NR II AAO F V Vy Ag BT ui UL \ Y } AR pa, WA 2 IL f he I / A: . VA ug , zZ e 2; an) - - te UNS N “ Bi WVYEEE > ) \ er N R an r Fin N a rn, ıf (> Y St i NA RR gl f w EN RER er ir Beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben Dr. Ferdinand Cohn. Zweiter Band. Mit sechzehn Tafeln. ee Breslau 1877. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). ‚Ha in Rs f _ en Ei vr Alan 1U8 ‚moxusltdT ob HreolCE ao busiihio Hl AT: ‚bed uliowS saiaıatT uMaxılnasa Hilf ‚TTal nalasıdl ana 7 a'trraar «U dıslidie zo) , Inhalt des zweiten Bandes. Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrift; „Ueber Zellbildung und Zelltheilung.“ Von Dr. Leopold Auerbach Anatomie der vegetativen Organe von Dionaea muscipula Ell. Von Dr. A. Fraustadt. (Mit Tafel I—III.) — Ueber die Entwickelung und die en Stellung von RE Pers. Von Dr. J. Schröter. — Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. N Dr: Rn Mowai kowski. (Mit Tafel IV— VI.) — Bemerkungen über Organisation einiger Eehernzelen Von Dr. Ferd. Cohn. : 2 — Ueber die biologischen Verhältnisse, 1 Thallus ee Era flechten. Von Dr. A. B. Frank. (Mit Tafel VII.) Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. Von Dr. Leon Nowa- kowski. II. Polyphagus Euglenae, eine Chytridiacee mit geschlechtlicher Fortpflanzung. (Mit Tafel VIII und IX.) -Die Keimung der Sporen und die Entstehung der Fruchtkörper bei den Nidularieen. Von Dr. Eduard Eidam. (Mit Tafel X.) . - Untersuchungen über Bacterien. IV. Beiträge zur Biologie der Bacillen. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel XI.). “ Untersuchungen über Bacterien. V. Die Aetiologie der Milzbrand- Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacil- lus Anthraeis. Von Dr. Koch, Kreisphysikus in Wollstein. (Mit Tafel XI.). — Ueber die Einwirkung höherer Telnperaturen‘ auß die Erhaltung dr Keimfähigkeit der Samen. Arbeiten aus dem pflanzenphysio- logischen Institut am Polytechnikum zu Carlsruhe. II. Von Dr. L. Just ; EL PEN: Bemerkungen und BenPachiaigen. über Saed Vetilssinken. Von Dr. J. Schröter. (Mit Tafel XII.) . . Ueber zwei neue Entomophthora-Arten. Von Profenson N. ECE kin. (Mit Tafel XIII.) N ERBRUN ALAND OD A Untersuchungen über Bacterien. VI. Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der Baeterien. Von Dr. Koch. (Mit drei Tafeln, en in Lichtdruck, XIV. ZV.XVL) - Nachtrag zu den Bemerkungen aber Si eklagineen. Yon Ds J. Schroeter.. AANMAnIAnnAan an Heft, Seite, E T. II. II. I. II. II. II. II. II. III. Il. 1 277 sll 349 387 399 435 Register zum zweiten Bande. Auerbach, Dr. Leopold, Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrift: „Ueber Zellbildung und Zelltheilung.“ Cohn, Dr. Ferdinand, Bemerkungen über Organisation einiger Schwärmzellen. all, N). a ei — Untersuchungen über Bein IV. Beiträge zur Biologie der Bacillen. (Mit Tafel XI.) . Eidam, Dr. Eduard, die Keimung der Sporen Sr de "Entetehianie der Fruchtkörper bei den Nidularieen. (Mit Tafel X.) ; Frank, Dr. A. B., Ueber die biologischen Verhältnisse des Thallus einiger Krustenflechten. (Mit Tafel VII.) > Fraustadt, Dr. A., Anatomie der vegetativen Organe von Diele muscipula Ell. (Mit Tafel I-II.). Just, Dr. L., Ueber die Einwirkung höherer Menschen auf ie Erhaltung der Keimfähigkeit der Samen. Arbeiten aus dem pflanzenphysiologischen Institutam Polytechnikum zu Carlsruhe. 1]. Koch, Dr., Untersuchungen über Bacterien. V. Die Aetiologie der Milzbrand-Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthraeis. (Mit Tafel X].). e 27% — Untersuchungen über Bacterien. VI. Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der Baeterien. (Mit drei Tafeln, Photogramme in Lichtdruck, XIV. XV. XV].). Nowakowski, Dr. Leon, Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. (Mit Tafel IV-VL).. ; — Beitrag zur Kenntniss der inteiäktinsene Ir. Poigiklagk Brig eine en mit geschlechtlicher Fortpflanzung. (Mit Tafel VII. und IX.) . Ä 2 Schroeter, Dr. J., Ueber die Entwichelung dd die sy Tetemat Stellung von Tulostoma Pers. . s — Bemerkungen und Beobachtungen über Ber etilerueen (Mit Tafel XI.) f — Nachtrag zu den Bene nen, über einige Vetlaginäen & Sorokin, Professor N,, Ueber zwei neue Entomophthora-Arten. (Mit Tafel XIII.) . Heft, Seite. I. L TE: IE II. III. II. ID, : 1 27 all 277 HR Beiträge zur | | | | | Herausgegeben | von | Dr. Ferdinand Cohn. Mit sechs zum Theil farbigen Tafeln. en Zweiter Band. Erstes Heft. | Breslau 1876. (Max Müller). Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben LIBRARY von MEW YORK BUTANICAL UARDEN Dr. Ferdinand Cohn. Zweiter Band. Erstes Heft, Mit sechs zum Theil farbigen Tafeln. Breslau 1876. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). | Saal m ; r Epr- e) ONE - PENBMEREN TEE lo) Deriibiaf HT > Nail hu nam niua,ıY ui si Ya eh sin PL IP sick + i Aral ne - 2 Du : EVER’, na Pr a MY > _ u er, - | Ale Ku © > 2. R } j Br R ? - wm Er Bu e u 0% — Rz en u j j En r Rn F u Br nr A SR j 2 Zu a L Zu u & % ar Me . v N f r 7 u v u er A u 5 Fr 2 u ® Fr PT 2 A Zus Fr " u 2 Far ver) Zu, zz Saar Inhalt des ersten Heftes. Seite. Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrift: „Ueber Zellbildung und Zelltheilung.“ Von Dr. Leopold Auerbach . . 1 Anatomie der vegetativen Organe von Dionaea muscipula Ell. Von Drreraustadt: (Mit Tafel. I-Ul). . 2... 2.0.2.9 Ueber die Entwickelung und die systematische Stellung von Tulostoma DESSEN onLDr. J. Schroeternz: re lan en au Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. Von Dr. Leon Nowakowski. EBEN NG a N a Bemerkungen über Organisation einiger Schwärmzellen. Von Dr. Fer- ha an ee ae ae ee ee LOL Ananas zsfehH mateıs as Tea! { \ % ii BT iA» ‘ , ! 3 l I | d ‘ } « Kid ! g Im} if, H i f Ai ‘ n N y ihn FE Fulend 1 I an se R gi ’ ’ ' " 2m Arnd VARKRADETINT versah A ul waere id we .a.—n— WW - | me ie a ai Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrilt : „Ueber Zellbildung und Ielltheilung. Von Prof. Dr. Leopold Auerbach. Wenn ein Vertreter der Zoo-Histologie sich erlaubt, an diesem Orte einige kritische Erörterungen in phytologischen Angelegenheiten vorzubringen, so hat er dazu nicht blos einen persönlichen Anlass in dem Umstande, dass seine seit einigen Jahren auf dem Gebiete der Zellentheorie entwickelten Ansichten in der oben genannten wichtigen Schrift eines Botanikers zwar eingehende Berücksichtigung aber trotz äusserlicher Uebereinstimmung mancher Befunde doch im Kern der Sache entschiedene Angriffe erfahren haben, sondern er entnimmt eine höhere Berechtigung daraus, dass es sich in diesem Conflicte um fundamentale Fragen handelt, welche beide Lager der biologischen Forschung gleich sehr interessiren müssen, ja sogar um eine Verständigung über die Grundbegriffe der Zellenlehre, über welche man vielleicht einen Zwiespalt der Meinungen nicht für möglich gehalten hätte. Wer von der genetischen Einheit der organischen Welt überzeugt ist, oder wer auch nur in abstracterer Weise einen wesentlichen Zusammenhang der pflanzlichen und der thierischen Lebensgesetze anerkennt und dabei berücksichtigt, dass divergirende Entwickelungs- richtungen doch von einer gemeinschaftlichen Grundlage ausgehen '\> müssen, wird zugeben, dass auf biologischem Gebiete in fundamen- talen Dingen Uebereinstimmung vorhanden sein, und wo sie für den Augenblick verloren scheint, der Wissenschaft wieder gewonnen werden muss. Es gab eine Zeit, wo die Forschung dieses Ziel auf ihre Fahne schrieb, jene Zeit nämlich, da die Lehre von den Elementartheilen der thierischen Organismen als eine jüngere Schwester der pflanz- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II, Heft, 1 2 lichen Zellenlehre ans Licht trat und das berühmte Werk Schwann’s geradezu den Titel trug: „‚Untersuchungen über die Uebereinstim- mung in der Strucetur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen.“ Das Streben nach Einklang war damals so gross, dass sich mit dem in raschem Anlaufe erlangten Einblicke in die Formähnlichkeit der Elementargebilde sogar die nämlichen Irrthümer in Betreff ihrer Entwickelung verbanden, welche indessen auf beiden Seiten allmäh- lich in gleichem Sinne berichtigt wurden durch die Erkenntniss des Protoplasma als der primären und wesentlichen Grundsubstanz der Elementargebilde und der Theilung der Zellen als der überaus vor- herrschenden Art ihrer Vermehrung. Auch in diesen Punkten wieder war die botanische Forschung immer um einen Schritt der zoologi- schen voraus, welchem aber letztere in ihrer Art rasch folgte. Mühsamer kämpften sich einige andere Analogieen durch, in welchen die Thierphysiologie der pflanzlichen Vorbild und wohl von anregendem Einflusse auf diese gewesen ist. So vor Allem der Parallelismus im Processe der geschlechtlichen Befruchtung in beiden Reichen, welcher für das grosse Gebiet der Kryptogamen durch die Entdeckung der in diesem überall vorkommenden selbstbeweglichen Sperma-Elemente fast zur Identität sich erhob. Indem man ferner die Aufnahme von Sauerstoff durch die Pflanzen als einen wesent- lichen Factor ihres Stoffwechsels verstehen lernte und an den insec- tivoren Pflanzen die Fähigkeit constatirte, Eiweiss-Substanzen ganz wie Thiere zu verdauen, wurde selbst in Betreff des Chemismus die Kluft zwischen beiden Naturreichen mehrfach überbrückt. Freilich mussten auch andererseits im selbständigen Entwicke- lungsgange beider Zweige der Wissenschaft manche der anfangs angenommenen, namentlich manche histologische Parallelismen wieder geopfert werden oder sich doch wesentliche Modificationen gefallen lassen. Während z. B. von Schwann und noch lange nach ihm die capillaren Lymph- und Blutgefässe der Thiere ihrer Entwicke- lung und ihrem Bestande nach, ganz analog den pflanzlichen Gefässen, als communicirende Hohlzellen angesehen wurden, ergaben sich jene der späteren Forschung als Intercellulargänge, welche unmittelbar von herumliegendem Gewebe begrenzt, nämlich durch dünne, aber aus platten, kernhaltigen Zellen zusammengefügte Wände eingehüllt sind. Während ferner die pflanzlichen Elementartheile, so weit sie Gewebe constituiren, durchweg Zellen im ursprünglichen Sinne des Worts sind, nämlich von festen oder membranösen Wänden einge- fasste Kammern, hat es sich gezeigt, dass im thierischen Organis- mus die Mehrzahl der so genannten Zellen nackte Protoplasmakörper 3 bleiben. Und während im Bau der Pflanzen Intercellularsubstanzen nur eine geringe Rolle spielen, liefern im thierischen Körper für den Aufbau ganzer Organsysteme und weit verbreiteter Gewebe, wie der Knochen, der Knorpel, des Bindegewebes u. a. m., Intercellularsub- stanzen die Hauptmasse und machen sich neuerdings nicht als Aus- scheidungen der Zellen, sondern als unmittelbare Umbildungen der peripherischen Schichten des Zellprotoplasma geltend. Auch andere, für speeifische Functionen bestimmte Umwandlungen des Protoplasma finden sich im Thierkörper in einer Häufigkeit und Mannigfaltigkeit, welche dem einfacheren pflanzlichen Organismus abgehen, und neh- men wichtige Studien für sich in Anspruch. Solche und andere Verschiedenheiten des Materials, die fort- schreitende Theilung der Arbeit und die Vertiefung in specielle Probleme, namentlich aus dem an Mannigfaltigkeiten reichen Gebiete der höheren Entwickelungen, haben, wie es scheint, allmählich eine schädliche Entfremdung zwischen beiden Lagern der organischen Naturforschung begünstigt. Die fruchtbare Wechselwirkung ist seit längerer Zeit ziemlich sparsam gewesen, und man dürfte bei den einzelnen Forschern selten viel Interesse selbst für die wichtigsten Arbeiten der Schwesterdiseiplin finden. Eine um so erfreulichere Erscheinung ist in dieser Hinsicht das oben genannte neue Werk Strasburgers, insofern es durch die Berücksichtigung der gemeinsamen Wurzel pflanzlichen und thieri- schen Lebens und durch vergleichende Untersuchungen über analoge Processe auf beiden Gebieten charakterisirt ist. Auch dies Mal freilich ist der Anstoss von zoo-histologischer Seite ausgegangen. In meinen Studien über die thierischen Zellkerne war ich zu einer Reihe von Erfahrungen und Ansichten über die Entwickelung und die Lebensgeschichte dieser Gebilde gelangt, welche von den in der Histologie herrschenden Vorstellungen in vielen wichtigen Punkten wesentlich abwichen, während es sich fand, dass sie in mancher Hinsicht mit denjenigen Vorstellungen übereinstimmten, welche über pflanzliche Zellkerne Hofmeister gewonnen und in theilweise ent- sprechender Art auch Sachs in seinem Lehrbuche niedergelegt hat. In meiner bezüglichen Schrift!) verfehlte ich nicht auf diese Ueber- einstimmung sowie auch auf andere botanische Beobachtungen (Wan- derungen der Kerne, Hautschicht des Protoplasma und ihre Bezie- hungen zur Bildung der Zellmembran) und deren Analogieen mit 1) Auerbach. Organologische Studien, Ites und 2tes Heft, Breslau 1374 bei Morgenstern. 15 meinen Ergebnissen nachdrücklich aufmerksam zu machen. Diese Hinweisungen fanden nun einen raschen, wenn auch nicht ganz eonsonirenden Wiederhall in Strasburger’s Schrift, aus welcher ich freilich, ebenso wie aus sonstigen mir gewordenen Mittheilungen, ersehen musste, dass die Ansichten Hofmeister’s, auf die ich mich berufen hatte, in der Botanik keineswegs durch eine allgemeine Anerkennung fixirt sind. Zu besserem Zusammenklange gaben gleich- zeitig noch anderweitige zoologische Beobachtungen Veranlassung. Einige Zeit nach meinen erwähnten Publieationen hatte Bütschli') vorläufige Andeutungen bekannt gemacht über eine von ihm bei der Theilung thierischer Zellen in der Kernregion derselben gefundene Strueturerscheinung, welche gänzlich ähnlich ist derjenigen, die bei Pflanzen kurz zuvor Tschistiakoff”?) als Pronueleus beschrieben hatte, und die ungefähr gleichzeitig Strasburger in vielen Fällen beobachtet und zu einem Hauptgegenstande der Darstellung in seiner bezeichneten Schrift gemacht hat. Durch diese mehrfachen Berüh- rungen verschiedenseitiger Forschungen sah sich Strasburger ver- anlasst, nicht blos auf die bezüglichen Ergebnisse der Zoologen auf- merksame vergleichende Blicke zu werfen, sondern sogar selbst einen Excurs auf das Gebiet zoologischer Beobachtung zu machen. Nament- lich hat er Untersuchungen über die Furchung der Eier vou Phal- lusia mammillaris angestellt, und seiner Schrift eine Darstellung der- selben einverleibt, in welcher besonders diejenigen Vorgänge, welche die Kerne betreffen, wesentlich conform seinen Ergebnissen an Pflan- zen erscheinen. Wenn man nun die Befunde Strasburger’s über die Furchung von Phallusia mammillaris, abgesehen von aller Deutung, wie sie als positive Erscheinungen in seinen Abbildungen sich darbieten, in Betracht zieht, so zeigt sich leicht, dass sie sich fast vollständig mit denjenigen decken, welche ich von den Eiern der Nematoden beschrieben habe. Die Hauptdifferenzen sind die, dass schon bei der Bildung des ersten Kerns eine strahlige Anordnung der Dotterkügel- chen sich zeigt, und dass der Mittelstiel des Gebildes, welches ich karyolytische Figur genannt habe, etwas mehr spindelförmig aus- sieht und eine meridionale Längsstreifung zeigt, Thatsachen, von deren Richtigkeit ich mich in diesem Herbst selbst durch Unter- suchung desselben Objects überzeugt habe, ohne sie mit meinen früher ausgesprochenen Ansichten in Widerspruch zu finden, 1) Ztschr. f. w. Zool. Bd. XXV. (1875). S. 201—213 u. S. 426—441. 2) Bot. Zeitg. 1875, No. 1—7. 5 Dennoch ist Strasburger auf Grund sowohl dieser wie seiner pflanzlichen Befunde in den die Kerne betreffenden Hauptfragen zu gänzlich den meinigen entgegengesetzten Resultaten gekommen, und zwar hauptsächlich einerseits in Betreff des Processes der Neubil- dung der Kerne, andererseits in Betreff der Art ihrer Vermehrung. Ich muss nun diesen Angriffen gegenüber auf meinen früheren Ansichten beharren. Diese in extenso darzulegen und zu recht- fertigen ist indessen hier nicht meine Absicht, um so weniger, als meine eigenen Untersuchungen sich bisher fast nur auf zoologischem Gebiete bewegt haben. Nur in so weit möchte ich meine Ansichten hier vertheidigen, als ich eine Reihe triftiger Gründe für dieselben aus einem genauen Studium der Schrift Strasburger’s selbst ent- nehmen zu können glaube, und werden daher die folgenden Bemer- kungen vorzugsweise einen kritischen Charakter tragen. Diese wer- den aber nicht blos die eben bezeichneten Probleme, sondern noch eine wichtige Differenz in den praeliminaren Begriffen berühren müssen. Es handelt sich dabei um nichts Geringeres, als um die Frage: Was ist in einem gegebenen Öbjecte als Zelle, was als Kern, was als Nucleolus anzusehen? Man wird zugeben, dass diese Bezeichnungen heute nieht mehr in einem ganz allgemeinen, blos formalen Sinne gebraucht werden dürfen, dass man nicht mehr, wie in der Kindheit der mikroskopischen Anatomie, jedes beliebige Bläschen als eine Zelle, jeden festen Innenkörper der- selben als Kern ansehen und gelegentlich etwa, wie das wohl vor- gekommen ist, sagen darf, ein Amylumkorn oder ein Ohlorophyllkorn vertrete die Stelle des Zellkerns, dass vielmehr jene Worte Aus- drücke sein müssen für typische Substrate und Organe des Lebens, deren jedes hinsichtlich seiner Substanz, Anlage und Bestimmung überall ursprünglich identisch ist, so sehr sich auch im Laufe wei- terer Entwickelungen Metamorphosen einstellen mögen. Da indessen diese Charakteristika bisher noch sehr ungenügend erforscht sind, so beruht die Anwendung jener Begriffe noch in gewissem Grade auf subjeetiver Anschauung, und ist vorläufig noch keineswegs in ihrer Richtigkeit so gesichert, wie vielfach angenommen zu werden scheint. In der That wird sich eben so wohl aus dem hier Vorzubringenden erge- ben, wie es auch aus der Betrachtung anderer einschlägiger Arbeiten zu entnehmen sein würde, dass in der Auffassung und dem Gebrauch jener Grundbegriffe bedeutende Incongruenzen vorkommen. Diese fallen nun nicht gerade dem einzelnen Forscher zur Last, und ich möchte keineswegs in den folgenden Bemerkungen dem Autor des besprochenen Werkes irgend welche Vorwürfe machen. Wenn ein 6 Kenner und Forscher wie Strasburger in den bezeichneten Punk- ten Fehler gemacht haben sollte, so muss ihn der gegenwärtige Stand seiner Wissenschaft gewissermaassen dazu berechtigt haben, und wenn ich selbst mit meinen Einwendungen nicht Recht behalten sollte, so hoffe ich doch wenigstens discussionsbedürftige Fragen berührt und damit zu einer künftigen Klärung und Sicherstellung der Begriffe beigetragen zu haben. Die Sache ist folgende. In Betreff einer ursprünglichen Neubildung von Zellkernen, wie sie namentlich im Anfange aller embryonalen Entwickelungen unzwei- felhaft vorkommt, hatte ich behauptet: Vor der Neubildung eines Kerns ist das Zellplasma durchtränkt von einem eigenthümlichen Safte, dem Kernsafte. Indem dieser sich an einem Punkte zu einem Tropfen ansammelt, ist die erste, einfachste, oft lange als solche bestehende Form des Kerns gegeben. Der Kern ist also bei seiner Entstehung eine Art Vaecuole, d.h. eine tropfenförmige Ansammlung einer vom eigentlichen Protoplasma ver- schiedenen, diekflüssigen, hellen und homogenen Sub- stanz in einer anfangs wandungslosen, d. h. nicht durch eine besondere Schicht eingeschlossenen Höhle des Protoplasma. Nachträglich verdichtet sich eine der Oberfläche des Tropfens anliegende Grenzschicht des Protoplasma zu einer besonderen Wandung, der Kern- membran. Die Kernhöhle ist also das Primäre am Kern, seine Membran ein äusseres Accidens. Nachträglich auch, und zwar oft noch vor der Bildung der Membran, treten im Innern der Höhle ein oder mehrere Nucleoli auf, sich bildend, wie ich an Froscheiern sehen konnte, durch allmähliche Zusammenballung feinster Kügelchen. Da die Nucleoli sich in ihrer weiteren Entwickelung als Protoplasma- körper erweisen, so nahm ich an, dass es entweder gleich bei der Aussonderung des Kerntropfens in diesen mit fortgerissene, oder nachträglich von der noch weichen Grenzschicht abgelöste Proto- plasma-Molecüle seien, welche anfangs in dem Kernsafte zerstreut, später zusammenrückend die Nucleoli constituiren. Noch füge ich um des Folgenden willen hinzu, dass die Nucleoli der thierischen Zellen, wenn sie grösser heranwachsen und in lebhaftere Thätigkeit gerathen, auch die Aehnlichkeit mit dem Zellprotoplasma zeigen, dass sie gern Vacuolen in ihrer Substanz entwickeln. 7 Zu völlig entgegengesetzten Ansichten nun ist Strasburger ge- langt, so dass er sich schliesslich zu dem Ausspruche veranlasst sieht: „Gegen die Behauptung Auerbachs, dass die Zellkerne Tropfen seien, wendet sich unsere ganze Erfahrung.“ Nach ihm ist vielmehr der Zellkern nach seiner Entstehung, und so lange er überhaupt eine Thätigkeit in der Zelle ausübt, nur ein mehr oder weniger scharf abgegliederter Theil des Zellprotoplasma selbst, in dessen Innerem sich, „wenn der Zellkern seine Aufgabe grösstentheils vollbracht hat und zur Ruhe kommen soll,“ Vaeuolen und Nucleoli differenziren können. Er sagt daher: „Auerbach hat die in den Kernen sich bildenden Vacuolen jedenfalls für die Kerne selbst gehalten.“ Letztere Unterstellung nun ist jüngst schon von OÖ, Hertwig!) auf Grund unbefangener Wiederholungen meiner Beobachtungen wie auch auf Grund seiner eigenen, sehr eindringlichen Untersuchungen über die Befruchtung und Furchung von Seeigel-Eiern entschieden zurückgewiesen worden, und ist überhaupt auf die an thierischen Eiern zu beobachtenden Erscheinungen so wenig anwendbar, dass ich in dieser Beziehung nur auf meine bezüglichen, theils schon vorliegender, theils nächstens zu publieirenden Arbeiten zu verweisen brauche. Auch eine andere Meinung Strasburger’s, nämlich, dass bei thierischen, im Besonderen bei Aseidien-Eiern der Kern ein abge- schnürtes und in’s Innere der Zelle gelangendes Stück der Haut- schicht des Protoplasma sei, ist schon von Hertwig als nicht genü- gend motivirt bezeichnet worden, und gehe ich darauf hier nicht näher ein. Was aber die Pflanzen anbetrifit, so erscheinen Strasbur- ger die Zellkerne, wo er eine Neubildung derselben beobachten konnte, einfach als im Innern der Zelle auftretende, anfangs kugel- runde, dunklere, also verdichtete Partieen des Protoplasma, kaum scharf abgegrenzt, und als solche sich längere Zeit erhaltend. Es wird somit diejenige ältere, viel verbreitete Vorstellung von Neuem vorgetragen, welche ich in meinen Schriften bekämpft habe. Worauf gründet sich aber diese Ansicht Strasburger’s? Ich finde in seinem Werke nur zwei Beobachtungen, welche in seinem Sinne jene Auffassung klar zu demonstriren scheinen, nämlich die gleich im Anfange seiner Schrift niedergelegten Untersuchungen über die ersten Embryonal-Processe im befruchteten Ei von Ephedra !) Zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Morphol. Jahrb., Bd. I., 1875., 5. 347—434. 8 altissima und von Phaseolus multiflorus. Sehen wir uns also die- selben etwas genauer an. In dem „befruchteten Embryosack“ von Phaseolus multifl. entste- hen, wie Strasburger annimmt, nach Auflösung des ursprünglichen Zellkerns an zerstreuten Punkten des schaumigen, feinkammerigen Protoplasma durch freie Neubildung eine Anzahl junger, anfangs sehr kleiner Endosperm-Zellen, und zwar sofort in der Gestalt kugel- runder Bläschen mit einem hellen Inhalte und mit einem punktför- migen, sehr dunkeln Kern in ihrem Centrum, so dass es offenbar ist, dass Zelle und Kern gleichzeitig entstehen. Diese bläschenför- migen Zellen wachsen im Ganzen und in allen ihren einzelnen "Bestandtheilen allmählich immer mehr heran, und je mehr sie wach- sen, desto mehr erweist sich ihre Wandung als eine hautschicht- ähnliche Protoplasma-Membran, desto deutlicher erkennt man im Innern radiäre, netzförmig verbundene Protoplasmastränge, welche von der Hautschicht zum Kerne gehen. Letzterer erweist sich mehr und mehr als ein grosser, dunkler Protoplasmakörper, welcher einige Vacuolen in sich entwickelt und später seine kuglige Form aufgiebt, indem er durch zipfelförmige Fortsätze in die radiären Stränge übergeht. Weiterhin werden diese Stränge, theilweise zer- reissend und verschmelzend, an die Wandschicht der Zelle herangezo- gen und mit ihnen auch der Kern. Durch ihr fortschreitendes Wachs- thum nähern sich diese Zellen einander immer mehr; und wenn sie dadurch beinahe bis zu gegenseitiger Berührung gelangt sind, schei- den sie an ihrer Oberfläche Cellulose aus, womit das erste Endosperm- Zellgewebe hergestellt ist. So Strasburger. Aber sind denn die Gebilde, welche er als Zellen und Zell- kerne schildert, auch mit Recht als solche anzusehen? Auf diese Frage giebt mir die Betrachtung seiner Abbildungen, Fig. 5 bis 16 seiner Tafel V, eine für mich unzweifelhafte Antwort; und zwar muss ich auf Grund zahlreicher, auf thierischem Gebiete gewon- nener Anschauungen bis auf bessere Belehrung jene Frage entschie- den mit Nein beantworten. Von meinem Standpunkte aus muss ich sagen: Was hier Strasburger für Zellen ausgiebt, sind Kerne, und was er für die Kerne jener Zellen hält, sind die Nucleoli jener Kerne. In demjenigen Aussehen, welches diese Gebilde gleich nach ihrer Entstehung darbieten, und welches in den Figuren 5—8 wiedergegeben ist, dürften sie wohl Jedem sofort in dem von mir bezeichneten Sinne imponiren. Auch Stras- burger selbst hat das wohl bemerkt; denn er fühlt sich gedrungen, ausdrücklich zu sagen: „Dass aber der zarte Kreis nicht etwa die Peripherie eines kugligen Kerns, der centrale Punkt nicht etwa ein Kernkörperchen darstellt, das zeigen die folgenden Zustände.“ Allein gerade diese späteren Zustände machen die Charakteristik der betreffenden Gebilde als Kerne mit Nucleolis nur noch vollstän- ständiger; sie entsprechen durchaus denjenigen Erscheinungen, welche sehr heranwachsende, zu bedeutendem Volumen gelangende Zellkerne, wenigstens in thierischen Organismen, sehr häufig zeigen, und, ich glaube nicht, dass irgend ein erfahrener Zoo-Histologe, der sich das Aussehen vergegenwärtigt, welches in vielen Fällen die Kerne reifer thierischer Eier, welches die Kerne vieler Drüsenzellen der Insecten- larven, welches die Kerne mancher Ganglienzellen darbieten, zögern wird mir beizustimmen. Für’s Erste sind die sogenannten Kerne Strasburger’s so charakteristische Nucleoli wie nur möglich. Letztere sind zunächst in kleinen Zellkernen immer dunkle solide Kügelchen im Centrum des hellen Kernraumes, wachsend aber machen sie genau die von Stras- burger seinen Kernen zugeschriebenen Metamorphosen durch. In allen zu bedeutender Grösse heranwachsenden Kernen thierischer Zellen nämlich stellen sie sich genau so dar, wie jene von Stras- burger als Kerne angesehenen Körper, nämlich als relativ dunkle, aus einer festweichen, gleichsam plastischen Masse bestehende, häufig unregelmässig zipflig geformte, einige Vacuolen in sich entwickelnde Körper. Und während die Nucleoli anfangs immer und oft lange Zeit hindurch als dunkle Körper in einem hellen Hohlraume schwe- ben, zeigen sich nach übereinstimmenden Beobachtungen alle jungen, eben entstandenen Kerne als helle Körper in dunklerer protoplasma- tischer Umgebung. Das Gesammtgebilde aber, welches Strasburger als Zelle bezeichnet, kann meines Erachtens gerade deshalb keine Zelle sein, weil es von vorn herein als ein Bläschen sich zu erkennen giebt. Ein durch freie Neubildung entstandener Elementarorganismus ist ja sonst nirgends von vorn herein ein Hohlbläschen, sondern anfangs immer ein einfacher Protoplasmakörper. Dieses Hauptresultat der neueren Reform der Zellenlehre dürfte wohl nicht blos für die thierischen Organismen gelten. In diesen freilich entwickeln sich überhaupt fast nie eigentliche Zellhöhlen, selbst dann nicht, wenn eine Zellmembran an der Peripherie des Protoplasma sich differen- zirt hat!). Wenn nun hingegen in gereiften Pflanzenzellen die Zell- . 1) Gewisse, namentlich aus rapiden Zelltheilungen hervorgegangene junge Zellen des thierischen Körpers sind allerdings, formal betrachtet, oftmals wirkliche Bläschen, nämlich dann, wenn der bläschenförmige Kern relativ sehr 10 höhle eine sehr gewöhnliche Erscheinung ist, und bei der Theilung häufig auch nicht verloren geht, sondern in die Tochterzellen mit hinüber genommen wird, so ist es doch wohl für die meisten Fälle der sogenannten freien Zellbildung wesentlich anders, und sind z. B. alle auf solehem Wege in eclatanter Weise entstehenden Schwärmzellen oder Zoosporen der Kryptogamen nackte, durch und durch protoplas- matische Körper, welche erst zur Zeit der Keimung eine Membran ansetzen und nachträglich durch verschmelzende Vacuolen im Innern eine Höhlung entwickeln. Wohl aber erweisen sich andererseits alle Zellkerne sehr frühzeitig als dünnwandige Bläschen mit einem hellen Inhalte. Ich kann mich hier, wenn ich den Vorwurf einer petitio principii vermeiden will, nicht vorzugsweise auf meine Ergebnisse berufen, nach welchen sogar in dem oben angegebenen Sinne die Höhle des Kerns das Primäre an ihm ist. Aber ganz abgesehen von diesem Punkte ist doch nach vielseitigen übereinstimmenden Beobachtungen über die ersten Embryonal-Processe in thierischen Eiern das gewiss, dass die Zellkerne sehr kurze Zeit nach ihrer Entstehung als zartwandige Bläschen mit einem hellen Inhalte sich erweisen '), und weiterhin das, dass alle Kerne lebenskräftiger Zellen solche Bläschen sind. Nun scheint aber vielleicht der Auffassung Strasburger’s eine andere Thatsache zu Hilfe zu kommen, nämlich die radiären, zum Theil netzförmigen Stränge einer blassen weichen Substanz, welche von der Wand der in Rede stehenden Bläschen zu ihrem Innenkörper hinziehen. Strasburger sieht die Substanz dieser Stränge für Protoplasma an, und es läge somit hier dasselbe Verhältniss vor, welches so viele pflanzliche Zellen auszeichnet, nämlich eine strang- oder netzförmige Ausbreitung des Protoplasma, welche die Wand- schicht mit dem Kerne in Verbindung setzt. Wenn nun aber auch diese Aehnlichkeit mehr als eine äusserliche sein sollte, so kann sie gross und nur von einer schmalen Protoplasmaschicht umhüllt ist, welche den Zellenleib darstellt. Wesentlich ist aber dabei, dass die innere Höhlung nicht eine Zellhöhle, sondern die Kernhöhle, d. h. nicht eine zwischen der Ober- fläche des Kernes und der Zellperipherie sich ausbreitende, sondern eine im Kernraume gelegene Höhle ist, und dass ein etwaiger Innenkörper in dieser Höhle nicht ein Zellkern, sondern ein Nucleolus ist. Dass dem so ist, lehrt sowohl die Vorgeschichte wie die weitere Entwickelung solcher Zellen. !) Einzelne, scheinbar widersprechende Beobachtungen, wie diejenigen, welche jüngst Schwalbe (Bem. über die Kerne der Ganglienzellen, Jen. Ztschr. f. Med. u. Naturw. 1875 S. 25) über gewisse Nervenzellen der Retina gebore- ner Kälber veröffentlicht hat, dürften mit der Zeit sich besser einreihen, als es zunächst scheinen mag. 11 doch keinesfalls gegen die Deutung der fraglichen Bläschen als Kerne entscheidend sein. Denn mancherlei unzweifelhafte Zellkerne thierischer “Organismen bieten genau dieselben Erscheinungen dar, und besonders deutlich solche, welche, wie die hier besprochenen, zu relativ bedeutender Grösse gedeihen, nur dass man natürlich sagen muss: die Stränge gehen von der Kernwandung zum Nucleolus. Hier stehen in erster Linie die Keimbläschen mancher thierischer Eier, d. h. wie ihre Bildungsgeschichte lehrt, die Kerne der Eizellen. Ich verweise in dieser Beziehung beispielsweise auf die Beschreibung und die Abbildungen, welche Flemming') von dem reifen Keim- bläschen der Anodonta, ferner auf diejenigen, welche O. Hertwizg?”) über dasjenige eines Seeigels, Toxopmeustes lividus, geliefert hat. Aber auch andere Zellen zeigen Aehnliches, wie denn z. B. neuer- dings Schwalbe?) Entwickelungsstadien gewisser Nervenzellen beschreibt, in welchen er an ihren Kernen ganz Entsprechendes beobachtet hat. Ich bin freilich für unsere Fälle nicht der Mei- nung, dass die erwähnten Stränge von derselben Substanz sind, wie Nucleolus und Kernmembran und mit diesen in innigem conti- nuirlichen Zusammenhange stehen, so dass der Kern zeitweise oder, wie einige Autoren meinen, immer nur eine schwamm- förmig durchbrochene Protoplasma-Masse wäre. Vielmehr habe ich reichlich Gründe anzunehmen, dass jene Stränge aus einem von der Nucleolarsubstanz verschiedenen Stoffe bestehen, nämlich demselben, welcher sich in anderen Kernen in Form discereter Kügelchen, der von mir sogenannten Zwischenkügelchen zeigt. Dies ist jedoch eine Frage, welche hier nicht entschieden zu werden braucht und sich am Wenigsten an Alkohol - Präparaten entscheiden lässt, wie sie Strasburger benützt hat. Jedenfalls bieten unzweifelhafte Zell- kerne, und namentlich, wenn mit Reagentien behandelt, oftmals so genau dieselben Bilder, wie die Bläschen in den erwähnten Figuren der Taf. V, dass daraus eine Homologie, nicht aber eine wesentliche Verschiedenheit hervorgeht. Ich frage aber weiter: Wenn die Wandung eines jeden dieser Bläschen die Hautschicht einer Zelle wäre, wie liesse sich dann die weitere Entwickelung zur Herstellung des Endosperm-Gewebes erklä- ren? Um jene Membranen herum liegt ja noch überall das Proto- plasma der Mutterzelle, und wenn sich auch die Bläschen durch ihre 1) Entwiekelung der Najaden, Sitz.-Ber. der Wiener Akad. d. W. Bd. LXXI., Taf. I., Fig. 17 und 18. 2) ]. c. Tafel X., Fig. 1. 3). ve; 12 Vergrösserung sehr einander nähern, so geschieht dies doch nicht bis zur Berührung; es bleibt immer noch zwischen ihnen protoplas- matische Grundsubstanz übrig, und in der Mitte der letzteren scheidet sich schliesslich die Cellulose-Schicht aus. Man müsste also anneh- men, dass sich hier noch Protoplasma von aussen an die Hautschicht anlegt, und dass die Cellulose-Membran in einer gewissen Entfer- nung von der Hautschicht entsteht. Das dürfte kaum mit allem sonst Bekannten und auch nicht mit den von Strasburger selbst über die Hautschicht entwickelten Vorstellungen in Einklang zu bringen sein. Nach alle dem muss ich also diese Zellen Strasburger’s für Kerne und ihre Innenkörper für Nucleoli halten. Wenn man aber eine solche Umdeutung pflanzlicher Beobachtun- gen von Seiten eines Nicht-Botanikers für allzu kühn erachten sollte, so bin ich in diesem Falle in der glücklichen Lage, auf phy- tologischer Seite, wenigstens für die ersten der hier besprochenen Stadien, einen Genossen meiner Auffassungen vorzufinden, und zwar in keinem Geringeren als in Hofmeister, welcher denselben Gegenstand untersucht hat und zu folgendem Resultate gelangt ist: „In dem Protoplasma des Embryosacks treten freie Zellkerne in Anzahl auf. Bei ihrem ersten Sichtbarwerden sind die Kerne der Endospermzellen bläschenähnliche Gebilde, ohne feste Bildungen im Innern. Ihre Grösse übertrifft erheblich diejenige der später in ihnen entstehenden Kernkörperechen. Um jeden Zellkern häuft sich ein Ballen dichteren Protoplasma’s, dessen Peripherie die Beschaffenheit einer Hautschicht besitzt, und der so eine Primordialzelle darstellt.“ (Lehre v. d. Pfl.-Z. S. 116.) Diese ältere Auffassung Hofmeister’s halte ich nun gegenüber derjenigen Strasburger’s entschieden für die richtigere. Sie stimmt ganz zu dem, was ich bei der Kernneu- bildung im thierischen und zwar im lebendigen Protoplasma zum Theil unter meinen Augen geschehen sah. Hieran ist noch eine andere Bemerkung anzuknüpfen. Stras- burger kommt zu dem Schlusse, dass Zelle und Kern gleichzeitig entstehen. Das würde nun jetzt so umzudeuten sein, dass der Kern vom ersten Anfange an einen Nucleolus zeigt. Allein auch das könnte ich nicht für erwiesen betrachten, am Wenigsten als allge- meines Gesetz gelten lassen. Nach meinen Erfahrungen auf zoolo- gischem Gebiete sind eben neugebildete Kerne anfangs immer enu- cleolär, d. h. sie zeigen kein Kernkörperchen, und dieses bildet sich erst nachträglich in ihnen. Dass aber das Nämliche auch bei Pflan- zen wieder zu finden sein dürfte, dafür bietet die oben eitirte Beob- 13 achtung Hofmeisters einen Anhalt. Es wird die Annahme erlaubt sein, dass diejenigen Bilder, welche Strasburger als die frühesten gefunden und in seinen Figuren 5 und 6 der Tafel V dargestellt hat, nicht wirklich den jüngsten Zuständen, wenigstens im lebendigen Zustande des Objects entsprechen, sei es, dass er das jüngste Sta- dium überhaupt nicht getroffen hat, oder dass der von ihm ange- wandte Alkohol diejenigen Niederschläge oder Verdichtungen künst- lich beschleunigt hat, welche im lebendigen Zustande langsamer .zur Herstellung eines Nucleolus und einer Kernmembran führen. Danach aber würde sich die wirkliche Entwickelung des Endo- sperm-Gewebes von Phaseolus folgendermassen gestalten: In dem schaumigen Protoplasma der Mutterzelle entstehen an zerstreuten Punkten durch freie Neubildung Zellkerne. Diese haben anfangs das Ansehen einfacher Vacuolen. Nach Kurzem aber concentrirt sich in ihrem Mittelpunkte ein Nucleolus, während zugleich die Grenzschicht des Protoplasma zu einer Kernmembran sich verdichtet, Die jetzt bläschenförmigen Kerne wachsen dann allmählich zu sehr bedeutender Grösse heran, auf Kosten des umgebenden Protoplasma, welches so als eine immer weniger voluminöse und wegen überwie- gender Abgabe von Flüssigkeit an die Kerne als eine mehr und mehr verdichtete Zwischensubstanz der Kerne erscheint. Wegen letzteren Umstandes erfahren die kugligen Bläschen an denjenigen Punkten, wo sie einander am nächsten kommen, einen grösseren Widerstand und wachsen deshalb von einem gewissen Zeitpunkte an nicht mehr gleichmässig nach allen Seiten, sondern stärker in die massigeren Partieen der Grundsubstanz hinein, d. h. sie werden mehr polyedrisch mit äbgerundeten Kanten und Ecken. Hierdurch wird die protoplasmatische Grundsubstanz auf plattenförmige, winklig an einander stossende Reste redueirt (Strasb. Fig. 16). In der Mittel- ebene jeder solchen Platte wird eine Celluloseschicht ausgeschieden. Indem diese Cellulose-Wände natürlich winklig an einander stossen, formiren sie ein vollendetes Zellgewebe, grenzen um jeden der colos- salen Kerne einen schmalen Protoplasma-Mantel als Zellenleib ab und individualisiren so den lebendigen Inhalt einer jeden der Kam- mern zu einem Elementarorganismus. Diese Zellen haben zwar eine jede im Innern eine grosse Höhle, aber letztere ist nicht eine Zell- höhle, sondern die Kern-Höhle. Wenn eine Zellhöhle sich später bilden sollte, so kann sie nur dadurch entstehen, dass der Kern, sei es durch zurückbleibendes Wachsthum relativ oder vielleicht auch absolut wieder kleiner wird, während das ihn umgebende Protoplasma von verschmelzenden Vacuolen durchbrochen wird. Einen solchen 14 Zustand stellt die Figur 17 dar. Indessen sind das wohl durch Theilung aus denen der Fig. 16 entstandene Tochterzellen; denn sie erscheinen bei derselben Vergrösserung viel kleiner. Jedenfalls ist ihr Bau so sehr von jenen verschieden, dass sie nicht unmittelbar, sondern nur durch eine Reihe von Zwischenstufen aus ihnen abge- leitet werden können. Wenn ich aber in Voranstehendem Strasburger eine Verwech- selung von Nucleolis mit Zellkernen zugemuthet habe, so will ich doch nicht verfehlen hinzuzufügen, dass ganz ähnliche Schwankungen des Urtheils in entsprechenden Fällen öfters, sowohl auf phyto- wie auf zoologischem Gebiete vorkommen. Dass die Klärung über diese Dinge eben noch nicht vollendet ist, mag noch aus dem folgenden Beispiele hervorgehen. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte ich in einer Untersuchung über Amoeben ') nachgewiesen, dass in vielen Species dieser Protisten jedes Individuum einen Kern besitzt, welcher einem voll entwickelten Zellkerne gänzlich ähnlich und homolog ist. Ich hatte dabei beson- ders darauf aufmerksam gemacht, dass der kuglige, dnnkle, solide, oder höchstens mit einer oder ein Paar inneren Vacuolen ausge- stattete Körper, welcher bei der Aufindung der Kerne zuerst in die Augen fällt, nicht der Kern selbst ist, sondern der Nucleolus, dass dieser letztere immer in einem Bläschen mit übrigens hellem Inhalte, dem wirklichen Kerne, eingeschlossen ist, und dass je nach der rela- tiven Grösse des Nueleolus der lichte Zwischenraum zwischen diesem und der Bläschenwandung schmal oder auch sehr breit erscheinen kann. Es war mir gelungen, diese bläschenförmigen Kerne mit ihrem Nucleolus in vielen Fällen aufs Klarste zur’ Anschauung zu bringen, ja sogar in einzelnen Fällen sie durch Austreiben aus dem Amoebenkörper zu isoliren und in abgestorbenen Exemplaren sie auf natürlichem Wege isolirt zu finden, so dass die vollstän- dige Gleichheit mit vollentwickelten Zellkernen in meinen Präpa- raten und Abbildungen klar zu Tage lag. Seitdem ist nun, gegen- über einzelnen sehr heftigen Anfechtungen jener Identifieirung ?) im Allgemeinen zwar angenommen, dass die eigentlichen Amoe- ben einen Kern besitzen, welcher einem Zellkern homolog ist; indessen ist doch die besondere Charakterisirung und Unterschei- dung, welche ich eben erwähnt habe, kaum beachtet und noch weniger ausdrücklich anerkannt worden. Noch in jüngster Zeit glaubte ein in Rhizopoden-Studien besonders erfahrener Forscher, 1) A uerbach: Ueber d. Einzelligkeitd. Amoeben. Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. vll. 2) z. B. seitens Clapar&edeund Lachmann. Et. s. les Infusoires. S. 429. 15 F. E. Schulze'), bei einer Untersuchung über eine neue Amoeben- Gattung, Mastigamoeba aspera, in Angelegenheit des Kerns sich die Frage vorlegen zu müssen, ob der dunkle, in einem helleren Hof- raume gelegene protoplasmatische Innenkörper als Kern oder als Nucleolus zu betrachten sei. Er neigt allerdings zu letzterer Ansicht und bezeichnet in nächst verwandten Gattungen denselben 'Körper immer ohne Weiteres als Nucleolus, das Gesammtgebilde aber mit Einschluss des hellen Hofes als Kern. So wird in dieser Angelegen- heit diejenige Ansicht, welche ich schon vor langer Zeit klar bewie- sen zu haben meinte, wenn auch nach einigem Zögern, allmählich mehr und mehr anerkannt, und auch in anderen Fällen wird sich die richtige Unterscheidung zwischen Nucleolus und Kern noch durchzuarbeiten haben. Uebrigens habe ich die Freude, in den erwähnten Beobachtungen Schulze’s noch für einen anderen Theil meiner von Strasburger angegriffenen Ansichten Bestätigung anzu- treffen. In diesen sehr niedrig stehenden Amoeben -Gattungen sind nämlich nach Schulze’s Darstellung die hellen Kernräume nicht von besonderen Membranen eingefasst, stellen also, wenigstens zeit- weise, nur vacuolenähnliche Räume im Protoplasma dar, eine Unter- stützung für meine bezüglichen Annahmen, wie ich sie nicht besser wünschen kann. — Indem ich nun zu der zweiten hier in Frage kommenden Untersuchung übergehe, nämlich derjenigen über die erste Zell- bildung im befruchteten Ei von Ephedra altissima, so muss ich gestehen, dass ich mich dieser gegenüber nicht ganz so im Klaren befinde, wie bei der erst besprochenen. Die von Strasbur- ger hier gelieferten Bilder bieten zwar, namentlich in den mitt- leren Stadien, sehr viel Aehnlichkeit mit denjenigen von Phaseolus, so dass man vielleicht mit Recht geneigt sein kann, sie ganz eben so zu beurtheilen, wie dort, nur mit dem Unterschiede, dass bei Ephedra nieht das ganze Mutter-Plasma in der Bildung der jungen Zellen morphologisch aufgehen, sondern zum Theil als eine Inter- cellularsubstanz zurückbleiben würde, welche erst nachträglich all- mählich schwinden müsste. Dennoch wage ich es nicht, auf diesen Fall ohne Weiteres dieselbe Deutung anzuwenden, die ich für den vorigen vertheidigte. Erstens nämlich sind die über Ephedra vor- liegenden Abbildungen nicht ganz so klar wie diejenigen über Phaseolus, ein Umstand, der vermuthlich nur durch eine etwas ver- schiedenartige Einwirkung des Alkohols auf die beiderlei Objeete 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI., S. 583 (1375). 16 bedingt ist. Zweitens aber bietet das Verhalten in den späteren Stadien, wie es im Texte geschildert wird, eine Schwierigkeit. Danach nämlich bildet sich unmittelbar an der Grenze der noch kugligen und noch weit von einander abstehenden Blasen je eine Cellulosehaut. Wenn nun diese Bläschen Kerne sein sollten, so wäre die Hilfsannahme nöthig, dass trotz des anderen Anscheines dennoch eine, wenn auch sehr schmale Protoplasma-Schicht zwischen der Cellulosehaut und der Oberfläche des Kernraumes eingeschlossen wird, welche nachträglich durch Stoffaufnahme von aussen in die Dieke wächst, eine Annahme, welche mir um so mehr zulässig erscheint, als nach meiner Ansicht die Kernmembran selbst überall nur eine mehr oder weniger differenzirte und nach aussen hin zuweilen gar nicht scharf abgeschiedene Grenz- schicht des Protoplasma ist. Indessen mag das dahingestellt bleiben, und will ich mich für eine Weile in so weit der Auffassung Stras- burgers anschliessen, dass ich dasjenige, was er an diesen Objecten für Zellen und was er für die Kerne dieser Zellen hält, eben so ansehe. Auch dann aber kann ich seine Schlussfolgerung in Betreff des Processes der Kernbildung nicht anerkennen, sondern muss aus seinen Figuren eine andere Vorstellung ableiten. Er hält die in seiner Fig. 7 hervortretenden dunklen runden Flecke für die Anlagen der Kerne, welche nachträglich sich aushöhlen. Allein wenn ich mir diese Fig. 7 genau ansehe, so finde ich, dass in jeder dieser dunkeln Kugeln im Centrum schon ein sehr kleines Bläschen steckt, welches sogar von einem besonderen Grenz-Schatten eingefasst ist, und wenn ich dann die Fig. 3 betrachte und nachsehe, was in dieser letzteren von dem Autor als Kern bezeichnet wird, so zeigt sich, dass dieser Kern nicht dem dunklen Fleck der Fig. 7 sondern dem kleinen centralen Bläschen in diesem Fleck entspricht, dass auch in Fig. 8 der bläschenförmige Kern von einem breiten schattigen Hofe umgeben ist, dass also in der Zwischenzeit nichts geschehen ist, als ein ziemlich gleichmässiges Wachsthum aller Bestandtheile der fraglichen Gebilde. Strasburger hat allerdings für die dunklen Höfe um die Kerne seiner Fig. 8 eine andere Erklärung in Bereitschaft. Er sagt: „Inzwischen ist die helle Zone um die Kernanlage immer mehr gewachsen, und es lässt sich meist in derselben eine Sonderung verfolgen, so zwar, dass diese Zone um die Kernanlage dichter, in gewisser Entfernung weniger dicht wird.“ Das erscheint mir als eine willkürliche und unnöthige Hilfshypothese. Da die Entwickelung nicht direct und continuirlich verfolgt werden konnte, sondern nur getrennte Stadien in Alkohol-Präparaten unter- sucht wurden, so sind wir auf eine unbefangene und möglichst 17 einfache Vergleichung seiner Präparate angewiesen. Eine solehe nun lässt das Bild der Figur 8 als eine einfache Wachsthumsvergrösse- rung derjenigen Verhältnisse erscheinen, welche schon in Fig. 7 enthalten sind. Danach aber sind die Kerne des frühen Stadiums der Fig. 7 schon Hohlgebilde, und was die Hauptsache ist, die dunklen Kugeln, welche Strasburger für die Anlage der Kerne hält, werden bei der Bildung der Kerne nicht aufgebraucht, sie stellen vielmehr den protoplasmatischen Mutter- boden dar, in dessen Innerem ein kleiner Kern von vorn herein als ein Hohlgebilde differenzirt wird; und es ist kein Grund vorhanden, zu vermuthen, dass dies in anderer Weise geschehe, als in solchen günstigeren Fällen, wo der Process direct zu beobachten ist. Es würde also, falls die eben entwickelte Auffassung der Sache ange- messen wäre, Strasburger bei Ephedra in entgegengesetzter Richtung von der wahren Deutung abgewichen sein, als bei Pha- seolus. Während er bei letzterem partem pro toto, nämlich den Nucleolus für den Kern und den Kern für eine Zelle nahm, würde er bei Ephedra als Kern angesehen haben, was mehr als dieser ist, nämlich einen Protoplasmabezirk mit einem in dessen Innerem ent- stehenden Kerne, Ich muss indessen nochmals betonen, dass ich auf die zuletzt dargelegte Deutung für diesen speciellen Fall nicht in positivem Sinne Werth lege. Ich habe sie hauptsächlich vorgebracht, um damit im Allgemeinen auf einen Fehler hinzuweisen, welcher bei solchen Untersuchungen leicht begangen werden kann. Ein sich neubildender Kern differenzirt sich ja immer aus dem Protoplasma. Zuweilen nun ist die Stelle seiner Entstehung durch nichts von dem übrigen Protoplasma der Zelle zu unterscheiden. Wenn aber der grössere Theil des Zellplasma entweder sehr schaumig oder sehr körnig, oder durch innere Structuren für spezielle Zwecke differenzirt ist, so kommt es vor, dass an der Stelle, wo der Kern entstehen soll, vor- her eine entweder verdichtete oder vergleichsweise homogene Quan- tität Protoplasma’s angesammelt ist, welche sich von der Umgebung auffällig abhebt, und dasselbe ist der Fall, wenn der Kernneubildung unmittelbar eine Karyolyse vorangegangen ist. In solchen Fällen kann dieses besonders hervortretende Protoplasma, welches gleich- sam die Matrix für den zu bildenden Kern ist, sehr leicht für diesen selbst genommen werden. Das ist in der That hüben wie drüben mehrfach geschehen, und ich werde denselben Kampf, wie hier, auch auf zoologischem Gebiete noch weiter auszufechten haben. Jedenfalls dürften die obigen Erörterungen gezeigt haben, dass Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band Il. Heft I, 7 18 die Pfeiler, auf welche Strasburger seine Ansicht von der Nen- bildung der Zellkerne gestützt hat, nicht so fest gefügt sind, wie er wohl glaubte, indem er im Schlussworte seiner Schrift sagte: „Gegen die Behauptung Auerbachs, dass die Zellkerne Tropfen seien, wendet sich unsere ganze Erfahrung,“ und in diesem Gefühle der Sicherheit annehmen zu dürfen glaubte, ich hätte „in den Kernen sich bildende Vacuolen jedenfalls für die Kerne selbst gehalten.“ Seine Erfahrungen lassen eben andere Auffassungen zu, welche ich hier der Prüfung der Botaniker vorzulegen mir erlaubt habe. Wenn sich übrigens an die eben erwähnten Sätze noch eine andere Kritik meiner Ansicht anschliesst, mit den Worten: „Wir haben die Gestalt der Kerne als den Ausdruck in ihrem Innern wirkender Kräfte kennen gelernt. Sind doch die Zellkerne nicht einmal stets kugelrund, vielmehr zeigen sie oft andere Gestalten, die dann meist in Beziehung zu der Gestalt ihrer Zelle stehen. Auf Öberflächenspannung also kann ihre Form nicht beruhen, sonst müssten sie ja immer kugelrund sein,“ so wird dagegen wohl die Bemerkung genügen, dass auch in jedem Flüssigkeitstropfen innere Kräfte wirken, nämlich seine innere Cohäsion, dass gleichwohl jeder Tropfen unter der Einwirkung äusserer Kräfte, wie der Schwere oder des ungleichen Widerstandes umgebender Körper, in mannig- facher Weise von der Kugelgestalt abweichen kann, und dass aus dem letzteren Grunde in der That die Vacuolen im Protoplasma sehr häufig nicht kugelförmig, sondern auch abgeplattet, eiförmig, spindel- förmig oder selbst etwas polyedrisch gestaltet erscheinen. Strasburger hat indessen für seine und gegen meine Ansichten noch andere Gründe, ‘welche er an der eben erwähnten Stelle in die Worte zusammenfasst: „Auch könnten die Structurverhältnisse und die complieirten Vorgänge, die wir an den in Theilung begritte- nen Kernen beobachtet, unmöglich in einer Flüssigkeit auftreten.“ Hiermit sind diejenigen auch von Tschistiakoff und Bütschli beobachteten Erscheinungen gemeint, auf welche ich Eingangs dieser Blätter hindeutete. Dass nun diese Erscheinungen in einer Flüssigkeit auftreten könnten, muss ich selbst für unwahrscheinlich halten. Indessen wird es sich andererseits noch fragen, ob denn das Object, an dem sie vorkommen, auch wirklich einfach der Zell- kern ist. Die Antwort auf diese Frage fällt in den zweiten Theil meiner Entgegnungen und wird in dem Folgenden enthalten sein. 19 Ich muss nämlich jetzt zu den Erscheinungen bei der Zelltheilung übergehen. f Bei jeder Zelltheilung verdoppelt sich bekanntlich auch der Zell- kern, und es frägt sich, auf welche Weise dies geschieht. In dieser Beziehung habe ich im zweiten Theil meiner Org. Studien zunächst eine besondere Art der Kernvermehrung beschrieben, welche meiner Auffassung nach im Wesentlichen auf denselben Vorgang hinausläuft, den zuerst, und zwar vor langer Zeit, Reichert in einer Beobach- tung über Eifurchung angenommen hatte, ohne damit Anklang zu finden, und welchen dann Hofmeister für pflanzliche Zellen begrün- dete, nämlich auf eine Auflösung des alten Kerns und Neu- bildung junger Kerne, ein Process, welcher indessen nach meinen Ermittelungen unter sehr eigenthümlichen, sowohl an sich merkwür- digen, wie auch meines Erachtens über die Hauptfragen einige Aufschlüsse liefernden Erscheinungen verläuft. Wegen des Genaueren muss ich auf meine genannte Schrift!) und demnächst zu publiei- rende weitere Mittheilungen verweisen. Hier seien nur in Kürze folgende Hauptpunkte meiner Ergebnisse hervorgehoben, welche in Folgendem bestehen. Bei Beginn des Processes geht zunächst die Kernmembran, wenn eine solche überhaupt vorhan- den war, durch Erweichung und Rückbildung in gewöhn- liches Protoplasma verloren, und zugleich lösen sich im Innern die Nucleoli auf, so dass dann der Kern nur dureh eine mit einem hellen Safte erfüllte Höhle des Proto- plasma dargestellt ist. Durch Contraetionen des letz- teren wird die Höhle spindelförmig. An den Spitzen dieser Spindel beginnt dann der Kernsaft in die Umge- bung zu diffundiren und zwar in der Art, dass er in schmalen, divergirenden Bahnen intermoleculär in das Protoplasma eindringt, alle Körnchen des letzteren auf seinen Bahnen verdrängend, welche hierdurch als helle Strahlen hervorleuchten und übrigens an ihrer Basis zu einem rundlichen hellen Felde verschmelzen. In der Mittelgegend des Kerns geschieht die Vermischung des Kernsafts mit dem Zellplasma vorzugsweise in der Art, dass das letztere von allen Seiten unter Aufsaugung des Kernsafts, gleichsam quellend, in die Kernhöhle eindringt, bis diese ganz davon erfüllt, und damit der letzte Rest des Kerns verschwunden ist. Indem dieser !) Organol. Studien, 2tes Heft. yr 20 Mitteltheil mit den beiden vorher erwähnten Sonnen in Zusammenhang steht, bilden diese Theile zusammen eine helle, homogene, hantelförmige, anihren Köpfenmit Strahlen besetzte Figur, deren Mittelstiel anfangs spin- delförmig ist, später unter fortschreitender Streckung eylindrisch wird, die von mir wegen der Art ihrer Ent- stehung sogenannte karyolytische Figur. Bald nach ihrer Herstellung beginnt die Zelltheilung durch eine vom Rande der Zelle her senkrecht auf den Stiel der Figur vordringende Einschnürung des Protoplasma. Während diesaber geschieht, entstehen durch Neubildungdie bei- den jungen Kerne undzwarso, dass anzwei, nach meinen Erfahrungen immer im Stielder Figur nahe dem Centrum der Zelle gelegenen Punkten, je eine mit Kernsaft sich füllende Vaeuole im hellen Protoplasma auftaucht. Diese rückt dann, lavinenartig wachsend, in das Centrum der Tochterzelle vor, verharrt in dieser Form oft lange, bekommt aber, in nicht ganz niedrig stehenden Organis- men, nachträglich durch inneren Niederschlag einen oder einige Nuceleoli, eventuell auch nachträglich durch Verdiehtung einer Grenzschicht des Protoplasma eine eigene Wandung, und damit ist der Zellkern in optima forma hergestellt. Wegen der in dieser Reihe von Vorgängen auf einander folgenden Kernauflösung und Kernneubildung habe ich diese Art der Kernvermehrung die palingenetische genannt. Diesen Ergebnissen gegenüber sagt nun Strasburger auf S. 181 seiner Schrift: „Etwas der palingenetischen Kernvermehrung Aehn- liches haben wir im Pflanzenreiche nicht aufzuweisen.“ Ich muss nun bekennen, dass es mir schwer verständlich ist, wie der Ver- fasser gegen den Schluss seines Werkes einen solchen Ausspruch thun konnte, da derselbe, auch abgesehen von meinen Ergebnissen an thierischen Eiern, nicht blos den Erfahrungen von Hofmeister und Sachs an Pflanzen, sondern sogar den eigenen Beobachtungen Strasburger’s, die im speciellen Theile derselben Schrift niedergelegt sind, offenbar widerspricht. So erzählt er selbst auf S. 20 von dem befruchteten Ei von Pieea vulg. Folgendes: „Alsbald beginnt aber der Zellkern des Eies zu schwin- „den, wobei seine Masse sich in der Substanz des Eies „vertheilt. Bei schwacher Vergrösserung sieht man ihn dann hin „und wieder als etwas helleren, mehr oder weniger elliptischen Fleck „mit dunkler Umgrenzung, der wohl der Hälfte des ganzen Eies an 21 „Grösse gleich kommen kann. Auf Längsschnitten des Ries „habe ich auf solchen Entwickelungszuständen oft die „Zellkerhmasse radial im Ei vertheilt gesehen.“ Stras- burger ist also in diesem Falle zunächst in Betreff der Karyolyse zu ganz derselben Anschauung gelangt, welche in meiner von ihm kritisirten Schrift entwickelt und begründet ist, und wenn man seine zugehörige Fig. 19 der Tafel II. ansieht, so findet man eine Zeich- nung, welche so sehr meiner karyolytischen Figur, wie ich sie an Nematodeneiern und seitdem auch anderweitig beobachtete, entspricht, wie man es bei wesentlicher Identität des Processes nur irgend wünschen und erwarten kann. Wenn man nun den alten Kern hat „schwinden“ und sich weithin „vertheilen“ sehen und dann in einem späteren Stadium zwei oder mehrere neue Kerne findet, so kann man doch kaum annehmen, dass die letzteren durch Theilung des ersteren, im morphologischen Sinne genommen, sondern wohl nur, dass sie durch neue Ansammlungen, d. h. durch Neubildung, entstanden sind, womit schon dem Begriffe der palingenetischen Kernvermehrung ent- sprochen ist. Und wenn man überdies die frappante Aehnlichkeit der karyolytischen Figuren in Betracht zieht, wird man kaum zweifeln können, dass in allen diesen Fällen auch der Neubildungsprocess der jungen Kerne in der gleichen Weise vor sich geht, und zwar so, wie er an günstigen Objeeten direet @n continuo zu verfolgen ist. Im Grunde genommen ergiebt sich übrigens das Nämliche auch aus allen anderen Beobachtungen Strasburger’s über Zelltheilung, wenn man sie unbefangen prüft und sich namentlich nicht durch die ganz unmotivirte Deutung des bewussten spindelförmigen, längsge- streiften Wesens als Zellkern irre führen lässt, einer Erscheinung, auf welche ich bald zurückkomme. Wenn ich z. B. seine Spirogyra betreffenden Figuren 1—5 der Taf. III. betrachte, so entnehme ich daraus, dass das Zellprotoplasma, längs der Suspensionsfäden hin- gleitend, sich in grösserer Menge um den Kern angehäuft und dass in diesem Protoplasma der Kern sich aufgelöst hat. Und wenn ich dann weiter erfahre, dass nach einer tonnen- oder spindelförmigen Umgestaltung dieser Masse, an den Polen derselben zwei neue Kerne auftreten, während der Mitteltheil gar nicht zur Kernbildung ver- braucht wird, so schliesse ich daraus, dass die beiden jungen Kerne sich aus jener gemischten Masse differenzirt, d. h. neu gebildet haben. Was hat es nun aber mit jenem, anfangs spindelförmigen, dann tonnen- und weiterhin walzen- oder bandförmigen, immer aber fein meridional- oder längsgestreiften und mit dichteren, allmählich sich verschiebenden Querzonen versehenen Wesen auf sich, welches 22 Tschistiakoff, Bütschli, Strasburger und neuestens auch O0. Hertwig') und Mayzel”) beschrieben haben? Hier muss ich nun vor Allem auf Grund meiner Studien über diese Sache hervorheben, dass in den bezüglichen Darstellungen zweierlei mit einander verschmolzen erscheint, was auseinander gehalten werden sollte. Ein Theil der beschriebenen meridionalen Linien nämlich, besonders der an thierischen Eiern zu beobachtenden, bezieht sich nur auf Reihen dunkler, dem Zellprotoplasma einge- betteter Körnchen, welche an der Oberfläche der Spindel liegen und dem Bereiche der strahligen Ausbreitung der karyolytischen Figur angehören. In manchen Eiern nämlich, z. B. auch denen von Phal- lusia, verlaufen die innersten, d. h. der Achse der Figur nächsten Strahlen in nach innen concaven Bogenlinien, welche von einem Pole der Figur bis zum andern reichen, und die in den Zwischen- räumen dieser Strahlen reihenförmig dicht bei einander gelagerten Dotterkügelchen können bei schwächerer Vergrösserung oder nach Anwendung zusammenziehender Reagentien wohl auch als continuir- liche meridionale Linien erscheinen. Allein nach Abzug dieses in einzelnen Fällen zu berücksichti- genden Verhaltens bleibt immer noch in der Hauptsache ein die centrale Tiefe des Objects einnehmender, sehr beachtenswerther Complex von Erscheinungen übrig, welcher in den Darstellungen der oben genannten Autoren entsprechend geschildert ist. Von der Rich- tigkeit dieser Befunde habe ich mich in den letzten Monaten selbst überzeugt, und zwar zuerst an pflanzlichen Präparaten, welche mir Herr Prof. Strasburger theils persönlich demonstrirte, theils zur Untersuchung übersandte, womit er mich sehr zu Danke verpflichtet hat. Denn die Sache ist in der That sehr merkwürdig und für unseren Einblick in die inneren Vorgänge des Zellenlebens gewiss von Belang. So gewiss aber diese Erscheinungen thatsächlich und wichtig sind, so kann ich ihnen doch nicht dieselbe Bedeutung zuschreiben, wie die genannten Forscher. Mir erscheinen sie in einem anderen Lichte und zwar nicht im Widerspruch mit meinen bisherigen Anschauungen. In dieser Beziehung sei es mir gestattet, meine Ansichten hier für diesmal in derselben allgemeinen Form und mit ungefähr denselben Worten auszusprechen, mit welchen ich sie jüngst einem anderen Leserkreise in einer vorläufigen Mit- theilung darlegte ?): '!) Zur Kenntniss ete. Morphol. Jahrbuch, Bd. I. 1875. 2) Centralbl. f. d. medie. W. 1575. No. 50. 3) Centralbl. f. d. medie. W. 1576. No. 1. 23 „Ich glaube nämlich eine Lösung der Widersprüche in solchem Sinne gefunden zu haben, dass die neuerlich entdeckten Erscheinun- gen den von mir angenommenen Process der Karyolyse nicht um- stossen, sondern vielmehr einen vollständigeren, an einem Punkte tiefer vordringenden Einblick in diesen Process vermitteln. Hier kann ich freilich meine Ansicht von der Sache nur in Kürze bezeich- nen und begründen, nämlich folgendermassen: I. Der bewusste längsstreifige Körper ist nicht der Kern, sondern der Mitteltheil der von mir so genannten karyolytischen Figur, also ein Product der Vermischung dereigentlichenKernsubstanzmitdemumgebendenProto- plasma. Die Gründe für diese Annahme liegen in folgenden Umständen. 1) Besagter Körper hat meistens ein grösseres, zuweilen viel grösseres Volumen als der ursprüngliche Kern. Dies geht schon aus der Betrachtung der Abbildungen Bütschli’s, Strasburger’s und Hertwig’shervor, während Mayzel ausdrücklich die vergleichs- weise sehr bedeutende Grösse dieser von ihm als Kerne bezeichneten Gebilde hervorhebt. Auch Tschistiakoff schreibt seinem Pronucleus häufig eine beträchtliche Grösse zu und erwähnt für einzelne Fälle, derselbe verbreitere sich bis beinahe zur Peripherie der Zelle. 2) Dieses Gebilde hat nach übereinstimmenden Angaben nicht eine scharfe, sondern eine sehr verschwommene Begrenzung, was begreiflicher Weise nach meiner Ansicht sehr erklärlich ist. 3) Erst mit oder nach anscheinendem Verschwinden des alten Kerns ist der längsstreifige Körper aufzufinden. Auch dann aber ist er im natürlichen und lebendigen Zustande durchaus nicht von dem umge- benden Protoplasma zu unterscheiden und überhaupt unsichtbar, oder er erscheint höchstens als ein unbestimmt begrenzter, etwas hellerer Fleck. Es bedarf einer Behandlung mit Chemicalien, um eine Differen- zirung im Innern seiner Substanz deutlich zu machen und damit diese centrale Region der Zelle aus der homogenen Umgebung hervorzuheben. Die jetzt kenntlich werdende Structurerscheinung ist aber der optische Ausdruck von gesetzmässigen Formverhältnissen, unter welchen die Vermischung und später wieder die Sonderung der beiderlei Sub- stanzen vor sich geht, von Ungleichmässigkeiten der Vertheilung derselben, wie sie im Anfange und gegen das Ende des Processes natürlicher Weise vorhanden sein müssen, vielleicht aber auch in einem mittleren Zeitraume in gewissem Grade sich erhalten '), und zeigt 1) Dieselbe Deutung ist auch anwendbar auf die Tinetions-Bilder, welche Flemming von Eiern während der Furchung gewonnen hat. Vgl, seine 24 andererseits diejenigen Moleceularverschiebungen an, welche mit der fortschreitenden Längsstreekung des Ganzen zusammenhängen. Im Be- sondern bildet sich gegen das Ende des Processes in der Aequatorial- ebene durch Auspressen des Kernsafts in der Richtung nach den beiden Polen hin eine diehtere Querschicht; diese bleibt bestehen und verhindert als Scheidewand das Zusammenfliessen der beiden jungen Kerne, welche nach meinen, von Hertwig bestätigten Beobachtungen in diesem Mittelstiel der Figur, ziemlich nahe bei einander auftauchen, und enthält zugleich in sich die Trennungsebene der Tochterzellen. 4) Dass der streifige Körper nicht ausschliesslich, ja nicht einmal vorzugsweise aus Kernsubstanzen besteht, zeigt sich auch dadurch, dass seine Hauptmasse gar nicht in die Bildung der jungen Kerne eingeht. Damit komme ich auf den zweiten Hauptpunkt. II. Die jungen Kerne entstehen nicht durch Theilung eines Mutterkerns. Die Beobachtung lehrt nämlich, dass die Substanz des streifigen Wesens nicht in der Bildung der Jungen Kerne aufgeht, dass vielmehr letztere nur an den Polen jenes Gebildes als zwei relativ kleine, kuglige, im natürlichen Zustande helle und homogene Körper sich differenziren, zuweilen deutlich aus kleineren Tröpfehen zusammenfliessend, also als Ansammlungen einer vorher vertheilt gewesenen Substanz sich kundge- bend. Der grössere Rest des bewussten Gebildes aber geht nicht in die neuen Kerne, sondern als ‚Constituens des protoplasmatischen Zellenleibes in diesen über und kommt zum Theil sogar an die Peri- pherie der Tochterzellen zu liegen, wo er bei Pflanzen die Cellulose- membran ausscheiden hilft. Wäre also auch der streifige Körper wirk- lich der Mutterkern, so wäre meines Erachtens dennoch keine Kern- theilung im morphologischen Sinne anzunehmen. Ausserdem aber sind diese Verhältnisse wohl geeignet, meine schon aus den anderen, oben betonten Punkten gezogene Schlussfolge noch mehr zu bekräftigen, dass der streifige Körper ein aus den Kernsubstanzen und dem von den Seiten her in sie eingedrungenen Zell-Protoplasma combinirtes Gebilde ist, also ein integrirender Bestandtheil, und zwar bei manchen Zellen, wie es scheint, der massigste Theil der karyolytischen Figur. Gewiss werden zur völligen und sicheren Aufklärung dieser wich- tigen Vorgänge noch viele mühsame Untersuchungen nöthig sein. Bei diesen Bemühungen dürften aber die hier vorgebrachten Bemer- kungen Berücksichtigung verdienen. Sie sollen darauf aufmerksam „Studien in der Entw.-Gesch. der Najaden.“ Stzber. der Wiener Akad. d. W. Bd. LXXI], Taf. Ill. Fig. 2. (1875.) 25 machen, dass die Annahmen einer Karyolyse und einer Neubildung der Jungen Kerne auch jetzt noch ihre Berechtigung haben und sogar iu den neuerlich ermittelten Thatsachen neue Stützen finden können.“ Für die meisten der in dieser kurzen Aussprache berührten Punkte finden sich auch in Strasburger’s Schrift reichlich Belege, die in meinem Sinne sprechen, und brauche ich nur im Allgemeinen darauf zu verweisen. Die sub I. 3 vorgebrachten Bemerkungen dürften Denjenigen, welche sich mit dem Studium dieser Dinge beschäftigt haben, wohl verständlich sein. Ausführlichere Erläuterungen und Begründungen muss ich mir für einen anderen Ort vorbehalten. Noch sei aber Folgendes hinzugefügt. Die karyolytische Figur oder — wie ich diesen meiner Meinung nach durch Auflösung des Kerns, respective durch reichliche Vermischung mit Kernsaft verän- derten Theil des Zell-Protoplasma künftig der Kürze halber auch nennen werde — das Karyolyma tritt im natürlichen Zustande nur dann deutlich hervor, wenn das übrige Protoplasma zahlreiche dunklere Körnchen enthält, aus welchen sich jenes als ein blasser, homogener Bezirk hervorhebt. Ist das allgemeine Zellprotoplasma hyalin, so kann jenes, wie schon Bütschli bei einer anderen Gelegenheit richtig bemerkt hat, unsichtbar bleiben. Es ist aber in diesem Falle auch möglich, dass wegen anderer Widerstandsverhältnisse die karyo- Iytische Figur eine andere, von der bisher charakteristischen abwei- chende Form annimmt. Die Gestalt könnte sehr wohl, wie bei allen organischen Bildungen, abgestuften Variationen unterworfen, z. B. die Köpfe und Strahlen der Figur sehr klein oder auf Null redueirt sein. Im letzteren Falle würde sich nur ihr Mitteltheil ausbilden und dieser unter dem Einfluss gewisser Reagentien als streifiges Gebilde erscheinende Bezirk das ganze Karyolyma repräsentiren. Es sind das Eventualitäten, welche als positive Vorkommnisse nur aus weiteren Untersuchungen hervorgehen könnten, auf welche indessen vorn herein aufmerksam zu machen, wohl nicht überflüssig ist. Ein Paar besondere Worte verdienen übrigens die Angaben Tschistiakoff’s, welcher von meiner Auffassung wenigstens inso- fern weniger entfernt war, als er den gestreiften Körper nicht einfach mit dem Kerne identifieirte. Wenn er aber angiebt, öfters gesehen zu haben, dass dieses Gebilde sich nachträglich in einen echten „morphologischen“ Nucleus umwandele und ihm deshalb den Namen Pronucleus giebt, so steht dies nicht im Einklange mit allen anderweitigen Beobachtungen. Diese ergeben übereinstimmend wenig- stens so viel, dass der streifige Körper, welcher wegen seiner Ent- stehung auch ein postnueleäres Gebilde ist, gewöhnlich die Bestim- 26 mung hat, sich innerlich in zwei junge Kerne an seinen Polen und in einen mittleren Theil, welcher zur Bildung des Zellenleibes und der Membran der Tochterzellen mit verwandt wird, zu differenziren. Wenn es daher für diesen mittleren, unter Umständen gestreift erscheinenden Theil des Karyolyma eines besonderen Namens bedürfen sollte, so könnte derselbe, sowohl im zeitlichen wie im räumlichen Sinne, passender als Internucleus bezeichnet werden. Schliesslich spreche ich noch den Wunsch aus, dass die obigen Erörterungen allseitig so gänzlich als sachliche, nur zur Förderung der Forschung beigebrachte aufgenommen werden mögen, wie sie meinerseits sine ira, wenn auch cum studio, geschrieben worden sind. Breslau, im December 1875. Anatomie der vegetativen Organe von Dionaea museipula EN. Von Dr. A. Fraustadt. Mit Tafel I. bis III. un Obwohl der Insectenfang durch die Blätter bei derjenigen Pflanze, deren Anatomie den Gegenstand der vorliegenden Abhandlung bildet, bereits im vorigen Jahrhunderte (1771) durch Johann Ellis bekannt gemacht wurde, so erfuhr doch diese Thatsache bei dem damaligen Stande der Naturwissenschaften nicht die gebührende Würdigung. Man sah in der gemachten Beobachtung nur das Sonderbare und liess es dabei bewenden, ohne aus ihr Folgerungen für die Lebens- weise der Pflanzen zu ziehen. Erst durch Darwin') ist die Wich- tigkeit der Insecten fangenden und verzehrenden Pflanzen für die Pflanzenphysiologie erkannt worden. Jedoch berücksichtigt Darwin die anatomischen Verhältnisse nur in so weit, als sie für seine physiologischen Versuche in Betracht kommen, wie dies im Plane seines Buches liegt. Deshalb unternahm ich es im hiesigen pflanzen- physiologischen Institute auf Veranlassung und unter Leitung meines hochverehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. Ferd. Cohn, die Vege- tationsorgane von Dionaea muscipula Ellis vollständig, soweit dies mir möglich war, anatomisch zu untersuchen und die ganze Anatomie derselben in vorliegender Arbeit zusammenzustellen, um so eine Ergänzung zu den bis jetzt bekannten Untersuchungen über Dionaea zu liefern. Vorher aber habe ich es für zweckmässig erachtet, eine vorläufige Orientirung über den Habitus zunächst der ganzen Pflanze und dann im Besonderen eines einzelnen Dronaeablattes zu geben. Habitus von Dionaea muscipula Ell. Diese merkwürdige Pflanze besteht in ihren oberirdischen Theilen nur aus einer grösseren oder !) Charles Darwin. Insectivorous plants. London 1875. geringeren Anzahl grüner, älterer und jüngerer Laubblätter, welche sämmtlich um einen Mittelpunkt herum im Kreise angeordnet sind (Tafel I. Fig. 1.). Die Blätter von Dronaea zeigen ähnliche Nuta- tionserscheinungen wie die von Drosera rotundifolia L.; die älteren, d. h. fertig ausgebildeten Blätter sind niedergebeugt, manchmal sogar den Boden berührend, jedenfalls aber immer einen sehr spitzen Win- kel mit der Horizontalen bildend, während die jüngeren Blätter um so steiler aufgerichtet sind, in einem je unentwickelteren Zustande sie sich noch befinden, und sehr junge, unausgebildete Blätter sogar senkrecht stehen. Der Unterschied der Blätter in Bezug auf Alter und Dimensionen ist bei einem und demselben Exemplare gewöhnlich sehr bedeutend, da diese Pflanze auch in unseren Gärten und selbst bei weniger guter Pflege eine sehr grosse Zahl von Blättern ent- wickelt, wie das namentlich bei den grössten meiner Exemplare in wahrhaft auffallender Weise sich zeigte. Dies dürfte vielleicht mit dem Umstande in Zusammenhang stehen, dass jedes ausgewachsene Blatt nach den Beobachtungen von Dr. Canby und Mrs. Treat nur eine geringe Anzahl Inseeten (meist 3 bis 4) zu fangen vermag. Ich selbst habe beobachtet, dass die grossen Blätter eines sehr kräf- tigen Exemplares zwei bis drei Mal Stückchen festen Eiweisses in sich aufnahmen, bei weiteren Fütterungsversuchen aber abstarben, ohne das Eiweiss verzehrt zu haben. Jedenfalls also fängt und verzehrt jedes Blatt immer nur wenige Insecten, deren Anzahl sich vermuthlich nach ihrer Grösse, oder, was in vielen Fällen das- selbe ist, nach der Menge der Nährstoffe richtet, welche von dem Blatte wirklich aufgenommen werden, so dass unter Umständen ein einziges, grosses Insect schon genügt oder selbst schon für das Blatt zu viel giebt; die Unfähigkeit eines Blattes, sehr viele Thiere zu fangen und zu verdauen, wird durch das schnelle Wachsthum der jüngeren Blätter ausgeglichen. In ihrem Vaterlande, feuchten Gegenden im östlichen Theile von Nord-Carolina, bei guter Cultur auch in unseren Gewächshäusern, erhebt sich aus der Mitte des Blatt- kreises von Dionaea der etwa 15 bis 20 Centimeter hohe Blüthen- schaft. Derselbe ist von Ellis') beschrieben worden, ich selbst hatte ihn zu untersuchen noch keine Gelegenheit. 1) Joh. Ellis soe. reg. seient, Lond. et Upsal. sod. de Dionaea museipula planta irritabili nuper deteeta ad perill. Car, a Linne Equ. s. r. m. Sueciae archiat. med. et bot. prof. Upsaliensem & c. epistola. — Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von D. Johann Christian Daniel Schreber. Erlangen 1771. 29 Habitus eines Dionaeablattes. Hier verdient zunächst der Blatt- stiel eine besondere, ausführlichere Betrachtung; denn er übertrifft an Djmenßionen die Blattspreite selbst immer bedeutend; er ist breit geflügelt (Tafel I. Figur 1), d. h. zu beiden Seiten der sehr kräftig entwickelten Mittelrippe in einen dünnen, flachen, grünen Saum erweitert, welcher vom Grunde des Blattstieles an bis zu dessen Spitze allmählich an Breite zunimmt und an der Spitze gerade abgestutzt ist, so dass er die Gestalt eines langen schmalen Keiles besitzt, dessen beide Ecken oben schwach abgerundet sind (Taf. III. Fig. 3). In der Regel ist der Blattstiel ganzrandig, schwach nach abwärts gebogen, auf der Oberseite meist etwas dunkler grün gefärbt, als auf der unteren; sein Querschnitt ist auf der Oberseite fast eben, während auf der unteren Seite die Mittelrippe, welche durch seine ganze Länge hindurch in gleichmässiger Stärke verläuft, halb eylin- derförmig, also im Querschnitte halbkreisförmig vorspringt. Aus der Spitze des Blattstieles austretend, verläuft die Mittelrippe eine kleine Strecke, beim völlig ausgewachsenen Blatte nur etwa einen Milli- meter ungeflügelt und setzt sich sodann in die Lamina fort, an deren Spitze sie als noch kürzere, stumpfe Hervorragung endet. (Tafel I. Fig. 3 bei e.) Auf der Unterseite der Lamina springt sie ebenso stark vor, wie auf derjenigen des Blattstieles, und ist dabei schwach nach abwärts gekrümmt. Die Lamina selbst wird gewöhn- lich schlechthin als rundlich und zweilappig bezeichnet; genauer lässt sie sich immer betrachten als bestehend aus zwei trapezförmi- gen Hälften, die mit ihren kleineren Grundlinien in der Mittelrippe zusammenstossen, während die beiden anderen grösseren Grundlinien durch flache Kreisbogen gebildet sind. Das sind zugleich die beiden einzigen krummen Theile des Randes der Blattspreite, während der- selbe an der Basis und an der Spitze vollkommen geradlinig ist. Die gekrümmten Ränder sind ausserdem in eine Anzahl (15—20) lange, schlanke, spitzige und sehr feste Fortsätze ausgezogen, welche Borsten oder Spitzen (sp«%kes nach Darwin) genannt und von mir in der Folge als Randborsten bezeichnet werden mögen, während der geradlinige obere und untere Rand des Blattes derselben voll- ständig entbehrt. (Taf. I. Fig. 3.) Die Randborsten sind nicht alle von gleicher Grösse, die mittleren auf jeder Seite sind die dieksten und längsten, von da nimmt ihre Grösse nach beiden Seiten hin nahezu gleichmässig ak. Nur der Unterschied in der Länge zwischen den mittleren und den äusseren ist bei ver- schiedenen Blättern verschieden gross und bei älteren grösser, als bei den jüngeren. Die Zwischenräume zwischen den Randborsten 30 sind durch stumpfe, am Grunde fast halbkreisförmige Ausschnitte gebildet. Die beiden Hälften der Lamina rechts und links von der Mittel- rippe liegen, wenn das Blatt geöffnet ist, nicht, wie bei den Blättern so vieler anderer Pflanzen, in einer Ebene, sondern bilden einen spitzen Winkel mit einander, welchen Darwin in einem Falle zu 80°” gemessen hat. Ungefähr in der Mitte ihrer Oberseite trägt jede Blattspreiten- hälfte ausserdem noch drei den Randborsten äusserlich ähnliche, aber schwächere, kürzere und nicht so starre haarförmige Gebilde, welche wir später als Mittelborsten näher kennen lernen werden. Dieselben sind unter sich von einerlei Stärke und Länge; bei sämmt- lichen von mir zu anatomischen Zwecken untersuchten Blättern dieser Pflanze fand ich sie stets in ein Dreieck gestellt (Taf. I. Fig. 3 bei mb), und zwar so, dass die die Spitze dieses Dreiecks bildende Mittel- borste der Mittellinie des Blattes zugekehrt ist und die Verbindungs- linie der beiden anderen Mittelborsten derselben ungefähr parallel geht. Auch fand ich nie mehr und nie weniger als drei Mittelbor- sten, doch hat Darwin zwei Blätter mit vier und eins mit nur zwei Mittelborsten gesehen, er giebt indessen nicht die Stellung derselben in diesen abnormen Fällen — wie ich sie bezeichnen möchte — an. Wenn sich ein Blatt nach Berührung einer dieser sechs Mittel- borsten schliesst, wobei sich seine beiden Hälften um die Mittel- rippe als Axe gegen einander bewegen und sich zusammenlegen, so greifen die Randborsten dergestalt in einander ein, dass eine jede in den Zwischenraum zweier der anderen Laminahälfte zu liegen kommt. Die Ober- oder im geschlossenen Zustande die Innenfläche der Lamina ist mit zahlreichen Pünktchen dicht besetzt, welche wir weiter unten als Drüsen kennen lernen werden. (Taf. I. Fig. 3 bei d.) In kräftig vegetirenden Blättern sind dieselben roth; von ihnen abge- sehen ist das ganze übrige Blatt einförmig grün gefärbt, während Ellis, der diese Pflanze zuerst beobachtete und beschrieb, in seiner oben angeführten Schrift den mit Borsten besetzten Rand und die Mittelrippe auf der Unterseite der Lamina gelb gezeichnet hat, was ich niemals beobachtet habe. Bei weniger gut gedeihenden und minder reizbaren Blättern haben die Drüsen keine oder nur schr schwache rothe Färbung; im letzteren Falle ist dann auch die Ober- seite der Lamina einförmig grün. Um endlich noch der Dimensionen des Blattes mit wenigen Wor- ten zu gedenken, so giebt William Young aus Philadelphia, wie 31 Ellis anführt, die Länge der grössten Blätter, die ihm vorgekommen, zu ungefähr drei engl. Zoll (jedenfalls inel. Blattstiel) und ihre Breite zu anderthalb Zoll an. Das grösste. Blatt von fünf Exemplaren, welches ich selbst gemessen habe und welches von einem überaus kräftigen und reizbaren Exemplare stammte, das ich durch die Güte des Herrn Geh. Rath Göppert aus dem hiesigen Königlichen botani- schen Garten der Universität zur Untersuchung erhielt, hatte folgende Dimensionen: Die Länge der Lamina in der Mittelrippe betrug 13 Millimeter, die Länge des die Borsten tragenden Randes (die Sehne des gebogenen Randes gemessen) betrug 20 und die Breite jeder Hälfte der Lamina in der Mitte (die Randborsten abgerechnet) 15 Millimeter. Bei vier anderen kleineren Exemplaren, welche aus Erfurt bezogen wurden, betrugen dieselben Dimensionen durchschnitt- lich etwa 1 Centimeter, und einige Blätter eines anderen Exemplares, deren Entwickelung ich bis zur fertigen Ausbildung verfolgt habe, erreichten ihre definitive Gestalt schon bei folgenden, bescheidenen Dimensionen: Länge der Blattspreite in der Mitte 4 Millimeter, in dem borstentragenden Rande 5 Millimeter, Breite jeder Laminahälfte nur 2 Millimeter. Hierbei will ich bemerken, dass in den aus Erfurt bezogenen Pflanzen fast sämmtliche Blätter je ein Thierchen eingeschlossen und mehr oder minder verdaut hatten; jedoch waren es nicht, wie man nach den gewöhnlichen Angaben über die Nahrung dieser Pflanze vermuthen sollte, geflügelte Inseeten, sondern theils Asseln, theils Myriapoden (Oniscus und Poly- desmus), welche auf dem Boden kriechen und Schlupfwinkel auf- suchen, und es ist zu vermuthen, dass diese Thierchen den auf dem Boden ausgebreiteten Biättern leichter zur Beute werden, als die in der Luft umherfliegenden Insecten. Oberflächen- Verhältnisse der Lamina. Wir haben oben gese- hen, dass die beiden Hälften der Lamina nicht in einer Ebene liegen, sondern einen spitzen Winkel mit einander bilden. Eben so ist jede Hälfte der Blattspreite für sich betrachtet selbst im geöff- neten Zustande des Blattes keine völlig ebene Fläche, wie man an grossen Blättern schon mit blossem Auge erkennen kann, in jedem Falle aber ein Querschnitt durch die ganze Lamina deutlich zeigt. Jede Blatthälfte ist in ihrem der Mittelrippe anliegenden Theile schwach und unten und aussen eonvex; unter den Borsten des Ran- des dagegen entgegengesetzt gebogen, nämlich nach oben und innen convex (Taf. I. Fig. 2 bei l und v). Beide so gebildete Biegungen laufen fast durch die ganze Länge der Lamina bis an den grad- linigen Rand; die Krümmung nahe der Mittelrippe ist die breitere, 32 während die entgegengesetzte Biegung am Rande nur einen langen, schmalen Streifen einnimmt. Die Convexität der Blattfläche nach aussen vergrössert sich nun, wenn das Blatt ein Thier gefangen oder über einer anderen organischen Substanz sich geschlossen hat, so dass man ungefähr die Grösse und die Umrisse der eingeschlos- senen Nahrung von aussen her erkennen kann. Darwin hat sogar die Grösse der Einwärtskrümmung beim geschlossenen Blatte gemes- sen, indem er an verschiedenen Stellen der Blattfläche feine schwarze Punkte verzeichnete, deren Abstand zuerst an dem geöffneten Blatte bestimmte, und dann, wenn das Blatt gereizt worden war und sich geschlossen hatte. Da die Randborsten beim geschlossenen Blatte in einander greifen, so wird ausser der grossen Höhlung, in welcher die Nahrung eingeschlossen gehalten wird (Taf. I. Fig. 2 bei hg), noch eine zweite, eben so lange, jedoch viel schmälere unter der Kreuzungsstelle der Randborsten gebildet. (Taf. I. Fig. 2 bei hk.) Der Verschluss erfolgt an dem gekrümmten, mit Borsten besetzten Saume durch die nach innen convexe Region nahe dem Blattrande, dagegen an den beiden geradlinigen, nicht mit Borsten besetzten Säumen durch den Rand selbst. Schliesslich möchte ich noch hervor- heben, dass dieselben Verhältnisse der Krümmung der Blattfläche und die nämliche Art des Verschlusses schon bei den eben fertig aus- gebildeten Blättern beobachtet werden, ehe dieselben sich geöffnet, mithin noch keine thierische Nahrung zu sich genommen haben. An dieser Stelle will ich auch betonen, was meiner Ansicht nach noch nicht genug hervorgehoben ist, dass sich die Blätter von Dionaea einerseits nach der Berührung einer der Mittelborsten augen- blieklich schliessen, ohne die eben geschilderten Formen der Laminaoberfläche dabei zu verändern, dass andererseits die Blätter durch den chemischen Reiz, welcher von der Absorption organischer Stoffe dureh die Drüsen hervorgerufen wird, sich, jedoch nur sehr langsam und allmählich schliessen, dabei aber ihre Oberfläche in so weit verändern, als sie, der organischen Substanz sich dicht anlegend, nach aussen eine grössere Convexitätannehmen. Dabei machte ich noch die Beobachtung, dass Blätter, welche für den mechanischen Reiz, hervorgerufen durch Berührung einer Mittelborste, ganz un- empfindlich waren und sich selbst nach starker Berührung aller sechs Mittelborsten nach einander nicht schlossen, dennoch auf den chemi- schen Reiz nach längerer oder kürzerer Zeit reagirten, die Drüsen zur Secernirung veranlassten und die Lamina zwar langsam aber vollständig schliessen machten. » Die Epidermis der Blattspreite besteht sowohl auf der Ober- (oder Innen-), als auch auf der Unter- (oder Aussen-) Seite im All- gemeinen aus viereckigen, etwas gestreckten Zellen, welche sich an ihren beiden schmäleren Enden theils mit geraden, theils mit schiefen, manchmal sogar mit sehr schrägen Wänden begrenzen (Taf. I. Fig. 4 bei e), Die Längsrichtung der Epidermiszellen folgt in der sehr stark entwickelten Mittelrippe der Längsaxe des Blattes (Taf. II. Fig. 1 bei em); in den beiden Hälften der Lamina ist sie senkrecht zu dieser Richtung (Taf. II. Fig. 1 bei el), so dass also hier die Epidermiszellen alle gewissermassen gegen die Mittelrippe hin gerich- tet sind. Zwischen beiden Theilen liegen Bogenreihen von Epi- dermiszellen, die nach der Blattbasis hin gekrümmt sind (Taf. II. Fig. 1 bei ez). Am gekrümmten Rande der Lamina, zwischen je zwei Randborsten, haben jedoch die Zellen der Oberhaut die ver- schiedenste Lage und Gestalt, sind zum Theil kurz und besitzen manchmal unregelmässig gebogene Zellwände. Diese Gruppen anders gestalteter Epidermiszellen liegen zwischen verlängerten Zellenreihen, welche, aus der Mitte der Lamina kommend, sich daselbst theilen und über die Randborsten hin sich fortsetzen. Auf der Oberseite ausgewachsener Blätter sind die Epidermiszellen meist höher, oft auch breiter, als auf der Unterseite der Lamina (Taf. II. Fig. 3 und 7). Alle Epidermiszellen sind an ihrer freien Oberfläche stark eutieula- risirt und enthalten Chlorophyllkörner in sehr grosser Anzahl, welche rundlich und durchscheinend sind, und in dem Falle, dass das betreffende Blatt noch keine thierische, überhaupt organische Nahrung absorbirt hat, sehr viele Stärke- körner enthalten, wie weiter unten, wo von der Einwirkung chemischer Reagenzien gehandelt werden wird, ausführlicher ange- geben werden soll. Die Epidermiszellen der Randborsten enthalten weniger Chlorophyll und erscheinen deshalb auch nicht so intensiv gefärbt, wie die übrigen grünen Theile des Blattes. Erzeugnisse der Epidermis. Drüsen. Sehr viele Epidermiszellen von der Oberseite der Lamina sind Träger der Drüsen. Diese sondern, nachdem das Blatt ein Thierchen gefangen hat, oder wenn ihm eine andere stickstoffhaltige organische Nahrung, die aber feucht sein muss, gereicht worden ist, einen farblosen, etwas schleimigen, sauer reagirenden Saft aus, welcher die Auflösung der Nahrung bewirkt. In allen anderen Fällen, also auch, wenn ein Blatt in Folge mechanischer Reizung sich geschlossen hat, und selbst dann, wenn die stickstoffhaltige organische Substanz nicht feucht ist, secer- niren die Drüsen nicht und die Blattoberfläche bleibt vollkommen Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band I. Heft I, 3 34 trocken '). Die Drüsen sind aber nicht über die ganze obere Fläche der Lamina gleichmässig verbreitet, sie nehmen allerdings den grössten Theil derselben ein, lassen aber auf allen vier Seiten einer seitlichen Blattspreitenhälfte, d. h. also unter den Randborsten, über der Mittel- rippe, an der Basis und an der Spitze desselben einen schmalen Rand frei. Besonders zahlreich stehen die Drüsen gegen die Mittelrippe hin und hier zuweilen so dicht bei einander, dass sie sich mit ihren Rändern berühren. In der oberen Hälfte jeder Blatthälfte in der Nähe des gekrümmten und mit Borsten besetzten Randes stehen die Drüsen sparsam und mehr vereinzelt (Taf. I. Fig. 3 bei d); sie stehen also zweekmässiger Weise da am dichtesten, wohin gewöhnlich das gefan- gene Thier oder die dem Blatte gegebene organische Nahrung zu liegen kommt. Abgesehen davon habe ich eine Gesetzmässigkeit der Anordnung der Drüsen nicht auffinden können. Jedenfalls entstehen die Drüsen in Reihen, wie die Epidermiszellen, deren Erzeugnisse sie sind; doch hat die verschiedene Häufigkeit der Drüsen an ver- schiedenen Stellen des Blattes ihre reihenweise Anordnung ganz verwischt und unmerkbar gemacht. Jede einzelne Drüse befindet sich in einer ee Einsenkung der Epidermis, so dass die letztere zwischen zwei benachbarten Drüsen eine flache Erhebung bildet, was man besonders gut auf einem Querschnitte durch die Lamina beobachten kann. Mitunter ist die Oberfläche dieser Einsenkung der Unterfläche der Drüsen genau entsprechend gebogen, so dass sie gewissermassen einen Hohl- druck derselben darstellt. Jede Drüse von der Fläche gesehen ist kreisrund (Taf. I. Fig. 4 bei d) und besteht aus drei concentrischen Zellreihen, deren innerste, eigentlich eine Zellschicht, aus vier poly- gonalen Zellen besteht, welche in der Mitte in Kreuzform zusammen- stossen. Die nächst äussere sie umgebende Zellreihe besteht aus acht Zellen und die äusserste enthält deren sechszehn; doch kommen hin und wieder Unregelmässigkeiten und Ausnahmen von diesem Typus vor, auch sind die Zellen einer ringförmigen Reihe bisweilen verschieden gross und auch sonst einander ungleich. Drüsen von oben gesehen zeigen natürlich nur die Zellen der oberen Schicht des Drüsenkörpers. Im Längsschnitte betrachtet besteht jede Drüse im fertigen Zustande immer aus drei Theilen, von denen der erste in der Epidermis selbst steckt, nämlich: 1) dem Basaltheil der Drüse (Taf. I. Fig. 8 bei b), 2) dem Drüsenstiele (Taf. I. Fig. 8 bei st) und 3) dem Drüsenkörper (Taf. I. Fig. 3 bei k). n Darwin |, c. p. 295. 35 Der Basaltheil der Drüse hat ungefähr die Gestalt eines niedrigen, abgestumpften Kegels, der Ellipsen zu Grundflächen hat. Die grösste Axe desselben folgt der Längsrichtung der Epidermiszellen. Daher erscheint der Basaltheil in längs durchschnittenen Drüsen stets nach unten zu deutlich verbreitert und zeigt im Umrisse die Form eines Trapezes; er besteht aus einem Zellenpaar; die primäre Basalzelle wird durch eine senkrecht auf der Blattfläche stehende *Längs- scheidewand, welche der Längsrichtung der Epidermiszellen parallel geht, nochmals in zwei Zellen getheilt. Da nun aber die Zellen der Oberhaut, wie wir gesehen haben, in der Mittelrippe der Längsaxe des Blattes folgen, sonst in der Lamina senkrecht darauf stehen, so ergiebt sich daraus von selbst, dass man auf Blattquerschnitten, welche Drüsen längs durchschnitten haben, jene Zellwand nur in denjenigen Drüsen sieht, welche auf der Mittelrippe liegen, weil sie nur hier vom Schnitte getroffen wird, dagegen auf den übrigen Thei- len der Lamina der Schnittfläche parallel geht, und umgekehrt sieht man sie auf Längsschnitten durch das Blatt nur in den Drüsen auf den beiden Seitenhälften der Lamina (Taf. II. Fig. 7) und nicht in denjenigen der Mittelrippe. Der Drüsenstiel, welcher auf diesen beiden Zellen aufsitzt und über die freie Oberfläche der Epidermiszellen emporragt, besteht aus zwei niedrigen, neben einander liegenden und nach oben schwach gewölbten Zellen (Taf. I. Fig. 8 bei st und Taf. II. Fig. 7 bei dr), von deren gemeinsamer Wandung ganz dasselbe gilt, was soeben von den Basalzellen angegeben wurde. Da nun zugleich jede der beiden Zellen des Stieles von oben gesehen ungefähr halbkreisförmig ist, so sehen Drüsenstiele, deren zugehörige Drüsen abgefallen sind, Spaltöffnungen nicht unähnlich (Taf. I. Fig. 4 bei ds) und können, oberflächlieh betrachtet, um so mehr zu Täuschungen Veranlassung geben, als wirkliche Spaltöffnungen auf dieser Stelle der Blattober- seite, wie später gezeigt werden wird, überhaupt nicht vorhanden sind. Häufig wird der Drüsenkörper durch rauhe Berührung der Blattimnenfläche von seinem Stiele abgetrennt. Dasseibe gelingt auch, wenn das Blatt und demnach die darauf befindlichen Drüsen einiger- massen gross sind, durch vorsichtiges Schaben mit einem scharfen Messer, und man kann so die Drüsenstiele von oben her in grösserer Anzahl in ihrer Spaltöffnungen ähnlichen Gestaltung sehen. Der eigentliche Drüsenkörper selbst endlich, welcher auf dem Stiele mit breiter Basis aufsitzt, besteht aus zwei übereinander lie- genden und wie die obere Fläche der Stielzellen nach oben gewölb- ten Zellenschichten (Taf. I. Fig. 8 bei k), deren obere fast um die I% o 36 Breite ihrer Randzellen die unter ihr liegende überragt. Die Rand- zellen der unteren Schicht des Drüsenkörpers sind am stärksten nach oben, diejenigen der oberen Schicht sehr stark nach auswärts ge: krümmt. Die Zellen des Drüsenkörpers sind bei kräftig vegetirenden Pflanzen mit einer schön purpurrothen, sonst aber mit farbloser Flüssigkeit erfüllt und enthalten keine Stärke. Was die Entwickelungsgeschichte der Drüsen anbetrifft, so ist dieselbe ziemlich einfach und leicht zu beobachten. Die Drüsen bilden sich aus einer Epidermiszelle durch eine papillenartige Aus- stülpung derselben (Taf. I. Fig. 5 bei a), welche sich durch eine Querscheidewand parallel der Oberfläche des Blattes abgrenzt. Die untere der beiden so entstandenen Zellen wird zum Basaltheil der Drüse; sie verbreitert sich später nach unten und theilt sich durch eine Längsscheidewand senkrecht auf der Blattfläche und parallel der Längsrichtung der Epidermiszellen. Die obere Zelle theilt sich da- gegen nochmals durch zwei Querscheidewände parallel der Blattober- fläche in drei über einander liegende Zellen, von denen die unterste sich durch eine Längswand noch einmal theilt und zum Drüsenstiele sich ausbildet,, während die beiden obersten den eigentlichen Drüsen- körper darstellen, indem sie sich noch durch verschiedentlich gestellte Zellwände, die aber sämmtlich zur Blattfläche senkrecht sind, in un- regelmässiger Reihenfolge in diejenigen polygonalen Zellen theilen, welche wir schon oben kennen gelernt haben. Wie die roth gefärbten Zellen in den Köpfehenhaaren von Dro- sera, so zeigen auch die Zellen der Drüsen auf der Blattoberseite von Drionaea die eigenthümliche Erscheinung der von Darwin ent- deekten Aggregation '). Darunter versteht man bekanntlich die ziem- lich raschen und unregelmässigen Gestaltveränderungen des rothen, von Darwin als Protoplasma betrachteten Farbstoffes, deren Ueber- tragung auf die benachbarten Zellen der Fortpflanzungsrichtung des Reizes folgt. Wie dort, so beginnt auch hier bei Dronaea, wie ich selbst noch beobachtet habe, die Aggregation jeder Drüsenzelle ge- wöhnlich mit der Zusammenziehung des rothen Farbstoffes, der dabei die verschiedensten Formveränderungen durchmacht, sich dann in mehrere Stücke theilt, die sich entweder wiederum theilen oder deren mehrere zu einem grösseren zusammenfliessen. Dabei macht sich ähnliche Mannigfaltigkeit geltend, wie Darwin an Drosera rotun- difolia L. sehr ausführlich beschrieben und durch Zeichnungen er- läutert hat. I) Darwin], ec. cap. III. p. 38 seq. 37 Indem ich gefärbte Nahrungsstoffe auf die Blätter brachte, gelang es mir, auch die Drüsenzellen selbst zu färben. Auf drei Blätter wurden kleine Stückchen von geronnenem und durch Anilinroth tief gefärbtem Eiweiss aufgelegt. Sämmtliche Blät- ter blieben nach diesem Versuche noch geöflnet, eines von ihnen schloss sich erst nach 24 Stunden zwar sehr langsam aber vollständig, desgleichen das zweite nach Verlauf von abermals 24 Stunden, und end- lich 6 Stunden später auch das letzte von ihnen. Die während der ganzen Zeit constante Temperatur betrug + 28° C., indem die Pflanzen in einem Heizkasten bei dieser Temperatur feucht gehalten wurden. Nach acht Tagen öffnete sich das Blatt, welches sich zuerst geschlossen hatte; das Eiweiss war vollständig verschwunden, die Blattoberseite schon wieder völlig trocken und mit zahlreichen rothen Pünktchen bedeckt, während sie vor dem Versuche gleichmässig grün war, da die Drü- sen ursprünglich farblosen Zellinhalt besessen hatten. Besonders lebhaft gefärbt war in jeder Drüsenzelle nach dem Versuche ein grosser rundlicher Körper, wahrscheinlich der Zellkern (Taf. I. Fig. 4 bei d); das ganze ührige Gewebe des Blattes hatte von der rothen Färbung nichts angenommen oder zeigte doch nichts mehr davon, ausgenommen einige peripherische Gefässe aus dem mittleren grossen Gefässbündel des Blattstieles, welche ebenfalls durch das Anilin roth gefärbt waren, jedoch mit einer gelblichen Nuance gegen die Drüsen- zellen. Die auf solche Weise bewirkte Wiederfärbung der Drüsen hält sich sehr gut; sie ist jetzt, 14 Wochen nach den eben be- schriebenen Versuchen noch recht deutlich zu erkennen und hat nur durch das Aufbewahren der Präparate in Glycerin sowohl, als auch durch das Liegen eines Restes jenes Blattes in absolutem Alkohol seit jener Zeit einen Stich ins Bläuliche angenommen. Ein zweiter Versuch an anderen Blättern, wobei unter übrigens gleichen Um- ständen Saffran als Färbemittel angewendet wurde, gelang weniger gut, denn die Drüsenzellen waren wohl gelblich, doch nicht so in- tensiv gefärbt, wie in dem ersten Versuche, auch konnte ich eine Färbung der übrigen Theile des Blattes, namentlich der Gefässbün- del, in diesem Falle nicht deutlich beobachten. Die Sternhaare. Wie die Oberseite der Lamina zahlreiche Drüsen, so trägt die Unterseite derselben sternförmige, meist achtstrahlige Gebilde, welche, gleich den Drüsen, den morphologischen Werth von Trichomen haben. Da ihre Zeilen röthlichbraun oder orange gefärbt sind, so werden die Sternhaare erst mit Hilfe des Mikroskopes sichtbar, wie die ungefärbten Drüsen. Wie diese, so sind auch die Sternhaare nicht über die ganze Unterfläche der Lamina gleichmässig verbreitet, 38 > sondern sie sind am häufigsten auf der Mittelrippe, während die Drüsen zu beiden Seiten derselben am gedrängtesten und zahlreichsten stehen. Auf denselben Stellen der Unterseite aber finden sich nur wenige und zerstreute Sternhaare und ebenso sind dieselben auf den Randborsten und zwar auf allen Seiten derselben, also auch in diesem Falle auf der Blattinnenfläche anzutreffen. Auf der eigent- lichen Ober- oder Innenseite des Blattes habe ich niemals Stern- haare aufgefunden. Dagegen findet sich im Scheitel des Win- kels, den je zwei Randborsten bilden, regelmässig ein Sternhaar. (Taf. I. Fig. 3 bei s.) Bei jüngeren Blättern sitzen diese Stern- haare an der tiefsten Stelle des Zwischenraumes zwischen den ein- zelnen Randborsten, bei älteren Blättern dagegen findet sich zwischen den mittelsten, also grössten Randborsten eine niedrige, stumpf- pyramidale Erhebung des Blattgewebes bedeckt von der Epidermis, und trägt, wo sie vorhanden, auf ihrer Spitze das Sternhaar, Wenn man ein kleines, aber völlig entwickeltes Blatt in der Mittelrippe spaltet und dann eine Hälfte nach mehrtägigem Liegen in absolutem Alkohol mit einer schwachen Vergrösserung (etwa 30) betrachtet, womit man den gewimperten Rand zum grössten Theile übersehen kann, so gewährt die Regelmässigkeit der Lage je eines Sternhaares zwischen zwei Randborsten einen recht zierlichen Anblick (Taf. I. Fig. 3), um so mehr, als die Zellen der Sternhaare ihren röthlich- braunen Inhalt nicht verlieren, während das ganze übrige Blatt durch den Alkohol entfärbt wird. Der anatomische Bau der Sternhaare ist ganz ähnlich demjenigen der Drüsen auf der Oberseite, deren homologe Vertreter auf der Unterseite sie sind. Die beiden Basalzellen und die des Stieles stimmen in Form und Lage, wie namentlich auch in der Richtung ihrer gemeinsamen Wandung vollständig mit denen der Drüsen über- ein (Taf. I. Fig. 10 bei sb und sst), so dass also der Unterschied zwischen Drüsen- und Sternhaaren wesentlich nur in dem oberen, von dem Stiele getragenen und über die Epidermis emporragen- den Theile liegt. Derselbe besteht ebenfalls aus zwei übereinan- der befindlichen Zellschiehten, welehe nur wenige, um einen Punkt strahlenförmig angeordnete Zellen besitzen. Die Zellen der unteren Schieht bleiben kurz, diejenigen der oberen dagegen wachsen in 4 bis $ lange, gleichmässig dicke, daher am freien Ende stumpfe Schläuche aus, die im fertigen Zustande unter einem spitzen Winkel gegen die Oberfläche des Blattes aufgerichtet sind (Taf. I. Fig. 10). Der röth- lichbraune Inhalt derselben wird durch Alkohol und Glycerin zusammen- gezogen und nimmt dabei eine dunklere bis braunschwarze Färbung an, > Die Entwickelungsgeschichte der Sternhaare zu beobachten war mir noch nicht möglich; dieselben entstehen sehr viel früher, als die Drüsen, so dass sie auf den jüngsten, dem blossen Auge überhaupt noch sichtbaren Blättern, welche, wie erst das Mikroskop zeigt, fast allein aus der späteren Mittelrippe bestehen, schon in der fer- tigen Form vorkommen und zwar auffallender Weise in solcher Häufigkeit auftreten, dass sie sich auf Längs- wie auf Querschnitten durch ein solches junges Blatt zum Theil verdecken und das junge Blatt wie mit eineın dichten Pelze von Sternhaaren gleichsam ein- gehüllt ist. Die Drüsen sind in diesem Alter noch nicht einmal durch Ausstülpung der Epidermiszellen angelegt. Ich zweifle indessen nicht, dass die Entwickelung der Sternhaare denselben Verlauf nimmt, wie diejenige der Drüsenhaare, von denen sie sich nur durch die geringere Zahl und die Gestalt der beiden obersten Zellschichten unterscheiden. Die Sternhaare besitzen keine so lange Lebensdauer, wie die Drüsen, indem sie vielmehr bald vertrocknen und abfallen. Man bemerkt dies natürlich am leichtesten auf den Randborsten und an den Sternhaaren zwischen denselben, wo dann an der tiefsten Stelle zwischen den Randborsten oder auf der pyramidenförmigen Erhebung zwischen ihnen nur noch die Stiele der Sternhaare zu sehen sind, gerade so wie bei den zufälligerweise und mit Gewalt abgestreiften Drüsen. Die physiologische Bedeutung der Sternhaare betreffend, so hat sich Darwin ohne allen Erfolg, wie er selbst sagt, bemüht, irgend eine Function derselben bei der Ernährung der Pflanzen durch or- ganische Substanz aufzufinden. Alle seine Versuche, die er ange- stellt hat, um zu erfahren, ob die Sternhaare organische Nahrung absorbiren könnten, ergaben negative Resultate. Es ist in der That unwahrscheinlich, dass die Sternhaare zu der Ernährung der Blätter durch Thiere in irgendwelcher Beziehung stehen; denn in diesem Falle stünden sie gerade dort, wo sie am allerentbehrlichsten sind, nämlich auf der Unterseite der Lamina, auf den Randborsien, zwischen ihnen und, wie ich später noch zeigen werde, auf dem Blattstiele, der weder reizbar ist, noch auch irgendwelche organische Substanz selbstständig aufzunehmen vermag, die ihm nicht aus der Lamina zugeführt wird. Hervorzuheben ist, dass die Sternhaare gerade an denjenigen Stellen des Blattes vorkommen, wo auch die Spaltöffnungen liegen. Die Spaltöffnungen fehlen der Oberseite der Lamina, wenn wir ‚von den Randborsten absehen, durchweg, dagegen sind sie zahlreich auf der Unterseite zu finden, auch auf den Randborsten, wo sie, wie die 40 Steruhaare, nicht bloss auf der äusseren Fläche derselben, sondern rings um dieselben, also auch auf der Oberseite der Randborsten stehen. Am häufigsten sind aber die Spaltöffnungen, wieder wie die Sternhaare, in der Nähe der Mittelrippe der Unterseite und auf dieser selbst, wo sie deutlich in Reihen stehen. Wie die Epidermiszellen zwischen der Mittelrippe und den Lappen der Lamina in Bogen an- geordnet sind, so folgen auch die Spalten dieser Richtung, haben also an verschiedenen Stellen eine verschiedene Lage (Taf. II. Fig. 1 bei sp), die scheinbar ganz unregelmässig wäre, wenn man von der- jenigen der anliegenden Zellen der Oberhaut absähe. Das vollstän- dige Fehlen der Spaltöffnungen auf der Oberseite der Lamina darf meiner Ansicht nach nicht Wunder nehmen; denn die Spaltöffnungen stehen bekanntlich „da am häufigsten, wo ein lebhafter Austausch der Gase zwischen der Pflanze und der umgebenden Luft stattfindet, denn sie sind physiologisch genommen nichts Anderes als die Aus- gänge der Intercellularräume des inneren Gewebes, die sich stellen- weise zwischen den Epidermiszellen nach aussen öffnen').“ Die Er- nährung durch die Blätter scheint vielmehr dermassen vertheilt zu sein, dass diejenige durch organische Körper, gewöhnlich Thiere, ausschliesslich von der Oberseite besorgt wird, während daneben noch die Aufnahme anorganischer, luftförmiger Verbindungen der Unter- seite der Lamina und beiden Seiten des Blattstieles, welcher vielleicht dafür ausnahmsweise so breit entwickelt ist, zukommt. Auch besitzt die Oberseite der Lamina auf den Randborsten, welche selbst nach dem Verschlusse des Blattes noch der äusseren Luft auf allen Seiten ausgesetzt sind, Spaltöffnungen, durch die auch ein Gasaustausch stattfinden kann. Die den Schliesszellen der Spaltöffnungen benachbarten Epidermis- zellen sind nicht anders gestaltet, als die übrigen Zellen der Ober- haut und namentlich ebenso langgestreckt (Taf. II. Fig. 1). Die Schliesszellen der Spaltöffnungen selbst haben von der Fläche ge- sehen die gewöhnliche halbmondförmige Gestalt, sind nach oben schwach gewölbt und gleichen von der Seite gesehen einem Ring- ausschnitte (Taf. I. Fig. 12 bei s), Sie sind gleich den übrigen Epidermiszellen mit Chlorophyll versehen und lassen einen ziemlich grossen Porus zwischen sich. Dieser letztere ist, in seiner vertikalen Richtung betrachtet, mitten weiter als oben und unten. Auf einem Längsschnitte durch die Spaltöffnung, welcher beide Schliesszellen halbirt, bemerkt man darum in der Mitte eine im Umrisse ungefähr I!) Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Auflage. Seite 104. 4] kreisförmige Höhlung, die sich nach oben und unten in einen engen Kanal fortsetzt. Das Grundgewebe. Im Allgemeinen besteht das Grundgewebe der Lamina von Dionaea aus verlängerten parenchymatischen Zellen, welche in ganz derselben Richtung wie die Epidermiszellen gestreckt sind, d. h. also in der Mittelrippe parallel der Wachsthumsaxe des Blattes, in dem übrigen Theile der Lamina hingegen senkrecht darauf. Im Besonderen jedoch zeigt das parenchymatische Grund- gewebe der Mittelrippe einige Verschiedenheiten von demjenigen der beiden seitlichen Laminahälften, weshalb wir auch die erstere von diesen gesondert betrachten wollen. Die in der Mittelrippe unmittelbar unter der Epidermis liegenden Zellenschichten des Grundgewebes sind von den inneren nicht wesent- lich verschieden, so dass hier weder ein Hypoderm, noch eine eigent- liche Pallisadenschicht, noch ein besonderes Schwammgewebe unter- schieden werden kann. Sie sind vielmehr eng, ungefähr von ebenso weitem Lumen, wie die Epidermiszellen, im Querschnitte rundlich und in der Längsrichtung des Blattes, wenn auch wenig, so doch immer deutlich verlängert. Von ihnen ab nehmen die Zellen um so mehr an Weite sowohl wie an Länge zu, je mehr sie nach innen zu liegen und dem einzigen centralen Gefässbündel der Mittelrippe sich nähern, gehen aber in dessen nächster Umgebung wiederum in kürzere und engere Zellen über; auch sind die Zellen der Oberseite des Blattes in der Regel etwas weiter als die der Unterseite. Die inneren grösseren Parenchymzellen sind dünnerwandig und besitzen bei Weitem nicht so viel Chlorophyll, wie die äusseren und kleineren. Die ersteren sind ferner ebenfalls im Querschnitte rundlich und lassen sehr zahlreiche Intercellularräume von verschiedener Gestal- tung zwischen sich. Die Chlorophylikörner sind denjenigen in den Epidermiszellen gleich, oval (Taf. III. Fig. 1), durchscheinend und in dem schon oben bei der Betrachtung der Oberhautzellen ange- führten Falle mehr oder minder stärkehaltig. Dabei findet ein all- mählicher Uebergang von den engen, sehr chlorophyllreichen peri- pherischen Zellen des Grundgewebes zu den inneren desselben statt, so dass an cine Grenze verschiedener Schichten in Wirklichkeit, wie erwähnt, nicht gedacht werden kann. Von dem Grundgewebe der Mittelrippe unterscheidet sich das- jenige in den beiden Laminahälften zunächst dadurch, dass seine sämmtlichen Parenchymzellen sehr viel mehr in die Länge senkrecht zur Mittelrippe gestreckt sind, als in dieser (Taf. II, Fig. 2 bei gi) und zwar die inneren noch mehr als die äusseren. Auch tritt im 42 Grundgewebe der Spreitenhälften der Unterschied von mittleren chloro- phyllarmen, dem Schwammgewebe vergleichbaren Zellenschichten und oberen und unteren chlorophyllreichen Zellenschichten deutlicher hervor, als in der Mittelrippe. In der Breite übertreffen die inneren Grundgewebezellen der Spreitenhälften die äusseren viel mehr, als dieses in der Mittelrippe der Fall ist (vergleiche Taf. II. Fig. 3 und Fig. 7). Auch sind die Wände der inneren Zellen im Querschnitte nicht mehr gerade oder einfach nach aussen gekrümmt, wie bei den äusseren, sondern in verschiedener Weise unregelmässig gebogen (Taf. II. Fig. 7 bei ig). Die meisten von ihnen enthalten nicht nur weniger Chlorophyll, als die äusseren Zellen des Grundgewebes und die Epidermis, sondern viele entbehren desselben sogar vollständig. Endlich lassen sie sehr grosse, meist immer im Querschnitte drei- eckige Intercellularräume zwischen sich, deren Wandungen ebenfalls öfters nicht gerade, sondern nach aussen zu gekrümmt sind (Taf. Il. Fig. 7 bei il. In der Umgebung der die Lamina zahlreich in paralleler Richtung und senkrecht zur Mittelrippe durchziehenden Gefässbündel befinden sich wiederum engere, viel Chlorophyll ent- haltende, aber auch sehr langgestreckte Zellen, jedoch findet auch hier hinsichtlich der Weite des Lumens und bezüglich des Chloro- phyligehaltes ein allmählicher Uebergang einerseits von oben und unten, andererseits von den Gefässbündeln nach allen Seiten hin statt. Gemeinsam ist zwischen dem Grundgewebe der Mittelrippe und dem der übrigen Lamina, dass die mehr oberflächlichen Zellen in beiden Theilen im Querschnitte rundlich sind und die inneren zartere Wandungen besitzen, als die äusseren, ferner, dass, wie die Epider- miszellen der Blattoberseite, so auch die unter ihnen befindlichen des Grundgewebes weiter sind, als auf der Unterseite der Lamina (ver- gleiche Taf. II. Fig. 3 und Fig. 7), und endlich ist gemeinschaftlich das Vorkommen von wieder engeren und chlorophylireicheren Zellen in der Umgebung der Gefässbündel. Die Zellen des Grundgewebes in der Lamina von Dionaea sind in derselben Richtung langgestreckt, welche den kürzesten Weg des motorischen Impulses bildet, nachdem das Blatt gereizt ist. Denn wiewohl Darwin!) dnrch verschiedene Versuche gezeigt hat, dass der motorische Impuls von einer der sechs Mittelborsten aus nach allen Richtungen hin radial sich ausbreitet, so wird derselbe doch beim unverletzten Blatte von der betreffenden Mittelborste nach der Mittelrippe und von da in die andere Laminahälfte übergelien. Viel- I) Darwin. c. p. 313. 43 leicht bewegt er sich, wie schon Darwin glaubt, um so schneller, je länger und weiter die von ihm zu durchlaufenden Zellen sind, und aus diesem Grunde mögen auch die Zellen des Grundgewebes in den seitlichen Laminahälften verlängerter sein, als in der Mittel- rippe, weil in letzterer der motorische Impuls den Weg parallel der Mittellinie des Blattes nie nimmt, sondern quer durch von einer Laminahälfte zur anderen geht. Für diese Ansicht spricht nun ‚auch die grössere Weite der oberen Zellen des Grundgewebes und der Epidermis; denn der motorische Impuls wird von den Mittelborsten, welche ja auf der Oberseite der Lamina stehen, oder von der orga- nischen Substanz, welche ebendahin gebracht werden muss, auch näher der oberen, als der unteren Blattfläche in den Zellen geleitet werden, um das Blatt zur Schliessung zu veranlassen. Endlich sei nur noch darauf hingewiesen, dass auch in den Köpfchenhaaren von Drosera die Zellen parallel der Längenaxe gestreckt sind, und diesen Weg allein kann hier der motorische Impuls nehmen, während er bei Dionaea auch Umwege machen kann. Die Gefässbündel. Auch in Hinsicht der Gefässbündel verhält sich die Mittelrippe der Lamina von deren beiden Seitentheilen sehr verschieden. In der Mittelrippe verläuft ihre ganze Länge hindurch und genau die centrale Axe einnehmend ein einziges, sehr diekes Gefässbündel, welches nach der Spitze des Blattes zu sich allmählich verjüngt und schon vor derselben blind im Grund- gewebe endet (Taf. I. Fig. 3 bei g). Von demselben gehen unter fast rechten Winkeln zahlreiche, jedoch sehr viel schwächere Gefäss- bündel ab. Dieselben verlaufen unter einander scheinbar parallel, in Wirklichkeit jedoch von der Mittelrippe nach den Randborsten, wie die geradlinigen Ränder an der Blattbasis und -Spitze divergirend. Sie bleiben ferner bis nahe zum gekrümmten Rande ungetheilt, dort aber spaltet sich ein jedes derselben in zwei einen spitzen Winkel einschliessende Aeste, von denen sich jeder mit einem solchen des benachbarten Gefässbündels vereinigt. Je ein einfaches, auf solche Weise wieder vereinigtes Gefässbündel tritt in jede Randborste ein. Diese Art der Theilung der Gefässbündel und Wiedervereinigung ihrer Gabeläste ruft das Bild einer Ziekzacklinie von Gefässbündeln hervor, welche längs des gekrümmten Randes unter den Randborsten in einem Bogen, wie dieser selbst verläuft. Natürlicherweise kommen auch hier wieder Unregelmässigkeiten und Ausnahmen von diesem Schema vor, so gabeln sich die aus der Mittelrippe kommenden Ge- fässbündel nicht selten schon früher (Taf. I. Fig. 3 bei gf), in der Mitte der Laminahälften etwa, oder auch erst viel später (Taf. I. Fig. 3 bei gs), als im normalen Verlaufe, z. B. erst am Grunde der Randborsten selbst, oder sie gabeln sich mehrmals übereinander, ohne dass jedoch solche Unregelmässigkeiten den geschilderten Ty- pus undeutlich machen könnten. Manche Gefässbündel erreichen die Randborsten gar nicht (und dies sind meist schwächere), sondern enden blind im Grundgewebe der Laminahälften, bisweilen schon vor der Mitte der Strecke, welche sie eigentlich zurücklegen sollten. Das axile Gefässbündel der Mittelrippe ist dieker, oder doch mindestens ebenso dick, wie alle anderen beider Laminahälften zu- sammengenommen (Taf. I. Fig. 3 bei g und g‘); nimmt man noch dazu, dass die Art der Verzweigung der Gefässbündel ausserordent- lich zweekmässig ist, um auch die entferntesten Punkte des Blattes mit einander in Communication zu bringen, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Gefässbündel zu der Leitung des motorischen Impul- ses in naher Beziehung stehen. Darwin hat indessen durch ver- schiedene Versuche, auf die ich hier nicht näher eingehen kann, ge- zeigt, dass, entgegen der Ansicht der meisten Pflanzenphysiologen über reizbare Organe, die Gefässbündel für die Leitung des moto- rischen Impulses in den Blättern von Dionaea gar nicht nothwendig sind '), und wir werden später sehen, dass in die sechs Mittelborsten, auf deren Reizung erst die Bewegung der Laminahälften erfolgt, überhaupt gar keine Gefässbündel eintreten, sondern dieselben unter ihnen, wie ich öfters auf Querschnitten durch Laminahälften beob- achtet habe, ohne von ihrer Richtung abzulenken, vorbeigehen. Auch enthalten nach Cohn?) die Blätter von Aldrovanda überhaupt keine Gefässbündel und sind dennoch äusserst reizbar. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass die Gefässbündel auch mit den für die Ernährung der Pflanzen durch organische Sub- stanz so äusserst wichtigen Drüsen der Blattoberseite in keinerlei directer Verbindung stehen, wie schon hinreichend aus der obigen anatomischen Beschreibung der Drüsen hervorgeht. Es scheint zu- wejlen, als ob Drüsen von der Fläche gesehen über einem Gefäss- bündel der Blattspreite in einer Reihe angeordnet seien, jedoch ist dies immer nur Zufall und man überzeugt sich abgesehen von einem Blattquerschnitte schon bei den übrigen Drüsen desselben Blattes vom Gegentheile. 1) Darwin. ce. p. 313. 2) Cohn. Ueber die Funktion der Blasen von Aldrovanda und Utri- ceularia aus „Beiträge zur Biologie der Pflanzen.“ Band I. Drittes Heft. Breslau 1375. 45 Die Zusammensetzung der Gefässbündel ist sehr einfach; sie sind sämmtlich geschlossene; das Xylem besteht in denen der Lamina- hälften aus lauter Spiralgefässen (Taf. II. Fig. 2 bei sp), und selbst das grosse Gefüssbündel der Mittelrippe besteht aus keinen anderen Gefässen. Das Phloem besteht aus Weichbast; echter Bast fehlt gänzlich. Der erstere enthält Gitterzellen und Cambiform, bestehend aus engen, immer beträchtlich verlängerten und dünnwandigen Zellen, welche sich an ihren schmalen Enden mit geraden d. h. senkrecht zur Längenrichtung gestellten, seltener mit schiefen Scheidewänden begrenzer (Taf. II. Fig. 2 bei wb). Der Weichbast setzt auch bei dem dieken, axilen Gefässbündel in der Mittelrippe den Phloemtheil ausschliesslich zusammen, so dass also in den Bestandtheilen das Gefässbündel der Mittelrippe sich vor den übrigen nicht auszeichnet und lediglich durch seine grössere Mächtigkeit dieselben übertrifft. Auswüchse des Blattgewebes. Die Randborsten und die Er- hebungen zwischen ühnen. Querschnitte durch die Randborsten zeigen, dass dieselben sich als dreiseitige, schlanke Pyramiden betrachten lassen, deren Seitenkanten abgerundet sind (Taf. I. Fig. 13.) Eine Seitenfläche ist nach auswärts und abwärts gekehrt, die Durchschnitts- kante der beiden anderen sieht nach der Ober- oder Innenseite der Lamina. Die Randborsten sitzen dem gekrümmten Rande des Blattes mit ihrer breitesten Querschnittsfläche auf und nehmen, wie bereits erwähnt, von der Mitte des Randes, wo die grössten stehen, beiderseits an Länge und Dicke ab. Im anatomischen Bau gleichen sie der Mittel- rippe. Die Epidermiszellen sind ebenfalls im Querschnitte rundlich, langgestreckt und besitzen auf allen Seiten Spaltöffnungen und Stern- haare, Die unter ihnen liegenden Zellen des Grundgewebes sind meist ebenso gross und nehmen von aussen nach innen an Weite zu, während sie zugleich in demselben Verhältnisse dünnerwandig werden. Alle lassen zahlreiche und verschieden geformte Intercellularräume zwischen sich ganz so, wie in der Mittelrippe. Die Randborsten werden von einem einzigen, aus wenigen Spiralgefässen zusammen- gesetzten Gefässbündel durchzogen, in dessen Umgebung die Zellen des Grundgewebes wieder enger werden. Das Gefässbündel läuft nicht genau in der Mitte der Randborsten, sondern mehr nach der Innenseite derselben zu, verjüngt sich nach der Spitze, indem die Zahl der Spiralgefässe immer mehr und mehr abnimmt und endet endlich blind — oft noch weit vor der Spitze — im Grundgewebe. Dass die Randborsten, obwohl von einem Gefässbündel durchzogen, dennoch keine eigene Bewegung bei dem Schliessen des Blattes besitzen, sondern nur diejenige der Laminalappen mitmachen, und 46 vermöge ihrer alternirenden Stellung in einander greifen müssen, kann als ein weiterer Beweis dafür angesehen werden, dass die Gegenwart der Gefässbündel für die Leitung des motorischen Impulses eben gar nicht nothwendig ist. Die Erhebungen des Blattgewebes, welche sich zuweilen noch bei alten Blättern zwischen den mittleren Randborsten befinden, un- terscheiden sich von den letzteren dadurch, dass sie immer sehr nie- drig bleiben, indem die Reihen der Epidermiszellen, welche ihre Aussenfläche nach der Spitze convergirend hinauflaufen, in der Regel nur aus drei oder zwei, ja nicht selten aus einer einzigen langge- streckten Zelle gebildet werden, weshalb ich auch Spaltöffnungen auf ihnen niemals beobachtet habe. Sie unterscheiden sich ferner von den Randborsten dadurch, dass sie nicht nur niedriger, sondern auch sehr viel stumpfer sind, nur ein einziges Sternhaar auf ihrer Spitze besitzen, das aber später abfällt, und endlich durch den Mangel eines Gefässbündels. Die Mittelborsten. Inmitten der so zahlreichen Drüsen erheben sich auf der Oberseite jeder Laminahälfte gewöhnlich drei haarförmige Gebilde, welche ich im Gegensatze zu den ähnlichen Hervorragungen des Randes als Mittelborsten bezeichnet habe. Sie bestehen im Gegensatze zu den Randborsten aus zwei deutlich geschiedenen und im Bau abweichenden Theilen. Der untere, den ich Basaltheil nen- nen will, ist kurz, eylindrisch aber am Grunde deutlich verbreitert (Taf. I. Fig. 5 bei b). Er besteht aus denselben Elementen, wie die unter der Epidermis liegenden Schichten des Grundgewebes der Laminahälften selbst, d. h. aus parenchymatischen, wenig und zwar in der Längenrichtung der Mittelborsten verlängerten Zellen. Ein Gefässbündel enthält er nicht und bildet dadurch einen wesentlichen Gegensatz zwischen Mittel- und Randborsten, doch nimmt seine Axe ein Strang engerer, kurzer Zellen mit sehr kleinen Kernen ein, aber nie Gefässe (Taf. II. Fig. 5 bei m). Dieser basale Theil fungirt als Gelenk der Mittelborsten und ist demgemäss oft am Rande ein- mal oder mehrmals eingebogen und erscheint dann im optischen Längsschnitte wie gekerbt. Wenn die Mittelborsten unter rechten Winkeln zur Blattoberfläche unbeweglich stünden, so könnten sie leicht abgebrochen werden, wenn das Blatt sich schliesst, und dieses würde dadurch seine wichtigsten Organe einbüssen. Das Gelenk gestattet dagegen denselben sich umzulegen, wenn sich das Blatt schliesst, und in dieser Lage sind sie oft von mir beobachtet worden. Selbst wenn ein Theil der Lamina, worauf eine Mittelborste sitzt, 47 zwischen Hollundermark gebracht wurde, um einen Längsschnitt durch dieselbe zu führen, so brach sie dennoch nie ab, sondern be- fand sich auf dem Schnitte nur noch in mehr oder minder nieder- gebeugter Stellung. Der obere, sehr viel längere und kegelförmige Theil, welcher als die eigentliche Mittelborste bezeichnet werden mag, ist an seinem unteren Ende, wo er mit dem Basaltheile sich verbindet, plötzlich eingesehnürt und besteht aus sehr verlängerten und engen Zellen (Taf. II. Fig. 5 bei 0); wo er mit einem centralen, kreisförmigen Theile aufsitzt, enthält er kurze, polygonale, meist sechseckige Zellen. Die Zellen des kegelförmigen Theiles oder der eigentlichen Mittel- borste sollen nach Darwin gewöhnlich mit einer purpurfarbenen Flüssigkeit erfüllt sein, welche, wie diejenige in den Drüsen von Dionaea und die der Zellen in den Köpfehenhaaren von Drosera Aggregation zeigt, deren Verlauf aber bei den Mittelborsten einen _ umgekehrten Weg nimmt, als bei Drosera, d. h. von der Basis zur Spitze geht; ich selbst habe diese purpurne Flüssigkeit in den Zellen der Mittelborsten von Dionaea nie gefunden. Die Mittelborsten entstehen durch Ausstülpung eines Zelleneom- plexes aus dem Grundgewebe des Blattes, bedeckt gleichmässig vom Dermatogen und in diesem frühen Zustande von ungefähr halbkuge- liger Gestalt, wie Querschnitte durch sehr junge Blätter zeigen, welche eine von den Mittelborsten getroffen haben. Indem sich nun diese Emergenz verlängert, nimmt zugleich ihr oberer Theil an Umfang zu, während der untere darin hinter ihm zurückbleibt, so dass die junge Mittelborste in diesem Zustande eine keulenförmige Gestalt, jedoch mit etwas verjüngter Spitze, besitzt (Taf. Il. Fig. 4). Die Zellen des oberen Theiles verlängern sich nun einfach bedeutend in der Richtung der Längsaxe, während derselbe zugleich immer mehr sich zuspitzt und zu dem kegelförmigen oberen Ende der Mittelborste ausbildet. Im unteren Theile dagegen erfahren die einzelnen Zellen keine weiteren bemerkenswerthen Veränderungen, um dasjenige Gebilde zusammenzusetzen, welches ich oben als das Gelenk der Mittelborsten bezeichnet habe. Aus obiger anatomischer Untersuchung ergiebt sich, dass die Mittelborsten und Randborsten morphologisch nicht gleichwerthig sind; die letzteren entsprechen Blattzähnen, während die ersteren den Werth von Emergenzen oder Stacheln besitzen. Von einer Vergleichung der Anatomie der Blätter von Dionaea mit denen von Aldrovanda und Drosera, welche sehr interessante 48 Homologien und Verschiedenheiten herausstellt, sehe ich, als nicht im Plane dieser Abhandlung liegend, ab'!). Der bBlattstiel. In anatomischer Beziehung schliesst sich der Blattstiel an die Mittelrippe der Lamina an. Die Epidermiszellen sind sämmtlich langgestreckt und zwar in allen Theilen des Blattstieles in der Richtung der Wachsthumsaxe, sie sind ferner ebenfalls chloro- phylihaltig und erzeugen sowohl auf der Unter-, als auch auf der Oberseite zahlreiche Sternhaare (Taf. III. Fig. 4 bei st) und Spalt- öffnungen. Durch letzteren Umstand wird der breitgeflügelte Blatt- stiel, wie ich meine, gewissermassen zum Ersatz für die Oberseite der Lamina, welche keine Spaltöffnungen trägt, weil sie bei ihrer Funetion geschlossen sein muss. In dieser Ansicht bin ich bestärkt worden durch die sehr grosse Anzahl der Spaltöffnungen auf den Flügeln des Blattstieles unten und nicht minder oben. Die Spalt-' öffnungen sind auf dem Blattstiele sogar sehr viel zahlreicher als die Sternhaare. Bisweilen stehen einzelne der letzteren auf der Spitze ähnlicher Erhebungen des Blattstielgewebes, wie ich zwischen den Randborsten der Lamina beobachtet habe. Beide, Spaltöffnungen wie Sternhaare, stimmen im anatomischen Bau mit denjenigen der _ Lamina völlig überein, weshalb hier auf diese verwiesen wird. Auch in Betreff des Grundgewebes ist nichts wesentlich Verschiedenes von demjenigen der Mittelrippe der Lamina anzuführen. Dasselbe besteht aus im Querschnitte rundlichen, in derselben Richtung, wie die der Epidermis, verlängerten, parenchymatischen Zellen, welche vom Umfange nach innen zu an Weite, Länge und Dünnwandigkeit zunehmen. Hervorgehoben verdient aber noch zu werden die Anord- nung der chlorophyliführenden Zellen; nämlich wie in der Lamina enthalten nicht alle Zellen gleichmässig Chlorophyll; sehr chlorophyll- reich sind die äusseren, unter der Epidermis liegenden Zellenschich- ten des Grundgewebes, ferner diejenigen in der Umgebung der Gefässbündel, welche wieder enger sind, und endlich einzelne, grössere oder kleinere Gruppen von Zellen, die vom Rande nach innen vor- springen, oder ganz von farblosem Grundgewebe umgeben sind, eine bestimmte, gesetzmässige Anordnung übrigens aber nicht erkennen lassen. Im Querschnitte des Blattstieles bei einer schwachen Ver- grösserung erscheinen darum nur die Flügel völlig grün, weil hier die chlorophylliführenden Randschichten der Ober- und Unterseite 1) Vergleiche über Aldrovanda: Cohn, Flora 1850 No. 43 und Jahresber. der Schles. Gesellschaft pro 1850 p. 108—114; Caspary, Botanische Zeitung 1559; über Drosera: Nitschke, De Droserae foliorum irritabilitate, Disser- tation 1354, Botanische Zeitung 1860 und 1861. 49 einander berühren, ohne farbloses Grundgewebe zwischen sich zu lassen; die im Querschnitte ungefähr halbkreisförmige Mittelrippe erscheint dagegen fast farblos, umgeben von einem grünen Rande und einzelne grüne Zellengruppen wie Inseln umschliessend. Der Gefässbündelverlauf im Blattstiele ist weitaus verschieden von demjenigen in der Lamina. Auch im ersteren unterscheidet man zwar ein axiles, sehr grosses und zahlreiche laterale, sehr, viel schwächere Gefässbündel, doch zweigen sich die letzteren unter sehr spitzen Winkeln von dem mittleren ab (Taf. III. Fig. 3) und laufen deshalb mit ihm eine Strecke ungefähr parallel oder in flachen Bogen und vereinigen sich wieder mit den nächst oberen. Sie gabeln sich ihrerseits unter denselben Winkeln und theilen sich dabei in immer schwächere Gefässbündel, bis am Rande des Blattstieles die feinsten derselben blind im Grundgewebe verlaufen. Auch die weiten Maschen des Gefässbündelnetzes werden von schwächeren Gefässbündeln aus- gefüllt und eben solche verbinden auch das mittelste Gefässbündel mit dem ihm benachbarten. Ein Blattstielquerschnitt zeigt deshalb zu beiden Seiten des axilen grössten noch mehrere kleinere Gefäss- bündel in der Mittelrippe und namentlich in den Flügeln, die alle unge- fähr in einer geraden Linie liegen und um so mehr an Zahl zuneh- men, je weiter oben der Querschnitt genommen wird. Noch muss hervorgehoben werden, dass eine Symmetrie in der Verzweigung der Gefässbündel zu beiden Seiten des axilen keineswegs besteht (Taf. III. Fig. 3), wenn auch der Verlauf in beiden Flügeln der- selben Regel folgt. Die Gefässbündel des Blattstieles enthalten im Xylemtheile zwar nicht ausschliesslich, wie in der Lamina, aber doch vorwiegend Spiralgefässe, daneben aber noch Ring- und Netzgefässe, und der Weichbast, aus Cambiform und Gitterzellen bestehend, ist auf der Unterseite bei Weitem stärker entwickelt, als auf der oberen. Der sehr kurze, ungeflügelte, oberste Theil des Blattstieles zwi- schen dem geflügelten und der Laminabasis ist im Querschnitte unge- fähr kreisrund, enthält nur das mittlere grösste Gefässbündel (Taf. 1. Fig. 3 bei z) und trägt auf allen Seiten Sternhaare und Spaltöffnun- gen, er schliesst sich also in letzterer Beziehung an den Blattstiel an. Die bisher geschilderten anatomischen Verhältnisse betrafen nur die oberirdischen Theile des Blattstieles, über die unterirdischen sind aber noch einige Punkte von Bedeutung hervorzuheben: Oberhalb des die Umgebung von Dionaea muscipula bei unseren Kulturen bildenden Torfmooses verschmälert sich der Blattstiel all- mählich von seiner Spitze ab nach der Basis, unterhalb der Erd- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II, Heft I, 4 50 oberfläche dagegen verbreitert er sich wieder in einen nicht mehr grünen, sondern weissen oder gelblichen, blattscheidenähnlichen, im Querschnitte eoncav-convexen oder sichelförmigen Basaltheil. Diese Theile sämmtlicher alten Blätter bilden zusammen eine Art Zwiebel (Taf. I. Fig. 1 bei b) und sind auch, physiologisch genommen, wie wir sogleich sehen werden, einer solchen äquivalent. In der Anatomie ist zunächst als unterscheidend von den ober- irdischen Theilen zu betonen, dass ein Zunehmen in der Weite und überhaupt Grösse der Zellen des Grundgewebes von aussen nach innen nicht stattfindet, alle Zellen desselben sind vielmehr gleich gross (Taf. III. Fig. 5 bei gr) und zwar ebenso gross als die inner- sten Zellen im Grundgewebe des oberirdischen Theiles des Blatt- stieles. Deshalb ist auch die einschichtige Epidermis, deren Zellen eng sind (Taf. III. Fig. 5 bei e), wie im chlorophylihaltigen oberen Theile, und auf der Ober- und Unterseite Sternhaare erzeugen, gegen die unmittelbar unter ihr liegende Zellenschicht scharf abgesetzt, während letztere im oberen Theile ungefähr ebenso grosse Zellen enthielt. Sämmtliche Zellen des Grundgewebes sind nicht mehr rundlich, sondern eckig, von geraden Wandungen begrenzt und schliessen in der Regel ohne Intercellularräume dicht zusammen. Was endlich den Inhalt anbetrifft, so enthalten sie sämmtlich, sowie auch die Epidermiszellen ausschliesslich Stärkekörner und zwar in so ungeheurer Menge, dass nicht der geringste leere Raum übrig bleibt, die Zellwände nicht mehr deutlich unterschieden werden kön- nen und die dünnsten Schnitte ganz undurchsichtig sind, wenn nicht die Stärkekörner durch Kali aufgequellt und dadurch zugleich durch- sichtig gemacht werden. Die unterirdischen Scheidentheile der Blät- ter dienen also als Reservestoffbehälter der perennirenden Pflanze. Die Gestalt der Stärkekörner ist abweichend von denen im oberirdi- schen Blattstiele und in der Lamina. Denn während sie hier oval sind (Taf. III. Fig. 1), wie wir sahen, haben sie im Scheidentheile eine mehr oder weniger verlängerte, eylinder- oder stäbehenförmige Gestalt (Taf. IlI. Fig. 2), ohne indessen anders gebildete auszu- schliessen, namentlich enthalten die engeren Zellen in der Umgebung der Gefässbündel in mehreren Schichten kleinere und ovale Stärke- körner. Natürlich findet einerseits in Bezug auf die Form der Zellen des Grundgewebes, andererseits hinsichtlich ihres Inhaltes ein all- mählicher Uebergang zwischen den chlorophyllhaltigen im oberirdi- schen Theile des Blattstieles und den bloss Stärke enthaltenden des unterirdischen Statt. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Dionaeablattes. Höchst Sl interessant ist die Entwickelungsgeschichte des Blattes von Dionaea. Nur beim „völlig ausgewachsenen Blatte bildet die Mittelrippe der Lamina die geradlinige Verlängerung des Blattstieles; bei jüngeren bildet sie mit demselben einen stumpfen Winkel, vorher einen rechten, Ja spitzen, und bei den jüngsten Blättern, welche noch über die Erd- oberfläche emporragen und in dem Mittelpunkte der Blätterrosette gesehen werden, liegt die Lamina mit ihrem gezähnten Rande’ auf der oberen Fläche des Blattstieles auf (Taf. I. Fig. 1 bei 1), oder genauer, da der letztere in diesem Falle noch nicht flach aus- gebreitet ist, sondern seine noch schmalen Flügel senkrecht zur Mittelrippe aufgerichtet sind, so liegt die Lamina in dem rinnen- förmigen Blattstiele (Taf. III. Fig. 4) ganz so, wie die Klinge eines zusammengeklappten Taschenmessers in der Scheide desselben. Bei noch jüngeren Blättern, welche aber von oben nicht mehr sichtbar sind, sondern tief unter dem Boden im rinnenförmigen Stiele des nächst älteren Blattes verborgen stecken, wächst der Winkel, welchen die Lamina mit dem Blattstiele bildet, wieder bis zum gestreckten; diese Blattanlagen sind farblos und können erst nach dem Ausheben der Pflanze und Entfernen aller älteren Blätter aufgefunden werden. Die Lamina hat also im jüngsten Zustande dieselbe Lage, wie im erwachsenen und beschreibt im Verlaufe ihrer Entwiekelung zuerst einen Winkel von 180° in der Richtung zum Vegetationspunkte, um später merkwürdiger Weise denselben Weg wieder zurück zu machen. Allein ausser der Verschiedenheit der Lage in den auf einander folgenden Altersstufen haben wir noch die viel auffallendere Verschiedenheit in der Gestalt der Lamina zu betrachten. Den Vegetationspunkt von Dionaea zu untersuchen ist darum nicht ohne Schwierigkeit, weil derselbe tief im Centrum in den zwiebelförmigen Basen der in einander geschachtelten jungen Blätter verborgen ist. Bei einem gelungenen Präparate glückte es mir, die Jüngsten Blattanlagen bloss zu legen, welche von dem nicht kegel- förmig erhobenen, sondern flachen Vegetationspunkte erzeugt waren. Diese Blattanlagen zeigten die Gestalt zusammengedrückter Kegel mit stumpfer Spitze (Taf. III. Fig 7), an denen zwischen Blattstiel und Spreite noch keine Sonderung erkennbar ist, doch entspricht ohne Zweifel der primäre Blattkegel der zukünftigen Lamina, welche demnach zuerst gebildet ist; jedoch bleibt die Lamina bald in ihrem Wachsthume weit gegen den sich an ihrem Grunde ausbildenden Blatt- stiel zurück und vollendet erst sehr spät ihre vollständige Entwicke- lung, wenn der Blattstiel schon lange ausgewachsen ist. Die Lamina der jüngsten Blätter besteht ausschliesslich aus der später so genannten 4* 52 Mittelrippe derselben. Sie stellt in diesem Zustande einen sehr kur- zen, stumpfen, länglichen Gewebekörper dar, von im Querschnitte eiförmigem Umrisse, dessen breiteres Ende der definitiven Unter- seite angehört (Taf. II. Fig. 8), während an seinem spitzeren Ende sich die beiden Seitentheile als stumpfe Protuberanzen erheben, rin- nenförmig einen halbeylinderförmigen, der Länge nach offenen Hohlraum einschliessend. Indem sich dieselben verlängern, krümmen sie sich zugleich mit ihren Rändern einwärts, so dass sie nach innen eingerollt erscheinen (Taf. II. Fig. 9), wie die Spitzen junger Farnblätter und die Blattfiedern von Cycas, wenn sie aus der Knospe hervortreten. Die später so auffallend verlängerten Grundgewebezellen der Lamina- hälften sind in dem oben geschilderten Entwickelungszustande des Blat- tes noch kurz. Die späteren Randborsten erscheinen als stumpfe Zähne. Die am Rande eingerollten Laminahälften umgeben jetzt eine allseitig geschlossene Höhlung, später strecken dieselben sich wieder gerade und greifen nur noch mit den Randborsten in einander; endlich biegen sich auch diese aus einander und das Blatt ist nun geöffnet und bereit, nach der Reizung sich wieder zu schliessen. Die Entwickelungsgeschichte des Blattstieles ergiebt sich aus dem Vorstehenden zum Theil von selbst. Zu jener Zeit, wo die Lamina einen spitzen Winkel mit ihm bildet, ist er, umgekehrt wie im fer- tigen Zustande, an seiner Basis ein wenig breiter geflügelt als an der Spitze; wenn die Lamina parallel zum Blattstiele auf diesem aufliegt, so sind die schmalen Flügel seiner ganzen Länge nach un- gefähr gleich breit und er hat dann ungefähr dieselbe Gestalt, wie der untere, über dem Boden noch sichtbare Theil eines ausgewach- senen Blattstieles d.h. er ist rinnenförmig mit nach oben gerichteten Flügeln und im Querschnitte sichelförmig (Taf. III. Fig. 4), wobei aber die Mittelrippe auf der Unterseite stark vorspringt. Sowie sich die junge Lamina wieder vom Blattstiele erhebt und der Winkel wächst, den sie mit ihm bildet, nimmt auch derjenige der beiden Blattstielflügel zu, welche sich zugleich verbreitern, bis dieselben in einer Ebene ausgebreitet sind. Abnormitäten. Die bisher geschilderte Form des Blattes mag als die normale betrachtet werden, doch beobachtete ich noch andere Er- scheinungsweisen in Bezug auf Grösse von Blattstiel und Lamina, und Gestalt des ersteren. Mehrere Blattstiele dreier, schwacher Exemplare waren auffallend lang und schmal (Taf. I. Fig. 1 bei 3), die Flügelung nicht in dem gewöhnlichen Masse mit der Höhe wachsend und darum auch der Blattstiel nur undeutlich keilförmig. Die Lamina mehrerer anderer Blätter, deren Entwieckelung ich verfolgen konnte, erreichte 53 ihre endliche Gestalt bei sehr geringen Dimensionen, während der Blattstiel noch sehr kurz, aber desto breiter geflügelt war (Taf. I. Fig. I bei 6). Bei denselben Blättern zeigte sich noch eine Aus- nahme, deren‘ schon Ellis Erwähnung thut. Der Blattstiel war nämlich an seiner breitesten Stelle am Rande gezähnt und auch hier mehr abgerundet, als gewöhnlich, im Uebrigen aber ganzrandig. Solche Blattstiele waren an der Spitze entweder .normal abgestutzt, oder auch ausgerandet, so dass im letzteren Falle der Blattstiel, der zugleich kurz war, eine vollkommen herzförmige Gestalt besass. Ich hatte auch zu beobachten Gelegenheit, wie sich Blattstiele unabhängig von der Lamina fertig entwickelten. Die letztere blieb auf dem Punkte stehen, wo sie nur noch einen sehr stumpfen Win- kel mit dem Blattstiele bildete und ihre Ränder noch eingerollt hatte und starb in diesem Zustande ab. Von der Einwirkung chemischer Reagentien auf die Zellen des Blattes. Die Zellen des Blattes von Dionaea zeigen in mehreren Be- ziehungen ein ungewöhnliches Verhalten gegen Reagentien, welches auf die Anwesenheit eines eigenthümlichen Stoffes hinweist, dessen Natur jedoch bis jetzt nicht auszumitteln ist. Anscheinend findet sich derselbe in den lebenden Zellen in saurer Lösung und wird daher durch Basen ausgefällt, durch Säuren wieder aufgelöst. Ammoniak färbt die rothen Drüsen auf der oberen Seite der Lamina grünlich und fällt aus den Zellen, welche Stärke enthalten, einen feinkörnigen Stoff aus. Neu- tralisirtt man das Ammoniak durch Essigsäure, so wird dadurch die rothe Farbe der Drüsen wiederhergestellt und die Körnchen in den Zellen werden wieder aufgelöst und verschwinden. Wurde nunmehr Kali zugesetzt, so entfärbte es die Drüsen wieder und quellte die Stärkekörner auf, indem es sie zugleich durchsichtig machte. Schliesslich fällt es die Körnchen mit grüner Farbe wieder aus, die auf Zusatz von Ammoniak in den Zellen sich gebildet hat- ten. Wird das Kali sorgfältig wieder ausgewaschen und sodann Jod (in Jodkalium) zugesetzt, so werden die Zellen gleichmässig blau oder violett gefärbt. Ich habe deshalb in den meisten Fällen bei Dionaea erst Kali angewendet, bevor Jod zu den Präparaten hinzu- gesetzt wurde, um die verschiedenen Theile dieser Pflanze auf Stärke zu untersuchen, besonders dann, wenn es sich um nur geringe Mengen derselben handelte. Bei der Prüfung der Zellen von Dionaea auf Stärke vermittelst Jod zeigte sich mir die schon oben berührte Erscheinung, dass die Zellen solcher Blätter, welche kleine Thiere gefan- gen hatten, oder mit Eiweiss gefüttert worden waren, 54 nachdem sie diese Substanzen einige Tage eingeschlos- sen gehalten hatten, gar keine oder doch bei Weitem weniger Stärke enthielten, als diejenigen, welche noch keine organische Nahrung zu sich genommen hatten. Von den zur Erledigung dieser Frage von mir angestellten Ver- suchen will ich nur die folgenden anführen. Versuch I. Ein Blatt, welches, als ich das betreffende Exem- plar erhielt, fest geschlossen war, zeigte bei der gewaltsamen Oeff- nung noch Stücke des Hautskeletes eines Insecetes eingeschlossen, welches sich aber nicht weiter mehr bestimmen liess. Von diesem Blatte nahm ich einen Querschnitt durch die Mitte des Stieles und behandelte denselben zuerst mit Kali, um etwa vorhandene Stärke- körner aufzugnellen. Als nach Auswaschung des Kali Jod zugesetzt wurde, erwiesen sich als stärkehaltig nur einige wenige Zellen (etwa 5—6), welche in der Umgebung des mittelsten, grössten Gefässbün- dels lagen. | Versuch II. Von einem vollständig entwickelten Blatte, wel- ches aber seine Lamina noch nicht geöffnet hatte, mithin noch gar keine organische Nahrung zu sich genommen hatte, wurde ebenfalls, wie im ersten Versuche, durch den Blattstiel ein Querschnitt gemacht, und derselbe auf die nämliche Weise, wie im vorhergehenden Falle behandelt. Hier aber färbten sich sämmtliche, überhaupt Inhalt führende Zellen sogleich ganz oder doch zum grössten Theile tief dunkelblau. Beide Versuche wurden von mir mit anderen, denselben Bedin- gungen unterworfenen Blättern zu wiederholten Malen angestellt, lieferten aber immer dasselbe Ergebniss. Versuch Ill. Querschnitte durch die Spreite selbst des erst- erwähnten Blattes, welches ein Thier eingeschlossen hatte, zeigten auch nicht eine Spur von Stärke. Versuch IV. Dagegen waren sämmtliche Zellen in der Mittel- rippe der Lamina des schon zum zweiten Versuche verwendeten Blattes (welches noch keine organische Nahrung zu sich genommen hatte) auf dem Querschnitte sehr reichlich mit Stärke erfüllt. Es ist schon beim Blattstiele ausführlich angegeben worden, dass in dem scheidenförmig verbreiterten, unter dem Boden befindlichen, weissen Basaltheile der Blätter sämmtliche Zellen ausschliesslich und ausserordentlich reichlich mit Stärke erfüllt sind. Dieses Verhalten ist nun das Nämliche sowohl bei Blättern, welche thierische oder überhaupt organische Nahrung absorbirt haben, als auch bei solchen, wo dieser Fall nicht eingetreten ist. 55 Weil also mit der Aufnahme von organischer Nahrung der Stärke- gehalt schwindet, aber nur in den oberirdischen, eblorophylihaltigen Zellen, so können wir daraus den Schluss ziehen, dass in denjenigen Blättern, in welchen neben anorganischer auch organische Substanzen aufgenommen werden, die Assimilation, d. h. die Erzeugung von Kohlenhydraten im Chlorophyll und die Absorption organischer Stoffe einander ausschliessen. Dagegen bedarf es keines neuen Beweises mehr, dass die Gegenwart von Blattgrün die Aufnahme organischer Substanz nicht ausschliesst. Wir gehen nun zur Einwirkung weiterer Reagentien zurück. Kali färbt die Zellen von Dionaea braunroth und die Gefässe eitron- oder goldgelb bis gelbbraun, wenn der betreffende Pflanzentheil zuvor längere Zeit in Alkohol gelegen hat. Wird aber hierauf Salzsäure oder besser noch Essigsäure zugesetzt, so wird alles wieder vollständig entfärbt und ganz durchsichtig gemacht. Dieselbe Reaction ist auch bei Drosera rotundifolia L. beobachtet worden. — Chromsäure mit sehr viel Wasser verdünnt färbt die Gefässe ebenfalls zuerst roth- braun und macht sie undurchsichtig, binnen 24 Stunden entfärbt sie sie aber wieder und macht alle Theile ausserordentlich durchsichtig. Ich habe deshalb Chromsäure als das wirksamste Mittel erprobt, um Schnitte durch alle Theile von Dionaea vollkommen farblos und besonders durchsichtig zu machen, nur muss dieselbe nicht zu con- eentrirt angewendet werden, wenn man die Maceration vermeiden will. Ein Blatt, welches Polydesmus complanatus eingeschlossen hielt, wie sich bei der gewaltsamen Oefinung der fest geschlossenen Lamina- lappen noch deutlich erkennen liess, wurde in absoluten Alkohol gelegt, worauf sich binnen 24 Stunden die ganze Blattspreite tief schwarz färbte, während der Blattstiel auf die gewöhnliche Weise entfärbt wurde. Auf Zusatz von concentrirter Salpetersäure verlor die Lamina ihre schwarze Färbung und nahm dafür eine braunrothe an, blieb auch nicht mehr so undurchsichtig, so dass man das ein- geschlossene Thier wieder durchschimmern sehen konnte. Nachdem die Säure ausgewaschen und Kali zugesetzt wurde, färbte sich das Blatt wieder schwarz oder vielmehr blauschwarz, indem diese Fär- bung von den Randborsten ihren Anfang nahm und rasch nach der Mittelrippe zu sich fortsetzte. In beiden Fällen, sowohl bei der Röthung, als auch bei der Schwärzung, waren es die Zellenmembra- nen selbst, welche gefärbt wurden. Die schwarzen Flecken endlich, welche ich immer auf den Blät- tern von Dionaea, bevor sie abstarben, beobachtete, werden gebildet durch sehr zahlreiche schwarze Körmer in den Zellen. Was ihr 56 Verhalten gegen chemische Reagentien anbelangt, so habe ich nur zu bemerken, dass dieselben durch Salpetersäure nach wenigen Minuten sehr schön orangeroth gefärbt werden. Schwefelsäure, Salzsäure und Ammoniak übten auf die schwarzen Flecken keinerlei Einwirkung. Der Stamm. Zur Untersuchung der Anatomie des Stammes sowie der, Wurzeln von Dionaea war das geringe mir zu Gebote gestellte Material nicht ganz ausreichend und ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen. Der ganz unterirdische Stamm von Dionaea ist sehr kurz und breit, aber mit blossen Augen an der Pflanze kaum wahrzunehmen. Die Blätter sitzen ihm mit breiten Insertions- flächen auf, ohne Internodien zwischen sich zu lassen (Taf. II. Fig. 6). Das Gesetz der Blattstellung habe ich noch nicht ausmitteln können; die jüngsten Blätter sind scheinbar zweireihig angeordnet (Taf. III. Fig. 7) und befinden sich in übergreifender Deckung, indem sie mit ihren Blattstielflügeln einander abwechselnd ganz bedecken. Später zeigen die Blätter offenbar spiralige Blattstellung. Die Gefässbündel des Stammes sind anscheinend in einen Holz- ring geordnet, welcher einen engen Markkörper einschliesst; sie ent- halten cambiformes Phloem und sehr zahlreiche, kurze, netzförmige oder getüpfelte Gefässe und Gefässzellen — und indem sie sich vielfach verzweigen, bilden sie wunderlich gestaltete Maschen oder Schleifen. Je eines tritt in ein Blatt und in eine Wurzel (Taf. III. Fig. 6). Man beobachtet daher auf Querschnitten durch den Scheidentheil der Blätter dicht über ihrer Insertionsfläche nur ein einziges cen- trales Gefässbündel, wie in der Mittelrippe der Lamina; nach oben wächst aber die Zahl der seitlichen kleineren Gefässbündel, die sich von dem mittleren beiderseits nach den Enden der Flügel abzweigen. Das sehr entwickelte Rindenparenchym des Stammes ist ebenso gleichmässig und einfach, wie das Grundgewebe im Basaltheile der Blätter und besteht aus wenig verlängerten, ohne Intercellularräume zusammenschliessenden Parenchymzellen, welche sämmtlich ebenso reichlich und ausschliesslich mit Stärkekörnern von derselben Form erfüllt sind; eine Epidermis bildet die äussere Umgrenzung. Die Wurzel. Da zwei Pflanzengattungen, deren Mitglieder sich von kleinen Wasserthieren ernähren, nämlich Utrieularia und Aldro- vanda, absolut wurzellos') und die Wurzeln von Drosera kurz und 1) Dr. Ferdinand Cohn: Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia in „Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Band l. Drittes Heft, Breslau 1875.“ 97 schwach sind, so erwartete ich das Letztere auch bei Dronaea zu finden. Dem ist jedoch nicht so. Die primäre Wurzel habe ich an meinen Exemplaren von Dionaea nicht mehr angetroffen, statt ihrer eine Anzahl Nebenwurzeln, welche sehr lang (Taf. I. Fig. 1 bei w) und verhältnissmässig stark sind. Ich beobachtete mehrere, welche bei 2 Centimeter Länge schon 0,5 Millimeter im Durchmesser hatten. Sie entstehen innerhalb des kurzen Stammes auf dem Holzring und durchbrechen die Rinde; ihre Gestalt ist fadenförmig-eylindrisch, doch sind dieselben einige Millimeter über der Wurzelspitze, wenn auch schwach, verdickt. Bezeichnend ist der Umstand, dass diese Nebenwurzeln sich niemals verzweigen. Sie sind begrenzt von einer Epidermis, deren Zellen zu sehr zahlreichen, langen, dünnen, unge- theilten, schlauchartigen, später braun werdenden Wurzelhaaren aus- wachsen. Das unter der Epidermis befindliche Parenchym der Wurzel- rinde besteht aus etwa 5 Zellschiehten, welche reich an kleinkörniger Stärke sind. Allmählich vertroeknen die Zellen der Oberhaut und die äussersten Zellreihen der Wurzelrinde, und ihre Membranen werden braun gefärbt, weshalb auch die ganze Wurzel oberhalb der Spitze ringsum dunkelbraun ist. Die Bräunung der Rindenzellen schreitet immer weiter nach innen, also centripetal vorwärts bis zur Gefässbündel- scheide. Dieselbe ist einschichtig und enthält verlängerte, recht- winkelig begrenzte, schmale Zellen (Taf. III. Fig. 8 bei gs), deren radiale Scheidewände auf dem Querschnitte durch die Wurzel recht deutlich die schwarzen Punkte zeigen, welche auch sonst bei ein- fachen Strangscheiden im Stamme vorkommen und von einer eigen- thümlichen Faltung dieser Wandungen herrühren'). Der starke axile Gefässbündeleylinder besteht hauptsächlich aus weiten Holz- zellen; acht radiale Reihen von grossen Gefässen, deren Wände stärker, treppenförmig verdickt, und oft braun gefärbt sind, bilden auf dem Querschnitt einen achtstrahligen Stern; zwischen ihnen befinden sich kleine Phloembündel. Der Vegetationspunkt an der Wurzelspitze besteht aus kubischem Meristem und ist von der gross- zelligen Wurzelhaube bedeckt; er zeigt eine rothe Färbung des Zell- inhalts, ähnlich wie die Wurzelspitze von Drosera. Zum Schlusse lasse ich noch eine kurze Zusammenstellung der Ergebnisse meiner Untersuchungen folgen: 1. Jede Laminahälfte ist schwach Sförmig gebogen, eine Höh- lung für die aufzunehmenden Thiere bildend; der breitgeflügelte Blattstiel ist eben. 2)’Sachs ]. c. S. 126: 98 Tr 2. Die Zellen der Epidermis sowie diejenigen des Grundgewebes sind gestreckt und zwar a) im ganzen Blattstiele und in der Mittel- rippe der Lamina in der Längenrichtung des Blattes, b) in der übrigen Lamina senkrecht zu dieser Richtung. 3. Die Epidermiszellen enthalten ebenfalls Chlorophyll. 4. Sie erzeugen auf der Ober- und Unterseite des Blattstieles und auf der Unterseite der Lamina zahlreiche Spaltöffnungen und Sternhaare, auf der Oberseite der Lamina nur Drüsen. 5. Die Drüsen stehen in Vertiefungen der Epidermis und sind gebildet von einem zweizelligen Basaltheile, einem zweizelligen, kur- zen Stiele und dem zweischichtigen runden, nach oben convexen Drüsenkörper. 6. Die Sternhaare sind analog zusammengesetzt; nur wachsen die Zellen der obersten Schicht in gerade, divergirende Schläuche sternförmig aus. 7. Die Sternhaare entstehen sehr viel früher als die Drüsen; erstere sind schon fertig ausgebildet, während letztere noch nicht einmal angelegt sind. 8. Die Sternhaare sind den Drüsen homolog. 9. Die Lamina trägt am (gekrümmten) Seitenrande zahlreiche (15—20) Blattzähne, auf ihrer Oberseite Stacheln, in der Regel sechs, 10. Die Blattzähne (Randborsten) sind schlank, dreiseitig pyra- midal, besitzen ringsum Sternhaare und Spaltöffnungen und enthalten je ein Gefässbündel näher der Blattober- als der Unterseite. 11. Zwischen je zwei Randzähnen sitzt ein Sternhaar, bisweilen auf der Spitze einer stumpfpyramidalen Erhebung, welche aber kein Gefässbündel enthält. 12. Die Stacheln (Mittelborsten) bestehen aus zwei Theilen, der basale fungirt als Gelenk und enthält einen axilen Zellenstrang; der obere, kegelförmige, an der Basis eingeschnürte Theil entbehrt auch dieses Zellenstranges. 13. Die Zellen der Stacheln, wie der Drüsen zeigen Aggregation. 14. Im oberirdischen, grünen Theile des Blattstieles und in der Mittelrippe der Lamina nehmen die Zellen des Grundgewebes von aussen nach innen an Weite des Lumens und Länge zu; die mehr oberflächlichen und die in der Umgebung der Gefässbündel sind grün, die übrigen (innern) farblos. 15. In der Lamina mit Ausnahme ihrer Mittelrippe setzen die inneren Zellen des Grundgewebes ein dem Schwammgewebe ähnliches, aus sehr weiten, farblosen Zellen mit wellig gebogenen Wänden und wenigen, kleinen Intercellularräumen zusammen. 59 16. Die Epidermiszellen der Laminaoberseite und Grundgewebe- zellen unter ihnen sind weiter als die der Unterseite. 17. Die Chlorophylikörner enthalten in dem Falle, dass das Blatt noch keine organische Nahrung zu sich genommen hat, reich- lich Stärke. 18. Die Stärke nimmt mit der Aufnahme organischer Stoffe durch die Blätter ab und verschwindet endlich vollständig aus den oberirdischen Theilen. 19. Die Basen der Blattstiele sind in unterirdische, farblose, scheidenartige Theile verbreitert, welche zusammen eine Art Zwie- bel bilden. 20. Ihr Grundgewebe enthält lauter gleichmässig weite und gleich lange Zellen, welche vollständig und ausschliesslich mit Stärke erfüllt sind, sowohl vor, als auch nach der Aufnahme und Absorp- tion organischer Substanzen. 21. Die Stärkekörner in den oberirdischen Theilen des Blatt- stieles und in der Lamina sind oval, im basalen Scheidentheile des Blattstieles dagegen ceylinder- oder stäbehenförmig. 22. Die lebenden Zellen der Lamina und des Blattstieles ent- halten einen im Zellsafte gelösten, farblosen Stoff, welcher durch Basen in dunkelen Körnchen ausgefällt, durch Säuren aber wieder aufgelöst wird. 23. Die Drüsen enthalten keine Stärke. 24. Die rothe Färbung der Drüsen wird durch starke Basen in grün verändert, durch Säuren wiederhergestellt. 25. Farblose Drüsen wurden nach der Absorption roth gefärb- ten Eiweisses durch die Blätter geröthet, ebenso die Gefässbündel bis in den Blattstiel hinein roth gefärbt, was die Absorption evident macht. 26. Beim Absterben bilden sich im Blattgewebe schwarze Kör- ner, welche schwarze Flecken auf den Blättern erzeugen. 27. Der Blattstiel enthält in der Mittelrippe ein axiles, sehr mächtiges Gefässbündel, in den Flügeln von ihm sich abzweigend schwächere, die einen bogennervigen Verlauf nehmen, sich aber verzweigen und in immer schwächere Zweige spalten. Symmetrie findet dabei nicht Statt. 28. In der Mittelrippe der Lamina verläuft nur das axile, grosse Gefässbündel; von ihm zweigen sich unter rechten Winkeln parallele Gefässbündel ab, die sich nahe dem Rande zweitheilen und wieder- vereinigen. 29. Je ein so entstandenes Gefässbündel tritt in eine Rand- borste ein. 60 30. Das Phloem der Gefässbündel besteht aus Weichbast; das Xylem in denen der Lamina ausschliesslich aus Spiralgefässen, im Blattstiele auch aus anderen Gefässen. 31. In den jüngsten Blättern ist Lamina und Blattstiel nicht zu unterscheiden, doch entspricht die zuerst aus dem flachen Vegetations- kegel hervortretende Anlage der späteren Lamina, bleibt jedoch län- gere Zeit sehr gegen den an ihrem Grunde sich entwickelnden Blatt- stiel zurück. Die Lamina bildet zuerst eine geradlinige Fortsetzung des Stieles, beschreibt dann, sich nach dem Vegetationspunkt bewe- gend, einen Winkel von 180°, legt sich in den rinnenförmigen Blattstiel und macht dann denselben Weg wieder zurück. 32. Die Lamina ist in der Jugend mit ihren Seitenrändern ein- wärts gerollt. 33. Später breitet sich der Blattstiel in eine Ebene aus; die Lamina erreicht zuletzt ihre vollkommene Entwickelung. 34. Der Stamm ist kurz und breit, mit Holzring, von den Gefässbündeln quer durchzogen, deren je eines in ein Blatt und in eine Wurzel eintritt. 35. Die Neben-Wurzeln sind lang und stark, niemals verzweigt, die Zellen der Wurzelspitze roth gefärbt, die Rindenzellen werden in centripetaler Richtung braun und sterben bis zur Gefässbündel- scheide ab. Die Gefässe entstehen an der Peripherie des axilen Gefässbündels, vermehren sich in centripetaler Richtung und bilden einen achtstrahligen Stern. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Figuren - Erklärung. Tafel 1. Ein vollständiges nicht blühendes Exemplar von Dionaea muscipula Ellis mit Blättern verschiedenen Alters. Altersfolge nach den Buchstaben a—e. — eEin völlig ausgewachsenes Blatt, welches sich über einem Insecte geschlossen hatte und sich bereits wieder an seiner Lamina- basis zu Öffnen beginnt. f Ein kleines, abnorm ausgebildetes Blatt mit an der Spitze herzförmigem und am oberen Rande gezähnten Battstiele; o Erdoberfläche; B die unterirdischen, farblosen, blatt- scheidenförmigen Basaltheile der Blätter zusammen eine Zwiebel bil- dend; A Abgestorbene braune Blattstiele; w Wurzeln, ohne Neben- wurzeln, aber mit zahlreichen Wurzelhaaren. Natürliche Grösse. (uerschnitt durch die Spreite eines ausgewachsenen Blattes, welches sich über einem Stückchen festen Eiweisses (0,06 gr.) geschlossen hat; m die Mittelrippe; g einziges, axiles Gefässbündel derselben; Il die Lamina, die doppelte Biegung zeigend; v Verschluss; rb die Randborsten; k Kreuzungspunkt derselben; hg grössere, hk kleinere Höhlung im geschlossenen Blatte; in ersterer das Eiweiss (e). Wenig vergrössert. Eine Hälfte der Blattspreite von der Oberseite gesehen; m Mittel- rippe; e ihre Stumpfe Endigung an der Spitze; z der (ungeflügelte) Theil der Mittelrippe zwischen Laminabasis und Blattstielspitze; g einziges grosses, axiles Gefässbündel der Mittelrippe; g’ kleinere Gefässbündel der Lamina, welche sich nahe dem gezähnten Rande gabeln und wieder vereinigen; gf frühere, gs spätere Gabelung der Gefässbündel; rb Randzähne (Randborsten), je ein Gefässbündel ent- haltend; s Sternhaare zwischen den Randborsten, noch rundlich, da ihre Zellen noch nicht verlängert sind und divergiren; d Drüsen (der Blattoberseite), in der Mitte am gedrängtesten stehend und sich sogar theilweise mit ihren Rändern berührend, ringsum am Rande einen freien Saum lassend; mb die drei Stacheln (Mittelborsten) jeder Laminahälfte in ein Dreieck, dessen Spitze der Mittelrippe (m) zuge- kehrt ist, angeordnet. Vergrösserung 15. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Bl 10. Li: 12. 13. 62 Epidermis aus der Mitte der Oberseite einer Laminahälfte, welche abgezogen wurde, nachdem das Blatt ein Stückchen durch Anilinroth gefärbten, festen Eiweisses vollständig absorbirt und sich darauf wieder geöffnet hatte. — e Epidermiszellen (gestreckt zur Mittelrippe), chlorophyllhaltig; d zwei Drüsen, die drei concentrischen Zellenreihen von 4, 8 und 16 Zellen zeigend; ds ein Drüsenstiel, dessen Drüsen- körper abgestreift worden. Vergr. 275. Eine junge Drüse durch den Querschnitt eines noch jungen Blattes längsdurchschnitten, welche sich durch Ausstülpung einer Epidermis- zelle (b) und Abtrennung der Papille (a) durch eine Scheidewand parallel der Epidermis (e) gebildet hat; p Parenchym des Grund- gewebes. Vergr. 450. Längsschnitt einer älteren Drüse. Die obere Zelle (a in Fig. 5) hat sich durch zwei Scheidewände parallel der ersteren (Fig. 5), die oberste der so entstandenen Zellen nochmals getheilt. Man unter- scheidet also bereits den Drüsenkörper (k), den Drüsenstiel (st) und die primäre Basalzelle (b). Vergr. 450. Längsschnitt durch eine Drüse eines noch späteren Alters. Vergr. 275. Längsschnitt durch eine ausgewachsene Drüse auf dem Querschnitte durch die Mitte einer Laminahälfte, weshalb die auf der Blattober- fläche senkrechte Scheidewand der beiden Basalzellen (b) und des Drüsenstieles (st) nicht zu sehen ist, da sie der Schnittfläche parallel geht. Vergr. 275. Vergleiche Tafel II. Fig. 7 bei dr, wo dieselbe Scheidewand auf dem Blattlängsschnitte durch dieselbe Stelle getroffen ist. Die übrige Bezeichnung von Fig. 7 und S wie in Fig. 6. Ein Sternhaar von der Fläche gesehen (von der Oberseite eines Blattstieles). st Stiel eines abgefallenen Sternhaares; e Epidermis- zellen. Vergr. 138. Längsdurchschnitt eines Sternhaares auf dem Querschnitte durch die Mittelrippe der Lamina, deshalb die Scheidewand der beiden Basal- zellen (sb) und des kurzen Stieles (sst), welche der Längsrichtung der Epidermiszellen parallel geht und auf der Blattoberfläche senk- recht steht, querdurchsehnitten. hz die verlängerten und von einem Punkte ausstrahlenden Zellen des eigentlichen Sternhaares; e Epi- dermiszellen; p Parenchym des Grundgewebes. Vergr. 225. (Querschnitt durch den unteren Theil der Mittelrippe der Lamina mit einer Spaltöffnung. Querschnitt durch die Mitte der Unterseite einer Laminahälfte, eine der beiden, einem Ringausschnitte gleichenden Schliesszellen (s) einer Spaltöffnung längsdurchschnitten zeigend. Es bedeutet ausserdem in Fig. 11 und 12: p Porus, a Athem- höhle, e Epidermiszellen, pa Parenchym des Grundgewebes. Vergr. in beiden Fig. (11 und 12) 225. Querschnitt durch eine Randborste. Die Seite, wo die beiden Stern- haare (st) stehen, entspricht der Unterseite der Lamina, die gegen- überliegende stumpfe Ecke der Oberseite. gf Gefässbündel, die Randborste näher der Oberseite durchziehend; gr. Grundgewebe; e Epidermis. Vergr. 65. Fig. Fig. 1: ee mn R 63 : Tafel I. Epidermis von der Mitte der Unterseite der Lamina. em Epidermis- zellen der Mittelrippe, in der Längsrichtung letzterer gestreckt, ez in Bogen angeordnete Epidermiszellen zu beiden Seiten der Mit- telrippe (hier nur diejenigen einer Seite gezeichnet); el Epidermis- zellen der übrigen Blattspreite senkrecht zur Mittelrippe gestreckt, & die der Blattspitze, ß die der Basis zugekehrte Seite; sp Spalt- öffnungen; st ein Sternhaar. ' Vergr. 138. Querschnitt durch eine seitliche Laminahälfte; der über dem Gefäss- bündel (gf), die alle in gleicher Höhe liegen, befindliche Theil des Blattgewebes, welcher dem unterhalb des Gefässbündels liegenden gleich ist, ist in der Figur weggelassen worden. Es bedeutet e die chlorophyllhaltige Epidermis, gr peripherische chlorophylihaltige, enge, gi innere, chlorophylifreie, weite Grund- gewebezellen von aussen nach innen an Weite und Länge zunehmend; sp Spiralgefässe, ausschliesslich den Xylemtheil der Gefässbündel in der Lamina zusammensetzend; wb Weichbast (Cambiform). Vergr. 65. Querschnitt durch die Mittelrippe der Lamina; der convexe Theil der Unter-, der concave der Oberseite des Blattes entsprechend. gm einziges Gefässbündel der Mittelrippe; e Epidermis, deren Zellen, wie diejenigen des Grundgewebes (gr), auf der Blattoberseite weiter, als auf der unteren sind; st Sternhaare. Vergr. 65. Eine junge Mittelborste. Vergr. 138. Eine ausgewachsene Mittelborste. b der als Gelenk fungirende Basaltheil mit einem axilen Zellenstrange (m); o der obere kegel- förmige Theil oder die eigentliche Mittelborste. Vergr. 275. Die Spitze einer Mittelborste. Vergr. 275. Längsschnitt durch eine seitliche Laminahälfte. Die Epidermiszellen (e) der Oberseite, welche eine Drüse (dr) zeigt, sind weiter, als die- jenigen der Unterseite; ag hypodermatische, enge, chlorophyllreiche, ig sehr viel weitere, chlorophylifreie Zellen des Grundgewebes mit Intercellularräumen (i); gf ein Gefässbündel. Vergr. 138. Querschnitt durch die Lamina eines sehr jungen Blattes, welche fast ganz aus der späteren Mittelrippe besteht. Vergr. 30. Quersehnitt durch eine ältere Blattspreite mit nach innen einge- rollten Rändern. Die Sternhaare (st) der Unterseite sind bereits fertig ausgebildet, während die Drüsen (d) der Oberseite erst dureh Ausstülpung der Epidermiszellen angelegt sind. Das axile Gefäss- bündel der Mittelrippe (gm) ist quer, die sich von ihm abzweigen- den (gl) längs durchschnitten; h durch die eingerollten Ränder voll- ständig geschlossene Höhlung der Oberseite. Vergr. etwa 20. Fig. Fig. 2 oO Fig. Fig. Fig. Fig. 64 Tafel II. Stärke führende Chlorophylikörner. Vergr. 138. Stäbehenförmige Stärke aus den Zellen des Basaltheiles der Blätter. Vergr. 138. Der oberirdische Theil eines Blattstieles von der Oberseite gesehen, den Umriss und den Verlauf der Gefässbündel zeigend. st Stern- haare. Vergr. 10. Querschnitt durch einen jungen Blattstiel. Die später in einer Ebene ausgebreiteten Flügel (F) sind aufwärts gebogen und daher der Blattstiel in diesem Alter rinnenförmig und im Querschnitte sichel- förmig. st Sternhaare in beträchtlicher Menge den Blattstiel ringsum bedeckend; gm das grosse axile Gefässbündel der Mittelrippe (M); gf die seitlichen schwächeren Gefässbündel, welche jetzt auf dem Querschnitte in einem Halbkreise stehen, später im erwachsenen Blattstiele in einer geraden Linie liegen. Vergr. 30. Die Hälfte des Querschnittes durch den Basaltheil eines Blattes. e Epidermis mit Sternhaaren (st) auf der Ober- und Unterseite; gr Grundgewebe mit im Allgemeinen durchweg gleichen Zellen. Die Stärkekörner, welche dieselben in grösster Häufigkeit erfüllen und das Präparat ganz undurchsichtig machen, sind durch Kali aufge- quellt; gm mittleres, grösstes, gs seitliche kleinere Gefässbündel. Vergr. 65. Längsschnitt durch die unterirdischen Theile. st der sehr kurze und breite Stamm; g Gefässbündel, denselben quer durchsetzend und je eines in ein Blatt und eine Wurzel ausbiegend; b Basaltheile der (abgeschnittenen) Blätter; w Wurzeln. Vergr. 10. Längsschnitt durch eine junge Knospe. Die anscheinend alternirend stehenden jungen Blattanlagen bilden (zusammengedrückte) Kegel mit stumpfer Spitze. Vergr. 65. Wurzelquerschnitt, etwa 1 Cm. über der Wurzelspitze. r Rinde; gs Gefässbündelscheide; die radialen Wände ihrer Zellen zeigen deutlich je einen schwarzen Punkt; g Gefässbündel (8), einen acht- strahligen Stern bildend ; b Phloembündel mit den Gefässbündeln wech- sellagernd; m Mark. Vergr. 138. Ueber die Entwickelung und die systematische Stellung von Tulostoma Pers. von Dr. J. Schroeter. Die Arten der Gattung Tulostoma vollbringen wie bekannt den ersten Theil ihrer Entwickeiung als „unterirdische Pilze,“ und ent- ziehen sich während dieser Zeit der allgemeineren Beachtung; erst wenn sich ihr Stiel streckt und die Peridie mehr oder minder weit über den Boden gehoben wird, fallen sie ins Auge. Zu dieser Zeit ist die Peridie immer schon von einem dichten Capillitium durch- zogen, zwischen welchem die Sporen frei daliegen; die Basidien sind vor Beginn der Streckung des Stieles aufgelöst. Diesem Verhalten mag es zuzuschreiben sein, dass die Entwickelung von Tulostoma, ins Besondere auch die Bildung der Sporen an den Basidien, bisher noch nicht vollständig beschrieben worden war. Seit einigen Jahren fand ich bei Rastatt an mehreren Orten sehr häufig die Form der Gattung, welche wohl als die verbreitetste in Europa angesehen werden, der man daher den von Linn gegebenen Artnamen: Tulostoma pedunculatum (L.) lassen kann. (Lycoperdon ped. Linne 1762, Tulostoma brumale Persoon 1797, T. mammosum Fries 1821, Tuslanodea mammosa Fr.) Von Anfang October an erhoben sich die langgestielten Peridien aus dem Boden und hielten in Menge bis zum März, theilweise sogar bis in den Mai hinein, aus. Ich konnte in den letzten Jahren nie vor Mitte October an den betreffenden Stellen Nachgrabungen anstellen, aber auch dann noch fand ich eine genügende Zahl jüngerer Fruchtzu- stände, an denen ich die Entwicklung des Pilzes einigermassen voll- ständig beobachten konnte. Die Fruchtkörper liegen nicht tief, etwa nur 2 bis 3 Centimeter unter der Erde. Sie entspringen von einem weit zwischen Gras- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band I, Heft I. 5 66 wurzeln und alten Moosstengeln hinlaufendem strangförmigen Mycel. Dieses ist schneeweiss, besitzt die Dieke starker Zwirnsfäden und ist vielfach verzweigt. Es besteht aus dicht neben einander lagernden Zellfäden von 3—4 Mikr. Dicke, die mit zahlreichen Querwänden versehen sind; ihre Membran ist, besonders an den aussen liegenden Fäden, von aufgelagerten sehr feinen Körnchen rauh. Stellenweise finden sich an den Mycelsträngen spindelförmige Auftreibungen von verschiedener Dicke; durch allmähliche Zwischenstufen gehen diese Auftreibungen in sclerotiumartige Körper über, die hier und da an dem Mycel aufsitzen. Diese sind innen und aussen schneeweiss, unregelmässig gestaltet, meist flach, bis 6 Mm. breit und 2—3 Mm. dick, an der Oberfläche glänzend, glatt, grubig vertieft, an den Rändern oft gelappt, auf dem Durchschnitt fest. Sie bestehen aus einem dichten Hyphengeflechte, bei welchem man zwei verschiedene Systeme unterscheiden kann. Das eine derselben besteht aus breiten, kurzen Zellen, etwa von 10—13 Mikr. Breite und 20 Mikr. Länge, die in der Mitte oft tonnenförmig aufgetrieben sind; zwischen ihnen ziehen sich in grösseren Zwischenräumen Stränge aus parallelwan- digen 5—6 Mikr. dicken Hyphen hin. Die Rinde wird aus dicht verflochtenen dünnen Hyphen gebildet, deren Membran an den freien Aestchen wieder mit feinen Körnchen bedeckt ist. Die Selerotien sind offenbar die Grundlage für die Frucht- körper. Wie dieselben sich herausbilden, konnte ich noch nicht verfolgen. Wie mir schien, sprossen sie aus einem Punkte an der Oberfläche des Selerotiums aus. Ich habe grössere, flache Selerotien gefunden, die auf einer Einbuchtung eine kugelförmige Vorragung trugen, welche auf Durchschnitten von dem übrigen Selerotiumgewebe durch eine feine, fast kreisförmige Grenzlinie abgegrenzt erschienen und aus gleichmässigen, reich mit Protoplasma gefüllten Hyphen- gliedern bestanden. Dieses schienen mir die Anfänge der Frucht- körper zu sein. Vorgeschrittenere Zustände derselben sieht man auf einer scheibenförmigen zerfaserten Membran aufsitzen, die vielleicht der Rest des aufgesogenen Selerotiums ist. Wenn der Pilz etwa 4 Mm. im Durchmesser erreicht hat, erscheint er ganz kuglich, und gleicht einer kleinen Dowista. Das Innere ist schneeweiss, von gleichartigen Hyphen gebildet, die Oberfläche ist braun, von einer dicken Kruste fest anhaftender Sandkörner bedeckt. Bei einem Durchmesser von 6--8 Mm. hat er gewöhnlich einen Hauptabschnitt in seiner Entwickelung vollendet. Er ist dann etwas abgeplattet, in der Mitte oben mit einem kegelförmigen Nabel ver- sehen, nach dem Grunde zu in der Mitte ebenfalls zugespitzt, also or im Ganzen ohngefähr flach-citronenförmig. Man kann an ihm eine braune Hülle und eine weisse Inhalts-Masse unterscheiden. Die Hülle ist etwa 40 Mikr. dick, sie besteht aus einem schr dichten Gewebe diekwandiger Fäden von etwa 2 Mikr. Durchmesser; nach aussen laufen viele dieser Fäden in freie Enden aus, und haften so fest an einzelnen Sandkörnern und anderen Boden-Theilchen an, dass sie ohne zu zerreissen nicht losgelöst werden können, naclı innen setzen sich die Fäden unmittelbar in die Markschicht fort, daher lässt sich auch die Hülle von dieser nicht abziehen. An der noch schneeweissen Inhaltsmasse lassen sich schon zu dieser Zeit drei verschiedene Abtheilungen deutlich erkennen: eine mittlere Markschicht, eine obere und eine untere Abtheilung. Auf dem Durchsehnitte erscheint die mittlere Markschicht fast nierenförmig, von der oberen und unteren Schicht durch nach oben convexe zarte Linien abgegrenzt. Die obere Abtheilung ist ungefähr kegelförmig. Sie besteht aus einem lockeren Gefleeht von dünnwandigen, reichlich und meist rechtwinklig verzweigten 5 Mik. breiten Fäden. Diese Abtheilung behält immer ihre weisse Farbe, auch über die Sporen- reife hinaus. Sie ist die Grundlage für die kegelig-röhrenförmige Mündung des Peridiums, denn zur Zeit der Sporenreife vertrocknet das schwammige Gewebe mit einer kreisförmigen Stelle auf dem Scheitel des Peridiums, und verschliesst noch einige Zeit als weisser Pfropf den Ausführungsgang, der sich durch Zusammenziehen des oberen Theiles der Hülle um dieses geschrumpfte Gewebe gebildet hat. Die untere Abtheilung ist etwa umgekehrt abgestumpft -kegel- förmig. Man unterscheidet an ihr leicht einen mitteren eylindrischen Theil, der von dem Reste mantelförmig umgeben wird. Ersterer erscheint fest, seidenglänzend, senkrecht gestreift; er besteht aus dicht neben einander gelagerten, wenig verzweigten, und im Wesent- lichen senkrecht verlaufenden Hyphen. Dies ist die Grundlage des Stieles; derselbe hat jetzt wenig über einen Mm. Länge, seine Zellen haben aber schon dieselbe Grösse und Breite, wie in den späteren fortgeschrittenen Stadien; die Verlängerung des Stieles geschieht durch wirkliches Wachsthum (Neubildung), nach Analogie bei ande- ren Pilzen zu schliessen, durch Wachsthum an der Spitze des Stieles. — Die Hülle um diese Stielanlage ist ein lockeres Hyphen- geflecht, ganz so gebildet, wie die obere Abtheilung. Sie bleibt ebenfalls beständig weiss und vertrocknet nach der Sporenreife, so dass dann zwischen Hülle und Stiel eine kleine Höhlung entsteht. Wenn der Stiel nun wächst, zerreisst die Hülle an dieser Stelle und so bleibt der Theil derselben, welcher die Höhlung umhüllte, zum Rx J 68 Theil am Grunde des Stieles, zum Theil am Grunde der Peridie als ringförmige freie eylindrische Scheide um den Stiel zurück. Die mittlere Markschicht besteht aus einem gleichmässigen Gewirr von etwa 2 Mikr. dicken, mit vielen Scheidewänden versehenen Fäden, die streckenweise lange ungetheilt durcheinander laufen, und sich anderweitig in unregelmässigen Zwischenräumen rechtwinklig verzweigen. Die Hauptäste sind entweder gabelig oder Hförmig verbunden und scheinen ein den ganzen Fruchtkörper gleichförmig durchziehendes Gewirr zu bilden. Verflechtung der Fäden oder Gruppirung zu Kammern oder Gängen ist nicht im kleinsten Mass- stabe angedeutet. Die Hauptfäden geben kürzere Nebenäste ab, die sich wieder verzweigen und endlich mit kurzen, meist einzeln, selten zu kleinen Büscheln gruppirten Aesten enden. Das Ende dieser kurzen Aeste grenzt sich durch eine Querwand ab und wird zur sporenbildenden Zelle (Basidie). Die fertigen Basidien sind cylin- drisch oder schwach keulenformig, am Scheitel abgerundet, meist gerade, zuweilen etwas gekrümmt, selten mehr als 4.5 Mikr. breit, 12 bis 15 Mikr. lang; sie sind mit schaumigem Plasma gefüllt. LI \ = | \ |) = Fa, ar ) | „> N | m Br Al | (0) Er \ AN Frl = (5) Kr \ g [ N * N \ J BES j Ne £ Az ag Basidien von Tulostoma pedunculatum (L.). An jeder Basidie bilden sich in der Regel vier 1.5 bis 2 Mikr. lange, grade Spitzchen (Sterigmen), an deren Scheitel die Sporen sprossen. Diese Sterigmen stehen an den Seitenwänden der Basidien und treten grade wagerecht vor; sie entspringen in ungleicher Höhe, meist gleich weit von einander entfernt, das Oberste nahe dem Scheitel, das Unterste etwas über dem Grunde der Basidie; in den Präparaten er . vi du 69 erscheinen meist 2 Sporen rechts, 2 links von der Basidie, es scheint mir aber, dass sie spiralig mit 4 des Umfangs Abstand angeordnet sind. Die Basidien haben nur einen sehr kurzen Bestand. Man findet sie nur in den Fruchtkörpern, die im Innern noch vollkommen weiss sind. Noch ehe der Stiel zu wachsen anfängt, färbt sich die Mark- substanz in der Mitte gelblich, und zu dieser Zeit sind schon sämmt- liche Basidien aufgelöst, die Sporen frei geworden. Die Sporen sind Jetzt kuglig, haben einen Durchmesser von 4 bis 4.5 Mikr., ihre Membran erscheint noch farblos, mit kleinen entfernt stehenden Spitzchen besetzt, im Innern haben sie einen grossen, stark licht- brechenden Kern, der durch Jodtinetur braun gefärbt wird. Sie behalten bis zur Reife dieselbe Grösse und verändern sich bis dahin nur insofern, dass der Inhalt mehr gleichförmig, die Membran ocher- gelb gefärbt, etwas dieker und deutlicher punktirt wird. Die gelbe Färbung verbreitet sich schnell von der Mitte nach der Peripherie hin, und endlich, noch ehe die Peridie aus dem Boden gehoben wird, hat das ganze Innere die lehmgelbe Farbe angenommen, die schliesslich bleibt. Diese Färbung ist nur durch die Farbe der Sporen bedingt, lässt man diese aus den reifen Peri- dien verstäuben, so bleibt das Capillitium mit hellgrauer Farbe zurück. Kurz vor dem Zerfliessen der Basidien treten die ersten Spuren des Capillitiums auf. Seine Fäden gehen vielleicht direet aus den Haupt- hyphen des Markgewebes hervor. Sie haben dieselbe Verzweigung wie diese und lassen sich anfangs sehr schwer von ihnen unter- scheiden. Wenn die Basidien noch vorhanden sind, sind die Zellen, die bestimmt als Capillitium zu erkennen sind, nur wenig dicker, als die Markhyphen, etwa 4 Mikr. Ihre Wände sind etwas dicker, sie ver- laufen vorwiegend unverzweigt und etwas wellig gebogen. In grösseren Entfernungen nur zeigen sich Scheidewände und hier sind jetzt schon die Fäden knotig aufgetrieben. Nach dem Zerfliessen der Basidien sieht man das Markgewebe noch fortbestehen, das Capillitium wird aber immer reichlicher, seine Fäden nach und nach immer stärker, endlich bleibt es nur allein mit den Sporen in dem Peridium zurück. Es bildet ein dichtes Netzwerk, welches fest mit den Wänden ver- wachsen ist. Die Fäden sind von sehr verschiedener Dicke, von 4 bis 13 Mikr. im Durchmesser, die Membran bis 3.5 Mikr. dick, verlaufen grade oder wellig geschlängelt, oft bis 1 Mm. weit unge- theilt, oft aber auch in kurzen Zwischenräumen gabelig oder Hförmig verzweigt. Alle Fäden scheinen in Verbindung zu stehen, freie Enden werden nicht bemerkt, besonders auch keine spitz auslaufen- 70 den Zweige. In ungleiehmässigen Zwischenräumen sind die Fäden mit Scheidewänden versehen, hier sind die Glieder an beiden Enden regelmässig in charakteristischer Weise zwiebelförmig verdickt, als ob sie sich an einander abgeflacht hätten. Diese Auftreibungen erreichen bei dünneren Fäden oft das dreifache des Fadendurch- messers. Nach Ausbildung des Fruchtkörpers wächst der Stiel zu einer Länge von 3 bis 6 Centimeter und hebt jenen hoch über den Boden empor. Er ist Anfangs glatt und rund und nimmt aussen an der Luft sehr schnell eine rothbraune Farbe an. Dies geschieht durch Vertroeknen der äusseren Hyphen. Durch weiteres Eintrocknen wird die Rinde dicker, reisst dann fetzenartig ein, löst sich theilweise los und bekleidet den Stiel noch eine Zeit lang als mehr oder weniger sparrig abstehende Schuppen, später fällt sie ganz ab und der Stiel erscheint grau und senkrecht gefurcht. Die Schuppen entsprechen also keiner besonderen Membran- oder Haarbildung, in ihnen, wie überhaupt in der braunen Rinde, ist die Structur der Stielhyphen noch deutlich zu erkennen, Das Innere des Stieles bleibt immer schneeweiss, in der Mitte bildet sich meist eine Höhlung. | Die Peridien schwankten bei völliger Reife in der Grösse sehr erheblich von 6 bis zu 12 Mm. im Durchmesser. Es schien mir, als ob die zuerst gebildeten Pilze die grössten, die letzten und am längsten ausdauernden die kleinsten Peridien haben. Ihre Farbe ist anfangs ebenfalls braun, im Laufe des Winters löst sich die äussere Schicht der Hülle mit den anhaftenden Sandkörnern ebenfalls schup- penförmig ab, und dann erscheint die Peridie weisslich, mit brauner, nunmehr weiter hervortretender Mündung. Die trichterförmige Mün- dung mit kreisförmiger, scharfer, wie mit einem Locheisen ausge- schlagener Oefinung ist für die Art höchst charakteristisch und beruht, wie ausgeführt wurde, auf einer besonderen, früh angelegten Organisation. Hierdurch unterscheidet sich Tu/. pedunculatum sehr sicher von 7. fimbriatum Fr., mit dem der Pilz manchmal, z. B. in Erbar. critog. Ital. und Rabenhorst fung. eur. 1911 verwechselt wor- den ist. Unter vielen hundert Exemplaren von 7‘. ped. fand ich nur an einem die Mündung nicht regelmässig ausgebildet. Dieses, also jedenfalls eine seltene Abnormität, hatte gar keine Mündung, son- dern nur einen braunen Fleck auf dem Scheitel der Peridie, die fest geschlossen blieb. Andererseits sah ich bei zahlreichen Exemplaren von Tul. fimbr., die ich bei Spaudau sammelte, immer die flache, gefranste und gleichfarbige Oeffnung auf dem Scheitel der Peridie, 71 nie einen Uebergang zur triehterförmigen Mündung, überdies waren hier die Sporen beständig etwas grösser, nämlich 5.5 bis 6 Mikr. im Durchmesser. Der Beschreibung Persoon’s nach möchte man annehmen, dass er unter 7ulostoma brumale die letztere Art versteht, Die Trennung einer weiteren Art: Tul. sguamosum Gmel. (Persoon l. e, S. 140), welche manche Autoren annehmen, scheint mir nur auf einem Vergleiche verschiedener Alterszustände und habjituelle, unwesentliche Merkmale gegründet zu sein. Als die bemerkenswertheste Eigenthümlichkeit in der Entwick- lung des Pilzes erscheint mir die Art und Weise, wie sich die Spo- ren an den Basidien bilden. Bisher wurde T’wlostoma unbedenklich zu den Gasteromyceten und speciell zu den Zycoperdaceen gestellt, Die Basidienbildung ist bei allen Gattungen der letzteren Gruppe bekannt, keine aber gleicht der von T7Wulostoma. Bei allen bilden sich vier Sporen in gleicher Höhe, am Scheitel der keulenförmigen, oben fast kugligen Basidien. Bei Scleroderma sind die Sporen fast ganz sitzend, bei Dovista stehen sie an langen, dünnen, gleichlangen Sterigmen, die bei der Sporenreife vertrocknen und an den Sporen hängen bleiben, bei Lycoperdon sind die Sterigmen ebenfalls sehr lang, doch (wenigstens bei den von mir untersuchten Arten) von ungleicher Länge und mit den Basidien zerfliessend, die Sporen also im Gegensatz zu Dovrsta ungestielt. Der eigenthümlichen Fruchtbildung nach muss Tulostoma daher von den ZLycoperdaceen ausgeschlossen werden. Aber auch bei anderen Abtheilungen der Gasteromyceten kommt eine solche Bildung, so viel man untersucht hat, nicht vor, sie ist sogar bei anderen IHymenomyceten, sowie augenblicklich die Klasse begrenzt wird, nicht beobachtet worden. Vielleicht steht indess die Sporenbildung. von Tulostoma nicht ganz isolirt da. Tulasne hat vor Kurzem die Sporenbildung von Pilacre untersucht und neuerdings (Annales des Sciences nat. V. Ser. Bot. T. XV.) abgebildet. Diese Abbildung scheint mir einen ähn- lichen Typus darzustellen, wie ich ihn soeben bei 7ulostoma beschrie- ben habe. Tulasne giebt ihr eine andere Deutung, er vergleicht sie mit der Sporenbildung bei Hypochnus purpureus, einem Pilz, der in dieser Beziehung den Auricularineen nahe steht. Ich habe Hypochnus purpureus Tul., der in Wäldern um Rastatt im Januar auf Erlenstümpfen vorkommt, frisch untersuchen und län- gere Zeit hindurch eultiviren können, und kann die Tulasne’sche Beobachtung über ihn nur bestätigen. Das Mycel desselben bildet einen rothbrannen, wergartigen Filz, an den Enden der Fäden bilden 72 sich farblose Aeste, die sich an der Spitze spiralig einrollen und sich dann durch Querwände in vier übereinander stehende Fächer theilen. Aus jedem Fache sprosst ein langer, pfriemlicher Zweig, der an seiner Spitze eine etwa 11 Mikr. lange, anfangs ei-, darauf fast nierenförmige Spore bildet, die bald nach ihrer Reife keimt, wenn sie auf feuchte Unterlage gebracht wird. Wären die Endäste zu einem Hymenium vereinigt, so müsste man den Pilz in der That für eine Auricularia erklären, sprossten dieselben Endäste aus einer Dauerzelle aus, so fände man dieselbe Bildung, wie bei der soge- nannten Promycel- und Sporidienbildung der Uredineen. Die Sporenbildung bei Tulostoma hat hiermit gar keine Aehn- lichkeit. Hier sind ächte ungetheilte Basidien vorhanden, aus deren Inhalt sich die vier Sporen, wie es scheint, gleichzeitig bilden. Es wird wohl das Einfachste sein, Tulostoma als Repräsentanten einer besonderen Abtheilung der Gasteromyceten anzusehen. Ob sich unter den noch nicht auf ihre Sporenbildung untersuchten ausser- deutschen Bauchpilzen noch verwandte Gattungen finden, muss dahin- gestellt bleiben, namentlich wäre es interessant, Dattarraea darauf untersuchen zu können, deren Entwicklung in manchen Punkten der von Tulostoma ähnlich ist. Die Darstellung Tulasne’s von der Sporenbildung bei Pilacre scheint mir viel mehr der von Tulostoma, als der von Hypochnus purpureus ähnlich zu sein. Ich halte es darum für wahrscheinlich, dass dieser kleine Pilz, der schon in den verschiedensten Familien herumgewandert ist, den Vertreter einer zweiten Gattung in der Familie der Tuwlostomaceen darstellt. Rastatt, im Januar 1876. 2 Bis Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. - Von Dr. Leon Nowakowski aus Warschau. Mit Tafel IV. V. VI. Wie bekannt bestehen die Chytridiacen bald nur aus einer Zelle (Chytridium), bald aus zwei Zellen, von denen die eine sich wurzelförmig oder myceliumartig verästelt (Arhizidium), bald endlich bestehen sie aus Zellengruppen (Synchytrium). Bei einigen Arten der einzelligen Gattung Chytridium entwickelt die Zelle, welche ich während ihrer Schwärmsporenbildung Zoosporangium nennen werde, einen Wurzelschlauch (Chytr. Olla. Al. Br.) oder kurze fadenförmige Fortsätze, welche vom Zoosporangium ausgehen und gewissermassen als Anfang eines Mycelinm betrachtet werden können (Uhytr. rhi- zinum u. Chytr. Lagenaria Schk.)'). In der zweizelligen Gattung Rhizidium dagegen kann die verzweigte Zelle als die Repräsentantin eines Mycelium angesehen werden, welches eine ziemlich hohe Ent- wickelung zeigt. Endlich scheinen zu den ihrem Bau nach am meisten entwickelten Uhytridiaceen auch die von Sorokin gefundenen Gattungen Zygochytrium und Tetrachytrium”?) zu gehören, bei welchen die Zoosporangien auf einem verästelten Tragfaden sich bilden. — Bei den von mir im Jahre 1875 im pflanzenphysiologischen Institut der Universität Breslau, unter gütiger Anleitung und Unterstützung seines Direetors, Prof. Ferdinand Cohn ausgeführten Untersuchun- gen fand ich ausser einigen C’hytridium-Arten, welche sich nur durch gewisse specifische Eigenthümlichkeiten auszeichnen, auch andere, die 1) Vergl. Cienkowski, Bot. Ztg. 1857 No. 14; Schenk, Algologische Mittheilungen, Verhandlungen der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg, Bd. VII. Lfg. II. p. 235 1857, Tab. V.: Ueber das Vorkommen eontraktiler Zellen im Pflanzenreiche. Würzburg 1858. ®2) Sorokin, Einige neue Wasserpilze. Bot. Ztg. 1874. No. 14. 74 ihrem Bau nach wesentlich von den bis jetzt bekannten Chy- tridiaceen unterschieden sind, und weiter unten von mir genauer beschrieben werden sollen. So kommen bei Chytridium Mastigo- trichis n. sp. fadenförmige Haustorien vor, welche aus der Oberfläche des Zoosporangiums in die benachbarten Nährpflanzen hineinwachsen. In der Gattung Uladochytrium fand ich ein verästeltes im Gewebe der Nährpflanze wucherndes Mycelium, in welchem sich wie bei Protomyces spindelförmige oder kuglige Anschwellungen bilden, aus denen dann zahlreiche Zoosporangien entstehen. In der Gattung Obeli- dium, die auf einer im Wasser faulenden Mückenhaut gefunden wurde, beginnt ausser dem üppig sich ausbreitenden Mycelium auch ein Zoosporangiumträger deutlicher hervorzutreten. Endlich hatte ich Gelegenheit, die Entwickelungsgeschichte der bis jetzt nur unvoll- kommen bekannten Gattung Rhizidium genauer zu verfolgen. Bekanntlich entstehen die Schwärmsporen der Uhytridiaceen in ihren Zoosporangien durch freie Zellbildung um stark lichtbreehende Kerne, welche sich vorher aus dem Protoplasma ausgeschieden haben. In vielen von mir beobachteten Arten wird nicht das ganze Protoplasma für die Bildung der Zoosporen verwendet, sondern ein Theil desselben bleibt als eine schleimige Flüssigkeit übrig, welche die Räume zwischen den Schwärmsporen erfüllt, ähnlich wie bei der Sporenbildung der Achlyen und der Mucorineen‘); bei anderen Arten aber ist dieser Schleim in geringer Menge vorhanden, viel- leicht auch dünnflüssiger, und deshalb schwer mit Bestimmtheit zu unterscheiden. Diese „Zwischensubstanz,“ wie sie Brefeld nennt, verbindet in der Regel die heraustretenden Schwärmsporen zu einer kugligen Masse, die vor der Oeffnung des Zoosporangiums liegen bleibt. Allmählich, bei verschiedenen Arten nach kürzerer oder längerer Zeit, löst sich der Schleim unter Quellungserscheinungen im Wasser auf; erst wenn in Folge dessen die Schwärmsporen, welche bis dahin keine Bewegung zeigten, mit dem Wasser in unmittelbare Berührung kommen, fangen sie an, sich activ zu bewe- gen und auszuschwärmen. Die Zoosporen der Chytridiaceen zeigen gewöhnlich amoeben- artige Veränderungen ihres Körpers, wie dies zuerst Schenk nach- !) Vergl. A. de Bary, Einige neue Saprolegnieen in Pringsheims Jahr- bücher für wiss. Bot., II. Band, p. 174. Dr. O. Brefeld, Botanische Unter- suchungen über Schimmelpilze, I. Heft. Leipzig 1872 p. 16. Van Tieghem, Nouvelles Recherches sur les Mucorinees. Annales d. se. natur. Sixieme serie, Tome 1. Paris 1875 p. 33. 75 gewiesen ') und später auch andere Forscher beobachtet haben; sie besitzen mit wenigen Ausnahmen ?) einen stark lichtbrechenden Kern und eine Cilie, welehe beim Schwimmen nicht immer nach vorn, sondern in einigen Arten vielmehr nach hinten gerichtet ist. Bei der Keimung wird der Kern allmählich resorbirt; die gekeimte Z00- spore wächst entweder ohne weiteres zum Zoosporangium aus, oder treibt vorher an einem oder mehreren Punkten ihrer Peripherie Keimfäden, die sich mehr oder minder verzweigen. Eine Copulation der Zoosporen habe ich nie gesehen. Dauersporen sind bis jetzt nur bei einigen Uhytridien ”), bei Arhrzidium (l. e.), wahrscheinlich auch bei Oladochytrium, sowie bei den von Sorokin (l. c.) und Cornu*) beschriebenen Chytridiaceen gefunden; die Art ihrer Entstehung bedarf jedoch noch weiterer Aufklärung; die bis jetzt unbekannte Keimung derselben ist von mir bei /rhizidium beobachtet worden. Al. Braun hat die im Jahre 1856 von ihm gekannten Chytridien in mehrere Untergattungen getheilt, welche Rabenhorst°) als selbstän- dige Gattungen aufführt. Zwischen diesen Gruppen, die hauptsächlich auf die Anwesenheit eines Halses oder Deckels begründet sind, zeigen sich jedoch viele Uebergänge; ich werde deshalb in meiner Beschreibung, welche keine systematischen Zwecke verfolgt, von ihnen absehen und die neuen Arten so ordnen, dass ich zuerst die endophytischen, dann die epiphytischen einzelligen Ohytridien, zuletzt die zweizelligen und mycelbildenden Formen betrachten werde. Die letzteren zeigen nicht nur innige Verwandtschaft zu den Saprolegniaceen, die ja auch schon früher bemerkt wurde, sondern lassen zum Theil auch sehr auffallende Beziehungen zu gewissen Protomycesarten erkennen. I. Chytridium A. Br. l. Uhytridium destruens, nov. spec. Taf. IV. Fig. 1. Die Zoospo- rangien dieser Art fand ich einzeln im Innern der Zellen von Chae- tonema°), bald zerstreut im Faden, bald in mehr oder weniger 1) Schenk, Ueber das Vorkommen eontractiler Zellen etc. 2) Chytridium macrosporum n. Sp., roseum und einige in Saprolegnieen lebende Arten besitzen keine Kerne. (Cornu, Monographie des Saprolegnies. Paris 1572 p. 115.) 3) Chytridium anatropum nach A. Braun, Ch. decipiens, acuminatum, endo- genum und vagans nach Cornu. #4) Max Cornu, Monographie des Saprolegnides. Paris 1872 p. 121. 5) Flora Europaea Algarum Seet. III. p. 277-285. 6) Chaetonema irregulare nov. gen. et spec. ist eine grüne Zoosporee, welche ich stets zwischen den Fäden anderer schleimiger Algen wuchernd, 76 zahlreichen Zellreihen. Wie bei vielen Uhytridiaceen, so macht sich auch die Anwesenheit des Uhytridium destruens in der vom Para- siten ergriffenen Zelle durch eine kugelartige Anschwellung derselben bemerklich. In dem grünen Zellinhalte erscheint das Uhytridium zuerst als ein feinkörniger ungefärbter Protoplasmakörper. Dieser insbesondere im Schleime von Tetraspora, Chaetophora, Gloiotrichia, Coleo- chaete pulvinata, Batrachospermum u. s. w. gefunden habe. Sie bildet unregel- mässig verzweigte, aus Zellreihen bestehende Fäden, deren Aeste nach ver- schiedenen Richtungen, oft unter rechtem Winkel, ausgespreizt sind. Wenn nicht aus allen, so doch aus den meisten ihrer Zellen entspringen dünne, an der Basis etwas angeschwollene Borsten, welche sämmtlich nach einer Seite gerichtet sind, einzeln oder zu zweien, bald in der Mitte, bald näher dem Ende der Zelle, bald endlich terminal in den die Spitzen der Chaetonema- Zweige bildenden Zellen. Da die Chaetonema-Zellen während ihres ganzen Lebens die Fähigkeit besitzen, die Borsten zu entwickeln, so findet man gewöhnlich auf den älteren Zellen mehrere, etwa 3—4 abgebrochene Borstenbasaltheile. Die Chaetonemafäden theilen sich oft in einzelne Stücke und hierdurch zer- fällt ein Individuum leicht in mehrere getrennte Pflanzen. Am deutlichsten kann man C'haetonema mit getrennten, aber noch offenbar zusammengehörenden Aesten im Tetraspora-Schleime beobachten, wo die älteren Fäden noch in der Verlängerung ihrer jüngeren peripherischen Zweige liegen, von denen sie sich aber schon in gewissen Abständen befinden. Chaetonema vermehrt sich ausser der oben erwähnten Trennung in einzelne Fadentheile auch durch Schwärmsporen. Die letzteren bilden sich in ange- schwollenen mehr oder weniger zahlreichen Zellen am Ende, uder in der Mitte der Zweige, in der Regel in acropetaler Folge. Jede Zoospore entsteht ent- weder aus dem ganzen Inhalte einer Chaetonemazelle, oder dieselbe theilt sich vorher quer oder parallel der Fadenaxe in zwei, oder durch kreuzförmige Theilung in vier oder selbst mehr Sporenmutterzellen. Die Zoosporen schlüpfen aus in Folge der Auflösung der Mutterzellwände, sie sind eiförmig und tragen auf dem schmäleren farblosen Ende 4 Cilien und einen rothen Augenfleck. Nach dem Schwärmen ziehen sie sich zusammen und treiben einen Keimschlauch hervor, an welchem noch längere Zeit der Augenfleck sichtbar bleibt. Der Keimschlauch legt sich an irgend einen Zweig der Schleimalge und wächst längs desselben in einen verzweigten Zellfaden aus, indem er manchmal die Fäden der Schleimalge umwindet oder umspinnt. Die Zellentheilung geht in den Chaetonemafäden intercalar und terminal vor sich. Für jetzt ist die systematische Stellung von C’haetonema unsicher, da weder geschlechtliche Fort- pflanzung noch Dauersporen beobachtet wurden; vermuthlich ist es aber mit Stigeoclonium nächst verwandt. Aus dem Vorkommen unserer Pflanze kann man schliessen, dass sie ihre Nahrung nicht sowohl aus dem Wasser nimmt, sondern vielmehr aus dem Schleime der von ihr bewohnten Algen oder aus ihren verschleinten Wand- oberflächen. Das C'haetonema zeigt sich in dieser Beziehung ähnlich den anderen schleimbewohnenden Algen, welche nicht blos auf Kosten der unorganischen, sondern auch organischer Verbindungen leben müssen, 77 beginnt immer mehr zu überwiegen in demselben Maasse, als das Protoplasma der Ühaetonema-Zelle selbst verschwindet. Nach eini- gen Tagen füllt der Parasit den ganzen Raum der ergriffenen Zelle vollkommen aus, in welchem man nur noch ein Ueberbleibsel ihres ursprünglichen Inhalts in Form eines kleinen grünen Klümpehens erblickt, welches auch schliesslich vollständig verschwindet. Wäh- rend der Dauer der eben erwähnten Veränderung oder, wie man es auch nennen könnte, Verdauung des Inhalts der O'haetonema-Zelle, treten im Protoplasma des Uhytridium von ihm nicht verdaute Theil- chen hervor, die in Form von ziegelbräunlichen Kügelchen sich zu- letzt in ein einziges Klümpchen innerhalb seines farblosen Protoplasma vereinigen. Nunmehr bildet sich die Uhytridiumzelle zum Zoospo- rangium um. Von der Zeit, in welcher das Ueberbleibsel der Ü'haeto- nema-Zelle in Form eines kleinen grünen Kügelchens zuletzt sichtbar war, verflossen in einem von mir beobachteten Zoosporangium bis zum Ausschwärmen der Schwärmsporen 24 Stunden. In dieser Zeit bildeten sich um das ziegelbräunliche Klümpchen herum zuerst zwei deutliche Vacuolen; diese flossen bald in eine einzige grössere Vacuole zusammen, welche das braune Klümpchen rings umschloss (Taf. IV. Fig. 1a). Nach kurzer Zeit verschwand dieselbe; das Protoplasma des Zooporangiums, welches jetzt etwa 15 Mikr. im Durchmesser erreicht hatte, wurde allmählich grobkörniger und eine dasselbe umgebende derbere Zellwand wurde nun deutlich. Bald darauf traten durch eine kleine Oeffnung des Zoosporangiums, die ich jedoch nicht sehen konnte, die Schwärmsporen heraus, ruhten kurze Zeit vor der Oeffnung -und schwammen dann mit grosser Schnelligkeit nach allen Richtungen auseinander. (Fig. 1b.) Die Schwärmsporen des Chytr. destruens sind sehr klein, kaum 2 Mikr. im Durchmesser; sie besitzen eine etwas längliche Gestalt, eine Geissel und einen stark lichtbreehenden excentrischen Kern. In den leeren Zoosporangien bleibt das ziegelbraune Klümpchen übrig (Fig. 1b.). Die dieken Wände der Zoosporangien nahmen eine ge- wisse Zeit nach der Entleerung eine rostgelbe Farbe an (Fig. 1e). Aehnliche CUhytridien, wie unser Ch. destruens, kommen auch im Innern anderer Algenzellen vor, doch können erst genauere Untersuchungen feststellen, ob sie zur nämlichen Art gehören. 2. Ohytridium gregarium, nov. spec., Taf. IV. Fig. 2. Die kugeligen, seltener etwas ovalen Zoosporangien dieser Art, die mit kurzer schnabelartiger Papille versehen sind, habe ich in ziemlicher Anzahl in den Eiern eines Rotatorium gefunden (Taf. IV. Fig. 2), welches im Schleim der Chaetophora endiviaefolia lebte. Die Ohy- 78 tridien verdauen den röthlichen Inhalt des Eies und nehmen die Färbung desselben in ihrem Protoplasma an. Die Zahl und Grösse der mit dünner Wand umgrenzten Zoosporangien im Innern eines Eies ist verschieden. Bald kommen nur wenige, bald mehr als zehn vor; ihre Grösse beträgt 30 Mikr. bis 70 Mikr. Die reifen Zoo- sporangien wachsen in kurze, stumpfkonische Papillen aus, welche die Haut des Eies nach aussen durchbohren und mit homogenem ungefärbtem Plasma erfüllt sind. Wenn sich zahlreichere Zoosporan- gien in einem Ei entwickeln, so werden durch den von ihnen aus- geübten Druck die Wände des letzteren beträchtlich ausgedehnt, so dass der ursprüngliche ovale Umriss desselben abgerundete Hervor- ragungen zeigt. Der Inhalt der Zoosporangien ist anfänglich fein- körnig; in der Zeit ihrer Reife aber ist das Protoplasma von kleinen stark lichtbrechenden Körnchen erfüllt. Nicht lange nachher treten durch eine an der Spitze der schnabelähnlichen Verlängerung ent- standene Oeflnung die Schwärmsporen, von Schleim umgeben, heraus; sie bilden daher vor der Oefinung des Zoosporangiums eine kugelige Masse (Taf. IV. Fig. 2a). Nach kurzer Zeit zerfliesst der Schleim im Wasser und die Schwärmsporen schwimmen rasch von der Oef- nung aus nach allen Seiten davon; sie haben eine kugelartige Gestalt, eine lange Cilie, einen nicht grossen excentrischen stark lichtbreehenden Kern und 4 Mikr. im Durchmesser (Fig. 2b). Da wir in den vom Uhytr. gregarium ergriffenen Rotiferen-Eiern die Zoosporangien des Parasiten auf verschiedenen Entwickelungs- stufen finden, so können wir daraus schliessen, dass die Schwärm- sporen des Parasiten in das Ei zu verschiedenen Zeitpunkten einge- drungen sind. H. J. Carter hat in Bombay in den Eiern von Nazis albida sackartige Uhytridien beobachtet, welche in grösserer Anzahl auf Kosten des Dotters sich entwickelten, mit einem röhrenartigen Hals die Eischale durchbohrten und sehr zahlreiche, monadenähnliche, mit stark lichtbrecehendem Kern und einer Cilie versehene Schwärm- sporen, eine nach der andern, austreten liessen. Carter!) glaubte hier eine abnorme Entwickelung des Dotters beobachtet zu haben; nach der Zeichnung ist eine mit unseren Chytr. gregarium nahe verwandte, jedoch nicht völlig übereinstimmende Chytridiumart nicht zu verkennen. — A. Braun?) beschreibt und zeichnet CUhytridium endogenum, welches er im Innern von Ülosterien und anderen Algen- '!) H. J. Carter. On the Spermatology of a new Species of Nais. Annals of natural history. 3 Series. vol. 2. Aug. 1358 p- 99. Taf. IV. Fig. 45, 46. 2) I. c. p. 60. Taf. V. Fig. 21. 79 zellen beobachtete. Diese Art steht unserem Uhytr. gregarium offenbar sehr nahe, scheint aber doch wegen ihrer elliptischen Zellen und verlän- gerten Hälse als verschiedene Species betrachtet werden zu müssen, Zu vergleichen ist auch Chytr. zootocum A. Braun'), welches Cla- parede in einer todten Anguillula fand. s 3. Chytridium macrosporum, nov. spec. Taf. IV. Fig. 3—4. Diese Art habe ich bis jetzt nur in zwei Exemplaren gefunden, von denen das eine schon leer und das andere noch mit Protoplasma erfüllt war. Sie entwickelten sich einzeln je in einem Ei, wahrschein- lich von einem Rotatorium, welches im Schleim von Chaetophora elegans lebte und 55 Mikr. im Längs-, 30 Mikr. im Querdurchmesser besass. An der Seite des Eies, näher dem etwas stumpferen Ende desselben, kam ein langer, starker, wellenförmig gebogener und stumpf auslaufender röhrchenartiger Hals heraus, der den Querdurchmesser des Eies mindestens um das Fünffache übertraf und eine Dicke von 6—38 Mikr. besass. Der Inhalt sowohl des Röhrchens als auch des Eies selbst war angefüllt mit farblosem, feinkörnigem Protoplasma; in kurzer Zeit zerfiel dasselbe in verhältnissmässig grössere vieleckige Klümpchen, ganz wie bei der Zoosporenbildung der Saprolegniaceen. In dem Halse, welcher aus dem Ei hervortritt, waren die Plasma- klümpchen in eine einfache Reihe locker geordnet, und zeigten, von dem gegenseitigen Drucke befreit, ovale Gestalt (Fig. 3). Die auf diese Weise entstandenen Schwärmsporen drängten sich dann enger aneinander und in Folge davon konnte man eine dünne Haut unter- scheiden, welche sie sämmtlich noch innerhalb der Eischale umgab (Fig. 4a). Diese Haut, offenbar die eigentliche Membran des Zoospo- rangiums, stand von der Wand des Eies etwas ab; es zeigte sich jetzt deutlich, dass der Hals von ihr ausgewachsen und die Eischale durchbrochen hatte. Die Schwärmsporen traten kurze Zeit nach ihrer Ausbildung durch eine am Ende des Halses entstandene Oeffnung nach aussen und entfernten sich sofort eilig (Fig. 4). Sie hatten eine elliptische Gestalt und eine bei den Uhytridieen ungewöhnliche Grösse, etwa 6 Mikr. breit und 10 Mikr. lang; ihr Inhalt war fein- körnig und in der Mitte heller durchleuchtend ohne stark lichtbrechen- den Kern. Im Allgemeinen näherten sie sich in Gestalt, Grösse und Bau ihres Inhalts den Schwärmsporen der Saprolegniaceen. Die Zahl der Cilien und die Stelle, wo diese herauskommen, konnte ich indess nicht deutlich erkennen. Wenn das entleerte Zoosporangium im Wasser zu Grunde geht, so verliert es zuerst den oberen Theil seines Halses, während der 1) Monatsberichte der Berliner Akademie. 1856. p. 591. 80 untere Theil in Form einer kurzen Röhre länger dem Untergange widersteht. Obwohl Uhytr. macrosporum mit Chytr. gregarium den Nähr- körper (Eier von Rotatorien) gemein hat, so muss ich dasselbe doch für eine verschiedene Art erklären, da abgesehen von seinem vereinzelten, nicht geselligen Vorkommen und dem röhrenförmig ver- längerten Halse seine Schwärmsporen sich durch die weit bedeuten- dere Grösse und insbesondere durch den Mangel eines stark licht- brechenden Kerns unterscheiden, worin sie sich näher an die Sapro- legnien anschliessen. 4. Chytridium Coleochaetes, nov. spec. Taf. IV. Fig. 5—10. Diese Art entwickelt sich in den Oogonien der Üoleochaete pulvi- nata A. Br., niemals in den vegetativen Fadenzellen, auf denen dagegen A. Braun das Ühytr. mamillatum entdeckte'). Bekanntlich bilden die Oogonien dieser Alge terminale kuglige, mit einer grünen Oosphaere erfüllte Zellen, die sich an der Spitze in einen langen, oben offenen farblosen Hals verlängern ?). Durch die Oeffnung des Halses tritt die Zoospore des Uhytridium ein, und indem sie, ähnlich dem Spermatozoid von Coleochaete, bis zum Bauch des Oogoniums und zur ÖOosphaere vordringt, entwickelt sie sich zu einem einzel- ligen Parasiten, welcher den ganzen Inhalt der Oosphaere zu seiner Ernährung verbraucht, so dass im Bauche des Oogoniums nur ein unverdauter Rest in Form eines grösseren oder kleineren ziegel- bräunlichen Ballens zurückbleibt. Diese Zerstörung der Oosphaere ist in unmittelbarer Berührung des Parasiten am deutlichsten. Der Parasit erhält bald die Form einer röhrenförmigen Zelle, welche in den Hals des Oogoniums hineinwächst (Fig. 5—6) und diesen so eng ausfüllt, dass seine Haut in dem Oogoniumhals sich nur durch etwas grössere Dicke der Membran desselben erkennen lässt. Nachdem der Parasit den Hals des Oogoniums durchwachsen hat, verlängert er sich flaschenförmig über denselben hinaus, wird aber weiter oben wieder schmäler und wächst allmählich in ein stumpfes Ende aus (Fig. 7); die parasitische C’hytridium-Zelle nimmt daher die Form einer langgestreckten Spindel an, deren kleinere schmälere Hälfte im Oogonium der Coleochaete steckt, während die I) A. Braun über Chytridium 1856 p. 32 Tab. II. Fig 12. In ähnlicher Weise findet sich Chytridium Olla A. Br. ausschliesslich auf den Oogonien einer Oedogoniumart, nie an ihren vegetativen Zellen, wo dagegen andere Arten (Ch. acuminatum, brevipes u. a.) vorkommen. 2) Pringsheim, Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, II. Band. Berlin 1860. Taf. V. 8] grössere -Hälfte von der Anschwellung an herausragt. Nunmehr wird die ausgewachsene Uhytridium - Zeile zum Zoosporangium; ihr Inhalt, anfangs farblos und homogen, wird feinkörnig; die im Proto- plasma desselben sehr zahlreich eingelagerten Körnchen brechen das Licht stark; in seiner Gestalt ähnelt das ausgewachsene Zoosporan- gium etwa dem Ühytr. Lagenula A. Br. '), von dem es jedoch schon durch das Vorkommen verschieden ist; die längsten erreichten 125 Mikr., die mittlere Länge betrug 80 Mikr., die grösste Breite nur 12 Mikr. Die Schwärmsporen bilden sich bei Üh. Coleochaetes wie bei den übrigen Arten durch freie Zellbildung um Kerne innerhalb des Zoospor- angiums; sie treten nach aussen durch eine an der Spitze desselben ent- standene Oefinung (Fig. 8); sie sind sehr klein, höchstens 2 Mikr., und besitzen einen sehr kleinen, stark lichtbrechenden Kern und eine Cilie (Fig. 8a). Oft wachsen aus einem Oogonium der Üoleochaete zwei Zoospo- rangien des Ohytridium heraus (Fig. 9). In diesem Falle, wo dem- nach nicht wie gewöhnlich blos eine, sondern zwei Zoosporen einge- drungen sind, finden wir im Bauche des Oogoniums die divergirenden Basaltheile der beiden Parasiten, während dieselben sich im Halse so dicht aneinander pressen, dass man sie in der Regel nur in Jüngerem Alter oder noch leichter nach Entleerung der Schwärm- sporen als getrennte Zellen unterscheiden kann. Aus dem Halse des Oogoniums herausgetreten divergiren die beiden Zoosporangien wieder. Manchmal ist von den zwei in einem Oogonium zusamınen vorkommenden Zoosporangien das eine noch von Protoplasma erfüllt, während das zweite ältere schon vollständig leer ist. Etwas seltener als die ziemlich häufige Anwesenheit von zwei Zoosporangien finden sich in einem Oogonium deren drei, und nur einmal habe ich aus einem Oogoniumhals vier Zoosporangien heraus- treten gesehen, die aber ihre Reife noch nicht vollständig erreicht hatten (Fig. 10). Sobald ein Oogonium der Üoleochaete durch das Uhytridium befallen wird, so ist jede weitere Entwickelung desselben abge- brochen; insbesondere unterbleibt auch die Berindung des Oogoniums, welche, wie bekannt, erst nach der Befruchtung der Oosphaere eintritt. Das Ohytr. Coleochaetes habe ich im Herbst 1875 bei Breslau (am Margarethendamm) sehr zahlreich gefunden. 5. Chytridium microsporum, nov. spec. Taf. IV. Fig. 11. Diese 1) \. c. Taf. II. Fig. 2—7. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band UI. Heft 6 82 Art lebt auf der in den Gallertkugeln von Chaetophora elegans nistenden Mastigothrix aeruginea Ktzg., wie das sogleich zu schil- dernde Uhytr. Mastigotrichis, dem es rücksichtlich der Gestalt und Grösse ähnlich ist. Die von dünnen Wänden begrenzten Zoosporangien sind mehr oder weniger kugelförmig oder oval, 30—50 Mikr. im Durchmesser und mit einem Punkte ihrer Peripherie an einem Mastigothrixfaden angewachsen. (Taf. IV. Fig. 11.) Bei der Bildung der Schwärm- sporen treten in ihrem Inhalte zahllose kleine Kerne auf, welche dicht aneinander gelagert sind, keine deutlichen Umrisse haben und nur matt glänzen, da sie das Licht schwach brechen. Um diese Kerne bilden sich die Schwärmsporen, treten durch eine Oeffnung, die ich jedoch nicht wahrnehmen konnte, aus dem Zoosporangium heraus, ohne, wie es schien, von Schleim umgeben zu sein, und eilen sogleich auseinander (Fig. 11). Die im Innern des Zoosporangium zurück- gebliebenen Schwärmsporen zeigen eine sehr lebhafte Bewegung, verlassen dasselbe aber im Laufe einer kurzen Zeit einzeln, sodass dieses zuletzt vollständig entleert wird. Die Schwärmsporen sind so klein, dass sie bei einer schwachen Vergrösserung nur kleine Körnchen von Protoplasma zu sein scheinen, welches etwa aus einer verletzten Zelle herausgeflossen ist. Bei einer Vergrösserung von 850 erscheinen sie als wirkliche längliche Chytridiumschwärmer von 2 Mikr. Länge, aber kaum den dritten Theil so breit (Fig. 11a). Ihr Protoplasma umschliesst an dem schmäleren Ende ein stärker lichtbrechendes Körnchen mit undeutlichen Umrissen. Bei Zusatz von Jod kann man an den Schwärmsporen eine ziemlich starke Cilie wahrnehmen, welche in der Nähe des Kernes hervorkommt (Fig. 11a). Die Schwärmsporen schwimmen schnell, indem sie dabei die Cilie nach vorne kehren und sich in den oberen Schichten des Wassers halten. 6. Ohytridium Epithemiae, nov. spec. Taf. IV. Fig. 12. 13. Die Zoosporangien dieses Chytridium sind sehr zierlich, etwa radies- chenförmig, an ihrem oberen kuglig angesehwollenen Theile befinden sich zwei gewölbte Deckel, von denen der eine seinen Platz mehr in der Mitte des Scheitels, der andere mehr nach der Seite zu ein- nimmt (Taf. IV. Fig. 13). Der untere Theil des Zoosporangiums läuft in einen schmalen Stiel aus, welcher auswendig an der Schale von Kpithemia Zebra angewachsen ist; auch kommen häufig zwei Parasiten auf einer Kpithemienschale vor. Die Wände des Zoo- sporangiums sind farblos und ziemlich dick, sein Durchmesser be- trägt 12 Mikr. et usc.z 83 Der Bildung der Zoosporen geht, wie gewöhnlich, das Auftreten einer nicht sehr grossen Zahl stark lichtbrechender Kerne vorher, welche gleichmässig in gewissen Abständen im durchsichtigen Inhalt vertheilt sind (Fig. 12. 13); das Ausschwärmen selbst habe ich nicht beobachten können. Entleerte Zoosporangien dagegen habe ich sehr zahlreich auf den Eprthemien angetroffen, welche von dem Parasiten getödtet schienen; von den beiden Deckeln war regelmässig nur der eine abgeworfen, der andere sass noch fest; auf anderen Bacillarien- arten habe ich dieses Uhytridium nicht bemerkt, auch wenn sie ge- sellig zwischen den Kpethemien lebten. 7. Ohytridium Mastigotrichis, nov. spec. Taf. IV. Fig. 14—21. Diese Art entwickelt sich am häufigsten auf den oberen Theilen der Fäden von Mastigothrix aeruginea Ktzg.; seltener kann man sie auch an den unteren Theilen derselben finden, offenbar deshalb, weil die schmäleren Enden dieser Fäden, die der Oberfläche der Gallertkugeln von Ühaetophora elegans näher sind, den Schwärmsporen des Para- siten einen leichteren Zutritt gewähren, als ihre tiefer im Schleim zwischen den Aesten der Uhaetophora eingesenkten Basaltheile. Die reifen Zoosporangien sind mehr oder minder regelmässig kugelförmig oder etwas elliptisch, etwa 40 Mikr. im Durchmesser und laufen in einen Hals aus, dessen Länge ausserordentlich verschieden ist (Taf. IV. Fig. 16. 17) von einem unbedeutenden Schnäbelchen bis zu einer langen Röhre, welche den Durchmesser des Zoosporangiums fast um die Hälfte übertrifft; manchmal bilden die Zoosporangien auf ihrer Oberfläche zahnähnliche Erhöhungen, gleichsam kleine Buckelchen. In sehr jugendlichem Alter ist der Parasit eine kleine mehr oder weniger kugelige Zelle mit farblosem Protoplasma, in welchem stark lichtbrechende Körnchen eingelagert sind (Fig. 14); mit der Zeit aber wird das Protoplasma in seiner ganzen Masse feinkörnig. Aus der Oberfläche der äusseren Wand der Uhytridium- zelle wachsen gewöhnlich fadenförmige Fortsätze heraus, welche sich zuerst als volle Fäden darstellen, ohne deutliche Wände; später er- reichen sie oft eine bedeutende Länge und bilden sogar Aeste (Fig. 15). Wenn diese Fortsätze blind im Schleime der Chaeto- phora enden, dann laufen ihre Spitzen in äusserst feine Fäden aus; wenn dagegen ein Fortsatz auf einen benachbarten Mastigothrixfaden stösst, so wächst er in denselben hinein, eine kuglige Erweiterung bildend (Fig. 15, Fig. 17—20). Solche Mastigothrixfäden zeigen durch das Geibwerden ihres Inhalts ihr Absterben an, welches offen- bar in der zerstörenden Einwirkung des Parasiten seine Ursache hat. Es verhalten sich daher die fadenförmigen Fortsätze wie 6* 34 Haustorien. In der Regel ist die Zahl der Haustorien eine be- schränkte; häufig entstehen bloss ein oder zwei, in anderen Exem- plaren jedoch eine grössere Zahl von Haustorien; andererseits habe ich Individuen gesehen, an welchen sich gar kein Haustorium befand. Trotzdem erscheinen auch diese C’hytridien als normal entwickelt, wenn auch nur auf Kosten des einen Mastigothrixfadens, an den sie von vorn herein angewachsen waren. Es ergiebt sich hieraus, dass der Parasit aus den entfernteren Mastigothrixfäden seine Nahrung durch die Enden seiner Haustorien zieht, während er aus dem Faden, an welchen er unmittelbar angewachsen ist, seine Nahrung mit seiner ganzen Berührungsfläche schöpft, ohne dass sich an dieser Stelle irgend welche Anhangsgebilde erzeugen. In diesem Falle trennt sich das Zoosporangium bisweilen in entwickeltem Zustande von dem zerstörten Mastigothricfaden und zeigt dann an der Anwachsstelle eine völlig glatte Oberfläche. Bisweilen berührt ein Zoosporangium zwei oder mehr nahe bei einander befindliche Mastigothrixfäden, ver- wächst mit allen diesen Fäden zusammen, welche an der Berührungs- stelle bogenartig sich krümmen, und zerstört sie alle zu gleicher Zeit (Fig. 16). Die Schwärmsporen bilden sich durch freie Zellbildung im ganzen Zoosporangium, den langen Hals desselben mit eingerechnet; zur Zeit ihres Austretens drückt ihre Masse gegen das obere Ende des Halses und löst die Haut desselben unter dem Auge des Beobachters auf (Fig. 17. 18). Aus der terminalen Oeflnung des Halses treten die Schwärmsporen heraus, durch gemeinsamen Schleim verbunden; zuerst erscheint daher vor der Oefinung eine kleine, mit nur wenigen Schwärmsporen angefüllte Schleimkugel (Fig. 13), die jedoch mehr und mehr an Grösse zunimmt, entsprechend dem fortgesetzten Hin- zutreten der noch zurückgebliebenen Zoosporen (Fig. 19). Während die Schleimmasse im Wasser allmählich quillt und sich auflöst, ent- fernen sich die Schwärmsporen gleichsam strahlenartig, indem sie zuerst mit ihren stumpferen, abgerundeten Enden vorwärts streben (Fig. 20). Zuerst befreien sich diejenigen, welche sich der Ober- fläche der Schleimkugel am nächsten befinden, von dem umgebenden Schleime und eilen hinweg. Da die Zahl der Schwärmsporen in einem Zoosporangium ziemlich gross und ihr Heraustreten nicht gerade ein schnelles ist, so kann man ihr Auseinandereilen verhält- nissmässig lange beobachten, indem die einen bereits frei im Wasser umherschwimmen, während die anderen erst aus dem Zoosporangium heraustreten. Zuletzt bleibt das Zoosporangium ganz leer zurück und verändert jetzt, frei von dem inneren Drucke seines früheren nn un 85 Inhalts, die bisherigen äusseren Umrisse einigermassen, um so mehr als seine Wände dünn und wenig elastisch sind und in Folge dessen leicht zusammenschrumpfen. Die Schwärmsporen des Ü'hytr. Mastigotrichis unterscheiden sich in vielen Beziehungen von denen der übrigen ÜUhytridiaceen. Sie sind verhältnissmässig gross und von eiförmiger Gestalt; ihre Länge beträgt etwa 8, die Breite 5 Mikr. Die Cilie befindet sich an ihrem schmäleren Ende (Fig. 21); die Aussenfläche der Schwärmspore besteht aus farblosem, hyalinem Protoplasma, welches an dem stumpferen Ende eine diekere Schicht bildet, gegen das spitzere Ende aber schmäler wird, so zwar, dass es in der Gegend der Cilie nur einen zarten Ueberzug darstellt. Diese hyaline Schicht umgiebt, ähnlich wie das Weissei den Dotter des Hühnerei, einen inneren, stärker lichtbrechenden Körper von verlängert elliptischer Gestalt, der offenbar dem stark lichtbrechenden Kerne anderer Arten ent- spricht; die Substanz dieses Kerns ist an ihrer Oberfläche dichter als im Innern. An dem schmäleren Ende der Schwärmspore, dicht an der Cilie, befindet sich ein längliches Körnchen eines besonders stark lichtbrechenden Stoffes, welches anscheinend dem sogenannten Augenflecke anderer Schwärmsporen entspricht, mit dem einzigen Unterschiede, dass es hier ungefärbt ist. Oft kommen im Kerne der Schwärmspore, dicht bei der Cilie, seltener auch an anderen Stellen, mehr oder weniger zahlreiche Körnchen vor. In einigen Fällen habe ich amoebenartige Veränderungen an den Schwärmsporen beobachtet. Die äussere hyaline Protoplasmaschicht ist besonders contractil und verlängert sich, indem sie sich nach einer Seite gleichsam ergiesst (Fig. 21a b ce), während der Kern sich entweder schwächer verlängert oder auch gar nicht seine Gestalt verändert, wenn die Formveränderung der ganzen Schwärm- spore überhaupt eine geringere ist. Die Schwärmbewegung der Zoosporen des Ühytr. Mastigotrichks geht keineswegs schnell vor sich; dabei verfolgen sie beim Schwim- men bald eine gerade, bald mehr oder minder gebogene ziekzack- artige Linien. Manchmal halten sie sich auf ihrem Wege bei irgend einem Gegenstande auf, wenden sich aber alsbald wieder nach der einen oder der anderen Richtung. Es ist auch bemerkenswerth, dass die Schwärmsporen beim Schwimmen stets ihr stumpferes Ende nach vorne kehren, so dass die Cilie gleich einem Steuer nach hinten gerichtet bleibt, ohne jedoch den Zweck eines solchen zu erfüllen. Es scheint vielmehr die Cilie gar keinen Einfluss auf die Bewegung der Schwärmspore zu haben. 86 II. Obelidium'), nov. gen. Das einzellige Zoosporangium erhebt sich auf einem mehr oder weniger ausgebildeten Träger aus der Mitte eines strahlenartig in einer Ebene ausgebreiteten diehotomisch verzweigten Mycels, von welchem es durch eine Scheidewand vollständig abgeschlossen ist. Die Zoosporen bilden sich in geringer Zahl und treten durch eine seitliche Oefinung aus. 1. Obelidium mucronatum, nov. spec. Taf. V. Fig. 1—5. In dem Gefässe, worin ich die Ühaetophoren eultivirte, fand ich am letzten December 1875 auf der leeren Haut einer Mückenlarve ausser einem Pythium auch die in Rede stehende Ohytridiacee. Das einzellige Zoosporangium dieser Art, welches eine Länge von 32—56 Mikr., im Mittel 42 Mikr. und einen Querdurchmesser von 8--15 Mikr,. erreicht, besteht in typisch entwickeltem Zustande aus zwei Theilen. Der obere bei weitem grössere hat eine kegel- förmige Gestalt und endigt in einem schmalen soliden zugespitzten Stachel (Taf. V. Fig. 1). Der untere Theil dagegen, der jedoch durch keine Scheidewand abgegrenzt ist, besteht aus einer fussähn- lichen Verschmälerung mit bedeutend verdickter, doppelte Contur zeigender Wandung, die gewissermassen einen Stiel oder Sporangium- träger bildet; derselbe verengt sich von oben nach unten, geht jedoch an der Basis wieder in eine kugelförmige Erweiterung über, mit der er sich an die Oberfläche der Larvenhaut anheftet. Von dieser kugelförmigen Basis gehen strahlenartig mehr oder weniger zahlreiche überaus feine, fast unmessbar dünne Mycelzweige aus, die sich in der durchsichtigen Larvenhaut dichotomisch ohne Quer- wände üppig verzweigen. Sie bilden um das Zoosporangium einen ziemlich grossen Kreis bis zu 160 Mikr. Durchmesser (Taf. V. Fig. 2). In der Regel treten aus der Basis des Zoosporangiumstieles nur wenige dickere Myceläste, die sich alsbald nach allen Seiten hin gabeln. Manchmal jedoch beginnt das Mycel mit einem einzigen Faden, der vom Zoosporangium ausläuft und sich erst etwas tiefer verästelt (Taf. V. Fig. 4a). Die einzelnen Mycelzweige sehen wie farblose, solide aber äusserst zarte Fäden aus; die dickeren Aeste aber der kräftigeren Exemplare haben zumal in der Nähe der Stielbasis deutliche Doppelwände. In dem farblosen Protoplasma des Zoosporangiums entstehen vor der Entwickelung der Schwärmsporen die Schwärmsporenkerne, welche für die meisten Uhytridiaceen charakteristisch sind (Taf. IV. Fig. 3). Die Schwärmsporen bilden sich nur in geringer Zahl und 1) Der Name ist von oßeAog, Spiess, gebildet. g u treten durch eine in der Zoosporangiumwand unter dem Stachel ent- standene Oeflnung nach aussen; sie verharren aber, ohne Zweifel von Schleim umgeben, vor der Oefinung eine Zeit lang im Zustande der Ruhe (Taf. V. Fig. 1), ein Theil der Schwärmsporen bleibt un- beweglich im Zoosporangium zurück. Plötzlich beginnen die, zuerst ausgetretenen Zoosporen sich nach allen Seiten zu zerstreuen; auch die im Zoosporangium gebliebenen schwärmen fast gleichzeitig inner- halb desselben und verlassen es erst nach einiger Zeit. Die kugeligen Schwärmsporen haben 2,5 Mikr. im Durchmesser, besitzen einen kleinen excentrischen Kern und wahrscheinlich eine Cilie. Bei ihren schnellen Bewegungen wenden sie sich rasch nach verschiedenen Seiten. Das entleerte Zoosporangium ist zart und durchsichtig, schrumpft sehr leicht zusammen und geht viel eher zu Grunde, als der stark verdiekte Stachel und der steife Stiel (Fig. 2). Die Schwärmspore keimt auf der Oberfläche der Larvenhaut; aus ihr wächst bei der Keimung auf der einen Seite das Mycel (Fig. 5) hervor, während sie selbst sich zur Anlage des Zoosporangiums entwickelt. Das Mycel verzweigt sich mehr und mehr und breitet sich über eine immer grössere Fläche aus, doch so, dass die sämmtlichen Gabel- äste in der nämlichen Ebene verlaufen. Die Anlage des Zoosporan- giums erscheint zuerst als ein kleiner länglicher protoplasmareicher Körper im Centrum des Mycels, von welchem er durch eine Quer- wand sich abgliedert; er wächst bald in die kegelförmige Spitze aus, deren Inhalt stärker lichtbrechend ist, als das übrige Protoplasma, und deren Membran sich sehr stark verdickt; die mittlere Region dagegen schwillt mehr oder weniger auf, während die Basis stiel- artig sich verdünnt, ihre Membran dagegen sich stark verdickt und an der Scheidewand die kugelartige Erweiterung ausbildet (Fig. 4). Die Höhe des Stiels ist an verschiedenen Individuen sehr verschie- den. Manchmal fehlt derselbe ganz und das Zoosporangium sitzt mit der kugelförmigen Basis unmittelbar auf dem Mycel. In typi- schen Individuen bilden sich im Stiel keine Zoosporen; bei der stiel- losen Form entstehen dieselben im ganzen Zoosporangium bis zur kugligen Basis. III. Rhizidium A. Br, Die Begründung und Beschreibung der "Gattung Khizidium verdanken wir dem Entdecker der Chytridiaceen Al. Braun; sie unterscheidet sich nach ihm von Uhytridium „durch eine verlän- gerte, in viele Zweige mit äusserst feinen Enden sich theilende Wurzel und durch die Bildung einer zweiten, zur Fruetification 38 bestimmten Zelle, welche aus dem blasenartig erweiterten oberen Ende der vegetativen Zelle durch seitliche Aussackung hervorwächst. Die Fructification ist von zweifacher, auf verschiedene Individuen vertheilter Art; entweder nämlich bilden sich in der seitlichen und zur besonderen Zelle sich abschliessenden länglichen Aussackung Zoogonidien, welche ganz die Beschaffenheit derer von Chytridium besitzen, oder diese Aussackung nimmt eine kugelförmige Gestalt an und wird zu einer einzigen, sich allmählich braun färbenden, mit dieker und höckeriger oder fast stacheliger Haut und grossem Kern versehenen ruhenden Spore '),“ Ausser der Art Rhizidium mycophilum A. Br., welche man bis jetzt einzig und allein in dem Schleime der ÜUhaetophora elegans gefunden hat, erwähnen Al. Braun und Schenk ein anderes, Arhizidium Euglenae?); Schenk hat noch ein drittes: Rhrzidium intestinum beschrieben, welches er innerhalb der Zellen von Nittella flexilis, P vielen Oedogonien und einige Male auch in Mougeotia entdeckte). 1. Lhizidium mycophilum A /Br. Taf. V. Fig. 6— 12, Taf. VI. Fig. 1—5. Ich hatte Gelegenheit, im Schleim von C'haetophora elegans von September bis November 1875 ZArhizidium mycophilum A. Br. sehr häufig aufzufinden, wo es, theils in einzelnen Individuen zer- Streut, theils gruppenweise zu Colonien mehr oder weniger fest ver- einigt, vorkommt. Die Wurzelzelle dieses Ahrzidium ist oft sehr lang (etwa bis 150 Mikr.) und verästelt; da, wo sie mit der Zoosporangiumzelle zusammenstösst, ist sie etwas erweitert und oft zwiebelartig ausge- dehnt. In der Regel gehen von einem Hauptfaden, gewissermassen einer Pfahlwurzel, Aeste nach verschiedenen Richtungen, welche immer feiner werden und in den letzten Verzweigungen in äusserst dünne Fasern auslaufen (Taf. VI. Fig. 1). Seltener entspringen aus der zwiebelartigen Ausdehnung zwei gleich dicke Hauptäste, welche sich dann weiter verzweigen. Die Zoosporangiumzelle ist bald rundlich, bald mehr länglich, etwa 25 Mikr. im Querdurchmesser und 40 Mikr. lang, manchmal auch derartig in die Länge gezogen, dass letztere den Breitendurchmesser um das zwei- bis dreimalige, wo nicht gar noch mehr, übertrifft und eirca 38 Mikr. erreicht; sie ist zur Zeit !) Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1856 p. 591. 2) Braunl.c.; Schenk, Algolog. Mittheilungen p. 246. Rhizidium Euglenae, das ich für identisch mit Uhytridium Euglenae A. Br., Abhandl. der Berl. Akademie 1856 p. 47, Bail, Bot. Zeitschr. 1555 p. 678, halte, stelle ich nach meinen neuesten Untersuchungen in eine besondere CGrattung, die ich später beschreiben werde. 3) Dr. A. Schenk. Ueber das Vorkommen contractiler Zellen im Pflau- zenreiche. Würzburg 1558. der Schwärmsporenentwickelung mit einem papillenartigen Schnäbel- chen versehen. Die Zellwände sind bei dieser Art zart, durchsichtig und farblos; bei Zusatz von Jod und Schwefelsäure konnte ich keine blaue Fär- bung wahrnehmen. Der Zellinhalt besteht aus farblosem, feirkörni- gem Protoplasma, welches nur in der papillenartigen Verlängerung der Zoosporangiumzelle mehr homogen und ohne Körnchen ist. Manchmal glaubte ich in der Zoosporangiumzelle einen deutlichen Zellkern zu erkennen. (Taf, VI. Fig. 5.) Der Bildung der Zoosporen geht wie gewöhnlich das Auftreten zahlreicher stark lichtbrechender Kerne vorher, welche von hyalinem Protoplasma umgeben und dadurch von einander getrennt sind. (Fig. !.) Durch eine an der Spitze des Zoosporangiums entstandene Oeffnung fliesst der gesammte Inhalt desselben, welcher aus Schwärmsporen und Schleim besteht, nach aussen und bildet zuerst eine kugelige Masse, welche vor der Oeffnung haften bleibt (Fig. 2). Nun beginnt die Kugel durch Wassereinsaugung anzuschwellen; in Folge dessen kann man bald an den nunmehr weiter von einander abstehenden Schwärmsporen nicht nur ihre Kerne, sondern auch die Umrisse der dieselben umgebenden Protoplasmahüllen unterscheiden. Hierauf zer- fliesst die Schwärmsporenkugel zu einer formlosen Masse, welche indess den Zusammenhang mit dem Zoosporangium, aus welchem noch fortwährend Schwärmsporen, eine nach der andern, hinzukom- men, nicht aufgiebt. Alle Schwärmsporen besitzen bis dahin keine active Bewegung, sie werden nur durch die Bewegung des Schleims aus dem Zoosporangium ausgetrieben. An der Peripherie der aus- geflossenen Schleimmasse beginnen die Schwärmsporen sich langsam in Bewegung zu setzen und schwimmen, sobald sie mit dem Wasser in Berührung kommen, schnell davon (Fig. 3). Eine kleine Anzahl bleibt noch lange im Zoosporangium zurück; sie verlassen dasselbe aber endlich eine nach der andern. Die Schwärmsporen sind kugelrund, 5 Mikr. im Durchmesser, haben ziemlich grosse excentrische Kerne, die stark das Licht brechen ; sie bewegen sich stossweise, fast raketenartig. Nachdem ihre Bewe- gung eine gewisse Zeit gedauert hat, keimen sie entweder im Schleim der nämlichen Ühaetophora, von der sie ausgegangen sind, oder gelangen wohl auch in andere Exemplare derselben Pflanze. Die zur Ruhe gelangten Schwärmsporen entwickeln sich zu neuen Khizidien, indem aus ihrem kugeligen Körper an einem Punkte ein äusserst zarter, langer Keim-oder Wurzelfaden hervorwächst, dersich sehr früh in noch feinere Aestchen verzweigt. An der Anheftungsstelle zeigt 90 der Wurzelfaden alsbald eine kleine Erweiterung, über welcher der eigentliche Körper der Zoospore kugelig anschwillt und sich allmäh- lich zur Zoosporangiumzelle ausbildet. Hierbei wird der oelartige Kern immer kleiner, sodass derselbe offenbar als ein der Zoospore beigegebener Reservestoff zur Ernährung der jungen Keimpflanze verbraucht wird; das Protoplasma der letzteren ist anfänglich homo- gen und zeigt Vacuolen; später wird es körnig; nunmehr unterschei- den sich die jungen ZAhizidien von den ausgewachsenen nur durch ihre geringere Grösse (Fig. 4). Das leere Zoosporangium zeigt eine zarte, durchsichtige Membran, welche leicht zusammenschrumpft und bald der Zerstörung anheimfällt. Die Wurzelzelle dagegen, welche an der Bildung der Schwärmsporen keinen Antheil nimmt, schreitet auch nach der Entleerung derselben in ihrer eigenen Entwickelung weiter fort. Noch vor dem Erscheinen der Schwärmsporenkerne im Zoosporangium kann man Krhiziedien antreffen, in denen die Anschwel- lung der Wurzelzelle fast kugelartig ausgedehnt und durch eine Querwand abgetrennt ist, derart, dass man jetzt ein aus drei hinter- einander folgenden Zellen bestehendes Arhrzidium vor sich hat. (Fig. 5.) Nach der Entleerung der Schwärmsporen wird das Zoosporangium durch die aus jener zwiebelartigen Anschwellung entstandene Zelle ersetzt; daher finden wir oft verhältnissmässig kleine Zellen, welche das Anhängsel einer langen Wurzelzelle bilden. Während ich die Entwickelung der Zoosporen nur im Septem- ber beobachten konnte, zeigten sich später im Herbst die schon von A. Braun erwähnten diekwandigen Dauersporen. Ueber ihre Entstehung habe ich eine Reihe höchst interessanter Beobachtungen gemacht, deren Beschreibung ich mir für einen anderen Ort vorbe- halte, weil ich deren Vervollständigung beabsichtige. Ich beschränke mich daher hier auf das bis jetzt noch nicht gekannte Verhalten der Dauersporen bei der Keimung. Die Dauersporen finden sich einzeln an der Spitze einer Wurzel- zelle oder zu zahlreichen Colonien vereinigt, von einem schwer ent- wirrbaren Knäuel von Wurzelzellen umgeben und von mehr oder weniger langen Härchen filzartig bedeckt. Sie erreichen 15—30 Mikr. im Längendurchmesser, ihre Sporenmembran besteht anscheinend aus zwei Schalen; die äussere trägt meist eine dichte Bekleidung feiner Härchen (Taf. V. Fig. 7, Fig. 3). Ihr Inhalt ist feinkörniges Proto- plasma, in dessen Mitte ein sehr grosser stark lichtbrechender Oeltropfen sich auszeichnet. Die Dauersporen bleiben Monate lang im Ruhezustande. Die Keimung begann bei dem in den ersten 91 Tagen des November gesammelten und im warmen Zimmer aufbe- wahrten Material Anfang December und dauerte bis zu den ersten Tagen des Januar, wo der ganze reichliche Vorrath der Dauercolo- nien sich aufbrauchte. An der Spitze der keimenden Dauerspore tritt zuerst eine "kleine Blase, nachdem sie die äussere Sporenhaut in einem kleinen Punkte durchbrochen, nach aussen hervor (Taf. II. Fig. 6); sie enthält sehr zartes homogenes Plasma, welches von einer überaus feinen Haut umgeben ist. Im weiteren Verlaufe vergrössert sich die ausgetretene Blase und wird zuletzt zu einer selbständigen kugeligen Keimzelle, welche am Scheitel der Dauerspore aufsitzt und das Plasma dersel- ben vollständig in sich aufnimmt; in letzterem wird der grosse Oel- tropfen, der oflenbar als Reservenahrung diente, allmählich immer kleiner und verschwindet zuletzt ganz, so dass der Inhalt der ausge- tretenen Keimzelle ein blasses, gleichartiges Plasma darstellt, welches von dem körnigen der Dauerspore sehr verschieden ist; ein Zell- kern wurde von mir in der Keimzelle oft wahrgenommen. Die aus der Spore ausgetretene Keimzelle wächst nun weiter und nimmt dadurch eine längliche, mitunter schlauchförmige Gestalt an (Taf. V. Fig. 8, 9), sie ist oft an ihrer Basis kolbenartig erweitert, ihr Protoplasma ist feinkörnig, oder auch manchmal hyalinisch und dann von leiterartig aufeinanderfolgenden Querwänden durchsetzt, welche hier und da kleine Oeltropfen enthalten. Nachdem die Keimzelle sich mehr oder weniger vergrössert hat, wird sie unmittelbar zum Zoosporangium, welches sich von den gewöhnlichen, schon früher ge- schilderten nur dadurch unterscheidet, dass sie nicht wie diese auf einer Wurzelzelle aufsitzt. In ihrem Protoplasma entstehen zahlreiche Schwärmsporenkerne und in der Folge auch Schwärmsporen selbst, treten durch eine an der Spitze der Keimzelle entstandene Oeffnung heraus und bilden durch Schleim verbunden eine kugelige Masse, welche sich durch den Zufluss von neuen Schwärmsporen vergrössert (Fig. 10), durch Wassereinsaugung ausserordentlich aufschwillt und zu einer grossen unregelmässigen Figur auseinanderfliesst (Fig. 11). Im Schleime verhalten sich die Schwärmsporen fortwährend ruhig oder werden passiv mit dem Strome des Schleimes fortgezogen. End- lich lassen einige von ihnen eine schwache Bewegung im Schleime erkennen, entfernen sich aber erst dann, wenn sie mit dem Wasser in Berührung kommen (Fig. 12). Von diesem Zeitpunkte beginnt ein allgemeines Wegschwimmen der Schwärmsporen aus der Schleim- masse. Ein kleiner Theil von ihnen bleibt jedoch unbeweglich im 92 Innern der geöffneten Keimzelle. Die Schwärmsporen unterscheiden sich weder im Bau, noch in der Bewegung von den in den früher beschriebenen Zoosporangien entwickelten und bilden gleichfalls neue Zrhizidien. IV. Cladochytrium, nov. gen. Die Zoosporangien dieser Gattung entstehen entweder intercalar aus den Prrotomycesähnlichen Auschwellungen eines in der Nährpflanze wuchernden einzelligen Mycelium, von welchem sie sich durch Quer- wände abtrennen, oder terminal am Ende einzelner Mycelfäden. Die Zoosporangien entleeren sich entweder durch das Oeffnen eines sehr verschieden langen Halses, oder sie sind mit Deckel versehen. Es kommt hier auch die Bildung von secundären Zoosporangien vor; sie entstehen entweder reihenförmig nebeneinander oder in älteren, schon entleerten Zoosporangien. 1. Oladochytrium tenue, nov. spec., Taf. VI. Fig. 6—13. Diese Art habe ich im Herbst 1875 im Gewebe von Acorus Calamus und Iris Pseudacorus, in der letzteren Pflanze auch Anfang April 1876 in vorjährigen Exemplaren gefunden. Auch im Gewebe von @lyceria spectabilis, welche Monate lang im Wasser in demselben Gefässe mit obigen Pflanzen zusammenfaulte, habe ich dieses Oladochytrium angetroffen. Das Mycel besteht aus dünnen, zarten, farbloses Pro- toplasma enthaltenden ungegliederten Mycelfäden, welche sich im Zellgewebe der Nährpflanze und zwar innerhalb der Zellen in kleineren oder grösseren Abständen nach allen Richtungen verzweigen, die Wände der Zellen durchbohren und im Innern derselben spindelför- mige Protomycesähnliche Ansehwellungen bilden (Fig. 6, 8, 9). Die zarten Mycelfäden, welche die Nährzellen meist in geringer Zahl durchziehen, haben nur 1—2 Mikr. im Durchmesser; sie gleichen Pseudopodien oder Protoplasmafäden, und zeigen oft nur eine ein- zige spindel- oder kugelförmige Anschwellung in jeder Zelle, in an- deren Zellen bilden sich die letzteren in grösserer Zahl. Die An- schwellungen haben zarte Membran und homogenen später körnigen Protoplasmainhalt, in welchem ich im Winter einen grossen oder mehrere kleine Oeltropfen wahrnahm. Durch eine Querscheidewand theilen sich oftmals die Anschwellungen in zwei gleiche Hälften, von denen jedoch die eine inhaltslos wird, während in der anderen das Protoplasma sich vermehrt, auch die Grösse zunimmt (Fig. 6, 7). Aus diesen protoplasmareichen Hälften der primären Anschwellungen gehen die Zoosporangien hervor, indem sie sich noch sehr bedeutend vergrössern, eine kugelige Gestalt annehmen und mit dichtem Proto- 93 plasma füllen; die andere inhaltlose Hälfte sitzt in der Regel als ein kleiner blasenartiger Anhang des Zoosporangium an der Spitze des Tragfadens. Einigemal sah ich Dreitheilung der Anschwellung. Die Zoosporangien zeigen übrigens verschiedene Grösse, ich bestimmte ihren Querdurchmesser im Mittel auf 15 Mikr.; in der Regel nehmen sie daher nur einen Theil ihrer Nährzelle ein, mit- unter füllen sie jedoch dieselbe ganz und gar aus; in einzelnen Zellen von Iris Pseudacorus fand ich solche riesige Zoosporangien von 66 Mikr. und darüber. Zuletzt verlängern sich die Zoosporan- gien in einen schnabelartigen Hals oder in eine längere Röhre, welche das Sporangium oft um das Doppelte übertrifft und am Ende ein wenig eingebogen oder in der ganzen Länge wellenförmig ge- krümmt ist. Das Ende des Halses durchbricht die Wand der Nähr- zelle, und dringt entweder nach aussen ins Wasser, oder tritt auch in eine benachbarte Parenchymzelle hinein; mitunter entwickelt ein Zoosporangium mehrere Hälse. Wenn auf einem von dem Mycel des Oladochytrium durchzogenen Pflanzenstengel die Kugeln einer Ohaeto- phora aufsitzen, so dringen die Mycelfäden auch in den Schleim der Gallertalge ein und bilden im letzteren Zoosporangien (Fig. 12, 13). Auch tritt das Mycel durch das Zellgewebe oft an die Oberfläche der Blätter und bildet hier ebenfalls kuglige Anschwellungen und später Zoosporangien (Fig. 5, 9). Im Protoplasma der Zoosporangien entstehen nun, wie gewöhn- lich, stark lichtbrechende Kerne und hierauf um diese die kugligen Schwärmsporen selbst, welche 5 Mikr. im Durchmesser, eine Cilie und einen excentrischen Kern besitzen. Sie treten durch Schleim verbunden in einer kugeligen Masse aus einer am Ende des Halses entstandenen Oeffnung hervor; einige bleiben längere Zeit im Zoospo- yangium zurück und verlassen es später einzeln (Fig. 10). Während des Austritts nehmen die Zoosporen sammt ihrem Kerne mitunter eckige Gestalt an; beim Schwärmen jedoch werden dieselben kuglig, zeigen aber auch amoeboide Bewegungen und Gestalt- veränderungen. Bei der Keimung nimmt die Spore immer Kugel- gestalt an, der Kern liegt excentrisch am Rande, an einem an- deren Punkte des Randes bricht ein überaus feiner Keimfaden hervor, der sich in ein paar Tagen bedeutend verlängert und zarte Aeste ausschickt, oder es treten gleichzeitig an zwei Stellen der gekeimten Zoospore solche Fäden hervor, die sich unregelmässig verzweigen. An einzelnen Stellen der Keimfäden bilden sich schon sehr früh die charakteristischen Anschwellungen, aus denen später die Zoosporangien hervorgehen (Fig. 11 a. b. ec... Während der 94 Keimung wird der ölartige Zellkern allmählich resorbirt und ein klares Protoplasma bildet den Inhalt der gekeimten Spore. Die Keimung geht auf der Oberfläche der Nährpflanze oder im Innern ihrer Zellen vor sich, je nachdem der Hals des Zoosporangiums nach aussen oder in eine Nachbarzelle gedrungen ist. In der Regel entsteht, wie schon bemerkt, das Zoosporangium aus der einen protoplasmareichen Hälfte einer Anschwellung des Mycels, während die andere Hälfte inhaltleer bleibt; sehr häufig jedoch entwickeln sich auch ungetheilte Anschwellungen ohne Wei- teres zu Zoosporangien, so dass die Theilung keine nothwendige Bedingung der Fortpflanzung ist; andererseits können auch beide Hälften einer getheilten Anschwellung zu Zoosporangien werden; in diesem Falle geht die Ausbildung der beiden Hälften nicht immer gleichzeitig vor sich. Bei einem Üladochytrium, das seine Zoospo- rangien im Schleime einer auf Acorus Ualamus sitzenden Ühaeto- phora elegans entwickelt hatte, fand ich zwei und sogar drei zu einer Reihe mit einander verwachsene Zoosporangien, von denen das obere leer war, das nächstfolgende Protoplasma enthielt, worin schon Schwärmsporenkerne erkennbar waren, und das dritte, welches sich augenscheinlich zuletzt gebildet hatte, nur aus einer dünnen Wand und gleichartigem Protoplasma bestand (Fig. 12). Die zwei ersteren Zoosporangien hatten kurze, schnabelartige Hälse, die Mündung der letzteren aber lief in eine längere Röhre aus. Dieses Zoosporangium stand in Verbindung mit einem Mycelfaden, welcher sich zwischen den Aesten der Ühaetophora verlor. Nach Verlauf von mehr als 24 Stunden traten aus dem zweiten Zoosporangium Schwärmsporen heraus und hierauf schwärmte auch das dritte vollständig aus. Bei Öladochytrium tenue habe ich auch die Entwickelung von secundären Zoosporangien in ähnlicher Weise beobachtet, wie dies de Bary bei Saprolegniaceen beschrieben hat!). Im Innern ent- leerter Zoosporangien fand ich kugelartige, mit Protoplasma erfüllte und von dünner Wand umgebene Anschwellungen, welche die Höhlung nur theilweise ausfüllten und offenbar durch Hineinwachsen des durch eine Scheidewand abgegrenzten Mycelfaden in das leere Zoosporan- gium entstanden waren (Fig. 13”). In einem Exemplare, welches ich längere Zeit auf dem Objectträger liegen liess, entwickelte sich nach Verlauf von ungefähr zwei Tagen aus einer solchen kugel- artigen Anschwellung ein kurzer Mycelfaden, welcher die Wand des leeren Zoosporangiums durchbrach und sich in zwei lange Aeste !) Pringsheims Jahrbücher f. wiss. Botanik. II. Band 1860 p. 185. verzweigte; ein Ausschwärmen von Zoosporen fand jedoch hier nicht statt. Auch in anderen Fällen habe ich das Hervorsprossen von dünnen Mycelfäden aus dem Zoosporangium beobachtet. Unser Oladochytrium tenue ist offenbar nächst verwandt mit dem von de Bary in den Blättern und Blattstielen von Menyanthes tri- ‚Foliata entdeckten, als Protomyces Menyanthis bezeichneten ’Para- siten '); insbesondere zeigt das Mycel mit seinen dünnen ungetheilten Fäden und den meist zweitheiligen Anschwellungen die grösste Uebereinstimmung in Form und Vorkommen. De Bary beobachtete allerdings Dauersporen, welche ich selbst nieht mit Sicherheit nach- weisen konnte, während ihm die Entwickelung der Zoosporangien unbekannt blieb; die letztere ist jedoch ausreichend, um unseren Organismus von der Gattung Protomyces zu trennen und in die Familie der Ohytridiaceen einzureihen. COladochytrium scheint dem- nach auf eine bisher nicht berücksichtigte Verwandtschaft zwischen Uhytridiaceen und Protomyceten hinzuweisen. 2. Oladochytrium elegans, nov. spec. Taf. VI. Fig. 14—17. Diese Art habe ich im Schleime von Ühaetophora elegans sehr selten ge- funden, wahrscheinlich deshalb, weil der eigentliche Ort ihrer Ent- wickelung andere Pflanzen sind, auf deren Oberfläche die Uhaetophora zufällig vegetirte. Das Mycel besteht aus einzelligen Fäden, die ähnlich wie bei der vorigen Art sich verzweigen und mit zartem wenigkörnigem Protoplasma erfüllt sind. Die Mycelfäden sind stärker als die von Ulad. tenue, etwa 2,5—D Mikr. dick, bilden aber wie dieses in gewissen Abständen mehr oder weniger bedeutende mit Plasma erfüllte spindel- förmige oder unregelmässige Anschwellungen, die an Protomyces erinnern. Die Zoosporangien habe ich nur endständig oder nahe der Spitze einzelner Myceläste angetroffen, welehe mehr oder weni- ger kugelig anschwellen, mit Plasma sich füllen und durch eine Scheidewand abgliedern; sie sind grösser als die der vorher- beschriebenen Art; ich bestimmte den Querdurchmesser zwischen 22—37 Mikr., im Mittel = 27 Mikr., sie sind von kugeliger, ovaler oder eiförmiger Gestalt; in entwickeltem Zustande besitzen sie an der Spitze einen schwach gewölbten Deckel (Taf. VI. Fig. 14, 15). Die Schwärmsporen, welche auf gewöhnliche Art um Kerne sich bilden und nach dem Abfall des Deckels das Zoosporangium ver- lassen, bleiben eine zeitlang vor dessen Oeflnung, wahrscheinlich in !) Dr. A. de Bary, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze. Frankfurt a. M. 1864. p. 25. Taf. I. Fig. 1—7. 96 dem sie umgebenden Schleime, ruhig liegen; sie verändern durch amoebenartige Bewegungen ihre Gestalt und schwimmen dann alsbald auseinander (Fig. 16). Sie besitzen einen ziemlich grossen stark lichtbrechenden Kern und eine lange deutliche Cilie; sie sind ebenfalls kugelig, jedoch bei weitem grösser als die von Olad. tenue, 7,5 Mikr. im Durchmesser. Nach der Entleerung des Zoosporangiums wölbt sich oft die dasselbe von seinem Tragfaden trennende Scheidewand in das Innere hinein, und erhebt sich in seiner Höhlung zu einem neuen secun- dären Zoosporangium, welches jedoch weit enger bleibt und die Höhlung des primären nicht ausfüllt, sondern eine schlauchartige nach oben verjüngte Gestalt annimmt. Der Scheitel des secundären Zoosporan- giums ragt etwas durch die Oeffnung des primären hervor (Fig. 17) oder endigt im Innern desselben. Er ist an seiner Spitze rund ge- wölbt und bildet bei der Reife des Zoosporangiums ebenfalls einen Deckel; die Bildung und Entleerung der Schwärmsporen geht ganz so wie in den primären vor sich. Manchmal entstehen in dem Protoplasma des secundären Zoospo- rangiums vor der Bildung der Schwärmsporen zahlreiche Vacuolen und die Protoplasmamasse nimmt hernach einen netzartigen Bau an. In diesem Falle befinden sich in den dünnen Wänden des Proto- plasmas, welches die runden Räume des Netzgebildes umgiebt, ein- zelne stark lichtbrechende Körner. Diese Art erinnert in der äusser- lichen Gestalt ihrer Zoosporangien an die Sorokinschen Gattungen Zygochytrium und Tetrachytrium ‘), ist aber von denselben vollstän- dig verschieden durch die Entwickelungsweise der Schwärmsporen, die Gestalt der Deckel und das Vorhandensein des Mycels. Auffallend ist, dass von zwei einander so nahe stehenden Arten, wie unser Oladochytrium tenue und elegans, das eine seine Zoosporangien durch eine Oefinung am Schnabel, das Andere durch Abwerfen eines Deckels austreten lässt. Breslau, April 1876. N et Big. 1. Fig. 2. Fig. 3. Figuren - Erklärung. (Alle Figuren sind mit Hilfe der Camera lucida gezeichnet.) Tafel IV. Chytridium destruens p. 75 (vergr. 400). a. Eine vom Parasiten ergriffene Chaetonema-Zelle. Im Innern des Chytridium drei braune Klümpchen von einer Vacuole umgeben. b. Schwärmsporen das Zoosporangium verlassend. ce. Das entleerte Zoosporangium mit gelb gefärbten Wänden und einem braunen Klümpchen. Chytridium gregarium p. 77 (vergr. 400). Mehrere in dem Ei eines Rotatorium entwickelte Zoosporangien, in verschiedenen Entwickelungszuständen, a. Mit Schleim umgebene, aus dem Zoosporangium hervorgegangene Schwärmsporenmasse. b. Schwärmsporen. Chytridium macrosporum p. 79 (vergr. 400). Ein Zoosporangium in dem Ei eines Rotatorium entwickelt. Beginn der Schwärmsporenbildung. . Desgl. Schwärmsporen, das Zoosporangium verlassend; a. Membran desselben von der Eihaut gesondert. Chytridium Coleochaetes p. SO (vergr. 400). Fig. 5—7. Entwickelung junger Chytridien im Oogonium der Coleochaete pul- Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. vinata; 5. Parasit, noch im Oogoniumhals, 6. über denselben hervor- tretend, 7. ausgewachsen; von der Oosphaere bleibt nur ein braunes Klümpechen übrig. Zoosporangium mit heraustretenden Schwärmsporen a. Zwei aus einem Oogonium heraustretende entleerte Zoosporangien. Vier noch nicht vollständig entwickelte aus einem Oogonium heraus- tretende Zoosporangien. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heftl. fl Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. os Chytridium microsporum p. 81. . 11. (Vergr. 400.) Ein Zoosporangium auf Mastigothrix aeruginea sitzend, aus ihm treten Schwärmsporen heraus; ein Theil der letzteren bleibt schwärmend noch einige Zeit im Zoosporangium zurück. . 11a. (Vergr. 850.) Schwärmsporen. Chytridium Epithemiae p. 82. . 12. (Vergr. 850.) Ein Zoosporangium mit Schwärmsporenkernen auf der Schale von Epithemia Zebra sitzend. . 13. (Vergr. 620.) Ein entleertes Zoosporangium mit zwei Deckeln, der terminale festsitzend, der seitliche abgehoben. Chytridium Mastigotrichis p. 83. (Vergr. von Fig. 15 und 21 620; der übrigen 400.) . 14. Ein junges Chytridium, auf dem oberen Theile eines Mastigothrix- fadens sitzend. . 15. Von dem auf einem Mastigothrixfaden angewachsenen Zoosporangium gehen fadenförmige Haustorien aus, von denen eines in einen benach- barten Faden derselben Alge eingedrungen ist. . 16. Ein Zoosporangium mit langem Hals an zwei Mastigothrixfäden an- gewachsen. Aus der Oberfläche des Zoosporangiums erheben sich kleine Ausstülpungen. . 17. Die Zoosporenmasse beginnt dureh Auflösung der Zoosporangium- wand am Scheitel einer Papille herauszutreten. . 15—19. Das nämliche Zoosporangium; die Schwärmsporenmasse mehr und mehr herausgetreten. ig. 20. Schwärmsporen, vom Schleim sich befreiend und davoneilend. . 21. Schwärmsporen. a. b. c. Schwärmsporen, deren äussere hyaline Hülle amoebenartig ihre Gestalt verändert. Tafel V. Obelidium mucronatum p. S6 (vergr. 620). 1. Reifes Zoosporangium; vor der seitlichen Oeffnung desselben ist ein Theil seiner Schwärmsporen herausgetreten und bleibt von Schleim umgeben ruhig liegen. Das Mycel, aus dessen Mitte das Zoosporan- gium sich mit seinem Stachel und verdicktem Fuss erhebt, ist hier wie in Fig. 3 und 4 an seiner Peripherie abgeschnitten. 2. Ein entleertes Zoosporangium mit vollständig gezeichnetem Myecel. 3. Ein fast stielloses Zoosporangium mit Schwärmsporenkernen. 4. Ein noch nicht reifes Zoosporaugium mit schon verdickten Stielwänden. 4. a. Ein junges Zoosporangium, an dessen Basis ein einziger Mycel- faden sitzt, der sich bald in drei Hauptäste theilt. 5. Ein noch sehr junges Zoosporangium mit wenig entwickeltem Mycelium. Rhizidium mycophilum A. Br. p. 87. Keimung der Dauersporen. (Fig. 6 und 8 sind 620, die übrigen 400 Mal vergr.) 6. Aus einer nicht mit Haaren bedeckten, einen grossen Oeltropfen ent- haltenden Dauerspore wächst die Keimzelle hervor. Fig. Fig. Fig. 99 Die Keimzelle auf einer mit Haaren bedeckten Dauerspore ist grösser geworden. Ausgewachsene schlauchartige Keimzelle auf der entleerten Dauer- spore aufsitzend. Eine kleine Keimzelle, Schwärmsporenkerne enthaltend. Aus der Keimzelle treten durch eine an ihrer Spitze entstandene Oeffnung die mit Schleim zu einer kugligen Masse verbundenen Schwärmsporen heraus. Die Schwärmsporenkugel beginnt zu zerfliessen. Die Schwärmsporen schwimmen aus dem sie umgebenden Schleime, welcher in eine unregelmässige Figur zerflossen ist, auseinander. Tafel VI. Rhizidium mycophilum A. Br. Entwickelung der Zoosporangien. (Fig. 4 ist 620, die übrigen 400 Mal vergr.) Zoosporangien in eine Papille auslaufend und Schwärmsporenkerne enthaltend. Dasselbe Zoosporangium mit herausgetretenen Schwärmsporen, welche mit Schleim umgeben eine kuglige Masse vor seiner Oeffnung bilden; ein Theil der Zoosporen ist noch im Innern des Zoosporangiums zurückgeblieben. Aus der unregelmässig zerflossenen Schleimkugel schwimmen die Schwärmsporen auseinander. Schwärmsporen, zu neuen Rhizidien keimend, a. einfacher Keimfaden, b. Anschwellung an der Basis des späteren Zoosporangiums, c. d. desgl. Junge Wurzelzellen weiter verzweigt. Ein ziemlich junges Ahizidium mit getheilter Wurzelzelle und mit einem Zellkern in seiner Zoosporangiumzelle a. Cladochytrium tenue p. 92. (Vergr. 400.) Längsschnitt aus dem Zellgewebe von Acorus Calamus; die verzweigten Mycelfäden des Cladochytrium dringen durch die Wände der Zellen und bilden im Innern derselben Anschwellungen, welche sich sehr oft quertheilen. Aus je zwei dadurch entstandenen Hälften entwickelt sich gewöhnlich nur die eine zum Zoosporangium, während in der zweiten der Inhalt allmählich verschwindet. Das Protoplasma der Anschwellungen enthält Oeltropfen. (Vergr. 850.) In einer quergetheilten Anschwellung im Innern einer Acoruszelle ist die eine Hälfte, einen grossen Oeltropfen enthaltend, bei weitem grösser geworden als die zweite mit klarem Zellinhalt. (Vergr. 400.) Das Mycel ist aus dem Zellgewebe von Iris Pseudo- acorus an dessen Oberfläche nach aussen gewachsen und bildet zahl- reiche spindelförmige, später kuglige Anschwellungen, aus denen Zoosporangien entstehen. (Vergr. 660.) Mycel von demselben Präparat, stärker vergrössert, mit einem schon entwickelten Zoosporangium a. 7* { Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. 100 (Vergr. 400.) Schnitt aus dem Zellgewebe von Iris Pseudoacorus. In einer Zelle findet sich ein reifes Zoosporangium a., aus dessen Oeff- nung die vom Schleim umgebene Schwärmsporenmasse herausgetreten und die Zoosporen sich im Wasser zu zerstreuen beginnen. Ihre Kerne zeigen eckige Umrisse. b. Ein entleertes Zoosporangium, dessen langer Hals die Nährpflanze durchbohrt hat; der Mycelfaden an der Basis blasenartig angeschwollen. (Vergl. Fig. 7.) (Vergr. 400.) Keimende Schwärmsporen; a. kurzer Keimfaden mit mehreren Aestchen; b. längerer an der Spitze verzweigter Keimfaden; c. Keimfaden, der an der Basis einen Hauptast getrieben; d. Spore, die zwei Keimfäden entwickelt, von denen einer schon eine spindel- förmige Anschwellung zeigt; e. weitere Entwickelung von ce. (Vergr. 400.) Drei Zoosporangien von Oladochytrium tenue verschie- denen Alters, die sich aus einem Mycelfaden d. im Schleime von Chaetophora elegans hintereinander entwickelt haben; das obere a. ist leer, das zweite b. enthält Schwärmsporenkerne, das jüngste c. mit langem Hals. (Vergr. 400.) Im Schleime von Chaetophora elegans entwickelte und hiernach entleerte Zoosporangien auf einem verzweigten Mycelfaden; aus der Wand des einen a. geht ein Mycelfaden hervor, im Innern des zweiten b. dagegen entwickelt sich ein secundäres Zoosporangium. Cladochytrium elegans p. 95 (vergr. 400). Ein noch nicht reifes, vom Mycel noch nicht durch eine Scheidewand abgetrenntes Zoosporangium a.; an seinem Scheitel erhebt sich ein Deckel. Aus der Zoosporangiumwand geht ein verzweigter Mycel- faden hervor. Ein verzweigter Mycelfaden, zwei Zoosporangien mit ihren Deckeln tragend; das eine a. Schwärmsporen enthaltend, im Innern des zwei- ten entleerten sitzt ein secundäres Zoosporangium, ebenfalls entleert. Schwärmsporen; einige derselben aa. zeigen amoebenartige Bewe- gungen. Ein secundäres Zoosporangium mit Schwärmsporen im Innern eines entleerten. Bemerkungen über die Organisation einiger Schwärmzellen. Von Dr. Ferdinand Cohn. ıy’ 1. In dem Aufsatze über „Zelle und Zellkern“, mit welchem Auerbach dieses Heft unserer Beitrage eröffnet, spricht derselbe folgende Bemerkungen aus: „Man wird zugeben, dass die Bezeichnung Zelle, Kern, Nucleo- lus heut nicht mehr in einem ganz allgemeinen, blos ganz formalen Sinne gebraucht werden darf, dass man nicht mehr, wie in der Kind- heit der mikroskopischen Anatomie jedes beliebige Bläschen als eine Zelle, jeden festen Innenkörper derselben als Kern anschen und ge- legentlich etwa, wie das wohl vorgekommen ist, sagen darf, ein Amylumkorn oder ein Chlorophylikorn vertrete die Stelle des Zellkerns, dass vielmehr jene Worte Ausdruck sein müssen für typische Substrate und Organe des Lebens, deren jedes hinsichtlich seiner Substanz, Anlage und Bestimmung ursprünglich identisch ist, so sehr sich auch im Laufe der Entwickelung Metamorphosen ein- stellen mögen ').“ Diese beherzigenswerthe Stelle veranlasste mich, das erste günstige Object, welches mir zur Prüfung der hier angeregten Frage geeignet erschien, . einer genaueren Untersuchung zu unterwerfen. 2. Grünes Wasser in Hyacinthengläsern. Im verflossenen Winter eultivirte ich für einen physiologischen Versuch zehn aus Erfurt bezogene Hyacinthenzwiebeln nach bekannter Methode in coni- schen farblosen Gläsern; die Zwiebeln waren Ende October 1875 auf die Oeffnung der Gläser gelegt worden, welche mit filtrirtem Oderwasser aus der städtischen Wasserleitung bis nahe an den aulecep.>. EA Zwiebelboden angefüllt und sodann in die Nähe eines Fensters ge- stellt wurden. Ende Januar 1876 färbte sich das Wasser in sämmt- lichen Gläsern grün, in Folge unendlicher Vermehrung eines Gonium ; zwei andere ähnliche Gläser, mit dem nämlichen Wasser angefüllt, in deren einem eine Zwiebel von Allium Cepa eultivirt, im anderen blos die Oeffnung lose bedeckt wurde, blieben vollständig klar, und es entwickelten sich in ihnen den ganzen Winter hindurch keine grünen Algen. Offenbar waren Dauersporen des Gonium in dem früheren Mutterboden der Hyacinthen, von dem kleine Bröckehen an den Zwiebeln hafteten und allmählich in das Wasser hineinfielen, aber nicht im Wasser selbst enthalten gewesen; denn sonst wäre nicht abzusehen, weshalb ausschliesslich in sämmtlichen Hyaeinthen- gläsern, nicht aber in den beiden anderen die Gonien sich einge- funden hatten. Die grüne Färbung nahm, insbesondere an sonnigen Tagen, an Intensität zu; es bildete sich an der ganzen Oberfläche des Wassers, namentlich am Rande, ein grüner Schleim; bei einseitiger Beleuch- tung färbte sich die ganze, dem Fenster zugekehrte Seite der Gläser tief grün; auch die Hyaeinthenwurzeln wurden mit grünem Schleim überzogen und am Boden der Gläser häufte sich ein grüner Nieder- schlag an; um reineres Material zu erhalten, wurde das grüne Wasser auch in Gefässen ohne Hyaeinthen weiter eultivirt. Mitte Februar hörte allmählich die Vermehrung der beweglichen Gonien auf, nnd es fanden sieh seitdem nur ruhende Formen am Boden und an den Wänden der Gläser, während das Wasser sich fast völlig klärte. Eigentlich waren es verschiedene Arten von Volvocineen, welche in dem grünen Wasser schwärmten, deren Dawersporen offenbar im Mutterboden der Hyaeinthen enthalten gewesen waren. Ausser zahl- losen, linear oblongen grünen, Schwärmzellen, deren Entwickelungs- geschichte nicht vollständig ermittelt wurde, fand ich vereinzelte Pandorina Morum, so wie eine Ohlamydomonas, deren Schwärmer den einzelligen Zuständen der @Gonien zum Verwechseln ähnlich, gleichwohl der genaueren Untersuchung charakteristische Unterschei- dungsmerkmale boten. (Siehe umstehenden Holzschnitt Fig. 5, 6.) Das auch sonst beobachtete gesellige Zusammenvorkommen verschie- dener Volwocineen, in Verbindung mit der scheinbaren Identität mancher Arten in gewissen Zuständen erschwert allerdings in nicht geringem Masse die zuverlässige Feststellung ihrer Entwickelungs- geschichte. Uebrigens blieben in unseren Hyaeinthengläsern die fremden Arten stets in geringer Zahl, während @onium im Kampf 103 um’s Dasein über sie die Oberhand gewann und die verwandten Mitbewerber nicht aufkommen liess. Von Gonium aber fanden sich zwei Formen, das gewöhnliche 16 zellige Gondum pectorale Ehrb., welches jedoch rur vereinzelt auf- trat, und ein zweites vierzelliges, das die ungeheure Mehrzahl bil- dete. Prof. Alexander Braun in Berlin, den ich wegen der vier- zelligen Form anfragte, theilte mir mit, dass er dieselbe schon 1847 in einer Sandgrube bei Freiburg i. B. constant gefunden, und in seinen Papieren als Gonium Tetras bezeichnet habe; auch Warming habe dasselbe bei Kopenhagen beobachtet; ich werde in Folge dessen unser vierzelliges Gondum als Gonium Tetras, A. Br. in litt. (Gonium, Familiis quaternarüis) aufführen (Fig. 1—4). 3. Gonium Tetras. — Die Zellfamilien von Gonium Tetras sind, wie bei @. pectorale, tafelförmig in einer Ebene geordnet, indem vier grüne Zellen wie die Arme eines Kreuzes oder die llügel einer Windmühle um einen centralen, im Querschnitt quadratischen Intercel- lularraum liegen. In der Aequatorial-Ansicht, senkrecht auf die Rotationsachse, erscheint daher der Umriss der Zellfamilie nahezu als Quadrat mit stark abgerundeten Ecken (Fig. 2, 4), der quadra- tische Intercellularraum in der Mitte ist diagonal gegen das Quadrat des äusseren Umrisses gestellt; die vier grünen Zellen nehmen jede eine Seite des Intercellularquadrats ein; ihre gewölbten Aussenflächen füllen die Ecken des Aussenquadrats. Jede Zellfamilie ist von einer sehr schwer sichtbaren, zusammengedrückt sphäroidalen Gallerthülle 104 umgeben, deren Lichtbrechungsvermögen von dem des Wassers sich nur wenig unterscheidet; sie erscheint daher am deutlichsten, wenn sich im Wasser viele Dacterien entwickelt haben, denn diese häufen sich gern um die Schleimhüllen an und umgeben die Zellfamilie in einem gewissen Abstande wie eine strahlige Wolke, indem sie zu- gleich mit ihr, wie eine Atmosphäre rotiren; auch durch Zusatz von feinen Karminpartikeln wird die Hülle meist sichtbar; nicht minder macht sie sich durch die Unbeweglichkeit der innerhalb der Gallert steckenden Geisselstücke, im Gegensatz zur Flexibilität der frei im Wasser wirbelnden Enden geltend (Fig. 1). In manchen Zuständen, namentlich wenn die Gonien unbeweglich im grünen Schleimüberzug der Glaswände dicht gedrängt an einander gelagert sind, erkennt man die Gallerthülle ohne weiteres in scharfer Begrenzung (Fig. 4); anscheinend ist ihre Consistenz und die Erhärtung ihrer Oberfläche nicht immer die nämliche. Die vier zu einer Familie verbundenen grünen Zellen sind von eirunder Gestalt und besitzen ein hinteres, breiteres, stumpfabgerundetes und ein vorderes, schmäleres, in ein farbloses spitzes Schnäbelchen sich verjüngendes Ende, an dessen Scheitel das sehr lange Geisselpaar entspringt. Bei ruhenden Familien bewegen sich die Geisseln so langsam, wie ein Paar lässig ausgeworfene Angelschnüre; bei rascher Bewegung sind sie kaum zu unterscheiden; sie sind mindestens doppelt so lang wie die Zellen selbst. Da die Zellen den centralen Intercellularraum mit nahezu ebenen Flächen begrenzen, so lassen sie auch eine ebene, nach innen gewendete Bauch- und eine nach aussen convexe Rückenfläche unterscheiden; auf der letzteren, näher | dem spitzen Scheitel, springt ein scharlachrothes Körnchen, das soge- nannte Augenkörperchen, vor (Fig. 1, 2). Jede Zelle berührt sich mit ihren beiden Nachbarn seitlich an je einem Punkte; die Scheitel aller vier zu einer Familie gehörigen Zellen sind gleich gerichtet; die Rotationsachse der Gesammt-Familie geht von vorn nach hinten durch den Pol der Scheitelfläche; dieser geht wie gewöhnlich bei Ortsbewegungen voran. Liegt die Rotationsachse einer Familie pa- rallel dem Gesichtsfeld (Meridianansicht Fig. 1), so erblickt man meist nur 2 -3 Zellen von deutlich eirundem Umriss; steht sie senk- recht auf dem Gesichtsfeld (Aequatorialansicht '), so erscheinen alle !) Ich habe die Bezeichnung Aequatorialansicht hier in anderem Sinne ge- braucht, als in meinem Aufsatz „Ueber eine neue Gattung aus der Familie der Volvocineen.“ (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von Siebold und Koelliker Band IV, Heft 1. p. 77—116.) = vier von nahezu kreisrundem Umriss um den quadratischen Inter- cellularraum im Centrum geordnet (Fig. 2). Die Grösse der Zellen ist sehr verschieden, je nachdem sie eben aus der Theilung hervorgegangen, oder selbst sich zu theilen im Begriff stehen; der Querdurchmesser variirt von 8—12 Mik., der Längsdurchmesser ist um '|, grösser. 4. Innere Organisation der Schwärmzellen. Dex innere Bau der Zellen lässt zunächst eine starre farblose, einfach conturirte Zellhaut erkennen, welehe die äussere Begrenzung jeder Zelle innerhalb der gemeinschaftlichen Gallerthülle bildet und besonders deutlich wird, wenn der Wassertropfen ohne Deckglas allmählich eindunstet und dem grünen Plasmakörper Wasser entzieht; indem dieser sich con- trahirt, füllt er die Zellhöhle nicht völlig aus und lässt farblose Zwischenräume zwischen der Zellhaut frei. Namentlich an den Be- rührungspunkten der Nachbarzellen, welche in der Aequatorialan- sicht den Ecken des Intercellularquadrats entsprechen, bleiben die Plasmakörper am längsten in Verbindung. Diese sind schön smaragd- grün, feinkörnig; dicht unter dem Scheitel erkennt man in denselben die körner- und farblosen contractilen Vacuolen, zwei kleine kuge- lige Hohlräume, scharf abgegrenzt gegen das grüne körnige Protoplasma, deren in constanten Intervallen alternirende Pulsationen ich zuerst im Jahre 1853 bei Gonium pectorale genau studirt habe'). Unmittelbar unterhalb der contractilen Vacuolen umschliesst der Plasmakörper einen grossen wasserhellen, kugeligen oder trichterför- migen, excentrischen Hohlraum, den man allerdings in lebhaft grün gefärbten Zellen, insbesondere in der Aequatorialansicht, nicht immer deutlich wahrnimmt und den ich deshalb auch in meiner älteren Arbeit über Gonium pectorale übersehen habe. Durch Zufügung von Jodtinktur werden die feinen Körnehen des Protoplasma dunkel- blau und erweisen sich dadurch als fast unmessbar kleine Stärke- körnchen, sie liegen dichter gehäuft nach dem breiteren Zellende, spärlicher gegen den spitzen Scheitel hin, der in Folge dieser An- ordnung lichter grün erscheint; der excentrische Hohlraum ist völlig stärkefrei und tritt um so klarer in seiner scharfen Umgrenzung hervor (Fig. 1). Noch deutlicher wird diese Organisation in solchen Zellen, welche entweder abgestorben und allmählich durch das Licht entfärbt, oder bei denen durch Alcohol das Chlorophyll ausgezogen ist. Die feinen Stärkekörnchen liegen dann im farblosen Protoplasma, 1) Entwickelungsgeschichte mikroskopischer Algen und Pilze. Nova Acta Ac. Car. Leop. XXIV. I. p. 193. 1853. „us und können nun in ihrer gedrängteren Vertheilung nach dem stumpferen Ende hin, namentlich nach Jodzusatz, unterschieden werden, in Folge dessen der ungefärbte Hohlraum besonders scharf gegen die schwarz- blaue Umhüllung contrastirt; auch die Zellmembran ist in den ent- färbten Zellfamilien, die sich oft massenhaft im Bodensatz der Hya- einthengläser vorfanden, am deutlichsten. 5. Amylumkern. Durch die excentrische Lage des grossen Hohlraums wird der grüne Plasmakörper in zwei ungleiche Partieen getheilt; die vordere stärkearme Hälfte bildet nur eine mässig dicke Umhüllung des Hohlraums, und schliesst unmittelbar unter dem Schei- tel die beiden contractilen Vacuolen ein; die hintere, stärkereichere, dem stumpfen Ende entsprechende Hälfte dagegen bildet eine dichte Plasma-Anhäufung und umgiebt einen grossen kugeligen, selten etwas unregelmässigen Körper, welcher die nächste Veranlassung zu dieser Untersuchung gegeben hat; in einer Zelle von 10 Mik. Durchmesser betrug seine Dicke 4 Mik.; ich werde denselben nach dem Vorgang von de Bary als Amylumkern bezeichnen '). Schon in meiner ersten Goniumarbeit”) habe ich bemerkt, dass man dieses Körperchen um so mehr für ein dem Zellkern entsprechendes Gebilde zu halten geneigt sein könne, da es in jeder der 16 Zellen des Gonium pec- torale stets nur einfach vorkommt, bei jeder Theilung aber sich ebenfalls stets in entsprechender Zahl vervielfältigt; da jedoch ähn- liche Körperchen bei Stephanosphaera zu zweien, bei Chlamydococ- cus zu drei bis vier in jeder Zelle sich vorfinden, und die Analogie mit den in den Zellen der Olosterien, Mougeotien, Spirogyren und anderer Conferven vorhandenen grünen, Stärkehaltigen Kügelchen nicht zu verkennen sei, zog ich es vor, dieselben mit Naegeli?) als Chlorophylibläschen zu bezeichnen, ohne über ihr Wesen und ihre Funetion eine Ansicht auszusprechen *). In den Zellen unseres Gonium Tetras färbt Zusatz von Jod den Amylumkern dunkelblau bis zur Undurchsichtigkeit, und erweist dem- nach, dass er in der That amylumhaltig sei; gleichwohl lässt er sich nicht als ein einfaches Stärkekorn bezeichnen. Denn man erkennt an entfärbten Zellen ohne Weiteres, dass derselbe nicht, wie die gewöhnlichen Amylumkörnchen, solid, sondern im Innern hohl und nur von einer mässig dicken Stärkeschale umgeben ist. Zusatz von Essigsäure dagegen zeigt sofort, Gly- !) DeBary, Untersuchungen über die Familie der Conjugatae. Leipzig 1858 p. 2. 2) 1; Je; ‚p- 178. 3) Naegeli, Gattungen einzelliger Algen 1849 p. 11. Cohn, Le pP; 178. 107 cerin nach einiger Zeit ein centrales dichtes Kügelchen, welches von einer lichten, nach aussen scharf abge- grenzten Zone umschlossen ist; diese ist in ihrer Peripherie wieder von einer diehteren Substanz umgeben. Wir haben hier offenbar eines jener Gebilde, auf welches sich die am Anfang. dieses Aufsatzes eitirten Bemerkungen von Auer- bach beziehen: eine Hohlkugel von Stärkesubstanz, wel- che einen fremden Körper nmschliesst, und durch ihr Vorkommen als eonstanter Einschluss des Protoplasma sich wie ein Zellkern verhält. Als solcher bewährt sie sich ganz besonders bei der Zelltheilung. 6. Zelltheilung. In der Regel gegen Abend bereiten sich die Zellen des Gonium Tetras zur Theilung vor (Fig. 2), indem sich der grüne Protoplasmakörper innerhalb seiner Zellhaut vom Rande aus in einer durch den Scheitel gelegten meridianen Ringfurche ein- schnürt; der Amylumkern verändert hierbei weder seinen Ort, noch wird er aufgelöst; vielmehr scheint seine Substanz sich zu beiden Seiten der Theilungsebene derart in zwei gleiche Hälften zu son- dern, dass zwischen beiden eine farblose chlorophyll- und körnchen- freie Zone sich einschiebt, welche unmittelbar an die äussere Ein- schnürung des Plasmakörpers sich ansetzt, und diesen in zwei gleiche grüne, durch eine farblose Lamelle getrennte Hälften durchschneidet. Die Theilungsebene geht durch die Längsachse der Zelle und erscheint in der Aequatorialansicht meist diagonal gegen die Ecken des äus- seren Quadrats der Gallerthülle und senkrecht auf die Seiten des inneren Intercellularguadrats gestellt. Unmittelbar darauf theilt sich jede Zellhälfte in gleicher Weise durch eine um 90° divergirende meri- diane Ebene, welche den Amylumkern in 4 Quadranten durchschneidet, so dass jede der 4 Tochterzellen sofort einen kleinen Kern einschliesst. Die Tochterkerne sind anfangs sehr genähert, mit ebenen Flächen sich berührend, runden sich aber bald ab und wandern centri- fugal in die Mittellinie der Tochterzellen, während auch die umhül- lenden grünen Plasmakörper, die in Folge ihres excentrischen Hohl- raumes in einem gewissen T'heilungsmomente rinnenförmig offen sein müssen, sich rings um ihre Kerne schliessen. So kommt es, dass auch die jüngsten Zellfamilien vier Amylumkerne zeigen, die jedoch bis zum ausgewachsenen Zustande offenbar durch Intussusception noch bedeutend wachsen müssen. In Bezug auf die Theilung habe ich noch nachzutragen, dass die Bewegung der Zellfamilien, welche Tag und Nacht unnnterbro- chen fortdauert, nur während dieses Vorgangs, und auch nicht völlig 108 zum Stillstand kommt; dass bei der Theilung die Stärke weder in den feinen Körnchen noch in der schalenartigen Umhüllung des Kerns verschwindet; dass schon in sehr frühem Stadium der Viertheilung während die Quadranten noch mit ebenen Flächen sich an den gekreuzten Trennungsebenen berühren, in der Mitte zwischen ihnen der charakteristische quadratische Intercellularraum auftritt (Fig. 2, 3); dass nicht in allen vier Zellen einer Familie die Theilung gleich- zeitig beginnt und gleich schnell vorschreitet. Daher findet man in der nämlichen Goniumfamilie ungetheilte, zwei- und viertheilige Zel- len; es kommt selbst vor, dass in einer Familie von 4 Zellen über- haupt nur 3, 2 oder gar blos eine in Theilung übergehen, während die übrigen ungetheilt bleiben; daher findet man vierzellige @onien, wo nur eine Zelle zu einer Tochterfamilie sich ausgebildet hat, wäh- rend die drei andern unverändert geblieben sind, oder wo zwei benachbarte oder diagonale Ecken des Quadrats von Tochterfamilien, die beiden andern von ungetheilten Zellen eingenommen sind u. 8. w. Da die Tochterfamilien schliesslich den Mutterverband verlassen, so erklärt es sich, dass man auch verstümmelte, drei-, zwei- und selbst einzellige Formen des Gonium Tetras antrifft. Niemals aber beob- achtete ich eine Theilung in einer höheren Potenz von Zwei, nie einen Uebergang in Gonium pectorale, dessen Familien bekanntlich aus einer viermal wiederholten Zweitheilung der einzelnen Zellen hervorgehen. Denn wenn auch die Familie des Gonium Tetras am Schluss der normalen Theilung (Fig. 3) aus vier vierzelligen Colo- nien, also im Ganzen aus 16 Zellen besteht, so zeigt doch schon deren Anordnung in Gruppen um quadratische Intercellularräume eine leicht aufzufassende Verschiedenheit von der so charakteristi- schen Gruppirung des Gondum pectorale. Es liegt daher kein Grund vor, trotz ihres von mir beobachteten geselligen Zusammenlebens, Gonium Tetras mit Gontum jpectorale in eine Art zu vereinigen. Uebrigens besitzen die Zellen von @. pectorale die nämliche Orga- nisation wie die von @. Tetras, insbesondere auch den exceentrischen Hohlraum, den hohlen Kern mit der Stärkeschale, so wie das rothe Augenkörperchen auf der Rückenfläche des Scheitels, das Ehren- berg und ich selbst früher übersahen, aber Fresenius!) und Perty?”) schon beobachtet hatten °). 1) Fresenius über die Algengattungen Pandorina, Gonium und Raphi- dium. Abhandl. der Senkenbergischen Gesellschaft II, p. 192. tab. VII. Fig. 9. 2) Perty, kleinste Lebensformen 1852. p. 54 u. 178. Tab. XI. 6. 3) Auch die acht grünen Primordialzellen von Stephanosphaera besitzen, wie ich jetzt mit den vollkommneren Objectiven von Hartnack, Seibert und Zeiss erkenne, jede einen rothen, der Rückenfläche aufsitzenden Augenpunkt. PN Aus der weiteren Entwickelungsgeschichte des Gonium Tetras führe ich noch an, dass es mir nicht gelang, geschlechtliche Fort- pflanzung oder Paarung von Schwärmsporen, auf welche Beobach- tungen von Hieronymus und Rostafinski') hindeuten, mit Sicher- heit nachzuweisen, dass aber gegen das Ende ihrer Vegetation (Ende Februar 1876) die Familien grösstentheils in Ruhezustand übergingen, indem die grünen Zellen Kugelform annahmen, sich mit diekeren, doppelt eonturirten Zellhäuten umgaben, und durch reichere Entwickelung von Stärkekörnchen ziemlich undurchsichtig wurden, übrigens aber ihren Zellverband innerhalb der jetzt besonders deut- lichen Gallerthüllen meist bewahrten, und sich zu dieken schlüpfri- gen grünen Schleimmassen an den Wänden der Gläser gegen die Lichtseite anhäuften. Der Gesammtdurchmesser solcher ruhender Familien betrug 36—48 Mik., doch finden sich auch kleinere Fami- lien; die einzelnen Zellen hatten 12—16 Mik. im Durchmesser; beim allmählichen Verdunsten des Wassers vegetirten sie in der feuchten Luft fort (Fig. 4). 7. Structur des Amylumkerns. Wenn die oben berichteten Be- obachtungen gezeigt haben, dass die Amylumkerne der Goniumzel- len durch ihr Verhalten bei der Theilung sich ganz wie echte Zell- kerne verhalten, so bedarf es doch noch einer weiteren Aufklärung über ihren eigentlichen Bau. Diesen gewann ich, wenn ich Gonium- familien, nachdem ich sie durch Alcohol mehr oder minder vollstän- dig entfärbt, in Carminlösung legte. Nunmehr färbte sich das Innere der hohlen Amylumkerne schön roth, während die Stärkehülle ungefärbt blieb; bei den in Viertheilung begriffenen Zellen zeigten sich vier rothe Kerne um den Kreu- zungspunktder Theilungslinien nahe bei einander gela- gert; das äussere ursprünglich grüne Plasma wurde gar nicht, oder nur schwach gefärbt, dagegen nahm das Intercellularquadrat eben- falls eine rothe Färbung an; offenbar ist der Intercellularraum von einer, durch die Zellen ausgeschiedenen Substanz ausgefüllt, deren Druck auch die ebenen Bruchflächen derselben veranlasst. Hieraus ergiebt sich mit der grössten Wahrscheinlichkeit, dass die hohlen Amylumkerne in den Zellen des Gonium wirkliche Zellkerne sind, auseinem dichten, durch starke Absorp- tion des Carmin wie gewöhnlich charakterisirten Pro- toplasma (Kernplasma) gebildet, um welche sich die im 1) Rostafinski, quelques mots sur l!'Haematococeus lacustris. Mem. de la Societe nationale des sciences naturelles de Cherbourg 1875. XIX. p. 146. 110 Chlorophyll durch den Assimilationsprozessabgeschie- dene Stärke als eine zusammenhängende Schale abgela- gert hat. Auf diese Weise erklärt sich der scheinbare Widerspruch ihrer chemischen, morphologischen und entwickelungsgeschiehtlichen Eigenthümlichkeiten in einfachster Weise. Mitten im Kernplasma glaubte ich oft, doch nicht immer ein festes Kernkörperchen zu unterscheiden. 8. Amylumkern in Ohlamydomonas multifilis Rostaf. u. a. A. Ganz ähnlich ist die Organisation jener Uhlamydomonas, welche sich gleichzeitig mit Gonium Tetras, in einzelnen Hyacinthengläsern sogar reichlicher, entwickelt hatte und eine längere Vegetationszeit besass; ich halte sie für die von Fresenius in der oben eitirten Ab- handlung erwähnte, auf Tab. VllI. Fig. 22 abgebildete, später von Rostafinski als CUhl. multifilis‘) beschriebene Art (Fig. 5). Es waren kugelrunde oder kurz ovale Schwärmer von sehr verschiede- ner Grösse (bis 20 Mik.), deren Zellhaut ziemlich knapp den grünen Plasmakörper umschliesst; dem Scheitel derselben sitzt ein farbloses nach aussen vorspringendes, abgerundetes Köpfchen oder Schnäbel- chen auf, an dessen Basis zwei oder meist vier lange Geisselfä- den entspringen. Bei langsamerer Bewegung sind die vier Geisseln nach allen Richtungen wie Beine ausgespreitzt und die grünen Ku- geln schwanken schwerfällig an ihnen hin und her, oder kriechen mit Hilfe derselben, bis sie sich in Rotation versetzen und davon rollen. Die grünen Plasmakörper gleichen denen von Gonium in allen Stücken, dem rothen Augenkörperchen, den contractilen Vacuolen, dem daran anstossenden, excentrischen trichterförmigen Hohlraum, so wie in dem einfachen Zellkern mit Amylumschale; das grüne Plasma der Ohlamydomonas ist jedoch von grösseren Stärkekörnehen erfüllt und erscheint in Folge dessen etwas grobkörniger und min- der durchsichtig als bei Gondum. Karmin färbt allerdings diese Art um so schwieriger, weil das undurchsichtige Plasma und die Stärkekörnchen die Färbung innerer Theile verdecken; die besten Resultate erhielt ich, wenn ich grössere Mengen der Uhlamydomonas erst mit Alcohol entfärbte, dann in einen Tropfen Karminlösung brachte, und mit dieser langsam eintrocknen liess; beim Aufweichen findet man unter zahlreichen Exemplaren, deren ganzes Plasma roth geworden, auch einzelne, bei denen das Plasma farblos geblieben, und um so deutlicher das rothe Körperchen in der Mitte des Amy- I) Rostafinski, Beobachtungen über Paarung von Schwärmsporen. Bota- nische Zeitung 1871 p. 756. 111 lumkernes zeigt. Bei der Theilung vermehren sich die Amylum- kerne wie bei @onium; während aber die erste (Zweitheilung) bei beiden gleich verläuft, zeigt sich der charakteristische Unterschied bei der zweiten (Vier) theilung darin, dass die vier Quadranten bei Gonium kreuzständig, bei Ühlamydomonas dagegen nahe- zu tetraedrisch stehen (Fig. 6); das letztere ist eine Folge der Verschiebung in dem begrenzten Raume der kugeligen Zellhaut. Diese quillt nach der Theilung von aussen nach innen, so dass die Aussenschicht schon in weiterem Umfang aufgequollen ist, während die inneren Schichten eine optisch unterscheidbare, dichtere Umgren- zung der vier Tochterzellen bilden, welehe alsbald sich abrunden und sich jede mit einer festen Speeialhaut umkleiden; nach völliger Erweichung und Verflüssigung der Mutterzellhaut schwärmen die letzteren aus; sehr häufig entstehen übrigens nur zwei Tochterzel- len aus einer Mutterzelle. Auch hier finden sich Ruhezustände, indem das Plasma sehr stärkereich, auch ölhaltig, röthlichgelb, die Mem- bran doppelt conturirt, auch wohl durch schichtenweises Aufquellen ihrer äusseren Lagen mehrschalig wird (wie bei Ühroococceus macro- coccus). Ueberall, wo sich in einer Zelle nur ein Amylumkern mit ana- loger Organisation findet, wie wir sie bei Gonium Tetras geschil- dert, und sich bei der Zelltheilung entsprechend vermehrt, werden wir denselben als Zellkern mit Stärkeschale, nicht als ein gewöhn- liches Stärkekorn, d. h. als ein bei der Zellvermehrung betheiligtes Element, nicht als eine einfache Ausscheidung von Reservestoff anzu- sehen haben. Dies gilt nicht nur von mehreren Volvocineen (Eudo- rina elegans)'), Pandorina Morum?), Volvox globator ?), sondern auch von den meisten Palmellaceen und anderen einzelligen Algen ®). So berichtet unter anderen A. Braun von Üharacium Sieboldi, dass das Stärkekorn in jeder Zelle nur einfach vorkomme und einen gros- sen Nucleus einschliesse, und dass sich die Stärkekörner in demsel- ben Verhältniss vermehren als sich der Plasmakörper theilt, so dass die Verdoppelung dieser Körner, ja bisweilen selbst das Auftreten von 4 Körnern den entsprechenden Theilungen des Plasmakörpers 1) Carter, Ann. of nat. hist. 3 ser. 2. 1858. 2) Pringsheim, Ueber Paarung der Schwärmsporen. Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften. Berlin 1869. 3) Cohn, Entwickelungsgeschichte der Gattung Volvox Bd. 1. Heft 3 die- ser Beiträge p. 96 Tab. I. Fig. 4 u. a. 4) Naegeli, Gattungen einzelliger Algen 1849 a. m. O. 112 vorangehe'). Wir können uns vorstellen, dass jene anziehenden Kräfte, welche dem Zellkern innewohnen, eine Ansammlung der beim Assimilationsprocess der grünen Zellen im Lichte erzeugten Amylummolecule vorzugsweise in der Peripherie des Kerns bewir- ken, die sich zu einer geschlossenen Schale vereinigen ?), und dass nur der Ueberschuss3 der erzeugten Stärke in feinen (aber sich all- mählich vergrössernden) Körnchen das gesammte grüne Plasma erfüllt. 9. Mehrere Amylumkerne in einer Zelle. Anders scheinen sich diejenigen Fälle zu verhalten, wo in grünen Zellen Amylumkörner in grösserer Zahl (zwei oder mehre) sich finden. In den Zellen von Hydrodietyon beschrieb bereits A. Braun die sehr zahlreichen Amylumkörner, welche zuerst als kleine Kugeln im grünen Wand- plasma auftreten, nicht durch Theilung eines primären Korns, son- dern jedes in gesonderter Entstehung; später unterscheidet man eine gelbliche Hülle, die anfangs von Chlorophyll durchdrungen, im ausgebildeten Zustand aus Amylum besteht, und einen Kern, dessen amylumartige Natur sehr zweifelhaft blieb. Diese Körperchen aber werden vor der durch freie Zellbildung geschehenden Entstehung der Zoosporen von aussen nach innen aufgelöst, ganz ebenso wie die ähnlichen Amylumkörner in den Zellen von Uladophora glome- rata, Ulothrix, Ascidium und Pediastrum kurz vor Eintritt der Gonidienbildung spurlos verschwinden®). Hier werden daher die Amylumkörner einfach als Reservestoffe, die für die Fortpflanzung verbraucht werden, aufzufassen sein. Dasselbe gilt von den Amy- lumkernen der Conjugaten, welche Naegeli*) und De Bary?) untersucht haben. Nach Letzterem bestehen dieselben zuerst aus homogener, durch Chlorophyll gefärbter Proteinsubstanz; während sie an Grösse zunehmen, lagert sich in ihrem Innern Amylum in Form einer hohlkugeligen, homogenen oder aus kleineren Körnchen zusammengesetzten Schicht ab, welche aussen von einer dünnen Chlo- rophylllage umgeben wird, innen einen aus Proteinsubstanz beste- henden Kern einschliesst. Dass die Stärke dieser Körperchen im 1) A. Braun, Algarum unicellularium genera nova. Lipsiae 1855. p. 33. Tab. II. Fig. 7—11 u. a. a. O. 2) Zu vergleichen sind die Anhäufungen von Chlorophyll und Stärkekör- nern, welche die Zellkerne der Sporenmutterzellen von Isöetes und Anthoceros umhüllen und verdecken. Siehe u. a. Strassburger, Zellbildung und Zell- kern. 2. Aufl. 1876. p. 143. 3) A. Braun, Ueber Verjüngung 1851 p. 211. 4) Naegeli, die Stärkekörner, in Naegeli und Cramer, pflanzenphy- siologische Untersuchungen Heft 2 p. 529 u. 531. Taf. XX. 17—34. 5) De Bary, Untersuchungen über die Familie der Conjugaten 1858 p. 2. 113 Dunkeln zur Ernährung der Zellwände verbraucht, durch die leben- digen Kräfte des Sonnenlichts dagegen unter dem Mikroskop wieder neu erzeugt wird, ist durch Versuche von Famintzin in glänzen- der Weise dargethan worden; von einer Analogie mit Zellkernen kann wohl hier um so weniger die Rede sein, als in den Zellen dieser Algen bekanntlich meist mittelpunktständige Zellkerne vor- handen sind, welche bei der Zellvermehrung sich betheiligen. Auch bei einigen zu den Volvocineen gehörigen Gattungen finden sich Amylumkörner zu zwei oder mehreren, und es erscheint nicht zu- lässig, dieselben als Zellkerne aufzufassen. Dies gilt insbesondere von Stephanosphaera und Ühlamydococcus; zu letzterer Gattung stelle ich ausser dem bekannten Oh. pluvialis (nivalis) auch eine Alge, welche ich im Mai 1876 in Regenwasser einiger Sandstein- höhlungen vom Gipfel des Heuscheuerberges in der Grafschaft Glatz zugleich mit Stephanosphaera beobachtete, und die ich für die von Cienkowski als OUhlamydomonas obtusa (?) A. Br. bezeichnete Art halte!). Es sind grosse, ellipsoidische, fast ceylindrische, grüne Schwärmzellen, deren Längs- zum Querdurchmesser sich etwa wie 5:3 verhält; sie sind an beiden Enden stumpf abgerundet, von einer ziem- lich dieht anliegenden Hüllmembran umgeben; auf ihrem Scheitel sitzt ein kleines farbloses papillenartiges Köpfchen auf, an dessen Basis zwei lange Geisselfäden entspringen; ich bestimmte die beiden Durchmesser im Mittel gleich 25:15 Mik. Allerdings stimmt die eng anliegende Zellmembran dieser Art mehr mit den Arten der Gattung Ohlamydomonas überein, als mit den weit abstehenden Hül- len des Ohlamydococcus plwvialis; aber die übrigen, und wie ich meine, wesentlicheren Charaktere der Gattung Uhlamydomonas, als welche A. Braun?) insbesondere den Mangel der kleineren Amy- lumkörner, und statt ihrer ein einziges grösseres „Chlorophylibläs- chen“ (Amylumkern) anführt, kommen dieser Art nicht zu, vielmehr besitzt dieselbe, wie Cienkowski und ich übereinstimmend beob- achtet, keinen Amylumkern, sondern zwei oder mehr kleine Stärke- körnchen im grünen Plasma ®); auch die Segmentation in 4 plancon- vexe, ellipsoidische Tochterzellen durch schief geneigte Scheidewände weicht von der tetraedrischen Theilung von Ohlamydomonas ab; ich bezeichne unsere Form daher vorläufig als C'hlamydococcus obtu- !) Cienkowski, Ueber einige chlorophyllhaltige @loeocapsen. Botanische Zeitung 1865 p. 25. Taf. I. Fig. 33. 2) A. Braun, Verjüngung p. 230. 3) Cienkowski |. c. zeichnet 4—S Stärkekörnchen in einer Zelle I. c. Fig. 33. 34. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft. s 114 sus; vielleicht ist sie der Typus einer besondern Gattung. Schon Cienkowski beobachtete die beiden contractilen Vacuolen im Schei- tel dieser Schwärmzellen; ich selbst unterschied im Centrum dersel- ben ausserdem einen grösseren, dunkel feinkörnigen Hohlraum, der bis nahe an die contractilen Vacuolen reicht. Brachte ich eine An- zahl dieser Schwärmzellen in einen Tropfen Karminlösung und liess sie in diesem mehrere Tage in der feuchten Kammer verweilen, so nahm dieser Hohlraum eine schöne rosa Färbung an, während das grüne Plasma den Karmin nicht aufnahm, sondern eine nicht ganz scharfe und regelmässige grüne Begrenzung des rothen Hohlraums bildete, mitunter zeigte derselbe sternartige Spalten, in die die rothe Substanz vom Centrum aus eindrang; auch der Raum der contracti- len Vacuolen zeigte sich roth gefärbt, und manchmal erkannte ich einen Zusammenhang zwischen den beiden rothen Räumen. Die dunklen Körnchen, welche sich stets im mittleren Hohlraum vorfinden, nehmen ebenfalls eine lebhaft rothe Färbung an. Bei der Theilung zeigten die planen, einander zugekehrten Bauchflächen der 4 in einer Mutterzelle gebildeten Toochterzellen sich schön roth gefärbt und mit mehreren rothen Körnchen erfüllt, wäh- rend die nach aussen eonvexen Rückenflächen grün geblieben waren. Uebrigens gelingt die Färbung mit Karmin nicht bei allen Indivi- duen gleich gut; offenbar erschweren nicht nur die Gallerthüllen das Eindringen des Karmins ins Innere der grünen Körper, sondern es lässt das lebende Protoplasma überhaupt keine Farbstoffe ins Innere eindringen und erst von getödteten Zellen wird das Pigment ange- nommen; eine vortheilhafte Methode schien es mir, die Zellen in einen dureh Karmin gerötheten Glycerintropfen einzulegen, und wenn nach einiger Zeit die gewünschte Inhaltsfärbung eingetreten, das rothe Glycerin durch farbloses zu verdrängen. 10. Zellkern in ruhenden Schwärmzellen. Schon in meinen Nachträgen zur Naturgeschichte des Protococcus (Uhlamydococeus) plwvialis im Jahre 1850 glaubte ich mit voller Bestimmtheit einen Zellkern in der Mitte der ruhenden Zellen unterscheiden zu können, in dessen Centrum ich oft noch ein kleineres Körperchen, also das Kernkörperchen wahrnehmen konnte; in zweifarbigen Zellen, die eine rothe centrale Masse mit einem grünen peripherischen Ringe um- schliessen, ist es Regel, dass sich die rothe Substanz in einen dunk- leren Ring verdichtet, der eine scharf umschnittene lichtere Höhle umgiebt!). Auch A. Braun bezeichnet ein im Centrum der ruhen- 1) Nova Acta Ac. Car. Leop. nat. cur. XXI, p. II. p. 635. 115 den Zellen von Ohlamydococeus plwvialis befindliches, mit Flüssig- keit gefülltes Bläschen, als „ohne Zweifel dem Zellkern entspre- chend !).“ Ebenso habe ich in den ruhenden Zellen von Stephano- sphaera pluvialis einen centralen Zellkern mit Kernkörperchen ange- zeigt, der anfänglich als scharfbegrenzte Höhle im grünen Plasma hervortritt, allmählich am Rande von dunkelrother Zone umgeben ist, welche nach der Peripherie der Zelle sich ausbreitend, zuletzt den gesammten Inhalt roth färbt”); hiernach scheint sich das rothe Pigment zunächst in der Umgebung des Zellkerns abzuscheiden, und erst allmählich in centrifugaler Richtung das Chlorophyll zu infiltriren. In den Schwärmzellen dagegen habe ich weder bei Stephanosphaera noch bei Chlamydococcus den Zellkern auffinden können. Bringt man aber die Schwärmzellen der Volvocineen in Karminlösung, so wird der centrale Hohlraum, den ich schon oben angezeigt, roth gefärbt, sobald überhaupt der Farbstoff durch Hüllhaut und Plasma durchgelassen wird. In frisch getheilten Zellen erhält man dann vier karminrothe Hohlräume. Fassen wir die hier gegebenen Beobachtungen zusammen, so geben sie uns folgendes Bild von der Organisation dieser Volvocineen. Der Plasmakörper oder die Primordialzelle ist aus einem mit Chlorophyll durchtränkten Protoplasma gebildet, in welchem ein chlorophylifreier, aus Plasma bestehender Zellkern (Kernplasma) eingeschlossen ist. Bei Uhlamydomonas und Gonium wird in der Peripherie des Zell- kerns Stärke in Form einer geschlossenen Kugelschale abgeson- dert, während auch im grünen Plasma sich äusserst feinkörnige Stärke ausscheidet. Wenn wir in Glycerinpräparaten den eigent- lichen Kern durch eine schmale lichte Zone von der Amylumschale gesondert sehen, so beruht dies wie ich glaube auf einer geringen Contraetion des Kernplasma durch das wasserentziehende Glycerin. Bei Stephanosphaera und Ühlamydococcus dagegen ist das Kern- plasma nur in den ruhenden Zellen als ein scharf begrenzter klarer kugeliger Zellkern mit Nucleolus im grünen Wandplasma entwickelt, um welchen das rothe Pigment sich zunächst anhäuft, während die Stärke hier in der Regel in mehreren grösseren, seltener auch in unmessbar kleinen Körnern, jedoch ohne bestimmte Beziehung zum Zellkern abgeschieden ist. Noch aufzuklären ist das Verhalten des Kerns in den Schwärmzellen von Uhlamydococcus und Stephanosphaera, wo I) Verjüngung 1851. p. 185. 2) Cohn und Wichura, Ueber Stephanosphaera pluvialis. Nova Acta Ac. Car. Leop. nat. cur. XXVI. I. p. 9. s* derseibe der Analogie nach ebenfalls zu vermuthen ist, doch bisher unter dem Mikroskop selbst mit Anwendung von Reagentien nicht unterschieden werden konnte. Das Verhalten des grossen Hohlrau- mes gegen Karmin lässt allerdings die Möglichkeit hervortreten, dass derselbe, weil von einer eiweissartigen Substanz erfüllt, vielleicht dem Kernplasma entspricht, welches hier nur mit unregelmässiger Contur innerhalb des grünen Plasma abgeschieden ist. Aber auch in den Schwärmzellen von Gonium und CUhlamydomonas, wo wir einen echten Stärkekern im grünen Plasma eingeschlossen fanden, tritt jener grosse excentrische Hohlraum hervor, hier meist trichter- förmig, daher im optischen Längsschnitt fast dreieckig (Fig. 5), die Spitze der Scheitelregion zugewendet, in welcher die contractilen Vacuolen enthalten sind. Die von uns oben angeführten Färbungen mit Karmin setzen ausser Zweifel, dass dieser Hohlraum nicht eine einfache Vaeuole mit wässrigem Saft, sondern dass er mit klarem Plasma erfüllt ist. 11. Hohlraum in Schwärmzellen. Ein solcher Hohlraum ist aber offenbar bei den Schwärmzellen der Algen verbreitet. Zahl- reiche ältere Abbildungen lassen denselben bei den Zoosporen der Palmellaceen und Volvocineen erkennen; Strasburger giebt an, dass das Innere der Schwärmsporen von Ulothrix zonata von einer mit dünnflüssigem Inhalt erfüllten Blase eingenommen sei, welche in der Regel zwei Drittel des Innenraumes ausfüllt, und von dem durch die Chlorophyliplatte grün gefärbten, und 2 bis 3 grössere (Stärke) Körner einschliessenden Wandplasma begrenzt ist; er hält diese Blase für ein durch Theilung aus dem Lumen der Sporen- mutterzelle entstehendes Gebilde; den Kern der ruhenden Ülothrix- zellen vermisst er in den Schwärmsporen, er vermuthet nur, dass seine Substanz an der Bildung der farblosen Mundstelle betheiligt sei'). Auch die Schwärmsporen von Saprolegnia besitzen ein cen- trales rosa Bläschen”). Während die Schwärmsporen von Oedogo- nium einen centralen Zellkern besitzen, ein Hohlraum jedoch nicht angegeben wird, umschliesst bei den Zoosporen von Vaucheria die von Chlorophylikörnern grün gefärbte Plasmamasse einen sphärischen mit homogenem Plasma gefüllten Hohlraum, welcher excentrisch an den hellen Scheitel der Schwärmzelle angrenzt; Strasburger nimmt an, dass derselbe zwar nicht als Zellkern im morphologischen Sinne abgegrenzt sei, aber die physiologische Function desselben in I) Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung 1875. 2. Aufl. 1876. p. 167. 2) Strasburger |. c. p. 169. um “ seiner besonderen, in radialen Bahnen sich fortpflanzenden Wirkung auf das umgebende Protoplasma ausübt; beim Keimen der Schwärm- spore vertheilt er sich gleichmässig auf das ganze Lumen '). Dass der Hohlraum in den Schwärmsporen der Volvocineen die Rolle des Zellkerns vertrete, also von dem unregelmässig, hicht kugelig begrenzten Kernplasma gebildet sei, ist zwar für Uhlamy- domonas und Stephanosphaera nicht unmöglich; für Gonium und Chlamydococcus dagegen, wo wir einen wirklichen Zellkern mitten im Wandplasma eingebettet finden, nicht anzunehmen, und dadurch verliert diese Deutung auch in den übrigen Fällen an Wahrschein- lichkeit; ebenso möchte Strasburger’s Vermuthung, dass der Kern bei Ulothrix den farblosen Mundfleck bildet, durch die Anwe- senheit des Kerns neben dem Mundfleck bei Oedogonium kaum unterstützt werden. Ich möchte vermuthen, dass wenn überhaupt der Kern in allen Zoosporen als selbstständiges Organ vorhanden sein sollte, er sich darum oft der Beobachtung entzieht, weil er vom grünen Protoplasma völlig verdeckt wird. 12. Oontractile Vacuolen in Schwärmzellen. Pulsirende Vaeuo- len waren bisher nur bei Volvocineen ?) und Palmellaceen ?) bekannt; erst neuerdings hat Strasburger nachgewiesen, dass auch am Mundfleck der Zoosporen von Ulothrix zonata eine in Intervallen von 14—15 Secunden pulsirende Vacuole vorhanden ist*), und es ist nunmehr zu vermuthen, dass diese Organe auch in anderen Schwärmsporen verbreiteter sein mögen, als man bisher annahm. Dass aber die pulsirenden Räume der Schwärmsporen identisch sind mit den bei den Protozoen (Infusorien, Rhizopoden, Myxomyceten) allge- mein verbreiteten, einer festen Wandung entbehrenden, aber an der gleichen Stelle im Körperplasma sich constant wieder bildenden con- tractilen Vacuolen, wird Keiner bezweifeln, der dieselben einer ver- gleichenden Untersuchung bei allen diesen Organismen unterworfen hat. Es ist im hohen Grade wahrscheinlich, dass diese Vacuolen, welche stets dicht unter der Hautschicht oder Cutieula liegen, und bei der Contraction mitunter in ein strahlenartig den Körper durchziehendes System feiner Kanälchen sich umwandeln, eine besondere Organisa- I) Strasburger |. e. p. 185. 2) Hier von Ehrenberg entdeckt. 3) Hier von Fresenius und Cienkowski erkannt; vergleiche meinen Aufsatz: die Entwicklungsgeschichte der Gattung Volvox, Festschrift, und Heft 3. Band I. dieser Beiträge p. 94. 4) Strasburger I. ec. p. 167, bestätigt durch Dodel, botanische Zeitung 1876 p. 183. 118 tion der Zelle darstellen, welche zur Aufnahme Sauerstoffhaltigen Wassers von Aussen, und zur Vertheilung desselben im Körperplasma angepasst ist, dass sie also die ersten Andeutungen eines Respira- tions- und Circulationssystems sind. Bei Gonium und Chlamydo- monas habe ich mich überzeugt, dass die contractilen Vacuo- len mit der Spitze des trichterförmigen Hohlraumes der Schwärmzelle in Verbindung stehen. Vielleicht entsprechen dieselben derjenigen Region der Zelle, wo die zur Erhaltung des Lebens, insbesondere auch zur Entwickelung der lokomotorischen Kraft erforderliche Respiration ausschliesslich stattfindet; denn dass die Oberfläche der Zoosporen im Uebrigen für Diffusion wenig durch- lässig ist, möchte ich schon aus der Thatsache vermuthen, dass fast alle Schwärmzellen während ihrer Bewegung, auch wenn dieselbe mehrere Tage andauert, nicht im mindesten an Grösse zunehmen, während unmittelbar nach der Keimung das Wachsthum beginnt; sie scheinen daher während des Schwärmens Nährstoffe nicht auf- zunehmen. In Glycerinpräparaten bleiben die contractilen Vacuolen von Gonium und Uhlamydomonas als klare Räume erhalten. 13. Vergleich der Schwärmzellen mit einzelligen Thieren. Ent- sprechen aber die contractilen Vacuolen der Schwärmsporen den gleichnamigen Organen bei den Protozoen, so ist der centrale oder excentrische Hohlraum der erstern zu vergleichen mit der Körper- höhle jener niedersten Thiere. Der langjährige Streit zwischen Ehrenberg, der in den Infusorien Thiere mit zusammengesetzten ÖOrgansystemen, und zwischen Siebold und Koelliker, welche in ihnen einzellige Wesen erblickten, ist durch die Forschungen der Nachfolger für die meisten dieser Wesen wohl endgiltig zu Gunsten der letzteren entschieden worden, und zuletzt hat noch Haeckel die Auffassung sämmtlicher Gebilde im Leib der Infusorien als mehr oder minder eingreifender Modificationen des Zellenleibes siegreich vertheidigt'). Der Körper der Protozoen besteht aus einer unter der Cuticula liegenden plasmatischen Rindenschicht, welche nach innen in fester Grenze einen Hohlraum, die Körperhöhle, umschliesst; der Inhalt dieser Körperhöhle wird von Greef als Chymus oder Chylus, d. h. als Speisebrei bezeichnet, welcher unter Entfernung gröberer Nahrungsballen sich unmittelbar in die mit Wasser vermischte Blutflüssigkeit verwandelt. Haeckel dagegen in Uebereinstimmung mit Stein bezeichnet diesen Inhalt als die weichere und wasser- !) E. Haeckel, Zur Morphologie der Infusorien. Leipzig 1873. Separ.- Abdruck aus der jenaischen Zeitschrift Bd. VII. 4. 119 reichere Märksubstanz des Protoplasma, als Endoplasma, im Gegen- satz zur Rindenschicht, dem Exoplasma; das Endoplasma zeigt bei Paramecium Bursarta u. a. ganz ähnliche Rotationsströmungen, d.h. innere Protoplasmabewegungen, wie wir sie in den Zellen von Vallisneria oder Nitella kennen; während bei Trachelius Ovum und Noctiluca miliaris die Körperhöhle von netzförmig verzweigten, veränderliche Pseudopodien bildenden Plasmafäden in ähnlicher Weise durchzogen ist, wie die Zellen der Staubfädenhaare von Tra- descantia. Die Schwärmzellen der Algen zeigen demnach die näm- lichen Modifieationen des Zellentypus, wie die einzelligen Thiere aus der Klasse der Protozoen: nämlich einen Protoplasmakörper, der entweder nackt nur von der Hautschicht, oder von einer differenzirten Cutieula begrenzt, als Bewegungsorgane Cilien oder Geisseln ent- wickelt, und der selbst in ein peripherisches Exoplasma und ein centrales Endoplasma gesondert, in dem ersteren nicht selten pulsi- rende Vacuolen und einen Zellkern einschliesst. Ob das constante rothe Pigmentkörperchen an der Aussenseite des Scheitels so vieler Schwärmzellen die erste Andeutung einer für Lichtempfindung loca- lisirten Stelle darstellt, lässt sich nur durch eine vergleichende Un- tersuchung der analogen Pigmentflecke und Randkörper bei niederen Thieren unter besonderer Berücksichtigung ihrer embryonalen und Larvenzustände (Medusen, Actinien, Echinodermen, Würmer) positiv entscheiden, zu der mir bisher ausreichendes Material gefehlt hat'). Otienbar tritt uns hier eine weiter und weiter gehende Lokalisi- rung einzelner Lebensfunctionen in bestimmten Regio- neneinerunddernämlichen Zelle entgegen, welche speciellen Zwecken entsprechend organisirt werden. In anderer Weise zeigt sich übrigens diese Localisirung auch bei vielen einzelligen Algen und Pilzen, in deren einfacher Zelle die eine Region als Klammer- oder Saugorgan (Haustorium), eine andere als assimilirendes oder leiten- des Organ, eine dritte als Fruchtträger, eine vierte als Sporangium oder Geschlechtsorgan sich differenzirt, wo wir daher in derselben Zelle eine rhizoide, phylloide, cormoide, sexuelle und carpoide oder sporogene Region unterscheiden können (Uhytridiaceen, Mucoraceen, Peronosporaceen — Vaucheria, Hydrogastrum, Caulerpa). Schon im Jahre 1850 in meiner ersten Abhandlung „Nachträge zur Naturgeschichte des Protococcus pluvialis‘“ habe ich ausgespro- !) Das rothe Körperchen der Volvoeineen vermehrt sich bei jeder Thei- lung in gleichem Verhältniss; in Glycerinpräparaten verliert es die Farbe, bleibt aber als stark Lichtbrechendes Körnchen erkennbar. 120 chen, „dass die Schwärmzellen der Algen typisch wie einzellige Thiere gebaut sind (l. e. p. 747), und sich in ihrer Entwickelungsweise (l. e. p. 734) wie in den Gesetzen ihrer Bewegung wesentlich sol- chen gleich verhalten“ (l. ec. p. 738). Ich habe diesen Ausspruch aus dem Satze abgeleitet „dass das Protoplasma, welches als der Haupt- sitz fast aller Lebensthätigkeit, und namentlich aller Bewegungser- scheinungen in den Pflanzenzellen betrachtet werden muss, in sei- nem optischen, chemischen und physikalischen Verhalten mit der Sarcode oder contractilen Substanz der Thiere übereinstimme;“ dass es gleich dieser die Fähigkeit besitzt, wässerige Höhlungen zu bil- den, welche ich ganz allgemein mit dem von Dujardin für die Sarcodebläschen der Infusorien eingeführten Ausdruck Vacuole zuerst bezeichnet habe (l. c. p. 663)'); „dass demnach das Proto- plasma der Botaniker und die contractile Substanz und Sarcode der Zoologen, wo nicht identisch, so doch in hohem Grade analoge Bil- dungen sein müssen (l. c. p. 664); dass die Energie der organischen Lebensthätigkeiten, welche sich in der Bewegung realisirt, vorzugs- weise an diese stickstoffhaltige contractile Substanz gebunden, in den FPflanzenzellen durch eine starrere, trägere (Cellulose) Membran herabgestimmt und gefesselt ist, bei den Thieren nicht (l. e. p. 665); dass aber auch bei den Pilanzen Zustände vorkommen, wo die Zelle, ohne von einer Cellulosehaut eingeschlossen zu sein, gewisser Ver- änderungen der äusseren Umrisse durch Contraction und Expansion, schlängelnde und ähnliche Bewegungsformen, zum Theil auch Orts- bewegungen fähig ist; solche Zustände habe ich als Primordial- zellen „d. h. als eine Form des Primordialschlauchs (Plasmakör- pers) bezeichnet, welcher selbst die Gestalt einer Zelle annimmt, und entweder ganz ohne starre Zellmembran, oder doch isolirt von dersel- ben und selbstständig auftritt, wie dies namentlich bei den Schwärm- zellen der Algen vorkömmt“ (l. e. p. 666). Ich glaube in jener Abhandlung auch zuerst den Versuch durch- geführt zu haben, alle, auch die anscheinend heterogensten Bildun- gen einer niederen Pflanze als eine Zelle, oder als Metamorphose eines Theiles von einer Zelle nachzuweisen (l. ce. p. 633); insbeson- dere eine sehr ungewöhnlich organisirte Alge (Uhlamydococcus plu- vialis) in all ihren biologischen Verhältnissen als einzelligen Orga- 1) Vergleiche auch das Referat meines Vortrages über die Pflanzenzelle in der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section der Schlesischen Gesell- schaft vom 21. Februar 1849; Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für 1549. 121 nismus aufzufassen, und ihre Entwickelungsgeschichte auf den Gene- rationswechsel zurückzuführen (l. ec. p. 634 und 688). Ich habe diese Sätze nicht als leichtsinnige Hypothesen hingestellt, sondern auf ein eingehendes vergleichendes Studium der Zelle bei höheren und niederen Pflanzen, so wie insbesondere auch der niederen Thiere begründet, wie es in gleichem Umfang meines Wissens damals kei- ner der Zeitgenossen betrieben hatte. Ich weiss wohl, wie mangel- haft in vielen Stücken jene Jugendarbeit war, und dass die von mir ausgesprochenen Sätze erst durch spätere bessere Arbeiten, unter denen die ganz unabhängigen und wenig später publieirten Unter- suchungen von A. Braun'), sowie die Arbeiten über Protoplasma von Max Schultze 1861 und W. Kühne 1864 in erster Reihe stehen, ihre volle wissenschaftliche Begründung gefunden haben. Aber auch ich selbst habe mich seit jener Zeit unablässig bemüht, neue bestätigende oder ausführende Thatsachen zu jenen von mir zuerst aus- gesprochenen Gedanken herbeizuschaffen, die wohl auch befruchtend in die Entwickelung unserer Wissenschaft eingegriffen haben. Und wenn Julius Sachs „die Lehre, dass das Protoplasma die unmittelbare Grundlage sowohl des vegetativen wie des animalischen Lebens ist, als eines der bedeutendsten Ergebnisse der neueren Naturwissen- schaft“ bezeiehnet?), so glaube ich auf die Anerkennung des mir zukommenden Antheils, den mir derselbe in seiner Geschichte der Botanik vorenthalten hat, ohne Selbstüberhebung Anspruch machen zu dürfen. Breslau, den 15. Juni 1876. ') A. Braun, Betrachtungen über Verjüngung in der Natur. Leipzig 1551. 2) J. Sachs, Geschichte der Botanik vom 16. Jahrhundert bis 1860. München 1375 p. 339. Inhalt des Ersten Bandes. Heft I. Die Pflauzenparasiten aus der Gattung Synehytrium. Von Dr. J. Schroeten, Seite, RB EN INT ne. sale race ne ae anefenenn.atne an iens m erete rauen ee Ueber die Fäule der Cactusstämme. Von H. Lebert und F. Cohn ... Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. Von Dr. Ferdinand Cohn. BEN und Volzsoseae urn man en naenenRmaee aeaneaee Ueber die Stammfäule der Pandaneen. Von Dr. J. Schroeter........ Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. Von Dr. Ferdi- Beuel (Milk Pate MI) nee aeeafe eis seiten ago eine ee nie Preis 7 Mark. Heft 11. Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. Theo- Bmanveenelskı, (Mit Tafelal) ces a. nnd en ne Ueber die Lage und die Richtung schwimmender und submerser Pflanzen- on Dr Ar B. Branks hausen een ee Ueber parasitische Algen. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel II.)..... Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Schroeter. Untersuchungen über Bacterien. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel IIl.) Preis 9 Mark. Heft III. Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze. Von Dr. J. Schroeter...... Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Ver- dumstung entgegensetzen.. Von Dr. L. Just... ...urcesscenencnn Prüfung einiger Desinfeetionsmittel durch Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Schroeter......:.........- Ueber die einseitige Beschleunigung des Aufblühens einiger kätzchen- artigen Infloreseenzen durch die Einwirkung des Lichtes. Von Dr. EV 2 ala.are tn utente alate nie ale ie ern ae Se a aaa are are Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia von Dr. Bedisand- Gohm.. (Mit, Tafel I.)..2. 20a... neuen en Die Entwickelungsgeschichte der Gattung Volvox. Von Dr. Ferdinand IL ateL II). ee ana neee era aan ene aen ae alae aherae ea Untersuchungen über Pythium Equiseti. Von Dr. Richard Sadebeck. TEE BIT URdETV nee essen dans Untersuchungen über Bacterien II. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit BE NV TR ee nen ah a een Untersuchungen über Bacterien. III. Beiträge zur Biologie der Bacterien. 1. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Pe ne ee een een Preis 11 Mark. 105 141 205 um Il . Beiträge zur Bologre der Pflanzen. Fraustadlad nat del. BwuWv . BBFTR DV R % . ö & E. i = -* “ - £ er ‚ R 2 i . fi *_ j 5 P ® I ” x ln Beitnige zur Biologe der Pflanzen. | band, TafL. Etg.8. Fig4 z 2 _ | HE AELNIDBARTHNHONNNN MT 11 II IN N TITAN NLITAMTILAIMITTIMINNINNILAIN TINTEN ü 2 RAU HNUNONRNGGONGNUREANGNENNNNN Fraustadtadnatded .° ll /hın.Beitrage zur Biologe der Pflanzen. BandH, Tas. IH. Fraustedt ad nat dei. Cohn ‚Beiträge zur Biologie der Pflanzen. L.Newakowski adnat.del. PL N NE De > EEE ER a EEE BE Es Er. SE, ER HR, Band Tfl. üge zur Biologie der Pflanzen. N“, ” L) BD Z Y o Pig. Fe. 6, | ö \ &® \ N 2.Nowakowski ad hut. del. Pe mar träge zurBiologie ER PMlanzen. I | Band. TafII. > ae a a rt u Te 7 = a ee 2.Nowakowski ad naz. del. a AU Zn A I ar a Pe RE ben NR T ur 3 Pre TR 5 A “wyrzg Zee m —— —n —— _ = Inhalt von Band I. Heft I. Die Pflanzenparasiten aus der Gattung Synchytrium. Von Dr. J. Bere oeter. (Mit Tafel I—-III.) — Ueber die Fäule der Cactusstämme, | VonH.Lebert und F. Cohn. — Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erd- raupen. Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel IV. und V.) —- | Ueber die Stammfäule der Pandaneen. Von Dr. J. Schroeter. — Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über ' die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. Von Dr. Ferdi- | nand Cohn. (Mit Tafel VI.) Preis 7 Mark. | Heft II. Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. TheophilCiesielski. (Mit Tafel.) — Ueber die Lage und die Richtung schwimmender und submerser Pflanzentheile. Von Dr. A. B. Frank. — Ueber parasitische Algen. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel I.) — I Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Schroe- ' ter. — Untersuchungen über Bacterien. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel III.) Preis 9 Mark. I Heft III. Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze. Von Dr. J. Schroeter. — Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Ver- dunstung entgegensetzen. Von Dr. L. Just. — Prüfung einiger Des- | infeetionsmittel dureh Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Orga- | nismen. Von Dr. J. Schroeter. — Ueber die einseitige Beselileuni- gung des Aufblühens einiger kätzchenartigen Infloreseenzen durch die | Einwirkung des Lichtes. Von Dr. A. B. Frank. — Ueber die Funetion | der Blasen von Aldrovanda und UVtrieularia von Dr. Ferdinand Cohn. | (Mit Tafel 1.) — Die Entwiekelungsgeschichte der Gattung Volvox. j Von Dr. Ferdinand Cohn. (Mit Tafel IL.) — Untersuchungen über Pythium Equiseti. Von Dr. Richard Sadebeck. (Mit Tafel III. | und IV.) — Untersuchungen über Bacterien. I. VonDr. Ferdinand Cohn. «Mit Tafel V. und VI.) — Untersuchungen über Bacterien. Ill. Beiträge zur Biologie der Baeterien, 1. Die Einwirkung verschie-. dener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von | Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Eidam. Preis 11 Mark. Inhalt von Band Il. Heft 1. Seite, I Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrift: „Ueber Zellbildung und Zelltheilung.“ VonDr. Leopold Auerbach 1 Anatomie der vegetativen Organe von Dionaca ap Ell. Von Dr. A. Fraustadt. (Mit Tafel I-II) . . .. ? 27 Ueber die Entwickelung und die systematische Stellung von Tulo- | stoma Pers. Von Dr. J. Schroeter . .. 65 Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen Von Dr. Leon. Nowas kowski. (Mit Tafel IV—VL). Tara B.\ ;:' Bemerkungen über Organisation einiger Schwärmzellen. Von Dr. Ferdinand Cohn. . . N ns A ee 101° Pools 7 Merk, ar u —— "Druck von Robert Nischkowaky in Breslau, Beiträge zur : Biologie der Pflanzen. mann Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. | un Zweiter Band. Zweites Heft. Mit fünf zum Theil farbigen Tafeln. Breslau 1876. J. U. Kern’s Verlag at (Max Müller). _ —— beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben Dr. Ferdinand Cohn. Zweiter Band. Zweites Heft. Mit fünf’ zum Theil farbigen Tafeln, m REN Breslau 1876. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). aid Ai ) " Er no er une 7 u SE Ener? Br Aa Are 2 Ueber die biologischen Verhältnisse des Thallus einiger Krustenflechten. Von Dr. A. B. Frank. Mit Tafel yı Bekanntlich besitzen wir von keiner Flechte eine lückenlose Ent- wickelungsgeschichte des Thallus, welche mit der Keimung der Spore begönne und mit der vollkommenen typischen Form des fruetifiei- renden Thallus abschlösse. Freilich geschieht in der Natur die Ver- mehrung der Flechten in den weitaus häufigsten Fällen auf vegeta- tivem Wege mittelst der Soredien. Es ist nicht zweifelhaft, dass an flechtenreichen Standorten diese Organismen seit Jahrhunderten viel- leicht allein auf diese Weise sich fortgepflanzt haben, dass Stellen, auf denen im Laufe der Zeit eine Flechtenvegetation sich ansie- delt, sehr häufig zuerst mit Soredialanflügen überzogen erscheinen, deren Ursprung auf benachbarte Standorte soredienbildender Flechten hinweist, dass also dabei die Bestandtheile des Flechtenthallus, die Hyphen und die Gonidien, sich auch ebenso lange Zeit nur immer durch Sprossung und Theilung vervielfältigt haben und dass mithin der Gedanke nahe liegt, es sei die Verjüngung durch Sporen ein Vorgang, den die Natur in sehr vielen Fällen vielleicht gar nicht kennt. Und doch ist die Frage nach der Fintwickelung der Flechten aus ihren Sporen von hoher theoretischer Wichtigkeit. Wir können die Flechtensporen nicht für bedeutungslose Organe halten, und was bei den Pilzen so allgemein und so leicht geschieht, muss auch bei den Lichenen erwartet werden. Ja die Verjüngung durch Sporen hat hier noch ein ganz besonderes Interesse, insofern sich daran die Frage nach der Beziehung der Gonidien zu den Hyphen knüpft. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pilanzen. Band II Heft II 9 124 Man hat die Entwickelungsgeschichte des Flechtenthallus nach verschiedenen Methoden zu ermitteln gesucht. Ausgehend von der Annahme, dass die Flechte ein einheitlicher Organismus sei, wie alle anderen Pflanzen, der aus seinen Keimen (Sporen) alle seine Organe zu reprodueiren vermag, unternahm man Aussaaten von Sporen auf ein reines, der betreffenden Species zusagendes Substrat. Diese Experimente haben entweder gar keine oder doch nur sehr zweifel- hafte Resultate geliefert. In der Regel bleibt die Entwickelung bei der Bildung von Keimschläuchen stehen '),. Während Micheli die Apotheeien für sterile Blüthen hielt und nur eine Keimung der Soredien kannte, hat Meyer”) nicht nur die Sporenkeimung zuerst gesehen, sondern will auch beobachtet haben, dass, wo mehrere Keimfäden sich treffen, knotige Vergrösserungen entstehen, die sich färben und so den Thallus und die Apothecien bilden. Mehr Beach- tung als diese unsicheren Beobachtungen, die mittelst unzureichen- der Mikroskope gewonnen worden sind, verdienen die Angaben Tulasne’s°?). Dieser säte die Sporen der Verrucaria muralis auf einen geglätteten Kalkstein; er sah sie verästelte Keimschläuche treiben, welche sich allmählich durch Querwände in perlschnurförmig gereihte, rundliche Zellen gliederten (Protothallus).. Endlich soll sich auf denselben eine weissliche Schicht kleiner runder Zellen ent- wickelt haben, die fest unter sich und mit den Fäden, von denen sie ausgingen, vereinigt waren. Einige seien leer, andere mit Inhalt erfüllt gewesen, und bald hätten sich hier und da auf dieser Schicht kleine grüne, jenen ganz ähnliche Zellen gebildet, und Tulasne war überzeugt, hier den Anfang eines neuen Thallus vor sich zu haben. Die bildliche Darstellung auf Taf. 13 steht aber hiermit nicht ganz im Einklange, deun einen organischen Zusammenhang mit den Hyphen zeigen die kleinen runden Zellen nicht und werden auch im Jungen Zustande in der Fig. 12 als fremde Körper bezeichnet. Ein ähnliches Resultat will Tulasne auch nach Aussaat von Sporen der Parmelia parietina erlangt haben. — Speerschneider*) säete Sporen von Hagenia ciliaris auf Holz und beobachtete erst nach länger als einem halben Jahre eine Veränderung, indem die Sporen- I) Tulasne, Memoires sur les lichens. Ann. sc. nat. 3 ser. T. XVII. pag. 95. 2) Entwickelung, Metamorphose und Fortpflanzung der Flechten. Göttingen 1325. pag. 175. 3) I. c. pag. 91. *) Zur Entwickelungsgeschichte der Hagenia ciliaris. Bot. Zeitg. 1853, pag. 722. 125 hülle durch Verwesung zerfiel und wenige oder ganze Massen rund- licher Zellen, zum Theil keimschlauchartig, hervortraten; die grössten dieser Massen zeigten auclı Gonidien, doch wie es schien, ohne orga- nischen Zusammenhang mit jenen. Speerschneider hielt dies für Anfänge des Thallus. Doch ist es auch hier wahrscheinlich, dass die grünen Zellen fremdartige einzellige Algen gewesen sind, wie sich solche ja auf nassen Oberflächen nach längerer Zeit allzuleicht einfinden. Eine andere entwickelungsgeschichtliche Methode drängte sich auf in Folge der Hypothese, dass die Flechten von Schmarotzer- pilzen befallene Algen seien. Bewogen durch die Aehnlichkeit oder vollständige Gleichheit der Gonidien gewisser Flechten mit gewissen Algen sprach zuerst de Bary'), nicht als Behauptung, sondern als Vermuthung, diesen Gedanken bezüglich der Collemaceae und Dyssacei Fr. aus. Schwendener?) hat darauf in einer Reihe von Unter- suchungen diese Hypothese für sämmtliche Lichenen zu begründen gesucht, indem er für alle Flechtengonidien entsprechende Algen- typen nachwies und jede genetische Beziehung der Gonidien zu den Hyphen des Thallus leugnete. Durch Bornet°?) erhielt diese Hypo- these eine weitere Stütze, insofern derselbe nachwies, dass die Beziehung der Hyphen zu den Gonidien im Flechtenthailus überall diejenige ist, wie sie die Theorie des Parasitismus verlangt. Er suchte damit die bis dahin gleichberechtigte Hypothese zu entkräften, nach welcher die betreflenden Algentypen keine selbständigen Orga- nismen, nur frei gewordene und für sich fortlebende Flechtengonidien sind. Diese Ueberzeugung hegten nämlich schon die früheren Liche- nologen bezüglich des Nostoc und des ÜUhroolepus, weil man diese Algen häufig aus dem Thallus von Üollemaceen und Graphideen frei werden sieht. Sie wurde in neuerer Zeit auf das Bestimmteste auch für die chlorophyligrünen und für die den Ühroococcaceen - Typus repräsentirenden blaugrünen Gonidien ausgesprochen von Famintzin und Baranetzky*), denen es gelungen war, die grünen Gonidien !) Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und Myxomyceten. Leipzig 1366, pag. 291. 2) Verhandlungen der schweizer. naturf. Gesellsch. zu Rheinfelden, 9. Sept. 1367. — Untersuchungen über den Flechtenthallus. Beitr. z. wissensch. Bot. von Nägeli. 4. Heft. 1868. — Ueber die Beziehungen zwischen Algen und Flechtengonidien. Bot. Zeitg. 1365, pag. 239. — Die Algentypen der Flechten- gonidien, Basel 1869. — Erörterungen zur Gonidienfrage. Flora 1372, No. 11 ff. 3) Recherches sur les gonidies des lichens, Ann. sc. nat. 5. ser. T. XVII. #) Zur Entwickelungsgeschichte der Gonidien und Zoosporenbildung der Flechten. Bot. Zeitg. 1368 No. !1. -——- Beitrag zur Kenntniss des selbständi- gen Lebens der Flechtengonidien. Pringsheim’s Jahrb. f. wissensch. Bot. VII. g* 126 von Parmelia parietina, Oladonia und Evernia von den Hyphen isolirt fortleben und in der für die Protococcaceen charakteristischen Weise Schwärmsporen entwickeln zu sehen. Die Flechtensystematiker haben dann auf die Schwendener’sche Hypothese mit der anderen geantwortet, dass die niederen Algen, denen Gonidientypen ent- sprechen, keine selbständigen Pflanzen, sondern frei gewordene Flechtengonidien seien'), Körber”) hat endlich neuerdings die Selbständigkeit der Flechten auch für den Fall zu retten gesucht, dass die Thatsachen, auf welche die Schwendenerianer sich stützen, wirklich begründet sind. Er giebt zu, dass die Gonidien im Thallus nicht von den Hyphen erzeugt werden und dass aus den Keim- schläuchen der Flechtensporen nur dann ein Thallus werden kann, wenn sie die ihnen speeifisch benöthigte Gonidie, d. h. die Gonidien- form eben derjenigen Species, welcher die Spore angehört, im frei vegetirenden Zustande unmittelbar finden. Die vermeintlichen Algen aber seien eben lauter freigewordene und ausserhalb der Flechte vegetirende Gonidien, und die eigenthümlichen Verbindungen, welche die Hyphen mit denselben im Thallus eingehen, nieht Erscheinungen von Parasitismus, sondern umgekehrt Einrichtungen zur Ernährung der Gonidien, welche eingeschlossen im Thallus die zur Bildung ihrer Eiweissstoffe und ihres Chlorophylis erforderlichen ‘Nährstoffe nur durch die Hyphen zugeführt erhalten können. Wenn man unbe- achtet lässt, dass die Palmellaceen und Confervaceen den Archego- niaten vorausgehende Glieder in der Entwickelung des Pflanzenreiches sind und dass es für viele Typen dieser Ordnungen keine ent- sprechenden Flechtengonidien giebt, so ist die Körber’sche Hypo- these der Schwendener’schen gleichberechtigt. — Auch durch das Experiment haben die Schwendenerianer ihre Theorie zu erweisen gesucht und damit eine neue entwickelungsgeschichtliche Methode für den Lichenenthallus eingeschlagen: sie säen die Flechtensporen auf diejenigen Algen, die den Gonidien der betreffenden Lichene entsprechen. So hat Reess”) zuerst solche Sporenaussaaten von Collema glaucescens auf Nostoc lichenoides veranstaltet; er sah dabei die Keimschläuche in die Nostoegallert eindringen und mit ihr einen 1) Vergl. Nylander, Animadversio de theoria gonidiorum algologica. Flora 1370; Krempelhuber, Die Flechten als Parasiten der Algen. Flora 1371; J. Müller, Flora 1872; Crombie, On the lichen-gonidia question, London 1874. 2) Zur Abwelır der Schwendener-Bornet’schen Flechtentheorie. Breslau 1874. 3) Ueber die Entstehung der Flechte Collema glaucescens Hoffm. Monatsber. 3erl. Akad. Oktober 1871. 127 Oollema-artigen Thallusstock bilden, wenn es ihnen gelungen war, zur Nahrungsaufnahme das Substrat zu erreichen. Bornet') hat einen ebensolchen Aussaatversuch mit den Sporen von Üollema pulposum auf Nostoc lichenoides angestellt, und im Allgemeinen an der Alge das Gleiche beobachtet; nach einiger Zeit starb sie ab, „sans avoir sensiblement augment6 de volume.“ Es ist nicht unwahr- scheinlich, dass die Keimschläuche in jede andere gallertartige Sub- stanz auch eingedrungen sein würden, — Treub?) erhielt kein Resultat, wenn er Sporen von ZLecanora subfusca, Parmelia parietina und Ramalina calicaris auf Oystococcus humicola aussäete; wenn er aber als Unterlage die aus den Flechten freipräparirten Gonidien benntzte, die er immer von anderen Arten entlehnte, als diejenige, deren Sporen gesäet wurden, so sah er die Hyphen sich den Algen- zellen anlegen und vermehrte Zweige treiben, von denen ein Theil sich wieder anhefteie, bis die Zelle zuletzt ganz umfasst wurde; zur Bildung eines vollkommenen Thallus konnte es aber auch nicht gebracht werden. Es giebt aber noch eine dritte entwiekelungsgeschichtliche Methode. Sie präsumirt irgend eine Hypothese nicht; es ist die gewöhnliche, in der Morphologie übliche, welche auf der Vergleichung der in der Natur aufzufindenden Entwickelungsstadien verschiedener Individuen beruht. Sie vermeidet die Schwierigkeiten, welche sich bei Zimmer- kulturen unter Glasglocken entgegenstellen und welche bei diesen Pflanzen, die fast ohne Ausnahme nur gedeihen an den Witterungs- einflüssen ungehindert preisgegebenen Standorten, gegenwärtig fast unüberwindlich erscheinen. Allerdings verbietet sich die allgemeine Anwendung dieser Methode bei den Liehenen wegen des Eingangs hervorgehobenen Umstandes, dass nur die wenigsten Flechten in der Natur ihre Entwickelung aus Sporen oder aus Hyphen allein begin- nen, man vielmehr ihre ersten anzutreffenden Stadien in der Regel schon aus Gonidien und Hyphen zusammengesetzt (Soredien) antrifft. Sind wir auch, besonders durch Schwendener’s Untersuchungen, schon vielfach unterrichtet worden über die Bildung des vollkommenen Flechtenthallus aus den Soredien und über die Gesetze des Wachs- thums desselben, so reichen diese Thatsachen doch zu einer voll- ständigen, bis auf den Anfang zurückgehenden Entwickelungs- geschichte nicht aus. Es giebt aber eine Zahl Lichenen, an deren spontanen Vegetationen man noch einen Schritt weiter zurückgehen 1) ]. c. pag. 93. 2) Lichenenkultur. Bot. Zeitg. 1873 No. 14. 128 kann. Besonders einladend müssen die hypophlöodischen Krusten- flechten erscheinen, weil bei der Eigenthümlichkeit des Substrates, in welchem dieselben ihren Thallus bilden, die Untersuchung uns Rechenschaft geben muss, wie die Hyphen und insbesondere die Gonidien dorthin gelangen, wo sie im fertigen Thallus gefunden werden. Aus diesem Grunde und auch weil Bau und Wachsthum des Thallus, die bei den meisten heteromeren Thallustypen befrie- digend aufgeklärt sind, gerade bei diesen Flechten noch keiner genaueren Untersuchung unterworfen worden sind, habe ich nach der angegebenen Methode die Entwickelung des Thalius einiger rindebewohnender @raphrideen und Verrucarieen zu ermitteln gesucht. Diese Beobachtungen, über welche ich bereits der Naturforscher- Versammlung zu Wiesbaden 1873 zum Theil referirte, habe ich in der Folge weiter fortgesetzt und vervollständigt und gebe darüber im Nachstehenden Bericht. Ich betone, dass mir das rein morpho- logische und biologische Interesse an der Entwickelungsgeschichte des Thallus das hauptsächliche Motiv zu diesen Untersuchungen war, dass ich nieht allein darauf ausging, an diesen Flechten die Controverse über die Beziehung der Gonidien zu den Hyphen zu erörtern, wiewohl ich veraussah, dass diese hiermit innig zusammen- hängende Frage dabei auch eine Beantwortung finden würde. Meine Erwartungen in dieser Beziehung haben mich nieht nur nicht ge- täuscht, sondern ich erkannte anch, dass man bei diesen Flechten biologische Verhältnisse antrifft, welche sieh nicht in das Schema der Vorstellungen fügen, welche in den letzten Jahren für die Flechten überhaupt geläufig geworden sind. Trotzdem liefern auch diese Ergebnisse neue Beweise für den Kardinalpunkt der Schwendener- Bornet’schen Hypothese, dass die Gonidien etwas der Flechte Fremdartiges sind. Ueber den Bau nnd die Entwickelung des hypophlöodischen (raphideenthallus begegnen wir bei den früheren Lichenologen fast nur speeulativen Betrachtungen. Wallroth') stellte sich vor, dass bei diesen Flechten, die sich schon in den glatten Baumrinden an- siedeln, die gonimischen Brutzellen aus der Atmosphäre auf das Substrat gelangen, daselbst ihre Weiterentwiekelung aber nur dann finden, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind, wenn sie eine für Flechtenansiedelung „urbar gemachte‘ Rinde antreffen, wie Wall- roth sich ausdrückt. Er versteht darunter den Zustand, wo die Epidermis in dünnen Schüppchen sich abstösst und die dadurch 1) Naturgeschichte der Flechten, Frankfurt a. M. 1825 I. bedingte Unebenheit das Anhaften der Gonidien gestattet. Juetztere würden dann vermöge des überhaupt jedem Keime innewohnenden „Strebens nach unten“ trotz ihrer Kleinheit Kraft genug besitzen, um durch „die entweder durchbrochene oder vermöge ihrer Zartheit leicht zu durchbrechende Oberhaut“ tiefer einzudringen und sich festzusetzen. Uebrigens warnt schon Wallroth') davor, dass man die von diesen Flechten bewohnten Stellen glatter Rinden, welche besonders bei Arthonia- und Verrucaria-Arten je nach den Bäumen bald durch graulichbraune, bald durch etwas glänzend olivengrün- liche, bald durch glänzend silberweise Färbung sich kenntlich machen, als wahre Kruste bezeichne und sie der Flechte selbst angehörig betrachte, denn sie seien nichts als schon veränderte Oberhaut, welche die Flechte „als eine allgemeine, so zu sagen zugleich mit verflechtende Hülle benutze,“ wodurch die „mattweissliche oder auch chlorophänisch durchschimmernde Färbung“ bedingt werde. Wall- roth?) unterscheidet auch schon „ein hypophlöodisches Verweilen ohne und mit epiphlöodischer Sichtbarwerdung.“ Im ersteren Falle verbleibt die Brutzelle eingesenkt und setzt ungestört neue ähnliche Brut ab; die Häufigkeit solcher hypophlöodischer Brut- anflige sei so gross, dass „man sich kaum einen in dieser Hinsicht zur Aufnahme fähigen organischen Boden denken könne, auf welchem nicht jene zarten Unsichtbarkeiten eingestreut wären;“ nur ihrer Unscheinbarkeit wegen blieben sie am häufigsten unbeachtet. Wenn man an einem schlankgewachsenen, glattrindigen Eschenbaume ein Bruchstück der Rinde „in der Nachbarschaft der schon entfalteten Graphis atra und insculpta“ betrachte, so finde man nach Entfernung der Oberhaut durch leise Scheuerung goldgelbliche Kügelchen, welche „wirkliche Brutzellen vermuthlich der benachbarten Flechten“ seien. Auch an Buchen treffe man, sogar bei Abwesenheit jugendlicher Fruchtgehäuse unter der unveränderten Oberhaut wenn man sie ab- scheure, oft derartige Brutzellen, die sich äusserlich ganz unsichtbar erweisen. Wenn eine frühzeitige Auflockerung und Trennung der Oberhaut an solchen Stellen eintritt, so würden die eingeschlossenen Brutzellen nach aussen streben und zu den Brutzellenausbrüchen Veranlassung geben, welche oft ganze Baumstämme überkleiden. Oft aber treten auch beide Theile, Oberhaut und Brutzelle, „in freudi- ger Gemeinschaft üppiger hervor.“ Dieses Epiphlöodischwerden stellt sich Wallroth so vor, dass hypophlöodisch angesiedelte Brutzellen mehrere ihres Gleichen „in zusammenbängender Ineinanderschichtung 1) I. e. pag. 143, 151—153. 2) l. c. pag. 160 ff. 130 ausstossen und selbst im Verborgenen irgend einen bindenden Stoff ausströmen lassen.‘ Diese Ansammlung gewinne dadurch an Con- sistenz und trete dann mit ihrer Scheinhülle merklicher hervor, indem sie eine weissliche Färbung, einen perlmutterähnlichen matten Glanz und eine gewisse Glätte annimmt, dem bewaffneten Ange wie ein geronnener Milchaufguss erscheint, an welchem alsbald die Anfänge der Fruchtgehäuse von innen hervorbrechen. Dass schon Wallroth die Unterschiede der beiden Formen des hypophlöodischen Thallus sich klar gemacht hat, verdient um so mehr hervorgehoben zu wer- den, als selbst in der neueren deseriptiven Flechtenliteratur die Ter- minologie diese Thallusformen vielfach nicht hinreichend unterscheidet. Tulasne') giebt an, dass die Vegetationsorgane der Opegrapha atra unter der 3. oder 4. Zellenlage des Korkes sich befinden in Form grüner zusammenhängender Gonidien und sehr undeutlicher Fasern. Bei Arthonia galactites seien es amorphe oder unregel- mässig faserige Massen, untermengt mit kurzen Ketten grüner Zellen, in der oberflächlichsten Korklage. Der einfachste Bau finde sich bei Verrucaria epidermidis atomaria ete., wo das Periderm von ästigen, unregelmässigen Fäden durchzogen sei, auf welchen kleine Gruppen sphärischer grüner Gonidien zerstreut sind, die nur schwach an einander und an den Fäden hängen, aus denen sie nach Tulasne’s Meinung entstehen, und zu selten sind, um dem Thallus grüne Farbe zu geben. Nach de Bary?), welcher den Thallus von Graphis seripta, Opegrapha varia, O. plocina und anderer Arten, Lecanactis ilecebrosa, Arthonia impolita und Pyrenula nitida untersuchte und bei allen im Wesentlichen übereinstimmend fand, besteht die Haupteigenthüm- lichkeit dieser Formen in der Beschaffenheit der Gonidien, welche zu oft vielgliedrigen, confervenartigen, ästigen Zellreihen vereinigt sind, welche durch Spitzenwachsthum und Theilung der Endzelle sich verlängern und dadurch sich verästeln, dass unter dem oberen Ende der Gliederzellen eine Ausstülpung getrieben wird als Anlage der änssersten Zelle des Astes. Die Gliederzellen haben meist eine tonnenförmige, mitunter fast kuglige, oder zumal am Rande des Thallus, schmal und langgestreckt eylindrische Gestalt und im Ver- hältniss zu anderen Gonidien ungewöhnliche Grösse. Die Zellen enthalten einen durch Chlorophyll gleichmässig gelbgrün gefärbten Protoplasmakörper, in dessen Mitte eine Anzahl verschieden grosser N) 1. c. pag. 9—11. 2) l. c. pag. 260—262. 131 - rothgelber ölartiger Körner liegen; oder dieselben nehmen den Innen- raum beinahe ganz ein, wobei selbst die schmale peripherische grüne Schicht fehlen kann. Bei den rindebewohnenden Arten besteht der Thallus aus einem Geflechte von Gonidienketten und Hyphen ohne Differenzirung in Mark- und Rindeschicht; beiderlei Bestandtheile sind ausgebreitet zwischen den äussersten Peridermalagen der Rinde und die Gonidienketten vorzugsweise in der Riehtung der Oberfläche geordnet, sie drängen sich sammt den Hyphen allenthalben zwischen die Lagen und einzelnen Zellen des Periderma ein. Die Aussen- fläche des nur geringe Dicke erreichenden Thallus ist stets bedeckt von einem aus einer oder einigen Zellenlagen bestehenden Periderma- überzuge. Die weissliche Farbe dieser Thalli rühre von Luftan- sammlung in und unter dem vertrockneten oberflächlichen Periderm, bei Graphis scripta auch von reichlicher Anhäufung unregelmässiger krystallinischer Stücke von oxalsaurem Kalk her. Bornet') hat Uhroolepus umbrinum Ktz., welches die Gonidien der Opegrapha varia Pers. bildet, unabhängig von der Flechte auf Zweigen beobachtet. Die Alge lebe sowohl auf der Epidermis, als auch unter den äusseren Peridermaschichten, krieche auch in die Zellen derselben hinein und verzweige sich in denselben. Der rothe Inhalt fehle bisweilen und die Zelle enthalte dann nur ein hell und glänzend grünes Chlorophyll, was besonders in den tieferen Periderm- schichten der Fall sei. Am Rande der genannten Flechte, wo die weisse Kruste undeutlich wird, bemerke man theils im Periderm, theils auf den oberflächlichen Zellen desselben locker verfilzte Hyphen, welche gegen den Rand hin seltener werden; wo sie mit den im Periderm befindlichen kettenförmigen rothbraunen Gonidien zusammen- treffen, befestigen sie sich an einzelnen Zellen der Ketten, Im eigent- lichen Thallus seien die Hyphen stärker entwickelt, umstricken die Gonidien mit viellappigen Zweigen, besonders auch an den Ein- schnürungen der Ketten, so dass letztere in kurze Stücke getrennt werden. Bei Verrucaria nitida Schrad. bestehen ähnliche Verhält- nisse. Diese Darstellung lässt keinen Zweifel darüber, wie Bornet sich das Zustandekommen dieser hypophlöodischen Thalli vorstellt: als ein Befallenwerden der ursprünglich für sich allein im Periderm lebenden Alge durch die ein- und vorwärtsdringenden Hyphen. Aus der Familie der Graphideen habe ich den hypophlöodischen Thallus von Arthonia vulgaris Schaer., A. epipasta Krb. und Grapkis scröpta Ach. untersucht und zwar vorzüglich an jungen und mittel- 1) 1. e. pag. 54—56. 132 alten noch glattrindigen Stämmen der Eschen und Eichen, an denen besonders die beiden erstgenannten sehr häufig und an verschieden- alterigen Bäumen oder in verschiedenen Höhen leicht in allen Ent- wickelungsstadien zu finden sind. Doch kommen beide auch an an- deren jungen, glattrindigen Laubhölzern häufig vor, und ich habe sie auch an solchen verglichen. Stets verwendete ich frisch gesammel- tes Material zur Untersuchung; wo das nicht der Fall war, habe ich es ausdrücklich bemerkt. Die frisch gesammelten Flechten stammten aus der Umgegend von Leipzig und Dresden. Zur Orientirung über den Bau des Periderms der Eiche und Esche, wie er schon an den wenigjährigen Zweigen und solange als der Stamm glatt bleibt sich zeigt, sei Folgendes vorausgeschickt. Auf dem Querschnitte unterscheidet man leicht zwei Schichten des Periderms: eine innere diekere und eine äussere dünnere, stets farb- lose. Die erstere grenzt unmittelbar an das Korkcambium; ihre Zellen sind ungleich deutlicher und regelmässiger als die der an- deren; sie haben rectanguläre Gestalt, liegen ziemlich genau in ra- dialen Reihen; ihr Lumen ist gewöhnlich weiter, die Membranen sind ziemlich kräftig und gleichmässig gebaut. Bei der Esche be- steht diese Schicht aus sehr weiten, fast quadratischen Korkzellen, die nur in zwei Lagen übereinander liegen, leer, lufthaltig und nur blass graubräunlich gefärbt sind; daher erscheint die Eschenrinde graugrün, indem die grüne primäre Rinde durchscheint. Im späteren Alter werden immer mehr solche Korkzelllagen gebildet. Bei der Eiche ist diese Schicht aus vielen Zellenlagen zusammengesetzt und mehr oder weniger braun gefärbt; ihre Zellen sind reetangulär tafelförmig, von mässiger Weite; ihr Lumen übertrifft die Dicke der Wände um das Mehrfache; sie führen meist einen amorphen gebräunten Inhalt, welcher die Farbe dieser Schicht bedingt; daher sieht die glatte Eichenrinde bräunlich aus. Die Zellen der stets farblosen und durch- scheinenden äusseren Schicht sind ungleich enger, ihr Lumen über- trifft manchmal kaum die Dicke der Wände, ja es liegen oft Aussen- und Innenwand aneinander; ihre Gestalt ist unregelmässiger, indem die radialen Wände gewöhnlich mehr oder weniger schief gezogen oder verbogen sind, so dass auch die Zellen mehr seitlich zwischen einandergeschoben, weniger deutlich in radiale Reihe geordnet er- scheinen. Es sind dies offenbar die Folgen des durch die Ausdeh- nung der inneren Gewebe, zunächst der inneren Schicht des Peri- derms, hervorgebrachten Druckes, durch den jene Schicht immer mehr in Spannung versetzt wird. Die Dicke derselben schwankt bei der Eiche zwischen 4 bis 6, bei der Esche nur zwischen 2 bis 4 de 2 radial hintereinander liegenden Zellen. Diese beiden Schichten lassen sich auch unterscheiden, wenn man das Periderm dureh Schnitte parallel der Oberfläche abgetragen hat. Mittelst sehr dünner Schnitte erhält man nur die farblose äussere Schicht; Schnitte, die etwas dieker ausfallen, zeigen bei der Eiche an den betreffenden Stellen unterwärts die hellbraunen Korkzellen; bei der Esche lässt sich diese Schicht, aus dieser Richtung betrachtet, nur an den kräftigeren Zellmembranen und dem gleichmässigeren Gewebe erkennen. Ich will beide Theile einfach als äussere und innere Korkschicht be- zeichnen. 1. Arthonia vulgaris Schaer. Körber!) charakterisirt die mit Opegrapha nächstverwandte Gattung Arthonia durch Apotheecien ohne Exeipulum, die daher von Anfang an nackt und nichts als Hymenium sind, welches un- mittelbar der Baumepidermis oder einem später gebildeten eigenen Thallus aufsitzt, keine Paraphysen, kurz birnförmige Schläuche hat und meist sternförmig strahlige Gestalt besitzt; die Asci enthalten 4 bis 8 in einer oder zwei Reihen nebeneinander gelagerte Sporen; letztere sind vier-, bisweilen nur zweizellig; ihre Gestalt wird puppen- förmig (nymphaeformis) genannt, wegen der Aehnlichkeit mit den als Kinderspielzeug bekannten Wickelpuppen, indem die oberen Zellen meist breiter und länger sind. Arthonia vulgaris, welche an glatt- rindigen Eschen und Eichen ausserordentlich gemein ist, hat nach Körber”) einen „thallus effusus, primum hypophloeodes, dein nu- dus, tenuiter leprosus, albido-cinerascens l. olivaceus.‘“ Als wichtigste Merkmale beachte man die vom unregelmässig Kreisrunden ins Ge- lappte oder schwach Sternförmige strebende Gestalt der ziem- lich flachen Apothecien und die zu 6—8 in einem Ascus enthaltenen vierzelligen hyalinen Sporen. Diese auf die Früchte bezüglichen Merkmale sind die allein zuverlässigen, da, wie das Folgende zeigen wird, die Beschaffenheit des Thallus in gewissen Zuständen von dem- jJenigen anderer Arten nicht zu unterscheiden ist. Die Zeit des ersten Erscheinens des Thallus dieser Flechte ist an ein bestimmtes Alter des Baumes nicht gebunden. Man kann seine Anfänge schon an 1 Otm. dicken Stämmen und Aesten junger Eichen finden, an Eschen erscheint er meist erst an etwas diekeren Stämmen, und solange der Baum glattrindig bleibt, können neue !) Systema lichenum Germaniae. pag. 289. 2) ]. c. pag. 290. 134 Thalli an ihm entsteben. Die Flechte liebt einen etwas geschützten Standort, siedelt sich an den reiner und unversehrter bleibenden Stämmehen des Unterholzes lichter Wälder lieber an als auf den etwas rauheren und mit Algen- und Soredienanflügen stärker bedeck- ten Rinden ganz freistehender Stämme. Einzige Bedingung für die Ansiedelung der Flechte scheint hiernach ein unversehrtes, an der Oberfläche reines, mit der unterliegenden Rinde organisch zusammen- hängendes fortbildungsfähiges Periderm zu sein. Das erste Sichtbarwerden des Thallus auf Eschen besteht in dem Auftreten grünlicher Flecken, die sich durch diese Farbe von dem mehr unrein graugrün oder völlig grau gefärbten normalen Periderm unterscheiden. Dieselben sind im Allgemeinen von runder Form, gehen aber mehr oder weniger ins Elliptische, indem sie in der Richtung des Querdurchmessers des Stammes gewöhnlich etwas breiter sind als in longitudinaler, was jedenfalls zum Theil mit dem während ihrer Bildung fortschreitenden Diekewachsthum des Stammes zu- sammenhängt, daher auch an den älteren Thalli sich steigert. Ihre Grösse liegt zwischen weiten Grenzen, gleichwie die des fertigen Thallus, und sie treten bisweilen schon bei ihrem ersten Sichtbarwer- den in demjenigen Umfange auf, den sie im entwickelten Zustande haben. Dass sie die Anfänge unserer Flechte sind, ergiebt sich un- zweifelhaft, wenn man von den weiter entwickelten Individuen auf die jüngeren Entwickelungsstadien vergleichungsweise zurückgeht, mit denen sie nicht seiten an einem und demselben Stamme ange- troffen werden. Noch weiter zurückverfolgt, entschwinden diese grüneren Flecken bald der Wahrnehmung, indem das Anfangs gleichmässig graue Periderm in der Ausdehnung, in welcher die Flechte auftritt, allmählich die grünere Färbung erhält. An diesen Stellen ist das Periderm in Bau und Zusammenhang im Wesentlichen ganz gleich dem anderen, und nichts als die andere Farbe verräth die Anwesen- heit eines fremden Organismus, der jetzt bereits in demselben zu finden ist. Aber dieser ist auch nicht die unmittelbare Ursache die- ser Farbe, denn die letztere wird vom Baume selbst dadurch hervor- gebracht, dass das Periderm, besonders die äussere Korkschicht, festeren inneren Zusammenhang hat und stärker angespannt ist, wo- durch die ganze Haut fester an die Rinde angedrückt wird, deren Farbe durch solches Periderm besser durchscheint. Die Oberfläche behält dabei eine gewisse Glätte, ja sie zeigt wohl auch einigen Glanz, während das andere Periderm, dessen äusserste Korkzellen- lage nicht in so gleichmässigem Verbande bleibt und sich wohl sogar etwas abschuppt, diese Eigenschaften weniger zeigt und Eee auch oft zeitig mit Anflügen anderer Organismen, besonders Pleuro- cocous, sich reichlich bedeckt, von denen jene Stellen nichts oder ungleich weniger zeigen. In diesen Stellen des Periderms erkennt man innerhalb der äusseren Korkschicht und zwar immer nur in dieser, ajısser- ordentlich feine hyaline Hyphen von nur 0,8 Microm. Dieke und ganz regellos geschlängeltem Verlauf, hin und wieder dichotom in Aeste getheilt, aber nicht eigentlich mit einander verwebt. Man be- merkt sie sowohl, wenn man die äussere Korkschicht von der Ober- fläche betrachtet, als auch auf dünnen Querschnitten durch dieselbe: In beiden Fällen überzeugt man sich, dass sie zwar wegen der Dünne der äusseren Korkschicht, auf die sie beschränkt sind, vor- wiegend in den Richtungen der Fläche derselben sich ausbreiten, aber doch alle Membranen der Korkzellen in allen möglichen Rich- tungen durchdringen, auch durch die sehr engen Lumina derselben hindurchgehen und überhaupt in ihrem Verlaufe völlig unabhängig von der zelligen Struktur der äusseren Korkschicht sind: sie durch- setzen dieselbe wie ein homogenes, nach allen Richtungen gleich leicht durchdringbares Substrat. Sie sind in allen Theilen der äusseren Korkschicht zu finden, auch in der nach aussen grenzenden Membran der oberflächlichen Korkzellenlage, so dass sie zum Theil an deren Oberfläche vorragen und frei liegen. Dieser von den Zellen der Nährpflanze in keiner Weise beeinflusste Verlauf der Hyphen ist zwar bei Schmarotzerpilzen eine seltenere, wiewohl keineswegs unerhörte Erscheinung, denn z. B. die braunfädigen Myce- lien von Pleospora und verwandter in Hautgeweben schmarotzender Pyrenomyceten zeigen ganz Analoges; sehr gewöhnlich aber ist die Erscheinung an solchen Pilzmyeelien, welche todte organische Gewebe bewohnen. Der Umstand, dass die Hyphen in der festen Korksubstanz sich befinden, welche mit ihnen fast gleiches Licht- brechungsvermögen hat, erschwert die Erkennbarkeit dieser ohnehin äusserst feinen Fäden auf tangentialen Schnitten bedeutend; ver- dünnte Kalilösung klärt dieselben etwas mehr auf; ähnlich wirkt auch Chlorzinkjod, wenn Behandlung mit Kali vorausgegangen ist. Diese Hyphen gehören allein der Flechte an; als fremdartig von ihnen zu unterscheiden sind die auf der Oberfläche des Periderms angesiedelten Wesen, die überhaupt auf jeder Baumrinde vorkommen. Das sind hauptsächlich Pleurococcus- und ausserdem Dematium-artige Bildungen: sterile, bald hyaline, häufiger aber braune, meist torulöse ge- gliederte Hyphen, die auch manchmal in Torwla-artige Glieder sich auf- lösen, und gewöhnlich vielmal dicker sind, als die Fäden der Flechte. 136 Diese Bildungen sind fast nur epiphyt, obwohl sie sich der Ober- fläche innig anschmiegen und wie Pleurococcus gern in den Ver- tiefungen und unter halbabgelösten Korkzellen sich ansiedeln. Auf den nieht von der Flechte bewohnten Stellen sind diese Wesen, wie schon angedeutet, gewöhnlich sehr reichlich; da wo die Flechte Platz gegriffen hat, treten sie nicht in solcher Menge auf, dass dem unbewaffneten Auge ihre Anwesenheit verrathen würde; das Mikroskop überzeugt uns, dass sie auch hier nicht gänzlich fehlen, bald kom- men sie nur sehr sporadisch, höchstens vereinzelte Individuen von Pleurococcus, bald auch in zahlreicheren Gesellschaften vor. Der Grund dieses spärlicheren Auftretens an diesen Stellen liegt einfach in der grösseren Glätte, in dem Mangel von Rauhigkeiten der Ober- fläche, welche für die Ansiedelung dieser Pflänzchen nicht genügend feste Punkte darbietet. Die Ausbreitung der Hyphen auf dem ganzen Raume, den später der Flechtenthallus einnimmt, muss schr rasch geschehen, alsdann aber die Zahl der Hyphen sich vermehren, so dass durch dieselben allmählich diejenige Wirkung auf das Periderm hervorgebracht wird, welche das veränderte Aussehen dieser Stellen bedingt. Die peripherische Ausbreitung der Hyphen verlangsamt sich aber darnach sehr bedeu- tend oder wird wohl auch ganz sistirt, indem die Thalli nicht merk- lich an Umfang gewinnen und auf den schr verschiedenen Grössen verharren, welche sie bei der Anlage zufällig erreichten. Die Wir- kung der Hyphen auf die äussere Korkschicht ist aber augenschein- lich die, dass sie die Zellen derselben fester untereinander verbinden, sowohl in der Richtung der Oberfläche, als auch in radialer Rich- tung, dadurch das Abstossen der Korkzellen verhüten, somit diese Schicht zu einer an der Oberfläche glatten, in sich fester zusammen- hängenden dehnbaren Haut machen, welche den unteren Theilen inniger aufliegt Es kommt aber auch noch eine andere Abweichung des Periderms hinzu: der Kork ist hier dichter, er besteht beson- ders in der inneren Korkschicht aus kleineren, etwas diekwandigeren fest zusammenhängenden Zellen; der nicht von der Flechte bewohnte ist minder dicht, weicher, seine Zellen sind etwas grösser, die Wände dünner. Darum schneidet sich auch der letztere in tangentialer Richtung leichter, der von der Flechte eingenommene erweist sich beim Schneiden fester und härter. Wir müssen diese, wenn auch geringfügige Veränderung in den während der Anwesenheit der Flechte sich ausbildenden Zellen als eine Einwirkung derselben auf die um sie liegenden Gewebe der Pflanze betrachten. In der That sind, solange der T'halius das beschriebene Aus- 137 sehen besitzt, diese Hyphen der einzige Bestandtheil des- selben; er ist gonidienlos. Es lässt sich das unzweifelhaft darthun, weil die Gonidien mit Sicherheit im Periderm nachzuweisen sind von dem Zeitpunkte an, wo sie wirklich auftreten und weil eine Verwechselung mit anderen Zellen hier ausgeschlossen ist,. wo die Chroolepus-Gonidien durch ihre Eigerthümlichkeiten hinlänglich gekennzeichnet sind. Ich will gleich hier bemerken, dass, da bei dieser Flechte die Gonidien häufig ohne das orangegelbe Oel auf- treten, man zu Reagentien greifen muss, um sie sicher aufzufinden. Unfehlbar lassen sie sich durch Chlorzinkjod im Periderm nachweisen, sowohl auf tangentialen, wie auf Querschnitten, selbst dann, wenn sie ganz von Kork eingeschlossen sind, indem sie dadurch eine leb- hafte weinrothe Färbung annehmen. Es ist zur Sicherheit der Reac- tion nöthig, die Schnitte, nachdem man die Luft aus dem Kork durch Alkohol entfernt hat, einige Minuten in verdünnte Kalilauge zu legen, dann auszuwaschen, mit Essigsäure zu neutralisiren und nach aber- maligem Auswaschen Chlorzinkjodlösung zuzusetzen. Etwa in den Zellen vorhandene Kügelchen des charakteristischen Oeles werden tief schwarzblau gefärbt. Weder an der Oberfläche, noch in der äusseren, noch in der inneren Korkschicht finden sich in dieser Pe- riode Gonidien der Arthonia, und man kommt immer zu demselben Resultat, von welchem Punkte des Thallus auch man die Schnitte hernehmen mag. Ebenso fehlen dieselben im normalen Periderm durchaus. Bornet, welcher Opegrapha varıa Pers. untersuchte, betrachtet das Vorkommen von Chroolepus auf und unter den äusseren Peridermschichten ausserhalb der Flechte an den Zweigen gleichsam für ein ubiquistisches. Ich vermuthe, er hat das Periderm in der Nähe des Randes solcher Thalli untersucht und sich bereits im Ge- biete der Flechte befunden; wir werden bei Graphis auf diesen Umstand zurückkommen. Für die von mir untersuchten mit Arthonia besetzten Eschenrinden muss ich das Fehlen des Uhroolepus in der normalen Rinde auf das entschiedenste behaupten. Nach einiger Zeit bekommen diese grünlichen Stellen ein weiss- fleckiges Aussehen. Das ist das sichere Zeichen, dass die Gonidien erschienen sind; sie finden sich auch nur in diesen weissen Flecken, aber hier ausnahmslos; die Stellen des Thallus, welche noch unver- ändert grünlich erscheinen, sind auch jetzt noch gonidienlos. Wenn man von einem solchen weissen Fleck durch einen tangentialen Schnitt das Periderm oder wenigstens dessen äussere Korkschicht abträgt und in der bezeichneten Weise mit Chlorzinkjodlösung prüft, so bemerkt man jetzt unter der zweiten oder dritten äusseren Kork- 138 zellenlage, also in der unteren Region der äusseren Korkschicht, gewöhnlich eine grosse Anzahl lebhaft weinroth gefärbter grosser Zellen von runder oder etwas polygonaler Gestalt, im Durchmesser etwa den dritten oder vierten Theil des durchnittlichen Durchmessers der über ihnen liegenden deutlich sichtbaren Korkzellen betragend. Sie liegen oft streckenweis in einer zusammenhängenden einfachen Lage nebeneinander, bisweilen so dicht, dass sie durch gegenseitigen Druck polygonal werden und den Eindruck einer parenchymatischen Zellenfläche hervorbringen; wo sie sich nicht drücken, haben sie runde oder ovale Gestalt (Fig. 1). Auf dem Querschnitt zeigt sich die Anordnung in einer einfachen Lage und dass sie in der unteren Region der von den Hyphen eingenommenen äusseren Korkschicht vorhanden sind, auf das Deutlichste (Fig. 2). Bei Untersuchung in Wasser erscheinen die Membranen dieser Gonidien farblos und mässig dick. Der Inhalt ist ein bald dünnes, bald dichteres, fast homogenes Protoplasma, fast ein Epiplasma nach de Bary’s Be- zeichnung; durch Reagentien contrahirt es sich etwas, wird noch dichter und etwas glänzend; Ghlorzinkjod färbt es blassgelblich. Es ist von Natur entweder blassgrünlich gefärbt oder auch farblos, und sehr oft fehlen ihm die für Chroolepus eharakteristischen rothen Oelkörnchen vollständig. Aus diesem Grunde sind hier die Gonidien wenigstens ohne Anwendung von Reagentien nicht sehr auffallend; Körber') scheint auf den Mangel des rothen Oeles aufmerksam geworden zu sein, denn er spricht bei dieser Flechte von einer „nieht erythrogonimischen Kruste,“ deren Veilehenduft ihm desshalb auffällig erschien. Doch ist es ebenso häufig, dass man in einzelnen oder sogar in vielen dieser Gonidien goldglänzende Oelkörnchen an- trifft. Dieselben treten bald als ein oder mehrere grössere Tropfen bald in vielen kleinen Körnchen fast emulsionsartig auf. Jod färbt sie schwarzblau. Stärkemehl ist nicht vorhanden, denn wenn dem Zelleninhalt das Oel durch Aether entzogen worden ist, so färbt er sich durch Jod nur gelb. Wenn man Thalli untersucht, welche eben in dieses zweite Lebensstadium einzutreten beginnen und erst weiss gesprenkelt oder marmorirt sind, so gelingt es, das erste Erscheinen der Gonidien zu beobachten. Die Gonidien wandern von aussen in den schon vorhandenen Thallus der Flechte ein. Ausser mehr oder weniger grossen Ansammlungen von Gonidien, welche schon innerhalb des Periderms sich festgesetzt haben ‚und die dem unbe- ') Systema lichenum Germaniae. pag. 291. 139 waffneten Auge sichtbaren kleinen weissen Flecke bedingen, findet man hier auf grösseren Strecken, die noch keine Gonidien beherbergen, erst einzelne isolirte Individuen derselben von der Oberfläche aus mehr oder weniger weit in den Kork eingedrungen. Diese in der Einwanderung begriffenen Gonidien sind bei Betrachtung in Wasser oder Glycerin nicht leicht sichtbar zu machen, denn sie sind aus- nahmslos ohne farbige Oelkörnchen, ihr Protoplasma zeigt keine merklich grüne Farbe, und zudem sind die Zellmembranen meist min- der kräftig gebaut, der Zelleninhalt ist weniger reichlich. Das alles trägt dazu bei, dass sie auf und in den ähnlich lichtbrechenden Korkzellhäuten sich schwer zu erkennen geben. Anwendung von Chlorzinkjod lässt sie jedoch wegen ihrer Röthung sehr deutlich hervortreten. Die Infeetionspunkte liegen sehr zerstreut. Häufig sucht man sie im ganzen Präparate vergebens, sowohl auf als in dem Periderm, und nur an einem einzigen Punkt befindet sich eine kurze Kette von zwei oder mehreren solcher ovaler oder tonnenför- miger Zellen des farblosen Uhroolepus, und man sieht stets, dass diese isolirten Anfänge noch ganz oder wenigstens an dem einen Ende an der Oberfläche des Periderms liegen, indem ge- wöhnlich das andere Ende der Kette bereits unter die oberste Kork- zelle in wenig geneigter, der Oberfläche fast paralleler Richtung eingedrungen ist. Man kann sich von diesen Lagenverhältnissen mit der grössten Präcision durch feine Einstellung überzeugen und findet stets, dass es die jüngste, das Längenwachsthum der Kette vermit- telnde Endzelle ist, welche die tiefere Richtung eingeschlagen hat. In Fig. 3, welche einige solche Zustände darstellt, sind die ober- flächlich liegenden Stücke der Ketten durch stärkere Contouren be- zeichnet, das Uebrige liegt bereits innerhalb des Korkes. Links, wo die Kette erst aus 2 Zellen besteht, ist nur die ältere und höchstens der hintere Rand der anderen Zelle auswendig. Die letztere erweist sich durch ihre Gestalt deutlich als die Scheitelzelle der werdenden Zellreihe. In Fig. 5 rechts scheint die grössere Zelle der oberflächlichen Kette die älteste zu sein, von welcher nach rechts ein kurzer Spross ausgeht, der sogleich ins Periderm eingedrungen ist, während sie nach links zwei Zweige entsendet, von denen der eine zu einer aus 3 kleinen Zellen bestehenden oberflächlich geblie- benen Kette geworden ist, die sich nicht weiter fortbildet, der an- dere aber ins Periderm gelangt ist und wie aus der Gestalt seiner Zellen ersichtlich, zu einer rüstigen Fortbildung sich anschickt. Man sieht auch hierbei wieder, wie die festen Korkzellmembranen von der fremden Pflanze ohne Hinderniss durchwachsen werden, Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II, Heft II. 10 140 und es ist von Interesse, diese Wirkung sogar von einer Alge aus- geübt zu sehen. Es findet hier eine Trennung der Korkzellen und ein Eindringen in Zwischenräume keineswegs statt; denn die Kork- zellen erweisen sich in festem Verbande und die Gonidien in die Substanz des Korkes eingegraben. Da Pilze dies zu thun vermögen, so kann es auch von Algen erwartet werden; vom Ühlorochytrium Lemnae Cohn ist ähnliches schon bekannt. Einmal ins Periderm gelangt, breitet sich die Alge rasch aus. Man findet leicht alle Uebergänge von den ersten ein- oder wenig- zelligen Kolonisten bis zu grösseren aus vielen Zellen bestehenden Lagern. Die Alge wuchert im Periderm, indem sie durch vielfache diehotome Zweigbildung die Zahl der Ketten vermehrt, die aber meist genau in einer einzigen Ebene innerhalb der äusseren Kork- schicht liegen und in centrifugaler Richtung wachsen, sodass die Alge bald rings um den Infeetionspunkt gleichmässig, bald nur mehr nach einer Seite hin sich ausbreitet. Sie dringt dabei in den Zell- höhlen einer und derselben Korkzellenlage vorwärts und weitet die- selben aus; daher die Anordnung der Gonidien in einer einfachen Lage. Eine Zeit lang bleiben die Ketten deutlich unterscheidbar. Die Gliederzellen zeigen ovale oder etwas tonnenförmige Gestalt; mitunter trifft man auch welche, die an beiden Enden mehr schlank, fast schlauchförmig und nur in der Mitte bauchig gedunsen sind, was wohl von der Eigenthümlichkeit des Substrats bedingt sein mag. Aber wegen der reichlichen Zweigbildung kommen die Ketten immer mehr mit einander in Contact, die Lücken zwischen ihnen werden fast alle nach und nach durch Sprossungen ausgefüllt, end- lich sind die einzelnen Ketten nieht mehr zu unterscheiden, es hat sich das oben beschriebene scheinbar parenchymatische Lager gebil- det. Die Infeetionspunkte entschwinden späterhin der Beobachtung, nicht sowohl weil sie überhaupt sehr einzein und zerstreut liegen, sondern auch weil die oberflächlich liegenden Anfangsglieder der eingedrungenen Ketten abzusterben und zu vergehen oder abgestossen zu werden scheinen. Das ganze Gonidienlager ist somit durch die obersten Korkzellschichten nach aussen abgeschlossen. Nach der Einwanderung der Gonidien nimmt die Entwiekelung der Hyphen an den von jenen besetzten Stellen ungemein zu. Sie setzen sich in Menge an die Gonidien an, wuchern in den Zwischen- räumen derselben und zwängen sich sogar manchmal zwischen die aneinander gewachsenen Zellen einer und derselben Kette ein, die dadurch vollends aufgelöst wird, In solehem Falle nisten die ein- zelnen Gonidien in einer Hyphenmasse, die sich wegen der dichten 141 . Verflechtung und der unregelmässig gelappten Verzweigung der Fä- den nicht entwirren lässt (Fig. 4, A). In den noch vorhandenen Zwischenräumen zwischen den Gonidien und den angrenzenden Kork- zellenlagen findet sich Luft ein; dies ist der Grund, wesshalb die von den Gonidien eingenommenen Stellen weiss erscheinen, wird da die obersten von Hyphen durchwucherten Korklagen als eine zu- sammenhängende ziemlich glatte Haut darüber ausgespannt sind, so erhalten sie ein fast perlmutterartiges Ansehen. Diese Stellen sind auch gewöhnlich schwach erhaben, weil die verhältnissmässig volu- minösen Gonidien ins Periderm gekommen sind. Die Kolonisirung des Thallus durch die Alge geschieht, wie aus dem Vorstehendem erhellt, an mehreren Punkten gleichzeitig oder innerhalb eines gewissen Zeitraumes durch verschiedene Individuen, welche offenbar nicht gleiche Abstammung zu haben brauchen. Unter solchen Umständen ist auch zu erwarten, dass diese Einwanderung an keine bestimmten Punkte des Thallus gebunden ist, sondern ganz dem Zufall anheimgegeben jeder Regelmässigkeit entbehren muss. In der That bietet auch der Eintritt des Weissfleckigwerdens, welches das Zeichen stattgefundener Einwanderung des ÜUhroolepus ist, ein Bild, in welchem diese Zufälligkeit sich deutlich ausspricht. Gewöhnlich sind es einzelne kleine, oft marmorartig verzogene Flecken, welche regellos über den Thallus vertheilt sind, hier seltener, dort in grösserer Anzahl beisammen stehen, ohne dass in dieser dichteren oder dünneren Gruppirung irgend eine Regel zu erkennen wäre. Bisweilen erscheint nur an einer einzigen Stelle ein weisser Fleck, der allmählich seinen Umfang vergrössert, indess der ganze übrige Thallus noch grünlich bleibt, bis vielleicht auch auf ihm später solche Flecke auftreten oder jener sich über ihn verbreitet hat. Die ersten weissen Flecke treten ebenso oft an den Rändern oder nur an einem einzigen Rande als in den der Mitte näher liegenden Theilen auf. Wenn viele kleine Flecke auf dem Thallus erscheinen, so fliessen sie bald zusammen, die Marmorirung wird gröber, es bleiben kleine grünliche Inseln in der zusammenfliessenden weissen Masse, und endlich werden auch diese ausgefüllt. Jedenfalls ist früher oder später der anfangs grünliche Thallus in seiner ganzen Ausdehnung gleichmässig weiss gefärbt. Niemals aber treten solche weisse Flecke ausserhalb der grünlichen Peridermstellen auf, und ich habe auch nie auf dem von der Flechte nicht bewohnten Periderm jene im Eindringen begriffenen oder schon eingedrungenen Chroolepus-Indivi- duen mit farblosem Zellinhalte bemerken können. Es folgt daraus, dass hier die Alge nur in solches Periderm sich ein- 10* 142 bohrt, welches von den Hyphen der Flechte durch- wachsen ist. Wie die Entstehung der Flechte in ihrem gonidienlosen Zustande an kein bestimmtes Lebensalter des Baumes geknüpft ist, so ist auch der Eintritt dieses zweiten Stadiums hiervon unabhängig; man findet solche weissfleckig werdende Thalli sowohl an verhältnissmäs- sig noch dünnen, als auch an schon bejahrteren Eschenstämmen, und es geht daraus hervor, dass nur die Einwanderung der Gonidien diesen zweiten Zustand des Thallus bedingt. Wie bald aber ein Thallus durch Chroolepus kolonisirt wird oder wie lange sein goni- dienloser Zustand währen kann, ist aus demselben Grunde nicht durch Vergleichungen zu ermitteln; es müsste zu diesem Zwecke am Standorte selbst ein bestimmter Thallus in seiner Entwickelung ver- folgt werden. Da man aber gerade an der Esche diese Thalli so sehr häufig im Zustande der eben beginnenden und der verschieden weit fortgeschrittenen Kolonisirung findet, so darf man wohl anneh- men, dass diese Zeiträume nach Jahren bemessen werden müssen. Es mag auch vorkommen, dass einzelne Thalli ganz von der Alge unberührt bleiben, und somit ihr Leben ein vergebliches gewesen ist. Denn man findet bisweilen solche glatt gewesene Stellen, die ohne eine weitere Bildung zu zeigen, wieder im Vergehen begriffen sind, indem ihre äussere Korkschicht rissig zu werden und sich mit den gewöhnlichen rindebewohnenden Organismen zu bekleiden be- ginnt, wie es an dem umliegenden Periderm schon in viel höherem Grade der Fall ist. Auch die Abnormität kommt vor, dass bei verspäteter Ansiedelung die Alge sich nicht mehr in dem ganzen ursprünglichen Thallus ausbreiten kann, wenn stellenweise durch überreichlichen Ansatz jener gewöhnlichen Rindebewohner die äussere Korkschicht rissig und pulverig geworden und so der in ihr lebende Arthonia-Thallus zerstört ist. Die weisse Kruste des fertigen Thallus erscheint dann unvollständig oder unterbrochen, bisweilen umschliesst sie eine Insel von rauher pulveriger Beschaffenheit, bewohnt von massenhaftem Pleurococeus u. s. w., denen wohl auch Anfänge an- derer Krustenflechten, welche oberflächlich leben, sich beigesellt haben. Das Protoplasma der im Periderm ausgebreiteten Gonidienlager ist oft, allerdings nur sehr blass, grün gefärbt, gleichmässig in allen Theilen. Es enthält bisweilen kleine, stärker lichtbrechende, ebenfalls blasse Körnchen, mitunter auch einzelne oder mehrere Vacuolen, Auch die noch als deutliche Ketten sich ausbreitenden Gonidien zeigen oft schon grünes Protoplasma, sobald sie nur einigermassen ins Periderm eingedrungen sind. Bei Behandlung mit Chlorzinkjod- 143 lösung lässt das contrahirte Protoplasma auch noch die grünliche Farbe erkennen (Fig. 4). Bisweilen ist aber auch die Färbung im ganzen Gonidienlager so blass, dass man über die Anwesenheit selbst geringer Chlorophylimengen in Zweifel kommt. Wie schon oben bemerkt, fehlt das orangegelbe Oel manchmal im ganzen Thallus. An manchen Standorten scheint dieser Zustand besonders häufig zu sein; ich habe solche Thalli, die bis zur Reife der Apothecien ent- wickelt waren, mehrfach gefunden. Oefter sind wenigstens einzelne Stellen in der Flechte damit versehen, besonders gilt dies von den tiefer ins Periderm eintretenden Wucherungen der Gonidien in spä- teren Zuständen des dicker krustig werdenden Thallus und vorzüglich von den in der Nähe der Apothecien liegenden. Nicht selten ist aber auch die Anwesenheit des Oeles eine allgemeine im ganzen Thallus. Zellen, die mit demselben versehen sind, zeigen häufig auch deutliche Ergrünung des Protoplasma’s, wiewohl es auch in solchen vorkommt, die nicht merklich durch Chlorophyll gefärbt sind. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Anwesenheit des für O'hroo- lepus so charakteristischen Oeles weder für die Alge noch für die Flechte nothwendig ist. Es dürfte ein als solches für das Leben nicht nothwendiges Nebenprodukt sein, welches bei lebhafterer Stoff- bildung abgeschieden wird. Späterhin erstarkt der Thallus noch weiter, indem er sich zu einer dickeren, gefelderten, weissen Kruste entwickelt. Dies beruht auf einer Vermehrung beider Elemente des Thallus. Die Gonidien treiben Sprossungen, welche ebenfalls von Hyphen begleitet, sich über oder unter das anfängliche Lager schieben; dieses ist dann nicht mehr aus einer Lage von Zellen gebildet; es hat seinen Raum noch mehr ausgeweitet, so dass auf dem Querschnitte elliptische Nester von Gonidien sichtbar sind. Aber auch in etwas tiefere Schichten des Periderms dringen jetzt von Hyphen begleitete Spros- sungen der Gonidien ein. Eine weitere Veränderung ist die, dass die äussere Korkschicht durch die vermehrten Hyphen, welche sie in Menge und nach allen Richtungen durchdringen, unkenntlich wird. Die zellige Struktur derselben, die man auch nach der Einwanderung der Gonidien zunächst noch, besonders bei Flächenansichten, wahrnehmen kann, ist ganz verschwunden; die verworrene Hyphenmasse ist gleichsam an ihre Stelle getreten, und wenn sie die Korkzellhäute auch vielleicht nicht ganz aufgezehrt hat, so hat sie sich doch mit den von diesen noch verbliebenen Resten zu einer krustigen Masse vereinigt. Der Thallus ist jetzt eigentlich nicht mehr hypophlöodisch, sondern frei an die Oberfläche getreten, „epiphlöodisch sichtbar geworden,“ um mit Wallroth zu 144 reden. Die Felderung rührt zum Theil schon daher, dass die durch die Einwanderung der Gonidien entstehenden weissen Flecke erst nach und nach mit einander in Berührung kommen, so dass sie durch niedrigere Linien von einander geschieden sind. Die Apothe- ecien, welche in der Regel bald nach dem Erscheinen der weissen Flecke entstehen, sind je einer solchen Areole eingesetzt, weil ge- rade an den Apotheeien die Verdiekung der Kruste besonders stark ist. Da nun aber die Entwickelung des Thallus Jahre in Anspruch nimmt, diese Kruste aber nicht wie normales Periderm durch Dehn- barkeit und Erweiterung vermittelst eigener Fortbildung der Zunahme des Umfanges des Stammes zu folgen vermag, so reisst die Kruste in wirklichen Rissen ein, welche an den dünnsten Stellen, also zwischen den Areolen entstehen, wodurch letztere noch bestimmter abgegrenzt werden. In dieser Form erhält sich nun der Thallus noch viele Jahre auf dem Stamme; in diese Zeit fällt die allmähliche Ausreifung der Apotheeien. Durch die inzwischen beginnende Borke- bildung wird der Thallus der Länge nach noch mehr zerrissen, in- dem die ihn tragenden äusseren Theile des Periderms auseinander- weichen und im Grunde der Furchen neuer Kork an die Oberfläche tritt. Dabei bleiben immer die Areolen des Thallus intact, denn das Anseinanderweichen geschieht durch Erweiterung der Risse zwischen denselben. Der in den letzteren neu erschienene Kork zeigte mir nichts von Elementen der Flechte; letztere ist also wirk- lich in einzelne Theile zerrissen, welche auf den höchsten ältesten Theilen der Borke sitzen, hier aber mit den unterliegenden Partien in festem Verbande und daher auch jetzt noch lebendig bleiben und so lange fortleben würden, bis am bejahrten Baumstamme die stär- kere Borkenbildung alle älteren Theile der Oberfläche abstösst. In der Regel erreicht aber die Flechte schon vorher mit der völligen Entwickelung und Reife der Apothecien ihr natürliches Lebensziel. Der hier geschilderte Entwickelungsgang des Thallus bezieht sich speciell auf die Esche. An der Eiche entwickelt sich die Arthonia vulgaris im Wesentlichen unter denselben Erscheinungen. Auch hier geht ein gonidienloser, nur von Hyphen gebildeter Zu- stand voraus. Die betreffenden Stellen des Periderms unterscheiden sich aber hier nur durch eine hellere, etwas silbergraue Farbe von dem bräunlichen normalen Periderm. Bei der anderen Beschaffenheit, die hier das letztere hat, kann natürlich das grüne Rindeparenchym unter keinen Umständen durchschimmern, wie bei der Esche; die Oberfläche kann also hier immer nur die Farbe des Periderms zeigen. Das Durchscheinen der braunen inneren Korkschicht wird an den von der Flechte eingenommenen Stellen geschwächt durch das weiss- liche Licht, welches durch die in den oberflächlichen Korkzellen ausgebreitete Hyphenmasse hervorgebracht wird. Die Hyphen er- scheinen hier reichlicher und dichter als bei der Esche. Es sind eben solche äusserst feine, sehr vielverzweigte, stark hin- und her- geschlängelte hyaline Fäden, welche eine Neigung zu netzförmiger Verbindung zeigen. Daher sind die Korkzellen hier sehr bald von einer gleichmässigen Hyphenmasse durchwuchert, in welcher der Verlauf der einzelnen Fäden nicht mehr zu verfolgen ist. Nur am Rande der ganzen Ausbreitung gelingt dies. Fig. 5 stellt zwei oberflächliche Korkzellen aus dieser Region dar; die Grenze beider ist ungefähr der momentane Rand des Thallus. Sehr auffallend ist aber an der Eiche die zeitige und rasche Einwanderung der Gonidien. Die meisten Thallusanfänge zeigen die Kolonisten bereits in mehr oder weniger grosser Anzahl und es sind verhältnissmässig weit seltener als an der Esche, noch ganz gonidien- lose Thalli zu finden. Manchmal folgt der ersten Entstehung des aus Hyphen gebildeten noch kleinen Thallus die Einwanderung der Gonidien auf dem Fusse, und in dem Masse, als er sich periphe- risch ausbreitet, erscheinen neue Kolonisten auf dem von ihm ergrif- fenen Areale Aber das hat die Flechte mit der an der Esche gemein, dass auch hier die ersten Gonidienansammlungen an ver- schiedenen, regellos zerstreuten Punkten des Thallus und niemals ausserhalb der Grenzen desselben sich zeigen und dass hier eben- falls die ersten sichtbar werdenden Gonidien als kurze, mit ihrem hinteren Ende oberflächlich liegende, in den Kork sich einbohrende Ketten, als wirkliche Eindringlinge sich zu erkennen geben. Auch hier erhält der Thallus durch die eingewanderten Gonidien ein weisses und zum Theil graugrünes Ansehen. Das Grün rührt hier von dem Chlorophyll der Gonidienlager her und verändert sich in dem Masse in Weiss, als Luft in demselben sich einfindet. Auch hier treten die andersfarbigen Stellen in einer Mehrzahl kleiner, mehr oder weniger marmorartig zusammenfliessender Flecken auf, die aber ziemlich rasch sich verbreitern und vereinigen und dem Thallus bald ein gleichmässig weisses, perlmutterartig glänzendes Aussehen verleihen. Die Gonidien zeigen hier dieselben Eigenthüm- lichkeiten, wie an der Esche, sowohl hinsichtlich der Gestalt beim Eindringen und bei der späteren, lagerartigen Ausbreitung, als auch hinsichtlich der Reaction und hinsichtlich der Beschaffenheit des Inhaltes; hier finden sich aber in den hypophlöodischen Lagern die orangegelben Oelkügelchen allgemein und das Protoplasma ist meist 16 \ grün gefärbt. Die eindringenden Ketten aber sind auch hier farblos, ohne Oel, Auch hinsichtlich der späteren Zustände des Thallus gilt das vom eschenbewohnenden Gesagte. Bei Arthonia vulgaris ist die Fructification von dem Vorhanden- sein der Gonidien abhängig: die Anlage der Apothecien bildet sich immer erst, wenn Gonidien in den Thallus eingewandert sind. Es gilt dies sowohl für die Flechte auf der Esche, wie für die auf Eiche. Man muss sich in dieser Beziehung hüten, unsere Flechte mit anderen Arthonia-Arten, deren Thallus gonidienlos ist und welche oft gesellig mit jener vorkommen, zu verwechseln. Sehr leicht kann man besonders durch A. punctiformis Ach. getäuscht werden, weil diese nicht blos einigermassen in der Gestalt der Apothecien, son- dern auch in der Beschaffenheit der Sporen mit A. vulgaris überein- stimmt, Hat man sich aber die unten angegebenen Eigenthümlich- keiten der Apothecien dieser Flechte einmal klar gemacht, so wird man sie immer von der A. vulgaris unterscheiden können. Gewöhn- lich erscheinen die ersten Apothecien schr bald, nachdem die Goni- dien in den Thallus gelangt sind, oft noch ehe die weissen Flecke zu einer einzigen Kruste zusammengeflossen sind. Dieselben kom- men dann einzeln auf den grösseren Flecken zum Vorschein; später entstehen andere auf den inzwischen weiss gewordenen Stellen. So folgen sich hier die Apothecien innerhalb eines Thallus ohne jede räumliche Ordnung, eben nach der Zufälligkeit der Kolonisation der einzelnen Stellen durch Gonidien, keineswegs in centrifugaler Suc- cession, wie bei den meisten blatt- und krustenartigen Flechten. Die Entwickelung des Apotheeiums beginnt damit, dass in der unteren Region des Thallus, in der Ausdehnung, welche das zukünf- tige Apothecium besitzt, die feinen Hyphen sich beträchtlich ver- mehren und sich zu einem Knäuel ordnungslos und überaus dicht verflechten. Dieses Hyphenknäuel sitzt mit ebener Basis der Lage von Korkzellen auf, welche zunächst unter dem Thallus sich hinzieht. Nur eine oder wenige Korkzelllagen sind es, in deren Bereiche die Hyphenmasse sich entwickelt hat und welche von ihr ausgeweitet und so aufgelöst werden, dass einzelne Stücke von Korkzellhäuten mitten in diesem Hyphenknäuel eingeschlossen sind. Die oberfläch- lichsten Lagen sind ebenfalls ganz von derselben Hyphenmasse durchsetzt; hier ist aber die letztere nicht so stark entwickelt, um die Zellen auszuweiten und auseinanderzuschieben. Daher bleibt diese äussere Korkhülle noch kenntlich, besonders an der Eiche, wo sie über- haupt dauerhafter ist, aber sie wird durch die Entstehung des Hyphen- knäuels nach aussen gehoben. Die ganze Peripherie des Knäuels, 147 mit Ausnahme seiner Grundfläche, schwärzt bis in einige Tiefe seine Hyphen; an der Aussenseite sind dies hauptsächlich die in der äusseren Korkhülle ausgebreiteten. Diese schwarze Partie, welche allmählich in das Innere übergeht, stellt eine Art Exeipulum dar. Das Innere bleibt farblos. Nun schwillt der Körper unter Gleich- bleiben der übrigen Beschaffenheit stärker an; die äussere Korkhülle, welche die vergrösserte Peripherie nicht mehr zu umspannen vermag, wird allmählich in ihre einzelnen Zellen aufgelöst, welche noch lange im Exeipulum deutlich bleiben. Währenddem sprossen aus dem Boden des Körpers senkrecht zur Basalfläche schlauchförmige und fadenförmige Zellen in der ganzen inneren farblosen Hyphenmasse bis nahezu an das Exeipulum empor und verdrängen den grössten Theil der ersteren. Die schlauchförmigen erweitern sich bald keulen- förmig und werden zu den Asci; die fadenförmigen bleiben sehr dünn, überragen die Asci und gehen mit ihren Enden in die die Apotheeienscheibe bedeckende schwarze Schicht, an deren Färbung dieselben theilzunehmen scheinen; sie stellen die sehr feinen Para- physen dar. Zwischen diesen Elementen bleibt das ursprüngliche feine Fadengeflecht noch einige Zeit erkennbar. Nach Behandlung mit Kali nehmen alle Bestandtheile des Apotheeiums, nicht bioss die Asei, sondern auch das die Anlage desselben darstellende feine Hyphengeflecht, und daher auch das Gewebe des Excipulum, soweit nieht die natürliche dunkle Färbung desselben dies verhindert, mit- telst Chlorzinkjodlösung rasch und leicht eine intensiv und rein blaue Färbung an. Auch habe ich mitunter an den im Thallus zwischen den Gonidien befindlichen Hyphen diese Reaction nicht undeutlich eintreten sehen. Die Systematik spricht der Gattung Arthonia ein Exeipulum ab; wenn sie die dünne schwarze peripherische Partie, die hier so genannt worden ist, mit zum Hymenium rechnet, so mag sie insofern Recht haben, als z. B. bei Graphis diese nämliche Partie zu einem dicken, kohligen, vom Inneren ziemlich scharf abge- grenzten Gehäuse wird, welches später über dem eigentlichen Hyme- nium auseinanderweicht und dasselbe oben blosslegt. 2. Arthonia epipasta Kbr. Diese an glatten Rinden jüngerer Stämme und Aeste zahlreicher Laubhölzer, besonders der Eschen, Eichen, Ahorne, Zitterpappeln ungemein häufige Species hat nach Körber einen „thallus !. hypo- ‚phloeodes subnullus, l. epiphloeodes plerumque determinatus continguus submembranaceus, albus l. cinerascens imo olivaceus,‘“ was derselbe Autor in der Anmerkung mit deutschen Worten so ausdrückt: „Im 148 bestentwiekelten Zustande ist der Thallus dünnschorfig, reinweiss, grau oder bräunlich; in andern Fällen scheint das Periderm der Baumrinde seine Stelle zu vertreten.“ Das beste Merkmal bieten wieder die Apotheeien. Sie stehen in gleichmässigen, ziemlich entfernten Distanzen, und die zarten, linealisch verlänger“ ten, gebogenen und oft verzweigten schwarzen Figuren, die sie bilden, lassen diese Flechte immer erkennen. Dazu kommt, dass die ebenfalls puppenförmigen, hyalinen Sporen zweizellig sind. Auch diese Flechte kann an sehr verschieden alten Stämmchen und Zweigen erscheinen; sie kommt aber häufiger als die vorige an jüngeren Zweigen vor, an Eichen z. B. schon an 4—7 Mm. dicken nicht selten; auch für sie scheint die Unversehrtheit des lebendigen Periderms die einzige Bedingung zu sein. Sie bildet gleichfalls rundliche Flecke von sehr verschiedener Grösse, die sich von dem übrigen Periderm nur unterscheiden durch eine vollkommnere, meist mit etwas Glanz verbundene Glätte und durch ein anderes Colorit. Hervorstechend ist das letztere nur dann, wenn es auf andersfarbiger Rinde in rein silbergrauer oder weisslicher Farbe erscheint, wie an der Eiche und am Ahorn, besonders aber an Zitterpappeln. Dieses Aussehen wird hervorgebracht durch die Farbe der in grösserer Menge in der äusseren Korkschicht vorhandenen Hyphen der Flechte. Sind letztere minder reichlich, so ist das Colorit mehr ein Gemisch aus Grau und der Farbe des reinen Periderms oder es ist geradezu die typische Farbe des letzteren, was auch an den genannten Bäumen zugleich vorkommen kann, also bräunlich oder rothbraun oder grün- lich. An der Esche ist dies letztere sogar der gewöhnliche Fall; hier sieht der Thallus grau oder graubräunlich aus, oft mit einem Stich ins Grünliche, was von dem Durchscheinen der grünen Rinde her- rührt. In solchen Fällen, wo die Hyphen nichts zur Färbung bei- tragen, besteht ein Unterschied des von der Fiechte eingenommenen Periderms von dem nicht befallenen hinsichtlich der Farbe nur darin, dass das letztere einen unreinen Farbenton zeigt, hervorgebracht durch die zahllosen kleinen Unebenheiten, welche durch das allmäh- liche Ablösen der äussersten Korkzellen entstehen, sowie durch die reichlichere Ansiedelung der mehrfach erwähnten rindebewohnen- den Algen- und Pilzzellen, die eben in diesen Unebenheiten sich bequem ansetzen können, während das von der Flechte bewohnte Periderm durch die Hyphen zu einer intacten, an der Oberfläche glatten Haut zusammengehalten wird, auf welcher fremdartige Ansie- delungen auffallend selten sind. Mit zunehmendem Alter des Stam- nes steigert sich deshalb dieser Unterschied immer mehr, indem die 149 Beschaffenheit des Thallus unverändert bleibt. Gewöhnlich ist aber die Flechte auch schon durch die hier sehr zeitig erscheinenden Apotheeien gekennzeichnet. Der Thallus besteht aus Hyphen, welche wiederum nur in der äusseren Korkschicht vorhanden sind und in Grösse, Gestalt, und Beschaffenheit, sowie in der Art, wie sie die Korkzellen durchwuchern, denjenigen der Arthonia vulgaris sich ganz gleich verhalten, Bald treten sie ebenso dicht, wie bei jenen, bald minder dicht auf, so dass sie sich einzeln noch verfolgen lassen. In der Mitte des Thallus aber sind sie viel reichlicher, gegen den Rand hin verlaufen sie entfernter von einander. Von algenartigen Elementen aber enthält der Thallus dieser Flechte niemals eine Spur, weder von Chroolepus noch von einer anderen Gonidienform, weder in den ersten Lebensstadien, noch zu irgend einer späteren Zeit, auch dann nicht, wenn die Apothecien auf ihm entwickelt sind; Arthonia epipasta ist eine zeitlebens gonidienlose Flechte. Man überzeugt sich hiervon mit unbe- dingter Gewissheit, wenn man Schnitte in der angegebenen Weise mit Kali behandelt und darauf mit Chlorzinkjodlösung prüft. Be- sonders sind hierzu Flächenschnitte geeignet, weil man mittelst die- ser grössere Strecken des Thallus mit einem Male untersuchen kann. Man findet dann nirgends, auch nicht im Umkreise und unterhalb der Apothecien, irgend welche Algeneinschlüsse, von welchem Punkte des Thallus auch das Präparat genommen sein mag. Ich habe auf diese Weise zahlreiche Thalli dieser Flechte von verschiedenen Bäumen und von verschiedenen Standorten nach Gonidien durchsucht und immer negative Resultate erhalten. Einzelne frei auf der Ober- fläche des Periderms liegende Zellen von Pleuwrococeus sind natürlich fremde Wesen gleich denen, die ausserhalb der Thalli die Oberfläche des Periderms in ungleich grösserer Menge bewohnen. Einen Zu- sammenhang mit den im Periderm befindlichen Hyphen der Arthonia haben sie nicht; nicht selten ist auch die Oberfläche des von der Flechte bewohnten überaus glatten Periderms ganz frei von ihnen. Dass das Hyphengeflecht, aus welchem der Thallus besteht, cen- trifugal sich ausbreitet, ist an jungen Zweigen, die noch ein ganz unversehrtes Periderm besitzen, am Thallusrande deutlich zu erkennen, sowohl an dem allmählichen Uebergang der die Flechte anzeigenden Färbung als auch an den gegen den Rand hin immer spärlicher wer- denden Hyphen. Je nach dem an einzelnen Punkten ungleich rasch fortschreitenden Umsichgreifen wird dabei der Rand mitunter mehr oder weniger gelappt. Diese Ausbreitung erreicht aber bald ihre 150° Grenze. An dünnen Stämmen und Zweigen ist die letztere schon durch die geringen Dimensionen dieser gegeben, und an horizontalen und schiefen Zweigen entwickelt sich der Thallus vorwiegend auf der dem Lichte ausgesetzten Seite und bildet sich an der Unter- seite nicht fort, auch wenn in der Beschaffenheit des Periderms daselbst keine Hindernisse gegeben sind, was auf Einflüsse äusserer Kräfte hindeutet. An dickeren Stämmen, wo der Thallus, besonders an den lange glatt bleibenden Eschen, mitunter recht ansehnliche Dimensionen erreichen kann, ist doch seiner Ausbreitung verhältniss- mässig bald eine Grenze gesetzt durch die natürliche Veränderung, welche die Oberfläche des Periderms frühzeitig annimmt. Nur das Jugendliche Periderm, dessen oberste Korkzellen sich noch nicht ab- schuppen, sondern von den Hyphen noch zu einer gleichmässigen Haut zusammengewoben werden können, ist der geeignete Boden für die Entwickelung des Thallus. Sobald aber die Lösung jener Korkzellen begonnen hat und die Rauhigkeit der Oberfläche zugleich durch die dann stets sich einfindenden rindebewohnenden Vagabunden noch erhöht wird, ist der für die Ansiedelung der Flechte ungeeig- nete Zustand eingetreten. Daher ist an einigermassen diekeren Stämmchen, wo eben diese Beschaffenheit der Rinde, soweit sie noch nicht von der Arthonia eingenommen, bereits vorhanden ist, die weitere centrifugale Ausbreitung der Flechte begrenzt, alle erst in der zuletzt verflossenen Zeit angelegten Thalli sind klein geblieben, neu entstehende aber gar nicht mehr zu sehen. Ebenfalls begren- zend auf die Ausbreitung des Thallus wirken natürlich die vorhan- denen Thalli benachbarter Individuen derselben Art, sowie anderer hypophlöodischer Species, nicht minder allerhand gröbere Rauhig- keiten, wie Lenticellen, aufgesprungene Stellen, Wunden, Narben von Blättern und Zweigen. Da der Thallus gonidienlos ist, so behält er auch zeitlebens die beschriebene Beschaffenheit bei, er wird nie zu einer diekeren Kruste und ändert seine Farbe nie, wie es bei Arthonia vulgaris der Fall ist; die äussere Korkschicht selbst bleibt der vorwaltende, seine Zellenstruktur nicht einbüssende Bestandtheil, in welchem nur die Hyphen verbreitet sind. Solange die Flechte lebendig ist, erhält sie auch das Periderm intact und glatt und fast frei von fremden Organismen. Besonders auflallend ist dies an Eschenstämmen, an denen oft noch wenn sie Schenkeldicke erreicht haben, unsere Flechte in schöner Entwickelung sich befindet: auf der oft schon über und über mit einem dieken Anfluge von Pleurococeus eingehüllten Rinde erscheinen die von der Arthonia epipasta bewohnten Stellen als über- 151 , aus reine, glatte Inseln. Was oben bezüglich der Arthonia vulgaris über die Pinwirkung auf die tiefer liegenden Zellen des Eschenperiderms bemerkt wurde, gilt in schwächerem Grade auch von dieser Flechte. Hinsichtlich des Intactbleibens der äusseren Korkschicht scheint an allen Gehölzen, welche die Arthonia epipasta tragen, ein Kampf zwischen der Pflanze und der Flechte zu schweben, der früher oder später mit dem Unterliegen der letzteren endet. Denn das Dicke- wachsthum des Stammes bedingt ein Abstossen der ältesten äusseren Korkzelllagen, welche durch jüngere ersetzt werden. Wie sich Arthonia vulgaris mit ihrem tiefer in’s Periderm eingreifenden, krusten- förmigen, in Areolen trennbaren Thallus dagegen schützt, haben wir oben gesehen. Arthonia epipasta besitzt diese Mittel nicht, ihr dünner Thallus ist auf die äussere Korkschicht beschränkt, und sobald diese dem inneren Drucke nachgiebt und in Stücke zerreisst, die auch nach unten keine feste Verbindung mehr haben, geht die Flechte zu Grunde. Das geschieht keineswegs immer erst dann, wenn dieselbe sich bis zur Sporenreife entwickelt hat, vielmehr wird die Flechte sehr hänfig schon vorher von dieser Katastrophe überrascht, und das ist um so eher möglich, als gerade bei dieser Graphidee vermuthlich wegen der bei dem Mangel der Gonidien überhaupt ganz abweichenden Ernährungsverhältnisse die Sporen- bildung in den Aseis sehr langsam fortschreitet. Sehr häufig findet man die Asei noch ohne oder mit kaum angelegten Sporen, und auf etwas älteren Zweigen die Flechte bereits verschwunden, so dass keine sporenreife Individuen sich antreffen lassen. Dass es aber unrichtig wäre, hier die Reife der Früchte als von der Anwesenheit von Gonidien abhängig zu betrachten, geht daraus hervor, dass man ja wirklich reife Individuen findet, in denen nichtsdestoweniger keine Gonidien vorhanden sind. Die kurz keulenförmigen, durch Chlor- zinkjodlösung gleich denen der Arthonta vulgaris intensiv und rein blau sich färbenden, im Scheitel gewöhnlich nicht ausgefüllten Asei enthalten dann meist 8 ordnungslos liegende, leicht herausschlüpfende längliche, puppenförmige, stets zweizellige, hyaline Sporen. Vielmehr hat das häufige Vergehen der Flechte vor Eintritt der Reife eben nur in den angegebenen äusseren Umständen seinen Grund. Dieser die Flechte vernichtende Zustand des Periderms tritt an der Eiche schon an ziemlich dünnen Stämmehen und Zweigen ein; am spätesten an der Esche; an. diekeren Stämmen, die noch wohl entwickelte Arthonia vulgaris tragen, ist aber auch hier die Flechte verschwunden. Die Erscheinungen bei diesem Vergehen bestehen darin, dass die schwarzen Striche der Apotheeien undeutlich werden, 152 unbestimmte dunkele Flecke an ihrer Stelle zurückbleiben, und dass die Unebenheiten, die von ihnen herrühren, den allverbreiteten Rinde- bewohnern (Pleurococcus ete.) die ersten Punkte zur Ansiedelung gewähren. Dann wird auch der übrige rissig gewordene Theil des Thallus von diesen Wesen bevölkert, und die Flechte ist verschwunden. Da die Entstehung der Apothecien bei dieser Flechte nicht wie bei Arthonia vulgaris von dem Vorhandensein von Gonidien abhängt, so sehen wir hier dieselben schon frühzeitig und in regelmässiger Aufeinanderfolge auftreten: die ersten erscheinen stets im Centrum des Thallus und in centrifugaler Richtung folgen die übrigen, am Rande findet man gewöhnlich kleinere, noch unvollständig entwickelte, und wenn der Thallus selbst noch in centrifugaler Ausbreitung begriffen ist, so ist eine Randzone desselben noch ganz frei von Apotheeien. Die Entwickelung dieser Früchte geschieht im Wesent- lichen so wie bei der vorigen Species. Ein im Grunde der äusseren Korkschicht mit ebener Grundfläche aufsitzender Körper, aus dicht- verflochtenen Hyphen zusammengesetzt, hebt die darüber befindlichen Lagen von Korkzellen in die Höhe, durchbricht sie, wenn sie von etwas festerer Consistenz sind, wie z. B. bei der Eiche, oder ver- flechtet und vertheilt sie wohl auch in seiner oberflächlichen Partie, welche auch hier durch Färbung der Hyphen dunkel, und zwar schwärzlichgrün erscheint. Aus der Basis des Körpers drängen sich dann die keulenförmig sich erweiternden Schläuche in die farblose Innenmasse des dichten Hyphengewebes senkrecht empor; Paraphysen sind mir nicht dentlich geworden. Die Reaction der Bestandtheile des Apotheeiums gegen Jod stimmt überein mit den für Arthonia vulgaris angegebenen. Arthonia punctiformis Ach. schliesst sich in der Vegetations- weise innig an A. epipasta an. Sie kommt, oft mit ihr zusammen, an den nämlichen Holzpflanzen vor, und zwar gewöhnlich auch schon an so jungen Zweigen wie diese. Sie ist nur durch die Apothecien von ihr zu unterscheiden. Diese stehen auch hier in grösseren Distanzen als bei A. vulgaris und haben eine tupfenförmig rundliche Gestalt, die nur schwach ins Eckige geht, aber niemals strahlig gelappt oder sternförmig wird; sie sind niedrig und flach, schwarz- gefärbt. Der anatomische Bau ist derselbe, die Asci sind ebenfalls kurz keulenförmig, die Sporen aber vierzellig, wie bei A. vulgaris. Mit A. epipasta stimmt diese Art überein in dem zeitlebens gonidien- losen Thallus, welcher ebenfalls nur aus Hyphen besteht und auch dieselbe Farbe und Beschaffenheit des Periderms erzeugt, wie jene, auch die zeitige Vergänglichkeit mit ihr theilt. 153 Graphis scripta Ach. Die gemeine Schriftflechte siedelt sich ebenfalls auf glatten Rinden oder auf glatten Oberflächen von Borkenplatten an und sucht in der Regel schon etwas bejahrtere Stämme auf. Instruetiv für ihre ersten Entwickelungszustände sind junge Eichstämme mit noch glattem Periderm. Hier ist die eentrifugale Entwickelung des Thallus sehr deutlich. Gewöhnlich finden sich mehrere gesellig nebeneinander zerstreut, bisweilen über weite Strecken verbreitet. Jedes Individuum bildet eine im Umfange ungefähr runde, je nach Alter verschieden grosse, weissliche Kruste, die sich am Rande allmählich in das Periderm verliert, im Centrum oft schon eine Anzahl Apothecien zur Entwickelung bringt. Streng genommen sind das aber keine Indi- viduen, denn das ringsum und zwischen diesen Thalli befindliche Periderm gehört bereits der Flechte an; wir haben hier wiederum den nur aus Hyphen bestehenden gonidienlosen Zustand derselben vor uns. Denn dieses Periderm hat eine glänzend weissliche Farbe, während das nicht von der Flechte bewohnte bräunlich aussieht. In der That ist jenes auch überall in der äusseren Korksehicht durehwuchert, sowie bei Arthonia vulgaris, von sehr feinen, eben- falls höchstens 0,8 Mikr. dicken, hyalinen, unter sich verschlungenen Hyphen. Manchmal hat fast das ganze Periderm dieses Aussehen. Auf diesem ganzen weisslichen Periderm findet nun Ansiedelung und Einwanderung von Chroolepus statt, unter Erscheinungen, die mit den von Arthonia vulgaris beschriebenen so vollkommen über- einstimmen, dass dem hier nichts weiter hinzuzufügen ist. Es sei bemerkt, dass älteres Eichenperiderm, und zwar auch an diesen von der Flechte bewohnten Stellen, häufig braune, stellenweis auch hyaline, mehr oder weniger torulös gegliederte, meist 3 bis 8 Mikr. dicke Fäden von Dematium trägt, welche mitunter auch zu braunen Zellenceonglomeraten vergrössert sind. Diese Elemente kriechen dicht an der Oberfläche hin, dringen selbst ein wenig in die Substanz des Korkes ein, wie oben bereits erwähnt wurde. Es kommt daher auch vor, dass sie zufällig über oder neben solchen im Eindringen begriffe- nen Individuen von Uhroolepus liegen oder an ein Ende derselben an- stossen. Man hat dies selbstverständlich nicht als einen organischen oder genetischen Zusammenhang zu betrachten. Mit den nur im Kork wuchernden vielmal feineren und stets hyalinen, nicht geglie- derten Hyphen der Flechte können sie nicht verwechselt werden. Fig. 6 zeigt, von der Oberfläche gesehen, eine Stelle solchen Eichen- periderms aus dem Umkreise eines Speeialthallus mit drei getrennt nebeneinander liegenden jungen Ühroolepus-Ketten, durch Chlorzink- jodlösung gefärbt. Letztere sind bereits unter die Oberfläche ge- drungen, nur die ältesten Punkte (x) liegen oberflächlich und bezeichnen die Eintrittsstellen der Alge. In Fig. 7 ist ein anderes Stück solchen Periderms dargestellt, auf welchem ein weiter entwickeltes, inner- halb des Korkes wucherndes Individuum von Ühroolepus zu sehen ist, dessen Eintrittsstelle etwas von jenen fremden Pilzbildungen verdeckt wird. Das feine Hyphengeflecht der Graphis in den Korkzellen ist in beiden Figuren nicht ausgeführt. Man sieht hier, dass die Alge, wenn sie ins Periderm eingedrungen ist, entweder zunächst noch in mehr gestreckten wenigästigen Fäden wächst oder sogleich dendritisch sich verbreitet. Manche Individuen enthalten bereits in dieser Periode in einigen Zellen orangegelbes Oel, welches durch Chlorzinkjod schwarzblau gefärbt wird. Die im Eindringen begriffenen jungen Algenindividuen sind auch bei @raphis ohne Oel und ohne merkliches Chlorophyll. Wo nun solche Gonidienansiedelungen sammt dem endoperidermalen Hyphengeflecht sich kräftiger entwickeln und weiter ausbreiten, da entstehen die Anfänge der Eingangs erwähnten dicklichen, meist krustigen Lager, welche dann in dem gleichen Masse wie die Gonidien eentrifugal sich weiter bilden. Unter diesen Umständen kann leicht die Meinung entstehen, dass U'hroolepus gleich den nirgends fehlenden gemeinen Rindebewohnern ubiquistisch im Periderm vorkomme, die Flechtenhyphen aber erst secundär erschei- nen und die Alge im Periderm aufsuchen, eine Vorstellung, die, wie oben angedeutet, Bornet hinsichtlich der Opegrapha sich gebildet hatte. Allein diese eigenthümliche Form von Ühroolepus, wie sie für die anfänglichen Stadien der Gonidien im Graphideenthallus hier beschrieben wurde, fehlt an solchen Stellen, welche frei von den Thalli hierhergehöriger Graphideen sind; sie fehlt z. B. in dem ganzen Periderm, welches von Arthonia epipasta und punctiformis eingenommen ist, desgl. in solchem, welches überhaupt keine Flechte mit Chroolepus-Gonidien enthält, was nicht der Fall sein könnte, wenn diese Alge ohne Wahl in jeglichem Periderm sich ansiedelte. Vielmehr geht aus dem Vorstehenden hervor, dass auch bei Graphrs seripta die Flechte zunächst in einem lediglich aus Hyphen beste- henden Zustande im Periderm lebt und hier erst von einwandernden Gonidien kolonisirt wird. Einmal eingedrungen vergrössert sich die Alge durch Sprossun- gen bedeutend und nimmt bald als ein ziemlich zusammenhängendes lager die tieferen Regionen der äusseren Korkschicht ein, und dringt von da aus mit einzelnen Sprossungen auch noch etwas tiefer, überall 155 von reichlichen Hyphenmengen begleitet. Fig. 8 zeigt dies an einem Durchschnitte durch den Rand eines Speeialthallus. Man sieht, dass die Alge in den Lumina der Korkzellen sitzt und nebst den Hyphen- massen stellenweis dieselben ausweitet. In der Mitte ist auch be- merklich, wie eine kurze Uhroolepuskette aus einer höheren in-eine tiefere Korkzelle durch die Scheidewand beider hindurch dringt. Die in den tieferen Regionen ausgebreiteten Gonidien enthalten meistens orangegelbes Oel und sind bei dieser Flechte auch ziemlich deutlich ehlorophyllhaltig. Doch werden auch hier mitunter einzelne Ketten beobachtet, welehe ungewöhnlich schmale und gestreckte Glieder haben und in denen bald nur einzelne Zellen des gefärbten Inhalts entbehren oder welche fast ganz hyalin sind mit Ausnahme einiger diekerer und mit Chlorophyll und farbigem Oel versehener Gliederzellen. Fig. 9 zeigt einige solcher Ketten aus den oberfläch- lieheren Schiehten einer entwickelten Graphiskruste, in welcher die einzelnen Korkzellen nicht mehr deutlich und in der Figur nicht angedeutet sind, welche aber zum Theil von den an der Oberfläche lebenden fremden braunen Pilzfäden durchwuchert ist. Der entwickelte Thallus der Schriftflechte stellt eine derjenigen der Arthonia vulgaris ähnliche Kruste dar, die der Hauptsache nach aus Hyphen und Gonidien besteht, und in welcher die Struktur der Korkzellen mehr oder weniger verwischt ist. Sie nimmt auf dem von den Hyphen durchwachsenen weisslichen Areale des Periderms regelmässig allseitig centrifugal an Umfang zu, bis sie mit anderen Specialthalli zusammentrifft oder durch andere äussere Hindernisse aufgehalten wird. Die Apothecien erscheinen hier viel später als bei Arthonia vulgaris, wenn die von Gonidien kolonisirte Kruste schon einen grösseren Flächenraum eingenommen hat. Daher treten sie hier auch nieht regellos auf: im Centrum der Kruste brechen die ersten hervor und schrittweise folgen, wie der Thallus centrifugal sich ver- grössert, in gleicher Richtung die übrigen, so dass an dem noch in der Zunahme begriffenen Thallus eine Randzone noch frei von Apo- theeien ist und die äussersten derselben jünger erscheinen, als die weiter gegen das Centrum zu gelegenen. Chroolepus. Die Uebereinstimmung, welche zwischen den Gonidien der Gra- phideen und den in die Gattung Uhroolepus gehörigen Algen besteht, veranlasst uns, die letzteren mit den bei jenen gefundenen Eigen- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pilanzen. Band Il, Heft II, 14 156 thümlichkeiten zu vergleichen. Das an Baumrinden und altem Holze') rothbraune, körnig-krustige Ueberzüge bildende Uhroolepus umbrinum Ktz. (Protococcus erustaceus Ktz., P. umbrinus Ktz.) wurde, weil es ähnlich wie Zepra-Bildungen auftritt, schon von Micheli als „Lichen erustaceus pulverulentus ruber arboribus adnascens“ be- zeichnet. Die mehrsten nach ihm kommenden Schriftsteller sind ihm darin gefolgt, Acharius gab der Pflanze sogar den Namen Lepra rubens. Dillenius hatte sie unter die Pilze in die Gattung Dyssus rebracht; gleiches thaten Sprengel, welcher sie Monilia cinna- barina, Martius, welcher sie Torula cinnabarina nannte, u. A. Wallroth?) erkannte aber ihre Uebereinstimmung mit den Gonidien der Graphideen und erklärte sie für frei gewordene und für sich weiter lebende und sich vermehrende Brutzellen jener Flechten. Auch wegen der Kugelform der Zellen und deren staubartiger An- häufung ist ihm die Pflanze wesentlich verschieden von der gleich- farbigen, aber aus Fäden bestehenden T’rentepohlia aurea Matt. (Dyssus aurea L.), welche er bei den Pilzen belässt. Agardh stellte zuerst für die hierher gehörigen Bildungen die Algengattung Chroolepus auf; ihm folgte Kützing, welcher die oben genannte Species wegen ihrer isolirten kugeligen Zellen Anfangs zu Protococcus stellte; später erkannte er das reihenförmige Verbundensein und brachte sie in den Species Algarum zu Ühroolepus. Nach Cohn hat schon Flotow durch Uebergiessen mit Wasser aus dieser Pflanze bewegliche Zellen erhalten, und ihm selbst ist es nach mehrfachen vergeblichen Versuchen gelungen, die Schwärmsporen dieser Pflanze zu beobachten ?), so dass er, falls die Flechtennatur derselben sich erweisen sollte, darin eine neue Fortpflanzungsweise der Flechten- gonidien erkennt. Stitzenberger*) zeigte später die gleiche Beobach- tung an, will jedoch von dem Zusammenhange mit Opegrapha und anderen Flechten und selbst von einer Zusammengehörigkeit des „Irotococcus erustaceus‘“ und des ‚„Ühroolepus umbrinum,“ die er allerdings untermengt fand, nichts wissen. Auch Caspary°) hat die Sporenbildung bei Uhroolepus aureum und Ch. umbrinum beobach- tet und giebt über die letztere Pflanze einige uns interessirende nähere Details. Er hält den Protococeus erustaceus Cohn’s nicht für die I) Ich fand diese Species auch auf Gestein, an einer Mauer, wo sie der auf Rinde und Holz ganz gleich und nicht mit Chr. Jolithus zu verwechseln war. 2) Naturgeschichte der Flechten I. p. 303 fl. 3) Hedwigia 1852. No. 1. 4) Hedwigia 1855. No. 11. 5) Flora 1858. No. 36. 157 - Pflanze Kützing’s, weil sie einen intensiven Veilchengeruch besitze, die letztere aber geruchlos sei, sondern für identisch mit Ü’hroolepus odoratum Ag., welches also das Ühroolepus betulinum Ktz. sein würde. Ich kann dem nicht beipflichten und muss gleich hier be- merken, dass der Veilchengeruch für die Unterscheidung der Species durchaus trüglich ist. Das C'hroolepus umbrinum habe ich allerdings auch so wie man es sammelt, immer geruchlos gefunden; nach län- gerem Verschluss in einer zugekorkten Glasbüchse wurde jedoch beim Oeffnen der Geruch bemerklich. Von dem rostrothen Oel, welches allerdings auch ein flüchtiger Körper ist, kann er nicht wohl abhängen, da bekanntlich der Veilchenstein seinen Duft noch von sich giebt, wenn längst seine Farbe verblichen, das Oel ver- flüchtigt ist. Caspary fand seine Pflanze an Allee- und Chaussee- bäumen (Populus pyramidalis, canadensis, Pyrus Malus, Prunus domesticus, Sorbus aucuparia) bei Bonn und Aachen und beobachtete Zoosporenbildung Mitte Juni und Ende Mai; es gelang ihm dies aber nicht zu derselben Zeit nach dem äusserst trockenen und heissen Frühjahr von 1858. Im Spätsommer und Herbst fand er nie .Schwärmsporen. Auch hat er die Erfahrung gemacht, die sich jedem Beobachter aufdrängen wird, dass man bei diesen Pflanzen am ehesten auf Zoosporenbildung rechnen kann, wenn man die damit bedeckten Rindenstücke eine Nacht in einen feuchten Raum legt. Der Ühroo- lepus umbrinum besteht nach Caspary aus einzelnen, oft jedoch aus 2—3, selten 4—7 im Zusammenhange befindlichen Zellen; ver- zweigte Fäden, wie sie Kützing angiebt, sah er nicht. Wohl aber bemerkte er mitunter ebenfalls die „Fasern,“ welche jener als aus der äusseren Wand der Zellen hervorgewachsen ansah, die nach seiner Meinung aber „vielleicht Pilzfäden gewesen sind, die aber nichts mit dem Ohrool. uwmbr. zu thun haben.“ Die Schwärmsporen sah er in etwas grösseren, sonst von den übrigen nicht verschiedenen Zellen in einer mässigen Anzahl sich bilden. Während es ihm bei Chroolepus aureum gelang, die Zoosporen keimen und zu einer kurzen Zellenreihe sich entwickeln zu sehen, scheint er derartiges bei Ch. umbrinum nicht beobachtet zu haben. Zwar lautet die hierauf bezügliche Stelle also: „Die Schwärmsporen sanken nach längerer Bewegung zu Boden, nur wenige wuchsen zu vegetirenden Zellen heran; der Inhalt derer, welche starben, die braunen Körn- chen, wurden in kürzester Zeit nach dem Aufhören der Bewegung frei und zerstreuten sich unter heftiger Molekularbewegung weit und breit nach allen Seiten.“ Weiter bemerkt aber Caspary: „Ein Sichfestsetzen an irgend einen Gegenstand konnte ich weder bei 112 158 Chroolepus aureum noch umbrinum beobachten, obgleich dies doch bei anderen Algen leicht wahrnehmbar ist; die Zoosporen beider Ohroolepus-Arten sanken ganz einfach irgendwo nieder; solche bloss niedergesunkene Schwärmsporen, die ieh unter feuchter Glasglocke auf den Objektivgläsern hielt, waren es, die ich bei Chroolepus aureum durch Theilung ihrer Zellen sich vermehren sah.“ Auch Caspary spricht sich gegen eine Beziehung dieser Algen zu ge- wissen Flechten aus, freilich ohne eine Vergleichung mit den Goni- dien derselben vorgenommen zu haben. Erst de Bary') hat wie- der die Uebereinstimmung beider hervorgehoben und betrachtet den Chroolepus umbrinum, indem er von dem mit der Abstossung der oberflächlichen Peridermalagen zu Stande kommenden Freiwerden der Gonidienketten sammt den sie umspinnenden Hyphen aus dem Thallus hypophlöodischer Graphideen als von einer feststehenden Thatsache ausgeht, als einen Abkömmling dieser Flechten. Eine Vergleichung zwischen dem typischen Ohroolepus umbrinum und den Gonidien der Arthonia vulgaris und Graphis scripta (die- jenigen anderer hypophlöodischen Graphideen verhalten sich nach de Bary’s Angaben und meinen flüchtigen Betrachtungen im We- sentlichen denselben’ gleich) lässt allerdings gewisse Unterschiede nicht verkennen, zunächst in Grösse und Gestalt. Das Ühroolepus umbrinum, ‚welches auf Buchenrinde in den hiesigen Auenwäldern grosse Flächen mit einer leicht zerreiblichen, körnigen, braunrothen Kruste überzieht, besteht aus ziemlich sphärischen, nur an ihren Berührungsstellen mehr oder weniger gradlinig begrenzten Zellen, welche meist zu wenigen in kurze perlschnurförmige, aber fast immer unregelmässig gekrümmte, mitunter einmal verzweigte Ketten ver- bunden sind. Ihr Durchmesser schwankt zwischen 20 und 37 Mikrom. Die im Eindringen und in der ersten Ausbreitung im Periderm be- griffenen Gonidien zeigen dagegen immer ausgeprägt kettenförmigen Zusammenhang, häufig mit regelmässiger dichotomer Verzweigung der Ketten; die Gliederzellen haben fast immer eine mehr in der Richtung der Kette gestreckte Gestalt, sind an den Verbindungs- stellen genau geradlinig begrenzt, in der Mitte am breitesten, so dass ihre Form vom schmal Elliptischen ins Tonnenförmige geht, manchmal auch sehr unregelmässig wird, mit Ausnahme der Scheitel- zelle, welche eine mehr oder weniger gestreckte konisch-eylin- drische Gestalt besitzt. Die Grösse der Zellen ist merklich gerin- ger: Sie haben eine Breite von meist 8, seltener bis 13 Mikrom.; 1) l. c. pag. 291 —92. 159 die Länge schwankt zwischen 13 und 21; die dünnsten und schlank- sten Formen, von denen oben die Rede war, ‘haben bei der angege- benen Länge eine Breite von manchmal nur 5 Mikrom. Die in die tiefere Region des Periderms gelangten und daselbst zum Gonidien- lager sich ausbreitenden Zellen zeigen, wie oben ausgeführt wurde, wegen ihrer Anhäufung meist nicht mehr den ursprünglich ketten- förmigen Zusammenhang, sie haben hier vorwiegend isodiametrische Form, sind rundlich oder durch gegenseitigen Druck unregelmässig polyedrisch, wiewohl auch hier noch einzelne länglich tonnenför- mige Zellen zu bemerken sind; ihr Durchmesser schwankt in den Grenzen 8 und 17 Mikrom.; die gestreckten werden bis 21 lang; die grösste Mehrzahl hat einen Durchmesser von ungefähr 12. In den angegebenen Dimensionen verhalten sich die Gonidien der Artho- nia vulgaris und der Graphis scripta sowohl auf Esche wie auf Eiche einander gleich. Ein anderer sehr auffallender Unterschied ist die Beschaffenheit - der Membran. Das typische Uhroolepus umbrinum, welches mir zur Untersuchung diente, hat sehr dicke und fast ausnahmslos sehr deut- lich eoncentrisch geschiehtete Membranen, welche zugleich eine Inein- anderschachtelung der Tochterzellen nach G@loeocapsa-Art bedingen. Ge- wöhnlich beträgt der Durchmesser derselben 4 bis 6 Mikrom., ich fand ihn nicht unter 3, mitunter erreicht er aber 8 Mikrom. Dage- gen sind die Membranen der Gonidien, sowohl der eben eindringen- den als auch der im vollkommen entwickelten Thallus vorhandenen nur 1,0 bis 1,3 Mikrom. dick und stets homogen. Auch hierin ist kein Unterschied zwischen Arthonia und Graphrs. Das regelmässige Fehlen des rothen Oeles und meist auch merkbarer Mengen von Chlorophyll in den eindringenden Gonidien wäre als ein weiterer Unterschied anzuführen. Im typischen Ohroolepus enthält das Pro- toplasma immer die rothen Körnchen, gewöhnlich in so grosser Menge, dass nur eine Randzone des Protoplasmas davon frei und dann meist durch Chlorophyll grün gefärbt ist; aber auch Zellen anscheinend ganz ohne Chlorophyll, nur mit rother Inhaltsmasse vollgestopft kom- men häufig vor. Auch hat das Oel in den Gonidien häufig mehr eine gelbrothe, oft orangegelbe Farbe, das der freilebenden Alge ist immer intensiv rostroth. Endlich würde zu den Unterschieden auch die Schwärmsporenbil- dung gehören. Zwar ist bei Chroolepus umbrinum sowie auch bei anderen Arten nicht jederzeit mit Sicherheit auf diese Erscheinung zu rechnen, wenn man die Alge mit Wasser unter das Mikroskop bringt; allein sie ist doch so häufig, dass sie keinem Beob- 160 achter entgangen ist, der sich einigermassen mit dieser Pflanze beschäftigt hat, und es kommt dazu die auffallend geringe Zeit, welche immer von der Benetzung mit Wasser bis zur Geburt der Schwärm- sporen vergeht, indem dazwischen gewöhnlich nur 5—10 Minuten verstreichen. Dem gegenüber kann es nicht zufällig sein, dass noch keinem Beobachter eine Bildung von Zoosporen aus den an Durch- schnitten durch Graphideenthallus blossgelegten Gonidien begegnet ist. Vorausgehende Trockenheit beeinträchtigt die Fähigkeit des Ohroolepus Schwärmsporen zu bilden, Verweilen in feuchtem Raume begünstigt sie; man müsste also gerade bei dem vor einem stärkeren Austrocknen geschützten Aufenthalte der Gonidien im Periderm eine Begünstigung der Zoosporenbildung erwarten, wenn sonst keine Verschie- denheiten bestünden, Auch ich habe diese Erscheinung hier nie gesehen. Diesen Unterschieden gegenüber sind die Uebereinstimmungen desto grösser, und auch die ersteren schwinden mehr, wenn man das Chroolepus umbrinum in seiner Lebensweise genauer verfolgt und die abweichenden Verhältnisse berücksichtigt, unter denen es im hypophlöodischen Graphideenthallus lebt. Zu den wichtigsten Uebereinstimmungen gehört das Vorhandensein des rothen Oeles. Trotz der oben berührten ‚offenbar unwesentlichen Farbennuancen wird die Identität desselben durch sein ganzes übriges Verhalten bewiesen: es tritt in den Gonidien wie im freilebenden Chroolepus innerhalb des Protoplasma’s in verschieden grossen Körnchen auf, es ist ein flüchtiger Stoff, der in beiden Fällen bei trockener Auf- bewahrung sich mit der Zeit verliert, und es hat auch in beiden Fällen die gleichen Reactionen: Unlöslichkeit in Wasser und Alco- hol, Auflöslichkeit zu einer gelben Flüssigkeit in Aether, Schwarz- blaufärbung durch Jod. Das Protoplasma ist meistens gleichmässig durch Chlorophyll grün gefärbt. Die Zellmembran zeigt in beiden Fällen in Chlorzinkjodlösung weinrothe Färbung, am intensivsten nach vorheriger Behandlung mit Kali, Auch die Wachsthumsverhältnisse sind in beiden Fällen die gleichen. Zwar ist die Bildung der Ketten durch eine Scheitelzelle, welche rückwärts durch Theilung die Gliederzellen abscheidet, an den langgestreckten Ketten der Gonidien im Periderm besonders deutlich. Aber auch am Uhroolepus sind die Endglieder der Ketten im Wachsthum und in der Theilung begriffen: sie haben die relativ dünnsten Membranen, indem sie durch ihr Spitzenwachsthum die älteren Membranschichten an ihrem Scheitel durchbrechen. Eine Theilung der Gliederzellen kommt hier gewöhnlich auch nicht mehr vor, und wo sie bemerkt wird, da ist ein Zerfall der Kette in seine Glieder im Vorbereitung oder schon nahezu vollendet, Das kommt bei Ohroolepus nicht selten vor und geschieht dadurch, dass die über die Grenzen der Gliederzellen hinweggehenden älteren Membran- schichten zerstört und abgestossen werden und die Scheidewände der Gliederzellen sich spalten, indem sie zugleich mehr oder weni- ger convex gegeneinander werden. Die Gliederzellen werden- dann also zu neuen Scheitelzellen. Hierauf beruht die eigentliche Ver- mehrung der Staubmasse des Ühroolepus umbrinum. Auch die Ver- zweigung geschieht bei ihm ebenso wie bei den Gonidienketten nach gewöhnlicher Confervaceenart, indem neben dem acropetalen Ende der Gliederzelle eine neue Wachsthumsrichtung aus dieser hervor- geht; nur sind diese Verhältnisse wegen der Kugelgestalt der Glie- der und der sehr unregelmässigen und gekrümmten Form der Kette hier undeutlicher. Während das Längenwachsthum der Ketten des freilebenden CUhroolepus ein sehr träges ist, gestaltet sich seine Mem- branverdiekung überaus kräftig, so dass auch die noch wachsenden Scheitelzellen schon ansehnlich dieke Membranen besitzen. Wir haben es hier ohnstreitig mit einer Anpassung der Pflanze an ihre Lebensverhältnisse zu thun, indem die ganz freilebende Alge eines viel grösseren Schutzes als die innerhalb des Periderms wachsende bedarf. Das Chroolepus umbrinum hat die eigenthümliche Neigung, sich in seine Unterlage zu vertiefen: es dringt, wo es Ueberzüge an Baumrinden bildet, mit einzelnen Ketten in die äusseren Theile des Periderms ein. Und wo dies geschieht, ändern sich sofort seine Gestalt und Ausbildung. Die Alge sendet lange, oft ziemlich gerade, sehr wenig zur Stammoberfläche geneigte Ketten ins Periderm hinein, deren Gliederzellen nicht rund, sondern mehr länglich elliptisch, gestreekt tonnenförmig sind und welche häufig in eine schlank eylindrische Scheitelzelle endigen. Bei den auf Buche wach- senden Individuen, welche mir bezüglich des Vorigen zur Unter- suchung dienten und bei denen der Zusammenhang dieser endoperi- dermalen Wucherungen mit den frei auf der Rinde lebenden Zellen auf das Sicherste zu constatiren ist (Fig. 10), finde ich die Glieder- zellen dieser eingedrungenen Ketten meist nur 17 Mikrom. breit, aber 25 bis 37 Mikrom. lang; die schlanksten Formen sind nur 8 breit bei einer Länge von 30 und mehr; ja es kommen Zellen vor, die bei dieser Breite bis 54 Mikrom. Länge erreichen. Solche Zel- len sind oft etwas geschlängelt. Manche Glieder haben auch noch eine Breite von 20 bei einer Länge von 25 bis 29 Mikrom.; über- haupt finden allmähliche Uebergänge zu den grösseren Formen statt innerhalb derselben Kette, wenn diese in ihren Anfangsgliedern noch 162 ausserhalb des Periderm’s sich befindet. Mit der grösseren Regel- mässigkeit der Ketten tritt auch die typische Form der Verzweigung, welche auch hier stellenweise vorkommt, deutlicher hervor. Wir sehen also mit der Aenderung des Mediums die unverkennbarste Annäherung an die Gestalts- und Grössenverhältnisse der eindringen- den Gonidien. Dazu kommt ferner die geringere Dieke der Membran an den endoperidermalen Sprossungen — sie beträgt hier nur etwa 14, kaum noch 20 Mikrom. — sowie das Verschwinden der Schichtung. Aehnliches gilt auch vom Zelleninhalte. Zwar ist derselbe an den meisten dieser eben erst aus oberflächlichen Zellen hervorgegangenen endoperidermalen Sprossungen noch nicht verändert. Allein in manchen Zellen findet sich das rothe Oel in auffallend geringerer Menge, ja es fehlt in einigen gänzlich, und wir bemerken hier in der Zelle nur ein blassgrün gefärbtes oder auch ein anscheinend ganz farbloses Protoplasma; besonders gilt dies von manchen Schei- telzellen und wohl auch einer oder einiger ihnen zunächst liegenden Gliederzellen, wiewohl auch interstitiell zwischen rothen Zellen einzelne oder mehrere blasse vorkommen. Auch hier ist dies häufiger an den dünnsten und schlanksten Zellen, alsanden breiteren. Ohne Zwei- fel hängt auch diese Erscheinung mit Einflüssen des Mediums zusammen. Das freilebende Chroolepus dringt nicht bloss in schon vor- handene Spalten unter die sich ablösenden Schuppen der äusseren Theile des Periderms, sondern es hat auch die Fähigkeit, sich aktiv in den zusammenhängenden Zellen dieses Gewebes vorwärts zu bohren, wobei es mitunter die deekenden Korkzellplättehen in Folge seiner Volumenzunahme abhebt (Fig. 10). Zu zusammenhän- genden Lagern, wie die Gonidien im hypophlöodischen Graphideen- thallus, habe ich jedoch reines C’hroolepus im Periderm sich nicht entwickeln sehen. Auf Eichen zeigte mir die Alge in jeder Hin- sicht die gleichen Verhältnisse wie die so eben beschriebenen. Aus allem geht hervor, dass die morphologischen und biologischen Verhältnisse des typischen ÖO’hroolepus sich innerhalb einer ziemlich weiten Sphäre bewegen, und dass alle die Eigenthümlichkeiten, welche unsere Alge als Ansiedler im Flechtenthallus zeigt, der freilebenden Pflanze keineswegs so fremd sind, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die geringe Grösse und die Dürftigkeit in der Aus- bildung der Membran und des Inhaltes, welche die in den Thallus eindringenden Gonidien so ausnahmslos schon in ihren ersten, an der Oberfläche des Periderms liegenden Gliedern zeigen, dürften wohl daher rühren, dass die letzteren aus Schwärmsporen hervor- gehen, welche irgendwo von einem freilebenden Individuum erzeugt 163 werden und sich an der Oberfläche des Periderms ansetzen. Die Zoo- sporen des typischen Chroolepus umbrinum haben im Maximum eine Länge von 12 Mikrom. und wenn sie zur Ruhe gekommen sind und sich abgerundet haben, einen Durchmesser von 8—10. Diese Dimen- sionen stimmen in der That sehr zu den oben angegebenen Grössen der im Eindringen begriffenen Gonidien. — Dass die Alge in der Gonidienform keine Zoosporen bildet, dazu giebt uns die Thatsache den Schlüssel, dass auch das typische Chroolepus umbrinum immer nur die grössten und inhaltsreichsten Zellen seiner Ketten zu Zoo- sporangien werden lässt, wie solche im Thallus gar nicht gebildet werden, wo ja ohnehin die Zellen in kleineren Dimensionen auftre- ten. Wir können also alle scheinbaren Unterschiede zurückführen auf Modificationen, welche erwiesenermassen die Alge durch das ver- änderte Medium annimmt, und werden dazu auch die Einflüsse mit zu rechnen haben, welche durch die Beziehungen hervorgerufen wer- den, in welche die Hyphen der Flechte zu der eingedrungenen Alge treten, wohin wohl das lagerartige Ausbreiten der Gonidien in dem von den Hyphen oecupirten Terrain gehören mag. Denn die Alge muss irgend einem günstigen Einflusse seitens der Flechte begegnen; es wäre sonst nicht zu erklären, dass sie zumal auf jüngerer Esche, wo reines Ühroolepus umbrinum eigentlich nieht wächst, die von Arthonia vulgaris bewohnten Stellen aufsucht und alles Uebrige so auffallend streng meidet. Es bliebe noch die Frage zu erörtern, ob die in den Graphi- deenthallus eindringenden ÜUhroolepus-Zellen aus Schwärmsporen die- ser Alge hervorgehen. Die Bildung und das Verhalten der Zoosporen derselben ist von Cohn und Caspary bereits beschrieben worden. Ich füge hinzu, dass die Zoosporangien an einer vorgebildeten, als ein rundes Loch von 6—8 Mikrom. Durchmesser sich öffnenden Stelle austreten. Dieselbe entsteht durch eine stärkere Verdickung der innersten Membranschicht, welche die äusseren Schichten nach aussen vortreibt und so eine Art Papille erzeugt; zuletzt weichen die äusseren Schichten an diesem Punkte auseinander und die verdickte Masse der Innenhaut löst sich auf. Das Loch bleibt auch an dem entleerten Zoosporangium, welches sich seiner derben Membran wegen lange erhält, sichtbar. Man findet oft viele solcher wirklich leerer, durch einen runden Porus geöffneter Zellen unter den übrigen; sie sind ein sicheres Zeichen, dass die Alge in der vorliegenden Probe fähig ist Zoosporen zu bilden, auch wenn es nicht gelingen sollte, solche zur Zeit der Untersuchung entstehen zu sehen. Es glückte mir mitunter nicht, an Proben, welche viele solche von Zoosporen 164 verlassene Zellen enthielten, die Erscheinung hervorzurufen, obgleich sie einige Zeit in einem feuchten Raume sich befunden hatten, während andere Proben, die zur nämlichen Zeit gesammelt worden waren, den Process äusserst reichlich zeigten. Wovon die Prädispo- sition zur Zoosporenbildung abhängen mag, lasse ich dahingestellt. Caspary’s Aeusserung, dass im Spätsommer und Herbst der Prozess nicht stattfinde, muss ich bestreiten, da ich ihn auch im September beobachtet habe. Ausgang Winters habe ich ebenfalls Schwärmspo- ren reichlich gesehen, so dass wohl keine Jahreszeit ihre Bildung verhindert. Gleich nach der Geburt sind die Zoosporen elliptisch und linsenförmig abgeplattet, zeigen sowohl spärlich Chlorophyll als Körnchen des rothen Oeles, sind aber am Vorderende, welches zwei sehr lange Cilien trägt, hyalin. Sie schwimmen sehr munter über grosse Strecken dahin unter gleichzeitiger Achsendrehung, wobei abwechselnd die breiten und die schmalen Seiten sichtbar werden. Aber schon ungefähr 5 Minuten nach der Geburt erlischt die Be- wegung allmählich; die Cilien, deren flimmernde Bewegung an Leb- haftigkeit verliert, werden dadurch leichter erkennbar, die Spore beschreibt kürzere, oft kreisförmige Bahnen, wobei auch mitunter rück- läufige Bewegungen eintreten, bei denen das eilientragende Ende nachgeschleppt wird; zugleich rundet sie sich zu vollkommen sphä- rischer Gestalt ab; dann folgen sich Momente vollkommener Ruhe und wälzender Bewegung ohne eigentliche Locomotion, wobei die Cilien noch träge wellenförmige Schwingungen machen, um bald ganz in ziemlich gerade vorgestreckter oder spreizender Richtung in Ruhe zu verfallen. Der Körper zeigt zunächst noch keine Verän- derung ausser der Gestalt, höchstens dass bisweilen eine Vacuole in ihm erscheint. Aber schon nach weiteren 5 Minuten tritt der Tod ein: Die Masse wird stärker körnig und verliert zugleich die scharfe Contour, von der sie bis dahin begrenzt wurde, sie löst sich in eine Anzahl rundlicher oder unregelmässiger theils farbloser, theils rothbrauner Körnchen auf. Die Cilien bleiben dabei immer noch lange vorhanden und sogar ohne Jod deutlich sichtbar. Eine Vertheilung der Körnchen unter Molekularbewegung, wie sie Cas- pary beschreibt, habe ich nur vereinzelt beobachtet, in den meisten Fällen blieb die Masse noch ungefähr sphärisch beisammen. Da die Geburt der Schwärmsporen aus den reifen Zoosporangien, welche in der unter das Mikroskop gebrachten Probe vorhanden sind, nicht gleichzeitig erfolgt, so tritt auch der eben beschriebene Zustand succesiv auf; aber nach 45 Minuten schon war er allerwärts vor- handen. Eine Paarung von Schwärmsporen habe ich nicht bemer- ken können. Bisweilen verfangen sich zwei Sporen mit ihren Cilien, was sowohl die elliptischen platten, als auch die schon sphärisch ge- wordenen betreffen kann; die eine schleppt dann die andere fort oder beide zerren sich umher, unmittelbar sich berührend, aber eine Ver- schmelzung beider Körper bemerkte ich nicht, vielmehr geschieht es gewöhnlich, dass beide nach einiger Zeit sich wieder von einander befreien. Bei manchen Schwärmsporen macht das Schwinden in den nächsten Stunden noch weitere Fortschritte, indem nur einige form- lose rothbraune und farblose Klumpen an der Stelle übrig bleiben, wo die Zoospore lag, wobei oft immer noch Rudimente der Cilien sich wahrnehmen lassen; dann zeigen die Reste keine Veränderung weiter. Manche behalten aber doch ihre Substanz und auch ihre volle gerundete Gestalt scheinbar unverändert, so dass man sie für lebensfähig halten kann; Umhüllung mit einer festen Membran konnte ich aber doch nicht an ihnen bemerken. Ich habe auch Schwärmsporen sowohl auf reines Periderm als auch auf solche Stellen, welche den gonidienlosen Jugendzustand der Arthonia vulgaris trugen, ausge- säet, indem ich dünne Oberflächenschnitte des Periderms zusammen mit Chroolepus in Wasser unter Deckgläser brachte. Die bald darnach geborenen Zoosporen schwärmten auch über die Oberfläche des Peri- derms wie gewöhnlich dahin, kamen hier in der nämlichen Zeit zur Ruhe und verhielten sich ganz so wie in anderen Fällen: manche schienen sich aufzulösen, andere verharrten in sphärischer Form un- verändert. Aber auch hier kam es zu keinem Fortschritte, obgleich es durch Erneuerung des Wassers gelang, die Objekte eine Woche lang vor Fäulnissorganismen leidlich zu bewahren. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass der Misserfolg hauptsächlich in der bei dieser Alge normal ungemein langsamen Entwickelung seine Erklärung findet, welche überdies unter Verhältnissen, die von den natürlichen abwei- chen, wahrscheinlich noch mehr beeinträchtigt wird. Dass Chroolepus umbrinum aus dem Thallus der hypophlöodischen Graphideen wieder sich befreit, wenn derselbe entweder durch Alter vergeht oder in Folge einer Veränderung des für ihn günstigen Zustandes des Periderms erschüttert wird, ist eine leicht und vielfach zu beobachtende Erscheinung. Es sei hier noch angegeben, wie er sich dabei allmählich wieder in die typische Form zurückbildet. Der Anfangs dünne, staubige rothbraune Anflug, welcher aus solchem Thallus auswittert, besteht aus isolirten sphärischen Ühroolepuszellen von meist 12—20 Mikrom. Durchmesser; erst wenige sind bis 29 gross. Sie stehen also an Grösse hinter dem typischen (hroolepus beträchtlich zurück, haben gegen die Dimensionen, welche sie inner- 166 halb des Thallus besitzen, erst wenig zugenommen. Fast alle Zel- len sind noch reichlich von denselben Hyphen und in derselben Weise überzogen wie im Thallus und hängen aus diesem Grunde meist nicht zusammen, indem sie durch ihre Hyphenhülle von einander getrennt sind. Aber vielfach hat auch schon eine Theilung dieser Zellen begonnen, durch welche die künftige Scheitelzelle der Kette gebildet ist. Die Membranen sind meist nur 1,4—2 Mikrom. diek und ungeschichtet; wenige Zellen haben bis 4,2 Mikrom. dicke und dann etwas geschichtete Membranen. Der Zelleninhalt ist immer wie bei der typischen Alge bereits reichlich mit rothbraunen Körnchen versehen. (Fig. 11.) Schwärmsporen habe ich aber in diesem Zustande nie sich bilden sehen, auch nicht wenn die Pflanze zu derselben Zeit gesammelt und genau gleich behandelt worden war, wie Proben von typischem Chroolepus, welche darnach Zoosporen zeigten. Auch entleerte, von Schwärmsporen verlassene Zellen kom- men hier noch nicht vor. Wenn solche Gonidienausbrüche älter geworden sind, so befreit sich die Alge allmählich von den Hyphen. Die letzteren finden wahr- scheinlich unter diesen Verhältnissen nicht mehr ihre nöthigen Le- bensbedingungen, denn sie sterben allmählich ab: ihr Inhalt zieht sich in einzelne stark lichtbrechende Kügelchen zusammen, die Umrisse der Hyphe schwinden, offenbar wegen Auflösung der Membran; sie zerfällt in die einzelnen stärker lichtbrechenden Partikelchen, die theils noch an der Chroolepuszelle haften, theils sich unter Moleku- larbewegung ablösen. So findet man Zellen, die theils mit mehr oder weniger Hyphen umgeben sind, theils schon gänzlich von den- selben sich gereinigt haben. Man darf diese Hyphen nicht verwech- seln mit fremden Pilzbildungen, die, wie allerwärts auf Baumrinde, so auch gar häufig zwischen Chroolepus vorkommen; schon die Stärke ihrer Fäden und Zellen lässt sie leicht von jenen unterschei- den, welche durch eine Dieke von nur 1,0 bis 1,4 Mikrom., durch ihre starken engen Krümmungen und kurzen knorrigen oder papil- lenartigen Verzweigungen, mit denen sie dem Chroolepus sich innig anschmiegen, als die echten lichenischen Elemente sich kundgeben. An noch älteren Gonidienausbrüchen sind diese letzteren gar nicht mehr zu finden. Die rothbraune Kruste ist dann dieker geworden, zum Beweise, dass die Alge in Vermehrung übergegangen ist. An einer solchen Wucherung, deren lichenischer Ursprung durch die noch halb erhaltenen alten Apothecien der unterliegenden Rinde und durch das stellenweise noch deutliche häufchenweise Hervorbrechen aus dem zerstörten Thallus erwiesen wird, finde ich die Zellen 167 bereits 20 bis 33 Mikrom. gross, sphärisch und bald einzeln, bald zu 2 zusammenhängend; ihre Theilung ist hier allgemeiner; man findet zahlreiche Zustände derselben in allen Stadien. Es trennen sich aber gewöhnlich die Tochterzellen bald von einander, indem die beiden Lamellen der Theilungswände sich convex gegen einander wölben, wodurch die Tochterzellen sich abrunden und von einander- schieben; die ältesten Membranschichten zerreissen dann über der Furchung. Wir haben also denselben Process, wie er oben vom typischen C’hroolepus geschildert wurde. Die Membranen sind hier 2,0—4,2 Mikrom. diek und meist geschichtet, wenige Zellen haben dünnere und ungeschichtete Membranen. An wenigen bemerke ich noch Spuren der dünnen Flechtenhyphen. Schwärmsporen habe ich aber hier in reicher Menge beobachtet. Es geht daraus her- vor, dass die aus dem Thallus sich befreiende Alge wieder allmäh- lich alle ihre typischen Eigenthümlichkeiten annimmt, dass sie insbesondere auch der Zoosporenbildung fähig wird, sobald ihre Zellen wieder die hierzu erforderliche Grösse erreicht haben. Diese Rückbildung scheint, und darin zeigt sich besonders die träge Ent- wiekelung dieser Alge, oft lange Zeiträume in Anspruch zu nehmen. Ich entsinne mich, Anfangsstadien der Befreiung der Alge aus zer- fallendem Thallus an bestimmten Standorten schon vor Jahren gese- hen zu haben, an denen sie gegenwärtig noch nicht merklich fort- geschritten sind. Arthopyrenia. Die Arten dieser angiokarpen Flechtengattung haben untereinander und mit den verwandten eigentlich nur durch die Beschaffenheit der Sporen unterschiedenen Gattungen Microthelia und Leptorhaphis grosse Aehnlichkeit. Sie leben alle an jüngeren glattrindigen Stäm- men und Zweigen und an glatten Peridermstellen älterer Bäume der verschiedenartigsten Gehölze in mehr oder weniger ausgedehnten, oft unregelmässig begrenzten Flächen. Ihre zahlreichen, dem blos- sen Auge als schwarze Punkte erscheinenden Peritheeien nisten in der äusseren Korkschicht des Periderms, aus welchem sie mit ihrem oberen Theile frei hervorragen. Das Periderm aber erscheint dem "unbewaffneten Auge oft gar nicht, auch in der Farbe nicht ver- ändert, oder es hat auch eigene Färbung. Der Bemerkungen Tulasne’s über den Bau des Thallus der „Verrucaria epidermidis, atomaria etc.“ ist bereits oben gedacht worden. Körber!) spricht bei der Gattung Arthopyrenia kurz 1) Systema Lichenum Germaniae, pag. 367 und 369. 168 von einem ‚„‚Thallus erustaceus, uniformis, plerumque hypophloeodes,“ seine näheren Angaben bei Arthonra Cerasi Kbr. sind aber hier wiederum unzureichend und sogar unzutreffend; denn wenn er hier sagt: „thallus hypophloeodes dein denudatus effusus tenuissime leprosus cinerascens“ und dazu bemerkt: „Die silbergraue, glänzende Epidermis der Kirschbaumrinde wird häufig für den Thallus der Flechte angesehen; in Wahrheit aber ist derselbe hypophlöodisch und effloreseirt (um so zu sagen) erst später als ein sehr dünner, grau- licher, ununterbrochener staubartiger Schorf beim Aelterwerden des Baumes aus dessen Epidermis hervor, wo dann die Apothecien mehr unkenntlich werden und endlich ganz verschwinden,“ so kann sich das nur auf die Zerstörung der äusseren Peridermschichten nach dem Absterben der Flechte beziehen. Nach den Untersuchungen, die ich an vielen Exemplaren mehrerer Arten dieser Gattungen vorgenommen habe, ist die Beschaffenheit bei den meisten im Wesentlichen dieselbe. Ich will sie an Artho- Pyrenia cerasi Kbr. beschreiben. Die Stellen, welche diese Flechte auf der Rinde der Kirschbäume einnimmt, sind entweder unverändert röthlichgrau wie das normale Periderm, oder durch weisse Farbe auffallend. Betrachtet man durch tangentiale Schnitte abgetragene Stücke der äusseren Korkschicht, so bemerkt man stets braune gegliederte Hyphen von 8 Mikrom. Dicke, welche in allen Richtun- gen die Oberfläche und die äussern Korklagen über- und durchwach- sen und in denen wir die schon mehrfach erwähnten rindebewohnen- den Organismen wiedererkennen. Wir finden aber ausser ihnen ebendaselbst auch viel feinere etwa 2 Mikrom. dicke und farblose, aber sonst in gleicher Weise wachsende Hyphen, welche, wie man sich besonders durch Anwendung von Kalilauge überzeugen kann, ähnlich wie jene gegliedert sind, nur dass die Gliederzellen gestreckter und eylindrisch sind. Auch hält es nicht schwer Uebergänge zwischen beiden Formen zu finden, welche uns belehren, dass die braunen Zellreihen aus den hyalinen Hyphen dadurch hervorgehen, dass die Glieder in kürzere Zellen sich theilen und diese, indem sie ihren Durchmesser vergrössern, zugleich dickere und allmählich sich bräu- nende Membranen bekommen. Denn selbst die braunen Zellreihen kommen in sehr verschiedenen Dicken vor. Man glaubt anfänglich in diesen Bildungen den Thallus der Flechte vor sich zu haben, und es darf vermuthet werden, dass Tulasne damit dieselben auch gemeint hat. Sie haben jedoch auch hier mit der Flechte nichts zu thun. Dies geht schon daraus hervor, dass sie auch ausserhalb 169 des Arthopyreniathallus überall das Periderm in dieser Weise über- ziehen. Auf dem noch sehr intacten glatten Periderm junger Stämm- chen und Zweige sind sie spärlich, erst in der Bildung begriffen ; auf älteren Peridermen aber oft so reichlich, dass die Färbung des- selben dadurch mit bedingt wird. Und zwar sind sie dann an den nicht von Arthopyrenia bewohnten Stellen sogar häufiger. Hier ist nämlich das Periderm durch oberflächliches Einreissen mit vielen kleinen Spalten und Ritzen versehen, in denen hauptsächlich der Pilz sieh ansetzt; daher die dunklere Farbe der im Allgemeinen noch glatten Peridermbänder erwachsener Kirschbäume im Vergleich mit der fast weisslichen Färbung der Oberfläche derselben an den von der Arthopyrenia bewohnten Stellen. An den letzteren bilden die änsseren Korkzelllagen, wie von einem unsichtbaren Bindemittel fester zusammengehalten, eine gleichmässigere glatte und sprödere Masse, die wegen der letzteren Eigenschaft nur stellenweise, aber in kurzen, scharfen, schmalen Rissen gebrochen erscheint. Wegen dieser Beschaf- fenheit, und weil die braunen Hyphen hier merklich spärlicher sind, haben diese Stellen ein helles Aussehen. Nicht selten trifft man in Gesellschaft dieses braunfädigen Pilzes einzelne oder in Gruppen beisammen liegende runde grüne Zellen, die sich fast immer als gemeiner Pleuwrococcus zu erkennen geben, sowohl ausserhalb als auch auf den von der Arthopyrenia bewohn- ten Arealen. Sie liegen einfach zwischen, auf oder unter den Fäden, gern an tiefen und versteckten Punkten, ja sie lieben es sogar, un- terhalb von Korkplättchen, die sich zufällig so abgelöst haben, dass fremde Körper von der Seite her unter sie gelangen können, sich anzusetzen. Zwar kommt es vor, dass dünne farblose Hyphen jenes Pilzes sich an sie anschmiegen und sie mehr oder weniger umfassen. Allein dies scheint nur zufällig zu sein, da gegen die Mehrzahl der- selben der Pilz sich gleichgültig verhält und seine dünnen farblosen Hyphen in ähnlicher Weise auch an anderen auf dem Periderm lie- genden kleinen Körperchen, z. B. Pilzsporen, sich anschmiegen. Ohne Zweifel hat Tulasne diese grünen Zellen für die Gonidien unserer Flechte gehalten, denn andere chlorophyllhaltige Zellen fin- den sich am Periderm nicht, auch dort nicht, wo die Arthopyrenia lebt; und die Beschreibung, die er von ihrem Vorkommen giebt, stimmt überdies mit den hier gemeinten Pleurococceus -Individuen genau überein. Eine genügende Bestimmung des Pilzes ist bei der unvollständigen Entwickelung, in der er sich überall nur darbietet, nicht möglich; doch ist es unzweifelhaft ein Ascomycet, wahrschein- 170 lich Pyrenomycet, wie deren viele so beschaffene Mycelien besitzen. Dies scheint auch durch die Acrosporenform des Pilzes bewiesen zu werden, die ich stellenweis auf dem Mycelium desselben an Kirsch- periderm auffand: kurze, etwas geschlängelte, mit einigen Septa versehene, vom Periderm sich erhebende, unten farblose, oben braun- werdende Hyphen mit einer terminalen braunen Sporidesmium-Spore. Die Flechte aber besteht aus viel feineren Fäden, welche in der Substanz der Korkzellen wachsen und nicht sehr deutlich er- scheinen, weil sie mit jener ziemlich gleiches Lichtbrechungsvermö- gen haben. Von denen des Pilzes sind sie unschwer zu unterschei- den: sie haben ziemlich gleiche Dicke, sind nur etwa 0,8 Mikrom. dick, nicht gegliedert, immer farblos (mit Ausnahme der unmittelbar ins Peritheeiumgehäuse übergehenden), und während jene in ziemlich geradem Verlaufe oder weiten Bogen über mehrere Korkzellen hin- laufen, beschreiben diese innerhalb des Areales einer einzigen Kork- zelle zahlreiche, enge, vielgewundene Linien und haben eine Nei- gung netzförmig zusammen zu fliessen. Oft ist das Gewirr der Fäden so dicht, dass sie sich nicht verfolgen lassen und dass die Substanz des Korkes dadurch fast wie punktirt erscheint. Fig. 12 stellt eine Korkzelle dar, die nur erst in einem Theile einige Hyphen enthält, wo der Verlauf derselben noch zu verfolgen ist. Durch Kali werden die Hyphen etwas deutlicher. Chlorzinkjod bringt, auch nach Behandlung mit Kali, an ihnen keine merkliche Färbung hervor. Die Zugehörigkeit dieser feinen Hyphen zur Flechte wird auch dadurch bewiesen, dass sie unter allmählicher Braunfärbung und pseudoparenchymatischer Verflechtung in die Elemente des Gehäuses der Peritheeien übergehen. MHiernach ist auch diese Flechte in ihren Hyphen schr ähnlich den peridermbewohnenden Graphideen. Von gonidienartigen Elementen ist aber in diesem dünnen Hyphen- lager, welches die äusseren Korkzelllagen einnimmt, nichts vor- handen. Die aussen aufliegenden vereinzelten Pleurococeus-Zellen stehen in keiner Beziehung zu ihm. Ihre Anwesenheit ist mehr noch als die des braunfädigen Pilzes rein zufällig; an jungen glatten Rinden fehlen sie manchmal ganz, auch richtet sich ihre Anwesenheit ohne Zweifel nach Standortsverhältnissen. Dagegen ist das eben beschriebene feine Hyphengeflecht überall zu finden, wo durch die Perithecien die Anwesenheit der Flechte angezeigt wird, gleich- gültig ob es ein sehr junger, von fremden Wesen fast noch ganz ver- schonter Zweig oder ein älterer Stamm ist. Wir haben somit hier abermals ein Beispiel einer gonidienlosen Flechte. Als in der Beschaffenheit des 'Thallus abweichender und eigen- 171 thümlich -henne ich folgende hierher gehörige Arten. Zunächst eine Form auf Cascarille, welche als Sagedia planorbis (Ach.) be- zeichnet wird. Sie färbt die Rinde rein weiss; Schnitte parallel der Oberfläche zeigen die mit Luft erfüllten, ziemlich weiten, polyedri- schen Korkzellen. Grüne Gebilde fehlen vollständig, aber die Kork- zellen enthalten viele farblose, durch Chlorzinkjod, auch nach Behand- Jung mit Kali nicht merklich sich färbende Hyphen. Dieselben wachsen auf den Innenwänden, besonders den Seitenwänden der Zelle, und tapeziren dieselbe oft fast ganz aus. Sie sind zwar zum Theil nur 1,0 bis 1,4 Mikrom. diek und fadenförmig gegliedert; die meisten aber bilden eiförmige Glieder von 6,3 Mikrom. Länge und 2,0 bis 3,0 Dicke. Von Arthopyrenia rhyponta Massal., welche schwärzliche Flecke auf Baumrinden bildet, standen mir zur Ansicht No. 229 der Rabenhorst’schen Zichenes europaet, welche von Rehm an Gipfel- zweigen der Populus pyramidalis bei Dietenhofen in Baiern gesam- melte Exemplare enthält, sowie No. 591 von Schärer, Lich. helv. Der Thallus besteht hier aus vielen braun- und diekwandigen, kurz- gegliederten, cylindrischen Hyphen von 6,3—8,4 Mikrom. Dicke, deren Gliederzellen meist ungefähr ebenso lang als breit sind, und welche auf und innerhalb der äusseren Peridermlage in geschlän- geltem Verlaufe in verschiedener Richtung in Menge neben und über- einander hinwachsen, stellenweise sogar zu einer einschichtigen Lage sich seitlich verbinden und dadurch die dunklen Flecke auf der Rinde erzeugen. Grüne Zellen fehlen hier ebenfalls, oder treten nur sporadisch wie allerwärts an der Oberfläche auf und erweisen sich daher als fremde, zufällige Gäste. Lecanora pallida Schreb. Der Thallus dieser Flechte ist im ausgebildeten Zustande, wie bei der Gattung überhaupt, eine Kruste von heteromerem Baue, welche frei auf der Oberfläche der Rinden verschiedener Bäume wächst. Im frühesten Entwickelungszustande ist er aber vollkom- men hypopblöodisch und homöomer; erst bei weiterer Erstarkung durchbricht er die ihn bedeckende Peridermschieht und tritt unter Differenzirung in Rinde-, Gonidien- und Markschicht frei hervor. Aber auch dann behält die in centrifugaler Richtung sich ausbrei- tende Randzone mehr oder weniger jeue Beschaffenheit bei. Weder in der deseriptiven Litteratur noch in den auf allgemeine Flechten- kunde bezüglichen Schriften ist dieses eigenthümliche Verhalten Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band II, Heft II. 12 172 erwähnt; de Bary'), welcher den Bau des entwickelten Thallus verschiedener rindebewohnender Krustenflechten, unter denen auch obige Flechte sich befindet, untersucht und speciell an Lecidella enteroleuca beschrieben hat, deutet dies wenigstens durch die Bemer- kung an, dass „die Hyphenenden der Marginalzone theilweise zwi- schen die äusseren Peridermlagen sich eindrängen.“ Schwende- ner?) bemerkt bei Gelegenheit des Nachweises, dass der sogenannte Protothallus vieler Krustenflechten nur die Randzone des Thallus ist, in welcher durch Differenzirung in die einzelnen Schichten der eigentliche Thallus oder die Thallusareolen entstehen, dass er bei Callopisma cerinum aus isolirten oder zu lockeren Büscheln verei- nigten Fasern besteht, „welche zwischen und unter den Zellen der Rinde, worauf die Flechte wächst, schlängelnd verlaufen“ .... „Manche derselben, welche irgendwo unter die oberflächliche Zell- schicht eingedrungen sind, wuchern unterhalb derselben fort, andere scheinen in ihrem Verlaufe sich nach den kleinen Vertiefungen und Spalten zu richten, welche auf der Aussenfläche der Rinde sich vor- finden.“ In geringer Entfernung von den peripherischen Enden der Faserbüschel seien die ersten grünen Zellen, zum Theil noch ver- einzelt, entweder noch ungetheilt oder bereits in Theilung begriffen zu bemerken; andere bilden kleine Gruppen, welche von Faserästen locker umflochten sind; dann folgen grössere, soredienähnliche, deut- lich berindete Nester, welche zu den Thallusschüppchen sich ent- wickeln. Wie die ersten Gonidien eigentlich in der Randzone ent- stehen und wie sie dahin gelangen, giebt Schwendener nirgends an. Der vollkommen hypophlöodische Jugendzustand unserer Flechte stellt sich am schönsten dar und erhält sich am längsten an solchen Bäumen, deren äussere Peridermlagen sehr dauerhaft sind und nicht leicht zerreissen, daher vor allen an der Eiche. Hier entsteht die Flechte meist schon an noch ganz glattrindigen Stämmen junger Bäumchen und der Thallus wächst dann oft auf ziemlich weite Strecken ganz innerhalb des Periderms, welches an diesen Stellen eine weissliche und wo Gonidien reichlicher angehäuft sind, rein hellgrüne Farbe zeigt und durch den Glanz schon dem unbewaffne- ten Auge seine vollkommene Erhaltung und Unverletztheit verräth. Wo der Thallus nur in dieser übrigens stets sterilen Form ange- troffen wird, kann man im Zweifel sein, was für eine Flechte man vor sich hat; am allerwenigsten denkt man an die im entwickelten 1) I. c. pag. 252. 2) Flora 18566. pag. 410—411. 173 Zustande ganz anders erscheinende Zecanora pallida. Dass die Bildung in der That zu dieser Flechte gehört, geht unzweifelhaft aus den Uebergangsstadien hervor, die man unter geeigneten Umständen in reichlichster Menge beobachtet. Geschützter, schattiger Standort im Unterholz scheint die längere Dauer des hypophlöodischen Lebens zu begünstigen, während im freien Stande die Flechte schneller an die Oberfläche hervortritt und ihre typische Form annimmt. An Bäumen mit dünnwandigeren und daher leichter zerstörbaren äusse- ren Korkzellen, z. B. an Eschen, ist der hypophlöodische Jugendzu- stand und eben dieses Verhalten des Randes des älteren Thallus viel rascher vorübergehend und minder deutlich. Eine lange an- dauernde Fortbildung des hypophlöodischen Zustandes habe ich über- haupt nur an der Eiche beobachtet, wo derselbe manchmal weite Strecken an den Stämmchen einnimmt. Auch dieser hypophlöodische Thallus hat seinen Ort innerhalb der äusseren Korkschicht des Periderms. Wenn man durch tangen- tiale Schnitte abgetragene Lamellen des letzteren von der äusseren Fläche betrachtet, so bemerkt man unter einer in der Regel wohl- erhaltenen und zusammenhängenden Haut von Periderm, welche, wie besonders aus Querschnitten ersichtlich, 2 bis 4 Zellenlagen dick ist, das grüne Gonidienlager der Flechte ausgebreitet. Vorläufig sei bemerkt, dass die Gonidien hier isolirte, sphärische, mit reinem Chlorophyll versehene Zellen von dem gewöhnlichen Pamellaceen- typus sind, wie sie in den meisten heteromeren Flechten und auch in der typischen Zecanora pallida vorkommen. Zusammen mit den Gonidien bemerkt man auch die Hyphen der Flechte: auch diese gleichen denen des vollkommenen Zustandes; sie sind weit stärker als diejenigen der bisher betrachteten hypophlöodischen Flechten und darum viel leichter und deutlicher im Periderm zu erkennen, ungefähr 1,6 Mikrom. diek, spärlich gegliedert, gleichdick und geschlängelt, stets hyalin, und durch diese Merkmale unschwer von den hin und wieder und zwar mehr oberflächlich vorkommenden mehrfach erwähnten Dematium-Bildungen zu unterscheiden. Am Rande fehlen in einer ziemlich breiten Zone die Gonidien, der Thal- lus besteht dort lediglich aus Hyphen und soweit als diese reichen, hat auch das Periderm weissliches Aussehen, welches offenbar von der weissen Farbe der Hyphen herrührt. Am äussersten Rande verlaufen die Fäden einzelner, zwar regellos geschlängelt, vor- wiegend aber doch in radialer, centrifugaler Richtung. Weiter rückwärts wird ihre Zahl rasch grösser; sie liegen hier eng bei- einander, meist sich unnmittelbar berührend, theils parallel neben, 1 7 theils sich kreuzend übereinander hinwegwachsend, eine vielfädige, aber doch nicht eigentlich verfilzte Fadenmasse bildend, in welcher trotz vieler Schlängelungen und Kreuzungen doch noch eine vorwie- gend radiale Richtung nicht zu verkennen ist. Der Verlauf ist auch hier von der zelligen Architektonik des Periderms völlig unabhän- gig. Querschnitte zeigen die Hyphen sowohl reichlichst in den Hohlräumen, als auch in verschiedenen Richtungen die Membranen der in ihrer Struktur jetzt noch wohl erhaltenen Korkzellen durch- dringend; und zwar sind sie in allen Zellenlagen der äusseren Kork- schicht zu bemerken. An den einzelnen Punkten des Umfanges wächst die Randzone meist ungleich schnell; der Umriss des Thallus wird dadurch unregelmässig, manchmal der ganze Thallus buchtig oder ganz unregelmässig gestaltet. Durch alle diese Eigenthümlich- keiten erweist sich die Randzone als das, was man an vielen ande- ren Krustenflechten Protothallus nennt. Die Gonidien sieht man im hypophlöodischen Thallus im Allge- meinen in einer einfachen Lage in derselben Region wie die Hyphen liegen, bald eins dicht am anderen, häufiger stellenweise eine Anzahl gehäuft beisammen und durch kleine Zwischenräume von benachbarten ähnlichen Gruppen getrennt. In dem Maasse als die Randzone weiter rückt, breitet sich offenbar auch das Gonidienlager ebenfalls hypophlöodisch weiter aus, d. h. es erscheinen auch an den Stellen Gonidien, die vorher nur von der Randzone eingenom- men waren. Der Umstand, dass die Gonidien hier einfache sphärische Zellen darstellen, die nur durch Theilung an dem Orte, wo sie liegen, sich vermehren, dass sie nicht wie Chroolepus mittelst Spitzenwachsthums sich verlängernde durch feste Membranen sich bohrende und von Zelle zu Zelle im Kork weiter wachsende Fäden sind, lässt Angesichts des bei den Graphideen ermittelten Vorgan- ges hier um so mehr an eine Kolonisirung des Thallus durch von Aussen an Ort und Stelle einschlüpfende Gonidien denken. Allein auch dem steht die Unmöglichkeit entgegen, dass eine sphärische Zelle, die nicht zu einem Schlauche sich verlängern kann, als solche durch die festen darüberliegenden Zellmembranen hindurch geht; und selbst wenn es sich um nackte Zellen (Schwärmsporen) handelte, würde die Sache wenig von ihrer Schwierigkeit verlieren. - Mehr aber als durch diese aprioristischen Bedenken verbietet sich eine solche Annahme durch die Thatsache, dass, wie das besonders an sonst reinen Rindestellen evident ist, auch an dem sich fortbilden- den Rande des Gonidienlagers die grünen Zellen sämmtlich in der- selben Region wie die älteren, mehrere Zellenlagen tief unter der 175 Oberfläche des unverletzten Periderms liegen, keine so wie bei den Gra- phideen in geringeren Tiefen und noch an der Oberfläche angetroffen wird, was nicht der Fall sein könnte, wenn die zahlreichen einzeln lie- genden Gonidien und Gonidiengruppen in der Nähe des Randes von einer Einwanderung ebensovieler Individuen von aussen abzuleiten ‚wären. Unter diesen Umständen drängt sich fast die Vermuthung auf, dass die Hyphen der Flechte, welche allerwärts hindringen, an Ort und Stelle die Gonidien durch Abschnürung erzeugen. Leicht könn- ten dazu auch gewisse Aehnlichkeiten zwischen jungen Gonidien und Hyphenstücken verleiten, worüber unten einige Bemerkungen folgen. Trotzdem ist diese Annahme zurückzuweisen; es lässt sich vielmehr zeigen, dass hier die Gonidien durch Theilung von einander abstam- men und die Tochterzellen wirklich innerhalb des Thallus und des Periderms auf eigenthümliche Weise weiter fortbewegt werden. Wie das letzter& geschieht, wird aus dem Folgenden ersichtlich werden. Ueberall, wo die Randzone in den mit Gonidien versehenen Theil des Thallus übergeht, werden die Hyphen bedeutend zahlreicher, ihr Verlauf zugleich viel verschlungener; sie sind zu einer Masse verfilzt, in welcher der Verlauf der einzelnen Hyphe nicht mehr ver- folgt werden kann, und in welcher die Gonidien nisten. Das damit zusammenhängende Dickerwerden des Thallus bewirkt, dass die Lage von Korkzellen, in welcher diese Entwickelung stattfindet und welche immer eine der tieferen der von der Flechte eingenommenen ist, ausgeweitet wird, dergestalt, dass soweit das Gonidienlager reicht, ein Zwischenraum im Periderm gebildet und vom Thallus ausgefüllt wird, die darüber befindlichen äusseren Korklagen aber als eine un- versehrte, zusammenhängende Haut darüber ausgespannt bleiben. Es wird nun begreiflich, wie der Thallus, indem stetig die an das Gonidienlager angrenzenden Hyphen der Randzone die eben beschrie- bene Vermehrung und Verflechtung erleiden, in centrifugaler Rich- tung die Korklagen auseinanderdrängt, welche im Bereiche der Rand- zone noch mit einander im Verbande stehen. Dass und wie nun die durch Theilung vermehrten Gonidien auseinander und in jener nämlichen Richtung wirklich fortgeschoben werden, wird anschau- lich, wenn man an einem tangentialen Schnitte durch die Rand- zone das Bild studirt, welches sich in der Anordnung und Beschaffen- heit der am Saume des Gonidienlagers liegenden grünen Zellen dar- bietet. Nur solche Präparate sind hierzu tauglich, welche die Re- gion, in der das Gonidienlager sitzt, vollständig enthalten. Am sichersten controlirt man, dass der Schnitt nicht durch diese Region selbst gegangen und man vielleicht einige Gonidien auf der geschälten 176 Rindestelle zurückgelassen hat, wenn man den Schnitt verkehrt legt. Sieht man an der dann nach oben gekehrten Innenseite das Goni- dienlager von einer zusammenhängenden gonidienlosen Korklage bedeckt, so beweist dies, dass der Schnitt unterhalb der Region des- selben gegangen ist. Ein solches Präparat ist in der eben bezeich- neten Lage in Fig. 13 dargestellt. In der Linie i setzte sich das Gonidienlager in die älteren Partien fort, der Saum desselben liegt hier vor uns in allen grünen Zellen copirt, welche auf diesem Areale vorhanden sind. Die mit a', a”, a® bezeichneten Gonidien- gruppen sind die äussersten. Es ist nicht zweifelhaft, dass die ein- zelnen Zellen jeder dieser Gruppen aus einer ursprünglichen Mutter- zelle abstammen. Wir sehen auch in jeder Gruppe eine Tetrade von Gonidien, aus deren kreuzweiser Stellung die letzte kürzlich vollzogene gewöhnliche tetraedrische Theilung noch zu erkennen ist. In a! hängen die Tochterzellen der Tetrade noch zusammen, in a? und a? aber sind sie durch das sie umgebende Gewirr von Hyphen, welches auch zwischen dieselben sich eingeschoben hat und hier allmählich erstarkt, mehr oder weniger auseinandergedrängt worden. Bei der Gruppe a” ist dies bereits so weit fortgeschritten, dass die vier Zellen der Tetrade um soviel sich von einander entfernt haben, wie die drei noch nicht getheilten Schwesterzellen der Tetrade unter sich und von den letzteren. Denken wir uns also die ursprüngliche Mutterzelle, aus welcher die ganze Gruppe hervorgegangen ist, an der Stelle gelegen, wo jetzt noch das dem Centrum des Thallus nächste Gonidium sich befindet, so würde die von ihr abstammende Gonidienbrut auf diese Weise nahezu um die Breite zweier Kork- zellen sich in centrifugaler Richtung verbreitet haben. Auf gleiche Weise sind natürlich auch die Mutterzellen, aus welchen die drei in Rede stehenden Gonidiengruppen hervorgegangen sind, von ihren rückwärts liegenden Schwesterzellen, aus denen inzwischen auch Gonidiengruppen geworden sind, durch die Entwickelung des Hyphen- geflechtes zwischen ihnen bis an ihre jetzige Stelle geschoben wor- den. Da nun, wie oben erwähnt, das die Gonidien einschliessende Hyphengeflecht, indem es gegen den Rand hin weiter wächst, die Kork- lagen auseinander treibt, so drückt es auch gleichzeitig die an sei- nem äussersten Saume befindlichen grünen Kugeln in der gleichen Richtung vorwärts. Die Gonidien verhalten sich also hier ganz pas- siv; die Hyphen sind es, welche die Verbreitung derselben im Thal- lus besorgen, deren sie jeglichen Längenwachsthums baar in dem festen Korkgewebe unmöglich selbst fähig sein würden. Die Gonidien sind sphärische Zellen mit homogener, ziemlich 177 dünner, äber deutlich doppelt contourirter, farbloser Membran und durch Chlorophyll gleichmässig grün gefärbtem Protoplasma. In älteren Theilen des hypophlöodischen Thallus schwankt ihr Durch- messer zwischen 5 und !5 Mikrom. Die Vermehrung geschieht durch Theilung und beginnt an der noch vollkommenen sphärischen Zelle mit einer simultanen Zertheilung des Inhaltes in 3, 4 oder eine grössere Anzahl einander nahezu gleicher Portionen. Die tetrae- drische Theilung in 4 Tochterzellen ist besonders häufig, seltener ist die Theilung in 3 Zellen; nicht selten aber kommen Theilungen in eine grössere Anzahl vor. Fig. 14 stellt verschiedene Formen dieses Vorganges dar. Nach geschehener Theilung wächst die Tochterzelle um ein Gewisses bevor sie sich abermals theilt. Allein es besteht durchaus keine bestimmte Grösse, bei welcher die Zelle wie- der theilungsfähig wird: man sieht sowohl verhältnissmässig kleine Zellen bereits in Theilung begriffen, als auch die maximalen Grös- sen, welche in der Regel in Theilung begriffen getroffen werden, mitunter noch ohne jede Andeutung einer solchen (vergl. Figur); doch kommen Theilungen in eine ‚grosse Anzahl Tochterzellen nur an grösseren Gonidien vor. Im Allgemeinen ist die Vermehrung am lebhaftesten am Rande des Gonidienlagers, daher dort die rela- tiv kleineren Zellen vorkommen von 4,2 bis 8,4 Mikrom. Durchmesser, während die eben erwähnten oft theilungslosen Maximalformen ge- wöhnlich im Centrum des Thallus gefunden werden. Die Grösse der Gonidien hängt also ab erstens von dem Grössenzustande, in welchem die Mutterzelle sich theilt, und zweitens von der Anzahl der Tochterzellen, in welche sie zerfällt. Die kleinsten Gonidien resultiren aus der Theilung in zahlreiche Tochterzellen; und diese sind an Durchmesser diekeren Hyphenstellen, wie sie sich besonders in dem Geflecht finden, in welchem die Gonidien nisten, ziemlich gleich. Trotzdem lassen sie sich von solchen ohne Schwierigkeit unterscheiden, sobald sie grün gefärbt sind. Stellenweise kommen aber in dem Gonidienlager auch farblose Gonidien vor. Diese glei- chen den normalen hinsichtlich ihrer Grösse, Gestalt, ihrer Theilungs- formen, ihrer Membran und ihres ziemlich dichten und stark licht- brechenden Protoplasmas ganz und gar, nur der Mangel der Färbung unterscheidet sie. Sie machen nicht den Eindruck abgestorbener Zellen, da dies mit ihrem reichen Zelleninhalte und ihren Theilungs- zuständen nicht vereinbar erscheinen würde. Sie sind nicht noth- wendig in jedem Thallus vorhanden, und wo sie angetroffen wer- den, ist ihr Vorkommen ohne jede Regel: sie treten auf sowohl im Centrum als auch stellenweise am Rande des Gonidienlagers, sowohl 178 einzelner und zerstreut unter den grünen, als auch in kleinen zusam- menhängenden Arealen für sich allein. Die kleineren dieser farb- losen Gonidien sehen allerdings innerhalb des Hyphengewirres dicke- ren Hyphengliedern sehr ähnlich und könnten mit solchen verwech- selt werden, wenn man ihre wahre Beziehung nicht kennte. Zur Annahme einer Entstehung der Gonidien aus den Hyphen können sie schon desshalb nicht verleiten, weil die chlorophylllose Gonidien- form kein nothwendiger Zustand in der Entwickelung der Gonidien ist, denn sonst müsste man ihr überall am Saume des Gonidienlagers, wo thatsächlich stetige Neubildung der grünen Zellen stattfindet, begegnen, was durchaus nicht der Fall ist. Zwar treten Palmellaceen im freilebenden Zustande immer nur grün auf, doch hat das Vor- kommen chlorophylloser Formen in Gesellschaft grüner nichts Be- fremdendes; unter den Confervaceen, Rivulariaceen und auch unter den höheren Algen ist das Vorkommen farbloser Zellen ausser den chlorophylihaltigen weitverbreitet; aber selbst die Palmellaceen bieten für das Letztere Beispiele (Mischococcus, Cosmocladium). Die Erschei- nung erinnert an das analoge Verhalten, welches wir bei ÜUhroo- /epus im hypophlöodischen Graphideenthallus kennen gelernt haben. Die fortdauernde Vermehrung des Hyphengeflechtes und der Gonidien hat früher oder später ein Zerreissen der bis dahin unver- sehrten Peridermdecke zur Folge. An Bäumen mit leicht zerstör- barer äusserer Korkschicht genügt dazu schon die Verflechtung der Hyphen um die ersten Gonidien, so dass hier wenig mehr als die Randzone bypophlöodisch ist. Bei der Eiche ist dazu eine stärkere Verdieckung des Thallus erforderlich. An freien Standorten aber, wo die Erstarkung des Thallus und die Fructification rasch eintritt, ist mitunter auch hier schon am Saume des Gonidienlagers die Ent- wickelung des Hyphengeflechtes so lebhaft, dass das darüberliegende Periderm weicht; in anderen Fällen beginnt erst weiter rückwärts vom Saume des Gonidienlagers das Epiphlöodischwerden, und an Orten, wo die Bedingungen der Fructification fehlen, bleibt das hypophlöodische Verweilen auf die Dauer. Tritt jenes zweite Sta- dium ein, so weicht die abgehobene Peridermschicht an verschiede- nen Punkten auseinander, die einzelnen Korkzellen oder Hautfetzen werden abgestossen, einige bleiben auch in die Thallusmasse ver- flochten an deren Oberfläche haften. Damit ist zugleich eine Differen- zirung des Thallus in Schichten verbunden, er wird heteromer. Indem an der freien Seite das Hyphengeflecht oberhalb der Gonidien zu einer gonidienlosen, dichteren, keine Luft in den Interstitien ent- haitenden, nach aussen hin bisweilen etwas bräunlichen Schicht sich 179 entwiekelt, entsteht eine Rinde. Der darunter befindliche aus locke- rer verflochtenen Hyphen bestehende und die Gonidien enthaltende grössere Theil des Thallus bildet die Gonidienschicht. Die grünen Zellen sind darin beträchtlich vermehrt, sie liegen jetzt auch nach allen Richtungen gehäuft neben- und übereinander. Endlich sind auch von der unteren Fläche des Gonidienlagers viele Hyphen in die zunächst darunter liegenden Lagen des Periderms eingedrungen, was während des hypophlöodischen Zustandes nicht zu bemerken ist. Dieselben können als Rhizinen betrachtet werden und vermitteln offenbar die feste Anheftung und Ernährung der nun frei geworde- nen Kruste. In diesem Thallus entstehen nun rasch die Apothecien. Da der Thallus unserer Flechte hypophlöodisch beginnt, so ent- steht die Frage, wie derselbe, insbesondere wie die ersten Gonidien ins Innere des Periderms gelangen. Ich habe die kleinsten durch weissliche Farbe kenntlichen punktförmigen Anfänge von Thalli auf Eichenperiderm aufgesucht, die sich leicht mittelst eines einzi- gen kleinen Tangentialschnittes in ihrer Totalität abtragen lassen, und hier Erscheinungen beobachtet, welche mir eine genügende Beantwortung dieser Frage gestatten. Allerdings ist, so kleine Anfänge man auch getroffen haben mag, auch hier schon der Thal- lus hypophlöodisch: nach allen radialen Richtungen laufen die Fasern des Protothallus aus und im Centrum bemerkt man bereits eine Anzahl von Gonidien oder Gonidiengruppen, gleichfalls von Periderm überzogen. Aber in der Regel überzeugt man sich leicht, dass die bedeckende Peridermhaut an einer Seite abgelöst und durch die darunter befindliche Hyphenmasse etwas über das Niveau des benach- barten Periderms erhoben ist, so dass der Wundrand etwas frei liegt und einen wenn auch sehr niedrigen Zugang bietet zu dem Raume, in welchen sich die Flechte eingenistet hat und aus welchem wohl auch ihre Bestandtheile ein wenig hervorragen. Manchmal ist es eine verhältnissmässig lange Kluft oder eine durch das Fehlen einer oder einiger Korkzellen bedingte Lücke, bisweilen nur ein kurzer minder leicht aufzufindender Riss; aber eine Öeffnung ist so allgemein vorhanden, dass ihre Anwesenheit gerade über diesen Anfangszuständen des Thallus nicht bedeutungslos sein kann, wäh- rend das Periderm über denjenigen Theilen des weit ausgebreiteten Thallus, welche durch hypophlöodische Fortbildung aus einem Anfangszustande hervorgegangen sind, so gleichmässig in seiner Continuität erhalten ist. Unzweifelhaft bezeichnen diese Oeffnungen die Eintrittsstelle der ersten Elemente der Flechte. Wahrscheinlich sind dieselben schon vor der Einwanderung als kleine Risse vor- 180 handen, wie sich dergleichen überhaupt stellenweise auf dem Periderm bemerken lassen; es ist aber nicht zu bezweifeln, dass sie durch die Flechte ausgeweitet und deutlicher werden. Algenzellen, die den Gonidien dieser Flechte gleich sind, finden sich da, wo solche Thalli im Entstehen begriffen sind, nicht selten auf der Oberfläche des Periderms, und sie zeigen eine Neigung in geschützten Stellen 'der- selben, in Ritzen und besonders unterhalb sich ablösender Plättchen von Periderm sich anzusetzen, so dass man einzelne solcher Zellen oder kleine Gruppen derselben nicht selten schon theilweise von Periderm bedeckt sieht, wo von der Flechte noch gar nichts vor- handen ist. Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass wo die Hyphen der Flechte die für sie geeigneten grünen Zellen antreffen, und sie werden diese ungemein verbreiteten Wesen kaum irgendwo vergebens suchen, sie sich stärker entwickeln und festen Fuss fas- sen, indem sie sowohl parallel der Oberfläche als auch in tiefere Korklagen eindringen und die von ihnen umstrickte Brut der sich vermehrenden Gonidien in der oben geschilderten Weise in eben diesen Richtungen im Periderm verbreiten. Einmal in letzteres eingedrungen verbreitet sich die Flechte in demselben ohne die sie bedeckende Korkschicht zu verletzen; am umfangreicher geworde- nen Thallus wird man daher nur zufällig die Lücke antreffen, durch welche die Flechte eingedrungen ist. Variolaria communis Ach. Unter diesem Namen verstehe ich eine in den Wäldern der hie- sigen Gegend, besonders an älteren Hainbuchen, sehr häufige, in die- ser Form ausnahmslos sterile Flechte, deren meist ziemlich kreis- runder, häufig lederartiger, zusammenhängender, grüner Thallus der freien Oberfläche der Stämme allenthalben fest aufgewachsen ist und am Rande eine weisse, diünnere, aber ebenfalls zusammenhän- gende Marginalzone bildet, welche in radialer Richtung, dem Sub- strate innig angeschmiegt, allen Erhöhungen und Vertiefungen des- selben folgend fortwächst. Nicht selten zerfällt die Kruste mehr oder weniger in weisse Soredienmassen; bisweilen aber bildet sie sich ungestört, mitunter ohne jegliche Soredienentwicklung lange Zeit fort und erreicht so oft mehr als Handgrösse. Sie wurde frü- her als Variolaria communis var. orbieulata Ach. bezeichnet und wird jetzt für einen Zustand der Pertusaria communis DC. erklärt. Ich lasse es dahin gestellt, ob die Unterschiede nur auf eine grössere Ueppigkeit der Thallusbildung bei Variolaria, welche die Ursache der Unfruchtbarkeit sein könnte, zurückzuführen sind. 181 Ein Querschnitt durch den mittleren entwickelten Theil des Thallus zeigt Rinde-, Gonidien- und Markschicht. Die Hyphen sind gleichdicke, stellenweise septirte, hyaline Fäden. Die Rindeschicht besteht aus einer relativ dieken Lage dicht an einander liegender, paralleler, sämmtlich in der Richtung der Oberfläche radial verlau- fender Hyphen. In der Markschicht haben die Fäden im Allgemei- nen den gleichen Verlauf, sind aber weniger dicht gestellt und las- sen lufthaltige Interstitien zwischen sich, welche die weisse Farbe dieses Theiles bedingen. Die Gonidienschicht bildet eine zusam- menhängende oder mehr in einzelne Nester gesonderte Zone, in welcher die Hyphen regellos verworren Gonidien und Gonidiengrup- pen umgeben und zwischen deren Zellen sich eindrängen. Die Gonidien sind auch hier sphärische Zellen von verschiedenen Grössen, mit mässig dieker Membran, gleichmässig grün gefärbtem Protoplasma und meist excentrisch liegendem Zellenkern. Im vollkommen ent- wiekelten Theile des Thallus finden sie sich von allen Grössen, zwischen 8,4 und 16,8 Mikrom. Durchmesser schwankend; besonders sind hier die maximalen Formen vorherrschend. Theilungszustände findet man verhältnissmässig wenige, was dafür spricht, dass hier die Theilung ziemlich rasch erfolgt und die Tochterzellen sich schnell wieder abrunden. Doch gelingt es durch Zerfasern und Zerdrücken in Kali, wobei sich die Gonidien in Menge isoliren, Theilungszustände auf- zufinden, die an grösseren und kleineren Zellen auftreten und im Allgemeinen dieselben Verschiedenheiten zeigen, die wir bei Lecanora pallida angetroffen haben; aber auch hier scheint die tetraedrische Theilung in je vier Tochterzellen der häufigere Fall zu sein. Die Befestigung des Thallus geschieht durch die untersten Markhyphen, welche alle Prominenzen der Rindenoberfläche umfassen, in alle Vertiefungen derselben sich einfüttern und zugleich alle frem- den Körper, welche sich darauf befanden, insbesondere die Leichen der allverbreiteten Rindebewohner, welche vormals dort vegetirten, einschliessen. Die Randzone ist ebenfalls vollständig epiphlöodisch. Sie be- steht lediglich aus Hyphen, welche auf dem radialen Durchschnitte gerade und parallel laufen und vom äussersten Saume an nach rück- wärts meist rasch an Zahl zunehmen, indem von hinten her immer neue zwischen die vorhandenen sich einschieben, so dass der Thallus entsprechend dicker wird. Von der Fläche aus betrachtet zeigt die Randzone ihre Hyphen zwar mehr oder weniger in sanften Bogen geschlängelt, doch sämmtlich radiale Richtung einhaltend. Am Saume sind sie ungleich lang, so dass einige am weitesten vor 182 anderen voraus sind; es macht daher auch hier den Eindruck, dass die Hyphen unabhängig von einander wachsen. Die Gonidien beginnen hinter der Marginalzone dort, wo die weissliche Farbe der letzteren in das Graugrün des Thallus über- geht. Zugleich mit ihnen tritt aber auch eine Veränderung im Hyphen- gewebe ein; denn ausnahmslos sieht man in derselben mittleren Region, in welcher die Gonidien liegen, die Hyphen einen regellos verworrenen Verlauf annehmen. Dieses Fadengewirr reicht nicht über die äussersten Vorposten der Gonidien hinaus, aber auch stets bis zu diesen. Rückwärts setzt es sich als continuirliche Lage durch den ganzen Thallus fort, indem zugleich die Gonidien in ihm an Zahl rasch zunehmen. Wir haben dann die vollkommene Goni- dienschicht vor uns. Durch das Auftreten derselben wird die Mar- ginalzone zugleich in die Rinde- und Markschicht differenzirt: in beiden bleibt, wie oben schon angedeutet wurde, die Beschaffenheit und der Verlauf der Hyphen unverändert. Die hinter der Randzone beginnenden ersten Gonidien liegen meist ziemlich vereinzelt und von einander entfernt und sie sind sämmtlich auffallend kleine Formen von 6 bis 7,3 Mikrom. Durch- messer; mittelgrosse und die grössten Gonidien fehlen hier durch- aus. An ebenen Stellen gelingt es leicht, durch einen Tangential- schnitt eine hinreichend grosse Partie des Randes des Gonidienla- gers im Zusammenhange zu gewinnen, auf welcher die Vertheilung der ersten Gonidien überblickt werden kann, welche nach Entfernung der Luft durch Alkohol und Zusatz verdünnter Kalilauge sehr deut- lich werden. Das Bild, welches sich dann darbietet, bringt uns zu der Ueberzeugung, dass auch hier die Tochterzellen der Gonidien durch das Filzgewebe auseinander gedrängt und weiter im Thallus verbreitet werden. Das ganze Gonidienlager ist umsäumt von einem ganz unregelmässigen Gürtel solcher vorgetriebener Vorposten von Gonidien, welche an den neuen Punkten, die sie gewonnen haben, nach einiger Zeit sich wieder vermehren und deren Brut dann zum Theil wieder dasselbe Schicksal erleidet. Diejenigen, welche dann nicht mehr die äussersten sind, vermehren sich weiter, häufen sich aber, da sie nicht mehr merklich von einander getrieben werden, zu klei- nen Nestern an, die immer grösser werden und mit benachbarten in Berührung kommen, so dass die Gonidienschicht immer mehr von grünen Zellen, die nun auch an Grösse zunehmen, erfüllt wird. Besser als Worte vermag die unmittelbare Anschauung das eben Gesagte zu verdeutlichen, weshalb auf die Abbildung einer Partie aus dem Rande der Gonidienschicht in Fig. 15 verwiesen sein mag. Bei 183 der Fortbridung des Filzgewebes in centrifugaler Richtung mögen zwar Hyphen der Randzone, indem sie einen stark geschlängelten Verlauf annehmen, mit betheiligt sein; der Hauptsache nach kommt dies aber ohnstreitig auf Rechnung der eigenen Fortbildung dieses Gewebes, welches durch fortwährende Ausdehnung an seinem Rande in die parallelfaserige Randzone sich hineinschiebt und dabei immer eine Anzahl Gonidien vor sich her treibt. Denn stets sehen wir, dass die äussersten Vorposten der letzteren unmittelbar hinter sich Filzgewebe, vor sich nur die parallelen Fasern der Marginal- zone haben; und stellenweise ragt eine besonders fortgeschrittene Partie jenes Gewebes mit einem Gonidium an seiner Spitze in die Randzone hinaus. So sehen wir auch hier wieder die Gonidien passiv sich verhalten und den Hyphen des Thallus die Aufgabe beschieden, sich selbst die Gonidien im Thallus zu vertheilen. Bis- weilen helfen sich die Hyphen hierbei auch dadurch, dass eine mit ihrer Spitze von hinten her an das Gonidium anwächst und indem sie sich verlängert, dasselbe ein Stück weit in die Randzone hinans- schiebt, was die parallelfaserige Struktur derselben und die geringe Grösse, die an dieser Stelle alle Gonidien haben, ohne Schwierigkeit gestatten. So kommt das auch anderwärts so oft gesehene Ange- wachsensein eines Gonidiums an der Spitze einer Hyphe zu Stande, und es hat dasselbe also ausser etwaigen Ernährungszwecken auch die hier ausgesprochene Bedeutung. Fig. 16 stellt einen solchen Fall vor. Es ist dabei bedeutungsvoll, dass das Gonidium stets an der dem Rande des Thallus zugekehrten Spitze einer Hyphe sitzt. Im Filzgewebe, besonders um und zwischen beisammenliegenden Gonidien, zeigen die Hyphen sehr häufig eigenthümliche unregel- mässige Anschwellungen, deren Unpregelmässigkeit durch die vie- len Krümmungen, welche die Hyphen machen, noch erhöht wird (Fig. 17). Dieselben sind bald rundlich, so dass der Faden fast torulös erscheint, bald länglich, eine grössere Strecke des Faden sein- nehmend. Diese Anschwellungen haben ungefähr den gleichen Durch- messer, wie die kleineren Gonidien. In den Knäueln, welche diese Fäden mit ihren Anschwellungen bilden, sind die Gonidien in allen Grössen eingeschlossen und daselbst mit jenen ebenso innig in Be- rührung wie die letzteren unter sich (vgl. Fig. 17). Diese Erschei- nung verleitet im höchsten Grade dazu, die Gonidien für ebensolche grün gewordene Glieder der Hyphen zu halten und hat mir früher auch diese Täuschung verursacht, zumal da das Grün mitunter wenig intensiv ist. Ich erkenne aber, dass dies lediglich durch die gerade in diesem speciellen Falle äusserliche Aehnlichkeit der 186 Die beiden Typen, die uns hier begegnen, mögen bei manchen Krustenflechten nieht scharf geschieden sein, dennoch treten sie viel- fach so rein hervor, das ihre Unterscheidung geboten ist. Bei den heteromeren Strauch- und Laubflechten sehen wir in Folge des inter- calaren Wachsthumes des Thallus die Gonidienschicht im Zusammen- hange mit allen übrigen Schichten sich entsprechend vergrössern, was einfach durch Vermehrung der wonidien und der zwischen ihnen vorhandenen Hyphen bedingt wird. Bei den an jedem Punkte fest mit dem Substrate verwachsenen Krustenflechten ist dagegen ein intercalares Wachsthum des Thallus unmöglich; er vergrössert sich bekanntlich nur durch ein Marginalwachsthum, indem die äusser- sten Enden der Hyphen in centrifugaler Richtung auf oder in dem Substrate weiterwachsen, die Randzone oder den Protothallus bildend, während auf demselben erst durch Differenzirung die eigent- liche Thallusmasse, beziehendlich die Areolen des Thallus entstehen. Somit genügt hier nicht eine blosse Vermehrung der Gonidien und der sie umgebenden Hyphen, welche bei dem Mangel des inter- calaren Wachsthumes nur eine Anhäufung derselben an Ort und Stelle zur Folge haben könnte, sondern die Gonidien werden, wie im Vorhergehenden beschrieben wurde, durch die Hyphen strecken- weit auseinander und in die noch gonidienlose Randzone hineinge- trieben. Zeigt uns der erstgenannte Typus die Alge bei der mor- phologischen Bildung des Flechtenthallus aktiv, formbedingend, so tritt sie uns in dem dritten Typus in ihrer grössten Passivität ent- gegen, und hier sehen wir sie sogar, besonders deutlich bei Varzo- laria, in gewissem Grade den Bedürfnissen der Flechte sich anpas- sen, um ihr die Arbeit, die Gonidien im Thallus zu verbreiten, zu erleichtern, indem am äussersten Saume ihres Bezirkes die Gonidien nur in den geringsten Grössen auftreten und auch nur in diesen Grössen sich durch Theilung vermehren. Der zweite Eingangs unterschiedene Fall, bei welchem die Goni- dien in den Flechtenthallus einwandern, setzt die Präexistenz eines mehr oder weniger weit entwickelten gonidienlosen Thallus voraus. Wir haben hier zwei aufeinanderfolgende Stadien des Flechtenlebens zu unterscheiden: ein gonidienloses, rein aus Hyphen bestehendes und ein typisch lichenisches, aus Hyphen und Gonidien combinirtes. Augenblicklich ist dieses Verhältniss nur von gewissen hypophlöodi- schen Flechten mit C’hroolepus-Gonidien nachgewiesen. Ühroolepus ist eine der wenigen Gonidienformen, welche als Fadenalgen mit Spitzenwachsthum einem solchen Eindringen in den Flechtenthallus, wozu hier noch die Bewältigung der deekenden Peridermschichten 187 kommt, iiberhaupt fähig zu sein scheinen. Ob der Vorgang nur bei hypophlöodischen Flechten vorkommt, muss die Zukunft entschei- den. Dass die Sache aber nicht für alle hypophlöodischen Flechten, insbesondere nicht für solche mit anderen Gonidientypen, Geltung hat, erweist der hypophlöodische Zustand der Lecanora pallida, welche mit den ersten Gonidien, die von den Hyphen befallen werden, hypophlöodisch eindringt und darnach alle ihre weiteren Gonidien nur durch Vermehrung der ursprünglichen gewinnt. Die vorstehen- den Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die hierher gehörigen hypophlöodischen Graphideen (Arthonia vulgaris, Graphis scripta) im gonidienlosen Zustande innerhalb der äusseren Korkschicht des Periderms ein zusammenhängendes ziemlich dichtes Geflecht überaus dünner Hyphen bilden, welche die Zellen dieses Gewebes nach allen Richtungen regellos, gleichwie ein homogenes Substrat durchwuchern und gewisse Veränderungen im Aussehen des Periderms hervorbrin- gen, dass dieses Lager centrifugal sich ausbreitet und späterhin, wenn die Kolonisirung des Thallus mit Gonidien begonnen hat, die fortwachsende Randzone darstellt, dass erst durch die Einwanderung der Gonidien, welche eine reichlichere Entwickelung der Hyphen zur Folge hat, der Thallus seine typische Beschaffenheit, nicht bloss hinsichtlich der anatomischen Zusammensetzung, sondern auch hin- sichtlich des äusseren Ansehens annimmt, und dass es von den zufälligen Punkten, an welchen die Ansiedler in den gonidienlosen Thallus eindringen, von der Schnelligkeit oder Langsamkeit des Ein- dringens und der Lebhaftigkeit der Vermehrung und Ausbreitung der eingedrungenen Individuen abhängt, ob die zweite, vollkommene Form des Thallus auf der ersten regellos sporadisch oder mehr in eentrifugalem Fortschreiten auftritt. In den beiden Hauptfällen, die wir in erster Linie unterschieden haben, erscheinen auch die Algen und die Flechtenhyphen in ihrem Zusammenwirken zur Herstellung des lichenischen Doppellebens in jeweils ungleichen Rollen. In dem erstbezeichneten Falle sind die Flechtenhyphen der suchende, die Gonidien der erwartende, gesucht werdende Theil. Der Standort der auf diese Weise zu Stande kommen- den Flechte ist durch denjenigen der Alge bezeichnet. Hyphen die sich etwa allein an einem von der Alge gemiedenen Orte bilden, haben den Zweck ihres Daseins verfehlt. Im zweiten Falle sind die Rollen gewechselt: Die Hyphen entwickeln sich in einem goni- dienlosen Substrate, sie sind der gesucht werdende, die Algen der suchende, in den Hyphenkörper einwandernde Theil; der Standort der Flechte ist hier von dem des Hyphenkörpers bedingt, welcher Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band I. Heft II. 13 188 hier wieder nicht das Endziel seiner Entwiekelung erreichen kann, ohne Fruchtbildung wieder vergeht, wenn die betreffenden Algen ihn nicht finden. In beiden Fällen spricht sich hiernach deutlich die Nothwendig- keit der Verbindung beider Wesen aus, um den Höhepunkt der Entwickelung des Hyphenkörpers und seine Fruetifieation zu er- reichen. Aber doch sind innerhalb dieser Hauptbedingung die Ver- hältnisse in beiden Fällen wieder verschieden. Die Abhängigkeit der Hyphen von den Gonidien ist im ersten Falle eine äusserst strenge. Die Gonidien sind hier eine nothwendige Bedingung schon für die allererste Entwickelung des Thallus: Niemand hat je mit Sicherheit auch rur den kleinsten Anfang eines solehen Flechtenthallus ohne Gonidien gesehen. Die Nothwendigkeit der Beziehung liegt hier offenbar in Ernährungsverhältnissen: die Hyphen können gewisse zu ihrer Ernährung erforderliche Stoffe nur von den Gonidien em- pfangen, und hier sind wir berechtigt, an der gegenwärtig für die Lichenen überhaupt geläufig gewordenen Vorstellung festzuhalten, wonach der von den Hyphen gebildete Bestandtheil, ein Pilz aus der Abtheilung der Ascomyceten, als echter Schmarotzer die die Gonidien vorstellenden Algen befällt. Anders im zweiten Falle. Hier entwickeln sich die Hyphen bereits zu einem Thallus von oft ansehnlicher Ausdehnung, ehe noch ein Gonidium von der der Flechte eigenen Art in demselben vorhanden ist, an reinen Rindestellen sogar bei Abwesenheit jeglicher fremdartiger zufällig auf der Rinde leben- der grüner Algenzellen, so dass bei dem streng nur in den äusse- ren Theilen des Periderms wachsenden Thallus eine parasitische Er- nährung im Sinne des ersten Falles entschieden ausgeschlossen ist, vielmehr das noch gonidienlose Wesen hinsichtlich seiner Ernährung genau unter denselben Bedingungen sich befindet, wie jeder andere auf oder im Periderm höherer Pflanzen lebende Pilz. Seinem Wirth gegenüber kann es nicht wohl als Schmarotzer angesehen werden. Richtig ist zwar, dass die hypophlöodischen Flechten, um die es sich hier handelt, nur im Periderm lebender Theile vorkommen, allein dabei sind jedenfalls nur physikalische Zustände Ausschlag gebend, welche die Flechte nur in solchem Periderm findet. Denn sie dringt mit keinem ihrer Theile in die tieferen eigentlich leben- digen Gewebeschichten, ja sie wird an älteren Bäumen sogar in glatten Oberflächen von Borkenplatten gefunden, also in Theilen, die unzweifelhaft abgestorbenes Gewebe sind und wo die Hyphen sich nur ernähren können aus den Theilen der Korkzellmembranen, die sie, indem sie in denselben sich Bahn brechen, auflösen. Aber in einem Zweiten Lebensstadium ändert die Pflanze ihre Ernährungs- verhältnisse, oder vielmehr es machen sich für die in diesem Sta- dium zu erzeugenden Bildungen, d. i. für die Fructifieationsorgane, andere Nahrungsquellen nöthig, welche der Filz nur in den Gonidien findet. Es mag dies zusammenhängen mit dem ungleich höheren Bedarf an assimilirten Stoffen zur Bildung der Apotheeien mit ihren Asei und Sporen. Die Untersuchungen haben erwiesen, dass die Anlage der Apothecien immer erst dann erfolgt, wenn und auch ausnahmslos nur an solchen Stellen, wo die Gonidien in den Thallus eingewandert sind. Man könnte das Verhältniss vielleicht so aus- drücken,- dass der Pilz im ersten, vegetativen Stadium Saprophyt, im zweiten fructificirender Parasit ist. Von diesem Falle ist dann nur noch ein Schritt bis zu dem Ver- hältniss, wo der Thallus überhaupt gar nicht von Algen kolonisirt wird, wo die Flechte zeitlebens gonidienlos bleibt, auch ihre Frueti- fieation nur bei saprophyter Ernährung, ohne Betheiligung chlorophyll- haltiger Organe zu Stande kommt, wie wir dies bei Arthonia epipasta, A. punctiformis und bei den Verrucarieengattungen Artho- pyrenia und Verwandten gefunden haben. Somit giebt es für die drei bei den Lichenen überhaupt denkbaren Ernährungsverhältnisse auch wirklich eoncrete Fälle. Diese Betrachtungen führen uns zu der gegenwärtig viel diseutir- ten Flechtenfrage, die wir Eingangs berührt haben, und in der That liefern die vorliegenden Ergebnisse einiges Material, welches geeignet ist hierbei mit in die Wagschale gelegt zu werden. Gleich Th. Fries erklärt neuerdings Körber ausdrücklich den Besitz von Gonidien als das einzige Kriterium aller Flechten '), indem er die in ande- ren Flechten schmarotzenden sogen. Pseudolichenes jetzt zu den Ascomyceten vechnet. Das Gonidium ist ihm ein nothwendiges Organ, ein integrirender Bestandtheil des Flechtenkörpers; es kann wohl zeitweilig für sich allein ausserhalb des letzteren vegetiren, wird aber doch zuletzt wieder einmal von einem Individuum seiner speeifischen Flechte gefunden, und es stellt sich das alte Verhältniss wieder her. Für Körber ist das Gonidium das eigentlich liche- nische; ja er ist sogar so weit gegangen manchen Flechten eher die Hyphen abzusprechen, was sich jedoch als unrichtig erwie- sen hat ?). Die Sachlage ist vielmehr die umgekehrte: Die Hyphen sind der 1) Zur Abwehr ete. pag. 10. 2) Vergl. Winter, Flora 1875, No. 9. 13* 190 keiner Flechte fehlende Bestandtheil, wofür auch die vorliegenden Untersuchungen weitere Belege beigebracht haben; aber nicht alle Flechten besitzen Gonidien. Und diese letztere Thatsache nimmt meines Erachtens den Anti-Schwendenerianern auch den letzten Grund, den sie für ihre Ansicht vorgebracht haben. Nahe lagen die Grenzen der Ascomyceten und der Lichenen stets, aber so lange generische Unterschiede noch eine Trennung beider gestatteten und so lange die eigenthümlich lichenischen Typen, deren sämmtlichen Angehörigen man Gonidien zuschrieb, von den Ascomyceten ausge- schlossen blieben, mochte eben unter Voraussetzung des Gonidien- kriteriums die Sonderstellung eine gewisse Berechtigung haben. Gegenüber der Thatsache aber, dass der eigenthümliche Graphideen- typus sowohl mit als ohne Gonidien auftritt, dass innerhalb einer ihrer Fruchtbildung nach sehr natürlichen und scharfbegrenzten Gattung, Arthonia, sowohl gonidienführende als gonidienlose Arten vorkommen, zumal dass von Arthonia vulgaris und A. punctiformis, zwei Arten, die im Bau ihrer Apothecien, Asci und Sporen die grösste Uebereinstimmung zeigen, die eine mit Gonidien versehen, die andere gonidienios ist, dieser Thatsache gegenüber muss jeder Einwand dagegen verstummen, dass die Flechten und die Asco- myceten zusammen ein einziges, untrennbares systema- tisches Ganze im Pflanzenreiche bilden. Der Besitz oder der Mangel von Gonidien bei diesen Pilzen ist aber ein systematisch so untergeordnetes Moment, dass man sogar innerhalb einer und derselben Gattung Arten mit und ohne Gonidien findet. Und der bisher scheinbar so schroffe Unterschied des Vorhandenseins und des Fehlens von Gonidien in einem aus Hyphen bestehenden Thallophyt wird durch die Auffindung des bei den gonidienführenden Graphideen bestehenden Verhältnisses, dass der Thallus normaler Weise eine zeitlang ohne Gonidien sich entwickelt und erst in einer späteren Periode dieselben enthält, wesentlich gemildert. Wer nicht mit einer gewissen Voreingenommenheit an die Frage herantritt, vermag nicht einzuschen, wie von lichenologischer Seite mit einer Ereiferung dafür eingetreten werden kann, dass es durch- aus nicht so sein darf. Die Ascomyceten, welche sich gewisser Algen zu ihrer Ernährung bedienen, sind nach wie vor selbständige Species, deren systematische Behandlung die unveränderte Aufgabe der Lichenologie bleibt. Die hier dargelegten Verhältnisse sind auch für die Biologie der Pflanzen im Allgemeinen von Interesse. Man bezeichnet die Bezie- 191 P hung der Flechtenhyphen zu den Gonidien meist schlechthin als Parasitismus und drückt damit allerdings nichts thatsächlich unrich- tiges aus. Aber das Verhältniss ist doch etwas mehr als blosser Parasitismus in dem gewöhnlichen Sinne, denn wenn wir von den ganz oder Anfangs gonidienlosen Flechten absehen, so sind hier Schmarotzer und Wirth von Anfang an vereinigt zu einem gleich- sam einheitlichen neuen Organismus, den keiner der beiden Theile für sich allein zu bilden vermag, und wo beide Genossen sich in die Ernährungsarbeit theilen. Denn so sicher wie es ist, dass z. B. in den auf nacktem Gestein wachsenden Lichenen die Gonidien die kohlenstoffhaltigen ersten Assimilationsprodukte für die ganze Flechte herstellen, so wenig darf verkannt werden, dass die völlig im Flech- tenkörper eingeschlossenen sehr stark sich vermehrenden Gonidien alle ihre anderweiten Nährstoffe durch die Hyphen zugeführt erhal- ten müssen, ebenso wie es bei den neuerdings bekannt gewordenen parasitischen Algen in Organen und Geweben höherer Pflanzen, die unter ganz analogen Verhältnissen leben, der Fall ist. Körber mag daher ganz Recht haben, wenn er in der zwischen den Goni- dien und den sie umspinnenden Hyphen sich herstellenden organi- schen Vereinigung nicht sowohl eine Einrichtung zur Beraubung der Gonidien als zugleich zur Ernährung derselben erblickt. Daher ist die Erscheinung auch nicht völlig in Parallele zu stellen mit den durch manche Schmarotzerpilze und besonders durch gallenbildende thierische Parasiten an ihren Wirthen hervorgebrachten Hypertrophien, mit denen sie äusserlich das gemein hat, dass hier ebenfalls aus der Vereinigung zweier Organismen eine Bildung von durchaus neuer eigenthümlicher Form resultirt (Hexenbesen der Weisstanne, Zuphor- bia Oyparissias mit Aecidium Euphorbiae, Blüthen und Fruchtkno- ten von (apsella u. a. mit Uystopus candıdus, Taschen der Pflau- men, durch Insekten, Milben und Anguillulen erzeugte Gallen); denn hier liefert der Parasit zur Ernährung dieser neuen Gebilde keinen materiellen Beitrag. Ein biologisches Verhältniss aber, wo der Pa- rasit auch umgekehrt für die Ernährung seines Wirthes sorgt, er- heischt eine andere Bezeichnung als Parasitismus. Biologisch noch eigenthümlicher aber gestaltet sich das Verhältniss bei den hypophlöodi- schen gonidienführenden Graphideen, insofern hier — wenn man an der seit Schwendener geläufig gewordenen Vorstellung festhält — die Nährpflanze (Gonidien) sich selbst ihren Parasit (den Hyphen- körper der Flechte) aufsucht und in denselben eindringt, ein Ver- hältniss, dessen in der ganzen organischen Schöpfung Unerhörtes und Paradoxes in die Augen springen würde. Vielmehr stellt sich 192 offenbar dieses letztere Verhältniss den in höheren Pflanzen leben- den Algen unmittelbar an die Seite, so dass man, wie es hinsichtlich der letzteren ja allgemein geschieht, vielmehr umgekehrt die ein- dringende Alge den Schmarotzer, den Pflanzenkörper, der sie auf- nimmt, die Nährpflanze nennen könnte. Indem ich die Kenntniss der sogenannten parasitischen Algen, welche Reinke im Stamm von Gunnera und in den Wurzeln von Üycas, Janezewski im Laub von Anthoceros und Dlasia, Stras- burger in den Blatthöhlen von Azolla, Cohn in Lemna trisulca und in Polyides aufgefunden haben, hier voraussetze, will ich nur der Urtheile kurz gedenken, welche die betreiienden Schriftsteller über dieselben gefällt und wie sie dieselben mit den Gonidien der Flechte verglichen haben. Reinke') äusserte sich Anfangs über das Nostoc in Gunnera also: „Betrachten wir diese Bildung unter dem Gesichtspunkte der neueren, durch de Bary und Schwende- ner begründeten Theorie des Flechtenthallus, so verhalten sich die Gonidien von Gunnera genau umgekehrt, wie die der Flechten.‘ Später ?) bediente er sich für das Verhältniss bei den Lichenen, wo die zusammenlebenden Organismen sich wechselseitig ernähren, des von Grisebach’) vorgeschlagenen Namens Consortium; doch will er davon die Algen der Gunnera ausgeschlossen wissen, welche nach seiner Auffassung ausschliesslich auf Kosten dieser Pflanze leben und nicht einmal selbst assimiliren (?). Bei Janczewski*) finden wir dagegen hinsichtlich der Verhältnisse bei den Lebermoo- sen schon folgende Bemerkungen: „Physiologisch betrachtet ist das entophyte Nostoc ein chlorophylihaltiger Parasit, welcher jedenfalls seine rohen Nährstoffe aus dem Thallus von Anthoceros bezieht. Seine Beziehung zum Anthoceros ist also ungefähr dieselbe wie die der Gonidien heteromerer Flechten zu den Hyphen. Der Anthoceros steht aber zu Nostoc in ganz anderer Beziehung als die Hyphen zu den Gonidien; er bedarf von Nostoc gar nichts und bezieht von ihm weder rohe noch assimilirte Stoffe. Beide Organismen können selbstständig leben, was beim Pilz einer Flechte nicht der Fall ist.“ Auch Leitgeb’) äussert sich betrefis Dlasia ähnlich: „Diese I) Sitzungsber. d. königl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen 2. Decem- ber 1871; Bot. Zeitg. 1372, No. 4; später in: Morphologische Abhandlungen, Leipzig 1873, pag. 92 —97. 2) Morphologische Abhandlungen, pag. 95. 3) Göttinger Nachrichten 1872, pag. 108. %) Bot. Zeitg. 1872, No. 5. 5) Untersuchungen über die Lebermoose. I. Blasia pusilla. Jena 1874, pag. 23— 25. 193 a die Nostoc-Kugel durchsetzenden Schläuche vermitteln zweifellos ein innigeres Wechselverhältniss zwischen den beiden Organismen und haben für beide vielleicht dieselbe Bedeutung wie die farblosen kugeligen Zellen in den entophyten Nostoc-Kolonien von Anthoceros. Ob, wie Janczewski meint, ausschliesslich nur Nostoc aus diesem Zusammenleben Nutzen zieht, ob nicht vielleicht Anthoceros wie Dblasia die Nostoc-Gallert bei Trockenheit und Dürre gewissermas- sen als Wasserreservoir benutzen, mag dahingestellt bleiben; gewiss ist, dass die Nostoc-Ansiedelungen der Tragpflanze in keiner Weise schädlich werden.“ . . . . „Aber bei Dlasia ist die Verbindung der durch die Verzweigung der Innenpapille entstandenen Schläuche mit der Nostoc-Kugel noch eine weit innigere und erinnert geradezu an den Aufbau des Flechtenthallus.“ Noch weiter geht endlich Stras- burger'); er sagt: „Liesse sich in dieser eigenthümlichen Höhlung auf der Blattfläche (von Azolla) nicht vielleicht eine besondere An- passungseinrichtung erblicken, bestimmt das Nostoc aufzunehmen? Ich werde in dieser Annahme durch die Haare bestärkt, welche der Epidermis im Innern der Höhle entspringen und die Nostocschnüre durchsetzen... . . „Man sollte fast glauben, dass die Nostocschnüre den Blättern der Azolla in ihrer Assimilationsarbeit behülflich sind und somit in gewisser Weise eine ähnliche Rolle in denselben wie im Innern des Flechtenthallus spielen.“ Es kann nicht verkannt werden, dass eine vollständige Analogie zwischen diesen sogenannten parasitischen Algen und dem bei den gonidienführenden Graphideen ermittelten biologischen Verhältnisse besteht: in beiden Fällen sind es Algen, welche zwar vielfach frei für sich leben, aber mit Vorliebe die Körper gewisser anderer Pflanzen aufsuchen, in dieselben eindringen, um innerhalb derselben weiter zu leben und sich beträchtlich zu vermehren. Was dort Blät- ter, Stämme und Wurzeln höherer Pflanzen sind, ist hier das fertig gebildete Mycelium bestimmter Ascomyceten. Der einzige Unterschied, dass im letzteren Falle der die Alge aufnehmende Organismus chloro- phylllos ist, steht offenbar erst in zweiter Linie. Jedenfalls stehen die Gonidien der Graphideen den parasitischen Algen der höheren Pflanzen ungleich näher als den Gonidien der übrigen Flechten, und durch sie ist die Brücke geschlagen zwischen den beiden bisher un- vermittelten Fällen, die einerseits in den Gonidien der Flechten, an- dererseits in den parasitischen Algen höherer Pflanzen gegeben sind. So erscheint das Auftreten von Algen als Gonidien im Körper ge- 1) Ueber Azolla. Jena 1875, pag. 39 —40. 194 wisser Ascomyceten nur als ein specieller Fall eines über das ganze Pflanzenreich in mannichfaltigen Formen verbreiteten merkwürdigen biologischen Verhältnisses, in welchem sich eine grosse Anzahl ver- schiedener Algen den Körpern anderer Pflanzen gegenüber gefällt. Dass bei diesem Zusammenleben, welches so weit über das Pflanzenreich verbreitet ist, die Natur in den Rollen, die sie jedem der beiden Theile giebt, nicht nach einem starren Schema verfährt, sondern dass sich dies nach den besonderen Verhältnissen und Be- dürfnissen in jedem Einzelfalle richtet, das müssen wir schon von vornherein erwarten. Ueber das Nähere dieser Beziehungen befin- den wir uns aber noch fast ganz auf dem Gebiete der Hypothesen; die obigen Angaben der Schriftsteller haben schon die Möglichkei- ten zum Theil berührt. Wo der Wirth selbst assimilirt (die Wirthe der eigentlichen parasitischen Algen) oder saprophyt von vorgebil- deten organischen Verbindungen ernährt: wird (rindebewohnende Graphideen) sind überhaupt 3 Eventualitäten vorhanden. Erstens könnte die assimilirende Alge ihre erarbeiteten Assimilationspro- ducte für sich allein behalten, oder zweitens sie könnte auch einem solchen Wirthe, vielleicht dem Organe, in welchem sie wohnt und welches für sie besonders vergrössert und eingerichtet werden muss (Dlasia, Azolla) von ihren Assimilationsprodueten einen Nahrungs- beitrag zukommen lassen, oder drittens könnte die Alge von einem solehen Wirth ausser den rohen Nährstoffen auch einen Beitrag an assimilirten Stoffen empfangen. Wo der Wirth weder selbst assimi- lirt, noch saprophyt ist (echte Lichenen), da muss natürlich die Alge allein mit ihrer Assimilation für beide Theile einstehen. Welche dieser Eventualitäten bei den untersuchten gonidienführenden Gra- phideen zutrifft, muss dahin gestellt bleiben. Bei dem Vorkommen ganz gonidienloser Graphideen auf Baumrinde ist diese Frage mit grosser Vorsicht zu behandeln, um so mehr als selbst die gonidien- führenden Arten ihren Thallus bis zu einer gewissen Grösse ohne Gonidien entwickeln. Da das Auftreten der Apothecien von dem Vorhandensein der Gonidien abhängt, so scheint mir allerdings der Pilz einen gewissen materiellen Nutzen aus seinem Miether zu zie- hen. Es ist mir nämlich trotz vielen Suchens nie gelungen an der noch gonidienlosen Arthonia vulgaris Anfänge von Apotheeien zu finden. Einige Male habe ich in einem Thallus, der erst partiell von Uhroolepus kolonisirt war, auf Strecken, welche noch grünlich gefärbt waren, bereits schwarze Flecke beobachtet, die auch in der That als Apotheeienanfänge, nämlich als äusserlich sich schwärzende Anhäufungen von Hyphengeflecht, sich erwiesen. Die mikroskopische Prüfung “eigte aber in der unmittelbaren Umgebung derselben einzelne eingedrungene Chroolepus-Individuen, ganz abgesehen davon, dass solche Erscheinungen nur an Thalli vorkommen, welche bereits an anderen Stellen die durch die eingewanderte Alge bedingten weisskrustigen Flecke gewöhnlich mit Apothecien zeigen. Vollstän- dig gonidienlose Thalli mit Apotheeien habe ich nicht gesehen. Be- rücksichtigt man ausserdem die gewöhnliche Erscheinung, dass die ersten kleinen weisskrustigen Flecken anf weiten Strecken des Thallus einzeln und zerstreut auftreten und bestimmt nur in diesem ein Apo- theeium zum Vorschein kommt, so wird man zu der Ueberzeugung gedrängt, dass ein nothwendiger Zusammenhang zwischen der Bildung der Apothecien und der Anwesenheit der Gonidien besteht. Nach den erweiterten Kenntnissen, die wir in den letzten Jahren über das Zusammenleben zweier verschiedenartiger Wesen gewonnen haben, ist es ein dringendes Bedürfniss, die einzelnen von einander abweichenden Formen dieser Verhältnisse mit besonderen Bezeich- nungen zu belegen, da man fast für alle bisher den Ausdruck Para- sitismus gebrauchte. Wir müssen sämmtliche Fälle, wo überhaupt ein Auf- oder Ineinanderwohnen zweier verschiedener Species statt- findet, unter einen weitesten Begriff bringen, welcher die Rolle, die beide Wesen dabei spielen, noch nicht berücksichtigt, also auf das blosse Zusammenleben begründet ist, und wofür sich die Bezeichnung Symbiotismus empfehlen dürfte. Dieses Verhältniss zeigt nun in der organischen Schöpfung verschiedenen Charakter, indem wir meh- rere Stufen von dem lockersten Verhältnisse bis zur innigsten und nothwendigen Verbindung beider Wesen unterscheiden können. Die niedrigste Stufe würde das sein, was Pseudoparasitismus genannt werden kann und alle die Fälle begreift, wo das Auf- oder Inein- anderwachsen zweier Wesen durch den Zufall bedingt, für keins der Beiden nothwendig ist, indem keiner durch den andern ernährt wird, vielmehr nur eine mechanische Verbindung besteht, so dass auch lebloses Substrat den tragenden Organismus ersetzen kann. Hierher gehören die zahlreichen Diatomaceen, Protococcaceen, Öonfervaceen und kleineren Fucordeen und Florideen, welehe auf grösseren Wasser- pflanzen festsitzen, unter den höheren Gewächsen der an Baumstämme sich anheftende Epheu, die auf Bäumen wohnenden tropischen Orchi- deen u. a. Fälle. Ausser diesen Epiphyten gehören hierher aber auch die Verhältnisse, wo innerhalb einer gallertartigen Algencolonie oder eines solchen Algenthallus, z. B. von Ühaetophora oder Meso- gloia, fremde Algen sich einnisten. Eine festere und wenigstens für den einen Theil nothwendige 196 Beziehung zeigt die nächst höhere Stufe, welche wir passend allein noch als Parasitismus bezeichnen. Sie begreift alle thierischen Parasiten der Pflanzen und alle chlorophylliosen, also nicht selbst assimilirenden pflanzlichen Schmarotzer. Diese Wesen müssen ganz und gar von einem anderen Organismus, dem Wirth, beziehentlich der Nährpflanze, ernährt werden, ohne dass sie diesem dafür eine Gegenleistung bieten. Darin liegt der bestimmte Charakter dieses Falles, und wir tragen so dem Sinn des Wortes, welches wir auf dieses Verhältniss beschränken, die gebührende Rechnung, indem hier das fremde Wesen sich wirklich als ein Schmarotzer erweist, welcher nur nimmt und nichts dafür giebt, ja welcher sogar zerstört, wo der Wirth nicht durch geeignete Neubildungen (Hypertrophien, Gallen) vorbeugt, um den schädlichen Einfluss zu paralysiren. Bestimmt von diesem Verhältnisse unterschieden ist dasjenige, für welches die in höheren Pflanzen lebenden Algen das anschaulichste Beispiel gewähren; vielleicht schliessen sich ihnen auch die Zoran- thaceen an. Diese miethen sich zwar im Körper einer anderen Pflanze ein, lassen sich von ihr auch die rohen Nährstoffe darreichen, assimiliren aber selbständig, so dass sie wahrscheinlich ihrem Wirth nichts von den Stoffen nehmen, die er sich durch seine Assimilations- arbeit geschaffen hat, daher sie auch eine eigentlich schädliche, zer- störende Wirkung an demselben nicht hervorbringen. Eher scheinen sie oder wenigstens einige von ihnen umgekehrt von ihren eigenen Assimilationsprodukten ihrem Wirth einen Theil zukommen zu lassen, wie es für das ebenfalls hierhergehörige Uhroolepus im Thallus der Graphideen fast unzweifelhaft ist, so dass also hier die fremden Organismen im Körper der von ihnen bewohnten Pflanze anständige liebe Gastfreunde sind, welche für das Empfangene auf andere Weise sich revanchiren. Man kann dieses Verhältniss Miethe nennen und die dabei betheiligten Wesen als Wirth und Miether unterscheiden. Hier sowohl wie in den beiden vorigen Fällen werden wir durch den Zusatz epiphyt und endophyt die jeweiligen räumlichen Verhält- nisse beider Wesen zu einander genauer andeuten können. In allen bisherigen Fällen steht der eine Organismus dem anderen immer noch als fremdes Wesen gegenüber, welches auf oder in dem vorhandenen Körper des anderen sich ansiedelt, aber doch nicht nothwendig vorhanden zu sein braucht, für das Leben desselben nicht unentbehrlich ist. Abzusehen in dieser Hinsicht ist vielleicht von den vollkommensten Fällen dieses Typus bei den (rraphideen, welche bereits den Uebergang zu der näclısten und höchsten Stufe des Symbiotismus darstellen. Letztere besteht darin, dass beide Wesen sich “ gleichsam zu einem einfachen Individuum verbinden, in welchem sie wechselseitig sich unentbehrliche Dienste leisten, jedes dem Dienste des Ganzen sich so unterordnet, dass sie die Bedeutung selbstän- diger Individuen zu verlieren scheinen, dass sie nur noch als Organe des Ganzen fungiren, dessen erste Existenz schon in der Vereinigung beider Wesen beginnt. Für dieses Verhältniss dürfte sich vielleicht die Bezeichnung Homobium empfehlen. Der Ausdruck Consortium lässt weniger an das Vereintleben denken und setzt überdies eine Betheiligung der Einzelnen in gleichem Sinne voraus; ähnlich ist es mit der Bezeichnung Commensalismus, denn die Ernährungsverhältnisse, welche durch denselben allein angedeutet werden, sind doch nicht das einzige und auch nicht das wesentlich charakteristische Merkmal dieses Verhältnisses, welches wir vielmehr in dem Umstand suchen müssen, dass durch die Verschmelzung beider Wesen ganz neue Lebensformen geschaffen werden, welche mit gewissem Rechte bisher als selbständige Pflanzen sich betrachten liessen. Und es ist ganz besonders zu betonen, dass die Gemeinsamkeit des Lebens Beider nicht bloss in einer eigenthümlichen Theilung der Ernährungsarbeit sich ausspricht, sondern dass in den neuen Lebensformen zugleich eine Vermehrung in Gestalt der unter den Lichenen so weit verbrei- teten Soredien sich vollzieht, durch welche beide Organismen auch vereint fortgepflanzt werden. Die Zukunft wird nun weiter zu ent- scheiden haben, wie fest in den einzelnen Fällen die beiden Theil- wesen durch die Bande des Homobiums verknüpft sind; mit anderen Worten, ob und wo es möglich ist, dass einer oder beide Theile frei von einander ihr eigenes Leben führen. Die Hyphenkörper der typi- schen, von Anfang an mit Gonidien versehenen Flechten ohne Goni- dien zu erziehen, ist bis jetzt noch in keinem Falle gelungen. Da- gegen hat man bekanntlich die Gonidien mancher hierhergehöriger Flechten zu selbständiger Vegetation zu bringen vermocht, in welcher sie sich ihren verwandten Algen analog verhalten. Nichts spricht aber gegen die Möglichkeit, dass in anderen Lichenen die Festigkeit des Homobiums einen solchen Grad angenommen hat, dass auch die Gonidien gleich wie die Hyphen, wegen constant und erblich gewor- dener Ernährungsverhältnisse, nicht mehr für sich allein zu vegetiren vermögen. Leipzig, im März 1876. ü . D u ‘ 5 23 u .E D De 77 nr. RN arte arg Beh ® hi IE i I r u ” i va ) 1 \ j ' 4 j 3; { ’ * ” f 4 k “Bf ’ ' F = , > - i P v ni 3 Kr + [3 - » u # s - T Li ” ‘ ' l ” Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel VN. Stück eines Gonidienlagers von Arthonia vulgaris auf Esche, an einer Stelle, wo dasselbe noch unvollständig ist, in Chlorzinkjodlösung, wodurch die Membranen weinroth, der contrahirte Zellinhalt gelblich gefärbt ist. Die Hyphen sind nicht ausgeführt, die bedeckenden Peri- dermzellen sind, wo sie noch deutlich waren, angedeutet. Ver. 200. Querschnitt durch ein Stück des Thallus von Arthonia vulgaris auf Esche, in Chlorzinkjodlösung, wodurch die Gonidien weinroth, die Korkzellhäute gelb gefärbt sind. a. die äussere, i. die innere Kork- schicht des Periderms. Ver. 300. Stück der Oberfläche des Periderms von Esche an einer von Arthonia vulgaris bewohnten Stelle mit zwei im Eindringen begriffenen Indi- viduen von Chroolepus, durch Chlorzinkjodlösung gefärbt. Die Hyphen der Flechten sind nicht ausgeführt. Die stärker schraffirten Theile der Chroolepus-Ketten befinden sich oberflächlich, die Spitzen liegen bereits im Periderm. Vgr. 200. Einige Gonidien aus dem entwickelten Thallus von Arthonia vulgaris auf Esche mit den zwischen ihnen befindlichen Hyphen der Flechte, in A mit rothen Oelkörnchen, in B ohne solche. Vgr. 300. Zwei Korkzellen aus der Randzone des Thallus von Arthonia vul- garis auf Eiche, durch Jod gelb gefärbt, die sehr feinen, in der Kork- substanz wachsenden Hyphen der Flechte sind farblos. Vgr. 500. Stück der Oberfläche des Periderm von Eiche mit drei im Eindringen begriffenen Individuen von Chroolepus auf einer von Grapkis seripta bewohnten Stelle, durch Chlorzinkjodlösung gefärbt. Bei x x x die oberflächlich liegenden Eintrittsstellen, die übrigen Theile der Ketten liegen tiefer. Die Flechtenhyphen sind nicht ausgeführt. Rechts liegen fremdartige Pilzbildungen. Vgr. 200. Ein ebensolches Präparat wie in Fig. 6, mit weiter entwickelten ein- gedrungenen Chroolepus-Individuen. Links liegen fremde braune Pilzhyphen. Vgr. etwas kleiner als 200. Fig. S. Bir. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. 200 Durchschnitt durch die äussere Korkschicht des Eichenperiderms, ein Stück hinter der Randzone des Thallus von Graphis scripta, in Chlorzinkjodlösung, welches die Gonidien weinroth und die in ihnen vorhandenen rothen Oelkörnchen schwarzblau gefärbt hat. Die Go- nidien befinden sich von Hyphenmasse umgeben innerhalb der Kork- zellen, diese ausweitend und zum Theil die Membranen derselben durchwachsend. Vgr. wie Fig. 7. Drei einzelne Stücke von Gonidienketten mit zum Theil schr schma- len und farblosen Gliederzellen aus der oberen Region des Thallus von Graphis scripta auf Eiehe, zum Theil in Begleitung einiger frem- der Pilzbildungen. Korkzellen und Flechtenhyphen sind nicht ausge- führt. Vgr. 300. Chroolepus umbrinum auf Buchenrinde, dessen rechtsliegende grössere runde Zellen auf der Oberfläche des Periderms sich befinden, aber zu einer in den Kork eingedrungenen Kette schlanker Gliederzellen mit ölfreier Scheitelzelle ausgewachsen sind Vgr. 300. Einzelne, noch von den Hyphen der Graphideen theilweis bekleidete Zellen von Chroolepus umbrinum im ersten Stadium der Befreiung aus zerfallendem Graphideenthallus. Ver. 300. Eine Korkzelle vom Periderm des Kirschbaums aus der Gegend des Thallusrandes der Arthopyrenia cerasi, mit den am äussersten Rande gelegenen echten Hyphen der Flechte. Vgr. 500. Stück vom Saume des Gonidienlagers aus dem hypophlöodischen Thalluszustande der Lecanora pallida auf Eiche, von der unteren Seite betrachtet. Bei i i i setzt sich das Gonidienlager an den älteren Theil an; a,j, ag, Az, die am weitesten nach aussen liegenden Gonidiengruppen. Ver. 200. Einige grössere Gonidien aus dem hypophlöodischen Thalluszustande der Lecanora pallida, theils ungetheilt, theils in verschiedenen Thei- lungsformen. Vgr. 500. Stück aus derjenigen Zone der Variolaria communis, in welcher die äussersten Vorposten der Gonidien durch das Filzgewebe in die parallelfaserige Randzone vorgetrieben werden. Vgr. ungefähr 100. Ein Gonidium der Variolaria communis vom Rande des Gonidien- lagers, an die Spitze einer Hyphe angewachsen, durch deren Wachs- thum es zwischen die parallelen Hyphen der Randzone vorwärts geschoben wird. Das centripetale Ende der Hyphe liegt am unteren Ende der Figur. Vgr. 300. Die eigenthümlich angeschwollenen Hyphen der Variolaria communis, wie sie sich zwischen die grünen Zellen der in der Nähe des Randes liegenden Gonidiengruppen eindrängen. Vgr. 300. Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. tes) [2 Von Dr. Leon Nowakowski. gr IL Polyphagus Euglenae, P > = eine Chytridiacee mit geschlechtlicher Fortpflanzung. Mit Tefel VII. und IX. 1. Geschichtliches. Im Jahre 1851 veröffentlichte Dr. G. Gros in Moskau eine Abhandlung, worin er „mit mathematischer Gewiss- heit“ den Nachweis geführt zu haben glaubte, dass ein einfacher Elementarorganismus (Protocellule) je nach den Umständen sich in die verschiedensten niedern Thiere und Pflanzen zu entwickeln fähig sei; als eine solche Protocellule bezeichnete Gros die Zuglenen, die er für die gemeinschaftliche Matrix fast aller Infusorien, gewisser Pflanzen (Ülosterien, Diatomeen, Conferven, Moose), sowie vielleicht aller Räderthiere erklärte. In Deutschland beobachtete Gros unter Anderem, dass Millionen Individuen einer rothen Huglena (wohl E. sanguinea Ehr.) sich etwas entfärbten und an ihrer Oberfläche einen farblosen gestielten kugeligen Schlauch austrieben, der seinen blasigen Inhalt wieder an der Spitze in eine Art eylindrischer Scheide austrieb; in dieser Scheide wuchsen die Bläschen, animalisirten sich mehr und schwärmten endlich als Monaden mit einer vorausgehenden Cilie aus '). Im Frühjahr 1855 untersuchten C. Th. v. Siebold und Dr. Meissner gemeinschaftlich zu München Zuglena viridis; sie fanden an encystirten sowie an kugelig contrahirten Exemplaren farblose, verschiedenartig gestaltete, meist schlauchartig verlängerte Gebilde, 1) G. Gros, De l’embryogenie ascendante des especes ou generation pri- mitive, equivoque et spontanee et metamorphoses de certains animaux et vegetaux inferienrs. Bulletins de la Soc. imp. de naturalistes de Moscou 1S5l. No. I. p. 283, No. Il. p. 429, Tab. C’. Fig. 7 mit Erklärung auf p. 474. 202 bald einzeln, bald zu mehreren (3— 4), aussen festsitzen; ihre Basis schwillt fast kugelig an und grenzt sich durch eine Einschnürung von dem dickeren Schlauch etwas ab; manchmal findet sich der kugelige Bulbus seitlich am Schlauch; in letzterem, nicht aber in dem Basaltheil, bilden sich bewegliche Keimzellen, welche aus der ohne Deckel sich öffnenden Spitze des Schlauchs ausschwärmen; sie sind verlängert oval und schleppen die lange Wimper an dem mit scharf begrenztem Kern versehenen Ende nach. Im Jahre 1855 wurde der nämliche Parasit der Euglena in Bres- lau von Th. Bail untersucht; die Keimzellen, die ihre Wimper als Steuerruder nachziehen, setzten sich, nachdem sie länger als eine Stunde schwärmten, an Euglenen, oder machten auch im freien Was- ser Halt und nahmen eine verkehrt birnförmige Gestalt an, worauf sie mehrere, oft vier, ins Kreuz gestellte, sehr zarte lange Fäden aussandten, welche sich sogar verzweigten, und ein wahres Netzge- flecht bildend, an die Pseudopodien der Acineten erinnerten, jedoch nicht contractil waren. Anscheinend aus einem solchen Faden ging durch allmähliches Diekerwerden ein langer stielförmiger Fortsatz hervor, während der eigentliche Körper zu einem sehr grossen, darm- oder wurstförmigen, bisweilen auch keulen-, birn-, ei- oder kugelför- migen Schlauche auswuchs; in ihm entstanden sehr zahlreiche, mehr oder minder regelmässig geordnete Oeltropfen, welche zu Kernen von Schwärmsporen wurden; diese selbst traten durch eine, selten zwei, nicht scharf umschriebene, deckellose Mündungen langsam nach ein- ander aus!). Am 7. Juni 1855 trug A. Braun seine berühmten Untersuchun- gen über die Gattung Uhytridium der Berliner Akademie vor, wobei er denParasiten der Kuglenen unter dem Namen Ohytridium Euglenae A. Br. beschrieb, indem er die Beobachtungen von Gros, v. Sie- bold, Meissner und Bail zu Grunde legte; jedoch zog er die wurzelartige Fadenbildung, die Bail beschrieben, als einen den übrigen Ohytridien fremden Umstand in Zweifel, obwohl Bail, der damals an der Breslauer Universität studirte, seine Untersuchungen unter den Augen von Ferdinand Cohn gemacht und sich auf dessen Zeugniss berufen hatte ?). !) Bail, Mykologische Berichte III. Ohytridium Euglenae, Botanische Zei- tung vom 28. Sept. 1855 p. 678. 2) A. Braun, Ueber Chytridium, Monatsberichte der Berliner Akademie Juni 1355, No. 141. Ueber Chytridium, eine Gattung einzelliger Schmarotzer- gewächse auf Algen und Infusorien; Abhandlungen der Berliner Akademie 1856 p. 41. Tab. IV. Fig. 26, 27. u 203 Am 1.”Decbr. 1356 begründete A. Braun in einer Sitzung der Berliner Akademie die zweizellige Gattung Ithizidium, deren Fort- pflanzungszelle als seitliche Aussackung aus der wurzelartig ver- zweigten vegetativen Zelle hervorwächst; er stellte hierbei die Ver- muthung auf, dass der Bail’sche Parasit ein Arhizidium, und von dem durch Meissner u. Siebold untersuchten CUhytridium Eugle- nae verschieden sein möge). In den Sitzungen der phys.-medizin. Gesellschaft zu Würzburg vom 20. März und 18. April 1857 beschrieb Schenk von neuem die Schma- rotzer der Huglena viridis; er beobachtete nicht die stielartigen Fort- sätze und die wurzelartig in die Kuglenen eindringenden fadenförmigen Verlängerungen, die Bail erwähnte, und stellte die Schwärmsporen als kugelig dar, mit vorangehender Wimper; sie bildeten sich nur in dem schlauchartigen Theile, der an der Spitze ein oder zwei, selbst drei stumpfe Vorragungen hat und schwärmten aus den inzwischen durch Einreissen geöffneten Fortsätzen aus; eine am festsitzenden Ende des Parasiten verschmälerte Basalzelle, die Bail bei seiner Beschreibung nicht unterschieden hatte, ist um diese Zeit inhaltsleer und ergiesst vermuthlich ihren Inhalt in die zur Sporenbildung be- stimmte Zelle, worauf sich zwischen beiden eine Scheidewand bildet; da der Organismus hiernach entschieden zweizellig ist, so trennte ihn Schenk von Ohytridium und stellte ihn ebenfalls zu Rhrizidium?). Seit jener Zeit ist meines Wissens über die Parasiten der Kuglenen nichts weiter bekannt gemacht worden; um so lebhafter war mein Wunsch, dieselben zu beobachten und die theilweisen Widersprüche der früheren Beobachter aufzuklären. Ende April dieses Jahres hatte ich das Glück, in einem Graben bei Breslau unter Euglena viridis auch den lange gesuchten Parasiten aufzufinden und durch eine mit gütiger Beihilfe des Herın Prof. Ferdinand Cohn im pflanzen- physiologischen Institut der Universität Breslau gemachte Unter- suchung die vollständige Entwickelungsgeschichte desselben fest- zustellen. Die hierbei ermittelten Thatsachen haben so viele wesent- liche Verschiedenheiten von den Gattungen Uhytridium A. Br. und Rhizidium A. Br. herausgestellt, dass sie, wie in der Folge specieller dargelegt werden wird, zur Aufstellung einer neuen Gattung unter dem Namen Polyphagus berechtigen, in welcher als bis jetzt einzige Art der Parasit der Zuglenen als Polyphagus Euglenae aufgeführt werden soll. 1) Monatsberichte der Berliner Akademie 1856 p. 992. 2) A. Schenk, Algologische Mittheilungen, Verhandlungen der phys.-ned, Gesellsch. zu Würzburg Bd. VIll. Lief, II. p. 246. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. BandlI, Heft Il, 14 204 2. Organisation von Polyphagus. Als die Euglenen von dem oben erwähnten Graben einige Tage in Glasgefässen nahe den Fen- stern des Instituts eultivirt worden waren, bildete sich wie gewöhn- lich auf der dem Lichte zugewendeten Seite der Gefässe ein grüner schleimiger Ueberzug, welcher aus den sich zur Ruhe vorbereitenden und zum Theil schon eneystirten Kuglenen bestand. Zwischen diesen zeigte sich der von mir gesuchte Parasit in üppigster Entwickelung. Seine Schwärmsporen keimen nach Beendigung ihrer Bewegungen zwischen den ruhenden Zuglenen; sie nehmen kugelige Gestalt an und erscheinen daher zuerst als kleine farblose, mit einem stark lichtbrechen- den, etwas gelblichen Kern versehene Kugelzellen; hierauf treiben dieselben von ihrer Oberfläche vier kreuzförmig gestellte, oder mehrere (5—6) strahlenartig ausgehende, unmessbar dünne Fäden (Keimfäden) nach allen Seiten aus (Taf. VIII. Fig. 1). Jeder dieser Fäden ver- längert sich mehr oder weniger, bis er auf eine der in der Nachbar- schaft zur Ruhe gekommenen Huglenen trifft, sodann durehbohrt er die Haut derselben und dringt in ihr grünes Protoplasma ein; indem er dasselbe allmählich aussaugt, verhält er sich nunmehr als ein Haustorium. Einer der Keimfäden, nämlich derjenige, welcher zuerst in eine Zuglena eingedrungen war, übertrifft bald die übrigen an Dicke, und erscheint daher als röhrenförmiger Stiel, durch welchen der Parasit oft keulenförmige Gestalt erhält (Taf. VIII Fig. 2, 4). Der Körper des Polyphagus vergrössert sich in Folge seiner reich- lichen Ernährung durch die von ihm ausgesaugten Kuglenen immer mehr; der in ihm anfangs befindliche starkliehtbrechende Kern der Schwärmspore verkleinert sich allmählich und verschwindet schliess- lich ganz; statt seiner kommen im Protoplasma mehr oder weniger zahlreiche Oeltropfen und auch Vacuolen zum Vorschein. Die übri- gen Haustorien bleiben entweder in ihrem primären fadenförmigen Zustande während des ganzen Lebens des Parasiten, oder sie ver- längern und verzweigen sich, indem sie neue Kuglenen aufsuchen (Taf. VII. Fig. 2, 4). Inzwischen haben diejenigen Haustorien, welche schon früh in Zuglenen eingedrungen waren, sich bedeutend verdickt, verlängert und neue seitliche Aeste getrieben, nicht sowohl aus ihrer ganzen Länge, als besonders aus der Nähe derjenigen Stelle, an der sie sich in die Kuglene einbohrten (Taf. VIII. Fig. 7 a. a.). Selten wachsen sie sogar durch die ergriffene Zuglene hindurch und dringen in die nächstliegende ein (Taf. VIII. Fig. 13a.). So entwickeln sich viele stärkere und schwächere, zum Theil scheinbar gabelige, wurzelartige Zweige, die sich zuletzt in sehr feine Fädchen verästeln (Taf. VIII. Fig. 7, 13). Da wo ein Haustorium die Wand 2305 der Euglene durchbohrt, zeigt es bei seiner späteren Verdieknng oft eine schwache Einschnürung (Taf. IX. Fig. 7); im Innern der Kuglena verzweigt es sich mitunter noch mehrere Male (Taf. iX. Fig. Ye). Wenn eine Schwärmspore des Polyphagus unmittelbar auf der Oberfläche einer verpuppten Zuglena gekeimt ist, so treibt sie an der Berührungsstelle ein Haustorium, welches ganz und gar im Innern der Euglena verborgen ist, so dass der Parasitenkörper auf der Euglena zu sitzen scheint (Taf. VIII. Fig. 6). Nicht selten keimen und entwickeln sich auf einer Huglena mehrere Parasiten (Taf. vIll. Fig. 5). Indem die Kuglenen durch die Haustorien des Parasiten ausge- saugt werden, verliert ihr Körper allmählich sein grünes Protoplasma und wird zuerst grünlich gelb, dann ganz entfärbt bis auf einen bräunlichen körnigen Rückstand; die Paramylumkörner, welche in den grünen Zuglenen meist zahlreich eingelagert waren, sind in den getödteten verschwunden; ihre Membran leistet am längsten Wider- stand, geht aber schliesslich ebenfalls zu Grunde. Der braune Rück- stand bleibt als letzter Rest der verzehrten Zuglenen an den Hau- storien haften. Die Haustorien des Polyphagus ähneln in ihrem Verhalten, be- sonders im jungen Zustande, den Pseudopodien gewisser Khizopoden oder Acineten, wie schon Bail bemerkte; sie verändern aber nie ihre Gestalt und besitzen schon früh eine starre allmählich sich ver- diekende Membran, welche durch Jod und Schwefelsäure nicht blau gefärbt wurde. Weil die Haustorien nur Verlängerungen des Para- siten sind und keine Querwände besitzen, muss unser Organismus als einzellig bezeichnet werden. Sein Protoplasma, welches viele gelblich gefärbte Oeltropfen enthält, färbt sich durch Jod röthlich braun, wie dasjenige der Haustorien, in welchen man aber nur selten einige Oeltropfen wahrnehmen kann. Der Körper des Polyphagus zeigt in seiner Gestalt und Grösse vielfache Mannigfaltigkeit, besonders in jugendlichem Zustande. Im Allgemeinen stellt er zwei Haupiformen dar: kugelige oder keulen- förmige; doch kann er auch eiförmig oder mehr elliptisch sein; er erscheint, wie Bail sich ausdrückt, acinetenähnlich, wenn eines seiner Haustorien sich durch Dicke und Länge von den übrigen, welche dünn fadenförmig geblieben, bedeutend unterscheidet. Ueberhaupt scheint oft die ganze Gestalt des Parasiten von der Entwickelung seiner Haustorien abhängig zu sein. Gelingt es den letzteren, sämmtlich und gleichzeitig Euglenen auszusaugen, so entwickelt sich der Para- sit nach allen Seiten hin regelmässig und wird daher kugelig; da- 14* 206 gegen überwiegt seine Ausdehnung in dieser oder jener Richtung je nach der stärkeren Entwickelung eines in eine Euglena eingedrun- genen Haustoriums. Manchmal verlängert sich der Polyphagus-Körper ganz auffallend, indem er an seinem Scheitel wächst, und eine schlanke schlauchförmige, im oberen Theile, welcher sehr grosse Vacuaolen enthält, etwas verschmälerte Gestalt annimmt. Er erreicht hierbei oft ausserordentliche Länge, über 0,2 Mm. (200 Mikr.), während die ‚rösse der kugeligen Farasitenkörper in der Regel nicht über 37 Mikr. und die grösste Dicke der Haustorien etwa 6 Mikr. beträgt. Die Fortpflanzung von Polyphagus geschieht in doppelter Weise, auf ungeschlechtlichem und auf geschlechtlichem Wege. Erstere, welche ich zuerst am Anfang meiner Beobachtungen, Ende April, antraf, geschieht durch Schwärmsporen; letztere fand ich erst einige Tage nach Beginn und von da an bis zum Schluss meiner Culturen (Mitte Juni 1876). 3. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Schwärmsporen. Die Schwärmsporen entstehen in Zoosporangien, welche an der Aussenseite des Parasitenkörpers aus seinem ge- sammten ausgetretenen Protoplasma hervorgehen; daher kann nach einem von Delpino zuerst zweckmässig gebildeten Aus- druck ') der eigentliche Parasitenkörper auch als Pro- sporangium bezeichnet werden. Die Zoosporangien bilden sich auf folgende Weise: Das gesammte Protoplasma des Polyphkagus durchbohrt die Zell- wand an einem Punkte und tritt durch eine ziemlich grosse kreis- runde Oeffnung nach aussen heraus. Zuerst dringt bruchsackartig eine kleine Protoplasmablase hervor, welche sich langsam ver- grössert; wenn endlich die Blase das ganze Protoplasma auf- genommen hat, so bildet dasselbe entweder einen scharf begrenz- ten ovalen oder elliptischen Körper unmittelbar vor der Oeffnung des Prosporangiums (Tafel VIII. Fig. 85, 9, 10) oder es nimmt eine walzlich schlauchförmige, verlängerte Gestalt an, indem es sich ter- minal in einer der Prosporangiumöffnung entgegengesetzten Richtung ausdehnt (Taf. VIII. Fig. 12). Der ausgetretene Protoplasmakörper schliesst äusserst kleine Körnchen ein, welche oft besonders netz- artig geordnet, ein charakteristisches Ansehen zeigen, oder er ent- hält kleinere oder grössere Oeltröpfchen. Das Heraustreten der Protoplasmablase aus dem Prosporangium gcht so langsam vor sich, dass man es unmittelbar nicht wahrneh- 1) Delpino. Revista botanica degli anni 1574 e 1375. Milano 1876 p. 97. men kann; nur am Scheitel zeigt das Protoplasma das deutliche Bestreben, so weit wie möglich, oft auf Kosten seiner Breite sich zu verlängern. Deshalb bleibt der aus dem Prosporangium hervorge- tretene Plasmakörper nahe der Austrittsöffnung dicker und oft etwas breiter, während er weiter oben flacher und nicht selten auch enger ist. Eine die Protoplasmablase umkleidende Haut kann man anfangs nicht nachweisen; erst wenn dieselbe eine gewisse Grösse erreicht hat, zeigt sie sich von Aussen mit einer Haut bekleidet, steht aber noch in unmittelbarer Verbindung mit dem Reste des im Prosporan- gium zurückgebliebenen Protoplasmas (Taf. VIII. Fig. 12). Im Pro- sporangium treten schon ziemlich früh grössere und kleinere vacuolen- ähnliche Räume auf (Taf. VIII. Fig. 10v.v.), welche sich im Ver- hältniss zum weiteren Abfluss vermehren. In Folge dessen zeigt der Inhalt des Prosporangiums zuletzt einen zellartigen oder schau- migen Bau (Taf. VIII. Fig. I1p., 12p.), indem die dünnen Proto- plasmawände der Vacuolen durch gegenseitigen Druck polyedrische Gestalt annehmen und einigermassen an ein Parenchymgewebe erin- nern '). Schliesslich verlässt auch der letzte Rest des Protoplasma das Prosporangium und vereinigt sich mit dem schon früher hervor- getretenen; dieses trennt sich sodann durch eine gegen das Prospo- rangium eingewölbte Scheidewand (Taf. IX. Fig. 5), welche sich in der Austritts-Oeffnung bildet, von dem vollständig entleerten Körper des Parasiten ab und stellt nunmehr das eigentliche Zoosporangium dar. Die gesammte Entwickelung desselben nimmt mehrere Stunden in Anspruch (Taf. VIII. Fig. 13z, Taf. IX. Fig. 1, 2). Die Gestalt des Zoosporangiums entspricht der des ausgetretenen Protoplasmakörpers; es ist seltener oval oder elliptisch, in der Regel bedeutend verlängert, schlauchförmig und dabei nicht selten gekrümmt und gebogen (Taf. IX. Fig. 1, 2, 3, 4, 5). Auch seine Grösse ist sehr verschieden, von minimalster bis zu riesig verlängerter, welche ich einmal auf 275 Mikr. im Längsdurchmesser bestimmte. Das Volu- men aber entspricht nicht immer der Länge, denn je länger sie wer- den, desto flacher ist ihre Form. Nach kurzer Zeit entstehen im Protoplasma des Zoosporangiums stark lichtbrechende gelbliche Kerne, um welche herum die verhält- nissmässig grossen Schwärmsporen selbst sich bilden (Taf. IX. Fig. 5). 1) Nach meinen Beobachtungen entspricht auch die parenchymatische Zeich- nung in den Stielen von Dietyostelium mucoroides Brefeld nicht einem wirk- lichen Zellgewebe, sondern einer seifenschaumartigen Verbindung von Vacuolen in Folge der Wanderung des Protoplasmas gegen den Scheitel des Frucht- trägers zur Bildung der Sporenmasse. F. Cohn. 208 Letztere bestehen aus klarem farblosem Protoplasma, das den gelb- lichen Kern eoneentrisch umhüllt; sie sind bereits im Zoosporangium scharf begrenzt, bald von kugeliger Gestalt, bald nehmen sie durch gegenseitigen Druck polyedrische parenchymähnliche Umrisse an. Schliesslich treten durch eine an der Spitze des Zoosporangiums entstandene, nicht grosse Oeflnung die Schwärmsporen aus demselben eine nach der andern hervor, ohne von Schleim umgeben zu sein und entfernen sieh rasch (Taf. IX. Fig. 5), während gleichzeitig auch die im Zoosporangium zurückgebliebenen Zoosporen innerhalb desselben zu schwärmen beginnen; doch verlassen auch diese bald das Sporangium. Die Schwärmsporen sind verhältnissmässig gross, verlängert eylin- drisch, an ihren beiden Enden abgerundet; in der Mitte etwas ein- gesehnürt, namentlich dann, wenn sie sich ein wenig strecken (Taf. IX. Fig. 6); weil sie aber contractil sind, so können sie ihre Gestalt etwas verändern und kürzere, dickere, manchmal fast kugelige Form annehmen. Ihre Grösse ist nicht constant, in verschiedenen Zoospo- rangien verschieden; die grössten sind 13 Mikr. lang, 5 Mikr. breit, bei den kleinsten betragen diese Dimensionen 6:3 Mikr. In der Mitte der Schwärmspore kann man eine ziemlich grosse Vacuole unterscheiden; viele kleine Vacuolen befinden sich am vorderen Ende, welches zarter erscheint, als das hintere; an letzterem ist eine lange Cilie angeheftet. Nahe am Ursprung der Cilie enthält die Schwärm- spore einen nicht sehr grossen stark lichtbrechenden excentrischen Kern, dieser ist gelblich gefärbt und stimmt sowohl in seiner Fär- bung, als in seiner Liehtbrechung auffallend überein mit den gelb- lichen Oeltropfen des Parasiten, welche eine constante Erscheinung in seinem Protoplasma darstellen. Man könnte die Kerne für Oel- tropfen halten. Werden dieselben in Glycerin entfärbt, so zeigen sie sich als solide Körperchen, welche das Licht nicht mehr ölartig brechen. Die Schwärmsporen schwimmen hin und her, indem sie ihre Cilie stets nach hinten tragen. Nach einiger Zeit, ungefähr schon nach einer Stunde, kann man leicht unter dem Deckglase beobachten, wie sie zwischen den Euglenen zur Ruhe kommen und eine kugelige Gestalt annehmen. Hierauf keimen sie und entwickeln sich zu neuen Parasiten in der schon oben beschriebenen Weise. Die Zahl der in einem Zoosporangium entwickelten Zoosporen entspricht im Allgemeinen der Grösse des ersteren; diese scheint wieder abhängig zu sein von der Zahl der von einem Parasiten ergriffenen Kuglenen. Bine einzige Kuglene ist oft im Stande, einem Parasiten so viel Nahrung zu geben, dass er seine Schwärmsporen “ entwickeln kann. Daraus folgt, dass die Zahl der in einem Zoospo- rangium gebildeten Schwärmsporen ausserordentlich varüirt. Ich habe einmal in einem Zoosporangium blos zwei Schwärmsporen gesehen (Taf. IX. Fig. 4). Gewöhnlich kommen sie aber in grosser Anzahl vor. In den sehr verlängerten Zoosporangien ist jedoch die Zahl der Schwärmsporen nicht so gross, wie man vermuthen könnte, denn sie bilden hier zum grössten Theil bloss eine einfache Schicht, welche am obern Theile des Zoosporangiums oft nur aus zwei oder gar nur aus einer Reihe besteht, während sie an der Basis in mehreren Sehiehten über einander liegen. Wir sehen also, dass der Parasit eine gewisse Grenze in seinem Wachsthum nicht überschreiten kann, unterhalb dieser Grenze aber ist er im Stande, in verschiedener Grösse seine Schwärmsporen zu entwickeln. Diese scheinen oft selbst aus dem Protoplasma sehr junger, mit dünner Haut und zar- ten Haustorien versehenen Individuen zu entstehen. Offenbar ist für die Erzeugung der Zoosporen ein gewisser Stillstand im Wachs- thum des Parasiten, welcher mit der Beendigung der Ernährung be- ginnt, nothwendig. Da man unter dem Mikroskope unmittelbar beobachten kann, dass jede Zoospore die Fähigkeit besitzt, zu keimen und sich weiter zu entwickeln, so muss sich natürlich Polyphagus in der Cultur äusserst rasch und zahlreich vermehren. In einem Glasgefässe, in welchem ich von Polyphagus befallene Euglenen züchtete, zeigte sich nach wenigen Tagen der ursprünglich grüne Kuglenenüberzug an den Gefässwänden gelblich und braun. Wenn man ein kleines Stückchen eines solchen schleimig-häutigen Ueberzugs unter dem Mikroskope betrachtet, so sieht man, dass derselbe ganz und gar aus Parasiten und schon zerstörten Huglenen besteht. Man findet auch oft, dass die Parasiten sich gruppenweise entwickeln; solche Gruppen sind in ihrer Umge- bung von einer Zone bräunlicher, durch sie zerstörter Zuglenen um- lagert; vermuthlich ist jede Gruppe aus einem einzigen Zoosporan- gium hervorgegangen, dessen Schwärmsporen sich nicht weit von ihrer Geburtsstätte entfernen. In diesen Gruppen zeigen die Para- siten eine sehr merkwürdige Wachsthumsrichtung; ihre Körper strecken sich nämlich so, dass die Scheitel nach dem Centrum der Gruppe convergiren und dort nur zarte Keimfäden aussenden, während ihre Längsdurchmesser radial geordnet und die nach den Zuglenen hin ausgetriebenen Haustoriensysteme sich in centrifugaler Richtung strahlig oft zu überraschender Länge entwickeln '). 1) Die Orientirung in der gegenseitigen Lage der Parasiten wie in der stufenweisen Entwickelung der ganzen Cultur von Tag zu Tag wird dadurch 210 Die Parasiten vernichten fast alle Kuglenen in der Cultur; sie vermehren sich so zahlreich, dass sie zuletzt geradezu die Kuglenen vertreten. Man könnte also in der That sagen, aber nicht im Sinne von G. Gros, dass die Kuglenen sich in Parasiten verwandelt haben. Die Individuen des Polyphagus, welche sich in verschiedenen Wachsthumszuständen befinden, liegen zuletzt so dicht neben einan- der, dass sie oft mehrere Schichten bilden; dabei entwickeln sie eine so überraschende Menge von Schwärmsporen, dass letztere, in- dem sie keimen, auf ganzen Strecken dichte Lager bilden, zum grössten Theil aber im Kampf ums Dasein wegen Mangel an Nahrung zu Grunde gehen. 4. Geschlechtliche Fortpflanzung durch glatthäutige Dauersporen. In diese Epoche des Entwickelungskreises fällt die Er- zeugung geschlechtlieher Dauersporen. Unter den Poly- phagusindividuen, welche sich in den beengten Zwischenräumen der abgestorbenen Euglenen entwickeln, befinden sich zweierlei Formen, welche man als Männchen und Weibchen bezeichnen kann. Die Weibehen sind in der Regel grösser, mehr oder weniger kugelförmig, oder auch unregelmässig, indem sie eckige Verlängerun- gen bilden, welche in Haustorien übergehen. Die Männchen da- gegen sind kleiner, keulenförmig, oder verlängert, mitunter spindel- förmig, von ihren Haustorien ist in der Regel eines stielartig am meisten entwickelt; die übrigen bleiben entweder in ihrem primären dünn fadenförmigen Zustande, wenn sie nämlich in keine Kuglenen eingedrungen sind (Taf. IX. Fig. 10 m, Fig. 7 m), oder sie entwickeln sich kräftiger, wenn sie in Euglenen enden (Taf. IX. Fig. 9 m. h.). Doch ist obiger Gestalt-Unterschied nicht streng; denn es kommt auch, obwohl verhältnissmässig seltener, vor, dass keulenförmige Individuen sich bei der Befruchtung als Weibehen verhalten; aus- nahmsweise haben auch Männchen nicht keulenförmige, sondern eine andere Gestalt. Es ist daher oft schwer, vor der Befruchtung die Geschlechter als solche zu unterscheiden, während bei dem Copu- lationsacte selbst Männchen und Weibchen in den meisten Fällen hinlänglich charakterisirt sind. Der Vorgang bei Erzeugung der Dauersporen lässt sich als Copulation auffassen, da die Spore aus der Vereinigung erleichtert, dass die Zuglenen sammt ihren Parasiten ruhig immer auf dersel- ben Stelle bleiben, indem sie den schon erwähnten häutigen Ueberzug bilden, welcher sich leicht mit einem Messer vom Gefässe auf das Objectglas über- tragen lässt. 211 des gesammten Protoplasmas zweier Individuen her- vorgeht; die Spore ist daher als Zygospore, aber auch wegen der sexuellen Verschiedenheit der gepaarten Individuen, als Oospore zu bezeichnen. Die männlichen Individuen, welche in Copulation eintreten, können in jedem Alter stehen (Taf. IX. Fig. 7m, 8m, 10m) und man trifft selbst solche, welche bei dem Acte der Befruchtung nicht weiter in ihrer Entwickelung vorgeschritten sind als keimende Schwärm- sporen (Taf. IX. Fig. Ilm). Die Weibchen dagegen copuliren erst in demjenigen Zustande, in welchem sie auch selbst Schwärmsporen bilden könnten. Die Copulation beginnt damit, dass aus dem Körper des Weib- chens durch eine kreisrunde Oeffnung das gesammte Protoplasma in ähnlicher Weise in einer bruchsackartigen Blase austritt, wie wir dies bei der Bildung der Zoosporangien bereits geschildert haben; es verhält sich daher der Körper des Weibchens auch in Bezug auf die Erzeugung der Oospore als Prosporan- gium, Das Protoplasma wölbt sich durch die Oefinung nach aussen als eine ovale Blase, welche langsam an Grösse zunimmt, während in der allmählich sich entleerenden weiblichen Zelle vacuolenähnliche Räume entstehen und derselben zuletzt ein netzartig schaumiges Aussehen verleihen. Sobald das gesammte Protoplasma aus der weiblichen Zelle ausgetreten ist, bildet es eine ovale Masse, welche unmittelbar vor der Oeffnung liegt, und entspricht nun einer Be- fruchtungskugel oder Gonosphaere; die verlängerte Schlauch- form, der wir oben bei Bildung der Zoosporangien oft begegnet waren, kommt nur ausnahmsweise vor. Nach meiner Meinung be- sitzt die Befruchtungskugel (Gonosphaere) anfangs keine eigentliche Zellhaut, sondern ist nur von einer Hautschicht begrenzt, welche am Scheitel in weicheres Protoplasma übergeht. Die Befruchtung geschieht so, dass das ausgetretene Gesammt- plasma eines Weibchens sich mit dem Gesammtplasma eines Männ- chens vereinigt; die Copulation zweier Geschlechtszellen wird durch die gruppenweise Lagerung der Parasiten erleichtert. Der ausgetretene Protoplasmakörper oder die Befruchtungskugel eines Weibchens kommt bei der Copulation in Berührung mit dem stielartigen Hausto- rium eines benachbarten Männchens; die Membran des Haustoriums wird an der Berührungsstelle aufgelöst; sodann wird das gesammte Plasma der Männchenzelle durch das Haustorium entleert und fliesst mit dem weiblichen zusammen (Taf. IX. Fig. 7, 9). Der Inhaltdes Männchens ze nimmt während des Ueberfliessens eine ähnliche schaumige Beschaffen- heit an, wie wir dies oben bei den Weibchen angegeben haben (Taf. IX. Fig. $m.f.). Wahrscheinlich vergehen mehrere Stunden, ehe die beiden copulirten Individuen sich vollständig entleert haben. Nachdem der Protoplasmakörper, der aus dem Weibchen hervor- getreten war, mit dem Plasma des Männchens sich vereinigt hat und dadurch befruchtet ist, entwickelt er sich zur Zygospore; er beklei- det sich in seinem Umfang mit einer Zellhaut, welche erst zart, einfach, später dieker und aus zwei gesonderten Schalen, Intine und Exine, gebildet ist; die letztere wird gelb, bleibt aber glatthäutig. Im In- halt der Zygospore tritt ein grosser Oeltropfen neben vielen kleineren auf (Taf. IX. Fig. 8, 100); das auf der einen Seite der Spore ad- härirende Weibchen und das befruchtende Haustorium des Männchens grenzen sich durch Scheidewände ab, bleiben aber als leere Häute immer mit der Spore in Verbindung (Taf. IX. Fig. 10, 12, 13). Die Lage des Männchens zur ovalen Spore ist fast immer so, dass das befruchtende Haustorium an dem einen Theile der Spore mit seiner kleinen Oeffnung ansetzt, während das Weibchen mit breiterer Oeff- nung entweder am diametralen Pole (Taf. IX. Fig. 7, 8, 9, 10), oder auch an einer anderen, selbst um 90° divergirenden Stelle ange- heftet ist. Bemerkenswerth ist, dass das stielartige Haustorium, vermittelst dessen das Männchen copulirt, oft seitliche Verästelungen entwickelt hat und daher offenbar vorher zur Einsaugung der Nahrung, nach der Copulation aber umgekehrt zur Entleerung des männlichen Pro- toplasma diente, also zuerst als Ernährungsorgan, sodann als Befruchtungsröhre oder Pollinodium sich verhält. Je nach der grösseren oder geringeren Entfernung der copulirten Ge- schlechtszellen ist das befruchtende Haustorium oft ausserordentlich lang (bis zu 125 Mikr.), zu anderen Malen aber auch weit kürzer, und manchmal sitzt der Körper des Männchens unmittelbar auf der Dauerspore mit einer ähnlichen jedoch engeren Oeffnung wie das Weibchen. Selten, wenn die Oeffnungen der beiden Geschlechtszellen nahezu gleich gross sind, kann man dieselben eben nur an ihrer ver- schiedenen Grösse unterscheiden (Taf. IX. Fig. 12). Es machte dies auf mich den Eindruck, als sei das kurze befruchtende Haustorium des Männchens vollständig im Protoplasmakörper des Weibchens aufgelöst worden. Nicht selten gehen von der Peripherie einer Dauerspore ein oder mehrere Haustorien hervor, welche sich sogar in feinere Aeste verzweigen (Taf. IX. Fig. 8a, Fig. 10a); sie treten dann in der Regel in unmittelbarer Verlängerung des befruchtenden Hausto- 93 riums aus; hier glaube ich den Beweis für eine ursprüngliche Ver- bindung der beiden Haustorienhälften und die Auflösung des Mittel- stückes durch die ausfliessende weibliche Protoplasmamasse zu finden, obwohl es mir nicht glückte, den Vorgang an einem und dem näm- lichen Exemplar vollständig zu verfolgen. Auf der anderen Seite kommt es, wenn auch verhältnissmässig seltener vor, dass das am stärksten entwickelte Haustorium eines Männchens nicht zur Befruch- tung benutzt wird, letzteres vielmehr mit einem anderen Theil seines Körpers copnlirt ist (Taf. IX. Fig. 12). Die reifen Dauersporen sind in ihrer Gestalt ziemlich verschieden, in der Regel oval, doch auch mit unregelmässigerem Umriss; ihre Grösse entspricht der ihrer Copulationszellen; doch scheinen sie die Länge von 30 Mikr. und die Breite von 20 Mikr. nicht zu über- schreiten. Während sich die Dauersporen entwickeln, kommt anfangs in einzelnen Exemplaren auch noch ungeschlechtliche Schwärmsporen- bildung vor; später aber finden sich in den ganzen Culturen aus- schliesslich befruchtete Dauersporen. Auffallend ist, dass die beiden Geschlechter in den Polyphagusgruppen sich in gleicher Zahl ent- wickeln und sich daher nur ganz ausnahmsweise ein Weibchen findet, bei welchem der Plasmakörper seitlich hervorgetreten und mit einer Membran bekleidet ist, ohne doch, weil er mit keinem Männchen kopulirte, zu einer wirklichen Dauerspore sich zu gestalten. 5. Stachelhäutige Dauersporen. In denselben Culturen und zur nämlichen Zeit, wo sich die glatthäutigen Oosporen auf die eben beschriebene Weise entwickeln, bildet sich auch noch eine andere Art von geschlechtlich erzeugten Dauersporen. Sie sind fast stets kugelig, mit einer derben, doppelten Membran umgeben, deren Exine zuerst schwefel-, dann dunkler gelb gefärbt und mit feinen Stacheln dicht besetzt ist. Sie variiren in der Grösse wenig und selten (im Mittel 30 Mikr.). Ganz übereinstimmend mit dem der glatten Sporen ist auch ihr körniger Inhalt und der centrale grosse gelbe Oeltropfen, der oft ein Drittel des Sporendurehmessers einnimmt. Ich glaube gefunden zu haben, dass die stacheligen Sporen sich in etwas anderer Weise entwickeln, als die glatten. Während bei den letzteren aus der Zelle des Weibehens das gesammte Protoplasma bereits ausgetreten ist, ehe es noch mit dem befruchtenden Aste des Männchens sich copulirt, beobachtete ich einige Male, dass zur Erzeugung einer stacheligen Spore ein von dem Männchen ausgehen- des Haustorium an die Seitenwand eines Weibehens anstiess, und dass erst in Folge dieser Berührung aus dem Körper des Weibchens eine gewölbte, bereits mit Stacheln bedeckte Ausstülpung hervortrat, in welche sich sowohl aus dem Männchen, als auch aus dem Weib- chen das Protoplasma langsam hinein ergoss, während in ihren Zellen selbst die schaumige Vacuolenbildung eintrat; erst ganz allmählich erwuchs jene Ausstülpung zu einer vollständigen Dauerspore (Taf. IX. Fig. 14, 15). Die stacheligen Sporen von Polyphagus entstehen daher ähnlich wie die Zygosporen von Piptocephalis und Syncephalis; sie wachsen auch vollständig analog mit jenen') und zeigen einen ähnlichen stacheligen Bau ihrer Membran. Die zur Erzeugung der Stachelsporen copulirenden Polyphagus-Individuen finden sich eben- falls in Gruppen vereinigt; sie sind gewöhnlich grösser und kräftiger als die der glatthäutigen Sporen, so dass sie sich offenbar unter günstigeren Verhältnissen, reichlicher Ernährung und Beleuchtung entwickeln. Ob die glattsporigen und die stachelsporigen Polyphagus- formen als zwei verschiedene constant sich vererbende Generationen (Arten, Racen), oder ob sie nur als unwesentliche Abänderungen derselben Art zu betrachten sind, wollen wir nicht entscheiden, da es uns noch nicht gelang, die beiden Formen durch mehrere Gene- rationen rein zu züchten; vielleicht ist die stachelbäutige die Normal- form und die glatthäntige auf eine minder kräftige Vegetation des Parasiten zurückzuführen. 5. Keimung der Dauersporen. Die Keimung der stacheligen Sporen habe ich nicht beobachtet, wohl aber die der glatthäutigen. Unge- fähr nach einem Monate verkleinerte sich der grosse Oeltropfen in denselben oder er zertheilte sich in kleine Tröpfehen; dann durch- bohrte der Protoplasmakörper der Spore die Exine und trat als Blase nach aussen hervor, ganz so, wie wir es bei Bildung der Zoosporangien bereits beschrieben haben. Der aus der Dauerspore ausgetretene Protoplasmakörper bildete sich ebenfalls zu einem Zoo- sporangium aus, in welchem um gelbliche Kerne (Taf. IX. Fig. 16z) die Schwärmsporen entstanden. Es lässt sich daher mit Bezug auf ihr Verhalten bei der Keimung die geschlechtlich erzeugte Dauer- spore von Polyphagus gewissermassen als Dauerprosporangium auffassen. 6. Systematische Stellung von Polyphagus. Was die systema- tische Stellung unseres Organismus betrifft, so gehört derselbe trotz seiner vielen Eigenthümlichkeiten ohne Zweifel zu der Familie der 1) Dr. O. Brefeld. Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze, I. Heft. Leipzig 1872 p. 49. Taf. VI. Fig. 19h. Van Tieghem, nouvelles Recherches sur les Mucorinees. Ann. d. se. nat. 6, ser. I. pag. 122. fig. 89— 9%. 215 Ohytridiaceen ; als Mitglied derselben eharakterisiren ihn insbesondere die Entstehungsweise und der Bau seiner Schwärmsporen; auch seine anderen Merkmale sind den ÜUhytridiaceen nicht fremd. Er besteht namentlich während seines Vegetationszustandes aus einer einzigen Zelle; das Hervorsprossen mehr oder weniger zahlreicher Haustorien findet sein Analogon bei dem von mir beschriebenen Uhytridium Masti- gotrichis'). Das Zoosporangium dieses Uhytridiums aber entspricht morphologisch nicht dem von Polyphagus, sondern offenbar seinem Prosporangium. Da sich das Zoosporangium bei Polyphagus durch eine Scheide- wand von der vegetativen Zelle des Parasiten (Prosporangium) ab- trennt, so könnte es scheinen, als ob unser Organismus zweizellig sei und zur Gattung Bhrzidium gehörte; diese Vermuthung ist be- reits von A. Braun und Schenk?) ausgesprochen worden, die un- seren Parasiten deshalb als Zrhrzidium Euglenae bezeichneten; denn ich bin überzeugt, dass auch das von Bail beschriebene Ohytridium Euglenae mit dem Rhrzidium Euglenae identisch ist. Die Gattung Rhizidium ist jedoch während ihrer ganzen Ent- wiekelung immer zweizellig; die eine ihrer Zellen ist die verzweigte Wurzelzelle, die andere wird zum Zoosporangium, in dessen Innern sich die Zoosporen bilden. Dieser Unterschied trennt also schon vollständig die beiden Gattungen. Doch stehen ohne Zweifel Poly- phagus und Rhizidium sich sehr nahe und bilden einen besonderen Verwandtschaftskreis (Ahrzidieae), in den vermuthlich auch unser Obelidium?) sich einreihen wird. Namentlich ist die Keimung der Dauersporen bei Prhizidium und Polyphagus ganz übereinstimmend, da bei beiden Gattungen der Gesammtinhalt der Dauerspore aus den Sporenhäuten austritt und zu einem Zoosporangium wird. Auf der anderen Seite erinnert die Entstehung der Zoosporangien aus dem ansgetretenen Protoplasma der Polyphaguszellen, welche sich in Bezug auf die Schwärmsporenbildung als Prosporangien ver- halten, an die ähnlichen Erscheinungen, welche Sorokin bei Zygo- chytrium und Tetrachytriwm entdeckt hat*). Nach Sorokin bildet aber bei letzterwähnten Organismen aus dem ausgetretenen Proto- plasma das Zoosporangium sich erst nach seiner vollständigen Tren- nung von dem Prosporangium, während bei Polyphagus das Zoospo- 1) Siehe diese Beiträge Band II. Heft I. p. 83 Taf. IV. Fig. 15—19. 2) A. Braun, Monatshefte der Berliner Akademie 1856 p. 592. Schenk, Algologische Mittheilungen 1. ce. p. 247. 3) l. ec. p. 86. 4) Sorokin, Einige neue Wasserpilze. Botanische Zeitung 1374 No. 20. 216 rangium immer auf dem Prosporangium an der durch eine Scheide- wand abgeschlossenen Anustritts-Oeffnung angewachsen bleibt. In dieser Beziehung entspricht die Entwiekelungsweise der Zoosporan- gien bei Polyphagus, Zygochytrium und Tetrachytrium ganz beson- ders auch den analogen Erscheinungen, welche die Saproleg- niaceengattung Pythium zeigt'). Während demnach in der ungeschlechtlichen Fortpflanzung obige U’hytridiaceen offenbare, übri- gens schon früher oft betonte Verwandtschaft mit den Saprolegnia- ceen besitzen, nähern sie sich in ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung nicht minder den Zygomyceten. Diese Verwandtschaft, auf welche schon Sorokin aufmerksam gemacht hat, tritt am deutlichsten bei seinem Zygochytrium hervor, wo sich zwei Mycelaeste eines Indivi- duums zur Bildung einer stacheligen Dauerspore copuliren. Bei Polyphagus ist ein Unterschied der Geschlechter, wenn auch nicht vollkommen ausgesprochen, welcher die Individuen als diöcisch charakterisirtt und eine neue merkwürdige Zwischenstufe zwischen Copulation und sexueller Befruchtung darstellt. Auf Grund oben erwähnter Thatsachen gehören die in Bezug auf ihre geschlechtliche Fortpflanzung genauer untersuchten Gattun- gen der Ühytridiaceen zur Gruppe der Siphomyceten. In welcher Beziehung aber zu dieser Gruppe die übrigen Uhytridiaceen und insbesondere die Synchytrien stehen, bei welchen keine Befruchtung bis jetzt gefunden wurde, müssen die späteren Untersuchungen ermitteln. Breslau, den 20. Juni 1876. 1) Vergl. Pringsheim, Jahrbücher Band I. p- 257. De Bary, Pringsheims Jahrbücher Il. p. 152. Vergl. Hesse, Pythium Debaryanum, Halle 1574 p. 20. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren sind mit Hilfe der Camera lueida gezeichnet. Tafel VI. Die Figuren $S, 9, 10 sind 600 Mal, die übrigen 400 Mal vergrössert. hh Haustorien, ee Euglenen. Polyphagus Euglenae. 1. Zwei keimende Schwärmsporen je mit einem stark lichtbrechenden Kerne und fünf strahlenartig ausgehenden Keimfäden (Haustorien), deren zwei schon etwas dicker und in die nebenliegenden Puglenen ee eingedrungen sind. 2. Ein junges Individuum mit einem diekeren Haustorium h, welches in eine schon zerstörte Euglena e eingedrungen ist und seitliche Aeste treibt. Von den übrigen fadenförmigen Haustorien stösst eines an eine grüne Zuglena an, während die anderen noch frei liegen. Protoplasma des birnförmigen Parasitenkörpers enthält kleine Oel- tropfen. 3. Ein ähnliches aber älteres Exemplar mit einem kräftig entwickelten Haustorium. Von den drei ergriffenen Buglenen ist eine schon gelb und offenbar zerstört, die zwei übrigen noch grün. 4. Ein junger Parasit mit einem kurzen dicken, in eine zerstörte Huglena e eingedrungenen Haustorium, die übrigen Haustorien sind dünn, fadenförmig; ihre sich verzweigenden Aeste dringen ebenfalls in Euglenen ein. Das Protoplasma des Parasiten enthält Oeltropfen. 5. Drei Parasiten auf einer Zuglena sich entwickelnd. Su eingedrungen ist. 7. Ein typisch entwickeltes Individuum vor der Zeit der Zoosporangien- bildung. Aus dem rundlichen, zahlreiche Oeltropfen enthaltenden Körper p (Prosporangium) gehen nach allen Seiten wurzelförmig sich verzweigende Haustorien aus; sie enden in den fast sämmtlich zer- störten Zuglenen; aa seitliche Aeste der in die Puglenen (e) einge- drungenen Haustorien, Ein Parasit, viele Oeltropfen enthaltend, und unmittelbar auf einer Euglena aufsitzend, in deren Körper eines seiner Haustorien völlig 218 Entwickelung der Zoosporangien (Fig. S—13). Fig. 8, 9, 10. Drei verschiedene Exemplare von Prosporangien, den Austritt Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig. 1 Fig. - 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6 der Protoplasmablase in drei aufeinander folgenden Stufen zeigend; hhh abgeschnittene Haustorien; vv zwei vacuolenähnliche Räume. Die ausgetretene ovale Protoplasmablase sitzt seitlich am Prospo- rangium p; das in diesem zurückgebliebene Protoplasma zeigt schau- migen Bau. Ein junges, aus dem ausgetretenen Protoplasma gebildetes Zoospo- rangium z ist schon mit einer Haut bekleidet; das im Prosporangium p zurückgebliebene Protoplasma zeigt schaumigen Bau. Die Hausto- rien hh sind abgeschnitten. Das Zoosporangium z hat sich von dem entleerten Prosporangium p, aus welchem sein Protoplasma durch ein kreisförmiges Loch heraus- getreten ist, durch eine Scheidewand abgetrennt; a ein durch eine Euglene durchgewachsenes Haustorium ist in eine benachbarte Zuglena eingedrungen. Tafel IX. Entwickelung der Zoosporen (Fig. 1—6). Vergr. 600. Ein grosses gebogenes und unregelmässig gekrümmtes Zoosporangium z vor der Zeit der Schwärmsporenbildung, auf dem entleerten Prosporangium p sitzend; hh zwei abgeschnittene Haustorien. Vergr. 400. Ein ähnliches Zoosporangium, aber kleiner. Vergr. 600. Ein Zoosporangium, junge Schwärmsporen enthaltend; p Prosporangium, hhh abgeschnittene Haustorien. Vergr. 600. Ein kleines Zoosporangium, nur zwei Schwärmsporen enthaltend; h Haustorium, p Prosporangium. Vergr. 400. Schwärmsporen, durch die terminale Oeffnung des Zoosporangiums austretend; p Prosporangium, hh abgeschnittene Haustorien. Vergr. etwa S00. Schwärmsporen, stark lichtbrechende Kerne und Va- cuolen enthaltend. Entwickelung der geschlechtlichen Dauersporen (Zygosporen, Oosporen). Fig. 7. Fig. 8. Glatte Dauersporen (Fig. 7—13). Vergr. 400. Das Weibchen f mit einem stark entwickelten in der zerstörten Euglena e endenden Haustorium h lässt sein Protoplasma o seitlich austreten; dieses wird von einem Männchen m vermittelst eines als Befruchtungsröhre dienenden Haustorium h befruchtet; das Männchen hat noch zwei fadenförmige Haustorien entwickelt. Vergr. 600. Weitere Ausbildung der befruchteten Dauerspore mit einem grossen und zahlreichen kleineren Oeltropfen; m Männchen, f Weibchen, noch schaumartiges Protoplasma enthaltend; hh Hausto- rien in die zerstörten Euglenen ee eihdringend; a ein Haustorium- ast, aus der Wand der Dauerspore herauswachsend, wahrscheinlich früher dem Männchen angehörig. Fig. 9. Fig. Fig. Fig. Fig. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft II. 15 10 IE „13: 14. 15. 16. 219 Vergr. 750. Zwei geschlechtliche Individuen zur Befruchtung der Dauerspore copulirt; ihr Protoplasma ist in Vereinigung begriffen, wie die Contraction durch Glycerin deutlich erkennen lässt; f das weibliche, m das männliche Individuum mit ihren in Kuglenen eee eingedrungenen Haustorien hh; o die in Folge der Befruchtung ent- stehende, schon mit einer dieken Haut umgebene Oospore. .» und folgende sind 400 Mal vergrössert. Die Dauerspore o mit einem grossen und vielen kleineren Oeltropfen, von einem sehr kleinen Männchen m befruchtet; a ein Theil des befruchtenden Haustoriums des Männchens m ist nicht vom Protoplasma des keulenförmigen Weibchens aufgelöst und bleibt an die Wand der Dauerspore o ange- wachsen. Eine glatthäutige Dauerspore, einen grossen Oeltropfen enthaltend; m ein sehr kleines Männchen mit drei fadenförmigen Haustorien; f Weibchen. Eine kleine glatthäutige Dauerspore, entstanden aus der Copulation zweier gleich gestalteter und nur durch die Grösse verschiedener keulenförmiger Individuen. Eine glatthäutige Dauerspore 0, einen grossen Oeltropfen enthaltend; das Männchen m ist in seiner Form und Grösse kaum von dem Weibehen unterscheidbar. Stachelige Dauersporen (Fig. 14, 15). Eine stachelige Dauerspore, welche sich noch während der Befruch- tung vergrössert; f das Weibchen, dessen Protoplasma zahlreiche Oeltropfen enthält; m das Männchen mit einem langen befruchtenden Haustorium, einen Oeltropfen enthaltend; von den vielen übrigen fadenförmigen Haustorien sind zwei in Euglenen eingedrungen ee. o Eine vollständig ausgebildete stachelige Dauerspore, einen grossen Oeltropfen enthaltend; f das entleerte Weibchen mit abgeschnittenen Haustorien hhhhh; m das entleerte Männchen. o Eine glatthäutige Dauerspore keimend; im Zoosporangium z bilden sich Schwärmsporenkerne. BE . I) 2 ® u { ® in) Fr 4 )9e® s ar a ” 2 Kur a vi u Be 2 = u mu Iniaı nr j re BET} ' K ATey ya et » - . ET aa Kua..* Pu ’ Die Keimung der Sporen und die Entstehung der Fruchtkörper bei den Nidularieen. Von Dr. Eduard Eidam. Mit Tafel X. Einleitung. Die zur Gruppe der Nedularieen gehörigen Pilze sind schon oftmals beschrieben worden; das sonderbare Aussehen der reifen Fruchtkörper dieser den Gasteromyceten sieh anschliessen- den Gebilde musste frühzeitig zu näherer Beobachtung auffordern. Dennoch sind die tiefer eingehenden entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen über die Nedularreen verhältnissmässig neueren Datums. Es war zuerst J. Schmitz'), der den merkwürdigen Bau des in Laubwäldern häufigen ÖUyathus striatus Willd. von seinen Jugendlichen Zuständen an bis zur völligen Reife studirt hat und bereits zwei Jahre darauf erschien eine Arbeit der Gebrüder Tu- lasne?), welche die Untersuchungen von Schmitz in ausgezeich- neter Weise fortgesetzt und vervollständigt, zugleich auch die erste monographische Bearbeitung der Nidularieen und deren Reduction auf die Gattungen Uyathus, Urueibulum und Nidularia unternommen hatten. Endlich ist von Sachs?) eine vorzügliche Entwickelungs- geschichte des OUrucibulum vulgare Tul. veröffentlicht worden. Die genannten Korscher gingen bei ihren Untersuchungen von den bereits fertig gebildeten Pilzen aus, sie stellten sich die Auf- gabe, jene interessanten Gewebsdifferenzirungen kennen zu lernen, welehe mit dem Erscheinen der Fruchtkörper als sandkorngrosse 1) Tinnaea Band 16 Heft 2. 1842. 2) Annal. des science. naturell. Ser. 3. Tom. I. 1844. 3) Botan. Zeitung 1855 No. 48. vgl. auch dessen Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. 1874 S. 338. 15* 222 Knötchen beginnen, um mit den reifen zierlichen Bechern abzu- schliessen, deren Inneres von zahlreichen linsenförmigen Sporangien angefüllt wird. Während wir also über die in den heranwachsenden Fruchtan- lagen vor sich gehenden Umbildungen wenigstens bei Uyathus und Crucibulum sehr genau unterrichtet sind, ist dies um so weniger mit der Keimung der Sporen, sowie mit dem Verhalten des aus letzteren hervorgehenden Myceliums der Fail und ferner bedarf die Art, wie die allererste Gestaltung der Fruchtkörper stattfindet, noch näherer Beobachtung. Alles, was wir von der Sporenkeimung wissen, be- schränkt sich auf einige lückenhafte Angaben über Uyathus striatus, bei welchem Pilze sie bereits Hoffmann!) im Jahre 1859 und Hesse?) kürzlich aufs Neue beschrieben und abgebildet haben. Die Keimung der Sporen von Urwcibulum aber ist überhaupt bis jetzt nicht gelungen und noch jüngst von Reess°) ohne Erfolg ver- sucht worden. Während des vergangenen Winters stellte ich im pflanzenphysio- logischen Institut der Universität Breslau zahlreiche Culturversuche mit den Sporen von Urucibulum vulgare Tul. und Uyathus striatus Willd. an, ich beobachtete deren Keimung, sowie die Ausbildung der Mycelien auf künstlichen und natürlichen Nährsubstraten, endlich verfolgte ich den Aufbau ihrer Fruchtkörper von den allerjüngsten Zuständen an bis zur Sonderung der Gewebsschichten im Innern derselben. Methode. Da alle bisherigen Versuche der Forscher, die Sporen von Nidularieen und von Gasteromyceten überhaupt zur Keimung anzuregen, theils gar nicht, theils nur mangelhaft das gewünschte Ziel erreichen konnten, so suchte ich eine andere Methode in An- wendung zu bringen, welche geeignet wäre, ein kräftiges Mycel zu erziehen und dabei die unausgesetzte Beobachtung mit dem Mikroskop zu gestatten. Denn die Erfolglosigkeit der früheren Bemühungen musste eben nur darin zu suchen sein, dass die Sporen nicht in die für ihre Keimung und weitere Entwickelung erforderlichen Umstände gebracht worden waren, so dass sie kurz vor oder nach der Keimung zu Grunde gingen. Das von mir benutzte Verfahren bestand darin, dass ich die Sporen bei gleichzeitiger Gegenwart passender Nähr- 1) Botan. Zeitung 1859 No. 25. 2) Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik von Pringsheim 1875. 10. Bd. 2. H. 3) Ueber den Befruchtungsvorgang bei den Basidiomyceten. Prings- heim’s Jahrbücher 10. B. 2. H. S. 185. 223 verhältnisse einer Tag und Nacht anhaltenden Temperatur von 20 bis 25° C. aussetzte unter Glasglocken, deren Innenraum ganz und gar mit feuchtem Fliesspapier überkleidet war. Durch diese, ver- mittelst eines Wärmkastens erzielten höheren Wärmegrade wurde die Lebensthätigkeit der ausgesäten Sporen gefördert und die, rasche Mycelentfaltung erheblich begünstigt. Uebrigens stellte ieh auch während der Monate October bis December 1875 bei gewöhnlicher Zimmertemperatur Keimungsversuche an, welche ebenfalls, nur viel langsamer und unregelmässiger, von Erfolg begleitet waren. Als Culturflüssigkeit verwendete ich neben Abkochungen von Pflaumen, Rinde, Heu, zersetztem Holz etc. am meisten krystallklar filtrirtes, nach Brefeld’scher Methode dargestelltes Pferdemistdeeoet, welches wegen seiner Bestandtheile und seiner Haltbarkeit nach meinen Erfahrungen am besten zu derartigen Versuchen geeignet ist. Alle künstlichen Culturflüssigkeiten haben aber neben dem Vor- theil der jederzeit ermöglichten mikroskopischen Beobachtung immer den Nachtheil, dass wir bei Anwendung derselben nicht allein die Pilze zwingen, in einem ihren natürlichen Bedingungen der Regel nach nicht entsprechenden Medium sich anzusiedeln, sondern dass wir auch bei unserer noch mangelhaften Kenntniss über die physio- logischen Wachsthumsverhältnisse dieser Organismen ihnen eine Nahrung darreichen, von der wir nicht wissen, ob sie alle Stoffe enthält, welche diese Pflanzen in der Natur für sich verwenden. Wenn der Pilz üppig wächst, so können wir zwar annehmen, dass ihm die gebotene Nahrung zusagt, dennoch aber sind nur selten alle Um- stände vorhanden, um seine sämmtlichen Entwickelungsstadien und Fruchtformen hervorzurufen, so dass wir in dieser Beziehung eben sehr häufig wieder zu natürlichen, d. h. nicht flüssigen Substraten zurückgreifen müssen, Zum Zweck der Aussaat brachte ich die harten und spröden Sporangien, nachdem bei Urucibulum die äussere pergamentartige Hülle durch Schälen mit der Nadel entfernt worden war, zunächst einige Minuten in abseluten Alkohol, um etwa anhängende fremde Pilzsporen zu tödten, darauf legte ich sie in einen Tropfen destillir- ten Wassers und liess sie so eine Viertelstunde lang mazeriren. Nach dieser Zeit waren sie völlig erweicht und durch Zerdrücken mit reinen Nadeln erhielt das Wasser eine milchweisse Farbe, von den in ihm suspendirten zahlreichen Sporen herrührend. Die Reste des schleimigen Funiculus wurden entfernt und das so gewonnene möglichst reine Sporenmaterial zur Aussaat verwendet. Sobald die Keimlinge etwas an Grösse zugenommen hatten, vertheilte ich sie 224 zu einem oder wenigen in frische Culturtropfen und erneuerte letztere, um die Ansiedelung von Hefe und Bacterien möglichst zu hindern, nach täglich wiederholtem vermittelst Fliesspapier ausgeführtem vor- sichtigem Wegwischen. Cyathus striatus Willd. Das von mir zu den Aussaatversuchen angewendete Material ent- stammte Uyathus-Bechern, welche im October vorigen Jahres gesam- melt und seitdem trocken aufbewahrt worden waren. Sporenkeimung. Frisch aus den Sporangien genommen und in Wasser vertheilt sind die Sporen farblos, mehr oder weniger regel- mässig, von länglich ovaler Gestalt, oft beiderseits eingedrückt; sie besitzen ein vollständig glattes Epi- und Endosporium. Ihre durch. schnittliche Länge beträgt 18 Mikr., ihre Breite 9—10 Mikr. Als ich sie in Mistdecoet bei einer Temperatur von etwa 25” CO. aus- säte, nahmen sie bald von aussen Flüssigkeit ins Innere auf, sie schwollen prall an, ihr gleichmässig feinkörniges Protoplasma son- derte sich in Folge der regen Endosmose in dichtere Partieen, welche vereinzelte oder mehrere mit dünnerem Inhalt erfüllte Hohl- räume netzartig umgaben. In seltenen Fällen theilte sich die Spore kurz vor der Keimung durch eine Scheidewand in zwei etwa gleich- grosse Hälften. Hierauf wurde das Episporium von den hervordringenden Keim- schläuchen durchbrochen, Fig. 1, 2, 3, 4. Gewöhnlich kamen letz- tere zu einem oder zwei, Fig. 2, an den abgerundeten Enden der Spore zum Vorschein, in anderen Fällen jedoch entstanden sie in unbestimmter Gegend seitlich, Fig. 1, und zwar liessen einzelne Sporen bis drei Keimschläuche erkennen, Fig. 3. Sehr häufig ver- zweigten sich letztere unmittelbar an der Austrittstelle, Fig. 4, worauf jeder Zweig in entgegengesetzter Richtung weiter wuchs und durch diesen Umstand gewann es den Anschein, als ob zwei Keim- schläuche gleichzeitig von demselben Punkt aus sich entwickelt hätten. Letzteren Vorgang hat Hoffmann!) bereits richtig beschrieben, und wenn auch nicht gut, so doch deutlich erkennbar abgebildet, was ich hier ausdrücklich bemerke, weil Hesse?) in Folge seiner Dilaoı Pafıı 11. Fig 21. 2)l.ec. Anm. Ich bemerke, dass die von Hesse für seine Figuren ange- gebene Vergrösserung von 300 unmöglich richtig sein kann; der Grösse dieser Abbildungen nach muss sie mehr als das Doppelte betragen. Wahrscheinlich sind die Bilder, ebenso wie die meinigen, mit dem Zeiehnenprisma entworfen und hat Hesse die je nach der Entfernung des Papieres vom Objecttisch bedeutend gesteigerte Vergrösserung nicht in Rechnung gezogen. 225 Beobachtung der Ansicht ist, als ob Hoffmann’s Keimversuche „in ihrem Resultate der Wirklichkeit fern geblieben wären.“ Hesse säte die Sporen überhaupt nur in destillirtes Wasser aus, so dass sie auch von aussen keine Nahrung weiter aufzunehmen im Stande waren und keine Rede von der Erziehung eines kräftigen Myceliums sein konnte. So beschränkt sich denn das Ergebniss seiner Versuche allein darauf, dass er einen oder selten zwei kümmerliche Keim- schläuche erhielt, welche höchstens die zwei- bis dreimalige Länge der Spore erreichten, „mitunter ein ganz kurzes Seitenzweiglein bildeten,“ dann im Wachsthum stillstanden und in kurze eylindri- sche Zellchen auseinanderfielen. In die entstehenden Keimschläuche nun fliesst fast das gesammte Plasma der Spore über; letztere nimmt immer mehr Wasser von aussen her auf, in Folge dessen wird ihr Volumen vergrössert, die Vaeuolen im Innern werden vermehrt und das Plasma auf einige strangartige Reste beschränkt, Fig. 1—4. Die Keimschläuche selbst sind ihrem ganzen Verlauf nach von gleichmässiger Dicke, höchstens an der äussersten Spitze verjüngen sie sich etwas, sie wachsen rasch in die Länge und zeichnen sich durch die fast gerade, nur schwach wellenförmig oder in weitem Bogen verlaufende Richtung aus, welche sie einschlagen. Immer an ihrem Ende findet sich das dichteste Protoplasma, weiter zurück treten mehr und mehr Vaecuolen auf und die Zellmembran erscheint deutlicher. Nicht immer jedoch ist der Vorgang so regelmässig, und als ich die Sporen in ungünstige Nährflüssigkeiten oder bei gewöhnlicher Zimmertemperatur im Februar und März aussäte, ent- wickelten sich spärliche Keimschläuche, welche nur wenig und lang- sam sich verlängerten, knorrig hin und her gebogen waren und an verschiedenen Stellen Dilatationen erkennen liessen, die später in kurze verdünnte Aeste übergingen. An den normalen Keimschläuchen aber entstehen sehr bald zahl- reiche Verzweigungen und Scheidewände. Letztere befinden sich oft dicht an der Austrittstelle, sie sind nur da deutlich sichtbar, wo das Protoplasma bereits die Vacuolenbildung begonnen hat. Wo eine Scheidewand zu bemerken ist, entsteht gewöhnlich unterhalb dersel- ben ein Seitenast, obwohl letztere auch oberhalb der Septa oder mitten von der Zelle aus ihren Ursprung nehmen können, Fig. 2 bis 6. Die Verzweigung geschieht“theils durch reichliche Veräste- lung des Hauptfadens, theils durch direete Gabelung desselben, bis- weilen kommen unmittelbar neben einander auf derselben Seite des Fadens Aeste zum Vorschein, die nach entgegengesetzten Richtungen 226 wachsen und sich so kreuzen; in andern Fällen entstehen zwei Aeste auf gleicher Höhe einander gegenüber. Eine besondere An- ordnung in der Astbildung ist nicht zu erkennen, alle Aeste aber gleichen in ihrem Durchmesser dem Hauptfaden und wie dieser wachsen sie nur schwach gebogen entweder parallel mit ihm oder in mehr oder weniger senkrechter Richtung abgewendet, weiter, Fig. 5. Verhalten des Myceliums auf flüssigem und festem Nährboden. So breitet sich schon nach drei Tagen ein äusserst zarter spinn- webenartiger Filz in dem Culturtropfen aus, dessen einzelne Fäden sehr klebrig sind und beim Herausziehen der Nadel als schleimige Masse anhängen. Das junge Mycelium schwimmt auf der Oberfläche der Flüssigkeit, während am Grunde derselben die ungekeimten und todten Sporen entleert als Häute mit dicken zusammengefallenen Membranen herumliegen. Man muss mit Isolirung der Keimlinge beginnen, wenn dieselben noch möglichst klein sind, denn später verwirren sie sich unter einander und können nur unter Verletzung wieder getrennt werden. Nach Verlauf von etwa sechs Tagen durch- zieht bereits ein reichliches Mycelium, von einer Spore ausgegangen, welche demselben als aufgeblasener Sack anhängt, die Nährlösung, mit zahlreichen nach allen Richtungen abgehenden Verästelungen ausgestattet. Ist der Tropfen klein, so kommen die Endausläufer des Myceliums aus demselben heraus, sie kriechen theils über seine Ränder auf den Objectträger, theils erheben sie sich in die Luft und so entsteht über der Flüssigkeit ein weisswolliges Filzgewebe. Aber nicht in allen Fällen kommt es zur Ausbildung eines so reich- lichen fädigen Myceliums, viele Keimlinge zeigen vielmehr ein ver- schiedenes und sehr merkwürdiges Verhalten. Während nämlich die meisten Aeste derselben in gewöhnlicher Weise weiterwachsen, bekommen andere zahlreiche Septa, sie glie- dern sich in Folge dessen in länglich eylindrische Zellchen, winden sich hin und her und häufig rollen sie sich spiralig zusammen, Fig. 5 und 6. Nach kurzer Zeit fallen die gebildeten Zellen von den Tragfäden ab, Fig. 6, sie liegen in Menge theils zwischen dem Mycelium, theils in dem gesammten Culturtropfen zerstreut umher, theils isolirt, theils in verschiedener Anzahl spiralig, ziekzack- oder kettenartig längere oder kürzere Zeit mit einander in Zusammenhang bleibend. Die eben beschriebene Bildung ist die gewöhnliche: nur einzelne Seitenäste, wohl auch die Enden von Hauptästen, zerfallen, Fig. 5, während das übrige Mycel weiter wächst und fortgesetzt neue Verzweigungen hervorbringt. Ein Theil der letzteren erhebt 227 sich senkrecht vom Mutterfaden aus über die Oberfläche der Flüssig- keit, entwickelt seitliche oder dichotome Aeste, welehe kurz bleiben, und diesen Gebilden ein zierliches, baumartiges Ansehen verleihen. Bald aber gliedern sich die Aestchen ihrem gesammten Verlauf nach ebenfalls in kurze Zellen von derselben Beschaffenheit, wie sig oben beschrieben wurden und nur mit dem einen Unterschied, dass sie in solchen Fällen frei in der Luft entstanden sind. Aber noch andere Abweichungen sind zu bemerken. Befinden sich die Sporen in un- günstigen Nährverhältnissen, wohin auch der Fall zu zählen ist, dass ihrer zu viele in einem Culturtropfen vorhanden sind, so tritt bereits an den jungen, noch ganz kurzen Keimfäden die auffallende Neigung hervor, sich zu zergliedern und auseinanderzufallen, wie dies auch Hesse!) bereits angegeben hat. Ich beobachtete Sporen, welche mehr oder minder verästelte Keimschläuche getrieben hatten, aber schliesslich gänzlich in Gliedzellen auseinanderfielen, so dass also eine vollständige Zerbröckelung der Haupt- und Nebenäste eintrat, Fig. 7. Sobald aber das Mycelium kräftig gedeiht, so entstehen diese Zerfallprodukte viel seltener, auch wohl gar nicht, ersteres nimmt vielmehr dann Formen an, welche weiter unten beschrieben werden sollen. Was die abgegliederten Zellen betrifft, so ist die Mehrzahl der- selben dieht mit stark lichtbrechendem feinkörnigem Protoplasma an- gefüllt; die an einem Faden gemeinsam entstandenen sind oftmals so ziemlich von der nämlichen Länge, welche letztere wieder dem Breitendurchmesser gleich oder denselben um das Doppelte und mehr übertreffen kann, Fig. 6. Sie gleichen in diesem Zustande in hohem Grade den von mir”) an Agaricusarten beschriebenen Bildungen, welche bei Sporenculturen am Mycel dieser Pilze zum Vorschein kommen und welche ich seitdem in gleicher Weise bei Agaricus pleopodius Bull. erzielt habe und bei Coprinus atramentarius Bull., wo sie auf stattlichen Trägern sich entwickeln. Sehr häufig jedoch, zumal wenn das ganze oder der grösste Theil des aus einer (yathus- spore hervorgegangenen Myceliums zerbröckelt, sind die Zerfallzellen von ganz ungleicher Länge: bald zerbricht der Faden unter viel- fachen Ziekzackkrümmungen in eine Reihe grösserer, dann wieder kleinerer Stücke, bald finden sich diese beiden Formen gemischt vor. Am meisten ähnelt das beschriebene Verhalten des C'yathus- Myceliums in Nährlösungen — denn auf festen Substraten konnte Bier. 2) Botan. Zeitung 1875 No. 40, 41, 45. 228 ich es nie beobachten — den bei dem gemeinen Oidium /actis schon längst bekannten Erscheinungen, welchen Pilz Haberlandt') kürz- lich auf’s Neue beschrieben und abgebildet hat. Auch bei Oidium treffen wir in ausserordentlicher Regelmässigkeit diese Zergliederung des gesammten Myceliums oder einzelner Zweige desselben. Ich suchte das weitere Verhalten der von dem Üyathus-Mycel abgegliederten Zellen zu beobachten. Es zeigte sich, wie ein Theil dieser Zerfallzellen, die kürzeren sowohl wie die längeren, anschwoll, ihre Ecken sich abrundeten und sie am Ende oder in ihrer Mitte einen Keimfaden entwickelten, Fig. 8 bis 12. Dabei liess sich noch sehr gut die kettenförmige Anordnung der aus einem Faden hervor- gegangenen Glieder erkennen. Die Keimfäden wuchsen in die Länge, sie bildeten neue Verzweigungen, Fig. 10 und 11, und manchmal erschien es, als ob zwei vorher getrennte Glieder vollständig mit einander verschmolzen und anastomosirten, Fig. 3, 12. Doch konnte ich mir über letzteren Punkt durch direete Beobachtung keine Ge- wissheit verschaffen. Jedenfalls kann aber keine Rede davon sein, die beschriebenen Zellen als ,„Spermatien‘ in unserem bisherigen Sinne anzusehen, ebensowenig wie dies fernerhin bei obigen Ayaricuszellen zulässig ist; denn nicht allein dass bei letzteren van Tieghem?) die Kei- mung gesehen und sie daher als Conidien bezeichnet hat, so scheint auch in Folge der neuerdings von diesem Forscher sowohl als von Brefeld (s. weiter unten) gemachten Entdeckungen über Entstehung der Hutpilze die Annahme einer Spermatienbefruchtung durchaus unzulässig. Den Üyathuszellen scheint vielmehr ebenfalls die Rolle von Pro- pagationsorganen zuzukommen und ich bin der Ansicht, dass sie überhaupt nur unter solchen Umständen entstehen, wo nicht alle dem Mycel zum andauernd kräftigen Gedeihen nothwendigen Be- dingungen erfüllt sind. Ich betrachte sie daher als eine unter ab- normen Verhältnissen eintretende Erscheinung, dazu bestimmt, das 1) F. Haberlandt, Wissenschaftlich-praetische Unters. auf dem Gebiete des Pflanzenbaues, Wien 1875. Haberlandt erhielt bei seinen Culturen den von Brefeld 1569 entdeckten Myxomyceten Dietyostelium mucoroides, er- kannte denselben jedoch nicht, sondern hielt ihn für eine besondere Entwicke- lung von Oidium laetis. In Folge dieses Irrthums glaubt er damit die bis jetzt vergeblich gesuchte Ascosporenform des Oidium lactis gefunden zu haben! 2) Bot. Zeitung 1876 No. 11. Annal. des sciene. naturell. Ser. VI. Tom. Il. p. 361. ne a 229 Mycel auch "unter ungünstigen Bedingungen zu erhalten und fortzu- pflanzen. Wenn in den Culturtropfen nur wenige keimende Sporen vorhanden sind, so dass die entstehenden Mycelien frei nach allen Richtungen sich ausbreiten können, wenn man ferner für öftere Erneuerung -der Nährflüssigkeit Sorge trägt, so tritt die beschriebene Zergliederung nur selten an vereinzelten Aesten hervor. Das Mycel wächst viel- mehr kräftig heran, es zeichnet sich durch die grosse Länge seiner einzelnen Zellen aus und die zahlreichen Verzweigungen wachsen oft so eng neben- und durcheinander hin, dass sie sich gegenseitig umschlingen und dadurch zu mehr oder minder dichten strangartigen Partieen gestalten. Ausserdem beginnt eine überaus reichliche Schnallenzellenbildung über die ganze Mycelfläche hin, und demselben ein sehr charakteristisches Ansehen verleihend. Bekanntlich ent- stehen die Schnallenzellen an Hyphen gewöhnlich in der Nähe von Scheidewänden durch Ausstülpungen, welche sehr kurz bleiben und nicht wie die Aeste vom Mutterfaden weg wachsen, sondern unter bogenförmiger Krümmung demselben sich alsbald wieder anlegen, wobei eine mehr oder weniger deutlich hervortretende Oese zu Stande kommt. Diese Bildungen habe ich an den Mycelien der un- tersuchten Nidularieen stets massenhaft und unter mancherlei Ab- änderungen auftreten sehen; ihr Aussehen am Mycel ist ein ganz anderes, als an den eigenthümlichen Zellen des funiculus, wo sie schon Schmitz!) und Tulasne?) beschrieben haben. Die zu den Schnallenzellen sich gestaltenden Ausstülpungen ent- stehen an der Hyphe bald einseitig, bald auf beiden Seiten, Fig. 18 bis 22; in letzterem Falle kommen bisweilen fast regelmässig hen- kelartig in der Mitte sich verbindende Gebilde zur Entwickelung, Fig. 21. Durch Verästelung der Mycelfäden und durch oftmalige Wiederholung dieser Schnallenzellenbildung in kurzen Zwischen- räumen an den neuen Aesten gewinnt das Gesammtbild noch mehr an Mannigfaltigkeit, Fig. 19. Vielmals jedoch wuchsen die ur- sprünglich zu Schnallenzellen bestimmten Anlagen in wirkliche Seiten- zweige aus, während sie in andern Fällen zur Entstehung von Ana- stomosen Veranlassung gaben. Denn in so weit vorgeschrittenem Zustand des Myceliums sind Anastomosen durchaus nicht selten. Ich beobachtete, dass in jenen Fällen, wo zwei Mycelfäden gekreuzt übereinander lagen, an der Berührungsstelle entweder die jungen Schnallenzellenanlagen selbst sich nicht ihrem eigenen, sondern dem 1 le 2) lc. 230 fremden Faden anlegten und mit ihm verwuchsen, Fig. 18, oder dass andere Ausstülpungen ebenfalls die Anastomose zweier fremder Fäden einleiteten, Fig. 17. Eine sonderbare Bildung habe ich in Fig. 15 aufgezeichnet, die wohl in der Weise entstanden ist, dass ein Mycelfaden sich unmittelbar an die bereits gebildete Schnallen- zelle eines andern Fadens anlegte, worauf letztere drei neue Hervor- treibungen gebildet hatte. Alle diese Anastomosen und Schnallenzellenbildungen begünstigen sehr die strangartige Ausbildung des Myceliums und sie dürften wohl auch durch Plasmazufuhr eine Kräftigung einzelner Partieen herbeiführen, welche zur Entstehung einer Menge neuer Verästelun- gen die Veranlassung abgiebt. Man erkennt, wie manche Myecel- enden oder Seitenäste in bizarrer Weise rechts und links theils sich ausbuchten, Fig. 13 und 17, theils unter Anschwellung kurze Her- vorragungen erzeugen, Fig. 14. Dabei sind nicht selten gekrümmte oft diehotome Auswüchse aus den Mycelfäden zu bemerken, Fig. 16 und 22, welche bald von einzelnen, bald von mehreren neben einan- der verlaufenden Hyphen entstehen. Diese endständig oder im Ver- lauf der Hyphen zum Vorschein kommenden Auswüchse bilden neue und kurz bleibende Verzweigungen aus, sie verwirren und umschlin- gen sich dieht und knänelartig und treten auch wohl über die Ober- fläche der Flüssigkeit in die Luft hervor. Soweit konnte ich die Mycelentwickelung aus den Sporen von Uyathus striatus auf dem Objeetträger verfolgen, sie blieb trotz an- scheinend bisher guten Gedeihens und trotz fortgesetzter Erneuerung der Nährlösung auf dem zuletzt geschilderten Zustand der Ausbildung. Auch nach wochenlanger Frist, wo die überhandnehmende Ansiede- lung von Hefe und Bacterien nicht mehr vermieden werden konnte, zeigte sich an dem Mycelium keine besondere Formwandlung mehr, auch die zuletzt erwähnten knäuelartigen Bildungen entwickelten sich nicht weiter und viele Fäden wurden unter Verlust des Protoplasmas augenscheinlich lebensunfähig. Wenn also auch keine eigentlichen Fruchtkörper auf diesem Wege erzielt werden konnten, so bin ich doch geneigt, auf Grund der folgenden Untersuchungen jene Knäuel, die oft kurz hintereinander unter Betheiligung einzelner oder meh- rerer Myceifäden entstanden, als primitive Einleitungen zur Frucht- körperbildung zu betrachten. Ich versuchte nun die Sporen auf festen Substraten zur Entwicke- lung zu bringen und wählte für diesen Zweck gut ausgekochten Pferdemist, welchen ich in Uhrschälchen vertheilte und darauf die Aussaaten bewerkstelligte.e Die Keimung erfolgte bei gewöhnlicher 231 Zimmertemperatur, und nach etwa 8 Tagen überzog ein feinfädiges Mycelium den Mist, wobei man erkennen konnte, wie dasselbe von den Sporen aus seinen Ursprung nahm. Dieses Mycel verhielt sich durchaus wie das eben beschriebene, es zeigte ebenfalls sehr reich- liche Schnallenzellen, nie aber zerfiel dasselbe in die oben geschil- derten Gliederungen, auch sah ich keine Fruchtkörper an demselben hervorkommen. Ebensowenig war dies der Fall, als ich im Oswitzer Wald bei Breslau an einem abgehauenen bemoosten Buchenstumpf im April gesammelte und unversehrt sammt ihrem Substrat nach Hause ge- brachte Üyathus striatus-Becher in einem Glasgefäss unter Glocken bei gewöhnlicher und bei höherer Temperatur feucht erhielt. Hier aber zeigte sich eine andere, schon von Tulasne') kurz hervor- gehobene Erscheinung. Während nämlich das eigentliche in der modernden Humuserde befindliche Cyathus-Mycel kein Wachsthum erkennen liess, waren die am Innenrand der Becher befindlichen Zellen energisch fortbildungsfähig und schon nach wenigen Tagen strahlte von denselben allseitig ein neu entstandenes Hyphengewebe aus, dessen ältere Fäden anfangs vollkommen farblos waren, bald aber sich bräunten, ihre Membran beträchtlich verdickten und ihren Protoplasmavorrath auf Kosten der jüngsten Zweige verloren. Die so aus reifen Fruchtkörpern entstandenen Fäden besitzen ausser- ordentlich lange Zellen, sie verflechten sich bald zu diehten Haupt- strängen, von denen dünnere ausgehen, die selbst wieder in ein zartes, mehr kurzzelliges Fadengeflechte sich auflösen. Auch hier zeigte sich die Schnallenzellenbildung in ausgeprägtester Weise, fast an jeder Scheidewand erschienen sie, oft von geringerem Durch- messer als der Mutterfaden. Sehr häufig erreichten auch hier die ursprünglich zu Schnallenzellen bestimmten Auswüchse die Nachbar- zellen nicht, sie wuchsen vielmehr vom Mutterfaden ab und in lang- gestreckte Hyphen aus, die wohl mitunter schmäler als der Mutter- faden waren, im Uebrigen aber den Wachsthumstypus desselben fortsetzten. Von den am Rande der Schale befindlichen Bechern kroch das Mycel längs der feuchten Glaswand selbst empor, ein zierlich verästeltes weisses Filzgewirre auf derselben darstellend. Dieses neugebildete Mycel wuchs und erhielt sich längere Zeit hin- durch frisch, endlich aber verlor es seine Lebensthätigkeit, es trock- nete aus und fiel in sieh zusammen. Von den in den Bechern ent- haltenen Sporangien gingen nur vereinzelte Hyphenbündel aus, die in ihrem Wachsthum ebenfalls bald stillstanden. 1) 1. c. p. 49. 234 hervortreiben. Auch diese verästeln sich aufs Neue und behalten bald ihre den übrigen ähnliche Normalgestalt, bald verjüngen sich ihre Enden, bald spalten sie sich in gabelartige kurze Zweige und Ausstülpungen, bald schwellen sie in ihrem Verlauf oder endständig an und erhalten löffel- oder kolbenförmige Gestalten. Sämmtliche Hyphen sind plasmastrotzend, kurzzellig, fast an jeder Scheidewand mit Schnallen versehen, sie besitzen eine sehr zarte Membran, die ich einigemal mit Krystallen inerustirt fand. Letztere geben sich in Folge ihrer Unlöslichkeit in Essigsäure und Löslichkeit ohne Aufbrausen in Salzsäure als aus oxalsaurem Kalk bestehend zu erkennen; ähnliche Krystallablagerungen habe ich auf den in Nähr- lösungen eultivirten Mycelien beobachtet, besonders an Fäden, welche in die Luft hineinragten. Durch die erwähnten Verästelungen der Hyphen und durch die Verwirrung derselben kommen bald dicht verflochtene Knäuel zu Stande, deren allerdings sehr kümmerliche und unvollkommene Zu- stände ich, wie oben erwähnt, bei Cultur der Mycelien aus Sporen in Nährlösungen erhalten hatte. Hier, wo alle natürlichen Bedin- gungen ihres guten Gedeihens vorhanden waren, zeigten sie sich äusserst kräftig und vollkommen entwickelt. Sowie die knäuel- oder knotenartige Verflechtung gebildet ist, wächst dieselbe ausserordent- lich rasch heran, ihre Zellen vermehren sich in rapider Weise, so dass es schwierig wird, dem weiteren Verhalten derselben zu folgen. Doch ist zu erkennen, dass das Knäuel in sich selbst fortbildungs- fähig ist, dass durch Auswachsen der bereits bestehenden Elemente sowie durch Einschiebung neuer Aeste zunächst das von Schmitz erwähnte schneeweisse Pünktchen zur Ausbildung gelangt, welches anfangs so klein ist, dass es nur mit der Loupe bemerkt werden kann, sehr bald aber sein Volumen vergrössert. Diese Pünktchen sind also rundliche oder ovale, auch hie und da etwas plattgedrückte Hyphenvereinigungen, welche mit den ihnen als Ausgangspunkt dienenden Muttersträngen zwar in Verbindung stehen, sich aber bereits durchaus selbstständig individualisirt haben; sie sind mit einem Worte die primitiven Anfänge der merkwürdigen Uyathus-Becher. Wenn diese Gebilde am Ende der Mycelstränge entstehen, so sieht man sie theils vereinzelt, theils büschel- oder besenförmig oft dicht beieinander, zur Ausbildung kommen; der in kürzere oder längere Seitenstränge sich verzweigende Hauptmycelstrang trägt in letzterem Falle fast an jedem auch noch so kurzen Ast einen jungen Fruchtkörper, so dass das Ganze, zumal wenn dieselben etwas grösser 235 werden, eih traubenartiges Ansehen gewinnt. Entstehen die jungen Fruchtkörper aber auf Mycelflöckehen, welche an die Oberfläche des Nährbodens herausgewachsen und daselbst ausgebreitet sind, so er- kennt man, wie die Verflechtung der Hyphen zu dem Knötehen von dem Centrum eines eng verschlungenen, ebenfalls überaus reich Schnallen- zellen tragenden und auf's vielfachste verzweigten Fadenconglomerats aus stattfindet. In dem Verlauf der Mycelstränge endlich wird diese Bildung derartig eingeleitet, dass die zur Vereinigung bestimmten jungen Hyphenelemente im Innern der Stränge sich ansammeln, die- selben wulstig auftreiben und bald den älteren Theil der umgebenden braunen Hyphenschicht durchbrechen; sie breiten sich dann auf der- selben aus oder constituiren sich wohl auch mehr seitlich, auf einen Blatt- oder Stengelrest gestützt. Direet auf dem Mycelstrang fest- sitzend, befinden sie sich alsdann unmittelbar auf der meist deutlich sichtbaren Anschwellung, welche von den ihre Entstehung durch Verzweigung einleitenden ersten Hyphen hervorgebracht wurde, und welche letztere selbst im weiteren Verlauf zu_dem kräftig entwickelten Fadengeflecht des Pilzes heranwachsen. Die blendendweisse Farbe aber, welche das junge Fruchtkörper- flöckehen auszeichnet, rührt von einem beträchtlichen Luftvorrath her, welcher zwischen den Interstitien der Hyphen sich befindet und die Benetzung derselben unmöglich macht. Es ist dies ein Umstand, welcher der Untersuchung als bedeutendes Hinderniss sich in den Weg stellt, und um die bisher geschilderten Vorgänge auszumitteln, war es vor Allem nothwendig, die eingeschlossene Luft zu entfernen. Als bestes Mittel hierzu diente mir absoluter Alkohol, nach dessen Einwirkung ein Zusatz von Ammoniak erfolgte, welcher das Wiederaufquellen und das ursprüngliche Ansehen der Hyphen herbeiführte. Erst nach dieser Behandlung war das Präparat in allen Theilen erkennbar und die Knäuel erwiesen sich als durchweg aus ganz gleichartigen dieht verflochtenen, nur mit den schon oben erwähnten Formverschiedenheiten in den Dimensionen ausgestat- teten und unmittelbar den Mycelzellen entspringenden Hyphen zusammengesetzt. Von irgend welchen Zellencomplexen, welche sich etwa durch besondere Grösse und abweichenden Bau auszeichneten und als weibliche Organe — Carpogonien — gelten könnten, ist keine Spur zu bemerken. Wir haben es in der That, wie Brefeld') sagt, mit einer reichlichen Verzweigung von morpho- logisch und physiologisch gleiehartigen Hyphen zu thun. 1) 1. ec. Absatz 19. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band II. Heft II, 16 236 Sobald einmal die junge Fruchtkörperanlage besteht, wächst die- selbe in überaus energischer Weise heran und zwar von der Basal- und Mittelregion aus; die Randhyphen divergiren bei vielen der Jüngsten nach allen Richtungen, und während die Basis sehr bald sich bräunt, bleibt die obere Partie am längsten farblos oder gelb- lich gefärbt. Uebrigens bildeten sich von den in meiner Cultur entstandenen Fruchtkörperanlagen durchaus nicht alle weiter aus: ein Theil derselben blieb vielmehr rudimentär, während ein anderer bis zur völligen Reife im Wachsthum vorschritt und dabei in auffallen- der Weise dem Lichte sich zuwendete. Wenn die Pilze an unterhalb der Oberfläche des lockeren Nährbodens verlaufenden Mycelsträngen entstanden sind, kommen sie bei ihrer weiteren Entwickelung mit der oberen Hälfte als bereits feste hellgelbe Knöllchen hervor. Besonders der Basaltheil, woselbst die Nahrungsaufnahme geschehen muss, wird mit vorschreitender Ausbildung sehr verdickt, er wird ganz dunkel und an den reiferen Exemplaren bildet er eine dichte fast Sclerotium-artige Masse, welche nach oben unmittelbar in das Gewebe der Peridienhüllen übergeht. Die Elemente der jugendlichen Fruchtkörper sind überaus zart; wenn man die Knäuel vorsichtig unter dem Deckglas zerdrückt, er- kennt man, wie die Randhyphen nicht besonderen Ursprungs, sondern nur die Ausläufer der centralen Fäden sind. Mit fortschreitendem Wachsthum aber differenziren sich die Hyphen der Randpartieen mehr und mehr von dem mittleren Theil, sie fär- ben sich zuerst gelblich, dann braun, ihre einzelnen Zellen werden zu langen, oft torulös aufgesehwollenen Schläuchen, dichotomiren sich wohl auch, sie enden rundlich oder zugespitzt, haben verdickte Wände, sind inhaltsleer und schliessen das centrale Gewebe von der Aussenseite ab, wie ein schützender zottiger Mantel dasselbe beklei- dend. Dadurch aber werden die innerhalb der Fruchtanlage befind- lichen Hyphen noch viel empfindlicher gegen äussere Einflüsse, so dass sie schon unter Wasser wie corrodirt aussehen, auch wohl gänzlich zerfliessen. Der junge Pilz vergrössert sich von Tag zu Tag, besonders wenn seinem Gedeihen, wie in meinen Culturen, fortdauernd günstige Feuch- tiskeitsverhältnisse zu Gebote stehen, und bald beginnt in seiner Innenmasse der sonderbare Verschleimungsprocess, welcher die Tren- nung in seine verschiedenen Gewebsschichten zur Folge hat. Ich konnte bequem sowohl die unter der Glasglocke fort und fort sich vollziehende Entstehung neuer Fruchtkörper verfolgen, als auch die Ausbildung der bereits vorhandenen bis zur völligen Reife beobachten, a welche letztere nach etwas mehr als vier Wochen stattgefunden hatte. Es ist jedoch unnöthig, näher die während des weiteren Wachsthums der Fruchtkörper erfolgenden Veränderungen zu be- sprechen, da die Arbeiten von Schmitz!) und Tulasne*) unmit- telbar sich hier anschliessen. . Crucibulum vulgare Tul. Ich benützte zu meinen während der vergangenen Wintermonate ausgeführten Sporenaussaaten Pilze, welche im Herbst 1875 an ver- schiedenen Orten zur Reife gelangt waren. Sporenkeimung. Die Sporen von Urucibulum vulgare sind läng- lich oval, 8 Mikr. lang, 4 Mikr. breit, an einem Ende gewöhnlich etwas spitzer, mit glattem Episporium, Fig. 23a; das Endospor ist an den ungekeimten kaum zu unterscheiden; sie sind farblos, mit feinkörnigem Protoplasma angefüllt. Vor der Keimung schwellen sie sehr bedeutend, fast um das Doppelte ihrer ursprünglichen Grösse an, ihre Membran wird nach allen Seiten hin ausgedehnt, ihr Inhalt lichtbrechend, dann körnig, sie erhalten meist vollständige Kugel- gestalt, Fig. 23b—26. Die Spore verlängert sich nun an einem Ende oder an beiden, bisweilen an drei Stellen zugleich, in einen dicken, reich mit Proto- plasma erfüllten, gewöhnlich nicht mit parallelen, sondern mit hin- und hergebogenen Wänden versehenen Keimschlauch, Fig. 24 und 25; sehr häufig spaltet sich derselbe sofort nach seinem Austritt in zwei Aeste, die meist in völlig entgegengesetzter Richtung abgehen. Manch- mal hat die Spore einseitig bereits einen langen Keimschlauch getrie- ben, worauf an der anderen Seite eine dünne, fingerförmige Ausstül- pung zum Vorschein kommt, die später ebenfalls weiterwächst. So geschieht es, dass an dem einen Ende ein dickerer Keimschlauch sich zeigt, als am andern, Fig. 26, und ersterer kann fast die Dicke der Spore erreichen, zumal wenn diese auch nach dem Anschwellen noch annähernd ovale Gestalt beibehalten hat. Es ist also der Kei- mungsanfang bei Urucibulum abweichend von demjenigen bei Uyathus: während dort die Spore fast immer ihre ovale Gestalt beibehält, rundet sich dieselbe hier ab und die der Urucibulum-Spore entsprin- genden Fäden sind nicht überall von gleichem, sondern von sehr verschiedenem Durchmesser. Auch das weitere Verhalten ist dem- entsprechend verschieden. Verhalten des Myceliums auf künstlichem und natürlichem Nähr- Sc. 2). ce. 16* 238 boden. Der Keimschlauch verzweigt sich sehr bald, die Aeste biegen sich hin und her, sie geben neuen den Ursprung und das so ent- stehende Mycel ist von etwas geringerem Durchmesser als der ursprüngliche Keimschlauch; es enthält dichtes und feinkörniges Pro- toplasma, die Scheidewände sind nur bei scharfer Einstellung deut- lich zu sehen. In den Culturtropfen keimen auch bei diesem Pilz die ausgesäten Sporen sehr ungleichmässig: eine Anzahl derselben bleibt ohne Veränderung auf dem Boden des Objectträgers liegen, während die gekeimten auf der Oberfläche der Flüssigkeit schwim- men und rasch weiterwachsen. In den sich entwickelnden Mycel- hyphen erscheinen mehr und mehr Vacuolen; von den Hauptästen gehen oft dicht hintereinander Verzweigungen ab, welche sich an der Spitze gabeln und unter Verlängerung neue Auswüchse bilden; sie verleihen so dem Faden ein sehr sonderbares geweihartiges Aus- sehen, Fig. 26. Manche der Seitenäste sind bischofstabartig umge- bogen und viele derselben treten im Verlauf der Cultur aus dem Tropfen heraus, auf demselben einen dünnfädigen weissen Filz darstellend. Diese in der Luft befindlichen Hyphen verzweigen sich, sie bekommen wohl auch mit zunehmendem Alter hinter einander zahlreiche Gliederungen. Niemals bemerkt man jedoch am ÜUrucibulum-Mycel jenes Zer- fallen in Theilzellen, welches bei dem in Nährlösungen eultivirten Mycel von ÜUyathus striatus so auffallend hervortritt. In weiterem Wachsthum aber gleichen sich die anfänglichen Unterschiede am Mycel beider Pilze in mancher Hinsicht aus: auch bei Cruerbulum erscheinen bald Schnallenzellen in ebenso reichlicher und verschieden sich gestaltender Weise wie bei Üyathus; auch das Orucibulum- Mycel lässt Anastomosen erkennen und gestaltet sich zu strangartigen Vereinigungen. Zur Darstellung dieser Verhältnisse können daher die auf unserer Tafel für Uyathus striatus gegebenen Zeichnungen, Fig. 18—21, ebenfalls dienen. Dabei vermehren sich die dem Orueibulum-Myeel eigenthümlichen geweih- oder arabeskenartigen Ausstülpungen, doch bleiben dieselben an den Mycelien noch ziem- lich einfach, während sie die grösste Mannigfaltigkeit der Gestaltung in den Fruchtkörpern erlangen. Trotzdem ich die herangezogenen Mycelien so viel wie möglich frisch zu erhalten suchte, trotzdem sie auch durch reichliche Ver- ästelung sich ansehnlich vergrösserten, so gingen sie doch schliess- lich zu Grunde, ohne dass Fruchtkörper auf ihnen zur Ausbildung gelangten. Wohl aber waren auch hier wie bei Uyathus Verflech- tungen einzelner kurzer Seitenäste erkennbar. 239 Ich fänd in der Nähe von Breslau reife Fruchtkörper des Üru- cibulum vulgare auf dem Stamm anscheinend kräftiger Weiden am Oderstrand in der Höhe von ein Meter über dem Boden, deren Ent- wicklung an solch ungewöhnlichem Standort jedenfalls auf während Ueberschwemmungen abgelagerte Sporangien zurückgeführt werden muss. Die Rinde, in deren Spalten der Pilz festsass, trennte ich in grösseren Stücken von den Bäumen; ich durchtränkte dieselbe mit Wasser und hielt sie fortdauernd feucht unter Glasglocken. Schon nach ein bis zwei Tagen kamen an den verschiedensten Stellen farblose zarte Mycelfäden hervor, die sich überaus reich verzweigten und über die ganze Oberfläche der Rinde hinwuchsen. Diese Hyphen zeigten alle Eigenschaften der auf dem Object- träger erzogenen: sie waren äusserst reichlich mit Schnallenzellen versehen, anastomosirten hier und da und entwickelten die oben er- wähnten baum- oder geweihartig verzweigten End- und Seitentriebe. Ihre Zellen verlängerten sich unter Verlust des Protoplasmas und bedeutender Verdiekung der Zellmembran ausserordentlich, sie asso- eiirten sich sehr bald an ihrem Ausgangspunkt zu dichten Strängen, welche schnell eine intensiv gelbe Färbung annahmen. Je weiter von der Austrittstelle entfernt, desto mehr waren die Hyphen farblos, kurzzelliger und unter vielfacher Verzweigung strahlig über die Rindenoberfläche ausgebreitet. Schon Sachs!) erwähnt, dass das Mycel von Urucibulum aus zweierlei Hyphenformen bestehe, die aber durchaus auf den nämlichen Ursprung zurückgeleitet werden müssen. Derselbe Faden, welcher am untern Ende gelb und langzellig ist, verästelt sich am obern und wird farblos, entwickelt wohi auch hie und da farblose Seitenzweige; ein Verhalten, wie wir es auch beim Öyathus-Mycel angetroffen haben. Auf Durchschnitten durch die frisch vom Baume genommene und völlig ausgetrocknete Rinde konnte ich in dem Zellengewebe derselben nur die gelben stark verdickten Mycelfäden des Crucibulum erkennen; sie sind in grosser Menge vorhanden und stellen ein resistentes, perennirendes, anscheinend abgestorbenes Mycel dar, dessen Zellen, sobald ihnen hinreichende Wasserzufuhr gesichert ist, sich aufs Neue beleben und an den En- den und seitlich junge und zarte Mycelfäden hervorbringen, die mit zunehmendem Alter wiederum in den Dauerzustand übergehen. Ganz die nämlichen Eigenschaften sind auch an dem ÜÖyathusmycel zu bemerken. Keimung der Sporen innerhalb der Sporangien. Aber nicht blos 1) 1. c. p. 838. 240 das in der Rinde bereits vorhandene Mycel entwickelte sich in meinen Culturen, sondern ich sah während des Monats Mai auch direet Spo- rangien auskeimen, welche zahlreich isolirt der Rinde aufgeklebt waren. Die äussere Umhüllung und das ganze Innengewebe dersel- ben erweichten vollständig unter dem Einfluss der Feuchtigkeit, die Sporen begannen in Masse zu keimen und nach etwa 14 Tagen hatten sich an vielen Sporangien theils basal, theils von ihrer Ober- fläche aus dichte Mycelstränge gebildet, deren Enden in farbloses, zierlich verästeltes Hyphengewebe übergingen. Beim Zertheilen der Sporangien in Wasser konnte ich viele keimende Sporen erkennen mit der nämliehen Entwicklung wie auf den Objeetträgerculturen, die also hier beim Weiterwachsen direct die Sporangialgewebe durch- bohrt hatten, um ins Freie herauszukommen, Fig. 27. Entstehung der jungen Fruchtkörper. Ausser der ungemein kräftigen Neubildung des Myceliums kamen nun aber auch auf der Rinde eine grosse Menge von neuen Fruchtkörpern, oft dicht ge- drängt neben einander, zum Vorschein, so dass ich Gelegenheit hatte, die Entstehung derselben von den allerjüngsten Zuständen an durch alle Entwieklungsstufen hindurch kennen zu lernen. Sachs!) hat in seiner mustergültigen Arbeit ebenfalls diesen Gegenstand berücksichtigt, er erwähnt, „dass sich die Entstehung des Pilzes im Mycelium durch das Erscheinen eines gelben Knötchens ankündige, welches im Centrum eines aus dicht verschlungenen Mycelfäden gebildeten weissen Flöckchens auftrete.. Durch Vermeh- rung der Fadenäste und durch diehteres Verschlingen derselben in- dividualisire sich das centrale Fadenconvolut des Flöckchens zu dem Knötchen, schliesse sich von aussen ab und werde selbstständiger in dem Maasse als es dichter und grösser werde.“ Durch diesen Ausspruch hat Sachs eigentlich bereit3 im Jahre 1855 die Frage nach den Vorgängen bei der Fruchtkörperentstehung beantwortet und auch durch Abbildungen erläutert. Sachs macht ferner nähere Angaben über den Bau der Hyphenelemente an den jungen Fruchtanlagen, welche ich durchaus bestätigen muss, so dass mir nur übrig bleibt, besondere Einzelheiten ins Auge zu fassen. Die Fruchtkörper entstehen nicht allein an den Enden der Mycel- stränge, sondern auch im Verlaufe derselben und öfters beobachtete ich ihre Entwicklung auf den oberflächlichen zuerst intensiv und-rein gelb, später schmutziggelb gefärbten Mycelsträngen, welche unter der Glocke auf der ausgelegten Weidenrinde sich gebildet hatten. 1) 1.6.49. /887, P) So bewahre ich das Präparat von einem Mycelstrang, aus dessen cen- tralen Hyphenelementen hinter einander drei Fruchtanlagen hervor- gekommen waren. In diesem Falle und auch sonst häufig fehlte das strahlige Hyphenflöckchen gänzlich, welches Sachs als die Fruchtkörperehen umgebend beschrieben hat. Es entstanden’ sogar in meinen Culturen mehrere Fruchtanlagen auf dem Becherrande eines völlig durchweichten alten und längst ausgereiften Pilzes in Folge stattgefundener Neubelebung von Hyphenelementen, deren Zweige sich zu einem jugendlichen Pilze agglomerirt hatten. So wird auch von Schmitz!) und Tulasne?) angegeben, wie sie bei Üyathus und bei Oruerbulum im Schoosse älterer Becher einen neuen in den alten eingeschachtelten beobachtet hätten, der allerdings auch aus keimen- den Sporen entstanden sein konnte. Die dem alten proliferirenden Mutterpilz aufsitzenden Tochteranlagen erreichten übrigens in meinem Versuch nur einen halben bis einen Millimeter im Durchmesser und es dürften solche Fälle der Entstehung überhaupt zu den Ausnahms- erscheinungen gehören. Sie beweisen aber auf’s Neue, dass die älteren vorher lange ausgetrockneten Fäden der Nidularieen dennoch nicht abgestorben sind, sondern beim Nasswerden ihre Lebensthätig- keit unter Umständen energisch wieder aufnehmen können. Die Re- generationsfähigkeit konnte ich bei Urucibulum in noch anderer Weise beobachten. Als ich nämlich durch Zufall mit der Nadel einen schon weiter vorgeschrittenen kleinen Fruchtkörper zerstört und in mehrere Stücke getrennt hatte, bemerkte ich Tags darauf, wie der grösste Theil dieses Fruchtkörpers zwar abgestorben war, wie sich aber aus dem Centrum der zerstörten Anlage ein neuer Pilz zu entwickeln begann. Ich zertheilte nun in der Folge mehrere andere bereits bestehende jugendliche Fruchtanlagen und hatte so Gelegenheit, diese merkwürdige Erscheinung wiederholt eintreten zu sehen. Die zuletzt erwähnten Vorgänge reihen sich wohl den auffallen- den Entdeckungen van Tieghem’s®) und Brefeld’s*) an, welche fanden, dass reife Früchte von Agaricus-Arten oder von Selerotien derselben, sobald sie in Stücke zerschnitten und feucht erhalten wurden, aus den oberflächlichen Zellen eines jeden solchen Theil- stückes durch Verästelung der Hyphen neue Fruchtanlagen hervor- bringen können. Brefeld wischte die an Selerotien entstandenen Fruchtkörperanlagen täglich ab und täglich entstanden dann neue, Eike. 21. c..p. 49 Taf.’6. 3) Botan. Zeitung 1376 No. 11. 4) |. c. sub Absatz 13. 242 so dass also nach ihm jede beliebige Zelle eines Sclerotiums zur Bildung des Fruchtkörpers auf rein vegetativem Wege befähigt ist. Die Fruchtkörper des Uruerbulum vulgare, welche ich beobach- tete, kamen im Ganzen seltener an den freiliegenden Mycelsträngen zur Entwicklung, sie entstanden vielmehr der Regel nach aus feinen Hyphengeflechten, welche direet aus der Rinde hervorkamen. Sie sassen entweder diesem oberflächlich ausgebreiteten Mycelgespinnste oder in anderen Fällen auch scheinbar frei unvermittelt und ohne erkennbares Mycel dem Substrat auf. Es kann natürlich keinem Zweifel unterliegen, dass sie auch in letzterem Falle, wo sie häufig zu mehreren dicht nebeneinander sich gruppirten, durch wiederer- wachtes Wachsthum von Hyphen ausgegangen waren, welche in der unteren Schicht der Weidenrinde sich befanden und neue verästelte Zweige an die Oberfläche gesendet hatten. Mit Vorliebe siedelten sie sich auf Querschnitten der feuchten Rinde an. Die allererste Entstehung der Fruchthäufehen kündigt sich durch zarte, neben einander aus einer Anzahl von Mycelhyphen entsprin- gende farblose Zweige an, welehe dicht mit Protoplasma erfüllt sind und alsbald eine überaus reichliche Verästelung beginnen, Fig. 28 und 29. Durch Ineinanderflechten, durch fortgesetztes Neueinschie- ben zunächst kurz bleibender Seitenzweige und dadurch bewirkte Volumenzunahme entsteht sehr bald ein aus eng verschlungenen Fäden zusammengesetztes zartes Knäuel, welches sich immer mehr verdichtet und dann als schneeweisses, kaum sichtbares Pünktchen hervortritt. Dasselbe ist durchweg aus den erwähnten, aufs reich- lichste verästelten, aber völlig gleichartigen Hyphen zusammen- gesetzt. Es sind an letzteren besonders viele Schnallenzellen, mit- unter auch Anastomosen zu beobachten. Die Hyphben sondern sich aber alsbald nach der ersten Gruppirung des Knäuels, und zwar in der Weise, dass es, wie Sachs bemerkt, erkennbar bleibt, wie sie nicht verschiedenen Ursprungs sind, sondern nur „die Associationen der homologen Zweige derselben polymorphen Fäden darstellen.“ Es constituirt sich in dem entstandenen Knötchen ein centrales Markgewebe — Primordialmark (Sachs) — und eine Rindenschicht, welche die ganze Anlage überzieht. Beide Schichten aber sind, wie eben angegeben wurde und wie dies auch bei Uyathus der Fall ist, von denselben Fäden entstanden, deren Zweige theils nach der Peri- pherie zuwachsend sich zu einem Bestandtheil der Rinde umgestalten, theils dem Centraltheil sich einschieben und das Markgewebe bilden helfen, 243 In diesem bereits mehr vorgeschrittenen Zustande ist die junge Fruchtkörperanlage von rundlicher, öfters abgeflachter Gestalt, über ihre ganze Oberfläche hin ziehen sich die gleich näher zu beschrei- benden Rindenhyphen, und in Folge der Metamorphose letzterer erhält das anfangs als rein weisses Knötchen erschienene Hyphen- knäuel sehr bald eine hellgelbe, zuletzt ganz dunkel- oder orange- gelbe Färbung. Was zunächst die Verzweigung der Hyphen des Rindengewebes betriftt, so geschieht dieselbe entweder durch wirkliche Astbildung oder durch dichotome Gabelung, welch’ letztere sich oftmals wiederholt, wobei die neuentwickelten Ausstülpungen in den verschiedensten Winkeln stehen, aber ganz kurz bleiben, von verschiedener Länge sind und insgesammt in Form von Zuspitzungen, hie und da auch von ebenfalls mit Spitzen versehenen sonderbaren Erweiterungen, endigen. In Folge dessen entstehen eigenthümliche Hyphenformen, mit einer grossen Anzahl zackiger Fortsätze versehen und letztere in so mannigfacher Anordnung, dass sich ein bestimmtes Verhältniss dafür nicht feststellen lässt. Diese auffallenden Zweige sind für die Fruchtkörper von Uruerbulum sehr charakteristisch, sie sind weit viel- gestaltiger als die Rindenhyphen bei Üyathus, sie sind von Sachs!) und Tulasne”) ebenfalls beschrieben und abgebildet worden und ersterer hat sie ihrer Form nach mit gothischen Arabesken ver- glichen. Sehr bald verdieken sich die Membranen dieser Gebilde unter Verlust ihres Protoplasmas, und gleichzeitig damit färben sie sich zuerst blass gelblich, zuletzt braungelb. Dann stellen sie in ihrer Gesammtheit dunkelgelbe bis orangefarbene Ansammlungen dar, welche in diesem bereits älteren Zustand ihre ursprüngliche Zartheit vollständig verloren haben. Sie überkleiden allseitig die Fruchtan- lage, in welcher ein reges Leben beginnt, denn der eigentliche Kern des jungen Pilzes, das Markgewebe, gewinnt durch Auswachsen der schon vorhandenen und durch fortgesetztes Sprossen neuer, farbloser Hyphen an Volumen; es wächst unter seiner mit Spitzen und Zacken aufs Reichlichste ausgestatteten Schutzdecke wohl geborgen kräftig weiter. In einigen Fällen jedoch, wo das Substrat anfangs feucht, dann aber zu trocken gehalten worden war, sah ich das Markgewebe sich gar nicht entwickeln, blos die aus ursprünglich farblosen und zarten Fäden entstandene gelbe, flach ausgebreitete und erhärtete Arabeskendecke war vorhanden, welche lange Zeit hindurch in dem DAzicHNatr 13 Fig. 2, 3,,%.11 2) I. c. planche 8, fig. 13. 244 nämlichen Zustand verharrte; bei Zutritt grösserer Mengen von Feuch- tigkeit aber begann auch hier durch Neubelebung der unter dieser Decke liegenden Hyphen das Maıkgewebe und damit ein normaler Fruchtkörper sich zu erzeugen. Das Primordialmark der ersten Fruchtanlage ist aus reich plas- maführenden Hyphenverzweigungen zusammengesetzt, welche letztere in gleich hohem Grade wie die Rindenhyphen durch Mannigfaltigkeit der Formen sich auszeichnen, Fig. 30. Die Markhyphen aber sind überaus zart und empfindlich gegen äussere Einflüsse, schon im Wasser gerinnt ihr Protoplasma, wobei sie zum Theil gänzlich zer- fliessen. Um nähere Einsicht in die mit Luft erfüllten jungen Hyphen- knäuel zu gewinnen, benützte ich daher wie bei Uyathus Alkohol und Ammoniak, und es liess sich alsdann die morphologische Be- schaffenheit der Fäden mit ihren ungemein zahlreichen, oft äusserst dünnen, wie fingerförmigen Ausstülpungen erkennen, Fig. 30, welche letzteren im weiteren Verlaufe zu neuen grösseren Zweigen aus- wachsen. Während so das Markgeflecht aufs üppigste sich vervielfältigt, ist dies mit den gelben Hyphenelementen der Rinde durchaus nicht der Fall. Diese werden vielmehr mit der Vergrösserung des Pilzes, welche ihren Heerd zumal an der Basis hat, mehr und mehr in die Höhe gehoben, so dass sie demselben, der dann im unteren Theil weiss und von geradfädigen radialen Hyphen bekleidet ist, als gelbe Kappe aufsitzen; noch später schliessen sie, gemeinsam mit der unter ihnen liegenden Peridienschicht, den Innenraum der reifenden Becher in Gestalt eines dünnen vergänglichen Häutchens deckelartig von aussen ab. In diesem Verhalten der Fruchtkörper des Urucrbulum vulgare zeigt sich also ein bedeutender Unterschied von demjenigen bei Oyathus striatus, denn letzterer bleibt während seines ganzen Wachsthums von den sich später zu einem dicht zottigen Ueberzug gestaltenden peripherischen Hyphen allseitig umschlossen; nur bei der Reife tritt in Folge der ausserordentlichen Volumenzunahme des Pilzes diese Rindenschicht am Scheitel auseinander und unter ihr erscheint das schneeweisse und dünne Diaphragma über den ganzen Becherrand hin ausgespannt. In meinen Culturen blieben zwar viele Fruchtkörper des Üruer- bulum klein, andere aber wuchsen wie in der Natur in normaler Weise heran, ja in Folge der unausgesetzt gegenwärtigen Feuchtig- keit noch weit günstiger und schneller; in dem soeben angegebenen Zustand glichen sie fast kleinen noch unvollkommenen Hntpilzen, gingen aber später in vollständige Cylindergestalt über. Einen der- 245 artigen Fruchtkörper liess ich völlig ausreifen, wozu er etwa vier Wochen gebrauchte. So konnten an diesen eultivirten Urueibulum-Pilzen alle jene complieirten Gewebsveränderungen beobachtet werden, welche von der ersten Gestaltung an bis zu dem Oeffnen der reifen Becher sich geltend machen und welche für die weiter vorgeschrittenen Zustände von Sachs und Tulasne in erschöpfender Weise beschrieben worden sind. Schlussbemerkungen. Wenn wir nun die geschilderte Entwicke- lungsweise der Nidularieen übersehen, so stellt sich dieselbe in schr einfachem Lichte dar: diese Pilze besitzen als Fruchtform allein nur die längst bekannten Becher, es schaltet sich unter natürlichen Ver- hältnissen weder ein Conidienzustand, wie bei so vielen Asco- und Basidiomyceten, noch sonst eine andere ausgesprochene Vermehrungs- art in ihren Lebensgang. Denn die bei Uyatkus erwähnten Zerfall- zellen sind nach Allem abnorme Erscheinungen, die in der Natur für gewöhnlich nicht auftreten, die aber, wo sie sich bilden, vermöge ihrer Keimungsfähigkeit das Mycel auch nach Einwirkung ungünsti- ger Verhältnisse erhalten. Das Mycel der Nidularieen ist überhaupt, wie letztere Eigenschaft ergeben hat und wie es durch seine peren- nirenden, bei vorhandener Feuchtigkeit aufs Neue sich belebenden Zustände weiter bewiesen wird, zum Ersatz fehlender Propagations- formen um so mehr mit der Fähigkeit, schädlichen Einflüssen gegen- über Widerstand zu leisten, ausgestattet. In zwei Modificationen haben wir es kennen gelernt: als zartes, farbloses, plasmareiches Hyphengewebe und in Gestalt derber, inhaltsleerer, verdickter und gefärbter Schläuche, in floekigen Ansammlungen oder zu dichten Strängen vereinigt und mit zäher Resistenzfähigkeit, in dieser Be- ziehung den Sclerotien anderer Pilze vergleichbar. Das zarte Mycel aber geht sowohl aus der Spore, wie aus dem Dauermycel hervor, es verwandelt sich wieder in letzteres oder es ist bei günstigen Bedingungen der Ausgangspunkt für die jungen Fruchtanlagen. Diese letzteren selbst in ihren ersten Zuständen sind nichts weiter als innige Verflechtungen neu erstandener, einer überaus reichen Verästelung fähiger Hyphenfäden, welche durch Ineinanderwachsen ein zunächst homogenes Flöckchen hervorbringen. Erst später er- leidet dasselbe eine Differenzirung seiner ursprünglich gleichartigen Bestandtheile und es ist das Erzeugniss nur weniger Hyphen des Myceliums. Darum lassen sich zumal bei Oruerbulum die Knäuel meist sehr leicht von ihrem Substrat abnehmen. 246 Von dem Vorhandensein blasenartiger, spiraliger oder sonst auf- fallend gestalteter Gebilde, welche den Knäueln vorhergingen und nach Einleitung eines Befruchtungsvorganges Erzeuger derselben wären, ist auch keine Spur zu bemerken; es kann also von einem Befruchtungsprocess in der uns geläufigen Weise überhaupt nicht die Rede sein. So oft und so viele der An- lagen von den ersten bis zu den folgenden Zuständen ich auch unter- suchte, immer wieder bekam ich dasselbe Bild einer durch Sprossung gleichartiger Hyphen sich aufbauenden Zusammensetzung. Meine Untersuchung schliesst sich also den überraschenden Resultaten an, wie sie Brefeld und van Tieghem erhielten, sie ist eine Be- stätigung der von diesen Autoren hervorgehobenen ungeschlecht- lichen Entstehung des Fruchtkörpers der Dasidiomyceten. Breslau, den 28. Juni 1876. Fig. Fig. X 9. al 13. Erklärung der Abbildungen. Tafel X. Cyathus striatus Willd. Keimende Spore von Cyathus striatus mit einem Keimschlauch, der seitlich heraustritt. Vergr. 370. Ebenso mit zwei Keimschläuchen, von welchen der eine sich bereits ziemlich verlängert und verästelt hat. Vergr. 530. Ebenso mit drei Keimschläuchen. Vergr. 870. Ebenso mit unmittelbar nach dem Austreten sich verzweigenden Keimschläuchen. Vergr. S70. Verästeltes Mycelium von Cyathus striatus, aus einer bei a liegen- den Spore hervorgewachsen; einzelne Hauptäste verlängern sich un- verändert weiter und entwickeln neue Seitenzweige, andere gliedern sich in kurze Theilstücke, die in Spiral- oder Ziekzacklinien lose verbunden umherliegen. Vergr. 70. Zweig eines solchen Myceliums stärker vergrössert; die Theilzellen sind von verschiedener Grösse und besitzen länglich-eylindrische Gestalten. Vergr. 530. Spore von Cyathus striatus, deren Keimschläuche bald nach dem Austreten und kurzer Verästelung gänzlich in Theilstücke auseinan- dergefallen sind. Vergr. 370. « Solehe Theilzellen in ihrem weiteren Verhalten; sie runden sich ab, einige treiben kurze Fortsätze — Keimschläuche — andere scheinen mit einander zu verschmelzen. Man erkennt noch die ursprüngliche kettenartige Anordnung. Vergr. 870. . 9, 10, 11, 12. Keimschläuche einzelner Theilzellen mehr verlängert, bei 11 verzweigt. Vergr. S70. Mit unregelmässig buchtigen Hervortreibungen versehene Endigung eines Mycelastes; bei a beginnende Schnallenzellenbildung. Vergr. 870. 14, 15, 16. Eigenthümliche Verästelungen des Myceliums. Vergr. 370. 17. . 18, 19. Schnallenzellenbildung durch Ausstülpungen auf beiden Seiten Anastomose am Mycelium. Vergr. 870. eines Mycelastes; dieselbe kommt nur einseitig wirklich zu Stande, denn der andere Ast legt sich nicht an die Nachbarzelle an, sondern wächst in 19 zu einem gewöhnlichen Zweig aus, in 18 anastomosirt er mit einem benachbarten Mycelfaden. Vergr. S70. 20, 21. Andere Verschiedenheiten inder Schuallenzellenbildung. Vergr. 370. Fig. Fig. Fig. 22. 24, 2. 248 Sonderbare Hervortreibungen und dadurch eingeleitete Verwicklungen am Mycelium. Wenn diese Sprossen von mehreren benachbarten Hyphen durcheinander wachsen und sich verlängern, entstehen knäuel- artige Bildungen. Vergr. 870. Crucibulum vulgare Tul. a Sporen in ungekeimtem und ungequollenem Zustande, b gequollen, theils unmittelbar vor der Keimung, theils mit schon entstandenem kurzem Keimschlauch. Vergr. 870. 25. Keimschlauch weiter gewachsen und verästelt. Vergr. S70. Aus einer Spore a hervorgegangenes Mycelium, Keimschlauch auf einer Seite etwas dicker; überall zahlreiche Ausstülpungen, welche später zu Mycelästen auswachsen und dem Ganzen ein geweihartiges Ansehen verleihen. Vergr. 320. Der Sporeninhalt eines auf Weidenrinde liegenden Sporangiums a hat gekeimt; es gehen vom Sporangium theils an der Ober-, theils an der Unterseite eine Menge dicht verflochtener gelber Mycelstränge aus, welche sich vielfach verästeln, besonders am Endverlauf, wo sie in einen zarten weissen Mycelfilz übergehen. Vergr. 12. 28, 29. Junge plasmareiche Hyphen, deren sich eine oder zwei aus den 30. einzelnen Mycelzellen erheben, an den Enden mit vielfachen oft dicho- tomen Ausstülpungen versehen. Indem sich diese Gebilde mit an- deren ähnlich gestalteten Nachbarhyphen verwirren, auch zuweilen anastomosiren und immer reichlicher verästeln, gruppirt sich das Ganze bald zu einem rundlichen schneeweissen Flöckehen, womit dann die Anlage eines neuen Fruchtkörpers zu Stande gekommen ist. Vergr. 870. Hyphen aus sehr jungen bereits entstandenen Fruchtanlagen ; diesel- ben sind ungemein reichlich verzweigt, sehr zart und mit vielen Spitzen und Zacken versehen. An den letzten drei Figuren zahl- reiche Schnallenzellen. Vergr. S70. Untersuchungen über Bacterien. IV. Beiträge zur Biologie der Bacillen. Von Dr. Ferdinand Cohn. Hierzu Tafel XI. 1. Die Bacterien und die Urzeugung. Unter den Problemen, welche von der modernen Naturwissenschaft ihre Lösung erwarten, ist vielleicht keines bedeutungsvoller, als die Frage, ob lebende Wesen sich ausschliesslich aus Keimen entwickeln, welche von Wesen gleicher Art erzeugt worden sind, oder ob sie nicht auch aus unlebendiger Materie (durch Abvogenesis, Archigenesis, Urzeugung, Generatio spontanea) entstehen können. Mit Unrecht haben die meisten Naturforscher namentlich in Deutschland diese Frage als längst im Sinne der ersten Alternative entschieden betrachtet; denn wenn auch seit Redi zahllose Experimente und Beobachtungen herausgestellt haben, dass die unendliche Mehrzahl der Thiere und Pflanzen sich nicht entwickeln, wo nicht Keime (Eier, Samen oder Sporen) ihrer Art vorhanden sind, so wäre es doch ein übereilter Schluss, daraus zu folgern, dass eine Entstehung ohne Keime für alle Wesen, auch für die einfachsten und niedersten, unmöglich sei. Diejenigen Naturforscher, welche eine absolute Grenze zwischen an- organischen und organischen Verbindungen, zwischen lebenden und leblosen Körpern leugnen, und das Leben als eine Function der nämlichen Kräfte ansehen, welche auch in der unlebendigen Natur thätig sind, haben auch nicht den mindesten Grund, an der Mög- lichkeit zu zweifeln, dass unter gewissen Verhältnissen durch eine gewisse Combination chemischer und physikalischer Kräfte aus den Ato- men der Kohle, des Sauerstofis, des Wasserstoffs und des Stickstoffs eben- sogut Protoplasma gebildet werden könne, wie sich thatsächlich kohlen- sauresAmmoniak oder Harnstofferzeugen lässt, und dass dieses künstlich 250 oder spontan gebildete Protoplasma in Lebensschwingungen gerathen und zu einer lebendigen ernährungs- und fortpflanzungsfähigen Monere sich gestalten könne. Es ist daher ein nicht gering zu schätzendes Verdienst, wenn in neuerer Zeit Pouchet und insbesondere Ch. Bastian, ohne sich bei der Voraussetzung einer erwiesenen Unmöglichkeit der Urzeugung voreilig zu beruhigen, vielmehr den Weg des Experiments betraten, um die Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen möglicher Weise lebende Wesen aus orga- nischer, aber unlebendiger Materie sich entwickeln können; denn die andere Seite des Problems, die Erzeugung des Protoplasma aus anorganischen chemischen Verbindungen ist bis jetzt ernstlich noch nicht in Angriff genommen worden. Dass die Untersuchungen der Anhänger der Urzeugung nicht ohne wissenschaftliche Berechtigung sind, ergiebt schon eine Kritik der Experimente, durch welche die Gegner diese Lehre widerlegt zu haben glauben. Nach der Annahme der letzteren ist es eine un- bestreitbare Thatsache, dass in Substanzen, in welchen keine ent- wiekelungsfähigen Keime lebender Wesen vorhanden sind oder nach- träglich hineingerathen, sich auch nie und nirgends lebende Wesen entwickeln. Da aber die Abwesenheit solcher Keime wegen ihrer Kleinheit direet nicht erweisbar ist, so werden die für derartige Experimente benutzten Substanzen in der Regel vorher einer Tem- peratur ausgesetzt, von der angenommen wird, dass sie ausreiche, um alle vorhandenen Keime zu zerstören; als solche wurde bisher die Temperatur des siedenden Wassers betrachtet, wenn dieselbe auf eine organische Substanz eine Zeit lang eingewirkt hat; praktisch re- dueirt sich daher die oben angeregte Aufgabe auf die Behauptung, dass in Substanzen, welche einige Zeit der Siedhitze ausgesetzt sind, sich keine lebenden Wesen entwickeln. 2. Widerstandsfähigkeit der Bacterien gegen Siedhitze. In dieser Fassung ist die Behauptung jedoch unrichtig. Schon Sehwann vermochte bekanntlich nicht in allen Fällen Fleisch u. 8. w. durch Kochen vor Fäulniss, d. h. vor der Entwickelung von Bacterien zu bewahren; Pasteur fand, dass erst bei einer Temperatur von 110° Milch vor dem Sauerwerden durch Milchsäure- Bacterien geschützt ist; Schroeder verlangte 130°, um die Ent- wiekelung von Bacterien in Fleisch, Eigelb und Milch unmöglich zu machen; Andere noch höhere Temperaturen '). In dieser Beziehung 1) Vergleiche die Zusammenstellung in R. Gscheidlen: Ueber die Abio- genesis Huizinga’s in Pfllüger's Archiv für Physiologie IX. p. 166. u u in 251 sind von ganz besonderem Interesse die Versuche, welche im all@r- grossartigsten Massstabe behufs der Conservirung von Fleisch, Ge- müsen u. s. w. in hermetisch verschlossenen Blechbichsen angestellt werden; denn bekanntlich ist die Herstellung eonservirter Speisen nach der Appert’schen Methode einer der bedeutendsten Induwstrie- zweige der Neuzeit geworden, der noch immer weitere Verwendung findet und immer neue Nahrungsmittel auf unbegrenzte Zeiträume bacterienfrei für den internationalen Handel präparirt. Schon meh- rere Male habe ich Veranlassung gehabt, mich über die Fabrikation soleher bacterienfreier und daher der Fäulniss nicht unterworfener Nahrungsmittel zu belehren; Herr Senator Dr. W. Bremer theilte mir auf meine Bitte freundlich mit, dass zu Lübeck in mehreren Fabriken alle Gemüse durch Kochen bei 100° in Blechbüchsen haltbar gemacht werden, ohne dass jemals in einer dieser Dosen (die Zahl betrug im Jahre 1873 mehr als 30,000) Gährung eintritt, sobald dieselben gut verschlossen sind; eine einzige Ausnahme machen die Erbsen, welche früher auch bei 100° eingekocht wurden; nach- dem aber in warmen Jahren fast die Hälfte aller Dosen trotz luftdiehten Verschlusses durch eingetretene Gäh- rung verdorben waren, werden seit 1858 die Erbsen in \Wasser, worin 28 % Kochsalz aufgelöst ist, bei einer Hitze von 108° ge- kocht und seitdem verdirbt keine gut verschlossene Dose mehr. Gleiches Resultat wird erzielt, wenn die Erbsen ohne Salzwasser- lösung nach einem in Frankreich erfundenen Verfahren bei einer Hitze von 117° gekocht werden; nach diesen Methoden werden allein in Lübeck jährlich ca. 50,000 Dosen Erbsen eingekocht und meist in tropische Länder verschickt, ohne dass im Laufe vieler Jahre auch nur eine verdirbt. Vor längerer Zeit erhielt ich durch meinen früheren Schüler, Herrn Apotheker Dr. Schröder zu Frauenfeld im Thurgau, der mich schon mehrfach in meinen Studien über Gährungsorganismen freundlich unterstützte, mehrere Blechbüchsen mit Erbsen, welche ein dortiger Fabrikant bei 105° mit einem Zusatz von Soda eingekocht, und die trotz des hermetischen Verschlusses sämmtlich in Fäulniss gerathen waren, ohne Zweifel, weil das Kochen aus Besorgniss vor der erweichenden Einwirkung der Soda kürzere Zeit als sonst üblich fortgesetzt worden war. Wenn freilich Ch. Bastian aus diesen und ähnlichen Versuchen den Schluss gezogen hat, dass in solchen Substanzen, bei denen Kochen die Entwickelung von lebenden Organismen nicht verhindert, die letzteren durch Urzeugung entstanden sein müssen, da nicht Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II, Heft II. 17 252 aflzunehmen sei, dass ihre Keime der Siedhitze von 100° widerstehen können, so wird von den Gegnern die letztere Voraussetzung als eine durchaus unbewiesene erklärt und der darauf begründeten Schlussfolgerung mit Recht jede Beweiskraft abgesprochen. Aller- dings konnte Ch. Bastian in einem vor kurzem erschienenen Auf- satze nicht weniger als 20 gewichtige Zeugen, unter ihnen Physiologen ersten Ranges, aufführen, welche bei ihren Versuchen zu dem Resul- tate gekommen waren, dass organische Substanzen durch Kochen nicht unter allen Umständen desinfieirt, d. h. für Bacterienentwicke- lung und Fäulniss unfähig gemacht werden'). Aber eben so über- einstimmend sind die Resultate darin, dass durch eine Erhitzung über 100° schliesslich in jeder Substanz die spontane Bacterienentwickelung unmöglich gemacht werden kann, und dass dabei die Höhe der Tempera- tur und die Dauer ihrer Einwirkung in umgekehrtem Verhältnisse con- eurriren, d.h. dass durch eine höhere Temperatur in kürzerer Zeit, durch eine relativ niedere Temperatur nach längerer Einwirkung in jeder orga- nischen Substanz die Entstehung von Organismien verhindert wird. Es hat sich dieses Resultat mit Evidenz insbesondere aus den vielfach mo- difieirten Untersuchungen ergeben, welche auf Veranlassung der Ch. Bastian’schen und der Huizinga’schen Experimente von Burdon Sanderson, Samuelson und Gscheidlen veröffentlicht worden sind?). Noch vor Kurzem hat Tyndall in einem anregenden Vortrage „über das optische Verhalten der Atmosphäre in Beziehung zur Fäulniss und Infecetion“ Bericht erstattet über das Ergebniss einer ausgedehn- ten Versuchsreihe, welche das Erfülltsein der Luft mit Schwärmen oder Wolken von Bacterienkeimen — abwechselnd mit bacterien- armen oder freien Zwischenräumen — erweisen und die Phänomene der Fäulniss und der Contagien durch Infeetion mit den aus der Luft stammenden Keimen erklären sollten®). Mehrere hundert, in mannigfaltigster Weise variirte Versuche lieferten das übereinstimmende Ergebniss, dass alle möglichen thierischen oder pflanzlichen Stofle oder Infusionen ausnahmslos 2—3 Tage nach dem Kochen faulen, wenn sie bei 15—20° C. der gewöhnlichen Luft ausgesetzt sind, nieht aber wenn die Luft filtrirt oder auf andere Weise staubfrei gemacht worden war, und sich bei der Beleuchtung mit einem elec- 1) Nature Febr. 1876. 2) Burdon Sanderson, Nature VI. 1873; Samuelson, Pflüger’s Archiv VII. p. 277; Gscheidlen, ibid. IX. p. 163. 3) Tyndall, „on Germs.“ Auszug aus einer vor der Royal Society am 13. Jan. 1376 gelesenen Abhandlung. Nature 1376 Febr. No. 326 u. 327. 253 trischen Strahl als optisch leer erwies'), Aber alle diese Stoffe waren 5 Minuten lang in Reagenzeylindern in einem Salzwasser- oder Oelbade gekocht, also auf eine Temperatur über 100° erhitzt worden. Ist aber die ganze Sache wirklich durch den nunmehr gewonne- nen Nachweis erledigt, dass zwar nicht durch Kochen bei 100°, wohl aber durch längeres oder kürzeres Erhitzen über 100° Bacte- rienentwickelung in organischen Stoffen unbedingt verhindert werden kann, wenn nicht neue Infeetion durch von aussen eingeführte Keime eintritt? Weshalb sind 100° für das Tödten der Baeterien nicht mehr als ausreichend, da doch alle anderen lebenden Wesen schon durch weit geringere Temperaturen getödtet werden, und da in den ausdrücklich für diesen Zweck unternommenen Versuchen die Bacterien selbst gezeigt haben, dass sie verhältnissmässig niederen Wärmegraden nicht widerstehen können ? Schon im Jahre 1872 habe ich die Frage direct und experimen- tell zu lösen gesucht, bei welcher Temperatur Bacterien die Fähig- keit der Vermehrung verlieren. Es stellte sich dabei heraus, dass bei Anwesenheit fester organischer Stoffe (ausgekochter Lupinen, Erbsen u. s. w.) die Resultate unsicher wurden, und ich erklärte dies daraus, dass dergleichen feste Körper als schlechte Wärmeleiter die durch das Thermometer angezeigte Temperatur der Versuchsflüssigkeit nur sehr langsam in ihrer ganzen Masse annehmen und einzelne, in ihren Spalten oder Intercellularräumen verborgene Bacterien sehr lange vor der tödtlichen Erhitzung schützen können ?). Es wurde deshalb eine geringe Menge entwickelungsfähiger Bacterien (ein Bacterien- tropfen) zu einer klaren Flüssigkeit (Bacteriennährlösung) zugefügt, und durch vergleichende Versuchsreihen, welche Dr. Horvath auf meine Bitte übernahm, ermittelt, dass eine 60 Minuten lange Erwärmung auf 60—62° die Vermehrung der Baeterien verhindere?). Dr. Schröter bestimmte bei seinen Versuchen über Desinfeetion die Temperaturgrenze, durch welche schwärmende Bacterien unbeweglich und wahrscheinlich auch zu weiterer Entwickelung unfähig, d. h. ohne Zweifel getödtet werden, im Minimum auf 53° *). Aber auch diese Temperatur übertrifft bereits nicht unerheblich !) Vgl. Tyndall, über Staub und Krankheit in „Fragmente aus den Natur- wissenschaften“ 1874 p. 333. 2) Siehe Band I. Heft 2 dieser Beiträge p. 218. 3) ]. e. p. 220. 4) Schroeter, Prüfung einiger Desinfeetionsmittel. Band I. Heft 3 dieser Beiträge p. 35. 17* 254 den Wärmegrad, welcher für die Tödtung der meisten anderen leben- den Organismen als ausreichend erachtet wird. Obwohl die äusserste Grenze für alle Organismen noch nicht sicher festgestellt ist, wird dieselbe doch nach den Untersuchungen der meisten Forscher auf nicht höher als 35 - 50° C. angesetzt '), da lebendes Protoplasma meist schon bei einer Temperatur von 43° gerinnt, während andere Proteinverbindungen erst durch Erhitzen auf 60° getrübt und bei 70—75° flockig eoagulirt werden. Allerdings war bei unseren früheren Bacterienversuchen der Ein- fluss der Zeitdauer nicht mit in Berücksichtigung gezogen worden; es liess sich aber vermuthen, dass bei längerer Einwirkung schon ge- ringere Wärmegrade den nämlichen lethalen Einfluss üben werden, wie verhältnissmässig höhere in kürzerer Zeit. Von diesem Gesichts- punkte aus wurde von Dr. Eidam auf mein Ansuchen im hiesigen pflanzenphysiologischen Institut eine Reihe von Versuchen angestellt; es ergab sich, dass gewöhnliche Fäulnissbacterien in einer Flüssig- keit durch 14stündiges Erwärmen auf 45°, wie durch dreistündiges auf 50° getödtet werden, während sie bei 40° zwar in Wärmestarre verfallen, aber sich wieder erholen. 3. Versuche mit gekochtem Heuaufguss. Ist nun der Widerspruch dieser Versuche mit den früher erwähnten einzig und allein darauf zurückzuführen, dass bei den ersteren feste, bei den letzteren aus- schliesslich flüssige Nährstoffe benutzt wurden? Ich selbst habe noch vor Kurzem bei den vielbesprochenen Bastian’schen Versuchen mit Rübendecoct in dem beigefügten Käse die materia peccans ge- sucht, welche als schlechter Wärmeleiter die Keime gewisser Bac- terien vor der tödtlichen Siedhitze in ähnlicher Weise bewahre, wie etwa die im Muskelfleisch eingekapselten Trichinen bei nur kurzem Aufkochen lebendig bleiben ?). Aber bereits Bastian hatte bei seinen Experimenten verschie- dene Flüssigkeiten ausfindig gemacht, in denen sich bei vollständiger Abwesenheit fester Körper selbst nach 5 bis 10 Minuten langem Kochen gleichwohl lebende Organismen entwickeln. Von ganz beson- derem Interesse sind in dieser Beziehung die von Dr. W. Roberts 1) Sachs, Lehrbuch der Botanik 4. Aufl. p. 695; Kühne, Protoplasma p. 12. Hoppe Seyler fand 1375 in Ischia noch Algen an Felsen, deren Tem- peratur durch heisse Dämpfe auf 64,70 gebracht war, in Lipari bis 530; eben so hoch (430 R.) hatte ich 1861 die Grenze für die Oseillarien des Carlsbader Sprudels bestimmt. (Abhandlungen der Schles. Gesellsch., naturw.-medizin. Abtheil. II. 1862.) 2) Bd. I Heft 3 dieser Beiträge p. 191, 195. 255 am 3. März 1874 der Royal Society in London vorgelegten Versuche, welche den Zweck hatten, die zur Sterilisation von Flüssigkeiten erforderlichen Hitzegrade zu ermitteln und dadurch zugleich zu einem Urtheil über die etwaige Entstehung von Bacterien durch Urzeugung zu gelangen '). Glaskölbehen von 30—50 em. ““» wurden zu ?|, mit einer Flüssigkeit gefüllt; der abgetrocknete Hals mit einem Baumwollpfropf in der Mitte verstopft und seine lang ausgezogene Spitze zugeschmolzen, hierauf das Kölbchen im kochenden Wasser- bade längere oder kürzere Zeit aufrecht stehend belassen; wenn völlig erkaltet, wurde der Hals durch Abfeilen der Spitze wieder geöffnet. Nach dieser Methode, durch welche das Verdampfen und Aufstossen der kochenden Flüssigkeit, ebenso wie die nachträgliche Infection durch Keime aus der Luft verhindert werden sollte, wurden vier Jahre hindurch mehrere hundert Versuche angestellt. Decocte verschiedener organischer Thier- und Pflanzengewebe durch kurzes Aufsieden mit Wasser hergestellt, sowie Lösungen organischer Salze und gesunder oder diabetischer Urin wurden schon nach 3—4 Minu- ten sterilisirt; Infusionen, bei Blutwärme durch langsames Digeriren von Fleisch, Fisch, Rüben, Möhren, Früchten dargestellt, erforderten 5—10 Minuten; Wasser, dem Stücke von grünen Gemüsen (Kohl, Spargel, grüne Erbsen und Bohnen), Fisch, Fleisch, Eiweiss, Käse zugefügt waren, sowie Milch, Blut und albuminöser Urin mussten nicht weniger als 20 bis 40 Minuten der Siedhitze ausgesetzt werden, ehe sie sterilisirt wurden. Am schwierigsten aber verhielt sich über- neutralisirte Heuinfusion; in dieser wurde bisweilen erst durch ein- bis zweistündiges Verweilen im kochen- den Wasserbade die Bacterienentwickelung verhütet; im Oel- oder Salzwasserbade genügten schon 5 bis 15 Minuten. Diese Ergebnisse, in streng wissenschaftlicher Methode gewonnen, verdienten eine ernstliche Prüfung, und ich habe deshalb die Ro- berts’schen Versuche mit der Heuinfusion viele Male wiederholt, wobei mich Mr. Robert Hare aus Ottawa (Canada), der in unserem pflanzenphysiologischen Institut arbeitet, auf das Bereitwilligste unter- stützte. Hierbei stellte ich mir aber die besondere Aufgabe, die in den gekochten Heu-Infusionen entwickelten Organismen, die bisher nur schlechthin als Bacterien bezeichnet worden waren, unter dem 1) W. Roberts, Studies on Biogenesis. Philos. Transact. of the Royal Soeiety of London vol. CLXIV. II. p. 474. Als permanente Sterilität wird der Zustand einer Flüssigkeit definirt, in welchem sie zur Entstehung von Or- ganismen unfähig ist, nicht aber die Fähigkeit zur Ernährung und Ver- mehrung der (von aussen eingeführten) Organismen verloren hat, 256 Mikroskop genauer zu untersuchen, um womöglich zu ermitteln, ob nieht in gewissen specifischen Eigenschaften derselben die Ursache ihrer unglaublichen Widerstandsfähigkeit gegen das kochende Wasser gefunden werden könne. Die Heninfusion wurde ganz nach der Methode von Roberts in folgender Weise dargestellt: Heu wurde in einem Glaseylinder mit wenig Wasser übergossen und mit demselben bei 36° vier Stunden lang digerirt, dieser Aufguss von dunkelrothbrauner Farbe wurde durch Zusatz von destillirttem Wasser auf das spez. Gewicht 1006 verdünnt und doppelt filtrirt; er war nun vollkommen klar, schön goldgelb, etwa wie Münchener Bier, und reagirte deutlich sauer; er soll deshalb als saurer Heuaufguss bezeichnet ‚werden. W. Roberts hatte gefunden, dass neutraler Heuaufguss ganz besonders schwierig zu sterilisiren sei; werden zu 200 em. ““b- saurem Heuaufguss 1,5 em." iquor potassae zugesetzt, so reagirt derselbe gegen Laemus und Cureumapapier neutral; diese Flüssigkeit, die nicht klar, sondern trübe opalisirend ist, soll als neutraler Heu- aufguss bezeichnet werden. Offenbar enthält frischer Heuaufguss einen in einer Säure gelösten Stoff, der durch Neutralisiren der Säure ausgefällt wird und sich allmählich als dunkelbrauner Absatz niederschlägt, wodurch der neutrale Heuaufguss mit der Zeit von selbst wieder klar wird; ein paar Tropfen Essigsäure lösen die Trübung augenblicklich auf und machen die Flüssigkeit klar. Von einer Bacterientrübung ist hierbei nicht die Rede. Anfangs machte ich die Versuche genau nach der Angabe von Roberts in kleinen langhalsigen Glaskölbehen, deren Hals in der Mitte mit einem Baumwollenpfropf ausgestopft, vor dem Kochen an der Spitze zugeschmolzen, nach dem Kochen wieder aufgebrochen wurde. Der Nachtheil dieser Methode besteht darin, dass es schwer ist, den Baumwollenpfropf während des Versuches vor zufälligem Benetzen mit dem Heuaufguss zu wahren, wodurch eine Infection des letzteren eintreten kann; auch könnte der beim Kochen ent- wickelte Dampf, welcher die Baumwolle durchdringt und im Hals sich theilweis condensirt, sich leicht mit Keimen beladen; ganz besonders aber ist bei dieser Methode das Herausnehmen kleiner Proben der Versuchsflüssigkeit zur mikroskopischen Untersuchung erschwert. Es. wurden deshalb die späteren Versuche in gewöhn- lichen Reagenzeylindern gemacht, deren mittlerer Theil über der Gasflamme in eine lange Röhre ausgezogen wurde; jeder Cylinder wurde vermittelst einer Pipette mit 10—15 gm. Heuaufguss zur 2 Hälfte oder zwei Drittel gefüllt, sodann der eingeschnürte Halstheil mit einem feinen Drath umwunden, an dessen freies Ende ein kleines Bleigewicht passend befestigt wurde. Das Erhitzen geschah in einem eisernen Kessel, der mit warmem Wasser gefüllt und in welchen eine Anzahl der präparirten Reagenzeylinder vermittelst ihrer um den Kesselrand gebogenen Drähte eingehängt wurden; sie waren durch die Bleigewichte in aufrechter Stellung derart festgehalten, dass ihre offenen Enden niemals vom Wasser, welches durch eine unter dem Kes- sel befindliche Gasflamme zum Sieden gebracht wurde, erreicht werden konnten. Der Heuaufguss in den Reagenzeylindern zeigte bald, wie ein eingesetztes Thermometer nachwies, 99—100°, ohne jemals, wie am offenen Feuer, aufzustossen oder überzulaufen; das Sieden im Kessel wurde 2—3 Stunden unterhalten, die Versuchseylinder jedoch nach kürzerem oder längerem Verweilen in vorher verabredeten, meist von je 10 bis 15 Minuten abgestuften Intervallen herausge- nommen und ihre Oeffnung erst dann mit Baumwolle verstopft, wenn die im Hals niedergeschlagenen Wasserdämpfe wieder verdunstet waren, was nach 1 bis 2 Minuten eintritt. In der Regel wurde gleichzeitig ein Cylinder mit saurem und mit neutralem Heuaufguss aus dem siedenden Wasser herausgenommen; sämmtliche Cylinder wurden nun auf einen Reagenzständer neben einander gestellt und in dem schon früher in diesen Heften beschriebenen Wärmekasten bei einer Temperatur von 24—30° aufbewahrt; zum Vergleich wur- den jedesmal auch Reagenzeylinder mit ungekochtem sauren oder neutralem Heuaufguss neben die gekochten gestellt. Ich beschränke mich darauf, das Gesammtresultat dieser Versuche hier zusammenzustellen, welche am 25. Oct. 1875 begonnen und bis Mitte Juli 1876 immer von Neuem aufgenommen wurden, und deren Anzahl sich auf mehrere Hundert beläuft. Ueberlässt man ungekochten Heuaufguss, gleichviel ob sauer oder neutral, sich selbst, so wird derselbe in der Regel schon nach 12—20 Stunden, bei niederer Zimmertemperatur erst nach einigen Tagen, trübe und undurchsichtig; oben sammelt sich eine dichtere Bacterienschicht und über dieser Zoogloeaschleim; am Boden schlägt sich weisslicher Absatz nieder; ununterbrochenes Aufsteigen von Gas- bläschen verräth den Eintritt einer Gährung. Die gesättigte gold- gelbe Farbe des sauren Aufguss wird von Tag zu Tag heller und blasser, trübem Pilsener Bier vergleichbar. In der Flüssigkeit ent- wickeln sich sehr verschiedenartige Organismen, hauptsächlich zahl- lose Schwärme des strichförmigen Dacterium Termo, aber auch 258 Schleimeolonieen von Mierococcus, darmförmig gewundene, in kleine Segmente gelappte Gallertröhren von Ascococcus '), Sarcinaähnliche Haufen, rosenkranzförmige Torulaketten (Mycothrix), stäbchenartige Bacillen, längere Leptothrixfäden, auch Hefezellen, aus denen haupt- sächlich der reichliche weisse Absatz besteht. Ohne Zweifel tritt in der aus den süssen Grashalmen ausgelaugten Zuckerlösung lang- same Alkoholgährung ein, die jedoch bald in Essiggährung übergeht; auf der Oberfläche der Flüssigkeit breiten sich die chagrinartigen Mierococcus-Schleimmassen der Essigmutter aus; die Flüssigkeit selbst wird stark sauer; vielleicht bildet sich auch Milchsäure. Auch neutraler Heuaufguss wird von selbst mit der Zeit sauer, wenn auch nicht so stark wie der nicht neutralisirte; er wird auch lang- samer entfärbt. Doch ist die Entfärbung nicht von einer wirklichen Zerstörung des Pigments, sondern von einer Bindung desselben durch die im gährenden Heuaufguss erzeugten Säuren veranlasst; denn durch Zusatz von etwas Ammoniak erhält der blasse Heuaufguss sofort wieder seine frühere goldklare Färbung, welche durch nachträgliches Neutralisiren mit etwas Salzsäure von Neuem verschwindet. Zuletzt siedelt sich in der Regel auf der Oberfläche der Aufgüsse Pencicillium an und durchwuchert mit seinem Mycel die Bacterienschleimhaut. Infusorien fanden sich nie bei meinen Versuchen. Nicht selten entwickelt sich nach einiger Zeit im Heuaufgusse ein sehr gesättigtes Orangepigment, welches zuerst an der Oberfläche erscheint und die schwimmenden Häute intensiv braun färbt, mit der Zeit aber nach der Tiefe sich ausdehnt, sodass der Aufguss zwei übereinander schwimmende Schichten, eine tiefere blassgelbe und eine obere granatrothe unterscheiden lässt. Anders verhalten sich_ die gekochten Heuaufgüsse. Auch in ihnen können Veränderungen eintreten, welche auf der Vermehrung mikroskopischer Organismen beruhen, selbst nach längerem Verweilen im kochenden Wasserbade, und gleichviel, ob die Aufgüsse sauer oder neutral waren. Umstehende Tabelle giebt über einige unserer Versuchsreihen Aufschluss. !) Siehe diese Beiträge Band I. Heft 3 p. 151. Der Ascococcus der Heu- aufgüsse zeigte nur dünne Gallerthüllen und verdient eine besondere Unter- suchung; erälinelt der von Billroth abgebildeten Forın (Coccobacteria septica Tab. III. Fig. 23. 25). BAR... Int gekochten Heuaufguss entwickelten sich Organismen. | keine Organismen. Dauer der Erhitzung auf 100°. 1575 28. Oct. sauer 5— 15 Min. ! neutral 5— 15 - 30 Min. und mehr, 7. Nov. sauer 5— 20 = | 30 dito neutral 5— 15 - 20 dito 18. Nov. sauer 5—- 20 = | 30 dito neutral 5— 15 - 20 dito 24. Nov. sauer 5— 90 120 dito | neutral 5-120 = | l. Dec. sauer 30— 60 = | 90—180 Min. neutral — 30 =» | 90-180 1576 | 5. März suer 20— 80 = 100—120 = neutral 20 = | 40-120 -» 5. Juli sauer 5- 30 - | 40-120 Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, dass, während in den 5—15 Minuten lang gekochten Heuaufgüssen ohne Ausnahme Organismen sich entwickelten, bei längerem Verweilen im siedenden Wasserbade die Ergebnisse ungleich ausfielen; manchmal waren 20 Minuten, im anderen Falle 30, einige Male 1} bis 2 Stunden zum Sterilisiren erforderlich. Es wurde auch bei einer Versuchsreihe beobachtet, dass in den 60 Minuten lang gekochten Reagenzeylindern Organismen sich entwickelten, während die 45 Mi- nuten gekochten freiblieben. Im Allgemeinen zeigten die kürzere Zeit gekochten Heuaufgüsse niemals am folgenden, wohl aber in der Regel schon nach 2 Tagen, die länger erhitzten erst ein bis 2 Tage später die Anzeichen einer Vermehrung von Organismen; ein con- stanter Unterschied in der Zeitdauer zwischen sauren und neutralen Aufgüssen, wie ihn Roberts gefunden, trat in unseren Versuchen nicht hervor; die Ungleichheiten der gewonnenen Resultate leite ich von zufälligen Verschiedenheiten in der Beschattenheit des zu den Aufgüssen benützten Heues ab. Ehe ich über die Organismen berichte, welche sich in den ge- kochten Aufgüssen entwickelten, will ich bemerken, dass an eine nachträgliche Infeetion derselben durch von aussen nach dem Kochen eingeschleppte Keime bei unseren Versuchen nicht zu denken ist. Tyndall!) hat mit Unrecht die von Roberts als Verschluss be- 1) ]. e. Nature 1876. Febr. 260 nutzte Baumwolle in Verdacht gezogen, die sich bis jetzt überall, auch in seinen eigenen Versuchen, als ein vollkommenes Filter gegen die in der Luft schwimmenden Bacterien bewährt hat; ebenso wenig tritt eine Infeetion aus der Luft in dem kurzen, bei meiner Methode zwischen dem Herausnehmen der Reagenzcylinder aus dem Kessel und dem Verstopfen mit Baumwolle liegenden Zeitraum ein; selbst wenn die Cylinder einfach offen gelassen und der Hals nach Pasteur- scher Methode umgebogen ist, gelangen wohl einmal Schimmel- sporen, aber kaum jemals Bacterien in die Versuchsflüssigkeit. Ich habe übrigens auch die Versuche so abgeändert, dass ich, ohne Baum- wolle anzuwenden, den Hals der Kölbcehen, die ich mit Heuaufguss zur Hälfte gefüllt, an der Gasflamme zuschmolz und sie sodann in dem Kessel mit siedendem Wasser vollständig untertauchte; bei einem Versuch am 5. Juli entwickelten sich Organismen in den 5, 15, 25, 35 Minuten, nicht aber in den 45, 60 Minuten und darüber in siedendem Wasser untergetauchten zugeschmolzenen Kölbchen. Da die in den Kölbchen eingeschlossene Luft zur Entwickelung von Organismen sich als ausreichend erwies, so brauchten dieselben nach dem Kochen nicht geöffnet zu werden, so dass ein nachträgliches Verunreinigen durch Keime aus der Luft absolut ausgeschlossen war, gleichwohl verhielten sich die zugeschmolzenen Kölbehen in Bezug auf das Auftreten der Organismen genau so, wie die mit Baumwolle verstopften Reagenzcylinder. 4. Untersuchung der in gekochten Heuaufgüssen entwickelten Organismen. Nachdem unsere Versuche uns eine vollständige Bestäti- gung der Bastian-Roberts’schen Angaben und damit einen neuen Beleg zu der wichtigen Thatsache gebracht hatten, mit der wir fortan, namentlich bei Desinfeetionen, rechnen müssen, dass in filtrirten, vollkommen klaren Flüssigkeiten selbst durch längeres Erhitzen auf 100° die Entwicke- lung von Organismen nicht immer verhindert wird, und dass es unter Umständen eines mehrstündigen Kochens bedarf, um des Sterilisirens sicher zu sein, wendete ich mich zum zweiten Theile meiner Aufgabe, der bisher meines Wissens noch nicht in Angriff genommen worden war, nämlich durch die mikroskopische Unter- suchung zu ermitteln, welcher Art die Organismen angehören, die eine so unerwartete Widerstandsfähigkeitgegendie tödtliche Einwirkung der Siedhitze besitzen? Schon auf den ersten Blick liess sich erkennen, dass die Entwickelung der Organismen in den gekochten Heuaufgüssen einen ganz anderen Verlauf nimmt, als in den ungekochten. 261 Während-in den letzteren, wie schon erwähnt, die Flüssigkeit sich voll- ständig bis zum Boden trübt, monatelang trübe bleibt und sich dabei langsam entfärbt, stark sauer wird, einen starken Absatz von Hefe und oben eine Schleimschicht von Zoogloea, sowie später einen An- flug von Schimmelpilzen erhält, fanden sich in den gekochten Aufgüssen weder Hefe noch Penicillium, noch auch Asco- coccus oder Sarcina. Ebenso wenig verblasste die intensive Fär- bung der gekochten Aufgüsse, sie erlitt nur eine kurze vorüber- gehende Trübung und wurde bald wieder vollkommen goldklar bei den sauren, dunkler, wie Porter, bei den neutralen Infusionen; wir wissen bereits, dass jene Farbenveränderung von einer sauren Gährung herrührt, die in Folge des Kochens unterblieb. Das erste Anzeichen der Neubildungenin den gekoch- ten Aufgüssen ist nach etwa zwei Tagen die Entstehung eines zarten irisirenden Anflugs auf der Oberfläche der Flüssigkeit; bald darauf beginnt die oberste Schicht sich zu trüben und eine schlei- mig-flockige oder schülfrige Beschaffenheit anzunehmen, ohne dass jedoch die Trübung, wie in den ungekochten Aufgüssen, sich all- mählich steigernd bis zum Grunde ausdehnte. Am dritten, spätestens am vierten Tage schwimmen in den oberen Schichten der Flüssigkeit unzählige punktförmige weissliche Schüppchen, die sich vergrössern und zu einer auf der Oberfläche schwimmenden Haut verbinden; am dritten Tage gleicht diese einer schleimigen Milchrahmhaut; am vierten ist sie bereits fester, an der Oberfläche kreideweiss; charak- teristisch ist, dass diese Haut immer trocken, gleichsam fettig und nur schwer benetzbar ist; durch Bewegung der Flüssigkeit haftet sie leicht an den oberen Glaswänden und lässt dieselben wie einen Fettrand oder wie mattesGlaserscheinen. AufdenerstenBlick kann mandiese trockenen, zusammenhängenden schuppi- gen Häutehen von dem gewöhnlichen Zoogloeaschleim faulender Flüssigkeiten sicher unterscheiden. Da die Haut am Glasstab nicht adhärirt, so lässt sie sich nur behutsam, dann aber in grösseren Lappen und Fetzen herausnehmen. Bald wird die Haut rinnig-runzlig, indem sie sich in unregelmässigen Windungen faltet, wie ich dies 1872 von der gelben Haut des Mierococcus Zuteus berichtete!) und Billroth 1874 in ausgezeichnet getreuer Weise von einer auf Hydrocelenflüssigkeit entstandenen Ascococeus- Haut abgebildet hat?). Bei einem Versuch in grösserem Massstab, I) Siehe diese Beiträge Band I. Heft 2 p. 153. 2) Billroth, Coccobacteria 1574 p. 12, Taf. Il. Fig. 17. 262 wo saurer Heuaufguss in einem 500 gm. fassenden Kolben fast 2 Stunden gekocht worden war, bildete die runzlig-faltige Haut sich besonders üppig aus. Sehüttelt man die Versuchsgläser ein wenig, so sinkt die ganze Haut leicht zu Boden; auch von selbst setzen, schon vom dritten Tage an, die feinen Pünktchen, Schüppchen und Schleimflöckehen, welche in den: oberen Schichten des Aufgusses dicht gedrängt schwim- men, sich allmählich nieder, trüben während ihres Herabsinkens die tieferen Flüssigkeitsschichten und bilden zuletzt einen gallertartigen Absatz, während der Aufguss selbst sich klärt; da mit ihrer Abla- gerung am Boden der Gläser die gesammte Entwickelung ihren Ab- schluss erreicht, so wird nach einigen Tagen die gekochte Heuinfu- sion von selbst vollkommen klar und contrastirt nun mit ihrer wenig veränderten goldgelben Farbenintensität gegen die andauernd getrüb- ten und entfärbten ungekochten Aufgüsse. Untersucht man Heuaufguss 24—48 Stunden nach dem Kochen, wenn kaum die erste Spur des irisirenden Anflugs bemerkbar ist, unter dem Mikroskop, so findet man bereits, dass jeder von der Oberfläche entnommene Tropfen von zahllosen, feinen, geraden, lebhaft bewegten Stäbehen schwärmt; die Dieke derselben beträgt höchstens 0,6 Mikr., ihre Länge ist in dieser Entwickelungsstufe noch sehr verschieden, 3, 5, 7 Mikr. und darüber, doch gehören sie sämmt- lich einer einzigen Art an, dem Baoillus subtilis'). (Vgl. Fig. 8 Taf. XI bei a... Die kürzesten allerdings könnte man jetzt leicht mit Fäulnissbaeterien (Bacterium Termo) verwechseln; doch sind diese, wenn von gleicher Länge, bereits in Theilung begriffen und daher in der Mitte eingeschnürt, während die kürzesten Stäbchen der Heubaeillen keine Spur von Theilung zeigen. Die meisten Da- cillus-Stäbehen sind mindestens doppelt oder viermal so lang, aber auch zehn- und mehrmal länger als die längsten Bacterien der Fäulniss; oft ziekzackartig gebogen, oder winkelig gebrochen, zerfallen sie leicht in kürzere Glieder, die, sobald sie frei geworden, rasch um- herschwimmen; längere Fäden zeigen etwas schlängelnde Bewegung. Der irisirende, einem Fetthäutchen ähnliche Anflug selbst besteht schon am zweiten Tage ganz und gar aus Dacillen, welche in Berührung mit der Luft ihre Bewegung verloren, dafür aber in lebhaftes Wachsthum und Zelltheilung einge- treten sind. Dem Charakter der Gattung Bacillus entsprechend, wachsen sie indünne, farblose, scheinbar ungegliederte I) Siehe diese Beiträge Band I. Heft 2 pag. 175. 263 ausserordentlich lange, unbewegliche Fäden (Leptothrix- form) aus, welche in einfacher Schicht, etwa wie die Halme in einer Rohrdecke, parallel und eng nebeneinander gelagert sind (Fig. 8 links). Hier und da lassen anfangs die parallelen Fadenreihen zwischen sich Laeunen, in die sich kürzere Bacillen einschieben (Fig. 8 a b); in- dem diese aber ebenfalls rasch auswachsen und die Zwischenräume ausfüllen, entsteht eine zusammenhängende zarte Haut, welche die Oberfläche der Flüssigkeit vollständig bedeckt. Da aber die Zell- vermehrung und das davon bedingte Längenwachsthum der Fäden noch längere Zeit mit grosser Lebhaftigkeit fortdauert, so müssen die Fäden wegen Mangel an Raum in den engen Reagenzeylindern sich wellenförmig nach aussen und oben krümmen, das ganze Häut- chen nimmt in Folge dessen jene runzelig faltige Beschaffenheit an, welche wir schon oben erwähnt haben. Gleichzeitig aber verdickt sich das Häutchen durch Anlegung von Dacillusfäden auf der Unterseite. Hier und in der Flüssigkeit selbst wachsen die farblosen zarten Dacillus- fäden nicht minder lang aus; sie gruppiren sich meist bündelweise, und indem sie an ihrer ganzen Fläche Schleim ausschei- den, treten die Fadenbündel in einen gewissen Zusam- menhang, etwa wie die Oscillarienbündel der Phormidien oder der grünen Wasserblüthe Limnochlide flos aquae; so entstehen wirre Stränge oder unregelmässige dicht verflochtene Knäuel; dem blossen Auge erscheinen sie als kleine weisse Schüppchen oder Schleim- flöckchen. In diesen Strängen und Knäueln verflechten die schleim- umhüllten Fadenbündel in den seltsamsten lockigen Windungen sich zu grösseren Gallertfilzmassen, oder gruppiren sich zu hohlen, netz- artig durchbrochenen Schleimballen (Fig. 10). Die Bildung von Schleimsträngen und Gallertfilzknäueln war bisher von mir bei Da- cillus noch nicht beobachtet worden. 5. Sporenbildung bei Bacillus subtils. Nunmehr bereiten sich die Bacillus-Fäden zur Sporenbildung vor. In ihrem homogenen Inhalt treten stark lichtbrechende Körperchen auf; aus jedem dieser Körperehen entsteht eine oblonge oder kurz eylindrische, stark lichtbrechende dunkeleontourirte Spore; in den Fäden findet man daher die Sporen in ein- fache Reihen geordnet (vgl.-Fig. 4). Die in Schleim einge- betteten Fadenbündel verhalten sich ebenso, wie die freien Bacillus- Fäden; in Folge dessen besteht das auf dem Aufguss schwimmende Schuppenhäutehen gar bald (schon am 3. oder 4. Tage) aus un- zähligen parallelen Sporenreihen und ändert dadurch sein Licht- BR... breehungsvermögen, indem es von oben kreideartig weiss erscheint. Sobald die Sporenbildung vollendet, sind die einzelnen Fäden in der Regel nicht mehr unterscheidbar, und es macht den Eindruck, als ob die Sporen völlig frei im Schleim lägen, doch verräth schon die lineare Anordnung noch immer ihre Entstehung im Innern der Fäden (Fig. 11). Allmählich lösen sich die Fäden wirklich auf, die Baecillenhaut wird zu einem verstäubenden Pulver aufgelöst, die Sporen fallen heraus und sinken auf den Boden der Flüssigkeit, wo sie sich massenhaft absetzen (vgl. Fig. 4 b). Ueber die Vorgänge bei der Sporenbildung können nur sehr starke Immersionssysteme genauere Kenntniss gewähren (Fig. 9, die mit Seibert Imm. 8 gezeichnet ist). Obwohl die Bacillusfäden selbst unter starken Vergrösserungen scheinbar ungegliedert sind, so ist dies in Wirklichkeit doch nicht der Fall; die einzelnen Glieder, aus denen die Fäden bestehen, sind etwa viermal so lang als breit. In jedem Gliede entsteht eine Spore, welche dessen Höhle nicht ganz ausfüllt, sondern von der leeren Zellhaut beiderseits umgeben ist. Die Sporen sind 1,5 —2,2 Mikr. lang und 0,8 Mikr. dick, also 2 bis 3 Mal länger als breit; ihrer Entstehung nach scheinen sie denen der Nostoceen (Uylindrospermum, Nostoc, Spermosira u. a.) ver- gleichbar. Je nachdem der Bacillusfaden kürzer oder länger, aus zwei, aus wenigen oder sehr vielen Gliedern besteht, finden wir die Sporen in einem Faden zu zweien, mehreren, oder in langen Ketten gereiht (Fig. 9); durch Zerfallen der Dacillusfäden isoliren sich auch einzelne Glieder, welche nur eine einzige Spore einschliessen. Wenn diese durch Austritt aus ihrer Mutterzelle völlig frei geworden, zeigt sie eine zarte, anscheinend gallertartige Umhüllung (Sporenhaut) und einen stark liehtbrechenden Inhalt. Aus der fettigen, Wasser nicht an- nehmenden Beschaffenheit der weissen Schuppenhäutchen, die, wie wir nunmehr wissen, ganz und gar aus den im Schleim eingelagerten Da- cillussporen gebildet sind, ist zu vermuthen, dass entweder der Inhalt dieser Sporen ölartig, oder ihre Membran für Wasser schwer benetz- bar ist. Mit der Reife, dem Freiwerden und Absetzen der Sporen ist die Entwickelung der Bacillen zunächst abgeschlossen, und in den Heuaufgüssen tritt keine weitere Veränderung ein, nur die Häute nehmen später meist eine braungelbe Färbung an, vermuthlich durch Ausscheidung von Pigment aus den Aufgüssen. Die Sporen sind jedoch keimfähig. Zwar keimen sie, wie es scheint, nicht in derselben Flüssigkeit, in welcher sie sich gebildet hatten; wenigstens salı ich niemals, dass nach Entstehung der Sporenmasse in einem der Versuchsgläser sich später eine nene Trübung gezeigt hätte, die auf eine zweite Generation der Bacıllen hätte zurückgeführt werden können; vielmehr blieben die Heuaufgüsse, nachdem sie sich einmal geklärt, trotz ihrer zahllosen Sporen fortan unverändert; aber wenn ich eine kleine Portion der Sporenmasse in einen Reagenzeylinder brachte, dessen Heuaufguss noch nicht die Fer- mentation der Bacillen durchgemacht hatte, sondern durch stunden- langes Kochen vollständig sterilisirt und in der That selbst bei län- gerem Verweilen im Wärmkasten nicht verändert war, so keimten offenbar die Sporen; denn oft schon am folgenden Tage hatte sich ein weisses schleimiges Dacillushäutchen auf der Oberfläche des Aufgusses gebildet, in welchem die Entwickelung der Leptothrix- bündel, bald darauf der Sporenketten ihren regelmässigen Verlauf nahm. Als ich eine geringe Menge Sporen, welche schon seit Mo- naten auf dem Boden eines gekochten Aufgusses abgelagert waren, mit einem frischen Tropfen in die feuchte Kammer brachte, glückte es mir, die Keimung direet zu beobachten. Die Sporen schwollen etwas an und trieben an einem Ende einen kurzen Keimschlauch, sie er- schienen nun als Köpfehenbacterien'). Der stark lichtbrechende Körper der Spore verschwand bald; der Keimschlauch glich dann einem kurzen Dacillusstäbchen, das sich in Bewegung setzte, durch Quertheilung gliederte, dann fadenförmig verlängerte. Bald schwärm- ten im Tropfen zahllose kürzere und längere Bacillen, letztere gin- gen in Ruhezustand über und verfilzten sich in weisse, schon dem blossen Auge sichtbare Filzmassen. Wenn mit den Dacillus-Sporen Keime von Dacterium Termo eingeschleppt wurden, so misslangen meist die Keimungsversuche, da dieses sich rascher vermehrte und die Baeillen unterdrückte ?). 6. Schlussfolgerungen. Die hier mitgetheilten Beobachtungen, die sich in mehreren hundert Versuchen mit der Constanz physikalischer Experimente ausnahmslos wiederholten, scheinen mir den Schlüssel 1) Siehe diese Beiträge Band I. Heft 2 p. 145, Heft 3 p. 188. 2) Die Baeillengährung der Heuaufgüsse bietet überraschende Analogien zu dem Verlauf vieler Infeetionskrankheiten. Im Heuaufgusse dauert die Ineubation in der Regel zweimal 24 Stunden, während deren die infieirte Flüssigkeit an- scheinend unverändert bleibt, obwohl gerade in dieser Zeit die lebhafteste Vermehrung der Bacillen stattfindet; am dritten Tage ist der Paroxysmus mit allgemeiner Trübung erreicht; bereits vom vierten Tage ab, wo die Sporen- bildung beginnt, tritt Remission ein, die Flüssigkeit fängt an sich wieder zu klären; wenige Tage später ist alles vorüber, die Fermentorganismen sind sämmtlich in Sporen übergegangen und werden durch Häutchenbildung und Absetzen eliminirt; die Flüssigkeit ist von da ab immun, kann aber die An- steckungskeime auf andere noch nicht infieirte Substrate übertragen, 266 des Räthsels zu enthalten, welches die Entwickelung von Organismen in gekochten organischen Stoffen bisher noch darbot. Folgende Thatsachen werden durch dieselben erwiesen: I. In gekochten Flüssigkeiten entwickelt sich nicht Bacterium Termo, noch, so viel bis jetzt bekannt, ein anderer mikroskopischer Organismus, mit Ausnahme der Bacillen. Die Ursache dieser Erscheinung liegt nicht etwa darin, dass die Flüssigkeit durch das Kochen die Fähigkeit verliert, Bac- terium Termo und die anderen Organismen zu ernähren und ihre Vermehrung zu veranlassen. Denn wenn ich in einen gekochten Heuaufguss, in welchem sich überhaupt nichts Lebendes entwickelt hatte, und der in Folge dessen völlig unverändert geblieben war, einen Tropfen aus einem ungekochten, in Gährung und Fäulniss über- gegangenen Aufguss hineinbrachte, so war der gekochte Aufguss am folgenden Tage vollständig trübe, entfärbt, und wimmelte von Dacterium Termo, Hefe und den anderen im Tropfen vorhandenen Schizophyten. Die einzige Ursache für das Ausbleiben jener Organismen in ge- kochten Aufgüssen kann daher nur darin liegen, dass dieselben un- bedingt durch Kochen getödtet werden, wie ja auch die direeten Versuche gezeigt haben, dass dieselben bereits durch die für alle höheren lebenden Wesen tödtliche Temperatur der Protoplasmacoagu- lirung (eirca 50°) ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren, d. h. ohne Zweifel getödtet werden !). I. Wenn sich Dacillen in den gekochten Aufgüssen entwickeln, so ist die Ursache davonindervon uns nun- mehr ermittelten Entwickelungsgeschichte derselben zu suchen. Wir können nicht daran zweifeln, dass im Heu Dacillus- sporen enthalten sind, mögen dieselben schon an den lebenden Gras- halmen adhäriren oder erst während des Mähens und Trocknens oder beim späteren Aufbewahren des Heues, während welcher Operationen eine gewisse Fermentation eintritt, hinein gelangen. Im trocknen Heu sind diese Sporen geschrumpft und mit Wasser schwer benetz- bar; während des Digerirens werden sie losgespült und gelangen in den Heuaufguss; doch solange die Sporen nicht mit Wasser imbibirt und gequollen sind, können sie auf 100° erhitzt werden, ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren, wie das unter gleichen Verhältnissen nicht blos für Pilzsporen, sondern selbst 1) Vergleiche unter andern auch die berühmten Versuche von Pasteur über Conservation des Weines durch Erhitzen der Flaschen auf 50—60°, welche ausreichen, um alle Keime der Essig-, schleimigen, bitteren Gährung u. s. w. zu zerstören. 267 für Phanerogamensamen nachgewiesen ist!). Dass die ungequollenen Bacillussporen mindestens 15 Minuten, einzelne sogar I—2 Stunden, im siedenden Wasser bleiben können, ohne getödtet zu werden, beruht vermuthlich auf ihrem ölartigen Inhalt, vielleicht auch auf einer der Sporenhaut stark adhärirenden Luftschicht, welche Leidenfrost’sche Phänomene hervorrufen mag; zum Theil hängt es von individuellen Eigenthümlichkeiten ab; auch beim Quellen und Keimen anderer Sporen und Samen zeigen sich ausserordentliche Verschiedenheiten in der erforderlichen Zeitdauer ?). Je länger jedoch das Kochen fort- gesetzt wird, desto weniger Dacillussporen bleiben keimfähig, desto unsicherer und zufälliger werden die Ergebnisse; schliesslich, bei Erhitzen über 100° schneller, werden alle Sporen getödtet und die Flüssigkeit ist dann vollkommen sterilisirt. Sobald aber auch nur einige Sporen zur Keimung gelangen, so gehen aus ihnen bewegliche Stäbchen hervor, die sich durch Quertheilung rasch vermehren; sind ihrer am ersten Tage auch nur so wenig, dass sie dem blossen Auge sich nieht bemerklich machen, so haben sie sich am zweiten Tage schon so stark vermehrt, um eine häutige Schicht an der Oberfläche zu bilden, und in lange unbewegliche Fäden auszuwachsen; schon am dritten Tage beginnt die Erzeugung der Sporen; ist diese vollen- det, so gehen die Fäden zu Grunde, die Sporen werden frei und können die Infeetion weiter verbreiten. III. InallenFällen, woimmer in gekochtenorganischen Stoffen sich Organismen entwickeln, habe ich bisher einzig und allein sporenerzeugende Dacillen gefunden. Dass in den Bastian’schen Rüben-Käsedecocten es nicht der Rüben- aufguss, sondern die im Käse eingeschlossenen Dauersporen der 1) Nach Pasteur können trockene Penieilliumsporen auf 121°, nach Manas- sein auf 140—150° erhitzt werden, ohne Keimfähigkeit zu verlieren. Eine weit geringere Latitude (70—80°) zeigen die Angaben von Tarnowski (Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. p. 699); doch ist mir die Methode, durch welche dieselben gewonnen sind, nicht bekannt. 2) Bei den Untersuchungen über Keimfähigkeit werden die Samen vorher in destillirtem, von Zeit zu Zeit erneutem Wasser bei einer Temperatur von 13—21° gequellt; Nobbe fand u.a. bei einem Versuch mit Trifolium pratense, dass von 1000 Samen 927 nach einem Tage, $ nach 3, 9 nach 5, 4 nach 9, 13 nach 10—19, 6 nach 21—26, 7 nach 31--36, 3 nach 43—48, 3 nach 52— 59, 3 nach 91, 4 nach 147 und 3 nach 156 Tagen quollen (Nobbe, Handbuch der Samenkunde 1876 p. 112). Bei den Prüfungen in den Samencontrollsta- tionen werden die innerhalb 10 Tagen gekeimten Samen der Papilionaceen gezählt, von den ungequollen gebliebenen noch ein Drittel dem Keimungspro- eentsatz hinzu addirt, weil erfahrungsmässig noch eine entsprechende Zahl dieser Samen nachträglich keimt (Eidam, Landw. Versuchsstationen XVIIl.) Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft II. 18 268 Labbacillen seien, welche der Kochhitze so lange widerstehen, habe ich bereits im vorigen Jahre wahrscheinlich gemacht!'). Dass in gekochten Erbsen und Lupinen sich nicht Dacterium Termo, sondern Bacillus subtilis vermehrt und zu Leptothricfäden und dichten Hau- fengewirren entwickelt, bemerkte ich schon im Jahre 1872 in meiner ersten Abhandlung über Baeterien?). Zu dem nämlichen Resultate führten auch die von Eidam angestellten Versuche mit Erbsen und Hühnereiweiss, welche 14 Tage einer Temperatur von 44—46 ° aus- gesetzt worden waren?). Indem ich meine Tagebücher vergleiche, finde ich, dass ich bei allen diesen Versuchen auch stets die oblon- gen, stark lichtbrechenden Sporen sich massenhaft habe entwickeln sehen, von denen mir früher nur entgangen war, dass sie in den Bacillus- (Leptothrix) fäden entstehen. Auch in den hermetisch ver- schlossenen Blechbüchsen aus Frauenfeld, in denen gekochte Erbsen verdorben waren, hatte ich ausschliesslich Dacillen beobachtet. Wenn andere Bacterien und sonstige Fermentorganismen (Zymo- phyten) beim Erhitzen nicht das nämliche Verhalten zeigen, wie die Bacillen, so liegt der Grund darin, dass, so viel wir bis jetzt wissen, einzig und allein bei den Daczllen Sporenbildung vorkommt. Der scheinbaren Stütze, welche die Erscheinungen bei den gekochten Heuaufgüssen der Hypothese der Ur- zeugung gewähren, wird durch diese Beobachtungen Jeder Halt entzogen. IV. Nach Analogie der Beobachtungen an anderen Organismen musste vermuthet werden, dass bereits Temperaturen unter 100° ausreichen würden, um die Entwickelung der Dacillen in Heuauf- güssen zu verhindern, wenn die Wärme nur lange genug einwirken könne. Um hierüber zu experimenteller Entscheidung zu gelangen, wurden im Laufe des Juli ec. unter freundlicher Assistenz des Herrn Dr. Eidam in unserem Institut eine grosse Zahl von Versuchen angestellt, welche, obwohl sie noch nicht abgeschlossen werden konn- ten, dennoch ein interessantes Verhalten der Heubacillen gegen höhere Temperaturen unter 100° bereits erkennen liessen. Von gewöhnlichem saurem Heuaufguss wurden je 10 Gramm in Reagenzeylinder gebracht, die vorher in einen engen Hals ausgezogen, und nachdem sie gefüllt, derart zugeschmolzen wurden, dass eine ausreichende Luftmenge mit eingeschlossen ward; hierauf wurden die I) Siehe diese Beiträge Band I. Heft 3 p. 196. 1875. 2) Beiträge Band I. Heft 2 p. 218. 3) |. e. Band I. Heft 3 p- 216. %) I. ce. Band I. Heft 3 p. 2uV. 269° Gläschen in einen Kessel untergetaucht, dessen Wasser auf den ge- wünschten Wärmegrad erhitzt war, um ihnen in kurzer Zeit die für jeden Versuch erforderliche Temperatur mitzutheilen. Eine Anzahl so präparirter Gläschen wurde in eine grosse Glasschüssel gestellt und mit Watte umgeben, sodann die Schüssel in den Heizraum eines unserer Wärmkasten gebracht, dessen Temperatur durch eine vermit- telst des Bunsen’schen Regulators regulirbare Gasflamme Tagelang nahezu auf constanter Höhe erhalten werden konnte; mehrere Ther- mometer, welche theils in verschiedener Höhe im Heizraum ange- bracht, theils direet in eines der Versuchsgläser eingeführt waren, gestatteten die Controle der erzielten Temperatur. Eine absolute Genauigkeit war allerdings nicht zu erlangen, weil die Temperatur des Heizraumes am Boden und am Deckel um ein Paar Grade differirte. Alle Stunden wurden in der Regel je 2 Gläser aus dem Heizraum heraus genommen, endlich sämmtliche Gläser neben einander auf ein geeignetes Stativ gestellt und in einem zweiten Wärmkasten bei 25—30° ihrer weiteren Entwickelung überlassen. Ein Uebelstand, der bei diesen Versuchen sich herausstellte, dass nämlich bei länge- rem Erwärmen aus den Heuaufgüssen ein schwarzbrauner Stoff sich in klumpigen Flöckchen absetzte und auch auf der Oberfläche der Flüssigkeit ein harziges Häutchen sich bildete, erschwerte zwar die makroskopische Beobachtung, konnte jedoch kaum zur Verwechselung mit den charakteristischen weissen Dacillenmembranen verleiten; die mikroskopische Untersuchung, die in allen zweifelhaften Fällen vor- genommen wurde, gab ohne Weiteres entscheidende Aufklärung. 1. Zuerst wurde die Temperatur im Heizkasten auf 47—50° ge- bracht und mehrere Reagenzeylinder, deren Heuaufguss durch Zu- fügung eines Dacillentropfens infieirt war, hineingesetzt; schon nach 24 Stunden hatten sich an der Oberfläche der Aufgüsse dieke Dacillen- membranen gebildet; andere Schizophyten dagegen kamen nicht zur Entwickelung. 2. Die Temperatur im Heizkasten wurde auf 57—60° gebracht, und 34 Reagenzcylinder darin 2-17 Stunden lang belassen; der Heuaufguss war nicht absichtlich infieirt worden; am folgenden Tage war alles unverändert, am zweiten hatten bereits 20 Gläser, die 2 bis 16 Stunden lang erwärmt waren, sich getrübt und ein Dacillus- häutchen gebildet; am dritten Tage waren noch 4, am vierten noch 2, bis zum zehnten noch 6 Gläser von Bacillen getrübt, nur je eines der 11, 15 und 17 Stunden lang erwärmten Gläser war unverändert geblieben. Bei einer Wiederholung dieses Versuchs zeigten sämmtliche 18* 270 Gläser, die I—11 Stunden lang in einer Temperatur von 57—60° verweilt hatten, zwei Tage später Dacillenbildung. 3. Mehrere absichtlich infieirte, sodann zugeschmolzene oder mit Baumwolle verstopfte Gläser wurden 24—72 Stunden lang im Heizraum bei 53—55 und bei 57—60° belassen; in keinem dieser Gläser entwickelten sich Dacillen während der Exposition in der höheren Temperatur; in den nach 24 Stunden herausgenommenen und sodann bei 25—30° aufgestellten Gläsern bildete sich die Bacillenhaut zwei Tage später. 4. 20 Gläschen wurden 2—15 Stunden lang auf 67—70° er- hitzt, zwei Tage später hatten 16, darunter auch die am längsten erwärmten eine Dacillenhaut bekommen; vier (je eines der 6, 10, 12, 14 Stunden exponirten) waren sterilisirt. 5. 42 Gläschen wurden 2—26 Stunden auf 77—80° erhitzt, zwei Tage später hatte sich in 31 Gläsern die Dacillenhaut gebildet, und zwar auch in den 24—26 Stunden lang exponirten; 11 Gläser (10, 16, 18, 20, 22, 23, 25 Stunden erhitzt) schienen nicht ver- ändert, doch trat nachträglich noch in sieben derselben Bacillen- bildung ein, nur drei (22, 23, 25 Stunden exponirt) waren sterilisirt. 6. Um die Einwirkung nach längerer Erhitzung zu ermitteln, wurden 24 Gläschen einer Temperatur von 72—75°" ausgesetzt; die ersten drei nach 12, die folgenden drei nach 24, die nächsten drei nach 36 Stunden u. s. f., die letzten drei nach 96 Stunden herausgenommen. Die 12 Stunden lang exponirten zeigten zwei Tage später das Dacillushäutchen; von den 24 Stunden exponirten hatte eines am dritten Tage ein Häutchen gebildet, die beiden an- deren zeigten eine geringe Trübung, bildeten aber kein Häutchen; in einzelnen der 36 und 48 Stunden erhitzten zeigten sich Dacillen am vierten Tage, in einem 60 Stunden erwärmten erschien am sech- sten, in einem 84 Stunden erwärmten am siebenten, und in einem der 96 Stunden erhitzten noch am neunten Tage ein Anflug von Bacillen. 7. Eine Anzahl zugeschmolzener Reagenzgläser, welche 72 bis 91 Stunden der Temperatur von 70— 75" ausgesetzt gewesen waren und in denen sich nichts Lebendes entwickelt hatte, wurden durch Aufbrechen des Halses geöffnet und mit Hülfe einer vorher ausge- glühten Stahlnadel, ein jedes mit einem Tropfen schwärmender Heu- 3acıllen, die eben im Begriff standen, Sporen zu bilden, infieirt. Die eine Hälfte dieser Gläser wurde in den Wärmkasten bei 25—30"” gebracht; nach 17 Stunden hatten sich die Dacillen stark vermehrt, waren in lange Fäden ausgewachsen, theils in schwärmen- BB... der Bewegung, theils zu einem schwimmenden Häutchen parallel an- einandergelagert, welches Tags darauf in Sporenbildung überging; es war also der Heuaufguss noch geeignet Dacillen zu entwickeln. Die andere Hälfte der infieirten Gläschen dagegen wurde in den Heizraum zurückgestellt und in diesem bei ca. 75° noch 24 Stunden belassen, die Flüssigkeit war vollkommen klar geblieben; unter dem Mikroskop zeigte sich, dass die zugesetzten Bacillen unbeweglich geworden, mit der harzigen Abscheidung inkrustirt und in Zersetzung übergegangen waren; einige Sporen mussten jedoch keimfähig ge- blieben sein, denn drei Tage später hatte sich bei einer Temperatur von 25—30° ein Bacillenhäutchen gebildet. Aehnliche Versuche mit Reagenzeylindern, die nicht zugeschmol- zen sondern mit Baumwolle verstopft waren, gaben ähnliche Re- sultate. Aus alledem lassen sich, wie ich glaube, folgende Schluss- folgerungen über das Verhalten der Heudacillen bei höheren Tempe- raturen unter 100° entnehmen: a. Bei einer Temperatur von 47—50° vermehren sich die Bacillen noch lebhaft und gelangen in normaler Weise zur Haut- und Sporenbildung, während die übri- gen, im Heuaufguss vorhandenen Schizophyten bereits bei dieser Temperatur zur Fortentwickelung unfähig werden (Versuch |1.). b. Bei einer Temperatur zwischen 50 und 55° hört alle Vermehrung und Entwickelung der Bacillen auf, sie bilden bei dieser Temperatur weder Häute noch Spo- ren, dieschwärmenden und die wachsenden Fäden werden getödtet, dieSporen dagegen behalten längere Zeit(min- destens 17 Stunden) ihre Keimfähigkeit (Versuch 2., 3.). ec. Während gewöhnlich die Heuaufgüsse schon nach 24 Stunden langem Verweilen in einer Temperatur von 60° und darüber sterilisirt werden, scheinen einzelne Bacillussporen sogar drei- bis viertägige Erwärmung auf 70—80° zu überdauern, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüssen (Versuch 4--6.). Eine genauere Feststellung der Temperaturgrenzen, in denen sich die Entwickelung der Bacillen bewegt, behalte ich späteren Untersuchungen, die sich auf exaetere Methoden stützen sollen, vor. V. Auchinungekochten Flüssigkeiten entwickeln sich Bacillen; im ungekochten Heuaufguss erscheinen sie gleichzeitig mit Bacterium Termo und gelangen meist auch zur Fadenbildung, werden aber von ihren lebenskräftigeren Mitbewerbern bald unter- 272 drückt, während im stark erhitzten Substrat ihre Sporen allein lebens- fähig bleiben und daher ausschliesslich zur Entwickelung gelangen !). Wie häufig sich Dacillen in den serösen Flüssigkeiten thierischer Gewebe entwickeln und zur Sporenbildung gelangen, kann aus den Darstellungen und Abbildungen von Billroth entnommen werden. Wir halten es für wahrscheinlich, dass auch die vielen, in patholo- gischen Bildungen beobachteten Leptothrixformen in den Entwicke- lungskreis unserer Gattung Dacillus gehören, wenn auch der gene- tische Zusammenhang noch dunkel ist. Insbesondere bedarf der Auf- klärung noch die wegen ihres scheinbar normalen Auftretens in Mund und Rachenhöhle so räthselhafte Leptothrix buccalis Robin, deren steife Fadenbündel ganz so aussehen, als seien sie unbeweglich ge- wordene Entwickelungszustände eines Dacıllus. Dass sich auch im Magen der Rinder Dacillen- und Leptothrixfäden normal entwickeln, habe ich schon früher als wahrscheinlich hingestellt ?). Vl. Ueber diePhysiologie der Bacillen, namentlich über ihre Fermentwirkungen, fehlt es noch an ausreichenden Untersuchungen, insbesondere vom chemischen Gesichtspunkte. Unsere Beobachtungen an den Bacillen der Heuaufgüsse haben gezeigt, dass die besonders üppige Vermehrung derselben, das Auswachsen in lange Fäden und die Sporenbildung ausschliesslich an der Oberfläche der Nährflüssigkeit, also offenbar unter Einfluss der Luft stattfindet. In allen unseren Versuchen mit zugeschmolzenen und daher mit einer beschränkten Luftmenge versehenen Kölbchen, deren Zahl weit über 100 betrug, entwickelte sich auf der Oberfläche der gekochten Heu- aufgüsse zwar immer das aus ruhenden Dacillusfäden in parallelen Reihen oder Schleimbündeln gebildete Häutchen; aber es blieb stets äusserst dünn, zart, fettig; nur sehr selten begann die Sporen- bildung. Wenn in einigen dieser Kölbehen dicke, staubige, weisse oder gelbe Häute gefunden wurden, so ergab sich ausnahmslos, dass der zugeschmolzene Hals durch Zufall wieder aufgebrochen war, wenn auch nur in eine feine Oefinung, und in allen diesen Fällen hatten 1) In ähnlicher Weise werden die chromogenen Micrococcen auf Kartoffeln u. s. w. durch Bact. Termo unterdrückt (Beiträge I. 2. p. 113, 150). Auf ein solches Ueberwuchern der Bacillen durch Bacterium Termo sind vermuthlich die mir sonst unverständlichen Angaben von Pasteur zurückzuführen, wel- cher die Fäulniss durch die Mitwirkung von zweierlei Organismen, von Thieren (Bacterien), die des Sauerstoffs bedürfen, und von Pflanzen, Vibrionen (wahr- scheinlich Bacillen), die durch Sauerstoff angeblich getödtet werden, zu erklä- ren versucht hat. Comptes rendus de l’Acad&mie des sciences de Paris 1861. LIl. 211. 344. 2) Beiträge Band I. Heft 3. p. 194. sich Sporen massenhaft gebildet. Es unterliegt daher keinem Zwei- fel, dass die vollkommene Entwickelung der Bacillen und insbesondere ihre Fortpflanzung durch Sporen nur bei ungehindertem Luftzutritt eintritt. Aber gerade bei den der Luft frei ausgesetzten und von reicher Bacillushaut bedeckten Aufgüssen findet keine auflallende Fermentation statt; dieselben blie- ben, nachdem sie sich kurze Zeit getrübt, später völlig unverändert. Auf der andern Seite wissen wir, dass in hermetisch verschlossenen Blechbüchsen mit Conserven, in welchen durch stundenlanges Kochen alle oder doch der bei weitem grösste Theil der Luft ausgetrieben sein muss, sich mitunter Dacillen entwickeln, ohne sich jedoch beson- ders reichlich zu vermehren, gleichwohl aber eine äusserst energische Fermentation veranlassen, in Folge deren sich Gas unter mächtigem Druck entwickelt. In den am Anfang dieser Abhandlung erwähnten, aus Frauenfeld, Canton Thurgau, bezogenen Blechbüchsen mit ver- dorbenen Erbsen waren durch die Spannung des Gases die Deckel convex nach aussen gewölbt, und als einer der Steuerbeamten bei Ankunft der Sendung aus der Schweiz seiner Pflicht durch Anbohren eines Deckels glaubte Genüge leisten zu müssen, wurde der flüssige Inhalt der Büchse im Nu explosionsartig nach Aussen geschleudert. Aehnliche Explosionen habe ich schon 1872 bei der Gährung ge- kochter Lupinen in zugeschmolzenen Glaskölbehen erwähnt'). Ich vermuthe, dass unter solehen Umständen Butter- säuregährung eintritt und dass die Dacillen die Erreger derselben sind; denn bei sonst gleichen Verhältnissen unterbleibt in den Conserven die Gährung, wenn keine Dacillen sich entwickeln, und umgekehrt?). Hiernach geht die Fermentwirkung der Bacillen in luftfreiem Raume mit besonderer Intensität vor sich, während intensives Wachsthum und Sporenbil- dung an den ungehinderten Zutritt der Luft gebunden ist. Ich verzichte darauf, die nahe liegende Parallele zwischen die- sen und den Beobachtungen über das Verhalten des Alcohol-Hefe- pilzes auszuführen, weil eben die chemische Seite der Fermentthätig- keit der Bacillen mir nicht genügend durchgearbeitet scheint°). Eigentliche Fäulniss, welche erst mit der völligen Zerstörung der faulenden Substanz abschliesst, tritt in gekochten Substanzen und Aufgüssen niemals ein, wenn nicht nachträgliche Infeetion mit dem I) Beiträge Band ]. Heft 2 p. 218. 2) Vergl. auch Pasteur, Compt. rend. 1861. LII. 344. 3) Vergl. Jahresbericht der Schles. Gesellschaft 1873, Botan. Section p. 117. 274 Ferment der Fäulniss, Bacterium Termo'), stattfindet; bei Heuaufgüs- sen genügt Erwärmung auf 50°, um diese Veränderungen durch B. Termo, nicht aber die durch Dacillus zu verhindern. Unsere Unter- suchungen geben neue Stütze dem Satze, den ich als den Angel- punkt für die wissenschaftliche Erkenntniss der Bacte- rien und ihrer chemischen und pathogenen Fermentwir- kungen überhaupt betrachte, dass es ganz verschiedene Gattungen?) dieser Organismen giebt, welche immer nur aus Keimen gleicher Art hervorgehen und durch ver- schiedene Entwickelung, verschiedene biologische Be- dingungen und Fermentthätigkeiten sich scharf und constant unterscheiden. Als zwei solche völlig distinete Gat- tungen haben wir insbesondere Dacterium Termo und die Da- cıillen nachgewiesen, welche höchstens in ihren ersten Entwicke- lungszuständen verwechselt werden können, etwa wie die Zoosporen und Keimlinge einer ('haetophora, einer Oladophora, einer Ulothrix u. a. verwechselt werden können, die aber durch ihre gesammte Entwickelungsgeschichte, durch ihr Verhalten gegen höhere Tempe- raturen und andere Lebensbedingungen, sowie durch ihre Ferment- wirkung sich durchaus verschieden erweisen. VII. Unter den bisher beobachteten Bacıllen nehmen die im Blut milzbrandkranker Thiere und Menschen sich in unendlicher Menge entwickelnden insofern eine besondere verhängnissvolle Stellung ein, als ihre pathogene Bedeutung ausser allem Zweifel 1) Nicht Infusorien, Vibrionen oder Bacterien schlechthin, wie man früher sagte, sondern eine von den übrigen Bacterien distinete Art, Bacterium Termo, ist, wie ich schon im Jahre 1872 ausgesprochen (Beiträge Band I. Heft 2 p. 169, 203) das Ferment der Fäulniss in dem nämlichen Sinne, in dem Sacha- romyces als Ferment der Alkoholgährung bezeichnet wird. Wer noch heut die Fäulniss von einer spontanen Dissociation der Proteinmolecule, oder von einem unorganisirten Ferment ableitet, oder gar aus „Stickstoffsplittern‘‘ die Balken zur Stütze seiner Fäulnisstheorie zu zimmern versucht, hat zuerst den Satz „Keine Fäulniss ohne Bacterium Termo“ zu widerlegen. Da auch in Wasser unlösliche Albuminate, z. B. hartgekochtes Hühnereiweiss, durch die Fäulnissbacterien zerstört werden, so ist anzunehmen, dass diese Bacterien zunächst ein flüssiges Secret ausscheiden, welches, ähnlich dem Pepsin, auch feste stickstoffhaltige Verbindungen zu verflüssigen und zu spalten vermag; dass ein Theil dieser Spaltungsproducte, und zwar Ammoniakverbindungen, zur Ernährung und Vermehrung der Bacterien verwerthet werden, habe ich schon früher (Band ]. Heft 2 p. 210) wahrscheinlich zu machen gesucht. 2) Meine Gattungen (Mierococeus. Bacterium, Bacillus, Vibrio, Spirillum, Spirochaete) halte ich für natürlich, während ich die von mir aufgestellten Arten dieser Gattungen nur als provisorisch ansehe. 275 steht. “Im Jahre 1875 habe ich darauf aufmerksam gemacht, da die Bacillen sich in der Regel durch Dauersporen fortpflanzen, dass auch bei den Stäbchen des Milzbrandes solche zu erwarten, und dass in diesen die Keime der Infeetion in scheinbar stäbchen- freiem Blute zu vermuthen seien'). Zu meiner grossen Freude er- hielt ich von Dr. Koch in Wollstein eine briefliche Anzeige vom 22. April c., dass derselbe sich längere Zeit mit der Untersuchung des Milzbrandcontagiums beschäftigt habe, und dass es ihm endlich gelun- gen sei, den vollständigen Entwickelungsgang des Dacillus Anthracis aufzufinden; er sprach seine Bereitwilligkeit aus, im hiesigen pflan- zenphysiologischen Institut die nothwendigsten Experimente unter meinen Augen anzustellen und mein Urtheil über den Befund einzu- holen. In Folge dessen hielt sich Herr Dr. Koch vom 30. April bis 3. Mai in Breslau auf und machte in unserem Institute durch Ein- impfen mitgebrachten Milzbrandmaterials auf lebende Frösche, Mäuse und Kaninchen eine Reihe von Experimenten, welche mir Gelegen- heit boten, mich von der vollen Richtigkeit seiner Entdeckungen über die Entwickelung der Milzbrandbacillen zu überzeugen; auch die ‘ Herren DrDr. Auerbach, Cohnheim, Eidam, Lichtheim, M. Traube, C. Weigert haben diesen Versuchen und Demonstrationen beigewohnt. Indem ich es Herrn Dr. Koch überlasse, über seine durch sinnreiche Methoden gewonnenen Resultate in seiner am Schluss dieses Aufsatzes aufgenommenen Abhandlung selbst zu berichten, und die hochwichtigen Schlussfolgerungen, welche sich aus seinen Untersuchungen über die Natur und Verbreitung des Milzbrandcon- tagiums ergeben, selbst vorzutragen, bemerke ich hier nur, dass die Entwickelungsgeschichte der Milzbrandbaecillen ganz und gar mit der für die Baecillen der Heuaufgüsse ermit- telten übereinstimmt. Zwar fehlt den Milzbrandbacillen das bewegliche Stadium, im Uebrigen aber ist ihre Aehnlichkeit mit den Heubaeillen eine so vollständige, dass ich die Zeichnungen von Koch ohne Weiteres zur Erläuterung der von mir beobachteten Zustände herbeiziehen konnte, sowie umgekehrt einzelne meiner Zeich- nungen zur Illustration der Milzbrandstäbehen dienen können. Für Diejenigen, denen die Autopsie dieser merkwürdigen Verhältnisse abgeht, bemerke ich ausdrücklich, dass von einer Unsicherheit der Koch’schen Untersuchungen in Folge etwaiger Verwechselungen oder Verunreinigungen absolut nicht die Rede sein kann. Es liegt hier einer jener Fälle vor, deren die Lehre von den Bacterien mehrere I) Beiträge Band 1. Heft 3 p. 200. Br aufzuführen hat, dass eine und die nämliche Baeterienform oder viel- mehr zwei unter dem Mikroskop nicht sicher zu unterscheidende Arten, die eine im menschlichen Organismus als constanter Begleiter speeifischer pathologischer Zustände, ohne Zweifel als Träger des Contagiums, die andere ausserhalb des Organismus in indifferenten Medien und ohne bekannte oder mit ganz verschiedenartiger Ferment- wirkung auftritt. Ob die Zukunft einen genetischen Zusammenhang zwischen den Bacillen des Heu’s und des Milzbrandes, zwischen der Spirochaete des Sumpfwassers und des Recurrens, zwischen den Miero- coccuseolonieen verdorbener Trinkbrunnen oder gährender Speisen und des Typhus oder der Diphtheritis u. s. w. wird erkennen lassen, oder ob es sich hier um äusserlich ähnliche aber specifisch verschie- dene Arten oder Rassen handelt, das zu entscheiden mag der Weiter- entwiekelung der Wissenschaft anheimgestellt werden, welche seit der verhältnissmässig kurzen Zeit, wo diese Fragen ernstlich und mit exacter Methode in Angriff genommen werden, schon so viele wichtige Thatsachen auf diesem Gebiet ans Licht gebracht hat. Breslau, Juli 1876. Untersuchungen über Bacterien. Vv. Die Aetiologie der Milzbrand-Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis. Von L Dr. Koch, Kreisphysikus in Wollstein. Hierzu Tafel XI. una I. Einleitung. Seit dem Auffinden der stäbehenförmigen Körper im Blute der an Milzbrand gestorbenen Thiere hat man sich vielfach Mühe gegeben, dieselben als die Ursache für die direkte Uebertrag- barkeit dieser Krankheit ebenso wie für das sporadische Auftreten derselben, also als das eigentliche Contagium des Milzbrands nach- zuweisen. In neuerer Zeit hatte sich hauptsächlich Davaine mit dieser Aufgabe beschäftigt und gestützt auf zahlreiche Impfversuche mit frischem oder getrocknetem stäbchenhaltigen Blute, mit aller Entschiedenheit dahin ausgesprochen, dass die Stäbchen Bacterien seien und nur beim Vorhandensein dieser Bacterien das Milzbrand- blut die Krankheit von Neuem zu erzeugen vermöge. Die ohne nachweisbare direkte Uebertragung entstandenen Milzbranderkran- kungen bei Menschen und Thieren führte er auf die Verschleppung der, wie er entdeckt hatte, im getrockneten Zustande lange Zeit lebensfähig bleibenden Bacterien durch Luftströmungen, Insekten und dergl. zurück. Die Verbreitungsweise des Milzbrandes schien hiermit vollständig klar gelegt zu sein. Dennoch fanden diese von Davaine aufgestellten Sätze von verschiedenen Seiten Widerspruch. Einige Forscher wollten nach Impfung mit baeterienhaltigem Blute tödlichen Milzbrand erzielt 278 haben, ohne dass sich nachher Bacterien im Blute fanden, und um- gekehrt liess sich wieder durch Impfung mit diesem bacterienfreien Blute Milzbrand hervorrufen, bei welchem Bacterien im Blute vor- handen waren. Andere machten darauf aufmerksam, dass der Milz- brand nicht allein von einem Contagium abhänge, welches oberhalb der Erde verbreitet werde, sondern dass diese Krankheit in einem unzweifelhaften Zusammenhange mit Bodenverhältnissen stehe. Wie würde sonst zu erklären sein, dass das endemische Vorkommen des Milzbrandes an feuchten Boden, also namentlich an Flussthäler, Sumpfdistrikte, Umgebungen von Seen gebunden ist; dass ferner die Zahl der Milzbrandfälle in nassen Jahren bedeutender ist und sich hauptsächlich auf die Monate August und September, in welchen die Curve der Bodenwärme ihren Gipfelpunkt erreicht, zusammen- drängt, dass in den Milzbranddistrieten, sobald die Heerden an bestimmte Weiden und Tränken geführt werden, jedesmal eine grös- sere Anzahl von Erkrankungen unter den Thieren eintritt. Diese Verhältnisse sind allerdings durch die Annahme Davaine’s nicht zu erklären und das Ungenügende derselben hat zur Folge gehabt, dass von Vielen die Bedeutung der Bacterien für den Milz- brand ganz geleugnet ist. Da ich einige Male Gelegenheit hatte, Thiere, welche an Milz- brand gefallen waren, zu untersuchen, so benutzte ich diese zu einer Reihe von Versuchen, welche zur Aufklärung der eben angedeuteten dunklen Punkte in der Milzbrandätiologie beitragen sollten. Hierbei kam ich sehr bald zu der Ueberzeugung, dass die Davain e’sche Theorie über die Verbreitungsweise des Milzbrandes nur zum Theil richtig ist. Es zeigte sich nämlich, dass die Stäbchen des Milzbrandblutes bei Weitem nicht so resistent sind, als Davaine seinen Versuchen entnehmen zu müssen glaubte. Wie ich später nachweisen werde, bewahrt das Blut, welches nur Stäbehen enthält, seine Impffähigkeit im getrockneten Zustande nur wenige Wochen und im feuchten nur einige Tage. Wie sollten also so leicht vergängliche Organismen das oft während des ganzen Winters und im feuchten Boden viel- leicht Jahrelang schlummernde Contaginm des Milzbrandes bilden? Hier blieb, wenn die Bacterien wirklich die Ursache des Milzbrandes abgeben, nichts anderes übrig als anzunehmen, dass sie durch einen Generationswechsel in einen anderen gegen abwechselndes Eintrocknen und Anfeuchten unempfindlichen Zustand übergehen können, oder, was weit mehr Wahrscheinlichkeit hat und was von Prof. Cohn schon im zweiten Hefte, Band I. dieser Beiträge p. 145, angedeutet wurde, 279 dass die” Bacterien Sporen bilden, welche die Fähigkeit besitzen, nach längerem oder kürzerem Ruhezustande von Neuem zu Bacterien auszuwachsen. Alle meine weiteren Versuche gingen nun dahin, diesen vermuthe- ten Entwicklungszustand der Milzbrandbaeterien aufzufinden. , Nach manchen vergeblichen Bemühungen gelang es denn auch schliesslich dieses Ziel zu erreichen und damit die wahre Milzbrandätiologie in ihren Grundzügen festzustellen. Da die Entwiceklungsgeschichte der Milzbrandbaeterien nicht nur botanisches Interesse bietet, sondern auch manches Licht auf die bis jetzt so dunkle Aetiologie der vom Boden abhängigen Infeetions- krankheiten zu werfen im Stande ist, so habe ich es jetzt schon, obwohl meine Versuche noch nicht abgeschlossen sind, unternommen, die wichtigsten Resultate derselben zu veröffentlichen. II. Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis. Die Milz- brandbacterien gehören nach Prof. F. Cohn’s System der Schizo- phyten‘) zur Gattung Bacillus und sind mit dem speciellen Namen Bacillus Anthracis belegt, dessen ich mich im Folgenden statt des viel umfassenden Ausdrucks Bacterien bedienen werde. 1. Im Blute und in den Gewebssäften des lebenden Thieres vermehren sich die Baeillen ausserordentlich schnell in derselben Weise, wie es bei verschiedenen andern Arten Baeterien beobachtet ist, nämlich durch Verlängerung und fortwährende Quertheilung. Es ist mir allerdings nieht gelungen, diesen Vorgang direct zu sehen; derselbe lässt sich aber aus den schon häufig vorgenomme- nen und von mir in folgender Weise wiederholten Impfversuchen schliessen. Als sehr bequemes und leicht zu habendes Impfobjekt benutzte ich meistens Mäuse. Anfangs impfte ich dieselben an den Ohren oder in der Mitte des Schwanzes, fand aber diese Methode unsicher, da die Thiere durch Reiben und Lecken das Impfmaterial entfernen können; später wählte ich als Impfstelle den Rücken der Sehwanzwurzel, wo die Haut schon verschiebbar und mit langen Haaren bedeckt ist. Die in einem verdeckten grossen Glase sitzende Maus wird zu diesem Zwecke mit einer langen Pincette am Schwanze gefasst und letzterer aus einer schmalen Spalte zwischen Deckel und Glasrand so weit hervorgezogen, dass bequem ein flacher querver- laufender Einschnitt in die Haut des Schwanzwurzelrückens gemacht und ein möglichst kleines Tröpfehen der baecillenhaltigen Flüssigkeit 1) Band I, Heft 3 dieser Beiträge p. 202. 280 in die kleine Wunde gebracht werden kann. In dieser Weise aus- geführte Impfungen, welche ich in grosser Zahl gemacht habe, hatten ausnahmslos ein positives Resultat, sobald ganz frische Milzbrand-Substanzen angewandt wurden; und ich glaube deswegen eine derartige Impfung, je nach ihrem Erfolg, als ein sicheres Reagens auf das Leben oder Abgestorbensein der Bacillen ansehen zu können: eine Ansicht, welche durch andere, später zu erwähnende Versuche als richtig erwiesen wird. Theils nun, um immer mit frischem Material versehen zu sein, theils aber auch um zu prüfen, ob nicht nach einer bestimmten Zahl von Generationen die Bacillen in eine andere Form übergehen, wur- den mehrere Male Mäuse in aufeinanderfolgender Reihe geimpft, so dass ohne Unterbrechung die folgende Maus immer mit der Milz- substanz der kurz vorher an Milzbrand gestorbenen infieirt wurde. Die längste dieser Reihen betrug zwanzig Mäuse, so dass also eben so viele Bacillengenerationen vorlagen; aber bei sämmtlichen Thieren ergab sich derselbe Befund; immer war die Milz erheblich geschwollen und mit zahllosen Mengen von glashellen Stäbchen gefüllt, welche geringe Grössendifferenzen hatten, unbeweglich waren und keine Sporenbildung oder dergleichen zeigten. Dieselben Baecillen fanden sich auch, aber bei weitem nicht so zahlreich als in der Milz, im Blute. Bei diesem Versuche hatten sich also durch viele Gene- rationen aus wenigen Bacillen immer wieder bedeutende Massen ebenso gestalteter Individuen derselben Art entwickelt und da man unter diesen neu entstandenen Baeillen viele mit einer beginnenden Quertheilung in ihrer Mitte, manche an dieser Stelle geknickte und noch andere unter einem Winkel lose zusammenhängende erblickt, so lässt sich wohl eine andere Weise ihrer Vermehrung als durch Verlängerung und Quertheilung, nachdem sie ungefähr die doppelte Länge erreicht haben, kaum annehmen. Es dürfte aber auch nach diesem Resultat schwerlich zu erwarten sein, dass durch noch län- gere Reihen von Impfungen eine Formveränderung der Baeillen er- reicht werden, oder dass man schliesslich auf einen Generations- wechsel derselben treffen könnte. Auch in dem der Impfstelle benachbarten serös infiltrirten Unterhautzellgewebe und in den näch- sten Lymphdrüsen fand ich bei Kaninchen und Meerschweinchen nur kurze und in der Theilung begriffene Stäbchen. Die Vertheilung der Bacillen im Körper der geimpften Thiere ist nicht immer gleichmässig. Bei Meerschweinchen enthielt das Blut ausserordentlich viele Bacillen, so dass ihre Zahl oft derjenigen der rotlıen Blutkörper gleichkam oder sie selbst übertraf; im Blute 281 . der Kaninchen sind sie erheblich weniger zahlreich, oft so selten, dass man mehrere Gesichtsfelder durchmustern muss, ehe man einige findet; bei Mäusen enthält das Blut stets eine so geringe Zahl Bacillen, dass sie manchmal zu fehlen scheinen '). Dafür findet man bei Kaninchen die Bacillen um so reichlicher und sicherer in den Lymphdrüsen und in der Milz, und bei Mäusen in erstaunlicher Menge in der Milz. Einigemale habe ich die Marksubstanz der Tibia von Mäusen untersucht, aber nur vereinzelte Baeillen darin gefunden. Auf weitere hierher gehörige Details über die Lagerung der Baeillen im Gewebe der Milz, in den Blutgefässen, über ihre An- häufungen in den Capillaren und kleinen Venen und die dadurch bedingten lokalen Oedeme, Gefässzerreissungen und Blutaustritte vermag ich wegen des rein pathologischen Interesses dieser Ver hältnisse hier nicht weiter einzugehen. Ebenso würde es zu weit führen, die Frage nach der eigentlichen Todesursache der an Milzbrand sterbenden Thiere zu erörtern, ob dieselben durch die bei dem intensiven Wachsthum der Baecillen im Blute entwickelte Kohlensäure oder, was wohl wahrscheinlicher ist, durch giftig wirkende Spaltprodukte der von den Parasiten zu ihrer Ernährung verbrauchten Eiweisskörper getödtet werden. 2. Im Blute des todten Thieres oder in geeigneten andern Nährflüssigkeiten wachsen die Bacillen inner- halb gewisser Temperaturgrenzen und bei Luftzutritt zu ausserordentlich langen, unverzweigten Leptothrix- ähnlichen Fäden aus, unter Bildung zahlreicher Sporen. Am einfachsten überzeugt man sich von der Richtigkeit dieses Satzes durch folgendes Experiment: Auf den Objeetträger wird ein Tropfen von möglichst frischem Rinderblutserum oder Humor agueus von Rinderaugen gebracht, in diesen ein kleines Stückchen frische bacillenhaltige Milzsubstanz ein- getragen und das Deckgläschen so darauf gelegt, dass die Bacillen- masse ungefähr in die Mitte des Präparats zu liegen kommt. Hierauf wird der Objeetträger, um die Verdunstung der Flüssigkeit zu ver- hüten, sofort in einen feuchten Raum gebracht und mit diesem in den Brütkasten gestellt ?). 1) Derartige Fälle haben wahrscheinlich, wenn nur das Blut der mit Milz- brand geimpften Thiere untersucht wurde, zur früher erwähnten Ansicht geführt, dass Milzbrand, ohne dass Bacillen im Blute sich finden, vorkomme und dass man durch Impfung mit bacillenfreiem Blute wieder Milzbrand er- zeugen könne. 2) Als feuchten Raum benutzte ich flache mit nassem Sand gefüllte Teller; auf dem Sand lag eine Schicht Filtrirpapier und auf diesem die Präparate, 5 282 Der Wassergehalt der Luft in dem feuchten Raum muss so re- gulirt werden, dass die Flüssigkeit nicht unter dem Deckglase her- vordringt und dass das Serum am Rande des Deckyzlases nicht ein- trocknet. Im ersteren Falle werden die Bacillen unter dem Deck- gläschen weggeschwemmt und entgehen der Beobachtung, im letzteren wird durch die trockne Randschicht des Serums die Luft von den Baeillen abgesperrt und jede weitere Entwickelung derselben damit verhindert. Die so zubereiteten Präparate bleiben 15—20 Stunden im Brüt- apparat bei einer Temperatur von 35—37°. Bei einer alsdann vor- genommenen Untersuchung finden sich in der Mitte des Präparats (Taf. XI. Fig. 1) zwischen den noch gut erhaltenen Zellen der Milz- pulpa und den Blutkörperchen (a, b) noch viele unveränderte Ba- eillen, jedoch in geringerer Zahl als im frischem Präparate. Sobald man aber die Mitte des Präparates verlässt, trifft man auf Bacillen, welche um das 3—8fache verlängert sind und dabei einige leichte Knickungen und Krümmungen zeigen (Fig. 2). Je näher man nun dem Rande des Deckglases kommt, um so längere Fäden findet man, welche vielfach gewunden sind und schliesslich die hundert- und mehrfache Länge der ursprünglichen Baecillen erreichen (Fig. 3). Viele dieser langen Fäden haben ihre gleichmässige Struktur und ihr glashelles Aussehen verloren, ihr Inhalt ist fein granulirt und stellenweis treten in demselben kleine stärker lichtbrechende Körn- chen in regelmässigen Abständen auf (Fig. 3a). In den dicht am Rande befindlichen Fäden, welche also in Bezug auf den Gasaus- tausch in der Nährflüssigkeit am günstigsten liegen, ist die Entwicke- lung am weitesten vorgeschritten; sie enthalten vollständig ausge- bildete Sporen, welche in der Gestalt von etwas länglich runden, Der Teller wurde mit einer Glasplatte bedeckt. Wenn die Sandschicht so hoch ist, dass der Abstand zwischen der Oberfläche der Präparate und der unteren Seite der Glasplatte V/, bis 1 Ctm. beträgt, dann bleiben die Präpa- rate genügend feucht. Der von mir angewandte Brütapparat, welcher sechs auf einander gestellte Teller mit Präparaten aufnehmen konnte, wurde in Er- mangelung von Gas durch eine mit Cylinder versehene Petroleumlampe er- wärmt. Allen, welche ohne Gas oder ohne Regulator derartige Versuche mit dem Brütapparat unternehmen wollen, kann ich diese Methode der Heizung nicht genug empfehlen. Da man mit einer kleinen Flamme einen grossen Ap- parat genügend erwärmen kann, so ist bei einem einigermassen grossen Pe- troleumreservoir der Lampe nur nöthig, dieselbe ungefähr täglich einmal zu füllen und die Höhe der Flamme für die gewünschte Temperatur richtig auszuprobiren, um ohne besondere Mühe oder Aufsicht fortwährend eine kaum um 1—20 schwankende Temperatur zu haben. 283 stark lichtbrechenden Körpern in ganz regelmässigen kurzen Abstän- den der Substanz der Fäden eingelagert sind (Fig. 4a). In dieser Form gewähren die Fäden, namentlich wenn sie in vielfach verschlun- genen und um einander gewundenen Linien gruppirt sind, einen über- raschenden Anblick, der sich am besten mit demjenigen höchst zier- licher, künstlich angeordneter Perlschnüre vergleichen lässt. Manche Fäden sind auch schon in der Auflösung begriffen und ihre frühere Gestalt nur noch durch die reihenförmige Lagerung der von einer schleimigen Bindesubstanz zusammen gehaltenen Sporen ange- deutet. Dazwischen liegen dann bisweilen einzelne freie und kleine Häufchen zusammen geballter Sporen (Fig. 4b). In einem einzigen solchen gut gelungenen Präparate sind also alle Uebergänge von dem kurzen Bacillusstäbehen bis zu langen sporenhaltigen Fäden und freien Sporen vertreten und es könnte damit schon der Beweis dafür gebracht sein, dass letztere aus ersteren hervorgegangen sind. Trotz- dem ich anfangs diesen Versuch mehrfach wiederholte und immer wieder zu demselben Resultate kam, stiegen mir doch verschiedene Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Annahme auf. Wie kamen die Bacillen, an denen ich bis dalıin keine selbständige Bewegung wahrgenommen hatte, an den Rand des Präparates, während die Blutkörperchen in der Mitte liegen blieben? Konnten die langen sporenhaltigen Fäden nicht möglicherweise am Rande der Flüssigkeit durch aus der Luft dahin gelangte Keime entstanden sein? Denn gegen eine derartige Verunreinigung aus der Luft waren die Präpa- rate nicht geschützt und in der That wucherten neben den Fäden auf diesem Wege oft die schönsten Colonien von Micrococcus und Dacterium in das Präparat hinein; einigemale erschien auch eine der unsrigen ähnliche Baecillusart. Hier kam also Alles darauf an, vollständige Sicherheit zu erlangen und nicht in einen Fehler zu verfallen, welcher leider schon so oft bei Culturversuchen mit den niedersten Organismen von erfahrenen Forschern begangen ist und durch welchen die Untersuchungen auf diesem Gebiete in neuerer Zeit etwas in Misscredit gekommen sind. Ich meine den Fehler, ähnliche Formen, welche in derselben Nährflüssigkeit zu gleicher Zeit oder kurz nacheinander entstanden und zugleich mit scheinbaren Uebergangsformen vermischt sind, ohne Weiteres als verschiedene Entwickelungsstadien desselben Organismus zu erklären. Da mir die Bedingungen für die Entwickelung des Dacillus An- thracis bekannt waren, nämlich die Nährflüssigkeit, die Temperatur bei welcher er wächst und die Nothwendigkeit der Luftzufuhr, so versuchte ich auf dem Mikroskoptisch diese Erfordernisse herzu- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft II. 19 stellen, um so direkt die Veränderung der Bacillen beobachten zu können. So schwierig ich mir anfangs die Ausführung dieses Versuches vorgestellt hatte, so einfach gestaltete er sich in der Wirklichkeit. Nach manchem missglücktem Experiment fand ich folgende Methode als die zweekmässigste: Als Wärmequelle diente ein M. Schulze’scher heizbarer Objeect- tisch, welchen ich, ebenso wie früher vom Brütapparat angegeben ist, mit einer Petroleumlampe erwärmte. Das Mikroskop muss aller- dings auf einen Untersatz gestellt werden, um die Lampe, welche mit einem flachen, aus Blech gearbeiteten Petroleumreservoir ver- sehen ist, mit ihrem Cylinder unter den Arm des heizbaren Object- tisches zu bringen. Eine einzige kleine Flamme, ungefähr unter der Mitte des einen Arms stehend, genügte bei meinem Apparat, um tagelang den Objecttisch auf der erforderlichen Temperatur zu er- halten. Der feuchte, lufthaltige Raum wurde von einem durch das Deckglas geschlossenen hohlgeschliffenen Objectträger ersetzt (Fig. 6). Das den Bacillen hierdurch für ihre Entwiekelung gewährte Luft- quantum ist sehr gering, aber wie die Erfahrung lehrt, genügt es zum Gelingen des Versuches. Um nun die richtige Temperatur für die von mir angewandte Sorte von hohlgeschliffenen Objeetträgern zu finden, benutzte ich den. Schmelzpunkt von Rindertalg, welcher im Wasserbade auf ziemlich genau 40° bestimmt war. Von diesem vorher geprüften Rindertalg wurde ein Tröpfehen auf ein Deckglas gebracht und dieses durch eine rings um die Höhlung des Object- trägers gepinselte Schicht Provenceröl luftdicht,, und zwar mit dem Talgtröpfehen nach unten gerichtet, auf den Hohlraum des Objeect- trägers aufgesetzt. Es ergab sich dabei, dass der Objecttisch auf 45°” erwärmt werden musste, um den Tropfen unter dem Deckglase eben zum Schmelzen zu bringen. Für die zu meinen Versuchen er- forderliche Temperatur genügte es also, den Objecttisch so zu heizen, dass sein Thermometer dauernd auf 40° zeigte. Zu gleicher Zeit musste es auffallen, dass eine Annäherung des Tubus, wie sie zur Einstellung eines Objectes für Hartnack Obj. 7 Oeul. 3, welche ich bei diesen Untersuchungen benutzte, erforderlich ist, jedesmal stark abkühlend wirkte und die Temperatur in dem Tropfen um 5 bis 3° herabsetzte. Nach diesen Ermittelungen brachte ich auf die untere Seite des Deckglases einen Tropfen frisches Rinderblutserum oder, was sich für diesen Versuch noch viel besser bewährte, einen Tropfen ganz frischen und möglichst reinen Zumor aqueus von Rinderaugen. Der Tropfen darf natürlich nur so dick sein, dass Basl..ı ER man noch alle seine Schichten mit dem Mikroskop durehmustern kann '). Hierauf wurde in den Rand des Tropfens eine möglichst geringe Menge ganz frischer baeillenhaltiger Milzsubstanz eingetragen und das Deckgläschen sofort auf den mit Oel bestriehenen Object- träger gelegt. Der kleine Hohlraum füllt sich schnell mit Wasser- dampf und die anfängliche Verdunstung des Tropfens ist so gering, dass nur am äussersten Rand einige Bacillen vertrocknen; später behält der Tropfen tagelang unverändert seine Gestalt. Das so her- gerichtete Präparat wurde nun auf den geheizten Objeettisch gebracht und nachdem die Strömungen in der sich erwärmenden Flüssigkeit sich gelegt hatten, einige mehr nach dem Innern des Tropfens zu gelegene Bacillen fixirt, rasch noch ihre Form und Lage gezeichnet und dann der Tubus hinaufgeschroben, um eine ungleichmässige und zu lange Abkühlung des Präparates zu vermeiden. Bei der nun folgenden alle 10 bis 20 Minuten vorgenommenen Untersuchung wurde wahr- genommen, dass die Bacillen anfangs etwas dicker werden und an- scheinend aufquellen, sich aber in den ersten beiden Stunden kaum merklich ändern. Dann aber beginnt ihr Wachsthum. Schon nach 3 bis 4 Stunden haben sie die 10—20fache Länge erreicht, sie fangen sich an zu krümmen, gegenseitig zu verdrängen oder geflecht- artig durcheinander zu schieben. Nach einigen weiteren Stunden sind die einzelnen Fäden schon so lang, dass sie durch mehrere Gesichtsfelder reichen; sie gleichen einem Haufen Glasfäden, welche nach Art von Schlingpflanzen sich in der verschiedensten Weise bald zu langen parallelen Zügen oder zu äusserst zierlichen spiral- förmig gedrehten Bündeln vereinigen, bald aber in den unregel- mässigsten Figuren zu einem unentwirrbaren Knäuel verschlingen, !) Unter verschiedenen Arten hohlgeschliffener Objectträger fand ich am bequemsten einen von 3 Mm. Dicke, welcher, beiläufig bemerkt, 60 Mm. lang und 20 Mm. breit ist. Seine obere Fläche ist matt geschliffen; der Hohlraum hat die Form eines Kugelabschnittes, einen Durchmesser von 14 Mm. und eine Tiefe von 1,5 Mm. Hartnack’sche Deckgläschen von 18 Mm. Quadrat und 0,15 Mm. Dicke lassen sich auf solchen Objectträgern sehr gut durch Oel luftdicht befestigen. Dem Tropfen auf der unteren Seite des Deckglases gab ich einen Durchmesser von ungefähr 5—7 Mm., so dass er vom Oel ringsum ungefähr noch 3—5 Mm. entfernt bleibt und dieses ihn, selbst wenn es unter dem Deck- glas etwas nach innen fliesst, nicht leicht erreichen kann. Zu Kulturversuchen im Brütapparat habe ich Objecetträger mit einem darauf befestigten Paraflinring sehr praktisch gefunden, man kann sich dieselben, in jeder beliebigen Grösse und Form, leicht selbst anfertigen und ganz in derselben Weise wie hohlge- schliffene Objeetträger benützen, 13° 286 so dass es ganz unmöglich wird, den einzelnen Faden in seiner ganzen Länge weiter zu verfolgen. Betrachtet man das freie Ende eines Fadens andauernd durch längere Zeit, etwa 15 bis 20 Minuten, dann vermag man leicht die fortwährende Verlängerung desselben direet wahrzunehmen und kann sich so das merkwürdige Schauspiel von dem sichtbaren Wachsen der Bacillen verschaffen und die unmittelbare Ueberzeugung von ihrer Weiterentwickelung gewinnen. Schon nach 10 bis 15 Stunden erscheint der Inhalt der kräftigsten und am üppigsten gewachsenen Fäden fein granulirt und bald scheiden sich in regelmässigen Ab- ständen sehr kleine mattglänzende Körnchen ab, welche sich nach einigen weiteren Stunden zu den stark lichtbrechenden eirunden Sporen vergrössern. Allmählich zerfallen dann die Fäden, zerbröckeln an ihren Enden, die Sporen werden frei, sinken dem Gesetze der Schwere folgend in die unteren Schichten des Tropfens und sammeln sich hier in dichten Haufen an. In diesem Zustande bleibt dann das Präparat wochenlang unverändert. Die auf der Tafel XI. be- findlichen Abbildungen geben ein möglichst getreues Bild (Fig. 1—4) von den eben geschilderten verschiedenen Entwickelungsstufen des Bacillus Anthracis. Auch in den Präparaten, welche nach dieser Methode angefertigt und behandelt wurden, traten bisweilen verschiedenartige Bacterien in grossen Schwärmen und ruhenden Colonien als ungebetene Gäste auf und störten die Beobachtung der späteren Entwickelungsstadien des Dacillus Anthracis. Sobald man aber eine grössere Anzahl von Präparaten mit einiger Sorgfalt unter Anwendung von möglichst frischem, reinem Humor aqueus oder Blutserum und unmittelbar dem todten Thierkörper entnommener Milzsubstanz anfertigt und in den Brütapparat bringt, wird man mindestens in der Hälfte, öfter in allen, bei wiederholter Untersuchung eine vollkommene reine Cultur von Milzbrandbaeillen finden. Bleibt unter den im Vorhergehenden angegebenen Bedingungen die Entwickelung der Bacillen ganz aus, oder wachsen letztere nur kümmerlich und kommen nicht zur Sporen- bildung, dann liegt irgend ein Fehler in der Anordnung des Experi- mentes vor. Auf welche Kleinigkeiten es hierbei unter Umständen ankommt, mag man daraus ersehen, dass mir anfangs manche Cul- turen missglückten, weil ich alle Deekgläschen nach dem Gebrauch in eine Carbolsäurelösung legte und trotz sorgfältiger Reinigung durch den Geruch erkennbare Spuren von Carbolsäure bisweilen an den Gläschen haften blieben. Erst nachdem ich mich dureh Control- versuche davon überzeugt hatte, dass schon so äusserst geringe BR Mengen der Carbolsäure genügten, um die Cultur der Baeillen zu stören und demgemäss die Gläschen immer durch melırfaches Ab- spülen von der Carbolsäure vollständig gereinigt hatte, blieb ich von diesen Misserfolgen verschont. Später wollte es mir einmal durchaus nieht mehr gelingen, die Fäden zur Sporenbildung zu brin- gen; sie wuchsen in eigenthümlichen gekräuselten, ziemlich langen Formen, verkümmerten aber schliesslich, nachdem sie nur vereinzelte oder gar keine Sporen angesetzt hatten. Ich suchte vergeblich den Grund in fehlerhafter Beschaffenheit des Wärmeapparates, der Nälhr- flüssigkeit und dergl. Endlich fiel es mir auf, dass das zum Schliessen des Präparates benutzte Oel nach flüchtigen Fettsäuren roch und als ich nun zu gleicher Zeit mehrere Präparate genau in gleicher Weise anfertigte, aber für einige ranziges Oel, für andere tadelloses Pro- venceröl zum Befestigen des Deckglases gebrauchte, kamen die Ba- eillen in letzteren zur vollkommensten Sporenbildung, in ersteren zeigten sich nur spärliche Sporen. Da mir diese Wirkung der flüch- tigen Fettsäuren, oder vielleicht nur einer bestimmten Säure, welche nicht einmal direct mit dem die Bacillen enthaltenden Tropfen in Berührung kamen, sondern nur durch ein sehr geringes Quantum ihrer Dämpfe darauf einwirken konnten, schr merkwürdig erschien, so wiederholte ich diesen Versuch zu verschiedenen Zeiten und er- hielt immer dasselbe Resultat. 3. Die Sporen des Dacellus Anthracis entwickeln sich unter gewissen Bedingungen (bestimmte Tempera- tur, Nährflüssigkeit und Luftzutritt) wieder unmittel- barzuden ursprünglich im Blute vorkommenden Bacillen. Dass die in den langen Fäden gebildeten glänzenden Körperchen in der That Sporen sind und nicht etwa zufällige Zersetzungspro- duete oder Rückstände der absterbenden ausgewachsenen Bacillen, liess sich wohl schon von vorn herein nach. Analogie der Entwicke- lungsgeschichten anderer Organismen aus der Reihe der Pilze und Algen mit Bestimmtheit annehmen. Später zu erwähnende Impfver- suche mit Flüssigkeiten, welehe nur Sporen von Bacillus Anthracis und keine Spur von Bacillen oder Fäden mehr enthielten und doch im Stande waren, mit derselben Sicherheit, wie mit frischen Bacillen Milzbrand zu erzeugen, bestätigten diese Vermuthung. Um aber einen vollständigen Einblick in den Lebenslauf des Dacillus Anthracis zu gewinnen und namentlich zu erfahren, ob die Sporen durch eine Zwischenform, etwa eine im Wasser lebende Schwärmspore, oder direct und in welcher Art und Weise wieder in die Baeillen über- gehen, war es das Gerathenste, den einmal betretenen Weg weiter 238 zu verfolgen. Womöglich musste erreicht werden, die Keimung der Sporen künstlich unter Verhältnissen vor sich gehen zu lassen, welche eine direete mikroskopische Beobachtung gestatten. Alle Bemühungen, die Sporen in destillirtem Wasser und Brunnen- wasser zur Fortentwicklung bei gewöhnlicher Temperatur oder bei 35° zu bringen, schlugen fehl. In Blutserum oder Humor aqueus nach der früher beschriebenen Methode in geschlossenen Zellen und im Brütapparat versuchte Culturen führten nur zu unvollkommenen Resultaten; es entwickelten sich unzweifelhafte Baeillen, welche zu langen Fäden auswuchsen und Sporen ansetzten; aber ihre Zahl war gering und der Uebergang einzelner Sporen in die Bacillen liess sich in dem Sporenhaufen nicht mit genügender Sicherheit verfolgen. Schliesslich schlug ich folgendes Verfahren ein, welches zum Ziele führte. Es wurden aus Präparaten, welche nach mikroskopischer Prüfung eine ganz reine Cultur von Dacillus Anthracis enthielten und nachdem die langen Fäden ganz oder grösstentheils zerfallen waren, Tröpfehen mit Sporenmassen entnommen, auf ein Deckglas gebracht und theilweise dicht neben dem Rande desselben, theilweise mehr nach der Mitte zu schnell eingetrocknet. Dieses Eintrocknen hat den Zweck, dass die Sporenhäufchen zusammengehalten und nicht von der Nähr-Flüssigkeit auseinandergeschwemmt und zu sehr zerstreut werden. Die Sporenmassen blieben einige Stunden oder selbst Tage trocken; alsdann wurde auf einen gewöhnlichen (nicht hohl geschliffenen) Objectträger ein der Grösse des Deckglases ent- sprechender Tropfen Humor aqueus gebracht und das Deckglas so aufgelegt, dass die Sporenmassen von der Flüssigkeit benetzt wurden. Das Präparat, welches also nicht mit Oel abgeschlossen wird, kam in den früher beschriebenen feuchten Raum und mit diesem in den Brütapparat, welcher eine Wärme von 35° hatte. Nach einer halben Stunde fingen die hier und da noch zwischen den Sporen liegenden Reste der ausgewachsenen Fäden an, vollstän- dig zu zerfallen und nach ungefähr 13 bis 2 Stunden waren sie verschwunden. Schon nach 3—4 Stunden war eine Entwicklung der Sporen zu bemerken. In den Sporenhäufchen am Rande des Deckglases war sie am weitesten fortgeschritten; denn sie hatten sich schon fast ganz in Fäden verwandelt; während nach der Mitte des Präparates zu alle Uebergänge von diesen Fäden bis zu den einfachen Sporen sich fan- den. Nach Beobachtungen an zahlreichen derartigen Präparaten gestaltet sich der Vorgang bei der Sporenentwicklung folgendermassen, 239 , Bei genauer Untersuchung mit stärkeren Vergrösserungen (z. B. Hartnack immers. 9) erscheint jede Spore von eiförmiger Gestalt und in eine kuglige glashelle Masse eingebettet, welche wie ein heller schmaler, die Sporen umgebender Ring aussieht, deren kug- lige Form aber beim Rollen der Sporen nach verschiedenen Rich- tungen leicht zu erkennen ist. Diese Masse verliert zuerst ihre Kugelgestalt, sie verlängert sich in der Richtung der Längsachse der Sporen nach der einen Seite hin und wird langgezogen eiförmig. Die Spore bleibt dabei in dem einen Pol des kleinen walzenförmigen Körpers liegen. Sehr bald wird die glashelle Hülle länger und fadenförmig und zu gleicher Zeit fängt die Spore an ihren starken Glanz zu verlieren, sie wird schnell blass und kleiner, zerfällt wohl auch in mehre Partieen, bis sie schliesslich ganz verschwunden ist. In Fig. 5 ist ein solcher Sporenhaufen mit den Uebergängen zu Fäden nach einem solchen Präparate wiedergegeben. Später ist es mir auch oft gelungen in demselben Präparat und in demselben Tropfen Humor aqueus aus den Bacillen die Sporen und sofort aus diesen wieder eine zweite Generation von sporen- haltigen Fäden zu erziehen. Wenn nämlich nur wenige Baeillen in den Tropfen gelangten, hatte sich, wie auch sonst, ungefähr naclı 20—24 Stunden die Sporenbildung vollzogen; das Nährmaterial war aber noch nicht verbraucht und einige Stunden später wuchsen die Sporen schon wieder zu Bacillen und diese zu Fäden aus. Namentlich in derartigen Präparaten konnte der Uebergang der Sporen zu den Baecillen mit Sicherheit beobachtet werden; die Fig. 5b. ist einem solchen Präparat entnommen und Herr Prof. F. Cohn hatte die Güte, diese Zeichnung unter Anwendung einer Vergrösse- rung mit Seibert immers. VIII. selbst anzufertigen. Aus diesen höchst einfachen Formveränderungen der Spore bei ihrer Keimung geht also hervor, dass sie aus einem stark lichtbrechenden Tröpfehen, vielleicht einem Oel, besteht, welches von einer dünnen Protoplasma- schicht eingehüllt ist. Letztere ist die eigentliche entwicklungsfähige Zellsubstanz, während ersteres vielleicht einen bei der Keimung zu verbrauchenden Reservestoff bildet. Mit dieser letzten Reihe von Untersuchungen ist der Kreis, weleher von den Formveränderungen des Dacillus Anthracis gebil- det wird, geschlossen und damit die vollständige Entwicklungs- geschichte desselben gegeben. Da in den letzten Jahren oft die wunderbarsten Beobachtungen und die widersprechendsten Ansichten über krankheitserregende Schizophyten veröffentlicht sind und deswegen, wie ich schon früher 290 andeutete, Arbeiten dieser Art sowohl von Botanikern als Aerzten mit einem wohl berechtigten Misstrauen aufgenommen werden, so mache ich nochmals besonders darauf aufmerksam, dass es sich bei meinen Untersuchungen nicht um eine zufällige. vereinzelte Beob- achtung, sondern um möglichst oft wiederholte, mit vollständig siche- rem Erfolg zu jeder Zeit anzustellende Experimente handelt. Um Jeden, der ein Interesse für die Sache hat, in den Stand zu setzen, ohne Schwierigkeit sich selbst durch den Augenschein von der Richtigkeit des Resultates meiner Untersuchungen zu überzeugen, habe ich die oft durch mühevolle und zeitraubende Versuche gewon- nenen Methoden, nach denen ich gearbeitet habe, möglichst genau beschrieben. Ganz besonderes Gewicht lege ich übrigens noch darauf, dass Herr Prof. F. Cohn sich auf meine Bitte, der mich zu besonderem Danke verpflichtenden Mühe unterzog, meine Angaben über die Entwicklungsgeschichte des Dacillus Anthracis eingehend an einer Reihe von Präparaten und von mir im pflanzenphysiologischen Institut zu Breslau angestellten Experimenten zu prüfen und in allen Punkten zu bestätigen. Die auf die Anthraxbaecillen bezügliche Literatur ist mir nur theilweise zugänglich gewesen und ich muss daher auf eine vollstän- dige Angabe derselben verzichten. Nur einige Arbeiten, welche mir erst nach Auffindung der Entwicklungsgeschichte des Bacillus An- thracis zur Kenntniss kamen, möchte ich mit einigen Worten berüh- ren. Bollinger!) meint, dass die Bacillen aus Reihen von Kugel- bacterien zusammengesetzt sind, in welche sie gelegentlich zerfallen, und dass diese Kugelbacterien allein im Blute vorkommen, sich durch Theilung vermehren und zu Reihen vereinigt wieder Stäbehen bilden können. Fast könnte es hiernach scheinen, als ob Bollinger auch die Sporenbildung gesehen hätte. Doch ist dies nicht der Fall, denn er giebt an, nur einmal Bacillen von 0,05 Mm. Länge gesehen zu haben, eine Grösse, bei welcher die Baeillen noch nicht zur Sporen- bildung kommen. Auch die I. ec. p. 465 gegebene Abbildung ent- hält nur abgestorbene Bacillen, auf deren Form ich später zurück- komme. Im dritten Heft des ersten Bandes dieser Beiträge p. 200 äussert F. Cohn bei der Besprechung der eben angeführten Angaben Bol- linger’s, dass er die Milzbrandstäbehen dennoch für Bacillen halte und dass man nach Analogie anderer Bacillen eine Fortpflanzung derselben durch kugelige Dauersporen erwarten müsse; eine Ver- I) Ziemssen’s Handb. der spee. Pathol, und Therap. Bd. 3. p. 464. 291 muthung, “welche sich schr bald verwirklicht hat. Die neueste Ver- öffentlichung über Milzbrandbacterien, welche von €. O. Harz her- rührt, enthält nach dem mir vorliegenden Referat (Allgem. med. Centralzeitung 1876 No. 33) nur negative Resultate, welche den von mir erhaltenen positiven gegenüber ihre Bedeutung verlieren müssen. III. Biologie des Bacillus Anthracis. Die Möglichkeit, den Bacillus Anthracis unter künstlichen Verhältnissen zu sporenhaltigen Fäden und seine Sporen wieder zu Bacillen zu entwickeln, beweist natürlich noch nicht, dass das Vorkommen des Milzbrandes unter allen Umständen auf die verschiedenen Entwickelungsformen dieser Baecterienart zurückgeführt werden müsse. Da er im lebenden Orga- nismus, wie früher gezeigt wurde (allerdings vorläufig nur für die Thierspecies, mit welcher experimentirt wurde, beweisend), sich nicht weiter entwickelt, so kann nur durch Versuche über das Verhalten des Bacıllus Anthracis unter Bedingungen, welchen er auf seinem muthmasslichen Wege nach dem Absterben des von ihm bewohnten Thieres unterworfen ist, eine Aufklärung hierüber gesucht werden. Um nicht zu ausführlich zu werden, muss ich die sehr umfang- reichen in dieser Richtung angestellten Versuchsreihen kurz zusam- menfassen, Substanzen, welche Milzbrandbaeillen enthalten, können in trocke- nem Zustande oder in Flüssigkeiten suspendirt verbreitet werden. Dass sie eingetrocknet lange Zeit wirksam sein können, war schon bekannt; doch schwanken die Angaben über die Dauer dieser Wirk- samkeit. Um-diese letzteren genauer zu bestimmen, wurden folgende Versuche gemacht: Milz, Lymphdrüsen, Blut von Mäusen, Kaninchen und Meer- schweinchen wurden sofort, nachdem sie dem Thierkörper entnom- men waren, an einem schattigen luftigen Ort getrocknet, und zwar in grösseren Stücken, in kleineren ungefähr erbsen- bis hiersekorn- grossen Massen und in am Deckglase eingetrockneten dünnen Schich- ten. Mit diesem Material wurde anfangs täglich, später von zwei zu zwei Tagen zu gleicher Zeit, nachdem eine entsprechende Menge in Humor aqueus aufgeweicht war, eine oder mehrere Mäuse geimpft und ein Culturversuch in einer Paraflinzelle gemacht. Die in sehr dünnen Lagen eingetrockneten Bacillenmassen verloren, je nach ihrer Dicke, nach 12—30 Stunden ihre Impffähigkeit und ebenso auch die Möglichkeit, im Brütapparat zu langen Fäden heranzuwachsen. Un- mittelbar nach dem Anfeuchten hatten die Baeillen dasselbe Aussehen, wie im frischen Zustande; aber sie zerfielen sehr bald unter später genauer zu beschreibenden Veränderungen, sie waren also, nachdem sie einen gewissen Theil ihrer Feuchtigkeit verloren hatten, abge- storben. Diekere getrocknete Stücke hielten sich zwei bis drei Wochen impf- und entwickelungsfähig.” Noch grössere behielten ihre Wirksamkeit, offenbar weil sie langsamer vollkommener lufttroceken werden, gegen vier bis fünf Wochen. Aber längere Zeit hindurch frisch getrocknete baeillenhaltige Massen impfähig zu erhalten, ist mir nie gelungen, obwohl ich diese Versuche in der verschiedensten Weise modifieirt und wiederholt habe, weil ich, auf Davaine’s Angaben mich verlassend, anfangs bestimmt glaubte, mir auf diese Weise frisch erhaltene Milzbrandsubstanzen für spätere Versuche sichern zu können; doch wurde ich stets auf das Empfindlichste getäuscht und musste meine Arbeiten deswegen mehrfach unterbrechen, bis es mir später gelang, in anderer Weise einen stets wirksamen Impfstoff zu gewinnen und mich dadurch vom Zufall unabhängig zu machen. Auf eine Erscheinung, weiche bei dieser Versuchsreihe recht auffallend hervortrat, muss ich noch besonders aufmerksam machen, dass nämlich nur solche getrocknete Substanzen Milz- brand hervorriefen, aus welchen bei den gleichzeitig angestellten Culturversuchen sich sporenhaltige Fäden entwickelten und umgekehrt. Es würde diese Beobachtung allein schon genügen, um die direete Uebertragbarkeit des Milzbran- des als von dem Vorhandensein lebensfähiger Baeillen abhängig zu beweisen. Ehe ich zu den Versuchen über Milzbrandflüssigkeiten übergehe, muss ich eine Reihe von Culturversuchen bei verschiedenen Tempe- raturen erwähnen. Es war mir hauptsächlich darum zu thun, die unterste Temperaturgrenze zu finden, bei welchen der Bacillus Anthracis noch keimfähige Sporen zu entwickeln vermag. Es wur- den also eine Anzahl Paraflinzellen in der früher beschriebenen Weise mit Nährflüssigkeit und frischen lebenskräftigen Baeillen beschickt und bei verschiedenen Temperaturen aufbewahrt. Da dieses Expe- riment während des Winters angestellt wurde, so war es mir leicht, einzelne Präparate in einem bis auf 5° abgekühlten Raum zu halten. Die höheren Temperaturen (über 40°) wurden vermittelst des heiz- baren Objecttisches erhalten. Hierbei stellte sich heraus, dass die Fäden am schnellsten bei 35° wachsen; schon nach 20 Stunden können sie bei dieser Temperatur mit den schönsten Sporen versehen sein. Bei 30° zeigen sich die Sporen etwas später, nämlich nach ungefähr 30 Stunden. Bei noch niedrigerer Temperatur wird auch die Entwickelung der Bacillen entsprechend langsamer. Bei 13—20 (Cels.), also gewöhnlicher Zimmertemperatur, brauchen sie ungefähr zwei und einen halben bis drei Tage zur Sporenentwickelung. Unter 18° kommt es nur noch ausnahmsweise zur Sporenbildung und unter 12° habe ich überhaupt kein Wachsthum der Fäden mehr beobachtet. Ueber 40° wird die Entwickelung der Bacillen kümmerlich und. schien mir bei 45° aufzuhören; doch habe ich die Versuche über die oberen Temperaturgrenzen für das Wachsthum der Baeillen nicht oft genug wiederholt (da der heizbare Objeettisch immer nur die Beobachtung eines einzelnen Präparates zulässt), um dieselbe ganz genau angeben zu können. Ich komme nun auf das für die Aetiologie des Milzbrandes so äusserst wichtige Verhalten der Bacillen in verschiedenen Flüssig- keiten und unter möglichst natürlichen Bedingungen. Da von dem mir zu Gebot stehenden Versuchsthier, der Maus, nur ein sehr gerin- ges Quantum Blut zu erhalten war und dieses Blut ausserdem noch sehr wenige Bacillen enthält, so nahm ich frisches Rinderblut oder den von mir mit Vorliebe gebrauchten Humor aqueus, einigemale auch Glaskörper von Rinderaugen und zerrieb in diesen Flüssigkeiten frische baeillenhaltige Mäusemilz, so dass das Gemenge in der Zu- sammensetzung ungefähr dem Blute, serösen und schleimigen Flüssig- keiten von an Milzbrand gefallenen Thieren glich. Derartige Flüssigkeiten in ein gut verkorktes Glas gefüllt, neh- men im Brütapparat sehr schnell einen höchst penetranten Fäulniss- geruch an. Die Bacillen sind schon nach 24 Stunden verschwunden, ohne dass sie zu Fäden ausgewachsen wären und es gelingt dann nicht mehr, damit Milzbrand zu erzeugen. Davon dass das Abster- ben der Baeillen in diesem Falle weniger von dem Einfluss der sich entwickelnden Fäulnissgase, welche nicht entweichen können, sondern von dem Mangel an Sauerstoff abhängt, kann man sich leicht durch folgendes Experiment überzeugen. Ein zwischen einem gewöhnlichen Objectträger und Deckglas ohne Luftblasen befindlicher bacillen- haltiger Blutstropfen wird durch eine auf den Rand gepinselte Oel- schicht luftdicht eingeschlossen und auf dem heizbaren Objeettisch erwärmt. Das Blut zeigt mit dem Mikrospektroskop untersucht an- fangs die beiden Streifen des Oxyhämoglobin; dabei fangen die Bacillen ganz wie in den Zellenpräparaten, an sich zu verlängern und erreichen nach ungefähr drei Stunden die 4—5fache Länge. Dann ist der Sauerstoff verbraucht, es verschwinden die beiden Streifen und es erscheint dafür der zwischen beiden liegende Streifen des reducirten Hämoglobin. Von diesem Zeitpunkte an hört auch das weitere Wachsthum der Baeillen vollständig auf, obwohl noch 294 keine Fäulnissbaeterien bemerkt werden und die eigentliche Fäulniss noch nicht eingetreten ist‘). An einem solchen Präparate kann man, wenn es bei niedriger Temperatur gehalten wird, in vorzüglicher Weise die Veränderungen der Baeillen beim Absterben studiren. Dieser Vorgang gestaltet sich folgendermassen. Während frische Bacillen und im kräftigen Wachsthum befindliche (mit Ausnahme des Zeitpunktes dicht vor der Sporenbildung) immer einen homogenen glashellen Inhalt haben und nur ganz vereinzelt eine sonst nur durch winklige Kniekungen angedeutete Gliederung zeigen, erkennt man in den absterbenden Bacillen als erstes Symptom eine Trübung des Inhalts und eine Sonderung desselben in kürzere Abtheilungen. Die Bacillen erscheinen dann mehr oder weniger deutlich gegliedert, namentlich so lange noch die äusserst feine Zellenmembran diese Theile scheidenartig umhüllt und zusammenhält. Aber sehr bald verlieren die Baecillen ihre scharfen Contouren, sie scheinen aus kurzen, rundlichen, lose zusammenhängenden Stückchen zu bestehen und zerfallen schliesslich vollständig. Die mir vorliegende Abbildung Bollinger’s (l. ec. p. 465) ist eine ziemlich getreue Darstellung solcher abgestorbener Baeillen. Ich habe einzelne in dieser Weise zerfallende Baeillen in den verschiedensten Präparaten oft tagelang von Zeit zu Zeit beobachtet, habe aber niemals einen Uebergang derselben in Micrococeen oder dergleichen gesehen. Ganz andere Bilder gewähren dagegen bei öfters wiederholter Untersuchung die genannten bacillenhaltigen Flüssigkeiten, wenn der Zutritt von Sauerstoff, und sei es auch nur in sehr geringer Menge, gestattet wird und ihre Temperatur nicht dauernd unter 18° herab- sinkt. Sehr gut lassen sich die hierbei eintretenden Veränderungen verfolgen, wenn ungefähr 10--20 Gramm der Flüssigkeit in einem Uhrglase, auf welches eine nicht festschliessende Glasplatte aufge- legt wird, mehrere Tage bei Zimmertemperatur bleiben. Die Flüssig- keit nimmt schon nach 24 Stunden Fäulnissgeruch an, der nach weiteren 24 Stunden gewöhnlich sehr penetrant ist. Dem entspre- chend finden sich auch sehr bald Mieroeoceen und Bacterien in grosser Menge. Daneben aber gedeiht der Bacillus Anthracıs 50 gut, als ob er der alleinige Bewohner der Nährflüssigkeit wäre. Seine Fäden erreichen schon nach 24 Stunden eine beträchtliche !) Im nicht geöffneten Körper eines an Milzbrand gestorbenen Thieres verlängern sich die Bacillen, auch wenn der Cadaver längere Zeit bei einer Temperatur von 13—200 gelassen wird, nur schr wenig oder gar nieht; offen- bar weil der Sauerstoff des Blutes nach dem Tode schnell dureh Oxydations- processe verbraucht und nicht wieder ersetzt wird. 295 Länge und haben öfters schon nach 43 Stunden und selbst noch zei- tiger Sporen in grosser Menge angesetzt'). Nach der Sporenentwick- lung zerfallen die Fäden und die Sporen sinken zu Boden. Die Vegetation der übrigen Schizophyten, welche zufällig in die Flüssig- keit eindrangen und sich darin vermehrten, geht noch Tage lang in üppigster Weise weiter. Allmählich aber verschwinden auch diese, der charakteristische Fäulnissgeruch nimmt ab, schliesslich bildet sich ein schlammiger Bodensatz und die darüber stehende Flüssig- keit wird arm an geformten Bestandtheilen und fast klar. Sie hat zuletzt einen schwachen Geruch nach Leim oder Käse, verändert sich, wenn sie bisweilen durch den Zusatz von destillittem Wasser vor dem Austrocknen geschützt wird, nicht mehr und ist vollständig ausgefault. Wurden baeillenhaltige Substanzen mit destillirtem oder Brunnen- wasser mässig verdünnt, dann verhindert das die Sporenbildung nicht; aber bei stärkerer Verdünnung entwickeln sich die Baeillen nicht mehr ?), sie sterben bald ab und erzeugen ungefähr nach 30 Stunden eingeimpft keinen Milzbrand mehr. Die Nährflüssigkeit muss also eine gewisse noch näher zu bestimmende Menge an Salzen und Eiweiss enthalten, damit die Bacillen bis zur Sporenbildung kommen können. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die meisten Cadaver der an Milzbrand gefallenen Thiere, welche im Sommer mässig tief eingescharrt werden, oder längere Zeit auf dem Felde, im Stalle, in Abdeckereien liegen, ebenso die blut- und baeillenhaltigen Abgänge der kranken Thiere im feuchten Boden oder im Stalldünger min- destens ebenso günstige Bedingungen für die Sporenbildung des Baeillus Anthracis bieten, als es in den vorher geschilderten Ver- suchsreihen der Fall ist. Durch diese Experimente würde also der Beweis geliefert sein, dass nicht blos durch künstliche Züchtung im Ausnahmefalle die Sporen des Dacillus Anthracis entstehen, son- dern dass dieser Parasit in jedem Sommer im Boden, dessen Feuch- tigkeit das Austrocknen der den Höhlungen des noch lebenden oder schon abgestorbenen milzbrandigen Thieres entströmenden Nähr- flüssigkeit verhindert, seine Keime in unzählbarer Menge ablagert. Dass sich diese Keime im Wasser nicht verändern, aber in 1) In Paraffinzellen zu gleicher Zeit und unter denselben Verhältnissen gezüchtete Baeillen wuchsen langsamer und kümmerlicher. Vielleicht wegen des erheblich geringeren Sauerstoflvorraths. 2) z. B. Baeillen in Mausemilz mit dem zwanzigfachen Quantum destillirten Wassers verdünnt, wuchsen nicht. 296 Humor aqueus und Blutserum wieder zu Baeillen heranwachsen, haben wir früher gesehen. Da liesse sich wohl schon von vornherein annehmen, dass, wenn von diesen Sporen auf irgend einem Wege eine oder auch mehrere in den Blutstrom eines für Milzbrand empfäng- lichen Thieres gelangt, hier eine neue Generation von Baecillen er- zeugt wird. Um diese Annahme auch experimentell zu prüfen, wurden noch folgende Versuche angestellt. Von zwei mit bacillenhaltigem Blutserum gefüllten, verdeckten Uhrgläsern blieb das eine im Zimmer, das andere wurde in einem kalten Raume (8°) aufbewahrt und von beiden täglich zwei Thiere geimpft. Im Blutserum, welches kalt stand, fingen die Bacillen am dritten Tage an körnig und gegliedert zu werden, bis dahin war es wirksam; die später damit geimpften Thiere blieben gesund. Die Impfungen mit dem warmstehenden Blutserum waren vor und nach der Sporenbildung in den Fäden des Dacillus Anthracis wirksam; selbst nach 14 Tagen liess sich mit solchem gefaulten Blute, welches Bacillen-Sporen enthält, noch mit derselben Sicherheit Milzbrand er- zeugen, wie mit frischer stäbchenhaltiger Milz. Die Sporen scheinen sich sehr lange Zeit in faulenden Flüssigkeiten ebenso gut, wie in nicht faulenden, keimfähig zu erhalten. Denn mit Glaskörper von Rinderaugen, in welchem ich bei ungefähr 20° Bacillen aus einer Mausemilz zur Sporenbildung kommen liess und welcher nach drei Wochen vollständig ausgefault war, konnte noch nach eilf Wochen mit absoluter Sicherheit durch Impfung Milzbrand hervor- gerufen werden. Der Bodensatz dieser ausgefaulten Flüssigkeit ent- hielt sehr viele von kleinen Schleimflocken zusammengehaltene Ba- eillen-Sporen, während man in der fast klaren Flüssigkeit bei mikros- kopischer Untersuchung oft mehrere Gesichtsfelder durchsuchen musste, ehe man einige vereinzelte Sporen fand. Von Fäden war natürlich nicht das Geringste mehr vorhanden. Bei den Impfungen mit dem sporenreichen Bodensatz und mit der sporenarmen Flüssig- keit stellte sich die interessante Thatsache heraus, dass mit ersterem also mit vielen Sporen geimpfte Mäuse nach 24 Stunden, mit letzterer also mit weniger Sporen geimpfte Mäuse nach drei bis vier Tagen an Milzbrand starben. Ich be- merke noch besonders, dass ich diesen Versuch mehrere Male und immer mit demselben Erfolg wiederholt habe. Sporenhaltige Flocken derselben Flüssigkeit wurden drei Wochen in einem mit Brunnenwasser gefüllten offunen Reagensglase aufbewahrt; trotzdem blieben dieselben wirksam bei der damit vorgenommenen Impfung. 297 Ebensolche sporenhaltige Substanzen wurden getrocknet, nach einiger Zeit mit Wasser wieder aufgeweicht und dieser Procedur wiederholt unterworfen; aber sie verloren ihre Fähigkeit Milzbrand zu erzeugen, dadurch nicht. Hiernach wird es nun auch leicht erklärlich, warum die Meinun- gen der Experimentatoren über die Wirksamkeit des getrockneten Milzbrandblutes so weit auseinandergehen; da der Eine frisches, schnell getrocknetes Blut benutzte, welches keine Sporen enthielt und, wie ich früher gezeigt habe, sich höchstens fünf Wochen wirk- sam erhält; von Anderen dagegen wurde mit Blut geimpft, das lang- sam bei Zimmer- oder Sommer-Temperatur eingetrocknet war und in welehem sich Sporen gebildet hatten. Ich besitze eine kleine Sammlung von Milzbrandsubstanzen, welche unter den verschieden- sten Umständen und zu verschiedenen Zeiten getrocknet und in unverstöpselten, enghalsigen Gläsern aufbewahrt sind. Als ich auf die Bedeutung der Sporen in getrockneten Milzbrandmassen auf- merksam wurde, untersuchte ich diese getrockneten Blut-, Milz- und Drüsenstückchen nochmals genau auf ihre Fähigkeit, mit Humor aqueus aufgeweicht in Glaszellen die charakteristischen spo- renhaltigen Fäden des Dacillus Anthracis und bei der Impfung Milzbrand entstehen zu lassen. Hierbei stellte sich heraus, dass die in kleinen Stücken schnell getrockneten Theile keine Sporen enthielten und weder Fäden noch Milzbrand hervorzubringen ver- mochten. Schafmilz dagegen, welche in grösseren Stücken im Zimmer langsam getrocknet war, und einige Blutproben, welche in grösseren Quantitäten aufgestellt gewesen waren und mehrere Tage zum vollstän- digen Eintrocknen gebraucht hatten, enthielten zahlreiche mehr oder weniger freie Sporen und Bruchstücke von sporenhaltigen Fäden. Alle diese sporenhaltigen Substanzen riefen nach der Einimpfung Milzbrand hervor und entwickelten in Nährflüssigkeiten oft die schönsten sporen- haltigen Fäden von Bacillus Anthracis. Wie lange sich die getrock- neten Sporen keimfähig halten, lässt sich zur Zeit nicht mit Bestimmt- heit angeben; wahrscheinlich wird dieser Zeitraum eine längere Reihe von Jahren umfassen; wenigstens habe ich mit Schafblut, welches vor fast vier Jahren getrocknet ist, noch in letzter Zeit vielfach Impfun- gen ausgeführt, welehe ausnahmslos tödtlichen Milzbrand bewirkten '). Mehrfach ist die Identität der durch Impfungen mit Milzbrand- blut hervorgerufenen Krankheit mit Septiecämie und ebenso das um- 1) Die beim Bearbeiten von Häuten, Haaren und dergl. entstandenen Milz- branderkrankungen bei Menschen, können, wenn diese Gegenstände schon vor Jahren getrocknet sind, nur durch sporenhaltige Staubtheile veranlasst sein, 298 gekehrte Verhältniss behauptet worden. Um diesen Einwand, der möglicherweise auch meinen mit faulenden Milzbrandsubstanzen ange- stellten Impfversuchen gemacht werden könnte, zu begegnen, habe ich mit faulendem Blute von gesunden Thieren mit bacillenfreiem faulenden Humor agueus und Glaskörper Mäuse mehrfach geimpft. Dieselben blieben fast immer gesund, nur zwei Mäuse starben von zwölf geimpften, und zwar einige Tage nach der Impfung; sie hatten vergrösserte Milz, aber diese sowohl wie das Blut waren vollständig frei von Baeillen. Ferner wurden Thiere mit faulendem Glaskörper geimpft, in welchem sich eine dem Dacillus Anthracis sehr ähnliche Baeillusart spontan entwickelt hatte. Die Sporen der beiden Bacillus- arten waren weder in Grösse noch sonstigem Aussehen von einander zu unterscheiden; nur die Fäden des Glaskörper-Baeillus waren kür- zer und deutlich gegliedert. Alle Impfungen mit diesen mehrmals von mir auf Glaskörper gefundenen Bacillen und mit ihren Sporen vermochten keinen Milzbrand zu erzeugen. Auch solche Thiere, welche mit Sporen der im Heu-Infus von Prof. F. Cohn gezüchteten Bacillen geimpft wurden, blieben gesund. Dagegen habe ich mehr- fach mit Sporenmassen, welche in Glaszellen gezüchtet waren und wie ich mich vorher durch mikroskopische Untersuchungen versicherte, aus ganz reinen Culturen von Dacillus Anthracis stammten, geimpft und jedesmal starben die geimpften Thiere an Milzbrand. Es folgt hieraus, dass nur eine Bacillusart im Stande ist, diesen specifischen Krankheitsprocess zu veranlassen, während andere Schizophyten durch Impfung gar nicht oder in anderer Weise krankheitserregend wirken. Es könnte auffallend erscheinen, dass von meinen mit faulendem Blute geimpften Versuchsthieren nur ausnahmsweise eins an Septi- cämie zu Grunde ging; dem gegenüber bemerke ich, dass ich nicht, wie es gewöhnlich üblich ist, das faulende Blut nach Cubikcenti- metern einspritzte, sondern nur eine verschwindend kleine Menge desselben dem Körper des Thieres einimpfte und damit natürlich die Wahrscheinlichkeit, die im Blute vielleicht sparsam vorhandenen septisch wirkenden Formelemente in den Blutstrom zu bringen, sehr verringert wird. Dass die Sporen des Dacillus Anthracis Milzbrand hervorrufen, wenn sie direkt in den Säftestrom des Thierkörpers gebracht werden, ist durch die zuletzt besprochenen Versuche wohl hinreichend bewie- sen. Die Sporen müssen also wirksam werden, sobald sie in getrock- netem Zustande als Staubpartikelchen oder in Flüssigkeiten suspen- dirt auf Wunden, wenn diese auch noch so klein sind, gelangen. Man dürfte wohl kaum eines unsrer Hausthiere finden, dessen Haut nicht wit einigen Kratzwunden oder kleinen durch Scheuern, Reiben und dergl. entstandenen Hautabschärfungen versehen ist und damit dem gefährlichen Schmarotzer einen bequemen Eingang darbietet. Trotzdem ist damit noch nicht gesagt, dass die Milzbrandsporen nur auf diesem Wege einzuwandern vermögen. Es müssen, um die Milz- brandätiologie vollständig zu haben, auch die Verdauungswege und die Respirationsorgane auf ihre Resorptionsfähigkeit für Milzbrand- bacillen und deren Sporen untersucht werden. Um zu sehen, ob das Milzbrandcontagium vom Verdauungskanal aus in den Körper eindringen kann, habe ich zuert Mäuse mehrere Tage lang mit frischer Milz von Kaninchen und vom Schaf, welche an Milzbrand gestorben waren, gefüttert. Mäuse sind ausserordent- lich gefrässig und nehmen in kurzer Zeit mehr als ihr Körpergewicht beträgt, an milzbrandigen Massen auf, so dass also ganz erhebliche Mengen von Bacillen den Magen und Darm der Versuchsthiere passirten. Aber es gelang mir nicht, dieselben auf diese Weise zu infieiren. Dann mengte ich den Thieren sporenhaltige Flüssigkeit unter das Futter; auch das frassen sie ohne jeden Nachtheil; auch durch Fütterung grösserer Mengen von sporenhaltigem, kurz vorher oder schon vor Jahren getrocknetem Blute konnte kein Milzbrand bei ihnen erzeugt werden. Kaninchen, welche zu verschiedenen Zeiten mit sporenhaltigen Massen gefüttert wurden, blieben ebenfalls gesund. Für diese beiden Thierspeeies scheint demnach eine Infection vom Darmkanal aus nicht möglich zu sein. Ueber das Verhalten der mit Staub in die Athmungsorgane ge- langten Sporen vermag ich bis jetzt nichts anzugeben, da es mir noch nicht möglich war, darauf bezügliche Versuche anzustellen. Ich schliesse hier noch einige Versuchsreihen und Beobachtungen an, welche nicht direet mit der Aetiologie des Milzbrandes in Ver- bindung stehen, aber doch Interesse genug bieten, um mitgetheilt zu werden. Den schon von Brauell gemachten Versuch, sowohl mit dem bacillenhaltigen Blute trächtiger Thiere, als mit dem baecillenfreien Blute des Fötus derselben zu impfen, habe ich mit einem trächtigen Meerschweinchen und zwei trächtigen Mäusen wiederholt. Das Re- sultat war das nämliche, wie bei dem Experiment von Brauell; die mit dem mütterlichen Blute geimpften Thiere starben an Milz- brand, die mit dem fötalen Blute geimpften blieben gesund. Um zu sehen, wie bald nach der Impfung die ersten Bacillen im Blute oder in der Milz der geimpften Thiere sich einfinden, wurden neun Mäuse zu gleicher Zeit geimpft. Nach zwei, vier, sechs, acht, zehn, zwölf, Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band U, Heft IL 20 are vierzehn und sechszehn Stunden wurde jedesmal eine dieser Mäuse durch Chloroform getödtet und Blut sowohl als Milz sofort unter- sucht. In den sechs ersten Thieren wurden keine Baeillen gefunden. Erst in der Milz der vierzehn Stunden nach der Impfung getödteten Maus zeigten sich vereinzelte Bacillen. Bei der Maus, welche sechs- zehn Stunden gelebt hatte, fanden sich schon mehr Baeillen und die Milz war vergrössert. Die letzte starb nach siebzehn Stunden unter den gewöhnlichen charakteristischen Symptomen; ihre Milz war erheb- lich vergrössert und vollgestopft mit dichten Bacillenmassen. Das Eindringen der Baecillen in den Blutstrom scheint also langsam vor sich zu gehen, aber wenn sie erst einmal hineingelangt sind und bier in ihrer eigentlichen Heimath festen Fuss gefasst haben, ver- mehren sie sich in der üppigsten Weise. Ausser an Mäusen, Kaninchen und Meerschweinchen habe ich Impfversuche an zwei Hunden, einem Rebhuhn und einem Sperling gemacht. Obwohl ich diese Thiere wiederholt mit ganz frischem Material impfte, so ist es mir doch nicht gelungen, sie mit Milzbrand zu infieiren. Auch Frösche sind ganz unempfänglich für Impfungen mit Da- cillus Anthracis oder dessen Sporen. Als ich einigen Fröschen grössere Stücke Milz von an Milzbrand gestorbenen Mäusen unter die Rückenhaut brachte, die Thiere nach 43 Stunden tödtete und untersuchte, stellte sich folgender bemerkenswerthe Befund heraus. Das Blut der Frösche war vollkommen frei von Bacillen. Die Mause- milz war mit ihrer Umgebung leicht verklebt und hatte statt ihrer dunkelbraunrothen Farbe eine mehr hellgraurothe angenommen. Bei der mikroskopischen Untersuchung derselben finden sich in der Mitte noch unveränderte Bacillen in grosser Menge, aber in den äusseren Schichten trifft man auf viele Bacillen, welche dicker geworden sind und sich verlängert haben, und zwischen diesen sieht man eigen- thümliche Gebilde in grosser Zahl; nämlich mehr oder weniger regelmässig spiralförmig gewundene Baeillen, welche theils frei sind, theils aber auch von einer sehr dünnwandigen Kapsel eingeschlossen werden. Die Erklärung für diese ungewöhnliche Gestaltung der Baeillen ist leicht zu finden, wenn man die fast gallertartige, anscheinend von der Froschhaut ausgeschiedene äusserste Umhüllungsschicht der Milz untersucht (Fig. 7). Diese Schicht besteht aus grossen, in eine strukturlose zähflüssige Grundsubstanz eingebetteten Zellen, welche fast die Grösse der Froschblutkörperchen erreichen (Fig. 7a). Die- selben sind trotz ihrer Grösse sehr blass und zart, haben einen sehr deutlichen Kern mit Kernkörperchen und enthalten viele sehr. kleine, 301 2 Pi in lebhaftester Molekularbewegung befindliche Körnchen. In den mei- sten von diesen Zellen nun befinden sich einzelne oder mehrere kurze gerade Baecillen, in anderen etwas gekrümmte, geknickte, zu Haufen und Bündeln vereinigte und vorzugsweise spiralförmig gedrehte Baecillen (Fig. 7b). Sobald die Zellen mehrere Bacillen beherbergen, erscheinen die Molekularkörnchen in ihnen vergrössert, nimmt aber die Bacillenwucherung in ihnen überhand, dann verschwinden diese Körnchen und zuletzt auch der noch am längsten zu erkennende Kern. Dass die als kurze Stäbchen von den Zellen aufgenommenen Baecillen in diesen wachsen und, nachdem sie das Innere derselben unter Bildung von verschiedenen Knickungen und Krümmungen aus- gefüllt haben, schliesslich sprengen, geht daraus hervor, dass man neben den freigewordenen Bacillen-Spiralen (Fig. 7g) und -Bündeln zusammengefallene und leere Zellmembranen als letzten Rest der zer- störten Zellen findet (Fig. 7e)'). Ganz besonders schön sind diese baeillenhaltigen Zellen zu sehen, wenn dem Präparat etwas destillirtes Wasser zugesetzt wird. Die Zellen quellen dadurch etwas auf, ihr Inhalt wird deutlicher und wenn sie durch die Flüssigkeitsströmungen fortgerissen in eine rol- lende Bewegung versetzt werden, kann man sich leicht die Ueber- zeugung verschaffen, dass auch einzelne Bacillen wirklich im Innern der Zelle und zwar gewöhnlich dicht neben dem Kern liegen und nicht etwa nur in die weiche Zellen-Ober- fläche eingedrückt sind. Man hat schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen, dass die amöboiden Zellen des Thierkörpers, also vor Allem die weissen Blutkörperchen in derselben Weise, wie sie den leicht nachweisbaren künstlich ins Blut eingeführten Farbekörn- chen den Eingang in ihr Protoplasma gestatten, so auch die in die Blutbahn eingedrungenen Micrococcen aufzunehmen vermögen. So viel ich weiss, ist es jedoch bis jetzt nicht gelungen, die weder durch ihre Form noch durch ihre Reactionen von den Mole- kularkörnchen dieser Zellen scharf unterschiedenen Mierococcen als solche mit Bestimmtheit nachzuweisen. Auch scheint bis jetzt über- haupt kein vollkommen sicheres Beispiel für das Vorkommen von schizophytenhaltigen lebenden thierischen Zellen bekannt zu sein, und ich habe deswegen von den vorhin beschriebenen Zellen in 1) Zu mehr als mittlerer Länge wachsen die Fäden unter der Froschhaut nicht aus, ich habe auch niemals Sporenentwickelung in denselben gesehen, Nach mehreren Tagen wird ihre Zahl geringer, sie scheinen allmählich zu zer- fallen, doch habe ich bei einem Frosche zehn Tage nach Transplantation der Mausemilz noch lange Fäden und bacillenhaltige Zellen gefunden. 20* 302 Fig. 7 eine Abbildung gegeben. Diese Beobachtung steht in sofern nicht vereinzelt, als ich bei andern Fröschen, nachdem faules ge- trocknetes Blut unter die Rückenhaut gebracht war, dieselben Zellen gefunden habe; aber in diesem Falle enthielten sie ganz andere kurzgliederige Bacillen, welche meistens mit einer Dauerspore ver- sehen waren (Billroth’s Helobacterien). Auch in der frisch unter- suchten Milz eines an Milzbrand gefallenen Pferdes (die einzige, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte) waren neben sehr zahlreichen freien Stäbchen grosse blasse Zellen, meistens mit meh- reren Kernen vorhanden, von denen viele eine, bis zehn und mehr Bacillen enthielten. IV. _Aetiologie des Mülzbrandes. Werfen wir nun einen Blick zurück auf die bis jetzt gewonnenen Thatsachen und versuchen wir mit ihrer Hülfe die Aetiologie des Milzbrandes festzustellen, so dür- fen wir uns nicht verhehlen, dass zur Construction einer lückenlosen Aetiologie noch Manches fehlt. Vor Allem ist nicht zu vergessen, dass sämmtliche Thierexperimente an kleinen Nagethieren angestellt sind. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Wiederkäuer, die eigentlichen Wohnthiere des uns beschäftigenden Parasiten, sich die- sem gegenüber sehr verschieden von Nagethieren verhalten sollten. Aber schon bei den Impfversuchen besteht in sofern ein Unterschied, dass kleine Thiere nach 24—30 Stunden, grosse erst nach mehreren Tagen sterben. Könnten nicht vielleicht während dieser längeren Zeit die Bacillen an irgend einer Stelle des thierischen Körpers zur Sporenbildung kommen? Oder gelangen sie überhaupt niemals im lebenden Körper zur Ansetzung von Sporen? Ferner sind die Füt- terungsversuche mit Bacillen und Sporen bei Nagethieren mit ihrem negativen Resultat durchaus nicht massgebend für Wiederkäuer, deren ganzer Verdauungsprozess doch wesentlich anders ist. Ein- athmungsversuche mit sporenhaltigen Massen fehlen noch ganz. Auch sind Versuche über das Verhalten grösserer Milzbrandcadaver bei verschiedenen Temperaturen, in verschiedenen Bodentiefen und Bodenarten (Thon-, Kalk-, Sandboden, trockener Boden, feuchter Boden, Einfluss des Grundwassers) in Bezug auf die Sporenbildung der Bacillen noch nicht gemacht und es würde doch von höchstem praktischem Werth sein, gerade hierüber sichere Kenntniss zu er- langen. Noch eine Menge Einzelheiten über das Verhalten der Ba- eillen und ihrer Sporen gegen zerstörende oder ihre Entwickelung hindernde Stoffe, über den Vorgang ihrer Einwanderung in die Blut- und Lymphgefässe müssten erforscht werden. Wenn aber aüch noch manche Frage über diesen bisher so räthselhaften Parasiten zu lösen “ ist, so liegt sein Lebensweg jetzt doch so weit vor uns offen, dass wir die Aetiologie der von ihm veranlassten Krankheit wenigstens in den Grundzügen mit voller Sicherheit feststellen können. Vor der Thatsache, dass Milzbrandsubstanzen, gleichviel ‚ob sie verhältnissmässig frisch oder ausgefault oder getrocknet und Jahre alt sind, nur dann Milzbrand zu erzeugen vermögen, wenn sie ent- wiceklungsfähige Bacillen oder Sporen des Bacillus Anthracis ent- halten, vor dieser Thatsache müssen alle Zweifel ob der Bacillus Anthracis wirklich die eigentliche Ursache und das Contagium des Milzbrandes bildet, verstummen. Die Uebertragung der Krankheit durch feuchte Bacillen im ganz frischen Blut kommt in der Natur wohl nur selten vor, am leichtesten noch bei Menschen, denen beim Schlachten, Zerlegen, Abhäuten von milzbrandigen Thieren Blut oder Gewebssaft in Wunden gelangt. | Häufiger wird wahrscheinlich die Krankheit durch getrocknete Bacillen veranlasst, welche, wie nach- gewiesen wurde, ihre Wirksamkeit einige Tage, im günstigsten Falle gegen fünf Wochen erhalten können. Durch Insekten, an Wolle und dergleichen haftend, namentlich mit dem Staub, können sie auf Wunden gelangen und dann die Krankheit hervorrufen. Bacillenhaltige Massen, welche in Wasser gelangen und dort stark verdünnt werden, verlieren sehr bald ihre Wirksamkeit und tragen zur Verbreitung des Milz- brandes wahrscheinlich nur ausnahmsweise bei. Die eigentliche Masse der Erkrankungen aber, welche fast immer unter solchen Verhältnissen eintritt, dass die eben genannten Ueber- tragungsweisen ausgeschlossen werden müssen, kann nur durch die Einwanderung von Sporen des Dacıllus Anthracis in den Thierkörper verursacht werden. Denn die Bacillen selbst können sich in dauernd troeknem Zustande nur kurze Zeit lebensfähig erhalten und vermögen deswegen sich weder im feuchten Boden zu halten, noch den wech- selnden Witterungsverhältnissen (Niederschlägen, Thau) Widerstand zu leisten, während die Sporen dagegen in kaum glaublicher Art und Weise ausdauern. Weder jahrelange Trockenheit, noch monate- langer Aufenthalt in faulender Flüssigkeit, noch wiederholtes Ein- troeknen und Anfeuchten vermag ihre Keimfähigkeit zu stören. Wenn sich diese Sporen erst einmal gebildet haben, dann ist hin- reichend dafür gesorgt, dass der Milzbrand auf lange Zeit in einer Gegend nicht erlischt. Dass aber die Möglichkeit zu ihrem Ent- stehen oft genug gegeben ist, wurde früher schon hervorgehoben. Ein einziger Cadaver, welcher unzweckmässig behandelt wird, kann fast unzählige Sporen liefern und wenn auch Millionen von diesen Sporen schliesslich zu Grunde gehen ohne zur Keimung im Blute 304 eines Thieres zu gelangen, so ist bei ihrer grossen Zahl doch die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass einige vielleicht nach - langer Lagerung im Boden oder im Grundwasser, oder an Haaren, Hörnern, Lumpen und dergleichen angetrocknet als Staub, oder auch mit Wasser auf die Haut der Thiere gelangen und hier direct durch eine Wunde in die Blutbahn eintreten, oder auch später durch Reiben, Scheuern und Kratzen des Thieres in kleine Hautabschilfe- rungen eingerieben werden. Möglicherweise dringen sie auch von den Luftwegen oder vom Verdauungskanal aus in die Blut- oder Lympfgefässe ein. Wenn es nun gelungen ist, die Art und Weise der Verbreitung des Milzbrandes und die Bedingungen aufzufinden, unter denen das Contagium sich immer wieder von Neuem erzeugt, sollte es da nicht möglich sein, unter Berücksichtigung jener Bedingungen das Conta- gium, also den Bacillus Anthracis, in seiner Entwicklung zu hin- dern und so die Krankheit auf ein möglichst geringes Mass zu redueiren, vielleicht sogar gänzlich auszurotten? Dass diese Frage ein nicht geringes Interesse beansprucht, mag daraus hervorgehen, dass nach Spinola') ein einziger preussischer Kreis (Mannsfelder Seekreis) jährlich für 180,000 Mk. Schafe durch Milzbrand verliert, dass allein im Gouvernement Nowgorod in den Jahren 1867—1870 über 56,000 Pferde, Kühe und Schafe und ausserdem 5283 Menschen an Milzbrand zu Grunde gingen ’?). Die jetzt bestehenden Massregeln gegen den Milzbrand beschrän- ken sich auf Anzeigepflicht, Vergraben der Cadaver in mässig tiefen Gruben, Desinfeetion und Absperrung des von der Seuche befallenen Ortes. Ganz abgesehen davon, dass erfahrungsgemäss wegen der höchst lästigen Sperrmassregeln die wenigsten Milzbrandfälle ange- zeigt werden und dass der gerade unter den Schafen am meisten verbreitete Milzbrand fast ganz unbeachtet bleibt und vernachlässigt wird, so muss offenbar das Eingraben der Cadaver in den feuchten Erdboden die Bildung von Sporen und damit die Fortpflanzung des Contagiums eher fördern als die- selbe verhindern. Bis jetzt ist es anscheinend auch noch nir- gends wo gelungen, auf diese Weise den Milzbrand dauernd zu be- seitigen. Im Gegentheil hat Oemler°) seinen Schafverlust an Milz- brand von 21 % pro anno auf 2 °% herabgebracht, nachdem er das 1) Pappenheim, Sanitätspolizei Band II. p. 276. 2) Grimm (Virchow’s Archiv B. 54 p. 262) eitirt nach Bollinger I. c. p- 469. 3) Bollinger |. ce. p. 459. 305 “ — — Verscharren aller Cadaver ohne Ausnahme auf Feldern und Weiden auf das Strengste untersagt hatte. Wir müssen uns also nach anderen Mitteln umsehen, um die Heerden von diesem Würgeengel zu befreien und tausende von Menschen vor einem qualvollen Tode zu schützen. 2 Das sicherste Mittel wäre, alle Substanzen, welche Bacillus An- thracis enthalten, zu vernichten. Da es aber nicht ausführbar ist, diese Menge von Cadavern, wie sie der Milzbrand liefert, durch Chemikalien oder Siedehitze unschädlich zu machen, oder gar durch Verbrennen aus dem Wege zu schaffen, so müssen wir auf dieses Radicalmittel verzichten. Wenn es aber auch nur gelänge, die Ent- wickelung der Bacillen zu Sporen zu verhindern oder wenigstens auf ein Minimum zu reduciren, dann müssten schon die Milzbrand- Erkrankungen immer mehr und mehr abnehmen und schliesslich ver- schwinden. Da die Bacillen, wie wir gesehen haben, zur Sporenbildung Luft- zufuhr, Feuchtigkeit und eine höhere Temperatur als ungefähr 15° nöthig haben, so muss es genügen, ihnen eine dieser Bedingungen zu nehmen, um sie an der Weiterentwickelung zu hindern. Die schnelle Austrocknung grosser Cadaver würde besondere Apparate erfordern und selbst grössere Schwierigkeiten machen, als das Ver- brennen. Dagegen könnte man ohne erhebliche Mühe und Kosten die Milzbrand-Cadaver längere Zeit, auch selbst im Sommer, unter 15° abkühlen, ihnen gleichzeitig den Sauerstoffzutritt beschränken und auf diese Weise die Bacillen zum Absterben bringen. Wenn man nämlich bedenkt, dass im mittleren Europa, also namentlich in Deutschland in einer Boden-Tiefe von 8—10 Metern eine fast con- stante Temperatur herrscht, welche dem Jahresmittel schr nahe kommt, also auf jeden Fall unter 15° C. bleibt, so brauchte man nur geräumige Brunnen oder Gruben von dieser Tiefe anzulegen und die Milzbrandeadaver darin zu versenken, um die Bacillen zu vernichten und die Cadaver dadureh unschädlich zu machen. Je nach der Durchschnitts-Zahl der Milzbrandfälle müssten derartige Gruben in geringer oder grosser Zahl für bestimmte Bezirke ge- macht werden. Dieselben würden sich in mässiger Entfernung von den Wirthschaftsgebäuden befinden und natürlich mit einem sicheren Verschluss zu versehen sein. Man würde dadurch zugleich den nicht zu unterschätzenden Vortheil erlangen, dass nicht, wie es jetzt gewöhnlich geschieht und wie ich aus eigener Erfahrung weiss, die vorschriftsmässig oder auch vorschriftswidrig vergrabenen Milzbrand- cadaver regelmässig von Dieben (oft genug von denselben Leuten, 306 welche sie am Tage eingescharrt haben) des Nachts wieder heraus- geholt, zertheilt und überall hin verschleppt werden. Vielleicht verhindert auch der Einfluss gewisser Bodenarten oder ein gewisser Feuchtigkeitsmangel und tiefer Grundwasserstand die Sporenentwickelung, worauf das an bestimmte Gegenden gebundene Vorkommen des Milzbrandes und die Abnahme desselben nach aus- gedehnten Meliorationen und Entwässerungen hindeutet. Der von Buhl berichtete Fall'), dass Milzbrand unter Pferden auf dem Gestüte Neuhof bei Donauwörth vollkommen aufhörte, als man auf den Rath v. Pettenkofer’s den Stand des Grundwassers durch Drainage herabgesetzt hatte, würde gleichfalls hierher gehören. Auf jeden Fall ist die Möglichkeit, die Entwickelung der Milz- brandsporen zu verhüten, gegeben und das grosse Interesse, welches diese Angelegenheit beansprucht, müsste zu weiteren Versuchen in der angegebenen Richtung auf geeigneten Versuchsstationen dringend auffordern. Eine Wahrnehmung, welche ich in hiesiger Gegend über das Vorkommen des Milzbrandes gemacht habe, schliesse ich hier noch an, weil dieselbe für die Milzbrandprophylaxis wohl zu berücksichti- gen ist. Es ist nämlich auffallend, dass der Milzbrand das ganze Jahr hindurch fast ohne Unterbrechung unter den Schafen herrscht. In den grösseren Heerden fallen fast niemals viele Schafe auf ein- ,„ sondern gewöhnlich einzelne oder wenige in Zwischenräumen von einigen Tagen oder Wochen. Rinder werden weit seltener und nur in grossen Pausen befallen, so dass öfters mehrere Monate, ein halbes Jahr und noch längere Zeit zwischen den einzelnen Fällen liegen. Bei Pferden tritt Milzbrand hier nur ganz ausnahmsweise auf. Es scheint demnach, dass das Schaf das eigentliche Wohnthier des Bacıllus Anthracis ist und dass er nur unter besonderen Ver- hältnissen gelegentlich Excursionen auf andere Thierarten macht. Für diese Ansicht sprieht auch die Beobachtung von Leonhardt?), dass in Bönstadt, welches sehr viel durch Milzbrand litt, derselbe unter den Rindern fast vollkommen erlosch, nachdem man die Schafe abgeschafft hatte, welche im Sommer massenhaft an Milzbrand fielen. Es folgt aber daraus, dass bei allen Massregeln gegen die Seuche der Milzbrand unter den Schafheerden die meiste Beachtung verdient. V. Vergleich des Milzbrandes mit anderen Infections - Krank- heiten. Damit, dass der Milzbrand auf seine eigentlichen Ursachen zurückgeführt wurde, ist es gleichzeitig zum ersten Male gelungen, mal 1) Bollinger |. ce. p. 455. 2) Bollinger ]. c. p. 459. 307 Licht über die Aetiologie einer jener merkwürdigen Krankheiten zu verbreiten, deren Abhängigkeit von Bodenverhältnissen genügend auf- zuklären weder den Anstrengungen der Forschung, noch den kühn- sten und verwickeltsten Hypothesen bislang möglich gewesen ist. Es liegt deswegen sehr nahe, einen Vergleich zwischen Milzbrand und den durch ihre Verbreitungsweise ihm nahestehenden Krankheiten, vor Allem mit Typhus und Cholera anzustellen. Mit Typhus hat der Milzbrand Aelınlichkeit durch die Abhängig- keit vom Grundwasser, durch die Vorliebe für Niederungen, durch das über das ganze Jahr vertheilte sporadische Auftreten und das daneben eintretende Anschwellen der Erkrankungsfälle zur Epidemie im Spätsommer. Die ersten der oben genannten Punkte treffen auch für die Cholera zu; in einer Hinsicht aber stimmt das Contagium der Cholera mit dem des Milzbrandes in so eigenthümlicher Weise zusammen, dass wohl die Annahme eines reinen Zufalls ausgeschlos- sen werden muss. v. Pettenkofer hat darauf hingewiesen, dass das Cholera-Contagium auf Schiffen, wenn diese kein Land berühren, meist in drei bis vier Wochen abstirbt, nur wenn dasselbe vor dieser Zeit wieder in geeigneten Boden gelangt, vermag sich die Krank- heit weiter zu verbreiten. Nehmen wir nun einmal an, dass der Milzbrand eine Krankheit wäre, welche in Indien heimisch ist, und dass von dieser Krankheit befallene Thiere nur nach vier- bis fünf- wöchentlicher Seefahrt zu uns gelangen könnten, dann würde gerade so wie bei der Cholera eine Verschleppung auf dem Seewege nicht möglich sein, da sich aus Mangel an feuchtem Boden keine Sporen bilden könnten und die etwa an Gegenständen eingetrockneten Ba- eillen schon vor Beendigung der Fahrt abgestorben wären. Würden wir noch ferner annehmen, dass der Milzbrand eine Krankheit sei, die nicht durch grosse Bacillen, sondern durch andere ausserordent- lich kleine, an der Grenze des Sichtbaren stehende Schizophyten erzeugt werde, welche nicht frei im Blute, sondern (wie die Baeillen in der Pferdemilz) in den weissen Blutkörperchen, in den Zellen der Lymphdrüsen und der Milz versteckt, ihre deletäre Wirkung aus übten, dann müsste man diesen Schizophyten eine noch viel nähere Verwandtschaft mit dem Contagium der Cholera und des Typhus zugestehen. Keine Substanz könnte in der That eine grössere Achn- lichkeit mit dem Contagium dieser Krankheit besitzen, als ein der- artiges Milzbrandcontagium. Bei solchen Betrachtungen regt sich unwillkürlich die Hoffnung, dass auch das Typhus- und Cholera-Contagium in Form von Kugel- bacterien oder ähnlichen Schizophyten aufzufinden sein müsse. Dem 308 stehen jedoch die erheblichsten Bedenken entgegen. Vorausgesetzt nämlich, dass diese Krankheiten von einem belebten Contagium ab- hängen, so muss angenommen werden, dass dasselbe unsern optischen Hülfsmitteln schwer oder gar nicht zugänglich ist, da viele der geüb- testen Mikroskopiker es bis jetzt vergeblich gesucht haben. Sollte ein derartiges Contagium noch gefunden werden, dann würde uns ausserdem, da Typhus und Cholera nicht auf Thiere zu übertragen ist, das einzige Mittel fehlen, um uns stets von der Identität der möglicherweise in ihrer äusseren Gestalt wenig charakteristischen Schizophyten zu überzeugen. Also gerade das, was die Untersuchun- gen über das Milzbrand-Contagium so einfach und so sicher macht, nämlich die unverkennbare Form der Bacillen und die durch Impfung fortwährend über sie ausgeübte Controle, würden für Typhus und Cholera fehlen. Trotzdem dürfen wir uns durch die für manche Krankheiten vorläufig noch unüberwindlich erscheinenden Hindernisse nicht abschrecken lassen, dem Ziele, so weit als unsere jetzigen Hülfs- mittel es zulassen, nachzustreben. Nur darf man nicht, wie bisher, mit dem Schwierigsten beginnen. Erst muss das Naheliegende erforscht werden, was von unseren Hülfsmitteln noch erreicht werden kann. Durch die hierbei gewonnenen Resultate und Untersuchungsme- thoden müssen wir uns dann den Weg zum Ferneren und Unzu- gänglicheren zeigen lassen. Das vorläufig Erreichbare auf diesem Gebiete ist die Aetiologie der infeetiösen Thierkrankheiten und der- jenigen menschlichen Krankheiten, welche, wie Diphtheritis, auf Thiere übertragen werden können. Diese Krankheiten gestatten uns, die für diese Untersuchungen allein nicht mehr ausreichende Kraft des Mikroskops durch das Thier-Experiment zu ergänzen. Nur mit Zuhülfenahme einer so gewonnenen vergleichenden Aetiologie der Infeetionskrankheiten wird es möglich sein, das Wesen der Seuchen, welche das menschliche Geschlecht so oft und so schwer heimsuchen, zu ergründen und sichere Mittel zu finden, um sie fern halten zu können. Wollstein, Grossherzogthum Posen, 27. Mai 1876. Fig. Fig. Fig. Figuren - Erklärung. vumne KRatel'xXT. Entwiekelungsgeschichte von Baecillus. Fig. 1-7 Milzbrandbaeillen (Bacillus Anthracis). Milzbranddacillen vom Blut eines Meerschweinchens; die Baeillen als glashelle Stäbchen, zum Theil mit beginnender Quertheilung oder geknickt, a weisse, b rothe Blutkörperchen (p. 282). Milzbranddaeilien aus der Milz einer Maus, nach dreistündiger Cultur in einem Tropfen Humor aqueus; in Fäden auswachsend, um das 3—Sfache verlängert, zum Theil geknickt und gekrümmt (p. 282). Gesichtsfeld aus dem nämlichen Präparat nach zehnstündiger Cultur; die Bacillen in lange Fäden ausgewachsen, die oft zu Bündeln um einander geschlungen sind; a in einzelnen Fäden erscheinen stärker liehtbrechende Körnchen in regelmässigen Abständen (p. 282). Gesichtsfeld aus dem nämlichen Präparat nach 24stündiger Cultur; a in den Fäden haben sich länglich runde Sporen perlschnurartig in regelmässigen Abständen entwickelt; b manche Fäden sind in Auf- lösung begriffen, die Sporen frei, einzeln oder in Häufchen zusammen- geballt (p. 233). Keimung der Sporen; a mit Hartnack 9 Imm. von Koch, b mit Seibert VIII. Imm. von Cohn gezeichnet (vgl. p. 289). Die Spore verlängert sich in ein walzenförmiges Körperchen, die stark licht- brechende Masse bleibt an einem Pole liegen, wird kleiner, zerfällt in 2 oder mehr Partieen und ist schliesslich ganz verschwunden. Darstellung der Cultur der Milzbranddaeillen in einem hohlgeschliffe- nen, mit einem Deckglas bedeckten, vermittelst Olivenöl ringsum luft- dicht abgeschlossenen und durch einen heizbaren M. Schulze’schen Objecttisch auf Blutwärme erhitzten Objectträger; Natürl. Grösse. Die Baeillen befinden sich in einem Tropfen von frischem Humor aqueus ; schon mit blossen Augen erkennt man die von der Stelle der Aus- saat in den Tropfen hineingewucherten, leicht flottirenden äusserst feinen Fadenmassen (p. 234). Fig. 7. Fig. 8. Fie. 9. Fig. 10. Fig. 11. 310 Gesichtsfeld aus der Umhüllungsschicht eines unter die Rückenhaut eines Frosches gebrachten Stückchens von der Milz einer milzbran- digen Maus; die Schicht besteht aus grossen, kernhaltigen Zellen a; in einzelnen Zellen sind mehrere kurze, etwas geknickte oder ge- krümmte, zu Haufen vereinigte oder spiralig gedrehte Baeillen (b) aufgenommen, welche in den Zellen weiter wachsen und diese zuletzt sprengen; ce zusammengefallene Zellmembranen, g freigewordene Ba- cillenspiralen; e Blutkörperchen des Frosches; auch unveränderte Bacillen sind sichtbar (p. 301). Fig. S-10 Heubaecillen (Bacillus subtilis). Bacillen in lange, parallel neben einander gelagerte Fäden ausge- wachsen, welche ein irisirendes Häutehen auf der Oberfläche eines gekochten Heuaufgusses nach 24—48 Stunden bilden; in den Lacunen der Parallelreihen findet man noch bewegliche kurze (b) oder in Ver- längerung begriffene Stäbchen (a) (p. 262). Sporenbildung in den gegliederten Fäden der Heudaeillen nach 3 Tagen (p. 263). Baeillusfäden bündelweise durch Schleim verbunden und zu krausen Schleimflocken gruppirt; am linken Ende der Zeichnung beginnt die Bildung der Sporenketten in den Fäden (p. 263). Fragment eines Schleimbündels, in welchem sich die Bildung der Sporenketten vollendet und die einzelnen Baeillusfäden undeutlich geworden, die Sporen aber noch in parallelen Reihen geordnet und durch Schleim zusammengehalten erscheinen (p. 264). Die Figuren 1—7 sind nach Milzbrandbaecillen (Baecillus Anthraeis) von Dr. Koch, Fig. $S—11 nach Heudaeillen von Prof. Cohn gezeichnet; vergl. übrigeifs p. 275. Vergrösserung von 1—7, 8 u. 10 = 650 (gezeichnet mit Hartnack Immers. IX), von 5b u. 9 Vergr. 1650 (gezeichnet mit Seibert Immers. VIII), von 11 Vergr. 900 (Seibert VI.). Druck von Robert Nischkowsky in Breslau, ECohn, Beiträge zur Biologte der Pflanzen. D. Frank ad nat.del. band I, Taf Vu. Band IH Taf‘ IH. | Balräige zur Biologie der Pflanzen. R \ nee Nomakomski adnas. del. Dand HI Faf X > ; 0 ar j 2 Ka \ KR Lk } 2 SS nn : j es { ” 2 > Ä\ h \ > 7 | 14 x r > RB I 4 / \ \ | J } x N Ü .) Efohn, Beiträge zur Brologie der Pflanzen. Ber } BEN 4 I: R ©: A °. &’ Fiy.2. Fig. 7. O ®) Pe: h); E K in ad nalt.del. Locr z.C 8 band. Taf Al O 2) Po v oo 0 09 0 0 oh, 0 0. 0,9 o d + o 0 NT, 0° o0 S 0,0 o0 2.00 00 0 09 v 00 o Nr, d, Sr] © HOSNO 0° © o .' oo oo o oo 0 eo o o o 20 od jo 5 3 o In 8 2. ° 0° D > © Ss © 40 > eo Soo.oo + “ o SS eo00o0 > "Soo0oo0 h. Sy, o a RIO & og: SE | Go , L ) hi © Inhalt von Band I. a6 N Heft I. Die AT a. aus der Gattung Synchytrium. VonDr. ; el R J. Schroeter. (Mit Tafel I—IU.) — Ueber die Fäule der Caetusstämme. \ Von H. Lebert und F. Cohn. — Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erd- raupen. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel IV. und V.) — Ueber die Stamm- % | fäule der Pandaneen. Von Dr. J. Schroeter. — Ueber den Brunnenfaden | | (Orenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse ds | Brunnenwassers. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel VI.) Preis 7Mark,. | Heft II. Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. TheophilCiesielski. (Mit Tafel I.) — Ueber die Lage und dieRichtung schwimmender und submerser Pflanzentheile. Von Dr. A. B. Frank. — Ueber \ parasitische Algen. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel II.) — Ueber einige | durch Bacterien gebildete Pigmente. VonDr. J. Schroeter. — Untersuchun- | gen über Bacterien. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel III.) Preis 9 Mark. | Heft III. Entwicklungsgeschichte einiger Rostpilze. VonDr. J.Schroe- ter. — Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Ver- dunstung entgegensetzen. Von Dr.L. Just. — Prüfung einiger Desinfeetions- mittel durch Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Schroeter. — Ueber die einseitige Beschleunigung des Aufblühens einiger kätzchenartigen Inflorescenzen durch die Einwirkung des Lichtes. | Von Dr. A. B. Frank. —:Ueber die Function der Blasen von Aldrovanda und Dtrieularia von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel I.) — Die Entwickelungs- ee der Gattung Volvox. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel II.) ntersuchungen über Pythium Equiseti. Von Dr. Richard Sadebeck. (Mit Tafel III. und IV.) — Untersuchungen über Bacterien. I. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel V. und VI.) — Untersuchungen über Bacterien. ' UI. Beiträge zur Biologie der Bacterien. 1. Die'Einwirkung verschiedener ‘ Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Eidam. Preis 11 Mark. Inhalt von Band Il. Ce Heft I. Zelle und Zellkern. Bemerkungen zu Strasburger’s Schrift: „Ueber Zellbildung und Zelitheilung.“ Von Dr. Leopold Auerbach. — Anatomie der vegetativen Organe von Dionaea muscipula Ell. Von Dr. A. | Fraustadt. (Mit Tafel I—-III.) — Ueber die Entwickelung und die syste- | matische Stellung von Tulostoma Pers. Von Dr. J. Schroeter. — Beitrag zur Kenntniss der Ohytridiaceen. Von Dr. Leon Nowakowski. (Mit Tafel IV— VI.) — Bemerkungen über Organisation einiger Schwärmzellen. Von Dr, Ferd. Cohn. Preis 7 Mark. | Heft II. Ueber die biologischen Verhältnisse des Thallus einiger Krusten- flechten. Von Dr. A. B. Frank. (Mit Tafel VII). ’ Beitrag zur Kenntniss der Chytridiaceen. Von Dr. Leon Nowa- kowski. II. Polyphagus Euglenae, eine Chytridiacee mit ge- | ‚ ‚schlechtlicher Fortpflanzung. (Mit Tafel VIH. und IX.) . . . 201 \ Die Keimung der Sporen und die Entstehung der Fruchtkörper bei | den Nidularieen. Von Dr. Eduard Eidam. (Mit Tafel X.) . 221 | Untersuchungen über Bacterien. IV. Beiträge zur Biologie der Ba- eillen. Von Dr. Ferdinand Cohn (Mit Tafel XL). . . . Untersuchungen über Bacterien. V. Die Aetiologie der Milzbrand-Krank- heit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthra- eis. Von Dr. Koch, Kreisphysikus in Wollstein. (Mit Tafel XI.) 277 Preis 10 Mark. Bi Druck von Robert Nischkowsky in Breslau. | Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben Dr. Ferdinand Cohn. m Zweiter Band. Drittes Heft. Mit fünf Tafeln. BI Breslau 1877. J. U. Kern’s Verlage (Max Müller). Beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben Dr. Ferdinand Cohn. Zweiter Band. Drittes Heft. Mit fünf Tafeln, u Breslau 1877. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). 2 i Aa. Mer Vi En ! wi: 27H Kr Tape ER N, Bi au, De Inhalt des dritten Heftes. Seite, Ueber die Einwirkung höherer Temperaturen auf die Erhaltung der Keim- fähigkeit der Samen. Arbeiten aus dem pflanzenphysiologischen Institut am Polytechnikum zu Carlsruhe. II. Von Dr. L. Just . .sıl Bemerkungen und Beobachtungen über einige Ustilagineen. Von Dr. J. Schroeter. (Mit Tafel XII) . . 349 Ueber zwei neue Entomophthora-Arten. Von Professor N. Sorokin. (Mit Tafel XIII.) . . 387 Untersuchungen über Bacterien. VI. Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der Bacterien. Von Dr. Koch. (Mit drei Tafeln, Photogramme in Lichtdruck, XIV. XV. XVL). . 39 Nachtrag zu den Bemerkungen über einige Ustilagineen. Von Dr. J. Schroeter. . 435 abe "Up Zu -’ % u 2 q E - N wi L PR. 2. Ir De ri‘ v PrN De TE re 5 " € = > “ w nur . y 25 ax \ » r » " Gi #, En Ma h Pr E Mn u, ai £ 4 u 4; a9aNsH nsiinh aab Nadal gt =» fair y rar | " ı nerirngia MITauN nF Ah. enhlvend ) ” Mia Wr misulnte% . { in Hr sun ana naar I yi io h N : Barum E 199,.IE SR (dr en L ui af hai Im’ wi 4 ıngnnldandostl that arg IE IN »r i Ve H EI bin Hi Bieten Le di Hidıarıen Vi aaa i.ın97 uni Hrlhkfı sic, srl ud Un i EeU>ıE IR OR Ki riet rd un mrdan 2 N mitrisatz ld none 4 cr inf Mn rmaeib urvilunmslud Diez mar i IF N Er f 1 Ba ei, la ung aa 52 u f Br, ul un? braun 34 ale md an une, ale” I » r Au nf 1 into 3 - Pan “ > [2 j P) url D i “ D nu ‚ar j Ar A 4 r & = ie. 1 d y ’ \ DRIN EG, Ueber die Einwirkung höherer Temperaturen auf die Erhaltung der Keimfähigkeit der Samen. Arbeiten aus dem pflanzenphysiologischen Institut am Polytechnikum zu Carlsruhe. LH. Von Dr. L. Just. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die meisten saftigen Pflan- zentheile durch eine Lufttemperatur von 51° C. in einer Zeit von 10—30 Minuten getödtet werden, während für die Abtödtung in Wasser eine Temperatur von 45—46° C., die durch 10 Minuten einwirkt, hinreicht. Eine sorgfältige Bearbeitung dieser Frage ver- danken wir Sachs!). In der eitirten Abhandlung von Sachs ist auch die betreflende Literatur angegeben, weshalb ich hier auf jene Zusammenstellung hinweise. Ganz anders wie saftige, in voller Lebensthätigkeit stehende Pflanzentheile verhalten sich Organe, die Ruhezuständen des pflanz- lichen Lebens entsprechen — insbesondere Samen. Ich habe im Winter 1875/76 und 76/77 eine Reihe von Ver- suchen angestellt, welche die Frage betrafen: welche Temperaturen können Samen ertragen ohne ihre Keimfähigkeit einzubüssen? Die * Untersuchungen wurden mit Gerste und Hafer angestellt. Bei einem Theil der Versuche war mir Herr Dr. Lenz, jetzt Assistent am pharmaceutischen Institut des Herrn Professor Fresenius in Wies- baden, behilflich. Bevor ich über die angestellten Versuche berichte, will ich die hierher gehörige Literatur, soweit mir dieselbe zugänglich war, 1) J. Sachs, Ueber die obere Temperaturgrenze der Vegetation. — Flora 1864. S. 5. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band IL, Heft UL 2 312 anführen. Die vielfachen Angaben über höhere Temperaturen, welche Sporen von Pilzen, Bacterien ertragen können, übergehe ich. Ueber Erwärmung von Samen liegt eine ganze Reihe von Unter- suchungen vor, in denen diese Frage mehr oder weniger eingehend, auch von verschiedenen Gesichtspunkten aus, behandelt wird. F. Nobbe behandelt diese Frage in seinem Handbuch der Samen- kunde 8. 226 auf Grund der vorhandenen Literatur. Die von Nobbe eitirte Schrift von M. Fleischer: Beiträge zur Lehre vom Keimen der Samen, war mir leider nicht zugänglich. Nobbe theilt auch mehrere Fälle mit (223), in denen es gelang, Samen nach einem Aufenthalt in kochendem Wasser keimfähig zu erhalten. Es gelingt dies jedoch nur bei solchen Samen, die während des Siedens nicht aufquellen, bei denen also das Wasser nicht in das Innere dringt. Fiedler!) machte nach Sachs’ Angaben und unter dessen Leitung eine Reihe von Versuchen, bei denen Erbsen, Roggen, Linsen, Gerste, Mais, theils in Iufttrockenem Zustand, theils nach vorangehender Quel- lung durch 24 Stunden, durch je eine Stunde bei verschiedenen Temperaturgraden erwärmt wurden. Es zeigte sich, dass von den lufttrockenen Samen nur Weizen noch eine Temperatur von 70—72° ertrug, aber auch nur mit bedeutender Schädigung der Keimfähig- keit. (Von 100 Samen keimte einer.) Gerste büsst schon mit 65° ihre Keimfähigkeit ein. Nach vorheriger Quellung ertragen nur noch Erbsen eine einstündige Erwärmung auf 53—54°, die Mehr- zahl der Erbsen wird jedoch bei dieser Temperatur schon getödtet. (Von 100 Samen keimten 20.) Gerste stirbt schon mit 51° C. Edwards und Colin?) setzten Samen von Hülsenfrüchten und Getreide der Einwirkung von Wasserdämpfen aus, welche 62° C. und 75° C. besassen. Bei 62° C. war nach 15 Minuten nur die kleinere Hälfte getödtet; bei 72° C. hingegen hatten alle Samen ihre Keimfähigkeit eingebüsst. Für Getreidearten, Hülsenfrüchte genügte schon eine längere Zeit andauernde Einwirkung von warmem Wasser von 35° C., um die Samen zu tödten. In feuchtem Sand ertragen sie längere Zeit 45° bis 60° ©. | Pouchet’°) fand, dass Samen, die in der ungewaschenen brasi- lianischen Schafwolle sich befanden, zum Theil noch keimten, wenn !) Sachs, Experimentalphysiologie S. 66. 2) M&m. de l’acad. des sciences naturelles II. Ser. 1. 1834. — Die Origi- nalabhandlung stand mir nicht zur Verfügung, ich eitire daher nach Nobbe’s Handbuch der Samenkunde S. 228. 3) Compt. rend. Bd. 63. S. 939. 313 “ die Wolle vier Stunden hindurch zum Zweck der Reinigung mit sie- dendem Wasser behandelt worden. Es handelte sich zumeist um Medicagosamen. Bei Versuchen, die nun mit andern Mediecagosamen vorgenommen wurden, stellte sich heraus, dass nach längerem Kochen dieser Samen sich stets einzelne fanden, in die das Wasser nicht eingedrungen war. Diese Körner hatten ihre Keimfähigkeit zumeist behalten, während die anderen aufgequollenen, getödtet waren. Bei Versuchen mit andern Samen konnte ein analoges Verhalten nicht festgestellt werden. Nobbe') bestätigte diese Erfahrung. H. Hoffmann’) liess Samen (mit den Steinhüllen) von Brombeere und Himbeere durch einige Stunden in siedendem Wasser verweilen, konnte aber nach dieser Behandlung niemals, nachdem die Samen in Erde ausgesäet waren, eine Keimung beobachten. Wiesner?) theilt in einer Abhandlung: „Ueber den Einfluss hoher Temperaturen auf die Keimfähigkeit einiger Samen“ mit: dass die Samen einiger Nadelhölzer eine Erwärmung auf 70° C, ertra- gen ohne die Keimfähigkeit zu verlieren. Einer vorherigen Trock- nung waren diese Samen nicht ausgesetzt. Wiesner beobachtete auch, dass in der Mehrzahl der Fälle die erwärmten Samen schnel- ler keimten als die nicht erwärmten. Haberlandt F.*) fand im Jahre 1863, dass Samen unter gün- stigen Umständen, d. h. wenn sie sehr trocken sind, eine 48 stündige Erwärmung auf 100° ertragen, ohne getödtet zu werden. Der in Rede stehende Versuch wurde mit 88 Arten und Varietäten unserer Culturpflanzen aus 17 Familien ausgeführt und von jeder Art 20 Samen- körner entnommen. Die Samen gehörten den nachstehend genannten Familien an: Gramineen (28 Arten), Ziliaceen (3), Chenopodiaceen (2), Poly- goneen (1), Urticeen (1), Compositen (4), Labiaten (1), Ranuncu- laceen (1), Solaneen (2), Fubiaceen (1), Voniferen (8), Papaveraceen (1), Zineen (1), Umbelliferen (7), Cucurbitaceen (4), Sanguisorbeen (1), Papilionaceen (18). — 1) Versuchsstationen 15. S. 262. — Handb. der Samenkunde S. 228. 2) Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung. Neue Reihe. Jahrgang 44. — 1868. — S. 36. 3) Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. Bd. 64. I. Abtheilung S. 426. 4) Allgem. land- und forstw. Zeit. I. Bd. 1863, p. 359 ff. Ich entnehme dieses Citat, da mir das Original nicht zur Verfügung stand, der Abhandlung v. Höhnels: „Welche Wärmegrade trockene Samen ertragen ohne ihre Keim- fähigkeit zu verlieren,“ in Wiss, praktische Untersuchungen auf dem Gebiet des Pflanzenbaues II. S. 79, 21* 314 Die verschiedenen Species zeigten gegen den Einfluss der hohen Temperatur eine verschiedene Widerstandsfähigkeit. Während bei einer Temperatur von 100° C. eine grössere Zahl von Arten ihre Keimfähigkeit einbüsste, wurde bei der Einwirkung einer Tempera- tur von 56 oder 75° C. kein schädlicher Einfluss bemerkbar. Viele Samen keimten jetzt sogar früher als nicht erwärmte. — Diese Haberlandt’schen Versuche ergeben ferner die That- sache, dass eine vorsichtige und allmähliche Erwärmung lufttrocke- ner Samen auf 56°—87,5° C. im Allgemeinen eine Verkürzung der Keimdauer zur Folge hate. Nimmt man nämlich aus allen Beobachtungen die Mittel, so erhält man für Erwärmungstem- peraturen von: 37,5° C. 56°C. 75° C. 87,5° C. 100° C. durch je 48 Stunden, eine mittlere Keimdauer von: 5,45. 5,2. 5,2. 5,03. 7,47 Tagen. Wie man sieht, nimmt die Keimdauer im Allgemeinen ab; erst bei einer dauernden Erwärmung auf 100° C. tritt eine bedeutende Verspätung ein, die nach Haberlandt möglicherweise zum Theil durch eine ausserordentliche Verhärtung von Samen- und Frucht- häuten bedingt ist. Krasan') machte Untersuchungen über die Temperaturen, die der Weizensamen ertragen kann, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren. Er fand: Starke Austrocknung der Samen unter dem Einfluss von Chlorcal- cium bei gewöhnlicher Temperatur, hat keinen schädlichen Einfluss auf die Keimung. Getrocknete Samen ertrugen die Erwärmung um so leichter, je sorgfältiger die Austrocknung war. Die Samen büss- ten, bei sehr sorgfältiger Austrocknung, auch durch eine Temperatur von 100° C, ihre Keimfähigkeit nicht ein, zeigten aber doch eine Schädigung, die sich durch bedeutende Verzögerung des Eintritts der Keimung kundgiebt. Kr. stellte auch Beobachtungen über die Ent- wicklung der Keimpflänzchen an, und fand, dass dieselben, gegenüber normalen Pflanzen, sich um so langsamer entwickelten, je höher die bei der Erwärmung der Samen angewendete Temperatur war. Das Würzelchen blieb am meisten im Wachsthum zurück. Ueber die Temperatur von 100° C. wurden diese Untersuchun- gen nicht fortgesetzt. Eine Beschleunigung der Keimung bei den erwärmten Samen hat K. nie beobachtet. 1) Sitzungsb. der Wiener Akademie der Wissenschaften, Wien 1873. LXVIIL. Bd., I. Abth. p. 195. In den Sitzungen der botanischen Section der Naturforscher- Versammlung zu Breslau!) hielt ich einen Vortrag über die Einwir- kung höherer Temperaturen auf die Keimfähigkeit der Samen von Trifolium pratense. — Ich hatte festgestellt, dass die Samen bei einer Temperatur, die oberhalb 39° C. liegt, nicht mehr keimen. Samen, die in dunstgesättigter Atmosphäre einer Temperatur von 75° C. durch eine Stunde ausgesetzt waren, büssten ihre Keimfä- higkeit, ein. Es kommt hierbei auf die Dauer der Einwirkung an, so dass solche Samen, die durch 48 Stunden eine Temperatur von nur 50° C. in dunstgesättigter Luft ertragen hatten, nicht mehr keimten. Samen, die vor und während des Erwärmens sorgfältig getrocknet wurden, büssten erst nach Einwirkung einer Temperatur von 120° C. ihre Keimfähigkeit vollkommen ein, während sie Tem- peraturen, die unterhalb 120° C. lagen, ertrugen. Es handelte sich hierbei um Temperatureinwirkungen durch 3—2 Stunden. Unter allen Umständen zeigt sich, dass Samen, die einer hohen Tempera- tur ausgesetzt waren, meist langsamer und in geringerer Anzahl keim- ten, als solche, die eine niedere Temperatur ertragen hatten. Je sorgfältiger die Trocknung, desto geringer die Schädigung durch die hohe Temperatur. Jedoch kann man auch durch die sorgfältigste Trocknung eine sehr bedeutende Schädigung durch Temperaturen über 100° C. nicht beseitigen. Samen von Trifolium pratense, die sehr sorgfältig getrocknet und auf 100 und mehr Grad erwärmt waren, zeigten eine grössere Schädigung, wenn ihnen das für die Keimung nöthige Wasser schnell, während sie noch heiss waren, gegeben wurde, als wenn sie dasselbe langsam erhielten. Es ent- spricht dies ähnlichen Vorgängen, die man an Pflanzen, die Frost- wirkungen unterlagen, beobachtete. v. Höhnel?) erwärmte Samen verschiedener Arten auf höhere Temperaturen und kam zu folgenden Resultaten: 1) Die meisten Samen können eine einstündige Erwärmung auf 110° C. durchmachen, wenn sie nur hinreichend trocken sind. 2) Die Maximaltemperatur, bis zu welcher Samen wenigstens 15 Minuten erwärmt werden können ohne ganz ihre Keimfähig- keit zu verlieren, liegt zwischen 110° und 125° €. Im Uebrigen beweisen die Höhnel’schen Versuche, dass die 1) Botan. Zeitung 1875. S. 52. 2) v. Höhnel. Welche Wärmegrade trockene Samen ertragen, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüssen. — Untersuchungen auf dem Grebiet des Pflanzen- baues, herausgegeben von F. Haberlandt. Bd: 1.°S: 77. 316 Schädigung der Samen um so grösser ist, je weniger sorgfältig die Trocknung stattfand. Die Schädigung giebt sich immer durch gerin- gere Keimfähigkeit und Verlängerung der Keimdauer kund. — Höhnel macht sehr richtig darauf aufmerksam, „dass es nicht statthaft ist, einen bestimmten Temperaturgrad als Grenzwerth für eine bestimmte Art anzugeben, da ein solcher nur für ein bestimmtes Samenindividuum gilt, nicht aber für eine ganze Art, oder gar für alle Arten. Jene Individuen derselben Art, welche die längste Keim- dauer haben, sind ihrem Tode am nächsten und werden auch unter den gewöhnlichsten Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen zuerst zu Grunde gehen, und daher auch bei geringeren Hitzegraden erliegen. Es finden zwischen den in allen Theilen bereits todten Samen und den ganz gesunden alle möglichen Uebergänge statt.“ Es ist auch wohl sicher, dass Samen derselben Art, die unter verschiedenen klimatischen Verhältnissen, überhaupt unter verschie- denen Vegetationsbedingungen entstanden sind, sich in ihrer Wider- standsfähigkeit gegen Erhitzung verschieden verhalten. Höhnel berücksichtigte auch die von mir angeregte Frage, ob stark getrocknete und erhitzte Samen bei schneller oder langsamer Wasserzuführung sich verschieden verhalten. Ich komme auf diesen Punkt weiter unten zurück. Eine Beschleunigung der Keimung durch Erwärmung, wie sie von Haberlandt und Wiesner beobachtet wurde, konnte Höhnel in einzelnen Fällen auch constatiren, ohne jedoch „diesen schwer verständlichen Vorgang damit näher beleuchten zu können.“ Bei der Er- wärmung befanden sich die Samen in den Höhnel’schen Versuchen in geschlossenen Reagenzgläsern. Die Samen wurden, was gewiss sehr vortheilhaft ist, mit feinen Messingfeilspähnen umgeben, damit ihre vollkommnere Erwärmung rascher vor sich gehen konnte. Haberlandt') stellte Versuche über die Frage an, welchen Einfluss die Temperatur des Quellungswassers auf die Keimfähigkeit hat. Die Untersuchungen wurden mit Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Hirse, Mohar, Moorhirse, Hanf, Buchweizen, Zuckerrüben, Lein, Rothklee, Luzerne, Fisolen, Erbsen, angestellt. Für jeden Einzel- versuch kamen 100 Samen zur Verwendung. Die Versuche wurden in zweierlei Richtung angestellt, indem die Samen entweder direet in das auf eine bestimmte Temperatur gebrachte Wasser kamen, und 1) Haberlandt, Fr. Der Einfluss des Quellungswassers verschiedener Temperaturen auf die Keimfähigkeit der Samen. Wissenschaftl. prakt. Unter- suchungen ete. Bd. Il. S. 47. 317 dieser constanten Temperatur dann durch 5—10 Stunden unterlagen, oder indem sie erst 24 Stunden in Wasser von 12—15° C, gehalten wurden und dann in das Wasser von bestimmter Temperatur kamen. Die Temperaturschwankungen des Wassers betrugen 30, 40, 50, 55° C, — Die Temperaturen von 30—40° C, wirkten durch 10 Stun- den, die höhern Grade durch 5 Stunden. Von den Hauptgetreide- arten kamen die Körner sowohl durch 5 wie durch 10 Stunden in den Wärmkasten. Haberlandt!') hatte in einer frühern Arbeit die höchsten Kei- mungstemperaturen für eine Reihe von Samen festgestellt. Bei den oben erwähnten Versuchen stellte sich nun heraus, dass die Tempera- tur des Quellungswassers, ohne die Samen zu tödten, höher sein konnte als die höchste Keimungstemperatur. Für Weizen z. B. liegt die Grenze der Keimungstemperatur zwischen 31° C. und 37° C., wäh- rend nach zehnstündigem Einquellen des Weizens in Wasser von 50° C. noch 62% keimen. Es kommt hierbei also lediglich auf die Dauer der Einwirkung an, denn Wasser von wenig mehr als 37° C. tödtet die Samen, wenn es durch eine so lange Zeit einwirkt, wie sie die Samen unter gewöhnlichen Bedingungen von der Aussaat in das feuchte Keimbett, bis zum Beginn der Keimung brauchen. Dies beweisen auch schon die oben erwähnten Untersuchungen von Edwards und Colin. Ferner zeigt H., „dass sich die nachtheilige Wirkung des warmen Quellungswassers bei jenen Samen, die vor der Einbringung in das warme Wasser noch durch 24 Stunden in Wasser von gewöhnlicher Zimmertemperatur eingeweicht waren, durchgehends in viel höherem Grade geltend macht, als bei jenen, welche eine solche vorherge- hende Quellung nicht erfahren hatten.“ „Die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Arten gegen die schädigenden Einflüsse ist eine verschieden grosse und bei den ein- zelnen Versuchen wechselnde.‘ Ferner untersuchte H., „ob für manche Samen auch die Einwir- kung des Quellungswassers von gewöhnlicher Temperatur von Belang sei. Die Versuche wurden mit den Samen der Hauptgetreidearten so angestellt, dass je 100 Körner ohne vorausgehende Quellung, je 100 nach 24 stündiger Quellung in kaltem und lauwarmem Wasser zur Keimung angestellt wurden. Die einzuquellenden Körner wurden in offenen Bechergläsern theils in einem ungeheizten Zimmer, theils !) Landw. Versuchsstationen B. 17. S. 104. 318 in einem Wärmkasten, bei einer constanten Temperatur von + 3° C. und + 18—20° C. in destillirtem Wasser eingeweicht. Die Versuche zeigten, dass Weizen, Roggen, Rispenhirse, Mais, Reis, gar nicht oder kaum merklich durch das Einquellen in ihrer Keimfähigkeit alterirt wurden, während sich ein entschieden schädlicher Einfluss bei Gerste und Hafer geltend machte. Gerste leidet mehr als Hafer, der nur im bespelzten Zustand sich geschädigt zeigt. Der nachtheilige Einfluss steigert sich mit der Temperatur.“ Haberlandt giebt nicht an, wie hoch die Wassersäule war, die in den Bechergläsern über den eingequellten Samen stand. Ich glaube aber, dass hierauf sehr viel ankommt, denn je höher die Wassersäule, um so weniger Sauerstoff werden die Samen während der Quellung erhalten und dieser Sauerstoffmangel dürfte schon an sich eine Schädigung der Keimfähigkeit veranlassen. Wenigstens habe ich bei den Untersuchungen in der hiesigen Samenprüfungsan- stalt wiederholt die Erfahrung gemacht, dass solche Samen, die bei der, vor dem Eintragen in den Keimapparat vorgenommenen Quel- lung mit einer Wasserschicht von 4—6 Centimeter Höhe bedeckt waren, schlechter keimten als Samen derselben Probe, die nur unter einer Wasserschicht von 3—1 Centimeter lagen. Der Mangel an Sauerstoff dürfte auch bei den oben erwähnten Versuchen H.’s die schädigende Wirkung des warmen Wassers unter- stützt haben, da die Einquellung in zugestöpselten Pulvergläsern vor- genommen wurde. Solche zugestöpselten Gläser wurden den offe- nen vorgezogen, weil es bei denselben der Verdunstung wegen nicht möglich war, eine constante Temperatur des Wassers zu erhalten. „Beim Mais bewirkte der Aufenthalt in warmem Wasser von 30 und 40° C., durch 5 und 10 Stunden eine Beförderung der Keim- fähigkeit, selbst dann, wenn der Einwirkung des warmen Wassers eine 24 stündige Einquellung vorausging.“ Haberlandt') stellte für eine Reihe von Samen fest, dass bei denselben die Keimung um so rascher eintritt und um so schneller verläuft, je jünger die Samen sind. Am schnellsten verlor Roggen seine Keimfähigkeit, auch Weizen zeigte schon nach wenig Jahren eine bedeutende Verminderung seiner Keimkraft, am längsten blieb Hafer keimfähig. — 1) Allgem. land- und forstwirthschaftliche Zeitung 1861, S. 261. — Jahres- bericht über die Fortschritte auf dem Gesammtgebiet der Agriculturchemie B; Ar. Sen: 319 Haberlandt hat auch ausführliche Untersuchungen über die Dauer der Erhaltung der Keimfähigkeit verschiedener Samen gemacht !), Die Samen” erhielten ihre Keimfähigkeit um so länger, je trocke- ner sie aufbewahrt waren. Die Versuche erstreckten sich über einen Zeitraum von 10 Jahren. Ueber diese Frage veröffentlichte auch Nie, Dimitrieviez?) eine Abhandlung, die die von Fr. Haberlandt gewonnenen Resul- tate bestätigte. D. arbeitete mit 21 Samenarten, die ein Alter von 6—12 Jahren hatten und die seiner Zeit von Haberlandt aufbe- wahrt worden waren. Die letzten Abhandlungen, die direet mit der hier behandelten Frage nichts zu thun haben, habe ich in dieser Zusammenstellung der einschlägigen Literatur deshalb berücksichtigt, weil die Erschei- nungen, die bei erwärmten Samen sich geltend machen, sehr viel Aehn- lichkeit mit denjenigen haben, die man an den durch lange Zeiten hindurch (Jahre) unter verschiedenen Bedingungen bei gewöhnlicher Temperatur aufbewahrten Samen beobachtet. W. Velten?) veröffentlichte eine Abhandlung über die Folgen der Einwirkung der Temperatur auf die Keimfähigkeit und Keim- kraft der Samen von Pinus Picea, Du Roi. — V. unterscheidet zwischen Keimfähigkeit und Keimkraft. Unter Keimfähigkeit (Keim- vermögen) versteht er „das Verhältniss des Keimprocentes für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit, während welcher ein Same den Keimungsbedingungen ausgesetzt ist, gleichviel ob derselbe in einer gewissen Zeit einen grossen oder kleinen Keimling zum Vorschein kommen lässt.“ „Die Keimkraft (Keimungsenergie) hingegen wird daraus abgeleitet, ein wie grosses Volumen oder Gewicht oder welche Länge ein ausgewachsener Embryo für eine gegebene Zeit besitzt.“ Diese Definition für Keimkraft ist keineswegs ganz zutreffend. Bei gleicher Keimungsenergie können sicherlich Volumen und Gewicht zweier Keimpflanzen sehr verschieden ausfallen, wenn die ursprüng- lichen Samen nicht ganz gleichartig sind. Man muss jedenfalls Samen voraussetzen, bei denen das Verhältniss zwischen dem Gewicht des Embryos und der Reservestoffe durchaus dasselbe ist, in denen 1) Die Keimfähigkeit der Getreidekörner, ihre Dauer und die Mittel ihrer Erhaltung. Wiener landw. Zeitung 1873, S. 126. — Botanischer Jahres- bericht I. S. 259. 2) Fr. Haberlandt, Wissenschaftlich-praktische Untersuchungen auf dem Gebiet des Pflanzenbaues, Bd. I. S. 98. 3) Sitzungsbericht der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. 74, II. Abth. 320 überdies die Gewichte der Embryonen sowohl wie der Reservestoffe gleich sind, in denen endlich Embryonen und Reservestoffe von durch- aus gleicher Beschaffenheit, gleicher Entwickelung sind. Man wird mit einiger Sicherheit Samen, die diesen Anforderungen entsprechen, erhalten, wenn man dieselben zu gleicher Zeit von derselben Pflanze erntet und ausserdem nur solche von möglichst gleicher Beschaffen- heit und besonders von gleichem Gewicht verwendet. Ferner wird man einen Ausdruck für die Keimungsenergie nicht von einer einzelnen Keimpflanze herleiten dürfen, sondern hierzu besser ein Durchschnitts- resultat, das sich aus der Verwendung einer grösseren Anzahl von Keimpflanzen ergiebt, verwenden. Endlich ist es nicht zweekmässig, wie in obiger Definition geschehen, ganz allgemein vom Gewicht der Keimpflanzen zu sprechen; die Hauptsache ist jedenfalls das Trocken- gewicht. Dass man, um überhaupt einen brauchbaren Vergleich zwischen zwei Keimpflanzen anstellen zu können, im Stande sein muss, die Vegetationsbedingungen, unter denen die Pflanzen erzogen werden, vollkommen zu übersehen, ist selbstverständlich. Velten benützte dann zur Bestimmung der Keimungsenergie lediglich die Volumengrössen der Keimpflanzen, da brauchbare Gewichts- bestimmungen wegen der stattfindenden Verdunstung schwer durch- führbar waren, und Längenmessungen nicht gut brauchbar sind, da gleich lange unter gleichen Verhältnissen erwachsene Keimpflanzen „dick und dünner sein können.“ V. machte übrigens bei dieser Gelegenheit selbst einen Theil der obigen Erwägungen. Die von V. verwendeten Samen waren von demselben Standorte zu gleicher Zeit geerntet. Die Samen wurden ohne vorherige Aus- troeknung durch 4 Stunden Temperaturen von 40, 45, 50, 55, 60, 65, 70, 75, 80, 90, 100° ©. ausgesetzt, dann bei einer Temperatur von 24° C. durch 24 Stunden eingequellt, und endlich in Keimap- parate gebracht, die in einem Thermostaten standen, in welchem con- stant eine Temperatur von 24° C. herrschte. Die Keimversuche wurden, um die durch das Licht veranlassten Differenzen im Volu- men auszuschliessen, alle im Dunkeln angestellt. Die Versuche wur- den stets auf eine Zeit von 14 Tagen ausgedehnt. Ein Same wurde als gekeimt angenommen, wenn er, horizontal gelegt, an seiner aus- tretenden Wurzelspitze eben die Wirkung der Schwerkraft durch eine schwache Krümmung nach abwärts verrieth. Ich halte die Zeit von 14 Tagen für Keimversuche mit Samen von Nadelhölzern für viel zu kurz, denn es ist keineswegs richtig, dass die nach 14 Tagen noch keimenden Samen, „ausgesprochen leidend“ sind. Samen, die länger als 14 Tage in den Keimappara- 321 ten liegen, werden freilich leicht von Pilzen befallen, wenn man die Samen aber möglichst gegen das Verschimmeln schützt (Kei- mung in Erde), so erwachsen aus Samen, die selbst erst nach mehreren Wochen anfangen zu keimen, noch durchaus gesunde und normale Pflanzen. : Bei den Volumenbestimmungen benutzte V. die Keimpflanzen mit den Samenresten (Schalen). Nun ist es mir aber nach eigenen Versuchen sehr wahrscheinlich, dass die Aufquellungsfähigkeit der Samenschalen durch Erhitzen der Samen nicht unbedeutend ver- mindert wird. Wenn V. somit an den aus erhitzten Samen erzo- genen Keimpflanzen geringere Volumina beobachtete als an den aus den nicht erhitzten Samen gewonnenen Pflanzen, so ist jeden- falls ein Theil dieser Volumendifferenz auf die erwähnte geringere Quellungsfähigkeit der Schalen zurückzuführen. Immerhin aber werden die von V. vorgenommenen Volumenbestimmungen noch geeignet sein, uns wenigstens eine Vorstellung von der Grösse der Keimungsenergie in den ersten Stadien der Keimung zu geben. „Eine erste Versuchsreihe ergab nun, dass mit Erhöhung der Temperatur das Keimvermögen allmählich abnimmt, dass durch eine einstündige Erwärmung auf 80° C. der Nullpunkt der Keimfähig- keit fast erreicht ist. Die erwärmten Samen keimten fast durch- gehends langsamer als die unerwärmten. Ein #stündiges Erhitzen auf 40 bis 45° C. hatte kaum einen Einfluss auf die Keimfähigkeit.“* „Die Volumenbestimmungen ergaben, dass nicht nur das Kei- mungsvermögen, sondern auch die Keimkraft mit Erhöhung der Tem- peratur abnimmt, bis sie sich schliesslich dem Werthe Null nähert. Die Abnahme des Volumens erfolgt allmählich, man kann sagen pro- portional der Zunahme der Temperatur.“ Die von V. mitgetheilten Zahlen zeigen diese Proportionalität keineswegs. Bei der Temperatursteigerung von 55—60° C. fiel das Volumen von 3,7 auf 3,4, = 60—65° O0. =: : - a0, 3,44 423,05 265 40° 0... = : 1,0, 075° C = = 2 Ey Sa m N Die Volumina beziehen sich auf je 100 Keimpflanzen. „Die Abnahme des Keimvermögens und der Keimkraft erfolgt in Folge der Erwärmung nicht in demselben Verhältniss.“ Bei einer zweiten Versuchsreihe ergaben sich im Allgemeinen ähnliche Resultate, aber es zeigte sich mit der Erhöhung der Tempe- ratur ein wiederholtes Steigen der Keimzahl, wenn auch die der unerwärmten Samen nicht erreicht wurde. Bei Berücksichtigung der 322 Volumina der gekeimten Samen zeigte sich jedoch‘, dass die Keim- kraft mit der Erhöhung der "Temperatur allmählich abnimmt. Bei den geringen Differenzen, die sich bei dieser zweiten Ver- suchsreihe ergaben, ist mir jedoch die Berechtigung jenes Schlusses sehr zweifelhaft. Ich führe hier die V.’sche Tabelle an, in der t = Temperatur, v. = Volumen ist. Die Volumina beziehen sich wieder auf | | t. v | 100 Pflanzen. Die höchste beobachtete \ Differenz beträgt nur 0,4 Cem., eine Diffe- 0° 0. 2,6. | renz, die wohl ebenso leicht durch eine 40 = 2,7. Abnahme in der Quellungsfähigkeit der 50 - 2,7. Samenschalen, wie durch eine verminderte 60 = 2,3. Keimungsenergie hervorgebracht sein kann, WW : 2,2. Sehr interessant sind einige weitere 80 = 1,8. | Untersuchungsresultate, die V. mittheilt. Fichtensamen, die im Winter nach der Ernte zur Keimung gebracht wurden, zeigten ein sehr geringes Keimprocent, während dieselben Samen im nächstfolgenden Sommer zur Keimung gebracht, eine sehr grosse Keimfähigkeit zeigten. Dieselben Samen nun, die im Winter jene geringe Keimfähigkeit zeigten (21%) wurden durch Erwärmung auf 55° C. durch 3 Stunden 21 Minuten zu einer sehr grossen Keimfähigkeit gebracht (97%). Veränderungen, die also unter natürlichen Verhältnissen die Länge der Zeit und die höhere Sommer- temperatur ganz allmählich hervorbringt, wurden durch den Einfluss einer Temperatur von 55° C. schnell bewirkt. Es wäre sehr wichtig zu untersuchen, ob bei irgend welchen anderen Samen sich ähnliche Erscheinungen geltend machen. Höchst wahrscheinlich sind wohl durch dieses Verhalten die von einigen Autoren mitunter beobachteten Thatsachen zu erklären, bei denen durch eine nicht zu weit getrie- bene Temperaturerhöhung nicht, wie gewöhnlich, eine Schädigung der Keimfähigkeit eintrat, sondern vielmehr eine Beförderung der- selben. (Vergleiche oben S. 313. 314. 316.) Ebenso wie die Keim- fähigkeit hatte auch die Keimkraft bei den im Winter auf 55° C. erwärmten Samen sehr zugenommen. Ich halte übrigens für möglich, dass diese ganze Erscheinung darauf zurückzuführen ist, dass die Samen durch längeres Liegen, Risse in den Samenschalen bekommen und somit leichter aufquellen und keimen. Eine derartige Beförderung des Aufquellungsvermögens wird auch leicht durch Erwärmung erzielt werden können. — Samen, die im Winter, also kurze Zeit nach der Ernte, zu den Keimver- suchen verwendet werden, haben jedenfalls noch eine sehr dichte 323 und wenig rissige Samenschale, die bei den Samen der Fichte ja ohnehin sehr fest ist. Man hat zunächst jedenfalls nicht nöthig, zur Erklärung jener Erscheinung tiefgehende physiologische Verän- derungen im Samen vorauszusetzen. Hätte Velten seine Keim- versuche durch längere Zeit als durch 14 Tage fortgesetzt, so würde er wohl auch im Winter eine höhere Keimfähigkeit der Samen beob- achtet haben. Jedenfalls bedarf und verdient diese Frage einer erneueten Untersuchung. Bei weiteren Untersuchungen, die ebenfalls im Winter an im vor- hergehenden Herbst geernteten Samen vorgenommen wurden, suchte V. den Einfluss verschieden langer Erwärmung festzustellen. Bei einer Temperatur von 40° C. zeigte sich der günstige Einfluss der Erwärmung noch nach einer Einwirkung durch 41 Stunden. Bei 50° zeigt sich ein günstiger Einfluss bis zur Dauer durch 8 Stunden, während die durch 12 Stunden fortgesetzte Temperatureinwirkung schon eine Schädigung veranlasst. Aehnliches zeigt sich bei 60°. Höhere Temperaturen kamen nicht zur Anwendung. Velten stellt am Schlusse seiner Abhandlung die gewonnenen Resultate wie folgt, zusammen: 1) Das Keimprocent sowohl, wie die Keimgeschwindigkeit, giebt keinen sichern Aufschluss über die Keimkraft der Samen. 2) Die Erwärmung der Samen kann einen günstigen oder ungün- stigen Einfluss auf das Keimungsvermögen ausüben, je nach- dem der physiologische Zustand ist, in dem der Same sich befindet. 3) Die Zeitdauer der Erwärmung ist von wesentlichem Einfluss auf die Entwickelung der Samen, indem längeres Erwärmen auf niedere Temperaturen denselben Effect wie kurzes Erwär- men auf höhere Temperaturgrade hervorrufen kann '!). Methoden. Fast alle Keimungen wurden in den Nobbe’schen Keimappa- raten vorgenommen. Die Apparate standen in einem Zimmer, in welchem durch einen Regulirofen, der fortdauernd in Brand war, Monate hindurch eine nahezu constante Temperatur erhalten wurde ?). Die gekeimten Samen wurden täglich zu derselben Zeit aus den Keimapparaten entfernt. Selbstverständlich war dafür gesorgt, dass die Feuchtigkeitsverhältnisse in allen Apparaten möglichst gleich- artig waren. Zu jedem Keimversuch wurden 100 Samen verwendet. 1) In dieser Fassung ist der Satz sicher nicht richtig. J. 2) Ich kann die Meidinger’schen Füllöfen zur Herstellung constanter Temperaturen in grossen Räumen ganz besonders empfehlen. 324 Das Trocknen der Samen wurde mitunter durch Einstellen der- selben in einen mit Schwefelsäure versehenen Exsiccator bewerk- stelligt. In der Mehrzahl der Fälle jedoch wurden die Samen in folgender Weise getrocknet: In ein Reagenzglas kam eine mit aus- geglühtem Chlorealeium gefüllte Papierhülse. Auf diese Hülse wurde eine zweite gesetzt, die die Samen enthielt, auf diese endlich wie- der eine dritte, die wieder mit Chlorcaleium gefüllt war. Die so beschickten Gläser wurden durch gut schliessende Korke abgeschlossen und dann noch mit einer Kautschuckkappe versehen. Wenn es darauf ankam direct die Temperatur der Samen abzulesen, so war durch den Kork ein Thermometer in das Reagenzglas eingeführt und der Kork wurde dann mit einem aus Mehl und Leim hergestellten Kitt verschmiert. — In einzelnen Fällen wurden beide Trocknungsmethoden combinirt. Ueber die Dauer der Austrocknung finden sich die näheren Angaben unten in der Beschreibung der einzelnen Versuche. — Alle Erwärmungen der Samen fanden für Temperaturen bis zu 60° C. in Horstmannschen Thermostaten statt, die mit Hilfe eines Ther- moregulators sehr leicht Monate hindurch auf einer constanten Tem- peratur erhalten werden können. Eine Beschreibung dieser Thermo- staten gebe ich im Anhang. Für Temperaturen von 60—100° und darüber, wurden einfache Thermostaten verwendet und zwar grosse Gefässe aus verzinntem Eisenblech, die am Boden und an den Seiten mit einer doppelten Wand versehen sind und durch einen doppelt- wandigen Deckel verschlossen werden. Der Raum zwischen den beiden Wänden wird für Temperaturen bis zu 100° mit Wasser gefüllt, für höhere Temperaturen mit Glycerin von wechselnder Con- centration oder mit Oel. Die zur Erwärmung dienende Gasflamme wird ebenfalls durch einen Thermoregulator regulirt. Versuche. Erste Versuchsreihe. Welches ist die höchste Temperatur, bei der die Samen von Hafer und Gerste überhaupt noch keimen? Die mehrfach wiederholten Versuche ergaben: | | Höchste Keimunestemperatur. er _ Iust. | ___ Sachs!). | Haberlandt2). | Gerste ...... | 37-3800. | 36,2—37,500. | 31,25—37,50 C. Hafer .......| 37—38,50C. | Nicht untersucht. | 31,25—37,50 C. t) Pringsheim’s, Jahrbücher II. S. 364. 2) Versuchs-Stationen XVII. S. 113. 325 Ich habe in der vorstehenden Tabelle die früher von Sachs und Haberlandt gefundenen Zahlen neben die meinigen gestellt. Alle Zahlen stimmen nahezu überein. Bei den einzelnen Versuchen ergeben sich übrigens immer kleine Differenzen in der Anzahl der gekeimten Samen. Es ist sicher, dass es für eine Species kein ganz bestimmtes Temperatur-Maximum für die Keimung giebt; je nach der Abstammung der Individuen einer Species, je nach dem Grade der Ausbildung, nach dem Alter etc. wird die Maximaltemperatur, bei der noch Keimung eintritt, etwas höher oder niedriger liegen. Beim Hafer waren durch eine Temperatur von 38,5° C. die Samen zumeist getödtet, in einzelnen Fällen aber kamen einige zur Keimung,. Die Samen erleiden durch den Einfluss der höchsten Keimungs- temperatur eine Schädigung, die sich zunächst dadurch bekundet, dass die Keimung später eintritt, als bei der günstigsten Keimungs- temperatur (Optimum). Bei Hafer und Gerste beträgt diese Ver- zögerung gegenüber dem Optimum gegen 24 Stunden. Die Ver- zögerung ist bei Gerste etwas grösser, als bei Hafer. — Auf dieses Verhalten macht auch F. Haberlandt') aufmerksam und beson- ders Sachs). Bei den vorstehend erwähnten Versuchen lagen die Samen in flachen Porzellanschalen auf feuchtem Fliesspapier. Die Schalen standen in den auf die betreffenden Temperaturen gebrachten Ther- mostaten. Die Thermometer waren unmittelbar zwischen die Keim- pflanzen gestellt. In den Thermostaten befanden sich Gefässe mit Kalilauge zur Absorption der gebildeten Kohlensäure. Zweite Versuchsreihe. Wie verhalten sich die Samen von erste und Hafer in ihrer Keimfähigkeit, wenn sie in dunstgesättigter Luft verschiedenen Temperaturen ausgesetzt werden? Durch mehrere Vorversuche stellte sich heraus, dass von den ver- wendeten Samen’ unter den gewöhnlichen Verhältnissen im Versuchs- raum bei einer Temperatur von 20° C., von 100 Samen Gerste durchschnittlich 95, von Hafer 96 Samen keimten. Die Keimung war stets in längstens acht Tagen beendet und verlief derartig, dass schon nach 24 Stunden eine kleine Anzahl Samen keimte (5—10), dass nach ungefähr 60 Stunden eine grosse Zahl gekeimt war 1) Versuchs-Stationen B. XVII. S. 114. — Die oberen und unteren Tem- peraturgrenzen für die Keimung der wichtigeren landwirthschaftl. Sämereien, 2) Pringsheim’s Jahrb. II. S. 352—360. Abhängigkeit der Keimung von der Temperatur. 326 (40—50). Die übrigen 30—45 Samen vertheilen sich dann auf die nächsten Tage und zwar in allmählich abnehmender Zahl. Die Keimung ist also eine ungleichförmige, mit einem Maximum am zweiten oder dritten Tage. Diese Erfahrung macht man übrigens bei allen Keimversuchen mit gesunden Samen unter normalen, gün- stigen Keimungsbedingungen. Selbstverständlich verschiebt sich der Eintritt des Keimungsmaximums, je nachdem die betreffende Species eine längere oder kürzere Zeit zur Keimung nöthig hat. Jedenfalls aber liegt dieses Keimungsmaximum bei allen Samen, die nicht sehr lange Zeit zur Keimung brauchen, wohl immer in der ersten Hälfte der Keimungszeit. Um die Samen in dunstgesättigter Luft zu erhalten, wurde in den Thermostaten Wasser gegossen. Die Samen lagen in einer flachen Glasschale. Diese Schale war, um die Samen vor dem von dem Deckel des Thermostaten abtropfenden Wasser zu schützen, mit einer zweiten gewölbten Schale, deren Rand über die erste Schale über- griff, bedacht. Es war dafür gesorgt, dass die zweite Schale nicht fest auf der ersten auflag, so dass der Zutritt der dunstgesättigten Luft zu den Samen nicht gehindert war. Die Versuche wurden für die Temperaturen von 30°, 40°, 50°, 60°, angestellt. Die Samen blieben durch verschieden lange Zeiten in den Thermostaten und kamen dann in die Keimapparate. A. Wirkung der Temperatur von 30°. Tabelle I. Es keimten nach Tagen: 35: (FERIEN | | Is &| ıl 2 3 4| 5) 6| 7) 8| glıolıı 1wı31aı5 Mi Ana. E [as°| ||| BENERBR: | | | | | | a.| ATage.| o1asıı2 8 212] ıl 2 1] 11-11-1199) Bla aaa EL SEE-FEER 2216 - 10a -|-184 12.16 - 10801710 8 77333 2,2 0-— ———————192 ad.l3 - 101013271310, 8 5—| 5— 1-1 ——| 1 —|—|—|—183 163.113 - | 0] 01327 6 , 2——| 3)—| 2 2) 2212 1-65 jatj25 1-15] 61-41 3-1 3 3] 1-1) ||| 2 1135 b4.125 » | 0 2 119 1 4—| 3) 31 4) 5) 1 2) 1) 2) 1) 2] 1-58 In der Tabelle bedeutet a Gerste, b Hafer. Es ist ersichtlich, dass der Hafer einen Aufenthalt in dunstgesättigter Luft durch vier 327 Stunden ohne Schädigung erträgt, während bei der Gerste unter diesen Verhältnissen bereits eine Verzögerung der Keimzeit eintritt. Je länger die Samen bei 30° in dunstgesättigter Luft verweilen, desto grösser wird die Schädigung, die sich durch immer grössere Abnahme der Keimfähigkeit und immer längere Keimdauer kundgiebt. -Das Keimungsmaximum tritt immer später auf und wird überdies um so undeutlicher, je länger die Einwirkung der erwähnten Verhältnisse stattfindet'). Die Gerste wird mehr geschädigt, als der Hafer. Es ist bekannt und zumal durch F. Haberlandt (siehe oben S. 318) durch ausgedehnte Versuch: festgestellt, dass Samen unter den gewöhnlichen Verhältnissen ihre Keimfähigkeit je nach der Species und je nach der Individualität, mehr oder weniger schnell einbüssen. Während für Gerste und Hafer unter gewöhnlichen Bedingungen Jahre nöthig sind, um die Keimfähigkeit ganz aufzu- heben, genügen dazu bei einer Temperatur von 30°C. in dunst- gesättigter Luft wenige Monate. Ich habe die Keimversuche mit Samen, die länger als 25 Tage im Thermostaten weilten, nicht mehr ange- stellt, denn nach dieser Zeit waren die Samen regelmässig so sehr von Pilzen befallen, dass sie nicht mehr als brauchbares Material für weitere Untersuchungen dienen konnten. Die angestellten Ver- suche genügen übrigens schon vollkommen um zu zeigen, dass unter den erwähnten Versuchsbedingungen eine verhältnissmässig kurze Zeit genügt, um die Samen zu tödten. Wollte man einen bestimmten Ausdruck für die Zeit gewinnen, in welcher die Samen getödtet werden, so müsste man die Versuche so vornehmen, dass die Samen im Thermostaten vor dem Befallenwerden von Pilzen geschützt sind. B. Wirkung einer Temperatur von 40°C. Tabelle II. Gekeimt nach Tagen: Aufenthalt Ka | | ls im Thermo- | 1] 2] 3, 4 5) 6| 7| 8) 9110111121314 15 161171181920 3 | staten. | | | | | | E | al.| 4 Tage. |—| aıslıaıal | al al 3 || ı | ol ıl 21-1 65 bil 4» || 223j1212 2] 4] 4 5 a3 17 | 2.| 6 - |-]4 2] cjjaa 3 71-1] 4-| 31-1 63 | b2 | 6 - 1-1 sit6ll2) 9l1o) 7| 5—| 4 2— 1-1 1-———ı 75 | a3. | 13 FE | Be Be Be ee — 1 —— | — en —_ ir 1-1 {| 0 | b3. || 13 a | En [RT u el er | a a RR ET LE 9 | a. bedeutet wieder Gerste, b. Hafer. — So auch in allen folgenden Tabellen. I!) Die Zahlen, welche die Keimungsmaxima angeben, sind in den Tabellen fett gedruckt. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft III. 22 Bei der Temperatur von 40° zeigt sich die schädliche Wirkung nach 4 Tagen schon sehr deutlich, noch deutlicher nach 6 Tagen, Ueberhaupt treten die bei der Wirkung einer Temperatur von 30° C. beobachteten Thatsachen weit schneller auf. Nach 13 Tagen sind die Samen getödtet. Gerste leidet wieder mehr wie Hafer. C. Wirkung einer Temperatur von 50° C. Tabelle III. Es keimten nach Tagen: FAR | 5 Aufenthalt | | S | im Thermo- | 1 2) 3) 4 5) 6) 7: 8} 910111121314 1511617118 19/20 S | staten. | | | | 5 | al.| 1 Tag. |—|—| 2 77 5| 221 3 — 1] 11 IE | bL.| 1 » —|—ı 811610) S| 7| 5 2 3 2]— 1l— 1-1 -| 21—|—| 65 a®. | 3 Tage. | h2.| 5... | Keine Keimung mehr. | Bei der Temperatur von 50° C. erleiden die Samen schon in der Zeit von 24 Stunden eine sehr bedeutende Schädigung, die grösser ist als diejenige, die eine Temperatur von 40° in vier Tagen bewirkt. In drei Tagen sind die Samen getödtet. D. Wirkung einer Temperatur von 60° C. Die Samen waren, nachdem sie 24 Stunden in dunstgesättigter Luft bei 60° verweilt hatten, durchweg getödtet. Bei allen vorstehend beschriebenen Versuchen befand sich im Thermostaten ein Gefäss mit Kalilauge zur Kohlensäureabsorption. Ferner wurde durch die Thermostaten ein schwacher Luftstrom gesaugt. Die in den Thermostaten eintretende Luft war vorher auf die Temperatur des betrefienden Thermostaten gebracht worden. Bei all diesen Versuchen in dunstgesättigter Luft beobachtete ich niemals eine Keimung der Samen im Thermostaten selbst, also lediglich unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit. Die von den Samen aus der Luft bei constanter Temperatur aufgenommene Feuchtigkeit genügt also nicht, um die Samen zur Keimung zu bringen. Diese Erfahrung machte auch F. Haberlandt'), der 1) Aufnahme von gasförmigem Wasser durch die Samen, inF.Haberlandt’s: Wissenschaftlich-praktische Untersuchungen auf dem Gebiet des Pflanzenbaues. Bad. I. S. 63. 329 durch eine Reihe Untersuchungen mit zahlreichen Samenarten feststellte, dass in dunstgesättigter Luft nur dann eine Keimung eintritt, wenn durch stärkere und häufige Temperaturschwankungen eine wiederholte Thaubildung auf den Samen stattfindet. Haber- landt, der seine Versuche bei gewöhnlicher Temperatur anstellte, zeigte auch, dass schon bei dieser Temperatur die Samen in dunst- gesättigter Luft in verhältnissmässig kurzer Zeit, (in fünf Tagen) sehr bedeutende Schädigungen ihrer Keimfähigkeit erleiden. Dritte Versuchsreihe. Wie verhalten sich Samen von Gerste und Hafer, wenn sie in Wasser verschiedenen Temperaturen ausgesetzt werden? Hierher gehören von den von mir angestellten Versuchen zunächst diejenigen, welche ich zur Feststellung der höchsten Keimungs- temperaturen unternahm. (Vergl. oben S. 324.) Fernere Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Von den zu den Versuchen verwendeten Samen kamen immer je 100 in weite offene Reagenzgläser, in die so viel Wasser gegossen war, dass dasselbe nur 1 Centimeter über den Samen stand. Samen, die auf der Oberfläche des Wassers schwammen, wurden durch andere, untersin- kende ersetzt. Diese Reagenzgläser wurden in ein zum Theil mit Wasser gefülltes Becherglas gestellt, welches dann in den Thermo- staten kam. Das Thermometer zeigte die Temperatur des Wassers im Becherglas an. In dem Thermostaten befand sich wieder ein Gefäss zur Absorption der Kohlensäure. Es war ausserdem für Lufterneuerung im Thermostaten gesorgt. Ferner wurde in den Innenraum des Thermostaten etwas Wasser gegossen, so dass eine Verdunstung von den Reagenzgläsern aus und damit eine Tempera- turschwankung in dem dunstgesättigten Raum nicht stattfinden konnte. Die Samen erlitten ausserdem bei den getroffenen Einrichtungen kei- nen erheblichen Sauerstoffmangel. Die einzelnen Reagenzgläser wur- den nach verschiedenen Zeiten aus dem Thermostaten herausgenom- men und die Samen in die Keimapparate gebracht. A. Einwirkung einer Temperatur von 45° C. (Siehe Tabelle IV.) Aus nachstehender Tabelle ist zunächst wieder ersichtlich, dass der Hafer die angegebenen Einflüsse besser erträgt als die Gerste. Letztere ist getödtet, wenn sie unter den erwähnten Versuchsbedin- gungen 5 Stunden im Thermostaten bleibt, während vom Hafer, auch nach einem Aufenthalt von 9 Stunden im Apparat, noch einige Samen YI* 330 Tabelle IV, Es keimten nach Tagen: | Bir Aufenthalt | | ee, | 8 £ 11213. 4/5/6)7/8| 9/10)11,12,13 14 1516 17! 18) 19) 20| 211 22] 23| 24! 25 2627| Im Ganzen. im Thermostaten. | | | ER al, e8tunde vn... ... 1, 0141.25 19120117 122 120121120011 1 Die übrigen Samen faulen. — 4 bL | en. oe ez7|a2aonsazssedıdasono-—--- 8 a”. | 3 Stunden ........ 100/000) 7 atom 1 Jo a2] 2Jı ı ’ I 0 Die übr. Samen faulen. 3 Bear Br... 6016012 16182, 14 | 3160 4 Polska le n-1 16 ae 73 a3, 5 . -...0..: [1 01010) 00/0, 0, 0|0| 0) Die Samen faulen. Eh _—— - — — @ _ 0 bE 18 = ...0.0..10/0/1 01261425) 5 1 2] ı 2 0 0 1 0) Die übrigen Samen faulen. 52 as 7 . -e020r. 1 0) 01 0|0|0| 0. 0| 01 0| O| Die Samen faulen. rk be Klee 2 0 | | Dieübr. | be. |T = 0.0... 10/0|0/0/0)0/5/ 311) 0 7 6 2 1 1) 11 O 1) 1] O| 1] 1] O! 1] Samen 92 | | | | faulen. a5. | 9 s ..en0ee. | 0101 0|0|0)0| 0, 0| 0, O0) Die Samen faulen. rear _—— —— | —1— 0 BEE =. 2... | 080] 020600 0.:0.°0 \ \19 h) ı ı a7 91 3 01.0) 0) fanden BR 9 | | | | IE [1 a. bedeutet Gerste, b. Hafer. 331 - keimen. Der Eintritt des Keimungsmaximums verzögert sich um so mehr, je länger die Samen im Apparat verweilen. Ausserdem wird das Auftreten eines solchen Keimungsmaximums immer undeutlicher. Die durchschnittliche Keimzeit wird mit der längern Temperaturein- wirkung eine immer ausgedehntere, die Zahl der keimenden Körner eine immer geringere. Bei den Hafersamen, die 9 Stunden im Ther- mostaten verweilt hatten, trat die Keimung erst nach 15 Tagen ein. Es zeigt sich bei diesen wie bei allen Keimversuchen mit erwärm- ten Samen, dass dieselben regelmässig um so mehr der Fäulniss unterliegen, je mehr sie durch die Temperatur geschädigt sind. Samen, die überhaupt noch lebensfähig sind, haben auch die Fähig- keit, der Fäulniss mehr zu widerstehen. Samen, die in Wasser erwärmt wurden, faulen jedoch leichter als solche, die trocken, selbst auf hohe Temperaturen erhitzt wurden und nachher in Was- ser kamen. B. Einwirkung einer Temperatur von 55° C. Tabelle V. Es keimten nach Tagen: —— —— - Aufenthalt | | | | | | = | im Thermo- | 1 2) 3] 4 5, 6) 7) 8] 91011 12/1314. 151617 1811920) | staten. | | | | | |.s | TE RER pen a'. | 19 Stunde.) 0121514) 9) 410) S 2 001 0 2| 1) faulen. | 78 bla = 10) at418) 7) 511) 9) 31 7] 2] 1) 0 R 2 1] faulen. | 78 | a2.|l = 10] 0| 0) 411611311410 6 20210203 faulen. | 71 b2.|1 - 0) 01 01 0] 2 1 517/17 .18 01120 3) 0 3| faulen. | 75 | a3. |3Stunden.| 0| 0| 0| 0| 0| 0| 0 0! faulen. —1-|—|—I—|—-|—1—|—| 0 | b3.|3_ - 01 010.01 0 0 0| 0| faulen. 1-1 0| a. bedeutet Gerste, b. Hafer. Es zeigt sich, dass sowohl Hafer wie Gerste nach einem Aufent- halt von drei Stunden im Thermostaten getödtet sind. Im Uebrigen zeigen sich die bei der Einwirkung von 45° C. eingetretenen Erschei- nungen bei den Temperaturen von 55° C. um so schneller und deutlicher. C. Einwirkung einer Temperatur von 65° C. Diese Temperatur wurde nur von einigen Hafersamen durch eine halbe Stunde ertragen, während Gerste nach einem halbstündigen Aufenthalt im Thermostaten getödtet war. 332 Nachstehend stelle ich noch die von Fr. Haberlandt') und die von mir gewonnenen Resultate, soweit es sich um die Einwir- kung warmen Wassers auf die Erhaltung der Keimfähigkeit von Hafer und Gerste handelt, nebeneinander. Haberlandt. Procente der Gerste. gekeimten Samen. a) Controlprobe . . a We b) bei 30° C. durch 5 Senden ee el DI 2030200: =25:10 = ee :.- dr 200, = 45 5. 6). =, AUSG,’ = MW - 1. I OD. ° ud - 0. Hafer. a) Controlprobe . . . ee re A b) bei 30° C. durch 5 kunden a a c) = 30° 0. 104m % ee 1) ge KU BT ea 36. e) = 10€. = To 18 52 2-350°36 5 z 8 I ee N) Just. Procente der Gerste. gekeimten Samen. a) Controlprobe . . ee > b) bei 45° C. durch 1 Stunde ee ON EMABIIT.. * :=* 93 MBtundent N ML) We a) 2 Way G, 5 - ‚u. EU ee 2)# 12.799. 0. Stände + u une DEE W59°1C. l TE 207211692 °C, a z 0. Hafer. 31, C0nrolproebe;‘, .. ne ferne rt, Se aa b),ibe1 745° «0. durch 36Stunderm. „ie anna Ina: Ehe, 3Stunden, 4% nl ae ale 25440. 5 = Se 0) 224570; 7 32. fy = #45°C. 9 - a er &)ı 7, 95% °C, 4 Stunde -. 0.0.0, 0:08» Dr. 2 55%.0, 1 - 75. 1)2,7>369°.0, 3 18. 1!) Wissenschaftlich praktische Untersuchungen. Bd. Il. S. 53. Aus dieser Zusammenstellung geht deutlich genug hervor, dass bei meinen Versuchen die Samen eine etwas grössere Widerstands- fähigkeit gegen die schädigenden Einflüsse der Wärme zeigten. Ich glaube, diese Differenz lässt sich lediglich dadurch erklären, dass die Samen bei meinen Versuchen gegen Sauerstoffmangel mehr geschützt waren. (Vergleiche oben 8. 317 und 318.) : Ausführliche Untersuchungen über die Schädigung der Samen durch warmes Wasser verdanken wir zumal Fr. Haberlandt. (Siehe oben S. 316.) Hier sind auch die Untersuchungen Fiedler’s zu berücksichtigen. (Siehe oben S. 312.) Hierher gehören auch die Untersuchungen von Ant. Zoebl') über die Frage: „Wie lange behalten die Samen im Wasser ihre Keimfähigkeit?“ — 2. stellte seine Versuche mit zahlreichen Samen- arten in der Weise an, dass er über die Samen einen eontinuirlichen Strom Wassers von gewöhnlicher Temperatur fliessen lies. Von jeder Samenart wurde nach verschiedenen Zeiten eine Anzahl Samen zum Keimen ausgelegt. Es zeigte sich, dass nach 69 Tagen die Mehrzahl der Samen getödtet war. Gegen diese Untersuchungen ist jedoch eine Einwendung zu machen. Schon während des Aufent- haltes im Wasser fingen manche Samen an zu keimen, während zu den Keimversuchen die übrig bleibenden noch nicht gekeimten Samen verwendet wurden. Nun giebt es aber bekanntlich selbst bei den besten Samen in einer grösseren Zahl immer einige, die an und für sich nicht keimen, bei manchen Samen machen diese todten Individuen sogar einen grossen Procentsatz aus. Je länger also Z. seine Ver- suche fortsetzte, um so mehr muss er es in den Fällen, in denen vorher eine Keimung im Wasserbehälter eintrat, mit Samen, die schon an sich todt waren und nicht erst durch den Einfluss des Wassers ihre Keimfähigkeit verloren hatten, zu thun gehabt haben. Es ist ohnehin auffallend, dass bei den Z.’schen Versuchen nicht die Mehr- zahl der Samen anfıng zu keimen. Wenn dies nicht geschah, so kann dies wohl nur daran liegen, dass die Samen sich so tief unter Wasser befanden, dass es ihnen an Sauerstoff mangelte. Dieser Sauerstoffmangel wird nun wohl an sich schon schädigend auf die Keimfähigkeit eingewirkt haben, so dass Zoebl es in all’ seinen späteren Versuchen wahrscheinlich mit Samen zu thun hatte, die sowohl durch den Einfluss des Wassers wie durch Sauerstoffmangel geschädigt waren. Die Frage, wie sich Samen unter Wasser, bei - 1)Fr. Haberlandt, Wissenschaftlich praktische Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzenbaues. Bd. I. S. 59. 334 verschiedenen Temperaturen, einerseits bei Sauerstoffmangel, anderer- seits bei ungehindertem Zutritt von Sauerstoff verhalten, bedarf jeden- falls einer besonderen Untersuchung. Immerhin aber dienen die zahlreichen und ausgedehnten Z.’schen Versuche ganz wohl dazu, zu zeigen, dass die Samen schon durch den Einfluss des Wassers von gewöhnlicher Temperatur in mehr oder weniger kurzer Zeit eine Schädigung der Keimfähigkeit erleiden. Vierte Versuchsreihe. Wie verhalten sich die Samen von Gerste und Hafer, wenn sie, in ausgetrocknetem Zustand, der Einwirkung höherer Temperaturen ausgesetzt werden? A. Einwirkung einer Temperatur von 100° C. (I.) Ueber die Art der Trocknung ist bereits oben das Nöthige (Methoden) mitgetheilt. Für die Versuche, deren Resultate in nach- stehender Tabelle VII. verzeichnet sind, wurden die Samen, bevor sie in die Reagenzgläser kamen, durch drei Tage im Exsiccator über Schwefelsäure gehalten. In der Tabelle bedeutet a. Gerste, b. Hafer, m. Gerste, n. Hafer. Die Samen für die Versuche a—a*, b—b* wurden sehr allmählich getrocknet und erwärmt. Die Rea- genzgläser lagen erst 10 Tage bei gewöhnlicher Temperatur im Zimmer, dann wurden sie durch einen Tag auf 30° C., durch zwei Tage auf 50° C. erwärmt und kamen dann erst in den Thermosta- ten von 100° C. — m. m.' n. n.! kämen direct in offenen Rea- genzgläsern in den Thermostaten von 100° C., nachdem sie 3 Tage bei gewöhnlicher Zimmertemperatur über Schwefelsäure gehalten waren. Ueber die Zeit, durch welche die Samen im Thermostaten verweilten, giebt die nachstehende Tabelle VII. Aufschluss. Es ist ersichtlich, dass die Hafersamen wieder die Versuchsbe- dingungen besser ertrugen als die Gerstesamen. Während bei der Gerste, die durch 24 Stunden einer Temperatur von 100° C. aus- gesetzt war, die Keimfähigkeit sehr gelitten hatte, zeigt dieselbe beim Hafer erst eine geringe Abnahme. Auch die mittlere Keimzeit ist bei der Gerste viel grösser geworden '). — Gerste und Hafer aber ertragen auch durch 48 Stunden eine Temperatur von 100° C. ohne ganz getödtet zu werden. Wenn der Hafer sich auch weniger geschädigt zeigt als die Gerste, so tritt die erste Keimung jedoch bei ihm meist etwas später ein, was sich wohl durch die geringere Quellungsfähigkeit des Hafers erklärt. Die gesammte Keimzeit ist bei Hafer meist länger als bei I) Mittlere Keimzeit- Anzahl der auf die ganze Keimzeit fallenden Tage, dividirt durch die Anzahl der in der ganzen Keimzeit gekeimten Samen. 335 | N KRISE FE | | 0 1 1 1 Je 1 1 | mdmedarrgn sstupngg ur UameS ALLE uoseL g yeu | ’ 97 | u | ‘Zunmoy may |) Il 0 Hi-|-1- u iu ur -noßuwsoßrogn ssıupngg ur voureg oje uode], 04 ru ..... . #7 | u 0" BE BE DR DD ea | | | ' -moßurSaßrsgn ssıupngg un voweg ae ode], 07 yoeu ‘Sunmoy auoy ‚ | 0 I | | | | | 1—- ..... 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Diese Erfahrungen bestätigten auch die Versuche v. Höhnel’s'). Im Uebrigen zeigt sich auch bei diesen Versuchen wieder, gegenüber der Keimung unter normalen Verhältnissen, die Verschiebung oder das gänzliche Fortfallen des Keimungsmaximums (Gerste a*), der spätere Eintritt der Keimung, Verlängerung der absoluten und mittleren Keimzeit, Verkleinerung des Keimprocent’s. All’ diese Erscheinungen werden um so deutlicher, je länger die Temperaturwirkung dauert. Wie wesentlich für die Erhaltung der Keimfähigkeit ein möglichst geringer Wassergehalt der Samen ist, dies zeigen m. m!. n. n!. Die zu diesen Versuchen verwendeten Samen hatten eine sehr unvoll- ständige Trocknung erfahren, bevor sie erwärmt wurden (3 Tage über Schwefelsäure), und es keimte schon nach Einwirkung der Temperatur von 100° C. durch nur sechs Stunden kein einziger Same mehr. B. Einfluss einer Temperatur von 100° C. (Il.) (Siehe Tabelle VIII.) Die in dieser Versuchsreihe angestellten Untersuchungen sollten zunächst dazu dienen, den Einfluss mehr oder weniger sorgfältiger Trocknung noch deutlicher zu machen. Die benutzten Samen waren zwei Tage über Schwefelsäure getrocknet worden, bevor sie in die Reagenzgläser kamen. Die in bekannter Weise beschickten Reagenz- gläser blieben 10 Tage bei gewöhnlicher Zimmertemperatur liegen. Der Aufenthalt im Thermostaten belief sich für alle Samen auf drei Tage. a'. und b'. kamen ohne vorherige allmähliche Erwärmung direet in den Thermostaten. Es zeigt sich, dass Gerste nahezu getödtet ist und dass auch der Hafer eine bedeutende Schädigung erfuhr. a”. und b*. wurden, bevor sie in den Thermostaten von 100° C, kamen, durch 7 Tage bei einer Temperatur von 50° C. erhalten. Mit dieser sorgfältigen Trocknung steigt auch sofort wieder die Keimfähigkeit sowohl für Gerste wie für Hafer. a®. und b?. wurden noch sorgfältiger getrocknet. Die Reagenz- gläser wurden 9 Tage bei 50° C., 2 Tage bei 60° C., 2 Tage bei 80° C. erhalten und kamen erst dann in den Thermostaten von 100° C. Es ergiebt sich nach dieser sorgfältigeren Trocknung für I) Fr. Haberlandt’s Wissenschaftlich praktische Untersuchungen auf dem Gebiet des Pflanzenbaues. Il. S. 85. 337 | | | ge |ssrurnggurngsoy g (pp | | DE a a "UOZURH) | u | | | | [6 sstupnegunsayie 0 It 0 le Is It 0 ssıupmpg ur 9soy |T 0 CL. — — |— | 'ssıupmeg ur 9soy # 0 |E 0 05 013 0 | | | a Pa a u u Bu Zu DE ‘sstunngg UI Isoy IO9q ‚ssumeg ur 9sog I0 |F [0 4 a (ER En]; Ir 171080 66 8% 1% |9G 66 96 186 166 116 |0G 161 |8T 121 I9T |ST PT JET IST IIT OT I6 8 | 19 IE HF 8 |2 I *"u9784SOMAOU,], TUT eyyuoguy 'gq se :uo5eL yDdeu usjumoN ST "IIIA 9TI94®L 338 die Gerste, in geringerem Grade auch für Hafer, sogleich wieder eine grössere Steigerung der Keimfähigkeit. Bei der Gerste tritt auch wieder ein sehr deutliches Keimungsmaximum ein. Auch bei all diesen Versuchen zeigen sich die mehrfach erwähnten Schädigungen mehr oder weniger deutlich. Bemerkenswerth ist auch, wie mit der sorgfältigeren Trocknung bei a®. und b°. auch eine zeitigere Keimung eintritt als bei a!. und b!. Bei diesen Versuchen suchte ich auch festzustellen, ob das schnelle oder langsame Abkühlen und die Geschwindigkeit der Wasserzufuhr zu den erhitzten Samen, von Bedeutung für die Erhaltung der Keim- fähigkeit sei. Demgemäss blieben a°. und b°, nachdem sie aus dem Thermostaten von 100° C. herausgenommen waren, in den Reagenz- gläsern und kamen so durch 2 Stunden in eine Temperatur von 50° C., durch weitere 2 Stunden in eine Temperatur von 30° C, Dann wurden die Samen aus den Reagenzgläsern entfernt und in trockene Keimapparate gebracht, in denen sie durch 2 Tage bei gewöhnlicher Temperatur im Versuchsraum liegen blieben, so dass sie durch Hygroscopieität aus der Luft geringe Mengen Wasser auf- nehmen konnten. Jetzt erst wurden die Samen in den Keimappara- ten angefeuchtet. Zwei andere Reagenzgläser wurden bis zu dem Auf- enthalt im Thermostaten ebenso behandelt wie a°. und b?. Die Samen kamen aber, nachdem sie drei Tage der Temperatur von 100° C. ausgesetzt waren, aus den Reagenzgläsern direct in die feuchten Keimapparate, in deren Keimschale vorher noch etwas Was- ser von 10° C. gegossen war. Bei der nun folgenden Keimung zeigte sich bei beiden Versuchsreihen durchaus kein nennenswerther Unterschied in der Anzahl der gekeimten Samen, der Keimdauer etc. Ich hatte früher (vergl. S. 315) bei erwärmten Samen von Tri- Folium pratense nachgewiesen, dass dieselben stärker geschädigt wer- den, wenn sie noch heiss mit Wasser befeuchtet werden, als wenn sie nach vorheriger Abkühlung ganz allmählich angefeuchtet werden. Ich hatte den Versuch damals wiederholt mit günstigem Erfolge angestellt. Immerhin ist mir die Sache jedoch noch zweifelhaft, da es sich um Samen handelte, die über 100° erwärmt, in ihrer Keim- fähigkeit sehr stark geschädigt waren. Wenn nun von solchen Samen in dem einen oder andern Fall einige mehr oder weniger keimen, so kann dies ebenso durch die grössere oder geringere Schä- digung, die die Erwärmung hervorgebracht hat, bedingt sein, wie durch den Einfluss der langsameren oder schnelleren Zuführung von Wasser. v.Höhnelhat, aufdie vonmir gegebene Anregung hin (vergl. 8. 316), 339 diese Frage bei seinen Untersuchungen ebenfalls berücksichtigt. Höhnel hatte Samen von Jrumex patientia und Trifolium hybridum auf 118—121° C. erhitzt. Eine Partie wurde schnell befeuchtet und zum Keimen ausgelegt, eine andere wurde einige Tage an der Luft liegen gelassen und dann zum Keimen ausgelegt. Von den schnell angefeuchteten keimte aus mehreren Hundert Samen von Humes patientia 1, Trifolium hybridum 1. Von den allmählich angefeuchteten keimten von Rumex patientia 1, Trifollium hybridum 2. Diese eine Keimpflanze mehr bei Trifolium hybridum kann natürlich kaum dazu dienen, eine Bestätigung meiner früheren Angabe zu liefern. Die Versuche zur Lösung dieser Frage müssen übrigens nach anderen Methoden angestellt werden, als sie von mir und v. Höhnel ange- wendet wurden. Ich bin gegenwärtig mit Untersuchungen in dieser Richtung beschäftigt und behalte mir vor, über das Resultat dersel- ben späterhin zu berichten. C. Wirkung einer Temperatur von 110° C. (Hierzu Tabelle IX.) Trocknung und Erwärmung der Samen wie für die Versuche bei 1000 C. a. und b. Seite 334. Die nachstehende Tabelle bedarf nach dem oben Gesagten kei- ner weiteren Erlänterung. Die Schädigung der Samen ist eine der höheren Temperatur entsprechende grössere. D. Wirkung einer Temperatur von 122° C. (Hierzu Tabelle X.) Trocknung und Erwärmung der Samen wie für die Versuche bei 1000 C. a. und b. Seite 334. Es ist ersichtlich, dass nur die Hafersamen noch die Temperatur von 122° C. in nennenswerther Weise ertragen. Von den Gersten- samen ist nach einer halbstündigen Einwirkung der Temperatur nur noch einer nach acht Tagen zur Keimung gekommen. Auch der Hafer zeigt nach einem halbstündigen Aufenthalt im Thermostaten eine bedeutende Schädigung. Es ist aber bemerkenswerth, wie die höchste Keimzeit auf 29 Tage verlängert ist. Der Hafer erträgt die Temperatur von 122° C. selbst durch drei Stunden ohne ganz getödtet zu sein. Nach 12 Stunden ist sowohl Hafer wie Gerste getödtet. 340 Tabelle IX. Es keimten nach Tagen; Aufenthalt in Thermosteten.ı 7 2|3)4)5 6) 7|S| 9110111112113 14 115 116 |17 18/19 20 |21 |22 123 \24 25 |26 27 128 |29 ns PEESEEZZREEFEFERNZERE | al, 4 Stunde ...... | O 217 22] 9111 a7a8|1 0 |: 1| 2|] 3| 2] 0| 3| 0 | Rest in Fäulniss. |[— |— |— 6. | DE 4 #» Be elelelslalsichelale — | -|-1-|-|- _ 86. a2, 6 Stunden ..... 10/0/9 7|7\a| 6|4|Aa|2| 2|0|0|0| Rest in Fäulniss. |-|— ae 45. »|6 - lololalajsjı[alılalalalsiefsalalisielolsilelalsinlilı,s 64 & ae | - ...../olaleelolılolılalsıls|slolılı olo|ı|o!|n| Rest in Fäulniss. | 58. b2 112 = > ..... 0° 03) 8118] 4] 8] 00/0] 1] 1J0| 0] ı|6| a1] 43|5|21 0013| 1J oo) 1] ı 65. as. || 24 . „u... | Keine Keimung. Nach 14 Tagen alle Samen in Fäulnis. |— — |- |- I - - | | |— he 0. bt. | 24 > ee oolololılalzlolıojsjalsfsjalilalajı)ı nolalololılolno 37. a5. 145 - „.... |) Keine Keimung. Nach 12 Tagen alle Samen in Fäulnis. | - — — — | | |_ _——_ 0. bB5, |48 =» u ae anne, ae en a an r ana _- | -|-|- | 4 0. ei N | | | I | I | | | | | BE DA a = Sa a a ea a BB | | ee re Ser En ea Teer e Erle | | 1 | | -uode], ZI ypru yoıpywugs uanez uoweg lg | | | 0 | EU RE VE = Se Pre) LT dm; mer ie on een ee En RE Te AEeEE Pi 174 | "yv | "Zunumoyyp auıoy | a | Eee nz Bes Eee TE EI ee F sul Ni ' j H [pP } j Jh NIDOKkDa. N si An 44 N ik ed ) umiua k, wuniadecej than AT PORN a! I ae: & Aplunıs« olinı)T „errraile R 4 iu dr % ww brav. nad u Yid 71012: 17D oaof f 1 It TUE il HM j F aha ih 2 an, Pi nalen Nuten san. ö . 2% E37 ih 17H ie) 1 FT, veü j v4 fr LTE . s maıoalın Taunrfs ft Hi ‘ AN f 1:3 % 27 A “tt ‚sullöos ti L : Jen u sale De Aal Br ih N, wi: | | a a Te Fig. ar Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Ustilago intermedia Schr. a) Promycel- und Sporidienbildung. b) Abgefallenes Promycel mit Sporidien. ce) Ruhende Sporidien. Ustilago flosculorum DC. Promycel mit Sporidienbildung. Ustilago in den Blüthen von Polygonum dumetorum. a) Promycel mit Sporidienbildung. b) Copulirte Sporidien. Ustilago Vaillantii Tul. aus den Blüthen von Seilla bifolia. a) Pro- mycelbildung. b) Sporidienbildung aus dem Stiele nach Abfall der Promycelien. ce) Sporidienbildung aus den Promycelien. d) Ruhende Sporidien. Geminella Delastrina (Tul.).. a) Keimung und Promyecelbildung. b) Sporidienbildung. ce) Ruhende Sporidien. Schizonella melanogramma (DC.). a) Keimung und Promyeelbildung. b) Sporidienbildung. c) Sporidien abgefallen. Vergr. 1200 : 1; Zeichnung mit Oberhäuserschem Zeichenapparat. « .sagnubliddA ob pnunablıd. 1% 15V | a Be Hr har re Bot Hyur inr Berti Fe DEU TERN?" ieh j a AT? | erchissgch' eh . vd u uno narliaf! nah Di paket 2 {\ nl r yyıtinjb y TA Ann N PORT ber ah 2007 Il \anekiiprt EEE N ’ 2 rl a autarage Ad yaluhltsrgn R i te drrblulanibisung. in RICH OUT 2. % UM inibianuge . SuhliilanunantT- um anuuazl’ (nl one. iyrisnskt * ö I: ® i « ” Hubiin IE IIELII zu E u i anlatsnla u F ie RERTDEIT UT Bra EHI ea) Int ENUDTETER“ ". h we Be gr j Ueber zwei neue Entomophthora- Arten. Von Prof. N. Sorokin. Mit Tafel XI. Obgleich die Insektenkrankheiten, welche durch die Gattung Entomophthora (Empusa, Myiophyton) verursacht werden, schon seit Göthe bekannt sind, so haben wir doch eine gründliche Kennt- niss von der Entwicklung dieser Parasiten erst in der letzten Zeit erhalten, Dank den ausführlichen Forschungen von Ferd. Cohn'), Lebert?), O0. Brefeld?), die sowohl den Ansteckungsprozess, als auch die Entwicklung der Krankheit erklärt haben. Die eben erwähnten Gelehrten und mehrere Andere (Cienkowski, Woro- nin, Bail), die die Frage vom Polymorphismus berührten, beob- achteten aber meistentheils den Parasiten der Stubenfliegen (Ent. Muscae), und nur bei Fresenius treffen wir 7 Entomophthora- Arten, die auf verschiedenen Insckten vorkommen, an; leider beschrieb Fresenius schon todte, vertrocknete Insekten und die Entwickelungsgeschichte der von ihm beobachteten Arten konnte daher nicht berührt werden *). Aus Brefeld’s gründlichen und scharfsinnigen 1) Empusa Muscae und die Krankheit der Stubenfliegen. (Nova Acta Acad. Leop. ete. 1855. T.XXV. p 1.) 2) Ueber die Pilzkrankheit der Fliegen. 1556. 3) Untersuchungen über die Entwicklung der Empusa Muscae und Emp. radicans, und die durch sie verursachten Epidemien der Stubenfliegen und Raupen. (Abhandl. d. Naturf. Gesell. zu Halle. 1871. B. XII. 1. Heft. S. 1.) 4) Abhandl. der Senkenberg’schen Naturf. Gesell. Bd. 2. Il. Abth. S. 201. In Bot. Zeitung 1856. S. 883 erwähnt Fresenius kurz drei Arten von Znto- mophthora — E. Muscae, E. Grylli und E. sphaerosperma und weist auf die verschiedene Form der Sporen hin. 388 Beobachtungen der Ent. radicata, die in Kohlraupen lebt, ist es bekannt geworden, dass einige Arten dieser Gattung sogenannte Haftorgane, secundäre Sporen u. s. w. entwickeln können; kurz die Entwicklung einzelner Arten kann ziemlich stark von dem, was wir bei dem Filz der Fliegenkrankheit beobachten, abweichen. Erwähnt, aber nicht näher beschrieben ist von Reichardt, Cohn und Schneider!) E. Aulicae und Jassi. Endlich erwähnt Cornu?) eine Ent. Planchoniana. 1) Im Juli 1876 bemerkte ich in den grossen mit Wasser angefüllten Kufen, die zum Begiessen der Pflanzen im botanischen Garten von Kasan hingestellt waren, eine Menge todter Mücken, welche zu den drei Arten Oulex pipiens, (. annulatus und Ü. nemo- rosus (?) gehörten. Sie schwammen alle auf der Oberfläche des Wassers mit nach oben gekehrtem Abdomen, nach allen Seiten aus- gestreckten Füsschen und halbentfalteten Flügeln. Das Abdomen war stark aufgeblasen, die Segmente waren auseinandergegangen und aus den Zwischenräumen kam eine weisse dicke Masse hervor.» Der mittlere Theii des Abdomen war von dieser Masse wie mit einer dichten Schicht bedeckt (Fig. 1). Kurz, die todten Mücken hatten ganz dasselbe Ansehen, wie die Stubenfliegen, die von Ent. muscae getödtet waren. Man konnte auf der Oberfläche des Wassers auch solche Mücken antreffen, deren Abdomen anfgeblasen war, die aber noch schwache Lebenszeichen von sich gaben: entweder standen sie wie versteinert, zuweilen krampfhaft mit den Füsschen zuckend, oder lagen auf der Seite und machten zuweilen Anstrengungen sich auf- zurichten. Man konute diese kranken Insekten mit den Händen fas- sen, sie betrachten und dann wieder auf die Oberfläche des Was- sers legen — und dennoch machten sie nicht den geringsten Ver- such davonzufliegen. Bei aufmerksamer Beobachtung derjenigen Exemplare, die auf der Seite lagen, konnte man bemerken, dass auf der Seite, mit wel- cher sie das Wasser berührten, das Auseinandergehen der Segmente weit früher begann, als auf der Seite, die der Luft zugekehrt war. Sobald alle Segmente auseinandergingen, erfolgte der Tod des Insek- tes und es fiel langsam auf den Rücken. Nach der Aehnlichkeit der Symptome, welche zwischen den kran- 1) Just, Jahresbericht. 1873. S. 5l; Cohn, Biologie der Pflanzen. 1. Erstes Heft. S. 77. 2) Just, l. e. S. 52, 83. 389 “ ee Fa ken Mücken und kranken Fliegen statt fand, musste man gleich auf den Gedanken kommen, dass auch in diesem Falle die Krankheit dureh die Entwicklung einer Entomophthora entstanden sei. Dies bestä- tigte sich auch wirklich bei mikroskopischer Untersuchung, obgleich der Unterschied zwischen #. muscae und dem, was ich bei der Mückenkrankheit beobachtete, recht gross war. Die weisse Masse, die sich auf dem Abdomen oder zwischen den Segmenten befand, stellte sich als Sporen des Parasiten heraus. Sie hatten eine kugelförmige Gestalt, waren an einem Ende zugespitzt und in der Mitte befand sich ein grosser glänzender Oeltropfen. (Fig. 2.) Solche Sporen kamen aber ziemlich selten vor, meisten- theils hatten sie schon eine veränderte Form: einige streckten das zugespitzte Ende aus (Fig. 3), bei anderen verbreitete sich dies Ende, nachdem es eine geringe Länge erreicht hatte; bei den drit- ten endlich bestand die Veränderung der Form darin, dass aus der Spore zwei grosse und breite Sprossen hervorkamen (Fig. 4); zuwei- len glich die keimende Spore einer kleinen Schaufel (Fig. 5). In allen diesen Fällen konnte man den ölartigen Kern ganz deutlich sehen. Man konnte ebenfalls ziemlich lange, durch Scheidewände setheilte Keimschläuche antreffen, — das eine Ende des Schlau- ches kam aus der Spore hervor; das körnchenreiche Protoplasma füllte nur den am Gipfel stehenden Theil des Schlauches an, wäh- rerd der übrige Theil und die Sporenhaut selbst leer blieben (Fig. 6). Bei der Seetion der Mücke stellte es sich heraus, dass der ganze Körperraum mit Zellen von verschiedener Form und Grösse ange- füllt war; die Zellen waren so fest untereinander verbunden, dass man mit leichter Mühe mit Hilfe von Nadeln die ganze Masse der Parasiten in Form eines kleinen ziemlich harten Knäuels hervorho- len konnte. Die Zellen, weiche sich im Abdomen des Insekts befanden, waren zuweilen sehr kurz, ohne Scheidewände, hatten eine unregel- mässige Form und enthielten einen körnchenreichen Inhalt mit kleinen Oeltropfen. Das Protoplasma verbreitete sich durch den ganzen Zellraum in der Form von Strömen, die sich in einer hellen durchsichtigen Flüssigkeit durchkreuzten; man konnte in Folge dessen die Körnchenbewegung des Protoplasma recht deutlich beobachten. In einer und derselben Zelle (Fig. 7) wurde es mög- lich zwei ganz selbstständige von einander unabhängige Strömungen zu unterscheiden; an einem Ende nämlich (bei a) stiegen die Körn- chen längs der einen Seite der Zelle empor, erreichten den Scheitel und elitten an der anderen Seite nieder, um dann wieder in früherer 390 Richtung emporzusteigen, während am anderen Ende (bei b) ein in der Mitte der Längsaxe der Zelle befindlicher Strom sich in zwei Arme zertheilte, von denen jeder auf der inneren Fläche der Mem- bran an den beiden einander entgegengesetzten Seiten der Zelle nie- derglitt (s. die mit den Pfeilen bezeichnete Richtung der Fig. 7). Die Bewegung wurde bald langsamer, bald schneller; auch änderten die Strömehen ihre Richtung, vereinigten sich zu einem Strome, ver- theilten sich in mehrere kleine Arme u. s. w. Ausser den Zellen, die ohne Scheidewände waren, befanden sich im Abdomen auch ziemlich lange Schläuche, die mit Scheidewänden versehen waren (Fig. 6, 7“). Entweder waren sie nicht verzweigt oder bildeten stumpfe breite Ausstülpungen. In allen diesen Fällen konnte man bemerken, dass das Protoplasma sich immer in der am Scheitel des Schlauches befindlichen Abtheilung befand; die übrigen Abtheilungen blieben leer. Hatte der verzweigte Schlauch nur eine Scheidewand, so war gewöhnlich die eine Seite des Schlau- ches weit inhaltreicher als die andere (Fig. 7°). Das Abdomen endlich war mit sehr langen Schläuchen, die haupt- sächlich die Masse des Parasiten bildeten, angefüllt; untereinander verflochten gelangten sie bis zur Oberfläche des Insektenkörpers, erreichten die Zwischenräume zwischen den Segmenten des Abdomen, sprengten sie auseinander und streekten ihre Spitzen nach Aussen hinaus. Diese Spitzen hatten eine keulenartige Form (Fig. 8.2.2); waren mit einem körnigen Inhalt angefüllt und enthielten einen gros- sen Oeltropfen. Zuweilen konnte man statt eines grossen Tropfens mehrere Oeltropfen, aber von geringerem Umfang antreffen. Ver- folgte man die über die Oberfläche des Insektenkörpers hinausge- tretenen Spitzen der Schläuche, so erkannte man leicht, dass sie der Länge nach mit Scheidewänden versehen waren, die desto dichter aufeinander folgten, je mehr sie sich dem untern Ende des Schlauches näherten. Zugleich zeigte sich, dass das untere Ende der Schläuche nicht frei war, wie es bei EZ. muscae vorkommt, sondern an den grossen leeren Zellen befestigt war (Fig. 3 a.a.). Das Protoplasma sammelte sich nur am freien Ende des Schlauches, das wir mit dem Namen Scheitel bezeichnen wollen. Die leeren grossen Zellen waren ebenfalls in dem Raume des Körpers nicht frei; sie verbanden sich unter einander ganz unregelmässig und glichen einander weder an Form noch an Grösse. Demnach besteht der Parasit, welcher die Mücken tödtet,. aus zwei Theilen: aus langen mit Protoplasma angefüllten Schlänchen (Fig. 8 2.2.) und aus unregelmässigen Zellen ohne körnigen Inhalt 391 - (Fig. 8 a.a.). Die letzteren, dicht untereinander verflochten, bilden das Stroma. Vom Stroma verzweigen sich nach verschiedenen Richtungen die Schläuche, in welchen man ebenfalls die Bewegung des Protoplasma beobachten kann. Die Zellen des Stroma, beson- ders in der Mitte des Abdomen des Insekts (die älteren?), haben ein sehr originelles Aussehen (Fig. 9 A.B.C.): ihre Sprosse besitzen eine fast runde Form, als wenn sie eine Art von Brutknospen bil- deten; je mehr das Stroma ‚sich der Oberfläche des Insekts nähert, desto mehr gleicht die Form ihrer Zellen einem Viereck, oder rich- tiger einem Vieleck (Fig. 9*). Die Scheitel der Schläuche, bis zu den Zwischenräumen der Seg- mente angelangt, bilden, wie ich schon erwähnte, keulenartige Spitzen (Fig. 8). In der eingeschnürten Stelle erscheint eine Scheidewand (8, 9 sp.) und auf diese Weise bildet sich eine Spore, die mit den analogen Fortpflanzungszellen von E. muscae viel Aehnlichkeit hat. Die sporentragenden Schläuche befinden sich in einem gespannten Zustande und bei der Reife der Sporen erreicht diese Spannung den höchsten Grad; der Inhalt drückt auf die Anheftungsstelle der Spore, letztere reisst ab und wird weit fortgeschleudert. Ein Theil des Protoplasma vom Gipfel des Schlauches spritzt mit der Spore, wie es schon bei E. muscae und Ent. radicans beobachtet worden war, hervor, und die Spore klebt sich an die Oberfläche des Gegenstandes, auf welchen sie gerathen ist, an (Fig. 11). Der auf solche Weise entleerte Schlauch schrumpft zusammen (Fig. 10). Die bei der Reife fortgeschleuderte Spore bleibt einige Zeit von einem Tropfen Protoplasma umgeben (Fig. 11); nachher wird die Haut- schicht dieses Protoplasma immer härter, erhält sogar einen zweiten Contour und hat endlich alle Eigenschaften einer Membran, worauf schon Brefeld bei Zint. muscae hinwies. Lässt man auf solch eine Membran einen Tropfen Wasser fallen, so löst sie sich langsam in demselben auf. Auf der Oberfläche des Abdomen oder zwischen den Segmenten des Hinterleibes kann man immer solche Sporen antref- fen, die, obgleich vom sporentragenden Schlauche abgelöst, dennoch zurückblieben, als hätten sie sich zwischen den Schläuchen des Para- siten eingeklemmt. Natürlich bemerkt man dann den die Spore um- ringenden Tropfen des Protoplasma nicht (Fig. 2—5). Auf trocknen Stellen, z. B. auf den Flügeln des Insekts, auf dessen Füssen, auf den Wänden des Gefässes u. a. beginnen die fort- geschleuderten Sporen sogleich auszuwachsen, wobei die verlän- gerte Sporenspitze die sie umgebende Plasmahaut durchreisst. In einen Tropfen Wasser hineingelegte Sporen erzeugten ein oder mehrere Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band IL, HeftIll, 26 392 Keimschläuche; in einen derselben glitt das Protoplasma hinüber, es erschienen Scheidewände und das Ganze ähnelte einer Zelle des Stroma mit jungen sporentragenden Sprossen. Obgleich ich die Sporen in Tropfen von Wasser ceultivirte, bemerkte ich doch nie das Entstehen von seeundären Sporen; die Entwicklung hörte bald auf. Die Experimente, die ich anstellte, um zu erfahren ob die Krank- heit ansteckend sei, gelangen mir völlig nur in folgenden Fällen: wenn man die Sporenmasse auf der Oberfläche des Abdomen oder zwischen den Segmenten einer gesunden Mücke anbringt (was sehr leicht geschehen kann, wenn man der Mücke eine kleine Wunde mit einer spitzen Nadel beibringt), so verlängern sich die Sporen; die Schläuche werden durch Scheidewände getheilt, kurz, sie erschei- nen in der Gestalt der Figuren 4, 5, 6, 7, 7*, Es gelang mir immer die Ansteckung bis zum Ende, d. h. bis zur Entwicklung der Sporen, zu führen. Ich muss aber bekennen, dass es mir nicht gelungen ist, den Moment des Eintretens des Parasiten in den Körperraum des Insekts mit soleher Genauigkeit zu verfol- gen, wie es Brefeld beschreibt. Deshalb kann ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob hier ebenfalls solche Bildungsstufen vor- kommen wie sie Brefeld auf Tafel III. Fig. 18 seiner Arbeit darstellt, oder ob die Sporen unserer Eintomophthora unmittelbar sich in die Schläuche des Parasiten verlängern. Diese Lücke in meinen Forschungen wird vielleicht verzeihlich sein, wenn man erwägt, wie schwer an einem so kleinen Geschöpfe wie eine Mücke Beobachtungen angestellt werden können. Weit besser ist es, bei den Experimenten mit der Ansteckung so zu verfahren, wie es auch Brefeld vorschlägt'),. Die nicht auf das Abdomen, sondern auf den Thorax gebrachten Sporen drangen nie in den Körper des Insekts ein. Zur Vergleichung sonderte ich ein Paar Dutzend Mücken, mit welchen ich dieselbe Operation nicht vorgenommen hatte, ab. Nach drei Tagen, während die angesteckten Mücken schon todt lagen, waren die zur Prüfung abgesonderten Insekten ganz gesund geblieben. Man kann also ganz bestimmt annehmen, dass der Parasit Insekten ansteckt, indem er zwischen den Segmenten oder durch die Haut des Abdomens eindringt. Das Vorhandensein des Stroma bei der erörterten Art ist in so hohem Grade bezeichnend, dass man schon aus diesem Grunde den Pilz der Mückenkrankheit als eine besondere Art, die ich Entomophthora 1) 1. c. $. 28. - [ WWWEEEEEEEEDEEEEEEEEEEEE conglomerata (zusammengeknäulte Entomophthora) zu benennen vor- schlage, aufstellen kann. 2) Ausser den oben erwähnten todten Mücken waren die Wände der Kufen, ein wenig von der Oberfläche des Wassers entfernt, mit unbeweglichen Chironomus-Exemplaren bedeckt. Bei einigen konnte man noch einige Lebenszeichen beobachten, die meisten waren schon todt. Es stellte sich bei aufmerksamer Beobachtung heraus, dass der Thorax der Insekten stark angeschwollen, mit weissem Pulver be- deckt war und nur in der Mitte selbst einen Rest der Chitinhaut hatte (Fig. 12). An den Seiten des Thorax waren Risse ent- standen, und aus diesen kam das weisse Sporenpulver zum Vorschein. Das Abdomen des C’hironomus hatte die gewöhnliche normale Grösse und Breite. Aus dem Thorax endlich traten feine zarte weisse Fäden hervor, mit denen das Insekt an die feuchten Wände der Kufen angeheftet zu sein schien (Fig. 12)'). Unter einigen Hun- derten Exemplaren, welche ich untersuchte, traf ich drei oder vier Male auf Ühironomus, deren Abdomen ganz so wie bei (ulex auf- geblasen, und die dennoch mit den Fäden an die Unterlage ange- heftet waren (Fig. 13). Wenn man das todte Insekt in die Höhe hob und es von der Seite betrachtete, so konnte man deutlich bemer- ken, dass der Thorax fast gleichmässig nach allen Seiten aufgebla- sen ist (Fig. 12*). Die Larven des Ühironomus, welche zu tausenden im Wasser in den Kufen umherwimmelten, blieben gesund und ich traf nur auf ein Exemplar (welches hoch über der Oberfläche des Wassers sich befand), dessen Thorax an den Seiten aufgeplatzt war; durch die Spalten konnte man die weisse puderartige Sporenmasse sehen. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte, dass wir es wieder mit einer Eintomophthora, die sehr der Ent. conglomerata ähnelt, zu thun haben. Wirklich war der Innenraum des Thorax mit Stroma angefüllt (Fig. 16), dessen Zellen verhältnissmässig kleiner als bei der Ent. conglomerata waren. Dessen ungeachtet erzeugten sie Seitensprosse, die sich als sporentragende Schläuche erwiesen. Die Sporen waren am Scheitel zugespitzt (Fig. 17a, 18a. b.). Das Fortschleudern der Sporen bei der Reife geschah auch ganz so wie bei Ent. conglomerata (Fig. 17* a. b). 1) Gegen Eude des Sommers (im Juli und August) bedeckten die todten Chironomus-Exemplare massenweise die Balken und Bretter der Badehäuser, der Brunnen u. s. w. 26* 394 EN Bei der Keimung im Wassertropfen =) erzeugte die Spore entweder einen seit- lichen Keimschlauch, bei dessen Verlän- gerung veränderte sich auch die Form der Spore, sie wurde rund (Fig. 17 a. b.); oder umgekehrt, dieSpore schwoll anfangs auf, erhielt eine runde Form und ver- längerte sich erst später. Hält man die Spore nicht im Wasser, sondern in feuchter Luft, so erzeugt sie runde secundäre Sporen (Sporidien) (Fig. 13 a—d.), die sehr leicht keimen. Die Beobachtungen hinsichtlich der Ent- stehung der secundären Sporen kann man leicht anstellen, wenn man die fortge- schleuderten Sporen in der Nähe der todten Körper sammelt. Bei der Ansteckung des Ü'hironomus mit der erwähnten Zntomophthora-Art verwandeln sich die Sporen nicht unmittel- bar in die parasitischen Schläuche, sondern Eniomophthora rimosa. bilden immer zuerst secundäre Sporen, Sporentragende Schläuche. welche sehr bald keimen und immer tiefer in den Thorax eindringen. Dabei muss ich bemerken, dass dies auch in dem Falle geschieht, wenn man durch einen Stich die Spore unter die Chitinhülle des Thorax hineinbringt. Die Spore erzeugt dann gleich secundäre Sporen. Es ist mir nicht gelungen die Ansteckung durch die Segmente hervorzurufen, ebensowenig durch das Uebertragen der Entomophthora conglomerata von Uulex; in beiden Fällen blieben die operirten und die zur Vergleichung abgesonderten Insekten ganz gesund. Auch hier entsteht die Schwierigkeit der unmittelbaren Beobachtung der ersten Momente der Ansteckung, theils durch den zarten Bau der Insekten, theils dadurch, dass die Exemplare des O’hironomus ver- hältnissmässig seltner als Öulex vorkommen, und ich also weit weniger von gesundem Material zur Beobachtung hatte, als im ersten Falle. Was die Fäden betrifft, mit denen sich die Insekten an die Unter- lage befestigen, so bestehen sie aus unverzweigten Bündeln durch- sichtiger mit Scheidewänden versehener Faserschläuche (Fig. 15). Bemerkenswerth ist noch folgende Thatsache. Versetzt man ein eben gestorbenes Insekt mit demselben Stückchen Holz, an welches 395 es befestigt ist, in feuchte Luft, so verlängern sich die sporenbil- denden Schläuche, die aus den Spalten des "Thorax hervorkommen, sehr, ohne Fortpflanzungsorgane zu erzeugen und verwandeln sich in lange silberweisse Fasern, denen ganz ähnlich, mittelst welchen das Insekt angeheftet ist und die man Haftfasern oder Hausto- rien benennen kann'). Die Krankheit des Ührronomus gehört also ebenfalls zu einer Entomophthora-Art; und obgleich diese sehr der ‚Ent. conglomerata ähnelt, so muss sie dessen ungeachtet, — der Form der Sporen, der bezüglichen Grösse und hauptsächlich des Vorhandenseins der Haustorien wegen, — zu einer besonderen Art, die ich Ento- mophthora rimosa (rissige Entomophthora) benennen will, ge- zählt werden. Bei einem Exemplare einer kleinen grünen Fliege, die ich lei- der nicht näher bestimmen konnte und die sich unter den todten Öhironomus befand, bemerkte ich dasselbe Aufblasen des Thorax (Fig. 19). Die mikroskopische Untersuchung bezeugte, dass auch hier Ento- mophthora rimosa sich entwickelt hatte. Sowohl die Grösse der Sporen, als ihre Form und auch die Stromazellen mit Hausto- rien — waren die nämlichen. Ob die Fliege durch kranke Ühiro- nomus angesteckt war, konnte ich nicht ermitteln. 3) Ein Entomophthora in Mücken hat schon A. Braun gefun- den, von ihm Empusa Culicis genannt, „die sich von E. Muscae durch um die Hälfte kleinere Verhältnisse aller Dimensionen (Durch- messer der Wurzelschläuche „45 — 5345 (3,;75—4,5 Mik.), der Fruchtschläuche „; — 45" (11,25—12,5 Mik.), der Sporen 359 (9 Mik.) und durch blau-grünliche Farbe unterscheidet“; er fand sie während des ganzen Sommers am Rande von Wasserfässern des Ber- liner botanischen Gartens an absterbenden Mücken (Uulex pipiens), an deren Thorax sie mit horizontalem geschlossenem Gürtel, zwischen den Segmenten des Abdomen dagegen mit engeren vertikalen, auf der Unterseite unvollständigen Gürteln hervorbricht?). Eidam macht hierzu nach mündlichen Mittheilungen von A. Braun die Bemerkung, dass die Mücken schon bei ihrem ersten Ausschlüpfen 1) Die Fasern, welche Haustorien bilden, sind im Thorax an die Stroma- zellen angeheftet. 2) A, Braun, Algarum unicellularium genera. Lips. 1845 p. 105. 396 aus der Puppe mit dem Pilz behaftet seien; da nun die Öulexarten ihren ganzen Larvenzustand im Wasser zubringen, so müssen die Larven von den Sporen gerade in dem Augenblick getroffen wer- den, wo sie um Athem zu schöpfen, an die Oberfläche des Wassers kommen '!). Fresenius führt den Pilz der Mücken als Entomo- phthora Culicis auf, und giebt an, dass er gewissermassen ein Dimi- nutivum des Fliegenpilzes darstelle, die kleinsten Sporen von allen Arten besitze; diese haben am obern Ende bald ein Spitzchen, bald fehlt es ihnen, auch fand er noch nicht bis zur Sporenentwickelung vorgeschrittene Fäden bereits dreizellig”?); die Dicke der Fäden am nicht angeschwollenen Theil giebt er auf „, — 3, "" = 9—6,6 Mik., die der Sporen auf „; "m = 11,5 Mik. an. Ausserdem beschreibt Freseniuseine E. Tipulae, welche v.Hey- den an einer grösseren Tipula gefunden, die todt und ohne Flügel am Schilf sass; ihre ovalen Sporen, mit kurzem breitem abgerunde- tem Vorsprung, an der Basis ohne Oelkern, sind „—5 u = 33,3—40 Mik. lang. Die Fäden lang, schlank, leicht trennbar, ein- zelne vierzellig, 4; — 35 ""” (10 -11,7 Mik.), Farbe des Inhalts der Fäden und Sporen grünlich-bräunlich; im ersteren zahlreiche Vacuolen°). Aus obigen unvollkommenen Beschreibungen lässt sich nicht erkennen, in wie weit die von uns beschriebenen Entomophthoren mit schon früher beobachteten Arten übereinstimmen. Die Grössen- verhältnisse unserer auf (ulex gefundenen Ent. conglomerata erinnern an E. Tipulae Fresen., doch stimmt weder die Sporenform, noch das Vorkommen an verschiedenen Thiergattungen. Auf der andern Seite erinnert das Aussehen der Thoraxringe, wie die winzigen Dimensionen und die glockigen Sporen unserer auf Öhrronomus wach- senden #. rimosa an E. Uulicis A. Br. (Fresen.) do-h sind bei letz- terer die so charakteristischen Haftfasern nicht beobachtet worden. Ich glaube hiernach mich berechtigt, die von mir beobachteten Ento- mophthoraarten als noch nicht beschrieben anzunehmen, und mit neuen Namen zu bezeichnen *). Kasan, den 26. December 1876. ı) Eidam, Gegenwärtiger Standpunkt der Mycologie 1872. p. 155. 2) Fresenius, über die Pilzgattung Zntomophthora. Abhandl. der Senken- bergschen Gesellschaft II. p. 206. Tab. IX. Fig. 44—45. 3) Ebendaselbst p. 206. Fig. 46—50. 4) In meiner „Vorläufigen Mittheilung über einige Entomophthora-Arten“ Hedwigia 1376 No. 10, hat sich ein Fehler eingeschlichen: Entomophthora Aphidis Fresen. .ist nicht eins und dasselbe was Ent. Planchoniana Cornu. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren, ausser der I, 12, 12*, 13, 14, und 19, sind bei 500facher Vergrösserung gezeichnet.) Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1. 2. Tafel XII. Entomophthora conglomerata Fig. 1—11. Eine von Entomophthora conglomerata m. getödtete Mücke. (Vergröss. durch die Lupe.) Spore der Entomophthora conglomerata. 3—5. Die auf der Oberfläche des® Insektes keimenden Sporen. 6. iR Keimende Spore: der Keimschlauch theilt sich durch Scheidewände; das Protoplasma befindet sich nur iu der letzten Abtheilung des Schlauches. Eine Zelle aus dem Abdomen der Mücke, mit dem strömenden Pro- toplasma. Die Richtung der Bewegung ist mit Pfeilen bezeichnet. 7*. Aehnliche verzweigte Zelle durch nur eine Scheidewand getheilt. In der einen Hälfte befindet sich das Protoplasma, die andere ist nahezu inhaltsleer. Zellen der Stroma (a. a.) und die auf verschiedenen Entwicklungs- stufen befindlichen Sporentragenden Schläuche. Sp. junge Spore. A.B.C. Stroma aus der Mitte des Abdomen der Mücke. zz sporen- tragende Schläuche. Ein sporentragender Schlauch nach dem Fortschleudern der Spore, Eine eben fortgeschbleuderte und in einem Tropfen Protoplasma liegende Spore. Entomophthora rimosa. Fig. 12—19. Fig. 12. Zwei Exemplare Chironomus sp. von Entomophthora rimosam getödtet Fig. (durch die Lupe vergrössert). 12*. Ein von der Entomophthora rimosa getödtetes Exemplar von Chiro- nomus, welches von dem Substrat herabgenommen und von der Seite gezeichnet ist. (Vergröss. durch die Lupe.) Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 13. 14, 15. 16. 398 Ausnahmsweiser Fall der Entwicklung der Entomophthora rimosa, welche sowohl den Thorax als auch das Abdomen beschädigt hat. Ausnahmsweiser Fall der Entwicklung des Entomophthora rimosa im Thorax der Chironomuslarve. Ein Bündel der Fasern, welche eine Haftfaser oder Haustorium bilden. _ Sporentragende Schläuche von verschiedenem Alter mit Stroma aa. 17 a—b. In einem Wassertropfen keimende Sporen. 17* a. b. In feuchter Luft keimende Sporen der Entomophthora rimosa, 18. 19. welche secundäre Sporen bilden (b). a) Spore, die eine seeundäre Spore (Sporidie) bildet, b) secundäre Spore, ec) d) keimende secundäre Sporen. Eine kleine grüne Fliege durch Entomophthora rimosa getödtet. (Durch die Lupe vergrössert.) Untersuchungen über Bacterien. vL Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der Bacterien. Von Dr. Koch, Kreisphysikus in Wollstein. Hierzu drei Tafeln Photogramme in Lichtdruck XIV. XV. XVI, 1. Die letzten Jahre haben erhebliche Verbesserungen in den Methoden zur Untersuchung der Bacterien gebracht. So hat namentlich die durch Dr. Weigert') vervollkommnete Haematoxy- linfärbung wesentlich zur Kenntniss der Bacterienverbreitung in thierischen Geweben beigetragen. Von Dr. Salomonsen?) ist eine eigenthümliche Art von Cultur der Bacterien in langen Glas- eapillaren angegeben, vermittelst deren es gelingt, die verschiede- nen Formen der Bacterien im faulenden Blute mehr oder weniger zu isoliren. Durch verbesserte und vielfach modifiecirte Impfmetho- den, besonders durch die Benutzung der Cornea als Impfstelle ®) ist unsere Kenntniss über das Wachsthum der Bacterien im thierischen Körper und die vorzugsweise bei septischen Processen auftretenden Bacterien gefördert. Indessen bleiben noch manche Hindernisse, 1) Beschrieben in Billroth und Ehrlich, Untersuchungen über Coccobac- teria septica. Langenbeck’s Archiv für Chirurgie Bd. XX. p. 403. In neuester Zeit hat Dr. Weigert die Anilinfärbung zum Nachweis von Bacterien in thierischen Geweben angewandt und ausgezeichnete Erfolge damit erzielt. 2) C.J.Salomonsen: Studier over blodets forraadnelse. Kopenhagen 1377. 3) Frisch: Experimentelle Studien über die Verbreitung der Fäulniss- organismen in den Geweben und die durch Impfung der Cornea mit pilzhalti- gen Flüssigkeiten hervorgerufenen Entzündungserscheinungen. Erlangen 1374. 400 welche sich der genauen Erforschung der Baeterien entgegenstellen, zu überwinden. Die erheblichsten Schwierigkeiten verursachen die geringe Grösse, die Beweglichkeit, die einfache Form der Bacterien und ihr Mangel an Färbung oder stärkerem Lichtbrechungsvermögen. Wenn die Baeterien auch noch kleiner wären, als man sie bis jetzt gefunden hat, so würde zwar dieser Umstand allein noch nicht das Erkennen derselben vermittelst der stärksten Immersionssysteme verhindern; denn manche noch recht scharf zu unterscheidende Linien- systeme auf Diatomaceenschalen sind bei Weitem feiner als die durch eine Gruppe der kleinsten Bacterien bedingte Zeichnung. Erst dadurch, dass diese kleinen, nicht mit scharfen Umrissen ver- sehenen Körper sich in der lebhaftesten, selbständigen Bewegung oder in unaufhörlicher zitternder Molekularbewegung befinden, wer- den sie ein so schwieriges Untersuchungsobjekt. Es ist gradezu ein Ding der Unmöglichkeit, in einem Schwarm von Bacterien ein Exemplar so zu fixiren, dass man eine genaue Messung desselben vornehmen, oder eine genügende Zeichnung davon entwerfen könnte. Bald tanzt das winzige Stäbchen oder Kügelchen zur Seite und verschwindet in dem dichten Haufen der übrigen Bac- terien; bald erhebt es sich über die Einstellungsebene oder taucht unter dieselbe hinab. Aber auch wenn sich die Bacterien zu ruhen- den Zoogloeamassen vereinigt finden, erscheinen sie nicht wie ein Haufen von deutlich abgegrenzten Körpern, sondern vermöge ihres geringen Lichtbrechungsvermögens machen sie vielmehr den Eindruck eines wolkenähnlichen Gebildes, dessen Zusammensetzung aus einzel- nen Kügelchen oder Stäbchen fast nicht mehr zu erkennen ist. Fast eben so hemmend, wie diese in den Bacterien selbst lie- genden Hindernisse, scheint mir auf die Bacterienforschung der Um- stand gewirkt zu haben, dass es bis jetzt an einem Verfahren gefehlt hat, die Baecterien in ihrer natürlichen Gestalt und Lagerung, ausser wenn sie thierischen Geweben eingebettet sind, zu conserviren und Abbildungen derselben herzustellen, welche von jeder willkürlichen oder unwillkürlichen Entstellung frei sind. Ich brauche wohl nicht den Nutzen auseinander zu setzen, wel- chen Sammlungen mikroskopischer Präparatef ür das Studium haben, und wie die Mittheilung wichtiger Befunde, durch Einsendung conser- virter Präparate an andere Mikroskopiker zur Berichtigung eines falschen Urtheils, zum schnelleren Bekanntwerden einer Entdeckung dienen. Wie manche unvollkommene Beobachtung und wie manche falsche Behauptung über das, was die Bacterien gethan oder nicht gethan 401 haben sollen, wäre nicht in die Oeflentlichkeit gelangt und hätte die Bacterienliteratur zu einem trüben Strom anschwellen lassen, wenn ein Jeder das, was er gesehen hat, in beweisenden Präparaten andern Forschern vorgelegt hätte. Wenn man die Spirochaete plicatilis und die Spirochaete des Zahnschleims in Sammlungen mikroskopischer Präparate finden und sich leicht von ihrer eigenthümlichen Form überzeugen könnte, wie wäre es dann wohl möglich, dass selbst in neuester Zeit noch die Existenz der ersteren bezweifelt und die letztere mit der Spirochaete des Rückfalltyphus verwechselt wurde’). Bei andern Naturgegenständen, welche sich nicht conserviren lassen, vermag man sich wenigstens durch bildliche Darstellung zu helfen, aber auf die Bacterien lässt sich dieser Ausweg leider nur sehr unvollkommen anwenden. Es scheint zwar von vornherein unglaublich, dass so einfach gestaltete Körper nicht leicht zu zeich- nen seien, und doch ist es so. Es kommt hier oft selbst bei den grössten Bacterien auf äusserst geringe Grössenunterschiede an und die Zeichnung erfordert so zarte und weiche Linien, dass die naturgetreue Wiedergabe der Bacterien schon eine aussergewöhn- liche Sorgfalt beansprucht. Und dennoch bleibt es fraglich, ob auch die kleinsten Formen so gezeichnet werden können, dass die Abbil- dung genau dem Original entspricht und nicht zu Verwechslungen mit ähnlichen Formen führt. Die meisten Abbildungen sind rein schematisch gehalten und vernachlässigen die Grössenverhältnisse so sehr, dass es unmöglich ist, dieselben zum Vergleich mit der Wirk- lichkeit zu benutzen. Manche sind so nachlässig angefertigt, dass überhaupt nicht mehr zu erkennen ist, ob der Autor auch wirkliche Bacterien gesehen hat. Wie wenig derartige Abbildungen zum Be- weis einer möglicherweise ganz richtigen Beobachtung dienen kön- nen und dass sie niemals zur Verständigung über Streitpunkte füh- ren werden, muss einleuchten. Um die hier angedeuteten Hindernisse zu überwinden, habe ich ein Verfahren angewandt, welches kurz zusammen gefasst darin besteht, dass die bacterienhaltige Flüssigkeit in sehr dünner Schicht auf dem Deckglas eingetrocknet wird, um die Bacterien in einer Ebene zu fixiren, dass diese Schicht mit Farbstoffen behandelt und wieder aufge- weicht wird, um die Bacterien in ihre natürliche Form zurückzuführen und deutlicher sichtbar zu machen, dass !) Heydenreich: Ueber den Parasiten des Rückfalltyphus p. 40 u. 44. 402 das so gewonnene Präparat in conservirende Flüssig- keiten eingeschlossen und schliesslich zur Herstellung von naturgetreuen Abbildungen photographirt wird. Die einzelnen Theile dieses Verfahrens werde ich nun eingehender beschreiben: 2. Eintrocknen. Die Herstellung einer dünnen Trockenschicht istsehr einfach. Nachdem man sich vorher durch Untersuchung einer Flüssig- keit über ihren Gehalt an Bacterien, über die Form der letztern und ihre Bewegungen in gewöhnlicher Weise orientirt hat, nimmt man mit der Spitze eines Skalpells ein Tröpfchen der Flüssigkeit, z. B. faulen- des Blut, Zahnschleim, die oberste Schicht von faulenden Infusionen und dergl. und breitet dasselbe durch einige kreisförmige Bewegungen zu einer runden etwa einen halben Centimeter breiten möglichst dünnen Schicht aus. Man legt das Deckgläschen hierauf zweckmässiger Weise auf einen hohlen Objektträger und untersucht das Tröpfchen nochmals, ob es auch die früher beobachteten Formen in grösserer Zahl enthält. Je consistenter die Flüssigkeit ist, um so kleiner muss das Tröpfehen genommen werden und es ist dann vortheilhaft, die Masse strichförmig auf das Deckglas zu bringen. Die Substanz ist stets in einer so dünnen Schicht auszubreiten, dass die Bacterien, Blutkörperchen u. s. w. sich nicht decken, son- dern von einander durch kleinere oder grössere Zwischenräume ge- trennt liegen. Je dünner die Schicht geworden ist, um so schneller trocknet sie natürlich ein. Gewöhnlich ist das Präparat schon nach wenigen Minuten zur weiteren Bearbeitung fertig. Eiweisshaltige Flüssigkeiten, namentlich Blut, lässt man etwas länger, womöglich einige Stunden trocknen. So zubereitete Deckgläschen kann man indessen auch Wochen und selbst Monate lang, nur vor Staub geschützt, aufbewahren, ohne dass sich die angetrockneten Bacterien verändern. Es ist dies in sofern sehr vortheilhaft, als sobald die Umstände die sofortige weitere Untersuchung nicht zulassen, man die Präparate nur so weit herstellt und später weiter bearbeitet. Ich habe mir ein Kästchen für zwanzig Deckgläschen machen lassen, welches eben- so eingerichtet ist, wie die zur Aufbewahrung der mikroskopischen Präparate gebrauchten Kasten; dasselbe führe ich stets bei mir und bin dadurch leicht in den Stand gesetzt, bei Seetionen, am Kranken- bette oder bei andern Gelegenheiten Proben von Flüssigkeiten, welche ich auf Bacterien untersuchen will, jederzeit zu sammeln. Deckgläs- chen mit angetrockneten Bacterien lassen sich auch gut versenden. So habe ich beispielsweise durch Vermittlung von Prof. F. Cohn Deckgläschen mit angetrocknetem Rückfalltyphus-Blut von Dr. 403 rn Albrecht in Petersburg erhalten, welches sich ganz ebenso wie andere Blutproben präpariren und zum Photographiren der darin ent- haltenen Spirochaeten benutzen liess (ef. Taf. XVI. Fig. 7 u. 8)'). Einen weiteren Vortheil gewährt das schnelle Eintrocknen da- durch, dass in der Zeit von der Entnahme der Flüssigkeit bis zu der Untersuchung derselben ein Entwickeln oder Eindringen fremder Bacterienarten, wie es bei anderen Untersuchungsverfahren gewiss schon vorgekommen ist, hier unmöglich ist. Gegen dieses Trocknen der Bacterien muss natürlich der Ein- wand erhoben werden, dass, wie die Erfahrung an andern mikros- kopischen Gegenständen lehrt, dadurch die Gestalt der Bacterien in erheblichster Weise verändert werden muss. Auch ich war anfangs davon überzeugt und hoffte erst durch das Aufweichen die ursprüng liche Form wiederzuerhalten. Aber schon bei den ersten in dieser Richtung angestellten Versuchen sah ich zu meinem Erstaunen, dass die Baeterien nicht, wie die meisten Infusorien, Monaden, mikros- kopischen Pflanzen, zerfliessen oder zu unförmlichen Massen zusammen- schrumpfen, sondern wie ganz starre, von einer Schleimhülle um- gebene Körper vermittelst dieser Schleimhülle am Glase ankleben und, ohne ihre Gestalt namentlich in Länge und Breite merklich zu ändern, eintrocknen. Dass es sich in der That so verhält und dass jede Bacterie eine schleimige, für gewöhnlich unsichtbare Hülle be- sitzt, lässt sich aus andern Verhältnissen (Zoogloeabildung) schliessen?), ist aber auch nach dem Eintrocknen sofort daran zu erkennen, dass der Bacterienkörper von einem, je nach der Beschaffenheit der zu- gleich mit eintrocknenden Flüssigkeit mehr oder weniger deutlich zu erkennenden scharf begrenzten glashellen Saum umgeben ist. Meistens werden zwar beim Eintrocknen der Flüssigkeit, in welcher Bacterien sich befinden, letztere von einer Decke colloider oder krystallinischer Masse so überzogen, dass sie nur undeutlich zu er- kennen sind. Aber am Rande des eingetrockneten Tropfens findet man sehr oft einzelne isolirte Exemplare, welche sich vortrefflich dazu eignen, um sich von der Beständigkeit der Gestalt beim Ein- trocknen des Bacterienkörpers zu überzeugen. Die einzigen auf- fallenden Veränderungen, welche vorkommen, bestehen in der Ab- plattung der kugligen, gelappten oder verzweigten Zoogloeamassen und in der Verwandlung schraubenförmiger Körper in eine Wellen- 1) Schon Ehrenberg empfiehlt rasches Eintrocknen als Aufbewahrungs- mittel mikroskopischer Organismen in Sammlungen: Infusionsthierchen 1838 p. XVII. 2) Vergl. F. Cohn, Beiträge zur Biologie I. 2. p. 138. 404 linie. Dieser Uebelstand lässt sich indessen dadurch leicht vermeiden, dass man sofort, nachdem die letzte Spur von sichtbarer Feuchtig- keit vom Deckglas verschwunden ist, das Präparat in der später anzugebenden Weise wieder aufweicht. Die Schleimhülle der Bae- terien quillt dann vollständig wieder auf und gestattet dem Zoogloea- haufen oder der Spirale ihre natürliche Gestalt wieder einzunehmen. Zum Beweise des Gesagten verweise ich auf die Photogramme der Zoogloea ramigera, Taf. XIV. Fig. 1 u. 2 und des Spirülum undula, Taf. XIV. Fig. 3, deren zugehörige Präparate in dieser Weise he- handelt wurden. Feine Spiralen mit schmalen Windungen verlieren so wenig durch das Eintrocknen an ihrem natürlichen Aussehen, dass man sie in getrocknetem Zustande eonserviren und photographiren kann. Beispiele hierfür sind die Photogramme der Spirochaete des Zahnschleims Taf. XIV. Fig. 8, und der Geiselfäden der Bacillen, (Taf. XIV. Fig. 5 u. 6), welche nach troeknen Präparaten angefertigt sind. Sie mögen zugleich als Beweis dafür dienen, dass das Ein- trocknen allein eine wesentliche Hülfe beim Untersuchen der Bac- terien leisten kann, indem es die Zahnspirochaeten, welche im Speichel wegen des geringen Brechungsunterschiedes sehr blass erscheinen, nach dem Verdunsten der Flüssigkeit ausserordentlich deutlich werden, und die in Flüssigkeiten ohne Färbung ungemein schwer sichtbaren Geiselfäden sofort zum Vorschein kommen lässt, Auf eine eigenthümliche Veränderung, welche die Milzbrandbacillen beim Eintrocknen erleiden, komme ich später bei der Beschreibung der Photogramme zurück. 3. Aufweichen und Färben. Der zweite Abschnitt des Verfahrens be- steht in dem Aufweichen und Färben der getrockneten Bacterienschicht. Bringt man ein mit getrockneter Baeterienschicht versehenes Deckglas in destillirtes Wasser oder Glycerin, dann löst sich die Schicht schnell auf und wird vom Glase fortgeschwemmt. Für sich allein genommen sind daher diese Flüssigkeiten zur weiteren Prä- paration der Bacterienschicht nicht zu gebrauchen. Durch Einlegen des Gläschens in absoluten Alkohol, noch besser in eine Lösung von Chromsäure (0,5), lässt sich die Schicht un- löslich in Wasser und Glycerin machen, aber eine unerwünschte Nebenwirkung dieser erhärtenden Flüssigkeiten besteht darin, dass die Schleimhülle der Baeterien nicht mehr aufquillt und deswegen die Bacterien fest am Glase angepresst, oder in die coagulirte Grund- substanz eingebettet, ihre natürliche Gestalt nicht wieder annehmen können. Als ein Mittel, um die Schicht wieder aufzuquellen, ohne dass sie sich vom Glase ablöst, hat sich mir eine Lösung von essig- saurem Kali (1 Theil auf 2 Theile dest. Wassers) erwiesen. Die 405° [ud —— Bacterien nehmen in derselben vollkommen ihre ursprüngliche Form wieder an, werden aber blasser und durchsichtiger als sie waren, Für grössere Formen ist dies kein Nachtheil, ebenso auch nicht für sporenhaltige Baeterien, da bei diesen die Sporen stark glänzend bleiben, also auch dentlich zu sehen sind. Eine weitere vortreffliche Eigenschaft der Lösung von essigsaurem Kali ist die, dass, nachdem die Bacterien aufgequollen sind, sie sich in derselben nicht weiter ver- ändern. Man kann daher diese Flüssigkeit zum Conserviren des Präparates verwenden und letzteres sofort verkitten. Präparate, welche ich vor sechszehn Monaten in dieser Weise angefertigt habe, sind bis jetzt noch ganz unverändert und werden sich vermuthlich auch noch lange Zeit halten. In den meisten Fällen, namentlich wenn es sich um die kleinsten Formen handelt, werden indessen die Bacterien zur genaueren Untersuchung und zum Photographiren zu blass und es ist dann nothwendig, sie durch Farbstoffe deutlicher zu machen. Die verschiedensten Farbstoffe, welche in der Mikroskopie und in der Färberei benutzt werden, habe ich versucht, aber von allen eig- nen sich die Anilinfarbstoffe am meisten zur Färbung der Bacterien. Letztere nehmen die Anilinfarben mit einer solchen Sicherheit, so schnell und so reichlich auf, dass man diese Farben als Reagens zur Unterscheidung der Bacterien von kry- stallinischen und amorphen Niederschlägen, auch von feinsten Fetttröpfehen und anderen kleinsten Körpern benutzen kann. Ausserdem wirken die Anilinfarben in ihren wässrigen Lösungen ganz ähnlich wie das essigsaure Kali, indem sie die Schicht anfweichen, aber nicht vom Glase ablösen. Unter den Anilinfarben habe ich anfangs nur die im Wasser löslichen benutzt und zwar vorzugsweise Methylviolet und Fuchsin. Die übri- gen, namentlich Safranin, Gelb, Eosin, Orange, Methylgrün, Jodgrün, Blau färben nicht so kräftig und sind auch nicht beständig. Für einzelne Objekte eignet sich Fuchsin besser, da es nicht so intensiv färbt wie Methylviolet. Gewöhnlich jedoch giebt das letztere die besten Resultate. Von den verschiedenen Farbenabstufungen des Methylviolet habe ich die blauen (in den Preislisten über Anilin- farben mit Methylviolet BBBBB bezeichnet) mit Vorliebe angewandt. Später, als es mir nicht allein darauf ankam, die Bacterien für das Auge, sondern auch für die photographische Platte bemerklicher zu machen, wandte ich meine Aufmerksamkeit auch den Anilin- farben zu, welche die chemisch wirksamen Lichtstrah- len, also den blauen Theil desSpektrums, nicht durch- lassen. Die besten Resultate habe ich in dieser Beziehung mit einem Anilinbraun, sogen. Neubraun, erzielt, 406 Die Anwendung der Anilinfarben ist ebenso einfach als das übrige bisher beschriebene Verfahren. Von einer concentrirten spirituösen Lösung des Methylviolet oder Fuchsin setze ich einige Tropfen zu 15—30 Gramm destillirten Wassers, so dass sich letzteres intensiv färbt; hiervon bringe ich mit einer kleinen Pipette einige Tropfen auf die zu färbende Bac- terienschicht und halte die Flüssigkeit auf dem Deckglase durch Drehen desselben in beständiger Bewegung. Nach einigen Sekunden wird das Deckglas so schräg gehalten, dass die Anilinlösung an den Rand fliesst und die Bacterienschicht frei wird. An der mehr oder weniger blauen Farbe der letzteren erkennt man dann leicht, ob sie schon genügend gefärbt ist oder nicht; im letzteren Falle lässt man die Farbe von Neuem darüber hinfliessen, bis die gewünschte Fär- bung erreicht ist. Nach einiger Uebung wird man bald die Con- centration der Anilinlösung und die Dauer der Färbung für die ver- schiedenen Objekte richtig beurtheilen lernen. Wenn die Anilin- lösung zu schwach ist, löst sich die Bacterienschicht vom Glase ab; ist sie zu stark, dann färbt sich die Grundsubstanz, welche die Bacterien umgiebt, zu stark, und letztere heben sich zu wenig von ihrer Umgebung ab. In einem gelungenen Präparate muss nach der Färbung die Grundsubstanz (d. h. der Rückstand der verdunsteten Flüssigkeit) kaum zu bemerken, die Bacterien dagegen müssen kräftig gefärbt sein. Die grösseren Formen färbt man weniger stark, so dass Sporenbildung, Gliederung, körnige Beschaffenheit des Inhaltes noch gut zu erkennen ist. Sobald der richtige Grad von Färbung erreicht ist, wischt man die Anilinlösung vom Rande des Deckglases oder saugt sie mit Fliesspapier möglichst vollständig weg, oder man spült sie mit destil- lirtem Wasser oder einer verdünnten Lösung von essigsaurem Kali (1: 10) fort. Auch hierin verhalten sich die einzelnen Präparate verschieden; manche vertragen das Abspülen mit destillirtem Wasser, andere wieder nicht. Die Färbung mit Anilinbraun ist von der eben beschriebenen mit Methylviolet und Fuchsin etwas verschieden. Da die mit Braun gefärbten Präparate in der Lösung von essigsaurem Kali die Farbe verlieren, dagegen die Aufbewahrung in Glycerin vertragen, so habe ich sie gleich von vornherein mit einem Tropfen einer concentrirten Lösung von Anilinbraun in gleichen Theilen von Glycerin und Wasser, welche von Zeit zu Zeit filtrirt werden muss, bedeckt und einige Minuten stehen lassen. Alsdann haben die Bacterien sich genügend 407 es gefärbt und es kann die Farbstofflösung mit reinem Glycerin abge- spült werden. Eiweisshaltige Substanzen, wie Blut, Eiter und dergl., welche sich mit den wässrigen Lösungen des Methylviolet und Fuchsin nur schlecht färben lassen, geben mit in Glycerin gelöstem Braun ganz vorzügliche Präparate, welche sich auch besonders gut zum Photo- graphiren eignen. 4. Conserviren. Zum Conserviren der so gefärbten Präparate kann man Canadabalsam, concentrirte Lösung von essigsaurem Kali oder Glycerin verwenden. Zum Einlegen in Canadabalsam eignen sich nur die mit Methyl- violet und Fuchsin gefärbten Präparate. Man lässt sie nach der Entfernung der Färbeflüssigkeit eine viertel bis eine halbe Stunde liegen, so dass sie wieder vollkommen trocken geworden sind und kann sie dann in gewöhnlicher Weise in Canadabalsam einlegen. In einem derartigen Präparat gewähren die gefärbten Bacterien, namentlich Schwärme von Vibrionen, Bacillen, Micrococcenketten einen ausserordentlich schönen und zierlichen Anblick, Leider erscheinen Zoogloeahaufen und grössere Spirillen platt gedrückt. Auch ist es mir bis jetzt nicht gelungen, von Canadabalsampräparaten gute Photographien zu erhalten. Andererseits aber halte ich sie für ebenso dauerhaft wie andere in Canadabalsam eingelegte mikroskopische Objecte und aus diesem Grunde würden sie besonders für Samm- lungen von Bacterienpräparaten zu empfehlen sein. Mit Methylviolet und Fuchsin gefärbte Präparate müssen, wenn sie zum Photographiren benutzt werden sollen und wenn man die Bacterien in möglichst natürlicher Form erhalten will, in eine Lösung von essigsaurem Kali (1:2) und zwar unmittelbar nach Entfernung der Farbstofflösung noch feucht eingelegt und mit einem der gewöhn- lich gebrauchten Kitte verschlossen werden. Glycerin kann man zum Einlegen dieser Präparate nicht gebrau- chen, da es die Farbe auszieht. Für die mit Anilinbraun gefärbten Präparate ist dagegen Glycerin die beste Flüssigkeit zum Con serviren. 5. Photographiren. Das Photographiren der Bacterien unterscheidet sich von demjenigen anderer mikroskopischer Gegenstände nicht wesentlich. Die Bacterien sind allerdings als sehr kleine, blasse Körper nicht ganz leicht zu photographiren. Doch gestatten die nach dem beschriebenen Verfahren angefertigten Präparate, weil die zu photographirende Schicht sich unmittelbar unter dem Deckglase befindet, die Anwendung der stärksten Immersionssysteme. Auch Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band II. Heft IIl. 97 408 das geringe Lichtbreehungsvermögen lässt sich, wie schon früher angedeutet wurde, durch die Färbung der Bacterien mit braunem Anilin, welches die chemisch wirksamen Strahlen zurückhält, für den photographischen Process ersetzen. Unter günstigen Verhältnissen lassen sich indessen auch lebende Bacterien, sofern sie nur unbeweglich sind, photographiren, wie aus den Photogrammen der Milzbrandbaeillen Taf. XVI. Fig. I u. 2 zu ersehen ist; selbstverständlich müsste immer einem derartigen Pho- togramm, auch wenn es noch so blass ausfällt, der Vorzug vor dem- jenigen gegeben werden, welches die präparirten und gefärbten Bac- terien darstellt. Ich zweifle nicht, dass alle ruhenden Bacterien, namentlich die Microcoecen nach dem Leben photographirt werden können, und werde später darauf bezügliche Versuche anstellen. Sporenhaltige Bacillen und Fäden lassen sich wegen des starken Lichtbrechungsvermögen der meisten Sporen am besten ungefärbt photographiren. Hervorheben muss ich, dass mir niemals gelungen ist, absolut scharfe Umrisse der Bacterien zu erhalten. Durch den Anblick der Diatomaceen-Photographien und der üblichen mit scharfen Linien versehenen Abbildungen von Bacterien verwöhnt, hielt ich dies anfangs für die Folge eines fehlerhaften Verfahrens. Doch habe ich mich später davon überzeugt, dass in Wirklichkeit auch die stärksten mir zu Gebote stehenden Linsen- Systeme (Seiberts Im- mersionssysteme 8 und 9) die Bacterien nicht scharf contourirt erscheinen lassen. Deswegen nehme ich an, dass der Körper der Bacterien gegen die Schleimhülle nicht scharf abgegrenzt ist, son- dern allmählig in dieselbe übergeht. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die photographische Platte überhaupt das mikros- kopische Bild besser oder vielmehr sicherer wieder- giebt, als es die Netzhaut des Auges zu empfinden vermag. Die lichtempfindliche Platte ist gewissermassen ein Auge, welches nicht durch helles Licht geblendet wird, welches nicht bei der anhal- tenden Unterscheidung der geringsten Liehtunterschiede ermüdet und das nicht durch Glaskörpertrübungen oder andere Fehler behindert wird. Oft habe ich auf dem Negativ, wenn das Bild nur scharf eingestellt gewesen war, feine Objecte, z. B. feinste Geiselfäden gefunden, welche ich nachträglich nur mit äusserster Mühe und unter den günstigsten Beleuchtungsverhältnissen im Mikroskop erblicken konnte. f 409 Feine Messungen sehr kleiner blasser Gegenstände, welche sich unmittelbar mit dem Mikroskop gar nicht ausführen lassen, können auf dem Negativ leicht und sicher vorgenommen werden. Manche Streitfragen über feinere Strukturverhältnisse werden vielleicht mit Hülfe der Photographie zu lösen sein, namentlich wenn statt der bisher üblichen blauen und rothen Farben mehr von gelben, brau- nen oder solchen rothen Farbstoffen, welche den chemisch wirksa- men Theil des Spektrums nicht durchlassen, ein vorsichtiger Ge- brauch gemacht wird. Weitere Versuche mit den letzteren Farben würden bestimmt auch für die Bacterien - Photographie noch bessere Resultate gewinnen lassen, z. B. die Möglichkeit: Canadabalsam- Präparate zu photographiren. Anfangs habe ich den von Reichardt und Stürenburg!) angege- benen Apparat und auch die Methode derselben zum Photographiren der Bacterien angewandt. Diese besteht darin, bei einfachem Tages- licht, welches für schwächere Vergrösserungen ausreicht, ein Negativ herzustellen und dieses dann durch eine zweite oder dritte Aufnahme auf die gewünschte Vergrösserung zu bringen. Für manche Objecte mag dieses Verfahren angebracht sein, aber in unserem Falle gehen bei der zweiten oder gar dritten Aufnahme zu viel Details verloren. Mit einer verbesserten Beleuchtungsvorrichtung war es mir noch möglich, mit einfachem Tageslicht, Bacillen mit ihren Geiselfäden bei dreihundertfacher Vergrösserung zu photographiren. Weiter vergrössert und zwar nur dreimal, also bis zu neunhundertfacher Vergrösserung, war indessen kein genügendes Bild von der ersten Platte mehr zu erzielen. Deswegen verliess ich dieses Verfahren und arbeitete später auf den Rath des Hüttendirektor Janisch in Wilhelmshütte bei Seesen und des Professor Dr. G. Fritsch in Berlin, welchen beiden Herrn ich meinen aufrichtigsten Dank ausspreche für die Bereitwilligkeit, mit der sie mich mit ihren Er- fahrungen auf dem Gebiete der Mikrophotographie unterstützt haben, mit dem vom Professor G. Fritsch angegebenen, einfachen aber sinnreichen Apparat, welcher unter Anwendung von Sonnenlicht das Photographiren bei stärksten Vergrösserungen ermöglicht *). Das Wesentliche dieses Apparates besteht darin, dass die Camera, 1) Lehrbuch der mikroskopischen Photographie von OÖ. Reichardt und C. Stürenburg. Leipzig 1868. 2) Beschrieben in der photographischen Zeitschrift: Licht, herausgegeben vom photogr. Verein zu Berlin. Berlin, Verlag von Liebheit & Thhiesen. 1569. Erster Jahrgang p. 140. 277 410 das Mikroskop und die Beleuchtungsvorrichtung horizontal aufgestellt und genau centrirt sind. Diese drei Theile des Apparates sind jeder für sich beweglich und von den beiden anderen Stücken unabhängig. Hierdurch unterscheidet sich der Apparat von allen anderen ähnlichen Zusammenstellungen, bei denen die einzelnen Theile an einem Stativ befestigt oder unmittelbar mit einander fest verschroben sind. Die Vorzüge der von Prof. Fritsch getroffenen Anordnung liegen darin, dass Fehler in der Centrirung leicht und schnell corrigirt werden können, dass Erschütterungen, welche beim Einsetzen der Kassette, beim Richten des Spiegels u. s. w. unvermeidlich sind, nur einen Theil des Apparates treffen und sich nicht auf die anderen fortsetzen können; dass schiefe Beleuchtung durch Drehung der Beleuchtungs- vorrichtung nach der Seite hin in der einfachsten Weise erreicht wird, und dass schliesslich sowohl Mikroskop als Camera jederzeit zu anderen Zwecken benutzt werden können. Insofern bin ich in- dessen von dieser Einrichtung abgewichen, dass ich das Sonnenlicht durch einen Heliostaten dem Apparat zuführe und damit das lästige Richten des Spiegels vermeide. Im Fensterladen, vor welchem der Heliostat aufgestellt ist, befindet sich ein Schieber, der vermittelst einer Schnur vom Standpunkt neben der Kassette aus ohne die ge- ringste Erschütterung des Mikroskops oder der Camera zur Be- lichtung der empfindlichen Platte geöffnet und wieder geschlossen werden kann. Der durch diese Oeffnung gehende Lichtstrahl wird durch ein oder mehrere matte Gläser in zerstreutes Licht verwandelt, passirt unter Umständen noch eine Cuvette mit Kupferammoniaklösung oder Kobaltgläser, und wird durch eine mit verschiedenen Diaphragmen versehene Beleuchtungslinse auf das zu photographirende Object geworfen. Als Beleuchtungslinse kann man die dem Mikroskop bei- gegebene zur Beleuchtung opaker Gegenstände dienende Linse ge- brauchen. Doch habe ich meistens und zwar mit sehr gutem Erfolg zu diesem Zwecke ein mikroskopisches Objectivsystem (Hartnack’s Objecetiv 2 oder 4), welches in die Blendenhülse unter dem Objeect- tisch geschoben wird, benutzt. Vor dem Gebrauch habe ich jedes- mal nach Entfernung der matten Gläser und Einschaltung sehr dunkler Kobaltgläser das von dem Beleuchtungsobjectivsystem ent- worfene Sonnenbildchen genau auf die Mitte des Objectes und auf die Ebene desselben eingestellt. Sobald dann der Sonnenstrahl durch das matte Glas wieder zerstreut wird, tritt der beste Beleuchtungs- effekt ein. Etwaige Störungen im Gange des Heliostaten lassen sich ebenfalls leicht daran erkennen, dass nach einiger Zeit das Sonnenbild aus dem Mittelpunkte des Gesichtsfeldes gewichen ist; B a "E 411 . die Correetur dieser Störung ergiebt sieh aus der Riehtung der Ab- weichung von selbst. Auf einen, wie mir scheint, nicht gleiehgültigen Umstand will ieh noch aufmerksam machen, der das Arbeiten mit dem mikrophotographischen Apparat nicht unwesentlich erleichtert. Da das Mikroskop und die Camera unmittelbar zusammenstossen, 80 bleibt, wenn das Object in das Gesichtsfeld gebracht oder inner- halb desselben verschoben werden soll, nichts anderes übrig, als das Mikroskop aus seiner horizontalen Lage aufzurichten, oder was noch umständlicher ist, die Camera so weit zu verkürzen, dass man mit der Hand den Öbjecttisch erreichen kann. Um diese zeitraubenden Verrichtungen, welehe möglicherweise auch die Centrirung des Appa- rates stören, zu umgehen, habe ich am ÖObjectivbrett der Camera einen trichterförmigen Ansatz anbringen lassen, der sich mit dem Objeetivbrett ohne Verschiebung des Mikroskops oder der Camera leicht abnehmen lässt, und dann soviel Spielraum zwischen Camera und Mikroskop gewährt, dass man bequem nach Einsetzen des Oeu- lars in das Mikroskoprohr mit dem horizontal stehenden Mikroskop in gewöhnlicher Weise die zu photographirende Stelle des Objeetes aufsuchen und in die passendste Lage bringen kann. Nachdem dies geschehen, wird das Ocular entfernt, ein innen geschwärzter Papier- Cylinder in das Mikroskoprohr gesteckt, um die Spiegelung der glänzenden Metalltheile zu beseitigen, dann das Objeetivbrett mit dem Triehter eingesetzt und die Mündung des letzteren, welche sich nahe vor dem Ende des Mikroskoprohrs befindet, durch eine Hülse von schwarzem Tuch lichtdicht mit dem Mikroskop verbunden. Jetzt bedarf es nur noch der Einstellung des Bildes für die Ebene, welche die empfindliche Platte einnehmen soll. Auch für diesen Zweck hat Professor Fritsch eine sehr praktische Vorrichtung angegeben, welche darin besteht, dass die zur feinen Einstellung dienende Schraube des Mikroskops vermittelst eines Zahnrades und eines durch zwei Kugelgelenke verbundenen Stabes aus beliebig weiter Entfernung bewegt wird. Zur groben Einstellung kann das Bild auf einer matten Visirscheibe, aber zur feinsten Einstellung muss es auf einer durchsichtigen Scheibe mit einer Lupe beobachtet werden. In Betreff der eigentlichen photographischen Manipulationen muss ich den sich dafür Interessirenden auf die Lehrbücher der Mikro- photographie von Reichardt und Stürenburg'), Beneke”) und Gerlach?), von denen namentlich das letzte für den Anfän- I) l.c. 2) Beneke: Die Photographie als Hülfsmittel mikroskopischer Forschung. Braunschweig 1868. 3) Gerlach: Die Photographie als Hülfs- mittel mikroskopischer Forschung. Leipzig 1569. 412 ger sehr praktisch und zuverlässig ist, verweisen, neben welchen Schriften jedoch die Kenntniss eines grösseren photographischen Lehrbuches z. B. des von Vogel'), unentbehrlich ist. Bemerken will ich noch, dass für mikrophotographische Zwecke, sobald es sieh um starke Vergrösserungen handelt, nur das Ver- fahren mit nassen Collodiumplatten und zwar mit einem möglichst empfindlichen Collodium verwendbar ist. Trockenplatten eignen sich wegen ihrer geringen Empfindlichkeit höchstens für schwache Vergrösserungen. Was die Wahl der Mikroskop-Objeetive betrifft, so gebrauchte ich zuerst Hartnack’sche Objeetive (No. 7 und 9 immers), war aber von den damit angefertigten Bildern wenig befriedigt. Dann schaffte ieh mir die Seibert und Krafft'schen photographischen Objeetive 1 Zoll, 4 Zoll, 5 Zoll und dessen Immersionssysteme Y’ 8 und 9 an und erreichte damit so gute Resultate, dass ich nur noch mit diesen Objectiven gearbeitet habe. Die photographischen Objeetive und das Immersions-System 7 sind vollkommen frei von Focusdifferenzen und geben sehr feine, scharfe Bilder. Für die Untersuchung der Bacterien schien mir vor- läufig eine 500—-700fache Vergrösserung ausreichend zu sein, und da ich diese mit dem Immersions-System 7 bequem erreiche, so habe ich dieses System fast ausschliesslich angewandt. Die Bestimmung dieser Vergrösserung lässt sich mit grösster Sicherheit vornehmen; sie geschah in der Weise, dass das Bild eines Objeetivmikrometers auf der matten Scheibe entworfen, mit dem Zirkel genau gemessen und die Camera so weit ausgezogen wurde, bis die Vergrösserung genau 500 respective 700 betrug. Die hier- durch gefundene Entfernung der Visirscheibe vom Objectivsystem wurde dann bei der Aufnahme der Bilder eingehalten. Bislang habe ien nur in gerader Richtung einfallendes Licht zum Photographiren benutzt. Doch möchte ich es für nothwendig halten, dass in Zukunft versucht wird, die Bacterien mit den stärk- sten Objeetiven und unter Anwendung von mehr oder weniger schräg einfallendem Liehte zu photographiren. Vielleicht würde man damit noch weitere Aufschlüsse über den feineren Bau der Bacterien und wie die Beobachtung von Dallinger und Drysdale') vermuthen lässt, über das Vorkommen von Geiselfäden bei den kleinsten beweg- lichen Bacterienformen erhalten. 1) H. Vogel: Lehrbuch der Photographie. Berlin 1374. 2) On the existence of flagella in Bacterium termo. Monthly Microscopical Journal. Sept. 1875. 413 . Monochromatisches blaues Licht, welches sich beim Photographi- ren der Diatomaceen so nützlich erwiesen hat, gewährte mir nur für braun gefärbte Präparate Vortheil, dagegen für ungefärbte und für mit Methylviolet gefärbte Präparate schien es mir eher nach- theilig zu wirken. ; Da die Bacterien nur kleine Körper sind und gewöhnlich zahl- reiche Individuen derselben Form dicht neben einander liegen, so genügt gewöhnlich die Aufnahme eines kleinen Bildes. Uebrigens vermochte ich mit meinem Objeetivsystem, wegen starker Krümmung der Bildfläche, bei 500 facher Vergrösserung nur ein scharf einge- stelltes Bild von 35; —4 Centim. Durchmesser und bei 700 facher Vergrösserung von 4—5 Centim. Durchmesser zu erhalten. Durch Anwendung von Blenden im ÖObjeetivsystem würde sich das Bild mehr ebnen lassen, dadurch aber auch an Lichtstärke einbüssen. Aus diesem Grunde und weil die Herstellung eines grösseren Ge- sichtsfeldes durch den Gegenstand nicht geboten war, habe ich keine Blenden angewandt und es bei den kleinen Bildern gelassen. Denjenigen, welcher die Mikrophotographie ausüben und sich das lästige und langweilige Anfertigen der Copien nach seinen Nega- tiven vereinfachen will, mache ich hier noch darauf aufmerksam, dass in neuerer Zeit haltbares lichtempfindliches Papier im Handel zu haben ist. Ich habe mich immer des sogenannten Lichtpauspapieres (mit Glanz) von R. Talbot!) zu meiner grössten Zufriedenheit be- dient. Durch Papierpositive wird man indessen niemals alle Fein- heiten des Negativs wiedergeben können, und wenn es sich um eine ganz genaue Reproduction des Negativs handelt, wird man seine Zuflucht zum Kohledruck nehmen müssen. Nachdem ich das von mir befolgte Verfahren, die Bacterien zu präpariren und zu photographiren, geschildert habe, möchte ich noch ausdrücklich bemerken, dass ich dasselbe noch vieler Abänderung und Verbesserung fähig halte. Vielleicht giebt es noch andere Farben und bessere Conservirungsflüssigkeiten, als die von mir be- nutzten. Die photographische Technik, welehe ich mir nur durch Studium der früher genannten Lehrbücher aneignen konnte, wird in geübterer Hand besseres leisten, als ich es vermochte. Namentlich würden sich unzweifelhaft dureh richtige Auswahl der Belichtungs- zeit und der Verstärkungsmethoden noch kräftigere Bilder erzielen lassen. Vielleicht könnte man auch ein besonderes, für die im Bac- terien-Präparat befindliche Anilinfarbe wenig empfindliches Collodium !) Berlin N. Auguststrasse No. 68. 414 (gefärbtes Bromeollodium) anwenden, um noch stärkere Bilder zu erhalten. 6. Beschreibung der Photogramme. Aus einer grösseren Sammlung von Bacterien-Präparaten und darnach hergestellten Negativen habe ich einige Beispiele zur Veranschaulichung des Gesagten ausgewählt. Viele sehr interessante Objeete musste ich zurück lassen, zu deren Mittheilung ich vielleicht später Gelegenheit finde. Selbstverständlich ist durchaus keine Retouche an den Negativ- platten oder an den Copien vorgenommen. Letztere wurden nach den Original-Negativen durch die Lichtdruck - Anstalt der Herren Römmler und Jonas in Dresden angefertigt. Wenn in der folgenden Beschreibung über Färbung des Präpa- rates und Objeetivsystem, mit welchem photographirt wurde, nichts bemerkt ist, dann ist das Präparat mit Methylviolet gefärbt und mit Seibert’s Objectivsystem 7 photographirt worden. Tafel XIV. Fig. 1. Vergr. 200. Mit photographischem Objeetiv $Zoll und Fig.2. Vergr. 500 mit Seibert’s Immersionsobjeetiv No. 7 photographirt. Zoogloea ramigera. Itzigs. Beim ersten Anblick der Fig. I wird man unter dem baumförmigen Gebilde alles andere eher ver- muthen, als eine Bacteriencolonie, eine Zoogloea. Bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch bald, dass Stamm und Zweige der beiden Bäumchen, von denen das grössere seinen Anheftungspunkt unten, das kleinere dagegen links oben hat, ganz gleichmässig aus kleinen Körnehen zusammengesetzt sind. Und bei stärkerer 500 facher Vergrösserung eines kleinen Stammes (Fig. 2) sieht man, dass der- selbe aus ovalen, vielfach in Theilung, also in raschem Wachsthum begriffenen Bacterien besteht. Zuerst wurde diese eigenthümliche Zoogloea von Dr. Itzigsohn in sich zersetzenden Algenkulturen ge- funden und der Gesellschaft der naturforschenden Freunde zu Berlin schriftliche Mittheilung darüber gemacht'). Nach Itzigsohn soll sie sich durch dendritische Verzweigung des ursprünglich mehr oder weniger kugligen Gallertkörpers bilden, und die zu Spirillen gewor- denen ovalen Körperchen ausschwärmen lassen. Ich habe die Zoo- gloea ramigera nur einige Male vom Juni bis August 1876 ebenfalls auf faulender Algenflüssigkeit, und zwar einmal in ungeheurer Menge gefunden. Sie war untermengt mit anderen wolkenähnlich gebildeten Zoogloeamassen, deren Baeterien indessen grösser waren, als die- 1) Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 19. November 1867. Dr. Eidam. Mykologie 1372 p. 191. 415 jenigen der Zoogloea ramigera, einen Ucbergang zwischen Beiden oder ein Auswachsen der kugligen Zoogloea in baumförmig gestal- tete habe ich nicht auffinden können. Im Gegentheil sieht man schon bei den kleinsten Colonien, welehe aus wenigen Individuen bestehen, dass die Bacterien sich dicht an einander schliessen und zu langgestreckten Stämmchen entwickeln. Bei einer Länge, welche ungefähr der in Fig. 2 entspricht, schwillt das obere Ende an und theilt sich schliesslich in zwei oder mehrere Aeste. Ebensowenig kann ich die von Itzigsohn behauptete Verwandlung der eiförmigen Bacterien in Spirillen bestätigen. Ich habe trotz sorgfältiger Beob- achtung nichts derartiges gesehen. An die Schilderung der Zoogloea ramigera anknüpfend, will ich über die Zoogloeenbildungen im Allgemeinen bemerken, dass die- selben in sehr verschiedenen aber wohl charakterisirten Formen vor- kommen. Eine der merkwürdigsten und auffallendsten ist jedenfalls die Zoogloea ramigera. Andere Zoogloeen haben gelappte Gestalt, noch andere sind knollenförmig, einige haben reine Kugelgestalt und sind entweder gleichmässig mit Baeterien gefüllt oder sie lassen in der Mitte einen Hohlraum. Auch Präparate mit ringförmigen besitze ich. Die meisten werden von kugligen, ovalen oder lang ovalen Bacterien gebildet, doch giebt es auch solche, die aus kurzen Stäb- chen und aus kleinen Spirillen zusammengesetzt sind. Die Zoogloeen enthalten immer unbewegliche und in schneller Vermehrung begrif- fene Bacterien, sie bilden also Ruhezustände, wie sie im Formen- kreis der niedrigsten Organismen fast niemals fehlen. Die Zoogloea- form allein kann indessen zur Charakteristik einer bestimmten Bac- terienart nicht genügen. Andererseits ist es aber auch sehr unwahr- scheinlich, dass eine Bacterienart bald in dieser, bald in jener Grup- pirung ihren Ruhezustand einnehmen wird, namentlich da, wie ich einzelnen Beobachtungen entnehme, die Entwiekelung der Bacterien zur Zoogloea, gerade so wie die Bildung von Häutchen (Taf. XV, Fig. 2) oder bei manchen Baeillen das Auswachsen zu langen Glie- derfäden (Taf. XVI, Fig. 2 und 3) der Entwicklung von Sporen vorhergeht. Es ist daher geboten, in Zukunft den Zoogloeen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und womöglich festzustellen, ob ihrem Zustandekommen ein Schwärmzustand der betreffenden Bacterien vorher- geht und wie die Sporenbildung sich in ihnen gestaltet. An einer in Regenwasser entstandenen kugligen aus ovalen Bacterien bestehenden Zoogloea konnte ich im Laufe von mehreren Wochen folgenden Vor- gang bemerken. Nachdem die Zoogloca eine gewisse Grösse erreicht hatte, bildeten sich in ihr Gruppen von 10-—12 Bacterien, welche 416 bis dahin ganz gleichmässig im Zoogloeaschleim vertheilt gewesen waren; sie rückten immer näher zusammen und erschienen schliess- lich wie zusammengeballt; dann bildete sich in einigen Bacterien je ein glänzendes Körnehen, welches ganz das Aussehen von Sporen hatte. Das Häufehen schrumpfte immer mehr zusammen und wurde blass. Zuletzt bestand die Zoogloea aus Gruppen jener glänzenden Körnehen und einzelnen Resten von Bacterien. In diesem Zustande senkte sich die kleine Flocke auf den Boden des Gefässes, während an der Oberfläche immer neue Zoogloeen entstanden, Fig. 3. Vergr. 500. Spirillum Undula. Sehr schwach mit Methyl- violet gefärbt und nach ganz kurzem Eintrocknen mit essigsaurer Kalilösung aufgeweicht. Jeder, der dieses sehr häufig in allen möglichen faulenden Flüs- sigkeiten vorkommende Spirillum genau beobachtet hat, wird finden, dass von der feinkörnigen Beschaffenheit und der eigenthümlichen Gestalt der einem kleinen deutschen ZZ gleichenden Spirale des- selben durch die Präparation nichts verloren gegangen ist. Fig. 4. Vergr. 500. Nach einem trocknen ungefärbten Präparat photographirt. Spirllum Undula mit Geiseln. Die Figuren 3 und 4 mögen zur Bestätigung dessen dienen, was bei Schilderung des Prä- parationsverfahrens über Eintrocknen der Bacterien und Sichtbar- machen der Geiseln gesagt wurde. Das in Fig. 3 als wirkliche Spirale erscheinende Spirellum ist, wie Fig. 4 zeigt, nach dem Ein- trocknen Sförmig geworden, und während bei dem in Flüssigkeit be- findlichen Spirillum die Geiseln wegen ihres geringen Lichtbrechungs- vermögens nicht sichtbar sind, fallen sie nach Entfernung der Flüssig- keit, also nach dem Trocknen, sofort in die Augen. Die Gestalt dieser Geiseln ist die eines langen, leicht bogenförmig geschwungenen, kräftigen, aber nach dem Ende zu sich verjüngenden Fadens. Das Spirillum Undula trägt an jedem Ende eine derartige Geisel. Aehnliche aber etwas schwächere und kürzere Geiseln habe ich bei Vibrio Rugula gesehen. Fig. 5. Vergr. 500. Nach einem trocknen ungefärbten Präparate photographirt. Mehrere Bacillenmit Geiseln. In der Mitte befin- den sich drei Exemplare und nach dem Rande zuzwei ebensolche, welche ein wenig unterhalb der Einstellungsebene liegen, da sie hell mit dunklen Rändern erscheinen. Diese Bacillen haben eine schwerfällige wackelnde Bewegung, sind dieker, in manchen Exemplaren auch länger als die Baeillen der Fig. 6 (beim Vergleich ist zu beachten, dass Fig. 5 500 mal und Fig. 6 700 mal vergrössert ist). Sporen- bildung hahe ich bei diesen Bacillen nicht gesehen; vermuthlich bil- den sie lange Fäden und entwickeln dann erst Sporen. Wegen der 417 Grösse, der eigenthümlichen Bewegung und des Fehlens der Sporen in den beweglichen, noch kurzen Stäbchen, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass diese Baeillen dem eigentlichen Bacillus subtilis angehören, der sich im Heu-Infus entwickelt. Ich habe sie an der Oberfläche von faulenden Pflanzenaufgüssen oft gefunden. Die Form der Geisel ist ebenso wie die Bewegung von derjenigen des folgenden Bacillus verschieden. Er trägt an jedem Ende eine starke mit ein bis zwei grossen Krümmungen versehene oder aufgerollte Geisel, Fig. 6. Vergr. 700. Nach einem trocknen ungefärbten Präparat photographirt. Dieser Bacillus findet sich oft an der Oberfläche von faulenden Pflanzenaufgüssen und zwar in solcher Menge, dass er eine ziemlich dicke schleimige Haut auf denselben bildet. Er hat eine eigenthümliche zitternd rotirende Bewegung, durch welche er leicht von andern Bacillen, namentlich vom Vorhergehenden, zu unterscheiden ist. Beide Enden des Bacillus tragen eine Geisel, welche eine feine regelmässig gestaltete Wellenlinie bildet. Auf seine eigen- thimliche Sporenbildung, welche die Fig. 3. Taf. XV. zeigt, komme ich bei Besprechung dieser Figur zurück. Da dieser Bacillus vom Bacillus subtilis sieh durch die abweichende Sporenbildung und von dem von Tr&ceul und van Tieshem!) beschriebenen Bacillus amylobacter sich dadurch unterscheidet, dass er nicht im Pflanzen- gewebe, sondern an der Oberfläche von Aufgüssen sich findet und die beim Bacıllus amylobacter gefundene Jodreaction nicht giebt, so halte ich ihn für eine besondere Art und schlage den Namen Da- cillus tremulus für ihn vor. Zu den drei vorhergehenden Photogrammen, welche geiseltragende Bacterien enthalten, habe ich hier noch folgende Bemerkungen ein- zuschalten. Ehrenberg hat zuerst an einem, von ihm als Dacterium triloculare bezeichneten Bacillus eine fadenartige wirbelnde Geisel (Rüssel) an einem Ende des Stäbehens gesehen und abgebildet ?). Sodann hat F. Cohn?) Geiselfäden an Spirillum volutans gefun- den und in diesen Beiträgen beschrieben. Später haben Dal- linger und Drysdale (l. c.), wie aus der Figur und dem benutzten Objectiv (Powell and Lealand $) zu entnehmen ist, bei ungefähr 1500facher Vergrösserung und mit einer besondern Vor- richtung für sehr schiefe Beleuchtung (with the supplementary stage for very oblique illumination) Geiseln an Bacterium Termo gesehen. 1) M. Ph. van Tieghem: sur le bacillus amylobacter et son role dans la putr6faction des tissus vegetaux, Bull. de la Soc. botanique de France. X XIV. 1877. 2) Infusionsthierchen 1838 p. 76. Tab. V. Fig. 1. 2. 3) Diese Beiträge: Bd. I. Heft 2 p. 188. 418 Mit welchen Schwierigkeiten dies indessen verknüpft war, mag man daraus abnehmen, dass der eine der beiden Forscher erst nach lan- gem Suchen (after nearly five hours of incessant endeavour a fla- gellum was distinctly seen at one end of two termo which were moving slowly across the field) eine Geisel erblickte und dann erst nach weiterer mehrstündiger Arbeit beide ein Dacterium termo mit einer Geisel an jedem Ende sahen. Es dürfte wohl nur wenigen Mikroskopikern vergönnt sein, diese Beobachtung, deren Richtigkeit ich durchaus nicht bezweifle, nach derselben Untersuchungsmethode zu bestätigen; es gehören schon ganz besonders glücklich eonstruirte Augen dazu, nachdem man fünf Stunden lang Pacterium termo beobachtet hat, dann noch ein so ungemein zartes und blasses Ge- bilde wie eine Geisel zu erkennen. Mir wenigstens würde das unmöglich sein. Eine dritte Angabe über Geiselfäden der Bacterien ist von Dr. Warming') gemacht. Er fand sie bei röthlichen Vibrio- nen und Spirillen, welche an der dänischen Küste vorkommen. Diese Schriften von Warming und von Dallinger und Drysdale habe ich indessen erst kennen gelernt, nachdem ich die Geiselfäden schon bei mehreren Bacterien gesehen hatte. Meine Aufmerksamkeit wurde dadurch auf die Geiselfäden gelenkt, dass ich bei Exemplaren von Spirillum Undula, welche am Rande eines Tropfens lagen und in der flachen Flüssigkeitsschicht sich nicht fortbewegen konnten, eine wirbelnde Bewegung der Flüssigkeit an den Enden wahrnehmen konnte. Aber trotz aller Anstrengung gelang es mir nicht, die als Ursache dieses Wirbels vermuthete Geisel zu erkennen. Sobald indessen die Flüssigkeit verdunstete und das Spirillum eintrocknete, waren mit einem Male die Geiseln sehr deutlich zu sehen. Durch diese Beobachtung geleitet gelang es mir dann noch weiter an Vrbrio Rugula, wie schon früher erwähnt wurde, und an Bacillen Geiselfäden aufzufinden. Diese eben genannten, sowie eine Art sehr kleiner Spirillen, besitzen an jedem Ende eine Geisel. Dagegen fand ich bei einer kleinen, sehr wenig gekrümmten Bacterie von kurzer ge- drungener Gestalt nur eine Geisel, welche sehr fein ist und einem langgestreckten S gleicht. Mit äusserst zarten Geiseln, welche erst durch die später zu erwähnende Behandlung mit Kxtr. campechtan. zum Vorschein kamen und photographirt werden konnten, war eine Bacterie versehen, welehe ihrer Grösse und Bewegung nach für Bacter. lineola gehalten werden muss. Merkwürdigerweise trägt diese Art die beiden Geiseln an dem einen Ende dieht neben einanderstehend. Kjöbenhaven 1876. 419 P Bei diesen Untersuchungen war es jedoch sehr störend, dass die Geiseln nur an solchen Baeterien sichtbar wurden, welche dicht am Rande des Tropfens oder noch besser ausserhalb desselben einge- trocknet waren. Nach dem Innern des Tropfens zu waren sie durch die mit eintrocknenden, gelösten Bestandtheile der Flüssigkeit zu stark verdeckt. Um dem abzuhelfen und zugleich den Beweis zu führen, dass die Geiselfäden an den eingetrockneten Bacterien nicht etwa ein zufälliges selines Vorkommen oder gar ein Kunstproduct seien, habe ich versucht, dieselben mit Farbstoffen zu imprägniren und dadurch leichter wahrnehmbar zu machen. Dass für diesen Zweck mit Anilinfarben nichts zu erreichen war, konnte ich schon daraus abnehmen, dass ich in keinem der vielen mit Anilin gefärb- ten Bacterienpräparate bis dahin Geiseln gefunden hatte. Indessen versuchte ich nochmals alle mir zugänglichen Anilinfarben und über- zeugte mich von der eigenthümlichen Thatsache, dass so schnell und so reichlich der Körper der Bacterien die verschiedensten Anilin- farben aufnimmt, doch die Geiseln von keiner einzigen derselben auch nur im geringsten gefärbt werden. Dann wandte ich Carmin, Hämatoxylin — Alaunlösung, Tannin und noch verschiedene andere Farbstoffe an mit demselben negativen Erfolg. Nur mit Pikrinsäure gelang es, die Geiseln etwas deutlicher zu machen. Zuletzt ver- suchte ich verschiedene Pflanzenextracte und fand, dass sich das Eztractum campech. in einer eoncentrirten, wässrigen Lösung, der, um Schimmelbildung zu verhüten, ein wenig Campher zugesetzt war, ganz vortrefflich zur Färbung der Geiseln eignet. Durch vorsichtigen Zusatz dieser Lösung zu baeillen- und spirillenhaltiger Flüssigkeit gelingt es sehr leicht, die Geiseln sicht- bar zu machen. Noch deutlicher und schöner sind sie zu sehen, wenn man die Lösung einige Zeit auf die am Deckglas eingetrock- nete Baeterienschicht wirken lässt, entfernt und das Präparat wieder trocknet. Ich habe auf diese Art Präparate erhalten, in denen unter Schwärmen von Baeillen fast jeder einzelne Baeillus sehr schöne, braun gefärbte Geiselfäden erkennen lässt. Derartige Präparate las- sen sich in den gewöhnlichen Einschlussflüssigkeiten, namentlich Gly- cerin, nicht auf die Dauer bewahren, da der Farbstoff sehr bald aus- gezogen wird. Doch kann man sich dadurch helfen, dass man das Deckglas nach der Behandlung mit Extr. campech., in eine schwache Chromsäurelösung oder in die Müller’sche Flüssigkeit bringt, es bildet sich dann eine braunschwarz gefärbte unlösliche Verbindung des Extr. campech. mit Chrom (bekanntlich werden viele Sorten Schreibtinte vermittelst Blauholzabkochungen und Chromsalzen her- 420 gestellt). Hierauf kann man das Präparat in Glycerin oder nach nochmaligem Eintrocknen in Canadabalsam legen. Ein solches Canadabalsam-Präparat besitze ich von Dacillus tremulus, in dem an vielen Exemplaren zugleich Sporen und Geiseln zu sehen sind. Da nun schon bei einer nicht geringen Anzahl von Bacterien Gei- selfäden als Bewegungsorgane aufgefunden sind, so ist die Annahme wohl gerechtfertigt, dass alle mit selbständiger Bewegung versehe- nen Bacterien Geiselfäden besitzen. Mir erscheint es auch durch- aus nicht zweifelhaft, dass mit Hülfe von starken Objectiven, schrä- ger Beleuchtung und Färbung mit Kirtr. campech. oder anderen viel- leicht noch wirksameren Farbstoffen, die Geiseln bei den kleinsten Bacterien nachzuweisen und zu photographiren sind. F. Cohn sprach sich schon früher') über die Verwandt- schaftsbeziehungen der Bacterien dahin aus, dass die Kugel- und Stäbehenbacterien leicht mit kugligen oder elliptischen Monaden zu verwechseln seien und dass, wenn die von ihm bei Sperzllum volu- tans entdeckten Geiseln auch bei den eigentlichen Bacterien gefun- den würden, wie Ehrenberg vermuthet habe, dann die mundlosen Arten der bisherigen Gattung Monas unmittelbar mit den geisel- führenden Bacterien vereinigt werden müssten. Dieser Fall ist jetzt eingetreten und es würde also nothwendig sein, die Gattung Monas zu trennen und theilweise den Infusorien, also dem Thierreiche, theilweise den Bacterien, also dem Pflanzenreiche, zuzutheilen. Die Grenze zwischen Thier- und Pflanzenreich, weiche in ihren untersten Regionen undeutlich und verwischt erscheint, würde sich dadurch weit schärfer ziehen lassen. Fig. 7. Vergr. 500. Spirochaete plicatilis. Häufig in Rinnsteinen, im Stadtgraben von Wollstein, im Schiamm am Rande des Wollsteiner Sees, während des ganzen Sommers gefunden. Die eigenthümlichen, ausserordentlich schnellen Bewegungen und die zweifache Wellen- linie, welche sie bildet, unterscheiden diese Spirochaete sehr leicht von andern. Die primären Windungen sind bei allen Exemplaren gleich gross, die secundären dagegen sind oft, namentlich bei län- geren Individuen, von ungleicher Grösse. Ausser der Spirochaete plicatilis enthält dieses Photogramm noch mehrere Exemplare von Vibrio Rugula, welche in ziemlich regelmässigen Abständen mit dunklen Körnchen versehen sind, ferner noch eine andere kurze dicke Spirochaete (oberhalb und links von der Spiroch. plicat.), welche in der ersten Hälfte des Sommers häufig im Schlamme des I) Diese Beiträge Bd. I. Heft 2 p. 185. 421 “ Wollsteiner Sees vorkommt; die Bewegungen dieser letzteren Spiro- chaete sind langsam. Fig. 8. Vergr. 500. Spirochaete des Zahnschleims’). In troeknem, ungefärbtem Zustande photographirt. Mit essigsaurem Kali eingelegte Präparate wurden ebenfalls photographirt; sie fallen blasser aus, während die Länge und Dicke der Spirochaeten dieselbe wie in Fig. 8 ist. Diese Spirochaete scheint mir ein ebenso regel- mässiger Bewohner der menschlichen Mundhöhle zu sein, wie Lep- tothrix; ich habe vielfach den Inhalt von kariösen Zähnen und den Schleim, welcher sich an der Basis der Backzähne und zwischen denselben findet, untersucht und diese Spirochaeten ohne Ausnahme in grossen Mengen gefunden. Sie hat grosse Aehnlichkeit mit der Spirochaete des Rückfalltyphus, ist jedoch kürzer und etwas dünner; einige Exemplare erreichen wohl die Dicke, aber nie die Länge der Typhus-Spirochaeten. Von Manassäin?) wurden in dem Inhalte einer nach der Mundhöhle zu offnen Balggeschwulst mehrere Monate lang Spiro- chaeten gefunden, für identisch mit den Recurrensspirochaeten erklärt und aus dieser Beobachtung irrige Rückschlüsse über die Bedeutung der Spirochaeten für den Recurrenstyphus gemacht. Dass es sich in diesem Falle jedoch nicht um Recurrensspirochaeten, sondern höchst wahrscheinlich um Zahnschleimspirochaeten handelte, bedarf wohl mit Rücksicht auf den Fundort der Spirochaeten keiner weiteren Begründung. (Bei der Vergleichung der Figuren 7 und 8 auf Tafel XIV mit Fig. 7 und 8 auf Tafel XVI, welche die Typhusspiro- chaeten enthalten, ist zu berücksichtigen, dass letztere 700 fach und die Spirochaeten der Tafel XIV nur 500fach vergrössert sind.) Die Spirochaete des Zahnschleims würde sich, da sie jederzeit und sehr leicht zu beobachten ist, vielleicht dazu eignen, die Entwicklungs- geschichte dieser eigenthümlichen Gebilde zu studiren, was für die Aetiologie des Rückfalltyphus vom grössten Werth sein könnte. Auf- fallend ist es, dass die Zahnschleimspirochaeten nicht blos eine sehr verschiedene Länge, sondern auch verschiedene Dicke besitzen, manche sind ungemein dünn und klein. Vielleicht sind dies verschiedene Entwicklungsstadien. Tafel XV. Fig. 1. Vergr. 500. Sehr wenig mit Methylviolet gefärbt, um die Sporenbildung nicht zu verdecken. Kurze keulenförmige t) Cohn, Beiträge I. 2. p. 180. 2) Heydenreich: Ueber den Parasiten des Rückfalltyphus p. 40. 422 Bacillen ohne Bewegung. Gefunden im Jahre 1877 im Safte einer faulen Zwiebel, welche in einem Sumpf gelegen hatte. Die keulenförmige Gestalt ist durch Bildung einer Spore am einen Ende des Bacillus bedingt. Einige Bacillen sind noch vollkommen cylin- drisch, in anderen zeigen sich die ersten Andeutungen der Spore, welche immer grösser und dunkler wird. Schliesslich wird der Baeillen- faden blass, schwindet fast ganz und bildet nur ein Anhängsel der Spore. In der Gruppe befindet sich noch ein kleiner cylindrischer Ba- eillus mit vier Sporen in gleichen Abständen. Einem bedeutend grösseren, aber durch Sporenbildung ebenfalls keulenförmig gestalteten Bacillus begegnen wir in Fig. 2. Ausserdem besitze ich noch Prä- parate mit ähnlichen keulenförmigen Baecillen, welche sich durch die Dicke oder Länge des Bacillenfadens, sowie die Grösse der Spore von diesen beiden hier mitgetheilten Formen wesentlich unterscheiden. Mehrere derselben zeichnen sich dadurch aus, dass sie 2—6 gliedrige Ketten bilden, in denen die Sporen oder die sterilen Enden zweier benachbarter Glieder zusammenstossen, also in dieser Weise: — .. — — ..— — . sehr häufig sieht man diese Form: „. — — ., welche auch in Fig. 2 auftritt. Alle diese Bacillenformen scheinen keine selbständige Bewegung zu besitzen; Geiselfäden habe ich an ihnen nicht wahrgenommen. Vorzugsweise finden sie sich in Früchten, Wurzeln, im saftigen Stengel von Wasserpflanzen, welche im Wasser faulen. Unzweifelhaft gehört die von van Tieghem Dacillus amy- lobacter genannte Art!) in diese Gruppe von Bacillen. Ob dieselbe aber mit der hier abgebildeten identisch ist, vermag ich nicht zu sagen, da van Tieghem die Grössenverhältnisse seines Dacillus nicht angegeben hat und ich noch nicht Gelegenheit hatte, die Ein- wirkung, welche Jod auf dieselben hat, zu prüfen. Nach van Tieg- hem sollen diese Bacillusarten nur Cellulose-Fäulniss veranlassen ; ich habe sie mehrfach im Körper todter Wasserinsekten, denselben ganz ausfüllend, einigemale auch in faulendem Blute”) gefunden, was wohl darauf schliessen lässt, dass sie sich unter Umständen auch an der Zersetzung eiweisshaltiger Substanzen betheiligen. Erwähnen will ich noch, dass ich neben den keulenförmigen Bacillen auch eine andere, wie mir scheint, hierher gehörige Form gefunden habe, deren Individuen etwas kürzer, als diejenigen der Fig. 4, lanzettförmig ge- staltet und mit einer dem einen Ende näher gelegenen Spore ver- sehen sind, welche indessen oval geformt ist und den Bacillenkörper nicht keulenförmig oder bauchig auftreibt. I!) l.c. 2) Vergl. auch die Abbildungen in der Schrift von Salomon- sen 1. -c. Taf. III. Fig. 1. 3. 4. 7 etex ui a a LE eV] - nur Ze ii En, 2 FT 423 # Fig. 2. Vergr. 500. Ungefärbt. Lange keulenförmige Baecil- len mit Sporen. An der Oberfläche von Kartoffeln, welehe in Wasser aus dem Wollsteiner Stadtgraben faulten, gefunden, Fig. 3. Vergr. 500. Der schon bei Taf. XIV. Fig. 6 erwähnte Baeillus tremulus mit Sporen. Dieser Bacillus gehört, was die Sporenbildung betrifft, einer an- deren Gruppe, als die vorhin erwähnten keulenförmigen, mit endstän- digen Sporen versehenen Bacillen an. Die hier photographirten Exem- plare haben allerdings sämmtlich nur eine Spore zur Entwicklung ge- bracht, doch ist das nicht die Regel. Bei üppigem Wachsthum sieht man oft ganz ähnlich, wie bei Fig. 4, den Bacillus tremulus mit 2 auch 3 vollständig entwickelten und einigen verkümmerten Sporen. Die ausgebildeten Sporen liegen dann bald mehr dem Ende, bald mehr der Mitte zu, sind also durchaus nicht regelmässig endständig. Das eigenthümliche bei der Sporenbildung der Baeillengruppe, welcher der Dacillus tremulus angehört, ist indessen, dass die Spore dicker wird, als der Bacillenkörper; dabei aber letzteren nicht keulen- oder spindelförmig auftreibt, sondern blasenartig aus dem Bacillus hervor- quillt. Deswegen erscheint die ausgewachsene Spore gewöhnlich seitenständig. Auch diese Gruppe umfasst ausser diesen und der folgenden noch andere Formen. Eigenthümlich ist es, dass manche, so auch die in Fig. 4 gegebenen Bacillen nur zur Sporenbildung kommen, nachdem sie Häutchen an der Oberfläche von destillirtem oder Regenwasser, überhaupt von Flüssigkeiten, welche keinem eigent- lichen Fäulnissprozess unterworfen sind, gebildet haben. Ob diesem Ruhezustande ein bewegter vorhergeht, habe ich bis jetzt nicht fest- stellen können. Der Bacillus tremulus dagegen findet sich nur in faulenden Flüssigkeiten und bis jetzt habe ich ihn niemals in einem Ruhezustande gesehen. Dass er mit Geiselfäden versehen ist, wurde schon früher besprochen. Fig. 4. Vergr. 500. Bacillen mit mehreren seitlichen Sporen. Diese Art fand sich an der Oberfläche von Regenwasser nach mehrtägigem Stehen zugleich mit weit ausgedehnten Häutchen, die von einer dem Dact. termo ähnlichen und ebenfalls sporenhaltigen Bac- terie gebildet waren. Die Sporen dieser letzteren Art sind auch dicker als der Bacterienkörper und treten kugelartig aus diesem ber- vor; doch habe ich noch eine andere kleinere Form von Dact. termo öfter gesehen, welche sich lebhaft bewegte und mit Sporen versehen war, die den Durchmesser des Bacterienkörpers nicht überschritten ; ich möchte daher annehmen, dass das, was bis jetzt gewöhnlich unter dem Namen Dact. termo begriffen wird, mehrere durch Sporen- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band U, Heft III. 23 424 bildung und Grösse verschiedene Arten umfasst, welche gelegentlich unterschieden werden müssen. Fig. 5. Vergr. 700. Mit Anilinbraun gefärbt, in Glycerin eingelegt. Schafblut, welchesvier Tage lang bei einer Temperatur von 8—10°C. in einem offenen Gefäss gestanden hatte. Links oben befindet sich eine Gruppe mittelgrosser Microcoecen, nach unten von diesen eine etwas kleinere Form und an der rechten Seite der grossen Gruppe eine dunkel gefärbte kleinste Form, an welche sich noch weiter nach rechts wieder eine Gruppe der kleineren Form anschliesst. In demselben Präparat war eine noch grössere Micro- coecenform vertreten, die grösste, welche ich bis jetzt überhaupt gefunden habe; sie bildete ebenfalls Gruppen und die einzelnen Individuen derselben, welche fast den dritten Theil vom Durchmes- ser eines Blutkörperchens erreichten, befanden sich meistens in der Theilung, also in lebhaftem Wachsthum. Leider ist das Negativ, welches eine Gruppe dieser grössten Micrococcen neben anderen kleineren Formen enthielt und ebenfalls veröffentlicht werden sollte, beim Copiren für den Lichtdruck zerbrochen. Wir haben also in demselben faulenden Blut grösste, mittelgrosse, kleinere und kleinste Mierococcen zu unterscheiden und zwar bildet jede Form für sich eine ziemlich genau begrenzte Gruppe, an deren Rand, wie es bei dem Präparationsverfahren nicht anders möglich ist, sich einzelne oder mehrere Micrococcen einer anderen Form anlegen; doch sind auch in diesem Falle die nicht zur Gruppe gehörigen Mierococcen leicht zu erkennen. Unzweifelhafte Uebergangsformen zwischen diesen ver- schiedenen Gruppen sind nicht vorhanden. Fig. 6. Vergr. 700. Mit Anilinbraun gefärbt, in Glycerin ein- gelegt. Dasselbe Blut, welches das Präparat zu Fig. 5 geliefert hatte, enthielt nach vierwöchentlichem Stehen bei derselben Temperatur die in Fig. 6 wiedergegebenen Formen von Bacterien. Die Blutkörperchen, welche in Fig. 5 noch gut erhalten scheinen, sind in Fig. 6 verschwunden und statt der in Gruppen gelagerten Miero- coccen erscheinen hier reihenförmig angeordnete, daneben einzelne sehr kleine Mierococcen und längliche zu Dact. termo gehörige Formen, die auch schon in Fig. 5 zu bemerken sind. Fig. 7. Vergr. 700. Mit Anilinbraun gefärbt, in Glycerin eingelegt. Kettenförmig angeordnete Mierococcen, welche sich constant und oft in grosser Menge im Zungenbelag finden. Zwischen je zwei oder vier Mierococcen ist immer ein deutlicher Zwischenraum. Die beiden grossen ovalen Körper sind Kerne vom Plattenepithel der Mundhöhle. An dem einen Ende der Kette befindet sich ein Hau- I a 2 3 a a mr‘ hi et an 425 ? Ber fen kleinster Micrococcen, weiche in dichten Zoogloeamassen den eigentlichen Zahnschleim bilden. Gewöhnlich umschliessen diese letz- teren, wie es auch hier der Fall ist, kleine Gruppen von einem etwas grösseren Micrococeus, der sich durch eine nie fehlende, jedes- mal ein bis vier Individuen umschliessende breite glasartige Schleim- hülle auszeichnet (in Billroth's Werk über Coceobacteria septica auf Taf. IlI. Fig. 22 abgebildet). . Fig. 8. Vergr. 500. Reihenförmig geordnete Mierococcen, eine feine Haut auf Wasser bildend, welches in Schleim ein- gebettete Gomphonemaarten enthielt und mehrere Tage der Fäulniss überlassen blieb. Nur im Frühjahr 1377 einigemale gefunden. In der Flüssigkeit selbst fanden sich lange Ketten desselben Mieroceoceus aber keine Zoogloeabildung. In den Figuren 5 bis 8 sind nur einige Micrococeenformen wie- dergegeben; ihre Zahl ist damit noch nicht erschöpft und ich hätte, wenn es der Raum gestattete, wohl dreimal so viel Photogramme von verschiedenen Micrococcenformen veröffentlichen können. Bei der Auswahl, welche ich hier getroffen habe, kam es mir nur darauf an, zu zeigen, dass auch die Kugelbacterien sich recht gut in For- men trennen lassen, welche allerdings vorläufig nur durch die Grösse und characteristische Gruppirung (auch die Zoogloea ramigera muss hierher gerechnet werden) unterschieden werden müssen — sowie dass, sobald diese Gruppen nicht gestört und, wie es gewöhnlich bei der Untersuchung von Bacterienflüssigkeiten geschieht, nicht Alles durch- einander gerührt wird, auch keine Uebergangsformen zwischen den verschiedenen Microcoecen vorkommen. In Betreff? des letzten Punk- tes, welcher noch so vielfach Widerspruch findet, will ich noch anführen, dass man sich von der Richtigkeit desselben am leichte- sten durch Culturen in kleinen Glaszellen überzeugen kann. In einem eingeschlossenen Tropfen fäulnissfähiger Flüssigkeit, z. B. Blut, Fleischwasser, entwickeln sich gewöhnlich nur eine oder wenige Bacterienformen, die immer colonieweise jede für sich von einem Entwicklungscentrum aus wuchern, sich schliesslich berühren oder verdrängen, auch durch einander mengen, wenn sie beweglich sind, aber niemals Uebergangsformen bilden. Alle diese Vorgänge lassen sich in dem Tropfen, weil die Flüssigkeit fortwährend, ohne sie zu bewegen, beobachtet werden kann, bequem verfolgen. Bei einer sehr grossen Reihe von in dieser Weise angestellten Untersuchungen, ebenso auch in frei faulenden Flüssigkeiten, welche mit möglichster Vorsicht in sehr dünner Lage auf das Deckglas gebracht, und um die Bacterien in ihrer natürlichen Anordnung zu lassen, eingetrocknet 28* 426 und dann erst weiter untersucht wurde, habe ich niemals Ueber- gangsformen finden können, welche zu der Vermuthung geführt hät- ten, dass wie man heutzutage noch vielfach annimmt, die Bacterien sämmtlich in den Entwicklungskreis einer oder weniger Formen gehören. Tafel XVI. Fig. 1. Vergr. 700. Bacillus Anthracis. Dieses Photogramm zeigt die Milzbwandbaecillen in ganz frischem lebenden Zustande. Milzsubstanz einer unmittelbar vorher an Impf-Milzbrand gestorbenen Maus wurde möglichst schnell unter einem Deckgläs- chen mit Oel in einen hohlen Objeetträger eingeschlossen, um die Verdunstung zu verhüten und sofort photographirt. Die Blutkörperchen erscheinen hier sehr dunkel, da sie als gelb- rothe Körper nur wenig chemisch wirksame Strahlen durchlassen und weil die Platte, um die zarten Linien der Bacillen zu erhalten, nur möglichst kurze Zeit belichtet werden konnte. Uebrigens ist die homogene Beschaffenheit der Bacillen und die schwach angedeu- tete Theilung einzelner Fäden ganz naturgetreu wiedergegeben. Fig. 2. Vergr. 700. Dasselbe Präparat, welches die Fig. 1 zeigt, nachdem es 24 Stunden bei 18—20° C. gehalten war. Die Milzbrandbaeillen sind schon bedeutend gewachsen, haben die Blutkörperchen zurückgedrängt und bilden eine dichte verfilzte Masse. Auch diese Bacillen sind ohne jede Präparation nach dem Leben photographirt. Fig. 3 und 4. Vergr. 700. Milzbrandbacillen, welche in humor aqueus') zu langen Fäden ausgewachsen sind und Sporen gebildet haben. Um die Fäden zum Photographiren in eine Ebene zu bringen, wurde die Flüssigkeit eingetrocknet, aber die getrocknete Substanz unmittelbar nachher wieder in Aal? acet. aufge- weicht und ohne gefärbt zu sein, photographirt. In Fig. 3 erscheinen die Fäden noch deutlich; Fig. 4 zeigt ein weiteres Stadium, in dem die Fäden zerfallen und verschwinden, so dass die Sporen allein, aber noch in Reihen geordnet, zurück bleiben. Im Gegensatz zu den kolbenförmigen sporenhaltigen Baecillen und zu den Bacillen mit blasenartig hervortretenden Sporen bilden der Bacillus Anthracis, der Bacillus subtilis und einige andere hierher gehörige Formen eine dritte Bacillengruppe, welche zu mehr oder weniger langen Ketten oder Fäden auswachsen und dann erst in jedem Gliede eine die Dicke des Fadens nicht übertreffende Spore entwickeln. !) Vgl. diese Beiträge Bd. Il. Heft II. p. 286. .. Br / al: ee ae uf v be “ > Zu 497 FE - Die Präparate, nach denen die Photogramme der Milzbrandbaeillen angefertigt wurden, stammenvonThieren her, diemit mehr als fünfJahre altem, getrockneten, Sporen enthaltendenMilz- brandblut erfolgreich geimpft sind. Ich erwähne dies aus- drücklich, da es Feser') bei Wiederholung meiner Versuche über Impfungen mit Sporen des Bacil/us Anthracis nicht gelungen ist, diese länger als einige Monate wirksam, also lebensfähig zu erhalten, und er daraus schliesst, dass „die Milzbrandsporen die von mir behauptete Lebenszähigkeit nicht besitzen.“ Aber ich habe nicht allein zu meinen früheren Versuchen meistens sporenhaltige Substanzen, welche schon Jahre alt waren, gebraucht, sondern noch in der allerletzten Zeit vielfache Impfungen (einige noch vor wenigen Wochen im pflanzen- physiologischen Institut zu Breslau) mit sporenhaltigem Milzbrand- blut gemacht, welches vor ein oder zwei Jahren und selbst vor fünf Jahren getrocknet war und zum Zwecke der Impfung in destillirtem Wasser oder Glycerin aufgeweicht wurde. Alle diese Impfungen sind ausnahmslos erfolgreich gewesen. Die jahrelange Haltbarkeit der Milzbrandsporen ist also eine ganz feststehende Thatsache, welche dadurch, dass ein anderer Beobachter ein negatives Resultat bei seinen Versuchen erhält, nicht umgestossen werden kann. Für die Praxis würde es sehr wichtig sein zu untersuchen, unter welchen Bedingungen die Milzbrand- sporen so schnell unwirksam werden, wie bei den Feser'schen Versu- chen der Fall war, es müssten sich daraus am einfachsten die Mass- regeln ergeben, welche man zur Ausrottung des endemischen Milz- brandes, welcher nur durch die Bildung der lange haltbaren Milz- brandsporen bestehen kann, zu ergreifen hat. Vielleicht geben die Feser'schen Versuche hierfür einen Anhalt. Von diesen Versuchen müssen als nicht ganz zweifelsfrei diejenigen ausgeschlossen werden, bei denen direkt von den frischen Cadavern entnommene Gewebs- theile zur Sporenbildung angesetzt wurden, ohne sie vor dem Ein- dringen anderer Bacterien zu schützen, da Feser selbst sagt (p. 394), dass die in diesen Substanzen später gefundenen Sporen möglicherweise von andern ähnlichen in faulendem Blut und der- gleichen vorkommenden Bacillen herrühren konnten. Es bleiben also nur die Versuche mit in geschlossenen Zellen gezüchteten rei- nen Milzbrandsporen übrig. Wie nun aus den betreffenden Proto- kollen ($. 393 und 394) zu ersehen ist, hat Feser die sporenhal- 1) Archiv für wissenschaftliche und praktische Thierheilkunde 1877. Heft 5 und 6. 428 tige Flüssigkeit auf Schreibpapier eingetrocknet, und gerade hierin scheint mir der Grund für das Misslingen der später mit diesem Material angestellten Impfversuche zu liegen, denn es ist bekannt, dass Schreibpapier meistens einen nicht unbedeutenden Gehalt an Blei, Kupfer oder Arsen hat, der aus den Farbstoffen der zur Fabri- kation dienenden Lumpen stammt, oder auch, um dem Papier einen gewissen Farbenton zu geben, absichtlich zugesetzt wird. Da es aber bis jetzt noch nicht erwiesen und auch ganz unwahrscheinlich ist, dass die Milzbrandsporen durch Salze der genannten Metalle nicht getödtet werden, so ist die von Feser befolgte Methode durch- aus nicht so fehlerfrei, wie er annimmt. Fig. 5. Vergr. 700. Von derselben Milzsubstanz, welche zur Herstellung der vorhergehenden Photogramme gedient hatte, wurde eine dünne Schicht auf einem Deckgläschen eingetrock- net, mit Anilinbraun gefärbt und in Glycerin eingelegt. Durch dieses Verfahren wurden die Blutkörperchen ihres Farbstoffes beraubt, dagegen die Bacillen, sowie die Kerne der weissen Blutkörper- chen braun gefärbt. Auf der Photographie erscheinen daher jetzt, im Ge- gensatz zur Photographie der frischen unpräparirten Milzsubstanz, die Blutkörperchen kaum angedeutet als blasse Kreise, die Kerne der weissen Blutkörperchen ziemlich dunkel und die Bacillen, weil sie am meisten braun gefärbt sind, ungemein kräftig und dunkel. Zugleich fällt aber auch auf, dass die Bacillen zwar nicht in Länge und Breite verändert sind, aber doch deutlich gegliedert und an dem Ende nicht abgerundet, sondern abgestutzt erscheinen. Ausserdem ist die Glie- derung insofern eigenthümlich, dass die Glieder nicht durch eine einfache Querlinie geschieden sind, sondern dass die helle Trennungs- linie in der Mitte eine kleine Anschwellung besitzt und dass die Verbindungsstelle zwischen zwei Gliedern eine schwache knotenför- mige Verdiekung zeigt. Beim ersten Anblick macht deswegen der Baecillus den Eindruck, als ob er in regelmässigen Abständen mit hellen Punkten besetzt wäre. Dieses aussergewöhnliche Verhalten beim Eintrocknen findet sich bei keinem von allen andern Bacillen, die ich bis jetzt untersucht habe, wieder. Höchstens wird die Glie- derung durch das Trocknen und Färben der Bacillen und ihrer Ket- ten ein wenig prägnanter. Aber dieses abgestutzte und punktirte Aussehen, wie es der getrocknete und gefärbte Milzbrandbaeillus annimmt, ist für diesen so charakteristisch, dass man dasselbe zur Diagnose des Milzbrands mit vollkommener Sicherheit benutzen kann, Und in der That habe ich vor einigen Monaten bei einem Menschen, welcher zwei Tage vorher an Milzbrand in Form einer diffusen An- “ re schwellung an der linken Halsseite erkrankt war, durch das Auflin- den einiger Bacillen, welche dieses charakteristische Kennzeichen hatten, die richtige Diagnose stellen können, welche letztere durch erfolgreiche Ueberimpfung der Anthraxsubstanz auf Thiere bestätigt wurde. Die getrockneten Milzbrandbacillen habe ich auch mit Blau- holzextraktlösung gefärbt und genau untersucht, aber nicht die geringste Andeutung von Geiseln finden können. Ich erwähne das nur, weil damit auch ein morphologischer Unterschied zwischen dem Bacillus Anthracis und dem Bacillus subtilis, welcher ersterem in Grösse, Wachsthum und Sporenbildung ungemein ähnlich ist, aber Geiseln besitzt, gegeben wird. Für die Milzbrand-Aetiologie würde hierdurch der Einwand, welchen man so oft gemacht hat, dass unmöglich derselbe Organismus das eine Mal als Bacillus subtilis Buttersäuregährung und das andere Mal als Dacillus Anthracis tödt- liche Krankheit erzeugen könne, beseitigt werden; denn D. subtilis und BD. Anthracis sind nicht nur in ihrer physiologi- schen Wirkung, sondern auch in ihrer Gestalt und in ihren ganzen Lebensbedingungen vollkommen von einan- der abweichende Organismen. Fig. 6. Vergr. 700. Mit Anilinbraun gefärbt. Blutausder Art. bastilaris einer nach zwei Tagen (im Juni) secirten Er- stiekungsleiche. Im Pericardialserum derselben Leiche fanden sich dieselben Baeillen, theilweise zu drei bis vier Mal längeren Fäden ausgewachsen und mit Sporen versehen. Wahrscheinlich gehören diese Baeillen derselben Form an, welche Billroth in seinem Werke über Coccobacteria septica auf Taf. IV. Fig. 34 abgebildet und Streptobacteria gigas genannt hat. Nach meiner Erfahrung sind dies gewöhnlich die ersten Bacterien, welche im Blute von Leichen auf- treten, daneben finden sich oft noch andere kleinere und dünnere Baeillenformen, von denen auch in Fig. 6 eine kleine Gruppe zu sehen ist. Erst später kommen im Leichenblute Mieroeoecen, Dac- terium termo und ähnliche Arten zum Vorschein. Ob, wie von Man- ‚chen angenommen wird, die Keime jener ersten Bacillen schon im lebenden Blute enthalten waren, aber erst im Leichenblute die Be- dingungen für ihre Entwicklung finden, muss ich dahin gestellt sein lassen. Wahrscheinlicher ist es mir jedoch, dass sie erst nach dem Tode aus dem Verdauungskanal in das Pericardialserum und in das Blut einwandern, da man sie zuerst und in grösster Zahl immer in der Nähe der Verdauungsorgane findet. Jm frischen Zustande sind sie nur etwas deutlicher gegliedert als die Milzbrandbacillen, sonst sind sie diesen in Länge und Breite so ähnlich, dass man sie nur bei sorgfältiger Untersuchung unterseheiden kann; und manche Be- hauptung über Blut, welches Milzbrandbaeillen enthielt und sich beim Impfen erfolglos erwies, und ähnliche Irrthümer sind zweifellos durch Verwechslung des Bacillus Anthracis mit diesen Bacillen entstan- den. Der Unterschied zwischen beiden tritt weit deutlicher durch Eintrocknen und Färben hervor, und um dies recht augenfällig zu machen, habe ich die beiden Photogramme neben einander gestellt. Beide sind genau in derselben Weise präparirt und gefärbt; aber sofort fallen bei den Milzbrandbaeillen die eckigen fest aneinander schliessenden, an den Enden noch verdiekten Glieder des Stäbchens auf im Gegensatz zu den lose verbundenen abgerundeten Gliedern des Baecillus im faulenden Blute. Diese beiden letzten Photogramme veranlassen mich, noch auf einen Punkt, welcher von Naegeli in seinem neusten Werke!) berührt wurde, einzugehen. Naegeli nimmt nämlich an, dass alle diekeren Stäbchen und Fäden (oft selbst die dünneren) bei Behand- lung mit verschiedenen Reagentien (namentlich mit Jodtinetur, auch beim Austrocknen) bald torulos (wodurch die Gliederung nur ange- deutet wird), bald deutlich kurzgliederig erscheinen, und er giebt in Fig. 2 (pag. 4) eine schematische Zeichnung, wie diese Gliederung an Baeillen und Spirillen beschaffen sei. Gerade auf diesen Umstand habe ich mein besonderes Augenmerk vom Anfang meiner Untersu- chungen an gerichtet, da schon früher von anderen Seiten über das Zerfallen von Bacillen in Mierococcen und umgekehrt über das Ent- stehen von Stäbehen aus Mierocoecen berichtet ist und je nachdem diese Angaben sich bestätigten oder als Irrthümer herausstellten, un- sere gesammten Anschauungen über die Bacterien sich grundver- schieden gestalten müssen. Es ist also gewissermassen eine Prin- cipienfrage, deren Entscheidung man anstreben muss, wenn eine Verständigung unter den Bacterienforschern erreicht werden soll und zu deren Lösung ein Jeder nach seinen Kräften beizutragen hat. Meine Erfahrung nun, welche sich auf tausende von getrockneten Präparaten stützt, von denen viele mit Jodtinetur und auch mit an- dern Reagentien behandelt wurden, widerspricht den Naegeli’schen Beobachtungen, Das habe ich auch gefunden, dass Gliederungen von Fäden durch Eintrocknen deutlicher werden, was ja namentlich aus den beiden letzten Photogrammen hervorgeht; ferner dass Jodtinktur in manchen Bacillen, Spirillen und Vibrionen den feinkörnigen Inhalt stärker hervortreten lässt. Aber so kurz gegliederte Baecillen und ı) Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infektionskrankheiten und der Gesundheitspflege. München 1377, ar “ BEP Ye tr na PETER Spirillen wie sie Naegeli abbildet, habe ich niemals, weder nach Eintrocknen noch nach Behandlung mit Jodtinktur gesehen. Die Figuren 4, 5, 6 und 8 der ersten Tafel stellen sämmtlich im ge- trockneten Zustande befindliche Bacterien dar, alle übrigen Baeillen (mit Ausnahme von Fig. 1 und 2) und Spirochaeten sind vor dem Färben getrocknet gewesen; aber an keinem dieser Bacterien wird man eine torulose oder kurzgliedrige Beschaffenheit erkennen. Ein Irrthum meinerseits kann hier unmöglich vorliegen, denn es würde wenigstens an den eingetrockneten Bacterien, welche so stark ver- grössert und so scharf eingestellt photographirt wurden, dass ihre Geiseln zum Vorschein kamen, eine etwa vorhandene Gliederung nicht verborgen geblieben sein. Den Einwand aber, den ich auch schon früher gehört habe, dass man nämlich nach Belieben eine Bacterie auf der Photographie gegliedert oder ungegliedert erscheinen lassen könne, kann nur derjenige im Ernste machen, der nicht die geringste Kenntniss von Microphotographie besitzt. Fig. 7 und 8. Vergr. 700. Mit Anilinbraun gefärbt, in Glycerin eingelegt. Spirochaete Ober meieri. Vom Methylviolet werden die Recurrens-Spirochaeten sehr intensiv gefärbt und eignen sich vorzüglich zum Einlegen in Canadabalsam. Auch Anilinbraun nehmen sie gut an und geben damit gefärbt ziemlich kräftige Bilder. Wie schon früher angegeben wurde, verdanke ich das Material zu diesen Photo- grammen Herrn Dr. Albrecht in Petersburg, welcher die Güte hatte, mir eine Anzahl Deckgläschen mit eingetrocknetem Blut von Recurrens- kranken zu senden. Ich war dadurch in den Stand gesetzt, eine grössere Anzahl von Photogrammen anzufertigen, von denen ich des knappen Raumes wegen nur diese beiden mittheilen konnte. Das dazu benutzte Präparat stammt von einem 22jährigen Manne, 23 Stunden nach Beginn des zweiten Anfalles. Da die Spirochaeten nicht so regel- mässige Windungen, wie in den bekannten Abbildungen und in man- chen Präparaten resp. Photogrammen noch stärkere Biegungen und Kniekungen, wie in Fig. 7 zeigten, so vermuthete ich, dass sie durch Eintrocknen so verändert würden. Diese Vermuthung erwies sich in- dessen als unrichtig, da Dr. Albrecht auf eine Anfrage folgende Mittheilung machte: ‚‚Was die Formverhältnisse der Spirochaete vor dem Eintroeknen anbelangt, so kamen Spirochaeten vor, welche in gradliniger Richtung regelmässige Spiralen zeigten. Dieselben Spiro- chaeten nehmen oftbei gleichmässig bleibenden Windungen eine schwach gebogene Richtung an. Bei Weitem die Mehrzahl derselben zeigte jedoch schon während des Lebens Formen, wie sie auf Ihren von Prof. Cohn mir zugeschiekten Photogrammen sehr schön zu sehen sind) 432 nur dass bei den schnellen Bewegungen ein beständiger Wechsel des Biegungswinkels Statt hatte. Dabei können die beiden Enden sich bis zur Berührung einander nähern, sogar übereinander heraus- gehen, um dann, zurückgehend, eine mehr gerade Richtung anzu- nehmen. Dabei erscheinen die Windungen nie gleichmässig geformt, vielmehr sind in der Gegend der Knickung immer eine oder mehrere Windungen grösser und länger, als die übrigen. Die schnellen Bewegungen und der beständige Wechsel der Formen lassen eine genaue Prüfung der Grösse und Zahl der Windungen nicht zu.“ Es bestätigte sich also auch hier wieder, dass die Gestalt der Bacterien durch schnelles Eintroeknen mit wenigen Ausnahmen nicht verändert wird. Die Spirochaete der Fig. 3 zeichnet sich nicht allein durch ihre regelmässige Gestalt, sondern noch durch eine kleine knotenförmige Verdiekung in der Mitte aus (das Negativ zeigt die- selbe weit deutlicher, als das Papierbild); ich habe diese Verdiekungen, welche auch Heydenreich auf Taf. I Fig. 27 seiner Schrift!) abgebildet hat, nicht oft gefunden und vermag über die Bedeutung derselben nichts anzugeben. Etwas, worauf meines Wissens noch nicht aufmerksam gemacht ist, tritt auf den Photographien sehr deutlich hervor, dass die Spiro- chaeten des Reeurrens ebenso wie die Zahnschleimspiro- chaeten an beiden Enden zugespitzt sind, während die ande- ren Spirochaeten mehr oder weniger gestutzte Enden haben. Heyden- reich lässt es unentschieden, ob die Spiroch. plicatilis, die Zahnschleim- spirochaete und die Spiroch. Obermeierti, zu ein und derselben Art gehö- ren oder nicht und hält es für möglich, dass die geringen Unterschiede in Gestalt und Grösse dieser drei Spirochaeten durch verschiedene Lebens- bedingungen zu Stande kommen können. Dem gegenüber nehme ich an, dass die drei Spiroch. Arten streng von einander zu trennen sind. Die Spiroch. plicatilis unterscheidet sich von der Recurrensspirochaete durch die doppelte Wellenlinie und die Zahnschleimspirochaete durch geringere Dimensionen von derselben. Aber auch abgesehen von diesen Formunterschieden sprieht gegen die Identität der drei Arten schon der Umstand, dass die Spirochaete plicatilis seit fast zwei Jahren von mir in Wollstein und Umgegend, wo bis jetzt noch nie- mals eine Recurrens-Epidemie vorkam, häufig gefunden, und die Zahn- schleimspirochaete wahrscheinlich ein harmloser Begleiter der meisten Menschen ist. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass die Re- eurrensspirochaete nicht möglicher Weise auch anders wo vorkommen 1) l.c. # könnte, als im menschlichen Blute; aber wo sie sich findet, da muss sie auch durch gelegentliches Eindringen in den menschlichen Blnt- strom und dadurch bewirkte charakteristische Krankheitserscheinungen sich manifestiren. i 7. Zum Schluss meiner Arbeit möchte ich noch einmal auf den Werth der Photographie für die Baeterienforschung hinweisen. Jeder, der sich mit Bacterienuntersnchungen abgegeben hat, kenut die ausser- ordentliche Mannigfaltigkeit in den Formen der Bacterien und die grosse Schwierigkeit, dieselben richtig aus einander zu halten und zu gruppiren. Viele Formen in diesem Chaos gewinnen jetzt schon an Consistenz und müssen fixirt werden, so vor allen Dingen die mit Sporen versehenen Bacterien, dann die geiseltragenden Bacterien, ferner die Zoogloeabildungen und manche durch charakteristische Ge- stalt leicht erkennbare Formen. Es ist durchaus nicht nöthig, dass sofort eine jede dieser Formen als besondere Art bezeichnet wird, obwohl man dies in Betreff der sporenhaltigen Bacterien schon jetzt unbedenklich thun könnte. Es ist auch wahrscheinlich, dass bei weiterer Erforschung der Bacterien gewisse Formen dieser einzelnen durch Sporen, Geiseln u. s. w. bezeichneten Reihen als zusammen gehörig gefunden werden. Vorläufig müssen aber, wie schon gesagt, alle fixirt werden, um eine naturgemässe Olassification der Baeterien zu ermöglichen. Dazu eignet sich aber nichts mehr, als die Photographie. Es ist dringend zu wünschen, dass in Zukunft von allen bemerkenswerthen Funden haltbare Präparate, welche sich photographiren lassen, oder womög- lich gleich Photographien selbst angefertigt werden. Um so mehr ist es geboten, wenn es sich um seltene Gegenstände handelt, oder wenn die Verhältnisse sich so gestalten, dass das Untersuchungsob- jeet nicht Jedem zugänglich ist, z. B. das Vorkommen von Bacte- rien bei, seltneren Krankheiten. So wäre beispielsweise sehr wich- tig, wenn die in neuster Zeit von Klebs') entdeckten Monas- und Navieula-artigen Organismen und die kleinen die Gestalt eines unre- gelmässigen Tetraeders besitzenden Infusorien, denen er einen Ein- fluss auf die Kropfbildung zuschreiben zu müssen glaubt, so wie die von ihm durch fraetionirte Cultur mit Tuberkelmassen erhaltenen impf- fähigen Körperchen ?), wenn diese also photographirt und das natur- getreue Bild dieser Dinge zu Aller Kenntniss gebracht würde. I) Klebs: Studien über Cretinismus. Prag 1377. 2) Klebs: Ueber Tuberculose. (Nach einem Referat in der Allgem. med. Central-Zeitung 1377. No. 78—91.) Son Dasselbe gilt von der Entdeckung des Prof. Semmer'), welcher im Speichel und Blut wutbkranker Hunde feinkörnigen Micrococeus und kleine Kettenformen, und bei acht an Wuth eingegangenen Rin- dern im Blute, ausser Kugel- und Stäbchenbacterien noch „geschwänzte, den Spermatozoen ähnliche Gebilde“ fand. Sehr wichtig wäre es auch, dass die bei Diphtheritis und Sep- tikämie gefundenen Baecterien, über deren Beschaffenheit die Anga- ben sehr widersprechend sind, photographirt würden. Es liessen sich dann leichter Vergleiche dieser mit anderen Bacterien anstellen und man würde bestimmt das Richtige an diesen Angaben vom Irr- thümlichen scheiden können. Um solche Vergleiche zu ermöglichen, müssten Sammlungen angelegt werden, welche alles bisher auf dem Gebiet der Bacterienkunde gewonnene Material umfassten, und damit dieses Material durch naturgetreue Abbildungen Jedem zugänglich gemacht würde, müsste ähnlich dem Schmidt’schen Atlas der Dia- tomaceenkunde ein photographisches Sammelwerk geschaffen wer- den. Unzweifelhaft würden solche Einrichtungen von grösstem Nutzen sein, um die zahlreichen wilden Schösslinge, welche die Bacterienkunde getrieben hat und die ihrem Gedeihen ausserordent- lich hinderlich sind, zu beseitigen. t) Prof. E.Semmer (Dorpat): Zur Genesis der septischen Blutzersetzungen, (Nach einem Referat in der Allgem. med. Central-Zeitung 1877. No. 56 u. 57.) W ollstein, November 1877. Nachtrag zu den Bemerkungen über einige Ustilagineen. Von Dr. J. Schroeter. \v Zu meinen Bemerkungen über Zntyloma möchte ich hier noch einige Beobachtungen nachtragen, welche ich in diesem Herbst zu machen Gelegenheit hatte. Wie auf anderen Ranunculus-Arten kommt auch auf Ran. acer L. eine Entyloma-Form vor. Ich traf dieselbe reichlich im October und November dieses Jahres auf einer schattigen Wiesenstelle in der Nähe von Rastatt. Die Wurzelblätter der Nährpflanzen waren auf der Rückseite mit zahlreichen kreisrunden, 1 bis 2 Mm. breiten, fla- chen, schneeweissen Flecken bestreut. Auf der Oberseite entsprachen ihnen bräunliche Flecke von derselben Grösse, gegen das Licht gehalten erschienen sie undurchsichtig. Die weisse Farbe war durelı eine krümelige Anhäufung von Sporidien veranlasst, nach ihrer Ent- fernung erschienen die Flecke auch auf der Unterseite blassbräun- lich. An den jüngeren Stellen der Flecke waren die Sporidien in regelmässigen Abständen büschelig gestellt, entsprechend den Spalt- öffnungen aus denen sie hervortraten. Sie waren meist spindelför- mig, etwas gebogen, 18 bis 22 Mik. lang, 2.5 bis 3 breit. Zwischen den Diachymzellen lagerten in den Flecken regelmässig in dichten Massen kugelige Zellen von 10 bis 12 Mik. Durchm., mit glatter etwa 13 Mik. dicker farbloser Membran. Diese Entyloma-Form ist also fast ganz gleich derjenigen, die auf Ran. auricomus, R. sceleratus und Ficaria vorkommt, nur sind die Sporidien kürzer. Die Flecken unterscheiden sich durch ihr mehr bräunliches Aussehen, sie ähneln in dieser Beziehung mehr denen von Ent. verruculosum Pass., von dem sich die Sporen aber durch das ganz glatte Epispor unterschei- den. In biologischer Beziehung ist die Form von jenen, welche, der Vegetationsweise ihrer Nährpflanzen entsprechend, nur im Frühjahr erscheinen, durch ihr spätes Auftreten charakterisirt, sie kann daher als Entyloma Ranunculi (Bon.), forma autumnalis bezeichnet werden. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass auf Ran. acer sehr häufig eine Uylindrospora-Form vorkommt, mit der die Sporidien nicht verwechselt werden dürfen. Bei den von mir beobachteten von dem Entyloma besetzten Pflanzen traten beide Pilze auf den- selben Blättern auf, oft sogar zusammenfliessend. Die büschelig vorbrechenden Fäden dieser Uylindrospora sind sehr kurz, 20—25 Mik. lang, 3—4 breit, wenig verbogen, oben spitz. Die Sporen, welche successive abgeschnürt werden und in leichttrennbaren Ketten zu- sammenhängen, sind meist eylindrisch, zuweilen keulenförmig, von sehr verschiedener Länge, meist 17—33 Mik. lang, 5—7 Mik. breit, an den Enden halbkuglig abgerundet. Die kürzeren sind einzellig, die längeren meist 2theilig an der Scheidewand nicht oder nur wenig eingeschnürt, seltener sind sie 3theilig, ihre Membran ist farblos. — Auf Ran. lanuginosus L. kommt dieselbe Form vor, dagegen scheint sich eine auf Ran. auricomus L. häufig sehr verbreitete Form durch kleinere, an den Enden mehr zugespitzte Sporen zu unterscheiden. Die Form entspricht vielleicht der Cylindrospora major Unger !), Ramularia didyma Unger, mit der ich jene Uylindrospora anfangs verwechselte, kommt auf Ranunculus repens L. sehr häufig vor. Die Flocken sind bei dieser länger (bis 50 Mik. lang), mehr knotig verbogen, die Sporen eiförmig, seltener elliptisch, 20—24 Mik. lang, 8—10 breit, 2theilig, an der Scheidewand ohne Einschnürung. Eintyloma canescens fand ich in diesem Herbste an den Wurzel- blättern von Myosotis silvatica Hofim. Die grauweissen, vollständig kreisrunden, etwa 3 Mm. breiten Flecke heben sich hier von der !) F. Unger. Ueber den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Gewächse S. 223: „Uylindrospora major m., Thalli floceis ramosis, sporidiis majoribus semi- pellueidis“ — In 2—3 Linien langen missfarbigen Flecken an der Unterseite der Blätter. Sporen 1, 2—3gliederig. — Aus den Spaltöffnungen büschelig hervortretend. Uebrigens ist diese Unger’sche Species eine Misch-Species, welche unter anderen auch Aamularia macrospora Fres., und Sceolicotrichum ochraceum Fucke enthält; es dürfte daher passend sein jene Form mit einem besonderen Namen, z. B. Oyl. Ranuneuli zu bezeichnen. Cylindrospora concentrica Grev. in dem Sinne von Unger scheint unter anderen Formen auch ZRamularia Lamii Fuckel (forma. Glechomae) und Ram. Urticae Fuckel zu begreifen. Hamularia Veronicae Fuckel entspricht wohl der Cylindrospora nivea Unger. Kam. Bistortae Fuck. der Cylindr. Polygoni Unger. 437 dunkelen Blattsubstanz sehr zierlich ab. Die Sporen und die reich- lichen Sporidien unterschieden sich nicht von der Form auf Myoso- tis stricta. Vielleicht gehört zu derselben Species auch eine auf Symphytum officinale L. vorkommende Form, ich will dieselbe indess wenigstens vorläufig noch besonders betrachten, sie mag als Eintyloma serotinum bezeichnet sein. Ich fand dieselbe in der Umgegend von Rastatt von August bis November auf Wiesen, Acker- und Grabenrändern an vielen Stellen. Ob der Pilz vielleicht schon früher unter anderen Namen bekannt gemacht worden ist, kann ich zur Zeit nicht entscheiden. Es ist nicht unmöglich, dass er mit Hormodendrum farinosum Bonorden '!) übereinstimmt, welches später auch Fuckel”?) herausgegeben hat; ich habe die Original-Exemplare dieses Pilzes nicht untersucht, die Beschreibung, welche Bonorden von seiner Gattung Hormodendrum giebt*), würde sich auf den von mir hier besprochenen Pilz nicht beziehen lassen. Unger führt als Nährpflanze seiner Uylindrospora major auch Symphytum offieinale an*). Ich selbst habe die Uylin- drospora (Ramularia), welche auf Pulmonaria officinalis häufig vorkommt, und welcher ich die Greville’sche Bezeichnung Uyl. concentrica zuschreibe, oder auch eine ähnliche Form, auf Symphy- tum noch nicht gefunden. Die ersten Entwicklungszustände des Entyloma auf Symphytum, welche ich im August antraf, machten sich in kreisförmigen Flecken von 2 bis 3 Mm. Durchm. bemerklich, die auf der Unterseite der Blätter, zumeist der Wurzel-, doch auch oft der Stengelblätter, in ziemlicher Menge verstreut waren, sie hatten ein kalk- oder mehl- artiges Aussehen und wurden später in der Mitte chocoladen-bräun- lich. Diese Flecken bestanden anfangs ausschliesslich aus fast faden- förmigen ‚bis 50 Mik. langen, 2 Mik. breiten, an den Enden sehr spitzen Sporen, die von einer fädigen diehtverwebten Unterlage senk- recht von der Blattoberfläche aufragten und so ein flaches Lager bildeten. In dem Blattparenchym verlief in diehtem Gewirr über den Parenchymzellen und in den Intercellularräumen ein sehr dünnes, 1) In Rabenhorst’s Fungi europaei No. 173. 2) Fuckel. Fungi rhenani No. 138. Ders. Symbolae mycologicae S. 358 ohne Beschreibung erwähnt. 3) H. F. Bonorden. Handbuch der allgemeinen Mykologie 8. 76: Hor- modendrum: Baumförmig verästelte Hyphen tragen an den Enden der Zweige lange Ketten runder oder ovaler Sporen. #.A...10,8, 223. 438 1 bis 1.5 Mik. dickes farbloses Mycel. Dieses drängte sich aus den Spaltöffnungen, zum Theil auch zwischen den Epidermiszellen hervor, und trieb die letzteren theils zur Seite, theils überwucherte es die- selben, so dass das freie Lager auf der Blattoberfläche gebildet wurde. Die Sporen bilden sich an den Enden der Fäden einzeln, anfangs als eiförmige, später spindelförmige Körper. In den frü- hesten Zuständen fand ich zwischen den Diachymzellen keine Entyloma-Kugeln, obige Sporenbildung von dem Mycel ist also nach der üblichen Benennungsweise als Conidienbildung zu bezeichnen, nicht mehr als Sporidienbildung, unter welcher nur Sporenbildung von einem Promycel ausgehend, verstanden werden kann. Bald erscheinen nun in dem Blatt-Diachym an den Mycelfäden Entyloma- Sporen, aber anfangs auch nur in geringer Zahl unter den dichten Conidienrasen. Später nimmt die Zahl dieser Sporen zu, und sie erfüllen schliesslich in dichten Massen die Flecken, die jetzt braun werden, sich durch einen dunkleren Hof von der gesunden Blatt- substanz abgrenzen und sich dadurch vergrössern. Die missfarbenen Flecken fliessen nun oft zusammen, das Blatt vertrocknet, erscheint schwärzlich, mit den helleren Zintyloma-Flecken besetzt. Die Sporen sind denen von Ent. canescens gleich, kuglig, 11—13 Mik. im Durchm., von einem glatten hellbräunlichen Epispor umgeben, mit stark lichtbrechendem Inhalt erfüllt, in der Mitte oft mit einem hel- leren Kern versehen. Oft grenzen sich die alten Flecken aber für sich ab und zwischen ihnen erscheinen später im September und October Nachschübe kleinerer weisser Flecken von Eintyloma-Sporen. Die ersterwähnte Conidienbildung von dem vegetativen Mycel, die der Sporenbildung vorausgeht, also nicht mit ihr im Zusammen- hange steht, gleicht der Form, die ich, wie früher erwähnt, auf RBanunculus repens beobachtet und vorläufig als ZFusidium Ranun- culi bezeichnet hatte, sie bildet einen für diese und wohl auch noch einige andere Arten charakteristische Entwicklungsweise, die bei anderen Ustilagineen noch nicht bemerkt worden ist. Man kann in dieser Conidienbildung eine Annäherung der Usti- lagineen an die Hymenomyceten, speciell an die Tremellaceen finden. Diese Conidienbildung würde der Spermatienbildung bei Tremella an die Seite gestellt werden können, die Bildung der Sporidien bei Entyloma würde mit der Sporenbildung bei Tremella harmoniren, wenn man annähme, dass Basidien und die aus ihren Quadranten hervorgehenden Sterigmen vereinigt blieben. Wahrscheinlich geht auch bei Ent. Ranunculi und E. canescens der Sporenbildung eine Conidienbildung voran oder gleichzeitig mit P* - — ——— ihr einher. Direet beobachtet worden ist dies allerdings, soweit ich weiss, noch nicht. Bei anderen Ent.-Arten, speciell auch bei Ent. microsporum (Ung.) und Ent. Calendulae (Oud.), forma Hieraciti, die ich in ver- gangenem Sommer und Herbst in der Umgegend von Rastatt häufig von ihren ersten Anfängen bis zur Sporenreife auf der lebenden Pflanze verfolgte, habe ich Andeutungen einer Conidien- oder Sporidienbildung auf der Nährpflanze während der Vegetationsperiode des Pilzes nie bemerkt. Die ganze Gruppe der mir bekannten Entyloma-Formen könnte schliesslich in folgender Weise gruppirt werden: Entyloma De Bary. A. Formen bei denen Conidienbildung von dem vegetativen Mycel oder Sporidienbildung auf der lebenden Pflanze bei fortschreitender Entwickelung des Pilzes stattfindet. a) Eintyloma-Sporen mit Gallerthülle umgeben. 1) E. fuscum. Nährpfl. Papaver Argemone L. b) Entyloma-Sporen ohne Gallerthülle. 2) E. Ranuneuli (Bon.). Nährpfl. 1. Ranunculus acer L. . R. auricomus L. . R. sceleratus L. . R. Ficaria L. >» ww 3) E. canescens. Nährpfl. 5. Myosotis strieta M. 6. M. hispida Schldl. 7. M. silvatica Hoflm. 4) E. serotinum. Nährpfl. S. Symphytum offieinale L. B. Formen bei denen keine Conidien- oder Sporidienbildung wäh- rend der fortschreitenden Entwicklung des Pilzes eintritt. a) Entyloma-Sporen mit glattem, schwachen, gleichmässig dicken Epispor. 5) E. Calendulae (Oud.). Nährpfl. 9. Calendula offieinalis L. 10. Hieracium vulgatum Fr. 6) E. Corydalis DBy. Nährpfl. 11. Corydalis solida Sm. 7) E. Ohrysosplenii. Nährpfl. 12. Chrysosplenium alternifolium L. 8) E. Muscari (Passerini). Nährpfl. 13. Muscari comosum Mill. b) Entyloma-Sporen mit flach-warzig verdicktem Epispor. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band II. Heft ll, 29 440 9) E. verruculosum Pass. Nährpfl. 14. Ranunculus lanuginosus L. ec) Entyloma-Sporen schwach eckig, Epispor ungleichmässig verdickt, 2 schiehtig. 10) E. Linariae. Nährpfl. 15. Zinaria vulgaris L. d) Entyloma-Sporen mit stark verdicktem, farblosen oder hell ocherfarbe- nen: Epispor. 11) E. microsporum (Unger). Nährpfl. 16. Ranunculus repens L. 17. R. bulbosus L. 12) E. Eryngi (Corda). Nährpfl. 18. Eryngium campestre L. e) Sporen mit stark verdiektem, mehrschichtigem, eckigem, braunem Epispor. 15) E. (?) plumbeum (Rostr.). (Ari Cooke’s). Nährpfl. 19. Arum maculatum L. Rastatt, den 12. November 1877. Druck von Robert Nischkowsky in Breslau, Schröter adınat. del, rn T 4 me N ... A 7 n, WSorolan ad. mat: del LiinuDruck S. Lilienfeld, Bresiase. i Cohn, Beiträge zur Biologte der Pflanzen. band HI, Taf? NIT Photogramme nach der Natır von DI Koch . e ’2 wre ar . 5 a ne a, -. ‘ 1A Dein 7 FCohn, Beiträge zur Bio logie der Pflanzen. En & ST 3 S N) Bi Ir a VAN \ WE \ BER % % * IN In / \4 A; Rt Fir, AAN2a Le # D Ach -% S \ N mn Zr das - PR N NZ ASS sl A RE ey Z “ en [BR | x Dürr u, RER : GL BESZERTT Sb er a AI G ® nZ en 1 N 4. zu IN yo er a vr “ N! \ IE iR BIN SFT 2 a NN PR oKgramme nach der Natur vorn! aa! G H, < =, DE N 7 TR 12 band IH, Taf} Eae * . ir Pe - fi „ P) . Ey h na . i% ’ ‚ a R % %s 4 Mr ei . a . Pr "% u DR voll A. &4, je A A 2: E Cohn, Br trage zur Biologie der Pflanzen. Band lH Taf A DR IININITI7TL2 N/ "} Tor Nur vn NOTLLOTATIE TUR GER 1 A Ort Von den „Beiträgen zur Biologie der Pflanzen, herausgegeben von Dr. Ferd. Cohn,‘ sind bis jetzt erschienen: Band I. Heft I. Die Pflanzenparasiten aus der Gattung Synchytrium. VonDr.J.Schroeter. (Mit Tafel I—III.) — Ueber die Fäule der Caetusstäimme. Von H.Lebert. und F. Cohn. — Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. VonDr.Ferd. Cohn. (Mit Tafel IV. und V.) — Ueber die Stammfäule der Pandaneen, Von Dr. J. Schroeter. — Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel VI.) 1570. Preis 7 Mark. Band I. Heft II. Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Von Dr. Theo- philCiesielski. (Mit Tafel I.) — Ueber die Lage und die Richtung schwim- mender und submerser Pflanzentheile. VonDr. A. B. Frank. — Ueber parasi- tische Algen. Von’Dr. Ferd. Cohn. (MitTafel II.) — Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Von Dr. J. Sehroeter: — Untersuchungen über Baeterien. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel III.) 1872. Preis 9 Mark. Band I. Heft III. Entwicklungsgeschiehte einiger Rostpilze. Von Dr, J. Schroeter. — Untersuchungen über den Widerstand, den die Hautgebilde der Verdunstung entgegensetzen. Von Dr. L. Just. — Prüfung einiger Desinfeetionsmittel durch Beobachtung ihrer Einwirkung auf niedere Organismen. Von Dr. J. Sehroeter. — Ueber die einseitige Beschleunigung des Aufblühens einiger kätzchenartigen Inflorescenzen durch die Einwirkung des Lichtes. Von Dr. A. B. Frank. — Ueber die Funetion der Blasen von Aldrovanda und Utrieularia von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel I.) — Die Entwickelungs- geschichte der Gattung Volvox. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel II.) — Untersuchungen über Pythium Equigeti. Von Dr. Richard Sadebeck. | (Mit Tafel III. und IV.) — er über Baeterien. II. Von Dr. Ferd. Cohn. (Mit Tafel V. und VI.) — Untersuchungen über Bacterien. Ill. Beiträge zur Biologie der Baeterien 1. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo Duj. Von Dr. Eduard Eidam. 1875. Preis 11 Mark. Fa _ VER VE GR Band II. Heft I. 1876. Preis 7 Mark. Band 1I. Heft II. 1876. Preis 10 Mark. Band II. Heft IH. 1877. Preis 12 Mark. Der Inhalt der einzelnen Hefte von Band Il. ist aus dem dem vorliegenden Hefte beigegebenen Inhaltsverzeichniss zum ganzen Bande ersichtlich. GG — A m er Frege ee Ban von Robert Nischkowsky in " Breslan, S 1} PL TORE KT Ar 4 Bar il HA 8 uf ft ‚N PR, ir ET \ up | £ ) [A $ Yu | I ma ) Lt \ \ NR 2 . HERNE Ft f le j i { I" i ih‘ ” A uf: tgor BA AOA' | ALL 000 Rd Br ZANLIG ach ze AL EPRLA an nA ur 3 5185 00259 2044 NUN, : AR ANY | ZI IHR " 5 N 2 And wi KR: ik ” u“ “ Yu br in . Dr # ’ Mn +3 ;$ ke a Irre DIN, aa ib Ay , EN / % 1 CHR F Bi a 2