bei gewöhnlicher Entwickelung der Pflanzen im Freien, stets abwärts in die Erde hineinwächst, könnte leicht in uns die Vermuthung wach rufen, dass sie das Licht flieht, und den feuchten Boden aufsucht, wie dies auch Darwin, Smith und ihre Anhänger behauptet haben. Es hat aber bereits Duhamel') gezeigt, dass die Wurzel sich keineswegs nach dem Boden richtet, sondern unab- hängig von seiner Lage zu ihr, senkrecht abwärts wächst. Aehnlich haben auch Link?), Johnson?), De Candolle*), Wigand?) und andere durch verschiedene Versuche nachgewiesen, dass weder Licht, noch Boden, noch dessen Feuchtigkeit im Stande sind, die Wurzel von ihrer normalen Richtung abzulenken. Wie wenig auch im Allgemeinen die Ansicht Parent’s (1703 u. 1710) und v. Kielmeyer’s (1835), dass der Erdmagnetismus auf die Rich- tung der Pflanzentheile eine Wirkung ausübe, Beifall gefunden hat, so sah ich mich dennoch veranlasst, durch Versuche ihre Unhaltbarkeit zu beweisen, da dies noch von keinem Forscher experimentell gezeigt wurde. Schon die Folgerung: dass wenn eine Pflanze von dem Erd- magnetismus beeinflusst würde, so müsste sie aus der südlichen Hemi- sphäre auf die nördliche hinübergebrächt, wegen des entgegengesetzten Erdmagnetismus ihre Wurzel und Stengel in entgegengesetzter Rich- I) A.a. O. p. 110 und 111 der deutschen Uebersetzung. 2) Grundlehre der Anat. und Physiol. p. 126. 3) Edinburglı new philos. Journal by Jameson 1828 p. 312. vgl. De Can- dolle’s Pflanzenpbysiologie p. 554. 4) Pflanzenphysiologie p. 554 und 556. 5) Botanische Untersuchungen 1344 p. 141 und 142. 7 tung wachsen jassen, — wogegen die Erfahrung spricht — zeigt die Unzulässigkeit jenes Satzes. Man könnte hier jedoch vielleicht einwenden, dass von dem Erd- magnetismus beeinflusst, sich auch die Pole der Pflanze umkehren; um dem vorzubeugen, liess ich Samen keimen auf den Polen eines kleinen Hufeisenmagnets unter den verschiedensten Modificationen, doch das Resultat blieb stets constant, d. h. die Wurzeln wuchsen unabhängig von der Lage des Magnet immer senkrecht abwärts. Ein gleiches Resultat ergiebt sich auch, wenn man die Samen keimen lässt zwischen zwei Metallplatten, denen man nach Belieben, bald dieser, bald jener, die negative oder positive Elektrieität zuführt. Aus allen diesen Versuchen sehen wir klar hervortreten, dass die Wurzel stets in der Richtung der Schwerkraft wächst; schon dadurch wird es in höchstem Grade wahrscheinlich, dass die Schwerkraft selbst das die Abwärtskrümmung bedingende Momentist. Den ersten Versuch, den Einfluss der Schwerkraft auf die Pflanzen- theile aufzuheben, hat bereits John Hunter gemacht, indem er Samen in dem Mittelpunkte eines in beständiger Kreisdrehung erhaltenen Fäss- chens keimen liess. Hierbei wuchsen die Wurzeln wie auch die Stengel der Keimpflänzchen stets in der Richtung der Drehungsachse, unab- hängig von der Lage, die sie zu der Lothlinie einnahmen. Wird die Rotationsachse bei diesem Versuche gegen die Ebene des Horizonts geneigt aufgestellt, so entwickeln sich, wie es namentlich Dutrochet gezeigt hat, die Pflänzchen in der Richtung der Achse, doch so, dass der Stengel der Hebung, die Wurzel der Senkung derselben folgt. Ver- mittelst einer grossen Pendeluhr, die mir Herr Prof. Meyer gütigst zur Verfügung stellte, war es mir möglich, diesen Versuch allseitig zu prüfen. Das Triebrad derselben drehte mit Hilfe einer Schnur ohne Ende ein kleines Korkrad — von 11 Cm. Durchmesser — um seine horizontale Axe in einem völlig dunklen Blechkasten, die Rotationsge- schwindigkeit betrug 8 Umdrehungen auf eine Minute. An dieses Kork- rad wurden in der Nähe seines Mittelpunktes verschiedene Samen zum Keimen befestigt, der Boden des Kastens mit einer Wasserschicht bedeckt und darauf der Apparat in Bewegung gesetzt. Es zeigte sich nun übereinstimmend mit den Versuchen Hunter’s, Dutrochet’s und Hofmeister’s, dass die aus dem Samen hervorgebrochenen Pflan- zentheile stets parallel zu der Drehungsachse sich richteten, und bereits bei einer Neigung der Achse von ungefähr 3° gegen den Horizont, folg- ten die Wurzeln der Neigung, die Stengel der Hebung der Achse. Die Erklärung dieser Erscheinung wird weiter unten unsere Aufmerksam- keit in Anspruch nehmen. EEE 8 Der rohe Versuch Hunter’s hat wahrscheinlich die allgemein bekannten Rotationsversuche Knight’s') in’s Leben gerufen. Ich halte es für überflüssig, die Resultate meiner eigenen Versuche in dieser Beziehung anzugeben, da sie vollkommen mit jenen Knight’s überein- stimmen, und schon so vielfach — von Dutrochet, Wigand, Hof- meister u. a. — bestätigt wurden. Aus allen den hier erzielten Resul- taten leuchtet es mit Entschiedenheit ein, dass die Schwungkraft in dem- selben Sinne das Wachsthum der Pflanzen beeinflusst wie die Schwer- kraft. Es lässt sich zwar nicht mit mathematischer Genauigkeit nach- weisen, dass bei der Rotation um eine Verticalaxe die Pflanzentheile genau in der Richtung der Resultante aus der Schwer- und Schwungkraft wachsen, jedoch erwägt man, dass auch bei gewöhnlichem Verlauf der Sache die Richtung der Pflanzentheile niemals genau mit der Lothlinie zusammenfällt, so sieht man ein, dass der Beweis auch hier nicht streng zu führen ist, trotzdem man sich jederzeit überzeugen kann, dass die Pflanzentheile stets mehr im Sinne der stärkeren Kraft wachsen, d.h. je mehr die Schwerkraft die Schwungkraft überwiegt, desto mehr nähern sie sich der Richtung jener, und umgekehrt bei überwiegender Schwung- kraft mehr der Richtung dieser. Es ist einleuchtend, dass bei allen Modifieationen der Rotationsversuche die Wirkung der Schwerkraft nicht ganz ausser Acht gebracht werden kann, weshalb wohl auch einige Forscher — Meyer?), Schleiden?) u. a. — ihnen geradezu jede Beweiskraft in Abrede stellen. Um alle ähnliche Vorwürfe zu besei- tigen, habeich einen Apparat construirt, der eine Schwungkraft erzeugte, welche die Schwerkraft an Grösse übertraf, und nur in ihrer entgegen- gesetzten Richtung wirkte. Vermittelst eines durch Wasserkraft in Rotation versetzten Rades wurde durch ziemlich einfache Vorrichtung, wie es Fig. III versinnlicht, ein Pendel in schnelle Aufwärtsschwingung versetzt. Die Länge des schwingenden Pendels, von seinem Stütz- punkte aufwärts, betrug beim Beginn des Versuches 1,46 Meter, die Grösse des Schwingungsbogens 21°, die Geschwindigkeit 262 Schwing- ungen in einer Minute. Am äussersten Ende des Pendels wurde ein zarter mit Wasserdunst erfüllter Glaskolben angebracht, und in dem- selben einige eingeweichte Samen von Erbsen, Wicken, Mais, Roggen, Weizen, Gerste, Linsen zum Keimen befestigt. Als nun hierauf der Apparat in Bewegung gesetzt wurde, so krümmten sich nach 15 Stun- den alle hervorgebrochenen Wurzeln in derRichtung der Schwungkraft, !) Philosophical transact. 1306. Th. I. p. 99-108, übersetzt in: Treviranus, Beiträge zur Pflanzenphysiologie, p. 191 —206. ?) Neues System der Pflanzenphys., 1839. B. III. p. 579 und 581. ®) Grundzüge der wissensch. Botanik, 4. Ausg., p. 572. 9 also aufwärts in der Verlängerung des Pendels, und wuchsen in dieser Richtung unverändert weiter, bis sie auf den gegenüberliegenden Boden des Gefässes gestossen waren. Wurde bei diesem Versuche eine schon hervorgebrochene gerade Wurzel in irgend einer anderen Richtung befestigt, so. zeigte sie bereits nach einigen Stunden eine deutliche Krümmung im Sinne der Schwungkraft, ganz analog wie dies beim gewöhnlichen Verlauf des Wachsthums im Sinne der Schwerkraft zu geschehen pflegt. Würde man bei diesem Versuche die Schwungkraft der Schwerkraft gleich gross herstellen, so würde auf die Keimlinge gar keine Kraft einwirken und alsdann müssten die hervorbrechenden Wurzeln in allen möglichen Himmelsrichtungen wachsen, was bekanntlich beiden gewöhn- lichen Rotationsversuchen nicht erzielt werden kann. Es war mir zwar bis jetzt nicht gelungen, dies zu erreichen, doch es dürften wohl auch die wenigen Beobachtungen, die ich in dieser Be- ziehung gemacht habe, nicht ohne Interesse sein. Ganz abgesehen von der theoretischen Berechnung, die wohl hier am allerwenigsten genaue, mit der praktischen Ausführung überein- stimmende Werthe zu liefern im Stande wäre, beschloss ich durch all- mähliche Versuche, bei sonst gleichen übrigen Werthen diejenige Länge des Pendels zu ermitteln, bei der sich die Schwung- und Schwerkraft Gleichgewicht halten möchten; als Manometer sollten mir bei diesen Versuchen die hervorbrechenden Wurzeln dienen. Behufs dessen machte ich zunächst das Pendel um 1 Dem. kürzer, — die übrige Vor- richtung blieb ganz so wie bei dem ersten Versuche —- nach einer Schwingungsdauer von 20 Stunden waren die Wurzeln sämmtlicher Keimlinge — bis auf eine von Lens, die abgestorben war — in der Rich- tung der Schwungkraft gekrümmt und weiter gewachsen. Darauf ver- kürzte ich das Pendel noch 3mal hinter einander zu je 2,5 Cm. und immer bekam ich dieselben Resultate, d.h. sämmtliche Wurzeln wuchsen in der Richtung der Schwungkraft. Alsdann schnitt ich von dem Pendel noch 3 Dem. ab— daich genöthigt war, den Versuch schneller anzustel- len — und bereits nach einer Schwingungsdauer von 12 Stunden fiel in die Augen die eingeleitete Krümmung der Wurzeln in einer der früheren entgegengesetzten Richtung, die sich immer mehr und mehr ausprägte, bis schliesslich sämmtliche Wurzeln nach unten weiter unverändert wuchsen in der Richtung der Schwerkraft, oder vielmehr des Ueber- schusses der Schwer- über die Schwungkraft. Bei allen diesen Ver- suchen zeigten sich die Wurzeln von Mais, Weizen, Gerste, Roggen weit empfindlicher als die der übrigen Pflanzen — Linsen, Erbse, Wicke. Leider war es mir bis jetzt nicht möglich, den Versuch zu wieder- 10 holen, um den Punkt, wo sich die beiden Kräfte das Gleichgewicht halten, genauer auszumitteln, jedoch ausdem Verlauf der oben angeführ- ten Beobachtungen halte ich dies für ausführbar, und hoffe, dass dieser Versuch nicht ohne Interesse sein dürfte, da er uns die Mittel an die Hand giebt, die stetige Wirkung der Schwerkraft zu moduliren. Aus all dem ist mit mathematischer Bestimmtheit zu schliessen, dass bei den Rotations- wie auch -Pendelversuchen die Richtung der Wurzel von der Schwungkraft — resp. von dem Ueberschusse derselben über die Schwerkraft — bedingt wird, während die Abwärtskrümmung der Wurzel beim Wachsthum unter den gewöhnlichen Umständen von der Schwerkraft eingeleitet und bestimmt wird. Es bleibt uns mithin noch die Frage zu erledigen: $ IV. Auf welche Art und Weise bringt die Schwerkraft. die Abwärtskrümmung der Wurzel hervor? In dieser Beziehung sind bis jetzt die Ansichten der Forscher nach zwei entgegengesetzten Richtungen getheilt. Die einen, deren Haupt- vertreter Hofmeister ist, behaupten übereinstimmend mit Knight, dass die Wurzel passiv sich abwärts krümmt, von der Schwere gleich einem Tropfen zäher Flüssigkeit beeinflusst. Nach ihnen ist die Region vor der Wurzelspitze aufwärts, in der die Längsstreckung der Wurzel vor sich geht, plastisch, und in dieser Zone wirkt das Gewicht der Wur- zelspitze wie an einem Hebelarme abwärtsbiegend. Gegen diese rein mechanische Umbiegungstheorie trat zunächst Frank auf, der durch verschiedene sinnreiche Versuche gezeigt hat, dass die Krümmung der Wurzel nicht eine passive, sondern vielmehr eine active ist, d. h. dass die Wurzel sich vermöge einer in ihr selbst durch die Schwere hervorgerufenen Kraft, die er als Geotropismus be- zeichnet, abwärts krümmt. Es würde zu weit führen, wenn wir den heftigen Streit'), der sich hierauf entspann, in seinen Einzelheiten auseinander setzen sollten, wir wollen vielmehr nur einige der wichtigsten Punkte desselben kritisch hervorheben, um an der Hand eigener Beobachtungen und Versuche zur selbständigen Entscheidung zu gelangen. Einer der Hauptversuche, auf den Hofmeister seine Theorie zu t) Prings. Jahrb. III. 1863. (Hofmeister.) Beitrage zur Pflanzenphys., 1368. p- 1—99. (Frank.) Botanische Zeitung 1568. Sp. 257 ff. (Hofmeister.) Botan. Zeitung 1868. Sp. 561 ff. (Frank.) Botan. Zeitung 1869. Sp. 33 ff. (Hofmeister.) Botan. Zeitung 1869. Sp. 369 ft. (N.J.C.Müller.) Botan. Zeitung 1870. Sp. 65 ff. (Spreschneff N.) Botan. Zeitung 1570, Sp. 793. (N. J. C. Müller.) 11 stützen bemüht ist, ist derjenige, dass die Wurzelspitze wachsender Erbsen, Puffbohnen, Wicken, deren Wurzel unter einem Winkel von etwa 45° nach unten 5—6 Mim.tief in das Quecksilber eingetaucht ist, in demselben sich nicht abwärts, sondern vielmehr aufwärts krümmt. Dies soll ein Beweis dafür sein, dass die Wurzel in dem specifisch schwereren Quecksilber, — ähnlich wie in der Atmosphäre von der Schwere abwärts — hier passiv aufwärts in ihrer plastischen Verlängerungszone umge- bogen wird. Den Grund dieser Erscheinung hat bereits Frank!) genügend erläutert, da jedoch Hofmeister in seiner letzten Abhandlung über diesen Gegenstand ?) keine Notiz davon genommen hat, so sehe ich mich veranlasst, darauf näher einzugehen. Es haben bereits viele Forscher — Pinot?), Mulder*), Goep- pert?), Payen®), Durand’) u. a. — gezeigt, dass die Wurzeln ver- schiedener Keimpflanzen bis zu einer beträchtlichen Tiefe in das Queck- silber eindringen können. ‚Diese Erscheinung findet Hofmeister „vollkommen selbstverständlich‘‘®), namentlich da er selber ähnliche Fälle beobachtet hat. ‚Die Streckung — sagt er daselbst — der bei Beginn des Eintauchens bereits angelegten neuen Gewebe treibt das Wurzelende nach unten, und es liegt kein Grund vor, dass der plastische Querabschnitt der Spitze der wachsenden Wurzel seine Rich- tung ändere, da die empordrückende Last der durch die Wurzel aus ihrer Lage gedrängten Quecksilbertheilchen der Wurzelachse parallel wirkt.“ Ich pflichte dieser Erklärung vollkommen bei, jedoch stimmt sie keineswegs mit der Theorie der passiven Abwärtskrümmung der Wurzel überein. Wie wäre es wohl möglich, dass eine Wurzel, deren „Gewebe dicht über der Wurzelspitze sich verhält, etwa wie zäher Lack oder Syrup“°) im Stande wäre, sich immer tiefer in das schwere Queck- silber hineinzuarbeiten ? Eine senkrecht aufwärts aufgerichtete Wurzel krümmt sich nach einiger Zeit abwärts, obgleich hier nur die Schwerkraft — also das Ge- !) Beiträge zur Pflanzenphysiologie. 1858. p. 25. 2) Botan. Zeitung 1869. Sp. 73 ff. ®) Ann.d, sc. nat. T. XVII (1829). p. 94. *) Ann. d. se. nat. T. XXI (182). p. 129. °) Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den K. Preuss. Prov. Berlin 1551. T. VII. 8. Heft 15. Lief., p. 204. 6) Comptes rend. XVII. (1844). p. 933. 7) Compt. rend. XX. (1845). p. 1261. ®) Botan. Zeitung 1869. Sp. 73. °) Botan. Zeitung 1868. Sp. 261. 12 wicht der sich krümmenden Spitze (bei Vicia Faba 0,013 Gr.') — her- unterzieht, dort dagegen sollte eine ungefähr Smal so grosse herauf- treibende Kraft des verdrängten Quecksilbers nicht vermögen, die Wur- zelspitze an derselben plastischen Stelle senkrecht zur Seite hinauf zu , pressen. Die Wasserschicht, welche die Wurzel im Quecksilber umgiebt, vermindert diesen Druck durchaus nicht, obgleich sie die Möglichkeit des Fortwachsens in dem flüssigen Metall bedingt. Dass sich aber eine unter einem Winkel von 45° in das schwere Metall eingetauchte Wurzel an der Stelle des grössten Wachsthums, unter der Wirkung der steten, starken, aufwärts treibenden Kraft, nach oben krümmt, ist ebensowenig für die Plastieität dieser Zone beweisend, wie etwa der Umstand, dass ein durch ein schweres Gewicht gekrümmter Holzstab, wenn er nach einiger Zeit die ihm ertheilte Krümmung beibehält, für die Plastieität — im Sinne Hofmeister’s — des Holzes beweisend wäre; vielmehr deutet dies eine Biegsamkeit und im Laufe der Zeit eintretende Aende- rung in den Spannungs- und Elastieitätszuständen an. Hofmeister selber hat bemerkt, dass je stärker die Wurzel ist, desto langsamer ihre Aufwärtskrümmung bei diesem Versuche hervor- gebracht wird. Diesen Unterschied hat er bereits zwischen den Wur- zeln von Pisum sativum und Vreia Faba wahrgenommen ?). Stellt man nun denselben Versuch mit noch stärkeren Wurzeln an, wie z. B. mit denen der Rosskastanie, so überzeugt man sich leicht, dass ihre Wurzeln nicht nur wenn sie auf dem Quecksilber aufliegen, sich abwärts krümmen und in dasselbe eindringen, sondern auch wenn sie unter einem Winkel von 45° in dasselbe eingetaucht sind, sich keines- wegs so, wie die schwächeren Wurzeln von Pisum, Zea,Vicia u. a., die dem Drucke des Quecksilbers nicht widerstehen können, aufwärts, sondern, wie ich mich oft überzeugt habe, abwärts krümmen und unge- stört weiter wachsen. Ein ähnliches Verhältniss kann man herstellen, wenn man Keimlinge von Erbsen und Weizen auf einem dicken Brei von Modellir-Thon wachsen lässt; hier dringen sämmtliche Wurzeln von Erbsen in denselben abwärts, während die Würzelchen von Weizen oft auf seiner Oberfläche lange hinkriechen. Als ferneren Beweis für die Piastieität des krümmungsfähigen Wur- zelstücks führt Hofmeister folgenden Versuch an°): Es wurden gerade gewachsene Wurzeln von Erbse und Wicke an Brettehen ver- mittelst zweier abgekühlten Wachstropfen, von denen der eine auf die !) Botan. Zeitung 1868. p. 275. 2) Botan. Zeitung 1569. Sp. 75 unten. ?) Pringsh. Jahrbücher II. 1863. p. 101. 13 Spitze, der andere bald hinter der Stelle des grössten Wachsthums ange- bracht war, so befestigt, dass die krümmungsfähige Zone der Wurzel frei zwischen den beiden Befestigungsstellen lag; die Brettehen wurden darauf senkrecht und zwar so aufgestellt, dass die Wurzeln horizontal zu liegen kamen. Die so an beiden Enden unterstützten krümmungs- fähigen Wurzelstücke machten einen sanften, beständig nach oben geöffneten Bogen, was man nach Hofmeister’s Auffassung nur so deuten kann, als hätten sich die plastischen Stücke zu Folge eigener Schwere gesenkt. In einem vollkommenen Widerspruche mit dieser Angabe stehen jedoch meine eigenen Beobachtungen. Ich wiederholte diesen Versuch vielfach, nur mit der Modification, dass ich die Wurzel- spitze nicht mit warmen Wachs anklebte, sondern sie in eine genau passende, enge Oefinung eines angeklebten Wachsklümpehens ein- steckte, so dass die sich streckende Wurzel wohl in die enge Oeffnung eindringen, aber keineswegs darin weder nach der einen noch nach der anderen Seite sich bewegen konnte. Hierdurch vermied ich zwei nachtheilige Faktoren; zunächst wurde die Wurzelspitze nicht beschä- digt, was — wie wir weiter unten sehen werden -— zu abnormen Er- scheinungen Anlass giebt, dann war der wachsenden Wurzel die Mög- lichkeit gegeben sich weiter in gerader Richtung zu verlängern. Bei allen auf diese Weise angestellten Versuchen zeigte sich, dass das, zwischen den beiden Stützpunkten befindliche krümmungsfähige Wurzel- stück einen bald mehr bald weniger, aber stets nach unten geöffneten Bogen machte. „In aller Reinheit — sagt Hofmeister!) — zeigt sich das Ab- wärtssinken der Wurzelspitzen während des ersten Stadiums der Kei- mung der meisten Samen, indem das Ende des Würzelchens einer Erbse 2. B., kaum aus dem Samen hervorgetreten, mit scharfer und plötzlicher Biegung sich nach unten wendet.“ Dass aber diese Umbiegung keines- wegs ein Abwärtssinken, sondern vielmehr ein activesAbwärts- krümmen der hervorbrechenden Wurzelspitze ist, lässt sich leicht nachweisen. Noch leichter als bei der Erbse lässt sich die jähe Ab- wärtskrümmung der hervorbreehenden Wurzelspitze bei den flachen und daher zu dem Versuche sehr geeigneten Samen von Linse beobach- ten. Legt man diese Samen zum Keimen — am besten auf einem nassen Filze — mit der einen flachen Seite nach unten, so sieht man, dass die mit der äussersten kaum 1 Mm. langen Spitze aus der Testa hervorbrechenden Wurzeln, bereits eine Andeutung der Richtung ab- wärts zeigen, Schält man einen solchen Samen von der Testa ab, noch 1) Bot. Zeitung 1869. Sp. 51. 14 bevor die Wurzel dieselbe gesprengt hat, so findet man, dass die noch so kleine Wurzel bereits eine geringe Krümmung abwärts besitzt. Es ist klar, dass hier keine Rede von einem Abwärtssinken sein kann, da ja der Wurzel zwischen den aufgequollenen Cotyledonen und der gespannten Testa kein freier Raum zum Sinken gegeben war. Legt man nun einen solchen Samen hierauf so, dass die früher nach oben gerichtete Fläche jetzt nach unten kommt, so steigert sich zunächst die Krümmung etwas, die Wurzel wächst ein Stück aufwärts, und erst nach einiger Zeit geht die Krümmung in die entgegengesetzte normale über. Den sichersten Beweis für die active Abwärtskrümmung der Wur- zel liefert, wie bereits Frank dargethan, der Johnson’sche') Ver- such, wo an der äussersten Spitze einer geraden, horizontal aufgestell- ten Wurzel ein feiner Seidenfaden mit rasch trocknendem Lack befestigt, darauf über eine kleine leicht drehbare Rolle geschlungen und an sei- nem freien Ende ein, das Gewicht des krümmungsfähigen Wurzelstückes um weniges überwiegendes Gewicht angehängt wird. Das Resultat ist bei allen gut angestellten Versuchen — wo das angehängte Gewicht nicht zu schwer, und die Wurzel einer Krümmung abwärts fähig ist — immer dasselbe, d.h. das krümmungsfähige Wurzelstück krümmt sich abwärts und zieht das schwerere Gewicht in die Höhe. Ich halte es kaum für nöthig, meine eigenen Versuche hierüber, wo Wurzeln von Erbsen sich abwärts kriimmten und ein 0,15 Gramm schweres Gewicht um mehrere Mm. in die Höhe zogen, anzuführen, da dies schon so viel- fach bestätigt wurde, und auch Hofmeister selbst ähnliche Resul- tate”?) erzielt hat. Freilich erklärte Hofmeister auch diese gegen seine Ansicht zeugenden Thatsachen vom Standpunkte seiner Theorie und sogar auf drei verschiedene Weisen; doch die erste (Bot. Zeitung 1868. Sp. 277 ff.) hat bereits Frank (Bot. Zeitung 1868. Sp. 597 ff.) widerlegt, die zweite (Bot. Zeitung 1869. Sp. 57 ff.) ist, wie jeder un- parteiische Leser zugeben wird, viel zu gespannt und künstlich, als dass sie irgend eine Anerkennung finden könnte, und schliesslich die dritte Erklärung (Bot. Zeitung 1869. Sp. 92 ff.), wo Hofmeister bereits eine active Krümmung der Wurzel annimmt, aber sie nur einer unter ungünstigen Bedingungen — wie dies eine Temperatur von + 17° C. und mit Wasserdampf gesättigte Luft sein soll — statt- findenden Entwickelung zuschreibt, dieselbe aber in eine passive um- 1) Edinb. new philos. journal 1828. 8.312. Annalen der Gewächskunde Bd. IV. Heft 4. 8.406. Linnaea Bd. V. 1830. p.-145 des Literaturberichtes. 2) Bot. Zeitung 1868. Sp. 275. Bot. Zeitung 1869. Sp. 93 fi. 15 gewandelt sehen will, wenn die Temperatur auf + 23° C. erhöht wird und die Wurzeln reichlich mit Wasser benetzt werden, — da alsdann bei dem Johnson’schen Versuch die Wurzeln aufwärts gezogen wer- den, — wird weiter unten ihre Widerlegung finden, wo ich den Grund dieser Erscheinung experimentell nachweisen werde. Ganz analog mit dieser, ist auch jene Erscheinung, wo horizontal auf nasser Unterlage wachsende Wurzeln ihre Spitze aufwärts richten und erst dann abwärts sinken, welcher I/mstand zu einem Streite zwischen Hofmeister und Frank Veranlassung gegeben hat, da der letztere behauptete, dass in solchem Falle die Wurzel ohne vorausgegangene Hebung sich abwärts zu krümmen bestrebt ist und dadurch den nach oben convexen Bogen bewirkt. Erst aus dem letzten Aufsatze Hofmeisters über diesen Gegenstand ') erhellt es, dass beide Forscher richtig beobachtet haben, der eine aber stets von Versuchen sprach, die er in feuchtem Raume ‚ auf nasser, der andere von solchen, die er auf trockener oder höch- stens feuchter Unterlage anstellte, welcher Umstand, wie wir später sehen werden, in der That oft verschiedene Resultate veranlasst. Bei den austreibenden Knospen vieler Laubbäume — Ulme, Linde, Haselstrauch — nimmt Hofmeister eine active Abwärtskrümmung an ?), als Beweis dafür führt er an, dass unter Umständen diese Incurva- tion auch über die Lothlinie hinausgehen kann, und dass die eine Kante einer solehen Knospe zum Convexwerden praedisponirt ist, d. h. „wird die Lage des knospentragenden Zweiges im Beginne des Ausschlagens geändert, so wird diejenige Kante der Knospenachse die convexe, welehe während der Anlegung und Ruhezeit dem Zenithe zugewendet war.“ Diese beiden Eigenschaften sprieht er vollkommen der sich abwärts krümmenden Wurzel ab°). Doch mit Unrecht; denn einer- seits kann man genug Fälle beobachten, wo die sich krümmende Wur- zel um ein bedeutendes über die Lothlinie hinaus sich bewegt, — frei- lich gleicht sich dieses zu viel meistens wieder aus, indem sie bei weiterem Wachsthum wieder in die Normale zurückkehrt; andererseits ist aber auch die Prädisposition einer bestimmten Kante zum Convex- werden in demselben Grade auch bei den Wurzeln zu beobachten. Man hat nur nöthig um dies hervorzurufen eine Wurzel gewaltsam in horizontaler Stellung längere Zeit — 4 bis 8 Stunden — fest zu halten am besten durch Befestigen an einem horizontalen Brette, und darauf sie so umzukehren, dass die früher gegen den Zenith gekehrte Seite 1) Bot. Zeitung 1869. Sp. 33 ff. 92. 2) Bot. Zeitung 1869. Sp. 89 ff. 3) Bot. Zeitung 1869. Sp. 90. 16 Jetzt gegen den Nadir zu liegen kommt, und nach kurzer Zeit wird man sehen, dass die Prädisposition zur Abwärtskrümmung in der Wurzel bei der früheren Stellung vorhanden war, da sich in diesem Falle die Wurzel aufwärts krümmt d. h. mit der früher dem Zenith zugekehrten Kante convex. Dies hat sowohl bereits Frank dargethan und gewür- digt'), als auch hat Hofmeister einen ähnlichen Fall früher ?) be- schrieben; freilich konnte er bei seiner Theorie darauf keinen Werth legen. Aus alledem ist man zu dem Schlusse berechtigt, dass die Theorie von der passiven Abwärtskrümmung der Wurzel eine unzulässige ist, und dass die Ansicht der activen Krümmung der Wurzel, welche Hofmeister schliesslich in einigen, doch nur, wie er sagt, abnormen, verkimmerten Entwiekelungsfällen ?) annimmt, die allein richtige sein kann. Frank gebührt nun das Verdienst zuerst nachgewiesen zu haben, dass es eine active Kraft sein muss, die erst durch die Schwerkraft im Inneren der Wurzel ausgelöst, diese zu der Krümmung abwärts nöthigt. Diese Kraft belegte er mit dem nicht ganz passenden Namen „Geo- tropismus,“ da auch bei den Rotationsversuchen dieselbe Kraft durch die Centrifugalkraft hervorgerufen wird, hier aber keineswegs nach der Erde hin wirkt. Wenn jedoch Frank?) später diese Kraft auf Grund des Darwin- schen Atavismus dem Instinete der Thiere gleichstellt, so thut er entschieden Unrecht, da ja die Wurzel, wie wir früher gesehen haben, sich keineswegs nach der Lage des Bodens richtet, sondern ganz unab- hängig davon gleichwerthig der Schwer- wie auch der Schwungkraft folgt. In dieser Hinsicht würden wir nach so zahlreichen Untersuchun- gen auf demselben Punkte stehen bleiben, auf den bereits Percival, Lefebure, Meyen und viele andere alte Forscher sich stützten, indem sie die Abwärtskrümmung der Wurzel theils dem Instinete der Pflanzen zuschrieben, theils auch für eine eigenthümliche unerklärliche Wirkung der Lebenskraft allein hielten. !) Beitrag zur Pflanzenphys. p. 32 u. 33. 2) Bot. Zeitung 1868. Sp. 276. 3) Bot. Zeitung 1869. Sp. 92. 4) Die nat. wagerechte Richtung der Pflanzentheile ete. 1570. p. $I—91. 17 $ V. Wo und wie wird die active Kraft der Abwärts- krümmung in einer Wurzel durch die Schwer- und Schwungkraft hervorgerufen? Vor allem habe ich mich bemüht zu ermitteln, ob nicht etwa auf anatomischem Wege über diese Frage Aufschluss gewonnen werden könnte. Bei der mikroskopischen Untersuchung einer Wurzel bemerkt man zunächst, dass die Wurzelhaube nicht nur bei verschiedenen Pflanzen verschieden weit hinaufreicht, sondern auch, dass sie bei denselben Individuen in den ersten Entwicklungsstadien sich weiter hinauf- erstreckt, als später; dies lässt sich namentlich gut beobachten bei der Vergleichung einer jungen aus der Testa hervorbrechenden Wurzel und einer weiter entwickelten von Lens, Vicia, Pisum ete. Wenn unsere in $ Il. angeführten Beobachtungen gezeigt haben, dass die äusserste Spitze der Wurzel kein Wachsthum erkennen lässt, so beruht dies, wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, darauf, dass diese Zone von der sich nicht vergrössernden Wurzelhaube bedeckt ist, an welcher die Marken aufgetragen waren. An der Spitze der Wurzel — unter dem Schutze der Wurzelhaube — findet eine rege Zelltheilung ') statt, und es fällt gerade mit der Stelle, wo wir in den oben angeführten Versuchen die grösste Verlän- gerung der Wurzel beobachtet haben, auch das energischste Längs- wachsthum der Zellen zusammen, welches weiter aufwärts immer mehr und mehr abnimmt, indem die Zellen in Dauergewebe übergehen. In dieser Zone beginnt auch die Differenzirung der Zellen des Leitzell- stranges in Gefässe, Holz- und Markzellen. An dem ausgebildeten Theile einer Wurzel unterscheiden wir ?), — in centripetaler Richtung — (vergl. Fig. IV.) eine Schicht von Epidermiszellen (ep), ein verhält- nissmässig stark entwickeltes Rindenparenchym (rp) eine Lage kleine- rer Parenchymzellen, die das centrale Leitzellbündel umschliessen — Gefässbündelscheide — (gbs); das centrale Leitzellbündel (lzb) besteht aus Holz- (h), Gefäss- (g) und den hier auf das Minimum reducirten Markzellen. Bei einigen Wurzeln kommen noch Baststränge vor, diese liegen alsdann zwischen den Gefässsträngen am Umfange des Leitzellbündels. Bei einer gerade entwickelten Wurzel sind die dem- selben Cyelus angehörigen Zellen stets von gleicher Dimension und t) Ohlert Linnaea Bd. XI. p. 61. Nägeli Zeitschr. wiss. Bot. III. und IV. 1864. p: 186 (Hofmeister). 2) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik 1870. p. 142. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft I, 2 18 Beschaffenheit, dieses Verhältniss ändert sich jedoch, wenn dieselbe eine Krümmung beschreibt. Untersucht man nämlich einen zarten, senkrecht zu der Krümmungs- ebene geführten Längsschnitt einer gekrümmten Wurzel mikroskopisch, so fällt vor allem auf die ungleiche Dimension der Zellen an der con- vexen und eoncaven Kante der Krümmungsstelle. Fig. IV. Dieser Unterschied ist am meisten ausgeprägt an den Zellen der Epidermis und den äussersten Schichten des Rindenparenchyms, sowie um so grösser, je grösser und jäher der Krümmungsbogen der Wurzel ist. Davon kann man sich leicht durch Vergleichen entsprechender Prae- parate überzeugen. Eine vergleichende Zusammenstellung dieser Zellen, wie sie Frank gegeben hat'), halte ich für überflüssig, da sie, wie bereits erwähnt, entsprechend der Grösse des Krümmungsbogens variabel sind, so dass, wenn namentlich die Krümmung der Wurzel aus einer Richtung auf- wärts erfolgte, die Länge der Epidermiszellen der concaven Kante zu denen der convexen sich oft wie 1:6 und darüber verhält. Fig. IV. Schon bei der Untersuchung des Längschnittes einer solchen stark gekrümmten Wurzel fällt es auf, dass die Zellen der Epidermis und des Rindenparenchyms der unteren eoncaven Kante vielfach gegen- einander verschoben, keilförmig zusammengedrückt sind, und nicht selten Falten in den äüsseren Conturen des concaven Bogens erschei- nen, während die obere convexe Kante eine gleichmässige Spannung und stark ausgeprägte, regelmässige Entwickelung der entsprechenden Zellen zeigt. Das mikroskopische Bild überzeugt uns hiernach mit voller Bestimmtheit, dass die an der convexen Seite gelegenen Zellen eine abnorme Streckung nach allen Richtungen erlitten und dadurch die Zellen der concaven Kante nicht nur an der entsprechenden Ver- grösserung gehindert, sondern sogar comprimirt haben, wie dies die viel- fachen Falten und Unregelmässigkeiten der concaven Kante andeuten. Vergleichen wir nun die Grösse der Zellen an den beiden Kanten ge- nauer, so finden wir, dass die der convexen sich nicht blos der Länge nach, sondern auch nach den beiden anderen Dimensionen weit über das normale Mass ausgedehnt haben, während die Zellen der concaven Kante zusammengedrückt erscheinen und in ihren drei Achsen bei wei- tem hinter dem Mittel zurückgeblieben sind. Vergl. Fig. IV. Aus vielen Messungen, .die ich an stark gekrümmten Wurzeln aus- geführt habe, führe ich nur eine beliebige an; die Werthe sind hier das Mittel aus je 5 Messungen, und zwar betrefien diese nur die erste an I) Beitrag zur Pflanzenphys. p. 40. 19 der Epidermis gelegene Schicht des Rindenparenchyms der beiden Kan- ten der Krümmungsstelle und dann einer Region weiter unten, wo die Wurzel gerade senkrecht abwärts sich entwickelt hat; es ist noch zu bemerken, dass alle Zelien bereits ihr Wachsthum vollendet haben. Die Grösse der Zellen der erwähnten Schicht betrug: Länge. Breite. | _Dicke. _ an der convexen Kante: . . 0,125 Mm. 0,045 Mm. | 0,042 Mm. an der concaven Kante: . . FOR 0,02 Mm. 0,025 Mm. 0,026 Mm. R bei normaler Ausbildung: Se 0.099 Mm. 0,035 Mm. 0,032 Mm. Diese active Wirkung der oberen Kante lässt sich noch durch fol- genden einfachen Versuch veranschaulichen. Schneidet man von einer geraden gut entwickelten Wurzel durch einen langen Secantenschnitt das Rindenparenchym des Fortwachsens fähigen Wurzelendes bis auf den centralen Leitzellstrang fort, und stellt die Wurzel alsdann hori- zontal so auf, dass die vom Rindenparenchym entblösste Hälfte nach unten, die unverletzte nach oben zu liegen kommt, so sieht man, dass in diesem Falle die Krümmung der Wurzel nicht nur in verhältniss- mässig kürzerer Zeit, sondern auch rapider und in einem kürzeren Bogen wie sonst erfolgt. Wird dagegen eine solche Wurzel mit der Schnitt- fläche nach oben aufgestellt, so krümmt sie sich in den meisten Fällen ebenfalls abwärts, doch stets in einem weiten allmählich fortschreiten- den Bogen, oder auch, doch weit seltener — namentlich wenn man die Schnittfläche unvorsichtiger Weise eintrocknen liess — krümmt sie sich zunächst allmählich aufwärts, und erst nach einiger Zeit abwärts. Geht in einem solchen Falle das sich aufwärts krümmende Wurzelstück über die Lothlinie hinaus, wo alsdann die unverletzte Kante dem Zenithe zugekehrt wird, so erfolgt darauf eine rapide stark ausgeprägte Ab- wärtskrümmung. Man erkennt also daraus, dass im ersteren Falle der die Krümmung verzögernde, im zweiten der dieselbe vorzüglich hervorrufende Faktor entfernt ist. An dieser Stelle müssen wir auch jener bereits weiter oben in Er- wähnung gebrachten, übrigens selten vorkommenden Erscheinung geden- ken, wo die Wurzel nicht senkrecht abwärts wächst, sondern unab- hängig von der Schwerkraft sich in beliebiger Richtung krümmt. Häu- figer als bei allen anderen kann man dies namentlich bei alten Samen von Erbsen und Wicken beobachten. Hier kommt es vor, dass die aus dem Samen hervorbrechende Wurzel bald weniger, bald mehr, sich nach irgend einer Richtung krümmt, oft sogar mehrere schraubenartige Windungen beschreibt, und erst nach einiger Zeit normal der Einwir- kung der Schwere folgt. Die concave Kante ist in einem solchen Falle IF 20 stets diejenige, welche früher innerhalb des Samens an der Testa, die convexe die, welche an den Cotyledonen — respective Endosperm — gelegen war. Untersucht man eine solche Krümmungsstelle mikrosko- pisch, so sieht man, dass die Zellen der econvexen Hälfte einen normal ausgebildeten, die der coneaven dagegen einen krankhaften Habitus zeigen, indem sie wenig entwickelt sind und oft im rudimentären Zu- stande sich befinden. Daraus ist man zu dem Schlusse berechtigt, dass in solchem Falle die Zellen derjenigen Kante der Embryonalwurzel, die an der Testa gelegen war, durch das längere Aufbewahren in Folge stärkeren Aus- trocknens zu späterer normalen Entwickelung unfähig geworden sind. Ein ähnlicher Fall kann aber auch, durch verschiedene äussere Ein- flüsse veranlasst, erst bei späterer Entwickelung einer Wurzel eintreten, wo alsdann die concav gekrümmte Kante nicht diejenige zu sein braucht, welche im Samen an der Testa gelegen war. Künstlich lässt sich die- selbe Erscheinung leicht hervorrufen, wenn man die Zellen irgend einer Kante der Wurzel an der streckungsfähigen Zone durch behutsame Be- rührung mit heissem Platindraht zur weiteren Entwickelung unfähig macht. — Aus all dem vorhin Gesagten ersehen wir, dass wenn eine Wurzel von der Richtung der Lothlinie abweicht, die Schwerkraft in der dem Zenithe zugekehrten Hälfte ein günstigeres Wachsthum der Zellen ein- leitet als in der anderen nach unten gelegenen; in Folge dessen strecken sich die Zellen der oberen Hälfte bei weitem mehr als die der unteren und bewirken dadurch ein Zusammendrücken der unteren Zellenschich- ten in ähnlicher Weise, wie ein aus Messing und Eisen zusammenge- lötheter Stab bei der Erwärmung in Folge stärkerer Ausdehnung des ersten Metalls sich dergestalt krümmt, dass das Eisen an der concaven Seite des Bogens zu liegen kommt. Ebenso muss die Wurzel in der wachsthumsfähigen Zone eine Krümmung ausführen, die so lange andauert, bis der wachsende Theil der Wurzel in die Richtung der Lothlinie kommt, wo alsdann die Wachsthumsunterschiede sich ausgleichen, und die Wurzel weiterhin sich gerade entwickelt. Es bleibt uns mithin noch die Art und Weise zu ermitteln, auf welche die Schwerkraft in der oberen Hälfte einer von der Lothlinie abweichen- den Wurzel ein günstigeres Wachsthum hervorruft. Es ist einleuchtend, dass bei einem so complieirten, bis jetzt in seinen Einzelheiten noch unvollkommen bekannten Process, wie das Leben und Wachsthum der Pflanzen ist, die Lösung dieser Frage keine leichte Aufgabe sein wird, und nur an der Hand zahlreicher und sorg- 21 fältig ausgeführter Versuche dürfen wir hoffen unserem Ziele näher zu kommen. Es hat sich aus unseren sehr zahlreichen Versuchen das wichtige Resultat — das unseres Wissens bisher noch von Niemandem ausge- sprochen worden ist — ergeben, dass: die Abwärtskrümmung der Wurzelnur stattfindet, so lange die Wurzelspitze unver- sehrtist, dass dieselbedagegen unterbleibt, sobald diese beschädigt oder entferntist, Wird voneiner senkrecht abwärts gerade entwickelten Wurzel die äusserste — bei Pisum, Lens, Vicia ungefähr 0,5 Mw. lange — Spitze, in deren Bereich der unter dem Schutze der Wurzelhaube befindliche Bildungsherd kommen muss, abgeschnitten, so entwickelt sich eine solche Wurzel weiter, indem die bereits in Form des Urmeri- stems vorhandenen Zellen sich ausbilden und ausdeh- nen, wird aber hierbei nicht mehr von der Schwerkraft beeinflusst und krümmt sich daher nicht mehr abwärts, sondern verlängert sich stets in der früheren Richtung geradlinig weiter, ganz unabhängig d’avon, in welche Lage zu der Lothlinie sie nach der Verstümmelung der Spitze gebracht wurde. Fig. IIP. Es geschieht nun oft, nament- lich wenn keine Adventivwurzeln entspringen, dass an der abgeschnitte- nen Stelle nach einigen Tagen ein neuer Bildungsherd entsteht, und eine neue weiter sich entwickelnde Wurzelspitze!) hervorsprosst; von diesem Augenblicke ab wird nicht nur das neu hinzugekommene, sondern auch das vor. der Schnittzone gelegene Wurzelstück, dessen Zellen ihre vollkommene Ausdehnung noch nicht erlangt haben, von der Schwerkraft wieder beeinflusst und richtet sich senkrecht abwärts. — Fig. II“. Einen anderen Verlauf zeigt dieser Versuch, wenn die Wurzel vor- her einige Zeit in horizontaler Richtung aufgestellt war und alsdann — doch bevor noch irgend eine Andeutung der Abwärtskrümmung bemerk- bar wurde — ihre Spitze abgeschnitten wird. Stellt man eine so zu- gerichtete Wurzel in einem mit Wasserdunst gesättigten Raume in irgend einer beliebigen Richtung auf, so sieht man nach einiger Zeit eine Krümmung eintreten und zwar in dem Sinne, dass stets die früher zenithwärts gekehrte Kante jetzt zu der convexen wird. !) Von morphologischer Wichtigkeit ist die Erscheinung, dass unter Umstän- den an der Schnittfläche mehrere Bildungsherde entstehen, und dem entsprechend 2—3 neue Wurzelspitzen hervorbrechen, die sich weiter normal entwickeln. 22 Es könnte hier vielleicht der Einwand gemacht werden, dass eine so praeparirte Wurzel desshalb einer Krümmung abwärts unfähig ist, weil die Wirkung des herabziehenden Gewichtes, der abgeschnittenen Wurzelspitze verloren geht. Ein zweckmässig angestellter Versuch widerlegt jedoch dieses. Eine abgeschnittene Spitze wiegt z. B. bei der Linse in saftvollem Zustande kaum 0,001 Grm., wird daher an der Schnittfläche ein Gewicht von 0,007 Grm. angehängt, so müsste dieses noch grössere Wirkung auf das krümmungsfähige Wurzelstück ausüben, wie die entfernte Spitze, folglich müsste es das Wurzelende abwärts ziehen; doch der Versuch zeigt, dass in einem solchen Falle sich die Wurzel trotzdem in der früheren Richtung geradlinig weiter verlängert. Von keinem geringe- ren Interesse dürfte wohl auch der Versuch sein: das Verhalten einer solchen Wurzel, wenn sie der Quecksilberprobe Hofmeister’s unter- worfen wird, festzustellen. Zu diesem Zwecke habe ich bei mehreren gut entwickelten, senkrecht abwärts gewachsenen Wurzeln von Erbsen und Linsen die Wurzelspitzen abgeschnitten, und darauf sie unter einem Winkel von ungefähr 45 ° bis zu einer Länge von 7—9 Mm. in Queck- silber getaucht, sämmtliche Wurzeln waren bereits nach 24 Stunden in grösseren oder kleinen Bogen aufwärts gekrümmt und ragten aus dem Quecksilber hervor. Wir sehen hieraus, dass dieser Versuch Hofmeister ’s mit unver- letzten Wurzeln keineswegs massgebend ist für die passive Abwärts- krümmung der Wurzel, da ja auch die verstümmelten Wurzeln, die notorisch einer Abwärtskrümmung unfähig sind, dieselbe Erscheinung zeigen wie jene, indem sie dem Drucke des Quecksilbers in der wachs- thumsfähigen Zone nachgeben müssen. Es ist nun eine von uns ausser Zweifel gestellte Thatsache, dass die Wurzel nur dann einer Abwärtskrümmung fähig ist, wenn ihr Vegetationspunkt, d. h. die Zone, in welcher sich durch rege Theilung die Zellen vermehren, unverletztist, und hier- durch erklären sich auch die übrigens selten vorkommenden Erschei- nungen, wo scheinbar unverletzte Wurzeln trotz ihres Wachsthums der Abwärtskrümmung unfähig sind. Eine allgemein bekannte Erscheinung ist es ferner, dass die kurzen in Längsreihen der Hauptwurzel entspringenden Adventivwurzeln — bei Zea Mays, Aesculus Hippocastanum u. a. — sich nicht abwärts krümmen, sondern in ihrer Anlagerichtung geradlinig fortwachsen; eine genauere Beobachtung weist aber auf, dass hier die Thätigkeit des Vege- ‚tationspunktes auf das Minimum reducirt ist, und dass ihr Wachsthum nur lediglich auf der Verlängerung schon früher angelegter Zellen beruht. 23 $ VI. Erklärungsversuche der im Obigen dargelegten Thatsachen. Wenn wir in Folgendem versuchen für die von uns und Anderen in Bezug auf die Abwärtskrümmung der Wurzel festgestellten Thatsachen eine Erklärung zu geben, so verkennen wir nicht, dass dieselbe viel- fach hypothetisch bleiben muss und selbst in den Punkten, welche wir glauben fester begründen zu können, dem Leser um so mehr manches Problematische einzuschliessen scheinen wird, als an dieser Stelle nicht möglich ist eine vollständige und ausführlichere Begründung zu geben. Unsere Erklärung geht aus von dem Traube’schen Versuche der Bildung einer künstlichen Zelle. M. Traube') hat bekanntlich durch Einführen eines Krystalles von Kupferchlorid in Blutlaugensalz die Bildung einer völlig geschlossenen Membran von Ferrocyankupfer beobachtet, welche der Diffusion und des Wachsthums fähig, sich einer Zellmembran in vielen Stücken analog verhält, während das im Verlauf des Versuches sich in Wasser auf- lösende Kupferchlorid sich wie ein fiüssiger Zellinhalt verhält. Traube hat ferner gezeigt, dass diese künstliche Zelle sich durch fortdauernde Wasseraufnahme continuirlich vergrössert und zwar hauptsächlich in verticaler Richtung, indem die wachsende Zellmembran sich ganz über- wiegend an ihrem oberen Scheitel durch Intussusception vergrössert. Nach Traube’s scharfsinniger Auffassung beruht diese Erscheinung darauf, dass die Intussusception und in Folge dessen das Wachsthum | dieser Zellmembran da am stärksten ist, wo die zu ihrer Bildung er- forderliche Flüssigkeit — gewissermassen Nährflüssigkeit — am wenig- sten eoncentrirt ist, also an der dem Zenith zugekehrten Region der Zelle, während die sich an der dem Nadir zugekehrten Hälfte derselben unter der allbekannten Wirkung der Schwerkraft ansammelnde, schwe- rere, concentrirte Lösung für das Wachsthum der Zellhaut untauglich ist. Traube hat auch beobachtet, dass eine künstliche, in Form eines vertikalen Schlauches entwickelte Zelle, sobald sie aus der Lothlinie gebracht wird, in derjenigen Zone, die der Spitze benachbart und in grösster Streckung begriffen ist, eine Krümmung erleidet und bei wei- terer Vergrösserung in der Richtung senkrecht aufwärts fortwächst. Ich glaube, dass die hier constatirten Thatsachen auch mit Erfolg für die Erklärung des Wurzelwachsthums zu Nutze gezogen werden können. Es ist klar, dass bei den nach unserer Methode angestellten Ver- 1). Reichert’s und du Bois-Reymond’s Archiv 1867. 24 suchen in feuchter Luft die für das Wachsthum der Wurzel nöthigen Bildungssäfte einzig und allein aus den Cotyledonen kommen können, von denen aus sie nach der Wurzelspitze zuströmen. Dieser Cotyle- donarstrom bewegt sich nicht in der Rinde, sondern in dem centralen Leitzellbündel, — wovon man sich durch das sorgfältige Entfernen des Rindenparenchyms einer älteren Stelle der Wurzel bis auf das Leit- bündel leicht überzeugen kann, da in diesem Falle die Wurzel sich ganz normal weiter entwickelt. Ist nun die Wurzel senkrecht abwärts gerichtet, so ist die Diffusion der Bildungsäfte von dem centralen Leit- bündel aus nach allen wachsenden peripherischen Zellschichten hin als gleichwerthig anzusehen; wird aber die Wurzel in eine geneigte Lage zu der Normalen versetzt, so ist anzunehmen, dass unter dem Einflusse der Schwerkraft die concentrirteren Bildungssäfte, als die schwereren, sich nach derjenigen Hälfte der Wurzel hin stärker ansammeln werden, die dem Nadir, die leichteren mehr verdünnten dagegen nach der, die dem Zenith zugekehrt ist. In der That haben uns die mikroskopischen Beobachtungen zweckmässig geführter Schnitte auf das allerbestimm- teste überzeugt, dass ander nach unten liegenden concaven Kante die Zellen der Wurzel mit dem dichtesten Proto- plasma derart vollgefüllt sind, dass sie fast undurch- sichtig sind, während der Zellinhalt um so dünnflüssi- ger und durchsichtiger erscheint, in jehöher gelegenen Zellschichten er sich befindet, die an der obersten con- vexen Kante gelegenen Zellen endlich einen klaren fast wässrigen Inhalt führen. (Vergl. Fig. IV.) Es ist daher auch anzunehmen, dass in Wurzeln, welche sich nicht in der Richtung der Normale befinden — analog wie im Traube- schen Versuche — der Inhalt der Zellen der unteren Hälfte concen- trirter und demnach weniger zur Ausscheidung der Zellenmembran befähigt, dass derjenige der oberen Hälfte hingegen mehr verdünnt und zur Bildung von Membranmoleeülen geeigneter ist. Die Zellen der oberen Hälfte werden daher besser und schneller wachsen als die der unteren, und somit selbstverständlich eine Krümmung und zwar abwärts bedingen, bis schliesslich das wachsthumsfähige Wurzelstück in die Normale zu liegen kommt, wo dann die Diffusion und somit auch das Wachsthum in den entsprechenden Zellschichten gleichwerthig wird, und die Wurzel fortan gerade sich verlängert. Es ist nun klar, dass, wenn unsere Auffassung richtig ist, in einem solchen Falle, wo dafür gesorgt wird, dass der concentrirte Inhalt der Zellen der unteren Hälfte ebenfalls verdünnt wird, keine Abwärts- krümmung der Wurzel eintreten darf, sondern vielmehr eine Auf- 25 wärtskrümmung, sobald die Zellen der unteren Kante alödann stär- ker wachsen werden als die der oberen. Nachstehender Versuch scheint in der That dies zu bestätigen. Wird eine gerade, senkrecht abwärts gewachsene Wurzel von Zea Mays auf eine Wasseroberfläche horizontal so aufgelegt, dass das Was- ser nur die untere Kante der Wurzel benetzt, so krümmt sie sich nicht abwärts, wie man es voraussetzen müsste, sondern sie krümmt sich auf- wärts, in der gewöhnlichen Krümmungszone, und hebt dadurch die Spitze.von 3—4 Mm. über die Wasseroberfläche; das hierauf über dem Wasser befindliche Stück beschreibt bei fernerem Wachsthum eine Krümmung abwärts, wodurch die Spitze wieder in Wasser eingetaucht wird; dieses Abwärtswachsthum hält so lange an, bis die krümmungs- fähige Zone der Wurzel wieder in Wasser anlangt, worauf dann eine neue Hebung der Spitze aus dem Wasser erfolgt, darauf wieder eine Senkung u. s. w.; dies wiederholt sich so lange bis die Wurzel noch eines Wachsthums fähig ist, und lässt sich namentlich schön verfolgen an solchen Exemplaren, die keine Adventivwurzeln treiben, oder wo man dies durch Abschneiden derselben verhindert. Fig. V. stellt einen ähnlichen Fall vor, wo eine über Wasser angebrachte, unter einem Winkel von etwa 6 ° an die Oberfläche angelangte Wurzel von Mais von dieser Richtung ablenkte und horizontal an der Oberfläche 6 Mm. lang fortwuchs, darauf hob sich die 3 Mm. lange Spitze in die Höhe, senkte sich bereits nach 5 Stunden wieder abwärts in Wasser, wuchs 5 Mm, an seiner Oberfläche, hob sich wieder in die Höhe, senkte sich herunter, und dies wiederholte sie 8 Mal (wobei die Wurzel eine Grösse von 13 Cm. er- langte), bis schliesslich die ganze Pflanze in ihrer Entwickelung stockte, nachdem sich bereits 3 Blätter gebildet und die Cotyledonen erschöpft waren. Dieselbe Erscheinung findet auch statt, wenn die Wurzel auf einer nassen, horizontalen Oberfläche eines festen Körpers sich ent- wickelt, und ist auch bei anderen Pflanzen, wie Weizen, Hafer u. dergl. zu beobachten; bei den Wurzeln von Leguminosen tritt sie sehr selten in diesem Grade ein, wohl aber sieht man, dass bei einer solchen auf Wasser gelegten Wurzel die Krümmung abwärts in einem sehr weiten Bogen allmählich erfolgt und in weitaus selteneren Fällen aufwärts sich krümmt, wie dies auch Hofmeister!) beobachtet hat. Durch meine Untersuchungen hat sich ferner herausgestellt, dass die der Aufwärtskrümmung fähige Zone nur um ein sehr geringes hinter der Stelle gelegen ist, wo sonst die Abwärtskrümmung erfolgt, doch immer noch da, wo die Zellen der Wurzel in Streekung begriffen 1) Pringsh. Jahrb. III. 1863. p. 90. 26 sind, dass sie nicht selten sogar, wie bei Mais, mit dieser höchst wahr- scheinlich zusammentrifft. An einer solchen Aufwärtskrümmungsstelle übertreffen die Zellen der unteren convexen Kante in ihren Dimensionen die der oberen concaven, und es liegt kein Grund ob, daran zu zweifeln, dass die Ursache einer solehen Aufwärtskrümmung der Wurzel die näm- liche ist, wie die der Abwärtskrümmung unter anderen Umständen. In den Bereich dieser Erklärung gehören auch die verschiedenen, bereits oben angeführten Resultate, die Hofmeister und Frank er- zielt haben, indem sie Wurzeln auf einer horizontalen Fläche wachsen liessen; ich habe mich vielfach überzeugt, dass wenn die Fläche, auf der die Wurzel horizontal aufliegt, nicht nass ist, diese stets sich im Sinne Frank’s d. h. ohne vorhergegangene Hebung der Spitze ab- wärts zu krümmen sucht und dadurch einen nach oben convexen Bogen bildet; ist die Fläche aber hinreichend nass, so krümmt sich, aus den angeführten Gründen, zunächst die Wurzelspitze aufwärts, und erst dann, wenn die krümmungsfähige Stelle nicht mehr mit Wasser in Berührung ist und die nach unten diffundirenden schwereren Säfte nicht hinreichend verdünnt werden, krümmt sich die Wurzel abwärts. Dass aber gerade der erstere Vorgang der gewöhnliche und nicht, wie Hof- meister will, der abnorme und nur durch verkümmerte Entwickelung') hervorgerufen ist, zeigt sich schon daraus, dass die unter gewöhnlichen Umständen im Freien sich entwickelnde Wurzel, wohl in den wenigsten Fällen eine so hohe Temperatur (+ 23° C.) und reichliche hauptsäch- lich einseitige Benetzung, was Hofmeister”) als normal annimmt, antrifft. — Auf die nämliche Weise wie die Schwerkraft ruft auch die Schwung- kraft die Krümmung einer Wurzel hervor. Nach dem bekannten physikalischen Versuche ordnen sich Flüssig- keiten von verschiedenem specifischen wewicht in einer in rasche Rota- tion versetzten Röhre in Folge der Centrifugalkraft dergestalt, dass die dichtesten und schwersten am meisten nach Aussen, die leichteren nach Innen zu liegen kommen. Es ist daher auch anzunehmen, dass in einer der Rotation ausgesetzten Wurzel sich die eoncentrirteren Säfte an der von der Drehungsachse abgewendeten, die verdünnteren an der ihr zu- gewendeten Kante der Wurzel anhäufen werden, was, wie wir eben gesehen haben, eine Krümmung in der Richtung der Schwungkraft bedingen muss. I) Bot. Zeitung 1869. Sp. 92. 2) A.a.O, Sp. 92 ff. 27 Dass aber in den oben beschriebenen Versuchen, wo das Rad, an dem die Samen zum Keimen angebracht sind, um eine nahezu horizon- tale Achse so langsam sich dreht, dass die Schwungkraft nicht zur Geltung kommt, und nur in jedem Augenblicke die Stellung des Keim- lings zu der Normalen geändert wird, die Wurzel parallel mit der Rota- tionsachse wächst, erklärt sich daraus, dass nur dann, wenn die Wur- zel parallel mit der Drehungsachse gerichtet ist, die Diffusion der Säfte nach allen peripherischen Zellreihen derselben gleichwerthig sein kann, und sie diese Stellung in Folge dessen aus den oben erörterten Gründen einzunehmen genöthigt ist. Unsere Versuche haben die merkwürdige Erscheinung constatirt, dass die Abwärtskrümmung der Wurzel nur dann stattfindet, wenn die Wurzelspitze unverletzt ist, dass aber mit der Entfernung derselben die Fähigkeit zur Krümmung abwärts aufgehoben wird. Nun ist aber klar und durch die mikroskopische Beobachtung leicht zu erweisen, dass der in steter Zellvermehrung begriffene Bildungsherd an der Wurzel- spitze eine grosse Menge Protoplasma, dagegen die nach allen Dimen- sionen wachsenden Zellen der Verlängerungszone der Wurzel einen sehr wasserreichen Zellinhalt verbrauchen, was beides in den nach unserer Methode angestellten Keimversuchen ausschliesslich aus den Cotyledo- nen herstammen und im Leitbündel zugeführt werden muss. Ist da- gegen der Vegetationskegel entfernt, so hört die Entstehung neuer Zellen an der Spitze der Wurzel und der diesem Vorgange entsprechende Verbrauch von Protoplasma, sowie natürlich auch der Zuleitungsstrom desselben im Leitbündel auf, es wird daher mit dem Abschneiden der Wurzelspitze auch die Ursache entfernt, welche in dem wachsenden Wurzelstücke die Anhäufung von Flüssigkeiten verschiedener Dichtig- heit bewirkt, und es ist demnach nicht zu verwundern, dass in einem solchen Falle die Abwärtskrümmung unterbleibt, da dieselbe nach unse- rer Auffassung nur das Resultat der Anordnung von Bildungssäften nach ihrem speeifischen Gewichte ist. — Aus den in unserer Arbeit auseinandergesetzten Versuchen ergeben sich folgende Sätze: 1) Bei Keimlingen kann man das normale Wachsthum in einer mit Wasserdampf gesättigten Luft beobachten, wenn man die Cotyledonen oder den Eiweisskörper beständig feucht erhält, ohne dass die Wurzel selbst in Wasser oder feuchten Boden eingesenkt zu sein braucht. Das Wachsthum der Wurzel hört jedoch auf, sobald die Reserve- stoffe des Samens erschöpft sind. 2) Das Längenwachsthum der Wurzel findet ausschliesslich in einer verhältnissmässig kleinen Zone hinter der Spitze statt. 28 3) Die Abwärtskrümmung der Wurzel erfolgt an der Stelle, wo das Längenwachsthum der Zellen sein Maximum erreicht. 4) Die Schwerkraft ruft die Abwärtskrümmung hervor. 5) Die Krümmung der Wurzel ist keine passive, sondern eine active; d.h. die Schwerkraft ruft in der Wurzel, sobald sie nicht in der Richtung der Normale steht, eine Gewebespannung hervor, welche dann ihre Abwärtskrümmung bewirkt. 6) Diese in der Wurzel ausgelöste Gewebespannung beruht auf dem stärkeren Wachsthum derjenigen Zellen, die an der dem Zenith zuge- kehrten Hälfte der Wurzel liegen. 7) Das günstigere Wachsthum der Zellen dieser Hälfte wird dadurch bedingt, dass der Zellinhalt in der oberen, dem Zenith zugekehrten Seite der Wurzel weit minder concentrirt ist, als in der unteren, dem Nadir zugekehrten Hälfte; was wiederum davon abhängt, dass die con- centrirten Säfte, als die schwereren sich nach dem Gesetze der Schwere auf der Unterseite der Wurzel ansammeln. 8) Wird die äusserste Spitze (Vegetationskegel oder Bildungsherd) einer Wurzel abgeschnitten, so wächst diese durch Streckung ihrer Gewebe zwar weiter, ist aber einer Krümmung abwärts nicht mehr fähig. 9) Bildet sich jedoch nach einiger Zeit — was unter Umständen stattfindet — ein neuer Bildungsherd an der jetzigen Wurzelspitze und verlängert sich in Folge dessen an der Schnittfläche die Wurzel weiter, so ist sie auch wieder der Krümmung abwärts fähig. 10) Die Schwungkraft bedingt in analoger Weise und aus analogen Ursachen die Krümmung der Wurzel in der Richtung der Centrifugal- kraft, wie die Schwerkraft in derjenigen der Lothlinie. Fig. 1. Fig. II2, Fig. II br Fig. IT®. Fig. IH. Figuren - Erklärung. Tafel 1. Curven zur Darstellung der Zuwachsintensität der Wurzeln von Pisum Vieia, Lens, wobei die Zeit constant (20 h.) genommen ist; die Länge der Abseissen in der Richtung von A. nach X, entspricht der Grösse des markirten Wurzelstückes von der Spitze aufwärts; die Coordinaten ent- sprechen der Grösse des Zuwachses des entsprechenden Wurzelstückes nach 20stündigem Wachsthum. (Zu Seite 3.) Eine ursprünglich gerade und in Abständen von 0,5 mm. graduirte Wur- zel der Erbse in der Richtung aufwärts aufgestellt («), dann in der Zone des grössten Wachsthums zwischen 3,5 und 4mm. abwärts gekrümmt. (Zu Seite 4.) Eine gerade, senkrecht abwärts gewachsene und in Abständen von 0,5 mm. graduirte Erbsenwurzel, deren äusserste Spitze (Sp.) abgeschnit- ten, wurde in horizontaler Stellung befestigt; die Wurzel verlängert sich beträchtlich, ist aber einer Abwärtskrümmung unfähig. (Zu Seite 21.) Eine auf gleiche Weise (wie II’) behandelte Erbsenwurzel; sie hatte zunächst sich ebenfalls gerade weiter entwickelt; nach 5 Tagen brach aber aus der Schnittfläche (sf) eine neue Wurzelspitze (nws) hervor, die dann der Schwere folgend sich abwärts krümmte. (Zu Seite 21.) versinnlicht den auf Seite $ beschriebenen Apparat, wo das Wasserrad (wr) bei seiner Umdrehung mittelst der in den Pendelschlitz (psch) des um die Achse (a) drehbaren Pendels (p) eingreifenden Kurbel (k) das Pendel in eine schnelle Schwingung versetzte. Oben am Pendel befin- det sich der Glaskolben (glk), in dem die Samen zum Wachsen ange- bracht waren. Fig. IV, Fig. V. 30 stellt die in Fig. 2° mit sg bezeichnete Stelle eines senkrecht zu der Krümmungsebene dieser Wurzel geführten Schnittes dar; (ep) Epider- mis, (rp) Rindenparenchym, (gbs) Gefässbündelscheide, (lzb) Leitzell- bündel, (h) Holzzellen, (g) Gefässe. (Zu Seite 17.) Die Zellen der dem Nadir zugekehrten Wurzelhälfte sind kleiner als diejenigen der dem Zenithe zugewendeten; auch sind die Zellreihen der oberen Kante (b) regelmässig gespannt, während die der unteren in ihrer Anordnung gestört und Falten (a) bilden. (Vergl. Seite IS.) Der Inhalt der unteren Zellschichten der \Wurzel ist viel dichter als derjenige der oberen. (Vergl. Seite 24.) Eine Wurzel von Zea Mays, die zunächst in der Lage a. an die Wasser- oberfläche (wo) angelangt, sich in Richtung von b. aufwärtskrümmte, dann wiederum in der Richtung von c. abwärts, in jener von d. aufwärts, und 16 Mal hintereinander dergleichen Krümmungen ausführte; die Adventivwurzeln wurden bald bei ihrem Hervorbrechen abgeschnitten. (Vergl. Seite 25.) Ueber die Lage und die Richtung schwimmender und submerser Pflanzentheile. Von Dr. A. B. Frank. Il. Schwimmende Pilanzentheile. Die Erscheinung, dass die Blätter gewisser Wasserpflanzen ihre natürliche Lage auf der Oberfläche des Wassers haben, scheint auf den ersten Blick sich hinlänglich zu erklären aus dem Umstande, dass sie specifisch leichter sind als Wasser, und aus der Annahme, dass die Blattflächen, wie in zahlreichen anderen Fällen, einen Helio- tropismus besitzen, der ihre horizontale Lage zur Folge hat. Das Folgende wird zeigen, dass dieses allein zur Erklärung nicht hinreicht. Wenn man Wasserpflanzen mit Schwimmblättern in Gewässern verschiedener Tiefe beobachtet, so überzeugt man sich, dass jedes Blatt mehrerer Mittel bedarf, um seine Lamina in natürliche Lage auf der Oberfläche des Wassers zu versetzen. Diese Lage ist näm- lich erstens bedingt durch das Maass des Längenwachsthums des Stieles, welches allemal mindestens gleichkommen muss der Entfer- nung des Wässerspiegels von dem Befestigungspunkte der Blattba- sis; zweitens durch die Richtung des Stieles, welche gegeben ist in seiner Gestalt und in dem Winkel, den er mit dem Tragsprosse bil- det, und endlich durch den Winkel, in welchem die Lamina jeweils dem Stiele angefügt ist. Jedes Blatt richtet sich mit diesen Mitteln seinem Bedürfnisse entsprechend ein, und zwar wird von dieser Fähig- keit Gebrauch gemacht, sowohl wenn die einzelnen Blätter hinsicht- lich der Insertionspunkte und des Alters in von einander abweichenden Verhältnissen zum Niveau sich befinden, als auch wenn die Tiefe des ganzen Gewässers zufällig sich ändert. Es muss daher ein dank- barer Gegenstand sein, die Art und Weise wie jene Mittel angewen- det werden, zu ermitteln und nach den Ursachen zu forschen, die diesen Erscheinungen zu Grunde liegen. - 1. Das Wachsthum des Stieles. Wasserpflanzen, welche mit einem Rhizome auf dem Grunde der Gewässer befestigt sind und ihre Schwimmblätter auf dem Niveau ausbreiten, wie Nymphaea alba und Nuphar luteum, haben, wenn sie in ruhigen Gewässern wachsen, Blattstiele, deren Längen immer ungefähr der Tiefe des Wassers gleichkommen. In seichten Pfützen und seichten Teichstellen sind die Stiele auffallend kurz, in tiefen Teichen äusserst lang. Bei den gegebenen Verhältnissen ist die Fähig- keit der Pflanze, das Wachsthum der Stiele hiernach zu reguliren, unentbehrlich, um den Blattflächen in jedem Falle ihre natürliche Lage zu ermöglichen. 4 Wasserpflanzen, die nicht auf dem Grunde befestigt sind, sondern im Wasser frei schweben, wie Hydrocharis morsus ranae, halten sich immer, während die Blattflächen schwimmen, nahe unter der Oberfläche, steigen und fallen mit dieser. Gleichwohl bedürfen auch sie der eben bezeichneten Fähigkeit; zunächst desshalb, weil die Ent- fernung zwischen den schon vorhandenen schwimmendenBlattflächen und dem Stocke eine gegebene ist, nach welcher sich die Verlängerung des Stieles der später erscheinenden Blätter richten muss, wenn diese ebenfalls schwimmend werden sollen. Auch kommt Hydrocharis unter gewöhnlichen Umständen oft in die Lage, wo sie jenes Mit- tels bedarf. Bisweilen wächst sie an Stellen, wo das Wasser nur seicht den Boden überzieht, und wo die Tiefe desselben nicht ent- fernt der sonst gewöhnlichen Länge der Blattstiele entspricht, indem der Stock dicht unterhalb des Wasserspiegels liegen muss. Hier sind nun auch die Blattstiele auffallend kurz: während dieselben für gewöhnlich 60 bis 80 Mm. lang sind, erreichen sie hier oft nur eine Länge von kaum 20, ja 10 Mm. Ueberdies wird: das Folgende zeigen, dass unsere Pflanze, wenn man sie künstlich auf dem Boden tiefen Wassers fixirt, sich ebenso verhält wie die von Natur auf dem Wassergrunde befestigten. Aus diesem Grunde, und weil Hydrocharis ein besonders geeignetes Versuchsobjeet ist, habe ich an ihr eine Reihe Versuche angestellt, welche die Beantwortung der aufgewor- fenen Fragen zum Zwecke haben. Zunächst war zu constatiren, dass ein und dasselbe Individuum in seinen Einrichtungen nicht von vornherein für bestimmte Tiefen- verhältnisse prädestinirt ist, sondern dass es die Fähigkeit besitzt, zu irgend einer Zeit während seiner Entwickelung zufällig eingetre- tenen Veränderungen sich wiederum zu accommodiren. Accommodation nach Versetzen in grössere Tiefen. Ich 33 brachte in hohe Glasgefässe, die mit Wasser gefüllt waren, aus Tei- chen genommene normale Hydrocharis, die noeh im Austreiben ihrer Blätter begriffen war, indem ich die Pflanzen an schwere Körper der- gestalt befestigte, dass wenn letztere auf dem Boden des Gefässes lagen, jene ganz submers waren und die Ebene der Blätterrosette ein beträchtliches Stück unter dem Wasserspiegel sich befand. Die Befestigung mittelst eines Fadens gestattete der Pflanze auch hier ihre hydrostatische Gleichgewichtslage anzunehmen, bei welcher die Rosette unter Wasser ebenfalls horizontale Riehtung behielt. Der Erfolg bestand allemal zunächst darin, dass die Ebene der Blät- terrosette nach kurzer Zeit ihre Gleichmässigkeit verlor. Die Stiele der vorhandenen fertigen Blätter wuchsen noch etwas, aber hielten nicht gleichen Schritt: die ältesten verlängerten sich gar nicht oder nur schr wenig; je jünger aber das Blatt war, desto erheblicher wurde diese Verlängerung, und so kamen die Blattflächen aus der gemeinsamen Horizontalebene, die sie bis dahin schon seit einiger Zeit eingenommen hatten. Keines, auch nicht das jüngste der am Anfange des Versuches fertigen Blätter erreichte aber den Wasser- spiegel, wenn die Versenkung nur einigermassen beträchtlich war. Die nun neu hervorkommenden Blätter schossen rasch auf; das erste erreichte aber auch in der Regel das Niveau noch nicht, wenngleich es länger wurde als das vorhergehende. Jedes nächstfolgende Blatt beschleunigte aber sein Wachsthum immer mehr und erreichte immer grössere Länge, so dass nun in der Regel das zweite oder dritte der während des Versuches neu hervorgetretenen Blätter mit seiner Lamina auf dem Wasserspiegel erschien. Die darauf folgenden Blät- ter kamen nun alle bis auf die Oberfläche, und so wurden von nun an wieder nahezu gleiche Blattstiellängen erreicht. Die alten submers gebliebenen Blätter erhielten sich lange lebendig; später starben sie, wie es überhaupt immer mit den ältesten zu geschehen pflegt, in der Reihenfolge ihres Alters ab. Ein Bild von diesen Vorgängen mögen die nachstehenden Protokolle einiger aus einer grösseren Zahl herausgegriffener Versuche geben. A. Abstand der Terminalknospe vom Niveau = 139 Mm., desgl. der Blätterebene —= 110 Mm., Stiellänge eines jeden der beiden Jüngsten ausgebildeten Blätter (A und B) = 29 Mm. 2. Tag. Stiel A = 29 Mm., Stiel B= 37 Mm. Ein neues Blatt C in Streekung begriffen, seine Lamina bereits höher als die von A und B. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft II, 5 34 4. Tag. Stiel A = 30 Mm., Stiel B= 40 Mm., Stil C = 61 Mm. Ein neues Blatt D tritt auf. 11. Tag. Stiel A = 30 Mm., Stiel B== 44 Mm., Stiel. C = 66 Mm., Stiel D= 139 Mm. mit schwimmender Lamina. Ein neues Blatt E im Aufwachsen begriffen. 14. Tag. Ebenso. Stiel E = 139 Mm. mit schwimmender Lamina. B. Abstand der Terminalknospe vom Niveau = 110 Mm., desgl. der Blätterebene = 82 Mm. Stiellänge der drei jüngsten ausgebil- deten Blätter (A, B und C) durchschnittlich = 23 Mm. 3. Tag. Stiel’ A: 28..Mm., »Stiel-B-==133 Mm;, Stiel Cı= 37 Mm. Ein neues Blatt D ist entwickelt, sein Stiel 44 Mm. 6.’ Tag. « ‚Stiel A: =.,28:!Mm., ;Stiel-B = 33 :Mm.„«Stiel.C = 37 Mm., Stiel D = 55 Mm. Ein neues Blatt E schiesst auf. 13. Tag. Stiel A-> 283 Mim.,. Stiel B.== 33 .Mm;, ‚Stiel;C. = 37 Mm., Stiel D= 55 Mm., Stiel E = 85 Mm. Ein neues Blatt F tritt aus der Knospe. 18. Tag. Kbenso. Stiel F = 115 Mm. mit schwimmender Lamina. 22. Tag. Ebenso. Ein neues Blatt G tritt aus der Knospe. 25. Tag. Ebenso. Stiel G = 110 Mm. mit schwimmender Lamina. Accommodation nach Versetzen in geringere Tiefen. Aus Teichen genommene Aydrocharis mit normalen ziemlich langen Blättern wurde in eine flache Schale mit Wasser gesetzt, so dass der Wasserspiegel nur bis an die Terminalknospe reichte. Die vor- handenen fertigen Blätter ragten dabei natürlich weit aus dem Wasser hervor, neigten aber wegen Schlaffheit zum Theil mit der Blattfläche in’s Wasser nieder. Die nun hervorkommenden neuen Blätter bogen sich alsbald mit ihren Stielen rückwärts, wodurch den Blattflächen die Lage auf dem Wasserspiegel gestattet wurde. Ueberdies blieben die Stiele ungewöhnlich kurz: während z. B. das vorhergehende unter normalen Verhältnissen gebildete Blatt einen 79 Mm. langen Stiel hatte, wurde derselbe an dem nächsten im seichten Wasser ausgetriebenen Blatte nur 23 Mm., am folgenden 19,5 Mm. lang. Noch grössere Contraste wurden erzielt, als ich ein Individuum, welches bis dahin künstlich in ungewöhnlich tiefer Versenkung gehal- ten worden war und hier seine jüngsten Blätter wieder auf das Niveau gebracht hatte bei 110 Mm. Stiellänge, in eine flache Schale mit Wasser setzte, wo der Wasserspiegel dicht über der Terminal- 35 knospe lag. Das jetzt hervorkommende nächste Blatt liess seinen Stiel nur auf 15 Mm. Länge heranwachsen, wobei die Lamina voll- ständig auf der Oberfläche des Wassers sich ausbreiten konnte. Der Wachsthumsgang des Hydrocharisblattstieles überhaupt. Es entsteht zunächst die Frage, nach welcher Regel überhaupt das Longitudinalwachsthum der Blattstiele der Hydrocharis erfolgt, und in welcher Beziehung dieselbe zu den verschiedenen Effeeten steht, die bei verschiedener Tiefe der Pflanze an den S$tiel- längen hervortreten. Um dies zu beantworten, setzte ich normal entwickelte ydrocharis in gewöhnlicher schwimmender Lage auf hinreichend tiefes Wasser und brachte an den Stielen der jungen aus der Knospe hervorgetretenen Blätter, wenn diese ihre lebhafte Längsstreekung begannen, Quertheilungen an in Gestalt von Marken, die mit schwarzem Lack aufgetragen wurden, so zwar, dass der Stiel halbirt und die obere Hälfte nochmals halbgetheilt wurde. Während der nun folgenden kräftigen Streckung, welche fortdauert, bis die Laminae das Niveau erreicht haben, rücken die Marken proportional auseinander, so dass sie schliesslich an den weit länger gewordenen Stielen noch immer die Mitte und das obere Viertel einnehmen; seltener kommt es vor, dass das erste der beiden oberen Viertel ein wenig länger ist als das darüberstehende. Hierauf gehen die Ver- längerungen eine Zeit lang, aber ungleich schwächer weiter; die Blattflächen erhalten sich dabei immer schwimmend, was dadurch möglich wird, dass die Stiele sich allmählich etwas schräger nach aussen stellen. Bei diesen letzten Streekungen ergiebt sich aber ein anderes Bild der Theilungen des Stieles, was allemal wiederkehrt und durch folgendes Beispiel charakterisirt werden kann. Der Stiel hatte, als die Lamina auf dem Niveau erschienen war, eine Länge von 50 Mm. erreicht und zeigte seine Marken noch in den propor- tionalen Distanzen wie Anfangs; die Abschnitte von unten nach oben hatten also Längen von 25 Mm., 12,5 Mm., 12,5 Mm. Nach 13 Tagen, während welcher Zeit schon mehrere neue Blätter fertig geworden waren, mass jener Stiel 56,5 Mm. und die drei Theile in derselben Reihenfolge waren dabei 26 Mm., 15,25 Mm., 15,25 Mm. lang gewor- den. Dieses giebt eine procentische Verlängerung der drei Theile in der gleichen Zeit während des letzten Wachsthumes um 4%, 22% und 22%. Ferner brachte ich ebensolche Marken an den Blattstielen künst- lich versenkt gehaltener Individuen an, zur Zeit, wo die Blätter noch kurz waren. Ein Stiel, der 22 Mm. lang war, als er die Theilstriche erhielt, zeigte bei 63 Mm. Länge, wobei die Lamina die Oberfläche gt noch nicht erreicht hatte, die Marken noch immer ziemlich genau in proportionalen Entfernungen zu 5, 4 und 4. Darauf ging die Verlängerung noch weiter fort, nun aber wiederum unter vorherr- schender Streckung der oberen Regionen. Es betrugen nämlich, als der Stiel, ohne dass die Lamina schwimmend geworden war, sein Wachsthum bei einer Länge von 73 Mm. eingestellt hatte, die Theil- stücke von unten nach oben 32 Mm., 19,5 Mm. und 22,5 Mm. Dies ergiebt also seit der vorigen Messung eine Streekung der drei Theile um 1,6%, 11,5% und 60,7%. Ein anderes ebenso getheiltes Blatt, welches aber aus tiefer Versenkung schliesslich seine Lamina bis auf den Wasserspiegel heraufbrachte, hatte noch bei einer Länge von 70 Mm. seine Theilstriche in proportionalen Abständen. Die weitere Verlängerung, die bis zum Erscheinen der Lamina auf dem Niveau fortdauerte, geschah nun wiederum unter vorherrschender Streckung der obersten Theile, denn es betrugen schliesslich bei einer Gesammtlänge des Stieles von 93 Mm. die Distanzen der Mar- ken von unten nach oben 42,5 Mm., 21,5 Mm. und 29 Mm., was einen procentischen Zuwachs während der Schlussperiode der Streckung von 21,4, 22,9 und 65,7 bedeutet. Endlich wurden auch Pflanzen in ganz seichtes Wasser gebracht und die eben erschienenen Blattstiele in der nämlichen Weise mit Marken versehen. So mass z. B. ein solcher Stiel um diese Zeit 21 Mm., seine Theilstücke also zunächst 10,5, 5,2 und 5,2 Mm. Als seine Lamina alsbald auf dem Niveau ausgebreitet war, betrug die Länge des ganzen Stieles 238 Mm. und die seiner Theilstücke in derselben Reihenfolge 13,5, 7,2 und 7,2 Mm. Es war also bis jetzt die Streekung überall noch mit gleicher Intensität erfolgt. Nach einiger Zeit war der Stiel noch bis auf 31 Mm. und seine Theilstücke auf 15, 8 und 8 Mm. Länge gewachsen, und in einem letzten Stadium wurde eine Gesammtlänge von 32 Mm. mit Theillängen von 15, 8,2 und 8,8 Mm. gefunden. Die Lamina hatte sich während dieser Zeit immer schwim- mend gehalten. Von der Zeit an, da die Blattfläche auf dem Niveau sich ausgebreitet hatte, bis zum Abschlusse des Wachsthumes waren also die Theile länger geworden um 10, 12,2 und 18,2%; und von der vorletzten Messung bis zur letzten um 0, 2,4 und 9,1%. Aus Vorstehendem geht erstens hervor, dass die Streckung des Blattstieles der Hydrocharis bis zu einem vorgerückten Stadium auf der ganzen Länge in gleichem Schritte erfolgt. Zweitens ergiebt sich, dass zwar unter allen Umständen, mag das Blatt je nach den Distan- zen seiner Basis vom Wasserspiegel eine gewöhnliche mittlere oder eine excessiv grosse oder abnorm geringe Länge annehmen, im 37 Schlussstadium der Stielstreckung die acropetale Hälfte, und insbe- sondere das obere Endstück des Stieles allein oder doch relativ am energischsten im Wachsthume fortfährt. Indessen ist aus den obigen Zahlen ersichtlich, wie doch in dem Antheile, welchen diese stärkere Streckung des Endstückes an der Gesammtlänge des Stieles nimmt, je nach den Verhältnissen des Blattes zum Wasserspiegel, ein bemerklieher Unterschied zu Tage tritt. Der Blattstiel des in gewöhnlicher Weise schwimmenden Individuums hatte eine Gesammt- länge von 56,5 Mm. erreicht; sein oberes Viertel hätte mithin bei gleichmässiger Streckung aller Theile 14,1 Mm. lang werden müssen, war aber auf 15,25 herangewachsen, mithin um 1,15 Mm. geför- dert worden. Und bei dem gemessenen Blatte des in ganz seichtem Wasser gehaltenenen Individuums, wo bei einer Gesammtlänge von 32 Mm. das acropetale Viertel statt S Mm. 8,5 Mm. lang wurde, betrug diese Förderung 0,8 Mm. Redueirt man beide Zahlen auf gleiche Längen, so ergiebt sich für das erstere Blatt 2,0%, für das zweite 2,5%, d.h. der Antheii, den die stärkere Streckung des End- stückes an der Gesammtlänge des Stieles hat, ist offenbar in beiden Fällen ein annähernd gleicher. Dagegen war das obere Viertel des aus tiefer Versenkung nach dem Wasserspiegel gewachsenen Blatt- stieles bei einer Stiellänge von 93 Mm. statt 23,2 Mm., wie es bei allenthalben gleicher Streekung hätte sein müssen, 29 Mm. lang gewor- den, was eine Förderung um 5,85 Mm. oder um 6,2% ergiebt. Wenn also das Blatt aus tiefer Versenkung vermittelst kräftiger Streckung bis an die Oberfläche heraufwächst, so ist der Antheil, welchen die regelmässig zuletzt eintretende relative Förderung des Wachsthumes im oberen Endstücke an der ganzen Länge des Stieles hat, ein un- gleich grösserer als unter anderen Verhältnissen. Damit ist aber durchaus nicht gesagt, dass die ungewöhnliche Streekung der Stiele bei tiefer Versenkung allein zurückzuführen sei auf die erhöhte Förderung des Wachsthumes im acropetalen Ende. Denn wenn wir die Zahlen, welche in jenen drei Fällen diese För- derung ausdrücken, 1,15, 0,8 und 5,8 Mm. vergleichen mit den zuge- hörigen ganzen Stiellängen 56,5, 32 und 93 Mm., so springt in die Augen, dass sie nicht entfernt ausreichen um die Unterschiede die- ser drei letzten Zahlen zu erzeugen. Mit anderen Worten: bei der grösseren oder geringeren Streckung, welche der Blattstiel je nach den Tiefenverhältnissen zu vollziehen hat, um die Blattfläche auf den Wasserspiegel zu erheben, ist das Mass des Gesammtwachsthu- mes des Stieles in allen Theilen ein entsprechend erhöhtes oder gemindertes. Zugleich stellt sich aber nach Obigem heraus, dass 38 die Stiele tief versenkter Pflanzen in der zuletzt noch längere Zeit allein oder überwiegend fortdauernden Streckung der acropetalen Endstücke ein Mittel haben, um den erstrebten Effect der Erhebung der Lamina auf den Wasserspiegel, wenn schon eher die Gesammt- streckung des Stieles ihre natürliche Endschaft erreicht hat, doch noch zuletzt hervorbringen zu können. Beziehung des Stielwachsthumes zu äusseren Ein- flüssen. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass die /ydrocharis- blattstiele unter sonst normalen Verhältnissen lediglich durch den Umstand, dass ihre Lamina gänzlich von Wasser umspült oder mit Luft in Berührung steht, zu einem lange dauernden und lebhaften Längenwachsthume angeregt oder zu einer Beschränkung und vor- zeitigen Abkürzung desselben veranlasst werden. Sonst ist man im Pflauzenreiche gewöhnt, ein besonders hohes oder geringes Mass von Streckung in die Länge wachsender Organe, zumal der Blattstiele, als Folge der Einwirkung von Dunkelheit oder Beleuchtung ein- treten zu sehen. Es gewinnt daher hier auch noch die Frage Interesse, wie sich das Wachsthum der Aydrocharisblattstiele im Dunkeln bei bestimmten Tiefen des Wassers gestaltet. Wenn man unsere Pflanze in constante Dunkelheit versetzt, so geschieht es bis- weilen, dass, ohne dass dieselbe abstirbt, jegliches Wachsthum eingestellt wird, vermuthlich weil bei diesen Gewächsen Assimilation und Verbrauch des Assimilirten schr rasch einander folgen. Oft aber gehen Wachsthum und Neubildungen auch noch eine Zeit lang fort. In diesem Falle bleibt die Aydrocharis schwimmend, indem ihre bis dahin fertigen Blätter die horizontale Lage der Blattflächen auf dem Wasserspiegel unverändert beibehalten. Aber auch die neu hervortretenden Blätter wachsen nur bis an das Niveau herauf und breiten ihre Lamina ebenfalls auf diesem aus. Nur wird oft durch den Mangel des Lichtes die Aufrollung und die definitive Horizontal- richtung der Lamina erschwert und verzögert: es kommt vor, dass die Blattfläche zunächst noch halb zusammengerollt aus dem Wasser in schiefer Richtung hervortaucht. Aber sobald die träge Aufrol- lung vollendet ist, und sie wird es auch in der Dunkelheit, legt sich die Lamina in natürliche Lage auf das Niveau; der Stiel wächst nicht stärker in die Länge, als seine im Lichte gebildeten Vorgänger. Die Wirkung der Dunkelheit beschränkt sich hier nur auf eine Ver- kleinerung der Blattfläche und auf die Etiolirung der Chlorophylil- körner. Somit ist hier die Streckung des Stieles von Beleuchtungs- verhältnissen ganz unabhängig: es vermögen die Stiele eine an das Etiolement bei anderen Pflanzen erinnernde ungewöhnlich starke 39 Streekung bei voller Beleuchtung anzunehmen, sobald sie nur tief im Wasser stehen, und andererseits wiederum im Dunkeln das Län- genwachsthum auf ein ungewöhnlich geringes Mass zu redueiren, wenn der Wasserspiegel nahe über der Knospe sich befindet. Die bisherigen Ergebnisse berechtigen nun aber noch immer nicht zu dem allerdings nahe liegenden Urtheile, dass es bei der Bemes- sung des Stielwachsthumes unserer Pflanze lediglich auf den Umstand ankommt, ob die Lamina an ihrer Oberseite an Luft oder an Was- ser grenzt. Denn wenn ein Zydrocharisblatt ein Stück unterhalb des Wasserniveaus sich befindet, so ist die blosse Benetzung der Ober- seite nicht die einzige Veränderung in den äusseren Verhältnissen, der das Blatt jetzt unterliegt. Es ist ja auch der Druck, der auf den Oberflächen des Blattes lastet, bei Versenkung desselben grösser als bei oberflächlicher Lage, nämlich immer um das Gewicht der Wassersäule, welche zwischen ihm und dem Wasserspiegel steht. Bei der Dünne der Lamina kann man ohne Fehler annehmen, dass der Oberflächendruck auf beiden Seiten derselben ein gleicher ist: er würde also bei schwimmenden Blättern gerade gleich sein dem Drucke der Atmosphäre, bei versenkten diesem plus dem Gewichte der über ihnen stehenden Wassersäule.. Wenn es sich um die Frage handelt, ob eine Empfindlichkeit für diese Verhältnisse massgebend bei dem Wacehsthume der Blattstiele ist, so ist zunächst zu beachten, dass die Pflanze diesen Verhältnissen gegenüber in einer zwiefachen Lage sich befinden kann. Denken wir uns eine tief versenkte Pflanze, die aber bereits schwimmende Blätter besitzt, so ist der Druck, wel- chem die letzteren ausgesetzt sind, ein ungleich schwächerer als der- jenige, unter welchem sich die neu aus dem Stocke hervorkommen- den tief versenkten Blätter befinden. Man begreift, dass unter die- sen Gesichtspunkt auch die spontan wachsenden Pflanzen fallen, die nicht auf dem Grunde befestigt sind, wenn sie, wie in der Regel, so lange Stiele haben, dass die Knospe ein beträchtliches Stück unter dem Wasserspiegel liegt. In diesem Falle würde offenbar die Y/ydro- charis die Druckkräfte, denen beiderlei Blätter ausgesetzt sind, gegen- einander abmessen, vergleichen können; sie würde in dem constan- ten Drucke der schwimmenden Blätter einen Massstab haben, an welchem sie das allmähliche Gleichwerden des sich mindernden Ober- flächendruckes an dem immer höher wachsenden neuen Blatte bemer- ken kann. Es lässt sich aber auch der andere Fall denken, dass die Pflanze mit allen ihren Gliedern tief submers sich befindet und dennoch, wie die obigen Versuche ja mehrfach erwiesen haben, mit ihren Blattstielen gerade bis ans Niveau hinaufwächst. Hier würde 40 ihr jener Massstab abgehen; sie wäre ja nicht im Stande mit irgend einem Gliede zu fühlen, wie stark jetzt gerade der atmosphärische Druck allein ist. Wollte man also die Empfindlichkeit für den Ober- flächendruck der Blätter zur Erklärung benutzen, so würde man in diesem Falle genöthigt sein, entweder der Pflanze eine Erinnerung an früher gehabte Eindrücke zuzuschreiben, oder bei ihr eine Empfin- dung für absolute Druckgrössen vorauszusetzen, welche die Species ursprünglich durch Anpassung an die gegebenen gewöhnlichen Vege- tationsverhältnisse sich erworben und durch Vererbung erhalten hat, und mittelst deren sie wenigstens ungewöhnlich grosser Abweichun- gen von den gewöhnlichen Druckgrössen inne wird. Es handelt sich also darum, experimentell zu entscheiden, ob das Wachsthum der Blattstiele der Aydrocharis von den bezeichneten Druckverhältnissen abhängig ist, ob man also die gewöhnlichen Resultate auch dann erzielt, wenn nur die entsprechenden Druck- kräfte auf die Blätter influiren, die Nivcauverhältnisse aber andere sind. Das auf den ersten der vorstehend erörterten zwei Fälle bezüg- liche Experiment wurde in folgender Weise ausgeführt. Auf dem Boden eines geräumigen Glasgefässes befestigte ich ein mit zwei fer- tigen Blättern verschenes Individuum, welches bis dahin schwimmend vegetirt hatte, und füllte das Gefäss weit mit Wasser an, so dass die Pflanze tief submers sich befand. Zunächst liess ich derselben Zeit, wieder Schwimmblätter zu erzeugen. Nach 11 Tagen waren die Stiele der beiden schon vorhandenen ältesten Blätter 39 und 57, der des nächsten unterdessen fertig gewordenen Blattes 85 Mm. lang. Von diesen Blättern war keines auf dem Niveau erschienen. Dage- gen hatte das vierte nun ebenfalls ausgebildete Blatt bei einer Stiel- länge von 118 Mm. schwimmende Lage angenommen. Nun brachte ich eine Luft enthaltende Glasglocke unter das Wasser und befestigte sie, ihre Oefinung nach unten gekehrt, so dass sie gerade über der Knospe stand und zwar mit ihrem unteren Rande in einer Entfernung von 69 Mm. von jener. Aus dem Gefässe wurde dann so viel Was- ser weggenommen, dass die Oberfläche wieder 118 Mm. von dem Stocke der Pflanze entfernt war. Es waren somit dieser Pflanze zwei verschiedene Niveaus dargeboten: das für das schon vorhandene Schwimmblatt bestimmte, in einer Entfernung von 118 Mm., und das andere, auf welches das nächstfolgende Blatt beim Aufwachsen tref- fen musste, in einer Entfernung von nur 69 Mm. vom Grunde. In kurzer Zeit hatte nun das fünfte Blatt das Niveau in der Glasglocke erreicht: die Lamina legte sich, während sie bis dahin sehr schräg gestanden hatte, wie gewöhnlich genau horizontal auf das Wasser, 41 so dass die Oberseite nur von Luft benetzt wurde. Nach dem gewöhn- lichen Hergange hätie man nun erwarten sollen, dass von jetzt ab das Wachsthum des Stieles eingestellt worden wäre oder doch sogleich in seiner Lebhaftigkeit bedeutend nachgelassen hätte. Dies war indessen nicht der Fall. Es muss jedoch erst bemerkt werden, dass das //ydrocharisblatt, wenn es an seiner Oberseite mit Luft in Berührung ist, solche vermöge seiner Vegetation sehr reichlich ver- zehrt. Während des l4tägigen Versuches würde die über 100 Cub.- Centim. fassende Glocke mehrmals entleert worden sein, wenn ich nicht in kurzen Zeiträumen durch Einblasen neuer Luft vermittelst einer gebogenen Glasröhre fortwährend dafür gesorgt hätte, dass die Glocke immer nahezu bis an den unteren Rand mit Luft gefüllt blieb. Auch jetzt noch fuhr der Stiel, gleich dem eines submers gehalte- nen Blattes in seiner Streckung lebhaft fort. Eine Erhebung der Lamina über das Niveau war zwar hierbei aus mechanischen Grün- den nicht möglich, indem sowohl das Gewicht derselben, als auch die Adhäsion ihrer Unterseite mit dem Wasserspiegel, ihre dauernde Lage auf dem letzteren bedingten. Vielmehr nalım der Stiel eine fortwährend sich steigernde sehr beträchtliche Krümmung an, die nur zur Folge hatte, dass die Lamina in horizontaler Richtung auf dem Niveau verschoben wurde, weswegen auch das Gestell, an welchem auswendig die untergetauchte Glocke befestigt war, ent- sprechend verrückt werden musste, um der Blattfläche immer nach: zufolgen. Die Streckung des Stieles nahm endlich so zu, dass derselbe sich ganz schief im Wasser legen musste, weil die Lamina die schwim- mende Lage auf dem so niedrigen Wasserspiegel beibehielt. In- zwischen war auch wieder ein neues Blatt erschienen und hatte, da die Glocke nicht mehr senkrecht über dem Stocke stand, in gerader Richtung bis an das eigentliche Niveau hinaufwachsen müssen, wo die Lamina bereits schwimmend geworden war. Als jenes Blatt 14 Tage lang unter der Glocke sich befunden hatte, wurde die letz- tere wieder entfernt und der frühere hohe Wasserspiegel wieder her- gestellt. Der Stiel des fünften Blattes konnte sich nun gerade rich- ten und war hinreichend lang, um mit seiner Lamina sogleich bis an’s Niveau zu reichen; so dass also auch dieses Blatt gerade ebenso schwimmen konnte wie das nächst älteste und nächst jüngste es tha- ten. Die nun sogleich vorgenommene Messung der Stiele ergab eine Länge für das vierte Blatt von 142 Mm., für das fünfte von 131 Mm., und für das sechste von 115 Mm. — Dieser Versuch beweist, dass der blosse Contact der Oberseite des Blattes mit Luft es wenigstens nicht allein ist, nach welchem das Blatt bei der Bemessung seiner 42 Längsstreckung sich richtet, sondern dass die Pflanze hierbei auch für Differenzen der auf die einzelnen Blätter wirkenden Wasserdruck- kräfte empfindlich ist. Wir kommen nun zu dem anderen Falle, wo die Pflanze mit kei- nem ihrer Blätter auf der wahren Oberfläche des Wassers sich befin- det, wo ihr also ein constanter Massstab zur Vergleichung abgeht. Ich habe hier den vorigen Versuch so abgeändert, dass eine auf dem Boden des Gefässes tief submers fixirte_ Pflanze sogleich eine mit Luft gefüllte Glasglocke übergestürzt erhielt, in deren Raum alle Blätter hineinwachsen mussten. Das dazu verwendete Individuum hatte nur ein vollkommenes Blatt, welches noch ziemlich kurzgestielt war, und eben auf der Oberfläche des Wassers sich ausgebreitet hatte. Das Niveau unter der Glasglocke befand sich 45 Mm., und das obere Niveau der ganzen Flüssigkeit 104 Mm. über der Knospe. Bereits das erste Blatt erreichte alsbald den Wasserspiegel unter der Glocke, auf welchem es nun seine Lamina wie gewöhnlich voll- kommene Schwimmlage annehmen liess. Auch hier zeigte sich sehr bald, dass die Streckung des Stieles noch lebhafter fortging als es sonst zu sein pflegt, sobald die Blattfläche schwimmend geworden ist: der Stiel begann, während die Lamina auf dem Niveau verblieb, eine stärker werdende Krümmung anzunehmen. Nach einiger Zeit erschien ein zweites Blatt und erreichte auch alsbald den Wasser- spiegel. Dieses verhielt sich jenem gleich, und nach einiger Zeit, als die Streekung der beiden Stiele augenscheinlich zu Ende war, hatten dieselben, während die Flächen noch immer vollkommen schwimmend waren, sich sehr schief legen und stark krümmen müs- sen. Der Versuch wurde nun abgebrochen und die Länge des älte- ren Blattstieles zu 79 Mm., die des jüngeren zu 74 Mm. bestimmt. Diese Längen hätten nun freilich noch nicht hingereicht, um die Blattflächen auf das 104 Mm. über der Knospe stehende eigentliche Niveau zu versetzen; allein sie sind andererseits im Verhältniss zu der anderen Niveauentfernung von 45 Mm. so ungewöhnlich gross, dass man nicht verkennen kann, wie auch in diesem Falle der durch die Wassersäule von 59 Mm. Länge erzeugte Druck auf das Längenwachsthum der Stiele fördernd gewirkt hatte. Wie wir die- ses Ergebniss zu.deuten haben, dazu scheinen mir folgende ander- weite Beobachtungen den Schlüssel zu geben. Bei allen bisherigen Versuchen sind Individuen verwendet worden, welche vorher einmal unter natürlichen Verhältnissen vegetirt hatten, und wenig- stens ein Blatt besassen, welches mit der Lawina auf der Oberfläche seines Gewässers schwimmend gelegen hatte. Da nun, wie der vorige 45 Versuch zeigt, die Pflanze wirklich eine Empfindlichkeit für Differen- zen des auf die Blätter wirkenden Druckes besitzt, so ist es immer- hin denkbar, dass in Individuen der eben bezeichneten Art, wenn sie mit allen ihren Theilen versenkt werden, der Eindruck, welcher durch die bestimmte bisherige Druckkraft erzeugt wurde, sich noch eine Zeit lang erhält, und dass somit gewissermassen diese Erinne- rung an einen gehabten Eindruck der Pflanze ebenfalls als Massstab dienen kann. Zur experimentellen Prüfung dieser Frage schienen mir die bekannten Ueberwinterungsknospen der Hydrocharis beim Beginne ihrer Vegetation im Frühjahre geeignet. Beim Austriebe dieser Knospen, welche den Winter über auf dem Grunde des Wassers liegen und im Frühjahre auf der Oberfläche schwimmend gefunden werden, erscheinen zuerst einige sehr unvollkommene Blätter, welehe aus einem kurzen Stielchen und einem nur wenige Linien breiten Rudimente einer Blattfläche bestehen. Diese Organe sind chlo:o- phyllarm, durch geröthete Zellsäfte ganz dunkel gefärbt und verrich- ten augenscheinlich nicht die von den später erscheinenden vollkom- menen Blättern ausgeübte Funetion. Sie werden auch nicht in schwinm- mende Lage versetzt, sondern stehen gleichmässig ihrer Anlagerich- tung entsprechend vom Grunde der Knospe ab, die um diese Zeit überhaupt noch keine bestimmte Lage auf dem Wasser einnimmt. Eine Anzahl Knospen in diesem Entiwickelungszustande befestigte ich auf dem Boden eines hoch mit Wasser angefüllten Glasgefässes derart, dass ihre Spitzen nach oben gekehrt waren. Gleichzeitig befanden sich in einem anderen daneben stehenden Gefässe andere Knospen gleicher Art in natürlicher Lage auf der Wasseroberfläche. In bei- den Fällen ging die Vegetation. vor sich; während aber die letzteren Knospen in der gewöhnlichen Weise alsbald grüne Blätter mit län- geren Stielen und schwimmender Fläche bekamen, so dass der Stock der Knospe tiefer in’s Wasser sich senken musste, behielten in jenem Falle alle folgenden grünen Blätter äusserst kurze Stiele, so dass die Blattflächen rosettenartig dicht um einander standen, und die Pflänz- chen ganz ähnlich denjenigen aussahen, welche am Rande der Gewäs- ser an Stellen wachsen, von denen das Wasser zeitig zurückgetreten ist. Doch verrichteten auch diese Blätter ihre Function, wie man an der Ausscheidung von Gasblasen im Sonnenlichte bemerken konnte. Obgleich der Versuch lange so stehen blieb, trat doch auch später- hin keine Streckung der Blattstiele ein. Nach der eben angeführten Reihe von Versuchen ist es unzwei- felhaft, dass bei Aydrocharis eine Schätzung der verschiedenen Wasserdruckkräfte, welche auf zwei in verschiedenen Wasserhöhen B.: . stehende Blätter oder auch auf ein und dasselbe Blatt hintereinander bei Versenkung nach schon erreichter Schwimmlage einwirken, statt- findet und dass diese Beurtheilung vorzugsweise das Mass der Längs- streekung der Stiele regulirt. Unter diesen Umständen drängt sich nun die anderweite Frage auf, ob unserer Pflanze auch ausser- dem eine Beurtheilung über die luftförmige oder tropfbar flüssige Beschaffenheit des mit der Blattoberseite in Contact stehenden Mediums zusteht und auch diese Fähigkeit in gleichem Sinne der Pflanze einen Dienst leistet wie jene. Es ist daran zu erinnern, dass nach den Ergebnissen der letzten Versuchsreihe auch kein einziger der vorher angeführten Versuche mehr die Annahme einer Fähigkeit den Aggre- gatzustand des die Blattoberseite benetzenden Mediums zu beur- theilen erfordert. Man kann in jedem Falle sagen, dass die Pflanze nach dem ihr gleichzeitig gegebenen oder von früheren her ihr noch erhaltenen Eindrucke der bestimmten bei cberflächlicher Lage der Blatt- fläche erzeugten Druckkraft, die Längsstreckung ihrer Stiele so lange fort- setzt, bis der auf das Blatt wirkende Druck jenem gleich geworden ist. Unser letzter Versuch aber zeigt sogar, dass die Pflanze sich gar nicht nach dem Aggregatzustande des Mediums zu richten ver- mag zu der Zeit, wo die ersten vollkommenen Blätter der Ueber- winterungsknospe hervorkommen, dass es hierbei vielmehr allein auf die Druckkräfte, denen die Blätter ausgesetzt sind, ankommt, indem wenn die Knospe in einer bestimmten Tiefe befestigt ist, alle fol- genden Blätter ihre Stiele nicht stärker strecken als das erste Blatt. Es ist daher nöthig die soeben aufgeworfene Frage ebenfalls durch ein Experiment zu beantworten. Haben wir in jenem Falle Gleichheit der die Oberseiten benetzenden Medien und Differenz der Druckkräfte in den Versuch einführen müssen, so bedarf es hier einer Gleichheit der Druckkräfte und einer Variabilität des Aggregatzu- standes. Dieses Verhältniss glaubte ich nicht anders als dadurch her- stellen zu können, dass ich für ein dauerndes Benetztsein der Oberseiten schwimmender Blätter Sorge trug. Bekanntlich ist diese Seite durch die Beschaffenheit ihrer Cuticula von Natur sehr wirkungsvoll vor jeder nur einigermassen dauernden Benetzung mit Wasser bei ober- flächlicher Lage geschützt, indem dieses sich immer alsbald von der ganzen Oberfläche oder doch deren grösstem Theile zurückzieht, wobei der nierenförmige Ausschnitt der Lamina an der Stielinsertion, wel- cher der tiefste Punkt derselben ist, das Abfliessen des Wassers sichert. Um dauernde Benetzung bei sehwimmender Lage zu erzie- len, machte ich aus ganz dünnem Fliesspapier Ausschnitte, an Grösse 45 und Gestalt des Umfanges demjenigen des Versuchsblattes gleich, und legte dieselben dergestalt auf die Oberfläche des schwimmenden Blattes, dass diese vollständig bedeekt wurde. Da das Papier sich sogleich mit Wasser tränkt, so wurde auch zwischen ihm und der Blattoberfläche eine ganz dünne die letztere benetzende Wasserschicht gebildet. Es war beim Auflegen schr leicht, die Anwesenheit jeder zufälligen Luftblase unter dem Papiere zu vermeiden; auch später bildeten sich solehe nicht, weil aus der Oberseite des Blattes eine Ausscheidung von Luft, wobei sich Blasen bilden, nicht erfolgt, auch nicht bei Insolation, vorausgesetzt dass jene Blattseite keinerlei Wun- den besitzt. Auf den letzteren Umstand musste daher bei der Aus- wahl der Blätter Rücksicht genommen werden. Minder leicht war es, ein späterhin leicht eintretendes Herabgleiten des Papierstückes zu verhüten. Ich verwendete immer nur Blätter mit recht genauer Horizontallage der Lamina, und wenn späterhin, was nicht selten geschah, die Blattfläche ihre wagerechte Lage verlor, so wurde das Herabgleiten des Papieres zu verhindern gesucht, indem ein schma- les Papierstreifehen als Reiterchen über den erhöhten Blattrand gelegt wurde. Die Last des Papieres würde, auch wenn sie in ihrer ganzen Grösse auf das Blatt selbst gedrückt hätte, als überaus gering- fügig anzusehen gewesen sein; allein das Papier wurde von der zwischen ihm und dem Blatte sich hinziehenden dünnen Wasserschicht in halb schwimmender Lage erhalten, was sich in der äusserst leich- ten Beweglichkeit des Papierstückes in horizontaler Richtung deut- lich genug aussprach. Die über dem Blatte stehende Wasserschicht war aber so dünn, das ihr Druck auf das Blatt offenbar nicht in Betracht kam. Ich wählte nun zu dem Versuche solche Individuen, welche in ziemlich seichtem Wasser in natürlicher schwimmender Lage sich befunden hatten, bei denen also die Stiele ziemlich kurz waren, An ihnen wurden unter den gleichen äusseren Verhältnissen die Versuche angestellt, und zwar bedeckte ich die jüngeren Blätter in dem Zeitpunkte, wo die gewöhnliche Abnahme der Stielstreekung merklich wurde, wo also der Stiel eine Länge erreicht hatte, die unter Fortdauer der normalen Verhältnisse nicht erheblich grösser geworden sein würde. Das Auflegen des Papieres hatte immer in der kürzesten Frist eine sehr auffallende Veränderung zur Folge. Während bis dahin die Streckung des Stieles ziemlich träge gewor- den und die Lage der Lamina auf dem Niveau definitiv zur Ruhe gekommen war, begann der Stiel wiederum eine lebhafte Streckung und nahm ausserdem nicht selten starke Krümmungen an. Diese rührten zum Theil jedenfalls nur daher, dass bei der Fixation des auf 46 dem Boden sich aufstützenden Stockes und bei der unveränderlichen Lage der Lamina auf dem Niveau dem Stiele die weitere beträcht- liche Verlängerung nur unter Verkrümmungen möglich war. Zum Theil aber schienen sie einen inneren Grund zu haben, indem sie oft so energisch und beträchtlich ausfielen, dass die Lamina ganz aus der horizontalen Lage gebracht, selbst geradezu im Wasser umgewendet wurde. Diese Stielkrümmungen mögen hier nicht weiter beachtet werden, es interessirt nur die Thatsache, dass immer eine Erneuerung der Streckungsenergie im Stiele stattfand. Wo sich keine Krümmungen einstellten, wurde die Lamina in Folge der Stielstreekung in gerader Linie auf dem Niveau weiter geschoben. — Es mag hier noch eine zufällig gemachte andere Beobachtung angeführt werden, die offenbar dasselbe darthut wie der eben besprochene Versuch. Wenn ich viele Hydrocharis-Pflanzen zusammen in Glasbüchsen gesetzt und einige Zeit stehen gelassen hatte, so kam es bei der Stellung, die manche Individuen hatten, vor, dass ein oder das andere neu sich erzeugende Blatt bei seinem Austriebe mit der Oberseite an der Gefässwand anlag und in Folge der fortschreitenden Verlängerung des Stieles immer noch stärker und vollkommener der Glasfläche angedrückt wurde. Schob es sich in dieser Stellung bis über den Wasserspiegel empor, so blieb vermöge der Flächenanziehung zwischen ihm und der Gefässwand eine Schicht Flüssigkeit erhalten, und es hatte sich mithin hier dasselbe Verhältniss auf andere Weise herge- stellt, wie es im vorigen Versuche stattfand. Im Einklange damit stand es denn auch, dass ich solche Blätter oft bis zu beträchtlicher Höhe über den Wasserspiegel hinaufwachsen sah und dabei immer bemerkte, wie zwischen der Gefässwand und der Blattfläche Flüssig- keit sich erhalten hatte. Letzteres war möglich, weil die Büchsen derart verschlossen oder bedeckt standen, dass die Verdunstung aus ihnen sehr gemindert war. — Aus dem Angeführten ist zu schliessen, dass das Aydrocharisblatt wenigstens in weiter vorgerücktem Zustande und wenn es schon an seiner Oberseite einmal mit Luft in Berührung gewesen ist, auch die Fähigkeit besitzt, den Aggregatzustand des die Oberseite berührenden Mediums zu beurtheilen und hiernach die Streckung seines Stieles zu reguliren. Wenn wir nun versuchen, uns eine Vorstellung darüber zu bilden, wie die Hydrocharis im Verlaufe ihrer Vegetation unter den natür- lichen Verhältnissen die im Vorstehenden aufgeklärten Fähigkeiten anwendet, so werden wir zugleich begreifen, wie unsere Pflanze im Kampf ums Dasein diese Fähigkeiten gleich den übrigen Anpassungen, die sie bei ihren Bedürfnissen nöthig hat, sich erwerben musste. 47 Wenn im Frühjahre aus den auf der Wasseroberfläche schwimmenden Ueberwinterungsknospen die ersten Laubblätter hervorkommen, so wird gemäss der Lage, die nun der Schwerpunkt des Pflänzehens bekommt, das letztere in ungefähr aufrechte Stellung versetzt, so dass die Blattflächen oben liegen müssen. Da nun, wie unten speciell gezeigt werden soll, jede Lamina vermöge einer eigenthümlichen Beweglichkeit ihrer Insertion am Stiele auf der Wasseroberfläche sich in horizontale Richtung einzustellen bestrebt ist, und da die Ober- seite derselben abstossend gegen das Wasser wirkt, so muss das erste vollkommene Blatt schwimmende Stellung einnehmen, ohne dass ein besonderes anderweites Mittel nothwendig wäre. Die Knospe liegt nunmehr also ein Stück unterhalb des Wasserspiegels. Das schwimmende Blatt befindet sich jetzt unter einem constanten Drucke, welchem der auf das nächste noch tiefer stehende Blatt wirkende Druck erst dann gleieh wird, wenn der Stiel des letzteren sich soweit streckt, um der Lamina ebenfalls die Lage auf dem Wasser- spiegel zu gestatten. Die Pflanze wendet jetzt zum ersten Male ihre Fähigkeit, die Differenzen der auf verschiedene Blätter lastenden Druckkräfte zu schätzen an; und so wird auch das zweite Blatt schwimmend. Nun bleiben aber die ersten Blätter des Stockes nicht lange erhalten; sie verlieren die Fähigkeit ihre Stiele zu strecken zeitig, und so kommt es, dass wenn das zweite Blatt, nachdem es schwimmend geworden, noch einige Zeit träge seinen Stiel zu ver- längern fortfährt, das erste Blatt dem nicht nachzukommen vermag und also wieder unter Wasser versetzt wird, wo es sich noch einige Zeit wahrscheinlich funetionslos erhält. In Folge dieses Umstandes muss der Stiel jedes folgenden Blattes immer um etwas länger werden als der des vorhergehenden, und die Pfianze kann auf diese Weise ansehnliche Stiellängen annehmen, vorausgesetzt, dass sie nicht in ganz seichtem Wasser steht. Man sieht, wie die Pflanze, um in jedem Falle alle ihre Blätter nach einander auf den Wasserspiegel zu bringen, keines anderen Mittels bedarf, als eben dieser Fähigkeit, die Differenzen der auf die einzelnen Blätter wirkenden Wasserdruck- kräfte zu beurtheilen. Dass unserer Pflanze im Kampfe ums Dasein ein soleher Sinn für Unterschiede und Gleichheit jener Kräfte ange- lernt wurde, erklärt sich daraus, dass sie eben nur dann lauter Schwimmblätter haben konnte, wenn bei Differenzen der auf ver- schiedene Blätter wirkenden Druckkräfte der Stiel des stärker gedrückten Blattes sich noch um mindestens so viel streekte bis jene Kräfte gleich waren. Individuen, die dieses nicht thaten, konnten sich eben nicht auf die Dauer erhalten. Ebenso musste unserer 48 Pflanze auch die oben nachgewiesene Fähigkeit angezüchtet werden, nach Verlust der schwimmenden Lage den gehabten Eindruck von der Grösse des auf schwimmende Blattflächen lastenden Druckes sich zu bewahren, um die versenkten Blätter gerade so weit verlängern zu können bis der frühere Druck auf die Lamina wieder hergestellt ist. Denn bei der gänzlich freien Beweglichkeit dieser Pflanzen im Wasser, bei ihrem geselligen, gedrängt stehenden Auftreten und ihrem Standorte anf den Rändern der Teiche sind mancherlei Anlässe mög- lich, dass sie hin und her verschlagen, durch einander geworfen oder unter das Wasser gedrängt werden, so dass die statischen Gesetze nicht jedesmal im Stande sind, sie wieder in natürliche Schwimm- lage zu versetzen. Man sieht also wie die zuletzt bezeichnete Fähig- keit auch unter den natürlichen Verhältnissen vielfach von der Pflanze wird angewendet werden müssen, und darin eben liegt die Erklärung, warum auch sie im Kampfe ums Dasein erworben werden musste. — Endlich sei noch darauf hingewiesen, wie das //ydrocharisblatt, sobald es einmal schwimmende Lage erreicht hat, nothwendig auch der Fähigkeit bedarf, zwischen luftförmigem und flüssigem Aggregatzu- stand des die Oberseite berührenden Mediums zu unterscheiden. Bei dem geselligen Vorkommen unserer Pflanze und ihrer Beweglich- keit auf dem Wasser ist es unvermeidlich, dass Blätter verschiede- ner Stöcke sich über- oder untereinanderschieben, und mithin das eine an der freien Lage seiner Oberseite verhindert und von Was- ser überzogen wird. Mittelst der Empfindlichkeit für Druckdifferen- zen würde sich die Pflanze hier nicht zu helfen vermögen, wohl aber ist es ihr durch den in Rede stehenden Sinn möglich, den Uebel- stand zu beurtheilen und ihn abzustellen, indem sie in diesem Falle die Streckung des Stieles wieder steigert, bis sie von demselben nichts mehr wahrnimmt. Der Umstand, dass diese Fähigkeit dem Blatte nur dann etwas nützen kann, wenn es schon einmal schwimmende Lage gehabt hat, erklärt es, ebenfalls vom Standpunkte der Darwin’schen Lehre, warum die Pflanze in früheren Lebensstadien jener Fähigkeit auch nicht theilhaftig ist, wie unser Versuch mit den in Versenkung ihre Vegetation beginnenden Ueberwinterungsknospen gezeigt hat. In diesem Stadium kommt die Pflanze unter den gewöhnlichen Verhältnissen eben allein aus mit der Fähigkeit, die Druckkräfte zu schätzen. 2. Die Richtung des Stieles. Wenn das junge Blatt der /ydrocharis aus der Knospe hervor- kommt, so richtet sich der Stiel senkrecht aufwärts; und dies geschieht, 49 gleichgültig ob die Pflanze beleuchtet oder im Dunkeln gehalten wird; selbst wenn sie in widernatürlicher Richtung im Wasser befestigt ist. Es geht daraus hervor, dass die Blattstiele unserer Pflanze mit den Blattstielen zahlreicher anderer Gewächse negativen Geotropismus gemein haben. Die Anordnung, welche die Blätter eines Hydrocharis-Stockes vermöge ihres Geotropismus unter natürlichen Verhältnissen jedes- mal gewinnen, wird nicht geändert durch einseitige Beleuchtung. Wo unsere Pflanze am natürlichen Standorte auf solehen Stellen des Wasserniveaus liegt, welehe etwa durch überragendes Buschwerk von oben und von den Seiten her stark beschattet und nur von der Höhe des Gewässers her beleuchtet werden, breitet sie ihre Blätter ebenso allseitig aus, wie auf einem Wasserspiegel, welcher von allen Richtungen des Horizontes aus gleichmässiges Licht empfängt. Ja man bemerkt sogar dann noch keine Veränderung, wenn man die Pflanzen erzieht in Wassergefässen, welche im Innern eines von einer einzigen Seite her durch die Fenster Licht empfangenden Zimmers stehen, wobei an anderen Pflanzen die Wirkung des Heliotropismus in der ausgeprägtesten Weise sich kund zu geben pflegt. Ilieraus ergiebt sich, dass die Aydrocharisblattstiele entweder des Heliotro- pismus gänzlich entbehren, oder dass bei ihnen diese Fähigkeit wenigstens auf ein Minimum beschränkt ist und dass es viel ener- gischerer Mittel bedarf um die Pflanze zur Aeusserung derselben zu veranlassen. Um zu erfahren ob das Letztere der Fall ist, setzte ich eine noch junge Hydrocharis, an welcher erst zwei Blätter fertig waren, in ein mit Wasser gefülltes Glasgefäss und umgab dasselbe mit einer liehtabschliessenden Papphülle, welche nur an einer Seite einen etwa 20 Mm. breiten, vom Grunde des Gefässes an bis wenig über den Wasserspiegel heraufgehenden Spalt hatte. Durch den letzteren fiel vom Fenster her Licht in das Gefäss, und die Pflanze hatte eine solche Lage, dass das eine und zwar das ältere Blatt dem Lichtspalt zu-, das andere demselben abgekehrt war. Nach zwei Tagen hatten die Blätter weder die Richtung ihrer Stiele noch die schwimmende horizontale Lage der Lamina geändert; und ein drit- tes Blatt, welches unter diesen Verhältnissen aus der Knospe gekommen war, zeigte den Stiel in aufrechter Stellung und hatte seine Fläche nahezn vollständig anfgerollt und auf dem Niveau ausgebreitet; es stand so, dass es seitlich vom Lichte getroffen wurde. Am dritten Tage war das letzterwähnte Blatt vollständig fertig und verhielt sich nun ganz wie unter gewöhnlichen Umständen: sein Stiel zeigte Nichts von einer heliotropischen Krümmung und die Lamina lag genau hori- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. 4 50 zontal auf dem Niveau mit nicht benetzter Oberseite. Später kam noch ein viertes Blatt zum Vorschein, welches vom Spalt aus gesehen an der rechten Seite hinterwärts stand; auch dieses entwickelte sich in gewöhn- licher Stellung. Nur während des Aufrollens der Lamina zeigte der Stiel dieses Blattes eine schwache Krümmung lichtwärts, wodurch die nach dem Spalte gekehrte Hälfte der Lamina etwas mehr unter Wasser geneigt wurde. Aber bald glich sich dieses wieder aus, und die Blattfläche lag nun gerade auf der Oberfläche des Wassers, wie gewöhnlich. An den übrigen Blättern war keine Veränderung ein- getreten. — Ich habe hierauf den Versuch so modifieirt, dass die Pflanzen lediglich von unten her durch das Wasser beleuchtet wur- den. Ein geräumiges Glasgefäss mit Wasser, in welchem blätter- treibende //ydrocharis stand, wurde ausser am Boden ringsum licht- dicht verschlossen und in dieser Zurichtung an der Decke des Zim- mers unmittelbar hinter dem Fenster aufgehängt. Nach acht Tagen wurde die Vorrichtung das erste Mal geöffnet. Es waren mehrere neue Blätter gebildet worden, und diese hatten sieh mit ihren Stielen aufwärts gerichtet, so dass die Blattflächen ziemlich am Wasser- spiegel sich befanden. Die Lage der letzteren war zwar annähernd horizontal, aber es befand sich nur ein Theil der Oberseite ausser- halb des Wassers, und es war eine schwache Abweichung von der gewöhnlichen Riehtung im Sinne einer Hinwendung nach der beleuch- teten Seite nicht zu verkennen. An manchen Blättern war nämlich das unmittelbar vor der Lamina stehende Stielstück ein wenig so gebogen, dass die letztere anstatt horizontal zu stehen, etwas schief gewendet war, und wenigstens ein Stück der Oberseite unter dem Niveau sich befand. Diese Wendung war theils seitlich, theils grade überrücks erfolgt. An anderen Blättern hatte sich nur ein Stück des Blattrandes umgeschlagen, so dass die Oberseite daselbst wenigstens am äussersten Rande dem Lichte zugekehrt war; und dies hatte bald an einem oder auch an beiden seitlichen Rändern, bald auch an der Spitze der Lamina stattgefunden. Hierauf wurde die Vorriehtung unter den gleichen Verhältnissen weitere 14 Tage ungestört sich überlassen. Darnach hatte die Liehtwendung der Blät- ter noch weitere Fortschritte gemacht. Das Längenwachsthum der Stiele war noch beträchtlich weitergegangen und dabei hatten die- selben zugleich ihre Richtung verändert, Es war nämlich in ihrer ganzen mittleren Strecke eine Achsendrehung eingetreten, wie sie sonst auch oft von Blättern behufs heliotropischer Richtung vorge- nommen wird, und wodurch nun hier die Blattflächen geradezu um- gewendet, die Oberseiten derselben also dem Liehte zugekehrt wor- 51 den waren. Dabei lagen nicht bloss die Oberseiten, sondern auch die Unterseiten submers, denn die Stieldrehung versetzte die Blatt- fläche ein Stück unter Wasser, was geschehen musste, weil der schräg aufrechte Stiel am obersten Ende etwas aufwärts gekrümmt ist, um die Lamina horizontal auf den Wasserspiegel zu stellen. Der eine Stiel hatte ausser einer geringen Achsendrehung auch eine Vorwärtskrüm- mung in fast einem halben Kreisbogen ausgeführt und dadurch seine Lamina mit der Oberseite ebenfalls dem beleuchteten Boden zuge- wendet. Die am Anfange des Versuches schon vorhanden gewese- nen Blätter hatten durchaus keine Richtungsänderung erlitten. Nur das damals jüngste Blatt befand sich zwar auch mit seinem Stiele in natürlicher Richtung; aber die Lamina hatte sich überrücks gekrümmt, sodass nur die beiden basalen Herzlappen horizontal lagen und an ihrer Oberseite unbenetzt waren. Von nun an wurden die Pflanzen ganz und gar verdunkelt. Schon nach drei Tagen hatten jetzt die Stiele sich wieder so gekrümmt, dass die Oberseiten der Blattfläche mehr oder weniger nach oben schauten. An dem Blatte mit dem halbkreisförmig gekrümmten Stiele war diese Krümmung ziemlich ausgeglichen, und die acropetale Hälfte der Lamina tauchte wieder mit der Oberseite aus dem Wasser hervor. Ein anderes Blatt hatte seinen Stiel so emporgekrümmt, dass die eine Seite der Blattfläche schon dieht unter dem Wasserspiegel stand. Ein während der voll- ständigen Verdunkelung hervorgekommenes neues Blättehen hatte sich senkrecht aufwärts gewendet. Aus Vorstehendem ergiebt sich, dass der Heliotropismus in den Blattstielen der A/ydrocharis zwar nicht vollständig geschwunden, aber ungewöhnlich abgeschwächt ist und dass es zu seiner immer nur trägen und langsamen Erregung der allerenergischsten Mittel bedarf, die unter den gewöhnlichen natürlichen Verhältnissen kaum in dem Grade eintreten. Dieses kommt aber für die sich selbst überlassene wilde Pflanze einem gänzlichen Mangel des Heliotropis- mus gleich: unter diesen Verhältnissen kommt es eben nie zu helio- tropischen Bewegungen. Der Vortheil der alleinigen Herrschaft des Geotropismus in den Blattstielen hinsichtlich des Bedürfnisses der Pflanze, ihre Blätter auf dem Wasserspiegel an der einen Seite mit Luft, an der andern mit Wasser in Berührung zu erhalten, springt in die Augen. Unsere Pflanze hat aber auch die Fähigkeit, unter gewissen Um- ständen ihren Blattstielen eine Richtung zu ertheilen, welche nicht durch den gewöhnlichen negativen Geotropismus hervorgebracht wer- den kann, vielmehr dem letzteren in grösserem oder geringerem Grade 4* 52 entgegenwirkt. Zunächst überzeugt uns die unmittelbare Anschauung, dass die aus einem Stocke entspringenden Blattstiele niemals genau parallel aufwärts, sondern zugleich etwas schräg auswärts gerichtet sind, und dass der Grad dieser Divergenz unverkennbar mit der Tiefe der Versenkung des Stockes zusammenhängt. Bei Individuen mit sehr langen Stielen, also mit tief im Wasser befindlichem Stocke, so zumal bei den künstlich tief fixirten Versuchspflanzen, sind die Stiele nur sehr wenig divergent, stärker bei mässig tief stehendem Stocke, und in sehr hohem Grade bei solchen Individuen, wo der Stock ziemlich nahe unter dem Wasserspiegel schwimmt. Offenbar wird durch diesen Umstand die Möglichkeit geschaffen, dass die ein- zelnen Blattflächen ohne sich einander zu bedecken auf dem Wasser- spiegel Platz finden. Denn da die Blätter alle nahezu von einem und demselben Punkte entspringen, so müssten sie, wenn sie genau parallel aufrechte Stiele hätten, mit ihren Flächen übereinander zu liegen kommen. Und zur Verhütung dieses Falles muss die Diver- genz um so grösser werden, je kürzer die Stiele sind, weil ent- sprechende Punkte zweier divergirender Linien um so weiter von einander entfernt sind, je grösser ihre Entfernung vom Schnittpunkte beider Linien ist. Wir finden also, dass die Stiele, nachdem sie Anfangs vertical aufwärts gewachsen sind, und die Lamina auf dem Niveau sich ausgebreitet hat, allmählich in auswärts geneigte Lage übergehen*), wobei wie der Augenschein lehrt, die Insertion des Blattes am Stocke die Krümmung vollzieht. Diese Erscheinung ist auch an den zu vielen um einen Stamm grundständigen Blättern von Landpflanzen eine weit verbreitete. Während auch hier die jüngsten innersten Blätter gerade aufrecht wachsen, neigen sich die äusseren älteren oft sehr beträchtlich nach aussen, in welcher Lage sie spä- terhin absterben, worauf die nächst jüngeren ihre Lage einnehmen. Bei Hydrocharis kommt aber noch der besondere Umstand hinzu, dass der Zeitpunkt des Eintrittes dieser Bewegung und das Ziel der- selben von einem ganz bestimmten äusseren Factor, nämlich von dem Niveanverhältnisse abhängig ist. Bei den Landpflanzen mit grund- ständigen Blättern sehen wir jedes Blatt in einer bestimmten Alters- periode die Auswärtsbewegung beginnen und mit derselben bis zu einem bestimmten Grade fortfahren. Bei Aydrocharis beginnt sie immer erst, nachdem die T,amina oberflächliche Lage auf dem Was- *) Dass dabei die Lamina nicht wieder untergetaucht wird, wird durch den oben besprochenen Umstand vermieden, dass die Streckung des Stieles nach dem Erscheinen der Blattfläche auf dem Wasserspiegel noch einige Zeit langsam fortdauert. 93 ser erreicht hat; also bald schr zeitig, wenn der Stock nicht tief im Wasser steht, bald sehr spät, wenn derselbe in grosser Tiefe sich befindet; ja sie unterbleibt gänzlich an solchen Blättern, welche ihre Stielstreckung eingestellt haben, bevor ihre Lamina die Oberfläche des Wassers erreicht hat, wie man an den oben beschriebenen Ver- suchen mit in tiefer Versenkung fixirten Pflanzen regelmässig beob- achtet. Aber auch der Grad, bis zu welchem diese Bewegung fort- schreitet, ist bei unserer Pflanze von der Lage des Niveaus abhän- gig: der Stiel neigt sich niemals soweit, dass die Lamina dadurch wieder unter Wasser gezogen wird, aber doch auch immer um so viel, dass sie nicht über den anderen Blattflächen desselben Stockes aus dem Wasser hervorgestreckt ist. Diese ganz bestimmte Bemessung des Grades der Krümmung der Stielbasis nach der Höhe des Was- serspiegels findet einen weiteren sehr prägnanten Ausdruck in fol- gendem Verhalten unserer Pflanze. Wenn der Wasserspiegel soweit sinkt, dass der Stock endlich auf dem Grunde aufstösst, und bei weiterem Sinken die Blattflächen ganz an die Luft hervortreten wür- den, so senkt die Pflanze ihre Stiele allmählich nach aussen und zwar soweit, bis die Lamina wieder den Wasserspiegel erreicht hat. Steht der letztere nur wenig tiefer, so beträgt auch die Senkung nur einen kleinen Winkel. Wenn aber das Wasser bis an die Knospe gefallen ist, so legen sich auch die Stiele rückwärts bis in ungefähr horizontale Lage; ja sie senken sich noch unter die Horizontale. wenn der Stock über dem Wasserspiegel noch ein Stück hervorragt. Daher findet man auch da, wo das Wasser zurückgetreten ist, die auf dem Trockenen sitzen gebliebenen Pflanzen mit ihren Blättern flach auf dem Boden ausgebreitet. Was hier das Blatt späterhin thut, nachdem es schon eine andere Richtung und Lage gehabt hat, das kann auch gleich beim Austritte aus der Knospe geschehen. Wenn Hydrocharis auf ganz seicht vom Wasser überfluthetem Boden sich entwickelt oder wenn man sie aus tieferem Wasser an derglei- chen Orte setzt, so richten sich alle neu aus den Knospen hervor- gehenden Blätter sogleich auswärts in schiefe, ev. horizontale Rich- tung, wobei die Stiele, wie oben bemerkt, ungewöhnlich kurz bleiben Die in Rede stehende Neigung der Blätter von Hydrocharis kann ebenso wenig wie die analoge Erscheinung bei den Landpflanzen als Folge einer Schlaffheit des Stieles, welche der Last der in der Luft befindlichen Lamina nachgiebt, erklärt werden. Die Blattstiele der Hydrocharis haben bei gewöhnlicher mässiger Länge und zumal bei erheblicher Kürze, wo sie gerade jene Bewegungen besonders auffäl- lig vollziehen, eine so beträchtliche Steifheit, dass von einem Umbie- 54 gen in Folge von Schlaffheit gar keine Rede sein kann. Auch erfolgt die Senkung, was bei Schlaffheit der Fall sein müsste, nicht allso- gleich, sondern es vergehen oft Tage, ehe an einer versetzten Pflanze die Blätter ihre neue Lage völlig erreicht haben. Die älteren Blät- ter, welche alles Wachsthum der Stiele bereits eingestellt haben, senken sich, wenn die Pflanze mit ihren Blättern aus oder über Wasser gebracht wird, gar nicht und bleiben dauernd in emerser Stellung. „Endlich spricht auch die Form der Stiele gesenkter Blät- ter dagegen. Nur solche, deren Stiele aus abnormer Tiefe zu gros- ser Länge gewachsen sind, sinken beim Herausnehmen aus dem Wasser um, indem die Lamina sich seitwärts schlägt, und der Stiel in ganzer Länge sich krümmt. Bei jener langsamen Abwärtskrüm- mung dagegen bleiben die Stiele ziemlich gerade, nur ihre Insertion am Stocke ist der bewegliche Theil, durch dessen Krümmung der Winkel des Stieles zum Horizonte verändert wird, wobei die Lamina sich dauernd in horizontaler Flächenstellung erhält. Man kann also hierin nur active Bewegungen erkennen, hervorgebracht durch ein ungleich starkes Wachsthum zweier entgegengesetzter Seiten der Stielbasis. Diese beiden Seiten liegen immer in der Mediane des Blattes, sie sind diemorphologisch obere und untere; die Senkung erfolgt immer in der Mediane. Mithin fällt diejenige durch den Blattstiel gehende Ebene, in welcher die beiden Richtungen grösster und gering- ster Streckung liegen, immer mit der Richtung der Erdanziehung zusammen. Der hierdurch in eine morphologisch bestimmte Schief- stellung zum Erdmittelpunkte gebrachte Stiel zeigt nun auch durch folgendes Verhalten eine Empfindlichkeit für die Wirkung der Gra- vitation, welche mit der von mir als Transversalgeotropismus bezeich- neten Fähigkeit übereinstimmt. Bisweilen findet man Pflanzen, welche ganz horizontal auf dem Wasser liegen, indem die Ueberwinterungs- knospen auch späterhin schwimmend geblieben oder durch irgend ein äusseres Hinderniss auf der Oberfläche erhalten worden sind. Die Knospen haben dann eine schiefe oder nahezu horizontale Rich- tung, so dass die Blätter nach einer einzigen Seite hin liegen, alle Stiele sind ungefähr wagerecht, nur ihre Enden etwas aufwärts gekrümmt, um der Blattfläche ihre wagerechte Lage auf dem Was- serspiegel zu ertheilen. Gleiches beobachtet man, wenn Knospen oder in der Entwickelung begriffene Stöcke in horizontaler Richtung auf dem Wasser befestigt oder auf seicht mit Wasser überzogenem Boden in dieser Lage ausgelegt werden. Unter derartigen Umstän- den zeigen diejenigen Stiele, welche an der nach unten gekehr- ten Kante des Stockes inserirt sind, ausser der bezeichneten Rich- 55 tung, nichts Besonderes. Die der seitlich inserirten Blätter aber sind häufig um ihre Achse gedreht, wobei die Krümmung sich über den grössten Theil des Stieles erstreckt und nach Richtung und Grad allemal gerade hinreicht, um die morphologische Oberkante des Stie- les auf dem kürzesten Wege wieder zenithwärts zu kehren. Sie ist daher am grössten an den der zenithwärts liegenden Kante des Stockes zunächst inserirten Blättern. Dieses Verhalten stimmt überein mit demjenigen aller der Organe, die ich als transversalgeotropische und -heliotropische bezeichnet habe. Es ist leicht zu ermitteln, dass diese Drehungen, deren Ziel die zenithwärtsgekehrte Lage der morpholo- gischen Oberkante des Stieles ist, im vorliegenden Falle durch die Gra- vitation allein bewirkt werden können, dass wir es also hier mit Transversalgeotropismus zu thun haben. Denn wenn die eben bespro- chenen Versuche bei constantem Ausschlusse des Lichtes angestellt werden, so beobachtet man die gleichen Bewegungen, die hier oft ihr Ziel vollständig erreichen, oft freilich auch nicht ganz vollendet werden, wegen der Hemmung der Vegetation und des Wachsthumes, die hier in constanter Dunkelheit oft rasch eintritt. Stiele, selbst Jugendliche, welche unter diesen Verhältnissen zu wachsen aufhören, bleiben in der ursprünglichen Richtung, sie sind krümmungsunfähig — abermals ein Beweis, dass nieht Schlaffheit die Ursache der Bewegung sein kann. — Es sei noch hervorgehoben, wie aus jenem Umstande, dass entwickelte Individuen oft frei schwimmend auf der Seite liegend in ganz horizontaler Lage gefunden werden, sich wiederum mit Bestimmtheit ergiebt, dass in den Blattstielen, so lange ihre Lamina die natürliche Schwimmlage besitzt, der gewöhnliche negative Geo- tropismus sich nicht äussert, sondern durch Transversalgeotropismus ersetzt ist. Denn das junge aus der Knospe hervorgetretene Blatt würde ja hier durch nichts gehindert sein, aufwärtsgehende Richtung anzunehmen: die Folge müsste sein, dass die Lamina ver- möge ihrer relativ grösseren Masse und ihrer Eigenschaft an der Oberfläche des Wassers die Flüssigkeit von ihrer Oberseite zurück- zustossen, auf dem Wasserspiegel bleibt, der Stock aber tiefer ins Wasser hinabgedrückt wird, und dies müsste mit jedem neuen Blatte Fortschritte machen. Dass aber vielmehr die Blätter in diesem Falle gerade über den Wasserspiegel hinwachsen, beweist eben, dass sie gar keine Anstrengung machen, um sich negativ geotropisch zu krümmen. Wenn man Individuen der bezeichneten Art unter Wasser fixirt hält, so ändert sich sehr bald die Richtung der Blätter, wenigstens der jüngeren noch streekungfähigen: ihre Stiele werden merklicher gekrümmt, die der jüngsten Blätter oft steil aufgerichtet. Hiernach giebt es auch Glieder, welche transversalgeotropisch sind, ohne dass ihre Längsachse gerade wagerecht zu stehen braucht, welche vielmehr nur schief geneigt sind, so dass doch zwischen oberer und unterer Kante unterschieden werden kann. Nicht bloss die Blätter der Hydrocharis, sondern auch die der oben bezeichneten Landpflanzen werden in diese Kategorie gehören. Bei den echten transversalgeo- tropischen Gliedern ist, wie ich am betreffenden Orte gezeigt habe, derjenige Wachsthumsprocess, welcher die Längsachse rechtwinklig zur Richtung der Erdanziehung stellt, ebenso energisch wie der die Drehungen hervorbringende, und es stellen sich daher diese Organe immer bestimmt horizontal. Bei der in Rede stehenden Kategorie aber ist jenes Wachsthum ungleich minder energisch als die Drehungs- bewegung, es verzögert sich so lange, dass es die ganze Wachs- thumsperiode ausfüllen und am Ende der letzteren sein Ziel noch lange nicht erreicht haben kann. Aydrocharis ist nun, wie schon bemerkt, hierbei noch dadurch merkwürdig, dass diese seine trans- versalgeotropischen Wachsthumsprocesse bedingt sind von der Lage der Lamina auf dem Wasserspiegel, nämlich erst dann in dem Blatte beginnen, wenn letztere Lage erreicht ist und zu jeder späteren Zeit auch wieder eingestellt werden, sobald das Blatt während seiner Wachsthumsperiode nach schon gehabter Schwimmlage von neuem submers wird, weil dann der negative Longitudinalgeotropismus wieder eintritt. 3. Die Lage der Blattfläche. Die Beobachtung lehrt, dass die Blattflächen der Hydrocharis, wenn sie auf der Oberfläche des Wassers sich befinden, mit ihrer Ebene horizontale Richtung einnehmen, wobei die morphologische Unterseite abwärts gekehrt und von Wasser überzogen, die andere Seite aufwärts gewendet und mit der Luft in Berührung ist. Diese Lage kommt somit der mathematischen Horizontalebene am nächsten, weil die Richtung jeder Wasseroberfläche mit dieser übereinstimmt. Es zeigt sich nun, dass das Blatt auf dem Wasserspiegel unter allen Umständen diese Lage einnimmt, mögen die Pflanzen und die Blatt- stiele eine Richtung haben, welche sie wollen. Im Folgenden soll zunächst nachgewiesen werden, dass das Letztere in der That der Fall ist, und beschrieben werden, auf welche Weise in den möglichen Einzelfällen jene Lage zu Stande kommt. Betrachten wir eine unter gewöhnlichen Verhältnissen sich selbst tiberlassene im Wasser schwimmende Pflanze, bei welcher die Blattstiele ziemlich aufrechte, nur mässig auswärts geneigte Richtung besitzen, so finden wir die schwimmende Lamina nicht genau recht- winklig auf dem Stielende inserirt. Bezeichnet man den Winkel, welchen die morphologisch obere Kante des Stieles mit der Lamina bildet, mit o, und den entsprechenden Winkel der unteren Stielkante mit z, so ist in diesem Falle immer o etwas kleiner als vw. Beide Winkel zusammen sind natürlich, als Nebenwinkel, in jedem Falle gleich zwei Rechten. Vergleichung verschiedener Individuen lehrt, Jass die Grösse der Neigung der Stiele und das Verhältniss jener beiden Winkel auf das Genaueste zusammenhängen. Wo die Stiele sehr steil aufgerichtet sind, also bei Individuen, deren Blätter aus grosser Tiefe aufwachsen, ist der Winkel o nur wenig merklich kleiner als #4; ja beide werden einander gleich, wenn der Stiel gerade vertical steht. Je stärker aber die Neigung der Stiele ist, desto kleiner wird o im Verhältniss zu «, und zwar immer in dem Grade, dass so stark auch der Stiel geneigt sein mag, die Lamina doch horizontale Richtung behält. Daher findet man bei Individuen, mit nahe unter der Oberfläche schwimmendem Stocke und daher äusserst schrägen Blattstielen, den Winkel o zu einem sehr spitzen, u zu einem selir stumpfen geworden. Den höchsten Grad erreicht dieses Verhältniss an solchen Pflanzen, welche auf das Trockene gekommen ihre Blattstiele dem horizontalen Boden dicht auflegen: hier nimmt die Lamina dieselbe Richtung an, ist also fast gleich- laufend mit dem Stiele, d. h. der Winkel o ist nahezu gleich Null, der Winkel « fast gleich zwei Rechten geworden, Es verändert aber auch jedes Blatt während seiner Dauer den Winkel, den es mit seinem Stiele bildet, langsam aber stetig, nach dem gleichen Gesetze. Wir haben oben nachgewiesen, wie an jedem Hydrocharisstocke die jungen Blätter mit verticalaufrechtem Stiele aus der Knospe treten, wie sich aber mit zunehmendem Alter der Stiel rückwärts neigt und so seine Lamina weiter nach aussen schiebt, welche auf diese Weise den Platz über der Knospe frei macht für die nächstfolgenden jüngsten Blätter. Mit dieser Rückwärtsneigung des älterwerdenden Stieles geht nun genau Hand in Hand diejenige Veränderung der Winkelgrössen o und , welche erforderlich ist, um dabei die Lamina immer in wagerechter Lage zu erhalten. Auf den jüngsten nahezu vertical aufrechten Blattstielen sehen wir die das Herz der Rosette einnehmenden Blattflächen beinahe rechtwinklig inserirt, und an jedem älteren Blatte ist in dem Masse als der Stiel weiter auswärts geneigt ist, der Winkel o immer etwas kleiner als «, ein Verhältniss, welches an den in der weitesten Peripherie eines blattreichen Individuums liegenden Blättern sehr merklich hervortritt. 98 Bemerkenswerth ist ferner die Art und Weise, wie die Blattflächen ihre horizontale Schwimmlage gewinnen an solchen Individuen, welche schief oder wagerecht auf dem Wasser liegen, bei denen also, wie oben angegeben, die Stiele alle nach einer Seite hinauswachsen. Hier sind die an den verschiedenen Seiten des Stockes befestigten Blätter besonders zu betrachten. Bei den von der unteren Kante des Stockes entspringenden liegt der Stiel mit seiner morphologi- schen Oberseite zenithwärts gewendet, also in derselben Rich- tung wie unter gewöhnlichen Umständen, nur ausserordentlich stark geneigt. Dem entsprechend zeigt auch die Lamina nichts weiter als das schon besprochene Verhalten in besonders hohem srade, dass nämlich der Winkel o sehr spitz und % sehr stumpf ist. Von den an den Seiten und an der aufwärts gekehrten Kante des Stockes inserirten Blättern ist oben berichtet worden, dass sie häufig ihren Stielen eine solche transversalgeotropische Torsion ertheilen, durch welche die morpholegische Oberseite zenithwärts zu liegen kommt. Wenn dieses in vollständigem Grade der Fall ist, so befinden sich die Blattflächen auch dieser Blätter in der nämlichen Lage wie das untere Blatt und werden in derselben Weise wie die- ses horizontal gestellt. Oft aber unterbleiben die Stieldrehungen oder erreichen doch nicht den für jenen Zweck hinreichenden Grad, und in diesem Falle zeigt die Pflanze, dass sie noch eines anderen Mittels als der blossen Winkeländerung zwischen Stiel und Lamina sich bedienen kann. Während die Blattfläche im Allgemeinen in ungefähr rechtwinkliger Insertion auf dem Stiele verbleibt, richtet sich das ihr unmittelbar vorausgehende Stück des Stielendes steiler aufrecht und kann auf diese Weise, während der übrige Theil des Stieles immer seine schiefliegende Richtung beibehält, nahezu vertical werden. Die Ebene, in welcher diese Krümmung geschieht, fällt bei den Blättern, die an der zenithwärtsliegenden Kante des Stockes befestigt sind, mit der Mediane zusammen. Bei den an den Seiten inserirten Blättern aber geht sie durch diejenigen zwei dia- metral entgegengesetzten Seitenkanten, welche gerade nach oben und unten gekehrt sind. Die Krümmungsebene ist also von morphologi- schen Beziehungen unabhängig und die Richtung macht daher den Eindruck einer gewöhnlichen negativ geotropischen. Für die Länge des Stielstückes, welches dieser Krümmung fähig ist, lässt sich kein allgemein gültiger Werth angeben. An den seitlich liegenden Blät- tern, wo sie also in morphologisch lateraler Richtung erfolgt, ist das gekrümmte Stück meist kürzer als da wo die Krümmung in der Mediane geschiebt. In jenem Falle ist die Krümmung oft auf das 59 obere Viertel und auf einen noch geringeren Theil der Stiellänge beschränkt; in diesem nimmt sie nicht selten die obere Hälfte ein. Ueberdies ist noch zu bemerken, dass auch in diesem Falle die Win- keländerung der Lamina zum Stiele gleichzeitig, wenn auch minder ausgeprägt wie sonst zur Anwendung kommt. An den Blättern mit seitwärts aufgekrümmten Stielen ist der Winkel o, den die jetzt zenith- wärts schauende Seitenkante des Stieles bildet, in der Regel etwas kleiner, als sein Nebenwinkel z, den die abwärts gekehrte Stielkante bildet; so z. B. in einem Falle, der als das gewöhnliche Maximum hierfür gelten kann, o = 75°, w = 105°. Bei den in der Mediane rückwärts nach oben gekrümmten Blättern werden beide Winkel höchstens jeder gleieh einem Rechten. Ich habe niemals gefunden, dass der Winkel o, der hier von der morphologischen Unterkante des Stieles gebildet wird, zu einem spitzen werden könne, woraus ersichtlich wird, dass gerade für diesen Fall die Krümmungsfähig- keit des Stielendes unumgänglich nothwendig ist. Hiernach besitzt die Z/ydrocharis zweierlei Bewegungen, um den Blattflächen jederzeit schwimmende Lage zu ertheilen: eine den Win- kel mit dem Blattstiele ändernde Artieulation der Ansatzstelle der Lamina und eine Vertiealkrümmung des Stielendes. Beide kommen entweder zugleich oder nur eine von beiden zur Anwendung. Wir haben nun auch hier nach der Natur, den Ursachen und den Bedin- gungen dieser Erscheinungen zu fragen. Was den moleeularen Vorgang der Bewegungen anlangt, so sind letztere selbstverständlich wiederum als active, durch ungleiche Aus- dehnungen bestimmter Gewebstheile hervorgebrachte Krümmungen anzusehen. Die Wachsthumsmechanik ist bei der Aufwärtskrümmung des Stielendes derjenigen bei negativem Geotropismus gleich. Und die Artieulation des Laminagrundes stimmt überein mit der Mechanik, welche die Transversalstellungen anderer rechtwinklig auf ihrem Stiele inserirter Blattflächen, zumal der schildstieligen hervorbringt: ein ganz kurzer Gewebseylinder oder dünne Gewebsplatte, die unmittel- bar die Lamina trägt, vermag sieh an irgend einer Seite etwas stär- ker in der Richtung der Längsachse zu dehnen, als an der entgegen- gesetzten. Es leuchtet ein, wie schon geringe derartige Dimensions- änderungen dieses Stückes bedeutende Wirkungen hinsichtlich der Lage der Lamina zum Stiele hervorbringen müssen. Die Ursache der Bewegungen kann nach dem Mitgetheilten und nach den sogleich anzuführenden Beobachtungen nur in der Gravi- tation gefunden werden. - Wenn man Hydrocharis in Wassergefässe setzt und dabei absichtlich sie verhindert, ihre natürliche Lage wie- der vollkommen einzunehmen, so dass viele Blätter mit ihren Flä- chen zunächst nicht in schwimmender Stellung sich befinden, und darauf sogleich die Pflanzen dauernder Finsterniss aussetzt, so bemerkt man schon nach ein bis zwei Tagen, dass die Blattflächen mit der- selben Vollkommenheit wieder horizontale Lage auf dem Wasserspie- gel eingenommen haben, wie dieses unter gleichen Umständen bei Gegenwart von Licht zu geschehen pflegt. Man überzeugt sich, dass zur Herstellung dieser Lage überall die im Vorstehenden erörterten Bewegungen vollzogen werden mussten. Die Beziehungen dieser Bewegungen zur Richtung der Schwer- kraftwirkung sind ohne Weiteres deutlich. ‘Die dünne Gewebsplatte, auf welcher die Lamina ruht, ändert ihre dieken Dimensionen nur dann, wenn ihre Fläche nicht in der Horizontalebene liegt, und in diesem Falle nur so lange bis durch diese Aenderungen jene Lage wieder hergestellt ist. — Die Aufwärtskrümmung des Stielendes hat die Verticalstellung der Längsachse desselben zum Ziele; sie wird immer weniger energisch je mehr sie sick dieser Richtung nähert. Wir haben hiernach diese Bewegungen als geotropische zu betrach- ten: die Erhebung des Stielendes als allgemeinen negativen Geotro- pismus, die Artieulation des Laminagrundes aber als einen besonders ausgeprägten Fall von Transversalgeotropismus. Bei dem Nutzen, den diese Bewegungen für die Pflanze haben, und bei der bestimm- ten Beziehung, in der sich die letztere von jeher zur Richtung der Gravitationswirkung befand, ist es einleuchtend wie gerade diese geotropischen Fähigkeiten im Laufe der Zeit als zweckmässige An- passungen angezüchtet werden mussten. Aus diesem Gesichtspunkte wird es wohl auch erklärlich, warum die Beweglichkeit der Lamina nach vorn weit grösser ist als nach der entgegengesetzten Richtung, indem der Winkel, den die obere Stielkante bildet, sehr spitz wer- den, der Nebenwinkel an der untern Stielkante aber niemals unter einen Rechten sich verkleinern kann: die Pflanze ist unter den natür- lichen Verhältnissen in den weitaus meisten Fällen nur in der Lage, dass die Blätter die Oberkante des Stieles zenithwärts wenden, dass also nur das soeben angedeutete Winkelverhältniss besteht. Dage- gen kommt sie nur sehr selten in die Lage, dass die obere Stiel- kante nach oben gekehrt ist und also das umgekehrte Winkelver- hältniss nothwendig wird. Und die Zahl solcher Fälle wird auch noch durch den Umstand verringert, dass bei verkehrter horizonta- ler Lage der Blattstiel die oben besprochene transversalgeotropische Achsendrehung vornehmen kann, mittelst welcher die morphologische Oberkante wieder zenithwärts zu liegen kommt. Ebenso dürfte es 61 sich aufklären, dass der negative Geotropismus des obersten Stiel- endes, der zwar überall wenn auch oft nur andeutungsweise sich geltend macht, doch nur schwer und langsam und eigentlich nur bei verkehrt liegenden Blattstielen erheblicher hervortritt. Denn er ist bei der Artieulationsbewegung der Lamina meistens entbehrlich und braucht nur als letztes Aushülfemittel in Anwendung zu kommen. Es mag hierbei bemerkt werden, dass die Eigenthümlichkeit einer lange nachdauernden Streckung des Stielendes, die wir oben ermit- telt haben, auch mit dieser Fähigkeit späterer geotropischer Bewe- gungen des Stielendes im Zusammenhange steht. Ob und wieweit das Licht bei diesen Richtungsprocessen bethei- list ist, kann man aus den oben angeführten Experimenten, wo es sieh um die Abhängigkeit der Stielrichtung von der Beleuchtung handelte, entnehmen. Es wurde dort hervorgehoben, dass in solehen unter gewöhnlichen Verhältnissen noch vorkommenden Fällen, wo die Beleuchtung ausgeprägt einseitig ist, und wo andere Pflanzen sehr energische heliotropische Bewegungen zu machen pflegen, unsere Pflanze ihre Blätter in unveränderter Richtung mit genau auf dem Wasser schwimmender Lamina erhält. Es wurde ferner berichtet, dass bei einseitiger Beleuchtung durch eine Längsspalte in der Regel auch keine oder doch nur eine schwache Veränderung eintritt, dass aber bei ausschliesslicher Beleuchtung schwimmender Pflanzen von unten die Blätter die schwimmende Lage mehr oder weniger verlas- sen, um ihre Lamina abwärts in das Wasser dem beleuchteten Boden zuzukehren. Diese Resultate sind nicht bloss auf einen positiven Longitudinal-Heliotropismus der Stiele, sondern auch auf einen Trans- versal-Heliotropismus der unter gewöhnlichen Verhältsissen nur für die Gravitation empfindliehen Gewebeplatte, welche unmittelbar die Blattfläche trägt, zurückzuführen. Der Hydrocharis geht mithin die Empfindlichkeit der Laminainsertion für Beleuchtung zwar nicht voll- ständig ab, aber es bedarf der stärksten und ungewöhnlichsten Ab- weichungen von der regelmässigen Beleuchtungsweise, um dieselbe zu erregen. Unsere Pflanze weicht also von den Landpflanzen mit flächenförmigen, beiderseits different organisirten Blattflächen auch in der Hinsicht ab, dass bei ihr der Gravitation der weitaus vor- wiegendste, in der Regel wohl geradezu der alleinige Antheil an der Transversalstellung der Lamina zukommt, während jene Pflanzen vor- zugsweise dem Lichte die natürliche Riehtung ihrer Blattflächen ver- danken, die vielfach geradezu eines Transversalgeotropismus gänzlich entbehren. Es springt in die Augen, wie dieses Verhältniss dem besonderen Bedürfniss der Hydrocharis, ihre Blattflächen unter allen 62 Umständen, auch bei sehr einseitiger Beleuchtung streng in horizon- taler Richtung auf dem Wasserspiegel zu erhalten, in der vortheil- haftesten Weise entspricht. Wir kommen nun zu der Frage nach den Bedingungen der in Rede stehenden Bewegungen. Die Gravitation erregt nieht an jedem Blatte und nicht zu jeder Zeit die zu jenen Bewegungen führenden Wachsthumsprocesse, sondern nur dann, wenn die Lamina mit Luft an der Oberfläche des Wassers in Berührung steht. Diese Thatsache ist theils schon aus der Betrachtung der Entwiekelung sich selbst überlassener Pflanzen, theils aus dem Befunde bei oben beschriebe- nen Experimenten zu ersehen. An Individuen, welche auf dem Was- ser so schwimmen, dass der Stock ein ziemliches Stück unter dem Niveau steht, und zumal bei denjenigen Versuchen, wo man die Pflanzen in tiefer Versenkung fixirt hält, tragen die jüngsten Blätter, die eben aus der Knospe hervorkommen, so lange sie das Niveau noch nicht erreicht haben, ihre Lamina nicht horizontal, sondern der Knospenlage ähnlich, mehr oder weniger schräg, oft ziemlich steil aufrecht, so dass endlich immer das acropetale Ende der Lamina zuerst aus dem Wasser hervortaucht, und das unterste Ende zuletzt emers wird. Sobald der oberste Rand der Blattfläche die Luft berührt, beginnt die Insertion derselben ihre Artieulationsbewegung, und diese schreitet nun immer genau in dem Grade fort, als die Verlängerung des Stieles die folgenden Theile der Fläche über Was- ser hebt, so dass letztere niemals eigentlich aus dem Wasser her- vorgestreekt wird, sondern von Anfang an mit der Unterseite auf dem Wasserspiegel aufliegt. Man kann diesen Vorgang nicht als eine blosse Theilerscheinung der an jedem Blatte eintretenden Ent- faltung aus der Knospenlage betrachten. In der Knospe hat die Achse der Lamina zwar dieselbe verticale Richtung, aber ausserdem ist die Fläche von den Seiten her zusammengerollt. Die Lösung dieser Stellung und die vollständige Ausbreitung erfolgt zu einem ganz bestimmten Zeitpunkte, nämlich unmittelbar nach dem Hervor- treten aus der Knospe und ist abgesehen von der verzögernden Ein- wirkung des Lichtmangels von äusseren Umständen unabhängig: sie erfolgt zu der nämlichen Zeit, gleichgültig ob das Blatt dabei tief submers oder schon an der Luft befindlich ist. Die Horizontalstel- lung aber ist von der Lage an der Luft bedingt: sie erfolgt an Blät- tern, die ausserhalb des Wassers ihre Knospenentfaltung vollziehen, zugleich mit dieser, sie unterbleibt bei aus tiefer Versenkung auf- wachsenden bis zur Erreichung des Niveau's, und sie erfolgt niemals, wenn das Blatt das letztere gar nicht erreicht. Auch das genane 63 Sehritthalten der Horizontalstellung mit dem allmählichen Hervor- tauchen der Lamina lässt die Abhängigkeit der Bewegung von jenem Umstande nicht verkennen. Endlich ist das Verhalten schon schwimmender Blätter bei Wiederversenkung beweisend. Wenn Indi- viduen, die eine Anzahl schwimmender Blätter besitzen, ganz unter Wasser fixirt werden, so besteht die erste meist schon nach wenigen Stunden merkbar werdende Veränderung darin, dass die Blattflächen aus der Horizontalebene, die sie bis dahin zusammen einnahmen, mehr oder weniger abgelenkt werden; sie stellen sich steiler, eine mehr als die andere, während zugleich die Ungleich- mässigkeit des Stielwachsthums, wie oben geschildert, hinzukommt. Die Riehtungsänderungen der Blattflächen scheinen dabei ganz ziel- los zu sein: häufig wird die Neigung, wenn sie einen gewissen Grad erreicht hat, wieder mehr oder weniger gemindert, um vielleicht aber- mals sich zu steigern; oder die einmal angenommene stärkere oder die geminderte Neigung wird beibehalten. Jedenfalls kommen die älteren Blätter nach einiger Zeit zur Ruhe, aber in einer von der Horizontalebene mehr oder weniger abweichenden Lage der Lamina; und die jüngeren Blätter, die ihren Stiel noch bis zur Erreichung des Wasserspiegels strecken, kommen erst dann wieder zu einer dauernden und genauen Horizontallage der Lamina, wenn diese auf der Oberfläche des Wassers angelangt ist. Wenn hiernach die die horizontale Stellung der Lamina herbei- führenden Bewegungen als nothjwendige Bedingung die Lage dersel- ben auf der Wasseroberfläche voraussetzen, so fragt es sich, ob wir den stärkeren Oberflächendruck, unter welchem sich ein im Wasser untergetauchtes Blatt befindet, oder nur den allseitigen Contact von Wasser, den Mangel der Luftbespülung an der Oberseite als den hierbei verhindernd wirkenden Factor zu betrachten haben. Diese Frage ist hier mit dem gleichen Rechte zu stellen, wie bei dem gleichfalls nach der Lage der Blattfläche zum Niveau sich richten- den Längswachsthume des Stieles. Während wir aber dort eine Empfindlichkeit des Blattes für verschieden grosse Druckkräfte als den hauptsächlich und unter Umständen allein wirkenden Factor kennen lernten, ist für die in Rede stehenden Bewegungen die Be- rührung der Blattoberseite mit Luft oder Wasser der einzig in Betracht kommende Massstab: nicht die Empfindung verschiedener Druckkräfte, sondern die Unterscheidung des Aggregatzustandes des die Oberseite berührenden Mediums bestimmt die Bewegung der Lamina. Diese Thatsache ergiebt sich aus folgenden Wahrnehmun- gen. In den Versuchen, bei welchen ich Aydrocharis auf dem 64 Boden von Glasgefässen in tiefer Versenkung unter Wasser befestigte und durch Einbringung einer mit Luft gefüllten umgekehrten Glas- glocke nahe über der Pflanze und tief unter dem eigentlichen Was- serspiegel ein zweites Nivean herstellte, richteten alle diejenigen neuen Blätter, welche das letztere erreichten, sobald dieses gesche- hen war, ihre Blattflächen ebenso entschieden und genau horizontal, wie unter gewöhnlichen Umständen, während sie vorher ihre Lamina in der bei untergetauchter Lage gewöhnlichen steilen Richtung gehal- ten hatten. Die Horizontalstellung erfolgte wie sonst ebenso schritt- weise als der Stiel höher wurde in dem Masse, dass jeder Theil der Lamina eigentlich nicht aus dem Wasser hervorkam, sondern an der Unterseite immer mit der Flüssigkeit in Berührung blieb. Die schwim- mende Lage auf diesem unteren Nivean blieb aber auch dauernd erhalten während der langen Zeit, die der Versuch fortgesetzt wurde. Die Bewegung war also erfolgt, obgleich die Lamina unter einem erhöhten Drucke sich befand, der einer tiefen Versenkung unter dem natürlichen Wasserspiegel entspricht. Ferner sind hier diejeni- gen Experimente heranzuziehen, bei denen ich an normal auf dem Wasser schwimmenden Individuen die an der Luft liegenden Ober- seiten der Blattflächen mit einem gleichen Stücke feuchten Fliesspa- pieres belegte, um sie in ihrer natürlichen Lage und ohne einen erhöhten Druck anzuwenden dennoch mit Flüssigkeit benetzt zu erhal- ten. Hierbei war der gewöhnliche zuerst bemerkbare Erfolg, dass die Lamina ihre bisherige horizontale Richtung verlor und sich unter Erhebung des acropetalen Endes mehr oder weniger in gleicher Weise steil stellte wie unter gewöhnlichen Umständen bei untergetauchter Lage. Es wird also hierdurch auch bewiesen, dass die Be- netzung der Oberseite mit Wasser allein den Transversalgeotropis- mus des Laminagrundes ausser Kraft setzt und den über den gan- zen Stiel bis in die Lamina hineinreichenden gewöhnlichen negativen Geotropismus in ungehinderte Wirksamkeit treten lässt. — Mit die- sem Resultate stehen alle obigen Angaben über die Richtung der Blattflächen im Einklange. Wir begreifen auch, wie unter anderem die grosse Bestimmtheit, mit welcher die Blattflächen sich immer erst beim Hervortauchen aus dem Wasser transversal stellen, und die Genauigkeit, mit welcher diese Einstellung der allmählichen Erhe- bung der folgenden Laminatheile schrittweise folgt, viel besser aus‘ der soeben nachgewiesenen Abhängigkeit sich erklärt als aus der Empfindlichkeit für Veränderung der Druckkräfte, welche eben eine plötzliche Reaction nicht verursachen könnte und offenbar nicht ent- fernt eine solehe Genauigkeit der schwimmenden Lage erzielen würde. 65 So ist offenbar auch dem Falle vorgebeugt, dass die Lamina, wenn sie, was immer geschieht, wegen ihrer steilen Richtung, zuerst nur mit ihrer Spitze den Wasserspiegel erreicht hat, in dem Bestreben horizontale Richtung einzunehmen, sich von demselben wieder zurückzieht. Die äusserst geringe Druckdifferenz, welche zwischen einer Lage auf dem Wasserspiegel und unmittelbar unter ihm besteht, würde kaum einen bestimmten, unfehlbar zum Ziele führenden Eindruck auf die Pflanze hervorbringen können. Wenn aber die Pflanze hierbei handelt nach ihrer Beurtheilung, ob Luft oder Wasser die Oberseite ihres Blattes berührt, so muss in dem angezogenen Falle nach abermaligem Untertauchen des schon emers gewordenen Laminastückes sogleich wieder der negative Geotropis- mus sich geltend machen, also das Ende der Lamina unfehlbar wie- der hervortauchen. So werden aber die beiden entgegengesetzten Wirkungen die Blattfläche in keiner andern Lage erhalten als in derjenigen, wo das bereits über Wasser gehobene Stück mit der Unterseite dem Wasserspiegel aufliegt; und dies muss fortgehen, so lange bis endlich in Folge weiterer Stielstreckung die ganze Blatt- fläche auf den Wasserspiegel gehoben ist. Und auch in dieser Lage merkt das Blatt noch unausgesetzt sorgfältigst auf jede Abweichung ihrer Lage vom Wasserspiegel, die durch die Richtungsveränderung der Stiele und bei der schwanken Lage der ganzen Pflanze auf ihrem natürlichen Wohnplatze nur allzu leicht und allzuoft eintreten kann, um dieselbe sofort durch die entsprechenden Artieulationsbewegungen auszugleichen, bis endlich die Blattfläche vor Alter starr wird zu einer Zeit, wo dann in der Regel neue Blätter die älteren ersetzt haben, und ihr Dienst zu Ende ist. Der Umstand, dass alle Blattflächen eines Stockes in einer und derselben Ebene liegen, ist nichts weiter als die unmittelbare Folge der schon besprochenen Erscheinungen, dass die Stiele immer bis an das Niveau heraufwaclhsen, dass sie sich rückwärts neigen, wenn sie noch länger werden, und dass jede Lamina sich selbst in hori- zontale Richtung versetzt. Fassen wir nun in Kürze die Hauptresultate des Vorausgehenden zusammen, so ergiebt sich, dass Uydrocharis folgende für alle mög- lichen Fälle ausreichende Mittel besitzt, um ihre sämmtlichen Blatt- flächen jederzeit in horizontale Schwimmlage auf dem Wasserspiegel zu versetzen. 1) Hat sich die Ueberwinterungsknospe seit ihrem Vegetations- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. 5 66 beginne wenigstens mit einem Blatte, wenn auch nur vorübergehend, an der Oberfläche des Wassers befunden (was unter gewöhnlichen Verhältnissen immer geschieht), so ertheilt sie dem Stiele dieses und jedes folgenden Blattes ein Längenwachsthum, welches so lange kräftig andauert, bis der auf der Blattfläche lastende Druck des Mediums dem gewöhnlichen Atmosphärendrucke, wie er auf dem Was- serniveau herrscht, gleich geworden ist, und dafern der Stiel seine Streekungsfähigkeit überhaupt noch nicht vor Alter verloren hat, wieder in früherer Energie sich erneuern kann, wenn jener Druck durch Untertauchen unter Wasser wieder vergrössert wird. — Aus- ser dieser Beurtheilung der Druckkräfte besitzt jedes Blatt eine Un- terscheidungsgabe hinsichtlich des Aggregatzustandes des die Blatt- oberseite berührenden Mediums und vermag lediglich hiernach eben- falls dem Stiele ein kräftigeres Wachsthum zu ertheilen, wenn, nach- dem die schwimmende Lage schon erreicht ist, die Oberseite der Lamina von dünner Wasserschicht überzogen wird. 2) Die Stiele der Aydrocharis sind ihrer ganzen Länge nach negativ geotropisch, so lange ihre Lamina nicht an der Luft sich befindet. Geschieht letzteres, so tritt an Stelle des negativen Geo- tropismus Transversalgeotropismus ein, kraft dessen sich der Stiel derart auswärts zu neigen beginnt, dass seine morphologische Ober- kante zenithwärts gekehrt ist. Das Mass dieser Neigung ist aber genau abhängig von der Lage der Lamina zum Wasserspiegel: sie setzt sich, wenn die letztere oberhalb desselben liegt, nur so lange fort, bis diese und so lange sie das Niveau berührt, weil andernfalls der negative Geotropismus wieder in Kraft treten muss. 3) Die Insertionsstelle der Lamina ist gleich dem ganzen übrigen Blattstiele bei submerser Lage der Lamina mit negativem Longitudinalgeotropismus ausgerüstet, wodurch diese unter solchen Umständen mehr oder minder steil aufgerichtet wird. Bei Berüh- rung der Laminaoberseite mit Luft nimmt dagegen das genannte letzte Querstück des Stieles einen sehr empfindlichen Transversal- geotropismus an, welcher die Einstellung des Querdurchschnittes jenes Stückes und somit die der Laminafläche in horizontale Richtung zur Folge hat. — Ausserdem bleibt unter diesen Umständen ein bald kürzeres, bald längeres, unmittelbar vorhergehendes Endstück des Stieles negativ geotropisch, und die dadurch herbeigeführte Aufrich- tung dieses Theiles wird zumal bei verkehrter Lage des Blattstieles als Hülfsmittel zur Annäherung der Lage der Lamina an die Wasser- oberfläche angewendet. 4) Heliotropismus ist in den bei anderen Pflanzen damit ausge- 67 rüsteten Theilen des Blattes bei Hydrocharis zwar nicht vollständig vernichtet, aber doch auf ein so schwaches Mass reducirt, dass er bei einseitig stärkerer Beleuchtung unter gewöhnlichen Verhältnissen niemals die horizontale Lage der Blattflächen auf dem Wasserspiegel zu stören vermag. Nachdem wir an einer Pflanzenart eingehender die Ursachen der schwimmenden Lage der Blätter erforscht haben, sei es erlaubt, das Verhalten einiger anderer Schwimmpflanzen, sowie einige verwandte Erscheinungen in Kürze vergleichsweise zu besprechen. Bei Trapa natans steht die Rosette schwimmender Blätter auf dem Ende des vom Boden des Gewässers aus emporgewachsenen langen Stengels. Im Ganzen sind die Internodien gestreckt; nach oben hin werden sie kürzer, und diejenigen, welche zu den die Rosette bildenden Blättern gehören, sind ausserordentlich verkürzt, so dass die letzteren unmittelbar übereinander befestigt sind. Die Termi- nalknospe, die das Herz der Rosette einnimmt, steht ganz nahe unter dem Niveau; die Stiele der schwimmenden Blätter müssen sich daher fast rechtwinklig zum Stengel richten und beinahe horizontale Lage einnehmen. Meistens bilden sehr zahlreiche Blätter die Rosette; die ältesten haben die längsten Stiele, und ihre Blattflächen stehen daher in der äussersten Peripherie, und so fort bis zu den jüngsten, welche die kürzesten Stiele haben und der Terminalknospe am näch- sten stehen. Uebrigens gestattet die rhombische Form der Blatt- flächen ein sehr nahes Beieinanderliegen derselben ohne Gefahr einer gegenseitigen Ueberdeckung, indem der einer Blattfläche ähnliche rhombische Zwischenraum, der zwischen je vier bei einander liegen- den Blättern übrig bleibt, immer von einem fünften nach Art des Quinennx eingenommen wird. — Die Blätter der tieferen Stengeltheile sind spreitelos, und die der Rosette vorangehenden submersen wenig- stens in der Grössenentwickelung der Lamina zurückgeblieben. Der morphologische Unterschied zwischen Trapa und Hydrocha- ris beruht hiernach nur darauf, dass bei ersterer auch durch das Wachsthum des Stengels die Lage der Blattrosette auf dem Wasser- spiegel regulirt wird. Wenn der Spross mit seinem Ende die Ober- fläche des Wassers erreicht, so lässt die Streckung der in diesem Zeitpunkte im Wachsen begriffenen Internodien nach und wird als- bald ganz eingestellt, so dass nun die Blätter rosettenartig dicht übereinander stehen bleiben missen. Da jedoch gemäss des ganzen Wachsthumsmodus des Stengels die Scheidung zwischen gestreckten 5* 68 und verkürzten Internodien keine plötzliche sein kann, so zeigen die untersten Internodien der Rosette hinsichtlich ihrer Länge einen all- mählichen Uebergang zu den tieferen langgestreckten. Es können also die ersten Blätter, mit denen der Spross auf der Wasserfläche erschien, nicht dauernd schwimmend bleiben, indem sie wegen der noch erfolgenden geringen Streekung der nächsten Internodien etwas unter Wasser zurückgeschoben werden. Dagegen werden dann die Blätter aller folgenden wirklich verkürzt bleibenden Internodien dauernd auf dem Wasser erhalten, und die Rosette vergrössert sich nun fort- während. — Wie Hydrocharis hat aber auch Trapa in der Bemes- sung der Streckung der Blattstiele ein Mittel, die Blattflächen schwim- mend zu erhalten, indem die ältesten Blätter entsprechend ihrer stärk- sten Neigung nach aussen und der grössten Entfernung vom Inser- tionspunkte, in welcher ihre Blattflächen sich anordnen müssen, die längsten Stiele bekommen, und indem dieses Mass an den folgenden jüngeren Blättern genau im Sinne dieses Bedürfnisses gemindert ist. Ausser üurch die unmittelbare Anschauung lässt sich auch durch fol- gendes Experiment erweisen, dass Trapa in der That mit den eben angegebenen beiden Mitteln arbeitet. Ich setzte einen Spross dieser Pflanze, weicher am Ende eine schwimmende Rosette trug, in ein mit Wasser gefülltes am Fenster stehendes Glasgefäss und befestigte den Stengel derart auf dem Boden, dass die Rosette 46 Mm. unter der Wasseroberfläche submers war. Zugleich wurde die Stielinser- tion eines bestimmten Blattes, welches eines der ältesten also tiefst- inserirten der Rosette war, markirt und ihre Entfernung vom Niveau zu 60 Mm. notirt. Unter solchen Verhältnissen wurde die Pflanze einige Wochen lang erhalten und ihre Veränderungen beob- achtet. Während am Anfange des Versuches sämmtliche Blattflächen genau in einer einzigen Ebene sich befanden, kam jetzt alsbald Un- ordnung in die Lagen derselben, indem sie höher oder tiefer stan- den und der Horizontalebene nicht mehr genau parallel waren. Im Allgemeinen blieb aber doch zunächst die Rosette beisammen: es zeigte sich, dass sie im Ganzen gehoben wurde, und zwar ver- möge einer wiederbeginnenden Streckung ihrer untersten Internodien, und zugleich durch ein Längerwerden aller einzelnen Blattstiele. Dieser Prozess dauerte fort so lange die Rosette submers blieb; und da hierbei die Entfernung bis zum Wasserspiegel eine beträchtliche war, so liess sich verfolgen, wie die ältesten Internodien und deren Blattstiele nach einander ihre Streckungsfähigkeit verloren. Die bezeichneten Blätter blieben daher dauernd submers und starben mit der Zeit ab. So kam es, dass die Rosette sich verjüngte und dass 69 sie als sie nach einigen Wochen das Niveau wieder erreicht hatte, so gut wie gänzlich aus neuen Blättern bestand: diejenigen, welche am Anfange des Versuches noch in der Knospenlage sich befanden, nahmen jetzt fast die äusserste Peripherie der Rosette ein. Bis zu dieser Zeit hatte sich mithin die Rosette um 46 Mm. gehoben. Die Entfernung der markirten Stielinsertion vom Niveau betrug aber jetzt 38 Mm. Letzteres beweist, dass in der That der Stengel in seinen der ganzen Rosette vorausgehenden Internodien der abermaligen Streekung fähig ist, um die untergetauchte Rosette auf den Wasser- spiegel zu erheben. Das Auseinanderrücken der Insertionen der Anfangs die Rosette bildenden gedrängt stehenden Blätter beweist ferner, dass wenn jene Streckung nicht hinreicht, sie sich auch auf die Internodien der Rosette selbst fortsetzen kann, die unter norma- len Verhältnissen dauernd verkürzt bleiben würden. Indessen war doch jetzt die Knospe ein beträchtlicheres Stück unter dem Niveau geblieben als sonst, wo sie beinahe mit der Rosette in einer Ebene liegt; diese Entfernung betrug ungefähr 23 Mm. Es waren daher die Blattstiele, und sogar die der jüngeren Blätter, ziemlich gestreckt und hatten ausserdem eine sehr steil aufrechte Richtung. Letztere war an den jüngeren Blättern der Verticale am meisten genähert, und um so weniger je weiter das Blatt vom Mittelpunkte der Rosette entfernt lag, immer wie es die Lage der Lamina auf dem Wasser- spiegel erheischte. Aus diesem Verhalten ergiebt sich ferner, dass auch die Blattstiele, indem sie das Mass ıhrer Längsstreckung und ihre Neigung gegen den Horizont entsprechend den Niveauverhältnissen reguliren, zur‘ schwimmenden Lage der Lamina beitragen, gerade wie dieses bei Aydrocharis der Fall ist. Endlich sei noch bemerkt, dass auch hier eine ähnliche Articulation der Lamina am Blattstiele besteht wie bei Hydrocharis, indem dieselbe, um schwimmend zu bleiben, sehr verschieden grosse Winkel mit dem Stiele bilden muss, je nachdem derselbe sehr steile oder sehr geneigte Richtung besitzt, wie gleichfalls aus diesem Versuche sowie aus der Betrachtung einer jeden Rosette erhellt. Um nun die Beziehung dieses Verhaltens der Trapa zur Gravi- tation oder zum Lichte zu ermitteln, setzte ich eine in gewöhnlicher Lage auf Wasser schwimmende Pflanze eine Woche lang ins Dunkle. Das Resultat war, dass die vorher schon fertig gewesenen Blätter auch unter diesen Umständen schwimmend geblieben waren, dass dagegen die inzwischen aus der Knospe gekommenen neuen Blätter sich mit dem Stiele senkrecht aufgerichtet hatten und mit der gan- zen Lamina und dem Stielende in der Luft standen, wobei die Blatt- To flächen, die übrigens mit Ausnahme der Spitzen etiolirt waren, eben- falls steil aufrechte Richtung besassen und nicht ganz ihre Knospen- lage verloren hatten, indem sie an der morphologischen Oberseite schwach concav waren. Die zwei ersten Blätter, die unter diesen Umständen gebildet wurden, senkten sich zwar, nachdem sie vertical hervorgekommen waren, zunächst ziemlich weit gegen den Wasser- spiegel, erhoben sich aber bald wieder und kamen in die bezeich- nete Stellung, welche sie nun nicht wieder verliessen. Das dritte und vierte Blatt nahmen ohne weiteres aufrechte Stellung an. Hierauf wurde das Gefäss wieder der Beleuchtung ausgesetzt. Nach Verlauf eines Tages hatte sich das jüngste Blatt bereits soweit niedergebeugt, dass die Lamina genau schwimmende Stellung einnahm. Es muss hierbei bemerkt werden, dass das Gefäss absichtlich in einiger Ent- fernung hinter dem Zimmerfenster aufgestellt worden war und somit ziemlich einseitige Beleuchtung empfing. Das eben genannte Blatt stand nun dem Fenster zugekehrt, und die stärkere Beleuchtung durch das Fenster hatte also seine morphologische Unterseite getroffen. Die drei anderen Blätter, welche hierbei mehr oder weniger an der morphologischen Oberseite stärker beleuchtet wurden, hatten um diese Zeit nur wenig sich rückwärts zu neigen begonnen, und erst nach mehreren Tagen waren sie in schwimmende Lage gekommen. Dabei wurde bemerkt, dass an den genannten drei Blättern die Nei- gung während der Nacht immer wieder etwas gemindert wurde durch negativ geotropische Aufrichtung, so dass die Blätter am Morgen immer steiler standen, als am Abend vorher. Indessen war doch die Neigung während der täglichen Beleuchtung etwas grösser als die Erhebung in der Nacht, so dass die Bewegung täglich ihrem Ziele näher kam. Die Blattflächen behielten, solange sie noch in der Luft sich befanden, ihre schwache Concavkrümmung an der Oberseite, erhielten aber wenn sie mit dem Wasserspiegel zusammentrafen, all- mählich ebene bis unterwärts schwach concave Form. Die Pflanze blieb nun unter diesen Verhältnissen noch einige Zeit stehen. Jene Blätter blieben dabei dauernd in schwimmender Lage, und drei neue Blätter, welche nun gebildet wurden, nahmen wie gewöhnlich sogleich ihre Lage auf dem Wasserspiegel ein. Aus Vorstehendem ergiebt sich, dass bei Trapa diejenigen Rich- tungen der Blattstiele und Blattflächen, welche die schwimmende Lage des Blattes herbeiführen, nicht wie bei Hydrocharis durch die Schwerkraft, sondern allein durch das Licht bewirkt werden. Je weiter die zufällige Richtung des Blattes von derjenigen Lage zur Richtung stärkster Beleuchtung, die als das Ziel der Bewegung zu 21 betrachten ist, abweicht, mit desto grösserer Energie und Schnellig- keit vollziehen sich die Bewegungen, wie aus dem letzten Experi- mente gleichfalls hervorgeht. — Es war mir unerwartet, bei Trapa, die doch als Schwimmpflanze der Aydrocharis sieh innig anreiht, eine solche Abweichung in der Ursache der fraglichen Bewegungen zu finden, um so mehr, als bei schwimmenden Blättern eine Unab- hängigkeit von der Beleuchtungsriehtung als unleugbar zweckmässiger Umstand sich erweist. Allein ob Etwas zweckmässig ist oder nicht, lässt sich nur aus der Würdigung der besonderen Verhältnisse, für die, und der Umstände, unter denen es geschaffen ist, ermessen; und wenn man daran festhält, so glaube ich, dass diese Sache eine einfache Erklärung findet. Hydrocharis kommt eigentlich nur in kleineren Gewässern vor: Tümpel und Wassergräben sind ihr gewöhn- licher Standort; und auch hier hält sie sich vorwiegend nur am Rande des Gewässers auf. Erhebung des umgebenden Terrains, die hohe Vegetation der Uferpflanzen und Gebüsche müssen hier eine ringsum gleichmässige Beleuchtung der Hydrocharis in der Regel verhindern. Die Pflanze konnte mithin ihre natürliche Schwimmlage nur dann annehmen und behalten, wenn sie eben die Abhängigkeit ihrer Blatt- richtungen vom Lichte verlor, wenn sie mithin nur zur Schwerkraft eine bestimmte Beziehung unterhielt. TZrapa dagegen wächst vor- zugsweise in grösseren Gewässern, wie Seen und Fischteichen, und sie liebt mehr die freie Höhe denn die Ränder derselben. Dort giebt es aber in der Regel keinen Schatten, und die Pflanze befin- det sich mithin bei ihrer natürlichen Schwimmlage auch mit der Rich- tung der Beleuchtung in einer bestimmten Beziehung. Es war somit keine Veranlassung, dass sie im Kampfe ums Dasein die sonst den Blättern so vielfach eigenen Beziehungen zum Lichte abzulegen brauchte. Wohl möglich, dass auch die Verschiedenheit der beider- lei Ahnen, von denen diese Pflanzen ihre Descendenz ableiten, hier- bei von Einfluss gewesen ist. Zrapa hat in ihrer nächsten Verwandt- schaft Gewächse, die sich als mehr oder weniger entschiedene Land- pflanzen mit transversalheliotropischen Blättern zu erkennen geben. “Die mögliche nahe Abkunft der Trapa von solchen liesse die grös- sere Stabilität jenes Merkmales an ihr natürlich erscheinen. Die nur aus Wasserpflanzen bestehende Familie der Hydrocharideen steht dagegen im Systeme so isolirt, dass ihre Descendenz von Ge- wächsen, deren Blätter die gewöhnlichen Beziehungen zum Lichte besitzen, jedenfalls eine ungleich weitläufigere gewesen ist, als bei Trapa, wenn sie überhaupt eine solche gehabt hat. — Es mag nur erwähnt werden, dass auch andere Wasserpflanzen mit schwimmenden Blättern in der Hauptsache sich wahrscheinlich den besprochenen Fällen anreihen. Bei Nymphaea alba und Nuphar luteum findet man die Biattstiele, welche hier von dem bodenständi- gen Rliizome entspringen, in ihrer Länge jedesmal der Entfernung bis zum Wasserspiegel ungefähr entsprechend, was bei Vergleichung tiefer und seichter Standorte sehr deutlich ist. Die Blattflächen haben, so lange sie unter Wasser sind, mehr oder weniger steile Richtung und nehmen erst auf dem Wasserspiegel horizontale Lage an. Mit der Eigenthümlichkeit schwimmender Blätter, durch entspre- chende Streckung der Stiele aus ihrem Substrate in das ihnen allein zusagende Medium der Luft sich zu versetzen, steht eine andere Eigenthüwlichkeit bei den Landpflanzen in naher Beziehung, nämlich dass die aus unterirdischen Theilen über den Boden heraufwachsen- den Glieder zu diesem Zwecke in dem Masse ihrer Längsstreekung nach der Tiefe des Punktes sich richten, von welchem sie entspringen. So wachsen die aus Rhizomen, Zwiebeln etc. hervorgehenden epigäen Sprosse und Blattstiele immer soweit in die Länge bis sie aus der Erde herauskommen. Zumal aber ist es bei der Keimung der Samen sehr deutlich, wie je nach der Tiefe, in welchen die letzteren aus- gelegt sind, die sich streekenden oberen Keimtheile verschiedene Länge annehmen müssen um die Oberfläche des Bodens zu erreichen. Es liegt zwar nahe, hierbei an die Wirkung der Dunkelheit zu den- ken, welcher die betreffenden Theile im Boden ausgesetzt sind, weil man von allen derartigen Gliedern weiss, dass Lichtmangel an ihnen in ausgeprägter Weise Etiolement wit überaus geförderter Längs- streckung hervorbringt. Nach unseren Ergebnissen an den Wasser- pflanzen gewiont indess die Frage Berechtigung, ob auch in diesen Fällen die Beschaffenheit des Substrates das Längenwachsthum regulirt. Es kam mir zunächst darauf an zu constatiren, dass und ‘wie die Streekung aufwärtswachsender Keimtheile in gewissen Einzelfällen von der Tiefe der Versenkung im Boden abhängig ist. Ich verglich zu diesem Zwecke an folgenden Gewächsen die Längen der betref- fenden Theile einmal bei oberflächlicher, das andere mal bei tief versenkter Aussaat. Beiderlei Versuche wurden gleichzeitig in neben- einanderstehenden Blumentöpfen, die mit weissem Sande gefüllt waren, zur Sommerszeit angestellt. Linum usitatissimum bat bekanntlich epigäe Cotyledonen; hier ist also das hypokotyle Stengelglied das der Streckung fähige. Das untere Ende desselben liegt an der Stelle, wo der Samen ausgelegt war, das obere Ende ist durch die Cotyledonen bezeichnet. Die Länge desselben an erwachsenen Keimpflanzen, deren Samen ober- 73 flächlich ausgelegt waren, bestimmte ich an einer Anzahl solcher zu durchschnittlich 27 Mm. Bei Aussaat in der Tiefe ist an dem erwachsenen hypokotylen Gliede der von der Aussaatstelle bis zur Bodenoberfläche reichende Theil und der über dem Boden stehende zu unterscheiden. Die Länge beider Stücke und des Ganzen giebt nachstehende Tabelle. ee ee ee ss — — — ———- Entfernung Länge Länge N der des des wo Aussaatstelle von der | über dem Boden stehen- | ganzen hypokotylen 3odenoberfläche. den Stengelstückes. Stengelgliedes. 1 53 Mm. 2 Mm. 55 Mm. 2 63 =: 022 bare 3 Dane DE 66 : 4 Ann 19 5 6A bi) Dres 0: DIL = In den Fällen, wo die Streekung des hypokotylen Gliedes die Cotyledonen nur bis an den Boden heraufgebracht hatte, war offen- bar die Tiefe der Aussaat schon eine zu grosse, wie denn einige andere Individuen auch gar nicht über den Boden gekommen waren. Uebrigens sei bemerkt, dass die angegebenen Zahlen immer die geradlinigen Distanzen der betreffenden Punkte des Keimstengels bedeuten, dass letzterer aber oft kleine Krümmungen, zum Theil pfropfzieherartige Windungen zeigte, die von Widerständen des Bodens beim Aufwachsen herrührten. Bei Lepidium sativum zeigt der Keimling denselben Wachsthums- modus. Bei oberflächlicher Aussaat ist als durchschnittliche Länge des erwachsenen hypokotylen Gliedes etwa 20 Mm. anzunehmen. Bei versenkter Aussaat wurden dagegen diese Theile zu folgenden Längen gemessen: 39,5, 36,5, 45,5, 36. Tropaeolum majus hat hypogäe Cotyledonen. Hier wird also das erste Internodium, welches auf die Cotyledonen folgt, in dem erforderlichen Grade gestreckt. Bei oberflächlicher Aussaat erzogene Keimlinge hatten eine durchschnittliche Länge des genannten Stengel- gliedes im ausgebildeten Zustande von 36 Mm. Bei tief versenkter Aussaat erzogene Keimlinge hatten dagegen folgende Längen ange- nommen. 74 No Entfernung der Aussaatstelle von der Bodenoberfläche. SS © 59 91 Mm. 72 60 = 70 Länge des über dem Boden stehenden Länge des ganzen ersten Inter- Internodienstückes. nodiums. 36 Mm. 127 Mm. 33 105 = 27 KITZ> 33 118 40 109 26 100 3] 107 29 35 25 93 Der Keimling von Pisum sativum hat ebenfalls hypogäe Cotyle- donen, aber es sind mehrere auf die Cotyledonen folgende Inter- nodien zur Streckung bestimmt. Diese tragen nur kleine Rudimente von Laubblättern, an denen eigentlich nur die Nebenblätter einiger- Das dritte Blatt ist in der Regel erst ein massen ausgebildet sind. vollständiges Laubblatt. Keimlingen bei oberflächlicher Aussaat sind in der folgenden Tabelle für eine Anzahl von Individuen aufgezeichnet. Die Längen dieser drei Internodien an Entfernung der Samen von dem NE ersten | zweiten dritten und fertigen Blattrudimente. | Blattrudimente. Laubblatte. 1 6 Mm. 9 Mm. 32 Mm. 2 5,5: BWo2 LI 3 Se 15 40 = 4 6 11 on pie B) 4,5 pe= 23 : 6 10.25 142 = 33: 7 Bur,e | } PER 26 = I Wie dagegen bei tieferer Aussaat die Verhältnisse sich gestalten, giebt folgende Tabelle an. 75 Entfernung der Samen von No der ' dem ersten | dem zweiten dem dritten und Bodenoberfläche.) Blattrudimente. | Blattrudimente. | fertigen Laubblatte. 1 46 Mm. 35,5 Mm. 42 Mm. 52 Mm. 2 59,5 = 754 = 62° = Bu 3 65,5 : 54 = u. "= lee - 95 o 30 = | Als Br Er 5 74 = 56 p 79 E (Das Blatt noch in der Knospe.) 6 69 2 1. 34 = 50, Z= (Das Blatt noch in der Knospe und noch unter der Erde.) Aus diesen Messungen ist ersichtlich, wie es an jeder Keimpflanze gewisse Theile der Keimaxe giebt, die einer bedeutenden Streckung fähig sind, bei oberflächlicher Lage oder sehr seiehter Vertiefung des Samens jedoch zu mässiger Länge anwachsen, bei tieferer Lage aber sich in dem Masse zu verlängern vermögen, dass wenig- stens die zum Leben in der Luft bestimmten Theile des Keimpflänz- chens dadurch über den Boden gehoben werden, dafern die Tiefe nicht so gross ist, dass sie überhaupt durch Wachsthum des Keim- stengels nieht bewältigt werden kann. Dabei ist zwar das auch dann noch über dem Boden sich bildende Stück des in Rede stehenden Gliedes im Allgemeinen kürzer als das bei oberflächlicher Aussaat über dem Boden stehende ganze Glied. Indessen es kommt auch nicht selten vor und ist besonders deutlich aus den Angaben über Tropaeolum majus zu erschen, dass das Stengelglied, obgleich es schon aus grosser Tiefe heraufgewachsen, dennoch oberhalb des Bodens noch eine Länge annehmen kann, die derjenigen nicht nach- steht oder wohl noch überlegen ist, welche bei oberflächlicher Aus- saat dieses ganze Glied über dem Boden erreicht. Die Frage nun, ob dieses geförderte Längenwachsthum hier nur als die Folge der Dunkelheit des Bodens, d. h. als Etiolement, oder ebenso wie die analoge Erscheinung bei den Schwimmpflanzen als Wirkung der Berührung mit einem unnatürlichen Medium zu betrach- ten ist, kann nur gelöst werden durch Anwendung eines durchleucht- baren, im Uebrigen aber den Boden ersetzenden Mediums. Ich war Anfangs der Meinung, dass ich durch Anwendung von Wasser die- sen Bedingungen gerecht werden könnte. Allein die Versuche schlu- gen hier bei allen angewendeten Sämereien mit Ausnahme einer ein- zigen fehl, indem die Samen, wenn sie gänzlich mit Wasser bedeckt 76 sind, nicht keimen, sondern faulen. Nur mit Lepidium sativum war ich glücklicher. Eine runde Glasplatte wurde mit weisser Gage über- zogen, und auf der einen Seite wurden unter der letzteren die Samen ausgelegt. Diese Vorrichtung kam auf den Boden eines Glasgefäs- ses zu liegen, so dass die mit den Samen beschickte Seite nach oben gekehrt war. Darüber wurde Wasser gegossen, jedoch zunächst nur soviel, dass die Samen von einer dünnen Wasserschicht überzogen waren, um die Diffusion mit der Atmosphäre möglichst wenig zu beeinträchtigen. Nachdem die Keimung begonnen hatte, füllte ich das Gefäss etwas höher mit:.Wasser an. Die aufwärtswachsenden Keimtheile traten durch die Lücken der Gage heraus, die hypoko- tylen Stengelglieder richteten sich vertical aufrecht, die Cotyledo- nen breiteten sich wie in der Luft aus und erhielten grüne Farbe, trotzdem sie ganz von Wasser umgeben waren. Eine ungewöhnliche Streckung des hypokotylen Stengelgliedes trat aber nicht ein, die Cotyledonen blieben gänzlich unter Wasser, waren dabei lebendig und verrichteten ihre Functionen, wie die lebhafte Gasblasenabschei- dung bei Insolation bewies. 80 wurde die Cultur gehalten bis der vollständige Abschluss der Streckung der hypokotylen Stengelglieder eingetreten war und die Plumula zu erstarken begann. Nachdem in dieser zweiten Periode noch einige Tage verstrichen waren, wobei sich bestimmt zeigte, dass keine Verlängerung jenes Stengelgliedes mehr stattfand, wurde der Versuch abgebrochen. Die hypokotylen Sten- selglieder der ganz submers gebliebenen Pflänzchen waren nicht über 12 und nicht unter 9 Mm. lang, im Durchschnitte 10,4 Mm. Das ist aber sogar noch eine geringere Länge als die gewöhnliche von 20 Mm. im Durchschnitte, zu welcher das hypokotyle Glied in der Luft heranwächst, welche Verkürzung man vielleicht auf Rechnung der enormen Längenentwickelung setzen muss, welche die Wurzeln im Wasser annehmen. Es schien mir jedoch wünschenswerth, auch über die Wirkung oder Wirkungslosigkeit eines festen Substrates, welches dem Lichte den Zugang verstattet, experimentell zu entscheiden, wobei zugleich sichere Aussicht vorhanden sein musste, auch diejenigen Landpflan- zen in den Kreis der Untersuchung ziehen zu können, welche eine Keimung im Wasser nicht vertragen. Grobkörniger weisser Sand oder kleine farblose Glasperlen liefern einen Boden, welcher in mäs- sig dieken Lagen, die im ersteren Falle jedoch dünner sein müssen, als im letzteren, noch viel Licht hindurchlässt. Da aber auch diese Substrate in der für tiefe Versenkung erforderlichen Dieke dunkel sind, so richtete ich verticale Schichten von entsprechender Dünne 77 her, in welche die Samen in beliebiger Tiefe ausgelegt wurden. Ich verband je zwei Glastafeln in paralleler Riehtung unbeweglich mit einander, die einen in einer Distanz von 5—6 Mm., die anderen in einer solehen von 16 Mm. und stellte dieselben in vertieale Richtung. Der Zwischenraum zwischen den ersteren wurde mit grobkörnigem weissem Sande gefüllt und war für kleinere Simereien — Lepidium sativum und Linum usitatissimum — bestimmt; die andere Vorrich- tung wurde mit farblosen Glasperlen von 2} Mm. grösstem und 13 Mm. kleinstem Durchmesser beschickt und diente zur Aufnahme grösserer Samen — Pisum sativum. Da die Samen immer in die Mitte dieser Substratschichten ausgelegt wurden, so waren sie, ihre eigene Dicke nicht eingerechnet, höchstens durch eine Schicht jenes Substrates von halber Dieke von den Glastafeln getrennt. Ich über- zeugte mich, dass eine Schicht des angewendeten Sandes von 3 Mm. und eine solche jener Perlen von 8 Mm. Dicke sehr viel Licht durch- liess. Die Samen der eben genannten Pflanzen wurden in ungefähr derselben Tiefe unter die Oberfläche dieser Bodenschichten ausgelegt wie bei den Versuchen in gewöhnlichem Boden. Das Resultat war in allen Fällen übereinstimmend dieses, dass die sonst über die Bo- denfläche hervortretenden Theile bestimmt unterirdisch blieben: sie ergrünten und suchten sich so wie es an der Luft geschieht auszu- breiten. Dieses war aber unter diesen Umständen nur sehr unvoll- tändig oder gar nicht möglich. Die Cotyledonen event. die Plumula blieben beinahe an derselben Stelle, wo die Samen ausgelegt waren; das diese Blätter tragende Stengelglied blieb kurz und zeigte sich oft stark krüppelartig gewunden und gekrümmt, desgleichen die ergrünten Blätter — ein Zeichen, dass die Pflanze hier die sonst bei Versenkung erfolgenden Streckungen nicht, vielmehr die normale Ausbreitung wie sie am Lichte in der Luft stattfindet, vorzunehmen bestrebt gewesen war. Hiernach schliessen sich die Landpflanzen hinsichtlich der Ursa- chen der in Rede stehenden Wachsthumsverhältnisse den Wasser- pflanzen mit schwimmenden Blättern nieht an. Letztere vermögen unmittelbarer mechanischer Einflüsse, die aus der Berührung mit der besonderen Art des Mediums entspringen, inne zu werden, und je nach dem Andauern oder Schwinden dieser Einflüsse das Längen- wachsthum der Stiele zu fördern oder zu hemmen. Jene vermögen dagegen auf derartige Einflüsse nicht in dieser Weise zu reagiren: unabhängig von der Art und der mechanischen Einwirkung des Me- diums richtet sich das Mass der Streckung der betreffenden Keim- theile nur nach den bekannten fördernden oder hemmenden Einwir- 78 kungen, welche durch Dunkelheit oder Beleuchtung erzeugt wer- den. In der That sind auch gerade alle die Keimtheile, welche bei tiefer Versenkung die Erhebung der oberirdischen Theile über den Boden vermitteln, in hohem Grade des Etiolements fähig, und wenn man die ausserordentlichen Längen berücksichtigt, zu welchen die- selben heranwachsen, wenn sie oberhalb des Bodens im Finstern sieh entwickeln, so ergiebt sich, dass diese Streckungen vollkommen genügen, um jenes Resultat auch bei ungewöhnlich tief ausgelegten Samen hervorzubringen. Dies erklärt es aber auch vollständig, warum bei den Landpflanzen ein besonderes Hülfsmittel wie es bei den Schwimmpflanzen nothwendig ist, nicht erworben zu werden brauchte. Die echten Landpflanzen haben kaum je anders als in einem dunklen Boden gekeimt, und da musste allemal das Etiolement allein schon den Effekt hervorbringen. Ganz anders dagegen bei denjenigen Gewächsen, welche ohne eigentliche Wasserpflanzen zu sein, doch bei ihrem Standorte sehr oft in die Lage kommen müssen, unter Was- ser sich zu entwickeln. In tiefen Gräben, Gruben und andern Boden- vertiefungen, die periodisch mit Wasser gefüllt sind, wächst nicht selten Sagittaria sagittifolia und Alisma Plantago, deren grundstän- dige mit Spreiten versehene Blätter unter diesen Verhältnissen zu ganz ausserordentlichen Stiellängen anwachsen können und dadurch in den Stand gesetzt werden, ihre Lamina über den Wasserspiegel zu erheben. Wenn echte Landpflanzen dauernd einigermassen hoch überschwemmt sind, so tritt keine Streckung der Blattstiele oder sonst eines Organes ein, um die Blattflächen über Wasser zu brin- gen, eine Erscheinung, die ganz im Einklange steht mit den Resul- taten der oben beschriebenen Keimversuche von Lepidium nnter Wasser. II, Richtung submerser Blätter. Von einer gesetzmässigen Beziehung der Richtung submerser Blätter zum Horizonte lässt sich bei einer Anzahl Wasserpflanzen nicht reden; das sind diejenigen, bei denen diese Blätter geringe Breite und Dicke, aber ausserordentliche Länge haben und sich daher passiv ihrer Schwere überlassen und von den Bewegungen des Was- sers getrieben werden, Rigenschaften, die sich oft auch auf die Stengel dieser Gewächse erstrecken. Eine andere Kategorie von Wasserpflanzen hat kurze oder doch mässig lauge submerse Blätter, die einen bestimmten Winkel mit ihrem Stengel bilden können. An solchen Blättern ist ein zweifaches Verhalten zu beobachten. Ent- 79 weder halten sie eine bestimmte Riehtung zur Vertieale inne, sie sind nämlich mit ihrer Ebene der horizontalen Lage mehr oder weniger genähert, welehe Richtung auch der Stengel einnehmen mag. Der Winkel, den das Blatt mit seinem Stengel bildet, ist also nach Rich- tung des letzteren verschieden und ändert sich mit dieser. Oder aber es besteht keine Beziehung der Richtung der Blätter zur Ver- ticale, es bleibt vielmehr der Winkel zwischen Stengel und Blatt im Allgemeinen gleich, auch wenn der Stengel seine Richtung verändert, vorausgesetzt dass das Blatt in seinem natürlichen Medium submers sich befindet. Das erstere Verhalten ist nur denjenigen Blättern eigen, welche gleich den transversalheliotropischen Blättern der Landpflanzen einen differenten Bau beider Blattseiten besitzen, wobei die morphologische Oberseite als die für den Lichtgenuss vor- zugsweise bestimmte sich kund giebt. Hierher gehört z. B. die Gat- tung Callitriche, sowie Myriophyllum vertieillatum mit seinen oberen kammförmigen Blättern. Die fluthenden Stengel von Callitriche haben schiefe bis horizontale Richtung; nur die Endtheile sind etwas stei- ler aufwärts gerichtet. An allen Punkten des Stengels liegen die Blätter ungefähr horizontal, welche Richtung auch ihr Internodium haben mag, und zwar die eigentlich submersen ebenso wie die ober- sten, die auf der Wasserfläche schwimmen. Bei Myriophyllum sind die kammförmigen Blätter ebenfalls bestimmt wagerecht, indem sie von dem vertical aufrechten Stengel rechtwinklig abstehen. Das zweite Verhalten, welches durch den Mangel einer gesetzmässi- gen Beziehung der Blattrichtung zur Vertieale charakterisirt ist, kommt z. B. den Najadeen, den Potameen mit submersen Blättern und den Ceratophylleen zu. Hier sind die Blätter nicht in der Weise mit einem differenten Baue zweier gegenüberliegender Seiten ausge- stattet, dass nur die eine von beiden als die für den Liehtgenuss bestimmte erscheint. Die Blätter bilden hier rings um den Stengel ziemlich den gleichen Winkel mit diesem, und zwar in jeder Richtung, die derselbe zur Verticale einnimmt. Wenn solche Gewächse aus dem Wasser in luftförmiges Medium gerathen, so tritt eine sehr auffällige Veränderung der eben dargelegten Blattriehtungen ein, durch welche erst die wahren Bezie- hungen aufgeklärt werden, in welchen sich dieselben zu den in ver- ticaler Richtung wirkenden Naturkräften befinden. Von diesen Erör- terungen sind selbstverständlich von vornherein diejenigen Gewächse auszuschliessen, deren submerse Blätter eine Vertauschung des flüs- sigen Mediums mit Luft überhaupt nicht vertragen, indem sie dabei alsbald vertrocknen, wie die Najadeen und Potameen. Dagegen 80 kommen z. B. die Arten von Callitriche beim Zurücktreten des Was- sers oft am Ufer auf das Trockene und können bekanntlich auch unter solchen Umständen sich am Leben erhalten. Daher eignen sich diese sehr wohl zu Versuchen in der angegebenen Richtung. Wenn der Wasserspiegel soweit sinkt, dass die aufstrebenden End- stücke der Stengel von Callitriche frei in der Luft stehen, so blei- ben die Blätter nicht in der bisherigen nahe horizontalen Lage, son- dern richten sich meist in sehr auffälliger Weise steil abwärts. Die Krümmung erfolgt vorwiegend an der Basis des Blattes, und zwar derart, dass die morphologische Oberseite convex wird. Das Blatt legt sich also rückwärts dem Stengel an, wenn dieser ungefähr senk- recht steht. Hat derselbe dagegen eine schiefe oder horizontale Richtung, so wird es besonders deutlich, dass die Krümmung der Blätter lediglich zur Verticale in einer gesetzmässigen Beziehung sich befindet, indem auch dann die Blätter abwärts geneigt sind: die an der zenithwärts gekehrten Stengelkante inserirten schlagen sich neben dem Stengel niederwärts, die an der entgegengesctzten Kante sitzen- den wenden sich vöm Stengel ab; und die links und rechts inserir- ten verlassen die Medianebene ganz, indem sie sich zur Seite nie- derbeugen. Diese Bewegungen werden nicht nur an den oberen normal schwimmenden, sondern «auch an allen submers gewesenen Blättern, mit Ausnahme der allerältesten beobachtet. Man kann sie immer hervorrufen, wenn man die genannten Gewächse in einen etwas feuchten, lufthaltigen Raum setzt. Es könnte fürs Erste vermutbet werden, dass diese Abwärtskrüm- mung der Blätter in der Luft Folge einer Schlaffheit derselben sei, die nur in der Luft zum Ausdrucke kommt, weil nur hier die Blätter schwerer als ihr Medium sind. Diese Vermuthung wird aber widerlegt schon durch die ungemeine Schärfe, mit welcher die Krümmungen eintreten und welche an einem turgescenten und zugleich sehr leichten Körperchen wie es diese Blätter sind, nimmer- mehr die Form einer durch Schlaffheit bewirkten Senkung sein könnte, Sie wird ferner widerlegt durch die Thatsache, dass ältere Blätter, die keines Wachsthumes mehr fähig sind, an jenen Bewegungen nicht theilnehmen, obgleich gerade bei ihnen der Turgor der Gewebe gemindert ist und sie mit weit mehr Recht schlaff genannt werden könnten. Endlich verträgt sich aber diese Vermuthung durchaus nicht mit gewissen im Folgenden zu betrachtenden Erscheinungen, dass nämlich die Abwärtskrümmungen der Blätter beim Wiederein- setzen in Wasser keinesfalls sofort, auch nicht nach mehreren Minu- ten, was doch dann der Fall sein müsste, wieder verschwinden, son- 8l dern dass dazu eine tagelange Dauer erforderlich ist, ja dass die- selben auch im Wasser unter ganz bestimmten äusseren Umständen dauernd erhalten bleiben. Man kann nach alledem die in Rede ste- henden Bewegungen nur als aktive betrachten, hervorgebracht durch einen besonderen Wachsthumsmodus der Blattbasis. Welcherlei Ursachen diese Wachsthumsbewegungen auslösen und unter welchen Bedingungen dies stattfindet, soll durch die im Folgenden darzulegen- den Versuche beantwortet werden. 1) Individuen von Callitriche autumnalis und Ü. vernalis wurden in einen inwendig feuchten vor Lichtzutritt geschützten Behälter gebracht. Nach einige Tage dauerndem Verweilen in der Dunkel- heit hatten die Endstücke der Stengel, wo dies nicht schon anfangs der Fall war, sich genau vertical gestellt, und die Blätter waren jedesmal in ebenso ausgeprägte Abwärtskrümmung versetzt worden, wie es unter solchen Umständen bei Einwirkung des Lichtes zu geschehen pflegt. Hieraus folgt zunächst, dass die in Rede stehen- den Bewegungen von der Lichtwirkung unabhängig sind, dass sie mithin bei ihrer bestimmten Beziehung zur Verticale nur als Wirkun- gen der Gravitation gedeutet werden können. 2) Eine Anzahl Individuen von Callitriche autumnalis, welche dem vorigen Versuche unterworfen gewesen waren, wurden darauf in Wasser gebracht, und zwar kam ein Gefäss mit solchen sogleich wieder ins Dunkle, während ein anderes der täglichen Beleuchtung ausgesetzt wurde. An den letzteren Individuen bemerkte man schon nach 24 Stunden, dass die Blätter der natürlichen Lage sich genähert hatten, und nach zwei- bis dreimal 24 Stunden war dieselbe wieder vollständig erreicht worden. Insbesondere hatten sich die Blatt- rosetten, welche die obersten schwimmenden Blätter bilden, wieder in früherer Vollständigkeit ausgebreitet, aber auch die submersen Blät- ter standen wieder ziemlich wagerecht; nur die ältesten hatten sich nicht oder sehr unvollständig in die neue Lage begeben, — Dieje- nigen Individuen dagegen, welche gleichzeitig unter genau denselben äusseren Umständen, jedoch unter dauerndem Ausschlusse der Beleuch- tung wieder ins Wasser gesetzt worden wären, und welche nach zwei- mal 24 Stunden das erste Mal zur Betrachtung ans Licht gebracht wurden, zeigten dabei noch sämmtliche Blätter in der geneigten Rich- tung, die sie vorher während ihres Verweilens in der Luft angenom- men hatten. Sie wurden dann noch mehrere Tage im Wasser unter Abschluss des Lichtes gehalten, ohne dass sich auch nur im Entfern- testen ein anderes Resultat herausstellte. Nachdem länger als eine Woche vergeblich auf eine Veränderung gewartet worden war, brachte Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft I. 6 82 ich die Cultur dauernd ins Helle. Schon nach kurzer Zeit war jetzt der Anfang der Bewegung unverkennbar, und nach einigen Tagen hatten sich alle Blätter, die noch am Leben waren (während der langen Verdunkelung hatte das Absterben der Blätter von den älte- sten an ziemliche Fortschritte gemacht), wieder horizontal gestellt. — Diese Versuche beweisen, dass die Bewegungen, welche die horizon- tale Richtung dieser Blätter zum Ziele haben, und mithin diese Rich- tungen selbst als alleinige Effeete der Beleuchtung zu betrachten, mit anderen Worten, dass die in Rede stehenden Blätter transversal- heliotropisch sind. Zugleich aber ist der Beweis geliefert, dass die Berührung der Blätter mit Wasser eine nothwendige Bedingung für diese Action des Lichtes ist. 3) Individuen von Callitriche autumnalis wurden zunächst unter Fortdauer der Beleuchtung ausser Wasser gebracht und nachdem die Abwärtskrümmung der Blätter eingetreten war, wieder ins Wasser gesetzt; und zwar wiederum eine Partie im Dunkeln, eine andere im Lichte. Nach zwei- bis dreimal 24 Stunden hatten die letzteren alle ihre Blätter wagerecht gestellt, während an den ins Dunkele gesetz- ten Individuen die Blätter nicht aus ihren bisherigen Lagen gekom- men waren. Nachdem die letzteren nun noch einige Zeit in constan- ter Dunkelheit ohne Veränderung zugebracht hatten, setzte ich sie der täglichen Beleuchtung aus und sah nunmehr die Blätter in kur- zer Zeit wieder in ihre natürliche Richtung zurückkehren. Dieser Versuch liefert den nämlichen Beweis, den wir aus dem vorigen ableiteten. 4) Im Lichte submers gehaltene und normal entwickelte Indivi- duen von Callitriche autumnalis versetzte ich ohne sonst etwas zu ändern in dauernde Dunkelheit. Hier blieben sie länger als eine Woche, ohne dass die Blätter eine andere Richtung annahmen. Die Pflanzen erhielten sich am Leben, veränderten ihre grüne Farbe nicht, kamen aber nicht zu einem merklichen Fortschritte der Vegetation, so dass auch ein neues Erscheinen von Blättern nicht stattfand. Aus diesem Versuche ergiebt sich, dass auch wenn die Ursache der hori- zontalen Blattrichtung, nämlich das Licht geschwunden ist, diese Richtung, sobald sie einmal erreicht ist, doch bestehen bleibt, solange die Bedingung derselben, nämlich die submerse Lage des Blattes gegeben ist, dass mithin hier auch der positive Geotropismus, welcher die Senkung der Blätter bewirkt, an eine bestimmte Bedingung, näm- lich an das Berührtsein der Blätter von Luft geknüpft ist. Es lässt sich mithin das Verhalten der besprochenen submersen Wasserpflanzen in das einfache Resultat zusammenfassen: die Blätter 83 haben Transversalgeotropismus, aber die Bedingung desselben ist die Berührung der Blätter mit Wasser; sie haben ferner positiven Geo- tropismus, und dessen Bedingung ist die luftförmige Beschaffenheit des Mediums. Man erkennt leicht, dass diese Einrichtung ihr Zweck- mässiges für diese Gewächse hat: wenn das Wasser allmählich unter sie sinkt, so ist das Zurückschlagen der Blätter nach unten ein letz- tes Mittel, um diese eigentlich für den Aufenthalt im Wasser einge- richteten Organe noch solange als möglich in ihrem Elemente zu lassen. Wahrscheinlich hat auch das nahe Anliegen herabgeschla- gener Blätter am verticalen Stengel die vortheilhafte Folge, dass in den so gebildeten Zwischenräumen Flüssigkeit durch Capillarität fest- gehalten, beziehentlich heraufgezogen werden kann, was bei horizon- taler Lage des Blattes unmöglich sein würde. Schlussbemerkungen. Die im Vorstehenden gewonnenen Resultate gestatten auch einige Schlussfolgerungen allgemeinerer Natur hinsichtlich der Wirkung des Lichtes und der Schwerkraft auf das vegetabilische Wachsthum überhaupt. Nachdem nunmehr die Frage nach der Mechanik der durch Licht und Schwere ausgelösten Bewegungen pflanzlicher Organe dahin ent- schieden ist, dass die letzteren auf einem Wachsthumsprocesse der das Organ constituirenden Zellhäute beruhen, scheinen die Ansichten auf diesem Gebiete wieder nach einer anderen Richtung auseinander gehen zu sollen. Bei der nun vorliegenden Frage, welches der Zu- sammenhang ist zwischen der Einwirkung jener Kräfte und dem gegen die Richtung der letztern nach einem bestimmten Gesetze orientirten Wachsthume der Zellmembranen, bemüht sich diejenige Schule, welche alle Lebenserscheinungen auf anorganische Kraftwir- kungen zurückzuführen sucht, die Möglichkeit mechanischer Processe in den Zellen und Geweben darzuthun, welche die handgreiflichen unmittelbaren Wirkungen jener Kräfte und zugieich die nächste Ursache der gedachten Wachsthumstypen der Zellhäute sein könnten. Bei der Mannichfaltigkeit der geotropischen und heliotropischen Bewegungsformen, die gegenwärtig als positiver und negativer sowie als Transversal- Geotropismus und -Heliotropismus bekannt sind, bezweifle ich die Möglichkeit, jeder einzelnen dieser Bewegungsfor- men einen mechanischen Vorgang in den Geweben, welcher Folge der Kraftwirkung und Ursache des Wachsthumsmodus zugleich wäre, zu 6F u suppliren, wie es Ciesielski') zunächst für den einen Fall des positiven Geotropismus in den Wurzelspitzen versucht hat. In noch höherem Grade bringen mich die Ergebnisse der vor- stehenden Untersuchungen von der Zulässigkeit einer solchen An- schauungsweise zurück. Wenn z. B. die Blattstiele der Hydrocharis jederzeit beliebig zu negativem oder zu transversalem Geotropismus veranlasst werden können, je nachdem man sie mit allen Theilen submers hält oder ihrer Blattoberseite die Berührung mit Luft gestat- tet, so haben wir hier einen Fall, wo einunddasselbe Organ fort- während die Fähigkeit zu ganz verschiedenen Reactionen auf die nämliche äussere Krafteinwirkung in sich trägt, wozu es nichts wei- ter als eines Wechsels gewisser äusserer Umstände bedarf, dessen Folge doch unmöglich eine Umkehr der mechanischen Wirkungen jener Kraft in der Pflanze sein kann. Ich sehe mich dadurch nur noch bestimmter zu der Ansicht gedrängt, die ich ohnlängst ausge- sprochen habe), indem ich die Vermittelung zwischen der Kraftwir- kung und den zur Richtung der letzteren orientirten Wachsthums- formen in einem Instincete der Pflanze suchte. Ich habe mich dieses Ausdruckes bedient, weil ich zwischen dem, was man im Thierreiche darunter versteht, und dem, was ich hier die Pflanze ausüben sehe, keinen wesentlichen Unterschied finden kann. Es werden nur die Reactionen, die das Thier auf gewisse Einwirkungen instinetmässig in stets gleicher Weise folgen lässt, mit Kräften ausgeführt, wie sie dem Thiere, die analogen Erscheinungen im Pflanzenreiche mit sol- chen, wie sie der Pflanze zur Verfügung stehen. Das Hauptgewicht der Erklärung lege ich darauf, dass dieses Verhalten der Pflanze als ein Resultat der natürlichen Züchtung hingestellt wird. In den Blüthen sehen wir die mannichfaltigsten Einrichtungen hinsichtlich der relativen Länge, Lage und Richtung der einzelnen Theile, sowie vielfach auch hinsichtlich der Richtung der ganzen Blüthe zum Hori- zonte bei allen Individuen regelmässig wiederkehren, und wir wis- sen, dass alles dieses in der innigsten Beziehung zum Zwecke der Bestäubung steht. Es dürfte wohl gegenwärtig Niemanden geben, der noch behauptete, dass diese Einrichtungen nicht durch natürliche Züch- tung entstanden, vielmehr als ursprünglich gegebene nothwendige Folgen aller der physikalisch-chemischen Einwirkungen zu betrach- ten seien, denen jede Pflanze unter den irdischen Verhältnissen aus- gesetzt ist. Alle diese Einrichtungen, und zumal die Richtungsver- 1) Untersuchungen über Abwärtskrümmung der Wurzel. Breslau 1872. 2) Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen. Leipzig 1870. 85 hältnisse der Theile sind hier oft bei grosser Verwandtschaft, und selbst nach Varietäten und Individuen, so leicht variabel, dass wir sie nicht anders denn als nach freier Wahl angenommene Eigenheiten betrachten können, und wollten wir sie dennoch als die strengen Folgen der anorganischen äusseren Naturkräfte ansehen, so müssten wir bei der grossen Leichtigkeit, mit der die Natur je nach Bedürfniss sie anbringt oder weglässt, eine Veränderlichkeit und Umkehr der allgemeinen inneren mechanischen Zustände der Pflanze, wie sie die antivitalistische Schule zur Erklärung bedarf, voraussetzen, welcher das Gepräge der Unwahrscheinlichkeit nur allzusehr anhaftet. Haben wir aber auf diesem Gebiete der natürlichen Züchtung ihr Recht eingeräumt, so werden wir auch bei den Einrichtungen, welche die vegetativen Organe für ihre Funetionsverrichtungen bedürfen, nicht allein durch die blosse Consequenz, sondern durch die richtig eruirten Thatsachen vielleicht noch mit viel grösserem Zwange zu der gleichen Auffassung uns verwiesen sehen. In der gesetzmässi- gen Beziehung zwischen der Gravitation oder dem Lichte und dem Wachsthumsgange vieler vegetativer Pflanzenglieder erblicke ich daher nicht ein wahres Verhältniss von Ursache zu Folge, sondern eine erst allmählich enger und enger gestiftete Association zweier Vor- gänge, die bis heute niemals in causalem Nexus gestanden haben, obgleich sie nun nach Vollendung der natürlichen Züchtung den Schein eines solchen doeumentiren. Gravitation und Licht sind nicht dieErregerjener Wachsthumsformen, sonderndiePflanze bedientsichihrernuralsMerkmale, an denen sie abmisst, wieviel sie noch zu leisten hat, bis das durch Wachs- thum zu richtende Glied seine vortheilhafteste Lage erreicht hat. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass diese Auffassung a priori gerade ebenso berechtigt ist wie diejenige, welche zwischen den Wirkungen der Gravitation oder des Lichtes und den Krümmun- gen wachsender Pflanzentheile ein Verhältniss von Ursache und Folge erblickt, indem keine Thatsache bekannt ist, welche mit ihr im Wider- spruche steht, und dass ihr jedenfalls der Vortheil einer einfachen, naturgemässen, mit vielen anderen Erscheinungen analogen Erklär- barkeit zukommt, Was hier noch zu erklären wäre, ist nur die Art und Weise, wie der Pflanze die Empfindung (sit venia verbo) der Gravitationsrichtung ete. vermittelt wird. Aber diese Frage führt uns schon weit über das Gebiet der pflanzlichen Bewegungen hinaus. Sie fällt zusammen mit den Fragen, wie überhaupt alle diejenigen äusseren Eindrücke, wie namentlich der Aggregatzustand und andere u: BEER Beschaffenheiten der Medien u. dergl., nach denen die Pflanze ihre Organisation richtet, von derselben pereipirt werden, d. h. in welchen Molecularvorgang dieselben zunächst in der Pflanze umgesetzt wer- den, und was hier aus diesem wiederum weiterhin wird. Ich bin der Meinung, dass dies ein Gebiet ist, wo man gegenwärtig vielleicht speceuliren, noch nicht aber zu exacten Resultaten kommen kann. Die Darlegung der hier ausgesprochenen Anschauung mag viel- leicht gegenwärtig nicht unnütz sein, wo man mit besonderer Vorliebe die Einwirkungen der anorganischen Kräfte auf den vegetabilischen Organismus studirt. Ich bin in hohem Grade von der Erspriesslich- keit dieser Fragen überzeugt, vorausgesetzt, dass sie richtig gestellt werden. Aber ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, als mische man hierbei vielfach Heterogenes untereinander. In den gesetzmässigen Beziehungen äusserer Krafteinwirkungen zu gewissen Lebenserscheinungen erblicke ich zum Theil ein wahrhaft causales Verhältniss; letztere sind die directen Folgen jener noch allgemeinen, nicht auf die organischen Reiche beschränkten Naturgesetze, welche vor den Organismen da waren, und über welche die natürliche Züchtung keine verändernde Macht hatte, mit denen sie überall als mit einem unabändgrlich Gegebenen arbeiten musste. Zum Theil aber erkenne ich in jenen Beziehungen zufällig, nämlich durch die natürliche Zucht- wahl gewordene Associationen zwischen einer äusseren Kraftwirkung und einem Lebensvorgange, die in gar keinem inneren Causalverhält- nisse zu einander stehen; die darum auch keine allgemeine Geltung haben, sondern je nach den bei der Zuchtwahl zu befriedigenden Be- dürfnissen bald in dieser bald in jener Combination gefunden wer- den. Die Wirkungen der Wärme auf den vegetabilischen Organis- mus, vielleicht auch manche solche des Lichtes, desgleichen die oxy- dirende Wirkung des Sauerstoffes auf das lebendige Protoplasma mögen zu der ersteren Kategorie von Erscheinungen gehören. Die nach den Richtungen der Gravitation und der Lichtschwingungen sich richtenden Wachsthumsformen vieler Pflanzenglieder sind sehr wahr- scheinlich Erscheinungen der zweiten Kategorie, und hierin nicht die einzigen. Leipzig, im Februar 1872. Ueber parasitische Algen. Von Dr. Ferdinand Cohn. Mit Tafel I. So lange man überhaupt die Pilze als eine selbstständige, auf physiologische und vegetative, wenn auch nicht auf Fortpflanzungs- Charaktere gegründete Klasse der 'Thallophyten den Algen gegen- überstellt, so wird als ihr wichtigstes Unterscheidungs-Merkmai her- gebrachter Weise der Mangel des Chlorophylis angegeben, und es wird angenommen, dass eben dieses Mangels wegen die Pilze auf die Ernährung durch organische Verbindungen und in Folge dessen auf eine parasitische Lebensweise angewiesen seien, da sie nicht im Stande sind, gleich den grünen Pflanzen, anorganische Verbindungen im Sonnenlicht zu assimiliren., Neuere Forschungen, auf welche ein nachfolgender Aufsatz spe- cieller eingehen wird, haben, an die Untersuchungen von Pasteur anknüpfend, die für die Ernährung der Pilze erforderlichen organi- schen Verbindungen dahin näher bestimmt, dass die Pilze zwar ihren Stickstoff auf die nämliche Weise, wie die grünen Pflanzen, aus Ammo- niak oder Salpetersäure entnehmen, dass sie aber nicht im Stande seien, Kohlensäure gleich den grünen Pflanzen zu zerlegen und daher für die Aufnahme ihres Kohlenstoffs auf die Assimilirung von Kohlen- hydraten und ähnlichen, in Organismen gebildeten Kohlenverbindungen angewiesen sind. Den grünen Pflanzen dagegen und insbesondere auch den Algen, wird die Fähigkeit, solche organische Verbindungen zu assimiliren, in der Regel abgesprochen, (Vergleiche indess hierüber Sachs, Experimentalphysiologie p. 126. Solms-Laubach, Ueber Bau und Entwicklung der Ernährungsorgane parasitischer Phanero- gamen, Pringsheims Jahrbücher VI. p. 514 segq.) Es ist jedoch längst bekannt, dass echte parasitische Phanero- gamen, wie die Loranthaceen und viele Santalaceen und Rhinanthaceen, 88 welche mit Saugwurzeln in die inneren Gewebe anderer Pflanzen ein- dringen, und aus diesen allein ihre sämmtlichen Nährstoffe beziehen, gleichwohl Chlorophyll in ihren Laubblättern entwickeln. Zwar steht durchaus nicht fest, dass die Saugwurzeln dieser grünen Parasiten aus dem Gewebe ihrer Nährpflanzen wirklich organische Verbindungen aufnehmen, da dieselben ja vielleicht, so gut wie die Wurzeln der terrestrischen Phanerogamen, auch die Fähigkeit besitzen, alle orga- nischen Verbindungen auszuschliessen und nur anorganische durch Endosmose aufzunehmen. So lange jedoch der Beweis für eine solche Vermuthung nicht gegeben, muss die Thatsache der grünen Parasiten Zweifel gegen die Annahme erwecken, dass die Gegenwart des Chloro- phylis mit der Assimilirung organischer Verbindungen unverträglich sei. Ein gleiches Bedenken wird uns durch die bekannte Beobachtung aufgedrängt, dass auch viele niedere Thiere (Infusorien, Zoophyten, Turbellarien) in ihren Geweben echte Chlorophylikügelchen entwickeln, welche mit denen der, Pflanzen in allen Beziehungen, und namentlich in ihren chemischen und speetroscopischen Reactionen übereinstimmen. In einer am 12. April 1867 im Pflanzenphysiologischen Institut vorge- nommenen Untersuchung haben Dr. Sehroeter und ich uns in Ueber- einstimmung mit älteren Beobachtungen von Angström und Max Schultze überzeugt, dass das Spectrum eines alkoholischen Chloro- phyllextractes aus dem Infusorium Ophrydium versatile, welches bekanntlich Colonien in Form kopfgrosser Gallertklumpen bildet, sich in Nichts von dem des gewöhnlichen pflanzlichen Chlorophylis unter- scheidet. Gleichwohl kann nieht daran gedacht werden, dass die chlorophylihaltigen Paramecium-, Stentor-, Vorticella-, Hydra-, Tur- bellaria- u. a. Arten sich in ihrer Assimilirungsthätigkeit anders ver- halten, als die farblosen oder braunen Arten dieser Thiergeschlechter. Es ist hier nicht der Ort, die Theorien zu kritisiren, durch welche man das Vorkommen’ des Chlorophylis mit der Ernährung der grünen phanerogamischen Parasiten in Einklang zu bringen sucht, da die- selben bisher der experimentellen Grundlage entbehren. Von den grünen Algen ist bis in die neueste Zeit wohl allgemein angenommen, dass sie ihre Zellen ausschliessiich aus Kohlensäure und Ammoniak sammt den erforderlichen Nährsalzen aufbauen, dagegen organische Kohlenverbindungen nicht assimiliren, dass sie daher niemals echte Parasiten sein können. Die von Famintzin veröffentlichten Ver- suche, „die anorganischen Salze als ausgezeichnetes Hilfsmittel zum Studium der Entwickelungsgeschichte niederer Pflanzenformen“ zu ver- wenden (Bot. Zeit. 1871 p. 749) haben für gewisse Algen eine neue höchst interessante Bestätigung dieses Satzes gegeben. Erst in den 89 " letzten Wochen sind jedoch von verschiedenen Seiten Beobachtungen aneinander gereiht worden, weiche beweisen, dass auch grünen Algen eine parasitische Lebensweise nicht fremd ist. Ich sehe hierbei ab von der bekannten Thatsache, dass ein grosser ' Theil der kleineren Algen als Epiphyten auf der Oberfläche anderer Wasserpflanzen, insbesondere grösserer Algen, festhaften; zahlreiche Diatomeen sind theils mit Stielen (Coeconema, Gomphonema_ete.) befestigt, theils adhäriren sie mit einer ihrer Zell-Flächen (Epithemia, Öocconeis). Auch fast in allen anderen Ordnungen der Algen giebt es Gattungen und Arten, welche ausschliesslich als Epiphyten auf fremden Formen mit Hülfe eines ausgeschwitzten Schleims festge- klebt, oder durch Saugscheiben angeheftet sind, so unter andern grüne Oedogonieen, braune Eetocarpeen und rothe Polysiphonien; die kriechenden Coleochaeten überziehen die Oberhaut lebender Wasser- pflanzen mit einer grünen Rinde. Da jedoch die nämlichen oder doch verwandte Arten nicht blos auf lebenden Pflanzen, sondern auch auf Steinen oder Muschelschalen sich befestigen, so ist eine echte para- sitische Beziehung dieser Epiphyten zu ihren Trägern nicht erweis- lich; die ersteren werden daher gewöhnlich zu den falschen Parasiten gezählt. Auffallend ist nur, dass insbesondere unter den Florideen und Phäosporeen gewisse Arten ausschliesslich und constant auf bestimmten Seetangen wachsen, so Polysiphonia fastigiata nur auf Fucus nodosus; ich finde in Le Joli’s „Verzeichniss der Meer- algen aus der Umgebung von Cherbourg“ unter anderen nachste- hende Arten als constante Epiphyten aufgeführt: Streblonema velu- tinum und Elachistea scutulata auf Himanthalia lorea, Ectocarpus simplex auf Codium, E. insignis auf Laminaria Phyllitis, E. Griffith- sianus auf Rhodymenia palmata, Elachistea stellata auf Dietyota dichotoma, E. stellaris auf Arthrocladia villosa, E. pulvinata und flaccida auf Uystosiren, E. fucicola auf Fucus, E. Grevillei auf Ola- dophora rupestris, Ectocarpus Urouani und Myriotrichia clavaeformis auf Scytosiphon lomentarius, die letztere (var. Zostericola) mit Casta- gnea Zosterae auf Zostera marina u. 8. f. Die Gallertalgen, deren Zellfäden durch eine aus der Aufquellung ihrer Scheiden hervorgegangene, mehr oder minder verflüssigte Inter- cellularsubstanz verbunden sind, werden häufig von fremden Algen bewohnt, die sich in den Schleim einnisten; wir finden solche Gäste ebensowohl im Innern der Chaetophoreen des süssen Wassers, wie in gallertartigen Fhaeosporeen und Florideen (Mesogloea und Dudres- naya). ‘ Pringsheim in seinen „Beiträgen zur Morphologie der Meeresalgen“ erwähnt Streblonema viride, welches zwischen den 90 5 Rindenfäden von Mesogloea virescens sich so verbreitet, dass es sich kaum von ihnen unterscheiden lässt. Aehnliche Algen haben Derbe&s und Solier im Innern von Castagneen, Crouan in einer gallert- artigen Floridee, Dudresnaya coccinea, beobachtet. In unsern Chaeto- phorakugeln nisten fremde Diatomeen, Nostoceen und Zoosporeen. In den meisten dieser Fälle steht jedoch die Annahme offen, dass die beweglichen Fortpflanzungszellen des Gastes in der weichen Inter- cellularsubstanz des Wirthes keimen und dann nachträglich von dem lockern Fädengeflecht desselben eingeschlossen werden, dass daher nur von einem zufälligen Beisammenwohnen, nicht von dem Parasitis- mus echter Endophyten gesprochen werden könne. Anders ist anscheinend das Verhältniss, in welchem gewisse grüne Algen zu dem geschlossenen Thallus verschiedener rother Florideen stehen. In meinem Aufsatze: „Ueber grüne Schläuche der Uruoria pellita Fr.“ (Beiträge zur näheren Kenntniss und Verbreitung der Algen, herausgeg. von Dr. L. Rabenhorst, Heft II., Leipzig 1865), in welchen ich zuerst auf diese eigenthümlichen Vereinigungen auf- merksam gemacht zu haben glaube, beschrieb ich das Vorkommen grüner stärkereicher schmal lanzettlicher oder breit birnförmiger, am untern Ende in einen langen soliden Zellstoffstiel auslaufender Schläuche zwischen den eng aneinander gedrängten Fäden einer Üruoria von Hel- goland, einer dunkelpurpurnen Krustenalge aus der Klasse der Flori- deen. Die grünen Schläuche sind so regelmässig eingelagert, dass ich anfänglich, und wahrscheinlich schon früher andere Beobachter, dieselben als normale Fortpflanzungszellen der ÜUruoria angesehen hatte; es ist jedoch kein Zweifel, dass es fremde endophytische Eindringlinge sind, die auf eine noch nicht ermittelte Weise in die festen Krusten dieser Florideen hineingelangen. Schon im Jahre 1850 fand Mettenius in unzähligen Exemplaren einer anderen Floridee, dem durch seinen dichotomisch verzweigten stiel- runden Thallus bekannten Polyides lumbricalis, grüne, mit Chloro- phyll, besonders am äussersten Ende dicht erfüllte Zellen, einzeln weit von einander, oder zu mehreren, 2—6, zusammen, deren schmäleres Ende direkt von der Cuticula des Polyides bedeckt, ihr übriger Umfang dagegen von dem benachbarten und mit ihrer Ausdehnung verdrängten Parenchym der Floridee umgeben war (Beiträge zur Bo- tanik Heft I. p. 39. Tab, IV. Fig. II. 1.) Mettenius hatte in die- sen Zellen die Sporenmutterzellen des Polyides vermuthet; es konnte mir jedoch kein Zweifel sein, dass dieselben dem Polyides fremd und vielmehr die Keimlinge einer parasitischen Chlorosporee seien. Thuret gab mir in einem im Jahre 1864 an mich gerichteten 91 Briefe, den ich ebenfalls in meinem oben eitirten Aufsatze bekannt gemacht habe, freundliche, durch eine beigelegte Zeichnung erläu- terte Auskunft über seine eigenen Beobachtungen in Betreff der im Innern der Polyides schmarotzenden Zoosporee. Er bestimmte dieselbe als die gewöhnlich epiphytisch auf Polyi- des und anderen Seepflanzen (Gracilaria, Ühaetomorpha, Zostera) sehr gemeine Uladophora lanosa. Die gekeimten Zoosporen der Ola- dophora fand er mitten im geschlossenen Corticalgewebe des Polyides als grüne ovale und kuglige Zellen, die sich lange Zeit vergrössern, ohne sich zu theilen, wie dies bei andern gekeimten Schwärmsporen stattfindet; erst gegen das Ende des Winters fangen sie an sich zu theilen, worauf die Endzelle nach aussen sich verlängert, das Rinden- gewebe des Polyides durchbricht und sich schliesslich zu einem klei- nen liehtgrünen Cladophorenbusch entwickelt. Ich selbst hatte bei einem Besuch von Helgoland im September 1865 ebenfalls Gelegenheit, die grünen Parasiten im Innern des Polyides genau so zu beobachten, wie sie Mettenius und Thuret geschildert; die bald mehr kugligen, bald mehr ovalen, Chlorophyli- und stärkereichen diekwandigen Zellen hatten eine Länge von 90 bis 100 Mikrom. und eine Breite von 25—50 Mikrom. und waren tbeils von dem Rindengeflecht umschlossen, zum Theil sogar ins Markge- flechte eingelagert; sie sind so zahlreich, dass sich auf jedem Quer- schnitt eine ganze Anzahl der grünen Schläuche zeigten. Ich fand jedoch nirgends eine Andeutung dafür, dass diese grünen Endophyten des Polyides sich später durch Querscheidewände zu theilen, zu gegliederten und verästelten Conferven sich zu entwickeln und die Rinde jener Floridee wieder zu durchbrechen vermöchten. Ohne daher die Thuret’schen Beobachtungen anzuzweifeln, möchte ich doch die bei Helgoland von mir in Urworia und ‚Polyides beobach- teten grünen Zellen nieht ohne weitere Untersuchungen mit der Thuret’schen ÜOladophora lanosa identificiren, da die nachfolgen- den Beobachtungen die Möglichkeit in den Vordergrund rücken, dass auch andere grüne Algen im Innern fremder Pflanzen schmarotzen. Auch die von Thuret und mir selbst (l. ec. p. 39) ausgesprochene Vermuthung, dass die Sporen der Endophyten ursprünglich auf der Oberfläche der Florideen keimen und erst nachträglich durch Ent- wickelung des Gewebes derselben überwallt und eingeschlossen wer- den, muss von Neuem geprüft werden, da die von mir weiter unten bekannt gemachten Beobachtungen auch ein actives Eindringen der Keimschläuche möglich machen. Die Frage von dem Verhalten der Flechtengonidien zu dem Hyphen- 92 geflecht der Ascosporeae, dessen constante Begleiter dieselben sind, giebt den Untersuchungen über die endophytische Lebensweise grüner Algen ein besonderes Interesse. Seitdem, wie dies in neuester Zeit von fast allen Forschern geschieht, die Gonidien nicht als integri- rende Gewebszellen des Flechtenthallus, sondern als fremde, selbst- ständiger Fortpflanzung fähige Algen betrachtet werden, ist diese auf- fallende Lebensgemeinschaft heterogener Thallophyten gewöhnlich so aufgefasst worden, als würden die Algen von dem Mycel eines Asco- myceten umsponnen und das Consortium beruhe auf der Grundbe- dingung, dass der Pilz den Algen die rohen anorganischen Nähr- stoffe zuleite, während er selbst von ihnen die für seine Existenz benöthigten organischen Verbindungen geliefert erhalte; dass daher der Pilz parasitisch auf den Algen vegetire, und von den durch die Thätig- keit ihres Chlorophylls producirten organischen Nährstoffen mittelbar oder unmittelbar ernährt werde. Während noch in den letzten Monaten Rees (Berliner Monatsberichte Oct. 1871) undSchwendener (Flora 1872. No. 12) durch anatomische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen den Nachweis führ- ten, dass die Formen der Collemaceen durch parasitische Discomy- ceten, deren Mycel in die Gallert eines Nostoc eindringt, entstehen, wurden fast gleichzeitig von zwei Seiten neue überraschende Beob- achtungen über endophytische Nostoceen veröffentlicht, welche grade umgekehrt diese Algen als Parasiten in höheren Pflanzen erkennen liessen. In einer der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften am 2. Dec. 1871 vorgelegten Mittheilung „über gonidienartige Bildungen in einer dieotylischen Pflanze“ (Göttinger gelehrte Anzeigen No. 25, 1871), sowie in einem späteren Aufsatz „über die anatomischen Ver- hältnisse einiger Arten von Gunnera“ (Separatabdruck aus derselben Zeitschrift, 1872) beschreibt J. Reinke das Vorkommen von Schma- rotzeralgen aus der Klasse der Nostoceae in den Stämmen von Gun- nera scabra und vier anderen Arten derselben Gattung. Diese Algen, deren speeifische Bestimmung zweifelhaft blieb (Scytonema oder Anabaena), stellen Phycochromhaltige knäuelförmige, aus verschlun- genen Fäden gebildete Ballen dar, deren Gliederzellen von Inter- stitialzellen unterbrochen sind. Die Nostoceenfäden leben zuerst frei in den Laubknospen der Gunnera, und zwar in dem Schleim, wel- cher von grossen, auf der Rückseite der jungen Blätter stehenden Drüsen geliefert wird. Später lösen sich nicht nur diese Drüsen selbst vollständig in Schleim, sondern es verschleimen auch ganze Zellreihen unter den Drüsen bis in das Stammparenchym der Gunnera hinein; indem die Algenfäden in den so entstandenen Schleimkanälen 93 wuchern, dringen sie schliesslich selbst in die Parenchymzellen durch deren grosse Tüpfel ein und füllen ganze Gruppen derselben mit dichten blaugrünen Fadenknäueln aus. Dabei wird der Zugang zu den Nostoceennestern durch neugebildetes Parenchym, welches das ehemalige Drüsengewebe ersetzt, verschlossen, und die Algen vollständig gefan- gen, so dass sie ihre Nahrung fortan nur aus dem gerbstoffreichen Safte der Gunnera erhalten; es ist daher das Verhältniss der Goni- dien bei Gunnera das entgegengesetzte von dem bei den Flechten durch Schwendener angenommenen. Die Arbeit von E. v. Janczewski in No. 5 der botanischen Zeitung vom 2. Febr. 1872 (Zur parasitischen Lebensweise des Nostoc lichenoides) behandelt das endophytische Vorkommen eines Nostoc im inneren Gewebe der laubartigen Lebermoose. Milde war der erste, der in diesen Lebermoosen (Anthoceros, Chamaeceros, Blasia, Pellia, Diplolaena, Aneura und Riccia) Kugeln voll olivengrüner Nostoeähnlicher rosenkranzförmiger Zellschnüre erkannte, wo frühere Beobachter, von Hedwig und Schmidel an, Brutknospenbehälter oder männliche Organe vermuthet hatten. Janczewski erklärte in Folge seiner zum Theil schon aus dem Jahre 1871 stammenden Untersuchungen diese Gebilde für endophytische Nostoccolonieen, einer Art angehörig, die auch ausserhalb der Lebermoose auf dem Erdboden vegetirt; bei Anthoceros wandern die aus der terrestrischen Nostroegallert herauskriechenden Rosenkranzfäden, je einer in eine der auf der Unterseite des Lebermoos-Thallus zerstreuten Spaltöffnungen; von da bohrt der Nostocfaden. sich weiter in einen daselbst aus- mündenden Intercellulargang, indem er sich wurmförmig krümmt, er vermehrt sich hier in bekannter Weise zu einer blaugrünen Faden- kolonie, welche Fortsätze zwischen benachbarte Zellen treibt und schliesslich intercellular eine gewisse Portion des Thallusgewebes durehwuchert. Die von den Nostocfäden überwucherten Thalluszellen leiden anfänglich nur wenig und theilen sich sogar weiter; später verlieren sie Chlorophyll und Protoplasma und werden daher durch den Nostoc geschädigt; dieser dagegen bezieht seine rohen Nähr- stoffe nur aus dem Anthocerosthallus, da durch die turgeseirenden und sich theilenden Schlusszellen die Eintrittsstelle allmählich völlig zugemacht wird, und die gefangene Nostoceolonie nur durch Zer- setzung des Thallus wieder austreten kann. In ähnlicher Weise hat v. Janezewski auch das Eindringen der Nostocfäden und deren ‘ Entwieklung zu endophytischen Colonien in blattachselständigen hoh- len Trichomgebilden von Dlasia pusilla, sowie in den grossen durch- löcherten Spiralzellen von Sphagnum festgestellt; bei Anthoceros sogar Bu. RR “ auf experimentellem Wege, indem er den Lebermoosthallus mit freien Nostocfäden künstlich infieirte, Die Beobachtungen von Reinke weichen von denen Janezewski’s zunächst darin ab, dass die Nostoceolonien der Lebermoose nur in den Intercellularräumen, die der Gunnera dagegen in den Zellen des Paren- chyms selbst nisten. Beiden könnte der Einwurf entgegengestellt werden, ob nicht die beweglichen Nostocfäden, welche ja auch ausser- halb ihrer Wirthe leben, nur zufällig durch geöffnete Spalten in das innere Gewebe derselben einwandern und sich dort im geschützten Raume günstig entwickeln, dass daher ein echter Parasitismus der Nostoceen nicht ausser Zweifel sei. Die nachstehenden Beobachtungen über endophytische Algen scheinen mir grade darin ein besonderes Interesse zu haben, als sie nicht nur den echten Parasitismus einer Chlorosporee ausser Zweifel stellen, sondern auch ein ganz eigen- thümlich complieirtes Consortialverhältniss zwischen Algen verschie- dener Ordnungen darlegen. Bei einer mikroskopischen Untersuchung des Laubes von Zemna trisulca, welche ich unter anderen Wasserpflanzen in einem Glas- gefäss überwintert hatte, beobachtete ich zuerst am 8. Mai dieses Jahres zahlreiche, theils intensiv smaragdgrüne, theils span- grüne Schläuche, welche in’s Innere des Lemnaparenchyms ein- gesenkt, sich sofort als endophytische Algen kennzeichneten. Aus- nahmslos in jedem der von mir untersuchten Lemnasprossen fanden sich bald in grösserer, bald in geringerer Zahl diese Schmarotzer; gewöhnlich konnte man in einem jeden Spross weit mehr als 100, und in einem Gesichtsfeld bei Obj. IV. Hartnack gleichzeitig bis 25 derselben zählen; die nämlichen Endophyten fanden sich auch in frischer, am 10. Mai aus einem Graben bei Breslau geholter Lemna trisulca, nicht aber in einer zweiten, einige Tage später aus einer anderen Lokalität gesammelten Probe. Der Versuch, die letztere durch Hineinbringen einzelner mit Schmarotzern besetzter Lemna- sprossen zu infieiren, gelang nicht. v Ehe ich jedoch die Entwicklungsgeschichte der Endophyten ver- folge, schicke ich einige Worte über die Anatomie des Thallus von Lemna trisulca voraus. Ein junger Spross dieser Lemnaart ist der Lemna minor nicht unähnlich und besitzt die Gestalt eines ovalen, linsenförmigen, schwach gewölbten, am äusseren Rande gleich einem Selaginellablatt fein gezähnelten Blättchens, das sich in ein dünnes Stielehen verlängert und von drei Nerven durchzogen ist, welche von dem Stielehen ausgehen und nur aus Cambiform, ohne Gefässe, gebil- det sind; am Grunde des Stielehens bilden sich rechts und links je 95 ein Meristemhöcker als Anlage von 2 Tochtersprossen, ein dritter Hügel auf der Unterseite zwischen jenen ist die Anlage einer Wur- zel-e. Indem später flügelartige Säume paarweise zu beiden Seiten den Rand des Stielchens einfassen, überdecken sie zugleich die Ansatz- stellen der jungen Tochtersprosse, etwa wie die Cotyledonen das Knösp- chen einer Bohne; die Basis des Stiels selbst verlängert sich nach- träglich am Grunde in eine laubartige Fortsetzung, so dass schliesslich die Tochtersprosse kreuzständig aus der Mitte des verlängerten Mutter- sprosses zu beiden Seiten hervorkommen und an ihren Anheftungs- punkten von den Flügeln des Laubrandes eingefasst sind. Der Thallus der ZLemna trisulca ist beiderseits von einer Epi- dermis bedeckt, deren tafelförmige Zellen unregelmässige ziekzack- artig gebogene Contouren zeigen, und von einer Cutieula überzogen, welche das Benetzen durch Wasser verhindert; auf die einspringenden Winkel der Oberhautzellen sind, wie dies bei vielen Blumenblättern bekannt ist, faltenartige Leisten aufgesetzt, welche auf dem Quer- schnitt des Thallus gleich Pfeilern die Decke der Epidermis zu tragen scheinen (Tab. II. Fig. 2, 3). Längs des Thallusrandes liegt zwischen den beiden Lagen der Epidermis nur eine einfache Schicht grosser Parenchymzellen, welche zwischen sich grössere Lufträume in den Ecken lassen; in der, einer Mittelrippe gleich verdiekten Mitte des Lemnathallus finden sich unter dieser Parenchymzellenschicht noch grosse sechseckige Lufträume, mitunter in zwei Reihen übereinander, welche durch einschichtige Scheidewände von einander getrennt sind (Fig. 3i); Spaltöffnungen fehlen. Die Flügel des Lemnathallus bestehen blos aus der Oberhaut und einer einfachen Parenchymschicht, deren Zellen ebenfalls ziek- zackartig gebogen und mit einspringenden Pfeilern versehen sind. Sämmtliche Zellen der Lemna trisulca, mit Ausnahme der Rhaphiden- führenden, enthalten Chlorophylikügelehen, welche die von Borodin entdeckten, durch das Licht beeinflussten Bewegungen vollziehen und in einem späteren Stadium grössere Amylumkörperchen von linsen- förmiger Gestalt in so ausserordentlich grosser Menge erzeugen, dass die Zellen dadurch fast undurchsichtig werden. Sobald sich jedoch die zu beiden Seiten entspringenden Sprossen zu entwickeln beginnen, verschwindet die Stärke und bald auch das Chlorophyll aus den Zellen, so dass der Mutterspross allmählich seiner Bildungsstoffe entleert und ent- färbt wird, während die Tochtersprosse sich auf seine Kosten ausbilden. Die in der Lemna trisulea nistenden Endophyten sind zweierlei Art, primäre und secundäre, zu der ersteren Klasse gehören diesmaragdgrünen Schläuche, zu der zweiten diespangrünen. 96 Die smaragdgrünen Schmarotzer pflanzen sich durch Schwärm- sporen fort, welche sich aussen auf die Oberhaut der Lemna (Fig. 2,4) anheften; und zwar befestigen sie sich vor dem Keimen immer nur auf die Grenze zwischen zwei Epidermiszellen, und man findet oft auf einem Gesichtsfeld viele Hunderte von frisch gekeimten Schwärm- zellen in geringer Entfernung von einander regelmässig auswendig auf den ScheidewändenderEpidermiszellen festsitzen (Fig. 4). Ich habe selbst Zemna trisulca gesehen, wo auf jeder Epidermiszell- wand Dutzende von Zoosporen dicht nebeneinander angeheftet waren. Die Schwärmspore, welche vor dem Ausschwärmen birnförmig, grün, mit farblosem Schnabel, den Zoosporen von Cladophora ähnlich ist (Fig. 1), wird nach dem Keimen zunächst kugelig, und bekleidet sich mit einer dieken farblosen Zellmembran, welche später noch bedeu- tend aufquillt und mehrschichtig wird. Die gekeimte Schwärmspore treibt nunmehr einen kräftigen Keimschlauch, dessen Scheitel die beiden Blätter der zu einer Scheidewand verbundenen Seitenflächen zweier Epidermiszellen unter ihrem Anheftungspunkte auseinander treibt (Fig. 2, 3). Auf dem Querschnitt erscheint die gekeimte Schwärmspore in diesem Alter nach Art einer 8 dergestalt einge- schnürt, dass die eine Hälfte über der Epidermis, die andere unter derselben liegt (Fig. 2a.). Leicht unterscheidet man auch bei einer Vergleichung der ziekzackartigen Scheidewände der Epidermis nicht blos solche, welche wie gewöhnlich dünn, stark lichtbrechend und einfach, sondern auch solche, welche aufgequollen, schwach licht- brechend, doppelt contourirt und sichtlich erweicht sind, um das Eindringen dem Keimschlauch der Zoospore zu gestatten (Fig. 4*). Dieser senkt sich in Form eines breiten Keils (Fig. 2b. e.) immer tiefer in’s Innere; aus der auswendig zurückbleibenden Sporenkugel wandert der grüne Zellinhalt in den abwärts steigenden Keimschlauch; es bleibt daher das aussen befindliche kugelförmige Ende der Spore als ein farbloser Knopf auf der Oberhaut sitzen, während seine Zell- membran aufquillt und deutliche Schichtungen zeigt (Fig. 2a.b.c., 3, 4); dieser farblose Sporenknopf bezeichnet noch bis in die letzten Ent- wicklungszustände die Eintrittsstelle des Endophyten (Fig 4, 5a. b.e). Inzwischen ist der Scheitel des Keimschlauchs zwischen den gespal- tenen Scheidewänden zweier benachbarter Epidermiszellen bis an die zunächst anstossenden Parenchymzellen vorgedrungen (Fig. 2b), die häufig einen Intercellularraum gegen die Epidermis bilden. Nunmehr schwillt die Spitze des Keimschlauchs blasenförmig auf, indem sie einen Intercellularraum ausfüllt (Fig. 2b.); in der Regel aber spaltet sie auch die beiden Blätter der hier sich berührenden Parenchym- 97 zellen gleich einem Keil (Fig. 2c.), und vergrössert sich in dem auf solehe Weise von ihr selbst hervorgerufenen Intercellularraum rasch zu einer grossen Schlauchzelle, die durch den engeren Keimfaden, wie durch einen Hals, mit der durch den farblosen Knopf verschlos- senen Eintrittsstelle im Zusammenhang bleibt. Indem der Bauch der Endophytenzelle sich rasch ausserordentlich vergrössert, comprimirt er das angrenzende Gewebe der Lemna, und so entstehen durch gegen- . seitigen Druck die manigfaltigsten Gestaltungen sowohl des Schma- rotzers als der von ihm zusammengedrückten Parenchymzellen; anfäng- lich ist der erstere oft halbmondförmig, wie ein Closterium, oder gebogen wie ein Ophiocytium; da er jedoch schnell anschwillt und dabei die Nachbarzellen in seinem Wachsthum überflügelt, so nimmt er schliesslich die Gestalt einer birnförmigen, kugligen (Fig. 5 1. k.), oder eirunden oder mehr in die Länge gezogenen Blase an (Fig. 5 d.f.), deren Bauch in der Regel in einen der sechseckigen Intercellularräume des Lemnathallus hineinhängt (Fig. 3). In andern Fällen äussern sich die Wirkungen des gegenseitigen Drucks dadurch, dass der Endophyt nierenförmig (Fig. 5 e.), oder hufeisenförmig in sich zusam- mengebogen (wie ein campylotropes Eichen) (Fig. 5 h.), stellenweis eingeschnürt und erweitert (Fig. 5 e.), oder drei- oder mehrlappig ist (Fig. 5 i.) oder dass er dünnere halsartige Verlängerungen in die Ecken der Intercellulargänge hineintreibt (Fig. 5 m.) u. dgl. m. Sehr häufig dringen zwei, drei oder mehrere Keimschläuche an unmittel- bar benachbarten Stellen der Epidermis in das Innere des Lemna- thallus; diese üben dann bei ihrer späteren Berührung gegenseitigen Druck auf einander, und bilden dann Gruppen von zwei, drei und mehr Endophyten, die mit abgeplatteten Wänden aneinander stossen und in Folge dessen seltsame Gestaltungen (Fig. 5 a. b. ce. g. h.) zeigen. Die ausgewachsenen Zellen besitzen einen Durchmesser von 60 bis 100 Mikrom. Die Membran des Schmarotzers lässt sich anfangs kaum von den benachbarten Zellwänden des Lemnaparenchym unterschei- den, wird aber allmählich stärker verdickt; sie zeigt nun eine mess- bare Breite und deutliche Schiehtung (Fig. 5 a. 4); der Inhalt der Zelle ist zuerst wasserhell und nur von einer dünnen, hellgrünen Wandschicht ausgekleidet, die aus dem grünen Plasma des Keim- schlauchs hervorgegangen ist (Fig. 2a.); in weiterer Entwickelung aber erzeugt der Schmarotzer eine ausserordentliche Menge von Chlo- rophyll und seine Zellhöhle füllt sich allmählich beinahe ganz mit reingrünem Protoplasma, in welchem sich zahllose kleine Stärkekörn- chen bilden; daher färbt sich der Endophyt, der erst gelbgrün und durchsichtig war, allmählich immer intensiver, und wird schliesslich Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, HeftII. 7 98 tief dunkelgrün und beinahe undurchsichtig; in der homogenen grü- nen Substanz sind auch grössere Chlorophylibläschen gleich Kernen vertheilt. Endlich tritt in dem grünen Protoplasma eine eigenthüm- liche Art der freien Zellbildung auf, indem sich an verschiedenen Punkten der Zellhöhle in der Nähe der Wand Ansammlungen des grünen Inhalts bilden, die nach innen vorspringende Wellenberge darstellen und durch Wellenthäler von geringerer Tiefe unter einan- der geirennt sind (Fig. 5g.) Indem das in den Wellenthälern ent- haltene grüne Plasma allmählich ganz und gar nach den Wellenber- gen wandert, werden diese von einander völlig isolirt; so zerfällt das grüne Plasma der Endophytenzelle in eine grosse Zahl von Segmen- ten, die, gleich Dotterkugeln eines gefurchten Froschei, dicht an ein- ander gelagert sind (Fig. 5 e. f.).,. In Glycerinpräparaten werden diese Segmente deutlicher, da sich die Plasmamassen durch Con- traction mehr abrunden. Schliesslich zerfallen die Segmente wieder in einer Weise, die ich wegen ihrer Undurchsichtigkeit nieht spe- cieller zu verfolgen vermochte (Fig. 5 f.), in eine ausserordentlich grosse Zahl birnförmiger Zoosporen, welche dicht aneinandergedrängt, die Höhle ihrer Mutterzelle ausfüllen (Fig. 5 g. h.); sie sind schön chlorophyligrün, und ihre kegelförmigen farblosen Schnäbel meist regel- mässig nach aussen geriehtet. Der Durchmesser der von mir in die- sem Zustande gemessenen Zoosporen betrug 4—5 Mikrom. Inzwi- schen hat der blasenartige Bauch der Endophytenzelle einen oder meh- rere halsartige Fortsätze nach aussen getrieben, die in den Intercellular- gängen fortwachsend, die Epidermis spalten und sich auch aussen öffnen (Fig. 5 g. h.), wobei die Epidermis deutliche Querrisse bekommt (Fig. 5 k.); wenn nur ein solcher Hals vorhanden, so scheint der- selbe die einfache Ausweitung des ursprünglichen Keimschlauchs zu sein. Auch der Hals wird dieht mit Zoosporen ausgefüllt; und wenn derselbe sich endlich an der Spitze öffnet, werden die Schwärm- sporen rasch nach aussen entleert, während die leere Membran der Mutterzelle im Lemnathallus zurückbleibt (Fig. 5 i. k.). Den unmittelbaren Moment des Ausschwärmens zu beobachten, ist mir leider nicht geglückt, obwohl ich spät um Mitternacht und am frü- hesten Morgen untersuchte, auch längere Zeit einen und denselben Lemnaspross in der feuchten Kammer eultivirte; da man jedoch wegen der Grösse dieser Endophyten immer nur wenig Individuen zu gleicher Zeit im Gesichtsfeld haben kann, so ist nur durch einen günstigen Zufall der richtige Moment zu treffen. Indess habe ich nicht nur häufig freie Zoosporen aus durchschnittenen Mutterzellen “austreten und in langsamer Bewegung im Wasser umherschwimmen 99 sehen, sondern auch mehremal eine grosse Menge kurz zuvor aus einer Zelle ausgetretener Zoosporen über das Gesichtsfeld sich aus- breiten sehen, doch waren dieselben unter dem Druck des Deckgla- ses bereits zu grünen Kugeln zerflossen, ohne sich bedeutend von der Austrittsstelle entfernt zu haben. Ich kenne daher zwar die Gestalt der Zoosporen, sowohl in dem Zustande, wie sie noch im Innern der Mutterzelle aneinander gelagert sind (Fig. 4a), so wie im frei beweglichen Zustand, vermag jedoch über die Zahl und Anhef- tung der Wimpern, und die Art und Weise ihrer Bewegung, wie über die Ursache ihrer so regelmässigen Anheftung an die Grenzen der Epidermiszellen nichts mitzutheilen; doch lässt die von mir bereits ermittelte Entwicklung mit Ausnahme dieser Punkte keine Lücke. Uebrigens befallen die Parasiten alle Regionen des Lemnaspros- ses, Ober- und Unterseite; an den Laubrändern finden sie sich besonders häufig; die Stiele und Wurzeln sind dagegen in der Regel von ihnen frei; selbst die jungen noch in den Randflügeln einge- schlossenen Sprossen enthalten schon Schmarotzer. Da die Schwärm- sporen sich oft auf demselben Lemnaspross anheften, in welchem ihre Mutterzelle eingenistet, so erklärt sich hieraus nicht blos die grosse Zahl der Schmarotzer, welche jeder einzelne Spross ernährt, sondern auch die ungleiche Entwicklung derselben; man findet in demselben Spross alle Altersstufen von dem frischen Keimling bis zur völlig ausgewachsenen Zelle, welche im Begriff ist, selbst Schwärm- sporen zu entleeren. Selbst diejenigen Muttersprosse, welche bereits von allem Chlorophyll und Stärke entleert und daher fast farblos geworden sind, sind noch dieht von grünen Parasiten in allen Sta- dien der Entwieklung bewohnt. Nicht alle Zoosporen jedoch, welche sich an die Oberhaut eines Lemnasprosses anheften, gelangen zu vollständiger Entwicklung; eine grosse Zahl geht unmittelbar nach der Keimung oder nach Bildung eines kurzen Keimschlauchs zu Grunde, und stellt, da sie sich rasch entfärben, farblose Knöpfe auf der Epidermis dar. Häufig kommt es auch vor, dass nicht alle Zoosporen den Aus- gang durch die Halsöffnung finden, sondern dass eine grössere oder kleinere Zahl, oft nur wenige, selbst nur 1—2 in der Mutterzelle zurückbleiben; sie nehmen alsdann beim Keimen eine regelmässige Kugelform an, bedecken sich mit einer dieken Zellhaut und vergrös- sern sich nieht unbedeutend zu Protococeusähnlichen Zellen, ohne dass dabei die Bildung eines Keimschlauchs oder eines Halses zur Erscheinung käme. Sie scheinen jedoch in diesem Falle keine nor- Tr 100 male Entwicklung bis zur Schwärmsporenbildung zu durchlaufen; möglich, dass sie zu Dauerzellen werden (Fig. 5 kK.). Aus obiger Darstellung ergiebt sich, dass der grüne Endophyt der Lemna trisulca ein selbstständiger Organismus, und zwar eine Algenspecies aus der Ordnung der Zoosporeae ist. Diese Ordnung umfasst Arten mit grünem (Ü'hlorosporeae)und braunem Zellinhalt (Phaeo- sporeae); unter ersteren ist es die epiphytische Gattung Aydrocytium (A. Braun, Algae unicell. p. 24), welche unserem endophytischen Schmarotzer am nächsten kommt; aber grade diese Lebensweise in Uebereinstimmung mit den übrigen morphologischen und entwick- lungsgeschichtlichen Verhältnissen weist uns noch auf eine andere Pflanzengruppe, welche zwar wegen ihres farblosen Zellinhalts gewöhn- lich von den Algen aus der Ordnung Zoosporeae abgetrennt und zu der Pilzordnung der Phycomycetae gestellt wird, die aber zweifel- los mit den ersteren eine innigst verwandte Reihe darstellen. Und zwar kommt zunächst die Gattung Synchytrium in Betracht als die einzige unter den Chytridieen, welche in zahlreichen Landpflanzen schmarotzt. Die Monographie von Dr. J. Schroeter „über die Pflan- zenparasiten aus der Gattung Synchytrium“ im ersten Hefte dieser Beiträge, auf welche ich wegen der Einzelheiten verweise, erläutert nicht nur die gesammte Entwicklung dieser merkwürdigen Parasi- ten, deren erste Entdeckung im Jahre 1863 wir De Bary und Woronin verdanken, sondern zeigt auch eine bis dahin ungeahnte Verbreitung unter der einheimischen Phanerogamenflor (11 Arten auf 17 verschiedenen Nährpflanzen); weitere Beobachtungen, über welche Herr Dr. Schneider in der Sitzung der botanischen Section vom 9. Nov. 1871 berichtete, haben gezeigt, dass eine einzige Art (Syn- chytrium laetum Schroeter) in Schlesien 70 verschiedene Phanero- gamenspecies bewohnt, die 26 Pflanzenfamilien angehören, und deren grösste Zahl. von Herrn Lehrer Gerhardt in der Umgegend von Liegnitz entdeckt wurde. Schroeter theilt die Gattung Syn- chytrium (l. e. p. 39) in drei Seetionen: Eusynchytrium, mit gelb- rothem Protoplasma, deren Schwärmsporen in die Zelle einer leben- den Pflanze eindringen, dort zu einer Kugel anschwellen, deren Inhalt in Haufen von Schwärmsporangien zerfällt; am Schluss der Vegeta- tionsperiode bilden sich aus einzelnen Schwärmsporen Dauersporen mit derber dunkelbrauner Membran. Die übrigen Synchytriumarten entwickeln sich so, dass die in die Nährpflanze eingedrungenen Schwärmsporen sich sofort zu Dauersporen ausbilden; aus den durch Verwesung der Nährpflanze frei gewordenen Dauersporen tritt der Inhalt nach Ablauf einer Ruhepause aus und theilt sich in Schwärm- 101 sporangien. Diese Parasiten zerfallen in zwei Seetionen, Chryso- chytrium wit gelbem oder rothgelbem Protoplasma, und Zeucochy- trium mit farblosem Protoplasma. Vergleichen wir den Endophyten von Lemna mit den bisher bekannten Synchytrieen, so stimmt derselbe offenbar in seiner Ent- wiekelung am meisten mit der ersten Section, Husynchytrium über- ein, da er gleich den Arten dieser Gruppe, alsbald nach seinem Ein- dringen in die Nährpflanze zu einer kuglichen Zelle anschwillt, deren Inhalt sich zunächst in eine kleinere Zabl von Segmenten theilt. Da diese grösseren Segmente, welche durch freie Zellbildung entstehen, nachträglich noch in die sehr zahlreichen Schwärmsporen zerfallen, so lassen sie sich den Zoosporangien der Synchytrien vergleichen, obwohl sie sich von den letzteren durch Abwesenheit besonderer Membranen um die einzelnen Segmente unterscheiden. Andrerseits erinnert dieses Segmentiren des Zellinhalts von Chlorochytrium vor der Zoosporenbildung an die Entwickelungsgeschichte von Ühara- cium, bei welcher epiphytischen Gattung jedoch dieser Vorgang auf einer succedanen Zweitheilung des grünen Protoplasma beruht; eine solche regelmässige Theilung in Potenzen von zwei habe ich bei Ohlorochytrium nieht auflinden können. Da eine Bildung von Dauer- sporen bei den Schmarotzern der Lemna überhaupt noch nieht mit Sicherheit festgestellt ist, so kann die Vergleichung mit Synchytrium nicht auf diesen Entwicklungszustand ausgedehnt werden; jedenfalls könnten sich die Dauersporen in der Lemna erst am Schluss der Vegetation aus einzelnen Schwärmsporen umbilden, wie wir in der That dergleichen ruhende Zellen in einzelnen Fällen nachgewiesen haben. Trotz dieser entwicklungsgeschichtlicehen Analogieen unterscheiden sich die Parasiten der Lemna von den Eusynchytrien wesentlich durch zwei wichtige Charaktere, die Anwesenheit des Chlorophylis im Protoplasma, und die Bildung eines Keimschlauchs, dessen Schei- tel erst zur eigentlichen Zelle anschwillt, während ein Sporenknopf ausserhalb der Nährpflanze zurückbleibt. Die Synchytrien ent- behren eines solchen Keimschlauchs durchaus, da deren Zoosporen, nachdem sie vollständig in die Nährzelle eingedrungen, ohne Weite- res zu kugligen Blasen aufschwellen; ein Moment, dessen Bedeutung Sehroeter mit Recht hervorgehoben hat (l. ec. p. 45). Endlich haben sämmtliche Synchytrien eine intracellulare Vegetation, da ihre Zoosporen durch die äussere Zellhaut hindurch in das Innere einer Epidermiszelle sich einbohren, und ihre weitere Entwicklung in der Höhle derselben durchlaufen; der Schmarotzer der Lemna dagegen entwickelt sich in einem Intercellularraum, zwischen den Zellen der 102 Nährpflanze. Es muss daher unser Endophyt als eine selbststän- dige neue Gattung und Art betrachtet werden, welcher ich den Namen Chlorochytrium Lemnae n. s. verliehen habe, und der nach seiner Stellung im System zwischen Aydrocytium, Characium und die Chy- tridien gehört. Chlorochytrium n. g. planta endophyta viridis unicellularis, glo- bosa ovordea vel irregulariter curvata bi, tri, multiloba, dense con- Ferta plasmate viridi, primum in segmenta majora diviso, dein secedente in z0osporas innumeras pyriformes virides processibus tubu- losis extus emissas. Ch. Lemnae n. s. zoosporis extus ad epidermidis superficiem ad cellularum dissepimenta affıxis, post germinationem in tubos excrescen- tibus, qui inter laminas dissepimentorum intus usque ad parenchyma mesophylli provecti, in lacuna intercellulari aucti, in utrieulos glo- bosos vel elongatos vel irregulares excrescunt; cellularum adultarum diameter ad 0,1 wm. Habitat in Lemna trisulea. . Bresl. 1872. Dass Ohlorochytrium ein Parasit ist, kann nach der oben aus- geführten Entwicklungsgeschichte wohl nicht in Zweifel gezogen wer- den. Denn wenn auch die Anwesenheit der Endophyten auf das Gewebe der Lemna keinen auffallenden nachtheiligen Einfluss aus- zuüben scheint, abgesehen natürlich von dem Druck, dem die unmit- telbaren Nachbarzellen durch die aufschwellenden Schläuche unter- liegen, so widerlegt dies noch nicht die Parasitennatur des letzteren, da auch unzweifelhafte Schmarotzer, wie Synchytrien und Perono- sporen, mitunter ihre Nährpflanzen kaum in merkbarer Weise ver- ändern. Ebensowenig kann ein Gegengrund aus der intercellularen Vegetation der Chlorochytrien entnommen werden, weil ja auch die meisten Peronosporen und Uredineen in den Intercellularräumen ihr Mycel entwickeln, und zum Theil selbst der Haustorien entbehren, sondern nur durch Diffusion von ihren Nachbarzellen ernährt werden. Chloroehytrium stimmt gerade mit diesen letzteren Pilzgattungen darin überein, dass seine Sporen nach der Keimung an der Aussen- seite der Nährpflanze zurückbleiben und nur der Scheitel des Keim- schlauchs durch Spitzenwachsthum in deren Inneres eindringt und die weitere Entwicklung vermittelt. Es würde gewiss Niemand ein- fallen, dem Chloröchytrium den Charakter eines echten Parasiten abzusprechen, wenn dasselbe farblos oder goldgelb gefärbt wäre. Da der Endophyt vollständig von dem Gewebe der Lemna einge- schlossen ist, so können ihm die Bildungsstoffe, welche dessen mäch- tiges Wachsthum und die insbesonders reichliche Vermehrung des 103 grünen Plasma und der Stärke veranlassen, offenbar nur durch Ver- mittlung der Nachbarzellen zugeführt werden. Man könnte aller- dings die Hypothese aufstellen, dass die grüne Chlorochytriumzelle, trotz ihrer endophytischen Lage, von dem umgebenden Gewebe der Lemna nur anorganische Verbindungen (rohe Nahrungsstoffe), aber keine organischen Bildungssäfte aufnimmt, dass eben ihre Zellmembran oder ihr Protoplasma vermöge einer besonderen Moleeularstructur, organische Nährstoffe ausschliesst und nur die anorganischen bei der Endosmose durchlässt; ist es ja doch bekannt, dass lebende Zellen, wie die der Phanerogamenwurzeln, eine derartige Dialyse ihrer Nähr- flüssigkeit bewirken, oder dass umgekehrt gewisse organische Lösun- gen z. B. Anthoeyan, durch den Protoplasmakörper im Innern einer lebenden Zelle zurückgehalten werden, während anorganische Ver- bindungen z. B. Wasser und Salze ohne Schwierigkeit austreten. Es ist jedoch, namentlich mit Hinblick auf die grünen Parasiten aus dem Reich der Phanerogamen, eben so wahrscheinlich, dass die An- wesenheit von Chlorophyll in den Zellen einer Pflanze die Fähig- keit derselben zur Aufnahme gewisser organischer Bildungssäfte nicht ausschliesst, wie ja offenbar auch das grüne Gewebe der gewöhnlichen Laub-Blätter wenigstens einen Theil seiner Bildungsstoffe in assimi- lirter Form aufgenommen haben muss. Jedenfalls ist das Chloro- chytrium insofern der interessanteste aller bekannten Endophyten, als er eben bis jetzt der einzige Chlorophyllhaltige ist. Vielleicht sind die von mir in Cruoria und Polyides beobachteten grünen Endophyten auch entwicklungsgeschichtlich mit Chlorochytrium ver- wandt; die dicken soliden Cellulosestiele der Schläuche von Cruoria erinnern auffallend an ähnliche Gebilde bei Vodiolum, Characium und Hydrocytium, deren Beziehungen zu Synchytrium schon Schroe- ter klar entwickelt hat (l. e. p. 43). Wenn hiernach die Chlorochytrien mit grösster Wahrscheinlich- keit als echte primaere Schmarotzer angesehen werden müssen, die gleich den. chlorophylilosen Pilzen sich durch eine von dem Scheitel ihrer Keimschläuche ausgehende Thätigkeit den Eingang in die geschlossenen Gewebe ihrer Nährpflanze activ erzwingen, so verhält es sich ganz anders mit den zahlreichen blaugrünen Kugeln, die wir ebenfalls in den Lemnasprossen eingeschlossen gefunden haben. Diese sind allerdings auch Algen, und zwar aus der Klasse der phyeochromhaltigen Nostoceen, welche ursprünglich auf der Ober- fläche der Lemna nisten, aber mit Vorliebe die leeren Chlorochy- trienwohnungen beziehen, indem sie durch die gesprengte Epider- mis der Lemna und den geöffneten Hals in das Innere der Endo- 104 phytenzellen hineinkriechen; hier in geschütztem Neste vermehren sie sich rasch und füllen schliesslich die leere Kammer mit ihren dicht aneinander gedrängten Fäden vollständig aus (Fig. 5 i. k. 1. m.). Es sind Nostoceen aus verschiedenen Gattungen und verschiedener Färbung; am häufigsten findet sich ein prachtvoll blaugrüner Nostoe, dessen mikroskopische Gallertkugeln nicht blos auf der Oberfläche der Lemnaepidermis massenhaft aufsitzen, sondern besonders reich- lich zwischen den durch die Flügelsäume des Leibes gebildeten Fal- ten angetroffen werden (vielleicht Nostoc glomeratum Kg.). Diese Falten sind oft ganz und gar von Nostockugeln vollgestopft, und es scheint, als ob derartige geschützte Stellen deren Vermehrung aus- serordentlich begünstigen. Ueberall findet man in der That den Nostoe in der durch Thuret und De Bary bekannten Vermehrung begriffen; die isolirten etwa 4 Mierom. breiten von ovalen oder kug- ligen Dauerzellen unterbrochenen Rosenkranzfäden, welche früher als eine besondere Gattung (Anabaena) angesehen wurden, und bekanntlich kriechender Bewegung fähig sind, wandern aus der Gallert heraus und können leicht durch die offene Epidermisspalte in einen Chlorochytriumschlauch einkriechen; ich habe in der That sehr häufig leere Chlorochytriumkugeln beobachtet, in denen ausser ein Paar zurückgebliebenen und zu Protococceusartigen Zellen ausgekeimten Zoosporen erst ein oder wenige Nostoc- (Anabaena) Fäden anzu- treffen waren. Indem aber diese Fäden durch beständige Querthei- lung ihrer Glieder sich rasch verlängern, finden sie bald nicht anders Raum in der hohlen Kugel, die sie sich zur Wohnung ausgewählt, als indem sie sich den Wänden anschmiegend krümmen oder unter einander verschlingen, und schliesslich sind sie so eng umeinander gewunden, wie ein zusammengerollter Zwirnknäuel, so dass sie bei schwächerer Vergrösserung wie dichte blaugrüne Schläuche erschei- nen, deren Gestalt den ursprünglichen Chlorochytrien entspricht (Fig. 5. 1.) Ausser dem Nostoe bewohnt die leeren Chlorochytrienzellen auch eine Mastigothrix (vermuthlich M. aeruginea Kg.), welche auch para- sitisch in Chaetophoren, Batrachospermen und anderen Gallertalgen nistet; sie unterscheidet sich leicht durch ihre kurzgliedrigen eylin- drischen an einem Ende abgerundeten, nach dem andern sich peit- schenförmig verjüngenden olivengrünen Fäden (Fig. 5 k. ein einzel- ner Faden); meist lockerer gelagert als die Nostoccolonien, erfüllen die Mastigothrixfäden doch auch mitunter ganz dicht die hohlen Chlo- rochytriumblasen mit ihrem bräunlichgrünen Gespinnst. Vielleicht sind die von Reinke als Sceytonema bezeichneten Phycochromaceen der Gunnera unserer Mastigothrix verwandt. Auch eine dünne olivengrüne Leptothriw habe ich in solchem Vorkommen aufgefunden, bald in vereinzelten braungrünen, zarten aber langen, kurzgliedrigen Fäden, bald nach rascher Verlängerung knäuelartig auf der Innen- wand der Chlorochytriumblase aufgewundene Nester bildend (Fig. 5 m.). Es ist auffallend, dass die verdickte Zellwand der letzteren mitunter intensiv gebräunt erscheint, was einer chemischen Einwirkung der eingenisteten Nostoceen, vielleicht der Ausscheidung von Phycocyan aus einzelnen abgestorbenen Fäden zuzuschreiben ist. Die Lepto- thrix in der Lemna ist wahrscheinlich Zeptothrix parasitica, welche Kützing 1847 (bot. Zeit. p. 220) in Seytonemaceen und andern Algen schmarotzend beobachtete. Selbst grüne Algen beziehen die leeren Wohnungen des Chloro- chytrium, und ich habe namentlich das sichelförmig gekrümmte Rhaphidium fasciceulare (Fig. 5 i.) zu vielen Tausenden theils allein, theils in Gesellschaft der Nostoceen im Innern der Lemna angetrof- fen. Bekanntlich vermehrt sich Raphidium auch massenhaft in ge- wöhnlichem Brunnenwasser, wenn dieses in ruhiger Aufbewahrung längere Zeit dem Lichte ausgesetzt ist, und bildet grüne Ueberzüge an den Wänden der Wassergläser; auch das Wasser, in welchem die Lemna trisulca vegetirte, war reichlich mit Raphidium erfüllt. So finden wir denn im Innern der Lemna eine grosse Anzahl endophytischer Algen; aber das Uhlorochytrium allein ist ein primä- rer Parasit; die Nostoceen dagegen, nebst dem Rhaphidium scheinen, so viel ich beobachtet, niemals selbstständig in das Gewebe der Lemna einzudringen, sondern nur als Aftermiether des Chlorochy- trium aufzutreten; sie sind daher nur secundäre Endophyten. Unsere Untersuchungen weichen daher von den Entdeckungen von Reinke und Janczewski, welche sich ebenfalls auf endophy- tische Nostoceen beziehen, nur in sofern ab, als diese Forscher die unmittelbare Einwanderung derselben in die Intercellularräume, und selbst in die Parenchymzellen ihrer Wirthe beobachtet haben: von den Versuchen, welche Rees über die Keimung von Collema gemacht, in sofern, als bei jener Gallertflechte umgekehrt ein Nostoc als Nährpflanze eines Ascomyceten auftritt. Zu der Frage von der Natur der grünen Flechtengonidien treten unsere Beobachtungen nur in sofern in Beziehung, als sie, in Ueber- einstimmung mit den von mir schon früher bei Florideen bekannt gemachten, auch auf die Möglichkeit hinweisen, dass chlorophyli- haltige Algen als Endophyten in fremdartigen Pflanzen leben können. 106 Schliesslich bemerke ich, dass in der Zemna trisulca noch andere Chlorosporeen nisten, welche theils im Innern der Parenchym- und der Epidermiszellen, theils in den Intercellulargängen leben, in letz- teren confervenartige grüne Röhren bilden, die sich in kleinere, ein- oder mehrreihige Segmente zertheilen, und in dem anastomosirenden Intercellularnetz maschenartige Verbindungen nach Art eines Hydro- dietyon bilden; doch habe ich die Entwieklungsgeschichte dieser Endophyten noch nicht vollständig feststellen können. . Breslau 9. Juni 1872. Fig. Fig. Fig. Fig. Figuren - Erklärung. Tafel 1. Chlorochytrium Lemnae. Zoosporen, von der Seite und von oben gesehen; die Anheftung der Wimpern wurde nicht beobachtet. Gekeimte Zoosporen; der unten abgerundete (a) oder spitze (b) Keimschlauch dringt zwischen die Blätter zweier Zellscheidewände in die Epidermis (a), von da in die nächst tiefere Parenchymschicht (b) und selbst in einen Intercellularraum der darunter liegenden Parenchymzellen (ec). Ein ausgewachsenes Chlorochytrium, dessen Sporenknopf auf der Epidermis zurückbleibt, während der Bauch der Zelle unter Ver- drängung des Nachbarparenchym in einen grossen Intercellularraum hineinragt (i). Epidermis von Lemna trisulca, von oben betrachtet; auf den Gren- zen zweier Oberhautzellen sitzen die gekeimten Zoosporen des Chlo- rochytrium, als farblose Knöpfe; einzelne haben Keimschläuche durch die auseinander weichenden Blätter der Zellscheidewände in das untenliegende Parenchym getrieben, und beginnen sich bereits zu Kugeln auszudehnen. Schnitt aus Lemna trisulca, parallel der Epidermis, von der zwischen geknoch ein Stück über den Parenchymzellen gezeichnet ist; die ein- gedrungenen Chlorochytriumschläuche, deren Sporenknöpfe bei a, b u. e noch auf der Oberhaut sichtbar sind, schwellen zu kugli- chen (k ]), ovalen (f), zusammengebogenen (e h), gelappten (i) oder 108 unregelmässigen (be m) Zellen auf, deren sich fortdauernd vermehren- des grünes Protoplasma (vgl. abe) sich durch freie Zellbildung (d) in grössere Segmente (e), diese dann allmählich in viele kleine Por- tionen (fg) zertheilt, welche zu Zopsporen sich gestalten (h etwas stärker vergrössert) und durch halsartige Fortsätze (g h) nach aussen ent- leert werden, während in die leere Mutterzelle (k i) durch die aus- einander gerissene Epidermis (k) Rhaphidium faseiculare (i), Mastigo- !hrix aeruginea (k), Leptothrix parasitica (m), und Nostoe glomeratum (l) einwandern, und den Bauch derselben mehr oder weniger dicht mit ihren zu Knäueln verfilzten Fäden ausfüllen. In einzelnen Chlorochy- triumzellen zurückbleibende und keimende Zoosporen werden zu kugligen diekhäutigen Dauerzellen (k). Vergrösserung 300; bei Fig. 1, 2, 3 u. 5h 600. Ueber einigedurch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Schroeter. Die kleinen Organismen, welche am häufigsten in ihren bewegten For- men als Bacterien, in ihren unbewegten als Bacteridien bezeichnet wer- den, stimmen darin überein, dass sie stickstoffhaltige, organische Stoffe (Protoplasmamassen) mit grosser Energie zur eigenen Ernährung ver- brauchen, und dabei specifische Stoffe mannigfacher Art bilden. Von diesen Producten fallen eine Reihe von Pigmenten mit am meisten in die Augen. Es sind lebhafte Färbungen der verschie- densten Art, die wir aus farblosen Protoplasma-Gebilden entstehen sehen, allein begleitet von massenhafter Entwickelung solcher kleiner Organismen, die wir demnach als alleinige Ursache der Farbenbildung ansehen müssen. Eine Reihe von Culturen, die grösstentheils in den Wintermona- ten 1868 bis 1870 im pflanzenphysiologischen Institute zu Breslau vorgenommen wurden, hatten den Zweck, Beobachtungen über der- artige Pigmentbildungen zu sammeln. In Folgendem sollen kurz die erhaltenen Resultate nach der Reihe der Farben zusammengestellt werden. Roth. Keine dieser Pigment-Bildungen hat bis auf die neueste Zeit so weitreichende Aufmerksamkeit erregt, wie die, als: „blutendes Brod,“ ‚Rothwerden der Speisen“ u. s. w. bekannte Erscheinung. Es ist ein keineswegs seltenes Phänomen, welches nur dann, wenn es unter besonderen Umständen oder in auffallender Verbreitung auftrat, Beachtung gefunden hat. In Breslau wurde diese Pigmentbildung vor einigen Jahren in grösserer Ausbreitung beobachtet, und dabei das Phänomen durch Prof. Ferdinand Cohn besprochen (Abhandlungen der Vaterlän- dischen Gesellschaft für schlesische Cultur 1850). In geringerer Ausdehnung stellt sie sich hier fast jährlich ein, und ich sah sie 110 sich auf ausgelegten Kartoffelstücken in Häusern der verschiedensten Stadttheile entwickeln. Dem pflanzenphysiologischen Institut wurde im Herbst 1868 von Herrn Redaeteur Oelsner eine an ihrer ganzen Oberfläche roth gewor- dene Kartoffel eingeliefert. Von dieser wurde 6 Wochen später das Ma- terial zu Culturen entnommen, die den ganzen Winter hindurch fort- geführt wurden. Hierdurch schienen sich reichliche Keime in den Institutsräumen verbreitet zu haben, denn in der Folge bedurfte es nur des Auslegens von Nährsubstanz, um ziemlich sicher das Auf- treten von rother Färbung in kleinen Theilchen zu erhalten, die dann beliebig vermehrt werden konnten. Nachdem in den letzten Jahren die absichtlichen Oulturen eingestellt worden sind, scheinen sich die Keime ganz verloren zu haben, denn Prof. F. Cohn theilte mir mit, dass er die rothe Substanz nicht mehr erhalten hat, wie- wohl er sehr darauf geachtet. Spontan tritt die rothe Färbung in Form äusserst kleiner rosen- oder pfirsichblüthrother Schleimtröpfehen auf, die anwachsen bis zur Grösse eines starken Stecknadelknopfes, dann sich verflachen, zusam- menfliessen und einen flachen Ueberzug über die Nährsubstanz bilden. Der Schleim war dicht erfüllt mit den kleinen elliptischen Kör- perchen, welche von Ehrenberg zuerst gesehen und als Monas prodigiosa beschrieben worden sind. Sie blieben sich während der ganzen unveränderten Zunahme der rothen Substanz gleich, an Grösse sowohl als an Gestalt, sie zeigen in ihrer Schleim-Substanz gar keine, bei Wasser-Zusatz nur die gewöhnliche Molecularbewegung, sie sind daher nach oben angenommener Unterscheidung als Bacteridium prodigiosum (Ehrenberg unter Monas) zu bestimmen. (Sette beschrieb die rothen Schleimklümpehen schon 1824 als Zoogalactina imetropha, sah aber die einzelnen, sie constituirenden Organismen nieht, dess- halb kann dieser Name keine Priorität für die Bezeichnung der Kör- perchen beanspruchen.) ') !) Es fanden sich zuweilen, und zu Zeiten, wo die oben beschriebene Bae- teridienbildung nicht auftrat, auf Kartoffelscheiben Schleimtröpfehen von ähn- licher Farbe ein. Sie unterscheiden sich durch eine etwas hellere Abstufung der Farbe, dann dadurch, dass sich die Farbe während der ganzen Dauer ihrer Ausbreitung nicht änderte, auch durch Säuren und Alkalien nicht verändert wurde. Dabei breitete sich die Substanz flacher aus und erschien trockener. Bei mikroskopischer Betrachtung zeigte es sich, dass sie ganz aus einer Hefe bestand, welche in ihrer Form von der gewöhnlichen Bierhefe nieht zu unter- scheiden war. In alten Culturen nahmen die Zellen Kugelform an und wurden grösser, frisch ausgesät sprossten sie, und bildeten kleine eiförmige Glieder wie Bierhefe. Die Zellen erschienen in Membran und Inhalt farblos. aa Die Körperchen erscheinen farblos. Es wäre dies noch kein Grund, anzunehmen, dass sie nieht die Träger der rothen Färbung sind, sie könnten nur in grösserer Masse gefärbt erscheinen. Es ist indess anzunehmen, dass sie das Pigment nur in den sie umgebenden Schleim abscheiden, weil durch denselben andere Körper z. B. Pilz- mycelien gefärbt werden und zwar in ihrem Inhalt, ohne dass die Bacteridien in die gefärbten Partieen gelangen. Als Medium zur weiteren Entwickelung wurden Kartoffeln (gekocht und roh), Stärkekleister, Mehlbrei, Weissbrod, Hühner-Eiweiss (gekocht und roh). Milch, Fleisch (gekocht und roh) benutzt. Auf rohen Kartoffeln, rohem Eiweiss und Fleisch fand keine Wei- terverbreitung statt, während sie auf denselben Substanzen gekocht sehr üppig war. Es ist also für dieselbe nicht blos eine Nährsub- stanz erforderlich, sondern diese muss sich auch in einem besonderen prädisponirten Zustande befinden. (Eine benutzbare Analogie für die Fortentwickelung von Contagien oder Miasmen im Körper.) Von den anderen Substanzen erfolgte die Zunahme am geringsten auf geronnener Milch, sodann auf Stärkekleister, mehr auf gekoch- ten Kartoffeln, Mehlbrei, am ippigsten auf geronnenem Eiweiss. In den ersten 12 Stunden war eine Ausbreitung nicht wahrzu- nehmen, in den ersten 24 Stunden war sie sehr gering, dagegen am zweiten und besonders am dritten Tage am stärksten. Bis dahin verbreitete sich die Färbung centrifugal von der Infectionsstelle mehrere Centimeter weit und bildete zuweilen so dicke Schleimmassen, dass dieselben nach abhängigen Stellen abflossen. Ueber den fünften Tag hinaus konnte die Weiterentwickelung auf demselben Medium meist nicht fortgeführt werden. Licht ist zur Bildung des Pigmentes nicht nöthig, aber ebenso- wenig scheint der Abschluss desselben die Entwicklung zu fördern, denn gleichzeitige Aussaaten auf Kartoffelscheiben hatten unter einer Glasglocke frei im Zimmer stehend und in einem finsteren Raume aufbewahrt nach 2 und 3 Tagen ungefähr gleiche Ausbreitung erlangt. Die Färbung bildet sich immer nur an der Oberfläche der Nähr- substanz, freier Zutritt der Luft ist also wohl zu ihrer Bildung er- forderlich. Weizenbrei wurde mit einer ziemlich bedeutenden Menge der Bacteridienmasse angerührt, so dass sie gleichmässig in dem Brei vertheilt wurde. Dieser wurde darauf in ein eylindrisches Glasge- fäss gebracht. Nach 3 Tagen hatte sich der rothe Stoff sehr stark vermehrt und bildete auf der Oberfläche eine dieke gleichmässige rosenrothe Schicht. Im Inneren war der Brei ungefärbt geblieben und seine Oberfläche hob sich, von der Seite betrachtet, als ein rother 112 Saum von der inneren Masse ab. Ein gewisser Grad von Luftfeuch- tigkeit ist zur Fortbildung des Pigments nöthig, doch braucht der- selbe nur so gross zu sein, dass die Oberfläche der Nährsubstanz am Eintrocknen gehindert wird. In den Wintermonaten genügte das Ueberdecken mit einer geräumigen Glasglocke, das Einschliessen in eine Pappschachtel, um die ganze Entwickelung durchzuführen. Die gewöhnliche Zimmertemperatur, welche bei Tage durchschnitt- lich etwa 12 Grad betrug, in der Nacht aber bedeutend sank, genügte zur reichlichen Fortpflanzung der Massen. Erhöhte Wärme im Wardschen Kasten bis zu 32° R. gesteigert, schien das Wachs- thum nicht wesentlich zu befördern. Die Baeteridien greifen lebhaft ihre Nährsubstanz an. Besonders deutlich ist dies auf Kartoffeln zu sehen. Die rothen Schleimklümp- chen umgeben sich sofort mit einem bläulichen Hofe, der sich bei der Weiterentwiekelung immer vergrössert und auch in die Tiefe erstreckt. Auf der Höhe der Culturen stellt sich sowohl bei Benutz- ung von Kartoffeln als der vom Eiweiss ein prägnanter Geruch ein, welcher weiterhin ähnlich stark und unangenehm wird wie der von faulendem Fleische, wiewohl er von ihm verschieden erscheint. Auf Kartoffeln und Eiweiss nahmen die Bacteridienmassen schnell eine scharlach- resp. blutrothe Farbe an, und erhielten sich in die- ser Abstufung während des zunehmenden Wachsthums. Wenn dann die Masse sich über die ganze Nährsubstanz ausgebreitet hatte, war die Aehnlichkeit mit Blut recht bedeutend. Am fünften Tage nach der Aussaat wurde die Farbe meist heller, ziegelroth, orange und ging dann später immer mehr ins gelbliche über. Endlich ver- lor sich die rothe Farbe ganz, und die Cultur-Fläche erschien mit einer schmutzig gelblichen, flüssigen Schleimmasse überzogen. Wenn man diese Zerstörung der Farbe nicht abwartet, sondern den blutrothen Schleim abtrocknen lässt, so färbt er sich wieder karminroth, wird immer dunkeler und trocknet endlich zu einer dunkel kirschrothen, fast schwarzen Kruste zusammen. Auf Mehlbrei, Weissbrod und Stärkekleister behielt die Masse gewöhnlich andauernd karminrothe Farbe, doch wenn sich in Vertie- fungen der Nährflächen grössere Mengen anhäuften, wurden sie meist auch hier blutroth. Das Blutroth ist wohl die normale Farbe des hier betrachteten Bacterienpigmentes, denn bei dieser Färbung erhielt es sich während der Zeit der üppigsten Vegetation, und dabei blieb die Reaction immer neutral. Die Umänderung des Farbstoffes in Orangen-, Ziegelroth, Gelb 113 entspricht der Veränderung, welche derselbe durch Alkalien erleidet. Es ist leicht zu constatiren, dass die Bildung eines alkalischen Stoffes auch im Verlaufe der Vegetation die Ursache der Verfärbung ist, denn bei Beginn der orangerothen Verfärbung wird neutrales Lakmus- papier durch den Schleim blau gefärbt, eine Reaction, welche bei der späteren Farbenänderung immer stärker wird. Mit Beginn der Verfärbung bemerkt man unter dem Mikroskope in dem Schleime das Auftreten bewegter Bacterien. Dieselben nehmen immer zu, ihrer Menge entsprechend auch die alkalische Reaction und die Entfärbung. In dem schmutziggelben Schleime wimmelt es endlich nur noch von solchen Organismen, während die unbewegten Körperchen verschwunden scheinen. Man könnte geneigt sein zu glauben, dass sich die ruhenden Bacteridien in die lebhaft bewegten Elemente umgewandelt hätten, dass zwischen dem rothen Bacteridien-Schleime und den Bacterien ein Verhältniss obwaltete, wie zwischen Zoogloea und Dacterium Termo. — Da sich aber Bacterien, wie die genannten, auch ohne vorheriges Auftreten von Dd. prodigiosum auf den benutzten Nähr- substanzen einfinden, muss zugegeben werden, dass sich die Bacterien auch parasitisch in dem rothen Schleim niederlassen können, und dann vielleicht die Bacteridien zu ihrer Ernährung verbrauchen. Jedenfalls sind sie es, die den alkalischen Stoff bilden und durch dessen weitere Entwicklung das rothe Pigment zerstören. Dass auf Stärkekleister und Mehlbrei die Färbung karminroth wurde, scheint mir dem Einfluss einer schnell sich bildenden Säure zuzuschreiben zu sein, im Stärkekleister ist eine solche bald nach- zuweisen. Es war nicht schwer, die Culturen zu Ende zu führen, ohne dass sie durch Schimmelbildung gestört wurden. Dazu mochte die nur mässig hohe Temperatur während der Culturperiode beitragen, be- sonders aber auch der Umstand, dass die gekochten Nährsubstanzen sogleich nach ihrem Herausnehmen aus dem Wasser infieirt und isolirt wurden. Mehrmals wurde Bildung von Schimmel auf dem Substrat absichtlich nicht vermieden. Die Mycelien wuchsen dabei zum Theil in die Bacteridienmassen hinein, bei spärlicher Entwicke- lung auch direct auf der rothen Substanz, bei üppigem Wachsthum um die rothen Flecken herum. In letzterem Falle wird die Masse bald dünnflüssig, nimmt eine tief kirschrothe, etwas zu violett nei- sende Färbung an und erhält sich in diesem Zustande oft wochenlang. Eine solche Farbenumänderung bringen manche Säuren in dem Pigment hervor. In der That zeigt auch die obige kirschrothe Sub- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. g 114 stanz eine schon durch Lakmuspapier nachweisbare sauere Reac- tion. Es scheint, dass bei der üppigen Vegetation der Schimmel- pilze reichliche Säure-Ausscheidung Statt findet, wodurch das Pigment verändert wird. Wenn Schimmelpilze auf der rothen Substauz wachsen, so werden sie gewöhnlich theilweise selbst roth gefärbt. Es sind jedoch nur die unteren Glieder der kriechenden Mycelien, welche die Färbung annehmen. In diesen erscheint das Protoplasma contrahirt und durch und durch roth. Auch die Membranen der Hyphen werden nicht selten gefärbt, nur erscheinen sie gegen den Inhalt viel blasser. Auch die Zellhäute der Nährsubstanz nahmen nicht selten blassrothe Farbe an. Die lebenden Schimmelrasen, welche sich über den rothen Massen erhoben, erschienen farblos, bei fructifieirendem Mucor stieg das Pigment nie in die Fruchthyphen auf, nur wenn diese umfielen oder abstarben wurden sie, wie die Sporenköpfehen, roth. Es scheint demnach, dass nur das getödtete Protoplasma die Färbung annimmt. Einmal beobachtete ich eine üppige Entwickelung von Penieil- lium auf der rothen Bacteridienmasse. Die Fruchthyphen hatten sich meist zu dieken fleischigen Stielen verbunden (ÜCoremium). Mit blossem Auge betrachtet sahen die ganzen Rasen goldgelb aus. Bei mikroskopischer Untersuchung erschien in dem unteren Theil des kriechenden Mycels das contrahirte Protoplasma karminroth, an dem Grunde der Fruchthyphen war der Inhalt orangeroth, weiter oben goldgelb gefärbt; dieselbe Farbe hatten die Sporen. Hier hatte sich der lebende Pilz also aus dem rothen ein gelbes Pigment gebildet. Werden die auf Kartoffeln oder auf Eiweiss gezogenen blutrothen Massen in Alkohol gebracht, so löst sich der Farbstoff vollständig. Die Tinetur lässt sich klar abfiltriren und es bleiben auf dem Filtrum nach gehörigem Auswaschen nur ungefärbte Theile zurück. Die Tincetur hat eine brennend orangerothe Farbe. Abgedampft bleibt eine dunkelkarminrothe Kruste in der Schale. Wasser löst von derselben nichts auf. Aether bleibt darüber ebenfalls farblos, er löst aber dennoch einen Theil des Farbstoffes, denn wenn man ihm nach dem Abgiessen Essigsäure zusetzt, so wird er rosenroth gefärbt. Die Säure, welche sich nicht mit ihm mischt, bleibt farblos am Boden des Glases. Alkohol löst den ganzen Farbstoff wieder in der ursprünglichen orangerothen Färbung. Diese Tinetur reagirt neutral, sie ist in diesem Zustande ein scharfes Reagens auf Säuren und Alkalien: ein Tropfen Säure färbt sie lebhaft karminroth, ein Tropfen einer alkalischen Lösung färbt sie gelb. 115 Schwefelsäure färbt die Tinetur erst karminroth, in grösserer Menge zugesetzt, schön veilchenblau. Erst ein sehr starker Zusatz der Säure entfärbt die Tinetur zu einer gelblichen Flüssigkeit, in welcher Alkalien die Farbe nicht mehr herstellen. Salpetersäure und Essigsäure färben karminroth, später leicht violett, aber nicht so intensiv wie Schwefelsäure. Chlorwasserstoffsäure in geringer Menge zugesetzt färbt anfangs lebhaft karminroth, doch bedarf es nur eines etwas stärkern Zusatzes, um vollständig zu entfärben. Die rothe Farbe wird dann durch Alkalien nicht wieder hergestellt. Ammoniak, ebenso Kali-Lösung färben die Tinetur hellgelb. Säu- ren stellen die orangerothe Farbe wieder her. Ebenso entfärbt ein Tropfen Schwefelammonium. Durch Kochen wird die rothe Farbe wieder zurückgerufen. Wird der Farbstoff mit einem Theile der Kartoffeln, auf denen er sich entwickelt hat, gekocht, so entsteht ein gleichmässig pfirsich- blüthroth gefärbter Kleister. Zusatz von viel Schwefelsäure verwan- delt denselben in eine klare veilchenblaue Flüssigkeit. Die orangerothe ebenso wie die durch Säuren carminroth ge- färbte Tinetur färben vegetabilische Zellmembranen schwach, anima- lische Theile (Wolle, Seidenfäden) sehr intensiv. Diese schon früher cft genug hervorgehobene tingirende Kraft wird praktisch unver- werthbar dadurch, dass die Farbe durch das Tages-Licht in wenigen Tagen zerstört wird. Es ist auch mir nicht gelungen, eine Verbin- dung zu finden, durch welche das Pigment haltbar gemacht werden könnte, nur die durch Schwefelsäure aus dem rothen Kleister gebil- dete veilehenblaue Flüssigkeit sah ich wochenlang ihre Farbe unver- ändert behalten. Vor dem Spectroskop zeigt die alkoholische Lösung des Farb- stoffes sehr charakteristische Eigenthümlichkeiten '). Die orangerothe Flüssigkeit zeigte bei stärkster Concentration eine vollständige Absorption aller Strahlen jenseits 59, gegen die vorderen Theile des Speetrums scharf abgeschnitten. Bei Verdünnung ein schwarzes breites Absorptions-Band von 62 bis 68, sodann Ver- dunkelung, von 75 wieder vollständige Absorption. Wenn die Tinetur nach Zusatz von einigen Tropfen Essigsäure 1) Zur Untersuchung wurde ein Stativ-Speetroskop von Rexrotli be- nützt, bei welchem das Speetrum durch eine darauf geworfene Scala in 150 Theile getheilt wird. Die Scala wird so niedergestellt, dass der Anfang des Natrium-Streifens auf 50 zu stehen kommt, S+ 116 intensiv karminroth gefärbt war, zeigte sich bei stärkster Concen- tration die scharf abgeschnittene Absorption schon von 56 an, bei Verdünnung 2 war die Absorption von 59 an scharf abgeschnitten, etwas Blau und Violett schimmerte von 100 ab durch. Bei grösse- rer Verdünnung 3: Schwarzer Absorptionstreifen von 59 bis 80, dann Verdunkelung bis 110. Bei noch stärkerer Verdünnung 4: Tief- schwarzer Absorptionsstreifen von 61 bis 68 von da abnehmende Trübung bis 68. Die durch Schwefelsäure violett gefärbte Tinetur zeigte ein schwarzes Absorptionsband von 59 bis 68, Trübung bis 80, also fast dieselben Erscheinungen, nur wurden mehr blaue und violette Strah- len durchgelassen, Um das hier betrachtete Pigment mit anderen Farbstoffen zu vergleichen, wurden zunächst einige rothe Pilzfarbstoffe untersucht, die möglicherweise hätten ähnliches Verhalten zeigen können, da sie auch ohne Einfluss von Chlorophyll gebildet sind. Arcyria punicea Pers. enthält in Capillitium und Peridium einen rothen Farbstoff, der sich nur schwach in ‘warmem Wasser, schnell und vollständig in Alkohol löst. Die Farbe der Capillitien ähnelt den jungen, rosenrothen Bacteridien-Colonieen, die der Farbstofflösung ist orangeroth, etwas bräunlich. Durch Schwefelsäure wird die Farbe nicht verändert, eben so wenig durch Salzsäure, durch Salpetersäure wird sie beim Erwärmen zerstört; durch Ammoniak wird sie violett- roth gefärbt. Agaricus (Amanita) muscarius L. besitzt in der Haut seines Hutes ein Pigment, welches dem des frischen auf Eiweiss eultivirten DB. prodigiosum ähnlich erscheint. Aus der abgezogenen Haut des Hutes wird durch Alkohol der Farbstoff sehr vollständig gelöst, auch in Wasser ist er theilweise löslich. Die Tinktur besitzt eine schöne hellgelb- grüne Fluorescenz. Säuren bringen keine Farbeveränderung hervor, ebensowenig Alkalien. Speetroskopisch untersucht zeigte eine gesät- tigte Lösung keinen Absorptionsstreifen, sondern nur eine zuneh- mende Trübung des Speetrums von 70, von 74 an Absorption. Die Haut des Hutes von Aussula integra L. in ihrer rothen Form besitzt einen rothen Farbstoff, der in gewöhnlichem Spiritus eine rosenrothe Tinetur giebt, ebenso wie die schwachangesäuerte Lösung des Pigmentes von D. prodigiosum. Absoluter Alkohol löst den Farbstoff gar nicht, kochendes Wasser aber schnell bis zur stärksten Concentration. Die Lösung ist purpurroth, etwas ins Violette spie- lend, sie fluoreseirt schön hellblau. In starker Concentration lässt die Flüssigkeit fast nur rothe Strahlen durch, das Speetrum ist ver- dunkelt von 51 an, Absorption beginnt bei 54. Bei einiger Ver- dünnung zeigt sich ein Absorptionsstreifen von 58 bis 64, dann Trübung und von 70 ab wieder Absorption. Alkalien und Säuren verändern die Farbe nicht. Die Rasen eines kleinen Becherpilzes: Peziza sanguinea Pers. ähneln in ihrer Farbe sehr den eingetrockneten Massen des Bd. pro- digiosum. In Alkohol löst sich ihr Farbstoff mit granatrother Farbe. Dureh Zusatz von Ammoniak wird die Tinetur bräunlich, dann braun- grün, Schwefelsäure verändert sie anfangs gar nicht, erst durch längere Einwirkung tritt Verfärbung ein. Die Lösung lässt bei starker Concentration vom Spectrum nur rothe Strahlen durch (36 bis 44), bei doppelter Verdünnung auch grüne (bis 80). Die durch Ammoniak umgeänderte Tinetur zeigt zwei blasse: von 46 bis 49 und 53 bis 56 und Absorption der Strahlen von 70 ab'). Die angeführten Reactionen werden genügen, um festzustellen, dass keiner der hier verglichenen Farbstoffe aus verschiedenen Fa- milien der Pilze mit dem Pigment, welches durch Bacteridium pro- digiosum gebildet wird, Aehnlichkeit hat. Ebensowenig kommen ihm die Farbstoffe aus Blüthen und Früch- ten phanerogamischer Pflanzen nahe. Bei keinem derselben fand ich die schnelle Entfärbung durch Alkalien, und ebensowenig bei spectro- skopischer Untersuchung das charakteristische Absorptionsband in Grün. Otto Erdmann hat der Pigmentbildung durch Bacterien eine neue interessante Seite abgewonnen, indem er zeigte, dass einige dieser Produete in ihren Reactionen auffallend mit gleichartigen Anilinfarben übereinstimmen. (Dr. OttoErdmann. Bildung von Anilinfarben aus Proteinkörpern. Im Journal für praktische Chemie, herausgegeben von O.L. Erdmann und G. Werther Leipzig 1866. S. 385— 407.) Um seine Beobachtungen zu wiederholen und etwas zu erweitern, untersuchte ich das chemische und spectroskopische Verhalten einer Fuchsinlösung, welche in ihrer Färbung ganz mit der karminroth 1) Die Peziza erscheint bei schwacher Vergrösserung schwarz, von einem blutrothen Filz umgeben. Unter dem Mikroskop zeigt sich der Filz aus dünnen, granatrothen Fäden gebildet. Die Peziza selbst besteht aus einem rothen und einem grünen Theile. Roth ist das Gewebe des Bechers, beson- ders die Rinde, grün sind die Paraphysen und Schläuche. Durch Ammoniak werden die Fäden des Filzes spangrün gefärbt, während das Grün der Para- physen wie vorher saftgrün erscheint. Schwefelsäure verändert die Farben nicht, 118 gemachten Lösung des obigen Bacteridienpigmentes übereinzustim- men schien '). Der Farbstoff ist in Alkohol vollkommen, aber auch in Wasser zum Theil löslich. Schwefelsäure in geringer Menge färbte violett, beim Zusatz einer grösseren Quantität tritt Entfärbung ein, viel schneller als bei der Tinetur von D. prodigiosum. Ebenso verhielt sich Salpetersäure. Essigsäure veränderte die Farbe nicht. Chlorwasserstoffsäure entfärbte schon in geringer Menge zugesetzt. Kalilösung stellte Anfangs die rothe Farbe wieder her. Ein Tropfen Ammoniak entfärbte sofort. Die Tinetur wurde wasserhell, nicht gelblich wie bei D, prodigiosum. Durch Kochen und durch Zusatz von Säuren wurde die rothe Farbe wieder her- gestellt. Wie Ammoniak verhält sich auch Schwefelammonium. Spectroskopisch untersucht zeigte eine stark concentrirte Lösung eine scharf abgeschnittene Absorption aller Strahlen jenseits 53, es wurde also Gelb und Grün vollständiger absorbirt, als in der kar- minrothen Bacteridien-Tinetur. Bei starker Verdünnung erschien ein scharf begrenzter Absorptions-Streifen zwischen 56 und 61 und Trü- bung des übrigen Grüns ?). Es geht aus diesem Vergleiche hervor, dass das Anilinroth ganz wesentliche Aehnlichkeiten mit unserem Bacteridienpigmente hat. Gemeinsam ist beiden die Violettfärbung durch Schwefelsäure und Salpetersäure, die Entfärbung durch Salzsäure, Ammoniak und Schwefel- ammonium, sogar ein ähnliches spectroskopisches Verhalten. Dabei finden sich aber immer noch scharf ausgesprochene Ver- schiedenheiten. In wieweit die grosse Aehnlichkeit des Verhaltens gestattet, auf chemische Verwandtschaft der beiden Farbstoffe zu schliessen, vermag ich nicht zu entscheiden. 1) Diese und die in der Folge zur Vergleichung benützten Anilinfarben, wurden durch den Docenten der Chemie in Proskau Herrn Dr. Friedländer freundlichst mitgetheilt. 2) Ein Anilingrün zeigte, in Spiritus gelöst, vor dem Speetroskope einen breiten Absorptionsstreifen in Roth (bei schwacher Concentration 38 bis 44) und Verdunkelung von Blau und Violett (von 96 an). Mischt man dieses Anilingrün mit etwas Fuchsinlösung, so erbält man eine grüne, roth schim- mernde (nicht deutlich fluoreseirende) Tinetur, welche Absorptionsstreifen in Roth und Grün und Verdunkelung von Blau und Violett, mithin eine oberflächliche Aehnlichkeit mit Chlorophylitinetur hat. 119 Orange. Die Schleimmassen des D. prodigiosum treten unter den erwähnten Umständen als orangerother Schleim auf. Es besteht aber gewiss auch eine Bildung orangerothen Pigmentes, welche mit der genannten Erscheinung nicht im Zusammenhange steht. Ich sah während der beschriebenen Culturen zwischen den leb- haft rosenrothen Tröpfehen des DB. prodigiosum auch kleine pomme- ranzenfarbene Klümpchen auftreten, und erhielt dieselben auf aus- gelegten Kartoffelstücken auch ohne jene. Sie wuchsen von steck- nadelkopfgrossen Kugelchen zu weitverbreiteten Flecken an, behiel- ten von Anfang bis zu Ende dieselbe Pommeranzenfarbe, und be- standen ganz aus unbewegten Körperchen. Gelb. Bei den Bacteridienculturen auf Kartoffelstücken stellten sich ausser den aufgeimpften, überhaupt häufig noch fremde Colonien von kleinen Organismen aus derselben Familie ein. Von diesen er- schienen am häufigsten solche in Gestalt kleiner hellgelber Tröpf- chen. Anfangs mohnsamengross, wachsen sie in etwa 3 Tagen zur Grösse eines halben Pfefferkornes heran, dann vergrössern sie sich nicht mehr, sondern vertrocknen, wobei sie ziemlich regelmässig eine flach schildförmige Gestalt, mit spitz hervortretender nabelförmiger Mitte annehmen. Sie fanden sich bei den meisten Culturen spontan ein, es gelang aber nicht sie in grösserer Menge zu ceultiviren. Die Tröpfehen bestanden aus elliptischen unbewegten Körperchen, etwas grösser als Dact. prodigiosum. Ihr Inhalt erschien unter dem, Mikroskop farblos, stark lichtbrechend. Schwefelsäure und Alkalien veränderten die gelbe Farbe nicht !). 1) Auf einer Mitte November 1868 zur Bacterienkultur ausgelegten gekoch- ten Kartoffel fanden sich nach einigen Tagen chromgelbe Häufchen, welche sich durch ihre trockene bröckelige Beschaffenheit schon von vornherein von den Baeterien - Schleimklümpchen unterschieden. Es fand sich, dass sie ganz aus Sareine bestanden. Die einzelnen Individuen erschienen farblos, zu den charakteristischen packetähnlichen Colonien gruppirt. Das Institut besitzt Originalexemplare der Sareina ventriculi von Suringar, die der hier vorgefun- denen vollkommen glich. Von den unregelmässigen sogenannten sarcineartigen Coneretionen, welche sich häufig auf Kartoffeln, z. B. bei alten Hefeculturen bilden, ist die ächte Sareine völlig verschieden. Vielleicht ist das Schmarotzen auf stärkemehlhaltigen Nahrungsmitteln ausserhalb des menschlichen Körpers häufiger. Mit diesen könnte sie in den Magen gelangen und sich weiter entwickeln. Verschieden von dieser Pigmentbildung ist die in der sogenann- ten gelben Milch. Ich sah dieselbe zuerst spontan im Januar 1869 auftreten. Gekochte Milch, welche im pflanzenphysiologischen Insti- tute in einem weiten Glasschälchen frei der Luft ausgesetzt war, wandelte sich nach einigen Tagen ziemlich plötzlich in eine citronen- gelbe Flüssigkeit um. Kleine Portionen derselben wurden jetzt in Schälchen gekochter und ungekochter Milch übertragen, zur Con- trole nicht infieirte Milch verdeckt daneben gestellt. In dieser entstand keine Gelbfärbung, aber auch in der ungekochten Milch entwickelte sich die Färbung nicht weiter. Die gekochte infieirte Milch gerann nach 24 Stunden, während sich die nicht infieirte 6 Tage unverändert hielt. Nach 2 Tagen zeigte sich deutlich be- sinnende Gelbfärbung. Dabei wurde die geronnene Masse weicher, die Molkenflüssigkeit nahm zu. Nach und nach lockerte sich der Zusammenhang des geronnenen Käsestofis immer mehr, er zerfiel in kleinere Gerinnsel, die sich mit der fortschreitenden Bildung gelber seröser Flüssigkeit immer mehr verkleinerten. Nach etwa 6 Tagen war die Milch vollständig in eine eitronengelbe wässerige Flüssigkeit verwandelt, in der nur noch kleine Käsestoffflocken herumsehwammen, dieser war also unter Bildung des Pigmentes verzehrt worden. In späterer Zeit beobachtete ich die Erscheinung noch öfter, und ich konnte dann durch Uebertragung beliebige Mengen gekochter Milch gelb färben, während mir in ungekochter Milch der Versuch immer fehl schlug. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich die gelbe Milch immer dicht erfüllt von lebhaft bewegten stäbchenförmigen Bacterien, die ich von denen, welche das Sauerwerden der Milch begleiten, nicht unterscheiden konnte, doch waren sie bedeutend zahlreicher vorhan- den als in der gewöhnlichen, farblosen saueren Milch. Sie sind wohl identisch mit Ehrenberg’s Vibrio synxanthus, können also als Bacterium zanthinum (Ehrenberg) bezeichnet werden. Die Reaction der gekochten Milch, anfangs neutral, wurde kurz nach der Infieirung sauer, mit Beginn der Gelbfärbung und der Zu- nahme der Baeterien trat alkalische Reaction ein, dieselbe nahm zu und wurde zuletzt sehr stark. Die Reihenfolge der Reactionen ist also hier dieselbe wie bei anderen Bacterien - Culturen. Die Ent- wicklung derselben beginnt mit einer sauren Reaction, im weiteren Verlauf wird dann ein alkalischer Stoff ausgeschieden. Die Bacterien erschienen unter dem Mikroskop farblos. Wurde die gelbe Flüssigkeit filtrirt, so lief sie klar ab, auf dem 121 Filtrum blieben Bacterien und Käsestoffflocken als graue Masse zurück. Das Pigment scheint immer schon einige Zeit vorher gebildet zu werden, ehe es in die Augen fällt. Ich fand, dass die Molkenflüssig- keit, welche am dritten Tage nach der Infeetion bedeutend zuge- nommen hatte aber nur sehr wenig gefärbt war, bei Zusatz von Alkalien lebhaft gelb gefärbt wurde. Die gelbe Farbe wurde hier wahrscheinlich durch die noch vorhandene Milchsäure verdeckt. Eine Beobachtung, welche ich bei den letzten Culturen machte, scheint für den Zusammenhang der dieses Pigment bildenden Bac- terien mit anderen Organismen der Familie zu sprechen. Wenn ich Bacteridium prodigiosum auf gekochte Milch übertrug, verbreitete es sich wenig weiter. Einigemal sah ich, dass darauf die Molken- flüssigkeit eine bläuliche Farbe bekam und bedeutend zunahm, nach einigen Tagen folgte dann plötzlich die Gelbfärbung der Serums unter massenhafter Bildung der bewegten Bacterien und Auflösung des Käsestoffs. Dass hier wirklich eine Umwandlung der Bacteridien Statt gefunden, möchte ich noch nicht behaupten. Die filtrirte Flüssigkeit erschien vollkommen klar, intensiv eitronen- gelb mit einem geringen Schimmer zu Grün. Beim Eindampfen wurde sie dunkler, bernstein- resp. honiggelb, und trocknete auf der Ab- dampfschale zu einer gelbbraunen Kruste ein. In Alkohol und Aether löste sich von dem so eingetrockneten Pigmente nicht das Mindeste. In Wasser wurde es vollkommen aufgelöst. Alkalien: Aetzkali, Ammoniak, veränderten die gelbe Farbe nicht. Säuren (Essigsäuren, Schwefel-, Salpeter-, Salzsäure) entfärbten sofort, und schon beim Zusatz geringer Mengen. Alkalien riefen sodann die gelbe Farbe wieder zurück. Vor dem Spectroskop zeigte die gelbe Lösung nur eine mit der Concentration zunehmende Trübung der Strahlen diesseits und jenseits Gelb, keinen charakteristischen Absorptionsstreifen. Zum Vergleiche mit diesem Pigmente wurde ein Farbstoff unter- sucht, welcher mir als „Anilingelb“ übergeben worden war. Er löste sich in Alkohol und Aether zum Theil, aber nur sehr unvoll- kommen, dagegen vollständig in Wasser. Die wässrige Lösung erschien in geringer Concentration eitronen- gelb mit einem leichten Schimmer zu Grün, in starker Concentration honiggelb, Alkalien veränderten die Farbe nicht. Säuren entfärbten 122 sofort; Alkalien stellten die gelbe Farbe wieder her, nur in etwas geringerer Intensität. Spectroskopisch untersucht zeigte die Lösung keinen bestimmten Absorptionsstreifen, nur eine Verdunkelung der nicht gelben Strahlen. Es besteht nach diesem Vergleiche wieder eine sehr grosse Aehn- lichkeit in dem Verhalten des Pigments der gelben Milch gegen einige Reagentien, mit dem einer Anilinfarbe von gleicher Farben- abstufung. Grün. Auf ausgelegten Stücken gekochter Kartoffeln sah ich einigemal eine fleekweise Grünfärbung eintreten. Die Farbe war ein dunkeles Saftgrün, sie begann am Rande der Scheiben, breitete sich excentrisch aus und drang etwas in die Nährsubstanz ein. Eine Schleimauflagerung war nicht vorhanden, Bacterien vermochte ich nieht aufzufinden. So sehr ich auch geneigt bin, diese Pigment- Bildung bei Abwesenheit jeder anderen Ursache, auf Baeterien zurück- zuführen, so kann ich sie doch nur als zweifelhaft in den Kreis dieser Betrachtungen ziehen. Eine genauer bekannte Production von grünem Farbstoff durch Bacterien findet in dem sogenannten grünen Eiter Statt. Nach den von Anderen darüber vorgenommenen Untersuchungen, wird er durch bewegte Bacterien gebildet. Ich habe mehrfach grünen Eiter auf- treten sehen, aber nicht in grosser Ausbreitung und unter Umständen, die mir eine mikroskopische und chemische Prüfung nicht möglich machten. Die Farbe war in diesen Fällen immer gleichmässig span- grün, etwas nach Blau übergehend. Auffällig war die, schon anderer- seits hervorgehobene Thatsache, dass das Pigment nicht sowohl an dem Eiter haftet, der die Bacterien enthält, sondern in die Fäden der aufgelegten Charpie und Compressen einzieht und diese in weiter Ausdehnung färbt. Es geht daraus hervor, dass auch hier nicht die Bacterien Träger des Farbstoffes sind, sondern dass er von diesen in die umgebende Flüssigkeit ausgeschieden wird. Blau. Auf einer im Anfang Januar 1870 zur Bacteriencultur ausgelegten gekochten Kartoffelscheibe wurde eine umfangreiche sehr intensive Blaufärbung beobachtet. Sie nahm schnell zu, so dass die Scheibe in der Ausdehnung mehrerer Centimeter davon eingenommen wurde, und schritt auch in die Tiefe fort und durchdrang nach und nach das Gewebe bis zur entgegengesetzten Seite der Scheibe. Bei ınikroskopischer Untersuchung wurden im Innern der blaugefärbten 123 Masse keine Bacterien vorgefunden, die Membranen der Stärkekörner waren hellblau gefärbt, zwischen ihnen wucherte reichlich ein Pilz myeel, dessen contrahirter Inhalt tief indigoblau gefärbt erschien. Von der blauen Masse wurde eine Aussaat auf frische Kartoffel- stücke gemacht. Erst nach 10 Tagen zeigte sich an den Impfstellen eine blauviolette Färbung. Hier wurde das Vorhandensein kleiner elliptischer, unbeweglicher Organismen constatirt. Die Färbung schritt centrifugal fort, wurde tief indigoblau, und drang wieder weit in die Tiefe. Bei mehreren darauf wiederholten Culturen trat immer nach etwa 10 Tagen dieselbe Pigmentbildung in derselben Weise auf. Der blaue Farbstoff wurde durch Säuren intensiv karminroth ge- färbt, Alkalien stellten die blaue Farbe wieder her, Säuren färbten dann wieder rotb. Das Pigment verhält sich darin ganz so wie Lakmus, zu dessen Bildung ist mithin kein den Flechten eigen- thümlicher Stoff erforderlich. Da ich im Inneren der blaugewordenen Substanz keine Bacterien, dagegen sehr constant ein Pilzmycel auffand, war ich lange geneigt, Letzterem die Blaufärbung zuzuschreiben. Diese Vermuthung musste schon desshalb aufgegeben werden, weil nicht überall in den blauen Massen Mycal nachweisbar war, nnd die Zellen der Nährsubstanz ebenso wie der Pilz blau gefärbt waren. Es ist anzunehmen, dass die Bacteridien sich nur an der Oberfläche vermehren und nur hier, wie BD. prodigiosum, das Pigment bilden. Dieses scheint in Wasser löslich zu sein, und desshalb von der Oberfläche aus in die Nähr- substanz einzudringen und sie zu färben. Das regelmässige Auftreten des Schimmels mit der Pigment- bildung in meinen Culturen erklärt sich leiebt dadurch, dass von der ersten Cultur-Stelle gleichzeitig mit den Bacteridien Schimmelsporen und lebende Mycelstücke übertragen und dann immer weiter fort- gepflanzt wurden. Dieser Schimmel zeigte im Fortschritt seiner Vegetation eine bemerkenswerthe Farbenveränderung. Wenn die Hyphen als zarte Rasen aus der Nährsubstanz hervorsprossten, erschienen sie rosen- roth, unter dem Mikroskop farblos. Später färbten sie sich violett, dann tief blau. Bei dem Fortschreiten der Färbung war stets ihr äusserster Umkreis von einem rosenfarbenen Schimmelflaum gebildet, an diesen grenzte ein violetter Kreis entwickelterer Hyphen, die Mitte des Fleckes, in der sich nur abgestorbene Mycelien fanden, war tief blau. Die Farben-Aenderung ist kongruent mit auf ein- anderfolgender Einwirkung einer Säure und eines alkalischen Stoffes 124 auf das Pigment. Es lässt sich daraus wohl schliessen, dass auch hier durch die Vegetation der Bacteridien anfangs sauere, später alkalische Substanzen gebildet wurden '). Das hier betrachtete blaue Pigment, ist in seinen Reactionen gänzlich verschieden von dem der blauen Milch, wie sie OÖ. Erdmann (a. a. O. S. 405) angiebt. Nach den dort eitirten Untersuchungen von Dr. Trömmer verändern Aetzkali und Natron den Farbstoff der- selben in Pfirsichroth, Säuren stellen die rothe Farbe wieder her. Erdmann bestätigt dies und fügt hinzu: „Ammoniak verändert die Farbe wenig ins Violett, während Essigsäure sie wieder herstellt. Salzsäure zerstört sie nicht. Salpetersäure (rauchende) zerstört sie. Chlorwasser desgleichen.“ „Die gegebenen Reactionen sind wieder- um die der Anilinkörper, und zwar desjenigen Anilinblaues, das man nach A. W. Hoffmann’s Untersuchungen als Triphenylrosanilin be- trachtet.“ Wie es scheint wird das Pigment durch lebhaft bewegte Bacterien gebildet, welche sich in zahlloser Menge in der blauen Milch finden. Es existiren also zwei specifisch verschiedene blaue Bacterien- Pigmente, das eine durch unbewegte Bacteridien, das andere durch bewegte Bacterien gebildet, ebenso, wie wir es bei dem gelben Farb- stoff gesehen haben. Violett. Eine der schönsten der hier besprochenen Pigment- bildungen sah ich im Januar 1870 auf Kartoffelscheiben, welche Herr Dr. phil. Schneider zur Bacterien- und Schimmelbildung ausgelegt hatte. Neben Häufchen des D. prodigiosum und den beschriebenen gelben Tröpfehen fanden sich hier Schleimklümpchen ven lebhaft veilchenblauer Farbe ein. Sie wuchsen heran und flossen zu flachen Flecken zusammen, die etwa bis 6” im Durchmesser hatten. Die Masse bestand aus unbewegten, farblosen elliptischen Körperchen, grösser als D. prodigiosum, und von diesem dadurch weit verschie- den, dass sie zu mehreren kettenartig verbunden waren. Weitere Culturen gelangen mir nicht, und der Farbstoff wurde nicht näher untersucht. 1) Der erwähnte Schimmelpilz erwies sich bei der Sporenbildung als ein Fusisporium, von F'. Solani Martius morphologisch nicht verschieden. Vielleicht sind Fusisporium roseum und violaceum auct. ähnliche Formen, die auch nur ihr Pigment von der Substanz, auf welcher sie wachsen, angenommen haben. ‘ 125 Braun. Anfang Januar 1868 war zur Cultur von Mucor- Gonidien ein Aufguss von Mais- und Weizen-Körnern ausgesetzt worden. Die Mucor-Mycelien waren nach üppiger Entwicklung gröss- tentheils zu Boden gesunken. Auf der Oberfläche bildete sich nach und nach eine dieke Schwarte von Penicillium-Mycel, die Flüssigkeit trübte sich und erfüllte sich mit lebhaft bewegten Bacterien. Nach- dem die Flüssigkeit etwa drei Wochen gestanden hatte, begann sie sich plötzlich braun zu färben, und nach einigen Tagen hatte sie vollständig eine lebhafte rothbraune Farbe angenommen. Die Peni- eillium Kruste war an ihrer unteren Fläche braun gefärbt. Unter dem Mikroskop zeigte es sich, dass die Membran der Mycel-Zellen farblos geblieben, ihr Inhalt zusammengezogen und braun gefärbt war. Die oberen Theile des Mycels waren farblos, die Sporen hatten ihre gewöhnliche grau-grüne Farbe, es waren also auch hier wohl nur die unteren abgestorbenen Myceläste, die das Pigment angenom- men hatten. Auf dem Grunde lagen braune Massen, welche aus Mycel-Stücken und Gonidien von Mucor bestanden, deren Inhalt eben- falls geschrumpft und braun gefärbt war. Die Flüssigkeit war jetzt erfüllt von stäbchenförmigen Organismen, welche nur Molekular- bewegung zeigten. Diesen Bacteridien war also die Bildung des braunen Pigmentes zuzuschreiben. In Maisabkochung sah ich später noch einigemal dieselbe Pigment- bildung wiederkehren. Im Januar 1870 beobachtete ich das Auftreten derselben Färbung in einer Kartoffel-Abkochung, welche längere Zeit an der Luft ge- standen, und sich mit einer Schwarte von Penieillium überzogen hatte. Die Farbenabstufung war die gleiche wie in den vorigen Fällen. Die untere Seite des Schimmelüberzuges war fleckweise intensiv gebräunt. Hier fand sich ebenfalls in den Mycelstücken der Inhalt ceontrahirt und intensiv braun gefärbt. — Die. Flüssigkeit war diesmal von lebhaft bewegten Bacterien und langen Vibrionen erfüllt. Die Beispiele zeigen wohl zur Genüge, eine wie mannigfache Reihe von Pigmenten durch Bacterien und Bacteridien gebildet werden. Die Organismen, welche sie bilden, sind oft schon durch unsere jetzigen optischen Hilfsmitteln je nach der Verschiedenheit der Pig- mente, als verschieden zu erkennen, eine Färbung kann sogar durch mehrere unterscheidbare Organismen gebildet werden, und dann ver- halten sich auch die Pigmente gegen bestimmte Reagentien ver- 126 schieden. Es ist vielleicht nicht unberechtigt bei jeder bestimmten Pigmentbildung einen speeifisch verschiedenen Organismus anzuneh- men, und demgemäss neben einem Bacteridium pr odigiosum (Ehrbg.) auch ein Dacteridium aurantiacum, luteum, cyaneum, violaceum, brunneum, neben Dacterium synxanthus und B. syneyanus (Ehrbg.) ein D. aeruginosum aufzustellen. Die Pigmente werden als speeifische Stoffe von den Bacterien aus organischer, eiweisshaltiger Masse gebildet und als speecifischer Stoff ausgeschieden. Der Vorgang ist daher ganz analog der Bildung des Alkohols durch den Hefepilz und der Milchsäure durch andere Bac- terien. Man kann daher den Process als Pigment-Gährung zusammen- fassen. Wie aus dem vorhergehenden zu ersehen ist, haben die Verhält- nisse bei Bildung der einzelnen Farbstoffe manches Gemeinsame, Die Farbstoffbildung durch Bacterien ist an und für sich nicht auffallender, als die Farbenbildung in höheren Organismen durch den Protoplasmainhalt der Zelle, es muss nur hervorgehoben werden, dass bei der einfachen und gleichmässigen Organisation der Bacterien hier das Obwalten einfacherer Verhältnisse angenommen werden kann, das fortgesetzte Studium der Baeterienpigmente kann darum vielleicht mit der Zeit beitragen, einen Aufschluss über die Bildung der wichtigen Pigmentbildungen höherer Organismen zu finden. Untersuchungen über Baecterien. Von Dr. Ferdinand Cohn. Mit Tafel III. Als ich vor nahezu 20 Jahren meine ersten Untersuchungen über Bacterien veröffentlichte (Ueber die Entwiceklungsgeschichte mikros- kopischer Algen und Pilze Nova Acta Ac. Car. Leop. nat. eur. XXIV. I 1553), waren es überwiegend morphologische und entwicklungsge- schichtliche Fragen, an die sich das Interesse für diese kleinsten aller Organismen, durch welche nach Ehrenbergs sinnigem Ausspruch die Milchstrasse der lebenden Wesen hindurchgeht, knüpfte, und noch wenig entwickelt waren die Gesichtspunkte, welche in den letzten Jahren die Geschichte der Bacterien mit den wichtigsten Problemen der allgemeinen Naturwissenschaft in Zusammenhang gebracht haben. Zwei Männer sind es vor allem, deren Arbeiten, wenn auch von un- gleichem Werth, doch fast in gleicher Weise dazu beigetragen haben, das Interesse für die Bacterien in den weitesten Kreisen anzuregen. Pasteur hat zwar die Bacterien nur beiläufig berührt und die Schwäche seiner mikroskopischen Bestimmungen beeinträchtigt seine Arbeiten, so weit sie diese Organismen berühren, in viel höherem Grade als bei seinen epochemachenden Forschungen über die Hefepilze; den- noch müssen alle neuern Untersuchungen zunächst an die Pasteur’sche anknüpfen. Auf der andern Seite gebührt Hallier unzweifelhaft das nicht gering anzuschlagende Verdienst, dass derselbe zuerst die Frage von den Beziehungen der Fermente und Contagien zu den Bacterien, welche früher meist nur auf theoretischem Wege erörtert worden waren, zum Object direeter und Jahrelang fortgesetzter mi- kroskopischer Untersuchungen gemacht, und es ist nicht genug zu bedauern, dass alle spätern Beobachter, deren nicht wenige in Deutsch- land und England zunächst durch Hallier angeregt worden sind, 128 von vorn anfangen müssen, da das von ihm selbst angesammelte 3eobachtungsmaterial wegen der bekannten Mängel seiner Unter- suchungsmethode unbrauchbar ist. Seit einer Reihe von Jahren habe auch ich mich in Gemeinschaft mit meinem Freunde Herrn Oberstabsarzt Dr. Schroeter bemüht, die Frage von den Bacterien mit den inzwischen vervollkommneten optischen Hilfsmitteln wieder aufzunehmen und habe auch, nachdem Schroeter das hiesige pflanzenphysiologische Institut im Sommer 1870 verlassen, diese Untersuchungen allein fortgesetzt. Ich habe mich zunächst bemüht, über die biologischen Verhältnisse der Bacterien, so wie über die Unterscheidung der Species ein selbstständiges Urtheil zu gewinnen, dann aber auch die allgemeinen Fragen, und vor allem die Ferment- wirkungen der Bacterien mit Hülfe des Experiments zu prüfen. Einige vorläufige Mittheilungen meiner Resultate habe ich bereits in den Verhandlungen der Schlesischen Gesellschaft mitgetheilt (Sitzung der medizinischen Section vom 10. Februar und 4. August 1871, sowie der naturwissenschaftlichen Section vom 14. Februar 1372, Bota- nische Zeitung von de Bary vom 22. Dee. 1871, Virchow’s Archiv für pathologische Anatomie 55. Bd. März 1872); obwohl meine Untersuchungen mich noch zu keinem befriedigenden Abschluss ge- führt haben, halte ich es doch für. zweckmässig, schon jetzt eine ausführlichere Darlegung derselben an dieser Stelle zu geben. 1. Systematisches. Welche Organismen gehören zu den Bacterien? welche Gattungen, welche Arten lassen sich unter ihnen unterscheiden? Auf die Beant- wortung dieser Fragen habe ich zunächst meine Untersuchungen ge- richtet. Wer die betreffende Literatur auch nur der letzten Jahre dureh- studirt, weiss, dass eine gradezu chaotische Verwirrung in den Be- nennungen der Bacterien herrscht. Fast jeder Beobachter hat, ohne sich um seine Vorgänger zu kümmern, die ihm gerade vor Augen kommenden Formen meist willkürlich, oft mit neuen Namen belegt, und das Gesetz der Priorität, welches bei der Nomenclatur lebender Wesen sonst überall zu Grunde gelegt wird, findet fast nirgends Be- rücksichtigung. In der That sind die Schwierigkeiten, welche einer richtigen Unterscheidung und Benennung dieser Wesen entgegenstehen, ganz ausserordentlich. Nur Ehrenberg und Dujardin haben sich be- müht, die gesammte Reihe der Bacterien und ihrer Verwandten über- sichtlich zu ordnen, und in Gattungen und Arten zu vertheilen, und 129 ihre Arbeiten müssen daher als Ausgangspunkt dienen; aber ganz abgesehen davon, dass ihre Eintheilungsprineipien der Kritik gegen- über manches zu wünschen übrig lassen, so sind auch die Vergrösse- rungen, mit denen diese Forscher gearbeitet, gerade für diese Organis- men nicht ausreichend; um so auffallender ist, wenn Ehrenberg Structurverhältnisse angiebt, die wir nicht wiederfinden können. Selbst im Besitz unserer stärksten Immersionssysteme müssen wir bekennen, dass die meisten Bacterien auch heut noch jenseits der Leistungsgrenze unsrer Mikroskope liegen, da wir ihre Formgestal- tung, die Organisation ihres Inhalts, und ihre Vermehrung nicht mit ausreichendem Detail beobachten können; selbst die Existenz der kleinsten Formen würde sich leicht unsrer Wahrnehmung entziehen, wenn dieselben nicht gerade durch ihre Menge in der Regel sich bemerkbar machten. Eine nicht kleinere Schwierigkeit liegt in der geringen Anzahl von Merkmalen, welche zur Kiassifikation der Baeterien benutzt wer- den können. Wenn bei allen übrigen Organismen die Begründung der Gattungen auf Unterschiede in der Fortpflanzung zurückgeführt wird, so hat sich bei den Bacterien überhaupt keine eigentliche Fort- pflanzung (Ei- oder Sporenbildung) bis jetzt nachweisen lassen. Der Körper derselben, soweit wir ihn überhaupt scharf unterscheiden, zeigt keinerlei Mannigfaltigkeit in der Gliederung, keine wesentliche Eigenthümlichkeit in Haut und Inhalt. Nur die Grösse, und innerhalb gewisser Grenzen die Form der Glieder, sowie die Verbindung der- selben zu Colonieen, bietet gewisse Verschiedenheiten, von denen wir aber nicht immer wissen, in wie weit dieselben ursprünglich verschie- denen Arten zugehören, in wie weit sie von äussern Umständen ab- hängig, in den Variationskreis einer Art fallen oder gar nur Ent- wiekelungszustände des nämlichen Wesens sein können. Am leichte- sten unterscheiden wir die Bacterien an ihrer Grösse; da sie aber in der Regel aus 2 und mehr gliedrigen Ketten bestehen, so tritt uns noch der Zweifel entgegen, ob wir bei der Beurtheilung der Grössenverhält- nisse die Länge der einzelnen Glieder, die sich meist sehr schwer bestimmen lässt, oder die der Ketten zu Grunde legen sollen, die von der oft schwankenden Zahl der Glieder abhängt. Da es unmög- lich ist, einzelne Bacterien zu isoliren und längere Zeit unter ver- schiedenen Verhältnissen zu beobachten, bei Massenculturen aber sich niemals Sicherheit gewinnen lässt, ob zur Aussaat nur eine ein- zige oder verschiedene gleichzeitig unter einander lebende Arten benutzt wurden, so besitzen wir für jetzt keinerlei Methoden, um Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II 9 130 bei den Bacterien Alters- und Entwickelungszustände, Varietäten und Arten sicher abzugrenzen. Alle diese Schwierigkeiten machen sich geltend, wenn wir versuchen die Bacterien in natürliche Gattungen zu vertheilen. Die Gattungen der Bacterien haben nicht dieselbe Bedeutung wie die der höheren Pflanzen oder Thiere, da sie sich nur auf Merkmale vegetativer Zell- gestaltung, nicht auf Fortpflanzungscharaktere gründen. Wir sind ge- nöthigt, bei den Bacterien in vielen Fällen ein Verfahren anzuwenden, das auch in der Mykologie so lange festgehalten wird, als nicht durch vervollkommnete Culturmethoden die gesammte Entwicklungsgeschichte der Arten festgestellt werden kann, und das in der Paläontologie noch heut eine allgemeine Anwendung findet. Es besteht darin, dass jede Form, die sich durch hervorstechende Merkmale auszeichnet, mit einem besondern Gattungsnamen belegt wird; jede kleinere Abweichung wird als Species unterschieden. Es soll damit nicht die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass nicht verschiedene solcher Species aus einer und derselben Mutterform hervorgehen, ja dass nicht selbst ver- schiedene Gattungen nur Entwickelungszustände eines und desselben Individuums sein können. So unterscheiden wir verschiedene Arten von Uredo, Puccinia und Aecidium, obwohl wir nicht daran zwei- feln, dass alle drei nur Formen eines einzigen Entwiekelungskreises sind; wir sprechen von Oidium und Aspergellus, von Achorion und Miecrosporon, von Stigmaria, Sigillaria und Sigillariostachys, ohne damit ein Urtheil über die Selbständigkeit dieser „Formgattungen“ abzugeben. Auch bei der Klassifikation der Baeterien können wir für jetzt neben einer gewissen Anzahl wirklich natürlicher auch die Unter- scheidung von „Formgattungen und Formspecies“ nicht umgehen und werden als solche eben alle abweichenden Formen aufnehmen, wenn dieselben unter bestimmten Verhältnissen ausschliesslich oder doch vor- herrschend auftreten. Aufgabe weiterer Forschungen wird der Nach- weis sein, ob und welche dieser Formgattungen und -Arten etwa im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang stehen. Obwohl schon Leeuwenhoek im siebzehnten Jahrhundert Bacte- rien wahrgenommen, und O. F. Müller im achtzehnten bereits die wichtigsten Formen derselben erkannt und bezeichnet hat, so beginnt doch die wissenschaftliche Unterscheidung derselben erst mit Ehren- berg. Derselbe stellte zuerst 1830 die Familie der Vrbrionia auf, die er zwischen Volvocinen und Olosterien einreiht; er zählt dazu alle fadenförmigen Körperchen, welche selbstbewegt und gegliedert sind; die. gegliederte Fadenform beruht auf unvollkommener Selbst- theilung, bei der die Theilhälften in Zusammenhang bleiben, wie ur ZU 131 zuerst Bory de St. Vincent 1824 erkannt hatte. In dem grund- legenden Werke über die Infusionsthierchen von 1838 stellt Ehren- berg vier Gattungen auf, die er auf folgende Weise unterschei- det (p. 73 ff.): Fäden geradlinig, unbiegsam: Dacterlum. Fäden geradlinig, schlangenförmig biegsam: Vebrio. Fäden spiralig, biegsam: Spirochaeta. Fäden spiralig, unbiegsam: Spirillum. Von Bacterium werden 3, von Vibrio 9, von Spirochaeta 1, von Spirillum 3 Arten unterschieden. Als fünfte Gattung wird noch Spirodiscus aufgezählt, deren unbieg- same Schraubenfäden scheibenartig gedrängt sind; die einzige Species dieser Gattung, Sp. fulvus, ist nur einmal 1829 von Ehrenberg bei Syrjanofskoi im Altai flüchtig gesehen worden, seitdem aber, wie noch mehrere seiner sibirischen und nubischen Vrbrionia, nie wieder; sie muss daher bis auf Weiteres gelöscht werden. Dujardin in seiner Histoire naturelle des zoophytes 1841 hat Ehrenberg’s Familie der Vibrionia als die erste und niederste in der Reihe der Infusorien aufgenommen. Auch er unterscheidet die nämlichen Gattungen fast nach den nämlichen Merkmalen wie Ehren- berg: die langsamer bewegten geradlinigen, sehr wenig biegsamen Bacterien von den abwechselnd geraden und gebogenen, sich lebhaft schlängelnden Vrdbrionen, und den stets schrauben- oder schnecken- förmig gekrümmten, sich um ihre Schraubenachse drehenden Spirzllen. Die Gattung Spirochaeta dagegen wird von Dujardin zu Spirillum gezogen, indem den Spirillen der von Ehrenberg gegebene Charak- ter der Steifheit abgesprochen und der Unterschied nur in der grösse- ren oder geringeren Zahl der Schraubenwindungen gefunden wird. So klar nun auch die Unterscheidungsmerkmale von Dacterium, Vibrio und Spirillum durch Ehrenberg festgestellt scheinen, so schwierig ist ihre Anwendung in Wirklichkeit. Zwar finden wir starre, stäbehenartige Formen, die wir ohne Zweifel zu den Bacterien, und starre Spiralen, die wir ebenso sicher zu den Spirillen stellen können; dann aber begegnen uns jene aalartigen blitzschnell hin- und her- zuckenden Formen, die sowohl Ehrenberg als Dujardin als Vidrio- ner bezeichneten; wenn dieselben auch gewisser Biegungen fähig sind, so überzeugen wir uns doch, dass die schlängelnden Bewe- gungen nur scheinbar wie Undulationen d. h. partielle Biegungen und Streckungen eines flexilen Körpers aussehen; es liegt auch hier überall optische Täuschung vor, die durch rasch rotirende aber form- beständige Spiralen mit mehr oder minder weitläufiger Windung 9g%* 132 hervorgebracht wird; in der Ruhe sind diese Vibrionen nicht gerade, sondern gekrümmt. Obwohl Ehrenberg, wie später Dujardin vor Verwechslungen von Schraubendrehungen und Wellenbewegungen warnen, haben sie sich doch selbst vor Irrthümern nicht wahren können, und schon eine Vergleichung ihrer schwankenden Termino- logie zeigt, wie wenig sicher sie sich in der Unterscheidung der Charaktere von Spirillum, Vibrio und Bacterium fühlten. So nennt Ehrenberg dasselbe W.sen erst Dacterium Termo, dann Vebrio Lineola; sein Spirillum tenue soll sich nur sehr schwer von Vibrio subtilis unterscheiden; Vibrio prolifer von Spirillum Undula u. s. w. Meiner Ueberzeugung nach sind die Wellen- und Schraubenformen sämmtlicher Vibrionen und Spirillen formbeständig,: keiner Streckung und Krümmung und daher auch keiner wirklichen Schlängelbewegung fähig; es giebt gar keine Vibrionen, welche der Ehrenberg’schen Definition des Genus entsprechen, und es müssen daher offenbar diese Gattungen nach anderen Princeipien neu begründet werden. Alle diejenigen, welche in den letzten 30 Jahren über Bacterien gearbeitet, haben entweder die Gattungen von Ehrenberg und Dujardin ohne Weiteres aufgenommen; oder sie bezeichneten die von ihnen beobachteten Formen mit unbestimmten, zum Theil ganz willkührlichen Namen. (Microphytes, Microzoaires etc.) Das gilt insbesondere auch von Pasteur, der bald von vegetaux eryptogames mieroscopiques, bald von animalcules, von Uhampignons oder von Infusoires spricht, ‚„Torulacees, Bacteries, Vibrioniens, Monades“ ohne scharfe Unterscheidungsmerkmale aufführt, die nämlichen oder doch verwandte Gebilde auch als Mycoderma, als Mucor’s, Muce- dinees oder als Hefe (lEvure) bezeichnet'). In den letzten Jahren wurden ausserdem eine Anzahl neuer Gattungen aufgestellt, welche theils nur überflüssige Synonyme für ältere Namen, theils in der That Bezeichnungen für eigenthümliche Formgenera sind. Hierhin gehören die Namen Microzyma B&champ, Dacteridium Davaine, Micro- 1) Mit souveräner Willkühr setzt sich Pasteur über die Regeln botanischer Nomenclatur hinweg, indem er Mucor „alle organisirten Pflanzengebilde nennt, die sich mit Vorliebe auf der Oberfläche von Flüssigkeiten entwickeln und ein mehr oder minder fettes oder gelatinoses Aussehen haben, dünne oder dicke, feuchte oder trockene, mitunter chagrinirte Häute bilden — Mucedinees die eigentlichen Schimmel, deren Mycel aus verzweigten Fäden besteht, und auf der Oberfläche fructifieirt, endlich Torulacdes die kleinsten nicht fädigen Zell- pflanzen, die sich am Grunde der Flüssigkeit nach Art von Niederschlägen bilden und sich durch Knospung vermehren, wie die Bierhefe.“ (Ann. de Chem. et de Phys. 1862. Bd. 64. p. 47.) 133 coccus, Leptothrix Hallier, Myeothrix Hallier, Itzigsohn, Micro- sporon Klebsch, Mikrobacterien, Meso-Makrobacterien Hoffmann, Zoogloea, Microsphaera Cohn. Auch Trecul hat einige neue Namen für Bacterienartige Gebilde aufgestellt (Amylobacter ete.) Ich werde in dem weiteren Verlauf dieser Arbeit auf diese Bezeichnun- gen zurückkommen. Wenden wir uns von den Gattungen zu den Arten, so hat zwar schon O. F. Müller trotz der geringen Vergrösserungen, deren er sich bedienen konnte, die auffallendsten Formen benannt und abgebildet. Indess müssen wir doch zunächst an Ehrenberg anknüpfen, welcher auf Müller fortbauend, mit bewunderungswürdigem Scharfblick in dieses verworrene Gebiet Licht und Ordnung brachte, und nicht nur für die meisten seiner Species feine und zuverlässige Unterscheidungs- merkmale, sondern auch eine Reihe bis jetzt unübertroffener Abbildun- gen gab, welche das Wiedererkennen der meisten Formen möglich machen. Die neueren Beobachter gehen gewöhnlich, jedoch mit Un- recht, von Dujardin aus, der zwar im Einzelnen die Ehrenberg- schen Angaben kritisch berichtigte, aber durch seine flüchtigeren Beobachtungen und durchaus ungenügenden Abbildungen Manches wieder in Verwirrung brachte, was Ehrenberg bereits aufgehellt hatte. Man kann die Frage aufstellen, ob es denn bei den Bacterien überhaupt Arten in dem nämlichen Sinne giebt, wie bei den höheren Organismen. Selbst wer von der Metamorphosenlehre jener Mykolo- gen nichts wissen will, die Alles aus Allem entstehen und zu Allem sich entwickeln lassen, wird doch beim Anblick eines Bacterienhaufens oft verzweifeln, unter diesen zahllosen Körperchen von allen mög- liehen Formen eine Sonderung natürlicher Arten vorzunehmen. Scheint es doch, als seien alle diese Formen nur Entwickelungs- zustände eines und desselben Wesens, und als könnte man leicht alle Zwischenstufen selbst zwischen den in Bildung und Grösse am meisten abweichenden Gestaltungen auffinden. In der That ist diese Ansicht von den meisten neueren Bearbeitern der Bacterien mehr oder minder entschieden ausgesprochen worden. (Perty, Hoffmann, Karsten.) Gleichwohl bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Bacterien sich in eben so gute und distinete Arten gliedern, wie andere niedere Pflanzen und Thiere, und dass nur ihre ausserordentliche Kleinheit, das meist gesellige Zusammenwohnen verschiedener Species so wie die Variabilität der Arten die Unterscheidung in vielen Fällen für unsere heutigen Mittel unmöglich macht. Ich gründe diese meine Ansicht auf die Thatsache, dass bei den grösseren Bacterien-Arten 134 stets und unter den verschiedensten Verhältnissen die nämlichen For- men in unendlicher Zahl und ohne Zwischenformen sich finden. Das gilt insbesondere von den Spirillen, die sich nicht nur gegenüber den eigentlichen Stäbchen -Bacterien, sondern auch in ihren Species so constant scheiden, wie nur irgend eine „gute“ Algen- oder Infusorien- Art. Wenn wir bei den kleineren Bacterien nicht immer zu natür- lichen, sondern höchstens zur Aufstellung von Formspecies gelangt sind, so möchte ich den Grund eben nur in unseren noch ungenügen- den Untersuchungsmethoden suchen. Im Allgemeinen wird man von vereinzelten Bacterien selten die Species mit Sicherheit bestimmen, wenn aber eine und dieselbe Form ohne fremde Beimischung in unzähligen Exemplaren vertreten ist, wird die Selbstständigkeit der- selben sich in der Regel leicht feststellen lassen. Eine prineipielle Schwierigkeit entsteht noch daraus, dass Formen, die sich morphologisch gar nicht, oder doch nicht wesentlich unter- scheiden, oft constante physiologische Verschiedenheiten zeigen, sei es in den Medien, in denen sie leben, oder in den Produecten, die sie erzeugen, oder in den Eigenthümlichkeiten ihrer Bewegung. So unterscheidet Davaine (Comptes rendus de l’Academie des sciences LIX. Aug. 1864. p. 393. 1869. 25. Jan.) die Bacteridien von den Bacterien nur dadurch, dass die ersteren stets unbeweglich sind, während bei den eigentlichen Bacterien Beweglichkeit oft mit Zustän- den der Ruhe wechselt (Compt. rend. 1864. LIX. p. 629. Recherches sur les Vibrioniens). Pasteur, der bereits die Bemerkung macht, dass man die Natur eines organisirten Ferments nicht durch die mikroskopische Struetur, sondern nur durch die physiologische Funktion sicher stellen könne, hebt die ausserordentliche Aehnlichkeit zwischen Milch- und Essig- säure-Ferment, so wie zwischen dem Ferment der ammoniakalischen Harn-Gährung und der schleimigen Wein-Gährung (ven filant) her- vor. Die Baecterien, welche rothe, gelbe, orange, blaue und andere Pigmente erzeugen, lassen sich mikroskopisch kaum von einander unterscheiden, und doch erhält man durch Aussaat immer das näm- liche Pigment. Die in verschiedenen Contagien auftretenden Bacterien stimmen in ihrer Form bald mit denen der Harn- oder der Butter- säuregährung, bald mit denen der Pigmente vollkommen überein. Soll man nun jede Form, die in einem besonderen Medium constant vorkömmt, oder eine eigenthümliche Fermentwirkung ausübt, für eine besondere Art erklären, auch wenn sie sich»mikroskopisch nicht unterscheiden lässt? Wir würden auf diesem Wege zur Aufstellung rein physiologischer Arten gelangen, welche sich nicht wie die 135 „guten“ Species auf morphologische, sondern ausschliesslich auf physiologische Charaktere gründen, Wie ich glaube, ist es noch nicht an der Zeit, auf diese Frage eine abschliessende Entscheidung zu geben. Jedenfalls verhält sich die Sache nicht so, dass ein und derselbe Bacterien-Keim, je nach- dem er in Harn oder in Wein geräth, diesen alkalisch, jenen faden- ziehend macht, oder dass dieselbe Bacterie hier Buttersäure bilden, dort Milzbrand übertragen, hier einen rothen Fleck auf einer Kartoffel, dort Diphterie in der Luftröhre eines Menschen hervorrufen kann. Vielmehr ist zu erwarten, dass unter vielen scheinbar gleichen Organis- men vervollkommnetere Mikroskope auch morphologische Verschieden- heiten werden erkennen lassen, welche die Annahme primärer Art- verschiedenheiten begründen. Andererseits vermuthe ich, dass in der Klasse der Bacterien ähnliche Verhältnisse obwalten, die wir auch bei höheren Thieren und insbesondere bei den Culturpflanzen beobach- ten. Von zwei Mandelbäumen, die sich weder im Wuchs, noch in Blättern, noch in Blüthen und Früchten, noch selbst im äusseren und mikroskopischen Verhalten der Samen unterscheiden lassen, bringt der eine nur bittere Samen hervor, welche Amygdalin und Emulsin enthalten, und giftige Blausäure produeiren, während der andere stets süsse Samen mit fettem Bittermandelöl erzeugt. Wir nehmen an, dass der bittere und der süsse Mandelbaum zur nämlichen Art ge- hören und, von einer gemeinschaftlichen Urpflanze abstammen, aus der durch Variation beide physiologisch so verschiedene Sorten her- vorgegangen sind. Die meisten Culturgewächse haben Varietäten hervorgebracht, die in ihren Vegetations- und Fortpflanzungsmerkmalen wesentlich gleich, doch verschiedenartige Producte liefern, welche entweder grössere Quantitäten von Rohr- oder von Traubenzucker, von Pflanzensäuren, von Fetten oder ätherischen Oelen, von giftigen Alka- loiden oder specifischen Heilmitteln erzeugen, während andere Varie- täten oder die wilden Individuen der nämlichen Arten dergleichen Erzeugnisse gar nicht oder nur in weit geringerer Menge hervor- bringen. Es ist bekannt, dass solche Culturvarietäten sich durch Samen in der Regel nicht fortpflanzen, dass sie aber auf ungeschlecht- lichem Wege mittelst Knospen sich durch unbegrenzte Generatio- nen rein erhalten, immer die nämliche chemische und physiologische Arbeit verrichten, und sich durch fortgesetzte Züchtung zu constanten Rassen entwickeln können. Vielleicht finden sich auch unter den Bacterien, welche äusserlich nicht zu unterscheiden, doch verschie- dene chemische und physiologische Wirkungen zeigen, dergleichen Varietäten oder Rassen, die ursprünglich von gemeinschaftlichem Keim entstammend, durch eonstante, natürliche oder künstliche Züch- tung unter gleichen Verhältnissen und auf gleichem Nährboden immer die nämlichen Producte erzeugen; da alle Bacterien sich nur auf ungeschlechtlichem Wege durch Knospung resp. Theilung vermehren, so ist ein derartiges Constantwerden der Rasseneigenthümlichkeit um so leichter begreiflich. Bei den verschiedenen Hefesorten ist die Rassenbildung durch künstliche Züchtung von Rees (Uuntersuchung über die Alcoholpilze) nachgewiesen. Wie Sommerroggen nicht zur Wintersaat taugt, obwohl ursprünglich beide Rassen des nämlichen Ursprungs sind, und sich durch fortgesetzte Züchtung uach längerer Zeit wieder in einander überführen lassen, so taugt auch Oberhefe nicht zur Bairisch-Bierbereitung, und fast jede Wein- oder Biersorte hat ihre eigene Hefe; und doch ist es wahrscheinlich, dass viele Alcohol- Hefen nur einer einzigen Art mit zahlreichen Culturrassen angehören. Ich vermuthe, dass auch unter den Bacterien, welche als Fermente in ganz verschiedenartigen chemischen und pathologischen Processen wirken, neben einer kleinen Zahl selbstständiger Arten, eine weit grössere von natürlichen und Cultur-Rassen auftreten, die aber, weil sie sich nur auf ungeschlechtlichem Wege vermehren, ihre indivi- duellen physiologischen Eigenthümlichkeiten mit grosser Hartnäckig- keit festhalten. | 2. Organisation und Entwickelung der Bacterien. Der gemeinschaftliche Charakter der von mir hier als Bacterien zusammengefassten Organismen scheint mir in Folgendem ‚zu liegen: Die Bacterien sind chlorophylllose Zellen von kugli- ger, oblonger oder eylindrischer, mitunter gedrehter oder gekrümmter Gestalt, welche ausschliesslich durch Quertheilung sich vermehren, und entweder isolirt oder in Zellfamilien vegetiren. Die Bacterienzellen besitzen einen stickstoffhaltigen, in der Regel farblosen Zellinhalt (Protoplasma), welcher das Licht stärker bricht als Wasser und in welchem in der Regel glänzende ölähnliche Körnehen oder Kügelchen eingebettet sind. Dieser Inhalt stimmt völlig überein mit dem der farblosen Oseillarien (Beggiatoa), welche in sulfathaltigem Wasser in zahlreichen Arten vegetiren, und durch ihren Vegetationsprocess freien Schwefelwasserstoff. entbinden. Ich halte das Bacterien-Protoplasma für flexil, oder wie man gewöhnlich sagt, für contractil (vergleiche über diese Ausdrücke meinen Aufsatz über Infusorien im Seeaquarium, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo- logie XVI. 3. 1866, p. 261); ich habe solche Flexilität für das Protoplasma der Oseillarien und insbesondere der Beggiatoen in meiner Abhandlung über Phycochromaceen nachgewiesen (M. Schultze, Archiv für mikroskopische Anatomie VII. 1867,); der Flexilität des Protoplasma schreibe ich die spontanen Beugungen und Streckungen der Fäden zu, wo dieselben nicht durch die starre Membran fixirt sind. Das dichte Protoplasma und die Körnchen der Bacterien unterscheiden wir am deutlichsten bei den diekeren Arten (z. B. Dacterium Lineola, Bacillus Ulna, Spirillum volutans), wo die Körnchen bei gewisser Einstellung schwärzlich, bei anderer hellglänzend erscheinen, und von Ehrenberg als Gliederungen angesehen wurden; in den feineren Fäden scheint der Inhalt oft homogen; mitunter werden die ölartigen Kügelchen erst beim Absterben sichtbar, wie dies auch sonst bei Pilzen vorkommt; Hoffmann findet hier, wie ich glaube nicht mit Recht, Luftausscheidung (Botanische Zeitung 1869, tab. 5. I. II.); Ehrenberg erblickte in ihnen Eier und Magenbläschen. Auch die Färbung der Bacterien durch Jod und Pigmente schreibe ich dem Protoplasma zu. Die verschiedene. Lichtbrechung des Protoplasma gegen Wasser ist die Ursache, dass die Bacterien in grösserer Menge das Wasser trüben, milchig und undurchsichtig machen, und zwar um so intensiver, je reichlicher sie dasselbe erfüllen, in ähnlicher Weise, wie etwa die stärker brechenden Butterkügelchen das klare Milchserum trüben. Pasteur bezeichnet die Bewegung der Bacterien als die Ursache der Trübung, während Polebotnow (Wiesner, Mikroskopische Untersuchungen 1872, p. 146) die auffallende Ansicht aufstellt, dass nicht die Bacterien selbst, sondern die von ihnen ausgeschiedene Gallert die Trübung veranlasse. Gewöhnlich erscheint eine von Bacterien dicht erfüllte Flüssigkeit milchweiss, mit einem Stich in’s Bläuliche; in diekeren Schichten bei durchgehendem Lichte betrachtet erscheint die Färbung gelbröthlieh, oder rauchfarben, wie Milchglas.. Im Allgemeinen ist Trübung klarer Flüssigkeiten ein makroskopisches Zeichen für die Vermehrung der Bacterien, wie umgekehrt von einer Flüssigkeit, die völlig klar bleibt, die Abwesen- heit von Bacterien vermuthet werden kann; doch ist hierauf kein unbedingter Verlass, da einerseits in stärker brechenden Flüssig- keiten (Serum, Lymphe ete.) die Bacterien dem blossen Auge unsicht- bar bleiben, sobald sie nahezu gleiches Brechungsvermögen’ besitzen, andererseits auch im Wasser eine geringe Menge von Bacterien keine bemerkbare Trübung hervorruft; es darf daher mikroskopische Unter- suchung in problematischen Fällen nicht umgangen werden. Bei den 138 Pigmentbacterien ist, wie wir später schen werden, mitunter das Plasma gefärbt, und daher auch die von ihnen veranlasste Trü- bung farbig. Dass die Bacterien eine Zellmembran besitzen, ergiebt sich aus ihrem chemischen Verhalten; sie werden durch Kali und Ammoniak, wie auch durch Säuren nicht zerstört, was offenbar nicht der Unlös- lichkeit ihres Protoplasma, sondern der Gegenwart einer Mem- bran zuzuschreiben ist, die nicht, wie die der Infusorien, eiweiss- artig ist, sondern, wie die der Pilze, der Cellulose oder einem andern Kohlenhydrate nahe steht und sich insbesondere in Kali nicht löst. Ebenso widersteht die Membran der Bacterien der Fäulniss ausser- ordentlich lange, und stimmt auch hierin mit den Cellulose-Membranen der Pflanzenzellen überein. Mit starken Vergrösserungen kann man die Membran der Bacterien auch direet unterscheiden; denn bei einer gewissen Einstellung erscheint das Plasma schwärzlich, und ringsum von einem ziemlich breiten, etwas gelblichen, anscheinend knorpligen Rande eingefasst, und namentlich an der Grenze zwischen je zwei aufeinander folgenden Gliedern ist die farblose, doppelt conturirte Scheidewand deutlich erkennbar. Bei mehrgliedrigen Fäden ist die Scheidewand zwischen den Zellenpaaren etwas stärker entwickelt. Die Membran der Bacterien ist, wie ich glaube, quellbar, und kann sich in Schleim auflösen, was bei der Entwickelung der Zoogloea- gallert zu berücksichtigen ist. Bei einzelnen Arten ist die Membran zart, sehr biegsam und gestattet dem flexilen Protoplasma active und passive Beugungen und Streckungen, jedoch nicht wirkliche Schlän- gelung; bei andern ist sie starr, formbeständig, zu Beugungen unfähig, so dass sie Ehrenberg mit Kieselpanzern vergleichen konnte, obwohl er selbst sich von der Abwesenheit der Kieselsäure über- zeugte; beim Eintrocknen erleiden auch die starren Arten gewisse Verbiegungen. Die Quertheilung der Bacterien geht so vor sich, dass die Zellen sich erst in der Längsachse nahe auf das Doppelte ihrer normalen Länge strecken, worauf ihr Plasma in der Mittellinie sich einschnürt und in zwei Hälften theilt, welche durch eine Scheidewand von Zellstoff geschieden werden; so entstehen zwei Glieder, die entweder längere oder kürzere Zeit in Zusammenhang bleiben, oder unter sofortiger Einschnürung der Mutter-Zellhaut und Spaltung der Scheide- wand sich von einander trennen. Unmittelbar darauf schickt jede der beiden Tochterzellen sich zu neuer Theilung an; so vermehrt sich ihre Zahl in unglaublich kurzer Zeit in Potenzen von zwei. So viel ich glaube, liegen alle Scheidewände, welche eine Bacterien- 139 zelle in den nach einander folgenden Theilungen bildet, unter sich parallel, und daher können nur einreihige Zellketten entstehen; eine Astbildung, wie sie Dujardin von Vebrio ambiguus oder Hoff- mann (Botan. Zeit. 1569, Tab. IV. Fig. 18 und 20) von ver- schiedenen Bacterien beschreibt und abbildet, ist nach meinen Beobachtungen dem Charakter dieser Organismen durchaus fremd. Auch Theilung über’s Kreuz durch Scheidewände, die auf einander senkrecht stehen, kommt, wenigstens bei freien Bacterien, nie vor; sie begründet eben den Charakter einer besonderen Gattung der Schizomyceten, welche, wie die berühmte Sarcina ventriculi Goods, in den Magenflüssigkeiten, von andern Beobachtern auch in andern Organen (Lunge, Gehirnventrikel, im Harn etc.) gefunden wurde; in kleineren Formen kommt auch Sareine ausserhalb des menschlichen Organismus, auf gekochten Kartoffeln, in trockenen chromgelben Häufchen vor (vergleiche den vorstehenden Aufsatz von Schroeter, p- 119); ich selbst sah am 25. November 1871 auf gekochtem Hühner- eiweiss hellgelbe trockene Flecken von Sareine erscheinen und am 2. April 1872 sogar auf der Oberfläche einer chemischen Lösung (1% weinsaures und 1° essigsaures Ammoniak), in welcher orange- rothe Kugelbacterien eultivirt wurden, ein gelbes, auf der Flüssigkeit schwimmendes Häutehen von Sareine sich bilden (Tab. III. Fig. 7**). Auch Pasteur erhielt in einem mit Hefe-Wasser (eau de l&vure) gefüllten und nur kurze Zeit der Luft ausgesetzten Kölbehen, auf den Wänden desselben einen Absatz von Sareine, wie aus der Abbil- dung (Ann. de Chem. et de Phys. LXIV. 1862, tab. II. Fig. k) hervorgeht; er selbst beschreibt dieselbe als „Algue formee de cel- lules quaternaires, comme des assisses de pierre* (l. e. p. 80). Aus alledem geht hervor, dass Sareinekeime in der Luft nicht selten vorkommen, und sich in verschiedenen Medien entwickeln; in neuster Zeit hat Losdorfer Sareine auch im Blute gesunder und kranker Menschen beobachtet (Medizinische Jahrbücher 1871, 3. Heft), und ich habe diese Angabe selbst bestätigen können, indem ich am 19. März in dem vier Tage vorher in ein mikroskopisches Prä- parat eingekitteten Blut eines gesunden Mannes Sareinetetraden, die selbst wieder in Gruppen von je vier angeordnet waren, in den Lacunen des Blutserum zwischen den Blutkörperchen antraf (vergl. Tab. III. Fg. 7*). Obwohl nun die echten Bacterien beim Zerfallen der Fäden durch vierzeilige Aneinanderlagerung ihrer Fadenglieder mitunter sarcineähnliche Gruppen zeigen, so kann ich doch einen wirklichen Uebergang von Dacterium in Sarcina nicht finden, wes- halb ich die letztere Gattung hier nicht weiter berühre. bean Nu Wie schon oben bemerkt, trennen die aus der Theilung einer Bacterienzelle hervorgegangenen Tochterzellen sich entweder sofort (einzellige Bacterien), oder sie bleiben einige Zeit zu längeren oder kürzeren Fäden verbunden (Fadenbacterien). Im ersteren Fall treffen wir die Bacterien nur als einfache, oder während des Theilungsacts paarweise nach Art einer 8 aneinanderhängende Zellen. Die Zahl der zu einem Faden verbundenen Gliederzellen dagegen ist ver- schieden, und hängt theils von der specifischen Natur, theils von äusseren Verhältnissen ab; daher ist auch die Länge der Fäden sehr verschieden, wenn auch in der Regel 2, 4, 8 Glieder vorzukommen scheinen. Bei Dacillus subtilis kommen sehr lange Fäden vor, welche gewöhnlich als besondere Formgattung mit dem Namen Lepto- thric bezeichnet werden. Es ist dies jedoch nicht so zu verstehen, als ob alle Arten der Algengattung Leptothrix, die zum grössten Theil spangrün gefärbt sind, einen kurzgliedrigen Bacterienzustand durchlaufen, oder aus Bacterien hervorgehen; dies ist vielmehr für die meisten der phycochromhaltigen Leptothrixarten weder nach- gewiesen, noch selbst wahrscheinlich; nur ein Theil der farblosen pilzartigen Leptothrix-Speeies gehören in den Entwickelungskreis der Fadenbacterien. An einem solchen Faden ist die Gliederung in der Regel schwer zu sehen; in andern Fällen zeichnen sich die Glieder durch Einschnürung ab, und da der Faden leicht in seine Glieder zerfällt, so findet man häufig Fäden, welche entweder an einem oder an beiden Enden sich ablösende Glieder zeigen, oder welche zickzack- artig gebrochen sind (vgl. Dujardin, Infus. Pl. I. Fig. 6; Hoffmann, bot. Zeit. 1869, Tab. IV.1b;5b; 12; unsere Tab. III. Fig. 14. 15. 17). Ehrenberg giebt an, dass die Fadenbacterien und die mit ihnen hierin übereinstimmenden Spirillen aus kugligen oder kurz scheiben- förmigen Gliedern bestehen, welche beim Eintrocknen deutlich werden, und beschreibt und bildet diese Zusammensetzung in einer Weise ab, welche dem Bau der Oseillarienfäden entspricht; er findet sogar für verschiedene Arten speecifische Verschiedenheiten dieser Gliederung. Die meisten neueren Beobachter, mit Ausnahme von Dujardin, haben Ehrenberg hierin beigestimmt. Ich habe mir jedoch die grösste Mühe gegeben, diese Struetur zu Gesicht zu bekommen, aber ohne Erfolg. Selbst Eintrocknen und Reagentien, z. B. Jod, Ueber- mangansaures Kali, Silberlösung u. s. w. liessen zwar feine, oft sehr regelmässig geordnete Körnchen in den Fäden deutlicher werden; aber Querscheidewände vermochte ich selbst bei den grössten Spi- rillen nicht wahrzunehmen. Ohne daher die Möglichkeit in Abrede zu stellen, dass die fadenförmigen Bacterien aus solchen kurzen 141 Gliedern bestehen, muss ich doch erklären, dass wenigstens mit den mir zu Gebote stehenden optischen Mitteln ausser den eylindrischen Stücken, in welche bei der Theilung die Fäden zerbrechen können, eine weitere feinere Gliederung in dünnere Scheiben oder Kugel- zellen nicht sichtbar wird. Die meisten neueren Forscher sind geneigt, bei allen Bacterien ohne Unterschied Fadenbildung (Leptothrixformen) anzunehmen; ich bin jedoch noch heut der Ueberzeugung, die ich schon vor zwanzig Jahren ausgesprochen, dass dies nicht der Fall, sondern dass sich nach diesem Verhalten die Bacterien in zwei Gruppen theilen, die auch in ihrer übrigen Entwickelung Verschie- denheiten zeigen und daher bei der -Eintheilung der Gattungen besonders berücksichtigt werden müssen. Bei den Kugel- und Stäbchen-Bacterien nämlich trennen sich zwar die Tochterzellen in der Regel nach der Theilung sofort; sie kommen daher in freiem Zustände nur als einfache oder paarweise, nur ausnahmsweise in Doppelpaaren "“aneinanderhängende Zellen vor; unter gewissen Bedingungen aber bleiben die Zellgenerationen mit einander dadurch verbunden, dass ihre Zellmembranen zu gallert- artiger, wasserheller Intercellularsubstanz aufquellen, und demnach sich zu grösseren, scharf begrenzten, elastisch biegsamen Gallert- massen verbinden. Ich habe diese Gallertmassen schon in meiner ersten Abhandlung über Bacterien im Jahre 1853 (Nov. Act. Ac. Car. Leop. XXIV. I. p. 123) als Formgattung Zoogloea bezeichnet; Zoogloea stellt diffuse oder geformte, unregelmässig kuglige, traubige oder schlauchartige, gelappte oder verzweigte, im Wasser schwim- mende oder auf einer Unterlage ausgebreitete Gallertmassen dar, in welchen die Bacterienzellen bald mehr bald weniger dicht eingelagert sind. In dieser Zoogloeagallert fahren die Bacterien fort sich zu theilen; da wo besonders lebhafte Vermehrung stattfindet, sind die jungen Zellen ausserordentlich eng an einander gedrängt, indem die Intercellularsubstanz wenig entwickelt ist; sie stellen kleine, dicht erfüllte Gallertkugeln dar, von 10 Mikrom. und selbst darunter; später weichen die Zellen auseinander und sind nur in weiteren Zwischen- räumen eingebettet. Man erkennt diese Gallertmassen (Zoogloea) schon mit blossem Auge als farblose, im Wasser schwimmende Flöckchen, die sich an der Oberfläche, den Wänden oder dem Boden eines Gefässes absetzen; bei reichlicher Vermehrung bilden die Zoo- gloeen Gallertklumpen oder dicke knorplige Häute von mehreren Centimetern Umfang; enthält das Wasser Eisen in Lösung, so wird das letztere gern in der Gallert als Eisenoxydhydrat ausgefällt, in Folge dessen die Gallert.sich rothbraun färbt; der Eisengehalt der 142 - rostfarbenen Zoogloea-Gallert lässt sich unter dem Mikroskop durch Blutlaugensalz nachweisen. Entwickelt sich in solehem Wasser freier Schwefelwasserstoff, so werden die rostbraunen Zoogloeen geschwärzt, und man findet nicht selten im Absatz von verdorbenem Brunnen- wasser oder an Gräben dergleicher schwarze Zoogloea. In der Gruppe der Kugelbacterien hat die Zoogloeaform eine etwas abweichende Gestaltung, um so mehr als diese sich häufig an der Luft, oder als Bekleidung von thierischen Geweben, als Ausfüllung von Interstitien oder Gefässen entwickelt, auch Färbung durch Pigmente zeigt, wie ich später erwähnen werde. In der Gallert eingebettet, sind die Bacterien-Zellen nicht abgestorben, da sie sich in diesem Zustande nicht nur sehr reichlich vermehren, sondern auch sich leicht aus der Gallert durch Auflösnng derselben befreien und alsdann frei im Wasser umherschwimmen (vgl. Tab. III. Fig. 3. 9. 12). Die zweite Gruppe der Faden- und Schraubenbacterien wird niemals in Gallertmassen beobachtet, wi@ich bereits in meiner ersten Abhand- lung (Nova Act. I. ec. p. 124) hervorgehoben, sondern sie treten entweder frei zerstreut oderinSchwärmenauf. DieSchwarm- bildung ist bei allen Bacterien, auch den Stäbchenbacterien und Spirillen, zu beobachten, wenn dieselben sich im Innern einer Flüssig- keit in Folge reichlicher Nahrung, oder aus Hunger nach Sauerstoff, sich an der Oberfläche derselben in unendlichen Schaaren versammeln. Schon LeeuwenhoekundO.F.Müller,insbesondereaberauchEhrenberg heben die wunderliche Erscheinung der Bacterienschwärme hervor, die oft um einen’kleinen Bissen auf dem Objectglas in unzählbaren Myriaden durcheinander wimmeln (vgl. Ehrenberg’s Bemerkungen zu Vibrio tremulans und Lineola, der hier einen Geselligkeitstrieb ausgesprochen findet). Der Bacterienschwarm unterscheidet sich von der Zoogloea dadurch, dass bei letzterer die Zellen unbeweglich durch: Intercellular- substanz verkittet sind; deshalb bildet die Zoogloeagallert im Wasser einen scharf abgegrenzten, meist sphärischen Contur, der um so deut- licher hervortritt, weil die Bacterienzellen scheinbar am Rande der Gallert dichter gelagert sind, als in der Mitte. Die Schwärme dagegen bestehen „blos aus freien, beweglichen, aber oft so dicht an einander gedrängten Zellen, dass dieselben sich fast berühren, und daher eine schleimige Masse bilden; in bewegtem Wasser vertheilen sich jedoch die einzelnen Zellen ohne weiteres, da sie durch keine Zwischen- substanz verbunden sind. Man beobachtet die Schwarmbildung der Baeterien am deutlichsten im Seeaquarium, wenn am Boden desselben irgend ein todtes Thier fault; dasselbe hüllt sich dann in einen weissen, von Tag zu Tag weiter sich ausdehnenden, gegen das 143 krystallklare Seewasser deutlich abgegrenzten, Bacteriennebel, der durch Strömungen sich wie eine Rauchwolke im Wasser verbreitet; im süssen Wasser pflegen sich die Bacterien gleichmässiger zu ver- theilen, vielleicht weil sich in diesem die Nährstoffe der Bacterien leichter lösen. Hier findet man die Bacterienschwärme gewöhnlich nahe der Ober- fläche des Wassers oft in einer centimeterdicken, beinahe öligen Schicht, die wie Gummischleim gegen die tiefere, dünne Flüssigkeit, über der sie schwimmt, absticht; hier ist es offenbar das Bedürfniss nach Sauerstoff, welches die Bacterien zusammenhäuft; Pasteur bezeichnet diesen Zustand mitunter als „Mucor.“ Auf der Oberfläche von Flüssigkeiten, in denen Bacterien sich vermehren, schwimmen in der Regel ausserordentlich dünne irisirende Häutchen, in denen unbewegliche Bacterien in geraden oder gewun- denen, parallelen Längsreihen neben und hintereinander oft ausser- ordentlich regelmässig geordnet sinds Diese Häutchen, von Pasteur mitunter als Mycoderma bezeichnet, unterscheiden sich von der Zoogloea dadurch, dass bei letzterer die Zellen zu kugligen Massen durch Inter- cellularsubstanz verbunden sind, während in den Häutchen nur eine einfache Schicht ohne Zwischensubstanz vorhanden ist (Tab. III. Fig. 10). Eine andere Form, in welcher die Bacterien auftreten, ist die des pulverigen Niederschlags; sobald in einer Flüssigkeit die Nähr- stoffe erschöpft sind, auf deren Kosten die Bacterien sich entwickeln, hört die weitere Vermehrung derselben auf, und die Körperchen setzen sich allmählich am Boden des Gefässes ab; die Flüssigkeit wird von Tag zu Tage klarer, und zwar so, dass die Oberfläche am frühesten sich vollständig klärt, ganz so wie beim Absetzen eines sehr leichten Pulverss; am Boden häufen sich nun die Bacterienmassen auf, in einer weissen, fortdauernd dicker und diehter werdenden Schicht, die mit blossem Auge etwa so aussieht wie ein Absatz feinst- geschlemmter Thonerde. Durch Schütteln lassen sich die abgesetzten Bacterien leicht wieder aufstören; überhaupt vergehen bis zur voil- ständigen Klärung der Flüssigkeit durch den Absatz Wochen. Die Menge des Bacterien-Niederschlags .ist verschieden, je nachdem die vorhandene Nahrung eine grössere oder geringere Vermehrung begünstigte; sie ist aber stets verhältnissmässig bedeutend, und cs ist nicht schwer, in einem Reagenz-Cylinder, der etwa 10 Gramm Nährlösung enthält, einen Niederschlag von 0,5 GM. zu bekommen; ja es würde gewiss keine Schwierigkeit machen, erforderlichen Falls den Bacterienniederschlag Pfundweise zu gewinnen. In dem Niederschlag befinden sich alle Arten von Baeterien unter 144 einander gemengt; dieselben sind nicht, oder doch nicht sämmtlich todt; denn durch Aussaat in frische Nährflüssigkeit erhält man bald neue Vermehrung der Bacterien. Die Bacterien befinden sich viel- mehr in dem Niederschlage in ähnlichem Ruhe-Zustande, wie die Hefe-Zellen in einer ausgegohrenen Flüssigkeit, und können denselben durch Zufuhr neuer Nahrung wieder verlassen. Es ist daher begreif- lich, dass in allen Wässern derartige entwickelungsfähige Baeterien vorhanden sind, die sofort in Vermehrung eintreten, sobald ihnen Nahrung geboten wird. Auffallend ist dabei die Aenderung im speeifi- schen Gewichte der Bacterien; denn so lange dieselben in beweg- lichem Zustande im Wasser vertheilt sind, müssen sie nahezu das nämliche speecifische Gewicht wie Wasser besitzen; vielleicht spricht sogar die massenhafte Anhäufung derselben an der Oberfläche dafür, dass sie etwas leichter sind als Wasser. Beim Uebergang in den Ruhezustand dagegen werden sie offenbar schwerer als Wasser, was wohl mit der Bildung von Dauerzellen, und Verdichtung des Plasma in denselben zusammenhängen mag. In zuckerhaltiger Pasteur’scher Flüssigkeit geschieht der Bacterien-Absatz sehr langsam und unvoll- ständig; ich habe noch nach 6 Monaten die Flüssigkeit milchig gefun- den. In dem Absatze sind natürlich auch todte Bacterien, welche man an dem Zerfallen ihres Plasma und der Ausscheidung von Oel- tröpfehen erkennt. Eine Fäulniss der Bacterien, welche die Kör- per derselben völlig zerstörte, findet, wie bemerkt, nur schwierig statt, da sich die Absätze der Bacterien durch viele Monate, viel- leicht auf unbestimmte Zeit unverändert erhalten; auch dieses Ver- halten beweist die Anwesenheit von starren zellstoffartigen Membranen, und ist ganz verschieden von dem der eigentlichen Infusorien, welche beim Absterben ganz zerfliessen. Schon Bory hebt 1524 die auf- fallende Thatsache hervor, dass todter ‚„Vibrio Bacillus“ in einer verstöpselten Fiasche zu tausenden sich Jahre lang am Boden unver- ändert erhielt, was Ehrenberg gewiss mit Unrecht anzweifelt. Die meisten Bacterien besitzen einen beweglichen und einen unbe- weglichen Zustand. Die Bewegung beruht überall auf einer Rotation um die Längsachse, zu der bei längeren und biegsameren Arten auch active und passive Beugungen und Streckungen in der Länge des Fadens, jedoch niemals Schlängelungen hinzutreten. Alle die ver- schiedenen Bewegungserscheinungen sind auf diese Grundgesetze zurückzuführen. Die Bacterien können sich durch einfache Aenderung der Rotationsrichtung abwechselnd nach vorn und rückwärts bewegen; ein morphologischer Unterschied zwischen Vorn und Hinten ist nicht vorhanden. Besondere Dewegungsorgane der Bacterien sind 145 bisher nicht bekannt gewesen; es ist daher die Bewegung der Bacte- rien nicht mehr und nicht weniger wunderbar geblieben als die ganz analoge der Oseillarien. Ueber die von mir entdeckten Bewegungs- organe der Spirillen werde ich später sprechen. Die Bewegung der Bacterien scheint an die Gegenwart des Sauer- stoffs gebunden, bei Sauerstoffmangel gehen die Bacterien in den bewegungslosen Zustand über. Auch ohne erkennbare Veranlassung wechseln Ruhe und Bewegung oft in kurzen Intervallen. Dauernd ist der bewegungslose Zustand, wenn die Bacterien zu Gallertmassen oder Häutchen verbunden sind, bei den Kugelbacterien und gewissen Fadenbaeterien (Dacteridien) ist niemals Bewegung beobachtet. Zweifelhaft ist ob bei den Bacterien Sporen- oder Gonidienbildung stattfindet. In den Ruhezuständen der Niederschläge und Schleim- massen finden wir allerdings mitunter grössere Bacterien-Zellen, welche einen stark glänzenden ölartigen Inhalt haben und Dauer- Zellen zu sein scheinen. Vielleicht entstehen aus solchen Dauer- Zellen die merkwürdigen geschwänzten, und mit einem Köpfchen versehenen Bacterien, welche schon von verschiedenen Beobachtern erwähnt worden sind. Ich fand dieselben in ungeheurer Menge schon 1851 in einer Infusion von todten Fliegen (vgl. Tab. III. fig. 13); auch in faulem Kleber, Eiweiss und anderen faulenden Flüssigkeiten finden wir mitunter zahllose, kuglige oder ovale Körperchen von starker ölartiger Lichtbrechung, zwischen ihnen auch solche, welche sich in einen kurzen zarten Faden verlängern; sie schwimmen wie B. subtile, an das sie erinnern, sehr lebendig, indem bald das dünne Fadenende, bald die dicke Fettkugel vorangeht; der Faden biegt sich oft beim Schwimmen. Sie machen den Eindruck von Bacterien- keimfäden, die aus einer ölhaltigen Gonidie oder Dauerzelle hervor- gegangen sind. (Vergleiche die Zusammenstellung älterer Beobachtun- gen bei Polebotnow, Ueber Ursprung und Vermehrung der Bacte- rien in: Wiesner, Mikroskopische Untersuchungen p. 133.) Andere Entwiekelungszustände der Bacterien als die hier auf- gezählten habe ich niemals auffinden könpen. — Indem ich nun zur Charakterisirung der von mir genauer unter- suchten Baeterienspeeies übergehe, beabsichtige ich weder die Gren- zen zwischen natürlichen Arten, Formspeeies, pbysiologischen Arten oder Rassen endgiltig festzustellen, noch auch eine vollständige Auf- zählung aller wirklich vorhandenen Arten zu geben; ich übergehe vielmehr hier eine Anzahl Formen, welche mir Anrecht auf Selbst- ständigkeit zu haben scheinen, weil sie noch einer genaueren Unter- suchung bedürfen, und beschränke mich darauf die am häufigsten Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft, 10 146 vorkommenden und auch schon von früheren Beobachtern bemerkten Arten einer kritischen Revision zu unterwerfen und ihre Grenzen schärfer als bisher geschehen festzustellen; ich hoffe, dass diese Arbeit der in neueren Untersuchungen eingerissenen chaotischen Verwirrung gegenüber nicht nutzlos sein wird, selbst wenn dieselbe in Zukunft wesentliche Abänderungen erheischen wird. Auch habe ich versucht, von den hier aufgestellten Arten neue Abbildungen zu geben, welche sämmtlich unter derselben Vergrösserung (Hartnack IX. Oe. 3 = 650) gemacht sind. Arbeiten über Bacterien und ähnliche Organismen ohne oder mit unrichtigen Abbildungen, wie deren in neuerer Zeit so viele erschienen, halte ich für nutzlos, da sie keine Controle der besprochenen Formen gestatten, während selbst die unvollkommenen aber charakteristischen Abbildungen von Leeuwenhoek und ©. F, Müller das Wiedererkennen möglich machen. Ich theile die Bacterien in vier Gruppen (Tribus) deren jede wieder aus einer oder mehreren Gattungen besteht. Ich habe bei der Benennung der Gattungen durchweg die älteren Namen beibehal- ten, um nicht die Nomenelatur' zu belasten, jedoch den Charakter der- selben zum Theil schärfer und nach anderen Prineipien begrenzt. Tribus I. Sphaerobacteria (Kugelbacterien). Gattung 1. Micrococcus. char. emend. Tribus II. Microbacteria (Stäbchenbacterien). Gattung 2. Dacterium char. emend, Tribus III. Desmobacteria (Fadenbacterien). Gattung 3. Dacillus n. 9. Gattung 4. Vrbrio char. emend. Tribus IV. Spirobacteria (Schraubenbacterien). Gattung 5. Sperillum Ehr. Gattung 6. Spirochaete Ehrenberg. 3. Kugelbacterien, Sphaerobacteria. Die Kugelbacterien unterscheiden sich zunächst durch die kugelige oder ovale Form ihrer Zellen, in der Regel von minimalen Dimen- sionen unter 1 Mikromm.; körniger Inhalt ist nicht zu unterscheiden, wohl aber eine doppelt conturirte Membran. In Folge der Theilung hängen die Zellen gewöhnlich paarweise aneinander und sind an der Theilungsstelle stark eingeschnürt. Bei fortschreitender Theilung entstehen kurze Ketten aus 3, 4 bis 8 und mehr Gliedern, welche entweder steif oder gebogen sind und in Folge der Einschnürungen Rosenkranzform zeigen. Diese Ketten unterscheiden sich daher von den Leptothrix-Formen der Faden-Bacterien, welche keine Ein- nee ee en 147 schnürungen an den Gliedern besitzen, in ähnlicher Weise wie die Fäden der Nostoe-Arten von denen der Öseillarien. Itzigsohn und Hallier haben für die Rosenkranzketten der Kugelbaeterien den Namen Mycothrix vorgeschlagen; ich bezeichne sie hier als Torwlaform. (Tab. II. Fig. 1.) Ausser den Rosenkranzketten kommen. die Kugelbacterien noch in zwei anderen Zuständen vor. Die Zellen, welche sich zur Kette aneinander reihen, gestatten bei den Kugelbacterien eine gewisse Ver- schiebbarkeit, ohne Zweifel weil die Intercellularsubstanz, die sie ver- bindet, weich ist; daher erscheinen die Ketten unregelmässig, ge- brochen, ziekzackartig verbogen, einzelne Glieder legen sich der Quere nach und so entstehen, während die Zelltheilung fortschreitet, dichte und verworrene Zellhaufen, Zellballen, Colonien, welche aus einer grossen Zahl von Zellen bestehen und unregelmässige Aneinander- ordnung zeigen. Man würde den Ursprung dieser Haufen aus ein- fachen Kügelchen oder Rosenkranzketten nicht vermuthen, wenn nicht die Entwickelungsgeschichte die Uebergangsstufen auffinden liesse. Ich habe solche Entwickelungen insbesondere bei den Kugelbacterien der Pockenlymphe verfolgt, doch kommt sie auch bei andern Arten vor. (Vgl. Tab. III. Fig. 2.) Noch häufiger tritt der Fall ein, dass die aus der Zweitheilung hervorgegangenen Tochterzellen ohne sich in Ketten anzureihen sofort in unregelmässiger Lagerung sich neben die Mutterzellen legen und mit ihnen durch Intercellularsubstanz sich verbinden. Auf diese Weise entstehen Anhäufungen zahlloser Kugelzellen, welche gallert- artige, oft ausserordentlich zähe, fadenziehende, tropfenartige oder membranöse Schleimmassen bilden. Diese Schleimbildung wird ins- besondere bei den Pigmentbacterien beobachtet, welche sich in freier Luft entwickeln. Sie ist aber auch die Normalform bei den in patlıo- logischen Prozessen auftretenden Arten, welche in dichter Schicht die erkrankten Organe überwuchern oder sich in die Interstitien der Lymphkanäle, Gefässe und anderer Gewebe einlagern. Dieser Zustand entspricht der Zoogloea-Form der Stäbchenbacterien, unterscheidet sich aber in der Regel durch geringere Entwickelung der Intercellular- substanz, in Folge deren die kugeligen Zellen dicht neben und über einander gedrängt sind und unter dem Mikroskop ein äusserst cha- rakteristisches, dicht punktirtes oder fein gekörntes gleichsam chagrin- ähnliches Ansehen bieten. (Fig. 3.) Pasteur belegt die Kugelbacterien mit verschiedenen Namen, die einzelligen oder doppelten als Monades, die Gallertmassen als Mwycoderma, die Rosenkranzfaden als corpuscules en chapelet und Torulacees; unter letzterem Namen führt sie auch van Tieghem 10* 148 auf. Ehrenberg bezeichnet die Kugelbacterien als Monaden, die farblose der Infusionen als Monas Crepusculum, diejenige, welche rothes Pigment erzeugt, als M. prodigiosa. Unter ersterem Namen führt auch Hoffmann (Bot. Ztg. 1869 pag. 254) die Kugelbacterien auf und bildet ihre Ketten (l. ce. tab. 4. fig. 14) ab. Die Kugel- Bacterien als Monaden zu bezeichnen geht jedoch aus folgendem Grunde nicht an. Die Gattung Monas umfasst in ihrer gegenwärti- gen Begrenzung zwar zweierlei ganz verschiedenartige Wesen, näm- lich Zoosporen von Wasserpilzen, Uhytridiaceen, Myxomyceten und anderen, die natürlich mundlos sind, und wirkliche Infusorien, welche mit Hilfe eines Mundes feste Nahrungspartikeln aufnehmen; für beide Formen charakteristisch ist der kugelige oder elliptische, meist farb- lose Körper, der sich mit Hilfe einer Flimmergeissel bewegt. Den Kugelbacterien aber fehlt nicht nur die Geissel, sondern, soweit ich bis jetzt beobachtet, überhaupt jede spontane Bewegung; sie zeigen nur Moleceularbewegung, welche freilich bei diesen so kleinen und leichten Körperchen oft sehr lebhaft ist, so dass man sie ohne ge- nauere Beobachtung leicht mit einer spontanen verwechseln kann, namentlich dann, wenn echte Bacterien oder Monaden die Kugelzellen oder Ketten bei ihren Sprüngen mit fortreissen. Wegen des Mangels der spontanen Bewegung hat Schroeter in dem voranstehenden Aufsatz die Kugelbacterien, welche Pigmente erzeugen, mit demselben Namen belegt, welchen Davaine für die unbeweglichen Stäbchen des Milzbrandblutes eingeführt hat (Dacterr- dium). Die Milzbrandbacteridien unterscheiden sich jedoch durchaus von den Pigmentbacterien, da sie stäbchen- oder lang fadenförmig sind; sie können daher mit den Kugelbacterien nicht in einer Gattung zusammengestellt werden, da der Mangel der Bewegung der einzige beiden gemeinschaftliche Charakter ist. Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, dass Hallier unter sei- nem Micrococcus zum Theil die nämlichen Organismen verstanden hat, die ich selbst als Kugelbacterien bezeichne; indess ist die Hal- liersche Lehre vom Mecrococceus, wie schon Hoffmann und DeBary nachgewiesen, derart mit unrichtigen Behauptungen und unkritischen Hypothesen durchwebt, dass eine Eruirung seiner wirklichen Beobach- tungen geradezu unmöglich ist. Die Kugelbacterien sind die kleinsten aller mikroskopischen Orga- nismen, ihre Grösse lässt sich direet nicht mehr mit Sicherheit messen. Wenn dieselben, wie das fast immer der Fall, gleichzeitig mit Dae- terium Termo vorkommen, so kann der Zweifel entstehen, ob dieselben wirklich von D. Zermo verschieden und nicht blos, wie fast alle 149 neueren Beobachter annehmen, jüngere Entwickelungszustände oder Keime von BD. Termo sind. Bringt man die Zoogloea-Form einer Kugelbaeterienart auf das Objectglas, so findet man in der Regel die fein punktirten Schleimmassen dicht umlagert von beweglichen Stäbehenbacterien, und man kann leicht zu der irrthümlichen Annahme kommen, dass die letzteren aus der Gallert hervorgetreten sind. Es ist auch nicht ausser Acht zu lassen, dass D. Termo selbst in seiner Zoogloea-Form manchmal aus kugeligen Körperchen zu bestehen scheint, da die kleinen Stäbchen in der Regel so geordnet sind, dass ihre Köpfe der Peripherie der Gallert zugewendet sind. Doch ist, wie schon bemerkt, die Zoogloea-Form von D. Termo in der Regel durch die viel reichlicher entwickelte Intercellularsubstanz von den dieht gedrängten Schleimmassen der Kugelbacterien zu unterscheiden. (Vgl. Fig. 3 u.5.) Auch ist die Intercellularsubstanz der letzteren in der Regel im Wasser leichter löslich. Sobald man übrigens hin- reichend starke Vergrösserungen anwendet, ist der Formunterschied, welcher die kurzeylindrischen Körperchen des B. Termo von den kugeligen der Kugelbaeterien unterscheidet, besonders bei Anwesen- heit von Zellpaaren und Rosenkranzketten, nicht zu verkennen. Eine andere Irrthumsquelle entsteht dadurch, dass auch nicht- organisirte Körperchen in Form unmessbar kleiner Kügelchen auf- treten. Es gilt dies insbesondere von den amorphen pulverigen sogenannten molecularen Niederschlägen der verschiedensten organi- schen und anorganischen Substanzen: kohlensaurer Kalk, oxalsaurer Kalk, Inulin, Kautschuk, Harz, Gummigutt, chinesische Tusche u. s. w., ganz besonders aber von Fetten und Eiweissstoffen. Diese Gebilde, welche gewöhnlich als Detritus bezeichnet, mitunter in unendlicher Menge in Flüssigkeiten oder Geweben thierischen oder pflanzlichen Ursprungs auftreten, stimmen oft in Grösse, Form und Anhäufung derart mit Kugelbacterien überein, dass es geradezu unmöglich wird, ohne die sorgfältigste Untersuchung sich vor Verwechselungen zu schützen. So werden z. B. Beobachtungen über die beim Gerinnen der Milch stattfindenden Vorgänge dadurch ausserordentlich erschwert, dass einerseits die Butterkügelchen in allen Grössen bis zur moleeu- laren wirklicher Kugelbacterien auftreten, andererseits aber auch das Casein sich beim Gerinnen in unmessbar kleinen Kügelchen aus- scheidet, welche lebhafte Molecularbewegung zeigen und leicht für Organismen gehalten werden könnten, selbst dann noch, wenn sie sich zu gelatinösen, feinkörnigen Conglomeraten aneinander häufen. Vor der Verwechselung mit Caseinkügelchen kann man sich zwar durch Kali schützen, welches dieselben löst, die Kugelbacterien da- 150 gegen nicht angreift. Bei der Unterscheidung von minimalen Fett- tröpfehen aber lassen uns die Reagenzien im Stich, da auf Aether u. s. w. in schleimigen Flüssigkeiten kein Verlass ist und auch der Unterschied in der Lichtbrechung bei diesen kleinsten Kügelchen kaum sicher wahrgenommen wird. Die Unterscheidung dieser Pseudo- Bacterien, wie sie Hoffmann nicht unpassend benannt hat, von echten Kugelbacterien ist eine Aufgabe, welche unsere heutigen Mikroskope noch nicht in allen Fällen mit der erforderlichen Sicher- heit lösen; die Entscheidung giebt allein die Entwickelungsgeschichte: Kügelchen, die sich theilen und in Ketten entwickeln, sind Organis- men; wo dies nicht der Fall, haben wir es mit Pseudobacterien zu thun. Beiläufig bemerke ich hier, dass auch die Ausscheidung des Fibrin aus dem Blutplasma zu Pseudobacterien Veranlassung geben kann, da man die unmessbar dünnen und langen Fibrinfäden mit Fadenbacterien verwechseln könnte. Noch mehr erinnern dieselben freilich in ihrer netzförmigen Verfilzung an die Pseudopodien der Polythalamien und Mysxomyceten. Abgesehen von der Form und Bewegung unterscheiden sich die Kugelbacterien von den Stäbchenbacterien auch durch ihre Function. D. Termo ist das Ferment der Fäulniss. Die Kugelbaeterien sind ebenfalls Fermente, aber sie erregen nicht Fäulniss, sondern Zer- setzungen anderer Art. Sie kämpfen in der Regel mit den Fäulniss- bacterien auf dem nämlichen Boden um das Dasein, und ihre Pro- duete werden, wenn sie unterliegen, von den Fäulnissbacterien zerstört. Kann nun auch, wie ich überzeugt bin, darüber kein Zweifel bestehen, dass die Kugelbacterien einer selbstständigen Abtheilung angehören, so bin ich doch darüber noch zu keinem entscheidenden Urtheil gelangt, ob sich unter den Kugelbacterien selbst wieder ver- schiedene Gattungen unterscheiden lassen, ob ferner alle die Kugel- bacterien, welche verschiedenartige Fermentwirkungen äussern, auch als verschiedene Arten, oder ob sie nur als natürliche Rassen oder Culturvarietäten zu betrachten sind. Indem ich mich jedoch auf das beziehe, was ich bereits auf pag. 135 über Species und Rassen bei den Bacterien entwickelt habe, werde ich im folgenden alle Kugelbacterien, welche sich als Fermente eigener Art verhalten, als eben 'so viele „physiologische Species“ aufführen. Ich habe die Kugelbacterien als eine selbstständige von den Stäbchenbacterien verschiedene Gattung zuerst in meinem Vortrage in der Schlesischen Gesellschaft vom 14. Februar 1872 unterschieden, in meinem Aufsatze über Organismen in der Pockenlymphe (Virchow’s Archiv 1872, Bd. 55) habe ich eine genauere Charakteristik der ein- 151 zigen Gattung gegeben, welche wir bisher unter den Kugelbac- terien unterscheiden, und derselben einen neuen Namen „Niero- sphaera‘, beigelegt. Ich übersah dabei, dass dieser Name bereits von Leveill& an eine Zrysiphe vergeben war; um nicht nochmals die ohnehin überreiche Synonymie mit einem neuen Worte zu belasten, habe ich nunmehr den von Hallier aufgestellten und in weiten Kreisen eingebürgerten Namen NMicrococcus adoptirt. Es versteht sich jedoch von selbst, dass ich mit Micrococcus nur den ganz bestimmten Begriff verbinde, den ich in der vorstehenden Erläuterung auseinandergesetzt habe, und dass alles, was Hallier über Ent- stehung seiner Mierococeus-Schwärmer aus und deren Entwickelung zu verschiedenen Schimmelpilzen angiebt, auf meine Gattung Micro- coccus keinen Bezug hat. Die Merkmale von Micrococcus char. emend. sind ausschliesslich folgende: Zellen farblos oder schwach gefärbt, sehr klein, kugelig oder oval, durch Quertheilung zu zwei- oder mehrgliederigen kurzen rosenkranzförmigen Fäden (Mycothrix, Torulaform), oder zu vielzelligen Familien (Colonien, Ballen, Haufen) zu Schleimmassen (Zoogloea-, Mycoderma-Form) vereinigt, ohne Bewegung. Da die Arten von Mecrococeus sich durch die Gestalt und Grösse ihrer Zellen nur sehr schwierig, wohl aber durch deren physiolo- gische Thätigkeit leicht unterscheiden lassen, so ordne ich dieselben in drei Gruppen: chromogene, zymogene und pathogene Kugelbacterien der Pigmente, der Fermentationen und der Contagien. 4. Pigmentbacterien; Zymogene Kugelbacterien. Diejenigen Kugelbacterien, welche in gefärbten Gallertmassen auftreten, bezeichne ich als Pigmentbacterien (chromogene Mi- crococcusarten). Ueber diese Arten und die von ihnen erzeugten Farbstoffe verbreitet sich die in diesem Hefte abgedruckte Schroe- ter’sche Abhandlung, so dass ich hier nur in Bezug auf die biolo- ‘gischen Verhältnisse dieser Arten Ergänzungen beifüge. Alle Pigmentbacterien vegetiren in Zoogloeaform (Mycoderma Pasteur); sie bilden schleimige Massen, welche in Folge ausser- ordentlich rascher Zellvermehrung sich in kurzer Zeit auf der Ober- fläche ihrer bald flüssigen, bald festen, in der Regel organischen Nährsubstanz entwickeln, und dieselbe mitunter vollständig in far- bigen Schleim einhüllen. Das Pigment entsteht nur in Berührung mit Luft, erscheint daher zuerst an der Oberfläche und dringt allmählich mehr oder minder in die Tiefe ein. Alle Pigmentbacterien erzeugen eine alkalische Reaction; selbst 152 wenn das Medium, in dem sie sich vermehren, ursprünglich neutral oder sauer war, tritt.die alkalische Reaction auf, sobald der Farb- stoff sich bildet. Nach Schroeter geht jedoch der alkalischen Reac- tion stets die Erzeugung einer Säure voraus, nnd durch Ueberhand- nehmen des alkalischen Stoffs wird das Pigment oft zerstört (l. ec. p. 113). Eine unerschöpfliche Quelle für die verschiedenartigsten Pigment- bacterien sind gekochte und in feuchter Luft sich selbst überlassene Kartoffelscheiben, wie zuerst Fresenius (Beiträge zur Myecologie, Heft II.) hervorhob; da auf diesen Kartoffeln sich stets in kurzer Zeit gefärbte Schleimmassen entwickeln, so ist zu folgern, dass die Luft stets Keime von Pigmentbacterien mit sich führt; auf der andern Seite steht fest, dass ein bestimmtes Pigment oft lange Zeit in einer bestimmten Localität sich nicht von selbst bildet, so bald es aber einmal aufgetreten, sich beliebig vermehren lässt. Wir fol- gern daraus, dass die Keime der verschiedenen Pigmentbacterien nicht gleichmässig in der Luft vertheilt sind, dass bald die eine, bald die andere Art nicht vorhanden ist, dass aus diesem Grunde die Pig- mente sich nicht beliebig hervorrufen, noch das eine in das andere willkürlich umwandeln lassen, dass deren Erscheinen vielmehr vom Zufall abhängt. Endlich steht fest, dass die verschiedenen Pigmente nicht etwa von einem und dem nämlichen Organismus in Folge ver- schiedenartiger Nahrung oder verschiedener äusserer Verhältnisse gebildet worden; denn auf derselben Kartoffelscheibe vegetiren dicht neben einander und doch scharf von einander getrennt verschiedene Pigmentschleime, und jeder giebt bei der Vermehrung ausnahmslos nur den nämlichen Farbstoff, auch wenn die Nährsubstanz in der verschiedenartigsten Weise abgeändert wird (z. B. Brod, Fleisch, Kartoffeln, künstliche Nährstofilösungen).. Es kann daher mit Be- stimmtheit geschlossen werden, dass die Pigmenterzeugung ein Re- sultat, nicht äusserer Bedingungen, sondern speeifischer, physiolo- gischer und durch Fortpflanzung constant sich vererbender Eigen- thümlichkeiten ist, ganz, ebenso wie etwa der rothe oder gelbe Farbstoff in den Blumen von Zosa canina und Josa Eglanteria. Trotz der äusseren mikroskopischen Uebereinstimmung sind wir daher berechtigt, verschiedene, wenn auch hier jetzt nur physiologische Species der Pigmentbacterien zu unterscheiden. Je nachdem die Pigmente in Wasser löslich sind, oder nicht, zerfallen sie in zwei Klassen; in der zweiten Klasse beschränkt sich das Pigment auf Protoplasma und Intercellularsubstanz der Zoogloea, in der ersten verbreitet es sich auch in den Medien, in denen sie vegetiren. 153 Zur ersten Klasse gehören die Kugelbacterien des rothen und gelben Pigment, zur zweiten die des orange; grünen und blauen; von einigen Farbstoffen ist das Verhältniss noch nicht festgestellt. a. Unlösliche Farbstoffe. ]. Mierococcus prodigiosus (Monas prodigiosa Ehr. Palmella prodigiosa Mont. Bacteridium prodigiosum Schroet.). Während ich zwei Jahre lang vergeblich mich bemühte, diese am längsten beobachtete und durch Ehrenberg in ihren historischen Beziehungen in interessantester Weise beschriebene Art im Pflanzen- physiologischen Institut zu erziehen, in welchem sie früher sich stets reichlich gebildet hatte, erhielt ich am 283. Juli 1872 dieselbe wieder durch Herrn Stud. Langendorf, bei dem sie sich unter der Glas- glocke auf gekochten Kartoffeln innerhalb wenig Tagen erzeugt hatte. Auffallend ist der zähe fadenziehende, fast membranöse Schleim, den diese Art mitunter bildet, so dass es schwierig ist, eine kleine Portion mit der Nadel auf das Objectglas zu bringen. Auf Tab. Ill. Fig. 1 habe ich Abbildungen der isolirten Kügelchen, Fig. 3 der Zoogloeaform gegeben; die Zeichnungen können jedoch auch für alle übrigen Arten gelten, da diese unter dem Mikroskop, abgesehen von geringen Grössenverschiedenheiten, sich vollständig gleichen. Pfirsichblüthrothe Färbungen, die sich mitunter auf der Oberfläche verschiedener im Wasser modernder Gegenstände, oder als Absatz am Boden bilden, scheinen einer eigenthümlichen Mierococeusart anzugehören. 2, Micrococcus luteus (Dacteridium luteum Schroeter |. e. p. 119). Die gelben Tröpfehen von der Grösse eines Mohnsamen bis zur halben Pfefferkorngrösse, welche Schroeter im Pflanzenphysiolo- gischen Institut auf Kartoffeln erzog, habe ich auf demselben Nähr- boden ebenfalls zu allen Zeiten erhalten; am 27. März 1872 brachte ich eine Nadelspitze dieses hellgelben Schleims in einen Reagenz- eylinder, welcher eine weiter unten genauer beschriebene künstliche Nährflüssigkeit (weinsaures Ammoniak) enthielt; auf der Oberfläche dieser Flüssigkeit vermehrte sich die gelbe Zoogloea dergestalt, dass sie bis Ende April eine dicke gelbe Haut bildete, welche den Quer- schnitt des Reagenzgläschens übertraf und sich daher in tiefen Falten auf und ab bog, auch an den Wänden sich weit in die Höhe zog, ohne jedoch die Flüssigkeit selbst zu färben, da das Pigment in Wasser unlöslich ist, wie das des M. prodigiosus. Auch am Boden bildete sich ein gelber Absatz. 154 b. Lösliche Farbstoffe. 3. Micrococcus aurantiacus (Dacteridium aurantiacum Schroe- ter p. 119) wurde von Schroeter im pflanzenphysiologischen In- stitut auf gekochten Kartoffelscheiben erzogen, auf denen es kleine Tröpfehen oder auch grössere Flecken bildete. Am 25. November 1871 erschienen auf einem gekochten, in der Mitte durchgeschnittenen Hühnerei, welches ich ein Paar Tage vorher unter eine Glasglocke gestellt hatte, und zwar zuerst auf dem Ei- weiss, orangegelbe Flecke von Stecknadelkopfgrösse und darunter, in grosser Zahl zerstreut; die Färbung war ganz die des Eidotter; die Flecken breiteten sich allmählich aus, und überzogen fast gleich- mässig die ganze Unterseite des Eies; sie erschienen auch auf dem Gelbei, von dem sie sich durch die Farbe kaum unterschieden. Diese Tröpfchen bestanden aus zahllosen, einfach oder paarweise, auch wohl zu vier zusammenhängenden Kügelchen, welche sich leicht im Wasser vertheilen liessen und dann nur Molecularbewegung zeig- ten; isolirte Kügelchen hatten eine ovale Form; in dichter Lagerung zeigte die Masse jenes für die Zoogloea der Kugelbacterien charak- teristische feinpunktirte Ansehen (vgl. Tab. III. Fig. 3). Als nach einiger Zeit das Ei unter Entwickelung eines unerträg- lichen Geruchs zu faulen begann und sich gleichzeitig farblose Stäbchenbacterien im Uebermasse entwickelten, wurde die Glasglocke entfernt, und das Ei trocknete allmählich aus, wobei die goldgelben Flecken und Tröpfchen sich etwas intensiver färbten. So trocken in einer Schachtel aufbewahrt, verloren die Pigment-Bacterien nicht ihre Lebensfähigkeit; denn als ich am 1. März 1872 auf frisch gekochte Hühnereier ein Wenig von der goldgelben Masse mit Hülfe der Nadel brachte, entwickelten sich sofort nach drei Tagen die orangefarbenen Gallerttropfen und vermehrten sich, wie beim ersten Mal; wenn ich mit dem Messer etwas von der Masse über das harte Eiweiss ver- theilte, so erhielt ich bald goldgelbe Streifen, die sich rasch ver- grösserten, und zu neuer Uebertragung auf andere Eier dienten. Von dem goldgelben Schleim wurde eine an der Nadelspitze haftende minimale Menge am 6. März in einen Reagenzeylinder gebracht, in welchem 20 Gm. einer einprocentigen Nährstofflösung (von essigsaurem und weinsaurem Ammoniak nebst den erforderlichen Aschensalzen) enthalten war; zwei Tage später hatten sich die Pigmentbacterien bereits so vermehrt, dass sie eine 2—3 Millimeter hohe goldgelbe Schicht auf der Oberfläche der Flüssigkeit bildeten; ein Tröpfchen von dieser Schicht in einen Reagenzeylinder mit gleicher Nährstoff- lösung am 16. März gebracht, erzeugte wiederum eine goldgelbe Schicht innerhalb zwei Tagen auf der Oberfläche der Flüssigkeit. 155° Hartgekochtes Hühnereiweiss, welches am 16. April 1871 in einem Reagenzeylinder mit destillirtem Wasser nochmals aufgekocht und dann durch Zuschmelzen hermetisch eingeschlossen war, hatte sich 7 Monate unverändert schneeweiss und fast ohne Spur von Fäulniss erhalten, als am 25. November die dünne ausgezogene Spitze des Reagenzeylinders abbrach; wenig Tage darauf entwickelten sich im Wasser Stäbchenbaeterien, welche dasselbe trübten; als im März 1872 der Cylinder wieder untersucht wurde, war die Flüssigkeit schön orangegelb geworden und wimmelte von zahllosen unbeweglichen Kugelbacterien, die einzeln, oder häufiger paarweise, doch auch zu 3, 4 und in grösserer Zahl zu geraden oder verbogenen Torula- ketten in unregelmässigen Häufchen verbunden waren; die Grösse der einzelnen Zellen bestimmte ich zu 1,5 Mikrom.; es schien mir dies der nämliche M. aurantiacus, den ich früher nur auf der Oberfläche der Eier gefunden hatte. 4. Micrococcus chlorinus. Auf demselben Ei, auf welchem die orangegelben Flecken sich bildeten, erschien gleichzeitig auch gelb- oder saftgrünes, schleimiges Pigment, das ebenfalls von Kugelbacterien erzeugt war. Den nämlichen Farbstoff erhielt ich in Lösung in einem Reagenzeylinder, in welchem am 21. Nov. 1871 gekochtes Hühner- eiweiss mit destillirtem Wasser übergossen worden war; das Eiweiss begann sich zu zersetzen, die Flüssigkeit wurde milchig; nach einiger Zeit sammelte sich an der Oberfläche derselben eine saftgrüne Schleim- schicht mit einer Mierococcushaut, welche nach unten sich allmählich verbreitete, und bis Mitte März die ganze Flüssigkeit schön gelbgrün gefärbt hatte; im Laufe des April wurde dieselbe sogar klar, und behielt dabei ihre gelbgrüne Farbe, während ein gleichfarbiger Bacterien-Niederschlag sich absetzte. Als ich am 5. August 1872 den weissen Bacterienabsatz, welcher aus früheren Versuchen sich in einer künstlichen Nährflüssigkeit (weinsaures Ammoniak) niedergeschlagen hatte, mit derselben Flüssig- keit nochmals übergoss, wurde dieselbe sofort in Folge neuer Bac- terienvermehrung milchig; drei Tage später hatte sich bereits an ihrer Oberfläche eine 1 Cm. hohe, gelblich saftgrüne Schicht gebildet, auf der eine Zoogloeahaut (Mycoderma) von dem bekannten fein- körnigen Ansehn der Kugelbacterien schwamm; allmählich wurde die gesammte Nährflüssigkeit gelbgrün. Dieser Farbstoff wird dureh Säuren nicht geröthet, wie der blaugrüne, zu M. cyaneus gehörende, sondern ent- färbt; vielleicht ist er mit dem der sog. gelben Milch verwandt (vergl. Schroeter ]. c. p. 120, der auch auf Kartoffeln saftgrüne Fär- bung fand). 156 5. Micrococcus cyaneus (Dacteridium cyaneum Schroeter |. ec. p. 122). Die elliptischen unbeweglichen Kügelchen dieser Art wurden von Schroeter im Januar 1570 als Ursache einer auf gekochten Kartoffeln erschienenen umfangreichen und intensiven Blaufärbung beobachtet. Mir selbst kam dieses blaue Pigment zur Beobachtung, als ich zuerst am 29. Januar 1872 ein Gemisch von 8 Cub.-COm. destillirtem Wasser, 2 Cub.-Cm. concentrirter Lösung von saurem weinsteinsaurem Kali und 2 Cub.-Cm. käuflichem essigsaurem Ammoniak nebst den nöthigen Nährsalzen mit einem Tropfen Bacterienflüssigkeit versetzte und in einem geheizten Blechkasten bei ca. 30° C. offen stehen liess. An der Oberfläche bildete sich eine Zoogloea (Mycoderma-Haut) von Kugelbacterien, neben unzähligen Stäbchenbacterien; nach neun Tagen begann die Flüssigkeit sich schwach blaugrün zu färben; die Färbung wurde von Tag zu Tag intensiver und reiner blau und war am 17. Februar ganz blau, wie Kupfervitriollösung. Durch Uebertragung der auf der Oberfläche schwimmenden Zoogloeahaut, sowie der sich allmählich bildenden Bacterien-Absätze konnte ich aus neuen Lösungen von ähnlicher oder modifizirter Zusammensetzung den blauen Farb- stoff immer wieder erzeugen, so dass die Fermentthätigkeit dieser „Pigmentmutter“ nicht bezweifelt werden kann; bei Aussaat wurde die Flüssigkeit zuerst alkalisch, trübe, milchig, so lange die stets gleich- zeitig vorhandenen Stäbchen-Bacterien sich überwiegend vermehrten, schliesslich aber ganz klar und rein blau, nachdem die Bacterien sich am Boden abgesetzt hatten. Ich werde auf diese Verhältnisse später noch einmal zurückkommen. Der blaue Farbstoff wurde von mir in einer vorläufigen Mitthei- lung vom 14. Februar 1872 mit dem Lacmus verglichen, dem er äusserlich ganz gleicht; auch wird derselbe durch Säuren roth, durch Neutralisirung der Säure mittelst Ammoniak wieder blau; er wird durch Alcohol nicht gefällt; er fluoreseirt nicht und besitzt ein Spectrum ohne Absorbtionsstreifen, nur mit Verdunkelung der schwächer brechenden Hälfte. Bekanntlich ist der Lacmusfarbstoff auch nicht als solcher in den Flechtenauszügen enthalten, aus denen er dargestellt wird; diese sind vielmehr ursprünglich farblos und erlangen ihr Pigment erst durch eine Art Gährung oder Fäulniss, bei welcher Ammoniak und andere Basen (Kalk) eine noch nicht näher ermittelte Rolle spielen; es lässt sich bis jetzt noch nicht feststellen, ob bei der echten Lacmusgäh- rung auch Kugelbacterien betheiligt sind. Der von mir erzeugte blaue Farbstoff enthält kohlensaures Ammo- 157 niak, welches durch die Fermentthätigkeit aus dem ursprünglich zugesetzten weinsauren Ammoniak entstanden ist; derselbe zeigt jedoch nicht jene Beständigkeit, wie einige andere Pigmente chro- mogener Kugelbacterien; denn die Flüssigkeit, in welcher er sich löst, erscheint in der Regel anfangs spangrün und wird erst allmäh- lich blau; am Licht verliert er nach einiger Zeit wieder seine Inten- sität und zeigt eine blaugrüne Nuance, wobei sich ein dunkelbraunes Pulver absetzt; in andern Fällen erhielt sich die span- oder lauch- grüne Färbung, ohne in Laemusblau überzugehen, und steigerte sich sogar zu grosser Intensität und Reinheit; auch lauchgrüne Lösung wird durch Säuren roth, durch Ammoniak das Grün wieder hergestellt; es handelt sich hier offenbar nur um Modification eines und desselben Pigments durch noch unbekannte chemische Reactionen. Eine sehr intensiv spangrüne Fleckenbildung beobachtete ich auch am 8. Au- gust 1872 auf gekochten Kartoffelscheiben, und auch hier fanden sich auf und zwischen den Kartoffelzellen zahllose Kugelbacterien, denen die Erzeugung des Pigment zuzuschreiben ist. 6. Micrococcus violaceus (D. violaceum Schroeter l. ce. p. 122), besteht aus elliptischen unbeweglichen Körperchen, die grösser als die von M. prodigiosa, oft in Ketten verbunden sind, und bildet veilchenblaue Schleimklümpchen und Flecken; wurde im Januar 1870 von Dr. Schneider auf gekochten Kartoffeln erzogen, und von Dr. Schroeter näher untersucht; mir selbst ist dieses Pigment noch nicht vorgekommen. — Die Organismen, welche die blaue und gelbe Milch, sowie den spangrünen Eiter erzeugen (Vrbrio synxanthus und syncyanus Ehr., Bacteridium aerugineum Schroet.), und die, welche Schroeter als Erreger eines braunen Farbstoffs in einer faulenden Infusion von Maiskörnern beobachtet (Dacteridium brunneum), können nicht zu den Kugelbacterien gezogen werden, da sie Stäbehenform besitzen und theils bewegungslos, zum Theil selbst (in Milch und Eiter) beweglich sind. Ich selbst habe diese Pigmente noch nicht näher untersucht; ich hatte zwar in den letzten Tagen Gelegenheit, blauen Eiter, der in einen Charpiebausch eingesogen war, durch die Güte des Herrn Dr. Carl Weigert zu sehen; es fehlte mir jedoch die Gelegenheit, eine nähere Untersuchung anzustellen. Jedenfalls können wir für jetzt nicht alle Pigmentbacterien zu den Micrococcusarten zählen. Sehen wir von jenen Stäbchenbacterien ab, so ergiebt sich aus den hier zusammengestellten Beobachtungen: 1. dass die chromogenen Kugelbaeterien zwar im mikroskopischen 158 Ansehen, in der Art ihrer Vermehrung, Schleimbildung, in ihrem Bedürfniss nach Sauerstoff und in der alkalischen Reaction völlig übereinstimmen und sich nur durch unwesentliche und unbeständige Formverhältnisse (Grösse, kugelige oder ovale Gestalt ihrer Zellen) unterscheiden, 2. dass die von ihnen erzeugten Pigmente in der Farbe, dem chemischen und spectroscopischen Verhalten, Löslichkeit oder Unlös- lichkeit im Wasser, Analogie mit Anilin, Lacmus und anderen Arten von Farbestoffen die grössten Verschiedenheiten zeigen, 3. dass jede Art bei fortgesetzter Cultur auch unter den. ver- schiedensten äusseren (eiweisshaltigen oder eiweissfreien) Nahrungs- verhältnissen stets den nämlichen Farbestoff erzeugt, 4. dass also, wie schon oben bemerkt wurde, die verschiedenen Pigmente nicht durch Verschiedenheit der Nahrung und anderer äusse- rer Verhältnisse zu erklären, sondern von verschiedenen physiologi- schen Lebensthätigkeiten abzuleiten sind, welche selbst, weil con- stant vererbt, nur aus der angeborenen Verschiedenheit oder specifi- schen Natur distineter Arten oder doch Rassen zu erklären sind. Die hier festgestellten Schlüsse sind darum wichtig, weil sie ohne Zweifel eine Anwendung auf die übrigen Fermentwirkungen von Bacterien gestatten, auch da, wo diese nicht so evident hervortreten, oder dem Experimente so leicht zugänglich sind, wie bei den Pig- mentbacterien. An die chromogenen Pigmentbacterien schliesse ich einige Micro- coceus-Arten, welche Fermentationen verschiedener Art erregen, und die ich deshalb als zymogene bezeichne. 7. Micrococcus wreae: Harnferment; Ferment der Ammoniakgährung. Es ist längst bekannt, dass normaler frischer Harn klar und schwach sauer ist, dass er sofort beim Erkalten einen Absatz von harnsaurem Natron und anderen Sedimenten bildet, und gleichzeitig stärker sauer, nach 4—5 Tagen aber, unter Umständen auch früher oder später, neutral, dann alkalisch wird und einer Gährung unter- liegt, bei welcher der Harnstoff zersetzt und kohlensaures Ammoniak gebildet wird. Ueber die saure Gährung, welche nach Scherer unter Einfluss der Harnpigmente stebt, sind mir keine genaueren Unter- suchungen bekannt. Dass bei der alkalischen Gährung ein Ferment im Spiele sei, wurde längst vermuthet; Pasteur aber lieferte den Beweis, dass dasselbe organisirt und aus der Luft übertragbar sein müsse, da gekochter Harn, vor dem Zutritt des Staubes geschützt, sich noch nach zwei Monaten, und, wie Pasteur neuerdings gezeigt, 159 noch nach vielen Jahren unverändert sauer erhält. Pasteur wies ferner im alkalischen Harn verschiedene Organismen: Schimmelpilze, Hefe und Bacterien nach; aber er bezeichnete ein Gebilde mit grosser Wahrscheinlichkeit als das eigenthümliche Ferment der alkalischen Harngährung, durch welche sich der Harnstoff in kohlensaures- Ammoniak verwandelt, und in Folge der Alkalinität auch die alka- lischen Urate und das phosphorsaure Ammoniakmagnesiasalz sich abscheiden. Dies Ferment ist nach Pasteur eine Torwulacee aus sehr kleinen rosenkranzförmig aneinandergereihten Kügelchen von etwa 1,5 Mikrom. Durchmesser. (Annales de Chemie et de Physique 1862 Bd. 64. p. 52 u. 55. Mem. sur les corpuscules organises qui existent dans l’atmosphere; hierzu die, zu schwach vergrösserte aber kenntliche Abbildung auf Tab. II. fig. 21 u. 22.) In einer Abhandlung sur la fermentation ammoniacale, (Comptes rendus LVIII. p. 210. 1864) erwies van Tieghem durch eine Reihe von Versuchen die Richtigkeit der Pasteur’schen Vermuthung, indem er zeigte, dass aus einer Lösung von Harnstoff in Hefewasser, in welche das rosen- kranzförmige Harnferment, von ihm ebenfalls als Torulacde bezeich- net, ausgesät wird, innerhalb 36 Stunden der gesammte Harnstoff verschwindet, und in kohlensaures Ammoniak umgewandelt wird. Andere Fermentorganismen dagegen bewirken die Ammoniakgährung nicht, z. B. gleichzeitig zugesetzte Bierhefe verursacht im Harn Aleoholbildung, et. Van Tieghem fand, dass auch Hippursäure durch eine dem Harnferment vielleicht identische Torulacde in Benzo&- säure und Glycollamin zerlegt werde. Pasteur (Etudes sur les vins, Comptes rendus etc. 18. Jan. 1864) giebt eine neue bessere Abbildung des Harnferments (l. e. fig. 11); dasselbe scheint ihm identisch mit dem von ihm im schleimigen faden- ziehenden Wein (Vin filant) nachgewiesenen, dessen Rosenkranzfäden aus Kügelchen von 0,2 Mikrom. Durchmesser bestehen; eine ganz ähnliche ‚„Torulacde“ findet Pasteur auch in gewissen Fermenta- tionen des weinsauren Ammoniak und der Bierhefe, mit oder selbst ohne Zusatz von. kohlensaurem Kalk; er stellt die Frage auf, ob wirklich der nämliche Organismus, je nachdem er sich in neutralen, alkalischen oder sauren Flüssigkeiten entwickelt, verschiedenartige Gährungen veranlasst? Meine eigenen Untersuchungen bestätigen die Pasteur’sche Entdeckung. Frischer saurer Harn zeigt, nachdem er zwei Tage bei 30° offen gestanden, Trübung unter Entwickelung von Kugelbacte- rien, welche als Kügelehen oder ovale Zellen, vereinzelt herum- schwimmen oder zu 2, 4 bis 8 kettenförmig aneinander hängen 160 (Torulaform); bei 4 bis 8-gliedrigen Ketten liess sich zwischen je 2 Zellen ein etwas grösseres Intervall erkennen, offenbar weil je zwei immer aus einer Mutterzelle hervorgegangen waren (vgl. Tab. III. Fig. 4). Die Zellen ordnen sich nicht immer in geraden Reihen; - indem sie sich verschieben, zeigt sich ziekzackartige, gebogene, selbst kreuzständige Anordnung; aus fortgesetzten Theilungen entstehen unregelmässige Gruppen. Den Durchmesser der einzelnen verhältniss- mässig grossen Kügelchen bestimmte ich auf 1,25—2 Mikrom.; sie zeigen nur moleculare Bewegung; bald finden sich aber auch Stäbchen und Fadenbacterien ein (Dacterium termo und Bacillus subtilis), mit lebhaft springenden, rollenden oder rotirenden Bewegungen; einige Tage später sind sie meist unbeweglich geworden, gleichwohl aber in lebhafter Vermehrung; Bacillus subtilis bildet längere, grade oder gekrümmte, unbewegliche Fäden (Leptothrixform) von 12—20 Mikrom. Länge. Oben bildet sich eine Schleimhaut aus dem Mecrococeus ; mit der Zeit vermehrt sich die Masse der Micrococeusketten und der Bacterien, und es siedeln meist auch Schimmelpilze sich an der Oberfläche, und Hefezellen im Innern, oder am Boden der Flüssig- keit an. Aehnliche Micerococeus-Ketten und Zoogloea-Schleimmassen habe ich übrigens auch in verschiedenartigen Infusionen und faulenden Flüssigkeiten aufgefunden; gewisse Formen sind regelmässige Beglei- ter der gewöhnlichen Stäbehenbacterien; doch lässt sich in den meisten Fällen über ihre Fermentthätigkeit nichts aussagen. Man kann die farblosen Kugelbacterien der gewöhnlichen Infusionen als Meicrococeus Crepusculum — Monus Örepusculum Ehr. bezeichnen. Auf gekochten Kartoffelscheiben entstehen neben den farbigen auch schneeweisse Pünktchen und Flecken, welche ebenfalls von Kugelbac- terien, gleich denen von M. luteus u. a., gebildet sind; ich bezeichne diese Art als Micrococcus candidus. 5. Pathogene Kugelbacterien. Eine andere Kategorie physiologischer Thätigkeiten entwickeln die pathogenen Kugelbacterien, die wir für die Fermente der Contagien halten. Es ist nicht meine Absicht, hier alle die Fälle speeiell zu erwägen, wo während der letzten Monate in immer steigender Zahl bei den verschiedensten pathologischen Prozessen contagiöser Natur Bacterien aufgefunden worden sind; ich beschränke mich auf diejenigen, welche mir selbst genauer bekannt, oder über welche Beobachtungen von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung publieirt worden sind, 161 8. Micrococcus Vaccinae (Mierosphaera Vaccinae Cohn, Virchow’s Archiv 1872). Pockenbacterien. In meinem Aufsatze „Organismen in der Pockenlymphe“ (Virchow’s Archiv LV. 1872), auf den ich verweise, habe ich eine ausführliche Mittheilung über diese Körperchen gegeben, welche in Form ausser- ordentlich kleiner, auch paarweise verbundener Kügelchen in der völlig reinen und frischen Vaceine, so wie in der Lymphe der Variola- pusteln in ausserordentlich grosser Zahl vorkommen, und auch schon von früheren Beobachtern, insbesondere von Keber, Hallier und Zürn mehr oder minder genau beobachtet worden sind. Durch Einschliessen frischer Lymphe zwischen Object- und Deck- glas, die zuvor auf das Sorgfältigste gereinigt waren, und sofortiges Verkitten der Gläser durch Asphaltlack wurde die Lymphe gegen nachträgliches Eindringen fremder Keime geschützt; wurde ein solches Präparat von Vaceine-Lymphe in einem auf eirca 35° geheizten Raum gestellt, so liess sich schon nach ein Paar Stunden die Vermehrung der Kügelehen zu 2—-$zelligen Rosenkranzfäden beobachten; in Folge nachträglicher Verschiebung der einzelnen Glieder trat bei fortgesetz- ter Theilung eine unregelmässige Gruppirnng derselben in allen denk- baren Combinationen ein; im Laufe mehrerer Tage gingen unter fortdauernder Vermehrung unregelmässige Zellhäufchen oder Colonien aus 16, 32 und mehr Kügelchen hervor, die bis zu 10 Mikrom. und darüber im Durchmesser hatten (Tab. III. fig. 2). Durch Druck liessen sich die zu einem Häufehen verbundenen Zellen leicht trennen. Dass diese Körperchen die wirksamen Bestandtheile der Lymphe und der Vermittler des Contagiums seien, ist zwar noch nicht direct erwie- sen, ist aber durch ältere Erfahrungen über die Wirkungslosigkeit des flüssigen körnchenlosen Bestandtheils der Lymphe, wie insbeson- dere durch die endosmotischen und Verdünnungsversuche von Chau- veau (Comptes rendus 1868 a. a. O0.) und Burdon Sanderson (Introduetious Report on the Intimitate Fathology of Contagion) höchst wahrscheinlich gemacht. Die Mierococeus-Zellen der Pocken sind in allen Zuständen bewegungslos; zwischen denen von Vaceine und Variola konnte ich keinen eonstanten Unterschied ermitteln und möchte sie daher nur für verschiedene Rassen derselben Art halten. Die Grösse der einzelnen Kügelehen konnte ich nicht direct messen, schätze sie aber auf 0,5 Mikrom. und darunter. C. Weigert, (Medizin. Central- blatt vom 30. Aug. 1871) hatte schon vor meinen Beobachtungen an Pockenleichen constatirt, dass die Kanälchen der Pockenhaut sehr oft von äusserst kleinen, dicht an einander gelagerten kugeligen Kör- perchen vollgestopft sind, welche ich nach Vergleichung der mir von Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft U, 1l 162 ihm vorgelegten Präparate nicht anstehe, für identisch mit den Miero- ceoccen der Lymphe zu erklären (sie entsprechen der Fig. 3 unserer Tafel III.); es scheint, als gelangten aus den Lymphkanälchen die Pockenkörperchen in die Lymphe der Pusteln. Wird Pockenlymphe in verschlossenen Glascapillaren aufbewahrt, so behält sie längere Zeit ihre Wirksamkeit; es bilden sich dabei grössere, schon mit blossem Auge sichtbare Flöckchen und Gerinnsel, welche als die hauptsächlich wirksamen Theile der Lymphe anerkannt, und durch Zusammenkleben und Adhäriren der aus der Vermehrung der Pocken- körperchen hervorgegangenen Zellhäufchen entstanden sind. Das Vor- kommen grösserer kugliger Zellen mit ölartigem Inhalt in diesen Flöckchen scheint mir auf die Bildung von Dauerzellen hinzuweisen; doch wird durch nachträgliche Ausscheidungen heterogener Stoffe aus der Lymphe (Fibrinfäden, Fett, Krystallisationen etc.) die genauere Feststellung sehr erschwert. Ich lasse nun einige Vorkommnisse von Kugelbacterien folgen, bei welchen ich in Ermangelung eigener Untersuchungen nur die Angaben fremder Beobachter zu Grunde legen kann. 9. Micrococcus diphtericus, Kugelbacterien der Diphtheritis. Ich gehe hier zunächst von der wichtigen, auf mikroskopische, klinische und experimentelle Untersuchungen gleichmässig gegründeten Abhand- lung von Oertel (Experimentelle Untersuchungen über Diphtherie, Deutsches Archiv für klinische Medizin Band VIII. 1871) aus. Schon im Jahre 1868 hatten Buhl, Hüter und Oertel in den diphtheriti- schen Membranen eine massenhafte Pilzvegetation erkannt, welche Oertel als Micrococcus bezeichnete; in seiner neueren Arbeit weist derselbe die ungeheure Verbreitung dieses Micrococcus nach, der ausnahmslos in allen Fällen diphtheritischer Erkrankung in den Geweben der zunächst ergriffenen Schleimhäute der Luftröhre und des Kehl- kopfs, nieht minder aber in den Lymphgefässen und dem die Lymph- gefässe umgebenden Netze, zwischen den Maschen des Bindegewebes und der Fettzellen, ebenso aber auch in den Nieren und im Muskel- gewebe, so wie im Blute selbst sich verbreitet. Der Micrococcus der Diphtherie besteht aus eirunden, körnchenförmigen Zellen, von 0,35 bis 1,1 Mikrom., welche einzeln oder häufiger paarweise, oder zu 4—6 rosenkranzförmig zusammenhängen; dann aber auch in unge- heurer Vermehrung kolonieförmig auf der Oberfläche und in den Gewebs-Interstitien der erkrankten Organe wuchern und kuglige Ballen, eylindrische oder streifenförmige Nester bilden. Die Abbildungen, welche Oertel seiner Arbeit beigegeben (@ns- besondere Fig. 7b. 8b. 11.), lassen keinen Zweifel, dass der Diphthe- 163 ritis-Pilz zu den Kugelbacterien gehört. Oertel erwähnt allerdings noch einen zweiten, beweglichen Zustand seines Mrcrococcus, den er als „Mierococeusschwärmer“ bezeichnet; die rundlichen Körperchen sollen nämlich einzeln, paarweise und in Torulaketten rotiren, oder schraubenförmig sich bewegen, zum Theil deutliche, einfache oder doppelte Schwingfäden besitzen; Oertel’s Abbildungen zeigen jedoch unzweifelhaft Stäbchen- (Fig. 12) und Fadenbacterien (Fig. 7. 9) viel- leicht auch Spirillen (Fig. 7i) die mit den Micrococcen schwerlich im Zusammenhange stehen, und sich wohl nur, wie gewöhnlich, gleichzeitig auf demselben Nährboden entwickeln. Oertel giebt auch an, dass die Micrococeusschwärmer in die jungen Exsudatzellen der Croupmembranen eindringen, sich innerhalb derselben bewegen und deren Plasma verzehren; indess erhebt er für einzelne Fälle selbst Zweifel an die Richtigkeit dieser Beobachtung. Da Oertel in den mycologischen Theilen seiner Arbeit durchaus auf Hallier fusst, so muss ich dahin gestellt sein lassen, ob die diphtheritischen Micrococeusschwärmer wirklich einem beweglichen Zustande der Kugel- bacterien entsprechen, oder fremdartige Gebilde (Stäbcehen- oder Fäul- nissbacterien) darstellen. In dem Blut der erkrankten Thiere fand Oertel stets ausserordentlich zahlreiche, bewegliche Körperchen, der Zeichnung nach Stäbchen-Bacterien. Die Hauptbedeutung der Oertelschen Untersuchungen liegt in dem Nachweis, dass durch die Mierococeus-Colonieen alle Gewebe, auch die Muskelfasern, welche sie überspinnen und durchwuchern, degene- rirt und zerstört werden; die Pilzwucherungen verbreiten sich ins- besondere über die Schleimhaut der Trachea, belagern die Zellen, dringen namentlich in die jungen Exsudatzellen ein, und führen durch ihr Verhalten eine allmähliche Auflösung derselben herbei; sie erfüllen die Safteanälchen und Lymphgefässe, und bewirken auf mechanische Weise eine Aufstauung der abströmenden Gewebsflüssigkeit, die zu serösen Exsudaten führen muss; indem sie die Capillargefässe ver- stopfen, bewirken sie auch Stauung in der Bluteireulation, welche hochgradige Ernährungsstörungen in den Wandungen der Capillaren, und selbst Zerreissen derselben hervorruft. Ebenso sind in hoch- gradiger Erkrankung ungeheure Massen von Pilzen in den Harn- kanälchen und Malpighischen Knäueln der Nieren angehäuft, was eine allgemeine Erkrankung dieser Organe zur Folge hat; der Harn ist ausserordentlich reich an diesen Pilzen und scheidet dieselben aus dem Organismus aus. Die Diphtherie tritt zwar in der Regel zunächst in den Schleimhäuten der Trachea auf, weil diese dem Angriff der Micrococeuskeime, die ohne Zweifel durch die Luft übertragen werden, 11° 164 zunächst ausgesetzt sind; aber die Versuche von Oertel an Tliieren haben gezeigt, dass durch Impfung der mit Micrococeusballen inficir- ten Exsudate in subcutanen oder offenen Wunden der verschiedensten Körpertheile ausnahmslos eine diphtheritische Erkrankung erregt wird. Die Diphtherie ist nicht ein lokaler Erkrankungsprozess, wenn sie auch mit einem solchen beginnt; sondern sie ist eine allgemeine Infecetionskrankheit, welche vom Infectionsherd sich radienförmig über den ganzen Körper ausbreitet und alle Zeichen einer Blutvergiftung trägt. Das Gift geht aber aus von einem Contagium, dessen Träger, wie die Impf-Versuche zeigen, die Micrococeuszellen sind; die Wir- kungen dieser Organismen sind specifisch verschieden von dem ge- wöhnlichen Fäulniss-Ferment, da Impfungen mit fauligen Stoffen nie im Stande waren, diphtheritische Erscheinungen hervorzurufen. Crou- pöse Entzündungen in der Luftröhre kann man allerdings auch künst- lich durch Eintröpfeln von ein Paar Tropfen Ammoniak herbeiführen; in diesem Falle fehlen alle jene furchtbaren Zerstörungen, welche die Diphtherie als allgemeine Infeetionskrankheit charakterisiren und die dem Virus des Mierococeus zugeschrieben werden müssen. Durch Eliminiren der Micrococceuszellen im Harn wird ein allmählicher Hei- lungsprozess eingeleitet. 10. Mierococcus septicus (Miecrosporon septicum Klebs). Unter diesem Namen fasse ich eine Anzahl von Kugelbacterien zusammen, welche in den letzten zwei Jahren insbesondere durch Leyden, Jaffe, Traube, Buhl, Waldeyer, Recklingshau- sen, Klebs, Orth in verschiedenen putriden Erkrankungsfällen beim Menschen nachgewiesen worden sind. Am exactesten untersucht ist der Einfluss dieser Organismen als Krankheitserreger bei Pyaemie, und Septicaemie, so wie bei den als Mycosis intestinalis bezeich- neten Krankheitsformen. Klebs fand in den Wundsecreten kleine rundliche Zellen von 0,5 Mierom. bewegungslos in Haufen dichtgedrängt aneinanderliegend, oder zu rosenkranzförmigen Fäden vereinigt. Die- selben Organismen in Zoogloeaform siedeln sich auch in dem Granu- lationsgewebe und den ulcerirenden Knorpeln an (Zur pathologischen Anatomie der Schusswunden. Leipzig 1872); er bezeichnet sie als Microsporon septicum, ein Name, der jedoch, wie Steudener, dessen Zusammenstellung ich hier benutze, (Pflanzliche Organismen als Krank- heitserreger, in Volkmann, Sammlung klinischer Vorträge No. 38 30. Mai 1872) mit Recht bemerkt, darum unzulässig ist, weil mit dem Namen Mierosporon bereits ein definirter Hautparasit (Mierosporon furfur Gruby) belegt worden ist. Indem diese Gebilde in die Safträume des Bindegewebes eindringen, erregen sie Entzündung und 165 Eiterung, im Knochenmark traumatische Osteomyelitis; in die Gefässe eindringend verstopfen sie dieselben, oder gerathen in den Blutstrom und werden an Stellen abgesetzt, wo der Blutstrom ruhiger ist; überall erzeugen sie Entzündung, Eiterung und Abscessbildung; sie erregen durch ihre Vegetation, oder ein in ihnen enthaltenes Ferment che- mische Umsetzungen in den Wundflüssigkeiten oder dem Blut, deren Product die fiebererzeugende Wirkung, von der eigentlichen Fäulniss durchaus verschieden ist. Das Experiment bestätigt die contagiöse Wirkung der Organismen. Durch Thoneylinder abfiltrirt hat die Wundflüssigkeit ihre vergiftende Wirkung verloren. Dieselben Organis- men fand Klebs auch in septicaemischen Prozessen. Ueberein- stimmend sind die Beobachtungen von Recklingshausen über die miliaren Eiterheerde bei Pyaemie, Typhus und anderen Krankheiten, welche lediglich durch Bacterien veranlasst werden. Klebs erwähnt allerdings auch bewegliche kuglige, sowie stäbchenartige Körper von oscillirender Bewegung, oder bewegungslos zu langgliedrigen Fäden aneinandergereiht, doch weist bereits Orth (über Vorkommen des Mierosporon septicum bei septischen Fieberkrankheiten) die Betheili- gung der Fäulniss- oder Stäbehenbacterien an den septicaemischen Prozessen zurück, und schreibt ausschliesslich dem Microsporon die pathogene Wirkung zu, welches unzweifelhaft zu den Kugelbacterien gehört. In einem Falle von epidemischen Puerperalfieber erhielt ich selbst durch meinen Freund, Professor Waldeyer, ganz frische gelbliche Flüssigkeit aus einer wenige Stunden vorher verstorbenen Patientin und überzeugte mich, dass das Serum ganz und gar erfüllt war von zahllosen kugligen, einzeln, paarweise oder in Rosenkranzketten ver- bundenen Kugelbacterien, während Stäbchenbacterien noch gänzlich fehlten. Waldeyer hat ausserdem die Bildung von Bacteriencolonien in allen Blut- und Lymphbahnen des Körpers bei Mycosis intestinalis als den wahrscheinlich einzigen Grund des rasch, unter choleraähn- lichen Symptomen erfolgenden Todes, beobachtet. Eine mehr harm- lose Rolle spielen nach Waldeyer (Bericht der medizinischen Section der Schles. Gesellschaft vom 4. Aug. 1871) die Bacterien als Grund- lage von Conerementen; ich habe mich davon überzeugt, dass im Weinstein kranker Zähne die Fäden der Lepthotris buccalis dicht mit Zoogloeamasse von Kugelbacterien übersponnen sind. 11. Mierococcus bombyeis (Microzyma bombyeis B&ehamp). In Bezug auf diese Körperchen kann ich mich, da ich sie selbst nicht studirt, nur auf die Untersuchungen von Pasteur beziehen; dieser zeigte in einer Reihe von Aufsätzen, die seit 1868 in den Comptes 166 rendus der Pariser Akademie erschienen (vgl. insbesondere LXVI. p. 1289), dass in Süd-Frankreich seit den letzten Jahren eine äusserst verderbliche Epidemie unter den Seidenraupen grassirt, welche ganz verschieden ist von der Muscardine (durch Isaria Bassiana) und der Gattine (durch Panhistophyton ovale = Nosema Bombyeis); die daran verstorbenen Thiere werden als Morts flats oder Morts blanes bezeichnet. Die Ursache der Erkrankung ist ein ferment en chapelet, ähnlich dem auch in anderen Fermentationen gefundenen, aus 2, 3, 4,5 und mehr aneinandergereihten Kügelchen von 1 Mikrom. Durch- messer bestehend, die sich neben Monaden, Vibrionen und Bacterien in grosser Zahl, insbesondere im Darm der kranken Raupen, nicht aber in den gesunden finden. Obwohl noch eine genauere Unter- suchung wünschenswerth, so kann doch kaum gezweifelt werden, dass diese „corpuscules en chapelet“ die Torulaform einer pathogenen Species Kugelbaeterien sind. Ich selbst beobachtete schon im Jahre 1858 bei einer Untersuchung der durch Panhistophyton charakterisirten Epidemie (Gattine), welche, unter den in Breslau gezogenen Seidenraupen ausgebrochen, die eine Zeit lang blühende schlesische Seidenzucht total vernichtet hat, dass im Blut und Darminhalt kranker Raupen neben und auch ohne Panhistophyton sich unzählige ausserordentlich kleine, einzeln, paar- weis oder in 4—8gliedrigen Ketten gereihte kuglige Bacterien mit Molecular-Bewegung entwickelt hatten (wie Fig. I). Auch in den durch Zarichium megaspermum erkrankten Erdraupen fand ich das Blut schwarz in Folge der Entwicklung zahlloser schwarzer Pünkt- chen ohne spontane Beweglichkeit, von denen ich unentschieden liess, ob es moleculare Fetttropfen, oder kuglige Bacterien seien; wenn das letztere, so haben wir es vielleicht mit einer Art zu thun, die gleichzeitig ein besonderes (schwarzes) Pigment entwickelt. Später erscheinen im Blut der getödteten Raupen auch echte Stäbchen-Bacte- rien. Vgl. meinen Aufsatz „über eine neue Pilzkrankheit der Erd- raupen“ (Heft I. dieser Beiträge p. 64). Ueberblicken wir die Summe alles dessen, was ich über Kugel- bacterien oder Micrococcusarten zusammengestellt habe, so ergiebt sich, dass diesen Organismen eine ausserordentliche Bedeutung zu- kömmt, ebenso vom chemischen und physiologischen Gesichtspunkt, als vom pathologischen; der letztere würde vielleicht noch verhäng- nissvoller hervortreten, wenn das bisherige Beobachtungsmaterial bereits in allen Fällen die Unterscheidung von Kugel- und Stäbchen- bacterien gestattete. Es gilt dies namentlich von den verschiedenen Beobachtungen über das Auftreten von Bacterien bei Pyelo-Nephritis, 167 Typhus, Cholera, Scharlach, Masern, Tuberkeln, Rotz, Rinderpest, Lungenseuche u. s. w. Ich muss jedoch hier nochmals hervorheben, dass nach den von Pollender, Brauell und insbesondere von Davaine zuerst gemachten und durch Bollinger in neuester Zeit wiederholt bestätigten Beobachtungen eine der im höchsten Grade contagiösen Thierkrankheiten, der Milzbrand so wie die Pustula maligna des Menschen nicht von Kugelbacterien, sondern von unbeweglichen Fadenbacterien (sogenannten Bacteridien) veranlasst wird; wir sind daher nicht berechtigt alle pathogenen Bacterien ohne weite- res zu den Kugelbacterien zu rechnen. 6. Microbacteria, Stäbchenbacterien. Die zweite Tribus der Bacterien bezeichne ich als Micerobacteria oder Stäbchenbacterien; sie stimmen mit den Kugelbacterien in der Kleinheit ihrer Zellen und deren zeitweiser Vereinigung zu Gallert- oder Schleimmassen überein, unterscheiden sich jedoch, ab- gesehen von ihrer physiologischen Thätigkeit, durch die kurz -cylin- drische Gestalt und die spontane Bewegung der Zellen. Auch in dieser Tribus erkenne ich nur eine Gattung, die ich als Bacterium im engeren Sinne bezeichne. Die zu dieser Gattung gehörigen Organismen bestehen aus kurz eylindrischen oder elliptischen Zellen, welche während der Quertheilung paarweise zusammenhängen; nach vollendeter Theilung trennen sich die Tochterzellen, wobei sie mitunter eine kurze Zeit noch im Winkel an einander hängen, selten beginnen die Tochterzellen sich schon wieder zu theilen, ehe sie sich isolirt haben, und dann sehen wir wohl vier Zellen in einer Reihe. Unter günstigen Lebensbedingungen, zu denen ausser hinreichender Nahrung insbesondere Sauerstoff gehört, sind sie sehr lebhaft spontan bewegt, doch so, dass Zeiten der Ruhe oft plötzlich mit beweglichen Zuständen abwechseln. Sie bilden keine Ketten oder Fäden, erscheinen also niemals, weder in der Form von Leptothrix, noch von Torula, wohl aber vegetiren sie verbunden in Gallertmassen (Zoogloeaform) die sich von den schleimigen Häuten und Ballen der Kugelbacterien, wie schon bemerkt in der Regel durch eine viel reichlicher entwickelte und festere Zwischensubstanz unterscheiden und daher auch nicht jenes feingekörnte Ansehen der Micrococcus-Schleimmassen zeigen (Tab. Ill. fig. 9 und 12). Die Stäbehenbacterien können ihrer Kleinheit wegen leicht einerseits mit freien Kugelbacterien verwechselt werden, andererseits mit einzelnen Gliedern der Fadenbacterien: ich bin jedoch überzeugt, dass sie selbst- ‚ständige Organismen sind, die weder aus jenen entstammen, noch 168 zu diesen sich weiter entwickeln. Sehr schwer ist es die Arten der Stäbchenbacterien zu unterscheiden, und ich vermuthe, dass die Zahl der Arten grösser ist, als bisher bekannt. Auf gekochten Kartoffelscheiben vegetiren z. B. auch Schleimmassen von Stäbchen- bacterien von charakteristischer spindelförmiger Gestalt. Ehrenberg zählt in seinem Infusorienwerk von 1838 drei Arten von Bacterium auf; acht früher aufgestellte Arten werden eingezogen, doch auch die drei beibehaltenen Arten lassen sich nicht wieder erkennen; zwei, Dacterium Punctum und B. Enchelys sind nur in Russland gefunden, und von Ehrenberg selbst mit einem ? versehen; die dritte, Dacterium triloculare, in der Oase des Ammon und Berlin beobachtet, mit einer früher als D. articulatum bezeichneten vereinigt, ist so unklar bestimmt, dass ich sie auf keine mir bekannte Form beziehen kann; sie soll einen deutlich wirbelnden Rüssel, und einen 3 bis ögliedrigen eylindrischen Körper von „55 bis 195° besitzen, eine Angabe, die zwar an sich nicht unmöglich, doch noch von kei- nem neueren Beobachter bestätigt worden ist. Die von Dujardin ausser Dacterium termo noch aufgestellten Arten, Dacterium Punctum (Glieder verlängert, eiförmig 5 Mikrom. lang) und Bacterium Catenula (Glieder 3—4 Mikrom. lang, ketten- förmig verbunden) sind nach Abbildung und Beschreibung so unvoll- kommen beobachtet, dass sie nicht wiederzuerkennen sind; von Bact. Punctum wird keine Abbildung gegeben. Ich unterscheide zwei Arten Bact. Termo und Bact. Lineola. 1. Bacterium Termo Ehr. 1830. Duj. Wir verdanken Dujardin die genauere Unterscheidung dieser Bacterien, als deren Charakter er angiebt: „Gestalt cylindrisch, Länge 2—3 Microm., Dicke 3— 3 dieser Grösse, oft paarweise verbunden, mit zitternder Bewegung.“ Diese Art erklärt Dujardin für das kleinste aller Infusorien „le premier terme en quelque sorte de la serie animale; sie erscheint nach ihm in sehr kurzer Zeit in allen thierischen und pflanzlichen Aufgüssen, anfangs allein in unendlicher Zahl Schwärme bildend, und verschwin- det, sobald sich andere Arten vermehren, denen sie zur Nahrung dient; sie findet sich von neuem im Uebermaass, sobald die Infusion zu stinkend wird, als dass andere Arten darin leben können. In den Abhandlungen der Berliner Akademie von 1830 hatte zuerst Ehren- berg ein Dacterium Termo aufgestellt, das er in Heuaufgüssen, Blut- infusionen ete., gefunden; in dem grossen Infusorienwerk von 1838 hat er dieselbe Art mit dem neuen Namen Vzbrio Lineola Ehr. 1838 belegt, weil sie angeblich langsamer Schlängelbewegungen fähig ist. Dujardin erklärt sein Dacterium Termo auch für identisch mit der 169 Form, welche O. T. Müller in jedem stinkenden Aufguss nach 24 Stunden fand, und Monas Termo nannte, während Ehrenberg unter Monas Termo eine echte Monade aufführt. Die insbesondere von Dujardin gegebene Beschreibung und Abbildung von Dacterium Termo ist so charakteristisch, dass wir diese Art leicht überall wieder- erkennen, obwohl die Grössenverhältnisse nicht unbedeutend zu varii- ren scheinen. In meiner Abhandlung vom Jahre 1853 habe ich die Entwicklungs- geschichte von Dacterium Termo und insbesondere die traubig kuglige Gallertform ihrer Zoogloea abgehandelt, auf welche auch Perty in seinem Buche (die kleinsten Lebensformen ete. Bern 1852) aufmerk- sam gemacht hatte. (Tab. III. fig. 9), Die Bewegung von Dacterium Termo ist von der der übrigen Bacterien nicht wesentlich verschieden; die Zellen drehen sich um ihre Längsachse und schwimmen vorwärts, dann wieder ohne umzukehren ein Stück zurück, oder fahren auch in Bogenlinien durch das Wasser, in der Regel nicht sehr schneli, gleichsam zitternd oder wackelnd, doch auch mit plötzlichem Sprunge raketenartig dahinschiessend, bald um die Querachse gedreht, wie der Griff eines Bohrers, oft blitzschnell, wie ein Kreisel, dann wieder längere Zeit ruhend, um plötzlich auf und davon zu fahren. Wenn ein Infusorium Schwärme von D. Termo frisst, so sieht man diesel- ben in dessen Leibeshöhle sich munter fortbewegen. Die Zellen des D. Termo (Fig. 8) sind kurz cylindrisch, oblong, der Inhalt je nach der Einstellung hell schimmernd oder schwärzlich, die Membran verhältnissmässig dick; bei gewöhnlicher Einstellung sehen sie daher aus, wie kleine ausserordentlich zarte dunkle Striche, die von einem hellen Rande (der Membran) eingefasst sind; fast immer findet man sie in mehr oder weniger vorgeschrittener Theilung, oder paarweise verbunden; dabei sind sie gewöhnlich nur etwa 1,5 Mikrom. lang und nur halb oder ein Drittel so breit, die Doppel- zellen natürlich noch ein Mal so lang; in unzählbaren Myriaden erfüllen sie das Wasser, sobald in ihm Fäulnissstoffe vorhanden, mitunter so dicht, dass das Wasser in der That „zu einer lebendigen Gallert“ wird; sie vermehren sich überwiegend, so lange die Fäulniss fort- schreitet, und verschwinden sobald die Fäulniss vorüber ist. Aus meinen eigenen und den übereinstimmenden Versuchen anderer For- scher, bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass Dacterium Termo das Ferment der Fäulniss ist; in ähnlicher Weise wie Hefe das Ferment der Aleoholgährung ete., dass keine Fäulniss ohne 5. Termo beginnt und ohne Vermehrung derselben fortschreitet; ich vermuthe sogar, dass die übrigen Bacterien, obwohl sie möglicherweise ebenfalls, wenigstens zum Theil bei den Fäulnissprozessen mitwirken, doch dabei nur eine secundäre, begleitende Rolle ausüben, während D. Termo der primäre Erreger der Fäulniss, das eigentliche saprogene Fer- ment ist. 2. Bacterium Lineola. (Vebrio lineola Ehr. ex parte Vibrio tre- mulans Ehr. Bacterium triloculare Ehr. Vibrio Lineola Duj. Vibrio Lineola Müller.) Unter dieser Bezeichnung verstehe ich die Stäbehen, welche dem BD. Termo in allen Beziehungen ähnlich, aber bedeutend grösser und zwar nicht blos länger, sondern auch verhältnissmässig breiter sind, weshalb ich sie, zugleich mit Rücksicht auf ihr Vorkommen, nicht für eine Entwicklungsform von Termo halte. Ich finde sie in Brunnen- und anderem stehenden Wasser, auch wenn keine Fäulniss sich be- merkbar macht, aber auch in schleimigen Haufen auf der Oberfläche der Kartoffeln und in Infusionen verschiedener Art. Die Zellen sind deutlich eylindrisch, etwa vier Mal so lang, als breit, gerade, selten etwas gekrümmt und besitzen einen stark lichtbrechenden, weichen, mit fettartigen Körnchen reichlich durchsetzten und daher dunkel- punktirten Inhalt, ihre Länge beträgt 3,8 bis zu 5,25 Mikrom., die Breite bis 1,5 Mikrom (Tab. III. fig. 11). Sie finden sich einzeln oder paarweise aneinanderhängend, oft ein gekrümmtes Doppel-Stäb- chen, ausnahmsweise auch zwei Doppelpaare, nie aber längere Fäden bildend; sie bewegen sich wie D. Termo, doch kräftiger, mit dem einen Ende zitternd, als ob sie eine Geissel hätten, oder in Bogen- linien umherschwimmend, abwechselnd nach vorwärts und rückwärts, dann wieder springen sie ein Stück weiter und setzen unmittelbar darauf ihre Kreisbahn fort, oder rotiren um einen fixirten Endpunkt gleich einem Kurbelarm. Auch D. Lineola bildet Zoogloeagallert von ähnlicher Form wie D. Termo, wie ich schon in meiner ersten Abhandlung von 1853 (Nova Acta l. c. p. 124) hervorgehoben und im ersten Hefte dieser Beiträge p. 129 genauer geschildert habe (Tab. III. fig. 12). Ich beobachtete an solcher Zoogloea, dass die in der wasserhellen ziemlich lockeren Gallert eingebetteten, unbeweg- lichen Stäbchen plötzlich anfingen sich zu drehen, mit dem einen Ende bohrende Bewegungen zu machen, und dann davon zu schwim- men; selbst in der Theilung begriffene Doppelstäbchen traten aus der Gallert und bewegten sich fort; sind die einfachen Stäbchen etwas ge- krümmt, oder die Doppelstäbehen gekniet, so erregen sie beim Rotiren wohl den Anschein einer Schlängelung, welche Ehrenberg veran- lasste, diese durchaus starren Zellen unter seine Vibrionen zu stellen. Ehrenberg bezeichnete dieselben anfangs als Dacterium, später als 171 Vibrio tremulans, deren Länge er auf „1,“ — 7—8 Mikrom. angiebt, doch wird auch die Grösse von Vibrio Lineola u 35 nm = 6— 2 Mikrom. bestimmt, so dass er unter V. Zineola die kleinere Form von BD. Termo mit der grösseren zusammenzuwerfen scheint. Ich habe deshalb mit Dujardin den schon von OÖ. F. Müller gegebe- nen Namen Lineola für die grösseren Formen beibehalten, sie aber zur Gattung Dacterium als besondere Art gestellt; möglich übrigens dass noch verschiedene Formen von mir unter D. Lineola zusammen- gefasst werden, und dass insbesondere eine besonders grosse und elliptische Form als D. tremulans unterschieden werden könnte. Ob B. Lineola ein specifisches Ferment darstellt, ist nicht bekannt, — Zu den echten Bacterien gehört nach der Ansicht von Hoffmann und Anderer auch das Ferment der Milchsäure. Pasteur, der Ent- decker des Milchsäure-Ferment (ferment lactique, gewöhnlich, doch nicht correct, als Milchsäurehefe übersetzt) beschreibt dasselbe als petit vegetal microscopique, als „champignon“, mit kürzern, in der Mitte schwach eingeschnürten Gliedern, als seien zwei Punkte mit einander verbunden (articules & peine &trangles vers leur milieu (Compt. rend. de l!’Ac. de Paris 18. Jan. 1864); die Abbildung (l. ec. Fig. 12) stellt anscheinend D. Termo vor; doch finden sich auch Ketten von vier Gliedern, die auf eine Kugelbacterienform deuten. Meine Unter- suchungen über das Ferment der Milchsäure sind nicht abgeschlossen. Verfolgt man das Sauerwerden der Milch unter dem Mikroskop, so hindern die in allen Grössen vorkommenden Butterkügelchen, so wie die Pseudobacterien der sich abscheidenden Caseinmolecüle jedes klare Bild; zeitig treten neben andern Organismen insbesondere Kugelbacterien und D. Termo, weit später in der Regel auch Ordium lactis auf. Stellt man eine Lösung von käuflichem Milchzucker (1 bis 2%) bei warmer Temperatur an die Luft, so wird sie innerhalb weniger, 3—4 Tage, auch ohne Zusatz eines Ferments, trübe und sauer; es ent- wickeln sich zahllose Bacterien (Termo), aber auch Mycelien, Hefearten und andere Gebilde, die schliesslich einen dicken, kreideartigen Absatz bilden. Es muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, welches von diesen Organismen das eigentliche Ferment ist, durch dessen Thätigkeit sich der Milchzucker in Milchsäure verwandelt, und welche nur secundäre Begleiter sind; da beim Gerinnen der Milch eine grosse Menge verschiedenartiger Vorgänge mit oder nacheinander stattfinden, so ist der Antheil der einzelnen Fermente schwer festzustellen. Mir selbst fielen in sauerwerdender Milch insbesondere kuglige Zellchen auf, denen des Harnferment nicht unähnlich und, wie diese, in Rosen- kranzketten aus 2, 4, 8 und mehreren Gliedern in Torulaform zusammen- 172 hängend. Eine am 20. Februar angestellte Milchzuckerlösung (2%) war am 24. Februar trübe, am 27. stark sauer geworden; ihr Absatz (Tab. III. Fig. 5) bestand hauptsächlich aus Häufchen kugliger, nach Art der Bierhefe oder rosenkranzförmig aneinanderhängender Zellen von 1,5 — 2 Mikrom. Durchmesser, neben Mycelfäden u.s. w. Pasteur giebt an, dass das Gerinnen der Milch in der Regel von der Milchsäure herrühre, welche durch das ferment lactique aus dem Milchzucker der Milch gebildet wird; aber auch alkalische oder neutrale Milch gerinne, wenn dieselbe mit „Vibrionen“ in Berührung kommt, welche eine specifische, dem Lab analoge Wirkung auf das Casein äussern (Ann. Chem. et Phys. 1862 p. 58). Diese Vibrionen, welche durch Kochen nicht getödtet werden, wohl aber durch ein Erhitzen bis auf 105° C., halte ich für die Bacterien der Buttersäure (D. subtilis). Wenn sauer gewordene Milch nach längerer Zeit unter Fäulniss alkalisch wird, so ent- wickeln sich in ihr nach Hoffmann agile Bacterien (Bot. Zeit.1869 p. 322). Auch das eigentliche Ferment der Essigsäure ist botanisch nicht sicher festgestellt. Aeltere Beobachter z.B. Kützing beschreiben die „Essigmutter“ als eine knorpliche Algengallert (Ulvina aceti), in welcher kuglige Zellchen in zahlloser Menge eingelagert sind. Pasteur bezeich- net das Essigferment als Mycoderma aceti, es besteht nach ihm aus kurzen (1,5 Mikrom.) in der Mitte eingeschnürten Gliedern, die doppelt- so lang, als breit, rosenkranzförmig, oft zu langen Ketten verbunden sind und ein Häutchen an der Oberfläche bilden; das Essigsäure- Ferment ist nach Pasteur dem Milchsäure-Ferment sehr ähnlich, vielleicht mit ihm identisch, doch sind die Glieder des Milchsäure- Ferments gewöhnlich länger und minder regelmässig eingeschnürt. Gewöhnlich wird als Essighefe (Arthrococcus) jene eigenthümliche Form des Hefepilzes bezeichnet, deren baumartig verzweigte Zellen oblong oder eylindrisch gestreckt sind und die auf der Oberfläche sauer gewordener geistiger Flüssigkeit, insbesondere des Biers, schwimmen. Pasteur bildet diesen ‚„ÄArthrococcus‘“ (Compt. rend. 18. Jan. 1864. Fig. 2, 5) als eine Form der Weinhefe ab, die er Mycoderma vini nennt; er giebt an, dass dieselbe nicht an der Essig- bildung betheiligt sei, vielmehr der Entwicklung des Essigferments entgegenwirke und das Bouquet des Weines entwickele. Auch Rees, der diese Hefe als besondere Species, Kahmpilz, Saccharomyces Myco- derma, beschreibt und abbildet (Botan. Untersuchungen über die Alcoholgährungspilze 1870), hält dieselbe an der Essigbildung höchst wahrscheinlich nicht betheiligt. Ich finde, dass sauer gewordenes Bier sich in der ganzen Masse trübt und mit einem Häutehen bedeckt; die Trübung beruht, von 173 den ovalen Sacharomyces und den elliptischen Kahmpilz- Zellen abgesehen, auf der ungeheuren Vermehrung von elliptischen beweg- lichen Bacterien, welche dem D. Termo entsprechen (Fig. 8), doch etwas grösser, als die gewöhnliche Form, meist paarweise im Bogen zusammenhängen, seltener zu vier, wenn zwei eben getheilte Zellen bereits selbst wieder in Theilung getreten sind. Ihre Bewegung ist wie gewöhnlich, bald zitternd, bald rasch schwärmend, bald der Quere nach kurbelartig gedreht, oft so rasch wie ein Kreisel. Vermehrt sich die Essigsäure, so verlieren sie ihre spontane Beweglichkeit und zeigen nur Molecular-Bewegung. Diese Stäbchenbacterien erfüllen die ganze Flüssigkeit; ausserdem finde ich längere zu Leptothrix- fäden gereihte Baeillusstäbchen, doch letztere nur vereinzelt. Das Häutehen an der Oberfläche besteht aus denselben Bacterien, die unbeweglich, in parallelen, geraden und gekrümmten Linien aneinan- der gereiht sind (Fig. 10); diese Form scheint Pasteur als Myco- derma aceti abgebildet zu haben. Ausserdem finden wir kuglige Zoogloeamassen, theils dicht erfüllt von den elliptischen Bacterien, theils einer Mierocoecusart angehörig und aus runden Pünktchen gebildet. Auf jeden Fall erfordert das Essig- und Milchsäure-Ferment noch neue Untersuchungen. Auch als chromogenes Ferment scheinen gewisse Stäbchenbaete- rien zu wirken. Wenigstens wird der Farbstoff der gelben und der blauen Milch seit Ehrenberg der physiologischen Thätigkeit von Bacterien (Vibrionen nach Ehr.) zugeschrieben; Schroeter (p. 120 und 124 dieses Hefts) bezeichnet dieselben als Dacterium zanthinum und syncyanum, die Bacterien, welche nach seinen Beobachtungen das Pigment des blaugrünen Eiter erzeugen, als Dacterium aerugr- nosum (l. c. p. 126). 7. Fadenbacterien, Desmobacteria. Diese dritte Tribus der Bacterien umfasst zwei Gattungen, von denen die erste grade Fäden besitzt und von mir als Genus Bacillus unterschieden, die zweite wellig gebogene oder gelockte, welcher ich den alten, jedoch in einem andern Sinn aufgefassten Namen Vibrio beigelegt habe. \ Alle Fadenbacterien bestehen aus verlängerten eylindrischen Glie- dern, welche, wenn sie isolirt vorkommen, dem Dact. Lineola ähnlich sind, durch Quertheilung aber vermehrt, sich zu längeren oder kür- zeren Ketten oder Fäden aneinanderreihen; diese Fäden sind jedoch nicht an den Gelenken eingeschnürt wie die Rosenkranzketten (Torula- form) der Kugelbacterien, sondern durchweg walzenrund, wie Öscilla- 174 rien, an die sie sich zunächst anschliessen; sie werden in diesem Zustand als Leptothrixfäden bezeichnet. Die. Fadenbacterien bilden oft Schwärme, nie aber, wie ich schon in einer Abhandlung von 1853 (Nov. Act. l. ec. p. 124) hervorgehoben, Zoogloea-Gallert; doch wech- seln auch bei ihnen bewegliche und unbewegliche Zustände, je nach der Anwesenheit oder dem Mangel an Sauerstoff, der Reaction des Mediums und andern noch unerforschten Bedingungen; gewisse Arten scheinen nie bewegt zu sein (Dacteridium Dav.) Auch bei den Fadenbacterien ist es schwierig, Grenzen zwischen den verschiedenen Formen zu ziehen und sie in distinete Arten zu vertheilen. Die Unterschiede, welche wir beobachten, beruhen theils in der Stärke der Fäden, die von der unmessbaren feiner Haarstriche bis zur messbaren Breite von eirca 1,5 Mikrom. variirt, und in der Länge derselben, die von der Länge und der Zahl der zur Kette verbundenen Glieder abhängt; theils in der grösseren oder geringeren Flexilität, die bei einzelnen Formen ganz fehlt, bei andern sehr lebhaft ist und an die flexilen Beggiatoen erinnert; theils end- lich in der graden Richtung oder mehr oder weniger wellenförmigen Biegung der starren Fäden. Die wellenförmigen Fäden sind es, welche bei ihrer Rotation um die Längsachse oft täuschend den Anschein fortschreitender Undulation oder der Schlängelung gewähren, und dadurch Ehrenberg veranlasst haben, diese optische Täuschung zum Charakter seiner Gattung Vrdrio zu machen. Die wirklichen Biegungen, welche nur bei längeren Faden beobachtet werden, sind theils passive, theils spontane, aber, nur wie in den Oseillarienfäden, in unregelmässigem Wechsel den ganzen Faden krümmend und streckend, nicht aber die formbeständigen Wellen alterirend. Wir unterscheiden zwei Gattungen: a. Fäden grade: Genus Bacillus. Fäden sehr dünn und biegsam: Bacillus subtilis. Fäden dicker und steif: Dacıllus Ulna. Hierher gehören auch die Bacteridien des Milzbrands (BD. Anthra- cis), die nach ihrer morphologischen Beschaffenheit sich an D. subtelis schliessen, wegen ihrer pathogenen Bedeutung und ihrer Unbeweg- lichkeit aber als selbstständige Art zu betrachten sind. b. Fäden wellenförmig gebogen: Genus Vibrio. Fäden dieker mit einfacher Biegung: Vibrio Rugula. Fäden dünn mit mehreren Wellenbiegungen: Vebrio serpens. 175 a. Gattung Bacillus. 1. Bacillus subtilis (Vibrio subtilis Ehr.) Buttersäure-Fer- ment, ferment butyrique Pasteur. Ehrenberg findet diese Art in der Ruhe ganz steif und grade (filis tenuissimis rectis), bei der Bewegung jedoch gradlinig schwim- mend und dabei zitternd, wenn auch ohne schlangenartige Bewegung, was er von einer Verschiebung der angeblich kugligen Fadenglieder ableitet; die Länge wird auf 34° (60 Mikrom.) die Dicke auf „55 angegeben, doch zeigt die Abbildung auch Stäbchen, die nur die Hälfte oder 4 der Länge haben; Dujardin zieht den Vrbrio subtilis unter die problematischen Arten, die er nicht für Thiere, sondern für Öseillarien hält. Ich selbst finde die Ehrenbergsche Form als eine in Infusio- nen, meist zugleich mit 5. Zermo und anderen Bacterien sehr ver- breitete, bei der Buttersäuregährung aber, und in anderen Verhält- nissen, wo D. Termo sich nicht entwickelt, auch ausschliesslich vor- kommende Art (Tab. III. Fig. 14). Die Fäden sind sehr dünn und zart, so dass die Grenze der Gliederungen nicht leicht erkannt wird; nur bei der Quertheilung und beim Lostrennen der Stücke überzeugt man sich, dass die ein- zelnen Glieder in der Regel 6 Mikrom. lang sind; wir finden diese bald isolirt, und dann von denen des D. Lineola schwer zu unterschei- den; gewöhnlich aber Doppelglieder von 12 Mikrom., oder zu dreien (dann 16 Mikrom. lang), und in längeren Reihen; ich habe Fäden von 26, 40, 66 und selbst von 132 Mikrom. Länge gemessen; letztere mögen vielleicht aus mehr als 20 Gliedern bestehen. Die Dicke der Fäden ist nicht direct zu messen, so zu sagen haardünn; der Inhalt zeigt keine Körnchen. Die Fäden sind in hohem Grade, activ und passiv flexil, was ihren ‚Bewegungen einen sehr eigenthümlichen Charakter giebt. Sie schwimmen grade aus, mit abwechselnden Ruhepausen, bald mit einer gewissen Schwerfälligkeit, bald rasch und gewandt, als bemühten sie sich durch Hindernisse ihre Bahn zu finden, wie ein Fisch, der zwischen Wasserpflanzen seinen Weg sucht; dann bleiben sie eine Zeit lang still; plötzlich zittert der Faden und schwimmt zurück ohne umzudrehen, um bald darauf wieder nach vorn zu schwim- men. Dass sie sich beständig um ihre Achse drehen, ist allerdings bei den walzrunden Fäden eben so wenig direet zu sehen, als etwa die Rotation einer Mühlwelle, sie macht sich nur durch eine Art Zittern der Fäden bemerklich; wenn aber ein Glied behufs der Thei- lung eingeknickt, ist die Achsendrehung unzweifelhaft. In der Regel 176 jedoch machen die Faden scheinbare Pendelbewegungen um einen wech- selnden Punkt in der Fadenlänge, wobei das vorangehende Ende, wie tastend einen kürzeren Bogen beschreibt als das hintere, das, weil es einen grösseren Kreis durchläuft, sich auch rascher bewegt und daher schwerer fixirt werden kann. Bei lebhafter Pendeldrehung wird der biegsame Faden in Folge des Widerstandes des Wassers passiv gebeugt; aber auch activ zeigen namentlich die längeren Fäden spontane flexile Beugungen, indem die beiden Enden sich etwas nähern, wie ein Stab, der sich zum flachen Bogen krümmt; dann schlägt sich der Bogen im Kreise nach der entgegengesetzten Seite; dann streckt er sich wieder grade; in sehr langen Fäden fol- gen mehrere Biegungen hintereinander in weiten Wellen, wie die vom Winde bewegten Aehren im Kornfeld; echte kurze Schlängelung kommt nicht vor. Beobachtet man die Fäden längere Zeit unter dem Deckglas, so werden die Bewegungen langsamer, durch längere Ruhepausen unterbrochen, ohne doch ganz aufzuhören. Schon oben habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass bei dieser Art die Bildung von ölhaltigen Dauerzellen oder Gonidien in den Fäden vor sich gehen könne, und dass diese kugligen oder ovalen Gonidien beim Keimen zu jenen beweglichen geschwänzten Formen sich entwickeln möchten, welche ich unter Fig. 13 Tab. Ill. abgebildet habe? Pasteur beschreibt das von ihm entdeckte Ferment der Butter- säuregährung als lange dünne bewegliche Vibrionen, die ihre Körper beugen können (effort, qu’ils paraissent faire volontairement au moment de la reproduection); seine Abbildung (Compt. rend. 18. Jan. 1864 Fig. 14) zeigt deutlich erkennbar unseren D. subtilis. Dass in der That diese Art bei der Buttersäuregährung betheiligt ist, habe ich, noch ehe ich Pasteur’s Abbildung kannte, aus der Thatsache geschlossen, dass bei Lupinen und Erbsen, welche mit destillirttem Wasser in einem zugeschmolzenen Glas-Kölbchen bis auf eirca 80° erhitzt wurden, und in Folge dieser hohen Temperatur, durch welche D. Termo in der Regel getödtet wird, und des Luftmangels in Buttersäuregährung übergingen, ausschliesslich D. subtilis und kein D. Termo sich entwickelte, wie ich später noch nachweisen werde. Pasteur erwähnt auch in seiner Abhandlung über Generatio spontanea (Ann. de Chem. et de Phys. 1862 p. 60), dass gekochte Milch sich nach einigen Tagen mit kleinen Vibrionen füllt, die er als eine Varietät des D. Lineola bezeichnet, die aber nach der Ab- bildung unser Baeillus subtilis sind; sie wurden erst durch eine Temperatur von 105° getödtet. 177 Auch die von Rindfleisch in seinen „Untersuchungen über nie- dere Organismen“ (Virchow’s Archiv Bd. 54. 1872) erwähnten und auf Tab. XVII. fig. 2—5 abgebildeten Bacterien, deren längere Fäden, wie ich glaube mit Unrecht, derselbe von der Verschmelzung mehrerer anfänglich getrennter Glieder ableitet, halte ich für D. subtilis; die nämliche Art hat Hoffmann (I. c.) unter Fig. 5 abgebildet, ohne sie von B. Termo zu trennen. 2. Bacillus Anthracis. Die Bacteridien des Milzbrandes sind zwar von mir selbst nicht untersucht worden; die von Davaine gegebene und auch von dem neuesten Bearbeiter Bollinger (Medizin, Centralblatt 29. Juni 1872) bestätigte Beschreibung zeigt jedoch, dass sie abgesehen von Vorkommen und Fermentwirkung, sich kaum von B. subtilis unterscheiden. Davaine beschreibt dieselben als steife Fäden von 4— 12, ja bis 50 Mikrom. Länge und fast unmessbarer Breite, nur selten leicht gekrümmt oder gekniet; Bollinger giebt an, dass sie frisch ungegliedert und homogen scheinen, dass man aber bei geeigneter Methode Hülle und Plasma unterscheiden und die Gliederung der Stäbehen in kurz ceylindrische Zellen erkennen kann, letztere kommen auch isolirt vor, und stellen die Bacterien- Keime dar; von anderen Bacterien sollen sie sich wesentlich durch eine grössere Gleichmässigkeit der Form und durch ihre Unbeweg- lichkeit unterscheiden; doch ist letztere auch bei D. subtilis zeitweise wenigstens, und unter Umständen gewiss auch dauernd vorhanden. 3. Bacillus Ulna, Unter diesem Namen bezeichne ich die steife- ren und diekeren Kettenfäden, die durch ihr dichtes feinkörniges Plasma sich unmittelbar an die Oseillarien- Gattung Deggiatoa an- schliessen und nur durch die kurzen stabförmigen, leicht in kürzere Glieder zerbrechenden Fäden sich unterscheiden (Tab. III. fig. 15.) Ich beobachtete solche, durch ihre Dicke auffallende Glieder- stäbe, theils zerstreut unter anderen Arten, theils und zu Zeiten vor- herrschend oder ausschliesslich; so trübte sich zum Beispiel am 21. Nov. 1871 das Wasser (10 gm.) in einem Reagenzglas, welches zwei Tage vorher auf gekochtes Hühnereiweiss gegossen und noch einmal mit diesem aufgekocht, seitdem aber offen stehen geblieben war; die Trübung rührte her von zahllosen Stäben, welche lebhaft und kräftig bewegt, aber steif und wenig flexil, eine distinete Membran nnd ein dichtes Protoplasma mit dunklen Körnchen deutlich unter- scheiden liessen; die einzelnen Glieder waren 10 Mikrom. lang und gegen 2 Mikrm. breit, sie bildeten gerade oder zickzackartig gebrochene Ketten von 2—4 Gliedern, welche deutlich abgesetzt waren; die viergliedrigen Ketten hatten demnach eine Länge von 42 Mikrom. und zeigten um so Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. HeftIl. 12 178 wunderlichere Bewegungen, als nicht nur der gesammte Faden rotirte, sondern auch die einzelnen Glieder, indem sie sich zu trennen such- ten, an den Gelenken divergirende Bewegungen vollzogen. Schon am 26. Nov. waren alle todt und lagen am Boden in Häufchen, in den zersetzten Fäden traten grössere Tröpfehen hervor; an ihrer Stelle vermehrte sich nun im Wasser D. subtilis. Andere gleich- zeitig hingestellte Gläser mit gekochtem Eiweiss entwickelten zwar auch Bacterien, aber keine von dieser riesigen Bacillusform. Ehrenberg giebt von ‚„‚Vibrio Dacillus‘“ an, dass die Stäbchen langsam fortgleiten, ohne sich zu schlängeln, sich aber zuweilen etwas, doch nie lebhaft schlängeln; ich selbst halte dies für unmöglich. Die Länge der Stäbehen wird von Ehrenberg auf „5“ (80 Mikrom.), die Dicke auf 4," angegeben; Dujardin, der unseren V. subtilis nicht davon unterscheidet, giebt nur die Hälfte dieser Dimensionen an. Von einer Zusammensetzung aus kugligen Gliedern, die Ehren- berg erwähnt, konnte ich nichts wahrnehmen. b. Gattung Vibrtio char. emend. Die beiden hierhin gestellten Arten sind durch die formbeständi- sen Wellenbiegungen der Fäden charakterisirt, welche bei der Rota- tion den Anschein der Schlängelung hervorrufen und bilden daher den Uebergang zu den Schraubenbacterien oder Spirillen. 1. Vibrio Rugula. Die Fäden dieser Art sind $—16 Mikrom. lang, mit feinpunktirtem körnigem Inhalt, und weichem dichten Proto- plasma; sie sind fast noch einmal so dick wie Bacillus subtilis, und unterscheiden sich noch besonders dadurch, dass sie stets schwach aber deutlich ( oder ? förmig gebogen sind, meist derart, dass der Faden in der Mitte wie ein Violinbogen eine flache Curve zeigt, während die Enden fast grade sind (Tab. III. Fig. 16). Wenn der Faden langsam um die Längsachse rotirt, so macht er den Eindruck eines in Bewegung gesetzten Centrumbohrers; bei sehr rascher Dre- hung ist er scheinbar grade und dann mit D. subtilis zu verwechseln, sobald aber die Geschwindigkeit etwas nachlässt, sieht man die Bie- gung gleichzeitig nach beiden Seiten, als befinde sich eine Anschwellung in der Mitte (Fig. 16 *), wie sie auch von Dujardin (unter Zineola) beschrieben wird; der Eindruck häufiger Schlängelung mit mehreren kurzen Biegungen entsteht, wenn gleichzeitig rasches Vorwärts- schwimmen stattfindet, und daher der Eindruck mehrerer Ortslagen simultan empfunden wird. Die kleinsten Stücke dieses Vzbrio besitzen bereits eine schwache Bogenkrümmung, ich maass Längen von 8, 9.6, 10.4, 14.4, 17.6 Mikrom.; die letzteren waren in der Theilung begriffen, 179 die Doppelstäbchen oft im Winkel gekniet, mit selbstständiger Bewe- gung der beiden Hälften. Längere kommen nicht vor; wohl aber kür- zere Formen, die sich besonders rasch der Quere nach wie eine Kurbel drehen oder der Länge nach wie ein behender Aal dahin schwimmen; sie zeigen die Form eines S und eine Welle auf etwa 5 Mikrom. Länge. Vibrio rugula vereinigt sich in zahllosen Schwärmen, die sich unter einander verfilzen, und die schon Müller mit Bienenschwärmen verglich; die abgestorbenen Stäbchen bilden Häute. Leeuwenhoek entdeckte vermuthlich diese Art im Zahnschleime und in den Fäces bei einer Diarrho& (animaleula ad instar anguillarum), Ehrenberg, der sie genauer beschreibt, bemerkt, dass sie leicht mit Bacillus zu verwechseln sind, (wenn der Bogen sich in eine Ebene projieirt, oder in Folge sehr rascher Rotation wie ein solider Cylinder aus- sieht), er giebt die Grösse der Stäbchen auf J,—37%”', unterschei- det sie jedoch nicht von der folgenden Form. Dujardin giebt an, dass die Art 5 —8 inflexions zeigte, was auch nur von der folgenden gilt; und dass sie sich abwechselnd zusammenschraubt und einbiegt (resserre et inflöchit son corps), was jedoch nicht der Fall ist. 2. Vibrio serpens (Tab. III. Fig. 17) unterscheide ich nach dem Vorgange von OÖ. F. Müller dadurch von V. Rugula, dass letzterer in jedem Gliede eine einzige oder 13 Biegungen zeigt, während die fast um die Hälfte dünneren, nicht flexilen, lockenähnlichen Fäden von V.serpens mehrere flache regelmässige formbeständige Wellen- biegungen (in der Regel 3—4) besitzen, bei ihrer Rotation daher entweder 3 oder 4 scheinbare Undulationen oder, bei rascherer Dre- hung, ebenso viele Anschwellungen zeigen; die kürzesten Glieder sind noch in doppelter Welle gebogen, doch finden wir auch Ketten von 2—4 mitunter geknieten Stücken, die demnach auch eine beträcht- lichere Länge und viele Wellen zeigen; ich maass gelockte Fäden von 11.5, 13, 15.6, 19.5, 20.8, 25.7 Mikrom., die Distanz zwischen zwei Wellen beträgt 5—6 Mikrom. Dujardin giebt 23 —26 Mikrom. oder 10—15 Wellen an. Die Bewegung ist, abgesehen von den scheinbaren Undulationen, mit der von subtilis übereinstimmend; einen sonderbaren Anblick ge- währen Schwärme (Fig. 18) von Millionen dieser Wellenfäden, die sich unter einander verfilzen und wieder entwirren; auch bilden die- selben manchmal lange Stränge, wo unzählige zitternde Stäbchen fast parallel nebeneinander gedrängt sind. 180 8. Schraubenbacterien, Spirobacteria. Die vierte Tribus der Schraubenbacterien schliesst sich innig an V. serpens, der sogar vielleicht besser zu ihr zu stellen ist; sie unter- scheidet sich äusserlich von unserer Gattung Vibrio durch die dichter und enger gewundene, regelmässige, formbeständige Schraube des Fadens; hierzu kommt, dass ich bei einer Art, Sp. volutans, in den flexilen Geisseln eine Organisation beobachtet hatte, welche den übrigen Bacterien bisher fremd war, und die Abtrennung der mit solchen Bewegungsorganen versehenen Arten trotz der äusseren Ueber- einstimmung erfordert. Allerdings habe ich diese Geisseln nur bei der grössten Art der Spirillen bis jetzt aufgefunden, doch stimmen die übrigen anscheinend so vollkommen mit dieser überein, dass der nämliche Charakter auch bei ihnen vermuthet werden darf; es muss allerdings der Zukunft überlassen werden, ob nicht, wie Ehrenberg stets behauptet hat, sich die Anwesenheit der Geissel auch noch bei den anderen Gattungen der Bacierien wird nachweisen lassen. Die vier Arten der Schraubenbacterien, welche ich mit Ehren- berg unterscheide, sind sämmtlich leicht kenntlich; sie kommen ge- wöhnlich gesellig untereinander vor, doch kann ich mich nicht über- zeugen, dass dieselben nur Varietäten oder Alterszustände einer ein- zigen Species seien. Soviel ich glaube, erscheinen die Spirillen nicht in allen, insbesondere nicht in künstlichen Aufgüssen, sondern nur in solchen, zu denen Flusswasser genommen, so dass ihre Keime nicht durch die Luft, sondern durch das Wasser verbreitet scheinen. Eine eigenthümliche Fermentwirkung ist bei ihnen nicht ermittelt. Wir unterscheiden nach Ehrenberg zwei Gattungen der Schrau- benbacterien: a. Spirochaete mit flexiler und langer eng gewundener Schraube. b. Sperillum mit starrer kürzerer und weitläufigerer Schraube. a. Gattung Spirochaete umfasst nur eine Art Spirochaete plicatilis (Tab. III. Fig. 22), welche ich in meiner Abhandlung von 1853 so ausführlich besprochen habe, dass ich hier nichts nachzutragen finde (l.c. p. 125 Tab. 15. Fig. 10). Sie hat von allen Spirillen die lebhaftesten Rotations- und Flexilitäts- Bewegungen, und ist ziemlich selten. Neuerdings habe ich die Spr- rochaete auch im Zahnschleim aufgefunden. Wunderlich ist die von Polebotnow und Wiesner („Mikroskopische Untersuchungen.“ Stuttgart 1872. p. 134) ausgesprochene Ansicht, dass Sp. plicatilis nichts anderes „als eine zarte spiralartige Gefässverdieknng sei.“ 181 b. Gattung Spirillum. 1. Spirillum tenue (Fig. 19), schliesst sich in der Dünne der Fäden zunächst an V. serpens, und bildet, wie dieser, dichte Schwärme und eng gedrängte kugelige Haufen, in denen sie fast unbewegt in einander verfilzt sind; Ehrenberg hat mit gewohntem Scharfblick diese Art erkannt und kenntlich abgebildet: filamentis leviter tortuo- sis (legerement tortueuses) tenuissimis aufractibus saepe 3—4. Dujardin giebt an, Sp. tenue Ehr. sei um die Hälfte stärker als Undula; nach Ehrenberg’s Text und Abbildung ist jedoch das Gegen- theil der Fall. Dujardin vereinigt deshalb ohne Grund Sp. tenue mit 8p. Undula; seine Figuren zeigen jedoch nur die Form des tenue. Die charakteristische Schraubenbewegung der Spirillen ist bei dieser haardünnen Art, die ich Wochen lang zu Millionen in jedem Tropfen eines Aufgusses herumschwärmen sah, ganz besonders rasch, dass sie wie der Blitz hin und her zucken, und dem Beobachter kaum zum Bewusstsein kommen. Die Höhe der eleganten Schraubengänge beträgt 2—3 Mikrom., der Durchmesser derselben etwa eben so viel; der Faden zeigt mindestens 15 Windung und ist dann einem Häck- chen oder !oder 2 ähnlich; noch häufiger sind jedoch Fäden mit 2, 3, 4, 5 Windungen, daher die Länge 4 bis 15 Mikrom. beträgt. 2. Spirillum Undula (Fig. 20) unterscheidet sich durch stärkere Fäden mit etwas weiterer Windung; jeder Schraubengang hat 4 bis 5 Mikrom. Höhe und Durchmesser. Gewöhnlich finden sich Glieder von nur einer halben oder einer ganzen, selten von 1} bis 2, ja 3 Spiralwindungen; längere habe ich nicht beobachtet; die überaus rasche Bewegung gestattet kaum ein einzelnes Spirillum längere Zeit zu fixiren; meteorartig fahren sie durch das Gesichtsfeld; bald schnellen sie in ununterbrochenem Rollen dahin wie eine losgelassene Spiralfeder; dann mit dem einen Ende sich festhaltend, machen sie mit dem andern Kreisbewegungen wie eine um einen Faden gedrehte Schleuder; dann wieder sich losmachend schrauben sie sich nach einer anderen Richtung fort; bei langsamerer Drehung erhält man den Eindruck, als ob an den Enden Wirbel durch Geisselfäden erregt werden, doch konnte ich zu keiner Ueberzeugung gelangen. O.F. Müller und Ehrenberg haben Sp. Undula schon charakteristisch aufgefasst (filis valde tortuosis, brevibus validioribus, aufractu simpliei vel sesquipliei Ehr.) Ehrenberg’s Vibrio prolifer kann ich von Sp. Undula nicht unterscheiden. 3. Spirillum volutans (Fig. 21). Diese grösste der Spirillen (filis valde tortuosis, robustis et elongatis Ehr.), der Riese unter den Bacterien, ist ebenfalls schon von O. F. Müller und Ehbren- 182 berg unterschieden, letzterer bildet die Form auch so charakteristisch ab, dass sie auf den ersten Blick wiederzuerkennen ist. Dujardin dagegen scheint Sp. volutans gar nicht beobachtet zu haben; denn er erwähnt zwar im Text eine Form dieses Namens, die er im Meer- wasser, wie in Aufgüssen von Inseceten und Conferven gefunden; seine Abbildung jedoch (Pl. I. Fig. 9) giebt durchaus nicht den Charakter der grossen Schraubenwindungen, sondern die zarten Spiralen von Sp. tenue wieder; sie ist, wie fast alle Bacterien-Zeichnungen von Dujardin, für das Wiedererkennen unbrauchbar. Ich habe Spirillum volutans zuletzt seit dem 29. Juli dieses Jahres mehrere Wochen lang in einem Aufguss todter Süsswasser- schnecken untersucht, in dem sich diese Art zugleich mit Sp. tenue, Undula, Vibrio serpens und Bugula ungeheuer massenhaft entwickelte, und durch Zufügung neuer Nahrung auch in steter Vermehrung erhal- ten hatte; es liess sich hierbei die Beständigkeit dieser, einander anscheinend so nahe stehenden Arten feststellen. Sp. volutans zeich- net sich nicht blos durch die bedeutendere Dicke seiner Faden aus, die zwar etwas variirt, doch 1,5 Mikrom. sicher erreicht so wie durch den dichten, dunkelkörnigen Inhalt, den bereits Ehrenberg bemerkt, sondern auch durch die weit und regelmässig pfropfenzieherartig gedrehte Spirale, deren Höhe 13,2 Mikrom., deren Durchmesser, aber nur die Hälfte, 6,6 Mikrom. beträgt. Eine Windung von Sp. volutans ist etwa gleich hoch wie drei von Sp. Undula; die Schrauben sind rechts gedreht. Ich habe mich bei dieser Art ganz besonders bemüht, die von Ehrenberg angenommene Gliederung (distinete articulata) wahrzunehmen, aber stets vergeblich; dagegen ist die Membran vom Inhalt zu unterscheiden. Die Zahl der Windungen ist in der Regel 2%, 3—3}; selten finden sich doppelte Spiralen von 6 bis 7 Windungen. Mitunter sind ein Paar um einander gewunden, gleich den Schlangen des Caduceus. (Fig. 21*.) Die gewöhnliche Länge ist 25,4 Mikrom. bis 350 Mikrom.; bei horizontaler Lage der Schraube treten gewöhnlich zwei Wellenberge und die Anfänge eines dritten und vierten hervor. Die Theilung geschieht in der Mitte; jede der beiden Theilhälften, die auch isolirt vorkommen, hat 13 bis 2 Windungen und 20 bis 23 Mikrom. Länge. Spirillum volutans liegt oft längere Zeit ganz unbeweglich; plötzlich fängt es an sich zu drehen und schreitet langsam schrau- bend vor und rückwärts, bald schiesst es mit lebhafter Energie schnell dahin, so dass man die- “chraubendrehung kaum gewahr wird; mitunter erscheint die Spirale doppelt und gekreuzt, wenn nämlich der Eindruck verschiedener Lagen gleichzeitig auf der Netz- 185 haut empfunden wird; offenbar liesse sich die Rotationsgeschwindig- keit der Schrauben hieraus bestimmen. Bei langsamer Drehung erhält man den Anschein, als wachse das Vorderende unter den Augen, während das hintere scheinbar eingezogen wird; ich habe diese Verhältnisse bereits vor Jahren bei Spirulina erläutert (Nova Acta 1. ce. p. 129). Bei solchen, ihren Ort wenig verändernden, nur langsam rotiren- den und hin und her wackelnden Spirillen beobachtete ich an beiden Enden einen Wirbel, und entdeckte bei genauer Untersuchung einen langen Geisselfaden an jedem Ende, der peitschenartig hin und her geschleudert oder im Bogen wie ein Lasso umhergeworfen wird. Ich habe seitdem diese Geisseln an allen Exemplaren des Sp. volu- tans erkannt. Sie erinnern dadurch wie durch ihre allgemeine Form und Bewegung in merkwürdiger Weise an die Samenfäden der Bryo- phyten (Moose, Characeen) die man früher für einfache, spontaner Rotation fähige Spiralfäden mit 2—3 Windungen gehalten, bis Thuret an ihnen zwei Geisseln entdeckte. Doch befindet sich bei diesen Spermatozoiden das Geisselpaar am nämlichen Ende, das dadurch als das vordere bezeichnet und von dem hinteren geissellosen ver- schieden ist, während bei Sp. volutars Vorn und Hinten völlig gleich sind. In der Ruhe sind die Geisseln hackenförmig gekrümmt. Kein früherer Beobachter hat die Geisseln bei 8p. volutans wahrgenommen; dennoch ist die Entdeckung nicht neu. Ehren- berg erwähnt in seinem Infusorienwerk von 1838 p. 43 ein lange räthselhaft gebliebenes Infusorium (Ophidomonas jenensis), das er am 18. September 1836 bei Jena im Bassin eines Baches entdeckt und bis zum December in Berlin lebend erhalten hatte. Eine Abbildung der Ophidomonas ist nicht gegeben, aber die Beschreibung des „steifen, pfropfenzieherartig gewundenen Körpers wie der durch Walzen um die Längsachse die optische Täuschung des Schlängelns bewirkenden Bewegung“, und die Dimensionen 275 (40 Mikrom.) stimmen gut mit Sperdllum volutans. Mit merk- würdigem Scharfblick entdeckte Ehrenberg an seiner Ophidomonas nicht blos die Körnchen (18—24, sogenannte Magenbläschen) sondern auch im Ruhezustand vorn einen deutlichen Wirbel, der von einem sehr feinen Rüssel verursacht wurde. Ehrenberg selbst unter- scheidet Ophidomonas von Spirillum dadurch, dass letzteres, wie er sich ausdrückt, unvollkommene vielfache schiefe Quertheilung, das heisst einen gegliederten Faden besitzt, während der Körper von Ophidomonas in einem Panzer stecken soll und sich nur vollkommen theilt, d. h. die Hälften sich nach der Theilung trennen. Ich habe 184 mich in Folge dessen besonders bemüht, die von Elhırenberg bei Sp. volutans angegebene Gliederung der Fäden wahrzunehmen, aber trotz aller angewendeten Reagentien ohne Erfolg. Ich kann daher keinen Unterschied zwischen Ophidomonas und Sp. volutans finden und vermuthe, dass beide zusammengehören und Ehrenberg nur durch die Auffindung des „Rüssels“ bei den Jenenser Exemplaren, den er bei den übrigen Spirillen übersehen hatte, zur Aufstellung der neuen Gattung veranlasst wurde. Vielleicht ist Ophidomonas jenensis eine eigenthümliche Species, da sie olivenbraun sein soll, während unser Sp. volutans farblos ist; Ehrenberg hat später sogar eine blut- rothe Ophidomonas (O. sanguinea) entdeckt. Dass Sp. volutans Geisseln an beiden Enden besitzt ist sehr auffallend, selbst die aus der Theilung der Schraube hervorgehenden Hälften entwickeln bald die Geisseln an beiden Seiten. Obwohl der Gedanke nahe liegt, dass auch die kleineren Spirillen Geisseln besitzen, ist es mir doch nicht, vielleicht nur ihrer Kleinheit wegen, gelungen, dieselben wirklich wahrzunehmen; bei der provisorischen Natur unserer systematischen Kenntnisse über Bacterien schien es mir jedoch nicht rathsam, Sp. volutans von den übrigen Spirillen generisch abzutrennen. So lange die Verfertiger der Mikroskope uns nicht wesentlich stärkere Vergrösserungen, wo möglich ohne Immersion, zur Verfügung stellen, finden wir uns im Reiche der Baeterien in einer ähnlichen Lage, wie der Reisende, der in einem unbekannten Lande in der Dämmerung umherirrt, wo das Licht nieht ausreicht, um die Gegen- stände scharf und sicher zu unterscheiden, und wo er das Bewusst- sein hat, trotz aller Vorsicht, sich vor Irrwegen nicht hüten zu können. 9. Verwandtschaftsbeziehungen der Bacterien. Sind die Baeterien Thiere oder Pflanzen? Ein Ueberblick über die Literatur lehrt, dass die Bacterien früher einstimmig zu den Thieren, jetzt wohl von den meisten Naturforschern zu den Pflanzen gestellt werden. Einzelne bezeichnen nach Willkühr gewisse Bacterien als In- fusorien (Meerozoatres), andere Arten, oder. wohl auch die nämlichen Arten in anderen Zuständen, als Pilze (Mierophytes); Pasteur giebt sogar an, dass die Vibrionen als Thiere des Sauerstoffs bedürfen, während die nämlichen Organismen, so weit er sie für pflanzliche Fermente hält, ohne Sauerstoff vegetiren, gegen gewisse dieser Fer- mente der Sauerstoff sogar Gift sei. Ich kann in Bezug auf diese Frage nur wenig den Schlussfolge- rungen zufügen, welche ich schon im Jahre 1853 zuerst ausgesprochen habe (Nova Acta |. e. p. 130): 185 „Die Bacterien (Vibrionien) scheinen alle in’s Pflanzenreich zu gehören, weil sie eine unmittelbare und nahe Verwandtschaft mit offenbaren Algen bekunden.“ Dagegen haben die Bacterien keine Verwandtschaftsbeziehungen zu offenbaren Thieren. Das Thierreich beginnt mit den Infusorien, von denen die allermeisten, die Infusoria ciliata eine grosse Menge feiner Flimmereilien besitzen, während eine kleine Zahl, die einfach- sten der ganzen Reihe, eine oder mehrere lange Geisseln führen (T. flagellata). Selbst die niedersten der Infusoria ciliata besitzen, von weiteren Organisationsverhältnissen abgesehen, einen Mund und eine Speiseröhre, durch welche sie feste Nahrung anfnehmen. Auch unter den Flagellaten haben viele Arten einen Mund, und weichen dadurch von allen Pflanzen ab; nur wenige Gattungen, die gewöhn- lich zu den Infusoria flagellata gestellt werden, entbehren des Mundes (Euglena u. a.); diese werden besser mit den Pflanzen vereint. Ebenso wenig haben die Bacterien Beziehungen zu den Rhizopoden, welche einen besonderen höchst einfachen Typus thierischer Organisation repräsentiren. Nur mit den Monaden könnte eine Verwandtschaft vermuthet wer- den; die Kugel- und Stäbehenbacterien lassen sich leicht mit kugligen oder elliptischen Monaden verwechseln; sollten die von mir bei Spi- rillum entdeckten Geisseln auch bei den eigentlichen Bacterien gefun- den werden, wie Ehrenberg vermuthet hat, so müssten die mund- losen Arten der bisherigen Gattung Monas vielleicht unmittelbar mit den geisselführenden Bacterien vereinigt werden. Die meisten Schriftsteller, welche die Bacterien zu den Pflanzen rechnen, bezeichnen sie als Pilze. Das ist richtig, wenn man unter Pilzen eben alle Zellenpflanzen oder Thallophyten zusammenfasst, welche des Chlorophylls, oder eines äquivalenten Farb- stoffs entbehren und keine Kohlensäure assimiliren. Zu den typischen Pilzen jedoch, welche ein fädiges Mycel entwickeln, und sich entweder durch Basidiosporen oder durch Ascosporen fort- pflanzen, haben die Bacterien keine Beziehungen. Dagegen stimmen sie in ihrem gesammten morphologischen und ent- wiekelungsgeschichtlichen Verhalten mit den Phyeochromaceen überein, deren Zellen Phycochrom, d. h. ein Gemenge eines grünen Farbstoffs (Chlorophyil) mit einem blauen (Phycocyan) enthalten und daher in der Regel spangrün gefärbt sind. Die Phycochromaceen unterschei- den sich von den Bacterien nur dadurch, dass sie Kohlensäure assimiliren, und werden aus diesem Grunde zu den Algen gerechnet. Die Bacterien bilden den Anfang der Phycochromaceenreihe; sie sind 186 vermuthlich eine der ältesten Gestaltungen des organischen Lebens; sie vereinigen als eine Primordialform verschiedenartige Charaktere und stehen mit verschiedenen Familien der Fhycochromaceen in ver- wandtschaftlicher Beziehung. Die Kugel- und Stäbchenbacterien sind nächst verwandt mit den Chroocoecaceen, jener Abtheilung der Phycochromaceen, deren Zellen isolirt vegetiren oder familienweise durch schleimige Intercellular- substanz zu sogenannter Palmellengallert verbunden sind. Von den echten Palmellaceen unterscheiden sich die Chroococeaceen durch ihren Gehalt an Phyeochrom. Die nächste Verwandtschaft besitzen unsere Gattungen Micrococ- cus und Dacterium mit derjenigen Abtheilung der Ü'hroococcaceen, bei welcher die Zelltheilung nur nach einer Richtung geschieht, wäh- rend Sarcıina sich an die O’hroococcaceen mit kreuzweiser Zelltheilung (Merismopedia) anschliesst (vgl. Naegeli, einzellige Algen 1849 p: 56, Rabenhorst, Flora Algarum europaea vol. II. p. 6). Die Stäbehenbaeterien entsprechen der Gattung Synechococcus (Cellulae oblongae, singulae vel 2—4 in familias seriatae) deren Arten auf feuchten Felsen blaugrüne Ueberzüge bilden, und ihrer Gestaltung nach vollständig mit Dacterium übereinstimmen; Mecrococcus dagegen unterscheidet sich von Chroococeus nur durch die kleinen und farb- losen Zellen. Die Zoogloeaartigen Gallert- und Schleimmassen finden wir in der Chroococcaceen-Gattung (Grloeothece (Aphanothece, Cocco- chloris) in ganz übereinstimmender Weise. Doch ist bei letzteren ein Ausschwärmen aus der Gallert nicht beobachtet. Gallertbildung ist übrigens ein bei niederen einzelligen Organismen häufiger Zustand, und insbesondere die Euglenen, welche gewöhnlich in lebhafter Bewegung im Wasser umherschwärmen, scheiden zu Zeiten durch Aufquellen ihrer Zellhäute einen Schleim aus, vermittelst dessen sie sich zu Gallertmassen oder schwimmenden Häuten (Micro- cystis Noltil) verbinden und bewegungslos, aber in lebendiger Zell- theilung, so lange verharren, bis sie von neuem, aus der Intercellular- substanz tretend, ausschwärmen. Die Fadenbacterien sind, wie ich ebenfalls schon 1853 ausge- sprochen, so nahe mit Oscillaria, und zwar mit den farblosen Arten der Untergattungen: Deggiatoa (mit spontan beweglichen Fäden) und Leptothric (mit unbeweglichen Fäden) verwandt, dass eigentlich, abgesehen von der Kürze der Fäden, keine wesentliche Scheidung zu bestehen scheint. Die graden Dacillus entsprechen der Normal- form von Oscillaria; die welligen Stäbehen von Vibrio finden sich bei Oscillaria terebriformis und verwandten Arten wieder. Die 187 Gattung Spirochaete schliesst sich untrennbar an die kleineren Sprru- linen; die Spirillen sind anscheinend nur kürzere Formen desselben Typus. Die Entdeckung der Geisseln bei Sp. volutans, welche dieselben an die Flagellata anreiht, macht allerdings die natürliche Stellung dieser Organismen wieder zweifelhaft, da keine Oseillarie Geisseln besitzt. Der Hauptgrund, der so vielen Beobachtern es unmöglich macht, die Bacterien zu den Pflanzen zu stellen, ist die anscheinend will- kührliche Bewegung. Dennoch ist nicht der geringste Zweifel, dass diese scheinbare Willkühr nur Täuschung ist. Der Begriff der Willkühr, welcher Empfindung, Bewusstsein, Ueberlegung und Wollen in sich fasst, setzt eine so complieirte psychische Thätigkeit voraus, dass von solcher bei diesen einfachen Organismen nicht die Rede sein kann. Welcher Art die spontane Bewegungskraft ist, welche die Bacterien gleich den Osecillarien und den Diatomeen, den Sper- matozoiden und den Zoosporen, durch Rotation um ihre Längsachse dreht, und dadurch zugleich ihre Ortsveränderung inducirt, wissen wir nicht; aber davon sind wir überzeugt, dass dieselbe nicht in die Welt des „Willens und der Vorstellung,“ sondern in das „Reich des Unbewussten“ fällt. | Es könnte die Frage entstehen, ob nicht die Kugelbacterien mit den Alcohol-Hefepilzen (Sacharomyces) verwandt seien. Die eigen- thümliche Art der Zellenvermehrung von Micrococcus, welche die Rosenkranzförmigen Reihen (Torulaform) veranlasst, kann es zweifel- haft machen, ob hier wirkliche Zelltheilung, oder nicht vielmehr Sprossung vorliegt wie bei den Hefepilzen. Der mikroskopische Anblick allein entscheidet nicht. Die Rosenkranzfäden von Nostoc entstehen durch Theilung; die Sporenketten von Aspergillus oder Peniecillium dagegen durch Sprossung. Die Micrococeuszellen sind zu klein, um unter dem Mikroskop den Vorgang der Zellenvermehrung klar zu verfolgen. Es giebt allerdings Hefe(Sacharomyces)arten, welche ganz ähnliche Pigmenthäufchen bilden, wie Mierococcus. Die Rosa- hefe, welche Schroeter (l. ec. p. 110 Anmrk.) auf Kartoffeln beobachtet, ist zuerst von Fresenius auf Kleister entdeekt und als Uryptococ- cus glutinis bezeichnet worden (Beiträge zur Mycologie Heft II.); ich ändere den Namen nach neuerer Terminologie in Sacharomyces glu- tinis. Ich habe die Rosahefe sehr häufig in kleinen rosa Pünktehen von , mm. Durchmesser bis zur Grösse von Mohnkörnchen auf gekochten Kartoffeln entstehen sehen. Durch Aussaat resp. Impfung vermittelst einer Nadelspitze lässt die Rosahefe sich leicht auf frische Kartoffel- stücke verpflanzen, und wächst innerhalb drei Tagen zu schön rosen- 188 farbenen dicken, jedoch nicht schleimigen, sondern trockenen, im Wasser, wie Stärke, in die einzelnen Zellen zerfallenden Flecken von 10)}Cm. Fläche und darüber. Auch durch Aussaat auf chemische Lösungen (insbesondere weinsaures Ammoniak) konnte ich die Rosa- hefe constant vermehren; sie bildet hellrothe Ränder auf, und Absätze in der Flüssigkeit, und zeichnet sich durch kuglige oder ovale Zellen aus, die 4 Mikrom. im kürzeren, 5 Mikrom. im längeren Durchmesser erreichen und einen deutlichen Zellkern enthalten. Zusatz von Wasser verändert anfänglich die Zellen, indem es das Protoplasma eontrahirt; später dehnt sich das Plasma in ihnen wieder aus; es bildet sich eine grosse, fast die ganze Zellhöhle erfüllende Vacuole, oder auch 2 bis 4 kleinere. Diese Hefezellen sprossen, wie schon Fresenius fand, auf gewöhnliche Weise, so dass zwei, selten mehr Kugeln durch Sprossung zusammenhängen; unter den grösseren finden sich auch weit kleinere Hefezellen; die Rosahefe reagirt alkalisch. Der rosa Farbstoff ist in frisch vegetirenden Hefezellen nicht wahrzunehmen; in vertroekneten Häufchen, wo die Zellen beim Befeuchten den ölartigen Zellkern deutticher hervortreten lassen, erscheint dieser Kern schwach röthlich gefärbt; in die Flüssigkeit tritt das Pigment nicht über. (Tab. III. fig. 6.) Wenn kleine Hefezellen eonstant nach einer Richtung, und nicht, wie gewöhnlich, an mehreren Stellen fortsprossen, oder wenn um- gekehrt Kugelbaeterien verzweigte Ketten bilden könnten, was ich jedoch nie gesehen habe, so würde eine Unterscheidung beider For- men, abgesehen von den Dimensionen, gewiss nicht ohne Schwierig- keit sein. Für jetzt halte ich jedoch die Aehnlichkeit von Sacharo- myces und der Torulaform des Micrococeus nur für eine äusserliche; dass wie Hallier, Karsten, Lüders, Huxley und Andere wollen, Bacterien und Alcoholhefe in einen und denselben Entwicklungskreis gehören, widerspricht allen zuverlässigen Beobachtungen. Nicht minder entschieden muss ich jeden Zusammenhang zwischen Bacterien und Schimmelpilzen in Abrede stellen. Als ich diese Unter- suchungen begann, stellte ich es mir zur Hauptaufgabe zu prüfen, ob Bacterien ausschliesslich aus Keimen sui generis, oder ob sie, wie so vielfach behauptet wird, auch aus Penieillium und anderen Pilzen (als Mierococeusschwärmer) hervorgehen können. Meine Ergeb- nisse sind durchaus negativ, und in vollem Einklange mit dem, was seitdem Burdon Sanderson (The origin and distribution of Micro- zymes [Bacteria] in water and the circumstances which determine their existence in the tissues and liquids of the living body. Second Report concerning the intimate pathology of contagion, Appendix of 189 the 13 Report of the Medical officer of the Privy Couneil; abgedruckt in Quaterly Journal of the Microse. Society Oct. 1871) und Manas- sein (in Wiesner, Mikroskopische Untersuehungen: über Beziehung der Bacterien zu Penieillium glaucum p. 129) bereits veröffentlicht haben. Abgesehen von den Ergebnissen vorurtheilsfreier mikrosko- pischer Untersuchungen, die niemals eine Entwicklung von Bacterien zu Mycelpilzen und umgekehrt entdecken lassen, geben auch zwei Experimental-Methoden in dieser Beziehung übereinstimmende und, wie ich glaube, entscheidende Resultate. Die eine beruht auf der zuerst von Burdon Sanderson her- vorgehobenen Erfahrung, dass in chemische Lösungen, die im Uebri- gen zur Entwicklung der Bacterien durchaus geeignet sind, selten oder nie Bacterienkeime aus der Luft hineinfallen, auch wenn sie beliebige Zeit offen hingestellt werden, wohl aber Schimmelsporen; dass sich daher in dergleichen offen stehenden Lösungen nach einiger Zeit von selbst Schimmelpilze entwickeln, aber keine Bacterien. Es ist nicht nöthig, meine Versuche, die mir von selbst die obige That- sache aufdrängten, ehe ich noch die Sanderson’sche Beobachtung kannte, hier einzeln aufzuzählen; sie gaben stets das nämliche Resul- tat. Wurde ein Reagenzeylinder sorgfältig ausgekocht, dann mit frisch gekochter Pasteurscher, oder mit der von mir gewählten und später zu beschreibenden Nährflüssigkeit zur Hälfte gefüllt, und dann im Heizkasten oder auch in freier Luft offen hingestellt, so erschienen oft selbst nach Monaten keine Bacterien, wohl aber in der Regel nach wenig Tagen oder Wochen Mycelien, die zuerst an der Ober- fläche weisse, strahlige Flöckchen bildeten, und sich rasch vergrösser- ten und vermehrten; einzelne Flöckchen sanken bald unter oder setz- ten sich an den Wänden fest und vegetirten reichlich, fructifieirten auch in der Luft (in der Regel Penieillium, in anderen Fällen Aspergillus, Fusisporium u. a. Schimmel). Warum aus der Luft keine Baeterien- keime in die Nährflüssigkeit hineinfallen, ist nicht leicht festzustellen; vielleicht sind die Bacterienkeime nicht reichlich genug in der Luft vorhanden, um jede Eprouvette zu besamen; noch wahrscheinlicher ist, dass dieselben zu leicht sind, um die Oberfläche der Flüssigkeit zu durchbrechen; vielleicht ist auch die Membran der Bacterienkeime schwer zu benetzen, so dass, wenn sie auch auf eine Flüssigkeit hinabfallen, sie nicht in dieselbe eindringen, sondern von den Luft- strömungen wieder fortgeblasen werden (etwa wie Semen Lycopodii). Dagegen mögen die schwereren Schimmelsporen besser an der Ober- fläche der Flüssigkeiten haften, rasch benetzt werden, und daher zur Keimung gelangen. Mitunter, wenn auch nach längerer Zeit, 190 entwickeln sich übrigens auch in chemischen Lösungen die Bacterien von selbst, d. h. durch nachträglich hinabgefallene Keime, die also vielleicht durch besondere Umstände, weil an Staubkörnern oder andern aus der Luft in die Flüssigkeit fallenden Körpern haftend, die oberste Flüssigkeitsschicht durchbrochen haben. Jedenfalls gelingt es leicht, längere Zeit Penicillium und andere Mycelien in einer Flüssigkeit zu eultiviren, ohne dass eine Spur von Bacterien sich entwickelt. Noch leichter ist das Entgegengesetzte; wenn man in ein Reagenzglas mit Nährflüssigkeit Bacterienkeime, ohne Schimmelsporen, oder Mycelfäden aussät, und den Glas- eylinder sodann durch einen Baumwollenpfropf gegen Luftzutritt verschliesst, so vermehren sich die Bacterien durch unbegrenzte Zeit, obne dass jemals Mycel sich entwickelt. In dieser Beziehung sind meine Versuche, die ein Paar hundert Nummern zählen, völlig überzeugend; sie zeigen eben, dass wenn Bacterien gesät werden, sich nur Bacterien und keine Mycelpilze entwickeln, und umgekehrt durch Aussaat von Schimmelsporen nur Schimmelpilze wachsen, dass aber niemals der eine Organismus aus dem andern hervorgeht. Eine zweite Methode beruht darauf, dass die Temperaturen, welche Schimmelsporen und Bacterien tödten, verschieden sind; oder viel- mehr, dass unter Umständen Schimmelsporen in einer bestimmten Temperatur der Nährflüssigkeit sich länger lebendig erhalten, als Bacterien. Ich werde auf die Beziehungen der Temperatur zu den Bacterien noch später zurückkommen, und beziehe mich hier nur auf die von mir mehrfach constatirte Thatsache, dass in einem Kölb- chen mit fäulnissfähigen organischen Substanzen, wenn dasselbe eine Zeitlang gekocht und sodann mit Baumwolle verstopft ist, sich nie Baeterien, wohl aber mitunter Penieilliummycel entwickelt. Ich gebe statt vieler nur ein Paar Beispiele. Am 26. Mai 1871 kochte ich eine Erbse in einem Glaskölbehen mit etwa 10 G. destillirtem Wasser; unmittelbar nach dem Kochen wurde der Hals des Kölbehen mit Baumwolle verstopft. Zum Gelin- gen ist erforderlich, dass der Hals lang und in der Mitte wo möglich etwas eingeschnürt ist, damit die Baumwolle nicht leicht zufällig mit der Flüssigkeit in Berührung kommen kann; das Wasser blieb klar, die Erbse unverändert bis zum 283. September, wo ein weisses Peni- eillium-Mycel sich entwickelte, aber ohne Bacterien und ohne Fäul- niss. Am 15. Juni wurde eine in Stücke zerschnittene Erbse in einem ähnlichen Glaskölbehen 4 Stunde auf 80° erhitzt, dann der Kolbenhals, wie früher, mit Baumwolle verstopft; hier erschien schon am 24, Juni weisses strahliges Mycel im Wasser, das sich in Räschen 191 ausbreitete, am 30. Juni als Penieillium fruetißeirte; bis zum 7. August hatte sich das Penicillium immer weiter verbreitet und die Oberfläche mit schwärzlichem Sporenstaub bestreut, das Wasser aber blieb klar, baeterienfrei und die Erbsen unverändert und ungefault. Es ist hier nicht der Ort zu ermitteln, ob die Penicilliumsporen höheren Temperaturen länger Widerstand leisten, als die Bacterien, oder ob die Peniecillium-Sporen nachträglich aus dem Baumwollen- pfropf hinabgefallen sind. Die Versuche von Hoffmann, die neuer- dings von Manassäin mit besonderer Umsicht wiederholt worden sind, haben ergeben, dass befeuchtete Penieilliumsporen schon bei mässiger Erhitzung getödtet werden, trockene dagegen sehr hohen Temperaturgraden lange widerstehen, vermuthlich weil sie, als schlechte Wärmeleiter und durch die adhärirende Luit noch geschützt, diese Temperatur nur sehr langsam in’s Innere eindringen lassen. Für das Verhältniss der Bacterien zu Peniecillium kömmt es jedoch darauf nicht an; jedenfalls steht fest, dass sich keine Bacterien aus dem Penieillium-Mycel entwickeln, und überhaupt nicht in ’einer Flüssigkeit auftreten, wenn nur Penieillium-Sporen, nicht aber Bacterien- Keime absichtlich oder unabsichtlich ausgesät worden sind. Aus alledem ergiebt sich, dass die Bacterien eine in sich abge- schlossene Gruppe von Organismen sind, die mit den Hefe- und Schimmelpilzen in keinem entwickelungsgeschichtlichen Zusammenhang stehen, die ihrer parasitischen Lebensweise wegen allerdings als Pilze bezeichnet werden können, obwohl sie sich von den typischen Pilzen durch den Mangel des Mycels und der Basidio- und Asco-Sporen wesentlich unterscheiden, und deshalb von Naegeli mit Recht zu einer selbstständigen Abtheilung (Schizomyceten) erhoben wurden; dass jedoch nach ihren morphologischen und entwickelungsgeschichtlichen Verhältnissen die Bacterien und die Schizomyceten überhaupt die nächste Verwandtschaft mit den als Phycochromaceen bezeichneten Algen besitzen. In meinem Versuch eines natürlichen Systems der Kryptogamen (Hedwigia 1872 No. I, Bericht der botanischen Seetion der Schlesischen Gesellschaft für 1571) habe ich deshalb die Bacte- rien sammt den übrigen Schizomyceten mit den Familien der Phyco- chromaceen (Ühroococcaceae, Oscillarieae, Nostoceae ete.) in eine natürliche Ordnung unter dem Namen Schizosporeae verbunden. 10. Ueber die Ernährung der Bacterien. Die Lehre von der Ernährung der Fermentpilze ist durch Pasteur in seiner Abhandlung über die Aleoholgährung (Ann. de Chem. et de Phys. LVIIIL. 1858, deutsch von Vietor Griesmayer. Augs- 192 burg 1871) gegründet worden. Indem Pasteur an die Entdeckun- gen von Th. de Saussure und Liebig über die Ernährung der grünen Gewächse anknüpfte, und darauf weiterbaute, zeigte er, dass auch diese niedersten und kleinsten Pflanzen denselben Gesetzen unterliegen. Die Hefepilze bestehen aus denselben chemischen Ver- bindungen wie alle übrigen Pflanzen; sie enthalten eine Anzahl Aschenbestandtheile, unter denen Kali und Phosphorsäure die wich- tigsten, dann Kohle, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Sie kön- nen nur wachsen und sich vermehren, soweit ihnen diese Elemente als Rohstoffe dargeboten werden, um sich in ihren Zellen zu Bildungs- stoffen umzuwandeln. Dass die Aschenbestandtheile für das Wachs- thum der Hefepilze ebenso unentbehrlich sind, wie für grüne Pflanzen, ist eine der wichtigsten von Pasteur nachgewiesenen Thatsachen; Sauerstoff und Wasserstoff erhalten sie in Form von Wasser; vom Stickstoff hatte man geglaubt, er werde von den Hefepilzen in Form von Eiweissverbindungen aufgenommen; Pasteur zeigte, dass diese Pilze den Stickstoff assimiliren und zu Eiweissverbindungen (Proto- plasma) verarbeiten, wenn er ihnen als Ammoniak geboten wird. Während man also bis dahin geglaubt hatte, dass diese Pilze sich in Bezug auf die Stickstoffaufnahme den Thieren gleich verhalten, welche weder den freien Stickstoff der Atmosphäre noch Ammoniak, sondern ausschliesslich organische Stiekstoffverbindungen, insbesondere Albu- minate assimiliren, zeigte Pasteur, dass die Hefepilze vielmehr mit den grünen Pflanzen übereinstimmen, insofern sie den Stickstoff in Form von Ammoniak aufnehmen können. Den Kohlenstoff dagegen nehmen die Hefepilze nicht wie die grünen Pflanzen, als Kohlensäure auf, da sie offenbar wegen des mangelnden Chlorophylis Kohlensäure nicht assimiliren können; der Hefepilz entnimmt vielmehr die Kohle, den Hauptbestandtheil seines Plasma wie seiner Zellhaut, aus dem Zucker; nach Pasteur wird sogar der Zucker direct in die isomere Cellulose und in die Fette des Hefepilzes umgewandelt, während ein anderer Theil des Zuckers sich wahrscheinlich mit Ammoniak ver- binden kann, um die eiweissartigen löslichen und unlöslichen Bestand- theile der Hefezellen (das Proteplasma) zu bilden. Aus diesen That- sachen schloss Pasteur, und bestätigte auf experimentellem Wege seine Folgerung, dass die Pilze der Hefe und anderer Fermente sich in einem Medium völlig normal entwickeln und vermehren können, welches besteht aus einem gährungsfähigen Stoff (matiere fermescen- tible) und einer Anzahl zweekmässig gewählter krystallisirter Mineral- salze (Comptes rendus de l’Acad. des seiences 18. Dec. 1871.) Er hat diesen Satz mit schlagender Argumentation und mit Hülfe geist- 193 voller Versuche siegreich gegen die gewichtigen Bedenken von Liebig so wie auch gegen die flacheren Angriffe vertheidigt, welche gegen ihn durch Fremy im Schoosse der Pariser Akademie selbst im Anfange dieses Jahres gerichtet wurden. Pasteur hat es nicht versucht, die von ihm in Bezug auf die Aleoholhefe festgestellten Thatsachen auch auf die von ihm zum Theil als Infusorien betrachteten Bacterien anzuwenden, insbesondere auf diejenigen, welche die Fäulniss veranlassen. Beschränken wir das Wort „Gährung“ auf die Umwandlungen stickstofffreier organischer Verbindungen unter dem Einfluss von Ferment- Organismen, das Wort „Fäulniss“ dagegen auf die analoge Zersetzung stickstoff- haltiger, insbesondere Eiweissartiger Körper, so scheint ein Unter- schied zwischen beiden Klassen darin obzuwalten, dass bei der letz- teren die Stickstoffverbindungen direct von den durch die Organismen eingeleiteten chemischen Prozessen aflieirt werden, während sie bei den Gährungen nur indireet, als Nährstoffe der Fermentpilze, betheiligt sind. Wenn es daher begreiflich ist, dass die Hefepilze sich normal vermehren und Alcoholgährung erregen können in einer Flüssigkeit, : welche neben Zucker nur Ammoniak und Aschensalze, aber keine Eiweissstoffe enthält, so könnte man vermuthen, dass die Bacterien der Fäulniss direet auf die Eiweissstoffe angewiesen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie schon aus den von Pasteur gelegentlich gemachten Versuchen und Beobachtungen sich schliessen liess. Bacterien entwickeln und vermehren sich auch in Eiweiss- freien Flüssigkeiten, welche den Stickstoff in Form von Ammoniak enthalten. In allen seinen Versuchen benutzte Pasteur die näm- liche Mischung, welche heut unter dem Namen der Pasteur’schen Flüssigkeit allbekannt, aus 100 Gewichts-Theilen destillirtem Wasser, 10 Theilen reinstem Candiszucker, 1 Theil weinsaurem Ammoniak und der Asche von 1 Theil Hefe zusammengesetzt ist, deren Gewicht etwa 0,075 der Mischung beträgt. Pasteur machte bereits die Bemerkung, die sich bei der Wiederholung leicht bestätigt, dass, wenn man in diese eiweissfreie Flüssigkeit Hefe aussät, dieselbe oft nicht zur Entwickelung kommt, weil gewisse Infusorien (Bacterien) nebst verschiedenen Schimmelpilzen und Milchsäureferment sich von denselben Nährstoffen ernähren und indem sie im Kampf um’s Dasein die Oberhand gewinnen, die Entwicklung des Alcoholferments mehr oder minder hindern. Schon Dujardin hatte 20 Jahre vor Pasteur beobachtet, dass sich eine Lösung von Zucker mit oxalsaurem und phosphorsaurem Ammoniak und Kochsalz, die also keine Eiweissstoffe enthielt, nach 10 Tagen mit einer weissen, ganz aus Dacterium Termo Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft LI. 5 194 gebildeten Haut bedeckt hatte; auch Süssholzzucker 15 G. mit oxal- saurem Ammoniak 10 G. und Regenwasser 100 G. hatte nach 5 Tagen eine trübe, ganz aus D. Termo bestehende Schicht an der Oberfläche gebildet (Histoire des Infusoires 1841 p. 214); in ähnlichen Mischun- gen entwickelten sich andere Bacteriumarten. Eine Reihe der erfolgreichsten Versuche nach dieser Richtung hat Burdon Sanderson in seiner bereits eitirten Arbeit bekannt gemacht; wenn er Bacterienkeime in Pasteur’sche Flüssigkeit aus- säte, so wurde dieselbe in kurzer Zeit getrübt und mit Bacterien dicht erfüllt, ganz so wie das eine eiweissartige Flüssigkeit thun würde. Diese Erscheinung tritt so beständig auf, dass man sie als ein Kennzeichen benutzen kann, um zu ermitteln, ob in einer Substanz Bacterienkeime enthalten sind oder nicht. Wird nämlich ein Körper oder eine Flüssigkeit, welche Bacterienkeime enthält, in gekochte Pasteur'sche Flüssigkeit gebracht, so entsteht innerhalb 6 Tagen Bacterientrübung; war die Substanz frei von Bacterien, so bleibt die Pasteur’sche Flüssigkeit klar, selbst wenn sie offen steht, da eine Infieirung durch die Luft, wie schon oben bemerkt, in der Regel nicht stattfindet; es ist daher Pasteur’sche Flüssigkeit ein Reagenz auf Bacterien. Durch diese Methode ermittelte Sanderson, dass alles Wasser, filtrirtes, wie nicht filtrirtes, Bacterienkeime enthält, selbst das Schneewasser des reinsten Eises, und das destillirte Wasser, mit Ausnahme allein des frisch destillirten; dagegen existiren in den Geweben und Flüssigkeiten gesunder lebender Thiere und Menschen keine Bacterienkeime, wenn sie vor Verunreinigung durch offene Ober- flächen behütet sind; weder frisches noch coagulirtes Blut, noch Muskelfleisch, noch Hühnereiweiss, weder Harn noch Speichel noch Milch, noch selbst reiner Eiter enthält Bacterienkeime, da sie Pasteur- sche Flüssigkeit nicht trüben. x Mit Hülfe derselben Methode konnte auch Sanderson fest- stellen, durch welche Einflüsse Bacterien getödtet werden; er er- mittelte hierdurch, dass oberflächliches Trocknen die Lebensfähigkeit der Bacterien nicht zerstört, wohl aber scharfes Trocknen selbst bei 40° C.; dass Zusatz von 0,5 % Soda, Carbolsäure oder schwefel- saurem Chinin ihre Entwicklung hindert, und daher desinfieirend wirkt, nicht aber 0,1 °%o, dass Zusatz von ozonisirtem Wasser, von 1 % Wasserstoffsuperoxydlösung, von 5 °o Chlorwasser Bacterien tödtet u. s. w. Auch Polebotnow und Manass&in (l. 1. c. c.) haben die Bacterienentwicklung in eiweissfreier Pasteur’scher Flüssigkeit be- obachtet, 195 Ich selbst hatte, noch ehe die hier berichteten Versuche bekannt wurden, mir zur Aufgabe gestellt, die Ernährung der Bacterien mit Rücksicht auf die von Pasteur an andern Fermentpilzen gemach- ten Beobachtungen zu studiren. Ich benutzte anfänglich ebenfalls Pasteursche Flüssigkeit, erkannte jedoch bald, dass dieselbe für Er- nährungsversuche mit ‚Bacterien wegen ihres Gehalts an Rohrzucker minder geeignet sei. Dieser ist ein so günstiger Nährboden für den Aleoholhefepilz, so wie für Schimmelarten, dass deren Entwicklung, die nicht immer verhütet werden kann, die Vermehrung der Bacterien beeinträchtigt und die Ergebnisse zweifelhaft macht. Zweitens wird bei längerer Dauer des Experiments insbesondere bei höherer Tem- peratur, so viel Wasser verdunstet und in Folge dessen die Zucker- lösung so concentrirt, dass sie wiederum keine normalen Bedingungen für Bacterienentwicklung gewährt; wollte man, um dies zu verhüten, von Zeit zu Zeit Wasser zufügen, so würde man ebenso viele Fehler- quellen in das Experiment einführen. Endlich und hauptsächlich ist der Zuckerzusatz darum verwerflich, weil er die Zusammensetzung der Flüssigkeit unnöthigerweise complieirt, und in Folge dessen das Verständniss der Ernährungsvorgänge erschwert. Während Pasteur und seine Nachfolger die Gegenwart des Zuckers als matiere fermescentible für die Entwicklung der Fermentorganis- men als unentbehrlich aufzufassen scheinen, stellte ich fest, dass der Zucker eben nur für die Alcoholhefe unentbehrlich, dass er aber für die Baeterien durchaus überflüssig ist. Die Ernährung der Bacte- rien geht eben so gut, ja bei weitem besser vor sich, wenn aus der Pasteur’schen Flüssigkeit der Zucker weg- gelassen wird. Ich habe daher zu meinen Versuchen immer nur eine Flüssigkeit angewendet, welche in 100 Theilen destillirtem Wasser 1 Theil weinsaures Ammoniak und circa 1 Theil Aschen- bestandtheile enthält. Pasteur benutzte zu seiner Flüssigkeit wirkliche Hefenasche, welche bekanntlich ausserordentlich schwer kohlenfrei darzustellen ist. A. Mayer (Untersuchungen über die Alcoholische Gährung 1870) brachte einen wesentlichen Fortschritt, indem er den Antheil der einzelnen in der Hefenasche enthaltenen Mineralbestandtheile an der Ernährung der Alcoholhefe experimentell ermittelte, und statt der durch Caleiniren erzeugten Asche vielmehr eine Normallösung der in der Hefenasche enthaltenen Salze in ähnlicher Weise zu benutzen lehrte, wie bei den Wassereulturen höherer Pflanzen die Aschensalze immer nur in Lösung zugesetzt werden. Ich benutzte die Mayersche Normallösung der mineralischen Nährsalze (0,1 G. phos- 15% 196 phorsaures Kali, 0,1 G. krystallisirte schwefelsaure Magnesia, 0,01 drei basisch phosphorsaurer Kalk) auf 20 Cub. Cm. destillirtes Wasser; hierin wurden 0,2 G. weinsaures Ammoniak aufgelöst. Ich werde die hier bezeichnete Mischung, welche gewöhnlich für je einen Versuch verwendet wurde, als normale Bacteriennährflüssigkeit be- zeichnen; diese Flüssigkeit reagirt schwach sauer und ist vollkommen wasserklar; zu vielen Versuchen verwendete ich nur die Hälfte obigen (Quantums; auch bemerke ich, dass, wo es nicht auf quantitative Bestimmungen ankömmt, zu denen ich der Mitwirkung eines Chemikers bedurft hätte, geringe Abweichungen in der procentischen Zusammen- setzung das Resultat nicht wesentlich beeinträchtigen; insbesondere benutzte ich häufig auch die Wolf’sche oder Knop’sche Nährsalz- lösung, welche aus phosphorsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia, salpetersaurem Kalk, oder (wenn es sich um Abwesenheit der Salpeter- säure handelte) Chlorcaleium besteht. Wenn es darauf ankam, sie von Bacterienkeimen frei zu halten, wurde die Flüssigkeit vor dem Versuche gekocht. Bei allen Versuchen wurde die Einführung der Bacterienkeime nicht dem Zufall überlassen, sondern Bacterien methodisch ausgesät. Ich liess zu diesem Zwecke Erbsen, Lupinen, Mais und andere Pflan- zensamen in einem Glase mit gewöhnlichem Wasser faulen, in Folge dessen die Flüssigkeit dick, trübe und stinkend wurde, von unzähligen Bacterien dicht erfüllt ward und Monate lang so verblieb. In die- sen Aufgüssen fanden sich verschiedene Arten, namentlich Dacillus und Micrococcus; doch war D. Termo weit überwiegend und ver- mehrte sich in der Regel eine Zeit lang oder anhaltend ganz allein, fast ohne fremde Beimischung; es beziehen sich daher die Ernährungsversuche zunächst auf Dacterium Termo. Von dem faulenden Aufguss wurden bei jedem Versuche 1—2 Tropfen der normalen Nährflüssigkeit zugesetzt, dann durch Schütteln gleichmässig vertheilt, was bei der geringen Menge des Zusatzes keine irgend bemerkliche Trübung zur Folge hatte, Ich werde diesen Zusatz als Bacterientropfen bezeichnen. Zu den Versuchen wurden theils gewöhnliche, theils mit Füssen versehene Reagenzeylinder, theils Glaskölbehen von 10—20 CC. In- halt mit längerem oder kürzerem Halse benutzt, die vorher, wenn erforderlich, ausgekocht waren. Da die Versuche meist im Winter 1875 angestellt wurden, so wurden die Versuchseylinder, um eine constante höhere Temperatur zu erzielen, in einen von mir für Keim- versuche im Pflanzenphysiologischen Institut construirten Blechkasten gestellt, zwischen dessen doppelten Wänden sich Wasser befindet, 19% das durch eine unter dem Blechkasten befindliche kleine Gasflamme mit Hilfe eines Bunsen’schen Regulator constant auf 30—35° (. er- wärmt wird, und diese Temperatur dem innern Raume des Blechkastens, der durch eine Glasplatte oder ein Glasdach abgeschlossen wird, mit- theilt. Es ist der nämliche Apparat, den auch Ciesielski bei sei- ner in diesem Heft aufgenommenen Abhandlung über Einfluss der Schwerkraft auf die Wurzeln benutzt hat; in solchen Heizkästen konnte ich eine grosse Zahl von Versuchseylindern gleichzeitig und durch Wochen und Monate bei einer constanten höheren Temperatur erhalten, welche der Vermehrung der Bacterien am günstigsten scheint. Unter den zahlreichen Versuchen wähle ich nur einzelne aus. Am 12. November 1871 wird ein Bacterientropfen in normale Nährflüssigkeit gebracht; nach zwei Tagen ist die Trübung sichtbar, nach sechs Tagen ist dieselbe ganz milchig und undurchsichtig; an der Oberfläche schwimmt eine 5 Centim. hohe fast ölige Schleim- schicht, die ausschliesslich aus dicht gedrängten schwärmenden Bacte- rien besteht und eine grünliche Färbung hat; ausser D. Termo befinden sich auch Bacillus subtilis, Micrococcus Orepusculum in der Flüssig- keit; Wolken von Zoogloea hatten sich gebildet. Eine am 16. Novem- ber gleich zusammengesetzte Nährflüssigkeit war schon am 18. trübe, wurde bald milchig, grünlich, undurchsichtig, an der Oberfläche mit dieker Baecterienschleimschicht, und verblieb so bis zum 9. December, allmählich schlug sich in beiden Versuchen ein weisser pulveriger flockiger Absatz nieder, der aus Mecrococcus, Dacterium, Bacillus bestand und die Höhe von 1 Cm. erreichte, während die Flüssigkeit sich klärte; kein Mycel wurde gebildet. In beiden Fällen sah die Flüssigkeit genau so aus, als ob in ihr ein todter Thier- oder Pflanzen- körper faulte. Sehr überraschend wenn auch selbstverständlich ist der enorme Einfluss der Aschenbestandtheile; am 19. November wird in einem Reagenzcylinder eine einprocentische Lösung von weinsaurem Ammo- niak mit einem Bacterientropfen, jedoch ohne mineralische Nährsalze angestellt; sie bleibt bis zum 29. klar; an diesem Tage werden noch zwei Bacterientropfen zugesetzt; am 4. December ist die Flüssigkeit schwach getrübt, am 9. December ist die Trübung kaum zu bemerken, total verschieden von den gleichzeitig mit mineralischen Salzlösungen angestellten Versuchen, bei denen die Flüssigkeit, wie gesagt, milchig wurde. Alle ähnlichen Versuche geben das nämliche Resultat, dass nämlich in einer Nährflüssigkeit ohne Zusatz von Aschensalzen zwar eine geringe Vermehrung der Bacterien stattfindet, unzweifelhaft auf Kosten der im Bacterientropfen selbst zugefügten geringen Menge von 198 Salzen; aber die Trübung nimmt nicht zu, wie bei Gegenwart von Mineralnährstoffen, sondern verharrt auf einem geringen Grade. Dagegen sind die mineralischen Nährsalze ohne weinsaures Am- moniak für die Ernährung der Bacterien nicht ausreichend. Ein teagenzeylinder, welcher in 20 G. destillirtem Wasser phosphorsaurcs Kali, schwefelsaure Magnesia und Chlorealeium in erforderlieher Quantität (in Summa 0,2 G.) enthält, bleibt selbst nach Zusatz von zwei Bacterientropfen durch einen Monat völlig klar, da die Bacterien sich nicht vermehren. Noch weniger vermehren sich die Bacterien in reinem destillirtem Wasser, wie vergleichshalber durch "Zusetzen eines Bacterientropfens in einen mit destillirtem Wasser gefüllten Reagenzcylinder festgestellt wurde. Dass dagegen in gewöhnlichem Wasser Baceterienkeime enthal- ten sind, wie schon Sanderson nachgewiesen, beweist nachstehender Versuch. Am 18. November werden zwei Reagenzeylinder ausgekocht und gleichzeitig mit 20 G. gekochter Normalflüssigkeit gefüllt; die Oeffnung des einen wurde sofort, die des andern nach Zusatz von drei Tropfen Brunnenwasser mit einem Baumwollpfropfen verschlossen, letztere Flüssigkeit ist nach fünf Tagen bereits sehr trübe, an der Oberfläche bildet sich Zoogloea; sie bleibt so bis zum 9. December, wo sich bereits ein reicher Bacterienniederschlag abgesetzt; der andere Cylinder (ohne Zusatz von Brunnenwasser) ist bis zum 9. December völlig klar geblieben. Obige Versuche ergeben, dass Bacterien sich normal und zum vielmillionenfachen Quantum der ursprünglich ausgesäeten Menge ver- mehren in einer Flüssigkeit, welche durchaus frei von Eiweissver- bindungen und Zucker, neben einer gewissen Menge von Mineral- stoffen (Phosphorsäure, Kali, Schwefelsäure, Kalk und Magnesia) nur Ammoniak und Weinsäure enthält. Es leuchtet ein, dass in unsern Versuchen das Ammoniak die Stickstoff-, die Weinsäure die Kohlenquelle der Bacterien ist. Ich untersuchte nun zunächst, ob nicht auch andere organische Säuren den Bacterien die Kohle für ihre Zellen liefern können. Versuche, bei welchen in der normalen Nährflüssigkeit der Weinsäure Bernsteinsäure, Milchsäure, Essigsäure substituirt wurden, erwiesen, dass diese organische Säuren von den Bacterien assimilirt werden können; doch scheint die Weinsäure die günstigste Nähr- flüssigkeit abzugeben. Am 23. November wurden vier Reagenzeylinder mit 20 G. destillir- tem Wasser beschickt, in diesem 0,2 G. bernsteinsaures Ammoniak gelöst; dreien wurde die erforderliche mineralische Nährsalzlösung 199 beigegeben. Dem ersten Cylinder wurde ein Bacterientropfen zugefügt; er wurde am 27. November trübe, am 29. November milchig, vom 4.—9. December sehr trübe, am 13. Februar war die Flüssigkeit wieder klar, und ein Absatz von Bacterien am Boden niedergeschlagen. Der zweite Cylinder erhielt keinen Bacterientropfen, er blieb völlig klar; der dritte Cylinder erhielt einen Bacterientropfen, aber keine mineralischen Nährsalze; er war nach vier Tagen schwach, nach sechs Tagen etwas stärker getrübt; am 9. December war er bei wei- tem minder trübe als der erste Cylinder; in einem vierten offen stehenden Cylinder, dem ebenfalls keine Bacterien zugefügt waren, und der acht Tage lang klar geblieben war, erschien am 4. December Penieillium-Mycel, das sich reichlich vermehrte, und noch am 14. Febr. fortvegetirte; auch Bacterien hatten sich eingefunden. Am 23. Januar wurde eine Lösung von neutralem essigsaurem Ammoniak (1°) in destillirtem Wasser mit mineralischer Nährsalz- lösung und einem Bacterientropfen angestellt; dieser vermehrt sich anfangs nicht, weil sich Mycel entwickelt hat; allmählich aber trübt sich die Flüssigkeit und wird bis zum 10. Februar ganz milchig von zahllosen schwärmenden Stäbchenbacterien, während sich an der Ober- fläche eine dichte Schleimschicht von Kugel- und Stäbchenbacterien, und gleichzeitig ein blaugrünes lösliches Pigment bildet und die Flüssig- keit intensiv färbt. Wir werden sehen, dass essigsaures Ammoniak die Pigmentbildung durch chromogene Micrococeusarten begünstigt. Doch vermehren sich die Bacterien im essigsauren Ammoniak auch ohne Pigment. Eine Lösung von neutralem essigsaurem Ammoniak (10 Tropfen in 10 Gm. Wasser mit Nährsalzen) wurde am 5. Mai mit einem Bacterientropfen versetzt und ist fünf Tage später ganz trübe und zugleich alkalisch geworden, jedoch ohne sich zu färben. Mit Milchsäure hat schon Pasteur experimentirt; er berichtet in der Sitzung der Pariser Akademie vom 18. December 1871, dass wenn man zu einer Lösung reinsten milchsauren Kalks phosphor- saures Ammoniak, Magnesia und Kali und eine kleine Menge schwefel- saures Ammoniak nebst einem Bacterientropfen (Vibrio Pasteur) zusetzt, die Vibrionen sich zahllos vermehren und in der Flüssigkeit bewegen, bis die Milchsäure total verschwunden ist; alsdann fallen die Vibrionen todt auf den Boden des Gefässes. Meine eigenen ent- sprechenden Versuche bestätigten dies. Auch andere Kohlenverbindungen werden von den Bacterien assimilirt, insbesondere Rohrzucker, Milchzucker, Glycerin und Cellu- lose. In Bezug auf den Zucker scheint dies bereits aus den Versuchen mit der Pasteur’schen Flüssigkeit hervorzugehen, und ist auch so BR... 8. von Pasteur selbst aufgefasst werden; indess haben wir erwiesen, was Pasteur übersehen zu haben scheint, dass in der Weinsäure der angewendeten Ammoniakverbindung ein ausreichender Nahrungs- stoff für die Bacterien gegeben ist. Um daher den Nährwerth des Zuckers festzustellen, muss die Pasteur’sche Flüssigkeit so modifieirt werden, dass das weinsaure Ammoniak durch salpetersaures Ammo- niak ersetzt wird. A. Mayer hat diesen Versuch bereits für Aleohol- hefe angestellt, ich selbst habe gefunden, dass eine solche Flüssig- keit auch Bacterien reichlich zu ernähren vermag; dasselbe hat sich aus meinen Versuchen mit Milchzucker ergeben. Eine Lösung von 0,2 G. Milchzucker in 20 G. Wasser und Zusatz von 0,2 G. salpetersaurem Ammoniak ist schon nach zwei Tagen trübe von zahl- losen Kugel- und Stäbchenbacterien, zwischen denen auch jene eigenthümlichen schon oben erwähnten hefeartigen Zellen auftreten; nach sieben Tagen ist die Flüssigkeit stark sauer durch die er- zeugte Milchsäure, allmählich bildet sich ein weisser Absatz (vgl. Tab. II. fig. 5). Am 29. November werden in 20 G. destillirten Wasser 0,1 G. ‚Glycerin und 0,1 G. salpetersaures Kali, so wie 0,1 G. mineralische Nährsalze gelöst, die Flüssigkeit gekocht, nach dem Abkühlen zwei Bacterientropfen zugesetzt; die Flüssigkeit trübt sich bis zum 9. Decem- ber durch zahllose Bacterien, die auch einen Absatz bilden; allmählich entwickelt sich Mycel, welches den Bacterien die Nahrung entzieht. Dass Cellulose von gewissen Bacterien assimilirt wird, schliesse ich aus der schon von Mitscherlich gemachten Beobachtung, dass Vibrionen ein eigenthümliches Ferment bilden, welches Cellulose löst. (Monatsbericht der Berliner Akademie 1850. März.) Nur eine Kohlenstoffverbindung ist mir bekannt, die von den Bacterien nicht assimilirt wird, nämlich die Kohlensäure. In kohlensaurem Ammoniak vermehren sich Bacterien nicht. Auch der Harnstoff ist keine Nährflüssigkeit für Bacterien, offenbar weil er dem kohlensauren Ammoniak gleich zusammengesetzt ist. Am 27. Januar wurden in drei Reagenzeylindern je 0,2 G. krystallisirter Harnstoff in je 20 G. destillirtem Wasser gelöst; dem ersten Reagenz- eylinder wird ein Tropfen Bacterien, dem zweiten ein Bacterientropfen und 0,2 G. mineralischer Nährsalze, dem dritten nichts zugesetzt; alle drei sind bis zum 28. Februar völlig klar. Einem vierten Reagenzeylinder wurde am 3. Februar ausser Harn- stoff und mineralischen Nährsalzen noch 0,2 G. weinsteinsaures Kali zugefügt; nach drei Tagen in die Flüssigkeit trübe; am 19. Februar milchig, am 4. März dick milchig, ganz undurchsichtig geworden. 201 Der letzte Versuch beweist, dass der Harnstoff allein von Bacte- rien nicht assimilirt wird, wohl aber in Verbindung mit einer stick- stofffreien Kohlenverbindung, und dass insbesondere bei Gegenwart von Weinsäure der Harnstoff zwar nicht als Kohlenstoff-, wohl aber als Stickstoffquelle für die Bacterien dienen kann. Auch die Salpetersäure kann, wie ich glaube, den Bacterien ihren Stickstoff liefern, doch ist es schwer darüber zur völligen Ge- wissheit zu gelangen, weil es fast unmöglich ist, Ammoniakfreie Reagentien zu erlangen. So trübten sich Lösungen von Glycerin und salpetersaurem Kali, wie schon oben erwähnt; eine Lösung von Weinstein und salpetersaurem Kali am 30. Januar angestellt, war am 3. Februar sehr trübe, am 19. Februar schwach milchig, indem sich ein Absatz gebildet hatte; am 28. Februar war sie fast ganz klar geworden und reagirte sauer. Indess belehrt uns das Nessler'sche Reagenz, dass in den ange- gewendeten Lösungen auch stets Ammoniak, mitunter sehr reichlich enthalten ist. Ehe ich diese Thatsache constatirte, gewährte es mir nicht geringe Ueberraschung, auch in anscheinend stickstofffreien Nährflüssigkeiten mehr oder minder reiche Bacterienentwicklung zu beobachten. So wurde eine am 20. Februar angestellte zweiprocentige Lösung von käuflichem Milchzucker ohne allen fremden Zusatz schon am 24. Februar trübe unter reichlicher Bacterien- und Hefeentwicklung; am 27. war sie sauer; der durch das Nessler’sche Reagenz erzeugte starke gelbe Niederschlag bewies jedoch die Anwesenheit von Ammo- niak im Milchzucker. Ebenso trübten sich Lösungen von weinsteinsaurem Kali und Cremor tartari, ohne Zusatz einer Ammoniakverbindung, durch reich- liche Baeterienentwicklung mehr oder minder, wobei sich in der Regel auch Mycelpilze einfanden; das Nessler’sche Reagenz liess jedoch erkennen, wie grosse Mengen Ammoniak diese Stoffe aufgenommen hatten. Wenn so viele chemische Lösungen, selbst solche, welche allem Leben feind zu sein scheinen, wie z. B. Schwefelsäure, Arsenik, Sublimat, Eisenvitriol u. s. w., insbesondere aber Weinsäure, phosphor- saures Natron etc. sich bei längerem Stehen von selbst trüben oder schimmeln, so ist ohne Zweifel dabei das Ammoniak betheiligt, wel- ches diese Stoffe aus der Luft mehr oder minder reichlich eingeso- gen haben. Salpetersaures Ammoniak allein vermag die Bacterien nicht zu ernähren und trübt sich daher auch nicht, wie mehrere Versuche herausstellten; offenbar, weil es den Bacterien nicht den Kohlenstoff 202 darbieten kann. Eine Nährflüssigkeit dagegen, welche in 20 G. Wasser 0,1 G. weinsteinsaures Kali und 0,1 G. salpetersaures Ammoniak ent- hält, ist äusserst günstig für die Vermehrung der Bacterien, die in 3—5 Tagen die Flüssigkeit milchig machen und an der Oberfläche sich in dickem Schleim anhäufen. Aus obigen Beobachtungen können wir den Schluss ziehen, dass die Bacterien in völlig normaler Weise und in grösster Ueppigkeitsich vermehren, sobaldsiedieerforderlichen Aschenbestandtheile in Lösung vorfinden und ihren Stickstoff aus Ammoniak oder Harnstoff, wahrscheinlich auch aus Salpetersäure, ihre Kohle aus irgend einer organischen Kohlenstoffverbindnng, entnehmen können. Die Bacterien stimmen daher mit den grünen Pflanzen darin überein, dass sie den in ihren Zellen enthaltenen Stickstoff in Form von Ammoniakverbindungen assimiliren, was die Thiere nicht vermögen; sie unterscheiden sich dagegen von den grünen Pflanzen dadurch, dass sie den Kohlenstoff nicht aus der Kohlensäure zu entnehmen vermögen, sondern nur organische kohlenhaltige Verbindungen, ins- besondere Kohlenhydrate und deren Derivate, assimiliren, und in dieser Beziehung mit den Thieren übereinstimmen. Dieser Satz gilt zunächst für Dactercum Termo; es bleibt noch zu ermitteln ob er auch für alle Bacterienarten Anwendung findet, oder ob nicht einzelne Arten auf bestimmte Kohlenverbindungen an- gewiesen sind, wie etwa die Alcoholhefe auf Zucker; bis jetzt ist jedoch kein Fall der Art bekannt. Auffallend ist, dass die so verschiedenartige Zusammensetzung des süssen und Meerwassers auf die Entwicklung der Bacterien keinen Einfluss zu haben scheint; es werden wenigstens die sämmtlichen continentalen Arten, von DB. Termo bis zu Sp. volutans, auch aus dem Meere erwähnt, 13. Ueber die Fermentwirkungen der Bacterien. Die Fäulniss stiekstoffhaltiger thierischer oder pflanzlicher Gewebe und Säfte ist weder eine aus den chemischen Aflinitäten ihrer Atome von selbst hervorgehende Umlagerung der Molecule, welcher die- selben unterliegen, sobald sie dem Einfluss des Lebens entzogen sind. Noch ist Fäulniss die Folge einer spontanen Verbindung dieser Molecule mit dem Sauerstoff der Atmosphäre. Die Fäulniss ist vielmehr ein von Stäbchenbacterien (Dacterium Termo) erregter chemischer Prozess. So wie Zucker sich niemals von selbst in Alcohol und Kohlensäure zersetzt, nur durch die Hefe- 203 pilze zur Gährung erregt wird, so faulen organische stickstoffhaltige Substanzen nie von selbst, sondern nur, wenn sie durch die Lebens- thätigkeiten und die Vermehrung der Stäbchenbacterien zersetzt werden. Dieser Satz ergiebt sich nicht blos aus der mikroskopischen Unter- suchung faulender Stoffe, in denen sich zwar vielerlei Pilze und Infusorien zu entwickeln pflegen (saprophile Organismen), ausschliess- lich constant aber nur Stäbchenbacterien (D. Termo) die wir daher als saprogene oder Fäulnissbacterien schlechthin bezeichnen können. Der nämliche Satz drängt sich mit überzeugender Gewissheit auf aus einer vorurtheilsfreien Erwägung der zahlreichen Versuche über Generatio aequivoca, welche seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts in sinnreicher Methode ausgesonnen und in den letzten Jahren ganz besonders vermannigfaltigt sind. Ich habe im Laufe des vorigen Jahres diese Versuche, auf die ich noch zurückkomme, wiederholt, und ohne Ausnahme das nämliche Resultat erhalten: Keine Fäulniss entsteht, wenn zu einer stickstoff- haltigen organischen Substanz Bacterien nicht zutreten können, nach- dem die früher etwa vorhandenen getödtet worden sind. Fäulniss beginnt, sobald Bacterien, wenn auch in geringster Zahl, absichtlich oder unabsichtlich zugeführt werden; sie schreitet vor in demselben Verhältniss, in dem die Bacterien sich vermehren; sie wird verlang- samt, wenn die Bacterien (z. B. in niederer Temperatur) geringere Lebensthätigkeit entwickeln, sie wird zum Stillstand gebracht durch alle die Einflüsse, welche die Vermehrung der Bacterien gänzlich hemmen oder dieselben tödten; alle Baeterieiden Mittel sind daher auch antiseptische oder desinficirende. Umgekehrt vermehren sich die Bacterien nur so lange, als sie Fäulnissfähige Stoffe vorfinden, sind die Stoffe ausgefault, so hört auch die lebendige Thätigkeit und die Vermehrung der Bacterien auf; dieselben gehen in Ruhezustand über, in dem sie lange Zeit verharren können. In dem neusten Manifest in der Sitzung der Pariser Akademie vom 18. December 1871, in welchem Pasteur seine Gährungstheorie gegenüber der Liebig’schen vertheidigt, fasst er den Unterschied beider in folgender Weise zusammen: Nach der Ansicht von Liebig und den meisten Chemikern sei Gährung eine Bewegung, welche von den todten und in spontaner Zersetzung begriffenen Eiweissstoffen auf einen gährungsfähigen Stoff, zum Beispiel auf Zucker übertragen wird; es sei daher Gährung ein „correlatives Phänomen des Todes;“ Pasteur dagegen behauptet,. dass nur dann Gährung erregt werde, wenn mikroskopische, meist pflanzliche Organismen 204 sich auf Kosten eines Theils der gährungsfähigen Substanz ernähren und vermehren; alle Gährung sei von Leben begleitet, beide Vor- gänge beginnen und enden gleichzeitig; es sei daher Gährung ein correlatives Phänomen des Lebens. Wir wenden diese Lehre auch auf die Fäulniss an und stellen den paradoxen Satz auf: Fäulniss ist ein ecorrelatives Phä- nomen nicht des Todes, sondern des Lebens. Fragen wir aber, auf welche Weise die Bacterien Fäulniss erre- gen, so lässt uns die Chemie, welche die Phänomene der Fäulniss nur wenig studirt hat, im Stich; wir müssen uns darauf vertrösten, bis von dieser Seite uns Aufklärung geboten wird, und uns für jetzt darauf beschränken, die biologischen Verhältnisse der Bacterien bei der Fäulniss festzustellen. Soviel ich glaube, könnten möglicherweise vier verschiedene Be- ziehungen der Bacterien zur Fäulniss in Betracht gezogen werden. Entweder können die Bacterien eiweissartige Stoffe dadureh zersetzen, dass sie dieselben ganz oder theilweise assimiliren und durch eine Art Stoffwechsel in die Substanz ihrer eigenen Zellen umformen, etwa wie das Thier bei der Verdauung die Eiweissstoffe der Nahrungs- mittel in sein Fleisch und Blut verwandelt. Es können ferner die Bacterien in ihren Zellen einen besondern Stoff erzeugen und wieder ausscheiden, welcher als ungeformtes, flüssiges Ferment auf das Eiweiss lösend und chemisch verändernd wirkt, etwa wie die Zellen des Gerstenkorns Diastase erzeugen und ausscheiden, welche Stärkekörner löst und in Zucker umwandelt. Es kann endlich auch das Verhältniss der Bacterien zum Sauerstoff sein, in welchem der Schlüssel ihrer Fermentthätigkeit zu suchen ist; sei es nun dass dieselben den Eiweissstoffen, in denen und auf deren Kosten sie sich entwickeln, Sauerstoff entziehen, oder dass sie umgekehrt auf dieselben activen Sauerstoff übertragen; sie können sich daher, um die von Moritz Traube in seiner bedeutenden Abhandlung über Gährung eingeführten Bezeichnungen anzuwenden, entweder als Reductions- oder als Oxydationsfermente verhalten. Möglicherweise können auch zwei oder mehrere dieser Thätigkei- ten combinirt wirken. — Was zunächst das Verhältniss der Bacterien zum Sauerstoff be- trifft, so wird allgemein anerkannt, dass sie des Sauerstoffs in hohem Grade bedürfen, und es kann nicht zweifelhaft sein, dass auch bei den Bacterien Stoffwechsel und Vermehrung, wie die aller lebenden Zellen, nur unter Aufnahme von Sauerstoff und Ausscheidung von Kohlensäure vor sich geht. Um sich davon zu überzeugen, in welchem 205 Grade die atmosphärische Luft die Vermehrung der Bacterien fördert, dazu genügt ein Blick auf die Schleimmassen, welche sich an der Oberfläche bacterienhaltiger Flüssigkeiten anbäufen, Aber daraus folgt noch nicht, dass die Fermentwirkungen der Bacterien in gradem Ver- hältniss zur Sauerstoffaufnahme stehen; ebenso wenig folgt, dass die Fermentwirkung der Bacterien um so grösser sein müsse, je reich- licher sie sich vermehren. Auch der Alcoholhefepilz vermehrt sich am stärksten, wenn er an der Oberfläche zuckerhaltiger Flüssigkeit möglichst reichlich mit Luft in Berührung kommt, wie das in den Presshefenfabriken veranstaltet wird; aber die Fermentthätigkeit des Hefepilzes ist bei weitem grösser, d. h. es wird durch ihn bei weitem mehr Zucker in Alcohol umgewandelt, wenn er bei Aus- schluss der Luft vegetirt, obwohl er sich alsdann bei weitem weniger vermehrt. Es steht zwar nicht fest, ob und in wie weit auch bei den Bacterien analoge Verhältnisse stattfinden, doch sollte ich meinen, dass in meinen künstlichen Ernährungsversuchen die am Boden einer vielleicht 20 Cm. tiefen, von gedrängten Bacterien dicht erfüllten Flüssigkeitsschicht befindlichen Bacterien nur geringe Sauerstoffmengen zur Verfügung haben können. Dass gewisse Bacterien für ihre Fer- mentthätigkeit des Sauerstoffs entbehren können, ja durch Sauerstoff darin gehindert werden, hat Pasteur selbst für die Organismen des Buttersäureferments zuerst nachgewiesen, die vielleicht umgekehrt ihrem Medium Sauerstoff entziehen mögen. Dagegen scheint die Fermentwirkung der Essigbacterien und der chromogenen Pigment- bacterien auf der Uebertragung von Sauerstoff zu beruhen. Wie immer auch die Bacterien sich zum Sauerstoff verhalten, so lässt sich begreifen, dass ihre gleichmässige und dichte Vertheilung in der Flüssigkeit und ihre unablässigen Bewegungen die Uebertragung des Sauerstoffs auf die Substanzmolecule oder auch das Umgekehrte in ausserordentlich viel kürzerer Zeit bewirken müssen, als dies durch blosse Gasdiffusion ohne Bacterien geschehen könnte. Keineswegs aber kann sich die Betheiligung der Bacterien an der Fäulniss auf ihr Verhältniss zum Sauerstoff redueiren. Es steht fest, dass auch bei der Fäulniss, wie das Pasteur von der Gährung aussagt, ein beständiger Stoffwechsel stattfindet zwischen den lebenden Bacterien, welche wachsen und sich vermehren, und zwischen der faulenden Substanz, welche von ihnen assimilirt wird; dass die Bacterien mit anderen Worten sich von den faulenden Eiweissstoffen ernähren. Nun haben wir aber durch die künstlichen Ernährungsversuche erwiesen, dass die Bacterien das Material zu ihren Zellen aus dem Ammoniak und der Weinsäure oder einer äquivalenten Kohlenver- 206 bindung entnehmen können, während ihnen bei der Fäulniss eiweiss- artige Nahrung geboten wird. Man könnte freilich Zweifel erheben, ob die künstliche Ernährung der Bacterien durch Ammoniakverbindungen als eine normale anzu- sehen sei, und ob nicht vielmehr die Vorgänge bei der künstlichen Ernährung wesentlich von denen verschieden sind, welche bei der Fäulniss stattfinden. Ich glaube jedoch annehmen zu dürfen, dass dies nicht der Fall sei. Die Massenentwicklung der Bacterien in künstlichen Nährflüssig- keiten steht der in faulenden Eiweissstoffen nicht im Mindesten nach, während z. B. die Hefezellen sich in der Pasteur’schen Flüssig- keit zugestandenermassen bei weitem weniger vermehren als in Bier- Würze u. s. w. Von den einzelnen Vorgängen und Producten, welche bei der künstlichen Vermehrung der Baeterien vorkommen, lässt sich freilich nieht positiv nachweisen, dass sie mit denen der natürlichen Ernährung identisch sind, da wir über beide nur sehr wenig wissen. Doch habe ich wenigstens das beobachtet, dass gewisse Fäulniss- gerüche nicht an die Eiweissstoffe gebunden sind, sondern von den Bacterien auch aus künstlichen Nährflüssigkeiten erzeugt werden; wenn diese sich in normaler Nährflüssigkeit (weinsaurem Ammoniak) derart vermehrt haben, dass dieselbe milchig ist, so entwickelt sie einen deutlichen Geruch nach faulem Käse, obwohl keine Spur von Eiweissstoffen in der Lösung vorhanden ist. Noch entscheidender beweisen meine Versuche mit den chromoge- nen Micrococeusarten, dass in künstlicher Ernährung (durch Ammoniak- verbindungen) gewisse Bacterien genau dieselben Producte erzeugen, wie in natürlicher (durch Eiweissstoffe), dass daher in beiden Fällen die nämlichen Assimilationsprozesse stattinden müssen. Wie aus der Abhandlung von Schroeter hervorgeht, entwickeln verschiedene Arten von Pigmentbacterien, meist zur Gattung Micro- coccus gehörig, auf gekochten Kartoffeln eine Reihe sehr charakte- ristischer Farbstoffe, indem sie sich offenbar auf Kosten der Eiweiss- stoffe in den Kartoffeln vermehren. Die Pigmentbacterien der gekoch- ten Kartoffeln lassen sich, wie lange bekannt, auch auf andere Eiweiss- stoffe, Käse, Fleisch, Hühnereiweiss, Brod, Kleister, Reis und Mais- polenta übertragen und vermehren, und erzeugen aus deren stickstoff- haltigen Bestandtheilen die nämlichen Farbstoffe. Ich selbst habe gefunden, dass die nämlichen Pigmentbacterien sich in völlig normaler Weise entwickeln und vermehren, und dass sie die nämlichen Farbstoffe erzeugen in künst- lichen Lösungen, welche Ammoniak und eine organische 207 Kohlenstoffverbindung, aber keine Spur von Eiweiss- stoffen enthalten. Es hat sich aus meinen Versuchen herausgestellt, dass ein Gemisch von essigsaurem und weinsaurem Ammoniak für die Vegetation ge- wisser Pigmentbacterien und die Erzeugung ihrer Farbstoffe die günstigste Nährflüssigkeit ist. Den grössten Theil der Pigmente in künstlichen Lösungen erhielt ich durch Zufall, indem ich in eine solche Nährflüssigkeit einen Bacterientropfen brachte, der selbst völlig farblos war, in dem aber jedenfalls die Keime der betreffenden. Micrococeusarten enthalten waren. So wenig man durch Aussetzen von gekochten Kartoffeln in feuchte Luft mit Bestimmtheit den rothen Farbstoff des Micrococcus prodigiosus oder ein anderes Bacterien- Pigment erziehen kann, sondern es dem Zufall überlassen muss, ob die Luft die Keime dieser oder jener Art auf die Kartoffelscheibe aussät, so konnte ich auch in den künstlichen Lösungen nicht nach Willkühr ein bestimmtes, noch überhaupt ein Pigment erzeugen, sondern es hing vom Zufall ab, ob dieser oder jener Keim in die Flüssigkeit gerieth; sobald sich aber Pigment gebildet, konnte ich dasselbe durch Uebertragung der Bacterienhäute in neue Nährflüssig- keit in der Regel weiter vermehren. Zuerst erhielt ich das blaue Lacmus-Figment, als ich am 29. Januar 1872 2 Cubem. eoncentrirter Lösung von saurem weinsteinsaurem Kali, 2 Cubem. offizinelles essigsaures Ammoniak und 1 Cubem. Nährsalz- lösung mit 8 Cubem. destillirtem Wasser anstellte und dieser Flüssigkeit einen Baeterientropfen zusetzte; am 3. Februar war dieselbe schwach, am 6. sehr stark getrübt; am 8. fing sie an sich schwach blaugrün zu färben, am 12. Februar zeigte sie reines Blau, das sich von Tag zu Tag kräftiger und intensiver entwickelte und gleichzeitig klärte; am 17. Februar nach 19 Tagen war die Flüssigkeit klar und prachtvoll blau wie Kupfervitriol. Die tägliche Steigerung der Farben-Intensität beweist, dass sich ununterbrochen neues Pigment bildete. Die ursprüng- liche Trübung rührte neben der Entwicklung des eigenthümlichen Weinsäuremycels von zahllosen Stäbchenbacterien her, die sich jedoch allmählich am Boden absetzten und die Flüssigkeit klar liessen, wäh- rend ein Mierococcus, der eine dicke gallertartige Haut auf der Ober- fläche bildete, als Erreger des blauen Pigments anzusehen ist. Die Flüssigkeit reagirte Anfangs neutral und schwach sauer, wurde aber bald alkalisch, noch ehe die Pigmentbildung bemerkbar war, und blieb so bis zu Ende. Nachdem die klare blaue Flüssigkeit abfiltrirt war, wurde am 17. Februar der zurückgebliebene blaue Bacterien- absatz mit neuer Nährflüssigkeit übergossen; diese färbte sich bis 208 zum 28. Februar, nahm aber keine rein blaue, sondern eine lauch- grüne Farbe an; an diesem Tage wurde wiederum neue Nährflüssig- keit auf den Bacterien-Rückstand gebracht, die am 4. März bläulich, am 8. schön blau war und täglich an Intensität und Klarheit zunahm. Eine grosse Zahl von Versuchen, in denen die Nährflüssigkeit in verschiedenen Verhältnissen abgeändert, und statt des Cremor tartari auch neutrales weinsteinsaures Kali, oder auch weinsaures Ammoniak dem essigsauren Ammoniak zugefügt wurde, gaben in der Regel ähn- liche Resultate, indem die Nährflüssigkeit bald früher bald später alkalisch wurde und sich darauf erst grünlich, dann blau oder lauch- grün färbte. Die Uebertragung der Pigmentbacterien in die Nähr- flüssigkeit wurde mitunter dem Zufall oder vielmehr dem aus der Luft herabfallenden Staube überlassen, bald durch Einführung einer Micrococeushaut aus einer bereits gefärbten Flüssigkeit bewirkt. In einzelnen Fällen trat die Färbung schon am folgenden Tage, bei anderen Versuchen erst nach Wochen ein; so zeigte eine am 29. Januar angestellte Mischung von 0,4 G. weinsaurem Kali und 0,4 G. essig- saurem Ammoniak in 40 G. destillirtem Wasser erst am 19. Februar eine schwach grünliche, am 8. März intensiv blaue Färbung, während eine am 3. Februar gleich zusammengesetzte Nährflüssigkeit schon am 5. Februar trübe, am 8. Februar stark milchig, aber bereits intensiv blaugrün, wie Kupferchlorid, am 19. schön blau wie Kupferoxyd- Ammoniak war; später wurde die Lösung von neuem blaugrün; am 1. April hatte sie eine röthlich braune Farbe angenommen. In einer ebenfalls am 3. Februar in’ gleichem Verhältniss angesetz- ten Nährflüssigkeit war nach neun Tagen die erste Spur grünlicher Färbung bemerklich, nachdem sich an der Oberfläche eine dicke Gallert von Kugelbacterien und in der Flüssigkeit zahllose B. Termo gebildet hatten; bis zum 16. Tage war die Flüssigkeit rein und intensiv lauchgrün, ohne Spur von Blau, geworden. In einer am 6. Februar angestellten Lösung von weinsaurem und essigsaurem Ammoniak trat schon nach drei Tagen die bläuliche Färbung mit alkalischer Reaction auf, die sich bis Ende Februar zu hellblauer Intensität steigerte; am 2. März wurde aus unbekannten Ursachen die Flüssigkeit schwach sauer; gleichzeitig wurde der Farbstoff roth und blieb so bis Ende April. Ich habe das blaue und das lauchgrüne Pigment auch aus einer einprocentigen normalen Nährstoff-Lösung von essigsaurem Ammoniak und den mineralischen Nährsalzen, aber ohne Zusatz von wein- saurem Salze erhalten. Dagegen scheint dieses Pigment und seine verschiedenen Modifieationen sich ohne essigsaures Ammoniak nicht zu 209 bilden. Eine normale Nährstoff-Lösung von weinsaurem Ammoniak blieb nach Zusatz von Micrococcus cyaneus vom 16. bis 30. März farblos; als aber am 30. März ihr ein Paar Tropfen essigsaures Ammoniak zugesetzt waren, zeigte sie schon Tags darauf eine bläu- liche Färbung. Das saftgrüne Pigment, welches ich von Mecrococcus chlorinus abgeleitet habe, entsteht jedoch in einer normalen Nährstoff-Lösung von weinsaurem und ohne essigsaures Ammoniak, indem sich an der Oberfläche eine gelbgrüne Gallertschicht bildet, und der Farb- stoff allmählich tiefer nach unten sich verbreitet. Noch in diesen Tagen experimentirte ich mit einer normalen Nährstoff-Lösung, in welcher seit mehren Wochen die Bacterienvermehrung vorüber war und ein sehr reichlicher Bacterienabsatz sich niedergeschlagen hatte; auf diesen Rückstand wurde am 10. August frische Nährstoff-Lösung aufgegossen, zwei Tage später wurde dieselbe trübe; nach vier Tagen hatte sich eine schön gelbgrüne Flüssigkeitsschicht an der Oberfläche gebildet; ein diekes Micrococeushäutchen, das oben schwamm, war der Erzeuger des Farbstoffes. Dass sich auch gelbes und rosa Pigment auf künstlichen Nährstoff- Lösungen durch Aussaat des Micrococcus luteus und des Sacharo- myces glutinis vermehren lässt, habe ich schon früher bemerkt; doch theilen sich diese Farbstoffe, da sie in Wasser nicht löslich sind, der Flüssigkeit nicht mit. Meines Erachtens lässt sich die Erzeugung von Pigmenten in künst- lichen Nährstoff-Lösungen durch absichtlich oder zufällig ausgesäte Pigmentbacterien nur so verstehen, dass diese Organismen einen Theil des Ammoniaks und der Essig- resp. Weinsäure aus der Nährflüssig- keit assimiliren, und daraus zunächst ihre eigenen Zellhäute und ihr Plasma, so wie das Pigment bilden. Wo das Pigment in Wasser unlös- lich ist, wie z. B. bei der Rosahefe (Sacharomyces glutinis Fres.), kann kein Zweifel sein, dass dasselbe in den Zellen selbst enthalten ist; dasselbe gilt auch von den unlöslichen Pigmenten der Kugel- bacterien (Micrococeus prodigiosus und luteus), obwohl bei letzteren das Pigment auch aus den Zellen in die Intercellularsubstanz ausge- schieden werden muss, da es von Schimmelpilzen aufgenommen wird (vgl. Schroeters Bemerkungen in diesem Heft p. 114). Bei den in Wasser löslichen Pigmenten des M. cyaneus, chlorinus, aurantiacus kann angenommen werden, dass der Farbstoff zunächst ebenfalls in den lebenden Zellen gebildet und durch Exosmose in die Nährflüssig- keit ausgeschieden wird; es könnte aber auch der Farbstoff direct aus der Nährflüssigkeit unter dem Einfluss der Baeterien erzeugt Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. HeftIl. 14 210 werden, indem dieselben in Folge ihrer Assimilationsthätigkeit und unter Betheiligung des atmosphärischen Sauerstoffs die Moleeule der Nährflüssigkeit zu Lagerungsveränderungen erregen, welche Stoffe von alkalischer Reaction und bestimmter Farbe hervorbringen. Wie dem auch sei, soviel steht fest, dass dieselben Pigmente durch dieselben Organismen sich bei künstlicher Ernährung wie bei eiweissartiger Nahrung erzeugen; daraus kann mit grosser Wahr- scheinlichkeit gefolgert werden, dass die Assimilationsprozesse in den Pigmentbacterien, und wahrscheinlich bei den Bacterien überhaupt, die nämlichen seien, möge nun ihnen der Stickstoff inFormvon Ammoniak oderinForm von Eiweisskörpern geboten werden. Dieses Resultat führt zu weiteren Schlussfolgerungen. Es ent- steht die Frage: Ist es wahrscheinlich, dass die nämlichen Zellen, welche die Fähigkeit besitzen, durch ihre Assimilationsthätigkeit ihr Plasma aus Ammoniakverbindungen selbst zu erzeugen, dieses Plasma auch unmittelbar als fertiggebildete Eiweisssstoffe aufnehmen sollen? Ich möchte diese Frage verneinen; denn so viel wir von der Ernäh- rung der Thiere und Pflanzen wissen, so assimilirt derselbe Organis- mus nicht ohne Unterschied organische und anorganische Verbindun- gen; diejenigen Pflanzen, welche Kohlensäure assimiliren, nehmen keine Kohlenhydrate auf, und diejenigen Pflanzen, welche Humus- verbindungen bedürfen, vermögen sich nicht von Kohlensäure zu er- nähren; die Thiere, welche Eiweissstoffe als Nahrung verbrauchen, können ihr Blut nicht aus Ammoniak bilden, und umgekehrt nehmen die grünen Pflanzen Ammoniak, aber keine Albuminate auf. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass auch die Bacterien, die, wie wir nun- mehr wissen, Ammoniak assimiliren, keine fertigen Eiweissstoffe in ihre Zellen aufnehmen? Die meisten der Eiweissverbindungen, welche faulen, sind ja zunächst in Wasser gar nicht löslich und können daher ohne Veränderung von den Bacterien gar nicht aufgenommen werden (z. B. der Kleber der Pflanzensamen, das gekochte Eiweiss, das Fibrin der Muskeln ete.). Aus diesen Erwägungen möchte ich die Vermuthung aufstellen, dass die Fäulnissbaeterien die Fähigkeit besitzen, die Eiweiss-Molecule zu spalten, und zwar in Ammoniak, welches zunächst von ihnen assimilirt wird, und in andere Stoffe, welche als Nebenproducte der Fäulniss in der Flüssigkeit gelöst bleiben. Der Fäulnissprozess scheint mir eben auf der Spaltung der Eiweiss-Molecule in Ammoniak und andere flüssige und gasförmige, grossentheils noch unbekannte Verbindungen zu beruhen, in ähnlicher Weise wie die Gährung auf der 211 Spaltung des Zuckers in Alcohol und Kohlensäure, Glycerin und Bernsteinsäure beruht. Bei der Pigmentfäule werden gewisse Neben- producte der Spaltung der Eiweiss-Molecule dadurch sichtbar, dass sie eben gefärbt sind; bei der eigentlichen Fäulniss werden sie zum Theil durch den Geruch charakterisirt. Vielleicht wird ein Theil des von den Bacterien aus den Eiweissstoffen erzeugten Ammoniaks dazu verwendet, um die unlöslichen Eiweissverbindungen im Verlauf der Fäulniss löslich zu machen. Dass dies geschehen muss, ergiebt sich von selbst aus der Thatsache, dass z. B. hartgekochtes Hühner- eiweiss, Muskelfasern u. s. w. durch die Fäulniss sich allmählich in Schleim auflösen und völlig zerstört werden. Dass bei der Fäulniss Ammoniakverbindungen entstehen, ist übrigens bekannt und lässt sich auch in unsern Versuchen durch das Nessler’sche Reagenz leicht nachweisen. Die Wirkung des Harnferment ist vermuthlich auch auf die Assimilirung des Ammoniaks durch den Micrococceus ureae zurückzuführen. Worauf aber beruht die Fähigkeit der Baeterien, Eiweiss-Moleeule zu spalten? Ist sie eine unmittelbare Function ihres Vegetations- prozesses, in ähnlicher Weise, wie etwa die Kohlensäure durch die Lebensthätigkeit der grünen Zellen gespalten wird? Oder wird durch den Assimilationsprozess der Bacterien im Innern ihrer Zellen eine chemische Verbindung erzeugt, welche, wieder ausgeschieden, das Eiweiss löst und zersetzt, gleich den Verdauungsflüssigkeiten? Sind die Bacterien selbst das Ferment? Oder erzeugen sie nur ein flüssi- ges Ferment? Es würde zu weit führen, all die Analogien zusammen- zustellen, welche mehr für die eine oder für die andere Alternative zu sprechen scheinen; genug, dass bis jetzt keine von beiden zur Evidenz gebracht worden ist. Noch weniger klar als bei der Fäulniss und der Pigmentbildung lässt sich bis jetzt die Thätigkeit der Bacterien in den übrigen Fällen ihrer Fermentwirkungen übersehen, am wenigsten natürlich in ihren Beziehungen zu den Contagien. So lange man nicht zwischen Bacterien und Bacterien unterschied und an den Satz glaubte, dass aus einer beliebigen Schimmelspore alle übrigen Schizomyceten und Mycelpilze hervorgehen können, so lange konnte auch die Contagienfrage keine wissenschaftliche Grund- lage gewinnen. Der erste Schritt zum Fortschritt war gethan, als man die patho- genen Bacterien von den saprogenen zu unterscheiden versuchte und zugleich nachwies, dass dıe überall verbreiteten Bacterien der Fäulniss das Contagium nicht erzeugen, sondern vielmehr zerstören. Die Beobach- | 14° 212 tung von Davaine, dass in gefaultem Milzbrandblut die Bacteridien sich nicht mehr finden, und dass dasselbe das Contagium nicht überträgt, wie die entsprechenden Untersuchungen von Klebs über Pyaemie, lassen hieran keinen Zweifel, während gleichzeitig die Filtrirversuche von Klebs und die Diffusionsversuche von Chauveau beweisen, dass das Contagium nicht in den flüssigen Theilen des Virus, sondern in den festen, und ohne Zweifel in den mikroskopischen Organismen seinen Sitz hat. Die Beobachtungen, welche Schroeter und ich über die Zerstörung der von Kugelbacterien erzeugten Pigmente durch über- wiegende Vermehrung von Stäbchenbacterien gemacht, geben unserer Unterscheidung der pathogenen und saprogenen Bacterien eine posi- tive Unterstützung. So sicher nun, wie ich glaube, die Thatsache, dass gewisse Bacte- rienarten die Träger von Contagien sind, so schwierig, ja unmöglich ist es bis jetzt, auf dieser Thatsache weiter zu bauen. Die vier Möglichkeiten, welche ich in Bezug auf die Fermentthätigkeit der Fäulnissbaeterien in’s Auge gefasst, müssen auch bei der Contagien- frage zur Erwägung kommen. So hat Bollinger zur Erklärung der deletären Wirkungen der Anthraxbacteridien die Theorie aufge- stellt, dass diese Organismen eine chemische Affinität zum Sauerstofi' besitzen, dass sie denselben mit grosser Begierde und in grosser Menge den rothen Blutkörperchen entziehen und bei ihrer ungeheuren Anzahl bald Sauerstoffmangel und Kohlensäureüberladung im Blute zur Folge haben. Alle pathologischen Erscheinungen an milzbrand kranken Thieren und Menschen seien daher Erscheinungen des O-Mangel und der CO?-Ueberladung; die Wirkung der Bacterien sei analog der Blausäurewirkung, die Erscheinungen der Blausäure- vergiftung dieselben, wie beim apoplectiformen Anthrax. Dagegen hatten Klebs und Oertel das Resultat gezogen, dass die Bacterien der Septicaemie, Pyaemie und Diphtherie das Blut und die Organe, welche sie belagern und durchsetzen, theils durch Entziehung von Nährstoffen, die sie für sich selbst assimiliren, theils durch mechanische Gefässverstopfungen und Blutstauungen, theils end- lich durch eine allgemeine Blutvergiftung affieiren und degeneriren. Die tödtlichen Wirkungen der meisten Insectenpilze beruhen wiederum grösstentheils darauf, dass das Blut, statt zur Ernährung des Thiers verwerthet zu werden, in Pilzmycel umgewandelt wird, dass das Thier sozusagen „im Pilz erstarrt“ (vergleiche meine Zusammenstellung hierher gehöriger Thatsachen in dem Aufsatz „über eine neue Krankheit der Erdraupen“ im ersten Hefte dieser Beiträge). Auch in anderen Fällen mag die Thätigkeit der pathogenen Bacte- 213 rien darauf beruhen, dass sie das Blut und die Gewebe ihrer Wirthe verzehren und gleichzeitig Spaltungen und Neucombinationen der Moleeule erregen. Die Assimilationsproducte mögen in den Bacterien- zellen selbst eingeschlossen bleiben, wie die unlöslichen Pigmente, oder sie mögen wieder ausgeschieden werden, wie die löslichen Farb- stoffe, oder direet im Blute sich bilden, wie die Essigsäure im Alcohol; diese ausserhalb der Bacterien befindlichen Assimilationsproduete mögen schon in minimalen Mengen als flüssige Gifte wirken, wie dies vom Septicin angenommen wird; in anderen Fällen mögen die pathogenen Bacterien die Rolle eines Oxydations- oder eines Reduetions- ferments spielen. Wir sind nicht weit genug, um die einzelnen Fälle zu unterschei- den; da die pathogenen Organismen vermuthlich verschiedenen Arten, Rassen und Varietäten angehören, mögen in verschiedenen Contagien verschiedene Fermentwirkungen in Betracht kommen. Das Studium der leichter dem Experiment zu unterwerfenden saprogenen, zymo- genen und chromogenen Bacterien und insbesondere ihres Verhaltens in den von mir nachgewiesenen künstlichen Nährstoff-Lösungen, wird, wie ich hoffe, den Weg zeigen, durch welchen auch für jene hoch- wichtigen Fragen weitere Aufklärung zu erwarten ist. 12. Verhalten der Bacterien zu extremen Temperaturen. Während in den letzten Jahren hauptsächlich der angebliche Polymorphismus der Baeterien die Naturforscher und Aerzte Deutsch- lands beschäftigte, hat in England und Frankreich insbesondere das Verhältniss der Baeterien zur Urzeugung das lebhafteste Interesse, nicht blos in wissenschaftlichen Kreisen, in Anspruch genommen. Wer einmal die Versuche von Needham und Spallanzani, von Appert, Schwann, $. Schultze, Schröder, v. Dusch und Pasteur wiederholt hat, (vergleiche die klare Zusammenstellung in Pasteur, Mem. sur les corpuscules organises qui existent dans ’atmosphere, Ann. de Chem. et de Phys. 1862, oder in der Inaugural- Dissertation von Georg Lunge, de fermentatione alcoholica. Breslau 1859) dem scheint es schwer begreiflich, dass eine vollkommen ab- gethane Streitfrage immer von neuem zum Gegenstand der Contro- verse gemacht wird. Nichts ist leichter, als diese Versuche zu wiederholen; zu ihnen eignen sich besonders solche stickstoff- haltige Körper, welche in warmem und kaltem Wasser unlöslich, auch nach längerem Kochen das Wasser nicht trüben; denn man kann bei diesen den Beginn der Bacterienentwicklung und der von ihnen erregten Fäulniss auch ohne mikroskopische Untersuchung so- 214 fort an der Trübung des Wassers erkennen, obwohl, wie schon bemerkt, absolute Gewissheit über Anwesenheit und Abwesenheit der Bacterien nur durch das Mikroskop zu gewinnen ist. Ich benutzte gewöhnlich hartgekochtes Hühnereiweiss, in kleine Würfel zerschnitten, oder Pflanzensamen (Erbsen, Bohnen, Lupinen), welche geschält, dann längere Zeit in destillirtem Wasser gekocht wurden, wobei die ersten gefärbten Aufgüsse so lange erneuert wurden, bis das Wasser nach dem Kochen vollkommen klar und farblos blieb. Schneidet man stärkehaltige Samen in kleinere Stücke, so ist der beim Kochen gebildete Kleister sorgfältig abzuspülen, weil er sonst Trübung ver- anlasst. Werden nun Samen oder hartgekochtes Eiweiss im offenen Kölbehen mit destillirtem Wasser so lange gekocht, dass eine gleich- mässige Erhitzung der angewendeten Substanz auf 100° angenommen werden kann, wozu jedoch mindestens 1 Stunde gehört, wird dann der Hals des Kölbcehens (nach Spallanzani) zugeschmolzen, oder (nach Schroeder und Dusch) mit Baumwolle verstopft, so bleibt das Wasser durch unbegrenzte Zeit klar, Samen oder Eiweiss unver- ändert, es entsteht weder Trübung, noch Bacterienabsatz, noch Fäul- niss. Ganz besonders überraschend ist auch der Pasteur’sche Ver- such, durch hakenförmiges Abwärtsbiegen des Kolbenhalses das Ein- dringen von Bacterien in die Versuchsflüssigkeit zu hindern; ich habe in der That Kölbehen mit einer gekochten Erbse nunmehr acht Monate völlig bacterienfrei und ungefault erhalten, obwohl die abwärts gebogene Spitze des Kolbenhalses offen, und eine gewisse Luft- eireulation durch Temperaturschwankungen im Kolbenraume stattfindet; als ich in einem solchen Kölbehen mit abgebogenem Halse, in dem eine Erbse mit destillirtem Wasser sechs Monate lang bacterienfrei geblieben war, vermittelst” der Handwärme die Luft verdünnt und beim Wiederabkühlen einen Bacterientropfen eingesaugt hatte, so begann zwei Tage darauf die Fäulniss. In mehreren Fällen gelang übrigens der Pasteur’sche Versuch nicht, und es entwickelten sich Bacterien in der Kolbenflüssigkeit, was auch nicht zu verwundern ist. Bei einem Versuch nach Schroeder und Dusch blieb Eiweiss vom 16. April bis Ende November rein weiss, während das Wasser allmählich durch den Baumwollenpfropf verdunstete, aber auch dann entwickelten sich keine Bacterien auf dem in feuchter Luft liegenden Eiweiss; denn als ich am 21. November destillirtes Wasser aufgoss, trübte sich dasselbe nicht, was der Fall gewesen wäre, wenn sich Bacterienschleim gebildet hätte; das Wasser aber musste Keime zu- geführt haben; denn schon Tags darauf begann die Fäulniss; am 25. November wimmelte das Wasser von Stäbehenbacterien. Wenn 215 in einem mit Baumwolle verstopften Kölbehen das eingeschlossene Wasser durch Schütteln zum Benetzen des Baumwollpropfes gebracht wird, so entwickeln sich sofort Fäulnissbacterien, deren Keime von der Baumwolle abgespült sein müssen. Es ist übrigens auffallend, und nur durch die geringe Menge der in der Luft enthaltenen Bacterien- keime erklärlich, dass die Baumwolle die letzteren abfiltrirt; denn eine bacterienreiche Flüssigkeit wird durch das viel dichtere Filtrirpapier nicht zurückgehalten; bei einem Versuch gingen selbst durch ein l6faches Filter noch vereinzelte Bacterien; durch Ablösen der Papier- Schichten und Ausdrücken der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit liess sich ermitteln, dass durch zwölf Lagen eine grössere Zahl, durch neun sehr viele, und durch fünf eine ungeheure Menge Bacterien hindurchgingen. Wenn jedoch Männer, wie Frankland und Bastian, für die gene- ratio aequivoca der Bacterien in die Schranken treten, und selbst ein so geistvoller und exacter Dialectiker wie Pasteur den französischen Heterogonisten gegenüber keinen leichten Stand hat, so liegt dies offenbar nicht allein an den unlogischen Schlüssen und den schlech- ten Experimenten der Anhänger der generatio aequivoca, sondern es sind in der That noch einige nicht völlig unaufgeklärte Verhält- nisse, die zwar, wie ich überzeugt bin, die Hauptsache nicht berühren, aber doch den Zweifel erklärlich machen. Alle die oben berührten Versuche haben eine dreifache Prämisse, 1) dass im Wasser und den thierischen oder pflanzlichen Geweben, welche dabei verwendet werden, Bacterien ursprünglich vorhanden sind, oder doch sein können; 2) dass diese Bacterien durch Kochen getödtet werden; 3) dass neue Bacterien aus der Luft herabfallen, wenn dies nicht durch Zuschmelzen der Kölbehen, durch Baumwollen- pfröpfe, oder einfach durch Abwärtsbiegen des Kolbenhalses verhin- dert wird. Gegen alle diese Voraussetzungen lassen sich Bedenken erheben. Dass in allen organischen Körpern, z. B. in gekochtem Hühner- eiweiss, einem frisch geschälten Samen, dass im Blut oder Fleisch eines frisch getödteten gesunden Thieres bereits Bacterien enthalten sind, widerspricht den oben referirten Versuchen von Burdon San- derson; sicher ist dagegen, dass in allem Wasser Bacterien vor- handen sind, wenn auch oft nur in geringer Zahl und ohne Ver- mehrung, vielleicht im Ruhe- oder Dauerzellenzustand; dass diese Keime jedoch bald in Vegetationsthätigkeit treten und sich in’s Unendliche vermehren, sobald sie geeignete Nahrung finden; und dass durch Berührung mit unreinen Oberflächen, wie dies bei der 216 Vorbereitung zu den Versuchen kaum zu vermeiden ist, auch die ursprünglich bacterienfreien Körper leicht infieirt werden. Dass aus der Luft Bacterienkeime herabfallen, wird zwar allge- mein angenommen, sieht aber ebenfalls mit den Burdon Sander- son’schen, von mir theilweise bestätigten Versuchen in Widerspruch, wonach wenigstens in gekochten künstlichen Nährstoff-Lösungen aus der Luft zwar Schimmelsporen aber keine Bacterien zugeführt werden. Auch Rindfleisch in seinen Untersuchungen über niedere Organismen (Virchow’s Archiv LIV.) gelangte selbständig zu diesem Ergebniss. Ich habe als Grund dafür angenommen, dass die Bacterienkeime in der Luft zu spärlich und zu leicht, möglicherweise auch schwer benetzbar sind, daher auf der Oberfläche der Flüssigkeit liegen bleiben, und ohne einzudringen und sich zu vermehren, wieder fortgeblasen werden. Wenn statt künstlicher Nährstoff-Lösungen organische Gewebe gekocht, und dann offen stehen gelassen werden, so dauert es mit- unter auch längere Zeit, ehe sich Bacterien einfinden. Ein Reagenz- cylinder, in welchem am 16. April eine Erbse gekocht, und dessen freie aufrechte Spitze offen geblieben war, hielt sich sieben Wochen lang bis zum 26. Mai ohne Bacterien; dann aber begann Fäulniss unter steigender Trübung, bis schliesslich die Erbse durch Auflösung der Intercellularsubstanz und Auseinanderfallen der Zellen in stinken- den schmutzigen Brei zerflossen war. Wasser, das in einem offenen Kölbehen am 11. März mit einer Erbse gekocht war, blieb klar bis zum 11. April; dann begann die Trübung, die von Tag zu Tag zu- nahm. Ein Reagenzeylinder, in welchem am 16. April 3 G. hartes Hühnereiweiss mit 10 G. Wasser gekocht, und der dann durch Zu- schmelzen hermetisch verschlossen war, blieb bacterienfrei, das Wasser klar, das Eiweiss fest und ungefärbt bis zum 21. November, wo durch einen Sprung der Hals aufgebrochen wurde; sofort trat Fäulniss ein; am 25. November war schon alles durchgefault. Es lässt sich aus diesen und hundert ähnlichen Versuchen schliessen, dass zwar aus der Luft die Infieirung mit Bacterien nur langsam und weit schwie- riger geschieht, als durch Wasser und unreine Oberflächen, dass je- doch der Staub, der nebst grösseren Körpern (z. B. Fliegen, Motten und andern Insekten) in offene Gefässe fällt, früher oder später auch Bacterien einführt. Dass endlich Bacterien der Siedhitze nicht widerstehen, scheint selbstverständlich; ja der Analogie nach sollte vermuthet werden, dass schon Erwärmen auf Temperaturen unter 100° die Bacterien tödten müsse. Wenn jedoch derartige Versuche mit thierischen oder pflanzlichen Geweben angestellt werden, so geben dieselben auffallend un. unsichere und widersprechende Resultate; ja es fehlt nicht an Angaben der zuverlässigsten Beobachter (Schwann u. A.), dass selbst Erhitzen auf und über 100° die Entwicklung der Bacterien nicht immer hin- dert. Pasteur giebt die äusserste Widerstandsgrenze für Bacterien in sauer reagirender Milch auf 105° ©. an. Auf die Beobachtungen von Wyman und Crace Calvert, welche noch weit höhere Tem- peraturen annehmen, will ich hier nicht weiter eingehen. Im Juni 1871 stellte ich mit Unterstützung des Herrn Stud. Troschke derart Versuche an, dass je eine geschälte Erbse in einem Kölbehen mit circa 5 G. destillirtem Wasser gekocht, abgekühlt, sodann ein Bacterientropfen zugesetzt, darauf das Kölbchen im Wasser- bade bei einer bestimmten Temperatur 2 — 4 Stunde erwärmt, sodann der Kolbenhals mit Baumwolle verstopft wurde. Das Resultat war folgendes: Nach Erwärmung auf 45°, 55°, 60° begann Fäulniss innerhalb drei Tagen; bei 65° trat anfänglich keine Veränderung ein, doch begann das Faulen etwas später; bis zum 7. August war die Erbse in gelbbraunen schmutzigen Brei aufgelöst. Bei 75° faulte die Erbse nicht; das Wasser blieb jedoch nicht klar, sondern opalisirte und bildete einen geringen Bacterienabsatz; bei einem zweiten Versuch trat Fäulniss ein. Bei 80° faulte die Erbse nicht; das Wasser blieb klar, es ent- wickelte sich ein weisses Mycel, das bis zum 20. Juni als Penieillium fructificirte; in einem zweiten Versuch zeigten sich nach 3 stündiger Erhitzung weder Bacterien noch Penieillium, noch Fäulniss; in einem dritten trat, trotz dreiviertelstündiger Erhitzung, nach ein Paar Tagen Fäulniss ein; ein vierter gab nach halbstündiger Erhitzung geringe Trübung und Absatz, doch keine Fäulniss. Bei Temperaturen über 80° trat weder Baeterienentwicklung noch Fäulniss ein. Die Ungleichheit der Resultate zwischen 65 und 80° schrieb ich anfänglich dem Umstande zu, dass in unseren Versuchen die höhere Temperatur zu kurze Zeit eingewirkt, und dass nur der Bauch der Kölbehen im Wasserbade eingesenkt war, der Hals herausragte; dass also möglicherweise durch den Wasserdunst Bacterien in diesen kälte- ren Theil geführt wurden, wo sie in niederer Temperatur lebendig blei- ben und später in das Innere des Kölbehens zurückfliessen konnten. In der That ergab sich, dass, wenn das Wasser im Kölbehen kochte, das Thermometer in der Mitte des Halses nur 78—79°, nahe der Mündung des Halses 50, 53, 57, 59° im Mittel 55° zeigte. Es wurde daher eine zweite Versuchsreihe so abgeändert, dass das Kölbehen 218 mit 5—10 G. Aq. dest., einer Erbse und einem Bacterientropfen beschickt, am Halse zugeschmolzen, und sodann in einem Becher- glase vollständig unter Wasser versenkt wurde, welches durch eine Gasflamme durch längere Zeit auf 60—100° erhitzt werden konnte. Aber auch so blieben die Resultate ungleich, indem bald keine, bald reichliche Trübung durch Bacterien erfolgte; wirkliche Fäulniss fand jedoch bei höherer Erwärmung nicht statt; nach einiger Zeit hörte die Vermehrung der Bacterien auf; diese bildeten einen geringen Absatz; die Erbsen wurden nicht merklich angegriffen; wurde das Kölbehen geöffnet, so entwich Gas unter Zischen, das offenbar unter starkem Druck gestanden war; bei einem unter Wasser geöffneten Kölbehen entwich das Gas so gewaltsam, dass die ganze Flüssigkeit im Moment herausgeschleudert wurde; das Gas hatte einen Geruch nach Buttersäure; bei der mikroskopischen Untersuchung stellte sich heraus, dass sich in der Regel nicht Bacterium Termo, sondern Bacillus subtilis vermehrt, und zum Theil zu Leptothrixfäden und dichten Haufengewirren entwickelt hatte. Es scheint demnach, dass in die- sem stärker erhitzten Kölbehen nicht Fäulniss, sondern Buttersäure- gährung eingetreten war, woran allerdings auch die begrenzte Luft- menge ihren Antheil hatte; doch scheint in der That Dacillus höheren Temperaturen länger zu widerstehen als 5. Termo. In Kölbchen, welche längere Zeit gekocht waren, entwickelten sich überhaupt keine Bacterien. Für die Ungleichheit der Resultate bei Erwärmung thierischer oder pflanzlicher Gewebe zwischen 60 und 100°, welche bald Bacte- rien entwickeln lässt, bald nicht, weiss ich keine andere Erklärung, als dass diese Körper in trockenem Zustande eingeführt, notorisch sehr schlechte Wärmeleiter sind, dass sie die Temperatur des heissen Wassers nur sehr langsam und ungleich annehmen, und daher mög- licherweise einzelne Bacterien von der Einwirkung der höheren Tem- peraturgrade geschützt bleiben. Es schien daher wünschenswerth, die Frage dadurch zu vereinfachen, dass alle festen und trockenen Körper ausgeschlossen und die absolute Temperaturgrenze, bis zu welcher Bacterien lebendig und entwickelungsfähig bleiben, durch Erwärmen derselben in einer künstlichen Nährflüssigkeit ermittelt wurde. Auf meine Bitte übernahm Herr Dr. Horwath aus Kiew im pflanzenphysiologischen Institut diese Versuchsreihe, und ich erlaube mir die Resultate derselben hier nach seinem Berichte anzuschliessen: „Es wurden 100 G. einer Normal-Nährflüssigkeit nach der schon oben (p. 196) angeführten Vorschrift angefertigt. 219 In diese Lösung wurde 1 C. ©. Bacterien-Flüssigkeit (Wasser, welches sehr viel bewegliche Bacterien enthielt) gegossen und dann das Ganze zur gleichmässigen Vertheilung geschüttelt. Mit dieser, Bacterien und die zu deren Entwickelung nöthigen Nährstoffe ent- haltenden Flüssigkeit wurden gleich grosse Kölbchen gefüllt und dann zugeschmolzen. Die Erwärmungs-Versuche zeigten ausnahmslos die vollkommenste Bestätigung der früher zahlreich gemachten Versuche, wonach 20 Minu- ten langes Verweilen der bacterienhaltigen Flüssigkeit in Wasser von 100° C., die Fähigkeit der Bacterien sich zu vermehren total ver- nichtet. Aus diesem Grunde richteten sich seit dieser Zeit unsere Ver- suche nur auf die Wirkung der Temperaturen unter 100° C., ohne Berücksichtigung der Angaben, nach welchen die Bacterien 100° C. und mehr aushalten sollten. Wir halten es für nöthig, sogleich die Methode anzugeben, mit welcher wir unsere Resultate erlangten; dieselbe zielte hauptsächlich darauf hin, dass das ganze Kölbehen die erwünschte Temperatur annähme. Die bacterienhaltige Nährflüssigkeit wurde zu je 5 ©. C. in 10 0.C. fassende Kölbchen von gleicher Form hinein gethan. Dann wurden die Kölbcehen zugeschmolzen und unter warmem Wasser bei verschiedenen Temperaturen bald kürzere bald längere Zeit gehalten; wobei die Kölbehen von Zeit zu Zeit, ohne aus dem Wasser gehoben zu werden, geschüttelt wurden. Als Parallel- und Controlversuche wurden immer zwei Reagenz- Cylinder mit derselben Bacterien-Flüssigkeit gefüllt und nicht gekocht; der eine von ihnen zugeschmolzen, der andere offen gelassen; beide zeigten stets reiche Bacterien-Vermehrung; was ihre und ihrer Genossen Lebensfähigkeit deutlich documentirte. Bei diesen Versuchen stellte sich ohne Ausnahme heraus, dass sich in den Kölbehen, welche während einer Stunde einer Erwärmung von 60— 62° C. unterworfen waren, keine Bacterien entwickelten und dass die hineingethane Flüssigkeit daher vollkommen klar blieb; Kölbehen mit Bacterien-Flüssigkeit dagegen, welche nur auf 50° C. oder 40° C. erwärmt wurden, wurden getrübt in Folge der Vermeh- rung der Bacterien nach einer Zeit von zwei bis drei Tagen. Man braucht kaum zu erwähnen, dass in Kölbchen, welche eine Erwärmung von 70, 80, 90° C. erlitten, niemals eine Trübung eintrat. Die Thatsache, dass die Trübung in einem Kölbchen, welches nur eine Stunde einer Temperatur von 50—52° C. unterworfen wurde, 220 weit früher eintrat als in einem solchen, das zwei Stunden dieselbe Temperatur auszuhalten hatte, lässt vermuthen, dass 60° C. wahr- scheinlich nieht die niedrigste Temperatur ist, welche die Bacterien tödtet, sondern dass eine vielleicht wenige Grade geringere Wärme schon genügt, ihre Vermehrung zu hindern. Dass indess das längere Erwärmen allein in einem solchen Falle nicht schädlich ist, beweist die schon am ersten Tage eingetretene Trübung in einem Kölbehen, welches drei Stunden lang (also länger wie alle früheren) einer Erwärmung von 40° C. ausgesetzt war. Wenn die Versuche gezeigt haben, dass 60 Grad und viel- leicht noch weniger Wärme im Stande ist, die Bacterien- Entwicklung zu verhindern; so ist damit nicht gesagt, dass bei praktischer Anwendung 100° C. Wärme zur Tödtung der Bacterien nicht nöthiger wären als 60° C.; denn unsere späteren Versuche zeigten, dass in einem Kölbehen, welches neben der angewandten Nährflüssigkeit noch eine Lupine enthielt, Bacterien sich entwickelten, obgleich unter denselben Bedingungen (Erwärmung in demselben Gefässe zu gleicher und während der gleichen Zeit) ein anderes Kölbcehen mit derselben Flüssigkeit — aber ohne Lupine — keine Spur von Trübung wahrnehmen liess. Wenn unsere Versuche demnach ergeben, dass in künstlicher Nähr- flüssigkeit die Bacterien durch eine Temperatur von höchstens 60° ihrer Entwicklungsfähigkeit beraubt werden, so können die entgegen- stehenden Beobachtungen, bei denen Bacterien, welche mit organischen Geweben bis zu 100° erhitzt worden, dennoch Vermehrung zeigten, wohl nur aus einer nicht gleichmässigen Erwärmung erklärt werden.“ Was das Verhalten der Bacterien gegen niedere Temperaturen anbelangt, so ist es eine bekannte Thatsache, dass durch die Kälte der Eintritt der Fäulniss aufgehalten, und daher auch die Lebens- thätigkeit, und insbesondere Vermehrung der Bacterien suspendirt wird, während mit steigender Temperatur beide Erscheinungen gleich- mässig beschleunigt werden. Jedermann weiss, dass im Winter Fleisch langsamer fault, Milch langsamer gerinnt, Bier später sauer wird, als im Sommer. Die Mammuthleichen, welche mit Haut und Haar sich im sibirischen Eise durch ungezählte Jahrtausende unverändert erhiel- ten, sofort aber in kürzester Zeit durch Fäulniss zerstört werden, sobald sie durch Schmelzen des Eises einer etwas höheren Temperatur ausgesetzt sind, beweisen, dass unter 0° eine Fermentthätigkeit der Fäulniss-Bacterien überhaupt nicht eintritt. Es war daher von Wich- tigkeit zu ermitteln, ob durch Erfrieren die Bacterien in derselben Weise getödtet werden, wie dies durch Erwärmen bis auf 60° von 221 uns nachgewiesen ist. Die von Herrn Dr. Horwath angestellten Versuche stellten jedoch das Gegentheil heraus; sie weisen darauf hin, dass diese Organismen eine sehr bedeutende Kälte ohne Nachtheil aushalten können. Die Erfrierungsversuche wurden folgendermassen angestellt: ein Reagenzeylinder wurde am 6. Juni 1872 zur Hälfte mit bacterienhaltiger Nährflüssigkeit gefüllt und mit einem Kork verschlossen, durch den ein Thermometer gesteckt war, das bis in die Flüssigkeit reichte. Zur Sicherheit war der Kork sorgfältigst ausgekocht, das Thermometer mit Ammoniak gereinigt und das Glas des Reagenzeylinders über der Flüssigkeitssäule ausgeglüht. Hierauf wurde der Cylinder bis zum oberen Rand in eine Kälte- Mischung gesteckt, zugleich mit ihm auch ein zugeschmolzenes, mit der nämlichen Bacterien-Flüssigkeit versehenes Kölbchen in die Kälte- Mischung gebracht. Der Verlauf der Temperatur im Reagenzeylinder war folgender: 12 h. 30° Temperatur 0°C. 1 h. 30‘ „» — 16°C. 1 h. 45’ Te 3.h.30° nr 1SITE. 4 h. 30° „18°C. 5h. a 6. h. „1490. 7 h. 30° a RE, Am folgenden Tage (7. Juni) wurden diese Gefässe bei 15° C. Lufttemperatur ganz klar herausgenommen; am 8. Juni war nach einer mehr als siebenstündigen Erfrierung eine deutliche Vermehrung der Baeterien durch Trübung der Flüssigkeit zu erkennen. Eine zweite Reihe von Versuchen theils mit zugeschmolzenen Kölbchen, theils in den auf obenerwähnte Art behandelten Reagenz- Cylindern, in denen durch 18 Stunden bacterienhaltige Nährflüssigkeit dem Erfrieren ausgesetzt wurde, wobei jedoch die Temperatur nicht unter — 7° C. fiel, liess ebenfalls in sämmtlichen Gefässen nach dem Aufthauen Bacterienvermehrung deutlich erkennen. Aus diesen Versuchen ergiebt sich, dass die Baeterien durch sehr niedrige Temperaturen, die mehrere Stunden ein- wirken, nicht getödtet werden; wohlaberverfallendiesel- ben schon bei 0°, wahrscheinlich schon bei etwas höherer Temperatur, in Kältestarre, in welcher sie ihre Beweglichkeit und Vermehrung, und in Folge dessen auch ihre Fermentwirkung, nicht aber die Fähigkeit verlieren, bei höherer Temperatur ihre Entwicke- lung wieder zu beginnen. Beim Aufthauen einer Versuchsflüssigkeit, 222 in welcher auch Sperillum volutans mit eingefroren war, liess sich direet unter dem Mikroskop beobachten, dass die Schraubenfäden längere Zeit völlig unbewegt und scheintodt waren, allmählich aber bei steigender Erwärmung des Öbjectglases kehrten sie in’s Leben zurück und fingen ihre Bewegungen wieder an. Euglenen, die mit eingefroren waren, waren dagegen sämmtlich getödtet und desorgani- sirt, desgleichen alle höheren Infusorien und Räderthiere, mit Aus- nahme encystirter Vorticellen, deren eontractile Vaeuole die Fortdaner des Lebens bezeugte. Breslau, im August 1872. Fig. 1 Fig. 2 Big 53 Fig. Fig. 5 Fig. 6 Fig. 7 Fig. Fig. Fig. 10 Fig. 11 Fig. 12 Fig. 13 Figuren-Erklärung. Tafel II. . Micrococcus prodigiosus (Monas prodigiosa Ehr.) Kugelbacterien des rothen Pigment einzeln, zu 2, auch zu 4 zusammenhängend; die übrigen Pigmentbacterien sind von dieser durch das Mikroskop nicht zu unter- scheiden. . Mierocoecus vaceinae. Kugelbacterien aus der Pockenlymphe in Ver- mehrung, zu kurzen 4—8 gliedrigen, graden oder verbogenen Ketten und zu unregelmässigen Zellhaufen verbunden. . Zoogloeaform der Mierococceusarten, Häute oder Schleimschichten durch dichte feingekörnte Punktirung charakterisirt. (Mycoderma Pasteur.) 4. Rosenkranzketten (Torulaform) von Mierococcus Ureae aus dem Harn. . Rosenkranzketten und hefeartige Zellhaufen aus dem weissen Absatz einer sauer gewordenen Lösung von Milchzucker. . Sacharomyces glutinis. (Uryptococcus glutinis Fresen.) Sprossende Hefe, bildet schöne rosa Häufchen auf gekochten Kartoffeln, . Sareina_spee.“ aus dem Blute eines gesunden Mannes,** auf der Ober- fläche eines mit Micrococcus luteus überzogenen Hühnereies, gelbe Häufchen bildend. - 8. Bacterium Termo, frei bewegte Form. 9. Zoogloeaform von Bacterium Termo. . Bacterienhaut, durch linienartig aneinandergereihte Stäbehenbacterien gebildet, von der Oberfläche sauer gewordenen Bieres. . Bacterium Lineola, frei bewegte Form. . Zoogloeaform von B. Lineola. . Bewegliche Fadenbaeterien mit kugligen oder elliptischen stark lieht- brechenden Köpfchen, vielleicht aus Gonidien gekeimt, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 224 Bacillus subtilis, kurze Cylinder und längere, sehr flexile, z. Th. in Theilung begriffene bewegliche Fäden. Bacillus Ulna, einzelne Glieder und längere Fäden, z. Th. in ihre Glie- der zerbrechend. Vibrio Rugula, einzeln oder in Theilung, bei * scheinbar angeschwollen in Folge rascher Rotation. Vibrio serpens, Fäden länger oder kürzer, z. Th. in Stücke sich thei- lend, bei * zwei Fäden umeinander gedreht. Schwarm von V. serpens, die Fäden verfilzt. Spirillum tenue, einzeln und in Schwärmen verfilzt. Spirillum Undula. Spirillum volutans, * zwei Spiralen umeinander gedreht. Spirochaete plicatilis. Sämmtliche Figuren sind von mir mit der Immersionslinse IX. Hartnack Oecular III. unter einer Vergrösserung von 650 gezeichnet. Pe Druck von Robert Nischkowsky in Breslau. I ne u Fr re ars * Im.Ciestelski ad nal: del. Tafl. Prsum saBDum. Hreraı satıoa ___... Ders esculeniz ANSSMERT SC. 6 wet — Rs PL ez nr o rn ar Ka % Chloroch ylrıum Lemnae Cohn. > Elehn ad nat.del. Beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben Dr. Ferdinand Cohn. Drittes Heft. Mit sechs zum Theil farbigen Tafeln. 202. 2252 Breslau 1875. J. U. Kern’s Verlag. (Max Müller). BT Yans «ur ER > « wlan l [3 D > 4 Pan (67 Inhalt des dritten Heftes. Seite. Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze.e Von Dr. J. Schroeter. Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Verdun- stung entgegensetzen. Von Dr. L. Just. Prüfung einiger Desinfectionsmittel durch Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Schroeter.. 30 Ueber die einseitige Beschleunigung des Aufblühens einiger kätzchenartigen Inflorescenzen durch die Einwirkung des Lichtes. VonDr. A.B. Frank. 51 Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia von Dr. Ferdinand Cohn (Mit Tafel I.) 71 Die Entwickelungsgeschichte der Gattung Volvox. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel II.) . 93 Untersuchungen über Pythium Equiseti. Von Dr. Richard Sadebeck. (Mit Tafel III. und IV.) Salt Untersuchungen über Bacterien. II. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel V. und VI.). . 141 Untersuchungen über Bacterien. 11I. Beiträge zur Biologie der Bacterien. l. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Eidam. 203 nun N aulleh: neh auch Ha) WE FR Y y Misftus Dre in VE ae Eee un? Ps) FREE vr; x a ee u j tus AS BUicEeEsR! Ay ee u BUN “ } aut... DEREN SE: al Dh: Kr ne. Mi %“ = m“ " HELISTIITE® #7 ra GM Be \ u 4 RN RTURPE ie BR: ” De ; Er NORS A Ve bei aag AL: We 5% \ Le stasn Dee! 457 re © "ra yuleikrer N BIVDaL SG BR ” j „4 em, zur BUTTER gr, 4 aus Dienst ij r Y in 2 SAT Y Ita le) 27ER ara Hart VE LTER rar un ea Seth En triten: eh, a aan Dre ee ua m vn ur ER e # 67 u igb Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze. Von Dr. J. Schroeter. mn Nachdem De Bary bewiesen hatte, dass Puceinia graminis Pers., P. straminis Fekl. und P. coronata Cd. ihre Spermogonien und Aeecidien-Früchte auf anderen Nährpflanzen ausbilden, die von denen ihrer Uredo- und Teleutosporen weit verschieden sind, ist die Ansicht herrschend geworden, dass auch zu den anderen auf Gräsern und Riedgräsern vorkommenden Uredineen Aecidien gehören, welche wie bei den obengenannten auf Gewächsen aus anderen Familien zu suchen sein würden. Fuckel hat nach dieser Zeit wahrscheinlich gemacht, dass das auf Pulicaria dysenterica (L.) vorkommende Aecıdium zonale Duby durch das Einkeimen der Sporidien von Uromyces Junci Tul. her- vorgerufen ist; soweit mir bekannt, ist dies aber bis jetzt der einzige Versuch gewesen, diesen zweihäusigen Parasitismus für die Rostpilze der Glumaceen weiter zu begründen. Die hier mitzutheilenden Beobachtungen werden vielleicht genü- gend erscheinen, für zwei andere dieser Uredineen eine der Puccinia graminis ähnliche Entwickelung anzunehmen. 1) Auf Carex hirta L. findet sich nicht selten eine Uredinee, die ich zu Puccinia Caricis DC. rechne. Ihre dunkelrostbraunen Uredo- Häufchen treten auf der Unterseite der Blätter auf, sparsam schon von Anfang Mai, sehr reichlich vom Juni an. Die einzelnen Sporen werden auf einer farblosen Unterlage von kurzen Stielehen abge- schnürt, die meist kürzer als die Sporen bleiben. Diese sind kug- lig, elliptisch oder eiförmig, durchschnittlich 23 (20 bis 26) Mikrom. lang, 19 (17 bis 20) breit, das Episporium, welches sich sehr bald kastanienbraun färbt, in Abständen von ec. 3 Mikrom. mit 1,5 Mikrom. hohen dreieckigen spitzen Erhabenheiten gleichmässig besetzt, am Scheitel nicht verdickt, seitlich meist mit zwei verdünnten Stellen (Keimporen) versehen. Der Inhalt ist von Anfang an farblos. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft III. 1 2 Die Teleutosporen finden sich vom August an. Anfangs erhe- ben sie sich zwischen den Uredosporen, dann, so wie die Bildung des Uredo aufhört, in isolirten Häufehen, bis spät in den November hinein fortdauernd. Diese schimmern in der Jugend als honiggelbe Punkte durch die Oberhaut, dann treten sie als kohlschwarze, schliess- lich in ihrer ganzen Oberfläche von der Epidermis entblösste Polster zu Tage. Sie finden sich fast nur auf der Unterseite der Blätter ‘ und sind hier in langen parallelen Längsreihen geordnet. Diese Anordnung entspricht nicht einer specifischen Vegetationsweise des Pilzes, sondern dem anatomischen Baue des Blattes, da das Mycel vor- zugsweise an der mit Spaltöffnungen reich versehenen Unterseite, wo auch die Hauptmasse des chlorophyllhaltigen Blattparenchyms liegt, wuchert, und seine Ausbreitung durch die bis an die Epidermis treten- den Hauptgefässbündel des Blattes linienförmig unterbrochen wird. — Die Sporen stehen sehr dicht in den Häufchen und haften sehr fest an ihrer Unterlage, so dass sie sich auch von dem vertrockneten Blatte nicht ablösen. Die Stiele sind durchschnittlich 20 Mikrom. lang und 4 bis 5 breit, steif, hellbraun. Die Sporen sind keulen- förmig, in der Mitte etwas zusammengeschnürt, durchschnittlich 43,5 (39 bis 45) Mikrom. lang, (die untere Zelle oft etwas länger als die obere) an der Scheidewand 13,8 (12 bis 15) in der Mitte der obe- ren Zelle 17,8 (15 bis 20) Mikrom. breit. Die Membran ist hellbraun, am Scheitel nur wenig dunkler, glatt, im Allgemeinen 2 bis 3, am Scheitel 6,35 (5 bis 8) Mikrom. dick, hier in der Mitte mit einer kegelförmigen Höhlung (Keimporus). Der Inhalt ist von Anfang an farblos; in der Mitte jeder Zelle findet sich eine kuglige blassere Stelle. Die Gestalt der einzelnen Sporen ist sehr verschieden, sie sind theils länger gestielt, und dann am Scheitel abgerundet oder abge- flacht, die unteren Zellen keilförmig in den Stiel verschmälert, theils sind sie kurz gestielt, die Scheitelverdiekung zugespitzt oder kiel- förmig, zweischneidig, verbreitert, die unteren Zellen breiter. Diese beiden Formen erklären sich durch den Druck der eng beisammen stehenden Sporen auf einander, indem die ersteren den früher gebil- deten, oft durch den Druck der Oberhaut abgeflachten Sporen ent- sprechen, die anderen den später gebildeten, welche sich in die Lücken zwischen den ersteren einpressen. Häufig finden sich einzellige Teleutosporen, die dann ziemlich lang gestreckt, bis 32 Mikrom. lang und 15 breit, am Scheitel mit der charakteristischen Membranverdickung versehen sind. Einigemal sah ich einzelne Sporen aus drei senkrecht übereinan- B) der stehenden Zellen gebildet, sie können nur als Abnormitäten angesehen werden. In Bezug auf die Entwickelung dieser Puccinie musste in Er- wägung gezogen werden, dass sich ein grosser Theil der Blätter von Üarex hirta den Winter über frisch erhält, so dass das Mycel in denselben überwintern und im Frühjahr frischen Uredo bilden könnte. Ein solches Verhalten zeigt auffallend Puccinia Luzulae Cd. Pflanzen von Zuzula püosa L., die am oberen Theile der Blätter mit den Teleutosporen dieses Pilzes besetzt waren, hatten am unte- ren Theile derselben gelbrothe Flecke, die von Mycel durchzogen waren, Als ich die Pflanzen im warmen Zimmer im Winter weiter eultivirte, traten aus diesen Flecken sofort Uredolager auf, die ihre orangerothen Sporen aus kleinen Oeffnungen der Epidermis ranken- förmig ausstiessen. Ich zweifle nicht daran, dass dieser Vorgang auch im Freien bei Beginn der wärmeren Jahreszeit stattfindet, und dass hiermit eine Weiterverbreitung der betreffenden Puceinie auch ohne Aeecidienbildung eintreten kann. Bei P. Caricis liegt dieselbe Möglichkeit vor, aber immerhin bleibt auch dann nicht ausgeschlossen, dass ein Aecidium in den Entwicklungskreis gehört; bei einem so weit verbreiteten Pilze lässt sich vielmehr erwarten, dass seine Fortpflanzung nicht auf die blosse Möglichkeit eines überwinternden Mycels begründet ist. Ich hatte seit längerer Zeit die Vermuthung, dass Aecidium Urticae Schum. die hierher gehörige Fruchtform sei. Dieses überall vorkommende dAecidium musste jedenfalls in den Entwick- lungskreis einer allverbreiteten Uredinee gehören, und seine beson- dere Häufigkeit in der Nähe von Gräben und an feuchten Wald- stellen liess erwarten, dass sich die zu ihm gehörigen Teleutosporen an einer Sumpfpflanze finden würden. Vor einigen Jahren hatte ich versucht, junge Pflanzen von Urtica diorca L. durch Puccinia arundinacea Hedw. f. zu infieiren. Die auf Blättern von Phragmites im März eingesammelten Sporen keimten in feuchter Luft sehr schnell und gleichmässig, und bildeten ganz wie P. graminis Pers., farblose Sporidien, diese keimten aber nie in die Nesselblätter ein, wiederholte Infectionsversuche blieben ohne allen Erfolg. Hiernach war es mir um so wahrscheinlicher, dass das Aec. Urticae zu Puce. Caricis gehöre. Um dies zu prüfen holte ich im Januar dieses Jahres Rhizome von Urtica dioica von verschiedenen Standorten, reinigte sie von etwaigen Verunreinigungen und setzte sie in Töpfen ins warme Zimmer. 1* a Zu gleicher Zeit sammelte ich im Freien überwinterte Blätter von Carex hirta ein, die reichlich mit P. Caricis besetzt waren. Ende Januar wurden diese Blätter auf feuchte Erde gelegt und mit einer Glasscheibe überdeckt. Bei der gewöhnlichen Zimmer- temperatur begann sich jetzt sofort die Keimung vorzubereiten. Das an der Wand anliegende Protoplasma dehnte sich aus und erfüllte als feinkörniger Inhalt die Sporenzellen. In ihrer Mitte blieb nur eine kuglige Vacuole von c. 6 Mikrom. im Durchmesser. Die Sporen- membran schien dabei dünner und heller zu werden. Das Plasma wurde dann schaumig, die Vacuolen vermehrten sich, nach 24 Stun- den hatten die Sporen gekeimt. Die Keimung geschah sehr gleich- mässig über alle Räschen eines Blattes, die obere Zelle keimte immer bedeutend früher. Die Schläuche (Promycelien) traten an der oberen Zelle in der Mitte der Verdiekung durch den Keimporus, an der unteren dicht unter der Scheidewand aus, sie wurden c. 80 Mikrom. lang, 4 breit und waren mit farblosem Protoplasma gefüllt. Im oberen Theile krümmten sie sich meist halbkreisförmig zur Unterlage zurück, und gaben hintereinander meist 4 pfriemliche Sterigmen von 10 bis 15 Mikrom. Länge ab, an deren Spitze sich je eine Sporidie bildete. 24 Stunden nach der Keimung war ihre Ausbildung vollendet, die Räschen erschienen weiss bestäubt. Die Sporidien waren eiförmig, an der einen Langseite abgeflacht, an der Ansatzstelle spitz, 10 mar lang, 6,5 breit, mit leicht gelblichem, stark lichtbrechendem Plasma erfüllt. Sie sind sofort keimfähig. Auf einer feuchten Glasplatte trieben sie pfriemliche Schläuche, so lang als die Sterigmen der Promyce- lien, an deren Spitze sich eine secundäre Sporidie, ziemlich von der Gestalt und Grösse der ersten bildete. Wurden Sporidien auf junge Blätter von Urtica dioica gebracht, so keimten sie in das Gewebe ein. Nach 2 Tagen waren an der Aussaatstelle viele isolirte Zellen der Epidermis gebräunt, und zwischen den Zellen des Blattparenchyms fand sich ein ec. 3 Mikrom. breites, vielfach verzweigtes, farbloses Mycel. Eine Weiterentwicklung von diesen Stellen aus konnte ich nicht verfolgen, denn die so infieirten Blätter fielen ab und vom Stamme getrennt gehen die Nesselblätter schnell zu Grunde. Andere Versuche hatten a schnellen Erfolg. Am 1. Februar wurden die jungen Urtica-Pflanzen mit Blättern, auf denen sich keimende P. Caricis fand, bedeckt. Am 10. Februar zeigten sich auf einigen an der Spitze der Triebe entwickelten Blätt- chen kleine rothe Flecke, an denen am 12. deutlich orangerothe - B) kegelförmige Hervorragungen, die an der Spitze ein Schleimtröpfehen trugen, erkennbar waren, offenbare Spermogonien, Am 13. war an jeder von 5 infieirten Pflanzen je ein Blättchen auf der Oberseite mit mehreren, aus 5 bis 6 Spermogonien gebildeten Flecken besetzt. Am 16. wurden 7 Blätter mit Spermogonienflecken gezählt, einige Flecke auch am Stengel, die Zahl der Spermogonien in den einzel- nen Flecken war bis auf 16 gewachsen. Am 20. wurden 15, am 24. 19 infieirte Blätter notirt. Am 1. März traten gegenüber den Spermogonien weisse, halbkuglige Erhabenheiten auf, die am folgen- den Tage schon gelb wurden und zum Theil in der Mitte aufbrachen, orangerothe Sporen entleerend, die Aecidien. Nach und nach fan- den sich im Umfange der ersten immer neue Aecidien ein, und gleichzeitig mit ihrer Entwicklung schwollen die Stengel und Blatt- stiele federkielartig an, während die infieirten Stellen der Blätter blasenförmig aufgetrieben wurden. Einige der Nesselpflanzen waren nicht mit Carex-Blättern bedeckt worden, auf ihnen entwickelten sich auch keine Spermogonien und Aecidien. Eine zweite Versuchsreihe wurde am 17. Februar begonnen. 13 Sprossen von Urtica dioica wurden reichlich mit Blättern von Carex hirta, auf denen keimende P. Caricis war, umhüllt. Am 10. März zeigten sich 11 von den Pflanzen sehr stark inficirt. Spermogonien-Häufchen waren am Grunde der Stengel, an den Blatt- stielen und an sämmtlichen jungen Blättern sehr reichlich entwickelt, während die älteren Blätter sämmtlich abgefallen waren. Am näch- . sten Tage schimmerten schon in der Umgebung der Spermogonien junge Aecidien durch, und die Stengel schwollen an. In einigen Tagen waren fast die ganzen Pflanzen über und über mit Spermogonien- und Aecidien-Flecken überzogen, Ich glaube, dass ich nach diesen Erfahrungen Aecidium Urticae Schum. als eine Fruchtform der Puccinia Caricis DC. auffassen muss. Ueber den Bau der Spermogonien und Aeeidien habe ich kaum etwas zu sagen, das nicht allgemein bekannt wäre. Die Spermo- gonien sind kuglig, 100 bis 120 Mikrom. im Durchmesser, orange- roth, an der Mündung mit pfriemlichen, auseinandergespreizten, bis 80 Mikrom. langen, am Grunde 5 bis 6 Mikrom. breiten Haaren. Die Spermatien erscheinen in Menge orangeroth, einzelne leicht gelblich, stark lichtbrechend, elliptisch oder eylindrisch, 4 bis 5 Mikrom. lang, c. 2 breit. In feuchtem Raum gehalten, zeigten sie während einiger Tage keine Veränderung. Die Aecidienbildung ist von einer gallenartigen Anschwellung an der Nähr-Pflanze begleitet, die so stark wird wie vielleicht bei keiner durch eine andere Uredinee infieirten Pflanze. Am Stengel bilden sich fingerdicke, manchmal fingerlange, gewundene Verdickun- gen, an den Blättern oft taschenförmige Auftreibungen, die den blasenförmigen, durch Blattläuse hervorgerufenen Gall-Taschen ähneln. Diese Gallen werden durch sehr starke Anschwellung der Parenchym- zellen gebildet, zwischen denen das 3 bis 5 Mikrom. breite, farblose Mycel des Pilzes dichte und dieke Lager bildet, ohne in die Zellen selbst einzudringen. — Die Becher werden sehr breit, oft bis 0,75 Millim. im Durchmesser. Ihr Peridium besteht aus dicht pflasterförmig verbundenen polygonalen Zellen, die ce. 23 Mikrom. lang, 20 breit und 17 dick werden. Ihre Membran ist innen c. 5 Mikrom. stark, mit leistenförmigen Verdickungen besetzt. Die Sporen werden in continuirlichen Ketten abgeschnürt, die lange fest vereinigt bleiben, so dass man auf den Durchschnitten leicht Reihen von 10 und mehr reifen Sporen erhält. — Die Sporen sind ziemlich gleichmässig gross, elliptisch oder polygonal, 17 bis 20 Mikrom. lang, 12 bis 16 breit. Ihre Membran ist farblos, überall gleichmässig dick, an den Stellen, die in den Ketten frei sind, mit halbkugligen, leicht ahlösbaren Erhabenheiten besetzt. Der Inhalt lebhaft orangeroth. Sie sind bald nach der Reife keimfähig. Die Keimschläuche durchbohren das Epispor an einer, oder an zwei gegenüberliegenden Stellen mit kleiner kreisförmiger Oeffnung, sie sind überall ziemlich gleichmässig 5 bis 6 Mikrom. dick. Das orangerothe Plasma rückt an der Spitze vorwärts. 24 Stunden. nach Aussaat der Sporen auf eine feuchte Glasplatte waren die Keim-Schläuche schon 2 Millim. lang, an der Spitze abgerundet oder zungenförmig erweitert, oft hatten sie schon ein oder zwei kleine Seitenäste gebildet. Aussaaten auf junge Carex-Blätter blieben mir im April erfolglos. An einigen Pflanzen, die ich Ende März mit Aecidium-Sporen be- streut hatte, sah ich Anfang Mai auf den äusseren Blättern ziemlich reichliche Räschen von junger Puccinia. Bei dieser Pflanze hatte ich die Infeetionsversuche nicht ohne Unterbrechung verfolgen können. Ich halte es nicht nur für möglich, sondern auch für wahrschein- lich, dass sich hier die Puccinia-Sporen von einem überwinterten Mycel ausgebildet hatten '). 1) Dr. Magnus hat, wie er in der Gesellschaft naturforschender Freunde vom 17. Juni 1373 vortrug, bereits im Frühjahr 1872 durch Aussaat der Sporen von Aecidium Urticae auf Carex hirta den Uredo Caricis erhalten und dar- aus auf die Zusammengehörigkeit von Aec. Urticae mit Puceinia Caricis geschlossen. 7 2) Auf verschiedenen Gräsern komnt, wie es scheint sehr häufig und überall verbreitet eine Uromyces-Form vor. Ihr Uredo ist als Epitea Poae Tul., Epitea Dactylidis Otth, die Teleutosporen als Uromyces Dactylidis Otth, Capitularia graminis Niessl, Puccinella graminis Fekl., Uromyces graminum Cooke beschrieben worden. Ich be- zeichne den ganzen Pilz hier als Uromyces Dactylidis Otth, ich habe ihn bisjetztauf Dactylis glomerataL., Poa nemoralisL., PoatrivialisL., P. pratensis L., Poa annua L. und Arrhenatherum elatius (L.) gefun- den. Die von Otth und Niessl angeführten oder vermutheten Unter- schiede zwischen der auf Poa und der auf Dactylis vorkommenden Form kann ich weder für die Epitea noch für den Uromyces constatiren. Die Uredosporen treten gewöhnlich zuerst an der Oberseite der Blätter in gelblich orangefarbenen Häufchen auf. Sie sind von der Oberhaut ganz entblösst, meist 1 Millim. lang, 0,5 breit. Die ein- zelnen Sporen sind elliptisch oder eiförmig, bei Wasserzusatz fast kuglig anschwellend, durchschnittlich 26 Mikrom. lang, 21 breit. Die Membran ist farblos, am Scheitel nicht verdickt, überall gleichmässig in Abständen von 1,5 bis 2 Mikrom. mit spitzen kaum 1 Mikrom. hohen Erhabenheiten besetzt. Der Inhalt ist lebhaft gelbroth. Die Sporen stehen an farblosen bis ec. 20 Mikrom. langen, 4 Mikrom. breiten Stielchen, die unmittelbar unter dem Sporenansatz etwas erweitert sind. Zwischen den Sporen, und zwar sowohl am Rande als in der Mitte der Häufchen sehr dicht, finden sich längliche etwas gekrümmte Fäden (Paraphysen), bis 66 Mikrom. lang, am Grunde 5 Mikrom. breit, An der Spitze enden sie in eine kuglige oder eiförmige Anschwellung von 13 bis 16 Mikrom. Länge und c. 12 Mikrom. Breite, die durch eine tiefe Einschnürung geschieden sind; unterhalb derselben ist der Faden noch etwas erweitert. Die Membran ist leicht gelblich, am kopfförmigen Ende bis 4 Mikrom. diek. Die Fäden sind hohl und enthalten am Scheitel zuweilen einzelne rothe Oeltröpfchen. Während die Uredosporen immer schon Anfang Mai erscheinen, treten die Teleutosporen erst vom Juli an auf. Die Gräser sind dann meist abgemäht, und darum werden die am Grunde ihrer Halme befindlichen Sporenhäufchen leicht übersehen. Diese sind pech- schwarze, flache, 1 bis 1,5 Millim. lange, 0,5 bis 1 Millim. breite unscheinbare Flecke, immer von der Oberhaut bedeckt. Die Sporen stehen sehr dicht, an bräunlichen, festanhaftenden, durchschnittlich Diese Versuche waren mir erst lange nach Absendung dieser Arbeit bekannt geworden. Der Entwicklungskreis der Puceinia Carieis ist demnach jetzt ohne Lücken beobachtet. 8 24 (7 bis 27) Mikrom. langen Stielehen. Sie sind eiförmig, elliptisch oder keulenförmig, am Scheitel abgerundet oder verflacht, durch den gegenseitigen Druck oft umgekehrt pyramidenförmig oder unregel- mässig polyedrisch, durchschnittlich 26 (23 bis 30) Mikrom. lang, 17 (16 bis 18) breit. Die Membran ist glatt, am Scheitel zuweilen etwas weniges, doch nie bedeutend und immer gleichmässig verdickt, hellbraun, am Scheitel dunkeler, lebhaft kastanienbraun. Der Inhalt ist immer farblos; bei den reifen Sporen findet sich in der Mitte eine kuglige Vacuole. Das feste Anhaften der Teleutosporen an ihrem Substrat macht es möglich an den abgestorbenen Grashalmen im Frühjahr sogar noch die ausgekeimten Sporen zu finden, und dadurch wird das Aufsuchen der weiteren Entwieklungszustände sehr erleichtert. Anfang Mai vorigen Jahres fand ich zu Freiburg i/Brg. über den ganzen N.O. Abhang des Lorettoberges verbreitet Poa trivialis, die reichlich mit der charakteristischen Zpitea überzogen war. An den vertrockneten Halmen der alten Grasrasen waren überall schwärzliche Flecke zu bemerken, die aus ausgekeimten Sporen von Uromyces Dactylidis bestanden. Zwischen den Gräsern wuchs überall Kanun- culus repens, und auf diesem wucherte Aecidium Banunculacearum so reichlich, dass keine Pflanze und an diesen kein Blatt frei war, viele Blätter fast buchstäblich von den Aecidium-Bechern überzogen waren. Dieses reichliche Nebeneinander- Vorkommen der drei Ure- dineen musste mir die Vermuthung aufdrängen, dass sie in einen gemeinschaftlichen Entwicklungskreis gehörten, zumal ich in der Nähe weder ein anderes Aecidium fand, noch auch eine andere Uredoform. Als ich später darauf achtete, traf ich in der Nähe des auf Ranunculus bulbosus L., R. repens L., R. polyanthemos L. wachsen- den Aecidium immer alte Grashalme, an denen sich noch Sporen von Uromyces Dactylidis nachweisen liessen, andererseits sah ich auch in diesem Frühjahr wieder öfter Aecidium Ranunculacearum und Epitea Poae auf benachbarten Pflanzen auftreten. Im Februar dieses Jahres stellte ich einige Culturen an, um mich über den vermutheten Zusammenhang dieser Pilze zu verge- wissern. Ich sammelte Blätter von Dactylis glomerata ein, die reich mit im Freien überwinterten Teleutosporen von U. Dactylidis besetzt waren. Nachdem sie etwa 8 Tage auf feuchter Erde im warmen Zimmer gelegen hatten, keimten die Sporen. Wie es schien, ging die Keimung sehr ungleichmässig vor sich, die Flecke bedeckten sich nie mit Sporidienstaube. Die Keimschläuche traten aus der 9 Sporenhaut am Scheitel oder etwas seitlich und durchbohrten einzeln die geloekerte Epidermis ohne sie abzuheben. Auf die gewöhnliche Weise erfolgte die Bildung der Sporidien. Diese waren eiförmig, an einer Seite abgeflacht, mit farblosem Protoplasma gefüllt, ziemlich gross, nämlich e. 13 bis 14 Mikrom. lang, 7 bis 8 breit. Mitte Februar setzte ich 7 Stöcke von Ranunculus bulbosus L. und 3 von R. repens L. nach vorheriger Reinigung in Töpfe, bedeckte sie mit den vorerwähnten Blättern von Dactylis und liess sie, mit einer Glasplatte verdeckt, im warmen Zimmer stehen. Einige genau bezeichnete Blätter wurden von der Berührung mit den Dactylis-Blättern frei gehalten. Die Blätter der Ranunculus-Stöcke wuchsen schnell aus und schon am 27. Februar fanden sich an einigen derselben (6 Blätter an 3 Stöcken) zahlreiche Spermogonien (in 12 Flecken), kleine schmutzig honiggelbe kegelförmige Hervorragungen. Die Flecken nahmen schnell an Zahl zu. Durch Umhüllen der Blattstiele mit den Daectylis- Blättern und Auflagerın auf bestimmte Blätter, konnte ich an bestimmten Stellen Infection erzielen, deren Erfolg etwa 10 Tage nach dem Auflagern sichtbar wurde. An- fang März waren die der Infection ausgesetzten Blätter fast sämmt- lich mit Spermogonienflecken besät, während die vor der Ansteckung geschützten Blätter keine Spermogonien trugen. Das Resultat des Versuches am 10. März war nach Zusammenstel- lung meiner Tagebuchnotizen folgendes: An sämmtlichen 10 Stöcken finden sich Spermogonienflecke. Von 36 Blättern sind 24 mit solchen besetzt, und zwar an den Blattstielen und an der Oberseite der Blattspreite, und in so grosser Menge, dass die Anzahl der ein- zelnen Flecke nicht mehr notirt werden konnte. Von den 12 nicht infieirten Blättern waren 6 absichtlich mit dem Uromyces nicht in Berührung gebracht worden, zwei waren bei Beginn der Cultur sehr alt, 4 hatten sich erst entwickelt, nachdem die mit Uromyces besetz- ten Dactylis-Blätter schon von den Versuchspflanzen entfernt worden waren. Nun begannen sich auch Aecidien zu bilden, an den Blattstielen in der Umgebung der Spermogonien, an der Spreite auf der ihnen gegenüberliegenden Blattunterseite.. Das Gewebe schwoll etwas an und wurde weisslich verfärbtt. Am 12. März waren schon einzelne Aecidienbecher geöffnet. Spermogonien und Aecidien boten nichts Besonderes zu bemer- ken. Erstere bilden orangerothe kuglige Behälter von ec. 120 Mikrom. Durchmesser, innen mit pfriemlichen Sterigmen, an der Mündung mit 10 büschligen Haaren bekleidet. Die Aecidien sind kurze Röhren von c. 0,25 bis 0,33 Millim. im Durchmesser. Sie stehen dicht zusam- men, entweder zu 4 oder 5 in kleinen Flecken oder kreisförmig in mehreren concentrischen Ringen in grösserer Zahl. Sie sind von einem weissen zerschlitzten Saume umgeben, mit orangerothem Spo- renpulver erfüllt. — Die Becherchen stehen oft so dicht, dass alles Blattparenchym zwischen ihnen geschwunden ist. Die Zellen des Peridiums sind pflasterförmig, dicht aneinander gefügt, 24 bis 32 Mikrom. lang, 20 bis 23 breit, polygonal, ihre Membran ist 3 bis 4 Mikrom. stark, farblos, mit leistenförmigen Verdiekungen; im Innern enthalten sie meist einige orangefarbene Oeltropfen. Die Sporen werden in locker zusammenhängenden Ketten abgeschnürt, sind c. 26 Mikrom. lang, 20 bis 23 breit, ihre Membran ist farblos, mit leicht ablösbaren punktförmigen Erhabenheiten besetzt, ihr Inhalt lebhaft orangefarben. Ich glaube auf diese Beobachtungen hin nicht bezweifeln zu können, dass das Aecidium Ranunculacearum DC., wenigstens seine auf Jtanunculus bulbosus L. und R. repens L. vorkommende Form, in den Entwicklungskreis von Uromyces Dactylidis Otth gehört. Wahrscheinlich sind auch die auf R. acer L., R. polyanthemos L., JR. auricomus L., R. lanuginosus L. häufig anzutreffenden Aeeidien hierher zu rechnen. Einige auf anderen Aanunculaceen vorkom- mende Aecidien (z. B. die auf Ülematis, Thalictrum, Isopirum, Aquwilegia, Actaea), die auch wohl mit unter dem Namen ee. Jtanunculacearum DC. zusammengefasst werden, gehören vielleicht wieder zu anderen Uredineen. Rastatt, im Mai 1873. Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Verdunstung entgegensetzen. | Mittheilung aus dem pflanzenphysiologischen und agrieulturchemischen Laboratorium des Polytechnikums zu Carlsruhe. Mouz rt Dr.‘ L.’Just, Die Frage, welchen Widerstand die Hautgebilde der Verdunstung entgegensetzen, bietet der experimentellen Behandlung vielfache Schwierigkeiten. Es ist nur selten möglich, für die vergleichende Untersuchung Versuchsobjeecte zu gewinnen, die für die eine Ver- suchsreihe von Hautgebilden vollkommen umschlossen, für die andere Versuchsreihe von denselben befreit sein müssen. — Ziemlich leicht ist diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen bei der Anwendung von Samen und Früchten. Demgemäss wurden die nachstehend mitgetheilten Untersuchungen an Aepfeln ausgeführt. — Es kamen Aepfel, die möglichst gleichartig und sämmtlich von einer Sorte waren, zur Verwendung. Zur Lösung der Vorfrage, ob etwa der Wassergehalt der Aepfel in nennenswerther Weise schwanke, wurde derselbe bei 12 Aepfeln festgestellt. Es ergaben sich nur Schwankungen von 0,3 Procent, so dass also in dieser Hinsicht die Versuchsobjeete sehr wohl mit- einander vergleichbar sind. Die Untersuchungen wurden in folgender Weise ausgeführt: Es wurde ein ungeschälter Apfel in ein grosses weithalsiges Glas gehängt, an dessen Boden sich eine angemessene Quantität CAlor- calcium befand. Das Glas wurde durch einen gut passenden Kork verschlossen und dann in einen Horstmann’schen Thermostaten gestellt, der mit Hilfe eines Reichert'schen Thermoregulators con- stant auf einem bestimmten Wärmegrad erhalten wurde. Es gelang, 12 die Temperaturschwankungen auf 0,5% zu beschränken. Nach je 24 Stunden wurde der Gewichtsverlust festgestellt und das C'hlorcal- cium je nach Bedürfniss erneuert. Jeder einzelne Versuch wurde durch vier Tage fortgesetzt. Zur Vergleichung wurde dann ein geschälter Apfel bei derselben Temperatur in gleicher Weise behandelt. Je zwei solcher zusammengehörender Versuche wurden dann bei ver- schiedenen Wärmegraden wiederholt. In Nachstehendem theile ich nun die durch den Versuch gewon- nenen Resultate mit. Es ist von jedem Apfel die Oberfläche, das Gesammtgewicht, der Gewichtsverlust nach je 24 Stunden, der ge- sammte Gewichtsverlust nach 96 Stunden angegeben. Ferner ist der Gewichtsverlust für je ein Quadratdeeimeter Oberfläche nach je 24 Stunden, sowie der Gesammtgewichtsverlust nach 96 Stunden mitgetheilt. Ueber die Art der Oberflächenberechnung sowie über einige un- vermeidliche Beobachtungsfehler, folgt später das Nöthige. I. Apfel ungeschält. Temperatur 21°. Oberfläche 124,654 Quadratcentimeter., Anfangsgewicht . - . 103,1 gr. Gewicht nach 24 Stunden 102,1 = — 1,0 gr. Differenz. = = 48 = 100,95 alas E : RE = 99,97 = — 0,98 = : . a9 98,96 = — 1,01 = - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 4,14 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 0,802 gr. nach weiteren 24 E DISS E = = 94 = 0,78 = = = 34 = 0,81 = Der Apfel verlor in der Zeit von 96 Stunden pro Quadratdeeimeter Oberfläche 3,322 gr. I Apfel geschält. Temperatur 21°. Oberfläche 116,876 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht. . » . . 86,5 gr. Gewicht nach 24 Stunden — 67,2 gr. Differenz 19,3 gr. = : 48 z — 55,0 : e 12,27 7 = la 72) 5 — 44,09 = E 10,91 = = = 96 2 — 35,78 _ B 8,31 = Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 50,72 gr. 13 Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 16,51 gr. nach weiteren 24 - 10,44 = = E 24 e 9:33 7 = z 34 2 7,9 be: Der Apfel verlor in der Zeit von 96 Stunden pro Quadratdeeimeter Oberfläche 44,24 gr. II. Apfel ungeschält. Temperatur 26°. Oberfläche 116,839 Quadrateentimeter. Anfangsgewicht . . . . 111,68 gr. Gewicht nach 24 Stunden 110,78 = —- 0,90 gr. Differenz. - =..48 = 1093,20. = — 1,08 = - : a 26108020, 2, 2,1.00.,- ’ = : 96 z 108,00 = — 0,70 - - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 3,68 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 0,77 gr. nach weiteren 24 E 0592,02 = - 24 = 0,85 = = - 24 = 0,60 = Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 3,14 gr. 1I* Apfel geschält. Temperatur 26°. Oberfläche 94,294 Quadratcentimeter. Anfangsgewichtt . . . 88,9 gr. Gewicht nach 24 Stunden 68,47 = — 20,43 gr. Differenz. = 2.48 - 97,18 »-— 711,3732- = E En? = 48,7 = — 84 : = = = 96 z 42,5 2 — 6,2 z = Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 46,4 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 21,66 gr. nach weiteren 24 : 12,06 = z = 24 = 8,87 = P 2 94 = 6,68 Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden: 49,27 gr. 14 IH. Apfel ungeschält. Temperatur 32°. Oberfläche 116,895 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . . 98 gr. Gewicht nach 24 Stunden 94,18 gr. — 3,82 gr. Differenz. - : 48 E 92,85 = — 1,383 - 5 = =. 12 = a7 . — 1,78 : z = #96 - 90,017 2.7 1,46 =: 5 Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 8,39 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 3,26 gr. nach weiteren 24 : ISA - E 24 E 1,51, = - 2 24 E 1,26 = Der Apfel verlor in der Zeit von 96 Stunden pro Quadratdeeimeter Oberfläche 7,16 gr. III Apfel geschält. Temperatur 32°. Oberfläche 102,767 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 91 gr. Gewicht nach 24 Stunden 67,5 gr. — 23,5 gr. Differenz. z 2,048 = 51,5, =, —;16,0, - - E zone = 40,4 = — 11,1 = = - = 95 = 32,15 ze 8,25 5 = Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 58,85 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 22,86 gr. nach weiteren 24 2 15,56. °= = - 24 = 10,80 = z z 24 5 8,02 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 57,26 gr. IV. Apfel ungeschält. — Temperatur 36°. Oberfläche 141,841 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 129,7 gr. Gewicht nach 24 Stunden 126,20 gr. — 3,5 gr. Differenz. E =. 48 : 123,90 = — 2,3 = E = in 2702 = 121,95 = Iinle 2 5 = 706 5 119,35 =: — 2,10% e Der Apfel verlor im Ganzen in der Zeit von 96 Stunden 9,85 gr. 15 Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 2,46 gr. nach weiteren 24 - 156257 = = 24 = 1,37 = z : 24 - 1,21, 1% Der Apfel verlor in der Zeit von 96 Stunden pro Quadratdecimeter Oberfläche 6,86 gr. IV®: Aepfel geschält. Temperatur 36°. Oberfläche 93,981 Quadratcentimeter. j Anfangsgewicht . . . 88,82 gr. Gewicht nach 24 Stunden 54,00 gr. — 34,82 gr. Differenz. = =: 48 z 36,850 = — 17,20. = - = a - 26,20. 02 10,307: = : 2 960. 21.0 2100N 2 25550 - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 67,82 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 37,06 gr. nach weiteren 24 B 18,30 - - - 24 - 10326 F- = z J4 z 9,85 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 72,17 gr. V. Apfel ungeschält. Temperatur 42°. Oberfläche 132,728 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 118,11 gr. ‚Gewicht nach 24 Stunden 111,83 = — 6,28 gr. Differenz. - EISEN 721050, 2 Has - = au 02 z 104,35 = — 3,15 = - - u 296 - 108,327 2,7 3,0200 = Der Apfel hatte im Ganzen Jean in der Zeit von 96 Stunden 16,78 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 4,73 gr. nach weiteren 24 = SE 2b = z 24 = 2,37 e = B 24 E 2,27 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 12,63 gr. 16 V% Apfel geschält. — Temperatur 42°. Oberfläche 102,767 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht 100,90 gr. Gewicht nach 24 Stunden 59,50 = — 41,40 gr. Differenz. a aa Be 25,00, - : e ee = 24,00 = — 12,50 = - S = 96 z 18,85 = — 5,15 - - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 82,05 gr. Der Apfei verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 40,28 gr. nach weiteren 24 E 22,38 = z = 34 E 12,36 2 = = 24 9,01 z Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 80,03 gr. VI. Apfel ungeschält. Temperatur 46°. Oberfläche 134,366 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht. 123,62 gr. Gewicht nach 24 Stunden 118,78 gr. — 4,84 gr. Differenz. = haare. 113500 Edda - - TON Er 108,07 ea ao > z 17964" = SR a SA 5 Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 1990er} Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 3,24 gr. nach weiteren 24 - 4,08 = B 24 E 3,89 =: - - 24 E 3,24 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 14,45 gr. VI* Apfel geschält. Temperatur 46°. Oberfläche 116,839 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . 126,6 gr. Gewicht nach 24 Stunden 79,0 = — 47,6 gr. Differenz. s :e 48 51,3 — 277 =: - - 2 34,2 — 17,1 : E < s 96 26, 2 — 8, Use = Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 100,4 gr. 17 Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 40,74 gr, nach weiteren 24 =, 23,04 - = 24 E 14,64 : = = 94 2 6,84 Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 85,86 gr. VU. Apfel ungeschält. — Temperatur 56 °/,. Oberfläche 113,076 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 93,4 gr. Gewicht nach 24 Stunden 85,00 = — 8,0 gr. Differenz. - AB. wu, UU6D => 7,80 = - SE OLE at = - 5 22,96 E 60,50 =: — 8,28 = - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 32,50 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 7,07 gr. nach weiteren 24 = 6,50 = = = 24 = 7,84 2 - - 24 E 2,33% = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 28,74 gr. VI® Apfel geschält. — Temperatur 56°/,. Oberfläche 94,293 Quadratcentimeter. Anfangsgewichtt . . . 88 gr. Gewicht nach 24 Stunden 41,30 gr. — 46,70 gr. Differenz. - =, 48 = 20,30 = — 21,00 : = - EN? S 1A, 35.725 2 7599br = e = = 96 E 12,95 20 2,40 = e Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 76,05 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 49,52 gr. nach weiteren 24 e 22,27. 2 = = 34 = 6,31 = = = 24 E 2,55 = Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 80,65 gr. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft III. 2 18 VII. Apfel ungeschält. Temperatur 62°. Oberfläche 128,655 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 107,72 gr. Gewicht nach 24 Stunden 76,20 = — 31,52 gr. Differenz. = z 48 z 93,25 20 22,95 z 2 z - 2, z 42, 50 =: — 10, URS TOET- = : a) = 31,70 = — 10,80 =: B Der Apfel hatte im Ganzen euldien in der Zeit von 96 Stunden 76,02 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 24,57 gr. nach weiteren 24 E 17,83. = = P 24 z 8, a = 2 24 = 8, 39 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 59,34 gr. VIII®- Apfel geschält. Temperatur 62°. Oberfläche 116,632 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 104,30 gr. Gewicht nach 24 Stunden 51,12 gr. — 53,18 gr. Differenz. : er een > - - ae We 5 TODE 39100, : 2 = 1436 : 15,55 \is — 12,35. = - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 88,75 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 45,60 gr. nach weiteren 24 - 18.121,02 = = 24 = 10,37 = = = I4 - 2,01 = Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 76,09 gr. IX. Apfel ungeschält. — Temperatur 74°. Oberfläche 124,666 Quadratcentimeter. Anfangsgewichtt . . . 112,2 gr. Gewicht nach 24 Stunden 73,70 gr. — 38,50 gr. Differenz. S = 48 e 48,40 = — 25,30 = z _ 7 2 35,45 = — 12,95 = _ z : % 2 27,47 72: ei, IR Jr : Der Apfel hatte im Ganzen arlornt in der Zeit von 96 Stunden 84,73 gr. I Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 30,96 gr, nach weiteren 24 S 20,29 = : S 24 5 10,38 5 24 = 6,40 Der Apfel er pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 68,03 gr. IX* Apfel geschält. Temperatur 74°. Oberfläche 109,229 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 99,63 gr. Gewicht nach 24 Stunden 43,70 = — 56,93 gr. Differenz. = 2 48 z 28, DI. Er 15, Kor: = = SUR 7) = 21,3 : — 1,22 = z B 0:96 z 149 SEE NE - Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 85,73 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 51,64 gr. nach weiteren 24 - DIE RUR) = = 24 = 6, DOmE- = 24 z 5, 89 Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 77,85 gr. X. Apfel ungeschält. Temperatur 83°. Oberfläche 116,839 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 113,30 gr. Gewicht nach 24 Stunden 79,75 gr. — 33,55 gr. Differenz. - ey a ne - E Eu Tr hy e 29,99. — 1ER: e = : 96 z 22,10 = — 71,201: Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 91,30 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24 Stunden 23,70 gr. nach weiteren 24 s 26,38 = - = 24 z 16,83 = - 24 z 6, 20 = Der Apfel verlor pro Quadratdeceimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 78,11 gr. 9% 20 X* Apfel geschält. — Temperatur 83°. Oberfläche 102,018 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 84,75 gr. Gewicht nach 24 Stunden 40,50 = — 44,25 gr. Differenz. 5 =:, 48 - 15,70 = — 24,80, = 2 = : 72 = 14,00 SE 1,70 = s = z 96 = 13,60 2 0,40 z Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 7 Der Apfel verlor pro Quadratdeeimeter Oberfläche nach 24‘Stunden 53,37 gr. 1,15 gr. nach weiteren 24 e 14,31 = - a 1,66 : z = 24 = 0,39 = Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 69,73 gr. XI. Apfel ungeschält. Temperatur 97°. Oberfläche 138,527 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 119,4 gr. Gewicht nach 24 Stunden 63,225 gr. — 56,175 gr. Differenz. z z A8 z 30,520 2. 32,705 - = E END E 18,230 = — 12,290 = - = :.9 5 11,040. = — 1,190 = z Der Apfel hatte im Ganzen Fersen in der Zeit von 96 Stunden 102,360 gr. Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 40,56 gr. nach weiteren 24 : 23,611. - = 24 - 8, Bruce - B 24 5 0,85 - Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeit von 96 Stunden 73,89 gr. XI® Apfel geschält. — Temperatur 97°. Oberfläche 132,665 Quadratcentimeter. Anfangsgewicht . . . 112,57 gr. Gewicht nach 24 Stunden 37,10 = — 75,47 gr. Differenz. E : 48 = 17,58 = — 19,52 = z - el W2 e 15,80 = — 1,78 = - z z 96 = 14,82 a 0,98 2 . Der Apfel hatte im Ganzen verloren in der Zeit von 96 Stunden 97,75 gr. 21 Der Apfel verlor pro Quadratdecimeter Oberfläche nach 24 Stunden 56,88 gr. nach weiteren 24 z 14,71 2 E 24 = 1,34 = = 5 24 = 0,74 = Der Apfel hatte verloren pro Quadratdecimeter Oberfläche in der Zeitvon 96 Stunden 73,67 gr. Die vorstehend mitgetheilten Untersuchungsresultate, soweit sie die Verdunstung für je ein Quadratdecimeter Oberfläche betreffen, sind in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt. Die Oberfläche der Aepfel wurde in der Weise bestimmt, dass ich an je sechs verschiedenen Stellen den Durchmesser mass, aus den gewonnenen Zahlen. den mittleren Durchmesser berechnete. Dann wurde die, diesem mittlern Durchmesser entsprechende Kugel- oberfläche berechnet und als Oberfläche des betreffenden Apfels angenommen. Dass dieses Verfahren zulässig ist, ergiebt sich aus folgendem Versuch: Ich bestimmte das Volumen eines Apfels und berechnete die einer Kugel von dem gefundenen Volumen entsprechende Oberfläche. Die auf solche Weise gefundene Oberflächengrösse stimmte mit der aus dem mittlern Durchmesser gefundenen so gut überein, dass sich nur Differenzen von 0,3 Quadratcentimetern ergaben. Um zur Aufklärung der vorliegenden Frage aus den angestellten Untersuchungen einen Schluss zu ziehen, darf man jedenfalls nur die Verdunstung von einer bestimmten Oberfläche, hier also die Zahlen, welche die Verdunstung von ein Quadratdecimeter Oberfläche ange- ben, berücksichtigen. — Die Angabe der Verdunstung in Gewichts- procenten ist für den vorliegenden Fall nicht brauchbar. Es ist dies eigentlich selbstverständlich, denn die Intensität jeder Ver- dunstung ist ja, abgesehen von andern Bedingungen, immer abhängig von der Grösse der verdunstenden Fläche, und unter sonst gleichen Verhältnissen muss eine kleinere verdunstende Masse, bei grösserer verdunstender Oberfläche, durch Verdunstung mehr an Gewicht ver- lieren, als eine grössere Masse, bei kleinerer Oberfläche. Bei den zum Versuch verwendeten Aepfeln entsprechen die Massen durchaus nicht den Oberflächen. Bei dem Apfel II. z. B. kommen auf je ein Quadratdecimeter Oberfläche 95,5 gr. Substanz, bei dem Apfel III. hingegen nur 83,8 gr. Dennoch ergiebt sich als Verdunstung von einem Quadratdecimeter Oberfläche, bei Apfel II., innerhalb 96 Stun- den, und bei einer Temperatur von 26°, nur 3,140 gr. Von Apfel III. hingegen werden von der gleichen Fläche, in gleicher Zeit bei einer YJUTHTIIOG VPPWPOPAPENd oad Sunysunpıd HN SIR 8" Ze R 6 FL0 Fe’ 1,$1 .98'96 RS) ER x a et ‘80 ‘188 SIHre ae © 8:69 680 99° "ep ggg ui? G | 9807 26 "IX sXI | 'e8‘ Br rg, | 'os'9 | 'ssigr | 's8’9g | ou‘ > ABERL aelaee Ladg ESEL IMILG) | 2280, ee IA) '60‘92 | "10 Ba A org | 'ssor | "ss08 osoe| ° 10% LE OL .11'81 -09'cH ng 2 | oVZ gl la | "sog | es‘ A ge Berge ago ER ya ; % 18) ae | aaar.| 2 rrz "22, 0) ne 09 |TIIA eii Z ‘ . [4 . Z 8 "08 . [4 er F IA og'cg | Big | woirı wotez | for | or‘ | 20 L 098 |'MA aA -20'08 L FR | rl v2% "68'E '80'7 7A . 108 | 'ae'zı.| 'as'aa| 'sator | 'enteı | '2e | we Ar | *2ı ER | ; re EN a L1 eH a8'C Seilan = ( 8 r er’ . - OT | °08 81 9098 098° ur 26 Ä P A I a A Zn 2 KR eu a ee . ; os'or | "as'gı | "aeg | ogı‘z, | "9er | rer 23 NE ll "1% Dre 2 "ST | .9z* 2 3 | 186 | 'so'g | '28's | "solar | ao | “onı'e | °09°0 | "ee‘ r | > a »l p3'77 96) :ge'ß "> f | 80 "260 | 1120 .0Z R | rOI 1c/of 7ze! ET, | [Ü | 11 GE 6 180 s,'0 og! . ß 75) 2 : 60 | 2080 LS ir 7 "uopun u) “E) A705) | : p 38 96 SYNl "III N 19 0) 205) 2 T | yoeu u 7 "uepun596| | = Al rer Ale nmadmo]| 9 aan yoru | Eu 1) 9 wı topungg Fz of pen | : uszuey) wJ -WOpung FZ N 76 of UDUEN "17849599 ‘yegosasun 23 Temperatur von 32° verdunstet 7,160 gr. Trotz der geringeren Masse ist also die Verdunstung, im zweiten Fall, entsprechend der höhern Temperatur, bei gleicher Oberfläche eine grössere als im ersten Fall. Würde man hier die Verdunstung einfach als Gewichtsverlust in Procenten angegeben haben, so fände man auch hier bei Apfel III. eine Steigerung der Verdunstung gegen Apfel II.; denn während dieselbe bei II. 5,29% beträgt, steigt sie bei III. auf 8,56%. — Wie wenig brauchbar jedoch die Angabe nach Gewichtsprocenten ist, wird sehr deutlich aus den bei I* und Il® gewonnenen Resul- taten. Bei I* beträgt die Verdunstung für ein Quadratdeeimeter Oberfläche 44,24 gr., bei II” 49,27 gr., es ist also gemäss der Tem- peratursteigerung eine deutliche Steigerung der Verdunstung bemerk- bar. Würde man jedoch in diesen beiden Fällen die Verdunstung in Gewichtsprocenten angegeben haben, so erhielte man für I® eine Verdunstung von 57,48%; für II® eine solche von 52,27%; es würde also scheinen, als ob die Verdunstung bei der höhern Tem- peratur eine geringere sei als bei der niedern. Ich bin auf diese eigentlich selbstverständlichen Dinge etwas ausführlicher eingegangen, weil sonst bei Arbeiten über Verdunstung hierauf nicht immer genü- gend Rücksicht genommen wurde. Auf der nachstehenden Curventafel sind die gewonnenen Resultate, soweit sie die Verdunstung bei den verschiedenen Aepfeln in je 96 Stunden betreffen, graphisch dargestellt. Auf der Abseissenaxe sind die Temperaturwerthe, auf der Ordinatenaxe die Verdunstungs- werthe aufgetragen. — Es ergiebt sich aus dem Verlauf dieser Curven Folgendes: Bei den ungeschälten Aepfeln ist die Verdunstung bei den Tem- peraturen von 21—46° eine relativ geringe und langsam steigende. Von 46° an jedoch wird die Verdunstung eine sehr energische, von 63° an steigt zwar die Verdunstung bei höheren Temperaturen noch, jedoch mit verminderter Energie. Bei 83° ist das Maximum der Verdunstung erreicht, denn von 83° bis 97° tritt wieder eine Ver- minderung derselben ein. — Bei den geschälten Aepfeln ist die Verdunstung schon bei der Temperatur von 21° eine sehr energische und behält diese Energie mit ziemlich gleichmässiger Steigerung bei bis zur Temperatur von 46°, um bei diesem Punkt ein Maximum zu erreichen. — Während bei 21° die Verdunstung des geschälten Apfels noch 13,2 mal so gross ist, als bei dem ungeschälten, ist sie bei 46° nur noch 5,9 mal so gross. 24 b 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Gb 60 6b 70 75 80 85 90 95 100 iM Eu BBEBEBBER az | | SENME BE ERZEREEE " Ban apa BBEBEFIERBENMERBEGEE © TEE Br Gr EBEN i | SR BEBEGE . ' EEZBEIRIREREBEEE 020 2, ee lei Meere ANSBE EL BEHZEREBBIER > EB auge Bansse22ennen SENBEEEN S=E 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 SO 85 90 95 100 Fig. 1. Von 46” an fällt die Verdunstung des geschälten Apfels mit gerin- gen Schwankungen, um bei 78° nur noch denselben Werth zu haben wie diejenige des nicht geschälten Apfels. Von 78 Grad an wird die Ver- dunstung beim geschälten Apfel sogar geringer als beim ungeschälten, bei 97° sind die Verdunstungsgrössen bei beiden Aepfeln wieder gleich. — Wenn man den Verlauf der Curven von einer Temperaturstufe zur andern verfolgt, so zeigen sich gewisse Abweichungen von dem allgemeinen Gesetz, nach welchem die Verdunstung stattfindet. Beson- ders auffallend ist dies bei den ungeschälten Aepfeln. So ist z. B. die Verdunstung von ein Quadratdeeimeter Oberfläche bei 26° geringer als bei 21°, ebenso bei 36° geringer als bei 32°. — Dieser Umstand erklärt sich keineswegs dadurch, dass bei den Aepfeln, welche bei 26° (II) resp. 36° (IV.) verdunsten, auf ein Quadrat- deeimeter Oberfläche weniger verdunstende Masse komme, als bei denjenigen Aepfeln, die bei 21° (I.) resp. 32° (III.) verdunsten. Während bei diesen die einem Quadratdeeimeter Oberfläche ent- sprechenden Massen 82,7 und 83,8 gr. betragen, betragen sie bei jenen 95,5 und 91,8 gr. Die erwähnte Erscheinung kann somit wohl nur dadurch bedingt sein, dass bei den Aepfeln II. und IV. die Hautgebilde durch ihre anatomischen Eigenschaften der Verdunstung einen grössern Widerstand entgegensetzen konnten, als die Hantge- bilde bei den Aepfeln I. und IH. Man könnte meinen, dass solche Unterschiede in den Hautbil- dungen die Deutlichkeit der Beobachtungen sehr stören müssten. Indessen kann dieses Moment, wenn es auch die Dentlichkeit der einzelnen Beobachtung trübt, doch nicht die Erkenntniss des allge- meinen Verlaufs der Verdunstung stören. Es ist Letzteres um so weniger der Fall, wenn man Folgendes berücksichtigt: Es ergab sich, dass bei den ungeschälten Aepfeln die Verdunstung von 21° bis 46° verhältnissmässig langsam zunahm, dass sie von 46° an immer energischer wurde. Diese plötzliche, vermehrte Steigerung der Verdunstung kann jedenfalls nur daran liegen, dass bis 46° der Widerstand, den die Oberhaut der Verdunstung entgegensetzt, nach- lässt, ein Moment, welches allmählich bewirkt, dass bei 78° die Verdunstung bei den ungeschälten Aepfeln ebenso gross wird als bei den geschälten. Es ist sehr bemerkenswerth, dass bei derselben Temperatur, bei welcher die Verdunstung bei den ungeschälten Aepfeln plötzlich sehr steigt, diese bei den geschälten Aepfeln ihr Maximum erreicht. Es scheint also, als ob bei der Temperatur von 46° sehr wesentliche Aenderungen im molecularen Aufbau der Zellen, welche an der verdunstenden Oberfläche liegen, eintreten. Welcher Art diese Aenderungen sein mögen, weiss ich zunächst nicht zu entscheiden. Bei dem sehr verschiedenen Aufbau dieser Zellen, die bei den unge- schälten Aepfeln Epidermiszellen, bei den geschälten Parenchymzellen des Grundgewebes sind, ist die Wirkung Jouer! Aenderungen eine ganz entgegengesetzte. Bei den geschälten Aepfeln wird die leichte Verdunstung der Parenchymzellen vermindert, so dass die Verdunstung minder ergie- big wird. Bei den ungeschälten Aepfeln hingegen wird der Wider- stand, den die Oberhautzellen der Verdunstung entgegensetzen, ver- mindert, so dass die Verdunstung eine ausgiebigere wird. Besonders bei den geschälten Aepfeln ist es bemerkbar, dass die Verdunstung in sehr viel höherm Grade von den der Oberfläche nächstliegenden Zellen ausgeht, als von den tieferliegenden. Schon bei einer Temperatur von ungefähr 40° sind die Aussenzellen nahe- zu trocken, während die Innenzellen noch ganz mit Saft gefüllt sind. Diese saftarmen Aussenzellen bilden einen Ersatz für die abgeschälte Oberhaut, der eben bei 46° die Verdunstung schon in so hohem = 2 Grade beeinträchtigt, dass dieselbe bei dieser Temperatur ihr Maximum erreicht und von da an bei höhern Temperaturen immer geringer wird. Wie aus den mitgetheilten Beobachtungsresultaten und auch aus dem Verlauf der Curve B. ersichtlich ist, zeigen sich in der Abnahme der Verdunstung bei den geschälten Aepfeln einige Schwankungen. So ist z. B. die Verdunstung bei 74° etwas grösser als bei 62° und 83°; bei 97° etwas höher als bei 83°. Diese Abweichungen müs- sen wohl ebenfalls durch abweichende Organisation der betreffenden Parenchymzellen ihre Erklärung finden, denn im Allgemeinen ist sicher von 46° an eine Abnahme der Verdunstung bemerkbar. Aus dem Umstand, dass bei 78° die Verdunstung bei den geschäl- ten und ungeschälten Aepfeln gleich gross ist, darf man noch nicht schliessen, dass bei dieser Temperatur der Widerstand, welchen die Oberhaut der - Verdunstung entgegensetzt, ganz geschwunden sei. Dass er nicht schon bei niederer Temperatur auf Null redueirt sein kann, ist selbstverständlich, denn sonst müssten die beiden Curven schon bei niederer Temperatur zusammentreffen. Dieser Widerstand besteht aber auch noch über 78° hinaus in sehr deutlicher Weise. Wenn auch der in vier Tagen erreichte Gesammteffekt bei 78° bei beiden Aepfeln ein gleicher ist, so ist derselbe doch in sehr ver- schiedener Weise gewonnen. Wenn man die durch Verdunstung nach je 24 Stunden (ef. pag. 22) abgegebenen Wassermengen ver- gleicht, so findet man mit wenig Ausnahmen, dass bei den geschäl- ten Aepfeln die ausgiebigste Verdunstung auf die ersten 24 Stunden fällt, dass sie ferner in dieser Zeit stets bedeutend grösser als bei den ungeschälten Aepfeln ist. Es ist somit auch bei einer Tempe- ratur von 97° der Widerstand der Oberhaut gegen Verdunstung noch deutlich bemerkbar. Das gleichmässige Verlaufen der beiden Curven von 78° an ist dadurch erklärlich, dass ja die verdunstende Masse eine beschränkte Grösse ist. Bei den geschälten Aepfeln wird, zumal bei etwas höhern Temperaturen, die Hauptmasse des verdun- stenden Wassers am ersten und zweiten Tage abgegeben, so dass für die beiden nächsten Tage nur noch wenig verdunstendes Mate- rial übrig bleibt. Bei den ungeschälten Aepfeln hingegen nimmt die Verdunstung vom ersten bis vierten Tage allmählich ab. Der Gesammteffekt kann dann sehr wohl in beiden Fällen derselbe sein. Die Thatsache, dass der Verdunstungswiderstand der Oberhaut von 46° an sehr deutlich schwindet, ergiebt sich aus den für den ersten Beobachtungstag gewonnenen Zahlen ebenso, wie aus den Summen, welche die Verdunstung durch vier Tage zusammen angeben. Aus der beigegebenen Tabelle ist dies ersichtlich, — ı 27 Bei den ungeschälten Aepfeln erreicht die Verdunstung bei 83° ein Maximum, denn bei 97° ist sie wieder geringer, jedoch nur dann, wenn man die Gesammtverdunstung von vier Tagen berücksichtigt. Diese Thatsache wird dadurch erklärlich, dass sich auch bei dem ungeschälten Apfel unter der eigentlichen Oberhaut durch Austrock- nen der äussern Parenchymzellen eine Haut bildet, welche zwischen 83° und 97° genügenden Schutz gegen die weitere Zunahme der Verdunstung bietet. Es ist bemerkbar, dass dieser Umstand nur sehr allmählich wirksam wird. Wenn man nämlich bei 83° und 97° die Verdunstung am ersten Tage berücksichtigt, so findet man, dass dieselbe von der niedern zur höhern Temperaturstufe noch entschieden steigt, nämlich von 28,70 gr. zu 40,56 gr. Während dann aber bei 83° die Verdunstung in den folgenden Tagen sehr allmählich abnimmt, fällt sie bei 97° sehr schnell, weil sich eben hier nach dem ersten Tage eine Schutz gewährende Haut aus den äussern Lagen der Parenchymzellen gebildet hat. — Wie erwähnt bildet sich bei den geschälten Aepfeln schon von 46° an aus den austrocknenden äussern Parenchymzellen eine Hülle, welche bewirkt, dass bei höhern Temperaturen die Verdunstung eine geringere wird. Diese Hülle wird erst besonders wirksam, nachdem die betreffende Temperatur länger als 24 Stunden einwirkte. Wenn man nämlich die Verdunstungsgrössen für den ersten Tag vergleicht, (s. pag. 22.) so sieht man, dass dieselben von 46° bis 97° ziemlich gleichmässig zunehmen, während dieselben an den nächsten Tagen ziemlich gleichmässig abnehmen. In dem Grade als sich die erwähnte Hülle bei den geschälten Aepfeln bildet, schrumpfen diese zusammen, behalten dabei jedoch stets eine vollkommen glatte Oberfläche. Etwas anders verläuft dieser Prozess bei den ungeschälten Aepfeln. Diese behalten nämlich, selbst bei ganz hohen Temperaturen, in den ersten Stunden (bei 97° noch durch 20 Stunden) das ursprüng- liche Volumen bei. Die Oberhautzellen haben nicht die Fähigkeit, bei der Einwirkung höherer Temperatur, sich nach allen Richtungen des Raumes in gleichem Grade zusammenzuziehen, wie dies bei den Parenchymzellen des Grundgewebes der Fall ist. Die Oberhaut behält also die ursprüngliche Ausdehnung nahezu bei, während die unter ihr liegenden Parenchymzellen in Folge von Wasserabgabe danach streben, sich zusammenzuziehen. Hieran werden sie jedoch gehindert, da sie sich mit der Oberhaut in organischem Zusammen- hang befinden. Es muss somit zwischen der Oberhaut und den äussern Parenchymzellen eine gewisse Spannung entstehen. So lange diese Spannung besteht, kommt es bei den ungeschälten 2 8 Aepfeln nieht zur Bildung jener Hülle aus Parenchymzellen und in Folge dessen ist die Wasserabgabe bei den ungeschälten Aepfeln mehr auf die ganze verdunstende Masse vertheilt, wenn auch selbst- verständlich in der Art, dass die äussern Partieen mehr Wasser abgeben als die innern. Bei den geschälten Aepfeln hingegen lie- fern vorwiegend die äussern Zellen, und nach Bildung der mehrfach erwähnten Hülle, die unmittelbar unter derselben liegenden Paren- chymzellen, das Verdunstungsmaterial. Die Hülle setzt selbst bei höherer Temperatur ganz scharf gegen safterfülltes Gewebe ab. Sobald jene Spannung zwischen Parenchymzellen und Oberhaut eine solche Grösse erreicht hat, dass die Oberhaut dem Zug der Parenehymzellen nicht mehr Widerstand leisten kann, verlieren auch die ungeschälten Aepfel schnell an Volumen; sie behalten jedoch keine glatte Oberfläche, sondern sind von der vielfach gefalteten Öberhaut bedeckt. Sobald dieses Zusammenschrumpfen der unge- schälten Aepfel beginnt, bildet sich auch bei diesen eine Hülle aus eingetrockneten Parenchymzellen, welche den noch bestehenden Ver- dunstungswiderstand der Oberhaut verstärkt. Diese Hülle muss sich jedoch, bei gleichen Temperaturen, bei den ungeschälten Apfeln viel weniger vollkommen ausbilden als bei den geschälten, da der starken Austrocknung der betreffenden Parenchymzellen durch die über ihnen liegende Oberhaut entgegengewirkt wird. Erst von 83° an bewirken Oberhaut und Hülle, dass die Verdunstung ein Maximum erreicht und nach 97° hin wieder fällt; während die bei den geschälten Aepfeln entstehende Hülle‘ schon bei 46° ein Verdun- stungsmaximum bewirkt. — Bei Berechnung der in der Tabelle mitgetheilten Zahlen wurde angenommen, dass die zu Anfang des Versuchs gefundene Oberfläche der einzelnen Aepfel constant bleibe. Nun ist dies jedoch nicht der Fall, denn das Volumen der Aepfel, somit auch die Oberfläche, wird bei der Verdunstung kleiner. Störend wirkt dieses Moment zumal bei niedern und mittlern Temperaturen etwa bis 70° hin, denn innerhalb dieser Temperaturen ist die Vo- lumenabnahme, somit auch die Abnahme der Oberfläche, bei den ungeschälten Aepfeln in nennenswerther Weise geringer als bei den geschälten. Will man diesen Umstand mit berücksichtigen, so müsste sich die Verdunstungsdifferenz bei den geschälten und unge- schälten Aepfeln noch höher herausstellen. — Bei Temperaturen über 70° hinaus jedoch kann man den Umstand der Oberflächen- änderung vernachlässigen, da derselbe dann bei den geschälten und ungeschälten Aepfeln immer gleichartiger wird, in beiden Fällen also in gleicher Weise wirkt, so dass das Verhältniss zwischen der 29 Verdunstung der ungeschälten nnd derjenigen der geschälten Aepfel nicht gestört wird. | In kurzer Zusammenfassung ergiebt sich also Folgendes: 1) Der Widerstand, den die Oberhaut der Verdunstung entgegen- setzte, ist bei niedern Temperaturen ein sehr energischer, 2) Dieser Widerstand wird von 46° an deutlich vermindert, ist jedoch auch bei 97° noch bemerkbar. 3) Bei geschälten Aepfeln bildet sich aus eintrocknenden Paren- chymzellen des Grundgewebes eine Hülle, welche der schnellen Ver- dunstung entgegenwirkt und Veranlassung dazu ist, dass das Maxi- mum der Verdunstung schon bei 46° erreicht wird. 4) Diese Hülle bildet sich nur allmählich, so dass sie in den ersten 24 Stunden noch nicht genügend wirksam wird. Somit nimmt die Verdunstung in den ersten 24 Stunden, auch bei den geschälten Aepfeln, bis 97° hin andauernd zu. Erst wenn man die Gesamnt- verdunstung durch 96 Stunden berücksichtigt, findet sich von 46° an bis zu 97° eine Abnahme. — 5) Solche Hülle bildet sich auch bei den ungeschälten Aepfeln, aber erst wenn die im Anfang der Verdunstung bestehende Spannung zwischen Oberhaut und Parenchymzellen geschwunden ist. Bei den ungeschälten Aepfeln bildet sich diese Hülle weniger deutlich aus als bei den geschälten Aepfeln; erst bei 83° erreicht dieselbe einen solchen Einfluss, dass sie von dieser Temperatur an, unterstützt durch den noch bestehenden Verdunstungswiderstand der Oberhaut, eine Abnahme der Verdunstung bewirkt. 6) Die hier mitgetheilten Resultate können bei der zweifellosen Verschiedenheit der unzähligen, überhaupt möglichen Fälle, keine allgemeinere Anwendung finden. Immerhin mag durch diese Unter- suchungen zur Klärung der in Rede stehenden Frage ein geringer Beitrag geliefert sein; wie es mir vielleicht auch gelungen ist, auf einzelne Gesichtspunkte, die bei ähnlichen Untersuchungen besonders zu berücksichtigen sind, aufmerksam gemacht zu haben. Carlsruhe im Januar 1874. Prüfung einiger Desinfeetionsmittel durch Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Schroeter. Die Versuche, weiche den nachfolgenden Bemerkungen zu Grunde liegen, wurden grösstentheils schon vor mehreren Jahren im pflanzen- physiologischen Institute zu Breslau gemacht und waren zu einer Mittheilung in kleinerem Kreise bestimmt. Als vor kurzer Zeit von maassgebender Seite her ernste Zweifel an der Wirksamkeit unserer gebräuchlichen Desinfeetions-Verfahren und Mittel erhoben wurden, fühlte ich mich veranlasst, einen Theil der früheren Versuche zu wiederholen, wozu mir mein Freund Prof. Just die Mittel des unter seiner Leitung stehenden Institutes zu Carlsruhe zur Verfügung stellte. Ich stelle sie hier zusammen, weil ich glaube, dass sie etwas dazu beitragen können, das Vertrauen auf die Schutzkraft unserer Desinfectionsmethoden zu befestigen. Die Prüfungen gingen von der Thatsache aus, dass die Infections- krankheiten in ihrem Verlaufe und ihrer Entwicklung, sowohl bei dem Umsichgreifen im erkrankten Organismus als in ihrer Ausbrei- tung als Seuche immer bestimmte Gesetze festhalten, die denen ent- sprechen, welche wir bei dem Wachsthum und der Verbreitung nie- derer Organismen kennen lernen. Wir sind dadurch zu dem Schlusse berechtigt, dass diese Krankheiten in ihrer Entstehung und ihrem Verlaufe mit der Erzeugung und Vermehrung organischer Gebilde, sogenannter „Krankheitskeime“ einhergehen. Ich möchte nicht alle oft besprochenen Gründe für diese Anschau- ung wiederholen, es sei mir nur gestattet in dem Wachsthumsver- hältniss eines niederen Organismus die Analogie mit dem Verlaufe einer Epidemie durchzuführen. Bekannt ist das vielbesprochene 31 Blutbakterium (Monas prodigiosa Ehrb., Meerococcus pr. Cohn), dessen im vorigen Hefte dieser Blätter mehrfach Erwähnung gesche- hen ist. Dasselbe bietet uns gewissermaassen einen gefärbten, sicht- baren Krankheitskeim, der sich eben dieser Eigenschaften wegen in seiner Verbreitung weit leichter und genauer beobachten lässt als andere ähnliche niedere Organismen. Das Rothwerden der Speisen ist, um die Analogie festzuhalten, im letzten Jahrhundert mehrfach in Aufsehen erregenden Epidemieen in Italien, der Rheinprovinz, in Berlin, Belgien, in Breslau u. s. w. aufgetreten und die Entwicklung des ihnen zu Grunde liegenden Organismus dabei genau untersucht worden. Nennen wir, wie es ja auch in der Pflanzenpathologie geschieht, die Verbreitung des infieirenden Organismus in seiner Nährsubstanz und die Veränderungen, die er hier veranlasst, die Krankheit, so lässt sich die Krankheit durch unmittelbare Uebertragung des M. prod. auf eine Nährsubstanz hervorrufen (Contagium). Zur Ausbreitung gehört ein geeigneter Nährboden, Stoffe welche organische, stickstoff- haltige Verbindungen besitzen, und je reichlicher diese letzteren vorhanden sind, desto üppiger gedeiht der Organismus (Allgemeine Krankheitsdisposition). Es ist aber sogar bei derselben Substanz nicht gleichgültig, in welchem Zustande sie geboten wird: auf rohem Eiweiss und Fleisch wird keine Vermehrung beobachtet, auf den gekochten Substanzen gedeiht der Krankheitskeim üppig, auf frisch- gekochten besser als auf solchen, die eine Zeit lang an der Luft gestanden. Wir sehen darin eine „individuelle und augenblickliche Krankheitsdisposition“ des Nährbodens. Ich will hier sogleich einen Einwand besprechen, der gegen die Anwendbarkeit der Analogie eines auf getödteten organischen Stoffen lebenden Organismus auf einen in lebenden Geweben wachsenden erhoben werden könnte. Die Anschauungen, welche noch vor Kurzem herrschten und eine Eintheilung der niederen Organismen in Sapro- phyten und echte Parasiten gestattete, haben sich jetzt wohl allge- mein geändert. Wir sehen in den bei Fäulniss und Verwesung constant auftretenden Organismen nicht mehr blosse Begleiter solcher Vorgänge, sondern ihre Erreger. Wir nehmen an, es ist eine Eigen- thümlichkeit, die an dem bestimmten Organismus haftet, grade auf den geronnenen Eiweiss-Stoffen besser zu gedeihen als auf unge- ronnenen, wie es die Eigenthümlichkeit eines anderen ist, nur in dem lebenden Gewebe der Kartoffel, nicht aber der Tabakspflanze und wohl auf rohen, nicht aber auf gekochten Kartoffeln fortzu- kommen. Die Krankheitserscheinungen sind natürlich zusammenge- 32 setzter, wenn sich ein Schmarotzer in einem lebenden Organismus entwickelt, das Wachsthum des infieirenden Organismus selbst folgt aber im Allgemeinen denselben Gesetzen, die sich in unserem Falle nur einfacher, also übersichtlicher gestalten. Nach der Ansteckung beginnt wohl sofort die Vermehrung des Contagiums, aber in den ersten zwei Tagen ist eine Ausbreitung der rothen Flecke kaum merkbar (Incubationszeit), von da ab beginnt eine schnelle und weitreichende Entwickelung der rothen Substanz, die mehrere Tage zunimmt. Sie ist nicht allein von Vermehrung des übertragenen Organismus, sondern auch von einer grauen Ver- färbung der Nährsubstanz und Bildung übelriechender Stoffe beglei- tet (Krankheitserscheinungen und Krankheitsproducte). Nachdem die Vermehrung des Mierococeus eine Zeit lang angehalten, trocknet er entweder ein oder geht unter Bildung anderer Organismen, die auch die rothe Farbe vernichten, zu Grunde. Die Krankheit erlischt am Entstehungsherde. Soweit handelt es sich um einen individualisirten Krankheitsfall, der durch unmittelbare Ansteckung immer auf dieselbe Weise weiter- geführt werden kann. Aber das rothe Contagium überträgt sich auch in der Entfernung (Miasma). Nährstoffe, die mit einem infieirten Stücke unter eine Glasglocke gebracht werden, bedecken sich mit zerstreuten rothen Pünktchen und erkranken in gleicher Weise. Wenn sich an einem Orte der Infectionsstoff in grösserer Menge gebildet hat, z. B. in einem Speiseschrank, wo schon mehrere Speisen roth geworden, in einem Laboratorium, wo viel mit dem Stoffe gearbeitet worden ist, kann er sich so verbreiten, dass jede frisch eingebrachte Speise, jeder frisch ausgelegte Nährstoff an der Roth- färbung erkrankt, es entstehen Localepidemieen, die lange Zeit anhalten und sich auch wohl auf ein ganzes Gebäude ausdehnen können, wie z. B. das im Jahre 1825 durch Nöggeraths Beschrei- bung bekannt gewordene Auftreten des Blutes in der Mühle zu Enkirch. Aber die Epidemie kann auch über ganze Landstriche fortschreiten, wie z. B. 1819 über einen grossen Theil der Lom- bardei. Wie in der Ausbreitung, so gleicht auch im Verschwinden das Phänomen des Blutigwerdens der Speisen ganz einer Epidemie. Es erreicht einen Höhepunkt, lässt dann allmählich nach und erlischt. Am besten ist dies in einem Laboratorium zu beobachten. Im Breslauer pflanzenphysiologischen Institute hatte ich im Winter 1869 zu 70 den M. prodigiosus in grossen Mengen cultivirt. Nachdem nun die absicht- liche Vermehrung des rothen Farbstoffes eingestellt worden war, trat 35 immer noch, etwa während eines halben Jahres, spontane Rothfärbung auf ausgelegten Nährsubstanzen auf; etwa ein Jahr nach Beendigung obiger Culturen konnte in demselben Raume Prof. Cohn den rothen Stoff nieht mehr hervorrufen (Heft II. S. 153 dieser Blätter), bis er 1872 wieder durch frische Uebertragung von aussen her einge- führt wurde. Dabei behält der rothe Infectionsstoff, auch wenn er keine Epi- demie mehr erzeugt, seine Ansteckungsfähigkeit, er kann, nachdem er etwa ein Jahr lang eingetrocknet war, bei directer Uebertragung die Rothfärbung wieder hervorbringen, wie Pockenlymphe ein Jahr lang aufbewahrt noch wirksam bleibt. Ich habe mich so lange bei der Ausführung dieser Analogie auf- gehalten, dass ich die Aehnlichkeiten mit Entwicklung von Epide- mieen, die bei anderen Processen z. B. der Essigsäurebildung auf- treten, übergehen kann. Für die Lehre von den Infections-Krankheiten wird sich aus sol- chen Analogieen immer der Schluss ergeben, dass sie mit der Ent- wieklung von Organismen einhergehen. Man hat oft gemeint diesel- ben schon aufgefunden zu haben, doch häufig genug waren es nur Täuschungen, aber die gewissenhafte Forschung muss immer wieder darauf zurückkommen nach jenen krankheitserregenden Organismen zu suchen, und irren wir nicht, so ist es auch schon bei einigen der wichtigsten Infections-Krankheiten gelungen, sie zu finden. Bei den folgenden Betrachtungen ist es gleichgültig, ob die infi- eirenden Organismen: Krankheitskeime, Infectionszellen oder wie man sie nennen will, wirklich gesehen worden sind. Verhalten sie sich wie die niederen Organismen überhaupt, so werden sie auch den- selben Lebensbedingungen wie diese unterworfen sein, und Verhält- nisse und Stoffe, welche diesen ihre Entwicklungsfähigkeit nehmen, werden auch den Infectionszellen verderblich werden. Geben wir dies zu, so erlangen wir einen Maassstab, die Wirkung von Desin- fectionsmitteln und Methoden zu prüfen, indem wir ihren hemmenden oder vernichtenden Einfluss auf Entwicklung niederer Organismen überhaupt untersuchen. Diese Methode ist schon öfter mit mehr oder weniger Absicht auf den auch hier vorliegenden Zweck eingeschlagen worden, ich will nur im Allgemeinen auf die Arbeiten von Pasteur, Hoff- mann, Lex, Trautmann, Cohn verweisen, es schien mir aber doch möglich, der Frage noch einige Gesichtspunkte abzugewinnen, auch ohne allzuviel des Oftgesagten zu wiederholen. Ich will hier nur hervorheben, dass es mir besonders daranf ankam, die Wirkung Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. 3 ‘ 34 der angewandten Methoden auf die Versuchsorganismen unter dem Mikroskop zu beobachten, und hier ihre unmittelbaren Einflüsse festzustellen. Gehen wir sogleich zu einer der wirksamsten und am meisten anerkannten Desinfeetionsmethoden über, der Anwendung hoher Tem- peraturgrade auf die zu desinficirenden Gegenstände. Dass die Hitze des brennenden Feuers im Stande ist jeden Krank- heitsstoff zu vernichten, ist eine seit den ältesten Zeiten unbestrittene Annahme, Verbrennen brennbarer und Ausglühen feuerfester Gegen- stände gilt als unbedingt sicheres Vernichten jedes an ihnen haften- den Ansteckungs-Stoffes. So einfach diese Thatsache erscheint, so ist sie es doch nur dann, wenn wir annehmen, dass der feindliche Stoff eine organische Verbindung ist, denn wäre er manchmal ein unorganisches Gift, so wäre kein Grund zu ersehen, warum er nicht manchmal der Hitze der Flamme ebensogut widerstehen könnte, wie das Eisen, an dem er haftet. Für uns ist es selbstverständlich, dass die Stoffe der Infectionszellen bei der Wärme der brennenden Kohlen- stoffgase sich ebenso wie alle andern Gebilde aus eiweissartigen Stoffen in anorganische Verbindungen auflösen, dass also dadurch alle ihre speeifischen Eigenthümlichkeiten aufhören. Aber auch darüber kann jetzt kein Zweifel mehr sein, dass eine Temperatur von 100° C. schon im Stande ist alle diese niederen Organismen zu tödten. Ich kann hier auf die Versuche von Pasteur, Hoffmann und Cohn (diese Beiträge Heft II. S. 213 ff.) verweisen. Wenn früher oft behauptet wurde, dass zur Tödtung von Bacterien die Siedhitze nicht genüge, so liegt dies gewiss an Täuschungen, die durch die eingeschlagene Methode herbeigeführt wurden. Wenn man Bacterien haltende Flüssigkeit in offenen Gefässen kocht und dann abwartet ob sich später in derselben Flüssigkeit wieder Bac- terien entwickeln, kann man bei der grössten Vorsicht dadurch ge- täuscht werden, dass sich die Wärme nicht durch alle Theile der Flüssigkeit gleichmässig vertheilt hat und dass bei der Abkühlung doch einzelne Bacterienkeime mit eingezogen wurden. Aus den von Cohn mitgetheilten Versuchen geht unzweifelhaft hervor, dass in einer Flüssigkeit in zugeschmolzenen Kölbchen Bacterien, 20 Minuten lang der Temperatur von 100° C. ausgesetzt, die Fähigkeit sich zu vermehren verlieren. Aber auch die Temperatur des siedenden Wassers ist nicht er- forderlich um Bacterien zu tödten. 35 In den eitirten Beobachtungen war versucht worden, durch Er- wärmen von Flüssigkeiten die Temperatur zu ermitteln, bei der Bacterien absterben, es ist aber, wie auch dort gesagt wird, nicht leicht auf diese Weise genaue Resultate zu gewinnen. Ich hatte mich schon vor nunmehr vier Jahren bestrebt durch direete Be- obachtung unter dem Mikroskop diese Frage zu lösen und war damals zu dem Schlusse gekommen, den ich im Wesentlichen auch jetzt wieder finde. — Ich benutzte zu den Beobachtungen einen heizbaren Öbjecttisch nach Angabe von Professor Cohn bei Optieus Feige in Breslau gearbeitet. An demselben wird durch Erwärmung der zugeleiteten Luft eine Kammer, in deren Decke sich das Object- glas befindet, geheizt, ein seitlich eingeführter Thermometer zeigt die Wärme der Luft in der Kammer an. Zum Versuche mussten natürlich solche niedere Organismen gewählt werden, die im Leben bewegt sind, durch ihren Stillstand das Absterben anzeigen. Der Tropfen mit den Versuchsorganismen wurde frei hängend unter das die Kammer abschliessende Deckglas gebracht. Infusorien, die so der Erwärmung ausgesetzt wurden, starben bei einer verhältnissmässig niedrigen Temperatur ab, bei 42°C. fingen sich ihre Bewegungen schon sehr merklich zu verlangsamen an, bei 56° hörten sie ziemlich constant anf. Bacterien vertragen höhere Wärmegrade. Ich benutzte zur Beob- achtung meist bacterienhaltige Flüssigkeit, die sich durch Einlegen von rohem Fleisch in Wasser gebildet hatte. Die Tropfen enthiel- ten zumeist die gewöhnlichen Stäbehenbacterien (Dacterium Termo Ehr.), vielfach aber auch schnell hinschiessende starre Stäbe von bedeutender, übrigens sehr verschiedener Länge. (Bacillus Cohn.) Bei Erwärmung auf 30° wurde die Bewegung, wenn sie bei gewöhn- licher Temperatur auch sehr matt und träge gewesen war, sehr leb- haft, die Baceterien bewegten sich schnell durcheinander wimmelnd wie ein Mückenschwarm. In gleicher Lebendigkeit blieb die Bewe- gung bis zur Erwärmung auf 56°, dann liess die der Stäbchenbaec- terien plötzlich nach, während die Fadenbacterien noch mit gleicher Behendigkeit hinschossen. Bei 58° hörte jede Bewegung der Bac- terien auf. Dies scheint der niedrigste zur Tödtung dieser Orga- nismen erforderliche Wärmegrad zu sein. Es muss bemerkt werden, dass das Aufhören der Bewegung bei einer Wärme von 58° von vornherein nicht gleichbedeutend zu sein brauchte mit der Tödtung der Bacterien. Es wäre möglich, dass sie nur in eine Art Wärme-Starre verfielen, aus der sie später 5*+ 86 wieder erwachen könnten. Ich habe, nachdem ich den Tropfen noch mehrere Stunden stehen liess, nie gesehen, dass die Bewegung zurück- kehrte, ich möchte also diesen Einwand ausschliessen. In den Versuchen schien es mir, als ob nicht alle Bacterien bei derselben Temperatur zum Stillstand gebracht würden, die faden- förmigen schienen sich z. B. immer länger zu bewegen als die stäb- chenförmigen. Es wäre demnach wohl möglich, dass auch zur Töd- tung der Infectionszellen eine andere Temperatur erforderlich wäre. Es liegt augenblicklich gar kein Anhalt für die Annahme vor, dass diese Tödtungstemperatur grade eine höhere als 58° sein müsste, der Gedanke darf uns also nicht beunruhigen, nichts destoweniger empfiehlt es sich noch weiter in diesem Sinne zu experimentiren, besonders auch mit unbewegten Bacterien, die ja eine besonders grosse Analogie mit manchen Krankheitserregern zu haben scheinen. Der sichtbare Infectionsstoff des Mic. prodig. könnte sich auch hier als bequemes Versuchsobjeet erweisen. Man könnte ausgesäte Tropfen desselben verschiedenen Temperaturen aussetzen, es würde sich leicht feststellen lassen, bei welchem Grade die Weiterentwicklung aufhört. Solche Versuche habe ich früher anzustellen versäumt, in neuerer Zeit fehlte mir das Material dazu. In praktischer Beziehung müssen die Erfahrungen, die eben er- wähnt wurden, grosse Beruhigung gewähren, wenn wir die ausge- dehnte Verwendung des heisser Wassers als Desinfectionsmittel be- trachten. Das sogenannte kochende Wasser, das zum Abbrühen der Wäsche, zum Abwaschen von Möbeln, Viehwagen u. s. w. benützt wird, besitzt zwar selten eine Temperatur von über 70°, häufig nur eine von 60°, aber wir wissen, dass eine solche schon genügt, nie- dere Organismen, also wahrscheinlich auch die Infections-Zellen zu tödten. - Wir können daher nur wünschen, dass die Anwendung höherer Wärme zur Desinfieirung solcher Gegenstände, die eine derartige Behandlung ertragen, in recht ausgedehntem Maasse stattfindet. Sicher könnte die Benützung heisser Dämpfe noch einen viel weite- ren Wirkungskreis finden. In Städten z. B. wo Dampf von zahlrei- chen Fabriken unnütz abgeführt wird, in Städten mit Canalisation und Pumpstationen, wäre es vielleicht nicht unpraktisch, den heissen Dampf, der unbenützt abgeführt wird, zur Desinfection zu verwerthen. Wenn man der Nährsubstanz, auf welcher sich einer der hier betrachteten niederen Organismen entwickelt, einen fremden chemi- 37 schen Stoff zusetzt, so kann dieser auf mannichfaltige Weise die Entwicklung jenes Organismus hemmen und ihn selbst vernichten. Er kann ihn erstlich direct chemisch angreifen, mit dessen Bestand- theilen eine neue unorganische oder unbelebte Verbindung bilden, ihn also tödten in der Weise, wie ein ätzendes Gift die Zelle tödtet, mit der es in Berührung gebracht wird. Auf andere Weise kann der fremde Stoff dadurch wirken, dass er von dem Organismus mit der Nährsubstanz aufgenommen wird und diesen derartig verändert, dass er unfähig wird sich normal weiter zu entwickeln; er wirkt dann in der Weise, wie wir uns etwa die Thätigkeit alterirender Gifte auf das Zellenleben vorstellen. Drittens kann der fremde Stoff die Nährsubstanz selbst so verändern, dass sie zur Ernährung des betreffenden Organismus nicht mehr ver- wendet werden kann, dieser demnach zu Grunde gehen muss. Es muss hier wieder hervorgehoben werden, dass die meisten der nie- deren Organismen ausserordentlich empfindlich für die Nährstoffe sind in denen sie leben. Es ist daher nicht immer erforderlich grosse Mengen des differenten Stoffes zu der Nährsubstanz zuzusetzen, um die Ent- wicklung des in ihm lebenden Parasiten zu hemmen, oft genügt dazu eine sehr kleine Quantität. Wenn wir sehen, dass ein pilzlicher Schmarotzer in den Stoffen gedeiht, die ihm Solanum tuberosum bereitet, in denen von Solanum nigrum aber zu Grunde geht, so dürfen wir uns nicht wundern, dass ein Dacterium in einer Nähr- flüssigkeit gut gedeiht, aber untergeht wenn derselben minimale Theile eines fremden Stoffes beigemengt sind. Wir brauchen zum Verständ- niss dieser Thatsache nicht vitalistische Erklärungsversuche z. B. die willkürliche Nahrungswahl der Pflanzen-Arten heranzuziehen, wir brauchen nur auf die Grundsätze der Entwicklungs-Theorie gestützt anzunehmen, dass sich die einzelnen Formen in langer Gewöhnung derart bestimmten Lebensbedingungen angepasst haben, dass sie sich Jetzt wohl nicht so leicht weiter entwickeln, wenn sie dieselben nicht bis aufs Kleinste vorbereitet finden. Diese Wirksamkeit sehr kleiner Mengen alterirender Stoffe gegen bestimmte niedere Organismen ist von der grössten Wichtigkeit bei der Desinfeetion, und sie spielt gewiss eine wichtige Rolle bei der Darreichung von Medicamenten gegen Infectionskrankheiten, sei es, dass man mit derselben die Desinfieirung äusserlich zugänglicher Körpertheile, besonders des Verdauungscanals, sei es, dass man die Tödtung der Infectionszellen im Blute oder entfernteren Körperor- ganen zu erreichen sucht. Wie sehr eine kleine Menge eines fremden Stoffes die Ent- 38 wicklung eines bestimmten niederen Organismus stört, ist praktisch bei der Alkoholbereitung. bekannt. Wasser von nur geringem Kalk- gehalt stört die Gährung bedeutend und wird in der Brennerei als Verlust bringend gemieden. Auch andere niedere Organismen wer- den durch den Kalk in ihrer Entwicklung gehemmt, und darauf ist wohl die grosse Bedeutung desselben als Desinfeetionsmittel zurück- zuführen. Andererseits wirken auch viele Mineralsäuren auf den Nährstoff alterirend, und damit auf die niederen Organismen ent- wicklungsstörend. So wird z. B. bei der Anwendung des schwefel- sauren Eisenoxyds der freiwerdenden Schwefelsäure die desinfiei- rende Kraft zugeschrieben, weil sie die Vermehrung der Bacterien aufhalten soll. Die genauere Prüfung dieser Wirkungen würde mich zu weit geführt haben, nur einige der wichtigsten Desinfectionsmittel sollen eingehender in ihrer Wirkung auf niedere Organismen untersucht werden. Die übermangansauren Salze haben seit langer Zeit einen hohen Ruf als Desinfectionsmittel. Derselbe schreibt sich wohl in erster Reihe von der augenfälligen Weise her, in der sie ihre Wirkung zu erkennen geben. Wird zu einer durch Einlegen von Fleisch in Wasser gewonnenen höchst ekelhaft riechenden Flüssigkeit, die kleine Fetzen zersetzten Fleisches und reichliche Massen bewegter Stäbehenbacterien enthält, gesättigte Lösung von übermangansaurem Kali oder Natron gesetzt, so entfärben sich die violetten bezüglich grünen Flüssigkeiten sofort, und wenn so lange zugesetzt wird wie die Entfärbung eintritt, so klärt sich die Versuchsflüssigkeit, es bildet sich ein bräunlicher Bodensatz und aller üble Geruch ver- schwindet. — Hier sehen wir also die Thätigkeit des Desinfections- mittels in augenscheinlicher Weise. Durch Beobachtung unter dem Mikroskop sehen wir, dass die Salzlösung eine direet tödtende Wirkung auf die niederen Organismen ausübt, jedoch tritt dieselbe in sehr verschiedener Weise und mit verschiedener Schnelligkeit ein. Infusorien schwimmen oft lange Zeit in starken Lösungen herum, dann sieht man aber dass in ihrem Innern eine braune Färbung eintritt, die erst blass ist, dann dunkler wird, bis das ganze Infusor braun ist; damit ist es auch, nachdem es langsam zum Stillstand gelangt ist, getödtet. Seine Form wird dadurch gar nicht geändert, alle Theile, ‚besonders auch die Borsten und Wimpern, sind erhalten und besonders deutlich zu unterscheiden. 39 Aehnlich verhalten sich Hefezellen. Sie bleiben lange Zeit unverändert. Nach einigen Minuten färben sich die kleinen jungen Sprossen in ihrer ganzen Ausdehnung gleichmässig braun, erst einige Minuten später zeigt sich an den älteren Zellen eine Braunfärbung des Plasmas, die Vacuolen werden dadurch besonders deutlich. Da- rauf zieht sich das Plasma nach den Zellwandungen zurück und färbt sich noch dunkler, die ‘Vacuolen vergrössern sich. Die so veränderte Hefe sprosst nicht mehr. Sporen von Penicillium und Mucor widerstehen sehr lange der Einwirkung des Mittels. Auf starke Lösungen ausgesät keimten Penteillium-Sporen nicht nur, sondern bildeten auch fructifieirenden Rasen. Nur wenn den unter dem Deckglase beobachteten Sporen wiederholt frische Tropfen der Lösung zugesetzt wurden, nahmen sie diese endlich auf und färbten sich braun. So verändert konnten sie nicht mehr zur Keimung gebracht werden, auch die Anschwel- lung der Sporen, die der Keimung immer vorangeht, trat nicht mehr ein. Bewegte Bacterien werden durch starke Lösungen sehr rasch zum Stillstand gebracht. Ihre Umrisse sind dann deutlich zu erken- nen, eine Braunfärbung ist aber nicht bemerklich. Wir sehen hieraus, dass die Uebermangansäure die niederen Organismen bei der besprochenen Anwendung nicht als ätzendes Gift angreift, sondern erst nachdem sie in den Organismus aufgenommen ist, wobei sie sich zersetzt und vielleicht, indem gleichzeitig Braun- stein ausgeschieden wird, eine Proteinverbindung eingeht. Die Säure wirkt also hier als ein stark alterirendes Gift, besitzt somit die Eigenschaften, die wir von einem Desinfeetionsstoffe verlangen, doch sind starke Lösungen der Salze erforderlich. In einer Lösung von 1 übermangansaurem Kali in 1000 Wasser, die noch lebhaft vio- lett gefärbt ist, bewegen sich Infusorien Tage lang wie in reinem Wasser, Bacterien vermehren sich. Eine grosse Beeinträchtigung der Wirkung dieses Mittels besteht darin, dass es gar nicht in erster Reihe auf die lebenden Organis- men wirkt, sondern auch auf alle zersetzten organischen Substanzen, mit diesen sich verbindet und sich dabei zersetzt. Wenn man solche Lösung zu käuflicher Bierhefe setzt, so sieht man unter dem Mikros- kop, dass zuerst eine Menge sogenannten organischen Detritus, welcher zwischen den Hefezellen liegt, und der bei seiner schwachen Färbung leicht übersehen wurde, braun gefärbt wird, die Hefezellen selbst aber unbeeinträchtigt bleiben. Ebenso zeigt es sich bei fau- lendem Fleisch-Wasser. In einem Tropfen desselben, der aus nichts 40 als lebhaft durcheinanderschwärmenden Bacterien zu bestehen scheint, macht ein erster Zusatz der Lösung von übermangansaurem Kali durch Braunfärbung eine grosse Menge von feinen Gewebefetzen sichtbar, zwischen denen die Bacterien noch unversehrt herum- wimmeln. Dadurch erschöpft sich also die Wirkung des Desinfectionsstof- fes zum grossen Theile ungenützt, und es müssen da, wo es sich um Desinfieirung abgestorbener organischer Stoffe, sogenannter orga- nischer Abfall- und Auswurfsstoffe handelt, ganz ungeheure Mengen desselben nöthig werden, die doch immer nur eine einmalige, schnell vorübergehende Wirkung haben werden, Bringt man z. B. ein Stück frisches Fleisch in eine Lösung von übermangansaurem Kali, so färbt sich seine Oberfläche braun, die Lösung verfärbt sich bald, das übermangansaure Salz ist zersetzt. Das Wasser zieht jetzt Substanzen aus dem unzersetzten Fleische, es bilden sich Bacterien in der Flüssigkeit, die sich stark vermeh- ren und wieder das unzersetzte Fleisch angreifen. Nun wird wie- der desinfieirt, wozu durch die grosse Menge von Detritus sehr viel üibermangansaures Salz erforderlich ist, aber schon nach 1 bis 2 Tagen ist wieder starke Vermehrung der Bacterien, Trübung und Fäulnissgeruch eingetreten. Dieser Prozess würde sich also immer wiederholen, das Fleisch fault fast so schnell wie in reinem Was- ser, trotz der Aufwendung einer grossen Masse des Desinfections- mittels. Es ist demnach ersichtlich, dass dieser Stoff zur Desinfieirung von Abfuhranstalten (Latrinen, Kanälen u. s. w.) ganz ungeeignet ist. Dagegen empfiehlt sich seine Verwendung da, wo es sich um einmalige Desinfieirung, besonders um Zerstörung übler Gerüche handelt, und der Verbrauch starker Lösungen keine zu grosse Ver- schwendung des Stoffes veranlasst (Desinficirung von Gefässen), sowie zur einmaligen Desinfieirung organischer Gewebe (Waschungen, Ausspülung von Wunden), grade weil durch das Mittel in erster Reihe die schon zersetzten Organtheile angegriffen werden, derbwan- digere Zellen aber schwerer, und überhaupt eine ätzende (zerstörende) Wirkung auf die Zellhäute durch dasselbe nicht ausgeübt wird. ann Ganz anders als die zuletzt betrachteten Substanzen wirkt das Chlorgas. Sein Ansehen als Miasmen zerstörendes Mittel war früher so gross, dass die älteren amtlichen Bestimmungen über Verhütung von Seuchen fast gar keine anderen Desinfeetionsmittel angeben als 41 Chlorkalk und Chlorräucherungen in verschiedener Bereitungsweise. Diesen Ruf verdankt das Mittel nicht so sehr der praktischen Erfah- rung, dass es den mit der Fäulniss einhergehenden üblen Geruch zerstört, sondern weit mehr theoretischen Erwägungen. Man dachte sich unter den „krankheitserzeugenden Miasmen“ wasserstoffreiche Theilchen von halbzersetzten organischen Massen und glaubte, dass sie von dem Chlorgase durch Entziehung von Wasserstoff zersetzt würden. — Die Aenderung unserer Ansichten über Infeetion hat auch einen Umschwung in der Beurtheilung dieses Mittels hervorgebracht, und die Meinungen über Wirksamkeit desselben sind zum mindesten sehr getheilt. Auch hier kann die Beobachtung seiner Einwirkung auf niedere Organismen schr dazu beitragen seinen wirklichen Werth festzustellen. Bei früheren derartigen Versuchen bediente man sich gewöhnlich des Chlorkalks, dessen kräftige Wirkung zur Verhinderung von Gährungen als festgestellt zu erachten ist. Braconnot fand z. B., dass Zusatz von z4, Chlorkalk zu einer gährenden Flüssigkeit die Gährung aufhebt. Diese Versuche legen die Wirkung des Chlors an und für sich nicht klar, da Kalk ebenfalls ein nicht indifferenter Stoff’ und wie schon erwähnt, der Entwicklung des Alkoholpilzes gefährlich ist. Um die Wirkung des Chlorgases zu untersuchen, wurde dasselbe unter einer Glasglocke durch Begiessen von Chlorkalk mit Salzsäure entwickelt. Es machte sich dabei sofort ein Umstand bemerklich, der hier im Voraus besprochen werden muss. Stand die Glocke auf trockenem Grunde und wurde die Luft unter Anwendung von wenig Säure möglichst trocken gehalten, so machte sich gar keine Wirkung des Gases auf trockene Gegenstände bemerklich. Rothgefärbtes Fliesspapier behielt seine Farbe, Sporen von Mucor und Penseillium zeigten sich unter dem Mikroskop unverändert. Es ist immer die Anwesenheit von Feuchtigkeit nöthig, um die Wirksamkeit des Gases zur Anschauung zu bringen, die am sichersten durch Anfeuchten der Gegenstände erreicht wird. Angefeuchtetes rothes Fliesspapier wird durch die Chlerdämpfe sofort entfärbt. Hierbei muss aber auch bemerkt werden, dass einzelne Stellen, die auch nur lose bedeckt werden, ihre rothe Farbe behalten. Werden Penicillium-Sporen auf einer feuchten Glasplatte eine Minute lang den Chlordämpfen ausgesetzt, so wird ihre graugrüne Färbung in eine schmutziggelbe Lehmfarbe umgewandelt. Unter dem Mikroskop erscheinen sie hellgelb, eine weitere Structurveränderung ist nicht zu bemerken. Werden die so veränderten Sporen in Wasser gebracht, so schwellen sie nicht mehr an und keimen nicht, sind also getödtet. — Sporen von Mucor stolonifer auf angefeuchtete Kartoffeln aus- gesät und unter Chlorgas gebracht, werden ebenfalls schnell ver- ändert. Ihr Protoplasma erscheint dann in kleinen Klümpchen zusammengeballt und hat sich nach den Wandungen zurückgezogen, welche einen starken doppelten Umriss zeigen. Die Keimfähigkeit ist auch hier aufgehoben. Unter diesen Umständen bedarf es kaum der Erwähnung, dass sich auf Kartoffeln, die angefeuchtet, mit Sporen von Penieillium und Mwucor besät und unter die mit Chlorgas erfüllte Glocke gestellt wurden, kein Schimmel entwickelte. In einem solchen Experiment blieben sie nach einmaliger Chlorentwicklung 14 Tage lang frei von jeder Vegetation. — Diese anhaltende Schutzkraft des Mittels beruhte aber nicht etwa auf einer nachhaltigen Wirkung auf die Nährsub- stanz, sondern nur in einmaliger Zerstörung der Keime; denn wur- den am zweiten Tage auf ein Stück der Kartoffeln frische Sporen gesät, so entwickelten sie sich bald zu kräftigen Schimmelrasen, wenn sie auch unter der Glocke gehalten wurden. Lebhaft vegetirende Rasen von Penveillium werden, wenn sie in die Chlordämpfe gebracht werden, schnell getödtet, fallen zusammen und breiten sich nicht weiter aus. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass auch hier das Protoplasma zusammengezogen und in viele kleine Stücke zerfallen in den Zellen des Mycels vertheilt ist. Hefezellen werden durch Chlorgas in ähnlicher Weise verändert wie Mucor-Sporen. Wenn sie auf einer Glasplatte seiner Einwirkung eine Minute ausgesetzt waren, zeigt sich ihr Plasma körnig entartet und nach den Wänden zusammengezogen. Wurde eine Lösung von Fruchtzucker und weinsteinsaurem Ammo- niak, mit vieler Hefe versetzt unter die von Chlorgas erfüllte Glocke gebracht, so zeigte sich eine deutliche Beeinträchtigung der Gährung. Dieselbe wurde nicht sofort aufgehoben, es stiegen vielmehr zwei Tage lang Gasbläschen vom Grunde des Gefässes auf, doch war die Gasentwicklung bei weitem weniger lebhaft als bei einer gleichen in freier Luft stehenden Flüssigkeit. Bei der mikroskopischen Unter- suchung fand sich an der Oberfläche der Flüssigkeit nach 24 Stunden eine grosse Zahl von Hefezellen mit granulirtem nach den Wänden zurückgezogenem Plasma, die also getödtet waren, auf dem Grunde dagegen waren die Zellen wohlerhalten und frisch sprossend. Auch am Ende des 2. Tages fanden sich am Grunde Hefezellen mit anschei- nend unverändertem Inhalt, die Gasentwicklung hatte aber jetzt aufgehört. 43 — Bacterien in Flüssigkeiten werden, den Gasen direet ausgesetzt, rasch getödtet. Wurde ein von lebhaft bewegten Bacterien erfüllter Tropfen unter Deckglas über Chlorgas gelegt, so zeigte sich schon nach etwa einer Minute die Wirkung. Die Bacterien waren sämmt- lich unter dem Deckglase hervorgetreten und lagen dichtgedrängt bewegungslos um die Ränder desselben. Sie waren in ihren Um- rissen sehr deutlich erkennbar, eine weitere Veränderung war aber an ihnen nicht wahrzunehmen. Bei grösseren Mengen von Flüssigkeiten tritt die Wirkung des Gases gegen die Bacterien nicht so deutlich hervor. Am Grunde einer mit Bacterien und Vibrionen stark erfüllten Flüssigkeit, die unter die mit starken Chlordämpfen gefüllte Glocke gebracht war, fanden sich noch nach mehreren Tagen diese Organismen lebhaft bewegt. Wollen wir aus solchen Versuchen eine Würdigung der Wirkung des Chlorgases für die Zwecke der Desinfection ableiten, so müssen wir zugeben, dass es bei direeter Berührung ein kräftiges Gift gegen niedere Organismen ist, dessen Eigenschaft als Gas, in alle zugäng- lichen Höhlungen einzudringen, und sich über weite Räume zu ver- breiten, ihm einen besonderen Werth verleiht. Sehr eingeschränkt wird sein Werth dadurch, dass zu seiner Wirkung die Anwesenheit von Feuchtigkeit unbedingt erforderlich ist, dass es durch Bedeckung leicht ausgeschlossen wird, dass selbst durch Flüssigkeiten die nie- deren Organismen gewissermassen gegen seine Wirkung geschützt werden, endlich dadurch, dass es nur augenblicklich wirkt und schnell erschöpft wird. Ich sehe hier ganz ab von den Einschränkungen, die das feindliche Verhalten des Gases gegen den menschlichen Organismus für seine Anwendbarkeit herbeiführt. In der Praxis empfiehlt sich seine Anwendung also nur für sehr wenige Zwecke. Ganz nutzlos, und weil man auf sie vertraut sogar schädlich, sind die immer noch nicht ganz aufgegebenen trockenen Chlorräucherungen von Kleidungsstücken, ganzen Waaren-Ballen, ja ganzer in sich vielfach bedeckende Kleider gehüllter Menschen. Unzureichend und schnell erschöpft ist die desinfieirende Wirkung des Chlorgases auf Flüssigkeiten z. B. in Latrinen oder Canälen. Am wichtigsten ist wohl seine Verwendung zur Desinfieirung grös- serer Räumlichkeiten, Krankenzimmer, Ställe u. s. w., es wäre aber auch hier rathsam vor Entwicklung der Chlordämpfe die Wände durch Anspritzen reichlich zu befeuchten. nam ann Wie früher das Chlor, so wird jetzt vielfach die Carbolsäure als das einzige und für alle Verhältnisse geeignete Desinfeetionsmittel betrachtet. Umgekehrt wie bei jenem Gase hat sie nicht der Theorie ihre Empfehlung zu verdanken, sondern sie hat sich erst allmählich Geltung verschafft, nachdem sie unter der Form unreiner Präparate wie Essenrauch, Holzessig, Steinkohlentheer, Kreosot, unreiner Car- bolsäure, schon längst praktische Verwerthung gefunden. Wir unterscheiden bei Anwendung der Carbolsäure, ob sie in Dampfform oder in Lösungen zur Wirksamkeit kommen soll. In der Praxis wird grade der Anwendung des Mittels in Dampfform eine grosse Wirkung zugeschrieben. Das früher bei grossen Seuchen übliche Räuchern in den Strassen, wird jetzt wohl zum Theil auf die Absicht Carbolsäure-Dämpfe zu verbreiten, zurückgeführt, wie in neuerer Zeit. Aufstellen von Becken mit Carbolsäure als Luft- desinfectionsmittel vorgeschlagen worden ist. Das Conserviren des Fleisches durch Räuchern wird ebenfalls theilweise auch der Wir- kung der im Rauch enthaltenen Carbolsäuredämpfe zugeschrieben. Vorsteher grosser Brauereien fürchten sogar Steinpappdächer in der Nähe ihrer Etablissements, weil sie der Ansicht sind, dass die Stein- kohlentheerdämpfe nicht nur die Gährung, sondern auch die Kei- mung bei der Malzbereitung stören. Um die Wirkung verdunstender Carbolsäure auf die Entwicklung der hier schon mehrfach als Versuchsobjeete benützten niederen Organismen zu prüfen, wurde ein Schälchen von zerflossenen Car- bolsäure-Krystallen mit etwas Wasser übergossen unter eine Glas- Glocke gestellt. Nachdem es hier einen Tag gestanden, wurde zunächst unter die Glocke eine mit Hefe versetzte Traubenzucker- lösung gebracht. Die Gährung begann sehr träge, am nächsten Tage war sie noch nicht aufgehoben, aber es stiegen verhältniss- mässig wenig Gasblasen auf, während die Gasentwicklung bei einer in der freien Luft befindlichen gleichen Lösung sehr stürmisch vor sich ging. Das spärliche Aufsteigen von Gasblasen dauerte am 5. Tage noch fort, während die Gährung an freier Luft am 3. Tage beendet, und bei einer in Chlorgas gebrachten gleichen Flüssigkeit am 2. Tage aufgehoben war. Es zeigte sich also, dass die Verdunstung von Carbolsäure in ihrer Umgebung die Akoholgährung verlangsamt und stört, aber nicht vollständig aufhebt. — Eine Veränderung der Hefezellen in der den Carbolsäuredämpfen ausgesetzten gährenden Flüssigkeit war nicht zu bemerken. Dass Schimmelbildung durch Carbolsäuredämpfe kräftig nieder- 45 gehalten wird, gehört gleichfalls schon zu den bekannten praktischen Erfahrungen. Als Beispiel dafür führe ich die Mittheilung eines befreundeten Collegen an. In einem seiner Zimmer stellte sich beständig starke Schimmelbildung ein, nicht blos Brot und andere Esswaaren, sondern auch Kleider, besonders Ledersachen bedeckten sich in kurzer Zeit mit Schimmel-Rasen. Er wandte dagegen Car- bolsäure-Räucherungen in der Weise an, dass er rohe Säure auf einen geheizten Ofen stellte. Es entstand freilich dadurch ein fast unerträglicher Geruch, aber der Erfolg war auch vollständig, denn nach einmaliger Räucherung zeigte sich durch sechs Wochen keine Schimmel-Bildung mehr. Prüfung im Kleinen bestätigte solche praktische Erfolge. — Unter die Glasglocke, in welcher sich die Schale mit Carbolsäure befand, wurden Penicillium-Sporen auf Wasser ausgesät gestellt. Nach 12 Stunden waren die meisten Sporen stark angeschwollen, am nächsten Tage hatten einige von ihnen Keimschläuche getrieben, am 3. Tage waren die meisten gekeimt. Die Keimschläuche ver- längerten sich aber nur wenig und langsam und es wurden keine Fruchtäste gebildet. — Gleichzeitig wurden Sporen von Peniecillium und Mucor auf Kartofielstüicke und Brot gesät und denselben Be- dingungen ausgesetzt. Nach zwei Tagen fanden sich die Sporen reichlich gekeimt. Damit war aber auch hier die Entwicklung beendet, es entstanden keine Schimmelrasen. — Mehrfache Wieder- holungen dieses Versuches hatten immer dieselben Ergebnisse: Kei- mung der Sporen aber keine weitere Entwicklung. Auf Bacterien wirkt die verdunstende Säure in ziemlich der- selben Weise. Um einen auf Kartoffel gebrachten Schimmelrasen herum zeigten sich unter der Glocke am nächsten Tage kleine weisse Schleimtröpfehen, die lebhaft bewegte Bacterien enthielten; sie waren wohl mit dem Schimmelrasen ausgesät worden und hatten sich trotz der Carbolsäuredämpfe vermehrt. Eine weitere Ausbreitung der Bacterien fand aber hier nicht statt; während sich eine in gewöhn- licher Stubenluft ausgelegte Kartoffel in wenigen Tagen ganz mit Bacterienschleim bedeckte, blieb dieser unter Einwirkung der Carbol- säuredämpfe auf den nächsten Umkreis der Aussaatstelle beschränkt und ging auch hier bald zu Grunde, so dass die ganze Oberfläche der Kartoffel eintrocknete. Bacterien in Wasser unter die Glocke gebracht, bewegten sich am nächsten Tage noch zum grossen Theil, am 2. Tage konnten keine bewegten Bacterien mehr gefunden werden. Ein hemmender Einfluss der Carbolsäure in Dunstform auf die Al. Ri Entwicklung niederer Organismen geht hieraus wohl unzweifelhaft hervor, derselbe hat aber seine Grenzen. Fleisch, das einige Tage an der Luft gelegen hatte, in Fäulniss übergegangen und mit einer starken Schicht von bewegten Bacterien bedeckt war, faulte weiter, auch wenn es in die Carbolsäuredämpfe gebracht wurde. Ebenso wurde die Fäulniss, sowie Bewegung und Vermehrung von Bacterien in faulendem Fleischwasser nieht aufgehoben. Selbst bei den Nährsubstanzen, die mit frischen Aussaaten unter die Glocke mit Carboldämpfen kamen, entwickelten sich an einzelnen Stellen oft die niederen Organismen weiter. Bei Brot oder grösseren Kartoffelstücken trat dies meist am Grunde oder in an den Seiten befindlichen Höhlungen ein. Es stellte sich heraus, dass es immer solehe Stellen waren, wo gewissermassen die ausgesäten Keime durch eine Vorragung überdacht und damit gegen einen senkrecht nach abwärts fallenden Stoff geschützt wurden. Durch vergleichende Versuche bestätigte sich diese Auslegung. Wurde z. B. 1 Cm. über einer mit Penieillium-Sporen ganz besäten Kartoffelscheibe eine Glas- scheibe befestigt, doch so dass seitlich die Luft freien Zutritt hatte, so entwickelten sich auch unter der Glocke mit Carboldämpfen überall Penieillium-Rasen; wurde die Platte so gestellt, dass sie nur einen Theil der Scheibe überdachte, so trat an dem ungeschützten Theile keine Schimmelbildung ein. — Ebenso verhielten sich Baeterien; an den Stellen, die von oben her geschützt waren, vermehrten sie sich und breiteten sich so weit der Schutz reichte aus, an der freien Oberfläche gingen sie zu Grunde.. Es scheint hiernach, dass die Carbolsäure mit den Wasserdünsten in die Luft gerissen wird, und in der Gestalt dadurch desinfieirend wirkt, dass sie sich wie ein-Thau oder Reif senkrecht niederschlägt. Zwischenwände halten sie ab und schützen gegen ihre Einflüsse, wie der Thau durch die Platte eines Tisches von dem Rasen, auf dem dieser steht, abgehalten wird, und wie ein über einem Pfirsichgelände angebrachtes Brett dieses vor der Einwirkung des Reifes schützt. In Lösungen angewandt ist Carbolsäure ein kräftiges Mittel zur direeten Zerstörung niederer Organismen. Am deutlichsten zeigt sich dies bei ihrer Einwirkung auf Infusorien. Wurde in einen Wasser- tropfen, der eine grosse Zahl von Infusorien enthielt (Glaucoma scintillans, Monas, Oxytricha) nur soviel Carbolsäure gebracht, wie an einer etwa 2 Millim. eingetauchten Nadel haften blieb, so wur- den sämmtliche Infusorien getödtet. Sie wurden dabei anfangs sehr lebhaft in ihren Bewegungen, darauf wurden diese unsicher, zuckend, das Infusor drehte sich dann meist wiederholt um sich selbst und 47 wurde plötzlich bewegungslos. Hierauf nahm es Kugelform an, die Cilien fielen ab, die Umhüllung platzte an einer Stelle, der Inhalt trat aus und die Hülle blieb als theilweise leere Blase zurück. — Das Absterben erfolgte auf diese Weise allmählich, und bei den einzelnen Infusorien zu verschiedener Zeit, offenbar weil sich die Carbolsäure nur langsam mit dem Wasser mischte. Hier konnten also die Infusorien die noch unverdünnte Säure in feinvertheilten Kügelchen aufgenommen haben oder von solchen berührt (angeätzt) worden sein. Aber auch in gut durchgemischten Lösungen genügt eine sehr kleine Menge zu ihrer Tödtung. Wurde z. B. in eine Lösung von 1 Carbolsäure zu 2000 Wasser Stücke einer Haut gebracht, die lebhaft bewegtes Paramaecium enthielt, so wurde dieses nach wenigen Minuten getödtet gefunden. Ganz ebenso ist die Wirkung auf bewegte Bacterien. Durch Einbringen einer Spur Carbolsäure in den Tropfen, in dem sie schwärmten, wurde ihre Bewegung schnell aufgehoben. Wurde eine mit lebhaft bewegten Bacterien dicht erfüllte Flüssigkeit mit gleichen Theilen einer Carbolsäurelösung 1:1000 gemischt, so bildete sich sofort ein wolkiger Niederschlag, der sich als graue schleimige Masse am Boden absetzte, und in dem die bewegungslos geworde- nen Bacterien nachzuweisen waren. Die Flüssigkeit darüber war klar geworden. Die Wirkung der Säure auf den Alkoholgährungspilz ist ebenso entschieden. Wenn z. B. ca. 4 Gramm einer Carbolsäurelösung 1:1000 zu ca. 200 Gramm einer mit Hefe versetzten Fruchtzucker- lösung gemischt wurden, so trat keine Kohlensäureausscheidung ein, also eine Concentration von 0,00002 Carbolsäure hatte hier genügt, die Gährung zu verhindern. Schon frühere Angaben heben diese gährungsverhindernde Wirkung der Carbolsäure hervor, so soll z. B. Zusatz einer Drachme der Säure die Gährung in einem Maisch- bottig mit 5000 Cub.-Fuss Inhalt vollständig aufheben. Um etwas genauer zu beobachten, in welchen Concentrationen und für welche Zeit die Carbolsäure die Entwicklung von Fäulniss- Bacterien aufhält, wurden Stücke von rohem Fleisch in Carbolsäure- lösungen von Concentrationen 1 Säure auf 500, 1000, 2000 und 10000 Wasser, gleichzeitig auch in reines Wasser gelegt. Es wur- den zu den Versuchen Stücke von ca. 30 C.Cm. mit ea. 100 C.Cm. Flüssigkeit in einem engen Gefäss so übergossen, dass diese ca. 5 Cm. über ihnen stand. Nachdem die Gefässe ca. 5 Stunde frei an der Luft gestanden, wurden sie lose mit einem Kork verschlossen. In dem Aufguss mit destillirttem Wasser zeigte sich nach 3 Tagen 48 sehr starke Trübung und reichliche Baeterienbildung; er verbreitete durchdringenden üblen Geruch. In keiner der Aufgüsse mit Carbol- säurelösung. machte sich zu dieser Zeit übler Geruch oder Bacterien- bildung bemerklich. Erst 6 Tage nach Beginn des Versuches begann in der Lösung 1:10000 Zersetzung des Fleisches mit Bacterien- bildung und Fänlnissgeruch, von da ab schritt der Prozess hier bis zum vollständigen Zerfall des Fleisches stetig weiter. Die Lösung 1:2000, welche fast gar keinen Carbolsäuregeruch und keinen scharfen Geschmack besitzt, blieb durch vier Wochen fast ganz klar und geruchlos. Bacterien konnten in dieser Zeit nicht nachgewiesen werden. In der fünften Woche bildete sich an der Oberfläche der Flüssigkeit ein Häutchen, in dem sich bewegte Bac- terien fanden, schwacher Fäulnissgeruch stellte sich ein, von der Oberfläche des Fleisches lösten sieh einzelne kleine Fetzen ab, das Innere des Fleischstückes blieb aber innerhalb sechs Wochen unversehrt. Die Lösung 1:1000 hat ebenfalls einen schwachen, nicht unan- genehmen juchtenartigen Geruch und sehr unbedeutenden Geschmack. Dieselbe blieb durch vier Wochen vollkommen klar, und erhielt sich so bei den meisten Versuchen noch weitere vier Wochen. Baecterien waren nach 6 bis 8 Wochen nie in der Flüssigkeit nachzuweisen und das Fleisch hielt sich im Innern wie an der Oberfläche unver- sehrt, es hatte fast ganz das Aussehen von frischem Fleische, war namentlich an der Oberfläche nicht mit einer merklichen Kruste ver- sehen, im Innern röthlich und nur wenig blasser als am Anfange der Versuche. Sein Geschmack war nach dem Kochen nicht unangenehm. Einigemal bildeten sich in dieser Lösung nach etwa vier Wochen auf der Oberfläche Mycelien, die sich ausbreiteten, verdichteten und über 1 Cm. lange fluthende Hyphen nach unten senkten. Diese waren farblos, vielfach verästelt und stellenweise mit Blasen besetzt, wahrscheinlich war es Wassermycel von Penicillium, welches auch auf der Oberfläche und am Kork fruetificirte. Das Vorkommen dieser Schimmelrasen in der Carbolsäurelösung bei Ausschluss von Bacterien deutet darauf hin, dass es Concen- trationsgrade giebt, in welchen Schimmelpilze vegetiren, Bacterien aber nieht mehr gedeihen können. Dieser Grad scheint unter 1: 2000 zu liegen, denn Penzeillium auf frisch bereitete Lösung von dieser Stärke ausgesät, entwickelte keine Mycelien. Die Lösung von 1:500 blieb durch mehrere Monate ganz klar und frei von Organismen. Durch dieselbe wurde jedoch das einge- legte Fleisch stärker angegriffen. Seine Aussenfläche erschien gebräunt 49 und härter als das Innere. Dieses war fast ganz weiss, entfärbt, im Uebrigen unversehrt und von nicht üblem Geschmack. Von den chemischen Erklärungsweisen über die Wirkung der Carbolsäure soll hier ganz abgesehen werden. Ueber ihre Wirkung im Allgemeinen kann man aus den vorhergehenden Versuchen, wie ich glaube, Folgendes schliessen. In starken Lösungen wirkt sie nach Art starker Mineralsäuren zerstörend auf organische Stoffe. Als starke Lösung ist gegenüber belebten Organismen schon die von 1 Theil Carbolsäure auf 500 Theile Wasser anzusehen. Auch 1 Theil Carbolsäure auf 1000 Theile Wasser ist schon eine Con- centration, in der kein lebender Organismus bestehen kann, wahr- scheinlich sind aber viel geringere Concentrationsgrade z. B. 1:10000 genügend, um die Entwicklung derselben durch einige Zeit nieder zu halten. Selbst damit ist wahrscheinlich noch nicht die unterste Grenze für die Wirksamkeit dieses Stoffes erreicht, wie die Wirkung kleinster Mengen gegen die Alkoholgährung zeigt. Schon hierdurch erscheint die Carbolsäure als ein höchst wich- tiges Desinfectionsmittel. Die geringe Menge, die genügt, die Ent- wicklung niederer Organismen zu beschränken oder ganz unmöglich zu machen, gestattet ihre Anwendung für diesen Zweck im grössten Maassstabe, die schwache Concentration, die dazu hinreicht, macht es möglich sie da zu verwenden, wo eine deletäre Wirkung auf orga- nische Gewebe vermieden werden muss. Selbst die Dünste der Säure haben grossen Werth als Desinfec- tionsmittel, doch der angegebenen Umstände wegen nicht so sichere Wirkung wie die Lösungen. Die „Keime“ tödten sie nicht, wie auch vielleicht nicht schwache Lösungen, sie hindern aber ihre Entwick- lung, und dies genügt da, wo die Wirkung ununterbrochen erhalten, das heisst in kurzen Zwischenpausen desinfieirt wird, denn so lange sich die Keime nicht weiter entwickeln, sind sie unschädlich. Weiter muss die anhaltende Wirkung geringer Mengen der Säure her- vorgehoben werden. Wenn sich in den vorherbesprochenen schwächeren Lösungen schliesslich auch die Desinfeetionskraft verlor, so dauerte sie doch viel länger an als bei irgend einem der anderen Mittel. Die schliessliche Erschöpfung schien nicht von einem Paralysiren der Säure durch Verbindung mit dem zu desinfieirenden organischen Stoffe herzurühren, sonst hätte sie bei den verhältnissmässig grossen Mengen des letzteren viel schneller eintreten müssen, sondern von einem langsamen Verdunsten der Säure, wodurch die Concentration der Lösungen geringer wurde. In praktischer Beziehung ist also wohl kein Stoff so sehr geeignet, Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft III. 4 50 in grösseren leicht zersetzbaren Massen z. B. dem Inhalt von Latri- nen oder Canälen die Entwicklung niederer Organismen (Fäulniss-, Infecetions-Organismen) niederzuhalten, bis sie anderweitig unschädlich gemacht werden können. Ebenso ist keiner gleich gut verwendbar zur Conservirung organischer Stoffe durch einfaches Abhalten der Zersetzungsorganismen. Auch um ihre Entwieklung in lebenden orga- nischen Theilen zu verhüten oder zu hemmen, erscheinen schwache Lösungen wohl weit unter der jetzt meist gebräuchlichen Concentra- tion wirksam; so kann man sich ihrer in der Wundbehandlung bedie- nen, und nicht unwahrscheinlicher Weise kann man sie zur Vertilgung niederer Organismen in solchen Verdünnungen mit Nutzen verwenden, dass sie selbst im Innern des lebenden Körpers gebraucht werden könnten. Die vorstehenden Besprechungen sollten nur darthun, dass einige der gebräuchlichsten Desinfectionsmittel in hervorragender Weise geeignet sind, die Entwicklung niederer Organismen zu verhindern. Es zeigte sich, dass jedes dieser Mittel in verschiedener Weise wirkte, dass wir also von keinem einzelnen derselben eine allseitige Wirkung erwarten, sondern jedes in seiner bestimmten Art und an bestimmter Stelle anwenden sollen. Wenn wir so immer in bewusster Weise individualisiren, werden wir uns vielleicht nicht über die Unwirk- samkeit der Desinfectionsmittel zu beklagen haben. Der Schluss, dass die Mittel gegen die Infeetionsstoffe ebenso wirken werden, wie gegen die hier der Prüfung unterworfenen nie- deren Organismen, ist allerdings nur ein Schluss nach einer Analogie, bei dem augenblicklichen Stande unserer Kenntniss über die Infec- tion ist er indess wohl nicht ungerechtfertigt. Da es sich nicht um Aufstellung endgültiger Schlüsse, sondern mehr um Gewinnung von Vergleichen handelte, möge es entschuldigt werden, dass oft in den Versuchen kein schärferes und genaueres Ergebniss erstrebt wurde. Im strengsten wissenschaftlichen Sinne wird es erst dann möglich sein die Wirksamkeit der Desinfeetionsmittel festzustellen, wenn wir ihre Einflüsse auf die Entwicklung der specifischen Infeetionsorganismen prüfen können. Rastatt, im Januar 1874. N Veber die einseitige Bo men des Aufblühens einiger kätzehenartigen Inflorescenzen durch die Einwirkung des Lichtes. Von Dr. A. B. Frank. Die nachfolgenden Mittheilungen sollen auf eine Erscheinung auf- merksam machen, die soviel mir bekannt, bisher in der Literatur keine Erwähnung gefunden hat, die aber um so mehr eine Beach- tung verdienen dürfte, als sie vorläufig mit keiner der bis jetzt bekannten verschiedenartigen Einwirkungen des Lichtes auf die Pflanzen sich genau identifieiren zu lassen scheint. Die Kätzchen der Weidenarten zeigen im Allgemeinen eine acro- petale Aufblühfolge; oft halten allerdings die Blüthen bis über den mittleren Theil des Kätzchens hinauf gleichen Schritt, oder es sind sogar die in mittlerer Höhe stehenden den unteren etwas voraus, aber in der Regel blühen die das obere Ende einnehmenden bestimmt später auf als die übrigen; dabei verhalten sich die auf gleicher Höhe ringsum an der Kätzchenachse stehenden Blüthen einander gleich. Eine ausgedehntere Beachtung der Aufblühfolge der Kätzchen im Freien wachsender Weidenbüsche lehrt aber, dass die ringsum gleiche Entwickelungsgeschwindigkeit der anf gleicher Höhe stehen- den Blüthen eines Kätzchens sehr häufig in stärkerem oder gerin- gerem Grade gestört ist, ja dass Kätzchen, deren auf gleicher Höhe stehende Blüthen in genau gleicher Entwickelungsphase sich befin- den, sogar die selteneren Fälle sind. Die Ungleichmässigkeit besteht darin, dass die an einer Kante der Kätzchenachse befindlichen Blüthen die gefördertste Entwickelung besitzen, die an der diametral gegen- über liegenden Kante stehenden am weitesten zurück sind, und auf 4* 52 beiden Seiten von der einen zur anderen Kante fortschreitend die allmählichen Abstufungen der Entwickelungsphasen gefunden werden. Die Inflorescenz ist in diesem Zustande ein bilaterales, aus zwei symmetrischen Hälften bestehendes Gebilde. Man überzeugt sich bald, dass diese Bilateralität weder zu dem Muttersprosse, an welchem die Kätzchen stehen, noch zu irgend einem anderen Theile der Pflanze gesetzmässig orientirt ist, sondern in Beziehung stehen muss zu einer fremden, von der Pflanze unab- hängigen Kraft. Ich bemerke gleich hier, dass die Erscheinungen, von denen ich spreche, nichts zu thun haben mit den ungleichsei- tigen Entwickelungen der Salix-Kätzchen, welche öfters durch parasitische Inseeten hervorgerufen werden, deren Larven in den Kätzchenspindeln leben und beim Aufblühen mehr oder minder krüppelhafte Entwickelungen derselben verursachen, wobei oft die Blüthen der einen Seite ungestört sich entwickeln, während die- jenigen, in deren Nähe der Schmarotzer sich niedergelassen hat, längere Zeit oder auch ganz zurückbleiben. Jene ist eine normale Erscheinung; bei ihr liegt die in der Entwickelung geför- derte Kante des Kätzchens stets nach Süden, und es fällt daher, wenn das Kätzchen ungefähr senkrecht steht, wie es meistens der Fall ist, die dasselbe in zwei symmetrische Hälften theilende Ebene mit der Meridianebene zusammen. An allen Kätzchen eines und desselben Strauches, an allen auf dem nämlichen Standorte bei- sammenstehenden Individuen ist die mit dem Aufblühen beginnende Seite des Kätzchens ausnahmslos nach dieser Himmelsgegend orientirt. ‚In verschiedenen Gegenden und an allen Orten, wo ich seit einer Reihe von Jahren regelmässig auf diese Verhältnisse geachtet habe, waren sie immer so sicher zutreffend, dass solche blühende Weiden- kätzchen an freien Standorten als ein ganz zuverlässiger Kompass gelten können. Am auffallendsten zeigen die Erscheinung diejenigen Arten, deren Kätzchen vor der Belaubung blühen, also zumal die in die Gruppen der Capreae, Viminales und Purpureae gehörigen, unter den ein- heimischen vorzüglich Salix Caprea L. und deren Verwandte, wie 8. aurita L., 8. cinerea L., desgleichen 8. viminalis L., und 8. pur- purea L. Und zwar sind es überall die männlichen Kätzchen, bei denen die Ungleichseitigkeit des Aufblühens am deutlichsten ist, wenn- gleich auch die weiblichen diese Erscheinung nieht vermissen lassen. Nach dem Hervortreten aus der gesprengten Knospenschuppe sind die männlichen Kätzchen der genannten Arten bekanntlich zunächst gleichmässig grau durch die Haare ihrer Decekblättchen; bei weiterer 53 Vergrösserung werden sie gelb, bei Salix purpurea roth durch die noch geschlossenen Staubbeutel, welche in Folge der beginnenden Streckung der in der Knospe äusserst kurzen Filamente hinter den Deckblättehen hervorgeschoben werden. Wenn dann die Staubfäden bis zu einer bestimmten Länge sich gestreckt haben und die Anthe- ren völlig. hervorgetreten sind, öffnen sich die letzteren und die Verstäubung tritt ein. Während derselben fahren die Filamente noch fort sich zu strecken, um erst nach der Verstäubung ihr Längen- wachsthum einzustellen. Wenn das Aufblühen ungleichseitig erfolgt, so beginnen die Filamente der nach Süden gekehrten Kante des Kätzchens ihre Streckung eher: die durch die vortretenden Antheren hervorgebrachte Gelb-, beziehendlich Rothfärbung des Kätzchens ist an der südlichen Kante eingetreten, während die entgegengesetzte noch völlig grau erscheint. In der Folge geschieht nun aber auch die weitere Streekung der Filamente der südlichen Kante rascher, als die inzwischen auch begonnene der an der entgegengesetzten Kante befindlichen Staubfäden, denn während Anfangs die Längen- differenz zwischen den beiderlei Filamenten eine geringe ist, steigert sie sich allmählich bis zu einem Maximum. Es erreichen daher auch die Staubfäden der Südseite zuerst diejenige Länge, bei welcher ihre Antheren sich Öffnen, und so schreitet das Verstäuben rechts und links nach der Nordseite fort; die an der letzteren Seite stehenden Staubgefässe öffnen sich zuletzt. Wenn dann auch diese ihre volle Länge erreicht haben und ihre Antheren verstäubt sind, so ist das Kätzchen wieder ringsum von gleicher Beschaffenheit. Das Aufblühen ist mit einer Streckung der Kätzehenspindel ver- bunden, durch welche die Inflorescenz aus der kurzen eiförmigen Gestalt, die sie in der Knospe besitzt, in die gestreckt eylindrische des entwickelten Zustandes übergeht. Auch diese Streckung wird häufig an der nach Süden gelegenen Kante beschleunigt, so dass das Kätzchen während des Aufblühens mehr oder weniger stark sich krümmt, wobei die Krümmungsebene mit der Symmetrieebene zusam- menfällt und die Convexität nach Süden gekehrt ist; die in der Entwicklung vorgeschrittensten Blüthen stehen daher an der con- vexen Seite. Bei den mehr gedrungenen Kätzchen der Sahlweiden ist die Krümmung, wenn sie überhaupt vorhanden ist, meist nur schwach; viel beträchtlicher wird sie an den schlanken walzenför- migen Kätzchen der Salix purpurea, wo ich sie in einigen Fällen bis zur Grösse eines vollen Halbkreises beobachtete. Die in der Streekung Anfangs verlangsamte Kante holt das Versäumte später- hin nach, so dass die abgeblühten Kätzchen wieder gerade erscheinen. 94 Die Krümmung eines und desselben Kätzehens nimmt daher Anfangs bis zu einem Maximum zu, um darauf wieder allmählich abzuneh- men. Das Maximum fällt zusammen mit der Zeit, wo die Differenz der Blüthenentwieklung an der südlichen und nördlichen Kante am grössten ist. Eine Anschauung von der Grösse der Ungleichheit in der Ent- wieklung männlicher Kätzchen, wie sie sich in der Länge der Filamente und im Ausbildungsgrade der Antheren kundgiebt, wird man aus den folgenden Daten gewinnen, welche die Befunde an S mehreren aufblühenden männlichen A Kätzchen von Salix cinerea wie- dergeben. Es wurden durch die untere Hälfte oder durch die Mitte Querschnitte hergestellt, welche so diek waren, dass sie ringsum auf ziemlich gleicher Höhe sitzende Deckblättehen mit Blüthen trugen, deren Entwicklungsgrad im Nachste- henden beschrieben ist. Die bei- stehende Figur stellt einen solchen Querschnitt eines Kätzchens von besonders auffallender Ungleichheit viermal vergrössert dar. Im Nachfolgenden bedeuten die Zahlen die Längen der Filamente in Millimetern. Fer en 4 £ ) CR DL, NR "MR SUN EINS ZM ul IN ZEN ; Südseite. Nordseite. 1) S Millim. Die Antheren vollstän- 3 —3,5 Millim. Antheren noch geschlos- dig verstäubt. sen; ihre Wand ist aber schon aus- gebildet, so dass beim Eintrocknen des Schnittes die Antheren sich öffnen und Blüthenstaub entleeren. 3) 5,5 Millim. Die Antheren haben 1—1,5Millim. Antheren noch im jugend- sich soeben geöffnet. lichen Zustande, ihre Wand ist noch nicht vollständig ausgebildet, sie öffnet sich auch beim Eintrocknen des Schnit- tes nicht. 3) 6,5 Millim. Die Antherenvollstän- 1,5 Millim. Antheren noch im jugend- dig verstäubt. lichen Zustande bleiben wegen unvoll- ständiger Ausbildung der Antheren- wand auch im getrockneten Zustande geschlossen. 4) 8,59 Millim. Die Antheren voll- 2 Millim. Antheren noch geschlossen, ständig verstäubt. aber ihre Wand soweit entwickelt, dass beim Eintrocknen Oeffnen und Entleerung von Pollen eintritt. 55 An denjenigen Blüthen, welche an den beiden Seiten zwischen der Süd- und Nordkante inserirt sind, kommt sogar zwischen den beiden Staubgefässen einer und derselben Blüthe eine Differenz der Länge der Filamente während des Aufblühens vor, indem das der Südkante nähere Staubgefäss einen etwas längeren Staubfaden zeigt, wie auch aus unserer Figur zu ersehen ist. Ich beobachtete z. B. folgende verschiedene Längen der beiden Filamente einer und der- selben Blüthe: 6 Mm. — 5,5 Mm., entsprechend einer Längendifferenz von 8,7 °/,. ae e z : : er Ts;aljn ni: - : :20 9%. 4:2. —3 e - - - 2 : 28,6). An männlichen Kätzchen von Salix Caprea fand ich die ach schnittlichen Längen der an der Süd- und an der Nordseite auf glei- cher Zone der Spindel stehenden Staubfäden z. B. im Verhältniss von 12,09 Mm. zu 4,14 Mm., wobei die grösste Länge auf jener Seite 13 Mm., die geringste auf dieser 4 Mm. betrug. Oder es hatten die Filamente an der geförderten Seite eine durchschnittliche Länge von !0 Mm., an der gegenüberliegenden von 2,5 Mm., wobei die geringste Länge 2 Mm. war. In beiden Fällen hatten die Anthe- ren an der Südseite sich eben geöffnet und stäubten, während die an der entgegengesetzten Seite noch geschlossen waren. An männ- lichen Infiorescenzen ven Salix purpurea fand ich z. B. an der Süd- seite die Filamente 3 Mm. lang, und die Antheren derselben soeben verstäubt, an der Nordseite dagegen nur 0,5 Mm. lange Staubfäden und noch im jugendlichen Zustande befindliche Antheren mit noch unvollständig ausgebildeter, auch beim Trockenwerden sich nicht öffnender Wand. Trotz der Ungleichzeitigkeit der Blüthenentwicklung innerhalb der einzelnen Querzonen des Kätzchens, bleibt doch im Allgemeinen die acropetale Aufblühfolge des letzteren gewahrt, indem jede Ortho- stiche ihre Blüthen in dieser Suecession aufblühen lässt. Sowohl die beschleunigte Entwickelung der gerade nach Süden, wie die am meisten retardirte der nach Norden gekehrten Orthostichen schreiten von unten nach oben fort, und gleiches gilt von den zu beiden Seiten stehenden Orthostichen von intermediärer Entwicklungsgeschwindig- keit. In den südlichen Orthostichen erreicht mithin das Aufblühen zuerst die Spitze des Kätzchens, in den übrigen um so später je mehr sie der Nordseite genähert sind; in den an der letzteren gele- genen am spätesten. Oder allgemeiner ausgedrückt: jede von der Südseite entferntere, der Nordseite näher liegende Orthostiche hat 96 ihre in gleicher Entwickelungsphase befindlichen Glieder an einer tieferen Stelle. Wenn man an einem solchen Kätzchen alle in glei- cher Entwickelung befindlichen Blüthen durch eine ringsum laufende Linie verbindet, so erhält man eine Ellipse, welche an der Südkante von ihrem höchsten Punkte beginnt und zu beiden Seiten absteigend an der Nordkante den tiefsten Punkt erreicht, und welche um so gestreckter ist, je grösser die Differenz der Entwickelung an der südlichen und nördlichen Seite ist. Auch an den weiblichen Kätzchen macht sich die Beschleunigung der Entwickelung an der Südseite bemerklich, wenngleich hier der Natur der Blüthen nach die Differenzen nicht so auffallend hervor- treten können. Die Empfängnissfähigkeit der Narbe, welche durch das Auseinandergehen ihrer beiden Lappen, die anfangs einander anliegen, und durch das Klebrigwerden ihrer Oberfläche angezeigt wird, tritt hier an solchen Standorten, wo die männlichen Kätzchen sich ungleichseitig entwickeln, auf dem nämlichen Querschnitte auch immer an der Südseite zuerst ein und schreitet rechts und links nach der entgegengesetzten Seite fort. Auch das Verblühen der weiblichen Inflorescenz, insofern es durch die Desorganisation der Nar- benpapillen sich anzeigt, beginnt an der Süd- und endigt an der Nordseite. Man sieht also Kätzchen, wo die Narbenschenkel z. B. an der Südseite sich von einander gegeben haben, hinten noch ganz aneinander liegen, oder wo sie vorn bereits desorganisirt, hinten kaum oder noch nicht aufgeblüht, an beiden Seiten in voller Blüthe - sind. Mit dem Empfängnissfähigwerden der Narben ist auch eine gewisse Streckung des Pistilles und des Stieles desselben verbunden, und diese geht auch noch, während die Pistille blühen, weiter. Auch diese Erscheinung läuft von der Süd- nach der Nordseite um das Kätzchen herum, so dass in dieser Periode die Pistille an jener Seite etwas länger sind, als an dieser. Es betrugen z. B. an soeben ringsum aufgeblühten weiblichen Kätzchen von Salix Caprea die durchschnittlichen Längen der Pistille sammt ihrer Stiele an der Südseite 6 Mm., an der Nordseite 5 Mm., in einem anderen Falle an jener Seite 5,4 Mm., an dieser 4,5 Mm. In der bisher beschriebenen Form tritt die Erscheinung ein, wenn die Kätzchen senkrecht oder doch ungefähr senkrecht stehen, wie es mit denen von Saliw purpurea, welche energisch negativ geotropisch sind, stets und mit denen von Salix Caprea und Ver- wandten an den aufrecht stehenden Zweigen der Fall ist. Bei den letzteren Arten sind aber die Kätzchen weniger stark geotropisch, so dass sie an schiefen, wagerechten und an geneigten Zweigen sich 97 meist nicht oder nur wenig aufwärts krümmen und ungefähr die Richtung ihres Muttersprosses beibehalten. An solchen von der ver- ticalen Richtung abweichenden Kätzchen treten andere Aufblühfolgen ein, je nach ihrer zufälligen Stellung, und es sind wiederum die männlichen, an denen dies am evidentesten hervortrit. Wo die Kätzchenachse ungefähr in der Ebene des Meridianes und zwar schief aufrecht oder horizontal liegt so, dass die Spitze des Kätzchens gen Süden, ungefähr der eulminirenden Sonne zugewendet ist, da beginnt das Aufblühen entgegengesetzt der gewöhnlichen Regel an der Spitze des Kätzchens und schreitet von dort aus gegen die Basis fort. Höchstens bleibt eine kleine die äusserste Spitze einnehmende (Gruppe von Staubgefässen in der Entwickelung zurück; diese kommen aber auch sonst häufig nicht zum Aufblühen. Bei einer gewissen Elevation des Blüthenstandes geschieht hierbei das Aufblühen auf jeder Quer- zone ringsum nahezu gleichzeitig, so dass das Kätzchen nicht eigent- lich bilateral wird und sich einer normal in basipetaler Succession aufblühenden Inflorescenz gleich verhält. Ist es steiler aufgerichtet, so hat die nach Süden gekehrte Kante einen geringen Vorsprung, ist es dagegen stärker geneigt, so ist an der entgegengesetzten, dem Zenith zugewendeten Kante eine Beschleunigung wahrzunehmen. Die Ellipse, welche die in gleicher Phase des Blühens stehenden Blüthen verbindet, fällt in jenem Falle an der unteren, in diesem an der oberen Seite ab, und rückt bei fortschreitendem Aufblühen in ungefähr gleichbleibender Richtung an dem Kätzehen hernieder. Befindet sich die Kätzchenachse nicht in der Ebene des Meridians, und zwar wiederum in sehr schiefer oder horizontaler Lage, so wird das Aufblühen an der zenithwärts gekehrten Kante beschleunigt und tritt an der unteren zuletzt ein; oft liegt aber in diesem Falle die mit dem Aufblühen beginnende Orthostiche etwas der südlichen Flanke des Kätzchens genähert. Diese Wahrnehmungen deuten übereinstimmend darauf hin, dass die in Rede stehenden Erscheinungen eine bestimmte Beziehung zur Beleuchtung haben, dass immer diejenige Seite des Kätzchens, welche die längste und die intensivste Beleuchtung geniesst, in der Entwickelung vorauseilt. Denn von allen Kanten eines senkrecht stehenden Kätzchens wird diejenige, deren Hauptschnitt in der Meridianebene liegt, von der täglichen Beleuchtung der Sonne am längsten getroffen: sie ist fast von Früh bis Abends beleuchtet, also auch zu Zeiten, wo die Abend- resp. die Morgenseite Schatten haben. Und wenn auch bei Anbruch und bei Abnahme des Tages diese Kante nur in sehr schiefer Richtung von den Sonnenstrahlen 98 getroffen wird, so ist doch das Sonnenlicht zu der Zeit, wo es gerade in radialer Richtung auf die Südkante des Kätzchens scheint, d. i. zur Mittagszeit, am intensivsten. In gleicher Lage befindet sich die Spitze des Kätzchens, wenn dieselbe nach Süden gekehrt ist und die Kätzchenachse in der Meridianebene liegt. Es ist ein- leuchtend, dass, wenn der Culminationspunkt der Sonne ungefähr in der Verlängerung der Kätzchenachse liegt, alle auf gleicher Höhe befindlichen Punkte des Umfanges des Inflorescenzendes gleich stark beleuchtet sind, also auch gleichmässig in ihrer Entwickelung beschleunigt werden, dass dagegen bei steilerer Richtung des Kätz- chens die nach Süden gekehrte Kante, bei stärkerer Neigung des- selben die entgegengesetzte obere in der Insolation begünstigt wird, womit es wiederum übereinstimmt, dass die um das Kätzchen lau- fende Linie, welche die in gleicher Entwickelungsphase befindlichen Blüthen verbindet, in jenem Falle nach der unteren, in diesem nach der oberen Seite abfällt. Auch die Beobachtung endlich steht mit dem Gesagten im Einklange, dass auch in jeder anderen Richtung der Windrose die Kätzchen, wenn sie einigermassen stark geneigt sind, an der zenithwärts gekehrten Kante ihre Entwickelung beschleu- nigen, weil diese im Lichtgenusse im Vortheile ist gegen die beschattete untere Seite. Um die Beziehung der in Rede stehenden Erscheinung zur Be- leuchtung experimentell zu beweisen, brachte ich Zweige von Salix cinerea, deren Knospen männliche Inflorescenzen enthielten, vor der Blüthezeit in die entgegengesetzte Stellung, derart, dass die bishe- rige Nordkante der Knospen gerade nach Süden zu liegen kam. Es geschah dies ohne dass die Zweige abgeschnitten wurden, ein- fach durch geeignetes Umdrehen oder Umbiegen und Festbinden derselben, was sie wegen ihrer Biegsamkeit und Zähigkeit sehr wohl gestatten, und wodurch ihre weitere Entwickelungsfähigkeit durchaus nicht beeinträchtigt wird. Auf diese Weise war ein Ver- gleich ermöglicht mit allen übrigen Kätzchen desselben Strauches, welche in ihrer Richtung zur Windrose nicht verändert worden waren. Die Versuche wurden ausgeführt an Individuen aufeinem ziemlich allsei- tig freien Standorte, an welchem in den vorhergehenden Jahren die ungleichseitige Entwickelung der Kätzchen auf das Deutlichste zu beob- achten gewesen war. Zum Vergleiche mit den Aufblüh-Erscheinungen bei unveränderter Stellung der Kätzchen verweise ich auf die oben für Salix cinerea gegebenen Beschreibungen und Zahlen, welche sich gerade auf die Versuchs-Sträucher und auf dasselbe Frühjahr, in welchem BEL ich die Experimente anstellte, beziehen. Um zugleich den etwaigen Einfluss zu ermitteln, den die Dauer der umgekehrten Stellung vor dem Aufblühen auf das letztere ausübt, wurden Umkehrungen zu zwei um mehrere Tage verschiedenen Zeiten vorgenommen. Mit einer Anzahl Zweige geschah dies am 24. März, als die Kätzchen eben aus den gesprengten Knospenschuppen sich frei machten, eine Anzahl anderer wurden dagegen erst am 29. März umgewendet, als die Kätzchen bereits weiter erwachsen, aber noch immer ringsum gleichmässig grau gefärbt waren und noch keine Streekung der Filamente begonnen hatte. Am 2. April war das Aufblühen aller Kätzchen im vollen Gange; die in unveränderter Stellung befindlichen zeigten jetzt die ausgeprägten Ungleichheiten des Aufblühens, wie sie in dem oben eitirten Beispiele geschildert sind. Die zum Ver- suche verwendeten hatten den gleichen Entwickelungsgrad erreicht; die an ihnen am bezeichneten Datum hervorgetretenen Erscheinun- gen sind aus den nachstehenden Angaben ersichtlich. Ich bemerke noch, dass ich an den zum Versuche bestimmten Zweigen vorher die ursprüngliche Südkante mit einer Marke versah, an welcher man bei Beendigung des Versuches sich überzeugen konnte, dass der Zweig, während er in der neuen Stellung festgebunden war, nicht durch eigene Torsionen u. dergl. aus der gewaltsam ihm ertheilten Stellung wieder abgelenkt worden war, indem die Marken sich immer noch an der nordwärts gekehrten Seite befanden. Ich bezeichne mit „Südseite“ und ‚Nordseite‘ diejenigen Seiten, welche vor dem Versuche nach Süden, resp. nach Norden gekehrt waren; es ist also zu bedenken, dass die als Südseite bezeichnete während des Experimentes nach Norden stand, und umgekehrt. Die Zahlen geben wiederum die Länge der Filamente an. \ 1. Umkehrung am 24. März. Südseite. Nordseite. 1) 2—2,5 Millim. Antheren noch ge-- 6-7 Millim. Antheren soeben ge- schlossen, aber meistens soweit aus- öffnet und im Verstäuben begriffen. gebildet, dass sie sich beim Trocken- werden des Kätzchens öffneten; einige waren etwas weniger entwickelt und blieben auch beim Eintrocknen ge- schlossen. 2) 2,5 Millim. Antheren wie im vori- 6,5 Millim. Antheren wie im vori- gen Falle. gen Falle. 60 I. Umkehrung am 29. März. Südseite. Nordseite. 1) 7 Millim. Antheren im Verstäuben 3 Millim. Antheren geschlossen, aber begriffen. beim Trockenwerden sich öffnend und stäubend. 2) 5—5,5 Millim. Antheren soeben ge- 2 Millim. Antheren noch unentwi- öffnet und im Verstäuben begriffen. ckelt, geschlossen, beim Trocken- werden zum Theil sich öffnend, zum Theil geschlossen bleibend. 3) 5,5 Millim. Antheren wie vorher. 2 Millim. Antheren wie vorher. Aus den Ergebnissen dieser Versuche folgt zweierlei. Erstens, dass die Stellung zur Sonne in der That die Ungleichseitigkeit des Aufblühens der Weidenkätzchen bedingt; denn an Kätzchen, welche 9 Tage vor dem Aufblühen mit ihrer bisherigen Südkante nach Nor- den gerichtet worden waren, trat auch die Beschleunigung des Auf- blühens an der entgegengesetzten Kante ein, welche bei gewöhn- licher Stellung, wie es an allen anderen Kätzchen desselben Strau- ches wirklich der Fall war, in der Entwickelung am meisten zurück- ‚ geblieben sein würde. Es folgt aber daraus auch zweitens, dass das Licht eine gewisse prädisponirende Wirkung ausübt, indem solche Kätzchen, welche nur 4 Tage vor dem Aufblühen in die entgegen- gesetzte Stellung gebracht worden waren, und welche um diese Zeit noch keine ungleichseitige Entwickelung angenommen hatten, den- noch in der Weise aufblühten, als wenn ihre jetzt nach Norden gewendete Südseite noch wie vorher nach Süden gekehrt wäre. Es werden also durch das Licht diejenigen Vorgänge, welche die För- derung der Entwickelung an der insolirten Seite bedingen, schon mehrere Tage vor Eintritt dieser ungleichen Entwickelung ausgelöst, und ist dies geschehen, so ist eine Umkehr des einmal Begonnenen dadurch nieht mehr möglich, dass die Beleuchtungsverhältnisse umge- kehrt werden. Aus den Versuchen geht auch hervor, dass der Zeit- punkt, wo diese prädisponirende Wirkung erfolgt, in den Zeitraum zwischen 9 und 4 Tagen vor dem Aufblühen fällt, dass sie also wahrscheinlich eoineidirt mit den Bildungsvorgängen, welche dem Aufblühen der Infloreseenz unmittelbar vorhergehen. Im Einklange mit diesen Ergebnissen stehen auch diejenigen, welche man erhält, wenn man die Kätzchen unter Ausschluss jeg- licher Beleuchtung aufblühen lässt. Zu diesem Zwecke verwendete ich abgeschnittene Zweige von männlichen Salix Caprea und pur- purea, stellte sie mit den unteren Enden ins Wasser und brachte sie so in einen dunkelen Schrank, wo sie mit ihren ursprünglichen 61 Südkanten, die ich durch Marken kenntlich machte, nach den ver- schiedensten Himmelsrichtungen gekehrt wurden. Ich hatte Zweige in demjenigen Zustande gewählt, in welchem die aus den Knospen getretenen Kätzchen noch gleichmässig grau erschienen, wo also eine Streekung der Filamente noch nicht begonnen hatte. Nur bei einigen waren die Antheren an der Südseite ein klein wenig her- vorgeschoben, so dass das Kätzchen an dieser Seite gelb, resp. roth zu werden begann; diese Kätzchen wurden gleich Anfangs signirt, um sie später wieder zu erkennen. Nach einem etwa 36stündigen ununterbrochenem Verweilen im Dunkeln waren die meisten Inflo- rescenzen weiter entwickelt, viele waren wirklich aufgeblüht. In allen Fällen, wo die Entwickelung fortgeschritten war, fand ich sie an der ursprünglichen Südkante gefördert, die Erscheinungen stimm- ten mit denjenigen, die beim Aufblühen am natürlichen Standorte zu beobachten sind, überein. So betrug z. B. an einem bei Beginn des Versuches noch ringsum gleichförmigen, jetzt auf der Südseite völlig aufgeblühten Kätzchen von Salix Caprea die durchschnittliche Länge der Filamente an dieser Seite S Millim., diejenige an der entgegengesetzten nur 3 Millim.; das Maximum auf jener Seite war 8,5 Millim., das Minimum auf dieser 2,5 Millim.; die südlichen Antheren hatten sich geöffnet und stäubten, die nördlichen waren noch völlig geschlossen und stäubten erst beim Vertrocknen. Ein ebenfalls in völlig gleichförmigem Zustande dem Versuche unter- worfenes männliches Kätzchen von Salix purpurea zeigte jetzt an der Südseite durchschnittlich 3,4 Millim. lange Staubfäden mit auf- gegangenen Antheren, an der Nordseite nur 1 Millim. lange Fila- mente und noch völlig geschlossene Staubbeutel. Auch die bei Salix purpurea häufige Convexkrümmung des ganzen Kätzchens an der Südseite war in der Dunkelheit in der ausgeprägtesten Form eingetreten; es liess sich überall constatiren, dass die Convexität an der ursprünglichen Südkante lag. Wenn an den äusseren Formbildungen Differenzen durch das Licht hervorgerufen werden, so entsteht die Frage, ob nicht auch in denjenigen inneren Vorgängen, nämlich in den Stoffbildungen, welche den äusseren Gestaltungsprocessen vorangehen, Differenzen zu finden sind, ob also die Einwirkung des Lichtes nicht noch wei- ter rückwärts verfolgt werden kann. Die vorstehenden Versuche lassen vermuthen, dass man nicht weit über die dem Aufblühen unmittelbar vorangehende Periode würde zurückgehen können. Auf Längsschnitten durch männliche Kätzchen von Salz cinerea, die noch in der Winterknospe eingeschlossen sind, zeigt sich ein 62 grosses parenchymatisches Mark, welches eingefasst wird von den in der Längsrichtung aufsteigenden dünnen Fibrovasalsträngen. Letz- tere treten als Blattspuren in die einzelnen Brakteen und deren Blüthen, indem sie bogenförmig quer durch die Rinde verlaufen. Letztere stellt eine im Verhältniss zum Marke dünne parenchyma- tische Zone dar, welche in ihrer Mitte einen Intercellularraum zu bilden beginnt in Folge des Auseinanderweichens der mittleren Rinde- zellen, was bei späterem fortschreitendem Wachsthum des Kätzchens zunimmt. Auf dem Längsschnitte erblickt man daher zwischen den conseeutiven Blattspuren Anfangs in radialer Richtung sehr schmale, später breitere reetangnläre Luftlücken, welche nach aussen von wenigen peripherischen Zellschichten, nach innen von den innersten vor den Fibrovasalsträngen liegenden Rindezelllagen, nach oben und unten von dem die austretenden Blattspuren unmittelbar umgebenden Rindegewebe begrenzt sind. Zwischen den unteren Theilen der dicht hintereinander sitzenden Deckblätter sind die Antheren verborgen; ihre Basen berühren die Oberfläche der Kätzchenachse wegen der äusserst geringen Länge der noch kaum deutlichen Filamente. In der Knospe sind die Kätzchen, wenn auch schwach, symme- trisch: auf medianen Längsschnitten erscheinen die vorderen und hinteren Hälften etwas ungleich, indem die ersteren sowohl in der Länge als in der Dieke ein wenig stärker ausgedehnt sind. Dies wird besonders an dem Verlaufe der Fibrovasalstränge anfällig: während diese auf anderen als medianen Längsschnitten zu beiden Seiten des Markes gleichmässig schwach nach aussen convex auf- steigen, verläuft der der Aussenkante zugekehrte Fibrovasalstrang medianer Längsschnitte in einem merklich stärker gekrümmten Bogen, während der nach hinten gekehrte gegenüberstehende fast geradlinig, bisweilen sogar in einem gegen die Rinde sehr schwach concaven Bogen aufsteigt. Das Mark sowohl, als auch die peripherischen Gewebe sind also an der Vorderseite stärker gewachsen. Dem ent- spricht auch eine etwas merklichere Grösse der Intercellularräume in der Rinde der Vorderseite. Diese symmetrische Bildung hat ofien- bar mit derjenigen, welche später dureh Liehtwirkung hervorgeru- fen wird, nichts gemein; sie ist allemal gegen den Mutterspross orientirt und ohne Zweifel in einer Behinderung des Wachsthums an der hinteren Seite durch den dort stehenden Spross im Gegen- satz zu der freien Vorderseite begründet. Wenn sich das Kätzchen aus der Knospe befreit hat und sich beträchtlicher streckt, schwin- det diese Ungleichheit der Vorder- und Hinterseite wieder; tritt aber die durch das Licht bedingte ungleichseitige Entwickelung ein, so 63 kehrt sich die Ungleichheit um an denjenigen mit der Mediane in der Ebene des Meridianes stehenden Kätzchen, deren Hinterseite nach Süden gekehrt ist, oder sie steigert sich gleichsinnig an denjenigen, deren Vorderseite südwärts liegt. Der erste Anfang des ungleichen Wachsthumes in Folge der Ein- wirkung des Lichtes besteht in ganz denselben Erscheinungen, wie die eben geschilderten. Noch ehe äusserlich eine Ungleichheit wahr- zunehmen ist, hat das Mark an der Südseite sich stärker ausgedehnt, die Fibrovasalstränge beschreiben hier einen stärker nach aussen gewölbten Bogen, die Intercellularräume der Rinde sind hier etwas grösser geworden. In der Folge wird dann die durch die zuneh- mende Ungleichheit in der Ausdehnung der einzelnen Gewebe bedingte Krümmung des Kätzchens äusserlich bemerkbar; die Filamente der Südseite beginnen sich zuerst zu strecken und es folgen nun die einzelnen Entwickelungsphasen in der bereits beschriebenen Weise. Von den Vorgängen der Stoffbildungen in den dem Aufblühen entgegengehenden Kätzchen ist das transitorische Erscheinen von Stärkekörnern in den Zellen der parenchymatischen Gewebe der Beobachtung zugänglich. Im Knospenzustande während des Winters sind die männlichen Kätzchen bei den von mir hierauf untersuchten Arten (Saliz cinerea und viminalis) stärkefrei. Das Fehlen oder Vorhandensein von Stärkemehl wies ich mittelst der üblichen Methode nach, nämlich durch längeres Behandeln der Schnitte mit Kalilauge und, nach Neutralisiren mittelst Essigsäure und Aus- waschen, durch Färbung mit Jodlösung. Der Mangel der Stärke in den männlichen Weidenkätzchen während des Winters und das tran- sitorische Erscheinen derselben beim Beginne der Weiterentwicke- lung im Frühlinge stimmt überein mit den von Famintzin und Borodin an den Knospen und männlichen Kätzchen der Birke und der Schwarzpappel gemachten gleichen Beobachtungen (Botanische Zeitg. 1867 No. 49). Kurz vor der Zeit nun,_wo sich die Kätzchen der genannten Weidenarten aus der Knospe befreien, findet sich kleinkörnige Stärke zunächst im Parenchym der Kätzchenspindel ein. Sie wird zuerst sichtbar in ziemlich reichlicher Menge in der Stärke- schicht um die Fibrovasalstränge, etwas später auch in dem übrigen Parenchym des Markes und der Rinde. Das Eintreten der Stärke- bildung geschieht deutlich in acropetaler Folge. Die Staubgefässe enthalten um diese Zeit noch kein Stärkemehl. Sobald aber die Filamente sich einigermassen zu strecken beginnen, erscheint dasselbe auch in ihnen. Während z. B. in einem Falle in Filamenten von 0,4 Millim. noch keine Spur von Stärke, desgleichen auch nicht in 64 den Antheren zu finden war, bemerkte ich in einem anderen Falle bei einer Länge der Filamente von 0,5 Millim. zunächst in den die Fibrovasalstränge umgebenden Parenchymzellen einige kleine Stärke- körnchen. Und zwar scheint dieses erste Auftreten der Stärke auf der ganzen geringen Länge des Staubfadens gleichzeitig einzutreten; wenngleich bisweilen in den unteren Hälften etwas mehr Stärke- körnchen in den Zellen enthalten sind. Die Zahl der Körnchen nimmt bei weiterer Entwickelung der Filamente zu, sowohl in der einzelnen Zelle, als auch im ganzen Gewebe, denn die Stärke erscheint alsbald auch in den übrigen Parenchymzellen des Filamentes.. Um diese Zeit findet sie sich auch in der Anthere ein; hier kommt sie zum Vorschein in den Schliesszellen der Spaltöffnungen, welche auf dem Connectiv sich befinden; ausserdem tritt sie in Pollenkörnern auf, aber nur in verhältnissmässig wenigen, die meisten fand ich dauernd stärkefrei. Schon bei e. 1 Millim. Staubfädenlänge ist das Auftreten derselben im Parenchym allgemein geworden, bei einer Länge von 1,25 — 2 Millim. sind die Parenchymzellen bereits reich- lich mit Stärkekörnchen erfüllt, Auch dieses geschieht im Allge- meinen in der ganzen Länge des Fadens gleichzeitig; nicht selten bemerkt man aber in’dieser Periode in der unteren Hälfte und an der Spitze unmittelbar unter den Antheren einen etwas grösseren Reich- thum des Parenchyms an Stärkemehl. Haben die Filamente eine Länge von 3 Millim. erreicht, so verschwindet die Stärke wieder aus ihnen, zuerst in der oberen Hälfte, dann in der unteren bis zur Basis. In den Antheren erhält sie sich zunächst noch in den Schliesszellen der Spaltöffnungen. Bei 4—5 Millim. Staubfadenlänge ist sie auch hier verschwunden; nur in den Pollenkörnern, in denen sie vorkommt, persistirt sie. Während dieser Zeit wird auch in der Kätzchenspindel die Stärke allmählich wieder aufgelöst; wenn das Aufblühen beginnt, ist sie hier nur noch in wenigen Körnchen in der Stärkeschicht um die Fibrovasalstränge zu finden, wo sie aber auch bald verschwindet. Einen früheren Eintritt der Stärkebildung an der Südseite der männlichen Kätzchen konnte ich weder im Parenchym der Kätzchen- spindel noch in den Filamenten auffinden. Ich hatte zu diesen Un- tersuchungen solche Sträucher benutzt, an welchen später das Auf- blühen an der südlichen Kante der Kätzchen stark beschleunigt wurde. In der Kätzchenspindel, in welcher das Stärkemehl weit früher als in den Filamenten, noch lange ehe eine gestaltliche Differenz der beiden Kätzchenseiten wahrzunehmen ist, auftritt, erscheint es an der Süd- wie an der Nordseite nicht merklich ungleichzeitig. Im Folgenden gebe ich die Befunde an je 2 auf gleicher Höhe gegen- 65 überstehenden Filamenten der Süd- und Nordseite in einer Reihe anfeinanderfolgender Entwickelungsphasen aus dem Knospenzustande hervortretender männlicher Kätzchen von Salıx cinerea. 1) Filamente der Süd- und der Nordseite 0,4 Millim. lang, beide ohne Stärkemehl, auch die Antheren stärkefrei. 2) Nord- und Südseite mit 0,5 Millim. langen Filamenten; diese enthalten beide im Parenchym um die Fibrovasalstränge Stärkekörn- chen in ihrer ganzen Länge. 3) Staubfäden an der Südseite 0,7”—1 Millim., an der Nordseite 0,5 Millim. lang, beide in der ganzen Länge mit Stärkekörnern im Parenchym. 4) Filamente der Südseite 1,25 Millim., der Nordseite 1 Millim. lang, beide auf der ganzen Länge reichlich mit Stärke erfüllt, am reichlichsten in der unteren Hälfte und an der Spitze. 5) Südseite mit 2 Millim. langen Staubfäden, die in der ganzen Länge, besonders in der unteren Hälfte und an der Spitze mit Stärke erfüllt sind; Nordseite mit I Millim. langen, ebenfalls auf der ganzen Länge reichlich stärkeführenden Filamenten. | 6) Staubfäden an der Südseite 3 Millim. lang, das Stärkemehl ist in ihrer oberen Hälfte bereits verschwunden, in der unteren ist dasselbe noch vorhanden, am meisten im unteren Viertheil. Filamente der Nordseite 1,25 Millim. lang, in der ganzen Länge noch reichlich, in der unteren Hälfte und an der Spitze am reichlichsten mit Stärke erfüllt. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, dass das Erscheinen der Stärke, ihre Zunahme und ihr Wiederverschwinden in der Kätzchen- spindel und in den Filamenten an bestimmte Entwieklungsstadien des Kätzchens, an bestimmte Längen der Staubfäden geknüpft ist. Dess- halb findet denn, weil die Stärke in den Filamenten bei einer Länge derselben erscheint, wo ein Grössenunterschied zwischen den an der Nord- und Südseite diametral gegenüberstehenden Staubgefässen noch nicht hervorgetreten ist, auch in dem Erscheinen des Stärkemehls keine Beschleunigung an der Südseite gegen einen in gleicher Höhe stehenden Punkt der Nordseite statt. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass recht wohl Differenzen hinsichtlich der Stärkebildung an der Siid- und Nordseite eines und desselben Kätzchens in Blüthen, die auf verschiedener Höhe stehen, vorkommen; dass z. B. bei einem in acropetaler Folge aufblühenden Kätzchen die unteren Filamente der Siidkante bereits Stärke gebildet haben, während die in der oberen Hälfte an der Nordkante stehenden noch stärkefrei sind. Nur bei dem Wiederverschwinden der Stärke aus den Filamenten ist ein Unter- schied zwischen auf gleicher Höhe befindlichen Blüthen der Süd- und Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft III, 5 66 Nordseite wahrzunehmen, weil dieser Process an eine Entwicklungs- phase des Staubgefässes geknüpft ist, wo ein Längenunterschied der an der Süd- und Nordseite gleich hoch stehenden Filamente vorhan- den ist. Der Eintritt der transitorischen Stärkebildung ist daher nur ein die morphologischen Bildungsprocesse innigst begleitender Vor- gang; er giebt keinen näheren Aufschluss über jene vorbereitende Wirkung des Lichtes, welche eine Reihe von Tagen den bilateralen morphologischen Bildungsprocessen vorausgeht und dieselben bedingt. Dass die hier behandelten Erscheinungen in causaler Beziehung zu der Richtung stärkster Beleuchtung stehen, ergiebt sich auch daraus, dass die Kätzchen mit den Seiten stärkster Beschleunigung und stärkster Hemmung der Entwickelung nur dann in der Richtung der Meridianebene orientirt sind, wenn in dieser ungefähr die Resul- tirende aller während des Tages auf das Kätzchen fallender Beleuch- tungen liegt, wenn der Strauch während des Vor- und während des Nachmittags nahezu gleichlange und gleichstarke Beleuchtung geniesst. Es wurde schon oben hervorgehoben, dass wenn die Kätzchen sehr geneigte Stellung haben, das Aufblühen an der zenithwärts gekehrten Seite beschleunigt, an der dem Boden zugewendeten verzögert wird; jenes ist die in der Beleuchtung begünstigte, dieses die beschattete. Besonders deutlich tritt dieses Verhalten im dichten Walde hervor, wo das Licht vorzugsweise von oben kommt. Aber die geförderte Seite der Kätzchen kann auch nach anderen Himmelsrichtungen als nach Süden orientirt sein, sobald die Umgebung der Lokalität nur eine einseitige Beleuchtung durch das Licht des Himmels gestattet. An Weidengebüschen, welche hart am Fusse steil abfallender hoher Felswände wachsen, denen gegenüber die Gegend offener ist, lassen ihre Kätzehen an der der Felswand abgekehrten offenen Seite zuerst auf- blühen, gleiehgültig welehe Himmelsrichtung dies ist. Wird durch die Felswand z. B. die Beleuchtung von Süden her abgeschnitten und bekommt die Weide erst gegen Abend directes Sonnenlicht, so sind die im Aufblühen geförderten Kanten der Inflorescenzen auch nach dieser letzteren Himmelsrichtung hingekehrt. Gleiches ist auch an Rändern dichter Wälder, die an freies Land angrenzen, zu beobachten. An einem nördlichen solehen Waldrande stehende männliche Salıx viminalis zeigte mir ausgeprägte Beschleunigung des Aufblühens an der freien Nordseite. Die durehschnittlichen Längen der Filamente gleich hoch stehender Blüthen einiger eben aufblühender Kätzchen fand ich hier an der Nordseite 7,2 Millim., an der Südseite nur 0,7 Millim., wobei das Maximum an jener 7,5 Millim., das Minimum an dieser 0,5 Millim. betrug. An einem freien Standorte zeigte Salix viminalis zu derselben Zeit an der Südseite soeben aufblühen- 67 der Kätzchen eine durchschnittliche Länge der Staubfäden von 6,7 Millim., an der Nordseite von 2 Millim., wobei das Maximum dort S Millim., das Minimum hier 1,25 Millim. betrug. Die meisten kätzchenartigen Inflorescenzen verwandter Gattungen und Familien lassen bei ihrem Aufblühen keine ähnlichen Erschei- nungen beobachten, wie die hier geschilderten; einmal weil bei ihrer Dünne und bei der geringen Anzahl der auf gleicher Höhe um die Kätzchenspindel sitzenden Blüthen der Gegensatz vorderer und hin- terer Blüthen minder hervortritt als bei Salir; dann aber auch weil bei ihnen meist kein Blüthentheil ein derartiges Längenwachsthum zeigt, wie die Filamente der Weiden, an denen daher die Ent- wickelungsunterschiede sehr bedeutend ausfallen können. Nur bei Detula alla beobachtete ich, dass die Streekung der männlichen Kätzchen, welche dem Aufblühen vorhergeht, und durch welche die vorher starren Blüthenstände ihre schlaffe pendulirende Beschaffenheit erhalten, bisweilen deutlich auf der Südseite beginnt. Die Kätzchen nehmen dann in dieser Periode eine mehr oder minder starke Krüm- mung an, deren Konvexität ausnahmslos gen Süden gekehrt ist, die aber beim weiteren Fortgang der Entwickelung sich rasch wieder ausgleicht unter beträchtlicher Streekung und Schlaffwerden des Kätzchens. In solchem Falle verhalten sich sämmtliche Inflorescen- zen des Baumes, da sie nahezu zu der nämlichen Zeit aufblühen, in gleicher Weise: wenn man den richtigen Zeitpunkt trifft, so findet man ausser wenigen Kätzchen, deren Streekung noch nicht begonnen hat und welche noch gerade sind, die meisten mit einer nach Süden weisenden Konvexkrümmung; kein einziges Kätzchen ist nach einer anderen Himmelsrichtung gekrümmt. An den männlichen Inflores- cenzen von Alnus und von Corylus konnte ich etwas Derartiges nicht bemerken; sie sind hierzu schon deshalb weniger geeignet, weil ihr Aufblühen gewöhnlich in eine so frühe Zeit des Jahres fällt, dass ihr Entwickelungsgang durch die Ungleichheiten und die Widerwär- tigkeiten der Witterung vielfach gestört oder selbst unterbrochen wird. Dagegen dürften einige andere unserem Falle etwas ferner stehende Erscheinungen ihrem physiologischen Grunde nach auch hierher gehören, Das sind zunächst die meisten beerenartigen Früchte, deren Reifungsprocess an der stärkstbeleuchteten Seite beschleunigt wird, worauf schon Decandolle (Physiologie vegetale, III. pag. 1082) hingewiesen hat. Sehr gewöhnlich zeigt sich dies an den an Spalieren gezogenen Obstfrüchten, an den während ihrer Entwickelung am Boden liegenden Gurken und Kürbissen, an allerlei anderen saftigen Früchten, wenn sie nur an einer Seite dem Lichte zugäng- lich, an den übrigen dureh Blätter ete. beschattet sind. Das Wachs- 5* 65 thum des fleischigen Gewebes und damit die Zunahme des Umfanges der Frucht, die Vermehrung des Zellsaftes, also das Saftigwerden des Fleisches, die damit zusammenhängenden Stoffbildungen, zum Theil auch die in dieser Periode eintretenden Färbungen beginnen, resp. werden beschleunigt an der Lichtseite der Früchte. Auf einer transitorischen Beschleunigung der Entwickelung einer bestimmten Seite gewisser Organe, die späterhin sich wieder aus- gleicht, beruht auch die hakenförmige Abwärtskrümmung der Enden wachsender Sprosse vieler Laubhölzer, wie diejenigen von TYlra, Ulmus, Carpinus, Corylus, Fagus etc., desgl. der Blättchenstiele der aus der Knospe austretenden Blätter von Aesculus, die vor dem Aufblühen eintretende Abwärtskrümmung der Blüthenstiele oder der Blüthenstände mancher Pflanzen. Hofmeister (Allgemeine Mor- phologie der Gewächse, p. 602) lässt diese Erscheinungen auf einer Anhäufung organisirter Substanz in der oberen Längshälfte von der Verticale abgelenkter Gebilde beruhen, was wohl die Annahme ein- schliesst, dass die Gravitation die Ursache dieser Verhältnisse ist. Es liegt jedoch kein eigentlicher Beweis dafür vor, dass hier die Gravitation und nicht das Licht im Spiele ist, obgleich für die Knos- pen der. genannten Laubbäume das erstere wahrscheinlicher sein dürfte, denn bei ihnen macht sich eine prädisponirende Wirkung derart geltend, dass wenn Zweige dieser Pflanzen vor der Entfal- tung der Knospen umgedreht werden, die später sich entwickelnden Sprosse ihrer früheren Lage entsprechend, also nach oben haken- förmig sich umkrümmen. Die zu mehreren übereinander liegenden Knospenschuppen dieser Bäume dürften nur wenig Licht durchlassen. Die ganze Frage bedarf aber jedenfalls einer wirklichen Prüfung. Ebenfalls verwandt mit unserer Erscheinung ist die seit Wichura (Pringsheim’s Jahrbücher II.) bekannte Thatsache, dass die Kapseln mancher Moose, wie die von Duwbaumia, Catharinea, Polytrichum, an der am stärksten beleuchteten Seite nach allen Richtungen viel beträchtlicher wachsen als an der entgegengesetzten, wodurch sie für immer eine stark ungleichhälftige Form bekommen. Allein dieses Verhältniss ist doch trotz aller Aehnlichkeit wesentlich verschieden, denn wir haben es hier wirklich mit einer definitiv grösseren Massen- anhäufung organisirter Substanz an der stärkstbeleuchteten Seite des Pflanzentheiles zu thun, während in den oben angezogenen Fällen und in dem speciell hier behandelten es sich nur um eine Beschleu- nigung aller Bildungsvorgänge an der stärkstbeleuchteten Seite während einer gewissen Periode der Entwickelung, aber nicht um eine schliessliche grössere Massenanhänfung an einer Seite des Pflan- zentheiles handelt. Aus diesem Grunde habe ich Eingangs die hier 69 ‘ dargestellte Erscheinung zunächst noch als eine besondere, mit den übrigen nicht genau zu identifieirende Wirkung des Lichtes bezeichnet. Die einseitige Beschleunigung des Aufblühens steht nicht im Widerspruch mit der Thatsache, dass Licht das Längenwachsthum retardirt, Lichtmangel dasselbe fördert, bei höchstem Wirkungsgrade Etiolement erzeugt. Denn dieser Satz hat nur für vegetative Pflan- zentheile Geltung, er lässt sich nicht auf Organe der Blüthen aus- dehnen. Nach Sachs’ (Bot. Zeitg. 1563 u. 1865) Ermittelungen hat die Dunkelheit auf die Formbildung der Blüthentheile keinen Einfluss; auch bei dauerndem Ausschlusse des Lichtes nehmen die Blüthen ihre normalen Grössen- und Gestaltsverhältnisse an; auch die von mir im Dunkeln zum Aufblühen gebrachten Weidenkätzchen zeigten nur normale Erscheinungen. An vegetativen, speciell an chlorophylihaltigen Pflanzengliedern, und zwar an solchen, welche wie auch die Filamente der Weiden vorzugsweise in der Längsrich- tung wachsen, erfolgt allerdings bei Minderung oder gar bei völli- gem Ausschlusse der Beleuchtung eine beträchtlichere Streckung als im intensiven Lichte. Nun ist aber durch die Untersuchungen von Sachs (Arbeiten des bot. Instit. in Würzburg 2. Heft) und Prantl (Ebenda, 3. Heft) bekannt, dass dieser Effect des Lichtes von äusserst rascher Wirkung ist, dergestalt, dass in Folge des täglichen Wechsels von Nacht und Tageshelle eine Periodieität des Längen- wachsthumes solcher grünen Pflanzentheile nachzuweisen ist, indem die stündlichen Zuwachse von Sonnenaufgang an während des Tages abnehmen, bis zum Abend ein Minimum erreichen, um während der Nacht wieder bis zu einem Maximum zu steigen, welches kurz nach Tagesanbruch eintritt. In dieser Hinsicht zeigt aber die entgegen- gesetzte Wirkung des Lichtes auf die Entwickelung der Weiden- kätzchen andere Eigenthümlichkeiten. Der Umstand, dass der am Wachsthume der Filamente sich kund gebende Effect durch die Stel- lung des Kätzchens zum Lichte schon mehrere Tage voraus bedingt wird, so dass er dann auch in ganz anderen Beleuchtungsverhält- nissen eintritt, schliesst jeden Gedanken an einen Vergleich mit jener so raschen und kurzen Wirkung des Lichtes auf das Längenwachs- thum aus; er verbietet überhaupt, hier einen blossen durch das Lieht erzeugten Wachsthumseffeet zu erblicken, und hilft uns damit über den Widerspruch hinweg, in welchem sonst diese Wirkung des Liehtes mit derjenigen an den chlorophylihaltigen Pflanzentheilen sich befinden würde. Es ist zu beachten, dass die ungleiche Beschleu- nigung des Längenwachsthumes der Filamente nur eine der verschie- denen Erscheinungen ist, welche hier durch das Licht hervorgerufen werden. Es handelt sich hier überhaupt um sämmtliche Bildungs- 70 vorgänge der Inflorescenz, unter denen sich auch Erscheinungen befinden, die etwas ganz anderes als Streckungen von Zellmembra- nen sind. So die Entwickelung der Antheren, die Ausbildung der Antberenwand, welche in einem bestimmten Zeitpunkte das Aufgehen derselben und die Entleerung des Blüthenstaubes bedingt, der Reife- grad des Pollens, andererseits an den weiblichen Blüthen die Pro- cesse, welche die Empfängnissfähigkeit des Pistills anzeigen, näm- lich die Auseinanderlegung der Anfangs sich anliegenden Narben- schenkel, die Entwickelung der Narbenpapillen, die Secretion der Narbenfeuchtigkeit; endiich auch die Erscheinungen des Verblühens, also die Sistirung der Streekung der Filamente, die Desorganisation der Narben, und somit offenbar auch die verborgeneren Vorgänge in den weiblichen Organen, welche als die Folgen der Befruchtung sich darstellen. Wir haben hiernach diese Erscheinung zu deuten als eine Wirkung des Lichtes auf die gesammten Bil- dungsvorgänge eines Pflanzenorganes, eines Blüthenstandes in allen seinen Theilen, und müssen sie daher am nächsten verglei- chen mit den ebenfalls an der stärkst beleuchteten Seite eintreten- den Förderung der Gesammtentwickelung z. B. bei den genannten Mooskapseln und den verwandten Erscheinungen, welche nach Hof- meister’s (l. c. p. 627—628) Dafürhalten sich hier anschliessen; nur verhält sie sich darin eigenthümlich, dass während in jenen Fäl- len die erhöhte Bildung an der stärkstbeleuchteten Seite dauernd bleibt, sie hier nur transitorisch auftritt und somit nur den Charakter einer Beschleunigung der Bildungsthätigkeit an dieser Seite annimmt, Die Thatsache, dass das Aufblühen durch stärkere Beleuchtung gefördert wird, steht selbstverständlich nicht im Widerspruche mit Sachs’ Beobachtungen, nach denen die Blüthen im Dunkeln in gleicher Weise sich bilden und blühen wie im Lichte. Durch diese Beobachtungen wird eine Abhängigkeit des Wachsthumes der Blü- thentheile vom Lichte nur insofern geleugnet, als in der Dunkelheit keine anderen, insbesondere nicht analoge Formbildungen der Blü- thentheile eintreten, wie beim Etiolement an den grünen Gebilden. Mit diesem Satze stehen auch die im Vorstehenden gemachten Angaben im vollen Einklange. Nur die relative Geschwindigkeit des Aufblühens wird vom Lichte beeinflusst, und diese That- sache wird eben am leichtesten bemerklich an umfangreichen viel- blüthigen polysymmetrischen Inflorescenzen von eylindrischer Gestalt, indem sie an der stärkstbeleuchteten Seite in allen Entwickelungs- erscheinungen des Aufblühens vorauseilen. Leipzig, im Februar 1574. un Ueber die Funetion der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia von Dr. Ferdinand Cohn in Breslau. Mit Tafel 1. Das Juliheft der englischen Zeitschrift Nature brachte in diesem Jahre den Bericht über einen Vortrag, welchen der durch seine scharfsin- nigen Forschungen über Bacterien auch in botanischen Kreisen berühmt gewordene Physiologe der Londoner Universität, Dr. Burdon San- derson in der Koyal Society über Dionaea gehalten hat. Sander- son, der bekanntlich schon im vorigen Jahre bei der Versammlung der Dritish Association zu Brighton seine merkwürdigen Entdeckun- gen über electrische Ströme vorgetragen hatte, welche durch die Reizbewegungen der Blätter von Dionaea ausgelöst werden, giebt nunmehr Nachricht von dem Verhalten dieser Pflanze zu den Insec- ten, welche, wie längst bekannt, in ihren Blättern gefangen werden, und ihr den populären Namen der Venus-Fliegenfalle (Fly trap) verschafft haben. Sanderson bezieht sich in seinem Vortrage auf eine im Erscheinen begriffene Abhandlung von Charles Darwin über Droseraceae, und führt diesen Naturforscher als Autorität für seine eigenen Mittheilungen und Anschauungen an. Der Inhalt derselben ist im wesentlichen folgender. Das nahezu kreisförmige Blatt von Dronaea ist bekanntlich auf seiner Innenseite mit schildförmigen, kurz gestielten rothen Drüsen besetzt, und trägt ausserdem auf jeder Blatthälfte drei Borsten; ebenso ist der ganze Blattrand borstig bewimpert. Wird eine der Borsten auf der inne- ren Blattfläche berührt, so beugen sich die beiden Blatthälften augen- blieklich mit der Innenseite gegen einander, breiten sich aber nach kurzer Zeit wieder aus. Hat aber ein Insect an eine der Blattborsten angestossen und findet sich dasselbe zwischen den sofort zusammen- gefalteten Blatthälften gefangen, so bewirkt es grade durch seine 72 Bemühungen zur Befreiung eine stetige Steigerung des Reizes derart, dass schliesslich die Blatthälften fest aufeinander gepresst werden und das zwischen ihnen eingeschlossene Thierchen zerdrückt werden kann. Alsdann beginnen die rothen Drüsen einen sauren Saft aus- zuscheiden, der den Zwischenraum zwischen den Blattflächen erfüllt; durch diesen Saft wird das Inseet digerirt; erst nach längerer Zeit, nachdem die Weichtheile des Thierchens vollständig aufgezehrt sind, vermag sich die ‚zusammengefaltete Blattfläche wieder auszubreiten. Den ganzen Vorgang betrachtet Dr. Burdon Sanderson in Uebereinstimmung mit Darwin als eine Verdauung; in der näm- lichen Weise wie die Drüsen des Verdauungsapparats bei einem Thiere einen meist sauren Saft (Magensaft und Pepsin ete.) ausscheiden, um die Nahrungsmittel löslich zu machen, und zwar nur dann, wenn dieselben durch den Reiz der Speise in Thätigkeit versetzt werden, ganz ebenso wird der saure Verdauungssaft der Dionaeablätter nnr dann von den rothen Drüsen secernirt, wenn sich ein Inseet zwischen ihnen befindet, und einzig und allein zu dem Zwecke, um die weichen Gewebe des gefangenen und getödteten Insects aufzulö- sen und zur Ernährung der Pflanze zu verwenden. Dass obige Darstellung auf den ersten Blick die schwersten Be- denken des Botanikers herausfordert, dass dieselbe mit Allem, was wir über die Function der Blätter, sowie über die Ernährung grüner Pflanzen wissen, im Widerspruch zu stehen scheint, brauche ich nicht erst auszuführen. Ich musste mir jedoch sagen, dass Ansich- ten, zu welchen ein so grosser Naturforscher wie Darwin, und ein so exacter und klarer Beobachter wie Burdon Sanderson gelangt sind, vor Allem eine ernste Prüfung beanspruchen dürfen. Obwohl die Untersuchungen dieser Männer bisher nur fragmentarisch bekannt geworden, und insbesondere die Beobachtungen Darwin’s über Drosera, auf welche der Sanderson’sche Vortrag hinweist, noch nicht publieirt sind, so fühlte ich mich doch durch das hohe Interesse der ganzen Frage um so mehr zu einer Nachuntersuchung angeregt, als mich die Droseraceen schon seit langen Jahren beschäftigt haben; ich verweise hier nur auf die von meinem früheren Schüler, Prof. Nitschke, veröffentlichte Inauguraldissertation ‚,De Droserae folio- rum irritabilitate, Breslau 1854,“ so wie auf meine Untersuchungen über Aldrovanda vesiculosa in der Flora 1850 No. 43 und im 28. Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft für 1850. $. 108—114. Durch die Güte des Herrn Apotheker Fritze zu Rybnik in Oberschlesien erhielt ich auf meine Bitte Mitte Juli eine Sendung lebendiger Drosera rotundifolia, sowie von Aldrovanda vesiculosa, 73 welche mich in den Stand setzte, zunächst unsere einheimischen Droseraceen in Bezug auf ihr Verhalten zu Inseeten zu untersuchen. Da für Drosera umfassende Entdeckungen in dem von Ch. Dar- win angekündigten Werke noch zu erwarten stehen, so begnügte ich mich bei dieser Pflanze die im Wesentlichen schon bekannte Art und Weise mir wieder zur Anschauung zu bringen, in welcher die Blätter von Drosera zahlreiche kleine Insecten, insbesondere kleine Dipteren, vermittelst ihrer reizbaren Köpfchenhaare fangen, und die- selben so lange festhalten, bis sie getödtet und mit Ausnahme der zurückbleibenden Chitinskelette aufgelöst sind. Leicht liess sich nun feststellen, dass der intensivrothe Zellinhalt der Köpfehen sauer ist; denn der rothe Farbstoff dieser Zellen, welche in radialer Anord- nung ein Bündel von Spiralfaserzellen umgeben, wird durch Basen (Kali) erst blau dann grün, und nimmt nach Zusatz von Salzsäure wieder seine rothe Farbe an; aber auch der klebrige, faden- ziehende Saft, welchen diese Köpfchen ausscheiden, reagirt stark sauer; jedes Köpfchen erzeugt auf angedrücktem blauem Lackmuspapier einen kleinen rothen Fleck. Auffallend ist, dass auch die Wurzelspitzen der Drosera in den Zellen der Wurzelhaube denselben rothen, auf eine saure Reaction hinweisen- den Inhalt haben, wie die Köpfchen der Drüsenhaare. Bei Aldrovanda war die Aehnlichkeit der Blätter mit denen von Dionaea schon lange bekannt; aber weder ich, noch Caspary, der meine Beobachtungen in der botanischen Zeitung im Jahre 1859 bestätigte und nach reichlicherem Material und gründlicherer Unter- suchung erweiterte und zum Theil berichtigte, hatten eine Ahnung davon gehabt, dass Aldrovanda auch in den Reizbarkeitserschei- nungen mit Dionaea übereinstimme. Erst im vorigen August (1873) wurde durch den Obergärtner am K. botanischen Garten von Berlin, Herrn Berthold Stein, welcher damals Lehrer an der Ackerbau- schule zu Popelau bei Rybnik war, die interessante Entdeckung gemacht, dass die Blätter der Aldrovanda bei hoher Temperatur (27—30° R.) nicht längs des Mittelnervs zusammengefaltet, sondern breit geöffnet seien, dass sie, wenn sie in diesem Zustand auf der Innenseite mit einem feinen Drath berührt würden, sich augenblick- lich, ganz wie bei Dionaea, zusammenlegen, und dann fremde Kör- per, z. B. Stecknadelköpfe einschliessen können; sie halten ihre Ein- schlüsse 24—36 Stunden lang fest, bevor dieselben aus den klaf- fenden Blatthälften wieder herausfallen. Als im Herbst die Tempe- ratur des Wassers sank, wurde an den Aldrovandablättern keine Reizbarkeit weiter beobachtet. (Vergleiche dessen Mittheilungen in 74 der Sitzung der botanischen Seetion der Schlesischen Gesellschaft vom 29. Jan. 1574 und in den Verhandlungen des botanischen Verein für die Provinz Brandenburg von 1874.) Die Entdeckung Steins legte es nahe, nachdem die Darwin- Sanderson’schen Beobachtungen mir bekannt geworden, auch bei Aldrovanda Beziehungen zu Insecten zu vermuthen, um so mehr, als Stein selbst schon Wasserinsecten neben Holzstückchen in Aldrovandablättern eingeschlossen gefunden hatte. Zunächst bemühte ich mich daher, an der Rybniker Aldrovanda die Beobachtungen über die Reizbarkeit der Blätter zu bestätigen, und in der That fand ich nunmehr, dass der grösste Theil namentlich der jüngeren Blattspreiten nicht, wie ich und alle andern Beobachter bisher gese- hen hatten, durch Faltung und Berührung der Blattränder blasenar- tig geschlossen, sondern dass in normalem Zustande die Ränder des Blattes von einander klaffen, etwa wie die Lippen eines geöffneten Mun- des, oder die Schalen einer lebendigen Flussmuschel; ein völliges Aus- breiten der Blattspreite in eine Ebene habe ich jedoch nicht wahrgenom- men (Fig. 1. Tab.1.). Bei der Berührung der Innenfläche mit einer Nadel schloss sich das Blatt, jedoch nicht plötzlich, etwa wie ein halbgeöffne- tes Buch beim schnellen Zusammenklappen der Deckel sich schliesst, sondern langsam und ruckweise; möglich dass die äusseren Umstände bei mir nicht so günstig waren, wie sie Stein gefunden hatte. Die älteren Blätter der Aldrovanda zeigen eine dunkelbraune Farbe, die von dem lichten Grün der jungen Blattquirle gegen die Endknospe hin absticht; sie waren grösstentheils festgeschlossen, und nur mit grosser Mühe liessen sich die auf einander gelegten Blattränder von einander trennen. Schon mit der Lupe erkannte man, dass fast alle diese braunen Blätter, aber auch eine nicht geringe Zahl der jüngeren grünen, dunkle Körper einschlossen, und als ich bei dergleichen Blättern die aufeinan- der gelegten Ränder getrennt und dieselben auf einer Glasplatte flach ausgebreitet hatte, zeigte sich, dass diese fremden Einschlüsse ausnahmslos von todten Wasserthierchen herrühren. Grösstentheils sind es kleine ÜUrwstaceen aus der Abtheilung der Ostracoden, Cladoceren und Entomostraca, Species von Daphnia, Oypris und Üyclops so wie die Larven der letzteren, aber auch Larven von Dipteren und Neuropteren fehlen nicht. Die inneren Gewebe (Muskeln, Verdauungsapparat, Geschlechtsorgane) dieser Thierchen waren in der Regel vollständig aufgezehrt, und nur ihre so charakteristischen, durchsichtigen Hautskelette sammt den Beinen, Klauen, Borsten, Kiemen u. s. w. übrig geblieben; doch waren die a! Ringe der gegliederten Körper meist auseinander gewichen, die Gliedmassen verrenkt, wie auseinandergequetscht; wegen ihrer Durch- sichtigkeit können die kleineren Chitin-Panzer bei oberflächlicher Untersuchung leicht übersehen werden. Mitunter füllt ein grosser Cyelops die Höhlung eines ganzen Blattes allein aus, in der Regel schliesst ein Blatt mehrere kleine Crustaceen oder Larven ein. Ausser diesen grösseren Wassererustaceen, von denen blos die Ske- lette erbalten waren, fand ich in den grünen Blättern in der Regel noch kleinere lebende Thierchen eingeschlossen: Räderthierchen aus verschiedenen Gattungen (Lepadella, Notommata), Ichthydien, Ohaetonoten, Nematoden (Anguillula), Naiden, Planarien, Protozoen und besonders zahlreiche Rrhizopoden. Jedes Blatt enthält im Innern der Höhlung ganze Schaaren von Arcella vulgaris mit ihren braunen linsenförmigen Schalen, sowie verschiedene Arten von Difflugien mit Kieselgehäusen. Auch lebende Algen, und zwar verschiedener Grup- pen, Ülosterien, Diatomeen, ÜÖonferven und Nostoceen finden sich als Einschlüsse innerhalb der Blätter. Von all diesen verschiedenen Gästen der Aldrovanda sind es ohne Zweifel die grösseren Örustaceen, welche in den Blättern nicht blos ihr Gefängniss, sondern auch ihren Tod gefunden haben, wäh- rend bei den kleineren Thierchen und den Algen es zweifelhaft sein mag, ob dieselben nicht freiwillig oder durch Zufall eine Herberge aufgesucht, ob sie nicht sogar sich ungeladen zur Theilung der grös- seren Beute eingefunden haben. Wer aber die starke Muskelkraft der Kiefern und Beine jener Süsswassererustaceen, oder das Gebiss der Inseeten-Larven beobachtet hat, kann nicht daran zweifeln, dass nur force majeure so mächtig ausgerüstete Thierchen in lebensläng- licher Gefangenschaft festhalten und jeden Befreiungsversuch bis zum Tode unmöglich zu machen im Stande ist. Ich hatte die Rybniker Aldrovanda zuerst in ein grosses Glas- gefäss eingesetzt, das mit filtrirtem Oderwasser gefüllt, natürlich auch wenig oder gar keine grösseren Thierchen enthielt; ich konnte daher auch das Verhalten der Blätter zu den Inseeten anfänglich nicht unmittelbar beobachten, da die in der Cultur sich entfaltenden Jüngeren Blätter eben keine lebendigen Einschlüsse bergen konnten. Am 5. August brachte ich eine Anzahl Aldrovanda- Pflanzen in ein Glasbassin, in welchem seit längerer Zeit Vallisneria eultivirt war, und wo sich im Wasser kleine Crustaceen, namentlich Arten von Uypris, so massenhaft vermehrt hatten, dass die Vallisneriablätter zeitweise von ihnen ganz und gar abgefressen wurden. Als ich am folgenden Tage die Aldrovanda untersuchte, hatten fast alle jene 76 Blätter, die ich Tags vorher noch leer und mit klaffen- den Rändern gefunden, sich geschlossen, und in ihrer Höhlung 1, 2 oder mehr Uypris gefangen. (Tab. 1. Fig. 2.) Und zwar kriechen diese kleinen Krebse, deren mit 4 Abdomen- fissen versehener Körper bekanntlich von einer zweiklappigen durch- sichtigen Schale, ähnlich einer Muschel eingeschlossen ist, in das Innere der klaffenden Aldrovandablätter hinein, Diese bestehen bekanntlich aus einem linear keilförmigen Blattstiel, der am Schei- tel eine fast kreisförmige Spreite und an deren Grunde beiderseits eine Anzahl Borsten (zusammen 4—6) trägt (Fig. 2). Die Spreite selbst ist durch den, in ein terminales kleines Spitzchen ausgehen- den, von einem Bündel einfacher Leitzellen durchzogenen Mittelnerv in zwei gleiche Hälften getheilt, welche in Folge von Reizen sich derart zusammenfalten, dass die Ränder ihrer Oberseiten sich aufeinan- der legend, die Innenfläche einer blasenförmigen Höhlung begrenzen, während die Unterseiten die Aussenwand der Höhlung bilden. Jede Blatthälfte wiederum besteht aus einem kreissegmentförmigen Mittel- stück, welches mit seiner Sehne der Länge nach an den Mittelnerv ange- heftet ist, während an den Bogen ein breiter sichelförmiger Saum sich ansetzt (Fig. 3). Die segmentförmigen Mittelstücke bestehen aus einem einschichtigen grosszelligen Parenchym, das beiderseits von der Epider- mis überzogen ist, und zwar zeigt die Oberhaut der äusseren (unteren) Blattfläche schmale, parallel geordnete, gradwandige Zellen, deren Längs- achse senkrecht auf den Mittelnerv gerichtet ist; daher lässt die Ober- fläche der Blätter schon mit der Lupe eine feine Zeichnung von parallelen Querlinien erkennen. Die innere (obere) Epidermis trägt zahlreich jene zierlichen, linsenförmigen, kurzgestielten Drüsen, deren Zellen in drei concentrische Reihen derart geordnet sind, dass die innerste tiefere Reihe von 2, die mittlere von 4, die äusserste von 8 Zellen gebildet ist. Diese Drüsen sind denen ähnlich, welche sich auf der ent- sprechenden Blattfläche von Dionaea finden, doch einfacher und nicht roth, sondern farblos. Ausserdem trägt die Innenfläche lange farblose, aus doppelten oder vierfachen Zellreihen gebildete geglie- derte Haare, bei denen längere Internodialzellen mit kurzen Knoten- zellen abwechseln; auf der Ober- (Innen-) seite des Mittelnervs bil- den diese eigenthümlichen Trichome einen dichten Bart (Fig. 4). Die breiten sichelförmigen Säume des Aldrovandablattes dage- gen werden allein von einer Doppellage wunderlich in einander gefüg- ter, wellig buchtiger, chlorophyllreicher Oberhautzellen gebildet; der Aussenrand geht in einzellige Kegelhaare aus; die Innenfläche die- ses Theils trägt keine Drüsen, sondern die früher nur bei Utricu- 77 laria bekannten vierarmigen Haargebilde. Die ganze Aussenfläche der Aldrovandablätter, ebenso wie die Borsten und Blattstiele, bringt . nur zweiarmige, nach Art einer Magnetnadel quer auf der Tragzelle liegende Trichome hervor. Nach der Analogie von Dionaea ist zu vermuthen, dass jene mehrzelligen gegliederten Haare, welche spärlich auf der Innen- fläche, in diehtem Bart aber über dem Mittelnerv der Blattspreite sich erheben, durch die Berührung der Wasserthierchen einen Reiz auslösen, und zunächst auf die Blattfläche überleiten. Da diese aller Gefässbündel entbehrt, so giebt uns Aldrovanda ein evidentes Beispiel, dass die Irritabilitäts- und Contractilitätserschei- nungen von Blättern ihren Sitz im Parenehym und nicht in den Fibrovasalsträngen haben. Das gereizte Blatt von Aldrovanda klappt nun zusammen, gleich einer berührten Auster, jedoch so langsam, dass kleinere Krebse wieder entweichen können, und selbst grössere Thierchen sich mit- unter zwischen den genäherten Rändern gewaltsam hindurchzwängen, wobei sie in der Regel den Inhalt ihres Darmkanals entleeren, der als eine braune wurstartige Masse in der Blatthöhlung zurückbleibt, und die meist noch lebendigen Reste der letzten Mahlzeit, insbeson- dere Diatomeen und Desmidieen erkennen lässt. Solche wurstartige Exeremente findet man daher in den meisten Aldrovandablättern, auch wenn dieselben im Uebrigen keine lebenden Einschlüsse weiter enthalten; sie können von Demjenigen, welcher diese copropoetischen Producte der kleinen Süsswassererustaceen häufig im Schlamm der Gewässer untersucht hat, ihrem Ursprunge nach nicht verkannt werden. Gelingt jedoch dem Gefangenen nicht rechtzeitig die Flucht, so erliegt er dem Schicksal jener bedauernswerthen Opfer der Inquisi- tion, welche von dem sich langsam herabsenkenden Dach des Ker- kers erdrückt wurden. Zunächst sind es die sichelförmigen Säume des Blattes die sich allmählich so fest an einander pressen, wie die Lippen des geschlossenen Mundes; der festeste Verschluss findet sich an der innern Gränze der Säume, während die äusseren Ränder, meist nach innen eingebogen sind mit kreuzweiser Verschränkung der Randzähne (Fig. 3), was Caspary, wie mehre andre meiner Beobachtungen, mit Unrecht bezweifelt. Die halbkreisförmigen Mittel- stücke dagegen krümmen sich convex nach aussen und begrenzen einen Hohlraum, in welchem das gefangene Opfer noch lange Zeit umherschwimmt, ohne den Ausgang finden zu können. Es gewährt einen wunderlichen Anblick, wenn man einen Blattquirl von Aldrovanda auf einem Öbjeetglas ausgebreitet 78 mit einer schwachen Vergrösserung überblickt, und nun innerhalb jeder der geschlossenen Blattspreiten einen oder mehrere der kleinen Krebse rastlos im Kreise herumirren sieht, gleich den im engen Käfig gefan- gen gehaltenen Thieren einer Menagerie (Fig. 5). Das geschlossene Aldrovandablatt gleicht nunmehr etwa einem Paar mit den Rändern auf einander gelegter Barbierbecken; die Mittelstücke bilden gewissermassen eine linsenförmige Kapsel die von breitem Doppelsaum geflügelt ist; der innere Hohlraum ist von Flüssig- keit erfüllt. Offenbar ist diese Flüssigkeit ursprünglich nichts weiter, als das zwischen den Blattflächen eingeschlossene Wasser; möglicher- weise könnte dessen Menge sich durch Ausschwitzen aus der Innen- fläche des Hohlraums vermehren; wenigstens könnte man dies aus der starken Spannung der nach aussen gewölbten Blattflächen ver- muthen. Zweifellos findet ein solches Ausscheiden bei den Luft- bläschen statt, von denen je eines, bald grösser, bald kleiner, sich in der Regel in Mitte der eingeschlossenen Flüssigkeit vorfindet; vielleicht sind dieselben nichts weiter als die gewöhnlichen Sauer- stoffbläschen, welche im Sonnenschein von dem grünen Blattgewebe im Innern der Blatthöhlung entbunden werden, Ob von den linsenförmigen Drüsen auf der Innenseite der Blät- ter besondere Secrete ausgeschieden werden, wie dies wegen der Analogie von Dionaea nach den Mittheilungen von Sanderson zu vermuthen war, habe ich nicht ausmitteln können. Indem ich eine zugeschmolzene Glascapillare in den innern Hohlraum eines Aldro- vandablattes einführte, und hier die Spitze abbrach, konnte ich die- selbe zwar mit der eingeschlossenen Flüssigkeit füllen; diese zeigte Jedoch nur undeutliche Reaction, wie dies bei der starken Verdün- nung durch das Wasser nicht anders möglich ist, und wenn beim Verdunsten des Wassers auch eine sehr schwach rothe Färbung durch Lacmus sich zeigte, so ist schwer zu ermitteln, wieviel davon auf den Gehalt des Wassers an Kohlensäure, und auf die aus der Zer- setzung der eingeschlossenen Thiere sich bildenden Produkte, wie viel auf etwaige Secrete der Blattdrüsen zuzurechnen sei, welche in älteren Blättern durch braune Farbe auffallen. Auch das habe ich noch nicht ermitteln können, was denn eigent- lich die gefangenen Crustaceen abhält, sich aus ihrem Gefängniss herauszufressen, da doch im Uebrigen die Cypriden kräftige Kiefern besitzen und mit den Blättern der meisten Wasserpflanzen schnell fertig zu werden wissen. Ebenso muss ich es unentschieden lassen, wodurch schliesslich so lebenszähe und durch ihre Chitinpanzer so gut geschützte Thierchen getödtet werden, nachdem sich ihr Gefäng- 9 niss über ihnen geschlossen hat. Bei den grösseren Thierchen scheint ein wirkliches Zerquetschen durch die sich über ihnen allmählich zusammenziehenden Wände der Blatthöhlung mitzuwirken; wir sehen nach einiger Zeit die Crustaceen ihre Bewegung einstellen, als seien sie festgehalten, während Hinterleib und Beine noch rastlos zwischen den Klappen der Schale hin und herzucken; schliesslich stirbt das Thier und bald ist, wie schon bemerkt, von demselben nichts übrig geblieben, als das unzerstörbare Hautskelett. Die kleineren Thier- chen werden offenbar nicht zerdrückt; gleichwohl finden wir auch diese nach einiger Zeit todt, und ihre Weichtheile aufgelöst, wobei allerdings jene Arhrzopoden, Infusorien, Nematoden und Kotiferen, die sich in die geschlossenen Blätter, wie ich schon oben bemerkt, noch einzudrängen wissen, sich an der Arbeit der Zerstörung zu betheiligen scheinen. Fassen wir unsere Beobachtungen zusammen, so kann mit Hin- blick auf Drosera und Dionaea wohl kein Zweifel sein, dass die Blätter der Aldrovanda zu dem Zwecke eingerichtet sind, verschiedene kleine Wasserthierchen zu fangen und zu tödten, dass sie mit andern Wor- ten die Function von Fallen für Gliederthiere besitzen; wir können Drosera und Aldrovanda so gut wie Dronaea als ‚‚musei- pulae‘‘ bezeichnen. Es ist dabei jedoch nicht ausser Acht zu las- sen, dass die Fallen bei diesen drei Gattungen aus der Familie der Droseraceen, obwohl alle drei gleich vollkommen für ihre Bestim- mung geeignet, doch jede in anderer Art und Weise organisirt ist; die Blätter von Drosera wirken vermittelst reizbarer Köpfchenhaare, welche gleich den Armen einer Hydra sich über die Beute hin- kriümmen, dieselbe festkleben und mit einem ausgeschiedenen sau- ren Safte vergiften; die langsam nachfolgende Krümmung der Blatt- fläche trägt nur in zweiter Reihe zum Festhalten des Opfers bei. Die Blätter der Dionaea halten die Beute durch momentanes Zusam- menklappen und reusenartiges Verschränken der Randborsten gefan- gen; die von Aldrovanda bilden eine fest verschlossene Höhlung durch inniges Aufeinanderlegen der flügelartig vorspringenden, halb- mondförmigen Ränder der Blattspreite. Als ich mir die Frage vorlegte, ob denn es wahrscheinlich sei, dass die von den Aldrovandablättern so massenhaft gefangenen Crustaceen und Insectenlarven auch wirklich zum Zweck der Ernäh- rung dieser Pflanzen assimilirt werden können, musste vor allem eine Eigenthümlichheit der Aldrovanda ins Gewicht fallen, welche diese Gattung nur mit sehr wenigen Pflanzen, sei es Phanerogamen, sei es Kryptogamen gemein hat; Aldrovanda ist eine völlig wur- 80 zellose Pflanze. Nun ist es eine Thatsache, dass die Wurzel zur normalen Ernährung der Pflanzen unentbehrlich ist, dass kein anderes Organ dieselbe ersetzen kann. Die Wurzel ist keineswegs blos das freie Ende eines Dochts, welcher in die Nährflüssigkeit eintaucht und die letztere ohne weitere Veränderung dem Stengel und den Blättern behufs weiterer Verarbeitung zuführt. Denn wenn man einen beblätterten aber wurzellosen Spross mit der Schnittfläche in Wasser eintaucht, so kann unter Umständen die Zuleitung die- ser Flüssigkeit wenigstens soweit unverändert fortdauern, als es sich um den Ersatz des verdunstenden Wassers handelt; der Spross wird in Folge dessen lange Zeit strafi und frisch bleiben, ohne zu welken. Aber ein weiteres Wachsthum, das auf selbstständiger Assimilation und Stoffbildung beruht, tritt unter solchen Verhältnissen an dem abgeschnittenen Sprosse erst dann ein, wenn derselbe neue Wurzeln erzeugt hat. Beim Treiben der Hyacinthen in Wasserglä- sern, oder bei der Cultur verschiedener Pflanzen in künstlichen Nähr- lösungen lässt sich sogar leicht beobachten, dass wenn die Wurzeln auch nur theilweise kranken, die Assimilationsthätigkeit der gesamm- ten Pflanzen, und in Folge dessen das Wachsthum und die Produc- tion neuer Organe sehr wesentlich leiden, obwohl anscheinend die Leitung der Flüssigkeiten im Innern dieser Pflanzen, so weit sie an dem Turgor derselben erkennbar ist, wenig beeinträchtigt wird. Selbst untergetauchte Wasserpflanzen vermögen durch ihre Blattflächen ihre Nährflüssigkeit nicht in der Art aufzunehmen, dass sie zum Wachsthum und zur Anlegung neuer Organe befähigt sind; so beginnen selbst die Bruchstücke von Elodea canadensis erst dann auszusprossen, wenn sie vermittelst neugebildeter Adventivwurzeln sich im Schlamm befestigt haben. Wir lassen es auf sich beruhen, ob die Ursache dieser Erscheinung darin liegt, dass die Blattflächen untergetauchter Wasserpflanzen die Nährlösungen überhaupt nicht, oder nicht in richtigen Verhältnissen einsaugen, oder ob das die Blätter umgebende Wasser nur eine viel zu verdünnte Lösung der Nährsalze ist, und die Pflanzen darauf angewiesen sind, vermittelst der Wurzeln aus dem Schlamm concentrirtere Lösungen sich zugäng- lich zu machen; letztere Vermuthung ist auf alle Fälle für schwim- mende Wasserpflanzen (Hydrocharis, Lemna, Pistia, Salvinia u. s. w.) unstatthaft. Um so auffallender ist es, dass die Pflanzen von Aldrovanda niemals eine Wurzel besitzen, dass sie gleichwohl an dem einen Ende des horizontal im Wasser schwimmenden Stengels unter dem Scheitel des schlanken Vegetationskegels continuirlich einen Blatt- 81 quirl nach dem andern produeiren und entfalten, während am ent- gegengesetzten Ende der Stengel und die Blattquirle der Reihe nach absterben und durch Verwesung abgestossen werden, so dass im Herbste die gesammten Blattquirle bis auf die dicht gedrängte und allein tiberwinternde Endknospe zu Grunde gegangen sind. Da auf diese Weise auch die sämmtlichen Aeste, welche sich von der Haupt- achse abzweigen, allmählich isolirt und zu selbstständigen Pflanzen werden, so haben wir bei Aldrovanda ein Beispiel, wo eine Anzahl von reichbelaubten Sprossen im Laufe eines Sommers aus einer über- winterten Knospe hervorgehen, ohne dass denselben neue Bildungs- stoffe durch Vermittelung einer Wurzel zugeführt werden. Es ist nun freilich möglich, dass ausnahmsweise bei Aldrovanda die Nähr- stoffe aus dem Wasser direet durch die Blätter oder durch das offene Stengelende in genügendem Verhältnisse eingesaugt werden, während alle übrigen Wasserpflanzen hierzu der Wurzeln bedürfen; es lässt sich aber doch auch die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass die so in so eigenthümlicher Weise als Insectenfallen organi- sirten Blätter an Stelle der mangelnden Wurzeln bei der Ernährung der Pflanze betheiligt sind. So viel ich weiss, giebt es — Lemna arrhiza ausgenommen — nur noch eine phanerogame Wasserpflanze, welche mit Aldrovanda den absoluten Mangel der Wurzeln theilt, und gleichwohl zu unbe- grenzter Anlage und Ausbildung von Laubsprossen befähigt ist; es ist dies die Gattung Utricularia, deren räthselhafte Blasen oder Schläuche den Blatthöhlen von Aldrovanda ähnlich, und doch so ganz verschieden organisirt sind. Ich wendete mich daher zu einer Unter- suchung von Utricularia in Bezug auf ihr Verhalten zu den Was- serthierchen, wobei mich mein früherer Schüler, der Assistent am Pflanzenphysiologischen Institut in Proskau, Herr Dr. Kirchner, freundlich unterstützte. Zunächst wurden von einem Herbariumexemplar der Utriceularia vulgaris, welches im Juni dieses Jahres aus einer Lache bei Ran- sern gesammelt war, die Blasen aufgeweicht und geöffnet. Zu nicht geringer Ueberraschung stellte sich sofort heraus, dass auch die meisten Blasen von Utricularia zahlreiche Urustaceen der verschie- densten Art, namentlich grosse Uyclopen und Daphnien, so wie nicht minder Larven von Wasser-Insecten eingeschlossen hatten, von denen nur die Hautskelette, diese jedoch in unverkennbarer Vollständigkeit, sich erhalten hatten. Von der nämlichen Utricularia, von der das Herbariumexemplar stammte, waren gleichzeitig einige Sprosse in das Süsswasseraqua- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft II, 6 82 rium des pflanzenphysiologischen Instituts eingesetzt worden, und hatten sich bis zum August, wenn auch mit kümmerlicherer Ent- wiekelung der Triebe, lebend erhalten; in den Blasen derselben wurde jedoch bei flüchtiger Durchmusterung nichts Lebendes wahrgenom- men. Einige dieser Sprosse wurden am Abend des 5. August in das nämliche, von Ostracoden (Üypris) reich belebte Wasser gesetzt, in welchem auch der Versuch mit Aldrovanda angestellt worden war. Am folgenden Morgen zeigte sich, dass fast in sämmtlichen Blasen von Utricularia sich lebendige Crustaceen gefan- gen hatten, die in der Höhlung unruhig umherschwammen ohne ihr Gefängniss verlassen zu können. Und zwar waren es natürlich meist Üypriskrebse, von denen ein, zwei, oder mehrere in je einer Blase eingeschlossen waren, von allen Grössen und Altersstufen; in ande- ren Blasen, oft gleichzeitig mit den Crustaceen bewegten sich klei- nere und selbst grössere Naiden (Nais elinguis), so wie die merk- würdige mit orangerothen Punkten ausgezierte Ühaetopode, die von Eichwald zuerst unter dem Namen Nais aurigena beschrieben worden ist. In anderen Blasen kreisten kleine Planarien; in einer fand ich die leere Chitinhülle einer schwärzlichen Blattlaus, die sich in zahlloser Menge auf den Blättern eines im Aquarium kultivirten Siratiotes, so weit dieselben über das Wasser herausragten, einge- nistet hatte. Nirgends fehlten die Kotiferen, die Infusorien und die Arhizopoden (Arcella, Difflugia), die ich schon bei Aldrovanda erwähnt hatte; dass sich auch grüne Algen im Inneren der Blasen angesiedelt, ist begreiflich, da die auf den Schalen der gefangenen Thiere, so wie in deren überall kenntlichen Exerementen eingeführ- ten Algenkeime sich in dem geschützten Raume der Blasen leicht vermehren konnten. Einzelne reich belebte Blasen, in denen sich mitunter bis sechs lebendige Crustaceen neben verschiedenen ande- ren Thierchen vorfanden, konnten gradezu als eine kleine Menagerie der im Wasser lebenden mikroskopischen Fauna gelten. Durch diesen Versuch wurde festgestellt, dass die Blasen von UÜtrieularia, deren Function bis jetzt allen Botanikern ein Räthsel geblieben ist, gleich den Blättern der Droseraceen, Fallen-für Wasser- thierchen sind. Auch hier beobachtete ich, dass die gefangenen Thier- chen mehrere (bis 6) Tage unstät im Kreise umherschwammen, bis ihre Bewegungen langsamer wurden, endlich aufhörten, und die Weich- theile unter Zurücklassung der Chitinskelette aufgelöst wurden. Ich untersuchte zunächst, in welcher Weise die Fallen von Utr- cularia eingerichtet sind; die bisherigen Untersuchungen von Meyen (Seeretionsorgane p. 12), Goeppert (Botanische Zeitung 1347 No, 41) 83 Benjamin (Botanische Zeitung 1848 No. 1—5), Pringsheim (Monatshefte der Berliner Akademie 1869 p. 92) u. A. über diese Gebilde, weiche das Verhältniss zu den Wasserthierchen nicht berück- sichtigten, haben natürlieh auch nicht vom richtigen Gesichtspunkte die Organisationsverhältnisse aufgefasst, welche in wunderbar zweck- mässiger Weise ihrer Bestimmung als Fallen angepasst sind. Ich halte es bei der nachfolgenden Beschreibung nicht für nöthig, auf die morphologischen und entwicklungsgeschichtlichen Fragen über die Natur der Blasen von Utricularia, und insbesondere darüber mich auszulassen, ob dieselben als metamorphosirte Phyllome, oder als modi- fieirte Sprosse oder Sprosssysteme (Ranken) anzusehen sind. Auch in Bezug auf die anatomischen Einzelheiten beschränke ich mich auf das Allerwesentlichste, und verweise in Bezug auf das Uebrige auf die oben eitirten Autoren. Die Blasen von Utricularia vulgaris (Fig. 6) haben eine seitlich stark zusammengedrückte, nahezu linsenförmige Gestalt; doch ent- spricht ihr breitester Durchschnitt genauer einem Kreis, von dem durch eine Sehne ein kleines Segment abgeschnitten ist; an. dieser nahezu ebenen Segmentfläche, welche dem Mutterblatt zugekehrt ist, befindet sich am unteren Ende der dünne Stiel, vermittelst dessen der Schlauch in bekannter Weise vom Mutterblatt sich abzweigt; nahe dem obern Ende befindet sich auf dieser Fläche der Eingang in die Central-Höhle der Biase, den ich als Peristom bezeichnen will. (Fig. 6b.) Die Blase besitzt daher eine convexe Rückenkante und eine ebene Bauchfläche, beide von einem Bündel einfacher Leit- zellen durchzogen. Gegen das Peristom ist der Querdurchmesser der Blase erheblich verbreitert, so dass dieselbe Aehnlichkeit mit dem Gehäuse gewisser Planorbisarten hat; die ebene Bauchfläche hat demzufolge die Form eines Dreiecks, dessen Scheitel am Stiel, dessen Basis am Peristom sich befindet (Fig. 7ede). Das Peristom selbst hat einen nahezu viereckigen Umriss, und gleicht einem weit aufgesperrten Munde; wir unterscheiden (Fig. 7) den obern (ab) und untern (ed) Rand (Ober- und Unterlippe), so wie zur rechten und linken die Ränder der Backen (ac, bd). Das Peri- stom führt nieht direet in’s Innere der Blase, sondern in eine Mund- höhle (Fig. Jabd), welche gegen die Centralhöhle nach oben durch den Gaumen (ade), nach unten durch die Kinnlade (bdee), zur Seite durch die Backen (abd) abgeschlossen ist. Die Kinnlade ist ein hufeisenförmiger dicker Wulst, dessen Cen- traltheil, der Körper (Fig. 9e b) unmittelbar auf dem untern Peristomrand aufsitzt und fast im rechten Winkel gegen die Blasen- 6* 84 wand nach innen vorspringt, so dass sein freier Rand (ed) schief abgestutzt in die Mundhöhle lineinragt. Der Körper der Kinnlade verlängert sich zu beiden Seiten in die beiden aufsteigenden Aeste, welche jedoch nicht die Seitenränder des Peristoms begleiten, son- dern wulstartig auf der Innenseite der Backen schief nach oben und hinten verlaufen (Fig. 9ede). Der Gaumen (ade) ist eine dünne Membran, welche vom obern Rande des Peristoms als unmittelbare Fortsetzung der Blasenwand sich in die Mundhöhle hineinschlägt, und zu beiden Seiten auf der Innenseite der Backen vermittelst zweier, schief von den obern Mundwin- keln nach den Spitzen der Kinnladenäste abwärts gerichteten, mit diesen beinahe einen rechten Winkel bildenden Anwachsstreifen (ae) angeheftet ist. Durch diese Befestigung ist der Gaumen wie ein Vor- hang quer durch die Mundhöhle lose ausgespannt, und bildet das obere, resp. vordere Dach desselben, während der untere freie bogige Rand des Gaumens (fde) unmittelbar auf der Kinnlade aufliegt. Blickt man demnach von vorn in das Peristom, so erscheint dasselbe durch den halbkreisförmigen, nach aussen gewölbten Gaumen (ad) verschlos sen. Zwischen dem Gaumen und der oberen Wand der Blase befindet sich eine Tasche, die Stirnhöhle (eag). Höchst merkwürdig ist die Anatomie dieser Organe. Die Blasen- wand besteht im Allgemeinen aus zwei Schichten von Farenchym- zellen, von denen die äussere Schicht reichliche Chlorophylikörnchen, die innere ausserdem in älteren Zuständen Anthocyan enthält. Mit den grösseren rundlichen Zellen wechseln schmale eylindrische, welche auf der Aussenschicht ähnlich wie Aldrovanda, zweiarmige (Fig. 98), auf der Innenschicht dagegen vierarmige Haare tragen; die letzteren in Form eines Andreaskreuzes, sind didynamisch; die längeren Arme nach dem Stiel gerichtet. Der dicke Körper der Kinnlade besteht aus einer grösseren Zahl Zellschichten, welche ausser Chlorophyll oft blauen Farbstoff enthal- ten. Die Innenseite der Kinnlade, die der Centralhöhle zugewendet ist, trägt einen dichten Flaum eylindrischer langer Haare, welche paarweise auf je einer Tragzelle entspringen; offenbar eine Modifi- cation der gewöhnlichen zweiarmigen Trichome. Die aufsteigenden Aeste der Kinnlade sind mit einer Hautschicht von schmalen läng- lichen Zellen bekleidet. Der Gaumen besteht aus einer doppelten Zellschicht, häufig mit schön blauem Zellinhalt, die äussere Lage ist von kleineren welligen Zel- len gebildet, welche in den einspringenden Winkeln leistenartige Fal- ten besitzen, diese Zellen werden gegen den untern freien Rand 85 des Gaumens schmäler und kürzer, und zeigen bier Ringfasern. Die innere Zellschicht des Gaumens ist aus grösseren rundlichen Zellen zusammengesetzt, welche in auffallender schon von Meyen hervorge- hobener Weise um ein in der Mitte des freien Gaumenrandes gelege- nes Centrum concentrisch strahlig angeordnet sind, etwa wie die Zel- len von Phyllactidium pulchellum. Die ganze innere Mundhöhle, und zwar ebenso die Innenfläche der Backen, als die Aussenfläche der Kinnlade und des Gaumens, entwickelt sehr zahlreiche dreizellige Trichome (Fig. Jab); jedes aus einer Stiel-, Mittel- und Kolbenzelle bestehend. Die Stielzelle ist eylindrisch, bald sehr lang, bald kürzer, die Mittelzelle dem Stiel isodiametrisch, gedrungen, scheinbar quadratisch; die scheitelständigen Kolbenzellen haben stets grösseren Durchmesser, und bilden bald schmäler, ein verlängertes keulenförmiges, bald ein schr dickes kugliges Köpfchen; die Membran dieser Köpfehen scheint in Schleim aufzuquellen und erinnert im optischen Verhalten etwa an gewisse Narbenpapillen. Die längsten dieser eigenthümlichen Trichome befinden sich gegen den oberen Peristomrand; die grössten Kugelköpfehen auf kürze- sten Stielen stehen in einem Bogen nahe dem untern Rand der äus- seren Gaumenfläche. Die letztere trägt ausserdem um die Mitte der eoncentrischen Zellordnung beiderseits je zwei sehr lange, aus ein- fachen Zellreihen gebildete Kegelborsten (Fig. 9h), welche aus der Mundöffnung herausragen. Je zwei ähnliche, noch stärkere Kegel- borsten finden sich am unteren Peristomrand zu beiden Seiten des Kinnladenkörpers (Fig. 9i, Fig. 8e, d); endlich erheben sich zu bei- den Seiten des obern Peristomrandes je eine sehr grosse, bogig nach vorn und oben aufsteigende, unten mehrreihige, oben einreihige Borste, welche unter der Mitte 1—2 Gabeläste ausschickt, so dass die Mundwinkel in der Verlängerung der Stirn von zwei Schnurr- bartborsten, oder Fühlfäden begleitet erscheinen (Fig. 9a, Fig. Sab). Wie schon bemerkt, ist in jüngeren lebenskräftigen Blasen die Mundhöhle gegen die Centralhöhle dadurch verschlossen, dass der freie bogenförmige Rand des Gaumens an die hintere Fläche der Kinnlade angedrückt ist; schon Treviranus fand, dass sich Luft- blasen nicht aus unverletzten Blasen herausdrücken lassen. Hierbei wirkt eine in dem Gewebe der Blasenwandung vorhan- dene Spannung mit; denn wenn man durch einen Querschnitt das ganze Peristom bis zur Kinnlade entfernt, so ändert sich augenblick- lich die Form der Blase, indem die durch den Schnitt blosgelegte Oeffnung sich in die Quere breit zieht (Fig. 8). Offenbar leistet in der unverletzten Blase die dieke Wulst der Kinnlade dieser Gewebs- 86 spannung Widerstand; doch befindet sich das in der Blase einge- schlossene Wasser unter einem Druck, welcher als vs @ tergo den freien Gaumenrand gleich einem Klappenventil an die Kinnlade fest anpressen muss. Dagegen ist es leicht, das Ventil in der Richtung von vorn nach hinten zu öffnen; man kann mit einer Borste von aussen her leicht den Gaumen zurückdrücken, und diese ohne Verletzung in die Cen- tralhöhle einführen; zieht man die Borste zurück, so verschliesst der Gaumen wieder die Mundhöhle. Diese Einrichtung macht es begreif- lich, dass lebende Wasserthiere, welche durch das Peristom in die Mundhöhle eingedrungen, das Gaumenventil heben und ohne Schwie- rigkeit in die Centralhöhle der Blase gelangen; von hier können sie jedoch nicht wieder heraus, da der Gaumen sich nach innen, aber nicht nach aussen öffnet, und obwohl man die gefangenen Thierchen in der zwischen äusserer Blasenwand und Gaumen befindlichen Tasche, der Stirnhöhle, oft gegen den Gaumen sich anstemmen sieht, vermö- gen sie sich doch nicht zu befreien, wohl aber können neue Opfer in beliebiger Zahl sich in die Gefangenschaft begeben. So stellt die Blase von Utricularia eine eben so einfach, als zweckmässig gebaute Falle dar, aus welcher die kräftigsten Wasser- krebse sich nicht zu befreien vermögen. Vermuthlich bilden die kugel- oder keulenförmigen Köpfchen der dreizelligen Trichome, welche die innere Mundhöhle auskleiden, und anscheinend verschlei- men, den Köder, welcher die Wasserthiere verlockt, sich in die Fallen zu begeben. Ob dagegen von den übrigen Haaren Secrete ausgeschieden wer- den, und ob namentlich die Centralhöhle Stoffe enthält, welche von dem umgebenden Wasser verschieden sind, habe ich nicht ermitteln können. Bekanntlich nehmen die Blasen in späterem Alter eine blaue Färbung an, was beweist, dass der Saft ihrer Zellen alsdann neutral oder alkalisch reagirt, da der blaue Farbstoff (Anthocyan) durch Säuren geröthet wird; die jüngeren kräftigeren Blasen enthalten nur Chlorophyll; in den alten blauen Blasen, welche leicht von den Stie- len abfallen, ist übrigens die Mundhöhle nicht fest verschlossen. Auch kann ich nicht angeben, was die kleinen Gefangenen eigentlich daran hindert, durch die Wände ihres Kerkers durehzubrechen, und welche Ursachen schliesslich ihren Tod veranlassen. Möglich, dass bei Utricularia wie bei Aldrovanda die Opfer einfach durch Ver- hungern zu Grunde gehen. In Aldrovandablättern eingeschlossene Uypriskrebse bewegten sich 6 Tage in ihrem Gefängniss, bevor sie abstarben, während nach den Beobachtungen Steins die am kräftigsten vegetirenden Pflanzen, welche ihre Blätter flach ausge- breitet hatten und gereizt sich augenblicklich zusammenfalteten, leb- lose Einschlüsse nicht über 18 — 36 Stunden festhielten, und sich dann wieder öffneten. Eine in einer Utriculariablase gefangene Mückenlarve befreite sich nach drei Tagen, indem sie ein Loch durch die Blasenwand biss; am vierten Tage hatte sie sich freiwillig wie- der in den Kerker zurückbegeben, in dem sie Tags darauf todt gefunden wurde. Nachdem sich übrigens herausgestellt hat, dass die Blasen von Utrieularia als Thierfallen (muscipulae) eingerichtet sind, liegt der Gedanke nahe, ob nicht auch andere blasen- und schlauchartige Organe eine ähnliche Bestimmung haben. Es wären zunächst Nepen- thes, Sarracenia, Dischidia, Uephalotus, vielleicht auch Azolla und Lathraea, mit ihren merkwürdigen Blatthöhlen ins Auge zu fassen. Die Schläuche von Üephalotus fand Rob. Brown gewöhnlich zur Hälfte mit einer wässrigen, schwach süsslichen Flüssigkeit erfüllt, worin man oft eine grosse Menge kleiner ertrunkener Ameisen antraf (great numbers of a small species of Ant) General Remarks on the Botany of terra Australis in Miscellaneous botanical works vol. 1. p. 77. 1866. Von Nepenthes destillatoria berichtet Meyen (Phys. I. p. 513), dass die süssliche, nach Loddiges säuerliche Flüssigkeit im Innern der Schläuche eine grosse Menge Insecten herbeilocke, welche darin ihren Tod finden. Ob die in den Fallen von Utricularia, wie in denen von Aldro- vanda gefangenen Thiere wirklich zur Ernährung dieser Pflanzen dienen, dafür vermag ich allerdings für jetzt weder im positiven noch im negativen Sinne etwas Entscheidendes aufzuführen. Für die letztere Ansicht könnte der Beweis nur durch das schwer in der Praxis durchzuführende Experiment gegeben werden, wenn nämlich Utricularia oder Aldrovanda, in einem von Gliederthieren und Würmern völlig freien Wasser längere Zeit cultivirt, sich eben so kräftig entwickeln sollten, wie in dem von solchen Thieren reich belebten Wasser. Die bisherigen Erfahrungen scheinen in sofern dagegen zu sprechen, als in der Cultur Aldrovanda und Utricularia überhaupt nicht besonders gut gedeihen, und mit der Zeit immer kleinere Blätter mit mehr oder minder verkümmerten Blasen hervor- bringen, was auf eine ungenügende Ernährung hinweist. Doch zeigt sich allerdings dieses Verkümmern auch bei solchen Wasserpflanzen, bei denen an eine Beziehung zu Inseeten nicht gedacht werden kann; die im Aquarium durch längere Zeit erzogenen Individuen von Stratiotes, Hydrocharis, Salvinia u. s. w. werden so zwerghaft, dass 88° man sie kaum für die nämliche Species mit den im Freien wachsen- den Pflanzen halten möchte; selbst die unverwüstliche Zlodea gedeiht im Aquarium nur kümmerlich. Ich kann hierfür keinen anderen Grund finden, als dass die Menge der im Wasser gelösten Salze im geschlossenen Raume des Aquariums für eine kräftige Ernährung der Pflanzen nicht ausreicht; und vermuthlich würde die periodische Zufuhr von Nährlösungen dem Verkümmern der höheren Wasser- pflanzen in ähnlicher Weise entgegenwirken, wie dies Famintzin bei der Cultur von Algen gelungen ist. Wenn die riesigen Tange der Nordsee in der Ostsee zwerghaft werden, so kann die Ursache füglich auch nur in der verdünnteren Salzlösung des Binnenmeers vermuthet werden. Für die Annahme dagegen, dass die in den Blattfallen gefange- nen und absterbenden Thierchen auch wirklich verdaut, dass gewisse, aus deren Zersetzung hervorgehende flüssige organische Verbin- dungen, oder vielleicht auch nur ihre anorganischen Bestandtheile von den Blättern aufgesaugt, und in den grünen Geweben assimilirt werden, sprechen auf der anderen Seite offenbar folgende Erwägungen: 1) dass der Mangel einer Wurzel bei Aldrovanda und Utrieularia eine normale Ernährung, wie bei den übrigen Pflanzen, unmöglich, und eine Vertretung der Wurzelfunction durch andere Organe nicht unwahrscheinlich macht; 2) dass die Blasen von Ütricularia und Aldrovanda ganz offen- bar für das Fangen und Tödten von Wasserthieren eingerichtet sind, dass eine solche Binrichtung aber zwecklos wäre, wenn die gefan- genen Insecten nicht für die Pflanzen selbst einen Nutzen hätten. Ein anderweitiger Zweck der betreffenden Organe hat sich jedenfalls bis jetzt nicht ausmitteln lassen; dass sie nicht als Schwimmblasen dienen, ist leicht zu erkennen, da die Pflanzen ohne die Blasen ebenso gut schwimmen als mit denselben. Anzunehmen dass an einem Organismus eine Einrichtung bestehen und sich ohne Verküm- merung durch die Reihe der Generationen forterben kann, die für denselben zweck- und nutzlos ist, d. h. die demselben nicht im Kampfe um das Dasein einen Vortheil gewährt, verbietet uns die moderne, auf Darwin’sche Ideen gebaute Naturanschauung. Neuere Beob- achtungen haben uns ausserdem gelehrt, dass die Ernährung der Pflanzen nicht überall jenen einfachen und gleichförmigen Gesetzen folgt, welche man durch Verallgemeinerung einer Reihe von Beob- achtungen insbesondere an Culturpflanzen dedueirt hatte; die Erschei- nungen an den phanerogamischen und kryptogamischen Parasiten und Saprophyten, das Vorkommen von Algen in den Hyphengeflech- 89 ten der Lichenen, wie in den Geweben der Phanerogamen bewei- sen, dass auch in Bezug auf die Ernährung verschiedene Pflanzenar- ten sehr verschiedenartigen Lebensbedingungen angepasst sind; sie lassen die Möglichkeit, dass auch Thiere zur Ernährung nicht blos der entozoischen Pilze sondern auch höherer Pflanzen verwendet wer- den können, nicht als so fern liegend erscheinen, wie dies wohl auf den ersten Blick scheinen mag. Mit Spannung sehen wir daher den ausführlichen Untersuchungen über die Droseraceen von Darwin entgegen, dem genialen Forscher, welcher zuerst den Muth gehabt hat, eine Reihe theilweise schon früher bekannter, aber nie näher untersuchter Erscheinungen unter einem neuen überraschenden Ge- sichtspunkt zusammenzufassen, und der auch für die hier mitgetheil- ten Beobachtungen die leitende Anregung gegeben lat. Johnsdorf bei Liegnitz, den 11. August 1874. KEIRHRERBLN BT RL 2 RE. RR 2 ee DER UNE U ae ar EN SO [2 ua BONN AR RER B N RR ORT RR 7ER Du), ed “nr SE Bir. ER RR or ET En U GnB NEUN N N "rufe ER 4 A hu f RT EN AN Bauen Mi Ri ERTL ET f ; ir a He Pr A N SP. 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Die Blattspreite völlig ausgebreitet, von Oben gesehen; a. kreisseg- mentförmiges Mittelstück mit zahlreichen linsenförmigen Drüsen und einzelnen Borsten besetzt; letztere bilden einen Bart über, dem Mit- telnerv; b. sichelförmiger Saum ohne Drüsen und Borsten, der Rand ec. nach innen eingeschlagen und mit einzelligen Kegelhaaren besetzt. Merer, 9. Querschnitt eines geschlossenen Blattes; die sichelförmigen Säume (b) sind so aufeinander gelegt, dass der eine Saum concav, der andere convex; die Kegelhaare der Ränder c. greifen in einander; in der durch die Mittelstücke der Blätter (a) gebildeten Höhle, in der die Drüsen und Borsten angedeutet sind, befindet sich eine gefangene Cypris. Vergr. 9. Ein Quirl von Blättern, von denen einzelne geöffnet, andere geschlos- sen, gefangene Crystaceen einschliessen. N. Gr. Fig. Fig. -] je’ a} ) Fig. 6—9. Utriceularia vulgaris L. Eine Blase von Utricularia von der Seite gesehen; b. Peristom. Vergr. 4. Dieselbe von der Bauchfläche gesehen, e. Stiel; abed. Peristom; ab. Oberlippe mit den beiden seitlichen Scehnurrbartborsten oder Fühlfäden; ac, bd. die Ränder der Backen; ed. Unterlippe mit je 2 Borsten; im Innern des Peristoms ist der verschliessende Gaumen mit 4 Borsten sichtbar. Vergr. 4. Dieselbe Blase nach Abtragung des Peristoms von der Bauchfläche gesehen; durch Gewebsspannung in ihrer Form verändert, vom Rücken zusammengedrückt. Vergr. 4. Medianer Längsschnitt durch eine Blase, durch Rücken und Bauch- fläche gelegt, so dass die Blase halbirt, und man in den Grund der- selben hineinsehen kann; ab. Peristom; aedb. Mundhöhle; bei a. eine Schnurrbartborste, bei i. 2 Borsten der Unterlippe; be. Körper der Kinnlade durch den Schnitt halbirt; cde. der eine der aufstei- genden Aeste der Kinnlade an die Innenwand der Mundhöhle ange- wachsen; aedf. Gaumen, bei ae. an die Innenwand der Mundhöhle angeheftet; der freie Rand edf. an den oberen Rand der Kinnlade angedrückt, und die Mundhöhle verschliessend; der Schnitt hat vom Gaumen mehr als die Hälfte frei gelegt, daher das vordere Stück ade. gleich einem Vorhang zurückgeschlagen erscheint; auf der Vor- derfläche des Gaumens sitzen 4 Borsten h.; g. Stirnhöhle; k. Stiel von einem Leitbündel durchzogen, das sich in Rücken- und Bauch- fläche verzweigt; in der Centralhöhle bemerkt man einen lebenden Cyelops und eine Arcella. Vergr. 25. Dreizellige Trichome mit terminalen, keglichen oder kolbenförmigen Köpfchen, welche die Innenseite der Mundhöhle und die Aussen- seite des Gaumens bekleiden und vermuthlich als Köder zur An- lockung von Wasserinsecten dienen. Die Entwiekelungsgeschichte der Gattung Volvox. Von Prof. Dr. Ferdinand Cohn '). Mit Tafel II. ; Volvox unterscheidet sich von allen Gattungen, die zur nämlichen Familie der Volvoeineen gestellt werden (Gonium, Stephanophaera, Pandorina, Eudorina) dadurch, dass nicht sämmtliche, zu einem kugelförmigen Coenobium verbundene Zellen in Bezug auf die Fort- pflanzung sich gleich verhalten, sondern dass die bei weitem grösste Zahl der Zellen steril, d. h. in ausgewachsenem Zustande zur Fort- pflanzung unfähig sind, und dass nur eine kleine Zahl, welche an bestimmten Stellen des Coenobium sich entwickeln, allein die Fort- pflanzung vermitteln. Hierdurch tritt bei Volvox ein Unterschied zwischen sterilen oder vegetativenZellen, undreproductiven oder Fortpflanzungs-Zellen hervor, der uns in den Coenobien einzelliger Algen nicht wieder begegnet, sondern gewöhnlich als ein Charakter vollkommener differenzirter Organismen angesehen wird. Die Fortpflanzungszellen selbst aber sind von dreierlei Art, geschlecehtslose, männliche und weibliche; dieselben finden sich niemals gleichzeitig in der nämlichen Familie zusammen, sondern entweder in drei getrennten Coenobien, oder männliche und weib- liche vereinigt, aber von den geschlechtslosen getrennt. Die Organisation der sterilen oder vegetativen Zellen ist einfach, dem Bau der Schwärmzellen von Ohamydococcus, Gloeocystis, ı) Obiger Aufsatz ist ein mit einigen Abänderungen versehener Auszug aus einer von der philosophischen Fakultät der Königlichen Universität zu Breslau dem Geheimen Medizinalratlı Professor Dr. Goeppert zu seinem 50 jährigen Doctorjubiläum am 11. Januar 1875 gewidmeten Festschrift, welche nicht in den Buchhandel gekommen ist, 94 (Pleurococcus Cienk.) analog. Ein kleiner Plasmakörper (Primordial- zelle) ist vom Chlorophyll mehr oder minder grün gefärbt und von einer dicken Gallerthülle membranartig eingeschlossen (Fig. 7a). Der Plasmakörper, welcher 2—3 u im Durchmesser erreicht, schliesst meist nur ein winziges Stärkekörnchen ein; in der Regel, doch nicht immer, ist an einer Stelle desselben ein nach aussen vorspringendes rothes Körnchen sichtbar, dem rothen Pigmentfleck (Augenfleck) der Schwärmsporen und Flagellaten entsprechend. Endlich finden wir im Innern des Plasmakörpers zwei Vacuolen, die periodisch ver- schwinden und an derselben Stelle sich wieder erzeugen; sie sind bereits von Ehrenberg angedeutet, von Busk genauer studirt worden, und entsprechen den pulsirenden Räumen, die auch bei einigen andern Volvoeineen (Ohlamydomonas, Uhlamydococcus, Gonium, Eudorina, nicht aber bei Stephanosphaera, Pandorina) beobachtet, von Frese- nius zuerst bei zweifellosen Algen (Apiocystis) entdeckt!) und von Cienkowski?) als ein charakteristisches Merkmal der echten Pal- mellaceen: Gloeocystis (Pleurococcus), Tetraspora, Hydrurus, Pal- mella, nachgewiesen worden sind. Mitunter schliesst der Plasma- körper auch eine centrale nieht pulsirende Vacuole (Saftraum) ein, um die das grüne Plasma peripherisch herumgelagert ist. Die Gestalt der Plasmakörper zeigt grosse Verschiedenheit, die auf eine fast amoeboide Contractilität ihrer Substanz hinweist. In Jüngeren Coenobien bei dicht gedrängter Lage verlängert, schmal spindelföürmig, (Fig. 7c), sind dieselben in ausgewachsenen Zellen kugelig (Fig. 7a), oder in der Mediane zusammengedrückt, linsen- förmig, mit einem nach aussen gerichteten, mehr oder minder ver- längerten, schnabelförmigen, wasserhellen Fortsatz, an dessen Spitze die beiden langen Flimmergeisseln (Flagella) entspringen; der optische Längsschnitt erscheint daher fast dreieckig (Fig. 7b), wie schon Leeuwenhoek, der im Jahre 1698 die ersten Beobachtungen über Volvox machte, bemerkt hatte. Die Gallerthülle, welche den Plasmakörper rings umschliesst, ist im Wasser zwar nicht löslich, aber stark quellbar, an ihrer äusseren Oberfläche gegen das Wasser scharf abgegrenzt und membranartig, nach innen weich, fast flüssig. Die Seitenwände der Gallerthülle sind von einer Anzahl (5—6) ‘) Abhandlungen der Senkenberg’schen Gesellschaft Bd. HI. p. 237. *) Ueber einige chlorophylihaltige Gloeocapsen Botan. Ztg. 1865 p. 20. Ueber einige Palmellaceen und Flagellaten, M. Schultze, Archiv für mikro- skopische Anatomie Bd. VII. p. 421. 95 Tüpfelkanälen dnurehbohrt, welche nahezu in einer Ebene liegen; zarte fadenartige Fortsätze des grünen Plasmakörpers füllen die Tüpfelkanäle aus; daher dieser, von oben gesehen, sternförmig in grüne oder farblose Strahlen auszugehen scheint. Da die Tüpfel- kanäle in benachbarten Zellen correspondiren, so entsteht der An- schein eines Netzes feiner Fäden, welche die Plasmakörper unter einander verbinden, doch scheinen die Tüpfel in jeder Zelle geschlos- sen; dass keine direete Communication derselben stattfindet, erkennt man, wenn in späterem Zustande die feinen Fäden eingezogen, und die grünen Plasmakörper abgerundet und völlig von einander isolirt sind. Ausserdem ist in jeder Zelle die nach aussen gerichtete Wand der Gailerthülle von zwei durchgehenden Tüpfelkanälen durchbohrt, um den beiden an der Spitze des Schnäbelehens entspringenden Flimmergeisseln, die ebenfalls fädige Fortsätze des Plasmakörpers sind, den Durchtritt nach aussen zu gestatten. (Fig. 1,7.) Die sterilen Zellen von Volvox sind zu einer einfachen Schicht aneinandergereiht und begrenzen dadurch die Peripherie einer mit wässeriger Flüssigkeit gefüllten, 0,5 mm. im Durchmesser erreichen- den Kugel, nach Art einer ‚„Scheinmembran“, wie das bei vielen Chroococcaceen (Ulathrocystis, Coelosphaerium, Coccochloris) eben- falls stattfindet. Die durch die Volvoxzellen gebildete Kugelfläche würde ausgebreitet der membranartigen Zellfläche von Teiraspora entsprechen; sie ist nach aussen scharf nach Art einer zusammen- hängenden Cutieula, nach innen minder scharf begrenzt; in leben- digen Coenobien straff ausgespannt wird sie durch den Druck denutlichı gefaltet, bei stärkerem Druck leicht zerrissen. Die Scheidewände zwischen den einzelnen Zellen sind, wie in allen Gallertmembranen, meist nur schwierig, oder mit Hilfe von Reagentien (Jod) zu unter- scheiden, manchmal sind dieselben als ein deutliches Netz mit sechs- eckigen Maschen erkennbar. Die Dicke der je zwei benachbarte Plasmazellen trennenden Zwischensubstanz ist sehr verschieden - je nach dem Alter der Familie; bei jungen Volvoxkugeln unmessbar, erreicht sie später den einfachen oder selbst mehr als den doppelten Durchmesser der grünen RKörperchen (3—8 u). Auf den ersten Blick erscheint die Anwesenheit von beweglichen Geisseln in den rein vegetativen Volvoxzellen eine Anomalie, da wir gewöhnt sind, die beweglichen Schwärmzellen bei den Algen nur ais einen vorübergehenden Zustand der Fortpflanzung, als Schwärm- sporen oder Zoosporen anzutreffen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass bei vielen echten Pal- mellaceen die in der Gallert eingebetteten Primordialzellen bereits 96 im unbewegten Zustande mit Geisseln versehen sind, wie Thuret zuerst bei Tetraspora beobachtete und abbildete!'), A. Braun bei (@loeococcus hervorhob, undCienkowski auch bei Apiocystis erkannte. Allerdings sind die Geisseln der ruhenden Palmellaceen selbstver- ständlich unbewegt; gleichwohl macht diese Thatsache evident, dass zwischen Schwärmzellen, und ruhenden oder vegetativen Zellen bei den Palmellaceen, wie bei den Volvocineen kein wesentlicher Unter- schied besteht, da beide Zustände mit Geisseln versehen sein können. Die geschlechtslose Fortpflanzung von Volvox beruht, wie seit Ehrenberg”) bekannt, auf der vielfach wiederholten Theilung einer gewissen Zahl von Fortpflanzungszellen, welche sich gleichzeitig ausserordentlich vergrössern, und jede eine kugelförmige Zellfamilie oder Tochterkugel aus sich hervorgehen lassen. Dieser Entwickelung der geschlechtslosen Fortpflanzungszellen liegt, wie bei allen Volvo- cineen und Palmellaceen eine sehr oft wiederholte Zweitheilung zu Grunde. Schon in den jungen Zellfamilien, welche noch in den Mutter- kugeln eingeschlossen sind, unterscheiden sich die geschlechts- losen: Fortpflanzungszellen (Parthenogonidia) von den sterilen, denen sie gleich gebaut sind, durch ihre bedeutendere, meist doppelte bis dreifache Grösse (6—9 u). Bald nach der Geburt der jungen Volvoxkugeln beginnt in den geschlechtslosen Fortpflanzungszellen der Theilungsprocess. Da sich in der Regel in einer Volvoxkugel sämmtliche Parthenogonidien auf der nämlichen Stufe der Theilung befinden, so lässt sich der Verlauf derselben nur durch Vergleich zahlreicher Exemplare ermitteln, was wegen der Lage der Tochterfamilien im Innern der Mutterkugeln besondere Schwierigkeiten hat. Die direete Beobachtung 1. 3. 5 SQ 5. zeigt, dass die Fortpflanzungszellen (Fig. 1 ©) des beistehenden Holzschnitts, Vergrösserung 2. 4. 400) zuerst durch eine mediane Scheidewand [oN EL | halbirt (Fig. 2), dann durch eine auf dieser - senkrechte Wand in 4 Quadranten getheilt werden (Fig. 5); hierauf folgt ein Zustand, wo 4 im Centrum zu- sammenstossende längliche Segmente ein Kreuz bilden, in dessen ') Thuret, Becherches sur les zoospores des Algues. Paris 1851 pl. 21 Fig. 7 p- 40. Thuret selbst betrachtet Tetraspora und die Volvocineen als Infusions- thierchen. ?) Abhandlungen der Berliner Akademie 1831, Infusionsthierchen 1838 p- 60 seg. 97 ausspringende Ecken 4 nahezu dreieckige Segmente eingeschoben sind (Fig. 4). Sodann findet man die 4 Kreuzarme durch tangen- tiale, die 4 Zwischenstücke durch radiale Wände halbirt, und in Folge dessen 4 centrale um den Mittelpunkt geordnete Segmente von 12 peripherischen umgeben (Fig. 5)'). Der weitere Verlauf der Theilung ist undeutlich; die junge Familie hat die Form einer Brombeere, deren Kügelchen um so kleiner werden, je zahlreicher sie sind, und erinnert an die Coenobien von Pandorina Morum. Jedes Segment umschliesst ein grösseres centrales stärkehaltiges Chlorophylibläschen, welches die Stelle eines Zellkerns einnimmt und sich bei jeder Theilung ebenfalls theilt. Beim Beginn der Theilung vermehrt sich die Masse des grünen Protoplasma sehr rasch, daher die Segmente anfänglich bei weitem grösser sind, als die späteren Dauerzellen; im weiteren Verlauf aber nimmt die Masse des grünen Plasma nicht im Verhältniss zur wachsenden Zahl der Segmente zu; diese werden daher um so kleiner, je grösser die Zahl der Theilungen, und nehmen allmählich eine schmal eylindrische, spindel- oder stäbchenförmige Gestalt an (Fig. 7 ce). Indem aber mit der Zahl der Segmente gleichzeitig das Volumen der von ihnen !) In der Darstellung, welche ich von den Theilungsgesetzen bei Volvox in der Festschrift gegeben, glaubte ich die Anordnung der Zellen in einer Kugelfläche nur durch die Annahme erklären zu können, dass unmittelbar nach der dritten Theilung in 4 Quadranten (Fig. 3) diese in 8 Kugeloctanten durch eine auf den beiden früheren senkrechte grösste Kreisebene getheilt würden, die allerdings, weil dem Gesichtsfeld parallel, nicht direkt gesehen werden könne. Dieser Annahme entgegen hat Alexander Braun in einer Besprechung meiner Arbeit (Sitzung der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Januar 1875) die Vermuthung ausgesprochen, dass die Theilung bei Volvox in der nämlichen Weise verlaufe, wie er sie bei den ebenfalls kugelförmigen Familien von Kudorina elegans festgestellt hat. Die vier Quadranten nämlich, welche aus der zweiten Theilung hervorgegangen, werden hier durch Scheidewände getheilt, welche abwechselnd nach rechts und links geneigt sind; und durch diese, von Alexander Braun als radförmige bezeichnete Theilung entsteht das Bild eines vierflügeligen Rades, wie durch weitere Kreuzung der vierten Theilung mit der dritten die Anordnung der 12 peripherischen um die 4 centralen Zellen (Fig. 4 und 5). Nach dieser Ansicht würden auch bei Volvox die Segmente in den vier ersten Generationen scheibenförmig in einer Ebene gelagert sein, und die spätere Anordnung in der Kugelfläche erst nachträglich bei dem durch Druck der sich entwickelnden Gallerthülle bedingten Auseinanderweichen der Segmente entstehen. Es fehlt mir augenblicklich an frischem Material, um die Theilung von Volvox von Neuem zu studiren; doch lässt sich nicht verkennen, dass die obigen Beobachtungen die Braun’sche Auffassung zu unterstützen scheinen. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft III. 7! 98 begrenzten Kugel wächst, so bildet sich im Innern dieser ein fort- dauernd sich vergrössernder Hohlraum, welcher anscheinend mit Wasser sich füllt, während die spindelförmigen Segmente, eng an einander gedrängt, die Peripherie der Kugel bedecken. Anfänglich besteht durchaus kein organischer Zusammenhang zwischen den ein- zelnen Segmenten, und man kann noch in fast fertig ausgebildeten Familien durch geschickten Druck die einzelnen Körperchen von einander isoliren; erst kurz vor der Geburt und nach völlig beendeter Theilung beginnt die Ausscheidung von Gallert zwischen den Segmenten; indem diese membranartig erstarrt, treten die anfävuglich lose an einander gelagerten Körperchen in eine organische Verbindung und bilden ein membranartiges Scheingewebe, ähn- lich wie das bei Pediastrum, Hydrodictyon u. 5. w. bekannt ist. Weit früher, als die Zwischenmembranen kann man eine die junge Familie nach Art einer Cuticula einhüllende gemeinschaftliche Gallert- schicht wahrnehmen; gleichzeitig vergrössert sich auch unter bestän- diger Quellung die Gallertmembran der Mutterzelle und umhüllt, anfangs dicht anliegend, später weiter abstehend, die junge Zellen- familie, die aus ihrem Plasma hervorgegangen ist; schliesslich stellt sie eine grosse, von der Peripherie in die Centralhöhle der Mutter- kugel frei hineinhängende wasserhelle Blase dar, in deren Innern die junge Volvoxfamilie zu rotiren beginnt, sobald die Geisseln der einzelnen Segmente zur Entwickelung und Bewegung gekommen sind; endlich gelangen, unter Durchreissung der sich verflüssigenden Mutterblase, die Tochterfamilien in die Centralhöhle der Mutterkugel, und nach Sprengung der letzteren in’s Wasser hinaus. Die Normalzahl der geschlechtslosen Fortpflanzungszellen, welche sich in einer Volvoxkugel zu Tochterfamilien ausbilden, ist 8; sie entspricht daher der Zahl der Segmente, in welche bei der dritten Theilung die geschlechtslose Fortpflanzungszelle zerfällt, deren primäre Grenzlinien auch in den späteren Theilungen sich noch lange verfolgen lassen. Der regelmässige Abstand der Tochterfamilien, den schon Leeuwenhoek und Ehrenberg hervorheben, spricht dafür, dass jedes der 8 primären Segmente in all seinen späteren Theilungen immer nur eine einzige Parthenogonidie, alle übrigen als sterile Zellen hervorbringt; doch vermochte ich nicht zu ermitteln, welche von den secundären Generationen zur Fortpflanzungszelle wird, obwohl anscheinend eine ganz bestimmte, schon früh ausgezeichnete Zelle zur Parthenogonidie prädestinirt wird. Allerdings schreitet die Theilung nicht immer so regelmässig in Potenzen von 2 fort, wie das in obiger Darstellung vorausgesetzt 99 wird; schon frühere Beobachter heben hervor, dass mitunter von zwei Schwesterzellen die eine zur Dauerzelle wird, während die andere noch wiederholte Theilungen erleidet; auch tritt in ver- schiedenen Volvoxfamilien der Uebergang zur Dauergeneration bald nach einer grösseren, bald schon nach einer kleineren Zahl von Theilungen ein; daher ist auch die Zahl der zu einem Coenobium vereinigten Schwesterzellen verschieden, die allerdings nur annähernd aus der Zahi der im optischen Durchschnitt wahrnehmbaren Zeilen sich berechnen lässt; Leeuwenhoek schätzte ihre Zahl auf 2000, Ehrenberg auf 9800; ich selbst glaube bis zu 12,00) annehmen zu müssen; ich gelangte zu dieser Summe, indem ich die auf einem abgemessenen Raum der Kugelfläche (10) w”?) vorhandenen Zellen abzählte, und die Summe mit der durch Rechnung aus dem Radius bestimmien Kugelfläche multiplieirte '). Ueberraschend ist die Massenzunahme des grünen Protoplasmas in den ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen während ihrer Ent- wiekelung zu Tochterfamilien. Haben dieselben schon vor Beginn der Theilung den dreifachen Durchmesser der sterilen Zellen (9—10 u) besessen, so vergrössert sich der Durchmesser der 2theiligen Familie auf 15 u, der 4theiligen auf 17 u, der &theiligen auf 20 u, der 16 theiligen auf 22— 24 u, in späteren Generatiouen auf 48 und 90 u, und wenn die junge Tochterkugel nach Abschluss der Theilungen in Begriff steht die Mutterfamilie zu verlassen, erreicht ihr Durchmesser 100—150 u. Solche Zunahme ist um so merkwürdiger, als aus den Leeuwenhoek’schen Beobachtungen, bis jetzt den einzigen ihrer Art, hervorgeht, dass wenige Tage zur Ausbildung der Tochterfamilien hin- reichen. Allerdings besitzen die Parthenogonidien Chlorophyll und sind demnach im Stande, selbst zu assimiliren und den Stoff für ihre Brut durch eigene Thätigkeit zu erzeugen; dennoch erscheint eine so ausserordentliche Production dieser 8 Zellen um so auf- fallender, als die ungeheure Mehrzahl der übrigen grünen Zellen während ihres ganzen Lebens an Masse nicht merklich zunimmt, und auch mit Ausnahme eines winzigen Stärkekörnchens, kein durch ihre chemische Thätigkeit erzeugter Stoff zur Wahrnehmung kommt. Es liegt daher der Gedanke nahe, ob nicht die von der Gesammt- zahl der vegetativen Zellen während ihres Lebens producirten Bil- !) In einer jungen Volvoxkugel zählte ich auf 100 „«? 144 dicht gedrängte Zellen; der Radius der Kugel war 25 u, die ganze Kugelfläche also enthält 11,282, rund 12,000 Zellen; denkt man sich einen gleichmässigen Verlauf der Zweitheilung, so würden aus einer geschlechtslosen Fortpflanzungszelle nach 13 Theilungen 3192, nach 14 dagegen 16,534 Zellen hervorgehen. Ti 100 dungsstoffe (Kohlenhydrate, Protoplasma, Chlorophyll) durch Stoff- wanderung den 8 Fortpflanzungszellen zu Gute kommen, so dass die jungen Familien nicht ausschliesslich durch ihre Mutterzellen, sondern durch die vereinigte Arbeit der gesammten Zellenfamilie ernährt werden. Auf eine solche Arbeitstheilung scheinen die Tüpfel hinzudeuten, welche die Gallertmembranen zwischen den einzelnen Zellen durch- bohren, gewissermassen eine Verbindung der sämmtlichen Plasma- körper vermitteln, und eine Wanderung der in ihnen erzeugten Bil- dungsstoffe nach den Geburtsstätten der jungen Familien zu erleichtern scheinen. (Fig. 7b.) Auch bei der Gattung Gonium stehen die tafelförmig angeordneten 16 Zellen durch Tüpfel, welche die gemeinschaftliche Gallerthülle durchbrechen, in netzartiger Verbindung, wenn gleich ebenso wie bei Volvox die Tüpfel in jeder Zelle verschlossen sind. Was nun endlich die geschlechtliche Fortpflanzung von Volvox betrifft"), so beruht diese darauf, dass in einem Coenobium unter den vielen Tausenden steriler Zellen eine kleine Zahl theils zu weiblichen, theils zu männlichen Fortpflanzungszellen (Gyno- gonidia und Androgonidia) sich entwickelt. Während die geschlechtslose Fortpflanzung durch Parthenogonidien im ganzen Jahre stattfindet, scheint die geschlechtliche in der Regel erst im Herbst aufzutreten. Da demnach geschlechtliche und geschlechtslose Fortpflanzung der Regel nach nicht gleichzeitig in der nämlichen, sondern in verschiedenen Coenobien eintritt, so ist der Wechsel der beiden Fortpflanzungsweisen als Generationswechsel aufzu- fassen; die geschlechtliche Generation bildet den Abschluss einer grösseren oder geringeren Zahl geschlechtsloser Generationen. Männliche und weibliche Fortpflanzungszellen finden sich entweder in der nämlichen Zellenfamilie; solche Volvoxkugeln sind daher monoecisch; oder es kommen neben rein männlichen auch rein weibliche Familien vor, und dann sind die geschlechtlichen Volvoxkugeln dioeeisch. Wir betrachten zuerst dies erstere, von uns häufiger beobachtete Verhältniss. (Fig. 1.) !) Sie wurde von mir zuerst beschrieben im Taveblatt der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Wien vom 18. September 1856 p. 53. Comptes rendus de l’Academie des sciences de Paris, seance du 1. Dec. 1856, tome XLIII. p. 1054—56; Annales des sciences naturelles Bot. 1857 p. 323, übersetzt mit einigen Anmerkungen im Jahresbericht der Schlesischen Gesell- schaft für 1856, Bot. Section p. 77. 101 Die weiblichen Zellen, Gynogonidien (Fig. 1b) unter- scheiden sich anfänglich von den geschlechtslosen Fortpflanzungs- zellen gar nicht; sie sind schon bei der Geburt der geschlechtlichen Familien dadurch erkennbar, dass sie gleich ersteren etwa die dreifache Grösse der sterilen Zellen besitzen; ihre Plasmakörper ver- grössern sich rasch beträchtlich und da sich besonders die Menge des Chlorophylis vermehrt, werden sie tief dunkelgrün; anfangs dureh Vacuolenbildung schaumig (Fig. 1b?) sind sie später anschei- nend dicht mit Plasma angefüllt; ihre Gallerthülle dehnt sich blasen- förmig in der Richtung der Centralhöhle der Volvoxkugel; in älterem Zustande erscheinen sie flaschenförmig, indem ihr Hals in der Peri- pherie befestigt ist, während der kugelig aufgetriebene Bauch frei in die Centralhöhle des Coenobiums hineinhängt. (Fig. 1b.) Sobald die weiblichen Zellen eine Grösse von etwa 15—20 u erreicht haben, lassen sie sich von den geschlechtslosen Fortpflanzungszellen nicht blos durch ihre weit grössere Anzahl (über 8j, sondern insbesondere auch dadurch leicht unterscheiden, dass in ihnen keine Theilung eintritt; auch überschreitet ihr Wachsthum niemals die Grösse der Pandorinaähnlichen Zellfamilien (höchstens 50 u). Erst wenn die weibliche Zelle ausgewachsen, ist sie befruchtungsfähig; ihr grüner Plasmakörper, der anfänglich mit einem farblosen Schnabel an der Peripherie des Volvoxcoenobium anhängt, rundet sich schliesslich zur Kugel, und verhält sich nun als Befruchtungskugel (Oosphaere, Eizelle); die Gallertmembran, von welcher sie umgeben ist, kann als Oogonie aufgefasst werden. (Fig. 2.) Die männlichen Zellen, Androgonidien (Fig. 1a) gleichen anfangs den geschlechtslosen Fortpflanzungszellen noch in höherem Grade, da sie, sobald sie etwa den dreifachen Durchmesser der sterilen Zellen erreicht und sich blasenartig in der Richtung der Centralhöhle des Coenobium ausgedehnt haben, sich zu segmentiren beginnen; doch vermehrt sich in ihnen das Chlorophyll nicht in solchem Masse, und sie zeichnen sich daher durch ihre lichtere Färbung aus. Da ferner die Segmente in den männlichen Zellen nicht, wie bei der Bildung der jungen Zellfamilien in eine Kugel- fläche, sondern in eine ebene Scheibe geordnet sind, so ist anzu- nehmen, dass die männlichen Zellen von Anfang an nur in zwei sich kreuzenden Richtungen getheilt werden; doch habe ich die Rich- tung der Theilungsebenen nicht direct verfolgen können; A. Braun vermuthet auch hier das Gesetz der radförmigen Theilung, das er bei Zudorina ermittelt hat. Schliesslich entsteht ein Bündel eylindri- scher, oder spindelförmiger Stäbchen, welche ihrer Form nach an 102 die in der Kugelfläche an einander gedrängten Segmente sehr junger Zellfamilien erinnern. (Fig. 1a?, a°, vgl. Fig. 8 c.) In der That sind die Bündel als männliche Zellfamilien auf- zufassen, die, wie gewöhnlich bei niederen Organismen, zwergig sind; die einzelnen Stäbehen dagegen sind als nackte Plasmakörper “oder Primordialzellen zu betrachen. Der Durchmesser eines Bündels, welches ich mit den Täfelchen von Gonium, oder noch bezeichnender mit den Cigarren- oder Zündholz- bündeln verglichen habe, beträgt 35—44 u, die Zahl der zum Bündel vereinigten Segmente mag 128—-356 betragen, die Länge der ein- zelnen Stäbehen 5—6 n. erreichen. (Fig. 4.) Während der Plasmakörper der männlichen Zellen in das Stäb- chenbiündel zerfällt, verändert sieh das Chlorophyll in ein röthlich gelbes Pigment, und vertheilt sich in den einzelnen Stäbchen so, dass nur die eine abgerundete Hälfte gelb gefärbt, die andere schnabelförmig verjüngte dagegen, farblos wird. An den Sehnäbeln der Stäbchen entwickeln sich je zwei sehr lange Flimmergeisseln, welche anfangs undeutlich durcheinander gewirrt von der Oberseite des Stäbehenbündels ausgehen; so liegt das Bündel im Innern einer kugligen Blase eingeschlossen, welche nichts weiter als die ausge- weitete und sich allmählich verflüssigende Gallerthülle der männlichen Zelle ist; dieselbe kann nunmehr als Antheridie, die in ihr ein- geschlossenen Körperchen als Sper matozoidenbündel aufgefasst werden. Die Zahl der in einer Volvoxkugel auftretenden geschlechtlichen Zellen ist sehr verschieden; ich habe in einzelnen Ovenobien 5 und mehr männliche und gleichzeitig ca. 40 weibliche Zellen angetroffen; obwohl ich selbst keine Regel erkennen konnte, so macht doch die gleichmässige Vertheilung der Geschlechtszellen es nicht unwahr- scheinlich, dass bestimmte Segmente der in Theilung begriffenen Zellfamilie Geschlechtscharakter annehmen. Um die nämliche Zeit, wo die ausgewachsenen Gynogonidien zu Oogonien, ihre Plasmakörper zu Oosphaeren oder Eizellen ent- wickelt sind, beginnen in den aus den Androgonidien hervorgegangenen Antheridien die noch in der Mutterzelle eingeschlossenen Spermato- zoidenbündel ihre Flimmergeisseln in Thätigkeit zu setzen, welche erst langsam, dann rascher innerhalb der gemeinschaftlichen Hülle unduliren; in Folge dessen gerathen die Bündel selbst in Bewegung, oseilliren schwerfällig von einer Seite zur andern, bald rotiren sie mit beschleunigter Geschwindigkeit um ihre eigene Achse (Fig. 1a, a?). Mit einem Male hört die gemeinschaftliche Bewegung des Bündels 103 auf, dieses zerfällt in die stäbehenförmigen Körperchen, aus denen es zusammengesetzt ist; die letzteren bewegen sich, nachdem sie sich völlig von einander getrennt haben, frei in der Höhlung der allmählich sich auflösenden und ausweitenden Gallerthülle, von Minute zu Minute in rascherer Lebendigkeit; überaus anziehend ist der An- blick der in ihrer Mutterblase durcheinander wimmelnden Körperchen. (Fig. 1 a°.) Bald darauf sieht man die Körperchen aus der Blase, in welcher sie bis dahin eingeschlossen waren, herausdringen und alsbald sich nach allen Richtungen in der Centralhöhle der Volvox- kugel zerstreuen. (Fig. 1 a*.) Diese Körperehen sind die Spermatozoiden von Volvoz; sie erscheinen in freiem Zustande verlängert und schmal, das eine blassgelb gefärbte Ende ist dicker, spindelförmig, das entgegen- gesetzte Ende, an dessen Grunde ein röthliches Körnchen (Augen- fleck) aufsitzt, läuft in ein farbloses, langes Schnäbelchen aus, das einem Schwanenhals ähnlich, wie dieser zierlich gebogen, und mit einer überraschenden Retractilität und Flexilität begabt ist; es dreht sich, wie umhertastend, dehnt sich aus und zieht sich wieder ein, biegt und schlängelt sich wie ein Peitschenfaden (Fig. 5); an der Stelle, wo der Hals in das dickere spindelförmige Ende übergeht, entspringen zwei lange, nach hinten gerichtete, sehr agile Flimmer- geisseln, welche in den durch Jod getödteten Körperchen besonders deutlich sind (Fig. 6), Carter hat diese Spermatozoiden wegen ihres beweglichen Halses treffend mit den Infusorien der Gattung Trachelius (besser mit Trachelocerca) verglichen. Unter den im Pflanzenreich beobachteten Spermatozoiden sind die von Volvox durch ihre Form und Contraetilität höchst auffallend; die meiste Aehnlichkeit scheinen sie mit dem Spermatozoiden von Sphaeroplea und Fucus zu besitzen; gleich diesen sind sie Spermatogonidien im Sinne Alexander Braun’s. Nachdem die Spermatozoiden ihre Mutterblase verlassen und in die Centralhöhle des Volvoxeoenobium gelangt sind, sammeln sie sich um die Oogonien und heften sich zunächst an die Aussenseite ihrer blasenförmigen, in verflüssigender Quellung begriffenen Gallert- hüllen; hier angelangt, schwanken sie hin und her, drehen sich dabei in seltsamer Krümmung, und scheinen sich mit Hilfe des Halses und der Geisseln einzubohren; ihre Bewegungen gleichen ganz auffallend denen eines sogenannten Oentrumbohrers. (Fig. 1 b°.) Schliesslich gelingt es einzelnen Spermatozoiden, die erweichte Gallertmembran der Oogonien zu durchbrechen; nach kurzer Zeit trifft man eine grössere oder kleinere Zahl derselben innerhalb der 104 Membran. Sie bewegen sich zuerst in dem Zwischenraum zwischen der Befruchtungskugel oder Eizelle und ihrer durch Quellung weit abstehenden Gallerthülle; alsdann sieht man sie der Länge nach an die Oberfläche der Befruchtungskugel sich anlegen, wobei sie fort- fahren, sich zu krümmen oder zusammenzuziehen (Fig. 2); während der spindelförmige Körper auf dem Ei anklebt, zuckt der freie Hals beständig gleichsam hämmernd in wellenartiger Schlängelung. (Fig. 2***) Es ist wohl nicht zu bezweifeln, wenn auch direct nicht constatirt, dass ein oder mehrere Spermatozoiden mit der Oosphaere oder Eizelle zusammenschmelzen, da ja beide nichts weiter als nackte Plasmakörper, Primordialzellen sind. Das befruchtete Ei wird nunmehr zur Eispore (Oospore). Um die nackte Befruchtungskugel bildet sich eine neue Membran; anfangs glatt, erhebt dieselbe sich später an ihrer ganzen Ober- fläche in spitzen kegelförmigen Höckern, welche den optischen Quer- schnitt der Eispore sternförmig erscheinen lassen. Im Aequator der Spore zählt man meist 12—14 solcher Kegelhöcker; die nächste darüber und darunter befindliche Reihe wechselt mit den äquatorialen. (Fig. 3.) Das grüne Protoplasma erstreekt sich ursprünglich in die kegelförmigen Erhebungen der Membran hinein; bald aber zieht sich dasselbe, indem es sich mehr und mehr verdichtet, in eine Kugel zurück; nun bildet sich unmittelbar um die grüne Sporen- kugel eine zweite völlig glatte Gallerthaut, welche sich bedeutend verdickt, so dass die sternförmige Sporenhaut, das Epispor, durch einen breiten Raum (Endospor) vom Inhalt abgetrennt erscheint. Dieser selbst zeigt anfänglich durch Vacuolenbildung ein schaumiges Ansehen, er verdichtet sich, zahlreiche Stärkekörnchen treten in ihm auf, das Chlorophyll verschwindet allmählich und ein orange- rother in Oel gelöster Farbstoff tritt an seine Stelle. Die reife Oospore ist ziegelroth und erinnert ganz an die sternförmigen Ei- sporen von Sphaeroplea; schon mit blossem Auge erscheinen die geschlechtlichen Familien von Volvox nunmehr röthlich, da in einer Kugel bis zu 40 solcher rothen Sporen sich befinden. Ehrenberg hatte schon 1831 die Volvox-Coenobien mit sternförmigen Kugeln als eine besondere Species (Volvox stellatus) beschrieben; doch sah er dieselben nur unreif und schilderte sie daher als grün. Nach der Reife der Eisporen gehen die Mutterfamilien bald zu Grunde, wobei mitunter auch einzelne Zellen sich aus dem Verbande lösen und isolirt im Wasser umherschwärmen; ihr Schicksal ist nicht bekannt; dass sie zu neuen Familien auswachsen, wie Ehren- berg vermuthet, ist nicht wahrscheinlich. Aus den zerstörten Vol- 105 voxkugeln fallen die Oosporen heraus und sinken auf den Grund des Wassers, um dort zu überwintern. Meine Versuche, dieselben zum Keimen zu bringen, sind bisher alle verunglückt; es ist mir jetzt wahrscheinlich, dass ein vorheriges Austrocknen, wie bei so vielen Oosporen, die Keimfähigkeit begünstigen möchte; ich habe jedoch noch nicht Gelegenheit gehabt, die Richtigkeit dieser Ver- muthung zu prüfen. Jedenfalls sind es die Oosporen, durch welche die Speeies im austrocknenden Sumpfe sich erhält, und vermuthlich auch mit dem Staube in neu gebildete Tümpel gebracht wird, da die beweglichen Coenobien das Austrocknen nicht vertragen. Die einzigen Beobachtungen über Keimung der Oosporen von Volvox hat Cienkowski in einer im Jahre 1856 erschienenen russischen Schrift über Infusorien und niedere Algen beschrieben, in welcher er die ersten Keimungszustände abbildet (Tab. VI. Fig. 8—11). Hiernach scheint sich der Inhalt der Spore in 8 später ausschwär- mende Kugeln zu theilen. So viel über die Entwiekelung des monöcischen Volvox; bereits in meiner ersten Notiz von 1856 hatte ich denselben mit dem von Alters her berühmten Volvox Globator L. identifieirt. Stein hatte im Jahre 1854 ausgesprochen, dass Volvox Globator, den er für ein Infusions- thierchen hält, Ruhezustände besitzt, indem einzelne Individuen des Volvoxstockes sich vergrössern und in eine feste sternförmige Cystenwand einkapseln; solche Stöcke mit sternförmigen Cysten seien es, welche Ehrenberg als Volvox stellatus abgetrennt habe; Ehrenberg bilde allerdings bei seinem Volvox stellatus nur 12 Cysten ab, er selbst habe nie weniger als 30—40 gefunden'). Schon. 1847 hatte Focke den Ausspruch gethan, dass Volvox stel- latus bei genauerer Verfolgung der Uebergänge wohl nur als Varietät des Volvox Globator erkannt werden dürfte ?). Nachdem ich festgestellt, dass die sternförmigen Kugeln des Volvox stellatus Ehr. nicht encystirte Individuen, sondern geschlecht- lich erzeugte Oosporen des Volvox Globator seien, konnte ich noch eine zweite von Ehrenberg’s scharfsichtigem Auge zuerst unter- schiedene, jedoch als selbstständige Gattung und Art abgetrennte Form in den Entwickelungskreis des Volvox Globator ziehen; es ist dies Sphaerosira Volvox Ehr., welche nach der Abbildung sich nunmehr mit Sicherheit als eine geschlechtliche Volvoxkugel mit !) Stein, die Infusorien auf ihre Entwickelungsgeschichte untersucht, Leipzig, 1854 p. 46. ?2) Focke, Physiologische Studien, Heft I. 1847 p. 32. 106 zahlreichen Antheridien und Oogonien deuten liess. Allerdings giebt Ehrenberg an, dass die einzelnen Zellen seiner Sphaerosira nur eine Geissel, nicht zwei besitzen, ‚wie Volvox; und Perty stimmt ihm hierin bei, während Dujardin bei Volvox Globator nur eine Geissel findet; ich zweifle jedoch nicht daran, dass diesen Angaben nur leicht verzeihliche Beobachtungsfehler zu Grunde liegen, da alle Volvocineen zwei Geisseln führen. Als Charakter des Volvox (flobator L. stellen sich nunmehr folgende Merkmale heraus: dass die kugelförmige Zellfamilie entweder 8 geschlechts- lose Fortpflanzungszellen (Parthenogonidien) enthält, aus denen durch wiederholte Zweitheilung eben so viel Tochterkugeln hervorgehen; oder dass in der Zellfamilie gleichzeitig zahlreiche männ- liche und weibliche Zellen (Andro- und Gynogonidien) auftreten, von denen die ersteren sich zu Antheridien mit je einem ein- geschlossenen, später sich trennenden Spermatozoenbündel, die letzteren sich zu Oogonien mit je einer Befruchtungskugel (Oosphaere, Ei) entwickeln (Sphaerosira Volvox Ehr.); dass die Befruchtung, in Folge des Ausschwärmens der Spermatozoen durch die sich verflüssigende Antheridienwand und Eindringen derselben in die ebenfalls aufquellende Oogonien- wand bis zu den Befruchtungskugeln, innerhalb der nämlichen Zellfamilie stattfindet (monöcische Zellfamilien); dass die reifen Oosporen mit einem dicken gallertartigen Endospor und einem sternförmigen Epispor umhüllt sind (Vol- vox stellatus Ehr.). Neben dem monöcischen Volvox finden sich und zwar meist in denselben Tümpeln wie jener, auch diöcische Coenobien, die, wie ich schon in meiner ersten Mittheilung von 1856 hervor- hob, entweder einer Varietät oder vielleicht einer besonderen Species angehören. Hier entwickeln sich die weiblichen Zellen, aus denen Oosporen werden, und die männlichen, aus denen Spermatozoiden- bündel hervorgehen, nicht in denselben, sondern in verschiedenen Coenobien, und die Sporen dieser Form sind nicht sternförmig, son- dern glatt, ferner die kugeligen Zellfamilien kleiner!). Stein hatte in seinem oben eitirten Aufsatze schon 1854 einen kleineren Volvox zuerst als selbstständige Art unter dem Namen Volvox minor unterschieden. Als Charakter desselben führt er auf, !) Jahresbericht der Schles, Gesellschaft für vaterl. Cultur für 1856 p. 82. 107 dass die Zahl der Tochterfamilien nicht wie bei Volvox Globator constant 8, sondern unbeständig (1—9), am häufigsten aber 4 sei; ferner sei die Zahl der „eneystirten“ Individuen geringer (meist 4, selten 1, 3, 5, 6, 8). Die Cysten selbst seien von einer inneren dieken, gallertartigen, den Inhalt dicht umschliessenden, und von einer äusseren, abstehenden, elastischen, ebenfalls ganz glatten Wand eingeschlossen. Ehrenberg hatte 1831 Volvoxstöcke mit glatten Cysten als eine selbstständige Species, Volvox aureus Ehr., abgetrennt, jedoch die übrigen Charaktere des Stein’schen Volvox minor nicht berücksichtigt, so dass die Identität des V. aureus Ehrh. und V. ‚minor Stein nicht ganz zweifellos ist. Focke hatte 1847 Volvox aureus als Varietät von Volvox Globator aufgefasst, Laurent 1848 die rothen glatten Kugeln als Sporen des Volvox Globator bezeichnet !). Wenn die geringere Grösse der Familien, die kleinere Zahl der sterilen und Fortpflanzungszellen, die glatte Contur des Epispor, die etwas abweichende Gestalt de Familien und Gonidien es zweifel- haft lassen, ob Volvox minor Stein, den ich auch bei Breslau mehrfach neben dem grösseren Volvox Globator beobachtet habe, als eine Varietät des letzteren oder als eine besondere Species anzusehen sei, so tritt nunmehr als wesentliches Merkmal der von mir zuerst beob- achtete Charakter der Diöcie hinzu. Diese lässt sich um so leichter constatiren, als ja schon an den in einer Volvoxkugel eingeschlosse- nen Tochterfamilien die Geschlechtszellen unterscheidbar sind. In der Regel besitzen auch sämmtliche in einem Coenobium entwickelte Tochterkugeln das nämliche Geschlecht; doch habe ich einmal in einer Kugel des Volvox minor drei Tochterkugeln mit Oogonien und eine mit jungen Antheridien gleichzeitig eingeschlossen gefunden. Einmal fand ich eine Kugel des Volvox minor, in welcher sich ausser 4 geschlechtlos erzeugten Tochterfamilien auch ein Paar Spermatozoidenbündel entwickelt hatten. Dies ist eine Ausnahme des sonst bei Volvox allgemein herrschenden Gesetzes des Gene- rationswechsels, wonach eine Familie mit ungeschlechtlicher Fort- pflanzung keine geschlechtlichen Zellen hervorbringt, sondern geschlechtliche und geschlechtslose Fortpflanzung verschiedenen Generationen eigen sind. In welcher Weise die Befruchtung bei Volvox minor stattfindet, habe ich nicht direet beobachten können. Ohne Zweifel müssen die Spermatozoiden aus den männlichen Coenobien ausschwärmen !) Laurent, Z’Institut 1848 no. 754 (nach Perty eitirt). 108 und in die weiblichen Kugeln eindringen, um die Oosporen in den letzteren zu befruchten. Einmal beobachtete ich eine im Wasser frei schwimmende Blase, in deren Innerem sich ein Spermatozoid lebhaft bewegte; es schien, als sei eine männliche Zelle (Antheridium) als geschlossene Cyste aus der Mutterkugel ausgetreten und erst im Wasser von den Spermatozoiden verlassen worden. Charakte- ristisch schien mir auch, dass die Spermatozoidenbündel des Volvox minor aus einer kleineren Zahl von Körperchen (ieh zählte einmal nur 32) zusammengesetzt sind, als die von V. Globator; Oosporen fand ich meist 8, doch auch 6—10. Ausführliche Beobachtungen über die geschlechtliche Fortpflanzung von Volvox verdanken wir dem um die Erforschung der mikrosko- pischen Organismen von Bombay hoch verdienten Carter. Dieser hatte, nachdem er schon im Jahre 1858 die geschlechtliche Fort- pflanzung einer anderen Volvocinee (Eudorina elegans) im Zusammen- hange festgestellt"), bald darauf auch meine Beobachtungen über die geschlechtliche Fortpflanzung von Volvox in ihrem ganzen Ver- lauf wiederholt und durch eine zwar nur skizzirte, aber charakte- ristische Abbildung erläutert ?). Da jedoch Carter nur einen unvoll- ständigen Auszug meiner Beobachtungen aus dem Jahre 1856 vor sich hatte, so nahm er irrthümlich ein Zusammenwerfen des monö- eischen und diöcischen Volvox von meiner Seite an und entwickelte deshalb, in der Absicht mich zu berichtigen, deren Unterschiede in einer solchen Weise, dass gerade die unabhängige Bestätigung meiner Untersuchungen aus einem anderen Welttheile für die Rich- tigkeit derselben Gewähr leistet ?). Carter unterscheidet die monöeische Art mit sternförmigen Sporen, welcher er den Ehrenberg’schen Namen des Volvox stel- latus giebt, durch die Entwickelung von 80-100 Geschlechtszellen in einer Familie, von denen 4 und mehr zu Spermatozoen- bündeln, die übrigen zu Oosporen mit sternförmiger Membran sich gestalten. Von der zweiten diöcischen Art giebt Carter an, dass die weib- lichen Familien 30 bis 50 Befruchtungskugeln einschliessen, welche !) Carter, on the fecundation in Eudorina elegans and Oryptoglena, Annals of natural history 3. ser. 2. 1858. Octob. p. 237. Pl. VII. ?) Carter, on the two Volvoces and their specific differences. Annals of natural history 3, ser. 3. 1859 Jan. p. 1. Pl. 1. *) Volvox ist eine kosmopolitische Gattung, und nicht blos in ganz Europa, sondern auch in Afrika (am Nil), Asien (Bombay) und Nord-Amerika (Massa- chusets) gefunden worden. 109 eine dicke Kapselmembran mit schwach welligem Umriss erhalten und dadurch zu Sporen werden, während in den männlichen Familien gegen 100 Spermatozoenbündel sich entwickeln; da Carter die- selben niemals frei beobachtete, weder in der Volvoxkugel selbst, noch ausserhalb derselben, so nahm er an, dass die geschlechtsreifen Spermatozoiden aus ihrer Blase zunächst in die Centralhöhle ihrer Mutterkugel ausschwärmen, von hier nach aussen in’s Wasser dringen, endlich in die Höhle einer weiblichen Volvoxfamilie und in’s Innere der Oogonien sich Eingang verschaffen. Die männlichen Familien fand Carter nur halb so gross als die weiblichen. Carter bezeichnete den diöcischen Volvox als V. Globator Ehr., was nur zur Verwirrung führen kann; ich würde diese Art jedoch mit dem von Stein und mir beobachteten Volvox minor unbedenklich für identisch halten, mit dem sie in wesentlichen Charakteren (Diöcie, glatte Oosporen) übereinstimmt, wenn nicht Carter die Zahl der Geschlechtszellen so gross angäbe, wie wir sie bei V. minor nie gefunden haben. Ein drittes Merkmal jedoch, welches Carter für den diöcischen Volvox anführt, erregt in mir Bedenken, ob hier nicht eine Verwechselung seinerseits zu Grunde liegt; Carter giebt nämlich an, dass während die 8 geschlechtslosen Fortpflanzungszellen der monöcischen Art sich zu theilen beginnen, sobald sie zwei- bis dreimal grösser als die sterilen Zellen (5,5 Zoll = 9 u) ge- worden, dieselben bei der diöcischen Art sich mit Stärkekügelchen und Chlorophyll! füllen und eine neunmal bedeutendere Grösse (355 Zoll = 85 u) erreichen, bevor sie sich theilen, bis dann plötzlich eine Umordnung des Inhalts in ihnen eintreten, und dieser sich in eine Kugel mit peripherischen bewimperten Zellen umbilden soll. Ein solcher Vorgang steht aber im Widerspruch mit Allem, was wir über die Theilungsvorgänge bei Volvox und den verwandten Gattungen wissen; ich erkläre mir Carter’s Angaben dadurch, dass derselbe die niemals segmentirten Oosphären des Volvox minor wegen ihrer geringen Zahl (8 nach der Abbildung) fälschlich als Mutterzellen geschlechtslos erzeugter Tochterfamilien gedeutet, im Uebrigen aber beide Species von einander nicht scharf unterschieden hat. Hiernach möchte ich Carter’s Volvox stellatus für unseren Volvo: Globator, dagegen Volvox Globator Carter für Volvox minor Stein erklären; möglich, dass Carter eine eigene Species vor sich hatte. Rabenhorst in seiner Flora europaea Algarum aquae dulcis et submarinae (Sectio Ill. 1868) trennt zwar unter Zugrunde- legung meiner Beobachtungen Volvox Globator L. und minor Stein, verwechselt aber die unterscheidenden Charaktere insofern, als er r ’ 110 Volvox Globator irrthümlich als diöcischh V. minor als monöeisch aufführt, während das Gegentheil richtig ist. Da nun einmal in der Nomenelatur eine nicht immer lösbare Ver- wirrung eingetreten ist, so möchte es sich empfehlen, die alten Namen ganz fallen zu lassen, und nach dem charakteristischen Merkmale a) Volvox monoicus (V. Globator Ehr. 1831, Cohn 1856; V. stellatus Ehr. 1831, Carter 1858), b) Volvox dioieus (V. minor Stein 1854, Cohn 1856; V. aureus Ehr. 1831; V. Globator (?) Carter 1858) zu unterscheiden. Vielleicht kann man, da zur Sicherstellung der beiden meist gleichzeitig unter einander vorkommenden Formen als speeifisch getrennter Arten noch weitere Beobachtung erforderlich scheint, beide für jetzt als zwei Subspecies des alten Linn&’schen Volvox Globator auffassen. | Wenden wir uns schliesslich noch zur Untersuchung der Frage, inwieweit die hier entwickelten Verhältnisse auch für andere Gat- tungen aus der Familie der Volvocineen Geltung haben, so tritt uns zunächst die zierliche Eudorina elegans entgegen, bei welcher ich schon im Jahre 1856 das Vorkommen von Spermatozoenbündeln angezeigt habe '); aber erst Carter gab 1858 deren vollständige Ent- wiekelungsgeschichte, indem er ihre Entstehung aus den 4 vorderen Zellen (Androgonidien) eines ovalen, 32zelligen monöecischan Coenobiums nachwies, welche demzufolge zu Antheridien sich entwickeln; die 28 übrigen Zellen sind Gynogonidien und werden zu Oogonien ?). Die 4, aus je 64 Segmenten bestehenden Bündel lösen sich bei der Geschlechtsreife in die einzelnen Spermatozoiden auf, welche einen ausserordentlich plastischen, euglenaartig contractilen, bald verlängert- spindelförmigen, bald verkürzt-birnförmigen, hellgrünen Plasmakörper mit farblosem Schnäbelehen, rothem Pigmentfleck und zwei Flimmer- geisseln besitzen. Nachdem die von einer Zellmembran eingeschlos- senen, kugeligen Oosphären durch die im nämlichen Coenobiums frei umherschwärmenden Spermatozoiden befruchtet sind, werden sie, wie ich selbst beobachtet, zu rothen Oosporen mit glattem Epispor. In auffallender Weise abweichend verhält sich dagegen eine mit Eudorina elegans nahe verwandte, und mit dieser oft verwechselte Volvocineengattung, Pandorina Morum, deren sexuelle Fortpflan- zung erst 1869 durch Pringsheim°) festgestellt worden ist. Die !) Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft 1856 p. 83. ?) Annals of natural history 3. ser. 2. 1858. ®) Pringsheim, Ueber Paarung von Schwärmsporen, die morphologische Grundform der Zeugung im Pflanzenreiche. Berlin 1869, ı1l 16zelligen Coenobien dieser Pflanze sind entweder geschlechtslos, indem sämmtliche Zellen sich als Parthenogonidien verhalten und Tochterfamilien gleicher Art aus sich hervorgehen lassen. Oder die Coenobien sind geschlechtlich; letztere entstehen in geschlechtslosen Zellfamilien, indem die 16 Zellen sich in der Regel jede nur in 8 Segmente theilen und dadurch jungen Tochterfamilien den Ur- sprung geben, welche entweder männliches oder weibliches Geschlecht besitzen. Die geschlechtlichen Familien lösen sich in ihre einzelnen Zellen auf, welche als Schwärmsporen sich selbstständig bewegen; je zwei Schwärmsporen, aus Familien verschiedenen Geschlechts ab- _ stammend, nähern sich, berühren sich an der farblosen Stelle (Schnäbelchen, Keimfleck) und verschmelzen nach mehreren Minuten zu einer einzigen grünen Kugel, welche unter Röthung ihres Inhalts sich als Oospore verhält und erst nach längerer Ruhe bei der Keimung neue Pandorinen hervorbringt. Dieser Vorgang, von Pringsheim als Paarung von Schwärmsporen bezeichnet, weicht von der bei Volvwox und Kudorina stattfindenden ‚Befruch- tung durch den Mangel einer erkennbaren Differenzirung der sich paarenden Schwärmer ab, da diese weder von den gewöhnlichen Schwärmzellen sich unterscheiden, noch unter einander irgend welehe Unterschiede, nicht einmal constante Grössenverschieden- heiten zeigen. Schon Pringsheim knüpfte die Paarung der Schwärmsporen zunächst an die Copulation der Zygnemeen an; Sachs in der neuesten Auflage seines Lehrbuches der Botanik ') hat aus diesem Grunde die Familie der Volvoeineen in die Klasse der Zygosporeen gestellt, in welcher sie neben den Myxomyceten, Mucoraceen, Zygnemaceen und Diatomaceen als eine „durch Paarung beweg- licher grüner Zellen‘ charakterisirte Gruppe angereiht werden. Diese Stellung scheint mir nicht natürlich. Es ist ein in der Syste- matik anerkannter Satz, dass der Platz, welchen eine Pflanzenfamilie im natürlichen System einnimmt, nicht nach den unvollkommeneren, sondern nach den Gattungen mit vollkommenster Entwickelung zu beurtheilen ist”). Nun ist aber in den Gattungen Volvox und Eu- dorina der sexuelle Charakter ganz in der nämlichen Weise aus- geprägt, wie bei denjenigen Algen, welche wir in die Klasse der Oosporeen vereinigt haben; es lässt sich kein grösserer Geschlechts- !) Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1374 p. 258. 2) Aus diesem Grunde wird z. B. Fraxinus excelsior unter die Monopetalae, Anemone unter die Polypetalae eingereiht. 112 unterschied denken, als zwischen den Oogonien von Volvox mit ihren ungetheilten, kugeligen, durch bedeutende Grösse sieh aus- zeichnenden Eizellen — und den Antheridien, in denen in Folge oft wiederholter Segmentation die kleinen, lebhaft beweglichen, plastisch contractilen Spermatozoiden sich entwickeln; während die Eizellen am Orte ihrer Bildung verharren und hier zu Oosporen ausreifen, schwärmen die Spermatozoiden aus der Stätte ihrer Ent- stehung aus und dringen, durch eine, wie bei allen Spermatozoiden völlig räthselhafte Kraft getrieben und dirigirt, zu den Eizellen vor, obwohl diese, selbst im nämlichen Coenobium durch Membranen abgeschlossen, in anderen Fällen sogar in getrennten Coenobien erzeugt sind. Die Uebereinstimmung aller sexuellen Verhältnisse bei Volvox und Eudorina mit Sphaeroplea auf der einen und mit Fucus auf der anderen Seite ist so einleuchtend, dass eine Vertheilung dieser Algen in zwei verschiedene Klassen als unnatürlich erscheinen muss und die Stellung aller dieser Gattungen in der nämlichen Abtheilung der Oosporeen wohl nicht bezweifelt werden kann. Es ist allerdings noch verfrüht, aus den Vorgängen bei Volvox durch Generalisiren allgemeine Schlüsse über den Familiencharakter der Volvocineen überhaupt zu ziehen, so lange die Vorgänge bei Ohlamydococcus, Stephanosphaera und Gonium nicht durch neue Untersuchungen vollständig ins Klare gestellt sind. Dennoch meine ich, dass auch die sexuelle Fortpflanzung bei Pandorina sich ohne Zwang als Bildung von Oosporen auffassen lässt, hervorgegangen aus der Verschmelzung einer Oosphaere und eines Spermatozoids, welche allerdings bei .dieser Gattung unter einander bei weitem geringere Verschiedenheiten zeigen, als dies in den vollkommeneren Gattungen der Fall ist. Pringsheim selbst spricht stets von männlichen und weiblichen Zellfamilien und Schwärmern, von denen die letzteren in der Regel durch ihre bedeutendere Grösse von den ersteren unterschieden sind'). Pringsheim legt allerdings ein besonderes Gewicht darauf, dass bei Pandorina die Befruchtungskugeln nicht, wie gewöhnlich, unbewegte, sondern bewegliche Primordialzellen sind, und es soll die Bedeutung dieser schönen Entdeckung, welche viele früher dunkle Vorgänge in ein helles Licht setzt, nicht verkannt werden. Ob aber gerade in der Familie der Volvocineen, wo selbst die vegetativen Zellen sich wie Schwärmsporen verhalten, in der Be- !) S. Anmerkung ?®) p. 110. 113 weglichkeit der Oosphaeren ein die Fortpflanzung wesentlich modi- fieirendes Moment zu erkennen ist, würde sich erst dann beurtheilen lassen, wenn wir über die ursächlichen Verhältnisse, welche in gewissen nackten Primordialzellen spontane Bewegungen erregen, klarere Kenntniss besässen. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass alle geschlechtliche Befruch- tung im Reiche der Kryptogamen auf der Paarung von — wenn auch nicht Schwärmzellen — so doch von nackten Primordialzellen beruht, und dass insbesondere im Reiche der Thallophyten von den an Masse, Gestaltung und Inhalt völlig gleichartigen Plasmakörpern copulirter Zygnemeen und Desmidiaceen bis zu den durchaus ver- schieden entwickelten Oosphaeren und Spermatozoiden alle möglichen Zwischenstufen sich nachweisen lassen. Ich möchte hieraus den Schluss ziehen, dass Zygosporeen und ÖOosporeen nicht, wie ich selbst früher angenommen habe'), als zwei getrennte Hauptklassen der Thallophyten, sondern nur als zwei Unterabtheilungen der näm- lichen Klasse (Gamosporeae) gelten dürfen, deren wesentlicher Charakter auf der Erzeugung $geschlechtlich befruchteter Sporen beruht, während in dem Grade der sexuellen Differenzirung ein stufenweiser Fortschritt in mannigfachen Uebergängen sich ver- folgen lässt ?). Den Gamosporeae tritt als zweite Hauptklasse der Thallophyten die Gesammtheit aller derjenigen Familien gegenüber, bei denen aus der Vereinigung der beiden Geschlechtszellen nicht eine ein- zellige Spore, sondern der zusammengesetzte Körper einer Frucht hervorgeht, und die wir daher als Gamocarpeae oder mit Sachs als Carposporeae bezeichnen können. Aber auch in dieser Klasse wird die Befruchtung bald durch Samenkörperchen (Spermatien) vermittelt, welche sich von dem männlichen Organ (Spermogonium) ablösen und durch active oder passive Bewegung dem Scheitel des weiblichen Organs (Carpogonium) zugeführt werden; .bald durch Copulation, wenn die männliche Zelle des Pollinodium durch Spitzenwachsthum mit dem Scheitel des weiblichen Carpogonium !) Cohn, Conspeetus familiarum eryptogamicarum secundum methodum natu- ralem dispositarum, Hedwigia 1872 p. 18; ausführlicher im Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1871. Bot. Sect. p. 25. 2) Auch die von Sachs in eine besondere Klasse (Protophyta) einge- schobenen Palmellaceen dürfen mit dem grössten Theil der bisher noch bei den Infusorien belassenen Flagellaten meines Erachtens nicht aus der Nähe der Volvocineen getrennt werden, mit denen sie unverkennbare Verwandt schaftsbeziehungen zeigen. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft III, er 114 in Berührung kommt, und in dieses unmittelbar ihr befruchtendes Plasma ergiesst. Beide Befruchtungsweisen sind auch in der Klasse der Gamocarpeae durch so viele Uebergänge verbunden, dass eine Begründung natürlicher Ordnungen auf diese Unterschiede nicht zu- lässig ist, und die Art und Weise der Befruchtung daher nur seeundäre Charaktere zu bieten. scheint. Denn wenn auch bei den Florideen, und wie es scheint, auch bei Uredineen, Tremellinen und llymenomyceten bis jetzt nur Befruchtung durch Spermatien beobachtet ist, so finden sich doch bei den Ascomyceten Familien mit Spermo- gonien (Zichenes etc.) in unmittelbarer Nähe von solchen mit Pollinodien (Pezizeae, Sordaria, Erysiphaceae, Penicillium). Scharf ist dagegen die Scheidung bei den höheren Kryptogamen (Moose, Gefässkrypto- gamen), wo die Befruchtung ausschliesslich durch Samenkörperchen stattfindet, und bei den Phanerogamen, wo die Spermatozoiden gänz- lich fehlen, und die Befruchtung durch Pollenschläuche eine gewisse Analogie mit der Copulation der Pollinodien zu bieten scheint. Figuren -Erklärung. Tafel 1. Vergrösserung von Fig. 1 = 250, von 2, 3 = 400, von 4, 5, 6, 7 = 800. Fig. 1. Big, 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Eine kugelförmige Zellfamilie von Volwox Globator L. (monoicus) geschlechtliches Coenobium: a, a?, a3, a* männliche Zellen (Andro- gonidien), zu Antheridien mit Spermatozoidenbündeln entwickelt, a von oben, a? von der Seite gesehen, a3 die Bündel in die einzelnen Spermatozoiden aufgelöst; a® ein Antheridium, fast ganz entleert, nur wenige Spermatozoiden sind in der Mutterblase zurückgeblieben; b, b, b... weibliche Zellen (Gynogonidien), zu Oogonien entwickelt; b? mit Vacuolen im Innern; bei b3 haben sich die Spermatozoiden aussen an die Gallerthülle des Oogoniums angesetzt; einzelne Sper- matozoiden bewegen sich in der Centralhöhle des Coenobiums. Befruchtung einer Oogonie, die Oosphaere (Befruchtungskugel) von Spermatozoiden umschwärmt, welche die Gallertmembran durchbohrt haben; bei *** haben sich drei Spermatozoiden mit ihrem Körper an die Oosphaere angelegt, ihr Hals macht wurmförmige Bewegungen. Unreife Oospore; das sternförmige Epispor ist schon ausgebildet, das gallertartige Endospor beginnt erst sich zu bilden. Spermatozoidenbündel, noch ‚ungetrennt, im Innern der Antheridie rotirend. Spermatozoiden, isolirt und lebhaft bewegt, mit contraetilem und flexilem Hals; a ein im Wasser hydropisch angeschwollenes Sper- matozoid. Spermatozoiden durch Jod getödtet, zeigen die Anheftung der Geisseln deutlich. Ein Segment aus der Peripherie einer Volvoxkugel; a eine Fort- pflanzungszelle; b drei sterile (vegetative) Zellen; e stäbehenförmige Segmente aus der Peripherie einer sehr jungen Zellfamilie (halb- schematisch). au 5* Hr 2 a en Dr ee re da a ad Se de y ’ ’ = “ i Er) u 3.7 L 3 w _ N 5 F iu Br q u i - e u ei w ri u Pe N > =.” EW% = di ‘ ni x h uR?7 £ e s f f “ Ö PN f: S ee; e Er as ’ St ee re a N} Pr Be PL, vi u > a N er 33 PEIETE at TREE ET Er rt NAEH Kr ER: Kyep Re Pi j ” RR > iz TR. NO TGERSEAnGE KaRSaT RT BEN en x ji KG Eh. u. SEN 2 15 ee ht ae Wehe Hrn ri ot Erin; 2 DT, .& HET wir td RE RAR N: 22 St! 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Die bis jetzt mitgetheilten Angaben beschränken sich im Wesentlichen auf die Untersuchungen von Milde'), Hofmeister?) und Duval-Jouve°), differiren aber zum Theil gerade in den wichtigsten Punkten, wie z. B. in der Ent- wickelungsgeschichte der Antheridien, des Embryo’s u. s. w. Indem also weitere Untersuchungen zur Klarlegung dieser Verhältnisse durchaus wünschenswerth waren, unternahm ich es, die dazu erfor- derlichen Culturen anzustellen. Ich säete daher am 27. April v. J. Sporen von Equisetum arvense, und Ende Juni die von E. palustre aus. Die nachstehenden Erörterungen beziehen sich jedoch nur auf Equisetum arvense. Um möglichst allen Eventualitäten vorzubeugen, und das Gelin- gen besagter Culturen zu sichern, wurden die Aussaaten an drei verschiedenen Orten bewerkstelligt, nämlich im Berliner pflanzen- physiologischen Institut, im botanischen Garten der Universität und in meiner Wohnung. Gemäss den Angaben und Erfahrungen Hof- meisters*) wurde auch dafür Sorge getragen, die Oberfläche der Aussaat-Töpfe uneben zu machen und ausserdem wurde als Substrat nicht allein Gartenerde, sondern auch Sand angewendet. Besonders 1) Nova acta Acad. Leopold. nat. cur. vol. XXIII. P. II. pag. 615 ff. 2) Vergleichende Untersuchungen 1851 pag. 89 fl. und Beiträge zur Kenntniss der Gefässeryptogamen in den Abhandlungen der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften 1352 pag. 168 ff. 3) Histoire naturelle des Equisetum. (Paris 1364.) 4) ]. c. pag. 169. 115 auf letzterem gediehen im Anfange die Culturen allem Anscheine nach recht gut, so dass Hoffnung war, das für die Untersuchung gewünschte Material zu erhalten. Weniger geeignet für die Bedin- sungen der Keimung erwies sich die reine Gartenerde. Etwa zwei Wochen nach der Aussaat, am 15. Mai, bemerkte jedoch mein Freund, Prof. L. Kny, an den im pflanzenphysiologischen Institut zu Berlin angestellten Culturen, dass ein Theil der bis dahin gut gediehenen Prothallien des Zguisetum arvense eine hellbraune Färbung zeigte, verbunden mit der Neigung, die bisher verfolgte aufrechte Wachsthumsrichtung aufzugeben und sieh der Oberfläche des Sub- strates anzulegen. Diese Erscheinung wurde jedoch ausschliesslich nur an solchen Vorkeimen beobachtet, welche auf Sand ausgesäet waren, die übri- sen, auf Gartenerde ausgesäeten, hatten sich vollständig frisch erhal- ten, und gediehen allem Anschein nach ganz vortrefflich. Eine nähere Untersuchung zeigte nun sehr bald, dass das Mycelium eines Pilzes, der, wie die weiteren Mittheilungen zeigen werden, in die Familie der Saprolegnieen gehört, die Ursache dieser Wachsthumshem- mung war, und damit verbunden auch das Zugrundegehen der von ihm befallenen Prothallien bewirkte; der Art, dass dieselben gänzlich verschwanden, ohne irgendwelche, dem unbewaffneten Auge erkenn- baren Ueberreste zurückzulassen. Es war leider nicht möglich, die Entwickelungsgeschichte dieses Pilzes in aller Vollständigkeit, wie sie wohl wünschenswertli gewe- sen wäre, zu beobachten; immerhin jedoch war das Untersuchungs- material ausreichend, eine grössere Klarheit zu gewähren in einigen besonders kritischen Punkten der Befruchtungstheorie dieser Familie. Da es ausserdem zum mindesten sehr unsicher ist, ob mir Gelegen- heit gegeben werden wird, diesen interessanten Schmarotzer noch- mals zu untersuchen, so theile ich im Nachfolgenden meine darauf bezüglichen Untersuchungen in einer vollständigeren Form mit, als es mir bei dem mündlichen Vortrage') in der Sitzung des Berliner botanischen Vereins möglich war. Auch Milde berichtet in seiner Entwickelungsgeschichte der Equiseten und Ichizocarpeen ?), dass gegen Ende des April das Myce- lium eines Pilzes, welches sich sehr rasch verbreitete, alle Vorkeime des Equisetum arvense zerstörte und-so seinen weiteren Beobachtungen ein Ende machte. Es scheint mir kaum zweifelhaft, dass Milde’s !) Vergl. Sitzungsberichte des botanischen Vereins für die Provinz Branden- burg vom 28. August 1874. pag. 116 ff. 2) l. c. pag. 641. 119 Culturen, obwohl bedeutend weiter entwickelt, demselben Pilz erla- gen, durch welchen auch die meinigen zu einem grossen Theile zer- stört wurden. Auch in meinen Culturen verbreitete sich der Pilz sehr rasch und durchzog die jungen Vorkeime mit einem dichten Fadennetz. Zuerst wurden hiervon die Wurzelhaare betroffen, und steht hiermit die Erscheinung im Zusammenhange, dass die Prothallien eine auffallende Neigung gegen die Bodenoberfläche erkennen liessen. Es wurde an einer grossen Anzahl von Vorkeimen festgestellt, dass die Wurzelhaare bereits mit viel Mycelfäden angefüllt waren, während in den Zellen des Vorkeims noch nichts davon zu sehen war. Nimmt man hierzu die Thatsache in Erwägung, dass die auf Gartenerde erzogenen Vorkeime nichts von einer Erkrankung zeig- ten, obgleich sie in demselben Topfe, wie die auf Sand erzogenen und erkrankten sich befanden (die Aussaattöpfe waren nämlich so eingerichtet, dass die Oberfläche derselben zur Hälfte von gewöhn- licher Gartenerde, zur anderen Hälfte von einer Lage Sand gebildet wurde), so liegt die Vermuthung nicht fern, dass das Substrat die Keime des Pilzes in sich getragen habe und dass von diesem die Infeetion ausgegangen sei. Eine darauf bezügliche direete Beobach- tung gelang nicht, obwohl behufs derselben mehrfache Versuche gemacht wurden; dagegen gelang es stets, gesunde Vorkeime zu infieiren. Um zunächst sicher zu gehen, dass die für den Infieirungs- Versuch verwendeten Vorkeime vollständig gesund seien, wurden die- selben nur solchen Aussaattöpfen entnommen, auf welchen die in Rede stehenden Erkrankungs-Erscheinungen nicht wahrgenommen worden waren; alsdann wurden diese Vorkeime einer genauen mikro- skopischen Untersuchung unterzogen, und erst, wenn dieselbe ergeben hatte, dass sie völlig gesund seien, für den Versuch selbst ver- werthet. Es wurde nun je ein auf diese Weise als gesund erkann- ter Vorkeim entweder auf einen Objectträger oder in ein mit Wasser zum Theil angefülltes Uhrgläschen gebracht, in welchem sich seit einigen (meist ec. 24) Stunden ein zweiter, aber erkrankter Vorkeim befand. In Wasser gebracht liessen nämlich die erkrankten Vor- keime ein bedeutend schnelleres Wachsthum des Pilzes erkennen, welches sich besonders dadurch auszeichnete, dass die einzelnen Mycelfäden die Zellwände des Vorkeims oder dessen Wurzelhaare durchbohrten (Fig. 1, 2 und 3) und im Wasser sich weit verzweig- ten. Das Mycelium umgab daher den Vorkeim ringsum und erschien wie ein dichter Schleier; es war somit auch ein Leichtes, einzelne Theile eines solchen Myceliums loszutrennen. 120 Solche abgelöste Theile des Myceliums wurden ebenfalls in. der oben schon beschriebenen Weise mit gesunden Vorkeimen zusammen- gebracht. Die Enden der im Wasser sich mehr und mehr ansbrei- tenden Mycelfäden durchbohrten, sobald sie an den gesunden Vor- keim gelangten, dessen Zellwände, und drangen in das Innere der Zellen ein, um daselbst in gleicher Weise, wie in den erkrankten sich weiter und weiter auszubilden. Brachte man einen solchen, also künstlich infieirten Vorkeim wieder mit einem gesunden zusam- men auf einen Objectträger, so wiederholte sich sehr bald der oben beschriebene Process, auch dieser Vorkeim wurde infieirt und zeigte für weitere noch gesunde Vorkeime dieselbe Infectionskraft, wie die- jenigen, welche als erkrankte von den Töpfen entnommen waren. Indem somit einestheils die Infeetionskraft der Mycelfäden bewiesen war, konnte es nun auch als sicher gelten, dass der Pilz die Erkran- kung direct hervorgebracht habe, und nicht wie in einigen anderen Fällen, nur in den durch andere Ursachen erkrankten Pflanzen das für seine Entwiekelung besonders günstige Substrat gefunden habe. Die Durchbohrung der Zellwände durch die Mycelfäden geschieht sowohl beim Austreten aus den Zellen des Vorkeims, als beim Ein- treten in dieselben in gleicher Weise. Ein Mycelfaden schwillt an seinem Ende etwas an und spitzt sich alsdann konisch zu; sodann treibt er einen engen Fortsatz durch die Zellmembran hindurch, erst nachher wieder seine ursprüngliche Dieke annehmend. Später freilich, nachdem der Faden schon längst durchgedrungen ist, wird die Verengung desselben an der Stelle, wo er die Zellwand durch- brochen hat, sehr oft immer mehr und mehr undeutlich und weitet sich aus, so dass es endlich erscheint, dass der Faden auch während des Durchbruchs durch die Zellwand seine Dickendimension nie geändert hätte. Achnliche Erscheinungen zeigen auch sonst vielfach andere Pilzarten bei dem Durchbohren eines Mycelfadens durch eine Zellmembran. Bei Pythium de Baryanum') dage- gen findet nach den Mittheilungen Hesse’s keine Verengung des Mycelfadens an der Stelle statt, wo er die Zellwand durchbrochen hat. Hesse giebt daselbst ausdrücklich an, dass der Fortsatz, den das angeschwollene Ende des Myceliumzweiges bildet, nahezu von der Dicke desselben sei. Im Wesentlichen jedoch stimmen die Angaben Hesse’s mit mei- nen Beobachtungen überein, indem durch dieselben die Inficirungs- ') Pythium de Baryanum, ein endophytischer Schmarotzer.: Aufgefunden und beschrieben von Dr. Rudolph- Hesse. Halle a/S. 1874. 121 kraft der rein vegetativen Theile des Myceliums ebenfalls durch Versuche bewiesen wird; Hesse kommt zu demselben Resultat, wie ich es auch schon ausgesprochen hatte '!), dass die Infieirung nur von dem Substrat, in welchem die Pflanzen ausgesäet waren, herrühren könne. Es sei übrigens hier noch bemerkt, dass bei den Infieirungsversuchen, welche ich anstellte, die Zellen des Vorkeims in gleicher Weise wie die der Wurzelhaare befallen wurden; woraus erhellt, dass die Wurzelhaare der cultivirten Vorkeime von Kgur- setum arvense nur desshalb zuerst von der Krankheit befallen wor- den sind, weil sie dem Infectionsherde örtlich am nächsten gelegen waren; es wird somit also auch die Annahme ausgeschlossen, dass sie in grösserem Maasse, als die Vorkeimzellen die Bedingungen für das Eindringen und die Entwickelung des Pilzes bilden. Die Entwiekelungsgeschichte und Lebensweise des Pilzes selbst stimmt im Grossen und Ganzen überein mit derjenigen, welche die Gattung Pythium characterisirt und ist daher der Pilz, mit Bezug- nahme auf seine Nährpflanze mit Pythium Equiseti bezeichnet worden. Zuerst tritt die Entwickelung der Schwärmsporen auf, welche sich in einer feinen, hyalinen Blase bilden und in dieser bereits eine rotirende Bewegung bemerken lassen, beim Austreten machen sie keinen Häutungsprocess durch. Nach Beendigung der Schwärmsporen- bildung folgt zunächst beträchtliche vegetative Entwickelung der Mycelfäden, verbunden mit lebhaften Strömungen im Plasma; sodann erst das Auftreten der eigentlichen Sexualorgane, der Oogonien und Antheridien, in keinem Oogonium mehr als eine ÖOospore. Die Bildung von Schwärmsporen wurde nur sehr selten beobach- tet und auch nur in den ersten Tagen der Untersuchung. Die beson- ders behufs der Beobachtung der Schwärmsporenentwickelung in Wasser gebrachten, erkrankten Vorkeime liessen im Ganzen nur drei- mal eine solche in der bereits oben angeführten Weise erkennen. Sehr eigenthümlich war es besonders, dass die Schwärmsporen bereits in der hyalinen Blase ein deutlich erkennbares Rotiren zeigten; es erinnerte diese Erscheinung lebhaft an die von Roze und Cornu gegebene Abbildung?) über die Schwärmsporenbildung von Cysto- siphon pythioides; auch die nierenförmige Gestalt der einzelnen Schwärmsporen stimmte genau mit besagter Abbildung überein. Die so selten auftretende Bildung von Schwärmsporen verhinderte natür- lich auch die genauere Beobachtung der Entwickelung, und es ist ar: cc. par. 119: 2) Ann. des Sciene. nat. 5e. Serie; Bot. Tom. II. Pl. 3. Fig. 10—12. 122 mir daher auch nicht gelungen, die erste Art ihrer Entstehung zu erkennen. Ob nun der Pilz in der That sehr selten Schwärmsporen- bildung zeigt, oder ob äussere Umstände hier den Verhinderungsgrund bildeten, war mit Sicherheit nieht nachzuweisen. Ich vermuthe das letztere, und das um so mehr, als mehrere andere Erscheinungen sich wohl kaum anders erklären lassen, als dadurch entstanden, dass die vollständige Schwärmsporenausbildung unterdrückt worden ist. Zu wiederholten Malen nämlich wurde beobachtet, dass die ganze Plasmamasse aus dem Sporangium hervortrat und als solche den Beginn der Keimung zeigte, indem sie sich an einer Stelle sehr ver- Jüngte und einen Keimschlauch trieb. (Fig. 23 und 24.) Es theilte sich also die Inhaltsmasse nicht erst nach Art der Schwärmsporen- bildung in mehrere gesonderte Plasmamassen, in Folge dessen in ebensoviel Keimschläuche auswachsend, wie es Pringsheim bei den Oosporen von Saprolegnia ferax beobachtet hat!). Auch zer- fiel der Inhalt nach dem Austritt nicht in Zoosporen?). Es bietet überhaupt dieser vielleicht analog scheinende Fall keine Ueberein- stimmung mit Saprolegnia ferax, denn bei unserer Pflanze ist es nicht eine Oospore, sondern ein Sporangium, welches seinen Stiel noch beibehalten hat und demnach als solches unverkennbar ist. Es ist mir leider nicht gelungen, die weitere Entwickelungsfähigkeit eines in der eben angegebenen Weise entstandenen Keimschlauches zu constatiren. Das Wachsthum desselben ging zu langsam vor sich, als dass dasselbe direct hätte beobachtet werden können, um aber am folgenden Tage den weiteren Fortgang desselben zu constatiren, hätte ein solches Präparat isolirt werden müssen; dieses erwies sich jedoch trotz vielfacher Bemühungen bei der Kleinheit des Objectes als unmöglich. So viel konnte aber mit aller Sicherheit constatirt werden, dass die vegetative Entwickelung in den meisten Fällen eine sehr bedeutende war. Um Vieles genauer konnten die zahlreicher auftretenden Sexual- organe beobachtet werden, und es war demnach möglich, den Befruch- tungsact in allen seinen Phasen genauer zu verfolgen. Das Ende eines Mycelfadens — so ist der häufigste der zu beschrei- benden Fälle — schwillt in Folge bedeutender Anhäufung von Plasma zu einer Kugel, dem Oogonium, an, dessen Durchmesser den der Dicke des Mycelstranges etwa um das 3—5fache übertrifft; wobei allerdings zu bemerken ist, dass ‚die Oogonien sich stets nur dann !) Pringsheim, Weitere Nachträge zur Morphologie und Systematik der Saprolegnieen in Jahrb. f. wiss. Bot. IX. pag. 228. 2) ]. ce. pag. 229. 1) 123 bildeten, wenn eine reichliche Verzweigung der Fäden vorangegangen war, und dass die durch Verzweigung gebildeten Mycelfäden je nach dem Grade der Verzweigung wohl nur die Hälfte oder den dritten Theil der Dieke zeigen, wie die Hauptstränge. Sehr häufig tritt der Fall ein, dass sich zwei Oogonien hintereinander bilden (Fig. 16, 17, 18, 20), mitunter sogar so nahe an einander, dass sie sich direct berühren und gar keinen Zwischenraum lassen (Fig. 18), so dass es scheinen könnte, als sei nur ein Oogonium vorhanden, wel- ches sich durch eine Scheidewand getheilt habe, so besonders in den Wurzelhaaren. Nicht selten bildet sich das Oogonium auch an einem kurzen Nebenaste eines Mycelfadens (Fig. 8, 9, 12, 20); in diesem Falie findet man jedoch niemals zwei Oogonien hintereinander, und wird ein solches Oogonium auch nur seltener von einem Nebenaste des dasselbe tragenden Mycelfadens befruchtet, wie es Fig. 9 dargestellt ist; meist ist es ein von einem benachbarten Mycelfaden getragenes Antheridium, welches sich an ein solches Oogonium anlegt (Fig. 12). Die Oogonien haben durchweg eine glatte, undurchlöcherte Membran. Der Befruchtungsaet selbst wird, wie bereits angedeutet, herbei- geführt durch das Heranwachsen eines zweiten Mycelfadens, welcher ebenfalls an seinem Ende etwas angeschwollen erscheint; es ist dies das Antheridium. Zunächst ist für Pythium Equiseti mit Hinweis auf das eben Gesagte zu bemerken, dass das Antheridium nicht immer einem Nebenaste des Oogoniums, an welches es sich anlegt, seinen Ursprung zu verdanken hat; das Antheridium bildet sich ebenso oft auch von benachbarten Myceliumfäden, welche ihrerseits durchaus nicht nothwendigerweise Nebenzweige irgend eines ein Oogonium tragenden Mycelstranges sein müssen (Fig. 11), obwohl andrerseits dieser Fall keineswegs ausgeschlossen ist (Fig. 8). Auch die Zahl der an ein Oogonium sich anlegenden Antheridien ist nicht constant; meistens ist es nur ein Antheridium (Fig. 9, 11—17, 19), welches die Befruchtung bewirkt, in vielen Fällen werden jedoch auch zwei Antheridien (Fig. 8, 10, 18) beobachtet, äusserst selten aber mehr als zwei. Es stimmt also in dieser Hinsicht unser Pilz mit Pythium monospermum Pringsheim ziemlich genau über- ein '); auch bei Pythium de Baryanum treten nach den Mittheilungen Hesse’s”) dieselben Modificationen ein, wenn es auch daselbst höchst selten beobachtet wurde, dass mehr als ein Antheridium sich an ein Oogonium anlegte. I) Jahrb. f. wiss. Bot. I. pag. 298 ff. 2) ]. c. pag. 24 ff. 124 Am häufigsten legt sich bei unserem Pilz das Antheridium mit seiner Spitze, also mit seiner schmalen Vorderfläche an das Oogonium an (Fig. 8, 9, 11, 12, 14—17, 19), in einer anderen nicht unbe- trächtlichen Anzahl von Fällen wächst das Antheridium mit seiner Breitseite an (Fig. 8, 13), ebenfalls sehr oft endlich schlingt es sich um das Oogonium herum (Fig. 8, 9, 18), wobei alsdann die Ver- wachsung, und damit verbunden also das Austreiben des Schlauches entweder von der schmalen Vorderfläche oder von der Breitseite aus geschehen kann. Diese Variabilität hinsichtlich des Anlegens des Antheridiums an das Oogonium musste um so mehr auffallen, als bei anderen Sapro- legnien ähnliche Abweichungen nicht erwähnt sind; es gilt sogar für Achlya polyandra und Achlya racemosa als constantes Unterschei- dungsmerkmal, dass bei letzterer das Antheridium nicht mit seiner Breitseite, sondern mit seiner schmalen Vorderfläche an das Oogonium anwächst, während es bei Achlya sich mit der ausgedehnten Breit- seite an das Oogonium anlegt, und von dieser aus die schlaucharti- gen Fortsätze in dasselbe hineintreibt ')?). Eine genaue Vergleichung der hierbei in Betracht kommenden Abbildungen ergab jedoch, dass das Antheridium von P’ythium monospermum ähnliche Verschieden- heiten bezüglich seines Anwachsens an das Oogonium zeigen muss, wie unser Pilz. Aus den Pringsheim’schen Abbildungen (Fig. 3, 5, 6, 10, 12 auf Tafel XXI) °), ist es ersichtlich, dass das Antheri- dium nicht mit seiner Spitze, d. h. der schmalen Vorderfläche anwächst, sondern mit seiner Breitseite. Die Figur 5 zeigt dies besonders deutlich, an dieser ist das von der Breitseite ausgehende Austreiben des Fortsatzes deutlich erkennbar. Dagegen beweisen die Figuren 4, 7, 8, 9 und 11, dass das Antheridium auch mit seinem Ende, d. h. mit seiner Spitze an das Oogonium anwächst und von dieser aus den Fortsatz zu treiben im Stande ist. Ich vermuthe, dass Pringsheim dies absichtlich unerwähnt gelassen hat, denn er giebt andererseits an, dass die Antheridien niemals die Oogonien umwach- sen*). Ich glaubte jedoch diesen Punkt nicht unerwähnt lassen zu dürfen, da auch aus der Darstellung und Abbildung, welche Hesse über die Entwickelungsgeschichte von Pythium de Daryanum giebt, hervorgeht, dass das Antheridium nur seitlich sich an das Oogonium !) Cornu, Annales des science. nat. serie. V®. Bot. tome XV. pag. 30. 2) Jahrb. f. wiss. Bot. IX. pag. 206. 3) Jahrb. f. wiss. Bot. I. #) ]. c. pag. 299. 125 _ anlege. Andererseits aber findet auch bei Saprolegnia de Baryi nach Walz betreff dieses Vorganges etwas ganz Aehnliches statt, wie bei Pythium monospermum, wie die Figuren 3 bis 5 (Tafel IX. der Bot. Ztg. 1870) deutlich zeigen; obgleich Walz in der Beschreibung der Entwickelungsgeschichte von Saprolegnia Daryi diesen Punkt eben- falls übergeht'). Jedoch auch diese Abbildungen zeigen nichts davon, dass das Antheridium sich um das Oogonium herumlege, in der Weise, wie ich es bei Pythrum Equiseti wiederholt beobachtet habe (Fig. 8, 9, 18), und es scheint allerdings, als ob unser Pilz einer der in dieser Hinsicht variabelsten aus der ganzen Familie der Saprolegnien sei. Mit dem Anlegen des Antheridiums an das Oogonium — diesem Actus geht in der Regel eine Abgrenzung des Antheridiums von dem es tragenden Mycelfaden voraus — wird in den meisten Fällen zugleich das Verwachsen der beiden Sexualorgane angezeigt, welches nur dann nicht sofort eintritt, wenn das Antheridium das Oogonium umschlingt und gewissermassen bei dieser Gelegenheit sich erst die passende Stelle für die Verwachsung aussucht, um an derselben später seinen Befruchtungsschlauch treiben zu können. Das Ver- wachsen des Antheridiums mit dem Oogoninm geschieht übrigens in so inniger Weise, dass man nicht im Stande ist, durch irgend welche äusserliche Mittel ein Lostrennen desselben von dem Oogo- nium zu bewirken; auch wenn es nur mit seinem vorderen Ende dem Oogonium angewachsen ist. Was nun den Befruchtungsactus selbst anlangt, so habe ich den- selben, da in ihm der kritischeste Punkt der ganzen Untersuchung erkannt wurde, zu wiederholten Malen zu beobachten nicht verab- säumt. Sobald das Antheridium sich an das straff mit Inhalt erfüllte 1) Ich kann nicht unterlassen, zu betonen, wie sehr die Abbildungen, welche Walz von Saprolegnia de Baryi giebt, auch mit dem übereinstimmen, was ich bei Pythium Equiseti gesehen habe. Die Grösse der Oospore, die eigenthümliche Gestalt der Antheridien u. s. w.; alles dieses leitet unwill- kührlich zn der Vermuthung hin, dass hier eine Identität herrsche, welche sich vielleicht auch auf Pythium monospermum Pringsh. erstreckt. Den Gedanken der etwa möglichen Identität hat übrigens Walz selbst schon ausgesprochen, andererseits jedoch hervorgehoben, dass das Hervortreten der Zoosporen aus dem Sporangium einzeln geschehe und somit die generische Verschiedenheit bedinge. Ich glaube, dass im Augenblick die Frage über die Systematik der Saprolegnieen noch wenig spruchreif ist, ich beschränke mich daher an dieser Stelle darauf, hinzuweisen, dass die Modification im Austreten der Zoospo- rangien, wie sie bei- Pythium und Saprolegnia sich zeigt, wohl bei weiteren Untersuchungen noch mehr Uebergänge aufweisen dürfte, und also nicht mehr bestimmend sein kann für Gattungscharaktere. Ich verweise hierfür auf Pringsheim’s Mittheilungen in den Jahrbüchern für wiss. Bot. IX. pag.229. Anm. 126 Oogonium anlegte, war es deutlich zu sehen, dass der Inhalt des Oogoniums sich zusammenzog. Man ist also wohl zu dem Schlusse berechtigt, dass das erste Ergebniss der Befruchtung die Contraction des Oogoniuminhaltes, also die Bildung der Oosphaere sei. Und in der That stimmen auch fast alle Beobachter in diesem Punkte überein. In neuester Zeit ist jedoch von Lohde') bei einer in jungen Lepidien schmarotzenden Saprolegniee, welche er Lucidium pythioides benannt, eine nicht geringe Abweichung von dem oben dargestellten Vorgange beobachtet worden. Dieselbe besteht darin, dass die Befruchtung nur dadurch erfolgt, dass das Antheridium mit seinem schnabelförmigen Ende in das Oogonium eindringt; erst wenn dies geschehen, zieht der Inhalt des letzteren sich von der Wandung zurück. In ähnlicher Weise findet der Befruchtungsvorgang bei Pythium monospermum statt”), nur geschieht bei diesem das Eindringen des Antheridiums und die Contraetion des Oogonium-Inhalts gleichzeitig. In den anderen bis- her beobachteten Fällen trieb das Antheridium einen Fortsatz in das Innere des Oogoniums erst, nachdem der Inhalt des Oogo- niums von der Wandung sich zurückgezogen hatte, Zugleich mit der Contrahirung des Oogonium-Inhalteszeigte auch das Antheridium alsdann eine bedeutende Veränderung in seinem Inneren; die ausserordentlich körnchenreiche und schleimige Inhaltsmasse, welche dasselbe bei seinem Anlegen an das Oogonium charaeterisirt hatte, war zu einem grossen Theile verschwunden und es traten nun stark liehtbrechende Oeltröpfehen auf. Das Antheridium war augen- scheinlich inhaltsärmer geworden. Bei einiger Ausdauer konnte man übrigens schon vorher wahrnehmen, wie die Inhaltsmasse desselben nach der Berührungsstelle des Oogoniums sich hindrängte. Da nun aber während dieses Vorganges durchaus keine Oeffnung in irgend einer der beiden Membranen, weder der des Antheridiums noch der des Oogoniums zu erkennen war, so könnte wohl die Annahme berechtigt erscheinen, dass hierbei zunächst ein diosmotischer Process stattfinden muss, durch welchen der schleimige und kleinkörnige Theil der Inhaltsmasse des Antheridiums in das Oogonium hinein- gelangt, und die Contraction des Inhaltes des letzteren bewirkt. Eine ganz analoge Erscheinung (wenn dieselbe auch nicht die Sexualorgane betraf) hat Pfitzer bei Ancylistes Ülosteril”) beobachtet; es zeigte sich nämlich bei dem Heranwachsen des 1) Vergl. Tageblatt der 47. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 1374. pag. 204. 2) Jahrb. f. wiss. Bot. I. pag. 299. 3) Monatsberichte der Kgl. Akad. d. Wissensch. z. Berlin 1372. pag. 388. 127 Schmarotzers an ein gesundes Closterium, dass noch bevor die Membran des letzteren durchbrochen war, Störungen im Inneren der befallenen Zelle stattfanden. Sobald nur die äusserste Spitze der Hyphe aus der gerundeten in eine stumpf konische Form überging, traten die grünen Platten des Closteriums von der Wand zurück und die Plasmaströmung wurde unregelmässig. Pfitzer neigt sich hier- bei der Annahme zu, dass das Bohren selbst mittelst einer von dem Pilz ausgeschiedenen Substanz geschieht, die sich in verdünntem Zustande ins Innere verbreitet und auf das Plasma wirkt. Ein Theil der Inhaltsmasse dringt also auch hier schon durch die Membran der fremden Zelle hindurch, ehe die Durchbohrung selbst stattfindet, und enthält demnach die Bedingungen für diese. Und in der That wurde es auch von mir als constant beobachtet, dass eine Durehbohrung der Oogoniummembran nur dann stattfand, wenn die oben bereits erwähnte Veränderung in der Inhaltsmasse des Anthe- ridiums vor sich gegangen war. Es ist jedoch für unseren Pilz noch besonders zu erwähnen, dass das Antheridium durchaus nicht immer einen röhrenartigen Fortsatz durch die Oogonienmembran hin- durch trieb; wenigstens ebenso oft wuchs es direet in das Oogonium hinein (Fig. 14, 16), bis es auf die Befruchtungskugel traf, und so also das Austreiben eines Fortsatzes behufs des weiteren Befruch- tungsprocesses überflüssig machte. Das Antheridium spitzte sich als- dann an seinem Ende etwas zu und liess, nachdem es die Oogonium- wand durchbohrt hatte, augenscheinlich eine runde Oeffnung erken- nen, welche jedoch niemals einen grösseren Durchmesser zeigte, als in anderen Fällen der röhrenartige Fortsatz desselben. Dieser erschien ebenso, wie bei Zucidium pythroides Lohde') gerade abgeschnitten und erreichte meistens mit seinem Ende die Oosphaere. In dem oben erwähnten Falle wurde auch der Uebertritt des gesammten Inhaltes des Antheridiums in die Oosphaere verfolgt. Der hierbei stattfindende Vorgang ist ausserordentlich einfach und die Schwierigkeit der Beobachtung liegt nur in der grossen Lang- samkeit, mit welcher der Inhalt des Antheridiums, der übrigens zum mindesten 3 seiner Masse bereits durch den oben beschrie- benen diosmotischen Process abgegeben hatte, hinüberwandert; es war eine Zeit von 2 bis 3 Stunden erforderlich für die vollständige Entleerung des Antheridiums.. Meine Beobachtungen stimmen also in diesem Punkte im Wesentlichen überein mit denen, welche W, Zopf über ein in einer Sperogyra lebendes Zagenidium mitge- 1) 1. c. pag. 204. 128 theilt hat!). Ich füge hier noch hinzu, dass es mir nicht möglich war, mehrfache, wiederholte und der Zeit nach weit aus einander liegende, partielle Entleerungen zu constatiren, die je einem beson- deren Befruchtungsact entsprechen und rasch erfolgen, wie es Prings- heim für die höheren Formen der Saprolegnieen angiebt. Es scheint vielmehr, als ob Pythium Equiseti gewissermassen einen Uebergang bildet, indem hier der Befruchtungsprocess sich zum Theil zu einem reinen Copulationsacte hinneigt, und also die in dieser Beziehung weit abweichenden höheren Formen mit Lagenidium vereinigt. Sper- matozoiden oder Saamenkörperchen waren trotz der genauesten Beobachtung auch bei Anwendung der stärksten Immersionssysteme nicht zu erkennen, und muss also ihre Anwesenheit auf das Bestimm- teste negirt werden. Die neuesten Ergebnisse der Untersuchungen von Pringsheim?), W. Zopf?), G. Lohde*), Hesse?) stimmen aber sämmtlich in diesem Punkt so genau mit den meinigen überein, dass man wohl mit Recht nunmehr die Behauptung wagen darf, dass die Befruch- 1) Sitzungsberichte des bot. Vereins der Prov. Brandenburg vom 2S. August 1874. pag. 124. Herr W.Zopf war so freundlich, mir seine diesen Punkt betreffenden Handzeichnungen und genaueren Notizen zu übergeben. 2) Jahrbücher f. wiss. Bot. IX. 3) ]. c. pag. 125. 4) ]. c. pag. 204. 5) l. ec. pag. 26. Hesse sagt daselbst: „Von jenen lebhaft sich bewegen- den, kleinen Körperchen (Spermatozoiden), welche Prof. Pringsheim in den männlichen Organen etlicher Saprolegnienspecies beobachtet zu haben behauptet, ist keine Spur zu sehen.“ Diese Zeilen nöthigen mich zu einigen Bemerkungen. Hätte Hesse die neueste Abhandlung Pringsheim’s, welche fast ein gan- zes Jahr früher erschienen ist, oder wenigstens das Referat derselben in der botanischen Zeitung (1874. No. 1. pag. 14) berücksichtigt, so würde er gefun- den haben, dass Pringsheim den Befruchtungsact bei den höheren Sapro- legnieen (wozu er nach pag. 230 Anım., auch die Gattung Pythium vechnet) in einer Weise darstellt, durch welche die Annahme von wirklichen Sperma- tozoiden ausgeschlossen wird. Hesse hätte betr. der Frage über die Existenz der Samenkörper bei dieser Familie vielmehr Reinke (Archiv f. mikr. Anat., Bd. 5, pag. 188 ff.) und Walz (Botanische Zeitung 1870, pag. 544) angreifen müssen, welche noch in der neueren Zeit mit Entschiedenheit die Anwesenheit von Samenkörpern behauptet haben; er erwähnt aber dieser Arbeiten in keiner Weise. Noch auffallender jedoch ist es, dass Hesse die umfangreichen Arbeiten Cornu’s, des Monographen der Saprolegnieen, vollständig ignorirt; ebenso wenig erwähnt er der Hildebrand’schen Abhandlung (Jahrb, f. wiss. Bot. Bd. VIII.), obgleich in derselben die ersten Zweifel an der Existenz von Spermatozoiden bei den Saprolegnieen ausgesprochen worden sind, 129 tung bei den Saprolegnieen ohne Spermatozoiden oder Samenkörper- chen geschehe. Ich füge hierbei noch hinzu, dass man zuweilen allerdings bewegliche, tanzende Körperchen in der Antheridienzelle bemerken kann; dieselben sind jedoch nur in solchen Antheridien wahrzunehmen, welche ihre Befruchtungsthätigkeit bereits beendigt haben, und erweisen sich bei genauerer Untersuchung unzweifelhaft als Oeltröpfehen, welche in dem Antheridium zurückgeblieben sind; ihre Bewegung ist die Folge molecularer Thätigkeit. Besonders häufig tritt diese Erscheinung auf, wenn zwei Antheridien sich an ein Oogonium anlegen, ein Vorgang, der jedoch niemals ganz gleich- zeitig stattfindet. Das Antheridium an, in Figur 10 ist hier zuerst an das Oogonium angewachsen, und hat seinen sämmtlichen Inhalt, soweit es durch Diosmose möglich war, an das Oogonium abgegeben, Das zweite Antheridium an „ vollzieht nun den weiteren Befruchtungs- actus, der bei dem Auftreten nur eines Antheridiums in normaler Weise durch das Austreiben eines Befruchtungsschlauches eingeleitet worden wäre; es wird also dadurch die Bildung eines solchen un- nöthig gemacht. Die unmittelbare Folge davon ist die, dass dieses erste Antheridium an, abzusterben beginnt und die moleculare Bewe- gung der in demselben enthaltenen Oeltröpfchen erklärt sich also hinreichend. Es bleiben demnach bezüglich des Antheridiums von Pythium Equiseti noch zwei Fragen zu beantworten: 1) Oeffnet sich der Fortsatz des Antheridiums, und 2) dringt der Fortsatz des Antheridiums in die Oosphaere ein? Betreffs der ersten Frage liegen neuerdings Untersuchungen über Pythium de Baryanum ‘') vor, aus welchen allerdings hervorzugehen scheint, dass bei dieser Species ein den Peronosporeen ganz ähn- licher Vorgang stattfinden muss; es ist daher auch die Bezeichnung „Antheridium“ in die „Pollinodium“ umgewandelt worden. Leider ist diese Mittheilung nicht vollständig genug, um daraus weitere Schlüsse ziehen zu können; man findet in derselben nichts darüber erwähnt, wie weit der Inhalt des Antheridiums eine Veränderung erleidet, und besonders nicht, ob nach beendigter Befruchtungsthätig- keit noch weitere Inhaltsmassen in dem Antheridium zu bemerken waren, wie es bei den Peronosporeen thatsächlich der Fall ist. Es wäre dies sicher ein sehr wichtiger Factor für die richtige Beur- theilung und Auffassung des Befruchtungsvorganges. Dem gegen- 1) 1. c. pag. 26 ff. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft III. 9 130 über steht gewissermassen die Ansicht Pringsheim’s, welcher annimmt, dass die Antheridien-Schläuche der höheren Formen der Saprolegnieen sich an ihrer Spitze wirklich öffnen, und dies auch für einen ganz bestimmten Fall nachweist'). Bei Pythium Equiseti erscheint der Fortsatz des Antheridiums (Fig. 15, 17, 19), oder wo dieser fehlt (Fig. 14, 16), das Antheri- dium gerade abgeschnitten. Es war mir jedoch nicht möglich, mit Sicherheit eine wirkliche Oeffnung zu constatiren, obwohl mehrere Präparate (vergl. Fig. 15 und 16) dies sehr wahrscheinlich machten. Zur Klärung des Sachverhaltes dient hier eine Beobachtung, die, wie oben bereits angegeben, wiederholt gemacht worden ist; ich meine das Zurückbleiben von Oeltröpfehen in einer Antheridienzelle, welche die Oogonienmembran nicht durchbohrt hat. Es muss dies um so mehr auffallen, als in denjenigen Antheridien, welche einen Fortsatz getrieben, oder die Oogoniummembran selbst durchbohrt hatten, niemals Theilchen des Inhaltes zurückgeblieben waren, obwohl auch in solchen vor der Entleerung grobkörnigere Inhaltsmassen und grössere Oeltröpfehen sichtbar waren. Dieselben drängten sich nebst der anderen Inhaltsmasse nach dem Ausgangspunkte zu und entzogen sich durch den Uebertritt in die Oosphaere gänzlich der Beob- achtung. Diese Erscheinung deutet darauf hin, dass in dem ersten Falle der grobkörnigere Theil des Inhaltes nur deswegen nicht über- trat, weil zunächst ein rein diosmotischer Process stattfand; später aber, nach Resorbirung der Membran, konnten diese Massen auf dem copulativen Wege in die Öosphaere eintreten. Die Resorbtion der Membran ist nur als eine Erscheinung aufzufassen, welche mit den meisten Copulationsvorgängen verbunden ist. Die zweite Frage, ob der Antheridienfortsatz wirklich in die Oosphaere eindringe, bot geringere Schwierigkeiten dar. Aus . einer genauen Betrachtung der Figuren 15, 17 und 19 erhellt es, dass der Antheridienfortsatz keineswegs in die Oosphaere eindringt. In den Wurzelhaaren kommt der Fall sehr häufig vor, dass das Antheridium gar nicht bis an die Oosphaere heranreicht (Fig. 15), und doch erfolgt hier die Bildung und Entwickelung einer ganz normalen Oospore. Man könnte hierbei an Parthenogenesis denken, indessen erweisen weitere Fälle, wie die Figuren 17 und 19 zeigen, dass in der That keine Durchbohrung der Oosporenmembran stattfindet. In Figur 17 sieht man dies besonders deutlich; das Episporium hat sich hier deutlich abgeschieden, zwischen diesem und dem Endo- !) Jahrb. f. wiss. Bot. IX. 214. 131 sporium hat sich in Folge weiterer Contrahirung des körnigen Inhaltes der Oosßore eine wässrige, durchsichtige Masse gelagert, welche deutlich erkennen lässt, dass das Antheridium nicht das Epi- sporium durchbohrt hat. In Fig. 19 endlich sehen wir ein Antheri- dium, dessen sehr langer Fortsatz ebenfalls nicht in die Oospore hineingedrungen ist; derselbe ist vielmehr an der Oospore vorbei- gewachsen und berührt diese nur, etwa wie eine Tangente den Kreis. Durch Drehung des Präparates wurde jeder hierbei noch obwaltende Zweifel beseitigt. Es ist dies ein Fall, wo man zuerst wohl glaubeu konnte, dass eine Durchbohrung der Oosporenmembran stattgefunden habe; überhaupt ergab es sich stets, dass, wo der Antheridienfortsatz scheinbar in die Oosphaere einzudringen schien, bereits ein ein- faches Verschieben des Deckglases ausreichte, um nachzuweisen, dass der Antheridienfortsatz die Oospore nur tangire. Die Oogonien, welche, wie bereits auseinandergesetzt worden ist, vollständig glatt und undurchlöchert sind, lassen als ersten Act der Befruchtung eine Zusammenziehung ihres Inhaltes erkennen. Die Inhaltsmasse der Oogonien weicht hierbei zunächst von der Wandung zurück an der Stelle, wo das Antheridium sich angelegt hat. Die weitere Contrahirung geht sehr schnell vor sich und ist im Laufe von 20—30 Minuten vollendet. Die Inhaltsmassen ziehen sich ganz und gar von der Oogoniummembran zurück, indem sie sich zu mehr oder weniger unregelmässigen Klumpen zusammenballen (Fig. 11) ' und gehen erst sehr allmählich in die Gestalt einer meist regelmässigen Kugel, der Oosphaere über (Fig. 12 und 13). Niemals konnte an dieser ein heller Fleck wahrgenommen werden. Nach der darauf erst erfolgenden Durchbohrung des Oogoniums durch das Antheridium verändert sich auch die Oosphaere und wird durch die Abscheidung einer deutlichen Membran zur Oospore. Bei dem nun eintretenden Reifungsprocess findet eine Differenzirung der Membran statt, und ist diese zum Theil anzusehen als eine Folge weiterer Contrahirung der körnigen Inhaltsmasse der Oospore, ver- bunden mit der Ausscheidung einer dünnflüssigen Masse, welche zur Bildung des Endosporiums dient (Fig. 17). In der Nähe des Cen- trums tritt endlich eine Vacuole auf, ein Zeichen der vollständigen Reife der Oospore; eine Färbung der Membran findet nie statt. Das Antheridium ist auch an der reifen Oospore lange Zeit deutlich zu erkennen; es verschwindet erst, wenn die Oogoniumwand durch die keimende Oospore an mehreren Stellen durchbohrt wird und der Resorbtion unterliegt. Bei dem ausserordentlich häufig vorkommenden Falle, dass zwei Oogonium hintereinander an demselben Mycelfaden 9* 132 sich bildeten, sei bemerkt, dass dieselben niemals gleichartig und gleichzeitig die Oospore entwickelten (Fig. 16 und 17). Es stimmt diese Beobachtung mit der von Roze und Cornu gegebenen Mit- theilung über die Ausbildung zweier zusammenhängender Oogonien von Uystosiphon Pythioides') genau überein. Leider liess sich nicht genau feststellen, welches der beiden an einem Mycelfaden sich befin- denden Oogonien zuerst befruchtet wurde; ob das dem Ende des Mycelfadens näher, oder das demselben entfernter gelegene. Der die beiden Oogonien tragende Mycelfaden war stets bei dem Anwach- sen eines Antheridiums bereits verschwunden, seine gesammte Inhalts- masse war für die Bildung der Oogonien verbraucht worden: es blieben nur noch die Stellen erkennbar, an welchen das Oogonium von dem Mycelfaden getragen worden war. In der Zeit, in welcher die Oosporenbildung seltener zu werden beginnt, treten einige Erscheinungen auf, welche offenbar hiermit in Causalnexus stehen. Die Anschwellungen der Mycelfäden, welche nicht am Ende derselben auftreten (Fig. 7 und 25), werden häufiger, und somit für die Weiterentwiekelung des Pilzes von Wichtigkeit. Die Inhaltsmasse eines Mycelfadens, welche früher zur Bildung des Oogoniums mehr oder weniger vollständig verwendet wurde, drängt sich nun in diese Anschwellungen hinein. Der Faden septirt sich hierbei (Fig. 25) ganz in analoger Weise, wie Pfitzer es bei Aneylistes?”) beschreibt, und giebt schliesslich sein Plasma an die durch die Anschwellung entstandene Zelle ab, welche sich nun auch durch Scheidewände abtrennt; es findet also scheinbar eine dop- pelte und entgegengesetzte Plasma-Strömung in dem Mycelfaden statt, indem dieselbe stets die Richtung nach der Anschwellung hin inne- hält. Allmählich lösen sich nun die ihres Inhaltes beraubten Mycel- fäden gänzlich auf, und es bleiben die auf die eben beschriebene Weise gebildeten, reich mit Plasma erfüllten Zellen allein zurück ; es sind dies dieselben Organe, welche Hesse mit Zwischen- oder Gliederzellen bezeichnet”), und unter die Kategorie der Conidien bringt. Da ich mit Sicherheit eine direete Keimung derselben nicht gesehen habe, andrerseits aber einige Beobachtungen darauf hinweisen, dass hier eine Unterdrückung der Zoosporenentwickelung vorliege, dass also diese Organe mit den Dauersporangien Pringsheim’s zu identifiziren seien *), so muss ich die Frage über die Natur dieser Organe als eine für Pythium Equiseti noch offene betrachten. I) Annales des Sciene. nat. 5° Serie. Bot. Tom. 11. 2) 1. c. pag. 385. 3) 1. c. pag. 30. #) 1. c. pag. 226. 133 Während sich also ergab, dass die Schwärmsporenbildung gegen Ende des Mai, die Entwickelung der Oosporen Mitte Juni aufhörte, und dass mit dem selteneren Auftreten der letzteren die eben beschrie- benen Dauersporangien sich zeigten, so erreichte damit jedoch die Lebensthätigkeit des Pilzes keineswegs ein Ende; vielmehr liess er jetzt eine bedeutende vegetative Entwickelung bemerken, welche sich besonders Aarin kennzeichnete, dass Abschnürungen einzelner Faden- stücke nun sehr häufig wurden. Sehr oft zeigte der Faden auch die frühere Neigung zur kugeligen Anschwellung (Fig. 26); in die- sem Falle schnürten sich jedoch diese kugeligen Anschwellungen entweder gänzlich los, oder sie wuchsen an dem entgegengesetzten Ende fadenförmig aus, sich erst nachher vom Mutterfaden loslösend. Alle diese verschiedenen Entwickelungsstadien schliessen sich aber, mit Ausnahme des Stadiums der Schwärmsporenentwickelung, der Zeit nach nicht gegenseitig aus; es ist daher nicht selten, dass je zwei dieser Stadien in einem und demselben Präparat beobachtet werden, Zum Schlusse stelle ich die hauptsächlichsten Ergebnisse der mitgetheilten Untersuchungen im Nachfolgenden kurz zusammen: I. Die behufs entwickelungsgeschichtlicher Untersuchungen vor- genommenen Aussaaten von Sporen des Kguwisetum arvense gediehen Anfangs sehr gut; nach Verlauf von 2 bis 3 Wochen jedoch zeigten die Prothallien eine auffallende Neigung, sich der Oberfläche des Substrates anzulegen. Die Untersuchung erwies, dass ein Pilzmy- celium in die Wurzelhaare eingedrungen sei, welches sich auch in die chlorophyllreichen Theile des Prothalliums verbreitete. Die in Wasser gebrachten, erkrankten Vorkeime liessen ein bedeu- tendes Wachsthum der Mycelfäden erkennen, durchbohrten sehr bald die Zellwände der Nährpflanze und verzweigten sich weit im Wasser. Durch Versuche wurde dargethan, dass gesunde Vorkeime, mit erkrankten zusammengebracht, stets von diesen infieirt wurden, und dass auch diese für andere noch gesunde Vorkeime dieselbe Infieirungs- kraft besassen. Es wurden bei diesen Versuchen die Vorkeimzellen ebenso wie die Wurzelhaare befallen, woraus sich ergab, dass die letz- teren nicht besondere, für die Entwiekelung des Pilzes günstige Bedin- gungen lieferten. Mit Rücksicht auf die Thatsache, dass zunächst nurdie auf Sand eultivirten Prothallien die Erkrankungserscheinungen zeigten, wurde es vielmehr unzweifelhaft, dass nur von dem Substrat die Infiei- rung ausgegangen sein konnte, und dass die Wurzelhaare nur deswegen 134 zuerst betroffen worden waren, weil sie dem Infieirungsherde örtlich am nächsten gelegen waren. Der Pilz wurde mit Bezugnahme auf seine Nährpflanze und die der Gattung Pythium charakteristische Schwärmsporenbildung mit Pythium Equiseti bezeichnet. II. Die Sexualorgane, Oogonien und Antheridien, treten sehr häufig auf, besonders nach Beendigung der Schwärmsporenbildung. Das Antheridium wächst auf die verschiedenste Art und Weise an das Oogonium an, entweder mit der Spitze oder mit der Breitseite, oder endlich dadurch, dass es das Oogonium umschlingt, wobei eben- falls die beiden eben erwähnten Modalitäten eintreten können. III. Der Befruchtungsact ist ein zweifacher, ein diosmotischer und ein copulativer,. Die dünnflüssige Inhaltsmasse des Antheridiums tritt vermittelst eines diosmotischen Processes in das Oogonium ein und bewirkt die Contrahirung des Inhaltes desselben, und somit also auch die Bildung der Oosphaere. Erst nachdem dies geschehen, durchbohrt das Antheridium die Membran des Oogoniums und dringt in dasselbe ein, bis an die Oosphaere heran, indem es, sich an seiner Spitze Öffnend, nun auch seine diekflüssigere und mit grösseren Körnchen erfüllte Inhaltsmasse abgiebt. Letzterer Vorgang ist also ein copulativer. Die Oosphaere scheidet alsdann eine Membran ab und wird zur Oospore. Bei demnun eintretenden Reifungsprocess findet eine Differenzirung der Oosporenmembran statt; es bildet sich ein Epi- sporium und Endosporium, und als endliches Zeichen der Reife tritt in der Nähe des Centrums eine Vacuole auf. Niemals wurde nach vollendetem Befruchtungsprocesse in dem Antheridium noch etwas von der Inhaltsmasse aufgefunden; dieselbe wurde stets vollständig für die Befruchtung verbraucht. Spermatozoiden und Samenkörper sind nicht vorhanden. IV. Das Antheridium dringt nicht — wie Cornu glaubt — mit seinem Fortsatze in die Befruchtungskugel ein, sondern wächst nur bis an dieselbe heran. V. Sehr häufig bilden sich zwei Oogonien hintereinander an einem Faden; beide werden in normaler Weise befruchtet, entwickeln sich jedoch nicht vollkommen gleichzeitig. Das häufige Auftreten zweier in dieser Weise verbundener Oogonien kann fast als specifisches Merkmal für unseren Pilz angesehen werden. VI. Nach Beendigung der Oosporenbildung ist eine bedeutende vegetative Entwickelung der Mycelfäden zu bemerken. Es werden alsdann Abschnürungen einzelner Fadenstücke sehr häufig. Auch zeigt der Faden noch die frühere Neigung zur kugeligen Anschwel- lung, welche jedoch nicht mit einer Oogonienausbildung endet, 135 sondern es schnüren sich diese kugeligen Anschwellungen entweder gänzlich los, oder sie wachsen an dem entgegengesetzten Ende faden- förmig aus, sich erst nachher vom Mutterfaden loslösend. Eine Systematik der Gattung Pythium unterlasse ich, hier zu geben, einestheils, weil Jeder, der sich eingehender mit derselben beschäftigt, bei der geringen Anzahl der Arten sehr leicht die spe- eifische Natur unseres Pilzes beurtheilen wird, anderntheils aber, weil die verschiedenen Species dieser Gattung zu ungleich bekannt sind, als dass sie zu einer Einreihung in ein System berechtigen könnten. Berlin, Januar 1875. TRmAmaRn ARE Ob > alte 2 IB ah IE che Mık “ ARTEN a.) ae [2 Ar 4! B ii dE len. er rg i Ar r un el ill) A Tea TI Oi m NW altes ’ v,. f 5 r us Be ‘ zZ een „su2? na sn a ad ger A er er tn erals Bar la ar kein Eulokalugnge ar ul ea han har A: PARURROSEN! ini st vn. a ae N: Er ee w ER DAp® u ne 3 ln A 1% ir Ri ga In PL 3 sr X ehe Be ü % # - A BR it Er Figuren - Erklärung. ann Tafel III und IV. Vergrösserung bei Fig. 1, 4 und 5 = 390, bei Fig. 3 und 19 = S10, Fig. 3. bei allen übrigen Figuren = 605. Endzelle eines etwa 3 Wochen alten Prothalliums von Equisetum arvense, mit Mycelfäden. Zelle eines ebenso alten Prothalliums von Kquisetum arvense, mit Mycelfäden angefüllt, dieselben haben bei a, b und e eben die Zell- wand durchbrochen und zeigen noch deutlich die mit diesem Vor- gange stets verbundene bedeutende Verminderung der Diekendimension. Theil eines Wurzelhaares von Equisetum arvense, dieselbe Erschei- nung wie bei Figur 2 darstellend. Fig. 4, 5, 6. Mycelfäden; an ihren Enden zum Theil kugelartige Erweite- Kie. ‚7. Fig. 8. rungen, Oogoniumanlagen zeigend. Bei Figur 4 und 6 frei im Wasser, bei Figur 5 in einem Wurzelhaar. Mycelfaden mit Anschwellung, welche nicht am Ende desselben gelegen ist. Antheridien, an Oogonien anwachsend, theils mit der Spitze, bei b, theils das Oogonium umschlingend, bei a. — Fig. $8®. Ein Antheri- dium, welches ein Oogonium umschlang, von demselben losgetrennt. Fig. 9—19. Den Befruchtungsprocess in seinen verschiedenen Phasen darstellend. Fig. 9. Das Antheridium hat das Oogonium umschlungen und wächst mit der Spitze an. Fig. 10. Zwei Antheridien, an, und ang; Antheridium an, ist zuerst an das Oogonium angewachsen, und hat seinen Inhalt, soweit es durch Diosmose möglich war, an das Oogonium abgegeben; . s 138 m — Oeltröpfchen, welche sich in moleceularer Bewegung befanden. Bei ang ein zweites Antheridium, dessen Inhalt deutlich ein Hin- drängen nach dem Oogonium bemerken lässt; dasselbe vollzieht die weitere Befruchtung und macht dadurch das Austreiben eines Fort- satzes des Antheridiums an, überflüssig. Fig. 11 und 12. Die mehr oder weniger unregelmässig contrahirte Inhaltsmässe (e. i.) zeigt als solche das erste Ergebniss der Befruchtung. Fig. 13. Das Antheridium treibt einen seitlichen Fortsatz in das Oogonium, die Oosphaere ist vollständig gebildet, ein heller Fleck auf derselben ist nicht zu sehen. Fig. 14. Die Oosphaere hat eine Membran abgeschieden und so die Oospore gebildet; das Antheridium hat die Oogonium- membran durchbohrt und ist mit seiner Spitze bis an die Oospore gelangt, es ist vollständig entleert. Der Träger des Antheridiums hat sich von demselben losgetrennt und löst sich allmählich auf. Das Antheridium bleibt fest in dem Oogonium haften und überdauert so auch den grössten Theil der Ruheperiode der Oospore. Fig. 15. Derselbe Vorgang in einem Wurzelhaare. Die Oospore nimmt bei dem Bestreben, sich allseitig möglichst gleichartig zu erwei- tern, den Raum zwischen den beiden Wandungen des Wurzelhaares ganz und gar ein. Der wässrige Inhalt des Oogoniums, welcher sonst den Zwischenraum zwischen Oogonium und Oospore während und kurz nach der Bildung desselben zunächst ausfüllt, wird dem- nach von dort verdrängt und umgiebt die Oospore nnr noch zu zwei Seiten; das Oogonium erscheint daher an diesen beiden Seiten gleichsam angeschwollen. Das Antheridium, welches die Oogonium- membran durchbohrt hatte, reicht in Folge des grossen Zwischen- raumes zwischen der letzteren und der Oospore mit seinem Fortsatz nicht bis an die letztere heran. Fig. 16. Oogonien mit Oosporen in einer Vorkeimzelle. Die die Oogonien tragenden Mycelfäden sind bereits abgestorben; die Stellen, an welchen sie sich von den Oogonien losgelöst haben, sind noch deutlich erkennbar (x). Bei a ein einzelnes Oogonium mit der sonst sehr seltenen Neigung zur birnförmigen Gestalt; bei b zwei Oogonien nebeneinander, mit je einem Antheridium; die beiden Oogonien sind nicht gleichmässig ausgebildet. Das mit ang bezeichnete Antheridium lässt bei z augenscheinlich eine Oeffnung erkennen. Dieses Anthe- ridium hat ebenso wie das bei Oogonium (a) und das in Figur 14 keinen Fortsatz getrieben, sondern ist direct in das Oogonium hin- eingewachsen. Fig. 20. 139 Fig. 17. Zwei durch einen dünnen Faden noch zusammenhängende Oogonien mit Oosporen; in diesen je eine Vacuole (v), dadurch die völlige Reife der Oospore anzeigend. Die Antheridien noch sehr deutlich wahrnehmbar. Auch diese Oogonien nicht gleichmässig aus- gebildet; die nahezu im Centrum der Inhaltsmasse der Oospore lie- gende Vacuole (v;) ist grösser als va. Das Episporium hat sich deutlich abgeschieden, zwischen diesem und dem Endosporium hat sich in Folge der Contrahirung der körnigen Inhaltsmasse der Oospore eine wässrige, durchsichtige Masse gelagert, welche deutlich erkennen lässt, dass der Antheridienfortsatz nicht das Episporium durchbohrt hat. Fig. 18. Zwei dicht an einander liegende Oogonien in einem Wurzel- haare. Die Antheridien x und y, welche mit der Spitze an das Oogonium gewachsen sind, haben ihren Inhalt vollständig abgegeben, ohne dass in einem der beiden Oogonien eine Wirkung bemerkt werden könnte; das Antheridium z ist im Begriff, das Oogonium zu umschlingen und ist noch vollständigmit seinem ganzen Inhalte erfüllt. Fig. 19. Oogonium mit Oospore und Antheridien, stärker vergrös- sert (810). Der lange Fortsatz des Antheridiums hat sich nicht in die Oospore hineingebohrt, sondern tangential an dieselbe angelegt. Mehrere kugelige Anschwellungen an einem Mycelfaden. Fig. 21 und 22. Schwärmsporenbildung. Fig. 23 und 24. Unterdrückte Schwärmsporenbildung; bei Figur 23 tritt die Fig. 25. Fig. 26. ganze Plasmamasse eben aus dem Sporangium heraus, in Figur 24 ist dieselbe bereits herausgetreten und zeigt den ersten Keimschlauch. Dauersporangium (weiter entwickeltes Stadium der Figur 7); der zu beiden Seiten desselben (sp) deutlich septirte Faden verschwindet allmählich und lässt das Sporangium allein zurück. Vegetative Abschnürungen einzelner Fadenstücke, sowie auch der kugeligen Anschwellungen eines Mycelfadens. f uhr eTı dran ki; 4 al 2 ” } Mu 2 d I er Il Hal Fr ur is “7 En DIET E22 Hin aut N neh Ar ir $ DEME ® f fi ee. Ol htebukia FE NE PTR a SRRR: a E Pr A 1 "PR, ß ‘u y } ma aulggn naar der nei much ab Kae 2% MUNER u) 10 hair sh stahl * B ; f kn er > TINO TERRETTE, L / A Aug ir I) Bart} ß K Pi ‘ 1 ) a 273 sand Tun uawih naeh, Ca ‚ söecınertade Jam! wer BUTEIT nad mas salarf ai « Fi NIE AT Aa Hugh u SERIE AUSTARERSYUH ff ah mir. N ‚ i EUER ET I IE 7? 107. SEE Tahiti ab an dal #1 Hauer Ir Me hl aha a Alien Zr ar sn ae rer ee. IT AuRInT, u ir Ne sihrärs! run vn Hr ZT arrT © gt 1 118, ; j ; Arad: re IR uhren tarid. 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Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass die mannigfachen Probleme, welche die Systematik und Physiologie dieser Organismen darbieten, zu endgiltiger Lösung gelangt seien; dankbar benutzen wir das immer reichlicher sich häufende und mehr und mehr sich abklärende Material, welches von Seiten der pathologischen Anato- mie, nicht nur durch Erforschung der Gewebsveränderungen bei den an die Entwickelung von Bacterien geknüpften Infectionskrankheiten sondern auch durch sinnreiche Versuchsreihen, herbeigeschafft wird'); sobald es sich aber um das wissenschaftliche Verständniss der Fer- mentthätigkeiten der Bacterien handelt, fühlt nach wie vor der Bio- loge, der das Mikroskop als wichtigstes Handwerkszeug benutzt, unsicheren Boden unter seinen Füssen, und vermisst noch immer das zuverlässige Fundament, welches allein die physiologische Che- mie mit der Wage in der Hand seinen Untersuchungen zu unterbrei- ten im Stande wäre. 1) Vergleiche hierüber die mit unparteiischer Kritik geschriebene Zusam- menstellung von Dr. Birch Hirschfeld: Die neueren pathologisch -anato- mischen Untersuchungen über Vorkommen und Bedeutung niederer Pilzformen (Bacterien) bei Infeetionskrankheiten (Schmidt, Mediz. Jahrbücher CLXVI. p- 169 seq.). 142 Auch die Beobachtungen, von welchen ich in den nachstehenden Blättern Rechenschaft geben will, sind nur vereinzelte Beiträge, welche zu einer dereinstigen abschliessenden Bearbeitung einiges neue Material herbeischaffen sollen; ich vertheile dasselbe in zwei Ab- schnitte, von denen der erste die systematischen Verhältnisse behan- delt und insbesondere einige noch wenig bekannte Organismen aus der Verwandtschaft der Bacterien beschreibt; im zweiten Abschnitt sollen vorzugsweise biologische Fragen besprochen werden. I. Beiträge zur Systematik der Bacterien. In meiner früheren Abhandlung war ich von der Ueberzeugung ausgegangen, dass die Bacterien eine natürliche Familie bilden, welche die niedersten aller pflanzlichen Organismen vereinigt und gewissermassen den Ausgangspunkt aller lebenden Wesen darstellt; die Bacterien zeigen zwar zu verschiedenen Typen höher organisirter Pflanzen engere oder entferntere Verwandtschaft, stellen jedoch eine in sich abgeschlossene und durchaus selbstständige Gruppe dar. Innerhalb dieses Familienverbandes glaubte ich eine grössere Zahl von Gattungen und Arten unterscheiden zu müssen, und obwohl ich mir nicht verhehlen konnte, dass es überaus schwierig sei, bei den Bacterien die Variationen, welche aus veränderter Ernährung oder andern Lebensbedingungen hervorgehen, von den angeborenen und constant sich vererbenden Charakteren zu unterscheiden, welche allein zur Begründung distincter Species berechtigen, so glaubte ich doch, die von mir aufgestellten systematischen Abtheilungen im Wesentlichen als natürliche ansprechen zu dürfen. Ich hielt mich selbst für berechtigt, wo an eine gewisse Bacterienform eigenthüm- liche physiologische Erscheinungen, insbesondere specifische Fer- mentwirkungen constant gebunden sind, dieselbe auch als eine selbst- ständige Species aufzufassen, selbst wenn ich unter dem Mikroskop keine äusseren Unterscheidungsmerkmale von andern Arten zu erken- nen vermochte. Dieser Gliederung der Bacterien in Gattungen und Arten wird von Denen die Berechtigung abgesprochen, welche in sämmtlichen Bacterien nur eine einzige Lebensform erblicken, die im Verlaufe ihrer Entwicklungsgeschichte, ganz besonders aber in Folge verän- derter Lebensumstände sehr verschiedenartige Gestaltungen anneh- men kann; die Uebergänge auch der abweichendsten Formen sollen sich nicht blos unter dem Mikroskop beobachten, sondern auch deren gemeinschaftliche Abstammung aus den nämlichen Keimen durch das Experiment in vielen Fällen direct verfolgen lassen. 143 Das weitaus bedeutendste Werk, welches diese Auffassung zu begründen sucht, ist im Jahre 1874 von Th. Billroth in pracht- voller Ausstattung veröffentlicht worden '). Nach Billroth gehören sämmtliche Bacterien zu einer einzigen Pflanzenart, ‚‚welche theils aus runden, theils aus stäbchenförmigen Gliedern, von verschiedener, innerhalb gewisser Grenzen sehr differenter Grösse zusammengesetzt ist; die ersteren werden als Coccos, die letzteren als Dacteria bezeich- net; doch gehen beide Formen wohl gelegentlich in einander über, obwohl sie bei ihrer Vegetation in sofern von einer gewissen Üon- stanz sind, als eine Zeit lang Coccos durch Streckung und Quer- furchung meist wieder Coccos, Bacteria auf gleiche Weise Dacteria erzeugt. Der Grösse nach kann man sowohl bei Coccos als bei Bacteria drei Stufen unterscheiden (Micro-, Meso- und Megacoccus ; Micro-, Meso- Megabacteria); in der Regel überwiegt in jedem Stadium der Fäulniss eine Grössenform mit Entschiedenheit; auch kann zwar Megacoccos in Micrococcos zerfallen; aber nicht umge- kehrt Micrococcos sich zu Megacoccos vergrössern; vielmehr erscheint letzterer von Anfang an in seiner normalen Grösse; ähnliches gilt von Bacteriad. Gleichwohl dürfe man weder in den runden Formen ‚eine besondere Gattung (Microccus), noch in den stäbchenförmigen „ ein anderes Genus (Bacterium Ehrenb.) erblicken, vielmehr seien beide nur Vegetationsformen einer und der nämlichen Art, für welche Billroth den neuen Namen ‚‚Üoccobacteria septica“ ein- führen will. Während der Vermehrung scheidet Coccobacteria eine schleimartige Hülle (Glia) aus; die Vermehrung erfolgt besonders an der Oberfläche von Flüssigkeiten, so dass dünne häutige Platten entstehen, welche, wenn von Coccos gebildet, Petalococcus, wenn von Bacteria, Petalobacteria genannt werden; bei Coccos findet solche Vermehrung auch bis in eine gewisse Tiefe in die Flüssig- keit hinein statt, wodurch die flockigen wolkigen Formen von @lia- coccos zu Stande kommen, für welche ich schon 20 Jalıre früher die Bezeiehnung Zoogloea eingeführt hatte. Auch soll sich Coccos stark vergrössern können; dann wird sein Inhalt durch immer fort- schreitende Theilung wieder zu Coccos, und die Gliakapsel hüllt das Ganze als Schlauch ein; dies nennt Billroth Ascococeus; in glei- cher Weise kann sich auch Dacteria zu Ascococcus umbilden. 1) Dr. Theodor Billroth, Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobacteria septica und den Antheil, welchen sie an der Entstehung und Verbreitung der aceidentellen Wundkrankheiten haben... .. Mit fünf Kupfertafeln und einem Holzschnitt. Berlin, Georg Reimer 1874. Fol. 144 Erfolgt endlich die Streekung mit Durehfurchung von Coccos oder von Dacteria nur in einer Richtung, und wird dieselbe entweder in Folge unvollkommener Durchfurehung oder durch die schlauchartige Gliahülle zusammengehalten, so entstehen Doppelkügelchen (Diplo- coccos) und Coecosketten (Streptococcos Billr.) auf der einen, Dop- pelstäbehen (Diplobacteria) und Bacterienketten (Streptobacteria Billr.) auf der andern Seite. Sowohl Coccos und Streptococcus, als Bacteria und Streptobacteria zeigen in gewissen Perioden ihrer Ent- wickelung, wenn sie nicht von zu viel Glia umhüllt und nicht zu gross sind, bald lebhafte, bald träge Bewegungen, gleich denen der Oscillarien, zu deren Familie auch Coccobacteria gehört“ (Billroth l5c#p. 24). Was Billroth Streptococcus nennt, hatte ich selbst als Torula- form von Microccus bezeichnet; seine Streptobacteria dagegen ent- spricht meiner Gattung Dacillus (resp. Leptothrix Hallier). Hier- nach werden sämmtliche von mir aufgestellten Dacte- riaceengattungen und Arten mit Ausnahme von Spirellum und Spirochaete, über welche Billroth das Urtheil späteren Unter- suchungen noch vorbehält, in die einzige polymorphe Spe- cies (occobacteria septica zusammengeschmolzen. Diese Darstellung hat insbesondere bei Medizinern und Patholo- gen vielfach um so lebhaftere Beistimmung gefunden, da sie zugleich als das Endresultat einer grossen Reihe mikroskopischer und experi- imenteller Beobachtungen, wie nicht minder einer ungewöhnlichen reichen klinischen Erfahrung auftritt, und einer selbstständigen Theo- rie der Wundkrankheiten und diphtheritischen Processe zur Basis dient. In der That ist in den wichtigen Untersuchungen von An- ton Frisch'), E. Tiegel?) und anderen Forschern die Bill- roth’sche Coccobacteria adoptirt worden. Nichts desto weniger glaube ich an der von mir bisher befolg- ten Methode festhalten zu müssen, Bacterien von verschiedener Gestaltung und verschiedener Fermentthätigkeit als verschiedene Arten und Gattungen so lange ans einander zu halten, als nicht der Beweis ihrer Identität mit voller Evidenz geführt ist. Denn ganz abgesehen von den Motiven, welche mich von vornherein zur Unter- 1) Prof. Anton Frisch, Experimentelle Studien über die Verbreitung der Fäulnissorganismen an den Geweben und die durch Impfung der Cornea mit pilzhaltigen Flüssigkeiten hervorgerufenen Entzündungsprocesse. Erlan- gen 1874. 2) Tiegel, Ueber Coceobaeteria im gesunden Wirbelthierkörper. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmaeie 1. 1. 1873. 145 scheidung distineter Species bei den Bacterien geführt, und die in neuerer Zeit noch wesentliche neue Unterstützung gewonnen haben, meine ich, dass es für die Fortentwickelung der Wissenschaft min- der nachtheilig ist, wenn selbst allzuviele Formen, die schliesslich aus gemeinschaftlicher Quelle abgeleitet werden können, so lange und so weit als möglich aus einander gehalten werden, als wenn umgekehrt durch Zusammenwerfen verschiedenartiger Wesen auf deren specielle Erforschung von vorn herein verzichtet wird. Zwar habe ich mich, wie schon früher, auf selbstständige Untersuchungen der in pathologischen Zuständen des Menschen und der höheren Thiere auftretenden Bacterien nicht einlassen wollen, weil ich mich auf diesem schwierigen Gebiete besseren Forschern gegenüber nicht für stimmberechtigt erachten darf; ich glaube jedoch, dass die von mir festgehaltene Beschränkung auf die unter einfacheren Lebensbe- dingungen sich entwickelnden Ferment- Organismen so lange eine besondere Berechtigung hat, als es sich noch darum handelt, über die allgemeineren biologischen Verhältnisse derselben möglichst zu- verlässige Thatsachen festzustellen; nur auf diesem Wege dürfen wir hoffen, dass auch für das bedeutungsvolle Auftreten der Baecte- rien in Infectionskrankheiten eine gesicherte Basis gewonnen wer- den kann. Dass ich in meine Untersuchungen, auch einige nicht unmit- telbar zu den Bacterien gehörige Organismen aufgenommen habe, wird durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen gerechtfertigt erscheinen. 1. Billroth über Ascococcus. Wenn ich Billroth aufseinem Wege der Verschmelzung aller Bacterien ebenso wenig folgen kann als in sei- ner neuen Nomenklatur, da der Botaniker, zum Gehorsam gegen den alten Linne@’schen Codex samınt den Novellen und Commentaren der internationalen „Lois de la nomenclature botanique‘“ verpflichtet, sich von den Gesetzen der Priorität nicht emaneipiren darf, deren Uebertretung dem genialen Chirurgen verziehen werden mag, so freut es mich doch, einem der neuen Namen das Bürgerrecht in der Wis- senschaft zuweisen zu können, da derselbe einem von Billroth zuerst unterschiedenen und, wie ich meine, durchaus selbstständigen Organismus zukömmt, Bei genauer ‚Beobachtung der Baeterien-Decke, welche sich auf faulem Fleischwasser, Hydrocelenflüssigkeit u. s. w. bildet, bemerkte Billroth, dass sich in derselben gewisse graue und grau grün- liche Figuren mit einiger Regelmässigkeit wiederholen; es sind rund eonturirte, zusammenhängende kolbige und eylindrische Formen, bald mehr bald weniger deutlich. Die schwimmende Bacterien-Haut selbst ist erst äusserst fein mit concentrischen Kreisfiguren gezeichnet, Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft II. 10 146 allmählich wird sie dick (ca. 0,5 mm.) und ziemlich fest und zeigt Faltungen, weil sie an den Rändern des Gefässes verhindert ist, sich der Fläche nach weiter auszudehnen;; schliesslich sinktsie zu Boden, und löst sich in einen locker eohärirenden flockigen Niederschlag auf. Die Faltungen entstehen „durch eine ganz eigenthümliche Vege- tationsform des Coccos,* welche Billroth als palmelloide bezeich- net. Eingebettet in „Coccoglia‘“ bildet sich Ascococcus in Gestalt von Kugeln oder Cylindern voll von Micrococcos, welcher in Klum- pen oder Colonieen vereinigt, von einer besonders zähen Glia zu- sammengehalten wird; die Peripherie dieser Gallert zeigt sich auch bei stärksten Vergrösserungen zuweilen ziemlich scharf umgrenzt, ohne dass man im Stande wäre, eine Membran zu sehen, wenn auch die Anwesenheit eines, wenn auch unmessbar dünnen Schlauches um die Micrococcoseolonie wahrscheinlich ist; in Rindfleischwasser mit Zucker dagegen erscheint die Membran zuweilen ausserordent- lich dick. Von diesem Ascococceos glaubt nun Billroth die Entwickelungs- geschichte in folgender Art ermittelt zu haben: Einzelne grössere Coccos (Megacoccos) werden durch Längsstreckung zu langen eylin- drischen, gewundenen Schläuchen, in denen sich durch Querfurchung Coceos-Ketten, zuletzt unter wiederholten Furchungen nach verschie- denen Richtungen Klumpen sehr kleiner (Meero) Coccos entwickeln. Wenn die Schläuche einen gewissen Punkt der Ausbildung erreicht, sollen sie plötzlich an einer Seite aufspringen und ihren Meerococcos in colossalen Massen auswerfen; die leeren gefalteten Hüllen blei- ben zurück, sind nun deutlich doppelt conturirt und selbst dem blos- sen Auge durch grünlich bräunliche Färbung zuweilen erkennbar (Billroth }. c. p. 12—14. Tab. III. 19 —26). Eine besondere Form des Ascococcos, die er als A. parvus unter- scheidet, fand Billroth in Fleischwasser; es sind blasse, kernlosen Lywphkörperchen ähnliche, feinkörnige Kügelchen, welche bald mit Hilfe einer Wimper als contractile Myxomonaden umherschwärmen, bald sehr lange Fortsätze entwickeln und sich als Myxamoeben ver- halten; Billroth hält es schliesslich für wahrscheinlich, dass dieser A. parvus die eneystirte Spore eines Myxomyceten, vielleicht selbst des Lohepilzes Aethalium septicum sei; den Micrococcos im Innern des A. parvus betrachtet er demzufolge nicht für endogene, sondern für gefressene Kügelchen, ähnlich den Carminkörnchen (l. ce. p. 15, 93—99. Tab. I. Fig. 16—18). Aus obiger Darstellung geht hervor, dass Billroth unter dem Namen Ascococcos zwei verschiedene Dinge vereinigt hat. Was yis 147 A. parvus sei, lasse ich dahin gestellt; so viel leuchtet ein, dass er nicht zu den Bacterien gehört. Dagegen ist es mir gelungen den andern Ascococeus in einem eigenthümlichen Organismus wie- derzufinden, den ich für eine neue Gattung und Art halte und nach dem ersten Entdecker als Ascococcus') Billrothii beschreiben will. 2. Untersuchung der Luft auf Bacterien etc. Während es mir nie- mals glückte, in faulenden Flüssigkeiten eine dem Billroth’schen Aseococeus ähnliche Form zu beobachten, lernte ich eine solehe im März 1874 in einem ganz eigenthümlichen Vorkommen kennen. Ich hatte mich im Winter dieses Jahres mit der Frage beschäftigt, ob in der Luft unter normalen Verhältnissen entwieklungsfähige Keime von Bacterien sus- pendirt seien. Die Pasteursche Methode, die in der Luft schwim- menden Körperchen in Schiessbaumwolle abzufiltriren, und dann in der Collodiumlösung nach Bacterienkeimen zu spähen, schien mir ebenso wenig Erfolg zu versprechen, als die Anwendung des Pouchet’schen Aöroscop’s, welches die Luftstäubchen an einer mit Glycerin bestriehenen Glasplatte adhäriren lässt und die letztere dann unter dem Mikroskop durchsucht”). Denn ganz abgesehen davon, dass unter solehen ungünstigen optischen Verhältnissen sich ein sicheres Urtheil über Gegenwart oder Abwesenheit von Bacterien im Glycerin oder Collodium überhaupt schwerlich gewinnen lässt, so kommt dabei jedenfalls die Kardinalfrage nicht zur Entscheidung, ob die etwa in der Luft vorhandenen Bacterien sich noch vermehren und Fermentwirkungen äussern können, oder ob sie nicht durch Austrocknen ihre Keimfähigkeit vollständig verloren haben. Um in dieser Beziehung zu einem Resultate zu gelangen, hatte ich den Versuch gemacht, die Zimmerluft in einer Bacteriennähr- lösung zu waschen. Die von mir angewendete Methode ist folgende: Mit Hilfe eines Aspirators wird Luft durch eine Reihe von Glas- eylindern hindurchgesaugt, welche mit je 20gm. der von mir im zweiten Heft dieser Beiträge”) beschriebenen Normal - Flüssigkeit (eine 1% Lösung von saurem weinsaurem Ammoniak nebst den 1) Billroth schreibt Ascococcos, wie Micrococcos ete.; der Gebrauch sanc- tionirt Jedoch nur die lateinischen Endungen selbst bei Namen griechischen Stammes. (Lois de la nomenclature botanique Art. 66.) 2) Vergleiche Cunningham, Mieroscopie examination of air, Caleutta 1874 und meine Rede über unsichtbare Feinde in der Luft, im Tageblatt der 47. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Breslau am 24. Sep- tember 1374 p. 138. 3) Untersuchungen über Bacterien p. 195. 10* 148 erforderlichen Nährsalzen) beschickt sind. Als Aspirator benutzte ich zwei grosse Glasflaschen (Taf. V. Fig. 1), deren jede 10 Liter fasst und durch einen doppelt durchbohrten Kork luftdicht verschlos- sen ist; durch den Kork gehen ein Paar Glasröhren, welche aussen rechtwinklich gebogen, und von denen die eine nur ein wenig unter den Kork, die andere bis an den Boden der Flasche reicht. Wer- den nun die beiden Flaschen auf ungleiches Niveau gestellt, die höher stehende mit Wasser gefüllt, und die beiden längeren Glas- röhren durch einen passenden Kautschukschlauch verbunden, so kön- nen dieselben als Heber benutzt werden, welcher das Wasser aus der höheren Flasche in die tiefere überleitet; wird nun das kürzere Glasrohr der oberen Flasche durch ein Stück Kautschukschlauch mit einem System von gläsernen Wascheylindern in Verbindung gebracht, so streicht die Luft, sobald der Apparat in Thätigkeit gesetzt ist, in rasch aufeinander folgenden Bläschen durch die Waschflüssigkei- ten, wobei die Grösse und Geschwindigkeit der Luftblasen mit Hilfe eines durch eine Schraube stellbaren Quetschhahns, der an einem der Kautschukschläuche angebracht ist, nach Belieben regulirt werden kann. Sobald die untere Aspiratorflasche vollgelaufen, so wechselt sie den Platz mit der nunmehr entleerten oberen, und indem gleich- zeitig die Kautschukverbindungen gewechselt werden, so kann der Apparat zur Luftwäsche mit geringer Mühe in infinitum in Gang erhal- ten werden, wobei zugleich das Volumen der aspirirten Luft ohne weiteres bestimmt wird, da, wie schon bemerkt, bei jedem Wechsel der Flaschen 10 Liter Luft gewaschen worden sind. Der Zweck dieser ganzen Einrichtung ist, die in der Luft schwimmenden frem- den Körperchen nicht blos in der Waschflüssigkeit möglichst zurück: zuhalten, sondern auch den lebensfähigen unter ihnen einen geeig- neten Boden und genügende Nahrung darzubieten, um sich derart zu entwickeln und zu vermehren, dass ihre Anwesenheit oft schon mit blossem Auge, oder doch unter dem Mikroskop nicht übersehen werden kann, gleichzeitig auch die Unterscheidung der Arten, welche bei vereinzelten Keimen oder Sporen unmöglich ist, sich ohne Schwie- rigkeit ausführen lässt. Selbstverständlich dürfen gewisse Vorsichtsmassregeln nicht ver- nachlässigt werden, wenn brauchbare Resultate gewonnen werden sollen. Insbesondere muss nicht nur die Nährflüssigkeit, sondern auch jeder der zu ihrer Aufnahme bestimmten Glascylinder, sammt den dazu gehörigen Glasröhren und Propfen vor dem Gebrauch län- gere Zeit im Wasserbade gekocht werden, um früher schon vor- handene Keime zu zerstören; Korke sind möglichst zu vermeiden, re Y 149 da diese in ihren Spalten in der Regel Sporen beherbergen, welche durch den aspirirten Luftstrom hervorgelockt werden können; Kaut- schuk- oder Glasstöpsel sind an ihrer Stelle zu verwenden; schliess- lich habe ich als Wascheylinder mir besondere Gläser anfertigen lassen, welche durch angeschmolzene Glasröhren in Verbindung gesetzt, und durch eingeschliffene Glasstöpsel verschlossen werden, wobei allerdings nach vorangegangenem Auskochen resp. Ausglühen jede nachträgliche Verunreinigung unmöglich scheint. Der Quetschhahn ist so zu reguliren, dass die durchströmende Luft in möglichst kleinen und langsam auf einander folgenden Bläs- chen passirt; in der Regel wurden für die Wäsche von 10 Liter Luft 1—2 Stunden gebraucht. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es selbst dann nicht gelingt, alle in der Luft suspendirten Körperchen mit Sicherheit in der Waschflüssigkeit zurückzuhalten; ein nicht bestimmbarer Theil derselben wird vielmehr durch die Luftblasen mitgerissen. Nichts desto weniger tritt in den benutzten Waschap- paraten, nachdem eine gewisse Menge Luft hindurchgesaugt, nach und nach ein schmutziger oder weisser Absatz auf; in manchen Fäl- len trübt sich die Flüssigkeit; in allen Fällen zeigen sich an den Wänden und am Boden der Cylinder weisse Mycelflöckchen, welche sich rasch vergrössern und dann dem blossen Auge leicht erkennbar werden; die an der Oberfläche der Waschflüssigkeiten befindlichen Mycelien fruetifieiren in einiger Zeit, und lassen meist schon mit blossem Auge sich durch die Farbe ihrer Conidienträger bestimmen. Um die Entwickelung der aus der Luft ausgewaschenen Keime zu beschleunigen, wurden die Wascheylinder in der Regel, nachdem ein bestimmtes Volumen Luft ausgewaschen war, in den von mir in Heft II. p. 196 beschriebenen heizbaren Kasten gestellt, wobei in einer Temperatur von eirca 30° C. oft schon am folgenden Tage die Vegetation der Keime gewissermassen getrieben wurde. Mit- unter gab ich den Waschflüssigkeiten, welche die Luft hintereinan- der passiren musste, verschiedene Zusammensetzung, derart, dass z. B. in der ersten Flasche Pasteur’sche Lösung {mit Zucker), in den folgenden Bacterien-Normallösung (ohne Zucker) benutzt wurde. Es ist an dieser Stelle nicht angebracht, einen ausführlichen Bericht über die Ergebnisse der Luftwäsche zu geben, welche ohne- hin noch einer eonsequenteren Durchführung und vielfacher Varia- tionen bedürfen, um allgemeine Schlussfolgerungen zu gestatten. ich bemerke nur, dass bei allen Versuchen ohne Ausnahme sich in der Flüssigkeit der hintereinander folgenden Wascheylinder Mycel- flocken einfanden, die schon mit blossem Auge sich in Aspergillus 150 und Pencerllium unterscheiden liessen, da das Aspergillusmycel locker fluthet, das Penteilliummycel dagegen halbkugelige dichte Polster bildet; Mucor entwickelte sich nur einmal. Da im Allge- meinen jede Mycelflocke aus einer einzigen Spore abstammt, so lässt sich nach einiger Zeit aus der Zahl dieser Flöckehen macroskopisch die Zahl der keimfähigen Sporen annährend bestimmen, welche bei der von mir befolgten Methode aus der aspirirten Luft ausgewaschen werden. Bei einem Versuch, wo 340 Liter Luft durch die Wasch- flüssigkeiten aspirirt worden waren, zählte ich eirca 35 Pilzräschen (genau lässt sich die Zahl nicht ermitteln); hiernach würde im Durchschnitt aus 10 Liter Luft eine keimfähige Schimmelpilzspore zurückbehalten werden; die Luft stammte aus dem Laboratorium des pflanzenphysiologischen Instituts, in welchem allerdings viel Pilzeul- turen veranstaltet werden, die aber sonst trocken und nicht unge- wöhnlich verunreinigt scheint. Könnte man diese Zahl als eine der Normalzahl nahe kommende ansehen, so würde der Mensch im Laufe des Tages durch Einathmen etwa 1000 Schimmelsporen einschlucken, von denen offenbar die unendlich grösste Anzahl aus den Athemor- ganen wieder entfernt, oder doch in ihrer Entwickelung gehindert wer- den muss; denn wenn alle diese Sporen wirklich zur Keimung gelan- gen sollten, so müssten die Lungen und die Luftröhre in kurzer Zeit ebenso von Pilzmycel verstopft werden, wie dies in meinen Wasch- cylindern in der Temperatur des Heizkastens oft schon nach wenig Tagen einzutreten pflegt. Die Trübungen und Absätze der Waschflüssigkeiten rührten grösstentheils von Hefezellen her, die sich reichlich auch in zuckerfreier Lösung vermehrten, jedoch in der Regel nur kuglige durch Sprossung meist paarweise zusammenhängende Zellen von 2— 2,5 Mikrom. Durchmesser bildeten; seltener finden sich ovale klei- nere Formen. Kohlensplitter färbten den Absatz meist schmutzig ; Brand- und andere Pilzsporen fanden sich vereinzelt im Niederschlag. In der Regel entwickelten sich in den Waschflüssig- keiten keine Bacterien; selbst bei einem Versuche, wo die durch den Apparat eingesaugte Luft vorher über eine Flasche strei- chen musste, welche mit einer durch unermessliche Bacterienentwicke- lung milchig gewordenen Nährlösung gefüllt war, liessen sich gleich- wohl in den Waschflüssigkeiten Bacterien nicht nachweisen. Hieraus möchte ich jedoch noch nicht den Schluss ziehen, dass in der Luft entwieklungsfähige Bacterienkeime in der Regel nicht vorhanden sind, sondern nur, dass die letzteren, als unendlich leichte und vermuth- lich von einer Gallerthülle umgebene Körperchen im Wasser nur 151 mit besonderer Schwierigkeit zurückgehalten, meist aber von den aufsteigenden Luftbläschen wieder fortgerissen werden, ohne benetzt zu sein, ähnlich wie dies etwa mit den Sporen von ZLycopodium der Fall ist. (Vergl. Beiträge Heft II. p. 189.) Ich vermuthe, dass, gleichwie die Conidien von Penceillium und anderen Schimmelpilzen nur dann keimen, wenn sie mit Wasser durchtränkt und gequollen sind, so auch diejenigen Bacterienkeime allein zur Vermehrung gelan- gen, welche eine gewisse Menge Wasser imbibirt haben, was jedoch nur schwer gelingt, wenn sie aus dem Luftstaube niederfallen; leich- ter, wenn sie an verunreinigten Körperoberflächen haften und zugleich mit diesen benetzt werden. Es stimmen daher obige Beobachtungen mit der zuerst von Bur- don Sanderson mit aller Entschiedenheit betonten Thatsache, dass die Infeetion fäulnissfähiger Substanzen nicht durch die Luft, son- dern nur durch Wasser, oder verunreinigte Oberflächen geschieht. In mehreren Versuchen habe ich übrigens Bacterienentwickelung in den als Waschflüssigkeit benutzten Nährlösungen, und zwar in solcher Menge beobachtet, dass dieselben nach einiger Zeit milchig wurden, und ich bin überzeugt, dass wenigstens in einigen dieser Versuche die Keime wirklich aus der aspirirten Luft ausgewaschen, nicht durch zufällige Vereinigung nachträglich eingeschleppt worden sind. 3. Ascococcus Billrothüinov. gen.etspec. Taf. V. Fig.2. In einem die- ser zur Luftwäsche benutzten Glascylinder hatte sich, nachdem 200 Liter Luft durchgesaugt worden waren, Anfang März 1874 nach 4 Tagen eine milehige Trübung durch Dacterium Termo und eine grünliche Oberschicht entwickelt; fünf Tage später, während welcher der Cylinder im Heiz- kasten bei circa 30° gestanden, hatte sich auf der Oberfläche der Nährlösung eine milchweisse, etwas gelbliche, dicke und zähe Haut gebildet, welche dem Rahm auf gekochter Milch vergleichbar war; beim Herausnehmen mit einem Glasstab zerfiel die Haut in käsige Flocken. Unter starken Objectiven zeigte sich, dass die Rahmhaut aus den dicht gehäuften Kügelchen eines farblosen Micrococcus zu- sammengesetzt war, (Micrococcus Urepusculum, Heft U. der Beiträge p- 160); in dieser feinkörnigen Masse befanden sich sehr zahlreiche Körperchen eingebettet, meist von kugeligem, seltner von ovalem Umriss, von sehr verschiedener Grösse, gruppenweise dicht aneinan der gedrängt. (Taf. V. Fig. 2.) Bei sehr schwacher Vergrösserung zeig- ten diese Körperchen einen dunkelen Kern mit breitem klaren Hof, und ähnelten daher einem mikroskopischen Froschlaich; meist war ein grösseres von vielen kleineren umlagert (Fig.3). Mitstärkeren Syste- men unterscheiden wir an jedem Körperchen, ähnlich wie bei einem 152 Froschei, eine dicke, nach aussen scharf begrenzte, gallertartig-knorp- lige Hülle, welche einen ebenfalls farblosen, aber durch zahllose dieht gedrängte Körnchen trüb erscheinenden Einschluss rings um- giebt. Entweder enthält die Hülle nur einen Einschluss; oder es sind zwei, drei oder mehrere derselben von einer gemeinschaftlichen grösseren Hülle eingeschlossen (Fig. 4.5). Die Gestalt der Einschlüsse ist ebenso mannigfaltig als ihre Grösse; kleinere erscheinen nahezu ku- gelig, grössere unregelmässig elliptisch; der Durchmesser der kugeligen schwankt zwischen 20—70 Mikrom.; in den elliptischen erreicht die län- gere Achse 120—160 Mikrom., während die Dicke des Gallerthofes 10—15 Mikrom. beträgt. Der letztere bildet eine knorplige Kapsel, welche selbst durch stärkeren Druck kaum zerquetscht werden kann, in Ammoniak sich nicht löst, und durch Jod sich niehtfärbt. Den Einschluss dagegen, der sich durch Jod gelb färbt, betrachte ich als ein Aggregat ausserordentlich kleiner, dicht aneinander gelagerter Kugelbacterien, welche durch eine ungewöhnlich feste, spärlich entwickelte Intercellu- larsubstanz zu Zellfamilien verbunden, und von einer gemeinsamen, sehr dieken Knorpelhülle umgeben sind. In der Vereinigung dieser Merkmale erblicke ich den Charakter der neuen Gattung Ascococceus. Die Zellfamilien bilden innerhalb ihrer Hülle Nester von sehr unregelmässiger Form, welche stets durch Falten in grössere und kleinere Lappen getheilt sind, und dadurch ein traubig knolli- ges Aussehen erhalten. Die grösseren Lappen sind wieder durch minder tiefe Einfaltungen in kleinere Läppchen gesondert. Die. Entwiekelungsgeschichte des Ascococcus, soweit ich dieselbe durch Vergleichung verschiedener Zustände ermittelt zu haben glaube, ist folgende: Kleine kuglige Micrococcusfamilien, welche an der Peripherie eine gemeinschaftliche Gallertschicht ausgeschieden, vergrössern sich durch ausserordentliche Vermehrung ihrer Zellchen, welche jedoch nach jeder Theilung eng aneinander gedrängt bleiben; so entstehen die grossen Aggregate, deren Gallerthülle sich gleichzeitig vergrössert. In diesen tritt sehr früh eine Neigung zur Querfurchung auf, in Folge deren mehr oder minder tief nach innen vordringende Furchun- gen entstehen, und die gesammte Zellfamilie eine unregelmässig traubige Knollenform annimmt; durch secundäre Furchen werden die grossen Lappen wieder in zahlreiche kleinere Läppchen abgetheilt; die Gal- lertkapsel wird hiervon nicht berührt, vielmehr umschliesst sie unge- theilt die ganze Micrococcusfamilie. Sobald die Furchen jedoch so tief vorgedrungen sind, dass dadurch einzelne Läppchen völlig abge- trennt werden, so scheidet sich zwischen den isolirten Theilfamilien ebenfalls Gallert aus; dadurch entstehen Figuren wie 4 und 5, wo in einer Hülle zwei oder mehrere Einschlüsse enthalten sind; end- lich wird auch die gemeinschaftliche Gallerthülle durchschnitten, und so entstehen selbstständige Ascococcusfamilien, welche zuerst klein, kugelig, fischrogenähnlich, den nämlichen Entwicklungsgang weiter fortsetzen (Fig. 3). Merkwürdig ist die chemische Thätigkeit, welche dem Ascococ- cus zukommt. Die von diesen Körperchen gebildete Rahmhaut ent- wickelte einen höchst charakteristischen und intensiven Milch- oder Käsegeruch; so dass Fremde in der Normallösung, welche ursprüng- lich nur weinsaures Ammoniak mit einigen Mineralsalzen enthalten, wirkliche Milch mit weissem Rahm zu erkennen meinten. Dieser speeifische Milchgeruch, der, wie ich glaube, auf der Erzeugung von Buttersäure und Butteräther aus dem weinsauren Ammo- niak beruht, wird auch von andern Bacterien hervorgerufen, wie ich schon im zweiten Heft dieser Beiträge p. 206 bemerkt habe, doch kaum so intensiv, wie durch Ascococcus. Ausserdem ver- ändert derselbe aber die ursprünglich saure Reaction der Nährlösung in eine intensiv alkalische; diese rührt her von freiem Ammoniak, welches aus der Nährflüssigkeit in solcher Menge entweicht, dass ein in Salzsäure getauchter Glasstab einen deutlichen Nebel bildet, und hineingehängtes Curcumapapier in einer Minute intensiv braun wird. Ich unterlasse es, Vermuthungen über die Fermentwirkung des Ascococcus auszusprechen, welche aus dem sauren weinsauren Ammoniaksalz freies Ammoniak entbindet und gleich- zeitig Buttersäure, vermuthlich mit noch andern Producten, erzeugt. Ich bemerke nur, dass es mir gelang den Ascococcus durch Einführen kleiner Portionen in Bechergläser mit Nährlösung reichlich zu ver- mehren und die alkalische Reaction hervorzurufen. In Bezug auf diese stimmt Ascococcus mit den Kugelbacterien (Micrococcus) der Pigmentgährung so wie der Harngährung überein, und tritt in Gegen- satz zu den meisten Stäbchenbacterien (Dacterium), welche in ihrer Nährflüssigkeit eine saure Reaction hervorrufen (Essig-, Milch- säure - Bacterien u. s. w.). Aus der Billroth’schen Beschreibung lässt sich zwar nicht mit völliger Bestimmtheit erkennen, ob das von ihm Ascococcus genannte Gebilde, welches derselbe in faulem Fleischwasser beobachtet hat, zur nämlichen Gattung mit unserer, in einer Nährlösung durch Luftwäsche hervorgerufenen Form gehört; ich halte dies jedoch für wahrscheinlich; jedenfalls aber erkennen wir in unserer Form eine selbstständige Art, die, soweit ich selbst zu beurtheilen vermag, 154 weder mit Mkerococcus noch mit Dacterium in genetischem Zu- sammenhang steht. Ich gebe folgende Diagnose für Gattung und Art: Ascococcus Billroth.char.emend. ÜCellulaeachromaticae minimae globosae densissime consociatae in familias tuberculosas globosas vel ovales irregulariter lobatas, lobis in lobulos minores sectis, cap- sula globosa vel ovali gelatinoso- cartilaginea crassissima circum- datas, in membranam mollem facile secedentem floccosam aggregatas. A. Billrothii n. sp. familiae tuberculosae 20—160 Mikrom., capsula ad 15 Mikrom. crassae. In solutione ammonüt tartarici acidi aöre lavata sponte ortum, membranam odore lactico vel butyrico prae- ditam formantem observavi Mart. 1874. Haud scio utrum eandem an affinem speciem ill. Bilroth in aqua carnis foetida detewerit. 4. Verwandtschaft von Ascococcus mit Chroococcaceen. Aufden ersten Blick scheint es, als sei die Entwickelungsgeschichte des Ascococcus sehr abweichend von Allem was wir bisher von Bacterien und ihren Verwandten wissen. In Wirkliehkeit füllt jedoch Ascococcus eine Lücke aus, welche die Gattung Micrococcus von den nahe verwand- ten Algen aus der Familie der Chroococcaceae zu trennen schien. Bekanntlich sind in dieser Familie die kugligen (Ühroococeus) oder eylindrischen, stäbchenförmigen Zellen (Synechococcus) frei, ein- zeln oder lose aneinander gelagert; oder sie sind durch gallertartige Intercellularsubstanz zu grösseren, nach aussen scharf begrenzten Familien (Nestern, Kolonieen) verbunden. Unter den letzteren sind die Gattungen Gloeothece, Microcystis, Polycoccus und Anacystıs charakterisirt durch zahllose äusserst kleine rundliche Zellen, welche durch Intercellularsubstanz zu soliden Kugeln vereinigt, und von einer zarten oder dickeren Hülle eingeschlossen sind. Bei Polyeystis sind mehrere Microcystisnester von einer gemeinschaftlichen Gallert- hülle umgeben; bei Coelosphaerium dagegen befinden sich die klei- nen kugligen Zellen nur an der Peripherie einer Schleimkugel und bilden daher eine hohle Kugelfläche, die jedoch an ihrer Aussen- seite noch von einer Gallertschicht umgrenzt wird. (Vgl. Naegeli einzellige Algen p. 5t; Rabenhorst Flora Europaea Algarum Aqguae dulcis et submarinae 1. p. 3—5, 51—55.) Ascococcus schliesst sich ganz eng an die oben aufgeführten Gat- tungen; von Mecrocystis, Anacystis und Polycystis unterscheidet Ascococcus sich hauptsächlich nur durch seine farblosen, nicht span- grünen Zellen. Auf der andern Seite bietet die Entwickclungsge- schichte von Coeiosphaerium, welche durch Naegeli, Unger und 155 insbesondere durch Leitgeb') erforscht ist, eine deutliche Analo- gie zu der von Ascococcus, wenn auch erstere Gattung durch die rein peripherische Lagerung ihrer Zellen sich abweichend verhält. Bei Coelosphaerium Naegelianum Unger, welches frei schwim- mend die Oberfläche eines Teichs bei Graz mit grünem Schleim über- zieht und denselben auch in grosser Tiefe bis auf den Grund aus- füllt, bilden die Zellfamilien einfache Hohlkugeln; doch kommen auch Zwillingsfamilien vor, wo 2, und zusammengesetzte, wo mehr (bis 6) Kugeln mit abgeplatteten Flächen zusammenhängen. (Vergl. Taf. V. Fig. 3.) An der Oberfläche der kugelförmigen Zellfamilien entstehen mehr oder minder tief gehende Furchen, um so häufiger, je grösser die Familie. Zwischen Familien mit kaum bemerkbaren Furchen und den zusammengesetzten Familien findet man alle möglichen Zwischenstu- fen, ein Beweis, dass letztere aus ersteren entstehen. Durch stoss- weisen Druck mit dem Deckgläschen gelingt es häufig dieselben an der Einschnürungsstelle zu theilen. Jede Theilfamilie nimmt sogleich die Form einer Hohlkugel an, indem sich ihre Zellen an der Ober- fläche gleichmässig vertheilen. Aber auch von selbst lösen sich die Theilfamilien, welche bald aus einer grösseren, bald aus einer klei- neren Zahl von Zellen bestehen; und dies ist sogar zu Zeiten die häufigere Vermehrung des Üoelosphaerium, neben der noch eine zweite durch einzelne aus dem Familienverbande ausgestossene Zellen beobachtet wird, welche sich durch successive Zweitheilung zu neuen Familien entwickeln. Eine noch eigenthümlichere Art der Lostrennung von Theilfami- lien aus dem Familienverbande grösserer Kugeln bietet die Gattung Olathrocystis, welche bekanntlich durch A. Henfrey aus einer weitver- breiteten Uhroococcaceenspeeies (Microcystis Ichthyoblabe et aerugt- nosa Kg.) abgetrennt worden ist. Die Zellfamilien bilden hier zuerst solide, später hohle Kugeln von schön spangrüner Farbe und 0,024 bis 0,5 ®® Durchmesser; diese schwimmen dicht gedrängt an der Oberfläche ruhiger Gewässer (Teiche, kleine Seen, Gräben), in solch ungeheurer Vermehrung, dass das Wasser sich mit einer schön blau- grünen, feinkörnig-flockigen Schicht bedeckt, welche einen eigen- thümlichen unangenehmen Geruch entwickelt, und mitunter die Con- sistenz eines Mehlkleisters annimmt. Aus neuester, wie aus älterer Zeit besitzen wir Nachrichten, dass die Fische in einem Teiche, 1) Naegeli s. 0. — Unger, Denkschriften der k. Akademie der Wissen- schaften Band VII. — Leitgeb, Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark Baud II. Heft 1. 1869. Tab. I. 156 weleher mit der Wasserblüthe dieser Alge sich bedeckt, massenhaft absterben; vielleicht wird durch die dicke Schleimhaut die Auf- nahme des für das Athmen der Fische unentbehrlichen Sauerstoffs aus der Luft gehemmt. Arthur Henfrey gab im Jahre 1856') die erste genauere Untersuchung dieser interessanten, schon von Treviranus und Kützing beobachteten Alge; er beschreibt dieselbe als anfänglich solide, später als Hohlkugeln, an deren Oberfläche in einfacher Schicht zahlreiche Gonidien in einer farblosen Matrix eingebettet sind; durch Risse, welche in der Kugelperipherie sich bilden und sich zu grösseren Oefinungen erweitern, nimmt die Hohlkugel die Gestalt eines unregelmässigen Netzes an, das mit der Zeit in unre- gelmässige Bruchstücke zerreisst; die letzteren können sich wieder vergrössern und zu neuen Hohlkugeln oder gitterförmigen Säcken entwickeln. Nach Rabenhorst entstehen die Netze, wenn die Algen auf den feuchten Ufersand ausgeworfen werden. 5. Ueber pfirsichblüthrothe Färbungen an modernden Thier- und Pflanzenstofen durch mikroskopische Organismen. Ich stelle hier eine Anzahl mikroskopischer Organismen zusammen, welche in den bisherigen Systemen theils unter die Algen, theils unter die Infusorien eingereiht sind; gemeinschaftlich ist ihnen eine sehr auffallende, mehr oder minder intensive Pfirsichblüthfarbe, und ein eigenthümliches Vorkommen, indem sie auf allerhand, am Boden des Wassers abgelagertem thierischen oder pflanzlichen Detri- tus rothe Flecken bilden, zeitweise auch an der Oberfläche des Wassers schwimmen, selten und nur vorübergehend dasselbe gleich- mässig erfüllen. Da diese Formen nur auf modernden Stoffen sich entwickeln, und selbst in den stärksten Verwesungszuständen nicht zu Grunde gehen, so gehören sie offenbar zu den Fäulnissorganis- men, und zeigen hierdurch, wie nicht minder durch Organisation und Entwickelung engere oder entferntere Beziehungen zu den Bac- terien, so dass eine vergleichende Schilderung derselben an dieser Stelle, welche zugleich deren noch nicht genug gewürdigte Bedeu- tung an’s Licht stellt, nicht ungerechtfertigt erscheinen wird. Ich beginne mit einer Uhroococcacee, welche der oben geschil- derten blaugrünen Wasserblüthe Ulathrocystis aeruginosa so nahe verwandt erscheint, dass sie trotz des abweichenden Vorkommens r !) A. Henfrey, Notes on some Fresh Water confervoid Algac new to Britain; Transaetions of the Mieroscopical Society of London 1856. 157 und der charakteristischen Färbung von ihr BERAmBEN nicht getrennt werden kann. 6. Olathrocystis roseo persicina n. sp. Taf. VI. Fig. 1—10. Auf Blät- tern und andern Pflanzentheilen, welche auf dem Boden stehender Gewässer vermodern, finden sich oft Flecken von lebhaft pfirsich- blüthrother Farbe, welche unter dem Mikroskop als lose Aggregate sehr kleiner kugliger oder ovaler Zellen erscheinen; die Zellen selbst sind entweder homogen, oder sie machen den Eindruck, als seien sie hohl, und diese Höhlung mit ein oder mehreren dunklen Körnchen erfüllt. Da die kleinen Zellen häufig in Quertheilung angetroffen werden, so wurden sie von Kützing zuerst als Microhaloa rosea (Linnea VIII, 341), später (Spec. Alg. p. 196) als Protococcus, endlich von Rabenhorst (Flora Alg. eur. III. p. 28) als Plewrococcus roseo- persicinus aufgeführt. Indessen sind die pfirsichblüthrothen Massen nicht immer am Boden der Gewässer abgelagert; kultivirt man die- selben längere Zeit im Zimmer, so findet man sie auch auf der Ober- - fläche des Wassers unter anderen Algen schwimmend, als grössere oder kleinere, lockere schleimige Flöckchen; bald bildet sich auch an der ganzen Innenfläche des Glasgefässes, in welchem die Algen eultivirt werden, ein schön pfirsichblüthrother Anflug, der Jahrelang anscheinend unverändert sich erhält. Ein vergleichendes Studium dieser verschiedenen Zustände ergiebt eine überraschende Mannig- faltigkeit der Entwiekelungszustände; auf den ersten Blick scheint es leicht, die Alge wegen ihrer auffallenden Farbe auch in den ver- schiedensten Gestaltungen wieder zu erkennen; bald überzeugt man sich aber, dass grade diese Färbung irre leitet, da eine ganze An- zahl mikroskopischer Organismen, welche meist gesellig unter einan- der vorkommen, aber durchaus nicht in entwicklungsgeschichtlichem Zusammenhang stehen, durch die nämliche Pfirsichblüthfarbe charak- terisirt sind. Zu speciellerer Untersuchung wurde ich durch eine Beobachtung des Herrn Dr. Oscar Kirchner angeregt, welcher mir zuerst im Novem- ber 1872, und in der Folgezeit öfter aus einem mit Schilf bewachse- nen Teiche in der Nähe von Breslau (bei Gabitz) eine rosenrothe Alge brachte, die theils auf der Oberfläche des Wassers in geringer Ausbreitung schwamm, theils tiefer unten zwischen Vaucheria, Spi- rogyra, ÜUlothriw und Lemna trisulca sass'). Sie liess sich nicht leicht sammeln, da sie rasch auseinander floss; doch durch Heraus- 1) Als rothe Wasserblüthe ist unsere Art anscheinend schon von Fleischer (Hedwigia 11, p. 37) beschrieben worden. 158 holen der übrigen Algen gelang es, auch sie in ziemlicher Menge zu erhalten, und im Pflanzenphysiologischen Institut den ganzen Winter hindurch zu eultiviren. Die mikroskopische Untersuchung wurde von mir in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Kirchner vorge- nommen; ihm verdanke ich auch die schönen Zeichnungen auf Taf. VI. Weiteres Material gewährten insbesondere Sendungen faulender Was- serpflanzen aus Lachen am Strande der Insel Seeland in der Nähe des Oeresund, welche Herr Dr. Eugen Warming aus Copenhagen im Winter 1874/5 mir zu wiederholten Malen mitzutheilen die Güte hatte, so wie zwei Sendungen aus Oxford, welche ich der Freund- lichkeit des Dr. E. Ray Lankester verdanke. Auch in der Um- zebung von Breslau ist mir schon seit Jahren die Alge mehrfach vorgekommen. Die von Herrn Dr. Kirchner gesammelten und präparirten Exemplare wurden in Rabenhorst’s Algen Europa’s, No. 2313, unter den neuen Namen Ülathrocystis roseo-persicina ausgegeben, und von mir mit einer lateinischen Diagnose, so wie mit einer kur- zen Erläuterung versehen; ein besonderes Interesse hat die Alge dadurch gewonnen, dass Dr. E. Ray Lankester sie unter dem Namen Bacterium rubescens im Jahre 1873 in seinem Aufsatze (,On a peach coloured Bacterium“)‘) ausführlich behandelt und abgebil- det hat; er hatte sie in Fluss-Wasser gefunden, in welchem todte Thiere (Flusskrebse ete.) verwest waren. Während die an der Oberfläche von andern Pflanzen haftende Alge gestaltlose Aggregate rother, scharf conturirter, durch eine deutliche gemeinschaftliche Gallerthülle verbundener Zellen dar- stellt, erscheinen die freischwimmenden als blasenartige Hohlkugeln, deren Durchmesser über 0,6 mm. erreichen kann. (Taf. VI. Fig. 2.) Der Inhalt dieser Kugein ist eine wasserhelle Flüssigkeit; die rothen Zellen bedecken in einschichtiger: Lage die Peripherie; sehr häu- fig sind die Kugeln nicht geschlossen, sondern stellen zerrissene unregelmässige Säcke dar, an denen äusserlich ähnliche Kugeln, Halbkugeln, Calotten angewachsen sind. (Fig. 4, 6, 9.) Dass die amorphen Flecken, die schwimmenden Kugeln und die zerrissenen Blasen in den Entwickelungskreis einer und der näm- lichen Art gehören, ist nach der völligen Gleichheit im Bau und der Färbung der Zellen, so wie nach dem Vorkommen aller möglichen Uebergangszustände nicht zu bezweifeln. Die einzelnen Zellen sind sehr 1) Quarterly Journal of Mieroscopieal Science vol. XIII. New series. p- 403 seq. tab. XXI. XXI. 159 klein, bis 2,5 Mikrom. (Mikromillimeter) = 0,0025 mm., kleiner als bei Olathrocystis aeruginosa, Coelosphaerium, Polycystis und andern ver- wandten Algen; ihre Gestalt ist kreisrund, oval oder durch gegen- seitigen Druck etwas eckig, oft in Zweitheilung begriffen. (Fig. 1a.) Der Zellinhalt ist in verschiedenen Nuancen: rosen-, fleisch-, pfir- sichblüth-, purpurroth durch einen charakteristischen Farbstoff gefärbt, dessen Spectrum E. R. Lankester studirt und abgebildet hat (l. c. pag. 425). Hiernach zeigt der Farbstoff drei Absorptionsstrei- fen: eine totale Absorption im Gelb zu beiden Seiten der Linie D; zwei schwächere Absorptionsstreifen im Grün in der Umgebung von b und E, sowie im Blau bei F; ausserdem zeigt die Zeichnung von Lankester eine gegen G stetig steigende Verdunkelung der stär- ker brechbaren Speetrumhälfte. Das optische Verhalten charakteri- sirt diesen Farbstoff als verschieden von der blutrothen Monas (Mierocoecus) prodigiosa, sowie von andern rothen Pigmenten; der- selbe ist deshalb von Lankester mit einem eigenen Namen (Bac- terio-purpurin) bezeichnet worden; er ist nach Lankester unlös- lich in Wasser, Alcohol, Chloroform, Ammoniak, Essigsäure, Schwe- felsäure, durch heissen Alcohol wird er in eine braune, durch Chlo- roform in eine orangebraune Substanz umgewandelt; auch beim Ab- sterben verfärben sich die rothen Zellen in Braun. Die Membran der Zellen wird durch den Contrast gegen den rothen Inhalt meist sehr deutlich unterschieden; sie erscheint bei- nahe knorplig, wie bei Gloeocapsaarten; der Inhalt ist in jüngeren Zuständen meist homogen; in älteren Zellen dagegen erscheint der- selbe schwächer lichtbrechend als die Membran und die Zellen daher gleichsam ausgehöhlt; in diesem Zellinhalt sind ein oder mehrere, sehr auffällige, dunkle Körnchen eingeschlossen, welche den Zellen ein sehr charakteristisches Ansehen geben, und über deren Natur ich später eine Erklärung zu geben versuchen werde. Die Zellen sind durch eine schleimige Intercellularsubstanz derart zu Zellfamilien vereinigt, dass in der Regel zwei Nachbar- zellen um die Breite ihres Durchmessers von einander abstehen; die Anwesenheit der gemeinschaftlichen Intercellularsubstanz verbie- tet die Einordnung der Alge unter Plewrococcus oder Protococeus und weist dieselbe in die Gruppe der Uhroocoecaceae. Uebrigens ist die Intercellularsubstanz in verschiedenen Alterszuständen sehr ungleich entwickelt; am deutlichsten ist sie in den kleinen formlo- sen Colonien, wo der Abstand der einzelnen Zellen bis zum Doppel- ten ihres Durchmessers ansteigt. Ausserdem ist die ganze Zellfamilie ‚ von einer gemeinschaftlichen Gallert umgeben, welche deutlich nur 160 ’ dann wahrgenommen werden kann, wenn man dem Wasser ein fein- körniges Pigment (Karmin, Gummigutt, chinesische Tusche) beimengt; alsdann sieht man die kugeligen rothen Zellfamilien von einem mehr oder minder breiten ungefärbten Hofe umgeben (Fig. 1. b. c. 2—5). Dass die Familien, in denen viele tausend Zellen vereinigt sind, aus einzelnen Zellen durch successive Zweitheilungen hervorgehen, ist zwar von vornherein zu vermuthen; doch ist der Vorgang im Einzelnen schwer zu verfolgen. Nicht selten findet man zwar unter Algendetritus isolirte Zellen, und kleine Gruppen, aus 2, 4, 8 Zel- len gebildet; es ist wohl anzunehmen, dass diese Gruppen durch fortgesetzte radiale Theilung ihrer Zellen sich in ähnlicher Weise zu grösseren Hohlkugeln ausbilden, wie dies Leitgeb für Coelo- sphaertum Naegelianum angegeben hat, nur dass die radialen Gal- lertstränge, welche bei der letzteren Gattung jede Zelle mit dem Centrum der Kugel in Verbindung erhalten, bei unserer Art nicht vorhanden sind. Daher bewahren die Familien auch nicht ihre ursprüngliche Kugelgestalt; vielmehr nehmen sie, sobald sich ihr Durchmesser erheblich vergrössert, durch überwiegende Vermehrung einzelner Zellgruppen eine unregelmässige Blasen- oder Sackform an. Manchmal sieht man Zwillingsfamilien (Fig. 3), welche aus der Einsehnürung und Durcehfurchung einer Mutterkugel hervorzugehen scheinen. Wenn die blasenartigen Zellfamilien frei im Wasser schwimmen, so beobachtet man häufig die Entwickelung von halb- kugeligen Protuberanzen an ihrer Peripherie (Fig. 6, 7). Vermuth- lich entstehen diese Protuberanzen ebenfalls nur durch excessive radiale Theilung einzelner Zellen oder Zellgruppen, in Folge deren sich deren gesammte Nachkommenschaft zu einer später selbststän- dig werdenden Colonie gestaltet, anfänglich nur in Form einer bla- sigen Ausstülpung sich glockenförmig nach aussen wölbt, schliess- lich aber als Calotte oder Halbkugel von der Mutterfamilie abtrennt; solche Colonieen nehmen bald wieder eine vollständige Kugelgestalt an, indem sich die frühere Anheftungsstelle nur durch ein mitunter sehr kleines Loch erkennen lässt, während die Mutterfamilie an der entsprechenden Stelle meist eine grössere Lücke behält (Fig. 8). An den secundären Colonieen erkennt man schon frühzeitig die Bil- dung von tertiären Protuberanzen. Die gesammte Entwickelung erinnert an die von Leitgeb beschriebene Entstehung der Theilfa- milien bei Üoelosphaerium; während aber dort höchstens 6 Colonieen an der Mutterkugel beobachtet sind, findet man bei unserer Olathro- cystis deren 20—30 an der blasig aufgetriebenen Mutterfamilie fest- sitzen. Wenn die Tochter- und Enkelfamilien sich aus ihrer äusser- 161 lichen Verbindung isolirt haben, so bleibt von der Mutter nur ein unregelmässig durchlöcherter Sack zurück, der sich schliesslich in formlose rothe Fetzen oder Zellhaufen auflöst. Auf eine andere Weise scheint die Olathrocystis roseo-persicina sich zu verhalten, wenn dieselbe bei Wassermangel, z. B. in einer mit Lemna trisulca bis zum Boden vollgefüllten Schale eultivirt wird. Alsdann bilden sich nämlich in den blasenförmigen Zellfami- lien erst wenig, dann immer mehr und grössere Löcher, anscheinend nur durch Auseinanderweichen einzelner Zellreihen, ohne dass es zur Bildung von Tochterkugeln kommt; schliesslich zerreissen dieselben in äusserst zierliche Netze, welche, abgesehen von der grösseren Unre-. gelmässigkeit, an die Hydrodictyonnetze erinnern (Fig. 10). Spä- ter zerfallen die Netze in kleinere Stücke, und lösen sich endlich in formlose Fetzen und Lappen auf; diese stellen, neben den aus den sackförmigen Familien hervorgegangenen, jene gestaltlosen rothen Zellaggregate dar, welche bald zu Boden sinken und sich besonders auf der Oberfläche abgestorbener und auf dem Grunde des Wassers vermodernder Algen, Blätter, Thierreste lagern. Hier setzt sich die Vermehrung der Zellen fort; daher vergrössern sich die rothen fleckenartigen farblosen Zellhaufen fortdauernd, und es gehen aus ihnen auch unter gewissen Umständen wieder geformte, kuglige und selbst netzförmige Zellfamilien hervor. Die Uebereinstimmung, welche unsere rothe Alge mit der blau- grünen Ülathrocystis aeruginosa Henfrey namentlich in Bezug auf die Netzbildung zeigt, hat uns veranlasst sie in die nämliche Gat- tung einzureihen, jedoch mit Rücksicht auf das abweichende Vor- kommen, so wie auf die verschiedene Grösse der Zellen als selbst: ständige Art anzuerkennen '). Eine Beobachtung, welche wir zuerst am 17. Dec. 1573, dann noch zu wiederholten Malen, wenn auch nicht häufig, gemacht haben, scheint noch auf eine ganz abweichende Fortpflanzungsweise der rothen Ülathrocystis hinzuweisen. Mitunter begegneten wir nämlich mitten unter den gewöhnlichen unbeweglichen Kugeln, Säcken und 1) Wie sich unsere Olathrocystis roseo-persieina zu der Polyeystis Ichthyoblabe b. purpurascens A. Braun (Rabenhorst Krypt. Flora von Sachsen p. 74. Flora Alg. Europ. p. 53) verhält, welche mit der Kützing’schen Polyeystis violacea (Rab. Alg. N. 306 u. 565) für identisch gehalten wird und in stagnirenden Wäs- sern namentlich Sachsens mehrfach gesammelt wurde, vermag ich nicht zu be- urtheilen, da ich sie lebend noch nicht beobachtet habe. Dasselbe gilt von Monostroma rosea Currey, Synechococcus roseo-persicinus Grunow in litt, und S. violaceus Grun. in Rabenh. Flor. Alg. europ. III. p. 418, u. a. A. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft III, 11 162 Netzen einzelnen jungen Familien, in denen eine begrenzte Zahl (eirca 16 —64) Zellen zu einer regelmässigen Kugel derart vereint war, dass dieselben ohne erkennbare Intercellularsubstanz eng aneinander gedrängt, auch anscheinend nicht blos in der Peripherie einschichtig geordnet, sondern den ganzen Kugel-Inhalt auszufüllen schienen (Fig. 1b. c.). Die intensiv purpurrothe Farbe liess diese jungen Familien sofort von den normalen, rosa-pfirsichblüthfarbenen unterschei- den; wie diese, waren sie von einer gemeinschaftlichen ziemlich breiten Gallerthülle rings eingeschlossen. Ueberraschender Weise besassen diese dunkelrothen Kugeln eine spontane Bewegung, indem sie schwerfällig aber kräftig nach verschiedenen Richtun- gen im Wassertropfen umherrollten, ähnlich wie die kugligen Fami- lien von Pandorina oder Volvox; seltener waren es unregelmäs- sige rothe Zellhaufen, welche die nämliche spontane Bewegung zeig- ten (Fig. 4. 5). Wie lange diese Bewegung andauert, und auf welche Weise die rotirenden in die ruhenden Familien übergehen, konnte ebenso wenig ermittelt werden, als sich Bewegungsorgane (Cilien etc.) auffinden liessen. Bewegliche Zustände sind bisher weder bei der rothen Olathro- cystis, noch überhaupt bei irgend einer andern der verwandten span- grünen Chroococcaceen beobachtet worden. Dennoch hätten sich bewegliche Zustände schon von vornherein aus der Thatsache ver- muthen lassen, dass, wenn man die rothe Ölathrocystis in einem Glasgefäss eultivirt, sich nach kurzer Zeit an der dem Fenster zuge- wendeten Seite ein pfirsichblüthrother Ueberzug bildet, welcher frei- lich nur aus unbeweglichen Zellaggregaten besteht, der aber doch nur aus beweglichen Entwickelungszuständen hervorgegangen sein kann, welche in Folge von positivem Heliotropismus die beleuchtete Seite spontan aufgesucht haben. 7. Monas vinosa Ehr. Taf. VI. Fig. 13. Vielleicht gehören hierher jene kleinen lebhaft beweglichen, rothen Körperchen, die wir am 17. Dec. 1873 in dichten Schwärmen in einem Glasgefässe beobach- teten, in welchem ausserdem noch die pfirsichblüthfarbene Ulathro- cystis eultivirt wurde. Sie waren von regelmässiger Kugel- oder Ovalform; häufig zeigten sie sich paarweise verbunden, offenbar in Quertheilung begriffen (Tab. VI. Fig. 13*); sie erreichten meist einen Durchmesser von 2,5 Mikrom ; ausser einer blassrothen Substanz, in welche dunklere Körnchen eingelagert waren, liess sich keine weitere Organisation wahrnehmen, insbesondere konnten keine Flim- mergeisseln nachgewiesen werden. Gleichwohl zeigten dieselben eine sehr lebhafte Schwärmbewegung, die von zitternder Molecular- 163 bewegung deutlich verschieden war, und in Folge deren sie, gleich grünen Schwärmsporen, sich in zahllosen Haufen zu einem rosen- rothen Saume an dem Lichtrande des Wassers ansammelten. Aehnliche Kügelchen in ähnlichem Vorkommen sind schon mehr- fach früher beobachtet worden, wenn es auch fast unmöglich ist, aus den älteren Beschreibungen mit Bestimmtheit die Identität nach- zuweisen. Dies gilt insbesondere, wie schon Dujardin (Histoire des zoophytes p. 280) mit Recht bemerkt, von den so unvollkommen erforschten Monaden Ehrenberg’s; dennoch glaube ich in unse- ren rothen schwärmenden Kügelchen Ehrenberg’s Monas vinosa mit Sicherheit wiederzuerkennen, welche derselbe als ovale, abge- rundete, rothweinfarbene, äusserst kleine (655340 = 2——4 Mikrom.) Körperehen mit sehr langsamer zitternder Bewegung beschreibt. Ehrenberg fand dieselben nicht selten in Wasser, welches lange in Gläsern gestanden, in dem vegetabilische Theile vermodert sind. Nachdem das Wasser wieder klar geworden, bildet die Monade wein- rothe Flecken an der dem Lichte zugekehrten Wand des Glases, oder umgiebt die vermoderten Pflanzenreste selbst. Nach einiger Jheit absterbend, bildet sie rothe Krusten an der Wand des Glases, in welcher die einzelnen Thierchen sich noch erkennen lassen, aber keine Bewegung mehr zeigen '). Charles Morren beobachtete die Monas vinosa in einem Wasserglase, in welchem Pieris aguilina zwei Monate lang vermo- derte; das Wasser war nun weinroth (rouge de vin violätre), oben intensiver als am Grunde, gefärbt und während dreier Monate an Intensität zunehmend, dann allmählich sich entfärbend. Beim Ab- sterben bildet die Monade einen thierischen Schleim an der Ober- läche des Wassers, den Glaswänden und den im Wasser befindlichen Gegenständen; so entstehen die weinrothen palmellenähnlichen Krusten (plaques), welche oft mehre Zoll sich ausbreiten und in denen die noch lebenden und lebhaft gefärbten Monaden eingeschlossen sind”). Vielleicht gehört hierhin auch das von Perty beschriebene Chromatium (Monas) violascens, welches derselbe an der Wand eines Gläschens mit faulenden Charen nach 14 Tagen in Form eines schmutzig blass violetten Ueberzugs beobachtete, der aus sehr klei- nen sphäroidischen zitternden dunkelgekörnten Körperchen bestand’). t) Infusionsthierchen 1838 p. 11. 2) Recherches sur la rubefaction des eaux. Mem. de l’Academie de Bruzelles 7. Febr. 1341 p. 70. 3) Perty, kleinste Lebensformen 1852 p. 174. Tab. XV. Fig. 16. HR? 164 Aus allen diesen Beobachtungen scheint eine Beziehung der beweglichen Kügelehen der Monas vinosa Ehr. zu unserer Olathro- cystis roseo-persicina hervorzugehen, welche den Gedanken nahe legt, in den ersteren die Schwärmzellen der letzteren zu erblicken. Eine bestimmte Entscheidung vermag ich jedoch nicht zu geben, da mir kein ausreichendes Material zu Gebote stand. 8. Monas Okendi Ehr. Taf. VI. Fig. 12. Wie schon oben erwähnt, kann die pfirsichblüthrothe Färbung der Olathroeystis roseo- persieina leicht zu irrigen Schlüssen über deren Entwickelung ver- leiten, da mit ihr gesellschaftlich andere mikroskopische Organismen vorkommen, welche die nämliche Farbe besitzen, sich mit. blossem Auge daher gar nicht, und selbst mit stärkeren Vergrösserungen schwierig unterscheiden lassen, gleichwohl aber ohne Zweifel durchaus nicht in genetischem Zusammenhang mit jener Alge stehen. Im März 1874 brachte die „Gartenlaube* eine Notiz über einen Teich bei Kahla in Thüringen, dessen farbloses Wasser alsbald eine rothe Farbe annimmt, sobald dasselbe durch einen Stock aufgestört wird. Durch freundliche Vermittelung der Redaction der Garten- laube, an welche ich mich wendete, erhielt ich von dem Beobachter dieses seltsamen Phänomens, Herrn Dr. Hirsch zu Kahla, ein Fläschchen mit rothem Wasser, welches nach kurzer Zeit einen röthlichen Bodensatz ablagern liess, und dann völlig klar und farb- los erschien; auf’s Neue durchgeschüttelt sah dasselbe purpurroth aus, fast wie Himbeerwasser. Der reichliche Bodensatz bestand aus allerhand Detritus, zwischen dem eine ungewöhnliche Menge interes- santer Infusorien sich umherbewegten: Zhizopoden, Chlamidomona- den, Astasiaeen, Trachelomonaden, Peranemen, Cryptomonaden, Glenodinien, Euploten, Paramecium versutum und Aurelia, auch Jeotifer u. a. A. Die Ursache der rothen Färbung des Wassers aber war — neben der Olathrocystis roseo-persicina, deren pfirsichblüthrothe Kugeln und Blasen umherschwammen oder an anderen Algen anhafteten, — ein klei- ner Organismus der nämlichen Farbe, aber von kurzeylindrischer Gestalt, in der Regel zwei bis dreimal länger als breit, an beiden Enden abgerundet, meist schwach gebogen; der Querdurchmesser beträgt 5 Mikrom. (= 0,005 mm.), die Länge variirt je nach den Theilungszuständen zwischen 7,5 und 15 Mikrom. Diese rotlıen Körperchen erfüllten in ungeheuren Schwärmen das Wasser, und bewegten sich wie Schwärmsporen, nicht sehr behend, unter steter Achsendrehung; mitunter drehten sie sich auch der Quere nach rasch r) wie ein Kreisel; findet sich ein Hinderniss, so drängen sich diesel- 165 ben eine Zeit lang unter fortdauernder Achsendrehnng an, als woll ten sie mit dem Kopf durch die Wand rennen, bis sie mit einem Male die Drehungsrichtung ändern und davonschwimmen; lange Ruhezustände wechseln mit der Bewegung. Sie schwimmen der Licht- seite des Tropfens zu, und bilden am Rande rothe Säume, aus zahl- losen dichtgedrängten Körperchen. Anfangs konnte ich keine Bewe- gungsorgane erkennen, obwohl ein Wirbel an einem Ende der Kör- perchen die Anwesenheit von solchen andeutete, schliesslich gelang es mir durch Jodlösung, später auch an lebenden Körperchen eine sehr lange Flimmer-Geissel zu erkennen, welche die Körperlänge wohl um’s Doppelte übertrifft, und stets am Hinterende nach- geschleift oder in schlängelnde Bewegungen versetzt wird (Taf. VI. Fig. 12). Diese Körperchen bestehen anscheinend aus einer homogenen bald blasser, bald intensiver purpur oder pfirsichblüthroth gefärbten Substanz, in welcher mehr oder weniger zahlreiche dunklere Körnchen eingelagert sind, ähnlich denen, welche wir in den Zel- len von Ülathrocystis roseo- persicina bereits erwähnt haben. Mit den lebenden Individuen lassen sich chemische Reactionen schwierig anstellen, weil diese in das wasserhaltige Protoplasma schwer eindringen; lässt man aber den rothen Tropfen auf einem Objectglas austrocknen und setzt dann Alcohol zu, so werden die Körperchen sofort entfärbt, es bleibt ein farbloses Protoplasma zurück, und eine zarte Membran, welche dasselbe nach aussen umgrenzt, wird neben ein bis zwei Vacuolen sichtbar (Fig. 12**); die Lösung des rothen Farbstoffs durch den Alcohol geschieht rascher als z. B. die des -. Chlorophyils in den gleichzeitig vorhandenen Euglenen. Essigsäure färbt die Körperchen hellroth; in Ammoniak zerfliessen dieselben; das Pigment wird braunroth. Die rothen Körperchen sind die Haupt- nahrung der Rhizopoden und Infusorien, die sich im nämlichen Was- ser befinden; in kleinen scheibenförmigen Amoeben sind sie oft so zahlreich eingeschlossen, dass ich anfangs eine Fortpflanzung der- selben in farblosen Cysten vermuthete; aber auch Arcellen und Difllugien ernähren sich mit Vorliebe von ihnen, und besonders zier- lich erscheint der grüne Euplotes viridis durch die rothen Körperchen, die er mit Gier verschlungen, da diese mit den Chlorophylikügelchen des Infusoriums eontrastiren. Auch Rotifer vulgaris verspeist diesel- ben in solcher Menge, dass sein ‚Verdauungscanal von ihnen vollge- stopft wird; im eigentlichen Magen des Räderthiers werden die Kör- perchen hellroth, was auf die saure Reaction seines Saftes hinweist, in den beiden Abtheilungen des Darmes dagegen 166 erscheinen sie dunkel- oder braunroth, offenbar in Folge neutraler oder alkalischer Reaction, Die gewöhnliche Vermehrung der rothen Körperchen geschieht durch Quertheilung, die man in allen Stadien antrifft; bei solchen in der Mitte durchgeschnittenen Exemplaren beobachtete ich an bei- den Enden je eine Flimmergeissel (Fig. 12*). In ruhendem Zustande, wo sie sich am Boden des Wassers ablagern, geht ebenfalls Quer- theilung vor sich. Ehrenberg hat die rothen Körperchen zuerst entdeckt, und zwar ebenfalls in Thüringen an einem Fundort, der dem von mir hier erwähnten nahe gelegen ist. Wie er in seinem grossen Infu- sorienwerk (p. 15) berichtet, hatte er am Tage der Eröffnung der deutschen Naturforscherversammlung zu Jena am 12. Septbr. 1836 bei einem Spaziergange mit Weisse in einem kleinen Bassin des Baches unterhalb der Kirche von Ziegenhain handbreite rothe Flecken wahrgenommen, veranlasst durch eine rothe eylindrische Monade von o; mm. —= 10 Mikrom. Länge, deren Abbildung er nicht mehr geben konnte, die er aber deutlich beschreibt und zu Ehren des Begründers der deutschen Naturforscherversammlungen als Monas Okeniti aufführt; später wurde dieselbe von Ehrenberg auch bei Berlin, von Eichwald und Weisse bei Petersburg gefunden '). Charakteristisch ist das Herabsinken der rothen Monaden auf den Boden, wo sie schön rothe Flecken bilden, so dass Weisse seine der Petersburger Akademie vorgelegten Zeichnungen mit den leben- den Körperchen ausmalen konnte; nach seiner Berechnung sind 150,000 Monaden erforderlich, um die 290 mal vergrösserte Zeich- nung eines Individuums zu coloriren. Ehrenberg hatte bereits einen peitschenartig wirbelnden Rüssel von halber Körperlänge erkannt; dass derselbe rückwärts gerichtet ist, wurde bisher nicht wahrgenommen. Perty?) sonderte die eylindrischen, roth braun, violett oder grün gefärbten, mit Körnchen (innern Bläschen, Blastien, Ehrenberg’s Magenbläschen) erfüllten Monaden als eine selbst- ständige Gattung Uhromatium ab, in welcher unsere Art als Chro- matium Okenit, eine unter Charen gefundene Form als zweite Species, von Perty durch geringere Grösse unterschieden und als Ohro- matium Weissit abgetrennt wird, was ich jedoch nach den mitge- theilten Abbildungen (l. ec. Tab. XV. Fig. 15) und Massen (Länge #50 >00) nicht gerechtfertigt finden kann. 1) Bulletin Phys. Math. de l’ Acad&mie de Petersburg III. p. 310 u. 335. 2) Kleinste Lebensformen p. 174. 167 9, Rhabdomonas rosea n. sp. Taf. VI. Fig. 14. Ausser der Monas Okenii enthielt das rothe Wasser aus Kahla noch verein- zelte spindelförmige, blass rosenrothe Körperchen, welche nach beiden Enden verjüngt, in ausgewachsenem Zustande etwa 8mal länger als breit sind; ich bestimmte die Breite zu 3,8—5 Mikrom. (0,0038 —0,005 mm.), die Länge je nach dem. Zustande der Thei- lung: 20— 30 Mikrom. (Taf. VI. Fig. 14). Die Vermehrung durch Quertheilung ist häufig zu beobachten, die Theilhälften erreichen fast ihre normale Grösse, ehe sie sich trennen (Fig. 14*). Charak- teristisch sind auch für diese Körperchen die dunkelen, stark Licht brechenden, in die rosafarbene Substanz eingelagerten Körnchen, die sich bald in grösserer, bald in geringerer Zahl vorfinden; auch was- serhelle Vacuolen in der Mitte und an den Enden wurden beobachtet. Die Bewegung ist langsam zitternd, abwechselnd vor- und rück- wärts unter beständiger Drehung um die Längsachse; ein Wirbel am hintern Ende deutet auf eine nachschleppende Flimmergeissel, wie bei Monas Okenit, die ich jedoch nur einmal wirklich unterscheiden konnte. So viel ich weiss, ist diese rothe Spindelmonade noch nicht beschrie- ben; sie gehört unter die Ehrenberg’sche Section Ahabdomonas als eine neue Art, die ich als Rhabdomonas rosea bezeichnen will. 10. Monas Warmingiüi n. sp. Taf. VI. Fig. 11. Im Winter des Jahres 1874 lernte ich noch eine Reihe von Vorkommnissen pfirsichblüthfarbener mikroskopischer Fäulniss- Organismen in Folge mehrerer Sendungen kennen, welche Herr Dr. Eugen Warming in Kopenhagen mir zu wiederholten Malen zu machen die Güte hatte. Derselbe theilte mir zuerst am 15. November 1874 mit, dass er in den an der dänischen Küste am Sund, bei Kopenhagen, am Katte- gat und vielen anderen Orten im Herbst überall vorkommenden brakischen Lachen, in denen Algen (Enteromorpha, Ühaetomorpha) sowie Zostera und andere Salzwasserphanerogamen faulen, das äus- serst häufige Auftreten rother Flecken und Massen zwischen den modernden Pflanzen beobachtet habe. Als Ursache desselben treten mikroskopische Organismen auf, und zwar überall die nämlichen Formen. Herr Dr. Warming hatte dieselben nicht nur selbst bereits mikroskopisch untersucht, sondern theilte mir auch Skizzen seiner Zeichnungen mit, indem er unter wiederholter Sendung des mit den Fäulnissprodukten erfüllten Wassers mich um deren Bestimmung ersuchte. Merkwürdiger Weise waren es meist die nämlichen Arten, die in charakteristischer Gruppirung ich oben von Thüringen beschrie- ben, wie sie in gleicher Weise auch schon in Schlesien, in England Russland etc. beobachtet worden sind. 168 In unzähligen Massen schwärmten unter den rothen Fäulnisspro- dueten die kleinen einfachen oder Doppelkügelchen der Monas vinosa Ehrb., die durch ihre dunklen Körnchen ausgezeichnet sind und den Zustand des Umherrollens oft mit längerer Ruhe vertauschten. Auch die blassrothen dunkelkörnigen Spindelmonaden (Ihabdomonas rosea) wurden oft in ungeheurer Menge beobachtet; ihre Färbung ist so schwach, dass das Roth nur in grösseren Schaaren erkennbar wird. Lebhafter purpurn gefärbt waren die kurz eylindrischen dunkelkör- nigen Körperchen der Monas Okenii, welche zu Tausenden einen rothen Bodensatz von schöner Fleischfarbe bildeten. Auch die Ula- throcystis roseo-persicina zeigte sich in unregelmässigen pfirsichblüth- rotlıen Schleimmassen und Säcken, wie wir sie oben schon beschrie- ben haben. Von eigenthümlichen Formen hebe ich eine Monade hervor, die ich anderwärts noch nicht beobachtet habe; sie ist in Gestalt der Monas Okenii ähnlich, doch etwas robuster; ihr Körper ist wasser- hell, von blassrothem, dichtem Protoplasma gebildet und nuranden beiden abgerundeten Enden mit dunkelrothen Körncehen erfüllt; die Länge beträgt 15—20 Mikrom., die Breite 8 Mikrom.; doch kommen auch kleinere vor; ihre Bewegung ist taumelnd, doch viel lebhafter als die der Monas Okendi; eine Flimmergeissel, die bereits Dr. Warming wahrgenommen, wird, wie bei jener Art, hin- ten nachgeschleift. Eigenthümlich ist das Verhalten der Körnchen bei der Quertheilung; während in der ungetheilten Monade die Mitte völlig körnerlos ist, bilden sich bei Beginn der Theilung von beiden Rändern her in der Mittellinie dunkle Körnchengrup- pen, welche in demselben Masse nach innen wachsen, als die Ein- furchung selbst vorschreitet, so dass nach vollendeter Theilung jede Hälfte an ihren beiden Enden die charakteristischen Körnchenhau- fen zeigt. | Von den Ehrenberg’'schen rothen Monaden erinnert eine, Monas erubescens, durch ihr Vorkommen in salzigem Gewässer (Salzsee in der Kirgisensteppe bei Astrachan) wie durch ihre Eigestalt an unsere Form; doch halte ich diese wegen der charakteristischen Körnchenvertheilung und der bedeutenderen Grösse (Monas erubescens nach Ehrenberg -/, mm. = 14 Mikrom.) für eine noch unbeschrie- bene Art, die ich nach ihrem Entdeeker als Monas Warmingii auf- führe; sie bildet oft ganz allein pfirsichblüthrothe Niederschläge im faulenden Wasser, indem sie in diehten Haufen bewegungslos sich ablagert und die Blätter und Conferven mit rother Färbung über- zieht; nur einzelne Individuen zeigen dann Bewegung; die rothen 169 Monadenhaufen bedecken die modernden Pflanzen wie Fliegen, welche sich auf einer Zuckerschaale versammeln !). 11. Ophidomonus sanguinea Ehr. Taf. VI. Fig. 15. Selbstver- ständlich wimmelte das faulende Wasser auch von Bacterien ver- schiedener Formen; ganz besonders ausgezeichnet waren lebhaft bewegliche starre Spiralen von ungewöhnlicher Grösse, wie sie die auch durch mehrere kleinere Arten vertretene Gattung Sperillum kennzeichnen. Es sind walzliche Fäden von 3 Mikrom. Dicke und darüber, regelmässig pfropfenzieherartig gedreht; die Zahl der Win- dungen ist verschieden, meist zwei; doch finden sich ebensowohl 1) Das gesättigte, im Auskrystallisiren begriffene Salz-Wasser der Salinen an der französischen Mittelmeerküste zeigt häufig, insbesondere im Winter, eine schön rosenrothe Färbung mit violettem Reflex, welcher nach Dunal von einem nur am Boden befindlichen, kleinen Protococeus herrührt (Pr. sali- nus Dunal), während das Wasser selbst ungefärbt ist und nur das Colorit des Grundes refleetirt (Rapport sur le Memoire de M. Dumnal sur les Algues qui colorent en rouge cerlaines eaux des marais salants mediterranes. Ann. des sc. nat. 2 ser. Bot. IX. p. 172. 1838). In andern Reservoiren besitzt das Wasser selbst eine orange-rostrothe Farbe, mit gleichfarbigem Schaume; diese hatte die Mitglieder der Pariser Akademie in den Jahren 1837—1840 vielfach beschäf- tigt, indem als Ursache anfänglich (durch Payen) eine Crustacee (Artemia salina), dann durch Dunal ein unbeweglicher Haematococcus (H. salinus Dunal), endlich durch Joly eine bewegliche zweiwimperige Monade (Monas Dunalii Joly) erklärt wurde. Wie ich schon in Hedwigia 1865 bemerkt, las- sen Joly’s Abbildungen in seinem Mem. sur U’Artemia salina (Ann. d. sc. nat. 2 ser. zool. XIII. 1840. Pl. 13. Fig. S) keinen Zweifel darüber, dass Monas Dunalii nur die Schwärmzellen eines Chlamydococeus sind, welchen ich als Chl. Dunalii bezeichnet und dessen Ruhezustand Haematococcus salinus Dunal ist (vgl. Rab. Fl. Alg. Europ. III. p. 96). Dagegen lässt sich ohne neue Un- tersuchungen nicht entscheiden, ob der violette oder rosenrothe, sehr kleine Protococeus salinus wirklich nur ein Jugendzustand des Haematococcus, wie Dunal annahm, oder die ausgekrochenen Eier desselben darstellt, wie Joly meinte, oder ob er nicht vielmehr einer selbstständigen Art aus der Reihe der hier zusammengestellten, pfirsichblüth- oder rosenrothe Färbungen bilden- den Organismen angehört. Von diesen sind die C’hlamydococeus- und Chroole- pus-Arten mit orange, ziegel- oder karminrothem Pigment, welehes mit dem Chlorophyll in Zusammenhang steht, und oft durch Veilchengeruch charakte- risirt ist, in ihrem gesammten physiologischen und entwickelungsgeschicht- lichen Verhalten durchaus verschieden. Die von mir früher mehrfach ausge- sprochene Ansicht, dass dieser Farbstoff ein orange-rothes Oel sei, muss ich nach neueren Untersuchungen dahin modifiziren, dass derselbe nur, gleich dem Chlorophyll, in fetten Oelen löslich ist; in abgestorbenen Zellen, wo das im Inhalt vertheilte Oel sich meist in grossen Tropfen sammelt, er- scheinen diese daher durch das rothe Pigment ebenfalls gefärbt, bis das- selbe, ähnlich dem Chlorophyll, am Lichte zerstört wird und die Oeltropfen dann farblos sind. 2 170 Spiralen von 25 (15*), wie kürzere, bis zu einer halben Windung (15**); überhaupt variirt Grösse und Weite der Spiralen nicht unbedeutend; die Höhe der Spirale (der Abstand zwischen zwei Windungen) erreichte 9—12 Mikrom., der Durchmesser etwa 3 der Höhe. Die ein- zelnen Spiralen sind scheinbar farblos, doch von zahlreichen stark lichtbrechenden röthlichen Körperchen dunkelkörnig; mitunter sind diese ungleich vertheilt, so dass die eine Hälfte der Windung kör- nerlos, die andere durch übermässige Körnchen fast undurchsichtig erscheint; in grösseren Massen sind die Spiralen deutlich röthlich schimmernd. In einem Gesichtsfeld schrauben sich oft Hunderte von Spiralen durch das Wasser, nicht allzurasch, mit wechselnden Ruhe- pausen, doch auch mitunter so schnell, dass das Auge die Windun- gen nicht mehr unterscheiden kann. Der Anblick dieser nach allen Richtungen durcheinander sich drehenden Schrauben ist namentlich bei schwächeren Vergrösserungen ein überaus fesselnder. Sie beschrei- ben oft grössere oder engere Kreise und verweilen daher lange im Gesichtsfeld; finden sie ein Hinderniss, so bleiben sie davor stehen, bis sie endlich umkehren und davonziehen. An ruhenden, oder langsamer bewegten Exemplaren fand ich leicht die lange Geissel auf, manchmal nur an einem Ende, bald unbewegt bogenförmig im Wasser ausgestreckt, bald in schlängelnden Biegungen kräftig umher- geschleudert; an längeren, der Theilung nahestehenden Spiralen wur- den Geisseln an beiden Enden aufgefunden (15*). Dr. Warming bestä- tigte nicht blos die Anwesenheit der Geissel, sondern fand auch Exemplare, die an einem Ende zwei und selbst drei Geisseln besassen. Unter welchem Namen sind die Spiralen des faulenden Wassers aus dem Sund im System aufzuführen? Schon im zweiten Hefte die- ser Beiträge (p. 183) habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass Ehrenberg am 18. Sept. 1836 bei Jena im Bassin des. näm- lichen Baches, in welchem er die rothe Monas Okenii entdeckt hatte, pfropfenzieherartig gewundene, verhältnissmässig grosse und mit einem sehr feinen Rüssel versehene Schraubenfäden aufgefunden, denen er den Namen Ophidomonas jenensis gegeben'); während diese Art als olivenbraun geschildert wird, besitzt eine zweite dün- ') Vielleicht war es die nämliche Art, welche Perty (Kleinste Lebensfor- men p. 179) als Spirillum rufum beschreibt; er hatte an der Wand eines eine Woche stehenden Sumpfwassers beim Weggiessen Flecken gefunden, zwischen roth und blutroth, gegen zwei Quadratzoll bedeckend; eine kleine Portion der rothen Substanz war aus zahllosen schwach röthlichen Spirillen gebildet (vgl. l. c. Tab. XV. Fig. 29). ı71 nere von Ehrenberg in brakischem blutrothem Wasser (prope Cilonium) entdeckte Species ruthe Farbe und wird deshalb als Ophr- domonas sanguinea unterschieden '). Seitdem ist Ehrenberg’s Ophidomonas sanguinea meines Wis- sens nicht mehr beobachtet worden; es unterliegt wohl keinem Zwei- fel, dass wir in den Schrauben der rothen Fäulnissprodukte vom Sund die verschollene Ophidomonas sanguinea Ehr. wieder entdeckt haben; ob dieselbe von der Jenenser Art, die anscheinend ein ganz ähnliches Vorkommen zeigt, wirklich verschieden, wird sich erst dann beurtheilen lassen, wenn die letztere an ihrem alten Fundort auf’s neue untersucht worden ist. Aber auch eine zweite Gattung macht auf unsere Art Anspruch; nämlich die Bacteriaceengattung Spirillum; seitdem wir bei dem alten Sperellum volutans Flimmergeisseln aufgefunden, besteht zwi- schen Spirzllum und Ophidomonas überhaupt kein Unterschied, vor- ausgesetzt, dass auch bei den kleineren Spirillen Bewegungsorgane noch nachträglich erkannt werden sollten. Wir haben daher nur die Wahl, entweder Ophrdomonas als selbstständige Gattung zu streichen, und unsere Art etwa unter dem Namen Spirzllum sangui- neum gewissermassen als das Mammuth unter die Bacterien einzu- reihen, oder umgekehrt die mit Flimmergeisseln nachweislich ausge- rüsteten Schraubenfäden (volutans, jenensis und sanguinea), unter Ophidomonas zusammenzufassen, und den Namen Spirillum aus- schliesslich für die kleineren Species (tenue, Undula) so lange bei- zubehalten als an ibnen noch keine Geisseln entdeckt sind. Sollte dies geschehen, so würde umgekehrt der Name Spirillum zu löschen sein. 12. Verhältniss der Bacterien zu den Monaden. Wichtiger als der Namensstreit ist die Frage: Können Arten, welche sich mit Hülfe von Flimmergeisseln bewegen, zu der nämlichen Familie der Bacteriaceen gestellt werden, von denen wir wenigstens bis jetzt annehmen müssen, dags ihre Bewegung nicht durch besondere Organe vermittelt wird? Ich habe diese Frage bereits im zweiten Hefte der Beiträge angeregt (l. ec. p. 185); sie tritt dringender an uns heran, wenn wir die hier als Monaden zusammengestellten rothen Organis- men überblicken. Hätten wir nicht an ihnen die nachschleppende Geissel wahrgenommen, wir würden kaum Bedenken getragen haben, sie als Bacterien aufzuführen; wenn sie auch die meisten Arten der letzteren in ihrer Grösse übertreffen, so kann dies doch keinen !) Monatsberichte der Berliner Akademie 1340 p. 201. 172 generischen Unterschied abgeben. Vielleicht besitzen alle Bacterien Flim- mergeisseln, wie dies Ehrenberg von jeher behauptet hat. Sollte dies der Fall sein, so würde eine Trennung derselben von den mund- losen und daher keine feste Nahrung aufnehmenden, starren Monaden sich kaum rechtfertigen lassen, und es würden insbesondere Monas Okeni, Warmingiüi, vinosa, sowie die Rhabdomonas rosea ihren Platz in der Nähe der Bacterien finden. Dass auch unsere Ulathro- cystis roseo-persicina zu den Kugelbacterien auffallende Beziehungen darbietet, ergiebt sich schon aus der Thatsache, dass dieselbe in ihren verschiedenen Entwickelungszuständen von E. R. Lankester als ein pfirsichblüthrothes Bacterium beschrieben worden ist. Auf der andern Seite steht die von uns betonte Verwandtschaft gewisser Bacterien mit den Oscillarien und Spirulinen, welche Bewe- gungen zeigen die nicht durch Flimmergeisseln vermittelt sind, und dadurch von den geisselführenden Monaden weit abzuweichen schei- nen. Es wird einer monographischen Untersuchung der Monaden bedürfen, um über die richtige Stellung dieser Organismen endgiltig zu entscheiden. 13. Stark Lichtbrechende Körnchen in Bacterien und Beggia- toen. Wir kommen schliesslich noch auf die dunklen Körnchen zurück, welche, wie wir oben gesehen, die meisten der rothen Orga- nismen besitzen. Ihre chemische Natur ist bisher nicht ermittelt worden; doch hat man die Körnchen eben für eharakteristische Eigen- thümlichkeiten der betreffenden Arten angesehen; Ehrenberg hat dieselben als Magenbläschen oder Eier aufgefasst. Das Vorkommen stark lichtbrechender Körnchen beschränkt sich auch nicht auf die rothen Formen; auch an farblosen Bacterien verschiedener Arten sind dieselben längst beobachtet (vergl. unsere Abbildung und Be- schreibung von Bacterium Lineola [Heft II. der Beiträge Taf. II. Fig. 11], Bacillus Ulna [l. e. Fig. 15], Spirillum volutans [l. e. Fig. 21]); von letzterer Art führt Perty eine Varietät leucomelainum auf (Kleinste Lebensformen pag. 197. tab. V. f. 31), deren Glieder intensiv schwarz, durch hyaline Räume getrennt sein sollen, ver- mutblich durch ungleiche Vertheilung der Körnchen wie bei unserer Ophidomonas sanguinea. Am bekanntesten ist das Vorkommen der dunklen Körnchen in der Gattung Beggiatoa, deren Fäden sich von den nächst verwand- ten Oscillarien nur durch. den Mangel des Phycochrom, der span- grünen aus Chlorophyll und Phycocyan zusammengesetzten Pigment- verbindung, unterscheiden. Wenn der Mangel dieser Pigmente den farb- losen Beggiatoen die Fähigkeit des Assimilirens rein anorganischer Nährlösungen abzusprechen und sie auf eine den Pilzen analoge Ernährungsweise durch Aufnahme gewisser organischer Verbindun- gen anzuweisen scheint, so steht damit anscheinend in Widerspruch, dass die Deggiatoen zwar nicht selten auch in faulendem Wasser (im Schlamm stinkender Gräben, Fabrikwässer ete.), in welchem reichlich organische Stoffe gelöst sind, sich entwickeln; dass aber ihr Hauptvorkommen in Mineralquellen, und insbesondere in Ther- men zu suchen ist, in denen zwar ein grosser Reichthum von Mineral- stoffen, dagegen keine bedeutende Menge organischer Verbindungen nachgewiesen ist. Die Deggiatoen sind, wie längst bekannt, die charakteristischen Bewohner der Schwefelthermen; in keiner derselben, wie die Untersuchungen der Pyrenäen-, Alpen- und Euganeenbäder, von Aachen, Warmbrunn, Baden bei Wien und im Aargau etc. ergeben, sind die Deggiatoen vermisst worden, welche als weisse schleimige Massen den Boden des Wassers überziehen oder in schlei- migen Flocken umherschwimmen (Darögine, Glairine). So zweifel- haft der Werth der bisher unterschiedenen Species, so leicht erkenn- bar ist die Gattung Deggiatoa selbst an den langen, dünnen, über- aus kräftig bewegten, meist anscheinend ungegliederten Fäden, in denen bald grössere bald kleinere Körnchen dichter oder lockerer in die farblose Substanz angelagert sind. 14. Schwefelwasserstoffentwickelung durch Beggiatoen. Schon im Jahre 1862 wurde ich auf die Bedeutung der Deggiatoen auf- merksam, durch die Beobachtung, dass die farblosen schleimigen Massen, welche spinnwebenartig den ganzen Felsgrund des Georgen- bassins zu Landeck in Schlesien überziehen und hauptsächlich von Beggiatoen gebildet werden, bei der Entwickelung des im Landecker Wasser vorkommenden freien Schwefelwasserstoffs eine Rolle spielen müssen, indem sie die in der Quelle ursprünglich vorkommenden Schwefelverbindungen zersetzen; ich schloss dies aus der Beobachtung, dass Flaschen mit Landecker Wasser, in welchem diese Algen enthalten waren, beim Oeffnen einen starken Geruch nach Schwefelwasserstoff ent- wiekelten; dieser Geruch verlor sich, sobald das Wasser Behufs Unter- suchung der Algen in eine offene Schüssel gegossen, erzeugte sich aber nach wenig Stunden von neuem, sobald das Wasser mit den Algen in die Flasche zurückgebracht worden war!). Lothar Meyer wies auf Veranlassung einer im Febr. 1363 vorgenommenen Analyse 1) Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur für 1863 p. 83. Hedwigia 1363. No. 12 p. 80. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1574 S. 3 der Botanischen Section vom 29. Nov. p. 32. 174 der Landecker Thermalquellen nach, dass dieses Wasser über fünf- ınal mehr freien Schwefelwasserstoff (5,07—7,24 CC. HS. im Liter) enthielt, nachdem dasselbe zugleich mit den Deggiatoen 4 Monate lang in verschlossenen Glasflaschen aufbewahrt war, als das frische Thermalwasser, welches nur 0,92—1,65 CC. freien HS. enthält, und dass es dann sehr stark nach diesem Gase roch, während dasselbe Wasser, ohne Algen aufbewahrt, geruchlos und frei von Schwefel- wasserstoff ist; er erklärte es für zweifellos, dass die Algen die im Wasser enthaltenen Sulfate (insbesondere schwefelsaures Natron, wovon der Liter 0,0657 —0,0822 Gm. enthält) zu Schwefelwasser- stoff resp. Schwefelnatrium zu reduciren vermögen, und für sehr wahrscheinlich, dass überhaupt der Schwefelwasserstoff der Quelle durch jene Algen erzeugt werde '). In Verfolg dieser Beobachtungen zeigte ich im Jahre 1865, dass der kreideweisse, schleimig fädige Ueberzug, welcher sich in einem Seeaquarium auf dem mit Kies belegten und im Laufe der Zeit mit zersetzten Thier- und Pflanzenresten bedeckten Grunde der- selben bildet, die Steine überzieht, und an Stengeln und Aesten grös- serer Scepflanzen emporkriecht, reichlich Schwefelwasserstoff ent- wickelt; daher wird nicht nur der eisenhaltige Sand in der ganzen Umgegend geschwärzt, sondern auch Thiere und Algen in der Nähe getödtet?). In meinem Aufsatze über Entstehung des Travertin in den Wasserfällen von Tivoli?) und über Pycochromaceen *) bin ich auf den Ursprung des freien Schwefelwasserstoffs durch Deggiatoen und andere Oscillarineen wiederholt zurückgekommen. Die von Dr. Warming im Winter 1874 mir zugeschickten Pro- ben des Wassers von den dänischen Küsten entwickelten einen über- aus intensiven Geruch nach Schwefelwasserstoff, so dass es nicht möglich war die Flaschen offen im Zimmer stehen zu lassen, dieser Geruch hielt Wochen lang unverändert an; er entwickelt sich in demselben Grade auch in der freien Natur derart, dass er den Be- wohnern der ganzen Küste zwischen Kopenhagen und Helsingör lästig wird und alles Silber schwarz färbt. 15. Ausscheiden von Schwefel an der Oberfläche fauligen Was- sers. Das von Dr. Warming mir zugeschickte Wasser wurde in grosse Glascylinder ausgegossen, die mit Glasplatten bedeckt waren; 1) L. Meyer, Chemische Untersuchung der Thermen zu Landeck in der Grafschaft Glatz. Journal für praktische Chemie XCl. 1. 2) Zwei neue Beggiatoen. Hedwigia 1865. No. 6. p. 81. 3) Leonhard’s Jahrbücher für Mineralogie 1864. p. 607. *%) Max Schultze, Archiv für mikroskopische Anatom. 1867. 175 in wenig Tagen bildete sich an der Oberfläche des Wassers ein weis- ses staubartiges Häutchen, welches einem hineingetauchten Glasstab adhärirte und sich so auf das Objectglas bringen liess; die, feiner Schlemmkreide oder dem Semen Lycopodii ähnelnde Substanz besteht unter dem Mikroskop aus kleinen stark lichtbrechenden Körnchen die mit verdünnten Säuren nicht aufbrausen, dagegen in Schwefelkohlenstoff sich auflösen; durch Kochen in Aetzkali werden dieselben zu grösseren gelben Massen verschmolzen, die sich in Wasser lösen; Nitroprussidnatrium färbt diese Lösung violett; über der Flamme schmelzen die Körnchen zu grösseren gelben Tropfen zusammen und entwickeln deutlichen Geruch nach schwefliger Säure. Aus alle dem ergiebt sich, dass die weisse pulvrige Substanz regu- linischer Schwefel ist, der bei langsamem Luftzutritt aus dem Schwefelwasserstoffgas durch Oxydation präeipitirt ist (Sulfur prae- cipitatus). Das weisse Schwefelpulver vermehrte sich fortdauernd Monate hindurch an der Oberfläche des Wassers, zeigte in grösse- ren Massen einen deutlichen Stich ins Gelbe und fiel allmählich zu Boden, indem es die im Wasser befindlichen Pflanzenreste einhüllte und einen starken Bodensatz bildete. Die reichliche Bildung präeipitirten Schwefels an der Oberfläche des mit modernden Pflanzenstoffen und mit verschiedenen, zum Theil rothen Fäulnissorganismen belebten Wassers setzt ohne Zweifel zwei Bedingungen voraus: 1) Eine grössere Menge von Sulfaten im Wasser, aus denen durch die Einwirkung von Organismen freier Schwefelwasserstoff entwickelt wird und 2) Mangel von Eisenverbindungen, da sich sonst schwarzes Schwefeleisen im Wasser bilden müsste, wie dies in unsern faulen- den Gräben gewöhnlich stattfindet. Diese. beiden Bedingungen mögen in der Regel wohl an den Seeküsten, dagegen nur ausnahms- weise im Binnenlande vereinigt sein, weil sonst die Erzeugung von präeipitirtem Schwefel in faulenden Gewässern eine viel häufigere Erscheinung sein müsste. | Eine andere Frage ist, ob die Entwicklung des freien Schwefel- wasserstoffs in dem Wasser der dänischen Küsten durch eine rein chemische Einwirkung der faulenden organischen Gewebe auf die schwefelsauren Salze zu erklären, oder ob sie nicht vielmehr den im Wasser lebenden mikroskopischen Organismen zuzuschreiben ist? Ich bin nicht im Stande zu entscheiden, ob auch bei völliger Abwe- senheit von Fäulnissorganismen jene Umwandlung der Sulfate in Sulfide durch die in Vermoderung begriffene organische Substanz 176 möglich ist; ich halte es aber nicht für zweifelhaft, dassdielebenden Organismen bei diesem Process die Hauptfactoren sind. Zunächst fehlen in dem Wasser der dänischen Küste nicht die weissen Deggiatoen, von denen, wie ich oben angeführt, der freie Schwefelwasserstoff der Thermalquellen vermuthlich ausschliesslich entwickelt wird. In den faulenden Flüssigkeiten vegetiren zahllose weisse Flöckchen, die entweder an der Oberfläche schwimmen, oder an den Pflanzenresten festsitzen; sie bestehen aus weissen, 1,5 bis 2,3 Mikrom. dicken, dunkelkörnigen, meist büschelförmig von einem Mittelpunkt ausstrahlenden Beggiatoen (B. alba); Warming beob- achtete auch in dem nämlichen Wasser die merkwürdige Deggiatoa mirabilis, welche ich zuerst vor einem Decennium am Boden eines Seeaquariums in Form kreideweisser fädiger Massen entdeckt hatte. Schon früher hatte Oersted in den Lachen an der dänischen Küste beobachtet, dass die faulenden Pflanzen mit den weissen lang aus- strahlenden Fäden einer Deggiatoa (DB. Oerstedii Rab. Flor. Alg. europ. p. 95; Leucothrix Mucor Oersted de regionibus marinis p. 44) schleimartig überzogen seien. Ich halte es aber für nicht unwahrscheinlich, dass die rothen Organismen, deren massenhafte Entwickelung wir früher geschildert, an der Entbindung des freien Schwefelwasserstoffs ebenso gut bethei- ligt sind, als dies von den Deggiatoen durch allseitige Beobachtung feststeht. Schon die Thatsache, dass diese Organismen in einem Wasser sich lebendig erhalten, welches Schwe- felwasserstoffgas bis zur Sättigung gelöst enthält, beweist eine Anpassung an Lebensbedingungen, welche für die übrigen Thiere und Pflanzen tödtlich sind; ja diese rothen Organismen, ebenso wie die Deggiatoen, scheinen aus- schliesslich unter diesen Verhältnissen sich zu vermehren. Bereits Chr. Morren fand in einer Schwefelquelle bei Ougree an der Maass, welche schon in der Ferne sich durch ihren Geruch nach Schwefelwasserstoff bemerklich macht und mit einem milch- weissen Schwefelabsatz die untergetauchten Pflanzen bedeckt, neben Beggiatoen und Oscillarien rosenrothe Flecken durch eine Monade (Monas rosea Morren)'). Vielleicht gehört hierhin auch die rosen- oder weinrothe Monas sulfuraria, welche Fontan und Joly in den Schwefelthermen bei Sales in den Pyrenaeen gefunden haben ?). I) Recherches sur la rub£faction des eaux p. 73. Tab. V. Fig. 25—27. 2) Mem. de l’ Acad. d. sc. et bell. lett. de Toulouse 1844. Diesing, Revision der Prothelminthen, Sitzungsberichte der Wiener Akademie LII. p. 28. 1866. 177 Während Meneghini 1842 in den Schwefelthermen der Zuga- neen einen äusserst kleinzelligen pfirsichblüthrothen Pleuro- coccus (Protococcus persicinus Menegh. Monogr. Nostoc. ital. p. 13. e. 1; Kütz. Spec. Alg. p. 196; Tab. phye. I. t. 1; Rab. Flor. Alg. eur. III. p. 28) als schleimige rothviolette Schicht beschreibt, habe ich selbst den Boden des zur Ableitung der heissen Schwefelguellen von Tivoli bei Rom angelegten Kanals am Ponie della Salfaiara mit fleisch- oder blutrothen gallertigen Krusten bedeckt gefun- den, die ich als ‚„Palmella persicina‘“ bezeichnete und für identisch mit dem Meneghini’schen Protococcus hielt '). Nun ist aber anzunehmen, dass in Wasser, welches viel Schwefelwasserstoff enthält, kein freier Sauerstoff vor- handen sein kann, dessen Anwesenheit doch für die Respiration ebensowohl der Thiere wie der Pflanzen als unentbehrlich angenommen wird; die rothen Fäulniss-Organismen müssen daher gleich den Beggia- toen die Fähigkeit besitzen, auch in sauerstofifreiem Wasser sich nor- mal zu entwickeln und zu vermehren; nicht minder müssen sie den gif- tigen Einwirkungen des Schwefelwasserstofigases Widerstand leisten *). Ohne Zweifel bilden daher alle die von uns hier aufgeführten Arten, trotz ihrer systematischen Verschiedenheiten eine durch eigenthüm- liche Lebensthätigkeiten charakterisirte Gruppe lebender Wesen. Es würde vorläufig nur zu unerweisbaren Hypothesen führen, wollte ich den Versuch machen, über die Ernährungsvorgänge der Fäulniss- Organismen in schwefelwasserstoffhaltigem, sauerstofffreiem Wasser Vermuthungen auszusprechen; es ist jedoch wohl nicht allzugewasgt, nachdem die Zerlegung von schwefelsauren Salzen und die Entbin- dung von freiem Schwefelwasserstoff als eine in den Kreis der Lebens- vorgänge eingereihte Thätigkeit für eine Anzahl der betreffenden Organismen ermittelt ist, auch für die übrigen unter gleichen Bedin- gungen existirenden Arten dieselben Vorgänge vorauszuseizen. 16. Ausscheidung von Schwefel in den Zellen der Füäulniss- Organismen und Beggiatoen. Aber noch eine andere überraschende Beziehung zum Schwefel lässt sich für die Deggiatoen wie für die rothen Fäulniss-Organismen erkennen. Ich habe bei der Beschrei- bung der letzteren überall das Auftreten von dunklen, stark licht- brechenden Körnchen hervorgehoben, welche bald mehr bald weniger zahlreich, oft so massenhaft vorhanden sind, dass die Körperchen 1) Entstehung des Travertin in den Wasserfällen von Tivoli l. e. p. 606. 2) Auch die Euglenen bleiben in schwefelwasserstoffhaltigem Wasser leben- dig und vermehren sich in solchem. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft IIL 12 178 fast undurchsichtig, scheinbar schwarz aussehen. Ganz äbnliche Körn- chen erfüllen die Deggiatoen; in dem Wasser der dänischen Küsten erscheinen die Fäden oft auf längern Strecken fast schwarz, indem sie von den kleinen, dicht an einander gedrängten Körnchen vollge- stopft sind. Diesen Anblick gewähren die Fäden allerdings nur, wenn sie, wie gewöhnlich, auf dem beleuchteten Gesichtsfeld des Mikroskops beobachtet werden; auf verdunkeltem Gesichtsfeld erschei- nen dagegen die dunklen Körnchen weiss; dasselbe ist der Fall, wenn die Fäden unter polarisirtem Lichte bei gekreuzter Stellung der Nicol’s betrachtet werden; sie sind dann selbstleuchtend, weiss. Ueber die chemische Natur der Körnchen in den Deggiatoen sind wir zuerst durch eine von J. Meyer-Ahrens bestätigte Unter- suchung von Cramer unterrichtet worden '). Die heissen Quellen von Baden im Aargau (45,5 —47° C.) ver- breiten einen mehr oder minder starken Geruch nach Schwefelwas- serstoff, und setzen einen Anflug von Schwefel in allen Quellenfas- sungen ab, welche der Luft nur einen beschränkten Zutritt gestatten; bei freiem Luftzutritt dagegen bemerkt man keine Spur von Schwefel, an seiner Stelle reichliche Gipsdrusen, ohne Zweifel, weil in der erhöhten Temperatur der Räume und bei Gegenwart von Kalk in stets sich eondensirenden Wasserdämpfen der Schwefel zu Schwefelsäure oxydirt wird. In diesem Thermal-Wasser befindet sich stets eine üppige Vegetation von Deggiatoen (B. nivea Rab.), deren Fäden von Schwefelkrystallen dicht durchsetzt sind, und wäh- rend eines ganzen Jahres in Thermal-Wasser aufbewahrt, jedesmal wieder Schwefelwasserstoff entwickeln. Die älteren Deggiatoafäden enthalten, wie gewöhnlich, grössere und kleinere, in 1—2 unregel- mässige Reihen geordnete, ungemein stark lichtbrechende Körnchen; diese Körnchen lösen sich weder in Salzsäure, noch in kochendem Wasser, wohl aber in einem Ueberschuss von absolutem Alcohol, in Kali und schwefligsaurem Natron in der Wärme, in Salpetersäure und chlorsaurem Kali bei gewöhnlicher Temperatur, sowie in Schwe- felkohlenstoff, wenn die schwer permeable Membran vorher durch Schwefelsäure zerstört ist. Cramer hat hieraus den Schluss gezo- gen, dass die scheinbar schwarzen Körnchen aus Schwefel bestehen. Die Deggiatoen aus dem Wasser von Kopenhagen bestätigen diese merkwürdige Entdeckung. Cramer gelang es allerdings nicht, !) Dr. Chr. Müller, Chemisch-Physikalische Beschreibung der Thermen von Baden in der Schweiz. Baden 1870. 179 die Körnehen der im Wasser oder Alcohol liegenden Deggiatoen durch Schwefelkohlenstoff aufzulösen, offenbar weil unter diesen Ver- hältnissen der Schwefelkohlenstoff nicht ins Innere der Fäden ein- zudringen vermag. Wenn man aber ein Büschel von Deggiatoen- fäden auf dem Objectglas auftrocknet und dann Schwefelkohlenstoff zusetzt, so vereinigen die Körnchen sich zu grösseren Klümpchen; schliesslich nimmt immer je ein Klümpchen die ganze Breite des Fadens ein, so dass dieselben in einfacher Reihe in den Fäden geordnet sind; nun erkennt man auch Querscheidewände in den Fäden zwischen den Klümpchen, bei andauernd wiederholtem Zusatz von Schwefelkohlenstoff werden die Klümpchen vollständig aufgelöst und verschwinden; die Fäden sind dann ganz klar, körnerlos, und nun deutlich gegliedert, wie Oscillarien, während in den kör- nigen Fäden bekamntlich Gliederung nicht wahrnehmbar ist; die Glie- der sind etwa um die Hälfte länger als breit. Erhitzt man Deggratoa- fäden auf dem Objectglas, so schmelzen die Körnchen ebenfalls zu grossen gelblichen Tropfen zusammen und entwickeln Geruch nach schwefliger Säure. Es kann nach diesen Beobachtungen wohl nicht bezweifelt werden, dass die Körnchen in den Deggratoen des faulen- den Wassers, ebenso wie in den Badener Thermen, aus Schwefel bestehen; ob es Krystalle sind, vermochte ich wegen der Kleinheit und dem starken Lichtbrechungsvermögen derselben nicht mit Be- stimmtheit zu unterscheiden; da sie jedoch gegen polarisirtes Licht sich als doppelbrechend verhalten, so ist an ihrer krystallinischen Textur wohl nicht zu zweifeln. Aber die Körnchen in den Deggiatoenfäden sind offenbar nicht verschieden von den stark lichtbrechenden Körnchen, die wir in allen rothen Fäulnissorganismen beschrieben haben. Zwar lassen sich bei diesen chemische Reactionen schwieriger anstellen, weil sich das Hauptlösungsmittel des Schwefels, der Schwefelkohlenstoff, mit Wasser nicht mischt, und es muss deshalb der Tropfen mit den rothen Organismen erst auf dem Objectglas austrocknen, bevor man dieselben mit dem Deckglas bedecken, und den CS, zwischen Deck- und Objectglas zutreten lassen kann; indess ist es mir bei mehreren Arten, insbesondere bei Olathrocystis roseo-persicina, Monas Okenit und Ophidomonas (Spirillum) sanguinea gelungen, die Körnchen in Schwefelkohlenstoff aufzulösen; bei Ophidomonas blieben an Stelle der verschwundenen Körnchen leere Räume im dichteren Plasma zurück; Gliederung wurde jedoch nicht deutlich. So haben sich denn bei den hier betrachteten Organismen höchst merkwürdige biologische Uebereinstimmungen herausgestellt, die jan. 180 offenbar mit ihrer Anpassung an Lebensbedingungen in Zusammenhang stehen, welche für die übrigen lebenden Wesen tödtlich sind: einerseits eine Entwicklung von Schwefel- wasserstoffgas durch Zerlegung von schwefelsauren Salzen, anderer- seits eine Abscheidung von regulinischem Schwefel im Protoplasma in Form von Körnern oder Krystallen. Letzteres scheint darauf hin- zuweisen, dass der Schwefelwasserstoff von den Fäulnissorganismen absorbirt, und in ihren Zellen selbst oxydirt wird. Cramer hat die Vermuthung ausgesprochen, dass die der Verwesung anheim- fallenden Deggiatoafäden aus den Sulfaten des Wassers den Schwe- fel redueiren, und dass jene mit schwarzen Körnchen erfüllten Deg- giatoen abgestorbene verwesende Fäden seien (l. c. p. 16). Unsere Beobachtungen machen es aber zweifellos, dass die lebenden, lebhaft bewegten Deggiatoen und rothen Fäulnissorganismen bereits jene dunklen Körnchen enthalten, und dass hiernach die Abscheidung des Schwefels und die Entwicklung des Schwefelwasserstoffs bereits in den lebenden Organismen stattfindet. 17. Bacteriopurpurin. Bacillus ruber. Taf. VI. Fig 17. Miero- coccus fulvus. Taf. VI. Fig. 18. Der Gedanke liegt nahe, dass auch der eigenthümliche pfirsichblüth-rothe Farbstoff (Bacteriopurpurin), der sehr verschiedenartigen, aber unter gleichen Bedingungen existiren- den Organismen zukommt, auf eine gemeinschaftliche Ursache, etwa auf eine Schwefelverbindung, zurückzuführen ist; doch haben meine bisherigen Beobachtungen kein massgebendes Resultat gewinnen lassen. Dass der pfirsichblüthrothe Farbstoff der hier beschriebenen Organismen verschieden ist von dem des Micrococcus prodigiosus, ist, wie schon oben berührt wurde, durch die spectroskopische Unter- suchung von Lankester festgestellt worden. Dem Tone nach ähnelt derselbe dem Farbstoff der Palmella eruenta, welche bekannt- lich häufig in einfacher Zellschicht im Herbst den feuchten Erdbo- den bedeckt; doch ist letzteres Pigment anscheinend wohl näher dem purpurnen Farbstoff der Phycochromaceen, Ohantransien und Ban- gien verwandt, welcher aus einer Verbindung von Chlorophyll und einem purpurrothen Körper, vielleicht dem P’hycoerythrin der Flo- rideen hervorgegangen ist'), während in dem pfirsichblüth- rothen Bacteriopurpurin, wieindem Pigment des Micro- coccus prodigiosus, kein Chlorophyllsubstrat erkenn- bar ist. Verschieden von den hier geschilderten scheinen zwei rothe, M) Vergleiche meinen Aufsatz über Phycochromacen. M. Schultze’s Archiv 1867. 181 durch _Bacterien erzeugte Farbstoffe zu sein, welche ich hier an- schliesse, obwohl es mir nicht möglich war, die Natur derselben genauer festzustellen. Durch die Güte des Herrn Dr. Frank in Leipzig erhielt ich gekochten, mit Hühnerbouillon versetzten Reis, auf dessen Oberfläche, nachdem derselbe eine Nacht hindurch in einer offenen Schüssel gestanden, sich im September 1873 im feuch- ten dunklen Raume eine mennig- oder ziegelrothe Färbung gebildet hatte. Eine Portion frischen Reises, welche einfach neben den befallenen offen hingestellt wurde, blieb intact, eine andere eben solche Portion, welche an einen andern Ort gestellt, und auf welche ein rothes Reiskörnchen gelegt worden war, röthete sich über Nacht. Zwei gefärbte Reiskörner wurden im März 1874 im pflanzenphysiologischen Institut zu frischem gekochten Reis gelegt: das Pigment vermehrte sich zwar nur schwach; doch entwickelte sich ein dünner rother Schleim, gebildet aus den längeren Stäbchen der Gattung Bacıllus. Dr. Frank hatte dieselben bereits als frei und lebhaft beweglich, nicht in Schleim eingebettet, beobachtet, bei den in Breslau eultivirten waren die Stäbchen entweder isolirt, oder zu 2 oder 4 aneinanderhängend; die meisten todt, doch auch viele bewegt, häufig waren 2—4 stärker lichtbrechende Körnchen im Stäbehen eingeschlossen. Die Färbung ist insofern interessant, als Baecillen bis jetzt noch nicht als Pigmentbacterien beobachtet wor- den sind; nach den von mir befolgten Principien muss ich dieselben als eine besondere Art betrachten, die — im Einverständniss mit dem Entdecker Frank — als Dacillus ruber bezeichnet werden soll, FEAR VEUEIE: 17.) Auf Pferdemist, welcher im pflanzenphysiologischen Institut zum Zwecke von Pilzeulturen von Dr. Eidam unter einer Glasglocke feucht erhalten wurde, erschienen im Winter 1874 rostrothe kegelförmige Tröpfchen in grosser Anzahl neben einander; diese Tröpfchen, etwa 3 mm. im Durchmesser, waren von ziemlich fester Consistenz; sie vergrösserten sich, flossen auch zusammen, und bil- deten grössere Schleimüberzüge; sie bestanden aus einem Mecrococ- cus, dessen kuglige oder paarweise zusammenhängende Zellen durch zähe Intercellularsubstanz verbunden, etwas grösser erschienen, als die der meisten pigmenterzeugenden Kugelbacterien (etwa 1,5 Mikrom.). Der sehr charakteristische Farbstoff bezeichnet wohl eine selbststän- dige Art, die als Micrococeus fulvus aufgeführt werden mag (Taf. VI. Fig. 18). Herr Dr. Kirchner hat die nämliche Art auf Pferde- mistkulturen auch in Proskau erhalten. 18. Rothe Milch. Ein eigenthümliches Vorkommen des Micro- 182 coccus prodigiosus wurde von mir im Juli 1873 beobachtet. Herr Dr. Eichelberg in Hanau schickte saure Milch, welche wie mit Blut gemischt aussah; sie hatte 40 Stunden in der Wohnstube im Ofen gestanden und durchaus eine schön purpurrothe Farbe ange- nommen; die eingesendete Probe war beim Durchschütteln gleich- fnässig rosa gefärbt; beim Stehen sammelten sich auf der Oberfläche schön purpurrothe Tropfen; die Bildung der rothen Milch wieder- holte sich zu drei verschiedenen Malen. Ein ähnliches Vorkommen von rother Milch wurde mir kurz darauf hier in Breslau mitgetheilt; dass es auch sonst nicht selten vorkommt, entnehme ich aus Litera- turangaben. So führt z. B. der Director der Schweizer Milch-Ver- suchstation zu Thun R. Schatzmann in seiner Volksschrift: Anlei- tung zum Betrieb der Sennerei, Aarau 1872, unter den Fehlern der Milch neben der blauen auch rothe oder blutige Milch auf, deren Ursache von Verletzungen des Euters oder Ausströmen des Bluts ins Innere der Zitzen abgeleitet wird. Die wahre Ursache der rothen Milch, welche ich von Hanau und Breslau beobachtete, ist jedoch der Micrococcus prodigiosus, der sich in derselben entwickelt, und in bekannter Weise auf der Oberfläche karminrothe Tröpfehen bildet, oder grössere Flächen mit seinen rothen Gallertmassen übergiesst. Hierbei konnte ich die Bemerkung machen, dass das rothe Pigment, welches bekanntlich in Wasser unlöslich ist, dagegen von Alcohol und Aether gelöst wird, auch in den Buttertröpfehen der Milch lös- lich ist; diese waren es, welche in Folge dessen eine schöne rothe Farbe annahmen, und in ihrer feinen Vertheilung die ganze Milch rosa färbten, oder in grösseren rothen Augen oben auf schwammen. Indem ich solche rothe Fetttropfen in einer Glascapillare vorsichtig derart aufsaugte, dass der Zutritt des Milchserum verhindert blieb, konnte ich mit Hülfe eines Browning’schen Mikrospectroscops das Spectrum der rothen Butter feststellen; die charakteristischen tota- len Absorptionsstreifen im Grün und Blau erwiesen die Identität mit dem Farbstoff des Micrococcus prodigiosus '). Die Methode verdient einiges Interesse, insofern sie die Benutzung des Speetroscops zur Identifieirung mikrospischer Wesen bekundet, deren sichere Unter- scheidung auf andere Weise schwerlich möglich ist. Dass der Farb- stoff des Micrococeus prodigiosus in Fetten löslich ist, konnte ich auch direet erweisen, indem ich kleine Mengen des rothen M. prodigiosus von einer gekochten Kartoffel auf ein Objectglas brachte, mit einem !) Vergl. Schröter Heft II. dieser Beiträge p. 115. 183 Oeltropfen übergoss, und dann mit dem Deckglas bedeckte; nach kurzer Zeit war das Oel geröthet, und Glascapillaren, in welche dasselbe eingesaugt wurde, zeigten unter dem Mikro-Speetroskop die charakteristischen Absorptionsstreifen. Es stimmt daher der Farb- stoff des Micrococcus prodigiosus bei aller sonstiger Verschiedenheit doch in sofern mit dem Chlorophyll überein, als beide in Wasser unlöslich, dagegen in Alcohol, Aether und fetten Oelen, so wie in Protöinsubstanzen löslich sind. In sauer gewordener Milch bilden sieh übrigens bekanntlich auch andere Pigmente durch chromogene Bacterien, und zwar ausser dem schon früher häufig beobachteten eitrongelben und blauen, auch der saftgrüne Farbstoff des Mecro- coccus chlorinus in solcher Menge, dass grosse Quantitäten schön gelbgrünen Milchserum’s abgezogen werden konnten. (Vergleiche übrigens Schröter, Heft II. dieser Beiträge p. 120 und p. 155, der, wie ich glaube, bereits den nämlichen Farbstoff in der Milch beschreibt.) 19. Myconostoc gregarium n. g. etsp. Taf. V. Fig. 6. In meinen früheren Abhandlungen über die Bacteriaceen von 1853 und 1872 habe ich die Ansicht zu begründen gesucht, dass dieselben in zwei Haupt- gruppen sich vertheilen, die sich an verschiedene Algenkreise enger anschliessen, und dem entsprechend auch in der Entwicklung sich etwas verschieden verhalten. Die beiden Gattungen Micrococeus und Bacterium nämlich schliessen sich am nächsten an die Uhroo- coccaceen an, und kommen gleich diesen im Ruhezustande als Schleimfamilien (Zoogloeaform) vor: die Gattungen Bacillus Vibrio und Spirillum dagegen, welche sich zunächst an die Osczl- larien anreihen, werden niemals in Gallertmassen beobachtet, wohl aber gehen aus ihnen im Ruhestande Leptothrixartige Fäden hervor (Heft II. dieser Beiträge p. 141, 142, 186). Es ist nun zwar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass auch Bacteriaceen der zwei- ten Gruppe in Schleim eingebettet vorkommen, da es ja selbst Oscillariaceen giebt, deren Fäden Familienweise von gemeinschaft- lichem Schleim umhüllt sind (Phormidium, Cthonoblastus, Lim- nochlide, Dasygloea, Nostoc etc.), doch ist mir bis jetzt keine wirk- liche Ausnahme vorgekommen, da die von mir bisher beobachteten Bacillen, Vibrionen und Spirillen immer nur frei, vereinzelt oder gesellig in Schwärmen auftreten. i Eine scheinbare Ausnahme macht eine neue Bacteriaceengattung, welche ich im Winter 1873 in einem Glase mit Wasser beobachtete, in welchem seit etwa 14 Tagen verschiedene Algen, insbesondere Spirogyren, faulten. An der Oberfläche dieses Wassers, in welchem 184 auch Ülathrocystis roseo-persicina massenhaft vegetirte, bildete sich ein farbloses Häutchen von schleimiger Beschaffenheit, gebildet von abgestorbenen und in Reihen geordneten Bacterien (Petalococeus Bill- roth), sowie von Zoogloeagallert, umschwärmt von beweglichen Bac- terien und allerhand Infusorien (Stentor, Coleps, Paramecium Aure- la, Uhrlodon Cucullulus, Spirostomum, Nassula, Oychidium Glau- coma, Ohilomonas Paramecium, Vorticellen, Euglenen, Rotiferen und Zardigraden) und äbnlichen Begleitern der Fäulniss und Ver- wesung. Das Wasser nahm eine schwarze Färbung an (durch Bil- dung von Schwefeleisen) und entwickelte einen äusserst unangeneh- men Geruch. Auf der Oberfläche sammelten sich farblose Schleim- tröpfehen; diese waren gebildet von isolirten, oder haufenweise an einander hängenden kleinen Gallertkugeln von 10—17 Mikrom. Durchmesser und darüber. Diese Kugeln, nach aussen ziemlich scharf abgegrenzt, häufig elliptisch in die Länge gezogen, schlos- sen in einer durchsichtigen Gallert einen farblosen Zeptothrixartigen Faden ein, welcher in knäuelartigen aber lockeren Windungen ins Innere eingelagert war (Fig. 6a.b.). Ob jede Kugel immer nur einen oder auch mehrere solcher Fäden einschliesst, lässt sich nicht leicht ermitteln, obwohl ich das erstere als Regel vermuthe; unmit- telbar vermag man nur die bogenartigen Schlingen in der Peripherie, und die durch einander geschlungenen Windungen im Innern zu unterscheiden. Die farblosen Fäden selbst, etwa von der Stärke des Dacillus Ulna oder Sperillum volutans, enthalten stark lichtbre- chende Körnchen; Gliederung ist nicht erkennbar. Die Vermehrung geschieht, ähnlich wie bei Ascococcus, vermittelst Querfurchung der Gallertkugel, die, vermuthlich in Folge bedeutenderer Streckung des eingelagerten Fadens, sich erst elliptisch in die Länge dehnt, dann in der Mitte sich in zwei Halbkugeln durchfurcht, welche sich nach kurzer Zeit von einander trennen (Fig. 6c.d.). Der Ge- danke lag nahe, dass es Spirillen seien, welche hier in Gallert ein- geschlossen sind, und in der That hat E. R. Lankester, welcher diese Form in seinem Aufsatz über Dacterium rubescens zuerst ab- bildete (l. c. p. 424. Pl. XXI. Fig. 8 und 9) dieselbe als eine Zoogloeaform oder Gallertbildenden Entwicklungszustand eines Spr- rülum, vermutblich Sp. Undula, aufgefasst. Ich vermochte jedoch keinen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang mit einem Ipird- lum zu beobachten; vielmehr erkenne ich hier eine selbstständige Gattung, welche ich als Myconostoc bezeichne, weil sie in der That unter den Bacteriaceen eine Parallelform zu der Algengattung Nostoc zu bieten scheint; in beiden Gattungen ist ein knäuelartig gewun- 185 dener Zellfaden in einer Gallertkugel eingelagert. Die Art bezeichne ich wegen des geselligen Vorkommens als M. gregarium. Lässt man Myconostoc gregarium durch allmähliches Eintrocknen auf dem Objectglas zu Grunde gehen, oder zerquetscht man durch Druck die Gallerthülle, so rollt sich der Faden auseinander (Fig. 6e.) und zerfällt in kurze eylindrische, halbkreis- oder ringförmige Glieder, welche sich von einander trennen (Fig. 6f.); spontane Bewegung kam aber nie zum Vorschein. 20. Oladothrix dichotoma n. g. et sp. Taf. V. Fig. 8. In dem nämlichen faulenden Wasser, in welchem sich das Myconostoc fand, beobachtete ich eine zweite, neue Form, welche ich seitdem noch häufig in ähnlichen Vorkommnissen wiedergefunden habe. Es waren farblose, theils auf der Oberfläche des Wassers schwimmende, theils an den faulenden Algen festsitzende, sehr dünne, scheinbar ungegliederte feingekörnte, grade oder stellenweise geschlängelte Fäden, ähnlich farbloser Leptothric; während aber die Fäden von Leptothrix stets unverzweigt sind, gabelten diese sich wiederholt mit grosser Regel- mässigkeit; so bildeten sie Räschen von 0,5 mm. Durchmesser und darüber. Bei diesen dichotomischen Fäden waren die Hauptachsen den Gabelästen gleich diek, etwa = 0,3 Mikrom. (0,0003 mm.); manchmal fand sich auch trichotome Verzweigung. Eine solche Ver- zweigung schien anfangs dem Charakter der Oscillarineen zu wi- dersprechen, in deren Verwandtschaft nach unserer Ueberzeugung die farblosen Leptothrixarten ebenso wie die Dacillen gehören, und vielmehr an die gabelästigen Mycelien gewisser Schimmelpilze, z. B. Aspergiülus und Mucor, zu erinnern. Bei Anwendung stärkerer Vergrösserungen (Fig. 3a.) überzeugte ich mich jedoch, dass nicht eine ächte Dichotomie, sondern nur eine falsche Astbildung vorhan- den -ist, wie sie die mit den Oscillarien verwandten Scytonemeen charakterisirt. An jeder Gabelstelle erkannte man nämlich deutlich, dass der eine der beiden Aeste, welcher die direete Verlängerung des Hauptfadens darstellt, an den andern nur angelehnt ist, aber nicht in organischer Verbindung mit demselben (Fig. 8a.) steht. An einzelnen Stellen setzt sich der seitlich angelegte Ast noch ein Stück abwärts vom Scheitel der Gabelung fort, so dass er ein X bildete. Hiernach entsteht die Dichotomie dadurch, dass ein Faden in der Mitte sich in eine untere und in eine obere Hälfte durchfurcht; indem beide Hälften am Scheitel fortwachsen, verlängert sich die untere in unmittelbarer Fortsetzung neben der oberen, welche dadurch als schein- barer Ast an die Seite gedrängt wird. Die X form entsteht, wenn die obere Hälfte an beiden Enden sich mehr oder weniger verlängert. 186 Diese Entwickelung stimmt so vollständig mit der Entstehung der Diehotomieen und falschen Aeste bei Schizosiphon, Tolypothrix und anderen spangrünen Öseillarineen überein, dass für die innige Ver- wandtschaft dieser mit den farblosen, in Fäulniss vegetirenden, schein- bar pilzartigen Formen, mit denen wir uns hier beschäftigen, hier- durch ein neuer interessanter Beweis geboten wird. Ich habe die- selben als eine neue Gattung und Art unter dem Namen Üladothrix dichotoma aufgeführt '). 21. Streptothrix Foerstert. Taf. V. Fig. 7. Seit A. v. Graefe zuerst im Jahre 1855 in den Thränenkanälen des menschlichen Auges Conceremente von eng verfilzten Pilzmassen beschrieben hatte, welche er als Favuselemente bezeichnete?), sind derartige Fälle von den Ophthalmologen mehrfach, wenn auch immer nur selten, beob- achtet worden. Im Jahre 1869 machte mein Freund, Prof. R. Foer- ster, einen Fall bekannt”), wo bei einer Kranken der untere Thränenkanal von einer bröcklichen, schmierigen Masse ausgefüllt und aufgetrieben war, welche eine, Jahre lang anhaltende Binde- hautentzündung des Auges veranlasst hatte; in dieser Masse fand Waldeyer Pilzelemente, welche er für identisch mit der Lepto- thrix buccalis Robin et Lebert der Mundhöhle erklärte, die von Leber und Rottenstein als Hauptagens der Zahncaries ange- sehen wird; die Leptothrixfäden sah Waldeyer von kleinem rund- lichen Micrococcus und beweglichen Bacterien umgeben. Zwei ähn- liche Fälle waren schon früher von Foerster wahrgenommen, doch nicht mikroskopisch festgestellt worden. Graefe*) beschrieb unmit- telbar darauf noch mehrere (im Ganzen 7) Fälle solcher Conere- mente im unteren Thränenröhrchen, in denen Cohnheim und Leber ebenfalls Leptothrixelemente, identisch mit denen der Mundhöhle, nachgewiesen hatten. Die Concremente selbst sind 1,3 — 3‘ lang, etwa 1’ dick; sie werden bald als käsig schmierig, bald als sandig bröcklig beschrieben; ihre Farbe ist gelblich weiss; nur in einem (dem Foerster’schen) Falle aussen schwärzlich. 1) Zuerst beschrieben zugleich mit Myconostoc gregarium in der Sitzung der botanischen Section der Schlesischen Gesellschaft vom 18. Dec. 1873. Vergleiche Just, botanischer Jahresbericht für 1373 p- 64. 2) Graefe im Archiv für Ophthalmologie I. 284 und II. 1. 224. 3) Pilzmasse im untern Thränenkanälchen in Graefe, Archiv für Ophthal- mologie XV. I. p. 3138-23. Taf. III. Fig. 1. *) Ueber Leptothrix in den Thränenröhrchen, Archiv für Ophthalmologie XV; :1..p..324. 187 Foerster übergab mir in den letzten Jahren noch mehrere sol- cher Concremente zur mikroskopischen Untersuchung, welche er aus Thränenfisteln durch Aufschlitzen erhalten. Eine am 15. April 1874 mir übergebene Masse war weisslich, talgartig, leicht zu zerdrücken und zu verkleinern, und bestand der Hauptsache nach aus feinen, äusserst dünnen, farblosen, parallel neben einander gelagerten oder wirr durch einander verfilzten Fäden, welche grade oder bogig gekrümmt, stellenweise aber schlängelig, eng und zierlich pfropfen- zieherartig gewunden sind; diese Stellen erinnern an die Schrauben- fäden der Spirulinen oder Spirochaeten, von denen sie sich jedoch durch weit grössere Unregelmässigkeit leicht unterscheiden. Die Fäden zerfallen in mehr oder weniger kleine Stücke, die mitunter kurz, oft aber 50 Mikrom. und darüber lang sind; Ammoniak löst dieselben nicht. Diese Fäden sind eingelagert und dicht umhüllt von feinkörnigen Mrerococcusmassen, welche auch die Zwischenräume zwischen den Fäden ausfüllen (Fig. 7a... Wenn man eine unter dem Deckglas liegende Portion der weisslichen Masse durch einen Wasserstrom ausspült, den man durch einen an den Rand des Deck- glases angelegten Fliesspapierstreifen und Zufuhr frischer Wasser- tropfen an den entgegengesetzten Rand längere Zeit unterhält, so kann man die Fäden von dem anhängenden Mrecrococcus möglichst befreien und erkennt dann nicht bloss, dass dieselben sämmtlich von gleicher, so zu sagen haarfeiner Dicke, in unbestimmter Folge bald grad bald lockig gedreht verlaufen, sondern dass sie auch, wenn auch nur spärliche Verzweigungen zeigen. Alle diese Eigenthüm- lichkeiten unterscheiden die Fäden der Thränenkanälchen von denen der Leptothrix buccalis in der Mundhöhle, die ausserdem dicker, steif und gerade, deutlich gegliedert, und stets unverzweigt sind, derart, dass ich beide nicht für Entwieklungszustände der nämlichen Art halten kann; die so charakteristischen, parallel neben einander liegenden, starren Fadenbündel der Mund- Zeptothrix habe ich nie in den weissen Massen der Thränenkanälchen wahrgenommen. Ich muss daher die letzteren als eine besondere Art betrachten, die ich als Streptothrix Foersteri bezeichnen will. Wohin dieselbe ihrer Verwandtschaft nach gehört, lässt sich freilich bis jetzt nicht ange- ben, da meine Culturversuche kein Resultat gaben; die äussere Form der Fäden scheint dieselben allerdings den Zeptothrixarten, deren normales oder pathologisches Vorkommen ja auch in andern mensch- lichen Organen constatirt ist, anzureihen, während die Verzweigung an Pilzmycelien erinnert; doch giebt es auch nicht zu den Pilzen gehö- rige, wahrscheinlich unecht verzweigte Leptothrixformen, zu denen 188 unter andern die seltsamen Fadengebilde zu gehören scheinen, welche Pasteur als die Fermentorganismen der schleimigen Gährung zuerst bezeichnet und die ich selbst in einer mir durch Dr. Traube über- sebenen, schleimig gewordenen Apfelsine beobachtet habe. Trotz der von mir angenommenen specifischen Verschiedenheit der Fäden scheinen doch die Concremente der Thränenkanälchen eine dem Wein- stein der Zähne ganz analoge Bildung zu sein, da in beiden die Haupt- masse von dem Mecrococcus dargestellt ist, in welchen die farblosen Leptothrixfäden eingelagert sind. Ausser diesen Hauptformen ent- halten die Coneremente auch noch bewegliche Bacterien (BD. Termo), so wie Monaden, die mit einer langen Geissel, nach Art einer Spring- borste sich hüpfend bewegen; auch beobachtete ich kleine hefeartige Zellen, so wie Oidiumartige Gonidienketten, welche vielleicht Graefe als Favuselemente gedeutet hatte; selbst Pilzsporen mit langen Keim- schläuchen kamen vor; doch scheinen mir dies nur secundäre Bildun- gen, deren Keime erst nachträglich in die Concremente gelangt sind. 22. Dacillus subtilis. Dauersporen. Im zweiten Hefte dieser Beiträge (l. ec. p. 145, 176. Taf. III. Fig. 13) habe ich darauf auf- merksam gemacht, dass die von mir aufgestellte Gattung Dacaillus sich höchst wahrscheinlich durch Gonidien oder Dauersporen fortpflanzt, welche durch einen stark lichtbrechenden, oelartigen Inhalt ausgezeichnet sind; derartige Fäden erscheinen als geschwänzte Köpfchenbacterien. Perty hatte, wie ich erst nachträglich erfah- ren, unsere Dacillusarten schon im Jahre 1852 als eine selbststän- dige Gattung von den eigentlichen Bacterien unter dem Namen Metallacter abgetrennt (von einem griechischen Worte, welches „sich verändernd“ bedeutet), weil dieselben in steife oder wenig biegsame, unbewegliche, ungemein verlängerte Aygrocrocis (oder Leptothrix) -fäden unter gewissen Umständen sich umwandeln; und ebenso hatte er äusserst kleine, bewegliche eylindrische Fäden beobachtet, welche an einem, oder seltener an beiden Enden ein, manchmal auch zwei elliptische Körperchen (wohl Sporen) einschliessen; obwohl er dieselben öfters mit Dacillus (Metallacter Bacillus Perty) zusam- men fand, denen sie sehr gleichen, hielt er sie doch für eine selbst- ständige Gattung und Art (Sporonema gracile Perty)'). Ebenso hatte Tr&cul in den geschwänzten Bacterien eine selbstständige Gattung erblickt, die er Urobacter nannte. In neuster Zeit hat Billroth das Auftreten dunkel conturirter fettglänzender Kügelchen an einem, seltener an beiden Enden, zuweilen auch in der Mitte !) Kleinste Lebensformen p. 180, 181. Taf. XIV. Fig. 8, 12, XV. F. 26. 189 von Bacterien, in faulendem Blutserum, Aufgüssen faulender blut- haltiger Gewebe u. s. w. häufig beobachtet; er bezeichnet derartige Formen als Helobacteria und betrachtet sie auch als Dauersporen !). Auch ich habe in den letzten Jahren vielfach Gelegenheit gehabt mich von der allgemeinen Verbreitung der geschwänzten oder Köpf- chenbacterien unter den verschiedensten Verhältnissen und von ihrer Beziehung zu Bacillus zu überzeugen. Ganz besonders instructiv ist das Auftreten derselben im Labaufguss. Bekanntlich hat H. Ch. Bastian?) im Jahre 1872 einen Aufsehen erregenden Versuch ver- öffentlicht, welcher die Entstehung der Bacterien durch Urzeugung in gewissen Mischungen erhärten sollte, in denen durch längeres Kochen die früher vorhandenen Keime getödtet sein mussten. Die von ihm benutzte Flüssigkeit bestand aus einem Decoct von weissen Rüben, welchem eine kleine Menge Käse zugesetzt und darin gekocht worden war. Die filtrirte und neutralisirte Flüssigkeit, in einem Kolben 10 Minuten gekocht und während des Siedens durch Zu- schmelzen des Kolbenhalses hermetisch verschlossen, wimmelte nach 3 Tagen von Bacterien. Bald nachdem mir diese Versuche bekannt wurden, wiederholte ich dieselben (9. Mai 1873) im Pflanzenphysio- logischen Institut. Ein Kölbehen, dessen Hals in eine dünne offene Spitze ausgezogen, wurde mit destillirttem Wasser gefüllt, und auf dem Drahtnetz über einer Gasflamme zum Sieden gebracht; auf demselben Netz stand ein Becherglas mit dem filtrirten Rüben-Käse- - decoet; nachdem beide 10 Minuten kochend erhalten, wurde das Kölbehen umgekehrt mit der Spitze in die Flüssigkeit im Becher- glas getaucht, sodann die Flamme entfernt; der im Kölbchen ent- wickelte Wasserdampf treibt zunächst den Rest des Wassers in das siedende Decoct; beim allmählichen Abkühlen aber steigt das letz- tere in das Kölbehen hinein; sobald dieses fast gefüllt, wird es her- aus genommen und die Spitze sofort zugeschmolzen. Gleichwohl trübte sich die anfangs klare Flüssigkeit im Kölbchen nach 3 bis 4 Tagen; jedoch waren es nicht die gewöhnlichen Fäulnissbacterien (B. Termo), sondern längere in gebrochenen Ketten umherschwim- mende Dacillusstäbehen und Fäden, die sich entwickelt hatten. H. Ch. Bastian hat aus seinem Experiment den Schluss gezogen, dass im Rüben-Käsedecoct lebende Organismen durch Urzeugung (Archigenesis).neu entstehen, selbst wenn alle früher vorhandenen Keime 1) Coccobacteria septica p. 22, 33. Taf. IV. Fig. 37, 38. 2) Proc. Royal Soc. 1373 No. 145; die analogen Versuche Huizingas über Abiogenesis sind bereits durch Samuelson (Pflügers Archiv VIII. p. 277) und Gscheidlen (ibid. IX. p. 163) widerlegt. 190 durch die Hitze getödtet sind. Burdon Sanderson wies nach'), dass zwar eine Wärme von 100° C. die Entwicklung von Bacterien im Bastian’schen Decoct nicht verhindere, wohl aber eine nur wenig höhere Temperatur, wie sie im Papin’schen Topf leicht erhalten wird. Ich würde die Beweiskraft des Bastian’schen Versuchs für die Entstehung gewisser Bacterien durch Urzeugung nur dann gelten lassen, wenn derselbe unbedingt die Möglichkeit ausschlösse, dass in dem Rüben-Käsedecoct entwicklungsfähige Keime vorhanden seien, welche durch die in Anwendung gekommene Temperatur während der Versuchszeit nicht getödtet wurden. Allerdings ist nicht zu bezweifeln, dass die gewöhnlichen beweglichen und ruhenden Zu- stände der Bacterien durch Kochen vernichtet werden; aber könnte es nicht besondere Entwicklungszustände oder Keime geben, welche der Siedehitze längere Zeit Widerstand leisten? Dass derartige Keime im wässrigen Rübenauszug vorhanden seien, ist allerdings nicht wahrscheinlich, da nach tausendfältigen Erfahrungen im Gros- sen und Kleinen frische Pflanzengewebe (Gemüse) durch Kochen con- servirt, d. h. die in ihnen vorhandenen Fäulnisskeime zerstört wer- den; desto eher liess sich vermuthen, dass der in fester Form zuge- fügte Käse etwaige eingeschlossene Keime länger vor der tödtlichen Siedehitze werde schützen können. Ich stellte mir daher die Aufgabe zu ermitteln, ob und welche Fermentorganismen bei der Darstellung der süssen, fetten (Schwei- zer, Holländischen, Englischen) Käse eine Rolle spielen; ich benutzte von diesem Gesichtspunkt aus im Sommer 1873 die mir durch Herrn Apotheker Dr. Schroeder zu Frauenfeld im Thur- gau freundlichst gebotene Gelegenheit, mich über die bei der Fabrikation des Schweizer Käse vor sich gehenden Processe an Ort und Stelle zu belehren, und habe die Sache dann noch in den gros- sen Käsereien zu Engelberg, Kanton Unterwalden, so wie zu Haus durch kleine Versuche weiter verfolgt. Selbstverständlich habe ich die chemische Seite der Käsebildung, die noch mancher Aufklärung bedarf, auf sich beruhen lassen müssen, und mich ausschliesslich auf die Frage von der Mitwirkung der Dacterien beschränkt, die meines Wissens überhaupt noch nicht wissenschaftlich erwogen worden ist. 23. Müchgerinnung. Käsegährung. Der sogenannte Schweizer (Emmenthaler) Käse wird in grossen kupfernen Kesseln aus der 1) Nature 1873 VI; bestätigt durch Gscheidlen; Pasteur und Hof- mann (Bot. Zeit. 1363) gelangten schon früher zu ähnlichem Resultat. 191 Milch dargestellt, welche durch einen Zusatz von Labflüssigkeit dick gemacht, d. h. nach ein Paar Minuten in eine steife Gallert umge- wandelt wird. Nachdem die Diekmilch etwa eine Viertelstunde ruhig stehen gelassen, werden mit Hülfe der Milchkelle die obersten but- terreicheren Schichten unter die tieferen geschaufelt oder verzogen, sodann die ganze Masse mit einem hölzernen Säbel (Käsesäbel) der Länge und Quere nach durchgetheilt, endlich mit einem Drahtquirl (Käsebrecher) in erbsengrosse Bröckchen oder Klümpchen verklei- nert, und über offenem Feuer eine Stunde lang bei 55—60° C. durchgerührt. Während dieser Operation sondern sich allmählich die Käsetheilchen von der zurückbleibenden Käsmilch oder Molkenflüs- sigkeit (Sirte), indem sie sich aneinanderhängen und zugleich dich- ter und fester werden. Nun wird der süsse dieke Käsebrei in ein Tuch gefasst, und mit diesem in eine Form, bestehend aus einem hölzernen Reif (Ladreif) und zwei hölzernen Deckelplatten einge- schlossen, sodann unter eine Presse mit entsprechender, allmählich gesteigerter Belastung gebracht, um die überflüssige Käsmilch aus- zupressen. Nach 24 Stunden wird der Käselaib aus der Presse genommen und kommt in den Käsekeller, wo er bei einer Tempe- ratur von 10—12° C. mehrere Monate verbleibt; durch tägliches Einreiben von Salz in die Rinde wird nicht blos das Schimmeln ver- hindert, sondern auch das Innere entwässert und mit antiseptischer Salzlösung durchtränkt. Schliesslich gelangt der Käse in das Maga- zin, wo er erst nach Jahr und Tag seine völlige Reife erlangt. Offenbar sind hier drei völlig verschiedene Vorgänge auseinan- der zu halten. 1) Das Gerinnen der Milch. Ist auch die Chemie noch nicht darüber im Klaren, auf welchem Wege die Labflüssigkeit wirkt, so ist doch wohl nicht zu bezweifeln, dass das Coaguliren der Milch unter Einfluss eines in der Labflüssigkeit vorhandenen unorganisir- ten Ferments (Ühymosin), nicht aber lebender Fermentpflanzen (Zy- mophyten) steht; es ist vergleichbar den Wirkungen anderer nicht organisirter Fermente (Diastase, Emulsin, Pepsin).. Denn bekanntlich macht der aleoholische Labauszug (Labessenz) die Milch ebenso gut gerinnen, wie der wässrige, was die Mitwirkung lebender Organis- men ausschliesst; dieselbe Fähigkeit besitzen gewisse Pflanzensäfte, die vermuthlich auch ein flüssiges Ferment enthalten (Galium, Pinguicula, Artischockenblüthen, Fricus Carica); entscheidend ist auch die Thatsache, dass durch eine bestimmte Menge des Labaus- zugs nur ein äquivalentes Quantum Milch coagulirt wird, während organisirte Fermente sich selbst vermehren und daher eine unbe- 192 grenzte lebendige Kraft eutwickeln können. Bei einem Versuch im Kleinen coagulirte eine aus 0,1 Gm. Labmagen und 10 Gm. Was- ser bereitete Labflüssigkeit 400 Gm. Milch in 44 Stunden, eine aus 1 Gm. Labmagen und 10 Gm. Wasser bereitete machte dieselbe Menge schon in 2 Minuten gerinnen; 20 Gm. Milch wurden durch einen Tropfen dieser Labflüssigkeit in 2 Minuten, durch 3—4 Tropfen in 14 bis 1 Minute coagulirt. In der Praxis beträgt die zum Dick- machen in 15—20 Minuten bei 32,5 — 35° C. erforderliche Menge Labflüssigkeit dem Gewichte nach 0,5—0,75° der Milch. 2) Die Sonderung des geronnenen Caseöin von den Molken; dies scheint mir ein rein mechanischer Vorgang, bei dem gar kein Ferment im Spiel ist; es ist vergleichbar dem Abscheiden der Butter aus der Milch, des Fibrins aus dem Blut, des Klebers aus dem Weizen-Mehl u. s. w. In der geronnenen Milch ist das Casöin in lockeren Flöckchen vertheilt; beim Durchrühren heften sich diese Flöckehen an einander und kleben zu einer immer fester wer- denden Masse zusammen. Hierbei ist die Temperatur von Einfluss; je höher diese, desto fester wird der Käse. Bei Versuchen im Kleinen beobachtete ich, dass, sobald die geronnene Milch auf 40° C. erwärmt ist, die gallertartigen Casöinflöckchen zäher werden und sich immer dichter an den zum Umrühren benützten Glasstab anle- gen, so dass schliesslich der grösste Theil des Casein als eine weisse teigartige Masse herausgehoben werden kann, die jedoch noch immer viel Käsmilch in ihren Poren zurückhält und dieselbe erst durch Pressen verliert. 3) Das Reifen des Käse, durch welches die weisse, fade, süsse Käsemasse erst allmählich ihren pikanten Geschmack und Geruch, ihre durchscheinende Consistenz, gelbe Farbe u. s. w. erlangt. Dies halte ich für eine echte Gährung, welche unter dem Ein- fluss von Fermentorganismen (Zymophyten) steht. Sehon auf der Presse, also innerhalb 24 Stunden, beginnt die Gährung, welche mit lebhafter Gasentwicklung (Kohlensäure, Wasserstoff?) verbunden ist; in Folge dessen wird der Käselaib aufgetrieben, seine ebenen Flächen nach aussen gewölbt; bei ungünstigem Verlauf ist ‚las Treiben so stark, dass die Presse trotz ihrer schweren Belastung (15—20 Kilo auf 1 Kilo Käse) gehoben wird. Während des lang- samen Reifens geht die Gasentwicklung fort, und es bilden sich die Löcher im Käse in ähnlicher Weise, wie bei der Brodbereitung. Welche chemischen Vorgänge während der Käsegährung stattfinden, liegt ausser meiner Aufgabe zu untersuchen; nur die Vermuthung möchte ich aussprechen, dass es vorzugsweise die im Käselaib zurück- 193 gehaltene Molkenflüssigkeit ist, deren Milchzucker zunächst durch die Zymophyten in Buttersäuregährung versetzt wird. Die Praxis lehrt, dass die Vertheilung, Grösse und Zahl der Löcher im Käse von der Pressung, d. h. wohl von der Menge der im Käselaib zurückbleibenden Käsmilch abhängt, und dass die Fehler der Käse (zu viel oder zu wenig Löcher) hauptsächlich von unrichtiger Pressung herrühren. Die Erwärmung der Milch auf 55—60° während des Ausrührens muss dazu beitragen, die etwa vorhandenen Fäul- nissbaeterien (B. Termo) zu tödten, und den eigentlichen Ferment- organismen der Käsegährung, welche, wie wir sehen werden, einer kurzen Erhitzung Widerstand leisten können, freien Spielraum zu lassen. 24. Bacillen im Labauszug. Taf. V. Fig. 10—12. Die Käse- gährung wird durch ein organisirtes Ferment, d.h. durch gewisse Bacterienarten veranlasst, welche der Milch gleichzeitig mit der Labflüssigkeit zugefügt werden. Um diese Fermentorganismen kennen zu lernen, habe ich im Herbst 1373 aus Labmagen, welche ich von einer Schweizer Käserei bezo- gen, hier in Breslau zahlreiche Labaufgüsse dargestellt. Als Labmagen benutzt man den Magen 5—7 Wochen alter Saug- kälber, die noch keine feste Nahrung zu sich genommen; dieser wird 24-36 Stunden lang mit etwa dem 100fachen Gewicht reinen weichen Wassers bei einer Temperatur von 30—35° C. angesetzt; steigt die Temperatur bis 50°, so wird die Wirksamkeit des Labauszugs sehr unsicher; fällt sie, so wird er ganz unwirksam. Der wässrige Labauszug ist trübe und besitzt einen eigen- thümlichen nicht unangenehmen, nicht fauligen Geruch nach Käse (Buttersäure?), ähnlich wie ich ihn bei Ascococcus (siehe oben p. 153) erwähnt; er wimmelt von zahllosen, äusserst lebhaft bewegten, lan- gen und dünnen Bacillen, deren Glieder meist paarweise, doch auch zu 4 und 8 zusammenhängend und in den Gelenken beweglich, umherschwimmen oder zu längeren beweglichen Fäden auswachsen (Fig. 10a.); auch bilden sie, dicht an einander gedrängt, Flocken in der Flüssigkeit; sie sind ohne Zweifel die charakteristischen wirksamen Organismen des Labaufgusses, in dem sie nie fehlen; Bacterium Termo und Micrococcus, die ich auch, wenn auch überwiegend erst in späteren Zuständen wahrnahm, halte ich für neben- sächliche Begleiter; bei beginnender Fäulniss wird der Labauszug unwirksam und die Bacillen sind bewegungslos, todt. Diese Bacillen sind höchst wahrscheinlich schon im Labmagen des lebenden Thieres vorhanden. R. Remak hat zuerst im ®oln, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Heft ILL 13 194 Magen der Haussäugethiere (Rinder, Schafe, Schweine) fadenförmige, gegliederte, unverästelte Pilze nachgewiesen '); Wedl hat diese Beobachtungen speciell für den Magen des Rindes bestätigt und erweitert”). Im Labmagen der mit Pflanzenkost gefütterten Rinder fand er ausnahmslos „gestreckte, schmale, helle, farblose Zellen, einzeln, oder kettenartig zu 2—7 aneinandergereiht, 30-40 Mikr. lang, 1—3 Mikr. dick, deren Endglieder ein wenig keulenförmig angeschwollen, und die stark lichtbrechende fettig glänzende Körn- chen enthalten; die Fortpflanzung geschieht durch diese Endtheile, die in dünne Fäden auswachsen.“ Diese Epiphyten, die Wedl Uryptococcus Clava nennt, fehlen jedoch im Labmagen der Saug- kälber; in letzterem finden sich nur die schon von Remak gesehenen sehr schmalen, i Mikr. dieken Fadenalgen mit glänzenden Körnern (Leptothris? Bacillus). Ich glaube aus den Beobachtungen Wedl’s, die wohl erneuter Untersuchung bedürfen, den Schluss ziehen zu können, dass im frischen Labmagen der nur von Milch genährten Kälber bereits die Bacillen des Labauszugs vorhanden sind, während nach der Verabreichung von Pflanzenfutter anscheinend ein anderer Zymophyt auftritt. Wahrscheinlich sind die Labbacillen identisch mit denen des Buttersäureferments Pasteur’s (D. subtilis), welche wie ich im zweiten Hefte dieser Beiträge (l. c. p. 176) gezeigt, durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen höhere Temperaturen, so wie durch ihre Fermentthätigkeit in sauerstofffreier Luft von den übrigen Bacterien ausgezeichnet sind. Durch den Zusätz der Labflüssigkeit zur Milch werden in letzterer eine Unzahl Bacillen aus- gesät, und durch die nachfolgenden Operationen des Umrührens gleichmässig vertheilt; selbstverständlich müssen diese Organismen daher auch im Käselaib selbst reichlich vorhanden sein und ihre Fermentwirkung geltend machen. Während in dem frischen Labaufguss nur die dünnen beweglichen Bacillusstäbehen vorkommen, findet man nach kurzer Zeit, sobald derselbe fortdauernd in einer Temperatur von 30° C. erhalten wird, 1) Diagnostische und pathogenetische Untersuchungen 1345 p. 225. Im Magen der Kaninchen entdeckte Remak einen hefeartigen, sprossenden Pilz mit eylindrischen Zellen (Oryptococcus guttulatus Robin.). 2) Ueber ein in den Mägen des Rindes vorkommendes Epiphyt. Sitzungs- berichte der Wiener Akademie Math. Naturw. Klasse 1858. 6. XXIX. p. 91 mit Holzschnitt. Wedl fand seinen Oryptococcus Olava constant und in grösster Menge auf dem schleimigen Beleg frischer Labmägen zwischen der obersten Schicht des Cylinderepithel. 195 in zahlreichen dieser Fäden das eine Ende köpfchenartig an- geschwollen und mit einem ovalen oder rundlichen, stark licht- brechenden Körperchen erfüllt, während die Bewegung fortdauert, und der Faden wie vorher abwechselnd vor- und rückwärts schwimmt (Fig. 10b.). Die Zahl dieser Köpfehenbacterien, deren Form an die Spermatozoiden der Wirbelthiere erinnert, vermehrt sich fortdauernd; unter der Masse finden sich wohl auch solche, die an beiden Enden Köpfchen tragen (Fig. 10c.), seltner solche, wo mehrere Köpfehen hintereinander im nämlichen Faden vorhanden sind; bald zeigte der grösste Theil der Fäden die köpfchenartigen Anschwellungen. Ali- mählich bildet sich ein Absatz in der Labflüssigkeit, der grössten- theils aus abgestorbenen Bacillen besteht; und zwar sind es die stark lichtbrechenden Köpfchen, welche übrig bleiben, wenn der Faden abbricht und zu Grunde geht. Lässt man die Labflüssigkeit etwa 4 Wochen stehen, so klärt sie sich allmählich, und der trübe Absatz besteht aus Detritus, Micrococcushaufen, vereinzelten, meist kurzen Stäbchen, und zahllosen, stark lichtbrechenden Köpfchen (Fig. 10d. 12.). Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass die Köpfchen in den Entwicklungskreis der Lab-Bacillen gehören; hält man die Entwick- lung der so nahe verwandten Oscillarineen (Nostoc, Spermosira, Oylin- drospermum ete.) daneben, so können die Köpfchen nur entweder als Grenzzellen (Heterocysten) aufgefasst werden, welche die Thei- lungsstelle der Fäden bezeichnen, oder, was weit wahrscheinlicher, als wirkliche Sporen, die den Vegetationsverlauf der Bacillen beschliessen und ihre Erhaltung unter ungünstigen Lebensbedin- gungen ermöglichen. Köpfchen, an denen ganz kurze und zarte Fäden hängen, schienen mir gekeimte Sporen, aus denen sich neue Baeillen zu entwickeln im Begriff sind (Fig. 10d.). Ist diese Deu- tung richtig, so begreift sich der Bastian’sche Versuch ohne Schwierigkeit. Die Köpfchenbaeterien der Labflüssigkeit werden der Milch zugesetzt und in dem Caseinbrei vertheilt; es ist anzunehmen und steht im Einklang mit den an trockenen Penzeillium- und anderen Pilzsporen gemachten Erfahrungen, dass die in der festen, trocknen und schlecht Wärme leitenden Käsemasse eingeschlossenen Köpfchen oder Dauersporen selbst durch kurzes Kochen nicht sämmtlich ihre Keimfähigkeit verlieren, dass vielmehr einzelne von ihnen neuen Bacillus-Fäden den Ursprung geben, sobald sie in eine geeignete Nährflüssigkeit (Rübendecoct) gelangen. Fassen wir die Gesammtheit der obigen Beobachtungen zusam- men, so geben sie uns folgenden Ueberblick über die Vorgänge bei 13* 196 der Käsebildung. Der Labauszug enthält ein flüssiges Ferment, welches die Coagulirung der Milch bewirkt, und Fermentorganismen (Bacillus), welche wahrscheinlich Buttersäuregährung einleiten und auch das langsame Reifen des Käse veranlassen; ihre Dauersporen sind es, welche von der trocknen Käsesubstanz eingeschlossen, der Siede- hitze eine Zeit lang widerstehen, und in geeigneter Nährflüssigkeit sich wieder zu Bacillusstäbehen entwickeln können. Schliesslich bemerke ich noch, dass die Bildung von Dauerspo- ren nicht blos bei den Daczillen des Labaufgusses, sondern auch in zahlreichen andern Fällen von mir beobachtet worden ist; insbeson dere in einem Aufguss destillirten Wassers auf gekochte Erbsen etc., welcher mehre Tage hindurch bei 45° erhalten wurde, ent- wickelte sich keine eigentliche Fäulniss, die durch Dacterium Termo charakterisirt ist, sondern Buttersäuregährung '); das getrübte Wasser wimmelte von Dacillusfäden, in denen sich an den Enden, aber auch in Mitten des Fadens oft reihenweise hintereinander die stark lichtbrechenden Körperchen bildeten, die ich für Dauersporen hal- ten muss; nach Zerstörung der Fäden blieben sie zurück und schie- nen auch zu keimen (Fig. 11). Ich behalte mir vor, im zweiten Theil dieser Abhandlung auf das besonders interessante biologische Verhalten dieser Gattung zurückzukommen. 25. Spirochaete Obermeieri (Taf. VI. Fig. 16). Wohl die wich- tigste Thatsache, durch welche in letzter Zeit unsere Kenntniss vom Auftreten der Fermentorganismen bei Infectionskrankheiten bereichert wurde, ist die von Otto Obermeier schon 1868 begonnene, aber erst im Jahre 1873 bekannt gemachte Entdeckung der sogenannten Spirillen im Blut der Kranken bei Febris recurrens”). Bekanntlich zeichnet sich der Rückfallstyphus durch eine 6—7 Tage dauernde Fieberzeit aus, welcher eine ca. 8 Tage dauernde Remission und darauf ein zweiter 5 Tage anhaltender Fieberanfall, in seltnen Fäl- len nach einer fieberfreien Zwischenzeit von 9 Tagen ein dritter, seltner noch ein vierter und fünfter Anfall folgt. Obermeier erkannte nun im Blut der Zecurrenskranken sehr zarte lange, äus- serst rapid bewegte Schraubenfäden, jedoch blos in der Fieber- zeit, nicht in der Remission oder kurz vor und nach der !) Siehe den folgenden Aufsatz des Herrn Dr. Eduard Eidam p. 216. 2) Obermeier, Vorkommen feinster eine Eigenbewegung zeigender Fäden an Blut von Recurrenskranken, Med. Centr. Bl. XI. 10. 1873; Derselbe, Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft vom 26. März 1873, Berliner klinische Wochenschrift 1873 p. 152 und 391. 197 Krise. Diese Entdeckung ist von allen späteren Beobachtern!) aus- nahmslos bestätigt worden. Schon am 15. März 1873 hatte Herr Dr. Carl Weigert die Güte, mir im Allerheiligen Hospital zu Breslau die Spiralfäden aus dem Blute der Zecurrenskranken, die in Folge einer damals ausgebrochenen Epidemie in grosser Zahl vor- handen waren, zu demonstriren. Hierbei constatirte ich, dass die- selben, nicht, wie dies gewöhnlich geschieht, zu den Spwrillen, son- dern zu der Gattung Spirochaete gehören, die sich von Spirzllum durch ihre flexilen, kräftiger Ringelungs- und Schlängelungsbewe- gungen fähigen Schraubenfäden unterscheidet. Von der Gattung Spirochaete war bisher nur eine Species bekannt, welche Ehren- berg bei Berlin, ich selbst bei Breslau in Sumpfwasser entdeckt hatten; da die überaus charakteristische Gestaltung und Bewegung dieser Art ein Uebersehen und Verwechseln mit anderen Species unmöglich macht, so lässt sich mit aller Bestimmtheit behaupten, dass die Spirochaete plicatilis keineswegs in faulendem Wasser gemein ist, sondern dass sie nur ganz ausnahmsweise zur Beobachtung kömmt. Von der Spirochaete der Sümpfe ist, so- viel ich mich erinnere — sie ist mir in jüngster Zeit nicht wieder vorgekommen — die im Blute der Recurrenskranken lebende zwar weder in der Grösse noch in der Gestaltung noch in der Bewegungs- weise verschieden; dennoch nöthigen uns das eigenthümliche Vor- kommen, sowie die physiologischen Verhältnisse, insbesondere das abweichende Verhalten gegen Wasser, die letztere als eine selbst- ständige Art anzusehen, welche ich zum Andenken an den als Opfer wissenschaftlicher Forschung im Sommer 1873 an der Cholera ver- storbenen Entdecker als Sprrochaete Obermeieri aufführen will. Die wichtigsten über die Spirochaete des Recurrens durch die Untersuchungen von Obermeier, Engel, Bliesener, Weigert, Litten, Birch Hirschfeld und Laptschinsky mir bekannt gewordenen Thatsachen sind folgende: Die Fäden finden sich aus- schliesslich im Blute der Zecurrenskranken, nie in deren Secreten, oder in andern Organen, ausnahmslos während der Paroxysmen, nie im fieberfreien Intervall, oder doch nur kurze Zeit nach den Anfäl- len (noch nach 2 Tagen, Birch Hirschfeld, und dann spärlich); sie werden mitunter erst 24 Stunden und selbst 2—3 Tage nach 1) Vergleiche die Zusammenstellung bei Birch Hirschfeld, Med. Jahrb. B. 166. Heft 2. p. 211, und Burdon Sanderson, Report on recent researches on the Pathology of the Infective Processes: Iteports of the Medical Officer of the Privy Couneil and Local Government Board, New Series No. III. London 1874 p. 4l, 198 dem Anfang der Temperatursteigerung wahrgenommen; freilich kön- nen sie wegen ihrer Zartlieit und raschen Undulation leicht überse- hen werden; oft wird man erst durch die Ortsveränderungen der Blutkörperchen, die sie in Bewegung setzen, auf sie aufmerksam gemacht. In der Leiche sind die Schraubenfäden nicht zu finden. Ihre Zahl ist verschieden; sie verringert sich wahrscheinlich, wenn der Paroxysmus dem Ende sich nähert und sie verschwinden gänzlich vor der Krise; manchmal spärlich, wimmeln sie in andern Fällen im mikroskopischen Präparat; nach Engel muss man ihre Zahl im Blut nach Milliarden schätzen. Die Schraubenwindungen der Fäden sind unveränderlich, durchaus gleichförmig in den verschiedenen Exemplaren; dagegen scheint die Länge der Fäden nicht constant; Obermeier bestimmte sie zu 13 bis 6, Engel bis zur 26fachen Länge der Blutkörperchen; Litten giebt an, dass sie sich mitunter in lange Ketten aneinander hängen, die über das ganze Gesichtsfeld reichen, ohne sich zu bewegen; mit- unter brechen jedoch zwei so vereinigte Schraubenfäden auseinander, als ob sie sich theilten. Die Schraubenfäden zeigen ausser ihrer Ortsveränderung Undu- lationen, die über die Fadenlänge wellig hinlaufen und sie eben, im Ge- gensatz zu den Sperillen, als Spirochaeten charakterisiren. In der Höhe des Fiebers erscheinen die Fäden steifer, gerad gestreckt; wird aber gegen das Ende des Paroxysmus ihre Bewegung langsamer, so zeigen sie mehr pendelartige Schwingungen; sie rollen sich auch ringförmig, oder wie eine 8 zusammen (Fig. 16*); die Wellenbewe- gungen dauern am längsten fort, wenn die Ortsveränderung schon aufgehört hat. Die Spirochaeten behalten ihre Beweglichkeit auch ausserhalb des menschlichen Körpers im Blutserum längere Zeit (24 Stunden), ebenso in einer halbprocentigen Kochsalzlösung mehrere Stunden; in Gly- cerin, Quecksilbersalzen, so wie in destillirtem Wasser hört die Be- wegung sofort auf; in Kali werden die Fäden aufgelöst. Dagegen erhält sich ihre Form in Osmiumsäurepräparaten unverändert (C. Weigert). Durch Erhöhung der Temperatur über 60— 65° C. werden sie getödtet; nicht aber durch Sinken derselben bis auf 0° (Litten). Zur Ergänzung ist noch hinzuzufügen, dass die Krankheit, welche durch Spirochaete Obermeieri in so merkwürdiger Weise charakterisirt ist, in Breslau erst seit März 1868 bekannt (Lebert), dass sie in tempo- rären und lokalen Epidemieen auftritt, welche höchst wahrscheinlich immer von auswärts eingeschleppt werden, dass sie in der Regel alle Bewohner einer Stube nach einander befällt (Stubenepidemieen) 199 D und durch persönliche Ansteckung, also offenbar durch ein Conta- gium, verbreitet wird. Im Uebrigen ist die Rolle, welche die Spr- rochaete Obermeieri in den pathologischen Vorgängen des Recurrens spielt, noch eben so dunkel, als ihr periodisches Verschwinden und Wiedererscheinen im Blute der Kranken. Selbst das lässt sich noch nicht entscheiden, ob die Spirochaete plicatilis der Sümpfe und die Sp. Obermeieri des Recurrensbluts speeifisch verschieden, oder ob sie nicht vielleicht ein und das nämliche Wesen sind, und das Con- tagium möglicherweise aus der ersteren Form, etwa durch den Genuss Spirochaetehaltigen Sumpfwassers primär erzeugt wird. Eben- so wenig lässt sich bis jetzt beurtheilen, ob die von mir ein einzi- ges Mal im April 1872 in (meinem eigenen) Zahnschleim beobachteten Spirochuetefäden etwa eine Zwischenstation zwischen dem Vorkom- men im Sumpfwasser und im Blute darstellen. (Vergl. meine Dar- stellung, Heft II. dieser Beiträge p. 180 und Nova Acta Ac. C. L. Hat. eur. XIV: 1°pU 125.) Dr. Burdon Sanderson hat in seinem oben citirten „Report“ einen Holzschnitt der Spirochaete Obermeieri nach einer ihm von mir mitgetheilten Skizze aufgenommen, die jedoch nur kleinere Exemplare darstellte; ich bringe deshalb hier (Taf. VI. Fig. 16) eine neue Zeichnung, welche Herr Dr. C., Weigert für mich anzufer- tigen die Güte hatte, und welche in 600facher Vergrösserung die steiferen Schraubenfäden in der Höhe des Fiebers, wie die abster- benden und zusammengerollten Formen gegen Ende des Anfalls (Fig. 16*) zugleich mit ein Paar Blutkörperchen darstellt, welche die Grössenverhältnisse veranschaulichen sollen. 26. Bacillus Anthracis. (Taf. V. Fig. 9.) Ich reihe hieran eine Abbildung der Milzbrandbacterien (Dacıllus Anthracis) nach einem Prä- parat, welches Herr Prof. H. Koebner von einem frisch gefallenen Rind mir zu überlassen die Güte hatte. Bekanntlich unterscheiden diese Bacillen sich äusserlich nicht wesentlich von denen der Buttersäure- gährung (D. subtilis); doch sind sie in der Regelkürzer und stärker und zeigen niemals Bewegungen. Bollinger'), der darauf aufmerksam macht, dass die Bacterien des Milzbrandbluts nicht erst, wie gewöhnlich angegeben wird, von Davaine (1863) sondern bereits von Pollender (1849, veröffentlicht 1855)”?) entdeckt und 1) Bollinger, Zur Pathologie des Milzbrandes. München 1872; Infectio- nen durch thierische Gifte in Ziemssen, Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie III. 1874 p. 450. 2) Mikroskopische und mikrochemische Untersuchungen des Milzbrandhluts. Casper’s Vierteljahrschr. f. gerichtl. Medizin XII. p. 103 200 schon von Brauell (1857)') zum Gegenstande massgebender Unter- suchungen und Versuche gemacht worden waren, beschreibt die Stäbchen als gerad, eylindrischh 7—12 Mikrom. lang, von fast un- messbarer Dicke (0,85—1 Mikr.), in frischem Zustand anscheinend homogen; bei Berührung mit Wasser aber, oder wenn sie durch Fäule zersetzt zu werden beginnen, zeigen sie unter sehr starken Vergrösserungen (IX. Hartnack) einen gegliederten Bau, und erschei- nen zusammengesetzt aus einer Reihe rundlicher oder kurz eylindri- scher Zellen, deren jede einen dunkleren Plasmakern in einer durch- sichtigeren Hülle einschliesst *); sie zerfallen dann rasch in die ein- zelnen Kügelehen. Bollinger betrachtet deshalb die Stäbchen des Milzbrandes als eine Torulaform der Kugelbacterien (Heft II. dieser Beiträge p. 147) und meint, dass die auch isolirt vorkommenden Kugelbacterien sich durch Zweitheilung vermehren und als Glieder- zellen zu Reihen vereinigt, die Stäbchen zusammensetzen. Ohne den gründlichen Forschungen Bollingers die meinigen gegenüberstellen zu wollen, kann ich doch nicht umhin zu bemerken, dass es mir nicht gelungen ist, in den mir zur Untersuchung gekommenen Milzbrand- präparaten eine rosenkranzähnliche Zusammensetzung der Anthrax- stäbehen wahrzunehmen, und dass ich nur Sonderung des Inhalts in stärker lichtbrechende Tröpfechen bei den abgestorbenen und im Präparat aufbewahrten Stäbchen zu finden vermochte; aus die- sem Grunde muss ich an meiner früheren Auffassung der Milz- brandbacterien als einer Dacillusart festhalten, und lasse deren Zusam- menhang mit Kugelbacterien (Micrococcus) vorläufig dahingestellt sein. Vielleicht dürfen wir, da die Dacıllen, wie oben erwähnt, sich in der Regel durch kugelige Dauersporen fortpflanzen, solche auch für die Stäbchen des Milzbrand erwarten, und in ihnen die Keime der Infee- tion im scheinbar stäbchenfreien Blut, sowie in eingetrockneten Con- tagien vermuthen, durch welche, wie Bollinger gezeigt, die An- steekung in der Regel auf dem indireeten Wege der Verschleppung übertragen wird. Dafür, dass die Dacsllen selbst das Contagium enthalten und nicht die Blutflüssigkeit, hat Bollinger mit Recht einen schlagenden Beweis in der schon von Brauell gemachten Beobachtung gefunden, dass die Placenta einen physiologischen Fil- trirapparat darstellt, welcher die Stäbchen nicht in den fötalen Kreis- lauf gelangen lässt; dem entsprechend erzeugt fötales Blut ohne Stäbchen keinen Milzbrand, während das Bacillenhaltige mütter- liche Blut mit positivem Erfolg geimpft wurde (l. ec. p. 461). 1) Virchow’s Archiv XI. p. 132, XIV. p. 432. 2) Ziemssen’s Handbuch III. p. 465 Fig. 9. 201 27. Micrococeus bombyeis (Taf. V. Fig. 13). Wirkliche Rosenkranz- form besitzen die im Darm der Seidenraupen bei der höchst contagiösen Epidemie der Schlaffsucht (Faccerdezza) auftretenden corpuscules en chapelet (Pasteur), welche ich als Micrococeus bombycis (Heft II. der Beiträge p. 165) aufgeführt und von denen ich nunmehr auf Taf. V. Fig. 13 eine Abbildung bringe. Es sind ovale Körperchen von höch- stens 0,5 Mikr. Durchmesser, ähnlich denen der Harngährung (Micrococ- cus ureae Heft II. p. 158 Taf. II. Fig. 5), welche einzeln, paar- weise oder zu 4—8 aneinander gereiht, selbst zu längeren geraden oder gekrümmten Ketten verbunden, in unzähligen Mengen den Magen- saft der kranken Raupe in eine trübe Flüssigkeit umwandeln, und erst kurz vor dem Tode von Fäulnissbacterien begleitet werden. Eine ausführliche Besprechung dieser Krankheit und der bei ihr beobachteten Zymophyten gedenke ich im folgenden Hefte zu geben, für welches ich die Besprechung einiger die Bacterien betreffender biologischer Fragen vorbehalte; eine Untersuchung über die Abhän- gigkeit der Entwickelung von Dacterium Termo von der Tempera- tur, welche der Assistent am Pflanzenphysiologischen Institut, Herr Dr. Eidam, im Winter 1873/4 auf meine Veranlassung ausgeführt hat, habe ich am Schluss dieser Abhandlung aufgenommen. 28. Anordnung der Bacteriaceengattungen nach ihrer natür- lichen Verwandtschaft. Die hier beschriebenen Organismen haben der von mir aufgestellten, und gegenwärtig wohl allgemein aner- kannten These, dass die Bacterien zu den Pflanzen, und zwar nicht sowohl zu den Pilzen, als zu den Algen gehören, neue Unterstützung gewährt; ihre Verwandtschaft mit den Phycochromaceen erweist sich sogar als eine so enge, dass es vom rein systematischen Stand- punkte aus kaum möglich ist, die Dacteriaceen als eine selbstständige Familie abzutrennen; dies tritt am klarsten hervor, wenn man die Gat- tungen der Bacterien unter die ihnen am nächsten stehende Genera ver- theilt. Da die Bacterien keine Pilze sind, so scheint der durch Naegeli eingeführte Ausdruck Schizomyceten für sie ebensowenig bezeichnend, als der von mir für die ganze Gruppe früher vorgeschlagene Name der Schizosporeae, da ja Sporen nur bei einem Theile der hier ver- einigten Organismen beobachtet sind. Vielleicht möchte sich die Bezeichnung Schizophytae für diese erste und einfachste Abthei- lung lebender Wesen empfehlen, die mir, den höheren Pflanzengrup- pen gegenüber, natürlich abgegrenzt erscheint, wenn auch die Merk- male, durch welche sie charakterisirt ist, mehr negativer als posi- tiver Art sind. Die Zellen der Schizophyten sind entweder stets frei oder in mehr oder minder zahlreiche Zellfamilien vereinigt; 202 letztere sind entweder in einer Ebene oder in einer Kugelfläche oder in Zellkörpern angeordnet, welche entweder formlose Haufen oder einen von einer gemeinschaftlichen Hülle umgebenen bestimmt geform- ten Körper darstellen; sie sind endlich auch in einfachen Zellreihen zu Fäden aneinander gereiht, welche meist einfach oder durch falsche Astbildung verzweigt sind; diese Fäden leben entweder frei oder verfilzt, oder zu Schleimfamilien oder Bündeln vereinigt. Die gewöhn- liche Vermehrung beruht auf binärer Zelltheilung, bei Synechococcus, Bacterium, Aphanothece, Gloeothece und den Nematogenen liegen alle Theilungsebenen parallel; bei Merismopedia, Clathrocystis, Coe- losphaerium liegen sie über’s Kreuz, bei den übrigen sind sie nach allen drei Dimensionen gerichtet. Auch die Zellfamilien und Fäden theilen sich durch Querfurchung oder netzartige Durchbrechung. Geschlechtliche Fortpflanzung ist unbekannt. Dauersporen, welche aus vegetativen Zellen durch Umbildung ihres Inhalts hervorgehen, sind vielfach beobachtet. Spontane Bewegung wird bei freien Zel- len oder in den Zellfamilien wenigstens zeitweise beobachtet. Die farblosen und die gefärbten Arten, und unter letzteren wieder die durch das chlorophylihaltige Phycochrom und die durch andere Pig- mente gefärbten, schliessen sich so eng an einander, dass die auf die Färbung begründeten Gattungen zum Theil nur einen conven- tionellen Werth besitzen; ebenso variirt die Gestalt der Zellen, von der Kugel bis zur Cylinderform, und es zeigen sich alle möglichen Grössenunterschiede von den unmessbar kleinen Micrococcus zu den 50 Mikrom. im Durchmesser erreichenden Zellen des Ühroococcus macrococcus. In dem nachfolgenden Versuch einer Uebersicht der Schizophyten habe ich nur diejenigen Gattungen berücksichtigt, welche zu den Bacterien in näherer Beziehung stehen; die vielfach an die Bacterien erinnernden starren mundlosen Monaden, habe ich ausser Acht gelassen, da deren Verwandtschaft noch dunkel ist; dass eine lineare Aneinanderreihung der Gattungen nicht den vielseitigen Berührungs- punkten gerecht werden kann, welche zwischen diesen einfachen Lebens- formen nach sehr verschiedenen Richtungen hin erkennbar sind, ist ein Mangel, der sich freilich leichter erkennen als beseitigen lässt: Schizophytae. Tribus I. Gloeogenae. Zellen frei oder durch Intercellularsubstanz zu Schleimfamilien vereinigt. A. Zellen frei oder binär oder quaternär verbunden. Zielen kugelip.. oe ana ee sen Chroococeus. Naeg. Zellen®eylindriach. 2 ae ea rear Synechococcus. Naeg. 203 B. Zellen im Ruhezustand zu amorphen Schleimfamilien vereinigt. a) Die Zellmembranen mit der Intercellularsubstanz zusammenfliessend. 0 Zellen nicht phycochromhaltig, sehr klein. elle. Eriphie u %: u. So wa» Micrococcus. Hall. emend. Zellen eylindrisch.. „u... 4.02% Bacterium. Du). 00 Zellen phyeochromhaltig, grösser. BEENSRRENG „0. 2 era n ae ae Aphanocapsa. Naeg. Zellen eylindriseh.. 2... „ver. Aphanothece. Naeg. b) Intercellularsubstanz aus in einander geschachtelten Zellhäuten gebildet. Zellen. Ükuselim: 3. 0200 an rer Gloeocapsa. Kg. Naeg. Aellen eylindviseh .. . ..- . unnerar. @loeothece. Naeg. C. Zellen zu begrenzten Schleimfamilien vereinigt. -c) Zellfamilien einschichtig, in eine Zellfläche gelagert. 0 Zellen quaternär geordnet, ineiner Ebene. Merismopedia. Meyen. 00 Zellen ungeordnet, in eine Kugelfläche gelagert. Zellen kuglig; Familien netzförmig durchbrochen. Clathrocystis. Henfr. Zellen eylindrisch keilförmig, Familien durch Furchung getheilt. Coelosphaerium. Naeg. d) Zellfamilien mehrschichtig, zu sphaeroidischen Zellkörpern vereinigt. 0 Zellenzahl bestimmt. Zellen kuglig, quaternär geordnet, farblos. Sarcina. Goods. Zellen eylindrisch keilförmig, ungeordnet, phycochromhaltig. Gomphosphaeria. Kg. 00 Zellenzahl unbestimmt, sehr gross. Zellen farblos, sehr klein ......... Ascococcus. Billr. emend. (p- 154.) Zellen phycochromhaltig, grösser... Polyeystis. Kg. Coceochloris. Spr. Polyeoccus. Kg. u. a. Tribus Il. Nematogenae Rab. Zellen in Fäden geordnet, A. Zellfäden stets unverzweigt. a) Zellfäden frei oder verfilzt. 0 Fäden eylindrisch, farblos, undeutlich gegliedert. Fäden sehr dünn, kurz ............. Bacillus. Cohn. Fäden.sebr dünn, lang ............. Leptothrix. Kg. em. Faden. stärker, laue. m u: 23.2: Beggiatoa. Trev. 00 Fäden eylindrisch, phycochromhaltig, deutlich gegliedert, Fortpflan- zungszellen nicht bekannt. ............. Hypheothrix. Kg. Oscillaria. Bose u. a. 204 000 Fäden eylindrisch, gegliedert, Gonidien bildend. Wöden Tarp os 28. ER Crenothrix. Cohn. Fäden phycochromhaltig............ C'hamaesiphon u. a. 0000 Fäden schraubenförmig, ohne Phycochrom. Fäden kurz, schwach wellig......... Vibrio. Ehr. em. Fäden kurz, spiralig, starr .......... . Spirillum. Ehr. Fäden lang, spiralig, flexil...... Ne... Spirochaete. Ehr. phyeochromhaltig. Fäden lang, spiralig, flexil.......... Spirulina. Link. 00000 Fäden rosenkranzförmig. Fäden ohne Phycochrom...... er Streptococeus. Billr. Fäden phycochromhaltig............ Anabaena. Bory. Spermosira. Kg. u. a. 000000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Mastigothrix u. a. b) Zellfäden durch Intercellularsubstanz zu Schleimfamilien vereinigt. 0 Fäden cylindrisch farblos.............- Myeonostoc. Cohn). 00 Fäden eylindrisch phycochromhaltig..... Chthonoblastus, Limno- chlide. Kg. u. a. 0000 Fäden rosenkranzförmig................ Nostoc, Hormosiphon u. a. 00000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Rivularia. Roth. Zonotrichia. Ag. u. a. B. Zellfäden durch falsche Astbildung verzweigt. 0 Fäden ceylindrisch farblos.............. Cladothrix?). Cohn. Streptothrix?)? 00 Fäden eylindrisch phycochromhaltig..... Calothrix. Ag. Seytonema. Ag. u. a. 000 Fäden rosenkranzförmig.........- „2... Merizomyria. Kg. Mastigocladus. Cohn. 0000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Schizosiphon. Kg. Geocyclus. Kg. u. a. I) Myconostoc n. g. filamenta tenerrima achroa implicata convoluta muco inclusa in globulos perparvos congesta. M. gregarium sp. unie. globuli gregarü in superficie aquae putridae natantes. 2) Oladothrix n. g. flamenta leptotrichoidea tenerrima achroa non arti- culata stricta vel subundulata pseudodichotoma. Ol. dichotoma sp. unic. in aqua putrida. 3) Streptothri® n. g. filamenta leptotrichoidea tenerrima achroa mon arliculata stricla vel anguste spiralia, parce ramosa. Sir. Foesteri sp. unie. filamenta in Micrococco mucoso nidulentia, coneretiones in canaliculo lacrimali hominis raro repertas componentia. Fig. Fig. Fig. 9. Erklärung der Abbildungen. Tafel V. Apparat zum Waschen der Luft und zur Entwicklung der in der Atmosphäre suspendirten lebensfähigen Keime. (Vgl. p. 148.) Ascococcus Billrothii (p. 151). Grosse knollige Zellfamilie, umgeben von kleineren, und in MMierococeus eingelagert; Fig. 3. zwei, Fig. 4. drei Zellfamilien von gemeinschaft- licher Gallertkapsel umhüllt; Fig. 5. acht grössere und kleinere Colonien in einer Hülle. Vgr. 65. Myconostoc gregarium (p. 153). Gallertkugeln mit eingelagerten unregelmässig zusammengerollten Zellfäden; a. und b. einfache Kugeln; ce. Theilung der Kugel, beginnt mit der Zweitheilung des Fadens; d. ein grösserer Fadenknäuel in Zweitheilung begriffen; e. der Faden rollt sich auseinander, unter Auflösung der Gallerthülle; f. der Faden zerfällt in ringförmige Stücke. Vgr. 600. Streptothrix Foersteri (p. 186). Verzweigte und schraubig gelockte Fäden aus einer talgartigen Masse im Thränenkanälchen eines Menschen; a. Fäden mit Micro- coccus eingebettet, die übrigen durch Auswaschen des Micrococeus isolirt; *ein dickerer Mycelartiger Faden. Vgr. 600. Cladothrix dichotoma (p. 155). Dichotome Fäden bilden weisse Schleimmassen an der Oberfläche faulender Flüssigkeiten. Vgr. 100; a. falsche Diehotomien deutlich er- kennbar. Vgr. 600. Bacillus anthracis (p. 199). Bacillen aus dem Blute eines am Milzbrand gestorbenen Rindes, nach dem Tode untersucht. Vgr. 600. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 11. 12. u: 13. 14. 206 Bacillus subtilis (p. 194). a. Fadenhacterien aus dem Labaufguss lebhaft bewegt; b. mit Spo- ren an einem; ec. an beiden Enden; d. Sporen mit kurzen Fäden (gekeimte Sporen?). Fadenbacterien aus einem Aufguss von gekochten Erbsen, in dem Buttersäuregährung eingetreten war, Sporenbildung inReihen. Vgr.600. Absatz aus dem Labaufguss, Micrococcus mit eingelagerten Bacillus- sporen. Micrococcus Bombyecis (p. 200). Aus dem Magensaft lebender Seidenraupen, die an Schlaffsucht (flaccidezza) erkrankt sind; ovale Zellen, paarweise oder in längeren und kürzeren Ketten aneinander gereiht. Vgr. 600. Tafel VI. Clathrocystis roseo -persicina (p. 157). a. Einzelne Zellen, in 2 oder 4 getheilt; b. junge Zellfamilien von einer Gallerthülle eingeschlossen; Fig. e. eine etwas ältere Zellfamilie, beide beweglich; Vgr. 600. Junge Hohlkugeln; 3 eine Zwillingsfamilie. Vgr. 65. Eine junge Hohlkugel; 5 eine unregelmässige sackförmige Zellfamilie, beide in rotirender Bewegung begriffen. Vgr. 600. Aeltere Hohlkugeln mit halbkugligen Protuberanzen. Vgr. 65. Ein Stück desselben stärker vergrössert. Vgr. 300. Eine Hohlkugel durch Ablösen der Protuberanzen netzförmig durch- brochen. Vgr. 200. Eine netzförmige Zellfamilie in Auflösung begriffen, mit zahl- reichen Protuberanzen, die zu selbstständigen Hohlkugeln sich ge- stalten. Vgr. 65. Eine netzförmige Zellfamilie von besonders zierlicher Ausbildung. Ver. 65. Monas Warmingii (p. 167). Bewegte Monaden mit Geissel; *beginnende, ** weiterfortgeschrittene Quertheilung; Vgr. 600. Monas Okenii (p. 164). Lebhaft bewegte Monaden; *beginnende Quertheilung; **mit Aleohol entfärbt. Vgr. 600. Monas vinosa (p. 162). Lebhaft bewegte und in Quertheilung begriffene Monaden; die Geis- seln wurden nicht deutlich erkannt. Vgr. 600. Rhabdomonas rosea (p. 167). Langsam bewegte Monaden, *in Quertheilung begriffen. Vgr. 600. 207 Ophidomonas (Spirillum) sanguinea Ehr. (p. 169). Fig. 15. Monaden mit Geissel an einem, *an beiden Enden, Beginn der Quer- theilung; **halbe Windung. Vgr. 600. Spirochaete Obermeieri (p. 195). Fig. 16. Schraubenfäden zwischen **Blutkörperchen lebhaft bewegt; *kurz vor dem Abfall des Fiebers. Vgr. 600. Bacillus ruber Frank. (p. 181). Fig. 17. Stäbchen, auf Reis rothe Flecke bildend. Micrococcus fulvus (p. 131). Fig. 18. Colonien, rostrothe Schleimtropfen auf Pferdemist bildend. Sämmtliche Abbildungen sind mit Hartnack’schen Objeetiven, die Figuren 2, 3, 6—10 von Herrn Dr. Kirchner, 16 von Herrn Dr. Weigert, die übrigen von mir gezeichnet. Untersuchungen über Bacterien. III. Beiträge zur Biologie der Bacterien. 1. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duy. Von Dr. Eduard Eidam. sn‘ Zahlreiche und in mannigfacher Weise abgeänderte Untersuchun- gen sind in den letzten Jahren über die in vieler Beziehung so wich- tige Frage angestellt worden, welche Temperaturgrade erforderlich seien, um die Lebensfähigkeit der Bacterien aufzuheben. Die ein- zelnen Forscher kamen dabei zu ganz verschiedenen, oft völlig ent- gegengesetzten Resultaten, so dass die Einen verhältnissmässig nie- .drige, die Andern ausserordentlich hohe Temperaturen als Tödtungs- grenze für die Bacterien angaben. Zum nicht geringen Theil ist die Schuld für solehe Widersprüche in den abweichenden Methoden zu suchen, welche bei diesen Experi- menten befolgt wurden, hauptsächlich aber lag sie an den unklaren Vorstellungen, die man bis vor kurzer Zeit unter dem Begriff „Bac- terien“ zusammenfasste. Erst nachdem durch Aufstellung von leicht erkennbaren und con- stanten Merkmalen die Unterscheidung der einzelnen Bacterienarten mit Sicherheit ausgeführt werden konnte, war es möglich, die Lebens- verhältnisse dieser Organismen durch die exacte Forschung kennen zu lernen; es stellt sich derselben nunmehr die Aufgabe, die Lebens- bedingungen und die Entwicklungsgeschichte jeder einzelnen Bacte- rienspecies zu ermitteln. In den folgenden Untersuchungen habe ich mich zunächst bemüht, für das gemeinste aller Bacterien, welches als das eigentliche Fäulnissferment zu betrachten ist, einige biolo- gisehe Bedingungen festzustellen. Die gedeihliche Entwicklung und Vermehrung eines jeden Organismus ist an das Vorhandensein be- 209 stimmter Temperaturgrade geknüpft, jedes Plus und jedes Minus ist von Einfluss. Wie gestaltet sich nun die Entwicklung des Bacterium Termo Duj. innerhalb der Grenzen verschiedener Temperaturen? Welche Temperaturen bringen die Vermehrung dieses Organismus zum Stillstand? bei welcher Temperatur beginnt seine in Zweithei- lung bestehende Vermehrung und wann ist diese Vermehrung und damit im Zusammenhang die Energie des Fäulnissprocesses am leb- haftesten? Welchen Einfluss endlich hat das Austrocknen auf die Lebensfähigkeit desselben ? Dies waren die Fragen, deren Lösung ich in Folge der Auffor- derung von Herrn Prof. Ferdinand Cohn nach einer von dem- selben vorgeschlagenen Untersuchungsmethode während des Winters 1873 im pflanzenphysiologischen Institut der Universität Breslau aus- zuführen mich bemühte. Das Verhalten des Dacterium Termo, den extremen Tempera- turen gegenüber, ist von Prof. Cohn und Dr. Horwarth im hiesi- gen Institut bereits untersucht und diese Untersuchungen im 2, Heft dieser Beiträge veröffentlicht worden'!). Darnach verträgt dieses Bacterium nur eine Erwärmung bis zu 60°—62° C.; darüber hin- aus oder bei diesen Temperaturen selbst eine Stunde lang erhitzt erlischt seine Lebensfähigkeit. Es gilt dies nur, wenn Bacterium Termo sich innerhalb einer klaren wässrigen Nährflüssig- keit befindet. Zu dem nämlichen Resultat kam nebst andern For- schern auch Dr. Schröter in Rastatt, welcher als wirkliche Töd- tungstemperatur 59° C. angiebt. Auch dies ist nur für wässrige Flüssigkeiten gültig, innerhalb schleimiger oder fester Körper scheint Bacterium Termo eine höhere Temperatur auszuhalten. Dr. Hor- warth hat die Versuchsreihe weiter insofern ausgedehnt, dass er die Entwicklung von Bacterien auch bei niederen Temperaturen ins Auge fasste. Er kam zu dem Resultat, dass die Bacterien eine sehr niedrige Temperatur, in seinen Versuchen bis — 18° C, zu ertragen im Stande sind, ohne dass sie desshalb getödtet werden. Vielmehr verfallen sie dabei nur in eine Art von Kältestarre und bei erhöhter Temperatur werden sie wieder lebensfähig und können sich weiter ver- mehren. So begannen eingefrorene Spirillen beim allmählichen Steigen der Temperatur wieder ihre schraubenartig drehenden Bewegungen ?). Untersuchungsmethode. Was die von mir ausgeführten Versuchs- reihen zur Beantwortung der oben erwähnten Fragen anlangt, so wurde als Nährflüssigkeit für Dacterium Termo die bereits von Prof. y.1.e. p: 213. 2). ec. p. 221. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Heft III, 14 210 Cohn vielfach benützte und von ihm als normale Bacterien- nährflüssigkeit bezeichnete Mischung verwendet mit dem Unter- schiede, dass der unlösliche dreibasisch phosphorsaure Kalk durch die gleiche Menge Chlorcaleium ersetzt wurde. Die Mischung war also folgendermassen zusammengesetzt: saures phosphorsaures Kali 1,0 schwefelsaure Magnesia 1,0 neutrales weinsteinsaures Ammoniak 2,0 Chlorcaleium 0,1 destillirtes Wasser 200,0. Die Salze lösen sich bei gewöhnlicher Temperatur sehr leicht im Wasser, die klare sauer reagirende Lösung wird filtrirt und sie bewährt sich ausserordentlich gut zur Ernährung speciell von Bac- terium Termo. Ich bereitete diese Flüssigkeit immer in der oben angegebenen Quantität und hielt dieselbe sehr häufig vorräthig; in der Kälte scheiden sich häufig geringe Mengen sehr kleiner Kry- stalle aus, welche wahrscheinlich phosphorsaure Ammoniak-Magnesia sind. Dies war jedoch bei meinen Experimenten nicht im Mindesten störend, denn die Lösung bleibt im Uebrigen völlig intact, klar und frei von Bacterien, wenn sie nur in einen Raum gebracht wird, dessen Wärme nicht + 5° C. überschreitet; denn bei so niederen Temperaturen findet, wie dies weiter unten ausführlicher angegeben wird, keine Vermehrung der Bacterien statt. Meine Versuche gingen zunächst dahin, die niedrigste Grenze für die Vermehrungsfähigkeit der Bacterien (worunter ich hier immer nur Bacterium Termo verstehe) zu ermitteln und dann aufwärts ebenso die höchste Temperaturgrenze. Im hiesigen Institut sind verschiedene Räume vorhanden, deren fast ganz constante Tempera- tur mir vortreflich bei Ausmitielung der niedersten Wärmegrade für die Bacterien zu Statten kam. In einem solchen Raume wechselte die Temperatur während der Monate Januar und Februar bis Mitte März von + 34 bis zu 61° C., sie blieb einmal wochenlang auf 41° bis 51°C. stehen. Eine andere Localität, welche an geheizte Zimmer anstösst, zeigte in der Nähe der Fenster während der ange- gebenen Zeit die Grenzen von + 6° bis 93° C., doch blieb auch hier die Temperatur oft tagelang gleichmässig, was auch durch Unter- bringen der Versuchsgläser in einen hölzernen oben offenen Kasten einigermassen begünstigt wurde. Wärmegrade von + 10 bis 14°C. konnte ich auch öfters benützen und in den Arbeitsräumen des Insti- tuts selbst war eine durchschnittliche Wärme von + 14 bis 16° C. vorhanden. Für höhere Temperaturen wurden sehr praktische Heiz- 211 apparate benützt, wie sie Prof. Cohn schon früher bei seinen Ver- suchen in Anwendung gebracht hatte; dieselben gestatten, durch Regulirung der Gasflamme beliebige Erwärmungen bis zu-+ 50°C. mit Tag und Nacht anhaltender Gleichmässigkeit auszuführen. Zu den Versuchen wurden gewöhnliche Reagenscylinder mit etwa zwanzig Gramm obiger Normallösung gefüllt und in jeden derselben vermittelst eines Glasstabes ein Tropfen von einer Flüs- sigkeit gebracht, die reich bacterienhaltig war, hierauf umgeschüttelt und lose mit einem durchbohrten Kork geschlossen, um das Hinein- fallen von Staub zu verhindern. Für die allerersten Versuche ver- schafite ich mir Dacterium Termo durch Uebergiessen zerkleinerter Erbsen mit Wasser und mehrtägiges Stehenlassen derselben, für alle folgenden aber nahm ich den Bacterinmtropfen aus solchen Reagensgläsern mit Normallösung, für welche bereits die Beobach- tung abgeschlossen war und in welchen eine reichliche Bacterien- vermehrung stattgefunden hatte. Die Vermehrung der Bacterien wird makroskopisch sehr leicht daran erkannt, dass die anfangs auch nach Zusatz des Bacterium- tropfens erystallklare Flüssigkeit ganz wenig zu opalisiren beginnt, dies schreitet fort, bis eine immer grössere Trübung entsteht, wobei sich die Bacterien besonders in den obersten Schichten der Flüssig- keit als dichte Schleimwolken ansammeln. Letztere erhält dabei an der Oberfläche eine schon von Cohn beschriebene grünlich-gelbe Fär- bung und sie entwickelt einen eigenthümlichen käseartigen Geruch '). Je zahlreicher die Bacterien werden, desto mehr verschwindet diese Färbung und desto mehr findet eine allgemeine Vertheilung in der gesammten Flüssigkeit statt, so dass dieselbe zuletzt ziemlich gleichmässig milchige und undurchsichtige Beschaffenheit annimmt. Um für die anfangs geringe, allmählich sich steigernde Trübung der Bacterien-haltigen Normallösung einen Maassstab zu gewinnen, versuchten wir eine Trübungsskala herzustellen in der Weise, dass kleine eylindrische Fläschehen von dem Durchmesser gewöhnlicher Reagensgläser mit einer Flüssigkeit gefüllt wurden, welche im ersten Fläschehen vollständig klar war, im zweiten spurweise, im dritten doppelt so stark sich trübte als im zweiten, im letzten endlich den höchsten Grad von Trübung zeigte. Zu diesem Zweck verwendeten wir theils eine filtrirte weingeistige Lösung von Canadabalsam, theils mit Wasser aufgeschlämmten kohlensauren Kalk und brachten diese Mischungen in bestimmtem Verhältniss in die zuerst mit je fünf 1) 1. e. p. 197 u. 206. 14* 212 Gramm destillirttem Wasser gefüllten Fläschchen. So einleuchtend aber dieses Verfahren beim ersten Anblick erscheint, so wenig be- währte es sich praktisch. Denn die durch Canadabalsam verursachte Trübung ist bei durchfallendem Lichte röthlich durclischeinend, bei auffallendem dagegen zu rein milchweiss und auch die Trübung des kohlensauren Kalkes weicht von der eigentlichen Bacterientrübung ab, so dass wir bald veranlasst wurden, diese Methode aufzugeben. Vielleicht dürfte sie mit einem andern Körper besser ausführbar sein. Der leitende Gedanke bei meinen Experimenten ging darauf hin- aus, dass die Gläser bestimmten Tag und Nacht möglichst constan- ten Wärmegraden lange Zeit ausgesetzt wurden. Zugleich war ein „Treibkasten“ aufgestellt, dessen Temperatur fortwährend auf dem für die Entwicklung und reichliche Vermehrung von Bacterium Termo weitaus günstigsten Verhältniss, auf 30 bis 35° C.'), er- halten werden konnte. In diesen Treibkasten wurde bei jeder Versuchsreihe ein Con- trolleylinder gebracht, um zu sehen, ob der den einzelnen Gläsern zugesetzte Bacteriumtropfen entwicklungsfähig sei. Auch brachte ich je nach den Umständen die Cylinder, nachdem sie die gehörige Zeit in der Versuchstemperatur zugebracht hatten, direct von letzterer aus in die des Treibkastens, also aus ungünstigen in die günstigsten Bedingungen und ich konnte so rasch und sicher in Folge der eintretenden oder ausbleibenden Trübung entscheiden, ob die vorher unthätigen Bacterien entweder ganz getödtet oder ob sie noch fähig zur Vermehrung seien. Einfluss der Temperaturgrade auf die Lebensfähigkeit des Bac- terium Termo. Ich gehe nun zur Mittheilung der ausgeführten Experimente über, deren einzelne öfters in der nämlichen Weise wiederholt wurden. I. Versuch. In vier Reagenseylinder wurden je 20 Gramm Normallösung und ein Bacteriumtropfen gebracht und geschüttelt; drei derselben setzte ich in Eiswasser bei einer Temperatur von + 1° C., der vierte wurde zur Controlle im Treibkasten bei 30—35° C. untergebracht. Der Inhalt des letzteren opalisirte bereits nach 8 Stunden, nach 24 Stunden war er völlig getrübt; die Gläser im Eiswasser dagegen waren nach 14 Tagen noch völlig erystallhell. II. Versuch. Dasselbe Verfahren bei einer Temperatur von + 3 bis 4° C.; die Gläser bleiben wochenlang klar. 1) Cohn, Beiträge Heft II. S. 197. 213 III. Versuch. Bei -+ 3% bis 5° ©. Die Gläser bleiben voll- ständig klar, in der vierten Woche erscheinen in zwei derselben sehr feine farblose Mycelflocken, welche sich an der Wandung der Gläser festgesetzt haben und ziemlich klein bleiben. Man erkennt schon mit blossem Auge, dass die Hyphen vom Centrum der ein- zelnen Flocke radial nach allen Seiten hin ausstrahlen, was ihr Hervorgehen aus einer gekeimten Spore andeutet. Mit dem Mikroskop untersucht, zeigte dieses Mycel sehr feine dieht verworrene, septirte Fäden, deren Enden und deren zahlreiche Seitenästehen unregelmässige Wirtel von pfriemenförmig verlänger- ten Zellen entwickelten, welche an der dünn ausgezogenen Spitze je eine längliche, farblose Spore abschnürten. Der Pilz zeigte auf den ersten Anblick einen Penicillium-artigen Habitus, doch unter- schied er sich bei näherer Betrachtung von diesem in mancher Hin- sicht. Er wurde als ein Monosporium bestimmt, welches mit dem von Bonorden!) abgebildeten Monosporium spinosum die grösste Aehnlichkeit besass. Bemerkenswerth ist es, dass diese Hyphomyce- tenform bei so niedriger Temperatur sich entwickelte. Uebrigens hat auch J. Wiesner?) nachgewiesen, dass Penieillium-Mycel schon bei + 2,5° C. entstehen kann, und dass die Sporenbildung dieses Pilzes bei + 3°C. stattfindet. Sehr auffallend aber muss es erschei- nen, dass unser Monosporium, obwohl dessen Mycel vollständig untergetaucht in der Flüssigkeit sich befand, dennoch die Fähigkeit besass, zu fructifieiren. Nach 4 Wochen wurde dieser Versuch beendet und die 4 Gläser, deren Inhalt abgesehen von den, in zweien entstandenen Mycel- floeken durchaus klar geblieben war, behufs Untersuchung in den erwärmten Raum des Instituts gebracht, woselbst sie einige Tage lang stehen blieben. Schon nach 3 Tagen begann die Vermehrung der Bacterien; die Flüssigkeit wurde wie immer zunächst von der Oberfläche aus in steigendem Maasse getrübt und zuletzt hatten die Bacterien das Mycel gänzlich verdrängt. IV. Versuch. Die Gläser von No. I und II wurden nach 14 Tagen in den Treibkasten gesetzt, woselbst sie nach 2 Tagen zu opalisiren anfingen und nach 3 Tagen sehr bedeutend getrübt waren. V. Versuch. Bei 44 bis 54° C. Dauer 3 Wochen. Während dieses Versuchs war die Einwirkung der höchsten Temperatur (+ 54° C.) fast eine Woche lang andauernd. Nach 11 Tagen (bei 1) Handbuch der allg. Mycologie. Mit 12 Tafeln. Stuttgart 1851. 2) Unters. über den Einfluss der Temp. auf die Entwickl. des Penicillium glaueum. Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. I, Abth. April 1873. 214 Wiederholung des Versuchs nach 13 Tagen) zeigte sich in allen Glä- sern eine sehr geringe Opalisirung, welche äusserst langsam bis zu unvollständiger Trübung fortschritt. Letztere war auch nach Been- digung des Versuchs (20 Tage) lange nicht so bedeutend, als es die des Controllglases im Treibkasten schon nach 30 Stunden gewor- den war. VI. Versuch. Bei + 4 bis 63° C. Eintretende Opalisirung nach 9 Tagen erkennbar, von da an sehr langsam zunehmend, rasch aber sehr intensiv trübe werdend, als die Gläser nach 14 Tagen in den Treibkasten gesetzt wurden. VII. Versuch. Bei + 7 bis 9° C. Nach 7 Tagen opalisirend, nach 9 Tagen ist eine von der Oberfläche ausgehende schwache Trübung zu bemerken. VII. Versuch. Bei + 8 bis 95° C. Nach 6 Tagen erkenn- bare Opalisirung. IX. Versuch. Bei + 10 bis 123° C. Die Flüssigkeit opalisirte nach 4 Tagen, nach 8 war in allen Gläsern Trübung eingetreten. X. Versuch. Bei + 12 bis 16° C. Ebenfalls nach 3 bis 4 Tagen Opalisiren mit bald folgender reichlicher Trübung unter Bildung der grünlich gelben Schicht von der Oberfläche der Flüssigkeit aus. XI. Versuch. Bei + 20 bis 25° C. Nach 13 bis 2 Tagen war stets Trübung vorhanden. XI. Versuch. Bei -+ 30 bis 35° C. Diese Temperaturgrade waren dauernd im Treibkasten vorhanden, sie sind die günstigsten für die energische Vermehrung der Bacterien, gewöhnlich schon nach 6 bis 8 Stunden opalisirt die Lösung, nach 12 bis 14 Stunden stellt sich schnell zunehmende Trübung ein unter Auftreten von eigen- thümlich käseartigem Geruch. XIII. Versuch. Bei + 36 bis 40° C. Nach 24 Stunden war noch keine Veränderung in der Flüssigkeit vor sich gegangen, die- selbe war vollständig klar geblieben, in den Treibkasten gesetzt, trübte sie sich nach 20 Stunden vollständig. 2 XIV. Versuch. Bei + 45° C. Diese Temperatur wirkte Tag und Nacht mit geringen Schwankungen auf drei Versuchsgläser ein; sie waren auch nach 7 Tagen noch ganz unverändert klar geblieben und wurden nach Ablauf dieser Zeit in den Treibkasten gebracht, woselbst sie auch nach 3 Tagen noch nicht ihre durchsichtige Beschaffenheit änderten. Es hatten sich jedoch in 2 Gläsern einige Mycelflocken gebildet, welche grösser wurden, theils innerhalb der Flüssigkeit, theils an der Oberfläche derselben schwammen und an letzterer bald fructifieirten. Das Mycel bestand aus langgliedrigen, septirten Hyphen, 215 von welchen sich zahlreiche, meist scheidewandlose, an der Spitze kolbig angeschwollene Fruchtträger erhoben. Das mit Sterigmen reich besetzte Köpfchen färbte sich bald grünlichschwarz und die einzelnen Sterigmen schnürten Reihen von kugligovalen, schwach bräunlichen Conidien ab. Der Pilz war die Conidienform des gemei- nen Eurotium Aspergillus flavus de Bary, er trat in den späteren Versuchen sehr häufig auf und zwar immer allein, nie mit Penicll- lium vermischt. XV. Versuch. Zwei Gläser, welche mit den übrigen zum vor- hergehenden Versuch verwendeten die Temperatur von 45° C. wäh- rend 7 Tagen durchgemacht hatten und völlig klar geblieben waren, wurden mit frischen Bacteriumtropfen versehen und dann im Treib- kasten einer Wärme von 30 bis 35° ©. ausgesetzt. Bereits nach 2 Tagen waren sie in Folge reichlicher Bacterienvermehrung bedeu- tend getrübt. XVI. Versuch. In drei mit 20 Gramm destillirttem Was- ser gefüllte Reagireylinder wird ein Bacteriumtropfen gebracht, geschüttelt und dazu kommt je eine geschälte und in kleine Stück- chen zerschnittene Erbse. Ferner werden in drei weitere mit destil- lirtem Wasser und einem Bacteriumtropfen versehene Gläser einige Stückehen in kleine Würfel zerschnittenen hartgekochten Hühnerei- weisses gethan. Sämmtliche Gläser befinden sich 14 Tage lang in einer Temperatur von + 33 bis 5° C. und nach Ablauf dieser Zeit ist in keinem irgend eine Vermehrung von Bacterien zu erken- nen, sie sind vielmehr durchaus klar geblieben. XVII. Versuch. Ebenso hergerichtete Gläser mit Erbsen und Eiweisswürfeln werden im Treibkasten einer Temperatur von 30 bis 35° C. ausgesetzt. Die Gläser mit den Eiweisswürfeln sind schon nach 2 Tagen trübe, am Abend des zweiten Tages entwickeln sie fauligen Geruch; später wird das Eiweiss zum grössten Theil ver- flüssigt und nach 14 Tagen hatte sich ausser Bacterium Termo auch eine Bacillusart entwickelt, während die Flüssigkeit einen unangenehm fauligen Geruch annahm. In den Gläsern mit den Erbsen trat zwar auch sehr bald Trü- bung ein, doch zeigte sich hier ebenfalls unter dem Mikroskop, wie ich mit Herrn Professor Cohn constatirte, dass neben Dacterium Termo besonders zahlreiche zarte und schlanke Dacillusfäden vor- handen waren, welche lebhaft hin und her schlängelten und theils an einem, theils an beiden Enden Köpfchen „Dauersporen ')“ trugen. !) Vergl. Cohn, Beiträge zur Biologie Heft II. p. 176; Heft III. p. 195. 216 Letztere lagen auch zahlreich isolirt umher. Es entwickelten sich vom Grunde der Gläser aus, woselbst die Erbsenstückchen lagen, viele Gasblasen, die Oberfläche der Flüssigkeit schäumte und es lag klar zu Tage, dass hier neben der eigentlichen Fäulniss noch eine andere Zersetzung stattgefunden haben musste. XVII. Versuch. Zwei Gläser mit Erbsen und zwei mit Hüh- nereiweiss wurden 14 Tage lang einer Temperatur von 44 bis 46° C. ausgesetzt. Von den Gläsern mit Eiweiss blieb eines vollkommen klar und unverändert, die Eiweisswürfel waren auch nach 14 Tagen noch durchaus scharfkantig, es konnte also von einer Vermehrung des Dacterium Termo keine Rede sein; das zweite Glas dagegen wurde trübe, das Eiweiss floss auseinander und es bildete sich ein weisses an der Oberfläche der Flüssigkeit schwimmendes Häutchen, welches aus‘ den im vorigen Versuch erwähnten Dauersporen und Bacillusfäden bestand. Die Flüssigkeit zeigte einen eigenthümlichen Geruch nach Leim und Käse. In den Cylindern mit den Erbsen war ebenfalls keine Vermehrung von Dacterium Termo wahrzuneh- men, dagegen waren reichliche Häute, aus jenem Daczllus und un- zähligen Sporen bestehend, vorhanden, die sich später auffallend schmutzigroth färbten; oft konnte man diese „Sporen“ innerhalb der Fäden selbst erblicken. Die Zersetzung und allmähliche Auflösung der Erbsen war von einer eontinuirlichen Gasentwicklung begleitet und die Flüssigkeit liess schwach buttersäureartigen Geruch erkennen. Aus den mitgetheilten 18 Versuchen ist nun Folgendes zu entnehmen. Bei Temperaturen unter + 5° C. wird Dacterium Termo zwar nicht getödtet, es verfällt aber in den Zustand der Kältestarre, aus dem es erwacht und zu neuem Leben angeregt wird, sobald es die Einwirkung höherer Temperaturgrade erfährt. Auch bei + 5 ° selbst findet noch keine Vermehrung statt, dagegen beginnt dieselbe, aber äusserst langsam, sobald die Wärme auf + 55 ° C. gestiegen ist. Diese Resultate gehen aus Versuch I. bis V. hervor. Die Vermehrung von Bacterium Termo, deren Anfang also bei + 53° C. zu suchen ist, beschleunigt sich mit jedem neuen Grad Wärme, doch ist sie auch bei + 10° C. verhältnissmässig noch immer nicht sehr bedeutend. Ueber 10° C. beginnt dagegen eine etwas energischere Vermehrung, die mehr und mehr beschleunigt wird, je grösser die Wärme, bis bei Temperaturen zwischen 30—35 ° C. der Höhepunkt sich geltend macht, Versuch VI. bis XII. Ueber 35° wird die Vermehrung wie- der rasch eingestellt, es erfolgt gegen 40° C. der Zustand der Wärmestarre, Versuch XIII. und XIV., welcher anhält bis gegen 60° C., welche Temperatur nach den Untersuchungen der oben 217 erwähnten Forscher bei einstündiger Einwirkung den Tod für das innerhalb klarer wässriger Flüssigkeiten gleichmässig vertheilte Dac- terium Termo zur Folge hat. Es geht aus obigen Versuchen wie es scheint auch hervor, dass Bacterium Termo je nach der Dauer der Einwirkung der für seine Entwicklung ungünstigen Wärmegrade längere oder kürzere Zeit in dem Zustand der Unthätigkeit verharrt, wenn es aus seine Vermeh- rung nicht fördernden Temperaturen in die günstigsten versetzt wird. Im Treibkasten gleicht sich jedoch diese anfangs langsamere Ver- mehrung durch fortwährendes sich Potenziren der in Milliarden neu entstehenden Individuen bald aus und sie wird schnell eine äusserst rapide. Da man es unmöglich in seiner Gewalt hat, in jedes zum Ver- such zu verwendende Glas mit Normallösung vermittelst des Bac- teriumtropfens auch stets die nämliche Zahl von einzelnen Bacterien- Individuen zu bringen, so ist wohl immer der Fall anzunehmen, dass in diesem Glas eine etwas grössere, in jenem eine etwas kleinere Anzahl derselben enthalten sei. Es hängt dies ganz mit der Grösse des Bacteriumtropfens zusammen, den ich übrigens zu allen Versuchen mit gleich grossen Glasstäben genommen habe. Letztere tauchte ich in die Bacterien-haltige Flüssigkeit so weit ein, dass beim Her- ausziehen nach einigen Secunden ein Tropfen am unteren Ende sich sammelte, welchen ich in die Versuchsgläser einfallen liess. Wegen der im Bacterientropfen vorhandenen Ungleichheit der Bacterien- menge treten daher kleine Schwankungen in der Zeit ein, bis zu wel- cher die Trübungen entstehen und letztere lässt sich aus diesem Grunde natürlich nicht mit positiver Sicherheit, sondern nur sehr annähernd bestimmen. Die oben angegebenen Stundenzahlen beziehen sich daher auf die jeweiligen Versuchsreihen, doch fand ich nur geringe Abweichungen von denselben bei der oftmaligen Wiederho- lung obiger Experimente. Aus Versuch 17, 18 und 19 ergiebt sich, dass der gewöhnliche Fäulnissprocess mit der Vermehrung und raschen Entwicklung des Bacterium Termo innig zusammenhängt. Findet dieser Organismus die für ibn ungünstigen Bedingungen, bei unseren Versuchen also eine zu niedrige Temperatur vor, so unterbleibt auch die Fäulniss, letztere wird dagegen ausserordentlich beschleunigt, sobald diese Um- stände in das Gegentheil umschlagen, wie es in Versuch 17 der Fall ist. Je grösser die Zahl der Bacterien wird, desto schneller erfolgt die Zersetzung der organischen Nährmittel, welche die ersteren theil- weise für ihre Ernährung und Assimilation verwenden. Hand in Hand damit ist auch die Intensität des Fäulnissgeruches an diese Umstände geknüpft. Daher kommt es, dass unter + 5° C. und über + 45° überhaupt keine durch Dacterium Termo hervorge- brachten fauligen Zersetzungen mehr stattfinden, dagegen sind nach Versuch 18 bei letzterer Temperatur noch die Dacillusfäden lebens- fähig, wie dies schon früher auch von Prof. Cohn!) nachgewiesen worden ist. Diese bewirken aber eine ganz andere Zersetzung als Bacterium Termo, sie scheinen die Buttersäuregährung hervorzuru- fen und dieser Umstand liefert mit einen Beweis, dass, wie diese beiden differenten Zersetzungsprocesse vom chemischen Standpunkte aus, so auch die Urheber derselben, Bacterium Termo einerseits und obige Dacillusfäden andererseits, als gesonderte Arten streng auseinandergehalten werden müssen. Bei Versuch 17, woselbst in einem Glas mit Eiweisswürfeln eine Combination der beiden Processe stattgefunden hatte, waren die BDacilluskeime höchst wahrscheinlich bei Zusatz des Baeteriumtropfens mit in die Flüssigkeit gelangt und so deren nachträgliche Entwick- lung veranlasst worden. Versuch 15 zeigt, dass nicht, wie es vielleicht angenommen werden könnte, durch lang fortgesetztes Erwärmen eine solche che- mische Umwandlung in der Normallösung vor sich geht, welche die- selbe unfähig zur Ernährung der Bacterien machen könnte. Einfluss der Dauer der Erwärmung. Der auffallende Umstand, der aus Versuch 13 und 14 erhellt, dass Dacterium Termo, sobald es einer Temperatur von 40° und höher perpetuirlich ausgesetzt wird, überhaupt sich nicht mehr entwickelt, brachte uns auf den Gedanken, zu ermitteln, ob es bei diesen ununterbrochen ein- wirkenden hohen Wärmegraden schon getödtet werden könne, wenn es nur gehörig lange Zeit dieselben aushalten würde und, falls dies geschehe, die Zeit zu ermitteln, welche zu diesem Zweck erfor- derlich wäre. Ich stellte daher neue Versuchsreihen an in der Weise, dass ich die in Reagenscylinder gefüllte Normallösung erst aufkochte, dieselbe dann auf den zum Versuch in Anwendung zu bringenden Wärmegrad erkalten liess, hierauf einen Bacteriumtropfen vermittelst eines Glasstabes in dieselbe hineinbrachte, umschüttelte und sie, lose mit einem durchbohrten Korke bedeckt, sofort der continuirlichen Einwirkung der jeweiligen Temperatur vermittelst des Heizkastens aussetzte. Nach bestimmter Zeit wurden die Gläser aus letzterem I) Heft II. dieser Beiträge p. 176 u. 218. 219 genommen und in den Treibkasten gestellt, um so schnell und mit Sicherheit über die etwa noch vorhandene oder nicht vorhandene Lebensfähigkeit der Baeterien entscheiden zu können. Auch bei diesen Experimenten wurde für jede Versuchsreihe ein Controlleylinder mit Normallösung auf die für die übrigen Gläser geltende Weise vorbereitet und mit einem Bacteriumtropfen verse- hen, dann aber sogleich in den Treibkasten gebracht; er war stets nach Verlauf von 24 Stunden völlig getrübt. Die zur Beantwortung obiger Fragen unternommenen Versuche waren folgende: I. Versuch. Es werden Reagensgläser auf die angegebene Weise vorbereitet und dann einer dauernden Wärme von 40 -42° 0. ausgesetzt. Verwendet werden im Ganzen 12 Gläser; nach 10, nach 13, 16, 19, 22 und nach 25 Stunden werden immer je zwei von ihnen herausgenommen und der 30 bis 35° C. betragenden Wärme des Treibkastens ausgesetzt. Diese Gläser zeigten nun folgendes Verhalten: die 10 Stunden lang erwärmten frübten sich schon nach 24 Stunden, nach 36 Stunden zeigten sie bereits die grünliche Ober- schicht verbunden mit sehr starker Trübung. Auch die längere Zeit der Temperatur von 40° C. ausgesetzt gewesenen Gläser opa- lisirtten im Verlauf des zweiten Tages, zuerst die 13 Stunden, zuletzt die 25 Stunden lang erwärmten. Am dritten Tage ist die Trübung und folglich auch die Bacterienentwicklung in allen eine gleich- mässige geworden. II. Versuch. Erwärmung der Versuchsgläser auf 45 bis 47° C. und zwar je eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei und drei Stunden lang, darauf Einsetzen in den Treibkasten. Auch hier kam die Trübung zuerst bei den eine halbe Stunde lang erwärmten Gläsern zum Vorschein und zwar schon nach 16 Stunden, dann folgte sie schnell auch bei den übrigen, so dass nach 24 Stunden sämmtliche Gläser getrübt waren. III. Versuch. Erwärmung auf 45 bis 47° C., eine Temperatur, welche auf die Gläser je 4, 8, 12, 16, 20, 24 und 30 Stunden lang einwirkte. Bei den vier und achtstündig erwärmten trat das Opa- lisiren ziemlich gleichzeitig ein, es war nach 20 Stunden erfolgt. Es trübten sich ferner die 12 Stunden lang erwärmten Gläser nach zwei Tagen, alle übrigen blieben klar, doch entstanden in denselben, ohne dass aber die Flüssigkeit getrübt wnrde, nach einigen Tagen feine Mycelflocken, welche als die oben beschriebene Conidienform von Eurotium Aspergillus flavus de By. fructifieirten. IV. Versueh. Erwärmung auf 45 bis 47° C. je 12, 13 und 220 14 Stunden lang. Die zwölfstündig erwärmten Gläser blieben meh- rere Tage völlig klar, dann entwickelten sich Mycelflocken, bald darauf trat Opalisiren der Flüssigkeit ein und dieselbe wurde immer mehr trübe. Von den 13 Stunden lang erwärmten Gläsern blieb eines vollständig klar auch noch nach 5 Tagen, im andern entstan- den Mycelflocken. Die 14 Stunden auf obiger Temperatur gehalte- nen Gläser blieben aber durchaus rein und klar. V. Versuch. Gläser mit Normallösung und einem Bacterium- tropfen werden bei eonstanter Temperatur von 50 bis 52° C. gehal- ten, zu jedem Versuch 2 Gläser je 4, 6, 8, 10 Stunden lang. Diese sämmtlichen Gläser bleiben 4 Tage lang im Treibkasten klar, dann entwickeln sich einige Mycelflocken, aber keine Bacterien. VI. Versuch. Erwärmung auf 50 bis 52° C. je ,, 1, 2, 3 und 4 Stunden lang. Getrübt waren die 3 und 1 Stunde lang erwärmten nach 2 Tagen, die 2stündig bei obiger Temperatur gehal- tenen trübten sich nach 4 Tagen, von den übrigen trat bei einem Mycelbildung ein, während alle andern 3 und 4 Stunden lang erwärm- ten auch nach mehreren Tagen klar blieben. Die aufgeführten Versuche haben ergeben, dass ein continuir- liches Erwärmen von Bacterium Termo in Nährlösung auf 40° C. selbst nach 25 Stunden nicht hinreicht, um dasselbe zu tödten. Doch tritt je nach der Dauer dieser Erwärmung eine Wärmestarre ein, was aus der nach dem Einsetzen in den Treibkasten anfangs etwas verzögerten Entwicklung der Bacterien zu erkennen ist. Da- gegen wird die Lebensfähigkeit dieser Organismen durch constante höhere Temperaturen aufgehoben und ein 13- bis 14stündiges Erwär- men bei einer mittleren Temperatur von 46° C., sowie ein schon 3stündiges bei im Mittel 51° C. genügt, um Dacterium Termo zu tödten. Letztere Versuche wiederholte ich sehr oft und ich habe die hier erwähnten beliebig ausgewählt. Es war ganz besonders schwierig, die Flüssigkeiten frei von Mycelflocken zu erhalten und es gelang letzteres nur dann, wenn in dem auf gut Glück genom- menen und der Normallösung zugesetzten Bacterientropfen eben keine Sporen enthalten waren. Dies ist bei Versuch 4 und 6 möglichst der Fall gewesen. Schr eigenthümlich ist es, dass dieses Mycelium immer dasje- nige von Eurotium Aspergillus flavus de Dy. gewesen ist, niemals entwickelte sich das gemeine Penicillium, obwohl sich letzteres im Institut auf verschiedenen Substanzen fructifieirend vorfand. Die Mycelflocken lassen zwar die Normallösung vollständig klar, sie zeh- ren aber einen Theil der vorhandenen Nährstoffe auf und machen 221 daher das Resultat unsicher, weshalb man auch alle Gläser, in wel- chen sie entstanden sind, als unbrauchbar verwerfen muss. Wird einem solchen Gias, in welchem Mycel zum Vorschein gekommen ist, noch nachträglich ein Bacteriumtropfen zugesetzt, so kommt es jedoch häufig vor, dass der Pilz von den sich reichlich vermehren- den Bacterien verdrängt und dass dann die Flüssigkeit eben so sehr getrübt wird, als ob gar kein Mycel vorhanden gewesen wäre. Ich will noch erwähnen, dass das Mycelium bei einigen Versuchen innerhalb der Nährflüssigkeit selbst noch bei einer dauernden Wärme von + 45° C. zu entstehen im Stande war. Einfluss des Eintrocknens auf die Lebensfähigkeit des Bacterium Termo. Zur Orientirung über den Einfluss des Austrocknens auf die Lebensfähigkeit von Dacterium Termo, eine Frage, welche von Burdon Sanderson') schon früher in Angriff genommen worden ist, ferner um das Verhalten gegen chemische Stoffe kennen zu ler- nen, machte ich noch folgende Versuche: I. Versuch. (1) Glasstäbe wurden geglüht und nach dem Erkalten in Reagireylinder mit Normallösung gebracht. Das letztere geschah (2) mit anderen Glasstäbchen, welche vorher nur mit der blossen Hand berührt worden waren. Endlich wurden (3) Glasstäbe in von reichlicher Bacterienvermehrung getrübte Normallösung getaucht, dann an der Luft eine Stunde lang bei + 16° C. getrocknet und hierauf erst, vermittelst eines durchbohrten Korkes gehalten, in die Nährlösung hineingehängt. Letztere wurde zu diesen und auch zu allen folgenden Versuchen vorher aufgekocht. Die Cylinder mit den geglühten Glasstäben (1), welche zugleich als Controle für die Reinheit der Nährlösung dienten, blieben selbst nach 8 Tagen im Treibkasten klar, ebenso die mit den nicht geglühten, bloss mit der Hand berührten Glasstäben (2), dagegen war die Flüssigkeit in (3) nach 30 Stunden vollständig trübe geworden. II. Versuch. Glasstäbe, welche in Bacterienhaltige Flüssigkeit getaucht und dann zum ersten Versuch 24 Stunden, zum zweiten 7 Tage lang bei durchschnittlicher Zimmertemperatur von + 15 bis 16° C. getrocknet worden waren, wurden ebenfalls in Cylinder mit aufgekochter Normallösung hineingehängt. Die ersteren liessen im Treibkasten nach 30 Stunden ein Opalisiren, nach 2 Tagen völlige Trübung der Flüssigkeit wahrnehmen und auch die eine Woche lang getrockneten Glasstäbe hatten nach Verlauf von zwei Tagen Trübung hervorgebracht. 1) Quarterly Journal of the Microse. Society. Oct. 1871. „ 222 Ill. Versuch. In reich Baeterien enthaltende Nährlösung ein- getauchte Glasstäbe wurden bei andauernder Wärme von 50 bis 52° C. getrocknet und zwar je zwei 1, 2, 3, 4, 5 und 6 Stunden lang, dann in Normalflüssigkeit gebracht. Nach 30 Stunden bemerk- bares Opalisiren, welches nach zwei Tagen bis zur Trübung fort- geschritten war und zwar in den Gläsern, in welchen sich die eine Stunde lang getrockneten Glasstäbe befanden. Auch die zwei und drei Stunden lang erwärmten trübten sich sehr bald, ebenso die übrigen, so dass nachı zwei Tagen die Flüssigkeit sämmtlicher Gläser reich- lich Bacterien enthielt. Die Controlgläser blieben bei diesem wie beim vorigen Versuch unverändert und klar. IV. Versuch. Glasstäbe wurden in Bacterien-haltige Flüssigkeit eingetaucht, dann eine Stunde lang bei 15° C. getrocknet, hierauf je drei derselben in Ammoniak, Alkohol, Carbolsäure (rohe) und Salz- säure (offie.) einen Moment gebracht, worauf sie wieder an der freien Luft eine Stunde lang abgetrocknet und endlich in Nähr- flüssigkeit eingehängt wurden. Nach 30 Stunden waren die Gläser mit den in Ammoniak und die mit den in Alkohol getauchten Glas- stäben ziemlich gleichmässig getrübt, die mit „Carbolsäure-Glasstab“ versehenen trübten sich ebenfalls nach zwei Tagen, völlig klar da- gegen blieben die den „Salzsäure-Glasstab“ enthaltenden Cylinder. Diese Experimente zeigen, dass Dacterium Termo seine Lebens- fähigkeit weder durch langes Trocknen bei gewöhnlicher Tempera- tur, noch selbst bei 50° C. einbüsst, auch wenn es bis sechs Stunden lang diesem Wärmegrad ausgesetzt wird. Dass die Bacterien in trockener Luft eine viel höhere Tempera- tur auszuhalten im Stande sind als innerhalb von Flüssigkeiten, ist insofern wahrscheinlich, als man annehmen kann, ihre Membran trockne in solchem Falle aus, schrumpfe ein und bilde so einen schützenden Mantel um das innen befindliche Protoplasma. Denn letzteres ist wie bei allen Zelien der eigentliche Lebensstoff, dessen normaler oder abnormer Zustand auch über das Schicksal der Bac- terienzelle entscheidet. Die Dieke und Resistenz der umgebenden Membran ist daher von grösstem Einfluss auf Leben und Tod des Protoplasmas, sobald schädliche Einwirkungen sich auf dasselbe geltend machen und es scheinen auch in dieser Beziehung die ver- schiedenen Bacterienformen von einander abzuweichen. Nach Versuch 4 hat von den angewendeten Flüssigkeiten nur die Salzsäure die Fähigkeit, Dacterium Termo zu vernichten; es gilt dies nicht einmal von der Carbolsäure, wenigstens nicht für 223 die im Versuch zur Geltung gekommene kurze Dauer der Einwir- kung. Dass Bacterium Termo nieht allgemein auf Oberflächen ver- breitet sich findet, beweist das in Versuch I. erwähnte Resultat mit den bloss mit der Hand berührten Glasstäben. Resum€. Die in Vorstehendem berichteten Untersuchungen über Bacterium Termo lassen sich in folgende Hauptsätze zusammenfassen: 1) Bacterium Termo befindet sich bei Wärmegraden unter + 5°C, in Kältestarre, + 5;° C. ist die Temperatur, bei welcher seine Vermehrung beginnt, welche aber in diesem Zustand nur sehr langsam vor sich geht. 2) Temperaturen von 30 bis 35° C. sind die günstigsten für seine rasche Vermehrung. 3) Wird Dacterium Termo Temperaturen von 40° C. und mehr eontinuirlich ausgesetzt, so hört seine Vermehrungsfähigkeit auf, es verfällt in den Zustand der Wärmestarre, aus dem es erwacht, sobald es wieder in günstige Bedingungen gebracht wird. 4) Ein 14stündiges andauerndes Erwärmen auf 45° C. und ein östündiges auf 50° C. genügt, um das innerhalb wässri- ger Nährlösung gleichmässig vertheilte Dacterium Termo zu tödten. 5) Die gewöhnlich als „Fäulniss“ bezeichneten Zersetzungspro- cesse werden durch die Lebensthätigkeit von Dacterium Termo ebenso hervorgerufen wie die Alkoholgäbrung durch die Saccharo- mycesarten. Lebhafte Vermehrung von Dacterium Termo bedeutet immer lebhafte Fäulniss und umgekehrt; letztere kommt zum Still- stand, sobald durch zu geringe oder durch zu hohe Temperaturen Bacterium Termo seine Vermehrung einstellt!). 6) Wie Dacterium Termo als eigentlicher Erreger der Fäulniss- processe todter organischer Materie gelten muss, so scheinen auch die übrigen Bacterienformen Zersetzungen anzuregen, die je nach der Species in mannigfacher Weise von einander abweichen. 7) BDacterium Termo besitzt die Fähigkeit, langem Austrocknen bei hohen und bei niederen Temperaturen Widerstand zu leisten und seine Lebensfähigkeit zu bewahren. Gerade der Umstand, dass die verschiedenen Bacterienformen verschiedene Ernährungsbedingungen erfordern und dass sie sich auch den chemischen und physikalischen Einflüssen gegenüber ver- schieden verhalten, ist ein weiterer Beweis für den streng durchzu- führenden Speciesunterschied. Denn der Kampf ums Dasein in der freien Natur zwischen Pflanzen und Thieren wird auch von den !) Cohn, Beiträge Heft II. p. 202. Eu nennen ng 224 Bacterien in gegenseitiger Vertilgung geführt und diejenigen Arten werden die Oberhand behalten, welche die grösste Widerstands- fähigkeit besitzen und sich am leichtesten den gegebenen Bedingun- gen anpassen. Unsere Aufgabe muss dahin gerichtet sein, nicht allein für Dac- terium Termo, sondern auch für die andern am leichtesten zu erlan- genden Bacterienformen die biologischen Verhältnisse festzustellen und so, von Species zu Species vorwärtsschreitend, unser Wissen zu vermehren. Wäre es möglich, eine Methode aufzufinden, ver- mittelst welcher die einzelnen Species isolirt und getrennt von ein- ander untersucht werden könnten, so müsste dies als grosser Fort- schritt gelten. Dass die Ausführung solcher Bedingungen aber nicht unmöglich ist, zeigt der oben angegebene Versuch mit den Erbsen, woselbst sich, bei einer Temperatur von 45° C., allein nur noch die Baecillusform entwickelt und Bacterium Termo vollständig verdrängt hatte. Die Kenntniss der Lebensbedingungen der zahlreichen in freier Natur vorhandenen Baeterienformen, ferner die Art der von ihnen bewirkten Zersetzungen im Substrat wird nicht bloss wissen- schaftliches Interesse in Anspruch nehmen, sie ist auch von hervor- ragend praktischer Bedeutung und sie wird besonders zur Lösung jener schwierigen Fragen über die Ursachen der Infectionskrankheiten bei höheren Thieren und beim Menschen beitragen, Untersuchungen, welche in der letzten Zeit mit so lebhaftem Eifer aufgenommen worden sind. Abgeschlossen den 10. October 1375. Druck von Robert Nischkowsky in Breslau. v fi IT. Unat del Fig. 1.5 Aldrovanda vestenlosa 6-10 Vtrienlaria vulgaris. Liih wDrac v.$' Lihenfeld, Breslau x Tafl. RAin > idee: 7 a Ed “0: ee Dr DI as A Assmann lich. re ad 14 I us R.Sadebech ad.nat.del. au Fr. 70 = an PEEERBEEBZEEZELLLTRDLEERUE e \ R.Sadebeck adnat.del. EHRE 5 900 —. SOODOOno, “ 0 [@} nn . R Hi ER En rn die x = F) Y =; x > nun? 0 ze n Weiaert ad rat. del. r IN 3 5185 00259 2036 * - erh