” >; G r er 2,2 Fe 5 Fi H Be u, zu en ir a5 « PURCHASED 1993 FROM i GENEYA BOTANICAL GARDEN \ Ar ern) Ve aLH £ == N 7 > ‚ 2 Ca) 125 AI [7 — Beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Siebenter Band. Mit siebzehn Tafeln. LIIRARY ee wew YORK ar BEE GARDE Breslau 1896. J. U. Kern’s Verlag (Max M DUPLICATA DE LA A NSLIOTMEOUR DU OONSERVATOIRE BCTANIQUE DE GENEVE VENDU EN 1922 Rise uhr ee Inhalt des siebenten Bandes. Ueber Heliotropismus. Von Dr. W. Rothert, Privatdocent an der Universität Kazan. (Mit 60 Abbildungen im Text.) .......... Die Wurzelknölchen der Sojabohne. Von Prof. Dr. OÖ. Kirehner. ERSTE NA RS ars a See ae Beiträge zur Kenntniss der Pflanzenzellen. III. Kerne und Kern- körperchen in meristematischen und sporogenen Geweben. Von BrRosen,. Mit. Tafel I: 1ER und IV TE ER Anatomischer Bau und Leistung der Saugorgane der Schuppenwurz- Arten. (Zathraea Clandestina Lam. und ], Squamaria L.) Von Dr.-Br. Heinrscherz (Mit Date VER. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Elementarorganismus. Von B.COrato. » (Mit, Tafel XI RW. RT Beiträge zur Morphologie der Bakterien. Ueber zwei fadenbildende Bacillen. Von Dr. L. Catiano in Berlin. (Mit Tafel XVI, XVIL.) Heft. Seite. II. 11. Il. Il. II. 225 315 407 537 Register zum siebenten Bande. Catiano, Dr. L., Beiträge zur Morphologie der Bakterien. Ueber zwei fadenbildende Baeillen. (Mit Tafel XVI, XVII.)........ Crato, E., Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Elementar- organismus.... (Mit; Tafel XH—XV. 02. 2 ee Heinricher, Dr. E., Anatomischer Bau und Leistung der Saugorgane der Schuppenwurz-Arten. (Lathraea Clandestina Lam. und ZL. Squamaria L.): (Mit Tafel V-ZL).... an. ee Kirchner, Prof. Dr. O., Die Wurzelknöllchen der Sojabohne. (Mit Tafel EA ee Aohel N RaReeten: Rosen, F., Beiträge zur Kenntniss der Pflanzenzellen. III. Kerne und Kernkörperchen in meristematischen und sporogenen Geweben. (Mit Tafel. 1; IHE-und: IV.) „2 2 Ma Re Rothert, Dr. W., Privatdozent an der Universität Kazan. Ueber Heliotropismus. (Mit 60 Abbildungen im Text.)............. Heft. Seite. III. 537 III. 407 11.0315 11. 213 beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Siebenter Band. Erstes Heft. Mit 60 Abbildungen im Text. Breslau 1894. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). r A Na OR - a er n wo. It. » Eur “er. Y i Pe | - g & r r DE 23 1. pr. a « „$ , Sin x er N, 3» . u -! ar I Sy « u i Drma “ - 2 . Fr] rw > Fe > u k er Su u Er ie} y N t | . > = £ en: Br - ri u gt» N s “a u Y Be Zr er; { r Pc r. Dr u 5 E Di 3 17 E % rerE =) 4 © ut a re uw! .s Inhalt von Band VII, Heft I. Ueber Heliotropismus. Von Dr. W, Rothert, Privatdocent an der Universität Kazan. (Mit 60 Abbildungen im Text.) f 3 ar I nr . { rw m m Te PUR LITE PEARL EEE DELETE Be? 37 ER | 30" > ka rs re $ 28 Pd RN ER IE N n AUG 7- 1923 Ueber Heliotropismus. Von Dr. W. Rothert, Privatdocent an der Universität Kazan, Mit 60 Abbildungen im Text. Inhalt. Seite Verzeichniss der zu eitirenden Literatur ...........22-222eec002n. | I. Einleitung. $ 1. Darwin’s Angaben über localisirte heliotropische Empfindlichkeit und Fort- pflanzung der heliotropischen Reizung bei Keimlingen .. ...... z.eer.... 3 $ 2. Wiesner’s Einwände gegen Darwin und Kritik derselben ... ......... 6 BEN Di spoSitton dee Abe RE NE AR REEL N r2 10 II. Methodisches. Be Vorbereitung ’des>Materialsen Hero. 2 De a a nero epson ae je: 12 $ 5. Beleuchtungsbedingungen und Temperaturverhältnisse ... .....2serser 20: 15 WE} $ 10. sell, gs 12. . Die Verdunkelung der Spitze der Organe. Beurtheilung der Zuverlässigkeit derMeihade ne 02... 2. Pe ES al In Sa N ee er lc: 17 . Die Methoden zur Verdunkelung des Untertheils der Organe. Beurtheilung IBcep Zuyerlässinkeitien.e ae ee A 19 . Die Messung der heliotropischen Neigung. Die Anfertigung der Zeichnungen 23 III. Versuche mit Keimlingen von Gramineen (ausser Paniceen). A. Bau und Eigenschaften des Cotyledo. Form und anatomischer Bau des Ootyledo............22r222ereeeeee 25 Wachsthum desselben; Cireumnutation.......22seeren ren IE DHNNGT fe 27 Verlauf der heliotropischen Krümmung... 2 n .n an 2 einen een 29 Oscillationen bei der heliotropischen Krümmung der Keimlinge von Avena satiwarund anderer‘ Objeeter., AMELIE DAT Ren 31 VI Seite B. Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo. 8-48. Ausgewählte Versuche 1... u 0 Wa een a ee 34 S:14. Weitere Belege. Versuch am Klinostaten. . .. u... 22. ud. os 38 $ 15. Zusammenstellung und Formulirung der Ergebnisse mit Avena sativa und Phalarıs. canarVenals. co. .unc ce Seelen ne none ee ee 40 $ 16. Vergleich mit den Ergebnissen Darwin’s. Widerlegung möglicher Ein- wände gegen meine Versuchsanstellung .....-... 2. „0... aus ne a 41 $ 17. Nachweis der ungleichmässigen Vertheilung der heliotropischen Empfindlich- keit mittels"anderer Methoden”... an. ee ee ee 43 $ 18. Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Untertheil des Cotyledo .... 4». .8 een uhren ae hun ee ee 46 $ 19. Bestimmung der Länge der vorzugsweise empfindlichen Spitze........... 48 $ 20. Ist die ungleichmässige Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo durch die ‘Schwerkraft indueirt? „u... 12.2....00. 000. ons 50 C. Die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. $ 21. Präcisirung der Fragestellung. Gelegentliche Beobachtungen. Besprechung der Angaben Darwin’sir Te. 2R N ae 50 $ 22. Directer Nachweis der Fortpflanzung der heliotropischen Reizung........ 53 $ 23. Ueberwindung der directen heliotropischen Reizung des Untertheils des Cotyledo durch die von der Spitze aus zugeleitete Reizung. ............ 57 $ 24. Reizfortpflanzung von einer Zone des Untertheils des Cotyledo aus ..... 60 $ 25. Kannsich die heliotropische Reizung auch inacropetalerRichtungfortpflanzen? 62 8 26. -Der Weg der Reizfortpflanzung..... 2.02... 2... u en 63 $ 27. Versuche mit den Keimlingen einiger anderer Gramineen «.....22220000. 66 IV. Versuche mit den Keimlingen von Paniceen. $ 28. Bau und Eigenschaften ‘der Keimlinge 2... „wann. neun 67 $ 29. Nachweis, dass nur der Cotyledo heliotropisch empfindlich ist ......... 71 $ 30. Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo............ 73 $ 31. Directer Nachweis der Fortpflanzung der heliotropischen Reizung vom Cotyledo zum: Hypoeotyl ..z .nn.:,08 40a ae nenn ent Lee A 75 5:82. Versuche mit Sorghum vulgare . -.: =... sun 0 an onn menden vroiee SE 75 V. Versuche mit Dicotylen-Keimlingen. A. Eigenschaften der Keimstengel. 33. Wachsthumsverthelung. tn. Bar ee Bela een ee Be 77 Verlauf der heliotropischen 'Krümmung:.... ..2..2..25%. un Seen ee 80 nun (9) » B. Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Keimstengel. $ 35. Ausgewählte Versuche mit Brassica Napus, Agrostemma Githagound Viciasativa 82 $ 36. Besprechung der Ergebnisse Darwin’s mit Brassica oleracea. Zu- sammenstellung meiner Ergebnisse ...........de.e.ee. nen. 85 $ 37. Besprechung der Fehlerquellen der Versuchsanstellung ..............- : $ 38. Verdunkelung der Spitze schon gekrümmter Keimstengel ............... 91 $ 39. Bestimmung der Länge der vorzugsweise empfindlichen Spitze des Keimstengels 92 $ 40. Aufhebung der ungleichmässigen Vertheilung der heliotropischen Empfind- lichkeit mit dem Alter (bei Vicia sativa) .........-.:rree0n0 nereonnuene 93 $ 41. Versuche mit Daucus Carota und Linum usitatissimum «.....:rr Herrn. 94 $ 42. Versuche mit Tropaeolum minus: ..nsuusss.ssoen sense ee ernennen een 95 $ 43. Versuche mit Solanum Lycopersicum und Coriandrum sativum. Zusammen- fassung der Ergebnisse des Abschnittes.......o..sasunnenurenenonennnne 97 Seite C. Die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. BERRE N ErSuene mirt (ORSERTERENE DR Mens Ban ee nee ae en Se an ee he 99 se10. Desoleichen; Vrersuehram? Kiinostaten. 22. 2... 222. ne ae 101 $ 46. Ueberwindung der direeten heliotropischen Reizung des Untertheils des Keimstengels durch die von der Spitze aus zugeleitete Reizung ........ 103 $ 47. Versuche mit Tropaeolum minus und einigen anderen Öbjeeten ......... 105 Bea Versuche mit Agrostemma Githa00. 7 .0=. u. n ee sense neuen. 106 $ 49. Versuche mit Vieia sativa..... Ba 9 ee RR LE 109 8250: Versuche mit Veeia sativa. Fortsetzung ..... 2. ne. eaensaeeeuernunn 112 VI. Versuche mit Blättern und Blattstielen. $ 51. Allgemeines über die Untersuchung der Organe entwickelter Pflanzen... 115 $ 52. Versuche mit Sämlingsblättern von Allium Cepa ...se..erceeeeeeeeeeen 116 $ 53. Versuche mit Blättern austreibender Zwiebeln von Allium Cepa ........ 118 $ 54. Versuche mit Blattstielen von Tropaeolum minus....eereenrneree een 120 $ 55. Versuche mit Blattstielen einiger anderer Pflanzen .. .............-. . 124 VII Versuche mit Stengelorganen. A. Allgemeines. $ 56. Wachsthumsweise und Krümmungsfähigkeit der Stengel. Zur Beurtheilung der Versuche über die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. Be- spreelung eier Angabe Wiesner-s... un. .,e onen Hung vmrampı nen ae 125 B. Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit. Sen. Versuch mit Dahlıa varıabilıs. -.... rar an set ne een a BERTEN,, 129 C. Die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. $ 58. Versuche mit Wieia sativa, Dahlia variabilis, Urtica dioica u. A. ....... 130 $ 59. Versuche mit Linum usitatissimum, Coleus spec. und Brodiaea congesta .. 133 S5060. Versuche mit Gakumipurpureum - =. a... 200 300 une se naesanaanernne 137 VIII. Ueber das „Zugwachsthum“. $ 61. Darlegung und Besprechung der Hypothese Wiesner’s..............- 141 $ 62. Nachweis, dass die heliotropische Krümmung ohne Mitwirkung von „Zug- wachsthum“ ihren normalen Verlauf nimmt .........2..%.....au.c022.. 145 $ 63. Nachweis, dass selbst eine relativ bedeutende einseitige Belastung kein Aupwachsthum‘©-bewirkt....2...... ua an ee 147 $ 64. Wiederholung des Wiesner’schen Klinostatenversuchs...............- 149 IX. Ueber die Beziehungen zwischen Wachsthumsintensität, Krümmungsfähigkeit, Reizbarkeit $ 68. $ 66. 8 67. $ 68. $ 69. und Empfindlichkeit. Ist die ganze wachsende Region krümmungsfähig? ...................- 152 Fällt der Ort der stärksten Krümmung mit demjenigen des intensivsten Waächsthums? zusammene. nee re ee, ee 156 Ueber den Begriff der Krümmungsfähigkeit und die Möglichkeit einer Be- Sönmnung: derselben sen. 8 et a es N ee ee Sn 158 Die Faetoren der Krümmungsfähigkeit. Nachweis, dass der Grad der heliotropischen Empfindlichkeit einer der Factoren ist. ................. 161 Ueber den Unterschied zwischen heliotropischer Empfindlichkeit und Reiz- barkeit... eine einare Lerrigee EN one Rain Eile nalen Rreronstileistnusin ner Talente sa = 164 $ 70. $ 71. 771 UN URN UND RN mM 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. VI Ueber direete'und indirecte Reizbarkeit.........0.,o cc een aouchleneenne Ueber den Einfluss der Reizbarkeit und der Empfindlichkeit auf die Krümmunpsfähigkat... m eu. sodann Haid muisrui S ale SD Aufstellung einer Formel für die Abhängigkeit der Krümmungsfähigkeit TON INFEnABACDTEN Een nn ne sten an nee nn Se 3. Nachweis, dass im Cotyledo der Paniceen die heliotropische Empändlichkeit und Reizbarkeit auch nach dem Erlöschen des Wachsthums fortbestehen Nachweis der gleichen Thatsache für einige andere Objeete............ . Ueber die Anwendbarkeit der für den Heliotropismus gewonnenen Er- gebnisse auf sonstige" Reizbewegungen ...... 0.0.00, ec see DE Ueber die vermuthliche Identität der Reizung bei verschiedenen Reiz- bewegungen, .: Terminologisches,. 4... #. .n..2 000 00.0.0. 000.000 00 000 0 EE Ueber die Vertheilung der geotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo der Gramineen und die Fortpflanzung der geotropischen Reizung. .......... X. Ueber die Wirkungen der Decapitation bei Gramineen-Keimlingen. Constatirung der zeitweiligen Aufhebung der Krümmungsfähigkeit infolge der; Decapitation iu... Vo rd N N ee Die Verminderung der Wachsthumsintensität ........-..e.cer0ocoenene Die Aufhebung derhheliotropischen und geotropischen Empfindlichkeit. Theo- retische Schlussfolgerungen %: U .y.. 2.2.00 0022 ch nu ee Die Wiederherstellung des normalen Zustandes... .........222ecceceen Die Durchschneidung des Cotyledo wirkt als eine Reizursache mit zwei verschiedenen Folgen Wu... 2. 30. ln ee Wie weit pflanzt sich die Reizung von der Schnittfläche aus fort?...... Hat jede beliebige Verwundung des Cotyledo die gleichen Folgen? ..... Die Folgen der Decapitation bei den Keimlingen von Brassica Napus. Schlussbemierküng.. Dir. 2. XI. Zusammenfassung der wichtigeren Resultate 170 187 191 193 196 200 202 203 204 209 Verzeichniss der zu eitirenden Literatur. (In den Citaten bezeichnet die erste fettgedruckte Zahl die Nummer der Arbeit in diesem Verzeichniss, die zweite die Seitenzahl.) 1) Batalin, in Flora, 1871, S. 244. 2) Brunchorst: Die Function der Spitze bei den Richtungsbewegungen der Wurzeln. 2. Galvanotropismus. (Berichte der Deutschen Botanischen Ge- sellschaft, 1884, S. 204—219,) 3) Correns: Ueber die Abhängigkeit .der Reizerscheinungen höherer Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstoffs. (Habilitationsschrift, Tübingen, 1892. Auch in Flora 1892.) 4) Darwin, Ch.: Insectenfressende Pflanzen. Aus dem Englischen übersetzt von J. V. Carus. (Stuttgart, 1876.) 5) Darwin, Ch. und Fr.: Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Aus dem Englischen übersetzt von J. V. Carus. (Stuttgart, 1881.) 6) Detlefsen: Ueber die von Darwin behauptete Gehirnfunetion der Wurzel- spitze. (Arbeiten aus dem Botanischen Institut in Würzburg, Band II, 1882, S. 627— 647.) 7) Frank: Lehrbuch- der Botanik. Band I. (Leipzig, 1892.) 8) Hegler: Ueber den Einfluss des mechanischen Zugs auf das Wachsthum der Pflanze. 1892. (Cohn, „Beiträge zur Biologie der Pflanzen“, Band VI, Heft 3.) 9) Krabbe: Zur Kenntniss der fixen Lichtlage der Laubblätter. (Pringsheim’s Jahrbücher, Band XX, 1888.) 10) Molisch: Untersuchungen über den Hydrotropismus. (Separatabdruck aus den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, Band 88 Abtheilung I, 1883.) 11) Müller (-Thurgau), H.: Ueber Heliotropismus. \Separatabdruck aus Flora, 1876.) 12) Noll: Ueber heterogene Induction. (Leipzig, 1892.) 13) Oliver: Ueber Fortleitung des Reizes bei reizbaren Narben. (Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, 1837, S. 162—169.) 14) Pfeffer: Pflanzenphysiologie, Bd. II: Kraftwechsel. (Leipzig, 1881.) 15) Saclıs: Ueber Wachsthum und Geotropismus aufrechter Stengel. (Flora, 1873. S. 321—331.) » 16) — Ueber orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile. (Arbeiten aus dem Botanischen Institut in Würzburg, Band II, Heft 2, 1879, S. 226—285.) 17) — Vorlesungen über Pflanzenphysiolosie. Zweite Auflage, (Leipzig, 1887. ung phy 8 8 pzıg Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft I. 1 pr 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 2 Schwendener und Krabbe: Untersuchungen über die Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. (Ans den Abhandlungen der Akademie der Wissen- schaften in Berlin, 1892.) Vöchting: Ueber die Lichtstellung der Laubblätter. (Botanische Zeitung, 1888, No. 32-35.) Wiesner: Die undulirende Nutation der Internodien. (Separatabdruck aus den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, Band 77 Abtheilung I, 1878.) — Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. Theil I. 1878. (Separatabdruck aus den Denkschriften der Wiener Akademie, Band 39.) — Dasselbe, Theil II, 1880. (Separatabdruck aus den Denkschriften der Wiener Akademie, Band 43.) — Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. (Wien, 1881.) — Untersuchungen über die Wachsthumsbewegungen der Wurzeln, (Sitzungs- berichte der Wiener Akademie, Band 89 Abtheilung I, 1884.) Wortmann: Studien über geotropische Nachwirkungserscheinungen. (Botanische Zeitung, 1884, S. 705 — 713.) I. Einleitung. D:. der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen wurden vom November 1891 bis Juni 13892 im Leipziger Botanischen Institut aus- geführt. Ich möchte gleich Eingangs die Gelegenheit ergreifen, dem Leiter des Instituts, Herra Geheimrath Prof. Dr. W. Pfeffer, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen für die wissenschaftliche Anregung, welche er mir zu Theil werden liess, das Interesse, welches er meiner Arbeit entgegenbrachte, sowie für die Liberalität, mit der er mir die Hilfsmittel des Instituts zur Verfügung stellte. Eine vorläufige Mittheilung habe ich in den Berichten der Deutschen Botanischen Gesellschaft (1392, Heft 7, S. 374) publieirt; seitdem ist an Peobachtungen nur noch wenig hinzugekommen, meine theoretischen An- schauungen haben sich aber in gewissen Hinsichten etwas geändert. Meine Untersuchungen umfassen nicht, wie es nach dem der Kürze halber gewählten Titel scheinen könnte, das ganze Gebiet des Heliotropismus, sondern betreffen in erster Linie die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung; sie streifen aber auch verschiedene andere Fragen, und die theoretische Verwerthung der gewonnenen Resultate führt zu einigen all- gemeineren, nicht blos auf den Heliotropismus sich beschränkenden Schluss- folgerungen. $ 1. Dass eine heliotropische Reizung sich fortpflanzen könne, wurde zuerst von Ch. Darwin behauptet. In seinem in so mancher Hinsicht bahn- brechenden „Bewegungsvermögen der Pflanzen‘ (5, 400—415) theilt Darwin unter anderem auch höchst bemerkenswerthe Beobachtungen über die Loealisation der heliotropischen Empfindlichkeit in den Organen gewisser Keimlinge mit; ich gebe im Folgenden nur eine kurze Uebersicht der wichtigsten Versuche Darwin’s, auf deren Details ich ohnehin im Laufe der vorliegenden Arbeit noch mehrfach einzugehen haben werde. Darwin’s Haupt-Untersuchungsobjeet war der Cotyledo von Phalaris canariensis. Bei einseitiger Beleuchtung krümmt sich derselbe schnell und sehr stark lichtwärts, wobei schliesslich der Obertheil sich in geneigter Lage geradestreckt und die Krümmung sich auf den Untertheil beschränkt. Wird aber die Spitze des Cotyledo durch eine aus Stanniol angefertigte Kappe oder durch eine geschwärzte Glaskappe vollkommen verdunkelt, so bleibt der Cotyledo selbst bei andauernder einseitiger Beleuchtung meist ganz gerade, = 4 Aus solchen, verschiedenartig variirten Verauchen zieht Darwin den Schluss, dass nur der obere Theil des Cotyledo gegen einseitige Beleuchtung em- pfindlich ist, und er sagt (1. e., 405): „„ Wir müssen daher folgern, dass, wenn Sümlinge einem seitlichen Lichte frei ausgesetzt sind, ein ge- wisser Einfluss von dem oberen Theil nach dem unteren hingeleitet wird, welcher die Ursache ıst, dass sich der letztere biegt‘. — Im Ganzen dasselbe Resultat erhielt Darwin auch mit den Cotyledonen von Avena sativa. Wurden Keimlinge von Phalaris in feinem feuchtem Sande eultivirt, 80 beobachtete Darwin wiederholt, dass sich der Cotyledo auch in seinem unterirdischen, also verdunkelten Basaltheil deutlich lichtwärts krümmte, und zwar bis zu einer Entfernung von mehreren mm unter die Bodenober- fläche hinab; dabei liess derselbe hinter sich eine kleine, scharf contourirte sichelförmige Furche im Sande zurück. Ferner untersuchte Darwin junge Hypocotyle von Brassica oleratea und Beta vulgaris, und fand auch hier nur den oberen Theil gegen ein- seitige Beleuchtung empfindlich. Wurde das Hypocotyl mit durchsichtigem und sehr biegsamen Goldschlägerhäutehen umwickelt und dieses im oberen Theil von aussen geschwärzt, so krümmten sich die Keimlinge nicht licht- wärts, während eine starke Lichtwärtskrümmung des Untertheils eintrat, wenn das Goldschlägerhäutehen nicht geschwärzt war. Auch bei diesen Objeeten wurde mitunter beobachtet, dass die heliotropische Krümmung sich einige mm weit unter die Bodenoberfläche hinab erstreckte. Ausser der Verdunkelung der Spitze wandte Darwin in einigen Ver- suchen (mit Phalaris und Brassica) auch noch ein anderes Verfahren an, um den Einfluss der einseitigen Beleuchtung der Spitze auf den Untertheil der Keimlinge zu eliminiren; er schnitt nämlich einfach eine mehrere Milli- meter lange Spitze des Cotyledo resp. des Hypocotyls ab. Es ergab sich, dass die geköpften Keimlinge auf einseitige Beleuchtung nicht reagirten. Auch dies sieht Darwin, allerdings nicht ohne einigen Vorbehalt, als einen Beweis dafür an, dass die heliotropische Krümmung des Untertheils dieser Organe nur durch einen von der Spitze aus zugeleiteten Einfluss verursacht wird. Ich werde jedoch in dem Kapitel X der vorliegenden Arbeit zeigen, dass ein solcher Schluss unzulässig ist, indem das Abschneiden der Spitze nicht blos den Einfluss der heliotropischen Reizung derselben auf den Unter- theil-des Keimlings eliminirt, sondern überdies auch die Eigenschaften des Stumpfes sehr wesentlich modifieirt. Endlich hat Darwin auch noch die bekanntlich apheliotropische ') Keim- wurzel von Sinapis alba in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen. 1) Bekamntlich hat Darwin in seinem „Rewegungsvermögen‘“ die Ausdrücke „apheliotropisch“ und „apogeotropisch“ für negativ helio- und geotropisch, „diahelio- tropisch“ und „diageotropisch“ für transversal helio- und geotropisch eingeführt, während er für positiv helio- und geotropisch die einfachen Bezeichnungen „helio- tropisch“ und „geotropisch‘ reservirte. Es ist wohl nicht zu leugnen, dass diese 5 Nach Zerstörung der Wurzelspitze in einer Ausdehnung von weniger als 1 mm durch Höllenstein hörte die Mehrzahl der Wurzeln auf gegen ein- seitige Beleuchtung zu reagiren, obgleich dieselben zu wachsen fortfuhren, Der hieraus gezogene Schluss, dass nur die Spitze der Würzelchen helio- tropisch empfindlich ist, ist ebenfalls unzulässig, denn es ist mindestens sehr wahrscheinlich, dass die Zerstörung der Spitze durch Höllenstein dieselbe. Wirkung hat, wie das Abschneiden derselben. Seine Beobachtungen zusammenfassend (5, 414), hält es Darwin für einen bei Keimlingen wahrscheinlich gewöhnlichen Fall, „dass die Be- leuchtung des oberen Theils die Krümmung des unteren Theils be- stimmt‘‘. Ob hingegen eine derartige Beeinflussung auch bei Organen ent- wiekelter Pflanzen vorkommt, scheint ihm „äusserst zweifelhaft‘, da er fand, dass die Verdunkelung der Spitze junger Stengel von Asparagus offieinalis sowie die Verdunkelung der Blattlamina bei Trropaeolum majus und bei Ranunculus Ficaria den Untertheil des Stengels resp. den Blattstiel nicht hinderte, sich in ganz normaler Weise heliotropisch zu krümmen. Das Resultat der Versuche und Beobachtungen Darwins können wir folgendermassen zusammenfassen: In den Organen verschiedener Keimlinge ist nur die Spitze (resp. der obere Theil) heliotropisch empfindlich; von hier aus pflanzt sich die heliotropische Reizung weiter im Organ fort und veranlasst eine starke Krümmung im Untertheil des- selben, welcher selber der heliotropischen Empfindlichkeit ganz ermangelt. Die hervorragende Bedeutung dieser Entdeckung für die Physiologie des Heliotropismus springt in die Augen, und in seinem bald darauf erschienenen Handbuch verwerthet Pfeffer diese (und andere analoge) Angaben Darwin’s in ausgiebiger Weise für theoretisch wichtige Schlussfolgerungen (14, an verschiedenen Stellen des Kapitels über Richtungsbewegungen, S. 295—359). Terminologie bequemer ist, als die schwertällige Bezeichnungsweise mit positiv, negativ und transversal; sie hat aber, worauf auch von mehreren Seiten hingewiesen worden ist, den wesentlichen Nachtheil, dass dabei die nicht zu entbehrenden neutralen Ausdrücke verloren gehen, und hierin ist wohl auch der einzige Grund zu sehen, warum die Darwin’sche Bezeichnungsweise sich nicht eingebürgert hat, Diesem Uebelstande lässt sich nun aber leicht durch eine kleine Ergänzung ab- helfen, die ich hiermit vorschlagen möchte. Dieselbe besteht darin, für die positive Richtung die Zusammensetzung mit „pros-“ einzuführen (ganz analog der Zusammen- setzung mit „apo-“ für die negative Richtung); „prosheliotropisch“ und „pros- geotropisch“ wären hiernach gleichbedeutend mit positiv heliotropisch resp. geotropisch (ebenso natürlich auch bei anderen entsprechenden Ausdrücken), und die nicht zu- sammengesetzten Ausdrücke würden ihre übliche neutrale Bedeutung behalten. Ich hoffe, dass diese unbedeutende Neuerung, welehe die Darwin’sche Bezeichnungs- weise annehmbar macht, nicht den Unwillen der Feinde neuer Termini erregen wird, da der Sinn der neuen Bezeichnungen wohl ohne Weiteres verständlich ist, und daneben auch die alten Bezeichnungen sehr wohl im Gebrauch bleiben können, wo immer dies bequemer erscheinen mag. 6 $ 2. Die Angaben Darwin’s, welche manchen damals noch weit- verbreiteten Anschauungen stracks zuwiderliefen, sollten nicht lange un- widersprochen bleiben. Schon im folgenden Jahr nach dem Darwin’schen Werk erschien unter dem gleichen Titel eine Schrift von Wiesner (23), in welcher fast sämmtliche Resultate Darwin’s, darunter auch die oben referirten, kritisirt und verworfen werden. Die Möglichkeit der Fortpflanzung einer heliotropischen Reizung wird von Wiesner auf’s Entschiedenste be- stritten. Es sei aber im Voraus bemerkt, dass Wiesner’s Kritik allenfalls nur demjenigen überzeugend erscheinen kann, der das betreffende Kapitel des Darwin’schen Werkes nicht gelesen oder nicht mehr in frischer Er- innerung bat. Wer aufmerksam und vorurtheilsfrei die Argumente beider vergleicht, dem lehrt die Wiesner'sche Kritik vor allem, dass deren Autor in einer vorgefassten Meinung befangen ist. Wiesner argumentirt in der That in recht eigenthümlicher Weise. Vor allem übergeht er diejenigen Objecte, mit denen Darwin die zahlreichsten, verschiedenartigsten und auch überzeugendsten Versuche ausgeführt hat und auf die sich seine Schlussfolgerungen in erster Linie stützen, nämlich die Cotyledonen der Gramineen, fast ganz mit Stillsechweigen, und beschäftigt sich fast ausschliesslich mit Drassica oleracea, welche bei Darwin nur eine relativ geringe Rolle spielt. Dies wird damit motivirt (l. c., 60), dass „alle Blattgebilde im Vergleiche zu den Stengeln sich durch Com- plication ihrer Bewegungen auszeichnen‘, und „dass man mit Stengelm leichter experimentiren kann“. Das-ist nichts weiter als ein Sophisma: das was Wiesner sagt, ist richtig für flache dorsiventrale Blattorgane, passt aber ganz und gar nicht auf die orthotropen, physiologisch radiären Gramineen-Cotyledonen, mit denen sich im Gegentheil entschieden be- quemer experimentiren lässt als mit den Keimstengeln von Dicotyledonen. Zunächst hält sich nun Wiesner an diejenigen Versuche Darwin’s, in denen die Spitze des Hypoecotyls abgeschnitten oder durch directes Be- streichen mit Tusche verdunkelt wurde, — Versuche, auf die Darwin sehr wenig Gewicht legt, indem er darüber nichts weiter sagt als (8, 410): „es ist aber nicht der Mühe werth, diese Versuche mitzutheilen, ob- schon sie, soweit man sich auf sie verlassen kann, die folgenden be- stätigen“. In längerer Ausführung (23, 61—66) legt Wiesner dar, dass die Versuche mit Abschneiden der Spitze nicht beweisend für die Dar win’sche Ansicht sind, was allerdings zutrifft. Die Versuche mit Tusche werden von Wiesner kurzweg verworfen, „weil auch diese Art der Versuchs- anstellung zu roh ist, um irgendwelche sichere Schlussfolge zu erlauben“ (l. e., 66). Das ist ein ganz unberechtigter Einwand; würde das Verfahren negative Resultate geben, so liesse sich freilich einwenden, dass die Art und Weise der Verdunkelung nicht zuverlässig genug ist; wenn es aber ein positives Resultat (im Sinne Darwin’s) giebt, so ist gar nicht einzusehen, wie dieses anders erklärt werden könnte als es durch Darwin geschah, — es müsste denn bewiesen werden, dass das Bestreichen des Obertheils des uud Hypocotyls mit Tusche im Stande ist, die Eigenschaften des Untertheils irgendwie zu modificiren, was wohl als iiberaus unwahrscheinlich gelten kann. Jetzt erst wendet sich Wiesner gegen Darwin’s hauptsächliche, oben kurz referirte Versuche mit Brassica oleracea. Er bestreitet nicht, dass die Lichtwärtskrümmung des Unterthbeils des Hypocotyls durch die Be- leuchtung des oberen Theils bedingt wird; aber diese Abhängigkeit erklärt er anders als Darwin, nämlich auf Grund seines „Zugwachsthums“. Von diesem von Wiesner angenommenen „Zugwachsthum“ wird noch in Kapitel VIII dieser Arbeit die Rede sein, daher kann ich mich hier kurz fassen. Die heliotropische Krümmung der Keimlinge beginnt in ihrem oberen Theil. Wenn dieser Theil sich bereits gekrümmt hat, so wirkt er auf den Untertheil als einseitige Last: er übt einen gewissen Druck auf die Licht- seite und einen gewissen Zug auf die Schattenseite desselben aus. Nun hat nach Wiesner eine solche einseitige Zugwirkung des gekrümmten Obertheils ein ungleichmässiges Wachsthum der antagonistischen Seiten des Untertheils zur Folge, und zwar soll die gedehnte Schattenseite stärker als die ge- drückte Lichtseite wachsen; in Folge dessen soll im Untertheil eine scheinbar heliotropische, in Wirklichkeit aber durch eine ganz andere Ursache hervor- gerufene Krümmung zu Stande kommen. Dieses sogenannte „Zugwachsthum“ unter dem Einfluss des gekrümmten Obertheils, nieht aber die Fortpflanzung einer heliotropischen Reizung vom Obertheil aus, verursacht es nach Wiesner, dass die Keimlinge sich nur dann lichtwärts krümmen, wenn auch ihr Obertheil beleuchtet ist. Nur darin stimmt Wiesner mit Darwin überein, dass auch er dem Untertheil des Hypocotyls die heliotropische Em- pfindlichkeit vollkommen abspricht, Seine Ansicht gründet Wiesner auf einen früher von ihm ausgeführten und in einer anderen Arbeit (21, 56—57) bereits beschriebenen Versuch mit Kressekeimlingen. Die einen Keimlinge standen aufrecht, andere rotirten um eine horizontale Achse, so dass die einseitige Wirkung der Schwerkraft, und folglich auch das „Zugwachsthum‘‘, ausgeschlossen war, und beide Gruppen von Keimlingen wurden mit horizontal einfallendem Licht einseitig beleuchtet; während nun die aufrecht stehenden Keimlinge sich in ihrer ganzen Länge liehtwärts krümmten, krümmte sich bei den rotirenden Keim- lingen nur der Obertheil, der Untertheil hingegen blieb gerade. Hieraus zog Wiesner den Schluss, dass der Untertheil der Keimlinge nicht helio- tropisch ist und dass seine Lichtwärtskrümmung nur durch die einseitige Zugwirkung des gekrümmten Obertheils hervorgerufen wird. Auf diesen Versuch beruft sich Wiesner jetzt und fügt hinzu, dass die Kohlkeimlinge kein anderes Verhalten als die Kressekeimlinge zeigen, wenn sie hei einseitigem Licht um eine horizontale Achse rotiren. Waren die Keimlinge nur 1—1,5 cm hoch, so krümmten sie sich in ihrer ganzen Länge oder bis zu °s hinab; wenn sie aber 2—4 cm hoch waren, so krümmte sich nur der "s— "2 der Gesammtlänge umfassende Obertheil 5 (23, 72). — Diese Angabe, weit entfernt die Schlussfolgerungen Dar win’s umzustossen, bietet vielmehr eine Bestätigung derselben gegenüber der von Wiesner vorgenommenen Umdeutung. Denn Darwin hat seine Resultate an sehr jungen, nicht über "2 Zoll (= 1" cm) hohen Keimlingen von Brassica oleracea gewonnen; er sagt ausdrücklich (d, 409—410): „es ist nothwendig, die Versuche an jungen Sämlingen von ungefähr eimem halben Zoll oder noch etwas weniger Höhe anzustellen, denn wenn sie bis zu einem Zoll und darüber gewachsen sind, hört der basale Theil auf sich zu biegen“. Und gerade für 1—1Vz cm hohe Keimlinge findet nun Wiesner, dass sie sich auch bei Rotation um horizontale Achse in der ganzen oder fast der ganzen Länge krümmen, dass also bei ihnen die Krümmung des Untertheils nicht durch „Zugwachsthum‘ bedingt, sondern thatsächlich heliotropisch ist. Derartige Rotationsversuche hat Wiesner auch mit Phalaris cana- riensis angestellt (23, 74). Das Resultat soll angeblich das gleiche gewesen sein; doch gibt Wiesner zu, dass hier der Unterschied zwischen den auf- rechten und den rotirenden nicht so erheblich war wie bei den Dicotylen- Keimlingen; ob er erheblich genug war, um daraufhin auch die mit Phalaris erhaltenen Resultate Darwin’s allein durch „Zugwachsthum“ erklären zu können, darüber äussert sich Wiesner leider nicht. Diese Versuche sind nebenbei (abgesehen von dem gleich zu erwähnenden) die einzigen, welche Wiesner mit Gramineen-Cotyledonen auszuführen für erforderlich ge- halten hat. Endlich bestätigt Wiesner (l. e., 77), dass die Keimlinge von Phalaris und Drassic« bei ihrer Lichtwärtskrümmung hinter sich eine Furche im Sande zurücklassen. Diese Thatsache fällt aber seiner Meinung nach nicht in die Wagschale ‚und beweist nur, dass die durch Heliotropismus und namentlich die durch das Zugwachsthum veranlasste Bewegung sich mit eimer gewissen Kraft vollzieht“, die nach Wiesner übrigens gewiss „nur eime geringe“ ist, da bei Cultur der Keimlinge in fein- geschläimmtem Thon die Furchenbildung nicht stattfindet. — Auch hier muss also das „Zugwachsthum‘‘ herhalten, und es ist geradezu erstaunlich, was dasselbe alles soll leisten können; denn dass die bei der Furchenbildung im Sande entwickelte (selbstverständlich auf die Flächeneinheit zu berechnende) Kraft, namentlich in Anbetracht der cylindrischen Form der Keimlinge, keine „geringe“, sondern im Gegentheil eine sehr bedeutende sein muss, bedarf, wie mir scheint, keiner Auseinandersetzung. Damit ist alles erschöpft, was Wiesner gegen die Beweiskräftigkeit der Versuche Darwin’s geltend macht. Seine Einwände laufen darauf hinaus, dass die von Darwin auf Reizfortpflauzung zurückgeführte Krüm- mung des Untertheils der Keimlinge möglicherweise durch „Zugwachsthum“ bedingt gewesen sein könnte; dass dies thatsächlich der Fall war, ist durch Wiesner keineswegs bewiesen worden, — ganz abgesehen von der hypo- thetischen Natur des „Zugwachsthums‘“ überhaupt, welches nichts mehr ist als eine von Wiesner zur Erklärung einer bestimmten Beobachtung ge- machte, auf ihre Realität nicht geprüfte Annahme, wie an anderer Stelle dargelegt werden wird. Ein gewichtigeres Argument bilden, wenigstens anscheinend, einige Ver- suche, mittels deren Wiesner den direceten Nachweis führen will, dass die directe Beleuchtung eines Organtheils keine Krümmung in einem benachbarten Theil des Organs hervorzurufen vermag, selbst wenn dieser zweifellos heliotropisch ist, — dass es also keine heliotropische Reizfortpflanzung giebt. Solche Versuche wurden gemacht mit Keimlingen von Brassica oleracea und Vicia satıva (23, 73— 76), sowie mit Stengelorganen einiger entwickelter Pflanzen (l. c., 76); sie auch mit G@ramineen-Cotyledonen zu machen, die wohl am ehesten ein positives Resultat versprachen, hat Wiesner unter- lassen. Diese Versuche werden von mir an den geeigneten Stellen besprochen und z. Th. controlirt werden, vorläufig genügt es zu bemerken, dass der aus ihnen gezogene Schluss sich als unrichtig erwiesen hat. Wie schon bemerkt wurde, ist die Opposition Wiesner’s gegen Darwin’s Schlussfolgerung im Grunde genommen durch eine vorgefasste Meinung ver- ursacht: nach Wiesner ist der Heliotropismus, ebenso wie der Geotropismus und alle analogen Erscheinungen, keine Reizerscheinung, die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung ist ihm folglich ein Absurdum; darum muss Darwin unbedingt Unrecht haben. Wie Wiesner eigentlich den Begriff der Reizerscheinung begrenzen will, ist nicht leicht zu verstehen, denn auf weniger als einer Seite (23, 24—25) giebt er 4 verschiedene und von ein- ander unabhängige Charaktere einer Reizbewegung an, nämlich 1) dass sie ungemein rasch nach erfolgter Einwirkung der betreffenden äusseren Kräfte eintritt, 2) dass die Reizung sich fortpflanzt, 5) dass die Reizbewegungen auf Auslösungen schon vorhandener Spannkräfte beruhen, und 4) dass sie mit Wachsthum ‚‚selbstverständlich“ nichts zu thun haben. Es fällt in die Augen, dass der Umfang dieser Merkmale ein sehr ungleicher ist, und dass eine ganze Reihe von Erscheinungen, die nach dem einen Merkmal zu den Reizbewegungen gehören, nach dem anderen von diesen ausgeschlossen werden müssten. Alle Terminologie ist ja freilich nur conventionell, und falls Wiesner, wie es den Anschein hat, den Ausdruck „Reizbewegung‘“ nur auf die Bewegungen der Mimosa und ähnliche Fälle beschränken will, so ist das Geschmackssache; dann darf man aber nicht den obigen Punkt 2 als für die Reizbewegungen charakteristisch anführen, denn ob sich der Effeet einer äusseren Kraft in einem Organ fortpflanzt oder nicht, kann doch offenbar für jeden einzelnen Fall nur empirisch festgestellt werden, und es könnte sehr wohl auch Reizbewegungen im Sinne Wiesner's geben, bei denen keine Fortpflanzung stattfände, und auch umgekehrt. Jetzt, wo die klare und consequent durchführbare Pfeffer’sche Definition der Reiz- erscheinungen als in der lebenden Substanz stattfindende Auslösungsvorgänge wohl ziemlich allgemein acceptirt ist, hat alles dies übrigens nur noch historisches Interesse, 10 $3. Wir sehen, dass durch Wiesner’s Einwände die Resultate Darwin's keineswegs widerlegt, sondern nur in Zweifel gestellt worden sind; der Zweifel bezieht sich übrigens nur auf die Interpretation der Beobachtungen Darwin’s, während diese selbst von Wiesner meist gar nicht controlirt worden sind. Die Frage über die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung bedurfte somit zu ihrer Lösung neuer, sorgfältiger und kritischer Untersuchungen. Während nun aber gewisse andere, ebenfalls von Wiesner bestrittene Angaben und Schlüsse Dar win’s eine ganze (aller- dings recht unfruchtbare) Literatur in’s Leben riefen, ist merkwürdiger Weise unsere Frage, trotz ihres zweifellos grossen Interesses, im ganzen bis heutzutage in derselben Lage geblieben, in der sie die genannten Autoren gelassen haben. Nur eine Specialfrage, nämlich die Frage, ob die Beleuchtung der Lamina eine heliotropische Krümmung des Blattstiels resp. des Gelenks veranlassen kann, ist seitdem von zwei Forschern behandelt worden. Vöchting (19) experimentirte mit Malvaceen-Blättern und fand, dass Blattstiel und Gelenk zwar direct heliotropisch reizbar sind, dass ihre Bewegungen aber auclı unter dem alleinigen Einfluss der Beleuchtung der Lamina stattfinden können. Vöchting’s Experimente sind zweifellos sehr interessant, aber eine völlig befriedigende Entscheidung liefern sie wohl kaum, da die Methode der Ver- suchsanstellung nicht einwandsfrei ist und die Ergebnisse nicht frei sind von unaufgeklärt gebliebenen Widersprüchen. — Krabbe gelangt bei seinen Untersuchungen von Phaseolus (9, 255—260) zu einem ganz abweichenden Resultat: er fand nämlich, dass das Gelenk sich krümmt, wenn es direct beleuchtet wird, dass es hingegen durch Beleuchtung der Lamina nicht beeinflusst wird. Ich erwähne diese Angaben nur der Vollständigkeit halber; eine nähere Besprechung derselben ist hier nicht erforderlich, da die betreffende Frage in meiner Arbeit nicht behandelt wird. Vor allen Dingen musste über das Verhalten radiärer, prosheliotropischer Organe, welches den einfacheren Fall darstellt, Klarheit gewonuen werden; deren Untersuchung und die Lösung der im Anschluss hieran auftauchenden Fragen nahm soviel Zeit in Anspruch, dass ich von der Ausdehnung meiner Untersuchungen auf dorsiventrale Organe vorläufig Abstand nehmen musste. Von Herrn Geheimrath Prof. Pfeffer darauf aufmerksam gemacht, dass die Frage über die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung noch ihrer lösung harrt, wiederholte ich zunächst die Darwin’schen Versuche mit Phalaris und Avena. Gleich Eingangs stellte sich heraus, dass diese Objeete sieh nieht ganz conform den Angaben Darwins verhalten; die einseitige Beleuchtung der Spitze beeinflusst zwar in hohem Grade die helio- tropische Krümmung des Untertheils, aber auch dieser selbst ist, freilich in weit geringerem Grade als die Spitze, gegen einseitige Beleuchtung em- pfindlich und krümmt sich auch dann heliotropisch, wenn die Spitze voll- kommen verdunkelt ist. Dieses Ergebniss gab zu einer Reihe von Special- fragen Veranlassung, welche am Cotyledo von Avena, als dem günstigsten Object, gelöst wurden. Ferner gelang es mir den directen Beweis für die Er Fortpflanzung der heliotropischen Reizung, welcher Darwin misslungen war, in ausreichender Weise zu führen, sowie einige diese Fortpflanzung be- treffende Speeialfragen zu entscheiden. Den Versuchen mit den Cotyledonen dieser und noch einiger anderer Gramineen ist das Kapitel III der vor- liegenden Arbeit gewidmet. Weiter untersuchte ich die Keimlinge einiger Gramineen aus der Unter- familie Paniceae, welche eigenartige und sehr bemerkenswerthe Verhältnisse bieten (Kapitel IV), die Keimstengel zahlreicher Dicotyledonen (Kapitel V), prosheliotropische Blätter und Blattstiele (Kapitel VI) und Stengelorgane entwickelter Pflanzen (Kapitel VII). Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit erwies sich in verschiedenen Fällen als verschieden, es wurden unter Anderem auch Organe gefunden, die in ihrer ganzen Länge gleichmässig heliotropisch empfindlich sind und bei denen die Krümmung des Untertheils durch die einseitige Beleuchtung der Spitze nicht verstärkt wird; das schliesst aber die Möglichkeit der Fortpflanzung der heliotropischen Reizung nicht aus, und ich konnte in der That den direeten Nachweis dieser Fortpflanzung für sämmtliche untersuchte Objecte erbringen. Bei ge- wissen Objecten begegnete der Nachweis allerdings Schwierigkeiten, die haupt- sächlich durch die Untersuchungsmethode bedingt waren, schliesslich aber die Erzielung positiver Resultate nicht verhinderten; bei zahlreichen anderen Objecten gelang hingegen der Nachweis leicht und in höchst schlagender Weise. Die Schlussfolgerungen aus den Versuchen werden in den bisher er- wähnten Kapiteln unter der stillschweigenden Voraussetzung gezogen, dass das Wiesner’sche „Zugwachstlum‘‘ beim Zustandekommen der beobachteten Krümmungen keine Rolle spielt, — eine Voraussetzung, deren Richtigkeit sich eigentlich schon aus einer ganzen Anzahl der betreffenden Versuche von selbst ergiebt. Speciell ist dann aber noch der Zugwachsthumshypothese das Kapitel VIII. gewidmet, wo diese einer Kritik unterzogen und wo an der Hand besonderer Versuche des Näheren dargelegt wird, dass das „Zug- wachsthum“ nicht nur an den beobachteten Erscheinungen unbetheiligt ist, sondern dass dasselbe überhaupt nicht existirt. Das Kapitel IX, welches gewissermassen den „Allgemeinen Theil‘ der Arbeit darstellt, enthält, neben einigen zu meinem Hauptthema nicht in direeter Beziehung stehenden Versuchen, hauptsächlich eine Darlegung der theoretischen Ergebnisse, zu denen mich verschiedene, in mehreren Kapiteln zerstreute Versuchsresultate geführt haben, nebst Erörterungen darüber, in- wieweit die gewonnenen Resultate eine allgemeinere Giltigkeit beanspruchen dürfen. Hier wird u. A. der indirecte Beweis geführt, dass auch die geotropische Reizung sich fortzupflanzen vermag. Das Kapitel X endlich beschäftigt sich mit den bemerkenswerthen und auch ein allgemeineres Interesse darbietenden Wirkungen, welche, wie ich bei Gelegenheit der Untersuchungen über die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit bei den Gramineen-Keimlingen fand, das Abschneiden der Spitze des Ootyledo bei diesen Keimlingen zur Folge hat. 12 II. Methodisches. $ 4. Um im Folgenden den Gang der Darstellung möglichst wenig aufzuhalten, sei hier zunächst soweit als thunlich dasjenige mitgetheilt, was über die Vorbereitung und Ausführung der Versuche zu sagen ist. Vorbereitung des Materials. Bei den meisten meiner Versuche kam es darauf an zu bestimmen, welchen Einfluss gewisse künstliche Ein- sriffe (z. B. Verdunkelung der Spitze) auf die heliotropische Krümmungs- fähigkeit der untersuchten Objecte haben; es musste also nach Möglichkeit dafür gesorgt werden, dass die natürliche Krümmungsfähigkeit der Versuchs- und der Vergleichsobjecte gleich sei, damit die beobachtete Differenz that- sächlich nur die Wirkung des künstlichen Eingriffes darstelle. Diese Gleich- heit ist nun aber im allgemeinen nicht gegeben. Die Krümmungsfähigkeit variüirt nicht nur sehr erheblich mit der Entwickelungsphase der Objecte, sondern sie ist auch bei gleicher Entwickelungsphase individuell in weiten Grenzen variabel, — wofür in den speciellen Kapiteln Beispiele angeführt werden sollen. Aeusserliche Gleichheit bietet sehr wenig Garantie für Ver- gleichbarkeit in Bezug auf die heliotropische Krümmungsfähigkeit, und der Vergleich zweier einzelner Individuen könnte leicht zu ganz irrthümlichen Schlüssen führen; zur Erzielung zuverlässiger Werthe ist es daher erforderlich, in jedem einzelnen Versuch nicht nur mit möglichst gleichartigen, sondern überdies mit möglichst zahlreichen Objecten zu experimentiren, und die Mittelwerthe der Bestimmungen, die bei den Gruppen gleich behandelter Objecte gefunden werden, mit einander zu vergleichen. Bei Versuchen mit Keimlingen lassen sich diese Forderungen durchführen, sie er- fordern aber eine sorgfältige Vorbereitung und Auswahl des Aussaat- materials. Ich verfuhr folgendermassen. Die Samen wurden, eventuell (z. B. bei Avena sativa) nach Enthülsung, in grosser Zahl in eine flache Wasser- schicht gelegt. Selbst wenn die Keimung sehr gleichmässig erfolgte, fanden sich 2—5 Tage später die Keimlinge in recht verschiedenem Grade ent- wickelt. Nun wurden die zurückgebliebenen oder nicht ganz normal ent- wickelten Keimlinge entfernt, die übrigen nach ihrem Entwiekelungsgrade sortirt, und jeder Satz möglichst gleichartiger Keimlinge wurde auf einige kleine Töpfe mit gleiehmässig feuchter gesiebter Gartenerde vertheilt; die Töpfe blieben dann im Dunkeln stehen, bis sich die oberirdischen Theile der Keimlinge genügend entwickelt hatten. So gelang es bei einer Aussaat von ca. 100 oder mehr Samen mehrere Sätze von Keimlingen zu erzielen, in denen die Keimlinge untereinander nicht bloss gleich alt, sondern auch annähernd gleich gross waren (einzelne abweichende wurden entiernt); die Keimlinge eines solchen homogenen Satzes wurden für den Versuch in Gruppen getheilt, von denen die einen als Versuchs-, die andern als Ver- gleichsobjecte dienten; jede Gruppe umfasste in der Kegel 4— 10 Exemplare. 13 Fir manche Versuche, für welche besonders zahlreiche Keimlinge erforderlich waren, konnte auf diese Weise völlig gleichartiges Material in genügender Menge nicht erlangt werden; in solchen Fällen sorgte ich wenigstens dafür, dass die verschieden grossen Keimlinge gleichmässig auf die einzelnen Gruppen vertheilt wurden. Beim Operiren mit Dieotylen-Keimlingen hat man ferner noch zu beachten, dass es nicht einerlei ist, von welcher Seite man dieselben beleuchtet. Der Keimstengel trägt hier eine niekende Knospe (unter diesen Ausdruck sub- summire ich auch die Cotyledonen resp. Primärblätter); ich will mit Wiesner diejenige Seite des Keimstengels, welche der nickenden Knospe zugewandt ist, als Vorderseite, die entgegengesetzte als Hinterseite bezeichnen. Es ist nun eine bekannte Thatsache, dass vielen dieotylen Keimlingen eine autonome Nutation eigenthümlich ist, welche die Hinterseite des Keimstengels concav zu machen strebt; bei vielen Speeies ist diese autonome Nutation vom Licht unabhängig, bei einigen aber, — sehr deutlich z. B. bei Pharbitis his- pida, — ist Beleuchtung eine Bedingung für ihr Zustandekommen (hier hat das Licht eine Wirkung der gleichen Art wie bei der sog. Photoepinastie). Wird nun ein solcher autonom in ganz bestimmter Ebene sich krümmender Stengel einseitiger Beleuchtung ausgesetzt und zu heliotropischer Krümmung ver- anlasst, so werden sich offenbar die beiden von einander unabhängigen Krüm- mungen in verschiedener Weise mit einander combiniren müssen. Ist die Hinter- seite des Keimstengels beleuchtet, so summiren sich beide Krümmungs- bestrebungen und es resultirt eine stärkere Krümmung, als der Heliotropismus allein hervorgerufen hätte; bei Beleuchtung der Vorderseite wirken sie einander entgegen, die heliotropische Krümmung wird also vermindert und kann eventuell garnicht in die Erscheinung treten. Ist endlich die eine Flanke beleuchtet (welche Stellung ich als normale Orientirung des Keimstengels bezeichnen werde), so wirken die beiden krümmenden Faetoren in aufeinander senkrechten Ebenen, und das Resultat ist eine Krümmung des Keimlings in einer intermediären Ebene '); diese combinirte Krümmung kann in ihre Com- ponenten zerlegt werden: die Projeetion derselben auf die Symmetrieebene des Keimlings giebt uns die Nutationskrümmung, und die Projeetion auf die Ebene des Lichteinfalls die heliotropische Krümmung in ihrer reinen 1) Genau genommen wird die Krümmung nur dann in einer Ebene liegen, wenn autonome und heliotropische Krümmungsfähigkeit in ganz gleicher Weise über die wachsende Region des Keimstengels vertheilt sind und folglich in allen Theilen der- selben in dem nämlichen Verhältniss zu einander stehen; besteht diese Gleichheit nicht, ist z. B. in Folge bevorzugter heliotropischer Empfindlichkeit der Spitze das Verhältniss der heliotropischen zur autonomen Krümmungsfähigkeit im Obertheil des Keimstengels ein günstigeres als im Untertheil, so wird die Ablenkung von. der Ebene des Lichteinfalls in jenem eine geringere sein als in diesem, — folglich wird der Keimstengel nicht eine ebene Curve, sondern eine Raumeurve beschreiben, wie das auch Wiesner (20, 8) beobachtet hat. Das tangirt übrigens die im Text ge- machten Betrachtungen nicht, 14 Form'). Sehr anschaulich sind diese Verhältnisse z. B. bei Pharbitis hispida, wo Nutationekrümmung und heliotropische Krümmung ungefähr gleich stark sind; bei der Mehrzahl der von wir untersuchten Keimlinge ist hingegen der Einfluss der Nutation weit geringer als derjenige des Heliotropismus, die Ablenkung der Krümmungsebene von der Ebene des Lichteinfalls ist fast unmerklich, und alsdann können wir ohne merklichen Fehler die vorhandene Krümmung als rein heliotropische ansehen; während bei Beleuchtung von der Vorder- oder Hinterseite die gleichzeitige Wirkung einer selbst schwachen Nutation den Grad der Krümmung nieht unwesentlich beeinflussen könnte. Bei vielen Keimlingen mag vielleicht die in Frage stehende Nutation ganz fehlen, doch ist es sehr schwer dies sicher fest- zustellen; das Verhalten der Keimlinge im Dunkeln (wo z. B. Brassica Napus kerzengerade aufrecht wächst) ist allein nieht entscheidend, da ja die Nutation an Beleuchtung gebunden sein kann; am Licht aber kann eine schwache Nutation durch die individuellen Verschiedenheiten der helio- tropischen Krümmungsfähigkeit verdeckt werden. Um vor Fehlern gesichert zu sein, ist es daher bei heliotropischen Versuchen mit Dieotylen-Keimlingen immer erwünscht, denselben die normale Orientirung zum Licht zu geben; und unbedingt erforderlich ist diese Vorsichtsmassregel dann, wenn fest- gestellt werden soll, ob überhaupt heliotropische Krümmung stattfindet, — sonst würde man riskiren entweder eine Nutationskrümmung für eine helio- tropische zu halten, oder aber keinen Heliotropismus zu finden, wo solcher thatsächlich vorhanden ist. Aus dem Gesagten folgt, dass bei Versuchen mit Dicotylen-Keimlingen diese in jedem Toopf nicht blos möglichst gleich gross, sondern über- dies mit ihren Symmetrie-Ebenen einander parallel gerichtet sein müssen. Ich suchte dies zu erreichen, indem ich die genügend weit ent- wiekelten Keimlinge schon beim Einpflanzen so orientirte, dass ihre. Symmetrie-Ebenen einander parallel standen; doch führte das nur theil- weise zum Ziel, denn mit fortschreitender Entwickelung änderte sich jedesmal die Lage der Symmetrie -Ebene wenigstens bei einem Theil der !) Diese Verhältnisse wurden von H. Müller (11, 3) im Wesentliehen richtig erkannt und gewürdigt. Einen merkwürdigen Fehler in der Deutung der richtig beobachteten Thatsachen beging hingegen Wiesner (20). Die ungleiche Lichtwärts- krümmung der Keimstengel bei Beleuchtung von verschiedenen Seiten schreibt dieser Forscher nicht der Combination von Heliotropismus und autonomer Nutation zu, sondern einer ungleichen heliotropischen Empfindlichkeit oder Krümmungsfähigkeit der verschiedenen Seiten des Keimstengels (l. e., 1, 31); desgleichen für Geotropismus. Und doch wird in der nämlichen Arbeit (S. 9, 13) das Bestehen eines autonomen, von einseitiger Licht- und Gravitationswirkung unabhängigen Krümmungsbestrebens nachgewiesen, dessen Mitwirkung bei der heliotropischen und geotropischen Krümmung nothwendig zu den von Wiesner beobachteten Erscheinungen führen muss, — so dass Wiesner’s Annahme einer verschiedenen helio- und geo- tropischen Empfindlichkeit der verschiedenen Seiten des Keimstengels durch die von ihm selbst beigebrachten Thatsachen widerlegt wird. Keimlinge!'). Es bleibt nichts anderes übrig, als entweder alle Keimlinge mit abweichender Symmetrie-Ebene zu entfernen, oder aber sich damit zu begnügen, dass die Mehrzahl der Keimlinge eines Satzes normal orientirt sind, und die abweichend orientirten gleichmässig unter die verschiedenen Gruppen zu vertheilen. Hat man es mit kleinen und leicht keimenden Samen zu thun (wie die meisten Paniceen, Brassica Napus), so kann man, um geeignetes Ver- suchsmaterial zu erlangen, auch ein einfacheres Verfahren einschlagen: man sät eine grosse Anzahl Samen in die Töpfe, und entfernt später alle die Keimlinge, welche aus irgend einem Grunde für den Versuch nicht geeignet sind, — was freilich den grössten Theil der Gesammtzahl ausmacht. In manchen Fällen ist es zweckmässig, die Töpfe zunächst eine Zeitlang ein- seitig zu beleuchten, bis sich die meisten Keimlinge ziemlich stark helio- tropisch gekrümmt haben; man entfernt dann alle bis auf eine Anzahl aus- sewählter, die bei gleicher Grösse sich auch ungefähr gleich stark dem Lichte zugeneigt haben, und hat so eine Garantie für annähernd gleiche Krümmungsfähigkeit der für den Versuch zu benutzenden Keimlinge; dies Verfahren habe ich bei den Paniceen-Keimlingen oft angewandt. $5. Beleuchtungsbedingungen. Bei allen Versuchen, soweit sie nicht im Dunkelzimmer angestellt wurden (abgesehen nur von einigen Vor- versuchen), bediente ich mich heliotropischer Kammern aus mattschwarzem Carton, welche an der Vorderseite offen, an der Hinterseite mit einer licht- dicht schliessenden Thür versehen waren. Der grösste Theil der vorderen Oefinung wurde noch mit mattschwarzem Carton verdeckt, so dass für den Eintritt des Lichts nur ein horizontaler Spalt von einigen cm Breite übrig blieb. Als Lichtquelle diente bei der grossen Mehrzahl der Versuche eine Argandlampe, welche unverrückt in einer Entfernung von 65 cm von den Vorderseiten der heliotropischen Kammern stand und deren Flamme eine eonstante Höhe hatte. Flamme, Spalt und Objecte befanden sich auf gleichem Niveau, die Objecte wurden also nur mit horizontal einfallendem Licht beleuchtet. Das Licht passirte eine grosse, Wasser enthaltende Cuvette mit parallelen, ca. 5 cm von einander entfernten Spiegelglaswänden. Bei den unten mitzutheilenden Versuchen gelangte, soweit nicht das Gegentheil bemerkt ist, durchgängig diese Art der Exposition zur Anwendung. Bezüglich der Aufstellung der Objeete sei noch folgendes erwähnt: Wenn 1) Diese Aenderung wird bewirkt durch Torsionen im Keimstengel; dass solche Torsionen stattfinden und sogar sehr stark sein können, zeigte mir namentlich deutlich ein Versuch mit etiolirten Keimlingen von Zepidium sativum, welche behufs Bestim- mung der Wachsthumsvertheilung mit Tuschmarken von 2 zu 2 mm versehen worden waren; im Laufe von 24 Stunden erfuhr die 10 mm lange markirte Region bei den meisten Hypocotylen eine ansehnliche Torsion (erkennbar an der Anordnung der ursprünglich eine verticale Reihe bildenden Tuschmarken), welche bei einigen Keim- lingen fast 1809 betrug. 16 nieht sämmtliche in einem 'Toopfe befindliche Objeete gerade und vertical standen, so wurde die Aufstellung so gewählt, dass keines von ihnen im geringsten der Lichtquelle zugeneigt war; waren alle Objecte schon in einer bestimmten Richtung geneigt, so wurden sie so aufgestellt, dass die Neigung serade von der Lichtquelle weg gerichtet war, Bei den im Frühling und Sommer ausgeführten Versuchen diente meist anstatt der Gaslampe ein Ostfenster als Lichtquelle, im übrigen blieb die Versuchsanstellung die nämliche, abgesehen von der Ueberflüssigkeit der Cuvette mit Wasser. Je nach der herrschenden Lichtintensität standen die Objecte entweder dieht am Fenster oder bis zu 3 m davon entfernt; wo nicht anders gesagt, ist Beleuchtung mit hellem Tageslicht gemeint. Während die Versuche mit Keimlingen stets im Laufe eines Tages zum Abschluss gebracht werden konnten, erwies sich bei den (meist mit Tlages- lieht ausgeführten) Versuchen mit Organen entwickelter Pflanzen eine vom Morgen resp. Nachmittag bis zum Abend dauernde Exposition mehrfach als für den erstrebten Zweck ungenügend. In solchen Fällen wurden die Pflanzen über Nacht an Ort und Stelle gelassen, so dass sie von Sonnenaufgang an nochmals mehrere Stunden lang einseitiger Beleuchtung ausgesetzt waren. In den Angaben über die Dauer der Exposition bei solchen Versuchen ist die Nachtzeit mit einbegriffen, so dass also die wirkliche Dauer der einseitigen Beleuchtung erheblich geringer ausfällt als die angegebene Stundenzahl. Ueber die Versuche am Klinostaten, welche sämmtlich im Dunkel- zimmer ausgeführt wurden, ist folgendes zu bemerken. Die für die Versuche bestimmten, sorgfältig ausgewählten Keimlinge waren in kleine Thonzellen mit feuchten Sägespänen gepflanzt, deren Oeffnung mit weitmaschigem Tüll verbunden wurde. An den vertical gestellten Deckel des Klinostatenkastens wurde eine Blechscheibe von 12 cım Radius angeschraubt, auf deren äusserer Fläche, in der Nähe des Randes, 5 radial gerichtete, federnde Bleehhülsen zur Aufnahme der Thonzellen angelöthet waren; durch Verschieben der Thon- zellen in ihren Hülsen konnte der Schwerpunkt der ganzen Vorrichtung centrirt werden. Die Keimlinge rotirten in verticaler Ebene, so wie die Zeiger einer Uhr mit vertikalem Zifferblatt, und waren somit der Einwirkung der Gravitation entzogen, während sie durch die in der Verlängerung der Umdrehungsachse befindliche Flamme einer Argandlampe continuirlich von einer und derselben Seite beleuchtet wurden. Was die Temperaturverhältnisse anbetrifit, so herrschte in fast allen Versuchen gewöhnliche Zimmertemperatur (ca. 18°); bei den im Dunkel- zimmer ausgeführten Versuchen war die Temperatur meist höher, doch nicht iiber 23°. Diese ein für alle mal gemachte Bemerkung genügt, und in den speciellen Kapiteln werde ich die Temperatur, welche bei den einzelnen Versuchen herrschte, nicht weiter berücksichtigen. 17 $ 6. Verdunkelung der Spitze. Zur Verdunkelung der Spitze bei den sich allmälig zuschärfenden Cotyledonen der Gramineen dienten vornehmlich, nach dem Vorgange Darwin’s, kleine aus Stanniol verfertigte Kappen: Stanniolstreifehen von passender Breite wurden in mehrfacher Schicht um eine Stecknadel oder um Drahtstücke von der erforderlichen Dieke ge- wickelt und das eine Ende des entstehenden Röhrchens sorgfältig zugekniffen. Die Kappen wurden entweder etwas breiter gemacht als das zu bedeckende Object und einfach lose auf dessen Spitze aufgesetzt (so namentlich bei zarteren Objecten, wie die Pamiceen-Keimlinge), oder aber sie wurden ziemlich eng gewählt und mit einigem Druck auf die Spitze des Objects bis zu dem gewünschten, vorher durch einen Tuschstrich markirten Niveau auf- geschoben; die Kappen wurden in diesem Fall um einige mm länger ge- nommen als die in sie eingeschlossene Spitze des Objects, um letzterer freien Raum zum Wachsthum während des Versuches zu lassen (vergl. Fig. 11b auf S. 37). Das zweite Verfahren gewährleistete einen völlig dichten An- schluss des unteren Randes der Stanniolkappe an das Object, was sich jedoch als für den Zweck nicht wesentlich herausstellte. Die Stanniolkappen innen zu schwärzen, wie es Darwin that, ist ganz überflüssig. Riesa, I. Schematischer Längsschnitt durch einen Keimling von Avena sativa mit aufgesetzter „Papierschürze“. IIa und IId. Querschnitte durch „Papierschürze“ und Keimling in den Niveaus a und b der Zeichnung I. Ausserdem wurde noch eine aus mattschwarzem Papier verfertigte Vor- richtung benutzt, von der die Fig. 1 eine Vorstellung giebt. Sie bestand aus einem zweimal gebrochenen Papierstreifen, dessen kürzerer Obertheil mittelst Scheere und Leim in eine Art nur nach hinten offenes Kästchen verwandelt‘ war; der herabhängende untere Theil, zunächst nur dazu be- stimmt, die Vorrichtung im Gleichgewicht zu halten, war längsgefaltet, und um seitliche Verschiebung zu vermeiden, waren seine beiden Ränder am unteren Ende durch ein angeklebtes abstehendes Papierstreifchen verbunden. In dem kurzen, unter 45° geneigten Mittelstück wurde ein Loch eingestochen, gerade gross genug, um die ganze Vorrichtung (die ich kurz als „Papier- schürze‘‘ bezeichnen werde) mit etlicher Reibung einige mm weit auf die Spitze des Cotyledo aufzuschieben, wie Fig. 1’ im Längsschnitt darstellt. Fiel horizontales Licht in der Richtung ein, welche in Fig. 1! durch Pfeile angedeutet ist, so war der ganze Untertheil des Cotyledo voll einseitig be- Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft I, 2 15 leuchtet, dagegen die im Kästchen eingeschlossene Spitze völlig verdunkelt; durch das Loch im geneigten Mittelstück konnte Licht in das Kästehen um so weniger eindringen, als sich das Loch selber, wie ersichtlich, schon im Schatten befand. Die Verschiedenheit meiner unten mitzutheilenden Ergebnisse über die Wirkung der Spitzenverdunkelung von den entsprechenden Resultaten eines so zuverlässigen Beobachters wie Darwin legt die Vermuthung nahe, ob die Differenzen nicht einfach daher rühren, dass in meinen Versuchen die Spitze der Keimlinge nicht vollständig genug verdunkelt war. Ich sah mich daher veranlasst diesen Punkt einer sehr aufmerksamen Beachtung zu unter- ziehen und kann versichern, dass in dieser Hinsicht meine Versuchsanstellung keine merklichen Fehlerquellen aufweist. Zunächst überzeugte ich mich von der vollkommenen Undurchlässigkeit des benutzten Stanniols und schwarzen Papiers für Licht. Die Prüfung geschah nicht nur direct mikroskopisch, sondern auch durch besondere physiologische Versuche. Keimlinge von Avena sativa, welche schon auf sehr schwache einseitige Beleuchtung reagiren, wurden theils in mit einfacher Stanniolschicht umwickelte Glasröhren, theils in aus schwarzem Papier geklebte Röhren eingeschlossen, d. h. die Röhren wurden um die einzelnen Keimlinge herum mit ihrer Basis in die Erde des Topfes gesteckt, so dass sie vertical standen und dass von unten kein Licht eindringen konnte; die Röhren waren so breit, dass sie für eine sehr deutliche Krümmung der Keimlinge genügend Raum boten; sie endeten offen einige cm über der Spitze der Keimlinge. Die so verdunkelten Keim- linge wurden zusammen mit unverdunkelten Vergleichskeimlingen in der gewöhnlichen Weise exponirt. Wenn die Vergleichskeimlinge bereits sehr stark heliotropisch gekrümmt waren, erwiesen sich die verdunkelten Keimlinge stets als vollkommen gerade. Sicher ist also, dass Stanniol sowohl (selbst in einfacher Schicht) als auch schwarzes Papier nicht dasjenige Quantum Licht durchlassen, welches im Stande wäre während der üblichen Versuchs- dauer eine merkliche heliotropische Wirkung bei einem der am meisten krümmungsfähigen Objecte hervorzurufen. Es bleibt also nur die Möglichkeit, dass von unten her etwas Licht zu dem verdunkelten Theil der Keimlinge dringen könnte, da hier freilich ein absolut dichter Schluss kaum erzielbar ist. Dies wäre aber nur refleetirtes Licht, und da die Erde in den Töpfen fast schwarz war und das horizontal einfallende Licht deren Oberfläche nur eben streifen konnte, so darf man die Menge des nach oben reflecetirtn Lichts wohl als verschwindend klein ansehen; aber selbst wenn man dies bezweifeln wollte, so ist jedenfalls das Licht, welches auf diese Weise zum vordunkelten Theil des Keimlings ge- langen könnte, nicht mehr einseitig, und man beachte, dass die Aufgabe unserer Verdunkelungsvorrichtungen auch dann erfüllt wäre, wenn dieselben zwar nicht alles Licht überhaupt, wohl aber einseitiges Licht völlig aus- schliessen würden. Die letzten Zweifel endlich werden durch die in $ 29 mitzutheilenden Versuche mit Paniceen beseitigt, welche überzeugend dar- thun, dass selbst lose aufsitzende Stanniolkappen den Zutritt heliotropisch 19 wirksamen Lichts zu dem bedeckten Theil des Keimlings vollkommen aus- schliessen. Bei den Dicotylen-Keimlingen kommt es, wie gezeigt werden wird, nicht auf die Verdunkelung der Knospe, sondern auf die Verdunkelung der Spitze des Keimstengels an. Die für die Gramineen-Keimlinge verwandten Vor- richtungen sind hier nieht anwendbar, und die Verdunkelung musste mittelst eines Stanniolverbandes bewerkstelligt werden, welcher in folgender Weise angelegt wurde. Ein Stanniolstreifechen von geeigneter Länge und Breite wurde um den Keimstengel gewickelt, so dass es ein enges mehrschichtiges Röhrchen bildete, und dieses Röhrchen wurde dann mittels Pincette vorsichtig bis an die äusserste Spitze des Keimstengels emporgeschoben (v, Fig. 2). Da die äusserste Spitze gewöhnlich etwas verdickt ist, so wurde häufig schon hierdurch allein ein festes Anschliessen des Stanniolröhrehens an dessen oberem Ende erzielt; war das nicht der Fall, so wurde das. Röhrchen am Ende, oder auch der ganzen Länge nach, mit der Pincette bis zu allseitig festem Anschliessen eingekniffen. Ein solcher Stanniolverband ist freilich ein bedeutend weniger zuverlässiges Verdunkelungsmittel als die bisher be- sprochenen; seine Mängel, die sich daraus ergebenden Fehler und deren mög- licher Betrag können aber erst an anderer Stelle erörtert werden. Ausser dem Stanniolverband und zuweilen gleichzeitig mit ihm, wie in Fig. 2 dargestellt, kamen ferner Stanniolkappen zur Verwendung, von solcher Breite,dass sie eben auf die Knospe aufgeschoben werden konnten, und von solcher Länge, dass sie ausser der Knospe noch einige mm des Keimstengels verdunkelten (%, Fig. 2). AN kl] = Fig. 2. Ein Keimling von BDrassica Napus mit Stanniolröhrehen (Verband) » und Stanniolkappe k, im schematischen Längsschnitt. Der Keimling ist zum Licht normal orientirt und von der Vorderseite gesehen. Der Ein- fachheit halber sind die Cotyledonen bereits aufgerichtet dargestellt. S%. Verdunkelung des Untertheils. Bei den Versuchen über Fortpflanzung des heliotropischen Reizes bei Keimlingen benutzte ich zur Verdunkelung des Untertheils (d. i. des ganzen Keimlings mit Ausnahme einer mehr oder weniger kurzen Spitze) 3 verschiedene Verfahren. 1) Papierschürzen. Die nämliche Vorrichtung, welche in Fig. 1 ab- gebildet ist, kann auch dazu dienen den Untertheil des Keimlings zu ver- dunkeln, während die Spitze beleuchtet wird: man braucht die Keimlinge nur anders aufzustellen, so dass in Fig. 1, bei gleicher Stellung der Schürze, das Licht nieht von links, sondern von rechts einfällt. Bis an den Boden Yr 20 dürfen die Schürzen allerdings nicht reichen, weil sie sonst der Krümmung des Untertheils ein Hinderniss bieten würden; um daher auch die äusserste Basis der Keimlinge vor dem Licht zu schützen, wurde der die Keimlinge enthaltende Topf von aussen mit einem Streifen schwarzen Papiers umwickelt, welcher 1—2 cm über dessen Rand vorragte. — Fir Dicotylen-Keimlinge, auf welche sich diese Art Papierschürze nicht aufsetzen lässt, verwandte ich eine andere einfachere Form, welche aus Fig. 3 ersichtlich wird; das Loch, durch das der Keimstengel ging, wurde so eng gemacht, dass die Schürze sehr fest sass, und es geschah nie, selbst nicht bei Rotation am Klinostat, dass eine solche Schürze sich während des Versuchs verschob. — Die erste Form der Papierschürze ermöglicht einen sehr vollkommenen Lichtabschluss, und die zweite Form trotz ihrer Einfachheit desgleichen; die letztere hat jedoch den Nachtheil, dass, wie wir noch sehen werden, der Druck der scharfen Papierränder nicht ohne schädlichen Einfluss auf die Keimlinge ist. N I IT IH Fig. 3. I. Die für Dieotylen-Keimlinge gebrauchte Form der „Papier- schürze‘“, schräg von hinten betrachtet. II. Ein Keimling von Brassica Napus mit aufgesetzter „Papier- schürze“ s, im schematischen Längsschnitt. III. Desgleichen im Querschnitt. 2) Papierröhren mit Deckel. Aus mattschwarzem Papier geklebte Röhren von quadratischem Querschnitt, 1 cm breit und von verschiedener Höhe, wurden um die einzelnen Keimlinge mit dem einen Ende in die Erde ge- steckt und noch rings etwas mit Erde umschüttet; zu jeder Röhre gehörte ein schwarzer Papierdeckel von 18 mm Länge und 13 mm Breite und mit 6 mm breitem übergreifendem Rande; vermittelst eines engen eingestochenen Loches wurde der Deckel auf die aus der Papierröhre hervorragende Spitze Fig. 4. Papierröhre r mit Deckel d, mit eingeschlossenem Reimling von Avena sativa, im schematischen Längsschnitt. aa Bodenoberfläche. 21 der Gramineen-Keimlinge aufgesetzt, wie die Fig. 4 zeigt. Wie man aus der Figur ersieht, bietet das Papierrohr genügenden Raum für eine recht bedeutende Krümmung des eingeschlossenen Theiles des Keimlings; bei seiner Krümmung verschiebt der Keimling den Deckel mit sich nach vorn (in der Figur nach links); der Deckel gleitet leicht und ohne besondere Reibung auf dem Rande der Röhre. Zur Verwendung mit Dieotylen-Keimlingen be durfte es nur einer geringen Modifiecation des Deckels: der übergreifende Rand blieb auf der Hinterseite fort, und anstatt des Loches wurde ein von hinten bis etwa zur Mitte des Deckels reichender Längseinschnitt angebracht von gerade genügender Breite, um durch denselben den Keimstengel in den Deckel bequem einführen zu können. Der Deckel wurde von vorn auf die Röhre aufgeschoben, bis zur Berührung des Keimstengels mit dem Vorder- rande des Ausschnittes; sobald sich der Keimstengel zu krümmen be- gann, presste er sich natürlich fest an den Vorderrand des Aus- schnittes an und schob dann bei weiterer Krümmung den Deckel vor sich her. — Bevor ich diese Vorrichtung in Verwendung brachte, über- zeugte ich mich durch besondere Controllversuche, ob bei solcher Ver- suchsanstellung Druck und Reibung keinen störenden Einfluss auf die Keim- linge haben. Ich brachte in der Vorderseite der Röhre und des Deckel- randes einen breiten Ausschnitt an, so dass die eingeschlossenen Keimlinge zwar in ihrer ganzen Länge beleuchtet waren, aber doch denselben mechanischen Einwirkungen von Seiten der Vorrichtung ausgesetzt waren wie bei den eigentlichen Versuchen: die Krümmungsfähigkeit zeigte sich unter solchen Umständen ganz normal; nur Vicia satiwva machte eine Ausnahme. Was die Zuverlässigkeit der Verdunkelung des Untertheils der Keimlinge anbetrifft, so ist dieselbe keine unbedingte, da durch die zwischen Vorder- seite des Keimlings und Deckel nothwendig bleibenden kleinen Zwischen- räume wohl etwas Licht eindringen kann; doch ist die Menge desselben bei streng horizontalem Lichteinfall jedenfalls sehr gering, und eine etwaige helio- tropische Wirkung dürfte sich nur sehr wenig unter die Lichtgrenze (d. i. die Grenze des beleuchteten und verdunkelten Theiles des Keimlings) erstrecken. 3) Verdunkelung mittels Erde. Die Keimlinge wurden in Töpfe ge- pflanzt, die nur soweit mit feuchter Erde gefüllt waren, dass deren Ober- fläche sich ca. 1'g—-2 cm unter dem Topfrande befand. Hatten die Spitzen der Keimlinge das Niveau des Topfrandes erreicht oder etwas überschritten, so wurde der Topf bis etwa zum Rande mit sehr fein gesiebter, dunkler Gartenerde gefüllt, welche‘ die ganzen Keimlinge bis auf eine mehr oder weniger kurze Spitze verdunkelte.. Um der Krümmung des unterirdischen Theiles des Keimlings möglichst wenig mechanischen Widerstand zu bieten, wurde die Erde in völlig lufttrockenem Zustande verwandt. Es sei hier gleich bemerkt, dass selbst bei anscheinend zarten Pflanzentheilen die Kraft, mit der sich der unterirdische Theil heliotropisch zu krümmen strebt, oft so beträchtlich ist, dass der Widerstand nicht blos trockener, sondern auch feuchter und ziemlich compacter Erde fast vollständig überwunden wird; 22 alsdann schiebt der sich krümmende Pflanzentheil die Erde vor sich her, sie etwas aufhäufend, und lässt hinter sich in feuchter Erde eine scharf begrenzte enge Furche, in trockener Erde ein breiteres aber flaches Grübchen zurück; an diesen Zeichen kann man schon äusserlich erkennen, dass eine unterirdische Krümmung stattgefunden hat. In anderen Fällen kann freilich der Widerstand der Erde nur zum kleinen Theil oder auch gar nicht über- wunden werden, alsdann stellt sich aber in dem an der Krümmung ge- waltsam verhinderten Organtheil eine Spannung ein, welche sich alsbald aus- gleicht und in die entsprechende Krümmung umsetzt, sobald durch Weg- schütten der Erde oder durch Ausgraben der mechanische Widerstand beseitigt wird. — Der Aufenthalt in trockener Erde kann durch seine austrocknende Wirkung zartere Pflanzentheile schädigen, was auch in einigen Fällen that- sächlich beobachtet wurde; bei der Mehrzahl der untersuchten Objeete machten sich jedoch nachtheilige Folgen nicht in bemerkbarem Grade geltend. Immerhin möchte ich es künftig für empfehlenswerther halten, die Erde in ziemlich feuchtem Zustande anzuwenden. Die Lichtdurchlässigkeit der zur Verdunkelung benutzten trockenen Erde wurde einer besonderen Prüfung unterzogen. In hier nicht näher zu be- schreibender Weise stellte ich mir eine einfache Vorrichtung zusammen, be- stehend aus einem innen und aussen mit mattschwarzem Papier ausgekleideten weiten Glasrohr, an dessen einem Ende sich eine unverrückbare Schicht der Erde befand; die Vorrichtung konnte so an’s Auge angelegt werden, dass zu diesem ausschliesslich durch die zu prüfende Erdschicht eindringendes Licht gelangen konnte, wodurch das Auge für die geringste Spur durch- gehenden Lichts überaus empfindlich gemacht wurde. Die Vorrichtung wurde gegen eine helle Gasflamme gerichtet, — dieselbe, welche als Lichtquelle bei meinen Versuchen diente. Es ergab sich, dass bei einer Schichtdicke von 1 mm die Erde noch an ziemlich vielen Punkten Licht durchliess; durch eine 1" mm dicke Schicht drang das Licht nur noch an ganz ver- einzelten, sehr kleinen Punkten und eine 2—2! mm dicke Schicht liess absolut kein Licht mehr durch. Wurde dieselbe Vorrichtung ohne die schwarzen Papierhüllen verwandt, so erschien schon eine 1 mm dicke Erd- schicht ganz undurchlässig. — Meiner Meinung nach dürfte die Lichtmenge, welche durch eine 1'2 mm dicke Schicht dringt, kaum eine merkliche heliotropische Wirkung selbst auf sehr empfindliche Objecte haben. Dann ist noch in Betracht zu ziehen, dass in den Versuchen die horizontal ein- fallenden Lichtstrahlen die Oberfläche der Erde nur streiften, somit in das Innere derselben unvergleichlich weniger Licht eindringen konnte als bei der Prüfung der Durchlässigkeit, wo die Erdschicht senkrecht gegen die Licht- strahlen gerichtet war. Fügt man noch hinzu, dass der Keimling schon beim ersten Beginn der Krümmung sich fest an die Erde anpresst, gröbere Zwischenräume zwischen seiner Vorderseite und der Erde also ausgeschlossen sind, so wird man zugeben müssen, dass der Lichtabschluss schon in sehr geringer Tiefe unter der Erdoberfläche ein vollständiger ist. In der That 23 zeigten z. B. Gramineen-Keimlinge, die ganz verschüttet waren, aber mit ihrer (ganz besonders empfindlichen) Spitze bis dicht an die Oberfläche der Erde reichten, nie eine Spur von heliotropischer Krümmung, welche sich indessen sehr bald einzustellen begann, sobald die Spitze auch nur um einen Bruchtheil eines Millimeters über die verdunkelnde Erde hervortrat. Uebrigens wurde der vollen Sicherheit halber, sowohl bei dieser als auch bei den anderen Versuchsanstellungen, einer nur wenige mm unter die Lichtgrenze hinabreichenden Krümmung keine Beweiskraft zugeschrieben, und nur solche Fälle wurden in Betracht gezogen, wo sich eine deutliche Krümmung wenigstens 5 mm unter die Lichtgrenze hinab erstreckte; die Lichtgrenze wurde vor Entfernung der verdunkelnden Vorrichtung resp. vor Wegschütten der Erde an jedem einzelnen Object durch einen Tuschstrich markirt. Da jede der drei beschriebenen Methoden ihre Vorzüge und ihre Mängel oder praktischen Unbequemlichkeiten hat, so gab ich keiner unbedingt den Vorzug, sondern wandte meist alle gleichmässig an und controllirte die eine durch die anderen; bei günstigen (d. i. gegen Druck nicht empfindlichen) Objeeten erwiesen sie sich in der Praxis alle als gleich gut. Bei Versuchen mit Organen entwickelter Pflanzen wurde nur das Ver- schütten mit Erde als Verdunkelungsmittel angewandt. Die in kleinen Töpfen eultivirten Pflanzen wurden in hohe Glascylinder oder in grössere, schmale Töpfe von gerade passender Höhe gestellt und bis zum gewünschten Niveau mit Erde verschüttet, Befand sich die Pflanze in einem grossen Topf, so wurde, eventuell nach Entfernung störender Blätter, um sie herum ein Stück genügend weites Glasrohr oder ein Becherglas mit ausgeschlagenem Boden in die Topferde gesteckt und in dieses die verdunkelnde Erde ge- schüttet. In einigen Fällen endlich war ich genöthigt mit abgeschnittenen Pflanzentheilen zu operiren; dieselben wurden an der Basis abgeschnitten, sofort in Wasser gestellt, unter Wasser wurde noch ein einige cm langes Stück der Basis abgeschnitten und, falls die Objeete nicht sofort zur Ver- wendung kamen, unmittelbar vor dem Versuch nochmals eine frische Schnitt- fläche gemacht. Für den Versuch wurden die Objeete mit der Basis mittelst Watte in kleinen mit Wasser gefüllten Fläschchen befestigt und mit diesen wurde so verfahren, wie oben für kleine Töpfe angegeben. $ 8. Messung der Neigung. Als Mass der heliotropischen Krüm- mungsfähigkeit benutzte ich die Neigung des sich geradestreckenden oberen Theils der gekrümmten Organe, d. i. die Abweichung desselben von der Verticalen in der Richtung nach der Lichtquelle zu (inwiefern und unter welchen Bedingungen die Grösse der Neigung als Mass der Krümmungs- fähigkeit zulässig ist, wird in $ 67 erörtert werden). Zur Messung der Neigung dienten kleine Cartonquadranten mit von 5° zu 5° aufgetragenen Radien. Der Cartonquadrant wurde dem zu messenden Objeet in dessen Krümmungebene so angelegt, dass der eine Rand des ersteren der Oberfläche der Erde im Topf parallel war und dass der geradegestreckte Obertheil des 24 Objects mit einem der Radien ganz oder nahezu zusammenfiel. Dieses Ver- fahren ist zwar nicht sehr genau, indem Fehler von + 5" wohl möglich sind; dafür gestattet es aber eine schnelle Messung zahlreicher Objecte, worauf es vor allen Dingen ankam. Da ich immer nur die Mittelwerthe aus mehreren Messungen mit einander verglich, so wurden die den einzelnen Messungen anhaftenden Fehler mehr oder weniger ausgeglichen. Sicherheits- halber vernachlässige ich übrigens bei der Beurtheilung der Versuchsresultate solche Differenzen der Mittelwerthe, welche 5° nicht übersteigen, als mög- licherweise auf Messungsfehlern beruhend. In der grossen Mehrzahl der Fälle hatte ich es mit recht bedeutenden Differenzen der Mittelwerthe zu thun, so dass selbst ein volle 5° betragender Fehler an dem Resultat so gut wie nichts ändern würde. Endlich seien noch einige Worte über die Anfertigung der Zeich- nungen vorausgeschickt. Abgesehen von einigen, ausdrücklich als schematisch bezeichneten Figuren ist die Form der gekrümmten Organe nach der Natur gezeichnet. Meist wurde das betreffende Object sofort nach Schluss des Versuches an seiner Basis abgeschnitten, nach Entfernung störender und für den Zweck des Versuchs gleichgiltiger Organe (Blätter, Endknospe, Lamina) auf weissen Carton gelegt, und der concave Contour mit scharfem Bleistift genau nachgezeichnet. Konnte das Object nicht abgeschnitten werden, weil es noch ferner verwandt werden sollte, so wurde an dasselbe ein passendes Stück steifen Cartons angelegt und auf diesem der concave Contour mit Bleistift skizzirt; da die so erhaltene Zeichnung meist nicht genau war, so wurde sie so lange corrigirt, bis bei nochmaligem Anlegen Zeichnung und Contour des Objects vollkommen zusammenfielen. In beiden Fällen kann ich für die Naturgetreue des concaven Contours garantiren, während der convexe Contour aus freier Hand, nur der Anschaulichkeit halber hinzu- gefügt wurde und somit die Dicke der Objecte nur annähernd richtig wieder- gegeben ist. Wo nicht das Gegentheil angegeben, sind die Objecte in ihrer ganzen Länge und in natürlicher Grösse gezeichnet. Die Richtung der Lichtstrahlen ist in einigen Zeichnungen durch Pfeile angedeutet, — wo dies nicht der Fall ist, hat man sich das Licht stets in horizontaler Richtung von rechts einfallend zu denken. — Die ausgezogene horizontale Linie bezeichnet überall die Erdoberfläche, zwei kurze Querstriche resp. eine punktirte Linie bezeichnen die Lichtgrenze (d. i., je nach der Art des Versuches, den die Zeichnung illustrirt, entweder die Grenze zwischen verdunkelter Spitze und beleuchtetem Untertheil, oder umgekehrt zwischen beleuchteter Spitze und verdunkeltem Untertheil, oder zwischen den von zwei entgegengesetzten Seiten beleuchteten 'Theilen des Organs, oder endlich zwischen der einseitig beleuchteten Spitze und dem von zwei Seiten beleuchteten Untertheil). 25 III. Versuche mit Keimlingen von Gramineen (ausser Paniceen). A. Bau und Eigenschaften des Cotyledo. $S 9. Als Untersuchungsobjecte dienten Avena satiıwa und Phalarıs canariensis, vornehmlich erstere; beide stimmen, wie gleich erwähnt: sein mag, in allen wesentlichen Punkten vollkommen überein. Einige andere Gramineen, mit denen nur wenige Versuche gemacht wurden, sollen erst am Schluss des Kapitels besprochen werden. Bei der Keimung der Gramineen-Samen treten zunächst die Würzelchen hervor, dann ein Blattorgan von der Form einer ungefähr cylindrischen ge- schlossenen Scheide, welches ich als Cotyledo ') bezeichne, und dann erst das erste normale flache Laubblatt, welches anfänglich in längsgerolltem Zustande im Cotyledo eingeschlossen ist. Der Cotyledo ist es, mit dem wir es im Folgenden zu thun haben werden, und es ist erforderlich sich mit seinem anatomischen Bau und seinen physiologischen Eigenschaften zunächst etwas näher bekannt zu machen. Der Cotyledo ist im etiolirten Zustande bei Avena farblos, bei Phalaris mit Ausnahme der farblosen äussersten Spitze roih gefärbt; letzteres hat seine Ursache darin, dass in zahlreichen longitudinalen Zellreihen der Zell- saft intensiv roth ist. Am Licht bildet sich im Cotyledo, namentlich in der Nachbarschaft der Leitstränge, zwar etwas Chlorophyll, aber in so geringer Menge, dass es makroskopisch kaum bemerklich wird; bei Avena scheint der Cotyledo freilich am Licht grün zu sein, doch ist es nur die grüne Farbe des eingeschlossenen Laubblattes, welche durchscheint. (Das Laub- blatt ist im etiolirten Zustand intensiv gelb und ergrünt am Licht sehr schnell.) Abgesehen von einer kurzen Spitzenregion hat der Cotyledo bei Avena äusserlich die Form eines fast genauen Cylinders von etwa 1—1'» mm Durchmesser. Der Querschnitt zeigt jedoch, dass er nicht radiär, sondern bilateral und sogar etwas dorsiventral gebaut ist. Symmetrie-Ebene ist die- jenige Ebene,- welche gleichzeitig den Samen und den Cotyledo längs halbirt; die dem Samen zugekehrte Seite des Cotyledo bezeichne ich als die dorsale, die gegenüberliegende als die ventrale. Der Querschnitt des Cotyledo bildet !) Ich beabsichtige hiermit nicht zu der morphologischen Frage Stellung zu nehmen, was eigentlich bei den Gramineen als Cotyledo zu deuten ist; nur der Ein- fachheit und Kürze halber bezeichne ich so das erwähnte scheidenförmige Blattorgan, worin ich dem Beispiel Darwin’s folge. Dieses Organ unterscheidet sich übrigens dermassen von allen folgenden Blättern durch seine Farbe, Form, seinen Bau und seine Eigenschaften, dass es jedenfalls mit ihnen nicht zusammengeworfen werden darf und einen besonderen Namen verdient. 26 einen Ring von ringsum ungleicher Dicke (Fig. 5). An den Flanken I ist er, mit Einschluss der beiden Epidermen, 6—8 Zellschichten dick; hier, ad v Fig. by Schematischer Querschnitt durch den Cotyledo von Avena sativa, schwach vergrössert. d Dorsalseite, vo Ventralseite, !! Flanken mit den eingeschlossenen Leitsträngen. also in einer zu der Symmetrie-Ebene senkrechten Ebene, liegen zwei Leit- stränge, welche sich gerade und ohne jegliche Anastomosen von der Basis bis nahe unter die Spitze des Cotyledo hinziehen, wo sie blind endigen. An der Dorsalseite d ist der Ring merklich dünner, was daher rührt, dass hier der Durchmesser der Zellen kleiner ist als an den Flanken. An der Ventralseite vo endlich ist der Ring fast doppelt so dünn wie bei d; hier ist nicht nur der Durchmesser der Zellen noch kleiner, sondern auch die Zahl der Zellschichten ist verringert und beträgt nur 4—5. Diese dünne Stelle des Ringes bei v ist der Querschnitt eines dünnen Streifens, der sich an der Ventralseite des Cotyledo hinzieht und auch makroskopisch dadurch erkennbar ist, dass hier die Farbe des eingeschlossenen Laubblattes stärker als anderswo durchschimmert. — Alles dies gilt auch für den Cotyledo von Phalaris, welcher sich nur dadurch unterscheidet, dass er nur etwa °/a so diek ist wie bei Avena und nicht eylindrisch, sondern in Richtung der Symmetrie-Ebene deutlich abgeplattet ist. — Weitere anatomische Details sind für unseren Zweck belanglos; allenfalls sei noch bemerkt, dass sich unmittelbar unter der Spitze des Cotyledo, über den Enden der Leitstränge einige grosse Wasser-Spaltöffnungen befinden, aus denen im Dunkeln, und bei herabgedrückter Transpiration auch am Licht, reichlich Wasser aus- geschieden wird. In einer etwa 2 mm langen Gipfelregion ändert sich allmälig die Form des Cotyledo: je näher der Spitze, desto mehr wird sein Querschnitt zusammengedrückt, da der Cotyledo sich in Richtung der Symmetrie-Ebene rapider nach oben verschmälert als in der darauf senkrechten Richtung. Dementsprechend ist die Spitze selbst nicht conisch, sondern stumpf-messer- förmig, so dass in verschiedenen Richtungen durch dieselbe geführte mediane Längsschnitte verschiedene Bilder ergeben würden (Fig. 6). — Die äusserste abgerundete Spitze besteht aus sehr kleinzelligem, farblosem Dauergewebe. Unmittelbar unter ihr, am oberen Ende des dilnnen Streifens auf der Ventral- seite des Cotyledo, bildet sich zuletzt ein etwa 1"2 mm langer Längsriss, durch den die Spitze des sich streckenden Laubblattes hervortritt; dabei wird die Spitze des Cotyledo ein wenig nach der Dorsalseite zurückgebogen. 27 T I Fig. 6. Ungefährer äusserer Umriss der Spitze des Cotyledo von Avena sativa im schwach vergrösserten Längsschnitt. I. Längsschnitt in der Symmetrie-Ebene. II. Längsschnitt senkrecht zur Symmetrie-Ebene. $ 10. Wann die Durchbrechung des Cotyledo durch das Laubblatt erfolgt, das hängt von dem Verhältniss der beiderseitigen Wachsthuns- geschwindigkeiten ab. Anfangs wachsen beide Organe gleich schnell, oder das Laubblatt wächst etwas langsamer, so dass der Obertheil des Cotyledo in einer Ausdehnung von einem bis mehreren mm leer bleibt; ausnahmsweise kann anfänglich das Laublatt dermassen im Wachsthum zurückbleiben, dass der ganze oberirdische Theil des Cotyledo leer bleibt. Dann aber beginnt die Wachsthumsintensität des Cotyledo zu sinken, während diejenige des Laubblattes steigt; in Folge dessen füllt das Laubblatt zunächst die Höhlung des Cotyledo vollständig aus, übt auf ihn einen schnell steigenden Druck aus und durchbricht ihn schliesslich am Ort geringster Festigkeit. Nach der Durchbreehung fährt der Cotyledo zwar noch eine Zeitlang zu wachsen fort, jedoch mit erheblich verminderter Schnelligkeit; in der Nähe der Durch- bruchsstelle beginnt er nach einiger Zeit merklich zu schrumpfen. Das Licht hat auf das Wachsthum des Laubblattes, wenigstens in der ersten Zeit, keinen ohne weiteres bemerkbaren Einfluss; hingegen wird beim Cotyledo durch Beleuchtung nicht bloss die Wachsthumsgeschwindigkeit auf- fallend verlangsamt, sondern auch die Dauer der Wachsthumsperiode erheblich verkürzt. Wird eine Cultur am Licht gehalten, so erreicht der Cotyledo nur eine Länge von 1—2 cm und wird oft schon am ersten Tage nach seinem Hervortreten über die Erde durchbrochen. In constanter Dunkelheit hingegen dauert das intensive Wachsthum mehrere Tage an, und der Cotyledo erreicht eine Höhe von 6 cm über der Erdoberfläche oder selbst noch etwas mehr, bevor er durchbrochen wird. In diesen Bedingungen kommt nicht selten (namentlich bei Phalaris) auch das Hypocotyl zur Entwickelung und erreicht eine Länge bis zu 12 cm; selbst eine nur zeitweilige Beleuchtung scheint seine Streckung ganz zu hemmen. Hier sei auch der unregelmässigen, aber oft sehr bedeutenden Circum- nutationen gedacht, welche die Cotyledonen der in Rede stehenden Gräser bei lebhaftem Wachsthum im Dunkeln ausführen; ich habe dieselben bei Avena mehrmals näher verfolgt und constatirt, dass die Spitze eines einige cm hohen Cotyledo zeitweilig im Laufe einer Stunde einen Weg von 1 cm (ohne Richtungsänderung) zurücklegen kann. Dieses Circumnutiren 28 hat zur Folge, dass bei Cultur im Dunkeln nur selten ein Keimling voll- kommen gerade und senkrecht steht, meist findet man sie vielmehr leicht gekrümmt und nach verschiedenen Richtungen von der Verticale abweichend. Bei Phalaris findet man sogar sehr häufig die für den Experimentator sehr unliebsame Eigenschaft, dass sich die Keimlinge in constanter Dunkelheit geradezu horizontal niederlegen und nur im Obertheil mehr oder weniger geotropisch aufwärts krümmen; an der zum Niederlegen führenden starken autonomen Krümmung ist wesentlich das Hypocotyl betheiligt, welches überhaupt weder geotropisch noch heliotropisch empfindlich zu sein scheint. Dass die Tendenz zu solchem Niederlegen bei Avena nicht bemerklich ist, macht sie zu einem für heliotropische Versuche entschieden günstigeren Object. Die Vertheilung der Wachsthumsintensität in den Cotyledonen, deren Kenntniss für unsere Zwecke von Wichtigkeit ist, ändert sich mit dem Alter. In jungen Cotyledonen von nicht über 1"/; cm Höhe (über der Erd- oberfläche und in völlig etiolirtem Zustande, was auch im Folgenden bei Grössenangaben stets gemeint ist) ist dieselbe rein basipetal. Bald aber verlangsamt sich das Wachsthum der Basis, und es bildet sich eine Region maximalen Wachsthums aus, welche sich schnell der Spitze nähert: in circa 2 cm hohen Cotyledonen finden wir das Maximum 6—10 mm unter der Spitze; weiterhin bleibt dann dessen Lage in Bezug auf die Spitze unver- ändert. Das Wachsthum der Basalregion fährt fort allmälig abzunehmen, doch erlischt es erst spät, so dass häufig selbst alte, schon durchbrochene Cotyledonen noch bis zur Erdoberfläche hinab im Wachsthum begriffen sind. Zur näheren Erläuterung der Wachsthumsvertheilung in verschieden alten Cotyledonen führe ich die folgende, auf Avena bezügliche Tabelle an. Auf allen Keimlingen waren, von der Spitze anfangend, 3 mm lange (uerzonen markirt; der Zuwachs ist in Procenten der ursprünglichen Zonenlänge angegeben, das Maximum durch fetten Druck hervorgehoben. Das Wachsthum fand im Dunkeln statt. Cotyledo 12—15 mm hoch. | Cotyledo 13 —21mm hoch. | Cotyledo 24 mm hoch Zuwachs in 21'/a St. Zuwachs in 24 St. Zuwachs in 24 St. 2) 2 | 8.[ 4 [Mitte] 1 [2 | 3 [eite| 1 | 2 Pr aopsiiten 160 | 15 | 30 | so | Al| 30 | 3 20| 28 | oo | 27 | ı2 | 28 II 120 | 50 J105 |ı0o0 | 94| 70 | 67 1.78: 167 :| 70 za I |120 | 70 110 |120 1105| s3 | 97 | 1001| 93 | | s7 | 93 | 84 IV [120 | 95 |130 |wo | 116 | 70 | 93 |wo| 85 | 3 | 90|3|82 ' Zonen. hi 70 90 77.1. 79 1 63.) Bro VI 67 501 63 | 50 | 60 | 67 | 59 vl 37 .\, 332 43 8 Diese Tabelle mag zugleich als Beispiel dafür dienen, wie erheblich die individuellen Diener der Wachsthumsintensität in einem Satz von Keimlingen gleichen Alters und gleicher Grösse sich gestalten können. 29 Es fällt auf, dass die Wachsthumsintensität von der Spitze an bis zum Maximum rapid zunimmt und dann (bei älteren Keimlingen) weit allmäliger fällt. Beachtenswerth ist namentlich das relativ sehr geringe Wachsthum der Zone I. Suchen wir durch Markiren von nur 1" mm langen Zonen!) noch genaueren Aufschluss über die Wachsthumsvertheilung im oberen Theil der Cotyledonen zu gewinnen, so finden wir in der ersten Zone ein noch geringeres Wachsthum, ein nicht viel stärkeres in der zweiten, und von da an eine rapide Zunahme bis zum Maximum. Nach der Spitze zu nimmt also die Wachsthumsintensität offenbar ständig ab, und die äusserste, aus kleinzelligem Gewebe bestehende Spitze dürfte wohl gar nicht wachsen. Mit zunehmendem Alter des Cotyledo fällt zwar die Wachsthumsintensität in allen seinen Theilen, am bedeutendsten ist aber die Abnahme in der Spitzenregion, und die erste 1" mm lange Zone zeigt bald, zu einer Zeit wo die übrigen Theile noch recht kräftig wachsen, keinen in 24 Stunden nachweisbaren Zuwachs mehr; — sie stellt also wohl sicher ihr Wachsthum völlig ein. Diese Thatsachen hebe ich besonders hervor; sie sind von grossem Interesse, da, wie weiter gezeigt werden wird, gerade die Spitze des Cotyledo sich durch besonders starke heliotropische Empfindlichkeit aus- zeichnet. $ 11. Heliotropisch (und auch geotropisch) ist nur der Cotyledo, das eingeschlossene Laubblatt wird von ihm nur rein passiv mitgekrümmt. Dies folgt erstens daraus, dass das Laubblatt nach seinem Hervortreten, trotz intensiven Wachsthums, keinen Heliotropismus zeigt, und zweitens daraus, dass die mitunter vorkommenden ganz leeren Cotyledonen sich gerade so krümmen wie normal gewachsene Keimlinge. Die Krümmungsfähigkeit junger, bis 3 cm hoher Cotyledonen ist eine sehr bedeutende: bei Phalarıs ist dieselbe noch etwas grösser als bei Avena, was sich durch den geringeren Durchmesser des Cotyledo bei ersterer erklärt. Mit sinkender Wachsthumsintensität des Cotyledo vermindert sich auch dessen Krümmungsfähigkeit, doch fällt sie zunächst nur langsam, so dass man wenigstens bei Avena auch mit älteren Keimlingen noch sehr gut experimentiren kann, so lange der Cotyledo noch nicht durchbrochen ist; nach der Durchbrechung fällt die Krümmungsfähigkeit rapid, daher !) Da ich häufig gekrümmte Organe zu messen hatte, so bedurfte ich eines bieg- samen Massstabes. Nun sind aber die käuflichen, auf Papier gedruckten Millimeter- massstäbe viel zu ungenau; ich ersetzte sie mit Vortheil durch gebrauchtes Thermo- graphenpapier (vom Richard’schen Thermogıaph), welches ich in schmale Quer- streifen schnitt; solche improvisirte Massstäbe, die meist leicht zu beschaffen sein dürften, kann ich zum Auftragen und Messen von Zonen auf nicht sehr langen Strecken sehr empfehlen, denn die Linien des Thermogravhenpapiers sind fein, scharf, und ihre Abstände sind genau gleich. In dem von mir in Leipzig benutzten Papier (nicht hingegen in dem in Kazan gebräuchlichen) sind die Abstände genau = 11/, mm, daher die Länge der von mir aufgetragenen Zonen stets Mehrfache von 1'/, mm beträgt. 50 Keimlinge wit bereits hervortretendem Laubblatt für meine Zwecke un- brauchbar sind. Phalaris verhält sich in dieser Hinsicht weniger gleich- mässig, es geschieht hier nicht selten, dass ganze Sätze von noch nicht durchbrochenen, anscheinend normalen Keimlingen sich auffallend schwach krümmen; ein zweiter Grund, welcher Phalaris zu einem weniger günstigen Object als Avena macht. Trotz seiner deutlich dorsiventralen Structur verhält sich der Cotyledo physiologisch wie ein radiäres Organ; wenigstens beobachtete ich keine merklichen Differenzen der Krümmungsfähigkeit in Abhängigkeit davon, welche Seite des Cotyledo der Lichtquelle zugekehrt war. Der Verlauf der heliotropischen Krümmung ist folgender: Die erste schwache Krümmung macht sich nach %4 bis 1"/2 Stunden nach Beginn der Exposition in der Spitzenregion des Cotyledo bemerklich (Fig. 7, b). Dann erstreckt sich die gleichzeitig stärker werdende Krümmung BFH Fig. 7%. Verlauf der heliotropischen Krümmung des Cotyledo von Avena sativa. a vor Beginn der Exposition, b nach 1), e nach 31/,, d nach 71, Stunden. allmälig tiefer, und nach 2—3 Stunden ist der Cotyledo bereits in fast der ganzen Länge gekrümmt (Fig. 7, c); in der Mitte ist die Krümmung am stärksten, nach oben und unten nimmt sie allmälig ab. In dem Masse wie die Neigung der Spitze zunimmt, streckt dieselbe sich mehr und mehr gerade, und je tiefer hinab am Cotyledo die Krümmung sich erstreckt, desto länger wird der sich geradestreckende Obertheil. So rückt sozusagen die Krümmung allmälig am Cotyledo nach abwärts, bis sie dessen Basis (resp., bei älteren Keimlingen, die Basis seiner wachsenden Region) erreicht hat. Die Geradestreckung des Obertheils schreitet auch dann noch fort, eine Zone nach der anderen ergreifend; in Folge dessen wird die Krümmung auf eine immer kürzer werdende Basalregion beschränkt, und da während dessen der Obertheil sich auch zu neigen fortfährt, vermindert sich der Krümmungs- radius bedeutend (Fig. 7, d). Zuletzt finden wir nur eine kurze, oft nur wenige mm lange Basalregion sehr scharf gekrümmt, während der ganze übrige Theil des Cotyledo ganz gerade vorgestreckt und bei rein heliotropischer Krümmung (am Klinostat) nach der Lichtquelle hin gerichtet ist. In dem bei meinen Versuchen gewöhnlichen Falle, nämlich dass die aufrecht stehenden Keimlinge mit horizontal einfallenem Licht beleuchtet wurden, nimmt der geradegestreckte Obertheil eine der Resultante von Geotropismus und Heliotropismus entsprechende Endstellung an (Fig.7,d). Diese Endstellung (die 31 definitive Neigung) des Obertheils kann, bei gleichen äusseren Bedingungen, individuell ziemlich erheblich variiren: in einem Satz gleicher und gleich- zeitig exponirter Keimlinge weichen die Grenzwerthe der definitiven Neigung sehr häufig um ca. 20°” von einander ab, zuweilen um noch mehr, bis zu 40°. In günstigen Fällen beträgt die definitive Neigung gewöhnlich 70—80°. Nach wie langer Zeit die vollkommenste Geradestreckung des Obertheils des Cotyledo und die maximale Neigung desselben erreicht wird, das hängt sowohl von den äusseren Bedingungen, als auch von den individuellen Eigenschaften des Keimlings ab; im Allgemeinen beträgt diese Zeit, bei der in meinen Versuchen angewandten Lichtintensität, für Avena 4—8, für Phalarıs 3— 6 Stunden. S 12. Im Obigen wurde nur der wesentliche Verlauf der heliotropischen Krümmung beschrieben; in Wirklichkeit verläuft die Krümmung nicht so einfach, sie wird vielmehr dadurch complieirt, dass der sich krümmende Cotyledo in verticaler Ebene auf und ab oseillirt (Fig. 8). In einem ge- gebenen Moment sei der Obertheil bereits in einiger Ausdehnung gerade- gestreckt und habe eine bestimmte Neigung (a); nach einiger Zeit erscheint ab ch & Fig. 8. Öseillationen bei der heliotropischen Krümmung des Cotyledo von Avena saliva. a nach 31/,, b nach 5, ce nach 53/4, d nach 6%, Stunden. dann die Spitze sehr deutlich aufwärts gekrümmt (b), noch etwas später erstreckt sich diese Aufwärtskrümmung schon tiefer hinab, und schliesslich finden wir den Obertheil des Cotyledo wieder geradegestreekt, aber gleich- zeitig mehr oder weniger gehoben (c). Hierauf beginnt eine Senkung (d), welche ebenfalls mit Geradestreekung des Obertheils endigt, dann erfolgt eine neue Hebung u. s.w. So senkt und hebt sich der Obertheil abwechselnd; doch ist jede Senkung stärker als die vorausgegangene Hebung, so dass bei diesem fortwährenden Oscilliren die Krümmung des Cotyledo und die Neigung seines Obertheils stufenweise zunimmt. (Man sieht das in Fig. 7, welche den nämlichen Keimling darstellt wie Fig. 8; a in Fig. 8 ist identisch mit c in Fig. 7 und db, c, d in Fig. 8 sind Zwischenstadien zwischen c und d in Fig. 7.) Die Stelle, bis zu welcher die Krümmung hinabreicht, verschiebt sich bei jeder Oseillation etwas basalwärts, folglich wird der geradegestreckte Obertheil des Cotyledo jedesmal etwas länger und die Krümmungszone nähert sich jedesmal etwas der Basis. Die Amplitude der Oscillationen 32 kann sehr verschieden sein, und zwar nicht nur bei verschiedenen Individuen, sondern auch bei demselben Keimling zu verschiedener Zeit; sie scheint im Allgemeinen um so grösser zu werden, je mehr sich der Obertheil seiner Gleichgewichtslage nähert. Auch die Periode der Öseillationen ist schwankend; doch ist bemerkenswerth, dass innerhalb eines Satzes ungefähr ‚gleicher Keimlinge die Perioden der Oseillation, also die Zeitpunkte der Hebungen und der Senkungen, nahezu zusammenfallen. Die beschriebene Erscheinung darf niebt mit den Oseillationen verwechselt werden, welche ein sich krümmendes Organ nach Erreichung der Gleich- gewichtslage ausführt. Bekanntlich hat Sachs (15) die sogen. geotropische Ueberkrümmung entdeckt und causal klargelegt; dieselbe ist bedingt theils durch die geotropische Nachwirkung, theils dadurch, dass die der Basis näher gelegenen Regionen noch fortfahren sich geotropisch zu krümmen, wenn der Obertheil sich bereits vertical gestellt hat, in Folge dessen der letztere passiv über die Verticalstellung hinausgeführt wird; nun unterliegt er der Wirkung des Geotropismus von der anderen Seite und kehrt daher activ zur Verticalstellung zurück, oder überschreitet dieselbe sogar etwas in Folge der Nachwirkung; so kommt eine Oseillation zu Stande, welche sich mehrmals mit abnehmender Amplitude wiederholen kann. Ganz dasselbe kann man auch bei der heliotropischen Krümmung beobachten, namentlich wenn dieselbe am Klinostaten, bei Ausschluss des Geotropismus erfolgt. Aber diese Erscheinung kann natürlich erst dann zu Stande kommen, wenn der Obertheil des Organs die Gleichgewichtslage bereits überschritten hat, — erst dann sind eben die Bedingungen’ dafür gegeben. Die oben beschriebenen Oseillationen bei der heliotropischen Krümmung beginnen hin- gegen noch lange vor Erreichung der Gleichgewichtslage, sie müssen also eine andere Ursache haben. Die Ursache suchte ich anfangs in einem periodisch wechselnden Ueber- wiegen bald des Heliotropismus, bald des Geotropismus in dem sich unter dem antagonistischen Einfluss beider krümmenden Keimlinge; dieser Gedanke musste aber fallen gelassen werden, als ich fand, dass die gleichen Öseillationen auch bei der rein heliotropischen Krümmung am Klinostat vor sich gehen; auch bei der geotropischen Krümmung im Dunkeln scheint das- selbe der Fall zu sein (siehe Fig. 60, c, d in $ 77), wenn auch hier die Erscheinung nicht näher verfolgt wurde. — Am ehesten dürften die Ösecillationen, wie ich jetzt glaube, auf die oben ($ 10) erwähnte Cireum- nutation zurückzuführen sein. Dieselbe wird am Licht jedenfalls nicht ganz unterdrückt, denn besonders darauf gerichtete Beobachtungen zeigten mir, dass ein sich heliotropisch krümmender Cotyledo von Avena sehr merkliche Ablenkungen aus der Ebene des Lichteinfalls erfährt, also mit anderen Worten, eircumnutirt. Wenn wir also annehmen, dass die Cireumnutation unter dem richtenden Einfluss einseitiger Beleuchtung hauptsächlich auf die Ebene des Lichteinfalls beschränkt und so in eine im Wesentlichen auf- und abgehende Nutation verwandelt wird, so wären damit die Oscillationen in 33 der Hauptsache erklärt. Ich gebe diese Erklärung indess nur als eine nicht unwahrscheinliche Annahme. Eine erschöpfende Untersuchung der Oseillationen lag nicht in meiner Absicht; ich habe dieselben nur darum berücksichtigen müssen, weil sie bei meinen heliotropischen Versuchen eine Quelle von Täuschungen bilden konnten und mich anfänglich auch thatsächlich irre führten. Die Oscillationen bei der heliotropischen Krümmung sind nicht auf die Cotyledonen der hier betrachteten Gramineen-Speeies beschränkt; ich be- obachtete sie vielmehr, mehr oder weniger ausgesprochen, auch bei ver- schiedenen anderen Keimlingen, so bei denen der Paniceen und mancher Dieotylen; doch scheint meist die Periode einer Oseillation erheblich grösser zu sein als bei Avena. Ein Object, wo die besagten Oseillationen eine sehr bedeutende Amplitude erreichen und daher sehr auffallen, sind beispiels- weise junge Hypocotyle von Agrostemma Grithago (welche im Dunkeln ebenfalls stark eireumnutiren.. Um nicht nochmals auf diesen nicht zu meinem eigentlichen Thema gehörigen, aber jedenfalls beachtenswerthen Gegenstand zurückkommen zu müssen, will ich an dieser Stelle auch gleich über die an Agrostemma gemachten Beobachtungen berichten. Hier wird bei der heliotropischen Krümmung zunächst im Laufe weniger Stunden eine starke Neigung des Obertheils erreicht, welcher sich aber dabei nicht oder nur in geringer Ausdehnung geradestreckt (Fig. 9, a). Dann erfolgt eine BEE: Fig. 9 Öseillationen bei der heliotropischen Krümmung zweier Hypoecotyle von Agrostemma Githaoo. a nach 31/4, b nach 4!/,, ce nach 53/4, d nach 7 Stunden. langsame bedeutende Hebung, welche zu einer vollkommenen Geradestreckung des Obertheils führt, während die Krümmung in die untere Hälfte des Hypoeotyls rückt (Fig. 9, b). Hierauf beginnt eine ebenfalls sehr bedeutende Senkung, welche mehrere Stunden andauert und mit erneuter Krümmung des Obertheils verbunden ist (Fig. 9, c, d); das Ende dieser zweiten Senkung und die dabei zu erwartende abermalige Geradestreckung des ÖObertheils wurde in meinen bis zu 9 Stunden dauernden Versuchen nie erreicht, wes- halb ich auch nicht weiss, ob auf die erste grosse Oscillation noch weitere folgen. Eine nähere Vorstellung von dem Gang der Öseillation, deren Amplitude und den dabei vorkommenden individuellen Schwankungen giebt die folgende Beobachtungsreihe. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft I. 3 34 5 etiolirte Keimlinge mit 1,8-—2,7 cm hohen Hypocotylen wurden um 1134 Uhr einseitiger Beleuchtung ausgesetzt; nach 4 Stunden waren sie ziemlich stark ge- krümmt. Um diese Zeit, in welche Hebung fiel, begann die Messung der Neigung der Spitze. gerade der Uebergang von der Senkung zur Beobachtungszeit er en Se muuEe Mittel Yealaı? RR IE a: 3 Uhr 45 Min. (Beginn) 700 550 609 500 700 61° b: 4 Uhr 30 Min. 750 60 550 500 70 62° c: 5 Uhr 400 450 400 409 550 44° d: 5 Uhr 30 Min. 200 300 300 400 500 34° e: 6 Uhr 10 Min. 150 100 | 300° | 400 | 400 2 f: 7 Uhr 5 Min. 300 | 200 | 30° | 400 | 500 34° g: 7 Uhr 45 Min. 550 | 450 | 500 | 500 | 600 52° h: 8 Uhr 30 Min. soo | 800 | 650 | 650 | ge 74° (a—b: schwache Senkung oder Stillstand, nur bei No. 3 beginnende Hebung: b—c: plötzliche, meist sehr starke Hebung; e—d: fortdauernde Hebung; d—e: nach- lassende Hebung; e—f: Beginn der Senkung; f—g: sehr starke Senkung; g—h: fort- dauernde starke Senkung.) B. Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo. S$S 13. Es handelte sich zunächst darum zu entscheiden, ob in der That, entsprechend den Angaben Darwin’s, die heliotropische Empfindlichkeit auf eine relativ kurze Spitze des Cotyledo beschränkt ist, und die helio- tropische Krümmung des ganzen übrigen Cotyledo ausschliesslich durch die einseitige Beleuchtung der Spitzenregion und durch eine Reizübertragung von dieser aus bedingt wird (ich werde im Folgenden der Kürze halber die Spitzenregion einfach als „Spitze“, den ganzen übrigen Theil des Cotyledo als „Untertheil“ bezeichnen). Zur Entscheidung dieser Frage giebt es nur ein Mittel, das ist der Vergleich der heliotropischen Krümmung von ihrer ganzen Länge nach beleuchteten Cotyledonen mit derjenigen gleicher Coty- ledonen, deren Spitze aber verdunkelt ist. Ich habe eine grössere Zahl solcher Versuche ausgeführt und werde einige davon, resp. Auszüge aus ihnen, als Beispiele anführen; durchgängig bezeichne ich die Vergleichskeimlinge (in ganzer Länge beleuchtet) mit a, die Versuchskeimlinge (Spitze ver- dunkelt) mit Db. Versuch i. Phalaris canariensis. 8 Keimlinge, halbetiolirt (d. i. am Tage vorher zu einem mehrstündigen helio tropischen Versuch benutzt, seitdem wieder im Dunkeln gehalten), 3—4 em hoch. a) 4 Vergleichskeimlinge, b) 4 Versuchskeimlinge: 6 mm Spitze mittelst Staniolkappen verdunkelt. Nach 1 Stunde: Die a sind in der Spitzenregion bereits ganz gerade. merklich gekrümmt, die b sind 35 Nach 21/3 Stunden: a) Die Krümmung umfasst bereits eine lange Region. d) Alle deutlich gekrümmt, in ähnlicher Weise wie die a, jedoch schwächer, ein Keimling nur ganz schwach gekrümmt. Nach 31/4 Stunden; Bei den a hat sich die Krümmung verstärkt, bei den 5 kaum; der Unterschied beider Gruppen ist sehr bedeutend. Nach 43/4 Stunden: a) Keimlinge stark gekrümmt, bei dreien der Obertheil unter ca. 600 geneigt. b) Alle Keimlinge mit schwacher Krümmung. Um die Möglichkeit auszuschliessen, dass der beobachtete Unterschied nur auf individuellen Differenzen der Krümmungsfähigkeit beruhen könnte (was freilich von vornherein sehr unwahrscheinlich ist), werden jetzt die Stanniolkappen von den Keim- lingen 5 abgenommen und auf die Keimlinge a aufgesetzt. Darauf werden die Keim- linge von neuem in der früheren Richtung exponirt, so dass also die vorhandene Krümmung der Lichtquelle zugekehrt ist. Nach 13/, Stunden haben sich die b bereits ansehnlich gekrümmt; nach 4 Stunden sind sie alle stark bis sehr stark gekrümmt, während die Krümmung der a sich deutlich vermindert hat, so dass jetzt die b stärker gekrümmt sind als die a. Dieser Versuch (einer meiner ersten) ist zwar vollkommen entscheidend, er erlaubt aber keine nähere Vorstellung darüber, in welchem Grade die Krümmungsfähigkeit des Cotyledo durch Verdunkelung der Spitze vermindert wird, da weder Zeichnungen angefertigt wurden, noch der Grad der Krüm- mung der Keimlinge beider Gruppen irgendwie quantitativ bestimmt wurde. In den folgenden Versuchen geschah meist beides, und zwar wurde der Grad der Krümmung bei jedem einzelnen Keimling durch Messung der Neigung des Obertheils ') bestimmt. Diese Messung kann nun nicht zu jeder beliebigen Zeit und auch nicht an jeder beliebigen Stelle des Obertheils erfolgen. Zu- nächst ist offenbar Bedingung, dass wenigstens eine gewisse Strecke des geneigten Obertheils ganz gerade gestreckt sei, um überhaupt eine Messung der Neigung zu ermöglichen; wenn also Oscillationen stattfinden, so müssen zur Messung im Allgemeinen die Zeitpunkte maximaler Senkung oder maximaler Hebung gewählt werden; eine geringe Aufwärtskrümmung der Spitze bei beginnender Hebung, wie in Fig. 10 a (8. 37), stört freilich nicht, da hier noch ein genügend langes geradegestrecktes Stück des Ober- theils vorhanden ist, dagegen ist die Phase der Senkung, wo der ganze Öbertheil concav nach unten gekrümmt ist, zu Messungen ungeeignet. 1) Einerseits unterscheide ich an den Keimlingen die kurze verdunkelte „Spitze“, und den „Untertheil“, d. i. den ganzen übrigen Theil des Cotyledo, — andererseits bezeichne ich als „Obertheil“ denjenigen Theil des Cotyledo, welcher sich dem Lichte zuneigt, d. i. einen Theil, dessen Länge mit der Zeit zunimmt und zuletzt fast den ganzen Cotyledo umfassen kann. Diese Bezeichnungsweise ist nicht gerade correct, denn nach ihr sind „Obertheil“ und „Untertheil“ keine Gegensätze, vielmehr kann ein mehr oder weniger langes Stück des Cotyledo sowohl zum Obertheil als zum Unter- theil gehören. Doch kann ich keine bessere Bezeichnungsweise finden und hoffe, dass nach der obigen Auseinandersetzung kein Grund zu Missverständnissen gegeben sein wird. 3% 36 Sonstige Schwierigkeiten werden dureh die Oseillationen nicht involvirt, dank dem Umstande, dass die Phasen derselben bei den Keimlingen beider Gruppen zusammenfallen. — Ferner ist zu beachten, dass die Neigungen der Keim- linge beider Gruppen erst dann mit einander vergleichbar werden, wenn bei den Vergleichskeimlingen der Obertheil bereits in längerer Strecke ganz geradegestreckt ist, als er bei den Versuchskeimlingen verdunkelt ist; da wir bestimmen wollen, welchen Einfluss die Verdunkelung der Spitze auf die Neigung des tieferliegenden Theiles des Cotyledo hat, so dürfen wir natürlich nur die Neigungen von einander entsprechenden Partieen dieses tieferliegenden Theiles vergleichen, und die Spitze der Vergleichskeimlinge, so lange sie noch stärker geneigt ist als die folgenden Zonen, darf nicht in Betracht gezogen werden; sonst würden wir offenbar einen sehr groben Fehler begehen, welcher die gefundenen Neigungsdifferenzen erheblich ver- grössern könnte. Es kommt, mit anderen Worten, bei den Vergleichs- keimlingen auf die Neigung derjenigen Region an, welche auch bei den Versuchskeimlingen beleuchtet ist. Daher können in der ersten Periode der Krümmung, solange die Geradestreckung sich noch nicht in genügendem Grade auf diese Region erstreckt, die Keimlinge beider Gruppen nicht mit ‚einander verglichen werden. — Bei den Versuchskeimlingen wird andererseits die Sache dadurch complieirt, dass die verdunkelte Spitze, wenn sie durch die heliotropische Krümmung des Untertheils aus der senkrechten Lage hinausgebracht wird, unter dem Einfluss des Geotropismus sich meist deutlich aufwärts krümmt; manchmal beschränkt sich diese Aufwärtskrümmung nur auf den verdunkelten Theil, olıne die Form des beleuchteten Theiles zu be- einflussen, — oft aber erstreckt sie sich tiefer und umfasst auch eine mehr oder weniger lange Strecke des beleuchteten Untertheiles, so dass der Keim- ling eine schwach S-förmige Gestalt erhält (wie die Fig. 10 b auf 8. 37 zeigt). Es leuchtet ein, dass hier nur die untere, nach der Lichtquelle eoncave Krümmung eine heliotropische ist und dass nur sie mit der Krümmung der Keimlinge der Gruppe a verglichen werden darf; daher wurde in solchen Fällen nicht die Neigung des Obertheils schlechthin gemessen, sondern die Neigung desjenigen mittleren Theiles, welcher die stärkste Neigung aufwies, mit anderen Worten, es wurde die maximale heliotropische Neigung der Keimlinge gemessen, Nach diesen Vorbemerkungen kann ich mich zu den quantitativen Ver: suchen wenden. Versuch 2. Avena sativa. 8 etiolirte, ca. 3 cm hohe Keimlinge. a) 4 Vergleichskeimlinge. b) 4 Versuchskeimlinge: 5 mm Spitze mittels Papierschürzen verdunkelt. Nach 1°/, Stunden: a) mit ziemlich starker Krümmung der Spitze. b) schon merklich gekrümmt. Nach 3 Stunden: a) schon sehr stark und in langer Region gekrümmt. b) wie oben. 37 Nach 7 Stunden: a) An der Basis scharf gekrümmt, der übrige Theil geradegestreckt, nur die Spitze bei einigen Keimlingen etwas aufwärts gekrümmt. Neigung des geraden Theils 75- 80°, Mittel 78°. Fig. 10, a. 27 b Fig. 10. b) Mit schwacher Krümmung an der Basis; oberer Theil aufwärtsgekrümmt, die verdunkelte Spitze nahezu vertical gerichtet. Maximale Neigung 25—350, Mittel 30°, Fig. 10, b. Versuch 3. Avena sativa. 9 sehr junge etiolirte Keimlinge, 1,1—1,2 cm loch. a) 4 Vergleichskeimlinge. b) 5 Versuchskeimlinge: genau die obere Hälfte durch Stanniolkappen verdunkelt. Exposition in heliotropischer Kammer auf Tisch in Mitte des Zimmers, als Licht- quelle dient ein Fenster. Nach 24, Stunden: a) In der oberen Hälfte schon ziemlich stark gekrümmt, in der unteren erst schwache Krümmung; Neigung der Spitze ca. 500. b) Nur ein Keimling noch vertical, die übrigen im beleuchteten Untertheil deutlich gekrümmt, Neigung des verdunkelten Obertheils 10—150. Nach 33/, Stunden: a) Die Hauptkrümmung befindet sich schon in der unteren Hälfte, die obere Hälfte fast ganz gerade, Neigung 50—60®. b) Sämmtlich schwach aber deutlich gekrümmt, Neigung des Obertheils 10—200. Nach 53, Stunden: a) Oberer Theil ganz geradegestreckt, Neigung 45—550 (schwache Hebung!), Mittel 50°; unterer Theil grösstentheils ebenfalls ganz gerade, nur an der Basis eine mässige Krümmung; die Hauptkrümmung muss sich also unter der Erde befinden. und bei zwei Keimlingen, welche ausgegraben wurden, zeigt sich in der That der 1 cm lange unterirdische Theil des Cotyledo in seiner ganzen Ausdehnung lichtwärts gekrümmt. — Fig. 11, a. } a@ [0 Fig. 11. Auf den Keimlingen 5 sind die Stanniolkappen im schematischen Längsschnitt dargestellt. b) Neigung des Obertheils 10—15°, Mittel 130. Der untere Theil ist bei einigen Keimlingen fast vollkommen gerade und schon von der Erdoberfläche an geneigt, so dass auch hier offenbar der unterirdische Theil des Cotyledo gekrümmt sein muss. — Fig. 11,2. 38 $ 14. Alle übrigen Versuche gaben im wesentlichen die gleichen Resultate, und nur die quantitativen Verhältnisse variirten in gewissen Grenzen. Ins- besöndere waren die individuellen Differenzen innerhalb jeder der beiden Gruppen von Keimlingen oft erheblich grösser als in den angeführten Ver- suchen, so dass manchmal die am stärksten gekrümmten Versuchskeimlinge hinter den am wenigsten gekrümmten Vergleichskeimlingen nur unbedeutend zurückblieben. Aber die Mittelwerthe differiren ausnahmslos bedeutend, in fast allen Versuchen ist die mittlere Neigung der Vergleichskeimlinge mindestens doppelt so gross als die der Versuchskeimlinge. Zur Illustration dieser Verhältnisse will ich die Endresultate noch einiger weiterer, möglichst verschiedener Versuche anführen. Versuch 4. Phalaris canariensis. 18 etiolirte, bis 1,4 cm hohe Keimlinge. 9a, 9 d; letzteren die obere Hälfte durch Stanniolkappen verdunkelt. Versuchsdauer 5!/, Stunden. a) Neigung 50—800, bei den meisten 650; Mittel 64'/,°. b) Neigung bei 8 Keimlingen 5—40°, bei den meisten 200; ein Keimling ohne Spur von Krümmung; Mittel 190%, — ohne den nicht gekrümmten, offenbar ab- normen Keimling Mittel 21°. Versuch 5. Avena sativa. 10 etiolirte, 2—3 cm hohe Keimlinge. 5 a, 5 b; letzteren 4'/, mm Spitze durch Stanniolkappen verdunkelt. Versuchsdauer 5!/, Stunden. a) Neigung 60—75°, Mittel 67°. b) Neigung 30—50°, Mittel 40°. Dies ist die stärkste mittlere Neigung der Versuchskeimlinge, welche in meinen Versuchen mit Gramineen-Cotyledonen jemals zur Beobachtung gelangte; gleichzeitig ist dieser Versuch der einzige, in dem die mittlere Neigung der Versuchskeimlinge merklich mehr als die Hälfte der Neigung der Vergleichskeimlinge betrug; dennoch ist auch in diesem exceptionellen Falle die Differenz beider Gruppen eine bedeutende (27°). Versuch 6. Avena sativa. 18 etiolirte, 11/,—4'/ cm hohe Keimlinge. 9 a, 9 b; den letzteren 7!/g mm Spitze mittelst Stanniolkappen verdunkelt. Versuchsdauer 61/, Stunden. a) Neigung 50—80°, Mittel 641, °. 5) Neigung 20—40°, Mittel 30°. Schliesslich sei noch ein Versuch angeführt, in dem ein Theil der Keim- linge am Klinostaten in verticaler Ebene rotirte; neben anderen, später zu besprechenden Zwecken sollte der Versuch lehren, ob bei rein heliotropischer Krümmung die Beleuchtung der Spitze in der gleichen Weise die Krümmung des Untertheils beeinflusst, wie bei der antagonistischen Wirkung von Heliotropismus und Geotropismus, — was a priori zwar wahrscheinlich, aber nicht nothwendig ist. Die als Lichtquelle dienende Flamme befand sich in der Verlängerung der Klinostatenachse und in 84 cm Entfernung von dem Mittelpunkt der rotirenden Scheibe. Die Linien, welche von der Flamme zur Basis der Keimlinge führten, wichen um 8° von der Horizontale ab, das Licht fiel also auf die Keimlinge unter einem Winkel von 98° und dementsprechend 39 war die Gleichgewichtslage der rotirenden Keimlinge erst bei einer Neigung von 98° erreicht. (Weiteres über die Einrichtung der Klinostatenversuche siehe $ 5.) Neben dem Klinostaten, auf dem Niveau des oberen Randes der rotirenden Scheibe und in gleicher Entfernung von der Lichtquelle, war eine zweite Gruppe ebensolcher Keimlinge in aufrechter Stellung fix aufgestellt. Die- selben befanden sich in jeder Hinsicht unter den gleichen Bedingungen wie die rotirenden Keimlinge, mit dem einzigen Unterschied, dass sie der ein- seitigen Wirkung der Gravitation nicht entzogen waren. — Jede der beiden Gruppen von Keimlingen bestand ihrerseits aus zwei Untergruppen, nämlich aus Vergleichs- und Versuchskeimlingen, in dem bisher gebrauchten Sinne. Versuch 7. Avena saltiva. 6 Thonzellen mit 30 etiolirten, 1,6—2,8 cm hohen Keimlingen. I. 3 Thonzellen mit 15 Keimlingen stehen aufrecht. II. 3 Thonzellen mit 15 Keimlingen rotiren. Jede von diesen beiden Gruppen enthält: a) 10 Vergleichs-Keimlinge. b) 5 Versuchs-Keimlinge, denen 6 mm Spitze mittels Stanniolkappen verdunkelt sind. Der Einfluss der Ausschliessung des Geotropismus zeigt sich im Laufe des Ver- suches in Folgendem: Die Vergleichskeimlinge krümmen sich am Klinostaten schneller und stärker und die Geradestreekung ihres Obertheils erfolgt bedeutend später als bei aufrechter Stellung. Auch die Versuchskeimlinge krümmen sich am Klinostaten schneller und stärker; die Aufwärtskrümmung ihrer Spitze bleibt natürlich aus. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist nicht geringer als bei aufrechter Stellung. F rg 122 b U EREERT EHRT 2 eu Ferer Ee, [24 d Fig. 12. Am Schluss des Versuchs, welcher 7/4 Stunden dauerte, wurden folgende Neigungen gefunden: . I. Aufrecht stehende Keimlinge: a 55—70°, Mittel 68°. b 15—25°, Mittel 19°. 40 II. Rotirende Keimlinge: a 90—110°, Mittel 98°. b 30—40°, Mittel 38°. Vgl. Fig. 12, in der dieselben Ziffern und Buchstaben zur Bezeichnung der Keimlinge verwandt sind. Wie dieser Versuch zeigt und noch zwei weitere, in gleicher Weise aus- geführte Versuche bestätigen, hat die Verdunkelung der Spitze bei rotirenden Keimlingen denselben Einfluss wie bei aufrecht stehenden: das Verhältniss der Neigungen a: b stimmt in beiden Gruppen so gut überein, als überhaupt verlangt werden kann. $ 15. Im Ganzen gelangten in 28 Versuchen 142 Vergleichs- und 173 Ver- suchskeimlinge von Avena, und in 8 Versuchen 48 Vergleichs- und 46 Versuchs- keimlinge von Phalaris zur Beobachtung; die Länge der bei den Versuchs- keimlingen verdunkelten Spitze variirte von 3—7's mm. Alle diese Keim- linge verhielten sich normal, d. h. die Vergleichskeimlinge krümmten sich stark oder sehr stark, und die Versuchskeimlinge krümmten sich zwar deutlich, aber erheblich schwächer als die Vergleichskeimlinge,— mit den folgenden Ausnahmen: Unter den Vergleichskeimlingen von Avena verhielten sich 6 abnorm. 1 Keimling krümmte sich überhaupt nicht; er war, wie ich mich durch Messung überzeugte, während der Versuchsdauer garnicht gewachsen. Ein anderer krümmte sich nur schwach; er war deutlich abnorm gestaltet. 4 weitere Keimlinge in zwei Versuchen krümmten sich ebenfalls nur schwach; bei diesen war der Cotyledo schon alt und wurde schon zu Beginn der Ver- suche durchbrochen. — Auch bei Phalaris krümmte sich ein Vergleichs- keimling abnorm schwach. Unter den Versuchskeimlingen von Avena verhielten sich 5 abnorm, nämlich: In einem meiner ersten Versuche krümmten sich 3 von 5 Keim- lingen nicht merklich; die Ursache kann ich nicht mit Sicherheit angeben, doch dürfte vielleicht die Versuchsdauer ungenügend gewesen sein, sie betrug nur 3% Stunden. Ferner krümmte sich ein Keimling, welcher 5'/2 Stunden am Klinostaten rotirte, ebenfalls gar nicht; in dem betreffenden Versuch, der einen besonderen Zweck verfolgte und in $ 20 besprochen werden wird, musste mit theilweise stark schräg stehenden Keimlingen operirt werden, und der fragliche Keimling war fast horizontal von der Lichtquelle weg- geneigt, hatte also eine für die heliotropische Krümmung sehr ungünstige Lage. Endlich wich ein ebenfalls am Klinostaten rotirender Keimling in umgekehrtem Sinne von der Norm ab, er erreichte nämlich schliesslich eine Neigung von 80° und blieb nur unbedeutend hinter der mittleren Neigung der Vergleichskeimlinge desselben Versuches zurück. — Bei Phalaris ver- hielten sich 4 Versuchskeimlinge abnorm: in einem Versuch krümmten sich 2 von 5 Keimlingen ebenso stark als die Vergleichskeimlinge, in zwei anderen Versuchen blieben 2 unter 9 Keimlingen ganz ungekrümmt. Wie man sieht, ist die Zahl der Ausnahmefälle, namentlich bei Avena, eine geradezu auffallend kleine, und überdies kann noch ein Theil derselben auf bestimmte Ursachen zurückgeführt werden. 41 Die bisher besprochenen Versuche führen zu folgenden Schlüssen: 1. Nicht nur die Spitze, sondern auch der Untertheil des Cotyledo ist heliotropisch empfindlich, da er sich auch dann in seiner ganzen Länge krümmt, wenn die SpitZe ver- dunkelt ist. 2. Die heliotropische Empfindlichkeit des Untertheils ist jedoch nur gering, da einseitige Beleuchtung des Untertheils allein nur eine mehr oder weniger schwache Krümmung des- selben zur Folge hat. Da die gleichzeitige einseitige Beleuchtung der Spitze die sonst nur geringe heliotropische Krümmung des Untertheils auf das doppelte oder mehrfache steigert, so ergeben sich noch die zwei weiteren Folgerungen: 3. Die Spitze des Cotyledo zeichnet sich durch eine weit stärkere heliotropische Empfindlichkeit aus als dessen Untertheil. 4, Die starke heliotropische Reizung der Spitze pflanzt sich von hier aus auf den Untertheil fort und bewirkt in diesem eine weit stärkere Krümmung, als dessen eigener ge- ringer Empfindlichkeit entspricht. S 16. Die beiden ersten der obigen Schlussfolgerungen stehen in direetem Gegensatz zu dem Resultat Darwin’s, welches er (9, 405) in folgenden Worten formulirt: „„... können wir schliessen, dass der Aus- schluss des Lichts von dem oberen Theil der Cotyledonen von Phalaris den unteren Theil, auch wenn derselbe vollständig einem seitlichen Licht ausgesetzt ist, verhindert sich zu lrümmen.‘“ Dasselbe findet Darwin auch für die Keimlinge des Hafers, und am Schluss des Abschnittes giebt er Folgendes, auf alle untersuchten Keimlinge bezügliches Resume (d, 415): „Ihre unteren Hälften wurden stundenlang hell beleuchtet und bogen sich doch nicht im mindesten nach dem Lichte hin, ob- schon dies derjenige Theil ist, welcher sich unter gewöhnlichen Um- stünden am meisten biegt‘“'). Der Gegensatz zwischen Darwin’s Resultaten und den meinigen er- scheint weit weniger scharf, wenn man nieht Darwin’s Schlussfolgerungen, sondern die ziffernmässigen Resultate seiner Versuche in Betracht zieht. Von den 33 Keimlingen von Avena sativa, deren Spitze in Darwin’s Versuchen verdunkelt wurde, blieben nur 19, also nicht viel mehr als die Hälfte, ganz gerade; 5 Keimlinge krümmten sich schwach, und 9 krümmten sich fast ebenso stark wie die Vergleichskeimlinge. Ein noch ungünstigeres !) Darwin stellt hier zwar nur die heliotropische Empfindlichkeit der unteren „Hälfte“ der Keimlinge in Abrede; doch ist das nicht wörtlich zu nehmen, wenigstens soweit es sich um Gramineen-Keimlinge handelt, denn Darwin verdunkelte bei seinen, bis zu 21/, cm hohen Keimlingen auch nur eine relativ kurze Spitzenregion, nämlich bei Avena 61, — 71, mm, bei Phalaris meist 11/,—4 mm. 42 Verhältniss weisen die Versuche mit Phalaris canariensis auf, auf denen Darwin in erster Linie seine Schlüsse basirt; hier wurde die Spitze resp. 5 Keimlingen verdunkelt; von ihnen blieben 26 (also weniger als die Hälfte) ganz gerade, fast ebensoviele, nämlich 25, krümmten sich „unbedeutend“ dem Lichte zu, und 4 Keimlinge die obere Hälfte von insgesammt 5 krümmten sich fast ebenso stark wie die Vergleichskeimlinge. — Wie man aus dieser Zusammenstellung ') ersieht, könnte man aus Darwin’s Ver- suchen mit Phalaris mit gleichem Recht, wie die Schlussfolgerung des Autors, auch die gerade entgegengesetze Schlussfolgerung ziehen, zu welcher mich meine Versuche geführt haben; Darwin’s Versuche beweisen seine These keineswegs. Auch in Darwin’s Versuchen mit Hafer widersprechen 14 Keimlinge gegen 19 seiner Schlussfolgerung. Immerhin bleibt es auf- fallend, dass in Darwin’s Versuchen ein so hoher Procentsatz der Ver- suchskeimlinge sich gar nicht krümmte, was in meinen Versuchen nur als sehr seltene Ausnahme vorkam (4 Fälle unter 173 bei Avena, 2 Fälle unter 46 bei Phalaris).. Da Darwin als sehr gewissenhafter und sorgfältiger Beobachter bekannt ist, und da die Expositionsdauer in seinen Versuchen stets eine reichlich genügende war, so bleibt mir diese Thatsache ganz räthselhaft. Jedenfalls glaube ich aber meinen weit zahlreicheren und, was noch wichtiger, untereinander ungleich besser übereinstimmenden Versuchen die entscheidende Bedeutung beilegen zu dürfen. Natürlich fragt es sich, ob meinen Versuchen nicht vielleicht irgendwelche Fehlerquellen anhaften, welche die Ursache meiner abweichenden Befunde bilden könnten. Soweit ich sehe, sind nur zwei derartige Fehlerquellen denkbar. Zunächst könnte man denken, die Länge der verdunkelten Spitze, welche in manchen meiner Versuche nur 3 mm betrug, sei ungenügend, mit anderen Worten, es sei nicht die ganze allein heliotropisch empfindliche Spitze verdunkelt gewesen, — worauf Darwin es gewöhnlich schiebt, wenn seine Versuchskeimlinge sich lichtwärts krümmten; auf diesen Einwand brauche ich hier nicht näher einzugehen: seine Nichtstichhaltigkeit wird sich schlagend aus den unten ($$ 18 und 19) mitzutheilenden Versuchen ergeben, welche darthun, dass einerseits die stark empfindliche Spitzenregion des Cotyledo nicht länger als 3 mm ist, und dass andererseits die schwache heliotropische Empfindlichkeit nicht etwa nur einer begrenzten oberen Partie des Untertheils, sondern dem ganzen Untertheil des Cotyledo bis an dessen Basis zukommt. — Zweitens könnten meine Verdunkelungsvorrichtungen die Spitze nicht vollkommen vor einseitiger Beleuchtung geschützt haben. Dass diese Fehlerquelle nicht vorhanden war, habe ich schon oben ($ 6) gezeigt; sicherlich waren meine Verdunkelungsmittel zuverlässiger als die geschwärzten Glaskappen, Federspulen und Goldschlägerhäutchen, welche Darwin neben den Stanniolkappen in ausgedehntem Masse benutzte, und deren Undurch- 1) Diejenigen Keimlinge, welche Darwin selbst aus verschiedenen Gründen nicht mit in Betracht zieht, sind auch von der obigen Zusammenstellung ausgeschlossen. 43 lässigkeit für Lieht immer Zweifeln unterworfen ist; auf die Unvollkommenbheit dieser Vorrichtungen ist es vielleicht zurückzuführen, dass in Darwin’s Versuchen ein recht grosser Procentsatz der Keimlinge mit verdunkelter Spitze sich abnorm stark krümmte. Bei dieser Gelegenheit will ich auch gleich zwei anderen Bedenken be- gegnen, welche gegen meine Versuchsanstellung erhoben werden könnten, nämlich, ob nicht die Keimlinge sich in Folge des Gewichtes der Stanniol- kappen oder in Folge des durch sie ausgeübten seitlichen Druckes in abnormen Bedingungen befanden und ob nicht durch diese Faetoren der Grad ihrer Krümmung wesentlich beeinflusst wurde. Bezüglich des seitlichen Druckes sei daran erinnert, dass in zahlreichen Versuchen ganz lose aufsitzende Stanniolkappen verwandt wurden, was das Resultat der Versuche nicht änderte. Bezüglich des Gewichts der Stanniolkappen verweise ich auf das Kapitel über Zugwachstium, wo gezeigt werden wird, dass selbst eine be- deutend grössere Belastung, als durch die nur wenige mg wiegenden Stanniolkappen, ohne merklichen Einfluss auf den Grad der heliotropischen Krümmung bleibt, wenn dabei die Spitze der Keimlinge nicht verdunkelt wird. $ 1. Ausser der bisher beschriebenen Weise habe ich zur Controle auch noch auf verschiedene andere Weisen die ungleiche Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo (stark in der Spitze, schwach, aber doch vorhanden im Untertheil) nachgewiesen. Da diese Versuche nur eine volle Bestätigung des bereits dargelegten ergaben, so kann ich mich bezüglich derselben kurz fassen. 1. Stellen wir einen Topf mit Keimlingen so in der heliotropischen Kammer auf, dass die Keimlinge horizontal und gleichzeitig senkrecht zur Richtung der (wie immer, horizontal einfallenden) Lichtstrahlen liegen, so wirken Geotropismus und Heliotropismus in aufeinander senkrechten Ebenen, und die Keimlinge werden sich in einer intermediären Ebene krümmen müssen, deren Neigung (Abweichung von der Verticalebene) von dem Ver- hältniss der Stärke von Geotropismus und Heliotropismus abhängt; experi- mentirt man mit gleichartigen Objecten, so ist die Stärke des Geotropismus (abgesehen von individuellen Schwankungen) constant und die Neigung der Krümmungsebene wird nur durch die relative Stärke des Heliotropismus be- stimmt. Exponiren wir also in der genannten Weise Keimlinge mit und ohne Stanniolkappen, so muss sich der Einfluss der Spitzenverdunkelung nicht blos in dem Grade der Lichtwärtskrümmung der Keimlinge, sondern unabhängig hiervon auch im Grade der Neigung der Krümmungsebene geltend machen. Dies bestätigte sich. Bei Avena-Keimlingen mit verdunkelter Spitze wich am Schluss eines 4 Stunden dauernden Versuches die Krümmungs- ebene nur wenig, um ca. 5—20°, von der Verticalebene ab, während diese Abweichung bei Keimlingen mit nicht verdunkelter Spitze ca. 60° betrug. 2. Eine zweite interessante Versuchsanstellung ist folgende. Man lässt Keimlinge in irgend welcher Weise, — z. B. dadurch, dass man den Topf 44 über Nacht geneigt aufstellt —, eine Neigung von ca. 45° gegen die Verticale annehmen. Exponirt man sie nun in einseitigem horizontal einfallendem Licht so, dass die vorhandene Neigung nach der Lichtquelle gerichtet ist, so wird die Neigung, da sie geringer ist als der nunmehrigen Gleichgewichts- lage entspricht, sich nach einiger Zeit zu verstärken beginnen. Verdunkeln wir aber die Spitze der Keimlinge, so ist umgekehrt die vorhandene Neigung grösser als der Gleichgewichtslage entspricht, die Keimlinge werden daher beginnen müssen sich aufzurichten. Exponiren wir in der bezeichneten Weise einen Satz von ursprünglich gleich stark geneigten Keimlingen mit theils verdunkelten, theils unverdunkelten Spitzen, so werden wir das eigenthüm- liche Schauspiel beobachten, dass die Keimlinge beider Gruppen sich gleich- zeitig in entgegengesetztem Sinne krimmen, — die einen aufwärts, die anderen abwärts, — was einen höchst schlagenden Beweis für die bevorzugte helio- tropische Empfindlichkeit der Spitze und für den Einfluss derselben auf die Krümmung des Untertheils bildet. Da aber dem Untertheil doch auch eine gewisse eigene heliotropische Empfindlichkeit zukommt, welche der Auf- wärtskrümmung entgegenwirkt, so wird die Aufwärtskrümmung bei den Keimlingen mit verdunkelter Spitze deutlich geringer sein müssen, als bei einer dritten Gruppe gleicher Keimlinge, die (etwa durch Bedecken des Topfes mit einem Zinkkasten) caeteris paribus ganz verdunkelt werden. — Derartige Versuche habe ich mit Gramineen-Keimlingen öfters mit dem er- warteten Erfolge ausgeführt; hier mag es genügen, die zu einem solchen Versuch mit Avena gehörige Fig. 13 nebst Erklärung anzuführen, zu der nur bemerkt werden muss, dass sie nur den Beginn der in Rede stehenden Erscheinung darstellt; bei längerer Dauer des Versuches würden die übrigens auch so unverkennbaren Differenzen erheblich grösser geworden sein. Fig, 13. Töpfe mit Keimlingen von Avena sativa wurden über Nacht im Dunkelschrank in schräger Stellung stehen gelassen. Am folgenden Morgen war der Obertheil der Keimlinge geradegestreekt und hatte eine Neigung von 45—550 angenommen. Die Keimlinge wurden nun einseitiger Be- leuchtung ausgesetzt, so dass die vorhandene Neigung der Lichtquelle zugekehrt war; die einen (a) waren in ganzer Länge beleuchtet, den anderen (b) war eine 41/, mm lange Spitze mittelst Stanniolkappen ver- dunkelt, die dritten (ce) wurden durch Bedecken mit einem Zinkkasten ganz verdunkelt. Die Figur stellt je einen Keimling aus den drei Gruppen dar, und zwar 1) vor Beginn der Exposition, 2) nach 21/, Stunden. 45 3. Während diese beiden Versuchsanstellungen im Grunde genommen doch nur Modificationen der früheren darstellen, ist die folgende Methode, welche auf der heliotropischen Nachwirkung nach kurzdauernder Beleuchtung beruht, prineipiell verschieden. Es ist zu erwarten, dass je empfindlicher ein Organ resp. ein Organabschnitt ist, desto weniger Zeit zur Indueirung des Heliotropismus in ihm erforderlich sein wird; alsdann muss sich für einen Gramineen-Cotyledo eine Expositionsdauer finden lassen, nach der heliotropische Induction wohl in der Spitze, nicht aber im Untertheil stattgefunden hat. Exponirt man Keimlinge mit theils verdunkelter, theils unverdunkelter Spitze für diese begrenzte Zeitdauer und verdunkelt sie dann in noch ganz geradem Zustande, so werden die Keimlinge, deren Spitze verdunkelt war, gerade bleiben, während die Vergleichskeimlinge sich in Folge der heliotropischen Nachwirkung in der früheren Lichtrichtung werden krümmen müssen; begreiflicherweise wird man aber nur eine schwache Krüm- mung erwarten dürfen. Diese Erwartungen erwiesen sich als zutreffend. Nach einigem Probiren fand ich, dass die gesuchte kritische Expositionsdauer für Avena ungefähr 45 Minuten beträgt; ich sage „ungefähr“, weil diese Dauer individuell variirt; daher ist es auch kaum möglich ein vollkommen reines Resultat zu erzielen: immer erweist sich die Expositionsdauer für einzelne Keimlinge entweder als zu kurz (einzelne der Vergleichskeimlinge krümmen sich nicht), oder als zu lang (einzelne Keimlinge mit verdunkelt gewesener Spitze krümmen sich). Immerhin ergaben die drei ausgeführten Versuche ein genügend klares Ge- sammtresultat. Es folgt beispielshalber ein soleher Versuch. Versuch 8. Avena sativa. 14 etiolirten, 3—6 cm hohen Keimlingen wurde eine Tuschmarke 71, mm unter der Spitze angebracht. a) 7 Keimlinge ohne Stanniolkappen. b) 7 Keimlingen wird die Spitze bis zur Tuschmarke mittels Stanniolkappen verdunkelt. Die Keimlinge werden 45 Minuten exponirt, wonach sie noch keine Spur von heliotropischer Krümmung zeigen. Nun werden sie, nachdem die Richtung zur Licht- quelle durch Zeichen auf den Töpfen markirt worden, im Dunkelschrank in aufrechter Stellung aufgestellt. Nach 1!/, Stunden (nach der Verdunkelung‘: a) Keimlinge mit zum Theil sehr schwacher, aber überall unverkennbarer Krümmung in der Richtung zur Lichtquelle. b) 6 Keimlinge ganz gerade, einer mit zweifelhafter Krümmung. Nach 3 Stunden: a) Einige Keimlinge noch mit deutlicher Krümmung in tieferer Region, andere schon durch Geotropismus aufgerichtet. db) Wie oben. Jetzt werden die Stanniolkappen von den b abgenommen und den a aufgesetzt, ebenfalls bis zur Tuschmarke. Darauf werden die Keimlinge nochmals einseitig be- leuchtet, aber von der entgegengesetzten Seite als das erste Mal, und nach 45 Minuten werden sie, in ganz geradem Zustande, im Dunkelschrank aufgestellt. Diese zweite 46 Hälfte des Versuches soll als Controle dafür dienen, ob die oben beobachteten Differenzen nicht etwa nur in individuellen Unterschieden ihren Grund hatten. Nach 1!/, Stunden: a) (mit Kappen): 6 Keimlinge ganz gerade, der siebente mit zweifelhafter Krümmung. b) (ohne Kappen): Mehrere Keimlinge schwach, aber ganz deutlich in Richtung der Lichtquelle gekrümmt: die übrigen gerade geblieben. Leider habe ich versäumt die Zahl der zuletzt in der Gruppe b gekrümmten Keimlinge zu notiren, ebenso wie Zeichnungen zu diesem und den anderen ent- sprechenden Versuchen anzufertigen !). Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass wir an anderer Stelle ($ 68) noch einen weiteren Beweis für die bevorzugte heliotropische Em- pfindlichkeit der Spitze des Cotyledo kennen lernen werden. Nachdem nunmehr mehr als ausreichende Beweise dafür beigebracht worden sind, dass die Spitze des Cotyledo in hohem, der Untertheil desselben in relativ geringem Grade heliotropisch empfindlich ist, wende ich mich zu den Versuchen, welche eine nähere Präeisirung der Vertheilung der helio- tropischen Empfindlichkeit im Cotyledo bezweckten. $ 18. Zunächst fragt es sich, ob der Untertheil des Cotyledo nur in einer begrenzten oberen Partie oder in seiner ganzen Länge heliotropisch empfindlich ist; und in letzterem Falle, ob die Empfindlichkeit im ganzen Untertheil gleich gross (oder vielmehr gleich gering) ist, oder ob sie, von dem Maximum in der Spitze an, basalwärts allmälig abnimmt. Ein Vorversuch mit bis 3 cm hohen Cotyledonen von Avena, deren ganze obere Hälfte durch lange Stanniolkappen verdunkelt war, zeigte, dass jedenfalls die untere Hälfte der Cotyledonen noch heliotropisch empfindlich ist, denn diese Keimlinge erreichten in 4» Stunden eine Neigung von 5—15° {im Mittel 10°), und in 7" Stunden eine solche von 10—25° (im Mittel 16°). Näheren Aufschluss ergab der folgende Versuch: Versuch 9. Avena sativa. 23 etiolirte, 2,3—4,8 cm hohe Keimlinge wurden durch Tuschmarken in 7!/, mm lange Querzonen getheilt. 6 kleinere Keimlinge umfassten je 3 Zonen, 8 mittlere je 4, 9 grössere je 5—6 Zonen. 1) Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass die heliotropische Nachwirkungs- krümmung den normalen Gang einhält: sie beginnt an der Spitze des Cotyledo und dehnt sich dann allmälig basalwärts aus. Nach 3/4stündiger Exposition wird im Dunkeln die Nachwirkungskrümmung bald bemerklich und verstärkt sich im Laufe von ca. 2 Stunden; dann beginnt der Geotropismus zu überwiegen, und der Cotyledo kehrt allmälig wieder zur Verticalstellung zurück. Die hierbei erreichte heliotropische Neigung ist nur gering; stärkere Nachwirkungskrümmung würde sich natürlich bei Ausschluss des Geotropismus am Klinostaten erzielen lassen. Darwin (5, 395 und 396) giebt an, dass Keimlinge von Phalaris canariensis nach 1'/—2stündiger Beleuchtung sich im Dunkeln noch !—!/, Stunde zu krümmen fortfuhren, und auf Grund dieser entweder unvollständigen oder irrthümlichen Angabe wird Phalaris in der Literatur wiederholt als Beispiel ausnahmsweise kurzdauernder heliotropischer Nachwirkung angeführt. Dies sei hiermit riehtiggestellt: Phalaris verhält sich so, wie oben gesagt. 47 Die verschieden grossen Keimlinge wurden gleichmässig unter die drei Gruppen a, b, e vertheilt. a) Ohne Stanniolkappen. b) Die oberste Zone durch Stanniolkappen verdunkelt. c) Die zwei oberen Zonen durch lange Stanniolkappen verdunkelt. Ich habe also 9 Untergruppen, von denen jede aus 2—3 Keimlingen von gleicher Höhe und mit gleich langem beleuchtetem Theil besteht. In drei Untergruppen ist der Cotyledo in ganzer Länge beleuchtet, in den 6 übrigen Untergruppen variirt die Länge des beleuchteten Untertheils von 13 bis 5); der Gesammtlänge (wenn man von dem kurzen Basalstück absieht, welches ausserhalb der Zonen bleibt). Bei Schluss des 6 Stunden dauernden Versuchs sind alle Keimlinge gekrümmt: die folgende Tabelle giebt die mittlere Neigung für die 9 Untergruppen: ese Kleine Mittlere Grosse Geumitnie] pp Keimlinge Keimlinge Keimlinge | a 65° 60° 62° 62° b 35° 30° 40° 35° e 302 33° 330 83° Während sich der Einfluss der Spitzenverdunkelung wieder sehr deutlich documentirt (a—b —= 27°), ist die Verdunkelung einer weiteren Zone ohne Einfluss geblieben (b—c —= 2°; eine solche Differenz ist = 0 zu setzen). Auch die relative Länge des verdunkelten Theiles des Cotyledo ist ohne Einfluss, wie die folgende Zusammenstellung zeigt: Untergruppe Verdunkelter Theil Mittlere der Gesammtlänge Neigung Grosse b le 40° Mittlere b 1j 390 Kleine 5 Yg 350 Grosse e 1, 2, 350 Mittlere e 1, 330 Kleine ce 2%, 300 Wie man sieht, variiren die Werthe für die einzelnen Untergruppen in unregel- mässiger Weise, ohne Beziehung zu der relativen Länge des verdunkelten Theiles; in Anbetracht dessen, dass die Untergruppen nur aus je 2—3 Keimlingen bestanden, dürften die geringen Differenzen der Mittelwerthe wohl auf die nicht ganz aus- geglichenen individuellen Differenzen der Krümmungstähigkeit zurückzuführen sein Wir sehen also, dass nur die Verdunkelung der Spitze von grossem Einfluss auf den Grad der Krümmung ist; ist einmal die Spitze verdunkelt, so bleibt die Verdunkelung weiterer Querzonen des Cotyledo ohne merklichen Einfluss, wofern nur ein gewisser Theil der wachsenden Region, — sei es auch nur das untere Drittel — beleuchtet bleibt. Da auch ein zweiter der- artiger Versuch das nämliche Resultat ergab, so dürfen wir folgende Schlüsse formuliren : $ 1. Alle wachsenden Zonen des Cotyledo sind heliotropisch empfindlich. 2. Die heliotropische Empfindlichkeit nimmt nicht allmälig in basipetaler Richtung ab, sondern sie ist im ganzen Cotyledo 48 gleich gross mit Ausnahme einer kurzen Spitzenregion, welcher bedeutend stärkere Empfindlichkeit eigenthümlich ist. $ 19. Wenn die besonders starke heliotropische Empfindlichkeit nur einer begrenzten Spitzenregion zukommt, so ist es weiter von Interesse zu bestimmen, wie lang diese Region ist, und ob sie auch die äusserste Spitze mit umfasst, oder unterhalb derselben aufhört. Diese Aufgaben wurden (für Avena) auf zwei verschiedenen Wegen gelöst, Versuch I0. Avena sativa. 26 etiolirte, 1,5—4,5 em hohe Keimlinge. Die verschieden hohen Keimlinge werden gleichmässig auf 3 Gruppen vertheilt. a) 9 Keimlinge ohne Kappen. b) 8 Keimlinge mit ganz kleinen, nur 11/,mm Spitze verdunkelnden Stanniolkäppchen. c) 9 Keimlinge mit 71/; mm Spitze verdunkelnden Stanniolkappen. Schon vom Beginn der Krümmung an macht sich ein deutlicher Unterschied zwischen den drei Gruppen geltend: es ist unverkennbar, dass die Verdunkelung einer nur 11/5 mm langen Spitze nicht ohne Einfluss ist, wenn sie auch die Krümmung weniger stark vermindert als die Verdunkelung einer längeren Region. Der Obertheil krümmt sich, nach Erreichung einer gewissen heliotropischen Neigung, bei den b ebenso deutlich aufwärts wie bei den ce. [7 b c Fig. 14. Nach 61/, Stunden (vgl. Fig. 14): a) Keimlinge meist sehr stark gekrümmt, ihr Obertheil ganz geradegestreckt; Neigung 50—80°, ittel M641/,°. b) Keimlinge im unteren Theil abwärts, im oberen aufwärts concav; maximale Neigung in dem mittleren geraden Theil 25—60°, Mittel 44!/2°. c) Form im Ganzen wie bei den b, doch die Abwärtskrümmung schwächer, die Aufwärtskrümmung der Spitze stärker; maximale Neigung 20—40°, Mittel 30°, Die b stehen in jeder Hinsicht in der Mitte zwischen den beiden anderen Gruppen, jedoch den ce deutlich näher. Die Verdunkelung einer nur 11/, mm langen Spitze vermindert die heliotropische Neigung stärker, als die Verdunkelung der folgenden, 6 mm langen Zone. Daraus folgt, dass die obersten 1'/, mm einen wesentlichen Theil der stark empfindlichen Region ausmachen, dass diese Region auch die äusserste Spitze umfasst und dass sie voraussichtlich ziemlich kurz sein dürfte; länger als 1!/, mm muss sie aber jedenfalls sein, da die Keimlinge b sich immerhin nicht un- bedeutend stärker gekrümmt haben als die e. Es wurden noch zwei weitere Versuche derselben Art mit dem gleichen Erfolge ausgeführt. In einem derselben wurde den Keimlingen der Gruppe b sogar nur 1 mm Spitze verdunkelt; hier betrug nach 4" Stunden die Neigung der « 75—80°, Mittel 78° und die maximale Neigung der b 40—65°, Mittel 53° (die Gruppe c fehlte in diesem Versuch). 49 Versuch Il. Avena sativa. 26 etiolirte, 1,5—2,5 cm hohe Keimlinge. Allen eine Tuschmarke 7'/, mm unter der Spitze angebracht. a) & Keimlinge in ganzer Länge beleuchtet. b) 7 Keimlingen werden eng anliegende, 4!/; mm lange Stanniolröhrehen bis zur Tusehmarke aufgeschoben, so dass eine 3 mm lange Spitze frei bleibt. c) 7 Keimlingen werden in gleicher Weise Stanniolröhrehen von 6 mm Länge aufgeschoben, so dass eine 11/, mm lange Spitze frei bleibt. d) 6 Keimlingen wird die Spitze bis zur Tuschmarke mittels Stanniolkappen verdunkelt. Der Untertheil bis zur Tuschmarke hinan ist also bei allen 4 Gruppen beleuchtet; der Unterschied besteht darin, dass von der über der Tuschmarke liegenden Region verschieden grosse Theile beleuchtet sind; bei den a ist diese Region in ganzer Länge beleuchtet, bei den b und e sind nur deren obere 3 resp. 11/3 mm beleuchtet, bei den d endlich ist diese Region ganz verdunkelt. Nach 6 Stunden ist der Krümmungsprozess beendigt; die heliotropische Krümmung beschränkt sich überall auf ein kurzes Basalstück des Cotyledo. a) Der Obertheil der Keimlinge ist vollständig geradegestreckt; Neigung 75—85 °, Mittel 81°. b) Desgl.; Neigung 70—85°, Mittel 78°. c) Desgl.; Neigung 60 - 65°, Mittel 631/2°. d) Obertheil der Keimlinge aufwärtsgekrümmt, die Spitze innerhalb der Kappen fast vertical: maximale Neigung 15—45 °, Mittel 32°. Der Vergleich der d mit den e zeigt, dass die Beleuchtung einer nur 11/, mm langen Spitze eine Steigerung der heliotropischen Neigung um 311/,°, d. i. eine Ver- doppelung derselben bewirkt hat; werden ausserdem noch die folgenden 1!/, mm be- leuchtet (Gruppe b), so hat dies eine weitere Steigerung der Neigung zur Folge, die zwar wesentlich geringer (141/,°), aber doch zu gross ist, um für zufällig gehalten werden zu können. Hiermit ist aber das mögliche Maximum der Krümmungsfähigkeit bereits erreicht: werden noch weitere 41/3 mm beleuchtet (Gruppe a), so hat dies keinen Einfluss mehr; denn eine Differenz von 3°, wie sie zwischen den 5b und den a besteht, liegt innerhalb der Fehlergrenze der Messungsmethode und kann überdies auch von den individuellen Differenzen der Krümmungsfähigkeit her- rühren. Folglich beträgt die Länge der vorzugsweise empfindlichen Spitzenregion nicht mehr als 3 mm; innerhalb dieser Region dürfte die Empfindlichkeit in akropetaler Richtung zunehmen, da offenbar die oberen 1"/2 mm bedeutend empfindlicher sind als die unteren. — Derartiger Versuche wurden noch zwei mit gleichem Resultat ausgeführt. Bemerkenswerth ist die gute Uebereinstimmung der Ergebnisse, welche mittels einander gerade entgegengesetzter Versuchsanstellungen gewonnen wurden. Das Resultat dieses Paragraphen können wir so formuliren: Die mit starker heliotropischer Empfindlichkeit ausge- stattete Spitzenregion ist nicht länger als 3 mm; sie umfasst auch die äusserste Spitze, und zwar ist geradein der äussersten Spitze von nicht mehr als 1—1"s mm Länge die heliotropische Empfindlichkeit ganz besonders gross. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft]. 4 50 S 20. Es erübrigt noch eine Frage zu erörtern. Nicht nur bei den Cotyledonen der Gramineen, sondern, wie man unten sehen wird, auch bei allen anderen untersuchten Objeeten, welche eine ungleichmässige Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit aufweisen, hat die stärkste Empfindlichkeit ihren Sitz immer im obersten Theil des betreffenden Organs, unabhängig von dessen morphologischer Natur. Vielleicht noch frappirender ist die folgende, an den Cotyledonen von Avena beobachtete und weiter unten ($ 81) näher darzulegende Thatsache: wenn die durch Abschneiden der Spitze zeitweilig aufgehobene heliotropische Empfindlichkeit sich wieder einstellt, so ist sie ebenfalls ungleichmässig vertheilt, und zwar ist es wieder die oberste Zone, welche stärker als die übrigen empfindlich ist. Angesichts dieser Thatsachen drängt sich die Frage auf, vb die ungleich mässige Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit nicht vielleicht durch eine Gravitationswirkung bedingt ist. A priori lässt sich nichts gegen die Möglichkeit einwenden, dass die Gravitation in irgendwelcher Weise etwa eine besondere Ansammlung oder Differenzirung specifisch heliotropisch em- pfindlichen Protoplasmas (oder nach Noll’s Vorstellung, eine besonders aus- geprägte heliotropisch empfindliche Structur) gerade im obersten Theil der Organe bewirken könnte. In solchem Fall müsste, wenn die ganze Ent- wickelung bei Ausschluss einseitiger Gravitationswirkung vor sich geht, die heliotropische Empfindlichkeit im Organ gleichmässig vertheilt sein. Zur Prüfung dieser Annahme wählte ich die Keimlinge von Avena als das bequemste Object. Samen, welche in horizontaler Lage die ersten An- zeichen von Keimung zeigten, wurden in mit Sägespähnen gefüllte Thonzellen gepflanzt und diese von nun an ununterbrochen im Dunkelzimmer am Klinostaten in verticaler Ebene rotiren gelassen. Es dauerte unter solchen Umständen relativ lange, bis die Cotyledonen aus dem Substrat hervortraten, und die meisten thaten dies in sehr schräger Richtung (einige Cotyledonen traten überhaupt nicht hervor, sondern drangen in die Tiefe des Substrates ein). Nachdem die Cotyledonen sich genügend entwickelt hatten, versah ich einen Theil derselben mit Stanniolkappen und setzte, bei fortdauernder Rotation, die ganze Cultur einseitiger Beleuchtung aus. Das Resultat war ein vollkommen negatives: es ergab sich genau die gleiche Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit, wie bei den unter normalen Bedingungen erzogenen Keimlingen. Folglich ist die ungleichmässige Vertheilung der heliotropischen Empfind- lichkeit von der Gravitation unabhängig und muss durch innere Ursachen bedingt sein C. Fortpflanzung der helietropischen Reizung, $ 21. Schon aus den im vorigen Abschnitt mitgetheilten zahlreichen Versuchen ergab sich die Schlussfolgerung, dass die starke heliotropische Reizung der Spitze des Cotyledo sich auf den Untertheil desselben fortpflanzen muss, da sie eine weit stärkere Krümmung des Untertheiles hervorruft, als dessen eigener heliotropischer Empfindlichkeit entspricht; und da diese starke Krümmung allmälig die ganze Länge des Cotyledo umfasst, so muss sich der heliotropische Reiz von der Spitze aus bis an die äuserste Basis fortpflanzen, d. i. über eine bis zu 6 cm erreichende Strecke, wozu freilich mehrere Stunden Zeit erforderlich sind; je kürzer der Cotyledo, desto schneller er- reicht die durch Reizfortpflanzung bedingte starke Krümmung seine Basis. Der so gefundene Beweis der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes ist freilich nur ein indirecter, er ist aber, wie mir scheint, so unzweideutig, dass, selbst wenn directe Beweise nicht vorlägen, an der Existenz besagter Fortpflanzung nicht gezweifelt werden dürfte. An der unter normalen Verhältnissen stattfindenden heliotropischen Krüm- mung des Untertheils eines Cotyledo ist nun aber, ausser dem von der Spitze aus übermittelten Reiz, zweifellos auch die directe Reizung des Untertheils dureh einseitige Beleuchtung in gewissem Grade betheiligt, deren Existenz ebenfalls im vorigen Abschnitt nachgewiesen worden ist. Ausserdem fragt es sich, welcher Art die Wirkung des transmittirten Reizes ist; derselbe könnte direet die zu einer Krümmung führenden Vorgänge anregen, in welchem Falle der Untertheil sich auch in vollkommener Dunkelheit (resp. bei ringsum gleichmässiger Beleuchtung) heliotropisch krümmen müsste, — seine Wirkung könnte aber auch nur darin bestehen, die heliotropische Empfind- lichkeit des Untertheils zu steigern, und alsdann würde die direete einseitige Be- leuchtung des Untertheils Bedingung für dessen heliotropische Krümmung sein. Es ist daher eine neue, für sich experimentell zu lösende Frage, ob und inwieweit der von der einseitig beleuchteten Spitze transmittirte Reiz allein im Stande ist eine heliotropische Krümmung im Untertheil des Cotyledo zu veranlassen, wenn einseitige Beleuchtung des Untertheils ausgeschlossen ist. Der Lösung dieser Cardinalfrage und einiger sich anschliessender Special- fragen ist der gegenwärtige Abschnitt gewidmet. Schon bei den bisher beschriebenen Versuchen machte ich mehrfach ge- legentliche Beobachtungen, welche es wahrscheinlich machten, dass die obige Hauptfrage in positivem Sinne zu beantworten sei. Nach längerer Exposition nicht zu hoher Keimlinge, wenn die Krümmung sich nur mehr auf eine kurze Basalregion beschränkt, bemerkt man häufig, dass die Basis nicht unter rechtem Winkel, wie anfänglich, sondern unter einem merklich spitzen Winkel aus dem Erdboden hervortritt (siehe z. B. Fig. 10, 8. 37 und Fig. 11, S. 37); dies ist nur dadurch zu erklären, dass sich auch der unter- irdische Theil des Cotyledo ein wenig nach der Lichtquelle zu gekrümmt hat (vgl. hierzu Versuch 3 auf 8. 37). Es kommt sogar vor, dass der ganze oberirdische Theil des Cotyledo vollkommen geradegestreckt ist und unter einem oft sehr spitzen Winkel aus dem Boden hervortritt; alsdann befindet sich offenbar die gesammte Krümmung im unterirdischen Theil. Fälle der letzteren Art sind besonders schön an sehr jungen Keimlingen zu beobachten, deren Cotyledo nur um wenige mm aus der Erde hervor- 4* 52 ragt; hier ist die Strecke, welche die heliotropische Reizung zu durch- wandern hat, eine nur geringe, und es genügt schon eine kurze Exposition, damit der ganze oberirdische Theil sich völlig geradestreckt und die Krümmung ganz in den unterirdischen Theil übergeht. Gräbt man solche Keimlinge aus, so findet man den unterirdischen Theil des Cotyledo, oft bis zum Samen hinab (d. i. in einer Strecke von 1 cm oder selbst mehr), ziemlich stark liehtwärts gekrümmt (Fig. 15). Dass bis zu soleher Tiefe unter die Erde das Licht nieht eindringen kann, liegt auf der Hand. Fig. 15. Junge Cotyledonen von Arena sativa, nach 4V/,stündiger einseitiger fe) . ’ 2 > Beleuchtung ausgegraben und dicht am Samen abgeschnitten. aa Boden- oberfläche. Derartige Beobachtungen hat schon Darwin an den Cotyledonen von Phalaris und Avena und auch an den Hypocotylen von Drassica oleracea gemacht (9, 405, 406, 409, 411); er beobachtete aber auffallenderweise unterirdische Krümmungen nur dann, wenn die Keimlinge in sehr feinem feuchtem Sande, nicht aber wenn sie in gewöhnlicher mässig feuchter Garten- erde eultivirt wurden (l. e., 407), während meine Beobachtungen sich gerade auf in Gartenerde eultivirte Keimlinge beziehen. Merkwürdig ist ferner, dass die von Darwin erwähnten Krümmungen sich immer nur auf eine sehr unbedeutende Tiefe unter die Erdoberfläche erstreckten: bei Phalaris betrug diese Strecke 2" mm (nur ein einziges Mal 5 mm), bei Brassica 22 bis 3%. mm') (für Avena macht Darwin keine Zahlenangaben.. Da der Sand, in dem die Keimlinge wuchsen, erst in einer 2" mm dieken Schicht für Licht ganz undurchlässig war (l. c., 405—406), so sind diese Be- obachtungen keineswegs sehr beweisend für die heliotropische Krümmung völlig verdunkelter Theile der Keimlinge; bringt man nämlich die 22 mm in Abzug, innerhalb deren die Verdunkelung zweifelhaft war, so ist die Länge des sicher verdunkelten und doch lichtwärts gekrümmten Stückes in den meisten Fällen genau = 0 (was wohl eher dafür sprechen würde, dass die heliotropische Krümmung gerade so weit reicht als der Lichtzutritt); nur bei drei Keimlingen beträgt die Länge dieses Stückes Ya, 1Y4 resp. 212 mm !) Die von Darwin in englischen Zoll angegebenen Masse sind hier in Meter- mass unıgerechnet (1 Zoll gleich fast genau 25 mm). 93 (letzeres bei Phalaris, die beiden ersten Fälle bei Drassica) ; um so kleine Werthe kann man sich bei der begreiflicherweise unsicheren Taxirung des Punktes, bis wohin die Krümmung reicht, sehr leicht irren, — und wenn wir davon auch absehen wollen, so sind jedenfalls die fraglichen Strecken allzu kurz und die Zahl der positiven Fälle allzu gering, um einen sicheren Schluss zu gestatten. Ferner hat Darwin mit Keimlingen von Phalaris canariensis und von Brassica oleracea Versuche angestellt mit dem Zweck, durch einen von dem beleuchteten Obertheil übermittelten Reiz heliotropische Krümmung in dem künstlich verdunkelten Untertheil hervorzurufen. Diese Versuche er- gaben jedoch mit Phalaris ein unbefriedigendes und mit Drassica ein geradezu negatives Resultat. Bezüglich der ersteren sagt Darwin nur Folgendes: ‚, . ... So scheinen einige Beobachtungen es doch wahr- scheinlich zu machen, dass die gleichzeitige Reizung des unteren Theiles durch das Licht dessen gut ausgesprochene Kriimmung bedeutend begünstigt oder zu einer solchen beinahe nothwendig ist“ (l. e., 408). Bei Brassica umwickelte Darwin die untere Hälfte des Hypocotyls mit Goldschlägerhäutehen (welches der Krümmung kein mechanisches Hinderniss bietet) und schwärzte dasselbe von aussen mit Tusche; über diesen Versuch äussert er sich folgendermassen (l. e., 412): „Dies Resultat scheint zw beweisen, dass der vom Obertheil aus übergeleitete Einfluss nicht hin- reicht, die Biegung des unteren Theils zu verursachen, wenm dieser nicht in der nämlichen Zeit beleuchtet wird.“ Diese Angaben stehen in offenbarem Widerspruch mit des Autors Be- hauptung, dass der Untertheil der fraglichen Keimlinge gar nicht heliotropisch empfindlich ist, und dass seine Krümmung ganz und gar durch den Einfluss der Spitze bedingt wird (die auf S. 5l erwähnte zweite Möglichkeit, welche den Widerspruch allerdings lösen würde, liess Darwin ausser Acht. Die negativen Resultate Darwin’s können nur auf ungeeigneter Ver- suchsanstellung beruhen, denn, wie ich im folgenden Paragraphen für die Gramineen-Keimlinge und weiter unten auch für diejenigen von Drassica zeigen werde, gelingt es ganz leicht und mit fast unfehlbarer Sicherheit, eine ausgesprochene heliotropische Krümmung des künstlich verdunkelten Untertheils zu erzielen. S 22. Nachdem die angewandten Verdunkelungsmethoden schon oben 3 2077 ($ 7) beschrieben und discutirt worden sind, kann ich mich direct zu den Versuchen wenden. Versuch 12. Avena sativa. 12 etiolirte, 2—3 mm hohe Keimlinge. a) 5 Vergleichskeimlinge (der ganzen Länge nach beleuclıtet). b) 7 Versuchskeimlinge in Papierröhrchen .mit Deckel eingeschlossen, so dass anfänglich die Länge der beleuchteten Spitzen 1—3 mm beträgt. Nach 7 Stunden; a) Alle in der Basalregion sehr scharf gekrümmt, der OÖbertheil vollkommen oder nahezu vollkommen geradegestreckt. (Zeichnungen anzufertigen wurde leider versäumt.) b) (Fig. 16): Alle sehr deutlich in langer Region lichtwärts gekrümmt, einige bis zur äussersten Basis hinab; die ganze Krümmung befindet sich im verdunkelten Theil der Keiml'nge, das Krümmungsmaximum liegt in der Mitte ihrer Länge oder tiefer. —_ Fig. 16. 3 Keimlinge D am Schluss des Versuches, Versuch 13. Avena sativa. 22 halbetiolirte Keimlinge in 3 Töpfen. In zweien der Töpfe befindet sich die Erdoberfläche ca. 2 cm unter dem Topfrande; die Spitzen der Keimlinge ragen theils etwas über den Topfrand hervor, theils erreichen sie dessen Niveau nicht ganz. a) 8 Keimlinge in einem Topf dienen als Vergleichskeimlinge. b) Die genannten zwei Töpfe mit zusammen 14 Keimlingen werden bis an den Rand mit feingesiebter trockener Erde gefüllt, wobei einige Keimlinge ganz verschüttet werden, während bei der Mehrzahl eine 2 mm lange oder etwas längere Spitze am Licht bleibt. Nach 6 Stunden: a) Die Keimlinge sind meist bis zur Basis gekrümmt und der Obertheil ist bei der Mehrzahl geradegestreckt; doch ist im Ganzen die Krümmung relativ schwach (a, Fig. 17). Fig. 17. 3 Keimlinge a und 4 Keimlinge d am Schluss des Versuches. Bei den zwei kleineren 5 trat die Spitze erst im Laufe des Versuches aus der Erde hervor. b) Bei 10 Keimlingen befindet sich eine mehrere mm lange Spitze am Licht (bei einigen ist sie erst im Laufe des Versuches aus der Erde heı vorgetreten); die übrigen 4 Keimlinge sind noch ganz verschüttet. Alle jene 10 Keimlinge sind fast in ganzer Länge gekrümmt (2, Fig. 17) und stehen in Bezug auf den Grad der Krümmung den Vergleichskeimlingen nur wenig nach; der Unterschied besteht hauptsächlich darin, dass das Krümmungsmaximum höher liegt als bei den Vergleichskeimlingen, und dass der Obertheil sich bei den Versuchskeimlingen nicht oder nur unvollkommen gerade- gestreckt hat. 55 Diese zwei Beispiele!) zeigen zur Genüge, dass sich der Untertheil des Cotyledo, auch wenn er vollständig verdunkelt ist, unter dem alleinigen Einfluss der von der beleuchteten Spitze übermittelten Reizung sehr wohl und zwar ziemlie)ı stark krümmen kann; sie bieten also einen direeten Beweis der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes und sie be- stätigen zugleich, dass sich der Reiz bis an die Basis des Cotyledo fortpflanzt. Um nun aber den schou in der Einleitung angeführten Einwänden Wiesner’s, denen zufolge die Krümmung des verdunkelten Untertheils über haupt nicht auf Heliotropismus, sondern auf „Zugwachsthum‘ beruhen könnte, allen Boden zu entziehen, war es erforderlich sich zu überzeugen, ob die- selbe Erscheinung auch bei Rotation am Klinostat, also bei Ausschluss der einseitigen Schwerkraftwirkung und folglich auch des „Zugwachsthums“ statt- findet. Zu diesem Zweck wurden 4 Versuche mit Avena angestellt, welche alle das gleiche Resultat ergaben, nämlich dass der verdunkelte Untertheil bei den rotirenden Keimlingen sich stärker krümmt als bei den aufrecht- stehenden Keimlingen desselben Versuches, — wie es zu erwarten war; zur Verdunkelung dienten in diesen Versuchen Papierschürzen, welche auf den Keimlingen so fest aufsitzen, dass sie auch bei Rotation in vertiealer Ebene sich nicht im Mindesten verschieben. Die Details der Versuche an- zuführen ist wohl überflüssig, und ich begnüge mich mit einem Hinweis auf Fig. 15, welche die Form zweier Keimlinge mit verdunkeltem Untertheil nach 6stündiger Rotation wiedergiebt. 7 EEE Zi \\ \\ \ Fig. 18. Heliotropische Krümmung im verdunkelten Untertheil zweier Keim- linge von Avena sativa nach 6stündiger Rotation am Klinostaten um horizontale Achse, Ursprünglich waren die Keimlinge nicht unbeträchtlich von der Lichtquelle weggeneigt. Im Ganzen wurden zur Constatirung der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, unter Anwendung der drei bereits beschriebenen Methoden, 14 Ver- suche mit Avena und zwei Versuche mit Phalaris angestellt, in denen 79 Versuchskeimlinge der ersteren und 13 der letzteren Species zur Be- obachtung gelangten. Die Länge der beleuchteten Spitze betrug (bei Beginn 1) Weitere Beispiele liefern die Keimlinge a in Vers. 15 \$ 24) und Vers. 16 ($ 25). des Versuchs) stets nur einige mm. Die Dauer der Exposition variirte von 3'e2 bis 3 Stunden; meist betrug sie sicherheitshalber 6 bis 3 Stunden, das ist erheblich mehr als zur Erzielung eines klaren Resultates nothwendig ge- wesen wäre. Die Höhe der Keimlinge variirte in ziemlich weiten Grenzen, Bei allen 13 Keimlingen von Phalaris und bei 74 Keimlingen von Avena war das Resultat ein ausgesprochen positives, d. h. es kam im verdunkelten Untertheil eine zweifellose, mehr oder weniger starke Krümmung in Richtung der Lichtquelle zu Stande Nur in 3 Versuchen mit Avena wurden einzelne zweifelhafte Fälle (im Ganzen 5) beobachtet, die sich aber sämmtlich auf bestimmte Ursachen zurückführen lassen: einmal krümmte sich bei einem unter 6 Versuchskeimlingen auch die beleuchtete Spitze nur schwach, und im Untertheil war die Krümmung zweifelhaft; der ganze Satz von Keimlingen, welcher zu diesem Versuch diente, war schon ziemlich alt und daher wenig krümmungsfähig, bei den meisten wurde im Laufe des Versuchs der Cotyledo durchbrochen, und bei dem einen in Rede stehenden Keimling war das Laubblatt am weitesten hervorgetreten, Ein anderes Mal war bei 3 unter 13 Versuchskeimlingen die Krümmung des verdunkelten Untertheils sehr schwach und ziemlich undeutlich; diese 3 gehörten ebenfalls zu einem Satz von Keimlingen, die sich sämmtlich (mit Einschluss der in ganzer Länge beleuchteten) als ungewöhnlich wenig krümmungsfähig er- wiesen. In einem dritten Versuch endlich krümmte sich einer unter 4 Ver- suchskeimlingen überhaupt nicht, es war dies aber ein abnorm gestalteter Keimling mit grossem Längsriss im Cotyledo. Der Vergleich der Versuchskeimlinge mit den in ganzer Länge beleuchteten Keimlingen giebt in verschiedenen Versuchen etwas verschiedene Resultate: bald ist die Krümmung der ersteren relativ schwach, während die Vergleichs- keimlinge stark gekrümmt sind, — bald ist der Unterschied im Grade der Krümmung nur unbedeutend. Ein gewisser Unterschied zu Gunsten der Vergleichskeimlinge ist immer vorhanden, wie auch zu erwarten ist in An- betracht dessen, dass bei ihnen der Untertheil des Cotyledo auch eine directe heliotropische Reizung erfährt. — Die Länge der gekrümmten Region des verdunkelten Untertheils betrug im ungünstigsten Fall etwas weniger als l cm, während in den günstigsten Fällen sich der ganze verdunkelte Theil bis zur äussersten Basis hinab krümmte, d. i. eine Strecke von 3—4 cm Länge. Die beleuchtete, mehr oder weniger stark geneigte Spitze war fast immer ganz geradegestreckt, so dass sich die gesammte Krümmung im ver- dunkelten Theil befand; in den günstigen Fällen begann die Krümmung erst in einiger Entfernung unterhalb der Lichtgrenze. Im Ganzen überwogen die günstigen Fälle bedeutend, und ich habe mehrere Versuche zu verzeichnen, in denen der verdunkelte Untertheil sich bei sämmtlichen Keimlingen sehr stark krümmte. Schliesslich sei noch ein Versuch mit Avena erwähnt, der in anderer Weise als die bisher besprochenen ausgeführt wurde. Auf die Keimlinge wurden lange, eng anschliessende Stanniolröhrehen so aufgeschoben, dass sie 97 nur die äusserste Basis und eine 5 mm lange Spitze freiliessen. Die Keim- linge wurden 3 Stunden lang exponirt und dann, nach Entfernung der Stanniolröhrchen, im Dunkelschrank aufgestellt. Der Versuch gab ein aus- gesprochen positives Resultat: nach 1'z Stunden erwies sich bei allen Keim- lingen die von dem Stanniolröhrchen umschlossen gewesene Strecke in ganzer Länge deutlich in Richtung der früheren Lichtquelle gekrümmt; die helio- tropische Reizung der Spitze hatte sich also auf die verdunkelte Strecke fortgepflanzt und hatte in ihr heliotropische Nachwirkung hervorgerufen. $ 23. Mehrere der oben besprochenen Versuche (z. B. der Versuch 12 mit Fig. 16) haben gelehrt, dass der von der Spitze aus übermittelte Reiz im verdunkelten Untertheil so starke heliotropische Krümmung hervorrufen kann, wie sie durch directe Reizung des Untertheils nie erzielt wird. Um jedoch völlig zuverlässigen Aufschluss über die relative Stärke der beiden heliotropischen Reizungen zu erhalten, welche unter den normalen Be- dingungen gleichzeitig im Untertheil wirken müssen, ist es erwünscht, deren Effecte an ein und denselben Keimlingen mit einander vergleichen zu können. Dies lässt sich erreichen, wenn man Spitze und Untertheil der Keimlinge gleichzeitig, aber von entgegengesetzten Seiten einseitig beleuchtet, so dass z. B. die Spitze nur von rechts, der Untertheil nur von links beleuchtet wird, und zwar mit Licht von gleicher Intensität. Es ist zu erwarten, dass unter solehen Bedingungen anfänglich jeder der beiden Theile, in Fulge directer Reizung, sich nach derjenigen Seite krümmen wird, von welcher er Licht erhält, also dass der Untertheil sich schwach nach links, die Spitze stärker nach rechts krümmen wird. Dann, wenn der von der Spitze ausgehende Reiz bereits Zeit gehabt hat sich basalwärts fort- zupflanzen, werden im Untertheil des Cotyledo die beiden Reizungen, welche ihn in entgegengesetztem Sinne zu krümmen streben, mit einander in Antagonismus treten. Sind beide genau gleich stark, so wird sich der Untertheil schliesslich wieder vertical aufrichten müssen. Ist aber (was nach den bisherigen Erfahrungen das Wahrscheinliche ist) die von der Spitze über- mittelte Reizung bedeutend stärker als die directe, so muss erstere die letztere überwinden, und die anfängliche Linkskrümmung des Untertheils wird in eine Rechtskrümmung übergehen müssen, d. i. also in eine von der den Unter- theil beleuchtenden Lichtquelle gerade weggerichtete Krümmung. Da ferner die Reizung sich von der Spitze nach unten allmälig und zwar ziemlich langsam fortpflanzt, so wird diese Umkrümmung nicht im ganzen Untertheil gleichzeitig stattfinden, sondern sie wird sich allmälig in basipetaler Richtung ausbreiten. Zur Ausführung solcher Versuche!) wurde ein Topf mit Keimlingen mitten zwischen zwei Argandlampen aufgestellt, möglichst genau in deren I!) Diese Versuche, ebenso wie auch die anderen in diesem Rapitel noch zu be sprechenden, wurden nur mit den Keimlingen yon Avena sativa angestellt. 98 Verbindungslinie und in solcher Höhe, dass sich die Keimlinge in gleichem Niveau mit den beiden Gasflammen befanden. Vor allem muss vermieden werden, dass die die Spitze beleuchtende Flamme auch nur ganz wenig lichtstärker sei als die andere, denn dies würde die Beweiskraft eines etwaigen positiven Resultates in Frage stellen; da es nun kaum möglich ist absolut gleiche Lichtintensität der beiden Flammen zu erzielen, so regulirte ich sicherheitshalber die Flammen so, dass der Untertheil der Keimlinge zweifellos etwas stärkeres Licht erhielt als die Spitze; wird trotzdem ein positives Resultat erzielt, so ist dasselbe offenbar nur um so beweisender. Einige Keimlinge wurden beiderseits in ganzer Länge beleuchtet gelassen, um als Photometer zu dienen. Im ersten derartigen Versuch wurde einseitige Beleuchtung der Spitze und des Untertheils von entgegengesetzten Seiten dadurch erzielt, dass auf die Versuchskeimlinge die uns bereits bekannten Papierschürzen aufgesetzt wurden; vgl. Fig. 1 ($. 17), welche genau die gegenwärtige Versuchs- anstellung illustrirt, wenn man sich vorstellt, dass das Lieht nicht blos von links, sondern auch von rechts einfällt; die von der Schürze nicht bedeckte Basis wurde vor dem Licht der rechten Lampe durch einen auf der rechten Seite an den Topf befestigten, 1 cm über dessen Rand vorragenden Streifen mattschwarzen Papiers geschützt. Der Topf mit den so vorbereiteten Keim- lingen wurde in einem beiderseits oflenen Kasten aufgestellt, welcher dem Lieht beider Lampen Zutritt gestattete, seitliches Licht aber abhielt. Dieser Versuch gab ein positives Resultat; noch schlagender war aber das Resultat eines zweiten, etwas anders eingerichteten Versuches. Um die einzelnen Keimlinge wurden in die Erde Röhren aus mattschwarzem Papier gesteckt, die im Ganzen so beschaffen waren wie die in $ 7 be- schriebenen Papierröhrchen, aber auf zwei entgegengesetzten Seiten mit eirca 7 mm breiten Längsausschnitten versehen waren: in der linken Wand unten war ein langer, in der rechten Wand oben ein kurzer Ausschnitt gemacht; das obere Ende des ersteren befand sich. auf gleichem Niveau mit dem unteren Ende des letzteren. Die ganze Einrichtung wird durch die schematische Fig. 19 7m2 Baleee I Fig. 19. l. Papierröhre mit zwei Ausschnitten, mit eingeschlossenem Keimling von Avena sativa, im schematischen Längsschnitt; die Stellen der Papier- röhre, wo sich die Ausschnitte befinden, sind punktirt dargestellt. Die Spitze des Keimlings erhält Licht nur von rechts, der Untertheil nur von links. IIa und Ild. Querschnitte durch Papierröhre und Keimlinge in den Niveaus a und b der Zeichnung 1. 59 veranschaulicht. Dasjenige Niveau, in welchem die beiden Ausschnitte endigen, bildet gleiehzeitig die Grenze der beiden entgegengesetzten Be- leuchtungen (die Liehtgrenze). Die Röhren wurden so angefertigt, dass diese Grenze wenige mm unter der Spitze des Keimlings zu liegen kam, und dass der obere Rand der Röhre die Spitze des Keimlings ziemlich bedeutend überragte. Unten wurden die Röhren ringsum mit etwas Erde umschüttet. Bei dieser Einrichtung erhielt eine kurze Spitzenregion des Keimlings Licht nur von der rechten Lampe, durch den Ausschnitt oben rechts; dann folgte eine kurze Zone (nicht mehr als 1 mm), die sich im Halbschatten befand und von beiden Seiten schwaches zerstreutes Licht erhielt; der ganze übrige Cotyledo erhielt direetes Licht von der linken Lampe, dureh den linken unteren Ausschnitt. Versuch 14. Avena sativa. Ein kleiner Topf mit 6 etiolirten, 2,0—3,7 cm hohen Keimlingen wird im Dunkel- zimmer zwischen zwei Lampen aufgestellt; die Mitte des Topfes ist 45 cm von dem Vorderrande der Flammen entfernt. Die Keimlinge sind in die oben beschriebenen Papierröhren eingeschlossen; die Lichtgrenze befindet sich 3—6 mm unter deren Gipfel. Die Papierröhren beschatten einander nicht. — Dicht daneben und ebenfalls genau in der Mitte zwischen beiden Flammen ist ein zweiter kleiner Topf mit mehreren jungen etiolirten Avena-Keimlingen aufgestellt, welche beiderseits in ganzer Länge beleuchtet sind. Diese Photometer-Keimlinge bleiben lange Zeit vollkommen gerade, doch am Schluss des Versuches ist die Mehrzahl leicht nach links gekrümmt, — zum Beweis, dass das Licht der linken (den Untertheil der Versuchskeimlinge be- leuchtenden) Lampe ein wenig stärker ist, wie es auch beabsichtigt war. Nach 1!/, Stunden: Bei allen Versuchskeimlingen der Untertheil merklich nach links, die Spitze ziemlich stark nach rechts gekrümmt, die Keimlinge deutlich S-förmig. Die Grenze der beiden Krümmungen fällt, soweit sich beurtheilen lässt, mit der Lichtgrenze zusammen, Nach 3 Stunden: Die Grenze der beiden Krümmungen ist bereits deutlich basalwärts verschoben, und in einer gewissen mittleren Region der Keimlinge (von bei verschiedenen Individuen verschiedener Länge) ist die anfängliche Linkskrümmung bereits in eine unverkennbare Rechtskrümmung übergegangen; eine untere Region, die vorläufig noch mindestens die halbe Länge der Keimlinge umfasst, ist noch deutlich nach links gekrümmt. Nach 5 Stunden wird der Versuch abgeschlossen: die Liehtgrenze wird durch . 5 . . . . D eine Tuschmarke bezeichnet und die Papierröhren werden abgenommen. Es zeigt 60 sich, dass bei allen Keimlingen die Rechtskrümmung eine lange, meist weit unter die Lichtgrenze hinabreichende Region umfasst. Bei mehreren Keimlingen erstreckt sie sich fast an die Erdoberfläche, so dass von der Linkskrümmung nur noch eine Spur an der äussersten Basis erhalten ist (2, Fig. 20); bei längerer Expositionsdauer wäre sicherlich auch diese Spur verschwunden. Bei den übrigen Keimlingen (nämlich bei den höheren) ist eine deutliche Linkskrümmung noch in einer längeren Basal- region erhalten, die aber höchstens die halbe Länge des Keimlings ausmacht (1, Fig. 20). Die von der Spitze aus übermittelte heliotropische Reizung erweist sich also als die bedeutend stärkere: in dem Masse wie sie sich basalwärts fortpflanzt, überwindet sie vollkommen den direeten Einfluss einseitiger Beleuchtung des Untertheils der Keimlinge. Der angeführte Versuch 14 scheint mir überhaupt in jeder Hinsicht lehr- reich zu sein; alle die Hauptpunkte, die wir bisher durch eine Reihe be- sonderer Versuche beweisen mussten, nämlich die Empfindlichheit des Unter- theils der Keimlinge, die weit stärkere Empfindlichkeit einer kurzen Spitzen- region, endlich die ausgiebige Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, — alles dies wird hier mit einem Schlage in eleganter Weise ad oculos demonstrirt. S 24. Kann sich der heliotropische Reiz nur von der besonders empfind- lichen Spitze, oder auch von anderen, weniger empfindlichen Zonen des Cotyledo aus fortpflanzen ? Zur Entscheidung dieser Frage wurde sowohl die Spitze der Keimlinge (mittels Stanniolkappen), als auch der untere Theil (auf eine der üblichen Weisen) verdunkelt, so dass nur eine unter der Spitzenregion gelegene Zone von geringer Länge beleuchtet blieb; es sollte sich zeigen, ob der ver- dunkelte Untertheil sich auch unter Umständen krümmen wird. Hierbei muss man berücksichtigen, dass die Reizung der beleuchteten Zone schon an sich schwach ist und nur geringe Krümmung zu bewirken vermag; wenn sie sich auf den verdunkelten Untertheil fortpflanzt, so kann sie hier begreiflicherweise nur eine noch schwächere Wirkung haben, und daher kann das Resultat einer solchen Fortpflanzung, wenn sie auch that- sächlich stattfindet, für uns leicht unmerklich oder doch zweifelhaft bleiben. Daher wäre es unzulässig aus negativen Befunden zu schliessen, dass keine Fortpflanzung stattfindet, und entscheidende Bedeutung darf man nur positiven Resultaten beimessen, da diese anders als durch Fortpflanzung der helio tropischen Reizung nicht zu erklären sind. Die zwei ersten Versuche ergaben in der That ein im Ganzen zweifel- haftes und nur für einzelne Keimlinge positives Resultat. Ein entscheidendes positives Resultat lieferte erst ein dritter Versuch, der mit aussergewöhnlich rasch wachsenden und höchst krümmungsfähigen Keimlingen ausgeführt wurde. 61 Versuch 15. Avena sativa. 3 Töpfe mit 21 etiolirten Keimlingen verschiedener Höhe, theilweise mit mehr oder weniger entwickeltem, bis zu 8 mm hohem Hypocotyl. Die Erdoberfläche in den Töpfen befindet sich tiefer als deren Rand; zum Versuch werden alle 3 Töpfe bis an den Rand mit feiner trockener Erde gefüllt, wodurch der Untertheil der Keim- linge in einer Strecke von 1,5—1,8 cm verdunkelt wird. — Zur Beleuchtung dient Tageslicht. a) Ein Topf mit 6 Keimlingen von 2,8—3,7 cm Höhe dient zur Controle, wie stark überhaupt bei dem gegebenen Material die Krümmung des verdunkelten Unter- theils werden kann; der über die Erde vorragende, 21/,—12 mm lange Theil der Keimlinge bleibt voll beleuchtet. Der Topf enthält überdies noch 4 jüngere Keimlinge, die anfänglich ganz verschüttet sind. b) Ein zweiter Topf enthält 6 Keimlinge von 2,8—3,9 cm Höhe, der dritte fünf Keimlinge von 2,1—2,8 cm Höhe; mittels Stanniolkappen werden den ersteren 71/,, den letzteren 41), mm Spitze verdunkelt. In beiden Töpfen variirt die Länge der beleuchtet bleibenden mittleren Zone zwischen 21), und 12 mm; die Länge der be- leuchteten Zone ist also dieselbe wie bei den Vergleichskeimlingen, und nur deren Lage ist eine andere, Nach 61/, Stunden: a) Bei fast allen älteren Keimlingen ist inzwischen das Laubblatt hervorgetreten; ihr oberirdischer Theil ist jetzt 71/;—20 mm lang. Derselbe ist ganz geradegestreckt und stark geneigt, und hinter jedem Keimling befindet sich in der Erde ein sehr deutliches flaches Grübehen, was von vornherein auf die Existenz einer unterirdischen Krümmung hinweist. In der That zeigt sich im verschütteten Theil aller Keimlinge eine starke Krümmung, welche eine wenigstens 12—15 mm lange Strecke umfasst. — Bei den 4 jüngeren Keimlingen ist die Spitze des Cotyledo im Laufe des Versuches über die Erde hervorgetreten, und jetzt ist deren oberirdischer Theil 9—18 mm lang (ungemein rapides Wachsthum!); derselbe ist ebenfalls ganz gerade und stark geneigt, und der unterirdische Theil ist bis zur Basis hinab sehr stark gekrümmt. Ueberhaupt liefern die Keimlinge a dieses Versuches eins der besten Beispiele für die heliotropische Krümmung des verdunkelten Untertheils infolge Reiz- fortpflanzung. b) Die Länge der beleuchteten mittleren Zone beträgt jetzt 10—20 mm. Dieselbe ist mehr oder weniger lichtwärts geneigt und entweder ganz geradegestreckt oder leicht aufwärts gekrümmt. Der unterirdische Theil ist bei 4 Keimlingen nicht merklich oder nur zweifelhaft gekrümmt; bei den übrigen 7 ist er hingegen deutlich gekrümmt, und bei der Mehrzahl erstreckt sich die Krümmung bis zur Basis des Cotyledo. Im Vergleich mit den a sind die Krümmungen sehwach, — wie zu erwarten war. Fig. 21 stellt zwei Keimlinge der Gruppe 5 dar, der linke ist derjenige, dessen unterirdischer Theil sich am stärksten gekrümmt hat. BR 9: Wir sehen, dass auch von einer Zone des wenig empfind- lichen Theils des Cotyledo aus der heliotropische Reiz sich auf andere Zonen fortpflanzen und günstigenfalls in letzteren eine sehr deutliche Krümmnng hervorrufen kann. Angesichts dessen müssen wir es für wahrscheinlich halten, dass über- haupt jede heliotropisch empfindliche Zone des Cotyledo den empfangenen Reiz auch den benachbarten Zonen übermittelt. S 25. Kann sich der heliotropische Reiz auch in acropetaler Richtung fortpflanzen ? Factisch pflanzt sich der Reiz stets in basipetaler Richtung fort, da ja die Spitze des Cotyledo weit stärker gereizt wird als der Untertheil. Doch hat es gewiss ein theoretisches Interesse zu untersuchen, ob auch in um- gekehrter Richtung eine Fortpflanzung möglich ist. In den gewöhnlichen Bedingungen lässt sich diese Frage überhaupt nicht entscheiden, denn durch die Krümmung des unteren Theiles des Cotyledo wird dessen oberer Theil, auch wenn er selbst verdunkelt ist, passiv in die Gleichgewichtslage gebracht, in der eine heliotropische Krümmung natürlich nicht mehr stattfinden kann. Man muss also die Versuche so anstellen, dass der Untertheil der Keimlinge zwar heliotropisch gereizt wird, aber sich nicht krümmen kann. Um dies zu erreichen, wurden die Versuchskeimlinge in Glasröhrchen eingeschlossen, deren Durchmesser gerade gestattete, sie mit ganz leichtem Druck auf die Keimlinge aufzuschieben; das untere Ende der Röhrchen wurde in die Erde gesteckt, das obere überragte mehr oder weniger be- trächtlich den Gipfel der Keimlinge. Auf den Keimlingen wurde vorher mit Tusche die Stelle markirt, bis zu welcher der Obertheil verdunkelt werden sollte (die Länge des verdunkelten Obertheils betrug Y"s—2 der Gesammt- länge der Keimlinge), und bis zu dieser Stelle wurde der obere Theil der Glasröhrehen entweder mit Stanniol in mehrfacher Lage umwickelt, oder mit dickem schwarzem Lack bemalt. Die Vergleichskeimlinge wurden in gleicher Weise in Glasröhrchen eingeschlossen, blieben jedoch in ganzer Länge be- leuchtet. — Auf diese Weise können die Keimlinge sich zwar nicht krümmen, aber bei einseitiger Beleuchtung muss in ihnen eine heliotropische Spannung zu Stande kommen, welche nach Befreiung aus den Glasröhrchen sich in die entsprechende Krümmung umsetzt. Bei den Vergleichskeimlingen muss sich der Obertheil in seiner ganzen Länge krümmen, bis zur äussersten Spitze — was auch thatsächlich geschieht. Bei den Versuchskeimlingen müsste, falls eine Fortpflanzung des heliotropischen Reizes vom beleuchteten Untertheil zum verdunkelten Obertheil stattfindet, dasselbe eintreten, nur müsste die Krümmung in ihrer ganzen Ausdehnung schwächer sein; wenn hingegen Reizfortpflanzung in acropetaler Richtung nicht stattfindet, so müsste der verdunkelt gewesene Obertheil ganz gerade bleiben und nur passiv (durch die Krümmung des Untertheils) eine gewisse Neigung annehmen. Es wurden im Ganzen 4 solche Versuche gemacht, in denen die Keim- linge 5—7'/2 Stunden lang hellem, horizontal einfallendem Tageslicht aus- gesetzt wurden; in ihnen gelangten zusammen 18 Versuchskeimlinge zur Beobachtung. Bei 11 von diesen Keimlingen blieb der Obertheil unzweifel haft vollkommen gerade (beim Anlegen an ein Lineal war nicht die geringste Abweichung zu erkennen); bei 4 Keimlingen war er zwar merklich ge- krümmt, aber nicht in der Richtung zur Lichtquelle, so dass die Krümmungen wohl autonome gewesen sein dürften; nur bezüglich dreier Keimlinge konnte ein Zweifel bestehen, ob nicht im Obertheil eine sehr geringe Krümmung in Riehtung der Lichtquelle vorhanden ist (welche nb. trotzdem auch autonomen Ursprungs sein könnte), dieselbe war aber so schwach, dass einige unbetheiligte Personen, denen ich die Keimlinge zeigte, sie meist nicht ent- decken konnten. Die Versuche führen also zu dem merkwürdigen und meinen Erwartungen ganz entgegengesetzten Resultat, dass die heliotropische Reizung sich in akropetaler Richtung nicht fortpflanzt. Wenn auch gegen diese Möglichkeit sich a priori keine zwingenden Gründe anführen lassen, so ist jedenfalls das obige Ergebniss mit Vorsicht aufzunehmen, denn, wie leicht verständlich, können auch in diesem Falle negative Resultate nicht vollkommen beweis- kräftig sein; mit Sicherheit dürfen wir also nur soviel sagen, dass sich die Möglichkeit der Fortpflanzung der heliotropischen veizung in akropetaler Richtung experimentell nicht hat nachweisen lassen. Der Weg der Reizfortpflanzung. S 26. Da der Cotyledo nur zwei opponirte, ohne jegliche Anastomosen in verticaler Richtung verlaufende Leitstränge enthält (vgl. $ 9), so kann man schon a priori sagen, dass die Leitstränge jedenfalls nicht die einzigen Bahnen für die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes sein können; denn sonst wäre bei einer bestimmten Stellung der Symmetrie-Ebene (nämlich wenn dieselbe mit der Ebene des Lichteinfalls zusammenfällt, wenn also das Licht senkrecht zu der beide Leitstränge in sich aufnehmenden Ebene ein- fällt) ein Einfluss der Beleuchtung der Spitze auf die Krümmung des Unter- theils nicht gut denkbar, während thatsächlich dieser Einfluss sich immer in gleicher Weise geltend macht, unabhängig davon, wie die Symmetrie-Ebene zur Lichtquelle orientirt ist. Die Abwesenheit der Anastomosen erlaubt uns aber auch experimentell zu entscheiden, ob die Leitstränge überhaupt eine wesentliche Rolle bei der Reizfortleitung spielen. Es genügt, den Cotyledo an zwei opponirten Stellen, wo die Leitstränge liegen, zu durchschneiden, den ganzen Untertheil so zu verdunkeln, dass auch die operirte Stelle bereits im Dunkeln ist und darauf die Spitze einseitig zu beleuchten. Alsdann ist eine Verbindung zwischen der Spitze und dem unterhalb der Operationsstelle liegenden Theil nur noch durch parenchymatische Gewebe vorhanden, und wenn der letztere Theil 64 sich auch jetzt krümmt, so ist klar, dass der heliotropische Reiz sich im Parenchym des Grundgewebes (incl. Epidermis) fortgepflanzt hat. Dieses Experiment wird jedoch durch den Umstand etwas erschwert, dass die Leitstränge, obgleich in dem isolirten, durchscheinenden Cotyledo leicht mit blossem Auge sichtbar, an den unverletzten Keimlingen selbst mit der Lupe schwer zu erkennen sind, so dass man darauf angewiesen ist aus der Form der Spitze des Cotyledo auf ihre Lage zu schliessen. Um also mit Wahrscheinlichkeit darauf rechnen zu können, dass die Leitstränge wirklich vollständig durchschnitten sind, darf man die Quereinschnitte in den Cotyledo nicht zu kurz machen; in meinen Versuchen wurde (durch beide Einschnitte zusammengenommen) stets mindestens "/; der Gesammtperipherie des Cotyledo durchschnitten. Sicherheitshalber wurde überdies nach Schluss des Versuches die operirte Stelle aller Cotyledonen mikroskopisch darauf geprüft, ob wirklich die Leitstränge ganz durchschnitten waren, — eine Vorsichtsmassregel, die sich als keineswegs überflüssig erwies. Durch solche ausgedehnte Einschnitte werden nun aber nicht blos die Leitstränge, sondern es wird auch ein bedeutender Theil (bis zur Hälfte) des Grundgewebes durchschnitten. Daher muss durch die Operation die Krümmung des verdunkelten Untertheils unvermeidlich mehr oder weniger vermindert werden, und aus einem negativen Resultat dürfen wir folglich nicht ohne weiteres schliessen, dass die Leitstränge zur Fortleitung des heliotropischen Reizes nothwendig sind; falls aber, trotz des bezeichneten Umstandes, positive Resultate erzielt werden, so werden dieselben um so beweisender für die Reizleitung im Grundgewebe sein (ohne natürlich die Möglichkeit auszuschliessen, dass im intacten Cotyledo nebenher und ohne wesentliche Aenderung des Resultates der Reiz sich auch im lebenden Gewebe der Leitstränge fortpflanzen kann). Nachdem ich mich zunächst durch Vorversuche überzeugt hatte, dass die Operation an sich keine die Krümmungsfähigkeit wesentlich vermindernde Wirkung hat, führte ich 4 Versuche aus, in denen 12 operirte Keimlinge und 8 nicht operirte Vergleichskeimlinge untersucht wurden. Versuch 16. Avena sativa. 6 etiolirte, 3—4 cm hohe Keimlinge. — Beleuchtung mit Tageslicht. a) 3 Vergleichskeimlinge. b) 3 Versuchskeimlinge. Diesen wird der Cotyledo an zwei Stellen, wo voraus- sichtlieh die Leitstränge liegen, mit der Spitze eines scharfen Skalpells quer durch- schnitten. Die Einschnitte sind etwas weniger als 1 cm vom Gipfel des Cotyledo entfernt; der eine Einschnitt befindet sich ein wenig höher als der andere, Allen Keimlingen werden Papierschürzen aufgesetzt, welche den Untertheil mit Einschluss der operirten Stelle verdunkeln; die beleuchtete Spitze ist 4)/, bis 7, mm lang. Nach 6 Stunden wird der Versuch abgeschlossen; inzwischen ist bei allen Keimlingen mit Ausnahme eines b der Cotyledo durchbrochen worden, die Keim- linge waren also schon etwas alt, und es sind folglich nur mässige Krümmungen zu erwarten, 65 a) Bei allen drei Keimlingen eine ausgesprochene, wenn auch nicht gerade starke Krümmung im verdunkelten Untertheil (a, Fig. 22). Fr @ [2 Fig. 22. Die Zeichen > < bei den Keimlingen 5 bezeichnen das Niveau, wo die Leitstränge durchschnitten sind. b) Bei zwei Keimlingen ist die Krümmung des verdunkelten Untertheils nur wenig schwächer als bei den a (d, Fig. 22), bei dem dritten ist sie sehr zweifelhaft. — Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass bei allen Keimlingen die Leitstränge des Cotyledo ganz durchschnitten sind. Ein zweiter Versuch, in dem zur Verdunkelung des Untertheils trockene Erde benutzt wurde, gab überhaupt kein brauchbares Resultat, die operirten Keimlinge krümmten sich nämlich gar nicht, auch nicht in der beleuchteten Spitze; dieses abnorme Verhalten dürfte vielleicht darin seinen Grund haben, dass die operirten Keimlinge in Folge der ihnen beigebrachten Wunden unter der austrocknenden Wirkung der Erde leiden. — In den übrigen zwei Ver- suchen wurde der Untertheil der Keimlinge mittels Papierröhren mit Deckel verdunkelt; beide Versuche lieferten sehr gute Ergebnisse: alle Versuchs- keimlinge (zusammen 6) krümmten sich recht stark, nur wenig schwächer als die Vergleichskeimlinge. Ich führe die zu einem dieser Versuche ge- hörige Zeichnung an (Fig. 23), um zu zeigen, dass die Krümmung des Fig. 23. Zwei Keimlinge von. Avena sativa mit durch- schnittenen Leitsträngen und verdunkeltem Untertheil, nach 6stündiger Exposition. Bedeutung der Zeichen wie in Fig. 22. verdunkelten Untertheils bei den operirten Keimlingen auch stärker sein kann, als es in Versuch 16 der Fallwar, Die mikroskopische Untersuchung Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft. I. 5 66 ergab, dass bei drei von den sechs Keimlingen beide Leitstränge ganz durchschnitten waren, bei zwei weiteren Keimlingen war nur der eine Leit- strang durchschnitten, und beim sechsten Keimling war der eine Leitstrang intact und der andere nur angeschnitten; diese Verhältnisse hatten aber auf den Krümmungsgrad keinen merklichen Einfluss. Es ist hiermit bewiesen, dass der heliotropische Reiz sich im Parenchym des Grundgewebes fortpflanzt. S 27. Von den Keimlingen der zahlreichen anderen Gramineen, welche ich geprüft habe (abgesehen von den im folgenden Kapitel zu besprechenden Paniceen), erwiesen sich die meisten als für meinen Zweck unbrauchbar) wegen allzu geringer heliotropischer Krümmungsfähigkeit. Die übrigen, welche nb. ebenfalls bedeutend weniger krümmungsfähig sind als Avena sativa und Phalaris canariensis, verhalten sich in den wesentlichen Punkten gerade so wie die eben genannten Species, so dass eine eingehendere Untersuchung überflüssig war. Es waren das folgende fünf Species: Ehrharta panicea, Avena brevis, Bromus imermis, Secale cereale, Hordeum hexastichum. Mit den Keimlingen dieser Arten wurden 10 Versuche über die Ver- theilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo ausgeführt: überall fand sich schwache, aber unverkennbare Empfindlichkeit des Untertheils, er- heblich stärkere Empfindlichkeit einer kurzen Spitzenregion, und ein be- deutender Einfluss der letzteren auf die heliotropische Krümmung des Unter- theils. Beispielshalber sei angeführt, dass in einem Versuch mit Hordeum hexastichum die erreichte mittlere Neigung betrug: bei den Vergleichs- keimlingen 45°, bei den Versuchskeimlingen (4—6 mm Spitze ver- dunkelt) 23°. Ferner überzeugte ich mich in drei Versuchen (mit Ehrharta panicea, Avena brevis und Bromus inermis), dass der mittels trockener Erde ver- dunkelte Untertheil der Keimlinge sich unter dem Einfluss eines von der beleuchteten Spitze transmittirten Reizes heliotropisch krümmt. Mit den anderen Species habe ich solche Versuche nicht gemacht. Unter den Keimlingen aus anderen Familien der Monocotylen habe ich vergeblich nach geeigneten Versuchsobjecten gesucht. IV. Versuche mit Keimlingen von Paniceen'). Eingehend habe ich die Keimlinge von drei Species untersucht, nämlich von Panicum sanguwinale, Panicum miliaceum und Setaria viridıs ; einige wenige Versuche habe ich ferner mit Eleusine Coracana angestellt. Die Keimlinge dieser vier Species verhalten sich in allen wesentlichen Punkten völlig gleich, und können daher zusammen besprochen werden. Anders verhalten sich hingegen die Keimlinge von Sorghum vulgare, welche am Schluss des Kapitels gesondert behandelt werden sollen. Bau und Eigenschaften der Keimlinge. S$ 28. Für alle untersuchten Paniceen ist es charakteristisch, dass das Hypocotyl sich stark entwickelt, während der Cotyledo kurz bleibt, — also gerade umgekehrt wie bei den anderen untersuchten Gramineen, wo das Hypoeotyl meist sogar überhaupt nicht zur Entwickelung gelangt. Bei den Paniceen entwickelt sich das Hypocotyl auch dann, wenn die Keimung am Licht stattfindet; es wird alsdann so lang, meist sogar mehrere Mal länger als der Cotyledo. Verdunkelung, insbesondere continuirliche Ver- dunkelung von Beginn der Keimung an, steigert bedeutend die Wachsthums- intensität des Hypocotyls und verlängert überdies die Dauer seiner Wachs- thumsfähigkeit (sie hat also hier dieselbe Wirkung auf das Hypocotyl, wie bei den anderen Gramineen auf den Cotyledo). Unter solchen Bedingungen kann das Hypocotyl bei Panicum sanguinale bis zu 3 cm, bei Panicum miliaceum und bei Setaria selbst bis zu 5 oder 6 cm lang werden, — das ist eine relativ sehr bedeutende Länge, da der Durchmesser des Hypocotyls kaum " mm beträgt. — Die anatomische Structur er Hypocotyls bietet nichts, was für uns von Belang wäre. Der Cotyledo wird bei Panicum miliaceum 6—7 eg mm (ausnahmsweise bis 9 mm), bei Panicum sanguinale und Setarıa nur 3—6 mm lang. Er ist etwas dicker als das Hypocotyl und von spindelförmiger Gestalt: von der Mitte aus nimmt sein Durchmesser nach beiden Seiten ab, basal- wärts allmälig, apicalwärts etwas schneller (a, Fig. 24, auf 8. 69). Der anatomische Bau des Cotyledo (bei Setaria untersucht) ist in der Hauptsache der gleiche wie bei Avena und Phalaris ($ 9), nur ist hier natürlich alles entsprechend dünner und zarter. An den Flanken, wo die Leitstränge eingeschlossen sind, besteht der Cotyledo, ausser den beiden Epidermen, aus zwei (selten drei) Schichten Mesophyll; auf der Dorsalseite ist nur eine Schicht Mesophyll vorhanden, und in der Mitte der Ventralseite fehlt das Mesophyll ganz, so dass hier, auf einer mehrere Zellen breiten Strecke, die beiden Epidermen direct aneinander grenzen. Auch bei den Paniceen. ist 1) Die Paniceen sind hier im weiteren Sinne gefasst, d. i. als Unterfamilie, nicht als Tribus, E ri 65 somit der dünne Längsstreif auf der Ventralseite des Cotyledo vorhanden; auch hier wird derselbe schliesslich an seinem oberen Ende, unterhalb der äussersten Spitze desCotyledo, von dem hervortretenden Laubblatt durchbrochen. Der Cotyledo wächst einigermassen schnell nur in der ersten Zeit seiner Entwickelung; bald nach seinem Hervortreten über die Erdoberfläche wird sein Wachsthum so unbedeutend, dass die Messung mit Maassstab in 24 Stunden keinen merklichen Zuwachs ergiebt; am intensivsten bleibt das Wachsthum an der äussersten Basis des Cotyledo, an seiner Grenze gegen das Hypocotyl, wie man zwar nicht durch directe Messung, aber aus der Verzerrung eines hier angebrachten Tuschfleckchens sich überzeugen kann. Die Folge eines so schnellen Erlöschens des Wachsthums ist, dass der Cotyledo sehr früh von dem Laubblatt durchbrochen wird. Namentlich bei Panicum sangwinale erfolgt die Durchbrechung oft schon, wenn der Cotyledo kaum aus der Erde hervorgetreten ist; bei Setaria pflegt sie etwas später zu erfolgen, und am längsten bleibt der Cotyledo bei Panicum miliaceum geschlossen, wo auch sein Wachsthum am längsten andauert. — Selbst durch vollkommene Verdunkelung kann der Zeitpunkt der Durch- brechung des Cotyledo nur um ein Geringes hinausgeschoben werden. Im Gegensatz hierzu ist das Wachsthum des Hypocotyls sehr intensiv, wenn es auch nicht gerade viel länger als dasjenige des Cotyledo andauert. In seiner ganzen Länge wächst das Hypocotyl nur in der ersten Zeit, solange es erst wenige mm misst; dann beschränkt sich das Wachsthum mehr und mehr auf eine relativ kurze Spitzenregion, nach einiger Zeit wächst nur noch eine apicale Zone von nicht mehr als 1 mm Länge, und schliesslich, etwa eine Woche nach der Keimung oder wenig später, erlischt das Wachsthum des Hypocotyls ganz. Die Vertheilung der Wachsthumsintensität im Hypocotyl ist eine streng acropetale. Markirt man auf jungen Hypocotylen Querzonen von 11. mm Länge, so findet man, dass in der ersten (obersten) Zone das Wachsthum sehr intensiv ist und in basipetaler Richtung rapid abnimmt. Als Beispiel mag die folgende Tabelle dienen. In zwei Töpfen mit zahlreichen halb-etiolirten jungen Keimlingen von Setaria viridis wählte ich vier resp. sechs Keimlinge mit geradem Hypocotyl und theilweise schon hervorgetretenem Laubblatt aus, und markirte auf den Hypocotylen, von deren Spitze aus, je drei bis vier 11, mm lange Zonen. Das Wachsthum geschah im Dunkeln, die Messung erfolgte nach 23 Stunden. Die Zahlen geben den Zuwachs in Procenten der Anfangslänge der Zonen an. Zonen | Erster Beni | Mittelf Zweiter Topf | Mittel R 490 | 490 | 460 | 420 | 465 150 , 110 | 140 | 150 | 150 | 100 | 127 | 1. 130 | 80 = | 2 1201 0o0| oo! no! ol ol ol 5 IH. 20| 10 Su 28: -1-10.| 20:15:20. 4510 spare 8 IV. 042.70 5:1 || 0 Gesammt- ee des ypocotyls 9,6 | in mm en De oO on ke) ker} Do = an rer In =) DD ber) © »> os > 12) “D 69 Die Tabelle zeigt auch, wie verschieden die Wachsthumsintensität in verschiedenen Kulturen ausfallen kann; nb. waren die Keimlinge im zweiten Topf nicht älter, sondern sogar etwas jünger als im ersten Topf. — Das Hervorbrechen des Laubblattes hat auf das Wachsthum des Hypocotyls keinen merklichen Einfluss. Die heliotropische Krümmungsfähigkeit der Paniceen-Keimlinge ist im allgemeinen eine sehr bedeutende. Was den Cotyledo anbetrifft, so ist der- selbe freilich zu starker Krümmung nur in der Jugend befähigt, solange die Keimlinge noch so klein sind, dass sich mit ihnen nicht bequem experimentiren lässt; wenn dagegen der Cotyledo sich schon seiner definitiven Länge nähert, — was ja sehr frühzeitig geschieht —, so wird, entsprechend seinem höchst langsamen Wachsthum, auch seine Krümmungsfähigkeit sehr gering, und es erfordert schon Aufmerksamkeit, zu constatiren, dass der Cotyledo, solange er noch geschlossen ist, an der heliotropischen Krümmung überhaupt theilnimmt. An älteren, schon durchbrochenen Cotyledonen kann man selbst mit Hilfe des Mikroskops keine Spur einer Krümmung bemerken. Die heliotropische Krümmung vollzieht sich also bei jüngeren Keimlingen vornehmlich, bei älteren ausschliesslich im Hypocotyl. Markiren wir auf dem oberen Theil jüngerer Hypocotyle kurze Querzonen, so können wir verfolgen, wie die Krümmung zuerst in der Gipfelzone sich einstellt (b, Fig. 24) und nach einiger (relativ langer) Zeit auch eine oder mehrere ne En Hle, [£ Fig. 24. Schematische Zeichnungen von Keimlingen von Setaria viridis, a ein gerader etiolirter Keimling mittleren Alters. b Form des Keimlings nach stattgefundener heliotropischer Krümmung. ce Form des Keimlings nach andauernder Exposition. der folgenden Zonen ergreift, nämlich alle diejenigen Zonen, welche noch in wenn auch nur langsamem Wachsthum begriffen sind; indessen beginnt die Gipfelregion sich geradezustrecken, die Krümmung beschränkt sich mit der Zeit auf eine immer kürzer werdende Strecke, und concentrirt sich zuletzt in der äussersten Basis der wachsenden Region des Hypoecotyls (c, Fig. 24). Zu dieser Zeit bildet der Obertheil des Hypocotyls, der sich in Folge des intensiven Wachsthums der obersten Zone mehr oder weniger ansehnlich verlängert hat, mitsammt dem Cotyledo eine vollkommen gerade Linie in der Gleichgewichtslage zwischen Geotropismus und Heliotropismus. Inzwischen hört die Stelle, wo sich die Krümmung befindet, ganz zu wachsen auf, und so bleibt nach genügend langer Exposition die scharfe, fast winkelige Krüm- mung für immer im Hypocotyl fixirt. 70 In einem späteren Entwickelungsstadium ist natürlich nur noch die allein wachsende Gipfelzone des Hypocotyls krümmungsfähig, und gegen Ende des Wachsthums beschränkt sich die Krümmungsfähigkeit auf ein ganz kurzes Stück an der Grenze von Hypocotyl und Cotyledo, welches alsdann geradezu wie ein Charnier wirkt. Selbstverständlich ist um diese Zeit die Krümmungs- fähigkeit bereits stark vermindert, es ist eine relativ lange Exposition er- forderlich, um eine geringe Neigung des Cotyledo zu bewirken ; und schliesslich erlischt mit dem Wachsthum des Hypocotyls auch die Krümmungsfähigkeit des Keimlings definitiv. Ich hebe hervor, dass bei den Paniceen-Keimlingen, im Gegensatz zu den Keimlingen der anderen Gramineen, die Durchbrechung des Cotyledo keineswegs einen Wendepunkt darstellt, von dem an die Krümmungsfähigkeit rapid sinkt; vielmehr kann hier die Krümmungsfähigkeit selbst dann noch recht ansehnlich bleiben, wenn das Laubblatt sich schon auszubreiten be- sonnen hat. Es hängt dies damit zusammen, dass bei den Paniceen die Krümmung vom Hypocotyl besorgt wird, und dass sie folglich nicht, wie bei den anderen Gramineen, vom Wachsthum des Cotyledo abhängig ist. Dank diesem Umstande sind die Paniceen-Keimlinge auch nach dem Her- vorbrechen des Laubblattes noch sehr wohl zu Experimenten brauchbar, und viele meiner Versuche wurden eben mit solchen älteren Keimlingen gemacht. Stört das Laubblatt, so kann man es unmittelbar über der Spitze des Cotyledo abschneiden '), was auf die Krümmungsfähigkeit des Keimlings ohne Einfluss ist; nur darf dabei der Cotyledo nicht verletzt werden, — warum, wird man aus Kapitel X ersehen. Die geotropische Krümmung verläuft bei den Paniceen, mutatis mutandis, genau so wie die heliotropische. Für diejenigen, welche etwa wünschen sollten, meine Versuche zu wieder- holen, bemerke ich, dass die Keimlinge aller Paniceen ‘sehr caprieiöse Objecte sind: die eine Öultur reagirt sehr schnell und stark (z. B.: Krümmung schon nach 1"; Stunden ziemlich stark, definitive heliotropische Neigung 70° oder 80°), eine andere, äusserlich ganz gleiche Cultur reagirt auf die nämliche Beleuchtung weit schlechter (z. B.: die Krümmung wird erst nach 3—4 Stunden ansehnlich, und die definitive Neigung übersteigt nicht 40° oder 50°); will man also vergleichende Versuche mit mehreren Culturen anstellen, so ist es unumgänglich, sich zuvor von deren Vergleichbarkeit zu überzeugen. Es kommt sogar vor, dass eine ganze grosse Ausssaat lauter 1) Noch einfacher wäre es, das Laubblatt herauszureissen, was sehr leicht ge- lingt, — dies hebt aber, soweit ich beobachtet habe, die Krümmungstähigkeit des Keimlings ganz auf. Man darf hieraus nicht etwa schliessen, dass das Laubblatt eine wesentliche Rolle bei der heliotropischen Krümmung spielt; dasselbe ermangel vollkommen der heliotropischen Empfindlichkeit, und die Aufhebung der Krümmungs- fähigkeit wird keineswegs durch den Mangel des Laubblattes bedingt, sondern höchst wahrscheinlich durch die mit dessen Entfernung verbundene Verwundung seiner An- heftungsstelle 71 Culturen ergiebt, die wegen abnorm geringer Krümmungsfähigkeit nicht zu brauchen sind. Diese Differenzen müssen, da das Aussaatmaterial immer dasselbe war, in irgendwelchen kleinen Verschiedenheiten in der Vor- bereitung der Culturen ihren Grund haben, Näheres vermag ich aber nicht anzugeben. Nachweis, dass nur der Cotyledo heliotropisch empfindlich ist. S 29. Schon die Vorversuche ergaben in dieser Hinsicht ein ganz ent- scheidendes Resultat, und ein solcher Vorversuch möge hier als Beispiel Platz finden. Versuch 17. Setaria viridis und Eleusine SCoracana. Auf feuchtes Fliesspapier in einer Krystallisirschale waren Samen von Setaria, in einer zweiten Krystallisirschale Samen von Zleusine ausgesät worden. Die Schalen standen die ganze Zeit auf dem Tisch in der Nähe des Fensters, nur mit einer zweiten, als Deckel dienenden Krystallisirschale bedeckt. Am 1. Februar hatten sich zahlreiche Keimlinge beider Species entwickelt; bei allen Keimlingen von Bleusine war das Laubblatt schon mehr oder weniger weit hervorgetreten, bei den Keimlingen von Setaria war hingegen der Cotyledo noch durchgängig geschlossen; die Länge der Hypocotyle variirte individuell in ziemlich weiten Grenzen. Alle Keimlinge waren in fast gleichem, bedeutendem Grade zum Fenster geneigt. Ich hatte mich schon vorher von der grossen heliotropischen Krümmungsfähigkeit dieser Keimlinge über- zeugt: ich hatte die Krystallisirschalen wiederholt mehr oder weniger stark um ihre Achse gedreht, und jedesmal waren nach wenigen Stunden alle Keimlinge wieder genau zum Fenster geneigt. Am 1. Februar Nachmittags setzte ich zahlreichen Keimlingen beider Species enge Stanniolkappen auf, welche genau bis zur Basis des Cotyledo hinabreichten, so dass der ganze Cotyledo (bei Hleusine mitsammt dem hervorgetretenen Laubblatt) verdunkelt, das Hypocotyl aber in seiner ganzen Länge beleuchtet war. Darauf wurden beide Krystallisirschalen um 90° gedreht, so dass die Krümmungsebene aller Keimlinge dem Fenster parallel stand. Schon nach 21/, Stunden waren alle nicht mit Stanniolkappen versehenen Keim- linge (genauer gesagt deren Cotyledo nebst dem wachsenden Obertheil des Hypocotyls) wieder genau zum Fenster gerichtet, während bei allen Keimlingen mit Stanniolkappen die Krümmungsebene ihre anfängliche Lage parallel dem Fenster ganz unverändert beibehalten hatte. Am Morgen des folgenden Tages sind die Keimlinge ohne Stanniolkappen nach wie vor stark fensterwärts geneigt. Von den Keimlingen mit Stanniolkappen haben sich die meisten geotropisch aufgerichtet und stehen genau vertical, ohne Spur einer heliotropischen Krümmung; andere sind ebenfalls zum Fenster geneigt, und zwar sind das durchgängig solche, bei denen das wachsende Laubblatt (welches über Nacht auch bei vielen Keimlingen von Setaria hervorgetreten ist) die Stanniolkappe be- trächtlich emporgehoben hat, so dass etwa die halbe Länge des Cotyledo beleuchtet ist. Bei einigen anderen Keimlingen ist die Stanniolkappe nur sehr wenig empor- geheben worden, so dass nur die äusserste Basis des Cotyledo dem Licht ausgesetzt ist: diese Keimlinge stehen gerade so vollkommen vertical wie diejenigen, deren Cotyledo in seiner ganzen Länge verdunkelt ist, Es sei noch ausdrücklich hervorgehoben, dass die Krümmung überall, wo vor- handen, im Obertheil des Hypocotyls stattgefunden hatte, und dass dieser Obertheil nebst dem Cotyledo ganz geradegestreckt war. 72 Aus diesem Versuch folgt erstens, dass das Hypocotyl gar nicht helio- tropisch empfindlich sein kann, da es sich nicht im mindesten heliotropisch krümmte, obgleich es in seiner ganzen Länge ziemlich andauernder ein- seitiger Beleuchtung ausgesetzt war. Dagegen ist der Cotyledo in hohem Grade heliotropisch empfindlich, denn wird ausser dem Hypocotyl auch der Cotyledo, oder selbst nur dessen untere Hälfte, einseitig beleuchtet, so erfolgt schon nach relativ kurzer Zeit eine starke Krümmung. Eine Ausnahme bildet jedoch die äusserste Basis des Cotyledo, deren Beleuchtung keine heliotropische Krümmung zur Folge hat; diese äusserste Basis ist also offenbar ebenso- wenig heliotropisch empfindlich, wie das Hypocotyl Da weiter die helio- tropische Krümmuug, obgleich nur durch die einseitige Beleuchtung des Cotyledo verursacht, dennoch nicht von diesem, sondern vom Hypocotyl aus- geführt wird, so folgt mit unabweisbarer Nothwendigkeit, dass die helio- tropische Reizung sich vom Cotyledo auf das Hypocotyl fortpflanzt und dessen Krümmung veranlasst. In dem Hypocotyl der Paniceen ist uns somit ein Organ gegeben, dessen heliotropische Krümmung durch den alleinigen Einfluss eines übermittelten Reizes, und zwar eines von einem anderen, morphologisch ganz heterogenen Organ aus übermittelten Reizes, veranlasst wird. Es ist wohl unnöthig noch besonders hervorzuheben, dass diese Verhältnisse ganz eigenartig und von den bei den anderen Gramineen- Keimlingen constatirten wesentlich verschieden sind. Um die Richtigkeit der aus obigem Versuch gezogenen Folgerungen zu prüfen resp. ihnen eine breitere experimentelle Grundlage zu geben, habe ich noch weitere 12 Versuche (die Vorversuche nicht mitgerechnet) ausge- führt, nämlich 5 mit Setaria, 1 mit Eleusine, 2 mit Panicum miliaceum und 4 mit Panicum sangwinale. Auf diese Versuche wurde mehr Sorgfalt verwandt als auf den mitgetheilten Vorversuch: es wurde möglichst homogenes Material von in Töpfe gepflanzten, etiolirten oder halb-etiolirten Keimlingen benutzt; es wurde für streng einseitige Beleuchtung und streng horizontalen Lichteinfall gesorgt; die Neigung der Keimlinge wurde gemessen (oft mehrere Mal im Laufe eines Versuchs), die Zahl der Keimlinge und die Expositionsdauer notirt. Doch wäre es überflüssig, diese Versuche oder auch nur einige ausgewählte unter ihnen hier mitzutheilen, da sie an Resultaten nichts neues bieten und nur die Ergebnisse des Versuches 17 in allen Punkten vollkommen bestätigen. Ich begnüge mich desshalb damit, die, sozusagen, statistischen Ergebnisse dieser Versuche zusammenzustellen. Die Expostionsdauer variirte von 4—8° Stunden. Die definitive Neigung der voll beleuchteten Vergleichskeimlinge war in fast allen Versuchen sehr bedeutend, meist 70—80°, wenn auch in vielen Versuchen einzelne Keim- jinge sich erheblich schwächer krümmten; nur in einem Versuch überstieg die Neigung der Vergleichskeimlinge nicht 50°. Im Ganzen gelangten in den 12 Versuchen zur Beobachtung: «) mehr als 113 Vergleichskeimlinge, 5b) 95 Versuchskeimlinge (Cotyledo ganz oder mit Ausschluss der äussersten Basis mittels Stanniolkappe verdunkelt, 75 Hypoeotyl in ganzer Länge beleuchtet). Die 4 krümmten sich ohne Aus- nahme heliotropisch, meist stark oder sehr stark, nur in vereinzelten Fällen mässig oder ziemlich schwach. Von den Db zeigten S5 nicht die geringste Spur einer heliotropischen Krümmung, und nur 10 krümmten sich schwach oder sehr schwach. Von diesen 10 sind aber 6 nur scheinbar Ausnahmen von der Regel. In zweien von diesen Fällen war die Stanniolkappe im Laufe des Versuchs von dem sich streckenden Laubblatt soweit emporgehoben worden, dass sich nicht nur die äusserste Basis, sondern auch ein Theil der empfindlichen Region des Cotyledo am Licht befand. Bei vier weiteren Keimlingen war die sehr geringe Lichtwärtskrümmung höchst wahrscheinlich nur durch autonome Nutation hervorgerufen: in den zwei Versuchen, wo diese Fälle vorkamen, waren viele der Versuchskeimlinge in verschiedenen Richtungen leicht gekrümmt, es ist daher ein ganz natürlicher Zufall, dass bei einigen Keimlivgen die Richtung dieser Krümmung ganz oder nahezu mit der Richtung zum Licht zusammenfiel. — Es bleiben somit nur vier Keimlinge, für deren von der Norm abweichendes Verhalten in meinen Notizen der Grund nicht angegeben ist; dieselben gehören zu zweien meiner ersten Versuche, wo ich noch nicht so genau das Verhalten jedes einzelnen Keimlings verfolgte; ich zweifle kaum daran, dass auch diese vier Ausnahmen von der Regel nur scheinbare sind. Unter anderem liefern diese Versuche mit Pamiceen auch den ent- scheidenden Beweis dafür, dass die Bedeckung der Spitze von Keimlingen mit Stanniolkappen vollständigen Schutz vor einseitiger Beleuchtung gewährt (vgl. die Auseinandersetzung in $ 6). Würde die möglicherweise durch Reflexion von der Erdoberfläche in’s Innere der Stanniolkappen eindringende Lichtmenge die geringste heliotropische Wirkung haben, so könnten die so überaus krümmungsfähigen Paniceen-Keimlinge unmöglich gerade bleiben. Und doch schloss hier der Rand der Stanniolkappen niemals dicht an den Cotyledo an, oft sassen die Kappen sogar ganz lose auf den Keimlingen. Wenn also hier keine heliotropische Wirkung innerhalb der Stanniolkappen stattfand, so ist diese Befürchtung bei den im vorigen Kapitel besprochenen Versuchen ganz und gar ausgeschlossen. Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Cotyledo. $ 30. Es erhebt sich nun die Frage, ob der Cotyledo in seiner ganzen Länge gleichmässig heliotropisch empfindlich ist (mit Ausnahme der, wie schon nachgewiesen, gar nicht empfindlichen äussersten Basis), oder ob seine Spitze, ähnlich wie in den Cotyledonen der anderen Gramineen, sich durch stärkere Empfindlichkeit auszeichnet. Zur Entscheidung dieser Frage wurden Versuche angestellt, in denen eine Gruppe von Vergleichskeimlingen (a) ohne Stanniolkappen belassen wurde, während auf die Keimlinge einer zweiten Gruppe (b)kurze Stanniolkappen aufgesetzt wurden, welche nur das obere Drittel bis höchstens die obere Hälfte des Cotyledo verdunkelten. Ist die Spitze des Cotyledo empfindlicher als dessen Untertheil, so ist zu erwarten, dass 74 die b sich langsamer krümmen und schliesslich eine geringere Neigung er- reichen werden, als die «; besteht hingegen kein solcher Unterschied zwischen Spitze und Untertheil des Cotyledo, so werden die b zwar anfänglich viel- leicht hinter den « zurückbleiben, die definitive Neigung wird aber in beiden Gruppen die gleiche sein müssen, — denn die bei Avena gewonnene Er- fahrung ($ 18), dass die Länge der beleuchteten Strecke, bei gleich grosser Empfindlichkeit, ohne Einfluss auf die erreichte Neigung ist, dürfen wir wohl auch auf die Paniceen übertragen. Es bestätigte sich die erste der beiden Annahmen. Von 10 Versuchen gaben 3 ein zwar positives, aber nicht genügend schlagendes Resultat; die übrigen 7 Versuche hingegen (2 mit Panicum sangwinale, 2 mit Panicum miliaceum, 3 mit Setaria) gaben übereinstimmend sehr überzeugende Resultate. In ihnen wurden zusammen 67 Vergleichskeimlinge (a) und 38 Versuchskeimlinge (b) untersucht. Die letzteren erreichten ausnahmslos eine erheblich geringere Neigung als die mittlere Neigung der a im selben Versuch, und in einigen Versuchen wurde auch constatirt, dass sie sich später zu krümmen begannen als die a; 3 Keimlinge der Gruppe b in zwei Versuchen, welche 6Ys resp. 57 Stunden dauerten, blieben sogar völlig ungekrümmt. Von den 67 Keimlingen der Gruppe @ wichen nur sehr wenige von der Norm ab, indem ihre Neigung nicht grösser war als die mittlere Neigung der b im selben Versuch; so verhielten sich nur: in einem Versuch 1 Keimling unter 9, und in einem zweiten Versuch „einzelne‘ (wieviele ist in meinen Notizen nicht gesagt) unter 21. Beispielshalber theile ich die Endergebnisse zweier Versuche mit. Ich bemerke, dass die (arithmetische) Differenz der Neigungen in Versuch 18 die geringste, in Versuch 19 eine der grössten ist, die überhaupt beobachtet wurden. Versuch I3. Panicum sanguinale. a) 4 Vergleichskeimlinge. 2) 5 Keimlinge mit Stanniolkappen, welche nicht mehı als die obere Hälfte des Cotyledo verdunkeln. Nach 5 Stunden, Neigung des Obertheils: a) 30—50°, mittel 40°. b) 10—20°, mittel 16°. Versuch 19. Panicum miliaceum. a) 11 Vergleichskeimlinge. b) 4 Keimlinge mit Stanniolkappen, welche 13—1/, des Cotyledo verdunkeln. Nach 81/, Stunden, Neigung des Obertheils: a) 40—80°, mittel 63°. b) 20—25°, mittel 21°. Wir sehen also, dass im Cotyledo der Paniceen (immer abgesehen von dessen äusserster Basis) im Wesentlichen eine ebensolche Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit besteht wie im Cotyledo von Avena etc.: der Untertheil des Cotyledo ist nur wenig, der Obertheil des- selben stark heliotropisch empfindlich. Ob auch hier die starke 75 Empfindlichkeit nur einer Spitzenregion von begrenzter, relativ sehr geringer Länge eigenthümlich und der Rest des Cotyledo gleichmässig- empfindlich ist, oder ob die Empfindlichkeit von der Spitze zur Basis continuirlich und allmälig abnimmt, das entzieht sich bei diesen sehr kleinen und zarten Objecten begreiflicherweise der Entscheidung, ebenso wie manche andere Speeialfragen, die für Avena gelöst wurden. Heliotropische Krümmung des künstlich verdunkelten Hypocotyls infolge Reizfortpflanzung. S 31. Wenn es auch nach dem in $ 29 Dargelegten keines weiteren Beweises mehr bedarf, dass die heliotropische Krümmung des Hypocotyls durch einen zugeleiteten Reiz bedingt ist, so war es doch auch hier er- forderlich sich zu überzeugen, ob sich auch das vollkommen verdunkelte Hypoecotyl heliotropisch zu krümmen vermag. Dass dies der Fall ist, das lehren auch bei den Paniceen schon ge- legentliche Beobachtungen: in Töpfen, die einige Zeit einseitiger Beleuchtung ausgesetzt waren, findet man zuweilen ganz junge Keimlinge, bei denen nur ein kurzes Stück des Cotyledo aus der Erde hervorragt und dabei stark lichtwärts geneigt ist, woraus auf das Bestehen einer starken Krümmung im unterirdischen Theil des Keimlings geschlossen werden muss. Ausserdem habe ich fünf Versuche ausgeführt (zwei mit Setaria, zwei mit Panicum sanguinale, einen mit Pamicum miliaceum), in denen das Hypocotyl künstlich, durch Verschütten mit feiner trockener Erde, verdunkelt wurde (die übrigen Methoden, deren ich mich bei den Versuchen mit den anderen Gramineen bediente, sind hier nicht anwendbar). Bei der Kleinheit der Objecte erfordern die Schlüsse aus solchen Versuchen Vorsicht. Es muss natürlich gefordert werden, dass das Hypocotyl in seiner ganzen Länge, mit Einschluss der Spitze, vollkommen verdunkelt sei, folglich dürfen nur solehe Keimlinge in Betracht gezogen werden, bei denen auch noch am Schluss des Versuches nur ein Theil des Cotyledo (jedenfalls nicht viel mehr als die Hälfte) über die Erdoberfläche hervorragt; am beweiskräftigsten sind solche Fälle, in denen erst im Laufe des Versuches ein kurzes Spitzchen des Cotyledo über die Erde getreten ist. In den besagten Versuchen wurden zusammen über 63 Keimlinge ge- funden, welche diesen Bedingungen genügten; bei allen war der oberirdische Theil des Cotyledo mehr oder weniger (bis zu 70°) lichtwärts geneigt und dabei völlig gerade, und überall fand sich nach Entfernung der verdunkelnden Erde eine entsprechende Krümmung im Hypocotyl, in einer erst einige mm unter der Erdoberfläche beginnenden Region. Versuche mit Sorghum vulgare. $ 32. In Kazan erhielt ich keimfähige Samen einer Panicee, dieim Amur- gebiet unter dem Namen Gao-lan eultivirt wird und deren botanischer Name angeblich Soryhum vulgare ist. Die Keimlinge zeichnen sich dureh ihre LIU bedeutende Grösse aus: im etiolirten Zustande wird unter Umständen das Hypoecotyl bis 7 cm, der Cotyledo bis über 3 cm lang, und der Durch- messer beider beträgt 1—1"2 mm. Der Cotyledo bleibt viel länger wachs- thumsfähig als bei den anderen Paniceen; die Vertheilung der Wachsthums- intensität ist eine rein basipetale, und oft wächst der obere Theil schon vor dem Hervortreten des Laubblattes gar nicht mehr; im Hypocotyl ist die Vertheilung der Wachsthumsintensität eine rein acropetale, und in nicht sehr jungen Hypocotylen wächst nur eine kurze Spitzenregion, hier aber ist das Wachsthum weit intensiver als irgendwo im Cotyledo. Die heliotropische Krümmung beginnt im Cotyledo und erstreckt sich erst später auch auf die wachsende Spitzenregion des Hypocotyls; meist streckt sich schliesslich der Obertheil des Keimlings ganz gerade, zu einer scharfen Krümmung im Hypoeotyl, wie bei den anderen Pamiceen, kommt es jedoch nicht. Die heliotropische Krümmung vollzieht sich langsam, aber zuletzt wird nichts- destoweniger eine starke oder selbst sehr starke Neigung erreicht. Sorghum zeichnet sich nun vor den bisher besprochenen Objeeten da- durch aus, dass sein Hypocotyl unzweifelhaft heliotropisch empfindlich ist. Wird der ganze Cotyledo mittels Stanniolkappe verdunkelt, so findet dennoch eine Krümmung im Obertheil des Hypocotyls statt, die zu einer manchmal nicht unbeträchtlichen Neigung führt (Fig. 25, b). Dieselben Versuche b [7 Fig. 25. Heliotropische Krümmung etiolirter Keimlinge von Sorghum vulyare, nach 23stündiger Exposition (mit Einschluss der Nacht); Beleuchtung mit Tageslicht. a ein in ganzer Länge beleuchteter Keimling. b ein Keimling, dessen Cotyledo mittels Stanniolkappe verdunkelt war. Die Grenze zwischen Cotyledo und Hypocotyl ist durch einen Quer- strich bezeichnet. zeigen aber gleichzeitig, dass die Beleuchtung des Cotyledo einen bedeutenden Einfluss auf die Krümmung des Cotyledo hat. Die Keimlinge mit ver- dunkeltem Cotyledo beginnen sich erst beträchtlich später zu krümmen, als die voll beleuchteten Vergleichskeimlinge, und die schliesslich erreichte Neigung ist bei ersteren bedeutend geringer. So betrug z. B. in einem 17 Versuch die erreichte Neigung der Hypoecotylspitze bei 5 Vergleichskeimlingen 65— 80”, im Mittel 74°, und bei 5 Keimlingen mit verdunkeltem Cotyledo 35—55°, im Mittel 41° (vgl. die zu diesem Versuch gehörige Fig. 25); in einem anderen Versuch betrugen die entsprechenden Mittelwerthe 62° und 26°. Cotyledo und Hypocotyl verhalten sich hier also so zu einander, wie bei Avena etc. Spitze und Untertheil des Cotyledo. Hält man diese Fälle mit dem Verhalten der in den vorausgehenden Paragraphen besprochenen Paniceen zusammen, so zeigt sich, dass die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit weder an die morphologische Dignität der Organe, noch an die systematische Stellung der Objecte sich kehrt. Weitere Untersuchungen habe ich mit Sorghum vulgare nicht an- gestellt, da dieses Object in Folge individuell sehr ungleichen Verhaltens der Keimlinge ein recht ungünstiges ist. V. Versuche mit Dicotylen-Keimlingen. Von den zahlreichen Dieotylenkeimlingen, welche ich geprüft habe, fand ich die Keimlinge von 16 Species für meine Zwecke mehr oder weniger ge- eignet. Dieselben verhalten sich, wie gezeigt werden wird, in mancher Hinsicht ziemlich verschieden. Eingehend untersucht wurden namentlich vier Species, nämlich Drassica Napus, Agrostemma Githago, Vieia sativa und Tropaeolum minus. A. Eigenschaften der Keimstengel. S$S 33. In anatomischer Hinsicht bieten die Keimstengel nichts von Belang. Dagegen ist die Kenntniss der Wachsthumsvertheilung für uns von Wichtigkeit. In dieser Hinsicht ist es allen untersuchten Keimstengeln ge- meinsam, dass das Maximum der Wachsthumsintensität nahe der Spitze ge- legen ist; trägt man 4\s mm lange Zonen auf, so findet man fast stets den stärksten Zuwachs in der ersten Zone (nur ganz ausnahmsweise, bei einzelnen Individuen, in der zweiten), und von hier an in basipetaler Richtung eine mehr oder weniger rapide Abnahme. Als Beispiel diene die folgende Tabelle. Auf den Hypocotylen von 9 etiolirten Keimlingen von Brassica Napus wurden, je nach ihrer Länge, vier bis sieben 4!/), mm lange Zonen markirt. Wachsthum im Dunkeln. Messung nach 25 Stunden. Die Ziffern geben den Zuwachs in Procenten der Anfangslänge der Zonen an, ERBETEN MD. DM Zonen 7 TER TR ; Ir Sr ne ) 2 3 4 5 6 1...) . 203 173 | 217 213 200 190 133 | 203 150 Mr .07. |: 15021. 180% | ag az an 97 100 83 IE | 03 | 108 | „oo | 00) | ar © Sc IV. 33 6D | "2841.03 13 20%. 107 ee 10 V. 10 RR 0 3: Se = a 0; ee 3 - | - | - | — = vi. en ea ea ae br ar Bei einigen anderen Keimstengeln, z. B. bei Vicia sativa (s. die Tabelle auf S. 79, A und B), ist der Abfall der Wachsthumsintensität noch ein weit plötzlicherer. Wie sich aus der Tabelle und zahlreichen anderen Messungen ergiebt, wächst das Hypocotyl von Brassica Napus, wenn es 4—5 Zonen, d.i. ca. 2 cm lang ist, noch in seiner ganzen Länge; dann hört eine immer länger werdende Basalregion zu wachsen auf, und im achsthum begriffen bleibt eine obere Region von eine Zeit lang fast constant bleibender Länge (4—6 Zonen = 1,8—2,4 cm). Aehnlich verhalten sich auch einige andere Keimstengel, bei denen aber die wachsende Region meist kürzer.ist; länger als bei Drassica fand ich dieselbe nur bei Tropaeolum, wo sie 3—4 cm umfasst. Bei Agrostemma wachsen die jungen, nicht über 2 cm langen Hypo- cotyle ebenfalls in ihrer ganzen Ausdehnung, von da an aber stellt nicht nur die Basis ihr Wachsthum ein, sondern die Länge der apicalen wachsenden Region nimmt rapid ab, so dass in ca. 3 cm hohen Keimlingen nur noch eine Strecke von kaum 1 cm Länge im Wachsthum begriffen ist. Eine gerade entgegengesetzte Erscheinung treffen wir bei Vicia sativa, welche eine etwas längere Auseinandersetzung erfordert. Bei den meisten Diecotylen mit unterirdischen Cotyledonen besteht der Keimstengel nur aus einem Internodium, dem Epicotyl, welches ein Paar Primärblätter trägt und sammt diesen in der äusseren Erscheinung dem Hypocotyl sammt Cotyledonen anderer Keimlinge täuschend ähnlich ist; charakteristisch ist es für beide Fälle, dass zunächst nur dies eine Internodium wächst und die zwischen den Cotyledonen resp. Primärblättern befindliche Endknospe erst dann sich zu entwickeln beginnt, wenn das Hypocotyl resp. Epicotyl sein Wachsthum abgeschlossen hat, — wodurch das Ende der Keimlingsperiode gekennzeichnet wird. Bei Vicia sativa (und anderen Vicieen) ist hingegen das epicotyle Internodium in nichts von den folgenden Internodien des Keim- stengels verschieden; die ersten (ca. 4) Internodien tragen je ein kleines Niederblatt, während weiter allmälige Uebergänge von den Niederblättern zu den Laubblättern führen; der Vegetationspunkt des Stengels ist von Anfang an in continuirlicher Thätigkeit begriffen, und der aus mehreren Internodien bestehende Keimstengel wächst so, wie bei anderen Keimpflanzen das einzelne Internodium, d.h. er hat nur ein Wachsthumsmaximum, von welchem ab das Wachsthum continuirlich, ohne sprungweise Aenderungen an den Knoten fällt. Ein scharf umgrenztes Keimlingsstadium in dem Sinne wie bei den meisten anderen Dieotylen existirt bei Viera gar nicht, und es ist nicht möglich zu sagen, wann das Pflänzchen aufhört ein Keimling zu sein. Während nun bei den übrigen untersuchten Dieotylenkeimlingen die Wachsthumsintensität von einem gewissen Zeitpunkt an abnimmt und die Länge der wachsenden Region mit dem Alter früher oder später abzunehmen beginnt, finden wir im Keimstengel von Vieia in beider Hinsicht eine eontinuirliche Zunahme mit dem Alter, wofür die folgende Tabelle ein Beispiel bietet. Auf etiolirten Keimlingen von Vieia sativa wurden von der Spitze!) aus 4!/, mm lange Zonen markirt. hänge derrKeimstengel und Versuchsdawer Zonen AR B. C. D. 11a—2 cm 3—4 cm 5—6 cm 63/4 —S1/a cm 22 Stunden 22 Stunden 22 Stunden SY/a Stunden | | | r 2008 | 2172 | 203% | 2508 | 335% | 2008 | 2605 | 267% | 385 | 433 | 605 | 408 IDG 305 | 335 475 , 505 | 1005 955 | 1305 | 1405 | 335 | 53% 503 | 405 11. O2 :20 102 | 108 | 332 208 | 33% | 573 | 30% | 373 | 333 | 405 IN; - | _ 0:10 0 12 | 132 | 238 | 208 | 338 | 278 | 338 I ee _ _ _ 012.0 0...) 102 | 202] 232 958 VI re = = = He 0, | 105°) 72 | Li NE: le — | — — | — —_ 0 050 73 Gesammt- zuwachs 10,4mm!| 11,3mm| 11, Tmm! 14,0mm|21,0mm 14,4 m 19, Tmm 21,9mm|5, Tmm 3,8mm 9, 0mm 9,0mm Region 0,9 em 1,35 cm 1,8 cm 2,25— 3,15 cm 1) Hier und überall im Folgenden ist unter „Spitze“ die Spitze des geraden Theiles des Keimstengels verstanden; wo, wie gerade bei Vicia, das obere Ende des Keimstengels im etiolirten Zustande hakenförmig gekrümmt ist, wird dieser gekrümmte Theil nicht mit in Betracht gezogen. Mittlerer Ge- | ‚m | ee rm | TI ——mmn nn | De TI —TTrm sammtzuwachs 10,8 mm 15,6 mm 18,7 mm S,1 mm Mittlerer Ge- sammtzuwachs pro Stunde 0,49 mm 0,71 mm 0,85 mm 0,99 mm Länge der wachsenden 80 $ 34. Die heliotropische Krümmungsfähigkeit ist bei allen untersuchten Keimlingen eine sehr bedeutende. Die erreichte Neigung ist meist sehr beträchtlich, namentlich bei Vicia und Tropaeolum, wo die Gleichgewichts- lage nur wenig von der Lichtrichtung abweichen dürfte; eine genauere Fest- stellung der Gleichgewichtslage wird dadurch erschwert, dass der Obertheil der Keimstengel starke Ösecillationen um dieselbe herum auszuführen pflegt (bei den soeben genannten zwei Objecten wird im ersten Anlauf die Licht- richtung oft nicht unbeträchtlich überschritten). Ferner kommen bei allen Dieotylenkeimlingen, wie) ein für alle Mal gesagt sein mag, sehr bedeutende Schwankungen der heliotropischen Krümmungsfähigkeit vor, sowohl unter ganzen Culturen, als auch unter den einzelnen Keimlingen einer Cultur; es wurden z. B. drei Töpfe mit je 4—6 gleichgrossen Keimlingen von Vieia gleichzeitig exponirt, und nach einiger Zeit wurde die Neigung der Spitze gemessen, wobei sich folgende Werthe ergaben: In Topf 1: 20—550, Mittel 41°. In Topf 2: 55—90°, Mittel 721/90. In Topf 3: 80—130°, Mittel 1029. Am schnellsten unter allen untersuchten Objecten erfolgt die heliotropische Krümmung bei Vicia: hier ist gewöhnlich schon a Stunden nach Beginn der Exposition die Spitze deutlich lichtwärts gekrümmt, und nach 2 Stunden oder selbst noch früher hat sie oft schon nahezu wagerechte Lage angenommen, Der Verlauf der heliotropischen Krümmung hängt einerseits von der Länge der wachsenden Region (welche immer mit der krümmungsfähigen Region zusammenfällt) und von der Vertheilung der Wachsthumsintensität innerhalb derselben ab, andererseits (wie vorgreifend bemerkt sein mag) von der Schnelligkeit und Intensität der Fortpflanzung des von der Spitze aus- gehenden heliotropischen Reizes. Darum haben die untersuchten Keimlinge nur soviel gemeinsam, dass die Krümmung stets in der Spitze des Keim- stengels beginnt, — im übrigen aber ist der Verlauf der Krümmung bei verschiedenen Keimlingen ein ungleicher. Bei Brassica erstreckt sich die in der Spitzenregion beginnende Krümmung successive auf die tieferen Zonen und der Obertheil streckt sich allmälig gerade, so wie bei Avena; aber der starke Abfall der Wachsthumsintensität in basipetaler Richtung bringt es mit sich, dass das Tieferrücken der Krümmung sich hier weit langsamer vollzieht. Der Obertheil kann schon stark gekrümmt sein, während die basalen Zonen der wachsenden Region noch gerade oder erst unbedeutend gekrümmt sind; die Krümmung ist daher schärfer als bei Avena, es fehlt jenes mittlere Stadium, in dem bei dieser der Cotyledo in langer Strecke ziemlich gleichmässig gekrümmt ist. Erst relativ spät erreicht die Krümmung die äusserste Basis der wachsenden Region, und dann bildet sich hier eine scharfe Krümmung in kurzer Strecke, während der ganze Obertheil gerade vorgestreckt ist. — Ebenso verhalten sich die meisten anderen Keimlinge mit relativ langer wachsender Region, so die übrigen untersuchten Cruciferen, Tropaeolum, Daucus Carota, Linum usitatissimum und Cannabis sativa. Bei Agrostemma, Zinnia elegans und Pharbitis hispida kommt es, wenigstens bei der in meinen Versuchen üblichen Expositionsdauer (bis zu 9 Stunden) überhaupt nicht zu einer Concentration der Krümmung an der äussersten Basis der wachsenden Region; der untere Theil der letzteren bleibt mässig gekrümmt, und die Geradestreckung betrifft nur einen etwa die Hälfte der wachsenden Region umfassenden Obertheil; vgl. Fig. 26, d. Da der Abfall der Wachsthumsintensität bei den genannten Keimlingen nicht rapider ist als bei Drassica ete., so deutet dies Verhalten auf eine relativ langsame Fortpflanzung des heliotropischen Reizes von der Spitze aus hin. Verlauf der heliotropischen Krümmung zweier Hypocotyle von Agrostemma (Githago. a nach 31/4, b nach 4"/,, ce nach 53/4, d nach 7 Stunden. Wieder einen anderen Habitus hat die heliotropische Krümmung junger Keimstengel von Vicia. Hier eilt die Geradestreckung der oberen Region dem Tieferrücken der Krümmung voraus, und daher finden wir schon in ziemlich frühem Stadium der Krümmung folgendes Bild: die Spitze ist in fast horizontaler Richtung gerade vorgestreckt, darauf folgt eine kurze, scharf gekrümmte Zone, und der übrige Theil des Keimlings steht vertical. Man könnte meinen, dass der Krümmungsprocess bereits beendet und die weitere Längenzunahme des horizontal vorgestreckten Theils nur auf Rechnung des intensiven Wachsthums der Spitzenregion zu setzen ist. Beobachtet man jedoch genauer Keimstengel, auf denen durch Tuschstriche nicht zu lange Querzonen markirt sind, so überzeugt man sich, dass die kurze Krümmungsregion sich, allerdings sehr langsam, basalwärts verschiebt, in successive tiefere Querzonen übergeht, während die oberen Querzonen eine nach der anderen in der geradegestreckten Region aufgehen. So er- reicht die fast rechtwinkelig bleibende Krümmung allmälig die äusserste Basis der wachsenden Region. — Dieser charakteristische Verlauf der Krümmung erklärt sich durch die sehr grosse heliotropische Empfindlichkeit des Objeets und den überaus rapiden Abfall der Wachsthumsintensität, — in älteren Keimstengeln, wo dieser Abfall nicht so rapid ist, ist auch die Krümmungsregion ausgedehnter und die Krümmung flacher, vgl. Fig. 37, a auf S. 110 —, ausserdem lässt er aber ebenfalls eine nur langsame Fort- pflanzung des heliotropischen Reizes vermuthen, Einen weiteren Typus bilden endlich diejenigen sehr zahlreichen, in meinen Untersuchungen durch Solanum Lycopersieum und Coriandrum Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft I. 6 82 sativum vertretenen Keimlinge, deren wachsende und krümmungsfähige Region kurz (weniger als 1 cm lang) ist, mit ebenfalls sehr plötzlichem Abfall der Wachsthumsintensität. Hier beschränkt sich die Krümmung lange Zeit auf eine nur wenige mm lange Spitzenregion und erstreckt sich erst spät und ganz allmälig auch auf den übrigen Theil der wachsenden Region ; zu einer Geradestreckung des Obertheils derselben kommt es aber überhaupt nicht, oder kam es wenigstens in meinen Versuchen nicht. Für heliotropische Versuche ist es begreiflicherweise wünschenswerth und eventuell sogar Bedingung, dass die krümmungsfähige Region nicht zu kurz sei; hiernach hat man sich also bei der Auswahl des Alters der Keimlinge zu richten. Bei Drassica und anderen sich ähnlich verhaltenden Objecten, wo die Länge der krümmungsfähigen Region längere Zeit nahezu constant bleibt, sind auch ziemlich alte Keimlinge noch ganz wohl brauchbar. Von Agrostemma u. a. sind nur Keimlinge von höchstens 53 cm Höhe zu Ex- perimenten brauchbar. Bei Vicia, wo die Länge der krümmungsfähigen Region mit dem Alter zunimmt, sind umgekehrt allzu junge Keimlinge un- brauchbar; ich operirte meist mit solchen von 2'"g—4 cm Höhe; noch ältere Keimlinge dieses Objects sind aus einem später zu besprechenden Grunde ebenfalls ungeeignet, B. Die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Keimstengel. S 35. Zunächst seien die Versuche mit Brassica Napus, Agrostemma Githago, Vieia sativa und einigen anderen Objeeten besprochen, welche sich betreffs der Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Wesent- lichen gleich verhalten. Versuch 20. Brassica Napus. 10 halbetiolirte, 3,3—5,8 cm hohe Keimlinge; dieselben hatten Tags vorher einige Zeit bei einseitiger Beleuchtung gestanden und sich in nahezu gleiehem Grade ge- krümmt; seitdem haben sie im Dunkelschrank gestanden und sich vollständig auf- gerichtet. a) 5 Vergleichskeimlinge. b) 5 Versuchskeimlingen die Hypocotylspitze mittels 71, mm langer Stanniol- röhrchen verdunkelt. Nach 2 Stunden: a) Alle in einer kurzen Gipfelregion ziemlich stark gekrümmt. 5) Theils mit zweifelhafter, theils mit deutlicher, aber schwacher Krümmung unter dem Verbande. Nach 4 Stunden: a) Die Krümmung umfasst eine 12—18 mm lange Region; die Spitze ist fast horizontal gerichtet, aber noch nicht ganz geradegestreckt. Ein Keimling bleibt in Jeder Hinsicht hinter den anderen zurück. 5) Alle deutlich, aber nur schwach gekrümmt. Nach 7 Stunden: a) Bei vier Keimlingen reicht die Krümmung bis zu 18—23 mm von der Hypocotyl- spitze, der Obertheil dieser Strecke ist geradegestreckt und unter 80—900 geneigt 5 (Fig. 27, a). Der fünfte Keimling ist nur in 9 mm langer Gipfelregion gekrümmt. Neigung seiner Spitze 60°. Mittel aus allen Keimlingen 82°, b) Der Obertheil der Hypocotyle geradegestreckt und unter 25—350 geneigt; Mittel 300 (Fig. 27, b). In diesem Versuch verlief die Krümmung relativ langsam; als zweites Beispiel führe ich noch einen Versuch an, in dem die Keimlinge, bei ausser- ordentlich raschem Wachsthum, sich auch ungewöhnlich schnell krümnten. Versuch 21. Brassica Napus. 20 etiolirte, 1,2—1,5 cm hohe Keimlinge. Beleuchtung mit Tageslicht. a) 10 Vergleichskeimlinge. b) 10 Versuchskeimlinge: die obere Hälfte des Hypocotyls mittels Stanniol- röhrchens verdunkelt und überdies weite Stanniolkappen aufgesetzt, welche die Knospe bedecken und bis zur Mitte des Verbandes hinabreichen. Nach 1!/;, Stunden: a) Ein Keimling ganz gerade, zwei andere erst schwach gekrümmt. Die übrigen sieben Keimlinge schon sehr stark gekrümmt; die Krümmung erstreckt sich ganz oder nahezu bis an die Basis des Hypocotyls, das Krümmungsmaximum befindet sich in dessen Obertheil, der Untertheil nur schwach gekrümmt; die Spitze schen in einiger Ausdehnung geradegestreckt und unter 80—90° geneigt. d) Alle Keimlinge bereits deutlich gekrümmt; die Krümmung reicht meist bis zur Basis; Neigung unter dem Verbande 10—30°, Mittel 199, Nach 2?/3 Stunden: a) Ein Keimling noch immer gar nicht gekrümmt; er ist offenbar abnorm und wird weiter nicht mehr berücksichtigt. Die übrigen neun sehr stark gekrümmt, meist bis zur äussersten Basis hinab; die Krümmung befindet sich nur im unteren Theil des Hypocotyls, der mehr als die Hälfte der Gesammtlänge ausmachende Obertheil ist vollkommen geradegestreckt (also die Neigungen der a und b jetzt schon ver- gleichbar); Neigung 75—90°, Mittel 84°. 5) Form der Krümmung wie früher, nur hat sich bei einigen Keimlingen der Obertheil etwas aufwärtsgekrümmt. Maximale Neigung im Untertheil 15—409, Mittel 26°. Nach 43%, Stunden: a) Die neun normalen Keimlinge sind nur an der äussersten Basis sehr scharf gekrümmt; der Obertheil (bis über 3/4 der Gesammtlänge ausmachend) geradegestreckt. Neigung 75—90°, Mittel 801/2°. b) Obertheil fast aller Keimlinge in längerer Strecke deutlich aufwärtsgekrümmt, die heliotropische Krümmung nur in der Nähe der Basis erhalten. Neigung an dieser Stelle 20—60°, Mittel 48°, , + 84 Man sieht, dass die Differenz der Neigung beider Gruppen sich auffallend vermindert hat, im Laufe der letzten 2 Stunden ist sie von 58° auf 32"2” zurückgegangen. Und dies ist im Grunde genommen ganz verständlich. Die « haben schon nach 2”/s Stunden die Gleichgewichtslage erreicht, von nun an concentrirt sich die Krümmung mehr und! mehr in der Basalregion, aber der Obertheil kann sich nicht weiter neigen und oseillirt nur noch um die Gleichgewichtslage herum. Die b hingegen, welche sich weit langsamer krümmen, waren um dieselbe Zeit noch ziemlich weit von ihrer Gleich- gewichtslage entfernt, und daher nimmt die Neigung ihres Obertheils noch zu. So muss die Differenz zwischen beiden Gruppen anfänglich bis zu einem gewissen Zeitpunkt zunehmen und von da an wieder abnehmen, jedoch nur bis zu einer gewissen Grenze. Es leuchtet nun ein, dass nur das Maximum der Neigungsdifferenz als Maass für die Differenz der heliotropischen Empfindlichkeit beider Gruppen von Keimlingen benutzt werden darf; nach- her sind die beiden Gruppen nicht mehr vergleichbar, da sie sich in un- gleichen Bedingungen befinden: die b werden noch heliotropisch gereizt, während der Heliotropismus der « nach Erreichung der Gleichgewichtslage sozusagen eliminirt ist. Wenn also der Versuch zu lange dauert, so wird die Neigungsdifferenz zu gering gefunden. Versuch 22. Agrostemma Githago. 12 halbetiolirte, 2,0—2,7 cm hohe Keimlinge. a) 6 Vergleichskeimlinge. b) 6 Versuchskeimlinge mit Stanniolröhrehen, welche eine 4), mm lange Spitze des Hypocotyls verdunkeln. x Nach 3 Stunden: a) Der Obertheil stark gekrümmt, aber nicht geradegestreckt. b) Keimlinge in ziemlich langer Strecke, aber nur schwach gekrümmt. Nach 4!/, Stunden (allgemeine Hebung): a) Obertheil der Keimlinge geradegestreckt, Krümmung in der unteren Hälfte. Neigung des Obertheils 30—40°, Mittel 36°. b) Form der Keimlinge wie bei den a. Neigung des Obertheils 10—25°, Mittel 171/2°. Nach 63, Stunden (allgemeine starke Senkung): a) Keimlinge in ganzer Länge gekrümmt. b) Beleuchteter Theil der Keimlinge in ganzer Länge gekrümmt, jedoch viel schwächer als bei den a. Weder bei der ersten noch bei der dritten Beobachtung sind die Keim- linge beider Gruppen bezüglich ihrer Neigung quantitativ mit einander ver- gleichbar; dies ist nur bei der zweiten Beobachtung möglich, also während der maximalen Hebung, da nur hier der Obertheil der Keimlinge vollkommen geradegestreckt ist (vgl. hierzu die Auseinandersetzung in $ 13). So musste auch in den übrigen Versuchen mit Agrostemma und anderen in ähnlicher Weise oscillirenden Keimlingen immer der Zeitpunkt der Hebung ausgewählt werden, um den Einfluss der Verdunkelung der Spitze auf die heliotropische Neigung zu bestimmen. er Versuch 23. Vicia sativa. 14 etiolirte, 2,1—3,6 cm hohe Keimlinge. a) 7 Vergleichskeimlinge. b) 7 Versuchskeimlinge mit Stanniolröhrehen, welche eine 6 mm lange Spitze des Keimstengels verdunkeln. Nach 43, Stunden: a) Keimlinge sehr stark gekrümmt, Spitze in einer Ausdehnung von mehr als 6 mm geradegestreckt, Neigung 90—105°, Mittel 93°. b) Neigung 5—45°. Mittel 28°. Nach 73/, Stunden: a) Ein 10—12 mm langer Obertheil geradegestreckt, Neigung 80— 95 °, Mittel 89°. b) Neigung 5—70°, Mittel 44°. Aus diesen Beispielen geht hervor, dass in den Keimstengeln der betreffenden Dicotylen eine im Wesentlichen ebensolche ungleichmässige Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit besteht, wie wir sie schon im Cotyledo der Gramimeen kennen gelernt haben. Auch hier ist nicht nur die Spitze, sondern auch der Untertheil des Keimstengels heliotropisch empfindlich, doch ist dessen Empfindlichkeit relativ gering, diejenige der Spitze erheblich stärker, — wenn auch der Unter- schied im Grossen und Ganzen wohl nicht so gross ist wie etwa bei Avena; die stärkere heliotropische Reizung der Spitze überträgt sich auch hier allmälig auf den Untertheil des Keimstengels und bewirkt eine. bedeutende Verstärkung der Krümmung des- selben. — Einige nähere Details werden die folgenden Paragraphen bringen. In vielen Versuchen, ganz besonders mit Vieia sativa, — sehr deutlich auch in dem soeben angeführten Versuch 23 —, fällt es auf, dass die Neigung der Vergleichskeimlinge ziemlich constant ist, während bei den Keimlingen mit verdunkelter Spitze die Neigung innerhalb weiter Grenzen schwankt. Hieraus kann man schliessen, dass, bei ungefähr gleicher Gesammtempfindlichkeit, die Vertheilung derselben über den Keimstengel individuell verschieden ist: die Differenz der Empfindlichkeit zwischen Spitze und Basis ist bei dem einen Keimling grösser, bei dem anderen kleiner; je geringer diese Differenz, in desto geringerem Grade wird natürlich die Neigung des Keimstengels durch Verdunkelung seiner Spitze vermindert. —- Dass gerade bei Vicia die Schwankungen besonders gross sind, das hängt überdies auch mit der verschiedenen Höhe der Keimlinge zusammen, deren Einfluss auf die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit wir weiter unten kennen lernen werden. $ 36. Darwin (5, 409—411) hat mehrere den obigen analoge Ver- suche mit Brassica oleracea ausgeführt. Er umwickelte den Obertheil des Hypocotyls mit durchsichtigem Goldschlägerbäutehen, welches theils aussen mit Tusche oder einem Gemisch von Russ und Oel geschwärzt wurde (Ver- suchskeimlinge), theils ungeschwärzt blieb (Vergleichskeimlinge). 20 jungen, nicht viel über 1" cm hohen Keimlingen verdunkelte Darwin auf diese s6 Weise die ganze obere Hälfte des Hypocotyls: von ihnen blieben bei ein- seitiger Beleuchtung 14 vollkommen aufrecht, und 6 krümmten sich „un- bedeutend‘. 9 älteren, 2"z—3 cm hohen Keimlingen wurde eine 7" mm lange Spitze des Hypocotyls verdunkelt: diese krümmten sich sämmtlich lichtwärts, und zwar 7 „unbedeutend“, und 2 fast so stark wie] die Ver- gleichskeimlinge. Der Versuch mit den älteren Keimlingen ergab also ein Resultat, welches mit dem meinigen übereinstimmt und mit der allgemeinen Schlussfolgerung Darwin’s in Widerspruch steht (vgl. $ 16). Darwin erklärt das durch die Annahme, dass in diesem Versuch nicht die ganze heliotropisch empfind- liche Region verdunkelt war, — ein Einwand, den man auch gegen die Mehrzahl meiner Versuche erheben könnte. Nun habe ich aber unter anderem auch 2 Versuche mit Prassica Napus ausgeführt, in welchen, ganz nach dem Vorgange Darwin’s, sehr jungen, nur 1,0—1,5 cm hohen Keimlingen (im Ganzen 35) die ganze obere Hälfte des Hypocotyls verdunkelt wurde, wo also sicher die ganze nach Darwin allein heliotropisch empfindliche Region verdunkelt war; diese Keimlinge krümmten sich ausnahmslos licht- wärts, und zwar gleichzeitig mit den Vergleichskeimlingen, nur erheblich schwächer als diese. Es sei hervorgehoben, dass die Verdunkelungsmethode in diesen Versuchen (einer von ihnen ist oben als Versuch 21 aufgeführt) der von Darwin benutzten nicht nur nicht nachstand, sondern zweifellos zuverlässiger war. Auch in mehreren anderen Versuchen war ein Theil der Versuchskeimlinge nur 1,2—1,8 cm hoch, und diese Keimlinge krümmten sich ebenfalls ohne Ausnahme lichtwärts Ich muss somit auf’s Bestimmteste behaupten, dass sehr junge Keimlinge, denen die ganze obere Hälfte des Hypocotyls verdunkelt ist, sich genau so verhalten wie ältere Keimlinge, bei denen die verdunkelte Spitze nur einen relativ kleinen Theil des Hypo- cotyls ausmacht; die Annahme, dass die Verdunkelung einer 7'2 mm langen Spitze ungenügend sei, ist also durch nichts gerechtfertigt. Viel weiter darf man überhaupt mit der Verdunkelung nicht gehen, um nicht fast die ganze krümmungsfähige Region zu verdunkeln. Meine im vorigen Paragraphen formulirten Ergebnisse stützen sich namentlich für Drassica Napus auf ein recht grosses Versuchswaterial. Es wurden mit dieser Species 14 Versuche ausgeführt (darunter einer am Klinostaten), mit im Ganzen 130 Vergleichs- und 153 Versuchskeimlingen. Die Höhe der Hypocotyle betrug 1—6 (meist 1,5 — 4) cm, die Länge der verdunkelten Spitze 3,0—7,5 (meist 6) mm, die Dauer der Exposition 4%s—8 Stunden. Von den Vergleichskeimlingen verhielten sich im Ganzen 6 abnorm, nämlich einer (im oben angeführten Versuch 21) krümmte sich überhaupt nicht, und 5 Keimlinge in 2 Versuchen krümmten sich bedeutend schwächer als die übrigen, so dass sie weniger geneigt waren als die am stärksten gekrümmten Versuchskeimlinge in den gleichen Versuchen. Unter den Versuchskeimlingen wichen im Ganzen 20 von der Norm ab. Nur zwei (in 2 Versuchen) verbielten sich der Meinung Darwin’s ent- 87 sprechend, d. h. sie krümmten sich garnicht. Die anderen 18 krümmten sich umgekehrt abnorm stark: sie erreichten eine stärkere Neigung als die am schwächsten gekrümmten Vergleichskeimlinge in denselben Versuchen. Von diesen 15 Keimlingen entfallen jedoch 10 auf 2 Versuche, in denen die Länge der verdunkelten Spitzenregion 3 mm betrug, —- was, wie noch gezeigt werden soll, zu wenig ist; es können also nur die restirenden 5 Keimlinge als wirkliche Ausnahmen von der Regel gelten. Die übrigen 133 Versuchskeimlinge verhielten sich normal, d. h. sie krümmten sich sämmtlich deutlich, aber schwächer als alle Vergleichskeim- linge im gleichen Versuch. Die mittlere Neigung der Versuchskeimlinge (sogar wenn für alle Keimlinge, ohne Ausschluss der abnormen berechnet) erwies sich in allen Versuchen erheblich geringer als die mittlere Neigung der Vergleichskeimlinge. Ganz so wie Drassica Napus verhalten sich in Bezug auf die Ver- theilung der heliotropischen Empfindlichkeit auch die anderen, flüchtiger untersuchten Uruciferen, nämlich Brassica oleracea, Sinapis alba, Crambe hispanica, Biscutella auriculata und Lepidium sativum. Von ihnen verdienen die Versuche mit Drassica oleracea deshalb besondere Beachtung, weil mit diesem Object Darwin seine von den meinigen ab- weichenden Resultate erhalten hat; darum ist es nicht überflüssig, hervor- zuheben, dass diese Art nicht von Drassica Napus abweicht. In 2 Ver- suchen wurden 11 Vergleichs- und 11 Versuchskeimlinge beobachtet; bei letzteren war eine 4! resp. 6 mm lange Hypocotylspitze verdunkelt; jede beider Gruppen enthielt unter anderen auch 4 junge, nur 1,5—1,8 cm hohe Keimlinge. Von den Versuchskeimlingen (b) blieb kein einziger gerade; sie erreichten eine Neigung von 25—50", ein Keimling krümmte sich abnorm stark (Neigung 65"). Bei den Vergleichskeimlingen (a) betrug die Neigung 60—80°, nur bei einem 40°. Die Mittelwerthe der Neigung aller Keim- linge sind folgende: « 70°, b 41°. Mit Agrostemma wurden 4 Versuche mit 39 ‚Vergleichs- und 24 Ver- suchskeimlingen gemacht; die Länge der bei letzteren verdunkelten Spitze des Hypocotyls war 4'»—6 mm. Alle Keimlinge ohne Ausnahme verhielten sich normal; die Neigung der Versuchskeimlinge betrug wenigstens 10°; die Differenz der mittleren Neigungen war in den übrigen Versuchen noch grösser als in Versuch 22. Die Zahl der mit Vicia angestellten Versuche beträgt 9, mit 63 Ver- gleichs- und 56 Versuchskeimlingen; fast durchgängig wurde den letzteren eine 6 mm lange Spitze des Keimstengels verdunkelt. Die Vergleichskeim- linge erreichten sämmtlich eine sehr starke Neigung des Obertheils, der ge- ringste beobachtete Werth war 60°. Auch die Versuchskeimlinge krümmten sich sämmtlich, die Neigung betrug bei 4 Exemplaren 5—15°, bei den übrigen wenigstens 20°; nur 3 Keimlinge in 2 Versuchen neigten sich ebenso stark oder etwas stärker als die am wenigsten gekrümmten Ver- gleichskeimlinge in denselben Versuchen, — die übrigen 53 Versuchskeimlinge 38 verhielten sich normal. — Zwei von den 9 Versuchen wurden am Klinostaten ausgeführt; auch hier trat die übliche Differenz zwischen den Vergleichs- und Versuchskeimlingen hervor, nur erreichten die rotirenden Keimlinge beider Gruppen eine stärkere Neigung als die aufrecht stehenden (letzteres zeigt, dass bei der heliotropischen Krümmung der aufrechtstehenden Keim- linge der Geotropismus derselben keineswegs ganz aufgehoben ist, entgegen der Meinung Wiesner’s [21, 56)). Endlich sei noch kurz erwähnt, dass auch in den Hypocotylen von Pharbitis hispida, Zinnia elegans und Cannabis sativa, mit denen nur einige wenige Versuche ausgeführt wurden, sich die gleiche Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit ergab, wie bei den bisher besprochenen Arten. S 37. Die in den vorhergehenden Paragraphen mitgetheilten Versuche bedürfen noch einer gewissen Controlirung, denn gegen das zur Verdunkelung der Spitze der Keimstengel benutzte Verfahren lassen sich nach zwei ent- gegengesetzten Richtungen hin Einwände erheben, welche nicht a priori ab- weisbar sind. 1. Das Umwickeln des Keimstengels mit einem Stanniolstreifen und das Hinaufschieben des Stanniolverbandes an die Spitze kann zwar bei der nöthigen Vorsicht ohne Verletzung, nicht aber ohne ein gewisses Drehen, Drücken und Zerren bewerkstelligt werden; es ist nun sehr wohl denkbar, dass durch diese mechanischen Insulte die Krümmungsfähigkeit der zarten Keimstengel wesentlich herabgesetzt werden könnte. Ausserdem wäre es möglich, dass die Verdunkelung eines Theiles des Keimstengels dessen helio- tropische Krümmung vermindert, auch wenn dieser Theil sich nicht durch eine grössere heliotropische Empfindlichkeit auszeichnet. Wenn diese beiden Einwände oder einer von ihnen zutrifft, so wäre es offenbar unzulässig, aus der Verminderung der heliotropischen Neigung bei den Versuchskeimlingen auf eine bevorzugte Empfindlichkeit der Spitze des Keimstengels zu schliessen. Beide Einwände erfordern auch denselben Control- versuch. Es fragt sich, kurz gesagt, ob die Wirkung des Stanniolverbandes darin ihren Grund hat, dass der Stanniolverband eben die Spitze des Keim- stengels verdunkelt, oder ob sie durch irgendwelche Nebenumstände bedingt wird. Trifft letzteres zu, so muss das Anlegen des Stanniolverbandes den gleichen Effect haben, einerlei ob derselbe sich an der Spitze oder an einer beliebigen anderen Stelle der wachsenden Region des Keimstengels befindet. Zur Entscheidung dieser Frage stellte ich drei Versuche mit Brassica Napus an. In jedem derselben waren die Keimlinge in drei Gruppen ge- theilt: a) Keimlinge in ganzer Länge beleuchtet, b) die oberste Zone durch Stanniolverband verdunkelt, c) die zweite Zone durch Stanniolverband ver- dunkelt; die Länge der Zonen betrug in den drei Versuchen 3, 6 resp. 7\a mm. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt (die eingeklammerten Ziffern in den drei ersten Rubriken geben die Zahl der Keimlinge an). * Verminderung der Neigung Mittlere Neigung der Keimlinge durch. Stanniolverband Versuch an der unterhalb Spitze der Spitze a b | € (a—b) (a—c) 1 (10) 87° (1) 83° (10) 761/2° 92% 102° 2 (9) 78° (9) 46° | (9) 65° 32.0 13° 3 (12), 77° (197472. 1010),7645° 30° 1° Die letzte Rubrik zeigt, dass ein Stanniolverband, wenn er nicht gerade die Spitze des Keimstengels verdunkelt, entweder gar keine (Versuch 3) oder eine zwar nicht zu vernachlässigende, aber doch nur geringe Verminderung der heliotropischen Neigung im Vergleich mit den Keimlingen a zur Folge hat; während hingegen, wie aus der vorletzten Rubrik ersichtlich, ein genau ebensolcher, aber an der Spitze angebrachter Staniolverkand die Neigung beträchtlich vermindert. Mit anderen Worten: wenn die oben bezeichneten Nebenumstände möglicherweise auch nicht ohne einigen Einfluss sind, so reichen sie jedenfalls bei weitem nicht aus, um die Wirkung eines an der Spitze des Keimstengels angebrachten Stanniolverbandes zu erklären, und wenn nicht die einzige, so doch jedenfalls die hauptsächliche Ursache dieser Wirkung muss darin gesehen werden, dass durch den Stanniolverband die heliotropische Reizung der besonders empfindlichen Spitzenregion ausge- schlossen wird. — Zu dem gleichen Ergebniss führten auch zwei Versuche mit Agrostemma und je ein Versuch mit Brassica oleracea, Sinapis alba und Vicia: hier bewirkte ein unter der Spitze applieirter Stanniolverband eine Verminderung der Neigung um nur 5°, 5'2", 3°, 6°, resp. 5'a”. 2. Man kann einwenden, dass das von mir benutzte Verfahren vielleicht keine vollkommene Verdunkelung der Spitze des Keimstengels bewirkte, und dass somit die beobachtete Krümmung der Versuchskeimlinge vielleicht gar nicht auf die von mir gefolgerte heliotropische Empfindlichkeit des Unter- theils, sondern nur auf den unvollständigen Ausschluss einseitiger Beleuchtung von der allein empfindlichen Spitze zurückzuführen ist. Es ist nun allerdings nicht zu leugnen, dass der in der Mehrzahl meiner Versuche mit Dicotylenkeimlingen angewandte Verdunkelungsmodus mittels einfachen Stanniolverbandes keineswegs so zuverlässig ist, wie die bei den Gramineen-Keimlingen benutzten Methoden. Am Anfang des Versuches, solange das Licht noch rechtwinkelig auf den Keimstengel auffällt, ist freilich kaum Gefahr vorhanden; sowie der Keimstengel sich aber zu neigen beginnt, kann etwas einseitiges Licht am oberen Rande des Stanniolverbandes ein- dringen, und je stärker die Neigung, desto grösser wird diese Fehlergquelle. Ausserdem hat das sehr intensive Wachsthum gerade der Gipfelregion der Keimstengel noch eine zweite Fehlerquelle zur Folge: oft schiebt sich nämlich 90 die äusserste Spitze allmälig aus dem Stanniolverbande hervor und tritt an’s Licht, so dass es erforderlich wird, im Laufe des Versuchs den Stanniolverband aufwärtszuschieben, damit er wieder bis ganz zum Gipfel des Keimstengelsreiche. Zweifellos muss in Folge dieser Fehlerquellen die endliche Neigung der Versuchskeimlinge grösser ausfallen, als der heliotropischen Empfindlichkeit des Untertheils ihrer Keimstengel entspricht; es fragt sich aber, ob der - Fehler gross genug ist, um die Beweiskraft meiner Versuche zu Gunsten der Empfindlichkeit des Untertheils zu gefährden. Ich stellte zur Entscheidung dieser Frage 3 Versuche an, davon 2 mit Brassica Napus und 1 mit Vicia satiwa. Die Keimlinge wurden in drei Gruppen getheilt, nämlich: a) Keimlinge in ganzer Länge beleuchtet, b) mit Stanniolverband an der Spitze des Keimstengels, c) desgleichen und über- dies noch weite Stanniolkappen aufgesetzt (wie in Fig. 2 auf S. 19). Bei den Keimlingen c sind die oben genannten Fehlerquellen ausgeschlossen, indem der obere Rand des Stanniolverbandes, sowie auch die eventuell sich aus demselben hervorschiebende äusserste Spitze des Keimstengels durch die Stanniolkappe beschattet sind, und zwar um so vollkommener, je mehr sich die Keimlinge lichtwärts krümmen. Es ist folglich zu erwarten, dass die Neigung der c geringer ausfallen wird, als diejenige der b. — Ich führe einen solchen Versuch als Beispiel an. Versuch 24. Brassica Napus. 32 halbetiolirte, 2,4—3,7 em hohe Keimlinge. a) 10 Vergleichskeimlinge. b) 11 Keimlinge mit Stanniolröhrehen von 6 mm Länge. c) 11 Keimlinge mit ebensolchen Stanniolröhrehen und überdies mit Stanniolkappen, welche bis zur Mitte der ersteren hinabreichen. Gewicht der Kappen durchschnittlich 30 mgr. Beleuchtung mit ziemlich trübem Tageslicht. Nach 5 Stunden: Die Keimlinge mit verdunkelter Spitze haben sich ungewöhnlich stark gekrümmt), aber doch deutlich schwächer als die Vergleichskeimlinge. Bei den ce ist der Ober- theil mehr oder weniger aufwärtsgekrümmt, was bei den d nicht der Fall ist. a) Neigung des geradegestreckten Obertheils 80—100°, Mittel 87°. Esete - 2 ee ce) Maximale Neigung Sie . 45— 90°, s' 6u0E Zwischen den b und den ce besteht also nur der verschwindende Unterschied von 2°; es muss jedoch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass bei den c die Neigung durch die Stanniolkappen mechanisch vergrössert sein kann, welche, da sie bei Schluss des Versuchs an einem ziemlich langen Hebelarm wirken, ein relativ an- sehnliches statisches Moment repräsentiren. In der That zeigt sich die Neigung der c, als sie nach Abnahme der Kappen neuerdings gemessen wird, im Mittel um 7° kleiner. c) Maximale Neigung 35—80°, Mittel 58°. Die zu berücksichtigende Differenz der Neigung der b und der c, zu Gunsten der ersteren, beträgt somit 9°. 1) Mehrere derselben sind in der Zusammenstellung in $ 36 zu den sich abnorm verhaltenden gezählt. 91 Im zweiten Versuch mit Drassica bewegte sich die Neigung der Keim- linge in den normalen Grenzen; die Mittelwerthe für die drei Gruppen be- trugen: a 78°, b 30°, ce 28°, — also zufälligerweise wieder eine Differenz von 2° zu Gunsten der b; nimmt man an, dass auch in diesem Versuch die Neigung der c mechanisch um 7” vergrössert war (was wohl sicher zu hoch gegriffen ist, da das statische Moment der Stanniolkappen diesmal be- deutend kleiner war), so ergiebt sich ebenfalls eine Differenz um 9°. — In dem Versuch mit Vicia endlich betrug die gefundene Differenz der b und c 6°, während die Neigung der @ und der b um 32° differirte. Diese 9° resp. 6” stellen den Betrag dar, um welchen in meinen Ver- suchen mit Brassica und Vicia die Neigung der Versuchskeimlinge, in Folge unvollkommener Verdunkelung der Spitze, zu gross ausgefallen sein mochte. Bringt man diese Correctur in den Versuchen an, so wird das Resultat der- selben nur unbedeutend modifieirt, da z. B. bei Drassica die mittlere Neigung der Versuchskeimlinge in keinem der zu corrigirenden Versuche weniger als 30° betrug; dazu ist noch in Betracht zu ziehen, dass die oben unter 1. be- sprochene Fehlerquelle eine gerade entgegengesetzte Correctur erfordert, und dass diese beiden Correeturen einander nahezu aufheben. Endlich war in vielen Versuchen die jetzt in Rede stehende Fehlerquelle ausgeschlossen, so z. B. in dem oben angeführten Versuch 21. — Alles in allem wird also die Beweiskraft meiner Versuche durch die Einwände, welche sich gegen sie erheben lassen, nicht vermindert. Die eben besprochenen Versuche mit Anwendung von Stanniolkappen entscheiden gleichzeitig eine andere Frage, sie beweisen nämlich, dass die Beleuchtung der Cotyledonen sammt ihren Stielen, resp. der hakenförmig gekrümmten Spitze des Keimstengels sammt Endknospe, ohne Einfluss auf die heliotropische Krümmung des Keimstengels ist. Die bevorzugte helio- tropische Empfindlichkeit ist in der That, wie wir das bisher stillschweigend voraussetzten, nur der Spitze des Hypocotyls resp. des geraden Theils des Keimstengels eigenthümlich. Dasselbe habe ich für Drassica Napus auch noch auf anderem Wege gefunden. Ich habe mich nämlich überzeugt, dass das Abschneiden der Cotyledonen sammt ihren Stielen, wofern es ohne Verletzung des Hypocotyls ausgeführt wird, die heliotropische Neigung des letzteren zunächst nicht be- einflusst. Erst am folgenden Tage vermindert sich die Krümmungsfähigkeit der operirten Keimlinge, dies hat jedoch vermuthlich nur in dem sich ein- stellenden Mangel an Nährstoffen seinen Grund. S$S 38. Einfluss der Spitzenverdunkelung bei schon ge- neigten Keimlingen. Versuch 25. Brassica Napus. 26 halbetiolirte Keimlinge von mittlerem Alter. Sie haben seit Mittag des vor- hergehenden Tages bei schwacher einseitiger Beleuchtung gestanden und am Morgen 92 ist ihr geradegestreckter Obertheil unter ca. 50° geneigt. Nun werden zwei Töpfe mit 17 Keimlingen so aufgestellt, dass die vorhandene Neigung der letzteren der Lampe zugekehrt ist. a) 9 Vergleichskeimlinge, in ganzer Länge beleuchtet. b) 8 Versuchskeimlingen werden Stanniolkappen aufgesetzt, welche die Coty- ledonen und die mehrere mm lange Spitze des Hypocotyls verdunkeln. Unter der Last der Kappen nimmt die Neigung der Keimlinge merklich zu. Der dritte Topf mit 9 Keimlingen wird mittels schwarzen Papiers verdeckt, so dass die Keimlinge ganz verdunkelt sind. a’) 5 von diesen Keimlingen ohne Kappen, 2’) 4 Keimlinge mit ebensolchen Stanniolkappen, wie die Keimlinge 2. (Der Vergleich mit den a’ und b’ wird gestatten zu entscheiden, inwieweit das Verhalten der 5 durch die Last der Stanniolkappen und inwieweit durch die helio- tropische Empfindlichkeit des Untertheils der Keimstengel bestimmt wird.) Nach 4 Stunden: a) Mittlere Neigung 59!/,°, also deutliche Senkung. b) (Nach Abnahme der Stanniolkappen gemessen): Mittlere Neigung 391/,°, also deutliche Hebung. a’) Mittlere Neigung 19°, also weit stärkere Hebung als bei den b. b’) (Nach Abnahme der Kappen gemessen): Mittlere Neigung 21°. Der ganz unwesentliche Unterschied von 2° gegen die a’ ist wahrscheinlich nur zufällig. Die Last der Stanniolkappen hält also die geotropische Hebung der Keimlinge nicht in merklichem Grade auf, und folglich ist der Umstand, dass sich die Keimlinge b be- deutend weniger gehoben haben als die ganz verdunkelten Keimlinge, ganz auf Rechnung der heliotropischen Empfindlichkeit des Untertheils zu setzen. Der Versuch beweist schlagend sowohl den Einfluss der Spitze des Hypocotyls auf die Krümmung des Untertheils, als auch die heliotropische Empfindlichkeit des letzteren. Ein ebensolcher Versuch (jedoch ohne die Gruppen « und 5’) wurde mit Keimlingen von Agrostemma ausgeführt, wo sein Resultat durch die starken Oscillationen (vgl. $ 12) etwas complieirt wurde. Zu- fällig begann gleich nach der Ansetzung des Versuchs eine allgemeine Hebung, und nach 22 Stunden war die mittlere Neigung in beiden Gruppen die gleiche und betrug nur 26—27°. Von nun an begann aber die Wirkung der Stanniolkappen sich zu manifestiren: während die « sich zu senken anfingen, fuhren die b noch fort sich zu heben; nach einer weiteren Stunde betrug die mittlere Neigung bei den « schon 34°, bei den b nur noch 19°. Jetzt erst fingen auch die b sich zu senken an, aber sie senkten sich viel langsamer als die «, und am Schluss des Ver- suches war das Verhältniss der beiden Gruppen ein solches, als wenn bei den b die Hypocotylspitze von Anfang an verdunkelt gewesen wäre. Mit Vicia wollten mir derartige Versuche nicht gelingen. Die Länge der besonders empfindlichen Spitze. S 39. Es wurde bereits bemerkt, dass bei Brassica Napus die Ver- dunkelung einer nur 3 mm langen Hypocotylspitze ungenügend ist. Diese Behauptung stützt sich auf folgenden Versuch. 93 Versuch 26. Brassica Napus. 33 etiolirte, 2,0—4,3 cm hohe Keimlinge. a) 11 Keimlinge in ganzer Länge beleuchtet. d) 11 Keimlinge mit Stanniolverband, welcher eine 6 mm lange Hypocotylspitze verdunkelt. c) 11 Keimlinge mit Stanniolverband, welcher eine nur 3 mm lange Hypoecotyl- spitze verdunkelt. Die c halten von Beginn der Krümmung an die Mitte zwischen den a und den b. Die Messungen ergeben folgende Mittelwerthe der Neigung: a) Nach 31/, Stunden 80!/2°, nach 61/4 Stunden 78°, 1 SEE ENTE. =#,1,.840, ce) = = - ART = = = 58°, Es ergiebt sich hieraus, dass bei den c noch ein beträchtlicher Theil der besonders empfindlichen Spitze sich am Licht befand, diese Spitze muss also jedenfalls länger als 3 mm sein. Weitere Details habe ich mit diesem Object nicht zu eruiren versucht. Bei Vicia ist hingegen die besonders empfindliche Spitze nicht länger als 3 mm, wie der folgende Versuch zeigt. Versuch 27. Vicia sativa. 21 etiolirte, 2,1—3,6 cm hohe Keimlinge. Drei Gruppen von je sieben Keim- lingen, wie in Versuch 26, bei den b und ce ist eine 6 resp. 3 mm lange Spitze des Keimstengels mittels Stanniolverband verdunkelt. Mittlere Neigung nach 43, Stunden: a 93°, b 280%, .c 329, Die Geringfügigkeit der Differenz zwischen den b und den c, welche innerhalb der Fehlergrenze liegt, zeigt, dass schon bei den e die ganze Region, welche die Krümmung des Untertheils beeinflusst, verdunkelt war. Dieser Versuch bestätigt überdies die schon mehrfach gemachte Erfahrung, dass die Länge des verdunkelten Theiles der krümmungsfähigen Region ohne Einfluss auf die erreichte Neigung bleibt, wenn einmal die besonders empfindliche Spitze verdunkelt ist. Aufhebung der ungleichmässigen Vertheilung der helio- tropischen Empfindlichkeit im Keimstengel von Vicia sativa mit dem Alter. S 40. Stellt man mit den nämlichen Keimlingen von Vicia an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in der iblichen Weise Versuche über die Ver- theilung der heliotropischen Empfindlichkeit an, so fällt es auf, dass die Differenz zwischen den Versuchs- und Vergleichskeimlingen am zweiten Tage sich verringert hat, was durch das veränderte Verhalten der ersteren bedingt ist. So war z. B. in einem solchen Versuchspaar am ersten Tage (Keimlinge 2,0—3,5 cm hoch) der am stärksten gekrümmte Versuchskeimling immer noch bedeutend weniger geneigt (40°), als der am schwächsten ge- krümmte Vergleichskeimling (60°), und die Differenz der Mittelwerthe be- trug 43°; am folgenden Tage hingegen (Keimlinge auf 3,7—6,0 cm heran- gewachsen) existirte keine scharfe Grenze mehr zwischen den beiden Gruppen, 94 ein Versuchskeimling war stärker (75°), ein anderer nur wenig schwächer (65°) geneigt als der am wenigsten gekrümmte Vergleichskeimling (70°), und die Differenz der Mittelwerthe betrug nur 22”; nb. waren es gerade die grössten Versuchskeimlinge, welche sich am zweiten Versuchstage un- gewöhnlich stark krümmten. Ganz dasselbe wurde auch in einem zweiten solchen Versuchspaar gefunden. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass mit dem zunehmenden Alter des Keimstengels der Einfluss der Spitze auf die Krümmung des Unter- theils sich vermindert, oder mit anderen Worten, dass die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Keimstengel eine weniger ungleichmässige wird. Um dies näher zu verfolgen, beschloss ich, mit den nämlichen Keim- lingen mehrere Tage hintereinander Versuche auszuführen. Versuch 28. Vicia satiwa. 10 fast vollkommen gleiche, halbetiolirte Keimlinge. a) 5 Vergleichskeimlinge. b) 5 Versuchskeimlinge: eine 6 mm lange Spitze des Keimstengels. mittels Stanniolverband verdunkelt, und überdies Stanniolkappen aufgesetzt. | A. 19/]I. Länge der Keimlinge 3,7—4,5 cm. Nach 5 Stunden ist der Obertheil in genügender Länge geradegestreckt. a) Neigung 85—90°, Mittel 88°. b) Neigung 25—75°, Mittel 57 °.. Hierauf werden die Keimlinge im Dunkelschrank untergebracht und sind am folgenden Morgen vollkommen aufgerichtet. 5. 20/11. Länge der Keimlinge 6,7—8,2 cm. (Ein Keimling der Gruppe 5 hat aus unbekannten Gründen die Krümmungs- fähigkeit ganz eingebüsst, er bleibt bis zum Schluss des Versuches ungekrümmt. Er wird im Folgenden nicht mit in Betracht gezogen.) Nach 41/, Stunden ist der Obertheil in genügender Länge geradegestreckt. Die Messung ergiebt keinen Unterschied der Neigung zwischen beiden Gruppen: bei allen Keimlingen ist der Obertheil nahezu horizontal gerichtet. Dasselbe ist auch nach 81/, Stunden der Fall. Eine Fortsetzung des Versuches war überflüssig, da es sich, wie man sieht, herausgestellt hat, dass schon in 6,7”—8,2 cm hohen Keimstengeln die Verdunkelung der Spitze die Neigung nicht mehr vermindert, also die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit bereits eine gleichmässige geworden ist. Nach den vorliegendeu Versuchen zu schliessen, findet dies ungefähr dann statt, wenn der Keimstengel eine Höhe von ca. 6 cm er- reicht, und der Uebergang von der ungleichmässigen zur gleichmässigen Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit vollzieht sich mit zunehmendem Alter allmälig, bis zu dem eben genannten Zeitpunkt. Versuche mit Daucus Carota und Linum usitatissimum. S 41. Der folgende Versuch kann als charakteristisches- Beispiel des Verhaltens der beiden genannten Species dienen. 39 Versuch 29. Daucus Carota. 14 etiolirte, 1,2—2,0 cm hohe Keimlinge, a) 7 Vergleichskeimlinge. b) 7 Versuchskeimlinge: eine 3-4 mm lange Spitze des Hypocotyls mittels Stanniolverband verdunkelt. Nach 3!/, Stunden: Alle Keimlinge sind schon in langer Strecke gekrümmt, und ihr Obertheil ist ganz geradegestreckt. a) Neigung 60°, 60°, 70°, 70°, 70°, 75°, 90°, Mittel 71°. b) Neigung 30°, 35°, 50°, 50°, 60°, 60°, 70°, Mittel 51°. Nach 7 Stunden: Alle Keimlinge nur an der Basis scharf gekrümmt. a) Neigung 55°, 60°, 60°, 70°, 75°, 75°, 80°, Mittel 68°, b) Neigung 40°, 45°, 50°, 60°, 60°, 60°, 75°, Mittel 56°. Man sieht, dass hier auch der Untertheil des Keimstengels in recht hohem Grade heliotropisch empfindlich ist, und dass die Beleuchtung der Spitze die Neigung nur wenig steigert; hiermit im Zusammenhang steht es, dass etwa die Hälfte der Versuchskeimlinge nicht minder stark geneigt ist, als die Mehrzahl der Vergleichskeimlinge, — mit anderen Worten, dass der Einfluss der Beleuchtung der Spitze durch die individuellen Variationen der Krümmungsfähigkeit verdeckt wird, — was wir bisber nur als sehr seltene Ausnahme angetroffen haben. Bei Daucus ist das eine normale Erscheinung, welche auch in den zwei übrigen Versuchen mit diesem Object im gleichen Grade stattfand. Nichtsdestoweniger ergab sich in allen Versuchen eine Differenz der Mittelwerthe, zu Gunsten der Vergleichskeimlinge, um min- destens 12°, d.i. um eine Grösse, die ausserhalb der Grenzen der Messungs- fehler liegt. In Anbetracht dessen können wir nicht umhin, zu schliessen, dass auch bei Daucus die Spitze des Keimstengels sich gegen- über dem Untertheil .durch eine merklich grössere helio- tropische Empfindlichkeit auszeichnet, jedoch ist hier der Unterschied weit weniger bedeutend, als bei den Objecten die wir bisher kennen gelernt haben. Im Wesentlichen ganz ebenso verhält sich auch das Hypocotyl von Linum, mit welchem Object sechs Versuche gemacht wurden: durchgängig war die mittlere Neigung bei den Vergleichskeimlingen grösser als bei den Versuchskeimlingen, aber nur um einen geringen Betrag. Versuche mit Tropaeolum minus. S 42. Von diesem durch seine lange krümmungsfähige Region sehr günstigen Object hatte ich leider, in Folge schlechter Keimfähigkeit der Samen, nicht genügendes Material zur Verfügung, um meine vergleichenden Versuche in ebenso grossem Massstab ausführen zu können wie mit meinen anderen Hauptobjeeten; meist musste ich mich für jeden Versuch mit 6 bis 8 Keimlingen begnügen, die noch dazu ungleich weit entwickelt waren; doch wurden wenigstens die Keimlinge so ausgewählt, dass sie paarweise ziemlich gleich waren, und von jedem Paar diente der eine Keimling als Vergleichs-; 96 der andere als Versuchsobjeet. Auf diese Weise gelang es jedoch nicht, die individuellen Differenzen der Krümmungsfähigkeit in dem erwünschten Grade auszugleichen, und so gaben denn namentlich die ersten Versuche ein nicht ganz klares Resultat. Es folgt einer von drei solchen Versuchen. Versuch 30. Tropaeolum minus. 6 paarweise gleiche, 21/;—4 cm hohe Keimlinge. a) 3 Vergleichskeimlinge. b) 3 Versuchskeimlinge; die Spitze des Epicotyls mittels 6 mm langen Stanniol- verbandes verdunkelt. Beleuchtung mit Tageslicht. — Die Messungen ergaben die folgenden Werthe für die Neigung des geradegestreckten Obertheils des Epicotyls: Nach 7! Stunden Nach 434 Stunden | Paar I | Paar II | Paar III | Paar I | Paar II | Paar III a 85° BR 3290) 9 a 70° | 85° 90° b 50° 59,0 | 90° b 70° | 45° 90° Es fällt auf, dass relativ häufig die Versuchskeimlinge sich gerade so stark krümmen, wie die entsprechenden Vergleichskeimlinge, und man gelangt unwillkürlich zu der Vermuthung, dass hier die Spitze des Keimstengels wolil keine solche Rolle bei der Krümmung des Untertheils spielt wie sonst; ein sicherer Schluss ist aber offenbar nicht zulässig, weil man bei der ge- ringen Zahl der Keimlinge und den starken Schwankungen im Zweifel bleibt, ob die starke Krümmung der Versuchskeimlinge die Regel und die schwächere der Ausnahmefall ist, oder umgekehrt. Diesen Zweifel löst der folgende Versuch, welcher unter allen das meiste Zutrauen verdient, da er mit dem grössten und homogensten Material aus- geführt ist. Versuch 31. Tropaeolum minus. 12 junge etiolirte Keimlinge, 2,0—2,8 cm hoch, a) 6 Vergleichskeimlinge. b) 6 Versuchskeimlinge: die Epieotylspitze mittels 41/5, mm langen Stanniol- verbandes verdunkelt. Nach 4!/,; Stunden: a) Neigung 80°, 80°, 85°, 90°, 90°, 100°, Mittel 871/,°. d) Neigung 80°, 85°,'85°, 90°, 90°, 90°, Mittel 87°. Nach 6 Stunden: a): Neigung 50°, 65°, 70°, 70°, 80°, 90°, Mittel 71°. b) Neigung 60°, 60°, 60°, 65°, 70°, 80°, Mittel 66°. Hier sind die Differenzen der einzelnen Vergleichs- und Versuchskeim- linge ganz unbedeutend und fallen theilweise sogar zu Gunsten der letzteren aus. Die Differenz der Mittelwerthe kann für beide Beobachtungen 0 gesetzt werden, da 5° innerhalb der Fehlergrenze der Messung liegen. Von ferneren drei Versuchen ergaben zwei, mit zusammen sechs Paaren von Keimlingen, dasselbe Resultat wie der eben angeführte, während in Er ‘einem dritten, mit drei Paaren von Keimlingen, freilich eine nicht unbedentende Differenz zu Gunsten der Vergleichskeimlinge gefunden wurde. Die grosse Mehrzahl der Beobachtungen führt somit zu dem Schluss, dass im Epieotyl von Tropaeolum im Allgemeinen die heliotropische Empfindlichkeit eine gleichmässige ist. Die vorkommenden abweichenden Fälle nöthigen jedoch zu der Annahme, dass ausnahmsweise, bei einzelnen Individuen, auch hier eine kurze Spitzenregion des Keimstengels sich durch stärkere Empfindlichkeit auszeichnet. Dass meist keine Neigungsdifferenz zwischen den Vergleichs- und Ver- suchskeimlingen gefunden wurde, liegt nicht etwa an einer ungenügenden Verdunkelung der Epieotylspitze; denn einerseits wurden in einigen Ver- suchen 9 mm lange Stanniolröhrchen verwandt, andererseits wurden öfters den Versuchskeimlingen auch noch Stanniolkappen aufgesetzt; beides blieb ohne Einfluss auf das Resultat der Versuche. Mit dem Ergebniss, dass die Krümmung des Epicotyls durch die Be- leuchtung der Spitze im Allgemeinen nicht beeinflusst wird, stehen auch Versuche im Einklang, in denen bei einem Theil schon heliotropisch ge- neigter Keimlinge die Spitze mittels Stanniolkappen verdunkelt wurde: das Verhalten dieser unterschied sich in nichts von dem der ohne Kappen be- lassenen Vergleichskeimlinge. Versuche mit Coriandrum satwum und Solanım Lycopersicum. S 43. Die krümmungsfähige Region des Hypocotyls ist bei diesen beiden Species, wie schon bemerkt wurde, sehr kurz, und in Folge dessen sind dieselben für meine Zwecke durchaus keine günstigen Objecte; da ich aber beabsichtigte, eine Reihe von Keimlingen mit möglichst verschiedenen heliotropischen Eigenschaften zu untersuchen, so habe ich auch mit ihnen einige Versuche ausgeführt, welche auch ganz klare Resultate ergaben. Da es hier zu einer Geradestreckung des gekrümmten Obertheils, selbst in beschränkter Ausdehnung, meist gar nicht kommt, so musste das übliche Verfahren der Messung der Neigung modifieirt werden. Auf den Hypo- cotylen aller Keimlinge wurden von der Spitze aus zwei Zonen von 3 oder 42 mm Länge markirt, von denen bei den Versuchskeimlingen die obere mittels Stanniolverband verdunkelt wurde; am Schluss des Versuches wurde die Neigung der Sehne der zweiten Zone gemessen; falls die einseitige Be- leuehtung der ersten Zone die Krümmung des übrigen Theils des Hypocotyls beeinflusst, so muss offenbar diese Neigung bei den Vergleichskeimlingen grösser ausfallen als bei den Versuchskeimlingen. Das war nun, wie gleich gesagt sein mag, nicht der Fall. In allen (drei) Versuchen mit Solanum wurde bei beiden Gruppen von Keimlingen die gleiche mittlere Neigung gefunden. Bei Coriandrum wurden allerdings Differenzen gefunden, aber nur unbedeutende und inconstante: in drei Ver- suchen war die mittlere Neigung bei den Vergleichskeimlingen etwas grösser Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Band VII, Heft I, 7 98 (um 5°, 5°, 11°), im vierten Versuch hingegen war sie etwas kleiner (um 6°) als bei den Versuchskeimlingen. Folglich müssen wir schliessen, dass bei Solamım und allem An- schein nach auch bei Coriandrum die heliotropische Empfind- lichkeit in der krümmungsfähigen Region des Keimstengels gleichmässig vertheilt ist. Die Beleuchtung der Spitzenregion hat freilich eine lokale Wirkung, indem sie dieselbe zu starker Krümmung ver- anlasst; der Rest der krümmungsfähigen Region erreicht aber auch bei Ver- dunkelung der Spitze das für ihn überhaupt mögliche Maximum der Krüm- mung. Das ist um so bemerkenswerther, als die verdunkelte Spitze hier einen recht bedeutenden Theil (/s— !/2) der ganzen krümmungsfähigen Region ausmacht, — ein neues Beispiel dafür, dass die Verdunkelung eines Theils der krümmungsfähigen Region den Grad der heliotropischen Krümmung an sich nicht beeinflusst, wenn nicht Differenzen der heliotropischen Empfind- lichkeit mit im Spiele sind. In Bezug auf die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Keimstengel verhalten sich somit die beiden besprochenen Species, trotz im Uebrigen recht verschiedener heliotropischer Eigenschaften, ebenso wie Tropaeolum minus. Werfen wir einen kurzen Rückblick auf die mit den Dieotylenkeimstengeln ausgeführten Versuche, so finden wir bei der Mehrzahl der untersuchten Objeete (Urueiferen, Agrostemma, Vieia, und noch einigen anderen) ein ähnliches Verhalten wie bei den Cotyledonen der Gramineen, nämlich starke heliotropische Empfindlichkeit einer relativ kurzen Spitzenregion und bedeutend schwächere, aber doch zweifellos vorhandene heliotropische Empfindlichkeit der ganzen übrigen wachsenden Region; im Allgemeinen scheint die relative Empfindlichkeit des Untertheils bei den Keimstengeln der Dicoty- ledonen etwas grösser zu sein als beim Cotyledo der Gramineen. Anderer- seits haben wir in den Keimstengeln von Tropaeolum, Solanum und Coriandrum Objeete gefunden, bei denen die heliotropische Empfind- liehkeit in der Spitze und im Untertheil gleich gross zu sein scheint. Einen Uebergang zwischen diesen beiden Extremen bilden endlich Daueus und Linum, bei denen die heliotropische Empfindlichkeit in der Spitze des Keimstengels nur um ein Geringes grösser ist als in dessen Untertheil. Wir sehen also, dass bei den Keimlingen der Dicotylen die heliotropische Eimpfindlichkeit sowohl gleichmässig, als auch ınehr oder weniger ungleich- mässig vertheilt sein kann. Zu der systematischen Verwandtschaft zeigt die Art ihrer Vertheilung auch hier keine Beziehungen. i C. Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. Versuche mit Crueiferen-Keimlingen. $ 44. Es wurde schon oben ($ 21) erwähnt, dass Darwin sich ver- geblich bemüht hat, im verdunkelten Untertheil des Hypoeotyls von Brassica oleracea eine auf Reizfortpflanzung beruhende heliotropische Krümmung her- vorzurufen. Ich werde hingegen im Folgenden zeigen, dass dies bei ver- schiedenen Dicotylenkeimlingen, und insbesondere auch bei ÜUrueiferen, unschwer gelingt. Zunächst sei bemerkt, dass man bei ganz jungen Keimlingen, die eine Zeit lang bei einseitiger Beleuchtung gestanden haben, nicht selten den unter- irdischen Theil des Hypocotyls sehr deutlich lichtwärts gekrümmt findet, und zwar in viel grösserer Ausdehnung als Darwin bei Drassica oleracea fand; günstigenfalls erstreckt sich die Krümmung bis an die Grenze von Hypocotyl und Keimwurzel, d. i. mitunter bis über 1 cm unter die Erd- oberfläche. Solche Beobachtungen machte ich, ohne auf dieselben zu fahnden, bei Brassica Napus, Sinapis alba, Crambe hispanica und Bisceutella auriculata. Vgl. Fig. 28. HM ; 28 Fig. 28. Hypocotyle dreier junger Keimlinge von Brassica Napus, nach 4stündiger einseitiger Beleuchtung ausgegraben und in ganzer Länge gezeichnet. aa Bodenoberfläche. Noch überzeugender sind die Versuche, in denen das ganze Hypoecotyl, mit Ausnahme einer anfänglich nur wenige mm langen Spitze, künstlich verdunkelt wurde; es gelangten dabei die drei in $ 7 beschriebenen Methoden zur Anwendung, am häufigsten die einfachste derselben, nämlich das Ver- schütten mit feiner trockener Erde. Ich führe einen der ersten und gleich- zeitig gelungensten Versuche als Beispiel an. Versuch 32. Brassica Napus. Zwei Töpfe mit etiolirten, 2—3!/; em hohen Keimlingen. a) Der eine Topf, welcher ganz mit Erde gefüllt ist, enthält 10 Vergleichskeimlinge, b) In dem zweiten Topf, mit ebenfalls 10 Keimlingen, befindet sich die Erd- oberfläche ca. 2 em unterhalb des Randes. Er wird bis zum Rande mit Erde voll- geschüttet, worauf bei neun Keimlingen eine verschieden lange Spitzenregion am Lieht bleibt, während der zehnte Keimling ganz verschüttet ist. Nach 7!/, Stunden: a) Alle Keimlinge sind stark gekrümmt, viele bis fast an die Basis hinab; das Krümmungsmaximum befindet sich ungefähr in der Mitte der Hypocotyle, der gerade- gestreckte Obertheil ist fast horizontal gerichtet. db) Von dem Hypocotyl ragt bei acht Keimlingen ein 4—9 mm, beim neunten ein 16 mm langes Stück über die Erdoberfläche hervor. Bei allen ist der unterirdische Ti 100 Theil des Hypoeotyls sehr deutlich gekrümmt, die Krümmung reicht ebensoweit basal- wärts wie bei den Vergleichskeimlingen, und das Krümmungsmaximum befindet sich meist im verdunkelten Theil. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Krümmung weniger scharf als bei den Vergleiehskeimlingen, und der Obertheil ist nicht ganz geradegestreckt. Beachtenswerth ist auch das Verhalten des zehnten, anfänglich ganz verschütteten Keimlings. Im Laufe des Versuchs schob er die Spitze seiner Cotyledonen über die Erdoberfläche hervor, wurde nochmals ganz verschüttet, aber zum Schluss des Ver- suches hatte er sieh wieder etwas hervorgeschoben. Die besonders lichtempfindliche Hypocotylspitze befand sich also bei ihm lange Zeit in nächster Nähe der Erdoberfläche, und dennoch war der Keimling vollkomnıen gerade geblieben. Dies zeigt, dass die Verdunkelung eine sehr vollkommene war. Leider habe ich zu diesem Versuch keine Zeichnungen angefertigt; die als Beispiel gegebene Fig. 29 gehört zu einem anderen ebenso ausgeführten Versuch, in dem die Krümmung des verdunkelten 'Theiles der Keimlinge zwar ebenfalls ansehnlich, aber doch geringer war als in Versuch 32. DZ Fig. 29. Heliotropische Krümmung eines Hypocotyls von Brassica Napus, dessen Untertheil mittels trockener Erde verdunkelt war. Expositions- dauer 5!/; Stunden. In einem Versuch wurde die Verdunkelung mittels Papierröhren mit Deckel vollzogen; das Resultat war ebenfalls gut. Weit schlechtere Resultate ergaben drei Versuche, in denen die für Dieotylenkeimlinge construirten Papierschürzen (vgl. Fig. 4, 5. 20) verwandt wurden; bei den meisten Keimlingen war die Krümmung des verdunkelten Theiles so schwach, oder beschränkte sich auf eine so kurze Strecke, dass ich sie nicht als genügend beweisend gelten lassen konnte. Da so un- befriedigende Resultate indess eben nur mit diesem einen Verdunkelungs- modus erhalten wurden (dem nb. die anderen Modi in Bezug auf die Voll- kommenheit der Verdunkelung keineswegs nachstehen), so sprechen dieselben nicht gegen die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, sondern zeigen nur, dass die Krümmungsfähigkeit der Keimlinge durch das Aufsetzen der Papier- schürzen beeinträchtigt wird; vermuthlich ist es der Druck der scharfen Papierränder, unter dem die Keimlinge leiden. Im Ganzen wurde in 6 Versuchen mit Drassica Napus bei 35 Ver suchskeimlingen der Untertheil verdunkelt. Die Resultate waren folgende: Bei einem Keimlinge (Verdunkelung mittels Papierschürze) fand eine merkliche Krümmung im verdunkelten Theil überhaupt nicht statt. Bei 12 Keimlingen (darunter bei 9 Verdunkelung mittels Papierschürzen) war die Krümmung zwar merklich, aber nicht genug beweisend. Bei den übrigen 101 32 Keimlingen war die Krümmung des verdunkelten Theiles sehr deutlich und theilweise ziemlich stark; sie erstreckte sich wenigstens ca. 1 cm unter die Lichtgrenze hinab, meist aber noch weiter, und bei einigen Keimlingen sogar bis zur Basis des Hypocotyls. Lässt man die mit Papierschürzen ausgeführten Versuche bei Seite, so bleiben 20 Versuchskeimlinge, von denen 17 ein ausgesprochen positives und nur 3 ein zwar nicht negatives, aber nicht genügend schlagendes Re- sultat ergaben. Ferner wurden zwei Versuche mit Brassica oleracea und Sinapis alba ausgeführt (in beiden Verdunkelung mittels Erde), welche ebenfalls ausge- sprochen positive Resultate gaben. S$S 45. Wiesner (23, 73) hat mit Drassica oleracea einen Versuch ausgeführt, welcher nach seiner Meinung den direeten Beweis liefert, dass die einseitige Beleuchtung eines Theiles des Hypocotyls in dem benachbarten verdunkelten Theil desselben keine Krümmung hervorzurufen vermag, wo- fern durch Rotation der Keimlinge in verticaler Ebene das „Zugwachsthum“ ausgeschlossen ist. Die sehr jungen (1 cm hohen) Keimlinge wurzelten in kleinen eylindrischen Gefässen mit Erde; ein Theil der Keimlinge wurde in ganzer Länge beleuchtet, bei einem anderen Theil wurde die untere Hälfte des Hypocotyls verdunkelt, und zwar geschah die Verdunkelung mittels kleiner mattschwarzer Metallplättchen, welche vor dem Keimling sowie rechts und links von ihm in die Erde gesteckt wurden, in solcher Entfernung vom Keimling, dass für eine eventuelle Krümmung seines Untertheils ge- nügend Raum blieb. Auf die weiteren Details der Versuchsanstellung Wiesner’s, welche im Princip mit denen der meinigen übereinstimmten, ebenso wie auf eine zweite, nur unwesentlich abweichende Modification des Verdunkelungsmodus, brauche ich hier nicht einzugehen. — Der Versuch dauerte 1" Stunden. Am Schluss desselben „waren die frei beleuchteten Keimlinge bis auf den Grund gegen die Lichtquelle hin gekrümmt, die halb verdumkelten standen im unteren Theil aufrecht, während der obere gegen die Flamme hin gerichtet war“. Auch mit Lepidium satiwum gab ein solcher Versuch dasselbe Resultat. Dieser Versuch leidet an Mängeln, welche seine Beweiskraft gänzlich aufheben. Der wesentliche und hier allein zu berücksichtigende Mangel besteht in der zu geringen Versuchsdauer. Es wurde schon gesagt, dass bei Brassica die heliotropische Krümmung im Obertheil des Hypocotyls beginnt, und wenn dieser bereits stark geneigt ist, kann der Untertheil erst sehr schwach oder selbst noch gar nicht gekrümmt sein. So war im Ver- such 21 ($ 35), welcher mit ganz jungen, ungewöhnlich krümmungsfähigen Keimlingen ausgeführt wurde, der Obertheil der Versuchskeimlinge schon nach 1"/s Stunden unter SO—90° geneigt, während der Untertheil um diese Zeit nur sehr unbedeutend gekrümmt war und sich erst nach 2° Stunden ebenfalls stark krümmte. Es versteht sich, dass die Verdunkelung des 102 Untertheils dessen Krümmung noch mehr aufhalten muss, da die Krümmung des Untertheils anfänglich nur unter dem Einfluss der directen heliotropischen Reizung erfolgt und die Zuleitung des von der Spitze ausgehenden Reizes Zeit erfordert; folglich war in Wiesner’s Versuch zu erwarten, dass der Untertheil bei den verschiedenen Keimlingen sich zu verschiedener Zeit krümmen würde, nämlich bei den Versuchskeimlingen später, — vielleicht sogar bedeutend später —, als bei den Vergleichskeimlingen. Nun sind 1'/2 Stunden eine so kurze Zeit, dass man sich darüber wundern muss, dass die Vergleichskeimlinge sich auch im Untertheil bereits stark gekrümmt hatten; den Versuchskeimlingen hätte mindestens die doppelte Zeit gegönnt werden müssen, alsdann hätte sich wohl zweifellos auch ihr verdunkelter Untertheil gekrümmt. Ich habe schon gezeigt ($ 22), dass bei Avena sativa der verdunkelte Untertheil des Cotyledo sich auch bei Rotation am Klinostat sehr wohl unter dem Einfluss eines zugeleiteten Reizes heliotropisch zu krümmen vermag, Durch den Wiesner’schen Versuch sah ich mich veranlasst zu prüfen, ob sich das Hypocotyl von Drassica Napus ebenso verhält (dass ich mit einer anderen Species experimentirte, als Wiesner, ist nb. nicht von Belang, da sich beide Species in heliotropischer Hinsicht völlig gleich verhalten). Den von Wiesner angewandten Verdunkelungsmodus hielt ich nicht für angezeigt, da er nur eine starke Beschattung, nicht aber eine vollkommene Verdunkelung ermöglicht, in Folge dessen ein eventuelles positives Resultat nicht völlig beweiskräftig sein würde. Von den zuverlässigen Vorrichtungen ist bei Rotation am Klinostat nur eine anwendbar, nämlich die Papierschürzen. Diese haben nun aber, wie wir gesehen haben, die schlechte Seite, dass sie die Krümmungsfähigkeit der Keimlinge beeinträchtigen, so dass meist nur eine sehr unbedeutende Krümmung derselben zu Stande kommt. Daher werden wir auch von dem Klinostatenversuch kein sehr glänzendes Resultat erwarten dürfen und werden uns damit begnügen müssen, wenn auch nur bei einem Theil der Keimlinge im verdunkelten Untertheil eine unverkenn- bare Krümmung, sei es auch nur in ziemlich kurzer Region'), sich ergiebt. — Da auf so junge Keimlinge, wie sie Wiesner verwandte, Papierschürzen sich nicht gut aufsetzen lassen, so musste ich ferner mit älteren, nicht mehr in so hohem Grade krümmungsfähigen Keimlingen operiren. 1) Wiesner wird allerdings vielleicht nicht zugeben, dass eine nur eine ziemlich kurze Strecke umfassende Krümmung im verdunkelten Untertheil beweisend für die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes ist, da nach ihm (23, 73) ein „heliotropischer Pflanzentheil bei seiner Krümmung den benachbarten nothwendigerweise etwas mit- krümmen muss“. Es ist schwer zu begreifen, was sich Wiesner bei diesem merk- würdigen Ausspruch eigentlich gedacht hat. Warum soll sich denn der benachbarte Pflanzentheil mitkrümmen? Die blosse Nachbarschaft ist doch keine genügende Ur- sache, wenn, was ja Wiesner kategorisch behauptet, eine Beeinflussung des einen Theiles durch den anderen im Sinne einer heliotropischen Reizfortpflanzung aus- geschlossen sein soll. 103 Versuch 33. Brassica Napus. Zwei Thonzellen mit je fünf etiolirten, 2,4—3,4 cm holıen Keimlingen. Allen Keimlingen sind Papierschürzen aufgesetzt; beleuchtet bleibt nur eine anfänglich 5 mm lange Spitzenregion des Hypocotyls. a) Eine Thonzelle steht aufrecht. b) Die zweite Thonzelle rotirt am Klinostat in verticaler Ebene. Die Thonzelle a dient zur Controle. Sie wird zeigen, was für eine Krümmung des verdunkelten Untertheiles man bei dem gegebenen Material von Keimlingen und bei Anwendung von Papierschürzen überhaupt erwarten kann; das Resultat des Ver- suches wird offenbar als in positivem Sinne entscheidend anzusehen sein, wenn die Krümmungen in beiden Thonzellen ungefähr gleich ausfall:n. Nach 7'/, Stunden: a) Bei einem Keimling ist der verdunkelte Untertheil nicht merklich gekrümmt. Bei den übrigen vier Keimlingen befindet sich im verdunkelten Untertheil eine zwar schwache, aber unverkennbare Krümmung, welche sich mindestens 5 mm unter die Lichtgrenze hinab erstreckt; bei einigen Keimlingen liegt das Krümmungsmaximum unter der Lichtgrenze (d. h. die obere Zone des verdunkelten Theiles ist stärker ge- krümmt als die beleuchtete Spitzenregion). Vgl. Fig. 30, a. b) Auch hier ist ein Keimling im verdunkelten Theil nicht merklich gekrümmt. Bei den übrigen vier Keimlingen ist der verdunkelte Untertheil ganz in derselben Weise gekrümmt wie bei den entsprechenden Keimlingen der Gruppe a, nur ist die Krümmung bei einem Theil der Keimlinge ein klein wenig schwächer (was wohl auf individuellen Differenzen beruht). Vgl. Fig. 30, 2. ee Fr Da /, A Man sieht aus diesem Versuch jedenfalls soviel, dass die Rotation der Keimlinge in verticaler Ebene die Krümmung des verdunkelten Untertheils keineswegs verhindert. Ich zweifle nicht, dass, wenn es möglich wäre, bei den rotirenden Keimlingen ein anderes, unschädliches Verdunkelungsmittel anzuwenden, man am Klinostat auch weit stärkere Krümmung des ver- dunkelten Theiles erzielen würde; doch habe ich leider kein diesen Be- dingungen genügendes und gleichzeitig zuverlässiges Verdunkelungsverfahren ersinnen können. S 46. Beleuchtung der Spitze und des Untertheils von entgegengesetzten Seiten. [Ueber Einrichtung und Zweck dieser Ver- 104 suche, die ganz so wie die entsprechenden Versuche mit Avena ausgeführt wurden, vgl. $ 23 und die schematische Fig. 19 (8. 58).] Versuch 34. Brassica Napus. Ein kleiner Topf mit fünf etiolirten, 2,1—2,7 cm hohen Keimlingen; dieselben werden in Papierröhren mit zwei Ausschnitten eingeschlossen. Der Topf steht im Dunkelzimmer zwischen zwei um 130 cm von einander entfernten Lampen mit mög- lichst gleicher Flamme; der Untertheil der Keimlinge erhält Licht von der linken, die (anfänglich nur 11/,—3 mm lange) Spitze — von der rechten Flamme. Die Symmetrie- ebene aller Keimlinge steht möglichst genau senkrecht zu der Lichtrichtung. Damit die Spitze ja nicht stärker beleuchtet sei als der Untertheil, wird der Topf absichtlich der linken Lampe etwas näher aufgestellt, sodass die einzelnen Keimlinge der linken. Flamme um 1—9 cm näher sind als der rechten. Nach 21/, Stunden: Bei allen Keimlingen ist der Untertheil deutlich nach links und die Spitze mehr oder weniger nach rechts gekrünmt. Ein Keimling wird geopfert, um eine Zeichnung dieses Stadiums anzufertigen: es zeigt sich, dass die Rechtskrümmung schon merklich unter die Lichtgrenze hinab sich erstreckt (Fig. 31, a), folglich hat sich der helio- tropische Reiz von der Spitze aus schon etwas nach unten fortgepflanzt. a b Fig. 31. a) Form eines Keimlings nach 2 Stunden. b) Form eines anderen Keimlings am Schluss des Versuchs. Nach 51/4 Stunden (Schluss des Versuchs): Bei einem von den übriggebliebenen vier Keimlingen ist die anfängliche Links- krümmung des Untertheils fast vollkommen überwunden und mehr als die Hälfte dieses Theiles ist deutlich nach rechts gekrümmt (Fig. 31, d). Bei den übrigen drei Keim- lingen ist zwar die Linkskrümmung des Untertheils noch in grösserem Grade erhalten, aber nur in der Basalregion, während die mittlere Region ebenfalls nach rechts ge- krümmt ist; auch bei ihnen hat also die von der Spitze aus transmittirte Reizung die direete Reizung des Untertheils auf einer gewissen Strecke überwunden. (Dass die Ueberwindung nicht in der ganzen Länge des Untertheils stattgefunden hat, er- klärt sich durch die ungenügende Länge der von rechts beleuchteten Spitze, was zur Folge hatte, dass im Beginn des Versuchs ein Theil der stark empfindlichen Spitzen- region von derselben Seite beleuchtet war wie der Untertheil.) Ein ebenso schlagendes Resultat lieferte auch ein zweiter, in derselben Weise mit Brassica Napus angestellter Versuch. — Die aus diesen Ver- suchen zu ziehenden Schlussfolgerungen brauche ich wohl nicht nochmals zu formuliren (vgl. $ 23). 105 Versuche mit Tropaeolum minus und einigen anderen Species. S 4%. Während bei den meisten anderen Keimlingen schon aus den Versuchen über die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit sich in- direct, aber mit Nothwendigkeit der Schluss ergiebt, dass ein heliotropischer teiz sich von der stärker empfindlichen Spitze zu dem weniger empfindlichen Untertheil fortpflanzen muss, ist bei T’ropaeolum, wo sich ein Einfluss der Spitze auf die Krümmung des Untertheils nicht ergeben hat, die Fort- pflanzung des heliotropischen Reizes auf diesem Wege nicht erweisbar. Man darf aber aus dem Mangel eines solchen Einflusses der Spitze auch nicht etwa schliessen, dass hier keine Fortpflanzung eines heliotropischen Reizes stattfindet; denn auch zwischen zwei heliotropisch gleich empfindlichen Zonen eines Organs kann eine Uebertragung des Reizes von der einen zur andern stattfinden, und wir haben sogar schon ein Beispiel dafür kennen gelernt (vgl. S 24). Es ist also sehr wohl möglich, dass im Epicotyl von Tropaeolum eine heliotropische Reizung sich von der Spitze aus zum Unter- theil fortpflanzt, ohne indess hier unter normalen Bedingungen einen sicht- baren Effect hervorzurufen, da der Untertheil schon direet in nicht minder starkem Grade gereizt ist; der Einfluss einer solchen zugeleiteten Reizung müsste sich aber geltend machen, wenn die direete heliotropische Reizung des Untertheils durch Verdunkelung desselben ausgeschlossen wird. Das in diesem Paragraphen Mitzutheilende wird zeigen, dass es sich in der That so verhält, und dass das Epieotyl von Tropaeolum sogar ein exquisites Beispiel für die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes darbietet. Dies zeigte mir zunächst eine gelegentliche Beobachtung. Ein Topf mit 6 jungen Keimlingen von 1'» cm Höhe über der Erde hatte einen Tag lang auf einem Tisch in der Mitte des Zimmers gestanden, und es fiel mir auf, dass die fast horizontal gerichteten Epieotyle ganz gerade gestreckt oder nur an der Basis schwach gekrümmt waren und sämmtlich aus der Erde unter sehr spitzem Winkel hervortraten; hinter jedem Keimling befand sich in der Erde eine breite sichelförmige Furche. Die Keimlinge wurden aus- gegraben und es zeigte sich, dass die heliotropische Krümmung sich aus- schliesslich oder hauptsächlich in dem 1,2 cm langen unterirdischen Theil der Epicotyle befand; sie war recht scharf und erstreckte sich durchgängig bis zur äussersten Basis des Epicotyls hinab. Weiter führte ich 4 Versuche aus, in denen bei insgesammt 20 Keim- lingen, deren Höhe von 2" bis 8 cm variirte, das ganze Epicotyl bis auf eine anfänglich nur wenige mm lange Spitzenregion verdunkelt wurde. Die Verdunkelung wurde in zwei Versuchen mittels Erde, in zwei anderen mittels Papierröhren mit Deckel beweırkstelligt. Alle 20 Keimlinge ergaben ein sehr ausgesprochen positives Resultat. Die Krümmung umfasste eine ebenso lange Region, wie bei den Vergleichs- keimlingen, d. i. sie erstreckte sich so weit basalwärts als es überhaupt möglich war (vgl. Fig. 32, « und 5b); im verdunkelten Theil des Epicotyls BE umfasste sie eine Strecke von 1—2 cm Länge oder selbst noch etwas mehr; meist befand sich die Krümmung ganz im verdunkelten Theil, während der Fig. 32. Fig. 33. Heliotropische Krüm- von Tropaeolum minus. mung zweier ug FE a von Tropaeolum minus, deren Untertheil mit- tels Papierröhren mit Deckel verdunkelt war. Expositionsdauer 53/4 Expositionsdauer 5'/, Stunden. Stunden. Heliotropische Krümmung von Epieotylen a) Epicotyl des am stärksten gekrümmten Vergleichskeimlings in dem betr. Versuch. b) Drei Epicotyle, deren Untertheil mittels trockener Erde verdunkelt war. beleuchtete Obertheil vollkommen geradegestreckt war. Mit Ausnahme eines der ältesten, nur noch schwach krümmungsfähigen Keimlinge (der linke Keimling in Fig. 33) war die Krümmung stets eine scharfe und stand nur unbedeutend hinter der Krümmung der in ganzer Länge beleuchteten Vergleichskeimlinge zurück. pe REN: a) Bei den übrigen Keimstengeln mit gleichmässiger Vertheilung der helio- tropischen Empfindlichkeit, nämlich denen von Solanum Lycopersicum und Coriandrum satwum, ist es in Folge der Kürze ihrer krümmungsfähigen Region schwer, sich von der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes zu überzeugen; denn wenn auch in dem mittels Erde verdunkelten Theil des Hypocotyls eine Krümmung sich einstellt, so beschränkt sie sich im Allge- meinen nothgedrungen auf eine so kurze Region, dass ein Zweifel an der Beweiskräftigkeit des Resultates nicht ausgeschlossen ist. Doch fanden sich bei beiden Arten einzelne Keimlinge mit längerer krümmungsfähiger Region, und solche Exemplare lieferten ganz überzeugende positive Resultate. Bei dieser Gelegenheit sei gleich erwähnt, dass ich mich auch bei Daucus Carota und Linum usitatissimum durch directe Versuche von dem Bestehen der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes überzeugte. Versuche mit Agrostemma Githago. S$S 48. Es wurde bereits hervorgehoben, dass bei diesem Objeet die starke heliotropische Krümmung sich nur langsam basalwärts verschiebt und dass der untere Theil der krümmungsfähigen Region bis zum Schluss der 107 (bis zu 9 Stunden dauernden) Versuche nur schwach gekrümmt blieb. Schon aus dieser Thatsache können wir schliessen, dass hier der von der Spitze ausgehende heliotropische Reiz sich weit langsamer und, sozusagen, weniger leicht fortpflanzt als bei Drassica Napus, da er in so langer Zeit die Basis der nur 1—2 cm. langen krümmungsfähigen Region offenbar nicht erreicht. Die directen Versuche bestätigten diesen Schluss. In 3 Versuchen (Ex- positionsdauer 5';—7's Stunden) wurde in der üblichen Weise der Unter- theil von 16 Keimlingen theils mittels Erde, theils mittels Papierröhren mit Deckel verdunkelt. Von diesen Keimlingen krümmte sich ein offenbar ab- normer überhaupt nicht (auch in der beleuchteten Spitzenregion nicht). Die übrigen 15 Keimlinge krümmten sich sämmtlich auch im verdunkelten Theil des Hypocotyls ganz deutlich, aber die Krümmung erstreckte sich relativ nur wenig (nicht mehr als ca. 1 cm) unter die Lichtgrenze und war durch- gängig nur schwach; vgl. Fig. 34. Fig. 34. Heliotropische Krümmung dreier Hypocotyle von Agrostemma Githago, deren Untertheil mittels trockener Erde verdunkelt war. Ex- positionsdauer 6'/, Stunden. In einem vierten Versuch mit 6 Keimlingen (Verdunkelung mittels Papier- röhren mit Deckel) gab nur ein Keimling ein zweifellos positives Resultat; bei den übrigen 5 Keimlingen erstreckte sich die Krümmung nur wenige mm unter die Lichtgrenze hinab, was ich nicht als genügend beweiskräftig gelten lasse. Der letzte Versuch endlich, in dem die Verdunkelung mittels Papier- schürzen vollzogen wurde, gab ein negatives Resultat; hierauf darf jedoch, aus dem schon früher ($ 44) besprochenen Grunde, kein Gewicht gelegt werden. Die besten Beispiele einer nur durch transmittirten Reiz hervorgerufenen Krümmung findet man bei Agyrosiemma im unterirdischen Theil des Hypo- cotyls ganz junger, nur wenig über die Erde hervorragender Keimlinge (Fig. 55); hier ist günstigenfalls das Hypocotyl bis zur Grenze der Keim- Y NE Fig. 35. Hypoeotyle zweier junger Keimlinge von Agrostemma Githago, nach 6stündiger einseitiger Beleuchtung ausgegraben und in ganzer Länge gezeichnet. aa Erdoberfläche. wurzel hinab gekrümmt. Doch auch hier fand ich nie so starke Krümmungen, wie in den entsprechenden Fällen bei manchen anderen Objecten. In der Voraussetzung, dass möglicherweise nicht blos die Papierschürzen sondern auch die beiden anderen Verdunkelungsvorrichtungen, — durch den Druck der Papierränder, die Berührung mit der Erde oder die austrocknende Wirkung der letzteren —, einen schädigenden und die Krümmungsfähigkeit vermindernden Einfluss auf die Keimlinge haben könnten, ersann ich eine neue Versuchsanstellung, bei der solche störende Factoren jedenfalls ausge- schlossen sind. Dieselbe bestand darin, dass auf den Keimling eine Stanniol- kappe aufgesetzt wurde, welche mit einem Längsausschnitt versehen war, und der so vorgerichtete Keimling mitten zwischen zwei gleich starken Lampen aufgestellt wurde, so dass der Ausschnitt in der Stanniolkappe gerade nach der einen Lampe gerichtet war. So war der Untertheil des Cotyledo von beiden Seiten gleich intensiv beleuchtet und wurde somit heliotropisch nicht gereizt; eine mehrere mm lange Spitze des Hypocotyls hingegen erhielt Licht nur von der einen Seite, durch den Ausschnitt in der Kappe. Wenn sich die heliotropische Reizung der Spitze basalwärts fortpflanzt, so ist zu erwarten, dass die Krümmung sich nicht auf die direct gereizte Spitzenregion beschränken, sondern sich mit der Zeit auch mehr oder weniger weit auf den beiderseits beleuchteten Untertheil ausbreiten wird. Ist bei zwei be- nachbarten Keimlingen der Ausschnitt in der Kappe nach entgegenzesetzten Seiten gerichtet, so wird sich auch der Untertheil der betreffenden Keimlinge nach entgegengesetzten Richtungen krümmen müssen, und dies wird uns als Controle dafür dienen, dass die Krümmung des Untertheils thatsächlich durch einen von der Spitze ausgehenden Einfluss und nicht durch irgendwelche unvorhergesehene Mängel der Versuchsanstellung bedingt ist. Versuch 35. Agrostemma Githago. Sechs etiolirte, 1,8—2,8 cm hohe Keimlinge sind in einem grossen Topf in eine Reihe gepflanzt, mit der auch die Richtung der Symmetrie-Ebene aller Keimlinge zusammenfällt. a) Zwei Controle-Keimlinge (Photometer); der eine ohne Stanniolkappe, der andere mit einer Stanniolkappe ohne Ausschnitt. b) Auf zwei Keimlinge sind weite Stanniolkappen aufgesetzt, welche die Coty- ledonen und überdies eine 41/5; mm lange Spitze des Hypocotyls verdunkeln; ein eirca 1!/; mm breiter Längsausschnitt, welcher nach links gekehrt ist, gestattet jedoch dem von links einfallenden Licht Zutritt zu der Hypocotylspitze. c) Zwei Keimlinge sind ganz so wie die db vorgerichtet, nur ist der Ausschnitt in den Rappen nach rechts gekehrt. Der Topf steht im Dunkelzimmer, mitten zwischen zwei Lampen: die Reihe der Keimlinge (und folglich auch die Symmetrie-Ebene der letzteren) steht senkrecht zu der die beiden Lampen verbindenden Linie, 40 cm von jeder derselben entfernt und in gleichem Niveau mit den Flammen. Nach 2 Stunden: a) Beide Keimlinge ungekrümmt. b) und c) Bei allen Keimlingen ist die Spitze mehr oder weniger stark nach ihrer respectiven Lichtquelle geneigt; ob die Krümmung auch schon unter die Grenze der einseitigen Beleuchtung hinabreicht, ist vorläufig noch schwer zu sagen. Nach 3'/, Stunden; a) Wie oben, b) und ec) Die Keimlinge sind jetzt auch im Untertheil zwar schwach, aber ganz deutlich gekrümmt. Nach 6!/, Stunden: a) Die beiden Keimlinge sind immer noch vollkommen gerade. Folglich ist die Differenz der Lichtintensität der beiden Lampen (falls überhaupt vorhanden) jedenfalls nicht gross genug, um heliotropische Krümmung hervorzurufen. b) Der Untertheil beider Keimlinge ist in ziemlich ausgedehnter Region nach links gekrümmt. Die Krümmung ist nicht stärker, eher etwas schwächer, als sie bei der vorigen Beobachtung war; walırscheinlich befinden sich die Keimlinge gerade in der Phase der Hebung. Vgl. Fig. 36, 2. c) Genau wie die b, nur ist die Krümmung nach rechts gerichtet; Fig. 36, e. Die beiden in Fig. 36 dargestellten, in entgegengesetzten Richtungen gekrümmten Keimlinge, sowie ein garnicht gekrümmter Controlkeimling, standen unmittelbar neben einander, und die verschiedene Form ihres Untertheils, der sich doch bei allen dreien in den nämlichen Beleuchtungsbedingungen befand, war ungemein augenfällig. Fig. 36. Dieser Versuch bietet einen schlagenden Beweis für die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes. Versuche mit Vieia sativa. S$ 49. Der direete Nachweis der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes trifft bei diesem Objeet auf solche Schwierigkeiten, dass ich anfangs nur negative Resultate erhielt, ebenso wie Wiesner!). Später aber überzeugte ich mich, dass die Misserfolge hauptsächlich in störenden Nebenwirkungen der angewandten Verdunkelungsvorrichtungen ihren Grund hatten. Meine Erfahrungen in dieser Hinsicht sind insofern lehrreich, als sie zeigen, wie vorsichtig man sich gegenüber negativen Resultaten verhalten muss. 1) Wiesner (23, 74—76) stellte die Keimlinge mit der Spitze nach unten, oder aber horizontal und senkrecht zum Lichteinfall, und verdunkelte ihren Basaltheil mittels mattschwarzer Schirme. Die Keimlinge krümmten sich „knapp“ unter der Lichtgrenze, während Vergleichskeimlinge sich in einer tieferen Region krümmten. — Diese Versuche sind schon deshalb nicht beweiskräftig, weil Wiesner kein Wort über die Expositionsdauer sagt, auf die es hier sehr ankommt; und wir wissen von dem Versuch mit Brassica her (vgl. $ 45), dass Wiesner die Nothwendigkeit einer genügend langen Expositionsdauer nicht zu würdigen wusste, 110 1. Verdunkelung durch Papierschürzen. Auf allen Keimlingen wurden mehrere 4" mm lange Zonen markirt und darauf auf die Versuchs- keimlinge Papierschürzen so aufgesetzt, dass deren oberer Rand mit der Grenze der ersten und zweiten Zone zusammenfiel, also nur die Zone I be- leuchtet war. In allen (fünf) derartigen Versuchen, welche 5"2—8"z Stunden dauerten, ergab sich Folgendes. Die Vergleichskeimlinge (a) krümmten sich in einer meist nicht weniger als drei Zonen umfassenden Region, und ein aus einer bis zwei Zonen bestehender Obertheil streckte sich in nahezu horizontaler Richtung ganz gerade (Fig. 37, a). Bei den Versuchskeimlingen (b) hingegen b a Fig. 37. Heliotropische Krümmung der Keimstengel von Wieia sativa (auf denselben sind Querzonen von ursprünglich 41/, mm Länge bezeichnet). a) Ein in seiner ganzen Länge beleuchteter Keimstengel. b) Ein Keimstengel mit „Papierschürze“ s. krümmte sich nur die Zone I; dieselbe blieb entweder in ganzer Länge gekrümmt, oder ihre Spitze streckte sich schliesslich gerade, so dass eine kurze und sehr scharfe Krümmung zu Stande kam, deren untere Grenze gewöhnlich genau mit der Lichtgrenze zusammenfiel (Fig. 37, b); nur zu- weilen reichte die Krümmung 1—2 mm unter die Grenze der direeten Be- leuchtung hinab. Durch einen besonderen Versuch überzeugte ich mich, dass das Aufsetzen von Papierschürzen diese Wirkung auch bei solcheu Keimlingen hervorbringt, welche am Tage vorher, als sie in ganzer Länge beleuchtet wurden, sich in normaler Weise und in einer mehrere Zonen umfassenden Region gekrümmt hatten. Die Vermuthung, dass die Papierschürzen möglicherweise das Wachsthum der Keimlinge hemmen, erwies sich als unzutreffend: wenn die Schürzen vorsichtig und ohne Verletzung des Keimstengels aufgesetzt werden, so wachsen die b in allen Zonen ebenso stark wie die «. Hiernach schien es, trotz verschiedener dagegen sprechender Argumente, unzweifelhaft, dass der Keimstengel von Vieia in der That nur insoweit sich heliotropisch zu krümmen vermag, als er direct einseitig beleuchtet ist. Sicherheitshalber führte ich aber noch das folgende Experiment aus: Nach- dem die Versuchs- und Vergleichskeimlinge die in Fig. 37 dargestellte Form erreicht hatten und bereits eine Zeit lang in ihr verharrten, nahm ich die a an Papierschürzen von einigen Versuchskeimlingen ab und setzte sie ihnen als- bald wieder auf, aber um eine Zone tiefer. Falls die Zone II sich bisher darum nicht krümmte, Weil sie verdunkelt war, so wird sie jetzt, wo sie beleuchtet ist, sich krümmen und schliesslich die gleiche Form annehmen müssen, welche bis dahin die Zone I hatte; die Krümmung wird sich basal- wärts verschieben und von Neuem an der Lichtgrenze concentriren. In- dessen werden andere Versuchskeimlinge, welche zur Controle in den früheren Bedingungen belassen wurden, unverändert bleiben müssen. Bezeichnen wir der Kürze halber die letzteren mit b’ und die Versuchskeimlinge, denen die Papierschürzen um eine Zone tiefer aufgesetzt wurden, mit b”, Das Resultat dieses Versuches war ein ganz unerwartetes. Die jetzt dem Licht ausgesetzte Zone II der Keimlinge b” begann sich zwar zu krimmen, aber langsam und sehr schwach; die stärkste Krümmung blieb an der früheren Stelle, und von Geradestreckung und Horizontalstellung des beleuchteten Obertheiles war keine Rede, obgleich der Versuch noch drei Stunden fortgesetzt wurde. Auch noch am Morgen des folgenden Tages blieb die Form der Keimlinge b” die gleiche. — Ein zweiter ebensolcher Versuch gab dasselbe Resultat, nur noch insofern prägnanter, als bei den b” gar keine Krümmung stattfand und am Schluss des 3"/a Stunden dauernden Versuches ihre Form von derjenigen der Keimlinge b’ nicht zu unterscheiden war. — Ich habe mich in beiden Versuchen überzeugt, dass weder ein Stillstand noch eine Verlangsamung des Wachsthums vorlag. Diese Versuche werfen ein neues Licht auf alle früheren Versuche, in denen zur Verdunkelung des Untertheils Papierschürzen benutzt wurden. Wie sich herausstellt, blieb die Zone II der Versuchskeimlinge nicht darum (genauer: nicht blos darum) ungekrümmt, weil sie verdunkelt war, sondern darum, weil durch die Papierschürze ihre Krümmungsfähigkeit aufgehoben oder doch wesentlich vermindert war. Da constatirt worden ist, dass das Wachsthum durch die Papierschürzen nicht affieirt wird, so bleibt nur die eine Möglichkeit, dass die Papierschürzen die heliotropische Reiz- barkeit des ihrer Befestigungsstelle benachbarten Theiles des Keimstengels aufheben oder bedeutend herabsetzen; diese Wirkung, welche noch ziemlich lange Zeit nach Entfernung der Papier- schürze andauern kann, machte sich häufig auch in der Zone I der Ver- suchskeimlinge deutlich geltend, indem dieselbe sich bedeutend später zu krümmen begann und eine viel geringere Neigung erreichte als die Zonel bei den Vergleichskeimlingen, obgleich doch beide in gleicher Weise beleuchtet waren. Diese eigenthümliche und merkwürdige Reizwirkung, welche durch die Papierschürzen ausgeübt wird, ist vermuthlich auf den Druck der scharfen Papierränder zurückzuführen. Eine nähere Untersuchung dieser jedenfalls beachtenswerthen Erscheinung lag übrigens nieht in meiner Absicht, Für meinen Zweck genügte es, zu constatiren, dass man aus negativen Resultaten, die in Versuchen mit Anwendung von Papierschürzen erhalten werden, keinen Schluss auf Abwesenheit einer Fortpflanzung des heliotropischen Reizes 112 ziehen darf; die negativen Resultate rühren von den 'Mängeln der Methode her, welche ausser der vom Experimentator gewollten Wirkung auch noch unbeabsichtigte und unvorhergesehene Nebenwirkuhgen auf die Pflanze hat, Mit dieser Möglichkeit muss man auch bei den anderen Methoden und auch in dem Falle rechnen, wenn es nicht gelingt die Existenz der störenden Nebenwirkungen nachzuweisen. Darum können, in Fragen wie die vor- liegende, negative Resultate kaum absolut beweisend sein, und jedenfalls fallen hunderte von negativen Resultaten einem einzigen zweifellos positiven Resultat gegenüber nicht in’s Gewicht. Jetzt können wir auch verstehen, warum die Verdunkelung mittels Papier- schürzen auch bei anderen Dieotylenkeimlingen negative oder doch viel schlechtere Resultate lieferte als die anderen Methoden (vgl. S 44, 48). Dass die Papierschürzen bei Brassica die Krümmungsfähigkeit des Unter- theils nur vermindern, hingegen bei Agrostemma und bei Vieia sie ganz aufheben, das deutet auf eine grössere Empfindlichkeit der beiden letzteren Objecte für derartige Einwirkungen hin. $S 50. 2. Verdunkelung durch Papierröhren mit Deckel. In zwei solchen Versuchen wurde ein negatives resp. zweifelhaftes Resultat erhalten: die Krümmung der Versuchskeimlinge erstreckte sich ent- weder ebenfalls genau bis zur Lichtgrenze, oder nur ganz wenig unter dieselbe. In einem von diesen Versuchen waren zur Controle drei Keimlinge in Papier- röhren eingeschlossen, welche in der Vorderseite mit einem breiten Längsaus- schnitt versehen waren; bei diesen Keimlingen war also auch der Untertheil be- leuchtet, im übrigen befanden sie sich in den gleichen Bedingungen wie die Versuchskeimlinge; von diesen drei Keimlingen krümmte sich nur einer normal, ebenso wie die frei beleuchteten Vergleichskeimlinge, — die beiden anderen krümmten sich ebenso wie die Versuchskeimlinge, d. h. nur in der über dem Deckel befindlichen Spitze. Diese Beobachtung machte es: wahr- scheinlich, dass auch bei der gegenwärtigen Versuchsanstellung das negative Verhalten der Keimlinge weniger durch die Verdunkelung ihres Untertheils, als vielmehr durch die Reibung des Keimstengels am scharfen Rande des Deckelausschnittes bedingt sein dürfte, an den sich der Keimstengel bei der geringsten Krümmung anpressen muss. Um diese Vermuthung zu prüfen, schloss ich fünf Keimlinge in Papier- vöhren ein, welche den Untertheil verdunkelten, setzte jedoch keine Deckel auf, so dass die Keimstengel keinem Druck und keiner Reibung ausgesetzt waren. Am Schluss des 7'2 Stunden dauernden Versuches reichte die Krümmung bei allen Keimlingen deutlich unter die Lichtgrenze hinab, und zwar bei dreien nur wenig (3 mm), bei zweien ziemlich weit. Dies könnte man als positives Resultat ansehen, wenn nicht der (allerdings wahrscheinlich unzutreffende) Einwand möglich wäre, dass die Verdunkelung der Keimlinge: unter der Lichtgrenze keine vollkommene war. Im Ganzen geben diese Versuche auch kein entscheidendes Resultat, 113 >. Verdunkelung mit Erde. Von drei solchen Versuchen ergab einer ein negatives Resultat, im zweiten erstreckte sich die Krümmung bei mehreren Keimlingen zwar deutlich unter die Lichtgrenze, aber nur um wenige mm. Der dritte Versuch gab endlich‘ ein ausgesprochen positives Resultat. Versuch 36. Vicia sativa. In zwei in der üblichen Weise vorgerichteten Töpfen befindet sich eine Anzahl etiolirter, bis zu 2,8 cm hoher Keimlinge. Nach dem Vollschütten der Töpfe mit Erde ragt bei 13 Keimlingen eine meist ganz kurze Spitze des Keimstengels über die Erde hervor. Nach 5 Stunden: Der oberirdische Theil der Keimstengel ist stark geneigt, meist der Erde an- gedrückt; hinter vielen von ihnen befinden sich in der Erde deutliche kleine Grübehen, Nach dem Wegschütten der verdunkelnden Erde zeigt sich bei allen Keimlingen, mit Ausnahme zweier, eine deutliche Krümmung unter der Lichtgrenze. Bei vier Keimlingen ist dieselbe recht schwach oder umfasst nur eine recht kurze Strecke (zwei solche Reimlinge sind in Fig. 38, b dargestellt); bei den übrigen sieben Keim- lingen ist die Krümmung stärker und umfasst eine längere Strecke des verdunkelren Untertheils, bei einigen Keimlingen etwas über 1 cm (vgl. drei solche Keimlinge in Fig. 38, a); berücksichtigt man, wie kurz die krümmungsfähige Region bei Keimlingen solchen Alters überhaupt zu sein pflegt, so erscheint es sehr wahrscheinlich, dass bei diesen Keimlingen die Krümmung bis zur Basis der krümmungsfähigen Region hinabreicht. Bei allen 11 Keimlingen liegt die Krümmung ganz oder grösstentheils im verdunkelten Theil des Keimstengels. Fig. 38, Dass die beiden anderen Versuche nicht ein ebenso klares Resultat er- geben haben, liegt vermuthlich wiederum an der Methode. Es ist wahr- scheinlich, dass ein stundenlanger Aufenthalt in trockener Erde nicht ohne schädigenden Einfluss auf zarte Keimstengel bleibt und speciell auch deren Krümmungsfähigkeit vermindert; die Keimlinge von Vicia aber scheinen segen alle derartigen schädigenden Einwirkungen ganz besonders empfindlich zu sein. Dadurch würde es sich erklären, dass der verschüttete Theil der Keimstengel sich nur unter besonders günstigen Umständen und nur bei besonders kräftigen und krümmungsfähigen Keimlingen deutlich und in längerer Strecke krümmt. 4. Beleuchtung des Untertheils von beiden Seiten. Wenn die Annahme richtig ist, dass die grösstentheils unbefriedigenden Resultate der bisher besprochenen Versuche ihren wesentlichen Grund in der Cohn, Beiträge zur Biologie der Pilanzen. Bd. VII. Heft I. 8 grossen Empfindlichkeit der Keimstengel von Vicia gegen Druck, Reibung und austrocknende Wirkung haben, so waren bessere Ergebnisse von der Versuchsanstellung zu erwarten, welche bereits bei Ayrostemma mit Erfolg angewandt worden ist und bei welcher alle solche störenden Nebenwirkungen ausgeschlossen sind. Indem ich bezüglich des Prinzips und der Details dieser Versuchsanstellung auf $ 45 verweise, gehe ich sogleich zur Be- schreibung eines Versuches über. Versuch 37. Vicia sativa. Zehn etiolirte, 1,8—3,0 cm hohe Keimlinge. a) Vier Keimlinge ohne Kappen (Photometer-Keimlinge). : b) Drei Keimlinge mit 6 mm langer Stanniolkappe mit nach der linken Lampe gekehrtem Ausschnitt. ec) Drei Keimlinge desgleichen, nur Aussehnitt der Stanniolkappe nach der rechten Lampe gekehrt. Alles übrige genau wie in Versuch 35 ($ 48). Nach 5 Stunden: a) Alle Keimlinge durchaus ungekrümmt, also Lichtintensität von beiden Seiten gleich. b) und c) Zwei b haben sich überhaupt nicht gekrümmt (bei einem hat sich der Keimstengel so tordirt, dass die Spitze gar kein Licht erhält; der andere muss aus irgend einem Grunde nicht krümmungsfähig sein). Der dritte d und alle drei e sind Ziemlich stark gekrümmt, ersterer nach links, letztere nach rechts; bei dreien von diesen Keimlingen (vgl. Fig. 39, ) erstreckt sich die Krümmung nur wenig unter den Rand der Stanniolkappe hinab; bei einem ce aber (Fig. 39, c) umfasst sie eine lange Strecke des beiderseits beleuchteten Untertheils. In allen Fällen liegt die vorhandene Krümmung ganz oder grösstentheils in eben diesem Theil des Keimstengels, während die einseitig beleuchtete Spitze wenigstens nahezu geradegestreckt ist. N b c . Fig. 39. : "Es.wurden noch zwei weitere derartige Versuche ausgeführt, mit zusammen neun Versuchskeimlingen (fünf D, vier c), welche sich sämmtlich im beider- seits beleuchteten Untertheil nach derjenigen Seite krümmten, von welcher die Spitze Licht erhielt; in einem dieser Versuche war bei drei Keimlingen (zwei-b und ein c) das Resultat noch ausgesprochener als in den in Fig. 59 dargestellten Fällen. Diese Versuchsanstellung hat in der Praxis ebenfalls ihre Mängel, welche das Resultat beeinträchtigen. Der wesentliche Mangel besteht darin, dass, in dem Masse wie sich die Spitze des Keimlings, sagen wir, nach links krümmt, auch die Stanniolkappe sich nach links neigt und in Folge dessen durch ihre weite untere Oeffnung Licht auch von der rechten Lampe ein- dringt, so dass die nur von links beleuchtete Spitzenregion des Keimstengels 1.15 im Juaufe des Versuchs immer kürzer wird; dieser Umstand vermindert be- sreiflicherweise sowohl den Grad der Krümmung als auch die Länge der gekrümmten Region. [Allerdings fällt aus demselben Grunde auch die Grenze der einseitigen Beleuchtung am Schluss des Versuches nicht mehr mit dem unteren Rande der Stanniolkappe zusammen (was in Fig. 39 angenommen ist), sondern liegt um einige mm höher, und um denselben Betrag ist folglich auch die gekrümmte Strecke des beiderseits beleuchteten Theiles länger, als es nach der Figur den Anschein hat. Dadurch erklärt es sich, dass das Resultat nicht immer gerade glänzend ausfällt. Immerhin hat sich aber bei allen Keimlingen, wofern überhaupt eine Krümmung eintrat, auch der nicht direct heliotropisch gereizte Unter- theil in grösserer oder geringerer Ausdehnung ganz unverkennbar gekrümmt, und da bei dieser Versuchsanstellung jede andere Erklärung einer solchen Krümmung ausgeschlossen ist, so können wir es nunmehr als endgiltig be- wiesen ansehen, dass auch bei diesem so exceptionell ungünstigen Object eine Fortpflanzung des heliotropischen Reizes stattfindet. Dabei soll freilich nicht geleugnet werden, dass sie hier keineswegs so leicht und so schnell vor sich geht wie bei manchen anderen Objecten, — was übrigens schon aus dem Verlauf der normalen heliotropischen Krümmung im Keimstengel von Vicia sativa zu entnehmen war. VI. Versuche mit Blättern und Blattstielen. $ 51. Es ist keineswegs leicht, unter den Organen entwickelter Pflanzen (d. i. solcher, welche das Keimlingsstadium überschritten haben) für meine Zwecke brauchbare Objecte zu finden. Solche Objeete müssen folgenden Anforderungen genügen: 1. Sie müssen eine zieml ch lange krümmungsfähige Region haben, damit, bei Versuchen über Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, die Krümmung sich genügend weit in den verdunkelten Untertheil hinab erstrecken könne. 2. Die heliotropische Krümmung muss sich schnell vollziehen, weil sonst die Lage der krümmungsfähigen Region sich noch vor Erzielung eines deutlichen Resultates wesentlich ändern könnte. 3. Die heliotropische Krümmung muss ziemlich stark sein, damit die zu erwartende Krümmung im verdunkelten Theil, wo sie natürlich schwächer ausfallen muss, als bei direeter Beleuchtung, dennoch vollkommen deutlich sein könne. Besonders die letztere Bedingung ist nur sehr selten erfüllt, denn ob- gleich sehr viele Organe heliotropisch sind, so überwiegt in ihnen doch meist der Geotropismus bedeutend, so dass die heliotropische Krümmung nur schwach ausfällt. Das Ausschliessen des Geotropismus durch Rotation am Klinostat ist aber mit der anzuwendenden Untersuchungsmethode unvereinbar g* 116 Nach Durehprobiren einer grossen Reihe von Pflanzen fand ich schliesslich eine Anzahl verschiedenartiger, mehr oder weniger geeigneter Objecte, die in diesem und dem folgenden Kapitel besprochen werden söllen. Während ich die Keimlinge stets vor allen Dingen auf die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit untersuchte, liess ich bei der Untersuchung der Organe entwickelter Pflanzen diesen Punkt nothgedrungen in den Hinter- grund treten, weil es bei den meisten Objeeten geradezu unmöglich wäre, eine für sichere Schlussfolgerung genügend grosse Zahl von in gleicher Ent- wiekelungsphase befindlichen Individuen zusammenzubringen. Uebrigens ist diese Frage auch von keinem prinzipiellen Interesse mehr, nachdem sich bei den Keimlingen gezeigt hat, dass die heliotropische Empfindlichkeit in den Organen sowohl ungleichmässig als auch gleichmässig vertheilt sein kann, und dass die Art ihrer Vertheilung in keiner Beziehung zu der Fort- pflanzung des heliotropischen Reizes steht; es könnte sich also nur noch um Entscheidung der ziemlich nebensächlichen Frage handeln, welcher von den beiden Fällen der häufigere ist. Ich habe dementsprechend nur einige wenige Objecte auf die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit ge- prüft, hingegen meine ganze Aufmerksamkeit auf den direecten Nachweis der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes concentrirt, da die Frage, ob eine solche Fortpflanzung von allgemeiner oder nur von beschränkter Ver- breitung im Pflanzenreiche ist, gewiss ein bedeutendes Interesse hat. Versuche mit Sämlingsblättern von Allium Cepa. S 52. Die auf den Cotyledo folgenden Blätter der Sämlinge sind eylindrisch (abgesehen von dem scheidenförmigen Untertheil, der für uns nicht in Betracht kommt, und von der ganz allmälig“ konisch sich zu- schärfenden Spitze), orthotrop und physiologisch radiär. Die ersten Blätter sind kaum "2 mm diek und nur wenige cm lang, die folgenden werden suecessive dieker und länger; im Frühling geht dieser Erstarkungsprocess schnell vor sich, im Winter hingegen sehr langsam. Von einer im Januar gemachten Aussaat erhielten sich sieben Sämlinge, mit denen im April und Mai die unten zu besprechenden Versuche ausgeführt wurden; obgleich diese Sämlinge bereits zahlreiche Blätter gebildet hatten und fortfuhren in kurzen Zwischenräumen neue zu produeiren, wurden die Blätter doch nur etwa 1, —1 mn diek und nicht über 10 cm lang; darauf stellte jedes einzelne Blatt sein Wachsthum ein und begann von der Spitze aus allmälig zu vertrocknen. Die Wachsthumsvertheilung in den Blättern ist eine rein basipetale. Von sehr jungen Entwickelungsstadien abgesehen, wächst eine Spitzenregion, deren Länge mit dem Alter des Blattes zunimmt, überhaupt nicht; der mittlere Theil zeigt ein ziemlich geringes, basipetal zunehmendes Wachsthum (4—10° Zuwachs in 24 Stunden), und erst an der Basis des eylindrischen Blatttheils finden wir ein intensiveres Wachsthum (27— 36% Zuwachs). Solange die Blätter jung sind (am günstigsten sind solche von ca. 3 cm Länge), gehören sie zu den heliotropisch krümmungsfähigsten Objecten, 117 welche mir vorgekommen sind. Mit dem Alter nimmt die Krümmungs- fähigkeit ab, bleibt aber in gewissem Grade bis fast zum Absterben des Blattes erhalten. — Die heliotropische Krümmung beginnt meist ziemlich gleichzeitig in der ganzen wachsenden Region des Blattes; mit der Zeit concentrirt sie sich immer mehr im basalen Theil, während der Obertheil sich allmälig vollständig geradestreckt. Bezüglich der Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit ist so viel sicher, dass die Spitze sich nicht durch verstärkte Empfindlichkeit auszeichnet, da die Verdunkelung einer selbst recht langen Spitzenregion die Neigung der Blätter nicht beeinflusst; wohl scheint es aber, dass eine kurze Basal- region weniger empfindlich ist als das ganze übrige Blatt, doch habe ich dies nicht mit voller Sicherheit constatiren können '). Versuch 38. Allium Cepa. In einem mehrere Sämlinge enthaltenden Topf befinden sich u, A. zwei junge, ca. 3 cm hohe Blätter. Der Topf wird soweit mit Erde verschüttet, dass von den beiden Blättern nur die wenige mm langen Spitzen hervorragen. Die Exposition dauert von einem Morgen bis zum folgenden. Am Schluss des Versuchs ist der über die Erdoberfläche vorragende Theil bei Blatt I 10 mm lang, bei Blatt II 6 mm lang. Derselbe ist ganz gerade und vertical geriehtet, äussere Anzeichen einer unterirdischen Krümmung fehlen. Beim Weg- schütten der verdunkelnden Erde krümmt sich aber der verdunkelt gewesene Theil beider Blätter sofort ziemlich stark, und die Spitze derselben nimmt eine entsprechende Neigung an (Fig. 40). Ein Streben zur heliotropischen Krümmung bestand also im unterirdischen Theil der Blätter, nur waren diese zarten Organe nicht im Stande, den Widerstand der Erde zu überwinden. Bei Blatt I beginnt die Krümmung ca. ? mm unter der Lichtgrenze und erstreckt sich bis zur Basis; bei Blatt II beginnt sie 1 cm unter der Lichtgrenze und hört Fig. 40, !) Der ausgesprochene Prosheliotropismus der Blätter von Allium Cepa bietet ein schlagendes Beispiel dafür, dass keineswegs Alles in der Natur „zweckmässig“ ist. Es leuchtet ein, dass es für die Pflanze am vortheilhaftesten wäre, wenn sich ihre Assimilationsorgane senkrecht zur Richtung des einfallenden Lichts stellen würden, d. h. wenn sie diaheliotropisch wären, wie das ja bei flachen Blattorganen der Fall zu sein pflegt; dass sie nicht nur dieser nützlichen Eigenschaft ermangeln, sondern sogar im Gegentheil sich nahezu in die Richtung der Lichtstrahlen einstellen, ist, wenn man einmal von „Zweck“ bei Pflanzen sprechen will, geradezu unzweckmässig. Gegenüber dem üblichen einseitigen Hervorheben des „zweckmässigen“ ist es nützlich, auch auf das Vorkommen derartiger Fälle aufmerksam zu machen. 118 etwas oberhalb der Basis auf, Der heliotropische Reiz hat sich bei Blatt I 2,5 cm, bei Blatt II 1,8 cm weit unter die Lichtgrenze fortgepflanzt. Es ist bemerkenswerth, dass die Spitzenregion der beiden Blätter, welche die heliotropische Reizung empfing und dem verdunkelten Theil übermittelte, selber ganz gerade geblieben ist, obgleich sie senkrecht zum einfallenden Licht stand; ich mache hier nur auf diese Thatsache aufmerksam, aus der wir erst au anderer Stelle einen Schluss ziehen werden. In diesem Versuch (meinem ersten mit Allium) hatte ich sicherheits- halber die Exposition recht lange dauern lassen. Gleich der zweite Versuch, mit fünf Blättern von 2,0—6,7 cm Länge ausgeführt, zeigte indessen, dass eine weit kürzere Exposition zur Erzielung eines prägnanten Resultates hinreicht. Schon nach 4'r Stunden war nämlich der oberirdische Theil der Blätter mehr oder weniger lichtwärts geneigt (meist auch gekrümmt), und hinter mehreren Blättern befanden sich deutliche Grübchen in der Erde. Beim Wegschütten der Erde zeigte sich im unterirdischen Theil aller Blätter eine deutliche Krümmung, welche sich sofort bedeutend verstärkte, — auch hier war also der Widerstand der Erde nur theilweise überwunden worden. Die Krümmung des unterirdischen Theiles war durchgängig stärker als die des oberirdischen, und bedeutend stärker als die in Fig. 40 abgebildete. Der heliotropische Reiz hat 1,5—2,2 cm weit unter die Lichtgrenze hinab seine Wirkung geäussert. Ein dritter Versuch, mit drei jungen Blättern, gab ein ebensolches Resultat, und nur in einem Versuch, mit zwei Blättern, war das Resultat nicht ganz befriedigend. Versuche mit den Blättern austreibender Zwiebeln von Allium Cepa. | S$S 53. Mehrere Zwiebeln wurden in kleine Töpfe gepflanzt und im Dunkeln keimen gelassen. Nachdem schon einige Laubblätter sich entwickelt hatten, wurde ein Theil der Töpfe an’s Licht gebracht; die im Dunkeln flach bleibenden, ca. 5 mm breiten Blätter blähten sich am Licht im Laufe mehrerer Tage bedeutend auf, ohne jedoch ganz cylindrisch zu werden, indem ihre morphologische Oberseite mehr oder weniger abgeflacht blieb. Ich operirte mit jüngeren Blättern, die entweder ganz etiolirt, oder zwar ergrünt aber noch nicht aufgebläht waren; solche Blätter sind meist stark heliotropisch, krümmen sich aber, ihrer grösseren Dicke entsprechend, viel langsamer als die Sämlingsblätter, Sie sind, infolge des in verschiedenen Richtungen ungleich grossen Durchmessers, nicht physiologisch radiär: die Krümmungsfähigkeit ist bedeutend grösser, wenn das Blatt mit der Fläche, als wenn es mit der Kante der Lichtquelle zugekehrt ist. Die individuellen Differenzen der heliotropischen Empfindlichkeit sind so bedeutend, dass sie selbst den Einfluss des Alters verdeeken können: es kommt hier entgegen der allgemeinen Regel vor, dass ein älteres Blatt sich stärker krümmt, als ein jüngeres schneller wachsendes. Aus demselben Grunde sind diese Blätter ziemlich ungünstige Versuchsobjeete, da mau nieht voraussehen kann, 119 ob die für einen Versuch ausgewählten Blätter genügend krümmungsfähig sein werden. | Von den Versuchen über Fortpflanzung des heliotropischen Reizes blieb einer resultatlos infolge zu geringer Krümmungsfähigkeit der Blätter; ein zweiter gab ein zweifelhaftes Resultat. Die übrigen drei Versuche lieferten ein überzeugendes positives Ergebniss. Versuch 39. Allium Cepa. Eine Pflanze mit fünf ergrünten, flachen Blättern von 5,8 -—13,8 em Länge vd partiell verschüttet, so dass bei den einzelnen Blättern ein Stück von folgender Länge über die Erdoberfläche hervorragt: I, IT und III: 8—-9 cm, 1V: 3 cm, V: 1 cm. E Versuchsdauer von 12 Uhr Mittags bis 10 Uhr Morgens des folgenden Tages. Nach 5 Stunden war der oberiıdische Theil aller Blätter bereits in ganzer Länge gekrümmt, und hinter dem Blatt V befand sich ein deutliches Grübchen - in der Erde. Nach Schluss des Versuches und Wegschütten der verdunkelnden Erde zeigt sich im unterirdischen Theil der Blätter I, IV und V eine sehr deutliche Krümmung (Fig. 41), welche sich mehrere cm weit unter die Lichtgrenze hinab erstreckt und der Fig. 41. Krümmung des oberirdischen Theiles an Stärke kaum nachsteht. — Auch die Blätter H und III sind in ihrem unterirdischen Theil merklich gekrümmt, aber schwächer als die anderen und in kürzerer Strecke; dies erklärt sich durch das (constatirte) erheblich langsamere Wachsthum dieser beiden Blätter, sowie dadurch, dass sie tordirt waren und in ihrem unterirdischen Theil der Lichtquelle die Kante zukehrten während die anderen Blätter in ihrer ganzen Länge mit der flachen Seite lichtwärts gewandt waren. In den zwei übrigen Versuchen, welche ebenfalls fast einen ganzen Tag dauerten, krümmte sich eines von vier Blättern im verdunkelten Theil nicht merklich, die anderen aber krümmten sich ebenso wie die in Fig. 41 dar- gestellten Blätter, theilweise sogar erheblich stärker. = 120 Versuche mit den Blattstielen von Tropaeolum minus. & 54. Unter den in Stiel und Lamina gegliederten Blättern wählte ich für meine Versuche nur solche aus, bei denen die Lamina ungefähr senk- recht zum Stiel steht, wo also die Lichtlage der ersteren bei jeder beliebigen Lichtrichtung durch einfache heliotropische Krümmung des Blattstiels, ohne Mitwirkung von Torsion, erreicht werden kann. Unter solchen Blättern stellen diejenigen von T’ropaeolwm, namentlich die Primärblätter, ein ganz besonders günstiges Objeet dar. Die (nicht zu alten) Blattstiele sind ausser- ordentlich heliotropisch; bei einseitiger Beleuchtung stellen sie sich gewöhnlich genau in die Lichtrichtung ein, und zwar auffallend schnell. In einem Versuch z.B. richteten sich die Stiele der Primärblätter zweier Pflänzchen schon nach 2stündiger Exposition genau nach der Lichtquelle, obgleich sie zu diesem Zwecke einen Bogen von über 90° (der eine sogar einen solchen von 135") hatten beschreiben müssen; in einem anderen Versuch hatten die Stiele sogar schon im Laufe einer Stunde die Lichtrichtung erreicht. Freilich erfolgt die Reaction lange nicht bei allen Exemplaren mit derartiger Schnelligkeit. Ich bemerke, dass die Blattstiele, entsprechend ihrer eylindrischen Form, sich auch physiologisch wie radiäre Organe verhalten: sie krümmen sich lichtwärts mit gleicher Schnelligkeit und Genauigkeit, von welcher Seite sie auch beleuchtet sein mögen; Epinastie macht sich dabei nicht im geringsten bemerklich. Ebenso hat aber auch die Gravitation keinen merklichen Ein- fluss auf die heliotropische Krümmung. Ich gab in einem Versuch den Blattstielen mehrerer Pflänzchen eine verschiedene Lage gegen das Erd- eentrum: die einen waren aufwärts, die anderen abwärts, die dritten horizontal gerichtet, alle aber senkrecht zu dem in horizontaler Richtung einfallenden Licht; alle erreichten die Lichtlage gleich vollständig und in der gleichen Zeit. Die Vertheilung der Wachsthumsintensität ist acropetal; von mehreren markirten, 7'z mm langen Zonen wächst die oberste sehr schnell (100 bis 200 "% Zuwachs in 24 Stunden), und basalwärts nimmt die Wachsthums- intensität ziemlich rasch ab. Die Länge der wachsenden Region beträgt ca. 3 cm; Blattstiele, welche dieses Mass noch nicht überschritten haben, wachsen also in ihrer ganzen Länge. Der Verlauf der heliotropischen Krümmung ist derselbe, wie im Epicotyl von Tropaeolum. Die ganze wachsende und krümmungsfähige Region streckt sich allmälig vollkommen gerade; folglich nehmen junge, nicht über 3 cm lange Blattstiele schliesslich ganz und gar die Richtung der Lichtstrahlen an, so dass jemand, der die Anfangsstadien der Krümmung nicht gesehen hat, meinen könnte, der Blattstiel habe sich ohne Krümmung wie an einem Gelenk bewegt. In älteren Blattstielen kann sich nur noch der wachsende ÖObertheil krümmen, und an seiner äussersten Basis bildet sieh zuletzt eine fast winkelige Krümmung aus. 121 In Anbetracht dessen, dass dureh die heliotropische Krümmung des Blattstiels die Lamina eo ipso in die Lichtlage gebracht wird, fragt es sich, welcher von den beiden Blatttheilen hier der ausschlaggebende ist. Obgleich die Bewegung nur von dem Blattstiel ausgeführt wird, ist es doch sehr wohl denkbar, dass die diaheliotropische Lamina allein empfindlich sei, dass sie die empfangene Reizung dem Blattstiel übermittele und ihn veranlasse sich so lange prosheliotropisch zu krümmen, bis sie selbst die Gleichgewichtslage erreicht hat!) (ein solches Verhältniss besteht, wie wir gesehen haben, mutatis mutandis, zwischen dem Cotyledo und dem Hypocotyl der Paniceen). Oder, wenn überdies auch der Blattstiel selbst heliotropisch empfindlich ist, so könnte doch die Mitwirkung einer Reizung der Lamina zur Erreichung der vollen Bewegungsamplitude unentbehrlich sein (wofür, wieder mutatis mutandis, das Verhältniss von Spitze und Basis vieler heliotropischer Keim- linge ein Analogon bietet), oder eine solche Mitwirkung könnte wenigstens die Schnelligkeit der Krümmung des Blattstieles wesentlich erhöhen. Es fragt sich also zunächst, ob der Blattstiel überhaupt heliotropisch empfindlich ist, und, falls ja, ob die gleichzeitige Beleuchtung der Lamina seine Krümmung in nachweisbarer Weise beeinflusst. Die Oberseite der Lamina wurde mit einer wenig grösseren Stanniol- lamelle bedeckt, die vorstehenden Ränder der letzteren umgebogen und der Unterseite der Lamina angedrückt. So lange das Blatt jung und die Lamina noch ziemlich klein ist, führt diese Art der Verdunkelung keine übermässige Belastung des Blattes herbei. Die Versuche wurden mit Primärblättern gemacht; bei dem einen Blatt (b) jedes Paares wurde in der bezeichneten Weise die Lamina verdunkelt, das andere Blatt (a) diente zum Vergleich. In einem Versuch wurde bei den Blättern b auch die ganze Unterseite der Lamina mit Stanniol verdunkelt. Alle Versuche zeigten übereinstimmend, dass die Beleuchtung der Lamina ohne Einfluss auf die Krümmung des Stieles ist, denn die Blätter « und die Blätter b erreichten die Lichtlage gleich schnell und !) Nach Frank (7, 481\ soll Ch. Darwin angeben, dass bei den Blättern nur die Lamina heliotropisch empfindlich ist, und zwar soll dies daraus hervorgehen, dass der Stiel sich nur im Verbande mit der Lamina heliotropisch krümmt und nach Abschneiden der Lamina die Krümmungsfähigkeit verliert. Das ist ein sonderbares Versehen von Seiten Frank’s — doppelt sonderbar in einem Lehrbuch —, denn Darwin hat nichts derartiges behauptet und keinen solchen Versuch gemacht (welcher nb. die genannte Behauptung auch keineswegs beweisen würde; vgl. $ 78 dieser Arbeit). Vielmehr spricht Darwin auf Grund eines anderen Versuches die entgegengesetzte Ansicht aus, dass nämlich die Lamina die heliotropische Krümmung des Stiels nicht beeinflusst (vgl. die folgende Anmerkung, S. 122), was auch ich finde. Versuche mit Abschneiden der Lamina hat Voechting ausgeführt (19, 523) und zwar mit Malvaceen-Blättern, doch findet er das gerade Gegentheil von dem, was Frank angiebt, nämlich, dass der Blattstiel sich auch nach dem Abschneiden der Lamina heliotropisch krümmt, 122 mit gleicher Vollkommenheit '). — Dass der Blattstiel selbst, unabhängig von der Lamina, heliotropisch ist, kann man übrigens auch schon aus der einfachen Thatsache schliessen, dass er in ganz der gleichen Weise im etiolirten Zustande der Blätter reagirt, wo die Lamina noch nicht entfaltet und zum Blattstiel nieht senkrecht gerichtet ist. Endlich stellte ich noch fest, dass auch die Verdunkelung einer 6 bis 7" mm langen Spitze des Blattstiels selbst (ohne und mit gleichzeitiger Verdunkelung der Lamina) ohne Einfluss auf dessen Krümmung bleibt, — dass somit die heliotropische Empfindlichkeit im Blattstiel von Tropaeolum, ebenso wie im Epicotyl derselben Pflanze, gleichmässig vertheilt ist. Dies hindert nicht, dass in den Blattstielen, gerade so wie im Epicotyl von Tropaeolum, der heliotropische Reiz sich in ausgezeichneter Weise fortzupflanzen und im künstlich verdunkelten Untertheil eine sehr aus- gesprochene Krümmung zu veranlassen vermag. Versuch 40. Tropaeolum minus. Ein Topf enthält sieben am Licht entwickelte Pflänzchen. Die schon 7—10 cm langen Primärblatt-Stiele sind aufwärts gerichtet, dabei aber ein wenig nach der einen Seite geneigt. — Der Topf wird soweit verschüttet, dass von den Blattstielen sich nur eine Spitzenregion von versch'edener Länge am Licht befindet. Nach 3\/, Stunden: Der oberirdische Theil der Blattstiele ist jetzt 0,9—3,0 cm lang; mit Ausnahme eines Stieles, der aus irgend einem Grunde ganz gerade geblieben ist, ist derselbe durchgängig gekrümmt, meist so stark, dass die Lamina fast vertical steht. Hinter mehreren Blattstielen befinden sich kleine Grübehen in der Erde. 1) Derartige Versuche, mit etwas anderer Versuchsanstellung aber mit dem gleichen Ergebniss, hat auch schon Darwin (5, 414) mit den Blättern von Tropaeolum majus und Ranunculus Ficaria ausgeführt. Mit Unrecht schliesst aber Darwin aus diesen Versuchen, dass die Lamina die Krümmung des Stieles überhaupt nicht be- einflussen kann (denn dies ist wohl der Sinn seiner Worte: „Es ist äusserst zweifel- haft, ob bei vollständig entwickelten Pflanzen die Beleuchtung eines Theils jemals die Krümmung eines anderen Theils beeinflusst“). Es ist nämlich sehr wohl möglich, dass auch die Lamina heliotropisch gereizt wird und ihre Reizung auf den Stiel überträgt; aber wenn die direete Reizung des letzteren so gross ist, dass sie allein schon das mögliche Ausmass der Bewegung veranlasst, so wird natürlich die hinzukommende, von der Lamina zugeleitete Reizung ohne erkennbare Folgen bleiben müssen; die Folgen derselben werden nur dann sich zeigen, wenn die directe Reizung des Stieles ausgeschlossen ist, etwa durch Verdunkelung des letzteren. Ein solches Verhältniss der nur bedingt hervortretenden Beeinflussung eines Organtheils durch den anderen besteht thatsächlich im Epieotyl von Tropaeolum minus (vgl. $ 47 dieser Arbeit). Die Frage, ob ein solehes Verhältniss faetisch besteht, lässt sich für das Blatt von Tropaeolum, in Folge technischer Schwierigkeiten, nicht in der einfachen Weise lösen, wie es beim Epieotyl geschah. Voeehting (19), welcher diese Frage an den Blättern der Malöaceen untersuchte und zu dem Resultat gelangte, dass die Lamina dem Stiel einen heliotropischen Reiz zu übermitteln vermag, musste zu einer complieirten und doch nicht einwurfsfreien Versuchsanstellung seine Zuflucht nehmen. nn Beim Wegsschütten der Erde vergrössert sich die Neigung des Obertheils etwas. Der unterirdische Theil erweist sieh bei allen 13 Blattstielen lichtwärts gekrümnit, und zwar bei dreien merklich, bei dreien sehr deutlich, und bei den sieben übrigen ist die Krümmung stark oder sehr stark und erstreckt sich mehrere em oder doch wenigstens über 1 cm unter die Lichtgrenze hinab. In Fig. 42 ist der obere Theil zweier Paare von Blattstielen abgebildet; bei dem Paar a war die Krümmung des unterirdischen Theils mit am stärksten. — Der verschiedene Grad der Krümmung hängt vor allem von der Länge des oberirdischen Theiles der Stiele ab: wo dieser 3 cm oder nicht viel weniger lang war (also fast die ganze wachsende Region umfasste), konnte sich natürlich vom unterirdischen Theil nur eine kurze Zone krümmen. Die Wiederholung dieses Versuchs mit Blättern älterer, schon viele Internodien zählender Pflanzen gab anfänglich nicht ganz befriedigende Resultate; doch musste das wohl nur an der ungenügenden Krümmungs- fähigkeit der ausgewählten Blattstiele gelegen haben, denn schliesslich gelang ein Versuch ausgezeichnet. Mit Uebergehung der Details bemerke ich nur, dass alle (4) Versuchsblattstiele sich sehr scharf krümmten, wobei die Krümmung sich ganz im unterirdischen Theil befand und nicht weniger als 1 em unter die Lichtgrenze hinabreichte (Fig. 43); bei zwei darauf unter- Fig. 43. Der obere Theil zweier Blattstiele von Tropaeolum minus. a der am schwächsten, 5 der am stärksten gekrümmte Blattstiel in dem be- treffenden Versuch. suchten Blattstielen fand sich, dass diese Krümmung definitiv fixirt war, also war sie bis an die äusserste Basis der wachsenden Region gerückt, welche darauf im Laufe des Versuchs ihr Wachsthum einstellte; das ist das mögliche Maximum des Effects. Allerdings hatte die Exposition, infolge der geringereu Krümmungsfähigkeit der Blattstiele, viel länger gedauert als in Versuch 40. 124 Versuche mit Blattstielen anderer Pflanzen, $S 55. Bei Pharbitis hispida erreichen die nicht zu alten Blätter im Laufe einiger Stunden, durch heliotropische Krümmung des Blattstiels, eine fast vollständige Lichtlage; das Objeet ist also ziemlich günstig, wenn auch lange nicht so wie Tropaeolum, da die Blattstiele nur 3—4 cm lang werden und viel langsamer wachsen. Da die Internodien hier sehr lang sind und die Blattstiele nicht vertical stehen, konnte nicht mit ganzen Pflanzen operirt werden; vielmehr wurden Stengelstücke mit je einem daran sitzenden Blatt abgeschnitten und in kleinen Schalen theilweise mit Erde verschüttet, wobei den Blattstielen eine verticale Richtung gegeben wurde; die verdunkelnde Erde liess ich in diesem Falle sich mit Wasser vollsaugen, da sonst die zarten Blätter welken und eine Krümmung nicht stattfindet. — Ein Vorversuch ergab, dass die auf ihrer Oberseite rinnigen Blattstiele deutlich epinastisch sind; die epinastische Krümmung combinirt sich in hier nicht näher zu beschreibender Weise mit der heliotropischen, und um beide Krümmungen unterscheiden zu können, muss man sie in aufeinander senk- rechten Ebenen stattfinden lassen, — was dann geschieht, wenn der Blatt- stiel mit einer Flanke der Lichtquelle zugekehrt ist. In zwei Versuchen wurden drei Blattstiele” in dieser Weise untersucht, und bei allen ergab sich ein positives Resultat, wenn auch die heliotropische Krümmung des verdunkelten Theiles ziemlich schwach war. Vgl. Fig. 44; (beim dritten Blattstiel war nb. die Krümmung stärker als bei den zwei in dieser Figur dargestellten). Fig. 44. Heliotropische Krümmung zweier Blattstiele von Pharbitis hispida; dieselben waren anfänglich etwas von der Lichtquelle weggekrümmt, Expositionsdauer von 6 Uhr Abends bis 10%/, Uhr Morgens. Ferner stellte ich je einen Versuch mit den verticalen Grundblättern folgender Species an: Althaea ficifolia (zwei an der Basis abgeschnittene Blätter), Viola spec. (zwei Blätter) und Petroselinum sativum (drei Blätter). Bezüglich der Resultate, welche durchgängig positiv waren, ver- weise ich auf Fig. 45. Die Blattstiele von Viola und namentlich von Petroselinum sind ziemlich günstige Objeete; die dieken Blattstiele von Althaea gehören hingegen zu den ungünstigsten: sie krümmen sich sehr langsam, und selbst nach andauernder Exposition bleibt die heliotropische 125 Krümmung unbedeutend; ich habe mit Absicht auch ein derartiges Object in Untersuchung genommen. Die in Fig. 45' dargestellte Krümmung im Fig. 45. I. Althaea fieifolia. Oberer Theil (ca. 1/4) eines Blattstiels. Expositionsdauer 24 Stunden. II. Viola spec. Ein Blattstiel in ganzer Länge. Expositionsdauer 53/4 Stunden. III. Petroselinum sativum. Alle drei Blattstiele in fast der ganzen Länge (mit Ausnahme der äussersten Basis). Expositionsdaueı 53/4 Stunden. verdunkelten Theil des Blattstiels mag allerdings sehr schwach erscheinen; man ziehe aber in Betracht, dass die in ganzer Länge beleuchteten Blatt- stiele sich nur sehr wenig stärker krümmten. VII. Versuche mit Stengelorganen. A. Allgemeines. $ 56. In Stengeln, die aus mehreren oder vielen Internodien bestehen, kann die Vertheilung und Periodieität des Wachsthums, soweit ich beobachtet habe, von zweierlei Art sein (natürlich sind beide Arten miteinander durch Uebergänge verknüpft). Im einfacheren Falle wächst der ganze Stengel so, als ob er aus einem einzigen Internodium bestände: er enthält ein einziges Wachsthumsmaximum, von dem an die Wachsthumsintensität nach beiden Richtungen, schneller oder langsamer, aber jedenfalls continuirlich fällt. Die grosse Wachsthumsperiode durchläuft solch ein Stengel als ein ganzes: die Gesammtwachsthumsintensität und die Gesammtlänge der wachsenden Region, — ob diese nun ein, mehrere oder viele Internodien umfasst —, nehmen mit dem Alter zunächst eontinuirlich zu, dann ceontinuirlich ab (Constanz der äusseren Bedingungen vorausgesetzt); da indess diese Veränderungen nur langsam vor sich gehen, so können wir in kurzen Zeiträumen, z. B. inner- halb 24 Stunden, beide Grössen als constant betrachten. Solche Stengel möchte ich als Stengel mit nicht individualisirten Internodien bezeichnen, 126 Den Gegensatz hierzu bilden die Stengel mit individualisirten Internodien, zu welchen die grosse Mehrzahl der Stengel mit erheblich gestreckten Inter- nodien zu gehören scheint. Hier wächst jedes Internodium, sozusagen, wie ein besonderes Individuum und durchläuft für sich die grosse Wachsthums- periode: es wächst zuerst in seiner ganzen Länge, mit (meist) in der Nähe der Spitze befindlichem Wachsthumsmaximum, — dann hört die Basis zu wachsen auf, und das Wachsthum concentrirt sich mehr und mehr in der Spitzenregion. Wenn im Stengel mehrere Internodien in dieser Weise im Wachsthum begriffen sind, so enthält derselbe ein hauptsächliches und mehrere sekundäre Wachsthumsmaxima, zwischen denen die Wachsthums- intensität geringer oder theilweise selbst —= 0 ist, — wobei aber die Zu- resp. Abnahme der Gesammtwachsthumsintensität des ganzen Stengels mit dem Alter doch eine continuirliche sein kann. In gewisser Hinsicht com- plieirter gestaltet sich die Sache, wenn, was häufig der Fall ist, die wachsende Region des Stengels im wesentlichen nur ein einziges Internodium, nämlich das oberste entwickelte Internodium, umfasst: solange dieses noch stark wächst, bleiben die folgenden Internodien unentwickelt in der Gipfel- knospe; erst wenn das Wachsthum des ersteren erloschen oder im Erlöschen begriffen ist, beginnt das folgende Internodium sich zu strecken; dieses wächst anfangs langsam, dann schneller, dann wieder langsamer und nur noch in seinem oberen Theil; jetzt erst kommt die Reihe an das dritte Internodium, u. s. w. In diesem Falle hängt die Gesammtwachsthums- intensität des ganzen Stengels davon ab, in welcher Phase sich das eben in Streekung begriffene Internodium befindet: sie ist beträchtlich, wenn das Internodium im Maximum seiner grossen Periode ist, — sie wird viel ge- ringer zu der Zeit, wo das eine Internodium sein Wachsthum schon einstellt, während das folgende sich erst zu strecken beginnt. Die grosse Periode des ganzen Stengels wird alsdann, auch bei Constanz der äusseren Factoren, nicht eine einfache, sondern eine geschlängelte Curve darstellen, indem die Wachsthumsintensität in kurzen Perioden steigt und fällt. Mit der gleichen Periodieität schwankt dann auch die Länge der wachsenden Region, so dass wir also in solch einem Stengel abwechselnd bald eine längere stark wachsende, bald eine kurze langsam wachsende Strecke vorfinden '). !) Die oben besprochenen Verhältnisse scheinen bisher nicht in gebührendem Masse beachtet worden zu sein. Die übliche Wachsthumsmessung mittels Auxano- meter giebt nur über den Gang der gesammten Wachsthumsintensität eines Stengels, nicht aber über die Vertheilung derselben Aufschluss, und mittels Massstabes wurde die Vertheilung der Wachsthumsintensität im Allgemeinen nur bei einzelnen Inter- nodien und nicht bei aus mehreren Internodien bestehenden Stengeln untersucht. Eine nähere Untersuchung (die ausserhalb des Planes meiner Arbeit lag) wäre hier, wie mir scheint, am Platze, und würde vielleicht auf manches Licht werfen. So wäre es z. B. nicht unmöglich, dass die Schwankungen der Wachsthumsintensität von Stengeln, die man, in nicht immer befriedigender Weise, durch die Einwirkung resp. Nachwirkung äusserer Factoren zu erklären pflegt, zum Theil auf individualisirtem Wachsthum der Internodien beruhen, ai Unter den zu meinen Versuchen benutzten Stengeln hat (soweit ich, ohne eingehende Untersuchungen darüber anzustellen, beobachtet habe), nur derjenige von Linum usitatissimum nicht individualisirte Internodien, während bei allen übrigen die Internodien mehr oder weniger individualisirt sind. Letzteres gilt auch für den entwickelten Stengel von Vieia satıva, während der Keimstengel dieser Pflanze nieht individualisirte Internodien hat (vgl. $ 33); die betreffenden Wachsthumsverhältnisse können sich also mit dem Alter des Stengels ändern, wofür ein zweites Beispiel, nur in um- gekehrtem Sinne, Linum usitatissimum bietet: hier hat nämlich das Hypocotyl individualisirtes Wachsthum, welches in späterem Entwickelungs- stadium (ob allmälig oder plötzlich, habe ich nicht beachtet) durch nicht individualisirtes Wachsthum der Internodien ersetzt wird. Da nun die krümmungsfähige Region mit der wachsenden zusammenfällt und die Krümmungsfähigkeit unter anderem von der Wachsthumsintensität abhängig ist, so folgt, dass bei Stengeln mit individualisirten Internodien die heliotropische Krümmungsfähigkeit mit der Wachsthumsphase in mehr oder weniger hohem Grade variüirt. Der nämliche Stengel, welcher sich gestern stark und in ziemlich langer Strecke krümmte, kann heute sich viel schlechter krümmen oder selbst ganz unbrauchbar für heliotropische Versuche sein, während er morgen oder übermorgen, wenn ein neues Internodium stark zu wachsen begonnen hat, für eine zeitlang wieder die früheren Eigenschaften annimmt. In welcher Phase sich der Stengel gerade befindet, kann nur experimentell entschieden werden, denn man sieht es den Internodien nicht an, welche Länge sie noch erreichen werden; eine experimentelle Ent- scheidung ist aber, praktisch genommen, zwecklos, denn wenn wir auch heute eine starke Krümmungsfähigkeit bei unserem Stengel constatiren, so bleibt es fraglich, ob dieselbe bis morgen andauern wird, und ebenso fraglich bleibt es, wie lang morgen die krümmungsfähige Region sein wird. Selbstverständlich kann eine Krümmung im verdunkelten Theil eines heliotropischen Stengels nur dann und nur insoweit überhaupt erwartet werden, als dieser Theil während des Versuches noch im Wachsthum be- griffen ist, und deshalb ist es erwünscht sich in jedem einzelnen Falle zu überzeugen, ob dies zutrifft. In Ermangelung eines besseren Mittels ver- fuhr ich folgendermassen. Bei Beginn des Versuches markirte ich die Licht- grenze an jedem Object durch einen Tuschstrich, und vor Schluss des Ver- suches überzeugte ich mich, um wieviel dieser Strich über die gegenwärtige Liehtgrenze (die vor dem Wegschütten der verdunkelnden Erde ebenfalls markirt wurde) emporgerückt ist; die Differenz der ursprünglichen und der definitiven Lichtgrenze ergiebt den Gesammtzuwachs des verdunkelten Unter- theils für die Zeit der Versuchsdauer. Diese Methode giebt leider keinen Aufschluss über die Länge der wachsenden Region im unterirdischen Theil des Stengels; doch erlaubt sie wenigstens annähernd zu schätzen, ob in diesem Stengeltheil überhaupt Wachsthum stattfand und ob dasselbe stark oder schwach war. Ergab sich kein merklicher Zuwachs, so musste der 125 Versuch noch fortgesetzt werden, und wenn auch nach längerer Expositions- dauer kein Fortschritt zu eonstatiren war, so war es klar, dass das Object unbrauchbar und der Versuch zu verwerfen ist. Derartige Fälle wurden natürlich nicht weiter in Betracht gezogen. Als negativ darf ein Versuchsresultat nur dann angesehen werden, wenn der verdunkelte Stengeltheil, trotz zweifellosen Wachsthums und bei ziemlich langer Versuchsdauer, keine deutliche Krümmung aufweist. Andererseits liess ich das Resultat nur dann als positiv gelten, wenn der verdunkelte Stengeltheil am Schluss des Versuchs in einer Ausdehnung von wenigstens ca. 1 cm ganz unverkennbar lichtwärts gekrümmt war. (Vgl. hierzu $ 7, über den Grad der Lichtdurchlässigkeit der zur Verdunkelung benutzten Erde.) Ich bemerke im Voraus, dass bei mehreren Objeeten oft negative oder zweifelhafte Resultate erhalten wurden, was wohl wesentlich der schädigen- den Wirkung des Verschüttens mit trockener Erde zuzuschreiben ist. Bei entwickelten, beblätterten Stengeln, und insbesondere bei den dünnen zarten ÖObjeeten, mit denen ich zumeist operirte, muss schon wegen ihrer relativ viel grösseren Oberfläche diese schädigende Wirkung sich bemerklicher machen, als bei Keimlingen, — ferner auch in Anbetracht der meist bedeutend längeren Versuchsdauer. Oefters war die schädigende Wirkung der Ver- sehüttung direet zu sehen, besonders bei Vicia sativa: nach dem Versuch waren die Blätter etwas erschlafft und eingerollt, der Stengel wuchs auf- fallend schwach, und es vergingen mehrere Tage bevor die Pflanze völlig wiederhergestellt war. In Anbetracht dessen ist es nicht zu verwundern, wenn die Krümmungsfähigkeit eines verschütteten Pflanzentheils wesentlich vermindert oder selbst aufgehoben wird, und unter solchen Umständen eine deutliche und ausgedehnte Krümmung nur dann zu Stande kommt, wenn das Organ besonders kräftig ist und sich in einer besonders günstigen Wachsthumsphase befindet. Man wird also selbst ausgesprochen negative Resultate nicht als un- bedingt entscheidend in der Frage nach der Fortpflanzung des heliotropischen Reizes ansehen dürfen, während ausgesprochen positive Resultate allerdings beweisend sind, da sie anders als durch Reizfortpflanzung sich nicht in befriedigender Weise erklären lassen. Um zu beweisen, dass eine heliotropische Reizübertragung nicht existirt, hat Wiesner (23, 76) unter anderem auch Versuche mit halbetiolirten Laub- und Blüthenstengeln zahlreicher Pflanzen angestellt, von denen er Sazxıfraga sarmentosa und Peperomia trichocarpa nennt. Er fand, dass diese Organe, wenn sie der ganzen Länge nach beleuchtet sind, sich in flachem Bogen lichtwärts krümmen, wenn aber die untere Partie verdunkelt wird, dieselbe „fast ganz aufrecht“ bleibt. Wenige Zeilen weiter spricht Wiesner schon direet von der „‚sich einstellenden schwachen Krümmung in der oberen Hälfte des verdunkelten Stengeltheils“. Der verdunkelte 129 Theil der Stengel hat sich also unzweifelhaft gekrümmt, — anscheinend sogar in ziemlich ausgedehnter Region —, und wir könnten somit die Wiesner’schen Versuche ohne weiteres als beweisend zu gunsten der Reizübertragung acceptiren, wenn nicht die Vollständigkeit der Verdunkelung zweifellaft wäre (da Wiesner über die Methode der Verdunkelung nichts aussagt). — Wiesner selbst, für welchen der Heliotropismus keine Reiz- erscheinung und folglich die Fortpflanzung eines heliotropischen Reizes ein Absurdum ist, wird natürlich durch seine eigenen Versuche nicht bekehrt, sondern hat für dieselben eine Erklärung auf Grund seines „Zugwachsthums“ bereit, doch werden wir bald sehen, was von diesem „Zugwachsthum“ zu halten ist. B. Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit. S 57. Will man bei entwickelten Stengeln entscheiden, ob die Verdunkelung einer Spitzenregion die heliotropische Neigung des ganzen Stengels beeinflusst, so genügt es nicht durch Vergleichung zweier aus mehreren Exemplaren bestehender Gruppen die individuellen Differenzen der heliotropischen Krümmungsfähigkeit annähernd auszugleichen; man muss überdies auch noch den Einfluss der Wachsthumsphase der einzelnen Objecte eliminiren, mit der, wie wir sahen, die Krümmungsfähigkeit periodisch in weiten Grenzen schwanken kann. Hierzu ist es erforderlich, mit den nämlichen Objecten mehrere Tage hintereinander Versuche anzustellen, indem man am ersten Tage bei den Exemplaren der einen Gruppe die Spitze verdunkelt, am zweiten Tage bei denen der anderen Gruppe, am dritten Tage wieder bei denen der ersten u. s. w. abwechselnd, und dann aus allen Beobachtungen die Mittel zu nehmen. Dieses zeitraubende Verfahren habe ich nur einmal durchgeführt, nämlich mit Stengeln von Dahlia variabilis (forma Juarezii). Versuch 4l. Dahlia variabilis. Ein grosser Topf mit fünf halbetiolirten, aus Knollen austreibenden Sprossen, die aus 2—6 entwickelten Internodien bestehen und 10—27 cm hoch sind. Alle Sprosse sind im allgemeinen stark heliotropisch; meist krümmt sich nur das obere Internodium, zuweilen auch die obere Hälfte des zweiten; im günstigen Fall streckt sich nach einigen Stunden das ganze erste Internodium in der Gleichgewichtslage gerade. Im Laufe des Versuches variirt bei jedem Spross sowohl die Länge der wachsenden Region, als auch der Grad der erreichten Neigung bedeutend, und die Phasen fallen bei den verschiedenen Sprossen nicht zusammen. Täglich wird der Topf für 411,—6'/, Stunden einseitig beleuchtet, die übrige Zeit steht er im Dunkeln, so dass sich die Sprosse bis zum folgenden Morgen geotropisch aufrichten. Da die Aufrichtung mitunter keine ganze vollständige ist, so wird der Topf bei jeder folgenden Exposition von der entgegengesetzten Seite beleuchtet als bei der vorhergehenden. Am ersten, dritten und fünften Tage werden die Sprosse I, II in ganzer Länge beleuchtet, und bei den Sprossen III, IV, V wird die Spitze des obersten entwickelten Indernodiums mittels 9 mm langen Stanniolverbandes verdunkelt; am zweiten, vierten und sechsten Tage geschieht das umgekehrte. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft L. 9 130 Bei einem der Sprosse, wo die Wirkung der Spitzenverdunkelung am regel- mässigsten hervortrat, wurden beispielsweise die folgenden Neigungen an den ver- schiedenen Tagen beobachtet (unterstrichen sind die Tage, an denen die Spitze ver- dunkelt war): 750, 500, 650, 200, 45%, 50. — Die Gesammtresultate des Versuchs sind aus der folgenden Tabelle ersichtlich. a) Bei Beleuchtung in b) Bei Verdunkelung Differenz Sprosse ganzer Länge der Spitze der | Mittel 2 Neieanp 1a. er Mille A Depus ae I 20—40 9 300 10—25° 171/,0 1212 II 45—750 650 5—500 250 350 III 40—750 600 5—400 230 350 IV 5—500 410 0—-500 250 16 V 60—500 721/20 40— 800 600 121/29 Gesammtmittel aus allen Be- obachtungen. . 55° 290 260 So ergiebt sich bei sämmtlichen Sprossen eine deutliche, mehr oder weniger be deutende Verminderung der heliotropischen Neigung infolge Verdunkelung der Spitze. Wir dürfen also schliessen, dass es auch unter den entwickelten Stengeln solche giebt, bei denen die heliotropische Empfindlichkeit in äbnlicher Weise ungleichmässig vertheilt ist, wie bei vielen Keimlingen, wo also eine relativ kurze Spitzenregion stärker empfindlich ist als der übrige Theil der krümmungs- fähigen Region und dementsprechend die heliotropische Reizung der ersteren die Krümmungsfähigkeit des letzteren steigert. | Dass aber nicht alle entwickelten Stengel sich so verhalten, haben wir bereits gesehen, denn es wurde gezeigt ($ 40), dass bei Vicia sativa die im Keimstengel ungleichmässige Vertheilung der heliotropischen Empfind- lichkeit mit fortschreitender Entwickelung des Stengels schon früh einer gleichmässigen Vertheilung weicht. Ferner fand Darwin (d, 414), dass bei jungen Stengeln von Asparagus offieinalis die Verdunkelung der Spitze ohne Einfluss auf den Grad der heliotropischen Krümmung bleibt. C. Fortpflanzung der heliotropischen Reizung. S$ 58. Ich beginne mit den weniger günstigen Objecten, unter denen wiederum Vicia sativa, trotz der grossen heliotropischen Krümmungsfähigkeit ihres Stengels, bei weitem das ungünstigste ist. Von dieser Pflanze gelangten Sämlinge zur Untersuchung, welche aus 3—6 Internodien (ohne die basalen, nur Niederblätter tragenden zu rechnen) bestanden und 18 —29 cm hoch waren. Versuch 42. Vicia sativa. Vier kräftige, sehr intensiv wachsende Exemplare. a) 2 Vergleichsexemplare, in ganzer Länge beleuchtet, 131 b) 2 Versuchsexemplare werden soweit verschüttet, dass nur ein 12 resp. 9 mm langer Obertheil des ersten ') Internodiums am Licht bleibt. Nach 4 Stunden: a) Das erste Internodium bogenförmig gekrümmt, der Obertheil desselben sehr stark geneigt und in einer gewissen Ausdehnung geradegestreckt. Die Krümmung er- streckt sich bei der einen Pflanze ganz, bei der ale fast bis zur Basis des Tod b) Der oberirdische Theil ist geradegestreckt und horizontal gerichtet, nur dicht über der Erdoberfläche scharf gekrümmt. Ein kleines Grübchen in der Erde hinter den Stengeln, namentlich hinter dem: einen, deutet auf das Bestehen einer Krümmung auch im unterirdischen Theil. Nach Wegschütten der Erde zeigt sich in der That, dass der etwas über 1!/, cm lange verdunkelte Untertheil des ersten Internodiums bei beiden Pflanzen in seiner ganzen Ausdehnung zwar nur schwach, aber ganz unver kennbar lichtwärts gekrümmt ist (Fig. 46); die Krümmung steht dem Grade nach nur wenig hinter der Krümmung des entsprechenden Theiles der Vergleichsexemplare zurück. SE ig. 46. Das Resultat dieses Versuches (des ersten den ich mit Vieia ausführte) ist ein ausgesprochen positives, — es blieb aber das einzige in seiner Art; mehrere andere Versuche blieben entweder resultatlos, oder sie lieferten negative Ergebnisse; nur einmal noch erzielte ich eine deutliche Krümmung im verdunkelten Stengeltheil, aber dieselbe erstreckte sich diesmal nur 5 mm weit unter die Lichtgrenze. Dass und warum die negativen Resultate die Beweiskraft der positiven nicht in Frage stellen können, wurde unlängst dargelegt. Es ist also nach Obigem bewiesen, dass im Keimstengel von Vicia eine Fortpflanzung des heliotropischen Reizes von einem beleuchteten zu einem verdunkelten Theil der krümmungsfähigen Region stattfinden kann. Andererseits muss aber zugegeben werden, dass sich hier (ebenso wie im Keimstengel von Vicia) diese Fortpflanzung sozusagen schwieriger oder in geringerem Grade voll- zieht als bei allen anderen noch zu besprechenden Objecten; das lässt schon der plötzliche Uebergang von der starken Krümmung des direet beleuchte- ten zu der schwachen Krümmung des verdunkelten Stengeltheiles (Fig. 46) annehmen. Man möchte meinen, dass hier die Reizung beim Uebergang in den verdunkelten Theil des Stengels wesentlich an Stärke verliert. Von Dahlia variabilis wurden junge Knollentriebe einer unter dem Namen Dahlia Juarezii eultivirten Form benutzt; dieselben sind dünner und zeichnen sich durch grössere heliotropische Krümmungsfähigkeit aus, als die Triebe der Hauptform. 1) Ich bemerke ein für alle mal, dass ich die Internodien von der Spitze des Stengels an zähle, wobei aber die unentwickelten Del raschen welche die Gipfelknospe bilden, nicht mitgezählt werden. 9% 132 Versuch 43. Dahlia variabilis. Ein zurückgeschnittener Stengel mit zwei opponirten Seitensprossen, die aus je zwei Internodien bestehen; Länge des Internodium I 21/, resp. 3 cm, des Inter- nodium II 6!/ resp. 6 cm. In beiden Sprossen ist von einem früheren Versuch her eine geringe Krümmung im Internodium II verblieben, so dass ihr oberer Theil ein wenig geneigt ist. Nach der Verschüttung ragt nur ein 13 resp. 10 mm langer Obertheil des Inter- nodium I über die Erdoberfläche. Versuchsdauer von 1!/, Uhr Nachmittags bis 9 Uhr Morgens. Bei Schluss des Versuchs beträgt der Gesammtzuwachs des unterirdischen Theils bei Spross A weniger als 4 mm, bei Spross B 41, mm. A ist im oberirdischen Theil leicht lichtwärts gekrümmt, im unterirdischen Theil hat keine Krümmung stattgefunden, vielmehr ist die anfängliche Neigung von der Lichtquelle weg unverändert erhalten. B (Fig. 47) ist im oberirdischen Theil ziemlich stark geneigt, aber nur schwach gekrümmt; im unterirdischen Theil hingegen ist nicht nur der 1?/, em lange Unter- theil des Internodium ], sondern auch der ÖObertheil des Internodium II in einer 2 cm langen Strecke deutlich lichtwärts gekrümmt; nur im nicht mehr wachsenden Untertheil des Internodium II ist die anfängliche entgegengesetzte Krümmung er- . f halten geblieben. Fig. 47, Während also der Spross A ein negatives Resultat ergeben hat, hat bei Spross B der heliotropische Reiz bis zu einer Entfernung von 3Yg cm unter- halb der Lichtgrenze und anscheinend bis zur Basis der krümmungsfähigen Region seine Wirkung geltend gemacht; beachtenswerth ist hierbei, dass der Reiz sich von einem Internodium aus durch den Knoten hindurch zum folgenden Internodium fortgepflanzt hat. Drei weitere Versuche gaben positive Resultate; die Krümmung des verdunkelten Theils war in einigen Fällen stärker als in Fig. 47, beschränkte sich aber meist auf ein Internodium; die Expositionsdauer war geringer als in Versuch 43, in einem der Versuche betrug sie z. B. 7% Stunden. — Einige andere Versuche ergaben unbefriedigende Resultate; in mehreren der- selben trat der schädigende Einfluss des Verschüttens mit Erde darin deut- lich zu Tage, dass auch die Krümmungsfähigkeit des eleuchteten Stengel- theils auffallend vermindert war. Weiter experimentirte ich mit jungen Stengeln von Urtica dioica, (Sämlinge, und aus vorjährigem Rhizom austreibende Sprosse), Lophospermum scandens, Alonsoa wmeisifolia und Euphorbia heterophylla,; mit allen diesen Objeeten wurden, wenigstens in einem Theil der Versuche, zweifellos positive Resultate erzielt, bezüglich deren ich auf die Figuren 48 und 49 verweise; von Yuphorbia (bei der die Krümmung des verdunkelten Stengel- theils einen ähnlichen Character hatte wie in Fig. 49a) habe ich keine Zeichnung angefertigt. BE Fig. 48. Fig. 49. Urtica dioica. a) Alonsoa incisifolia. Il. Die beiden obersten ent- ä Ä s Oberer Theil eines jungen wickelten Internodien eines Stengels. Expositionsdauer 9 Jungen Sämlings. Expositions- Stunden: dauer 51/, Stunden. II. Die beiden obersten ent- b) Lophospermum scandens. wickelten Internodien eines Das erste entwickelte Inter- jungen aus vorjährigem Rhizom nodium eines jungen Stengels. austreibenden Sprosses. Ex- Expositionsdauer 23 Stunden. positionsdauer 63/4 Stunden. $ 59. Nunmehr gehe ich zu den günstigeren Objecten über, welche in allen Versuchen (es wurden mit jedem Objeet wenigstens zwei ausgeführt) ausgesprochen positive Resultate lieferten. Die Sämlinge von Linum usitatissimum (ich verwandte solche von 9—13 cm Höhe) bestehen aus mehr oder weniger kurzen, im oberen Stengeltheil nur wenige mm langen Internodien mit nicht individualisirtem Wachsthum; die krümmungsfähige Region des Stengels ist 2—3 cm lang und umfasst folglich eine ganze Reihe von Internodien. 134 Versuch 44. Linum usitatissimum. Ein Topf mit drei Pflanzen wird derart verschüttet, dass nur eine 5—7 mm Jange Stengelspitze (ohne die Gipfelknospe zu rechnen) sich am Licht befindet, Versuchsdauer von 11/g Uhr Nachmittags bis 101/, Uhr Morgens. Am Schluss des Versuches ist der oberirdische Theil aller Stengel stark ge- neigt, nur dieht über der Erdoberfläche gekrümmt und im Uebrigen geradegestreckt. Beim Wegschütten der Erde krümmt sich der unterirdische Stengeltheil, infolge dessen die Stengelspitze sich unter die Horizontale neigt. Die Krümmung im ver- dunkelten Stengeltheil erstreckt sich 1!/, bis fast 3 cm weit unter die Lichtgrenze und umfasst 4—7 Internodien; sie ist ziemlich stark — namentlich bei einem der Stengel — und erreicht ihr Maximum erst in einer anschn!ichen Entfernung von der Lichtgrenze. Vgl. Fig. 50. "Fig. 50. . Oberer Theil aller drei Stengel. Ein nicht weniger günstiges Object bilden die Stengel von Coleus spec. Ich begnüge mich damit die einen der Versuche illustrirende Fig. 51 anzu- führen, die keines Commentars bedarf. Ich füge hinzu, dass in einem zweiten Versuch die Krümmung des verdunkelten Stengeltheils (die freilich etwas flacher war als in Fig. 51) 6,3 cm unter die Lichtgrenze hinab- reichte und drei Internodien umfasste, in deren unterstem sie erst ihr Maximum erreichte. ”” 3 /I IV Fig. 51. Coleus spec. Die obere Hälfte eines jungen Stengels (die römischen Zahlen bezeichnen die entwickelten Internodien). Expositionsdauer 21), Stunden. 135 Der Schaft (Inflorescenzstiel) von Brodiaea congesta, einer schönen Allium-ähnlichen Liliacee, die im Leipziger botanischen Garten im Freien eultivirt wird, erreicht eine Länge von ca. 30 cm, bei einer Dicke von 4—5 mm an der Basis und 2—3 mm an der Spitze. Junge Schäfte, namentlich solche, deren Inflorescenz sich noch im Knospenzustande be- findet, stehen bei trübem Wetter aufrecht, bei Sonnenlicht aber sind sie stark gekrümmt: sie richten ihre Spitze gerade nach der Sonne und folgen während des Tages genau dem Lauf derselben. An der Krümmung betheiligt sich eine Gipfelregion von verschiedener Länge (im Mittel ca. 10 cm), und der Krümmungsbogen kann bis zu 90° betragen. Diese Beobachtung liess vermuthen, dass Drodiaea ein für heliotropische Versuche sehr günstiges Object abgeben würde, was sich auch bestätigte. Eines Abends schnitt ich mehrere junge, stark nach der Sonne gekrümmte Schäfte unter den nöthigen Cautelen an der Basis ab und liess sie über Nacht im Dunkelschrank stehen. Am folgenden Morgen hatten sich alle Schäfte aufgerichtet, und nur an der Basis der gestern gekrümmt gewesenen Region hatte sich eine schwache Spur der Krümmung erhalten, — ein Zeichen, dass diese Stelle inzwischen ihr Wachsthum eingestellt hatte; im übrigen aber war das Wachsthum sehr intensiv geblieben und die Länge der wachsenden Region war eine sehr beträchtliche, — also vertragen die Schäfte das Ab- schneiden an der Basis ganz’ gut'). Einige von diesen Schäften wurden nun einseitig beleuchtet; schon nach zwei Stunden hatten sie sich stark liehtwärts gekrümmt”). Darauf wurden sie wieder dunkel gestellt, richteten sich bis zum folgenden Morgen vollkommen auf, und nun wurden sie, nach Herstellung frischer Schnittflächen, neuerdings einseitiger Beleuchtung aus- gesetzt; diesmal krümmten sie sich aber weit schlechter als am Tage vorher, woraus zu entnehmen ist, dass abgeschnittene Schäfte doch nur beschränkte Zeit normal bleiben. Versuch 45. Brodiaea congesta. Abends, bei trübem Wetter, werden fünf junge Schäfte mit noch kleinen Knospen abgeschnitten; Länge derselben 20—40 em, Dicke an der Spitze 1,8—2,2 mm, 10 cm tiefer 2,0—3,5 mm. Nach Markirung einiger 2cm langer Zonen werden sie im Dunkel- schrank aufgestellt. Am folgenden Morgen ergiebt sich, dass eine wenigstens 10 bis 12 cm lange Region im Wachsthum begriffen ist; das Maximum befindet sich in Zone III, wo der 15 stündige Zuwachs 32—45 0, beträgt; der Gesammtzuwachs in 15 Stunden ist 22—331/, mm. Nun wird, nach Herstellung frischer Schnittflächen, der Versuch in Gang gesetzt. !) Schneidet man hingegen die Inflorescenzknospe ab, so wird das Wachstlium des Schaftes ganz bedeutend vermindert und in der Nähe der Spitze anscheinend sogar ganz aufgehoben. 2) Genau genommen ist die Krümmung nicht stark (der Krümmungsradius ist ziemlich gross), aber in Folge ihrer bedeutenden Länge bildet die sich krümmende Region dennoch einen grossen Bogen und die Spitze erreicht relativ sehr schnell eine erhebliche Neigung. 136 a) Zwei Schäfte (der älteste und der jüngste) dienen als Vergleichsobjecte. b) Drei Schäfte werden soweit verschüttet, dass nur die (jetzt 23—24 mm lange) Zone I am Licht bleibt. Nach 3 Stunden: a) Beide Vergleichsschäfte sind in ausgedehnter, die Zonen I—III und theilweise auch IV umfassender Region in mässigem Bogen gekrümmt (Fig. 52, a). b) Der oberirdische Theil aller Schäfte ist etwas geneigt und, besonders in der Nähe der Erdoberfläche, gekrümmt. Der Gesammtzuwachs des unterirdischen Theiles beträgt bereits 4-6 mm. Hinter den Schäften befinden sich deutliche Grübchen in der Erde. — Beim Wegschütten der Erde verstärkt sich die Krümmung des Unter- theils (und folglich auch die Neigung der Spitze) ein wenig. Die Krümmung umfasst im verdunkelten Untertheil die Zonen II, III und einen Theil der Zone IV, erstreckt sich also gerade so weit nach unten wie bei den Vergleichsschäften. Bei einem der Versuchsschäfte (bj, Fig. 52) ist die Krümmung recht schwach, aber doch unver- kennbar!); bei den zwei übrigen (als Beispiel dient ba, Fig. 52) ist sie sogar stärker als bei den Vergleichsschäften (was natürlich auf individuelle Differenzen der Krüm- mungstähigkeit zurückzuführen ist), und das Krümmungsmaximum befindet sich an der Grenze der Zonen III und IV, also sehr weit von der Lichtgrenze. Fig. 52. (In halber natürlicher Grösse.) Der obere Theil dreier Schäfte, mit markirten Querzonen von ursprünglich 2 cm Länge. a) Der stärker gekrümmte von den zwei Vergleichsschäften. b) Zwei von den Versuchsschäften: b, der am schwächsten, ba der am stärksten gekrümmte. Nachdem alle Schäfte gezeichnet worden sind, wird der Versuch sofort wieder- holt, indem die Schäfte jetzt so orientirt werden, dass die vorhandene Krümmung von der Lichtquelle weggerichtet ist. Nach weiteren 4 Stunden ist nicht nur die frühere Krümmung vollständig aus- geglichen, sondern die Schäfte sind wieder in äusserlich derselben Weise wie früher lichtwärts gekrümmt, auch die Grübchen hinter den Versuchsschäften sind wieder vorhanden; nur ist der Zuwachs des verdunkelten Untertheils der b diesmal etwas geringer ausgefallen, er beträgt nur 3—4 mm. — Nach Wegschütten der Erde erweist sich der Untertheil der Versuchsschäfte wieder in derselben Ausdehnung wie früher I) Man überzeugt sich hiervon beim Anlegen eines Lineals an die einzelnen Zonen der Fig. b;. 137 lichtwärts gekrümmt, nur ist die Krümmung ein wenig schwächer: bei einem der Versuchsschäfte ist sie ebenso stark wie bei den Vergleichsschäften, bei den zwei übrigen dagegen schwächer. (Der Vergleich dieses Resultates mit dem vorigen deutet auf eine schädigende Wirkung des Verschüttens hin.) Es unterliegt keinem Zweifel, dass bei längerer Exposition, wenn ich den Krümmungsprocess bis zu seinem Abschluss hätte fortschreiten lassen, noch erheblich stärkere und wohl auch ausgedehntere Krümmungen im verdunkelten Theil der Schäfte hätten erzielt werden können. Doch hielt ich das für überflüssig, denn das Ergebniss des angeführten Doppelversuches ist auch so höchst schlagend, umsomehr als die Vergleichsschäfte zeigen, eine wie starke und wie ausgedehnte Krümmung bei der gegebenen Versuchsdauer günstigenfalls erwartet werden darf. Brodiaea dient als exquisites Beispiel einer ungewöhnlich starken und insbesondere ungewöhnlich schnellen Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, dessen Wirkung sich hier in drei Stunden auf eine Strecke von nicht weniger als 5—6"2 cm ausgebreitet hat; eigentlich ist die Zeit, welche zur Fort- pflanzung des Reizes bis zu dieser Entfernung unter die Lichtgrenze erforder- lich war, sogar noch geringer, denn von den drei Stunden muss noch die Dauer der latenten Reizung in Abzug gebracht werden; und da diese wohl sicher nicht weniger als 2 Stunde beträgt, so können wir ohne Uebertreibung annehmen, dass der heliotropische Reiz sich hier mit einer Schnelligkeit von wenigstens 2 cm pro Stunde fortpflanzt. $ 60. Der obere Theil junger, noch keine Blüthenknospen tragender Sprosse von Galium purpureum krümmt sich im Freien ebenfalls in auf- fallender Weise nach der Sonne '), wobei die Spitze sich bis zur Horizontal- stellung neigen kann. Auch abgeschnittene Sprosse krümmen sich ziemlich schnell heliotropisch, wenn auch nicht so stark wie die unverletzten im Freien. Eine 1—2 cm lange Sprossspitze besteht aus Internodien, welche ent- weder noch ganz kurz, oder doch jedenfalls kürzer sind als die an ihrer Basis inserirten, noch aufgerichteten Blätter, — diese Internodien sind also 1) Dasselbe ist auch bei verschiedenen andern Galium-Species der Fall, wenn- gleich nicht in dem Grade wie bei Galium purpureum, welches seine grössere Krüm- mungsfähigkeit wohl hauptsächlich der ungewöhnlichen Dünne seines Stengels verdankt. Auch beiverschiedenen anderen Freilandpflanzen des Leipziger botanischenGartens habe ich eine mehr oder weniger auffallende Krümmung der Stengel nach der Sonne beobachtet; so z. B. bei Ornithogalum pyrenaicum, Sanguisorba tenuifolia, Agrimonia pilosa, Lavandula vera, Seseli gracile. Die letzteren vier Species habe ich auch be- züglich ihrer Verwendbarkeit zu heliotropischen Versuchen geprüft, sie erwiesen sich aber als nicht besonders günstig, da die Sprosse das Abschneiden viel schlechter zu vertragen scheinen, als diejenigen von Brodiaea und von Galium purpureum, 138 in der Gipfelknospe verborgen, mehr oder weniger vor Lichtzutritt geschützt, und kommen folglich für uns nieht in Betracht. Darauf folgen die „ent- wickelten“, dem Licht voll ausgesetzten Internodien; von diesen ist das erste in lebhaftem Wachsthum begriffen, das zweite wächst meist auch noch, das dritte aber ist in der Regel schon ausgewachsen; die Dicke beträgt beim ersten ca. "2 mm, beim zweiten fast 1 mm, beim dritten ca. 1 mm. An der Basis jedes Internodiums befindet sich ein kurzes „Knotengelenk‘*, welches sich durch unbedeutend grössere Dicke und durch blasser grüne Färbung auszeichnet; in diesem Gelenk bleibt die Krümmungsfähigkeit etwas länger erhalten als im übrigen Internodium. Es geschieht z. B. nicht selten, dass sich das Internodium II nur in seinem Basalgelenk helio- tropisch krümmt, während es in seiner ganzen übrigen Ausdehnung schon ausgewachsen und erstarrt ist; dieser ganze obere Theil kann sich also an der Krümmung nicht mehr betheiligen und wird nur durch die Krümmung des Gelenks passiv lichtwärts geneigt. Bei andauernder Ex- position kann es vorkommen, dass auch das Basalgelenk des Internodium II sich ein wenig krümmt. Versuch 46. Galium purpureum. Morgens werden im Garten sechs junge Sprosse abgeschnitten; trotz des trüben Wetters sind dieselben im oberen Theil mehr oder weniger gekrümmt, aber in ver- schiedenen Richtungen. Für den Versuch werden sie natürlich so orientirt, dass die vorhandene Krümmung von der Lichtquelle weg gerichtet ist. — Beleuchtung mit ziemlich trübem Tageslicht. a) Zwei Vergleichssprosse. 0) Vier Versuchssprosse, partiell verschüttet. Nach 1'/, Stunden sind die Sprosse ziemlich vollständig aufgerichtet. Nach 53, Stunden: a) Beide Vergleichssprosse sind mässig lichtwärts gekrümmt, die Krümmung um- fasst nur das Internodium II resp. einen Theil desselben. b) Der oberirdische Theil der Versuchssprosse steht nahezu vertical und ist auffallenderweise nicht merklich gekrümmt. Der Gesammtzuwachs des unterirdischen Stengeltheils beträgt 11/;„—2 mm. — Beim Wegschütten der Erde neigt sich der Obertheil aller Sprosse in grösserem oder geringerem Grade lichtwärts, und im unterirdischen Stengeltheil konmt eine Krümmung von individuell verschiedenem Charakter zu Stande. Ich werde dieselbe für jeden Spross besonders beschreiben, unter Verweisung auf Fig. 53, welche den oberen Theil (die ersten zwei ent- wiekelten Internodien sammt einem Theil des dritten) aller vier Versuchsstengel darstellt. Spross 1 (ein 12 mm langer Obertheil des Internodium I beleuchtet gewesen): Der ganze unterirdische Theil vollkommen gerade, nur das 3,5 cm unter der Licht grenze befindliche Basalgelenk des Internodium II schwach aber sehr deutlich _ gekrümmt, so dass dieses Internodium unter einem Winkel von wenigstens 100 ge neigt ist. Spross 2 (ein 8 mm langer Obertheil des Internodium I beleuchtet gewesen): Das 2,5 cm lange Internodium II ist in seiner ganzen Ausdehnung, besonders aber in seiner basalen Hälfte ziemlich stark gekrümmt. 139 Spross 3 (das ganze Internodium I und der Obertheil des Internodium II, zu- sammen eine 24 mm lange Strecke, beleuchtet gewesen): Der 1,9 cm lange verdunkelte Untertheil des Internodium II ist nur in seiner Basalregion, hauptsächlich (aber nicht ausschliesslich) im Basalgelenk gekrümmt. Spross 4 (das Internodium I und die Spitze des Internodium II, zusammen eine 21 mm lange Strecke, beleuchtet gewesen): Der 2,0 cm lange verdunkelte Theil des Internodium II ist in seiner ganzen Ausdehnung schwach aber deutlich gekrümmt. Fig. 53. Der heliotropische Reiz hat sich also auf eine Entfernung von 1,9 bis 3,5 cm unter die Lichtgrenze hinab fortgepflanzt, bis zur Basis des Inter- nodium II, d. i., wie das Verhalten der Vergleichssprosse lehrt, bis an die Grenze der krümmungsfähigen Region. Die Krümmung im verdunkelten Stengeltheil ist bei drei Sprossen freilich nur schwach, das ist aber natürlich in Anbetracht dessen, dass auch die Vergleichssprosse sich nur mässig ge- krümmt haben; der vierte Spross hat sich hingegen sogar stärker ge- krümmt als beide Vergleichssprosse. Der verschiedene Grad und Ort der Krümmung bei den vier Versuchssprossen erklärt sich dadurch, dass sich bei ihnen das Internodium II in verschiedener Wachsthumsphase befand. Besondere Beachtung verdient das Verhalten des Versuchssprosses 1, bei dem das Internodium II gerade geblieben und nur dessen Basalgelenk sich gekrümmt hat; dieser Fall wird weiter unten noch näher besprochen werden. Ein zweiter Versuch, mit zwei Vergleichs-- und mit zwei Versuchs- sprossen, ergab ein noch schlagenderes Resultat als der Versuch 46; 140 leider ist mir die zu demselben gehörige Zeichnung verloren ge- gangen'). ") Ausser den verschiedenen besprochenen Stengel- und Blattorganen, welche sämmt- lich prosheliotropisch sind, wäre es aus verschiedenen Gründen von grossem Inte- resse gewesen, auch apheliotropische Wurzeln zu untersuchen und sich zu überzeugen, ob auch hier eine lokale heliotropische Reizung sich fortzupflanzen vermag, und ins- besondere, ob die Wurzelspitze sich durch bevorzugte oder gar ausschliessliche heliotropische Empfindlichkeit auszeichnet (letzteres hat Darwin (5, 412—414) für Sinapis alba zwar behauptet, aber, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll, keines- wegs bewiesen). Leider konnte ich keine für meinen Zweck geeigneten apheliotropischen Wurzeln finden. Diejenigen von Sinapis alba sind viel zu dünn und zart, als dass man mit ihnen die erforderlichen Versuche in einwurfsfreier Weise ausführen könnte. Die in meiner Verfügung befindlichen Luftwurzeln von Orchideen und Aroideen wurden mehrere Tage bei einseitiger Beleuchtung gehalten, olıne eine Spur von Aphelio- tropismus zu zeigen. Am meisten versprachen noch die Wurzeln von Chlorophytum Sternbergianum (= Hartwegia comosa); schneidet man die Triebe, welche sich auf den Ausläufern dieser Pflanze bilden, ab, taucht sie mit der Basis in Wasser oder noch besser in Knop’sche Nährlösung und verdunkelt das die Flüssigkeit enthaltende Gefäss, so bilden sich nach 1—2 Wochen die Wurzeln; dieselben sind bis 11/, mm dick, wachsen ziemlich rasch und krümmen sich bei einseitiger Beleuchtung günstigen- falls schon nach einigen Stunden recht stark apheliotropisch. Diese Wurzeln haben aber einen in praktischer Hinsicht sehr wesentlichen Nachtheil, und das ist die Kürze ihrer wachsenden und krümmungsfähigen Region. Dieselbe ist nur 3—4 mm Jang; das Wachsthumsmaximum befindet sich in der zweiten (selten in der zweiten und dritten) Millimeterzone, die folgende Millimeterzone zeigt nur noch ein kaum merkliches Wachsthum und nimmt an der Krümmung fast gar keinen Antheil mehr. Bei Versuchen über den Einfluss der Wurzelspitze auf die heliotropische Krümmung darf man also, zur Vermeidung eines sehr groben Fehlers (nämlich der Verdunkelung der ganzen stark krümmungsfähigen Region), nur eine ganz kurze Spitze, nicht über 1 mm oder höchstens (in bestimmten Fällen) 1'/, mm, verdunkeln. Ich versuchte dies durch Aufsetzen ganz kleiner, eylindrischer oder konischer Stanniolkäppchen zu er- reichen, aber vergeblich, denn an der ziemlich stumpf konischen Wurzelspitze finden die Stanniolkäppchen keinen Halt und fallen entweder sofort oder doch sehr bald ab; vermeidet man aber das Abfallen der Käppchen dadurch, dass man sie auf die Wurzelspitze mit leichtem Druck aufsetzt, so hat dies regelmässig einen voll- kommenen Stillstand des Wachsthums zur Folge. Ich habe diese Schwierigkeiten verschiedentlich zu umgehen versucht, aber ohne Erfolg. — Ebenso erfolglos blieb auch der Versuch, die ganze wachsende Region der Wurzel mit Ausnahme einer 1 mm langen Spitze zu verdunkeln; es gelang mir nicht eine zuverlässige Ver- dunkeiung zu erzielen, ohne eine Schädigung der Wurzel herbeizuführen, die sich im Aufhören des Wachsthums documentirte. 141 VIII. Ueber das „Zugwachsthum“, S 61. Wenn ein Organ eine solche Lage hat, dass ein Theil desselben als Last an einem bestimmten Hebelarm wirkt, so kann diese Last- wirkung in anderen Theilen des Organs oder in anderen Organen, sowohl in noch wachsenden wie in schon ausgewachsenen, unter Umständen eine gewisse rein mechanische, passive Krümmung hervorrufen. Noch vor nicht sehr langer Zeit pflegte man viele nach abwärts gerichtete Krümmungen ohne weiteres auf Rechnung solcher mechanischer Lastwirkung zu setzen. Seitdem in einer ganzen Reihe von concreten Fällen die Activität der früher für passiv gehaltenen Krümmungen bewiesen worden ist, wird man in dieser Hinsicht grössere Vorsicht walten lassen müssen und eine Krümmung nur dann als durch mechanische Lastwirkung verursacht ansehen dürfen, wenn dies streng experimentell für den gegebenen Fall erwiesen worden ist. Immerhin ist eine (wenn auch gegen die früher herrschende Meinung stark zusammengeschrumpfte) Anzahl von sicher in diese Kategorie gehörigen Fällen bekannt. Jede solche Belastungskrümmung muss sich anfänglich durch einfaches Umkehren des Organs ausgleichen resp. in die entgegengesetzte Krümmung überführen lassen; später aber kann die Krümmung, falls sie sich in einem noch wachsenden Organtheil befindet, durch Wachsthum der Zellmembranen fixirt und, mit der Einstellung des Wachsthums, in eine nicht mehr ausgleichbare Krümmung verwandelt werden. Ganz etwas anderes versteht nun aber Wiesner unter seinem „Zugwachs- thum“, wie besonders klar aus Folgendem hervorgeht. Beim Kritisiren der Schlussfolgerung Darwin’s, dass die starke Lichtwärtskrimmung des Untertheils der Keimstengel von Brassica oleracea auf einer zugeleiteten heliotropischen Reizung beruht, sagt Wiesner (23, 68): „Beachtet man die grosse Biegungsfähigkeit und die geringe Biegungselasticität dieser Jungen, zarten Stengelchen, so muss man es für sehr wahrscheinlich halten, dass die durch den Heliotropismus erzeugte Biegung des Organs sich auch auf die nächstbenachbarte Partie des Stengels über- tragen wird‘). Aber auch die vorgebogene Last des gekriimmten Theiles wird höchst wahrscheinlich auf den darunterliegenden Stengeltheil einen Einfluss ausüben. Die Biegung, welche Folge der Belastung sein würde, wäre gewiss nur eine geringe. Num müsste aber diese Last die Schattenseite dehmen und die Lichtseite drücken. Dies aber würde ein ungleichseitiges Wachsthum (Zugwachsthum) her- 1) Wie schon in der Amerkung auf S. 102 hervorgehoben wurde, ist diese An- nahme, die Wiesner bald darauf (l. e., 73) schon als positive Behauptung ausspricht, mir nicht verständlich: denn aus den folgenden Worten des Citats geht hervor, dass W. hier nicht eine mechanische Lastwirkung im Sinne hat, und eine Reizübertragung meint er erst recht nieht: welche Ursache „die Uebertragung der Biegung auf eine nächstbenachbarte Partie des Stengels“ haben soll, bleibt hiernach räthselhaft. 142 vorrufen, welches in diesem Falle zu einer der heliotropischen Krümmung gleichsinnigen Biegung des Stengels führen müsste.“ Durch eben diesen vorausgesetzten Einfluss von Dehnung und Druck auf das Wachsthum des Untertheiles des Keimstengels erklärt Wiesner die starke Krümmung desselben. Man ersieht aus diesem Citat, dass Wiesner der Last der zuerst sich kriümmenden Spitze des Keimlings zwei principiell ganz verschiedene Wirkungen zuschreibt: erstens eine rein mechanische Wirkung, welche dem statischen Moment proportional und folglich, wie Wiesner selber zugiebt, unbedeutend ist; zweitens eine sehr bedeutende Wirkung, die in einer indireeten Beeinflussung des Wachsthums des Untertheils des Keimstengels besteht und folglich den Character einer Reizwirkung hat (im allgemein- gebräuchlichen, nicht im Wiesner’schen Sinne des Wortes). Diese letztere Erscheinung ist es nun, welche Wiesner hinfort als „Zugwachsthum“ be- zeichnet; dass dieselbe eine Reizerscheinung ist, giebt Wiesner selber in- direkt zu, indem er wiederholt von „Indueirung‘ des „Zugwachsthums‘ redet. Ein solcher Einfluss der gekrümmten Spitze, wie ihn Wiesner annimmt, setzt offenbar voraus, dass die Dehnung eines wachsenden Organs, ausser ihrer mechanisch verlängernden Wirkung, noch eine erhebliche Beschleunigung seines Wachsthums zur Folge hat, und dass ebenso die Compression in der Längsrichtung, wieder abgesehen von ihrer mechanischen Wirkung, das Wachsthum des Organs verlangsamt; diese unentbehrliche Voraussetzung wird von Wiesner freilich weder ausgesprochen, noch auch irgendwie auf ihre Richtigkeit geprüft. Wiesner’s Annahme stützt sich auf folgenden Versuch. Keimlinge von Lepidium satwum rotirten am Klinostaten in verticaler Ebene, bei einseitiger Beleuchtung und der für heliotropische Krümmung optimalen Lichtintensität; andere Keimlinge der gleichen Aussaat standen caeteris paribus aufrecht. Das Resultat sei mit des Autors eigenen Worten an- geführt (21, 57): „ Vergleicht mam die am KRotationsapparat befindlich gewesenen Keimlinge mit denen, welche gerade aufgestellt waren, so sieht man sehr deutlich, dass die ersteren, wenn sie nicht allzu jung zum Ver- such genommen wurden, im unteren Theile völlig vertical stehen, der obere Theil im scharfen Bogen der Lichtquelle zugeneigt ist; ferner dass die letzteren, wenn sie im Beginne des Versuches nicht schon zu alt waren, bis auf den Grund gegen die Lichtquelle hin concav gekrümmt sind.... Offenbar ist diese umtere Kriimmung gar keine heliotropische, sondern kommt durch die continwirliche Belastung, mit der das heliotropisch vorgebeugte Stengelende auf das untere Stengel- ende wirkt, zu Stande, ist aber gleich der heliotropischen Krümmung eine Wachsthumserscheinung, welche durch den Zug, der auf die Schattenseite und durch den Druck, der auf die Lichtseite des Stengels ausgeübt wird, indueirt wird. Es ist selbstverständlich, dass an den rotirenden Keimlingen diese einseitige Zug- und Druckwirkung durch das heliotropisch vorgeneigte Ende des Stengels auf das untere Ende gar nicht ausgeübt werden kann, da jeder einseitige Zug bei der um 180° veränderten Stellung in einseitigen Druck umgewandelt wird. ... Diese mit der Kresse angestellten Versuche lehren mithin noch weiter: dass die jüngsten Stengeltheile stärker heliotropisch sind, als die älteren noch wachsenden, und dass die ältesten noch wachsenden Theile der Keimstengel gar nicht mehr heliotropisch sind, wohl aber durch einseitig wirkenden Zug scheinbar heliotropische, übrigens auf Wachsthum beruhende Krimmungen annehmen“ Weiter (8. 57): „„Keimlinge der Erbse zeigen bei eiwmseitiger Be- leuchtung eim anderes Verhalten; hier bleiben die unteren Theile vertical, ob sie ruhig stehen, oder ob sie durch Rotation um eine horizontale Achse der einseitigen Wirkung der Schwerkraft entzogen sind. Aehnlich so verhält sich auch die Wicke. Bei beiden Pflanzen erlöschen Heliotropismus und Wachsthumsfähigkeit des Stengels auf einmal; Zug- und geotropische Krimmungen können in diesen Stengeltheilen nach Erlöschen des Heliotropismus somit nicht statt- haben. ... Die Keimstengel, und wohl alle positiv heliotropischen und dabei negativ geotropischen Orgame verhalten sich entweder so wie das hypocotyle Stengelglied der Kresse oder wie die Keimstengel der Erbse.“ In seinem „Bewegungsvermögen“ (23, 70—72) beruft sich Wiesner auf den oben eitirten Versuch mit ZLepidium und fügt hinzu, dass er das gleiche Resultat auch mit Keimlingen von Brassica oleracea erhalten hat. Hier drückt er sich jedoch merkwürdig unbestimmt aus; er sagt (l. c., 72): „Ich bemerke noch, ... dass die Kohlkeimlinge kein anderes Ver- halten als die ebenerwähnten Kressekeimlinge zeigten, wenn sie um horizontale Achse bei einseitigem Lichte rotirten. ... Hatten die Stengelchen eine Höhe von I—1,5 cm, so krümmten sie sich bei der Rotation bis auf den Grund oder bis zu ?/; hinab; waren sie 2—4cm hoch, so krümmte sich der obere Theil bis zur Hälfte oder bis zu einem Drittel.“ Ob gleich alte, nicht rotirende Keimlinge sich in wesentlich grösserer Ausdehnung krümmten, davon sagt Wiesner kein einziges Wort, und doch könnte eben nur ein solches Plus von Krümmung bei den nicht rotirenden Keimlingen als auf „Zugwachsthum“ beruhend in Anspruch ge- nommen werden; ich habe Grund daran zu zweifeln, ob das der Fall sein konnte, denn da im Hypocotyl von Brassica die wachsende Region im Allgemeinen ca. 2 cm lang ist, so kann sich bei bis zu 4 cm hohen Keimlingen eben nur der obere Theil überhaupt krümmen, einerlei ob dieselben rotiren oder aufrecht stehen. So erscheint also die Beweiskraft von Wiesner’s Versuch mit Brassica schon a priori recht zweifelhaft, und dasselbe gilt für seine Versuche mit anderen Keimlingen, worüber er nur soviel sagt (1. e., 72): „Aehnliche Versuche habe ich noch mit zahlreichen Keim- 144 lingen angestellt, wobei ich stets mit den schon angeführten über- einstimmende Ergebnisse erhielt.‘ Dass die Keimlinge der Erbse, der Wieke und anscheinend noch verschiedene andere Organe sich nach seinen eigenen Untersuchungen anders verhalten (vgl. das Citat auf 8. 143), das übergeht Wiesner an dieser Stelle und überhaupt in diesem Buche ganz mit Schweigen. Endlich erwähnt Wiesner auch noch des Cotyledo von Phalaris canariensis (23, 74): „Die Rotationsversuche ergaben das gleiche Resultat wie die Dicotylenkeimlinge. Der Unterschied zwischen der Krümmung der ruhend und der rotirend dem Lichte ausgesetzten ist aber nicht so erheblich wie bei den Dicotylenkeimlingen, weil die heliotropisch vorgeneigte Stengelspitze durch die Cotylen stark belastet wird und mithin ein wiel stärkeres Zugwachsthum eintreten muss, als dies bei Phalaris-Sämlingen möglich ist, deren vorgeneigte Enden ja geradezu in eine Spitze auslaufen.‘ Also auch bei Phalaris soll Zugwachsthum stattfinden, obgleich hier das Resultat ein vom Wiesner’schen Standpunkt zum mindesten nicht ganz befriedigendes ge- wesen zu sein scheint. Das ist buchstäblich alles, worauf Wiesner seine Zugwachsthums- theorie stützt. Im Grunde genommen ist nur der Versuch mit Zepidium so beschrieben, dass bei einem aufmerksamen Leser keine wesentlichen Zweifel erweckt werden. In Anbetracht dessen muss gesagt werden, dass das ganze „Zugwachsthum‘“ auf ziemlich schwachen Füssen steht. Wiesner aber geht damit wie mit einer zweifellos constatirten Thatsache um und erklärt durch dasselbe, unter Zuhilfenahme verschiedener anderer Annahmen, eine Reihe von Erscheinungen ohne weitere Prüfung; dabei lässt er einmal das Zugwachsthum den Geotropismus, dann wieder in demselben Organ den Geotropismus das Zugwachsthum überwinden, ja schliesslich soll das Zug- wachsthum sogar eine Aufwärtskrümmung bewirken können (bei den nutirenden Sprossspitzen von Ampelopsis; 23, 137). Die Existenz einer derartigen und dabei so starken Beeinflussung des Wachsthums durch Zug, wie sie Wiesner’s „Zugwachsthum“ erfordern würde, ist nun schon a priori höchst unwahrscheinlich und mit verschiedenen That- sachen nicht gut vereinbar; irgendwelche Anhaltspunkte für deren Existenz liegen nicht vor. Hingegen ist in neuester Zeit (abgesehen von aus früheren Arbeiten schon zu entnehmenden Andeutungen) durch Hegler (8) gezeigt worden, dass ein Zug allerdings ausser seiner mechanisch dehnenden Wirkung auch noch in anderer, indireeter Weise das Längenwachsthum verschiedener Organe und speciell auch der Keimstengel beeinflusst, aber im gerade ent- gegengesetzten Sinne als das Wiesner’sche „Zugwachsthum‘“ verlangt, nämlich im Sinne einer Hemmung; bei empfindlichen Objeeten genügt schon ein ganz geringer Zug, der noch lange keine physikalisch messbare Dehnung zur Folge hat, um in den ersten Stunden eine geradezu colossale Hemmung des Längenwachsthums hervorzurufen (8, 389-390). 145 Trotz all ihrer Unwahrscheinlichkeit kann immerhin die Wiesner’sche Zugwachsthumstheorie (welcher übrigens, soweit mir bekannt, bisher noch von Niemanden direet widersprochen worden ist) nicht ohne Weiteres als widerlegt gelten, und ich musste mit derselben rechnen, denn falls that- sächlich „Zugwachsthum‘‘ nicht ausgeschlossen ist, so würde das die Be- weiskraft eines grossen Theiles meiner in den vorausgehenden Kapiteln an- geführten Versuche zu Gunsten einer Fortpflanzung des heliotropischen Reizes in Frage stellen. Ich habe daher auf diesen Punkt von Anfang an mein ganz besonderes Augenmerk gerichtet und mit meinen Hauptobjeeten eine Reihe von Versuchen ausgeführt, an der Hand welcher ich in den folgenden Paragraphen zeigen werde: erstens, dass die von mir bisher als heliotropische behandelten Krümmungen thatsächlich auf Heliotropismus und nicht auf „Zugwachsthum“ beruhen, und zweitens, dass ein „Zugwachsthum‘“ über- haupt nicht existirt. Mancher Leser wird vielleicht geneigt sein, die ein- sehendere Widerlegung einer ohnehin nicht lebensfähigen Hypothese, an die vielleicht Niemand ausser ihrem Autor glaubt, für eine überflüssige Raum- verschwendung zu halten; doch abgesehen von der Nothwendigkeit, die möglichen Zweifel an der Richtigkeit meiner Schlussfolgerungen zu beseitigen, halte ich es für nicht minder verdienstlich, eine von den unbegründeten Behauptungen, die oft so lange in der Wissenschaft fortspuken und Ver- wirrung anrichten, rechtzeitig aus der Weit zu schaffen, als neue Thatsachen festzustellen. Ich werde mich aber möglichst kurz zu fassen suchen. $ 62. Dass bei den Keimlingen der Heliotropismus an der Lichtwärts- krimmung des Untertheils zum mindesten mitbetheiligt sein muss, bedarf keines besonderen Beweises mehr, seitdem sich gezeigt hat, dass, entgegen der Behauptung Darwin’s, der Untertheil derselben auch dann sich krümmt, wenn die Spitze vollkommen verdunkelt ist, wenn sie also gerade bleibt und einen einseitigen Zug auf den Untertheil nicht ausübt. Das gilt für alle von mir untersuchten Keimlinge mit Ausnahme der Paniceen, bei denen sich ja das Hypoeotyl nur dann krümmt, wenn der Cotyledo heliotropisch gereizt wird; aber wir haben gesehen, dass bei älteren Paniceen-Keimlingen der Cotyledo selbst an der Krümmung keinen Antheil nimmt, — also sind auch hier die Bedingungen für „Zugwachsthum“ wenigstens anfänglich nicht gegeben und die Krümmung des Hypocotyls muss eine heliotropische sein. — Ferner verweise ich noch auf die Versuche, in denen Spitze und Untertheil der Keimlinge von entgegengesetzten Seiten beleuchtet wurden und sich anfänglich in entgegengesetzten Richtungen krümmten ($ 23, Versuch 14 mit Avena sativa, und $ 46, Versuch 34 mit Brassica Napus); hier waren die Bedingungen für das „Zugwachsthum‘“ freilich gegeben, aber unter dessen Einfluss hätte sich der Untertheil der Keimlinge gerade in der ent- gegengesetzten Richtung krümmen müssen als es thatsächlich der Fall war. In allen diesen Fällen wäre es aber denkbar, dass der Heliotropismus nur den ersten Anfang der Krümmung verursacht; wenn der Untertheil sich Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft. I. 10 146 ein wenig gekrümmt hat und die Spitze passiv in eine geneigte Lage ge- langt ist, könnte das „Zugwachsthum‘‘ beginnen und von nun an die alleinige Ursache der fortschreitenden Krümmung des Untertheils darstellen. Dass diese Voraussetzung nicht zutrifft, zeigen die folgenden Versuche. Cotyledonen von Avena sativa wurden in enge Glasröhrehen einge- schlossen und einseitig beleuchtet; während des Versuches war eine Krüm- mung mechanisch verhindert, also auch kein „Zugwachsthum“ möglich; trotzdem krümmten sich die Cotyledonen unmittelbar nach der Befreiung aus den Glasröhrehen in einer langen Strecke. In vier solehen Versuchen wurden neun Cotyledonen beobachtet; zwei derselben sind in Fig. 54 ab gebildet. — Mit Diecotylenkeimlingen und mit Organen entwickelter Pflanzen ist ein solcher Versuch natürlich nicht ausführbar; doch kann ich mich hier auf eine ganze Reihe principiell analoger Beobachtungen berufen. Ielı meine alle diejenigen Fälle, in denen, bei Versuchen über Fortpflanzung des heliotropischen Reizes, der mit Erde verschüttete Untertheil der Organe mechanisch an der Ausführung der angestrebten Krümmung verhindert war; selbst dann, wenn der oberirdische Theil sich lichtwärts krümmte, konnte er hier keinen wirksamen einseitigen Zug auf den Untertheil ausüben, und die nach Beseitigung des Hindernisses sich realisirende Krümmung des letzteren muss eine heliotropische sein; besonders instructiv sind solche Fälle, wie die in Versuch 38 (Sämlingsblätter von Allium Cepa, $ 52) und Versuch 46 (Stengel von Galium purpureum, $ 60) beschriebenen, wo der oberirdische Theil der Organe gerade und aufrecht blieb. Br Fig. 54. Zwei Keimlinge von Avena satira, die, in enge Glasröhrehen eingeschlossen, 73%4 Stunden lang einseitig beleuchtet wurden. Ein anderes Verfahren besteht darin, horizontal gerichtete Keimlinge einseitiger Beleuchtung auszusetzen. Alsdann wirkt sowohl die mechanische Last der sich krümmenden Spitze, als auch das eventuell durch dieselbe indueirte „Zugwachsthum“ in einer auf die Ebene der heliotropischen Krüm- mung senkrechten Richtung, und beide können folglich auf den Gang der heliotropischen Krümmung keinen Einfluss haben. Solche Versuche habe ich mit den folgenden Keimlingen ausgeführt: Avena sativa, Phalaris camariensis, Agrostemma Githago. Stets erwies sich der Verlauf der Krümmung bei den horizontalgelegten Keimlingen vollkommen normal: der allmälige Uebergang der Krümmung in den Untertheil, die Geradestreckung des Obertheils und die Verstärkung seiner Neigung zum Licht, alles das 147 fand in ganz der nämlichen Weise statt wie bei den aufrechtstehenden Ver- gleichskeimlingen. — Wie ich später gewahr wurde, ist ein solcher Versuch (mit Phalaris) schon von Darwin (9, 401), und zwar mit im wesentlichen gleicher Fragestellung und mit gleichem Resultat, ausgeführt worden; auf- fallenderweise wurde dieser Versuch, welcher die von Wiesner geübte Kritik, wenigstens soweit es sich um Darwin’s Versuche mit Phalaris handelt, im voraus fast ganz gegenstandslos macht, von Wiesner völlig ignorirt. $ 63. Wenn somit die heliotropische Krümmung auch ohne „Zugwachs- thum“ ihren normalen Verlauf nimmt, so kann es sich nur noch fragen, ob nicht vielleicht die Betheiligung des letzteren die Krümmung merklich verstärkt oder eine merkliche Verlängerung der sich krümmenden Region zur Folge hat. Ich werde zeigen, dass auch dies nicht der Fall ist. Zunächst liess ich Keimlinge von Avena sativa und Brassica Napus sich unter Wasser heliotropisch krümmen. Zwei Töpfe mit möglichst gleichen Keimlingen wurden auf den Boden hoher eylindrischer Glas- gefässe hinabgelassen; in das eine Gefäss wurde soviel Wasser gegossen, dass es nur bis zur Basis der Keimlinge reichte (Vergleichskeimlinge), in das andere soviel, dass sich die Keimlinge ganz unter Wasser befanden (Versuchskeimlinge). Wenn nun die Lastwirkung der sich krümmenden Spitze im Untertheil der Keimlinge ‚„Zugwachsthum‘ hervorruft, so müsste dieses bei den Vergleichskeimlingen die heliotropische Krümmung verstärken, bei den Versuchskeimlingen hingegen (infolge des Auftriebes) ihr entgegenwirken. Die letzteren müssten sich also weniger stark lichtwärts krümmen als die ersteren, und mit der Zeit müsste sich die Differenz zwischen beiden Gruppen vergrössern, in dem Masse wie mit fortschreitender Krümmung das statische Moment des vorgeneigten Obertheils zunimmt. Das Resultat war, dass sich die Versuchskeimlinge in einem Versuch (Avena) ein klein wenig schwächer, in zwei Versuchen (Avena und Brassica) deutlich stärker, und endlich in einem Versuch (Avena) genau in gleichem Grade krümmten, wie die Vergleichskeimlinge; die Länge der gekrümmten Strecke war ent- weder in beiden Gruppen die gleiche, oder sie war (im Versuch mit Drassica) bei den Versuchskeimlingen im Mittel etwas grösser. — Von dem Bestehen eines Auftriebes bei den Versuchskeimlingen überzeugte ich mich nb. am Schluss der Versuche, indem ich die Spitze einiger Keimlinge in verschiedener Ausdehnung (bei Brassica u. A. auch die Cotyledonen allein) abschnitt: die abgeschnittenen Theile stiegen sofort an die Oberfläche des Wassers. Es leuchtet ein, dass bei der Lichtwärtskrümmung gar kein „Zugwachs- thum‘‘ betheiligt ist. Aber nicht nur die geringe Last der sich krümmenden Spitze des Keimlings, sondern selbst eine um das vielfache grössere Last vermag die heliotropische Krümmung desselben nicht in merklicher Weise zu beeinflussen. Ein Satz von Keimlingen von Avena sativa wurde so lange einseitig beleuchtet, bis der Obertheil schon eine ansehnliche, aber noch nicht die 10* 143 definitive Neigung annahm. Nun wurden einigen Keimlingen (den Versuchs- keimlingen) auf die Spitze durehsichtige Glaskappen aufgesetzt, während andere (die Vergleiehskeimlinge) ohne solehe Kappen belassen wurden. Eine Glaskappe wog durchschnittlich 37 mgr und die in ihr eingeschlossene Keimlingsspitze 8 mgr, — also wurde das statische Moment der Spitze durch das Aufsetzen der Kappe auf das 5"zfache gesteigert. Dass die Kappen relativ schwer waren, konnte man daraus ersehen, (dass die mit ihnen versehenen Keimlinge bei der leisesten Erschütterung des Topfes stark hin- und herschwankten. — Die Exposition wurde nach dieser Vorbereitung noch einige Stunden fortgesetzt, und von Zeit zu Zeit wurden die Keim- linge beider Gruppen mit einander verglichen. Soleher Versuche habe ich zwei gemacht, den einen mit 2—3 cm hohen, den anderen mit 5—6 cm hohen Keimlingen; zusammen wurden 12 Ver- gleichs- und 12 Versuchskeimlinge mit einander verglichen. In beiden Versuchen konnte nieht der geringste Unterschied zwischen beiden Gruppen von Keimlingen bemerkt werden: der weitere Verlauf der heliotropischen Krümmung wae normal, die Länge des geneigten Obertheils war die gleiche, die individuellen Schwankungen der Neigung hielten sich bei beiden Gruppen in gleichen Grenzen. — Auch ein ähnlicher Versuch mit Phalaris canariensis ergab dasselbe Resultat. Ganz analog diesen sind zwei Versuche mit Drassica Napus, die zunächst einen anderen Zweck verfolgten und schon oben ($ 37) besprochen worden sind. In diesen Versuchen wurden die Keimlinge in drei Gruppen a, b, c getheilt: die « wurden in ganzer Länge beleuchtet, bei den b wurde die Hypoeotylspitze mit einem Stanniolstreif umbunden, bei den c wurden über- dies Stanniolkappen auf die Cotyledonen aufgesetzt. Die Gruppen b und e sind mit einander vergleichbar, denn da die heliotropisch besonders empfind- liche Hypoeotylspitze bei beiden verdunkelt ist, so besteht der Unterschied nur in der ungleichen Belastung der Spitze. Namentlich in einem der Versuche (oben als Vers. 24 aufgeführt) war dieser Unterschied ziemlich bedeutend: eine Stanniolkappe wog im Durchschnitt 50 mgr, ein Stanniol- streifen 3,5 mgr, und die vom Letzteren umhüllte, 6 mm lange Hypocotyl- spitze mitsammt den Cotyledonen wog 10 mgr; folglich war bei den c das statische Moment der Spitze mit Stanniol ea. 3a mal grösser als bei den b, und fast 4!» mal grösser als das statische Moment der Spitze ohne Stanniol. Die relative Schwere der Stanniolkappen war so bedeutend, dass die mit ihnen versehenen Keimlinge bei jeder Erschütterung zitterten, und dass deren Neigung (beim Schluss des Versuches, als die Keimlinge schon stark geneigt und folglich der Hebelarm ziemlich lang war) mechanisch nm 5—10° vergrössert war. Trotzdem hatten die Kappen keinerlei Einfluss auf den Gang der helistropischen Krümmung und vergrösserten die Neigung der Keimlinge wicht (abgesehen natürlich von der eben erwähnten, rein mechanischen und durch Abnehmen der Kappen rickgängigs zu machenden Vergrösserung 149 derselben). Warum die schliessliche Neigung bei den c sogar etwas geringer ausfiel als bei den 5b, das ist in $S 37 auseinandergesetzt. Weiter wurden in zwei Versuchen ebensolche Stanniolkappen auf Drassica Keimlinge aufgesetzt, die sich schon in gewissem Grade lichtwärts gekrümmt hatten; Vergleiehskeimlinge blieben eaeteris paribus ohne Kappen, und beide Gruppen von Keimlingen wurden im Dunkeln der Einwirkung des Geotropismus überlassen. Die geotropische Krümmung erfolgte bei beiden gleich schnell und gleieh stark, die schweren Kappen vermochten sie nieht in merklicher Weise aufzuhalten. (Einer von diesen Versuchen ist ebenfalls schon obeı: beschrieben worden: Vers. 25 ($ 38), Gruppen « und D’.) Hierher gehören endlich auch noch die in $ 54 besprochenen Versuche, in denen die Lamina der Blätter von Tropaeolum minus durch Bedeekun: mit Stanniol verdunkelt wurde, was ohne den geringsten Einfluss auf di: heliotropische Krümmung des Blattstiels blieb; die durch das Bedecken mi: Stanniol bewirkte Vergrösserung des statischen Moments der Lamina wurd« zwar in diesem Falle nicht bestimmt, dürfte aber wohl auch ziemlic) bedeutend gewesen sein. Die Kraft, mit welcher heliotropische und geotropische Krümmungen ausgeführt werden, ist, wie die in diesem Paragraph angeführten Versuch: übereinstimmend zeigen, so gross, dass der Einfluss einer selbst relativ bedeutenden Belastung, welche der Krümmung entgegenzuwirken oder mit- zuwirken strebt, dagegen einfach nicht in Betracht kommt. Falls eine ein- seitig wirkende Belastung überhaupt im Stande wäre „Zugwachsthum‘‘ hervorzurufen, so hätte dasselbe in den beschriebenen Versuchen unbedingt hervortreten müssen; wenn es aber hier nieht im geringsten hervortrat, wie kann es denn durch die viel geringere Last der sich krümmmenden Spitze eines Keimlings hervorgerufen werden ? Wir sind schon jetzt zu dem Schlusse vollkommen berechtigt, dass es überhaupt kein „Zugwachsthum“ und also auch keine auf „Zugwachsthum“ beruhenden pseudo-heliotropischen Krüm- mungen giebt. $ 64. Trifft der obige Satz zu, so muss das Ergebniss des in $ 61 eitirten Wiesner’schen Klinostatenversuchs entweder sich anders erklären lassen, oder es muss unrichtig sein. Ich habe diesen Versuch mit einigen meiner Hauptobjecte wiederholt und bin zu ganz anderen Resultaten gelangt als Wiesner. Der erste in dieser Richtung mit Avena sativa gemachte Versuch bildet einen Theil des schon in $ 14 unter No. 7 beschriebenen Versuchs; ich führe hier die wesentlichen Punkte desselben an, von denen einige an der genannten Stelle, wo es sich um eine andere Frage handelte, übergangen worden sind; bezüglich der Details der Versuchsanstellung ver- weise ich auf Versuch 7. 20 etiolirte, 1,6—2,7 cm hohe Keimlinge von Avena sativa, auf denen von der Spitze aus 4%/; mm lange Zonen markirt sind. 10 Keimlinge rotiren am Klinostaten in vertiealer Ebene (ZZ), 10 andere stehen aufrecht (I), in gleicher Entfernung von 150 der Lichtquelle und auf gleichem Niveau mit dem oberen Rande der Klinostaten- scheibe. Die verschieden hohen Keimlinge sind gleichmässig auf die beiden Gruppen vertheilt. Nach Verlauf von 1'/4, 3, 4, 514 und 71/4 Stunden werden diejenigen Zonen der einzelnen Keimlinge notirt, welche die Krümmung bereits umfasst, sowie die Zonen, in denen sich das Krümmungsmaximum befindet. Die rotirenden und die ruhenden Keimlinge verhalten sich nur darin verschieden, dass die ersteren sich stärker krümmen, und dass die Geradestreckung des Obertheils bei ihnen später beginnt (welch letzterer Unterschied sich übrigens zum Schluss des Versuches vollständig ausgleicht). Dagegen vollzieht sich das allınälige Fortschreiten der Krümmung nach der Basis bei den Keimlingen beider Gruppen in gleicher Weise und gleichem Tempo. Bei Schluss des Versuches (nach 74 Stunden) sind alle Keimlinge ohne Ausnahme bis an die Basis hinab gekrümmt; hier befindet sich auch das Krümmungsmaximum, nur bei einzelnen Keimlingen (aus beiden Gruppen) liegt es einige mm höher. Vgl. Fig. 55, 7a und I//a. Fig. 55. Heliotropische Krümmung von Keimlingen von Avena sativa, nach 7’/astündiger Exposition. Il, @: Aufrecht stehende Keimlinge. II, «: Am Klinostaten um horizontale Achse rotirende Keimlinge. Noch in drei weiteren Versuchen, die in erster Linie andere Zwecke verfolgten, hatte ich Gelegenheit in gleicher Weise rotirende und aufrecht stehende Keimlinge von Avena sativa wit einander zu vergleichen; die- selben waren zum Theil bedeutend älter als in dem eben angeführten Versuch. Es geschah nicht ein einziges Mal, dass, entsprechend den Angaben Wiesner’s, die nicht rotirenden Keimlinge sich in grösserer Ausdehnung krümmten, als die rotirenden; im Gegentheil, die Krümmung umfasste stets bei beiden Gruppen die genau gleiche Anzahl von Zonen. In der nämlichen Weise führte ich ferner drei Versuche mit Keimlingen von Brassica Napus und einen Versuch mit denen von Agrostemma al Githago aus. Auch hier wurde in allen Fällen das gleiche Resultat er- halten: der Untertheil des Hypocotyls krümmte sich bei den Keimlingen beider Gruppen gleichzeitig (oder allenfalls waren es die rotirenden Keim- linge, welche in dieser Hinsicht den aufrecht stehenden ein klein wenig vorauseilten), und schliesslich umfasste die Krümmung bei allen Keimlingen eine im Mittel gleichlange Strecke, nämlich die ganze wachsende Region. Zur Illustration führe ich die zu einem solchen Versuch gehörige Fig. 56 an. — Dasselbe fand ich endlich auch in zwei Versuchen mit Vicia sativa, bezüglich deren auch Wiesner früher angab (21, 57), dass auch bei Rotation am Klinostaten die ganze wachsende Region des Keimstengels sich heliotropisch krümmt. % Dr ; ’ e F HM Y 7 Bet 13 GER: [22 Fig. 56. Heliotropische Krümmung der Hypoeotyle von Brassica Napus, nach 8stündiger Exposition. a) Aufrecht stehende Keimlinge. b) Am Klinostaten um horizontale Achse rotirende Keimlinge, So geht also auch die Grundlage selbst, auf der Wiesner seine Zug- wachsthumstheorie aufgebaut hat, verloren. Man könnte allenfalls einwenden, dass ich mit anderen Species experimentirt habe, als Wiesner; aber von ihnen entspricht Avena vollkommen Phalaris, und Drassica Napus — Brassica oleracea, beide Paare von Objecten haben untereinander ganz gleiche heliotropische Eigenschaften, und der Unterschied besteht nur darin, dass die von mir gewählten sich gleichmässiger verhalten oder aus praktischen Gründen bequemer zu verwenden sind; es liegt nicht der geringste Grund zur Annahme vor, dass eben nur am Klinostaten die ersteren Species sich anders verhalten sollten als die letzteren. Was endlich Zepidium sativum anbetrifft, so verhält sich auch dieses Object in heliotropischer Hinsicht ebenso wie Brassica Napus; es hat aber den Nachtheil, dass die Keimlinge (wenigstens diejenigen, welche ich in vier Versuchen geprüft habe) nur so lange zu Versuchen brauchbar sind, als sie die Höhe von ca. 2 cm noch Bar nicht überschritten haben; später wird ihre krümmungsfähige Region sehr kurz. Die schnelle Abnahme der Länge der krümmungsfähigen Region mit dem Alter mag wohl auch eine der Fehlerquellen in Wiesner’s Versuchen mit Lepidium gewesen sein: ein nur wenig grösseres Alter der rotirenden Keimlinge könnte hier schon die Ursache werden, dass dieselben sich in geringerer Ausdehnung krümmen als die aufrecht stehenden Keimlinge. Eine zweite Fehlerquelle könnten die individuellen Differenzen bilden, die bei geringer Anzahl von Keimlingen nieht in genügendem Grade ausgeglichen gewesen sein mögen (soweit man nach Wiesner’s Beschreibung seiner Versuche vermuthen kann, enthielten die von ihm verglichenen Gruppen nicht mehr als je vier Keimlinge). Sicher zu sagen, worin die Fehlerquelle be- standen hat, ist nicht möglieb, da Wiesner keine Details angiebt: die Zahl der Keimlinge, ihre Höhe, die Versuchsdauer ete., alles das bleibt unbekannt. Jedenfalls ist es aber kaum zu bezweifeln, dass der Unterschied, den Wiesner bei ZLepidium gefunden hat, nur ein zufälliger war. IX. Ueber die Beziehungen zwischen Wachsthumsintensität, Krümmungsfähigkeit, Reizbarkeit und Empfindlichkeit. $ 65. Ist die ganze wachsende Region krümmungsfähig? Diese Frage ist von Sachs für geotropische Stengelorgane, von H. Miller für die Mehrzahl der heliotropischen Organe!) auf Grund ihrer Unter- suehungen ausdrücklich bejaht worden; Sachs sagt (15, 324): „An der Aufwärtskrümmung betheiligen sich alle im Wachsen begriffenen Theile eines horizontal oder schief gelegenen Stengels“, und H. Müller sagt (11, 5): „An der heliotropischen Krümmung betheiligen sich bei genügender Dauer des Versuches sämmtliche im Stadium der Streckung !) Anders verhält es sich nach H. Müller (11, 11) bei einigen apheliotropischen Stengelorganen (wenigstens einem Theil derselben dürfte, wie ich vermuthe, wohl eher Diaheliotropismus zukommen) und bei den Ranken der Ampelideen: hier soll die Krümmung nur im unteren, langsamer wachsenden Theil der wachsenden Region ausgeführt werden. Diese Fälle, über die der Autor fast gar keine näheren Angaben macht und die auch bisher immer noch sehr ungenügend bekannt geblieben sind, halte ich für einer erneuten eingehenderen Untersuchung bedürftig; wenn es sich bestätigt, dass sich hier nur der untere Theil der wachsenden Region krümmt, so wäre es von grossem Interesse festzustellen, woran das liegt, und ob hier viel- leicht weitere Fälle lokalisirter heliotropischer Empfindlichkeit, ohne Möglichkeit einer Fortpflanzung des Reizes in acropetaler Richtung, vorliegen; mit einer Abtrennung dieser Fälle von den Erscheinungen des „eigentlichen negativen Heliotropismus“, wie H. Müller thut, ist die Sache jedenfalls weder erschöpft, noch ihrer Aufklärung näher gerückt. 153 befindliche Zonen.“ H. Müller führt als Beispiel einen Versuch mit dem Stengel von Valeriana offieinalis an; andere Belege zur Bekräftigung der ausgesprochenen Thesen werden nieht angeführt, da beide ceitirten Arbeiten nur lakonische vorläufige Mittheilungen sind, während die in Aus- sicht gestellten ausführlichen Arbeiten, zum grossen Schaden der Wissenschaft, von den Autoren überhaupt nicht publieirt worden sind. Eine ganz andere Meinung spricht Wiesner aus. Er sagt (23, 45): „Nicht jede wachsthumsfähige Zone eines Organs ist auch heliotropisch . Nehme ich einen positiv heliotropisch krümmungsfähigen Stengel her, so kamn ich mich leicht davon überzeugen, dass sein jüngster Theil, die Spitze, dem Lichte gegenüber noch nicht reagirt. Erst in einem tieferen, schon stärker in die Länge wachsenden Theile ist positiver Heliotropismus möglich.‘ — Und an einer anderen Stelle heisst es (23, 96): „Häufig ist die BReactionsfühigkeit der Orgame gegen Licht und Schwere je nach dem Alter verschieden. So ist die Stengelspitze des Hyypocotyls vieler Keimlinge (z. B. der Kresse) weder heliotropisch noch geotropisch. Die tiefer liegende, etwas ältere Stengelzone ist im günstigen Licht nur wenig (negativ) geotropisch, hingegen stark positiv heliotropisch, eine tiefer liegende, noch ältere Zone hingegen noch deutlich geotropisch aber gar nicht mehr heliotropisch.“ Aus welchem Grunde Wiesner den Heliotropismus des Untertheils der Keimstengel läugnet, haben wir bereits gesehen ($ 61), doch sahen wir auch schon, dass dieser einzige Grund in Wirklichkeit nicht besteht. Die Behauptung hingegen, dass die Spitze der Keimlinge und Stengel des Heliotropismus und Geotropismus entbehrt, ist ganz neu, und da sie zu den oben angeführten und wohl ziemlich allgemein acceptirten Ergebnissen von Sachs und H. Müller in directem Wiederspruch steht, so wäre es jedenfalls erwünscht zu erfahren, worauf sie sich eigentlich stützt. Vergeblich suchen wir aber in Wiesner’s Arbeiten nach Beweisen für seine Ansicht oder auch nur nach einer Andeutung, dass irgendwelche Versuche in dieser Richtung überhaupt ausgeführt worden sind, — wir finden nur die einfache kategorische Behauptung. Was die Stengelspitze anbetrifft, so könnte Wiesner Recht haben, wenn er denjenigen Theil meinte, welcher sich noch in embryonalem Zustande befindet und in der Gipfelknospe verborgen ist; dieser Theil kann natürlich keinen Heliotropismus aufweisen, schon deshalb, weil das Licht keinen Zutritt zu ihm hat. Dass aber Wiesner nicht die embryonale Region, sondern die Spitze der in Streckung befindlichen Region im Auge hat, welehe dem Licht bereits ausgesetzt ist, geht aus einer Stelle in einer anderen seiner Arbeiten hervor (22, 63); hier behauptet er nämlich, dass bei zahlreichen nutirenden Blüthenschäften die am stärksten in die Länge wachsende Gipfelzone weich und spannungslos ist, und dass erst eine tiefer gelegene, schon ältere Region „‚schon“ geotropisch und heliotropisch ist. Da es unzweifelhaft eine Frage von grosser Wichtigkeit ist, ob die heliotropisch krümmungsfähige Region mit der in Streekung befindlichen 154 Region zusammenfällt oder nur einen Theil der letzteren ausmacht, so wird es nicht überflüssig sein, gegenüber der widersprechenden Behauptung Wiesner’s zu zeigen, dass die Angabe H. Müller’s zutreffend ist. Obgleich diese Frage nicht zum Programm meiner Arbeit gehörte, verfüge ich doch über eine grosse Zahl von Beobachtungen, welche es gestatten, dieselbe wenigstens für die prosheliotropischen Stengel- und Blattorgane zu entscheiden, In sehr zahlreichen Versuchen mit den eingehender untersuchten Keim- lingen (Avena sativa, Phalaris canariensis, verschiedene Paniceae, Brassica Napus, Agrostemma Githago, Viecia satiwa, Tropaeohum minus), ferner auch in einigen Versuchen mit anderen Keimlingen, sowie mit den Blättern von Allium Cepa und den Blattstielen von Tropaeolum mimus, wurden die untersuchten Organe mittels Tuschmarken in Querzonen von mehreren mm Länge getheilt, darauf einseitiger Beleuchtung ausgesetzt, und nach Abschluss des heliotropischen Versuchs wurde, entweder unmittelbar oder erst nach einiger Zeit, der Zuwachs der einzelnen Zonen gemessen. In allen solchen Versuchen, wofern dieselben nicht allzu kurz dauerten, fand ich, dass die heliotropische Krümmung in basipetaler Richtung alle diejenigen Zonen umfasste, welche noch einen messbaren Zuwachs erkennen liessen; von dieser Regel ist mir nicht ein einziger Ausnahmefall vorgekommen. Es giebt ausserdem noch ein zweites Kriterium: wenn die heliotropische Krümmung bereits bis an die äusserste Basis der wachsenden Region gerückt ist, und die Exposition hierauf noch längere Zeit fortdauert, so kommt es bei Organen mit acropetaler Vertheilung der Wachsthumsintensität häufig vor, dass diese äusserste Basis inzwischen ihr Wachsthum einstellt, und alsdann bleibt hier die Krümmung fixirt und wird bei nachfolgender geotropischer Aufrichtung des Organs nicht ausgeglichen. Diese Erscheinung, welche ebenfalls einen Beweis für das Zusammenfallen der unteren Grenze der wachsenden und der krlimmungsfähigen Region liefert, wurde bei den Keimlingen der Paniceen und vieler Dicotylen sowie bei den Organen vieler entwickelten Pflanzen oft genug beobachtet; Beispiele sind in den vorausgehenden Kapiteln mehrfach namhaft gemacht. — Ich füge hinzu, dass meine, freilich weniger zahlreichen geotropischen Versuche auch dasselbe Resultat ergaben. Was nun ferner die obere Grenze der heliotropischen Krümmungsfähig- keit anbetrifft, so haben wir bereits früher gesehen, dass bei allen Keim- lingen ohne Ausnahme die Spitze sich am frühesten krümmt, ja dass bei der Mehrzahl derselben eine kurze Spitzenregion des heliotropischen Organs sogar heliotropisch empfindlicher ist als dessen übriger Theil. Bei Keim- lingen kann also gar keine Rede davon sein, dass die heliotropische Krümmungs- fähigkeit erst eine gewisse Strecke unterhalb der Spitze beginnen sollte; das Gleiche gilt nb. auch für den Geotropismus. Bezüglich vieler ent- wickelter Stengel kann hingegen wohl ein Zweifel obwalten, denn das erste entwickelte (d. i. nicht in der Gipfelknospe verborgene) Internodium nimmt, solange es noch sehr jung ist, in der That normaler Weise an der heliotropischen 155 und geotropischen Krümmung nicht activ Theil (solche, leicht zu constatirende Fälle mag vielleicht Wiesner in der ersten Hälfte des oben angeführten Citates im Auge gehabt haben). Dies wird dadurch bedingt, dass das betreffende Internodium weit langsamer wächst und folglich auch viel lang- samer sich krümmen kann als das folgende; bevor es noch Zeit gehabt hat, sich merklich zu krümmen, ist es daher schon passiv, durch die Krümmung des folgenden Internodiums, in eine geneigte, für die Krümmung ungünstige Lage oder gar in die Gleichgewichtslage gebracht worden. So bleibt das erste Internodium factisch ungekrümmt; aber es ist offenbar ganz verfehlt daraus zu schliessen, dass es nicht krümmungsfähig ist; von seiner Krümmungsfähigkeit kann man sich vielmehr leicht überzeugen, wenn man es andauernd einseitig beleuchtet, während, zur Vermeidung der passiven Neigung desselben, die tieferliegenden Internodien mechanisch an der Krümmung gehindert sind. Da dieser Punkt, soweit mir wenigstens bekannt, bisher in der Litteratur nicht berücksichtigt worden ist, so sei es erlaubt, zur Bekräftigung des Gesagten einige Versuche anzuführen. Versuch 47. Vicia sativa. Die Stengel zweier junger Pflanzen werden mittels mehrerer Verbände an Holzstäbehen angebunden und einseitig beleuchtet; der oberste Verband befindet sich unmittelbar unter dem jüngsten Internodium, so dass also nur dieses sich bewegen kann. Die Länge dieses Internodiums beträgt bei Pflanze I 41/y mm, bei Pflanze 17 3 mm. — Beleuchtung mit trübem Tagelicht. Nach 2 Stunden: Internodium 7 schon merklich gekrümmt, Internodium 77 noch nicht. Nach 31/, Stunden: I stärker gekrümmt, ZI merklich gekrümmt. Nach 7 Stunden: I unter 65°, II unter 45 ® geneigt. Der Zuwachs der beiden Internodien während des Versuchs betrug bei / nicht über 34 mm, bei I/ nicht über !/, mm. Versuch 438. Dahlia variabilis, Eccremocarpus scabker. Versuchsanstellung wie oben. Länge des ersten Internodiums, das sich allein bewegen kann: bei Dahlia 3 mm, bei Eceremocarpus 4mm. Da die Krümmungsfähigkeit des Stengels bei diesen Pflanzen nicht so ausserordentlich ist wie bei Vieia, so ist eine entsprechend schwächere Krümmung zu erwarten. Nach 31/, Stunden ist noch keine Krümmung bemerkbar; nach 7 Stunden aber ist das jüngste Internodium beider Pflanzen schwach aber deutlich (unter 10—20°) zum Fenster geneigt. Der Zuwachs ist nicht messbar. Also sind selbst sehr junge und nur erst sehr schwach wachsende Internodien schon zweifellos heliotropisch. Ich füge noch hinzu, dass in einem zweiten ebensolchen Versuch mit Dahlia, nach 24 stündiger Exposition, das freie jüngste Internodium, welches am Schluss des Versuchs nur 11/2 mm lang war, sich ganz deutlich liehtwärts gekrümmt hat. Wir sehen also, dass auch die obere Grenze der krümmungsfähigen Region mit der oberen Grenze der in Streckung befindlichen Region zu 156 sammenfällt. — Man darf nun zwar nicht mit H. Müller sagen, dass an der heliotropischen Krümmung alle in Streckung befindlichen Zonen etheilnehmen; in dieser Form ist der Satz nicht unbedingt richtig. Richtig ist aber, dass bei prosheliotropischen Organen die ganze in Streekung begriffene Region heliotropisch krümmungsfähig ist. Ich zweitle nicht, dass dasselbe auch für den Geotropismus gilt. 66. Fällt der Ort der stärksten Krümmung mit dem Ort des intensivsten Wachsthums zusammen? Sachs hat bei seiner Beschreibung der apogeotropischen Krümmung der Stengel (15, 325 bis 328) wohl als Erster hervorgehoben, ‚dass die Form der Krümmung sich von Beginn des Vorganges bis zu seiner Beendigung immer- fort ändert und das Krümmungsmaximum auf Theile übergeht, die vorher noch gar micht oder wur wenig gekrümmt waren, wührend vorher stark gekriimmte Theile später gerade werden‘ (l. e. 325). Er hat auch mit der ihm eigenen Klarheit die Ursachen dieser Erscheinung, welche wesentlich in der ungleichmässigen Ver- theilung der Wachsthumsintensität über den Stengel ihren Grund hat, auseinandergesetzt. Darauf hat H. Müller dasselbe für die heliotropische Krümmung festgestellt; er sagt (11, 7—8): „Die stürkste Krümmung bleibt nicht an derselben Stelle, sondern rückt allmälg gegen das untere Ende des wachsthumsfähigen Stengeltheils vor.“ Dass dies richtig ist (und zwar nicht blos für Stengel, sondern für prosheliotropische Organe überhaupt) und dass schliesslich das Krümmungs- maximum (bei acropetaler Wachsthumsvertheilung) in die Zone des lang- samsten Wachstums rückt, das fällt bei der Beobachtung des Verlaufes der heliotropischen Krümmung geradezu in die Augen, und in den ersten Kapiteln dieser Arbeit haben wir zahlreiche Beispiele dafür kennen gelernt. Ich füge noch hinzu, dass die Krümmung um so schärfer wird, je mehr sie sich in der langsamst wachsenden Basalzone concentrirt, da nach Erreichung der Gleichgewichtslage die Neigung des Obertheils (von Oseillationen abgesehen) die gleiche bleibt, die Geradestreckung des Organs aber noch fortschreitet und folglich die gekrümmte Region immer kürzer wird; dasselbe ist auch bei der geotropischen Krümmung der Fall'). YUR ') Es ist sehr bemerkeuswerth, dass Schwendener und Krabbe (18, 32—37) eine ganz analoge Erscheinung bei dem Geotortismus und Heliotortismus der Blatt- und Blüthenstiele festgestellt haben. Die Torsion beginnt regelmässig in der Gipfel- region des Organs und schreitet allmälig basipetal fort; infolge der fortdauernden Torsion der basalen Zonen wird die Spitze oft sehr beträchtlich übertordirt (ent- sprechend der geo- und heliotropischen Ueberkrümmung), später wird aber ihre Torsion rückgängig gemacht, so dass die Torsion sich mehr und mehr in einer kurzen Basalzone des Organs eoncentrirt. Es ist augenfällig, dass der Verlauf der geotortischen und heliotortischen Torsion vollkommen dem Verlauf der geotropischen und heliotropischen Krümmung entspricht, 157 In Anbetracht alles dieses ist es vollkommen klar und selbstverständlich, dass die Frage, ob das Krümmungsmaximum mit der Zone des maximalen Wachsthums coineidirt oder nicht, keinen Sinn hat, — denn die Coineidenz kann nur eine zeitweilige sein. Trotzdem begegnen wir dieser Frage in der Litteratur wiederholt, und sonderbarerweise unter anderem auch bei H. Müller, auf dessen Autorität hin weiter in verschiedenen Schriften die Behauptung wiederholt wird, dass Krümmungsmaximum und Wachsthums- maximum zusammenfallen (auch ich habe früher diesen weitverbreiteten Irrthum getheilt). H. Müller sagt (11, 5): „Am empfindlichsten gegen eimseitige Beleuchtung sind die stärkst wachsenden Theile der Stengel, während die Krümmungsfähigkeit nach oben und unten abnimmt.“ Abgesehen von der Vermengung der Begriffe „„Empfindlichkeit‘“und „Krümmungs- fähigkeit“, ist hier die Frage anscheinend ganz richtig gestellt, und der eitirte Satz besagt, dass das Maximum der Krümmungsfähigkeit mit dem Maximum der Wachsthumsintensität zusammenfällt, was wohl in der Mehrzahl der Fälle zutrifft (vgl. die folgenden Paragraphen); dass aber der Autor in Wirklichkeit nieht das Maximum der Kriümmungsfähigkeit, sondern das Maximum der Krümmung meint, ergiebt sich daraus, dass er als Beispiel einen Stengel von Valeriana offieinalis anführt, in dem nach 5stündiger Beleuchtung das Krümmungsmaximum mit dem Wachsthumsmaximum zusammenfiel; dies ist offenbar nur ein Zufall, und wenn der Autor einige Stunden später nach dem Stengel gesehen hätte, so wäre er zu einem ganz anderen Resultat gekommen. Letzteres ist Wiesner passirt (22, 6—7). Derselbe markirte auf Keim- stengeln 2 mm lange Zonen, liess die Objecte dunkel stehen, bis die Zone maximalen Wachsthums bestimmt werden konnte, liess sie sich darauf helio- Indessen scheinen die Verfasser diese Aehnlichkeit nicht bemerkt zu haben, sie heben vielmehr einen Differenzpunkt zwischen dem Verlauf der Krümmung und der Torsion hervor. In den Blüthenstielen von Aconitum und Delphinium soll nämlich der Ort der geotropischen Krümmung von dem Alter abhängen und je nach diesem an der Basis, in der Mitte oder in der Nähe der Spitze des Organs liegen, während die Torsion stets im Obertheil des Blüthenstiels beginnt, unabhängig von dessen Alter (l. e., 31—32). Diese Antithese ist wohl sicher unrichtig, und der Fehler liegt darin, dass die Verfasser nur den definitiven Ort der geotropischen Krümmung im Auge haben; wenn sie den Verlauf der Krümmung von Anfang an verfolgt hätten, so hätten sie zweifelsohne gefunden, dass dieselbe, gerade so wie die Torsion, stets an der Spitze des Blüthenstiels beginnt, sich allmälig abwärts fortsetzt, und erst zuletzt, infolge Geradestreckung des Obertheils, sich an der Basis der wachsenden Region eoneentrirt; nur von der mit dem Alter abnehmenden Länge der letzteren dürfte es, hier ebenso wie anderwärts, abhängen, wo sich schliesslich die geotropische Krüm- mung, vorfindet. Vermuthlich wird sich auch der Verlauf der Torsion als dureh die Vertheilung der Wachsthumsintensität im Organ bedingt herausstellen; leider haben die Verfasser diesen Punkt unbeachtet gelassen, tropisch krümmen, bestimmte die Zone des Krümmungsmaximums, und schliesslich stellte er sie wieder dunkel und bestimmte nochmals die Lage des Wachsthumsmaximums. Auf diese Weise fand er folgendes. Bei Stengeln mittlerer Empfindlichkeit (Vieia Faba, Helianthus) fallen beide Maxima zusammen; bei Phaseolus, welcher stärker heliotropisch ist, liegt das Krümmungsmaximum gewöhnlich etwas höher als das Wachsthumsmaximum; bei jungen Keimlingen von Vicia sativa (1—2 cm hoch) liegt das erstere Maximum ebenfalls höher, hingegen bei älteren (5—10 cm hohen) Keim- lingen derselben Species liegt es im Gegentheil tiefer; bei Lepidium satıwum endlich liegt das Krümmungsmaximum stets tiefer als das Wachs- thumsmaximum. „Diese Versuche zeigen auf das deutlichste, dass in vielen Fällen, namentlich bei heliotropisch sehr empfindlichen Pflanzentheilen, die günstigsten Verhältnisse für das Zustandekommen des Heliotropismus nicht in der am stärksten wachsenden Region derselben liegen (I. e. 7). Indessen geht aus Wiesner’s Versuchen in Wirklichkeit nur soviel hervor, dass er bei den verschiedenen Objeceten ungleiche Phasen der helio- tropischen Krümmung beobachtet hat. Die Keimlinge von ZLepidium und die älteren Keimlinge von Vicia sativa beobachtete er zu einer Zeit, wo das Krümmungsmaximum schon etwas nach unten gerückt war, die (viel langsamer sich krümmenden) Keimlinge von Vicia Faba und Hehanthus hingegen zu einer Zeit, wo dies noch nicht geschehen war. Wie lange die Exposition dauerte, giebt Wiesner nicht an; doch kann man mit Sicherheit behaupten, dass er bei längerer Exposition bei allen seinen Objecten das Krümmungsmaximum in einer tieferen Zone gefunden hätte als das Wachs- thumsmaximum. S 6%. Eine andere und wohl berechtigte Frage ist es, ob der Ort der grössten heliotropischen Krümmungsfähigkeit mit demjenigen der grössten Wachsthumsintensität zusammenfällt. Bevor wir uns aber zu dieser Frage wenden, müssen wir zunächst erörtern, was wir unter dem Ausdruck „Krümmungsfähigkeit‘‘ verstehen wollen, wie wir die Krümmungsfähigkeit bestimmen können, und welche Factoren auf dieselbe von Einfluss sind. Der Grad der heliotropischen Krümmung hängt zunächst von einer Reihe äusserer Factoren ab, wie von der Intensität des Lichts, von dessen Wellen- länge, von dem Winkel, unter dem die Lichtstrahlen auf das Organ auffallen. Aber auch wenn alle äusseren Faetoren gleich sind, wenn z. B. eine Anzalıl prosheliotropischer Organe sich in gleicher Entfernung von der nämlichen Lichtquelle befinden, unter dem gleichen Winkel von den Lichtstrahlen ge- troffen werden und dabei andere krümmende Einwirkungen ausser derjenigen des Lichts ausgeschlossen sind, krümmen sich die verschiedenen Organe in ungleichem Grade dem Licht zu. Jetzt wird der Grad der Krümmung _ nur noch durch die inneren Eigenschaften der Organe bedingt; und den Complex der inneren Faetoren, welehe die heliotropische 159 Krümmung beeinflussen, bezeichnen wir als die heliotropische Krümmungsfähigkeit') der Organe. Betrachten wir ein einzelnes heliotropisches Organ, so ist hier wiederum die Krümmungsfähigkeit seiner verschiedenen Querzonen eine ungleiche. Bei der Vergleichung der Krümmungsfähigkeit der einzelnen Zonen eines Organs ist jedoch Vorsicht erforderlich. Es ist klar, dass der Krümmungsgrad der Zonen nur in dem Falle ein Maass ihrer Krümmungsfähigkeit bilden kann, wenn die äusseren Bedingungen der Krümmung vollkommen gleich für alle Zonen sind. Diese äusseren Bedingungen sind aber, genau genommen, nur so lange gleich, als das Organ noch ungekrümmt ist; sobald dasselbe sich zu krümmen begonnen hat, wird ein wesentlicher äusserer Factor, nämlich der Winkel des Lichteinfalls, für die verschiedenen Zonen verschieden; die- jenigen Zonen z. B., welche eine zur Lichtrichtung geneigte Lage annehmen, müssen sich von nun an, bei gleicher Krümmungsfähigkeit, in geringerem Grade krümmen als diejenigen, welche eine zur Lichtrichtung senkrechte Lage behalten haben. Je weiter die Krümmung fortschreitet, um so grösser wird die Differenz, denn der Winkel des Lichteinfalls ändert sich für die verschiedenen Zonen mit ungleicher Schnelligkeit. In Folge dessen kann einige Zeit nach Beginn der Krümmung eine Proportionalität zwischen der Krümmungsfähigkeit der einzelnen Zonen und ihrem Krümmungsgrad faetisch unmöglich bestehen. Darum bleibt auch das theoretische Maass der Krüm- mungsfähigkeit, nämlich der in der Zeiteinheit erreichte Krümmungsgrad (bestimmbar durch den reciproken Werth des Krümmungsradius, oder durch die Grösse des Kreisbogens, welchen die Längeneinheit bilde, — zwei Werthe, die sieh um den Factor 2 x von einander unterscheiden) in der Praxis unanwendbar, — um so mehr als die Zeiteinheit offenbar vom Beginn der Krümmung an gerechnet werden müsste, die einzelnen Zonen sich aber ungleichzeitig zu krümmen beginnen und der Zeitpunkt des Beginnes der Krümmung sich kaum mit einiger Genauigkeit feststellen lässt. Auf eine ziffernmässige vergleichende Bestimmung der Krümmungsfähigkeit der einzelnen Zonen eines Organs muss daher von vornherein verzichtet werden. Aber gerade der ungleichzeitige Beginn der Krümmung bietet uns anderer- seits ein Mittel, die Krümmungsfähigkeit der verschiedenen Zonen eines Organs untereinander zu vergleichen; denn je weniger krümmungsfähig eine Zone ist, desto später wird dieselbe offenbar anfangen sich zu krümmen, und diejenige Zone, welche sich am frühesten krümmt, ist die krümmungs- fähigste unter allen (natürlich ist hierbei nur eine active Krümmung, nicht aber eine durch die Krümmung anderer Zonen herbeigeführte passive Neigung 1) Es ist das im Prineip derselbe Begriff, den Sachs (16, 241) den „speeifischen Heliotropismus“ nennt und als „diejenige innere Eigenschaft eines Organs, vermöge welcher dasselbe von dem rechtwinkelig einfallenden Licht in der Zeiteinheit eine be- stimmte Krümmung erfährt“, definirt; nur ist die oben gegebene Definition allgemeiner gefasst, als die Sachs'sche. 160 in Betracht zu ziehen). So können wir also die Reihenfolge der Krümmungs- fähigkeit der Zonen feststellen, wenigstens für die erste Zeit, solange noch keine seeundären Aenderungen der Krümmungsfähigkeit stattgefunden haben (dass solehe mit der Zeit hinzukommen können, davon wird unten noch die Rede sein) — wobei aber eine zahlenmässige Bestimmung, um wieviel die Krüm- mungsfähigkeit einer Zone die der anderen übertrifft, auch nieht möglich ist. Dasselbe gilt nun im Allgemeinen auch für die Vergleichung der Krümmungs- fähigkeit verschiedener Organe, sei es derselben, sei es verschiedener Pflanzen- Welches von zwei Organen das krümmungsfähigere ist, können wir daraus entnehmen, welches sich bei ganz gleichen äusseren Bedingungen früher zu krümmen anfängt. Ausserdem kann hier auch der in gleicher Zeit erreichte Krümmungsgrad (minimale Krümmungsradius) in der Praxis als Vergleichspunkt dienen, jedoch nur in den Anfangsstadien der Krümmung, weil infolge der beim krümmungsfähigeren Organ schneller erfolgenden Aenderung des Einfallswinkels des Lichts der Unterschied des Krümmungs- grades sich mit der Zeit vermindert und sich schliesslich ganz verwischen kann; aber selbst in den Anfangsstadien kann eine solche Vergleichung nur annähernde Ergebnisse liefern, denn eine Proportionalität zwischen Krümmungsfähigkeit und Krümmungsgrad kann praetisch nicht existiren, wenn die Krümmungen schon messbar geworden sind. Nicht ohne weiteres zulässig als Maass der Krümmungsfähigkeit ver- schiedener Organe ist hingegen die in der Zeiteinheit erreichte Neigung der Spitze resp. des Obertheils, sowie die zur Erreichung der Gleichgewichts- lage erforderliche Zeit, denn hierauf hat auch die Länge der krümmungs- fähigen Region einen wesentlichen Einfluss: ist die krümmungsfähige Region lang, so bewirkt schon eine geringe Krümmung eine bedeutende Neigung der Spitze, — ist sie hingegen kurz, so führt zu der gleichen Neigung der Spitze erst eine viel stärkere Krümmung. Anders liegen die Dinge, wenn es sich darum handelt, den Einfluss ge- wisser Eingriffe, z. B. der Verdunkelung der Spitze, auf die Krümmungs- fähigkeit gleicehnamiger Organe derselben Speeies zu bestimmen, wie das in einem grossen Theil der in dieser Arbeit mitgetheilten Versuche der Fall war. Hier ist, bei gleichem Entwickelungsstadium der Organe, sowohl die Länge der krümmungsfähigen Region, als der Verlauf der Krümmung, als auch die Dauer der Periode der latenten Reizung die gleiche (individuelle Differenzen können durch Experimentiren mit zahlreichen Objecten eliminirt werden), und unter solchen Bedingungen bildet die Neigung des Obertheils ein vollkommen zulässiges und gleichzeitig das bequemste Mittel zur Ver- gleichung der Krümmungsfähigkeit der verschieden behandelten Objecte. Proportionalität zwischen Neigung und Krümmungsfähigkeit besteht freilich hier auch nieht, doch vermindert das die Beweiskraft der Versuche nicht, sondern erhöht sie vielmehr, denn, wie leicht einzusehen, muss das Verhältniss der Krümmungsfähigkeiten stets ein grösseres sein als das der Neigungen, und diese Differenz vergrössert sich mit zunehmender Krümmung. 161 $ 68. Sehen wir nun zu, welches die Factoren sind, aus denen sich die Krümmungsfähigkeit zusammensetzt. Dieselbe muss, soweit es sich um wachsende Organe handelt (und nur solche habe ich hier zu- nächst im Auge), nothwendigerweise von drei Factoren abhängig sein: erstens von der Wachsthumsintensität (worin die Turgorverhältnisse, die Elastieitätsverhältnisse der Membranen etc. einbegriffen sind), zweitens von der Dicke des Organs resp. Organabschnitts (genauer von der Grösse des- jenigen Durchmessers desselben, welcher in der Ebene des Lichteinfalls liegt), und drittens von der Anordnung der verschieden dehnbaren anatomischen Elemente auf dem Querschnitt, oder, kurz ausgedrückt, von dem anato- mischen Bau des Organs. Dass diese drei Factoren die Krümmungs- fähigkeit beeinflussen müssen, ist ohne weiteres klar. Eine Voraussetzung derselben bildet ferner die heliotropische Empfindlichkeit; ob diese jedoch eine ein für alle Mal gegebene, constante Grösse ist, oder ob sie eine variable Grösse ist, welche in verschiedenen Organen und Organtheilen einen ver- schiedenen Werth hat und folglich einen weiteren, vierten Factor der Krüm- mungsfähigkeit bildet, ist a priori nicht zu sagen und kann nur empirisch entschieden werden (die in dieser Arbeit bisher gewonnenen Erfahrungen wollen wir vorläufig ausser Acht lassen). Nehmen wir zunächst einmal den ersteren Fall an. Der anatomische Bau pflegt in den verschiedenen Zonen eines Organs der gleiche zu sein; auch der zweite Factor, die Dicke, ist bei vielen Organen (Blattstielen, Keimstengeln, Grascotyledonen etc.) oft in den verschiedenen Zonen constant oder variirt nur so unbedeutend, dass dies keinen merklichen Einfluss auf die Krümmungsfähigkeit haben kann. In solchen Fällen würde also nur eine Variable bleiben, nämlich die Wachsthumsintensität, die ja stets in den ver- schiedenen Zonen eines Organs verschieden ist; und wenn es in der 'T'hat keinen vierten Factor der Krümmungsfähigkeit giebt, so kann die Krüm- mungsfähigkeit der Zonen eines Organs nur von deren Wachsthumsintensität abhängen, und die Zone, in der sich das Wachsthumsmaximum befindet, muss sich nothwendigerweise am frühesten krümmen'). Nun habe ich aber gefunden, dass es sich nicht immer so verhält; es kommt vielmehr vor, — ich werde sogleich Beispiele dafür anführen —, dass eine langsamer wachsende Zone eines heliotropischen Organs sich früher krümmt als die Zone des maximalen Wachsthums. Hieraus folgt unmittelbar, dass noch ein vierter Factor der Krümmungsfähigkeit existirt, welcher in verschiedenen Theilen eines Organs einen verschiedenen Werth haben kann, 1) Dies ist auch bisher die allgemein acceptirte Ansicht, und zwar nicht nur be- züglich der heliotropischen, sondern auch der anderen durch Wachsthum bedingten Krümmungen. Um nur eine Autorität anzuführen, sagt z. B. Sachs bei Besprechung der geotropischen Krümmung (15, 326): „da die Region des raschesten Zuwachses sich auch am raschesten krümmt“, und auch in neuerer Zeit (17, 723): „Je rascher das Wachsthum an einer Stelle ist, eine desto kräftigere Krümmung erfährt dieselbe durch den Geotropismus.“ Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft I. ll 162 und das muss der Grad der Empfindlichkeit des Protoplasmas gegen ein- seitige Beleuchtung oder, kurz ausgedrückt, die heliotropische Empfind- lichkeit!) sein. Caeteris paribus (d. i. bei gleicher Dieke und gleichem anatomischem Bau) hängt also die Krümmungsfähigkeit der Zonen eines Organs von zwei Variablen ab: von der Wachsthumsintensität und von dem Grade der helio- tropischen Empfindlichkeit. Bei im Organ gleichmässig vertheilter Empfind- lichkeit müssen sich die einzelnen Zonen in der Reihenfolge ihrer Wachs- thumsintensität krümmen; wenn das nicht der Fall ist, so muss die Empfind- lichkeit ungleichmässig vertheilt sein. Krümmen sich z. B. zwei ungleich schnell wachsende Zonen gleichzeitig, so folgt, dass die langsamer wachsende die empfindlichere ist; finden wir aber gar, dass die langsamer wachsende von zwei Zonen sich früher krümmt als die schneller wachsende, so muss die Empfindlichkeit der ersteren bei weitem grösser sein, — um so grösser, je bedentender die Differenz der Wachsthumsintensität ist. Dieser Schluss bleibt auch in dem Falle zutreffend, wenn die Dicke der ersteren Zone etwas geringer ist als die der letzteren, — wofern nur die Differenz der Dicke kleiner ist als die Differenz der Wachsthumsintensität. Nach diesen Vorbemerkungen wende ich mich zu den concreten Fällen. Das erste Beispiel bietet uns der Cotyledo von Avena sativa. Schon in S 10 haben wir gesehen, dass in sehr jungen Cotyledonen die Wachsthums- vertheilung eine rein basipetale ist, und in älteren ein 6—10 mm von der Spitze entferntes Wachsthumsmaximum besteht; markiren wir auf dem Cotyledo von der Spitze aus Querzonen von 3 mm Länge, so finden wir in Zone I ein besonders langsames, in Zone II schon ein wesentlich schnelleres Wachsthum, und von da an einemehr allmälige Steigerung der Wachs- thumsintensität bis zur Basis resp. bis zu dem in Zone III oder IV gelegenen Maximum (vgl. die Tabelle auf S. 28). — Gerade die so langsam wachsende Zone I zeichnet sich nun durch die grösste heliotropische Krümmungs- fähigkeit aus. In allen Versuchen, in denen die Anfangsstadien der helio- tropischen Krümmung beachtet wurden, war zu constatiren, dass die Krüm- mung zuerst in einer Gipfelzone von nicht über 6 mm Länge auftrat (vgl. Fig. 7 auf 5. 50), und erst nach einiger Zeit sich auf die Region des maximalen Wachsthums ausbreitete.e Wurden den Keimlingen 3 mm lange Zonen aufgetragen (Fig. 57), so fand sich die Krümmung zuerst in den Zonen I und II ein (Fig. 57!, Keimlinge a und 5), und wenn es gelang das allererste Krümmungsstadium anzutreffen, so erwies sich sogar nur die 1) Dass die Krümmungsfähigkeit von der heliotropischen Empfindlichkeit abhängt, ist nur bedingt richtig, trifft aber gerade für die jetzt zu behandelnden Fälle zu; vgl. $ 71. Allgemein gefasst, ist es eine andere Grösse, nämlich die heliotropische Reizbarkeit, welche einen Faetor der Krümmungsfähigkeit bildet; doch kann der Unterschied zwischen Empfindlichkeit und Reizbarkeit erst im folgenden Paragraphen besprochen werden, Zone I allein als gekrümmt (Fig. 57!, Keimling c). Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass zu allererst immer nur die Zone I allein sich krümmt; 28 Fig. 57. Avena saliva. Anfangsstadien der heliotropischen Krümmung dreier Keimlinge a, b, ec, mit markirten Querzonen von 3 mm Länge. I nach 1 Stunde, II nach 13/, Stunden. da aber dieses Stadium schnell vorübergeht, so ist es leicht zu versäumen, und daher fand ich meist schon die zwei ersten Zonen gekrümmt. Erst nach einiger Zeit war die Krümmung auch auf Zone III übergegangen (Fig. 57"), doch war diese immer noch nicht stärker gekrümmt, als die mittlerweile schon in ungünstigere Lage gerathene ZoneI. Die Wachsthums- vertheilung war bei den in Fig. 57 dargestellten Cotyledonen die normale, es betrug nämlich der durchschnittliche Zuwachs der einzelnen Zonen pro 22 Stunden: I 5212 %, II 122%, II 129%, IV 108%, V 97%; die Zonen H und III wuchsen also ca. 2/2 Mal schneller als die Zone I, und da sich die letztere, bei nur sehr wenig geringerer Dicke, früher resp. mindestens gleichzeitig mit ihnen krümmte, so muss ihre heliotropische Empfindlichkeit eine bedeutend grössere sein. Wir kommen also zu dem Schluss, dass im Cotyledo von Avena eine 3 mm lange Gipfelregion sich durch bedeutend grössere heliotropische Empfindlichkeit auszeichnet, als die tiefer gelegenen, schneller wachsenden Zonen. Dasselbe Resultat hatten wir schon früher ($ 13—19) auf anderem, experimentellem Wege gefunden. Diese beiden, von einander völlig unabhängigen Beweisführungen dienen einander als vorzügliche Controle. Ganz dasselbe wie bei Avena, wurde ferner bei Phalaris canariensis gefunden, und weitere Beispiele liefern die Keimlinge der Paniceen: solange dieselben jung sind und der Cotyledo sich noch deutlich zu krümmen ver- mag, krümmt er sich immer zuerst, erst später beginnt auch das Hypocotyl sich zu krümmen; und doch lehrt hier schon der blosse Augenschein, dass das Hypocotyl bei weitem intensiver wächst als der Cotyledo, und zudem ist der letztere nicht nur nicht dünner, sondern sogar etwas dicker als das erstere. Der aus diesen Thatsachen zu ziehende Schluss stimmt wiederum sehr gut mit dem Resultat der früher ($ 29) besprochenen Versuche überein, durch die bewiesen wurde, dass bei den Paniceen der Cotyledo allein helio- tropisch empfindlich ist. Br 164 Diese Beispiele zeigen unter anderem auch Folgendes: erstens, dass die heliotropische Empfindlichkeit und die Wachsthumsin- tensität von einander völlig unabhängig sind, und zweitens, dass bei ungleichmässiger Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit im Organ dieselbe einer der Factoren ist welche den Verlauf der heliotropischen Krümmung bestimmen. Während wir aus dem Niehtzusammenfallen der Maxima des Wachsthums und der Krümmungsfähigkeit auf eine ungleichmässige Vertheilung der helio- tropischen Empfindlichkeit schliessen müssen, folgt aus dem Zusammenfallen beider Maxima nicht, dass die Empfindlichkeit gleichmässig vertheilt ist. Denn wenn z.B. die am schnellsten wachsende Zone auch weniger empfindlich ist als eine andere, so kann sie dennoch die krümmungsfähigere sein, wofern die Differenz der Wachsthumsintensität diejenige der Empfindlichkeit über- wiegt; ist sie aber gleichzeitig die empfindlichste, wie das ja bei vielen Dieotylenkeimlingen der Fall ist, so ist sie erst recht krümmungsfähiger als die übrigen. Darum kann bei Dicotylenkeimlingen die ungleichmässige Ver- theilung der heliotropischen Empfindlichkeit nieht auf solchem Wege nach- gewiesen werden, wie es soeben für die G@ramineen-Keimlinge geschehen ist, denn bei der Unmöglichkeit einer genauen quantitativen Bestimmung der Krümmungsfähigkeit können wir nieht erkennen, ob die grössere Krümmungs- fähigkeit einer Zone nur durch deren intensiveres Wachsthum oder überdies auch noch durch grössere Empfindlichkeit bedingt ist. S 69. Wir haben oben unter „heliotropischer Empfindlichkeit“ die Vigenschaft des Protoplasmas verstanden, einseitige Beleuchtung zu empfinden, d. i. unter dem Einfluss derselben eine uns nicht näher bekannte Ver- änderung zu erfahren, deren Folgen schliesslich zu einer Krümmung des betreffenden Organs oder Organtheils nach der Lichtquelle hin (im Fall wir es mit prosheliotropischen Organen zu thun haben) führen. Nun haben wir aber gesehen, dass eine direete einseitige Beleuchtung keineswegs eine nothwendige Bedingung für das Zustandekommen einer heliotropischen Krümmung in einem Organtheil ist; eine solche kann auch dann stattfinden, wenn ein Organtheil vollkommen verdunkelt oder von zwei entgegengesetzten Seiten gleichstark beleuchtet ist und nur von einem anderen, einseitig beleuchteten Theile aus einen gewissen Impuls (heliotropischen Reiz) zugeleitet erhält. Obgleich nun aber der zugeleitete Impuls zu einem qualitativ gleichen Endresultat führt wie die direete einseitige Beleuchtung, so fragt es sich doch, ob die nächste Wirkung beider auf das Protoplasma qualitativ die gleiche oder eine verschiedene ist; denn es erscheint sehr wohl möglich, dass der zugeleitete Impuls nicht am ersten Gliede der Kette von Processen, aus denen sich die Reizerscheinung zusammensetzt, sondern erst an einem der folgenden Glieder angreift. Diese Vermuthung wird zur Gewissheit, wenn wir das Verhalten des Hypocotyls der Paniceen in Betracht ziehen, welches durch direcete einseitige Beleuchtung gar nicht, wohl aber durch 165 ienen vom Cotyledo aus übermittelten heliotropischen Impuls reizbar ist. Hier liegt es auf der Hand, dass der zugeleitete Impuls eine Veränderung im Protoplasma des Hypocotyls hervorruft, welche durch direete einseitige Beleuchtung in diesem Organ nicht bewirkt werden kann; das Hypocotyl ist zwar heliotropisch reizbar, aber nicht heliotropisch empfindlich. Helio- tropische Reizbarkeit und heliotropische Empfindlichkeit sind somit zwei verschiedene Eigenschaften, welche auf verschiedenen, mit einander nicht nothwendig verbundenen Fähigkeiten des lebenden Protoplasmas beruhen. Die Verschiedenheit dieser beiden Eigenschaften zeigt uns auch der Unter- theil des Cotyledo von Avena, des Hypocotyls von Brassica, ete., welcher für einseitige Beleuchtung nur in relativ geringem Grade empfindlich, durch einen zugeleiteten heliotropischen Impuls aber in hohem Grade reizbar ist. In diesem Falle, wie im Falle der Paniceen und überhaupt immer, ist die Reizung freilich durch eine vorausgehende Empfindung der einseitigen Beleuchtung bedingt; aber die Empfindung kann in einem anderen Theile des Organs oder (wie bei den Paniceen) sogar in einemanderen Organ erfolgt sein. Aber nicht blos da, wo Empfindlichkeit und Reizbarkeit mehr oder weniger vollständig local getrennt sind, sondern auch da, wo sie local zusammenfallen, werden wir sie offenbar als verschiedene Eigenschaften, und Empfindung und Reizung als verschiedene Glieder in der Kette der durch die Reizursache veranlassten Prozesse ansehen müssen. Einen Beweis hierfür werden wir noch im folgenden Kapitel kennen lernen, wo gezeigt werden wird ($ 80), dass bei gewissen Objecten durch einen bestimmten Eingriff die Empfindlichkeit aufgehoben wird, während die Reizbarkeit fortbesteht. Wir müssen uns somit die Vorgänge bei der heliotropischen Reizung folgendermassen vorstellen. Zunächst wird die einseitige Beleuchtung empfunden oder pereipirt, d. i. sie bewirkt im Protoplasma eine bestimmte Veränderung (die primäre Veränderung). Diese bewirkt dann die Reizung, d. i. sie veranlasst ihrerseits eine andere (die secundäre) Veränderung im Protoplasma. Die letztere hat nun nach zwei Richtungen hin weitere Folgen. Einerseits bildet sie an Ort und Stelle die Ursache für eine Kette weiterer Prozesse, deren Endglied die Lichtwärtskrümmung ist. Anderer- seits hat die seeundäre Veränderung, wenn sie an einer Stelle eines Organs eingetreten ist, zur Folge, dass in dem Protoplasma der benachbarten Stelle (auch wenn diese nicht einseitig beleuchtet ist oder einseitige Beleuchtung nicht zu empfinden vermag) die nämliche Veränderung eintritt; der gereizte Zustand des Protoplasmas (der Reiz oder die Reizung) pflanzt sich also fort, und überall, wo er sich einstellt, ruft er die gleichen, schliesslich zur Krümmung führenden Folgen hervor; mit zunehmender Entfernung vom Aus- gangspunkt dürfte freilich eine allmälige Abschwächung des Reizes stattfinden. Nunmehr können wir uns auch eine nähere Vorstellung darüber bilden, inwiefern in einem gleichzeitig reizbaren und empfindlichen Organtheil der nächste Erfolg der directen einseitigen Beleuchtung qualitativ verschieden 166 ist von demjenigen eines zugeleiteten heliotropischen Impulses. Einseitige Beleuchtung veranlasst zunächst die primäre und erst als weitere Folge die secundäre Veränderung; der zugeleitete Impuls hingegen veranlasst unmittel- bar die secundäre Veränderung. Letztere leistet also schliesslich qualitativ dasselbe wie erstere, jedoch mit Ueberspringung der primären Veränderung. Darum eben kann in Organtheilen, die reizbar aber nicht empfindlich sind, d. i. deren Protoplasma wohl der secundären, nicht aber der primären Ver- änderung fähig ist, nur ein zugeleiteter Impuls Reizung hervorrufen, und in Organtheilen, deren Protoplasma der secundären Veränderung in höherem Grade fähig ist als der primären, kann er stärkere Reizung hervorrufen als die direete einseitige Beleuchtung. Das Resultat der mitgetheilten, auf empirisch festgestellte Thatsachen gestützten Betrachtungen ist, dass (zunächst im Falle des Prosheliotropismus) die Empfindung (Perception) der Reizursache und die dadurch veranlasste Reizung als ver- schiedene Vorgänge, und die Empfindlichkeit (Perceptions- fähigkeit) und die Reizbarkeit als verschiedene Eigenschaften des Protoplasmas unterschieden werden müssen. Diese beiden Eigenschaften sind nicht nothwendig mit einander verbunden; ein bestimmter Grad heliotropischer Empfindlichkeit geht zwar immer mit einem mindestens entsprechenden Grade von Reizbarkeit desselben Organtheils Hand in Hand (wenigstens liegt kein Grund vor, das Gegentheil anzunehmen), — die umgekehrte Abhängigkeit besteht aber nicht, indem auch ein unempfindlicher oder nur in geringem Grade empfindlicher Pflanzentheil doch in hohem Grade reizbar sein kann. Ich lege auf die Feststellung dieser Verhältnisse Gewicht, weil, wie ich glaube, damit ein weiterer Schritt gethan ist in der Zergliederung der Kette von causal verknüpften Processen, aus denen sich eine Reizerscheinung zusammensetzt. Während man bisher immer nur das erste und letzte Glied, die Perception und die Reaction, unterschieden hat, sind jetzt, zunächst für den Fall des Prosheliotropismus, drei Glieder bestimmt nachgewiesen und präeisirt, das erste, das zweite und das letzte, nämlich die Perception, die Reizung und die Reaction (wobei es natürlich unbestimmt bleibt, wieviele Glieder noch zwischen der Reizung und der Reaction eingeschoben sind). Und wenn Noll (12, 15) sagt: „‚Reception und Reaction beruhen auf ganz verschiedenen Grundeigenschaften der Substanz‘, so müssen wir seine „Reception‘‘ in zwei verschiedene Vorgänge zerlegen und den obigen Satz dahin erweitern, dass Perception, Reizung und Reaction auf verschiedenen Eigenschaften der Substanz beruhen. S “0. Wir ersehen aus dem vorigen Paragraphen, dass die heliotropische Reizung des Protoplasmas eines bestimmten ÖOrgantheils durch zweierlei Ursachen bewirkt werden kann: erstens durch direete einseitige Beleuehtung Se! des betreffenden Theiles (welche zunächst Empfindung und weiter, als Folge dieser, Reizung hervorruft), — zweitens durch die Fortpflanzung einer Reizung, welche an anderer Stelle und zu auderer Zeit ebenfalls durch einseitige Beleuchtung hervorgerufen worden ist. Da im ersteren Falle die Art und Weise der Wirkung der Reizursache eine mehr unmittelbare ist als im letzteren, so wollen wir die beiden Fälle von Reizung als directe und indireete Reizung unterscheiden und dementsprechend auch von direeter und indireeter Reizbarkeit reden. Die Veränderung im Protoplasma, welche der Reizung zu Grunde liegt, ist, wie schon hervor- gehoben wurde, qualitativ dieselbe, und die Unterscheidung in direete und indireete Reizung soll somit nur den verschiedenen Weg kennzeichnen, auf dem diese Veränderung zu stande kommt. Ebenso ist die direete und die indireete Reizbarkeit im Grunde genommen die gleiche Eigenschaft des Protoplasma; aber die Grösse der ersteren wird durch die Empfindlichkeit des nämlichen, die Grösse der letzteren durch die Empfindlichkeit eines anderen Organtheils bestimmt, von dem aus die Zuleitung der Reizung erfolgt, und wir können nach Belieben, durch künstliche Eingriffe, nur die erstere oder nur die letztere zur Geltung kommen lassen. Unter den natür- lichen Bedingungen, wenn ein Organ in seiner ganzen Länge einseitig beleuchtet ist, werden in einem heliotropisch empfindlichen Theil desselben beide Reizungen zur Geltung kommen können, aber nicht gleichzeitig, da die indireete Reizung zu. ihrer Fortpflanzung Zeit braucht und in einem Organtheil um so später in Action tritt, je weiter derselbe von ihrer Aus- gangsstelle entfernt ist. In der ersten Zeit kommt also nur die directe Reizbarkeit des Organtheils zur Geltung, seine Reizbarkeit wird zunächst nur durch die ihm eigenthümliche Empfindlichkeit bestimmt; erst nach einer mehr oder weniger langen Zeit kommt auch die indireete Reizung hinzu, welche sich in verschiedener, gleich zu besprechender Weise mit der directen Reizung combinirt, und nun wird die Reizbarkeit des Organtheils von seiner Empfindlichkeit unabhängig. Die zur Geltung kommende Reizbarkeit eines Organtheils ist also eine mit der Zeit veränderliche Grösse: sie kann eventuell mit 0 beginnen und sich allmälig bis zu einer dem betreffenden Organtheil eigenthümlichen Grösse steigern, welche wir als die maximale Reizbarkeit desselben bezeichnen wollen. Was nun die unter natürlichen Verhältnissen möglichen Combinationen anbetrifft, so können wir auf Grund der gewonnenen Erfahrungen vier ver- schiedene Fälle unterscheiden. (Um den realen Boden nicht verlassen zu müssen, wollen wir im folgenden von der Annahme ausgehen, dass die heliotropische Reizung sich nur in basipetaler Richtung fortpflanzt; die in $ 25 mitgetheilten Versuche lassen dies zum Mindesten als möglich erscheinen, und unter normalen Verhältnissen geht jedenfalls die heliotropische Krümmung so vor sich, als wenn eine akropetale Reizfortpflanzung ausgeschlossen wäre.) 1) Der einfachste Fall liegt in der Gipfelregion aller untersuchten heliotropischen Organe vor, wo (nach der obigen Annahme) eine indireete 168 Reizung ausgeschlossen ist; hier ist also zu jeder Zeit nur die direete Reizbarkeit vorhanden, welche durch die heliotropische Empfindlichkeit gegeben ist. 2) Den geraden Gegensatz hierzu bildet der Fall, dass ein Organtheil selber gar nicht heliotropisch empfindlich ist, aber mit einem anderen, heliotropisch empfindlichen Organtheil in Verbindung steht, von dem aus ihm eine Reizung übermittelt werden kann. Hier ist allein die indirecte Reizbarkeit vorhanden, sie kommt aber erst mit der Zeit zur Geltung, während anfangs, so lange noch keine Reizfortpflanzung stattgefunden hat, die Reizbarkeit = 0 ist. — Dieser Fall scheint im Pflanzenreich selten zu sein, und die einzigen bekannten Beispiele bietet das Hypocotyl verschiedener Paniceen-Keimlinge; diese Beispiele sind aber noch dadurch bemerkens- werth, dass es hier nicht nur ein Organtheil, sondern ein ganzes besonderes Organ ist, welches nur indirect reizbar ist und von einem anderen, ganz heterogenen Organ aus die heliotropische Reizung zugeleitet erhält. 3) Den dritten Fall bietet der Untertheil des Cotyledo von Avena, des Hypocotyls von Drassica und verschiedener anderer Organe. Derselbe ist selber in gewissem Grade heliotropisch empfindlich und folglich auch direet reizbar; überdies wird aber von der in höherem Grade empfindlichen Spitzen- region des Organs aus eine weitere Reizung zugeleitet, es findet somit ausser der direeten auch noch indirecte Reizung statt. Die Erfahrung zeigt nun, dass das bei gegebenen äusseren Bedingungen mögliche Maximum der Reizung nur durch Zusammenwirken beider bewirkt werden kann, denn bei Aus- schluss sowohl der indirecten wie der directen Reizung bleibt die Krümmung schwächer, als beim Zusammenwirken derselben; mit anderen Worten, die maximale Reizbarkeit übertrifft sowohl die directe als auch die indirecte Reizbarkeit. In der ersten Zeit kommt nur die (meist geringe) directe Reizbarkeit zur Geltung, später beginnt, infolge des Hinzukommens der indireeten Reizung, die zur Geltung kommende Reizbarkeit sich zu steigern, bis zur Erreichung des möglichen Maximums. Unter normalen Bedingungen findet also eine Summirung der beiden Reizungen statt (allerdings wohl nicht im mathematisch genauen Sinne des Wortes; sicher ist nur soviel, dass bei ihrem Zusammenwirken die Resultante grösser ist als jede der beiden Com- ponenten). Durch geeignete Versuchsanstellung können wir sie auch einander entgegenwirken und sich von einander subtrahiren lassen ($ 23 und 46); in den untersuchten Fällen hat sich dabei die indireete Reizung als die stärkere erwiesen, doch braucht das nicht immer der Fall zu sein, da die von der Spitzenregion ausgehende Reizung, obgleich ursprünglich stärker als die directe Reizung des Untertheils, sich unterwegs abschwächen kann. 4) Der letzte Fall ist im Untertheil solcher Organe realisirt, in denen die heliotropische Empfindlichkeit gleichmässig vertheilt ist; dahin gehören das Epicotyl und die Blattstiele von T’ropaeolum und eine voraussichtlich grosse Anzahl anderer Organe. Hier ist, ebenso wie im dritten Fall, der Untertheil sowohl direet als indireet reizbar;, aber die maximale Reizbarkeit 169 ist nicht grösser als die directe, mit anderen Worten, der ganze bei den gegebenen äusseren Bedingungen mögliche Betrag der Reizung wird schon auf dem directen Wege hervorgerufen; ein später hinzukommender, von der Spitze aus transmittirter Impuls vermag also eine Steigerung der Reizung nicht zu erzielen und bleibt somit wirkungslos; eine indirecte Reizung ist hier nur dann möglich, wenn durch einen künstlichen Eingriff die directe Reizung des Untertheils ausgeschlossen oder herabgesetzt wird. S ‘1. Die Ergebnisse, zu denen wir in den beiden letzten Paragraphen gelangt sind, erfordern eine gewisse Correctur oder vielmehr Erweiterung dessen, was in $ 68 über die Factoren der heliotropischen Krümmungs- fähigkeit gesagt worden ist. Dort hatten wir aus der Thatsache, dass in gewissen Fällen ein langsamer wachsender Organtheil sich caeteris paribus früher krümmt als ein schneller wachsender, geschlossen, dass ausser den drei a priori anzunehmenden Factoren noch ein vierter variabler Factor der Krümmungsfähigkeit besteht, und als solchen nahmen wir die heliotropische Empfindlichkeit in Anspruch. Nachdem wir aber nun Empfindlichkeit und Reizbarkeit als zwei verschiedene Dinge kennen gelernt haben, müssen wir unsere Ansicht dahin ändern, dass jener vierte Factor nicht die heliotropische Empfindlichkeit, sondern die heliotropische Reizbar- keit ist; denn es leuchtet ohne Weiteres ein, dass das Hypocotyl der Paniceen, welches der heliotropischen Empfindlichkeit ganz ermangelt, die heliotropische Krümmungsfähigkeit seiner (indirecten) Reizbarkeit verdankt; ebenso klar ist das im Fall der Keimlinge von Avena u. a., wo die Ver- dunkelung der Spitze die Krümmungsfähigkeit des Untertheils bedeutend herabsetzt, obgleich dieser Eingriff nur die Reizbarkeit, nicht aber die Empfindlichkeit des Untertheils vermindert. Dennoch bleiben die in $ 68 gezogenen Schlussfolgerungen vollkommen zutreffend, falls wir, wie es dort geschah, nur den Beginn der Krümmung in’s Auge fassen. Solange nämlich die heliotropische Reizung noch keine Zeit gehabt hat sich fortzupflanzen, bleibt die indireete Reizbarkeit latent und jeder Organtheil ist nur auf seine directe Reizbarkeit angewiesen; da nun die direete Reizbarkeit unmittelbar durch die Empfindlichkeit bestimmt wird, so ist es im ersten Anfang der Krümmung und überhaupt überall da, wo nur die directe Reizbarkeit in Betracht kommt, vollkommen einerlei, ob wir diese oder die Empfindlichkeit als Factor der Krümmungsfähigkeit ansehen wollen. Thatsächlich ist ja auch das Hypocotyl der Paniceen, so lange noch keine heliotropische Reizung vom Cotyledo aus übermittelt worden ist, oder wenn eine solche Uebermittelung durch Verdunkelung des Cotyledo ausgeschlossen ist, nicht heliotropisch krümmungsfähig. Die Lage der Dinge ändert sich erst dann, wenn die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung begonnen hat und wenn, in Folge des Hinzutretens der indirecten Reizbarkeit, die Summe der Reizung in einem ÖOrgantheil grösser wird, als dessen heliotropischer Empfindlichkeit entspricht; von nun 170 an wird die Krümmungsfähigkeit von der Empfindlichkeit unabhängig. Mit zunehmender Reizbarkeit steigt auch die heliotropische Krümmungsfähigkeit, der Reihe nach in den successiven Zonen des Organs, nach Maassgabe ihrer Entfernung vom Ausgangspunkt der sich fortpflanzenden heliotropischen Reizung, bis schliesslich die Krümmungsfähigkeit im ganzen Organ ihr mög- liches Maximum erreicht hst. Die Krümmungsfähigkeit ist somit eine Grösse, welche sich im Laufe des heliotropischen Processes ändern kann; die durchschnittliche Krümmungsfähigkeit des ganzen Organs beginnt eine Zeitlang nach dem Anfang des Processes zu steigen und steigt continuirlich bis zu einem gewissen Maximum; doch gilt das nur für solehe Organe, bei denen eine Summirung der direeten und indirecten Reizung möglich ist, also für Organe mit ungleichmässiger Vertheilung der heliotropischen Empfind- lichkeit (die Fälle 2 und 3 in $ 70). Das Ergebniss dieser Betrachtungen ist, dass die helio- tropische Krümmungsfähigkeit, neben anderen Factoren, von der augenblicklich herrschenden Reizbarkeit abhäugig ist; dagegen ist sie, in Organen mit ungleichmässig vertheilter Empfindlichkeit und von dem Augenblick ab, wo die Reizfort- pflanzungin’s Spiel tritt, von der heliotropischen Empfindlich- keit unabhängig; unter Umständen kann sogar ein gar nicht heliotropisch empfindliches Organ heliotropisch krümmungs- fähig sein!). S 2. Nachdem wir uns nunmehr über die Factoren der Krümmungs- fähigkeit hinreichend orientirt haben, wollen wir versuchen die Abhängigkeit der letzteren von den ersteren durch eine mathematische Formel zum Aus- druck zu bringen, aus der wir ersehen könnten, welcher Art der Einfluss der einzelnen Factoren ist. Dies ist freilich nicht vollkommen erreichbar, denn der Einfluss des einen Factors, nämlich des anatomischen Baues, lässt sich nicht allgemein bestimmen, — diesen Factor müssen wir daher bei Seite lassen und uns mit der Aufstellung einer Formel für die übrigen drei begnügen. Von diesen sind wiederum nur zwei, nämlich die Wachsthums- intensität und die Dicke, direct messbare Grössen, für die wir von vornherein bestimmte Ausdrücke einführen können. Die Reizbarkeit hingegen ist etwas, was wir nicht direct beobachten und bestimmen können, wir erschliessen deren Betheiligung ja erst a posteriori aus der empirisch festgestellten That- sache, dass die Krümmungsfähigkeit ausser den drei a priori zu fordernden Faetoren noch von einem vierten Factor abhängig ist. Wir werden daher als Maass der Reizbarkeit diejenige variable Grösse in der aufzustellenden Formel zu betrachten haben, welcher sich die Krümmungsfähigkeit pro- portional erweist, wenn die übrigen Factoren gegeben sind. 1) Selbstverständlich kann ein ganzes Organ nur in dem Falle unempfindlich und doch krümmungsfähig sein, wenn es mit einem anderen, empfindlichen Organ un- mittelbar verbunden ist, wie das für das Hypocotyl der Paniceen zutrifft. Stellen wir uns eine Querzone eines krümmungsfähigen Organs vor, deren Länge S wir so gering annehmen, dass jeder Factor der Krümmungs- fähigkeit als constant und folglich die bei der Krümmung gebildete Curve als Kreisbogen gelten könne; die Dieke der Zone nennen wir D. Unter dem Einfluss einer Reizung beginne sich die Zone zu krümmen und ihr medianer Längsschnitt nehme in der Zeiteinheit die Form des in Fig. 58 ! dargestellten Bogens an. Die Länge der convexen und concaven Seite be- zeichnen wir mit A und DB, die Länge der Mittellinie a2 mit M, die Längendifferenz der antagonistischen Seiten (A — B) mit L, endlich die zu den Bögen A, M, B, gehörigen Krümmungsradien mit Ra, Rm, Ro. Fig. 58. - 2 B Rh D Ohne weiteres ist klar, dass mr B=M-- u Km weg: Setzen wir die beiden letzteren Grössen für BD und 8 in die erstere Gleichung ein, so ergiebt eine einfache Umrechnung: DM Rom = TEE, D. Als Maass der Krümmungsfähigkeit Ä benutzen wir denjenigen Bogen (ausgedrückt als Theil der Kreisperipherie), zu dem sich die Längeneinheit in der Zeiteinheit krümmt (vgl. S. 159). Die Zone von der Länge S hat sich in der Zeiteinheit zum Bogen NM gekrümmt, und der von ihr gebildete Theil der Kreisperipherie ist gleich a En -; für die Längeneinheit beträgt aiso der entsprechende Werth De Dieser Ausdruck ist der Krüm- Z p 2 Tr on N mungsfähigkeit K gleichzusetzen. Setzen wir in dieser Formel den Werth für Am nach der Formel (D) ein, so ergiebt sich L K = GTES (ID. 172 Nunmehr stellen wir uns die in Fig. 58! gekrümmt dargestellte Zone geradegestreckt vor (Fig. 58'!). D bezeichnet wieder die Dicke, 5 die ursprüngliche Länge der Zone, und a, m, b bezeichnen den Zuwachs der Convexseite, der Mittellinie und der Concavseite in der Zeiteinheit (A=S+a, : ab M=S5S-+mB=%S + b). Alsdann ist m = I, L=a-—b. Bezeichnen wir ferner mit c das Verhältniss der Zuwachse der beiden antagonistischen Seiten: 5 = c,a= b. c, und setzen wir den letzteren b(e+1 Werth für « in die Formeln für m und Z ein, so ergiebt sich: m = BIOS, L 2 (6, — L=bDb(e—D); folglich ee —e- nr und endlich: 2 nn a (€ D) um. c+1 Die Wachsthumsintensität der Zone, V’, wird bestimmt durch das Ver- hältniss ihres mittleren Zuwachses in der Zeitinheit (m) zu ihrer Anfangs- i r Mm länge 5; also V’’ = g- V’ ist die Wachsthumsintensität während der Krümmung, unter dem Einfluss der Reizung; würde unsere Zone nicht gereizt werden und, caeteris paribus'), geradlinig wachsen, so wäre ihre Wachsthumsintensität voraus- sichtlich eine andere, V. Bezeichnen wir mit o das Verhältniss der Wachs- thumsintensität bei der Krümmung und bei geradlinigem Wachsthum, so ist L 0. TV =0:- Vundo. u — = folglich m = o. V. 8, und setzen wir diesen Werth für m in die Formel (III) ein, so ergiebt sich: 2.10: VS. le =) u c+1 Setzen wir endlich diesen Werth für Z in die Formel der Krümmungs- fähigkeit (II) ein, so resultirt: ee) 2% A a a D c+J41 t) Ich lege auf das caeteris paribus Gewicht. Will man z. B. den Einfluss deı heliotropischen Reizung auf die Wachsthumsintensität bestimmen, so darf man den mittleren Zuwachs einseitig beleuchteter Organe nicht etwa mit dem Zuwachs ver- dunkelter Organe vergleichen, sondern nur mit demjenigen von Organen, welche der gleichen Beleuchtung ausgesetzt, aber mit ihrer Längsachse den Lichtstrahlen parallel gerichtet sind. — Bisher liegen, soweit mir bekannt, über den Einfluss der helio- tropischen Reizung auf die Wachsthumsintensität noch gar keine entscheidenden Untersuchungen vor; nur aus einer Angabe H. Müller’s (11, 10) lässt sich mit Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die Verlangsamung des Wachsthums der Concav- seite bedeutender ist, als die Beschleunigung des Wachsthums der Convexseite, dass also die mittlere Wachsthumsintensität vermindert wird. Nach Analogie mit dem Geotropismus ist jedenfalls ein derartiger Einfluss der heliotropischen Reizung von vornherein sehr wahrscheinlich. (IV). Re IE, In dieser Formel sind V und D Grössen, welche mit der Reizung offenbar nichts zu thun haben. Hingegen sind o und c Grössen, welche erst in Folge der Reizung überhaupt entstehen. Gemäss dem im Beginn des Paragraphen e—1 Gesagten haben wir somit den Factor o. ee als das Maass der Reiz- i Be 5 a c— 1!) barkeit zu betrachten. Bezeichnen wir diese mit .J, so ist J = 0. PR, und unsere Formel (IV) erhält die einfache Form A MHayled = es d. h.: Die Krümmmungsfähigkeit eines Organtheils ist umge- kehrt proportional seiner Dieke, direct proportional seiner Wachsthumsintensität und seiner Reizbarkeit. Der Einfluss des anatomischen Baues bleibt hierbei, wie im Voraus bemerkt, unberücksichtigt. Von den vier Factoren der Krümmungsfähigkeit sind zwei, nämlich die Wachsthumsintensität und die Reizbarkeit, gleichzeitig Bedingungen derselben, indem jeder von ihnen eventuell = 0 werden kann, in welchem Falle auch die Krümmungsfähigkeit = 0 wird; für die beiden übrigen Factoren trifft das natürlich nicht zu. Im Hinblick hierauf können wir unserer Formel auch die Form geben Kr, Cu Viel, worin ( einen von der Dieke und dem anatomischen Bau des Organs ab- hängigen Factor bedeutet; handelt es sich um Vergleichung der Krümmungs- fähigkeit der verschiedenen Theile eines Organs, in dem Dicke und anatomischer Bau als constant gelten können, so bedeutet (’ einfach eine Constante. $ 73. In unserer Formel wird X = 0, wenn J = 0 ist, d. h. ein der heliotropischen Reizbarkeit ermangelndes Organ ist nicht heliotropisch krümmungsfähig, wenn es auch noch so schnell wächst; dies ist ein bekannter, beispielsweise in vielen Wurzeln realisirter Fall, der keiner weiteren Erörterung bedarf. Aber X wird auch dann = 0, wenn V gleich 0 wird, d. h. ein Organ biüsst seine heliotropische Krümmungsfähigkeit mit der Einstellung seines Wachsthums ein, auch wenn seine heliotropische Reizbarkeit erhalten bleibt. Dieser Fall verdient näher betrachtet zu werden; seine grosse 1) Hiernach muss die Reizbarkeit keine einfache, sondern eine zusammengesetzte Grösse sein, denn sie hängt ihrerseits von zwei verschiedenen Grössen ab, oder richtiger, zwei verschiedene Grössen werden durch sie bestimmt, welche voneinander nicht abhängig sind. Man sieht in der That leicht ein, dass, wenn alle Factoren der Krümmungsfähigkeit gegeben sind, eine bestimmte Krümmung doch auf verschiedene Weise, bei verschiedenen Combinationen der Grössen o und c erzielt werden kann. Es ist unnütz, sich hier über die möglichen Combinationen aufzuhalten, da es noch nicht in genügendem Maasse festgestellt ist, welche von ihnen thatsächlich vor- kommen können. 174 physiologische Bedeutung wird klarer hervortreten, wenn wir den obigen Satz in der veränderten Form ausdrücken: Die heliotropische Reizbarkeit kann auch dann erhalten bleiben, wenn ein Pflanzentheil, infolge Einstellung seines Wachsthums, seine heliotropische Krümmungsfähigkeit ver- loren hat. Es fragt sich jedoch, ob diese theoretische Möglichkeit, die ja auch ohne Formel a priori nicht geleugnet werden kann, auch wirklich in der Natur realisirt ist. Im Allgemeinen fehlt uns die Möglichkeit zu entscheiden, ob die heliotropische Reizbarkeit gleichzeitig mit dem Wachsthum erlischt oder dasselbe überdauert. Denn wir constatiren die heliotropische Reizbar- keit nicht direct, sondern können ihre Existenz nur aus ihren Folgen, nämlich aus der heliotropischen Krümmung, erschliessen; wenn daher die Krümmungsfähigkeit, infolge Erlöschens des Wachsthums, eingebüsst worden ist'), so haben wir mit ihr das einzige Reactiv auf die heliotropische Reiz- barkeit verloren und dieselbe muss uns, auch falls sie unverändert fortbe- stehen sollte, nothwendig verborgen bleiben. Die Unmöglichkeit der Lösung erklärt es auch, dass die obige Frage nie gestellt worden zu sein scheint. Nun habe ich aber ein Objeet gefunden, welches ausnahmsweise, dank seinen besonderen Eigenschaften, diese Frage zu lösen erlaubt, — das sind die Keimlinge der Paniceen. Bei diesen ist, wie schon mehrfach hervor- gehoben (der Beweis findet sich in $ 29), das Hypocotyl heliotropisch voll- kommen unempfindlich und krümmt sich ausschliesslich unter dem Einfluss einer vom Cotyledo aus übermittelten Reizung; wir können somit die Krümmung des Hypocotyls als Reactiv auf die heliotropische Reizbarkeit (und gleich- zeitig natürlich auch auf die heliotropische Empfindlichkeit) des Cotyledo benutzen. Der letztere krümmt sich (wie in $ 28 näher dargelegt ist) in merklichem Grade nur solange die Keimlinge jung sind, später, wenn der Cotyledo schon durchbrochen worden ist, findet die Krümmung nur noch in der Spitzenregion des Hypocotyls statt und der Cotyledo wird nur passiv lichtwärts geneigt. Aus dem Geradebleiben des Cotyledo darf man jedoch noch nicht schliessen, dass derselbe sein Wachsthum vollkommen eingestellt hat und gar nicht mehr krümmungsfähig ist; denn das Geradebleiben könnte sich auch dadurch erklären, dass der Cotyledo schon passiv geneigt wird, bevor er noch Zeit gehabt hat sich merklich zu krümmen (vgl. hierzu $ 65). Um sich also mit Sicherheit von dem völligen Aufhören des Wachsthums zu überzeugen, ist es erforderlich, directe Messungen am Cotyledo anzustellen, und zwar nicht mittels Maassstab, was keine genügende Genauigkeit gewährt, 1) Ich habe hier nur die Fälle im Auge, wo die Krümmung durch Wachsthum vermittelt wird, während die Variationsbewegungen, wo die Mechanik der Krümmung eine ganz andere ist, zunächst von der Betrachtung ausgeschlossen sind. Dieselben legen allerdings von vornherein die Vermuthung nahe, dass auch bei den Organen, wo die Krümmung durch Wachsthum vermittelt wird, die Reizbarkeit auch nach dem Erlöschen des Wachsthums fortbestehen dürfte. 175 sondern mittels des Mikroskops. Ich bediente mich eines horizontalen Ablesemikroskops nach Pfeffer; das Okularmikrometer des Instruments enthält 120 Theilstriche, von denen bei der angewandten, schwächsten Vergrösserung 22 auf 1 mm kommen. Da ich für eine Genauigkeit der Ablesung bis zu "2 Theilstrich garantiren kann, so wurde eine Genauig- keit der Zuwachsmessung von ca. 0,02 mm erreicht. Es ist noch eine Fehlerquelle zu beachten, welche dadurch gegeben ist, dass die Spitze des Cotyledo (wie man sich mit Hilfe einer Lupe überzeugen kann) bald nach der Durchbrechung allmälig zu schrumpfen beginnt, was mit einer geringen Verkürzung verbunden ist; misst man daher die Gesammt- länge des Cotyledo, so kann diese Verkürzung eventuell ein im Untertheil noch stattfindendes geringes Wachsthum verdecken. Aus diesem Grunde sind drei Versuche, welche noch vor Entdeckung der in Rede stehenden Fehlerquelle ausgeführt wurden, nicht vollkommen beweisend. Andererseits bleibt an der äussersten (heliotropisch nicht empfindlichen) Basis des Cotyledo ein geringes, an der allmäligen Verzerrung einer Tuschmarke erkennbares Wachsthum auch dann noch erhalten, wenn der übrige Cotyledo schon völlig ausgewachsen ist. Sowohl die äusserste Spitze als die äusserste Basis sind daher von der Messung auszuschliessen. Es wurden also auf dem Cotyledo zwei Tuschpunkte angebracht, einer etwas über der Grenze von Cotyledo und Hypocotyl, der andere etwas unter- halb des Risses, durch welchen das Laubblatt hervortrat: die zwischen beiden befindliche Strecke umfasste fast die ganze Länge des Cotyledo und gleich- zeitig den ganzen heliotropisch empfindlichen Theil des Keimlings, abgesehen von der sicher nicht mehr wachsenden Spitze des Cotyledo. Die Tusch- punkte stellten sich unter dem Mikroskop als Flecke von unregelmässigem Umriss dar; irgend eine hervortretende, nach einer angefertigten Skizze leicht wiederzuerkennende Ecke derselben wurde ein für alleMal als Messungs- marke gewählt. Ueber die Vorsichtsmassregeln, welche zur Vermeidung verschiedener Fehlerquellen bei der Messung beobachtet werden mussten, brauche ich nicht wohl besonders zu berichten. Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt. Nachdem auf dem Cotyledo einiger ausgewählten Keimlinge die zu messende Strecke markirt und die Messung völlzogen war, wurden dieselben einseitig beleuchtet (mit Tageslicht) und nach einiger Zeit die Neigung des Obertheils bestimmt; ca. 24 Stunden nach der ersten Messung wurde die Länge der markirten Strecke von Neuem gemessen, und dann wurde wiederum einseitig beleuchtet, jedoch von der entgegengesetzten Seite wie vorhin, so dass die eventuell von der vorigen Krümmung her verbliebene Neigung nunmehr von der Lichtquelle weg gerichtet war. In derselben Weise wurde mehrere Tage hintereinander täglich der Zuwachs des Cotyledo und die erreichte heliotropische Neigung für jeden einzelnen Keimling bestimmt. Ausserdem wurde täglich der Zuwachs der Hypocotyle gemessen; da aber dieselben, infolge der ab- wechselnden Beleuchtung bald von der einen bald von der anderen Seite, 176 stark hin- und hergekrümmt waren, so konnte dies nur in ganz annähernder Weise (durch Messung des Abstandes der Hypocotylspitze von der Erdober- fläche mittels Millimetermaassstab) geschehen; Genauigkeit war hierin freilich auch nicht erforderlich. Nach diesen Vorbemerkungen kann ich mich in der Beschreibung des als Beispiel anzuführenden Versuchs kurz fassen. Versuch 49. Panicum sanguinale. Am 25./lII. wird ein Topf mit Keimlingen, deren Cotyledo durchgängig schon durchbrochen ist, einseitig beleuchtet und über Nacht stehen gelassen. Am Vormittag des 26./III. werden vier Keimlinge ausgewählt, bei denen die Krümmung sich nur auf die Hypoecotylspitze beschränkt und der Cotyledo unter 50—60° geneigt ist; bei ihnen wird in der besprochenen Weise eine Strecke des Cotyledo markirt und gemessen; die Länge der markirten Strecke beträgt am 26./lII. Mittags die folgende Zahl von Theilstrichen des Mikrometers: TEAGTTTSAAN 172 A221 VL 28: In Anbetracht der schon ziemlich geringen Krümmungsfähigkeit werden die Keimlinge jedesmal den ganzen Tag hindurch exponirt. Die Ergebnisse des Versuchs sind in folgender Tabelle zusammengestellt, in welcher die Zuwachse in Mikrometertheilstrichen angegeben sind; die Zeichen + und — bedeuten, dass ein weniger als !/, Theilstrich betragender (also zweifel- hafter) Zuwachs resp. eine ebensolche Verkürzung gefunden wurde. Neigung und EN Zuwachs Dam Zuwachs 5 des des Cotyledo Mi | H ner IV Hypoecotyls 97,11 Neigung 40 9 30 0 600 400 1-1 Zar eh Zuwachs 2U 1!a| + 11, we 98/111 | Se ee Net... SR Zuwachs — 0 Br z Nei % 00 50 0 0 29.11. BUN -- 10 2 Nicht messbar. \ Zuwachs — En ) 0 Das Resultat für die einzelnen Keimlinge ist folgendes: I: Die Krümmungsfähigkeit dauerte bis zum 28 /III., das Wachsthum des Cotyledo bis zum 27./I1l. II: Die Krümmungsfähigkeit dauerte bis zum 29./III, das Wachsthum des Cotyledo bis zum 27 /III. IIT: Die Krümmungsfähigkeit dauerte bis zum 29./III., das Wachsthum des Cotyledo vielleicht bis zum 27./IIL., wahrscheinlich aber nur bis zum 26./III. (die Länge der gemessenen Strecke betrug am Schluss des Versuches 42 Theilstriche, also genau soviel wie bei Beginn desselben), IV: Die Krümmungsfähigkeit dauerte bis zum 29./lII,, das Wachsthum des Cotyledo vielleicht bis zum 28 /III., wahrscheinlich aber nur bis zum 27./IIl. Also hat bei allen vier Keimlingen die heliotropische Krümmungsfähigkeit des Hypocotyls — und folglich auch die hierfür die nothwendige Voraus- setzung bildende heliotropische Empfindlichkeit und Reizbarkeit desCotyledo — länger angedauert als das Wachsthum des Cotyledo, und zwar bei den 177 einzelnen Keimlingen um einen bis zwei Tage, bei dem einen wahrscheinlich sogar um drei Tage länger; wenn der Cotyledo im Laufe einer so langen Zeit nicht einmal einen Zuwachs von 0,02 mm aufweist, so darf man wohl behaupten, dass sein Wachsthum vollständig erloschen ist. — Zum Schluss des Versuchs hatte sich freilich auch die Krümmungsfähigkeit des Hypoecotyls stark vermindert; daraus darf man aber nicht etwa auf eine Abnahme der Reizbarkeit des Cotyledo schliessen, denn diese Thatsache ist einfach die nothwendige Folge der (aus der letzten Rubrik der Tabelle ersichtlichen) rapiden Abnahme des Wachsthums des Hypocotyls, welches am letzten Ver- suchstage ja nicht mehr messbar war (und bei dem an diesem Tage nicht mehr krümmungsfähigen Keimling / jedenfalls ganz aufgehört haben muss). Da die Abnahme der Krümmungsfähigkeit des Hypocotyls (soweit sich das beurtheilen lässt) so ziemlich der Abnahme seiner Wachsthumsintensität ent- sprach, können wir vielmehr schliessen, dass die Reizbarkeit des Cotyledo bis zum Schlusse des Versuchs constant geblieben sein dürfte, jedenfalls aber eine wesentliche Verminderung nicht erfahren haben kann. Ein zweiter Versuch wurde mit fünf Keimlingen von Setaria viridis gemacht; die Wachsthumsintensität der Hypocotyle und dementsprechend auch die Krümmungsfähigkeit war hier bedeutend grösser als in dem obigen Versuch, und daher genügte es, die Keimlinge jedesmal nur für einige Stunden zu exponiren, im Uebrigen aber dunkel zu halten; nur am letzten Versuchs- tage war die Krümmungsfähigkeit bereits derartig vermindert, dass die Ex- position auf einen ganzen Tag ausgedehnt werden musste. Im Uebrigen war die Versuchsanstellung ganz die gleiche wie in Versuch 49. Drei Keimlinge erwiesen sich noch 1—2 Tage nach dem vollkommenen Erlöschen des Wachsthums des Cotyledo krümmungsfähig; bei den zwei übrigen war bei Schluss des Versuches das Wachsthum des Cotyledo noch nicht zweifellos erloschen. Somit ist für zwei Species der Paniceen, an zusammen sieben Keim- lingen, mit voller Strenge erwiesen worden, dass der Cotyledo auch nach vollkommenem Abschluss seines Wachsthums noch helio- tropisch empfindlich und reizbar bleibt. Dass wir diese Eigenschaften des Cotyledo noch 1—3 Tage nach Ab- schluss seines Wachsthums nachweisen können, ist dem günstigen Umstand zu verdanken, dass das Wachsthum des Hypocotyls, wenn auch rapid ab- nehmend, doch um die besagte Anzahl von Tagen dasjenige des Cotyledo überdauert. Sobald das Wachsthum des Hypocotyls und damit auch seine Krümmungsfähigkeit vollständig erloschen ist, geht uns das Reactiv auf die heliotropische Empfindlichkeit und Reizbarkeit des Cotyledo verloren, und dieselben bleiben uns fortan ebenso verborgen, wie bei anderen heliotropischen Organen nach Abschluss ihres Wachsthums. Doch liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, dass das Protoplasma des Cotyledo auch fernerhin heliotropisch empfindlich und reizbar bleibt. Wenn sich innerhalb des Cotyledo selbst diese Eigenschaften als von der Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VII. Heft I. 12 1785 Wachsthumsfähigkeit unabhängig erwiesen haben, so müssen sie um so mehr von der Wachsthumsfähigkeit des Hypocotyls unabhängig sein; und es ist gar nicht einzusehen, warum diese von einander vollkommen unabhängigen Dinge gleichzeitig aufhören sollten. Wir dürfen es daher als zum Mindesten sehr wahrscheinlich betrachten, dass bei den Paniceen der Cotyledo auch dann noch heliotropisch empfindlich und reizbar bleibt, wenn das Wachsthum im ganzen Keimling erloschen ist, ver- muthlich so lange der Cotyledo überhaupt lebendig bleibt. Dasselbe gilt auch für die heliotropische Reizbarkeit des Hypoecotyls. S 74. Ich verfüge ferner über einige Beobachtungen an anderen Objecten, aus denen mit grösster Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass auch hier in gewissen Organtheilen die heliotropische Reizbarkeit mit dem Abschluss des Waehsthums nicht erlischt. Zunächst ist es im Cotyledo von Avena satiwa eine 112 mm lange Spitzenregion, welche sich überhaupt dureh besonders langsames Wachsthum auszeichnet und in Keimlingen von über 3 cm Höhe in 24 Stunden kein mittels Maassstabes messbares Wachsthum mehr auf- weist (S 10). Nun geht aus den in $ 19 mitgetheilten Versuchen hervor, dass gerade die äusserste, 1—1"2 mm lange Spitze des Cotyledo in besonders hohem Grade heliotropisch empfindlich ist und dass die von hier ausgehende Reizung die heliotropische Krümmungsfähigkeit des Untertheils besonders stark beeinflusst. Da in diesen Versuchen u. a. auch ältere (bis zu 42 cm hohe) Keimlinge verwandt wurden, so ist es mindestens wahrscheinlich, dass die besagten Eigenschaften der äussersten Spitze auch dann noch fortbestehen, wenn das Wachsthum derselben bereits erloschen ist. Einen weiteren Fall bieten die Sämlingsblätter von Allvum Cepa, deren ca. "a der Gesammtlänge ausmachende Spitzenregion schon früh zu wachsen aufhört, wenigstens bei Messung mittels Maassstab in 24 Stunden keinen Zuwachs erkennen lässt. Wie man aber aus Versuch 38 ($ 52) ersieht, ist diese nicht wachsende und folglich selber nicht krümmungsfähige Spitzen- region heliotropisch empfindlich und reizbar: ist sie nämlich allein einseitig beleuchtet, so übermittelt sie dem verdunkelten Untertheil des Blattes eine heliotropische Reizung; dasselbe wurde auch in einem zweiten Versuch bei einem weiteren jungen Blatt gefunden. Bei den zwei Blättern des Ver- suchs 38 blieb die Spitzenregion einen ganzen Tag lang den für eine helio- tropische Krümmung günstigsten Bedingungen ausgesetzt und krümmte sich doch nicht im mindesten; dies kann, unabhängig von den Messungen, als Beweis dafür gelten, dass ihr Wachsthum in der That vollständig abge- schlossen war; zur unbedingten Beweiskräftigkeit fehlt hier nur die mikro- metrische Constatirung der letzteren Thatsache. Ein dritter Fall, von etwas anderer Art, wurde bei einigen Stengeln von Galium purpureum beobachtet. Hier bleibt, wie in $ 60 näher dar- gelegt, das an der Basis der Internodien befindliche „Gelenk“ länger kriimmnngsfähig als der übrige Theil der Internodien. Wird nur die Gipfel- 229 knospe und ein Theil des ersten Internodiums einseitig beleuchtet, und der ganze untere Theil des Stengels verdunkelt, so kommt es zuweilen vor, dass im zweiten Internodium nur das Gelenk sich heliotropisch krümmt, während der ganze übrige Theil des Internodiums vollständig gerade bleibt. Ich habe solche ganz zweifellose Fälle zweimal beobachtet. Den einen Fall bietet der Spross 1 in Versuch 46 (vgl. Fig. 53, 1, 8. 139); hier hatte sich nach 5% stündiger Exposition das Gelenk soweit gekrümmt, dass das zweite Internodium um 10° liehtwärts geneigt war, also mit dem dritten Internodium einen Winkel von 170° bildete. Der zweite Fall gelangte in einem anderen Versuch zur Beobachtung; hier war nach 6 stündiger Exposition das gerade gebliebene zweite Internodium infolge Krümmung des Gelenks um 15° liehtwärts geneigt worden. Da in beiden Fällen die Länge des zweiten Internodiums recht bedeutend (3,0 resp. 2,9 cm) war, so hätte selbst eine sehr schwache Krümmung desselben bemerkbar sein müssen; aber selbst beim Anlegen eines Lineals liess sich nieht die geringste Abweichung von der geraden Linie constatiren. Wir müssen es also für höchst wahrscheinlich halten, dass das zweite Internodium (abgesehen vom Gelenk) seine Krümmungsfähigkeit schon voll- kommen verloren hatte, also auch gar nicht mehr wuchs; zur völligen Sicherstellung dieser Thatsache fehlt auch hier nur die mikrometrische Messung (welche in diesem Fall, ebenso wie in den anderen in diesem Paragraph besprochenen Fällen, sich mit den betr. Versuchen nicht ver- einigen lässt). Nun muss aber die heliotropische Reizung auf ihrem Wege von der beleuchteten Spitze zum Gelenk sich durch die ganze Länge des zweiten Internodiums fortgepflanzt haben; und da die Fähigkeit zur Fortleitung eines heliotropischen Reizes die heliotropische Reizbarkeit (wenigstens die indireete) des betreffenden Pflanzentheils zur Voraussetzung hat'), so folgt, dass diese im ganzen Internodium auch nach dem Erlöschen des Wachsthums und dem Verlust der Kriümmungsfähigkeit erhalten bleibt; dass auch die heliotropische Empfindliehkeit fortdauert, ist aus den ange- führten Thatsachen nicht zu entnehmen, ist aber wohl kaum zu bezweifeln. Nachdem somit die Unabhängigkeit der heliotropischen Reizbarkeit (und meist auch der heliotropischen Empfindliehkeit) und die Möglichkeit ihrer Fortdauer in Organen oder Organtheilen nach Verlust der Krümmungsfähig- keit für vier sehr verschiedene Objeete theils mit Sicherheit, theils mit an Sieherheit grenzender Wahrscheinlichkeit constatirt worden ist, sind wir wohl berechtigt, das erhaltene Resultat zu verallgemeinern und auch auf diejenigen Objeete auszudehnen, wo ein solcher Nachweis der Lage der 1) So ist es, wenn die Reizfortpflanzung auf einer Thätigkeit des lebenden Protoplasmas beruht, und das dürfen wir für die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung, nach den in $ 26 mitgetheilten Versuchen, wohl getrost annehmen. Vgl. auch das im folgenden Paragraphen über den Weg der Reizfortpflanzung Gesagte. 12* 180 Dinge nach nicht möglich ist. Es liegt kein Grund mehr vor daran zu zweifeln, dass überhaupt auch in all den Fällen, wo die helio- tropische Krümmung dureh Wachsthum vermittelt wird, die heliotropische Empfindlichkeit und Reizbarkeit des Proto- plasmas bis zum Lebensende desselben fortdauert, — gerade so wie in den anderen Fällen, wo die Krümmung durch Turgoränderungen vermittelt wird —, und dass der oft schon lange vor dem Lebensende eines Pflanzentheils eintretende Verlust der Krümmungsfähigkeit in Ver- änderungen seinen Grund hat, die mit der Empfindlichkeit und Reizbarkeit nichts zu thun haben und nur die Ausführung des letzten Actes der Reiz- erscheinung, der Krümmung, unmöglich machen. $ 75. Während wir bisher nur die durch Wachsthum vermittelten pros- heliotropischen Krümmungen im Auge hatten, wollen wir uns jetzt zu den anderen Reizbewegungen wenden. Ohne uns auf eine detaillirte Uebersicht derselben einlassen zu können, welche zu viel Raum beanspruchen würde, wollen wir in den Hauptzügen erörtern, inwiefern die in den vorhergehenden Paragraphen niedergelegten Betrachtungen einer allgemeineren Anwendung fähig sind. Was zunächst alle die Reizkrümmungen anbetrifft, welche durch Wachs- thum vermittelt werden, so ist es klar, dass auf sie Alles das, was oben über die Krümmungsfähigkeit und deren Faetoren gesagt worden ist, meist ohne weiteres passt '), so dass man also ohne weiteres das Wort „proshelio- tropisch‘‘ durch apheliotropisch, pros- oder apogeotropisch ete. ersetzen kann. In allen derartigen Fällen muss die Krümmungsfähigkeit aus denselben vier Factoren bestehen und der Einfluss jedes einzelnen muss derselbe sein, wie beim Prosheliotropismus. Während drei von den vier Factoren bei einem gegebenem Organ für alle „Tropismen‘ die nämlichen sind, kann die Reiz- barkeit durch verschiedene Reizursachen natürlich eine ungleiche sein. |Dabei muss man im Auge behalten, dass die Reizbarkeit durch verschiedene Reizursachen, also etwa die heliotropische und geotropische Reizbarkeit, und folglich auch die heliotropische und geotropische Krümmungsfähigkeit eines Organs, genau genommen nicht mit einander vergleichbar sind; sie wären nur bei Gleichheit aller äusseren Bedingungen der Krümmung vergleichbar, die Intensitäten der verschiedenen Reizursachen können aber nicht gleich 1) Eine gewisse Complication liegt bei der geotropischen Krümmung der Gras- knoten vor, indem in schon ausgewachsenen Knoten das Wachsthum erst durch die geotropische Reizung wieder von Neuem angeregt wird, die Reizung also eine zwiefache Wirkung hat, und der Factor Wachsthumsintensität nicht, wie sonst, unabhängig von der Reizung gegeben ist. — Die Fälle hingegen, in denen die Reizbarkeit eines Organs durch ein gewisses äusseres Agens sich nach Qualität und Grad ändert, — sei es spontan mit dem Entwickelungsstadium, sei es unter dem Einfluss äusserer Faetoren, — stellen für uns keine Complieation dar, denn für die Krümmungsfähigkeit kommt nur die augenblicklich vorhandene Reizbarkeit in Betracht und bleibt es gleiehgiltie, ob dieselbe früher eine andere war. 131 gemacht werden, da sie incommensurabel sind. Die Vergleichung kann sich also nur auf die bei der gegebenen Intensität des Lichts und der Schwerkraft stattfindende heliotropische und geotropische Reizung eines Organs beziehen.| Wenn die Krümmung nicht durch Wachsthum, sondern (wie in den echten Gelenken) durch elastische Längenänderung von Gewebecomplexen vermittelt wird, so kommt als Factor der Krümmungsfähigkeit, an Stelle der Waechsthumsintensität, der Grad der Turgordehnung der Membranen in Betracht; die Verhältnisse liegen hier complieirter, da dieser Factor in ver- schiedenen Sectoren des Gelenkquerschnittes verschieden sein kann, und man jedenfalls die Krümmungsfähigkeit, auch caeteris paribus, nicht etwa ohne Weiteres der mittleren Turgordehnung proportional setzen darf; eine nähere Betrachtung dieser Verhältnisse wäre hier aber nicht angebracht. Wenn endlich der Reizerfolg nicht eine Krümmung, sondern eine Ver- kürzung ist (wie bei den Filamenten der Uymareen), so ist die „Krümmungs- fähigkeit‘ durch den allgemeineren Begriff der „Reaetionsfähigkeit‘ zu ersetzen, und diese wird in diesem Fall durch zwei Factoren, den Grad der Turgordehnung der Membranen und den Grad der Reizbarkeit des Protoplasmas, bestimmt, während Dieke und anatomischer Bau als Factoren in Wegfall kommen. Jedenfalls muss der Grad der Reizbarkeit des Protoplasmas in allen Reizerscheinungen (auch in denen, deren Resultat nicht eine äusserlich er- kennbare Bewegung ist) als ein Factor der Reactionsfähigkeit in Betracht kommen. Weiter werden wir wohl bei allen Reizerscheinungen, jedenfalls aber be: denen, die durch eine äussere Reizursache veranlasst werden, ebenso wie beim Heliotropismus, Empfindlichkeit und Reizbarkeit, Empfindung und Reizung von einander zu unterscheiden haben (für den Apogeotropismus wird dies in $ 80 direet bewiesen werden), und in all den Fällen, wo eine Fort- pflanzung der Reizung stattfindet, müssen wir auch directe und indireete Reizbarkeit unterscheiden. Ausser der heliotropischen Reizung sind noclı folgende nachgewiesenermaassen fähig sich fortzupflanzen: die Reizung durelı Berührung (Reibung), Erschütterung, Verwundung, die hydrotropische und galvanotropische Reizung, die chemische Reizung (z. B. bei Drosera), die paratonische (d. i. durch Wechsel der Lichtintensität bewirkte) Reizung, und endlich die ihrem Wesen nach wohl noch nicht genügend aufgeklärte, wahr- scheinlich aber in die Kategorie der Wundreize gehörende Reizung, welche die sog. Darwin’sche Krümmung der Wurzeln hervorruft. Was die übrigen bekannten Reizbewegungen anbetrifft, so sind über. die Möglichkeit eineı Reizfortpflanzung entweder noch keine Angaben vorhanden, oder die vor- liegenden Daten sind nicht beweisend'). Doch darf man es wohl für wahr- scheinlich halten, dass jegliche Reizung sich fortzupflanzen vermag. 1) Ohne auf das vielfach Constatirte und allgemein Bekannte einzugehen. will ich hier nur die Literaturbelege für diejenigen der obigen Angaben mittheilen. welche sich nur auf vereinzelte (aber, ihre Richtigkeit natürlich vorausgesetzt, be- 182 Bezüglich des Weges der Reizfortpflanzung habe ich ($ 26) für ein in dieser Hinsicht besonders günstiges Objeet, nämlich für den Cotyledo von Avena sativa, den Beweis erbracht, dass die Fortptlanzung der heliotropischen Reizung nicht in den Leitsträngen, sondern im Parenchym des Grundgewebes vor sich geht. Der gleiche Beweis (und zwar auf dem gleichen Wege) ist nur noch für einen weiteren Fall geführt worden, nämlich von Oliver (13) für die Fortpflanzung des Berührungsreizes bei den Narben von Martynia und Mimulus. In den anderen untersuchten Fällen, nämlich bei Drosera und Dionaea'), ist das Verhalten nach den vorliegenden Angaben ein etwas anderes: zwar ist festgestellt, dass die Reizung sich hier auch im Parenchym fortpflanzen kann, aber die Fortpflanzung durch die Leitstränge geschieht bedeutend leichter und schneller, so dass also sicherlich diese und nicht das Parenchym den normalen Weg der Reizfortpflanzung darstellen. Darin be- steht ein Unterschied gegenüber den von Oliver und mir constatirten Fällen, wo entweder die Leitstränge als Weg der Reizfortpflanzung überhaupt nicht in Betracht kommen, oder doch wenigstens kein Grund vorliegt anzunehmen, dass dieselbe vorzugsweise in ihnen stattfindet. Gemeinsam dürfte hingegen allen diesen Fällen das sein, dass die Reizung sich im lebenden Proto- plasma fortpflanzt (vgl. $S 69), und dasselbe möchte ich in allen anderen Fällen von Reizfortpflanzung für wahrscheinlich halten. Eine Ausnahme bildet nur Mimosa pudica, bei der die Fortpflanzung der Reizung von einem Gelenk zum anderen, wie durch die zahlreichen vorliegenden Untersuchungen sicher constatirt ist, von der Lebensthätigkeit des leitenden Gewebes un- abhängig ist und auf rein mechanische Weise, durch die Fortpflanzung einer hydrostatischen Drucksehwankung, vermittelt sein muss. Dieser ganz ver- einzelt dastehende Fall darf bei Beurtheilung anderer Fälle von Reizfort- pflanzung wohl kaum als Analogon herangezogen werden; es ist vielmehr von vornherein wahrscheinlich, dass für eine so schnelle und gleichzeitig auf solche Entfernungen hin stattfindende Reizfortleitung, wie bei Mimosa, andere Mittel als sonst zur Verwendung gelangen. weisende) Versuche stützen; ich bemerke dabei, dass die auf Reizfortpllauzung von der Wurzelspitze aus bezüglichen Angaben der Autoren in einem besonderen, dem- nächst zu publieirenden Aufsatz noch eingehender besprochen nnd gewürdigt werden sollen. Der Nachweis für die Fortpflanzung der hydrotropischen Reizung wurde geliefert von Molisch (10, 25—30), der galvanotropischen von Brunchorst (2, 216), der paratonischen von Batalin (1, 244) an den Blättehen von Oxalis, deren Gelenke nach dem Autor auch dann auf Sonnenlicht reagiren, wenn dieses nur die Lamina trifft. — Behauptet, aber bisher nicht bewiesen, ist die Fortpflanzung der geotropischen Reizung (worüber Näheres ebenfalls in dem in Vorbereitung befindlichen Aufsatz über die Funetion der Wurzelspitze); übrigens werde ich in $ 77 zeigen, dass die geotropische Reizung sieh thatsächlich fortzupflanzen vermag. 1) Auf die den Weg und die Art und Weise der Reizfortpflanzung in den ver- schiedenen Fällen betreffende Literatur gehe ich hier nicht ein, da dies zu weit führen würde. 183 Wir sahen, dass die heliotropische Empfindlichkeit häufig in einem Organ ungleichmässig vertheilt ist, indem das Organ zwar in seiner ganzen Länge empfindlich ist, aber in einer bestimmten Region {in allen bekannten Fällen in einer kurzen Spitzenregion) in mehr oder weniger höherem Grade, als in seinen übrigen Theilen. Fälle einer derartigen ungleichmässigen Ver- theilung der Empfindlichkeit gegenüber anderen Reizursachen sind bisher nicht bekannt; sie dürften aber wohl auch noch aufgefunden werden, und bezüglich des Geotropismus werde ich im $ 77 das Vorkommen dieser Er- scheinung nachweisen. Hingegen sind bereits zwei verschiedene Fälle bekannt, welche ungefähr dem entsprechen, was wir bei den Paniceen-Keimlingen gefunden haben, wo nämlich die Empfindliehkeit nur auf eine bestimmte Stelle eines Organs beschränkt und der übrige Theil desselben nur indireet, durch einen über- mittelten Impuls reizbar ist. Bei der sog. Darwin’schen Krümmung!) ist nur die Wurzelspitze empfindlich, und bei Drosera (Darwin, 4, 209) ist es nur das Köpfchen und der ihm nächstgelegene Theil der Tentakeln, welche sowohl für chemische als für mechanische Reizursachen empfindlich sind. Die Analogie zwischen dem letzteren Fall und demjenigen der Paniceen-Keimlinge geht indessen noch weiter. Ebenso wie der Cotyledo bei älteren Paniceen-Keimlingen, wächst das Tentakelköpfchen bei Drosera nieht und ist folglich selber nicht krümmungsfähig. Dass wir hier die Empfindlichkeit eines nicht krümmungsfähigen Organtheils dennoch constatiren können, ist derselben Constellation von Umständen zu verdanken, wie bei den Paniceen, nämlich dem, dass das Köpfchen die durch Empfindung der Reizursache hervorgerufene Reizung dem Untertheil des Tlentakels über- mittelt, welcher noch wächst und folglich auf die zugeleitete Reizung durch eine Krümmung reagiren kann. Dass die Fähigkeit eine Reizursache zu empfinden (zu pereipiren) und die Fähigkeit auf dieselbe in der dem Pflanzentheil eigenthümlichen Art zu reagiren, prineipiell verschiedene Dinge sind, ist eigentlich selbstverständlich und auch mehrfach (insbesondere von Pfeffer wiederholt) hervorgehoben worden; es ist folglich im Grunde genommen auch ohne Weiteres klar, dass diese beiden Fähigkeiten nicht gleichzeitig aufzuhören brauchen, ja es wäre sogar wunderbar, wenn dies der Fall wäre, da die Eigenschaften, auf denen diese zwei Fähigkeiten beruhen, von einander nicht abhängig zu sein brauchen. Wenn dies oft nicht wie erforderlich berücksichtigt wird, so liegt das wohl hauptsächlich daran, dass diese Unterscheidungen theoretisch sind, factisch hingegen die Empfindlichkeit und die Reactionsfähigkeit local zusammenfallen und folglich auch die Empfindlichkeit mit dem Verlust der Reactionsfähigkeit latent wird. Nun kennen wir aber bereits zwei sicher constatirte und sehr verschiedenartige Fälle, in denen Empfindlichkeit und 1) Wichtigste Literatur über dieselbe: Darwin (5, 109— 154), Wiesner (23, 139—147), Detlefsen (6, 627—645), Wiesner (24, 225— 275). 184 Reaetionsfähigkeit local vollkommen getrennt sind '), derart, dass der eine Pflanzentheil empfindlich aber nicht reaetionsfähig, der andere reactionsfähig aber nieht empfindlich ist, und nur die Reizbarkeit und die Möglichkeit der Uebertragung der Reizung von ersterem zu letzterem das gemeinsame Band zwischen ihnen bildet; das Beispiel des Cotyledo der Paniceen zeigt über- dies noch, dass ein Organ, das früher reactionsfähig war, auch nach Verlust der Reactionsfähigkeit empfindlich bleiben kann, und dasselbe ist auch noch für einige andere heliotropische Organe wahrscheinlich gemacht worden. Nachdem also die theoretische Möglichkeit eine Reihe von realen Stützen gefunden hat, wird es wohl nicht als zu kühn erscheinen, wenn ich den im vorigen Paragraphen für den Heliotropismus gezogenen Schluss verallgemeinere und sage: Wenn das Protoplasma eines Organs einmal mit der Fähigkeit ausgestattet ist, eine Reizursache zu empfinden und durch sie gereizt zu werden, so behält es diese Fähigkeit im Allgemeinen wahrscheinlich bis an sein Lebensende; mög- licherweise verläuft sogar die ganze Kette der durch die Reizursache angeregten Processe (oder doch ein grosser Theil dieser Kette) im alten, nicht mehr reagirenden Organ genau so wie im jungen, noch reactionsfähigen Organ, mit Aus- nahme nur des letzten Gliedes (oder der letzten Glieder), nämlich der Reaction. Dabei bleibt es natürlich nicht ausgeschlossen, dass in bestimmten Fällen die Empfindlichkeit und Reizbarkeit eines Organs, spontan oder unter dem Einfluss äusserer Factoren, zeitweilig oder definitiv, schon vor dem Lebensende aufgehoben werden können, so wie es ja vor- kommt, dass sie ihrem Grade und ihrer Qualität nach geändert werden. S %6. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Empfindlichkeit für ver- schiedene Reizursachen auf verschiedenen Eigenschaften des Protoplasmas beruhen muss, so dass es also eine specifische heliotropische, eine specifische geotropische ete. Empfindlichkeit giebt; darüber brauche ich weiter keine Worte zu verlieren. Ganz richtig bemerkt aber Noll (12, 16), dass der Krümmungsvorgang bei den verschiedenen Reizerscheinungen der nämliche ist (natürlich kann sich das nur auf die Fälle beziehen, wo die Krümmung durch Wachsthum vermittelt wird). Ich glaube nun, dass wir noch bedeutend weiter gehen dürfen. Nicht blos der letzte Act, die Krümmung, sondern schon der zweite Act der ganzen Reizerscheinung, nämlich die Reizung, kann sehr wohl in den verschiedenen Fällen identisch sein, und es ist durchaus nicht erforderlich, eine besondere heliotropische, geotropische ete. Reizbarkeit anzunehmen. Dass bei den Reizungen, welche durch die Per- ception verschiedener Reizursachen veranlasst werden, die stattfindende Ver- änderung im Protoplasma qualitativ die gleiche sein muss, lässt sich freilich 1) Bei der Darwin ’schen Krümmung ist die lokale Trennung keine vollkommene, da die empfindliche Spitze der Wurzel wohl auch reactionsfähig ist; wenigstens ist das Gegentheil nicht bewiesen worden. 185 nicht zeigen, aber es liegt gar kein Grund vor, das Gegentheil anzunehmen, und bei solcher Sachlage müssen wir uns natürlich an die einfachere Möglich- keit halten, solange nicht etwa begründete Zweifel an deren Richtigkeit auf- tauchen. Hiernach wäre also beim Heliotropismus, Geotropismus, Hydro- pismus u. s. w. nur der Perceptionsaet verschieden, der ganze übrige Verlauf des Vorganges aber der gleiche. Insbesondere wäre auch die sich von einem Organtheil zum anderen fortpflanzende Reizung qualitativ die gleiche, so dass wir also, wenn wir von der Fortpflanzung etwa einer heliotropischen Reizung reden, damit nur die Herkunft, nicht aber die specifische Natur derselben characterisiren. Eine Reizung, wenn sie einmal gegeben ist, ruft Ja in der That, sowohl beim Fortwirken an Ort und Stelle (bei der Nach- wirkung) als auch bei ihrer Fortleitung an andere Stellen, qualitativ die nämlichen Folgen hervor, ganz unabhängig davon, durch welche Reizursache sie indueirt worden ist, — so dass es, wenigstens nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse, geradezu gezwungen erscheinen würde, derselben in verschiedenen Fällen speeifisch verschiedene Natur zuzuschreiben. Es ist also im Grunde genommen nicht ein heliotropischer oder geotropischer Reiz, welcher sich fortpflanzt, sondern einfach ein Krümmungsreiz, welcher die Richtung der Krümmung und (neben anderen Faetoren) den Grad der- selben bestimmt. — Fraglich ist es, woran es liegt, dass ein und dieselbe Reizursache bei verschiedenen Organen verschieden gerichtete Bewegungen auslöst, z. B. einseitige Beleuchtung bald prosheliotropische, bald aphelio- tropische, bald diaheliotropische Bewegung; es lässt sich gegenwärtig nicht sagen, ob dies durch Differenzen der Empfindlichkeit oder der Reizbarkeit, oder endlich beider bedingt ist. Auch lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wo die Verschiedenheit zwischen den Fällen beginnt, in denen die Krümmung einerseits durch Wachsthum, andererseits durch Aenderung der Turgor- dehnung vermittelt wird; als wahrscheinlich darf es aber wohl gelten, dass Empfindungsact und Reizungsact in beiden Fällen identisch sind und die Ver- schiedenheit erst von einem der weiteren Glieder der Kette an sich geltend macht. Zum Schluss muss ich noch bemerken, dass die von mir in einem genau bestimmten Sinn gebrauchten Trermini Empfindlichkeit und Reizbarkeit in der Literatur mehrfach in mehr oder weniger abweichender Bedeutung benutzt worden sind. Ganz besonders gilt das von dem Ausdruck „Empfind- lichkeit“, welcher bisher überhaupt keine bestimmte Bedeutung hatte und nicht selten sogar von ein und demselben Autor bald in dem einen, bald in einem anderen Sinne angewandt wurde. Hierauf möchte ich, um Miss- verständnissen vorzubeugen, etwas näher eingehen. Erstens finden wir zuweilen den Ausdruck „‚Empfindlichkeit‘ in demselben Sinne, welchen ich ihm gebe, also als gleichbedeutend mit „Perceptions- fähigkeit‘‘ angewandt, jedoch wohl nie mit der Bedeutung einer variablen Grösse, die in verschiedenen Fällen einen verschiedenen Werth haben kann. Wo Letzteres der Fall ist, wo also von der grösseren oder geringeren 186 Empfindlichkeit von Organen oder Organtheilen die Rede ist, ist meist das- jenige gemeint, was ich als Krümmungsfähigkeit bezeichne; sehr oft werden beide Teermini geradezu als Synonyme gebraucht (von den vielen Beispielen, die hierfür angeführt werden könnten, genügt es auf die S. 157 eitirte Stelle aus H. Müller zu verweisen). Um dem gegenüber meine Auffassung dieser Begriffe nochmals kurz zu charakterisiren, weise ich nur darauf hin, dass z. B. von zwei Organen das empfindlichere doch das weniger krümmungs- fähige sein kann, wenn seine Dieke grösser oder seine Wachsthumsintensität geringer ist, und dass selbst ein gar nicht empfindlicher Organtheil krümmungs- fähig sein kann, wofern er (indirect) reizbar ist. Endlich wird nicht selten der Ausdruck „Empfindlichkeit“ als Synonym mit „Empfindungsvermögen“, und „Sensibilität‘“ zur Bezeichnung dessen benutzt, wie hoch für eine bestimmte Reizerscheinung die Reizschwelle eines Organs liegt: unter einem heliotropisch sehr empfindliehen Organ wird also ein Organ verstanden, welches schon bei sehr geringer Intensität der ein- seitigen Beleuchtung sich merklich heliotropisch krümmt. Dieser Sinn des Ausdruckes läuft im Allgemeinen wieder auf ein Synonym meiner „Krümmungs- fähigkeit‘‘ hinaus, denn dasjenige von zwei Organen, welches sich bei gleicher Beleuchtung (wofern dieselbe unterhalb des Optimums für beide liegt) in der Zeiteinheit stärker krümmt, wird begreiflicherweise auch eine tieferliegende Reizschwelle haben müssen. Ob aber das Verhältniss der Reizschwellen das gleiche ist, wie dasjenige der Krümmungsfähigkeiten, das lässt sich nicht sagen, da wir ja nicht genau wissen, in welcher Weise die Krümmungs- srösse mit der Intensität der Reizursache sich ändert, — ganz abgesehen davon, dass in der Praxis die Krümmungsfähigkeit sich meist überhaupt nicht, und die Reizschwelle auch nur sehr annähernd ziffernmässig bestimmen lässt. Schliesslich noch einige Worte über den Ausdruck „‚Reiz‘, welcher bisher fast allgemein gleichzeitig in zwei wesentlich verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Einerseits redet man ganz allgemein von „Fortpflanzung des Reizes“, „Induction des Reizes‘‘ ete., wobei man offenbar einen durch die Einwirkung bestimmter Factoren in der Pflanze geschaffenen Zustand im Auge hat; andererseits aber begegnen wir ebenso allgemein, und zwar bei den nämlichen Autoren, Ausdrücken wie „äusserer Reiz‘, „Perception des Reizes“, „das Licht wirkt als Reiz‘ ete., wo unter dem Ausdruck „Reiz“ der wirkende Factor selbst verstanden wird. Es wäre wohl sehr erwünscht, dass diese Doppelsinnigkeit ein Ende nimmt. Das bequemste wäre es wohl, das wirkende (äussere oder innere) Agens mit dem übrigens theilweise schon eingebürgerten Ausdruck „Reizursache‘‘ oder „Reizanlass“ zu bezeichnen und den Ausdruck „Reiz‘‘ (oder „Reizung“) nur in der ersten der beiden oben angeführten Bedeutungen zu benutzen, wie ich es in dieser Arbeit consequent gethan habe (bezüglich der Unterscheidung, die meiner Meinung nach nothwendig zwischen Empfindung und Reizung gemacht werden muss und durch welche der Ausdruck „Reiz“ oder „Reizung‘‘ einen noch enger definirten Sinn erhält, verweise ich auf $ 69). 137 S %%. Nach den Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des vorigen Paragraphen ist es von vornherein als sehr wahrscheinlich zu betrachten, dass auch eine durch die Schwerkraft veranlasste Reizung sich fortzupllanzen vermag. Es wäre nun offenbar von hohem Interesse, diesen Schluss experimentell zu prüfen; ein etwaiges positives Resultat würde gleichzeitig eine weitere Stütze für die Anschauung bilden, dass die heliotropische und geotropische Reizung identisch sind. Nun trifft aber leider das, was für den Heliotropismus leicht ausführbar ist, für den Geotropismus auf grosse Schwierigkeiten: während wir die einseitige Lichtwirkung von einem beliebigen Theil eines Organs in sehr einfacher Weise, durch Verdunkelung oder allseitige Beleuchtung des betreffenden Theiles, ausschliessen können, verfügen wir über kein analoges Mittel um die einseitige Wirkung der Schwerkraft local auszuschliessen. Allenfalls war an die Benutzung von anästhesirenden Mitteln zu denken, und ich habe daher einige Vorversuche über die Wirkung von Cocainlösung gemacht (flüchtige Stoffe waren, da es sich um Erzielung streng localisirte: Anästhese handelte, ausgeschlossen); ich brauche mich aber über dieselben nicht weiter aufzuhalten, da sie lehrten, dass von der Anwendung dieses Mittels für meinen Zweck nichts zu erhoffen ist. Wenn ich somit die Hoffnung aufgeben musste, auf directem Wege zum Ziele zu gelangen, so blieb doch noch ein indirecter Weg übrig, welcher die Möglichkeit zuliess, bei bestimmten Objeeten zunächst wenigstens darüber Aufschluss zu erlangen, ob die Vertheilung der geotropischen Empfindlich- keit im Organ dieselbe ist, wie die der heliotropischen Empfindlichkeit, was dann eventuell weitere Schlussfolgerungen zu ziehen gestatten könnte. Es ist das derselbe Weg, auf welchem wir in $ 68 nachweisen konnten, dass die heliotropische Empfindlichkeit im Cotyledo von Avena und Phalaris ungleichmässig vertheilt und zwar in einer kurzen Spitzenregion grösser ist, als in dem weiter basalwärts gelegenen Theil; wir schlossen das, um es kurz zu wiederholen, aus der Thatsache, dass die Spitzenregion sich früher heliotropisch zu krümmen beginnt als die folgenden Zonen, obgleich sie erheblich langsamer wächst als diese. Das auf diese indireete Weise gewonnene Resultat stimmt vollkommen mit dem Ergebniss der direeten Versuche über die Vertheilung der heliotropischen Empfindlichkeit in den- selben Organen überein, und diese Uebereinstimmung liefert uns eine Controle dafür, dass die von uns gezogene Schlussfolgerung zulässig und richtig ist. Angesichts dessen sind wir berechtigt, eine solche Schlussfolgerung auch in den Fällen zu ziehen, wo eine Controle auf dem Wege des directen Experiments nicht möglich ist, z. B. also im Falle des Geotropismus. Würde es sich constatiren lassen, dass auch die geotropische Krümmung in der langsam wachsenden Gipfelregion des Cotyledo früher oder doch nicht später beginnt, als in dessen schneller wachsendem Theil, so wäre damit bewiesen, dass die erstere in höherem Grade geotropisch empfindlich ist. Dies zu constatiren ist nun allerdings nicht so ganz leicht; eine nur ca. 3 mm lange 188 Zone z. B. muss sich schon recht bedeutend krümmen, damit ihre Krümmung überhaupt ohne weiteres bemerklich sei; nun kann aber die Krümmung anfänglich natürlich nur schwach sein, und zu einer bedeutenden Verstärkung der Krümmung der obersten Zonen kann es nieht kommen, denn sowie einmal auch die folgenden Zonen begonnen haben sich zu krümmen, werden die ersteren passiv aufgerichtet und in eine für die geotropische Krümmung immer ungünstigere Lage gebracht, weshalb ihre Krümmung bald auf- hört sich zu verstärken. Aus diesem Grunde geht der Zeitpunkt, wo die Gipfelzonen am stärksten gekrümmt sind, schnell vorüber und ist leicht zu versäumen. Wir werden uns also, gerade so wie bei den analogen heliotropischen Versuchen, selbst mit einer nur schwachen Krümmung der Gipfelregion begnügen müssen, wofern nur dieselbe unverkennbar ist. Versuch 50. Avena sativa. Neun Keimlinge, 1,5—2,2 cm hoch. Nach Markirung von 6 mm langen Quer- zonen werden sie im Dunkelschrank horizontal gelegt. Nach 3, Stunden: Eine merkliche, jedoch noch sehr schwache Krümmung im oberen Theil der Zone I. Nach 14, Stunden: Die Krümmung hat sich etwas verstärkt, umfasst aber nur die Zone 1. Nach 1!/, Stunden: Jetzt erst beginnt die Krümmung sich auch auf die Zone II auszudehnen. Nach 3 Stunden umfasste die Krümmung die ganze Länge der Keimlinge, das Krümmungsmaximum befand sich in Zone II, und die Spitze war fast vertical gerichtet. Nach 17 Stunden wurde der Zuwachs der Zonen I und II gemessen; bei allen Keimlingen ergab sieh ein mehr oder weniger bedeutender Unterschied zu Gunsten der Zone Il, und die Mittelwerthe waren folgende: I 67,5 %, II 112,5 %. Dieser Versuch, bei dem ich die gegenwärtige Fragestellung noch gar nicht im Auge hatte, hat den Mangel, dass die Länge der Zonen zu gross war. In den übrigen zwei Versuchen mit Avena, welche speciell zu dem gegenwärtigen Zweck angestellt wurden, waren die Zonen nur 3 mm lang. Ich lasse einen von ihnen folgen. Versuch 51. Avena sativa. Neun Keimlinge, 1,6—2,8 cm hoch, mit 3 mm langen Zonen, werden im Dunkeln horizontal gelegt. Nach 1 Stunde: Schwache Krümmung, welche bei der Mehrzahl der Keimlinge nur die Zonen I und II umfasst, nur bei einigen Keimlingen auch schon eine Spur von Krümmung in Zone Ill; Krümmung der Zonen I und II gleich stark. Vel. Fig. 59. [e — assmes— Fig. 59. Nach 2 Stunden waren die Keimlinge schon stark gekrümmt und die Krümmung umfasste wenigstens drei Zonen. 189 Bei der nach 24 Stunden ausgeführten Zuwachsmessung wurde das Maximum bei allen Keimlingen in Zone III oder IV gefunden. Die Mittelwerthe für die einzelnen Zonen betrugen: 1 46%, II 105%, III 123%, IV 123 %,. In dem dritten Versuch gelang es bei einigen Keimlingen auch dasjenige Stadium anzutreffen, in dem nur erst die Zone I gekriimmt war; vgl. die folgende Fig. 60, «a. Nachträglich habe ich derartige Versuche auch mit Phalaris canariensis wiederholt; von drei Versuchen, welehe das gleiche Resultat ergaben, möge einer hier angeführt sein. Versuch 52. Phalaris canariensis. Zwei Keimlinge, 11 resp. 13 mm lang, mit 2 mm langen Zonen, werden im Dunkeln horizontal gelegt. Nach 40 Minuten: Merkliche, aber noch schr schwache Krümmung in Zone I und II. Nach 55 Minuten: Krümmung deutlich verstärkt; I scheint stärker gekrümmt als Il; in III noch keine merkliche Krümmung. Nach 70 Minuten: R rümmung der Zonen I und II noch mehr verstärkt, III kaum merklich gekrümmt. Nach 2 Stunden: Die Krümmung ist bereits so stark, dass die Spitze nahezu vertical steht: sie umfasst vier Zonen: in IV ist sie sehr schwach, in III stärker, aber doch noch schwächer als in den beiden obersten Zonen. Die zweimalige Zuwachsmessung ergab folgende Mittelwerthe: Nach: 5 Stunden: 'T'15%,,: IV22%, II 259%, IV 27%, Nach 23 Stunden: 145%, IT 60%, II 77%, IV 75%. Auch bei diesem Objeet wurden einige Keimlinge beobachtet, bei denen in der ersten Zeit nur die Zone I gekrümmt war. Es ist hiernach bewiesen, dass im Cotyledo der zwei unter- suchten Gramineen eine kurze Gipfelregion sich durch besonders starke geotropische Empfindlichkeit auszeichnet, dass also hier ie geotropische Empfindlichkeit in derselben Weise ungleichwässig vertheilt ist wie die heliotropische Empfindlichkeit. Erinnern wir uns jetzt des Verlaufes der heliotropischen Krümmung des Cotyledo ($ 11) und ziehen wir die Thatsache in Betracht, dass dieser Verlauf unter anderem durch die Vertheilung der heliotropischen Empfind- liehkeit und durch die Reizfortpflanzung bestimmt wird: die direete Reizung des Untertheils des Cotyledo ruft allein nur eine geringe Krümmung hervor, und diejenige starke Krümmung des Untertheils, welche mit der Zeit zu stande kommt, wenn der Cotyledo in seiner ganzen Länge einseitig beleuchtet wird, ist eine Folge dessen, dass von der Spitze aus eine stärkere Reizung zugeleitet wird. Was nun den Geotropismus anbetrifft, so habe ich mich davon überzeugt, dass der Verlauf der Krümmung genau derselbe ist wie beim Heliotropismus (vgl. Fig. 60 auf der folgenden Seite). Halten wir damit die Thatsache zusammen, dass die geotropische Empfindlichkeit ebenfalls vorwiegend in der Spitze des Cotyledo ihren Sitz hat, so können wir nieht umhin, anzunehmen, dass auch bei der geotropischen Krümmung die stärkere Reizung 190 der Spitze sich von dieser aus basalwärts im Cotyledo fort- pflanzt und hierdurch die Krümmungsfähigkeit des Untertheils erhöht; denn I ; | | Fig. 60. Verlauf der geotropischen Krümmung eines Keimlings von Avena sativa. a nach 1'/4, d nach 31/4, e nach 5, d nach 63/4, e nach 23 Stunden nach Beginn der Exposition. In e ist das Laubblatt hervorgetieten. Auf.dem Keimling waren ursprünglich 3 mm lange Querzonen markirt; dieselben sind in den Zeichnungen a und e zur Darstellung gebracht. wäre dies nicht der Fall, wäre also der Untertheil nur auf seine geringe direete Reizbarkeit angewiesen, so müsste er entweder sich nur schwach krümmen, oder es müsste wenigstens die Verschiebung der starken Krümmung in basipetaler Richtung relativ weit langsamer erfolgen, als es thatsächlich der Fall ist; kurz, es müsste der Verlauf der Krümmung nothwendig einanderer sein, als beim Heliotropismus. So ist also bewiesen, dass die geotropische Reizung sich fortzupflanzen vermag. Der Beweis ist freilich nur ein indireeter, aber bei dem Mangel eines direeten Weges zur Lösung der Frage, ob sich die geotropische Reizung fortpflanzt oder nicht, müssen wir uns damit begnügen. In denjenigen Fällen, wo das Maximum der geotropischenK rümmungsfähigkeit von Anfang an mit dem Maximum der Wachsthumsintensität zusammenfällt, — z. B. bei den Keimstengeln der Dieotylen und wohl überhaupt bei den meisten geotropischen Organen —, können wir auf dem hier benutzten Wege keinen Aufschluss über die Vertheilung der geotropischen Empfindlichkeit gewinnen, selbst wenn dieselbe thatsächlich die gleiche ist wie im Cotyledo der Gramineen (vgl. hierzu den Schluss des $ 68); daher ist in solchen Fällen selbst ein indireeter Beweis der Fortpflanzung der geotropischen Reizung nicht möglich. Nachdem aber einmal dieser Beweis für einen bestimmten all erbracht ist, sind wir in Anbetracht der vollkommenen Analogie zwischen Heliotropismus und Geotropismus wohl berechtigt es für, mindestens sehr wahrscheinlich zu halten, dass die Fortpflanzung der geotropischen Reizung ebenso allgemein verbreitet ist, wie es für die Fortpflanzung der heliotropischen Reizung in dieser Arbeit nachgewiesen wurde. 191 X. Ueber die Wirkungen der Decapitation bei Gramineen-Keimlingen. S \) Be Dans my ii ZELTE + “ Pb # } ML 3 ssfiah nolisws sh. Harn! Be rer de. are m 9), ri ur ‚all ir ii GR Din ll Pr Ahr ie Rule Finn me a, ‚’e cs L Wa na Bit ENEPLuTT Ts, Ber N han U idee el Herriyuline „) Si ki a url us «HM ' 24 HR—Y Wal Ni rd en } - Die Wurzelknöllehen der Sojabohne. Von Prof. Dr. 0. Kirchner. Mit Tafel 1. J Seit mehreren Jahren machte ich gelegentlich die wiederholte Beobachtung, dass im Hohenheimer botanischen Garten die Wurzeln der Sojabohne, von der einige Sorten schon seit zehn Jahren daselbst an verschiedenen Stellen angebaut werden, niemals Knöllchen besassen, obgleich in ihrer Nachbarschaft etwa hundert verschiedene Arten von Papilionaceen, welche sämmtlich die normalen Wurzelknöllchen aufweisen, gezogen werden, und man also voraus- setzen musste, dass diejenigen Organismen, welche die Bildung der Knöllchen an den Papilionaceen im Allgemeinen hervorrufen, im Boden des Gartens allgemein verbreitet seien. In der mir zu Gebote stehenden Literatur fand ich keine Angabe über das Vorhandensein von Wurzelknöllchen an Soja hispida; das Fehlen dieser Knöllchen wird vielmehr von Morek') für die von ihm untersuchten Pflanzen ausdrücklich angegeben. Frank hat nur die an der Pflanze vorkommenden, durch Heterodera radieicola hervor- gebrachten Wurzelgallen beobachtet”). Prof. Tschirch dagegen schrieb mir, dass er Wurzelknöllchen von Soja, welche er aus Aegypten erhalten, untersucht, aber nichts darüber veröffentlicht habe. Da man auf Grund der zahlreichen neueren Untersuchungen über die Wurzelknöllehen der Papilionaceen immer mehr die Ansicht bestätigt fand, dass jene Organe bei keiner Art der genannten Familie fehlen, wenn auch bisweilen einzelne Individuen sie nicht besitzen ”), so vermuthete ich, dass die von mir beobachtete Abwesenheit der Knöllchen bei Soja im hiesigen botanischen Garten vielleicht mit einer nicht ganz normalen Entwickelung der Pflanzen ausserhalb ihrer ursprünglichen Heimath und in ungünstigeren klimatischen Verhältnissen zusammenhinge, und wendete mich im Herbst 1891 an Herrn Hofrath Prof. Dr. O. Kellner, damals Professor der Agrieultur- 1) D. Morek: Ueber die Formen der Bakteroiden bei den einzelnen Species der Leguminosen. Inaug.-Diss. Leipzig 1891. S. 30. 2) Sitzungsber. des Bot. Vereins der Provinz Brandenburg. 30. September 1881. 3) Vgl. u. a. Brunchorst: Ueber die Knöllchen an den Leguninosenwurzeln. Berichte der Deutschen bot. Gesellschaft. Bd. 3, 1885, S. 251. — Tschirch: Beiträge zur Kenntniss der Wurzelknöllchen der Leguminosen. Daselbst, Bd, 5. 1887, S. 59. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII, Heft II, 15 214 chemie an der Universität in Tokio, mit der Bitte, Erkundigungen über das Vorkommen jener Knöllchen in Japan einzuziehen. Derselbe kam meinem Wunsch auf’s bereitwilligste nach und übersandte mir im Sommer 1892 eine getrocknete, mit Knöllchen besetzte Wurzel einer noch jungen, am 30. Juni aus dem Boden genommenen Soja-Pflanze; also auch diese Art macht von der allgemeinen Regel, dass die Papilionaceen die Fähigkeit zur Bildung von Wurzelknöllchen besitzen, keine Ausnahme, und es handelte sich nun für mich darum, festzustellen, aus welchem Grunde sich diese Fähigkeit hier nicht geltend machte, und zu untersuchen, ob sie sich nicht von neuem hervorrufen lasse. Inzwischen waren die höchst sorgfältigen Untersuchungen von Nobbeete.') veröffentlicht worden, aus denen hervorgeht, dass z. B. die in den Knöllchen der Erbse lebenden Bacterien nicht im Stande sind, die Knöllchenbildung an den Wurzeln der Robinie zu veranlassen, und umgekehrt, dass also ‚die Erbsen- und Robinienbacterien in ihrer physiologischen Wirkung Unterschiede zeigen, die nur durch die Annahme, dass dieselben, wenn nicht verschiedene Arten oder Varietäten, so doch mindestens Rassen- oder Ernährungs- modificationen repräsentiren, erklärt werden können“ ”?). Zu einer ähnlichen Anschauung neigte schon früher Beyerinck°®), indem er auf Grund morphologischer und biologischer Verschiedenheiten eine Anzahl von Gruppen und Typen seines bacillus radicicola aufstellt, die er zwar nicht als ge- sonderte Arten angesehen wissen will, innerhalb deren er aber dennoch einige Varietäten aufstellt. In einer späteren Veröffentlichung unterscheidet jedoch derselbe Autor mehrere Arten von Knöllchenbaeterien, indem er sagt’): „Der Unterschied zwischen den verschiedenen Papilionaceenbacterien ist grösser, als ich das früher annahm. So gehört Bacillus Ornithopi (sie!) augenscheinlich zu einer anderen Art wie Dacillus Fabae. Denn Vieia Faba, infieirt mit einer in 1889 isolirten Cultur von Bacillus Ornithopi, erzeugte durchaus keine Knöllchen. Daraus erklärt sich zu gleicher Zeit, warum die Serradella, deren Knöllchen den nämlichen Baeillus wie Ornithopus perpusillus enthalten, in unseren Gärten?) völlig frei bleibt von Knöllchen, selbst wenn sie in der Mitte zwischen Vicia-Arten wächst, welche damit reich beladen sind.“ Diese Anschauungen, auf meine vor- läufigen Erfahrungen mit der Sojabohne angewendet, führten mich zu der 1) Nobbe, Schmid, Hiltner und Hotter: Versuche über die Stiekstofl- Assimilation der Leguminosen. — Die landwirthschaftl. Versuchs-Stationen. Bd. 39, 1891, $. 327359. 2) A. a. O., S. 348. 3) M. W. Beyerinck: Die Bacterien der Papilionaceen-Knöllchen. — Botan. Zeitung, 46. Jahrgang, 1888, S. 725. ff. 4) Ders.: Künstliche Infection von Vieia Feba mit Bacillus radiceicola. — Botan. Zeitung, 48. Jahrgang, 1890, S. 843. 5) D. h. bei Delft; sonst, wie z. B. auch in Hohenheim, bildet die Serradella Wurzelknöllchen. weiteren Vermuthung, dass die Bildung ihrer Wurzelknöllchen im hiesigen botanischen Garten wohl deshalb bisher unterblieben sei, weil die dazu an- regende Bacterienform, sei es nun eine besondere Species oder eine an Soja angepasste Rasse, in der hiesigen Gegend nicht vorkomme, ja vielleicht in Europa überhaupt nicht einheimisch sei. Hervorbringung der Wurzelknölichen durch Bodenimpfung. Ich benützte also das aus Japan stammende Material, um einen Infeetions- versuch an Soja-Pflanzen zu machen, die in Töpfe ausgesät waren. Der- selbe verlief jedoch resultatlo® ohne Zweitel weil die in den ausgetrockneten Knöllechen enthaltenen Baeterien ihre Lebensfähigkeit eingebüsst hatten. Deshalb richtete ich an Prof. Kellner auf’s neue die Bitte, mir Japanische Sojabohnen-Erde zu weiteren Impfversuchen zu verschaffen, und erhielt darauf hin im Frübjahr 1593 eine Quantität japanischen Bodens, in welchem im Vorjahre Sojabohnen gewachsen waren, wohlverwahrt in einer zugelötheten Blechbüchse, zugeschickt. Es war eine schwarze, ungemein leichte, vulkanische Asche, in welcher sich noch Reste von Sojawurzeln mit Knöllehen erkennen liessen, und die auch nicht stark ausgetrocknet war. Sie wurde dazu ver- wendet, um Infeetionsversuche einerseits an Topfpflanzen, andrerseits im freien Lande zu machen. A. Versuche mit Topfpflanzen, Für die ersteren Versuche wurden zehn grosse Blumentöpfe mit ver- schiedenen Bodenarten — vier mit einer guten Gartenerde, sechs mit einem unfruchtbaren, schweren Lehmboden — angefüllt, und mit zwei Sorten von Sojabohnen besäet, einer früh reifenden gelben, welche ich im Vorjahre unter dem Namen Kaiba-mame (Futter-Bohne) aus Japan erhalten hatte, und einer später reifenden gelben, die schon seit längerer Zeit im hiesigen botanischen Garten angebaut wird. Es ergaben sich also zwei Versuchsreihen, I. Versuche mit Fatter-Sojabohne. Topf 1 und 2 erhielten Gartenboden und wurden am 14. April mit Samen beschickt; Topf 3 und +4, ebenfalls mit Gartenboden gefüllt, wurden am 20. April besäet; Topf 5—7 wurden mit unfruchtbarem Lehmboden gefüllt und am 20. April besäet. Alle Töpfe wurden, um die Keimung der Samen zu befördern, bis zum 27. April in ein Warmhaus gestellt, an diesem Tage kamen sie in ein Frühbeet, und es wurde die Bodenimpfung in der Weise vorgenommen, dass in den Töpfen No. 2, 3, 4, 6 und 7 eine kleine Menge der japanischen Impferde auf die Oberfläche des Bodens neben den jungen Pflanzen ausgestreut wurde. Die Töpfe No. 1 und 5 blieben zur Controle ungeimpft. Während der Dauer des Versuches standen alle Töpfe neben einander und wurden ganz gleichmässig behandelt; als die Pflanzen herangewachsen waren, liess sich erkennen, dass die in den (ungeimpften) Töpfen No. 1 und 5 stehenden sich durch kleinere Blattflächen und eine mehr 15* 216 gelblich-grüne Färbung von den übrigen unterschieden. Am 13. Juni wurde an herausgenommenen Exemplaren festgestellt, dass in den geimpften Töpfen Wurzelknöllehen gebildet worden waren, und am 7. September waren die Pflanzen völlig ausgereift, sodass die Ernte vorgenommen werden konnte. Die Untersuchung der geernteten Pflanzen ergab, dass von den im ganzen 23 Sojabohnen, welche in den ungeimpften Töpfen No. 1 und 5 gewachsen waren, keine einzige ein Wurzelknöllchen gebildet hatte. Dagegen besassen von den 20 Pflanzen, die in geimpftem, gutem Gartenboden gewachsen waren (Topf No. 2, 3, 4), 12 (= 60 %) Knöllehen @n ihren Wurzeln, und zwar 3 nur wenige, 4 mässig viele, 4 ziemlich viele, und 1 zahlreiche. Die in geimpftem, unfruchtbarem Boden gewachsenen 13 Pflanzen (Topf No. 6 und 7) hatten sämmtlich Knöllchen «gebildet, und zwar 5 wenige, 2 mässig viele, 6 viele, 5 sehr zahlreiche. II. Versuche mit gelber Sojabohne., Drei mit unfruchtbarem Lehmboden gefüllte Töpfe wurden am 20. April mit Samen beschickt und mit denen der Abtheilung I bis zum 27. April im Warmhause gehalten; alsdann wurde der Boden der Töpfe No. 8 und 9 mit japanischer Erde geimpft, der Topf No. 10 ungeimpft gelassen. Diese Töpfe wurden ebenso wie die der vorigen Abtheilung, neben denen sie auf- gestellt waren, behandelt. Im Aussehen und in der Entwickelung der Pflanzen trat hier kein deutlicher Unterschied zwischen den geimpften und den ungeimpften Töpfen hervor. Als am 13. October die Ernte vorgenommen wurde, hatten sämmtliche 11 Pflanzen der beiden geimpften Töpfe reichliche und grosse Wurzelknöllchen, die 4 in dem nicht geimpften Topfe ent- wickelten kein einziges ausgebildet. B. Versuche im freien Lande. Die von den vorstehend beschriebenen Versuchen übrig gebliebene Japanische Impferde wurde zu einem Anbau-Versuch im botanischen Garten verwendet. Es wurde dazu eine Fläche von 6 m Breite und 4,60 m Länge, also 27,60 qm Inhalt benützt, welche im Vorjahre Sommerroggen getragen hatte, zu dem eine reichliche Düngung von Stallmist gegeben worden war, so dass sich der Boden (schwerer Lehmboden) bei Beginn des Versuches noch in einem guten Diüngungszustande befand. Die Sojabohnen (späte Hohenheimer gelbe) wurden in 10 Reihen von je 60 cm Abstand am 27. April ausgelegt; in 2 von diesen Reihen, welche mitten in der Versuchsfläche lagen, wurde beim Auslegen der Samen in unmittelbare Nähe derselben etwas von der japanischen Impferde ausgestreut. Es gingen in jeder Reihe ungefähr 20 Pflanzen auf; diejenigen, welche in den geimpften Reihen standen, liessen während ihrer ganzen Entwickelung keinen deutlichen Unter- schied gegen die übrigen erkennen. Nachdem schon im Juni Wurzelknöllchen in diesen Reihen constatirt waren, erfolgte die Ernte sämmtlicher Pflanzen 217 des Stückes am 13. Oetober, obwohl sie sich ungleich entwickelt hatten, und manche völlig ausgereift, andere noch grün waren. An den Pflanzen der $ nicht geimpften Reihen fand sich keine Spur eines Wurzelknöllchens vor; dagegen hatten von den 39 Pflanzen, welche in den zwei geimpften Reihen standen, 35 an ihren Wurzeln reichliche und zum Theil sehr grosse und schöne Knöllehen gebildet. Die vier Pflanzen dieser Abtheilung, welche knöllchenlos waren, standen neben einander am Ende der einen Reihe: es stellte sich heraus, dass die japanische Impferde für die zwei Reihen nicht ganz ausgereicht hatte, und diese vier Pflanzen von derselben nichts mehr erhalten hatten. Aus diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, dass die Produetion von Wurzelknöllehen an den Versuchspflanzen durch die Aufbringung der japanischen Impferde hervorgerufen worden ist, dass sich also in dieser Erde die zar Einwanderung in die Sojawurzeln geeigneten Knöllchenbacterien in lebensfähigem Zustande befunden haben müssen. Andererseits ist ersichtlich, dass die im Boden des hiesigen botanischen Gartens vorhandenen Knölichen- bacterien, in welchem seit langer Zeit zahlreiche Arten von Papilionaceen der verschiedensten Abtheilungen dieser Familie wild wachsend und enltivirt sich entwickeln und Knöllchen bilden, nicht im Stande sind, diese Organe an den Wurzeln der Sojabohne zu erzeugen. Da die Soja-Bacterien wahrscheinlich in allen europäischen Ackerböden fehlen, so dürften sich diese Papilionaceen zur Anstellung von vergleichenden Vegetationsversuchen über den Einfluss der Knöllehen auf die Entwiekelung der Pflanzen besonders gut eignen, da es genügen wird, diejenigen Pflanzen, welche knöllchenlos sich entwickeln sollen, in gewöhnlichem, die japanischen Bacterien nicht enthaltendem Boden zu erziehen, und also das umständliche Sterilisiren und die sorgfältige Verhütung einer Infeetion des Bodens wegfallen kann. Durch die angeführten Versuchsergebnisse erhält die von Beyerinck und Nobbe aufgestellte Ansicht, wonach speeifische Bacterienarten oder wenigstens biologisch verschiedene Rassen die Knöllchenbildung bei den einzelnen Gattungen und Tribus der Papilionaceen hervorrufen, eine neue Bestätigung. Um diesen Sachverhalt prägnant auszudrücken, halte ich es für das richtige, mit Beyerinck diejenigen Knöllchenbacterien, welche sich bezüglich der Hervorbringung von Knöllchen gegenseitig nicht vertreten können, für biologisch gesonderte Species anzusehen, selbst wenn sie sich durch auffälligere morphologische und Wachsthums-Merkmale nicht von einander unterscheiden lassen. Auch diejenigen Bacterien, welche die Knöllchenbildung bei der Sojabohne veranlassen, sehe ich demgemäss für eine von unsern einheimischen Knöllchenbacterien verschiedene Art an. Die besprochenen Freiland-Versuche liefern ferner eine schöne Be- stätigung der Beobachtungen von Nobbe etc.') über die geringe spontane 1) A.a. O.,S. 355. — Dieselb.: Ueber die Verbreitungsfähigkeit der Leguminosen- Bacterien im Boden. Die landwirthschaftl. Versuchs-Stationen, Bd. 41, 1892, S. 137, 218 Verbreitungsfähigkeit der Knöllchenbaeterien im Boden: war doch selbst an den 60 em von den geimpften Reihen seitlich entfernten Pflanzen kein Knöllehen gebildet worden, obgleich die Wurzeln der benachbarten Pflanzen vielfach durcheinander wuchsen, und auch in den zwei geimpften Reihen hatten diejenigen vier Pflanzen, die als Keimlinge nicht mit direet aufge- streuter Impferde in Berührung gekommen waren, keine Knöllchen produeirt. Wenn endlich an der ersten mit Topfpflanzen ausgeführten Versuchsreihe die Beobachtung gemacht wurde, dass in unfruchtbarem Lehmboden die Knöllehenbildung sicherer und reichlicher erfolgte, als in gutem Gartenboden, so steht dies mit zahlreichen Angaben früherer Beobachter im Einklang, wonach Knöllehenbildung und Assimilation von freiem Stickstoff durch die Hülsenfrüchte viel energischer und reichlicher im stickstoffarmem Boden statt- findet, als in stickstoffreichem. Gestalt und Bau der Wurzelknöllehen. An denjenigen Soja- Pflanzen, welche Wurzelknöllchen gebildet hatten, befanden sich die letzteren theils an der Hauptwurzel, zum grösseren Theil aber an Seitenwurzeln erster und zweiter Ordnung, bald nahe an der Bodenoberfläche, bald in tieferen Bodenschichten. (Vgl. Taf. I, Fig. 1.) Die Anzahl der an einem Wurzelsystem vorhandenen Knöllchen war verschieden, indessen im Verhältniss zu manchen anderen Papilionaceen') nie besonders gross; sie schwankte von 1 bis gegen 40. Dafür erreichen die Knöllchen eine sehr beträchtliche Grösse. Sie sitzen meist einzeln an den Wurzeln und haben dann eine fast kugelige, am Grunde und am Scheitel etwas abgeplattete Gestalt; wenn sie zu zwei bis mehreren dicht neben einander vorkommen, so flachen sie sich an den Berührungs- stellen etwas ab und bekommen dadurch oft ein unregelmässig-eckiges Aussehen. Ihre durehschnittliche Breite betrug 6,19 mm bei 4,83 mm durchsehnittlicher Höhe; das kleinste gemessene Knölichen war 1,8 mm breit und 1,7 mm hoch, die beiden grössten 9,6 mm breit, 7,1 mm hoch und 10,3 mm breit, 5,6 mm hoch. Die Ansatzstelle der Knöllchen an den Wurzeln ist so dünn, dass sie beim Herausnehmen der Pflanzen aus dem Boden leicht abreissen. An ihrer Oberfläche zeigen die Knöllchen eine starke, ziemlich regelmässig in der Richtung des Meridians verlaufende Runzelung, welche an frisch aus dem Boden genommenen Exemplaren durch die weissliche Farbe der Runzeln, die von der hellbraunen der dazwischen liegenden glatten Partien deutlich absticht, sehr in die Augen fällt. Der Quere oder der Länge nach durchgeschnitten, lassen die Knöllehen in ihrem Innern ein umfangreiches Bacteriengewebe von speckiger Consistenz erkennen, welches einen welligen Umriss und eine schmutzig fleischrothe, später, wenn die Erschöpfung des- selben beginnt, mehr grünliche Färbung zeigt, und häufig durch hellfarbiges, streifenartig sich hindurchziehendes Gewebe in gehirnartig gelappte Partien zerfällt. Nach aussen ist das Bacteriengewebe von einer Rindenschicht, an 1!) Nobbe ete.: Versuche über die Stiekstoff-Assimilation, S. 335, geben z. B. das Vorhandensein von 4572 Knöllchen an einer Erbsenwurzel an. 219 deren innerer Grenze die Gefässbündel eingelagert sind, umgeben, und um diese zieht sich das die Knöllchen an ihrer Oberfläche abschliessende Kork- gewebe. Im einzelnen zeigt der anatomische Bau dieser Gewebe gegenüber demjenigen anderer Papilionaceenknöllchen, wie er für zahlreiche Arten schon von verschiedenen Autoren beschrieben und abgebildet worden ist'), nur die Besonderheit, dass im Rindengewebe eine vielfach unterbrochene, ein- schichtige Lage von grossen Sklerenchymzellen mit ziemlich stark verdickter, getüpfelter Wandung eingelagert ist, welche die Festigkeit der Knöllchenhülle erhöht, und auch an erschöpften oder bereits entleerten Knöllchen als eine feste Schale zu erkennen ist. In der Flächenansicht stellen sich diese Sklerenchymnester als mehrzellige, plattenartige Complexevon unregelmässigen Umriss dar, welche durch weniger umfangreiche Lagen dünnwandiger Zellen von einander getrennt sind, sodass zwischen ihnen hindurch eine ungehinderte Communication zwischen den äusseren und den inneren Geweben des Knöllchens stattfinden kann. Der Durchmesser der einzelnen Sklerenchym- zellen beträgt 50—150 px, ihre Wanddicke 6 u; auf dem Querschnitt liegen sie in unregelmässig-einschichtigen Gruppen meist zu 2—5 neben einander, auf dem Längsschnitt zeigt die von ihnen gebildete Schicht etwas weniger grosse und weniger zahlreiche Unterbrechungen durch dünnwandiges Gewebe. Von der Korkschale ist diese Sklerenchymschicht gewöhnlich durch 2 bis 3 Lagen parenchymatischer Zellen getrennt, deren äusserste sich zum Phellogen ausgebildet hat. Die hell aussehenden Runzeln in der Korkschale rühren von dem Auseinanderreissen des Korkgewebes an diesen Stellen her, welches sonst aus seitlich aneinander schliessenden Korkzellen besteht. Auf der Innenseite der Sklerenebymschicht liegen tangential gestreckte, nach innen allmählich an Grösse abnehmende Zellen, welche direet an das Bacteriengewebe angrenzen und die Gefässbündel zwischen sich so ein- schliessen, dass diese von dem Bacteriengewebe noch durch einige Parenchym- schichten getrennt sind. Von diesem Rindenparenchym aus erstrecken sich Stränge von schmalen, Stärkekörner führenden Zellen zwischen das aus grossen, rundlichen, dünnwandigen Zellen bestehende Bacteriengewebe hinein, bei ge- nügender Breite dessen oben erwähnte gehirnartige Zerklüftung hervor- bringend. Ein Meristem ist in den Knöllchen nicht vorhanden, auch die bei zahlreichen anderen Papilionaceenknöllchen beobachteten Bacterienschläuche konnte ich nicht auffinden. Dem anatomischen Bau nach schliessen sich die Knöllchen der Sojabohne zunächstan die ebenfalls einjährigen von Phaseolus an. Die Knöllchenbacterien. Die Zellen des Bacteriengewebes sind zum grössten Theil dicht mit Bacterien vollgestopft; die letzteren haben eine stäbchenförmige Gestalt, sind meist leicht gebogen, ihre Länge beträgt 3,2—3,6 u, ihre Dicke 0,8 u; Y-förmig verzweigte Involutionsformen kommen I) Vgl. ausser den oben angeführten Arbeiten von Brunchorst, Tschirch und Beyerinck auch A. Prazmowski: Die Wurzelknöllehen der Erbse. I. — Die landwirthschaftl. Versuchs-Stationen. Bd. 37, 1890, S. 161—238. 220 nur selten vor. Die Baeterien ') nehmen Farbstoffe, wie Eosin, Fuchsin und Gentianaviolett, leicht auf und zeigen dann in ihrem Inhalt einige Körnchen von dunkler Färbung. Auf Nährgelatine liessen sie sich durch directe Ueber- tragung aus dem Knöllchengewebe züchten. Zu diesem Zwecke wurde eine wässrige Abkochung von 100 9 frischem Sojakraut auf 500 cbem aufge- füllt, derselben 0,25 °o Asparagin, 0,5 °/o Rohrzucker und 7 % Gelatine zu- gesetzt, und die ganze Flüssigkeit bis zur schwach sauren Reaction neutrali- sirt. Sowohl in Stricheulturen, wie in Platteneulturen trat eine Vermehrung der Bacterien ein, und zwar bei ersteren schneller, sodass die Colonien nach 10 Tagen als paraffinähnliche Tropfen sichtbar waren. (Vgl. Taf. I, Fig. 2.) Auf den Plattenculturen waren nach 15 Tagen zahlreiche, aber sehr kleine, für das blosse Auge unsichtbare Colonien gebildet, und erst nach 21 Tagen waren die grössten so weit herangewachsen, dass man sie mit freiem Auge eben noch erkennen konnte. Das Aussehen der Colonien stimmt mit der Beschreibung überein, welche Beyerinck und Prazmowski für ihre Culturen geben; die Bacterien haben dieselbe Gestalt, wie im Knöllchen- gewebe, bewegliche Zustände wurden nicht aufgefunden. Wenn man diese Bacterien in eine der von Beyerinck aufgestellten Gruppen?) einordnen will, so müsste man sie zu der zweiten rechnen, und hier würden sie sich am nächsten an den Phaseolus-Typus anschliesen. Wie schon oben be- merkt, halte ich es bei der biologischen Eigenthümlichkeit, dass die Soja- bacterien durch andere, welche bei den europäischen Papilionaceen-Arten Wurzelknöllchen hervorrufen, nicht vertreten werden können, für gerecht- fertigt, sie von den letzteren als eine gesonderte Art zu unterscheiden. Ob es richtiger ist, die Knöllchenbacterien, wie es Beyerinck gethan hat, in die Gattung Bacillus (Cohn) zu stellen, oder sie, wie Pramowski°) will, zu Bacterium (Ehrbg.) zu rechnen, ist schwer zu entscheiden, da die deutlich stäbchenförmige Gestalt der Zellen mehr für ersteres, der Mangel an Sporen dagegen für das letztere Verfahren spricht. Es scheinen diese Knöllchenbaeterien allerdings, wie die bisherigen Culturversuche zeigen, Sporen überhaupt nicht zu bilden, und damit fehlt ihnen ein charakteristisches biologisches Merkmal der Gattung Bacillus, sodass man sie wohl vorläufig besser in der Gattung Dactervum unterbringen wird. Noch zweckmässiger aber dürfte es sein, die Bacterien der Papilionaceen-Knöllchen in Anbetracht der wichtigen biologischen Eigenthümlichkeiten, welche sie aufweisen, zu einer besonderen Gruppe oder, wie es Frank*) vorgeschlagen hat, zu einer 1) Bei der Untersuchung und Züchtung der Bacterien hatte ich mich des Rathes und der Unterstützung des Herrn Dr. F. Lafar, Assistenten am hiesigen gährungs- physiologischen Institut und Privatdocenten an der technischen Hochsehule in Stuttgart, zu erfreuen, und spreche demselben hierfür auch an dieser Stelle meinen verbind- lichsten Dank aus. =) Die Bacterien der Papilionaceen-Knöllchen, S. 768. 3) A. a. O., S. 203. 4) Ueber die Pilzsymbiose der Leguminosen. — Berichte der Deutschen botan. Gesellschaft. Bd. 7, 1889. S. 338. 221 eigenen Gattung zusammenzufassen; nur muss dann gegen den von Frank gewählten Namen Rhizobium das formale Bedenken geltend gemacht werden, dass schon früher eine Aphiden-Gattung von Burmeister!) den Namen Zrhizobius erhalten hat, welcher bis jetzt in Geltung geblieben ist. Dieser Umstand bestimmt mich zu dem Vorschlage, den Frank’schen Namen durch den bezeichnenderen Rhizobacterium”) zu ersetzen, eine Gattung, welehe zahlreichere Arten, als die von Frank Rhizobium Legumimosarum, von Beyerinck Bacillus radieicola genannte, die einen zu weiten Umfang besitzt, umfasst. Für die von mir beobachtete und beschriebene Art, die ich Bacterium (BRhizobacterium) japonicum n. sp. nenne, ergiebt sich folgende Diagnose: Zellen stäbehenförmig, meist leicht gebogen, 3,2—3,6 u lang, 0,8 u dick, mit körnigem, bei Färbung mit Anilinfarben hervortretendem Inhalt, ohne Bewegungsvermögen ; Colonien auf Nährgelatine langsam wachsend, klein, die Gelatine nicht verflüssigend, erhabene, rundliche Tröpfehen von durchscheinender weisslicher Farbe und paraffinartigem Aussehen bildend. Lebt im Boden in Japan und bringt die Wurzelknöllehen an Soja hispida Mnch. hervor. Einfluss der Knöllehen auf die Entwickelung der Soja- bohne. Hinsichtlich der biologischen Bedeutung der Wurzelknöllchen der Sojabohne liegt die Frage nahe, ob die knöllchentragenden Pflanzen eine kräftigere Entwiekelung zeigen und einen höheren Samenertrag liefern, als die knöllchenlosen, ob also die absichtliche Züchtung der Knöllchen vielleicht für die landwirthschaftliche Praxis von Nutzen sein könnte. Da die oben besprochenen Versuche zunächst nur zu dem Zwecke angestellt wurden, um durch Impfung mit japanischem Boden die Bildung von Knöllchen an den Soja-Wurzeln überhaupt hervorzurufen, so konnte nicht erwartet werden, dass sie jene Fragen zur Entscheidung bringen würden. Die Entwickelung der in den Töpfen gezogenen Versuchspflanzen wurde wiederholt durch Aus- topfen zum Zwecke der Untersuchung des Wurzelsystemes gestört; die im freien Lande cultivirten Sojabohnen standen nicht in gleichen Abständen von einander und entwickelten sich nicht gleiehmässig, und da auch die knöllchen- losen Pflanzen in einem noch reichlich gedüngten Boden wuchsen, so liess sich von vornherein kein bedeutender Unterschied im Ertrage der beiderlei Pflanzen vermuthen. Um aber doch möglicherweise wenigstens einige vor- läufige Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen zu gewinnen, wurde ein Vergleich zwischen den knöllchenlosen und den knöllchentragenden Pflanzen in der Weise angestellt, dass von beiden Abtheilungen die dem Augenschein nach am besten entwickelten und gut ausgereiften 10 Pflanzen am 13. Oetober ı) H. Burmeister, Handbuch der Entomologie. Bd. 2, Berlin 1839, S. 87. 2) Der von J. Schroeter (Kryptogamen-Flora von Schlesien. Bd. HI, 1. Hälfte, S. 134) im Jahre 1886 den damals noch ungenau bekannten Organismen der Papi- lionaceenknöllchen beigelegte Gattungsname Phytomyxa bezeichnet gar nicht die Baeterien, sondern das für einen Schleimpilz angesehene, mit Baeterien vermischte Zell-Protoplasma der Wurzelknöllchen. 222 besonders geerntet, und die Anzahl ihrer Hülsen und Samen, sowie das Gewicht der letzteren ermittelt wurden. Dabei ergab sich, dass die beiden Abtheilungen sich weniger durch die Zahl der gebildeten Hülsen und Samen, als vielmehr durch das Gewicht der Samen von einander unter- schieden. Es produeirten nämlich die 10 schönsten knöllchenlosen Pflanzen zusammen 759 Hülsen mit 1235 Samen von einem Gesammtgewicht von 191 9, sodass also das Gewicht von 1000 Samen 154,6 g, betrug. Die 10 schönsten der mit Wurzelknöllchen versehenen Pflanzen!) trugen zu- sammen 785 Hülsen mit 1368 Samen, deren Gewicht 255 g betrug, sodass 1000 Samen 186,3 g wogen. Die 10 knöllchenlosen Pflanzen brachten also 66 9 Samen weniger, als die Knöllchenpflanzen, oder fast genau 75 % der Ernte der letzteren; das Gewicht der einzelnen Samen betrug bei den knöllchenlosen Pflanzen nur 83% von demjenigen der Samen der Knöllchen- pflanzen, und der Grössenunterschied der beiderlei Samen war in die Augen fallend. Auch die übrigen, weniger guten Knöllchenpflanzen lieferten Samen, von denen 1000 Stück 172,9 9 wogen, also immer noch ziemlich viel mehr, als die Samen der 10 besten knöllchenlosen Pflanzen. Nach diesem, wenn auch ungenauen Ergebniss, hat man Grund genug zu der Annahme, dass auch bei Soja hispida unter geeigneten Bedingungen sich Vegetationskraft und Ertrag durch die Anzüchtung von Knöllchen wird steigern lassen, und unserer Landwirthschaft vielleicht diese wichtige Culturpflanze Ostasiens nutzbar gemacht werden kann. Von diesem Gesichtspunkte aus sollen im nächsten Jahre neue vergleichende Versuche mit Sojabohnen angestellt werden, Nachdem die vorstehenden Untersuchungen im wesentlichen abgeschlossen waren, erhielt ich von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. F. Cohn, dem ich von denselben Mittheilung gemacht hatte, die Nachricht, dass die im Breslauer botanischen Garten eultivirten Sojabohnen Wurzelknöllchen besitzen, und zugleich eine Sendung von drei mit solchen besetzten Wurzeln, welche am 15. October aus dem Boden genommen waren. Diese Knöllchen hatten eine ähnliche Gestalt, wie die in Hohenheim gezüchteten, doch waren sie stärker abgeflacht, von einer dunkler braunen Farbe, mit weniger ausgeprägten und nicht hell gefärbten Runzeln, und von bedeutend geringerer Grösse; sie hatten meistens nur 2—3, das grösste 5 mm im Durchmesser. Auch der anatomische Bau der Breslauer Knöllchen war im wesentlichen der gleiche, wie derjenige der hiesigen, nur war die Korkschale von einer be- deutenderen und gleichmässigen Dicke. Bei den meisten dieser Knöllchen wurde aber das centrale Gewebe aus Zellen gebildet, welche so grosse Mengen von Stärkekörnern enthielten, dass die durchschnittenen Knöllchen !) Es stellte sich später bei der Untersuchung der übrigen Exemplare heraus, dass diese 10 „schönsten“ Pflanzen nicht auch die ertragsreichsten von allen waren, sondern von einigen minder ansehnlichen theilweise übertroffen wurden. 223 innen kreideweiss aussahen und unter Jodzusatz sich sogleich schwarz färbten. In diesen stärkereichen Zellen fanden sich nur sehr spärliche Bacterien von stäbehenförmiger Gestalt. Ausser diesen Stärkeknöllchen fand ich an einer der drei Wurzeln ein, an einer zweiten zwei Knöllchen mit dem gewöhn- lichen Bacteriengewebe im Innern; die dritte Wurzel hatte lauter Stärke- knöllehen. Ich unterlasse es vorläufig, über die Ursache und die Bedeutung dieses auffallenden Befundes, bei dem der Nutzen einer Stärkeansammlung am Ende der Entwickelung einjähriger Pflanzen unverständlich bleibt, eine Vermuthung auszusprechen; ich habe Infeetionsversuche mit diesem Knöllchen- material eingeleitet, und will hier nur darauf hinweisen, dass auch, wie von Tschirch!) angegeben wird, bei Phaseolus und Robinia sich „oftmals sehr reichlich Stärke, vom Charakter der Reservestärke, in den Knöllchen findet“; ferner, dass Frank”) bei der Erbse neben den gewöhnlichen Bacterienknöllchen auch solche nachgewiesen hat, in deren centralem Gewebe srosse Mengen kleiner Körnchen enthalten sind, die Frank für Amylodextrin anspricht. Ob diese Stärkeknöllchen einen normalen Entwickelungszustand oder eine Ausnahmebildung darstellen, ob sie durch dieselbe Bacterienart, wie die Eiweissknöllchen, hervorgerufen werden, darüber können erst weitere Untersuchungen Auskunft geben. Hohenheim, den 8. November 1393. Die. 020S.266: 2) Ueber den Dimorphismus der Wurzelknöllcheu der Erbse. — Berichte der Deutschen botan. Gesellschaft. Bd. 10, 1892, S. 170—178. Vgl. hierzu Moellers Bemerkungen, ebdas., S. 242—250 und S 568—570; ferner Frank, ebdas.,S. 390—395, Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Wurzelsystem einer in geimpftem Boden erwachsenen Soja-Pflanze mit 11 Wurzelknöllchen. 3%, nat. Gr. Fig. 2. Strich-Culturen von Rhizobacterium japonieum auf Nährgelatine. Y, nat. Gr. Beiträge zur Kenntniss der Pflanzenzellen. Von F. Rosen. Aus dem Pflanzenphysiologischen Institut zu Breslau. III. Kerne und Kernkörperchen in meristematischen und sporogenen Geweben. Mit Tafeln IIL, IV. und V. W. vor Jahren unsre Kenntniss vom Bau und den Theilungserscheinungen der Zellkerne durch die Einführung der Kernfärbemethoden eine ausgiebige Förderung erfuhr, so scheint zur Zeit das Verfahren der Differenziations- färbung für den ferneren Ausbau der Lehre vom Kern und der Zelle weite Aussichten zu eröffnen. Differenziationsfärbungen nennen wir solche Tinetionen, durch welche die einzelnen Bestandtheile der Zellen in verschiedenen Farben, und nicht nur durch verschiedene Intensitäten der gleichen Farbe heraus- gehoben werden. Die Methode der Differenziationsfärbung ist keine neue; man hat sie mit mehr oder weniger Zweckbewusstsein schon seit Jahren angewendet, und sie hat gerade denjenigen Forschern, welchen wir in erster Linie unsre Kenntniss von den Kernen der Pflanzenzellen verdanken, Stras- burger') und Guignard?) vorzügliche Dienste geleistet. Allgemeinere Aufmerksamkeit lenkten aber einige Arbeiten Leopold Auerbach’s auf die Differenziationsfärbungen. Dieser Forscher zeigte zunächst °), dass eine ganze Anzahl rother und blauer Farbstoffe bei gleich- zeitiger oder auf einander folgender Einwirkung in den Kernen thierischer Gewebe characteristische Färbungen derart hervorrufen, dass bestimmte Theile der Kerne immer roth, andere immer blau gefärbt werden; er schloss hieraus auf eine besondere Affinität, auf ein Wahlvermögen der betreffenden Kernbestandtheile den Farben gegenüber, das allerdings um so unerklärlicher 1) Strasburger, Botanisches Practikum, 32. Pensum; 1887. 2) Recherches sur le noyau cellulaire, Annales des sciences nat., ser. 6, t. 20, pag. 318; 1885. 3) L. Auerbach, Zur Kenntniss der thierischen Zellen, Sitzungsberichte der Kgl. Preuss. Acad. der Wissensch.; 26. Juni 1890, 226 erschien, als es in keiner ersichtlichen Beziehung zu der chemischen Natur der verwendeten Farbkörper stand. Nachdem Auerbach hier gezeigt hatte, dass durch Anwendung der rothblauen Farbengemische innerhalb des einzelnen Zellkerns zweierlei Inhaltskörper, die er als erythrophile und kyanophile Nucleolen bezeichnete, unterschieden werden können, so wies er in einer zweiten Schrift') nach, dass entsprechende Unterschiede in der Färbbarkeit ganzer Kerne vorkommen und zwar in den Sexualzellen der verschiedensten Thierarten. Ueberall zeigten nämlich die männlichen Kerne eine starke Bevorzugung der im Gemisch dargebotenen blauen Farbstoffe ?), während die weiblichen Sexualkerne sich in gleicher Weise roth tingirten. Er nannte daher die männlichen Kerne kyanophil, die weiblichen erythrophil und neigte der Ansicht zu, dass in dieser chromatischen Differenz der speeifische Sexualcharacter der Kerne seinen Ausdruck fände, und dass die vegetativen Kerne, welche kyanophile und erythrophile Bestandtheile in sich vereinigen, als hermaphroditisch betrachtet werden müssten ®). Die überraschenden Resultate der Auerbach’schen Arbeiten gaben mir die Veranlassung, mich nach entsprechenden Erscheinungen im Pflanzenreiche umzusehen. Es gelang mir sofort, in den grossen Kernen gewisser Liliaceen kyanophile und erythrophile Nucleolen aufzufinden und den Nachweis zu erbringen, dass der generative Kern des Pollenkorns kyanophil, der Eikern erythrophil ist*). Auch eine ganze Reihe geringfügigerer Befunde stimmte vollständig zu den entsprechenden Entdeckungen Auerbach’s und schien auch die Folgerungen dieses verdienstvollen Forschers zu bekräftigen (speciell die Annahme des Hermaphroditismus der nicht zu Geschlechtszwecken aus- gebildeten Kerne). In anderen Punkten wich ich allerdings von Auerbach ab. So beispielsweise in der Deutung der blaufärbbaren Körnehen in ge- wissen vegetativen Kernen, die ich nach der Analogie als kyanophile Nucle- olen hätte bezeichnen müssen, bezüglich welcher ich jedoch zeigte, dass sie keine Nueleolen, sondern nur denselben äusserlich ähnliche Theile des Chromatins der ruhenden Kerne seien, in welchen sie vorkommen. Ich nannte sie daher Pseudonucleolen und will, da diese Bezeichnung missver- standen worden ist, hier nochmals betonen, dass das Wort ‚‚Pseudonucleolen‘ nur zur Erleichterung der Darstellung angewandt worden ist und nicht als neuer Terminus eingeführt werden sollte. Die Pseudonucleolen sind eben keine Nucleolen und bedürfen als wenig constante Theile des Chromatin- gerüstes überhaupt keines besonderen Namens. Wenn ich in der Deutung der kyanophilen Theile der vegetativen Zellkerne von Auerbach abwich, 1) Ueber einen sexuellen Gegensatz in der Chromatophilie der Keimsubstanzen, Sitzungsbericht der Kgl. Preuss. Academie der Wissensch.; 25. Juni 1891. 2) Genau genommen gilt dies allerdings nur von den Köpfen der Spermatozoen, in welchen jedoch die als generativ wirksame Substanz allein enthalten zu sein scheint. 3) ]. c. pag. 713 und 719. #) F. Rosen, Ueber tinetionelle Unterscheidung verschiedener Kernbestandtheile und der Sexualkerne, Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, V; 1892. 227 so lag das daran, dass ich mich nicht wie dieser') auf das Studium der ruhenden Kerne beschränkte, sondern das chromatische Verhalten der Kern- substanzen während der Mitose als nothwendig zum Verständniss der Be- funde im ruhenden Kern mit heranzog. So fügte ich denn dem Satze Auerbach’s”), dass in jedem Zellkern beide Arten von Chromatinsubstanz (nämlich die kyanophile und erythrophile) gleichzeitig vertreten sind, hinzu), dass das chromatische Kerngerüst und seine Produkte kyanophil, die Nucle- olen, die Spindel- und Verbindungsfäden, sowie die Zellplatte erythrophil sind. Nachdem einmal die Erkenntniss gewonnen war, dass nur das sogenannte Gerüstwerk der Kerne, beziehungsweise der aus jenem sich bei der Karyo- kinese bildende Kernfaden kyanophil ist, lag es nahe, die Ursache dieser Erscheinung in dem Vorhandensein einer bestimmten in den kyanophilen Theilen vertretenen Substanz zu suchen, welche den erythrophilen Kernbe- standtheilen fehlen müsste. Es konnte hier nur an das Nuclein *) gedacht werden, von welchem auf botanischem Gebiet namentlich Zacharias’) nachgewiesen hat, dass es im Kerngerüst und im Kernfaden allein vorkomme, und dass es den weiblichen Sexualkernen ganz oder nahezu ganz fehle, während die männlichen Sexualkerne fast ausschliesslich aus Nuclein bestehen. Ich gab dem Gedanken, dass das Nuclein die Ursache der Kyanophilie sein dürfte, zunächst nur sehr vorsichtig Ausdruck; Zacharias erbrachte aber bald darauf den Nachweis, dass es sich in der That so verhält®). Er zeigte nämlich, dass nicht nur künstliche Nucleinpräparate aus einem ge- eigneten rothblauen Farbstoffgemisch allein den blauen Farbstoff aufnehmen beziehungsweise festhalten, sondern dass auch die verschiedensten dem Pflanzen- und Thierreich entnommenen Zellen sich in ihren nucleinhaltigen Theilen blau färben, im übrigen aber roth. „Es kann demnach auch das rothblaue Farbstoffgemisch,‘“ sagt Zacharias 1. c. „wenn es auf Gewebe an- gewendet wird, welche eine Vorbehandlung mit Salzsäure erfahren haben, mit herangezogen werden, wo es sich darum handelt, Menge und Vertheilung des Nuclein im Zellkern zu erkunden.“ Damit war die Beobachtung einer tinctionellen Differenz zwischen den Kernen der beiderlei Sexualzellen zurückgeführt auf die schon von Zacha- rias aufs nachdrücklichste betonte Thatsache einer stofflichen Verschieden- heit der Sexualkerne, und die Anschauung, dass das Wesen des Sexualaectes auf der Bildung nucleinfreier und besonders nucleinreicher Zellen (Ei- und Spermazellen) und auf einer Verschmelzung beider zu einem in Bezug auf den Nucleingehalt in der Mitte stehenden Gebilde beruhe, gewann durch die t) Zur Kenntniss der thierischen Zellen, pag. 736 ff. 2) ]. c. pag. 737. 3) ]. ec. pag. 458. 4) Bezüglich der Benennung vgl. Zacharias, Ueber Chromatophilie, Berichte der Deutsch. Bot. Gesellsch. XI, pag. 188 ff. 5) Beiträge zur Kenntniss des Zellkerns und der Sexualzellen, Botan. Zeitung 1887, pag. 281 ff. 6) Ueber Chromatophilie, 1. c. Uebereinstimmung der Befunde auf zoologischem und botanischem Gebiet viel an Plausibilität. Gleichwohl standen ihr ernste Bedenken entgegen. Es wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass die beiderlei Sexualkerne, welche, wie wir gesehen haben, vor der Befruchtung sehr auffallende stofl- liche Unterschiede zeigen, dies auch noch thun müssten, wenn sie mit einander in Contact treten und die ersten Stadien der gemeinschaftlichen, zur Verschmelzung führenden Karyokinese durchlaufen. Das ist aber be- kanntlich nicht der Fall. Vielmehr ist durch die Untersuchungen von Strasburger') festgestellt worden, dass die beiden Sexualkerne bei der Vereinigung an Grösse und Form gleich sind, und ebenso zeigen die neueren Arbeiten von Overton”) und besonders von Guignard?°), dass die auf- fallenden Unterschiede, welche die Sexualkerne ursprünglich zeigten, während des Befruchtungsactes selbst nahezu vollständig geschwunden sind. Wenn auch in diesen Fällen das Verhalten der eopulirenden Kerne gegenüber den von mir angewendeten rothblauen Farbstoffgemischen nicht speciell geprüft worden war, machte doch die Thatsache, dass die Kerne während des Sexualactes ihre frühere bedeutende Verschiedenheit in Bezug auf Grösse und mikroskopisch direet sichtbaren inneren Aufbau verloren hatten, es sehr wahrscheinlich, dass sie auch in ihrer stofflichen Zusammensetzung nicht mehr die ursprünglichen Differenzen aufwiesen, um so mehr, als ich schon früher hatte nachweisen können, dass erythrophile und kyanophile Zellkerne stets auch auffallende Unterschiede in ihrem inneren Bau, der Disposition des Kerngerüstes, in den Nucleolen, der Kernwand u. s. w. zeigen ®). Nun erscheint mir die Entscheidung, ob man auf die Verschiedenheiten der Sexualkerne vor der Befruchtung oder auf ihre (anscheinende) Gleichheit während derselben das Gewicht zu legen hat, sehr schwierig. Auf der einen Seite ist unzweifelhaft der von Zacharias”) durch die mikrochemischen Reactionen erbrachte Nachweis der stofflichen Verschiedenheit der Sexual- kerne vor der Befruchtung, welche ich ja mittels geeigneter Tinctionsmethoden bestätigt habe, geeignet, uns eine plausible Vorstellung von dem Wesen des Sexualactes und eine Erklärung der Nothwendigkeit einer Verschmelzung der Sexualkerne zu geben: nehmen wir mit Zacharias an, dass dem (erythrophilen) Eikern ein wesentlicher stofflicher Bestandtheil der übrigen Zellkerne, nämlich das Nuclein, ganz oder nahezu ganz fehlt, so ist es uns wohl verständlich, dass er sich allein nicht weiter entwickelt, sondern nur nach vorhergegangener Vereinigung mit dem sehr nucleinreichen Spermakern, welcher wieder einen Mangel an derjenigen Substanz zeigt, die der Eikern 1) Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreich nebst einem Anhang über Befruchtung, Jena 1888, pag. 234. 2) Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung und Vereinigung der Geschlechts- producete bei Lilium Martagon, Zürich 1891, Sep.-Abdr. pag. 8. 3) Nouvelles &tudes sur la f&eondation, Ann. des sc. nat. VII, 14 pag. 197. 4) ]. c. pag. 453, 5) Beiträge zur Kenntniss des Zellkerns und der Sexualzellen, Botan. Zeitung 1887, 229 besitzt, dem Plastin. Und wenn ferner beide Sexualkerne schon kurz vor ihrer Vereinigung, die ja, wie die neueren Untersuchungen (vgl. Guignard, Nouvelles &tudes) gezeigt haben, erst während der gemeinschaftlichen ersten Theilung stattfindet, stofflich gleich geworden sind, so ist es immerhin möglich, dass dieses Gleichwerden auf einem Austausch von Stoffen zwischen den beiden einander genäherten Sexualkernen beruht, welcher vielleicht schon einen Theil der Befruchtung selbst ausmacht. — Diese an sich nicht von der Hand zu weisenden Bedenken hat Zacharias zu Gunsten seiner An- schauung Guignard gegenüber geltend gemacht !). Andrerseits kann man aber auch nicht läugnen, dass die Möglichkeit besteht, dass die Differenzen in der stofflichen Zusammensetzung der Sexual- kerne trotz ihres merkwürdigen übereinstimmenden Vorkommens bei Pflanzen und Thieren nur eine begleitende Erscheinung, nicht aber die eigentliche Ursache des speciell sexuellen Characters dieser Kerne sind. Es wäre denkbar, dass der Ausfall der chemischen bezw. chromatischen Reaction der Sexualkerne abhängig wäre von bestimmten auf diese Kerne einwirkenden Bedingungen, welche in keinem directen Zusammenhang mit dem sexuellen Charakter der Kerne ständen. Es würde sich aus dieser Anschauung heraus jedenfalls leicht erklären lassen, dass der Eikern und der Spermakern so verschieden sind, solange der letztere im Pollenkorn bezw. im Pollenschlauch liegt, und dass beide gleich werden, wenn sie nebeneinander in der Ei- zelle liegen. Die Ansicht, dass die chemische und chromatische Differenz der Sexual- kerne eine andere Ursache hat, als den Sexualcharacter selbst, hat neuer- dings besonders Strasburger vertreten. In seiner Schrift: Ueber das Verhalten des Pollens und die Befruchtungsvorgänge bei den Gymnospermen ?) betont Strasburger gegenüber den Arbeiten Auerbach’s, Schott- länders°) und der meinigen nochmals die Gleichheit der copulirenden Kerne. Seiner Ansicht nach ist die Ernährung der Kerne dasjenige, was die ehromatische Reaction, d. h. den erythrophilen oder kyanophilen Character der Kerne bedingt. ‚Soweit meine Erfahrungen reichen,‘ sagt Strasburger (l. e. pag. 38) „sind die Kernfäden im Stadium der Metaphasen stets kyanophil, und von ihrer weiteren Ernährung hängt es ab, wann sie erythrophil werden und ob sie diesen Zustand überhaupt erreichen .... Wird während der Anaphase der Kerntheilung und dem weiteren Uebergang zum Ruhezustand sehr viel Cytoplasma als Nahrungsmaterial in den Zellkern aufgenommen, so erweist sich derselbe als erythrophil, und erst mit Beginn der nächsten Anaphase gelingt es ihm, diese erythrophile Nährsubstanz 1) Einige Bemerkungen zu Guignard’s Schrift: Nouvelles etudes sur la fecon- dation, Botan. Zeitung 1892, pag. 246. 2) Jena, G. Fischer, 1892. 3) Beiträge zur Kenntniss des Zellkerns und der Sexualzellen bei Kryptogamen, Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen VI. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft. II. 16 mehr oder weniger vollständig in kyanophiles Nucleoplasma überzuführen. Anders, wenn der neuentstandene Tochterkern sich in Bedingungen befindet, welche eine Substanzaufnahme aus der Umgebung einschränken oder ganz ausschliessen: dann bleibt er kyanophil. In solcher Lage sind im Thier- wie im Pflanzenreiche die männlichen Zellkerne, bei welchen es darauf ankommt, sie in einer ihren Transport zu den weiblichen Zellkernen er- leichternden, geringen Grösse und in einer bestimmten, durch die voraus- gehenden Theilungsschritte fixirten Körpermasse zu erhalten.“ Zu Gunsten seiner Ansicht weist Strasburger auf die Kerne in den Pollenkörnern der Angiospermen hin; hier ist der generative Kern kyanophil, da er nur einen schwachen Ueberzug von Cytoplasma besitzt; der vegetative Kern des Pollen- korns liegt dagegen in einer relativ reichlichen Menge von Cytoplasma und weist daher erythrophilen Character auf. Nehmen wir an, dass Strasburger in der Hauptsache Recht hat, dass also in der That die Ernährung den chromatischen Character der Kerne bestimmt, so wird man sich doch vielleicht daran stossen, dass diese Thatsache gerade an den beiden Kernen im Pollenkorn der Angiospermen demonstrirt wird. Dem Umfang nach ist freilich die generative Zelle im reifen Pollenkorn der Liliaceen (des bestbekannten Objects) sehr viel kleiner als die vegetative, aber das Cytoplasma der vegetativen Zelle ist sehr locker, mit Vacuolen und Reservestoffen ') durchsetzt, während die generative Zelle ein äusserst dichtes und infolgedessen auch staık färbbares Plasma besitzt ?), das ihr, beziehungsweise ihren beiden Tochterzellen auch im Pollenschlauch noch lange erhalten bleibt?). Auch die Annahme, dass der Kern der vegetativen Zelle, welcher sehr bald zu Grunde gehen soll, sobald nämlich diese Zelle ihre letzte Leistung, die Bildung des Pollenschlauches, vollbracht hat (oder noch früher), besser ernährt würde, als der generative Kern, dessen Theil- producten eine so ungemein wichtige Function wie die Zeugung zufällt, dürfte manchem ebenso wenig berechtigt erscheinen, als die fernere Annahme, dass der Spermakern, in die Eizelle vorgedrungen, sich bier zunächst auf Kosten des Eiplasma’s energisch ernähren lässt, wie Strasburger dies wohl postuliren muss, um das Gleichwerden der beiden Sexualkerne zu erklären, Andrerseits stimmt die chromatische Reaction der Kerne im Embryosack (auch im Endosperm) und im Nuceilus ganz zu den Ansichten Strasburgers. Diese werden endlich wohl am besten gestützt durch das Verhalten der Kerne im Pollen der von Strasburger daraufhin untersuchten Gymno- spermen; denn hier ist zwar der grosse Pollenschlauchkern erythrophil, die kleinen Prothalliumzellen aber, welche, wie jener, vegetativ sind, haben 1) Die Reservestoffe sind offenbar zur Bildung der Membran des Pollenschlauches bestimmt. 2) Vgl. meine Figur 12 auf Tafel XVI, Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen V. 3) Vgl. Guignard, Nouvelles etudes, Figuren 27, 28, 35, 36 etc. 31 kyanophile Kerne. Bei Ephedra, wo dem Pollenschlauchkern nur eine sehr geringe Plasmamenge zugehört, erwies sich auch dieser als kyanophil'). Gleichwohl darf man, wie ich glaube, die Argumentation Strasburgers nicht ohne Prüfung annehmen. Abgesehen von den schon oben geäusserten Bedenken, ist die Ernährung des Zellkerns durch das Cytoplasma doch selbst ein Vorgang, der uns kaum genügend bekannt ist, dass wir ihn ohne weiteres als Factor in die Rechnung einführen könnten; selbst die Aufnahme von Cytoplasma in die sich bei der Theilung neubildenden Kerne, an welche Strasburger wohl in erster Linie denkt, unterliegt noch der Diseussion.e Auch muss es entschieden als gewagt bezeichnet werden, aus dem Umfang des Protoplasten auf die Ernährung des zugehörigen Zellkerns zu schliessen, wie Strasburger dies thut. Zacharias betont gleich- falls ?), dass Strasburger für die von ihm behauptete schlechtere Ernährung des generativen, kyanophilen Kerns im Liliaceen-Pollenkorn den Beweis schuldig bleibe. Zacharias weist (l. ec.) auch auf das Verhalten der Zell- kerne in wachsenden und nicht wachsenden Endospermen keimender Samen hin, und man wird ihm zugeben müssen, dass die Erscheinungen hier ent- schieden nicht für die Ansicht Strasburgers sprechen. So stehen sich hier die Meinungen gegenüber. Die Schwierigkeit, eine befriedigende Lösung zu finden, beruht, wie ich glaube, zum Theil darauf, dass die chromatischen Reactionen der Sexualkerne vermuthlich der Ausdruck besonders complieirter Verhältnisse sind und erst durch den Vergleich mit einfacheren Fällen aufgeklärt werden müssten. Es wäre, meine ich, vor Allem nöthig, sich genauere Kenntnisse von den chromatischen Reactionen der rein vegetativen und der asexuell-reproductiven Kerne, und von ihren Beziehungen zu der Natur, der Function und dem Alter der zugehörigen Zellen zu verschaffen. Das sind freilich selbst schon weitgesteckte Ziele, die gewiss nicht mit einem Anlauf erreicht werden können. In der vor- liegenden Arbeit soll aber wenigstens ein Theil des Materials zusammen- gebracht werden. Es wird sich dabei keineswegs nur um die kyanophile und erythrophile Reaction der Zellkerne zu handeln haben. Vielmehr werden wesentlich auch die Structur der Kerne, die Vertheilung, Anordnung und die Umlagerungen der durch Färbungen unterscheidbaren Kernbestandtheile, sowie die stofflichen Beziehungen zwischen Kern und Cytoplasma zu berücksichtigen sein. Vor allen Dingen werden überall auch genauere Angaben über die Herkunft und den Verbleib der sog. achromatischen Kernfiguren und der Nucleolen und über die Attractionssphären, soweit solche gefunden wurden, gemacht werden müssen. Eine solehe eingehende, vergleichende Untersuchung der Zellkerne mittels geeigneter Präparations- und Tinctions-Methoden muss aber 1) Vgl. Strasburger, über das Verhalten des Pollens ete. pag. 41 ff. 2) Ueber Chromatophilie, Berichte der Deutsch. Botan. Gesellsch. 1893, pag. 1°4, 16* zur Zeit noch mancherlei Neues zu Tage fördern und alte Controversen beseitigen helfen. In einer vorläufigen Mittheilung ') über einige in vorliegender Arbeit ausführlich zu publieirende Befunde wies ich darauf hin, welches Interesse eine vergleichende Untersuchung der Zellkerne auf ihren Gehalt an Nuclein und die Umlagerungen dieses Stoffes in theoretischer Beziehung gewinnen kann. Ich erinnerte an die Ansichten von J. Sachs über die Bedeutung der embryonalen Substanz und des Nuclein ”) und auch daran, dass verwandte Begriffe (Keimsubstanz und Kernfäden) auch in den Weismann’schen Theorien eine hervorragende Rolle spielen. Es wird sich im Nachstehenden Gelegenheit bieten zu untersuchen, inwieweit die nachweisbaren Thatsachen diese Theorien zu stützen geeignet sind. Methodisches. Obwohl ich zu Zwecken der nachfolgenden Studien eine grosse Anzahl der bestempfohlenen Fixirungs- und Tinctionsmethoden durchprobirt habe, so fanden doch bei der Untersuchung selbst nur einige wenige, die bewährtesten nämlich, Verwendung. Denn es schien mir wichtig, direet vergleichbare Resultate anzustreben, und es war zu befürchten, dass die Heranziehung vieler Verfahren das Ergebniss trüben würde. Für die im Folgenden ausführlich zu besprechenden Wurzelmeristeme und andere in ihrer Consistenz einigermassen ähnliche Gewebe erwies sich als die vortrefflichste Fixirungsflüssigkeit die von Keiser”) angegebene Eisessig-Sublimat-Mischung (10 gr Quecksilberchlorid, 300 gr dest. Wasser, 3 gr Eisessig). Diese Flüssigkeit, mit der Wasserstrahlluftpumpe bei einem Druck von 1—2 em injieirt, fixirt höchst gleichmässig und veranlasst fast nie Schrumpfuugen. Die Kerne erscheinen nach der Keiser’schen Fixirung gegenüber Chromsäure-Platinchlorid-Präparaten leicht gequollen, dürften aber dem Zustand, den sie lebend hatten, näher stehen als diese. Die Eisessig- Sublimatfixage hat ferner den Vortheil, den Kernen wie dem Plasma die Fähigkeit zu Doppelfärbungen in Rot und Blau in eminenter Weise zu belassen. Gerade in dieser Beziehung übertrifft sie weit die sonst auch sehr brauchbare Merkel’sche Fixage (Chromsäure-Platinchlorid). Die übrigen probirten Fixirungsflüssigkeiten gaben weit weniger befriedigende Resultate, speciell der absolute Alkohol, der zwar die Fähigkeit zu electiven Färbungen vortrefflich erhält, in den Objeeten jedoch sehr oft Schrumpfungen hervorruft. Fast durchweg unbrauchbare Präparate gab die Keiser’sche Fixage jedoch bei den untersuchten Farnkräutern. Für diese erwies sich als ein vorzügliches Fixirungsmittel die neuerdings von Carnoy*) angegebene 1) F. Rosen, Neueres über die Chromatophilie der Zellkerne, Jahresbericht der Schles. Gesellsch. f. Vaterl. Cultur, 1894. 2) J. von Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, 1887, pag. 819 ff. 3) Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie VIII, pag. 563, Referat. *), Vgl. Zeitschr, für wissensch. Mikroskopie V, pag. 370, Anm, 233 Mischung von Alkohol absolutus (60 Theilen), Eisessig (10 Theilen) und Chloroform (30 Theilen.. Für Wurzelmeristeme war diese Flüssigkeit dagegen wieder ungeeignet. Das Waschen, Entwässern und Einbetten der Objecte erfolgte nach den von Zimmermann in seiner „botanischen Mikrotechnik“ zusammenge- stellten Verfahren. Kleine Abweichungen, die ich als Verbesserungen empfehlen kann, habe ich früher angegeben '). Die eingebetteten Objecte wurden mit dem Mikrotom meist in 5 uw dieke Schnitte zerlegt und diese dann in Serien mittels 50"o Alkohols in der Wärme aufgeklebt. Der von mir zu diesem Zweck hergerichtete Paraffinofen mit drei Temparaturen (vgl. die eben angegebene kleine Mittheilung) bewährte sich hierbei vortrefflich. Aus der grossen Anzahl der geprüften Doppelfärbungen erwies sich mir die Fuchsin-Jodgrün-Methode als die gleichmässigste und zuverlässigste; sie wurde daher an allen Objeeten angewandt. Die Ausführung geschah genau nach den Vorschriften von Zimmermann?); nur beschleunigte ich häufig die Einwirkung des Fuchsin durch gelindes Erwärmen, was sich als vortheilhaft erwies. — Gerade für diese Färbemethode eignet sich übrigens die Vorbehandlung mit Keiser’scher Flüssigkeit erheblich besser, als das von Zimmermann (l. c.) benutzte Merkel’sche Gemisch. — Die gefärbten Schnitte wurden dann mit dem von Zimmermann angegebenen sauren Jodalkohol (der möglichst wasserarm sein muss,) ausgewaschen und in Canadabalsam montirt. Diese Methode, welche bei der Untersuchung der Nuclevlen und des Chromatins stets gute Resultate giebt, empfiehlt sich nicht zum Studium der Attractionssphären und Centrosomen. Abgesehen von den von botanischer Seite hierzu angegebenen Methoden habe ich besonders das Verfahren von Martin Heidenhain verwendet, das iclı hier kurz angeben will, da es zu botanischen Untersuchungen, soweit mir bekannt, noch nieht gebraucht worden ist. Die zu färbenden Schnittserien werden mit dem Objectträger zunächst auf 2 Stunden in eine 1'2° wässrige Lösung von Eisen-Ammon-Alaun (schwefelsaurem Eisenoxyd-Ammonium) gebracht, dann kurz mit Wasser abgespült und 24 Stunden in Haematoxylin (Haemat. pur. eryst. 0,3% in aqu. dest. gelöst) gefärbt; darauf folgt eine kurze Abspülung in Leitungs- wasser und sodann Extraction der fast ganz schwarz gefärbten Schnitte mit dem oben angegebenen Eisen-Ammon-Alaun, bis das Cytoplasma ganz ent- färbt ist und das Chromatin blass bläulich erscheint. Die Nucleolen und Centrosomen sind dann noch schwarz gefärbt. Empfehlenswerth ist die Combination dieser Methode mit einer 24 Stunden andauernden Vorfärbung mit wässriger Bordeaux-R.-Lösung oder, wie ich fand, mit einer Nachfärbuug 1) Mittheilungen aus dem Gebiet der Mikrotechnik, Jahresbericht der Schles, Gesell. für Vaterl. Cultur, 1893. 2) A. Zimmermann, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzen- zelle, Band II, pag. 5, Tübingen 1893, BIER... mit Rubin $. (von der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation, Berlin). Diese letztere Tinetion hat nur 5 Minuten anzudauern; es findet in dieser Zeit schon eine erhebliche Ueberfärbung statt, die mit 50% Alkohol rück- gängig gemacht wird, bis das Cytoplasma matt rosa gefärbt erscheint. — Die tingirten Schnitte werden endlich in Alkohol (60° und absolutus) ent- wässert und mittels Xylol in Canadabalsam eingebettet. Bezüglich einiger anderer Fixirungs- und Tinctionsmethoden, die in vor- liegender Arbeit noch Verwendung gefunden haben, muss auf den Text ver- wiesen werden. Hyaecinthus orientalis. Wenn es sich darum handelt, in vegetativen Geweben die Veränderungen und Umlagerungen der Kernbestandtheile und die Beziehungen derselben zu den Leistungen und Schieksalen der Zellen selbst zu studieren, so bieten sich in erster Linie die Wurzelspitzen als Untersuchungsobjeete dar. Hier finden wir meist ein kurzes und scharf begrenztes Meristem vor; desgleichen ist die in Streekung begriffene Zone relativ wenig lang, und die Vertheilung der dauernd theilungsfähig bleibenden Zellen ist eine einfache. So müssen sich hier die Erscheinungen des Entstehens, der Ausbildung und auch — in der Wurzelhaube — des Absterbens der Zellen auf engem Raum abspielen. Unter den Wurzeln, welche ich untersucht habe, sollen zunächst die der Hyacinthe besprochen werden, da sie den einfachsten Bau zeigen. Sie sind bekanntermassen niemals verzweigt und tragen auch keine Wurzelhaare. Der Meristemkegel, welcher sich von dem reinweissen Wurzelkörper schon für das blosse Auge deutlich als durchscheinende Masse abhebt, ist je nach Alter und Entwickelungszustand 3—8 mm lang. Auf Längsschnitten sieht man, dass die Grenze zwischen dem meristematischen und dem in Streckung begriffenen Gewebe eine sehr scharfe ist, beziehungsweise, dass die Streekung, sobald sie einmal beginnt, sofort eine bedeutende Vergrösserung der Zellen bewirkt. Die Wurzelhaube ist kegelförmig, etwa "2 mm hoch; sie reicht seitlich auf 1—2"2 mm am Wurzelkörper hinauf. Ein medianer Längsschnitt durch die ganze Wurzelspitze zeigt, dass die Epidermis aus gleichförmigen Zellen besteht, die sich bis nahe an den eigentlichen Wurzelscheitel verfolgen lassen; ebenso ist das Periblem aus regelmässigen Mantellagen zusammengesetzt, die nur von den in Längs- reihen angeordneten Rhaphidenschläuchen streekenweise unterbrochen werden, nicht aber die sonst häufige seitliche Spaltung der Schichten zeigen. Die Endodermis ist leicht kenntlich, dagegen erscheint der Bau des Plerom- körpers complieirter. Alle Gewebesysteme lassen sich bis in die nächste Nachbarschaft des Scheitels verfolgen: hier aber liegt eine kleine, den Scheitel selbst einnehmende flache Gruppe von Zellen, welche Bausteine für alle Theile der Wurzel liefern. Wie gross die Anzahl dieser Zellen 235 ist, wage ich nicht mit voller Bestimmtheit anzugeben, doch sind es wohl kaum mehr als 10. Man findet an dieser Stelle fast stets Karyokinesen. Ep. End. End. SR Ar NER III Sr S Figur 1. Nahezu medianer Längsschnitt durch die Spitze des Wurzelmeristems von Hyacinthus orientalis. Die von der Initialengruppe nach aussen abgegebenen Zellen bilden, in ziemlich regelmässigen. Zellreihen angeordnet, den Kern und Scheitel der Wurzelhaube (Textfigur 1, Cal. ax); die am (seitlichen) Rande der Initialen- gruppe, also senkrecht zur Wurzelaxe, gebildeten Zellen (in der Figur durch —- bezeichnet) geben nach aussen Elemente an die Wurzelhaube, nach innen an das Periblem ab; zwischen beiden hebt sich bald das Dermatogen heraus (in der Figur durch die eingezeichneten Zellkerne markirt), in welehem dann nur noch Theilungen senkrecht zur Fiäche stattfinden. Endlich liefert die Initialengruppe noch Zellen für den Wurzelkörper; diese stellen, ohne eine deutliche Anordnung erkennen zu lassen, einen ziemlich mächtigen Complex dar, dessen seitlich gelagerte Elemente die Hauptmasse des Periblem zu bilden bestimmt sind, während die axilen dem Plerom anheimfallen, das sie ganz allein aufbauen. Es sind somit am Scheitel des Wurzelkörpers zu unterscheiden: 1) die Initialengruppe, welche allen späteren Gewebetheilen 236 der Wurzel gemeinsam ist, 2) eine Schicht, welche Dermatogen, die seit- lichen Theile des Calyptra und die äussersten Mantellagen des Periblem bildet, und 3) ein mehrschichtiger Zellkomplex, von welchem die Haupt- masse des Periblem und das ganze Plerom seinen Ursprung nimmt. Alle diese Zellen haben das gemeinsam, dass sie noch keinem Gewebesystem ausschliesslich angehören '). Innerhalb der vier Gewebesysteme des Wurzelkegels kommen dann weitere Zelltheilungen vor. Relativ selten sind diese in der Calyptra, zumal in deren axilen Theilen; seitlich von diesen findet man meist einige Karyo- kinesen, jedoch nur in den dem Dermatogen nahe benachbarten Theilen der Haube, während alle aussenliegenden Zellen der Calyptra ungetheilt bleiben und nacheinander abgestossen werden. Die Zelltheilungen im Dermatogen sind dagegen recht zahlreich; sie sind so disponirt, dass die Dermatogen- zellen sich schon nahe dem Wurzelscheitel in Längszeilen anordnen, inner- halb welcher dann fast nur nur noch Theilungen in einer Richtung, parallel der Wurzelaxe, stattfinden. Fast genau das gleiche gilt vom Periblem, das übrigens an wachsenden Wurzeln stets eine Masse von Theilungen aufweist; auch hier sind in einiger Entfernung vom Wurzelscheitel Spaltungen von Längszeilen sowohl als auch solche ganzer Mantellagen selten. Es hängt dies damit zusammen, dass der Meristemkegel dicht unterhalb seines breit- gewölbten Scheitels schun beinahe seine volle Mächtigkeit hat, und dass die, übrigens sehr unbedeutende, Dickenzunahme der Wurzel fast ausschliesslich durch Zellvergrösserung, nieht durch Zelltheilung zu Stande kommt. In der Endodermis liegen die Verhältnisse wieder genau wie in der Epidermis. Die Anordnung der Theilungen im Plerom ist complieirter und soll erst später besprochen werden. Ueber die Dauer der Karyokinese kann ich ebensowenig etwas aussagen wie darüber, wie lange der Zellkern sich in Ruhe befindet. Anscheinend besitzen bei rasch wachsenden Wurzeln beide Zustände annähernd die gleiche Dauer, da man hier etwa ebensoviele sich theilende wie ruhende Zellen findet. Langsam wachsende Wurzeln weisen dagegen so unverhältnissmässig mehr ruhende als sich theilende Kerne und Zellen auf, dass schon hieraus zu erkennen ist, dass gewisse Wachsthumshemmungen mehr das Eintreten der Zellen in die Theilung als die Dauer der letzteren beeinflussen. Wo die Vermehrung der Zellen sehr lebhaft vor sich geht, beobachtet man meist eine leicht kenntliche Periodieität der Theilungen. So zeigt uns namentlich ein Längsschnitt aus dem Periblem in einer Längszeile nebeneinander mehrere Theilungsstadien in regelmässiger Folge, wobei der fortgeschrittenste Zustand 1) Vgl. die abweichende Auffassung der Gewebebildung an der Wurzelspitze bei van Tieghem, Traite de Botanique 2itme &d. 1891, pag. 694 ff., und die mit meiner Darstellung stimmenden Angaben von Flahault (Recherches sur l’accroisse- ment de la racine chez les Phanerogames [Ann. des sciences nat., botanique, serie VI, tome VI. pag. 42—43]); die eingehendere Arbeit von Treub (Le meristeme primit. de la racine dans les Monocotyl&dones, Leyden 1876) war mir leider nicht zugänglich. 237 der Wurzelspitze zugewendet liegt. Häufig sieht man beispielsweise in einer Periblemzeile etwa 6 ruhende Zellen, dann folgen in der Richtung auf die Wurzelspitze zu nacheinander eine Zelle mit beginnender Knäuelbildung, eine weitere mit ausgebildetem Spirem, ein Kernplattenstadium, ein Diaster, zwei sich wieder abrundende Tochterkerne u. s. w. Wenn demnach in einem Kern die ersten Vorbereitungen zu einer Theilung getroffen sind, so beginnt der nächsthöher, d. h. nach der Wurzelbasis zu gelegene, gleichfalls sich zur Theilung anzuschicken; nach einer kleinen Zeit folgt der nächsthöher gelegene u. s. f. Da aber diese Kerne immer paarweise gleichalt sind, so ergiebt sich, dass der basalwärts gelegene Kern eines Paares länger ruht, als der apieale. Es ist bemerkenswerth, dass auch solche Nachbarzellen, welche verschiedenen Längszeilen angehören, selten das gleiche Theilungs- stadium zeigen. Im Dermatogen fand ich meist ein anderes Verhalten: hier sieht man sehr häufig die beiden gleichaltrigen Schwesterzellen in Ruhe und Theilung das gleiche Tempo innehalten. Uebrigens kommen im Dermatogen wie im Periblem auch scheinbar regellos vertheilte Karyokinesen vor. Ueber- haupt scheint der Zeitpunkt, wann eine Zelle sich theilt, weniger nach Alter und Zustand der Zelle selbst, (soweit diese überhaupt sehon wieder oder noch theilungsfähig ist), als nach dem Bauplan des ganzen Organes geregelt zu sein. Bei der nicht allzu bedeutenden Länge und Dicke des Meristemkegels der Hyaeinthenwurzel gelingt es ohne Schwierigkeit mit Hilfe des Mikrotoms Längsschnitte anzufertigen, welche das ganze Meristem und noch einen beträchtlichen Theil des in Streckung begriffenen Gewebes aufweisen. Solche Schnitte, der Blau-Rot-Färbung unterworfen, zeigen, dass die Grenze des Meristems nicht nur aus der Grösse und Configuration der Zellen, sondern ausserordeutlich deutlich auch aus Lage, Form und Bau der Zellkerne abgelesen werden kann. Denn während die Kerne im Meristem das Centrum der Zellen einnehmen, umgeben und getragen von einem mächtig entwickelten Protoplasten, so rücken sie ausserhalb des Meristems, nach Ausbildung der grossen Zellsafträume, in wandständige Stellungen ein; dabei wird ihre Gestalt, vordem ein mehr oder minder regelmässiges Umdrehungsellipsoid, einseitig abgeplattet, also linsenförmig, der Wand angepresst. Wesentlicher sind aber die Veränderungen, die im Bau der Kerne vor sich gehen, wenn sie aus dem Meristem austreten. Die Zimmermann’sche Fuchsin-Jodgrün- Färbung ist sehr geeignet dies zu zeigen. Anffallend ist zunächt, dass das Gerüstwerk der Kerne sich im Meristem lebhaft blau gefärbt zeigt, ausserhalb desselben jedoch nur violett. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass dieser in die Augen springende Färbungsunterschied mit bedeutenden Aenderungen im Aufbau der Kerne Hand in Hand geht. Der ruhende Meristemkern besitzt keine deutliche Kernmembran, aber sein Inneres ist bis auf die Höfe, in welchen die grossen Nucleolen liegen, ganz erfüllt von einem äusserst zarten und dichten Maschen- und Körnchenwerk, in welchem keinerlei gröbere Stränge, Fibrillen etc. sichtbar sind (Tafel II. Fig. 1). Dem gegen- 238 über hat der Kern ausserhalb des Meristems eine deutliche, manchmal streckenweise eingebuchtete Kernmembran und ein strängiges, ungleichförmig vertheiltes Gerüstwerk, dem nicht die Fähigkeit innewohnt, das im Farbstoff- gemisch dargebotene Blau so leicht aufzunehmen oder so energisch festzu- halten wie das feinkörnige Chromatin des meristematischen Kerns (Tafel II, Fig. 2). Im Vergleich zu diesem letzteren erscheint der in den Dauerzustand übertretende Kern substanzarm. Aber es hat sich doch weniger die Quantität des Kerninhalts verändert, ‚als seine Qualität; die zahllosen winzigen dem feinen Gerüstwerk der Meristemkerne eingebetteten Körnchen suchen wir ausserhalb des Meristems vergebens; auf ihrem Vorhandensein oder Fehlen beruht die Gesammtfärbung des Kerns. Diese Körnchen sind aber, wie Färbung und Verhalten bei der Karyokinese übereinstimmend zeigen, die nucleinhaltigen Kernbestandtheile, vielleicht überhaupt Nucleinkörner selbst. Auf diese ungemein characteristischen Umänderungen des Kerninhaltes bei der Hyacinthenwurzel hat schon Frank Schwarz') hingewiesen. Die Roth-Blau-Färbung giebt uns ein Mittel an die Hand, diese Unterschiede der Kerne im Meristem und im Dauergewebe ebenso bequem wie drastisch nach- zuweisen und im Entstehen zu verfolgen. Es wurden beispielsweise auf einem Öbjectträger Schnitte durch den ganzen Meristemkegel und das an- stossende Streckungsgewebe und solche aus ausgewachsenen Wurzelstücken zusammen aufgeklebt und gefärbt; und hier, wo ein verschiedenartiges Ein- wirken der färbenden Medien ganz ausgeschlossen war, erschienen die Kerne theils fast rein blau (Fig. 1), theils violett oder selbst rosenroth (Fig. 2). Das spärliche Nuclein im Gerüstwerk der Kerne des Dauergewebes vermag nämlich den blauen Farbstoff kaum festzuhalten, wenn die meristematischen Kerne schon blau überfärbt werden. So zeigt die Farbreaction das Alter der Kerne und damit der Zellen an, oder genauer, lehrt uns, ob die Zellen einer regen Vermehrung fähig sind oder nicht. Die Meristemkerne weisen in der Hyacinthenwurzel eine wechselnde Anzahl von Kernkörperchen auf. Wo diese Zahl klein ist (1—2), sind die Nucleolen auffallend gross; sind mehr Nucleolen vorhanden, so füllen sie gleichfalls, zusammengenommen, einen nicht unerheblichen Theil des Kernraumes aus. Alle Nucleolen mit Ausnahme der kleinsten liegen in besonderen Höfen, scheinbar inhaltsfreien, meist genau kugeligen Räumen. Man kann diese als Kernvacuolen bezeichnen, wenn auch eine eigene Vacuolenwand nicht zu beobachten ist; es werden die Nucleolenhöfe vielmehr nur von dem sich hier besonders verdichtenden Kernmaschenwerk umgrenzt. Selten gelingt es, Fädchen oder Fibrillen aufzufinden, die den Nucleolus mit den Kern- maschen in Verbindung setzen (Fig. 1); gleichwohl muss das Kernkörperchen in seiner scheinbar schwebenden Lage wohlbefestigt sein, da es auch bei dem Fixiren und Einbetten, trotz des verschiedenen specifischen Gewichtes der 1) Die morphologische und chemische Zusammensetzung des Protoplasma’s (Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, V, pag. 82 ff), 239 es während dieser Procedur umgebenden Flüssigkeiten, stets seine Lage im Centrum seines Hofes bewahrt. In meiner schon oben erwähnten vorläufigen Mittheilung über einige der hier zu besprechenden Beobachtungen ') hatte ich angegeben, dass die Kerne und Kernkörperehen des Wurzelmeristems der Hyaeinthe, ausser den unmittel- bar am Scheitel gelegenen, relativ (d. h. im Verhältniss zu den zugehörigen Zellen) und absolut grösser seien als diejenigen der ausgewachsenen Gewebe. Zacharias zog diese letztere Angabe auf Grund seiner eigenen wie anderer Untersuchungen in Zweifel”). Ich habe diese Punkte daher einer erneuten Prüfung unterworfen, wobei sich entsprechend meinen ersten Angaben folgendes ergab. Die Kerne der gemeinsamen Hauben- und Wurzelinitialen sind nahezu kugelig und besitzen 11,5 oder meist 12 w Durchmesser. Die allerjüngsten Epidermiszellen, dicht unter dem Scheitel des Vegetationskegels zeigen erheblich grössere, längsgestreckte, eiförmige Kerne, deren Axen im Durchschnitt 12 und 25 vw messen. Sodann runden sich die Epidermiskerne wieder ab (Durchmesser 14 u), um auf halber Höhe des Meristemkegels quer-eirund zu werden, wobei sie sich allmählich erheblich verkleinern (Axen $ und 12 u). In dem in Streckung begriffenen Gewebe haben die Epidermis- kerne dieselbe grösste Dicke und nehmen an Länge meist noch etwas zu; da sie aber nicht mehr die Form von Umdrehungsellipsoiden besitzen, sondern linsenförmig gegen den Rand hin auslaufen, oder, in der Profilansicht, sogar zugespitzte Spindelgestalt erhalten, so muss ihr Volumen gleichwohl nicht un- erheblich geringer werden. — Die Periblemkerne nehmen auch anfangs bedeutend an Grösse zu; am Scheitel des Meristemkegels selbst kugelig (Durchmesser 12»), sind sie bald darauf längsgestreckt (9—10:16—22 u), seltener rundlich (12:14 u); im ältesten T'heil des Meristems haben sie schon erheblich an Grösse abgenommen (9'2: 102 u); im Streekungsgewebe nimmt zwar ihr grösster Umfang wieder zu, da aber die Profilansicht hier wiederum statt der Eiform eine mehr oder weniger ausgezogene Spindelform aufweist, so ist das Volumen auch hier als geringer anzuschlagen als vordem. Es ergiebt sich somit für diese beiden Gewebearten anfangs eine sehr rasch erfolgende Volumzunahme der Kerne, welche dicht unter dem Meristemscheitel schon ihren Höhepunkt erreicht; dann bis zur Meristemgrenze eine allmähliche aber bedeutende Volumabnahme, und endlich im Streckungsgewebe eine Gestaltveränderung, welche wieder die Vergrösserung einer oder zweier Axen bewirkt, die aber zum mindesten nicht mit einer Volumzunahme ver- bunden ist. Zwischen den Kernen des Streckungsgewebes und denjenigen der ausgewachsenen Theile konnte ich keine Grössenunterschiede auffinden. — Die Kerne im Plerom und in den Rhaphidenschläuchen zeigen, da sie alsbald besondere Beziehungen zu den Aufgaben der Zellen, in welchen sie 1) Neueres über die Chromatophilie ete. 2) E. Zacharias: über Beziehungen des Zellenwachsthums zur Beschaffenheit des Zellkerns, Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft XII, Heft 5, 1894. 240 liegen, erkennen lassen, ein com- plieirteres Verhalten, auf das unten näher eingegangen werden soll. Entsprechendes wie von den Kernen gilt auch von den Nucleolen. Auch sie sind in den indifferenten Zeilen, welche den Scheitel des Vege- tationspunktes einnehmen, noch nicht von der Maximalgrösse, die sie jedoch sehr bald erreichen und von welcher sie ganz allmählig und keineswegs ganz gleichmässig herabsinken. Ich gebe hierdiegefundenen Zahlenwerthe nicht an, weil ihre Verständlichkeit dureh die gleichzeitig eintretende Zer- theilung der Nucleolen beeinträchtigt wird. Da, wo wir statt einesgrösseren mehrere kleinere Nucleolen vorfinden, werden wir zunächst immer geneigt sein anzunehmen, dass die Gesammt- menge der Nucleolarsubstanz sich nicht vermindert sondern eher ver- mehrt hat. Es liegt dies daran, dass wir schon bei binocularem Sehen ein sehr schlechtes Schätzungsvermögen für das Verhältniss der Inhalte ver- schieden grosser Kugeln besitzen. Ganz allgemein unterschätzt man das VolumengrössererKugeln im Verhält- niss zu demkleinerer. Dass beispiels- weiseeineKugel vom Radius 5fastden doppelten Inhalt hat, wie eine andere vom Radius 4, wird ohne Messung ebensowenig jemand schätzen, wie dass 8 Kugeln vomRadius1 zusammen den Inhalt einer Kugel vom Radius 2, oder 64 den Inhalt einer Kugel vom Radius 4 besitzen'),. Bei dem mikroskopischen Sehen, wo uns noch weniger die Körperlichkeit des Ge- sehenen zum Bewusstsein kommt, Figur 2. Vgl-den Text, taxiren wir noch schlechter. Daher ’) Da die Inhalte der Kugeln sich verhalten wie die Kuben ihrer Radien. 241 entsteht fast mit Nothwendigkeit der Irrthum, dass wir beispielsweise das Volumen mehrerer kleiner Nucleolen für grösser halten, als das vielleicht viel bedeutendere eines Nucleolus mit grösserem Radius. Die nebenstehenden Figuren werden diese optische Täuschung demonstriren; sie stellen schematisch drei gleichgrosse Zeilkerne dar, in welchen die weiss gelassenen Nucleolen das gleiche Volumen haben. Jeder unbeeinflusste Beschauer wird das Volumen der kleinen Nucleolen für grösser halten als das des grossen. Die Schwierigkeit, den strieten Nachweis zu führen, dass die Kerne der Meristemzellen, abgesehen von denjenigen der apicalen Initialen-Gruppe grössere Nucleolen haben, als die ausserhalb des Vegetationskegels gelegenen, wächst auch noch deshalb, weil wir nur eine geringe Minderzahl von Meristem- kernen in vollständiger Ruhe finden: der Process der Theilung beeinflusst nämlich, wie unten erörtert werden wird, die Nucleolen in Gestalt und Anordnung länger als den Rest des Kernes. — Es könnten somit bezüglich der Volum-Zu- oder Abnahme bei den Nucleolen gewisse Zweifel bestehen bleiben, wenn uns nicht die Calyptra in ganz exquisiter Weise die gewonnenen Resultate bestätigte. Die Wurzelhaube giebt uns in abgekürzter Form den ganzen Lebensgang der Zelle und des Zellkerns. Auf engstem Raum finden wir hier die Phasen des Zellenlebens neben einander, das Werden, das Wachsthum, die Vermehrung, gewisse andere Leistungen der erwachsenen Zelle und endlich das Absterben. Auf das Verhalten der Zellkerne in der Calyptra wird daher unser Interesse in erster Linie zu lenken sein, und die überaus klaren und eindeutigen Resultate, die wir hier gewinnen, werden uns helfen, die etwas complicirteren Verhältnisse im Wurzelkörper richtig aufzufassen. Die Wurzeihaube von Hyacinthus. Schon oben wurde angedeutet, dass der Ursprung der Wurzelhaubenzellen ein doppelter ist, indem die axilen Theile der Calyptra direct aus jener mehrfach erwähnten Initialen- gruppe hervorgehen, die den eigentlichen Scheitel des Wurzelkörpers einnimmt, während die seitlichen Haubentheile aus dem der Calyptra, dem Dermatogen und dem Periblem gemeinsamen Zellschicht gebildet werden, die sich ihrer- seits von den Randpartieen der Initialengruppe ableitet. Der axile Theil besteht aus einer kleinen Anzahl von regelmässigen Zellreihen, deren Elemente, anfangs tafelförmig (Textfigur 1 und Tafel II, Fig. 3), sich sehr bald soweit strecken, dass sie etwa doppelt so lang als breit werden. Die einzelnen Zellen dieser axilen Reihen sind ziemlich regelmässige 5—6 seitige Prismen und präsentiren sich auf dem Längsschnitt als Rechtecke. Die lateralen Theile der Calyptra legen sich dem Wurzelkörper weit an; auf der anderen Seite verlaufen ihre Schichten ceonvergent gegen die Spitze der Haube, wo sie mit den axilen Zellreihen zusammenstossen und mit diesen gemeinsam die letzte, mässig gerundete Endigung der Haube bilden. Nicht nur in Bezug auf Ursprung, Form und Anordnung unterscheiden sich die axilen Haubenzellen von den lateralen, sondern auch in ihren Kernen und dem sonstigen Zellinhalt. Zuerst ist hier des Vorkommens von Stärke 242 zu gedenken, das einigermassen ungewöhnlich erscheint. Denn sowohl dem Wurzelkörper wie auch den lateralen Haubenzellen fehlt die Stärke völlig, während die axilen Calyptrazellen stärkereich sind. Die Initialenzellen, welche dem Wurzelkörper und der Haube gemeinsam sind (Tafel II, Fig. 3 ı\, lassen keine Stärke erkennen; die von diesen gegen die Haube abgegrenzten Zellen zeigen dagegen schon einige winzige Stärkekörnchen, die kugelig sind und scheinbar jn einer Vacuole liegen (an Präparaten, die nach Zimmer- mann’s Jodgrün-Fuchsin-Methode gefärbt und in Canada eingebettet sind; — die Stärkekörner zeigen hier eine gehr haltbare Färbung in Rothbraun, die von dem zum Auswaschen benutzten Jodalkohol herrührt —); in den folgenden Zellen der Reihen vermehrt sich die Menge der Stärke rasch, und es beginnen zusammengesetzte Körner aufzutreten, die bei nahezu kugeligem Umriss aus 2, 3 und mehr Theilstücken bestehen (Tafel UI, Fig. 3). Nahe der Wurzelhaubenspitze finden wir die Stärkebildung am weitesten vorge- schritten: es sind nur noch wenige einfache Körner zu beobachten, die meisten sind aus 4—6 Theilstücken zusammengesetzt, auch haben die Körner an Grösse sehr zugenommen {Tafel II, Fig. 4). Reichlich ist die Stärke jedoch nur in den mittleren Zellreihen, während die mehr seitlich gelegenen viel kleinere Körner führen, und die lateralen Haubenzellen, auch diejenigen, welche sich an der Formation der Haubenspitze mit betheiligen, stärkefrei erscheinen. Pıäparate, die nach der von Zimmermann!) angegebenen Ammoniak-Fuchsin-Methode behandelt waren, machten es mir im höchsten Grade wahrscheinlich (zu einem abschliessenden Urtheil konnte ich an meinem hierfür nicht richtig vorbehandelten Material nicht kommen), dass weder in den lateralen Haubentheilen, noch im Wurzelkörper selbst die Stärkebildner fehlen, und dass hier blos die Production von Stärke auf ein Minimum redueirt bleibt. Im Warzelkörper mag ein inneres Hinderniss der Stärke- bildung entgegenstehen, während in den lateralen Haubenzellen die Stärke, kaum niedergeschlagen, wieder aufgelöst und bei der Bildung der gelatinösen Membranmassen verbraucht werden mag, welche diese Zellen auszeichnen. Ich schliesse dies daraus, dass mir neben zahlreichen Wurzeln, die das oben besprochene Verhalten aufwiesen, auch einmal eine begegnete, welche in den lateralen Haubenzellen zahlreiche aber winzige Stärkekörner führte. Vermuthlich war dies eine Wurzel, welche eine mechanische Wachsthums- hemmung erfahren hatte, wie dies bei der Cultur in Blumentöpfen oft vor- kommt; da ich zu meiner Untersuchung nur kräftig wachsende Wurzeln zu wählen bestrebt war, so ist es erklärlich, dass mir solche Hemmungsbildungen so selten zur Beobachtung kamen. Bemerkenswerth ist ferner, dass die Stärkekörner, die bei ihrem ersten Auftreten in den noch tafelförmigen Haubenzellen beliebig vertheilt sind, bald in den unteren Theil der Zelle sinken, wo sie sich allmählig zu diehten Haufen ansammeln (Tafel II, Fig. 3 und 4). Sie werden also vom Proto- 1) A. Zimmermann, Botanische Mikrotechnik, pag. 189. 243 plasma nicht vollständig getragen. Letzteres bildet — wiederum nur in den axilen Zellzeihen —- prächtige, vielverzweigte Netze, die einer Wand anliegend, sich mit einander durch lange, quer durch die Zelle ausgespannte Plasmafäden verbinden (Fig. 3 unten). Die Zellen der Calyptra zeigen nur wenige Theilungen, die überdies in den axilen Zellreihen ebenso wie in den am Wurzelkörper emporwachsenden Theilen (mit Ausnahme der innersten Zellschicht) gänzlich fehlen. Unmittel- bar nach ihrer Bildung gleichen die Kerne der Haubenzellen nahezu völlig den benachbarten Kernen des Wurzelkörpers, bald aber treten, gleichzeitig mit dem Verlust der Theilungsfähigkeit, bedeutende Veränderungen auf. Für die Kerne der axilen Zellen bestehen diese in Folgendem. Der vordem nahezu kugelige Kern (Taiel II, Fig. 3) wird unregelmässig ausgebuchtet (Fig. 4), oft eckig oder abgeplattet; die Kernmembran, die anfangs kaum nachzuweisen war, wird nunmehr derb; das chromatische Gerüst wird grob- fädig und beginnt weite Maschen zu bilden, sodass der Kern bald einen mageren substanzarmen Eindruck macht. Gleichzeitig theilen sich die Nucleolen, verringern ihr Volumen und verlieren die typischen, wohlum- grenzten Höfe; ihre Reste sind endlich schwer nachweisbar, da sie sich nur sehr schwach tingiren (Fig 4); endlich findet das Absterben, das sich durch das gänzliche Zusammenfallen des Zellinhaltes zu erkennen giebt, rasch statt. Noch ceharacteristischer ist das Verhalten der Zellkerne in den lateralen Partien der Haube. In dem Theile der Calyptra, welcher sich dem Wurzel- körper bis zu ziemlicher Höhe hin anschmiegt, finden sich nur wenige Zell- lagen (6—1), von welchen wiederum die innerste die jüngste ist. Hier sieht man daher in den successive einander überlagernden Schichten unmittelbar beisammen Zellen und Kerne sehr verschiedenen Lebensalters. Unsere Figur 5 (Tafel II.) stellt eine solche Partie dar; wir sehen da bei #p drei Dermatogenzellen mit ihren typischen grossen Meristemkernen und links von diesen 5 Reihen von Haubenzellen. Die der innersten Schicht sind noch einer gelegentlichen Theilung fähig: einzelne Kerntheilungsfiguren, welche der Wurzelaxe parallel orientirt sind, finden sich hier nicht grade allzu selten. Die übrigen Schichten zeigen, soweit meine Beobachtungen reichen, in dem der Wurzel nach oben anliegenden Theile der Haube niemals Zelltheilungen. Die Zelikerne in dieser Region liefern uns sehr lehrreiche Bilder, auf die schon oben hingewiesen worden ist. Wenn wir in den Kernen der Dermatogenzellen in typischer Form die Charactere meristematischer Kerne finden, so erkennen wir in der innersten Schicht der Haubenzellen gleich- falls noch meristematische Kerne. Sie unterscheiden sich von denjenigen des Dermatogen zwar durch ihre geringere Grösse, ihre gestrecktere Gestalt, welche übrigens von der Form dieser langgestreckten Zellen gewiss beein- flusst ist, und dadurch, dass sie wohl nie blos einen Nucleolus aufweisen, was für die in vollständiger Ruhe liegenden Dermatogenkerne characteristisch ist (Fig. 5, links oben). Doch besitzen die Kerne dieser noch theilungs- 244 fähigen innersten Zellen der Haube noch eine reichliche Menge Nuclein, wie ihre lebhaft blaue Färbung verräth; auch ist das Gerüstwerk noch eng- und zartmaschig, sodass es wegen der vielen eingelagerten Nucleinkörnchen im Ganzen — wie bei den Meristemkernen — einen körnigen Eindruck macht; sodann ist eine eigene Kernmembran noch nicht nachzuweisen und die 2—3 Nucleolen liegen in wohlausgebildeten Höfen. Die Kerne der nächstäusseren Schicht sind schon erheblich anders gebaut. Sie sind an einem oder an beiden Enden zugespitzt; zeigen ein mehr strängiges Gerüst- werk, das sich violett statt blau färbt, weisen eine bedeutendere Zahl von Nucleolen auf (5—7), welche nur schwach ausgebildete Höfe haben. Die Kernmembran wird sichtbar, zumal an den zugespitzten Enden der Kerne. — Weiterhin werden die Kerne noch ausgesprochener spindelförmig mit spitz auslaufenden Enden; das Gerüstwerk wird immer strängiger; die Höfe der zahlreichen Nucleolen verschwinden mehr und mehr; das Gesammtvolumen der Kernkörperchen sinkt rasch immer weiter herab. In den äussersten Zellen endlich finden wir Kerne, die in allem den direeten Gegensatz zu den Meristemkernen darstellen; statt wie dort rundlich zu sein, sind sie unsymmetrisch-spindelförmig mit zwei langen, äusserst fein ausgezogenen Enden, die ausschliesslich aus der Substanz der jetzt sehr derben Kern- membran zu bestehen scheinen, welche auch im Uebrigen den Kern con- tinuirlich umgiebt. Das Gerüstwerk besteht nur noch aus derben, lockeren Maschen, die gequollen erscheinen und sich schwer tingiren; eingestreute blaufärbbare Körnchen sucht man vergebens. Die Reste der bis auf winzige Pünktchen aufgelösten Nucleolen liegen im Maschenwerk regellos zerstreut und zeigen keine Spur von Höfen mehr; die Nucleolarsubstanz ist neben fortgeschrittener Zertheilung bis auf ein Minimum redueirt. In den Kernen der successiven Schichten, welche die seitlichen Partieen der Haube bilden, finden wir also dieselben Charactere, die uns schon im Wurzelkörper als typisch für das Altern der Zellkerne entgegengetreten sind, in der überraschendsten Deutlichkeit wieder. Es documentirt sich dieses Altern der Zellkerne, um das Gesagte nochmals kurz zusammenzufassen, in Folgendem: 1) Der Nucleingehalt nimmt ab; 2 2) das Gerüstwerk wird derbsträngig und weitmaschig; 3) die Kernmembran wird deutlich, und in Verbindung hiermit gewinnen die Kerne das Vermögen andere als kugelige und kugelähnliche Formen anzunehmen; 4) die Nucleolen werden zertheilt und nehmen an Gesammtmasse ab; 5) die Nucleolenhöfe verschwinden ; 6) die Gesammtmasse des Kerns wird geringer; (ob immer?) Diese Charactere, die am wenigsten deutlich an den Kernen des er- wachsenen Wurzelkörpers hervortreten, lassen sich um so überzeugender in der Calyptra ablesen und zwar hier am klarsten in den lateralen Partien, die nicht, wie die axilen, beim Eindringen in den Boden durch die hierbei 245 nothwendig eintretende Reibung abgestossen werden, bevor sie die Kern- umwandlung bis zum Extrem durchgemacht haben. Im Obigen ist wiederholt betont worden, dass die meristematischen Kerne kyanophil sind im Vergleich zu den erythrophilen Kernen der nicht theilungsfähigen Zellen. Aber diese kyanophilen und erythrophilen Kerne stimmen doch keineswegs völlig mit den entsprechenden Sexualkernen (z. B. der Liliaceen) überein: sie unterscheiden sich von diesen durch ihre Nucleolen. Die kyanophilen Spermakerne (sowie auch die Kerne des Nucellus) zeigen kleine, oft ganz verschwindende Nucleolen ohne Höfe; die kyanophilen Meristemkerne dagegen grosse umhöfte Nucleolen. Die erythrophilen Kerne des Meristems unterscheiden sich wiederum dadurch von jenen der Sexualzellen, dass sie typisch kleine Nucleolen aufweisen; die Höfe schwinden hier wie dort. Strasburger wollte, wie wir in der Einleitung sahen, die Farben- reaction der Zellkerne auf ihren Ernährungszustand zurückführen. Seine Ansichten hierüber leitete er jedoch wohl nur von den untersuchten Sexual- zellen ab, ohne beispielsweise die Wurzelhaubenkerne zu berücksichtigen. Denn es spricht doch wohl nichts dafür, dass die Kerne der dem baldigsten Untergange geweihten äussersten Haubenzellen besser ernährt werden, als die des Meristemkörpers der Wurzeln, von welchen sie schon durch gallertig werdende Membranen halb isolirt sind: und trotzdem werden sie erythrophil. Die kyanophile Reaction hängt nach Strasburger von zwei verschiedenen Ursachen ab, einmal schlechter Ernährung der Zellkerne und andrerseits von begonnener oder noch nicht zu Ende geführter Theilung'). Was den letzten Punkt angeht, so wird man Strasburger hierin nicht nur beistimmen, sondern den Satz dahin erweitern müssen, dass Kerne von Zellen, die sich in rascher Folge theilen, die kyanophile Reaction überhaupt dauernd behalten; ja, es lassen sich Gründe dafür an- führen, dass nicht nur das actuelle Aufhören der Zelltheilungen, sondern auch der Verlust der Theilungsfähigkeit, die Umwandlung der kyanophilen Kerne in erythrophile veranlasst. Zu dem anderen Punkt — kyanophile Kernreaction wegen geringer Ernährung — sind die schon in, der Einleitung erwähnten Bedenken auch hier wieder ‚geltend zu machen; wir wissen doch zu wenig über die Ernährung der Zellkerne durch das Cyto- plasma. Es ist ja möglich, dass die Meristemkerne im Verhältniss zu ihrer unaufhörlichen und dabei nicht mit Verkleinerung verbundenen Ver- mehrung schlecht ernährt werden. Wenn aber unter der Ernährung der Zellkerne nicht ein intermicellarer Vorgang, sondern, wie Strasburger will (l. c.), eine direete Aufnahme von Cytoplasma bei der Karyokinese verstanden wird, so ist nicht einzusehen, wie die Meristemkerne, die, da I) „Wir könnten diese kyanophile Reaction der Zellkerne geradezu als die karyokinetische bezeichnen“ (Strasburger, Ueber das Verhalten des Pollens ete. pag: 38). Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft II, 17 246 sie sich unaufhörlich theilen, ständig Gelegenheit haben, sich durch Auf- nahme von Cytoplasma zu ernähren, gleichwohl schlechter genährt sein sollen, als solche Kerne, die sich überhaupt nicht mehr, oder doch nur sehr selten theilen. Speeialzellen im Wurzelkörper der Hyacinthe. Unter den im übrigen sehr gleichförmigen Zellen des Periblem heben sich schon ungemein früh, oft dicht unter dem Scheitel des Meristemkegels, die Rhaphidenzellen durch ihre Grösse, ihre gestrecktere Form und durch ihren Inhalt hervor. Ihr frühes Auftreten, sowie ihre reihenförmige Anordnung ist auch von G. Kohl!) erwähnt worden. Sie mögen als Schutzorgane gegen die An- griffe von Erdschnecken und anderen Thieren der Hyaeinthe nützlich sein ?). Der Umstand, dass die Rhaphiden sich schon in den Theilen der Wurzel- spitze fertig ausbilden, welche noch von der Wurzelhaube und deren gallertigen Membranen?) gegen Frassbeschädigungen geschützt sind, würde bedingen, dass auch die jüngsten, zartesten Theile der Wurzel sich schon im Besitz eines wirksamen Schutzmittels befinden. Inwieweit die Wurzeln als unterirdische Organe derartiger Schutzeinrichtung bedürfen, beziehungs- weise gegen welche Feinde, wäre ürigens noch zu untersuchen. — Die Zahl der Rhaphidenzellen ist bei verschiedenen Hyacinthenwurzeln recht ungleich und mag von den Vegetationsbedingungen der Wurzeln und von der Natur der Hyaecinthenspielart abhängen. Noch vor dem ersten Sichtbarwerden von Oxalatnadeln erkennt man bei aufmerksamer Prüfung die zukünftigen Rhaphidenzellen an ihrem Inhalt, einem stark entwickelten Protoplasten und einem Kern von stattlichen Dimensionen, dessen Nucleolus — meist ist hier nur ein einziger vorhanden, — besonders gross ist. Die Rhaphiden entstehen inmitten des Protoplasma- körpers*). Der Zellkern liegt anfangs seitlich, neben dem in der Längs- richtung der Wurzel orientirten Nadelbündel; später rückt er an eine der Kurzseiten der Zelle und nimmt hier, anscheinend an die Wand gedrückt, eine Ecke ein, indem er sich in seiner Gestalt dem vorhandenen Raum ziemlich genau anpasst und stets nach dem Zelllumen hin abgeplattet wird. Inzwischen tritt das Cytoplasma gegen den sich bildenden farblosen Rhaphidenschleim mehr und mehr zurück; sobald die Crystalle fertig aus- gebildet sind, stehen sie in keiner Berührung mehr mit dem Protoplasma. Endlich geht Kern und Plasma ganz zu Grunde. Die Umwandlungen, welche die Zellkerne bei diesen Processen erleiden, sind anfangs nicht sehr auffällig; immerhin ist die bedeutende Vergrösserung der Nucleolen und ihrer Höfe bemerkenswerth. Es scheint, als ob die Nucleolarmasse in diesen Kernen keine Verwendung mehr findet und sich 1) Anatomisch-physiologische Untersuchung der Kalksalze und Kieselsäure in der Pflanze, 1889, pag. 92—93. 2) Vgl. E. Stahl, Pflanzen und Schnecken, pag. 80 ff. 8) cfr. Stahl, 1. c. 4) G. Kohl, 1. ce. pag. 37 fe. 247 daher in grösserem Massstab als in anderen Kernen ansammelt; sie wird auch bei dem baldfolgenden Absterben der Zellkerne noch unverändert vor- gefunden. Die letzteren selbst verkleinern sich dagegen sehr bedeutend, und hieran mag es wohl liegen, dass ihr Chromatingerüst immer noch recht dicht erscheint; übrigens enthält es auch noch genügend Nuclein, um sich blau-violett zu färben. Erst kurz vor ihrem Verfall werden die Kerne der Raphidenzellen deutlich grob und lockermaschig, sowie erythrophil; die nun sehr derbe Kernmembran collabirt jedoch bald; der grosse Nucleolus haftet wie ein Tropfen unreinen Oeles an der Kernwand, und die Desorgani- sation ist bald complet. In weit auffälligerer Weise unterscheiden sich die Kerne der späteren Gefässzellen von den übrigen Meristemkernen. Eine gut gelungene Roth- Blau-Färbung zeigt die überraschende Thatsache, dass die Gefässzellen in ihrer Anlage an ihren Kernen schon unmittelbar unter dem Wurzelscheitel leicht zu erkennen sind, während die Ausbildung der Gefässe, namentlich der grossen inneren, erst in einer Entfernung von mehreren Centimetern von der Wurzelspitze erfolgt. Man findet die Gefässzellen am leichtesten auf nicht ganz medianen Wurzel-Längsschnitten (wie Figur 1, pag. 235; die Gefässzellen sind durch die eingezeichneten Kerne markirt); hier stellen sie Reihen von kurzen, breiten Elementen dar. Die Kerne der Gefässzellen sind anfangs ziemlich genau kugelrund und etwas grösser als diejenigen der Periblemzellen auf gleicher Höhe. Sie zeigen, solange sie dem Wurzelscheitel noch sehr nahe liegen, hin und wieder einmal eine Theilung; später verlieren sie ihre Theilungsfähigkeit bald vollständig. Von Anfang an erscheint ihr Gehalt an blau-färbbarer Substanz relativ klein, während die Nucleolarmasse, hier wie bei den Raphidenzellkernen meist nur einen Nucleolus bildend, auffallend reichlich vorhanden ist. Mit fortschreitendem Alter der Kerne accentuiren diese Charactere sich mehr und mehr: bald sind kaum noch Spuren von Blau in den der Doppelfärbung unterworfenen Kernen zu sehen, während die Nucleolen zu wahrhaft riesigen Dimensionen anwachsen und dabei in ihrem Innern mehr oder minder zahlreiche Vacuolen ausbilden (vgl. Fig. 6, Tafel II). Die Kernwandung, schon frühzeitig deutlich, wird bald ungemein derb; das Chromatingerüst wird immer weitmaschiger und schwieriger zu tingiren; es ordnet sich zu radialen Strängen an, welche von der Kern- membran bis zum Nucleolus ausstrahlen, den sie, wenn einmal der Nucleolar- hof verschwunden ist, berühren. — Diese auffallenden Charactere finden wir an den Kernen der Gefässelemente schon auf halber Höhe des Meristem- kegels ausgebildet; es kommt dann noch hinzu, dass die derbe Kernwandung streckenweise eingebuchtet wird, wie dies gleichfalls aus unsrer Figur 6 ersichtlich ist. Der Plasmakörper der Gefässzellen ist reich entwickelt und weist besonders viele Stränge auf, welche vom Kern strahlig nach den Zellwänden verlaufen. Ueber die Kerne der bei unserem Object wenig hervortretenden Sieb- ri* 248 röhren wurde nichts ermittelt; sie bieten wohl in diesem Stadium noch nichts auffallendes dar. Dagegen zeigen die Kerne derjenigen Zellen, welche das Grundgewebe des Centraleylinders bilden sollen, neben gestreckter Gestalt, welche auch hier offenbar mit der Form der Zellen selbst ursäch- lich zusammenhängt, einen starken Gehalt an Nuclein; diese Kerne behalten zum mindesten bis zur definitiven Ausbildung der Gefässe ihre Theilungs- fähigkeit und passen sich durch nachträgliche Theilungen (welche oft zu beobachten sind) in die von den Gefässen freigelassenen Lücken im Central- cylinder auf das Genaueste hinein. Es ist aber interessant, diese Kerne unmittelbar neben denen der Gefässzellen zu sehen: eine grössere Ver- schiedenheit ist kaum denkbar. Denn trotz ihrer Längsstreckung, welche oft eylindrische, ja selbst fadenförmige Gestalten resultiren lässt, behalten sie, mit dem Vermögen sich zu theilen, auch die Charactere meristematischer Kerne: sie sind feinkörnig-zartmaschig, nucleinreich, zeigen nur eine un- deutliche Kernmembran, und ihre Nucleolen werden zwar zertheilt, ohne jedoch an Masse eine Zunahme, wie in den Gefässzellen, oder eine Ab- nahme, wie in den Haubenzellen, aufzuweisen. Sie behalten auch die typischen, wohlumschriebenen Höfe um jeden Nucleolus; allem Anschein nach {ist hier auch die Zertheilung des Nucleolus nur durch die äusserst gestreckte Gestalt der Kerne bedingt und nicht zu vergleichen mit der oben besprochenen Zertheilung der Nucleolen in den absterbenden Haubenzellen. In einem langausgezogenen Kern ist für einen grösseren Nucleolus, der mit seinem Hof einen ansehnlichen Raum einnehmen würde, der Platz nicht vorhanden. Selbst getheilt und dem entsprechend verkleinert finden die Nucleolen in den schmalsten Kernen kaum den erforderlicben Raum; sie sind dementsprechend auch nicht kuglig, sondern längs-eiförmig, und gleich- wohl bauchen ihre Höfe meist den Contour des Kernes um ein weniges aus (vgl. Fig. 7, Tafel II.). Auch an den Kernen der Gefässzellen finden wir also bestätigt, dass mit dem Verlust der Theilungsfähigkeit ein Schwinden der kyanophilen Kernbestandtheile, des Nuclein, Hand in Hand geht. Freilich lassen sich die chromatischen Reactionen der Kerne im Plerom auch als Stütze der in der Einleitung besprochenen Ansicht Strasburgers heranziehen; denn in der That gehören hier die kyanophilen Kerne solchen Zellen an, deren Cytoplast klein genannt werden muss im Vergleich zu dem der jungen Gefässzellen, deren Kerne ja auch erythrophil sind. Aber abgesehen davon, dass wir gewiss bezweifeln dürfen, dass die Kerne der Gefässzellen von ihrem mächtigen Cytoplasten besser ernährt werden, als die ihrer engzelligen Umgebung, — machen sie doch, trotz ihrer Dimensionen, einen mageren, substanzarmen Eindruck, — abgesehen also hiervon, muss uns die Aehnlich- keit auffallen, welche zwischen der Umwandlung der Kerne in den Gefäss- zellen und derjenigen der dem Untergange geweihten Haubenzellen vorliegt. Wenn auch zwischen beiden ein Unterschied besteht, über dessen Bedeutung wir nicht unterrichtet sind, dass nämlich in den Haubenzellen mit dem 249 Verlust der Theilungsfähigkeit eine Zertheilung und fortschreitende Lösung der Nucleolen eintritt, die sich ebensowenig bei den Kernen der Gefässzellen, wie bei denen derRaphidenschläuche vorfindet, so erhellt doch, glaubeich, ausder Summe der angeführten Beobachtungen die Berechtigung meiner Anschauungsweise. Die Kerntheilung in der Hyacinthenwurzel. Die Kerntheilung in der Hyaeinthenwurzel, welche bei meinen Studien tausende von Malen zur Beobachtung kam, giebt mir zu einigen Bemerkungen Anlass, welche hier ihre Stelle finden mögen. Zunächst möchte ich hier die Frage nach Herkunft und Verbleib der Substanzen berühren, welche die sog. Achromatische Figur, speciell die Spindel, bilden. Es ist dies eine alte Streitfrage, deren definitive Be- seitigung wünschenswerth erscheint. Bei Durchmusterung der zahlreichen Kerntheilungsfiguren, welche sich in dem Meristemkegel einer Hyaeinthen- wurzel finden, beobachtet man auch hin und wieder solche, welche die gewünschten Aufschlüsse geben. Rings um den sich zur Theilung anschickenden Kern sammelt sich ein ziemlich homogenes Plasma in dünner hyaliner Schicht an; es ist dies Strasburger’s Kinoplasma'). Dasselbe entstammt unzweifelhaft dem Cyto- plasten und nicht dem Kern, welcher zu der Zeit, wo die Ansammlung erfolgt, noch allseitig fest geschlossen ist?). Die Fuchsin-Jodgrün-Färbung nach Zimmermann’s Recept macht leider diese Hülle nicht sehr deutlich, da sie das Kinoplasma nur wenig intensiver tingirt, als das übrige Zell- plasma; dagegen ist ersteres an ungefärbten Mikrotomschnitten, die in Wasser liegen, in Folge seines stärkeren Lichtbrechungsvermögens leicht zu sehen. (Da die figürliche Darstellung der im Folgenden mitzutheilenden Verhältnisse ohne Uebertreibung der äusserst zarten Strueturen nicht deutlich werden könnte, so verzichte ich ganz auf naturgetreue Figuren und gebe nur ein Schema, welches die Bildung der Kernspindel aus dem Kinoplasma veranschaulichen soll.) Die Hülle (vgl. die schematische Textfigur 3, a) bleibt nicht lange ringsum gleichdick, sondern concentrirt sich an den Kern- polen in der Form zweier opponirter Kappen (Figur 3, b). Während sich nun im Innern des immer noch geschlossenen Kernraumes der lange Kern- faden ausbildet, erhält das Kinoplasma auf kurze Zeit strahlige Structur; es bilden sich in der vorher homogenen Masse zarte Körnchenreihen (oder vielleicht Fibrillen) aus (Figur 3, e). Ihren Anfang nehmen diese dicht an der Kernmembran, sie sind zuerst kurz, während sie sich später weiter erstrecken. Diese Körnchenreihen, offenbar identisch mit den von Guignard ”) abgebildeten, entspringen jedoch nicht, wie Guignard dies bei Zilium Martagon fand, von der ganzen Kernperipherie, sondern nur von den Polflächen, d. h. sie 1) Ueber das Verhalten des Pollens ete,, pag. 60. 2) Auch die Meristemkerne zeigen, sobald sie einmal in Theilung eintreten, eine feste Kernumgrenzung, die sog. Kerntasche, welcher innen die zarte eigene Kern- membran anliegt. 3) Nouvelles etudes Tafel XII, Fig. 45, 47. 250 liegen nur in dem Raum der Kinoplasmakappen. Auch fand ich sie nicht, wie Guignard, in der Richtung der ver- [77 b c Figur 3. Schematische Darstellung des Verhaltens des Kinoplasma während der Kerntheilung. längerten Kernradien allseitig strahlend, sondern vielmehr jederseits nach einem Punkt convergent, welcher etwa in der halben Entfernung der Kernaxe jenseits jedes Kernpols lag. Ich vermuthete anfangs, trotz der abweichenden Darstellung Guignard’s für Lilium Martagon, an dieser Stelle eine Attractionssphäre, doch gelang es mir niemals, auch nicht bei Anwendung der zum Nachweis der Sphären sonst so sicheren M. Heidenhain’schen Haematoxylinfärbung, hier einen besonderen Körper oder besondere Structuren zu erkennen; vielmehr war der Ort, auf welchen die Polstrahlung gerichtet war, meist von gewöhnlichem, körnerreichem Cytoplasma eingenommen, seltener fiel er in den Raum einer grösseren Vacuole. Uebrigens dauert die Polstrahlung, wie schon gesagt, nur sehr kurz; die Körnchenreihen verlängern sich rasch, bis sie sich in einem Punkt treffen. Nun ist die extranucleäre Kernspindel fertig gebildet; in diesem Augenblick ist die Kernwandung immer noch deutlich geschlossen, während gleichzeitig der Zerfall des Kernfadens in seine Segmente eintritt (Fig. 3d). — Die voll ausgebildete extranucleäre Kernspindel hat Guignard in seiner oben eitirten Arbeit auf Tafel 17, Figur 91 und 92, gezeichnet; hier ist auch sehr deutlich zu sehen, dass der Kern noch geschlossen ist. Die Spindelfäden fand ich vollständig zu einer Spitze zusammenlaufend, während Guignard an ihrer Vereinigungsstelle eine Attractionssphäre mit Centrosom zeichnet, die ich nie auffinden konnte. Ebenso ging es mir mit einer anderen Erscheinung: etwas, wie die Sonnenfigur an den opponirten Kernpolen, dieGuignard auf Tafel XIII, Fig. 48 ff. zeichnet, kam mir nie zur Beobachtung. Dagegen sah ich einige Male eine zarte, wenig ausge- bildete Strahlung über die Spindeipole hinaus, welche jedoch erst viel später, nämlich nach vollständiger Ausbildung der Spindel, d. h. zur Zeit des Aster und der Metakinese, auftrat. Sie entspricht der von Guignard auf Tafel XIV, Figur 91 und 92 gezeichneten. Es kann wohl gar keinem Zweifel unterliegen, dass die Kernspindel (bei Hyacinthus) thatsächlich aus dem Cytoplasten stammt, wie Stras- burger und Guignard dies angegeben haben, und wogegen Zacharias 251 auch noch neuerdings Bedenken erhoben hat'). Die Bildungsgeschichte der Kernspindel, welche ja extranucleär entsteht, zu einer Zeit, wo die Kern- wandung noch rings geschlossen ist, lässt die Vermuthung nicht zu, dass die Substanz der Spindel dem Kern entstamme. Diese Substanz ist, wie erwähnt, nach ihrer Sonderung vom Cytoplasma intensiver färbbar als dieses und könnte, wenn sie vorher im Kernraum selbst gelegen hätte, bei der Doppelfärbung der Beobachtung nicht entgangen sein. Vorurtheilsfreie Ver- folgung der Karyokinese zeigt auch, dass aus dem sichtbaren Kerninhalt sich nur der Kernfaden bildet. Nur die Möglichkeit muss man im Auge behalten, dass gelöste Substanzen, welche aus dem Kern stammen, sich an der Bildung der Spindel betheiligen. Dies betrifft übrigens sicher nicht das Nuclein, das sich während der Ausbildung des Kernfadens nicht vermindert (nach Strasburger vermehrt es sich sogar), ebensowenig das Linin, das, wie wir noch verfolgen werden, innerhalb des Kernraumes zur Verwendung gelangt; so wäre also nur an gelöste Nucleolarsubstanz zu denken. In der That schmilzt ja der Nucleolus während der Bildung der Spindel ab, und wohin die aufgelösten Theile gelangen, ist unbekannt. Da es aber, wie wir sehen werden, Objecte giebt, bei welchen die Nucleolen dann, wenn die Spindeln fertig ausgebildet sind, noch fast nichts von ihrer Masse verloren haben, so ist es durchaus unwahrscheinlich, dass die Nucleolen mehr als einen kleinen Tribut zur Bildung der Spindeln geben, wenn sie sich an dieser überhaupt betheiligen. Wenn die extranucleäre Spindel fertig ist, erfolgt die Auflösung der Kernmembran, vielleicht durch die Spindel selbst. Leider ist mir niemals ein Stadium zu Gesicht gekommen, welches die Vereinigung der beiden Spindelhälften im Kernraum in vollständiger Deutlichkeit gezeigt hätte, — die grosse Zahl der Chromosomen erschwert bei unserem Object die Beobach- tung, — nach dem, was ich erkennen konnte, habe ich keinen Grund zu zweifeln, dass diese Vereinigung in der Art erfolgt, dass die einzelnen Spindelfäden von jedem Pol her durch den Kernsaft in die Kernhöhle ein- wachsen, sich an die Kernfadensegmente zunächst anlegen, und dass hier die Vereinigung der einander entgegenkommenden Spindelfäden erfolgt. Eine andere Möglichkeit, auf die ich Rücksicht genommen hatte, bestand darin, dass die einzelnen von einem Spindelpol ausstrahlenden Fäden durch den Kernraum bis zum entgegengesetzten Spindelpol durchwachsen könnten, sodass eine Verschränkung der beiden Spindelhälften zu Stande käme; ich glaube bestimmt, dass dies nicht der Fall ist, da von einer Verdoppelung der Zahl der Fäden an jedem Pol nichts zu erkennen war. Während ich über das Verhältniss der Spindelfäden zu den Verbindungs- fäden bei der Hyaecinthe nichts ermitteln konnte, wiederholte ich bezüglich des Verbleibes der achromatischen Fadensubstanz vielfach eine schon früher Y) Einige Bemerkungen zu Farmers Untersuchungen über Zell- und Kern- theilung, Botan. Zeitung 1894. 252 von mir gemachte Beobachtung '), dass mindestens ein Theil der Faden- masse bei Beendigung der Karyokinese im Cytoplasma aufgelöst wird und nicht in die Tochterkerne Aufnahme findet: eine Stütze mehr meiner Ansicht, dass das bei Beginn der Theilung in Action tretende Kinoplasma dem Zellen- leib und nicht dem Kern entstammt. Diese Beobachtung ist leicht und oft zu machen. Wenn die Tonnenfigur durch die Zellplatte, die eben entstandene Anlage der neuen Trennungsmembran, quer durchschnitten ist, erfolgt eine oft beträchtliche Annäherung der beiden Tochterkerne. Sie begeben sich dabei ganz oder theilweise in den Raum, welcher unmittelbar vorher von den Verbindungsfäden eingenommen worden war, und diese werden dabei nach aussen gedrückt. Anfangs sieht man noch einzelne \erbindungsfäden quer durch den verengten Tonnenraum ausgespannt, doch verschwinden sie bald; die Hauptmasse der Verbindungsfäden bildet einen Gürtel um den Diaster, verliert bald den Contact mit den Tochterkernen, rückt immer weiter nach aussen und ist noch nicht völlig aufgelöst, wenn die Tochter- kerne nach Durchlaufung des Dispiremstadiums sich wieder gegen den Cytoplasten geschlossen haben. Unzweifelhaft wird also die Hauptmasse der Fäden im Zellplasma vertheilt, aus welcher sie sich bei Beginn einer neuen Kerntheilung wieder sammelt. Die Bildung der chromatischen Kernfigur aus dem im ruhenden Kern beobachteten Maschenwerk und die Reconstituirung des letzteren in den Tochterkernen sowie die Segmentirung des Kernfadens mussten besondere Beachtung finden. Strasburger hat neuerdings”) in einem hochinteressanten Aufsatz seine sich an Weismann anlehnenden Ansichten über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren und die Rolle der Chromosomen dargelegt und besonders gezeigt, wie sich die in den letzen Jahren bei den verschiedensten Objeceten beobeachteten periodischen Reductionen der Chromosomenzahl theo- retisch verwerthen lassen, wodurch diese vordem räthselhafte Erscheinung in ganz neues Licht gesetzt wurde. In der That ist ebenso die stete Wieder- kehr bestimmter Zahlen in der chromatischen Kernfigur wie die Herabsetzung dieser Zahlen auf die Hälfte an bestimmten Stellen des Entwicklungsganges eine Thatsache, die uns um so wunderbarer erscheinen muss, als die Kern- fäden nach beendeter Kerntheilung offenbar wieder mit einander verschmelzen, sich also jedesmal neu sondern müssen. Hierüber kann wohl kein Zweifel herrschen. „Ungeachtet dessen aber“, sagt Strasburger’), „dass dem ruhenden Kern ein continuirliches Fadengerüst zukommt, muss angenommen werden, dass die Chromosomen ihre physiologische Individualität im ruhenden Kern nicht einbüssen. Denn sonst wäre es unbegreiflich, dass so allgemein sich dieselbe Chromosomenzahl aus dem Kerngerüst in den aufeinander 1) Vgl. Cohn’s Beiträge V, Tafel XVI. Fig. 11. 2) Ueber periodische Reduction der Chromosomenzahl im Entwicklungsgang der Organismen, Biolog. Centralblatt 1394. 3) l. c. pag. 833. 253 folgenden Kerntheilungen herausbildet. Wenn man solche Musterkarten aufeinander folgender Kerntheilungsstadien betrachtet, wie man sie gelegent- lich beim Freilegen protoplasmatischer Wandbelege aus Embryosäcken vor Augen hat, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es immer wieder dieselben Chromosomen sind, die sich in den aufeinander folgenden Theilungsschritten aus den ruhenden Kernen heraussondern.'‘ — Sehen wir, wie weit das Gesagte auch auf die Kerne der Hyaecinthenwurzel passt. Was zunächst die Chromosomenzahl betrifft, so wurde dieselbe an sich theilenden Kernen in den verschiedenen Geweben der Hyacinthenwurzel untersucht. Die Zählung erwies sich wegen der hohen Zahl der Segmente, ihrer Biegung und ihrer gelegentlichen Einschnürung stets als schwierig, und gelang nur dann leichter, wenn der Kern im Aster- oder Diasterstadium von einem Pol aus angesehen werden konnte; diese Stellung findet man auf Wurzellängsschnitten fast nie, desto häufiger aber auf Querschnitten. Es ergaben sich bei Zählung stets 24 Chromosomen '). Es ist also dieselbe Zahl, die Guignard und Overton bei Lilium Martagon in der vegetativen Region innegehalten fanden. Sehr zweifelhaft erscheint es mir nur, ob die grossen, aber substanzarmen Kerne der Gefässzellen gleichfalls 24 Chromo- somen besitzen. Solange diese Zellen noch unmittelbar am Wurzelscheitel liegen, sind sie, wie oben erwähnt, theilungsfähig, wenn auch Theilungen selbst hier sehr selten sind. Die Chromosomen waren hier, entsprechend der Grösse und Nuclein-Armuth der Kerne, lang und dünn. Es schien mir, als ob ihre Zahl grösser wäre als 24, doch war bei der ungünstigen Lage der wenigen Theilungsfiguren, welche zur Beobachtung gelangten, eine sichere Entscheidung nicht möglich. Diese wahrscheinliche Vermehrung der Segment- zahl würde einen Parallelfall darstellen zu derjenigen, welche Guignard an den sogen. unteren Embryosackkernen constatirte: das tertium com- parationis liegt darin, dass die Segmentvermehrung hier wie dort Kernen zukäme, welche normal ohne Nachkommenschaft bleiben, ihre vom Typus abweichende Chromosomenzahl also nicht zu vererben Gelegenheit haben. Die Hyaecinthenwurzel bietet ein vortreffliches Objeet zur Untersuchung der Frage dar, wie sich der Kernfaden aus dem Gerüstwerk des ruhenden Kerns herausbilde.. Ueber den Bau des letzteren ist oben eingehend ge- sprochen worden. Wenn der meristematische Kern zur Theilung schreitet, so vergrössern sich die blaufärbbaren Körnchen, welche das Maschenwerk durchsetzen, wobei ihre Zahl sich verringert, sodass man wohl nicht irrt, wenn man eine successive Fusion der Nucleinkörnchen annimmt. Nun wird die Struetur des Kerns deutlicher; es kann jetzt keinem Zweifel mehr unter- liegen, dass die kyanophilen Körnchen einem Netzwerk so eingebettet sind, dass sie die Knotenpunkte der Maschen markiren; man sieht die Körnchen 1) Jedenfalls niemals mehr als 24, während das Vorkommen niedrigerer Zahlen sich leicht dadurch erklärte, dass bei der geringen Schnittdicke (5—10 u) ein Theil der Chromosomenplatte fortgeschnitten sein konnte. 254 untereinander durch kurze, zarte Fädehen, welche nach verschiedenen Seiten ausstrahlen, verbunden. Ich glaube, dass dem ruhenden Kern die gleiche Structur zukommt, nur dass eben die Vertheilung hier noch eine feinere ist, wodurch der Nachweis dieser Structur für unsere heutigen optischen Hilfs- mittel unmöglich wird. Die untenstehende schematische Figur veranschaulicht die Umbildungen des Gerüstwerkes, wobei der Deutlichkeit wegen die Theile so dargestellt wurden, als ob sie in einer Ebene lägen; a mag die Structur des ruhenden Kerns veranschaulichen. Das successive Verschmelzen der Nucleinkörnchen in dem sich zur Theilung anschickenden Kern (vgl. Textfigur 4b) führt endlich zur Bildung von ziemlich stattlichen Körperchen, den bekannten Nucleinscheiben (Iden Weismann’s). Dass diese aus paarweiser Vereinigung kleinerer Körner hervorgehen, habe ich an Kernen aus dem Nucellus der Hyaeinthe schon früher gezeigt'). Indem die Nucleinscheiben sich bilden, werden sie auch kettenförmig angeordnet (Textfigur 4, b und ec); zu 20--30 liegen sie, ys MB dem! SÜIADL A} ( IR S > je SB L RI oe ZEN ale ee ern ”-.,. = PR a b c d Figur 4. Schematische Darstellung der Bildung des Kernfadens aus dem Gerüst des ruhenden Kerns; die Nucleinkörner sind schwarz eingezeichnet; Vergr. e.c. 5000. einander die Breitseiten zukehrend, in einer anfangs noch unregelmässigen, vielfach geknickten Reihe. Solcher Ketten weist der Kern aber eine statt- liche Anzahl auf; vielleicht hängen diese im Leben alle mit einander zu- sammen und sind im Präparat nur durch das Fixiren und besonders das Schneiden von einander gesondert. Die Ketten sind der Kernperipherie genähert und lassen im Kerninneren eine Höhle frei, in welcher die Auf- lösung des Nucleolus erfolgt. Benachbarte Kettenstücke laufen ziemlich parallel; meist sind sie alle mehr oder weniger genau senkrecht zur Kernaxe gerichtet, seltener dieser gleichlaufend. Anfangs sind noch überall die Gerüstfädchen sichtbar, welche die Nucleinscheibehen miteinander verbinden. Sie gehen als faden- dünne Brücken von den Scheibehen eines Stranges zu denen des benach- barten hinüber (Fig. 8, Tafel I. und Textfigur 4c) und zerreissen später, wodurch endlich die Fadenstücke ganz von einander getrennt werden. Zwischen zwei Scheibchen des Stranges selbst werden die Brücken gleich- zeitig immer stärker, sodass endlich der Anschein entsteht, als bestände der Kernfaden aus abwechselnden Scheiben von Nuclein und Gerüstmasse (Linin, Nucleo-Hyaloplasma; vgl. Strasburger, Botan. Practicum, 2. Aufl. pag. 579). Dass dies bei der Hyaeinthe nicht wirklich der Fall ist, lehrt 1) Vgl. Cohn’s Beiträge V, pag. 449 und Fig. 8, Tafel XV. die Entwickelungsgeschiehte der Kernfäden: von Anfang an sind die Nuclein- körnchen Knotenpunkten des Lininnetzes eingebettet (Textfigur 4a); in diesen liegend vereinigen sie sich zu den Scheiben (4b u. c), deren Linin- hüllen noch dadurch besonders deutlich werden, dass von ihnen die feinen Querbrücken ausgehen, welche die benachbarten Stränge mit einander ver- binden; und vermuthlich verliert der Kernfaden seine Lininscheide niemals, was zum Theil daraus zu schliessen ist, dass die Segmente bei ihrer später erfolgenden Längsspaltung deutlich eine hyaline Trennungszone zeigen, die, da sie sich schwach rosa färbt, kein Nuclein sein kann, sondern wieder aus Lininmasse bestehen muss. Ueberhaupt möchte ich glauben, dass bei den Umlagerungen in den sich zur Theilung anschickenden Kernen nur das Linin active Bewegungen zeigt, während das Nuclein passiv bewegt wird; ist jedoch einmal die Kernwandung geschwunden, so werden die weiteren Bewegungen im Kernraum wohl meist auf das Konto des kino- plasmatischen Fadenapparates zu setzen sein. Nach den Figuren Guignard’s (Nouvelles etudes, Tafel XII) bildet der Kernfaden bei Lilium Martagon anfangs ein vielverschlungenes, krauses Band, das sich erst später glättet und dann seine Zusammensetzung aus Scheiben von Chromatin und Linin erkennen lässt. Bei der Hyaeinthe ist der Verlauf der umgekehrte: bei ihrer Bildung sind die Kernfadenstücke ziemlich gestreckt und deutlich geschichtet, später wird der Kernfaden dünner, länger und dabei wellig verschlungen '); hierbei werden die Quer- scheiben undeutlicher. Erst im Dispirem treten die Scheibchen wieder mehr hervor (Figur 9 Tafel II), dann sieht man eine Wiederherstellung der zarten Querbrücken zwischen den Knotenpunkten der sich auflösenden Fäden (entsprechend der Textfigur 4, c); die reihenförmige Anordnung der immer kleiner werdenden Nucleinkörper erscheint mehr und mehr undeutlich, das Lininnetz wird gleichförmiger; kurz, es wird der ganze Kreis der Um- wandlungen rückwärts durchlaufen, den wir oben bei der Bildung des Kern- fadens verfolgt haben. Was endlich das Verhalten der Nucleolen bei der Kerntheilung an- geht, so verdient auch dieses hier eine kurze Erwähnung. A. Zimmer- mann hat kürzlich mit Hülfe der Blau-Roth-Färbung gezeigt”), dass ungleich häufiger, als man früher annahm, die Nucleolen bei der Karyokinese nicht gleich aufgelöst werden, sondern mehr oder minder lange erhalten bleiben. In mehreren Fällen konnte Zimmermann erweisen, dass die Nucleolen bei der Mitose zertheilt und ihre Stücke in das Cytoplasma ausgestossen wurden, wo sie bis zur Beendigung der Theilung liegen blieben. Zimmer- mann hält es für sehr wahrscheinlich ?), dass die während der Karyokinese I) Diese Reihenfolge hatte ich auch früher an den Kernen in der Samenknospe der Hyacinthe festgestellt (vgl. Cohn’s Beiträge V, Tafel XVI, Fig. 8, 9). 2) Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle, Band II, Heft 1, 1893. 3) ]. c. pag. 31. 256 im Cytoplasma beobachteten zahlreichen Nucleolen später in die Tochter- kerne einwandern und dort zu den grossen Nucleolen desselben verschmelzen. Ziemlich gleichzeitig mit Zimmermann hat auch G. Karsten ') Mittheilung über die Nucleolen von Psilotum gemacht, die gleichfalls aus den sich theilenden Kernen in das Cytoplasma gelangen, hier aber die Rolle von Centrosomen spielen oder doch wenigstens ganz auffallende Lage- und Form- Beziehungen zu diesen zeigen. Anfangs konnte ich bei der Hyacinthe kein von der Regel abweichendes Verhalten der Nucleolen constatiren, die stets während des Spiremstadiums vollständig aufgelöst wurden. Später fand ich bei einer neuen Serie von Hyacinthenwurzeln eine andere Erscheinung: die Nucleolen wurden in das Cytoplasma ausgestossen. Zur Erklärung dieser Differenz in meinen Be- obachtungen glaubte ich die von A. Fischer”) gemachten Angaben be- nutzen zu können, wonach die gebräuchlichen Fixirungsmethoden selbst unter gewissen Umständen die Bildung winziger mit Granulis oder auch mit kleinen Nucleolen leicht zu verwechselnder Kügelchen aus coagulirtem Ei- weiss etc. veranlassen können, wonach also die von Zimmermann und Anderen im Cytoplasma beobachteten Körperchen in den Verdacht kommen, Kunstproducte zu sein. Die unten mitzutheilende Untersuchung lehrte mich jedoch, dass die beobachteten Nucleolen im Cytoplasma unzweifelhaft nicht Kunstproducte sind und die Bezeichnung von Niederschlägen allerhöchstens unter bestimmter Voraussetzung verdienen können. Um aber die oben erwähnte Verschiedenheit meiner Beobachtungen an der Hyaeinthe zu erklären, bleiben noch zwei Wege offen. Einmal wäre daran zu denken, dass besondere Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen die Veranlassung zur Ausstossung der Nucleolen aus den mitotischen Figuren geben könnten; dieser Punkt wäre experimentell zu prüfen, und ehe dies geschehen, wäre es müssig, das Für und Wider zu erörtern. Andererseits ist es sehr wohl möglich, dass verschiedene Varietäten einer so formen- reichen Species, wie die eultivirte Hyacinthe, sich in einem die Karyokinese betreffenden Punkt verschieden verhalten könnten. So wunderbar gleich- förmig das Phaenomen der Kerntheilung im Allgemeinen im Thier- und Pflanzenkörper verläuft, so sprechen doch grade die Erfahrungen der letzten Jahre dafür, dass die Kerne nächstverwandter Arten sich in Einzelheiten auffallend verschieden verhalten können. Doch gehen wir zu den Beobachtungen selbst über. Der ruhende Meristemkern besitzt gewöhnlich in der Wurzel der Hyacinthe nur einen, wohl abgerundeten Nucleolus (vgl. Fig. 1 u. 5, Tafel I). Während der Herausbildung des Kernfadens aus dem Gerüstwerk des sich zur Theilung 1) Ueber Beziehungen der Nucleolen zu den Centrosomen bei Psilotum triquetrum, Berichte der Deutsch. Bot. Gesellsch. 1893, pag. 555- 2?) Zur Kritik der Fixirungsmethoden und der Granula, Anatomischer An- zeiger IX, 22. 257 vorbereitenden Kerns beginnt der Nucleolus sich zu verkleinern, indem seine Masse abschmilzt und in Lösung offenbar aus dem Kernraum herausgeführt wird. Der Auflösungsprocess erfolgt von der Peripherie des Nucleolus aus, selten jedoch gleichmässig, meist local in Einschnitten und Furchen stärker, als an den dazwischen liegenden Theilen, sodass der Nucleolus zuerst rissig wird und dann in eine verschiedene Anzahl (2—4) eckiger Stücke zerlegt wird, welche sich endlich ganz isoliren; ein solches Theilstück ist in Figur 8 gezeichnet. Der Auflösungsprocess schreitet an diesen Stücken nun meist so energisch fort, dass im Moment, wo die Spindelfasern in die Kernhöhle eindringen, jede sichtbare Spur von Nucleolarsubstanz verschwunden ist. — In derjenigen Serie von Wurzeln, deren abweichendes Verhalten oben schon erwähnt wurde, erfolgte die Zerklüftung und Auflösung des Nucleolus viel langsamer, sodass bei dem Schwinden der Kernmembran noch bedeutende Nucleolarreste vorhanden waren. Anfangs lagen diese in dem Spindelraum, später gelangten sie seitlich aus diesem heraus in das Cyto- plasma. So zeigt unsere Figur 10 (Tafel II) zwei stattliche Nucleolarreste ausserhalb der Kernspindel; trotz ihrer Dimensionen verrathen sie aber leicht, dass sie in Auflösung begriffen sind, da sie sich nur noch blassrosa färben. Schliesslich verschwinden sie ganz. Das Wiederauftreten der Nucleolen erfolgt während des Ueberganges der Diasterügur in das Dispirem, zu einer Zeit, wenn die Tochterkernan- lagen noch offen sind (d. h. keine Kernmembran besitzen). Die Nucleolen erscheinen in den Bogengängen zwischen den sich rückbildenden Kernfaden- segmenten; ihre Anzahl ist wechselnd, aber meist gleich in den zwei Schwesterkernen; ja sogar in ihrer Lage erweisen sie sich meist in dem Kernpaar streng symmetrisch (Figur 9), und da, wo dies anscheinend nicht der Fall ist, beruht dies wohl gewöhnlich nur darauf, dass die Kerne un- gleich geschnitten sind. Wenn die Bogengänge infolge von weiterer Um- bildung der Segmente in das Gerüst des ruhenden Kerns verschwinden, verschmelzen die Nucleolen und erhalten ihre kugeligen Höfe. Nach erfolgter Abrundung besitzt der Meristemkern gewöhnlich nur noch zwei Nucleolen; jeder derselben hat einen besonderen Hof. Diese Höfe öffnen sich endlich gegeneinander und verschmelzen ebenso wie die Nucleolen (Fig. 1, rechts), sodass der zur neuen Theilung schreitende Kern gewöhnlich nur noch einen einzigen Nucleolus hat. Thatsächlich bildet hier also die Vereinigung der beiden Nucleolen den Abschluss der Karyokinese, und dieser Process erfolgt erst erheblich später als die Reconstituirung des typischen Gerüstes ruhender Kerne. Um dieselbe Zeit, wo in dem bisher betrachteten häufigsten Fall das Neuauftreten der Nucleolen zwischen den Bogen der Tochterkerne zu con- statiren war, finden wir bei denjenigen Wurzeln, die betreffs der Nucleolen ein abnormes Verhalten zeigen, zahlreiche, aber kleine Kernkörperchen, die theils in den Bogengängen, theils aber auch ausserhalb der noch offenen Kerne und endlich, in geringerer Anzahl, in der Tonnenfigur zwischen den 258 Verbindungsfäden liegen (Fig. 11, Tafel II). Da dies sich nur in denjenigen Wurzeln findet, welche die oben beschriebene langsame Auflösung der Nu- cleolen und deren Ausstossung aus der Spindelfigur zeigten, so liegt der Verdacht nahe, dass die neuen Nucleolen neben dem Diaster Reste der alten, ausgestossenen seien. Doch kann dies wohl nicht zutreffen. Die Ueberbleibsel der alten Nucleolen waren in voller Auflösung begriffen, als sie zuletzt im Cytoplasma aufgefunden wurden; sie färbten sich blos ganz schwach, auch waren es wenige Körperchen, gewiss niemals mehr als vier. Die neuauftretenden Nucleolen färben sich dagegen äusserst leicht und in- tensiv; ihre Anzahl ist sehr viel grösser. Daher erscheint mir nur die folgende Erklärung der beobachteten Erscheinungen, der Auflösung sowohl wie des Wiederauftretens der Nucleolen als wahrscheinlich. Die Substanz der Nucleolen, welche sich während der Prophasen sichtlich verkleinern und verschwinden, bleibt nicht im Kernraum, sondern gelangt, vermuthlich als micellare Lösung, in das Cytoplasma. Dieser Vorgang kann beendet sein, bevor die Kernmembran zu bestehen aufhört; ein Durchtritt fester Nucleolenmasse durch die Kernmembran wurde hier nie beobachtet. Wohl aber kommt es vor, dass Nucleolenreste nach Auflösung der Kernmembran in das Cytoplasma gelangen, wo sie bald verschwinden, d. h. gelöst werden. Das lösende Agens muss wohl der Kernsaft sein, vielleicht unter Mitwirkung eines nur, während der Prophasen gebildeten Enzyms. — Während der Anaphasen wandert die Nucleolarlösung als solche in den Raum der Tochter- kerne, ein und hier wird die Nucleolarmasse wieder fest. Bei der Hyaeinthe — und anderen Objekten — erfolgt die Reconstituirung der Nucleolen auch ausserhalb der Dispiremfigur. Die derart im Cytoplasma entstandenen Nu- celeolen wandern, wie ich glauben möchte, in die T'ochterkerne ein, ehe sich diese mit einer Kernmembran umhüllen; wenn letzteres geschehen ist, so findet man anscheinend niemals mehr Nucleolen im Cytoplasma, die, wenn überhaupt, auch wohl nur nach nochmaliger Auflösung in den Kernraum gelangen könnten. Nicht ganz unmöglich scheint es mir, dass die Nucleolen, die man an fixirten Präparaten, wie unsere Figur 11 eines darstellt, im Cytoplasma auffindet, doch durch die coagulirende Wirkung des Fixirungsmittels ent- standen sind. Ich glaube aber, dass dies von keiner grossen Bedeutung ist, denn an den Stellen, wo wir extranucleäre Nucleolen vorfinden, muss dann die Masse der Kernkörperchen als Lösung angesammelt gewesen sein, sodass sie durch die Fixirung nur schärfer umgrenzt und färbbar gemacht wurde; das Wichtigste, die Wanderung der Nucleolarmasse und ihre Con- centrirung an bestimmten zum Theil ausserhalb des Kernraumes liegenden Orten wäre dann doch richtig constatirt worden. Mit demselben Rechte wie die extranucleären Nucleolen könnte man übrigens auch die in den Kernen selbst gelegenen für Kunstproducte halten, was theilweise — näm- lich bei den grösseren derselben — durch Beobachtung an lebenden Zellen widerlegt werden kann. 259 Den denkbaren Einwand, als ob die im Cytoplasma aufgefundenen Nucleolen aus angeschnittenen Kernen herausgerissen sein könnten, muss ich dagegen auf das bestimmteste ablehnen. Ein geübter Beobachter wird in dieser Beziehung immer bald zu einem sicheren Urtheil gelangen. Andere Monocotylen. Lilium laneifolium, Von den übrigen untersuchten Objeeten steht bezüglich der Kerne ZLilium lancifolium der Hyacinthe am nächsten. Zur Untersuchung gelangten hier nur einige junge, aus den untersten Knoten des blühbaren Schaftes getriebene Wurzeln von "a—1 cm Länge. Dieselben wiesen eine noch sehr unentwickelte, flache Haube auf, an welcher die Ab- stossung äusserer Schichten noch nicht begonnen hatte; auch der Meristem- kegel war kurz, und so scheint das Wachsthum dieser Wurzeln noch kein ausgiebiges gewesen zu sein. Die Kerne in der Wurzel von Lilium lancıfoium sind, wie gesagt, denen der Hyaecinthe sehr ähnlich und stehen diesen an Grösse nur unbe- deutend nach. Ihr Gerüstwerk ist weniger gleichmässig-feinkörnig und weist vielmehr einzelne grössere, durch Lininsubstanz umhüllte und mit einander verbundene Nucleinklümpchen auf. Diese verschwinden in den Kernen der- jenigen Zellen, die aus dem Meristem in das Streckungsgewebe übertreten; dabei wird das Kerngerüstwerk nicht wesentlich grobmaschiger, färbt sich nun aber rein roth. Auffallend ist der Grössenunterschied der Kerne in und ausser dem Meristem: auch hier sind die im Vegetationskegel gelegenen Kerne überall, mit Ausnahme der Gruppe am Scheitel, erheblich grösser als die Kerne im Streckungsgewebe. Die Nucleolen zeigen dagegen keine in die Augen springenden Grössenunterschiede. Bei Lilium lancifolium findet man auch in den Zellen des Wurzel- körpers reichlich Stärke, deren Vorkommen bei Hyacınthus auf die Hauben- zellen beschränkt war. Die Stärkekörner liegen hauptsächlich in dem mäch- tigen centralen Plasmaballen, welcher den ruhenden Kern umgiebt und trägt. Bei der Theilung rücken sie nach aussen und machen einem hyalinen unge- körnten Plasma, dem Kinoplasma, Platz; nachdem sie so einmal vom Kern abgedrängt sind, vermögen sie auch später, nach Auflösung der Kernmem- bran und bei dem Einwandern der Spindelfäden in die Kernhöhle, nicht mehr in den Kernraum zu gelangen. Im Uebrigen scheinen die Kerne von Lilium lancifolium in keinem wichtigeren Punkt von denen der Hyacinthe abzuweichen. Zu bemerken wäre nur noch, dass die Auflösung der Nucleolen bei der Karyokinese, so- weit beobachtet, stets prompt erfolgte, sodass keine Nucleolarreste in der Spindelfigur oder im Cytoplasma nachzuweisen waren. Aspidistra elatior. Die Wurzeln von Aspidistra elatior sind etwa ebenso stark wie diejenigen der Hyacinthe, sind aber aus bedeutend kleineren Zellen aufgebaut, welche wiederum recht kleine Kerne führen. Den flach oder selbst garnicht gewölbten Scheitel des Wurzelkörpers nimmt auch hier ein noch nicht specialisirtes Bildungsgewebe ein, das in ähnlicher Weise wie bei der Hyaeinthe, Zellen für alle Gewebesysteme der Wurzel abgiebt. Der Meristemkegel ist im Ganzen (mit der Haube) bis 3 mm lang und ver- läuft allmählig in das Streckungsgewebe. Die Kerne in den Meristemzellen der Aspidistrawurzel sind im Vergleich zu denjenigen der Hyacinthe nucleinarm. Damit hängt es offenbar zusammen, dass sie auch in ihrem Bau gewisse Aehnlichkeit mit den nicht meriste- matischen Kernen der Hyaeinthenwurzel aufweisen. Wie diese haben sie ein grobmaschiges, lockeres Gerüstwerk, wenig ausgebildete Nucleolarhöfe und deutliche Kernmembranen (Tafel III, Fig. 1). Sie machen daher den Eindruck kleiner Bläschen; die Inhaltsbestandtheile scheinen im Kernsaft zu schwimmen, während nucleinreiche Kerne sich als solide Körper präsentiren. Da bei Aspidistra die Kerne schon im Meristem wenig Nuclein enthalten, so verändern sie sich beim Uebertritt in das Streckungsgewebe nicht in so auffallender Weise, wie dies bei der Hyacinthe zu beobachten war; auch findet bei Aspidistra die Kernumwandlung allmählicher statt. Sie besteht auch hier in einer Abnahme der Gesammtgrösse des Kerns und einer Ver- minderung des Nucleingehaltes, die wiederum nicht verknüpft ist mit einem auffallenden Gröberwerden des Gerüstwerkes; ja, anscheinend wird das letztere sogar feinmaschiger (Tafel III, Fig. 2), was jedoch nur auf dem Verschwinden der derben Nucleinkörner beruht, die das Gerüstwerk des meristematischen Kerns so grobmaschig erscheinen liessen. Auch die Nucleolen nehmen bei dem Austritt aus dem Meristem erheblich an Masse ab, während sie in den äusseren Haubenzellen unter wiederholter Zertheilung bis beinahe zum völligen Verschwinden redueirt werden. Alles in Allem ist also auch hier der Verlauf der Kernumwandlungen ganz entsprechend den bei der Hyacinthe beobachteten Verhältnissen, nur dass bei Aspidistra in Folge des geringeren Nucleingehaltes der Kerne im Meristem die Unter- schiede nicht so prägnant werden können. Besonders bemerkenswerth ist auch hier das Verhalten der Kerne in den jungen Gefässzellen: schon dicht unter dem Scheitel des Meristemkegels beginnen sie die auffällige Ver- grösserung ihres Umfanges und ihres in Einzahl vorhandenen Kernkörperchens zu zeigen, wozu sich auch hier die Ausbildung einer derben Kernmembran und radialer, äusserst nucleinarmer Stränge gesellt, welche sich zum Theil an den Nucleolus anlegen (Tafel III, Fig. 3). Für das Studium der Karyokinese bilden die Wurzeln von Aspidistra kein günstiges Material, da die Kerne zu klein sind. So mögen hier auch nur einige wenige bezügliche Bemerkungen Platz finden. Bei diesen selbst im meristematischen Zustand schon mit deutlich erkennbarer Kernmembran versehenen Kernen ist es leicht sich davon zu überzeugen, dass die Spindel ausserhalb des Kerns entsteht, zumal dieselbe hier recht kräftig entwickelt ist. Die aus dem Gerüst des ruhenden Kerns sich herausbildenden Faden- 261 stücke scheinen sich hier niemals zu einem einheitlichen Kernfaden zu ver- einigen, sondern untereinander nur durch meist zarte Lininbrücken zu- sammenzuhängen. Ob aber, wie wohl nicht unwahrscheinlich, diese Faden- stücke direct die Segmente des Kernfadens, die Chromosomen, darstellen, war bei der geringen Grösse des Objeetes nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Die ausgebildeten Chromosomen sind kurz und dick; sie bilden vor der Metakinese eine deutliche Kernplatte, — in welcher sie senkrecht stehen —; bei der Hyacinthe ist, da die Fadensegmente lang und gekrümmt sind, die Kernplatte als solche kaum zu erkennen. Die Auflösung der Nucleolen er- folgte in allen untersuchten Wurzeln sehr langsam und spät; ziemlich stattliche Nucleolarreste, meist in Zweizahl, wurden fast in jeder Spindel- figur aufgefunden. Das Verhalten der Nucleolen erinnert übrigens bei Aspidistra so sehr an das von Phaseolus multiflorus, das unten besprochen werden wird, dass darauf wohl füglich verwiesen werden kann. Zea Mays. Der Meristemkegel der Maiswurzel unterscheidet sich von den bisher behandelten durch die jederzeit durchgeführte Scheidung der Gewebeanlagen. Ein medianer Längsschnitt zeigt, dass das Dermatogen den Scheitel des Wurzelkörpers als geschlossene Schicht überzieht, dass ausserhalb dieser ein eigenes Calyptrogen die Elemente der Wurzelhaube erzeugt, und dass endlich auch das Plerom als allseitig geschlossener Kegel bis nahe unter den Dermatogen-Scheitel heranreicht (vgl. den vortrefflichen Holzschnitt bei Sachs, Vorlesungen über Pflanzen -Physiologie. 2. Aufl. pag. 413). Bei Besprechung der Hyacinthenwurzel wurde betont, dass die Initialengruppe, die dort den Scheitel des Wurzelkörpers einnahm, sich durch etwas kleinere Kerne und Nucleolen von den übrigen meristematischen Zellen unterschied. Bei Zea, wo jedes Gewebesystem des Vegetations- kegels seine eigene Initialengruppe besitzt'), tritt diese Eigenthümlichkeit noch deutlicher in Erscheinung. Ich finde beispielsweise in einer Dermatogen- zelle am Scheitel den Durchmesser des Kerns zu 6 u, den des Nucleolus 2 u; die zehnte Dermatogenzelle vom Scheitel aus gezählt zeigt als Durch- messer des Kerns 10,5 u, des Nucleolus 4,2 u; an der unteren Grenze des Meristemkegels misst der nun ovale Kern nur noch 8 u in die Länge und 6,6 „u in die Breite; es ist hier nur ein Nucleolus vorhanden, welcher kuglig ist und 2,3 u Durchmesser aufweist. Im Periblem zeigen die Kerne unmittelbar unter dem Scheitel, d. h. in der Initialengruppe nur 4—5 wu Durchmesser, die Nucleolen 1,8 u. Acht Zellen weiter besitzen die Kerne schon 8,2 u, die Nucleolen 3,3 u Durchmesser; sie wachsen noch etwas, um sehr bald wieder eine langsame Grössenabnahme zu zeigen. Die Kerne der Plerominitialen haben meist 6 u, ihre Nucleolen 2 u» Durchmesser; die Kerne der jungen Gefässzellen, die sich auch hier alsbald herausbilden, besitzen auf halber Höhe des Vegetationskegels 20 u ı) Vgl. van Tieghem, Trait& de Botanique, 2i?me Ed. pag. 699, Erklärung des Sachs’schen Holzschnittes. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII, Heft. II. 18 262 Länge auf 15 u Breite; der, wie sonst, in den Gefässzellen stets in Einzahl vorhandene Nucleolus ist genau kuglig und besitzt einen Durchmesser von 7,5 u, ist also schon erheblich grösser als der ganze Kern es in der Initialen- gruppe gewesen war. — Auffallend erscheint auf den ersten Blick, dass auch die Kerne in der Haube eine nicht unerhebliche Grössenzunahme auf- weisen. Dicht am Dermatogenscheitel zeigen sie 6,5 u Durchmesser, ihre Nucleolen 2,0 u; etwa 6 Zelllagen weiter haben die Kerne 8 u, die Nucleolen 2,2 » Durchmesser; dann erfolgt auch hier eine Grössenabnahme von Kern und Kernkörperchen, wie bei der Hyacinthe. Dass aber bei Zea die Kerne und Nucleolen der Haube anfangs wachsen, steht damit voll- ständig im Einklang, dass die inneren Theile der Haube hier meristematisch sind (vgl. die oben eitirte Figur von Sachs); das letztere ergiebt sich auch aus der chromatischen Reaction der Haubenkerne, welche sich als relativ nucleinreich erweisen, solange sie eine Grössenzunahme zeigen und erst nach einer darauf eintretenden Verkleinerung ihr Nuclein verlieren: anfangs kyanophil, werden sie erst kurz vor dem Absterben ausgesprochen erythrophil. Bezüglich ihres Gehaltes an Nuclein stehen die Kerne der Maiswurzel etwa in der Mitte zwischen denen der Hyacinthe und der Aspidistra. Im Meristem weisen die Kerne noch fast durchweg ein Gerüstwerk auf, das, ähnlich wie in Figur 1, auf Tafel II, den Kernraum gleichmässig feinmaschig erfüllt und nur den grossen aber wohlumgrenzten Nucleolarhof frei lässt. Vor dem Uebergang zur vollständigen Erythrophilie zeigen die Kerne sowohl im Wurzelkörper wie in der Haube zunächst Ansammlungen des Nucleins zu einzelnen grösseren Körnern, während das Gerüstwerk im Uebrigen kein Nuclein mehr erkennen lässt; zuletzt schwinden auch diese Körner. Die chromatischen Reactionen in den Kernen der Maiswurzel entsprechen, wie wir im Einzelnen kaum auszuführen brauchen, vollständig den bei der Hyaecinthe notirten. Dicotylen-Wurzeln. Phaseolus multiflorus. Die Kerne dieser Art sind selbst im Meristem so nucleinarm, dass die Entscheidung, ob und wann sie später noch Nuclein verlieren, ein wenig unsicher wird. Ich habe aber keinen Grund zu be- zweifeln, dass die Kernumwandlungen hier ebenso eintreten und verlaufen, wie bei den oben besprochenen Monocotylen-Wurzeln, und dass eine schärfere Reaction als die Roth-Blau-Färbung dies zur Evidenz darthun würde. Wenn also Phaseolus sich wenig zur Untersuchung des Chromatins und seiner Umlagerungen eignet, so bietet es wieder ein günstiges Objeet zum Studium des Verhaltens des Nucleolus bei der Karyokinese. Hierüber habe ich schon in meiner oben citirten vorläufigen Mittheilung ') einige Angaben gemacht, !) Neueres über die Chromatophilie der Zellkerne, Berichte d. Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 15. Febr. 1894. 263 die ich hier mit Anfügung der Figuren wiederholen möchte. Ueber den Austritt von Nucleolen in das Cytoplasma in der Stammspitze von Phase- olus communis (Ph. vulgarıs var. communis) hat Zimmermann in seiner schon mehrfach eitirten Arbeit kurze Mittheilung gemacht; die beiden Bohnensorten scheinen in Bezug auf das Verhalten der Nucleolen überein- zustimmen. Der ruhende Kern im Wurzelmeristem von Phaseolus multiflorus ist klein und bläschenförmig; ein wenig Nuclein ist in wandständiger Anordnung durch die Differenziationsfärbung nachzuweisen. Der Nucleolus ist relativ sehr gross und führt meist eine Vacuole (Tafel III, Fig. 4, oben). Beim Eintritt in die Theilung verliert der Nucleolus alsbald seine Kugelgestalt und wird unregelmässig lappig, dabei aber stets senkrecht zur Theilungsebene gestreckt. Diese Formveränderungen sind unzweifelhaft mit einem stetig, wenn auch sehr langsam erfolgenden Abschmelzen der Nucleolarmasse verknüpft. Wenn die Spindel gebildet und die Kernwandung verschwunden ist, sieht man fast stets inmitten der zur Kernplatte angeordneten Chromo- somen einen mehr oder minder ansehnlichen Nucleolarrest, welcher in derselben Richtung wie die Chromosomen und die Spindelfäden gestreckt ist. Dieser Nucleolarrest wird nun in der Mitte eingeschnürt, sodass er Hantelform erhält (Fig. 5); die beiden Hälften reissen schliesslich von einander und gelangen an die Spindelpole (Fig. 6). In anderen Kernen wird der Nucleolar- rest einseitig aus der Kernplatte herausgedrängt oder auch doppelt getheilt (Fig. 7); endlich findet sich meist an einem oder an beiden Spindelpolen ein Restchen des Nucleolus (Fig. 8); seltener liegt ein solches seitlich neben der Spindel (Fig. 9). Die Auflösung ist nun meist bald beendigt; nur ausnahms- weise lässt sich noch am Ende der Karyokinese, neben der Dispiremfigur, ein blasses, winziges Ueberbleibsel des Nucleolus im Cytoplasma nachweisen (Fig. 10). | Während wir oben bei Ayacinthus an denjenigen Wurzeln, welche eine ungewöhnlich langsame Auflösung des Nucleolus in den Prophasen der Theilung gezeigt hatten, auch ein abnormes Wiederauftreten der Nucleolen im Cytoplasma constatiren konnten, scheint bei Phaseolus multiflorus die Neubildung immer in normaler Weise, innerhalb der Tochterkerne zu erfolgen. Hier bilden sich die Nucleolen stets, wie gewöhnlich bei der Hyaeinthe, zwischen den Chromatinbögen in Räumen, die mit Kernsaft erfüllt sind. Auffallender Weise treten hier fast immer 4 Nucleolen in jedem Tochterkern auf; diese verschmelzen dann mit- einander zu dem einzigen grossen Nucleolus des ruhenden Kerns (Fig. 11 und 12, Tafel III). Unzweifelhaft sind auch bei Phaseolus multiflorus die Nucleolen der Tochterkerne Neubildungen. Wenn auch die Nucleolarsubstanz möglicher- weise bei der Karyolyse erhalten bleibt und sich in den Tochterkernen nur wieder auf Neue sammelt, so besteht doch keine von Generation zu Generation sich fortspinnende Continuität in den Nucleolen als solehen und von 18* 264 einem „omnis nucleolus e nucleolo“ ') kann keine Rede sein. — Bemerkens- werth ist auch, dass die Nucleolen, welche aus der Asterfigur austreten, für gewöhnlich an die Spindelpole gelangen. Man wird hier freilich nicht, wie bei Psilotum (siehe unten) durch die Aehnlichkeit der entstehenden Configurationen dazu geführt an Beziehungen zwischen diesen polständigen Nu- eleolen und den Centrosomen zu denken; dazu sind bei Phaseolus die Figuren nicht regelmässig genug, auch findet man bei diesem Object während der Metakinese fast niemals zwei „Polkörperchen“. Endlich kann man sich meist leicht überzeugen, dass die polständigen Nucleolen niemals thatsächlich mit den Endigungen der Spindel zusammenfallen, sondern stets neben denselben liegen. Dass aber die Nucleolen gewöhnlich in die Polstellung gelangen, wird man wohl ungezwungen mit den Bewegungen zusammenbringen, welche in den Spindelfäden statthaben. Denn den Nucleolen selbst wird man, obwohl bei Pflanzenzellen, meines Wissens, darüber nichts beobachtet ist, active Ortsveränderungen wohl kaum zuschreiben. Bei genauer Betrachtung der oben besprochenen Theilungsfiguren gewinnt man unbedingt den Ein- druck, als ob die Nueleoien passiv zunächst aus der Kernplatte, dann aus dem Spindelraum heraus gedrängt würden. Die richtenden Kräfte bei diesen Prozessen dürfen aber auch nicht ausschliesslich in den Spindelfäden gesucht werden, da, wie oben betont, der Nucleolos sich schon während des Spirem- stadiums senkrecht zur späteren Theilungsebene streckt (Fig. 4, unten), d. h. zu einer Zeit, wo die Spindel sich erst soeben, ausserhalb der Kernmembran, zu bilden beginnt, also wohl kaum eine mechanische Ein- wirkung auf das Kerninnere ausüben kann. Vieia Faba var. megalosperma. In den Wurzeln dieser Pflanze finden wir ein für unsere Zwecke sehr günstiges Material. Im Gegensatz zu Phaseolus und Pisum, welches letztere vollständig mit ersterem über- einstimmt und daher hier nicht besprochen werden soll, besitzt Vicia Faba in ihren Wurzeln grosse, chromatinreiche Kerne. Die Blau-Roth- Färbung, welche bei Phaseolus mindestens "» Stunde andauern musste, um eine erkennbare Differenziation zu geben, hat bei Vicia Faba nur etwa 2 Mi- nuten zu währen, wenn nicht eine Ueberfärbung, die übrigens mit saurem Jodalkohol rückgängig gemacht werden kann, eintreten soll”). Unser Ob- ject bietet auch noch den Vortheil, dass es leicht zu jeder Jahreszeit in guter Qualität zu bekommen ist; Aussaaten, die man am besten mit feuchten Sägespänen ansetzt, ergeben bei Zimmertemperatur in etwa 8 Tagen spannen- lange Wurzeln, an welchen schon die Seitenwurzeln hervorgebrochen sind. 1) Zimmermann, ]. c. pag. 31. 2) Zimmermann giebt an, dass die Fuchsin-Jodgrün-Färbung bei Vicia Faba schwer gelinge und man, um brauchbare Resultate zu erhalten, das Farbstoffgemisch relativ lange einwirken lassen müsse. Diese Erfahrung machte ich auch an Faba- Wurzeln, die ich, wie Zimmermann dies meist gethan hat, mit Merkel’scher Flüssigkeit fixirt hatte. Grade an Vicia Faba kann man sich leicht von der Superiorität der Keiser’schen Fixage gegenüber der Merkel’schen überzeugen. 265 Die Wurzel von Vicia Faba zeigt einen relativ eomplieirten Bau und eine sehr allmählich erfolgende Differenziation der Gewebe. Am Scheitel des Wurzelkörpers ist von einer Sonderung der Gewebesysteme noch gar- nichts zu sehen, und selbst die Epidermis tritt erst in erheblicher Entfernung vom Scheitelpunkt als gesonderte Schicht hervor. Den Wurzelscheitel nimmt - vielmehr eine compacte Meristemmasse ein, die in ihrer regelmässigen Con- figuration und in ihrer Zusammensetzung aus Reihen von lauter flachen, breiten Zellen lebhaft an ein Cambium erinnert. Auch die von hier nach aussen, d. h. gegen die Haube abgegebenen Zellen sind in regelmässige Längs- und Querreihen angeordnet; auf der anderen Seite, im Wurzelkörper, verwischt sich diese Anordnung jedoch bald und vollständig. Der meriste- matische Charakter der Zellen erlischt an der Basis des Vegetationskegels nicht so plötzlich und über den ganzen Wurzelquerschnitt hin gleichzeitig, wie wir dies bei der Hyacinthe gesehen haben. Während nämlich das Rindengewebe mit dem Uebergang zur Streckung den meristematischen Character verliert, ist dies bei den Elementen des Centraleylinders auf gleicher Höhe nicht der Fall; wenigstens die Mehrzahl der Zellen bleibt hier noch zu weiteren Theilungen befähigt, welche die secundäre Gewebe- bildung in der Wurzel bedingen. Einzelne Zelltheiluingen kommen auch sonst noch ausserhalb des Meristemkegels vor. Der ruhende Zellkern (Fig. 13, Tafel III) aus dem Bildungsgewebe der Faba-Wurzel besitzt ein compactes Gerüstwerk, das, aus engen, kurzen Maschen und eingestreuten kleinen sowie einzelnen grösseren Nucleinkörnchen be- stehend, aus dem Roth-Blau-Gemisch die blaue Farbe mit grosser Intensität speichert. Die Kernwand ist undeütlich und nur durch die Endigungen der Gerüstmasse markirt. Die Nucleolen, die meist einzeln, seltener zu zweien und nie in grösserer Anzahl im Meristemkern gefunden werden, be- sitzen sehr stattliche Dimensionen und zeigen bei guter Präparation fast stets 1—2 grosse Vacuolen. Rings um die Nucleolen sind wohlumgrenzte Höfe ausgebildet. Man vermisst dieselben freilich bei vielen Kernen, doch offenbar nur an solchen, welche einen Theilungsprocess begonnen oder sich nach Theilung noch nicht vollständig in den Ruhestand begeben haben (Fig. 14). Die Aenderungen, welche der Kern bei Verlust seines embryonalen Characters erleidet, sind die üblichen: Uebergang zur Erythrophilie, d. h. Verschwinden des Nuclein, Hervortreten des Liningerüstes und der Kern- wand; dazu gesellen sich, wie sonst, Verminderung der Nucleolarmasse und — oft — Theilung des Nucleolus in drei bis mehrere Stücke. Die Ab- nahme des Nuclein erfolgt nicht, wie bei der Hyaecinthe, gleichmässig, sondern es schwinden hier zunächst die kleinen im Gerüstwerk vertheilten Nuclein- körner, welche einzeln unter der Grenze des Sichtbaren liegen, während die grösseren anfangs erhalten bleiben und sogar noch an Umfang zunehmen oder doch infolge des Nucleinverlustes ihrer Umgebung deutlicher hervor- treten. In diesem Stadium kann der Kern eine Weile verharren, schliesslich 266 verlieren aber auch die grösseren Knötchen des Kernnetzes ihren Nuclein- gehalt und färben sich violett bis schmutzig-rosa. Alle diese Umwandlungen lassen sich auch bei Vicia Faba am leichtesten in der Wurzelhaube studiren. Dieselbe ist hoch und spitz, aber Theilungen kommen nur in ihren inneren, dem Wurzelkörper nahe- liegenden Theilen vor. Die Kernumwandlung tritt allmählich ein und lässt sich in allen ihren Etappen verfolgen. Ungemein auffallend ist auch hier wieder die Reduction der Nucleolarmasse in den Haubenkernen; dieselbe stellt das erste Zeichen der Kerndegeneration (wenn es sich um eine solche handelt) dar und ist, wie sonst, mit einer Zertheilung des Nucleolus verbunden. Die Theilstücke verkleinern sich bis zum voll- ständigen Verschwinden. Mit der Ausbildung der Kernmembran erleiden die Kerne bedeutende Formveränderungen, namentlich in den scheiden- artig den Wurzelkörper umgebenden Theilen der Haube, wo ähnliche Spindelgestalten resultiren, wie wir sie bei der Hyacinthe kennen gelernt haben (Fig. 15). Im Wurzelkörper lassen sich bei Vicia Faba var. megalosperma sehr leicht Grössenunterschiede der Kerne beobachten. Hier wie sonst sind die Kerne dicht unter dem Vegetationsscheitel am grössten; sie haben das Maximum ihres Umfanges in wenigen Generationen erreicht, und sinken dann bis zum Streckungsgewebe ganz allmählich zu bedeutentl kleineren Gebilden herab, wobei sich ihre Kugelgestalt in Linsenform umwandelt. Auch der Nucleolus erleidet eine entsprechende Verkleinerung. Auf dem Längsschnitt einer Faba-Wurzel findet man aber im Centraleylinder hier und dort in den Kernen auch eine Anhäufung von Nucleolarsubstanz, welche zur Bildung sehr stattlicher, meist längsgestreckter und mit 2—4 Vacuolen versehener Kernkörperchen führt. An diesen erkennt man zuerst die zukünftigen Gefässzellen; die Differenzirung derselben erfolgt bei Faba relativ spät. Bei Hyacınthus konnten wir die auffallend gebildeten Gefässkerne schon unmittelbar unter dem Scheitel des Wuırzelkörpers erkennen; bei Vicia Faba sieht man an lebhaft wachsenden Wurzeln die ersten Anfänge der Kerndifferenziation 2—3 mm vom Scheitel entfernt, und noch auf etwa 1 em Entfernung besitzen die Gefässkerne ein, wenn auch modifieirtes kyanophiles Kerngerüst. Neben den sich ausbildenden Erstlingsgefässen entstehen radial-centripetal weitere Gefässe, und nach kurzer Pause beginnt die Bildung des secundären Wurzelxylems. Die Kerne der bei den auf- einander folgenden Bildungen betheiligten undifferenzirten Zellen des Grund- gewebes im Centraleylinder bewahren ihren embryonalen Charakter; die Roth-Blau-Färbung lässt sie leicht als Meristemkerne erkennen. Im Rinden- parenchym ausserhalb des Centraleylinders haben die Zellen um diese Zeit nicht mehr den Aufgaben eines Meristems zu genügen, was wiederum an ihren Kernen auf das deutlichste abzulesen ist. Die Faba-Wurzeln, welche zu Zwecken dieser Arbeit untersucht wurden, 267 waren pentarch'). Zwischen den Xylemreihen liegen, wie normal, die Phloemkörper, nach aussen belegt mit einem Hartbastcomplex und vom Xylem durch Grundparenchym isolirt, in welchem später das secundäre Holz und der Bast entsteht. Diese etwas complicirte Anordnung machte es schwer auf dem Längsschnitt die zur Bildung der verschiedenen Gewebe bestimmten Zellen nach ihrer Lage zu erkennen. Doch kann ich soviel angeben, dass diejenigen Zellen des Grundparenchym, welche die späteren Gefässe des primären Holzkörpers bilden sollen, lange Zeit vorher an ihren ziemlich grossen, anfangs kugeligen Kernen zu erkennen sind, welche übrigens die Meristemebaractere noch bewahren, während die Zellen des übrigen Grundparenchym, des Hartbastes und des Weichbastes (2) sich frühzeitig strecken, wobei ihre gleichfalls noch kyanophilen Kerne die Kugelgestalt verlieren. Auffällig langgestreckte Kerne findet man jedoch nur im Hart- bast; die Nucleolen sind hier oft striehförmig ausgezogen. — Die Bildung der Siebröhren scheint auch hier nicht mit bedeutenden Umänderungen der Kerne verbunden zu sein. Von den äussersten Gefässen und den Hartbastbündeln durch eine, streckenweise zwei Zelllagen getrennt, bildet sich rings um den Central- eylinder die Scheide (Endodermis) aus. Sie ist auf Querschnitten an Präpa- raten, die nach der Zimmermann’schen Methode gefärbt sind, alsbald sehr leicht aufzufinden, da die sogen. Caspari’schen Punkte sich leuchtend roth färben. An den dünnen Mikrotomschnitten sieht man auch sehr schön, dass die rothen Punkte die Querschnitte reifenartiger Wandumbildungen darstellen, welche in der Tangentialebene zur Cylinderwand des Central- körpers jede Scheidenzelle umspannen. An die Scheide stösst innen das 1—2schichtige Pericambium an. Dieses hat die Function, die ersten Bau- steine zur Bildung der Seitenwurzeln zu liefern, in ihm muss daher die Theilungsfähigkeit der Zellen erhalten bleiben. Wir dürfen also nach Analogie erwarten, in den Kernen der Pericambiumzellen einer ausgesprochenen Kyanophilie zu begegnen. Diese Vermuthung trifft in der That zu. Ein Querschnitt durch die Wurzel, ein paar Millimeter von der Grenze des Meristems entfernt, zeigt die Kerne der Wurzelrindenzellen als kleine linsen- förmige, ausgeprägt erythrophile Körper und auf dem gleichen Schnitt, im Pericambium, grosse, kugelige, kyanophile Kerne, die, wie im Bau und Nucleingehalt ihres Gerüstes, so auch in der Grösse ihrer umhöften Nucle- olen ihren embryonalen Character auf das deutlichste zu erkennen geben. Aber auch die nächst benachbarten Zellen der Endodermis und der Wurzel- rinde weisen noch kyanophile Kerne auf, wenn auch hier die Reaction 1) L. Kny zeichnet in seinen botanischen Wandtafeln (No. 56 u. 57) die Faba- Wurzel tetrarch, ebenso van Tieghem (Traite de Botanique, 2i®me Ed. pag. 720). Ich habe leider nicht festgestellt, ob die von mir verarbeitete Varietät von Wicia Faba durchweg pentarche Wurzeln besass. Vielleicht gehören die teträrchen Wurzeln der Varietät equina an. 268 weniger ausgesprochen ist. Im Centralcylinder dagegen sind schon einzelne Kerne erythrophil, diejenigen offenbar, die sich an dem secundären Ausbau des Centraleylinders nicht zu betheiligen haben. Die Seitenwurzeln entstehen, wie gewöhnlich, vor den radialen Gefäss- reihen. Ihren Ursprung nehmen sie vermuthlich ausschliesslich aus dem Pericambium, aber die nach aussen anstossenden Zellen betheiligen sich doch insofern an der nun eintretenden Zellenvermehrung, als sie sich, ent- sprechend den sich ändernden Raum- und Druckverhältnissen gleichfalls wiederholt theilen und so eine mitwachsende Scheide für die junge Seiten- wurzel bilden. Die kyanophile Reaction der Kerne der dem Pericambium benachbarten Rindenzellen, die oben notirt wurde und welche sich auch vor der Anlage der Seitenwurzeln bemerkbar machte, hat also nichts über- raschendes. Thatsächlich sieht man die junge, noch im Wurzelkörper liegende Seitenwurzel überall, ausser an ihrer an eine Xylemreihe des Centraleylinders anstossenden Basis, umgeben von Zellen mit kyanophilen Kernen, und in diesen selbst ist die Kyanophilie um so ausgeprägter, je näher sie der Neuanlage liegen. Sind die Anfänge der Seitenwurzeln gebildet, so verlieren die Pericambiumzellen, die hierbei nicht betheiligt waren, nach und nach ihre kyanophile Reaction und zwar zuerst zwischen den Xylem- bündeln, erst erheblich später vor diesen, d. h. also an denjenigen Orten, wo morphologisch die Bildung weiterer Seitenwurzeln noch möglich wäre. In den Anlagen der jungen Seitenwurzeln tritt eine enorme Häufung von Nuclein ein. Die kleinen Zellen enthalten relativ sehr grosse, stark kyanophile Kerne; die Nucleolen erreichen bald eine bedeutende Grösse. Auch die Protoplasmakörper in den Zellen der Seitenwurzel-Anlagen färben sich intensiv, natürlich rot. So kommt es, das ein nach der Zimmermann’schen Methode gefärbter Querschnitt einer Wurzel mit den Anlagen der Seitenwurzeln diese selbst dem unbewaffneten Auge als tief blau-violett gefärbte Körper auf matt rosa Grund zeigt. Die Wurzel von Vicia Faba zeigt ein frühzeitig eintretendes secundäres Dickenwachsthum, welches resultirtt aus der Thätigkeit eines Cambiums, das sich, zunächst in isolirten Stücken, zwischen den miteinander alter- nirenden Xylem- und Phloömbündeln des Centraleylinders bildet '). Mikro- tomschnitte, in geeigneter Höhe quer durch die Wurzel der Faba geführt, zeigen, dass die ersten Anlagen der Cambiumstücke an der Aussenseite des Centraleylinders liegen: die ersten Cambiumzellen, an ihrer flachen Form leicht erkennbar, bilden sich, anschliessend an das Pericambium, neben den äussersten Gefässen der Xylemreihen aus. Bei einer tetrarchen Wurzel sind es also 8, bei meinen pentarchen Wurzeln 10 isolirte Primordien, die sich übrigens nicht gleichzeitig bilden, sowie auch die Xylembündel ziemlich ungleich sind. Diese ersten Cambiumanlagen verbreitern sich in radialer Richtung und vereinigen sich alsdann zu je zwei, indem sie flache Bögen 1) Vgl. L. Kny, Botanische Wandtafeln No. 56 und 57. 269 bilden, deren convexe Seiten dem Centrum des Wurzelquerschnittes zu- gewendet sind, während die concaven Seiten je ein Phloömbündel umspannen, Nach unsern bisherigen Erfahrungen dürfen wir erwarten, dass auch die Cambiumzellen sich durch Kerne der ‚‚Meristemform‘‘ auszeichnen werden, und dies ist in der That so. Schon oben wiesen wir darauf hin, dass im Centraleylinder der Faba-Wurzel nur einzelne Kerne relativ frühzeitig erythrophil werden. Diejenigen Zellen, in welchen sich das Cambium aus- bildet, besitzen noch kyanophile Kerne. Es liegt also hier, wie im Peri- cambium, keine Neuerwerbung der meristematischen Natur, sondern ein Erhalten derselben, vom Meristem der Wurzelspitze her, vor. Um dieselbe Zeit aber, wenn die Cambien sich zu bilden begonnen haben, ist den Kernen der Pericambiumzellen die kyanophile Reaction und der meristematische Character schon zum grössten Theil verloren gegangen; ja sie erscheinen jetzt schwächer kyanophil als die Kerne der Endodermiszellen. Die letzteren sind vielleicht bestimmt, nochmals eine Reihe von Theilungen durchzumachen, wenn der durch die Thätigkeit des Cambiums vergrösserte Centraleylinder auch eine Erweiterung der Scheide nöthig macht. Es stand mir leider kein Material zur Verfügung, das zur Entscheidung dieser Frage hätte dienen können. Die Vertheilung der Kerne von kyanophiler Reaction in der Wurzel von Viecia Faba entspricht also vollständig der Anordnung der Meristeme. Es konnte erwiesen werden, dass die seitlichen Neuanlagen der Wurzel ebenso wie ihre secundären Verdickungsschichten sich ableiten von Zellen, welche, vom Haupt-Meristemkegel her, meristematischen Character besassen und dies durch Bau und Inhalt ihrer Kerne verriethen. Die Befunde in der Faba-Wurzel entsprechen also durchaus dem Satz von J. Sachs: „Alle Vegetationspunkte sind ... . in unmittelbarer Continuität aus dem primären, embryonalen Gewebe abzuleiten“ !). In der Wurzel von Vicia Faba konnte die ‚„Continuität der embryonalen Substanz‘ direct erwiesen werden. Wie es sich in dieser Beziehung mit solchen secundären. Meristemen verhält, die, wie die Korkeambien, in grösserer räumlicher und zeitlicher Entfernung vom Vegetationspunkt entstehen, das ist eine Frage, deren Be- antwortung in vorliegender Arbeit nicht in Angriff genommen wurde. Ihre exacte Lösung bietet technische Schwierigkeiten, die vielleicht nur durch das Auffinden besonders günstiger Objeete gehoben werden können. Auch adventive Neubildungen, zumal solche, welche, wie die Callus-Knospen oder die Wurzeln abgeschnittener Blätter (Begonia, Citrus, Bryophylium) ihre Entstehung einem äusseren Eingriff verdanken, würden zur Untersuchung heranzuziehen sein. Ist es doch keineswegs unwahrscheinlich, dass Kerne, welche den embryonalen Character schon verloren hatten, denselben unter geeigneten Bedingungen wiedergewinnen können. Den Anlass hierzu könnte !) Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, 2. Aufl. pag. 408. 28 beispielsweise sehr gut eine Stockung der Nahrungssäfte geben, die vielleicht nur den Effect hätte, dass gewisse Stoffe, welche den Vegetationspunkten zu- geführt werden sollten (Phosphor z. B.), den Kernen an der Unterbrechungs- stelle des Saftstromes zu Gute kämen, diesen die Substanzen lieferten, durch deren Einlagerung sie wieder den embryonalen Character in Bau und Function annehmen könnten. Doch die Möglichkeiten zu erwägen, hat zur Zeit noch nicht viel Werth; hoffentlich gelingt es die Lösung dieser Fragen auf exactem Wege zu erzielen. Bemerkungen zur Kerntheilung bei Vicia Faba var, megalo- sperma. In seiner schon mehrfach eitirten Arbeit „Ueber das Verhalten der Nucleolen bei der Karyokinese“ ') behandelt A. Zimmermann auch Vieia Faba. Er beobachtete, dass in den Kernen der Wurzelspitze während des Beginns des Knäuelstadiums, die vorher ziemlich regel- mässig kugel- oder eiförmige Gestalt des Nucleolus in eine mehr gelappte Form überging. Vermuthlich stellte diese den Uebergang zur Zertheilung des Nucleolus dar; jedenfalls waren in einem späteren Stadium des Spirem zahlreiche kleine Nucleolen innerhalb des Kerns zu beobachten. Aehnliche Gebilde wurden im Asterstadium theils zwischen den Chromosomen, theils schon ausserhalb der Kernfigur aufgefunden; der Nachweis gelang jedoch häufig auch nicht. Während der Metakinese bis zum Dispirem wurden im Cytoplasma und zwischen den Spindelfäden in sehr zahlreichen Fällen kleine Körperchen beobachtet, die Zimmermann wohl mit Grund für die Ab- kömmlinge des Nucleolus ansieht, und welche niemals neben ruhenden oder in der ersten Hälfte der Theilung stehenden Kernen nachzuweisen waren. Ob und eventuell wie diese extranucleären Nucleolen in die Tochterkerne gelangen, giebt Zimmermann nicht an. I. E. Humphrey bemerkt in einer vorläufigen Mittheilung über „‚Nucleolen und Centrosomen‘‘ *), dass er neben anderen von Zimmermann studirten Objecten auch Vieia Faba untersucht habe. Der Autor stimmt Zimmer- mann darin bei, dass es Fälle gebe, wo Nucleolen in das Cytoplasma ausgestossen würden (wie übrigens, zumal durch Strasburger, schon bekannt sei); doch hält er diesen Vorgang für wenig verbreitet und glaubt in einigen der Zimmermann’schen Figuren Kunstproduete sehen zu müssen, die auf die Anwendung der Merkel’schen Flüssigkeit als Fixage zurückzuführen seien. Uebrigens enthält die vorläufige Mittheilung keine weiteren Angaben über Vicia Faba. Wir werden später auf Humphrey’s Arbeit zurück- zukommen haben, und ich möchte hier nur bemerken, dass ich seine Befunde, soweit dieselben aus der kurzen, vorläufigen Mittheilung ersichtlich sind, meist bestätigt gefunden habe. Für ein Objeet, nämlich Phaseolus multi- 1) Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle, Band 2. 2) Berichte der Deutschen Bot, Gesellsch. 12. Mai 1894. 271 florus, habe ich übrigens schon vor Humphrey gleichfalls in einer kurzen, vorläufigen Mittheilung entsprechende Angaben gemacht '). Inzwischen erschien aber eine grössere Arbeit von M. Lavdowsky, die ausführlich die Kerne und die Kerntheilung von Vicia Faba behandelt?). Ob- gleich Lavdowsky die Methode der Roth-Blau-Färbung der Kerne wenig anwendet’), wodurch es mir etwas erschwert wird, meine Befunde mit den seinigen zu vergleichen, muss ich dieser Arbeit doch einige Bemerkungen widmen. Lavdowsky wendet seine Aufmerksamkeit ganz besonders den Nucle- olen zu. Im Gegensatz zu Zimmermann findet er, dass die Kernkörperchen nicht zu jeder Zeit des Zellenlebens persistiren, dass ihr Verschwinden während der Karyokinese keinem Zweifel unterliegt. Die Figuren 55b, e, d, 56—58 der Lavdowsky’schen Arbeit erinnern so lebhaft an meine !) Neueres über die Chromatophilie der Zellkerne. Jahresbericht der Schles. Gesellsch. 15. Febr. 1894. 2) Von der Entstehung der clıromatischen und achromatischen Substanzen in den thierischen und pflanzlichen Zellen; März—April 1894. Erschienen in den Anatomischen Heften von Merkel und Bonnet; Wiesbaden 1894. 3) Lavdowsky hat Auerbach und mich in der Frage der electiven Chro- matophilie der Kerne sehr wenig verstanden. Er führt gegen die Kyanophilie der Kernfäden als Argument an, dass es ihm stets gelungen sei, diese Gebilde roth zu färben, wenn er sie, mit Ausschluss blauer Farbstoffe, nur mit rothen behandelte, (bei Anwendung eines geeigneten Farbstoffgemisches färbten sie sich natürlich blau). Dass kyanophile Kernfäden nicht auch rothe Farbstoffe speichern könnten, hat meines Wissens niemand behauptet, am wenigsten ich, der ich gezeigt habe, dass und wie man sogar sogenannte Umkehrfärbungen erzielen kann, bei welchen die kyanophilen Theile roth, die erythrophilen blau werden. Ich möchte, um nicht längst erledigte Dinge wieder besprechen zu müssen, Herrn Lavdowsky die nochmalige Lectüre meiner von ihm angegriffenen Arbeit empfehlen. Vielleicht überzeugt er sich dann auch, dass ich nirgends angegeben habe, die Nucleolen „stellten vacuolenartige Hohl- räume innerhalb einer homogenen Substanz dar“, wie Lavdowsky (pag. 338) eitirt. Es ist an der betreffenden Stelle meiner Arbeit (pag.450) nicht von den Nuceleolen, sondern von gewissen Pünktchen die Rede, welche man oft in den Kernkörperchen beobachtet. Lavdowsky kommt in dem der Chromatophilie der Kernbestandtheile gewid- meten Abschnitte zu dem Schluss: „die Benennungen „kyanophil“ und „erytrophil“ haben keine Bedeutung und sind vielleicht umsonst in die Wissenschaft eingeführt.‘ Consequenterweise versucht Lavdowsky die Lösung einiger Fragen der Kerntheilung ohne Anwendung der Roth-Blau-Färbung, und das Resultat ist, dass der Autor selbst manchmal die Substanz der Kernfäden nicht von Theilen der Nucleolen zu unterscheiden weiss (cfr. seine Figuren 56—58 und die dazugehörige Erklärung sowie meine unten folgenden Ausführungen). Andere verdienstvolle Forscher auf dem Gebiete der Zellenlehre, denen Niemand unberechtigten Enthusiasmus für die Roth- Blau-Färbung vorwerfen wird, haben diese Methode doch nicht so vollständig ver- worfen, so Strasburger beispielsweise, der die eleetive Färbung vielleicht zuerst und jedenfalls seit langer Zeit mit gutem Erfolg verwendet hat. Lavdowsky wendet sich freilich direet nur gegen die Bezeichnungen Kyanophilie und Erythrophilie, aber diese Begriffe, welche sich auf dem natürlichsten Wege aus den mit Hülfe der Kerndoppelfärbung gewonnenen Beobachtungen ableiten und sich nur auf diese Tinetionsmethode beziehen, können nur dann verworfen werden, wenn man eben die Methode verwirft. 272 Figuren (6—-10, Tafel III) von Phaseolus, dass ich. keinerlei Grund habe, ihre Correetheit zu bezweifeln. Sie stellen die Zertheilung und Auflösung der Nucleolarmasse während der Karyokinese dar. Man wird sie auch un- schwer mit Zimmermann’s Augaben in Einklang bringen. Nur die Ansicht Zimmermann's, dass die ausgestossenen Nucleolen in die Tochterkerne wieder einwandern, erscheint wohl nicht haltbar; übrigens hat Zimmermann dies für Vieia Faba speeciell auch nicht behauptet. Bei der von mir untersuchten Varietät megalosperma erfolgte die Auflösung der Nucleolen rascher und vollständiger. Sie war fast stets vor Beginn der Metakinese beendigt; eine Ausstossung von Nucleolarresten in das Cytoplasma fand nicht statt. Diese Differenz von Zimmermann und Lavdowsky auf der einen und von mir auf der anderen Seite mag ihre Erklärung in der Annahme finden, dass die Nucleolen bei verschiedenen Varietäten von Vieia Faba sich bei der Karyokinese verschieden verhalten mögen, oder vielleicht spielen auch hier Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen der Organe, welchen die Kerne angehörten, eine Rolle. Wie schon oben erwähnt, findet man in der Faba-Wurzel neben der Mehrzahl von Kernen, welche blos einen Nucleolus führen, auch eine Minder- zahl mit zweien, zumal im Periblem in einiger Entfernung vom Scheitel. Sehr häufig sind auch Figuren, in welchen die Nucleolen paarweise genähert oder sogar mit einander zusammenhängend beobachtet werden (Fig. 14, Tafel III). Lavdowsky fasst solche Bilder als Theilungsstadien des Nu- cleolus auf'). Ob diese Deutung richtig ist, und ob nicht vielmehr Fusion zweier Nucleolen vorliegt, ist, da sich der Vorgang wohl nicht an den lebenden Zellen direet verfolgen lässt, schwer, mit voller Sicherheit zu ent- scheiden. Da ich aber in den Tochterkernen nach der Theilung meist zwei Nucleolen in Nenbildung fand, und da der sich wieder zur Theilung an- schiekende Kern stets nur einen Nucleolus aufweist, so scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass, wo paarweise zusammenhängende Nucleolen vorliegen, es sich um Verschmelzung, nicht um Theilung handelt. Wir würden es dann mit der gleichen Erscheinung zu thun haben, wie bei Hyacinthus, wo die Kerne im Entstehen 5—8 Nucleolen, vor der neuen Theilung jedoch nur einen Nucleolus besitzen, oder wie bei Phaseolus, wo die vier neuen Kernkörperchen jedes Tochterkernes sich zu einem einzigen vereinigen. Mit dieser Erklärung stimmt nur die unbestreitbare Thatsache nicht recht, dass Kerne mit zwei Nucleolen da, wo die Zelltheilungen in kürzester Pause aufeinanderfolgen, d. h. am Vegetationsscheitel, viel seltener sind, als nahe der Basis des Vegetationskegels. Wenn Lavdowsky unsrer Meinung nach die Auflösung des Nucleolus ganz correct abgebildet hat, so können wir uns doch der Deutung, die er diesem Process giebt, nicht anschliessen. Unser Autor giebt nämlich an, in den Vacuolen der Nucleolen in den Faba-Kernen Körperchen gefunden I) ]. c. pag. 395. Lavdowsky nennt die Theilung der Nucleolen „amitotisch‘ 273 zu haben, die er als Centrosomen (Nucleololi) anspricht. Sie sollen in der Vacuolenflüssigkeit schwimmen und nicht weit über der Grenze des Sicht- baren liegen. Die Auflösung der Nucleolen bei der Karyokinese hat nun nach Lavdowsky einen doppelten Effect: einmal die Befreiung des Centrosoma aus dem Kernkörperchen und andrerseits eine Substanzabgabe zum Aufbau des Kernfadens. Was zunächst den ersten Punkt anlangt, so habe ich mich weder von dem Austritt eines Körperchens aus der Vacuole des sich auflösenden Nu- eleolus noch überhaupt von der Existenz eines solchen Körperchen über- zeugen können. Und doch müsste grade Vicia Faba mit den grossen Hohlräumen in ihren Nucleolen ein besonders gutes Object für die Con- statirung des fraglichen Phänomen sein. Allgemein verbreitet würde die Lage des Centrosoma im Nucleolus auch wohl kaum sein können, da die Mehrzahl der Pflanzenkerne in ihren Kernkörperchen gar keine Vacuolen führt. Bei meinem Suchen nach dem Nucleololus fand ich übrigens mehrfach Körperchen in den fraglichen Vacuolen. Es waren winzige Wasser- oder Alkoholtröpfehen, die bei der Ueberführung in Canadabalsam deutlich hervor- traten, eingehüllt in eine compacte Fällungsschicht des Balsams, wodurch sie ein leidlich solides, körperliches Aussehen gewannen. Ich möchte die Nucleololi Lavdowsky’s zwar durchaus nicht gleich als solche Wasser- tröpfehen ansprechen, andrerseits aber doch die Möglichkeit einer Täuschung durch derartige Gebilde, die bekanntlich dem Mikroskopiker manchmal andere Körper auf eine, man möchte sagen raffinirte Weise vorspiegeln, in Er- innerung bringen. Bestärkt werde ich in dem Verdacht, dass Lavdowsky sich geirrt haben könnte, durch den Umstand, dass ich die Centrosomen und Attractionssphären während der Zellruhe an ganz anderen Stellen der Zelle aufgefunden zu haben glaube. Da meine bezüglichen Beobachtungen jedoch noch nicht vollständig sind, so muss ich mir die Mittheilung darüber auf eine andere Gelegenheit versparen. Die Auflösung des Nucleolus bei der Karyokinese hat aber nach Lavdowsky noch einen anderen Zweck als die Befreiung des Nucleololus, nämlich die Ernährung des Kernfadens. . Lavdowsky glaubt erwiesen zu haben, dass der Kernfaden sich auf Kosten des Nucleolus, oder vielmehr seiner „chromatischen Rinde‘‘ bilde. Den Nachweis erbringt er folgender- massen (pag. 112): „Füttert (!) man Pflanzen mit guter Erde bei genügend hoher Temperatur und ausreichendem Begiessen“, so zeigen sie in den Wurzeln zahlreiche Mitosen, und die Kernfäden werden lang und dick; die ruhenden Kerne enthalten viele Chromatinkörner'),. Vicia Faba in nüchterner Erde bei 10—12° C. gezogen, lässt in den Wurzeln nur wenige Mitosen erkennen, alle Chromatinkörner und -Fäden sind feiner und weniger 1) Lavdowsky nennt sie Chromosomen und diese Bezeichnung passt auch auf sie besser, als auf die Segmente des Kernfadens, für welche sie meist gebraucht wird. Leider giebt aber eine Umtaufung leicht zu Confundirungen Anlass. an Zahl. „Ich kann sogar behaupten, dass bei solchen Bedingungen die Chromatinfäden fast ausschliesslich auf Kosten der Nucleolen sich entwickeln, welche bei Vicia Faba für gewöhnlich gross sind und die Hauptquelle des Chromatins darstellen“ (l. e. pag. 413). Zur Stütze des Gesagten giebt der Autor die Bilder einiger Kerne aus „‚nüchternen‘ Wurzeln, die kein Gerüstwerk sondern nur Membranen und Nucleolen aufweisen. Diese Kerne theilen sich auch und bilden dabei kurze, zu einer Kernplatte angeordnete Segmente; dass deren weniger seien als in den Zellen gut „‚gefütterter‘‘ Wurzeln, geht aus den Figuren keineswegs hervor. Ausserhalb der Kernplatte sind, anscheinend polwärts wan- dernd, dienoch ziemlich grossen Nucleolarreste zu sehen: sie sind also noch nicht zur Ernährung des Kernfadens zur Verwendung gelangt. Später findet Lavdowsky (Fig. 58) neben dem Diaster oder Dispirem eine Anzahl aus dem Nucleolus stammende Körperchen im Cytoplasma; er zeichnet 9 solche; sind diese nun alle Centrosomen, oder ist der Nucleolus, trotz der Theorie, nicht zur Bildung des Kernfadens verwendet worden? Die Figuren Lavdowsky’s beweisen also nicht das, was sie beweisen sollten und lassen sich gradezu zur Demonstrirung der entgegengesetzten Ansicht heranziehen: dass nämlich die Bildung der Chromosomen unab- hängig sei vom Nucleolus. Thatsächlich scheint ja in theilungsfähigen Kernen der Nucleolus vom Gerüstwerk stets durch einen, wenn auch manchmal kleinen Zwischenraum getrennt zu sein, ebensowenig tritt, so weit ich sehen konnte, jemals eine Berührung zwischen dem Kernkörperchen und dem Kernfaden (in den Prophasen und den Anaphasen) ein. Dass der Kern- faden häufig schon fertig ausgebildet ist, wenn der Nucleolus sich noch kaum merklich verkleinert hat, spricht ebensowenig für die Bildung des Fadens aus Nucleolarsubstanz, wie die doch unzweifelhaft oft erfolgende Ausstossung von Nucleolarresten in das Cytoplasma. Nichts desto weniger wäre es voreilig zu behaupten, dass von der Substanz der Nucleolen nichts in die Fadensegmente gelangen könne, Die Möglichkeit liegt vor, wenn auch von einem solchen Process mit dem Mikroskop direet nichts zu sehen ist. Die Violettfärbung der Segmente in den späteren Phasen der Karyokinese, auf welche ich schon früher ') hin- gewiesen habe, könnte auf eine Einlagerung erythrophiler Nuclearsubstanz in die kyanophilen Kernfäden schliessen lassen. Ich glaube freilich, dass die fragliche Erscheinung eine andere Ursache hat, nämlich die Bildung einer Lininscheide um den Kernfaden aus den im Anfang und am Ende der Karyokinese vorhandenen Lininbrücken (siehe oben unter Hyacınthus); die Ausbildung einer solehen Lininscheide bedingt vielleicht zum Theil auch die leicht zu beobachtende Verkürzung der Fadensegmente. Wie dem auch sei, die Entscheidung der Frage, ob Nucleolarsubstanz an dem Aufbau des Kernfadens betheiligt ist, muss der mikrochemischen Unter- suchung vorbehalten bleiben. I) Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, V, pag. 449, Jedenfalls wird Lavdowsky Widerspruch finden, wenn er sagt (pag. 407): „Durch nichts unterscheiden sich die Chromosomen von den zertheilten Dotterkörperchen‘ (bei gewissen thierischen Zellen) ‚und den getheilten Nucleolen.‘“ In Wirklichkeit ist der Nachweis der Verschiedenheit dieser Körper äusserst leicht mittelst der Kerndoppelfärbung zu erbringen. Die jedesmal in ihnen erfolgende Farbensonderung weist, welche letzte Ursache sie auch haben mag, unbedingt auf stoffliche Verschiedenheiten zwischen dem Chromatin und der Nucleolarsubstanz hin. Uebrigens sollen nach Lavdowsky nicht nur die Nucleolen den Kern- faden ernähren, sondern auch die ‚„Amyloidkörnchen“. Hierunter versteht unser Autor offenbar die Stärkekörner. Falls Herr Lavdowsky sich informiren will, was man in der Botanik Amyloid nennt, so weise ich ihn auf Zimmermann’s Mikrotechnik pag. 153 oder eines der botanischen Lehrbücher hin. Lavdowsky scheint zu vermuthen, dass die Stärke, wie, nach ihm, die Dotterkörnchen, sich zertheile, die Kernwand passire und sich an der Bildung der Chromatinfäden betheilige (pag. 414): „Für die pflanzlichen Zellen ist dieser Nachweis schwieriger zu liefern, obwohl ich mehrere Male die Theilungen und Zertheilungen der Elemente“ (der „Amyloid- körnchen‘‘) ‚‚gesehen habe, wie auch ihre feste Anlagerung an die Kerne, da, wo die chromatischen Elemente liegen, die sich von den Amyloid- körperchen fast garnicht unterscheiden“. Herr Lavdowsky ist im Irrthum, wenn er annimmt, dass Stärke und Chromatin so schwer zu unterscheiden seien. Was aber die angeblichen Theilungen von Stärkekörnern anlangt, so dürfte auch hier eine Täuschung vorliegen. Es werden wohl nur kleine zusammengesetzte Stärkekörner, die noch am Stärkebildner hingen, beobachtet worden sein. Ein anderes Argument, welches Lavdowsky zur Stütze seiner Ansicht, dass die Stärke zum Aufbau des Kernfadens verwendet wird, anführt, beruht darin, dass man fast gar keine Stärke an der Spitze des Vegetationskegels finde, da, wo die meisten Kerntheilungen statthaben, und um so mehr Stärke in den Zellen abgelagert sei, je näher diese dem Samen — d. h. je ferner sie dem Vegetationspunkte liegen. Die Beobachtung ist wieder richtig, und mag insofern noch ergänzt werden, als hinzuzufügen ist, dass in den sich selten und bald garnicht mehr theilenden Zellen der Wurzelhaube gleich- falls eine fortschreitende, bald sehr beträchtliche Stärkehäufung auftritt. Zweifelhaft muss es jedoch erscheinen, ob man aus dem nahezu völligen Fehlen von Stärke in den meristematischen Zellen auf einen Verbrauch dieser Substanz bei der Bildung des Kernfadens schliessen darf. Es wäre doch nicht zu verwundern, wenn in Zellen, die sich ständig theilen, die Bedingungen für eine speichernde Thätigkeit, welche einigermassen stetig wirken müsste, nicht gegeben wären. Es ist ja gar nicht gesagt, dass Kern und Cytoplast während der Karyokinese thätig und sonst „ruhend‘ seien, Die Kerntheilung unterbricht vielmehr wahrscheinlich die normale chemische Arbeit des Kerns, und es ist denkbar, dass während der Zelltheilung alle - 3... diejenigen Thätigkeiten ler Zelle, die in keinem direeten Zusammenhang mit der Theilung stehen, suspendirt werden. Auch durch diese Annahme würde sich erklären lassen, dass bei Vieia Faba die sich ständig theilenden Zellen nur Spuren von Stärke aufweisen. Endlich ist aber kaum zu be- zweifeln, dass in den Meristemkörpern die zugeleiteten Kohlehydrate vor- wiegend zum Aufbau der neuen Zellmembranen Verwendung finden, und dass es auch aus diesem Grunde kaum zu einer Speicherung von Kohle- hydraten in den Meristemzellen kommen kann. Auch bei Vieia Faba habe ich die Bildung des Kernfadens aus dem Gerüstwerk des ruhenden Kerns möglichst genau verfolgt. Ich finde in dieser Beziehung eine so weitgehende Uebereinstimmung unsres Objectes mit der oben besprochenen Hyacinthe, dass ich, um mich nicht zu wieder- holen, auf die oben gegebene Beschreibung verweise. Auch zur Beobachtung der Thatsache, dass die Spindelfäden sich ausserhalb des Kernes bilden, ist Vieia Faba ein günstiges Object; zumal an Präparaten, die mittelst der auf pag. 233 beschriebenen Bordeaux-Haematoxylin-Methode gefärbt waren, sah ich die Spindelfäden von aussen bis an die äusserst feine aber scharf gezeichnete Kernmembran verlaufen, ganz wie in meiner schematischen Figur 3 auf pag. 250. Wurzelspitzen von Gefässkryptogamen. Von besonderem Interesse schien es mir zu sein, die chromatischen Reactionen der Kerne solcher Wurzeln zu studiren, deren Gewebebildung nieht durch die Thätigkeit einer Initialengruppe, sondern einer einzigen grossen Scheitelzelle beherrscht wird. Stand doch zu erwarten, dass man hier aus der Grösse und Anordnung der aus den einzelnen Segmenten der Scheitelzelle hervorgegangenen Gewebecomplexe sehr zuverlässige Schlüsse auf die Vertheilung und die Häufigkeit der Zelltheilungen ziehen könnte, und ausserdem war zu untersuchen, ob nicht im Kern der Scheitelzelle selbst, die ja in Bau und Funktion eine Sonderstellung einnimmt, auch gewisse Abweichungen gegen die benachbarten Kerne zu constatiren wären, Zur Untersuchung gelangten die Wurzelspitzen zweier Polypodiaceen, Ole- andra nodosa und Polypodium aureum. 2 ntins Oleandra nodosa. Dieses in unsern Warmhäusern als Ampelpflanze gezogene Farn zeichnet sich durch langgestreckte, entfernt beblätterte Sprosse aus, von welchen hier und da ziemlich kräftige, rasch wachsende Luftwurzeln entspringen. Lebend besitzen diese eine ausgesprochen grüne Färbung, namentlich am Meristemkörper, dessen Länge 2—3 mm beträgt. Die Entwickelungsgeschichte der Gewebe in den Wurzeln der Farne ist durch die Untersuchungen von Naegeli und Leitgeb, van Tieghem und anderen gut bekannt. Die tetraedrische Scheitelzelle schneidet in regel- mässiger Folge nach ihren vier Seiten Zellen ab, von welchen jedesmal eine der Haube, die drei anderen dem Wurzelkörper anheimfallen. Mikrotom- 277 schnitte lassen die Grenzen dieser Segmente, innerhalb welcher alsbald weitere Theilungen eintreten, selbst in ziemlich grosser Entfernung von der Scheitelzelle noch leicht erkennen. Die Färbung gelingt bei den Kernen der inneren Gewebe leicht und befriedigend, während die Zellen der Haube und der äusseren Wurzelrinde ausserhalb des Kerns den blauen Farbstoff in solchem Grade speichern, dass die chromatische Reaction des Kerns selbst dadurch schwieriger zu erkennen wird. Die Scheitelzelle (Textfigur 5) ist nach Aussen nur schwach gewölbt. Die Haubensegmente sind infolgedessen bei ihrem Entstehen schon flach und bilden zusammen eine sehr wenig convexe Calyptra, die dem quer- gestutzten Vorderende des Wurzelkörpers als niedrige Calotte aufsitzt. Innerhalb jedes Haubensegmentes treten Periclinen und Antiklinen auf; das Segment wird in seinen axilen Theilen 2schichtig. — Die zum Aufbau des Wurzelkörpers bestimmten Segmente sind bei ihrem Entstehen um ce. 45 ° gegen die Axe der Wurzel geneigt und stellen sich mit ihren inneren Theilen bald quer zur Wurzelaxe, während die äusseren die schräge Richtung beibehalten. In den Segmenten (vgl. Fig. 5) folgen zunächst rasch aufeinander zwei tangentiale Theilungen, sodass der Längsschnitt nun drei Zellen aufweist (Segment 3 und 4 der Figur); — die radialen Theilungen mögen hier zunächst unberücksich- tigt bleiben. Von diesen drei Zellen des Segmentes liefert die äusserste (a der Figur) die Aussen- Figur 5. Oleandra nodosa. rinde, die zweite (b) die Gewebebildung im Wurzelkörper, wenig schematisirt. innere Wurzelrinde und Die Haube ist nicht mitgezeichnet. Vergr. 22. die dritte (c) den Cen- traleylinder. Die mittlere Zelle (b) giebt nach innen eine, die ganze Höhe des Segmentes umfassende flache Zelle ab, die Initiale für die Endodermis (e), welche also ungemein früh angelegt wird (im 6. Segment der oben- stehenden Figur). Die innerste der drei ersten Segmentzellen (ce) schneidet nach innen eine Zelle (d) ab, welche bald darauf durch eine quer zur Wurzelaxe orientirte Wand in zwei neue Zellen zerlegt wird (d, und d,); diese bleiben, eine später zu besprechende Ausnahme abgerechnet, stets ungetheilt. Diese letzteren Zellen bilden mit den entsprechenden Elementen der übrigen Segmente die grossen axilen Gefässe; der Rest des Segmentes erleidet noch vielfache Theilungen und bildet das peripherische Xylem, das Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft II. 19 278 Phloem, das Grundgewebe und den Perieyelus. Es geht hieraus hervor, dass die axilen Gefässe, deren definitive Ausbildung später erfolgt als die der peripherischen, gleichwohl viel früher angelegt werden. Auch andere Wurzeln, z. B. die der Hyaeinthe, bieten mutatis mutandis ähnliches dar. Soweit der Längsschnitt. Noch instructiver für das Studium der Ge- webebildung aus den Segmenten der Scheitelzelle sind successive Querschnitte, die man mit dem Mikrotom leicht in vollständigen Serien und, durch die Aufklebung, der Lage nach genau fixirt erhält. Was zunächst die Haube anlangt, so ist an solchen Schnitten eine ausserordentlich genaue Orientirung möglich, da man mit Leichtigkeit die übereinander liegenden Calotten zählen kann. Es ist ja bekannt, dass in jeder Calotte neben anderen Zellen vier centrale gebildet werden, welche rechtwinklig aufeinander stossen, sodass die Trennungswände ein Kreuz bilden. Die Kreuze der successiven Calotten divergiren auffallender Weise um ce. 45° '), und man braucht nur in der Schnittserie zu zählen, wieviele solche Drehungen des Kreuzes von der Scheitelzelle an vorkommen, um mit absoluter Sicherheit zu wissen, die wievielte Calotte vorliegt. Die nebenstehende Figur 6 zeigt in genauer Copie die Anordnung der centralen Zellen in zwei aufeinanderfolgenden Calotten; die Kreuzungspunkte sind seitlich um etwa einen halben Zellendurchmesser gegenein- ander verschoben. | Besonders interessant ist natürlich der Schnitt, welcher uns die Scheitelzelle und ihre ersten, zum Aufbau des Wurzel- körpers bestimmten Segmente zeigt (Fig. 16 Tafel IT). Von der Scheitelzelle und ihrem Inhalt wird unten die Rede sein; betrachten wir zunächst die Zellenfolge in den Segmenten. Wir sehen, dass jedes Segment zunächst durch eine radiale Längswand getheilt wird; es entstehen Figur 6. Anordnung der Zellen so 6 Sectoren (wenn wir uns die drei in der Haube von Oleandra nodosa. Segmente eines Schraubenumganges als Zaren DEN: Kreis auf eine Ebene projieirt denken). Diese Secetoren sind aber paarweise un- gleich, indem die trennende Wand nicht nach dem Mittelpunkt der Projec- tionsfigur, sondern ein wenig seitlich verläuft. Betrachtet man nun die in der Richtung auf die Wurzelbasis auf einander folgenden Schnitte, so con- statirt man sehr merkwürdige Gewebeverschiebungen. Die innerste Zelle jedes Sectors giebt ja zwei übereinander stehende Glieder für eines der axilen Gefässe, von welchen schon oben die Rede war (vgl. auch den Längs- schnitt, Textfigur 5); diese 6 Centralgefässe bilden nun nicht, wie man nach ı) Vgl. van Tieghem, Traite de Botanique Ziene Ed. pag. 691. 279 ihrer Entstehung vermuthen sollte, eine Rosette, sondern ein Kreuz. Der Querschnitt des Centraleylinders ist gleichzeitig elliptisch geworden; die Kopf- und Fusszelle des Kreuzes erleidet noch eine radiale Längstheilung. Doch es würde uns leider zu weit führen, wenn wir diese interessanten Verhältnisse weiter verfolgen würden; das Mitgetheilte dürfte zum Verständ- niss des Folgenden ausreichen. Gehen wir nunmehr zum Studium der Zell- kerne in den Wurzeln der Oleandra über. Wir beginnen am besten mit der Scheitelzelle. Dieselbe ist gross und protoplasmareich, ihr Zellkern ist aber relativ klein. Er liegt nahe der- jJenigen Wand des Tetraeders, an welcher das nächste Segment abgeschnitten werden soll, und ist parallel der Theilungsebene stark abgeflacht (Fig. 16, Tafel III). Der Scheitelzellenkern ist stets kyanophil, aber nicht in beson- ders ausgesprochener Weise; vielmehr erscheint sein Gerüst einigermassen derbsträngig und locker; die Kernwand ist zwar zart, ist aber doch deutlich sichtbar. Kernkörperchen sind stets mehrere vorhanden, meist 4; zusammen besitzen sie ein ziemlich bedeutendes Volumen. An den excentrischen Kern ist central eine mächtige Protoplasmaansammlung angelehnt, welche durch zahlreiche derbe Stränge mit dem plasmatischen Wandbeleg in Verbindung steht. Durchschnittlich etwa 10 uw unter dem Kern der Scheitelzelle liegt der Kern der jüngsten noch nicht getheilten Haubencalotte (Fig. 17, Taf. II; die Figur ist einem Querschnitt entnommen, die 7 peripherischen Kerne gehören der vorletzten Calotte an, die schon in Zellen getheilt ist; dieselbe ist flach gewölbt und daher ihr Scheitel durch den Schnitt entfernt, sodass der Kern der jüngsten, noch ungetheilten Calotte durchblickt). Dieser Kern ist grösser, intensiver kyanophil, besitzt ein zarteres und dichteres Gerüst, undeutliche Kernmembran und mehrere Nucleolen, wiederum von beträcht- lichem Gesammtvolumen. Die Kerne der nächst höheren Schicht der Haube sind wieder kleiner, weniger stark kyanophil und weisen eine bedeutende Reduction der Nucleolarmasse auf (Fig. 17, die peripherischen Kerne). Gehen wir noch weiter nach Aussen, so sehen wir die Kerne die kyanophile Reaction rasch urd vollständig verlieren, schon in der vierten, spätestens in der fünften Calotte sind sie ausgesprochen erythrophil, wobei sie erheblich an Grösse einbüssen (vgl. Fig. 18, bei doppelt so starker Vergrösserung gezeichnet, wie Fig. 16 und 17). Die Nucleolen färben sich schwer, das Gerüst ist derbsträngig, nucleinarm, die Kernwand stark ausgebildet. Neben dem Kern treten grosse, tief blau gefärbte Körper (Gerbstoffblasen ?) auf. Die äussersten Haubenzellen enthalten winzige, substanzarme erythrophile Kerne, die zwischen dem übrigen, stark blau gefärbten Inhalt der Zellen kaum zu sehen sind. Im Wurzelkörper findet man die Kerne der jüngsten Segmente ähnlich gebaut, wie den Scheitelzellkern, doch enthalten sie weniger Nucleolen. Sie sind relativ (d. h. im Verhältniss zu den Zellen) erheblich grösser, absolut aber mindestens ebensogross wie der Kern der Scheitelzelle. Erst 197 280 etwa im 10. Segment (siehe Textfigur 5; die Haubensegmente sind nicht mitgezählt) verändern sie sich; sie werden viel dichter und chromatinreicher und nehmen in ausgesprochener Weise den Typus embryonaler Kerne an. Sie gleichen nun dem oben beschriebenen Kern der jüngsten Haubencalotte (Fig. 17) vollständig. Zum Theil bleiben sie in diesem Zustand bis zum Streckungsgewebe, so im inneren Rindengewebe, im Pericyclus, zum Theil nehmen sie, soweit sie nämlich den sehr englumigen lang gezogenen Zellen des Centraleylinders anheimfallen, Walzenform an, ohne ihren kyanophilen Character zu verlieren. Man sieht hier wieder deutlich, dass die Kernum- wandlung nicht im Connex mit der Streckung steht, sondern abhängig ist von dem Aufgeben der (mitotischen) Theilungen. Im inneren Rindengewebe tritt zuerst die definitive Umwandlung der Kerne ein. Die Grenze des Meristems gegen das Streckungsgewebe ist hier sehr scharf, und mit dem Austritt aus dem embryonalen Gewebe sehen wir die Kerne ausgeprägt erythrophil werden. Zugleich mit einer derben Kern- membran erhalten sie die Form flacher Linsen mit beinahe scharfem Rand, also spindelförmigem optischen Querschnitt. Die Kernumwandlung in der äusseren Rinde ist wegen der auch hier, wie in der Haube, vorhandenen Gerbstoffblasen (?) weniger leicht zu verfolgen, verläuft aber offenbar gleich- sinnig, nur dass die Kerne den Raumverhältnissen in den Zellen ent- sprechend neben centraler Lage Kugelform bewahren. Wie in der Haube werden auch hier die Kerne sehr klein. Im Centraleylinder erhält sich bei den Kernen der englumigen Elemente die Kyanophilie länger als in der Rinde. Die peripherisch gelagerten Tracheidenzellen bekommen zuerst erythrophile Kerne und bilden, während letztere noch vorhanden sind, ihre nicht ablösbaren, vielfach anastomisirenden Spiralleisten aus. In noch grösserer Entfernung vom Wurzelscheitel findet man im Centraleylinder immer noch langgestreckte Zellen mit kyanophilen Kernen; diese sind es wohl, die die letzten, nach Ausbildung der Leitungs- bahnen noch etwa nöthig werdenden Zelltheilungen erleiden. Die auffallendsten Elemente im Centraleylinder sind aber die grossen axilen Leitertracheiden. Angelegt dicht unter dem Scheitel, wachsen ihre Glieder frühzeitig zu bedeutender Grösse heran, ohne sich weiter zu theilen. Die Querwände sind anfangs senkrecht zur Wurzelaxe gestellt, nehmen sehr bald aber eine starke Neigung an. Sobald die letzte Theilung erfolgt ist (ca. im 9. Segment, siehe Textfigur 5), bilden sich die Kerne der Glieder- zellen zu einem besonderen Typus aus, den wir schon aus den Gefässen von Hyacınthus und anderen Objecten kennen; sie werden gross, erythrophil, ihre Wand wird derb, ihr Gerüstwerk locker und plumpmaschig; auch die ungewöhnlich grossen, mit dem Gerüstwerk zusammenhängenden Kern- körperchen finden wir wieder; auch hier sind sie meist einzeln in jedem Kern, seltener findet sich ausser dem grossen noch ein kleiner Nucleolus (vgl. Fig. 20 auf Taf. III, die der Wurzel von Polypodium aureum ent- nommen ist), So ergiebt Oleandra nodosa trotz ihrer von den Phanerogamen so stark abweichenden Zelltheilungsfolge und Gewebebildung doch bezüglich der chromatischen Reaction der Kerne das gleiche Resultat, wie die unter- suchten dicotylischen und monocotylischen Wurzeln. Ein Punkt bleibt nur noch aufzuklären. Wir constatirten, dass in dem Kern der Scheitelzelle die Kyanophilie weniger ausgesprochen ist als in dem Kern der ersten Calotte und der Wurzelkörperzellen in einiger Entfernung von dem Scheitel. Es kann dies auffällig erscheinen, da man doch gewohnt ist, sich die Scheitelzelle in ständiger Theilungsarbeit vorzustellen. Es kommen aber an- scheinend in der Scheitelzelle nicht allzuoft Theilungen vor, — ich habe bei keiner der zahlreichen untersuchten Wurzelspitzen den Kern der Scheitel- zelle in Theilung gesehen —, während in den inneren Calotten der Haube und in der mittleren Region des Vegetationskegels des Wurzelkörpers die Theilungsfiguren stets in Menge zu finden sind. Es accentuirt sich also der aus der chromatischen Reaction ersichtliche meristematische Character der Kerne bei der zunehmenden Häufigkeit der Theilungen im gleichen Maasse, wie aus den ersten grossen Zellen der Segmente bald ein umfangreicher und dabei kleinzelliger Gewebecomplex wird. Die Kerntheilung bei Oleandra bietet, soweit ich gesehen, nichts auf- fallendes. Wie auch sonst bei den Pteridophyten, werden sehr zahlreiche Chromosomen gebildet; ihre Zahl wurde nicht ermittelt. Während der Karyokinese in das Cytoplasma austretende Nucleolen kamen nicht zur Beobachtung. Polypodium aureum. Durchaus mit dem vorigen Object überein- stimmende Resultate ergaben die Wurzeln von Polypodium aureum. Sie sind zwar meist etwas dünner als die Luftwurzeln von Oleandra, aber erheblich grosszelliger und besitzen Kerne von stattlichen Dimensionen. Ich beschränke mich darauf, zwei Figuren von Polypodium aureum zu geben (Fig. 19 und 20, Tafel III) und verweise auf die angefügte Erklärung. Psilotum triquetrum. Kaum von einer zweiten kryptogamischen Pflanze sind die Kerne so oft untersucht und besprochen worden, wie von Psilotum triquetrum. Hof- meister war, so viel mir bekannt, der erste, welcher, so gut, wie es die Untersuchungsmethoden seiner Zeit zuliessen, die Theilung der Kerne in den Sporenmutterzellen von Psilotum verfolgte; seine Zeichnungen!) zeigen einige Phasen der Kerntheilung nicht allzu unrichtig; die Deutung ist freilich weniger glücklich. Im Jahre 1875 beschrieb Tschistiakoff die Kern- theilung bei der Sporenbildung von Psilotum genauer”); im gleichen Jahre 1) Die Lehre von der Pflanzenzelle, 1867, pag. 82. 2) Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzelle, Botanische Zeitung 1875, 282 wurden aber seine Angaben von Strasburger revidirt und ergänzt und die Karyokinese von Psilotum schon in ihren Hauptzügen richtig be- schrieben '). Psilotum triquetrum wurde so ein klassisches Objeet für die Untersuchung der Kerntheilung, und mit Recht, denn so grosse, so chromatin- reiche Kerne wie die dieses Objeetes kommen im Pflanzenreich nur sehr selten vor. Von der späteren Litteratur über Psilotum interessirt uns besonders: Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung, 3. Aufl. 1880, derselbe: Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne und das Verhältniss der Kerntheilung zur Zelltheilung (Archiv für mikroskopische Anatomie XXI, 1882) und aus neuester Zeit: A. Zimmermann, Ueber das Verhalten der Nucleolen bei der Karyokinese (Beitr. z. Morph. u. Phys. der Pflanzenzelle, Band II, 1893); G. Karsten: Ueber Beziehungen der Nucleolen zu den Centrosomen bei Psilotum triguetrum (Berichte d. Deutsch. Bot. Gesellschaft 1893 und endlich J. E. Humphrey, Nucleolen und Centrosomen (Berichte d. Deutsch. Bot. Gesellsch. 1894). Bei der Wahl von Psilotum zu Zwecken der vorliegenden Arbeit waren mehrere Gründe massgebend. Einmal musste dieses Object sich schon wegen der Grösse seiner Kerne empfehlen; sodann schien die Vertheilung des Wachsthums günstig, insofern als richtig geführte Schnitte meristematische und fertig gebildete Gewebe in unmittelbarer Nachbarschaft aufweisen mussten; ferner konnte ich erwarten, hier ein günstiges Object für das Studium der Kernumlagerungen während der Sporenbildung zu finden und endlich hoffte ich dazu beitragen zu können, gewisse auf Psilotum bezügliche Controversen beizulegen. — Zur Untersuchung gelangten alle Theile der Pflanze mit Ausnahme der merkwürdigen, unterirdischen, wurzelähnlichen Sprosse; Sporangienstände standen mir in allen Entwickelungsstadien zur Verfügung. Die Vorbehandlung des Materials geschah hauptsächlich mit Merkel’scher und Keiser’scher Fixirungsflüssigkeit; die letztere und besonders noch die Chloroform-Alkohol-Eisessig-Mischung gaben vortreffliche Resultate. Die oberirdischen Sprosse der fertilen Pflanze von Psilotum sind ent- fernt dichotom verzweigt und zerstreut beblättert. Die Blätter stellen kleine, spitz dreieckige Bildungen dar; sie bestehen bloss aus Parenchym und einer wenig specialisirten Epidermis; Gefässbündel fehlen. Ihre Anlage und Ausbildung erfolgt früh, sodass sie vor der Streckung der jungen Inter- nodien den Stammscheitel einhüllen. In dieser Lage bilden sie sich meist schon definitiv aus. Die Streckung betrifft bei rasch wachsenden Zweigen mehrere Internodien gleichzeitig, und verliert sich in basaler Richtung ganz allmählig. Es finden aber in dem in Streckung begriffenen Gewebe noch zahlreiche Zelltheilungen statt, namentlich im Rindengewebe, dessen Zellen infolgedessen nie vielmals länger als breit werden. Dagegen findet man stärker gestreckte Zellen in dem centralen Gewebe, das den stammeigenen N) Ueber Zellbildung und Zelltheilung 1875. 283 Strang des Sprosses bilden soll; die Ausbildung der Xylemelemente erfolgt erst in beträchtlicher Entfernung vom Vegetationsscheitel. Die Vertheilung der Sporangienstände ist eine ähnliche, wie die der Blätter. Sie werden aufgefasst als — gewöhnlich gestauchte — Seitenzweige; sie führen zwei opponirte Blättchen, welche denen der Hauptachsen gleichen, und meist drei halb eingesenkte kugelige Sporangien. Einige Male beobachtete ich eine Verlängerung des die Sporangien tragenden Astes. Dieser letztere, welcher gewöhnlich bloss eine polsterartige Basis der Sporangien darstellt, erhält ein Gefässbündel, dass sich jedoch spät ausbildet. Das Rinden- parenchym zeigt hier eine sich allmählig verstärkende Wucherung, wodurch die drei Sporangien wie auf eine Console gesetzt erscheinen; hierbei werden die beiden Blättchen des fertilen Zweiges mitgehoben und erscheinen dann wie ein einziges zweispitziges Blatt. Die Anlage der Sporangienstände erfolgt unmittelbar unter dem Spross- scheitel unter dem Schutze der über denselben geneigten Blättchen. Sie gleicht, was das Zellnetz anlangt, der Anlage eines Sprosses so vollständig, dass es oft fast unmöglich ist, an Schnitten zu eruiren, ob man es mit einer Dichotomie des Sprosses oder mit der Anlage eines Sporangienstandes dicht unter dem Sprossscheitel zu thun hat'). Nach dieser kurzen Orientirung über die Vertheilung und Ausdehnung der wachsenden Zonen am Spross von Pstlotum können wir dazu über- gehen zu prüfen, ob die" chromatischen Reactionen der Kerne hier mit unsren bisherigen, an Wurzeln gewonnenen Resultaten im Einklang stehen. Dies ist, wie ich vorweg bemerken will, thatsächlich der Fall, nur dass, da die in Streekung begriffene Zone der Sprosse noch lebhafte Zellenver- mehrung zeigt, die Grenze für die Kyanophilie der Kerne weiter hinab- gerückt erscheint. Die ruhenden Kerne aus dem Rindengewebe und der Epidermis der Sprossgipfel sind kugelig und besitzen ein dichtkörniges Gerüstwerk ”) und zwei bis drei Nucleolen. Während die Kernkörperchen bei den meisten Pflanzen eine ziemlich centrale Stellung haben, sind sie bei Pstlotum auf- fallender Weise fast stets der Peripherie des Kerns genähert, manchmal bis zu solchem Grade, dass sie über den Kernsaum hervorzustehen scheinen (Fig. 21, Tafel III). Eine genauere Betrachtung solcher Fälle zeigt, dass die Nucleolen, wie sonst in meristematischen Kernen, von Höfen umgeben sind, und dass da, wo der Nucleolus über den Kernrand zu debordiren scheint, die Aussenwand des Nucleolarhofes von der Kernmembran selbst gebildet wird, während derselbe im Uebrigen, wie üblich, von den verdich- teten Enden des Kerngerüstwerkes umgrenzt ist. Wie sonst in embryonalen 1) Vgl. über den Aufbau von Psilotum die Litteraturübersicht bei van Tieghem, Trait& de Botanique 2’®me &d. pag. 1421—22. 2) Strasburger giebt von den Kernen der Sporenmutterzellen bei Psilotum an, sie erschienen an frischen Exemplaren homogen und erst nach der Fixage mit Alkohol körnig (Zellbildung u. Zelltheilung, 1. Aufl. pag. 235). ie Geweben, ist übrigens auch bei den Meristemkernen von Psilotum die Kern- wand äusserst zart und ist deutlich nur da zu sehen, wo sie nicht im Contact mit dem Gerüstwerk des Kernes steht, d. h. an den Nucleolarhöfen. Immer- hin kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der ruhende Kern bei Psilotum, wie wohl bei allen anderen Pflanzen, vollständig geschlossen ist. Wenn man manchmal dicht neben ruhenden Kernen einen Nucleolus im Cytoplasma, der aus einem leeren Hof herausgetreten zu sein scheint, vorfindet, so über- zeugt man sich bei sorgfältiger Prüfung stets, dass eine künstliche Ver- schiebung stattgefunden hat, die um so seltener gefunden wird, je schärfer das Messer und je besser das Material fixirt und eingebettet war. Die Meristemkerne von Psilotum sind stark kyanophil. In nächster Nähe des Scheitels verliert sich aber die Kyanophilie in den Kernen der Blätter, welche, wie wir gesehen haben, ihr Wachsthum ungemein früh ein- stellen. In den Blättern selbst ist es die Spitze, welche zuerst erythrophile Kerne erhält; das polsterförmige Gewebe, das das Blatt trägt, behält dagegen noch längere Zeit kyanophile Kerne. In den Sprossen treten erythrophile Kerne erst da auf, wo die Theilungen aufhören, d. h. an der unteren Grenze der wachsenden Zone. Entsprechend der späten Ausbildung des axilen Gefässbündels erhalten sich im Inneren der Sprosse kyanophile Kerne länger als im Rindengewebe; sie nehmen frühzeitig eine mässig gestreckte Form an (Fig. 22, Tafel II). Ob die Kerne der Xylemelemente ähnliche Um- bildungen aufweisen wie bei den Wurzeln, ist wahrscheinlich, konnte aber, da ältere Sprosstheile bei ihren sehr stark ausgebildeten Zellmembranen niemals tadellos fixirt gefunden wurden, nicht einwandfrei entschieden werden. Die erythrophilen Kerne von Psilotum behalten anfangs ihre gerundete Gestalt bei und werden erst viel später linsenförmig. Ihr Gerüstwerk ist fädiger, und die kyanophilen Körnchen, welche in erster Linie die chroma- tische Reaction des Meristemkerns bedingen, fehlen ganz oder nahezu ganz. Die Nucleolen werden kleiner, ihre Höfe verengen sich, ihre Zahl redueirt sich gewöhnlich auf 1—2; ihre Lage bleibt peripherisch (Fig. 23, Tafel II). Bemerkungen zur Kerntheilung von Psilotum triquetrum. Die Meristemkerne von Psilotum geben ein vortreffliches Object für die Untersuchung des feineren Baues der Kerne und ihrer Umlagerungen während der Theilung ab. Schon bei einer Vergrösserung von 1000 sieht man an allen wohlfixirten ruhenden Kernen, dass die Körnchen, in welchen der blaue Farbstoff gespeichert ist, die Knotenpunkte feiner Maschen bilden, welche den Kern in allen Richtungen durchziehen (Fig. 21 und 22, Tafel III). Von den Klümpchen im Maschenwerk liegen einige der Kernwand an, andere sind mit dieser durch zarte Lininfädchen verbunden. An besonders günstigen Stellen ist deutlich zu erkennen, dass die Nucleinkörnchen in die Fadenmasse eingebettet sind und rings von dieser umkleidet werden, so, wie es oben für die Kerne der Hyacinthenwurzel angenommen wurde. — Auch die Bildung des Kernfadens aus dem Gerüst des ruhenden Kerns ist bei diesem. günstigen Object gut zu verfolgen. Zunächt wird der Kern grobkörniger, was darauf beruht, dass die Nucleinkörnchen, meist paarweise, mit einander verschmelzen. Dann erfolgt eine Verschiebung der Körner derart, dass sich vielfach gekrimmte Bahnen herausbilden, in welchen die Körner in reihen- förmiger Anordnung liegen; die verbindenden Lininfäden verkürzen und verdicken sich; die Querbrücken zwischen verschiedenen Fadenstücken werden eingezogen (Fig. 24, Tafel III). Der Process verläuft also ebenso, wie bei Hyacinthus, doch sind die Nucleinkörnchen bei Psilotum kleiner und nicht (soweit man sehen kann) scheibenförmig abgeplatte. Die Fadenstücke strecken und glätten sich dann und erhalten eine gegen die Kernachse nahezu senkrechte Richtung sowie peripherische Lage. Ob sie endlich nach Einziehung aller Querbrücken sich zu einem einzigen fortlaufenden Faden vereinigen, scheint mir zweifelhaft. Soweit ich gesehen habe, waren die Kernfadenstücke an ihren Enden nur durch Lininfädchen mit einander ver- bunden, ohne eine engere Vereinigung einzugehen. Bevor wir die Segmentirung des Kernfadens betrachten, wird es sich empfehlen, die Bildung der achromatischen Figur zu studiren. Auch hier- für ist Pstlotum ein ungemein günstiges Objeet, und wenn es nur gelungen ist, das Material gut zu fixiren, so bietet die Verfolgung der achromatischen Bildungen durchaus keine Schwierigkeiten. Die sonst so zuverlässige und brauchbare Keiser’sche Fixage erhält die plasmatischen Structuren nur in den jüngsten, noch mit dünnen Zellwänden versehenen Geweben vollständig. Ganz vorzügliche Resultate erhält man dagegen mit dem von Carnoy angegebenen Gemisch von Chloroform, Alkohol und Eisessig. Niemals ergiebt diese Fixage bei Psilotum auch nur die geringsten Contractionen des Protoplasmakörpers; ebenso bleiben die ungemein zarten plasmatischen Fadennetze im Inneren der Zellen vollständig unverändert. Es dürfte wohl zunächst die Beweglichkeit des Protoplasma’s durch die Einwirkung des Chloroform aufgehoben werden, worauf dann erst die Abtötung erfolgt, und hierdurch jede Retraction des Cytoplasten vor dem eindringendem Gift un- möglich gemacht werden. Zum genauen Nachweis der Structuren in und ausser dem Kern leistet die Bordeaux-Haematoxylinfärbung vortreffliche Dienste, die in den diesem Aufsatz vorangeschickten methodischen Bemerkungen beschrieben ist. Handelt es sich jedoch um die Erkennung der einzelnen Bestandtheile des Zellinhalts als chemischer Körper, so ist diese Tinctions- methode weniger geeignet, da sie keine sehr auffälligen Farbendifferenzirungen giebt. In genügend geklärten Präparaten sind blos Nucleolen (und Centro- somen) schwarz gefärbt, das Chromatin dunkelviolett, das Cytoplasma und die achromatischen Fäden heller, oft röthlich. Gelegentlich findet man aber auch die Nucleolen in röthlichem Ton tingirt, sie haben dann das Haematoxylin bei dem Klärungsprocess zu schnell verloren, was trotz auf- merksamer Behandlung der Präparate manchmal nicht zu verhindern ist. Der ruhende Kern hat eine beiläufig centrale Stellung in der Zelle und ist durch ein System von ziemlich derben Plasmasträngen ringsum an die Membran geheftet (Fig. 21, Tafel 1). Diese Stränge setzen sich mit 286 breitem Fuss an den Kern an; im übrigen besitzt letzterer jedoch nur einen schwachen plasmatischen Ueberzug. Bei Beginn der Zelltheilung sammelt sich um den Kern eine mächtige Schicht von hyalinem körnchenfreiem Plasma an (Fig. 24); es ist dies wieder das Kinoplasma. Die Stränge, welche den Kern in seiner centralen Stellung halten, heben sich vom Kino- plasma deutlich ab, da sie körnig sind; sie vermehren sich und werden zarter. Dann sammelt sich die kinoplasmatische Hülle zu zwei Kappen, welche den Kernpolen aufsitzen; die Gürtelzone wird zunächst fast völlig entblösst, alsbald dringt aber das Körnerplasma hier wieder bis an die Kernwand vor. Inzwischen entstehen in den Kappen die Spindelfäden, die anfangs sehr kurz sind und sich jederseits rasch zur Bildung eines hohen Kegels ausstrecken (Fig. 1, Tafel IV). Die Spitzen der Spindel sind von dicht- körnigem Protoplasma umgeben, in welchem bei gewissen Zellen die Centro- somen zu liegen scheinen; meine Beobachtung über diesen schwierigen Punkt sind noch nicht abgeschlossen und sollen hier nur mit allem Vorbehalt ange- deutet werden. — Wenn die Spindelfigur ausserhalb des Kerns fertig aus- gebildet ist, besitzt der Kern noch eine allseitig geschlossene Membran. Es sind zu dieser Zeit niemals Nucleolen oder ähnliche Gebilde im Cytoplasma zu beobachten; — die noch persistirende Membran bietet für den Austritt ungelöster Substanzen aus dem Kern offenbar ein wirksames Hinderniss. Innerhalb des Kerns sind dagegen stets deformirte, in Auflösung begriffene Nucleolen sichtbar (Fig. 1, Tafel IV, rechts). Nun erfolgt ungefähr gleichzeitig die Segmentirung des Kernfadens, die Auflösung der Kernmembran, die Einwanderung der Spindelfäden in den Kernraum und die Ausstossung der Nucleolarreste aus demselben. Da der Kernfaden vordem vorwiegend quer zur Kernachse orientirt war, so müssen seine nun entstehenden Segmente eine Wanderung und eine Wendung um 90° ausführen, um eine auf der Aequatorialebene senkrechte Stellung einzunehmen; und bis sie diese erreicht haben, bietet uns der Kern ein wahres Chaos von Chromosomen und Spindelfäden, die von nachdrängendem Körnerplasma eingeengt werden. Complieirend kommt noch hinzu, dass die Anzahl der Segmente ungewöhnlich gross ist. An querdurchsehnittenen Kerntheilungsfiguren in späterem Stadium, wo sich die Chromosomen von oben gesehen als Punkte darstellen, habe ich die Zählung mehrfach mit Hülfe der Camera und Zeichnung ausgeführt. Ich fand durchschnittlich 100, und da einige gekrümmte Segmente vermuthlich doppelt gezählt waren, einige wenige anscheinend auch wegen ihrer entfernteren Lage vom Niveau der übrigen bei der Zählung ausgefallen sein mochten, so mag die Zahl der Chromosomen zu 96 angegeben werden. In das chaotische Gewirr im Inneren des Kerns kommt bald Ordnung. Aus dem ganzen Kernraum wandern die Fadensegmente in die Gürtelzone des Kerns zusammen, um hier die Aequatorialplatte zu bilden. Anfangs stehen sie noch in zwei Etagen übereinander, wodurch ein Bild entsteht, das an ein Metakinesenstadium lebhaft erinnert (Fig. 2, Tafel IV). Dann 287 aber erfolgt die regelmässige Einordnung der Segmente, die sich während dieses Processes sehr erheblich verkürzen, wobei ihre Färbbarkeit ent- sprechend zunimmt. — Kurz nach der Einwanderung der Spindelfäden in den Kernraum ist es äusserst schwer dieselben neben den Chromosomen in ihrem Verlauf zu verfolgen. Nicht einmal das konnte ich mit Bestimmt- heit feststellen, ob die Spindelpole erhalten bleiben. Es schien mir wieder- holt, als ob die Spindelfäden nun kaum mehr divergent seien und blind, d. h. ohne sich zu vereinigen, im Körnerplasma endigten. Da sich aber in andren Fällen die Spindelfäden durch die Chromosomen sehr stark ver- bogen zeigten und in ihren Biegungen nur schwer zu verfolgen waren, so muss ich die Möglichkeit zugeben, dass die Spindelpole übersehen wurden, und nicht, wie es den Anschein hatte, aufgelöst oder sonstwie verschwunden waren. Im Körnerplasma an den Kernpolen wurden in diesem Stadium wiederum einige Male Gebilde gefunden, die anscheinend Centrosomen mit Sphären darstellten (Fig. 2, unten, Tafel IV); in der Nähe lagen auch die nunmehr ausgestossenen, wieder abgerundeten Nucleolen. Es wurde schon bemerkt, dass, sobald die Spindelfäden in den Kernraum eingewachsen sind, das körnige Zellplasma von den Polen her gegen die karyokinetische Figur vordringt. Diese Bewegung steht im Zusammenhang mit grösseren Umlagerungen im Cytoplasten. Derselbe sammelt sich nämlich zu einem förmlichen Mantel um die Theilungsfigur an. In einem späteren Stadium überzeugt man sich leicht, dass der Kern selbst von dem Cyto- plasmatischen Gehäuse, das ihn umgiebt, rings durch einen Zwischenraum getrennt ist (Fig.”3, Tafel IV), und dass nur die Spindelpole den Kern in seiner schwebenden Lage befestigen. An dieselben setzen nämlich zarte, aber doch gewiss resistente plasmatische Fasern an, welche, stark divergirend, die körnige Hülle durchsetzen, und unter mehrfacher Gabelung endlich im plasmatischen Wandbeleg endigen. Diese Stränge oder Fasern, die man als die Suspensoren des sich theilenden Kerns bezeichnen kann, mögen bei dem Process der Theilung selbst eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Nach ihrer Disposition in der Zelle müssen sie nämlich geradezu eine Ver- ankerung der Kernfigur darstellen. Und so werden sie es auch sein, welche die Spannung der Spindelfäden ermöglichen und dadurch die Geleise festlegen, auf welchen die Fortbewegung der Chromosomen erfolgt (vgl. Fig. 2, 3, 4, Tafel IV). Wir verliessen den Kern in dem Stadium der Theilung, wo sich die Anordnung der Segmente zur Kernplatte (Aster) vollzog. In diesem Augen- blicke tritt die zuvor undeutliche Spindelfigur wieder ungemein scharf zu Tage; die Spindel ist aber jetzt ganz kurz, die Fäden convergiren sehr stark. Bald nach der Spaltung der Chromosomen (Fig. 3) sieht man die beiden Enden der Spindel schärfer ausgezogen werden, was offenbar mit auf das Conto der Suspensoren zu setzen ist. Nach erfolgtem Auseinanderwandern der Segmente (Fig. 4, Tafel IV) ist die Zuspitzung der Spindelenden sehr auffällig geworden. Nun erfolgt aber die Auflösung der Spindelfäden, zu- 288 nächst im 'Tonnenraum der Theilungsfigur. Zwischen den sich hier neu- bildenden Verbindungsfäden sind die Reste der Spindelfäden als körnige, bröckelige Massen zu sehen (Fig. 4). Endlich lösen sich auch die Spindel- enden auf. Auf den Diaster folgt das Dispirem (Fig. 5, Tafel IV). Die Chromosomen biegen sich und nehmen die Lage von Meridianen an den Tochterkernen an. Diese aber erscheinen stark abgeplattet und an den Aussenrändern umgewulstet (Fig. 25, Tafel II). Inmitten der Verbindungsfäden tritt die neue Trennungswand auf; dann beginnen sich diese Fäden gleichfalls auf- zulösen. Figur 5 (Tafel IV) weist im mittleren Tonnenraum nur noch einige wenige Verbindungsfäden auf, rechts aussen hat sich dagegen noch ein kleines Bündel erhalten (vgl. das bei Hyacinthus Gesagte, pag. 252). Inzwischen sind auch neue Nucleolen gebildet, dieselben liegen von Anfang an stark excentrisch. — Die Rückbildung des Gerüstwerkes für die Tochter- kerne aus den Segmenten des Fadens ist ausserordentlich schön und in allen Stadien zu verfolgen. Figur 5 (Tafel IV) zeigt, wie die bogigen Chromosomen wiederum ihren Aufbau aus Nucleinkörnchen und Linin-Ver- bindungsmasse deutlichst erkennen lassen; auch die Querbrücken aus Linin sind zum Theil schon wieder hergestellt. Um diese Zeit rücken die Tochterkerne nahe an die sich bildende Trennungswand heran und befinden sich zum Theil in dem Raum der früheren Kerntonne, Ihrer Aussenseite liegen mächtige, wabenförmige Proto- plasmakörper an (Fig. 5), deren Maschenwerk in ein reichgegliedertes System von Suspensoren ausläuft. Bei dem Anblick dieser auffallenden Structur drängt sich dem Beschauer, der nicht nur Thhatsachen zu constatiren, sondern dieselben in ihrem Effect auch zu verstehen sucht, die Vorstellung auf, dass hier der Apparat für eine Arbeitsleistung vorliegt, welche offen- bar in einer Fortbewegung der grossen Kerne besteht. Anlage und Disposition der Suspensoren weist auf eine Zugwirkung hin; zur Erzielung einer Druckwirkung würden diese zarten Stränge völlig ungeeignet sein: um einen Druck auf den Kern auszuüben, denselben vorwärts zu schieben, müsste der Protoplast vielmehr eine oder wenige starke Stützen bilden (wie in Fig. 21, Tafel II). Die Suspensoren halten die sich theilenden Kerne und später die jungen Tochterkerne des in Rede stehenden Stadiums ebenso, wie die Ankerleinen einen zum Aufstieg bereiten Luftballen; das hier wie dort zur Anwendung gelangende Prineip die Richtungen der ein- zelnen Zugwirkungen divergiren zu lassen, verhindert auch seitliche Schwank- bewegungen. Bei der Spindelfigur hielt sich der Zug von beiden Seiten her das Gleichgewicht; wenn aber die neue Trennungswand gebildet ist, so muss wohl zunächst eine auf diese gerichtete Zugwirkung durch die Verbindungsfäden ausgeübt werden; die Suspensoren sind jetzt auf ein Minimum redueirt, und so erfolgt, da nur ein schwacher Gegenzug vorliegt, eine Annäherung der Kerne an die sich ausbildende Trennungsmembran. Das Auseinanderweichen der Verbindungsfäden, das oben beschrieben wurde, ist also nur theilweise 289 ein Abgedrängtwerden. Der Zweck dieser Kernannäherung mag aber in einer Beeinflussung des Processes der Membranbildung durch den Kern gesucht werden. Wenn diese Zellwand dann fertig ist, so wird der Kern durch das Cytoplasma in das entgegengesetzte Ende der Zelle geführt, wo nun seine Anwesenheit vielleicht am nöthigsten geworden ist; und interessanter- weise erfolgt ein Weilchen darauf wiederum ein Zurückziehen des Kerns nach der Mitte der Zelle. Es wird dieses vermittelt durch einen ganz ähnlichen Protoplasma- Aufbau, wie der in Fig. 5 abgebildete, nur dass derselbe dieses Mal auf der entgegengesetzten Seite des Kerns, d. h. zwischen diesem und der letztgebildeten Membran liegt. Dann erst wird der Kern dauernd durch allseitigen Druck und Zug im Centrum der Zelle fixirt. Die zeitliche Folge der einzelnen Stadien dieser beachtenswerthen Bewegungen des Protoplasmakörpers ist in den Präparaten mit grosser Präeision an den Kernen selbst abzulesen, weil diese zur selben Zeit ihr Gerüstwerk wieder aufbauen; sie lassen anfangs die Chromosomen noch deutlichst erkennen, und in dem Masse, wie die Zeit fortschreitet, reconstruirt sich das Maschen- werk auf Kosten der schwindenden Segmente. Das Verhalten der Nucleolen bei der Kerntheilung von Psilotum, über welches die Controversen trotz der Arbeit von Humphrey noch nicht als gehoben angesehen werden können, muss hier besprochen werden. Zimmermann hat (l. ce.) die Karyokinese im Stammmeristem und bei der Sporenbildung von Psilotum untersucht und hat gefunden, dass grosse Nucleolen in der Richtung auf die Spindelpole aus den sich zum Aster ge- staltenden Kernen ausgestossen wurden. Dieselben waren meist nach einiger Zeit unter Theilungserscheinungen in umfangreiche, aber unregelmässig be- grenzte Brocken umgewandelt, welche neben der Theilungsfigur lagen und im Cytoplasma noch nachzuweisen waren, wenn die Neubildung von Nucleolen im Dispirem schon erfolgt war. Zimmermann vermuthete, dass diese stattlichen, intensiv roth-färbbaren Klumpen im Cytoplasma (vergl. seine Figuren 33 u. 34) ihre Entstehung zum Theil einer schlechten Fixirung der Nucleolarmasse verdanken. Ich kann diese Vermuthung nur bestätigen, da ich derartige Klumpen bei Verwendung der besser fixirenden Choroform- Mischung fast niemals erhielt, jedoch häufig bei Vorbehandlung mit Sublimat- Eisessig (Fig. 25, Tafel II) und Merkel’scher Flüssigkeit. Nach dem Umfang der Klumpen zu schliessen, dürften sie auch kaum lediglich aus Nucleolarmasse bestehen; sie stellen vielmehr offenbar Conglomerate von diffus vertheilter Nucleolensubstanz mit Cytoplasma dar. Etwa gleichzeitig beschrieb G. Karsten (l. c.) das Austreten der Nucleolen bei der Kerntheilung im Archespor von Psilotum. Resumiren wir die Angaben in aller Kürze. Der ruhende Kern enthält 2—3 Nucleolen. Nach dem Schwinden der Kernmembran treten zwei derselben an die Spindelpole; das Schicksal des dritten ist unbekannt. An den Polen der Kernfigur theilen sich die Nucleolen alsdann (vgl. die Fig. 5 und 7 bei Karsten); es sind nun bis zum Schluss der Karyokinese an jedem Pol zwei solche Körper vorhanden, von welchen auch die Strahlung ausgehen soll, — die Figuren zeigen dies nicht; jeder Tochterkern nimmt dann die zwei Polkörperchen auf. Die Nucleolen verhalten sich hier also sehr ähn- lich den von Guignard beschriebenen Centrosomen von Lilium Martagon und unterscheiden sich von diesen hauptsächlich durch ihre Lage im Kern während der Kernruhe, wogegen Guignard’s Centrosomen ausserhalb der ruhenden Kerne liegen. Karsten führt für die von ihm beschriebenen Gebilde die Bezeichnung „Nucleo-Centrosomen“ ein. In meiner eitirten vorläufigen Mittheilung, wo ich auch meinerseits für gewisse Objeete den Austritt von Nucleolen in das Cytoplasma nachgewiesen hatte, glaubte ich, ohne selbst Psilotum untersucht zu haben, Karsten in seiner Auffassung Recht geben zu müssen, da die beschriebene Aufnahme der Centrosomen in den ruhenden Kern auch bei einem thierischen Object, Ascaris megalocephala wnivalens durch Brauer in einer vortrefi- lichen Arbeit nachgewiesen war'). Immerhin glaubte ich auch Pstlotum selbst zur Untersuchung heranziehen zu sollen, und das Resultat bezüglich der Nucleolen war ein ganz anderes, als ich erwartet hatte. Die Veröffent- lichung, die im Zusammenhang erfolgen sollte, verzögerte sich, und so erschien inzwischen die eitirte Mittheilung von Humphrey, welcher, wie es scheint, ebenso an den Angaben Karsten’s wie an denjenigen Zimmer- mann’s Anstoss genommen hatte. Sein Ergebniss war folgendes: „Die Untersuchung von Hunderten der Kerne (von Psilotum) in allen Theilungs- stadien und nach den verschiedensten Methoden fixirt und gefärbt, inelusive der von Karsten angewandten Methode, hat in keinem einzigen Fall die Anwesenheit von erkennbaren Massen der Nucleolarsubstanz während der Karyokinese ergeben.“ Dagegen hat der Autor echte, den Guignard’schen Figuren entsprechende Centrosomen an den Spindelpolen gefunden. Ich kann nach sehr sorgfältiger Untersuchung die Angaben Zimmer- mann’s nur bestätigen. Meine Figuren auf Tafel IV, denen man wohl an- sieht, dass sie mit genügender Vergrösserung nach gut fixirtem und gefärbtem Material gezeichnet sind, zeigen den Austritt erheblicher Massen von Nucleolarsubstanz in das Cytoplasma. Wenn Humphrey nichts derartiges hat finden können, so wird er gewiss nicht die von Zimmermann unter- suchten vegetativen Kerne oder die von Karsten gezeichneten Kerne aus dem sporogenen Gewebe der jungen Sporangien vor sich gehabt haben, oder sein Material war sehr schlecht fixirt. In welcher Weise Humphrey übrigens die von ihm an den Spindelpolen beobachteten Körper, die er für echte Centrosomen erklärt, von Nucleolarresten unterschieden hat, ist mir nicht klar. Das geringere Färbungsvermögen, das die Centrosomen besitzen sollen, ist gewiss nicht entscheidend, da sich auflösende Nucleolen gleichfalls ganz allgemein schwer zu tingiren sind. !) Zur Kenntniss der Spermatogenese von Ascaris megalocephala, Archiv für mikros-- kopische Anatomie, Band 42. 291 Andererseits hat aber Humphrey darin offenbar ganz recht, dass die von Karsten beschriebenen Körperchen keine Centrosomen waren. Das Verhalten derselben bei und nach ihrem Austritt aus der Kernfigur ist näm- lich keineswegs so regelmässig, wie Karsten geglaubt hat; vielmehr stellen die „Ausnahmen‘‘ hier schon die „Regel“ dar. Die Täuschung, in welche Karsten verfallen ist, scheint mir dadurch zu erklären, dass unser Autor an seinen Präparaten die Structuren der achromatischen Kerntheile und des Cytoplasma nicht genügend sehen konnte; es mussten dadurch Irrthümer über die Lagenverhältnisse sehr leicht entstehen können, Von seinen Figuren zeigen blos zwei, und auch diese nur Andeutungen von der bei Psilotum so ungewöhnlich deutlichen achromatischen Figur (vgl. meine Abbildungen auf Tafel IV, bei deren Herstellung ich immer nur bedauern musste, dass es meinem Pinsel nicht möglich war, die Bildung der achromatischen Fäden so distinet wiederzugeben, wie sie mir im Präparat vorlagen). — Meine Figuren 2—4 (Tafel IV) zeigen, dass neben der Polstellung der Nucleolen auch andere Stellungen vorkommen; oft werden auch drei Nucleolen an einem Pol und am anderen gar keiner gefunden, und Fig. 3 zeigt endlich, dass eine Theilung eines ausgestossenen Nucleolus auch an anderem Orte erfolgen kann, als am Spindelpol. Was das Wiederauftreten der Nucleolen anlangt, so ergeben meine Prä- parate, dass dies wohl stets in den beiden Tochterkernen in streng sym- metrischer Weise erfolgt, wie bei Ayacinthus und Phaseolus. Ihre Zahl ist 3, seltener 2 für jeden Kern. Sie entstehen nahe der Peripherie des jungen Kerns, oft im Contact mit dem Cytoplasma, bevor die Tochterkerne sich mit einer Membran umschliessen (Fig. 25, Tafel III) und verschmelzen später nicht miteinander. Die Substanz dieser Nucleolen der Tochterkerne stammt aus dem Cytoplasten, und vielleicht stellen sie in dieser Beziehung directe Abkömmlinge der Kernkörperchen des Mutterkernes dar; in morpho- logischer Hinsicht sind sie aber unzweifelhaft Neubildungen, Die Kerne in den Sporangien von Psilotum triquetrum. In dem sporogenen Gewebe der jungen Sporangien verlaufen anfangs die Zellthei- lungen vollständig ebenso, wie in den Sprossmeristemen, nur dass die Kerne der ersteren Centrosomen besitzen, welche den letzteren fehlen (?). Bald aber verändern die sporogenen Zellen ihr Aussehen. Sie bilden zunächst nur noch sehr dünne und dann gar keine Membranen mehr aus, weisen ein sehr dichtes Cytoplasma auf, das sich intensiv roth färben lässt, und zeigen Neigung zu partieller Abrundung. Zu dieser Zeit beginnen an den Kernen gewisse Eigenthümlichkeiten hervorzutreten, welche meiner Ansicht nach noch nicht genügende Beachtung gefunden haben und auf welche ich um so mehr eingehen zu sollen glaube, als ich hier wohl etwas zur Klärung einiger älteren Controversen beitragen kann. In den grossen Zügen ist übrigens das Verhalten der Kerne bei der Sporenbildung von Psilotum trigquetrum namentlich durch die Arbeiten Strasburger’s so vortrefflich festgestellt worden, dass ich mich ganz auf die Details beschränken kann, 292 Die Kerne der sporogenen Zellen sind erheblich grösser, als die aller übrigen. Die Vergrösserung erfolgt allmählich, in den Pausen zwischen den Theilungen, nicht etwa bei der Karyokinese selbst, und ist nieht mit einer entsprechenden Zunahme des Chromatins verbunden, denn der Kern der sporogenen Zelle erweist sich als sehr locker gebaut (Fig. 26, Tafel III). Dies erkennt man zunächst an der Umgebung der Nucleolen; dieselben haben zwar an Masse nicht zugenommen, aber ihre Höfe haben sich be- trächtlich vergrössert und sind nicht mehr so scharf umgrenzt wie zuvor. Das Kerngerüst erscheint lockermaschig, fast flockig, und bietet eine ganz andere Physiognomie als in den vegetativen Kernen, wo es einen körnigen Charakter trug. Mit dieser Auflockerung des Kerngerüstes mag es wohl zusammenhängen, dass, sobald nun die Theilung einer sporogenen Zelle eintritt, das Spiremstadium entschieden abgekürzt wird. Sonst aber verläuft die Kerntheilung immer noch wie in den vegetativen Zellen, nur dass an den Spindelpolen Centrosomen beobachtet werden und dass die Segmente des Kernfadens schlanker sind (vgl. Fig. 6 und Fig. 2, Tafel IV; letztere ist gleichfalls dem sporogenen Gewebe entnommen, jedoch einem viel früheren Stadium). Die Anzahl der Chromosomen hat sich nicht verändert und ist noch auf 96 zu schätzen; die Nucleolen werden fast stets aus den karyokinetischen Figuren ausgestossen. Endlich hören die Theilungen auf; die Kerne contrahiren sich wieder, ihr flockiges Gerüstwerk verdichtet sich und wird grobkörnig. Von einem Gewebeverband ist nun im Inneren des Sporangiums nichts mehr zu sehen, auch die Zellgrenzen festzustellen ist meist unmöglich. Aus einer protoplasmatischen, mit eingestreuten Zell- kernen versehenen und von grossen Vacuolen stellenweise durchsetzten Matrix sondern sich, manchmal einzeln, gewöhnlich aber in Gruppen gleich- zeitig, die Sporenmutterzellen heraus. Sie sind kuglig oder eirund und umgeben sich bald mit einer zarten in den Präparaten welligfaltigen Membran. Der Kern der Sporenmutterzellen ist, wie gesagt, zunächst grobkörnig und besitzt meist drei excentrisch- gelagerte Nucleolen mit kleinen, nicht besonders scharf umgrenzten Höfen. Alsbald aber erleidet der Kern eine ganz ungewöhnliche Veränderung. Sei es, dass die Körnchen seines Gerüst- werkes sich strecken, sei es, dass sie in kleinere Gebilde zerfallen, welche sich in Reihen anordnen: jedenfalls sieht man nun plötzlich den ganzen Kernraum erfüllt von einer unendlich grossen Anzahl äusserst feiner, ge- schlängelter, bunt durcheinander geschlungener Fadenstücke (Fig. 7, Tafel IV). Das Gewirr derselben ist so dicht, dass es unmöglich ist, anders als bei Oberflächen-Einstellung ein deutliches Bild der Structur zu gewinnen. Nun findet sich aueh stets blos ein Nucleolus, umgeben von einem unscharf umgrenzten Hof; er ist grösser als die vordem beobachteten Nucleolen und ist offenbar durch Verschmelzung aus denselben hervorgegangen. Doch dieses Stadium bildet nur einen kurz andauernden Uebergang zu dem folgenden, das längere Zeit persistirt. Unter beträchtlicher Vergrösserung der Zelle und des Kernraumes strecken und entwirren sich die Fäden. Die 293 Sporenmutterzellen bieten nun mit ihren Kernen ein ebenso ungewöhnliches wie zierliches Bild dar (Fig. 8, Tafel IV). Die Fadenmassen durchziehen den Kern in jeder Richtung, sind aber bündelweise gleichläufig. Die Gesammt- länge der zarten gleichförmigen Fäden ist auf mehrere Millimeter zu schätzen. Der Nucleolus wird aus seiner schon vorher der Peripherie genäherten Lage nunmehr ganz an die Kernmembran dislocirt und verliert jede Spur von umgebenden Hof; seine Grösse bleibt aber unverändert. Die soeben beschriebenen Structuren des Kerns in den Sporenmutter- zellen sind schon von Strasburger gesehen, aber nicht genügend erkannt worden. Immerhin gebührt ihm das Verdienst, in seinem Werke „Zellbildung und Zelltheilung‘' (1380) in Fig. 116—119, Tafel IX, diese Umwälzungen im Kern angedeutet zu haben. Dass die ebendaselbst dargestellte Kern- figur 115, mit isolirten Chromatinstücken, dem Fadenstadium nicht voran- geht, sondern nachfolgt, hat Strasburger später selbst angegeben. Bei dieser Gelegenheit') spricht der Autor von einem feinen Fadenknäuel, das zu dieser Zeit die Kernhöhle erfülle. Die beigefügte Figur 69 deutet das- selbe mit einigen Strichen an. Der Nucleolus ist in peripherischer Stellung, gegen die Kernwand abgeplattet, gezeichnet. Strasburger nennt ihn „Secretkörperchen‘“. Bezüglich dieses strittigen Gebildes sagt unser Autor (pag. 481 bei Fritillaria persica): es habe sich eine homogene, stark lichtbrechende Substanz an einer, seltener an mehreren Stellen der Kern- oberfläche angesammelt. ‚Sie geht nicht unmittelbar aus den Kernkörperchen hervor, die ja schon auf vorausgehenden Stadien verschwunden waren, viel- mehr repräsentirt sie allem Anschein nach ein Secret... .‘“ Weiter heisst es aber: „Nicht selten haben Präparate dieser Entwickelungszustände in Alkohol gelitten; das Nucleoplasma hat sich ganz einseitig in der Kern- höhle zusammengezogen, und die ausgesonderte Substanz trat in mehreren Tröpfehen in das umgebende Cytoplasma.‘“ An anderer Stelle sagt Stras- burger, dass er, im Gegensatz zu Tangl, der die „Secretkörperchen“ bei Hemerocallis zuerst gefunden und als Nucleolen gedeutet hatte, die Ausstossung derartiger Gebilde in das Cytoplasma bei allen darauf unter- suchten Objeeten, Pollen- und Sporen -Mutterzellen, als normalen Vorgang nachgewiesen habe. Karsten nimmt in seiner oben besprochenen Arbeit auf diese Angabe Bezug (l. c. pag. 561); jedoch lagen ihm selbst, soweit aus seinen Figuren ersichtlich, Sporenmutterzellen nicht vor. Mit der An- gabe Strasburger’s steht aber wieder die oben eitirte Stelle bei Humphrey nicht im Einklang, der, wenigstens bei Psilotum, niemals den Austritt von Nucleolen constatiren konnte; Humphrey hatte aber Gelegenheit, Stras- burger’s Originalpräparate zu studieren. Meiner Ansicht nach ist Tangl ganz im Recht gewesen, wenn er die von Strasburger später als Secretkörperchen bezeichneten Gebilde für Nucleolen hielt. Wir sahen, dass der Hauptgrund Strasburger’s die 1) Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne etc. pag. 504. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pilanzen. Bd. VII. Heft. U. 230 294 fraglichen Körper für etwas besonderes zu halten, der war, dass die Nucleolen schon vorher geschwunden gewesen wären. Dies trifft nun für Psilotum, wie sich aus meiner oben gegebenen Darstellung ergiebt, durchaus nicht zu. Hier hatte der Kern zuerst in seinem grobkörnigen Gerüst 3 Nucleolen; im Stadium der kurzen geschlängelten Fäden war ein grösserer Nucleolus vor- handen, der offenbar durch Verschmelzung der früheren entstanden war; er lag noch nicht ganz peripherisch und besass noch einen deutlichen Hof (Fig. 7, Tafel IV). Im Stadium des gestreckten Fadengerüstes endlich war der Nucleolus meist ganz bis an die Wand gerückt, manchmal sogar etwas abgeplattet; aber er war doch unzweifelhaft noch ein echter Nucleolus (Fig. 8). Demnach wäre der Ausdruck „Secretkörperchen“ für Psilotum auszumerzen. Bei der nächsten Karyokinese gelangen Reste desselben Nucleolus in das Cytoplasma, wie Strasburger implieite angegeben hatte (vgl. Zimmer- mann, l. ce. Fig. 35 und meine Figur 11, Tafel IV im Gegensatz zu der Behauptung Humphrey’s). Auch Zimmermann fand (l. c.) bei Lilium Martagon und anderen Pflanzen in den Sporenmutterzellen wandständige, dort sichelförmig gestaltete Nucleolen und betont Strasburger gegenüber, dass kein Grund vorliege, sie als Secrete anzusprechen. In mehreren Figuren Zimmermann’s ist das Faden- stadium des Kerns angedeutet, meist aber verrathen die Bilder eine unge- nügende Fixation des Kerns, sodass die feinere Structur nicht zu erkennen ist. In dem Stadium des Fadenknäuels verharrt der Kern der Sporenmutterzelle relativ lange, was aus der grossen Häufigkeit solcher Figuren zu schliessen ist. Anscheinend handelt es sich hier gleichwohl nicht um einen Ruhe- zustand; wenigstens ergiebt eine subtile Prüfung der im Präparate vorliegenden Bilder, dass sich nieht nur der Kern während des Fadenzustandes langsam aber stetig vergrössert, sondern dass auch die Disposition der Fäden eine verschiedene ist. Bald sind sie vielfach geknickt und durch einander gewirrt, bald sind sie in der Längs- oder auch der Querrichtung des Kerns einzeln oder bündel- weise gleichlaufend. Ich glaube, dass diese verschiedenen Bilder nach einander eintretenden Umlagerungen der Fadenmasse entsprechen; über die muthmass- liche Bedeutung derselben will ich mich jedoch erst später äussern. Es liegt nahe, die Bildung der beschriebenen langen und zarten Fäden für die Einleitung der nächsten Karyokinese, also für ein Spiremstadium zu halten. In der That scheint Strasburger dieser Ansicht gewesen zu sein'), da er an die Notiz über den Fadenzustand die Beschreibung der Bildung der Kernfadensegmente (,‚Körner‘‘) und der Kernplatte anschliesst. Verfolgt man aber an gut vorbereitetem Material die Umlagerungen genauer, so überzeugt man sich, dass die Bildung der langen Fäden nicht zur eigent- lichen Karyokinese gehört, da aus ihnen nicht durch Segmentirung die Chromosomen gebildet werden. Die Umwandlungen verlaufen vielmehr folgendermassen. Die Fäden, bis dahin glatt und überall gleichdick, werden 1) Ueber den Theilungsvorgang ete., pag. 504. 295 körnig-knotig, vereinigen sich zu Strängen (Fig. 9, Tafel IV) und verlieren ihre Individualität, wobei ihre Masse sich zu neuen, ungleich derberen, deutlich aus Chromatinscheiben und Interfilarsubstanz aufgebauten Spiremfäden um- bildet (Fig. 10, Tafel IV); diese sind es erst, welche nach erfolgter Ver- dichtung und gegenseitiger Isolirung die Chromosomen oder Kernfadensegmente bilden. Letztere sind anfangs sehr unregelmässig gestaltet (vgl. Textfigur 7) und besitzen später, zur Zeit des Aster, die Form kurzer, dieker, bogig- gekrümmter Stäbe (Fig. 11, Tafel IV, und Humphrey, Il. c. Fig. 6 und 7). Bei der Theilung gelangen auch hier, wie schon oben vorgreifend bemerkt wurde, kleine Nucleolarreste in das Cytoplasma. Von besonderem Interesse schien mir die Zählung der Chromosomen zu sein. Allerdings erwies sich die Aufgabe als ganz besonders schwierig, zumal wegen der hohen Zahl und der unregelmässigen Form der Segmente, Dass bei der Theilung innerhalb der Sporenmutterzelle erheblich weniger Chromosomen gebildet werden, als bei den vorhergehenden Karyokinesen, ist freilich aus den Präparaten mit Leichtigkeit zu ersehen (vgl. Fig. 11 and 6, Tafel IV); doch war die Ausführung einer exaeten Zählung wünschens- werth. Diese gelang mir am besten bei der in der nebenstehenden Figur 7 abgebildeten Sporenmutter- zelle.. Der Kern derselben hatte die Kernplatte nahezu fertig gebildet; die Zeichnung stellt die Chromo- somen auf mittlerem Niveau gesehen dar und konnte durch Aenderung der Einstellung controllirt werden. Die Zählung ergiebt hier 50 Chromo- somen, und da doppelte Zählung bei der Krümmung der Stäbchen leicht, Auslassung eines Segmentes aber kaum vorkommen konnte, so wird man die Zahl auf 48 redueiren dürfen. Sieentspricht dann dem oben Fig. 7. (pag. 286) mitgetheilten Befunde bei Erste FRueiunz einer Rap den vegetativen Kernen, welche ja die a 20 ERBEN, allupg ger romosomen in der Kernplatte. doppelte Zahl von Chromosomen auf- Vergr. 1000: 1. weisen müssten '); es waren daselbst 96 gefunden worden”). 1) Strasburger, über periodische Reduction der Chromosomenzahl, Biolog. Centralblatt, 1894. 2) Strasburger (l. ec. pag. 504) schätzt die Zahl der Chromosomen bei der Theilung des Sporenmutterkerns auf etwa 140. Demnach kämen dem vegetativen Kern 280 Chromosomen zu. Die Schwierigkeit der Zählung an Freihandschnitten, wie Strasburger sie benutzte, dürfte diesen unzweifelhaften Irrthum erklären. 20° 20 Bezüglich der Bildung der Specialmutterzellen aus der Sporenmutterzelle wüsste ich Strasburger sonst kaum etwas wesentliches hinzuzufügen. Uebrigens habe ich auch diese Erscheinung, da mein Material dazu nicht besonders günstig war, weniger genau verfolgen können. Bemerken möchte ich nur noch, dass ich einige Male abnorme Theilungen sah, die ganz den von Strasburger') für Hemerocallis fulva gegebenen Figuren ent- sprachen. Sporangien anderer Pteridophyten. Die Bildung der langen, dünnen Fäden in den Kernen der Sporen- mutterzellen von Psilotum würde, wenn diese auffällige Erscheinung nur hier zu beobachten wäre, der Interpretation sehr bedeutende Schwierigkeiten bereiten. Es scheint aber, als ob wir es hier mit einem weitverbreiteten, vielleicht allen höheren Pflanzen zukommenden Phaenomen zu thun hätten. Darauf deutet schon der Umstand, dass zur Zeit eine Anzahl von Figuren vorliegen, welche Sporen- und Pollenmutterzellen darstellen und Structuren, wie die für Psilotum beschriebenen, in grösserer oder geringerer Deutlich- keit veranschaulichen. So beispielsweise bei Strasburger (Ueber den Theilungsvorgang ete., Tafel XXV, Fig. 3, 4 und 5) von Fritillaria persica, bei Zimmermann (l. c. Fig. 14—17) von Lilium Martagon und bei Humphrey (l. e. Fig. 4) von Ceratozamia longifolia und (Fig. 9) von Osmunda reyalis. Vielleicht gehören auch die Figuren 9 und 10 bei Guignard (Nouvelles ötudes etc.) hierher. Die Erscheinung würde also nicht auf die Gefässkryptogamen beschränkt sein. Die Figuren sind meist als Knäuelstadien gedeutet worden, jedoch offenbar mit Unrecht, wenn es sich für andere Objeete bestätigt, was oben für Psilotum erwiesen wurde, dass nämlich die fraglichen langen Fäden den Chromosomen nicht durch einfache Segmentirung, sondern erst nach tiefgreifenden Umlagerungen und theilweiser Auflösung den Ursprung geben. Wenn aber die Bildung der beschriebenen langen Kernfäden kein Spiremstadium darstellt, überhaupt in den Lauf einer normalen Karyokinese nicht hineingehört, so wird es nöthig sein, einen neuen Ausdruck einzuführen, der dieses Stadium des Kerns bezeichnet. Da fragliche Fäden sich von den gewöhnlichen Kernfäden vor allen Dingen durch ihre bedeutendere Länge auszeichnen, so scheint mir der Ausdruck „Dolichonema-Stadium‘“ passend. Es gelang mir, das Dolichonema-Stadium in den Sporen- resp. Pollen- Mutterzellen aller Pflanzen aufzufinden, die ich bisher in dieser Hinsicht zu untersuchen Gelegenheit hatte. Da die Kerne im Dolichonema längere Zeit verharren, so ist der Nachweis dieses Stadiums sogar leicht, sobald man nur genügend fixirtes Material untersucht. Schwieriger ist es freilich, das Zustandekommen und die schliessliche Rückbildung des Dolichonema zu verfolgen. Wenn ich hier jetzt noch mehrere bemerkliche Lücken in meinen 1) Ueber den Theilungsvorgang ete., Tafel XVI, Fig. 63—65. 297 Beobachtungen notiren muss, so darf ich doch auf der anderen Seite be- tonen, dass das, was ich gesehen habe, eine vollständige Uebereinstimmung mit den entsprechenden Erscheinungen bei Pstlotum zeigt, sodass die fehlenden Glieder in den Entwicklungsreihen vorläufig nach den Befunden bei Psilotum ergänzt werden können. Osmunda regalis. Die Fixirung und besonders die Paraffineinbettung der Sporangien des Königsfarn scheint nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu bieten; das von mir im Frühjahr eingelegte Material erwies sich zum grossen Theil als wenig brauchbar. Da jedoch bei den mit dem Chloroform- gemisch fixirten Stücken grade diejenigen Sporangien, welche das Dolichonema- Stadium enthielten, in ganz gutem Erhaltungszustand angetroffen wurden, so sollen meine Beobachtungen, so fragmentarisch sie auch sind, hier doch Erwähnung finden. Die jüngsten Sporangien, welche mir vorlagen, hatten die Sporenmutter- zellen noch nicht gebildet. Die sporogenen Zellen befanden sich noch im Gewebeverbande und besassen grosse, lockere Kerne, körnig-flockiges Gerüst- werk und 2—4 in Höfen liegende Nucleolen. Sie entsprachen also dem in Fig. 26 (Tafel III) dargestellten Stadium der Kerne von Psilotum, doch war ihr Gerüstwerk körniger. Nun trat gegen Psilotum eine Verschiedenheit insofern ein, als die Weiterentwickelung aller sporogenen Zellen eines jeden Sporangium gleichmässig erfolgte, statt, wie dort ungleichzeitig. Es mussten also die aufeinander folgenden Stadien, die man bei Psilotum oft alle in einem einzigen Sporangialschnitt nebeneinander findet, hier aus verschiedenen Sporangien zusammengesucht werden, was die Sicherheit des Resultates einigermassen beeinträchtigte. Die jungen Sporenmutterzellen zeigen, wie sonst, die Tendenz zu partieller Abrundung und lösen sich bald völlig aus dem Gewebeverband (Fig. 12, Tafel IV). Sie besitzen einen sehr diehten und stark färbbaren Plasma- körper, in welchem anfangs kleine Vacuolen, später nur noch Fibrillen be- merkt werden. Der Kern hat sich gegen früher etwas verkleinert und zeigt nun statt des körnig-flockigen, lockeren Maschenwerkes zahlreiche, schlangenförmig gewundene Chromatinfädchen von mässiger Länge. Zwischen denselben liegen in kaum erkennbaren Höfen noch zwei Kernkörperchen, welche deutliche Vacuolenbildung aufweisen. Im Cytoplasma bemerkt man zwei ziemlich gut gefärbte, von hellen Höfen umgebene Körnchen, die wohl unzweifelhaft Centrosomen mit Sphären darstellen. Sie liegen nebenein- ander, in mässiger Entfernung von der Kernwand'). Wie bei Psilotum geht das Stadium der kurzen, geschlängelten Faden- stücke bald in das Dolichonema (Fig. 13, Tafel IV) über, das längere Zeit hindurch persistirt und daher leicht aufzufinden ist. Die Abrundung der Sporenmutterzelle ist nun weiter fortgeschritten, dieKernhöhle hat sich erweitert. 1) Manchmal schienen mehr als 2 Centrosomen vorhanden zu sein, doch war es unmöglich, zu entscheiden, ob sie wirklich alle der gleichen Zelle angehörten, 298 Durch dieselbe sind gestreckte oder lang-bogig gekrümmte, dünne Fäden ausgespannt. Ihre Zusammensetzung aus Körnchenreihen ist ziemlich deutlich. In gut erhaltenen Sporangien erfüllen sie die ganze Kernhöhle; bei schlechterer Fixation bilden sie ein Knäuel, das meist nur einseitig der Wand angelagert und in verschiedenen Richtungen durch langausgezogene, äusserst feine und kaum färbbare Stränge (aus Linin) mit der Kernmembran in Verbindung gesetzt ist. Neben der Fadenmasse liegt ein grosses mit einer Vacuole versehenes Kernkörperchen, stets ganz excentrisch und manchmal gegen die Kernwand abgeplattet. Sehr selten findet man noch einen zweiten kleineren Nucleolus, der sich vermuthlich mit dem grösseren vereinigt haben würde. Im Cytoplasma sind die Centrosomen unverändert geblieben. Die Kern- höhle ist scharf umgrenzt; an geeigneten Stellen ist die zarte aber distinete Kernmembran gut zu sehen. Leider gelang es mir bisher nicht, brauchbares Untersuchungsmaterial zu erhalten, das die Feststellung der weiteren Schicksale der Kerne in den Sporenmutterzellen und bei der Bildung der Sporen selbst ermöglicht hätte. Ich hoffe, diese Lücke im nächsten Jahre auszufüllen. Dagegen möchte ich hier noch über die Kerne der Tapetenzellen eine Bemerkung anfügen. Zu der Zeit, wo die Constituirung der Pollenmutterzellen erfolgt, zeigen die Tapetenzellen eine ausserordentlich lebhafte Vermehrung, bei welcher die Kerntheilungen, soweit ersichtlich, nach dem Typus der Karyokinese der vegetativen Kerne höherer, chromatinreicher Pflanzen, z. B. Hyacınthus, verlaufen. Später, während des Dolichonema -Stadiums der Sporenmutter- kerne, findet man gleichfalls noch zahlreiche Kerntheilungen, aber dieselben sind jetzt „directe.‘‘“ Die Kerne (Fig. 14, Tafel IV) sind noch nucleinreich und entsprechend stark kyanophil, besitzen aber kein deutliches Maschen- gerüst, sondern ihr Chromatin ist in kleine Gruppen oder Reihen von Körnchen verdichtet, als ob der Kern sich zum Spiremstadium vorbereitete. Innerhalb des Kernraumes liegen nun zahlreiche ziemlich stattliche Nu- cleolen, — so lange der Kern sich mitotisch theilte, besass er 1—2, höchstens 3 Kernkörperchen; jetzt finden sich bis zu 10. Der Kern streckt sich (meist in der Richtung des Sporangial-Radius) und durchschnürt sich, wobei oft sehr ungleiche Hälften entstehen. Die Tochterkerne können noch eine Weile dicht aneinander geschmiegt liegen bleiben, nur durch eine Hyaloplasma-Membran getrennt; später isoliren sie sich. T'rennungswände werden, soweit ich gesehen habe, nicht gebildet. Den Tapetenzellen scheinen Centrosomen ganz zu fehlen. Polypodium aureum. Ein Querschnitt durch ein Stück eines noch nicht ausgewachsenen Wedels von Polypodiıum aureum mit der dem blossen Auge als gelbliches Grübchen sichtbaren Anlage eines Sorus ergiebt folgendes. Die Epidermis der Blattunterseite besteht aus breit-tafelförmigen Zellen, zwischen welchen zahlreiche Spaltöffnungen in ausgedehnte Athem- höhlen führen. Das Mesophyll ist im Uebrigen noch ziemlich geschlossen, d. h. es weist nur kleinere Intercellulargänge auf. Diese fallen beinahe. 299 ganz fort in dem dichten kleinzelligen Gewebe, das die Sorusanlage trägt. Ein in zahlreiche Leitertracheiden auslaufendes Bündel nimmt die Dorsal- seite dieses Gewebes ein; ventral schliesst sich daran eine 2—3 Zelllagen mächtige Schicht dünnwandiger, parenehymatischer Zellen, welche bestimmt sind, später das prominirende Polster zu bilden, das den Sorus trägt. Auf diese folgt die metamorphosirte Epidermis. Die Elemente derselben sind statt tafelförmig vielmehr von der Gestalt aufrechter Prismen, deren Höhe 1'a—2 Mal so gross ist, wie ihre Breite. Aus ihnen bilden sich die Spo- rangien mit Fuss und Stiel. Fig. 8. Erste Stadien der Sporangienentwickelung bei Polypodium aureum. Vergr. 500 : 1. Die ersten Theilungen zeigen eine gewisse Unregelmässigkeit. Entweder — und dies ist der häufigste Fall, wird zunächst eine Innenzelle von einer grösseren äusseren abgeschnitten (Textfigur 8, a), welche letztere alsdann auswächst, oder die Initiale wölbt sich ungetheilt über ihre Umgebung empor (Fig. 8, b) und theilt sich sodann jenseits des Niveaus der Epidermis in eine Fusszelle und eine neue Initiale (Fig. 8, c). In diesem Fall bleibt der Fuss einzellig; anderenfalls ist er anfangs zweizellig (Innen- und Aussenzelle des Fusses, Fig. 8, d), nicht selten theilt sich darauf die Aussenzelle durch eine Längswand (Fig. 8, e), manchmal auch ebenso die Innenzelle, sodass der Fuss dann 3- oder 4-zellig wird. Auf die etwa in der Höhe der Epidermis liegende Querwand folgt alsdann die erste schräge Wand; die nächste weist eine Drehung von 120° auf und so die weiteren, sodass sich eine dreiseitig-pyramidale Scheitelzelle bildet. Diese liefert zunächst die Zellen für den Sporangienstiel, sodann die seitlichen Sporangien-Wandzellen (Fig. 8, f); dann folgt eine der bis dahin freien Aussenseite der Scheitel- zeile parallele Wand, wodurch die Decke des Sporangiums angelegt wird (Fig. 8, g). Die weitere Ausbildung der Sporangialwand interessirt uns nicht. Die tetraedrische Innenzelle der Sporangium-Anlage schneidet nach jeder ihrer Seiten eine Zelle ab; diese theilen sich weiter radial und tan- gential und liefern die zwei Schichten von Tapetenzellen. Die Centralzelle 300 kann nun als Archespor bezeichnet werden; sie theilt sich unter ent- sprechender Vergrösserung der ganzen Anlage in 16 Sporenmutterzellen, welche 64 Sporen den Ursprung geben '). Bei Besprechung der Sporenbildung von Psilotwm hatten wir constatirt, dass die zu Reproductionszwecken bestimmten Kerne sich zuerst durch eine Grössenzunahme, welche mit einer characteristischen Auflockerung des Gerüst- werkes verknüpft war, kennzeichneten. Entsprechendes gilt auch für Poly- podium aureum. Aber während bei Psilotum die Kernumwandlung erst im Archespor erfolgte, ist sie bei unsrem Polypodium schon in der ersten einzelligen Anlage des Sporangiums angedeutet. Denn schon in den pris- matischen Epidermiszellen, dem ersten sichtbaren Anfang der Sporangien, finden wir die Kerne grösser und lockerer gebaut, als in den nicht der Reproduction dienenden Geweben. Uebrigens sind die Kerne, trotz ihres Aufbaues, keineswegs nucleinarm, sondern ausgesprochen kyanophil; sie ent- halten 2—3 Nucleolen, während die Kerne der übrigen Gewebe meist nur einen, seiner geringen Grösse wegen leicht zu übersehenden Nucleolus führen. Die ersten Theilungen in der Sporangialanlage haben das Gemeinsame, dass sie von der zur Erzeugung der Sporen bestimmten Zelle jedesmal solche Zellen abspalten, welche sich an der Sporenbildung nicht mehr bethei- ligen, nämlich nach einander die Elemente des Fusses, des Stieles, der Wand und der Tapete. Bei diesen Theilungen accentuirt sich der Character des reproductiven Kerns. Der abgespaltene Kern ist jedesmal klein und dicht und führt wenig Nucleolarsubstanz; der Reproductionskern wird trotz seines Nuclein-Gehaltes lockerer und flockiger, er ist grösser und besitzt mehrere stattliche Nucleolen (vgl. Fig. 15, Tafel IV). Die tetraedrische Centralzelle der Sporangialanlage (Archespor) hat einen nicht ausgedehnten aber sehr dichten Cytoplasten. Sie gleicht daher schon vollständig den Sporenmutterzellen vor deren Auslösung aus dem Gewebe- verbande. Die Kerne des 16-zelligen Archespor führen in ihrem lockeren Maschenwerk noch stets einen grossen Nucleolus, dem meist 2--3 kleinere zugesellt sind. Zur Zeit, wo die Sporenmutterzellen sich abzurunden beginnen, redueirt sich aber die Nucleolarsubstanz sehr erheblich; es ist bald blos ein einziges, kleineres Kernkörperchen übrig, das eine excentrische Stellung erhält und sich anscheinend weiter auflöst, wenigstens immer schwach tingirt gefunden wurde. Das Kerngerüst wird inzwischen zunächst körnig und bildet sodann das Dolichonema (Fig. 16, Tafel IV.) Der Cytoplast stellt eine dichte gut färbbare Schicht um den Kern dar, die bald allseitg etwa gleichdick, bald einseitig verstärkt gefunden wird. In ihr sind eine Anzahl winziger gleichgrosser, von hellen Höfen umgebener Körperchen sichtbar, die durch die Zimmermann’sche Färbung nur sehr wenig, scharf dagegen 1) Vgl. zu Vorstehendem aus der neueren Literatur: Carl Müller, Zur -Kenntniss der Entwickelungsgeschichte des Polypodiaceen-Sporangiums, Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 1893. 301 durch die Haematoxylintinetion nach Heidenhain hervorgehoben werden. Sie gleichen den Centrosomen, ihre Zahl ist aber nicht unbedeutend, nämlich ce. 12 für jede Zelle. Ob und in welcher Weise sie sich bei der Karyo- kinese betheiligen, gelang mir bisher nicht zu ermitteln. Einige derartige Körper scheinen schon in der Centralzelle vorhanden zu sein, doch sind sie hier wenig färbbar und obendrein durch den mächtigen Cytoplasten halb verdeckt; sie fehlen aber anscheinend den Zellen noch früherer Generation sowie den Elementen der Sporangialwand und der Tapete. Diese letzeren lösen sich schon um dieselbe Zeit, wo die Sporenmutterzellen sich abzurunden beginnen, aus ihrer bisherigen Lage. Die innere Schicht wandert zwischen die Zellen des sporogenen Complexes ein, die äussere bildet mittels eines von grossen Vacuolen durchsetzten Plasmas die Verbindung der Sporen- mutterzellen mit der Wand des Sporangiums. Bei der Wanderung ändern die Kerne ihre bis dahin abgeplattet-eirunde Gestalt und werden semmel- bis hantelförmig. Anscheinend kommen dabei auch direete Kerntheilungen vor. Uebrigens gleichen diese Kerne vollständig denjenigen aus den Tapeten- zellen von Osmunda (vgl. Fig. 14 u. 16, Tafel IV); wie dort sind sie mit einem körnigen Gerüstwerk versehen, das den Anschein erweckt, als läge der Beginn einer Karyokinese vor; auch besitzen sie viele (4—5) ziemlich grosse Nucleolen, welche sich erst mit der Loslösung der Tapetenzellen aus ihrer ursprünglichen Stelle durch Theilung und Substanzvermehrung aus den anfangs vorhandenen 1—2 Kernkörperchen bilden. Das Dolichonema-Stadium hat unzweifelhaft eine ziemlich lange Dauer, da es fast auf jedem Sorus-Querschnitt in mehreren Sporangien gefunden wird. Die Sporenmutterzellen treten innerhalb eines Sporangium alle zur gleichen Zeit in das Dolichonema-Stadium ein und halten auch in den weiteren Um- bildungen gleichen Schritt. Diese bestehen darin, dass sich zunächst, wie bei Psilotum, die langen Kernfäden auflösen (Fig. 17, Tafel IV), und dass sich aus ihrer Substanz der Spirem-Kernfaden regenerirt, welcher alsbald in die Segmente zerfällt; die Kerntheilung erfolgt dann in der üblichen ver- schränkten Weise. Die Sporenzellen sind anfangs halbmondförmig mit ge- rundeten Enden; sie führen 1—2 winzige Nucleolen (Fig. 18, Tafel IV). In ihrem Cytoplasma sind 2—4 sehr deutlich hervortretende von Höfen um- gebene Körperchen zu finden, die vermuthlich Centrosomen darstellen; sie liegen niemals dicht am Kern, oft sogar in ziemlich grosser Entfernung von diesem. Während der alsdann folgenden Bildung der Sporenmembran verliert das Cytoplasma seine Färbbarkeit nahezu vollständig; der Kern hingegen, welcher sich stark contrahirt, färbt sich noch lebhaft. In der halbreifen Spore ist ausser dem Kern noch ein kleinerer stark gefärbter Körper bemerkbar, der vielleicht durch Verschmelzung aus den Centrosomen hervorgeht und eine Art Nebenkern darstellen dürfte. Ganz entsprechendes wurde auch gelegentlich in den halbreifen Sporen von Psilotum gefunden. Die Verfolgung der Entstehung und der ferneren Schicksale dieses Körpers bot mir jedoch bisher unüberwindliche Schwierigkeiten. 302 Pollenbildung von Convallaria majalis. Es ist schon oft betont worden, dass die Bildung des Pollens eine grosse Uebereinstimmung mit den Vorgängen zeigt, welche bei der Anlage der Sporen (speciell der Mikrosporen) der Pteridophyten beobachtet werden. Der Gedanke, dass sich auch bei der Pollenbildung der Phanerogamen ein Doliehonema-Zustand finden lassen würde, hätte also nahe gelegen, auch wenn nicht schon Andeutungen über das Vorhandensein einer solchen Kern- struetur in der Fachlitteratur vorgelegen hätten. Das erste phanerogamische Object, das ich in dieser Richtung untersuchte, Convallarıa majalis, gab mir das erwartete Resultat; ja, die Uebereinstimmung mit den Kryptogamen erwies sich als eine so weitgehende, dass meine Befunde schon aus diesem Grund mitgetheilt zu werden verdienen. Geeignetes Material von Convallaria majalis ist aus den Winter- treibereien schon vom November an, aus dem Freien unmittelbar nach der Schneeschmelze zu erhalten. Kräftige getriebene Maiglöckchen zeigen ein lockereres, grosszelligeres Gewebe und stattlichere Kerne als die dem freien Lande entnommenen Pflanzen. Zur Untersuchung zog ich beiderlei Pflanzen heran. Zum Fixiren diente meist Sublimat-Eisessig; dabei wurden einzelne Antheren vorzüglich fixirt gefunden, während andere, zum Theil in den- selben Blüthen, mehr oder minder weitgehende Contractionen der Protoplasten aufwiesen und daher zu Zwecken dieser Untersuchung unbrauchbar waren. Antheren, welche unmittelbar nach dem Schmelzen der Schneedecke im Freien gewachsenen Convallaria-Pflanzen entnommen waren, besassen schon ein ausgebildetes Archespor, das sich mit seinen grösseren, stumpfeckigen Zellen von den flachen, kleinen Tapetenzellen deutlich abhob. Die Kerne im Archespor waren nicht grösser als die der Connectivzellen, aber viel lockerer gebaut, mit flockig-fädigem kyanophilem Gerüstwerk und meist 2 grossen, etwas unregelmässig gestalteten Nucleolen versehen (Fig. 19, Tafel IV). Das schon ziemlich intensiv färbbare Cytoplasma wies Granu- lationen auf, welche Centrosomen darstellen konnten; die Färbung nach Heidenhain’s Hämatoxylin-Methode zeigte, dass in der That in jeder Zelle ein Doppel-Centrosoma liegt (Fig. 20, Tafel IV); ein solches besteht aus zwei ovalen schräg gegeneinander gestellten Hälften. Es stellt dies vermuthlich ein Theilungsstadium dar, erinnert aber auch an gewisse von M. Heidenhain für thierische Zellen gegebene Centrosomen-Figuren !). Unter bedeutendem Wachsthum der Anthere constituirt sich nun die definitive Zahl der Zellen im Archespor. Die Kerne nehmen dabei erheblich an Grösse zu, behalten jedoch zunächst ihren lockeren Bau; auch die Cyto- plasten wachsen stark und bilden eine breite, sich nach Aussen abrundende Hülle um den Kern. Nun folgt, wie üblich, wiederum eine Contraction des Kerns, welcher zunächst körnig wird und sodann in das Dolichonema- 1) Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete., Fig. 27 u. a. (Archiv für Mikroskopische Anatomie, Band XLII, 1894.) 303 Stadium eintritt. Dabei sind, wie bei den oben besprochenen Kryptogamen, die Kernfäden anfangs wellig und dicht gedrängt, um sich später unter Erweiterung der Kernhöhle lang auszustrecken (Fig. 21, Tafel IV), Während der Umlagerung des Chromatins hat auch wieder die Verschmelzung der Nucleolen stattgefunden, ganz wie bei den Sporenmutterzellen; das verbleibende einzige Kernkörperchen zeigt entsprechende Vergrösserung und die übliche excentrische Lage im Kern. Die Centrosomen sind mittlerweile erheblich deutlicher geworden und sind nun auch auf Fuchsin-Jodgrün-Präparaten gut sichtbar. Sie besitzen be- züglich des Kerns nahezu opponirte Stellung und liegen meist der Aussen- seite der Zelle näher als dem Kern. In jeder Sporenmutterzelle sind während des Dolichonema-Stadiums zwei Centrosomen sichtbar; manchmal sind es anscheinend mehr, jedoch blieb es mir hier stets zweifelhaft, ob nicht das dritte, beziehungsweise vierte Centrosom einer anderen, zum grössten Theil durch den Schnitt entfernten Sporenmutterzelle angehörte. Ein Irrthum wird hier durch die Natur der Mikrotomschnitte sowie durch die peripherische Lagerung der Centrosomen sehr leicht gemacht. Bei Tingirung der Schnitte nach der Heidenhain’schen Methode zeigen sich die Centrosomen kranz- förmig gebaut; sie bestehen aus mehreren (5—7) ungleich grossen, in einen einseitig offenen Ring geordneten Körnchen, die also ein sog. Mikrocentron darstellen, wie solche aus thierischen Zellen bekannt sind'!). Das Dolichonema-Stadium dauert auch hier relativ lange und ist infolge- dessen sehr leicht und in sehr verschieden grossen Knospen zu finden. Von den sechs scheinbar in einem Kreis stehenden Staubblättern schreiten drei (die äusseren) in der Entwickelung voran; innerhalb eines Staubblatt- kreises findet man aber alle sporogenen Zellen im gleichen Stadium. Ueber die weiterfolgende Doppeltheilung, die mir nur wenige Male zu Gesicht kam, wurde nichts von Belang ermittelt. Die Specialmutterzellen der Sporen bleiben eine Zeit lang zu einer ungefähren Kugelgestalt vereinigt; sie liegen zu vieren se zusammen, wie die Theilstücke der geschälten Apfelsine. Ihre Kerne sind dauernd locker-flockig; in jedem tritt ein relativ grosser aber nicht besonders stark färbbarer Nucleolus auf; die Mikrocentra im Cyto- plasma werden undeutlich. Kurz vor der Reife bietet das Pollenkorn, das sich inzwischen mit einer derben Membran umhüllt hat, noch im Wesent- lichen denselben Anblick (Fig. 22, Tafel IV). Um diese Zeit fand ich die Tapetenzellen noch in ihrer parietalen Stellung, sie waren aber zusammen- gedrückt und anscheinend ebenso wie ihre Kerne desorganisirt. Schlussbemerkungen. Es wäre jedenfalls verfrüht, wenn ich versuchen wollte aus den in dieser Arbeit niedergelegten Beobachtungen schon jetzt alle Consequenzen zu ziehen. Gleichwohl scheint es mir geboten, die Richtungen anzudeuten, in welchen sich meine Resultate verwerthen lassen werden. Hierbei darf ich mich um- 1) M. Heidenhain, I. c. BR somehr kurz fassen, als ich einige der in vorliegender Arbeit gewissermassen nur vorläufig in Angriff genommenen Fragen später genauer zu verfolgen beabsichtige. Soviel kann schon jetzt als feststehend betrachtet werden, dass die Kerne verschiedener Zellen innerhalb der gleichen Pflanze ganz ausserordentlich weitgehende Verschiedenheiten im Bau und in der chemischen Natur ihres Inhaltes zeigen. Nach den bisherigen Beobachtungen ist anzunehmen, dass die Kerne der noch nicht speeialisirten, aber sich vermehrenden Zellen stets durch reichlichen Gehalt an einer bestimmten Substanz, Nuclein, ausgezeichnet sind, welche ebenso bei der Specialisirung der Zellen (vgl. Rhaphiden- und Gefässzellen) wie bei dem Austritt aus dem Meristem reducirt oder gar, soweit unsere Methoden einen Schluss gestatten, gänzlich aus den Kernen entfernt wird. Das Vorkommen dieser Substanz bedingt die kyanophile Kernreaction, ihr Fehlen macht die Kerne erythrophil. So wurden auch in der vegetativen Region — wie in der reproductiven bei den Monocotylen — kyanophile und erythrophile Kerne aufgefunden. Die Ansicht, dass die vegetativen Kerne kyanophil und erythrophil gleichzeitig seien und daher den Reproductionskernen gegenüber, welche, je nach Geschlecht, entweder nur die erstere oder nur die zweite Reaction zeigen sollten, als hermaphroditisch ange- sehen werden müssten, erweist sich somit als völlig unhaltbar. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, dass die von mir früher geäusserte Meinung, die Eikerne seien wegen ihres Mangels an kyanophiler Substanz vor der Verschmelzung mit dem Spermakern nicht weiter entwicklungsfähig und empfingen den Impuls oder das Vermögen zu neuer Theilung erst durch den kyanophilen Sperma- kern, falsch wäre. Vielmehr theilen die Eikerne den Charakter der Erythrophilie mit allen in den vegetativen Geweben beobachteten notorisch von weiteren Theilungen ausgeschlossenen Kernen (vgl. speciell das oben über die Zellen der Wurzelhaube und der Gefässe gesagte). Wenn ich früher glaubte, dass der Spermakern der Angiospermen seinen specifisch männlichen Charakter dadurch erhalte, dass neben ihm, in dem vegetativen Kern der Pollenkorns ein Organ erzeugt wird, welches die Substanzen aufnimmt, die der Spermakern dem Ei nicht zuzuführen braucht, so scheint mir dieser Gedankengang auch jetzt noch haltbar. Nur darf man die Sache nicht so verstehen, als ob die kyanophilen Kernbestandtheile als solche einen männlichen, die erythrophilen einen weiblichen Charakter besässen. Das habe ich aber auch früher nicht angenommen. Sind doch sehr verschiedene Substanzen erythrophil, die offenbar wenig miteinander zu thun haben, wie das Protoplasma inclusive der Mikrosomen und Centrosomen, die Nucleolen, das Linin und die Substanz der Kernwand. Die Berechtigung gewisser, zumal von Strasburger gegen meine Ansicht erhobener Einwände, erkenne ich zunächst an, ohne mir bisher über die Tragweite dieser Bedenken ein Urtheil gestatten zu können. In der vorliegenden Arbeit wurde für einige Fälle nachgewiesen, dass die Kernumwandlung solche ZeJlen betraf, welche specielle Aufgaben über- nehmen oder von gewissen Leistungen (Vermehrung) entbunden werden. Es soll hiermit keineswegs gesagt sein, dass die Uebernahme einer Special- 305 function durch eine Zelle oder das thatsächliche Aufgeben der Theilungen nothwendig mit einem Uebergang des Kerns von der Kyanophilie zur Ery- throphilie verbunden sein müsste. Ueber die Bedeutung des Nucleins für die Zelle sind wir so wenig unterrichtet, dass der Annahme zunächst kein Bedenken entgegensteht, dass es chemische oder auch mechanische Leistungen der Zelle gebe, für deren Zustandekommen die Gegenwart von Nuclein erfor- derlich wäre. Beispielsweise könnte es sich herausstellen, dass Zellen, welche bestimmte Stoffe erzeugten (Drüsenzellen), dauernd kyanophile Kerne behielten, und ähnliches könnte bei nicht theilungsfähigen aber mechanisch thätigen Zellen möglich sein; die Zellen des Spaltöffnungsapparates kämen hier vielleicht in Frage, wenn deren Thätigkeit nicht auch eher eine chemische als eine mechanische ist. Ueberhaupt ist, wie ich glaube, nicht darauf das Hauptgewicht zu legen, dass die Kerne gewisser Zellen zu bestimmten Zeiten die Veränderung durchmachen, welche bei allen unter- suchten Objecten gleichsinnig gefunden wurde, sondern das scheint mir die Hauptsache zu sein, dass überhaupt solche bedeutende Veränderungen des Kerns vorkommen. Dieselben sind ja nicht blos stofflicher Natur, sondern mit der chemischen Kernumwandlung geht, wie ich oben überall zeigen konnte, eine bedeutsame Aenderung der Structur Hand in Hand. Es besteht offenbar ein Correlationsverhältniss zwischen der stofflichen Zusammensetzung des Kerns und der Art seines Aufbaues, und diese Correlation kann man jedenfalls nur zum Theil aus den mechanischen Bedingungen im Inneren des Kerns ableiten. Wenn Kerne bei Verlust ihres Nucleingehaltes ihre Membran verstärken, so kann das einen mechanischen Nutzeffect haben, weil es Schutz gegen äussere Druckwirkungen bringen muss; dasselbe gilt aber nicht von der nun gleichfalls erfolgenden Umbildung des Gerüst- werkes zu lockeren, fädigen Maschen, es sei denn, dass dieselben radiale Streben darstellen, welche sich an den Nucleolus anlegen, wie solches bei den Kernen der Gefässzellen thatsächlich beobachtet wurde. Wenn die Kerne der verschiedenartigen Gewebe durch ihren Nucleingehalt characterisirt werden konnten, so ist das gleiche auch nach den Nucleolen möglich. Die Gesetzmässigkeit im Auftreten und in der Form, Zahl und Grösse der Kernkörperchen ist meiner Ansicht nach noch nicht genügend betont worden. Die Dignität der Nucleolen steigt also nach meiner Unter- suchung so wie die des Chromatins fällt. In den Structuren des Chromatins liegt aber nach der herrschenden Ansicht der Apparat der Vererbung. Suchen wir diese Erscheinung wissen- schaftlich zu verstehen, denken wir uns überhaupt materielle Träger der Vererbung, so werden wir vor die Alternative gestellt, die Uebertragung von Eigenschaften in einem Uebergang chemischer Verbindungen oder mechanischer Structuren (bezw. Bewegungsrichtungen und Bewegungsfolgen) zu suchen. Der ersteren Annahme stehen solche Schwierigkeiten entgegen dass wir willig zur zweiten greifen, so wenig positives Material auch zur Zeit zur Stütze dieser Theorie herangezogen werden kann. Sie gründet sich, 306 hauptsächlich auf die Erscheinungen der Karyokinese, auf die T'hhatsache, dass die copulirenden Kerne mit einer bestimmten und bei beiden gleichen Anzahl von Chromosomen die Verbindung eingehen. Diese und verwandte Erscheinungen hat zuletzt Strasburger') zum Ausbau der Theorie heran- gezogen, und den Werth seiner Speculationen wird keiner verkennen, der selbst die Schwierigkeiten des Vererbungsproblems kennt und doch auf Ver- suche der Erklärung dieses Phaenomens nicht verzichten will. Aber aus den vorliegenden Thhatsachen folgt, wie ich glaube, noch keines- wegs, dass wir in der bei der Kerntheilung und Kernverschmelzung hervor- tretenden Anordnung der Theile irgend etwas von den Strukturen sehen dürfen, welche die Träger der Vererbungstendenzen sein sollen. Wenn über- haupt gewisse Structuren Eigenschaften von Generation zu Generation über- tragen, so müssen sie einen hohen Grad von Stabilität besitzen, und gerade deshalb wird es zweifelhaft, ob die Chromosomen sich als Uebermittler eignen. Meine Befunde an vegetativen Kernen widersprechen der Theorie insofern nicht, als der Nucleinverlust nur an den Kernen solcher Zellen beobachtet wurde, die von weiterer Vermehrung ausgeschlossen waren. Und da in der vegetativen Region bei jeder neuen Theilung die Chromosomen stets wieder in der gleichen, relativ einfachen Weise gebildet werden, so könnte man mit Strasburger annehmen, ‚dass es immer wieder dieselben Chromosomen seien, die sich in den aufeinanderfolgenden Theilungsschnitten aus den rulenden Kernen heraussondern.“ Die von mir im zweiten Theil meiner Arbeit gegebene Verfolgung der Kerne bei der Anlage der Sporen wurde unternommen in der Erwartung, dass sich hier, wo es sich in besonderem Sinne um die Uebermittelung der die Vererbung bedingenden Struetur handelt, auch Gründe für die Annahme der Stabilität der Kernstrukturen auffinden lassen würden; eine objective Würdigung meiner Befunde führt mich aber gerade zu der Ueberzeugung, dass im Sporenmutterkern eine gänzliche Neu- ordnung der Kernbestandtheile erfolgt, welche deshalb, weil sie einen ähnlichen Effeet hat, wie die Karyokinese, auch mit dem Auftreten ähnlicher Structuren, nämlich mit der Bildung eines Kernfadens, verknüpft ist. Freilich nimmt auch Strasburger an, dass im Sporenmutterkern eine gewisse Neuordnung der chromatischen Kerntheile erfolge, da bei der nächsten Karyokinese nur die halbe Zahl der Chromosomen auftritt. Denn da die endlichen Producte der Sporenmutterzellen?) der Sperma- und der Eikern sind, welche eine gleiche Anzahl von Chromosomen zur Copulation mit heranbringen müssen, da ferner die Verschmelzung die Chromosomen selbst nicht betrifft, deren Zahl sich daher bei jedem Sexualact verdoppeln müsste, wenn nicht die Sexualkerne nur die halbe Chromosomenzahl mit- brächten, so tritt diese Reduction in dem Augenblick ein, wo die neue Generation, die geschlechtliche Pflanze, erzeugt wird, und innerhalb dieser 1) Ueber periodische Reduction der Chromosomenzahl ete, 2) Aehnliches gilt mutatis mutandis auch bei den Phanerogamen. 307 erhält sich die — verminderte — Chromosomenzahl, wie üblich, bei den aufeinander folgenden Theilungen constant. Aber gegen diese Auffassung lässt sich ein, wie mir scheint, schwer- wiegendes Bedenken erheben. Die neue Generation beginnt doch nicht mit der Sporenmutterzelle, sondern mit der Keimung, d. h. der ersten Theilung in der Spore selbst. Nimmt man dies nicht an, so ergiebt sich das Para- doxon, dass der Generationswechsel der Archegoniaten in einer rhythmischen Aufeinanderfolge von einer ungeschlechtlichen und vier gleichzeitigen ge- schlechtlichen Generationen bestehe. Es bleibt jedoch die, auch von mir auf’s Neue (bei Psilotum) bestätigte Thatsache, dass der Kern der Sporenmutterzelle bei seinem Entstehen doppelt so viele Chromosomen erhält, als er, und seine Nachkommen bis zu den Sexualkernen, bei der Theilung bilden. Die Entdeckung, dass in dieser Hinsicht zwischen Pflanzen und Thieren Uebereinstimmung herrscht, ist eine der bedeutsamsten Errungenschaften der Biologie. Die Frage ist nur, ob der Segmentirung des Kernfadens, d. h. ob der Chromosomenzall als solcher, die Bedeutung zukommt, die ihr heute beigemessen wird. Es könnte der Tag kommen, wo man einen so einfachen Erklärungsversuch der ecomplicirtesten Erscheinung der ganzen organischen Welt für naiv ansähe und der Zahl der Chromosomen nicht mehr transcendente Bedeutung zuschriebe, als den Zahlen im Blüthendiagramm oder der Metameren im Körper der höheren Thiere. Keinenfalls ist es ein Fehler, wenn wir uns danach umthun, die Um- lagerungen in den Sporen- und Pollen-Mutterkernen von anderen Gesichts- punkten aus zu verstehen. Die Sporen- und Pollen-Mutterzellen sind es, welche sich aus dem Gewebe- verbande der ungeschlechtlichen Pflanze loslösen, welche allein von allen Zellen dieses Organismus eine Function übernehmen, die über das individuelle Leben der Pflanze hinausgeht und auf neues hinlenkt. Wenn irgendwo, so muss hier eine Neuordnung in der Zelle erfolgen. Denn jetzt ist der Zelle gegeben, was sie von ihren Vorfahren erhält; ihr ist ihr Erbtheil ausgezahlt worden, und sie soll nun mit ihrem Capital selbständig wirthschaften. Die Sporenmutterzelle bereitet sich für ihre Aufgabe vor. Sie soll in unmittel- barer Folge vier neuen Individuen das Dasein schenken. Dazu lagert sie im Kern sichtbar die Substanzen um, disponirt sie neu. Es mag dabei die gegenseitige stofflicke Einwirkung von Kern und Plasma von besonderer Wichtigkeit sein; dies würde verständlich machen, warum eine Form der Neuordung gewählt wird, welche gleichzeitig dem Kernfaden eine so beträcht- liche Vergrösserung seiner Oberfläche giebt, wie das Dolichonema. Es könnte gewagt erscheinen, so weitgehende Schlüsse aus so wenigen Be- obachtungen zu ziehen. Aber einerseits kann ich nicht bezweifeln, dass sich das Beobachtungsmaterial leicht und beträchtlich vermehren liesse, und andererseits ist die vorgetragene Anschauung auch nur zum Theil neu. Die Zoohistologen haben bei genauer Verfolgung der Kernumlagerung bei der Bildung gewisser thierischer Eier dem Dolichonema ähnliche Erscheinungen 308 nachgewiesen. Die Structuränderung des Eikern’s, die Oberflächenvergrösserung und Umlagerung des Chromatins geht in den grossen Eiern der Selachier ') und des Triton taeniatus?) noch viel weiter als in den Sporen- und Pollen- mutterzellen. Es würde verfrüht sein, auf eine genaue Parallelisirung der zum Theil ungemein ähnlichen Erscheinungen einzugehen, die Differenzpunkte schon jetzt aufklären zu wollen; der Umstand, dass hier wie dort gänzlich neue Structuren in den Kernen gerade derjenigen Zellen auftreten, die sich aus dem Verbande des erzeugenden Organismus auslösen, in welchen sich somit die Individualisirung vollzieht, muss den Gedanken, dass die Uebereinstimmung der Erscheinungen keine zufällige ist, mehr als nahe legen. Und dass das Auftreten dieser neuen Structuren nicht direct mit der Reduction der Chro- mosomenzahl zusammenhängt, beweist der Umstand, dass diese Reduction nur bei den Pflanzen auf die Kernumlagerung folgt, bei den Eiern der Thiere aber erst in einer späteren Zellengeneration Platz greift. Doch ich muss mich auf diese Andeutungen beschränken. Noch weniger bin ich in der Lage, zur Centrosomenfrage entscheidendes Beobachtungs- material beizubringen. Für die Objecte aus dem Pflanzenreich schien das Vor- kommen der Centrosomen durch die Arbeit Guignard’s (Nouvelles Etudes ete.) nicht nur erwiesen, sondern auch die Bedeutung dieser Gebilde bis ins Ein- zelne hinein klargestellt zu sein. Aber die nachfolgenden Untersuchungen haben eine ungleich grössere Complication der Erscheinungen zu Tage gefördert, als man erwartete. Aus der Menge der einzelnen Beobachtungen, die mit sehr ungleichen Mitteln ausgeführt sind, das Gemeinsame heraus- zuziehen, scheint zur Zeit noch nicht möglich. Es müssen erst ohne Vor- eingenommenheit mehr Einzelfälle studirt werden. Daher ist auch die Mit- theilung meiner Befunde über die Centrosomen der von mir untersuchten Objecte gerechtfertigt. Soviel ist sicher, dass die Angaben Guignard’s, auch wenn ihre Correctheit unangetastet aus der Controverse hervorgehen sollte, eine Verallgemeinerung nicht zulassen. Pflanzenphysiologisches Institut zu Breslau, 20. Juni 1895. P. S. Erst nachdem die obige Arbeit vollständig gesetzt war, kam mir Strasburger’s neueste Kernuntersuchung „Karyokinetische Probleme‘ (Pringsheim’s Jahrbücher XXVIIL, 1, 1895) zu Händen. Ich bin jetzt ebenso wenig in der Lage, auf die zahlreichen Uebereinstimmungen in den Befunden Bezug zu nehmen, wie in die Discussion der Differenzpunkte, welche meist die Deutung der Erscheinungen betreffen, einzutreten. Mit grossem Be- dauern ersehe ich aus der Arbeit Strasburger’s, dass ich eine auf Psilotum bezügliche Publikation Guignard’s (Sur l’origine des spheres direetrices, Journal de Botanique, 1394) völlig übersehen habe. 1) cfr. J. Rückert, Zur Entwickelung des Ovarialeies bei Selachiern, Ana- tomischer Anzeiger 1892. 2) G. Born, Die Structur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus, Archiv für mikroskop. Anatomie, Band 43. Figurenerklärung. Sämmtliche Figuren sind nach Mikrotomschnitten bei Vergrösserung mit dem Apochromat 2 mm (Apertur 1,30) und Compensations-Oeularen von W. u. H. Seibert und der Camera gezeichnet und in möglichster Naturtreue colorirt worden. Es bedeutet: Fx.: Fixage; K.: Keiser’s Recept für die Fixage mit Sublimat- Eisessig, siehe Seite 232; C.: Carnoy’s Fixage mit Chloroform, Alkohol und Eis- essig, siehe Seite 232; Fg.: Färbung; Z.: Zimmermann’s Fuchsin-Jodgrün-Methode (siehe Zimmermann, Ueber das Verhalten der Nucleolen bei der Karyokinese, pag. 5); H.: Heidenhain’s Hämatoxylin-Bordeaux-R.-Färbung (siehe Seite 233). Eie: T. Figr 2: Fig. 3. Fig. 4. Kiez. 'B: Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Be, 79: Fig. 10. Fig. 11. Tafel II'). Figur 1—11. Hyaecinthus orientalis, Wurzel. Zwei Periblemzellen, nahe dem Scheitel des Vegetationspunktes. Fx. R.: Fg. Z.; 1000 :1. Kerne aus dem ausgewachsenen Parenchym derselben Wurzel, aus dem gleichen Präparat wie Fig. 1; der Kern rechts von der Fläche, links von der Kante gesehen. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 :1. Zwei Längszeilen aus der axilen Region der Wurzelnaube; a—a zwei Zellen aus dem gemeinsamen Meristem der Haube und des Wurzelkörpers; in den Haubenzellen Stärkebildung. Fx. K.; Fg. Z.; 750 :1. Theil einer älteren Zelle aus der axilen Region der Wurzelhaube; zeigt den stark veränderten Kern und die am Boden der Zelle befindlichen, zusammengesetzten Stärkekörner. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 : 1. Aus halber Höhe des Meristemkegels. Eine Reihe von Epidermiszellen (Ep.) und die anliegenden Theile der Calyptra, die Veränderung in den Kernen zeisend. Rx. K.; Ee.. 2; 750: 1. Zwei Gefässzellen, aus halber Höhe des Meristemkegels: vgl. den Text pag. 247. Fx. K.; Fg. Z.; 1000: 1. Kerne aus dem Grundgewebe des Centraleylinders, dem ältesten Drittel des Meristemkegels entnommen; Fx. K.; Fg. Z.; 750: 1. Ausbildung des Kernfadens. Fx. K; Fg. Z.; 1000: 1. Rückbildung des Gerüstes aus den Kernfäden in zwei Schwesterkernen aus der Epidermis. Fx. K.; Fg. Z.: 1000: 1. Mitotische Figur, kurz nach dem Schwinden der Kernmembran,. Neben dem Kern liegen die in Auflösung begriffenen, mattgefärbten Reste des Nucleolus. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 : 1. Diasterfigur mit zahlreichen theils in, theils ausserhalb der beiden Tochter- kerne liegenden Nucleolen. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 :1. 1) Im Titel muss es heissen: Mit Tafel II, III und IV, statt III, IV und V. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft II. 2 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. Fig. Fig. Fie. [o] Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 310 Tafel III, Fig. 1-3. Aspidistra elatior, Wurzel. 1. Zwei ruhende Kerne aus dem Meristemkegel, Fx. K.; Fg. Z.; 1000 :1. 2. Kern aus demRindenparenchym des Streckungsgewebes. Wie vorige; 1000: 1. 3. Kern einer Gefässzelle aus dem Meristemkegel. Wie vorige; 1000 :1. Fig. 4—12. Phaseolus multiflorus, Wurzel. 4—12. Verhalten der Nucleolen bei der Theilung, siehe den Text pag. 263. Rx’K; Fp.2, 100081 Fig. 13—15. Vicia Faba var. megalosperma, Wurzel. 13. Ruhender Meristemkern, nahe dem Wurzelscheitel. Fx. K.; Fg. Z.; 1000: 1. 14. Aus der älteren Hälfte des Meristemkegels; die Kerne zeigen ein gröberes Gerüst und deutliche Chromatinkörner; Nucleolen in Fusion (?). Wie vorige; 1000 : 1. 15. Zwei Kerne aus dem Scheidentheil der Wurzelhaube, schon erythrophil; die Nucleolen sind stark verkleinert, die Chromatinkörner im Schwinden begriffen. Wie vorige; 1000 : 1. Fig. 16—18. Oleandra nodosa, Wurzel. 16. Scheitelzelle und Umgebung auf dem Querschnitt. Fx. K.; Fg. Z.; 500: 1. 17. Aus der Wurzelhaube, Erklärung siehe pag. 279. Wie vorige; 500 : 1. 18. Zelle aus der vierten Calotte der Wurzelhaube, zeigt schon erythrophilen Kern und zwei Gerbstoffblasen (?). Wie vorige; 1000 :1. Fig. 19 und 20. Polypodium aureum, Wurzel. 19. Zwei Zellen aus dem 10. Segment des Centraleylinders; die Kerne sind sehr stark kyanophil, das Gerüstwerk — anscheinend wegen beginnender Theilung — etwas derb. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 :1. 20. Aus dem gleichen 10. Segment wie vorige Figur. Mittelstück einer Glieder- zelle von einer der 6 centralen Leitertracheiden; erythrophiler Kern mit grossem Nucleolus. Wie vorige; 1000 :1. Fig. 21—26. Psilotum triquetrum. 21. Ruhender Kern mit besonders grossen debordirenden Nucleolarhöfen und deutlichem Netzgerüst. Fx. C.; Fg. Z.; 1000 :1. 22. Kern aus dem axilen Gewebe eines Sprossgipfels, vor der Bildung des Gefässbündels. Wie vorige; 1000: 1. 23. Zwei erythrophile Kerne aus dem Parenchym eines ausgewachsenen Inter- nodiums. Wie vorige; 1000 :1. 24. Bildung des Kernfadens in einem sich zur Theilung vorbereitenden Kern aus der Sporangialwand; rings um den Kern eine Hülle von Kinoplasma. Wie vorige; 1000 : 1. 25. Dispirem. Die Chromosomenplatte wulstet sich ein; die Verbindungsfäden lösen sich von den Tochterkernen ab. Rechts und links unten entsteht, stark "peripherisch gelagert, ein neuer Nucleolus, die Reste der alten Nucle- olen sind besonders in den Einwulstungen der Tochterkerne noch zu sehen. Vgl. auch den Text pag. 289. Fx. K.; Fg. Z.: 1000: 1. 26. Kern einer sporogenen Zelle zu der Zeit, wo die Isolirung eben beginnt, d. h. vor der Constituirung der Sporenmutterzellen. Fx. KSRRor 2; 1000 : 1. Fiey. |: Fig, 2 Fig. 3 Fig 4 Hie.; 5 Fig. 6 Fig. 7 Fig. 8. Rig.7 9, Fig. 10. Fig. 11. 3ıl Tafel IV. Fig. 1—11. Psilotum triquetrum. Ein sich theilender Kern im Spiremstadium. An den Kernpolen die extra- nucleären Spindelhälften; in der Gürtelzone ist das Körnerplasma mit dem Kern auf’s Neue in Contact getreten; rechts im Kern ein sich auflösender Nueleoplus. ‚Fx.; C:;, Fe. H.;; 1000,71: Bildung der Aequatorialplatte eines Sporangialkernes; die Chromosomen stehen noch in zwei Etagen, die Spindelfäden sind wenig deutlich, auch, soweit man sieht, kaum convergent. Oben ein ausgestossener Nucleolus, unten zwei Centrosomen (?), die in der Zeichnung übertrieben deutlich dar- gestellt sind. Wie vorige; 1000 : 1. Auseinanderweichen der halbirten Segmente; vegetativer Kern. Die scharf zugespitzten Spindelpole vermitteln die Aufhängung des Kernes im Cyto- plasma-Mantel, in welchem auch die ausgestossenen Nucleolen liegen; einer der letzteren (links) theilt sich. Wie vorige; 1000 : 1. Diaster; vegetativer Kern. Die Spindelenden stellen an den Aussenseiten der Figur zwei spitze Kegel dar, im Inneren der Tonnenfigur sind die Spindelfäden schon nahezu völlig aufgelöst, dagegen sind die Verbindungs- fäden zum Theil schon gebildet. Die ausgestossenen Nucleolen nehmen eine Stellung ein, welche der der ÖOentrosomen gleicht. Der plasmatische Mantel ist schwächer geworden, die Verankerung der Theilungsfigur wird allseitig. Fx. K.; Fg. H.; 1000: 1. Dispirem; vegetativer Kern. Die Chromosomen zeigen bei Meridianstellung wieder ihren Aufbau aus Nucleinkörnchen und Linin-Verbindungsmasse ; Lininfäden verbinden sie auch untereinander. In jedem Kern sind, soweit sichtbar, 2 neue excentrisch gelegene Nucleolen aufgetreten. Dorsal sitzt jedem Tochterkern ein wabenartiger Protoplasmakörper mit Zugfäden an. Ex.» ’Eg,'H2;.1000.:11. Metakinese aus einer dem Archespor angehörigen Zelle. Im Cytoplasma finden sich 4 Nucleolen, die in der Zeichnung als auf gleichem Niveau liegend dargestellt sind. Die Centrosomenpaare an den Spindelpolen sind übertrieben deutlich gezeichnet. Fx. K.: Fg. Z,; 1000 : 1. Sporenmutterzelle, nach der Isolirung. Im Kern treten wellige Fadenstücke auf; der Nucleolus liegt in einem ziemlich deutlichen Hof. Fx. K,; Fg. 2.; 1000: 1. Dolichonema-Stadium aus dem gleichen Schnitt wie Fig. 7. Der Nucleolus liegt der Oberfläche genähert stark excentrisch. Wie vorige; 1000 :1. Rückbildung des Dolichonema, aus dem gleichen Schnitt wie vorige. Die Fäden nähern sich paarweise und verschmelzen unter Auflösung ihrer Structur. Wie vorige; 1000 : 1. Sporenmutterzelle im Spirem. Die Dolichonemastruetur ist vollständig verloıen gegangen. Der dargestellte halbirte Keru besass keinen Nucleolus; derselbe befaud sich wahrscheinlich in der durch den Schnitt entfernten Hälfte. Wie vorige, 1000 : 1. Erste Theilung der Sporenmutterzelle; Kernplattenstadium. Die kurzen, dicken Chromosomen haben regelmässige Gestalt angenommen. An einem Spindelpol zwei Sphären, der andere undeutlich; neben der Spindel ein ausgestossener Nucleolarrest. Wie vorige; 1000 : 1. 21* Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. 312 Fig. 12—14. Osmunda regalis, Sporenbildung. Junge Sporenmutterzelle; der Kern weist die noch geschlängelten, kurzen Anfänge der späteren langen Kernfäden auf und enthält noch zwei mit Vacuolen versehene Nucleolen. Im dichten Cytoplasma zwei sehr deutliche Centrosomen (in der Zeichnung nur wenig übertrieben). Fx. C.; Fg. Z.; 1000 : 1. Dolichonema-Stadium. Der in Einzahl vorhandene Nucleolus liegt excentrisch. Im Cytoplasma zwei Centrosomen. Wie vorige; 1000: 1. Eine Tapetenzelle ans dem gleichen Sporangium wie Fig. 13. Der mit vielen Nucleolen ausgerüstete Kern theilt sich „direct.“ Wie vorige; 1000: 1. Fig. 15—15. Polypodium aureum, Sporangium. Zweizellige Sporangialanlage. In der Fusszelle ein kleiner, dichter Kern mit einem kleinen Nucleolus; die Initialzelle führt einen grossen Kern mit stattlichem Kernkörperchen, besitzt im Ruhezustand 2—3 Nucleolen und ein lockeres Gerüst, das im vorliegendem Exemplar zum Spirem übergeht; rings um den Kern die Kinoplasmahülle. Fx. C.; Fg. Z.: 1000 :1. Sporenmutterkerne im Dolichonema. Im umgebenden Cytoplasma zahlreiche Centrosomen (?), nach einem Hämatoxylin-Präparat eingezeichnet. Die Tapetenzellen sind schon in das Innere des Sporangiums eingewandert; ihre Kerne zeigen ein körniges Gerüstwerk und viele Nucleolen. Wie vorige; 1000: 1. Rückbildung des Dolichonema-Stadium; Herstellung wie bei voriger Figur, die Kerne der Tapetenzellen sind nicht mit gezeichnet; 1000 : 1. Specialmutterzellen der Sporen mit kleinen Kernen und deutlichen Oentro- somen. Fx. C.; Fg. H. 1000: 1. Fig. 19—22 Convallaria majalis, Pollenbildung. Zwei Archesporzellen einer im Freien gewachsenen Pflanze unmittelbar nach der Schneeschmelze entnommen; die Kerne noch klein, aber schon locker gebaut, die Nucleolen eckig. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 ::1. Archesporzellen im gleichen Stadium. Wie vorige, zeigen die Doppeleentro- somen. Fx. K.; Fg. H.; 1000 :1. Dolichonema-Stadium mit excentrischen Nucleolus. Im Cytoplasma zwei Mikrocentra. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 : 1. Unreifes Pollenkorn. Fx. K.; Fg. Z.; 1000 :1. Inhalt. . Seite NETT N IE RE EEE 225 Methodischesur 3.7... El Es. wann ae re ar area nen 232 iyaeınihus: onientalss,, Allgemeines... 25... 2 antsun. seen 234 Die-Wurzelhaube von Hyaecinthus......0...ol.uaneieonencns 241 Specialzellen im Wurzelkörper der Hyacinthe............... 246 Die Kerntheilung in der Hyacinthen-Wurzel...............-. 249 Andere Monocotylen. Zalium lancifolium -.......-..uureoseesren nn: 259 Aspuduninanelaltar:.: 42. ee een Nee ie ae western erreeteine 259 EINER a RER SOBEMEL e e ET 261 Dieotylen-Wurzeln. Phaseolus multiflorus..........-.eeeseereeeeruenn 262 Vicia Haba var. megalosperma ....uu..nerenernnenunnannnne- 264 Bemerkungen zur Kerntheilung bei Vicia Faba var. megalosperma 270 Würzelspitzen.'yon Gefasskryptogamen © 2... 00m duuunoanen een see 276 Oleandra Nnadosannasn anne een nee Noten eieen EREERELEREEEEE 276 Polypodimm aureumen De 20 ee ae ansehe EEE 281 Psilotum iriqueirum, Allgemeines’... 022.2. 2000enesneinsnarsidens 281 Bemerkungen zur Kerntheilung bei Psilotum triquetrum ...... 234 Die Kerne in den Sporangien von Psilotum triquetrum «.....- 291 Sporangien anderer" Pteridophyten.. 2... „..u..4aunesanı denmessoäpen. 296 Osmumnda vegalis Sa une ein ala e ereralalatareisjarea ejefeketeieraleye, Salale einen 297 Pohmadtiım (GUTE. ....0.. sermtsosatezelelefunge See Korea eier 298 Pollenbildung von Convallaria majalis ......-.eeueuereeeeeeneonnnnne. 302 SERIBSSDEWETKUNGEN.... 2.1.1402 era ake sperren Talea che te eek er ee 303 en A Erg er Tr rw BR 0 + arEr. En FE & ver mer. % « Anatomischer Bau und Leistung der Saugorgane cs der Schuppenwurz-Arten. (Lathraea Clandestina Lam. und L. Squamaria L.) Von Dr. E. Heinricher, o. ö. Professor in Innsbruck. Mit Tafel V—XI. I. Die Untersuchungen früherer Forscher. Neissinikene Untersuchungen über die Haustorien der Lathraeen liegen zwar bereits von mehreren Forschern vor, ohne dass man indess behaupten könnte, sie hätten zu einer einigermassen erschöpfenden Kenntniss derselben geführt. Die meisten dieser Arbeiten stammen aus älterer Zeit, und der inzwischen in der Wissenschaft errungene, ausserordentliche Fortschritt, sowie die Anwendung der neueren technischen Methoden ermöglichen selbstver- ständlich heute die Förderung wesentlich besserer Resultate. Trotzdem weisen aber auch die Arbeiten der jüngsten Zeit, welche sich mit den Saug- organen der Lathraeen beschäftigen, nicht dementsprechende Ergebnisse auf. Sie verrathen sich als relativ oberflächliche Untersuchungen, welche keine wesentliche Vertiefung unserer Kenntnisse herbeiführten. Eine gewisse Flüchtigkeit zeichnet aber auch einige der älteren Untersuchungen aus und ist unverkennbar Schuld an den wenig befriedigenden, oft auch direct falschen Resuitaten. Allein die weniger befriedigenden Erkenntnisse erklären sich auch aus anderen Gründen. Einerseits ist die Gewinnung des Unter- suchungs-Materials eine verhältnissmässig mühsame, andererseits ist dasselbe im frischen Zustande wenig haltbar und auch eine geeignete Conservirung desselben bereitete einige Schwierigkeiten. Die wesentlichsten Differenzirungen der Haustorien sind von Solms- Laubach!) am schärfsten unterschieden worden. Allerdings wurde von diesem Lathraea weniger berücksichtigt, aber in der Hauptsache gelten die Ergebnisse, welche er für die Rhinanthaceen anführt, auch für Lathraea. 1) Ueber den Bau und die Entwickelung der Ernährungsorgane parasitischer ‚ Phanerogamen. Pringsheim’s Jahrb., Bd. Vl. 1863. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft. UI. 22 316 Und Lathraea gehört entschieden zu den Rhinanthaceen! Wenn man gerade in letzterer Zeit beliebt, Lathraea den Orobamcheen anzuschliessen und von den Rrhinanthaceen zu trennen, so muss man doch sagen, dass dies ohne irgendwie zwingende Gründe geschieht, und dass dabei eine ganze Menge von, die Verwandtschaft erweisenden Momenten einfach ignorirt wird. Ich werde auf diesen Punkt aber später noch zurückkommen. Was nun die Untersuchungen im besonderen betrifft, so würde man meinen, dass die bekannte Grösse der Haustorien von ZLathraea Olandestina, und die bedeutende Förderung, welche daraus einer Untersuchung erwächst, dadurch Veranlassung zu einer eingehenden, erschöpfenden Bearbeitung der- selben gegeben hätten. Indessen ist Olandestina nicht genauer untersucht worden als Squamaria, und nur in den gröberen Verhältnissen ist der Bau der Haustorien ermittelt. In seiner monographischen Bearbeitung der Pflanze hat Duchartre') ganz unerklärlicher Weise sogar das Eindringen eines Haustorialfortsatzes in die Nährwurzeln übersehen, eine Thatsache, welche festzustellen schon dem freien Auge leicht gelingt. Eine eingehendere Betrachtung widmete sodann der (Clandestina Ad. Chatin in seiner, Ende der fünfziger Jahre heftweise erschienenen „Anatomie comparde des vegetaux‘ ?). Er hat das Eindringen eines Haustorialfortsatzes bis an den Holzkörper der Wirthswurzeln festgestellt. Viel weiter reicht sein Verdienst nicht. Rücksichtlich des Baues der Haustorien begeht er vor allem den Fehler, dass er die sogenannten „replis prehenseurs“ für etwas constant an den Haustorien Auftretendes, dieselben Kennzeichnendes hält, während sie nur unter bestimmten Bedingungen zur Ausgestaltung gelangende Theile sind; weiters lässt er im Saugfortsatz den ‚‚cöne vasculaire de renforcement“ blind enden, ohne Anschluss an den Holzkörper der Wirthswurzel zu nehmen, und hält ein an der Spitze des Saugfortsatzes gesehenes Parenchym, als „cöne perforant“ bezeichnet, für einen wesentlichen und normalen Theil 1) Sur le Clandestine d’Europe. Memoires des savans etrangers, T. X, 1848 (Presentees a l’academie des Sciences le 18. Dec. 1343); p. 447 „Dans aucun cas je n’ai pu les (die Haustorien) voir s’enfoncer dans la substance de la racine qui les nourrit““. 2) Die Abtheilung ‚Plantes Parasites“ ist 1392 neuerdings herausgegeben worden, ohne aber, dass im Texte oder an den Abbildungen irgend eine Aenderung vorge- nommen worden zu sein scheint. Die ganze neuere Litteratur, welche besonders rücksichtlich der Lathraea Squamaria eine ziemlich bedeutende ist, blieb vollständig unberücksichtigt. Die Tafeln, welche von lithographischer Seite sehr nett und sorg- fältig ausgeführt sind, bringen durchwegs sehr schematisirte, wenngleich anscheinend detaillirte Bilder, die in Wirklichkeit sehr wenig Werth besitzen. Um nur ein Bei- spiel anzuführen, sind in den Blatthöhlen der Lathraea die Schilddrüsen ganz über- sehen! Die Mängel der Chatin’schen Arbeit erklären sich übrigens schon aus dem Ausspruche, dass die Untersuchungen von Lathraea Squamaria an Herbarmaterial angestellt wurden. So selten ist die Squamaria denn doch nicht, dass ein solches Vorgehen berechtigt erscheinen könnte! 317 desselben. Diesbezüglich haben schon Solms-Laubach') und später Pitra?) ihre Einwendungen erhoben. In der That lässt sich die Abbil- dung des Längsschnittes durch ein Haustorium, welche Chatin auf Pl. XXI, Fig. 4 b, giebt, nur so erklären, dass er entweder (und wahrscheinlich) einen nicht genau median verlaufenden Längsschnitt irrig als solchen ansah, oder aber, dass er ein jüngeres, noch nicht völlig differeneirtes Haustorium untersuchte. Die eitirte, scheinbar sehr genau ausgeführte Figur ist aber auch in anderer Beziehung ausserordentlich schematisirt und geeignet, falsche Vorstellungen zu erwecken. Weit besser ist die kurze Beschreibung, welche dann Solms-Laubach a. a. O. gab, wenngleich auch sie noch lange nicht alle die interessanten Bauverhältnisse dieses Organs hervorhebt. Es ist dies auch erklärlich, wenn man den weiten Rahmen der Solms’schen Abhandlung berücksichtigt. Das dort Mitgetheilte trifft thatsächlich meistentheils zu, und ebenso verhält es sich mit der Abbildung Fig. 6, Taf. XXXIV, welche ein Stück eines radialen, medianen Längsschnittes durch einen Haustorialfortsatz und den Anschluss desselben an die Gewebe der Wirthswurzel darstellt. Den anatomischen Bau der Haustorien von Lathraea Squamaria hat zuerst Bowman°) beschrieben. Bowman und Unger*) haben ja bekanntlich, von einander unabhängig, den Parasitismus unserer Schuppen- wurz erkannt. Die für seine Zeit treffliche Leistung Bowman’s habe ich, besonders mit Berücksichtigung der Aufhellung über die morphologischen Verhältnisse, schon in einer früheren Abhandlung”) gewürdigt. Auch in anatomischer Beziehung hat er die Differenzirung im Haustorium, wenigstens in der Hauptsache, angedeutet und vor allem klar das Eindringen eines Haustorialfortsatzes in die Wirthswurzeln bis zum Holzkörper erkannt. So geben wenigstens die Bilder Fig. 1 und 2 der Tafel XXIII, wenn man das Detail im Haustorialknopf unberücksichtigt lässt, ein ganz anschauliches Bild. Manche Mängel wird man wohl dem unzulänglichen Mikroskop, mit dem Bowman gearbeitet haben dürfte, zuschreiben müssen. So erkennt er das zarte Gewebe im Haustorialknopf nicht und denkt sich daselbst die Gefässe oder Tracheiden einfach einer gelatinösen Substanz eingebettet. Nana, 058,473: 2) Ueber die Anheftungsweise einiger Phanerogamen-Parasiten an ihre Nähr- pflanzen. Bot. Ztg. 1861. Anf. S.71 kritisirt Pitra die Chatin’schen Bilder, und zeigt, wie der „cöne perforant“, welchen Chatin den Haustorialfortsätzen der ver- schiedensten Parasiten zuschreibt, nur aus der Betrachtung schräger, statt axiler Längsschnitte entstanden ist. 3) Transactions of the Linnean Society, Vol. XVI, 1833; „On the parasitical connection of Lathraea Squamaria, and the peculiar structure of its subterranean leaves“. Read November 3, 1829. 4) Isis von Oken, Jahrg. 1833, p. 373, im Bericht über die Naturforscher Ver- sammlung zu Wien. 5) Biologische Studien an der Gattung Lathraea. Berichte der Deutsch. Botan. Gesellsch. XI. S. 2. 22* 318 Manche Bilder, so Fig. 4, Taf. XXIII, weiss er wieder nicht zu deuten, obschon sie für seine scharfe Beobachtungsgabe und Genauigkeit sprechen, und es, wie später geschehen soll — nicht schwer fällt sie mit thatsäch- lichen Vorkommnissen in Zusammenhang zu bringen. Andere Bilder freilich lassen sich wieder weniger gut verstehen und dürfte einiges auf Täuschung beruhen. Ueber das Eindringen des Haustorialfortsatzes schreibt er: „From its (Haustorialknopf) under surface, or point of attachment, it sends down a tap or funnel-shaped process, generally straight but sometimes curved, which penetrates through the cortical layers of the root to various depths into the alburnum, but never into the solid woody fibre‘“. Ich würde darnach vermuthen, dass Bowman auch das Eindringen in das Holz ge- sehen hat, denn ich finde für „alburnum‘ im Lexicon die Uebersetzung mit Splint. Doch scheint es, dass die Botaniker jener Zeit einen andern Begriff mit dem Worte „alburnum‘“ verbanden. Treviranus') übersetzt obige Stelle aus Bowman’s Abhandlung nahezu wörtlich und sagt: Aus der Ansetzungs- fläche dringt dann weiter ein kegelförmiger Fortsatz durch die Rinde in den Bast bis zu einer verschiedenen Tiefe, aber nie bis ins Holz“. Unger scheint eingehendere Untersuchungen über Lathraea nicht ver- öffentlicht zu haben. In seinen „Beiträgen zur Kenntniss der parasitischen Pflanzen‘ ?) finde ich zwar auf S. 28 den Satz „Dies (dass nämlich seine Ergebnisse von jenen Bowman’s in einigen Punkten wesentlich abweichen) und der Umstand, dass diese Pflanze auch in mancher andern Beziehung einer genaueren Anatomie werth ist, bestimmen mich, meine Erfahrungen hierüber in einer besonderen Abhandlung ehestens mitzutheilen‘‘, allein diese Abhandlung scheint nie erschienen zu sein °). Wohl enthalten aber seine Lehrbücher einige, Lathraea betreffende Abbildungen *). In seiner „Anatomie und Physiologie der Pflanzen“) findet 1!) Physiologie der Gewächse. Bonn 1835, 1. Bd. S. 384. 2) Erster oder anatomisch-physiologischer Theil. Annalen des Wiener Museums der Naturgeschichte. II. Bd. 1840. 3) Leitgeb verzeichnet allerdings in dem Schriftenverzeichniss, welches er Ungers Nekrolog (Mitth. des naturwiss. Ver. für Steiermark, Graz 1870) beifügt, zwei Schriften obigen Titels, wovon eine 1835, die andere 1840 erschienen sein soll. Es dürfte aber ein Irrthum unterlaufen sein; 1835 dürfte Unger die Arbeit dem Drucke übergeben haben, während der betreflende Band der Annalen erst 1840 erschien. *) In den „Grundzügen der Botanik“ von Endlicher und Unger, Wien 1843, ist auf S. 67 von speciellen Ausbildungsformen der Wurzeln die Rede, und werden die „Saugwurzeln“ der Lathraea angeführt. Dabei ist in Fig. 58 eine ganz gute Abbildung einer jüngeren Pflanze gegeben; den thatsächlichen Verhältnissen voll- ständig entsprechend, entspringen alle Wurzeln unterhalb des Rhizoms, keine aus den Achseln der Schuppenblätter. Fig. 59 giebt in ebenso correcter Weise eine Lathraea- Wurzel wieder, deren Haustorien theils von der Wirthswurzel abgerissen sind, theils an derselben noch haften. Die Haustorien stehen alle im Längsverlauf der Lathraea- Wurzel. Ich eitire diese Abbildungen, weil ich sie erst nach dem Erscheinen meiner Abhandlung (Ber. d. D. Bot. Ges. 1893) fand. 5) Leipzig, Wien 1855. 319 sich auf S. 305 in Fig. 115 ‚ein Saugnäpfehen einer Wurzelzaser von Lathraea Squamaria, in Verbindung mit einer Wurzel von Alnus incana“ bei 25facher Vergrösserung dargestellt. Die Abbildung zeigt einen medianen Durchschnitt des Haustoriums; auch die Tragwurzel desselben und die Wirthswurzel sind parallel der Längsachse durchschnitten. Die Details im Haustorialknopf sind mangelhaft, selbst für eine schematisirte Wiedergabe; der Haustorialfortsatz erscheint gelappt (erinnert an jenen von Olandestina, während er bei Squamaria seltener diese Ausbildung zeigt), eine Auflösung seiner Endigung in Haustorialmycel ist nicht angedeutet, ebenso fehlt eine Skizzirung des Tracheidenstranges. Deutlich tritt hingegen das Ver- senktsein der breiten Endigung des Haustorialfortsatzes im Holze hervor. Nachdem Unger dem Gedanken Ausdruck gegeben, dass die Parasiten wesentlich ‚die noch wenig veränderten Nahrungsstoffe‘‘ auf- nehmen, fügt er hinzu: „Es zeigen dies am besten die mit Saugnäpfchen versehenen Wurzelzasern von Lathraea Squamaria, die ihre Verbindungen stets nur mit dem rohen Nahrungssaft führenden Holzkörper der Nährpflanze unterhalten‘‘. Endlich finden wir einige kurze Angaben über den Bau der Haustorien bei Pitra'), so wie in Fig. 7 seiner Tafel einen Haustorium-Längsschnitt mit einem Theil eines Wirthswurzelquerschnittes dargestellt. Diese Ab- bildung ist in Bezug auf die anatomischen Details im Aufbau des Haustoriums schon weit vollkommener als jene Bowman’s oder Ungers. Man unter- scheidet gut die wesentlichen, verschiedenen Gewebe. Trotzdem ist der dargestellte Schnitt kein wirklich medianer Längsschnitt; wenigstens durch den Haustorialknopf ?) ging der Schnitt ziemlich weit ausserhalb der Mediane. Man erkennt dies aus der Form des, das Haustorium durchziehenden, quer- durchschnittenen Wurzelstranges.. Pitra hält daher auch den ganzen „Tracheidenkopf‘‘?) für den Wurzelstrang und theilt dem Haustorium als besondere Bildung nur das an diesen Strang ansetzende „Gefässbündel“, den „Tracheidenstrang‘‘ (nach meiner Terminologie) zu. Er unterscheidet das „dünnwandige, safterfüllte Gewebe‘ von der Rinde. Das ‚Gefäss- bündel‘ der „Saugwurzel‘ (Haustorialfortsatz) lässt er bis an den Holzkörper der Nährpflanze vordringen, und das dünnwandige Gewebe soll mit dem Cambiumringe der Nährpflanze in Zusammenhang treten; das sind Angaben, die in Wirklichkeit nicht zutreffen. Einmal gelang ihm die Beobachtung, dass eine Senkwurzel der „Squamaria“ in dem Holzkörper einer Nähr- pflanze gelagert war. Er bemerkt aber bei dieser Beobachtung: ‚In diesem Falle mag natürlich das Holzgewebe sich später um die Wurzel gebildet haben, da an ein Zerstören des Holzkörpers durch die parasitische Wurzel schwerlich zu glauben ist.“ Das active Eindringen in den Holzkörper hat 1) Ueber die Anheftungsweise einiger Phanerogamen-Parasiten an ihre Nähr- pflanzen. Bot. Ztg. 186; S. 64. 2) Vgl. meine im dritten Abschnitte gegebene Terminologie. 320 Pitra nicht erkannt, ebenso wird die Bildung eines Haustorialmycels nirgends erwähnt. Eine andere Beobachtung von ihm, „ausser den echten Saug- warzen bilden die Zweige der Lathraea-Wurzeln auf ihrer Oberfläche noch andere Wärzchen oder Knäuelchen, die keine Gefässbündel enthalten, sondern nur aus Parenchym bestehen, die aber nie an Wurzeln anderer Pflanzen festsitzen,‘‘ kann ich mir nur so erklären, dass er es entweder mit abnormalen Bildungen (etwa Gallen), oder und wahrscheinlich mit histologisch nicht differeneirten Entwickelungsstadien der Haustorien zu thun gehabt hat. Aus jüngerer Zeit wären noch zu erwähnen Veröffentlichungen von Krause’), Massee?) und Hovelaeque°). Krauses Arbeit enthält rücksiebtlich der Haustorien nur einige Andeutungen über ihre Entwicklungs- geschichte. Auch Massee erweitert die Kenntnisse über den anatomischen Bau der Saugorgıne kaum; doch enthält der letztere betreffende Theil wenigstens keine vagen, als Thatsachen hingestellten aber durch nichts erwiesenen Behauptungen, welche in der übrigen Arbeit reichlich vorkommen. Ebenso bringt das umfangreiche Werk von Hovelacque keinen wesent- lichen Fortschritt, was erklärlich wird, wenn man erwähnt, dass von den 765 Seiten des Werkes nur 13 Zeilen den Saugorganen der Lathraeen gewidmet sind. Hervorzuheben wäre die Betonung des gleichen Aufbaues der Saugorgane von Lathraea und den übrigen Rrhinanthaceen. II. Das Untersuchungs-Material. Die Beschaffung des Materials an Haustorien ist wegen der damit noth- wendig verbundenen, tiefen Grabungen) und der mühevollen intacten Frei- präparirung aus dem umgebenden Erdreich, mit einigen Schwierigkeiten und viel Zeitaufwand verknüpft. Von Lathraea Clandestina, welche eine Gebüschgruppe im Innsbrucker Botanischen Garten bewohnt, wurde zunächst durch zwei Grabungen das nöthige Material beschafft; dieselben wurden das einemal im November 1891, das zweitemal Mitte Juli 1892 vorgenommen. Soweit es sich nicht um Gewinnung besonders schöner Stücke zu makroskopischen Demonstrations- Objeeten handelte, wurde die Conservirung in Alkohol vorgenommen. Diese Methode ist zu Zwecken einer anatomischen Untersuchung allerdings nicht besonders empfehlenswerth, vor allem wegen der intensiven Schwarzfärbung, welche dabei bekanntlich die Objecte erfahren. Da das schwärzende 1) Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von Lathraea Squamaria L. Inaugural-Dissertation, Breslau 1879. 2) On the strueture and functions of the subterranean parts of Lathraea Squa- maria L. Journal of Botany. Vol. XXIV. 1886. 3) Recherches sur l’appareil vegetatif des Bignoniacees, Rhinanthacdes, Oro- banchees et Utriculariees. Paris, G. Masson, 1888, p. 615. *) Vgl. E. Heinricher, Biologische Studien an der Gattung Lathraea, in den Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch. XI, S. 3. 321 Chromogen ') besonders vom Protoplasma der Zellen aufgenommen wird, verhindert dies an einigermassen diekeren Schnitten sehr wesentlich die Orientirung über die Bestandtheile des Zelleninhaltes. Das Conserviren in kaltem Alkohol erzielt aber, nach Erfahrungen, die ich besonders an La- thraea Squamaria gewonnen habe, auch nieht das intaete Erhaltenbleiben aller plasmatischen Zellbestandtheile, da das Eindringen des Alkohols offen- bar zu langsam erfolgt und gewisse empfindliche Bestandtheile desshalb der Desorganisation anheimfallen. Das weit günstigere Verfahren, Untersuchungs-Material von Lathraeen erst dann in Alkohol zu bringen, wenn man es vorher durch einige Minuten in siedendem Wasser gekocht hat, wodurch die Schwärzung des Materials verhindert wird, habe ich erst später — im Winter 1892, entdeckt ?). Um meine Untersuchungen der Clandestina-Haustorien nicht mit den Ergeb- nissen abzuschliessen, welche an diesem durch die ersten Grabungen gewon- nenen geschwärzten Alkoholmaterial erzielt waren, wurde im Sommer 1894 noch durch eine dritte Grabung Material gewonnen. Von diesem kam ein Theil frisch zur Untersuchung, ein anderer wurde frisch in Schnittserien zerlegt und theils in Sublimat-Alkohol, theils in einprocentiger Chromsäure, theils in Pikrin- säure gehärtet. Endlich wurden ganze Haustorien entweder in siedendem Wasser gekocht und dann in Alkohol übertragen, oder sie wurden direct in siedenden Alkohol gebracht. Auch auf diesem Wege gelang es, wenigstens bei den mit relativ kleinen Mengen vorgenommenen Proben, die unangenehme Schwärzung des Materials zu verhindern. Ueberhaupt ist diese Conservirungsart, mit Rück- sieht auf die plasmatischen Zell-Inhaltsbestandtheile, zu den besten zu zählen. Je nach den Inhaltsbestandtheilen, um welche es sich handelt, hat aber bald das eine, bald das andere Material seine Vorzüge. Das unmittelbar in Alkohol (kalten) eingelegte lässt die Kohlenhydrate, Stärke und eine später eingehender zu besprechende, eigenartige Modification derselben, am besten verfolgen. Chromsäure- und Pikrinsäure-Härtung lassen sich nicht empfehlen. Ausscheidungen, welche Phosphorsäure enthalten, unterbleiben bei Anwendung dieser Säuren; Einschlüsse der Zellkerne, von denen eben- falls späterhin ausführlicher die Rede sein wird, werden durch diese Säuren zwar nicht zerstört, doch empfiehlt sich die Härtung mit diesen Reagentien t) Molisch, Das Vorkommen und der Nachweis des Indicans in der Pflanze nebst Beobachtungen über ein neues Chromogen: Sitzber. der Wiener Acad., Bd, CH. Abth. I. 1893 S. 17 des Sonderabdruckes. 2) Heinricher, Ueber das Conserviren von chlorophylifreien, phanerogamen Parasiten und Saprophyten. (Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie, Bd. IX. 1892 S. 321). Die von de Vries angegebene „Methode zur Herstellung farbloser Spiritus- präparate“ (Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch. 1889 S. 298) leistet bei Zathraea auch recht Befriedigendes, doch bleibt stets noch eine geringe bräunliche Färbung zurück, und scheint mir mein Verfahren noch bessere Ergebnisse zu liefern. Proben des- selben haben übrigens viele Fachgenossen bei der 66. Versammlung Deutscher Natur- forscher und Aerzte in Wien gesehen, da alle dort vorgewiesenen Keimungsstufen der Clandestina unter Anwendung meiner Methode conservirt worden waren. Se aus Gründen nicht, die alsbald zur Erörterung gelangen sollen. Besseren Erfolg giebt die Verwendung von Sublimat-Alkohol, welcher die Phosphor enthaltenden Ausscheidungen nicht verhindert und auch die Zellkern-Ein- schlüsse fixirt. Da aber wegen der Grösse der Zellen zu dicke Schnitte nicht anwendbar sind, weil bei Verletzung der Zellen, wie sie dünnere Schnitte mit sich bringen, die Zellkern-Einschlüsse ebenfalls verschwinden, fand ich die Härtung frischer Schnitte überhaupt nicht vortheilhaft, hin- gegen jene ganzer Wurzeln mit Haustorien, sei es in siedendem Wasser, oder unmittelbar in siedendem Alkohol als das Beste. Von Lathraea Squamaria stand mir ebenfalls unmittelbar in Alkohol (kaltem) aufbewahrtes Material zur Verfügung, das durch Grabungen im April 1892 und Mitte November desselben Jahres gewonnen war. Von letzterer Grabung herrührendes Material wurde aber auch erst nach vor- herigem Sieden im Wasser, in Alkohol eingelegt. Dasselbe erwies sich als im ganzen recht brauchbar und zeigte Inhaltsbestandtheile erhalten, die in dem ohne weiteres in Alkohol gelegten nicht aufgefunden wurden. Auch von Squamaria wurden Schnittserien von frischem Material angefertigt und in Sublimat-Alkohol gebracht, aber ohne, dass dieses Verfahren besonders befriedigende Resultate ergeben hätte. Endlich wurden von Zathraea Squamarıa am 10. März 1894 auch frisch ausgegrabene Wurzeln, resp. deren Haustorien, untersucht, und liess diese Prüfung erkennen, wie ausserordentlich vergänglich gewisse Gebilde des Zellinhaltes bei Lathraea sind. In wenigen Stunden, nach der Rein- präparation der Haustorien, stellen sich schon Desorganisations-Erscheinungen ein. Dabei ist zu beachten, dass die Haustorialfortsätze sehr leicht ab- brechen und so Wundstellen an einem beträchtlichen Theil der Haustorien entstehen. Um am frischen Objeete zu studieren, müssten also durch eine Reihe von Tagen jeweilig neue Grabungen unternommen werden. Da nun dazu stets eine besondere Excursion gehört, weil die Pflanze erst eine gute Stunde ausserhalb Innsbruck zu finden ist, indem ferner dabei immer zwei Arbeiter gebraucht werden, welche die Erdklötze dann erst nach dem botanischen Garten zu transportiren haben, da hier endlich wieder das sehr zeitraubende Herauswaschen der Wurzeln aus der Erdmasse vorge- nommen werden muss, so sind diese Untersuchungen mit nicht unbedeutenden Schwierigkeiten verbunden, und möge die Andeutung derselben einige Lücken in vorliegenden Studien erklärlich erscheinen lassen. Die Schnitte wurden sämmtlich aus freier Hand gemacht. Den Aufbau der fertigen Haustorien gelingt es auf diesem Wege festzustellen; ihre An- lage und Entwickelungsgeschichte (besonders die des Saugfortsatzes) wird aber wohl nur mit Hilfe der Einbettung und des Mikrotoms vollständig klar- gelegt werden können. In dieser Beziehung beschränkt sich vorliegende Untersuchung auch nur auf wenige Angaben. Ueber Tinctionsmethoden sollen die nöthigen Bemerkungen im Texte gemacht werden, ee III. Der anatomische Bau der Haustorien von Lathraea Clandestina. An den Haustorien unterscheiden wir zweckmässig den extramatricalen, ausserhalb der Wirthwurzel verbleibenden Theil, den ich als Haustorial- knopf oder Haustorialanschwellung bezeichnen will, und den intramatricalen, in die Wirthswurzel eindringenden, den Haustorial- oder Saugfortsatz. Die Figuren la, 2 und 3 der Taf. V zeigen drei verschiedene Haustorien in Längsdurchschnitten, und zugleich die Wirthswurzel oder Theile derselben im Querschnitt. Das Haustorium erscheint theils in der Richtung, welche senkrecht auf jener der dasselbe erzeugenden Wurzel steht, durchschnitten (la, 3), oder parallel zur Längsachse dieser Wurzel (2). Wie verschieden gross die Haustorien auch erscheinen (es sei speciell bemerkt, dass Fig. 3 nur halb so stark vergrössert ist wie Figuren 1 u. 2), so stimmen sie alle doch darin überein, dass sie fertig ausgebildet in allen wesentlichen Theilen differeneirt sind. Ein Unterschied fällt uns an diesen Bildern aber sofort auf. Während in Fig. 1a oder 6 der Taf. V der Haustorialknopf mit 2 Lappen die Nähr- wurzel umfasst, sind solche in den Figuren 2 und 3 Taf. V höchstens an- deutungsweise vorhanden, und von einem Umfassen der Wirthwurzel durch “den Haustorialknopf kann gar nicht die Rede sein. In den durch die Figuren 2 und 3 dargestellten Fällen liegt der Haustorialknopf der Wirths- wurzel einfach auf, und aus der Mitte dieser Contact- oder Ansatzfläche dringt der Haustorialfortsatz in das Gewebe der Wirthswurzelein. A. Chatin') hat diese in der Fig. 1a und auch in den Figuren 4 und 6 der Taf. V vorhandenen Lappen des Haustorialknopfes auf seiner Abbildung eines Haustoriumlängsschnittes (Pl. XXI, 4b) ebenfalls dargestellt, hält sie aber für einen wesentlichen, jedem Haustorium zukommenden Theil und bezeichnet sie als „replis prebenseurs“. Es genügt mit wenigen Worten darauf hin- zuweisen, dass die Bildung solcher „Zangenfortsätze‘‘ ganz und gar von der Stärke der befallenen Wirthswurzel abhängt, respective von dem Ver- hältniss, in welchem die Grösse der Haustorien zur Querschnittsgrösse der befallenen Wurzeln steht. Sind letztere dünn, so tritt gleichsam ein Erfassen derselben durch den Haustorialknopf ein; sind aber die Wirthswurzein stark, dann liegen denselben die Haustorialknöpfe mit ihrer Ansatzfläche bloss auf. Die in Fig. 1a dargestellte Wurzel hatte nur einen Querschnitt von 1,5 mm, hingegen die in Figur 2 von 6,5 mm und jene in Fig. 3 gar von 3,6 cm. Wir haben also vor allem gezeigt, dass die ‚‚replis prehenseurs‘‘, die Zangenfortsätze, eine ganz nebensächliche Erscheinung an den Haustorien sind’). Arte: v: 9 ?) Aehnliche Verhältnisse haben Solms (a. a. O. S. 562) für die Haustorien von Rhinanthus, und Pitra (a. a. O. S. 69) für jene von T’hesium, angedeutet. ee, Unsere Bilder la, 2 und 3, Taf. V, zeigen aber noch eine andere Er- scheinung in auffälliger Weise, die nämlich, dass der Haustorialfort- satz als besonderer Theil des Haustoriums umsomehr hervor- tritt, je älter die Wurzel, welcher das Haustorium aufsitzt, oder mit andern Worten, je mächtiger die Rinde der Wirthswurzel entwickelt ist. In Fig. 4, Taf. V, verschwindet der Saugfortsatz beinahe, obwohl hier eine ca. 10fache Vergrösserung angewendet ist; in Fig. 3 hingegen, welche nur eine ca. öfache Vergrösserung wiedergiebt, erreicht er in Wirklichkeit die sehr bedeutende Länge von etwas über 6 mm, ent- sprechend der Mächtigkeit der Rinde an der Wirthswurzel. Wenden wir uns nun der eingehenderen Besprechung des Baues der Haustorien zu. Vor allem ist zu bemerken, dass das Bild, welches Durch- schnitte derselben darbieten, mit der Schnittrichtung sich wesentlich ändert. Zur Vereinfachung wird es sich empfehlen, zunächst nur von solchen Hau- storien zu sprechen, die an Wurzeln, deren Längsachse mit jener der Wirths- wurzeln ungefähr parallel ist, stehen. Der erste Schnitt, den wir betrachten wollen, ist jener mediane Längsschnitt des Haustoriums, welcher senkrecht auf der Achse der das Haustorium tragenden Parasiten-Wurzel steht, re- spective diese, innerhalb ihres Verlaufes im Haustorium in dieser Richtung trifft. Die Skizze eines solchen Schnittes enthält die Fig. 1 a (auch die Figuren 3 und 4), Tafel V. Beachten wir vorerst den Haustorialknopf allein und die in demselben vorhandenen Gewebe. Zunächst unterscheiden wir an seiner Peripherie ein grosszelliges Rindenparenchym. Dieses ist in der Figur (1, a) theils gröber, theils feiner punctirt dargestellt, theils weiss gelassen, und sind die ent- sprechenden Partien in der Figur mit St, st u. pr. R. bezeichnet. Man sieht aus den Figuren, dass sich diese grosszellige Rinde an der der Wirths- wurzel zugewendeten Seite stets verbreitert, und dass die Zangenfortsätze, wenn solche gebildet werden, aus ihr hervorgehen. Die Zellen dieser Rinde sind immer reich an Intercellularen — in manchen Fällen sind auch ganz bedeutende Luftlücken in ihr enthalten, wie z.B. in Fig. 4, Taf. V (i), wo sie besonders an der von der Wirthswurzel abgewendeten Seite des Hau- storiums auffallen. — Ein lacunärer Bau zeichnet die Rinde der Clandestina- Wurzeln überhaupt aus. Der Grad des Hervortretens der Intercellularräume in der Rinde der Haustorien scheint aber davon abzuhängen, ob die Hau- storienbildung an einer Wurzel, entweder zur Zeit, da die Differenzirung in derselben bereits weit vorgeschritten war, oder zur Zeit, wo selbe erst in den Anfängen stand, begann. Im ersteren Falle sind die Luftlücken reich- lich vorhanden, wenigstens an der bei der Haustorienbildung weniger bethei- ligten, von der Wirthswurzel abgewendeten Seite — im letzteren Falle bleiben die Luftlücken wenig ausgebildet und werden wenig auffällig. Bedeckt wird die Rinde in der Regel grösstentheils von tangental zur Oberfläche der Haustorien gestreckten Zellen, welche sich, entsprechend der Oberflächenzunahme, in radialer Richtung theilen (Fig. 13, Taf. IX) und 325 die Descendenten der Hypodermis der Wurzeln sind. Die Epidermis der Wurzeln geht nämlich frühzeitig zu Grunde, und auch an letzteren wird die- selbe ersetzt durch die hypodermale Zelllage, welche von der übrigen Rinde durch die Abwesenheit von Stärkekörnern, das lückenlose Aneinanderschliessen der Zellen und die Fähigkeit derselben, sich sowohl in tangentialer als in radialer Richtung zu theilen, ausgezeichnet ist. Durch reichere Zelltheilung und eventuell bedeutende, in einer Richtung vorwiegende Zellstreckung kommt die geförderte Ausbildung der Rinde an den der Wirthswurzel zugekehrten Seiten zu Stande. Die gleichen Momente sind auch bei der allfälligen Bil- dung von Zangenfortsätzen wesentlich thätig. An der der Wirthswurzel zugekehrten Fläche der Haustorien, und allen- falls an den Innen-Flanken der Zangenfortsätze, strecken sich aber früh- zeitig die Epidermiszellen und bilden eine mehr oder minder pallisaden- artige Schichte, welche durch Ausscheidung einer kittartigen Substanz die Befestigung des Haustoriums an der Wirthwurzel vermittelt. Wie sehr sie dieser Function gerecht wird, zeigt uns Fig. 1a, wo sich durch Bildung von Periderm (pe) in den tieferen Schichten der Wirthswurzelrinde die äusseren Rindenpartieen als Borke abgestossen haben. Nur wo diese Borke (b) von den pallisadenartigen Zellen (p) ergriffen wurde, ist sie, von denselben festgehalten, noch vorhanden. Ich nenne diese eigenartigen Zellen, die ja in ähnlicher Ausbildung an den Saugorganen sehr verschiedener Phanerogamen-Parasiten vorkommen, Haustorialpapillen oder Ansatzpapillen. Sie sind in den schematischen Figuren der Taf. V, la und 3 mit p, in Fig. 2 mit a. p. bezeichnet. Die Art und Weise ihrer Ausbildung zeigen die Figuren 10, Taf. V, und 12, Taf. IX. In ersterer sind sie einem Stück Rinde der Wirthswurzel aufsitzend dargestellt, wobei die graue Zone Borke, die weisse — lebendige Rinde vorstellt. Bei h. f. haben wir uns den in die Wurzel eindringenden Haustorialfortsatz zu denken. In der Fig. 12, Taf. IX haben wir es mit einem nicht medianen Längsschnitt durch den Basaltheil eines jungen Haustoriums von Clandestina zu thun, der mit dem Querschnitt einer jungen Wirthswurzel in Verbindung steht (Str = ihr axiler Strang, R = Rinde). Die Haustorialpapillen sind an der rechten Seite alle dargestellt, an der linken blieb das Bild unausgezeichnet; ihre Zahl ist gering, die äussersten haben mehr trichomartiges Aussehen. In der That wachsen die Epidermiszellen an den unteren (d. i. den Wirths- wurzeln zugekehrten) Hälften der Haustorien, soweit sie nicht der Contact- fläche des Haustoriums mit der Wirthswurzel angehören, grösstentheils zu Trichomen aus, welche gewöhnlich sehr Wurzelhaaren gleichen und die erste Befestigung der jungen Haustorien-Anlagen an die Wirthswurzel vermitteln. Die innigere Verbindung mit diesen mittels der Haustorialpapillen der Ansatzfläche kommt erst später zu Stande. Fig. 8, Taf. V, zeigt die Endigungen zweier soleher Wurzelhaare. Sie sind meist plasmareich, enthalten einen gebräunten, etwas stärker lichtbrechenden Inhaltsstoff und zeigen an der Spitze häufig verdiekte, gequollene Wandung. Wenn Epidermiszellen gewissermassen etwas verspätet zur Bildung solcher Trichome schreiten, dann ist offenbar die Cuticula nicht mehr genügend dehnungsfähig und wird deshalb von der allein wachsthumsfähigen, aus Cellulose bestehenden und zum Wurzelhaar auswachsenden Membranparthie gesprengt, wobei die Cuti- cula eventuell als Kappe an der Spitze des Trichoms emporgehoben wird. Einen solchen Fall stellt Fig. 12, Taf. V, dar, wo c. k. die Cuticularkappe an der Spitze des Trichoms bezeichnet. Betrachtet man diese Trichome an jungen Haustorien, wie sie an den Seiten desselben hervorbrechen und dann, scharf abbiegend, nach der Wirths- wurzel hinwachsen, so verschliesst man sich schwer dem Gedanken, dass sie in Folge chemischer, von der Wirthswurzel ausgehender Reizung ent- stehen und in ihrer Wachsthumsrichtung bestimmt werden. Lässt sich der Chemotropismus der Haustorialtrichome auch wohl kaum experimentell nach- weisen, so spricht für die Existenz desselben doch schon die Thatsache allein, dass, wie auch das Haustorium zur Wirthswurzel orientirt sein mag, die Haustorialhaare stets das Bestreben verrathen, auf kürzestem Wege an die Wirthswurzel zu gelangen. Es ist kaum möglich, an eine andere richtende Kraft zu denken. Nachdem wir so das Wesentliche über die grosszellige Rinde, welche die Haustorien umgiebt, besprochen haben, wenden wir uns den übrigen Gewebe-Partien zu, die wir am Haustorium unter- scheiden können. In der Mitte fällt ein tracheen- und tracheidenreicher ') Complex auf, aus netzfaserigverdickten iülementen bestehend und in den Umrissen an einen Nagel erinnernd. Den Kopf dieses Nagels nenne ich „Lracheidenkopf‘‘, den Nagelstift ‚‚Tracheidenplatte“. Zwischen dieser, der Unterseite des Tracheidenkopfes und der grosszelligen Rinde — (in den Figuren durch Bogenlinien abgegrenzt und mit h bezeichnet) — ist ein zart- wandiges, hyalines Parenchym eingeschaltet, welches an Schnitten durch frische Haustorien durchscheinend ist und den Eindruck besonderen Wasser- reichthums macht ?). Es ist zweckmässig mit dem besprochenen Haustorium-Längschnitt nun den Querschnitt der Olandestina-Wurzel etwas ausserhalb des Haustoriums zu vergleichen. Das Bild eines solchen ist sehr einfach; ein axiler Holz- theil von kreisförmigem Umriss, rings von einer ziemlich mächtigen Rinde 1) Die meisten Autoren sprechen nur von Gefässen; Tracheiden 'sind aber gewiss vorhanden und überwiegen sogar entschieden an Zahl. G. Massee (On the structure and functions of the subterranean parts of Lathraea Squamaria, Journal of Botany, Vol. XXIV, 1886, p. 259) spricht wenigstens davon, dass die Querwände der Ge- fässe oft unvollkommen resorbirt seien. 2) Die von Solms für die Differenzirungen des Rhinanthaceen-Haustoriums ein- geführte Terminologie „Rinde, Haustorialkern (Apical- und Basilar-Region desselben) und Haustorialfortsatz“ schien mir nielıt zweekmässig anzuwenden; nur den „Hausto- rialfortsatz“ habe ich beibehalten. Es entspricht aber ungefähr meine Bezeichnung „Tracheidenkopf“ der Solms’schen Apicalregion des Haustorialkerns, und „Tracheiden- platte (oder Tracheidenstrang bei Squamaria) + hyalines Gewebe“ der Basilarregion. 327 umgeben. Dieses Bild ändert sich nur wenig, wenn wir den Schnitt schon innerhalb des Haustoriums, aber nicht median, sondern dasselbe nur tangirend führen. Einen solchen Schnitt (natürlich senkrecht zur Richtung der das Haustorium tragenden Wurzel) zeigt Fig. 1b, Taf. V. Wir sehen, dass hier der Wurzelstrang noch unbeeinflusst wiedererscheint; die Rinde differeneirt sich in die grosszellige, primäre, und in die (auf der Abbildung) helle Zone, welche letztere secundäre Rinde und Cambium umfasst. Nach der der Wirthswurzel zugewendeten Seite treten aber schon hervor: die einseitige Zunahme der Rinde, die Zangenfortsätze und die Region, wo an den der Mediane näheren Schnitten der Haustorialfortsatz erscheint. Es lässt sich nun leicht auch im medianen Haustoriumlängsschnitt der Gewebeantheil, der gewissermassen der Mutterwurzel zukommt, bestimmen. Die grosszellige Rinde ist am Scheitel des Haustorialknopfes (Fig. 1a) nicht stärker, als an andern Stellen der Wurzel — diese Partie entspricht gleichsam normaler Wurzelrinde. Aber auch im Tracheidenkopf ist ein Theil als zur Wurzel gehörig erkennbar. Ein Stück am Scheitel des Kopfes, in der Gestalt eines Kreisausschnittes oder annähernd halben Kreises und darüber umschrieben, zeigt querdurchschnittene Tracheen, welche also senk- recht zu ihrem Längsverlauf getroffen werden, so wie am Querschnitt einer Wurzel, sie repräsentiren den Gefässstrang der Wurzel im Haustorium. Die übrigen Tracheen und Tracheiden sind unregelmässiger orientirt; diese, so- wie die zwischen ihnen vorhandenen, dünnwandigen Parenchymzellen, ferner das hyaline Parenchym unter dem Tracheidenkopf und die Tracheidenplatte, endlich die einseitig vermehrte Ausbildung des grosszelligen Rindenparenchyms und seiner Differenzirungen und selbstverständlich der Haustorialfortsatz gehören wesentlich zum Haustorium, sind bei seiner Bildung entstanden oder in Mitwirkung gezogen worden. Schon die bisher betrachteten medianen Längsschnittsbilder der Haustorien varjiren stark, weil bald die Masse der querdurchschnittenen Gefässe des Wurzelstranges eine beträchtliche ist und sie dann, wie etwa in Fig. la und Fig. 4, Taf. V, eine hervortretende Kuppe auf dem Tracheidenkopf bilden, bald aber ihre Menge gering ist, und sie dann etwa nur einen Kreis- sector umfassen, der in dem Umriss des Tracheidenkopfes seinen Scheitel bildend, eingesenkt erscheint. (Fig. 3, Taf. V.) Diese Verschiedenheiten hängen jedenfalls ab von dem Zustande der Differenzirung des Wurzel- stranges zur Zeit, da die Haustorien angelegt wurden. Je älter die Wurzeln sind, welche zur Anlage eines Haustoriums schreiten — je entfernter vom Vegetationspunkt der Wurzel dies geschieht, umsomehr treten die Elemente des Wurzelstranges als solche auch noch im Haustorium hervor. Was den Haustorialfortsatz, bei Beachtung der gleichen Schnittrichtung, betrifft, so sehen wir, dass sich die Tracheidenplatte als axialer Strang in denselben bis zur Endigung im Holzkörper der Wirthswurzel fortsetzt. Sie wird umgeben von zartwandigem Parenchym, bestehend aus mehr oder minder rechteckigen Zellen, welche in Curven angeordnet erscheinen. (Vgl. Fig. 9, Taf. V.) Die Tracheidenplatte umfasst der Breite nach meist zwei, seltener 1 oder 3 Elemente; sie sind durch netzfaserige Verdickung aus- gezeichnet, nur an der Spitze des Haustorialfortsatzes erscheinen die Ver- diekungen gewissermassen unvollkommen ausgebildet und durch warzen- oder zapfenförmige Bildungen vertreten (vgl. Fig. 9, Taf. V)'). Hier erstreckt sich aber diese Verdickungsform öfters auf sämmtliche Zellen, und ab und zu findet man auch einzelne Zellen, in der Nähe der Spitze des Haustorialfort- satzes, welche mit ihrer Längsachse senkrecht auf den Verlauf der Tracheiden- platte gestreckt sind und an dieselbe also seitlich anschliessen, tracheidenartig ausgebildet. Das sind die wichtigsten Verhältnisse, welche sich an jenen Haustorial- längsschnitten feststellen lassen, die durch Schnitte, welche senkrecht zur Achse der das Haustorium erzeugenden Wurzel geführt sind, erhalten werden. Betrachten wir nun aber jenen Haustorienlängsschnitt, den wir erhalten, wenn wir in der Richtung der das Haustorium erzeugenden Wurzel schneiden, die aber der Wirthswurzel annähernd parallel streicht. Bemerkt muss werden, dass nur ein wirklich medianer Längsschnitt uns zu richtiger Erkenntniss zu führen vermag. Was die Verhältnisse im Haustorialknopf betrifft, so mag die schematische Fig. 5, Taf. V, herangezogen werden. Wir sehen in derselben zunächst den Wurzelstrang (w); denselben scheidet die cambiale Zone (ce) von der grosszelligen, primären Rinde. Innerhalb des Haustoriums ist dem Wurzelstrang der Tracheidenkopf eingefügt, der sich aber hier nicht so rasch nach unten verjüngt, wie an den früher betrachteten Schnitten (vgl. Fig. 1 a, 3 ete.). An dem durch Fig. 5 dargestellten Schnitte bieten Tracheidenkopf und -platte nicht mehr das Bild eines Nagels, sondern die Umrisslinien entsprechen mehr einem Keil mit oben abgerundeter Kuppe. Die Sache verhält sich so: im Tracheidenkopf strahlen die Tracheiden nach allen Richtungen aus, tiefer unten bleiben sie aber mehr und mehr auf einem plattenartig begrenzten Raum eingeengt, der sich in die Richtung des Streichens der Wirthswurzel stellt. Deshalb haben wir von vornherein von einer Tracheidenplatte gesprochen. In Schnitten, welche geneigt oder gar senk- recht zum Verlaufe dieser Platte ausfallen, muss uns dieselbe natürlich als Strang erscheinen. In unserer Fig. 5, Tafel V ist der Schnitt nicht gänzlich in der Medianebene geführt; wäre dem so, dann müsste die durch Schattirung angedeutete Tracheidenplatte bis hinab an die Linie reichen, welche den extramatricalen Theil des Haustoriums (den Haustorialknopf) begrenzt. In entsprechender Weise ändert sich das Bild, welches der Haustorial- fortsatz bei dieser Schnittrichtung gegenüber der früher besprochenen gewährt. Die Fig. 1, Tafel VII, gibt uns ein etwas schematisirtes, aber gutes Bild davon. Wir sehen auch hier das Vorhandensein einer bald breiteren, bald schmäleren Tracheidenplatte, die natürlich auf Schnitten !) Von spärlichen, unterbrochenen, häufig auf tupfenartige Stellen redueirten Verdickungsleisten an den Gefässen der Endigung des Haustorialfortsatzes von Ahinanthus spricht auch Solms (a. a. O. S. 565). 329 senkrecht oder schief zur Bildfläche als Strang erscheinen müsste. Der Haustorialfortsatz reicht bis an den Holzkörper der Wirthswurzel (Salix). Seine Umgrenzung ist keine regelmässige, da das zartwandige Gewebe sich bald weiter in der Salöx-Rinde auszubreiten vermochte, bald wieder offen- bar energischen Widerstand erfuhr. Die dunklen Streifen in der Rinde deuten den Verlauf von Bastiasern (b) an. Wir werden wiederholt noch Gelegenheit haben zu bemerken, dass die Bewältigung der Bastfasern dem Parasiten Schwierigkeiten verursacht. Oft bleiben Fasern oder deren Reste mitten im Gewebe des Haustorialfortsatzes liegen, und so ist es auch in der Figur (rechts) angedeutet, wie Bastfasern gleichsam eingespiesst im Parenchym des Haustorialfortsatzes liegen !). Wir wenden uns nun zur Betrachtung jener Schnittreihe, welche wir erhalten, wenn wir vom Scheitel des Haustorialknopfes tangental zu schneiden beginnen und fortfahren bis an die Endigung des Haustorialfortsatzes. Es sind das die Querschnitte des Haustoriums, und gegenüber den queren Längsschnitten und den radialen, die Tangentalschnitte (in Rücksicht auf die Wirthswurzel). Ihr Bild lässt sich ungefähr schon aus den besprochenen Längsschnitten eombiniren — es empfiehlt sich aber dennoch, sie kurz zu skizziren. Der erste dieser Schnitte trifft etwa den durch das Haustorium ver- laufenden Wurzelstrang, wie wir es uns leicht versinnlichen, wenn wir Fig. 4, Taf. V betrachten. Der nächste Schnitt enthält noch Ein- und Austritt des Wurzelstranges, in der Mitte reicht er aber bereits tiefer — und geht hier durch den Scheitel des Tracheidenkopfes, daher radiales Ausstrahlen der Tracheidenreihen bemerkbar wird. Ein nächster Schnitt geht mitten durch den Tracheidenkopf, zeigt uns also ein in der Hauptsache kreisförmiges Feld, vorherrschend von Tracheiden besetzt und umrahmt von der gross- zelligen Rinde. Ein weiterer Schnitt deutet schon das Erscheinen der Tracheidenplatte an, indem die Tracheiden hauptsächlich in einem band- förmigen Streifen angeordnet erscheinen. Noch setzen aber an diesen Streifen einzelne seitlich auftreffiende Tracheidenreihen an. Ein noch tieferer Schnitt zeigt im Querschnitte des, im Gesammtumriss etwas längs gestreckten, etwa elliptischen Haustorialknopfes — nur mehr die Tracheidenplatte. Dieselbe ist umsäumt von dem p. 326 erwähnten, in den Figuren 1a, 2, 5 u. 4, Taf. V mit h bezeichneten kleinzelligen Parenchym mit dem wasserreichen 1) Pitra (a. a. ©. S. 65) sagt von der Saugwurzel (Haustorialfortsatz) der Squamaria, sie zerstöre in der Rinde der Nährwurzel das Parenchym, ohne aber eine gleiche Wirkung auf die Bastbündel auszuüben; sie weiche letzteren im Gegen- theil au. Und Leclere du Sablon (a. a. O. S. 95) sagt von den Zellen des Haustorialfortsatzes von Rhinanthus: „La diastase, inconnue d’ailleurs, au moyen de laquelle ces cellules se frayent un passage, parait impuissante contre les parois epaisses et lignifies du bois. On voit en effet tr&s souvent, que les cellules ab- sorbantes, apres avoir travers& l’&corce et le liber, tournent autour du corps ligneux, qui parait pour elles un obstacle infranchissable.“ durchscheinenden Inhalt, und dieses wieder von der grosszelligen Rinde. Den nächsten Tangentalschnitt durch den extramatricalen Theil des Haustoriums zeigt uns der Hauptsache nach Fig. 2, Taf. VI. Wir sehen die Tracheidenplatte, längs derselben beiderseits noch einige Lagen des hyalinen Parenchyms, das, wie ein Vergleich der Figuren (1—4, Taf. V) zeigt, gegen den Basaltheil des Haustorialkopfes abnimmt — und auf der einen Seite (nach unten in der Abbildung) auch einen Theil des gross- zelligen, derberen Rindenparenchyms. Noch fällt uns aber auf, dass an den beiden Flanken der Tracheidenplatte und zum Theil auch an den Enden derselben ein deutliches Meristem wahrnehmbar wird. Die Tangentalschnitte durch den Haustorialfortsatz kann uns Fig. 3, Taf. VI, versinnlichen. Der Haustorialfortsatz erscheint wie ein langgezogener, in der Rinde eingezwängter Keil. Auch hier finden wir die Tracheidenplatte an ihren Flanken von Meristem begleitet, und rings von Parenchym umgeben. Die Tracheidenplatte kann einen einheitlichen Streifen bilden, oder sie kann, indem sie öfter durch Parenchymzellen unterbrochen ist, in mehrere Theile zerfallen. Uebrigens kann auch der ganze Haustorialfortsatz in mehrere nebeneinandergereihte Abschnitte getrennt sein, deren Entstehung meist durch Gewebereste der Wirthwurzel, besonders mechanischer Fasern, bewirkt ist, die der Haustorialfortsatz nicht aus dem Wege zu schaffen vermochte. In unserer Fig. 3, Tafel VI, sehen wir mehrfach dunkle Streifen, welche, den Haustorialfortsatz durchsetzende mechanische Fasern oder kleine Bündel solcher, andeuten sollen. Besonders tritt dies bei f hervor, wo sich in f, noch eine isolirte Faser, das Haustorialparenchym durchsetzend, abzweigt. Gegen das Holz der Wirthswurzel nimmt der Querschnitt des Haustorial- fortsatses an Ausdehnung in der Regel allmählich ab, um daselbst zu enden oder doch nur mit verhältnissmässig wenigen Elementen noch in den Holz- körper vorzudringen. In manchen Fällen kann sich die Tracheidenplatte stellenweise tangental (in Beziehung auf die Wirthswurzel) bedeutend ver- breiten. So sah ich den ganzen Querschnitt des Haustorialfortsatzes fast nur aus Tracheiden bestehen; zum mindesten waren an jenen Stellen auch die Parenchymzellen, die zu äusserst lagen und an die Wirthswurzel-Rinde grenzten, den Process der Verholzung eingegangen. Wahrscheinlich kommt dies aber nur an sehr alten Haustorien vor, denen der Wirth durch seine Präventionsmassregeln eine Weiterentwickelung unmöglich macht. Wir haben im Vorausgehenden angenommen, dass die haustorienbildende Wurzel der Wirthswurzel parallel gewachsen sei. In der That aber streichen die Wurzeln des Parasiten in allen möglichen Richtungen an den Wirthswurzeln vorbei und verankern sich an ihnen mit den Haustorien. Dabei bleibt rücksichtlich des anatomischen Befundes alles wesentlich gleich, nur das eine ist hervorzuheben, dass sich, wie auch die haustorien- bildende Wurzel zur Wirthswurzel gelagert sein mag, die Tracheidenplatte und der Haustorialfortsatz stets mit ihrer längsten Erstreckung in die Richtung der Längsachse der he-: 331 fallenen Wirthswurzel einstellen. Schon die Narben, welche abge- brochene Haustorien an den Wirthswurzeln zurücklassen, verrathen dies. In Fig. 2, Taf. V, haben wir z. B. einen Längsdurchschnitt durch ein Haustorium dargestellt, das von einer Wurzel gebildet wurde, welche nahezu unter rechtem Winkel an der Wirthswurzel vorbeiwuchs. Trotzdem, dass wir, wie in Fig. 4, Taf. V, den Eintritt des Wurzelstranges in das Haustorium erkennen, erscheint in Folge der oben genannten Regel die Tracheidenplatte hier nicht in der Flächenansicht, sondern in der Durchschnittsansicht — als Tracheidenstrang. Diese bestimmte Einstellung der Tracheidenplatte und, was das Wesentliche ist, des langgestreckten, keilförmigen Hau- storialfortsatzes der Haustorien von Olandestina ist zweifels- ohne eine zweckmässige, das Eindringen des Haustorialfort- satzes fördernde Einrichtung. Betrachten wir den Fig. 3, Taf. VI, dargestellten Tangentalschnitt durch den Haustorialfortsatz und die Rinde der Wirthswurzel, so sehen wir in letzterer den Verlauf der mit b bezeich- neten Bastfasern und Bastfasergruppen angedeutet, welche in der als Wirth dienenden Weidenart meist von Krystallkammerfasern umgeben sind. Diese Bastfasern verlaufen vorwiegend longitudinal, durch seitliches Ausbiegen und Aneinanderlegen kommt ein förmliches Netzwerk langgestreckter Maschen im Parenchym der Rinde zu Stande, so dass die Netze von den Fasern gebildet, die Lücken der Maschen vom Parenchym eingenommen werden. In ähnlicher Weise verlaufen Bastfasern wohl in den Rinden der meisten Sträucher und Bäume, welche für Clandestina als Nährpflanzen dienen können. Es ist nun zweifellos, dass der langgestreckte, als Keil eindringende Haustorialfortsatz sich am leichtesten in der longitudinalen Richtung in die Wirthswurzel einzwängt. Dass ihm die mechanischen Fasern der Rinde Schwierigkeiten bereiten, ist ja daraus ersichtlich, dass wir sie als unbezwungene Reste so vielfach im Haustorialfortsatz selbst umwachsen finden. (Vgl. die Figuren 3, Taf. VI, und 1, Taf. VIL) Denkt man sich nun etwa den Haustorialfortsatz bemüssigt, in zur Achse der Wirthswurzel querer Richtung einzudringen, so würde er an viel mehr Punkten sofort dem Widerstand der Bastfasern begegnen und das Eindringen dadurch erheblich erschwert sein. Eine ebenfalls zweckdienliche Einrichtung im Aufbau des Haustoriums ist ferner die Ausgestaltung einer Meristemzone an beiden Längsseiten der Tracheidenplatte. Durch dieselbe ist dafür gesorgt, dass, wie die peri- pherischen Zellen des Fortsatzes im Wirthsgewebe neuen Raum gewinnen und hierdurch eine grössere Ausbreitung des Fortsatzgewebes ermöglichen, so auch eine Vermehrung der Elemente der Haustorialplatte, oder des sie umgebenden Parenchyms, vor sich gehen kann, wobei entsprechend einer vermehrten Leistung der aufnehmenden Zellen gewissermassen auch Vermehrung der leitenden gewährleistet wird. Uebrigens scheint dieses Meristem nur begrenzte Zeit hindurch thätig zu sein. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft II. 23 332 Es ist hier der Ort, noch etwas nachzutragen, was schon bei Besprechung der Rinde des Haustoriums hätte erwähnt werden sollen. Dort war nur die Rede von der grosszelligen, primären Rinde. Ausser dieser ist aber auch ein Cambium und eine secundäre Rinde vorhanden. Diesen beiden entspricht die weiss gelassene Zone, welche in der Fig. la, Tafel V, den Tracheidenkopf oben und an den Flanken umgiebt, und welche sich nach unten dann in das durchscheinende Parenchym erweitert. Dieses Cambium verursacht durch seine Thätigkeit ein Dickenwachsthum des Haustoriums, eine Zunahme einerseits der Tracheen und Tracheiden am Wurzelstrang- Antheil des Haustoriums, andererseits am, dem Haustorium selbst zugehörigen Theil des Tracheidenkopfes.. Das Meristem setzt sich dann unterhalb des Tracheidenkopfes und längs der Tracheidenplatte fort und scheint hier so- wohl für die Vermehrung der Elemente der Tracheidenplatte als für jene des hyalinen Gewebes zu sorgen. Nur ist am letzteren Orte, glaube ich, die Thätigkeit des Meristems eine minder energische als jene des Cambiums oben und an den Flanken des Tracheidenkopfes. IV. Der anatomische Bau der Haustorien von Lathraea Squamaria. Auch an den Haustorien unserer Schuppenwurz unterscheiden wir die beiden Theile: Haustorialknopf und Haustorialfortsatz. Jedenfalls sind nur diese wesentlich. Ob Zangenfortsätze vom Haustorialknopf gebildet werden können, und ob ihr Auftreten, so wie bei Ulandestina, abhängt von dem relativen Grössenverhältniss, in welchem Wirthswurzel und Haustorium zu einander stehen, kann ich mit Sicherheit nicht entscheiden. Da man bei der verhältnissmässig geringen Grösse der Sguamaria-Haustorien am leichtesten solche unverletzt erhält, welche stärkeren Wirthswurzeln aufsitzen und an ihnen ein kräftigeres Widerlager besitzen, so wurden fast nur derartige untersucht, deren Haustorialknopf kleiner war als der Querschnitt ihrer Nähr- wurzel — und an allen diesen (vgl. Fig. 2, Taf. VII,) fehlte jegliche Andeutung von Zangenfortsätzen '). Im Bau der Haustorien selbst ergeben sich, bei vielfach gleichem Verhalten mit jenen von Clandestina, doch auch bemerkenswerthe Abweichungen in mehrfacher Beziehung. 1) Ein einzelnes Präparat. an dem rücksichtlich der Grösse das umgekehrte Ver- hältniss zwischen Haustorium und Wirthswurzelquerschnitt herrscht — zeigt kaum eine Andeutung von Zangenfortsätzen. Auch waren dieselben hier nur durch die Ansatzpapillen hergestellt, während die grosszellige Rinde an ihrem Aufbau sich gar nicht betheiligte. Ein so weitreichendes Erfassen der Wirthswurzel durch vorge- schobene Rindencomplexe — wie es bei Clandestina vorkömmt (Fig. 1 a, und Fig. 6, Tafel V,) ist nicht vorhanden. Darnach ist es wahrscheinlich, dass die Haustorien von Squamaria Zangenfortsätze, in der Art wie sie bei C/andestina unter den erör- terten Bedingungen entstehen, überhaupt nicht bilden. Vgl. darüber auch das auf Grundlage nachträglicher Untersuchung im 7. Abschnitte Mitgetheilte, sowie die Fig. 9 und 10 der Tafel XI und ihre Erklärung. 333 Im Haustorialknopf unterscheiden wir wieder zwischen den Rindenlagen und einem Tracheidenkopf. Wir wollen unserer Betrachtung die schematische Skizze Fig. 2, Taf. VII, zu Grunde legen, welche einen Längsschnitt durch ein Haustorium und ein Stück der Wirthswurzel im Querschnitt wiedergiebt. Der Schnitt ist senkrecht zur Achse der das Haustorium erzeugenden Lathraea-Wurzel geführt. Die Rinde sondert sich in eine hellgrau angedeutete Zone, welche aus grosszelligem Parenchym besteht und ihrer Herkunft nach der primären Rinde entspricht — und eine in der Skizze weiss gelassene Zone, welche das Cambium und die durch seine Thätigkeit erzeugte secundäre Rinde umfasst. Die primäre Rinde nimmt an Mächtigkeit, gegen den Basaltheil des Haustoriums hin, zu. An jungen Haustorien ist sie von der Epidermis gedeckt, welche speciell an den unteren seitlichen Flanken des Haustorial- knopfes in grosser Zahl Wurzelhaare entsendet, welche wesentlich den gleichen Bau haben und die gleichen Aufgaben vollführen, wie sie bei Olan- destina erörtert wurden. Ebenso wachsen die Epidermiszellen der Basal- fläche des Haustorialknopfes, mit Ausschluss der centralen Partie, wo der Haustorialfortsatz entspringt, zu den sogenannten Ansatzpapillen heran. Aeltere Haustorien besitzen die Epidermis, ausser an der Ansatzfläche, nicht mehr. Ich habe die Sache zwar nicht eingehender verfolgt, doch dürfte der Schluss gerechtfertigt sein, dass sie wie bei Ulandestina durch eine Hypodermis ersetzt wird'). Relativ bedeutender als bei Olandestina ist bei Squamaria die Bildung secundärer Rinde — und in der oberen Hälfte der Haustorien hebt sich beim Schneiden die primäre Rinde sehr leicht ab von der secundären, welche nach aussen begrenzt wird von den tangental gestreckten Zellen der Endodermis. Diese wird bei etwaigem Zugrunde- gehen der primären Rinde dann wohl die Functionen der Epidermis übernehmen. Die in unserer Skizze weiss gelassene secundäre Rinden- und Cambium- zone verbreitert sich an der Unterseite des Tracheidenkopfes. Diese durch bogige, punktirte Linien abgegrenzte Partie unterscheidet sich aber nach Gestalt, Inhalt und Herkunft ihrer Zellen von jenen der secundären Rinde. Die Zellen jener sind grösser und führen im Leben einen hyalinen Inhalt, während der ganze Complex am Alkoholmaterial durch die körnige Be- schaffenheit des gebräunten Inhaltes scharf hervortritt. Offenbar ent- spricht dieses Gewebe dem an gleicher Stelle bei den Clandestina- Haustorien vorhandenen, durchscheinenden aber etwas mässiger entwickelten Parenchym. Doch bestehen Unterschiede im Bau beider Gewebe. Bei Clandestina wird es von sehr zartwandigen und nahezu interstitienlosen Zellen gebildet; bei Sguamarıa hingegen zeichnen sich die Zellen durch t) Die Richtigkeit dieser Annahme geht schon daraus hervor, dass Krause, (Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von Lathraea squamaria L., Breslau 1879) auf S. 5 von den Wurzeln berichtet: „Die Epidermis wird abgestossen und die un- mittelbar darunter liegende Zellschicht, das Hypoderm, nimmt ihre Stelle ein“. 23* stark quellbare Wandungen aus, wobei die Quellung bald die gesammte Membran, bald nur einzelne Wände umfasst. Auch der Zusammenhalt der Zellen ist hier ein lockerer — es hält schwer, sie beim Schneiden im Zu- sammenhang zu erhalten. In der Mitte der bisher besprochenen Gewebe finden wir, wie bei Olan- destina, einen in der Hauptsache aus Tracheen und Tracheiden bestehenden Gewebekomplex, der mehr weniger die Gestalt eines Nagels besitzt. Den dem Nagelkopfe entsprechenden Theil bezeichnen wir wieder als Tracheiden- kopf, den dem Nagelstifte vergleichbaren aber bezeichnen wir bei Squa- maria als Tracheidenstrang. Der Tracheidenkopf zeigt in der Hauptsache übereinstimmende Bau- verhältnisse wie bei Ulandestina. Die Sonderung in mehr oder weniger verschiedene Regionen ist bei Squamaria etwas schärfer durchgeführt, als bei Clandestina, und da bei letzterer auf diese Verhältnisse nicht einge- gangen wurde, soll dies bei Squamarıa geschehen. Wieder lassen sich im Tracheidenkopf die hindurch ziehenden Gefässe der Wurzel unterscheiden, welcher das Haustorium seinen Ursprung verdankt. Sie werden bei der oben bezeichneten Schnittrichtung quer getroffen und nehmen den Scheitel des Tracheidenkopfes ein (Fig. 2, Taf. VII). Sie erscheinen bei Sguamaria häufiger als in den Tracheidenkopf eingesenkter Theil und werden nur seltener aus dem Gesammtumriss so weit vorgeschoben, wie es für (Clan- destina die Figuren 1a und 4, Taf. V, darstellen. An die Tracheen des Wurzelstranges werden nun Tracheen und Tracheiden des Haustoriums an- gegliedert'). Dabei lassen sich unschwer drei Zonen im Tracheidenkopf unterscheiden. Die erste — in unserer Skizze mattgrau gehaltene — ver- mittelt den Anschluss; die Tracheen verlaufen in derselben in bogigen Curven, welche mehr minder senkrecht an die Tracheen des Wurzelstranges ansetzen, da und dort finden sich zwischen den Tracheen noch parenchyma- tische Elemente eingeschaltet. Daran schliesst sich eine nur von Tracheiden gebildete Zone (jene Partie, welche in der Skizze besonders dunkel gehalten ist); diese gleicht im Durchschnitte jenem einer biconcaven Linse von ver- schiedenen Krümmungs-Radien; in ihr sind die kurzen Tracheiden in mehr minder tangentalen Reihen in Bezug auf den Verlauf des Cambiums ange- ordnet. An letztere Zone reiht sich endlich eine, in der die Tracheen oder Tracheiden reichlich durchsetzt sind von unverholzten Parenchymzellen, so dass erstere nur in Form perlschnurartiger Reihen erscheinen?). Diese 1) Auch bei den Zhinanthaceen kommt es in den Haustorien offenbar zur Aus- gestaltung einer dem Tracheidenkopf entsprechenden Bildung, nur tritt dieselbe weit weniger hervor. Koch sagt a.a. O., S. 15: „der tracheale Strang (des Haustoriums) erfährt da, wo er in das Gefässbündel der Mutterwurzel des Haustoriums mündet, eine gegen dieses gerichtete, die Verbindung mit möglichst vielen Gefässen der Mutter- wurzel vermittelnde Verstärkung“. ?) Diese Zonen sind auch in der Längsschnitts-Skizze eines Haustoriums von Clandestina, Fig. 2, Tafel V, angedeutet, 8335 Tracheiden-Reihen anastomosiren vielfach und vereinigen sich früher oder später zu dem, gewissermassen dem Nagelstifte entsprechenden Tracheiden- strang, der als axiler Theil das hyaline Gewebe und dann die Rinde durch- setzt und sich weiter in den Haustorialfortsatz erstreckt. In der Regel findet also in der unteren Hälfte des Haustorialknopfes gleichsam eine Con- traction der Tracheidenreihen zu einem axilen Strang statt. Ein Längsschnitt durch einen Haustorialknopf, geführt parallel der Achse der das Haustorium erzeugenden Wurzel, zeigt die gleichen Verhältnisse, nur dass die Gefässreihen des Wurzelstranges natürlich im Längsverlauf getroffen werden (vgl. Fig. 2, Taf. V, von COlandestina). Nie hingegen finden wir, wie auch der Längsschnitt durch das Haustorium gemacht wird, eine deutlich ausgebildete Tracheidenplatte, wie es bei Ulandestina bei einer bestimmten Schnittrichtung stets der Fall ist. Höchstens ist durch eine unbedeutende Ausbreitung des Tracheidenstranges, in der Richtung parallel zur Axe der Wirthswurzel, eine Andeutung an die Tracheidenplatte bei Clandestina zu finden. Ebenso ist vielleicht die Thatsache zu deuten, dass ich an Haustorienlängsschnitten der Squamaria, welche auch die Wirthswurzel im Längsschnitt gleichzeitig trafen — an der Grenze des hyalinen Gewebes je einen Tracheidenstrang neben dem axilen verlaufen sah. Diese Stränge verliefen somit in jener Ebene, in welcher bei Clandestina die compacte, nur aus Tracheiden bestehende ‚Tracheidenplatte‘ verläuft. Aus dem über die Haustorienlängsschnitte Gesagten lassen sich ohne Schwierigkeit die Bilder construiren, welche man erhält, wenn man den Haustorialknopf in Tangentalschnitte zerlegt, indem man am Scheitelpol beginnt und successive gegen den Grund des Haustorialknopfes vorschreitet. Was nun den Haustorialfortsatz betrifft, so unterscheidet er sich von jenem der Olandestina-Haustorien vor allem dadurch, dass so wesentliche Differenzen betreffs der Längen- und Breitendimension desselben in der Regel nicht herrschen. Bei Clandestina konnten wir den Haustorialfortsatz einem langgestreckten Keil vergleichen, der radiär gestellt in die Wirths- wurzel eindringt; die Längsausdehnung desselben übertrifft seine Breite sieben-, achtmal und darüber. Bei Squamaria ist die Gesammtform des Fortsatzes eher einem in die Wirthswurzel eingetriebenen Nagelstift ähnlich. Die Umrisse des Fortsatzes innerhalb der Rinde der tangental geschnittenen Wirthswurzel sind meist elliptisch (Fig. 5, Taf. VI), wobei das Verhältniss der Länge zur Breite in der Regel nicht ganz 2:1 ist, oder auch rund- lich, seltener mit stark vorwiegender Längserstreckung (Fig. 3, Taf. VI). Freilich wechselt der Querschnitt stark, je nachdem die Zellen am Umfange des Fortsatzes leichter oder schwerer das umliegende Gewebe der Wirths- wurzel verdrängen, und auch bei Squamaria ist die Ausbreitung des Haustorialfortsatzes in der Längsrichtung der Wirthswurzelrinde entschieden etwas gefördert. Besonders die in der Wirthswurzelrinde tiefer liegenden Theile des Haustorialfortsatzes und seine Endigung lassen dies meist er- kennen (Fig. 3, Taf. VII). 336 Wie aus dem Fehlen einer ausgesprochenen Tracheidenplatte im basalen Theil des Haustorialknopfes unmittelbar zu schliessen ist, fehlt eine solche Platte auch im Haustorialfortsatz. Im allgemeinen unterscheiden wir an ihm einen axilen Tracheidenstrang und denselben rings umgebendes, zart- wandiges Parenchym. Allerdings kann der Tracheidenstrang auch sehr excentrisch zu liegen kommen, wenn den umgebenden Parenchymzellen local ein weiterer Vorstoss gegen das Wirthsgewebe gelingt. Der Strang wechselt in seiner Stärke je nach der Mächtigkeit der Haustorien. Er umfasst 4, 16 und mehr Elemente am Querschnitt. Meist sind diese Elemente, wenigstens in dem der Peripherie der Wirthswurzel näheren Theil des Haustorialfort- satzes zu einem einzigen Strange vereinigt — um sich später eventuell in 2—3 Stränge aufzulösen, welche in der Längsrichtung des Querschnittes hintereinander folgen. Selten sind schon beim Eintritt des Haustorialfort- satzes zwei Stränge vorhanden (Fig. 3, Taf. VII). Hingegen findet man eine Auftheilung des Stranges in einzelne Tracheidenreihen häufiger gegen die Spitze des Fortsatzes hin, wie ebenfalls Fig. 3, Taf. VII, zeigt. Auf entsprechenden Querschnitten sieht man 6, 7 und mehr von einander isolirt stehende Tracheiden getroffen. Präparate, welche entweder nach vorheriger Behandlung mit Javelle’scher Lauge, oder auch ohne solche, mit Fuchsin gefärbt und dann in Xylol-Canadabalsam eingeschlossen wurden, zeigen diese Verhältnisse besonders schön. Die Haustorialfortsätze durchbrechen womöglich in radialer Richtung die Rinde der Wirthswurzel, dringen aber auch in den Holzkörper derselben ein (Fig. 3, Taf. VID). Dieses Eindringen ist nicht etwa eine.passive Versenkung in den Holzkörper, die dadurch zu Stande käme, dass das Cambium an den Flanken des Haustoriums neue Lagen von Holzelementen bilden würde, sondern das Vordringen der Elemente des Haustorialfortsatzes ist ein actives, das sich unter Durchbrechung und Zerstörung von Holzelementen voll- zieht'). Aufdiese Vorgänge wird indessen später näher eingegangen werden. Die Endigung des Haustorialfortsatzes von Lathraea Squamaria ver- hält sich aber weit verschieden von jener des gleichen Organs bei Olan- destina. Bei dieser findet immer ein mehr oder minder geschlossenes Vor- gehen der Elemente des Haustorialfortsatzes gegen die Gewebe des Wirthes statt; bei Sguamaria hingegen löst sich der Haustorialfortsatz, wenn er an das Cambium oder in das Holz gelangt ist, mehr oder weniger in seine Elemente auf, indem diese ähnlich den I) Pitra berichtet I, c., dass es ihm nur einmal gelang, die Beobachtung zu machen, dass eine Senkwurzel der Zathraea in dem Holzkörper einer Nährpflanze gelagert war. Er fügt hinzu: „In diesem Falle mag natürlich das Holzgewebe sich später um die Wurzel gebildet haben, da an ein Zerstören des Holzkörpers durch die parasitische Wurzel schwerlich zu glauben ist“. Von den Zhinanthaceen sagt Hovelacque (l. c. p. 632): „Dans toutes les especes, que nous avons &tudiees, le sucoir peut s’enfoncer jusque dans le bois de la racine nourrice“, 337 Haustorial-Initialen bei Cuscuta, für sich eine grosse Wachs- thumsfähigkeit bethätigen und nach den verschiedensten Rich- tungen das Wirthsgewebe durchwachsen. So entsteht ein, aus oft sehr langen und weiten Schläuchen gebildetes, aller- dings den Pilzhyphen gegenüber sehr derbes, Haustorial- mycelium. In den einfachsten Fällen findet nur ein pinselartiges Auseinandertreten der Haustorial-Elemente statt. (Fig. 3, Tafel VII, Fig. 1, Taf. IX.) Häufig aber wachsen die peripherischen Zellen des bislang im geschlossenen Zellen- verbande vorgedrungenen Haustorialfortsatzes zu millimeter langen, weit- lumigen, isolirt verlaufenden Schläuchen aus. Am besten bekommt man diese Haustorialschläuche an Tangentalschnitten zur Ansicht, da das Aus- wachsen derselben am reichlichsten in tangentaler Richtung zur Oberfläche der Wirthswurzel erfolgt; und zwar zweigen sie seltener in der Rinde oder im Cambium ab, sondern meist löst sich die Spitze des in den Holzkörper eingedrungenen Haustorialfortsatzes erst einige Zelllagen unter der Cambium- schicht in die Haustorialschläuche auf. Fig. 3, Tafel VIII, zeigt bei schwacher Vergrösserung etwas schematisirt einen solchen Tagentalschnitt. Die Elemente der querdurchschnittenen Endigung des Haustorialfortsatzes sind in ihren Um- rissen ungefähr angedeutet. Das Holzgewebe der Wirthswurzel ist grau schraffirt, an der einen Seite liegt ein Streifen Rindengewebe an, in dem die vielen Oxalatdrusen durch dunkle Punkte bezeichnet sind. Von der Endigung des Haustorialfortsatzes gehen nach allen Richtungen die Haustorialschläuche aus; drei sind nur in Theilstrecken ihres Verlaufes getroffen, zwei sind ihrer ganzen Ausdehnung nach verfolgbar. Man sieht, wie die Schläuche mehrfach ihre Wachstumsrichtung geändert haben. Der eine, ursprünglich quer durchs Holz gewachsen, biegt nahezu unter rechtem Winkel ab, um dann vorwiegend in der Längsrichtung, dann wieder in schräger seinen Weg fortzusetzen. Ein Stück eines solchen Schlauches, ebenfalls aus einem Tangentalschnitte, ist in detaillirterer Weise in Fig. 1, Tafel VIII, wiedergegeben. Wir sehen hier auch, dass dieSchläuchebefähigt sind, wenigstens kurzeVerzweigungen einzu- gehen. Das gleiche zeigt auch Fig. 6, Taf. VIII, in der die Endigung eines gabelig getheilten Schlauches dargestellt ist. Auch sah ich Fälle, die es wenigstens wahrscheinlich erscheinen liessen, dass solche Verzweigungen bedeutendere Länge erreichen können. In Längsschnitten durch die Haustorialfortsätze trifft man erklärlicher Weise meist nur einzelne dieser Schläuche. So sehen wir in Fig. 1, Taf. VIII, ein Stück eines Wirthswurzel-Querschnittes und an der einen Flanke desselben auch einen Theil eines Haustorialfortsatzes, dessen Endigung in dem Holz- körper ziemlich tief unter der mit c bezeichneten, cambialen Zone liegt. Von dem Fortsatz zweigt der Haustorialschlauch h ab, allerdings unter der Schnittfläche. Später tritt der Schlauch eine Strecke weit in die Schnittebene, um weiterhin wieder unter dieselbe abzubiegen. Sein Lauf folgt wesentlich dem Cambium. Ein ähnliches Bild stellt Fig. 2, Tafel VIII, dar. Wir unter- 338 scheiden leicht Rinde und Holzkörper der Wirthswurzel; mit b ist eine Bastfasergruppe bezeichnet, mit ce das Cambium, mit hf der Haustorial- fortsatz, endlich mit tr der Tracheidenstrang desselben. Den Weg durch die Rinde hat hier der Haustorialfortsatz offenbar nicht in radialer, sondern in schiefer Riehtung genommen. Von ihm gehen mehrere Haustorialschläuche aus, von denen zwei streckenweise in der Schnittebene liegen. Der eine zieht zwischen Holz und Cambium tangental dahin, der andere verläuft etwas tiefer, aber zunächst annähernd parallel dem ersten. Später zweigt er, wie das, aus combinirten Einstellungen gewonnene Bild zeigt, von der ursprüng- lichen Richtung ab und dringt tiefer in den Holzkörper ein. Wenden sich die Haustorialschläuche nach oben oder unten, d. h. durch- wachsen sie den Holzkörper in der Längsrichtung, dann findet man auf den Wurzelquerschnitten häufig nur die Durchschnitte der Schläuche, während der massige Theil des Haustorialfortsatzes gar nicht vom Schnitte tangirt zu sein braucht. Die Anwesenheit des Parasiten ist dann wenig auffällig und in solchen Fällen ist schon einige Vertrautheit mit dem Object erforderlieh — um nicht der Täuschung zu verfallen und die in das Gewebe des Wirthes streng eingepassten Durchschnitte der Haustorialfäden mit den Querschnitten von Gefässen zu verwechseln. Diesen Fall vermag uns Fig. 4, Tafel VII, zu veranschaulichen, in der mit h die durchschnittenen Haustorial- schläuche bezeichnet sind. Ebenso erhält man an radialen Längsschnitten durch die Wirthswurzeln die tangental unterhalb des Cambiums verlaufenden Haustorialschläuche im Querschnitt (vgl. Fig 4, Tafel VII). Hier fallen aber die lochartigen, kreisförmigen Durchschnitte als etwas Fremdes, der Wirthswurzel nicht eigenes, sofort auf, und es hat Bowman in Fig. 4, Tab. 23, einen Radial- schnitt durch eine Wirthswurzel dargestellt, in der im „alburnum“ eine grosse Zahl von Kreisen eingezeichnet ist, welche ohne Zweifel Querschnitten von Haustorialschläuchen entsprechen '),. Bowman hat es auch herausgefühlt, dass er hier Elemente des Parasiten vor sich habe; freilich die Aufklärung des wahren Sachverhaltes misslang ihm. Er wird zur Annahme verleitet, dass es zweierlei ‚tubers‘‘ (Haustorien) gäbe und sagt pag. 406, dass bei jenen, wie ein solcher in seiner Fig. 4, Tab. 23, abgebildet sei, keine Spur eines Haustorialfortsatzes zu finden wäre. „Here also was no trace of the funnel-shaped process; and the only symptom of derangement or disease in the bark and alburnum of the Ash root, was a number of small globules, mostly detached, but more elosely congregated beneath the centre of the tuber.“ Bowman hat den Schnitt, welcher den Haustorialfortsatz enthielt, übersehen und nur einen in nächster Nähe desselben vorbeiführenden abgebildet, in 1) Merkwürdiger Weise sind diese Haustorialschläuche allen früheren Bearbeitern der Squamaria-Haustorien entgangen. Bei Bowman allein finden sie sich, getroffen in der oben bezeichneten Schnittrichtung, dargestellt; doch wusste er das Bild nicht zu deuten, und hatte keine Ahnung, dass es Querschnitte von Schläuchen seien. 339 welchem die tangental ausstrahlenden Haustorialschläuche, da es ein radialer Längsschnitt war, quer durchschnitten wurden. Ihre Durchschnitte sind die in seiner Beschreibung als „globules“ bezeichneten Gebilde. Ja, Bowman kommt schliesslich sogar (pag. 407) zu der Auffassung, es hier mit jungen, in Ent- wicklung begriffenen Haustorien zu thun zu haben, und dass die „globules“ gewissermassen die Vorläufer und Bahnbrecher für den noch unentwickelten Haustorialfortsatz seien. ,„Ithink it probable that all these, including the section Fig. 4, were tubers in the early stages of their action on the parent root; and that the globules interspersed in them and in the bark and alburnum underneath, with a central tendeney, were preparing the way for the yet undeveloped inferior appendage or funnel.‘“ Die Haustorialmycelfäden haben in der Regel ziemlich derbe Wandungen und färben sich, wenigstens stets wenn sie im Holze verlaufen, mit Fuchsin roth, wie verholzte Membranen. Es scheint mir aber wahrscheinlich, dass sie nicht durchaus verholzt sind, sondern wenigstens in ihren wachsthumsfähigen Spitzen diese Reaction nur wegen der Infiltration der Membran mit einer der beim Verholzungsprozesse mitbetheiligten Substanzen geben. Auch besitzen sie eine, wie es scheint, ihnen ziemlich regelmässig zukommende Membranskulptur. An Stelle der netzartigen Wandverdickung, welche die Tracheiden im Haustorialknopf und dem Tracheidenstrang auszeichnet, sehen wir an den Haustorialschläuchen Tüpfelbildung eintreten. Fig. 9, Tafel IX, zeigt uns die untere Wandung aus einem Theil eines angeschnittenen Haustorialschlauches. In Fig. 5, Tafel VII, sehen wir, dass diese Skulptur auch die Spitze des Haustorial- fadens erreicht. Ob dies nur bei solchen Schläuchen der Fall ist, welche ihr Wachsthum abgeschlossen haben, kann ich nicht sagen. In Fig. 5 a endet der Haustorialschlauch frei in einem Gefässe, welches er durchbrochen hat. Die Tüpfel erscheinen spaltenförmig. In Fig. 5 b ist aber dieselbe Schlauchspitze, nur in Aufsicht auf ihre untere Wandung von innen aus, dargestellt. Die Tüpfel zeigen nun Höfe, wir haben es also mit einseitig behöften, spaltenförmigen Tüpfeln zu thun. Dass diese Tüpfel wohl einer Erleichterung der Stoffaufnahme dienen, braucht kaum besonders betont zu werden. Soweit es sich um die gewissermassen normalen Verhältnisse handelt, kennen wir jetzt den Bau der Haustorien von Ögquamaria. Es ist aber noch einer sehr häufigen Erscheinung zu gedenken, welche sich an den Haustorialfortsätzen beobachten lässt. Freilich muss hier bemerkt werden, dass alles von mir untersuchte Material von Squamaria auf der Grauerle, als Wirthspflanze, aufsass; und da die jetzt zu schildernden Verhältnisse wesentlich durch den anatomischen Bau der Rinde der Wirthswurzeln bedingt sind, ist es möglich, dass sie an den Haustorialfortsätzen der Squamaria, welche in die Wurzeln anderer Holzgewächse eingedrungen sind, nicht vorkommen. In der Rinde von Alnus incana verlaufen nämlich in einer mittleren Zone reichlichst und in diehter Drängung Bündel von mechanischen Fasern und a Nester von Steinzellen. Diese Festigungs-Elemente geben den eindringenden Squamaria-Haustorien viel zu schaffen und verwehren oft dem Parasiten das Eindringen zu den nahrungsreicheren Partien in der Nähe des Cambiums. Wir haben ja auch bei Lathraea Clandestina gesehen, dass die mecha- nischen Fasern schwer bezwungen werden und vielfach, man könnte sagen als unverdaute Reste, im Innern der Haustorialfortsätze liegen bleiben. In gleicher Weise erkämpfen sich die Haustorialfortsätze der Sqrwamaria nur schwer den Durchtritt durch den bei den Erlenwurzeln viel engeren Festigungs- ring. In Folge dessen findet man oft die Haustorialfortsätze vor dem Festigungsring gleichsam gestaut; sie nehmen dabei mehr minder wechselnde Umrisse an und bleiben räumlich auf den äusseren Theil der Wurzelrinde beschränkt. Ich möchte diese Bildungen als ‚„‚Haustorialpolster‘‘ bezeichnen. Oft finden sich solche in grosser Zahl an den Durchschnitten durch die Wirths- wurzeln vor; sie liegen meist mit breiter Grundfläche dem Festigungsring eng an, und wölben sich nach aussen in der Rinde vor, so dass sie im Ganzen etwa mit der Gestalt eines Brotleibes verglichen werden könnten. Fig. 2, Tafel X, zeigt, in dem bei geringer Vergrösserung schematisch ge- zeichneten Wurzelquerschnitte, die in einer Bogenlinie angeordneten Bündel mechanischer Elemente, welche durch die kleinen, dunklen Felder angedeutet sind. Die Haustorialpolster sind weiss gelassen. Es sind die Gewebemassen von mindestens 6 Haustorialfortsätzen an dem dargestellten Theile des Wurzel- querschnittes vorhanden; dem einen allein ist es geglückt, seinen Haustorial- fortsatz bis zum Holzkörper vorzuschieben. Dabei kommt es vor, dass der eine Haustorialfortsatz auch in die Gewebe des andern dringt oder sie auch durchbricht. In ähnlicher Weise zeigt Fig. 4, Tafel X, die Stauung eines Haustorial- fortsatzes an den mechanischen Elementen, die tangentiale Ablenkung von der ursprünglichen Eintrittsrichtung, und die Bildung eines Haustorialpolsters. Derselbe liegt eingekeilt zwischen den mechanischen Elementen, zwischen lebender, stärkeführender Rinde (grau) und abgestorbener Borke (schraffirt) der Wurzelrinde. Der Schnitt enthält aber auch die Einbruchsstelle des Haustorialfortsatzes, während eine Reihe tieferer und höherer Querschnitte durch die Wirthswurzel nur die Querschnitte des kuchenförmig abgeplatteten Haustorialpolsters gezeigt haben würden. Auch die Fig. 3, Tafel X, ist lehrreich. Der in die Rinde eingetretene Haustorialfortsatz hat sich zunächst vor dem mechanischen Gewebe gestaut, bald aber gelang es ihm, durch eine Lücke das Vordringen nach der inneren Rinde und bis zum Holzkörper zu foreiren. Ueberdies sehen wir in dieser Skizze den im Ganzen gewiss ver- hältnissmässig selten eintretenden Fall, dass sich der Haustorialfortsatz in 3 Aeste theilt, von denen zwei gesondert an den Holzkörper vorgedrungen sind). !) Hovelacque (l. ce. pag. 632) erwähnt auch bezüglich der Rhinanthaceen im allgemeinen, dass ihre Haustorialfortsätze verzweigt sein können. 341 Hier möchte ich noch einige Bemerkungen nachtragen, welche für beide Lathraea-Arten in gleicher Weise gelten. Ueber die Ausbildung einer Tracheiden -Platte (Clandestina), respective eines Tracheiden - Stranges (Squamaria), und ihre Fortsetzung in den Haustorialfortsatz war eingehend die Rede. Ich möchte nur noch betonen, dass diesem trachealen Strang, sowie es Koch') für Rhinanthus anführt, auch bei den Lathraeen aus- geprägte Weichbast-Elemente vollständig fehlen. Ferner ist die Art des Anschlusses der Haustorialfortsätze an die Gewebe der Wirthswurzeln genauer festzustellen. Unger”) hob hervor „dass die Saugnäpfehen der Lathraea Squamaria ihre Verbindung stets nur mit dem rohen Nahrungssaft führenden Holzkörper der Nährpflanze unterhalten,“ während Pitra°) sagt: „das Gefässbündel der Saugwurzel dringt bis an den Holzkörper der Nährpflanze und berührt denselben unmittelbar; das dünnwandige Gewebe tritt mit dem Cambiumringe der Nährpflanze in Zusammen- hang.“ Verfolgt man das in den Abschnitten 3 und 4 Gesagte, und speciell die Darstellung, welche im 6. Abschnitte über die Wirkungen der Haustorien in den Wirthswurzeln gegeben werden soll, so wird man finden, dass sowohl Unger’s als Pitra’s oben angeführte Sätze das Richtige nicht treffen. Vielmehr gilt rücksichtlich der Haustorialfortsätze der Lathraeen das Gleiche, was Koch) bezüglich desjenigen von Khinanthus hervorgehoben hat, „dass ein Anschluss weder an die Gefässe, noch an den Weichbast besonders gesucht wird.“ Die Tendenz der Haustorialfortsätze ist die, die nöthige Nahrung zu gewinnen. Sie streben den Holzkörper zu erreichen, erreichen ihn meist auch und dringen zum mindesten etwas in demselben vor, aber nicht nur des „rohen Nahrungssaftes‘‘ wegen, wie Unger infolge der damalig geltenden Anschauungen erklärlicher Weise vermuthete; sie finden im Holz ausser Wasser und den darin gelösten Substanzen auch die reichen Vorräthe an plastischem Material, welche in den parenchymatischen Elementen auf- gestapelt sind. Das Cambium und der Siebtheil wird, speciell von Lathraea Squamaria, ausser an der Stelle, wo der Durchbruch des Haustorialfort- satzes an den Holzkörper stattfindet, meist verschont; doch findet, vorwiegend tangental demselben genähert, die Ausbreitung der beschriebenen Haustorial- schläuche im Holzkörper statt. Es ist als ob der Parasit jene Leitungsbahn für wichtige plastische Stoffe nicht zerstören wollte, sich aber doch in gehöriger Nähe hielte, um doch aus dieser Quelle schöpfen zu können. Bei Clandestina, wo ein tieferes Eindringen des Haustorialfortsatzes in das Holz seltener stattfindet, weil offenbar die Kräfte dazu nicht vorhanden sind, biegen die Haustorialfortsätze häufiger in das Cambium und den Siebtheil der Wirthswurzeln seitlich aus. Ihr Vorgehen ist aber stets nur ein de- struetives, und speciell von einer angestrebten organischen Angliederung r32.2..0:18:217. 2) Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Wien 1855, S. 305. 3) a.a. 0. S. 65. 2), 205814 342 gleichnamiger Elemente ist nirgends eine Spur. Auch ist bei Clandestina wie bei Squamaria ein grosser Theil der dünnwandigen Zellen des Haustorial- fortsatzes in direetem Contact mit den Holzelementen der Wirthswurzel, durchaus nicht mit den cambialen; und gerade diese dünnwandigen Elemente sind beim Vorschreiten im Wirthsgewebe jedenfalls die sich am meisten bethätigenden. V, Die Inhaltsstoffe der Haustorien. A. Lathraea COlandestina. Die grosszellige, primäre Rinde führt in den meisten Fällen bedeutende Massen von Stärke. Die Wandungen dieser Rindenzellen besitzen zahlreiche einfache Tüpfel, welche indessen erst auf Chlorzinkjod-Behandlung bemerkbar werden. Gegen die Ansatzfliche der Haustorien, oder die eventuell zur Bil- dung kommenden Zangenfortsätze hin, keilt sich diese Stärke führende Zell- lage aus, wie dies die schematischen Figuren 1 a und 4, Taf. V, andeuten. Im allgemeinen sind in dieser Rindenzone die Stärkekörner von beträchtlicher Grösse, und finden eirca 20—40 Körner in der einzelnen Zelle Platz. Doch unter- seits des Tracheidenkopfes lehnt sich an die grosskörnige Stärke führenden Rindenzelllagen eine zweite Schichte von Rindenzellen an, die sich durch den Gehalt an bedeutend kleinkörnigerer Stärke auszeichnet (St u. st in Fig. 1a, Taf. V). Ein solcher Stärkevorrath wurde in den Haustorien sowohl im Sommer als im Winter gefunden. Nur in Haustorien, welche ihre vollständige Dif- ferenzirung noch nicht erreicht hatten, in denen z. B. die T'rracheidenplatte erst durch eine Meristemzone angedeutet war, fehlte Stärke meist nahezu gänzlich. Der untere Theil des Tracheidenkopfes besteht, wie wir schon im III. Abschnitte sahen, aus einem Netzwerk bogiger Tracheidenreihen, welche sich, nach unten convergirend, in der Tracheidenplatte vereinigen. (Sche- matisch besonders in Fig. 2, Taf. V, angedeutet.) Der Raum innerhalb der durch die Tracheidenreihen begrenzten Maschen wird von einem kleinzelligen Parenchym erfüllt. Dieses erscheint sehr plasmareich, die Zellkerne sind gross und besitzen ausser einem (eventuell 2) Nucleolus, hier ganz auffällige, körnige Differenzirungen. Von diesen soll indess erst später gesprochen werden. Das gleiche Gewebe führt aber auch reichlich Phosphorverbindun- gen, welche sich am Alkohol-Material in der Form kugeliger Ausscheidun- gen, von wechselnder Grösse, bemerkbar machen. Meist sind die Kugeln massiv, vielfach aber auch hohl, bei wechselnder Dicke der Wandung. Glüht man Schnitte, welche solche Phosphatkugeln (wie wir sie kurz nennen wollen) enthalten, so erhält man, wenn die Verbrennung unvollständig vollzogen wurde, an Stelle der früher weissen, ziemlich stark liehtbrechenden Gebilde, schwarze, kohlige Kugeln; ein Beweis, dass bei Ausscheidung der phosphorhaltigen Verbindung auch organische Stoffe mitgerissen wurden, 343 oder, dass eine organische Phosphor-Verbindung vorliegt. Mit veraschten Schnitten, sowohl von frischem als auch vom Alkohol-Material, erhält man bei Anwendung von Salpetersäure und Molybdänsaurem Ammon, reichlich die bekannte Phosphorsäure-Reaction. Dieselbe stellt sich aber nach län- gerer Zeit auch ein, wenn man ungeglühte Schnitte mit den genannten Reagentien behandelt. Dreiprozentige Kalilauge lässt die Kugeln intact; ebenso sind sie an Schnitten, welche mit Javelle’scher Lauge behandelt wurden, meist erhalten. So fand ich die Phosphatkugeln noch vor, nachdem Schnitte %, ja 4 Stunden in der Lauge gelegen waren. Hingegen wurden sie in Schnitten, welche 21 Stunden der Wirkung der Lauge ausgesetzt gewesen, nicht mehr vor- gefunden. Weder in kaltem, noch in kochendem Wasser werden sie gelöst). In Chlorzinkjod sah ich sie erhalten bleiben. Doch sind sie sehr empfind- lich gegen Säuren. Einprozentige Essigsäure, einprozentige Chromsäure lösen sie rasch; die Kugeln schmelzen gewissermassen von aussen nach innen ab. Ebenso wirken Pikrinsäure, verdünnte Salz- oder Schwefelsäure. In Präparaten, welche mit säurehaltigen Tinktionsflüssigkeiten behandelt wurden, sind infolge dessen die Phosphatkugeln stets verschwunden. So bei Anwendung von Methylgrün-Essigsäure, Schneider’scher Essigsäure; bei Tinetion mit Fuchsin, wenn die Schnitte vor dem Auswaschen in Alkohol, früher in Pikrinsäure übertragen werden. Schwer löslich sind die Phosphatkugeln aber in concentrirter Essigsäure, und darin stimmen sie mit den Globoiden der Alenaonkörner überein), mit denen sie auch in der Erscheinung und in anderen Reactionen viele Aehn- lichkeit besitzen. Freilich ist dabei nicht zu vergessen, dass die Globoide in den lebenden Zellen auftreten, während die hier besprochenen Phosphat- kugeln als Fällungsproducte in mit Alkohol behandeltem Material erscheinen. Bei Jodjodkalium-Behandlung bleiben die Kugeln ungefärbt, und dies ge- stattet ihre scharfe Unterscheidung von den später zu besprechenden Amylo- dextrin-Stärkekörnern. Auch die verschiedensten, angewendeten Farbstoffe haben nie zu einer Färbung der Phosphatkugeln geführt. An Präparaten, welche in Canadabalsam eingeschlossen sind, erscheinen die Phosphatkugeln als vacuolige Einschlüsse der Zellen, insbesondere bei hoher Einstellung. Krystallinische, etwa späritische Ausscheidungen scheinen es nicht zu sein; bei gekreuzten Nicols leuchten die Kugeln nicht auf. Seltener findet sich in dem in Rede stehenden Parenchym des Tracheiden- kopfes auch Stärke. Es ist aber gleich hervorzuheben, dass diese Stärke nicht die Reactionen gewöhnlicher Stärke giebt, sondern sich im wesentlichen 1) Freilich büssen sie in kochendem Wasser die starke Lichtbrechung ein, und offenbar wird ein Stoff aus ihnen weggelöst, während ein substanzarmer Rest in den Umrissen der ursprünglichen Kugel zurückbleibt. Oft ist wiederholtes Auf- kochen des Schnittes unter Deckglas nothwendig, um das Verschwinden der starken Lichtbrechung, die partielle Lösung also, zu erzielen. 2) Vgl. Zimmermann, Die Botanische Mikrotechnik, S. 214. 344 der sogenannten rothen Stärke anschliesst, welche in der Hauptsache aus Amylodextrin bestehen soll'). Diese Amylodextrin-Stärke, wie ich sie bezeichnen will, kommt aber viel reichlicher als im zartwandigen Parenchym des Tracheidenkopfes, in den Tracheidenreihen desselben vor. Zunächst sind es die beiden unteren Flanken des Tracheidenkopfes, welche häufig besonders reich an Amylodextrin-Stärke sind; auch an den oberen, seitlichen Partieen, welche den Uebergang zum Wurzelstrang vermitteln, tritt dieselbe oft massig auf. Im selteneren Fällen erfüllt sie aber sämmtliche Zellreihen des Tracheidenkopfes, welche durch die netzigen, verholzten Membranver- diekungen ausgezeichnet sind, gegenüber dem früher besprochenen, proto- plasmareichen, grosskernigen Parenchym. Auch die an die Unterseite des Tracheidenkopfes grenzenden Meristemzellen führen häufiger diese Amylo- dextrin-Stärke. Dass wir es in diesen Körnern nicht etwa mit Ausfällungsprodukten zu thun haben, welche bei der Conservirung entstehen, ergiebt sich aus ihrer Anwesenheit in lebendem Material. Gegen alkoholische Jodlösung verhalten sich die Amylodextrin-Stärkekörner sehr negativ. Oft werden sie gar nicht tingirt, oder sie zeigen nur einen Stich ins Gelbliche. Auf Zusatz von Jod- kryställchen neben im Wasser unter Deckglas liegenden Schnitten, wird die Reaction etwas ausgesprochener, die Körner werden rothbraun. Noch energischer wirkt Jodjodkalium. In diesem quellen die Körner beträchtlich und werden holzbraun. Ihre äusserste Lamelle wird bei der Quellung un- regelmässig hin- und hergebogen und scheint relativ am resistentesten zu sein. Nach längerer Einwirkung des Jodjodkalium blasst die Färbung etwas ab, die Lichtbrechung ist während des Quellungsprocesses verloren gegangen, die Körner machen den Eindruck gekröseartiger Massen, wie a. a. 0. 8. 347 auch A. Mayer von der rothen Stärke berichtet. Nach dem Erwärmen verblasst die Färbung beinahe gänzlich, um beim Erkalten wieder intensiver aufzutreten. In der Grösse sind diese Amylodextrin-Stärkekörner recht wechselnd, immer aber stehen sie hinter den grossen Stärkekörnern in den Zellen der primären Rinde bedeutend zurück. Beim Kochen verquellen sie energischer als die normalen Stärkekörner; die Umrisse der einzelnen Körner verschwinden meist, während sie bei jenen noch vorhanden sind. Auf Zusatz von Jod- tinetur färbt sich die Kleistermasse der Amylodextrinkörner lila oder blass- weinroth, während die grossen Stärkekörner der Rinde einen intensiv berliner- blau gefärbten Kleister liefern. Dasselbe Verhalten zeigt der Kleister, der durch Verquellen mittels Säuren oder Kalilauge erhalten wird. Hat man Schnitte vorausgehend mit Jodtinetur behandelt und lässt dann conc. Schwefel- säure einwirken, so zeigen die verquellenden Amylodextrin -Stärkekörner braungelbe Färbung, welche aber mit ihrer Auflösung verschwindet. 1) Vgl. Arthur Mayer, Ueber Stärkekörner, welche sich mit Jod roth färben. Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch., Bd. IV, S. 337, Taf. XX. 345 In Eau de Javelle bleiben die Amylodextrin-Körner erhalten; gewiss, wenigstens bei nicht allzulange währender Einwirkung der Lauge. Mit Fuchsin lassen sie sich färben, hingegen blieben sie auch nach langem Liegen in wässeriger Eosin-Lösung ungefärbt '!). Unter dem Polarisations-Mikroskop lassen die grössten Amylodextrin- Stärkekörner Doppelbrechung erkennen, doch ist das 4armige dunkle Kreuz, das bei gekreuzten Nikols erscheint, nicht annähernd so scharf ausgeprägt als bei gewöhnlichen Stärkekörnern ”). Dass auch diese Amylodextrin-Stärke einen wasserreichen Kern besitzt, geht daraus hervor, dass die Quellungs- Erscheinungen von innen heraus erfolgen, und dass an Schnitten, welche behufs Einbettung in Canadabalsam entwässert werden, in der centralen Partie der Körner eine Höhlung, und an diese anschliessend Risse bemerkbar werden, in welche beim Uebertragen der Schnitte leicht Luft eindringt. Auf einen geschichteten Bau der Körner weist besonders die Thatsache hin, dass man auch Körner findet, deren Centrum die Reaction der gewöhnlichen Stärke zeigt, auf Jod sich bläut, während eine peripherische Zone nur gelblich oder röthlich braun wird”). Andeutungen dieser Erscheinung sah ich auch bei Clandestina,; viel schärfer ausgesprochen wurde sie bei Squamaria gesehen; darauf soll später noch hingewiesen werden. Es sei übrigens bemerkt, dass sich in manchen Fällen auch die grossen Stärkekörner der grosszelligen Rinde mit Jodtinetur nicht rasch bläuen, zuerst gelblich er- scheinen und erst bei reichlichem Wasserzusatz blau werden. Immer lässt sich dann an ihnen eine periphere, oft sehr dünne, gelbliche Schicht erkennen, und dies um so deutlicher, je näher gegen das Centrum des Haustoriums die Parenchymzellen gelegen sind. Offenbar kommen die mannigfachsten Uebergänge zwischen Amylodextrin-Stärke- und gewöhnlichen Stärke- körnern vor). !) A. Tschirch, Ueber die Inhaltsstoffe der Zellen des Arillus von Myristica fragrans Hott. Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch., 1838), beschreibt Amylodextrin- Stärkekörner, welche in der Form sehr verschieden von den bei Lathraea gefundenen sind, in den Reactionen sich aber vollends gleich verhielten. Auch die Nichtfärb- barkeit mit Eosin trifft in beiden Fällen zu, nur will ich bemerken, dass in einem Controllversuche mit Weizenstärke auch diese in Eosin nahezu ungefärbt blieb. Nur an den grösseren Körnern wurde eine Spur von Färbung wahrnehmbar. 2) Während im übrigen die Reactionen der Amylodextrin-Stärke von Lathraea mit dem übereinstimmen, was A. Mayer |. ec. über die Reactionen der rothen Stärke schreibt (ausgenommen vielleicht eine mindere, fast nie ins Rothe gehende, Färbung der Lathraes- Amylodextrin-Stärke auf Jodzusatz), konnte ich bei den Amylodextrin- Stärkekörnern keinesfalls ein stärkeres Hervortreten des orthogonalen schwarzen Kreuzes, als bei normalen Stärkekörnern, im Polarisationsmikroskope feststellen. 3) Nach A. Mayer (a. a. O. S. 341) wurden derartige Stärkekörner zunächst von Russow an Epipogium Gmelini beobachtet. Mayer selbst führt mehrere weitere Beispiele an. 4) In einem vereinzelten Falle reagirte auch die grosskörnige Stärke der periphe- rischen Rinde auf Jod nur nach Art der Amylodextrin-Stärke, Ob dies ein primäres 346 Amylodextrinstärke findet sich aber auch in den Elementen der Tra- cheidenplatte nicht selten vor, und mehrfach habe ich selbe sogar in den äussersten, an das Holz der Wirthswurzel anstossenden Tracheiden des Haustorialfortsatzes gefunden '). Das als hyalines Gewebe bezeichnete Parenchym, welches die Tracheiden- platte im Haustorialknopf umgiebt, ähnelt in mancher Beziehung dem Parenchym, welches im Tracheidenkopf das Netz der Tracheidenreihen umschliesst. Im lebenden Zustande erscheint das Gewebe durchsichtig. Ein mächtiger Proto- plasmaschlauch kleidet die Zellen aus; oft erscheint das Protoplasma schaumig, wenn an Stelle eines einheitlichen Zellsaftraumes 2—3 grosse Vacuolen vor- handen sind. Kochen der Schnitte führt zu einer milchigen Trübung des Gewebes, welches offenbar besonders reich an Eiweiss ist. Die Zellkerne sind gross, und schon am lebenden Material nimmt man wahr, dass auch in ihnen in beträchtlicher Zahl jene Einschlüsse vorhanden sind, deren wir schon S. 342 für die Parenchymzellen im Tracheidenkopf gedachten. Diese Ein- schlüsse sind aber sehr hinfälliger Natur, und in verletzten Zellen verschwinden sie sogleich, worauf nur mehr ein Nucleolus als Differenzirung im Kerne bemerkbar bleibt. An Schnitten, welche der Fixirung in Sublimat-Alkohol, Alkohol, oder 1 procentiger Chromsäure unterzogen wurden, erlangt man wenig befriedigende Bilder. Die in der Schnittebene gelegenen Zellen wurden eben verletzt, und bei der Grösse dieser müssen die Schnitte beträchtlich dick sein, um in tieferen Lagen intact gehärtete Zellen zu enthalten. Diese wieder sind der Beobachtung mit stärkeren Objectiven nicht zugänglich. Die besten Resultate ergiebt Material, das durch Einlegen ganzer Haustorien, sammt den Wirthswurzeln, in siedenden Alkohol oder in siedendes Wasser gewonnen wurde. Je rascher nach dem Herauspräpariren aus dem Erdreich dieses Verfahren vorgenommen wird, um so brauchbarer zu Untersuchungs- zwecken sind dann die Objecte. Färbung der Zellkern-Einschlüsse gelingt gut mit Böhmer’schem oder Ehrlich’schem Hämatoxylin, welche sie schwarz-violett hervorheben, mit Gentiana-Violett, mit dem sie intensiv blau werden, mit Fuchsin, durch das sie leuchtend roth gefärbt werden. Die übrige Zellkernsubstanz bleibt un- gefärbt, nur der Nucleolus nimmt bei Fuchsinfärbung ebenfalls viel Farb- stoff auf. Die Einschlüsse erinnern an Krystalloide, doch ihre relativ geringe Grösse ist einer sicheren Entscheidung etwas hinderlich. Eine beiläufige Skizze nach einem Gentianaviolett-Präparat giebt Fig. 11, Taf. V. Eckige Umrisse, Verhalten war, oder nur Folge von Säurewirkung, weil die betreffenden Schnitte durch längere Zeit (vielleicht 14 Tage) in einprocentiger Chromsäure gelegen waren, wage ich nicht zu entscheiden. 1) In Haustorialknöpfen, bei welchen in Folge Abreissens des Haustorialfortsatzes, bei der Präparation eine offene Wundfläche entstanden war, sieht man vielfach die Tracheidenreihen von einer homogenen, dunkelbraunen Inhaltsmasse erfüllt, Dieselbe dürfte wohl von der Zersetzung der Amylodextrin-Stärke herrühren. 347 Flächen und Kanten sind in günstigen Fällen sicher zu beobachten; in anderen erscheinen die Einschlüsse wohl auch mehr minder rundlich, tropfenartig. Kleinheit, eine gedrungene Krystallgestalt, hie und da vielleicht Fixirung in nicht völlig intactem Zustande, dürften dies veranlassen. Aehnliche Einschlüsse habe ich in den Zellkernen im jungen Schwellgewebe der Kapseln von Clandestina beobachtet, in Zellkernen, welche im ausgewachsenen Zustande der Zellen reich an grossen Krystalloiden sind. Ich habe schon damals die Frage erwogen, ob dies nicht die Anfangsstadien der Kıystalloide, resp. kleine, nicht leicht erkennbare Krystalloide seien. Ferner habe ich ähnliche Einschlüsse in den Zellkernen der Borstenhaare, welche an der Innenseite der Kronenröhre stehen, gesehen und auch schon beschrieben und abgebildet '). Jedenfalls sind die Krystalloide in den Schwellschichten der reifen Kapsel bedeutend grösser als jene im hyalinen Gewebe der Haustorien. Auch zeigten sie sich dort recht resistent, waren im, in Alkohol conservirten Material stets erhalten. Doch letzterer Umstand dürfte wenig in Betracht kommen, da offenbar die Erhaltung wesentlich abhängig ist von der Beschaffenheit des Zellsaftes.. So waren im Schwellgewebe der Squamaria-Kapseln die grossen Zellkern-Krystalloide im Alkohol-Material stets zerstört, unter gleichen Conservirungsbedingungen also, unter welchen sie bei Olandestina erhalten blieben. Bei Sguamarıa musste die Härtung immer an Schnitten in Sublimat-Alkohol vorgenommen werden. Nach Durchsicht der besten Schnitte mit der erst kürzlich erworbenen homog. Immersion, Apochromat 2,00, Apertur 1,30 und den Compensations- Ocularen 8 und 12 von Zeiss, erscheint es mir völlig sicher, dass die in Rede stehenden Einschlüsse Krystalloide sind. Auch ihre grosse Empfind- lichkeit resp. Vergänglichkeit, welche sie bei Verletzung der Zellen bekunden, stimmt mit dem, was wir über Zellkernkrystalloide sonst wissen, überein. Die Gewebe des Haustoriums scheinen einen sehr sauren Zellsaft zu führen, wie die Reactionen mit Lakmuspapier zeigen. Diese starke Acidität erklärt die Schwierigkeit der Fixirung der Krystalloide. Neben den Krystalloiden erscheint in den Zellkernen ein grosser Nucleolus. An dem durch siedendes Wasser oder durch siedenden Alkohol fixirten Material gewahrt man im Nucleolus nahezu regelmässig eine centrale, vacuolen- artige Höhlung. In einigen Fällen wurden auch 2, selbst 3 solcher beobachtet. Am grössten und deutlichsten sind die Zellkernkrystalloide im hyalinen Gewebe, wenn sich auch hier von Haustorium zu Haustorium Schwankungen ergeben. Es ist aber mit den erwähnten Tinetionsmethoden leicht nachzu- weisen, dass gleiche Einschlüsse auch in den Zellkernen des grosszelligen Rinden- parenchyms vorkommen. Doch sind sie hier jedenfalls spärlicher und kleiner, ihre Krystalloidnatur hier nur durch den Vergleich mit dem hyalinen Gewebe erschliessbar, und bei der Grösse der Zellen und der Kleinheit der Zellkerne fallen sie viel weniger auf. Wahrscheinlich fehlen Krystalloide dem Kern 1) Biologische Studien an der Gattung Zathraea. 1. Mittheilung. Sitzb. d. k. Akad. in Wien, Bd. CI. Abth. I. 1892: S. 44, Fig. 2, 1. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft II - 24 38 keiner intaeten Zelle des Haustoriums gänzlich, oder können doch zeitweilig in demselben auftreten. Phosphatkugeln und Amylodextrin-Stärke wurden im hyalinen Gewebe nicht beobachtet. Noch fällt aber ein weiterer Inhalts-Bestandtheil seiner Zellen auf, besonders wenn man diese in lebendem Zustande betrachtet. Man sieht nämlich im Protoplasma in grosser Zahl stark liehtbrechende Kiügelchen oder Tröpfchen, meist sind sie sehr klein, öfters auch etwas grösser, doch dann an Zahl, wie es scheint, geringer. Sie bleiben bei Zu- satz conc. Schwefelsäure erhalten. Ebenso findet man sie wieder, wenn frische Schnitte in Alkohol und dann in Javelle’sche Lauge gebracht werden; gewiss wenigstens, wenn sie der Einwirkung der Lauge nicht all- zulange ausgesetzt waren. Eiweissartiger Natur scheinen die Gebilde also nicht zu sein. Ueberträgt man die Schnitte in Alkohol, so gewinnt man den Eindruck, als ob sich die Kügelehen sammeln und eventuell zu grösseren Tröpfehen vereinen würden. Grössere büssen dabei an Lichtbrechung ein und stellen Kügelehen dar, die hohl zu sein scheinen, indem im Inneren der zur deutlich zweifach contourirten Kugelwandung erstarrten Masse ein Hohlraum entstanden zu sein scheint. Mit Jod färbt sich das Gerinnsel von Körnchen schwach gelbbräunlich, in Chlorzinkjod erscheint es mehr oder minder goldgelb. In Jodjodkalium verquellen die Kügelchen nicht, sie färben sich nur gelbbräunlich. Auf Zusatz von Jod und Schwefelsäure entstehen an Stelle der Körnehen oder Kügelchen grössere Tropfen von fettartigem Aussehen, offenbar durch Zusammenfliessen der ersteren. Aether löst jedoch die tröpfehenartigen Gebilde nicht; Oel sind sie keinesfalls. Noch will ich hier erwähnen, dass sich diese nach Eau de Javelle-Behandlung in den Zellen zurückbleibenden Gebilde mit Fuchsin intensiv färben. Die Fuchsin-Tinction liefert überhaupt schöne Präparate, wenn man die Tracheiden- platte und die Tracheidenreihen, also die verholzten Elemente im Haustorium scharf bervorheben will. Ich verfuhr dabei nach der von Zimmermann!) als Holzreaetion angegebenen Methode. Doch werden die im Protoplasma eingeschlossenen Kügelchen jener fraglichen, gummiartigen Substanz nicht gut tingirt, und hat man einfach in kaltem Alkohol fixirtes Material, so hindert auch die Bräunung des Protoplasmas den Einblick. Um die Kügelchen zu färben, ist es vortheilhaft den Protoplasmakörper vorher durch Ja velle’sche Lauge zu zerstören, welcher Vorgang der gleichzeitigen Tinetion der ver- holzten Elemente durch das Fuchsin gar keinen Eintrag bringt. — Die in den Zellen zurückbleibenden Kügelechen und Körnchen vereinigen sich zu einem Gerinnsel von sehr verschiedenartigem Aussehen. Sehr häufig sind sie zu Klümpehen vereinigt, welche unmittelbar an einen Zellkern erinnern. Speciell erinnern die gefärbten Kügelehen an die Krystalloide, wie sie eben in den grossen Kernen des hyalinen Gewebes vorkommen. An eine Beziehung 1) „Die Botanische Mikrotechnik,“ S. 145. 349 dieser Bildungen untereinander ist natürlich nicht zu denken — es liegt nur eine zufällige, besonders bei Anwendung geringerer Vergrösserungen, oft frappirende Aehnlichkeit vor. Eine den besprochenen Gebilden wahrscheinlich gleiche Substanz erfüllt aber auch vielfach die feinen Intercellularen im peripheren Rindengewebe, zum Theil auch im Parenchym in der Umgebung der Tracheidenplatte, und wird ebenfalls durch Fuchsin (oder Gentianaviolett) gefärbt. Theils sieht man, wenn es sich um Querschnitte der Intercellularen handelt, zwischen den Ecken der aneinanderstossenden Zellen, die bekannten, meist dreieckig erscheinenden Intercellularen davon erfüllt und darum roth gefärbt erscheinen, theils sieht man die Kanten der Zellen in Form gröberer, rother Linien hervorgehoben, wenn an die betreffende Kante ein Intercellularraum grenzt, der im Längsverlauf gesehen wird (vgl. die Fig. 9a, 9b u. 10, Taf. XI). Ich neige zur Ansicht hin, dass die gleiche Färbung, welche die Wandungen der verholzten Elemente, die besprochenen, auf Eau de Javelle-Behandlung restirenden Tröpfehen oder Kügelehen und endlich die Ausfüllungsmasse der Intercellularen, mit Fuchsin annehmen, wahrscheinlich auch eine chemische Verwandtschaft dieser Substanzen verräth. Ich vermuthe, dass in jenen Tröpfehen und in der Ausfüllungsmasse der Intercellularen eine gummiartige Substanz vorliegt, die der Parasit aus den zerstörten, verholzten Geweben der Wirthspflanze aufnimmt, und die vielleicht das Baumaterial zur Bildung der Amylodextrin-Stärke abgiebt. Bei Squamaria werden wir einiger weiterer Momente zu erwähnen haben, die dieser Ansicht zur Stütze gereichen könnten. B. Lathraea Squamaria. So wie im Baue, weichen die Haustorien von Squamarıa auch rück- sichtlich der Inhaltsbestandtheile von denjenigen der Olandestina in mancher Beziehung ab. Vor allem fällt der Mangel irgend erheblicher Mengen ge- wöhnlicher Stärke auf. Während bei Ulandestina die grosszellige, primäre Rinde in der Regel mit solcher Stärke vollgepfropft ist, fand ich in frisch untersuchtem Material, das am 7. März 1894 ausgegraben war, gar keine Stärke in der Rinde vor, am Material, das theils im April theils Mitte November 1892 geholt worden war, nur etwas Stärke und zwar stets in der basalen Region des Haustorialknopfes. Auch hier waren einigermassen grössere Stärkekörner nur selten zu finden. Merkwürdigerweise enthält nun gerade die primäre Rinde der Haustorien unserer Squamaria in grosser Zahl Leucoplasten, Gebilde, welche ich bei Clandestina trotz aller beobachteten Vorsicht vergeblich suchte. Diese Plastiden sind, wie ja die Leucoplasten überhaupt, sehr empfindlicher Natur. An im Alkohol conservirten Material bleiben sie zwar zum Theil erhalten, doch die intensive Bräunung des Plasmas verwehrt jeden genaueren Einblick, und in der That übersah ich sie an demselben. Relativ gut fixirt sind sie in frisch mit siedendem Wasser behandelten, dann im Alkohol aufbewahrten 24* 350 Haustorien. Am besten erhalten fand ich sie an Schnitten, welche frisch angefertigt und in Sublimat-Alkohol gehärtet wurden. Die Leucoplasten umgeben meist in grösserer Zahl den Zellkern (Fig. 7, Taf. VIII), kommen aber auch im übrigen, wandständigen Protoplasma zerstreut vor. Färbung gelingtgut mitMethylenblau, nur darf das Auswaschen im Alkohol nicht zu lange währen, wenn man Dauerpräparate in Canadabalsam ein- schliessen will. Die Leucoplasten erscheinen bei gelungener Tinction grünlich- blau, die Zellkerne mehr blau, die Nucleolen stets sehr intensiv blau gefärbt. Die Zellkerne halten das Methylenblau stärker fest als die Plastiden. Eben- falls gute Ergebnisse erzielt man mit Gentianaviolett, wenn man die Zeit- dauer des Auswaschens in Alkohol richtig trifft. Diesen Farbstoff halten die Plastiden viel energischer fest als die Zellkerne. Letztere erscheinen des- halb ungefärbt, wenn die ersteren noch gut tingirt sind. Uebrigens unter- scheidet man den Zellkern auch durch seine bedeutendere Grösse nicht schwer von den Plastiden derselben Zelle. Am Material, das durch siedendes Wasser fixirt wurde, sieht man in einzelnen Fällen Leucoplasten, welche in flossenartige Anhänge ausgezogen erscheinen (Fig. 2, Taf. IX); manche erinnern danngestaltlich an die Krystalloide führenden Stärkebildner in den Phajus-Knollen (die Plastide rechts in der Figur). Diese flossenartigen Anhänge sind aber jedenfalls ein Kunstprodukt. Die meiste Stärke, deren Vorkommen wie gesagt auf den basalen Theil des Haustoriums beschränkt ist, findet man nämlich im Zusammenhang mit Plastiden.. Offenbar entstehen die Stärkekörnchen im Innern der Leucoplasten, indem sie aber, beim Härten des Materials durch siedendes Wasser, ver- quellen, sprengen sie einseitig die gerinnende Plastide. Die Fig. 3, Taf. IX, wird die Richtigkeit dessen zur Genüge erhärten. Iu a ist ein kleines Stärkekörnchen in der Plastide eingeschlossen, ohne dass hier die Ver- kleisterung zur Sprengung der Plastidenwandung geführt hätte; in b, e, d und e sind aber lauter gesprengte Plastiden dargestellt, und bei den meisten lässt die Form der Plastide und des noch anhaftenden Kleister- klümpchens deutlich die Entstehungsweise jener flossenartigen Anhänge und Zipfel erkennen. Untersucht man die Plastiden am lebenden Material, so erscheinen sie stets als ellipsoidische oder kugelige, farblose Gebilde. Allein nur bei völlig frischem Material, das man sofort nach dem Auswaschen der Lathraea- Wurzeln und Haustorien in Untersuchung nimmt, bieten sie dieses Bild. Material, das nur einige Stunden im Wasser gelegen war '), weist an den Plastiden schon den Eintritt von Desorganisations-Erscheinungen auf. Sie sind dann nicht mehr homogen, sondern zeigen eine grössere Zahl von Tröpfchen oder Kügelchen von goldgelber bis oranger Farbe, welche sich ı) Im Wasser erhält sich das Material am längsten; noch früher treten Des- organisations-Erscheinungen in den Zellen auf, wenn man die Objecte an der Luft, sei es auch unter einer Glasglocke im feuchten Raume, stehen lässt. 351 vorwiegend nahe der Oberfläche vertheilen. Dieses Desorganisations-Stadium versinnlicht Fig. 6, Taf. IX. Später zerfallen die Plastiden, an ihrer Stelle verbleibt ein unregelmässiges Haufwerk jener kleinen Tröpfehen. Auch diese zerfallen endlich. Rücksichtlich der Natur der Tröpfehen ergab eine zufällige Beobachtung etwas Aufklärung. Frische Schnitte durch den Haustorialknopf von Sguamaria wurden mit Diphenylamin behandelt, um auf etwa vorhandene Nitrate und Nitrite zu prüfen. Da bemerkte ich, zunächst in den Zellen um den Tracheidenstrang, der später in den Haustorialfortsatz übertritt, intensiv blaue Kügelchen. Man hätte vermuthen können, dass im geronnenen Plasma jener eiweissreichen Zellen Vaeuolen mit nitrit- oder nitratreicher Lösung eingeschlossen lägen. Doch sah ich später, dass in den Rindenzellen die blauen Tröpfchen viel häufiger sind, und ihre Gruppirung liess vermuthen, dass die orangegelben Tröpfchen der Plastiden diese Reaction geben. Dies ist in der That der Fall, und die Blaufärbung ist nicht eine Nitrit- oder Nitrat-Reaction, denn sie erfolgt auch bei Anwendung von Schwefel- säure allein. In ihrer Reaction gleichen diese Tröpfehen den gelben, gelbrothen bis tiefmennigrothen Farbstoffen, welche in Pflanzen (Chlororufin, Hämatochrom, Carotin etc.) und Thieren häufig vorgefunden werden, die sämmtlich durch die Blaufärbung in conc. Schwefelsäure ausgezeichnet sind, und die nach Schrötter-Kristelli') alle einer homologen Reihe, der „Lipoxanthin“-Reihe angehören sollen. Die bezeichnete Reaction der orangegelben Tröpfehen interessirt aber auch in anderer Beziehung. Jüngst hat Molisch”) Beobachtungen über ein neues Chromogen veröffentlicht, das er in verschiedenen Pflanzen vor- fand, zunächst jedoch an Lathraea Squamaria entdeckt hatte. Wenn man nämlich Theilstücke frischer Lathraeen mit 1—3 procentiger Schwefel- oder Salzsäure behandelt, so erhält man sofort einen blauen Farbstoff aus- gezogen, der sich nach und nach in Körnchen und dendritischen Flocken abscheidet. Die Frage ist nun die, sind die orangegefärbten Tröpfchen in den Leucoplasten identisch mit dem Molisch’schen Chromogen und sind etwa die Leucoplasten die Bildungsstätte desselben? Von vornherein wäre man versucht, diese Frage zu bejahen. Molisch bemerkt auch, dass der Farbstoff nach und nach eine weitere Veränderung erleidet, infolge welcher er braunschwarz wird. „Man wird wohl mit der Annahme nicht fehlgehen, dass das Chromogen beim Eintrocknen oder Absterben ähnliche Zersetzungen erleidet und hierdurch die Veranlassung zur Schwarzfärbung giebt.“ Auch ich meine beobachtet zu haben, dass in dem Masse, als die Plastiden sich 1) Ueber ein neues Vorkommen von Carotin in der Pflanze, nebst Bemerkungen über die Verbreitung, Entstehung und Bedeutung dieses Farbstoffes. Botan. Central- blatt, 1895, Bd. LXL, S. 40. 2) Das Vorkommen und der Nachweis des Indicans in der Pflanze nebst Be- obachtungen über ein neues Chromogen. Sitzb. der k. Akad. in Wien, Bd. CII., Abth. I, 189. 352 zersetzen, allmählig eine Braunfärbung des Plasmas in den Zellen bemerkbar wurde. Der Annahme, dass die Plastiden der Sitz des Chromogens seien, steht indes das vollständige Fehlen derselben bei Clandestina entgegen, bei der das gleiche Chromogen aber doch vorhanden ist, und dasselbe Schwarzwerden der getrockneten oder der in Alkohol eingelegten Theile erfolgt. Dies spricht für einen anderen Sitz des farblosen Chromogens, und die Erscheinungen bei Squamaria liessen sich vielleicht am besten so auf- fassen, dass das Pigment in die sich desorganisirenden Plastiden eindringt und dort von vorhandenen oder sich ausscheidenden Oeltröpfehen ') aufge- nommen wird. Für diese Deutung spricht auch, dass für die Farbstoffe der „Lipoxanthin“-Reihe das stete Gebundensein an fettartige Körper charakteristisch sein soll”). Es erscheint mir nach allem wohl sehr wahr- scheinlich, dass der Farbstoff, welcher bei Schwefelsäurebehandlung in den Plastiden durch Blaufärbung bemerkbar wird, und jener, den Molisch bei Behandlung ganzer Lathraea-Stücke mit Schwefel- oder Salzsäure in der umgebenden Flüssigkeit erhielt, in beiden Fällen der gleiche ist; die Frage über den Sitz des Chromogens in der Pflanze aber würde noch weitere Untersuchungen erfordern. Was die Inhaltsbestandtheile im Tracheidenkopf der Sgquamaria betrifft, so herrscht im Wesentlichen Uebereinstimmung mit Clandestina. Abgesehen von den Tracheen des das Haustorium durchziehenden Wurzelstranges, findet man oft im ganzen Tracheidenkopf in grosser Menge die eigenartige Amylo- dextrinstärke. Besonders ist die untere Hälfte, wo die Tracheidenreihen von zartwandigem Parenchym umgeben sind, reich an dieser Stärke. In dem ebenerwähnten Parenchym treten die Amylodextrin-Stärkekörner seltener auf, die Tracheidenreihen selbst aber sind damit vollgepfropft, und werden nach Jodjodkalium-Behandlung als dunkelbraune Streifen bemerkbar. Die Fig. 7, Taf. IX, zeigt ein Paar der netzartig verdickten Tracheiden mit den Amylo- dextrinkugeln. Fig. 5b, Taf. IX, ein einzelnes, grösseres Amylodextrin-Stärke- korn, mit spaltenförmigen Rissen, welche es vom Kern aus durchsetzen. Bei Squamaria fand ich häufiger auch Körner, welche im Innern einen Kern besassen, der auf Jod wie gewöhnliche Stärke reagirte. Fig. 5a, Taf. IX, giebt ein Paar solcher Körner wieder. An Präparaten, welche seit einigen Monaten in Jodglycerin liegen, zeigt der Kern solcher Stärkekörner noch Jetzt dunkelblauschwarze Färbung, während die peripherischen Amylodextrin- stärke-Schalen höchstens einen Stich ins Gelbliche wahrnehmen lassen. Die Menge an Amylodextrin-Stärke überwiegt in den Haustorien der Sguamaria weitaus die Stärke gewöhnlicher Reaction, welche meistens im Rindengewebe des Basaltheils der Haustorien vorhanden ist. !) Oeltropfen sind in Chromatophoren keine Seltenheit. A. Zimmermann, (Die botanische Mikrotechnik, S. 203) erwähnt für die Leucoplasten in der Epidermis älterer Blätter von Agave americana, dass sie intensiv gelb gefärbte Oeltropfen führen. 2) Schrötter-Kristellil. e. 353 An Phosphaten ist im Haustorialknopf kein Mangel. Im Alkoholmaterial findet man stets kugelige Bildungen, und zwar nahezu ausschliesslich im zartwandigen Parenchym, welches in (er unteren Hälfte des Tracheiden- kopfes zwischen den Tracheiden-Reihen eingebettet ist. Die Kugeln sind bald grösser und dann in Einzahl, oder doch nur zu 2—3 in einer Zelle vorhanden (Fig. 4a, Taf. IX), oder sie sind kleiner, dafür zahlreicher (Fig. 4b, Taf. IX). Letzteres dann, wenn die Einwirkung des Alkohols rascher erfolgt, wenn z. B. frische Schnitte in Alkohol übertragen werden. Die grössten Kugeln bestehen nur ans einer mehr minder dieken Schale und sind hohl; auch bei Clandestina wurden solche beobachtet. Je nach der Einstellung erscheinen die Phosphatkugeln entweder stark lichtbrechend (bei tiefer), oder matt, vacuolenartig (bei hoher). Die Reactionen auf Phosphorsäure gelingen sehr sicher; auch hier sind in den Kugeln organische Stoffe enthalten, da sie bei unvollständiger Veraschung schwarz, kohlig erscheinen. In spärlicher Zahl, da und dort, gewahrt man auch in dem Parenchym unterhalb des Tracheidenkopfes Phosphatkugeln. Reactionen, welche darauf hin angestellt wurden, ob diese Kugeln auch Magnesium und Caleium enthielten, blieben in Bezug auf ersteren Stoff zweifelhaft, in Bezug auf letzteren fielen sie entschieden verneinend aus. Das Parenchym unterhalb des Tracheidenkopfes, in der Umgebung des Tracheidenstranges und zwischen der primären Rinde, erscheint auch hier im Leben als hyalines Gewebe, nur tritt es an Masse gegenüber (landestina bedeutend zurück. Die Zellen zeigen einen mächtigen Protoplasmaschlauch ; im Alkohol werden sie in Folge der reichen, körnigen Fällung sehr undurch- sichtig (Fig. 8, Taf. IX). Jedenfalls sind sie reich an Eiweissstoffen, wofür ihr Verhalten gegenüber Anilinfarblösungen und dem Millon’schem Reagenz spricht. Die grossen Zellkerne sind in ihrem Umfange oft schwierig zu erkennen, weil das protoplasmatische Gerinnsel sie mehr oder weniger ver- deckt. Doch habe ich in ihnen, wie auch in den Kernen des zartwandigen Parenchyms im Tracheidenkopf (und überhaupt in den Zellen des Haustoriums) nie die endlich als Krystalloide erkannten Einschlüsse wahr- genommen, welche bei Clandestina in diesen Theilen des Haustoriums besonders auffallen. Die Zellen im hyalinen Gewebe von Sguamaria haften locker aneinander, daher man an Schnitten dasselbe selten in vollständigem Zusammenhang erhält. Die Wandungen der Zellen zeigen Neigung zum Quellen, wie dies die in Fig. 8, Taf. IX, gezeichnete Zelle aus diesem Gewebe zeigt. Die Quellungserscheinungen sind jedoch häufig auf einzelne Wände der Zellen beschränkt. An Schnitten, welche in Chlorzinkjod oder in einprocentiger Chromsäure gelegen waren, tritt dieses Quellungsvermögen der Membranen besonders hervor. Betrachtet man das hyaline Gewebe an frischen Schnitten, so fallen auch hier im Plasmaschlauch jene stark lichtbrechenden Tröpfchen auf, deren wir schon bei Clandestina gedachten. Man beobachtet an ihnen auch 354 tanzende, wimmelnde Bewegungen. Sie sind bei Sguamaria in noch grösserer Menge vorhanden als bei Clandestina, ihre Reactionen sind aber hier wie dort die gleichen. Am besten lernen wir diesen Inhaltsstoff an Schnitten kennen, welche nicht zu lange mit Javelle’scher Lauge behandelt und dann mit Fuchsin gefärbt wurden. Nach dem Auswaschen in Alkohol und dem Uebertragen in Xylol, resp. in Xylol-Canadabalsam, findet man beträcht- liche Mengen einer zurückgebliebenen, durch das Fuchsin intensiv tingirten Substanz. Ein Schnitt, der dreiviertel Stunden in einem Schälchen mit Eau de Javelle gelegen, und weiters in der angegebenen Weise behandelt worden war, zeigte die Zellen des hyalinen Gewebes erfüllt von kleineren und grösseren, intensiv gefärbten Tröpfehen. Neben diesen, oft auch allein, bemerkt man ein äusserst feines Gerinnsel kleinster Tröpfehen oder Körnchen, ebenfalls intensiv roth gefärbt; das Gerinnsel können auch grössere Klumpen, harzigen Körnern ähnlich, und wieder stark roth gefärbt, begleiten. Um einen harz- artigen Stoff handelt es sich aber nicht, denn ein soleher müsste durch die Behandlung mit absolutem Alkohol entfernt worden sein. Geringere Mengen einer gleichen Substanz finden sich auch in den übrigen, nicht verholzten Geweben, besonders im zartwandigen Parenchym in der unteren Hälfte des Tracheidenkopfes, und in der secundären Rinde. Vielfach, besonders in den basalen Theilen des Haustorialknopfes, und in der Grenzzone zwischen primärer und secundärer Rinde, erfüllt eine gleiche durch Färbung hervor- gehobene Substanz auch die engen Intercellularräume des Parenchyms. Setzt man die Behandlung der Schnitte mit Javelle’scher Lauge länger fort, so scheinen die betreffenden Substanzen gelöst zu werden. Ein Schnitt, der vier Stunden in der Lauge gelegen war, liess im hyalinen Gewebe nur einen, oft in einzelnen Ecken der Zellen zusammengedrängten, kleisterartigen Wandbelag erkennen, der mit Fuchsin einen heller rosenfarbenen Ton zeigte. Es macht den Eindruck als ob die Javelle’sche Lauge nach und nach eine Verquellung und Lösung jener Substanzen bewirken würde. Uebrigens tritt bei längerer Behandlung mit Lauge Auseinanderfallen der Schnitte ein, was weitere Beobachtungen beeinträchtigt. Ich glaube, wie schon bei Besprechung der Inhaltsstoffe der Olandestina- Haustorien bemerkt wurde, dass diese bei Eau de Javelle-Behandlung zu- nächst übrig bleibende Substanz ein Kohlehydrat, ein gummiartiger Stoff ist, den der Parasit aus den zerstörten Geweben des Wirthes aufnimmt und der zum Aufbau der Amylodextrin-Stärke verwendet wird. Eine weitere Begründung dafür giebt vielleicht die an anderer Stelle genauer zu erörternde Thatsache, dass wenigstens bei Squamaria eine ähnliche Substanz auch in der den Haustorialfortsatz umgebenden Rinde der Wirthswurzeln nach- gewiesen werden kann. Was den Haustorialfortsatz betrifft, so sind die den Tracheidenstrang begleitenden Zellen ziemlich plasmareich, führen aber im Plasma öfters Körnchen, welche sich mit Fuchsin intensiv färben (Fig. 6, Taf. VII), d. h. nach dem Auswaschen in Alkohol, den Farbstoff, sowie die verholzten a. Tracheidenwandungen, noch festhalten. Auch hier lässt die Javelle’sche Lauge häufig ähnliche Tröpfehen und Gerinnsel zurück, wie sie oben für das hyaline Gewebe vor allem hervorgehoben wurden. Besonders reich an Inhalt sind aber in manchen Fällen die Haustorialschläuche, und vorzüglich diejenigen, welche in den Holzkörper eingedrungen sind. Ein grosser Theil dieses Inhalts färbt sich intensiv mit Fuchsin, ein anderer nimmt den Farb- stoff nicht auf, oder hält ihn wenigstens nicht fest. Ich sah die Spitzen mancher Haustorialschläuche, öfters aber auch deren Basaltheile, mit einem Inhaltsstoffe erfüllt, der wie eine eingegossene Masse darin zu stecken schien. Diese Masse war durch gelbliche Färbung ausgezeichnet. In den von den Schlauchenden entfernten Theilen erschien die Inhaltsmasse verändert, und hier wurde sie denn auch durch Fuchsin roth gefärbt. So zeigt Fig. 10, Taf. IX, den angeschnitienen Basaltheil eines Haustorialschlauches, aus einem Tangentalschnitte durch den Haustorialfortsatz, erfüllt mit dem zu einer klumpigen Masse geformten Inhalt, der in Wirklichkeit gelblich gefärbt er- scheint. Und Fig. 7, Taf. VII, wieder stellt ein Stück eines Haustorial- schlauches dar, der senkrecht zu seinem Verlaufe einen Seitenast bildete. Dieser unter der Ursprungsstelle abgeschnittene Seitenast, dessen Umgrenzung uns die dunkle Kreislinie giebt, war mit einer starren Masse erfüllt, die, soweit selbe in der Zeichnung dunkler gehalten ist, mit Fuchsin sich intensiv roth, in den heller gelassenen Partien aber nur rosa färbte. In ihrem Aussehen erinnert die Inhaltsmasse in den Enden der Haustorialschläuche sehr an die Gummipfropfen, welche in den Gefässen des Wirthes, in der Nähe der Endigung des Haustorialfortsatzes, gebildet werden, und welche vorwiegend die gleiche gelbliche Färbung bei Fuchsinbehandlung zeigen, zum Theil aber auch eine mehr oder minder starke Rothfärbung erfahren. Die Inhaltsmasse gleicht aber auch den geflossenen, erstarrten Massen, welche besonders dort, wo der Parasit auf verholzte Elemente stösst, in der Um- gebung des Haustorialfortsatzes sich befinden, oder, bei Syuamaria noch häufiger, in der Form von Tröpfehen und Tropfen oder gerinnselartiger Massen im Innern der nicht verholzten Elemente des Wirthes vorkommen. Auch bleibt dieser Inhalt der Haustorialschläuche wenigstens zum Theil, soweit er nicht umgeben oder durchsetzt ist von plasmatischen Bestandtheilen, von der Javelle’schen Lauge ungelöst, und man weist schwer die Ansicht zurück, dass er aus den verflüssigten, verholzten Membranen des Wirthes gewonnen sei, um vom Parasiten als Baustoff verwendet zu werden. Fassen wir das vorhergehend über die Inhaltsbestandtheile der Haustorien von Olandestina und Squamaria eingehend Erörterte kurz zusammen, so finden wir, dass eine Anzahl von Gebilden und Stoffen in denen beider Arten auftritt: So die Amylodextrinstärke, die „Phosphatkugeln,‘“ und der eigenartige, vermuthungsweise als Kohlehydrat angesprochene Stoff, welcher besonders nach Eau de Javelle-Behandlung in manchen Geweben in hervor- ragender Menge übrig bleibt. Für Clandestina allein charakteristisch sind: das meist reichliche Vorkommen von Stärke gewöhnlicher Reaction in der 356 primären Rinde, und das, wie es scheint in allen Geweben vorkommende, insbesondere aber im hyalinen Gewebe, (wegen der Grösse der Zellkerne) auffällige Auftreten von Krystalloiden in den Zellkernen. Während nun Stärke gewöhnlicher Reaction bei Squamaria gar nicht oder in sehr unbe- deutender Menge zu finden ist, und Zellkernkrystalloide in den Haustorien nie beobachtet wurden, sind hier wieder die Leucoplasten eine Erscheinung; von der bei Olandestina keine Spur zu entdecken war. In den Arbeiten der früheren Forscher ist auf die Inhaltsverhältnisse der Haustorien beider Lathraeen so gut wie gar nieht Rücksicht genommen. Nur geht bezüglich der Clandestina aus der von Chatin auf Pl. XXI, Fig. 4b, gegebenen Abbildung eines Haustorium-Längsschnittes hervor, dass auch er die primäre Rinde mit Stärke vollgepfropft fand. Im Texte wird dies eigentlich nur indireet ausgesprochen. $. 91 wird gesagt: „Le paren- chyme plae& autour du cöne vasculaire, celui de l’extremite des replis prehenseurs et le eöne perforant, sont prives de feeule.‘“ Mit andern Worten: Chatin stellt fest das Fehlen der Stärke im hyalinen Gewebe in der Um- gebung der Tracheidenpiatte (cöne vasculaire), im basalen Theil des ganzen Haustorialknopfes sammt den Zangenfortsätzen (replis prehenseurs), welche, wie wir zeigten, nur unter gewissen Bedingungen zur Ausbildung kommen, und im Haustorialfortsatz. Auch ein Vergleich der Haustorien der Lathraeen mit jenen der übrigen Rhinanthaceen ergibt, rücksichtlich der Inhaltstoffe, nur wenige Berührungs- punkte. In den älteren Arbeiten ist über Inhaltsverhältnisse wenig enthalten. Solms-Laubach macht zwar einige Angaben, ohne jedoch in den meisten Fällen eine bestimmtere Bezeichnung der wahrgenommenen Inhaltsbestand- theile geben zu können. Dies nimmt nicbt Wunder. Ich vermuthe, dass auch bei den Rhinanthaceen in den Haustorien Bestandtheile selır ver- gänglicher Natur vorkommen dürften, die eine sorgfältige Fixirung des Untersuchungsmaterials erheischen werden. Ihre Prüfung nach dieser Richtung wäre Gegenstand einer besonderen Untersuchung. Am besten unterrichtet sind wir noch über Rhinanthus minor Ehrh. und Melampyrum pratense L. durch die Arbeiten von Koch'). Den Haustorien von Lathraea Squamaria scheinen sich die der meisten Rhinanthaceen darin zu nähern, dass Stärke in denselben in der Regel zu fehlen scheint. Für Rhinanthus geben dies Solms?) und Koch’) übereinstimmend an. Desgleichen scheint dies nach Solms für die Haustorien von Melampyrum arvense, nach Koch für jene von M. pratense zu gelten. Hingegen wird von Pitra in dieser Beziehung Pedicularis comosa gewissermassen als Ausnahme hervorgehoben. „Die 1) Zur Entwicklungsgeschichte der Rhinanthaceen (Rhinanthus minor Ehrh.). Pringsheim’s Jahrb., Bd. XX., und „Ueber die direete Ausnutzung vegetabilischer Reste durch bestimmte chlorophyllhaltige Pflanzen.‘ Berichte d. Deutsch. Botan, Ges., 1887, Bd. V. 2)02.2..0.78..569. 9)3.2. 0.8.20. 397 Saugwarzen von Pedicularis comosa haben noch das Eigenthümliche, dass im Parenchym des Rindentheiles, ebenso wie in der knolligen Wurzel dieser Pflanze, viel Stärkemehlkörner eingelagert sind“. a. a. 0. 8. 66. Durch‘ seine Eigenartigkeit in der Erscheinung, sowie durch seinen Inhalt tritt jedenfalls auch bei den übrigen Rrhinanthaceen das „hyaline‘‘ Gewebe hervor!). Koch beschreibt für die Haustorien von Rhinanthus Inhalts- körper, die vorwiegend offenbar im hyalinen Gewebe auftreten. Er sagt: „Man findet äusserst kleine körnchen- bis stäbchenförmige Gebilde, die gegen Kalilauge, Alkohol, Chloroform und Terpentinöl widerstandsfähig und unlöslich sind, sich mit Jodkali schwach gelb färben und Anilinfarbstoffe, besonders Gentianaviolett, in sich aufspeichern. Dass wir es hier mit ge- formten Eiweisskörpern und nicht etwa mit Bacterien zu thun haben, dafür spricht der Umstand, dass die Entstehung und das Verschwinden dieser Gebilde zu einem Zeitpunkte stattfindet, der mit bestimmten Entwicklungs- phasen unserer Pflanze oder deren Organen zusammenfällt‘. Aehnliches berichtet Koch von Melampyrum pratense L. „Zur Zeit des bedeu- tendsten Wachsthums des die Hauptmasse der Kugel (Haustorialknopf) aus- machenden Parenchyms führen dessen dünnwandige, polygonale Zellen einen !) Solms sagt von der Basilar-Region des Haustorialkernes von Rhinanthus, welehe ja mit unserem „hyalinen“ Gewebe zusammenfällt: „Sie besteht aus engen und lückenlos verbundenen kleinen, polygonalen Parenchymzellen, die mit trübem protoplasmatischen Inhalt oder mit wässriger Flüssigkeit erfüllt sind, und im letzteren Falle ziemlich ansehnliche, wandständige, gelbliche Klümpchen (wie es scheint ver- änderte Zellkerne) enthalten,“ (Hier könnte es sich um aufgelöste Zellkern-Krystalloide - handeln. In den Placenten der Squamaria sah ich am Alkoholmaterial, in dem die Krystalloide nicht erhalten bleiben, die gleiche Erscheinung. Dies wird um so wahrscheinlicher, als Zimmermann in seinen „Beiträgen zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle‘“ die Häufigkeit der Zellkernkrystalloide in den vege- tativen Organen der Scrophulariaceen überhaupt nachgewiesen hat). „Zugleich scheint dieses Gewebe ganz besonders und stärker als die übrigen Theile des Haustoriums Gerbstoff- (d. i. das für die Rhinanthaceen durch Molisch a. a. OÖ. nachgewiesene Chromogen, das bei den getrockneten oder in Alkohol befindlichen Pflanzen die Schwarzfärbung verursacht) haltig zu sein, indem es an der Luft bald gelbliche Farbe annimmt, die bei Aufbewahrung in Glycerin später in mehr minder dunkel- braun überzugehen pflegt“. — Und von Melampyrum arvense: „Das basilare Gewebe des Haustorialkernes ist meist stark entwickelt und bildet eine, durch den Proto- plasmareichthum ihrer Zellen allseits scharfabgegrenzte Gewebsmasse. Es ist bei weitem nicht so viel und kleinzellig als das von Rkinanthus und enthalten seine Zellen, wie schon erwähnt, innerhalb eines, sich leicht eontrahirenden und von der Membran abhebenden protoplasmatischen Wandbeleges, zahlreiche, eigenthümliche, gelblich rothe Körnchen, so wie Zellkerne von bedeutender Grösse, in denen ich hie und da sogar einen Nucleolus zu erkennen glaubte.“ — Was sind die gelblich rothen Körnchen ? Wenn Solms frisches Material unter den Händen gehabt hat, könnte man an die orangegefärbten Tröpfchen denken, welche wir in den Leucoplasten der Squamaria bei beginnender Desorganisation derselben auftreten sahen. Allerdings sind bei dieser die Leucoplasten jedenfalls vorwiegend in der primären Rinde, und zwar besonders in der unteren Haustorienhälfte, zu finden. 358 wasserhellen Inhalt. Nach dem Eindringen der Initialen in das Nährobjekt tritt das Protoplasma mehr und mehr hervor. Man bemerkt dann in ihm gelbliche, mit einem Stich ins Grünliche versehene Farbstoffkörper, sowie, was besonders interessant ist, farblose, meist aus gekrümmten Stäbchen be- stehende Gebilde, welche den Bacteroiden der Wurzelanschwellungen der Leguminosen zu entsprechen scheinen. Die Stäbchen speichern Anilinfarb- stoffe (Gentianaviolett) in sich auf, färben sich mit Jodjodkalium gelblich, zeigen mitunter Bewegung und werden durch Kalilauge nicht zerstört. Man bemerkt sie zuerst in dem wandständigen Plasma, sowie in demjenigen, welches bei centraler Lage des auffallend grossen Zellkernes diesen umgiebt. Nach und nach tritt nun das Plasma an Stelle des Zellsaftes. Die Zelle füllt sich mit Bacteroiden, wenn auch lange nicht in dem Masse, als das in den Zellen der Wurzelanschwellungen der Leguminosen der Fall ist.“ Haben wir diesen von Koch beschriebenen Gebilden Vergleichbares in den Haustorien der Lathraeen® Die Frage lässt sich gewiss nur auf Grund neuer vergleichender Untersuchungen entscheiden. Indessen hielt ich es für möglich, dass in den für Olandestina auf 8. 348, für Squamarıa S. 353 erwähnten stark lichtbrechenden Tröpfehen oder Kügelchen, welche sich auch durch ihre Resistenz gegen Eau de Javelle auszeichnen, ähnliche, vielleicht sogar die gleichen Inhaltskörper, wie es die Bacteroiden Koch’s sind, vorliegen. Auch weiss ich nicht, ob die Reactionen, welche dieser anführt, für die Eiweissnatur jener Körper als entscheidend angesehen werden können. Eine Prüfung mit Javelle’scher Lauge hat Koch nicht vorgenommen. Eine relativ weitgehende Resistenz der Tröpfchen oder Kügelchen bei ZLathraea habe auch ich hervorgehoben. Das Verhalten gegen Jodreagentien scheint in beiden Fällen das gleiche zu sein. Ebenso geben Koch und ich an, an jenen Gebilden auch Bewegung wahrgenommen zu haben. (An active Bewegung denke ich dabei nicht.) Das Verhalten gegen Anilinfarbstoffe ist in beiden Fällen das gleiche. Ich führe zwar oben hauptsächlich die Tingirbarkeit der nach Eau de Javelle-Behandlung zurückbleibenden Tröpfchen mit Fuchsin an, aber es gilt dies ebensowohl für das Gentianaviolett und wahrscheinlich auch noch eine Reihe anderer Anilinfarbstoffe. Dies alles sind Gründe, welche mir eine erneute Prüfung des Gegenstandes an den Haustorien der Rrhinanthaceen wünschenswerth erscheinen lassen. | Ueber die Inhaltsverhältnisse in den Haustorien der Orobancheen scheinen keine Angaben vorzuliegen. | Koch hat in seinen Arbeiten über Melampyrum') und über Khinan- thus”), wie ich meine, zuerst den Gedanken ausgesprochen, dass die extra- matricalen Theile der Haustorien als Reservestoffbehälter funetioniren. Diese Arbeitstheilung in ein der Nahrungsaufnahme dienendes Organ, den Haustorial- I) a. a. O. S. 358. 2) a.a.0.S. 21. 359 fortsatz einerseits, und ein der Speicherung angepasstes, den Haustorial- knopf andererseits gilt auch für die Haustorien der ZLathraeen und bedarf mit Rücksicht auf den Bau jener und die nachgewiesenen Inhaltsstoffe keiner weiteren Begründung. Wohl möchte ich aber am Schlusse dieses Abschnittes nochmals auf die Amylodextrin-Stärke zurückgreifen. Die Annahme, dass in den Saug- organen der Lathraeen fermentativ wirkende Stoffe sich befinden, hat wohl mehr als Wahrscheinlichkeit für sich. Da man sich nun das Ent- stehen der „rothen“ Stärke unter Einwirkung von Fermenten auf die gebil- dete „Stärkesubstanz‘ vorstellt, welche die Ueberführung derselben in Amylodextrin und Dextrin, in ,„rothe‘ Stärke vollziehen sollen, so hätte das Vorkommen solcher Stärke in den Saugorganen der Lathraeen, wie der parasitischen Pflanzen überhaupt, nichts Befremdendes. Allein die Vertheilung der Amylodextrin-Stärke in den Haustorien, ihr Vorkommen, wenn auch nur seltener, selbst in den äussersten Elementen der Tracheiden- platte, an der Spitze des Saugfortsatzes von Clandestina, die hauptsäch- lich im Tracheidenkopf erfolgende Ansammlung derselben, hingegen das Auftreten „blauer‘‘ Stärke erst in der peripherischen, primären Rinde des Haustorialknopfes legen die Annahme nahe, dass in diesem Fall die Amylo- dextrinstärke das primär Entstehende sein könnte und von ihr aus erst die gewöhnliche Stärke ihren Ausgang nähme. Nach den Beobachtungen und theoretischen AnschauungenArthur Meyer’s wäre das Vorhandensein relativ schwacher Fermente für das Entstehen der „rothen‘“ Stärkekörner günstig. Bei den ZLathraea-Haustorien werden wir ohne Zweifel den Hauptsitz der Fermente in das Centrum des Haustoriums und besonders in den Saugfortsatz verlegen, während in den peripherischen Theilen des Haustorialknopfes schwächere fermentative Wirkungen voraus- gesetzt werden können. Gerade hier aber erscheint die „blaue“ Stärke, die Amylodextrin-Stärke hingegen im Centrum des Haustorialknopfes und im Haustorialfortsatz. VI. Das Eindringen der Haustorien in die Wirthsweorzeln, ihre Einwirkungen daselbst und die Schädigung der Wirthspflanzen. Sowie ich über die Anlage des Haustorialfortsatzes nur annähernden Aufschluss werde geben können, ebenso fehlt auch die Beobachtung jener Vorgänge, welche sich beim ersten Eindringen desselben in die Wirths- wurzel abspielen. Ist schon die Gewinnung hinreichenden intacten Materials der Haustorienanlagen von dem mühsam aus der Erde herausgearbeiteten Wurzelwerk mit Schwierigkeiten verbunden, so erscheint es überdies kaum möglich, mit Schnitten aus freier Hand die Fragen über die Art und Weise des ersten Eindringens des Haustorialfortsatzes zu lösen. Man wird hier unbedingt zur Einbettung und zum Schneiden mit dem Mikrotom greifen 360 missen, und über ein solches habe ich bislang, ob der kargen Dotations- verhältnisse des Institutes, nicht verfügt. Nur mittels der Paraffineinbettung und des Mikrotoms wird man lückenlose Schnittserien erzielen, welche die Wirthswurzel und den sich entwickelnden, noch zarten Haustorialfortsatz in Zusammenhang enthalten. Diese Liicke in meinen Untersuchungen werde ich vielleicht später in der Lage sein auszufüllen, nachdem die Anschaffung eines Mikrotoms demnächst in Aussicht steht. Doch auch aus älteren Entwicklungszuständen der Haustorialfortsätze und der Beobachtung solcher im fertigen Zustande lassen sich, wenigstens über die Kräfte, welche bei ihrem Eindringen wirksam sind, doch einige Schlüsse ziehen. Diese Kräfte aber sind offenbar theils mechanischer, theils chemischer Natur'). Die ersteren erachte ich für verhältnissmässig gering gegenüber den letzteren. Beim Eindringen wird der Turgor dem sich, in vorhandene oder durch Lösung geschaffene Lücken (sei es der Epidermis oder der schon abgestorbenen Wirthswurzelrinde) einklüftenden, jungen Haustorialfortsatz ein Beiseiteschieben der todten Gewebemassen gestatten, und ein Auseinanderdrängen auch der noch lebenden oder durch den Einfluss des Parasiten getödteten Gewebe zu Stande bringen; und dies um so eher, je verhältnissmässig schwächer gebaut und je jünger die befallenen Wirths- wurzeln sind. Solche Leistungen sind häufig und ohne Schwierigkeit fest- zustellen. So hat das in Fig. 4, Taf. V, schematisch dargestellte Hausto- rium die Rinde der Wirthswurzel nicht so sehr zerstört, als mechanisch zurückgedrängt und es zu Stande gebracht, dass der Holzkörper der Wirths- wurzel an der Seite des Haustorialfortsatzes auf eine weitere Strecke hin nahezu in direetem Contaet mit dem Haustorialgewebe ist. Die mechanische Leistung des Haustorialfortsatzes uns zu versinnlichen, sind auch die Figuren 6 und 7 der Taf. V geeignet. In Fig. 6 haben wir den Längsschnitt durch ein noch undiffereneirtes Haustorium einer Keimpflanze von Clandestina vor uns. Die verholzten Elemente fehlen im Haustorium, abgesehen von etlichen Tracheen des Wurzelstranges, noch gänzlich. Das Haustorium ist in eine schwache Wirthswurzel eingedrungen, deren Leitstrang ebenfalls noch nicht fertig differeneirt ist. Ein Vergleich der Fig. 7, Taf. V, welche den Querschnitt dieser Wirthswurzel in der Region darstellt, wo der Hausto- rialfortsatz des Parasiten nur durch eine kleine Einbuchtung in der Wurzel- rinde bezeichnet erscheint, und der Fig. 6, welche den jungen Haustorial- fortsatz median trifft und tief eingekeilt im Querschnitte der Wirthswurzel erscheinen lässt, zeigt deutlich die mechanische Leistung des Saugfortsatzes. Die Rinde der Wirthswurzel ist weit auseinandergekeilt, auch ihr Strang ist in 2 Theile zerspalten, und die Veränderung der Formumrisse, welche der Wurzelquerschnitt in Fig. 6 gegenüber jenem in Fig. 7 zeigt, tritt klar hervor. Eine ähnliche Leistung lässt auch Fig. 10, Taf. XI, erkennen. 1) L. Koch (Zur Entwicklungsgeschichte der Zhinanthaceen) nimmt für das Eindringen des Haustorialfortsatzes von Ahinanthus ebenfalls mechanische und chemische Einflüsse an. (Vgl. pag. 9 und 10.) 361 Chemische Einflüsse, welche das Haustorium auf den Wirth ausübt, zeigen sich einmal darin, dass in der Umgebung der Haustorialfortsätze oft auf weitere Strecken Stärke in der Rinde gänzlich fehlt. Auf Querschnitten durch Wirthswurzeln, welche zugleich einen Haustorialfortsatz im Längs- schnitt enthalten, sieht man häufig die Rinde sehr stärkereich, jedoch in der Umgebung des Saugfortsatzes oft auf Strecken, die bis zu "a und "s der Rinde ausmachen, vollständig stärkeleer. Es ist wohl sicher, dass sich diese Stärke der Parasit anzueignen vermag. Sehr deutlich geben sich chemische Wirkungen beim Eindringen der Haustorialfortsätze in den Holzkörper zu erkennen. Der Parasit wirkt lösend auf die Zellmembranen und zwar auf unverholzte, wie auch auf ver- holzte'). Bei Clandestina sieht man die Zellwandungen des Holzes in den befallenen Wirthswurzeln oft in einem gequollenen Zustande, welcher die Umgrenzung der Zellen noch erkennen lässt; an andern Stellen aber finden wir geflossene gelbliche Massen, welche Holzstoff-Reaction geben und offenbar unverbrauchte Reste der Zellwandstoffe aufgelöster Zellen darstellen. Wir erkennen Reste solcher Zellen in Fig. 9, Taf. V, wo die axile Zell- reihe des Haustorialfortsatzes zwischen diesen Resten sich vorgeschoben hat und ein, offenbar in seinen Wandungen zunächst erweichtes Gefäss, ein- gedrückt hat. Wir erkennen ähnliche Vorgänge auch in Fig. 1, Taf. VI. Ein Fortsatz des Haustoriums, soweit erkennbar aus einigen längeren, schlauchartigen Zellen bestehend, hat sich soeben in ein Gefäss Eingang verschafft; andere Theile des Haustoriums breiten sich im Holzgewebe aus, das den Zellen-Charakter kaum mehr erkennen lässt, oder einem Zell- gewebe mit gequollenen Wandungen gleicht, welch letztere also sich in einem ihrer Lösung vorausgehenden Zustande befinden. Die geflossenen, gelblichen Massen sind besonders bei Olandestina auch in der Rinde, in der Umgebung des Haustorialfortsatzes, in grosser Menge vorhanden. Die Rinden sind ja ebenfalls reich an verholzten Ele- menten, vor allem an Bastfasern. Jene Massen sind stark lichtbreehend und werden oft durchsetzt von vacuoligen Höhlungen, von Rissen und Sprüngen, und umschliessen häufig Inhaltsreste zerstörter Gewebselemente. Die Fig. 11, Taf. IX, ist geeignet, uns diese Massen zu veranschaulichen; ich bemerke nur, dass oft viel mächtigere Ansammlungen derselben sich finden. Das Bild ist einem radialen Längsschnitt durch die Wirthswurzel (Salıx) entnommen. Wir sehen drei am Umfange des Haustorialfortsatzes gelegene 1) Auch Koch beschreibt Verquellung verholzter Zellmembranen durch die Einwirkung der Haustorialschläuche von Rhinanthus (a. a. OÖ. S. 10) und spricht von einer Absorbtion der Quellmassen durch den Parasiten (S. 11). Desgleichen führt Massee (a. a. O., S. 259) das Vordringen der Haustorialfort- sätze im Gewebe der Wirthswurzel auf Ausscheidung eines lösenden Stoffes zurück, „Lhis penetratiou is evidently affeeted by the secretion of some corrosive substance acting on the cell-walls of the host, their structure being destroyed and reduced to a homogeneous mass in the neighbourhood of the parasite,“ 362 Zellen (h), in deren oberster auch der zum Theil herausgerissene Proto- plasmaschlauch eingezeichnet ist. Diese Zellen sind umgeben von der stark lichtbrechenden, gummiartigen Masse '). Ihre Herkunft aus den ver- flüssigten Wandungen aufgelöster Zellen ist wohl zweifellos. Und zwar liefert die gummiartige Masse vor allem verholzte Elemente; denn je reicher an solchen die Rinde ist, umsomehr tritt jene auf, während nur Spuren davon zu finden sind, wenn sich der Haustorialfortsatz durch Rindenparenchym durchfressen muss, dessen Zellen aus Cellulose bestehende Wandungen be- sitzen und wo verholzte Elemente nur in geringer Zahl dem Parasiten be- gegnen. In Fig. 11, Taf. IX, sehen wir in der von Rissen und Klüften durchsetzten, geflossenen Masse eine Krystalldruse und Krystalle umschlossen, welche aus zerstörten Zellen stammen. Speciell die Einzelkrystalle rühren aus Krystallkammerzellen mit verholzten Wandungen her, welche in der Salixrinde an der Peripherie der mechanischen Bündel vorkommen. In der geflossenen Masse befinden sich aber auch noch die Umgrenzungen weniger vollständig zerstörter Zellen. In einer ist noch der Protoplasma- belag erkennbar, in einer andern Stärkekörner, diese mehr oder minder selbst in jene gummöse Masse eingebettet. Die Massen reagiren auf Phloro- gluein und Salzsäure wie verholzte Membranen, und zwar ist die Roth- färbung bald mehr bald minder intensiv. Es gelingen aber ebenso die andern bekannten Reactionen, welche auf verholzte Membranen üblich sind. Die an sich gelblich gefärbten Massen erlangen auf Anwendung von schwefel- saurem Anilin, ebenso und noch mehr auf Zusatz von Thallinsulfat eine noch stärker hervortretende Gelbfärbung. Ebenso rasch tritt die Grünfärbung nach Hinzugabe von Phenol und Salzsäure ein. Letztere Reactionen werden desshalb besonders hervorgehoben, als nach Hegler?) das Thallin nur mit Vanillin, das Phenol nur mit Coniferin die genannten Farbenreactionen geben soll. Durch das rasche Eintreten dieser Reactionen wird also die, der Stärke der Farbentöne nach, reichliche Anwesenheit beider Aldehyde in den Massen nachgewiesen. Die ausführlichere Besprechung dieses Gegenstandes ist hier aber auch desshalb am Platze, als sowohl Pitra°), als auch Solms°*) die gelblichen Massen als Korkstoff bezeichnet haben. Pitra sagt: „Das Rindengewebe der Nährpflanze, welches die eindringende Saugwurzel begrenzt, wird von Korkstoff durchdrungen“, und Solms meint, dass die „gelbe, stark licht- brechende Substanz, wohl in die Verwandtschaft von Korksubstanz und 1) Solms (a. a. O., S. 568) lässt diese Massen „durch Veränderung zusammen- gepresster Zellmembranen“ entstehen. Es ist richtig, dass die verquellenden Wan- dungen von verholzten Zellen oft durch den Parasiten zusammengedrückt werden und schon den Charakter jener gelblichen Massen zeigen; ein anderer Theil dieser entsteht aber sicher aus vollkommen verflüssigten Wandungen verholzter Gewebe. 2) Histochemische Untersuchungen verholzter Zellmembranen, Flora 1890, S. 31. 3) Ta. a.10548..69: 4) a. a. O., S. 568. 365 Cuticula zu stellen sei“'). Solms wird zu dieser Annahme durch die angestellten Reactionen geführt, welche in ihrem Ausfallen allerdings mit meinen eigenen Versuchen nicht vollständig übereinstimmen. Vor allem möchte ich die überaus grosse Widerstandsfähigkeit dieser Massen, den meisten Reagentien gegenüber, hervorheben. Sie sind oft sehr störend und verwehren vielfach einen klaren Einblick in den zelligen Aufbau jener Theile der Haustorialfortsätze, welche beim Eindringen in das Holz offenbar am thätigsten sind. Es wollte mir durchaus nicht gelingen, sie zu beseitigen und erst am Abschlusse meiner Studien eigentlich ergab sich ein geeignetes Mittel hierzu. Dieses ist: Einlegen der Schnitte in 25procentige Chromsäure?). Gegen concentrirte Schwefelsäure hingegen sind die Massen resistent. Sie werden durch dieselbe braun bis schwärzlich gefärbt, ohne eine beson- dere Quellung zu verrathen; die Färbung stimmt mit jener überein, welche verholzte Zellwandungen in dem Reagenz annehmen. Solms hat auf Taf. XXXIV, in Fig. 6 ein ganz instructives Bild dafür gegeben, wie auf einem Radialschnitt durch den Haustorialfortsatz und die Wirthswurzel die pinselförmig ausgebreiteten Zellen, am holzwärtsgekehrten Ende des Hausto- rialfortsatzes, in die gelben Massen hinein versenkt sind. Nur findet man meistens nicht nur die convexen Aussenwände der Zellen in die Masse hin- eingedrückt, so etwa, wie man die aneinandergelegten Finger in eine Teig- masse eindrücken würde, sondern meist steigt die verflüssigte Holzmasse intercellular zwischen den Zellen auf. Wenn die Schwefelsäure die unver- holzten Elemente des Haustorialfortsatzes weggelöst hat, dann bleiben die intercellularen Massen als gebräunte Stäbchen von grösserer oder geringerer Länge und ebenso wechselnder Breite stehen. Die Lösung der Membranen geschieht wohl mittels fermentativer Stoffe, über welche der Parasit verfügt. Von energischerer Wirksamkeit als bei Clandestina sind sie aber offenbar bei Lathraea Squamaria. Bei Olan- destina sind die verquellenden Wirkungen auf die verholzten Elemente offenbar allmählige; man verfolgt das Verquellen und das allmählige Un-. \) Ich habe, gegenüber obigen, mit positivem Ergebniss ausgeführten Reactionen auf Holzstoff, auch auf Korksubstanz reagirt. So benützte ich die von Correns (vgl. Zimmermann, Die botanische Mikrotechnik, S. 149) eingeführte Reaction mit frisch bereitetem, alkoholischem Chlorophyllauszug. Die gelblichen Massen, sowie die Holzelemente im Schnitte blieben ungefärbt, während sich ein kleiner Streifen Periderm in der Rinde sehr bald deutlich grün färbte. Auch die Reaction mit Anilinwasser-Safranin (Zimmermann, S. 150) ergab keinen Hinweis auf Kork- substanz; die gelblichen Massen wurden intensiv roth gefärbt. 2) Unter Deckglas ist auch dieses Verfahren nicht gut anwendbar, und jedenfalls viel zu langwierig. Aber in einem Uhrschälchen vollzieht sich die Lösung in etwa 2 Stunden vollständig, und man erhält ein sehr übersichtliches Bild über den Verlauf der einzelnen Zellen und Schläuche an der Endigung des Haustorialfortsatzes, wobei der Zusammenhalt des vom Parasiten noch nicht ergriffenen Gewebes der Wirths- wurzeln gar nicht gelitten hat. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd, VII. Heft II. 25 364 deutlichwerden der Wandungen. Bei den Gefässen kommen, nach dieser erweichenden Einwirkung durch den fermentativen Stoff, dann offenbar auch die mechanischen Kräfte der Zellen an der Spitze des Haustorialfortsatzes zur Geltung. Die Gefässe werden eingedrückt und deformirt — und dann erst weiter gelöst. Die Arbeit vollzieht sich langsam und schwierig; Bast- fasern der Wirthspflanze bleiben oft nur angegriffen, aber noch unbezwungen, unverdaut könnte man sagen, im vordringenden Haustorialfortsatz liegen. Ueberhaupt ist der Vorstoss in den Holzkörper, welchen die Clandestina- Haustorien erreichen, abgesehen von jüngeren Wirthswurzeln, meist ein unbedeutender; ein so weit reichender, wie er in der Fig. 1, Taf. VI, dar- gestellt ist, begegnet uns nur ausnahmsweise. Bei Zathraea Squamaria vollzieht sich das Vordringen in das Wurzel- holz viel energischer und glatter; nur die besonders diekwandigen Elemente der Rinde, mechanische Fasern und Steinzellen, leisten dem Parasiten ener- gischeren Widerstand. Dass im unverholzten Rindengewebe die peripherisch gelegenen Zellen des Haustorialfortsatzes verhältnissmässig leicht vordringen, nimmt weniger Wunder. Die Zellen durchbohren die Wandungen und lösen sie glatt weg. Aufgelöst zu werden scheinen aber nur die unmittelbar mit Haustorialzellwandungen in Berührung gelangenden Wandstellen. Die auf- gelösten Theile der Cellulosewandungen werden vom Parasiten wohl in toto als Nährstoff aufgenommen werden. Aber auch die Wandungen der Elemente des Holzkörpers der Wirthswurzel werden ebenso glatt und energisch be- zwungen, und diese Fähigkeit haben besonders die an der Spitze des Hausto- rialfortsatzes auswachsenden Haustorialschläuche. Man vergleiche nur einige der diese Verhältnisse illustrirenden Bilder. So sehen wir in Fig. 4, Taf. VIIL, an dem dargestellten Stückchen Holzgewebe aus dem Radialschnitte durch eine Erlenwurzel, wie der mächtige Haustorialschlauch in glatter Weise die Holzelemente durchbohrt hat. Wie mit einem Korkbohrer durchstossen, oder von einer Kugel durchbohrt erscheint das Holzgewebe mit dem Quer- schnitt des Haustorialschlauches. Die Wirkung ist streng localisirt an die Contactstellen, von einer Erweichung und vorbereitenden Verquellung des Holzgewebes ist bei Squamarıa wenig zu bemerken. Desgleichen lehrreich ist Fig. 1, Taf. IX. Die Haustorialschläuche dringen hier vorwiegend in die Holzfasern ein. Von einem Zusammendrücken derselben ist nichts zu sehen, sie werden einfach glatt durchgefressen. Nur eine leichte Ablenkung der Wandungen aus ihrer ursprünglichen Richtung wird bemerkbar, dort wo sie an den sie durchbohrenden Haustorialschlauch ansetzen. Oft per- foriren die Schläuche ein Gefäss') und wachsen streckenweise in ihm, der Längsachse folgend, weiter, um dann, wieder ausbiegend und unter neuer- licher Perforation desselben, in andere Elemente einzudringen. Zellen werden halbirt, stückweise angefressen, so dass nur Wandstücke stehen bleiben; fast immer aber scheint die Auflösung nur die in direeten Contact mit der Fläche 1) Auch für Rhinanthus von Koch a. a. O., S. 14 erwähnt, 365 der wachsenden Haustorialfadenspitze kommenden Wandstücke zu ergreifen. (Vgl. z. B. Fig. 1, Taf. X, Fig. 4, Taf. VII ete.) Die Haustorialschläuche zeigen häufig wellig-zackige Umrisslinien. Dieselben kommen, wie mir scheint, besonders dort zu Stande, wo Haustorialschläuche Holzparenchym durchwachsen oder dasselbe einseitig berühren. Die angefressenen Zellen werden successive vollständig gelöst, und der Haustorialschlauch folgt, unmit- telbar sich ausbreitend und den eroberten Raum occupirend. So ist z. B. die wellige Umgrenzung des kurzen, in Fig. 5, Tafel VIII, dargestellten Haustorialschlauches zu Stande gekommen. Nur dort, wo Haustorialschläuche zu mehreren nebeneinander verlaufen, zeigen die zwischen zwei Schläuchen gelegenen Holzpartien manchmal den Charakter verquellender Membranen, wie etwa die Insel von Holzelementen in Fig. 2, Taf. VIII, welche zwischen den zwei langen Haustorialschläuchen liegt. Und dort, wo sich die Hausto- rialsehläuche von der Endigung des geschlossenen Haustorialfortsatzes ab- zweigen, ist zwischen je zwei divergirenden Schläuchen oft das Gewebe voll- ständig zerstört und die Lücke von gelblicher, gummöser Masse erfüllt. Eine diesen gummösen Massen ähnliche Substanz erfüllt aber in den Erlen- wurzeln auch vielfach die ihrer Stärke beraubten Rindenzellen, oft auf mehrere Millimeter weit im Umkreise der Haustorialfortsätze. Vorwiegend erscheint dieser Stoff, der ausser in dem zartwandigen Rinden- und Rinden- strahlen-Parenchym auch im Innern der porösen Steinzellen vorkommt, in der Form von Kügelchen und grösseren Tröpfehen, welche seltener hell weisslich, meist durch Aufnahme eines Pigmentes goldgelb und noch häu- figer holzbraun bis braunschwarz tingirt sind. Diese Beobachtungen beziehen sich auf Material, das lebend in siedendes Wasser gebracht und dann erst in Alkohol eingelegt worden war. Die grösseren Tropfen sind häufig Hohl- kugeln mit doppeltcontourirter, ziemlich dieker Wandung; oft wird durch den Schnitt die Kugelwandung theilweise abgehoben. Oder sie besitzen eine grössere Zahl grösserer und kleinerer vacuoliger Hohlräume und machen den Eindruck einer erstarrten, schaumigen Masse. Vermuthlich handelt es sich um eine gummöse Substanz und sind die vacuolenartigen Hohlräume durch Wasserentziehung entstanden. Ausserdem finden sich aber stofflich gleich- artige Ausscheidungen auch in der Gestalt feinkörniger Klumpen, oder wabiger, auch bandförmig verschlungener Massen in den Zellen. Rücksichtlieh der Reactionen dieser Substanz sei Folgendes angeführt. Jodzusatz bringt keine merkliche Veränderung hervor, er zeigt nur die gänz- liche Abwesenheit der Stärke in den betreffenden Zellen. Ebenso tritt auf das Kochen im Wasser keine Veränderung hervor. Das Erhaltenbleiben der Kugeln im Aether zeigt, dass wir es weder mit einem harzartigen Stoffe, noch mit einem fetten Oele zu thun haben. Behandelt man Rindengewebe, welche die genannte Inhaltssubstanz führen, mit Fuchsin, so verhindert das demselben beigemengte braune Pigment zunächst eine deutliche Färbung. Legt man Schnitte in Javelle’sche Lauge und lässt dieselbe kürzere Zeit (1V2 Stunden) einwirken, so wird das braune Pigment zerstört, die Inhalts- 25* 366 massen aber sind erhalten geblieben, jedoch grösstentheils farblos geworden. Zunächst sind sie sehr wenig bemerkbar, daher leicht zu übersehen; umso- mehr ist man erstaunt durch das massige Hervortreten des Inhalts nach angewandter Fuchsinfärbung. Der grösste Theil desselben hat sich intensiv roth gefärbt, nur der Inhalt einzelner Zellen, der gelblich gefärbt verblieb, nimmt den Farbstoff nicht auf. Ebenso verhält sich manchmal der Inhalt in den Spitzen der Haustorialschläuche und zum Theil das in den Gefässen des Erlenwurzelholzes ausgeschiedene Schutzgummi. Lässt man Schnitte aber durch mehrere (12) Stunden im Eau de Javelle, so verschwinden die besenriebenen Inhaltsstoffe. Es verhalten sich dieselben also in mehrfacher Beziehung gleich den Inhaltsresten, welche im Haustorialgewebe, besonders aber in den hyalinen Zellen des Haustorialknopfes, nach nicht zu langer Eau de Javelle-Behandlung übrig bleiben. Die Frage, wie diese Stoffe in die Rindenzellen der Wirthswurzeln ge- langen und woraus sie entstehen, vermag ich mit völliger Sicherheit aller- dings noch nicht zu beantworten. Stammen sie nur aus den durch den Parasiten verflüssigten und aufgelösten Wandungen des Holzes, welche der Saugfortsatz und seine Haustorialschläuche nicht alle sofort aufnehmen, so dass sie zum Theil auch in die Rindenzellen gelangen, oder übt der Parasit auch eine Fernwirkung aus und vermag er die Stärke im Rindenparenchym in jenen gummiartigen Stoff umzubilden, der wohl auch in die Gruppe der Kohlehydrate gehört? Sind diese Stoffe nur mehr Abfallsproducte des Stoff- wechsels, oder kann der Parasit ihnen noch verwendbares Material ent- nehmen? Die erstere dieser Fragen ist wohl nahezu bestimmt dahin zu beantworten, dass alle diese Substanzen von den durch den Parasiten auf- gelösten verholzten Wandungen stammen. Oft nämlich findet man das Rindengewebe um den Haustorialfortsatz noch stärkereich und nichts deutet auf eine Umwandlung der Stärke in jene gummösen, erstarrten Massen hin. Nur wo der Haustorialfortsatz an verholzten Zellen vorbeizieht, treten, wenigstens in einzelnen Zellen, die dunkelbraunen, tropfenartigen Inhalts- körper in der Rinde auf. Die zweite Frage vermuthe ich dahin richtig zu lösen, dass diese Inhaltsmassen, zum Theil wenigstens, noch für den Para- siten verwertbbares Material enthalten, ein anderer Theil aber als Abfalls- product in den Zellen der Rinde abgelagert wird. Man beobachtet nämlich, besonders um alte Haustorialfortsätze, einen oft die gesammte Rinde der Umgebung ergreifenden Verholzungsprocess. Die Wandungen der paren- chymatischen Elemente geben Holzreaction, in der Nähe befindliche mechanische Bündel oder Steinzellen geben die Holzreaction verstärkt gegenüber den gleichen Elementen, welche vom Haustorialfortsatz weiter entfernt liegen. Durch diese fortschreitende Inkrustirung mit Holzstofi, welche die Rinde offenbar auf Grund der Thätigkeit der Haustorien erfährt, scheint aber schliesslich auch das Absterben der Haustorialfortsätze selbst bewirkt zu werden. Man findet dann die Endtheile der Saugfortsätze selbst nur aus ver- holzten Elementen bestehen, und in manchen Fällen zeigen dieselben be- 367 ginnende Desorganisations-Erscheinungen, die sich im Zerfall der Elemente und entstehenden Lückenbildungen an der Spitze des Saugfortsatzes äussern. Dann ist die aufnehmende Thätigkeit und die Weiterentwicklung sistirt. Doch scheint der Haustorialknopf noch längere Zeit lebend zu bleiben und kann als Speicherungsort ') für Reservematerial noch einige Zeit benützt werden. In einem solchen Haustorialfortsatz sah ich z. B. in Menge Phos- phatkugeln abgelagert, während sie in der Regel doch auf das hyaline Gewebe im Haustorialknopf beschränkt sind. Im Ganzen stelle ich mir die Sache so vor. Der Parasit vermag die Lösungsproducte der verholzten Zellwandungen zu scheiden in brauchbares, plastisches Material und in Degradationsproducte. Die complieirte Zusammen- setzung des Holzstoffes ist ja derzeit allgemein angenommen”). So scheint nun der Parasit jedenfalls den Cellulose-Antheil der verholzten Wandungen und vielleicht theilweise das Holzgummi verwerthen zu können, während die andern, zur Aldechydgruppe gehörigen Verbindungen, welche die charac- teristischen Farbenreactionen geben, ihm nutzlos sind, daher als über- schüssiges Material in der umgebenden Rinde abgelagert werden. So er- klären sich die verstärkten Holzreactionen, welche vor allem mechanische Fasern und Steinzellen, eventuell aber auch die Wandungen der meisten Parenchyınzellen der Wirthsrinde, in der Nähe der Haustorialfortsätze, bei Behandlung mit Phlorogluein und Salzsäure geben. Die geflossenen, gum- mösen Massen in der Nähe der Haustorialfortsätze reagiren auf Phlorogluein- Salzsäure meist wie verholzte Membranen; in ihnen scheint die Scheidung der Stoffe noch nicht vollzogen zu sein. Hingegen reagiren die tropfen- artigen Bildungen in der Erlenrinde nicht, und diese scheinen wesentlich aus Holzgummi zu bestehen. Die mit Fuchsin sich färbenden Ueberreste des Zellinhaltes in den mit Javelle’scher Lauge behandelten Haustorial- knöpfen, besonders in deren hyalinem Gewebe, ebenso wie die tropfenartigen Massen in der Erlenrinde, geben mit Phlorogluein und Salzsäure keine Fär- bungen. Die Fuchsinfärbung ist also kein absoluter Nachweis für Holzstoff, ebensowenig wie die Phlorogluein-Salzsäure- Tinetion. Jede weist nur bestimmte Bestandtheile, welche beim Verhoizungsprocess thätig sind, nach. Das Eau de Javelle nimmt verholzten Elementen nicht alle bei der Verholzung wirksamen Be- standtheile sofort. Frühzeitig verlieren mit der Lauge behandelte verholzte Membranen die Reactionsfähigkeit auf Phlorogluein und Salzsäure, oder auf schwefelsaures Anilin. Lange aber bewahren solche Membranen noch die 1) Der Haustorialknopf ist an sich als eine der Speicherung dienende Bildung zu betrachten. Auch Koch (Entwickelungsgeschichte der Rhinanthaceen, S. 21) sagt: „Die extramatricalen Knöllchen fungiren, und hierzu sind sie ihrer Grösse und ihrem Baue nach geeignet, auch als Reservestoffbehälter und zwar bis zum Zeitpunkt, wo die aufgespeicherten Stoffe anderweitig Verwendung finden“. 2) Vgl. Frank’s Lehrbuch, Bd. L, S. 84, S. 618 u. 619, sowie Zimmermann (Botanische Mikrotechnik) S. 140 und folgende, 868 Reaction auf Verholzung, Gelb- oder Braunfärbung mit Chlorzinkjod. Das Chlorzinkjod und das Fuchsin scheinen also den gleichen Stoff, wohl das Holzgummi, durch speeifische Tinetion hervorzuheben. Die Zerstörungen und Störungen, welche der Parasit in den Wirths- wurzeln verursacht, sind keine geringen. Kleinere Wurzeln, wie etwa die in Fig. 6, Taf. V, und Fig. 4, Taf. V, abgebildeten, auf denen die viel mächtigeren Haustorien der Ulandestina aufsitzen, erliegen bald den An- griffen des Parasiten. Auch an von Syquamaria ergriffenen, feineren Erlen- wurzeln fand ich oft die gesammte Rinde nebst Cambium schon abgestorben, den Parasiten aber noch mit seinen Haustorialschläuchen im resistenteren Holzkörper verankert. Weidenwurzeln von 1—1'» mm Querschnitt, denen Wurzeln von Olandestina mit reihenweise verankerten Haustorien ansassen, sah ich oft von turgescensloser Rinde umgeben und den Eindruck der Dürre und des Abgestorbenseins bieten. Die Haustorien sahen dabei ganz wohl erhalten aus, und es ist nicht zu bezweifeln, dass der Parasit hier auch saprophytisch so lange als möglich sich ernährt. Aber seine Angriffe gelten, soviel ich sah, stets nur dem Lebenden; nur in lebende Wurzeln werden Saugorgane ver- senkt. Als Saprophyt beutet er also nur jene Organe aus, die er durch eigene Thätigkeit ums Leben gebracht hat. Hier ist er gezwungen, seine Saugorgane so lange als möglich aus- zunützen'). Charakteristisch in dieser Beziehung ist folgende Beobachtung. Ich fand ein etwa 8 em langes Sprossstück der Lathraea Clandestina in eine Weidenwurzel eingewachsen, deren Holzkörper ausgefault war, deren Borke aber, zusammengehalten durch die Bastfasern, eine hohle Röhre bildete, in deren Innerem der Clandestina-Spross fortwuchs. Von diesem ausgehend hatten sich auch einige Wurzeln mit nahezu 1 mm Querschnitt gebildet, Diese Wurzeln verschmähten es, nun Haustorien in die umgebende, todte Weidenrinde zu senden, wohl aber waren ein Haustorium in das eigene Rhizom der Clandestina, ein anderes von einer kleinen Wurzel in eine stärkere der Olandestina selbst eingedrungen ?). Stärkere Wirthswurzeln werden freilich den Angriff des Parasiten längere Zeit vertragen, aber wenn 1) Auch Koch (Zur Entwicklungsgeschichte der Rhinanthaceen, S. 26) kommt für Rhinanthus zu einem ähnlichen Schluss. „Die Erwägung aller dieser Momente führt zu der Annahme, dass bei Rhinanthus neben dem Parasitismus im obigen Sinne auch die saprophytische Ernährung vorkommt. Letztere ist allerdings auf das todte Gewebe der im lebenden Zustande befallenen Nährwurzel beschränkt.“ 2) Ich habe später an Syuamaria eine sehr junge, fadendünne Wurzel auf einer Erlenwurzel von 11; mm Querschnitt aufsitzen gefunden, bei der mindestens die Rinde abgestorben war; ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die Tödtung in dem Falle durch die noch sehr jungen Haustorien der zarten Parasitenwurzel ver- ursacht worden ist, sondern, dass ein Ausnahmsfall vorliegt, wo der Parasit „aus der Noth eine Tugend machte,“ die verwesende Wurzel ergriff, um überhaupt etwas ergreifen zu können. Ein solcher Saprophytismus ist aber jedenfalls für die Lathraeen etwas sehr Nebensächliches und mehr Zufälliges. 369 sie von Hunderten von Haustorien angebohrt werden, sind sie doch gewiss ausserordentlich geschädigt, und ich zweifle nicht, dass sie früher oder später den Angriffen des Parasiten auch erliegen können. Man vergleiche nur die Fig. 3, Taf. II, in meinen „Biologischen Studien an der Gattung Lathraea“'), welche für Clandestina, die Figuren 1 und 4, welche für Squamaria annähernd zeigen, mit welcher Unmasse Wurzeln der Parasit ein Wurzel- stück der Wirthspflanze umstricken kann, und wie Hunderte von Haustorien in dasselbe versenkt werden. Die Rinden soleher Wurzeln sind förmlich durchsetzt von Haustorialfortsätzen und Haustorialpolstern, ein ganz beträcht- licher Theil der Gewebe wird durch sie zerstört. Die Fig. 3, Taf. I, (Biolog. Studien; Ber. d. Deutsch. Bot. Gesellsch. 1893) zeigt wie gross die Narbenstellen abgebrochener Haustorien an Wirthswurzeln sind. In meiner Sammlung habe ich Stücke starker Weidenwurzeln von 3,6—5 cm Durchmesser, welche theils von noch intacten Wurzeln und Haustorien der Clandestina umgeben sind, theils aber in grosser Menge die Spuren ab- gestorbener Haustorien weisen. Die Rinde zeigt sich völlig durchwühlt von den Haustorialfortsätzen, deren Gewebe zum Theil noch erhalten, zum grösseren Theil ausgefault sind und Kanäle von 1—3 mm Weite darstellen. Wie die Bohrlöcher der Larven grösserer Insekten nehmen sich an der Oberfläche die Eingänge in diese Höhlungen aus. Da die Saugfortsätze in der Regel bis an den Holzkörper und auch in diesen gerathen, wird nach dem Absterben der Haustorien und dem Aus- faulen der Gewebemassen des Parasiten an localisirten Stellen der Holz- körper der Wirthswurzeln blossgelegt und dem zerstörenden Einflusse der Atmosphärilien preisgegeben. (Vgl. Fig. 8, Taf. X.) Wie beträchtlich auch bei Lathraea Squamaria der durch den Parasiten zerstörte Complex an Rinde in den Wirthswurzeln sein kann, dies zu zeigen, ist die schematische Fig. 2, Taf. X, geeignet. Alle weiss gelassenen Flecken sind Stellen, welche durch Gewebe des Parasiten resp. von seinen Haustorialfortsätzen und -Polstern eingenommen sind. Aber der Einfluss der parasitischen Lathraeen beschränkt sich nicht auf die Zerstörungen in der Rinde der Wirthswurzeln; auch der Holzkörper wird, wie wir sahen, angegriffen und erleidet unter diesen Angriffen, ausser der Zerstörung von Holzelementen, auch bemerkenswerthe Störungen in seiner Fortentwicklung und Ausbildung °). Betrachten wir diese Störungen vorerst an einigen Beispielen für La- I!) Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch., 1893. 2) Auch Pitra (a. a. O., S. 65) beobachtete einmal bei Zathraea Squamaria einen in dem Holzkörper versenkten Haustorialfortsatz, doch dachte er nicht, dass derselbe activ ins Holz eingedrungen sei. Er sagt: „In diesem Falle mag natürlich das Holzgewebe sich später um die Wurzel gebildet haben, da an ein Zerstören des Holzkörpers durch die parasitische Wurzel schwerlich zu glauben ist.“ Die isolirten Haustorialschläuche, die man bei Squamaria so häufig im Holz eingefressen antrifft, übersah er, 370 thraea Clandestina. Vor allem bemerkenswerth ist die durch den Para- siten bewirkte Unregelmässigkeit im Holzzuwachs. Die Jahresringe werden in sehr ungleicher Mächtigkeit nach den verschiedenen Seiten ausgebildet (vgl. Fig. 7, Taf. X), und es ist unschwer zu erkennen, dass sie an jener Seite, wo die Saugfortsätze einer der Wirthswurzel anliegenden Parasiten- wurzel eingedrungen sind, an Mächtigkeit beträchtlich zurückbleiben. An den Stellen, wo die Saugfortsätze den Holzkörper erreichen, wird ferner das Cambium zerstört und findet kein Diekenwachsthum statt; eine Folge davon ist, dass die Jahresringe unvollständig werden, sich gegen den Saug- fortsatz hin auskeilen. (Vgl. die Figuren 5, 7 u. 8, Taf. X.) In Fig. 5 sieht man den Saugfortsatz, der etwa im Herbste an den Holzkörper der einjährigen Wurzel vorgedrungen war. An der Stelle, wo er den Holzkörper erreichte, und in einiger Entfernung ringsum, unterblieb die Cambiumthätigkeit; der zweite Holzring blieb offen. Er erweist sich von sehr verschiedener Stärke an den verschiedenen Seiten, ein Verhalten, das wahrscheinlich mit der An- oder Abwesenheit anderer Saugfortsätze in der Nachbarschaft im Zusammenhang steht. Auch der in Fig. 6 dargestellte Wurzelquerschnitt einer Salix sp. zeigt die starken, störenden Einflüsse der Haustorien in den Unregelmässig- keiten im Aufbaue des Holzkörpers. Offenbar war diese Wurzel vom Para- siten im ersten Jahre, in der Nähe des dargestellten Querschnittes, noch nicht ergriffen worden. Im zweiten Jahre tritt eine sehr bemerkbare Un- gleichheit in der Stärke des Jahresringes auf, der nach unten (in der Figur) um Ys—"s3 schwächer ausgebildet erscheint als nach oben. Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, dass die schwache Ausbildung desselben unten von dem in der Nähe vor sich gegangenen Angriff seitens eines Hausto- riums herrührt. Zu Beginn des dritten Jahres wurde die Wurzel aber an der Oberseite von einem Saugfortsatz angebohrt, der jedoch frühzeitig ab- starb, so dass nur mehr seine Reste nachzuweisen waren. An jener Stelle sehen wir den zweiten Jahresring blosgelegt; der Holzkörper war hier auf eine weitere Strecke hin in Desorganisation begriffen, was in der Skizze durch dunkle Färbung angedeutet wurde. Durch diese Angriffe wurde das Cambium auf eine weite Strecke hin zerstört, in einer andern aber so ge- schwächt, dass seine Thätigkeit im dritten Jahre gar nicht bemerkbar wird. Nur in etwa einem Drittel des Umkreises erfolgt desshalb im dritten Jahre noch Holzbildung. Schon sehen wir aber an dieser Stelle einen neuen Haustorialfortsatz eingedrungen, der wieder einen beträchtlichen Theil des noch vorhandenen Cambiums zerstört oder in seiner Thätigkeit lähmt. Allein der Einfluss des Parasiten verursacht noch weitergehende Unregel- mässigkeiten.. Die Fig. 8, Taf. X, giebt einen Theil eines Querschnittes durch eine 3,6 cm starke Weidenwurzel in schematischer Darstellung wieder. In der hellgrau gehaltenen Rinde sehen wir, dunkel gezeichnet, die Gewebe- reste eines abgestorbenen Haustorialfortsatzes und zerstörter Rinde, stellen- weise bereits von Höhlungen durchsetzt. Durch den Haustorialfortsatz Stil wurde das Cambium local zerstört und das Zusammenschliessen der weiteren Jahresringe unmöglich gemacht. Man beobachtet ferner, wie die Jahres- zuwachse durch den Einfluss des Haustorialfortsatzes gegen früher an Mäch- tigkeit abgenommen haben. An der linken Seite sind noch vier Jahres- zuwachse zu erkennen, welche nach dem Erreichen des Holzkörpers durch den Haustorialfortsatz gebildet wurden, rechts aber deutlich nur zwei. Letzteres liesse sich durch das früher erwähnte Auskeilen der Jahreszuwachse erklären, doch ist auch eine anderweitige Möglichkeit vorhanden. Es wird nämlich die Abgrenzung der Jahresringe in der Nähe der durch den Para- siten geschädigten Stellen eine sehr undeutliche. Diese Verhältnisse kommen allerdings in unserer schematischen Fig. 8, Taf. X, nicht zum Ausdruck. Doch ist in dem zugehörigen Präparate, auch linker Hand vom abgestor- benen Haustorialfortsatz, die Grenze zwischen dem 3. und 4. Jahresring schon wenig ausgesprochen, und der 4. Zuwachs zeigt ohne vorausgehende deutliche Herbstholzbildung Anschluss ans Cambium, obwohl die betreffende Wurzel im November ausgegraben worden war. Es bleibt desshalb fraglich, ob nicht auch rechts unter den deutlich unterscheidbaren zwei Jahreszuwachsen eigentlich mehrere vorliegen, die aber eben wegen der geringen Ausprägung der Unterschiede zwischen Herbst- und Frühjahrsholz nicht unterscheidbar werden. Endlich treten auch Erscheinungen zu Tage, welche als Reaction der Wirthswurzel auf den Angriff des Parasiten, mit der Ten- denz seinem Weitergreifen möglichst Einhalt zu thun, aufzu- fassen sind. In der Rinde der von Olandestina befallenen Weidenwurzeln sehen wir sehr häufig, dass sich eine Peridermlage ausbildet, welche den durch den Parasiten geschädigten Rindentheil, längs der Haustorialfortsätze, von dem intacten Theil abgrenzt. In der That scheint der Schmarotzer diesen Wall nie zu durchbrechen. Im Holzkörper tritt uns als Wehrein- richtung in den Weidenwurzeln stets reichliche Thyllenbildung entgegen, welche sowohl die Gefässe unterhalb des Holzes, in das der Parasit einge- drungen ist, verstopft, als auch jene, welche im später zugewachsenen Holze an den Flanken der Haustorialfortsätze gebildet werden. Der Parasit scheint aber bei besonders energischen Angriffen auch die Qualität der Elemente zu beeinflussen, welche das Cambium in der Nähe des angegriffenen Holztheiles bildet. So bemerkt man in der schematischen Fig. 7, Taf. X, im letzten Jahresringe links vom Haustorialfortsatz und oberhalb einer Auszweigung desselben eine grössere, weiss gelassene Insel, was andeuten soll, das in jenem T'heil des Holzes Gefässe gänzlich fehlen. Bei stärkerer Vergrösserung giebt dieses Verhalten die Fig. 1, Taf. VI, wieder, wo man in dem Holze, das oberhalb des seitlich in den Holzkörper eingedrungenen Complexes von gestreckten Haustorial- schläuchen hinzugewachsen ist, keine Gefässe sieht. Entweder sind an solchen Stellen Gefässe sehr selten und die vorhandenen von geringer Weite, oder sie fehlen ganz; dies fällt um so mehr auf, als der Holzkörper dieser m. Saliwwurzeln im Normalfalle ausserordentlich reich an Gefässen ist und selbe eine bedeutende Weite erreichen. Es macht den Eindruck, als ob die Wirthspflanze eine Art Schutzholz bilden würde, das wesentlich aus Librifermfasern besteht. In der T'hat ist dem Parasiten das Vordringen in solchem Holze, wo er gleichsam Schritt auf Schritt diekwandige Membranen durchbrechen muss, erheblich erschwert, während die Durchbrechung der Gefässe weniger Arbeitsleistung erfordert und immer ein relativ beträcht- liches Vorschreiten ermöglicht. Die Fig. 1, Taf. VI, giebt uns auch einen Beleg dafür, dass die Hau- storien mehrere Jahre funetioniren können. Der gegebene Fall erweist das wenigstens für den Zeitraum von zwei Jahren. Der Haustorialfortsatz dieses Haustoriums hat gegen den Herbst den Holzkörper der Wirthswurzel erreicht und local das Cambium zerstört. Der Zuwachs seitlich dieser Zone zeigt zwei Jahresringe, und allem Anschein nach waren das Haustorium und speciell die Elemente des Haustorialfortsatzes noch vollständig lebens- fähig, und es ist wahrscheinlich, dass selbes noch ein drittes Jahr angedauert hätte. Im allgemeinen dürfte die Funetionsdauer der Haustorien je nach Umständen eine sehr wechselnde sein; doch vermuthe ich, dass sie meist zwischen 2—4 Jahren schwanken dürfte. Die Fig. 8, Taf. X, zeigt uns wenigstens einen Fall, wo der bereits ausgefaulte Haustorialfortsatz vor vier Jahren eingedrungen sein muss!). Die Störungen, welche Syuamaria im Holzkörper der Erlenwurzeln verursacht, sind etwas abweichend von den durch Clandestina an den Weidenwurzeln hervorgerufenen. Die eigenartige Bildung der Haustorial- schläuche bedingt es, dass hier durch den Parasiten der Holzkörper in viel weiterer Ausdehnung durehdrungen wird; doch ruft das glatte Durch- fressenwerden der Holzelemente durch die Haustorialschläuche verhältniss- mässig nur wenig auffällige Alterationen hervor. Ja an gewissen Schnitten (vgl. den Holzquerschnitt Taf. VII, Fig. 4) wird die Anwesenheit des Para- siten nur dem mit der Sache Vertrauten bemerkbar. Wohl sehen wir dort, wo der Haustorialfortsatz noch als mehr oder minder geschlossener Zapfen vordringt, oder wo sich die Haustorialschläuche häufen, eine auffallendere Reaction von Seiten der Wirthswurzeln auftreten, nämlich die Erfüllung und Verstopfung der Lumina der benachbarten Gefässe mit Schutzgummi. Hin- gegen sind die Unregelmässigkeiten im Holzgewebe weniger hervortretend !) Auch Pitra sagt a. a. O., 8.65: „Die Saugwarzen von Lathraca sind übrigens gewiss nicht immer einjährig, denn aus einem Querschnitte der Nährwurzel über der Saugwarze des Parasiten kann ich sicher schliessen, dass letztere wenigstens zwei Jahre lebensthätig gewesen sein musste, da die Saugwurzel tief in dem Holzkörper der Nährpflanze eingekeilt lag“. Die Angabe von Kerner und Wettstein (Die rhizopodoiden Verdauungsorgane thierfangender Pflanzen, S. 10), dass die Saugwarzen regelmässig absterben, wenn die holzigen Wirthspflanzen sich herbstlich verfärben und das Laub abwerfen, habe ich schon in den „Biologischen Studien an der Gattung Lathraea“ (Ber. der deutsch. bot, Gesellschaft 1893, S. 10 u. folgende) widerlegt. 313 als bei den durch Clandestina befallenen Weidenwurzeln. Die Ursache scheint mir wesentlich darin zu liegen, dass die Haustorien und deren Saug- fortsätze bei C’landestina weit umfangreicher sind und ferner, dass die Haustorialschläuche der Squamaria nur selten in das Cambium eindringen, sondern vorwiegend unterhalb desselben, allerdings demselben meist tangental genähert bleiben, verlaufen. So ist eine weitere Thätigkeit des Cambiums ermöglicht. Während nun bei den von Clandestina befallenen Weidenwurzeln eine verminderte Thätigkeit des Cambiums gegen die Haustorialfortsätze hin, ein häufiges Auskeilen der Jahreszuwachse in der Nähe derselben vielfach beobachtet wurde, ist an den von Syuamaria befallenen Erlen- wurzeln eher ein gegensätzliches Verhalten festzustellen. Wohl wird der Zuwachs des Holzkörpers wegen der Zerstörung des Cambiums dort local aufgehoben, wo der Haustorialfortsatz geschlossen in den Holzkörper ein- gedrungen ist, aber in der Umgebung des Haustorialfortsatzes, wo die von ihm ausgesandten Haustorialschläuche verlaufen, ist eher eine verstärkte, denn eine geschwächte Cambiumthätigkeit wahrnehmbar. Es macht den Eindruck, als ob die Hanustorialschläuche ein Zuströmen der Baustoffe nach diesen Orten des Verbrauches hervorriefen. Ich möchte dies an der schema- tischen Skizze der Taf. V, Fig. 4, erläutern. In dem dargestellten Theile eines Erlenwurzel-Querschnittes sehen wir die Holzbildung im ersten und zweiten Jahre ziemlich gleichmässig vor sich gegangen. Im dritten Jahre ist der Holzzuwachs vermindert, und wie wir später sehen werden, abnorm; Schuld daran sind offenbar eingedrungene Haustorialfortsätze der Lathraea. Bei a, im mit 3 bezeichneten dritten Jahresring, sehen wir einen im Längs- schnitt getroffenen Haustorialfortsatz bis an den Holzkörper vorgedrungen. Zwei andere befanden sich in der Nähe, und einzelne Elemente derselben waren an den Stellen b und c erkennbar. Bei e gewahren wir eine Durch- brechung im Festigungsgewebe (m) der Rinde; hier wurden einzelne Zellen eines Haustorialfortsatzes vom Schnitte getroffen. Bei b hingegen durch- zogen einzelne Haustorialschläuche das Holz, welche, parallel der Längs- achse verlaufend, quer durchschnitten wurden und wieder die Nähe eines Haustorialfortsatzes verriethen. An allen diesen Punkten ist eine Aus- buchtung des Jahresringes gegen die Peripherie, also eine vermehrte Thätig- keit des Cambiums bemerkbar; bei a zunächst eine Einbuchtung, welche durch das Eindringen des Haustorialfortsatzes und die örtliche Zerstörung des Cambiums bedingt ist. Aber, besonders an der einen Seite, ist derselbe von einer verhältnissmässig beträchtlichen Erhebung des Holzkörpers ein- gerahmt. Es macht den Eindruck, als ob eine Umwallung des fremden Gewebes eingeleitet würde. Dabei ist das Holz, welches an jenen Stellen entsteht, wo unterhalb des Cambiums der Parasit seine Haustorialfortsätze ausbreitet, auch in seiner Zusammensetzung vom normalen verschieden. Hier finden wir in der Hauptsache das gleiche Verhalten, wie es für Olandestina erwähnt wurde, 374 dass nämlich die Gefässbildung auf ein Minimum redueirt wird oder gänz- lich unterbleibt. In der schematischen Figur 4, Taf. VI, ist dies durch das Weglassen der Ringelchen, welche die Gefässdurchschnitte darstellen sollen, im 3. Jahreszuwachse angedeutet. Diese Erscheinung ist an den von Squamarıa befallenen Erlenwurzeln sehr häufig zu beobachten, bei Olandestina aber seltener, weil ihre Haustorien nicht so häufig tiefer in den Holzkörper eindringen. Das abnorme Holz besteht aus Holzparenchym und Libriformfasern, welche indess meist nur wenig verdickte Wandungen besitzen. Man erkennt den Charakter dieses Holzes gut an den Quer- schnittsbildern Fig. 4, Taf. VII, Fig. 2, Taf. VIII, und auch am Längs- schnittsbild Fig. 1, Taf. IX. Wir haben im vorausgehenden Abschnitte gesehen, wie reich an werth- vollen Materialien die Haustorien sind. Das hyaline Gewebe um die Tracheidenplatte bei C’landestina und um den Tracheidenstift bei Squg@- maria besitzt nach Allem besonderen Reichthum an Eiweisssubstanzen; das dünnwandige Parenchym im Tracheidenkopf verräth bedeutenden Gehalt an Phosphorsäure, die 'Tracheidenreihen daselbst enthalten die mit Jodjod- kalium sich rothbraun färbende Stärke, die grosszellige Rinde bei Clan- destina ist meist vollgepfropft mit Stärke von gewöhnlicher Reaction. Ueberdies haben wir Inhaltsstoffe nachgewiesen, welche vermuthlich aus den vom Parasiten aufgelösten Membranen stammen und möglicherweise das Bildungsmaterial für die Stärke abgeben. Alle diese Substanzen entnehmen die Lathraeen ihren Wirthen. Wir haben ferner in diesem Abschnitte gezeigt, welche beträchtlichen Zer- störungen und Störungen dieselben in den Geweben der Wirthe hervor- rufen, und zieht man dazu noch die massige Entwicklung, welche alte Stöcke der Lathraeen zeigen '), das Gewirre von Hunderten von Wurzeln und Tausenden von Haustorien, welche oft die Wirthswurzeln umhillen, dann gelangt man zur Ansicht, dass die Lathraeen vielleicht verderb- lichere Parasiten sind, als man bislang zu meinen geneigt war. Jedenfalls werden aber diese Untersuchungen hinlänglich nachgewiesen haben, dass die Lathraeen Parasiten von bester Qualität sind, und dass man andere Arten der Ernährung für sie wohl kaum in Anschlag bringen kann. Unger hnuldigte noch der Ansicht, dass Lathraea ihren Wirthen nur den „rohen Nahrungssaft‘‘ entziehe. Er schreibt in seiner „Anatomie und Physiologie der Pflanzen‘ (Wien und Leipzig, 1855) auf S. 305: „Da für die meisten Parasiten, mit Ausnahme dass sie beim Keimen an einer Pflanze leichter als an der andern haften können, die Beschaffenheit der Nähr- pflanze gleichgültig ist, so ist ersichtlich, dass von ihnen nur die noch wenig veränderten Nahrungsstoffe, welche in den meisten Pflanzen eine ziemlich gleiche Beschaffenheit haben mögen, keineswegs aber die aus denselben 1) Massee, a. a. O. S. 258, erwähnt, dass ein alter Stock von Lathraea Squa- maria sechs Pfund gewogen habe. 375 hervorgegangenen näheren Bestandtheile, am wenigsten aber die Secrete aufgenommen werden. Es zeigen dies am besten die mit Saugnäpfchen ver- sehenen Wurzelfasern von Lathraea squamaria, die ihre Verbindung stets nur mit dem rohen Nahrungssaft führenden Holzkörper der Nährpflanze unterhalten.“ Diese Quelle, obwohl nicht genannt, hat vermuthlich auch Kerner und Wettstein') zu dem Ausspruche veranlasst, den sie auf Seite 10 ihrer bekannten Abhandlung „Die rhizopodoiden Verdauungsorgane thierfangender Pflanzen“ thun: „Die Nahrung, welche auf diesem Wege (durch die Haustorien) in die Lathraea kommt, ist nicht wesentlich ver- schieden von jener, welche die Wurzeln des betreffenden Baumes oder Strauches aus der umgebenden Erde aufgenommen haben, vorwaltend also Wasser und in diesem gelöst eine geringe Menge mineralischer Salze, eine Flüssigkeit, welche man früher nicht unpassend den „rohen Nahrungssaft‘ genannt hat.‘ Dass diese Ansichten keine Berechtigung haben, geht aus meinen Untersuchungen wohl mit aller Klarheit hervor, aber ich glaube, dass die Lathraeen auch nicht jene „in ihren Bedürfnissen relativ beschei- denen Schmarotzer‘‘ sind, als welche sie Koch) „ihren Wirthen, den aus- dauernden Bäumen oder Sträuchern gegenüber‘ aufgefasst hat°). Ich meine allerdings, dass ältere Stauden und Bäume nur schwer und langsam durch den Parasiten zu Grunde gerichtet werden, und nur dann, wenn reiche Ansiedelungen alter Lathraea-Stöcke vorhanden sind; hin- gegen, dass jüngere Pflanzen, Sämlinge und wenige Jahre alte, dem An- griffe eines kräftigen Lathraeen-Stockes bald erliegen müssen). Dass !) Sitzb. der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Abth. I, XCII. Bd. 1886. ?) „Die Entwicklungsgeschichte der Orobanchen“, Heidelberg 1857, S. 19. 3) Wie schwer falsche Forschungsergebnisse, zumal wenn sie mit einem Bei- geschmack des Pikanten versehen sind, auszurotten sind, beweist das jüngst erschienene „Lehrbuch der Biologie der Pflanzen“ von Prof. Dr. Fr. Ludwig, Stuttgart 1895. Auf S. 13 finden wir folgendes: „Nichtgrüne Parasiten, denen das Chlorophyll ganz oder fast ganz fehlt, die aber die organische Substanz noch in anderer Form auf- nehmen, sind die Arten von Lathraea (?, vom Autor gesetzt) und Monotropa“. (Hier setzt wohl der Leser Frage- und Rufzeichen hinzu!) „Ueber die vorwiegend parasitische Ernährung von ZLathraea und deren Organe vgl. Heinricher, der eine andere Ernährungsweise aber ganz bezweifelt. Auch Cohn, Krause, Scherffel kamen zu dem Schluss, dass Lathraea kein Thierfänger ist“. Trotzdem, und nach- dem auf S. 71 wieder der Satz steht „Die Schuppenwurz, Zathraea squamaria, ist ein echter Schmarotzer, der den Wurzeln der Haseln, Buchen und anderer Laubhölzer seine Nahrung entzieht“, werden dann doch 2 volle Seiten dem Ammenmärchen von der Insektenfresserei der Lathraea gewidmet, bezüglich aus der oben genannten Schrift Kerner’s und Wettstein’s abgedruckt. Etwas mehr Kritik könnte man denn doch bei Compilationen, welche sich Lehrbücher nennen, erwarten! 4) Es ist mir inzwischen gelungen (Frühjahr 1892) die Clandestina zur Keimung zu bringen. Darüber ist an anderm Orte (Ber. d. D. Bot. Ges., 1894) gesondert mitgetheilt worden. Dass die Keimlinge, bei ihrer ausserordentlich langsamen Ent- wicklung, selbst jungen Wirthspflanzen keine zum Verfall führenden Schädigungen beibringen, ist einleuchtend. 376 man den Parasitismus der Lathraeen bisher wenig beachtete, liegt, glaube ich, darin, dass sie meistens in geschlossenen Gehölzen vorkommen, wo das Zugrundegehen und Abdorren eines oder des andern Strauches wenig Be- achtung findet, umsomehr als der Besitzer des Gehölzes oder der Forstmann auf die Ursache, wenn es die Lathraea ist, nicht leicht verfällt, da ja mit Ausnahme der Blüthezeit vom Parasiten oberirdisch nichts zu sehen: ist. Anders ist es dort, wo es sich um Culturpflanzen handelt, und hier liegen, wie ich zeigen werde, rücksichtlich der Schädigung der Weinreben that- sächlich positive Angaben in der Literatur vor. Noch fehlen aber solche Nachweise für Clandestina, obwohl ich sie eher für noch gefährlicher halte als die Squamaria. Dies theils wegen der Stärke ihrer Wurzeln und besonders ihrer Haustorien, theils wegen der rascheren Ausbreitung der mit etwas gestreckten Internodien versehenen Rhizome, und besonders wegen der Fähigkeit der letzteren an beliebigen Stellen neue Wurzeln zu bilden, welche jede in ihren Bereich kommende Wirthswurzel sofort mit ihren Saugorganen erfassen. Ich führe hier auch eine Beobachtung aus dem Innsbrucker Garten an, welche einigermassen für die Möglichkeit solcher zerstörender Wirkung der (lan- destina spricht, wenn sie dieselbe auch nicht mit Sicherheit erweist. Den Hauptsitz hatte der Parasit an einer Weide; hier kam er vor Jahren zuerst zur Beobachtung und hier wurde die grösste Menge von Inflores- cenzen gebildet. Er war dann allerdings auch auf die benachbarten Weiden übergegangen, und diese Ausbreitung vollzog sich wesentlich in den Jahren seit 1389, seit meiner Anwesenheit in Innsbruck. Im Herbste 1892 ist nun jene Weide, deren Stamm etwa einen Durchmesser von 11—12 cm hatte, abgestorben und ich bin sehr geneigt, dies auf Rechnung des Para- sitismus der Olandestina zu setzen. Noch eine andere Thatsache spricht in dem Sinne. In den Jahren 1891, 1892 erhielt ich von der Olandestina reichlich Samen, über hundert jedes Jahr; 1893 kaum 10, obwohl sie annähernd ebenso reich geblüht hatte, als in den vorausgegangenen Jahren. Die Auslegung dieser Thatsache darf vielleicht dahin lauten, dass der Parasit aus den Wurzeln der abgestorbenen Weide nicht mehr genügende Mengen von Nahrung erhielt, und desshalb die Samen nicht zur Ausbildung zu bringen vermochte. Im laufenden Jahre (1894) kam an jener Stelle, wo die Clandestina ursprünglich ihren Hauptsitz hatte, überhaupt nur eine einzige Inflorescenz zur Ausbildung. Bezüglich der Lathraea Squamaria enthält die „Flore de France“ von Grenier et Godron') die bemerkenswerthe Angabe: „Parasite sur les racines des arbres; les bois ombrages, et souvent les coteaux plantes de vignes, oü elle se multiplie tellement, que cette culture en est gravement compromise.“ Auf eine andere Angabe, welche die beachtete Schädigung der Weinreben durch die Squamaria zum Gegen- ı) Paris 1852, Bd. IL, S. 643. 377 stande hat, wurde ich durch Herrn Hof- und Gerichtsadvocaten Dr. J. B. Holzinger in Graz freundlichst aufmerksam gemacht. In der „Flora“, Jahrg. 1845, II. Bd. 8. 637 findet sich unter der Rubrik „Kleinere Mit- theilungen‘“ folgendes: ‚In einigen Gemeinden des Cantons Zürich thut die gemeine Schuppenwurz (Lathraea Squamarıa) viel Schaden in den Wein- gärten, indem diese Schmarotzerpflanze sich an die Wurzeln der Reben ansaugt und ihnen den Saft entzieht, und da sie dabei den Boden immer nass erhält, so scheint dies die Nachtheile noch zu vermehren. Stellen- weise dringen ihre unterirdischen Stengel 8—10 Fuss tief in die Erde, so dass es schwer fällt, die Pflanze, welche dort die böse Blume heisst, völlig auszurotten. Man hat die Erde 8 Fuss tief ausgegraben, den Grund mit Kalk übergossen und mit frischer Erde überdeckt, und doch erschien die böse Blume nach einiger Zeit wieder an derselben Stelle. Man fürchtet daher, es werde kaum ein anderes Mittel zu ihrer Vertilgung übrig bleiben, als die Reben für einige Zeit aus den Bergen zu entfernen und sie durch krautartige Culturpflanzen zu ersetzen '). Dass gerade die Weinberge um Zürich dauernd von der Lathraea Squamaria zu leiden hatten und haben”), bestätigt Folgendes. Die Schweizerische Landwirthschaftliche Zeitschrift (1894, XAlk- Jahrg.; 8. 325) enthält nachstehende Mittheilung: ‚In der landw. Beschreibung von Thal- weil, Oberrieden, Höngg ete. sagt Kohler (1852): „ „Die Schuppenwurz, „böse Blume‘‘ genannt, ist in den Rebbergen Thalweils und Oberriedens häufig und schadet bedeutend. Ausgraben und Auflesen, auch der kleinsten Theile, ist das einzige Mittel, um dieses Uebel zu mindern.““ Endlich kommt mir gerade bei der Abfassung dieses Abschnittes noch ein will- kommener Beitrag seitens des Herrn Collegen Prof. Dr. ©. Schröter in Zürich zu. Er schreibt am 26. April 1894: „In Oberrieden am Zürichsee tritt ZL. Squamaria als Unkraut zwischen den Weinreben auf, als soge- nannte „böse Blume‘; sie schädigt die befallenen Stöcke sichtlich. Die Entfernung des Parasiten wird als beinahe unmöglich bezeichnet; das kleinste Stückehen erzeuge ihn von Neuem°®). An einer Stelle wurde die "2 m 1) Die Mittheilung ist abgedruckt aus der Schweiz. Zeitschrift für Land- und Gartenbau, 1844, No. 6. 2) Diese Weinberge dürften einen stark durchnässten Boden besitzen, wie er der Lathraea jedenfalls besonders zusagt. Es geht dies wohl aus obiger Mittheilung selbst hervor. 3) Der naheliegenden Vermuthung, dass Bruchstücke der Squamaria sich regene- riren könnten, habe ich an anderem Orte (Ber. d. D. Bot. Ges., Bd. XI, S. 8) schon Raum gegeben. Die Möglichkeit der Bewurzelung solcher hat Krause (Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von Lathraea Squamaria L., Breslau 1879, S. 4) überhaupt schon festgestellt. Versuche, welche ich im Vorjahre (1893) zu diesem Zwecke einleitete, blieben allerdings erfolglos, doch mag daran Schuld gewesen sein, dass zu denselben Rhizom- stücke verwendet wurden, welche nach der Samenreife (2. Juni) ausgegraben worden waren, also zu einer Zeit, wo eine theilweise Erschöpfung der Reservesubstanzen 378 tiefe Grube, aus der man ein Rhizom entfernt hatte, am Grunde mit einer Steinplatte zugedeckt; umsonst, der Schmarotzer wuchs über die Platte hinaus und kam wieder zum Vorschein. — Auch auf den Wiesen um die Obstbäume herum tritt die Lathraea in Oberrieden vielfach auf; ich habe heute daselbst auf einer behufs Aussaat einer Kunstwiese umgegrabenen Matte prachtvolle Rhizome ausgegraben, welche an vielen Stellen Haustorien zeigten, welche die Wurzeln eines Apfelbaumes umsponnen hatten '). in den Rhizomen vorhanden sein wird. Die Rhizomstücke, welche an bewurzelte Steck- linge von Erlen angebunden worden waren, fanden sich im Herbste entweder nicht mehr vor, oder vollständig geschwärzt und verfallen. Besser gelangen die Versuche 1894 und sie geben so eine Bestätigung der oben ausgesprochenen Ansicht über den Grund des Misslingens der vorjährigen Versuche. Am 9. März wurden 4 Rhizombruchstücke, eirca 1 Spanne lang, an bewurzelte Erlenstecklinge gebunden und in grosse Holzkübel gepflanzt, welche ihrerseits wieder in den Boden versenkt wurden. Am 15. Mai wurden zwei dieser Versuchkulturen geprüft. Das eine Rhizomstück hatte an der basalen Bruchfläche des Rhizoms zwei lange dünne Wurzeln getrieben, das andere an der gleichen Stelle einen ganzen Kranz feiner, noch ziemlich kurzer Würzelchen. Haustorien waren noch keine ge- bildet. Die dritte und vierte Versuchs-Cultur wurde am 1. August untersucht. Beide Rhizomstücke hatten wieder aus der basalen Bruchfläche eine ganze Menge feiner Würzelchen getrieben, die sich schon reichlich verzweigt zeigten. Auch Haustorien waren schon vorhanden, besonders an den Würzelchen des stärkeren Rhizombruchstückes. An diesem waren auch eiuige Achselsprosse ausgewachsen. Bemerkenswerth ist, dass die Bewurzelung in allen Fällen nur an der basalen Bruch- fläche eintrat. Bruchflächen seitlicher Rhizomzweige waren unbewurzelt und auch aus der Achsel der Schuppenblätter sah ich nirgends eine Wurzel hervorkommen. Eine andere Frage ist es, ob sich bei Lathraea aus Wurzeln Stammknospen zu bilden vermögen? Wenn sich zurückbleibende und durch Haustorien an Wirths- wurzeln befestigte Wurzeln des Parasiten in dieser Weise zu regeneriren vermöchten, wäre die schwere Ausrottbarkeit desselben noch viel verständlicher. !) Nur Döll (vgl. unten) erwähnt das Vorkommen der Squamaria auf Pyrus. — Ich habe mich in den Floren und der übrigen mir zugänglichen, botanischen Literatur umgesehen, welche Wirthspflanzen für Lathraea Squamaria bekannt seien, Doch sind genauere Angaben spärlich; meist heist es nur „auf Wurzeln von Bäumen und Sträuchern“. Die Ergebnisse meiner Nachsuche seien hier zusammengestellt. Am häufigsten genannt werden: Hasel, Erle und Buche. Corylus Avellana in Po- tonie's „Illustrirte Flora von Nord- und Mitteldeutschland“, Berlin 1889, in Klinge’s „Flora von Est- Liv- und Curland“, Reval 1882, in Willkomm’s „Prodromus Florae Hispanicae“, Stuttgart 1870, in Kittel’s „Taschenbuch der Flora Deutsch- lands“, Nürnberg 1844, in De Candolle’s „Prodromus“, bei Massee (Journal of Botany, 1886, S. 257). Alnus wird als Wirthspflanze angegeben bei Klinge (l. c.), bei Unger, „Anatomie und Physiologie der Pflanzen“. Fagus wird erwähnt bei Willkomm (l. c.), bei Arcangeli „Compendio della Flora Italiana“, Torino 1882, bei Massee (l. e.). Genannt werden ferner als Wirthspflanzen: Juglans regia (von Willkomm |. c. und De Candolle l.c.), Frazxinus excelsior (von Bowman e. und Massee l. ec.) Ulmus (von Massee I. c. und Döll „Zur Erklärung der Entwicklung und des Baues der Lathraea Squamaria L.“, im 30. Jahresb. des Mann- heimer Vereins für Naturkunde, 1864, S. 84), Quercus (von Arcangelil. c.), Carpinus, Pyrus (von Dölll, a. e.), endlich Medera Helix „parasite sur le lierre“, in Borreau’s 379 VII. Zur Entwicklungsgeschichte der Haustorien. Einige Andeutungen über die Entwicklung der Haustorien von Lathraea Squamaria hat Krause!) gegeben. Sie treffen zumeist das Richtige, ohne indess vom Irrthümlichen frei zu sein. Auch meine Untersuchungen sind nicht lückenlos, sie reichen aber immerhin so weit, dass sie eine an- nähernde Vorstellung vom ganzen Entwieklungsgang gestatten. Vor allem ergaben sie das wichtige Ergebniss, dass die Anlage und Entwicklung der Haustorien der Lathraeen in den Hauptzügen jedenfalls vollständig so verlaufen wie bei den Rhinanthideen?). In der Abhandlung „Recherches sur les organes d’absorption des plantes parasites‘ hat Leclere du Sablon die Entwicklungsgeschichte der Haustorien von Melampyrum pratense, Tozzia alpina, Rhinanthus major, Pedicularis sylWwatica, Odontites lutea und Euphrasia offieinalis beschrieben und durch 2 Tafeln Abbildungen erläutert. Bei allen diesen verläuft die Ent- wicklung der Haustorien in den Hauptpuncten in übereinstimmender Weise. Ebenso erhielt ich aber bei Untersuchung der Anlagestadien von Lathraea- Haustorien Bilder, welche mit aller Klarheit den wesentlich gleichen Ent- wicklungsgang auch für diese erweisen; die von Leclere du Sablon’) auf Pl. I, in Fig. 1 und 2 wiedergegebenen Entwicklungsstadien der Haustorien von Melampyrum pratense könnten z. B. sehr wohl zur Versinnbildlichung der entsprechenden Entwieklungsphasen der Lathraea-Haustorien heran- gezogen werden. Erst an weiter ausgebildeten Haustorien treten Unter- schiede auf, welche vorwiegend darin begründet sind, dass die Lathraeen als entschieden sehr langlebige Pflanzen, deren Saugorgane selbst durch mehrere Vegetationsperioden zu functioniren vermögen, zu einem compli- eirteren Ausbau der Haustorien gelangen. Speciell wird der Saugfortsatz, besonders dann, wenn die Anheftung an derbere Wirthswurzeln erfolgte, viel massiger entwickelt als bei den obengenannten, zum Theil annuellen (Euphrasia, Odontites, Melampyrum, Rhinanthus), zum Theil, den Lathraeen gegenüber, doch kleine perennirende Kräuter (Tozzia, Pedicu- laris) darstellenden Rhinanthaceen. Die Anlage der Haustorien der Lathraeen erfolgt ohne Zweifel stets als Reaction auf einen von der Wirthswurzel empfangenen Reiz. Auch „Flore du Centre de la France“, Paris 1857, und Rhododendron. „And recently it was pointed out growing abundantly under rhododendron bushes in Kew gardens‘ schreibt Massee l.c. Zu diesen 11 Wirthspflanzen gesellt sich noch Vitis vinifera, wie früher ausgeführt wurde. Sehr wahrscheinlich sind alle Laubhölzer geeignet, den Parasiten zu ernähren, hingegen scheinen Nadelhölzer ausgeschlossen zu sein. 1) Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von ZLathraea Squamaria L. Inaugural-Dissertation; Breslau 1879. 2) Damit wird allerdings nur ein schon von Hovelacque (Recherches sur l’appareil vegetatif des Bignoniacdes, Rhinanthacdes ete., Paris, G. Masson, 1885, S. 551) ausgesprochener Satz bestätigt. 3) Annales des sciences naturelles, Bot., 7. serie, t. sixieme, 1857, p. 90. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft II. 36 380 Koch und Leclere du Sablon nehmen einen solchen, der erstere für die Anlage der Seceundär-Haustorien der Orobamchen, der letztere für die Anlage der Haustorien der Rhinanthideen, in Anspruch'). Die Reiz- ursache dürfte chemischer Natur, in gewissen Stoffen der Wirthswurzel gegeben sein”), und nicht etwa durch Contact allein hervorgerufen werden. Ich beobachtete einige sichere Fälle, wo der das Haustorium bildende Theil der Lathraeawurzel gewiss nicht in direeter Berührung mit der Wirthswurzel stand. Allerdings wird aber stets zum Wirksamwerden des Reizes, das schon bei einem Abstande von höchstens 2 mm seine Grenze finden dürfte, eine weitreichende Annäherung der Parasitenwurzel an eine Wirthswurzel nothwendig sein. Die Anlage der Haustorien kann an sehr jungen Wurzeln stattfinden; in der betreffenden Region der Wurzel ist der Gefässstrang entweder noch von vollkommen procambialer Beschaffenheit, oder er ist eben zur Differen- zirung der ersten Holz-Elemente, welche aus Ring- oder Spiralgefässen be- 1) Entwicklungsgeschichte der Orobanchen, S. 147. „Insoweit der Haustorial- höcker vereinzelt an seiner Mutterwurzel auftritt, finden wir ilın stets an der Contakt- stelle mit dem Nährorgan. Acussere von diesem ausgehende Reize, hier vielleicht auch Contaktreize, dürften die Anlage bedingen“. Vgl. auch Koch „Ueber die direkte Ausnutzung vegetabilischer Reste durch bestimmte, chlorophylihaltige Pflanzen“ Ber. d. D. bot. Ges., 1887. S. 362. „Die Herstellung des Haustorialhöckers (von MMelampyrum) unter Einwirkung von Nährwurzel oder Nährobjeect etc.“ Ebenso nimmt Massee (a. a. O., S. 259) an, dass ein Theil der Haustorien durch Contakt-Reiz zur Anlage komme. „The lateral discs appear to be developped only when the root comes in contact with the host, and consequently the direct result of some irritation brought about by this contact, although the terminal discs may be seen in various stages of development up to the obovate shape, without contact with the host“. Massee verfällt in den Irrthum von Bowman und Kerner (vgl. meine Biologischen Studien an der Gattung Lathraea, Ber. d. D. botan. Ges., 1893, S. 8) und glaubt, dass es auch an den Wurzeln endständige Haustorien gäbe, während er es nur mit losgerissenen, oder doch solchen, hinter denen die Wurzel- fortsetzung bei der Präparation abgebrochen war, zu thun hatte, Leclerc du Sablon äussert sich a. a. O. S. 93. „La cause premiere de la formation de cet organe parait &tre le contact d’un corps renfermant des matieres nutritives, utile & la plante,“ ?) Diese Reizung kann, wie schon aus dem S. 368 Mitgetheilten folgt, auf eine Lathraea-Wurzel auch von andern Gliedern der Laihraea selbst ausgehen. Es ist eine gar nicht selten zu beobachtende Erscheinung, dass der Parasit die Haustorien in eigenes Fleisch versenkt. (Bekanntlich sehr häufig auch bei den Cuseuten. Koch er- wähnt in seiner Entwicklungsgeschichte der Rhinanthaceen das Gleiche auf S, 4 auch für Rhinanthus). Insbesondere dort, wo im dichten Gewirr Lathraea-Wurzeln eine Wirthswurzel umschlingen, kommt es oft vor, dass übergelagerte Wurzeln in untergelagerte ihre Haustorien versenken. Auch kann der Haustorialfortsatz eines Haustoriums in dem Haustorialknopf eines andern gefunden werden. Von Interesse war mir ein bei Squamaria beobachteter Fall, wo zwei feine Würzelchen eine längere Strecke einander parallel gewachsen waren, dann bei genügender Annäherung, offen- bar gegenseitig den Impuls zur Haustorienbildung an genau gegenüberliegenden Stellen sich gegeben hatten, und endlich mit den Ventralseiten der entstandenen Haustorien verwachsen (besser ineinandergewachsen) waren. 381 stehen, vorgeschritten. Gegebenen Falles werden aber Haustorien wohl auch von älteren Wurzeln, mit bereits völlig differeneirtem axilem Strang, noch gebildet werden können. Haustorienanlagen von solchen Wurzeln habe ich nicht gesehen; aber die Bilder, welche quere Längsschnitte durch fertige Haustorien zeigen, führen zu obiger Annahme. (Vgl. S. 324 u. 327.) Die Alters- grenze der Wurzel, bis zu welcher sie in die Haustorienbildung eintreten kann, dürfte zur Zeit erreicht sein, da die Epidermis der Wurzel obliterirt. An älteren Wurzeln entstehen keine neuen Haustorien; sie senden dafür, besonders wenn Wirthswurzeln in genügender Menge vorhanden sind, in reichstem Maasse Seitenwurzeln aus, die ihrerseits die Haustorienbildung übernehmen. Die parasitische Natur der Rhinanthaceen und der Lathraea äussert sich bekanntlich auch in dem Mangel jener reichen Bildung von Haaren an den Bodenwurzeln, wie sie andern Pflanzen, mit vollständig selbstständiger Ernährung, eigen ist. Doch treten den gewöhnlichen Wurzelhaaren völlig gleichende auch an den Wurzeln der Lathraeen auf, allerdings nur an den jungen Haustorialanlagen, oder in deren nächster Nähe. Krause hat diese Haarbildung beobachtet und sie sogar als „das erste Anzeichen bei der Bildung eines Haustoriums‘‘ bezeichnet'). Letzteres ist allerdings nicht richtig. Die Haustorialanlagen geben sich vielmehr stets in einer localen einseitigen Anschwellung der jungen Lathraea-Wurzel kund (Fig. 1, Taf. XI); die als Ausbuchtung erscheinende Anschwellung ist dabei stets der Wirths- wurzel zugekehrt. Allerdings folgt die Haarbildung an jener Stelle rasch nach und beginnt zunächst am Grunde des Höckers (Fig. 2 u. 3, Taf. XJ), um dann an seinen Flanken vorzuschreiten. Seltener kommen auch am Scheitel des Haustorialhöckers, oder doch in seiner nächsten Umgebung, Haare zur Entwicklung (Fig. 4, Taf. XI). Die Haare entstehen alle nur an der der Wirthswurzel zugekehrten Seite, und es ist deshalb auch die Angabe von Krause zu berichtigen, welcher sagt, dass an solchen Stellen der Wurzel (wo seiner Ansicht nach Haustorialanlagen erfolgen sollen, welche aber in Wirklichkeit schon da sind) fast jede Epidermiszelle ein Triehom entsendet. Hingegen hat Krause recht, wenn er sagt: „ohne Zweifel verdanken die Haare ihre Entstehung zunächst dem Reize, den eine fremde Wurzel auf die der Lathraea ausübt‘‘, und wenn er den Trichomen die Aufgabe zuschreibt, eine Nährwurzel mit der Lathraeawurzel zu ver- knüpfen und so lange festzuhalten, bis sich ein Haustorium gebildet und den Saugfortsatz entsendet hat. Die Haare entstehen nicht nur auf einen Reiz, sondern sie erhalten durch diesen offenbar auch ihre Wachsthums- 1) Merkwürdiger Weise hat Hovelacque diese Trichome übersehen. Es kann dies nur so erklärt werden, dass er entweder nur die jüngsten Anlagen der Haus- torien gesehen hat, oder und wahrscheinlicher, nur fertig gebildete Haustorien. In der That verschwinden sie, als functionslos gewordene Gebilde, an diesen. Hovelacque sagt a. a. O,. S. 551: „Nous n’avons pas observ& les poils prehenseurs, que M. Krause a signales chez la Sguammaire“. 26* 382 richtung indueirt und sind dadurch erst befähigt, ihrer Aufgabe vollkommen gerecht zu werden '). Kehren wir nun zurück zur Besprechung der Art und Weise, wie jene locale Wurzelanschwellung, die Haustorialanlage, zustande kommt. Ein Querschnitt der jugendlichen Wurzel (Olandestina und Squamaria ver- halten sich gleich) ergiebt folgendes Bild: Zu äusserst die Epidermis, darunter eine Hypodermis; diesen folgen zwei Rindenzelllagen, und nun kommt der axile procambiale Strang, der eventuell seine Erstlingsgefässe differeneirt zeigt. Der Strang ist in der Regel diarch, bei Clandestina fand ich ihn ausnahmsweise triarch?). Den Strang umgiebt eine bei Sgquamaria wenig differeneirte Endodermis, in der ich die Caspary’schen dunkeln Punkte nicht nachweisen konnte; wohl gelang dies aber bei Clandestina nach Be- handlung mit Javelle’scher Lauge (Fig. 5, Taf. XI). Indem nun zunächst in den zwei Rindenzelllagen, an der der Wirthswurzel zugekehrten Seite, Theilungen besonders in tangentaler, später auch in radialer Richtung ein- treten, und indem, um der daraus folgenden Volumvergrösserung zu ent- sprechen, in Hypodermis und Epidermis radiale Theilungen folgen, entsteht als Anschwellung des Würzelchens die Anlage eines Haustoriums. Zur Erläuterung dieser Verhältnisse sei auf Fig. 6, Taf. XI, hingewiesen. Diese zeigt einen Querschnitt durch eine Haustoriumanlage der Squamaria. Der Schnitt hat dieselbe aber nicht median getroffen, sondern seitlich, etwa in der Richtung der Pfeile bei Fig. 3, Taf. XI. An einem wirklich medianen Schnitt fänden sich in den mit 3 und 4 bezeichneten Rindenlagen schon vielmehr tangentale Theilungen. Aber die Zelltheilung bleibt nicht auf die Rindenlagen beschränkt, sondern sie greift auch auf die Endodermis und das Pericambium über ”). Die Endodermiszellen der der Wirthswurzel zuge- kehrten Seite strecken sich innerhalb der Haustorium-Anlage radial und erfahren in radialer und tangentaler Richtung Theilungen. Die Fig. 7, Taf. XI, zeigt in Umrissskizze den Durchschnitt einer Haustorium-Anlage von 1) Ein allseitiges Entstehen der Haare kann dadurch zustande kommen, dass eine Lathraea-Wurzel an zwei mehr minder gegenüberliegenden Punkten gleichzeitig zur Anlage je eines Haustoriums schreitet; Fälle, die sich ausnahmsweise nach- weisen lassen. . 2) Solche Schwankungen im Bau des Wurzelstranges kommen offenbar bei einer und derselben Pflanze oft vor. Die Papilionaceen sollen tetrarche Wurzelstränge besitzen, doch fand ich wiederholt Wurzeln mit pentarchem Strang. 3) Rücksichtlich des Pericambiums sagt Krause von Sguamaria, dass ein solches in zusammenhängender Schicht nicht vorhanden sei. (A. a. O., S. 8.) Der Strangquerschnitt von Clandestina in Fig. 5, Taf. XI, lässt, glaube ich, das Peri- cambium deutlich unterscheiden,-und ebenso fällt es bei Fig. 6, Taf. XI, (Sgquamaria) nicht schwer, die entsprechende Zelllage aufzufinden. Spätere Entwicklungsstadien der Haustorien lassen eine Betheiligung pericambialer Zellen an seinem Autbau mit aller Sicherheit erkennen. Fraglich ist es nur, ob bei noch undiffereneirtem axilen Strang, nicht procambiale Elemente desselben selbst in die Haustorialbildung activ einzutreten vermögen ? 383 Clandestina,; der hier nur angedeutete Wurzelstrang ist in Fig. 8, Taf. XI, ausführlich gegeben. Man kann aus der Figur gut entnehmen, welcher Antheil an der Bildung des Haustoriums der Endodermis zufällt. Die gleichen Vorgänge, welche wir bisher geschildert haben, sollen sich nach Leelere du Sablon bei der Entstehung der Rhinanthaceen-Haustorien abspielen. Aehnliche Theilungsvorgänge, wie sie für die Endodermis namhaft gemacht wurden, sollen sich bald darauf auch im Pericambium einstellen. Durch fortgesetzte Theilungen in allen genannten Zelllagen wird der Haustorial- Höcker immer grösser. Lag die Parasitenwurzel einer Wirthswurzel auf, so dauern die Theilungen nicht sehr lange fort, und es wird rasch zur Bildung des Haustorialfortsatzes geschritten; andernfalls hält die Zelltheilung so lange an, bis der Scheitel der Haustorium-Anlage mit der Wirthswurzel in Contact gebracht ist. Davon erscheint auch die Gestalt des fertigen Haustoriums, vor allem die Höhe des Haustorialknopfes abhängig. Man vergleiche diesbezüglich die Figuren 9 und 10, Taf. XI, und die Tafel- Erklärung. Vor der Bildung des Haustorialfortsatzes und während seiner ersten Ausgestaltung haben die Haare an den Flanken des haustorialen Höckers und im Umkreis seiner Unterseite den Höhepunkt der Entwicklung erreicht. In der That ist die Function dieser Haare die, zunächst die erste Befestigung der Haustorium-Anlage an der Wirthswurzel zu vermitteln, und dann den nöthigen Widerhalt während des Eindringens des Haustorialfortsatzes zu schaffen. Sie verkleben ihre Enden sehr fest mit der Unterlage, was daraus hervorgeht, dass beim Abheben der Haustorien die meisten Haare sich nicht intact ablösen, sondern zerreissen; oder es heben sich mit den Spitzen der Haare gleichzeitig Reste von verwitterter Epidermis oder Borke mit ab, wenn sich an diesen die Trichome befestigt hatten. Eine Anzahl solcher Jugendlicher Haustorien auf einem Stückchen Erlenwurzel giebt Figur 11, Taf. XI, bei 5facher Vergrösserung wieder. An ausgebildeten Haustorien hingegen sind nur Reste der Trichome, öfter aber auch solehe nicht zu finden '). Bei Squamarıa sind diese Haft- haare reichlicher entwickelt als bei Olandestina. Das wird damit zusammen- hängen, dass die epidermalen Zellen an der Haustorium-Unterseite bei der letzteren in viel prägnanterer Weise zu den palissadenartig gereihten Ansatz- papillen auswachsen als bei Sguamaria, und dass beim Ergreifen feinerer Wirthswurzeln die Ränder der Ansatzfläche sich stets zu ‚„‚Zangenfortsätzen‘ ausbilden (vgl. Fig. 1a und Fig. 6, Taf. V), welche die Wirthswurzel zu Eindrittel, bis Einhalb und selbst Zweidrittel des Umfanges umfassen. Bei den Haustorien der Squamaria hingegen ist die Neigung zur Bildung solcher Zangenfortsätze selbst dann gering, wenn die Wirthswurzel im Verhältniss zum Haustorium einen kleinen Querschnitt besitzt. Wie Fig. 9, Taf. XI, zeigt, können solche, die Wirthswurzel fassende Fortsätze, auch von Sgqua- 1) Vgl. die übereinstimmende Angabe von Krause a. a. O. S. 15. 384 maria gebildet werden; doch in anderen Fällen (Fig. 10, Taf. XI) ist auch gar keine Andeutuug derselben vorhanden. Wir haben nun die Vorgänge zu besprechen, welche zur Anlage des Haustorialfortsatzes führen. Hier sind meine Untersuchungen aus Gründen, die schon S. 359 angeführt wurden, unvollständig geblieben. Doch da die Anlage der Haustorien von Lathraea vollkommen mit dem übereinstimmt, was Leclere du Sablon über die Entstehung der Frhinanthaceen- Haustorien mittheilt, und da mir einzelne gewonnene Präparate ein wesent- lich gleiches Verhalten auch bei der Bildung des Haustorialfortsatzes gewiss erscheinen lassen, will ich hier das einfügen, was Leclere du Sablon berichtet. Die Ventralseite der Haustorien, ausgenommen die Randzone, bleibt in der Regel frei von Hafthaaren. Die epidermalen Zellen in der Mittellinie dieser, mehr minder in Form einer Ellipse umschriebenen Contact- fläche sollen sich nun quer zur Längsachse des Haustoriums und der Parasitenwurzel mächtig verlängern. Dies habe auch ich gesehen. Die gleiche Gestaltung erlangen dann auch die unter den Epidermiszellen cor- respondirend gelegenen Zellen einiger Schichten (vgl. die Figuren 1 u. 3, Pl. I, bei Leelerce). In diesen gestreckten Zellen der Ventralseite treten dann radiale T'heilungen auf, so dass jede der gestreckten Zellen in eine quere Zellreihe, bestehend aus 5—6 Zellen, zerfällt. Drei bis vier kleinere davon gehören der kammartig vorspringenden, die Längsachse des Hausto- riums in sich aufnehmenden Partie an, während sich rechts und links eine sehr gestreckte Flankenzelle anschliesst (vgl. Fig. 3, Pl. I, bei Leclere). Bei den meisten Rhinanthaceen wachsen nun die in der Kammlinie gelegenen, epidermalen Zellen allein zu Haustorialschläuchen aus, die in die Wirthswurzel eindringen und den Haustorialfortsatz darstellen. An Quer- schnitten (senkrecht zur Achse der das Haustorium tragenden Wurzel) durch Haustorien sieht man nur 2—3 solcher Schläuche, während Längsschnitte, welche die ganze Kammlinie an der Ventralseite des Haustoriums treffen, eine grössere Zahl derselben zeigen. Bei Prhinanthus aber sollen häufig die der epidermalen Zelllage untergelagerten, ähnlich getheilten Zellen mit in die Bildung des Haustorialfortsatzes einbezogen werden'), wenn schon das Eindringen und Fortschreiten des Haustorialfortsatzes hauptsächlich durch das Verhalten der epidermalen Zellen bedingt ist. So entsteht hier also ein massiger, aus einem Zellgewebe bestehender Haustorialfortsatz, im Gegensatz zu dem, durch ein grösseres oder kleineres Biindel’von Schläuchen !) Koch (Zur Entwieklungsgesch. der Rhinanthaceen. Pringsheim’s Jahrb,, Bd. XX. S. 7) führt den Haustorialfortsatz von Rhinanthus auf eine einzige epider- male Zelle zurück, die in die Wirthswurzel eingedrungen, durch später eingetretene Theilungen zum massigen Fortsatz wird. — Was ich bei Lathraea gesehen, lässt mir aber die Entwicklungsweise, welche Leelere du Sablon schildert, dem wahren Sachverhalte näher kommen. 385 gebildeten der übrigen Rrhinanthaceen'). In solcher Weise, glaube ich, entsteht auch der nur noch stärkere und massigere Haustorialfortsatz der Lathraea-Haustorien. Die Fig. 10, Taf. XI, giebt im queren Längsschnitte die Skizze eines jungen Haustoriums der Squamaria mit bereits gebildetem Saugfortsatz. Die Fig. 12, Taf. XI, zeigt den Haustorialfortsatz des gleichen Präparates. Derselbe liegt eingekeilt in der (grau gezeichneten) von ihm durchwachsenen Wirthswurzel. Die Zelltheilungen lassen sich leicht mit der oben gegebenen Darstellung in Einklang bringen und zu den Figuren 3 und 5, Pl. I, welehe Leclerc von Melampyrum-Haustorien giebt, in Beziehung setzen. Auf alle Fälle ist es vollkommen sicher, dass auch bei den Lathraeen dieganze Haustoriumanlage eine exogene ist?). !) Leclere du Sablon, a. a. O. S. 97: Dans certains cas, plusieurs assises sousjacentes ä l’assise pilifere peuvent penetrer dans la plante hospitaliere. Il ya alors un veritable cöne de penetration; mais ce sont toujours les cellules de l’assise pilifere seules qui jouent le röle d’organes d’absorption. 2) In manchen Fällen, wahrscheinlich dann, wenn die Entwicklung des Haustoriums auf grössere oder geringere Hemmnisse gestossen war, erscheinen an der Ventral- fläche desselben die Zellen nicht quergestreckt, sondern vielfach radial getheilt und auch hier grösstentheils zu Hafthaaren ausgewachsen. (Vgl. Fig. 4. Taf. XI.) Wahrscheinlich geschieht dies, wenn entweder ein Ergreifen der Wirthswurzel durch längere Zeit nicht gelang, die ersten Hafthaare nicht zum Ziele führten und deshalb weitere ge- bildet wurden, um dennoch die Anheftung zu erreichen, oder wenn das Eindringen des Haustorialfortsatzes unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnete. Leclere du Sablon beschreibt für Melampyrum pratense ebeufalls eine Ausbildungsform der Haustorien, bei der die epidermale Zelllage der haustorialen Contactfläche sich viel- mals radial theilt und dann die einzelnen, zu Haustorialschläuchen auswachsenden Zellen in das Substrat versenkt. So soll sich Melampyrum beim Befallen ahgestor- bener Pflanzenreste verhalten, während lebenden Pflanzen gegenüber die oben be- schriebene Bildungsweise des Haustorialfortsatzes gelten soll. Ob auch bei Zathraea ein solches Eindringen einzelner Haustorialschläuche, welche sich aus epidermalen Zellen der Contactfläche entwickeln, vorkommt, ist fraglich. Gesehen habe ich Derartiges nie. Ebenso erschiene es möglich, dass, wenn sich die epidermale Zelllage bei den Bemühungen, in den Wirth einzudringen, erschöpft hat, allenfalls noch die Hypodermis unter Durchbrechung der epidermalen Schicht zur Bildung eines Haustorialfortsatzes schreiten könnte. Doch habe ich auch für solches Geschehen keine Beweise. Jedenfalls kommt es öfters vor, dass Anlagen von Haustorien, und zwar ver- schiedener Entwicklungsstufen, die Weiterbildung, welche sie zu functionirenden Or- ganen ausgestalten würde, einstellen. Solche werden zu „sterilen‘“ Haustorien, die mit Rücksicht auf die Nahrungsaufnahme dann funetionslos sind, wohl aber zur Stoff- speicherung noch benützt werden können. Diese „sterilen‘ Haustorien erscheinen als kleinere oder grössere Anschwellungen der Lathraea-Wurzeln, offenbar je nachdem die Ausgestaltung zum Haustorium früher oder später eingestellt wurde. Auf diese Weise erkläre ich mir die einseitige Anschwellung einer Squamaria-Wurzel, wie sie Fig. 15, Taf. XI, zeigt. Die Sistirung der Haustorienbildung ist hier augenscheinlich früh eingetreten; die bereits indueirten Theilungen äusserten sich aber doch in einer aussergewöhnlichen Fortentwicklung jenes Wurzelstückes beim weiterer Dicken- wachsthum. In Fig. 15, Taf. XI, ist ein anderes steriles Haustorium abgebildet. Das kugelige Gebilde entspricht ganz einem Haustorialknopf, und zwar einem der 336 Die Ausbildung des Haustorialfortsatzes kann, wie es scheint, sehr rasch verlaufen. Das in Fig. 10, Taf. XI, dargestellte Haustorium hat mit dem Fortsatz die, allerdings zarte, Wirthswurzel schon durchwachsen, und doch ist von einer Gewebedifferenzirung im Haustorialknopf, ist vom Tracheiden- kopf und Tracheidenstrang, oder von den Meristemen, aus welchen sich diese gestalten, nichts zu sehen. Nur den noch procambialen Wurzelstrang, in welchem die Erstlingsgefässe angedeutet erscheinen, gewahrt man oben. In der Längsachse des Schnittes, unterhalb des axilen Stranges, finden sich etwas kleinere Zellen als an den übrigen Stellen. Sind hierdurch in dieser Region reichlicher stattfindende Zelltheilungen angedeutet, so macht im all- gemeinen doch das ganze Gewebe den Eindruck der Gleichförmigkeit und Grosszelligkeit. Etwas älter, in der Differenzirung vorgeschrittener, ist das in Fig. 9, Taf. XI, dargestellte Haustorinm von Squamaria, und etwa von gleicher Entwicklungsstufe ist das von Olandestina, in Fig. 6, Taf. V, abgebildete. Halten wir uns an erstere Figur, so sehen wir, unterhalb des durch zwei parallele Linien angedeuteten Wurzelstranges, eine grau gehaltene, mit e bezeichnete Zone; an diese wieder schliesst sich eine andere (e,), welche rechts und links durch Punktlinien von dem übrigen Gewebe abge- grenzt wurde. Diese beiden Zonen sind meristematischen, embryonalen Characters. Die obere (e) ist das Meristem, aus welchem sich der Tracheiden- kopf gestaltet; es geht, wie ich glaube, aus jenen Zellen der Endodermis und des Pericambiums, welche sich bei der Anlage des Haustoriums bethei- ligen, hervor '). Das untere Meristem (e') verdankt seinen Ursprung fort- gesetzten Theilungen der Rindenzellen und differeneirt sich später aus ihm die Tracheidenplatte (der Tracheidenstrang bei Squamaria) und das hyaline Gewebe. Auf weiteren Entwicklungsstufen beginnt im Anschluss an die Gefässe des Wurzelstranges die Differenzirung der Tracheen und Tracheiden des grösseren, wie sie bei den Haustorien der Squamaria überhaupt vorkommen. Auch der anatomische Bau stand mit jenem der Haustorialknöpfe in voller Uebereinstimmung. Der Mangel jeder makroskopisch erkennbaren Bruchstelle, sowie die starke Rundung an der Unterseite, lassen mit Bestimmtheit schliessen, dass das Haustorium zur Zeit der Gewinnung des betreffenden Materials an keiner Wirthswurzel befestigt war. An Schnitten gewann ich bei mikroskopischer Untersuchung allerdings den Eindruck, dass an diesem sterilen Haustorium seiner Zeit jedenfalls die Anlage eines Hau- storialfortsatzes stattgefunden hat, dass selber wahrscheinlich auch schon in die Wirthswurzel eingedrungen war, dann aber frühzeitig eingegangen sein muss. Wahr- scheinlich geschah dies auf einer Entwicklungsstufe, in der die wesentlichen Diffe- renzirungen, auch das Meristem zur Bildung des Tracheidenstranges (vgl. die folgen- den Seiten) schon da waren. So kam es, dass der erhalten gebliebene Haustorial- knopf sich in der begonnenen Art weiter ausgestaltete; sogar ein kurzer, blind endender Tracheidenstrang war in demselben nachzuweisen. !) Leelere sagt Seite 97 nur „Dans le cas du Rhinanthus, on peut quelquefois reconnaitre sur un organe adulte ce qui provient du perieycle. Tracheidenkopfes, und gleichzeitig unterhalb desselben die des hyalinen Parenchyms. Während zu letzterem die untere Meristemzone in Fig. 9, Taf. XI, zum grösseren Theil verwendet wird, bleibt doch in der Längs- achse des Haustoriums, von der Mitte des angelegten Tracheidenkopfes aus- gehend und nach der Basis des Fortsatzes hinziehend, ein Meristem erhalten. Hier theilen sich die Zellen parallel der genannten Richtung, und die gleichen Vorgänge treten allmählich auch im Haustorialfortsatz ein, wieder von der Basis gegen seine Spitze vorrückend. Dieses Meristem sehen wir zum Theil in Fig. 13, Taf. XI, aus der basalen Partie eines quer durchschnittenen Haustorialknopfes von Clandestina dargestellt. Es repräsentirt die Anlage der Tracheidenplatte oder des Tracheidenstranges. Dass bei Olandestina, an den Seiten der schon differenzirten Tracheidenplatte, das Meristem durch einige Zeit hindurch thätig sein kann, wurde schon im 3. Abschnitte be- sprochen (vgl. Fig. 2, Taf. VI). Wie aus dem Gesagten hervorgeht, beginnen die Differenzirungen im Tracheidenkopf und schreiten von hier zur Spitze des Haustorialfortsatzes vor'). Es ist hier vielleicht der Ort, noch die morphologische Werthigkeit der Haustorien zu erörtern. Giebt es Thhatsachen, welche uns berechtigen, die Haustorien der Lathraeen als metamorphosirte Wurzeln anzusprechen ? Leclere du Sablon hat für die Khinanthideen diese Frage entschieden verneint. Ich pflichte ihm hierin vollständig bei und entscheide im gleichen Sinne auch für Lathraea, welche ich ja für eine Rhinanthacee halte”). Letztere besitzen ein reich entwickeltes Wurzelsystem, und die Wurzeln zeigen, abgesehen vom Mangel der Wurzelhaare, einen vollständig typischen Bau. Ihre Wurzelhaube ist gut entwickelt, die Anlage der Seitenwurzeln folgt dem allgemeinen Gesetz und entsteht endogen (Fig. 16, Tai. XI). Dagegen sind die Haustorien exogene Bildungen; die ersten Theilungen, welche ihre Anlage kennzeichnen, beginnen in den Rindenzelllagen; dass sich später auch die Endodermis und die specifische Anlagestätte der Seiten- wurzeln, das Pericambium, mit an ihrem Aufbau betheiligen, kann wohl kaum für ihre Wurzelnatur sprechen. Auch erfolgt die Anlage der Hausto- 1) Es verdient dies besondere Erwähnung. Bei dem Orobanchen nämlich beginnt die Differenzirung des trachealen Stranges nicht nur am Primär-Haustorium an der Spitze des Haustorialfortsatzes und setzt sich dann in die Knolle fort, sondern auch in den Secundär-Haustorien wird zuerst an der Spitze des Fortsatzes, im Anschluss an die Wirthswurzel der leitende Strang differenzirt und zuletzt erst der Anschluss desselben an den Strang der Orobanche-Wurzel vollzogen. (Vgl. Koch, a. a. O,, Fig. 13, Taf. X., und die Tafel-Erklärung S. 376.) Hovelayque (a. a. O., S. 631) spricht das sogar direet aus: „Ulterieurement, on voit se differencier les elements tracheens du sucoir. Cette differenciation part du bois de la nourrice et marche vers la racine support.“ 2) Bezüglich der Haustorien der Zathraea hat sich auch Hovelacque ver- neinend ausgesprochen. A. a. O., S. 632 sagt er: „Les sucoirs des Lathrees sont encore de simples thalles, de valeur morphologique inferieure a une racine“. 388 rien ohne Beziehung zu den Xylemstrahlen'). Ich dächte, dass eben bei Pflanzen, welche noch typische Wurzeln in reicher Zahl besitzen, aus solchen durch Anpassung hervorgegangene Gebilde wenigstens in der Entwicklungs- geschichte diese Beziehung noch zum Ausdruck bringen würden. Ein ent- scheidender Beweis wird weder nach einer, noch nach der andern Richtung erbracht werden können, und die ganze Frage erscheint mir deshalb wenig fruchtbar. Immerhin ist es meinem Dafürhalten nach naturgemässer, die Haustorien der Rhinanthaceen für Organe sui generis zu erklären, als sie fiir metamorphe Wurzeln zu halten. Im physiologischen Sinn sind es Wurzeln, aber die Function entscheidet ja nicht über den morphologischen Werth. Allerdings soll durch Obiges nicht gesagt sein, dass die Haustorien sämmtlicher parasitischer Samenpflanzen im gleichen Sinne Organe sui generis seien. VIII. Die Stellung der Lathraea im System. Die Frage nach der richtigen Unterbringung der Lathraea im System fällt eigentlich nicht in den Rahmen dieser Studie; es drängt mich aber, selbe zur Sprache zu bringen. In den älteren systematischen Werken sowie Floren wird Lathraea nahezu ausnahmslos zu den Orobancheen gerechnet”). Als dann im Jahre 1866 Solms-Laubach in seiner Dissertation „De Lathraeae generis positione systematica‘‘ in bestimmtester Weise erklärte, dass ZLa- thraea keine Orobanchee, sondern eine Scrophularinee sei, wurde sie wohl von einem Theil der Botaniker den letzteren angeschlossen ®), aber durchgängig fand die Solms’sche Auffassung nicht Beachtung oder doch I!) Leelere du Sablon, ]. e. p. 113: „Tantöt les premiers cloisonnements du perieyele apparaissent vis-a-vis d’un faisceau du bois, tantöt vis-a-vis d’un faisceau du liber, tantöt dans une position interinediaire. Sous le rapport de leur disposition, les sucoirs ne se conduisent done pas comme des racines“. 2) So in Endlicher’s „Genera plantarum“, Wien 1336—50, Kittel’s „Taschen- buch der Flora Deutschlands“, Nürnberg 1844, Neilreich’s „Flora von Wien“, 1846, De Candolle’s „Prodromus“, Bd. XI, 1847, Ledebour’s „Flora Rossica“, 13847—49, Grenier et Godron’s „Flore de France“, 1852, Lindley’s „The vegetable Kingdom“, 1853, Döll’s „Flora von Baden“ 1857, Koch’s „Synops. florae Germ, et Helvet.“, 1857, Borreau’s „Flore du Centre de la France“, 1857. Röhling stellt in seiner nach dem Linne’schen System geordneten „Deutsch- lands Flora“ (Frankfurt a. M., 1833) Lathraea zwischen Melampyrum und Tozzia. 3) So von: Garceke „Flora von Nord- und Mitteldeutschland, Berlin 1871, Eichler „Blüthendiagramme‘“, Leipzig 1875, Gremli „Exeursionsflora f. d. Schweiz“, 4. Aufl. 1881, Hooker „Flora of British India“, Part. X., 1883, Prantl „Exeursions- flora f. d. Königreich Bayern“, Stuttgart 1884, Kerner „Pflanzenleben“, Leipzig 1887, Bd. I, S. 168, Potonie „lllustrirte Flora von Nord- und Mitteldeutschland“ Berlin 13389, Warming „Handbuch der systemat. Botanik“, Berlin 1890, Schwarz „Forstliche Botanik“, Berlin 1892, Bauer „Compendium der systemat, Botanik“, Wien 1892. nicht Billigung'). In dem Resume a. a. OÖ. S. 41 hat Solms einige wesentliche Momente, welche ihn veranlassten, Lathraea von den Oro- bancheen zu scheiden, hervorgehoben. Diese Schlusssätze lauten: „Per- sonatis parasitieis ita pertractatis, vix iam difficile est intelleetu, Lathraeam in Orobanchearum tribu non reete collocari. Nam et habitu valde discrepat, et anatomica vix ulla gravioris momenti nota cum iis consentit. Modus parasitandi et structura corporis lignosi ab Orobanchis toto coelo diversi, quin ipsius ovuli fabrica ab illis differat, in quo saceuli embryonalis diverti- cula cellulis carentia observantur.‘‘ Diese Sätze enthalten eine ganze Reihe wichtiger Momente, welche gegen eine Zusammengehörigkeit der Gattungen Lathraea und Orobanche sprechen, und die auch heute noch ihre volle Giltigkeit besitzen. Wenn schon die Zuzählung der Lathraea zu den Orobancheen in der Mehrzahl der in letzter Note genannten Floren weniger befremden würde, so erscheint hingegen das gleiche Vorgehen in einer Reihe neuester Lehr- bücher und systematischer Werke um so auffälliger. So zieht Engler in seinem „Syllabus der Vorlesungen über specielle und medic. pharm. Botanik‘, Berlin 1892, Lathraea zu Orobanche und vereinigt sie mit der Familie der Orobancheae. In Consequenz dessen scheint dann auch in der Bearbeitung der Scrophulariaceae für die „Natürlichen Pflanzenfamilien‘ von Wettstein, Lathraea ausgemerzt worden zu sein, während sie in der Beck’schen Arbeit über die Orobanchaceae einbezogen wurde. Diesem Beispiel folgen auch: Pax, in seiner 9. Auflage von „Prantl’s Lehr- buch der Botanik‘ (Leipzig 1894), und Frank (‚Lehrbuch der Botanik, Leipzig 1893). In dem jüngst von den Bonner Botanikern, unter Arbeits- theilung, herausgegebenen Lehrbuche?), stellt Schimper Lathraea mit Orobanche zu den Gesneraceae. Diese Aenderung der durch Solms wohl begründeten systematischen Stellung von Lathraea wirkt um so ver- blüffender, als mir scheint, dass nirgends eine eingehendere Motivirung dafür gegeben wurde, und die Aenderung nur auf Grund eines Merkmales erfolgte, nämlich der parietalen Placentation, welche Lathraea mit Oro- banche gemein hat und worin sie von den übrigen Scrophularıneen ab- weicht. Hingegen hat die Solms’sche Auffassung noch von anderer Seite, 1) Taathraea wurde auch weiterhin zu den Orobancheen gezählt in den Werken nachstehender Autoren: Seubert „Die Pflanzenkunde“, Leipzig 1867; Marssen „Flora von Pommern“, Leipzig 1869; Bayer „Botan. Exeursionsbuch f. d. Erzherzog- thum Oesterreich“, Wien 1869, Willkomm „Prodromus Florae Hispanicae“, Stutt- gart 1870, Bentham et Hooker „Genera Plantarum“, London 1876. (Dass Hooker später in seiner „Flora of British India“, Lathraea zu den Serophulariaceen, resp. den Rhinanthideae, Trib. Euphrasieae, einbezog, ist aus der vorangehenden Note er- sichtlich); N. J. C. Müller „Handbuch der allg. Botanik“, Heidelberg 1880; Klinge „Flora von Est-, Liv- und Cur-Land‘“, Reval 1832; Arcangeli „Compendio della Flora Italiana“, Torino 1882; Simonkai „Enumeratio Florae Transsilvanicae‘, Budapest 1886; Beck „Flora von Niederösterreich“, Wien 1893. 2) Jena, Gustav Fischer 1394. 390 auf Grund breiterer, vergleichender Studien, wesentlich an Stützen gewonnen. So hat Hovelacque') in seinem umfangreichen Werke an verschiedenen Stellen Thatsachen hervorgehoben, welche für die Verwandtschaft der Lathraea wit den Rhinanthaceen sprechen. Ich eitire hier nur ein paar seiner zusammenfassenden Sätze. Auf 8. 552 sagt er: „L’appareil vege- tatif des Lathrees a les plus grandes analogies avec celui des Rhinanthacees; les ressemblances sont poussdesjusqu’ aux plus petits details. Lä, oü il semble y avoir des differences, celles-ei sont li6es aumode devieetäl’habitat souterrain des Lathrees. Des Pediculaires on passe aux Lathrees, par l’intermödiaire des Tozzia.“ Und in den „conelnsions“ mit denen Hovelaceque das Kapitel über die (robancheen schliesst (8. 628), heisst es wieder: „Le genre Qrobanche....., nous montre un type d’organisation tout different de ceux des Bignmoniacees et des Rhinanthacees. Il s’&ecarte aussi de celui des Lathrees, qu’on r&unit souvent a la famille des Orobanchees.“ Der einfächrige Fruchtknoten und die wandständige Placentation, welche für diejenigen, welche Zathraea zu den Orobancheen stellen, massgebend zu sein scheint, dünken mir nicht jene Wichtigkeit zu besitzen, die man ihnen beimisst. Die parietale Placentation erscheint als ein künstlich ge- wähltes Eintheilungsprineip, gegenüber jener Summe von Merkmalen, welche Lathraea wit den Rhinanthaceen gemein hat. Auch geht die normal centrale Placentation in monströsen Fällen häufig in parietale über. Ich habe solches s. 2. für Digitalis grandiflora beschrieben *). Es scheint die centrale Placentation aber auch nicht durchgängig für die Familie der Serophulariaceae zu gelten. In der zu den Antirrhinoideae-Gratioleae gehörigen Gattung Stemodia kommen, wenn ich Wettstein”) recht ver- stehe, bei den verschiedenen Arten bald zweifächrige bald einfächrige Frucht- knoten vor, sonach centrale oder parietale Placentation. In derselben Gruppe gibt es Vertreter, die, wie Micranthemum, entweder Kapseln mit unvoll- ständiger Scheidewand, die fast einfächrig erscheinen, oder, wie bei Encopa oder @lossostigma, mit sehr zarter, schwindender Scheidewand, besitzen °). Andererseits ist es sehr fraglich, ob die Formen der parietalen Placentation, welche bei den Orobancheen vorkommen, (vgl. Fig. 56, K, a—f in der Bearbeitnng dieser Familie durch G. v. Beck in den „Natürlichen Pflanzen- I) Recherches sur l’appareil vegetatif des Bignoniacees, Rhinanthaeees, Oro- banchees et Utriculariees. Paris, G. Masson 1888. 2) Beiträge zur Pflanzenteratologie. Sitzb. der k. Akad. in Wien, I. Abth., Jahrg. 1881; S. 6 des Sonderabdruckes, Taf. 1. 3) „Natürliche Pflanzenfamilien“, Scrophulariaceae, S. 74 des Sonderabdruckes. „Stemodia Linn. Von den beiden vorigen Gattungen (Ambulia, Morgania) durch zumeist nicht verwachsene Placenten wenig verschieden, da auch verwachsene, unge- flügelte Placenten vorkommen.“ 4) Wettstein a. a. O., S. 78. 391 familien‘) nicht grössere Verschiedenheit zeigen, als solche zwischen parietaler und centraler Placentation obwaltet. Endlich bedenke man, ob die Mannig- faltigkeit in der Ausbildung der Frucht, der Wechsel in der Art der Dehiscenz, wie sie in den Gruppen der Scrophulariaceen auftreten, nicht ebenfalls viel weiter reichend sind, als der Unterschied zwischen parietaler und centraler Placentation! Mit andern Worten, nicht ein einzelnes Merkmal darf über die systematische Stellung entscheiden; bei nahen Verwandten kann die Anpassung gerade bei einem Organ zu colossaler Verschiedenheit führen, während in einer Reihe anderer Merkmale doch noch wesentliche Ueberein- stimmung oder deutliche Beziehung wahrgenommen werden kann'). Es seien deshalb hier nochmals die wichtigsten Thatsachen angeführt, welche die Zugehörigkeit der Lathraea zu den Scrophulariaceen, be- ziehungsweise den Rrhinanthideen stützen und, wie ich glaube, erweisen. 1. Der Bau und die Entwickelung des Eichens, insbesondere derEmbryosack mit seinen, nach der Befruchtung entstehenden, so charakteristischen Divertikelbildungen?). Hofmeister’) sagt, in einer für die damalige Zeit bewundernswerthen Arbeit: „Die Entwicklung des Eichens und des Embryo von Prhinanthus major und Euphrasia offieinalis stimmt bis auf die kleinsten Nebendinge mit der von Zathraea überein.‘‘“ Die Embryosackdivertikel*) finden sich zum Theil allerdings in einem weiteren Verwandtschaftskreise vor, als ihn die Scrophulariaceen umfassen; immerhin sind sie gerade bei den Rhinanthideen am stärksten entwickelt und stimmen hier mit denen von Lathraeea am meisten überein, Bei den Orobancheen hingegen fehlt jegliche Spur derselben. 2. Der Bau und die Ausgestaltung des Embryos°). Der Embryo von Lathraea ist zwar nicht gross, und jenem von Rhinanthus*®) gegen- 1) Die Frucht ist nun ganz besonders ein Organ, das der Anpassung in hohem Grade unterliegt. Wie weit in dieser Beziehung schon die nächsten Verwandten von einander abweichen können, zeigen gerade die Lathraen. Man vergleiche (Heinricher, Biologische Studien an der Gattung Zathraea; I. Mittheilung. Sitzb. der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Abth. I. 1392) wie verschiedenartig im Aufbau und in der Differenzirung, wie verschiedenartig in der Wirkung des Mechanismus die saftigen Springfrüchte von Lathraea Clandestina und L. Sguamaria sind; wie ferner bei ersterer eine Reduction der Samen, bei relativ bedeutender Grösse derselben, auf mindestens 4, bei letzterer die Ausbildung einer grossen Zahl, aber kleinerer Samen, Platz gegriffen hat. 2) Bereits von Solms hervorgehoben. 3) Zur Entwicklungsgeschichte des Embryosackes der Personaten, Flora, 1851, S. 449. 4 W. Hofmeister, Neuere Beobachtungen über Embryosackbildung der Phanerogamen, Pringsheim’s Jahrb. Bd. 1. 5) Von Kerner betont „Pflanzenleben“, Bd. I, S, 167. 6) Der Embryo von ARhinanthus, welchen ich mir vergleichshalber ansah, ist in Jeder Richtung kräftiger und sorgfältiger ausgestaltet. Nicht nur seine Cotyledonen und seine Wurzel sind weit grösser, sondern auch die Plumula ist vielmehr ent- wickelt. Bei Lathraea ist der Stamm nur durch ein kleines Höckerchen zwischen den 392 über wenig entwickelt. Doch ist er in Wurzel, Cotyledonen und Stamm- vegetationspunkt differenzirt, steht also hoch über dem undifferenzirten, wenigzelligen Embryo von Orobanche. Die relative Kleinheit des Embryo findet ihre Begründung in der schärfsten Ausprägung, welche der Parasitismus bei Zathraea innerhalb der Arhinanthaceen gewinnt. Lathraea allein unter diesen, entbehrt des Chlorophylis vollständig. Dadurch, dass ihre Samen nur keimen, wenn die Wurzel einer geeigneten Nährpflanze in der Nähe ist!), wird eine weitreichende Ausgestaltung des Embryo auch mehr oder minder überflüssig. Lathraea bewegt sich in dieser Hinsicht auf einer Bahn, auf welcher die Orobancheen viel weiter vorgeschritten sind. In physiologischer Beziehung kommt hier also wohl ein analoges Verhältniss zwischen Lathraea und Orobanche zum Vorschein, das aber kein Ausdruck für systematische Verwandtschaft zu sein braucht. 3. Die Art der Befestigung des Parasiten auf der Wirths- pflanze. Das Wurzelende des Embryo wird nicht zum primären Haustorium, wie bei Orobanche, sondern wächst zur Wurzel aus; erst secundär entstehen an dieser und ihren Verzwei- gungen die Haustorien, so wie bei den übrigen parasitischen Scrophularineen. 4. Das reich gegliederte Wurzelsystem der Lathraeen gegenüber dem wenig entwickelten der Orobanchen. 5. Das typische Verhalten in Anlage und Bau der Wurzeln der Lathraeen, gegenüber den in beiden Richtungen aty- pischen Wurzeln der OQrobanchen. In beiden Beziehungen (4, 5) schliesst sich Lathraea aber wieder eng den khinanthi- deen an. 6. Wesentliche Verschiedenheiten im Bau der Haustorien und ihrem Verhalten bei den Lathraeen und Rhinanthideen einerseits und den Orobanchen andererseits. Graf Solms hat diese Momente (3—6) wohl kurz mit den Worten: „modus parasitandi“ andeuten wollen. Um der Sache mehr Nachdruck zu verleihen, schien mir ein eingehenderes Hervorheben der Dinge am Platze, und es mögen hier noch einige weitere Erörterungen an diese Punkte angeschlossen werden. Die reiche Entwicklung des Wurzelsystems bei Lathraea erweisen wohl die von mir an anderer Stelle veröffentlichten Angaben und Abbil- dungen ”). Der Mangel vollständiger ausgegrabener alter Stöcke liess früher Cotyledonen angedeutet, bei Ahinanthus zeigt sich derselbe bereits mit weiteren Blattanlagen versehen. Die Länge z. B. der Embryonen von Rhinanthus minor, Clandestina und Squamaria beträgt 2,5, 0,77, 0,30 mm. ') E. Heinricher: Die Keimung von Zathraea. Ber. d. deutsch. bot. Ge- sellschaft, 1894. ?) Biologische Studien an der Gattung Lathraea. Ber. d, deutsch. bot. Gesell- schaft, X1. die wahren Verhältnisse kaum ahnen '). — Bei den Orobanchen hingegen haben wir von der Knolle ausgehende Bodenwurzeln, die sich in der Regel nieht weiter verzweigen, sondern als Seitenorgane unmittelbar die Secundär- Haustorien bilden ?). Diese Bodenwurzeln erreichen selten eine grössere Länge; solche von 5 cm werden schon zu den längeren gehören; über 10 cm dürften sie nie erreichen. Die Wurzeln der Zathraeen sind in den wesentlichsten Momenten von vollkommen typischem Bau. Sie entstehen endogen und besitzen eine wohl- ausgebildete Wurzelhaube. Sie stimmen in dieser Beziehung völlig mit denen der Rhinanthideen überein. Ihre Haustorien vom morphologisch - histolo- gischen Standpunkte als Wurzeln aufzufassen, haben wir, wie ich glaube, keine Berechtigung. — Bei Orobanche dagegen müssen wir zunächst den peripheren, nahezu oberflächlichen Ursprungsort der Wurzeln, sowohl der aus der Knolle sich entwickelnden primären, als der eventuell an letzteren sich entwickelnden secundären hervorheben. Die Orobanche-Wurzeln ent- sprechen in dieser Hinsicht mehr einem Spross. Sie werden ferner hauben- los angelegt, und erst später kann eine ausserordentlich rudimentäre Wurzel- haube zur Ausbildung kommen (vgl. Fig. 10, Taf. XI. bei Koch)?). Die Wurzeln der Lathraeen sind mehr- und vieljährige Urgane; bei 1) Hovelaque sagt a. a. OÖ, S. 551 „Les racines des Lathr&ees, comme celles des Rhinanthacees, ont une assise pilifere depourvue de poils, un faisceau a croissance secondaire faible chez la Squamaire, plus forte chez la Clandestina“. Ich habe a. a. O., S. 8 erwähnt, dass ich bei Squamaria Hauptwurzeln von 1 cm Querschnitt beobachtete, was gegenüber dem zarten, fadenförmigen Keim- würzelchen auf ein sehr beträchtliches Dickenwachsthum hinweist. Wie so viele irrige Angaben über die Zathraeen hat wohl auch die eitirte Hovelacque’s ihren Grund in dem mangelhaften Material, das den meisten Forschern zu Gebote stand, beziehungsweise in der Schwierigkeit, mit welcher die Gewinnung eines vollkom- menen verknüpft ist. 2) Koch sagt S. 132: „Hier handelt es sich um eine Wurzel 3. Ordnung, die bei den Orobanchen nicht allzuhäufig vorkommt“, und auf S. 148: „Bei den Oro- banchen haben wir somit von der Knolle ausgehende Bodenwurzeln 1. und 2. Grades, denen die Aufgabe zufällt, einen bestimmten Erdeomplex radiär wie senkrecht zu dieser Richtung zu durchwachsen und ausgiebig zu durchsetzen. Von diesen Wurzeln werden die in dem Wachsthumsbereich befindlichen Nährwurzeln meist nicht direct ergriffen, Der Angriff erfolgt durch in Folge äusserer Reize entstandene kurze Wurzelachsen, welche, den Bodenwurzeln aufgesetzt, als Befestigungsorgane betrachtet werden können, die eine Art Uebergangsgebilde zwischen Bodenwurzeln und intra- matricalen Organen, den Haustorien, sind.“ Die Auffassung Koch’s, dass das intra- matricale Haustorium an einer kurzen Wurzelachse „dem Haustorialhöcker“ gebildet werde, erscheint mir nicht zwingend zu sein, und wenn man Haustorialhöcker und intramatricales Haustorium als einheitliche Bildung zusammenfasst, so kommen bei den Orobanchen in der Regel nur Wurzeln erster Ordnung, in Ausnahmefällen auch solche zweiter Ordnung vor. 3) „Den wachsenden Scheitel birgt eine schwache Decke, deren partiell isolirte Zellen, wie es scheint, nach Bedarf abgeschnürt werden.“ Koch, S. 131. 394 den Orobanchen sterben die Bodenwurzeln, sowohl bei den annuellen, als bei den ausdauernden Arten, gegen das Ende einer Vegetationsperiode ab'). Auch im Ausbau der Haustorien liessen sich, zwischen Zathraea und den Rhinanthideen einerseits und den Orobanchen andererseits, Unter- schiede genug hervorheben. Hingewiesen sei hier nur auf die so charak- teristischen Haustorialknöpfe bei ersteren, welche bei den Orobanchen ent- weder fehlen oder doch durch wesentlich abweichende Bildungen vertreten sind. Am primären Haustorium entwickelt sich der seiner Lage nach dem Haustorialknopf entsprechende extramatricale Theil des Keimfadens zur primären Knolle der Orobanche. Bei den seeundären Haustorien finden wir an der entsprechenden Stelle eine eylindrische Bildung, die aus dem haustorialen Höcker, der kurzen Wurzelachse zweiter oder dritter Ord- nung Koch’s, entstanden ist. Nach Koch ist dieses Organ functionell wesentlich Befestigungsorgan, Haftorgan, „eine Art Uebergangsgebilde zwischen Bodenwurzel und intramatriealem Organ, dem Haustorium‘?). Als Haftorgan dient allerdings auch der Haustorialknopf der Saugorgane der Rhinanthideen, inelusive Lathraea, bei diesen aber überdies auch als Speicherorgan. Letztere Aufgabe übernimmt bei den Orobanchen in erster Linie die Knolle, für sie hat deshalb das Haftorgan keine zweck- mässige Anpassıng zu erfahren gehabt. Bei den ausdauernden Orobanchen werden diese Zwischenstücke, zu welchen sich die Haustorialhöcker an den Bodenwurzeln entwickeln, zum Ausgangspunkt einer ungeschlechtlichen Vermehrung, da nach dem Absterben der Bodenwurzeln die mit dem Secundär-Haustorium in der Nährpflanze zusammenhängenden Haftorgane erhalten bleiben und zur Anlage nener Knollen schreiten können. Derartige Regenerationserscheinungen aus dem Haustorialknopf sind weder bei den Arhinanthideen, noch bei den La- thraeen bekannt. Endlich ist auch darauf hinzuweisen, dass das Vorgehen der Saugorgane bei den Orobanchen ein völlig anderes ist, als bei den Zathraeen. Bei den Orobanchen sind Gewebezerstörungen in den Wirthswurzeln ausser- ordentlich zurücktretend®), hingegen wird eine organische Verwach- sung zwischen den Geweben des Parasiten und des Wirthes nach Thunlich- keit hergestellt*). Das Orobanche-Haustorium geht mit möglichster Schonung der Wirthswurzel vor; die aufgehende Orobanche benützt häufig von der Keimung bis zur Blühreife die oft dünne Wirthswurzel, in welche sie ihr Primär-Haustorium getrieben hat, als Zuleitungsorgan für die benöthigten 1) Koch, S. 133. ?) Koch hebt S. 138 auch hervor, dass der Haustorialhöcker in ganz verschie- dener Grösse an der Orobanche-Wurzel auftritt. „In dem in Fig. 9, Taf. X ausge- drückten Fall erhebt er sich kaum über seine Mutterwurzel; umgekehrt treffen wir ihn in andern Fällen, beispielsweise in den Fig. 5 u. 8 Taf. X gezeichneten, in aus- geprägter Form.“ 3) Koch, S. 64 u. 140. 4).Koch; S,.67, 74,75. ete, 395 Baustoffe, welche aus den assimilirenden Trieben der Wirthspflanze kommen '). Oft spielen, wie ich das wiederholt an Orobanche speciosa beobachtete, die aus der basalen Hälfte der Knolle entstehenden Wurzeln und die an ihnen eventuell entstehenden Secundär-Haustorien eine sehr untergeordnete Rolle, ja letztere sind eventuell gar nicht vorhanden, und als Aufnahms- organ für plastische Stoffe functionirte während der ganzen Entwicklung das primäre Haustorium allen. Lathraea hingegen ist viel reicher an Haustorien, und diese gehen viel rücksichtsloser, unter viel eingreifenderer Zerstörung der Gewebe gegen die Wirthswurzel vor. Hier tritt die Tendenz hervor, gleich an der Einbruchsstelle in die Wirthspflanze alles als Baustoff Verwerthbare an sich zu reissen; eine Rücksicht auf möglichst langes Er- halten des angegriffenen Organs tritt nirgends zn Tage. Noch haben wir aber den sechs bisher angeführten Momenten, welche für die Zugehörigkeit der Lathraeen zu den Scrophulariaceen, beziehungs- weise Ichinanthaceen sprechen, drei weitere hinzuzufügen. 7. Auch die Entwicklungsgeschichte der Haustorien der Lathraeen vollzieht sich in den Hauptpunkten übereinstim- mend mit jener der gleichnamigen Organe von Melampyrum und anderen Rhinanthaceen”), weicht aber von jener der Oro- banchen in einem wesentlichen Punkte ab. (Vgl. die Anmerkung auf $S. 387.) 8. Ebenso gleichen sich Anordnung und Verlauf der Gefäss- bündel bei Rhinanthaceen und Lathraeen, während bezüg- lich der Orobancheen massgebende Verschiedenheiten vor- liegen’). 9, Endlich scheint mir von besonderer Tragweite auch zu sein das Vorkommen der gleichen Drüsenhaarein den Höhlen der Rhizomschuppen beiden Lathraeen, wie sie auch den Blättern der Rhinanthideen eigen sind: gestielter Köpfehendrüsen und der so eigenartigen Schilddrüsen. Von den Schilddrüsen ist bei den Orobanchen keine Spur zu finden. 1) „Der Schmarotzer verhält sich wie eine seitliche Auszweigung der Nähr- wurzel; Gefässe und Weichbaststränge beider schliessen aneinander an, die in beiden Geweben der Wirthswurzel geleiteten Stoffe können direct in den Parasiten über- geführt werden“ (Koch S. 64). Eine Folge dessen ist es, dass die hinter der Insertionsstelle gelegenen, akroskopen Theile der Wirthswurzeln in der Ernährung geschädigt sind ‘und absterben. „Der Schmarotzer schliesst dann als knollige Bildung die Nährwurzel ab.“ (Koch, S. 65, vgl. auch S. 146.) 2) Hovelacque, S. 551: „La formation des sucoirs des Lathrees se fait de la m&me maniere que chez les Rhinanthacees.“ Vgl. desgleichen die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitte. 3) „Le parcours des faisceaux des tiges souterraines des Lathrees est semblable a celui des Rhinanthacees.“ (Ebendort S. 550.) Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. VII. Heft I. 27 Figuren - Erklärung. Die Figuren sind sämmtlich mit der Camera lueida entworfen und dann aus- geführt worden. Bei manchen, speciell den mehr schematisch wiedergegebenen, wurde eine Reduction der Vergrösserung ausgeführt. Die Vergrösserung ist durch die in den Klammern beigefügten Zahlen gegeben und ist bei den durch Reduction (mittelst Storchschnabels) entstandenen schematischen Bildern nur als approximative Angabe zu nehmen. Tafel V. Sämmtliche Figuren betreffen Lathraea Clandestina. Fig. 1,a. Medianer Längsschnitt durch ein Haustorium. Die Wurzel, welche das- selbe gebildet hat, verlief parallel zur Wirthswurzel, welche im Querschnitte ebenfalls dargestellt erscheint. Das ganze Bild ist schematisirt dargestellt. (11.) St = grosse Stärkekörner, st = kleine Stärkekörner führende Rinde. Weiss gelassen sind die secundäre Rinde und das Cambium um den Tracheidenkopf, sowie das durch Bogenlinien gegen die stärkeführenden Schichten und nach unten abgegrenzte hyaline Gewebe. Im Tracheidenkopf unterscheidet man den querdurchschnittenen Wurzelstrang, dessen Gefässe durch die Ringelehen angedeutet sind. Der übrige Theil des Tracheiden- kopfes und die Tracheidenplatte sind dunkel gehalten. pr. R = primäre Rinde, p = die Papillen der Ansatzfläche; dieselben halten Fragmente der Wirthswurzel-Borke (b), welche an den übrigen Partieen des Wirths- wurzelquerschnittes, nach Bildung des Periderms (pe) sich abgelöst hat. Holzkörper und lebende Rinde der Wirthswurzel sind angedeutet; letztere ist weiss gelassen. Fig. 1,b. Dasselbe Haustorium wie in Fig. la, bei gleicher Schnittrichtung, aber entfernt von der Medianebene längsdurchschnitten. In der Mitte der Wurzelstrang, umgeben vom Cambium und secundärer Rinde (weiss). Die grosse oder kleine Stärkekörner führenden Schichten sind gleich dargestellt wie in Fig. la. Im unteren Theil der Figur erkennt man die Zangen- fortsätze (z) und bei h die Hervorwölbung, die sich bei medianeren Schnitten als Haustorialfortsatz in die Wirthswurzel einkeilt. (11.) Fig. 2. Medianer Längsschnitt durch ein Haustorium. Die Wurzel, welche dasselbe gebildet hat, strich quer zum Verlauf der Wirthswurzel. w.str. = Wurzel- strang im Längsverlauf; ec. s. = Cambium und secundäre Rinde; Tr.k. = Tracheidenkopf; h = hyalines Gewebe; a. p. = Ansatzpapillen; b = Borke der Wirthswurzel; die darunter liegende graue Zone bezeichnet abgestorbene Rinde (g. r.); h. f£ = Haustorialfortsatz; R = lebende Rinde; H = Holz- körper der Wirthswurzel. (8.) Kie.- 3. Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6 Fig. 7 Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. 397 Medianer Längsschnitt durch ein Haustorium, welches in eine Weidenwurzel von 3,6 em Durchmesser eingedrungen ist. Bemerkenswerth ist die be- deutende Länge des Haustorialfortsatzes, entsprechend de: mächtigen Wirthswurzel-Rinde (R.. w = Wurzelstrang; tr — Tracheidenkopf; p = Papillen der Ansatzfläche. Die übrigen Buchstaben haben die gleiche Bedeutung wie in den vorausgehenden Figuren. (3.) Medianer Längsschnitt durch ein Haustorium und Querschnitt der schwachen Wirthswurzel, welcher dasselbe aufsass.. St — Stärke führende Rinde; i = intercellulare Lücken in der Rinde des Haustorialknopfes. R = Rinde der Wirthswurzel; dieselbe ist oberhalb einer Peridermschicht abgestorben und hebt sich, grosse Lücken (l) bildend, ab. Der Holzkörper der Wirths- wurzel ist durch weissen Grund und Ringelehen auf demselben angedeutet. Bomerkenswerth ist das geringe Hervortreten des Haustorialfortsatzes. (10.) Medianer Längsschnitt durch den Haustorialknopf einer Saugwarze (eines Haustoriums), das von einer der Wirthswurzel parallel streichenden Wurzel gebildet wurde. Der Schnitt ist in der Richtung des Streichens der Wurzel geführt. (Vgl. im Gegensatz hierzu den Haustorialknopf in Fig. 2.) w = Wurzelstrang; Tr. P. = Tracheiden-Platte. (10.) Junges Haustorium eines Keimlings im medianen Längsschnitte, zugleich mit dem Querschnitt der zarten Wirthswurzel. Tracheidenkopf, Tracheiden- platte und hyalines Gewebe sind noch nicht differeneirt, sondern durch embryonales Gewebe (E. G.) vertreten. W. Str. = Wurzelstrang; Str. = Strang; R. = Rinde der Wirthswurzel. Der Haustorialfortsatz des Haustoriums hat schon den ganzen Strang der Wirthswurzel in zwei Theile gespalten. (20.) Schematisches Querschnittsbild der gleichen Wirthswurzel, aber entfernt von der Mittelebene des darüber aufgesessenen Haustoriums. Der Haustorial- fortsatz oben noch angedeutet. Die Querschnitte der Wirthswurzel in 6 und 7 sind geeignet, die mechanische Leistungsfähigkeit des Haustorial- fortsatzes zu zeigen. (20.) Theile von Haustorialhaaren. In a nur der Spitzentheil eines solchen (220), nach Eau de Javelle-Behandlung. An der Scheitelkuppe tritt eine stärkere Membranverdickung hervor. In b der grössere Theil eines solchen Tri- choms (75), mit seitlichen Auswüchsen, wie solche an gewöhnlichen Wurzel- haaren so häufig vorkommen. Spitze des Haustorialfortsatzes im Längsschnitt, Holz und Rinde der Nähr- wurzel im Querschnitt. In der Mitte eine Tracheidenreihe. Die an den Holzkörper anstossende zeigt nicht die sonst übliche netzartige Wand- verdiekung, sondern zerstreute Verdickungshöcker. Die gleiche Verdickungs- weise ist auch bei den die Endzelle der axilen Tracheidenreihe umgebenden Zellen angedeutet. Die Spitze des Haustorialfortsatzes hat sich unter Zer- störung des Cambiums in den Holzkörper eingefressen. _Man gewahrt rechts ein zerdrücktes Gefäss, und darüber in einem Verquellungsprocesse begriffene, aber noch erkennbare Holzelemente Th = Thyllen. An den Flanken des Haustorialfortsatzes erscheint die Rinde der Nährwurzel mehr oder minder deformirt. Die Zellen daselbst sind abgestorben, die Wandungen verholzt, häufig von geflossener, gelblicher Masse infiltrirt und über- zogen. (220.) Ein Stück Rinde von einer querdurchschnittenen Salis-Wurzel (schematisch dargestellt) mit den Ansatzpapillen eines Haustorialknopfes, welche in den 27* Fig. Fig. Fig. Fig. 11. 12. N) 398 Bildern 1, 2 und 3 nur angedeutet wurden, Bei h. f£ hat man sich den in die Wirthswurzel eindringenden Haustorialfortsatz zu denken. B= Borke; R = lebende Rinde der Nährwurzel, (42.) Zellkerne aus dem hyalinen Gewebe des Haustorialknopfes mit Einschlüssen, Krystalloiden. Nuceleolen mit vacuolenartiger Höhlung. Aus dureh Kochen in siedendem Wasser fixirtem Material. (540.) Ein Haustorialtrichom, welches offenbar verspätet zur Bildung kam und desshalb die erstarkte Cutieula der epidermalen Epidermiszelle sprengen musste. Dieselbe erscheint als Kappe an der Spitze des Trichoms. (220.) Tafel VI. Fig. 1—3 Laihraea Olandestina, Fig. 4 u. 5 L. Squamaria. Stück eines Weidenwurzel-Querschnittes und der Endigung eines Haustorial- fortsatzes. Ueber die Orientirung geben die Jahresringe Aufschluss. Man sieht die Störungen und Zerstörungen, sowie das active Vorgehen des Haustorialfortsatzes im Holze. Rechter Hand sind einige Haustorialschläuche am weitesten vorgedrungen und haben eben den Raum, wo früher ein Holzgefäss lag, oecupirt. Unterhalb dieser Haustorialschläuche erscheint das Holzgewebe in Auflösung begriffen; theils, so unmittelbar an der Grenze des haustorialen Gewebes, sind die Umrisse der Zellen nicht mehr erkennbar, theils sind diese noch wohl unterscheidbar, aber die Zellwan- dungen erscheinen mehr oder minder gequollen. Die Lumina zweier kleinerer Gefässe enthalten auch schon Haustorialschläuche, welche von unterhalb der Schnittfläche gelegenen Theilen des Haustorialfortsatzes in den Gefässen nach oben vorgedrungen sind. Auch eine zungenförmig vorragende Partie des Holzes im mittleren Jahresring lässt den zerstörenden Einfluss des Parasitengewebes bereits erkennen; vom massigen Theil des Haustorialfortsatzes vordringende Schläuche haben schon die Isolirung des zungenförmigen Fortsatzes vom übrigen Holzgewebe beinahe erzielt. Auch fällt in den äussersten Jahresringen, welche offenbar erst nach Invasion des Saugfortsatzes entstanden sind, an den dem Haustorialfortsatz ge- näherten Partien das Fehlen von Gefässen auf. R = Rinde der Weiden- wurzel. (220.) Mittlere Partie aus einem Tangentalsehnitt durch den basalen Theil eines Haustorialknopfes. Man sieht die Tracheidenplatte und bemerkt meriste- matische Theilungen rings um dieselbe An das Meristem schliesst ein schmaler Streifen des hyalinen Gewebes; an der unteren Partie besonders ist auch ein Theil der primären Rinde noch in das Bild aufgenommen, (60.) Tangentalschnitt durch einen Saugfortsatz und die denselben umgebende Rinde einer Salixwurzel. In der Mitte erkennt man die Tracheidenplatte (tr). Dieselbe ist stellenweise unterbrochen, meist liegen an jenen Stellen Reste von Bastfasern der Nährwurzel, welche der Parasit nicht aus dem Wege zu räumen vermochte. b — Bastfasern und Bündel solcher in der Salix- Rinde. f — ein stärkeres Bündel solcher Fasern, eingekeilt im Gewebe des Haustorialfortsatzes, f, — eine einzelne davon abzweigende Faser. (60.) Schematische Darstellung eines Wurzel-(Querschnittes von Alnus incana, welcher durchsetzt ist von Haustorialfortsätzen. Die todte Rinde (Borke) ist dunkel gezeichnet — die mechanischen Gewebe der Rinde schraffirt dargestellt — die lebende Rinde ist weiss gelassen. Die 3jährige Wurzel. zeigt im 3. Jahresringe, sowohl in der Form desselben als in den gebil- Fig. 5. Bie:. ‚1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. 399 deten Holzelementen — den sich geltend machenden Einfluss des Para- siten. Nur im ersten Beginn dieses Jahrringes wurden Gefässe (durch Ringelchen in der Skizze bezeichnet) gebildet. Die Intensität des Holz- zuwachses äussert sich als sehr verschieden in dem welligen Verlauf der äusseren Umrisslinie dieses Jahrringes.. An drei Punkten (a, b, c) er- scheint sie besonders gesteigert. Es sind Oıte, wo Endigungen von Hau- storialfortsätzen des Parasiten nahe liegen. Bei (a) ist ein solcher Haustorial- fortsatz im Längsverlauf median getroffen, bei b und e liessen sich mikros- kopisch Elemente von durch den Schnitt tangirten Fortsätzen erkennen. ($.) Tangentalschnitt durch die Rinde einer Erlenwurzel mit im Querschnitt getroffenem Haustorialfortsatz (h. f.),. In demselben der Tracheidenstift durch Ringelehen angedeutet. m = Rindenmarkstrahlen. (42.) Tafel VII. Fig. 1 Lathraea Clandestina, Fig. 2>—7 Lathraeca Syquamaria. Medianer, radialer Längsschnitt durch den Saugfortsatz des Parasiten, und Rinde (R), sowie Holzkörper (H) der Nährwurzel. tr = die in voller Ausdehnung getroffene Tracheidenplatte. b —= die als dunkle Streifen an- gedeuteten Bastfasern der Saliz-Rinde, welche da und dort auch eingekeilt im Parenchym des Saugfortsatzes liegen geblieben sind. (90.) Halbschematische Darstellung eines Haustoriums im Längsschnitte und eines Theiles der Nährwurzel im Querschnitte. Im Haustorialknopf sind zu unterscheiden: die grau gehaltene primäre Rinde, der centrale Theil, der Tracheidenkopf, oben und seitlich umgeben von einer weiss gelassenen Zone, der seeundären Rinde und dem Cambium. An der Unterseite des Tracheidenkopfes erweitert sich die weisse Zone und entspricht die durch bogige Punktlinien begrenzte Partie dem hyalinen Gewebe. Im Tracheiden- kopf sind als Differenzirungen angedeutet: 1) Der durchziehende Wurzelstrang am Scheitel mit den querdurchschnittenen Gefässen. 2) Eine graue Zone, in welcher der Anschluss der Tracheen und Tracheiden des Haustoriums an den Wurzelstrang erfolgt und deren Verlauf durch die dunkleren Linien markirt ist. In dieser Zone finden sieh auch unverholzte Elemente vor. 3) Eine aus verholzten Elementen allein bestehende Partie, welche in der Figur besonders dunkel gehalten ist, — und 4) an diese anschliessend eine Zone, in welcher die Tracheiden in rosenkranzförmige, vielfach anasto- mosirende Reihen angeordnet erscheinen und umgeben sind von zwischen- gelagerten Inseln parenchymatischer, unverholzter Elemente. Die Tracheiden- reihen sammeln sich in einem axilen Tracheidenstrang, welcher sich in den Strang des Haustorialfortsatzes fortsetzt. Am (uerschnitte der Nähr- wurzel ist die abgestorbene Borke dunkel, das mechanische Gewebe der Rinde schraffirt dargestellt. (30.) Radialer Längsschnitt durch den Haustorialfortsatz und ein Stück der Nährwurzel. H = Holzkörper, R — Rinde, B = mechanisches Gewebe, Bo = Borke. Das Bild zeigt das relativ tiefe Eindringen der Endigung des Haustorialfortsatzes in den Holzkörper und das pinselförmige Aus- einandertreten der äussersten Elemente des Fortsatzes. Die Tracheiden im letzteren sind dunkel dargestellt. (30.) Stück aus dem Querschnitte einer Wurzel von Alnus ineana. Dargestellt - sind ein schmaler Streifen Rinde, das Cambium (ec) und Holz. Bei h sind querdurehschnittene Haustorialschläuche der Squamaria vorhanden, welche den Holzkörper in longitudinaler Richtung durchwuchsen. G —= Gefässe, deren Mangel im jüngeren, vom Parasiten durehzogenen Holze, auffällt. (220.) Fig. 5 Fig. 6. Fig. 7. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5 u. Fig. 7. 400 Ende eines Haustorialschlauches in einem Holzgefäss. Bei a in Aufsicht, bei b von innen gesehen dargestellt. Man ersieht daraus, dass die spalten- förmigen Tüpfel einseitig behöft sind. (585.) Zwei Zellen aus einem Tangentalschnitte durch den Haustorialfortsatz, nahe seiner Endigung, sammt Inhalt. Die Zellen gehören dem zartwandi- gen, nicht verholzten Parenchym an, welche den Tracheidenstrang oder die Tracheidenreihen umgeben. Der feinkörnige Inhalt hat bei Fuchsin- färbung einen gelblichen Ton gezeigt, und die dunkel gezeichneten Kügelehen waren intensiv roth gefärbt. v = Vacuole. (385.) Stück eines im Holze der Nährwurzel verlaufenden Haustorialschlauches. Ein Zweig, den derselbe gebildet hat, ist an der Ursprungsstelle abge- schnitten (die kreisförmig umgrenzte Partie); im Lumen erkennt man einen dicht körnigen Inhalt. Derselbe hat sich mit Fuchsin, in den dunkler dargestellten 'Theilen intensiv roth, in den heller gezeichneten schwach rosa gefärbt. (385.) Tafel VIII. Fig. 1—7 Lathraea Squamaria. Stück des Querschnittes einer Erlenwurzel. h. f. = Endtheil eines Saug- fortsatzes; h —= Haustorialschlauch, unterhalb der Schnittebene vom Haustorialfortsatz-Ende abzweigend, dann in die Schnittebene tretend und wieder unter dieselbe abbiegend.. ce = Cambium. (220.) Ein gleiches Bild. Der Haustorialfortsatz (h. f.), dessen Endtheil sichtbar ist, hat hier die Rinde offenbar in schiefer Richtung durchwachsen und ist in den Holzkörper eingedrungen. An der Spitze erfolgt die Auflösung in die Haustorialschläuche, deren mehrere hier zu sehen sind. Der eine ist bis zu seiner Endigung zu verfolgen, da das Bild bei combinirter Ein- stellung gezeichnet ist. Wieder fällt der Mangel der Gefässe in dem von den Haustorialschläuchen durchwachsenen Holze auf. tr —= Elemente des Tracheidenstranges; b = Bastfasern der Rinde. (220.) Schematisch gehaltenes Bild eines Tangentalschnittes durch die Nährwurzel und die Endigung eines Haustorialfortsatzes. Der Schnitt ist grösstentheils durchs Xylem geführt: dasselbe ist in der Skizze grau gehalten. Am rechten Rande befindet sich ein Rindenstreifen (weiss), der an Oxalat- krystallen (die dunkeln Punkte) sehr reich ist. Von dem zusammenhän- genden Gewebe der Endigung des Haustorialfortsatzes gehen nach allen Richtungen die weiten und langen Haustorialschläuche aus und durch- wachsen in verschiedenen Richtungen das Holz der Nährwurzel. (30.) Radialschnitt durch eine kleine Partie des jüngsten Holzzuwachses einer Erlenwurzel, mit dem queren Durchschnitt eines in tangentaler Richtung gewachsenen, mächtigen Haustorialschlauches der Squamaria. (385.) 6. Umrisszeichnungen von Haustorialschläuchen. In Fig. 5 ein ganzer kurzer Schlauch, der sich bei a vom zusammenhaltenden Gewebe des Saugfortsatzes abgezweigt hat. Bemerkenswerth ist die undulirte Be- grenzung an der einen Seite. In Fig. 6 die gabelig getheilte Endigung eines Schlauches. Innerhalb angedeutet der contrahirte Plasmaschlaueh. (125.) Ein Stück. der Wand und des Inhaltes einer primären Rindenzelle eines Haustorialknopfes. In einer localisirten Plasmaansammlung liegt der Zell- kern umgeben von Plastiden. Letztere sind auch zerstreut an andern Punk- ten der Zelle zu finden, und liegt auch in der Figur rechts eine der Wand an. (540.) Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3 Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9 Fig. 10 Fig. 11. 401 Tafel IX. Fig. 1—10 Squamaria. Fig. 11—13 Clandestina. Partie aus dem Radialschnitt einer Erlenwurzel und eines Theiles der Endigung eines Haustorialfortsatzes.. Man sieht das schlauchartige Aus- wachsen der peripheren Elemente des Fortsatzes und ihr Auseinander- weichen. Deutlich tritt das active Vordringen in das Holz, das glatte Perforiren seiner Elemente hervor. (175.) Stärkebildner mit schwanzartigen Anhängen aus der primären Rinde des Haustorialknopfes. (1010.) Stärkebildner. In a erscheint das Stärkekorn von der Plastide völlig um- schlossen; bei b, c, d, e sieht man den Stärkeeinschluss nur im Contact mit der Plastide. Offenbar wurden die Plastiden durch die Quellung der Stärke, welche beim Fixiren durch siedendes Wasser eintrat, gesprengt, und erklären diese Bilder die Entstehung jener, wie sie Fig. 2 darstellt. (1010.) Phosphatkugeln in den Zellen, welche inselartig zwischen den Tracheiden- reihen im untersten Theil des Tracheidenkopfes eingesprengt erscheinen. a) Eine Zelle mit einer einzelnen grösseren Phosphatkugel, bei hoher Einstellung dargestellt. An der Wand sieht man in einer Protoplasma- Ansammlung den Zellkern. b) Nur der abgehobene Protoplasmaschlauch einer Zelle ist dargestellt, die Zellmembran ist nicht gezeichnet. Eine grössere Zahl kleinerer Phosphatkugeln war hier ausgeschieden; die einen sind bei hoher (die dunkeln), die andern bei tieferer Einstellung dar- gestellt. (540.) Stärkekörner aus den: Haustorialknopf. In a4 Körner mit innerer, mit Jod sich bläuender Stärke, welche überlagert ist von solcher, die mit Jod sich schwer und nur gelblich, mit Jodjodkalium rothbraun färbt. (420 u. 585.) In b ein Stärkekorn, von dessen Kern Sprünge ausstrahlen. Es gehört der in den Haustorialknöpfen herrschenden, mit Jod sich nicht bläuenden Stärke-Modification an. (1010.) Plastiden (Leukoplasten) aus der primären Rinde des Haustorialknopfes nach beginnender Zersetzung; aus Schnitten durch frisches Material. Die Körnchen an der Peripherie entsprechen den dabei auftretenden orange gefärbten Tröpfehen oder Körnchen. (1010.) Ein Paar Zellen aus den Tracheidenreihen des untersten Theiles im Tra- cheidenkopfe. Die Tracheiden sind angeschnitten oder durchschnitten und lassen die in grosser Zahl vorhandenen Stärkekörnchen erkennen. (420.) Eine Zelle aus dem hyalinen Gewebe des Haustorialknopfes. Man erkennt den reichen körnigen Inhalt und die besonders an zwei Seiten beträcht liche Quellung der Membran. (340.) Partie aus einem in das Holz der Wirthspflanze eingedrungenen Haustorial- schlauch; man sieht von innen auf die untere Wandung des Schlauches und die spaltenförmigen, behöften Tüpfel. (535.) Ein in der Nähe seines Ursprungs durchschnittener Haustorialschlauch, aus einem Tangentalschnitt. durch den Haustorialfortsatz, mit dem zu einer starren Masse klumpig geformten Inhalt, der am Präparate gelblich ge- färbt erschien. Drei peripherische Zellen (h) eines Haustorialfortsatzes, aus einem radialen Längsschnitte durch denselben herausgezeichnet. Dieselben grenzen an eine stark lichtbrechende, gummöse, im Präparat gelbliche Masse, welche wohl aus den Membranen verflüssigter, verholzter Zellelemente stammt, Fig. 12. Fig. 13. Fig. 1 Fig. 2 Fig. 3: Fig. 4. Bie.?5. 402 In ihr erscheinen mehrfach Risse und Sprünge, auch umhüllt sie Inhalts- reste von Zellen, Krystalldrusen u. dgl. Daran grenzen Zellen, deren Um- risse noch erhalten sind, die aber von den umgebenden mehr oder minder isolirt liegen, aber ebenfalls von der gummösen Masse umflossen sind und deren eine Stärke führt. An diese endlich schliesst noch vom Parasiten kaum in Mitleidenschaft gezogenes Rindenparenchym der Wirthswurzel an. (62.) Querschnitt durch eine Salix-Wurzel; aufsitzend derselben der Basaltheil eines Haustoriums. Letzerer ist im Längsschnitte, entfernt von der Mediane, getroffen. (Den medianen Längsschnitt zeigt in schematischer Ausführung Fig. 6, Tafel V.) Die Fig. zeigt das Auswachsen der epidermalen Schicht theils zu den Ansatzpapillen, (die rechter Hand alle zu sehen sind), theils, soweit sie der Achse nahe liegen, zu den Elementen des Haustorialfort- satzes. Von den letzteren ist an diesem Schnitte nur eine einzige Zelle getroffen. Str = Strang der Wirthswurzel, R — Rinde derselben. Ein Paar Zellen von der Oberfläche eines ausgewachsenen Haustorialknopfes. Sie gehören der die Epidermis ersetzenden Hypodermis an und zeigen starke tangentale Streckung und reichlich radiale Theilung. (220.) Tafel X. Fig. 1—4 Squamaria. Fig. 5—10 Olandestina. Einer der Haustorialschläuche der Fig. 9, Tafel VIII, bei stärkerer Ver- grösserung, während seines Verlaufes im Holze der Alnus- Wurzel ausführ- licher dargestellt. (220.) Stück eines Querschnittes durch eine Alnus-Wurzel. Die Rinde ist grau ge- halten, die mechanischen Bündelchen derselben schraffirt dargestellt. Alle weissen Inseln in der Rinde sind haustoriales Gewebe der Squamaria. Deutlich tritt die Stauung derselben vor der Ringzone, welche aus mecha- nischen Bündeln besteht, hervor, die eben zur Bildung der „Haustorial- polster“ führt. (10.) Ein gleicher Schnitt. Derselbe zeigt, wie der Haustorialfortsatz der Squamaria vor dem mechanischen Gewebe anfänglich sich staute, dann aber durchzubrechen vermochte. Er erscheint ferner hier, was nur aus- nahmsweise vorkommt, in mehrere Zweige gespalten, von denen zwei ge- sondert den Holzkörper der Wirthswurzel erreichen. Die Rinde der letzteren ist, soweit sie aus lebenden Zellen besteht, hellgrau gehalten; abgestorbene Partien sind dunkel, die Borke noch dunkler dargestellt. (10.) Querschnitt durch die Rinde (R.) einer Erlenwurzel, mit der im medianen Durchschnitt getroffenen Eintrittsstelle eines Haustorialfortsatzes (h. f.). In ausgeprägter Weise tritt die Stauung vor den Bastfasergruppen (b), welche zur Bildung eines ‚„Haustorialpolsters‘“ führt, hervor. Im haustori- alen Gewebe sieht man den Tracheidenstrang angedeutet. Die Borke ist schraffirt, die dunkeln Streifen in’ der innern Rindenpartie sind die Rinden- markstrahlen (m), welche sich durch Stärkereichthum vor dem übrigen Rindengewebe auszeichnen. (20.) Querschnitt durch eine Salix-Wurzel mit eingedrungenem, im Längsschnitt getroffenem Haustorialfortsatz (h. f.) der Olandestina. Borke und abge- storbene Rinde sind dunkel dargestellt. Man sieht das Auskeilen des 2. Holzringes in der Nähe der Endigung des Haustorialfortsatzes, M = Mark. (10.). 403 Fig. 6. Querschnitt durch eine reichlich von Haustorien befallen gewesene Weiden- Fig. 7. Fig. wurzel und den im Längsschnitt getroffenen Haustorialfortsatz (h. f.), Man sieht die starken Störungen und Zerstörungen im Holze. Der zweite Holzring ist links sehr schwach, offenbar in Folge der Einwirkung eines in der Nähe eingedrungen gewesenen Haustoriums. Derselbe Jahresring ist oben blossgelegt und zum Theil in Zersetzung begriffen, was durch dunkle Grundirung angedeutet wurde. Hier war ein anderes Haustorium gewesen, von dem Reste noch nachweisbar waren. Der dritte Holz- ring kommt kaum in einem Drittel des Umkreises zur Ausbildung, und schon hat ihn hier ein neuer Haustorialfortsatz erreicht. Die abgestorbene Rinde (Borke) ist dunkel gezeichnet, die mechanischen Gewebecomplexe durch Schraffirung hervorgehoben. (10.) Querschnitt durch eine Weidenwurzel mit im Längsschnitt getroffenem Haustorialfortsatz der Olandestina. Die dunkeln Inselchen in der Rinde (v) sind Bastfaserstränge. Das Eindringen des Haustoriatfortsatzes in das Holz reicht hier besonders tief und in den Jahresringen treten starke Unregelmäs igkeiten hervor. Der, in der Skizze links von der Endigung des Haustorianortsatzes als letzter Jahresring gezeichnete, besteht eigent- lich aus zwei Jahresringen, was aber in Folge undeutlicher Abgrenzung derselben bei schwachen Vergrösserungen nicht hervortritt. Bei stärkerer Vergrösserung giebt die Endigung dieses Haustorialfortsatzes Fig. 1, Taf. VI. Dort tritt auch das abnorme, gefässlose Holz besser hervor, das in der Skizze Fig. 7 im letzten Jahresring nur durch Weglassen der Ringelchen angedeutet erscheint. (6.) Stück einer starken Salixz-Wurzel im (Querschnitt. Wo die Holzringe unterbrochen erscheinen, fanden sich abgestorbene Rinde und vor allem Reste eines ausgefaulten Haustorialfortsatzes (dunkel gehaltene Partie). Das Gewebe desselben ist schon zum Theil zerfallen, so dass Lücken (weiss) entstanden sind. In der lebenden Rinde sind die Bastfasergruppen durch schraffirte Inselehen angedeutet. Auffallend ist die offenbar nach dem Eindringen des Saugfortsatzes eingetretene Verminderung der Jahres- zuwächse; die undeutliche Abgrenzung der Jahresringe wird daraus ersicht- lich, dass linker Hand noch vier solchee untersheidbar waren, rechter Hand nur zwei. Der letzte Jahresring schloss ferner, was in der Skizze nicht ausgedrückt wurde, ohne charakteristisches Herbstholz ab, obwohl die Ausgrabung der betreffenden Wurzel im November vorgenommen worden war. (10.) Fig. 9a u. 9b. Intercellularräume (i) aus dem hyalinen Gewebe nahe der Tracheiden- platte. 9a ein solcher querdurchschnitten; eine mit Fuchsin oder Gentiana- Violett sich färbende Substanz kleidet denselben nur zum Theil aus. 9b: in einen quer durchschnittenen Intercellularraum mündet ein im Längs- verlauf gesehener ein. Die Intercellularräume sind ganz erfüllt mit der tingirten (in der Zeichnung schwarzen) Masse. (540.) Fig. 10. An den Grenzkanten von Zellen verlaufende Intercellularräume, erfüllt von der tingirten Substanz. Aus dem gleichen Präparate wie Fig. 9. (540.) Tafel XL Sämmtliche Figuren betreffen Squamaria, nur 5, 7, 8 u, 13 Olandestina. Fig. 1. Anlage eines Haustoriums, als locale Anschwellung der Wurzel hervor- tretend. (15.) Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 404 Aehnliches, um geringes älteres Stadium im medianen Längsschnitt skizzirt. Angedeutet ist der procambiale Wurzelstrang und die an der Basis der Haustorialanschwellung gebildeten Hafthaare. (15.) Ungefähr die gleiche Entwicklungsstufe eines Haustoriums von der Ventral- fläche gesehen. An der basalen Partie des haustorialen Höckers, oder von der Wurzel (rechts) unmittelbar neben diesem, entspringen die Haft- haare. (15.) Skizze des Längsschnittes durch eine etwas ältere Anlage eines Haustoriums, gegenüber dem in Fig. 3. Angedeutet ist der Wurzelstrang; die Haft- haare sind hier in ungewöhnlicher Weise dem Scheitel des haustorialen Höckers genähert. (15.) Sich differeneirender Strang einer Olandestina-Wurzel, in jenem Zeitpunkte, da meist die Anlage der Haustorien stattfindet. Man sieht eine durch die Caspary’schen Punkte deutlich erkennbare Endodermis, kann eine peri- cambiale Zelllage und im procambialen Bündel die beiden Erstlings- gefässe unterscheiden. (220.) Querschnitt durch ein Haustorium, von beiläufig der Altersstufe des in Fig. 3 abgebildeten. Der Schnitt ist in der Richtung der in dieser Figur gezeichneten Pfeile geführt. Man unterscheidet: Die Epidermis mit den Hafthaaren, die an der der Wirthswurzel zugekehrten Seite entspringen, die Hypodermis und zwei Rindenzellenlagen. In diesen treten an den mit 3 und 4 bezeichneten Stellen tangentale Theilungen ein; es sind die Zell- theilungen, die das erste Hervortreten der haustorialen Anlage zur Folge haben. Endodermis und Perieambium, ebenso die Erstlingsgefässe im pro- cambialen Strang, sind ebenfalls zu erkennen, obschon die Endodermis weniger scharf hervortritt als etwa in Fig. 5. (220.) Skizze eines medianen Querschnittes durch eine Haustorium-Anlage von Clandestina. Die Lage des procambialen Stranges ist angedeutet und es wird ersichtlich, wie durch einseitige Zunahme des Rindengewebes an der der Wirthswurzel zugekehrten Seite die erste Anlage des Haustoriums zu- stande kommt. An den Flanken der Contactfläche des jungen Haustoriums sind die Hafthaare angedeutet. (15.) Der Strang und die umgebende Endodermis aus voriger Figur in ausführ- licher Darstellung. Es treten hier die Vergrösserung der Endodermis- zellen, sowie die in ihnen auftretenden Theilungen deutlich hervor, und so der Antheil, welchen die Endodermis an der der Wirthswurzel zugekehrten Seite am Aufbau der Haustorialanlage nimmt. (540.) Medianer Längsschnitt durch ein junges Haustorium, das bereits den Haustorialfortsatz in die Wirthswurzel (w) versenkt hat. Das im Längs- verlaufe getroffene Gefässbündel der Parasitenwurzel ist durch feine punk- tirte Linien angedeutet. e u. e, sind embryonales Gewebe; aus ersterem geht der Tracheidenkopf, aus letzterem der Tracheidenstrang und das hyaline Gewebe hervor. Auch sind am Haustorialknopf „Zangenfortsätze“ vorhanden, welche die Wirthswurzel umfassen. (25.) Medianer, querer Längsschnitt durch ein junges Haustorium, das seinen Haustorialfortsatz bereits durch die ganze schwache Wirthswurzel (w) ge- trieben hat. Es ist jünger als das in Fig. 9 dargestellte; die Meristeme, welche Tracheidenkopf, Tracheidenstrang und hyalines Gewebe liefern, sind noch nicht gebildet. Im Haustorialknopf tritt nur der procambiale Wurzelstrang als besondere Differenzirung hervor. Zangenfortsätze kamen Fig. Fig. oe 12. 13. . 14. 405 hier nicht zur Ausbildung. Auffallend ist die gestreckte Gestalt des Haustorialknopfes, welche sich dadurch erklärt, dass die Zathraea-Wurzel zur Zeit der Anlage des Haustoriums nicht in direetem Contaet mit der Wirthswurzel war. Man beachte, dass der Abstand des Wurzelstranges von der Basis des Haustorialfortsatzes in Fig. 9 nur ungefähr halb so gross ist, als in Fig. 10, obwohl letztere bei geringerer Vergrösserung wiedergegeben ist. (20.) Stück einer Erlenwurzel, auf welcher sich eine Gruppe von Lathraea- Wurzeln mit jungen Haustorien befindet. Letztere zeigen die zu dieser Zeit in reicher Fülle vorhandenen Hafthaare. (5.) Der Haustorialfortsatz des in Fig. 10 skizzirten Haustorium-Längsschnittes bei stärkerer Vergrösserung. Rechts und links die grau gehaltene, zer- spaltene Wirthswurzel. (110.) Partie aus dem basalen Theil eines queren, medianen Längsschnittes durch den Haustorialknopf eines COlandestina-Haustoriums. In demselben war die Differenzirung der ersten Tracheiden des Tracheidenkopfes eben voll- zogen. Unterhalb desselben war ein Meristem (m) vorhanden, aus welchem später die Tracheidenplatte hervorgeht. Ein Stück dieses Meristems zeigt die Figur. (110.) Kleines Wurzelstück, welches nach unten ein kugliges, steriles Haustorium trägt. Auch auf der gegenüberliegenden Seite war ein Haustorium ent- wickelt, wie der nach oben vorragende Höcker zeigt. (2.) Wurzelstückchen mit einer Anschwellung, welche wahrscheinlich auf die Anlage eines Haustoriums zurückzuführen ist, dessen weitere Ausbildung frühzeitig, aus irgend einem Grunde, sistirt worden sein dürfte. (Nat. Gr.) vn. v1. IX. 06 Inhalts - Uebersicht. ..Die Untersuchungen früherer’ Borscher 44:1 In. 21.0 Ste # Das’ Untersuchungs-Mäterial HU. ee Fe A . Der anatomische Bau der Haustorien von Zathraea Clandestina........ . Der anatomische Bau der Haustorien von Lathraea Squamaria ...... 3% . Die Inhaltsstoffe der Haustorien. A. Bathraea. Clandestina: .s..4..0.0% szene arersieie Shall ee an ee B:, Lathraea ;Squamaria. 2. en a se aan ee See en . Das Eindringen der Haustorien in die Wirthswurzeln, ihre Einwirkungen daselbst und die Schädigung der Wirthspflanzen........rceeresenenne Zur Entwicklungsgeschichte der Haustorien..........rsennseneneneene Die Stellung der ZLathraea im System ...e.eeeeenuneneennernnennnnee Tafelerklärung .: 2... 00.8 00.20... ae ns ans anni va oo HR F. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VII Band VI. Taf: I. Per Ir EN R CE Er en Er SIPRFRER, =>. SE RT Pe De I var ul = & n Kun EEE RE Ale... AB FEN TÄE: , Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 24 Tith._Arst v. C.Eirst, Lapz EKosen. del. F.Cohn,, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VIr. Taf: IX. s ak vb ;/ hie E.Kosen del. InthAnst v.C. Kirst, Leipzig. F.lohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VIL. Taf I. ENNIN % \ / Ay FE Rosen del. Lith.Anst v. 0. Hirst, Lapzig. Band VIr. Taf V. zur Biologie der Pflanzen. eiträge Bi F(ohn, DEIN ZEN WFS 4 FE FFSEINN [ir we N a Äh ZU Ci3r a Sy \ Tith.Anstv. C.Kirst, Leipzig. B.Heinricher del. Hlohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VIr. Taf VI. oa=g9E Fre VERDAN 2 NO AH NSNINUHLINNTAI oo Kl Sl) JENEDL DEN. EN \ EIN {7 | NL \ DEN HNNUHSOAN \\ N EEE RRINANTENN \ EN RER Ra B.Heinricher del. Lit. Anst v. C, Kırst, Leipzig. R.lohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VL. Taf VL. 2 2 < Sn 5 er ES — RE I IE Qi - . ae nn ESF 4 FH, Me — “ nf GS oT Az Sa > H.Heinricher del. LithAnst v. C.Kirst, Leipzig. Band VIL. Taf VIH. er a 'e zur Biologie der Pflanzen. |) Fr ı 7 > N Y \ 7 ES : ae = E7 BAAT Da Beh DEREN, ee ET En .. “ %u w» ‚m rao BINy SG . a x \e.olg,. Lüth.Anstv. 0. Kirst, Leipzig. Band VI. Taf IX. e zur biologie der Pflanzen .. ui Hohn, B Lith.Anst v. 0. Kirst, Lapzig. A OÄRERDE GG a m na san BlGaLre Amaiık war LRRT rn hr AED x BES Hoher EmERZ I #H.Heinricher del. Band VI. Taf X. zur Biologie der Pflanzen. eiträge Flohn, B. 0o0Co000 Lith.Anst’v. C. Kırst, Leipzig. 3 6: PINESPe) o o o o o [e] b>} er [6] Q 00 oO le) 000007 [eX6% Scow PP 000200 [6 000 oO nec® #.Heinricher del. HF Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VI. Taf XT. E.Heinricher del ith,_Anstv. 6, Hırst, Leipzig. Beiträge Biologie der Pflanzen. Herausgegeben von Dr. Ferdinand Cohn. Siebenter Band. Drittes Heft. Mit sechs Tafeln, ee Breslau 1896. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller). Inhalt des dritten Heftes. Seite. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Elementarorganismus. Von 2. Grato.2 Mi Date RTV N ee Ber 407 Beiträge zur Morphologie der Bakterien. Ueber zwei fadenbildende Baeillen. Von Dr. L. Catiano in Berlin. (Mit Tafel XVI, XVIN. 537 Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Elementarorganismus. Von E. Crato. Mit Tafel XII—-XV, ann D. practischen Arbeiten zu vorliegender Abhandlung sind in den Jahren 1891 bis 1893 in dem botanischen Institut der Universität Kiel ausgeführt worden. Aeussere Umstände veranlassten, dass ich mich nach meinem Weg- gange von Kiel der ausführlichen Beschreibung der Beobachtungen nur zeit- weilig widmen konnte. Infolgedessen konnte eine systematische Anordnung des Stoffes nicht streng durchgeführt werden; es sei deshalb gestattet die Einleitung mit den üblichen „Ergebnissen“ zu verschmelzen. Ich hoffe auf diese Weise Zweck und Ziel der Arbeit klarer zum Ausdruck bringen zu können. Die hier am eingehendsten berücksichtigten Theile der Zelle sind das Lamellensystem unddie Physoden. Diese beiden bei der Besprechung der Elementarorganismen noch ungewohnten Bezeichnungen sind Namen für ganz bestimmte Theile derjenigen Substanz, die von vielen als „Protoplasma“ bezeichnet wird, und zwar stellt das Lamellensystem denjenigen Theil dar, der als mechanische Grundlage, als Gerüstwerk des „Protoplasma‘“, also auch des ganzen Organismus, dient. Dieses Gerüstwerk besteht, wie schon der Name sagt, aus zarten Lamellen, welche nach Art eines Schaumes angeordnet sind. Das Ganze ist demnach auch vergleichbar mit einem Wabenbau, welche Bezeichnung theils von Bütschli selbst, theils bei Besprechung der Arbeiten dieses F'orschers benutzt wird. Wenn ich nun bei gleicher Be- urtheilung der diesbezüglichen Struktur dennoch einen anderen Namen wähle, so hat dies darin seinen Grund, dass ich nur die Lamellen, nicht aber die Kammerflüssigkeit für einen wichtigen, für einen der lebenden Bestandtheile des Elementarorganismus halte. Bei dieser Auffassung erscheint es wohl gerechtfertigt, dass ich die Lamellen, oder die Plastinlamellen, worunter dasselbe verstanden wird, besonders in der Bezeichnung hervorhebe. Unter Physoden verstehe ich bläschenartige Gebilde, die mit den Lamellen in innigster Beziehung stehen, gewissermassen die ausführenden Organe des Plastins, welch letzteres durch das Lamellensystem repräsentirt wird, dar- stellen. Der Inhalt dieser Bläschen besteht aus sehr reactionsfähigen, bereits individualisirten Substanzen, denen ein freies Bewegungsvermögen innerhalb Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd, VII, Heft III, 28 der Lamellen zukommt. Nicht nur als Transportorgane für plastische Baustoffe und als Speicherungsorte für individualisirte Substanz sind die Physoden anzusehen, sondern auch als wichtige, chemische Werkstätten und vornehmlich als Athmungsorgane der Zellen. Die Hülle der Physoden besteht aus Theilen der sie einschliessenden Lamelle. Zu den Physoden gehören der bei Weitem grösste Theil der als Mikrosomen resp. Körner des Protoplasma bezeichneten Gebilde. Die Physoden, als auch die übrigen Zellorgane, wie Zellkern, Chroma- tophoren, stehen zu dem Plastinlamellensystein in einem ähnlichen Verhältniss, wie (einem Schaume eingelagerte) Russpartikelchen zu den Lamellen eines makroskopischen Schaumes, d. h. sämmtliche Zellorgane (Zellkern, Physoden und Chromatophoren) sind den Lamellen eines Schaum- oder Wabenwerkes, nicht aber den Maschen derselben eingelagert. Sämmtliche Maschen, gleich- viel von welcher Grösse, sind sammt ihrem Inhalte für das Leben der Zelle von untergeordneter Bedeutung. Sie sind aber zur Entfaltung des Plastines nöthig, wie die Luft zur Entfaltung eines Seifenschaumes. Nach diesen Vorbemerkungen sei es zunächst gestattet, an die Arbeiten anderer Forscher anzuschliessen und in kurzen Zügen zu vergegen- wärtigen, was unter „Protoplasma‘‘ verstanden wird, resp. was hier darunter verstanden werden soll, und welche Strukturverhältnisse dieser Substanz beigemessen werden. Von einer ausführlichen Besprechung kann umsomehr Abstand genommen werden, da in den letzten Jahren von mehreren Anutori- täten Uebersichten gegeben worden sind, so von Flemming in den „Ergeb- nissen der Anatomie und Entwickelungsgeschichte, 1891 und 1893/94 ;“ ferner eine Gesammtübersicht über die diesbezüglichen Forschungen von Bütschli in den „Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma, 1892“ schliesslich von Hertwig in „Die Zelle und die Gewebe, 1892 und von A. Zimmermann in den „Sammelreferaten auf dem Gebiete der Zellenlehre, 1893. Obgleich der Begriff „Protoplasma‘‘ genau seit einem halben Jahr- hundert (1846) in die Wissenschaft eingeführt ist, ist seine Begrenzung zur Zeit keine einheitliche. Deswegen möchte ich, ohne auf die geschichtliche Entwickeiung näher einzugehen, den augenblicklichen Stand dieser Frage hier skizziren. Am weitesten fasst den Begriff des „Protoplasma“ Strasburger, indem nach ihm das Protoplasma in vielen Zellen den gesammten Zellinhalt ausmacht. Nach Strasburgers Auffassung besteht das „Protoplasma‘ aus 1) Zellkern, 2) Centrosphären, 3) Cytoplasma und 4) Chromatophoren. Weitere Einschlüsse, sofern sie vorhanden sind, werden unter der Bezeichnung „Meta- plasma‘ zusammengefasst. Das Cytopiasma, welches hier im Anschluss an Andere als Protoplasma bezeichnet sei (s. u.), besteht nach Stras- burger aus einer hyalinen und zähflüssigen Grundsubstanz, dem Hyalo- plasma. Dieses letztere zerfällt in eine dichtere, körnchenfreie Hautschicht und in ein, von letzterer eingeschlossenes, dünnflüssigeres, körnchenreiches Körner- plasma (nach Nägeli Polioplasma). Im Bezug auf die Strukturverhältnisse 2 2 BR steht demnach Strasburger auf einem ähnlichen Standpunkte, wie ihn Berthold in den ‚Studien über Protoplasmamechanik“ einnimmt. Im Gegensatz zu Strasburger versteht Reinke in seinem Lehrbuche unter Protoplasma nur dasjenige Stoffgemenge, welches Strasburger mit Cytoplasma bezeichnet. Dementsprechend sind die wichtigsten Bestandtheile einer Pflanzenzelle nach Reinke 1) Protoplasma, 2) Zellkern, 3) Chroma- tophoren, 4) Saftraum etc. In diesem engeren Sinne fassen wohl zur Zeit die meisten Botaniker diesen Begriff auf. Leider ist mir die Originalliteratur der betheiligten Forscher nicht zur Hand, so dass ich mich hierin auf mein Gedächtniss verlassen muss. Von medieinisch-zoologischer Seite wird ebenfalls das Wort ‚‚Protoplasma“ nur für einen begrenzten Theil des Zellinhaltes gebraucht. So unterscheidet Hertwig den Zellkern von „dem übrigen Theil der Zelle, dem Protoplasma.“ Das Protoplasma selbst theilt Hertwig (wohl in Anschluss an Pfeffer, de Vries etc.) ein in Hautschicht oder Hyaloplasma und in Körnerplasma. Hyaloplasma bedeutet hier also etwas anderes als bei Strasburger, welch letzterer damit die Grundsubstanz des Cytoplasma, im Wesentlichen gleich dem Protoplasma Hertwig’s abzüglich der körnig aussehenden Einschlüsse, bezeichnet. Wieder etwas Anderes verstehen Leidig und seine Anhänger unter Hyaloplasma, indem sie diejenige Substanz so nennen, die sich zwischen dem muthmasslichen, spongiösen Gerüstwerk befindet, und welches Hyalo- plasma nach den genannten Forschern das eigentlich Lebendige darstellen soll. Eine ähnliche Eintheilung wie Hertwig vertritt Flemming mit den Worten: „Den Körper der Zelle mit Ausschluss des Kernes (und wo sie vorkommt, der Membran) bezeichne ich hier, wie früher und gleich manchen Anderen als: Zellsubstanz oder Zellenleib.‘“ Es tritt hier für Protoplasma eine neue Bezeichnung auf. Hertwig bezeichnet dies weder als zweckdienlich noch als berechtigt. Hierüber kann man verschiedener Meinung sein. Für diejenigen, die sich sehr eingehend oder sehr wenig mit der Materie beschäftigen, könnte leicht, ohne grosse Missverständnisse hervorzurufen, der alte Name „Protoplasma‘‘ beibehalten werden. Anders ist es allerdings für diejenigen, die sich in die Materie einarbeiten und sie verstehen lernen wollen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie sich dem Studirenden immer neue Plasmaarten offenbaren — d.h. in der Litteratur. Nur mit Mühe findet man sich zurecht und muss all- mählich die Beobachtung machen, dass die verschiedenen Forscher bald für dieselbe Substanz verschiedene Namen gebrauchen, bald mit ein und dem- selben Namen verschiedene Substanzen bezeichnen. 80 z. B. gebraucht v. Kupffer für das innerhalb des Cytoplasma-Strasburger aufgefundene Gerüstwerk den schon zweimal vergebenen Ausdruck: Protoplasma. Ausser- dem nennt er dieselbe Substanz auch Cytoplasma.. Flemming nennt die analogen Bestandtheile Filarmasse oder auch Mitom. Leidig gebraucht hierfür den Ausdruck Spongioplasma. Den Rest des Strasburger’schen Cytoplasma (also letzteres, abzüglich der vermeintlichen Fäden,) nennt 28* 410 v. Kupffer Paraplasma, Flemming Interfilarmasse oder Paramitom, viele Botaniker Enchylema, einige zoologische Forscher Hyaloplasma. Wieder andere sprechen ihn als zellsaftähnliche Flüssigkeit an u. s. f£. Doch es sei hier auf diese Frage nicht weiter eingegangen, da, wie sich zeigen wird, nach der in dieser Abhandlung vertretenen Auffassung, auf beide Bezeichnungen Verzicht geleistet werden muss; denn ich hoffe den Nach- weis erbringen zu können, dass die Substanz, die theils als Protoplasma, theils als Cytoplasma, theils als Zellsubstanz bezeichnet wird, aus mehreren heterogenen Dingen besteht, dass ferner die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Theile innerhalb der Zelle in einem so anderen, als bisher gedachten Verhältniss zu einander stehen, dass uns von ganz allein die umstrittenen Begriffe Protoplasma oder Zellensubstanz entschwinden. Immer- hin sei hier in Bezug auf die oben erwähnte Namenänderung ein Theil der Flemming’schen Begründung wiedergegeben, zumal daraus hervorgeht, dass es Flemming weniger auf die Namen- als auf die Begriffsänderung ankommt. Er schreibt in der „Zelle‘‘ 1894 p. 42: „Wenn man einerseits das Protoplasma eine Flüssigkeit oder Emulsion nennt, andererseits ein Ge- menge, wieder andererseits eine Substanz mit complieirter Struktur; wenn die einen das Faden- oder Netz- oder Wabenwerk einer solchen Struktur als Protoplasma bezeichnen, die Anderen dagegen die Substanz so nennen, die zwischen den genannten Theilen eingeschlossen ist; während neue Benennungen hervortreten, die Portionen in dieser Substanz als Archoplasma, Kinoplasma unterscheiden; während die Körnchengebilde in der Zelle immer näher auf ihre unleugbar hohe biologischse Bedeutung erforscht und von Manchen, gegen- über der sonstigen Substanz, für das Wesentlichste gehalten werden — lässt sich doch in der That schwer einsehen, welchen besonderen Nutzen ein Gesammtname für den ganzen Zellenleib, wie „Protoplasma‘ heute noch haben kann. Es steht ja fast so, dass jeder, der ihn braucht, auch dabei sagen muss, was er damit meint, wenn er sicher und allgemein verstanden werden will“ '), Sofern hier die Bezeichnung ‚Protoplasma‘“ noch gebraucht wird, wird das Protoplasma-Reinke, welches gleichbedeutend ist mit dem Cytoplasma- Strasburger, darunter verstanden; also diejenige, bei schwächerer Ver- grösserung mehr oder weniger schleimig und gekörnt aussehende Substanz, die in den Zellen an Vegetationspunkten die Zelle, abgesehen vom Kerne, meist ganz erfüllt oder in älteren Zellen einen Wandbeleg bildet, ausser diesen letzteren aber noch häufig die Zelle in dickeren und dünneren Strängen durchsetzt. Dies trübe, schleimartig aussehende Gemenge scheint in den Zeilen vieler höherer Pflanzen im wesentlichen Gegensatz zu dem klaren, meist farblosen Zellsaft zu stehen. Es wird sich zeigen, dass dies nur scheinbar der Fall ist, dass vielmehr in dem trüben Schleim tausende und aber- 1) Man vergl. hierzu den Aufsatz von Waldeyer in der „deutschen N Wochenschrifi“ 1895, No. 45 u. fl, tausende von kleinen Kämmerchen (Waben) sich befinden, die in physie- logischer Hinsicht den grossen Zellsaftkämmerchen fast gleichwerthig zu setzen sind; dass dagegen die Wände, die zarten Lamellen, die die einzelnen Waben von einander trennen, für den Elementarorganismus von allergrösster Be- deutung sind, indem sie nicht nur der gesammten Zelle als Grundlage, den einzelnen Organen als Stütze dienen, sondern 'weil sie auch aus der wichtigsten Substanz alles Organisirten, aus dem lebensthätigen Plastin bestehen. Zu beweisen, dass dem schleimigen Gemenge „Protoplasma‘ eine lamel- löse Struktur zukommt, wird mit eine Hauptaufgabe dieser Abhandlung sein. Nieht minder wichtig ist es, den Nachweis zu erbringen, dass die so viel umstrittene „Protoplasmastruktur,‘“ (denn auf dieses, bereits einen ganz be- stimmten Wissenszweig bildende Gebiet werden wir durch diese Untersuchungen mitgeführt,) dem Beobachter in vielen Fällen so klar und deutlich ent- gegentritt, dass sich ein im mikroskopischen Sehen Geübter ein völlig vorurtheilfreies Bild von dem Baue einer Zelle zu geben vermag. Schon viele Beobachter haben an solchen Objekten die ‚„Protoplasmastruktur‘‘ selbst beobachtet, aber sie haben die letztere verkannt, indem sie die zarten Plastin- lamellen für Protoplasma- oder Cytoplasmalamellen hielten, nicht ahnend, dass das geheimnissvolle Räthsel, von dessen Lösung Manche die Erklärung der wunderbarsten Lebensphänomene erhofften, offenkundig vor ihnen lag, und irregeführt durch dicke Schleim- oder Protoplasmalamellen höherer Pflanzen, deren dicke Lamellen jedoch secundärer Natur sind und denen erst noch ein feinerer Lamellenbau, eine schaumförmige Struktur zu Grunde liegt. Die Beobachtung der einzelnen Lebensphänomene in den Lamellen, und insbesondere die Beziehungen der Physoden zu den Lamellen wird uns, zumal bei reichlicher Benutzung des Mikrometers, scharf unterscheiden lehren zwischen Plastin- und zwischen Protoplasmalamellen. Nachdem nunmehr festgestellt, was hier unter „Protoplasma‘ verstanden wird, mögen die verschiedenen Ansichten, die über die feinere Struktur dieses Gemisches bestehen, ihren Hauptgruppen nach in Kürze besprochen werden, wobei ich mir wiederum gestatte, mit auf die ausführlichen Be- sprechungen in den oben genannten Werken zu verweisen. Insbesondere gilt dies für die rein theoretischen Erwägungen einzelner Forscher, welche hier übergangen werden dürfen, da wir uns nicht mit molecularen, sondern mit sichtbaren Strukturen befassen wollen. Auch von einem Eingehen auf die Altmann’schen Arbeiten möchte ich Ab- stand nehmen. Es ist möglich, dass die von Altmann als „Granula“ be- zeichneten Gebilde mit den Physoden in Beziehung stehen bezw. damit identisch sind. Es ist aber auch möglich, dass in den „‚Granulis‘ theilweise Gerinnungs- produkte des Plastins vorliegen, welch letzteres z. B. bei Jodbehandlung bis- weilen ein sehr feinkörniges Aussehen erhält. Betreffs der Granula selbst kann ich also ohne speziell darauf gerichtete, eingehende Arbeiten mir kein Urtheil erlauben. Sicher kann ich aber (in Uebereinstimmung mit Flemming) die 412 Granula nicht als Elementarorganismen auffassen, sondern ähnlich wie die Physoden nur als Organe eines Organismus, varaussichtlich von gleicher Bedeutung wie die Physoden. Die älteste und zur Zeit besonders in botanischen Kreisen wieder zu Ehren gekommene Ansicht über die Protoplasmastruktur ist die, dass das Protoplasma eine mehr oder weniger zähflüssige Grundsubstanz besitzt, in welcher Körnchen, Vakuolen, lose Fibrillen ete. eingelagert sind, so dass das Gesammtgemenge eine Art Emulsion darstellt. Der wichtigste Punkt liegt meines Erachtens bei dieser Auffassung darin, dass im „Protoplasma‘ eine strukturlose Grundsubstanz, welcher ein sichtbares Gerüstwerk völlig mangelt, angenommen wird und dass dieser Grundsubstanz specifische Lebens- kräfte innewohnen. Nach dieser Anschauung wird der höchste Prozentsatz des schleimigen Gemenges als lebendig angenommen. Morphologisch be- trachtet würde darnach ein Stück „Protoplasmastrang‘ einer Urticazelle auf dem Längsschnitt etwa wie Fig. 64, auf dem Querschnitt wie Fig. 64b aussehn. Obschon jeder Autor etwas variirt, schliessen sich im Allgemeinen folgende Forscher dieser Auffassung an: Berthold, Frank Schwarz und in neuerer Zeit Strasburger. Eine andere Gruppe von Forschern, insbesondere zoologische, nimmt an, dass das „Protoplasma“, abzüglich der Körnchen, aus zwei verschiedenen Substanzen bestehe, von denen die eine ein schmiegsames Gerüstwerk, be- stehend aus netzartig verbundenen Fädchen, die andere die zwischen den Fädchen befindliche Masse darstellt. (Vergl. Fig. 65.) Es wird des Oefteren versucht unter dieser Rubrik viele Forscher kategorisch zusammenzufassen. Ich halte dies für sehr gewagt und der Sache als solehen nicht dienlich, denn wer sich einmal mit dem Studium der Zelle befasst, darf unmöglich an rohen, äusseren Formen stehen bleiben, sondern das Endziel muss immer die Erkenntniss der lebendigen Substanz, des innigen Zusammenwirkens der einzelnen Theile und der Bedeutung derselben für den Organismus bleiben. Obwohl dieses Ziel gewiss den betheiligten Forschern vorschwebt, sind dennoch z. B. Frommann und Leydig unter derselben Rubrik angeführt, obgleich der eine lediglich das Gerüstwerk, der andere nur die Zwischensubstanz als das Lebende ansieht. Ich möchte diese Gruppe in drei verschiedene trennen und zwar 1) in diejenige, deren Vertreter nur das Gerüstwerk als lebendig ansehen, 2) in diejenige, deren Vertreter nur die Zwischensubstanz als lebende Substanz bezeichnen und 3) in diejenige, deren Vertreter sowohl dem Gerüstwerke als auch der Zwischensubstanz die Eigenschaften des Lebens zuerkennen. Die Anhänger der Gruppe 1 nehmen an, dass die Zwischensubstanz aus einer wässerigen, dem Zellsaft ähnlichen, leblosen Flüssigkeit besteht. (Wenn ich nicht irre, thun dies u. a. Frommann und Schmitz.) Die Vertreter der zweiten Gruppe vermögen nur in dieser Zwischen- substanz das Lebendige zu erkennen und sehen das nach ihrer Auffassung 413 vorhandene spongiöse Gerüstwerk (Spongioplasma) nur als Stützgertistwerk fär die lebendige, sich zwischen dem Gerüst hin und herbewegende Masse (Hyaloplasma) an (Schäfer, Leydig, Brass). Zur dritten Gruppe, deren Vertreter sowohl dem Gerüstwerk als auch der Zwischensubstanz Lebenseigenschaften zuerkennen, gehören zur Zeit viele Boianiker und die meisten Zoologen, bezw. Mediciner. Es liegen aller- dings wenig bestimmte Angaben vor, meist wird auch, soviel sich ersehen lässt, das Gerüstwerk als der wichtigere Theil angesehen, immerhin werden der als Paraplasma, Enchylema, Interfilarmasse, Paramitom ete. bezeichneten Zwischensubstanz plasmatische Eigenschaften beigelegt. In dem Grade dieser Beimessung werden wohl die einzelnen Forscher differiren. In bestimmter Weise äussert sich Waldeyer zu dieser Frage, indem er schreibt: „Mit unseren jetzigen Hilfsmitteln werden wir die Frage noch nicht entscheiden können, welchem der beiden Strukturelemente des Protoplasmas der Vorrang zukomme, wenn es sich um die Erklärung der biologischen Eigenschaften der Zelle handelt. Ich meinerseits zweifle nicht, dass auch der Interfilar- masse eine wichtige Rolle zufalle und dass letztere auch bei pathologischen Vorgängen wohl zu beachten sei, wie die namentlich von v. Reckling- hausen studirten hyalinen Bildungen erweisen. ... . Jedenfalls sollte die Interfilarsubstanz bei weiteren Zellstudien eben solche Berücksichtigung finden, wie ihre augenfälligere Schwesterbildung, die Filarmasse!“ Unter diese Kategorie ist auch bedingungsweise die von Flemming vertretene Ansicht zu setzen. Obgleich dieser Autor sich selbst ausdrück- lich hierzu bekennt, kann ich doch nur „bedingungsweise‘ schreiben, denn ein der Zellsubstanz (Protoplasma) zu Grunde liegendes, festeres, in sich verbundenes Geriüstwerk, dessen Annahme doch das Wesentliche bei dieser Gruppe ist, vermag Flemming nur bedingungsweise, nicht aber voll und ganz anzuerkennen. Flemming verhält sich in dieser Beziehung noch ab- wartend, und deswegen kann auch von uns kein endgültiges Urtheil gefällt werden. Bemerkt sei nur, dass sobald in einer Zelle nur ein nicht fest ver- bundenes Gerüstwerk, sondern mehr oder weniger isolirte Fäden, wenn auch von verhältnissmässiger Grösse und einiger Verzweigung, angenommen werden, dieselben einer zusammenhängenden Grundmasse, der Interfilarmasse, ein- gelagert sein müssten. Dies würde sich aber direkt an die Auffassung von Berthold, Strasburger etc. anschliessen, welche auch lose Fäden von etwas festerer Consistenz in einer weichen Grundsubstanz (dem Hyaloplasma) nicht selten zu erkennen vermögen. Die letzte hier zu besprechende Ansicht über die Struktur des „Proto- plasma‘ ist diejenige von Bütschli. Dieselbe gipfelt bekanntlich darin, dass nicht ein aus Fäden bestehendes Netzwerk die festere Substanz im ‚„„Protoplasma‘‘ bildet, sondern dass die als Fädenwerk sichtbaren Gebilde der jeweilige Aus- druck eines Lamellensystemes sind; dass also nicht ein spongiöses, sondern ein lamellöses Gerüstwerk dem Protoplasma zu Grunde liegt. Vergl. Fig 65, insbesondere den Unterschied, den die Querschnittsbilder dieser Figur zeigen. 414 Diese den Thatsachen entsprechende Anschauung ist von Bütschli auf theoretischem Wege erschlossen worden. Sie wird zur Zeit fast ven allen Forschern negirt. Bezüglich der Flemming’schen Ansicht möchte ich auf die eitirte Abhandlung „die Zelle, 1894 p. 54 u. ff.“ verweisen. Hertwig, welchem Flemmingim Wesentlichen beistimmt, äussert sich zu Bütschli’s Theorie folgendermassen (l. p. 19): „Das Bild, welches andere Forscher als Faden- und Netzwerk mit kommunieirenden, die Flüssigkeit bergenden Maschenräumen beschreiben, deutet Bütschli als Waben und Schaumwerk mit allseitig abgeschlossenen Räumen; er bemerkt aber selbst zu dieser Deutung, dass bei der Kleinheit der in Frage stehenden Strukturen nach dem mikroskopischen Bilde allein eine feste Entscheidung darüber, ob Netz- oder Wabenstruktur vorliege, sich nicht treffen lasse, (p. 140), denn „in beiden Fällen müsse das mikroskopische Bild dasselbe sein.“ Soll nun bei der Deutung die Aehnlichkeit mit künstlich hergestellten Schäumen, durch welche sich schliesslich Bütschli in seinem Urtheil be- stimmen lässt, den Ausschlag geben ?** ‘* Es ist von mir weiter unten mehrfach diese Frage berührt worden. Wenn uns die Natur, wie Bütschli noch annimmt, kein anderes Material lieferte, als Strukturen mit knapp 1 uw Wabendurchmesser, so würde hier allerdings ein auf unabsehbare Zeit strittiger Punkt bleiben. Zwei ihrem innersten Wesen nach grundverschiedene Ansichten würden neben einander bestehen bleiben müssen. Aber zum Glück giebt uns die Natur reichlich Mittel und Wege in die Hand, der Entscheidung dieser Frage erheblich näher zu treten. Ob uns hier die von Bütschli ausgeführten Arbeiten über die Oelseifen- schäume von einem gewissen Nutzen sind? Flemming äussert sich p. 54 hierüber folgendermassen: „Bütschli’s Werk enthält in seinem Anfangs- theil, in Anknüpfung an seine früheren Arbeiten, interessante Studien über das mikroskopisch-physikalische Verhalten von Oelseifenschäumen, die ich hier, wo es sich um Strukturverhältnisse der Zelle handelt, nieht zu berühren habe; denn das Verhalten derartiger todter und nichtorganisirter Substanzen könnte wohl für die Beurtheilung von Zellstrukturen erst in Betracht kommen, wenn durchgehende analoge Verhältnisse (also Schaum- oder Waben- strukturen) bei den letzteren wirklich als allgemein bestehend nachgewiesen wären, was nach meinem Erachten durch Bütschli’s Buch und Arbeiten keineswegs erreicht ist.‘ _ Diesem Urtheil vermag ich mich nicht anzuschliessen. Wohl können die betreffenden Studien nicht ausschlaggebend für die direkte Beurtheilung der Protoplasmastrukturen sein. Bütschli hebt dies selbst im genügenden Maasse hervor. Dennoch waren diese Studien meines Erachtens unbedingt erforderlich. Sie werden jederzeit bei Beurtheilung von Protoplasmastrukturen eine wichtige Rolle spielen müssen, indem sie in meisterhafter Weise darlegen, wie unsere nicht ausreichenden Hilfsmittel zu ergänzen sind. Wenn diese treffiichen Arbeiten an unzweifelhaften Schäumen, durch 415 welche bewiesen wird, dass sehr feine Schäume mit unseren besten optischen Instrumenten nur als Netzwerk scheinbarer Fäden, im längsge- streckten Zustande nur als rein längsfibrilläre Gebilde zu erkennen sind, nicht von einer Autorität durchgearbeitet und sicher gestellt worden wären, würde dann nicht den Vertretern der Wabentheorie stets entgegengehalten werden: Wie kommt ihr dazu, einen lamellösen Aufbau anzunehmen, wo ihr doch selbst nur ein Fädenwerk seht? Ohne Bütschli’s Arbeiten würde die Antwort auf diese Frage wohl immer zu Gunsten der Fädentheorie ausfallen. Durch Bütschli ’s Arbeiten ist aber zur Evidenz erwiesen, dass ein als sehr feines Netzwerk erkennbares Bild, dessen Maschengrösse etwa 1 p nicht überschreitet, eben sowohl der Ausdruck eines Fädenwerkes, als der eines Lamellenwerkes sein kann. Wer also überhaupt ein so feinmaschiges Netzwerk zu erkennen ver- mag, wird ohne Weiteres zugeben müssen, dass es bei alleiniger In- betrachtziehung dieses Befundes unmöglich ist, sich sicher für die eine oder die andere Anschauung zu entscheiden. Dadurch werden zunächst beide Theorien als völlig gleichberechtigt hingestellt, was als ein ausserordent- licher Fortschritt zu bezeichnen ist. Es kommt nunmehr lediglich darauf an, die eine oder die andere Auffassung durch weitere Beobachtungen zu stützen und wenn möglich durch eine Reihe von Gründen zu beweisen. Dies soll eines der Ziele der vorliegenden Abhandlung sein. Aus derselben wird hervorgehen, dass eine Reihe anderer Gründe uns veranlassen werden, der Bütschli’schen Auffassung im Wesentlichen bei- zutreten und durchwegs eine lamellöse Struktur im pflanzlichen Protoplasma anzunehmen. Zunächst ist es die Thatsache, dass nieht sämmtliche Proto- plasmen so feinschaumig sind, wie Bütschli annimmt, sondern dass des Oefteren erheblich grosswabigere Strukturen vorkommen. Die gross- wabigen und kleinwabigen Strukturen sind durch zahlreiche, nirgends eine Lücke lassende Uebergänge mit einander verbunden. Wie des Weiteren unter „Phanerogamen“ ausgeführt worden ist, finden sich z. B. folgende Uebergänge in Bezug auf den Cubikinhalt der Waben: 27000; 7820; 5830; 2460; 857; 340; 216; 91; 64; 50; 27; 8; 3,45 1cbyp. Mit Leichtigkeit liessen sich hier noch viele, vielleicht sämmtliche Grössen zwischenschalten. Die Struktur der Schäume mit 27000 bis herunter zu incl. 8 „ ist nun ohne Weiteres durch direkte Beobachtung (Erkennung der einzelnen Lamellen) als wabenförmige bezw. lamellöse Struktur erkennbar. Die beiden letzten Grössen sind theils zweifelhaft, theils scheinbar fibrillär gebaut. Beide bieten jedoch bei der einzelnen Einstellung genau dasselbe Bild, wie die deutlich erkennbaren Schäume. Man vergl. hierzu die gesammten Figuren. Dass die als Linien sichtbaren Lamellen überall gleiehwerthig sind, geht aus dem speeifischenVerhältniss, in welchem ihre Inhaltskörper, die Physoden ete.,zuihnen stehen, hervor. Dieselben treiben die nirgends dicker als Ys » erscheinenden Linien stets torulös auf. Die Physoden gleiten in den Lamellen der deut- lich erkennbaren Schäume in genau derselben Weise umher, wie in den 416 als spongiöses Gerüstwerk erscheinenden Lamellensystemen feinwabiger Proto- plasmen. In beiden Fällen treten die Physoden aus den sichtbaren Lamellen in solche, die zur Sehachse senkrecht stehen und infolgedessen nicht ge- sehen werden können; es sieht dann aus, als ob die Physoden aus den Fäden in den Wabenraum treten könnten. Bezüglich der ausführlicheren Begründung der Wabenstruktur sei auf die folgende Arbeit verwiesen und hier nur noch das bei Phanerogamen gegebene Resume angeführt, in welchem nach Feststellung der vielfachen Grössen- übergänge und der sonstigen, gleichartigen Erscheinungen der Schluss ge- zogen wird, dass für alle pflanzlichen Elementarorganismen, in denen bei der einzelnen Einstellung ein Netzwerk zarter, stärker lichtbrechender Linien zu erkennen ist, dessen Grössenverhältnisse jedoch aus den oben angedeuteten Gründen eine Entscheidung über die eigentliche Struktur nicht zulassen, stets dann eine lamellöse Struktur anzunehmen ist, wenn 1) die Physoden in dem specifischen Verhältniss zu den Linien stehen, also wenn sie sämmt- lich die Linien mehr oder weniger auftreiben, 2) wenn die Linien eine Stärke von 0,3 w nicht überschreiten und 3) wenn die Physoden bei ihren Be- wegungen scheinbar weder an die Maschen, noch an die Linien gebunden sind. Im letzteren Punkte liegt zugleich die wesentliche Bedingung, dass alle Erscheinungen an lebendem Materiale erkannt werden müssen; ausser- dem wird eine gewisse Verfolgung der inneren Lebenserscheinungen der Zelle hierdurch bedingt. Da nun von allen Zellen, die ich einer längeren und gründlicheren Unter- suchung unterworfen habe, nur eine Art, nämlich die der Spirogyraarten, nicht mit genügender Deutlichkeit den lamellösen Aufbau des „Protoplasma‘‘ erkennen liessen, so glaube ich berechtigt zu sein, allen pflanzlichen Elementar- organismen die erwähnte Struktur beimessen zu können. Dass nicht alle Pflanzen die diesbezüglichen Verhältnisse mit gleicher Leichtigkeit und Schärfe erkennen lassen, hat seinen Grund theils in den Grössenverhältnissen, vornehmlich aber in der mitunter sehr schwachen Lichtbrechungsdifferenz der einzelnen Theile. Von vornherein habe ich mir zum Princip gemacht, nur mit lebendem, ungefärbtem Materiale zu arbeiten, infolgedessen ich des ebenso berechtigten als beliebten Einwandes, Fixirungsgebilde gesehen zu haben, enthoben bin, dafür aber auch eine lange Beobachtungszeit und vor Allem ein sehr gutes Instrument in die Waagschaale werfen musste. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass ich am liebsten mit einer homog. Immers !/2o von Winkel-Göttingen und einem mittelgrossen, möglichst einfachen Stative desselben Optikers arbeitete. Nicht selten nahm ich die starken ÖOkulare von Zeiss zu Hilfe. Wie erwähnt bin ich betreffs des „‚Protoplasma‘‘ im Wesentlichen zu der Ansicht Bütschli’s gelangt. Anderes Material, wie insbesondere die Ver- folgung bestimmter Einschlusskörper, der Physoden, ferner der fortschreitenden Entwickelung der einzelnen Maschenräume, der Zellwandbildung etc. etc., haben jedoch in mir die Ueberzeugung erweckt, dass der Elementarorganismus 417 nicht in „Protoplasma‘“, Zellkern, Chromatophoren und Zellsaft, einzutheilen ist. Durch die diesbezüglichen Forschungen wird vielmehr das „Protoplasma“ in mehrere wesentlich von einander verschiedene Theile zerlegt und zwar 1) in das Lamellensystem, 2) in die den Lamellen eingelagerten Physoden, und 3)in die in den Kammern des Systemes enthaltene Flüssigkeit. Die letzteren, von wässeriger Flüssigkeit erfüllten Kammern, deren Inhalt vonBütschli,in An- lehnung an andere Forscher „Enchylema‘ genannt wird (wodurch indirekt an- gezeigt wird, dass Bütschli das Gemisch von Enchylema und Lamellensystem noch als eine engere physiologische Einheit, als „Protoplasma,“ zu betrachten geneigtist), zeigen bei weitererVerfolgung, dass die Kammerflüssigkeit in direkten Gegensatz zur Lamellensubstanz und im Wesentlichen gleiehwerthig mit dem Zellsaft zu setzen ist. Es sind in erster Linie nur die Grössenverhältnisse, durch welche sich die kleinen Kammern des „Protoplasma‘“ von den grösseren Zellsaftkammern unterscheiden. Der Inhalt ist bei Beiden eine klare, wässerige Flüssigkeit. Die verschiedene Grössenentwickelung erfolgt aus Zweckmässig- keitsgründen. Dass dieselbe an und für sich nicht unbedingt nöthig ist, geht daraus hervor, dass es viele Pflanzen giebt, in denen sämmtliche Kämmerchen gleichgross ausgebildet werden, wie z.B. bei vielen Algen. Da dort die Kämmerchen von ziemlicher Grösse sind, hat man sie einfach als Zell- saftkammern angesprochen. Bezüglich des Enchylema war man nicht in besonderer Verlegenheit, da man die einzeln verfolgbaren Plastinlamellen für Protoplasmalamellen hielt. Beim specielleren Studium verschwindet jedoch das Enchylema von selbst, resp. es zeigt sich, dass es bei den erwähnten Algen in morphologischer und physiologischer Beziehung mit der Flüssigkeit in den Zellsaftkammern identisch ist. Aehnlich wie bei diesen Algen verhält es sich in den Vegetationszellen vieler höherer Pflanzen, nur dass man hier infolge der viel kleineren Dimen- sionen den Kammerinhalt als Enchylema bezeichnen könnte, da hier, ab- gesehen vom Zellkern und Chromatophoren, die ganze Substanz ‚‚Protoplasma“ genannt wird. Bei weiterer Verfolgung zeigt sich jedoch, dass einige oder eine dieser kleinen Kammern durch einfache Flüssigkeitsaufnahme zu einer grösseren Kammer, dem Zellsaftraum, heranwachsen. Es stehen sich demnach zunächst zwei wesentlich verschiedene Bestand- theile innerhalb der Zelle gegenüber: 1) ein System zarter, schaumförmig angeordneter Lamellen, das Plastin- amellens ystem, und 2) die in den grösseren oder kleineren Kammern (Waben) dieses Systemes befindliche wässerige Flüssigkeit, die Kammerflüssigkeit, unter welchen Be- griff sowohl der Zellsaft, als auch die von Bütschli als Enchylema be- zeichnete Flüssigkeit zu rechnen sind. Die Kammerflüssigkeit ist in erster Linie als Füllflüssigkeit anzusehen; für die Lebensthätigkeit der Pflanze ist sie nur von sehr untergeordneter Bedeutung. Das Plastinlamellensystem dagegen ist der wesentlichste Theil der Zelle. Ihm kommen die vitalen Eigenschaften zu, die man bisher dem „Protoplasma‘ 418 zuschrieb. Es wird sich zeigen, dass dies Plastinsystem gewissermassen die Seele der ganzen Zelle repräsentirt. In ihm, d. h. in seinen Lamellen scheidet sich der Zellwandstoff aus. Die Zellwände stehen deshalb, im Durchschnitt so lange wie die Zelle resp. das Gewebe lebt, unter direkter Leitung von lebenskräftigem Plastin. Die Zellwand kann nur so lange wachsen und Umbildungen (abgesehen von Zersetzungen) erleiden, so lange lebendes Plastin in ihr enthalten ist. So tritt uns das Plastinlamellensystem als der Formbildner des ganzen Zellwandeomplexes, der ganzen äusseren Pflanze entgegen. Es bildet die Grundlage und das ursprünglichste mechanische System des ganzen Organismus. Dieselbe Funktion besitzt es auch in der Zelle selbst. Es wird sich zeigen, dass die wichtigen Zellorgane, wie der Zellkern, die Physoden und die Chromatophoren den Lamellen, durchaus nicht den Maschenräumen ein- gelagert sind, also etwa wie Russpartikelchen den Lamellen eines Seifen- schaumes. Die einzelnen Organe hängen in den zarten Plastinlamellen und können sich darin verschieben; es dient demnach das Lamellensystem allen anderen Organen als Stütze, dem gesammten Elementarorganismus als mechanisches System. Während nun die Physoden mit dem Plastinsysteme aufs engste verknüpft sind, bilden die Kerne und Chromatophoren selbst kleine, kunstvoli zusammengesetzte Apparate. Sie sind zwar den Plastin- lamellen ebenfalls eingelagert und mithin auf dieselben angewiesen, stehen denselben jedoch als ziemlich selbständige Organe gegenüber. Es ist demnach in Bezug auf den morphologischen Aufbau des Elementar- organismus folgende Fassung anzunehmen: Der Zelle zu Grunde liegt ein System zarter Lamellen, welche schaum- förmig angeordnet sind (Plastin-Lamellensystem, Gerüstsubstanz, mechanisches System). Die von den verschiedenen Lamellen gebildeten Kammern, welche in den einzelnen Zellen theils von gleicher, theils von verchiedener Grösse sind, enthalten eine klare, wässerige Flüssigkeit (Kammerflüssigkeit, unter welchem Begriff sowohl Zellsaft, als Enchylema-Bütschli fallen). Den Lamellen eingelagert und mit ihnen auf das Engste verbunden sind bläschenartige, die Lamellen stets torulös auftreibende Gebilde, die Physoden. Der Inhalt derselben besteht aus individualisirter, in den Lamellen frei be- weglicher Substanz. Die Umhüllung dieser letzteren ist keine constante, sondern eine wechselnde; stets besteht dieselbe jedoch aus der Substanz der Plastinlamellen. Der Wechsel in der Umhüllung besteht lediglich des- halb, weil sich der an und für sich unbehäutete individualisirte Physoden- stoff in der Lamelle selbst verschiebt. In ähnlicher Weise wie die Physoden sind Kern und Chromatophoren den Plastinlamellen eingelagert. Diese Organe sind ebenfalls an und für sich unbehäutet, doch sind sie in analoger Weise wie die Physoden stets von Lamellensubstanz straff um- spannt. Auch hier wechselt infolge von langsamer Verschiebung dieser Organe in den Lamellen die jeweilige Umhüllung. Im Gegensatz zu der Physodensubstanz, welche keinen bestimmten 419 organisirten Bau mehr besitzt (denn öfters verkommende Ausscheidungen in derselben kann ich nicht als organisirten Bau bezeichnen), sind der Kern und die Chromatophoren in sich völlig abgeschlossene, selbst wieder kunst- voll gebaute Organe der Zelle. Ein Verschmelzen und Aufgehen dieser beiden Organe in die Plastinlamellensubstanz kommt nicht vor, dagegen ist dies oft der Fall bei der Physodensubstanz. Die Physoden sind eben aus- führende Organe des Plastins, und wir können die Zelle demnach in folgende Haupttheile zerlegen: 1) Plastinlamellensystem mit Physoden und Differenzirungen (s. später), 2) Kern den Lamellen eingelagerte, in sich selbst abge- 3) Chromatophoren | schlossene Organe, 4) Kammerflüssigkeit. Bezüglich der Centrosomen möchte ich mir, da ich nur an lebenden und ungefärbten Materiale Studien angestellt habe, kein Urtheil erlauben. Zu der Frage: ob und welchem der oben angeführten Zellbestandtheile eine besondere Wichtigkeit, gewissermassen primäre Lebenseigenschaften zuzuschreiben sind, wird man sich betreffs der Hauptorgane im grossen Ganzen verneinend zu verhalten haben. Dass die Chromatophoren über- haupt fehlen können, also für das Leben der Zelle nicht von derjenigen Wichtigkeit, wie Kern und Plastinsystem sein können, ist ja hinlänglich bekannt. Auf die in Bezug auf Lebenserscheinungen untergordnete Be- deutung der Kammerflüssigkeit wurde bereits hingewiesen. Es bleiben dem- nach nur noch der Kern, das Plastinsystem und die Physoden, welche mit einander in Coneurrenz treten könnten. Wie nach der ganzen Lage der Dinge zu erwarten ist, kommen nun weder dem Lamellensysteme, noch dem Kerne, noch den übrigen vorhandenen Organen vitale Eigenschaften im besonderen Maasse zu, sondern es ist ein Organ, wie schon die morphologischen Beziehungen zeigen, auf das andere angewiesen. Es ist weder das Lamellensystem allein, noch der Kern, noch ein anderes Organ allein im Stande, längere Zeit die specifischen Lebenserscheinungen, insbesondere Fortpflanzung, hervorzubringen. Auf experimentellem Wege ist die Thatsache bereits vor mehreren Jahren von Verworn nachgewiesen. Verworn äussert sich (nach einer Angabe von Flemming) folgendermassen: Der Kern ist nicht als automatisches, regulatorisches und physiologisches Centrum der Zelle anzusehen; seine physiologische Bedeutung liegt allein in seinen Stoffwechselbeziehungen zum übrigen Zellkörper, und durch diese besitzt er einen Einfluss auf die Funk- tionen des letzteren. Verworn wendet sich hierbei namentlich auch gegen die mehrfach ver- tretene Ansicht, dass der Kern allein der Träger der Vererbungsstoffe sei. Nach seinen Versuchen ist weder Protoplasma ohne Kern, noch Kern ohne Protoplasma lebensfähig, beide sind Träger der Vererbungssubstanzen, was sich vererbe sei die für jeden Organismus eigenthümliche Art des Stoff- wechsels. 420 Dass der Stoffwechsel allein nicht das Ausschlaggebende ist und wohl gewiss nach Verworn auch nicht sein soll, liegt klar zu Tage. Der Stoffwechsel ist sicher ein sehr wichtiger Vererbungsgegenstand. Für viel wichtiger halte ich allerdings, wie aus dem letzten Kapitel hervorgehen wird, die Vererbung des Willens, welchem Alles untergeordnet ist. Zur Zeit für uns fassbarer, als der Stoffwechsel und jene geistigen Eigenschaften ist die Vererbung der specifischen Anordnung der einzelnen Theile, der Strukturverhältnisse. So zeigt das Plastin bei den verschiedenen Pflanzengruppen ganz auffallende Unterschiede, worauf in der vorliegenden Abhandlung hingewiesen ist. Bezüglich besonderer Wichtigkeit eines einzelnen Organes lässt sich zur Zeit eben nichts Bestimmtes aussagen. Unsere chemischen Kenntnisse der einzelnen Organe selbst, als auch ihrer Leistungen sind zur Beantwortung dieser Fragen doch zu mangelhaft, und morphologisch betrachtet sehen die Dinge überall anders aus. Sollte sich z. B. betreffs der sichtbaren Erscheinungen ein Laie darüber äussern, wem in einer in normalem vegetativem Zustande befindlichen Zelle von Chaetopteris oder Ectocarpus, in welcher sowohl das Plastinlamellen- system, als auch der Kern, die Physoden und die Chromatophoren voll- kommen klar und deutlich zu sehen sind, die hauptsächlichsten Lebenseigen- schaften zukämen, so würde er nach einigen Stunden Beobachtung sich gewiss dahin äussern, dass die Physoden in erster Linie den Eindruck des frei Beweglichen hervorrufen, und als das eigentlich Lebende in der Zelle anzusehen sind, denn diese kriechen ähnlich wie Amöben unter Formver- änderungen in dem ruhenden Lamellensysteme umher. Frügen wir ihn, wer nächst den Physoden die meisten Lebens- resp. Bewegungserscheinungen zeige, so könnte er bei günstigem Materiale leicht antworten: Die Chroma- tophoren. Das Lamellensystem würde erst an dritter Stelle kommen. Am Zellkern sind hier, wie auch in den nicht gerade in Zelltheilung befindlichen Zellen höherer Pflanzen so gut wie keine Bewegungserscheinungen zu bemerken. Wird dem Unparteiischen dagegen die Zelle eines Staubfadenhaares von 'Tradescantia, oder ein Brennhaar von Urtica oder schliesslich ein Zell- stück von Bryopsis vorgelegt, so würde er sein Urtheil dahin zusammen- fassen, dass die Hauptbewegung dem Lamellensysteme zukomme, und dass sich neben diesem noch die Physoden durch ein von der Lamellensubstanz unabhängiges, lebhaftes Hin- und Herbewegen (in den Lamellen) auszeichnen, während die Chromatophoren und Zellkerne eigene Bewegung so gut wie nicht zeigen. Schliesslich um eine vollständig gesunde Oladophorazelle befragt, würde ein Laie leicht zur Antwort geben, dass Bewegungserscheinungen innerhalb dieser Zellen überhaupt kaum wahrzunehmen sind. Ebensowenig Anhaltspunkte betreffis der Wichtigkeit, wie die Bewegungs- erscheinungen, giebt die Verbreitung der einzelnen Organe, da wir wohl fast in allen pflanzlichen Zellen neben dem Lamellensysteme Kerne, Physoden 421 und Chromatophören vorfinden. Wenn schon in einzelnen Zellenarten dieses oder jenes Organ in scheinbar rudimentärem Zustande vorhanden ist, wer möchte ihm deshalb seine Wichtigkeit absprechen? Kann nicht z. B. der Leucoplast eines Embryosackes eine ganz bedeutende Arbeit zu leisten haben, ohne welche an ein Weiterleben der Zelle nicht zu denken ist? — Die Quantität steht mit der Leistungsfähigkeit hier selten in einem pro- portionalen Verhältniss. Alles das, was wir in vielen Zellen in verhältniss- mässigen Unmengen sehen, z. B. Zellwand, Stärke ete. ist für das Leben des Elementarorganismus an und für sich ganz ohne Belang. Das eigentlich Lebendige ist aber oft in diesen Zellen nur mit Mühe zu finden. Wie sehr das relative Mengenverhältniss der einzelnen Zellorgane in den einzelnen Lebensphasen der Zelle wechselt, wird des Näheren an Güraudia (s. d.) gezeigt werden. In dieser Abhandlung möge deshalb das Lamellensystem sammt den ihm eingelagerten Organen als gegeben hingenommen werden, und jedes einzelne Organ möge in Bezug auf den Lebensprozess gleich viel Sitz und Stimme haben, so dass wir den Organismus eben nur als Organismus, als Gesammtheit, als zielbewusste Zusammenwirkung der einzelnen Organe miteinander betrachten. Kein Organ steht über dem anderen, aber alle stehen unter einer einheitlichen Leitung, unter dem uns in seinem Wesen unergründlichen Willen. Fueus. Bei den F'ucus-Arten sind abgesehen von den Uebergängen in vegeta- tiver Hinsicht zwei Arten von Zellen zu unterscheiden, die Zellen der Hyphen und die des Parenchyms. Die parenchymatischen Zellen (vergl. Fig. 6 und 7) zeichnen sich durch einen sehr einfachen Aufbau des Zellorganismus aus. Man erblickt in der Regel, bei hoher Einstellung, zunächst einige annähernd gleichmässig ver- theilte Chromatophoren. Ausser diesen fallen dem Beobachter sofort stark lichtbrechende, tröpfehenartige Gebilde von verschiedener Grösse (Physoden) in die Augen. Diese Tröpfehen zeigen bei längerer Beobachtung schwach amöboide Formveränderung. Sie bleiben auch nicht alle, wie meist die Chromatophoren, ruhig an einer Stelle liegen, sondern ein Theil der Physoden gleitet anscheinend willkürlich umher. Ausser den Chromatophoren und Physoden sind zunächst eine Anzahl stark lichtbrechende, zarte, meist gerade oder nur schwach gebogene Fäden sichtbar. Dieseiben sind zu einem mehr oder weniger regelmässigen, aus Fünf- und Sechs-Eeken bestehendem Netzwerk angeordnet. Oftmals ist nur eines dieser Polyeder zu sehen. Die anderen (scheinbaren) Fädchen deuten aber durch ihre Richtungen ete. die Anwesenheit von weiteren Polyedern an, welch letztere infolge der kugelförmigen Gestalt der Zelle nur theilweise sichtbar sind. Würde man also eine derartige Zelle herausnehmen und von allen Seiten betrachten können, so würde sich zeigen, dass die ganze Hülle durch ein Netzwerk stark lichtbrechender Linien in Polyeder eingetheilt 422 erscheint. Es stossen je drei solcher Linien scharf auf einander, und es ist an den Knotenpunkten keinerlei Verdickung zu bemerken; es sei denn, dass zufällig ein Chromatophor oder eine Physode sich in einem Knotenpunkte befindet. Diese Linien sind ungefähr "io px breit. Sie stellen, wie sich gleich zeigen wird, nichts Anderes dar, als die Kanten von äusserst zarten Lamellen,‘ welche nach dem Zellinnern zu verlaufen. Die Maschen des Netz- oder Schaumwerkes sind verschieden gross. Ausser diesen regelmässig angeordneten, stark lichtbreehenden Linien sind bei hoher Einstellung, an günstigem Material auch noch andere stark licht- brechende, unregelmässig angeordnete Fädchen sichtbar. Diese treten jedoch nur sporadisch auf. Sie krümmen sich meist lebhaft hin und her, verzweigen sich bisweilen aderig und können stellenweise sogar den Eindruck eines un- regelmässigen Netzwerkes hervorrufen, so dass man anfangs geneigt ist, das so viel umstrittene Protoplasmanetzwerk, wenn auch nur in einem Theil der Zelle, aufgefunden zu haben. Die erwähnten Fädchen sind nieht gleich- mässig dick, und bei genauerer Untersuchung zeigt sich, dass es fadenförmige Differenzirungen innerhalb der sehr zarten wandständigen Lamelle sind (vergl. unten). Diese fadenförmigen Differenzirungen können sich zu kleinen Kügelchen, vielleicht Physodenanfängen, zusammenziehen, oder sie können auch wieder verschwinden. Nicht selten bleiben sie längere Zeit als sich hin- und herkrümmende Fädchen erhalten. Sie sind nicht an eine Masche des zuerst erwähnten, von den scharfbegrenzten Linien gebildeten Netzwerkes gebunden, sondern sie erstrecken sich häufig über mehrere solcher Maschen und können auch von einer Masche in die andere hingleiten. Besonders in Zellen mit kleinmaschigerem Bau ist dies häufig zu beobachten. Ich halte diese sporadisch und nur bei günstigem Material auftretenden Differenzirungen nicht für constante Bestandtheile der wandständigen La- mellen, sondern für auftretende und meist nach kurzer Zeit wieder ver- schwindende Stoffwechselprodukte innerhalb der Lamellen. Die Begründung dieser Ansicht möge weiter unten im Zusammenhange erörtert werden. Dies sind die hauptsächlichsten Erscheinungen an der Peripherie des Zellleibes. Stellt man nun mit Hilfe der Mikrometerschraube etwas tiefer ein, s. Fig. 8, so verschwinden zunächst die Chromatophoren, Physoden und die fadenförmigen Differenzirungen. Die stark lichtbrechenden Linien des regelmässigen Netzwerkes, d. h. die Begrenzungslinien der Polyeder lassen sich dagegen weiter nach dem Zell- innern verfolgen. Deshalb sei zunächst auf diese Linien, abgesehen von etwaigen Einschlüssen in denselben, näher eingegangen. Dureh Vor- und Rückwärtsdrehen der Mikrometerschraube ist leicht zu constatiren, dass diese bei der einzelnen Einstellung als Fäden erscheinenden Linien nichts anderes sind als der jeweilige Durchschnitt zarter Lamellen. Es erstrecken sich mithin zarte Lamellen von der Peripherie nach dem Zellinneren. > 423 Beim weiteren Hinabdrehen des Tubus treten bald andere Lamellen auf, was an der geänderten Richtung des verfolgten scheinbaren F'adens sofort zu erkennen ist. Hierbei ist zu sehen, dass die verschiedenen Lamellen bald mehr zusammenlaufen, bald weiter auseinandergehen. Bei Einstellung auf den optischen Durchschnitt der Zelle zeigt sich, dass die Lamellen, welche an die Zellwand oder vielmehr an die Lamelle, die der Zellwand anliegt, stossen, meistens senkrecht zur letzteren stehen (v. Fig. 9). Es entspricht dies der Alveolarschicht Bütschli’s, welcher diese Ver- hältnisse an erheblich kleinmaschigeren Lamellensystemen fand. Bei noch tieferer Einstellung sind die einzelnen Lamellen der unteren Zellhälfte deutlich sichtbar. In Folge der Zartheit und Durchsichtigkeit der Lamellen ist derjenige Theil derselben, welcher zur Sehachse ungefähr senkrecht steht, nicht sieht- bar, wie dies ja auch z. B. bei einem Seifenschaum der Fall ist. Von ihrer Anwesenheit kann man sich jedoch leicht überzeugen, wenn man Schnitte in den verschiedensten Richtungen durch das Parenchym ausführt. Bei der Beobachtung derselben wird man überall die oben beschriebenen Verhält- nisse finden. Es ergiebt sich mithin ohne Zweifel, dass eine Parenchymzelle von F'ucus von einer Anzahl Lamellen durchsetzt wird und dass diese genau in derselben Weise angeordnet sind, wie die Lamellen eines makroskopischen Schaumes, z. B. eines Seifenschaumes. Dass auch der Zellwand nur ebensolch zarte Lamellen anliegen, welche den Elementarorganismus gewissermassen nach aussen abschliessen, ist mit Hilfe von Wasser entziehenden Mitteln leicht zu constatiren. Lässt man z. B. Zuckerlösung oder Glycerin einwirken, so hebt sich die wandständige Lamelle von der Zellwand ab und es zeigt sich, dass sie in allen Dingen vollständig den im Inneren der Zellen befindlichen Lamellen entspricht. (Vergl. Fig. i8 u. 19.) Demnach liegt der Zelle ein vollständiges La- mellensystem zu Grunde. Durch die verschiedenen Lamellen wird die Zelle in eine grössere oder geringere Anzahl von Kammern getheilt. Die einzelnen Lamellen, gleichgültig ob innere oder wandständige, sind vollkommen farblos und durchsichtig. Sie besitzen eine ausserordent- liche Zartheit, da sie kaum "io ı Durchmesser haben. Zumal bei Fucus serratus fand ich, ähnlich wie bei Ascophyllum, fast unmess- bar feine Lamellen, von etwa 'ıs ıw. Bei sehr starker Vergrösserung (hom. Im. "a0), wobei das Ucularmikrometermass sofort die u anzeigte, waren die Lamellen noch erheblich zarter, als die die einzelnen u abtheilenden Striche. Aneine weitere Differenzirung der Lamellen, zum wenigsten der Breite nach, ist ernstlich nicht zu denken. Es wird sich später zeigen, dass bei den ver- schiedenen Pflanzen sowohl die Lamellen als auch die Maschenräume un- gleich dick, bezw. gross sind. Weiter wird sich zeigen, dass überall dieselben Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft III. 29 424 Verhältnisse, dieselbe Anordnung der einzelnen Theile dem Elementarorganis- mus zu Grunde liegt; jedoch Lamellen von der erwähnten Zartheit werden wir nur noch bei wenigen Pflanzen begegnen. Ueberall, wo weitere Struktur- verhältnisse in dem sog. „Protoplasma‘‘ erkennbar sind, erscheinen die be- treffenden Formelemente fleischiger und dicker. An dieser Stelle sei im Voraus noch erwähnt, dass die hier besprochenen Lamellen durchaus nicht dem „‚Protoplasma‘ höherer Organismen entsprechen, sondern dass sie nur ein Theil dieses Collektivbegriffes sind, und zwar der- jenige Theil des Protoplasma, der von einigen Autoren überlıaupt nicht an- erkannt, von anderen als fibrillär bezeichnet und schliesslich von Bütschli und mir als ein dem Protoplasma zu Grunde liegendes Lamellensystem er- kannt worden ist. Dass man in vorliegendem Falle sich ohne Weiteres und zweifellos von dem Lamellensysteme resp. der Wabenstruktur über- zeugen kann, hat darin seinen Grund, dass hier im Verhältniss zu den höheren Pflanzen ausserordentlich grosse Waben vorliegen. Bei den höheren Pflanzen messen die Waben sowohl nach Bütschli’s, als nach meinen Befunden c. '/2 bis 1 u, hier jedoch bis 10 u im Durchmesser. Es werden uns des Weiteren Fälle begegnen, wo sie noch erheblich grösser sind. Kleinere Waben als mit Ya w Durchmesser konnten aber bisher noch nicht gefunden werden. Die Lamellen der Parenchymzellen von F'ucus bestehen aus einer festen, jedoch plastisch weichen Masse, dem Plastin (s. später). An den Berührungslinien, bezw. Kanten der verschiedenen Lamellen sind, wie bereits erwähnt, Verdickungen nicht zu bemerken. Es sei auch noch- mals darauf hingewiesen, dass sich die wandständigen Lamellen durch Nichts von den im Zellinneren befindlichen unterscheiden. Wie nun oben gezeigt wurde, befinden sich in der wandständigen Lamelle Chromatophoren, Physoden und fadeuförmige Differenzirungen. Die wand- ständige Lamelle selbst ist, den obigen Ausführungen zufolge, nicht sichtbar, jedoch durch Drehen der Zelle, durch Contraktionsmittel etc. leicht nachweisbar. Die erwähnten Gebilde sind auch in den im Inneren der Zelle befind- lichen Lamellen vorhanden; nur sind in normalen vegetativen Zellen die Chromatophoren vereinzelt im Zellinneren anzutreffen, die Physoden dagegen zum grossen Theil dicht an den Kern gelagert. Immerhin ist auch ein beträcht- icher Theil der letzteren in dem Lamellensysteme zerstreut (v. Fig. 8 u. 9). Der Kern befindet sich in den parenchymatischen Zellen fast stets im Centrum der Zelle. Häufig ist er, da sich die Physoden dicht um ihn herumlagern, nicht direkt zu sehen. An diesen übersichtlich gebauten Zellen ist auch das Verhältniss, in welchem Lamellensystem einerseits, Kern, Physoden und Chromatophoren andererseits zu einander stehen, klar und deutlich zu beobachten. Am geeignetsten dazu sind diejenigen Chromatophoren und Physoden, die sich in einer, im Inneren der Zelle befindlichen Lamelle befinden (s. Fig. 8 u. 9). Aus der Beobachtung geht hervor, dass die Chromatophoren den äusserst 425 zarten Lamellen eingelagert sind. Diese Letzteren werden dadurch an den betreffenden Stellen, wie leicht erklärlich, bedeutend aufgetrieben. Anderer- seits ist der Chromatophor auf allen Seiten von einem unmessbar dünnen, nicht sichtbaren Häutchen von Lamellensubstanz (Plastin) umgeben. In Fig. 8 sind die betreffenden Chromatophoren in der Profilstellung sichtbar. Auch hier findet nirgends eine Ansammlung von Plastin statt, sondern scharf und knapp umschliessen die Plastinlamellen die Chromatophoren. Die Chromatophoren können sich innerhalb der Lamellen verschieben. Dies ist hauptsächlich vor und nach der Zelltheilung zu beobachten, da sich vor der Zellkerntheilung sowohl Physoden, als auch Chromatophoren zum grössten Theil um den Kern sammeln. Das Lamellensystem verändert hierbei seine ursprüngliche Lage fast gar nicht, sondern die Chromatophoren und Physoden gleiten in den Lamellen nach dem Kern hin, wobei sie oft mehrere Lamellen passiren müssen. Das Hingleiten dieser im Verhältniss so kolossalen Chromatophoren in den kaum 'ıo u dieken Lamellen setzt eine ganz be- deutende Dehnbarkeit der Lamellensubstanz voraus. Aehnlich wie mit den Chromatophoren verhält es sich auch mit den Physoden. Der Inhalt derselben ist ebenfalls von einem elastischen, aus Lamellensubstanz bestehenden Häutchen umgeben. Dies ist nun nicht so zu verstehen, als ob die Chromatophoren oder die Physoden von einer besonderen, äusserst dünnen Membran umgeben seien, sondern die Plastin- lamelle, welcher der Chromatophor resp. die Physode eingelagert ist, liefert selbst die Umhüllung für die Chromatophoren und Physoden. Infolgedessen bilden beim Umhergleiten der Physoden und Chromatophoren stets andere Lamellentheile die betreffenden Häutchen. Mithin gehören die erwähnten Häutchen nicht den Chromatophoren oder den Physoden, sondern der Lamellen- substanz, dem lebenden Plastin, an. Die Physoden treiben die Plastinlamellen je nach der Grösse mehr oder weniger auf. Da der Physodeninhalt zähflüssiger Natur ist und ver- hältnissmässig sehr schnell in den verschiedenen Lamellen umhergleiten kann, so muss die Dehnbarkeit und Contractilität der Plastinlamellen eine ganz bedeutende sein. Andrerseits muss dem Physodeninhalt eine gewisse Gewalt innewohnen, die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten mit Leichtigkeit zu überwinden. Denn das Umbhergleiten der Physoden ist keineswegs ein lang- sames Verschobenwerden, sondern nach eigenem Willen bewegt sich die Physode in dem ruhenden Lameilensysteme umher. Hierbei schiebt sie sich bald als Kugel fort, bald treibt sie allerlei amöboide Fortsätze und Ausstülpungen, und erweckt dann unwillkiürlich den Eindruck eines kleinen selbständigen Lebewesens. Es sind nur immer einige Physoden, die sich zur Zeit in Bewegung befinden. Eine bestimmte Richtung besitzen sie nicht, sondern sie kriechen meist ad libitum umher, bald an einem Chromatophor, bald an einer in Ruhe befindlichen oder selbst auf Wanderung begriffenen Physode vorbeigleitend. Die Grösse dieser interessanten Gebilde ist, wie erwähnt, sehr verschieden. Sie finden sich von kaum wahrnehmbaren 29* 426 Körnchen (e. "io u) bis zur Grösse von 2 u Durchmesser in derselben Zelle vor. Ueber eine bestimmte Grösse (ec. 2 x) gehen sie nicht hinaus. Bereits die kleinsten Körnechen bewirken eine Auftreibung der Lamellen und sind der Bewegung fähig. Häufig liegen die grösseren Physoden in traubenförmigen Klumpen zu- sammen. Zumal um den Kern herum bilden sich solche Ansammlungen (s. Fig. 9). Nicht selten sind hierbei die Physoden noch als einzelne, kugel- förmige Gebilde sichtbar. PBisweilen lagern sie sich jedoch so dicht, dass sie sich gegeneinander abplatten und dann nur durch sehr zarte Linien (Lamellen) von einander getrennt erscheinen. Hin und wieder sind sogar diese Linien nicht oder undeutlich sichtbar,durch Behandlung mit Glycerin etc. kann man jedoch diese compacten Massen wieder trennen, da sich bei dieser Behandlungsweise die einzelnen Physoden abrunden und theilweise etwas von einander entfernen (vergl. Fig. 34). Hierbei braucht die Zelle nicht abzusterben. Die isolirten Physoden zeigen bei dieser künstlichen Trennung sofort ‚ihre normale Grösse und ihre zugehörige Plastinhaut, woraus hervorgeht, dass sie nur dicht aneinander gelagert waren, wobei aber jede einzelne Physode durch ihre Plastinhaut von der Nachbarphysode getrennt war. Es wahrt sich so jede Physode ihr charakteristisches Verhältniss zur Lamellensubstanz, zum Plastin der Zelle, und kann bei Bedarf jeden Augen- blick sich von dem compacten Haufen entfernen und ihre Thätigkeit in einem beliebigen Theile des Lamellensystems entfalten, was auch häufig genug der Fall ist. Die oben erwähnten fadenförmigen Differenzirungen treiben die Lamellen ebenfalls an den betreffenden Stellen auf. Es werden somit durch die kleinsten Einschlüsse die äusserst zarten, hyalinen Lamellen mehr oder weniger auf- getrieben. Die geringste Differenzirung darin macht sich durch eine An- schwellung bemerkbar, welche ihrerseits, infolge des verschiedenen Licht- brechungsvermögens der betheiligten Theile, sichtbar wird. Der Kern ist in analoger Weise, wie die Chromatophoren und Physoden, den Lamellen eingelagert. Ausserhalb der Lamellen, also in den Kammern (Waben), befindet sich in der Zelle nur noch klare Flüssigkeit, der Zellsaft. | Mithin besteht eine Parenchymzelle von F'ucus zunächst aus einem Gerüstwerk zarter Lamellen, welche nach Art eines Schaumes angeordnet sind. Dieses Lamellensystem bildet gewissermassen ein der Zelle zu Grunde liegendes mechanisches System. Es besteht aus Plastin und besitzt vitale Eigenschaften. Die einzelnen Organe der Zelle, wie der Zellkern, die Chromatophoren und die Physoden, sind den Lamellen eingelagert. Sie sind also gewissermassen dem Lamellensysteme untergeordnet, zum Mindesten auf dasselbe angewiesen. DieOrgane können sich aber nach eigenem Beliebenin den Lamellen umher bewegen und sowohl unter sich, als auch mit jeder einzelnen Stelle des Lamellensystemes in direkte Berührung treten. Ein Unterschied zwischen den genannten Organen besteht insofern, als die Physoden als eigentliche Trabanten des Plastinsystemes anzusehen und, wie sich noch 427 weiter zeigen wird, auf das Innigste mit diesem verkettet sind; die Chroma- tophoren und der Kern sind dagegen zwar den Lamellen eingelagert, aber doch immerhin als Organe von grösserer Selbständigkeit zu betrachten. Nach demselben Prineip wie die Parenchymzellen sind auch die Hyphen- zellen von F'ucus gebaut. Nur ist bei diesen das Lamellensystem klein- maschiger als in den Parenchymzellen. Die Hyphenzellen sind für das Studium des Protoplasma deswegen sehr schätzenswerthe, ja geradezu bedeutungsvolle Objekte, da sie Uebergänge zu dem scheinbar so complieirt gebauten ‚‚Proto- plasma‘‘ höherer Pflanzen bilden. Wir werden nämlich neben unzweifelhaft wabig gebauten Zellen solche kennen lernen, deren „Plasma“ rein fibrillär gebaut erscheint, und deu Schluss ziehen müssen, dass diesen Zellen ebenfalls ein lamellöser Aufbau zu Grunde liegt. Zunächst sei jedoch auf normal entwickelte Hyphenzellen näher eingesangen. Als Beispiel diene eine beliebig gewählte Hyphenzelle von 14 u. Breite und gegen 110 u Länge (vergl. als Beisp. Fig. 13). Bei hoher Einstellung war zunächst ein scheinbares Netzwerk zarter Fäden zu sehen, die zu mehr oder weniger regelmässigen Polyedern (5 und 6 Ecken) verbunden waren. Die Fäden zeigten ungefähr dieselbe Stärke, wie die in den Parenchymzellen als Fäden erscheinenden Lamellenkanten, also ec. "ıo u. Die Weite der Maschen betrug hier im Durchschnitt 4—5 u. Die Zahl der bei hoher Einstellung sichtbaren Maschen belief sich der FPreite nach auf c. 3, der Länge nach auf 23. Es waren mithin bei höchster Einstellung ec. 70 Maschen sichtbar. Beim Senken des Tubus war auch hier, zumal in den von Kern und Chromatophoren freien Enden der langgestreckten Zelle, sehr schön und unzweifelhaft zu sehen, dass dem Organismus ein sehr zierlich gebautes Lamellenwerk zu Grunde lag. Es befanden sich in der erwähnten Zelle 4—5 Wabenschichten übereinander. Die Zelle wurde also durch die Lamellen in annähernd 300 einzelne Kammern getheilt, in welchen sich der Zellsaft als klare, farblose, wässerige Flüssiskeit befand. Der Kern, die Chromatophoren, die Plysoden und sporadisch auftretende fädige Differenzirungen waren in genau derselben Weise wie in den Paren- chymzellen den einzelnen Lamellen eingelagert, letztere an den betreffenden Stellen mehr oder weniger auftreibend. Es findet sich demnach in den Hyphenzellen genau dasselbe Prineip in der Anordnung und gegenseitigen Beziehung der einzelnen Theile des Zell- leibes, wie in den Parenchymzellen, nur mit dem Unterschiede, dass das Lameilensystem in den Parenchymzellen e. 1-2 Dutzend grosse Kammern (Waben, Zellsafträume), in den betreffenden Hyphenzellen dagegen etwa 300 kleinere, aber vollständig ebenbürtige Kämmerchen bildet. Ueber die völlige Gleichwerthigkeit der Lamellen, der Physoden u. s. w. in den beiden Zellarten wird der Beobachter keinen Augenblick im Zweifel sein. Der Wabendurchmesser, also die Grösse der Zellsafträume, ist in den einzelnen Hyphen derselben Pflanze, und wie voraus bemerkt sei, derselben 428 Hyphenzellen, keineswegs immer ein annähernd gleich grosser. So fand ich z. B. im Januar des Oefteren in nebeneinander liegenden Hyphen desselben Schnittes Waben mit sechs, mit vier, mit zwei und noch wenigeren u Durch- messer (s. Fig. 10, Fig. 11 und Fig. 12). Trotz dieser Verschiedenheit lässt sich in der Regel an allen Zellen eines Fucusbtschel’s der lamellöse Aufbau der Elementarorganismen durch einfache mikroskopische Beobachtung zweifellos feststellen. Nur hin und wieder finden sich Hyphenzellen, in denen das Lamellensystem eine derartige Kleinheit erreicht, dass es mikros- kopisch allein nicht mehr sicher entscheidbar ist, ob der Zelle ein Lamellen- system oder ein Netzwerk zarter Fäden zu Grunde liegt (z. B. Fig. 11 u. 12). Die letzteren Fälle sind diejenigen, die wegen der Beurtheilung der Proto- plasmastruktur höherer Pflanzen ein hervorragendes Interesse beanspruchen, da in beiden Fällen bei der mikroskopischen Betrachtung analoge Bilder erhalten werden. Dem ‚„Protoplasma‘ scheint darnach hier wie dort eine netzartig fibrilläre Struktur zu Grunde zu liegen. Betreffs der Hyphen von Fucus stellt Fig. 10 bezw. 11 einen derartigen Fall vor. Während in den Nachbarhyphen die lamellöse Struktur noch deutlich erkennbar war, sah das, der Zelle Fig. 11 zu Grunde liegende Gerüst zum grössten Theils vollständig längsfibrillär gebaut aus. An einigen Stellen der Zelle war jedovh auch hier die lamellöse Struktur deutlich zu erkennen. Die längsfibrillär gebaut aussehenden Theile erinnerten sofort an das „Proto- plasma“ von Bryopsis, Urtica u. a. Bei letztgenannten sind die Waben, um solche handelt es sich in Wirklichkeit, um ein Geringes kleiner (vergl. Fig. 51, 75 u. andere). Man glaubt sowohl hier wie dort zarte, immerhin etwas stärkere, zu einem Netzwerk verbundene Fäden zu sehen. Die Fäden resp. Lumellen erscheinen bei kleinmaschigem Lamellensystem etwas dicker und fleischizer als in den Zellen, in welchen sich grosse, deutlich ver- folgbare Lamellen vorfinden (vergl. Fig. 12, 67, u.a.). Es ist möglich, dass in den gegebenen Fällen die Lamellen etwas dieker (vielleicht "s; ») sind. Voraussichtlich liegt aber nur eine optische Erscheinung vor, da man auch bei unseren stärksten Vergrösserungen bei der jeweiligen Einstellung, ausser dem scharfen Bilıl, unter oder über demselben befindliche stark lichtbrechende Gegenstände mit;ieht. Diese Erscheinung lässt sich z. B. in etwas schräg liegenden Lamellen der Parenchymzellen sehr schön und genau verfolgen, sobald sich in solchen Lamellen eine Physode befindet. Durch Auf- und Niederdrehen der Mikrometerschraube überzeugt man sich leicht von der Lage der Lamelle. Ist nun eine Physode in derselben enthalten, so sieht man diese anfangs verschwommen, dann immer deutlicher neben der stark lichtbrechenden Linie auftreten und zwar bisweilen so, dass sie schon recht deutlich neben der Lamelle sichtbar ist. Bei weiterer Verfolgung stellt sich aber heraus, dass die Physode bei schärfster Einstellung in der Lamelle selbst liegt. Bei sehr kleinmaschigen Lamellensystemen ist es daher nicht zu ver- wundern, dass bei der jeweiligen Einstellung darüber und darunter liegende stark lichtbrechende Gebilde, wie Lamellen und Physoden, theilweise mit- gesehen werden und das Bild dadurch an Schärfe verliert. Immerhin können bei genügend langer Beobachtung, selbstredend unter Verwendung bester Instrumente und dazu geeigneten Materiales, die betreffenden Strukturver- hältnisse vollkommen deutlich erkannt werden. Nicht nur im Gesammtbilde, sondern auch in den Einzelheiten stimmen die Objekte von Fucus, Bryopsis und Urtica überein (vergl. Fig. 11, 51 und 75). So findet man bei allen dreien oft einige Waben etwas grösser ausgebildet. Diese mehr oder weniger als deutliche Bläschen erscheinenden Waben sind schon früher als im „‚Protoplasma“ befindliche „kleine Vaknolen“ erkannt worden. Häufig liegen zwei oder mehrere solcher etwas grösseren Waben dicht aneinander, in welchen Fällen dann die Schaumnatur deutlich zu Tage tritt. In den Lamellen dieser Schäume sieht man mitunter Physoden umhersgleiten. Ebenso ist das Verhältniss der Physoden zur Lamellensubstanz in allen drei Fällen gieich schwer zu erkennen. Die Physoden scheinen theils in, theils an den Fibrillen des Netzwerkes, theils aber auch deutlich in den Maschen desselben zu liegen. Nicht selten hat es den Anschein, als ob die Physoden während der Beobachtung von einer Masche in eine andere, oder auch von einer Masche in eine Fibrille gleiten. Das Netzwerk besitzt bei dem kleinmaschigen Bau, wie bei dem deutlich lamellösen in allen drei Fällen ein stärkeres Liehtbrechungsvermögen als die dazwischen befindliche wässerige Flüssigkeit. Die Uebereinstimmung in den betreffenden drei Objekten ist also eine sehr weit gehende, ja eine vollkommene, soweit dies überhaupt bei ver- schiedenen Pflanzenspecies möglich ist; denn wenn auch bei allen Pflanzen immer dieselbe Anordnung und gegenseitige Beziehung der einzelnen Theile dieselbe ist, so hat doch jede Pflanzenspecies etwas Eigenartiges im Aufbau ihrer Elementarorganismen. Es wirft sich jetzt die Frage auf, welche Struktur wird der zuletztbe- sprochenen Hyphenzelle von Frucus zu Grunde liegen? Während in den benachbarten gleichartigen Zeilen die lamellöse Struktur überall deutlich zu Tage trat (es waren wie bereits erwähnt, in den verschiedenen Zellen Schäume, deren Waben 3—6 :. Durchmesser besassen), konnte in einem grossen Theil der fraglichen Zelle die Struktur nicht deutlich erkannt werden, oder vielmehr, es wurde der Eindruck hervorgerufen, als ob der Zelle ein System zarter, netzartig verbundener Fäden, also ein spongiöser Bau zu Grunde liege, mithin eine Struktur, wie sie jetzt von den meisten zoologischen und auch einigen botanischen Forschern angenommen wird. Durch Bütschli’s eingehende Untersuchungen ist aber dargethan worden, dass ein ebensolehes Bild auch durch sehr feine Schäume hervorgerufen wird. Das mikroskopische Bild allein kann demnach in diesem Falle nicht die gewünschte definitive Auskunft darüber ertheilen, ob hier ein spongiöser oder lamellöser Bau zu Grunde liegt; und doch wird man auf Grund der 430 vorhandenen Uebergangsstadien wohl keinen Augenblick im Zweifel sein, dass hier ein lamellöser Bau vorliegt, denn in allen Hyphenzellen wird dasselbe mikroskopische Bild erhalten, nur in verschiedenen Grössen, In allen Fällen, in denen infolge der Grössenverhältnisse eine mikroskopische Entscheidung noch möglich ist, lässt sich ohne Weiteres die lamellöse Struktur feststellen. Daran schliessen sich einige zweifelhafte Fälle, denen sich zum Schluss die oben beschriebenen, vollständig spongiös gebaut aussehenden Formen mit c. 1 u Wabenquerdurchmesser anreihen. Es fehlt mithin in dieser Ent- wickelungsreihe kein Stadium und nirgends kommt ein Sprung vor. Deshalb könnte schon aus dieser Beobachtung allein der Schluss gezogen werden, dass den gleichen Bildern dieselbe Ursache zu Grunde liegt. Als weiteres Beweismaterial diene das Folgende. In den ersten {gross- wabigen) Fällen ist die Lage der Physoden in den Lamellen leicht zu er- kennen (vergl. oben). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass derjenige Theil der Lamellen, der zur Sehachse mehr oder weniger senkrecht steht, infolge seiner Durchsichtigkeit nicht zu sehen ist. In solchen Lamellen liegende Physoden können auf den ersten Augenblick den Eindruck erwecken, als ob sie in dem Zellsaft lägen. Bei einiger Orientirung in den übersichtlich gebauten Zellen wird man sich aber schnell von diesem Irrthum überzeugen. Da nun bei dem sehr kleinmaschigen Lamellenwerk naturgemäss sehr viele Lamellen nicht zu sehen sind, und ausserdem die besprochenen optischen Erscheinungen störend wirken, so ist es hier, wie schon oben erwähnt wurde, schwieriger zu entscheiden, ob die Physoden in den Strängen oder vielmehr Lamellen, oder in den Maschenräumen liegen, resp. ob ein Theil der bläschen- artigen Gebilde den Lamellen und ein anderer, vielleicht völlig von den ersten verschiedener, den Maschen des Wabenwerkes eingelagert ist. Das beste Mittel, welches hier zum Ziele führen wird, ist der Identitäts- nachweis der beiden eventuell verschiedenen Gebilde, und zwar zunächst der chemische Nachweis. Denselben habe ich in „Morphologische und mikro- chemische Untersuchungen über die Physoden. Botanische Zeitung 1893 zu führen gesucht. Aus diesen Untersuchungen geht wenigstens das mit Sicherheit hervor, dass in den als Physoden bezeichneten Gebilden, welche eventuell in Maschenräumen liegen könnten und dann eben keine Physoden in meinem Sinne wären, dieselben chemischen Stoffe enthalten sind, wie in den sicher als Physoden characterisirten Gebilden. Ein weiteres Beweismaterial zur Identifieirung liegt in der den wirklichen Physoden entsprechenden freien, amöboiden Bewegung und allenfalls in dem starken Lichtbrechungsvermögen dieser Gebilde. Ausserdem möge noch daran erinnert werden, dass ja in den vollkommen deutlich zu übersehenden Zellen ebenfalls ein grosser Theil Physoden scheinbar in den Maschen liest. Es sind, wie bereits hervorgehoben, diejenigen, welche in einer infolge ihrer Lage unsichtbaren Lamelle liegen. Weiter sind behufs Erklärung dafür, dass die betreffenden Physoden von einer Masche in die andere resp. durch mehrere hindurch gleiten können, bei alleiniger Berücksichtigung des mikroskopischen Bildes zwei Möglichkeiten vorhanden. Entweder das sichtbare Gerüstwerk besteht aus zarten Fäden, und zwischen diesen Fäden können die fraglichen Gebilde hingleiten, oder das Gerüstwerk besteht aus einem Lamellensystem, und die Physoden be- wegen sich in den zur Sehachse senkrechten, also nicht sichtbaren Lamellen. Die Fädenstruktur des Gerüstwerkes ist oben schon sehr in Frage ge- stellt, wenn nicht widerlegt worden. Die andere Deutung entspricht voll- kommen den Verhältnissen der vollständig klar zu übersehenden Zellen, in welchen auch die Physoden von einer Masche, oder vielmehr von einer zufällig nicht sichtbaren Lamelle in eine andere gleiten. Die letztere der erwähnten zwei Möglichkeiten würde mithin denselben Aufbau derjenigen Zellen voraussetzen, deren Struktur zweifellos erkennbar ist. Es würde also den kleinmaschigen, spongiös gebaut aussehenden Zellen in Wirklichkeit ein Lamellensystem zu Grunde liegen, und in den Lamellen würden die Physoden, deren chemische Identität in beiden Fällen erwiesen ist, umhergleiten. Dass diese Ansicht die richtige ist, und die betreffenden Physoden that- sächlich nicht in Maschenräumen liegen, geht schliesslich auch aus dem Um- stande hervor, dass die Physoden häufig aus einer Masche in einen schein- baren Faden (Lamelle) gleiten und sich lange Zeit in demselben aufhalten, was auch bei schärfster Einstellung zu constatiren ist. Es tritt uns also auch in dieser Beziehung dieselbe Erscheinung, wie in den zweifellos lamel- lösen Zellen entgegen. Nun ist doch nicht anzunehmen, dass dieselben Ge- bilde sich bald in den eventuellen Fäden, bald in den Maschenräumen eines Gerüstwerkes aufhalten und bewegen können. Diese Erscheinung weist infolgedessen ebenfalls mit darauf hin, dass nicht netzförmig verbundene Fäden, sondern ein System von Lamellen der Zelle zu Grunde liegt. In den Lamellen gleiten die Physoden in den beliebigsten Richtungen umher und zwar bald in solchen Lamellen, die sichtbar sind, bald in solchen, die infolge ihrer Lage nicht gesehen werden können. Auf diese Weise ergänzen sich die verschiedensten Beobachtungen und fördern gegenseitig sowohl die Erkenntniss des Lamellensystemes als auch der Physoden. Lamellensystem und Physoden stehen eben in solch inniger Beziehung zu einander, dass jede Beobachtung des einen dem anderen zu Gute kommt, dass überhaupt ein Einzelstudium nicht gut möglich ist. Es lässt sich deshalb auf Grund der Grössenübergänge, auf Grund des- selben Bildes sammt Nebenerscheinungen, auf Grund der Physodenbewegung und auf Grund dessen, dass bei sonstiger Wahrnehmung desselben Bildes in einem Theil der Zelle die lamellöse Struktur direkt beobachtet werden konnte, mit Sicherheit annehmen, dass der spongiös gebaut aussehende Theil der Hyphenzellen einen lamellösen Aufbau zur Grundlage hat; also den- selben Aufbau, wie er in den vollkommen übersichtlich gebauten Zellen vor- handen ist. Andrerseits liegt nicht der geringste Anlass vor, in den Zellen, in denen die mikroskopische Betrachtung allein infolge der Kleinheit nicht 432 mehr den gewünschten Aufschluss giebt, plötzlich eine fundamentale Ver- schiedenheit im Aufban gleichwerthiger Zellen derselben Pflanzen, ja unter Umständen derselben Zelle, anzunehmen. Der Nachweis der Lamellenstruaktur der Hyphenzellen wird seiner- seits wieder eine gewichtige Stütze für die Erkenntniss des „Protoplasma‘ höherer Pflanzen sein, welchen, wie theilweise schon erwähnt wurde, ein ganz analoges mikroskopisches Bild zukommt. Ausserdem werden dort, wie gleich vorausbemerkt werden mag, sich ebenfalls Objekte finden, welche bei der einzelnen Einstellung zwar ein ebensolehes Bild wie andere hochent- wickelte Pflanzen zeigen, also ein netzartig-fibrilläres, bei denen aber bei weiterer Beobachtung doch die schaumförmige Struktur deutlich und sicher beobachtet werden kann, durch welchen Umstand die Beweisführung für den durchgängig lamellösen Aufbau der zu besprechenden Pflanzen ge- schlossen wird. In den Fruktifikationszellen findet sich im Prineip genau derselbe Bau wie in den vegetativen Zellen. So ist in jungen Oogonien (s. Fig. 14) zu- nächst die schaumförmige Anordnung der einzelnen Lamellen vollkommen deutlich erkennbar. Der Kern, die Chromatophoren und die Physoden sind auch hier den Lamellen eingelagert, und in den von denselben gebildeten Kammern befindet sich, wie in den vegetativen Zellen, eine klare, wässerige Flüssigkeit, der Zellsaft. Auch hier gleiten die Physoden bald mehr, bald weniger lebhaft in dem Lamellensysteme umher, und ihr Inhalt wird ebenso wie in den vegetativen Vegetationspunkten zur Plastinbildung verbraucht. Desgleichen sind auch die fädizen Differenzirungen nicht selten wahrzunehmen. Bei zunehmendem Alter und Wachsthum des Oogoniums werden zunächst mehr Lamellen und Physoden gebildet. Ausserdem findet eine lebhafte Theilung der Chromatophoren statt (s. Fig. 15 u. 16). Jemehr sich nun Lamellen ete. bilden, desto kleiner werden, da das Oogonium eine gewisse Grösse nicht überschreitet, die einzelnen Zellsaft- kämmerchen. Dieselben sind schliesslich, da sich in den Lamellen allmählich sehr reichlich Physoden und Chromatophoren ansammeln, schwierig, aber bei sünstigem Material doch sicher nachweisbar. Ebenso ist bei günstigem Materiale die Anordnung der einzelnen Theile, ihre gegenseitige Beziehung ete. deutlich zu erkennen. Was die Grössenverhältnisse der Waben in den Oogonien anbetrifft, so fand ich in einem beliebig gewählten Schnitt, der durch ein fructifieirendes Aestehen von Fucus geführt war, in sehr jungen Oogonien ec. 7—8 u Waben- durchmesser. Die nächst älteren, etwas herangewachsenen Oogonien be- sassen 8—9 ». In späteren Stadien wurde das Schaumwerk wieder kleiner und ging in einem noch nicht reifen Oogonium bis auf 2 » D. herunter. In noch älteren Oogonien konnten wegen der diehten Lagerung der Physoden und Chromatophoren die Einzelheiten nicht mehr erkannt werden. Die Stadien ähneln einer Sprossspitze von C'haetopteris, über welche noch des Weiteren die Rede sein wird. 4353 Soweit sichtbar, findet also bei der Oogoniumbildung nur eine Verkleinerung, eine Verjüngung des gesammten Systernes sammt seinen Einschlüssen (Physoden und Chromatophoren) statt. Nach der Befruchtung ist dann zunächst nur eine Auflockerung des Lamellensystemes durch Wasseraufnahme nöthig, um den kleinen, sich selbständig weiterentwickeinden Organismus heranwachsen zu lassen. Recht instruktiv treten diese Verhältnisse auch bei Algen auf, die sich nur auf ungeschlechtlichem Wege fortpflanzen. Hierauf wird später zurückzukommen sein. Nicht selten wird der Inhalt eines Oogoniums so dicht, dass ein Er- kennen der einzelnen Theile, theils infolge der Kleinheit, theils infolge der dichten Lagerung und dadurch bedingten Undurchsichtigkeit, nicht mehr möglich ist. Es findet sonach behufs Oogonienbildung ein ganz analoger Process statt, wie in den (intercalaren) Vegetationspunkten. In beiden Fällen wird durch Neubildung von Lamellen ein sehr engmaschiges Lamellensystem erzeugt, welches dann in einem späteren Stadium durch Wasseraufnahme erheblich an Ausdehnung gewinnt und die Grundlage für eine Reihe von Zellen bildet. In der Regel führt nur ein kleiner Theil des Gesammtsystemes diese Verjüngung weiter, welcher Theil mit Vegetationspunkt bezeichnet wird; jeder einzelne Theil des Lamellensystemes einer Pflanze ist aber fähig dazu. Aus jeder vegetativen Zelle kann unter Umständen ein Vegetations- punkt, ein Verjüngungsort des Plastinsystemes, des Kernes etc. werden. (Vergl. später.) Ein erhebliches Kleiner- und Dichterwerden des Lamellensystemes findet desgleichen in den Antheridien statt. Es bleibt auch hier das Prineip in der Anordnung der einzelnen Theile im Organismus dasselbe wie in den vegetativen Zellen. Somit stellt ein mit vollständig reifen männlichen wie weiblichen Befruchtungsorganen versehener Fucusbüschel ein System aus sehr zarten Lamellen dar, welchem die wiehtigeren Organe, als Zellkerne, Chromato- phoren und Physoden eingelagert sind, während sich in den von den La- mellen gebildeten Kammern wässerige Flüssigkeit (Zeilsaft) befindet. Zur Stütze des ganzen Systemes, wie auch gewiss aus anderen Gründen, z. B. zum Schutze gegen äussere Einflüsse, werden in den Lamellen in gewissen Abständen festere Membranen ausgeschieden, welche den Gesammtorganismus in eine Anzahl kleinere, unabhängig von demselben eine geraume Zeit für sich selbst weiter lebende Theile, die Zellen oder Elementarorganismen, sondern. Bemerkt sei noch, dass die Zellwand-Sehutzvorrichtung für Fucus be- sonders kräftig entwiekelt sein muss, da solch grossmaschige Plastinlamellen- systeme, wie sie theilweise bei F'ucus vorkommen, gegen äussere Einflüsse wenig widerstandsfähig sind. Trotzdem liebt Fucus, inbetreff dieser in Frage kommenden Verhältnisse einen äusserst ungünstigen Platz, den Meeres- strand, als Standort auszuwählen. Infolgedessen ist diese Pflanze gezwungen, zum Schutze ihres Plastinsystemes nicht nur sehr starke, sondern auch sehr a geschmeidige, schleimige Zellwände zu bilden, damit beim Aufschlagen auf Steine etc. die Wirkung des Anpralles möglichst abgeschwächt wird. Bevor ich dieses für die vorliegenden Untersuchungen so vorzüglich ge- eignete Objekt verlasse — auf verschiedene Einzelheiten wird noch gelegent- lich zurückzukommen sein — sei auf einen Punkt besonders aufmerksam gemacht. Es wird gewiss aufgefallen sein, dass das Wort „Protoplasma‘ ge- tlissentlich gemieden, resp. in Anführungsstriche gesetzt worden ist. Zwar wird erst weiter unten der Ort sein, (vergl. auch die Einleitung) über die Berechtigung resp. den Umfang und die Anwendung dieses Begriffes zu sprechen, immerhin sei bereits hier hervorgehoben, dass bei Fucus ein bisher als wesentlich geltender Theil des Protoplasma, das Enchylema, feblt. Denn es hat sich ja gezeigt, dass äusserst zarte Lamellen, von denen wir jede einzelne genau verfolgen können, vorhanden sind. Diesen sind der Kern, die Chromatophoren und Physoden in der Art eingelagert, dass diese Ge- bilde scharf und knapp, ohne irgend welche Plastinverdiekung, von den kaum messbaren Lamellen umspannt werden. Ausserdem befinden sich in den Zellen, abgesehen von etwaigen Centralkörpern, nur noch die erwähnten Zellsaftkamınern, welche bei den besprochenen Arten keinen Augenblick beweifeln lassen, dass es unter sich gleichwerthige Räume im Zellenleibe sind und dass sie den Zellsafträumen höherer Pflanzen entsprechen. Hiermit sind die morphologischen Bestandtheile einer Fucuszelle, mit Ausnahme der als sekundär zu betrachtenden Membran, erschöpft. Aber nicht etwa aus Mangel an optischen Hilfsmitteln ist das Ziel schon erreicht, sondern weil Alles mit vollkommener Klarheit uns entgegentritt, weil jede kaum "is u. starke Lamelle und äusserst geringe, in ihr gelagerte Einschlüsse leicht ver- folgt werden können. Bütschli') nennt Enchylema diejenige Flüssigkeit, die sich in den kleinen Waben eines „Protoplasmastranges“ befindet. Bei den ausgewachsenen Zellen höherer Pflanzen, welche Bütschli hauptsächlich berücksichtigt hat, erscheint allerdings die Annahme gerechtfertigt, dass ein „‚Protoplasmastrang resp. Wandbeleg“ in prinzipiellen Gegensatz zu dem Zellsaft zu setzen ist. Wird aber die Entwickelung des Zeilsaftraumes, als auch eine Reihe von Einzelheiten der Struktur des Protoplasmastranges genauer verfolgt, so zeigt sich, dass der Zellsaftraum nur durch Anwachsen einer oder weniger be- liebiger kleiner Waben, wie sich solche zu Tausenden in einem „Protoplasma- strang“ befinden, entstanden ist. Die einzelnen Lamellen eines „Urotoplasma- stranges‘‘ sind aber vollständig ebenbürtig den Lamellen der !raunalgen. Sie enthalten z. B. die Physoden genau so eingelagert, wie die letzteren. Der Unterschied besteht hauptsächlich darin, dass bei den höheren Pflanzen die in den kleinen Kammern enthaltene Flüssigkeit Enchylema genannt wird, !) Ich wähle hier die Ansicht Bütschli’s, da ich mich im Wesentlichen den Ansichten dieses Forschers anschliessen muss, 435 während sie bei den Fucusarten, auch wenn sich die Flüssigkeit in fast ebenso kleinen Waben befindet, wie bei den höheren Pflanzen, ohne Weiteres als Zellsaft bezeichnet wird. Es fehlt demnach bei Fucus das Enchylema, resp, dasselbe geht in dem Begriff des Zellsaftes auf. Dadurch verschwindet ein Begriff, resp. eine Substanz, welche von den meisten Autoren als ein wesentlicher, unentbehr- licher Theil des ‚‚Protoplasma,‘‘ von einigen sogar als der wichtigste Theil, als das einzig Lebendige, angesehen wurde. Ich glaube, in dem Augenblicke, in weichem dem „Protoplasma‘‘ dieser scheinbar so wichtige Theil entzogen vder vielmehr in direkten Gegensatz zu dem Lamellensystem und in innige Beziehung zum Zellsaft gebracht ist, wird das „Protoplasma‘‘ in mehrere so wesentlich verschiedene Theile zerlegt, dass es vorläufig nicht angeht, den übrigbleibenden Theil, d. i. das Lamellensystem mit den Physoden, wieder Protoplasma zu nennen, obgleich diesem Theile die specifisch vitalen Eigenschaften, welche bisher dem ,„‚Proto- plasma“ zugeschrieben wurden, zukommen. Würde ich aus Pietätsrücksichten für diesen begrenzten Theil doch wieder den Ausdruck „Protoplasma‘‘ gebrauchen, so würden diese Zeilen anstatt ein Beitrag zur Klärung zu sein, eine weitere Verwirrung der schwebenden Fragen herbeiführen. Um diesem möglichst vorzubeugen ist beabsichtigt, die bereits in früheren Publicationen, als auch in der Einleitung gegebenen Namen für die einzelnen Theile beizubehalten und auch die zweitnächst zu besprechende Pflanze, C'haetopteris, in ebenfalls möglichst ausführlicher Weise zu besprechen, wobei zugleich einige allgemeinere Punkte mitberührt werden sollen. Zunächst sei jedoch über eine den beiden F'ucusarten sehr nahe stehende Pflanze, über Ascophyllum nodosum, einiges berichtet. (Fucus vesiculosus und serratus verhalten sich in allen Beziehungen gleich.) Ascophyllam nodosum ist für die vorliegenden Untersuchungen ein ebenso günstiges Material wie die F'ucusarten. Noch mehr als im Habitus ete. äussert sich die nahe Verwandtschaft in dem Aufbau der einzelnen Zellen. Die Pflanze, an welcher die Untersuchungen angestellt wurden, stammt aus den Gewässern Helgolands. Sie wird seit mehreren Jahren im botanischen Institut in Kiel eultivirt. Zur Untersuchung gelangten sowohl junge vegetative, als auch fructificirende Aestchen. Die Uebereinstimmung im Bau der einzelnen Zellen mit den entsprechenden Zellen der F'ucusarten ist eine sehr weitgehende. Ueberall tritt das Lamellen- system in analoger und für die einzelnen Zellen characteristischer Weise, wie dies für F’ucus näher beschrieben wurde, dem Beobachter entgegen. Die Lamellen sind hier noch zarter als bei F’ucus, so dass eine Messung der Dicke nicht gut;angeht. Sie sind gewiss weniger als "ıo px dick. Ihnen sind in derselben Weise, wie bei Fucus, der Zellkern, die Chroma- tophoren und die Physoden eingelagert. Letztere sind sehr verschieden gross 436 und zeigen häufig eine prächtige amöboide Form- und Ortsveränderung. Das Lamellensystem verändert auch hier seine Gesammtlage so gut wie gar nicht. In den Waben des der Zelle zu Grunde liegenden Gerüstwerkes befindet sich klarer, wässeriger Zellsaft, und auch bei dieser Pflanze ist von einer dem Enchylema entsprechenden Flüssigkeit durchaus Nichts wahrzunehmen. Die Klarheit und Deutlichkeit, mit welcher die einzelnen Theile der Zelle erkennbar sind, ist dieselbe, wie bei den Fucusarten und soviel mir erinnerlich (leider fehlen Maassangaben in meinen Notizen), sind auch die Grössenver- hältnisse dieselben, wie bei den erwähnten Pflanzen. Interessant zu beobachten ist, dass nahe verwandte Pflanzen, wie z. B. Fucus und Ascophyllum (es werden hierfür noch mehrere Beispiele an- zuführen sein) auch in den Einzelheiten im Aufbau ihrer Elementar- organismen gleiche resp. sehr ähnliche Verhältnisse aufweisen. Der gleichen, resp. ähnlichen Anordnung des Lamellensystemes und der in ihm gelagerten Organe entspricht also eine gleiche, resp. ähnliche äussere Gestaltung der betreffenden Pflanzen. Was die Einzelheiten anbetrifft, so kann im Wesentlichen alles das, was bei Flucus gesagt ist, auch für Ascophyllum geltend gemacht werden. Chaetopteris plumosa. Chaetopteris plumosa, welche zur Ordnung der Phaeosporeen und der Gruppe Sphaecelarieen gehört, zeichnet sich durch einen überraschend zierlichen Aufbau des Elementarorganismus aus. Besonders gilt dies für wachsende Scheitelzellen und daran sich anschliessende junge Zellen. Wenn schon die einzelnen Lamellen nicht die bewunderungswürdige Zart- heit wie bei Ascophyllum besitzen, so ist doch die ganze Anordnung des Lamellensystemes so übersichtlich und zierlich, dass man immer von Neuem mit Freude erfüllt wird, sobald man einen Scheitel von Chhaetopteris im mikroskopischen Gesichtsfelde erblickt. Es gehört geradezu Ueberwindung dazu, ein gutes Exemplar unbeobachtet wegzulegen, nicht wenigstens einige Stunden dem Leben und Treiben in diesen Zellen zuzuschauen. Behufs Beobachtung legt man einfach einen jungen Spross auf den Objekt- träger und kann dann ohne Weiteres das lebende Material mit den stärksten Vergrösserungen stunden-, ja tagelang (wobei von Zeit zu Zeit das verdampfende Wasser zu ersetzen ist) beobachten. Unwillkürlich lenkt sich der Blick auf die jungen Zellen des Sprosses; deswegen möge die Beschreibung mit diesen begonnen werden. Da wir zu einer, von F'ucus recht verschiedenen Pflanze kommen, sei es gestattet, nochmals die einzelnen Beobachtungen ete. ausführlich zu besprechen. Sowohl in dem älteren Theile der Scheitelzelle als in den daran sich anschliessenden jungen Zellen fallen dem Beobachter, wenn sich nicht gerade die Zelle in bestimmten Stadien der Zelltheilung befindet, bei hoher Ein- stellung zunächst die braunen Chromatophoren und ferner die Physoden als 457 stark lichtbrechende, unregelmässig gestaltete, verschieden grosse Tröpfchen in die Augen. Ausserdem ist ein zierliches Netzwerk stark lichtbrechender Linien sichtbar. Diese zarten Linien sind ungefähr "s n» diek. Sie sind in der Weise angeordnet, dass sie ein Netzwerk von annähernd gleich grossen Fünf- und Sechsecken zu bilden scheinen, welche die Zelle in eine grössere Anzahl von Polyedern theilt. Also im Prineip ist es dasselbe Bild, wie bei der nämlichen Einstellung einer Fucuszelle. Je drei der erwähnten Linien stossen an einer Stelle zusammen, und auch bei dieser Pflanze ist an den Berührungspunkten eine Verdickung nicht zu bemerken. Es kommen zwar, allerdings sehr selten, auch Fälle vor, in denen vier solcher Linien zusammen zu stossen scheinen. Dies ist aber nur als besonderer Zufall aufzufassen, indem in solchen Fällen zwei Knotenpunkte dicht aneinander gerückt sind, wodurch die Verbindungslinie zwischen beiden sehr verkürzt ist. Ein solcher (doppelter) Knotenpunkt erscheint dann etwas verdickt. Ich hatte mehrmals Gelegen- heit, derartige Fälle zu beobachten. Fig. 25 giebt die Entstehung eines solchen doppelten Knotenpunktes wieder. Zunächst rückten zwei noch durch ein kurzes Mittelstück verbundene Knotenpunkte immer näher, bis sich schliesslich in einem etwas angeschwollen erscheinenden Punkte vier Linien zu treffen schienen. Nach einiger Zeit wurde jedoch das frühere normale Verhältniss, d. h. dass nur drei solcher Linien sich in einem Punkte treffen, wieder hergestellt, indem die beiden dicht aneinandergelagerten Be- rührungspunkte wieder auseinander rückten und zwischen ihnen sich die Verbindungslamelle erneuerte. Was die scheinbaren Linien als solche betrifit, so sind sie, wie bei Fueus, scharf gegen die Waben abgegrenzt. Sie sind nicht oder nur schwach gebogen und erscheinen, von eventuell darin liegenden Physoden abgesehen, vollkommen homogen. Wenn also in die Figuren scharfe, schematisch an- geordnet aussehende Striche eingezeichnet sind, so ist dies mit Absicht ge- schehen, weil diese Art der Darstellung der Wirklichkeit am nächsten kommt. Es sind nicht, wie aus manchen Abbildungen von Chaetopteris bezw. Sphacelaria hervorzugehen scheint, gegen die Zeilsafträume wenig ab- gegrenzte, fein punktirte dickere Linien, hinter denen ein undefinirbares Etwas verborgen liegt, sondern es sind scharf begrenzte, hyaline Linien, von solch geringem Durchmesser, dass von einer, der Breite nach darin befindlichen Struktur ernstlich nicht die Rede sein kann. Der Durchmesser beträgt hier ungefähr 's u, bei Ascophyllum, wie bereits erwähnt, für die gleichwerthigen Striche nur etwa "5 x, während die kleinsten Waben sowohl nach Bütschli’s Angaben, als auch nach meinen eigenen Befunden "» bis 1 w im Durch- messer haben. Wird zunächst das zarte Fädenwerk unter Ausschluss der darin liegenden Physoden und Chromatophoren weiter verfolgt, so ergiebt sich bei Benutzung der Mikrometerschraube, dass nicht Fäden, sondern wie bei F'ucus nach dem Zellinneren zu verlaufende Lamellen vorliegen, was daran zu erkennen ist, dass beim Tiefereinsteilen die scheinbaren Fäden insofern nicht gänzlich 488 verschwinden, als an ihrer Stelle ununterbrochen neue Linien, zunächst in derselben Ebene liegend, erscheinen. Es erstrecken sich also nach dem Zellinneren zu Lamellen, die bei jeweiliger Einstellung als zarte, stark licht- brechende Linien sichtbar sind. Dreht man den Tubus weiter hinab, so ändern die Ebenen ihre Richtung, bis nach weiterem Drehen wieder andere Richtungen der Ebenen auftreten. Durch jeden solchen Richtungswechsel wird eine neue Laamelle angezeigt. Die Lamellen stossen ebenso scharf wie bei einem makroskopischen Seifenschaum aneinander, und die Winkel, in denen sich die Flächen schneiden, sind hier wie dort verschieden gross. Es ist mithin in den Zellen von C'haetopteris im Princip derselbe Bau wie in den F'ucuszellen vorhanden, d. h. schaumförmig angeordnete, sehr zarte Lamellen durchsetzen die Zelle und theilen dieselbe in eine grosse An- zahl kleiner Kammern, in welchen sich bei beiden Pflanzen der Zellsaft als klare, wässerige Flüssigkeit befindet. Auch in betreff der wandständigen Lamelle verhalten sich beide Pflanzen gleich. Dieselbe kann bei O'haetopteris in gleicher Weise wie bei Fucus nachgewiesen werden, und es zeigt sich hierbei, dass zwischen inneren und wandständigen Lamellen durchaus kein Unterschied wahrzunehmen ist (vergl. hierzu Fig. 20). Das gesammte Lamellensystem ist die Grundlage und Stütze des ganzen Organismus (s. Fig. 20). Ihm sind die Organe, wie Chromatophoren, Kern und Physoden eingelagert. Sich selbst schützt es und stützt es durch Aus- scheidung von festen Membranen (Zellwänden), die es in gewissen Abständen erzeugt. Das Lamellen- oder Plastinsystem bestimmt auf diese Weise die äussere Gestaltung der Zellen resp. des ganzen Organismus. Die einzelnen Lamellen bestehen aus einer hyalinen, durchaus gleich- mässigen Substanz, dem Plastin. Es sind auch hier unmessbar feine Einschlüsse (fädige Difierenzirungen, sehr kleine als auch grössere Physoden) infolge des verschiedenen Lichtbrechungsvermögens wohl von dem Plastin zu unter- scheiden. Die Lamellen können, ähnlich wie Flüssigkeitslamellen aneinander hingleiten und, wie schon mehrfach erwähnt, sich hin- und herbiegen. Das Material der einen Lamelle kann bei Verschiebungen leicht Material zu einer anderen Lamelle liefern. Trotzdem bestehen die Lamellen nicht aus einer Flüssigkeit, ebensowenig wie sie ein starres Gerüstwerk bilden, sondern sie sind plastisch weich, etwa wie 5—10° Gelatine. Infolge ihrer plastisch- weichen Consistenz und ihrer ausserordentlichen Zartheit folgen sie „theil- weise‘ den Gesetzen einer Flüssigkeit. Diese Eigenschaften und Fähigkeiten besitzen die Lamellen jedoch nur im lebenden Zustande. Sobald sie absterben, gerinnen sie und folgen dann nicht mehr den erwähnten Gesetzen, sondern sie bilden nach dem Tode ein mehr oder weniger starres Gerüstwerk. Eine sichtbare Volumveränderung des Plastins findet hierbei nicht statt. Das Aneinanderfortgleiten der Lamellen findet bei C'haetopteris, wie auch bei den übrigen Phaeophyceen, nur in beschränktem Maasse statt. Man sieht wohl bei längerer keobachtung an einzelnen Stellen ein lang- sames Verschieben der einzelnen Lamellen gegeneinander, aber im Wesent- lichen behält das Lamellensystem seine ursprüngliche Gestaltung. Das den Braunalgen zu Grunde liegende Lamellensystem befindet sich also in Ruhe und nicht, wie bei vielen höheren Pflanzen, in fliessender Be- wegung. Es würde dies auch bei den grossschaumigen Gerüstwerken der Braunalgen schwer angehen, da die Lamellen solch grosser Schäume viel weniger widerstandsfähig sind als die Lamellen kleiner Schäume; eine Thatsache, welche ja aus dem praktischen Leben genugsam bekannt ist, und die sich in der Welt im Kleinen in eben derselben Weise zeigt. Es ist aus diesem Grunde eine Zelle mit grossschaumigem Gerlistwerk bei nur leichter Verletzung sofort verloren. Nur eine Lamelle braucht beschädigt zu werden, sie mag gerinnen oder platzen oder sonst wie Schaden nehmen, sofort werden die nächsten Lamellen in Mitleidenschaft gezogen. Das ganze System fängt an, sich mehr oder weniger ruckweise zu verschieben. Dadurch kommt bald hier, bald dort eines der zarten Häutchen zum Platzen; zumal die die Physoden umgebenden Theile der Lamellen reissen sehr leicht. In kurzer Zeit ist das gesammte Lamellensystem der betroffenen Zelle dem schädlichen Einflusse erlegen, und mit dem System selbstredend auch die auf dasselbe angewiesenen Organe, wie Kern, Physoden und Chromatophoren. Anders verhält sich diesin Zellen mit sehr kleinschaumigen Lamellensystemen, z. B. bei Bryopsis. Hier schadet eine Verletzung des Systems bedeutend weniger. Die äusserst kleinen Lamellen platzen keineswegs so leicht wie bei den Braunalgen. Die durch den äusseren Eingriff zunächst betroffenen Theile sind allerdings verloren, aber das ganze System wird bei solch kleinen Schäumen naturgemäss nicht in so verhängnissvolle mechanische Mit- leidenschaft gezogen, wie im vorigen Falle, und die unendlich viel grössere Menge der kleinen Lamellen einer Dryopsiszelle kann die Gleichgewichts- störung viel leichter überwinden, als die wenigen, aber grossen Lamellen einer Braunalgenzelle. Das kleinmaschige Lamellensystem ist also das bei Weitem widerstandsfähigere, und dies mag der Grund sein, dass die höheren Pflanzen wohl immer das kleinmaschige System besitzen. Diejenigen Pflanzen aber, die trotz recht ungünstigen Standortes dennoch ein gross- maschiges System haben, wie z. B. Fucus, sind gezwungen, besondere Vorsichtsmassregeln zu treffen, was bei F'ucus durch Bildung sehr dieker und schleimiger Zellwände erreicht wird. Infolge der leichten Verletzbarkeit grosser Lamellen verbietet sich natur- gemäss auch ein schnelles Aneinanderhingleiten. Es würde hierbei doch sehr leicht eine Lamelle Schaden nehmen können, und dadurch der ganze Elementarorganismus gefährdet werden. Aberabgesehen von der an und für sich gefährlichen Seite der schnellen Bewegung solch grosser Schäume, ist in einer Braunalgenzelle überhaupt gar kein Platz zur freien Entfaltung der Be- wegung vorhanden. Es hat sich ja gezeigt, dass die ganze Zelle annähernd gleichmässig von zarten Lamellen durchsetzt ist. Das ganze Lamellen- system hat sich dadurch selbst in eine Zwangslage versetzt. Es ist eine Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII, Heft III. 30 440 Lamelle mit der anderen insofern fester verbunden, als kein rechter Platz zum Ausweichen vorhanden ist. Es ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Kämmerchen mit einer bestimmten Menge Flüssigkeit gefüllt sind, und dass die Kammern bei eventueller Bewegung ihr Volumen innehalten müssen. Da nun mit wenigen Ausnahmen alle Kammern bei den Braunalgen (d. h. in den einzelnen Zellen) annähernd gleich gross sind, und ein Platz zum Ausweichen in z. B. eine 1000mal grössere Zellsaftkammer, wie dies bei höheren Pflanzen der Fall ist, nicht vorhanden ist, so ist eben der freien Beweglichkeit der einzelnen Lamellen ein erhebliches Hinderniss, im eigenen Interesse der Zelle, entgegengesetzt. (Vergl. z. B. Fig. 10 u. 75.) Kleine Verschiebungen finden jedoch, wie oben bereits erwähnt, öfter statt. Diese zeigen an, dass zwischen dem Lamellensysteme niederer und höherer Pflanzen betrefis der Beweglichkeit ein prineipieller Unterschied nicht besteht. Aus dem erwähnten Platzmangel findet bei höheren Pflanzen auch nie eine Bewegung in solchen Zellen statt, welche voll von „Protoplasma‘“ sind, wie z. B. Embryonalzellen sowohl der vegetativen als auch der Fructifikations- organe. Das ganze Lamellensystem dieser Zellen befindet sich unter gleichen Bedingungen, wie die Zellen der Braunalgen; nur mit dem Unterschied, dass das Gerüstwerk im Durchschnitt Kleinmaschiger ist. Auch hier setzen die Zellwand, die gleiche Grösse der einzelnen Kammern resp. das Fehlen einer oder mehrerer grosser Kammern (Zellsatträume) der freien Bewegung ein Hinderniss entgegen. Erst dadurch, dass der kleine Organismus einige von den tausenden Kammern seines Lamellensystems durch Wasseraufnahme recht bedeutend vergrössert und sich im Zusammenhang damit ein weites, bequemes Gehäuse verschafft, gewinnt das Lamellensystem Raum, sich frei zu bewegen, seinen Trieb zum Leben auch äusserlich zu entfalten. Es hat dann ähnliche Bedingungen, wie eine Amöbe auf freiem Felde. Vielleicht ist es nicht unangebracht ein praktisches Beispiel anzuführen, obgleich ich, wie nebenbei bemerkt sei, es für sehr verfehlt halte, sich das ganze Weltall resp. die gesammten Leistungen in demselben auf chemisch- physikalische Art erklären zu wollen. Schüttelt man in einem Glaskolben etwas Seifenlösung in der Art, dass der ganze Kolben von einer Anzahl Lamellen annähernd gleichmässig durch- setzt ist, und giesst die überschüssige Seifenlösung ab, so wird man finden, dass dies Lamellensystem auch beim Drehen des Kolbens in Ruhe bleibt. Es fehlt gewissermassen an Raum. Ein solcher Fali würde den Zellen der Braunalgen entsprechen. Zerstösst man nun die Lamellen und schüttelt zur Hervorrufung eines kleinmaschigen Schaumes ein wenig, so hat man in dem Kolben genau dieselbe Menge Lamellensubstanz, nur nicht mehr gleich- mässig durch das ganze Innere des Kolbens vertheilt; sondern ein Theil der Lamellensubstanz bildet eine zarte wandständige Lamelle, welche den Kolben auskleidet und unsichtbar ist, der andere Theil ist im Kolben als ein kleinmaschiger Schaum, als kleinmaschiges Lamellensystem neben dem grossen lufterfüllten Raum — entsprechend dem Zellsaftraum — vor- 441 handen; ein Fall, der den meisten vegetativen Zellen höherer Pflanzen, z. B. Elodea, entsprechen würde. Bewegt man nunmehr den Kolben, so ist für dieselbe Menge Lamellen- substanz, wie im ersteren Falle, der genügende Raum zur freien Bewegung geschaffen, und das feinmaschige Lamellensystem fliesst leicht in dem Kolben umher. — Auf die Entwickelung des gesammten Lamellensystems einer C’haetopteris wird später in einer zusammenhängenden Besprechnng dieser Frage zurück- zukommen sein. Nachdem auch bei Chaetopteris ein Lamellensystem als Grundlage der Zellen erkannt worden ist, möge ein Blick auf das Verhältniss geworfen werden, in dem die Lamellen, der Zellkern, die Chromatophoren und Physoden zu einander stehen. Es wurde diese Frage schon bei der Besprechung von Fucus berührt, und das dort Gesagte trifft auch für C'haetopteris zu. Der Zellkern, die Chromatophoren und die Physoden sind hier wie dort den zarten Lamellen eingelagert und werden von diesen straff umspannt. (Vergl. hierzu Fig. 20, welche die Verhältnisse auf dem opt. Durchschnitt zeigt.) Unter Berücksichtigung des bei F’ucus Gesagten mögen hier die näheren Beziehungen der erwähnten Organe zur Lamellensubstanz, mit Ausschluss der physiologischen, erörtet werden. Der Zellkern und die Chromatophoren sind, wie schon mehrfach hervor- gehoben, den Lamellen in derselben Weise eingelagert, wie die Physoden. Dennoch besteht ein sehr wesentlicher Unterschied, welcher dadurch bedingt ist, dass Zellkern und Chromatophoren in sich selbst abgeschlossene, selbst noch weiter differenzirte Gebilde sind, während die Physoden in allerengster Beziehung zum Lamellensysteme stehen. Sowohl den Kern als die Chromatophoren könnte man, wenn es die Grössenverhältnisse gestatteten, mittelst eines feinen Schnittes aus der Lamelle herauslösen. Es würden hierbei plastisch weiche, doch scharf begrenzte Organe erhalten werden, welche selbst wieder einen kunstvollen Bau auf- zuweisen haben. Wollte man aber versuchen eine Physode in dieser Weise herauszulösen, so würde dies nicht angehen, denn anstatt eines fest abge- schlossenen Körpers würde ein mehr oder weniger zähflüssiger Tropfen beziehentlich ein Gemisch hervortreten. Bereits in der Abhandlung: ‚„‚Morpho- logische und mikrochemische Untersuchungen über die Physoden. Bot. Zeit. 1393“ ist von mir bei Beschreibung der mikrochemischen Reactionen des Näheren auf die mehr flüssige Beschaffenheit des Physodeninhaltes hinge- wiesen worden. Sehr deutlich zeigt sich dies an den mit Methylenblau gefärbten Physoden der braunen Algen. Bringt man diese auf eine be- liebige Art, z. B. durch Abtöten mit heissem Wasserdampf oder Aether- dampf zum Platzen, so tritt eine blaugefärbte, mehr flüssige, als weiche Masse heraus, welche sich im Zellsaft vertheilt. Der Physodeninhalt ist also demnach kein in sich abgeschlossenes, kunst- 30* 442° voll gebautes Organ, wie ein Zellkern, sondern es ist ein bisweilen im Inneren differenzirter Tropfen plastischen Baustoffes, welcher jedoch bereits in gewissem Grade individualisirt sein muss; eine Folgerung, die aus den eigenmächtigen Bewegungen hervorgeht, worüber später Weiteres. Der Physodeninhalt steht zur Lamellensubstanz sicher in viel innigerer Beziehung als der Zellkern und die Chromatophoren, was schon aus dem erwähnten äusseren Zusammenhang hervorgeht. Der individualisirte Physodeninhalt ist gewissermassen das ausführende Organ des Plastins. Wo Neubildungen stattfinden, sind Physoden betheiligt. In den gewöhnlichen vegetativen Zellen besorgen sie, indem sie nach Be- lieben umhergleiten, den Austausch zwischen den einzelnen Theilen der Zelle. Ausserdem sind die Physoden, wie im letzten Kapitel der Ab- handlung näher begründet werden wird, als die Athmungsorgane der Ele- mentarorganismen anzusehen. Wenngleich ich das Wesentlichste über die Physoden bereits in der vor- läufigen Mittheilung ‚Die Physode, ein Organ des Zellenleibes. D. Bot. Ges. 1892‘ erwähnt habe, so erscheint es doch gerechtfertigt, hier im Zu- sammenhang nochmals darauf einzugehen, zumal ich in der betreffenden, vor mehr als 3 Jahren erschienenen kurzen Mittheilung eine irrige Auf- fassung von dem Aufbau des Elementarorganismus hatte. Vorweg eine Klarstellung hierüber. Ich glaubte damals in dem stets deutlich sichtbaren Lamellensystem, von dem oben die Rede war, „Protoplasma“, also den inbetreff seiner Struktur so viel umstrittenen Körper, das geheimnissvolle Mixtum Compositum, vor mir zu haben. Die Lamellen (und Bänder, wie ich mich mehrfach fälschlich ausgedrückt habe) hielt ich gleichwerthig mit den bekannten ‚‚Protoplasma‘'- strängen einer T’radescantiazelle. Die zarten, bei günstigem Material innerhalb der Plastinlamellen nicht selten auftretenden fädigen Differenzirungen, von denen schon mehrfach die Rede war, hielt ich erst für die von verschiedenen Forschern bereits angegebenen sichtbaren Protoplasmafibrillen und Stränge. Bei geeignetem Material war ja an manchen Stellen der Zelle die netzförmige Verbindung dieser Gebilde deutlich zu beobachten. Deshalb war ich der Ansicht, in einigen Theilen der Zelle die „netzförmige‘‘ Struktur des Protoplasma gefunden zu haben. Jedoch schon damals theilte ich mit, dass ich diese netzförmige Struktur nicht über die ganze Zelle verbreitet finden konnte und dass sie sich auch oftmals der Wahrnehmung wieder entzog. (Es beziehen sich diese Beobachtungen auf lebendes Material.) Thatsächlich sind jedoch die Verhältnisse im vorliegenden Falle — wie überhaupt überall — von bewunderungswürdiger Einfachheit; ich ahnte dies nur seiner Zeit nicht, sondern hielt meine Beobachtungen selbst, als auch die Instrumente für nicht ausreichend. Erst im Laufe der weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass die, von einem Theil der betheiligten Forscher an dem Protoplasma höherer Pflanzeu gefundene Struktur, welche von anderen Forschern wieder in Abrede 443 gestellt wird, in dem vorliegenden Falle jedem Beobachter klar vor Augen liegt. Bei Chaetopteris wie bei F’ucus stellt eben das grossmaschige Lamellensystem die „Protoplasmastruetur‘ dar, deren Auffindung und richtige Deutung bei dem kleinmaschigen Protoplasma höherer Pflanzen und Thiere so grosse Schwierigkeiten verursacht. Die deutlich sichtbaren Lamellen der Braunalgen sind also durchaus kein „‚Protoplasma“, sondern einfache Lamellen, wie sie sich zu Tausenden in einem Protoplasmastrang eines Urticahaares finden. Es liegt hier nicht etwa ein Wortspiel vor, sondern ein Punkt von ausserordentlicher Wichtigkeit, weil hierdurch die thatsäch- liche Struktur des Protoplasma angezeigt wird. Es wird hierauf später ausführlich zurückzukommen sein. Das „Protoplasma‘‘ wird infolge dieser Erkenntniss in mehrere so prineipiell verschiedene Theile zerlegt, dass ich weder eine morphologische, noch eine physiologische Einheit im ,„Proto- plasma“ zu erkennen vermag und diesen Begriff fallen lassen muss. Es wird infolge der Uebersichtlichkeit möglich, eine bestimmtere Definition der einzelnen Theile der Zelle zu geben, und bei Beurtheiluingen kommt man nicht so leicht in Verlegenheit zu entscheiden, wohin dieser Theil, wohin jener Theil der Zelle gehört. Die bei den Braunalgen zu beobachtenden fädigen Differenzirungen, welche zu dem früheren Irrthum die Veranlassung gegeben hatten, sind auftretende und wieder verschwindende Stoffwechsel- produkte innerhalb der Lamellen. Es bietet sich also bei den Braunalgen Gelegenheit, das Leben und Treiben innerhalb einer Lamelle zu beobachten, was bei den kleinmaschigen Lamellensystemen höherer Pflanzen mit unseren jetzigen Hilfsmitteln un- möglich ist. Es ist schon bei höheren Pflanzen, trotz bester Instrumente, meist recht schwierig, sich von dem als Netzwerk erscheinenden Lamellensystem an lebendem Material zu überzeugen. Kommen nun noch, wie es nach den Beobachtungen deu Anschein hat und auch nicht ‚anders zu erwarten ist, durch die nur hin und wieder auftretenden und wieder verschwindenden Differenzirungen Complicationen hinzu, welche als stärker lichtbrechende, sich über mehrere Maschen erstreckende, torulös aufgetriebene Fädchen erscheinen, so tritt leicht, da diese Differenzirungen häufig etwas dicker als die Lamellen sind, bei der Beobachtung das zarte Lamellensystem theilweise zurück Man glaubt in einer homogenen Grundmasse torulöse Fädchen zu sehen die theils aus obigen Differenzirungen, theils aber auch aus zufällig besser sichtbaren Lamellen mit eingelagerten Physoden (Mikrosomen) bestehen. Auf Grund dieser unvollkommenen Beobachtung kann man dann leicht zu der Ansicht gelangen, dass das Protoplasma aus einer mehr oder weniger homogenen Grundmasse mit eingelagerten, theils netzartig verbundenen, theils losen Fädchen bestehe. Was nun die Beschreibung der sichtbaren Lebensvorgänge innerhalb der Plastinlamellen betrifft, so lässt sich im Wesentlichen die Tafel No. XVII der Berichte der deutsch. bot. Gesellschaft, Jahrg. 1892, zu Grunde legen 444 Wennschon in dem zugehörigen Aufsatz die soeben erwähnten Irrthümer in Bezug auf die Deutung des Gesehenen vorgekommen sind, so ändert dies an den Bildern als solehen nichts. Man halte nur fest, dass die doppelt contourirten Linien die Lamellen anzeigen, welche sich nach dem Zellinneren zu erstrecken, ferner dass diese Abbildungen für die oberste Einstellung der be- treffenden Zelle gelten, also dass das Blatt Papier gewissermassen als die die Zelle nach Aussen abschliessende Plastinlamelle anzusehen ist. Dem Beobachter zugewandt, würde dann die Zellwand zu denken sein; während nach unten zu das Lamellensystem in der angedeuteten Weise (d. h. an den doppelt contourirten Linien) sich erstrecken, und sich im übrigen Theile Zellsaft befinden würde. Es sind in den Figuren nur immer kleine Stücke einer Zelle wiedergegeben, so z. B. würde die Zelle zu Fig. 4 völlig ab- gebildet ca. 71 cm lang sein. Die der Fig. 1 entsprechende Zelle würde immer noch ca. 25 cm der Länge nach beanspruchen. In den von den Lamellen gebildeten Waben befindet sich der Zellsaft als eine vollkommen klare, wässerige Flüssigkeit. Bei etwas tieferer Ein- stellung verschwindet die uns mit ihrer Fläche zugewandte Lamelle sammt ihren sichtbaren Einlagerungen, und wir erhalten ein Bild, welches uns nur den Durchschnitt der einzelnen Lamellen zeigt. Man erblickt ein scheinbares Netzwerk zarter, stark lichtbrechender Linien, welche in mehr oder weniger regelmässigen Fünf- und Sechsecken angeordnet sind. Da die nunmehr sichtbaren Lamellen senkrecht stehen, so sieht man die eingelagerten Chromatophoren nieht mehr von der Flachseite, sondern in Profilstellung. Fig. 20 dieser Abhandlung zeigt C'haetopteris annähernd auf dem optischen Durchschnitt, weswegen eine Anzahl der Chromatophoren in Profilstellung zu sehen sind. Es handelt sich in der Figur um ein besonderes Stadium der Zelltheilung, weshalb sich in der wandständigen Lamelle nur vereinzelte Physoden vor- finden. Aus beiden erwähnten Figuren wird sich, trotzdem die Abbildungen von verschiedenen Objekten stammen, leicht ein körperliches Bild einer Chaetopteriszelle vorstellen lassen. Fig. 1 der Physodentafel entspricht ungefähr der Hälfte einer Seite der Fig. 20 dieser Abhandlung. _ An der Physodentafel zeigt sich nun, dass in einem Stück der wandständigen Lamelle, Fig. 1, eine reichliche Anzahl von Chromatophoren und Physoden liegen. Die wandständige Lamelle ist, wie früher gezeigt wurde, äusserst dünn und verändert ihre Lage nicht. Sie ist selbstredend wegen ihrer Durchsichtigkeit und Lage nicht zu sehen, desto ungetrübter treten alle sichtbaren Veränderungen in ihr hervor. Bei längerer Beobachtung sieht man nun die eine oder andere Physode zunächst ihre Umrisse verändern und schliesslich unter vielfacher Formenveränderung in der Lamelle umherkriechen. Fig. 2 der Physodentafel, wie auch Fig. 22 dieser Abhandlung, stellen solehe sehr häufig auftretende Formveränderungen einer Physode dar. In Fig. 22 sind Differenzirungen innerhalb der Physoden sichtbar, Die Physode ist nun nicht etwa an eine Masche des Lamellen- 445 systems gebunden, sondern sie kann in särnmtlichen Lamellen einer Zelle umherkriechen. Besonders in den Hyphenzellen von Fucus, die im Bau doch vollkommen einer C'haetopteriszelle entsprechen, hatte ich Gelegenheit, grosse Wanderungen der Physoden in dem ruhenden Lamellensystem zu beobachten. In Fig. 13 dieser Abhandlung ist beispielsweise der Weg einer Physode mit rothen Punkten eingezeichnet. Desgl. vergl. Fig. 44. Auch in vielen Fructificationszellen sind grössere Wanderungen nicht selten. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass es sich hierbei um Geduldsproben handelt. Die fortwährende Beobachtung ein und derselben Physode, 4—5 Stunden und noch länger, darf den Beobachter nicht verdriessen. Uebrigens so einfach und harmlos der ganze Vorgang der Physodenbewegung ist, so fesselnd ist er doch. Nur ungern unterbricht man die Beobachtung. Am interessantesten ist in dieser Beziehung, soweit meine Kenntnisse reichen, jedenfalls Chaetopteris. Bei einiger Uebung sieht man bald, welches eine zur Beobachtung ge- eignete Physode ist. In der erwähnten Fig. 1 (der Physodentafel) würden sich voraussichtlich die zwei Physoden eignen, die sich in der linken, unteren Masche befinden. Die untere, mit dem Fortsatz versehene, würde sich gewiss bald unter amöboiden Formveränderungen fortbewegen und mehr oder weniger ver- zweigte Ausstülpungen treiben. Desgleichen würde die oben in der Ecke befindliche Physode nicht lange auf ihre characteristischen Eigenschaften warten lassen. Zur Beobachtung eignen sich durchschnittlich solche Physoden am besten, die scheinbar innerhalb einer Masche des Netzwerkes liegen. Diese gleiten auch besonders leicht in ein und derselben Ebene, d. h. in unserem Falle in der wandständigen Gesammtlamelle über die Berührungslinien der von unten herkommenden Lamellen hinweg. Von innen herkommende Physoden dagegen, welche in die wandständige Lamelle übertreten wollen, bleiben gewöhnlich lange Zeit an der Kante liegen. Die Ueberwindung der scharfen Biegung, es handelt sich in solchen Fällen fast stets um einen rechten Winkel, setzt der wandernden Physode Schwierigkeiten entgegen, welche erst nach und nach überwunden werden. Vorwiegend die in der wand- ständigen Lamelle befindlichen Physoden zeigen bei längerer Beobachtung die bereits früher beschriebenen reichlichen Formveränderungen und Ver- ästelungen, was ja auch, da hier die Physode gewissermassen mit der Aussen- welt in Verbindung tritt, leicht erklärlich ist. Die Formveränderungen, wie sie Fig. 2 und 5 der erwähnten Tafel XVIII zeigen, kommen grössten- theils Physoden zu, welche in dem Lamellensystem umherwandern. Die feinen Verästelungen, wie sie die übrigen Figuren zeigen, werden dagegen meist von solchen Physoden gebildet, welche in einem kleinen Distrikte ihre Thätigkeit entfalten. In diesen Fällen scheint sich eine der wesentlichsten Bestimmungen der Physoden, ihre Wirkungsweise innerhalb der Lamellen, zu uffeubaren. 446 Die in der äusserst zarten Lamelle hängende Physode treibt abwechselnd nach allen Richtungen hin fein verzweigte Aestchen (vergl. Fig. 4—8 der Tafel XVII), von denen jedes die Lamelle mehr oder weniger auf- treibt. Durch das Wiedereinziehen und Entsenden neuer Aestchen kommt der Physodeninhalt fast mit jedem Molekül des kleinen Plastinlamellenstückes in Berührung. Die kleinsten Theilchen können so auf die denkbar günstigste Weise Stoffe an die Physode abgeben und andererseits ihr solche entnehmen, zu welch letzteren Stoffen unter Umständen auch der active Sauerstoff gehören dürfte (vergl. letztes Capitel). Während dieser Thätigkeit findet kein erhebliches Umherwandern der Physode statt, sondern sie bleibt meist bis zur Vollendung ihrer Arbeit in demselben Lamellenstück. Wenn der Austausch in diesem Lamellenstück einige Stunden lang statt- gehabt hat, zieht die Physode allmählich ihre Aestchen sämmtlich ein und bekommt so wieder das tröpfehenähnliche Aussehen der meisten Physoden. Häufig wandert sie dann mit neuen Stoffen beladen, unter schwach amöboiden Formveränderungen nach einer anderen Stelle des Lamellen- systems. Wie ferner früher gezeigt wurde, gleiten nicht selten Physoden von der Zellwand nach dem Zellinneren, dem Zellkern, zu, welch letzterem sie sich häufig längere Zeit dicht anschmiegen, voraussichtlich um auch hier Stoffe abzugeben und andere aufzunehmen. Die Physode tritt auf diese Weise sowohl mit dem gesammten Lamellen- system, als auch mit dem Zellkern in innigste Beziehung und vermittelt unmittelbar zwischen dem Kern und jeder einzelnen Stelle des im vor- liegenden Falle ruhenden Lamellensystems. Sie führt gewiss dem Kern plastische Baustoffe zu, welche wohl nicht zum kleinsten Theile in der wandständigen Lamelle gebildet werden, da hier die Chromatophoren liegen und hier Kohlensäure, wie auch Sauerstoffmoleküle, von aussen eindringend, zuerst mit der lebenden, stoffbildenden Substanz in Berührung kommen. — Andererseits wird auch die Physode etwa vom Kern produeirte Stoffe an die einzelnen Lamellen vertheilen. — Auf den gegenseitigen Austausch der kleinsten Lamellentheilchen unter sich wurde bereits oben hingewiesen. Der direkte Verkehr der Physoden mit den Chromatophoren tritt gegen den Verkehr mit dem Zellkern erheblich zurück, voraussichtlich, da von den Chromato- phoren zunächst wasserlösliche, diffusionsfähige, sich also in der gesammten Zelle vertheilende chemische Körper (z. B. Zucker) gebildet werden, die dann, wo sie gebraucht werden, sei es zur Aufbauung, sei es zur Verathmung, sei es zur Bildung von Reservestoffen (wobei z. B. die Stärke als concentrirter Zucker angesehen werden kann), derUmgebung entzogen und verarbeitet werden. Betreffs der in den Physoden enthaltenen Stoffe habe ich in der Ab- handlung ,„Morphologische und mikrochemische Untersuchungen über die Physoden‘‘ des Näheren gezeigt, dass in den Physoden äusserst reactions- fähige, sich sehr leicht umsetzende chemische Verbindungen vorhanden sind. 447 Sie enthalten, soweit meine Erfahrungen reichen, bei allen Pflanzen die am leichtesten oxydirbaren Stoffe der Zelle, resp. die am stärksten redu- eirenden; ein Umstand, der die Bedeutung der Physoden erst in das richtige Licht stellt. Bei den Braunalgen, wo sie eingehender studirt wurden, ent- hielten sie complieirte aromatische Verbindungen — insbesondere wurde Phlorogluein als Atomeomplex darin nachgewiesen. Bei anderen Pflanzen, z. B. gewissen grünen Algen war oft kein phenol- artiger Atomcomplex in den Physoden nachzuweisen. Diese Thatsache ist insofern von Wichtigkeit, als dadurch angezeigt wird, dass die Pflanze zum Aufbau des Plastins etc. sich recht verschiedener Atomgruppen bedienen kann und bedient. An die Bearbeitung der interessanten Frage, ob bei höheren Pflanzen die Eiweisskörper in den Physoden enthalten sind, bin ich leider aus äusseren Umständen nicht gekommen. Ich vermuthe, dass dies der Fall ist, da das Lamellensystem aus Plastin, also aus keinem Fiweisskörper in engerem Sinne besteht. Bei Verfolgung dieser Verhältnisse an reifenden Samen werden sich unter Berücksichtigung der umfangreichen chemisch - physiolo- gischen und agrieultur-chemischen Arbeiten gewiss werthvolle Anhaltspunkte ergeben. Hervorzuheben ist ferner, dass dem Physodeninhalt eine gewisse Vitalität nicht abgesprochen werden kann; es sind nicht leblose Molekülaggregationen, die in dem ruhenden Lamellensystem umhergleiten, und die mit allen Plastin- theilchen in Berührung zu kommen suchen, es sind nicht Bewegungen, die sich auf rein chemisch-physikalische Gesetze zurückführen lassen, sondern es sind Bewegungen, denen bereits ein zielbewusstes Streben zu Grunde liegt. Insbesondere bei den Braunalgen lässt sich dies gut verfolgen, da sich dort keine Protoplasmaströmung vorfindet, welche die Physoden an die be- treffenden Orte hinführen könnte; sondern hier tritt deutlich zu Tage, dass die Physodenbewegung eine freiwillige ist, dass die Physoden in bestimmten Stadien an den Kern hinwandern, in anderen Stadien an die Stelle, wo neues Plastin, wo eine neue Zellwand aufgebaut werden soll u. s. f. Kurz, jeder Bewegung liegt eine bestimmte Absicht, ein bestimmter Wille zu Grunde. — Der Schwerpunkt des Lebens, das Grossartigste des Assimilationspro- zesses, liegt aber in dem Sichselbstbewusstwerden, in dem Willenskräftig- werden der Materie. Ein Stärkekorn ist todt, an und für sich unbeweg- lich, der Inhalt einer Physode aber besitzt derartige eigenmächtige und geistige Fähigkeiten, dass er unbedingt als „lebendig“ bezeichnet werden muss. — Im Uebrigen findet in einer Pflanzenzelle ein so zielbewusstes, ein so geordnetes Leben und Treiben statt, die mannigfaltigen Organe greifen so harmonisch ineinander und ergänzen sich so vollkommen, dass sie einem Staatswesen zum Muster dienen könnte, Die lebenden Theile sind nicht gegen- 448 seitig subordinirt, sonderen sämmtlich, da nöthig, coordinirt. Verlust bezw. Unterdrückung eines Organes würde den Zerfall des Ganzen bewirken. Betreffs der Physoden ist noch darauf hinzuweisen, dass dieselben ausser unentbehrlichen Regulatoren zugleich Sammelpunkte, Aufspeicherungsorte für bereits individualisirte Materie sind, welch’ letztere hauptsächlich eine Vor- stufe des Plastins darstellt. Bei der Besprechung der Zelltheilung wird auf das Ineinandergreifen der einzelnen Theile des Organismus noch einmal zurückzukommen sein. Ausser den Physoden, welche sich in vegetativen Zellen stets vorfinden, zeigen sich bei C'haetopteris häufig, zumal bei längerer Beobachtung, noch als weitere sichtbare Lebenserscheinungen innerhalb der Lamellen die schon mehrfach erwähnten fadenförmigen Differenzirungen. Dieselben stellen un- gleichmässig dieke, meist torulöse stark lichtbrechende Fädchen dar (vergl. Physodentafel und Fig. 20 dieser Abhandlung, in welcher ein kleines Stück Differenzirung in entsprechender Grösse eingezeichnet ist). Die Fädchen krümmen sich mehr oder weniger lebhaft hin und her. Gewöhnlich treten in der Nähe der ersten Ausscheidung noch mehrere solcher Ausscheidungen auf und diese können untereinander in Verbindung treten. Es entsteht auf diese Weise schliesslich in der Lamelle ein Netzwerk von verschieden dicken, sich hin und her krümmenden Fädchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind es wichtige Stoffwechselproducte. Sie haben durchaus nichts mit der „‚Protoplasma- struktur‘ gemein, wenigstens nicht mit derjenigen „Protoplasmastruktur‘, über welche zur Zeit discutirt wird. Bisweilen treten die Differenzirungen an den Rändern der Chromato- phoren auf und entfernen sich allmählich von diesen, so dass es den An- schein hat, als ob die Chromatophoren einen flüssigen Stoff, der sich in den Lamellen vertheilt, ausschieden resp. in ihrer nächsten Nähe erzeugten. Manchmal ziehen sich solehe Fädehen zu kleinen Tröpfehen zusammen. Ob dies etwa Physodenanfänge sind, konnte bis jetzt nicht mit Sicherheit fest- gestellt werden. Jedenfalls entstehen aber diese Differenzirungen häufig in der nächsten Umgebung von in voller Thätigkeit befindlichen Physoden und treten dann auch mit diesen in direkte Verbindung. Der Physodeninhalt erstreckt sich hierbei nicht selten in die Fädchen, und es ist dann schwer zu sagen, wo die Physode aufhört und wo die Differenzirung anfängt. Am besten scheint die Trennung noch mit Methylenblau zu gelingen. Chaetopteris-Physoden lassen sich lebend mit sehr verdünnter Methylen- blaulösung recht gut färben, und sie behalten, wenn man die Färbung bei Zeiten unterbricht, ihr Bewegungsvermögen bei. An den fädigen Differenzirun- gen konnte ich dagegen eine Blaufärbung nicht beobachten. Infolgedessen liess sich feststellen, welcher Theil zur Physode und welcher Theil zur zeitweiligen Ausscheidung gehörte. Die durch Methylenblau bisweilen blau- gefärbten stärkeren Fäden rühren von zufällig langgestreckten Physoden her, BR Die Differenzirungen verschwinden nach kürzerer oder längerer Zeit wieder. Ich kann sie nur als intermediäre Stoffwechselprodukte auffassen und hebe nochmals hervor, dass sie mit dem z. B. bei Urtica als Plastin- fibrillen erscheinenden Lamellenwerk nicht verwechselt werden dürfen. Sie werden auch dort in den Lamellen auftreten und dadurch die Erkenntniss des ohnehin schon schwer zu erkennenden Netzwerks (Lamellensystem) noch erheblich beeinträchtigen. Es sei daran erinnert, dass diese Differenzirungen besonders bei den sehr kleinmaschigen, längsfibrillär erscheinenden F'ucus- zellen häufig auftraten und wesentlich zur schwierigeren Erkenntniss des Gesehenen beitrugen, dass uns dort aber die etwas grössermaschigen Nachbar- zellen die gewünschte Aufklärung gaben. (Vergl. Fig. 10 u. 11.) Woraus die Differenzirungen bei den Braunalgen bestehen, darüber konnte ausser einigen negativen Vorproben nichts ermittelt werden. Während all’ der sichtbaren Lebensvorgänge innerhalb der Plastin- lamellen ist an letzteren selbst keinerlei Veränderung zu bemerken. Sie behalten ihre gegenseitige Lage im Wesentlichen immer bei und rufen bei den Braunalgen am wenigsten den Eindruck des Lebenden hervor. Die Chro- matophoren zeigen bei den stundenlangen Beobachtungen hin und wieder Formveränderungen. Auch sie können sich dabei in den ruhenden Lamellen verschieben. Hauptbedingung für diese Beobachtungen ist gutes, lebenskräftiges Material. Junge, üppig sprossende Chaetopterisscheitel eignen sich sehr gut dazu. Ueberhaupt sind jugendliche Zellen älteren vorzuziehen. Auch fruktifieirende Zellen der verschiedenen Braunalgen sind, zumal in den ersten Stadien, für diese Zwecke recht geeignet. Man stellt zweckmässig die Objekte gleich mit einer brauchbaren Oel- Immersion (z. B. Winkel "zo) bei nicht zu greller Beleuchtung ein (zu grelles Licht verwischt die Einzelheiten) und beobachtet dann ruhig. Von Zeit zu Zeit wird das verdampfende Wasser ersetzt, wobei das Deck- glas möglichst nicht zu berühren ist. Ungefähr nach 1—1"s Stunden wird sich das Material so weit an die äusseren Bedingungen gewöhnt haben, dass wenigstens an einzelnen Stellen eine normale Lebensentfaltung erwartet werden kann. Es lässt sich die Frage aufwerfen: Ist das, was nach mehreren Stunden beobachtet wird, normal oder krankhaft? Muss die Pflanze unter den geänderten äusseren Bedingungen nicht viel zu sehr gelitten haben? Diese Fragen sind zu verneinen. Wohl wird zunächst durch die äusseren Eingriffe die Lebensthätigkeit der Zelle gehemmt. Es tritt eine Stockung der Bewegungsvorgänge ein, ähnlich, allerdings schwächer, wie in den ersten Stadien des Absterbens. Die Physoden runden sich mehr oder weniger ab, sie nehmen tröpfchen- artige Gestalt an und bleiben meist ruhig an ein und derselben Stelle liegen. 450 Infolgedessen haben sie dazu Veranlassung gegeben, als hyaline Tröpfchen, Oeltröpfehen, Gerbstofftröpfehen, ja sogar als stärkeähnliche Gebilde (Fucosan- körner) gedeutet zu werden. (Näheres hierüber und die diesbezügl. Literatur- angaben finden sich in der Mittheilung ‚Ueber die Hansteen’schen Fucosan- körner“, Ber. d. d. bot. Ges. XI. p. 235.) Nach einiger Zeit beginnt jedoch die Bewegung der Physoden und event. auch der Chromatophoren. Beide, insbesondere aber erstere, nehmen wieder natürliche, ungezwungene Formen an, indem sie mehr amöboide Umrisse bekommen. Bei erkrankten Zellen dagegen ist das Bild ein völlig anderes. Das Lamellensystem, welches ebenfalls einen Schaum bildet, sieht bei erkrankten Zellen sofort anders aus. Es ist nieht schlaff oder besonders unregelmässig und doch zeigt es nicht mehr jene Frische, wie in gesunden Zellen. Die Lamellen erscheinen nicht mehr als haarscharf aufeinanderstossende, äusserst zarte Linien; das Ganze zeigt nicht mehr die innere Kraft. — Alles, die einzelnen Kammern des Lamellensystems, Physoden, Chromatophoren suchen sich abzurunden, wodurch eine solche Zelle sofort ein anderes Aussehen erhält, ohne zunächst im Princip verändert zu sein. Anfangs sind die Chromatophoren noch braun, hier oder dort bewegt sich auch noch eine Physode. Aber nach kürzerer oder längerer Zeit geht die braune Farbe der Chromatophoren in eine grüne über, wobei Strukturen hervorzutreten scheinen. Dann verschwimmt bald hier, bald dort eine Lamelle genau in der Weise, wie es von makroskopischen Schäumen her bekannt ist. Ein Ruck — und die Lamelle ist verschwunden. In demselben Moment verändern auch die Nachbarlamellen unter stossweisem Hin- und Herziehen ihre gegenseitige Lage. In der Nähe befindliche Physoden platzen infolge der Erschütterungen u. s. w. Nach einiger Zeit verschwindet wieder eine Lamelle, dadurch ähnliche Erscheinungen hervorrufend, und schliesslich kommt eine kurze Zeit lang das ganze Lamellensystem einer Zelle in krampfartiges, stossweises Hin- und Herziehen. Ein beträchtlicher Theil der Physoden, besonders die grossen, platzen; die Chromatophoren werden alle gleichmässig grün und runden sich mehr oder weniger ab, meist eine linsenförmige Gestalt annehmend. Dieser allgemeine Wirrwar dauert nur kurze Zeit, dann hört alle Be- wegung in der Zelle auf. Die Zelle ist unter Zurücklassung eines Trümmer- haufens abgestorben, doch ist oft noch ein Theil des leblosen Schaumwerkes erhalten. Auch dieser Trümmerhaufen bietet noch einiges Interesse, da hieraus mit ein Schluss auf den Aggregatzustand der Plastinlamellen gezogen werden kann. Im Laufe der Abhandlung hat sich gezeigt, dass die Plastinlamellen vielfach den Gesetzen einer Flüssigkeit folgen. Zumal bei dem Prozess des Absterbens, bei welchem eine Anzahl Lamellen genau in der Weise, wie die Lamellen eines Seifenschaumes platzen, und wobei die Nachbarlamellen in 451 beiden Fällen nach denselben Gesetzen ihre gegenseitige Lage ordnen, tritt die Aehnlichkeit mit Flüssigkeitsschäumen hervor. (Vergl. das weiter oben bezüglich des Lamellensystemes Gesagte.) Beim Absterben einer Zelle ist es im Verhältniss nur ein ganz geringer Theil der Lamellen, welcher durch Platzen verschwindet, und zwar findet dieses Zerplatzen der Lamellen nur in den ersten Stadien des Absterbens statt, in dem also die betreffende Plastinlamelle noch nicht abgestorben ist und deshalb noch Elastieität und Contractilität besitzt. Mit dem Tode hört diese Eigenschaft, wie früher erörtert, sofort auf, und der andere, bei Weitem grösste Theil der Lamellen, fast das ganze System einer Zelle, verliert schnell die erwähnten Eigenschaften. Die hyalinen, straffgespannten Lamellen gerinnen zu feinkörnigen, welken Häutchen, ohne dabei ihr Volumen zu verändern. Die Häutchen bleiben, wie das ursprüng- liche System, schaumförmig angeordnet, nur dass jene innere Spannkraft fehlt, und eine allgemeine Schlaffheit und zugleich Starrheit Platz gegriffen hat. Zellkern, Chromatophoren und die nicht geplatzten Physoden bleiben wie zuvor in dem veränderten Lamellensystem hängen. Diese Verhältnisse treten beim gewöhnlichen Absterben der Zelle ein. Es sind also nicht etwa Fixirungsmittel, welehe die Lamellen zum Gerinnen bringen, sondern es liegt in dem Wesen der Lamellen selbst, im Augenblick des Absterbens zu gerinnen, ohne ihr Volumen zu verändern. Es führt mithin ein gewisser Energieverlust das vollständige Starrwerden des sonst plastischen Körpers herbei — etwa umgekehrt, wie die Zufuhr von einigen Wärme- graden feste Gelatinemischung in plastisch-weiche Substanz und schliesslich in Flüssigkeit überzuführen vermag. Berücksichtigt man noch die be- wunderungswürdige Zartheit der Plastinlamellen, sowie die Consistenz von lebenden, wie durch Abpressen von der Kammerflüssigkeit befreiten Plas- modien, so muss man wohl zugeben, dass die Plastinlamellen in lebendem Zustande Einiges mit Flüssigkeiten gemein haben, dass sie aber thatsächlich eine feste, doch plastische Consistenz besitzen. Es ist dies auch kaum anders denkbar. Wie wenig Plastinsubstanz, welche doch nur einen sehr geringen Procentsatz des als ‚„Protoplasma‘ bezeichneten Gemisches ausmacht, gehört zu einem Organismus!. Ob wohl zu einem ausgewachsenen Eichbaum ein Cubikdezimeter Plastinsubstanz gehört? Ich glaube sicherlich nicht. Und doch giebt diese geringe Menge Substanz dem Baume seine Form. Sie ist es, die aus dem Keimling den knorrigen, stolz in die Lüfte ragenden Baum bildet, die ihm die eigenthümlichen Be- frachtungsorgane erzeugt ete. etc. — Die äussere Gestaltung des Organismus ist hauptsächlich das Werk des Plastins und auf seinen Willen zurückzu- führen. Damit ist auch gegeben, dass das Plastin jedes einzelnen Orga- nismus ein anderes ist. Zellkern und Chromatophoren haben mit der Aus- bildung der äusseren Form der Zelle resp. des Gesammtorganismus wenig oder nichts zu thun. Das Ausschlaggebende in dieser Beziehung ist lediglich 452 das Plastin-Lamellensystem. Es wächst, es ordnet seine Lamellen in ge- wissen Abständen oftmals mit sichtlicher Mühe in eine Ebene, in welcher bald darauf Cellulosemoleküle abgeschieden werden. Beim ferneren Wachsen der Zellwand ist es wiederum das Plastin als die Grundsubstanz der Zellwand, welches wächst, die Form bildet und dabei Cellulosemoleküle in sich einschaltet. Diese allem Organisirten die Form gebende Substanz kann wohl kaum eine Flüssigkeit sein — im Gegentheil, eine viel Hindernisse energisch über- windende Substanz muss es sein. Eine Substanz mit eigenem Willen, deren Eigenschaften sich deshalb wohl niemals vollkommen durch chemische und physikalische Gesetze erklären lassen werden, — sicherlich noch nicht erklärt worden sind. Was das Leben und Treiben der im Inneren der Zelle von Chaetopteris gelegenen Theile betrifft, so ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass auch hier insbesondere die Physoden den Eindruck. des eigentlich Lebenden hervorrufen. Ein Theil derselben führt analog wie in der wand- ständigen Lamelle theils kleine, theils grössere Wanderungen aus. Ein anderer Theil bleibt auch im Inneren während der Beobachtungszeit ruhig an einer Stelle. Ein bevorzugter Aufenthaltsort, gewissermassen ein Sammel- punkt für die Physoden ist die den Kern umgebende Lamelle. Letzterer ist ja, ähnlich wie die Physoden und Chromatophoren, den Lamellen ein- gelagert und deshalb in derselben Weise von einer dünnen Schicht Plastin umgeben, wie Physoden und Chromatophoren. Die in diese Lamelle gleitenden Physoden treten mit dem Kern in innigste Berührung. In jugendlichen Zellen kriechen die Physoden richtig auf und an dem Kern umher. Fig. 20 u. 21 geben ein derartiges Stadium wieder. Die meisten der Physoden zeigen amöboide Umrisse, welche sie während des Abzeichnens häufig veränderten. Dass in der vorliegenden Figur 21 die Physoden vorwiegend auf der einen, und die Chromatophoren auf der anderen Seite des Kernes liegen, ist durch ein bestimmtes Zelltheilungsstadium bedingt- Für gewöhnlich finden sich die Physoden auf allen Seiten des Kernes vor. In Fig. 20 ist die einseitige Anordnung noch ausgesprochener. Es ist dies derselbe Kern wie in Fig. 21, nur ungefähr 1Yz Stunden früher und in anderem Maassstabe gezeichnet. Aus dem Vergleich der beiden Figuren ist die in der erwähnten Zeit vorgegangene Ortsveränderung der Physoden ersichtlich, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Physoden in den ver- schiedensten Richtungen, im buntesten Durcheinander sich bewegten. — Aus anderen Fällen ist mir bekannt, dass eine Anzahl dieser Physoden später den Kern verlässt und sich in dem Lamellensystem zerstreut. Umgekehrt begeben sich Physoden aus letzterem nach dem Kern, so dass eine Art Kreislauf zu Stande kommt. Bei all’ diesem Leben und Treiben innerhalb der zarten Plastinlamellen geht Alles regelrecht von Statten. Es findet nirgends eine zwecklose Anhäufung von Physoden statt, sondern das Ganze macht jederzeit den Eindruck vollster Harmonie. Es ist keine Beeinflussung irgend welcher Theile sichtbar. Das gross- maschige Lamellensystem verändert seine Lage fast gar nicht. Desgleichen bleibt der im Centrum der Zelle liegende Kern ruhig an einer Stelle, und auch die Chromatophoren verschieben sich während der Beobachtungszeit nur sehr wenig. Diese stoische Ruhe theilt ferner ein grosser Theil der Physoden, der andere Theil dieser interessanten Gebilde bringt dagegen durch seine amöbenartige Form- und Ortsveränderungen erst sichtbares Leben in eine Chaetopteriszelle hinein. Infolge der Grössenverhältnisse und des über- sichtlichen Baues ihrer Zellen gewähren die Braunalgen leichter wie andere Pflanzen Einblick in den morphologischen Bau der Zelle und in die intimsten Beziehungen der einzelnen Theile zu einander. Klar und deutlich treten dem Beobachter viele Einzelheiten entgegen, die bei höheren Pflanzen in- folge der Kleinheit nicht oder nur undeutlich erkannt werden können, und der sonst im Bau für so complieirt gedachte Zellleib offenbart sich als ein ebenso einfaches, wie kunstvolles Gebilde. Wer von Interessenten Gelegenheit dazu hat, sollte nicht versäumen, sich einige Zeit mit dem Studium der Braunalgen zu befassen. Jeder wird mit neuen Gesichts- punkten herantreten und gewiss günstiges Material zur Beantwortung der ihm vorschwebenden Fragen finden. Mit dieser Bemerkung wende ich mich nicht nur an den Botaniker, sondern an den Naturforscher. überhaupt. Für uns Botaniker ist die Protoplasma- frage äusserst interessant, für andere Naturforscher, ich meine speciell die Medieiner, ist dieselbe aber von hervorragender Wichtigkeit. Sobald man sich erst über die Struktur eines einzelnen — sei es ein pflanzlicher, sei es ein thierischer — Elementarorganismus in den wesent- lichen Punkten geeinigt haben wird, so steht zu hoffen, dass auch die Arbeiten von schwieriger zu beurtheilenden Objekten erleichtert und zu gleich- mässigeren Ansichten führen werden. Ich glaube, dass bei den Braunalgen — wenigstens was pflanzliche Objekte anbetrifft — sich am ehesten übereinstimmende Resultate erzielen lassen werden, aber auch hier jedenfalls, wie allerwärts, nur bis zu einer gewissen Grenze. Doch es handelt sich bei der Protoplasmafrage zunächst nicht um individuelle, sondern um prineipielle Meinungsverschiedenheiten, und diese letzteren müssen und werden überwunden werden, umsomehr, als es, wie erwähnt, keineswegs eine Frage von nur wissenschaftlichem Inter- esse ist. Aus diesem Grunde gestatte ich mir, die Aufmerksamkeit auf diese Objekte zu lenken. — Bevor ich Chaetopteris verlasse, mögen noch die zu Tage tretenden Erscheinungen am Vegetationspunkt und in älteren Zellen besprochen werden. Der Thallus von C'haetopteris zeigt bekanntlich ein ausgeprägtes Scheitel- wachsthum, und zwar findet sich der Vegetationspunkt im vorderen Theile der Scheitelzelle.. Der dem Thallus zugewandte hintere Theil derselben Zelle 454 besitzt bereits ein ebenso grossmaschiges Lamellensystem wie die sich an- schliessenden jungen Zellen, von welchen bisher die Rede war. Es ent- spricht also gewissermassen die Scheitelzelle einer ganzen Sprossspitze höherer Pflanzen; nämlich der Summe der Zellen vom Vegetationspunkt bis einschliesslich der jüngsten, fertig ausgebildeten, d. h. bereits mit grösseren Zellsafträumen versehenen Zellen. Der vordere Theil der Scheitelzelle ist, analog den Zellen des Vegetations- punktes einer Sprossspitze „voll von Protoplasma‘‘. Bemerkt sei, dass in der Scheitelzelle von C’haetopteris nur ein Zellkern vorhanden ist, der sich inmitten der Zelle befindet. Er liegt infolgedessen ungefähr auf der Grenze zwischen dem dichten „Protoplasma“ und dem aufgelockerten Lamellen- system. In dem dichterfüllten vorderen Theil der Zeile lassen sich in den meisten Fällen Einzelheiten nicht erkennen. Kleine Physoden und kleine Chroma- tophoren, beide annähernd von derselben Grösse, liegen dichtgedrängt, so dass man weiter nichts als ein compactes Häufchen weisser, glänzender Tröpfehen, vermischt mit braunen Chromatophoren, sieht. Bewegungs- erscheinungen sind hier nicht zu beobachten. Das Ganze ähnelt einem Ei von Fucus, oder einer Frucht von Haplospora, wenn diese sich in dem Stadium der grössten Dichtigkeit befinden. Im mittleren Theile der Zelle, in welchem ebenfalls noch eine grosse Anzahl kleiner Physoden und Chromatophoren vorhanden sind, ist diese Lagerung derselben nicht mehr so dicht. Das ‚Protoplasma‘ ist infolge von Wasseraufnahme gelockert. Die anfangs äusserst kleinen Maschen des Lamellensystems erweitern sich zu den grösseren Zellsafträumen; ein analoger Vorgang, wie bei den an den Vegetationspunkt angrenzenden Zellen höherer Pflanzen. Hierbei ist zwar ein bemerkenswerther, jedoch, wie sich zeigen wird, nicht prineipieller, sondern nur individueller Unterschied in der Auflockerung des Lamellensystems vorhanden; nämlich bei C’haetopteris dehnen sich alle Maschen gleichmässig aus, während bei den höheren Pflanzen nur einige der zahllosen kleinen Kämmerchen bedeutend an Grösse zunehmen und dann den Namen „Zellsafträume“ führen. Es zeigen sich dementsprechend bei C'haetopteris an das dichte Con- glomerat anschliessend kleine, gleich grosse Zellsafträume, welche durch zarte Lamellen von einander getrennt werden, in grösserer Anzahl. Diese Lamellen sind die uns nun schon so oft entgegengetretenen La- mellen des Plastinsystems, welches auch hier der Träger der Physoden und Chromatophoren ist. Bei den höheren Pflanzen dagegen bleibt das dichte Lamellenwerk grösstentheils erhalten, und nur wenige Maschen erweitern sich, wodurch ein secundär schaumförmiger Aufbau zu Stande kommt. Die Wände dieses groben Schaumwerkes bestehen jedoch erst aus dem feinen Schaumwerk resp. aus der Masse, deren Structurerkenntniss die bekannten Schwierigkeiten 455 bietet. Ich möchte ganz besonders auf die Auseinanderhaltung dieser beiden Faktoren hinweisen, da dieselben schon mehrfach bei Besprechung der Proto- plasmafrage nicht genügend auseinandergehalten worden sind, infolgedessen sie anstatt zur Aufklärung, nur zur Verwirrung beigetragen haben. Bei Chaetopteris ist also von dem Augenblicke an, von welchem über- haupt Struktur- und Anordnungsverhältnisse wahrnehmbar sind, sofort das im Laufe der Abhandlung näher beschriebene Lamellensystem zu erkennen; diesem sind im ersten wie im letzten Stadium die Physoden und Chroma- tophoren in gleicher Weise eingelagert. Bei den höheren Pflanzen findet dagegen eine secundäre Auflockerung des Lamellensystems statt, indem nur einzelne Waben sich vergrössern und somit ein grob vakuolisirter Schaum entsteht. Infolgedessen werden diese dicken ‚‚Proto- plasmawände‘‘ von einem feinen Schaumwerk, dem Plastinlamellensystem, ge- bildet. Zu den Lamellen dieses feinen Schaumwerkes stehen die Physoden in dem erörterten Verhältniss, während sie einer „Protoplasmawand‘‘ zu Tausenden eingelagert sein können. Die Lamellen von Chaetopteris sind durchaus gleichwerthig mit den ausserordentlich kleinen Lamellen des Plastinwerkes höherer Pflanzen. Weiter rückwärts, d.h. im ältesten Theile einer Scheitelzelle von Chaetopteris ist das Lamellensystem durch weitere Wasseraufnahme noch mehr gelockert. Die Chromatophoren und ein Theil der Physoden sind hier zu ihrer normalen Grösse herangewachsen. Was insbesondere die Physoden betrifft, so sieht man dieselben eifrig bei ihren interessanten Arbeiten, Das Bild in diesem ältesten Theile der Scheitelzelle gleicht vollkommen dem der angrenzenden jungen Zellen, von welchen bisher vorwiegend die Rede war, Es sind nunmehr die wichtigen Fragen zu beantworten: Besitzt das dichte ‚‚Protoplasma‘‘ im vorderen Theile der Scheitelzelle Struktur oder nicht? Ist es eine homogene Masse, welcher Chromatophoren und stark licht- brechende Tröpfchen ad libitum eingelagert sind, oder ist die wabige Struktur schon hier vorhanden, und sind hier bereits die Chromatophoren und die Physoden äusserst zarten Plastinlamellen eingelagert? Ist also von Anfang an im Prineip genau derselbe Bau vorhanden, wie in den übersichtlich gebauten vegetativen Zellen, oder nicht? Einen Fingerzeig zur Beantwortung dieser Frage giebt die Thatsache, dass unter der grossen Anzahl der beobachteten C'haetopterisscheitel einige vorhanden waren, bei denen die wabige Struktur bis an die äusserste Spitze deutlich und zweifellos zu erkennen war. Das Lamellensystem war natürlich kleinmaschiger, als im älteren Theile der Zelle. Anordnung und Verhält- niss der einzelnen Zellbestandtheile zu einander waren aber genau dieselben, wie in den früher beschriebenen Fällen, d. h. die Physoden und Chroma- tophoren waren ebenfalls zarten Lamellen eingelagert. Zur endgültigen Beantwortung dieser Frage wird jedoch in erster Linie die Entstehungsweise eines solchen Vegetationspunktes zu berücksichtigen sein. Ich muss leider gestehen, dass ich für diesen speciellen Fall die Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII, Heft III, sl 456 betreffenden Vorgänge nicht verfolgt habe, obgleich ich sicherlich hunderte Male sehr günstiges Material unter den Händen gehabt habe. Fast an jedem, im Wachsthum begriffenen Scheitel von C'haetopteris wird man die ganze Entwickelungsreihe vor sich haben, da die Seiten- sprosse ganz analoge Vegetationskegel besitzen wie der Hauptspross, und man in der Regel die Seitensprosse in allen Entwickelungsstadien vor sich hat. Die Seitensprosse entstehen bekanntlich aus rein vegetativen, voll- ständig übersichtlich gebauten Zellen. Kenntlich sind diese Zellen bereits vor der Bildung der ersten Ausbuchtung, der künftigen Sprossspitze, an ihrem reichlichen Physodeninhalt. Die Physoden befinden sich vorwiegend in dem vorderen, nach aussen zu gelegenen Theile der Zelle und rücken später in die nach und nach entstehende Ausbuchtung hinein. Anfangs befinden sich in den betreffenden Zellen nur wenige Piastin- lamellen, und man müsste hier Gelegenheit haben, die weitere Entstehungs- weise bezw. Anordnung der einzelnen Theile zu verfolgen. Doch da ich, wie erwähnt, die Bildung von Vegetationspunkten resp. von dichtem, sich später auflockerndem ‚‚Protoplasma‘ für diesen speciellen Fall nicht verfolgt habe, sei es gestattet, Zuflucht zu anderen Objekten zu nehmen, welche in naher Beziehung zu C'haetopteris stehen. Es bleibt sich gleich, ob die betreffende Bildungsweise an vegetativen oder an reproduktiven Zellen beschrieben wird. Immerhin mögen mehrere Fälle zur Beleuchtung dieser Frage heran- gezogen werden, und sei es gestattet, zunächst zu einem recht instruktiven Beispiel, nämlich Giraudia, zu greifen und aus Zweckmässigkeitsgründen mit der Besprechung der Entstehung von Fruktifications-Vegetationspunkten zu beginnen. Bei Giraudia scheint jeder vegetativen Zelle die Fähigkeit innezuwohnen, in den Fruktificationszustand überzutreten. Ueber den Bau der vegetativen Zellen sei vorläufig bemerkt, dass derselbe ein leicht zu übersehender und sehr einfacher ist, da nur wenige Plastin- lamellen die Zelle durchsetzen. — Es wird späterhin noch des Genaueren davon die Rede sein, und es sollen an dieser Pflanze einige wichtige Punkte besprochen werden, welche hierauf mit Bezug haben. — Bevor sich eine Zelle zur Fruktification anschickt, wird eine grössere Menge plastischen Baustoffes in den Physoden aufgespeichert. Hierauf werden aus der ge- ringeren Anzahl grösserer Physoden eine grosse Menge kleinerer, lebhaft hin- und hergleitender Physoden gebildet. Der plastische, aus eigenem An- triebe arbeitende Baustoff wird dadurch gleichmässiger in der Zelle vertheilt. Nach dieser Baustoffvertheilung treten neue, quer durch die alten Zellsaft- räume hindurchgehende Plastinlamellen auf. In welcher Weise dies geschieht, konnte bisher noch nicht durch direkte Beobachtung festgestellt werden. Die neu entstandenen Plastinlamellen be- sitzen sofort die gewöhnliche Zartheit, und es finden sich in ihnen auch gleich Physoden und event. Chromatophoren. Wenn es gestattet ist, eine Ver- Zi muthung über die Entstehung der neuen Lamellen zu äussern, so würde ich mich dahin aussprechen, dass sich voraussichtlich zwei gegenüberstehende Lamellen in der Mitte einander nähern, verschmelzen und sich dann an- nähernd in ihre ursprüngliche Lage zurückbegeben, dabei an der Ver- sehmelzungsstelle eine neue Lamelle bildend. Es würde sich diese Auf- fassung an den oben beschriebenen Fall anlehnen, in welchem sich erst zwei, allerdings bereits durch eine Lamelle verbundene Plastinflächen, unter Absorption der betreffenden Verbindungslamelle näherten, und dann unter Regenerirung der Lamelle wieder entfernten. (Vergl. Fig. 23.) Sicher ist, dass die Lamellen quer durch die Zellsafträume hindurch auf- treten, so dass letztere dadurch getheilt werden. Durch weiteres Auftreten von Plastinlamellen wird der anfangs lockere Schaum immer dichter, und die Zellsafträume werden, da die Zelle selbst nicht weiter wächst, immer kleiner. Fig. 38 zeigt zwei neben einander liegende Giraudiazellen, von denen die eine ein bereits viel kleinschaumigeres Lamellensystem besitzt als die andere. Beide sind Fruktificationszellen. Sie besitzen bereits erheblich mehr Maschenräume, als vegetative Zellen (s. Fig. 37). In der einen Zelle der Fig. 38 hat bereits die Theilung einiger Chroma- tophoren begonnen. Das Lamellensystem wird nun nicht mehr erheblich kleiner, wenigstens nicht so klein, dass seine lamellöse Struktur nicht mehr erkennbar wäre. Nach erfolgter Kern- und Chromatophorentheilung findet in den meisten Lamellen Zellwandausscheidung statt, wodurch die Mutter- zelle in eine Anzahl Tochterzellen, die Schwärmsporen, getheilt wird. Es tritt also behufs Schwärmsporenerzeugung eine Neubildung von Lamellen und damit eine Verdichtung des Lamellensystems ein. Die Anordnung und die Bedeutung der Physoden und der Chromatophoren bleibt genau dieselbe wie in den vegetativen Zellen. — Bei den Oogonien von Fucus findet ein ganz analoger Vorgang statt, nur wächst hier anfangs die betreffende Zelle noch mit. (Vergl. Fig. 14, 15 u. 16.) Die Physoden, die auch hier. immer zahlreicher, aber kleiner werden, gleiten lebhaft in dem Lamellensysteme umher. Nach und nach treten Plastinlamellen gleichmässig in der ganzen Zelle auf. Man hat bei fortschreitender Reife also stets dasselbe Bild, nur in immer kleinerem Maassstabe vor sich. Wie bereits früher erwähnt, begeben sich in einem bestimmten Stadium der Kerntheilung die Physoden und Chromatophoren an den Kern, und zwar die Physoden auf die eine, die Chromatophoren auf die andere Seite desselben. Später vertheilen sich beide wieder gleich- mässig in dem der Zelle zu Grunde liegenden Lamellensysteme. Durch weiteres Auftreten von Lamellen werden die Zellsafträume immer kleiner, und da auch die Physoden und Chromatophoren sich vermehren, ist es schliesslich lediglich infolge der dichten Lagerung nicht mehr möglich, die gegenseitige Lage der einzelnen Zellbestandtheile zu erkennen. Die An- häufung wird allmählich so dicht, dass den Physoden der Platz zu freier Bewegung mangelt. Sie liegen infolgedessen als weisse, stark lichtbrechende 31* 458 Tröpfehen gleichmässig und diehtgedrängt, vermischt mit den kleinen Chroma- tophoren, ruhig da. An Stelle des so zierlich gebauten Organismus ist in- folge des Immerdichterwerdens — aber unter steter Beibehaltung der be- stimmten Anordnung der einzelnen Theile — ein compakter Klumpen stark lichtbrechender Tröpfehen und kleiner Chromatophoren getreten. Die Zelle ist „voll von Protoplasma‘. In diesem Stadium gleicht sie vollkommen einer Vegetationsspitze von Chaetopteris, und die C'haetopterisscheitel entstehen sicherlich auf analoge Weise. Nebenbei möchte ich bemerken, dass bei Chaetopterisscheiteln interessant zu beobachten ist, wie die kleinen, fortwährend in Theilung begriffenen Chro- matophoren doch zugleich vollständig ihre Pflichten als Haupternährer der Sprossspitze erfüllen; denn eine Nahrungszufuhr von den alten Zellen her ist wohl ziemlich ausgeschlossen, da zwischen der Sprossspitze, welche übrigens quantitativ am meisten Plastin, Physoden und Chromatophoren enthält, und den alten Zellen sich die jungen, selbst in weiterer Ausbildung begriffenen Zellen befinden. Der gleiche Vorgang wie bei Fucus und Güraudia findet auch bei anderen Pflanzen statt. Ich müsste immer dasselbe berichten, wenn ich diese Vorgänge nun noch an Sporangien von Sphacelaria, C'haetopteris und Ectocarpus, an Haplosporafrüchten u. s. w. beschreiben wollte. Ueberall tritt an gewissen Stellen der Pflanzen plötzlich eine Neubildung von Plastin- lamellen auf. Wenn dann das Lamellenwerk eine gewisse Dichtigkeit erreicht hat, hört in Fruktificationszellen die weitere Bildung von Lamellen zunächst uaf. Die entstehende Ruhepause wird zu Kerntheilungen, zur Ansammlung von Physodenstof, zur Stärkung der Chromatophoren und schliesslich zur Ausscheidung von Cellulosewänden, in sich besonders zu diesem Zwecke an- ordnenden Plastinlamellen, benutzt. Mit anderen Worten: Der Zellinhalt theilt sich, unter Beibehaltung der ihm stets zukommenden Organisation, in eine Anzahl kleinerer Theile, in Schwärmsporen, Eier u. s. w. — Jeder dieser Anfänge eines neuen Ge- sammtorganismus besitzt mithin vom ersten Stadium an die rein lamellöse Struktur. Es tritt also überall dasselbe Prineip auf; und doch sieht es bei jeder Species, in jedem Individuum und schliesslich in jeder Zelle anders aus, so dass auch hier in der Einheit eine unendliche Mannigfaltigkeit herrscht. Die Anzahl der Lamellen in diesen neu formirten Zellen ist bei den verschiedenen Pflanzen eine verschiedene. Die Eier von F'ucus z. B. erhalten sofort als Mitgift ein dichtes Schaumwerk, bestehend aus einer bedeutenden Menge Lamellen (da sich aus den grossen, dicht erfüllten Oogonien nur 8 Eier bilden). Aehnlich ist es bei den Früchten von Haplospora. Viele Schwärmsporen erhalten dagegen nur wenige Lamellen, ja es scheint sogar vorzukommen, dass sich in der betreffenden Fructificationszelle in ‚Jeder I,amelle eine Membran ausscheidet, so dass jede Schwärmspore nur 459 eine kugelförmig geschlossene Lamelle besitzt, der dann der Kern, die Chromatophoren und die Physoden eingelagert sind. Diese Lamelle ist selbst- redend wandständig, und im Innern derselben befindet sich nur ein Zellsaft- raum. Es wären dies die denkbar einfachsten Organismen. WUebrigens werden sich im Laufe der Abhandlung bei Grün- und Rothalgen Beispiele finden, in denen sich in vegetativen Zellen in der Regel ausser der wand- ständigen Lamelle nur noch ein oder zwei quer die Zelle durchsetzende Lamellen finden. Diese Zellen repräsentiren also die am einfachsten gebauten Elementarorganismen. Die erwähnten Schwärmsporen geben, sobald sie sich ungeschlechtlich (d. h. ohne Copulation ete.) fortpflanzen, von der gesammten Entwickelung einer Pflanze recht instructive Bilder. Jede Schwärmspore besitzt dieselben Bestandtheile, wie eine vegetative Zelie; nur sind in ihr die vitalen Eigen- schaften eines jeden einzelnen Organs lebhaft angefacht, welche Anfachung jedoch bereits in der vegetativen Mutterzelle begonnen hat, denn sonst wäre aus letzterer keine Fruetificationszelle, keine Schwärmsporenmutterzelle, ge- worden. Analog der Bildung des mitunter äusserst dichten, mitunter stets deutlich zu übersehenden Plastinmaschenwerkes in den Fruktificationszellen erfolgt auch die Bildung in den Hyphenzellen von F’ucus, also in vegetativen Zellen. Diese Zellen enthalten vor ihrer Längsstreckung zunächst ein lockeres Maschenwerk mit reichlich in ihm vorhandenen Physoden. Nach diesem Stadium findet auf Kosten der Physoden eine lebhafte Neubildung von Plastinlamellen statt. Da die Zelle selbst sich vorläufig nicht vergrössert, wird das Schaumwerk dichter und dichter, die Physoden wandern fleissig in den Lamellen umher und werden allmählich behufs Neubildung von Lamellen- substanz zum grossen Theile verbraucht. Ausserdem treten sehr oft die mehrfach erwähnten, fädigen Differenzirungen auf. Das Maschenwerk kann schliesslich so dieht werden, dass die Struktur mit Hilfe unserer besten optischen Instrumente rein fibrillär erscheint, über welchen Umstand bereits bei Fucus die Rede war. Solche Dichtigkeit, wie in dem erwähnten Falle, nimmt aber das Lamellen- system nicht immer an, sondern meist bleibt die lamellöse Struktur in allen Stadien erkennbar. Wenn in der Zelle ein sehr feines Schaumwerk entstanden ist, hört die weitere Bildung von Lamellensubstanz auf, und nunmehr fängt die Zelle an, in die Länge zu wachsen und sich zu theilen. Es liegt hier ein intercalarer Vegetationspunkt vor, ähnlich wie in den vegetativen Zellen von Giraudia, welche Pflanze ich von dem intercalaren Vegetationspunkt an eingehender verfolgt und in den Berichten der deutsch. botan. Gesellschaft 1392, p. 452 beschrieben habe. Dort ist des Näheren ausgeführt, dass nach Abtrenrung der vegetativen Zellen keine weiteren Plastinlamellen in den Zellen gebildet werden, sondern dass nur infolge von Wasseraufnahme das am Vegetationspunkt abgetrenute, kleinmaschige Plastin- 460 werk in ein grossschaumiges übergeht, wodurch das Volumen der Zelle bezw. des Gesammt-Organismus um ein vielfaches vergrössert wird. Ein sehr instruktives Beispiel liefert auch die Fadenalge Eetocarpus litoralis, da bei dieser Pflanze sowohl der vegetative, als auch der Frukti- ficationsvegetationspunkt intercalar entsteht. In beiden Fällen findet in den sehr übersichtlich gebauten Zellen (s. u.) zunächst eine Physodenanhäufung, und dann eine Neubildung von Plastin- lamellen statt. Nach hierauf erfolgter Kerntheilung ordnen sich in den vegetativ bleiben- den Zellen die Lamellen derart an, dass eine zur Längsrichtung des Fadens senkrecht stehende Hauptlamelle gebildet wird, in welcher sich die Zellwand ausscheidet. Jede der Tochterzellen kann dann weitere Plastinlamellen und Zellwände bilden, bis dann die rein vegetative Fortpflanzung des Fadens ihr Ende erreicht. Warum dieselbe ihr Ende erreicht, ist eine der vielen offenen Fragen. Im Uebrigen ist der Vorgang ähnlich wie bei Giraudia. Die völlig ausgebildeten vegetativen Zellen besitzen nur wenige Plastin- lamellen. Bei den sich zur Fruktification anschiekenden vegetativen Zellen (s. ob.) findet anfangs ebenfalls eine Physodenanhäufung und dann Lamellenaus- bildung statt. Der Schaum des Lamellenwerkes wird hier etwas eng- maschiger. Nach Theilung des Kernes und der Chromatophoren findet Zellwandausscheidung in vielen, wenn nicht in allen Lamellen der Zelle statt, wodurch dieselbe analog wie bei vielen anderen Braunalgen, in eine grössere Anzahl sehr einfach gebauter Organismen, Schwärmsporen, zerfällt. Aus diesen einzelnen Beschreibungen, denen sich, wie erwähnt, noch solche von anderen Pflanzen anschliessen liessen, geht hervor, dass bei den erwähnten Pflanzen in keinem Entwiekelungsstadium ein anderer als der lamellöse Aufbau vorhanden ist. Es liegt demnach kein Grund vor, für C’haetopteris etwas Anderes an- zunehmen, zumal eine Reihe ven Beobachtungen direkt auf die lamellöse Struktur des Vegetationskegels hindeuten. Als ein weiterer Nachweis mag noch angeführt werden, dass ich auch bei der Schwestergattung von ÜUhaetopteris, bei Sphacelaria, in mehreren Stadien der Entwickelung die Struktur des terminalen Vegetationspunktes beobachten konnte. So zunächst in sehr jungen Scheiteln, welche ich von oben her betrachten konnte. In diesen war das Plastinlamellenwerk und die demselben in der bekannten Weise eingelagerten Organe deutlich zu erkennen. Desgleichen war dies der Fall in etwas älteren Stadien, welche sich nur dadurch unterschieden, dass das Schaumwerk bereits engmaschiger war. Die Bilder glichen fast vollkommen den von oben gesehenen Giraudia- Scheiteln, welch letztere keine Vegetationspunkte, sondern rein vegetative Zellen darstellen. (Vergl. Ber. d. deutsch. bot. Ges. X. Taf. XXIIL.) In bereits normal entwickelten Scheiteln von Sphacelaria ist die Lagerung der einzelnen Theile in der Regel ebenso dicht und unerkennbar wie bei C'haetopteris. 461 Doch finden sich bisweilen auch hier alte Scheitel, an denen sich der lamellöse Aufbau bis zur Spitze verfolgen lässt. Es entsteht demnach bei der nächstverwandten Pflanze von Chaetopteris der Scheitel in ganz analoger Weise wie in den intercalaren und Fruktifications- Vegetationspunkten, d. h. durch Verjüngung des Lamellensystems. Die Dichtigkeit wird in der Regel, ähnlich wie in einzelnen Fruktificationszellen (Fucus), so gross, dass die Anordnung der einzelnen Theile nicht mehr erkennbar ist, doch lässt ein geringer Prozentsatz von Scheiteln die lamellöse Struktur immer erkennen, und bei den anderen Scheiteln ist, sobald überhaupt einzelne Strukturverhältnisse wieder erkennbar sind, sofort die lamellöse Struktur sichtbar. Es geht hieraus wohl mit Sicherheit hervor, dass bei den in Betracht gezogenen Pflanzen sich nirgends eine Stelle findet, an welcher ein homogener Klumpen von „Protoplasma‘“ gebildet wird, in welchem sich Flüssigkeits- tröpfehen ausscheiden, die später zu den Zellsafträumen heranwachsen, da- durch der Zelle ein schaumartiges Aussehen ertheilend. Es ist vielmehr immer die schaumförmige Struktur das Primäre, und behufs weiterer Entwickelung des Organismus muss die Plastinsubstanz die schon vorhandenen Waben durchsetzen, was stets nur durch Neubildung zarter Lamellen geschieht. Die dadurch enstandenen beiden neuen Waben, wie die neue Plastinlamelle sind sofort gleichwerthig den entsprechenden älteren Theilen der Zelle; sie nehmen auch in kürzester Zeit die Grösse der benachbarten gleichwerthigen Theile an. — So kommt es, dass der Organismus niemals die ihm zu Grunde liegende Struktur ändert, und wenn wir an der einen Stelle ein sehr grobschaumiges, an anderer Stelle ein in seiner Struktur kaum erkennbares Schaumwerk bei demselben Organismus finden, so sind dies nur secundäre, man könnte fast sagen, nebensächliche Unterschiede. Die im letzteren Falle dicht zusammengedrängte lebendige Substanz nimmt später nur mehr oder weniger grosse Wassermengen auf und dehnt sich auf diese Weise um ein Beträchtliches aus, infolgedessen sie mit der Aussenwelt in ausgiebigere Verbindung tritt und ihre Lebens- funktionen besser entfalten kann. In dem älteren Theile von Chaetopteris scheiden sich nach ent- sprechender Anordnung der Plastinlamellen auch Längswände aus, und zwar in der Art, dass Mark- und Rindenzellen entstehen. Da neue Plastinlamellen in diesen Zellen — vorausgesetzt, dass aus der Rindenzelle nicht eine Scheitelzelle, ein Vegetationspunkt, entsteht — nicht auftreten, sind nur wenige Plastinlamellen in diesen Zellen enthalten. Sie sind deshalb sehr übersichtlich und einfach gebaut. Die Anordnung und gegenseitige Beziehung der einzelnen Theile entspricht in allen Punkten dem oft erwähnten Schema. In den äusseren Zellen ist die Bewegung der Physoden oft eine recht lebhafte. Insbesondere finden sich nicht selten ganze Haufen winziger Physoden, welche in der betreffenden Lamelle im bunten Durcheinander sich bewegen, Betreffs der Fruetificationsorgane sei erwähnt, dass dieselben auf be- sonderen Trägern gebildet werden, und dass im Uebrigen derselbe Vorgang, wie bei den oben besprochenen Pflanzen, stattfindet. Ausser dem oben erwähnten Bestreben des Plastins, mit der Aussenwelt in möglichst ausgiebige Berührung zu treten, ohne dabei jedoch an seiner Festigkeit Einbusse zu leiden, liegt es, wie bereits hervorgehoben, in dem Wesen des Plastins, auch die äussere Form des Organismus zu be- stimmen. Sich selbst unterstützt es zu diesem lünde insofern, als es in ge- wissen Abständen in einzelnen Lamellen feste Membranen, die Zellwände, ausscheidet. Nur dadurch ist es dem Plastin höherer Pflanzen möglich, oft mächtig in die Höhe zu wachsen, sich in dieser zu entfalten, d. h. sich durch Ast- und Blattbildung auszubreiten und dadurch eine möglichst grosse Oberfläche zu gewinnen. Ohne diese Ausscheidung fester Membranen würde z. B. das Plastin eines Eichbaumes nicht den uns so trauten Baum erzeugen können,. sondern es würde einen schleimigen, amöbenähnlichen Klumpen, ein Plas- modium, bilden. Es ist durchaus nicht die Zellwand, welche wächst resp. lebt, sondern das in ihr befindliche Plastin, die Grundlage der Zellwand, ist es, welches die erwähnte Formbildung hervorbringt. Zur Begründung dieser Ansicht möge etwas näher auf die Zellwandbildung eingegangen werden. Die Zellwände, gewissermassen die Knochen der Pflanzen, werden bei den Braunalgen in derselben Weise gebildet, wie ich es in Kürze bereits für Giraudia in der oben eitirten Abhandlung (D. bot. Ges. 1892) be- schrieben habe. Was speciell Chaetopteris anbetrifft, so beobachtete ich zunächst, dass nach Auseinanderweichung der neugebildeten Zellkerne ein Theil des Lamellen- systems spindelförmige Gestalt annahm. Figur 20 zeigt die Hälfte einer solehen Zelle auf dem optischen Durch- schnitt. Die Anordnung einer Anzahl Plastinlamellen erinnert demnach lebhaft an die Spindelfasern nach stattgehabter Kerntheilung. Zumal bei schwacher Vergrösserung war die Aehnlichkeit mit der Kerntonne eine frappante. k Es sei ausdrücklich bemerkt, dass in diesem Falle nicht Fasern, sondern dem Plastinsystem angehörende Lamellen dies Bild hervorriefen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde eine eingehende Verfolgung de einzelnen Vorgänge wichtige Beiträge zur Erkenntniss der „Kerntonne‘ bringen. In der vorliegenden Zeichnung sind die Chromatophoren nach den Zellenden zu gelegen, während die Physoden sich in den die Spindel bildenden Lamellen befinden, und zwar zunächst noch in unmittelbarer Nähe des Kernes. Ausserdem finden sich auch einzelne Physoden und Chroma- tophoren in anderen Lamellen des Systems vor. Während der mehrstündigen Su Beobachtungszeit bewegten sich die Physoden vorwiegend auf und an dem Kern hin und her. Fig. 21 giebt z. B. die Stellung an, die die Physoden nach Verlauf von noch nieht zwei Stunden innehatten. Aus anderen Fällen ist mir bekannt, dass die Physoden nach diesem Stadium sich in dem Lamellensystem zerstreuen, dabei aber zunächst vorwiegend nach der Stelle hinwandern, wo die neue Zellwand gebildet werden soll, — giebt es hier doch Arbeit, an welcher sich die Physoden betheiligen müssen. Ich fand des Oefteren in jüngeren Zellen von Chaetopteris Fälle, in welchen eine Anzahl der Physoden gewissermassen eine die Zelle in zwei gleiche Theile zerlegende Scheibe bildeten. Selbstredend befanden sich sämmtliche Physoden in Plastinlamellen. Es waren dies immer Fälle, in denen nur noch die Zellwandaus- scheidung fehlte, um die Mutterzelle in zwei neue Zellen zu trennen. Fig. 40 giebt eine Skizze von der Physodenvertheilung in solchen Fällen wieder. In der Regel wird vor der Zuwanderung der Physoden, sonst kurz darauf, durch gegenseitiges Verschieben der Lamellen eine die Zelle quer durchsetzende Plastinwand gebildet, indem sich eine Anzahl gegeneinander geneigter Lamellen in eine Ebene ordnen. Eine Beeinflussung von Seiten des Kernes ist hierbei durchaus nicht wahrzunehmen, sondern die Lamellen schieben und ziehen sich in ähnlicher Weise hin und her, wie es des Oefteren in vegetativen Zellen, zumal in jüngeren, vorkommt; nach dieser die Zelle in zwei Theile trennenden Lamelle gleiten viele Physoden, wie auch einige Chromatophoren hin. (Vergl. Fig. 86.) Man sieht an der eigenthümlichen Lage und dem besonderen Verhalten der Physoden sofort, dass ihnen eine besondere Arbeit obliegt — und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach die Materialzufuhr zur Bildung der Cellulose- wand. Einen sichtbaren Verbrauch der Physoden konnte ich nicht beobachten, doch hatte ich mehrfach das Glück, an den betreffenden Stellen die er- warteten Cellulosewände auftreten zu sehen. Fast stets findet die Aus- scheidung von Cellulose in allen Theilen der betreffenden Lamellen gleich- zeitig statt. Nachdem die Cellulosewand gebildet ist, gleiten die Physoden wieder in die Zelle zurück und verrichten ihre gewöhnliche Thätigkeit. Im Gegensatz zu dieser simultanen Zellwandbildung hatte ich auch Gelegenheit, einmal eine succedane, allerdings abnormale Zellwandbildung bei Chaetopteris zu beobachten. Da der Fall für die succedane Bildungs- weise an und für sich nicht ohne Interesse ist, sei es gestattet, ihn‘im Folgenden näher zu beschreiben. In der drittletzten Zelle eines im lebhaften Wachsthum begriffenen Chuetopterissprosses war, als die betreffende Zelle zur Untersuchung ge- langte, nur ein Stück der Zelltheilung vor sich gegangen, Fig. 39 stellt eine Skizze der Zelle vor. Im Stück 1-—3 war die Zellwand bereits gebildet. Die beiden Zellkerne A. und B, he- eich fanden sich in den Abschnitten 1—4. Die Kerne waren von Physoden und Chromatophoren dicht umgeben. Das Lamellensystem in den Abschnitten 4—8 entsprach noch dem der gewöhnlichen Zellen, nur waren die mittleren Lamellen vorwiegend in der Richtung der neuen Zellwand angeordnet. Auf der Grenze zwischen 3 und 4, also am Ende der bis dahin gebildeten Zellwand, befanden sich Plıysoden in auffallender Anzahl. Desgleichen waren noch reichlich Physoden und Chromatophoren an der neugebildeten Zellwand. Während der Beobachtung wanderten zunächst die zuletzt er- wähnten Physoden und Chromatophoren zu den ihnen zukommenden Zell- kernen hin, Zur selben Zeit rückten andere Physoden theils direkt, theils durch die Felder 5 und 6 nach der Mittellamelle zwischen 1 und 4. Ausserdem suchten sich die entsprechenden Plastinlamellen in 4 und 5 in eine die Junge Zellwand fortsetzende Ebene zu lagern. Die Physoden von 3 kehrten nun vollends zu ihren Kernen zurück, während diejenigen in Abschnitt 4 sich an die entstehende Ebene immer dichter anschlossen. Nach mehreren Stunden war deutlich wahrnehmbar, dass sieli die neue Zellwand ungefähr um die Breite von Feld 4 verlängert hatte, und dass sich eine Anzahl anderer Physoden am Ende dieses neuen Stückes, also zwischen 4 und 5 befand. Da die weitere Beobachtung durch das Hereinbrechen der Dunkelheit ver- hindert wurde, setzte ich zu dem Präparat Glycerin, worauf sich das Zell- innere, wie in Fig. 39c wiedergegeben ist, zusammenzog. In den Fächern 1 bis 5 löste sich demnach der Zellleib, wie erwartet, von der neugebildeten Zellwand ab. In Abschnitt 4 war die Verbindung noch eine zu innige. Obgleich oben bemerkt worden war, dass bei Bildung der Plastinscheide- wand eine Mitwirkung des Zellkernes nicht wahrgenommen werden konnte, so scheint doch dieser Fall zu zeigen, dass eine vorangegangene Kerntheilung die Zellwandbildung begünstigt. Im vorliegenden Falle hat sich der Zell- kern während der Theilung zufällig im oberen Theile der Zelle befunden, und infolgedessen ist auch hier zuerst die Zellwand gebildet worden. Eine indirekte, auf chemischem Gebiete liegende Mitwirkung des Kernes an der Zellwandbildung ist insofern nicht ausgeschlossen, als die die Bau- stoffe herbeiführenden Plıysoden, soweit meine Erfahrungen reichen, vor- wiegend aus unmittelbarer Nähe des Kernes kommen. Es ist aber sehr leicht möglich, dass dies Zusammentreffen insofern zufällig ist, als die Physoden einige Zeit vorher, nämlich vor der Kerntheilung, nach dem Kern gewandert waren, wo den Physoden jedenfalls äusserst wichtige Aufgaben, die Er- nährung ete. des sich theilenden Kernes, oblagen. Wir sehen, es mag die Bildung von Kernsubstanz, von Plastin oder von sekundärer Zellwand vorliegen, stets ist eine sichtbare Betheiligung der Physoden wahrzunehmen. Wir brauchen nur noch die chemische Labilität und die bereits erfolgte Iudividualisirung des Physodeninhaltes zu berück- sichtigen, um ein annäherndes Bild von der Wichtigkeit dieser Gebilde im Leben und Getriebe der Elementarorganismen zu erhalten. Im Anschluss an obige Ausführungen sei es gestattet, eine Vorstellung über die Bildungsweise der Zellwand mitzutheilen, welche sich Wiesner’s Theorie anschliesst. Wie sich gezeigt hatte, findet zunächst eine entsprechende Lagerung von Plastinlamellen sowohl bei simultaner als auch bei suecedaner Zellwandbildung statt, und erst in den Plastinlamellen erfolgt die Celluloseausscheidung. Ein Unterschied zwischen simultaner und succedaner Zellwandbildung besteht an und für sich nicht; die betreffende Bildungsart hängt davon ab, ob das Plastinlamellensystem infolge seiner Menge und Organisation im Stande ist, eine die Zelle durchsetzende Plastinlamelle auf einmal oder erst nach und nach zu bilden. Das Letztere ist bei sehr feinschaumigem Plastin der Fall, wenn in der Zelle sich ein grosser Saftraum befindet. In ausserordentlich starker Vergrösserung sei in Fig. 83 ein Stück Plastin- lamelle nebst zwei anstossenden Lamellen wiedergegeben. Zunächst gleiten von beiden Seiten Physoden in die betreffende Lamelle, Soweit liegen die Verhältnisse bei vielen Pflanzen klar zu Tage. Die zugewanderten Physoden beginnen nun ihre Thätigkeit und scheiden Cellulose-Moleküle, resp. Stoffe, welche von der Plastinlamelle zu Cellulose fixirt werden, ab. Die Moleküle seien in Fig. 83b mit schwarzen Punkten angedeutet. In Fig. 83e haben sich die Physoden unter Innehaltung ihrer Stoff- ausscheidung verschoben, und sind infolgedessen zwei parallele Flächen von Cellulose entstanden, welche dann, nachdem sie durch neue Zwischen- und Auflagerung verstärkt sind, die Zellwand bilden. Fig. 83d würde ein Stadium kurz vor Vollendung der Zellwand andeuten. Es zeigen sich hier zwei parallele Celluloseschichten. Zwischen denselben und zu beiden Seiten sind reine Plastinflächen von Cellulose frei geblieben. Die. beiden äusseren Flächen nehmen durch Zufliessen des plastischen Plastinstoffes die gewöhnliche Stärke der Plastin- lamellen an. Sie bilden die wandständige Lamelle der neuen Zelle. Die Mittellamelle bleibt äusserst zart. Auch zwischen den Cellulosemolekülen bleibt lebende Plastinsubstanz erhalten, so dass jederzeit neue Cellulose- moleküle als auch andere Stoffe eingelagert, resp. vorhandene Stoffe durch das aktive Plastin umgewandelt und aufgelöst werden können. Es ist hier- nach der Zelle ein Leichtes, ihre Wand zu vergrössern, letztere theils ganz, theils an einzelnen Stellen zu verstärken und auch nach Bedarf die Cellulose in einen anderen Stoff, z. B. Kork zu verwandeln, mit anderen Worten — die Zellwand bleibt infolge ihres Plastingehaltes lebend. Infolge davon, dass in der scheinbar einheitlichen Zellwand sich zwei dichtere Celluloseflächen befinden, können sich dieselben leicht ganz oder theilweise von einander entfernen, was ja häufig genug der Fall ist. Dazu ist eine gewisse Geschmeidigkeit der Zellwand nöthig, welche Eigenschaft durch diese Auffassung gewahrt wird. Die weiche Plastinlamelle, inmitten der beiden Cellulosemembranen, setzt dem Auseinanderweichen der letzteren 466 kein Hinderniss entgegen, sondern sie wird sich theilen und jede der nun- mehr selbstständigen Cellulosemembranen als dünne, lebensfähige Schicht bekleiden: in den Fällen, in welchen die Membran den Gesammtorganismus gegen die Aussenwelt abschliesst, findet ein analoger Vorgang statt, nur mit dem Unterschiede, dass behufs Celluloseabscheidung die Physoden von einer Seite herantreten. Dementsprechend wird eine Cellulosewand gebildet, welche ebenfalls aussen von einer äusserst zarten Plastinlamelle umgeben ist. Was speziell C'haetopteris betrifft, so liegen bei den im Wachsthum be- griffenen Scheiteln dieser Pflanze die Hauptzuwachspunkte der Zellwände etwas ünterbalb des Scheitels. An dieser Stelle findet also das hauptsächlichste Wachsthum der wandständigen, zugleich der Zellwand zu Grunde liegenden Plastinlamelle statt. Dieser ringförmige Theil der Membran ist immer dicht mit Physoden besetzt, was jedoch nicht besonders hervortritt, da die ganze vordere Hälfte der Scheitelzelle voll von Physoden und Chromatophoren ist. Weiter oben ist aber hervorgehoben worden, dass bei Bildung von neuen seitenstindigen Sprossen sich die Physoden besonders dort anhäufen, wo die Bildung von Plastinsubstanz und das Ausbuchten resp. Wachsen der Zellwand stattfindet. Für die Zellwandbildung ist die Anwesenheit von Physoden, wie gezeigt worden ist, geradezu charakteristisch. Da die Einwirkung von Reagentien weitere Aufschlüsse über die Zell- wand giebt, sei zunächst bemerkt, dass beim Behandeln mit concentrirter Schwefelsäure die jungen Zellwände von Chaetopteris stark aufquellen, die älteren dagegen fast nicht. Umgekehrt proportional damit geht der Gehalt an Phlorogluein resp. phenolartigen Körpern. Beim Aufquellen der jüngeren Zellwand bleibt nun sowohl eine innere, als auch eine äussere, äusserst zarte Haut erhalten. Beide bestehen aus Plastinsubstanz. Das Aufquellen der gesammten Zellwand des jungen Sprosses ist jedoch kein gleichmässiges, sondern, wie aus Fig. 25 hervorgeht, ein periodisches. Die mit a bezeichneten Zellwände sind solche, die eine Quertheilung der Scheitelzelle hervorgerufen, also an einer noch sehr jungen Zellwand sich angelagert haben, während die mit b bezeichneten durch nachträgliche Quertheilung in älteren Segmenten entstanden sind. Aus der Fig. 25 geht nun hervor, dass die äussere Membran ziemlich fest mit den primär entstandenen Zellwänden (a) verwachsen ist, dass aber auch die sekundären Zellwände (b) noch einen gewissen Einfluss auf die Quellbarkeit ausüben. Man könnte annehmen, dass, als die primären Zellwände gebildet wurden, die Hauptmembran an den betreffenden Stellen noch besonders arm an quellungsfähiger Substanz gewesen ist, und dass dann in den erwähnten Stellen keine weitere Ausscheidung dieser Substanz erfolgt sei, sodass die äussere Plastinlamelle in verhältnissmässig inniger Verbindung ınit der inneren Pr. Zelle. geblieben ist. Dies kann aber nicht stimmen, da sonst auch die jugendliche Zellwand der Scheitelzelle nicht so stark quellen dürfte. Es ist vielmehr anzunehmen, dass an den erwähnten Stellen (a) eine Resorption des quellungsfähigen Stoffes resp. Zellwand stattgefunden hat und zwar, wie sich bei näherer Betrachtung ergiebt, zu ganz bestimmten Zwecken. Nämlich durch diese Stellen steht die äussere Plastinlamelle mit dem inneren Zellleib in Verbindung. Es wandern durch diese Verbindungen dieselben oder sehr ähnliche Stoffe in die äussere Plastinwand, wie in den Physoden enthalten sind. Dies ist mit Hülfe einer Reihe von chemischen Reactionen nachzuweisen. Wie aus Fig. 25 und besonders aus Fig. 26 hervorgeht, tritt dieser erwähnte Stoff hauptsächlich durch die mit a bezeichneten Stellen in die äussere Plastinhaut über. Es muss dies daraus geschlossen werden, dass an den bezüglichen Stellen immer am meisten dieser Stoffe sich befinden. Dem Anscheine nach werden diese phenolartigen Körper bei wachsenden Zellwänden verbraucht, da bei solchen Zellwänden manche Theile der Plastinmembranen mit Piperonal und Schwefelsäure, mit Vanillin und Salz- säure etc. tiefroth werden, andere Theile dagegen nicht. Man vergleiche die erwähnte Figur. Das Auftreten dieser sehr scharfen Reaction findet mitunter auch stellen- weise in der stark quellbaren Substanz statt. Fig. 25 zeigt eine Sprossspitze, in welcher im vordersten Theile der er- wähnte Fall eingetreten war. Rückwärts, also an der Stelle, wo das intensivste Wachsthum der Zellwand stattfindet, hatte ein vollständiger Verbrauch des betreffenden Stoffes stattgefunden. Besonders dieser Fall deutet auf den Verbrauch der Phenole bezw. des Plastins derselben zur Zellwandbildung hin. Mit zunehmendem Alter wird die Zellwand mit den phenolartigen Körpern ganz durchtränkt. Sie ist dann auch bei Weiten weniger quellungsfähig, woraus hervorgeht, dass chemische Veränderungen lange Zeit, ja wohl ziemlich sicher während des ganzen Lebens der Zelle, in der Zellwand vorgehen. Diese Veränderungen sind lediglich als Aeusserungen des in der scheinbar festen Zellwand enthaltenen Plastins anzusehen. Es bedarf wohl kaum eines Hinweises, dass sämmtliche Wachsthums- erscheinungen und Umbildungen leicht erklärbar sind, sobald als Grundlage der Zellwand nicht ein als todt zu bezeichnender Complex von Cellulose- molekülen, sondern eine lebende, aus eigner Kraft schaffende Plastinlamelle an- genommen wird. Infolge der Vitalität und freien Schaffenskraft des Plastins ist die Zellwand einer Reihe von physikalischen Gesetzen nicht unterworfen. Was die äussere Plastinmembran anbetrifft, so erscheint es fraglich, ob ihr grosse Bedeutung beizumessen ist, da sie durch äussere Einflüsse leicht beschädigt werden kann. Immerhin ist nicht zu verkennen, dass sie, so lange sie intact ist, zur Beförderung von Baustoff für den äusseren Theil der Zellmembran herangezogen wird. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass vernichtete Plastintheile wieder ersetzt werden können, und zwar sowohl La von aussen, als auch von der inneren Zelle direkt her, da die äussere Plastinschicht durch die Cellulosewand hindurch mit der inneren, geschützten in Verbindung steht. — Es ist besonders bemerkenswerth, dass auf dem beschriebenen Wege (über a) dieselben oder ganz ähnliche Stoffe in die äussere Plastinlamelle befördert werden, wie in den Physoden enthalten sind. Es sind demnach die Stoffe, die wir bereits als wichtigste Baustoffe sowohl für das Plastin, als auch die Cellulosemembran kennen gelernt haben. Da diese Stoffe so verschiedenen Zwecken dienen, ist wohl anzunehmen, dass sich in den Physoden nicht ein chemisches Individuum, sondern eine Reihe verschiedener Körper befindet. Bemerkenswerth ist, dass der Physodenstoff die äusserste Lamelle gleich- mässig durchtränkt, was in inneren Lamellen nie vorkommt. Bei älteren Zellen durchsetzt er, wie bereits erwähnt, auch die Cellulosewand. Bei diesen Betrachtungen ist immer zu berücksichtigen, dass mit einiger Sicher- heit nur auf einen kleinen Atomeomplex (Phlorogluein) geprüft werden konnte, und da, wie aus der Arbeit ‚‚Morphologische und mikrochemische Untersuchungen über die Physoden. Bot. Zeitung 1893‘ hervorgeht, ausser Phlorogluein noch andere, vorläufig kaum zu bestimmende Körper vorhanden sind, ist es leicht möglich, dass diese Körper bei der Zellwandbildung ver- braucht werden, während die Phloroglueinverbindung zurückbleibt. Bei jungen, im Wachsthum begriffenen Zellwänden scheint aber das ge- sammte zuströmende Material verbraucht zu werden, da andernfalls wohl eine gleichmässigere Vertheilung in der äusseren Membran stattfinden würde. Der Gesammtverbrauch ist ja leicht erklärlich, wenn berücksichtigt wird, dass bei jungen Zellwänden ausser Cellulose auch noch Plastin gebildet werden muss. — Nochmals sei darauf hingewiesen, dass der hier in Be- tracht kommende Baustoff durchaus nicht als ein lebloser Molekülcomplex aufzufassen ist, sondern dass er bereits eignes Gestaltungsvermögen, mithin Vitalität, besitzt. Insbesondere bei Chaetopteris, überhaupt den Braunalgen, ist der Gestaltungstrieb des Physodeninhaltes so mächtig, dass die Physoden alle anderen Organe an sichtbaren Lebenserscheinungen ganz bedeutend übertreffen. Ferner sei nochmals daran erinnert, dass die Physoden die am leichtesten oxydirbaren und desshalb am stärksten reduzirenden Stoffe in der Zelle enthalten. Die dadurch bedingte hervorragende chemische Umsetzungs- und Bildungskraft, unterstützt durch die den Physoden innewohnende Vitalität einerseits und die leichte Beweglichkeit andererseits, lässt es leicht erklärlich erscheinen, dass die Physoden bei allen wesentlichen Neubildungen betheiligt sind, welche Vermuthung durch die sichtbaren Erscheinungen, von welchen im Laufe der Abhandlung die Rede war, durchaus bestätigt wird. Im Anschluss an die Zellwandbildung sei es gestattet, zu einigen der schwebenden Fragen Stellung zu nehmen, und zwar zunächst zur Appositions- und Intussusceptionstheorie. Wörtlich genommen, wird wohl keine dieser beiden Theorien den Thatsachen entsprechen, sondern die Bildung der Zell- 469 wand wird sowohl mit Hilfe von Auflagerung als auch mit Hilfe von Zwischen- lagerung stattfinden. Man hat bei Aufstellung dieser Theorie im Allgemeinen die physikalischen Gesichtspunkte zu sehr berücksichtigt, und zu wenig der Lebenskraft der Zellwand Rechnung getragen. Es mag dies darin seinen Grund haben, dass z. B. nach Nägeli’s Vorstellung die Zellwand aus kleinen Bausteinen fester Substanz, den Micellen, besteht, welch letztere durch Wasser von einander getrennt sind. Das einzelne Micell soll sich nach dieser Anschauung wiederum aus Molekülen derjenigen chemischen Verbindungen zusammensetzen, welche die Trockensubstanz der Zellwand ausmachen. Ich halte diese Auffassung sammt ihren Consequenzen für nicht den Thatsachen entsprechend und bin der Ansicht, dass sich zwischen den Molekülen nicht der chemische Körper Wasser, sondern lebenskräftiges Plastin befindet, wodurch völlig andere Bedingungen gegeben sind. Das Plastin ist es, welches die Cellulose in Lignin, in Kork, in Schleim u. s. w. umwandelt. Nach dieser An- sicht werden eine Reihe von Einzelheiten leichter erklärlich, wie z. B. die erwähnten chemischen Veränderungen der Zellwand, die Wachsthums- erscheinungen derselben u. s. w. Auch steht diese Anschauung nicht in Wider- spruch mit bekannten Erscheinungen. Das verschiedene Lichtbrechungs- vermögen der einzelnen Schichten ist ebenso leicht mit Hülfe der Annahme von plastinreicheren und plastinärmeren Schichten erklärbar, wie von wasser- reicheren und wasserärmeren. Dasselbe gilt von dem Vorhandensein der verschiedenen Spannungen in den einzelnen Schichtungscomplexen. Zum Schluss sei noch mit wenigen Worten der Mittellamelle gedacht. Nach der oben besprochenen Ansicht würden die Zellwände benachbarter Zellen durch eine äusserst zarte Plastinwand, dem Reste der der Zellwand zu Grunde liegenden Plastinlamelle, von einander getrennt sein. Diese Plastinlamelle entspricht, wie bereits erwähnt, der ausserhalb der Zellwand gelegenen Plastinschicht von Chaetopteris. In letzterer hatten wir ein Organ kennen gelernt, welches für die Zeilwandbildung von Be- deutung ist. In ähnlicher Weise thätig wird auch die Mittellamelle sein. Da dieselbe in der gemeinschaftlichen Zellwand die plastinreichste Schicht ist, werden auch in ihr und in ihrer unmittelbaren Nähe die Neu- bildungen resp. Umbildungen zuerst und am kräftigsten auftreten. Dem- entsprechend erreicht z. B. die Verholzung den höchsten Grad in nächster Nähe der erwähnten Mittellamelle. Die Mittellamelle selbst, welche Dippel als Intercellularsubstanz bezeichnet, zeigt auch dieselben Reactionen, wie die äusserste Plastinschicht bei Chaetopteris, welche ihrerseits sich verhält, wie die im Innern der Zelle gelegenen Plastinlamellen. Nämlich alle drei färben sich mit Jod gelb, sind unlöslich in Schwefelsäure und werden von sehr heftigen Oxydationsmitteln, wie Salpetersäure und chlorsaurem Kali angegriffen. Als bemerkenswerth ist noch hervorzuheben, dass sowohl bei höheren Pflanzen als auch bei Chaetopteris mit Zunahme der Phenolreaction in der Zellwand eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Schwefelsäure platzgreift. Der Phenolgehalt (sei es Vanillin, Coniferin oder Phlorogluein) 2. #70 und die Verholzung der Zellwand scheinen in engeren Beziehungen zu einander zu stehen. Meinen Notizen zufolge scheint sogar Phlorogluein in Vanillin über- gehen zu können, wenigstens finde ich angegeben, dass in nicht zu alten Zellen von F’ucus in der Zellwand Phloroglucin nachweisbar ist, in den alten äusseren Stielzellen dagegen Vanillin. Welchen Weg diese phenolartigen Körper bei Chaetopteris in erster Linie nehmen, ist oben beschrieben worden. Sie gingen darnach zunächst in die äusserste, der Mittellamelle entsprechende Plastinschicht und lieferten von hier aus Baumaterial für den äusseren Theil der Membran. Es wirft sich nunmehr die Frage auf: Auf welchem Wege gelangen die Baustoffe in die Mittellamelle höherer Pflanzen ? Ein Hindurchsickern der Stoffe durch die Celluloseschicht ist zwar möglich, scheint aber weniger vorzukommen. Schon bei Chaetopteris zeigte sich, dass diese Körper einen be- stimmten Weg nehmen. Bei höheren Pflanzen ist nun in der Regel ein ähnlicher Weg offen. Die Mittellamelle steht nämlich dort durch die Tüpfel in innigem Zusammenhang mit dem Plastin der Zelle. Die Schliesshäute der Tüpfel, welche bekanntlich mit der Mittellamelle in direktem Zusammen- hange stehen oder vielmehr Theile derselben sind, werden wohl häufig nur aus einer Plastinlamelle bestehen. Direkte Untersuchungen habe ich hierüber nicht angestellt. Ein Hinweis für den Zusammenhang des Plastins mit der Tüpfelmembran kann aber darin erblickt werden, dass mit dem Schwinden des Ersteren nicht selten auch das der Letzteren verbunden ist. Dass die Mittellamelle selbst ihren Reaktionen zufolge wohl ziemlich sicher aus Plastin besteht, wurde bereits erwähnt. Wie es jedoch mit der Identität der beiden Zellbestandtheile auch bestellt sein mag, jedenfalls ist die erwähnte Stelle sehr geeignet, die Verbindung zwischen der Mittellamelle und dem Plastinsystem der Zelle herzustellen. Es können auf diesem Wege nöthige Stoffe zur Zellwandbildung an die äussere Seite der Zelle gebracht werden, als auch eventuell schädliche Stoffe in den Intercellularraum abgesondert werden. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei noch bemerkt, dass die Mittel- lamelle wohl der Mittelplatte Dippel’s entsprechen wird. Sphacelaria. Die Sphacelariaarten gleichen im feineren Aufbau ihrer Zellen fast vollkommen Chaetopteris. Es gilt also für die Sphacelariaarten im wesent- lichen das von C'haetopteris Gesagte. Besonders erwähnenswerth ist hier die bisweilen sehr stark ausgeprägte amöboide Bewegung der Chromatophoren. Da hier kein 'kleinschaumiges Plastin, wie in höheren Pfianzen, die Chromatophoren umgiebt, sondern die Chromatophoren in erheblich grösseren Lamellen als sie selbst sind, liegen, lässt sich klar und deutlich entscheiden, welche Bewegungen die Chroma- tophoren selbst ausführen, und welche Bewegungen ihnen durch das Plastin 4 resp. dessen Bewegungen aufgezwungen werden. Aus den diesbezüglichen Beobachtungen geht hervor, dass den Chromatophoren eine eigene amöboide Bewegungsfähigkeit zukommt, dass sie sowohl ihre Form aus eigenem An- triebe ändern als auch in dem feststehenden Lamellensysteme sich fortbewegen können. Da beabsichtigt ist, später im Zusammenhange auf die Chroma- tophoren zurückzukommen, so sei an dieser Stelle nur auf die Formver- änderungen, die an einem Chromatophoren innerhalb ea. %4 Stunden wahr- zunehmen waren, und welche in Fig. 24 wiedergegeben sind, hingewiesen, desgleichen auf die schon mehrfach erwähnten Chromatophorenwanderungen von der Zellwand nach dem Zellkern und umgekehrt, wobei eine Betheiligung des Plastins nicht stattfindet, sondern welches durchaus eine Eigenthümlich- keit der Chromatophoren selbst ist. Ein weiterer Punkt, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, ist der, ob es bei diesen übersichtlich gebauten Organismen möglich sein wird, tiefer in die Erkenntniss des Zellenlebens einzudringen, z. B. in Beantwortung der Frage: wo liegen trotz ihrer Aehnlichkeit im Zellaufbau die specifischen Unterschiede (selbstredend nur nach einer Richtung) zwischen dem Plastin von Chaetopteris und Sphacelaria, zwischen den einzelnen Sphacelaria- arten, ete.? Lassen sich hier bereits kleine, äusserliche Unterschiede wahr- nehmen oder nicht? Mit allem Vorbehalt sei erwähnt, dass, soweit mir erinnerlich ist, das Plastinsystem von Sphacelaria trotz seines graziösen Baues nicht so gleichmässig und regelmässig gebaut ist wie das von Chae- topteris. Wenn dies der Fall sein sollte, so würde der Unterschied zwischen der regelmässig gebauten C'haetopteris und der unregelmässig verästelten Sphacelaria bereits im Plastinsystem ausgeprägt sein, resp. die Verästelungs- art wäre nur als eine Folge des speeifisch gebauten Plastinsystemes anzu- sehen. Bei Berücksichtigung weiterer Fragen nähern wir uns dem dunklen Gebiete der Erblichkeit in der Richtung, dass wir die dabei statthabenden morphologischen Unterschiede des Plastins zu ergründen suchen. Ein noch einfacheres und infolgedessen vielleicht noch günstigeres Ver- gleichsmaterial zur Beantwortung dieser Fragen liefern Eetocarpus und Pylajella. An diese Untersuchungen anschliessen könnte man Fucus vesiculosus und hier sehen, ob es schon an dem Plastin junger Pflänzchen möglich ist zu entscheiden, ob die Pflanze ein männliches oder ein weibliches Exemplar wird u. s. w. u.s. w., bis man sich schliesslich die Frage vor- legen kann: Ist die Ausbildung des Geschlechtes vielleicht nur eine Folge davon, dass sich das Plastinsystem des neuen Organismus der speecifischen Plastinsystemanordnung des Spermatozoid oder der des Oogonium unterordnet. Anhangsweise möge hier noch von einem interessanten Fall berichtet werden, auf den ich im Fasaneriepark bei Wiesbaden durch den be- treffenden Förster aufmerksam gemacht wurde. Es handelte sich um einen Bastard zwischen zwei Bäumen, und zwar meines Erachtens zwischen einer Weissbuchen- und einer Eichenart. Die Bastardirung charakterisirte sich dadurch, dass der ca. 4 m hohe und entsprechend breite Busch durchweg Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII. Heft III. 32 472 verschiedene Blätter hatte. Ich habe mir ca. 3 m über dem Boden ein noch nicht Y2 m langes Zweiglein abgeschnitten, an welchem sich e. 15 zweifel- lose Buchenblätter und ungefähr ebensoviele missgestaltete Eichenblätter be- finden. Obgleich der betreffende Zweig resp. sein Mutterast und dessen Hanptast ete. verschiedene Male einem gemeinsamen Vegetationspunkt an- gehört haben, haben sich doch immer die Eigenthümlichkeiten -der Eltern die Waage zu halten gesucht, indem ein Aestehen vierter und fünfter Ordnung resp. dessen Vegetationspunkt sich bald zur Hainbuche, bald zur Eiche aus- zubilden suchte. Soviel ich in Kürze beobachtet habe, neigt immer der untere Theil sowohl des ganzen Busches, als auch jedes einzelnen Seiten- ästchens der Buchenart zu, während die Spitze des Baumes, als auch die der einzelnen Zweige bemüht sind, ihrem Aeusseren die Gestalt der Eiche aufzuprägen. Ein etwaiges Nebenhergehen von Zellreihen verschiedener Herkunft ist hier ausgeschlossen. Die Verschmelzung des Plastins und der übrigen Zell- bestandtheile hat offenbar regelrecht stattgefunden. In jeder einzelnen Zelle steckt die Möglichkeit zur Buche oder zur Eiche überzuschwenken. Die Kraft der Eiche ist allerdings wenigstens äusserlich der Buche gegenüber etwas geschwächt, indem es zwar das Plastin fertig bringt, die der Eiche zukommenden Blattlappen zu erzeugen, doch ist es nicht im Stande die angefangene Arbeit korrekt durchzuführen, sondern die Buche setzt ihrer- seits den Lappen des Eichenblattes die der Buche charakteristische Zähnelung auf. Fig. 84 und 85 geben 2 kleine Blätter desselben Zweiges (nach ge- trocknetem Materiale gezeichnet) wieder. Eetocarpus. (Vergl. hierzu Fig. 23—34, nebst Erläuterungen.) Die Ectocarpusarten sind im Gegensatz zu den beiden bisher besprochenen Gattungen Pflanzen von sehr einfachem Bau. Es zeigt sich dies in ihrem Aeusseren darin, dass sie nur aus Zellfäden bestehen. Es wäre demnach vielleicht zweckmässiger gewesen, mit diesen einfachen Typen zu beginnen. Doch da sie an und für sich nichts Anderes bieten, und C'haetopteris die- jenige Pflanze ist, mit der ich mich am liebsten beschäftigt habe, so mag diese Reihenfolge gerechtfertigt sein. Die Zellen selbst bieten nach dem bisher Erörterten nichts prineipiell Neues mehr. Es liegt ihnen, wie allen anderen Zellen, zunächst wieder ein Lamellensystem zu Grunde. In den gewöhnlichen Vegetationszellen ist dies Lamellensystem sehr grobmaschig, so dass bisweilen nur wenige La- mellen diese grossen Zellen schaumförmig durchsetzen. Die einzelnen Lamellen sind hier ebenfalls von einer bewunderungswürdigen Zartheit. Sie erreichen bei den eigentlichen Ectocarpusarten wohl kaum die Dieke von "ıs x und sind oft nur mit Mühe zu erkennen. Ich sah die Lamellen besser hervor- treten, wenn ich die Pflanzen in einer hellroth gefärbten Eosinlösung beobachtete. Eine genaue Messung war nicht möglich, da die Lamellen bei einer 30 starken Vergrösserung, dass die einzelnen Abtheilungen eines Zeiss’schen Mikrometers die natürliche Grösse direkt in u anzeigten, erheblich dünner waren, als die die einzelnen Abtheilungen trennenden Theilstriche des Maasses. Soviel mir erinnerlich ist, ist das Lamellensystem bei den Ectocarpus- arten mit bandförmigen Chromatophoren grobmaschiger, als bei Zetocarpus Pylajella (mit bisquitförmigen Chromatophoren). Immer aber schwankt bei in Wachsthum begriffenen Pflanzen die Maschengrösse in den einzelnen Zellen ganz erheblich. Es lässt sich besonders bei Pylajella oft sehr schön beobachten, welchen Schwankungen die Wabengrösse in Nachbarzellen unter- worfen sein kann. Als Erläuterung möge folgendes Beispiel dienen. In einem kleinen, unter demselben mikroskopischen Gesichtsfelde befindlichen Stückchen von Pylajella wurden folgende durchschnittliche Wabengrössen gemessen: 1) in sich theilenden Zellen, solehe von 4 uw Länge und 4 u. Breite, 2) in bereits etwas älteren vegetativen Zellen, solche von 13 u Länge und 10 u Breite, 3) in einer älteren vegetativen, dem Hauptast angehörenden Zelle, solche von 23 u Länge und 17 u Breite. Bei Berechnung des Kubikinhaltes der Waben ergeben sich (unter gleichen Fehlerbedingungen) etwa folgende Werthe: 1) 4X 4x 4= _ 64 mithin 1 Wabe im Durchschnitt = 64 ebu. 2 120,2.10,.12, = 1360, zu Here = = 1560 : DEZE 20 1820, Stk Be : 473900 = Also in demselben mikroskopischen Präparate schwankte in vollständig gesunden und durchaus klar zu übersehenden Zellen die Wabengrösse von 64 cbu bis 7820 cbu! Die eine Wabe ist mithin über 120 mal grösser als die andere; und trotz dieser Verschiedenheit wird kein Beobachter über die Gleichwerthigkeit der einzelnen Zellbestandtheile auch nur einen einzigen Augenblick in Zweifel sein. Die verschiedenen Waben in den einzelnen Zellen sind meist verschieden gross, doch kommen solch grosse, wie oben erwähnte Schwankungen nicht vor. Die verschiedene Grösse der Waben in den einzelnen Zellen tritt be- sonders bei Contraktion mittelst Zucker ete. hervor. Selbstredend muss hierbei der durch den Wasserverlust entstehende Fehler in Betracht gezogen werden. Bei der Contraktion zeigt sich auch hier, dass die wandständige Lamelle in allen Stücken einer im Inneren der Zelle befindlichen Lamelle entspricht. Die Grösse der Waben hängt auch hier im Wesentlichen von dem Alter und der augenblicklichen Bestimmung der Zelle ab. In alten ausgewachsenen Zellen sind die Waben am grössten, in jungen, in Theilung begriffenen Zellen am kleinsten. In allen Fällen ist aber die Schaumnatur des der Zelle zu Grunde liegenden Lamellensystemes leicht zu erkennen. Was die Entstehung der Waben resp. der Lamellen betrifft, so entspricht 32* IE dieselbe vollkommen der der früher besprochenen Pflanzen. In den vege- tativen Vegetationszellen werden die Waben (Zellsafträume) durch die Bil- dung neuer Lamellen getheilt. Ueber ein Mindestmaass geht die durch die Neubildung von Lamellen entstehende Verkleinerung des Lamellensystemes nicht hinaus, so dass hier, wie oben erwähnt, stets die Schaumnatur klar und deutlich erhalten bleibt. Sind genug Plastinlamellen — dieselben sind selbstredend die Hauptsache — und mit ihnen Waben gebildet worden, so wird ein Theil des Lamellensystemes mite inem inzwischen neu gebildeten Kerne und einer Anzahl Chromatophoren als eigenes Individuum abgeschieden. Es er- folgt dies gleichfalls in der früher beschriebenen Weise, d. h. zunächst ordnen sich eine Anzahl Plastinlamellen in eine die Zelle quer durchsetzende Ebene an. In letzterer findet die Zellwandausscheidung statt, so dass die die Ebene bildenden Lamellen der Fläche nach gespalten zur einen Hälfte der alten, zur anderen Hälfte der neuen Zelle angehören. Des Weiteren sei auf das bei Chaetopteris Gesagte verwiesen. Auch die Bildung der Fortpflanzungsorgane findet prineipiell in derselben Weise, wie bei den früher beschriebenen Pflanzen statt; höchstens insofern in etwas primitiverer Weise, als bei Pylajella nicht wie bei C'haetopteris besondere Aestehen gebildet werden, sondern dass einfache vegetative Zellen sich in Fruetifikationszellen umwandeln. Bei den Zetocarpusarten im engeren Sinne finden sich bereits besondere Träger für die Ausbildung der Fort- pflanzungsorgane. Im Uebrigen ist der Vorgang innerhalb der Zellen der- selbe wie bei Uhaetopteris etc. Es findet zunächst eine Steigerung der Lebensthätigkeit der Zelle statt, welche sich in sichtbarer Form zuerst darin äussert, dass eine grössere Menge plastischen, individualisirten Baustoffes, d. h. dass eine grössere Menge Physodenstoff gebildet wird. Hierdurch gewinnt die Zelle verschiedene Vortheile. Zunächst verschafft sie sich einen grösseren . Vorrath von Baumaterial. Ausserdem ist derselbe, wie früher gezeigt wurde, bereits zur Lebensthätigkeit angefacht und von ausserordentlicher chemischer Reaktionskraft. Es sei nur auf seine hohe Oxydationsfähigkeit hingewiesen, welche wohl so aufzufassen ist, dass der vitale Physodenstoff theilweise zur Verathmung, und die Physode selbst als Athmungsorgan und Sauerstoffüber- träger dient. Jemehr nun solche, die Athmung befördernde Stoffe vorhanden sind, desto grösser kann dieselbe ausfallen, und desto grösser ist die dabei entstehende, der Zelle zu gute kommende lebendige Kraft. Sichtbar äussert sich dieser Vorgang in der Weise, dass, nachdem die Hauptanhäufung von Physodenstoff stattgefunden hat, so dass z. B. die Zellen von Pylajella mit Ueberosmiumsäure behandelt, total schwarz werden, ein Wiederver- brauclı dieses Stoffes beginnt. Hand in Hand damit findet die Entstehung von Plastinlamellen, Kernen, Chromatophoren und Zellwänden statt, und zwar Alles in verhältnissmässig kurzer Zeit und dabei doch in reichlicher Menge. Ist dieser Vorgang beendet, sind also die Schwärmsporen gebildet, so ist fast der ganze Physodenstof und mit ihm die leicht oxydirbaren, also lebendige Kraft und Baumaterial liefernde Substanz verbraucht. Der ganze 475 Zellinhalt befindet sichin einem bedeutend. höheren Oxydationsstadium als vorher, und es sind vorwiegend nur noch chemisch ziemlich stabile Körper wie Plastin, Kerne, Chromatophoren u. s. w. vorhanden, welche unter nor” malen Bedingungen nicht weiter verbraucht werden und demgemäss auch nicht als Kraftquelle dienen. Infolgedessen findet auch äusserlich zunächst eine Stockung der Lebenserscheinungen statt. Die nächsten Vorgänge ent- wickeln sich langsamer und ruhiger, und die erste wieder sichtbare Aufgabe besteht darin, dass wieder jener, theilweise bereits lebendige, so leicht oxydable und selbst oxydirend wirkende Stoff, der Physodenstoff, gebildet wird. Ist hiervon wieder Vorrath geschaffen, dann geht die Arbeit weiter, dann ist wieder der nöthige Baustoff und die nöthige Kraftquelle zur weiteren Entwickelung des neuen Organismus vorhanden. Es zeigt sich mithin, dass die Physoden eine mannigfaltige Funktion haben, und dass in ihnen keines- wegs ein einfacher Zellinhaltsstoff vorliegen kann. (Vergl. hierzu Fig. 33.) Diesen verschiedenen Bestimmungen gemäss finden sich auch bei den Ectocarpusarten genau wie bei den anderen beschriebenen Pflanzen die Physoden als leichtbewegliche, das ganze Lamellensystem nach Belieben durchkreuzen könnende und dadurch mit den wichtigeren Organen (Kern, Chromatophoren) in direkte Verbindung tretende Organe. Man sieht auf den ersten Blick die mannigfaltigsten Formen, und Physoden von ıini- maler Kleinheit bis zur Grösse von 2 » bis 3 u. Im Zusammenhange möge später gezeigt werden, dass der Inhalt zwar im Wesentlichen derselbe, aber doch nicht der gleiche ist. Wie könnte er auch seiner Funktion ent- sprechend immer gleichartig zusammengesetzt sein? Auch hier zeigt sich, dass die Beweglichkeit der Physoden in jungen und jüngeren Zellen eine regere ist. In alten Zellen liegen die Physoden vielfach in träger Ruhe da. Nur die eine oder andere bewegt sich ein wenig. Das jugendfrische Leben ist hier erloschen. Plastin, Kern und Chromatophoren, Alles ist völlig entwickelt; die Lebensthätigkeit ist eine recht geringe, und infolgedessen haben die sonst so eilfertigen Physoden wenig zu thun. Immerhin ruht das Plastin nicht gänzlich in seiner Tbätig- keit, sondern es verarbeitet die von den Chromatophoren produeirten Stoffe, wohl ziemlich sicher hierbei in mannigfaltiger Weise unterstützt von den Physoden und dem Kern, zu neuem lebendigem Physodenstoff. Aus welchem Grunde diese Anhäufung solch werthvoller Stoffe statt- findet, scheint auf den ersten Blick, da die meisten dieser Zellen späterhin einfach untergehen, gewiss für manchen nicht recht einleuchtend. Ich kenne einen sehr wichtigen Grund dafür, der mir diese als auch tausende andere scheinbare Verschwendungen der Natur einfach und glatt erklärt: Es ist die Bestimmung der Pflanzen für Tausende und Abertausende anderer Wesen die Nahrung zu schaffen. Wie armselig würde es mit der Thierwelt aus- sehen, wenn in der Pflanzenwelt das System der Sparsamkeit, dasjenige des Egoismus herrschte? In älteren Zellen liegen die Physoden entweder in dieken Klumpen um den Kern herum, oder sie bedecken auch mehr oder weniger grosse Flächen des Wandbeleges. Vergl. Fig. 28 u. 29. Im letzteren Falle finden sich nicht selten gürtelförmige Bänder, die die Zelle quer durchziehen. In diesen Stadien liegen die Physoden oft so dieht aneinander gelagert, dass sie wie verschmolzen erscheinen. Bei genauer Beobachtung kann man aber in der Regel die die einzelnen Physoden trennenden Plastinlamellen- theile erkennen. Klar tritt das Verhältniss zu Tage, wenn man eine wasser- entziehende Flüssigkeit (Glycerin) vorsichtig darauf einwirken lässt. Es runden sich dann die einzelnen Physoden ab, und es zeigt sich, dass jede einzelne Physode ihre normale Grösse beibehalten hat (s. Fig. 34). Was das Vermögen der amöboiden Formveränderung der Physoden an- betrifft, so ist dasselbe bei den Zetocarpusarten auch sehr entwickelt. Be- sonders lassen sich die amöbenartigen Wanderungen in den oft sehr grossen Lamellen schön beobachten, Die feine Verästelung scheint hier aber nicht so schön ausgeführt zu werden, wie bei C'haetopteris. Betreffs der mannigfaltigen Anordnung der Physodenanhäufung sei noch auf ein Stadium besonders hingewiesen. Es ist dasjenige, wie es Fig. 28 von Pylajella wiedergiebt. In der wandständigen Lamelle finden sich ganze Flächen dicht mit Physoden besetzt; doch nicht so dicht, dass eine schein- bare Verschmelzung stattgefunden hätte; sondern zwischen den einzelnen Physoden bleibt immer ein kleines Flächenstück, welches, selbstredend aus Plastin bestehend, etwas heller erscheint als die Physoden. Man glaubt desshalb auf den ersten Augenblick ein zartes Netzwerk zu erblicken und kann an- fangs in dieser Meinung besonders dann bestärkt werden, wenn sich zwischen den grösseren, mehr amöboide Formen besitzenden und desshalb nicht so stark lichtbrechend erscheinenden Physoden kleinere, runde, stärker licht- brechende Physoden befinden. Eine nähere Untersuchung zeigt aber, dass dies Netzwerk nur eine zufällige Erscheinung ist, hervorgerufen durch die besondere Anordnung der Physoden, im Uebrigen aber mit Strukturver- hältnissen nicht das Geringste zu thun hat. Dasselbe ist der Fall bei den, auch bei den Zctocarpusarten häufig auftretenden, fadenförmigen und torulösen Differenzirungen. Es handelt sich auch bei diesen Pflanzen um sichtbare Stoffwechselvorgänge innerhalb der letzten morphologischen Abtheilung des ‚Plasma‘, nämlich innerhalb der Plastinlamellen. Es kann hiermit die Gruppe der Zctocarpen verlassen werden. Es hat sich gezeigt, dass die Zellen auf den ersten Anblick anders aussehen als z. B. eine Scheitelzelle von C’haetopteris, dass aber bei allen bisher be- trachteten Zellen, gleichviel ob vegetative oder Fruktifikationszellen vorliegen, bei näherer Betrachtung sich in allen Zellen genau dieselben Bestandtheile und zwar in derselben gegenseitigen Beziehung vorfinden. Es ist in dieser Hinsicht gleich, ob wir eine Fruktifikationszelle von Fucus, oder eine vege- tative Zelle von Zctocarpus vor uns haben. Dies ist um so bemerkenswerther, als in den angeführten Pflanzen mehrere sehr verschieden hoch entwickelte Pflanzen vorliegen, indem bei der einen von Geschlechtszellen überhaupt noch nicht geredet werden kann, bei der anderen dagegen wie bei den höchst entwickelten Organismen besondere männliche mit Spermatozoiden, und besondere weibliche mit Eiern versehene Individuen gebildet werden (Fucus vesiculosus). Giraudia. Von der Gruppe der Flachisteen wurde eingehender Grraudia unter- sucht. In die allgemeineren Untersuchungen konnten Halothrix, Leptonema und Hlachista gezogen werden. Ueber Giraudia sphacelarioides habe ich Einiges bereits im Jahre 1392 in den „Bericht. d. deutsch. bot. Gesellschaft“ p. 451 im „Beitrag zur Kenntniss der Protoplasmastruktur‘‘ berichtet. Es sei gestattet, hier im Zusammenhange nochmals darauf zurückzukommen, zumal Giraudia infolge ihrer Kleinheit für manche Untersuchungen ein vorzügliches Material ist. Es lassen sich nämlich oftmals die ganzen Pflänzchen ohne irgendwelche Präparation bei den stärksten Vergrösserungen beobachten, und dies ist, wenn sich die Zellen sonst dazu eignen, für entwickelungsgeschichtliche Studien ein grosser Vortheil. Bei diesem Objekt finden sich in der Nähe der Basis eine Anzahl schmaler Zellen, welche durch intercalares Wachsthum gebildet werden und deren Wände zur Längsrichtung des Fadens senkrecht stehen. Jede dieser Zellen theilt sich später durch eine Anzahl zur Längsrichtung des Fadens parallel gerichteter Wände in die normal entwickelten vegetativen Zellen eines Giraudia-Fadens, wobei ein erhebliches Länrenwachsthum des Seg- mentes stattfindet. In Fig. 1 möge eine Skizze gegeben werden. Aus a entsteht Fig. 1. also durch Ausbildung von Längswänden und dabei stattfindendes Längen- wachsthum ein Zellcomplex b. Bei der Bildung des ganzen Zellcomplexes b aus der ursprünglichen Zelle a findet keine Bildung von Plastinlamellen mehr statt, sondern die in der Urmutterzelle vorhandenen Lamellen wachsen nur weiter aus. Es ist einleuchtend, dass für jede Tochterzelle nur wenige Lamellen übrig bleiben. Es finden sich infolgedessen in einer ausgewachsenen Giraudiazelle nur wenige, die Zelle durchsetzende Lamellen. Die Figuren 35, 36 und 57 geben die Entwickelung bis zu einer ziemlich ausgewaclsenen Giraudia- zelle wieder. Zwei, ohne Weiteres erkennbare Zellen sind mit ılıren Inhaıts- körpern wiedergegeben; in Fig. 36 sind nur die Plastinlamellen eingezeichnet Dieselben erscheinen auch bei Giraudia stets als sehr zarte, stark licht- brechende Linien. Die Zelle der Fig. 35 ist keine Vegetationszelle, sondern ein 478 bereits von dem Vegetations- also Plastinbildungsherd abgeschiedenes Segment, einem Segmente a der Uebersichtsfigur entsprechend. Die Zelle des eigent- lichen Vegetationspunktes hat ein ganz ähnliches Aussehen und ist ebenso übersichtlich gebaut. Werden Fig. 35 und 37 a verglichen, so geht daraus hervor, dass in erster Linie eine Wasseraufnahme stattgefunden hat. Ausserdem ist eine Vergrösserung und wohl auch Vermehrung der Chromatophoren nachweis- bar; ferner sind mehrere Zellkerne gebildet worden, und es ist nicht aus- geschlossen, dass auch die Gesammtmenge des Plastinstoffes, nicht aber die Anzahl der Lamellen sich vermehrt hat. Schliesslich ist, trotzdem der be- treffende Zelleomplex im steten, wenn auch langsamen Wachsthume begriffen gewesen ist, eine Anhäufung von Physodenstoff erfolgt. Die sicherlich als secundäre Zelleinschlüsse zu betrachtenden Phäophyceen- stärkekörner mögen hier ausser Betracht bleiben. Sie sind bei der genauen Wiedergabe der Zelle mit abgebildet worden. Es sind feste, birnenförmig gestaltete Körper, die mit einem Spitzchen den Chromatophoren anhängen. Der Name Phäophyceenstärke ist ihnen von Schmitz beigelegt worden. Ihre chemische Natur ist noch unbekannt. Im Uebrigen sei auf die Ab- handlung: ‚Ueber die Hansteen’schen Fucosankörner“ verwiesen, in welcher die bis dahin vorliegenden Angaben besprochen worden sind. (Ber. d. deutsch. botan. Gesellsch. 1893 p. 235.) Wie aus Fig. 38 indirekt hervorgeht, wachsen die Zellen noch etwas weiter aus, um sich dann grösstentheils in Reproduktionszellen umzuwandeln. Dies geschieht in der bei C'haetopteris ete. erörterten Weise, indem sich zunächst der aufgespeicherte Physodenstoff durch Bildung vieler kleinerer Physoden möglichst gleichmässig in der Zelle vertheilt. Hierbei findet fleissiges Umherbewegen der Physoden statt, und allmählich erfolgt bei den unter Ectocarpus beschriebenen Bedingungen die Bildung von Plastin- lamellen ete. Das Lamellensystem wird immer dichter und dichter, und wenn die Maschen ungefähr die Kleinheit wie an dem vegetativen Vege- tationspunkt erreicht haben, die kleinen neu gebildeten Chromatophoren, Kerne und Physoden sich gleichmässig vertheilt haben, beginnt in den meisten Plastinlamellen die Abscheidung der Zellwand. Hierauf ziehen sich die Zellleiber von den Wänden der neugebildeten Kammern etwas zurück, und die „„Schwärmsporen“ sind im Wesentlichen fertig. Die freigewordenen Schwärmsporen setzen sich nach einiger Zeit fest und treiben einen später als Haftorgan dienenden Vorkeim, in welchem eine besondere Stelle zum neuen intercalaren Vegetationspunkt, von welchem wir anfangs ausgingen, gebildet wird. Man kann hier bei einem glücklichen Griff die ganze celluläre Ent- wickelung eines immerhin hochentwickelten Pflänzchens auf einmal in allen Stadien vor sich haben, und zwar, was die morphologischen Verhältnisse (mit Ausnahme des Kernes, über dessen Beschaffenheit ich keine weiteren Studien bei den Braunalgen angestellt habe) betrifft, in einer so vollkommenen Klarheit und Deutlichkeit, wie sie sich bei höheren Organismen kaum findet. 479 Auch bei Giraudia lassen sich verschiedene Entwickelungsphasen scharf unterscheiden, welche aber auch hier alle nur darin verschieden sind, dass die betreffenden Zellen mehr oder weniger lebhaft an der weiteren Produktion schon vorhandener Zellbestandtheile arbeiten. So finden sich in den Zellen des intercalaren Vegetationspunktes die uns nun bekannten Bestandtheile, nämlich das Lamellensystem mit den ihm ein- gelagerten Organen, Zellkern, Chromatophoren und Physoden. Diese Vege- tationszellen unterscheiden sich von den vegetativen dadurch, dass bei letzteren nur eine weitere Anhäufung von Physodenstoff, wohl auch eine Theilung der Chromatophoren, ferner ein weiteres Auswachsen der von der Mutter- zelle mitgegebenen Bestandtheile stattfindet, d. h. ein Auswachsen des Kernes, der Plastinlamellen, der Zellsafträume und der Zellwand, die hier alle ziemlich gleichmässig an Volumen zunehmen. In der Zelle des Vegetationspunktes findet ausserdem noch eine Neu- bildung von Plastinlamellen statt. Im Uebrigen ist das Leben und Treiben in den Zellen dasselbe. Wie wenig sich nun im Prineip eine solche Vege- tationszelle von den gewöhnlichen Zellen unterscheidet, geht daraus hervor, dass letztere Zellen, wenn sie sich eine Zeit lang erholt und gestärkt haben, die Thätigkeit ihrer Mutterzeile übernehmen und nun ihrerseits auch an- fangen Plastinlamellen und Zellkerne neu zu bilden. Zunächst findet in den jungen vegetativen Zellen nur eine Neubildung von Kernen statt, und zwar werden soviel neue Kerne gebildet, als der betreffende Zellcomplex Zellen erhält. Darauf folgt eine längere Ruhezeit, verbunden mit der An- häufung von Physodenstoff. Schliesslich beginnt die Plastinneubildung, womit die Zelle in den „F'ruktifikationszustand* eintritt. Es findet ein Diehterwerden des Lamellensystemes statt. Die Beziehungen der einzelnen Zellbestandtheile untereinander bleiben aber genau dieselben. Wenn eine gewisse Dichtigkeit erlangt ist, neue Kerne und Chromatophoren gebildet sind, zerfällt der ganze Zellleib auf einmal in eine Anzahl Zellen, in Schwärmsporen, welche nach ihrer Festsetzung das ganze Schauspiel von Neuem beginnen lassen. (Vergl. das bei C'haetopteris Gesagte.) Die zwei Vegetationscentren unterscheiden sich also hauptsächlich da- durch, dass das eine längere Zeit hindurch in einer Richtung Zelle auf Zelle — den vegetativen Faden — abscheidet, das andere dagegen auf einmal in eine grössere Anzahl Zellen zerfällt. Die inneren Vorgänge sind im Prineip die gleichen. Zur besseren Veranschaulichung mögen die Fig. 2 und 3 dienen. Fig. 2 giebt eine graphische Darstellung über die Neu- bildungsmenge der einzelnen Zellbestandtheile, Fig. 3 dagegen eine Dar- stellung über die in den einzelnen Abschnitten vorhandene Gesammtmenge der Zellbestandtheile. (Fig. 2 u. 3 s. umstehend.) Von sog. niederen Organismen unterscheidet sich Giraudıa dadurch, dass bei Giraudia die Plastin- und Kernbildung auf wenige Centren be- schränkt ist, oder vielmehr zeitweilig in gewissen Zellen nicht stattfindet. Bei den niederen Organismen ist diese Beschränkung in der Regel nicht vorhanden, und es findet eine ruhige gleichmässige Entwickelung von Zellen 480 Plastinlamellenneubildung, -— — —-- Kern, Chromatophoren, weooccon sichtbarer Physodenverbrauch, »oo000eoo sichtbare Physodenstoffanhäufung. Fig. 2 Neubildungseurven. 2 em 1 ggoare00ana000e0000008, g schüssige__ | _ ER Er ° Zerfall- I. lebhafte a er 7; Pi fer Bin NS. 2 < - 2 TERN x, ige" / sporen 5 ER + o° Ne R keine Ta, 2 Ne, ex BERN ELISE EEE E TEE FIITERTAEAIATERISASSTSTRNT og 000 Vege- | vegetative Zellen | tations- | noch wachsend und ausgewachsen, Frukti- punkt, f En en lan se nach 8. Fig. 33. ] fikations- siehe teilend, s. Fig. 32. zellen, Fig.31. | I s. Fig. 34. Fig. 3. | Zerfall- sehr viel in Schwärm- viel sporen, wenig sehr wenig Curven der Mengenverhältnisse. statt. Jedoch kann auch hier das Plastin diesen gleichmässigen Vorgang unterbrechen, sei es, um sich Ruhe zu gönnen, sei es, um Reservestoffe für geahnte, ungünstigere Lebensbedingungen zu sammeln (Sporenbildung der Bacterien etc.) Höher entwickelte Pflanzen, zu welchen wir schon Fucus rechnen müssen, behalten die Plastinbildungscentren bei und nehmen hierbei bald diese, bald jene äusserliche Eigenthümlichkeiten an. Es liessen sich hier noch lange Erörterungen anschliessen. Dieselben seien jedoch auf den Hinweis beschränkt, dass auch bei den höher ent- wickelten Pflanzen prineipiell abweichende Umstände nicht auftreten. Es finden sich auch dort in den Sexualzellen dieselben Organe mit denselben Funktionen wie bei Giraudia. Auch in dieser Beziehung dient Fucus wieder als ein gutes Bindeglied zwischen mehreren scheinbar sehr verschiedenen Pflanzenformen. In allen Fällen haben wir es bei den Vegetationspunkten mit zu vollster Thätigkeit angefachten Neubildungsstätten zu thun. Beim Vorgang der Sexualität, gleichviel ob hierbei die Eizellen und die Pollen- körner resp. Spermatozoiden von Eiehbäumen, von Fucus, oder zwei oder mehrere Schwärmsporen oder Plasmodien sich mit einander vereinigen, ist wohl in erster Linie darauf gerechnet, dass durch Vermischen des Plastines verschiedener Individuen die etwa eingetretenen Abnormitäten des einen compensirt werden, was dem Gesundheitszustand des neuen Individuum gewiss zu gute kommt. 481 Dass die Vermischung der sog. Geschlechtszellen zur Erzeugung eines neuen pflanzlichen Organismus nicht unbedingt nöthig ist, zeigen Brutknospen, Stecklinge etc. auf das Deutlichste. Ja, nicht selten genügt es, z. B. be einigen Stubenpflanzen, dem Gummibaum, der Pelargonie etc. ein Blatt in die Erde zu stecken, (also einen Theil der Pflanze, welcher für gewöhnlich nach beschränkter Zeit sicher zu Grunde geht), um das Plastin zu erneuter Thätigkeit anzuregen. Die Folge davon ist die Entstehung eines neuen vollständigen Gesammtorganismus. Es ruht mithin in dem Plastin der Blatt- zellen — es werden hier wohl in erster Linie die Cambiumzellen in Be- tracht kommen — dieselbe Lebenskraft, wie in den geschlechtlichen Repro- duktionszellen. Dietyota. Von einer weiteren Ordnung der Braunalgen, den Dietyotaceen, konnte Dictyota dichotoma mit in den Kreis der Untersuchungen gezogen werden. Die Zellen der Mittelschicht habe ich leider seinerzeit nicht genügend be- rücksichtigt, um hier darüber berichten zu können. Die am ältesten Theile des Thallus befindlichen Wurzelzellen ähneln in ihrem inneren Bau sehr einer Scheitelzelle von Sphacelaria. Etwas Neues, insbesondere Abweichendes wüsste ich nicht zu berichten. Dagegen sind die Epidermiszellen, von denen eine in Fig. 45 abgebildet ist, von Interesse. Sie besitzen, wie die Figur zeigt, einen selır einfach gebauten Zellleib, indem nur sehr wenige Lamellen die Zelle durchsetzen. Etwas thatsächlich Neues ist auch hier nicht vorhanden. Kern, Physoden und Chromatophoren stehen in dem bekannten Verhältniss zu dem Plastin- system. Das Letztere ist hier nur sehr primitiv, und was das Interessante daran ist, es gleicht dem Plastinsysteme gewisser Grün- und Rothalgen. Man vergleiche z. B. die Zelle von Einteromorpha clathrata, welche in Fig. 54 wiedergegeben ist. Die beiden Zellen unterscheiden sich nur durch ihre Chromatophoren von einander. Da der ganze Habitus einer Dictyotazelle, wie erwähnt, auch mit ge- wissen Rothalgen viel Aehnlichkeit hat, fernerhbin die Bildung der un- geschlechtlichen Sporen (Tetrasporen), als auch die Ausbildung der Spermatien bei den erwähnten Pflanzen viel Uebereinstimmendes aufzuweisen hat, so wäre eine eingehendere Vergleichung nicht ohne Interesse. Vielleicht liessen sich hier weitere Beziehungen zwischen Lamellensystem und der Ausbildung der äusseren Formen feststellen. Diesbezügliche Vergleiche dürften auch für die systematische Stellung der einzelnen Gattungen von Wichtigkeit sein. Halorrhiza. Als weiteres Beispiel sei noch ein junger Zweig von Halorrhiza vaga in Fig. 41 abgebildet. Die Wabenstruktur des Plastinsystemes tritt sowohl hier, als auch in anderen ausgewachsenen Kopf- und Stielzellen zweifellos zu Tage. Die Physoden sind im Durchschnitt 1 u gross, in einzelnen Fällen erreichen sie aber eine Grösse bis zu 3 u. Sie bewegen sich unter allerlei Formveränderungen in den Lamellensystemen umher. In den Kopf- zellen sind die Physoden häufig zu traubenförmigen Massen zusammengeballt. In den inneren, chlorophyllfreien Zellen bilden sie nicht selten ähnliche Gürtel, wie wir sie bei Pylajella kennen gelernt haben. Die Zellwand- bildung findet, wie aus der Fig. ersichtlich ist, in analoger Weise wie bei Chaetopteris ete. statt. Der Kern war bei dem lebenden Materiale schwer zu sehen. In der mittleren Zelle der Fig. war er dem muschelförmigen Chromatophor angelagert. Es zeigt sich also bei dieser beliebig gewählten Pflanze durchaus Nichts Abweichendes. Tilopterideen. Von der letzten Ordnung der Phaeophyceen, den Tilopterideen, konnte Haplospora bei den Untersuchungen berücksichtigt werden, Sowohl im Aufbau der vegetativen (s. Fig. 42), als der Fruktifikationszellen zeigte sich nach dem früher Besprochenen nichts Bemerkenswerthes. Fig. 43 stellt ein Stück einer fast ausgewachsenen, aber noch mit nur einem Zellkern versehenen Haplosporafrucht dar. Ausser den bisher besprochenen Pflanzen wurden noch folgende Phaeo- phyceen mehr oder weniger eingehend untersucht: Ralfsia, Halothrix lumbricalis, Leptonema fasciculatum, Elachista fucicola, Asperococeus echinatus, Striaria attenuata, Stietyosiphon tortilis, Desmotrichum undulatum, Kjellmannia sorifera, Scytosiphon lomentarius (s. Fig. 44), Chorda Filum, Dictyosiphon foeniculaceus, Gobia baltica, Chordaria flagelliformis und divaricata, Castagnea virescens, Leathesia difformis. Alle diese Pflanzen schlossen sich inbezug des Aufbaues und der Ent- wickelung ihrer Elementarorganismen den ausführlicher beschriebenen Pflanzen voll und ganz an. Es besitzt zwar jede Pflanze, jede einzelne Zelle ihre besonderen Eigenheiten, keine aber weicht von dem bekannten, verhältniss- mässig einfachen Typus ab. Florideen. Von den Florideen sind leider nur einige Arten nebenher untersucht worden. Abgesehen von dem Zeitmangel hatte dies auch noch einen anderen Grund. Ich wusste nämlich lange Zeit Nichts mit den Zellen der Roth- algen anzufangen, da darin sehr wenig zu sehen war. Erst gegen Ende der Untersuchungen gelangte ich zu der Ueberzeugung, dass bei den Roth- algen deshalb nicht viel vom Plastinlamellensystem zu sehen ist, weil über- haupt nicht viel vorhanden ist. Eine grosse Reihe der Florideen besitzen einen äusserst primitiven Aufbau ihrer Elementarorganismen. Das ganze Plastinsystem besteht oft nur aus wenigen Lamellen, welche die Zelle in 3—5 Kammern theilen; ja es scheint die Reduktion sogar soweit zu gehen, dass mitunter in der Zelle überhaupt nur eine einzige waudständige Lamelie vorhanden ist, dass also am Vegetationspunkte in fast allen Plastinlamellen Zellwandstoff ausgeschieden wird, so dass schliesslich je eine oder wenige Waben des Lamellensystemes eine abgeschlossene „Zelle“ bilden. Als Beispiel sei je eine vegetative Zelle von Delesseria (Fig. 47) und von Polysiphonia (Fig. 48) abgebildet. Aus den beiden Skizzen, in welchen die Chromatophoren und die der wandständigen Lamelle eingelagerten Phy- soden weggelassen sind, geht im Vergleich mit den Abbildungen anderer Zellen der einfache Aufbau ohne Weiteres hervor. Das Bewegungsvermögen der Physoden ist bei den Rothalgen ein sehr geringes, und nur nach lauger Beobachtung konnte ich Formveränderungen feststellen. Vielleicht liegt dies hauptsächlich daran, dass auf die Florideen- zellen die abnormen Bedingungen, welchen sie bei der Beobachtung unter- legen sind, nachhaltiger wirken als wie auf die Braunalgenzellen. Auch dort wird ja, wie früher gezeigt, die ganze Lebensthätigkeit durch die Präparation etc. zunächst gehemmt. Soviel ich bis jetzt beobachten konnte, sind im Wesentlichen die als Zlorideenstärke bezeichneten Gebilde als die Physoden anzusehen. Diese Gebilde sind ebenfalls den zarten Lamellen eingelagert, letztere dadurch an den betreffenden Stellen auftreibend. Bei längerer Beobachtung lassen sich Formveränderungen an ihnen wahrnehmen, und mit Ueberosmiumsäure behandelt färben sie sich in erster Linie grau oder schwarz. In einer Scheitelzelle von Ceramium beobachtete ich im älteren Theile ein ähnliches Lamellenwerk nebst Physoden wie bei Chaetopteris. Der vordere Theil war nicht sicher zu diagnostieiren, ein Umstand, auf welchem bei Chaetopteris des Näheren eingegangen ist. Von mehr Interesse ist eine der letzten Beobachtungen, die ich anstellen konnte. Sie betrafen die Struktur in der Trichogyne von Phyllophora. Eine derselben ist in Fig. 49 abgebildet. Es liegt hier wiederum ein fein- schaumiges Plastinlamellensystem vor. In den Lamellen befinden sich die Physoden. Die einzelnen Zellsaftkammern sind verschieden gross. Theil- weise erreicht der Schaum eine Feinheit, wie bei den höheren Pflanzen. Dass hier eine solch verhältnismässig grosse Menge Plastinsystem vor- liegt, darf uns nach allen bisherigen Beobachtungen nicht Wunder nehmen, denn wir haben es hier mit einem bei der Reproduktion nicht unbetheiligten Zellstück zu thun und haben in derartigen Fällen stets eine Anhäufung und Verkleinerung des Lamellensystemes gefunden. Es wird durch diese Beobachtung der primitive Aufbau der vegetativen Zeilen indirekt bestätigt, denn diese müssen nach allen vorliegenden Er- fahrungen ein grossschaumigeres Plastinsystem besitzen und besitzen es, wie sich gezeigt hat, thatsächlich. Wäre ein zwar kleinmaschiges, aber vielwabiges Lamellensystem vorhanden, so könnte sich dies unmöglich der Beobachtung entzogen haben, ebenso wenig wie es in den Trichogynen zu übersehen ist, zum mindesten würde man es als „Protoplasma‘ vorfinden. 184 Irgendwie besondere, von den Braunalgen abweichende Verhältnisse konnten bei keiner A’loridee gefunden werden. Auch hier zeigt sich also, dass der Kern, die Chromatophoren und die Physoden zarten Lamellen eingelagert sind, und dass alle Einschlüsse die letzeren mehr oder weniger auftreiben. Das Lamellensystem bildet ebenso wie bei den Braunalgen die Grundlage der einzelnen Elementarorganismen resp. des Gesammtorganismus. Chlorophyceen. Enteromorpha. Bei Dictyota wurde bereits erwähnt, dass die Epidermiszellen dieser Pflanze mit den Zellen von Einteromorpha clathrata viel Aehnlichkeit be- sitzen. Die Fig. 45 und 54 legen davon Zeugniss ab. Beide stellen die optischen Durchschnitte der betreffenden Zellen dar. Bei Enteromorpha durchsetzen demnach eine Anzahl Lamellen die Zelle schaumförmig. Die Lamellen können langsam ihre gegenseitige Lage ver- schieben. Sie sind wie bei den Braunalgen sehr zart, und es finden sich in ihnen die Physoden unter genau denselben Bedingungen vor, wie bei den Braunalgen, d. h. als bläschenartige, die Lamellen auftreibende Gebilde. Die Physoden gleiten in den Lamellen nach Belieben umher. Eine An- zahl davon haben sich (in der Figur) dem Kern angeschmiegt. Der grosse Chromatophor ist durchwegs der wandständigen Plastinlamelle eingelagert, während der Kern in dem Lamellensystem aufgehängt erscheint. Die Pflanze, an welcher die Beobachtungen angestellt wurden, befand sich theilweise im Stadium der Fortpflanzung. Sie zeigt im Aufbau ihrer Zellen nicht die geringste principielle Ab- weichung von dem Baue einer einfachen Braunalgenzelle oder einer Floridee. Die Wabengrösse ist im vorliegenden Falle eine mittlere, etwa 4—6 u. im Durchmesser. Rhizoelonium. Einen etwas kleineren Wabendurchmesser fand ich in einer Species von Rhizoclonium (Fig. 55). Cladophora. Einen erheblich grösseren Durchmesser besass dagegen eine Oladophora. Der optische Durchschnitt derselben ist in Fig. 68 wiedergegeben. Wenn auch die Figur dem Botaniker an und für sich nichts Neues bietet, so hoffe ich doch, dass die bisherige Auffassung durch die vorliegende Ab- handlung berichtigt wird. Die äusserst zarten Lamellen, welche eine (la- dophorazelle durchsetzen, bestehen durchaus nicht aus „Protoplasma,‘‘ sondern aus Plastin. Es liegt hier nicht ein Fall vor, in dem das „Proto- plasma‘ schaumförmig angeordnet ist, wie etwa in den Zellen höherer Pflanzen dicht hinter dem Vegetationspunkte, in welchen in dem feinschaumigen „Protoplasma“ einige kleine Waben zu den grösseren Zellsafträumen heran- 485 wachsen und dadurch eine sekundäre schaumförmige Anordnung erzeugen. Diese letzteren Fälle haben selbstredend mit der „Protoplasmastruktur‘ nichts zu thun, sondern die „Struktur des Protoplasma‘“ ist bei den höheren Pflanzen in dem scheinbar körnigen Schleim, dem sog. „Protoplasma,“ selbst zu suchen. Da diese Verhältnisse nicht immer mit genügender Schärfe auseinandergehalten worden sind, sei es gestattet, diesen wichtigen Punkt an einem einfachen Beispiel möglichst klar zu stellen. Ein sehr dichter Seifenschaum von lamellöser Struktur, welche aber als solche mit unbewaffnetem Auge nicht erkennbar ist, sei mit dem ,‚‚Proto- plasma“ verglichen. Wenn nun einige von den unendlich vielen Waben des Seifenschaumes (durch Einblasen von Luft etc.) mehr oder weniger ver- grössert werden, so wird hierdurch ein für das Auge ohne weiteres sicht- barer Schaum erzeugt, der allerdings mit dem ursprünglichen Schaume im engsten Zusammenhange steht, da seine Waben nur durch Heranwachsen einiger kleinen, nicht direkt sichtbaren Waben entstanden sind. Immerhin kann dieser Schaum als ein „sekundärer‘‘ bezeichnet werden, weil er sich infolge der Grössenverhältnisse scheinbar wesentlich von dem feinen Schaum unterscheidet. Der feine Schaum erscheint als eine mehr oder weniger homogene Masse, welche die Wände des sekundären Schaumes bildet. Ebenso verhält es sich in den Zellen vieler Vegetationskegel. Der ur- sprüngliche, sehr feine Plastinschaum erscheint als eine homogene Masse, als „Protoplasma,‘‘ und einige in diesem Schaum heranwachsende Waben erzeugen das leicht sichtbare Schaumwerk sekundärer Natur. Die Wände dieses letzteren Schaumwerkes sind dann selbstredend — vorausgesetzt, dass nieht zwei benachbarte Waben sich vergrösserten — von feinem Schaum, von „Protoplasma‘‘, gebildet. Das ‚Protoplasma‘‘ seinerseits zeigt aber bei näherer Betrachtung seine ihm eigenthümliche primäre Schaumnatur, und die nunmehr sichtbaren, äusserst zarten Lamellen bilden erst das der Zelle zu Grunde liegende Gerüst, das Plastinsystem. (Man vergl. Fig. 80.) Bei vielen Algen tritt nun, wie schon früher beschrieben worden ist, ohne Weiteres das Plastinsystem dem Beobachter entgegen und zwar lediglich deshalb, weil bei den betreffenden Algen sämmtliche Waben annähernd gleichmässig heranwachsen. Infolgedessen sind in einer solchen Zelle so- wohl sämmtliche Waben, als auch sämmtliche Plastinlamellen vollkommen deutlich zu sehen. Diese deutlich sichtbaren Plastinlamellen dürfen nun selbstredend nicht mit Protoplasmalamellen identifieirt werden. Bei unserer Cladophora liegen Plastin- und nicht Protoplasmalamellen vor. Die Plastinlamellen sind c. "is w dick. Die geringsten Einschlüsse treiben die Lamellen auf. Es ist mir der Vorwurf gemacht worden, dass ich seinerzeit all- bekannte Dinge beschrieben hätte. Ich halte diesen Vorwurf aus den er- wähnten Gründen für ungerechtfertigt und hebe nochmals hervor, dass Proto- plasma und Plastin zwei durchaus verschiedene Dinge sind. Der Begriff „Protoplasma‘‘ lässt sich nicht aufrecht erhalten; das Plastin dagegen ist 486 ein ganz bestimmter Theil des Collektivbegriffes Protoplasma. Bei manchen Pflanzen ist das Plastinsystem infolge seiner Kleinheit ausserordentlich schwierig zu sehen, bei einer Reihe anderer Pflanzen tritt es dagegen in erstaunenswerther Einfachheit und voller Klarheit zu Tage. Mit dem Maassstab in der Hand ist es ein Leichtes in der Natur die sämmtlichen Uebergänge von den feinsten bis zu den relativ grossen Schäumen zu finden. Unter ein Minimalmaass scheint sowohl nach Bütschli’s als nach meinen Beobachtungen die Wabengrösse nicht hinunterzugehen. Dies Maass beträgt etwa a— "a u. Die einzelnen strukturlosen Plastinlamellen sind wohl stets unter Y2, meist unter "5 u dünn. Bei einer gewissen Uebung ist die Unterscheidung zwischen Plastinlamellen und Protoplasmalamellen nicht schwer, zumal das Verhältniss der Zellorgane zum Protoplasma ein völlig anderes ist, als zum Plastin. Z. B. liegen bei Urtica im Protoplasma eine ganze Menge Physoden vollständig eingelagert. Jede Physode aber treibt die zu ihr gehörige Plastinlamelle ganz erheblich auf. Vergl. Fig. 75 u. 76. Es gipfelt also zunächst alles in der Auseinanderhaltung von Protoplasma- lamellen und von Plastinlamellen. Letztere sind zwar der wichtigste, procentisch aber ein sehr geringer Bestandtheil der ersteren. Die Plastin- lamellen sind unbedingt nöthige Bestandtheile, ja sogar die Grundlage einer jeden Zelle, während die Protoplasmalamellen nur unter gewissen Bedingungen auftreten und durchaus nichts mit der feineren „Protoplasmastruktur‘‘ zu thun haben. In der Fig. 68 von Cladophora liegen, wie erwähnt, Plastinlamellen vor. Ihnen sind die kleinen Physoden in bekannter Weise eingelagert. Die Zahl ist hier eine geringe. Desgleichen scheint das Bewegungsvermögen hier nicht so stark ausgeprägt zu sein, wie bei anderen Pflanzen. Der Chromatophor liegt hier der wandständigen Lamelle eingelagert; ein Stück erstreckt sich nach dem Zellinneren und treibt an dieser Stelle selbst- redend die zarte Lamelle ziemlich stark auf. Die Pyrenoide sind als nicht unwesentliche Organe mit von der Plastinlamelle umschlossen. Irgend etwas von dem allgemeinen Schema prineipiell Abweichendes ist demnach auch hier nieht vorhanden. Dasselbe ist der Fall in den vegetativen Zellen von Urospora. Mesocarpus. Betreffs Mesocarpus kann ich mich im Wesentlichen auf das in den morphologischen und mikrochemischen Untersuchungen über die Physoden „Bot. Zeit. 1893“ Gesagte beschränken, nämlich „bei Mesocarpus zeigen die als Gerbstofftropfen bekannten Gebilde ebenfalls deutliche Form- und Örtsveränderung. Da sie sich durch ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen auszeichnen und, soweit ich bis jetzt beurtheilen konnte, in einer zarten Lamelle liegen, so sind diese Gebilde auch als Physoden anzusehen. Sie enthalten ebenfalls die am leichtesten oxydirbaren Stoffe der Zelle.‘ Meines Dafürhaltens liegt in den vegetativen Zellen von Mesocarpus ein sehr ein- 487 faches Plastinsystem vor. Es scheint in vielen Fällen nur: eine wand- ständige Lamelle und eine die Zelle der Länge nach theilende Lamelle vorzuliegen. In letzterer befinden sich der Chromatophor, der Kern und zahl- reiche Physoden, iu ersterer nur zahlreiche, oft lebhaft hin und herkriechende Physoden von ziemlicher Grösse. Mittelst vorsichtiger Contraktion mit Glycerin resp. Zueker könnte man hier und in vielen anderen Fällen (z. B. Rothalgen, Moosen) die betreffende Frage definitiv entscheiden. Man braucht nur an günstigen Stellen die Stärke des Wandbelegs und das Ver- hältniss der Physoden zu diesem in Betracht zu ziehen. Ist der Wand- beleg unter "3 uw dick, und stehen die Physoden in einem entsprechenden Grössenverhältniss zu ihm, so liegt wohl ziemlich sicher eine einfache wand- ständige Plastinlamelle vor. Bemerken möchte ich noch, dass ich für einen erst zweizelligen Meso- carpuskeimling für die ältere Zelle desselben ein „deutlich schaumförmiges Plasma“ am Ende meiner Untersuchungen notirt habe. Es würde dies den zu erwartenden Verhältnissen entsprechen. Leider liegt meinerseits nur die eine Beobachtung vor, sodass ich mir inbetreff dieser Frage kein endgültiges Urtheil zu bilden vermag. Spirogyra. Eines der ungünstigsten Materiale, die ich kennen gelernt habe, ist Spirogyra. Wohl deuten eine ganze Reihe von Beobachtungen darauf hin, dass hier ein sehr feinschaumiges Lamellenwerk vorliegt, doch zu einer sicheren Entscheidung konnte ich nicht gelangen. Mit Sicherheit konnte ich des Oefteren ein Netzwerk feiner Fäden beobachten. Ob aber that- sächlich Fäden oder der jeweilige Durchschnitt eines Lamellensystemes vor- lag, war infolge der Kleinheit nicht zu entscheiden. In den Fäden resp. Lamellen glitten die Physoden in den verschiedensten Richtungen lebhaft hin und her. Die Physoden sind hier sehr klein, dafür aber zahlreicher. Trotz ihrer Kleinheit treiben sie die sie beherbergenden Theile torulös auf. Man erhält demnach, wie auch aus Fig. 50 (opt. Durchschnitt) hervorgeht, ein ganz analoges Bild wie bei den übrigen Pflanzen. Des Weiteren fand sich bei absterbendem Materiale dieselbe Anordnung der scheinbaren Fäden, wie sich solche auch bei anderen Pflanzen in diesem Stadium vorfindet, nämlich die Fäden schienen ein ziemlich regelmässiges Netzwerk zu bilden. Diese regelmässige Anordnung ist uns schon bei dem grosswabigen Lamellen- system der Braunalgen (C'haetopteris) begegnet, sie findet sich fernerhin in den abgetödteten Zellen von noch zu besprechenden Pflanzen, z. B. Bry- opsis, Tradescantia ete. In vielfachen Abbildungen und Erläuterungen liegt sie fernerhin in Bütschli’s bekanntem Werke vor. Die kleinen Physoden zeigen bei den Spirogyren ein sehr starkes Reduktionsvermögen. Trotz der nicht sicheren Entscheidung unterliegt es für mich kaum einem Zweifel, dass bei Spirogyra ein sehr feinschaumiges Lamellenwerk Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd, VIL Heft III. 33 488 vorliegt. Die Bewegung des gesammten Lamellensystems erfolgt wie bei allen Pflanzen mit kleinschaumigem Plastinsystem. Fig. 50 zeigt eine der bekannten Anhäufungen auf dem optischen Durchschnitt der Zelle. Bryopsis. Ein erheblich günstigeres und sehr interessantes Objekt liefert Bryopsis. Es ist bereits des Oefteren erwähnt worden, dass Bryopsis in den dies- bezüglichen Verhältnissen sich den Phanerogamen anschliesst. In den schlauchförmigen Zellen befindet sich ein in seiner Dicke wechselnder ‚‚proto- plasmatischer Wandbeleg‘‘. Derselbe schliesst einen grossen Zellsaftraum ein. Auf den ersten Blick zeigt sich, dass der „protoplasmatische Wand- beleg‘“ durchaus nicht mit den Plastinlamellen resp. der wandständigen Plastinlamelle aller bisher besprochenen Pflanzen (excl. Spirogyra, wo 'eben- falls ein protoplasmatischer Wandbeleg vorliegt) zu identificiren ist. Hier ist ein seine Dicke fast beständig wechselndes Gemenge, das Protoplasma, dort die äusserst zarten, immer gleichdünnen Lamellen, welche von den geringsten Einschlüssen torulös aufgetrieben werden, die Plastinlamellen, vorhanden. Bei näherer Untersuchung des ‚‚Protoplasma‘‘ von Bryopsis zeigt sich sofort, dass nicht ein einheitlicher, homogener Körper vorliegt. Ver- hältnissmässig leicht lässt sich hier an lebendem Materiale ein feines netz- artig verbundenes Fädenwerk resp. ein feines, theilweise in fliessender Be- wegung befindliches Lamellensystem erkennen. Fig. 51 giebt ein derartiges Bild von oben, Fig. 52 auf dem optischen Durchschnitt gesehen, wieder. Da hier die Grössenverhältnisse schon ziemlich geringe sind, etwa denen von Urtica und theilweise von Fucus gleich, so ist die direkte Ent- scheidung, ob ein Wabenwerk oder ein Fädenwerk vorliegt, nicht leicht. Es ist bereits bei Fucus diese Frage eingehend erörtert worden, und sei dess- halb auf den betreffenden Abschnitt verwiesen (p. 428—432). Es hatte sich dort herausgestellt, dass bei Drryopsis ein wabenförmiger Bau vorliegt, und dass die zarten, meist nur als Linien erkennbaren Lamellen des Gerüstwerkes in allen Dingen den uns wohlbekannten Lamellen des Plastinsystemes der Braunalgen ete. entsprechen. Diese, an lebendem Materiale immerhin nur mit gewisser Mühe erkennbaren Lamellen des Plastinsystemes, von Flemming als „Filar- masse‘ gedeutet, werden ihrerseits genau wie bei den Braunalgen von allen Einlagerungen mehr oder weniger aufgetrieben. Ihnen sind die Kerne, die Chromatophoren und zahlreiche lebhaft hin und hergleitende Physoden in der oft erörterten Weise eingelagert. In den vielen, kleinen Kämmerchen des Lamellensystemes findet sich hier wie dort eine klare, wässerige Flüssigkeit, die Kammerflüssigkeit oder Zellsaft. Bütschli benutzt hierfür noch den Namen „Enchylema“. Flemming bezeichnet diese wässerige Lösung als „Interfilar- masse“. Diese Kämmerthen stellen aber durchaus nichts anderes, als kleine Zellsafträume dar. Sie sind völlig gleichwerthig den Zellsaftkammern der Braun- algen, und auch bei letzteren Pflanzen erlangen sie nicht selten eine ähnliche Kleinheit, wie im vorliegenden Falle. Wie sehr die Wabengrösse schwanken 4869 kann, haben wir bei Ectocarpus gesehen, wo in benachbarten, durchaus klar zu übersehenden Zellen die Wabengrösse von 64 cbu bis zu 7820 cbu schwankte. Es würde nicht schwer fallen Beispiele mit noch erheblich grösseren Unterschieden zu finden. Die verschiedene Grösse der Zellsaft- kammern in den Zellen derselben Pflanze hat also nachweislich nichts Be- fremdendes. Auf den direkten Zusammenhang der verschieden grossen Kammern bei den höheren Pflanzen ist im Laufe der Abhandlung öfter hin- gewiesen. Die verschiedane Grösse der Zellsaftkammern ist lediglich eine Folge der ungleichen Wasseraufnahme der ursprünglich gleichgrossen Zell- safträume. (Vergl. auch später.) Die ungleiche Was;seraufnahme in den einzelnen Waben erfolgt aber wohl nur aus Zweckmässigkeitsgründen. Es bleibt dann die Hauptmenge des Plastinsystemes als feiner, sehr widerstands- fähiger Schaum vorhanden, während bei gleichmässiger Wasseraufnahme ein lockeres, grossmaschiges und sehr diffieiles Lamellensystem resultirt. (Vergl. hierzu p. 440.) Von welcher Tragweite für den einzelnen Organismus die verschiedene Ausbildungsweise ist, geht daraus hervor, dass eine Zelle mit grossschaumigem Plastinsystem äusseren, insbesondere mechanischen Einflüssen ganz erheblich leichter unterliegt, wie eine Zelle mit kleinmaschigem Plastinsystem. Aus diesem Grunde sterben die jungen Sprosse von Ühaetopteris bei dem Prä- pariren sehr leicht ab, während dies bei einer Dryopsis nicht der Fall ist. Mit Chaetopteris muss man sehr behutsam umgehen, um die Zelle nicht zu ver- letzen; von Bryopsis schneidet man behufs Beobachtung einfach ein Stück der Zelle ab. Das feinschaumige Lamellensystem letzterer Pflanze wird hierdurch wenig beeinflusst, der grosse Zellsaftraum tritt mit der umgebenılen Flüssigkeit in direkte Verbindung, wobei ein gegenseitiger Stoffaustausch stattfindet. Trotz- alledem lebt die Pflanze, resp. das Stück der Pflanze ruhig weiter und regenerirt sich, sobald die wirklich wichtigen Organe, d. h. ein Stück un- verletztes Lamellensystem mit eingelagerten Kernen, Physoden und Chroma- tophoren, vorhanden sind, sehr schnell. Die verschiedene Ausbildung der Grösse der Zellsaftkammern hat also weniger einen ernährungsphysiologischen Zweck, als vielmehr die wichtige Aufgabe die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen äussere Einflüsse zu erhöhen. Die Funktion und der Inhalt der verschieden grossen Zellsaft- kammern derselben Zelle ist im Wesentlichen die gleiche. Es kommt ihnen stets eine sekundäre Rolle zu. Das Lebendige, das Wirksame in der Zelle ist das Plastinsystem sammt den ihm eingelagerten Organen. Die Zellsaft- kammern, gleichviel welcher Grösse, sind nur als Hilfsmittel zur Entfaltung der lebendigen Substanz anzusehen. Es wird dies sowohl durch die chemischehen Reaktionen, als vor Allem durch die Entwiekelungsgeschichte bestätigt. Mithin liegt kein Grund vor für gleichwerthige Zeilbestandtheile verschiedene Namen zu wählen. Insbesondere halte ich die Bezeichnung ‚‚Enchylema‘‘ nicht für angebracht, da hierunter in botanischen Kreisen ein allerdings nur der Theorie nach vorhandener wichtiger Bestandtheil des „Protoplasma‘‘ ver- DI standen wurde und z. Z. wohl noch verstanden wird. Schon weiter oben ist dargethan worden, dass in der Pflanze Körper von ähnlichen Eigen- schaften, wie solche für das Enchylema theoretisch angenommen wurden, zwar vorhanden sind, aber nicht in den kleinen Zellsaftkammern, den Enchy- lemabehältern Bütschli’s, sondern in den Physoden. Dass sich in den Zellsaftkammern auch diffusible organische Stoffe befinden, ist deshalb durchaus nicht ausgeschlossen. Trotzdem geht es aus den erwähnten Gründen nicht an, dafür den Ausdruck „Enchylema‘‘ beizubehalten. Es stellt sich vielmehr bei reiflicher Ueberlegung die unbedingte Nothwendigkeit heraus, sowohl den Collektivbegriff „„Protoplasma,‘' als auch die Bezeichnung „Enchylema“ fallen zu lassen. Es ist dies umso eher nöthig, als die Unterschiede und die bereits herrschende Verwirrung zu grosse sind, um hier aus Pietätsrücksichten alte Namen für thatsächlich neue, scharf begrenzte Dinge beibehalten zu können. Es findet sich nach Obigem bei Bryopsis ebenfalls nichts prineipiell Neues. Auch hier liegt dem Organismus ein sehr zartes Plastinlamellensystem zu Grunde. Den Lamellen sind wie überall die Kerne und die Chromatophoren, desgleichen die lebhaft hin und hergleitenden, stark reducirend wirkenden Physoden eingelagert. Als nen tritt uns hier die ungleich grosse Ausbildung der Zellsaftkammern entgegen, indem eine oder wenige Waben zu einer verhältnissmässig sehr grossen Wabe, dem bekannten Zellsaftraum, heranwachsen. Das übrige Wabenwerk bleibt ziemlich kleinmaschig. Das kleinmaschige Lamellen- system bekommt infolgedessen Platz sich zu bewegen, seine Lust zum Leben auch in dieser Richtung zu entfalten. Wir sehen infolgedessen bei Bryopsis das „‚Protoplasma‘‘ fliessen. Bei den bisher besprochenen Pflanzen (excl. Spirogyra) konnte die „fliessende Bewegung des Protoplasma‘ nicht be- obachtet werden, und zwar einfach aus dem Grunde, weil dort den grossen Zellsafträumen kein feinschaumiges ‚‚Protoplasma‘‘ gegenüber stand, sondern nur ein grosswabiges Plastinsystem vorhanden war, welches die Zelle gleichmässig durchsetzte, und dem deshalb der nöthige Spielraum fehlte. Gewisse Zelleinschlüsse sehen wir hier wie dort in unabhängiger Bewegung. Es sind dies die Physoden, die sich in beiden Fällen in dem Plastinsystem frei bewegen. Bezüglich der fliessenden Bewegung des gesammten Lamellensystemes sammt Einschlüssen sei auch auf das bei O'haetopteris Gesagte hingewiesen. Es wurden dort zum Vergleich verschiedene Seifenschäume innerhalb eines Glaskolbens herangezogen. Hier sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Anordnung der Plastinlamellen bei solchen Schäumen, die sich in fliessender Bewegung be- finden, keine regelmässige ist. Das ganze Lamellensystem ist an vielen Stellen mehr oder weniger in die Länge gezogen. Infolgedessen erscheint es mehr fibrillär. Bütschli hat die Thatsache, dass fliessende Schäume - längsfibrillär erscheinen, ausführlich in seinem bekannten Werke besprochen 491 und auch bereits darauf hingewiesen, dass bei längsgestreckten Schäumen die Querwände häufig recht schwierig zu sehen sind. Sobald diese beweg- lichen Theile aber an irgend einer Stelle zur Ruhe kommen, so tritt die wabige Struktur in Form von regelmässigeren Polyedern deutlich zu Tage. Man vergl. z. B. die Figuren von Urtica. In der Nähe des Kernes, d. i. am compakten Plasmatheile unserer Figuren 75 und 76 befindet sich das gesammte System in Ruhe. Die Waben sind deshalb regelmässiger. In den Strängen dagegen ist das System in fliessender Bewegung, weswegen die Struktur längsfibrillär erscheint. Die Uebergänge lassen sich an lebendem Materiale oft verfolgen. Tödtet man während der Beobachtung fliessendes, längsfibibrillär erscheinendes „‚Plasma‘‘ ab, z. B. durch Zufliessenlassen von Ueberosmiumsäure, so kann man deutlich verfolgen, wie das längsgestreckte Lamellensystem kurz vor dem Absterben eine der regelmässigeren Form ähnliche Anordnung annimmt. Man erhält auf diese Weise den Bütschli’schen Oelseifenschäumen sehr ähnliche Bilder. Fig. 53 ist ein derartiges Stück von Bryopsis; Fig. 70 von Allium, Fig. 72 zeigt ein Stück Plastinsystem von Aloe einige Zeit vor dem Absterben. Im lebenden Zustande ist die regelmässige Form zwar ähnlich, aber doch anders. Die Anordnung ist gewissermassen plastischer und geschmeidiger; nach dem Absterben dagegen mehr starr. Dieser speeifische Unterschied trat uns schon bei den Braunalgen entgegen, wo ebenfalls das Plastinsystem während des Absterbens eine etwas andere, als ‚,starr‘‘ zu bezeichnende Anordnung annahm. Da die einzelnen Vorgänge vielemale unter dem Mikroskop verfolgt worden sind, so ist für die hier besproehenen Fälle die Annahme von vorliegenden Gerinnungsprodukten etc. ausgeschlossen. Es wurden vor und nach dem Tode, wieauch während des Absterbens dieselben Lamellen, dieselbe prineipielle Anordnung der einzelnen Theile beobachtet. Was die Physoden anbetrifft, so geht aus der Vergleichung der gesammten Figuren hervor, dass für gewöhnlich die Physodengrösse der Wabengrösse proportional ist. Während bei den grossmaschigen Braun- algen verhältnissmässig grosse Physoden in beschränkter Anzahl vorhanden sind, finden sich bei Bryopsis eine grosse Anzahl kleiner Physoden in dem dichten Lamellenwerke vor. Dieselben treiben, wie erwähnt, die Lamellen mehr oder weniger auf. Anch hier sind die Physoden nicht von gleicher Grösse; grössere und kleinere bewegen sich mitunter ausserordentlich schnell in dem Lamellensysteme umher, und zwar erfolgt die Bewegung unabhängig von der Bewegung des gesammten Lamellensystemes. So finden sich sehr oft Physoden, welche, bei schwächerer Vergrösserung gesehen, direkt gegen den Strom zu schwimmen scheinen. Näher betrachtet zeigt sich jedoch, dass die eigenmächtige Physodenbewegung in den Plastinlamellen die ent- gegengesetzte Bewegung des Lamellensystemes selbst übertrifft. Die bereits früher konstatirte eigenmächtige Bewegung der Physoden lässt es leicht erklärlich erscheinen, warum eine Anzahl Mikrosomen, das sind die Physoden, 492 in entgegengesetzter Richtung dicht aneinander hingleiten. Jeder einzelnen Physode steht auch hier jede beliebige Stelle des Lamellensystemes zur Verfügung. Formveränderungen der Physoden lassen sich infolge der Kleinheit und der meist schnellen Bewegung nicht so leicht nachweisen wie bei den Braun- algen. Dass die Physoden bei Bryopsis ebenfalls chemisch sehr reaktions- fähige, leicht oxydable Körper enthalten, wurde bereits mehrfach erwähnt. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass sich auch bei .Bryopsis mitunter ähnliche fädige Differenzirungen finden, wie bei den Braunalgen. Dieselben wirken bei anfänglicher Beobachtung sehr störend, indem sie infolge ihres meist kräftigen Lichtbreehungsvermögens die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dadurch das nicht so grell hervortretende Lamellensystem mehr oder weniger zurücktreten lassen, so dass es bei intensiver Verfolgung dieser Differenzirungen scheinen kann, als ob letztere einer ziemlich homogenen Masse, dem „Protoplasma‘“, als lockere, torulös aufgetriebene, sich lebhaft hin und herkrümmende Fäden eingelagert seien. Thatsächlich liegen diese Differenzirungen genau so, wie bei den Braunalgen, den Plastinlamellen der Pflanze eingelagert. Die Differenzirungen erstrecken sich hier meist über mehrere Maschen. Bei ähnlichem Lichtbrechungsvermögen wie die Plastin- lamellen erschweren die Differenzirungen die Beurtheilung des Gesehenen oft beträchtlich. All diese Untersuchungen werden wesentlich erleichtert durch die Anhaltspunkte, die uns die so übersichtlich gebauten Braunalgen geben. Man muss sich hierbei selbstredend vor dem Schematisiren hüten; nichts- destoweniger wird man aber nach vielfachen Beobachtungen zu der Ueber- zeugung gelangen, dass im Prineip eine Dryopsis und auch die anderen Grünalgen genau nach demselben Schema gebaut sind wie die Braunalgen. Dasselbe gilt von den noch zu besprechenden übrigen Pflanzen. Cyanophyceen. Von den Uyamophyceen erwies sich für die vorliegenden Untersuchungen Culothrie confervieola als geeignet, und zwar waren es die dem Haarende zu gelegenen Zellen, welche einen Einblick in den inneren Aufbau der Zellen gestatteten. In dem etwas chematisirten Uebersichtsbilde Fig. 56 ist das Mittelstück resp. das Verbindungsstück zwischen den vegetativen Zellen und dem eigent- lichen Haar wiedergegeben. Die erste und die letzte Zelle sind in den Fig. 57 u, 53 möglichst genau abgebildet. Aus den drei Abbildungen geht hervor, dass ein allmählicher Uebergang von einem dichten zu einem lockeren Schaumwerk vorhanden ist. In den letzten, grosswabigen Zellen trat die Struktur wieder zweifellos zu Tage. Es liess sich jede einzelne der sehr zarten Lamellen gut verfolgen. Sie waren genau wie bei den Braun- algen schaumförmig angeordnet und entsprachen auch in ihrem übrigen Verhalten durchaus den Lamellen der erwähnten Pflanzen. Diesen Plastin- lamellen sind auch hier kleine bläschenartige Gebilde eingelagert, welche 493 neben den meisten übrigen Eigenschaften auch diejenige mit den Physoden gemeinsam haben, dass sie ebenso wie letztere die am leichtesten oxydir- baren Stoffe der Zelle enthalten. Da diese, vielfach als ‚‚Körner‘‘ be- zeichneten Gebilde in Bezug auf ihr Vorkommen innerhalb der Lamellen, ferner durch ihr specifisches Verhältniss zu den Lamellen, wie auch durch ihr starkes Lichtbrechungsvermögen und vor Allem durch ihre Reduktions- kraft vollständig den Physoden der Braunalgen entsprechen, so unterliegt es wohl kaum einem Zweifel, dass in ihnen ebenfalls Physoden, also be- sondere Zellorgane, vorliegen. (Man vergl. die verschied. Fig.) Weiter nach den im Wachsthum begriffenen Zellen zu wird das Lamellen- system immer dichter. In der Endzelle unserer Figur hat es bereits die Dichtigkeit wie in den meisten sich noch theilenden Zellen erreicht. Das Schaumwerk ist hier sehr fein, und die einzelnen Lamellen lassen sich nicht mehr mit der wünschenswerthen Schärfe verfolgen. Wohl aber war das als Netzwerk erscheinende Gerüst vollkommen deutlich zu erkennen. Die Uebergäuge von Zelle zu Zelle reden hier zu deutlich, als dass lange Er- örterungen betreffs der Frage: ob Fädenwerk, ob Lamellensystem? hier angebracht wären. Es liegen genau dieselben Verhältnisse vor, wie sie schon mehrfach erörtert worden sind, d. h. es liegt allen Zellen von Calothrix confervicola ein Lamellensystem zu Grunde, und den Lamellen sind in allen Zellen die als „Körner‘‘ erscheinenden Bläschen, die Physoden, einge- lagert. Es sei gestattet darauf hinzuweisen, dass in den Uebergangszellen in Bezug auf grössere und kleinere Waben theilweise ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie in der Fruchtknotenzelle von Aloe, Fig. 71. In mehreren anderen Fäden fand ich, dass in einzelnen Uebergangs- zellen nur eine Wabe sich besonders vergrössert hatte. Sie nahm dann centrale Stellung ein, und der übrige Theil des Plastinsystemes war als dichter Schaum, theils mehrschichtig, theils einschichtig, der Zellwand angelagert. Die Physoden lagen in diesen Fällen, wie nicht anders zu erwarten, in dem peripherischen Theile der Zelle. Bezüglich der Chromatophoren vermag ich für Calothrix confervicola keine näheren Angaben zu machen. Dagegen konnte ich bei einer Reihe, vorwiegend mariner Oyanophyceen, jedoch auch einer Anabaenaart, welche in einer Wurzel von Lemna vege- tirte, scharf begrenzte Chromatophoren finden. Meist zeigen dieselben amöboide Umrisse bei ziemlich dichter Lagerung. Die Zellen haben in diesen Fällen, abgesehen von der Grösse, Aehnlichkeit mit manchen alten Zellen von Giraudia (Fig. 37b). Es seien die Zellen einer 8 u breiten Öscillaria — es könnte aber auch sein, dass eine Calothrixspecies vor- lag — in Fig. 59, und einer Spirulina in Fig. 60 wiedergegeben. In einer 4 wu breiten Lyngbiaart lagen analoge Verhältnisse vor. Wenn hier auch nur wenige Angaben vorliegen, so ist doch bemerkenswerth, dass ich in Bezug auf Plastinsystem, Physoden und Chromatophoren bei den Blaualgen nichts von der allgemeinen Norm Abweichendes finden konnte. 494 Pilze. Von den Pilzen ist als Stichprobe Saprolegnia in den Kreis der Unter- suchungen gezogen worden. In Fig. 62 ist ein Stück eines Keimpflänzchens, in Fig. 61 ein Stück eines Myceifadens und zwar das Uebergangsstück von dem älteren plastinärmeren zu dem jüngeren, voraussichtlich bald Schwärm- sporen bildenden Theile wiedergegeben. Aus letzterer Figur, in welcher nur Rücksicht auf die Anordnung des Plastinsystemes genommen ist, geht hervor, dass im basalen Theile der Zelle ein ziemlich grossmaschiges Lamellen- system vorhanden ist. Die Lamellen sind jede einzeln genau verfolgbar, ausserordentlich zart und mehr oder weniger reichlich mit Physoden ver- sehen. Auch hier wirkt der Physodeninhalt am meisten redueirend auf Ueberosmiumsäure. Bei Saprolegnia werden aber auch die Plastinlamellen durch erwähntes Reagens etwas gefärbt. Nach dem Zellende zu wird das Plastinsystem dichter und dichter. Die unzweifelhafte Lamellennatur der bei der jeweiligen Einstellung als Fäden erscheinenden Wabenwände lässt sich noch ziemlich weit sicher verfolgen. Sobald das System jedoch eine gewisse Dichtigkeit erlangt hat, hört auch hier die sichere Beurtheilung der Strukturverhältnisse auf, und im dichtesten Theile erscheinen die Lamellen nur als fein geschlängelte Fäden. Dass trotzdem durchwegs ein Lamellen- system vorliegt, ist durch den successiven Uebergang als erwiesen anzusehen. Bestätigt wird es ausserdem noch durch das Bild, welches die Schwärm- sporen zeigen (Fig. 62). In der Schwärmspore hat das Plastinsystem seinen Ruhestand, infolge Platzmangels zur Beweguug, angenommen und es er- scheint deshalb als regelmässiges, d. h. nicht in die Länge gezogenes Waben- werk. Es treten mithin in Bezug auf das zu Sehende überall dieselben Erscheinungen auf, wie sie sich bereits bei den früher erwähnten Pflanzen gezeigt haben. Die Fig. 62 stellt den optischen Durchschnitt einer keimenden Schwärmspore dar. Bezüglich des centralen Theiles habe ich in meiner Originalfigur ein Fragezeichen gemacht und unentschieden gelassen, ob hier ein Kern oder eine Vakuole vorliegt. Es mag dies auffällig erscheinen, doch nehmen bei der Beobachtung die gerade vorliegenden Fragen die Auf- merksamkeit so vollkommen in Anspruch, dass Alles Andere zurücktritt. Dies ist auch der Grund, weshalb ich bei den Blaualgen z. T'h. die Species nicht bestimmt habe. In dem peripherischen Theile der keimenden Spore ist zunächst wieder als Grundlage des ganzen Organismus ein aus zartwandigen Lamellen be- stehendes Plastinsystem sichtbar. Die einzelnen Kammern sind verschieden gross. Die kleinsten derselben sind von ungefähr derselben Grösse wie die Kammern bei den meisten höheren Pflanzen resp. wie bei Bryopsis oder recht feinschaumigem Fucus ete. Die an die wandständige Lamelle oder an grössere Waben stossenden Lamellen stehen senkrecht zu den in Betracht kommenden Lamellen. Dieser von Bütschli als Alveolarschicht bezeichnete 495 Theil des Plastinsystemes findet sich bei allen ruhenden Plastinsystemen vor. In den Waben, den grösseren und kleineren Zellsafträumen, findet sich eine klare, wässerige Flüssigkeit. Den Lamellen eingelagert finden sich wiederum die stark lichtbrechenden Physoden mit ihren chemisch so intensiv wirksamen Inhaltsstoffen. Diese kurzen Angaben nebst den Figuren reichen wohl aus, um zu zeigen, dass bei dem beliebig gewählten Pilze sich dieselbe prineipielle Anordnung der einzelnen Zellbestandtheile zeigt wie bei den übrigen Pflanzen. Weinhefe '), Nachträglich sei auf die in Fig. 63 gegebene Abbildung einer längs- gestreckten Weinhefe hingewiesen. Auch hier ist ein feinschaumiges Plastinlamellensystem nebst demselben eingelagerten, durchaus den Physoden entsprechenden Organen vorhanden. Eine der kleinen Waben ist schraffirt. An dieser Stelle zeigte sich bei Jodbehandlung ein compaecterer, sich gelb färbender Körper (Zellkern ?). Also auch die Hefen weichen in den wesent- lichen Punkten nicht von dem Schema ab. Phanerogamen. Es sollen hier sowohl einige Monocotyledonen als auch Dicotyledonen besprochen werden. Im Laufe der Abhandlung ist bereits an verschiedenen Stellen auf Phanerogamenzellen Rücksicht genommen worden. In all diesen Fällen ergab sich, dass bei den besprochenen Arten den betreffenden Zellen ein sehr feinschaumiges Plastinsystem zu Grunde liegt, so dass es gewöhnlich ohne Berücksichtigung anderer Verhältnisse, auch wenn man verhältnissmässig scharfe Bilder erhält, kaum möglich ist, das Gesehene mit Sicherheit als Lamellensystem oder als Fädenwerk etc. zu deuten. Stets zeigte sich, dass das mikroskopische Bild im Prineip nie von den Bildern solcher Pflanzen abwich, welche infolge ihrer Grössenverhält- nisse einen durchaus klaren Einblick in den internen Aufbau der Zelle ge- statteten. Trägt dieser Umstand schon ein Erhebliches zur Klärung der vorliegenden Frage bei, so sind nicht minder wichtig die umfangreichen Arbeiten Bütschli’s: ‚Ueber mikroskopische Schäume ete.‘“, in welchen Arbeiten der Nachweis erbracht wird, dass sehr feine Schäume dem Be- obachter nur als Netzwerk feiner Fäden erscheinen. Infolge dieser Er- scheinung würden bei der Mehrzahl der Pflanzen und Thiere, selbst wenn die verschiedenen Forscher völlig gleiche Abbildungen wiedergeben, also im Mikroskop das Gleiche erblicken würden, die endgültige Entscheidung in der Strukturfrage vorläufig ein strittiger Punkt bleiben, und leider würde !) Inzwischen konnte ich auch an einer ellipsoiden Weinhefe die lamellöse Struktur im lebenden Zustande erkennen, des Weiteren ein willkürliches Hin- und Hergleiten der kleinen, glänzenden, tropfenähnlichen Gebilde, welche demnach sicher als Physoden zu bezeichnen sind. (Beobachtet in Hofrath Dr. Schmitt's Laboratorien, Abt. Oenologie, zu Wiesbaden.) 46 infolgedessen auch die ganze Auffassung über den Elementarorganismus bei den einzelnen Forschern eine grundverschiedene bleiben. Denn grundver- schieden in ihren Consequenzen sind Lamellen- und Fädentheorie. Was speciell die Pflanzen anbetrifft, so ist jeder Versuch, einen Compromiss zu bilden, als vergeblich zu betrachten. Bei einiger Ueberlegung und Hinein- denken in das Leben und Treiben der Zelle, in die Funktionen der einzelnen Zellbestandtheile, ergiebt sich, dass die prineipiellen Unterschiede zu grosse sind, und dass in diesem Falle die goldene Mittelstrasse wohl nicht der richtige Weg ist. An verschiedenen Stellen dieser Abhandlung sind die Gründe angegeben worden, welche mich bestimmt haben, durchwegs die lamellöse Struktur für pflanzliche Elementarorganismen anzunehmen. 'I'rotzdem sei es bei der Wichtigkeit, die diese Frage inbetreff der Erkenntniss des Elementarorganismue beansprucht, nochmals gestattet, dieselben hier anzuführen und zu zeigen, dass die Natur uns selbst Mittel und Wege in die Hand giebt, diese Frage zu lösen. Sämmtliche, der Abhandlung beigegebene Figuren, gleichviel ob sie eine Wiedergabe von braunen, rothen oder grünen Algen, von Uyanophyceen, von Pilzen oder von Phanerogamen darstellen, zeigen im Prineip genau überein- stimmende Bilder. In allen Fällen ist bei der einzelnen Einstellung ein scheinbar aus zarten, stark lichtbrechenden Linien erscheinendes Gerüst- werk zu sehen. Die Linien erreichen nirgends die Stärke von "» 1, meist sind sie unter "io u diek. Zwischen den Linien befindet sich eine klare, wässerige, das Licht nicht brechende Flüssigkeit. Den Linien eingelagert und dieselben stets mehr oder weniger torulös auftreibend, finden sich die als Physoden bezeichneten bläschenartigen Gebilde. Insbesondere sei darauf hingewiesen, dass gerade dies Verhältniss der Physoden zu den lichtbreehenden Linien im Wesentlichen überall das Gleiche ist, gleichviel ob ein sehr grob- maschiges Linienwerk einer Braunalge oder ein sehr feinmaschiges einer Phanerogame vorliegt. Fast stets, und wenn man darnach sucht, immer finden sich Physoden auch in den Maschenräumen des scheinbaren Netz- werkes. Die Identität dieser Gebilde ist durch chemische Reaktionen leicht nachzuweisen. Su. Su. zeigt sich also, dass in allen Fällen dem Beobachter prineipiell gleiche Bilder entgegentreten. Bei eingehender Verfolgung an lebendem Materiale ist fernerhin durch- gängig wahrzunehmen, dass die Physoden, und zwar sowohl die in den Linien, als die in den Maschen liegenden, einer eigenmächtigen Bewegung fähig sind, ferner, dass Physoden aus den Linien in scheinbare Maschen und umgekehrt, und solche von Maschen in Nachbarmaschen gleiten können. Also auch in diesen inneren Vorgängen finden sich bei allen Pflanzen genau dieselben Erscheinungen. Behufs weiterer Orientirung sei es gestattet zunächst von den Physoden abzusehen, um mit Hilfe derselben einen Schluss auf anderer Grundlage ziehen zu können, und uns zunächst dem zartlinien Netzwerk zuzuwenden. 497 Dies Netzwerk stark lichtbrechender Linien kann sowohl der optische Effekt eines spongiös gebauten Fädenwerkes, als auch derjenige eines Lamellen- systemes sein. Eine direkte Entscheidung über die entstehende Frage ist nur bis zu einem gewissen Grade möglich. Schäume und Netzwerke lassen sich mittelst Anwendung der Mikrometerschraube, also auf Grund der Ver- folgung jeder einzelnen Schicht des Objektes nur dann sicher von einander unterscheiden, wenn die Maschen 1,5—2,0 y und darüber gross sind. Es lässt sich dann bei Schäumen jede einzelne Lamelle unzweifelhaft als solche verfolgen, selbstredend nur die, deren Lage von der Richtung der Sehachse nicht zu sehr abweicht. Letzterer Umstand ist von der Beobachtung jeden Seifenschaumes her bekannt. Wenn dagegen die Maschengrösse unter ca. 1,5 u herabsinkt, so ist eine sichere Entscheidung auf optischem Wege auch mit den besten unserer jetzigen Hilfsmittel nieht mehr möglich. Ein überreichliches Beweismaterial hierfür ist in den bekannten Arbeiten Bütschli’s niedergelegt. Diese That- sache ist auf Grund der erwähnten Arbeiten als feststehend anzunehmen. Netzwerke zarter Fäden wie Lamellensysteme mit 1,5 w Maschendurch- messer und darunter erscheinen nur als Netzwerke. Eventuelle Lamellen sind als solche nicht mehr verfolgbar. Insbesondere, wenn solche feine Schäume in einer Richtung gestreckt sind, erscheinen sie dem Auge auch bei verschiedener Einstellung als durchaus längsfibrillär. Am ehesten er- kennt man die Schaumnatur solch feiner Lamellensysteme noch an den Stellen, an denen der Schaum zusammengeschoben wird. Es muss sich dann bei Lamellensystemen nothwendigerweise ein ziemlich regelmässiges Netzwerk, der Durchschnitt eines Wabenwerkes, zeigen. Bei Entscheidung der Protoplasmafrage sind wir also gezwungen, die erhaltenen Bilder in solche zu scheiden, die über ca. 1’/2 y, und in solche die unter ca. 1,5 » Maschenweite besitzen. Bei ersteren kann die definitive Entscheidung durch einfaches Beobachten ohne Weiteres erfolgen; bei letzteren müssen eine Reihe von Beobachtungen und Schlussfolgerungen zu Hilfe ge- zogen werden. Was die erstere Gruppe, die Bilder mit über 1,5 x Maschendurchmesser, aubetrifft, so sind die von mir beobachteten bereits besprochen worden. Es hat sich in allen Fällen, ohne eine einzige Ausnalıme gezeigt, dass diese Bilder die jeweiligen Durchschnitte von Lamellensystemen darstellten. All diesen Objekten diente als erste und hauptsächlichste Grundlage ein Plastin- Lamellensystem. Dieses enthielt die anderen wichtigen Organe in sich ein- gelagert. Es hat sich gezeigt, dass dieses durch eigene Anordnung die Lage jeder neuen Zellwand bestimmte, und zwar bildete es die Zellwand nicht ausser sich, sondern in sich, um jederzeit nothwendige Veränderungen in der Zellwand vornehmen zu können. Dies Plastinlamellensystem ist somit die Seele des ganzen Organismus, und der Schöpfer all jener wunderbaren Formen und Einrichtungen, die wir in der organisirten Natur bewundern. Ein solcher Genius kann selbstredend nicht ein langweiliges Einerlei 498 sein; aber wie z. B. alle hervorragenden Männer das gemeinhaben, dass sie morphologisch betrachtet ähnliche Gliederung zeigen, wie die alltäglichen Durchschnittsmenschen, so haben die besprochenen Zellen das gemeinsam, dass ihnen sämmtlich ein Plastinlamellensystem als Grundlage dient. Die specifische Ausbildung dieses Systemes ist bei den einzelnen Pflanzen eine verschiedene. Innerhalb der einzelnen Gruppen scheinen die Differenzen keine sehr grossen zu sein — es sei nur an Fucus und Ascophyllum, an Chaetopteris und Sphacelaria erinnert; aber zwischen grösseren Gruppen, z. B. zwischen einer grossen Anzahl Algen und den meisten Phanerogamen sind deutlich merkbare Unterschiede vorhanden. In leicht greifbarer Weise erstrecken sich dieselben zunächst auf die Grössen- verhältnisse und ferner auf die verschiedene Art in der Vergrösserung ihrer Waben. Auf beide Umstände ist bereits hingewiesen worden. Hier sei nochmals im Zusammenliange auf die verschiedene Wabengrösse bei den einzelnen Pflanzen hingewiesen, da dies, wie ersichtlich sein wird, zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage ein gut Theil mit bei- tragen wird. Man vergleiche hierzu vor Allen die Fig. 10—16, 20, 28, 32, 35—38, 41—45, 49—60, 62, 66—70, 72-75, 77 und 81, welche sämmtlich in demselben Maassstabe 1:1200 angelegt worden sind. um dadurch möglichst anschaulich die gesammten Uebergänge vor Augen führen zu können. In ähnlicher Vergrösserung sind Fig. 79, 80 und 82 gehalten. Bei weiterer Verfolgung dieser Objekte waren in den Fig. 10, 13—16, 20, 28, 32, 35—38, 41-45, 49, 54—56, 58, 62, 68, 72, 81 infolge der Grössenverhältnisse die Lamellensysteme zweifelsohne zu verfolgen. Die anderen der erwähnten Figuren zeigten theils zweifelhafte Wabenstrukturen, theils scheinbar echte Fädenstrukturen. Manche der Objekte erscheinen an einzelnen Stellen der Zellen mehr wabig, an anderen Stellen rein fibrillär gebaut. Ersteres sind die mit ruhendem, letzteres die mit in fliessender Bewegung befindlichem Lamellensysteme. Auch das bereits in einer früheren Abhandlung benutzte Schema möge nochmals mit zur Klarlegung herangezogen werden. Die Linien deuten den mittleren Durchmesser der Waben bei den betreffenden Pflanzen an, und zwar entsprechen 2 mın der Linien 1 u natürlicher Grösse. (Fig. 4 s. umstehend.) Bei den mit No. 1—-12 bezeichneten Objekten sind die Schäume voll- ständig deutlich als solche erkennbar. Es lassen sich sowohl die einzelnen Lamellen, als auch die einzelnen Kammern ohne grosse Schwierigkeiten sicher verfolgen. Bei No. 13 und 14 liegt die Maschengrösse unter 1,5 p. Die dem Objekte zu Grunde liegende Struktur lässt sich also aus den erörterten Gründen nicht mehr mit Sicherheit durch einfache Beobachtung feststellen. Es unterliegt wohl aber kaum auf Grund der hier angeführten Uebergänge, es liessen sich derer bei einigem Suchen noch viele finden (vergl. Fig. 5), einem Zweifel, dass in No. 13 und 14, bei Erhaltung analoger Bilder wie in 1 bis 12, die 499 Schema. —————————ngg Cladophora Cladophora zweifellos Lamellen 3 bildend. Gerüstsubstanz r Ectocarpus litoralis (grosse Waben) Chaetopteris > Giraudia (normal entwickelte Zelle) er Enteromorpha clathrata, Dietyota (Epidermis) Eetocarpus litoralis (kleinere Waben) Fucus (Hyphe grossmaschig) Giraudia (junge Zelle), Calothrix (Haarzelle) Giraudia (kurze Zeit vor der Sporangienbildung) Fueus (in nebeneinanderliegenden Hyphen; v. 8) Nicht sicher ; 13 entscheidbar. | 7,7 Urtica (am Kern ruhend), Bryopsis, Calothrix (Haaranfang). Fig. 4. analoge Struktur, d. h. die Lamellenstruktur zu Grunde liegt. Der Schluss ist um so gerechtfertigter, als No. 13 dem sonst durchweg lamellös ge- bauten Fucus angehört, und ausserdem sich unter den höheren Pflanzen auch solche z. B. Pelargonium finden, in denen ein ähnlich feines Schaum- 500 werk wie bei Urtica vorhanden ist, dessen lamellöse Struktur jedoch als solche erkannt werden kann. Fig. 5. 10 mm = 1%. Oogon. von Fucns. Deutliche Jietocarp. Lamellen. Fucus. Nicht sicher entscheidbar. N Fucus, Bryopsis, Elodea, Phyllophora, Urtica, Dianthus, Aloe, Urtica. Weizen. Fig. 5 giebt ein Ergänzungsstick zu Fig. 4, Uebergänge von 2 y bis zu 0,7 u Wabendurchmesser. Zeigen schon die linearen Verhältnisse, dass hier absolut kein Sprung vorliegt, der zu Bedenken Anlass geben könnte, so tritt dies noch deutlicher hervor, wenn wir den Cubikinhalt der Waben ins Auge fassen. Durch einfache Rechnung ergiebt sich nämlich, dass der Inhalt der in Fig. 4 an- gegebenen Beispiele im Durchschnitt folgende Grösse besitzt: bei 2 = 27000 ebu 34 4820 = #1...) .9:880,20- 5. = :2460- - bt = 857 = 7 A — 614 7 = N — 340 = I. = 216. = ID —= lan 1097 >= 64 = (s. p. 475) 1llı = 07 ER 27 = (Oog. v. Fucus) 2 = Bee 3 = 3,4 : 14, = 1,732 Bei dieser Berechnung ist durchweg ein Fehler begangen worden, da die Waben nicht rein cubisch sind, sondern sich mehr oder weniger der Kugelform nähern. Im Durchschnitt würde wohl annähernd das Richtige getroffen werden, wenn sämmtliche Grössen um ein Viertel redueirt würden. Hier handelt es sich aber vorwiegend um Vergleichszahlen, weswegen die angegebenen Zahlen, da sie alle mit demselben Fehler behaftet sind, aus- reichen dürften. Hieraus geht hervor, dass unter Pflanzen, über deren Strukturverhältnisse kein Zweifel walten kann, sich einestheils solche finden, deren Waben c. 8 ebu gross sind, anderentheils solche, deren Wabengrösse 27000 cby 501 und darüber beträgt. Jeder Beobachter wird in diesen Fällen auf den ersten Blick zugeben, dass hier durchaus gleichwerthige Zellbestandtheile in Betracht gezogen worden sind. Wie die Wabengrösse bei derselben Pflanze in benachbarten Zellen schwanken kann, wurde bei Ectocarpus gezeigt, wo die Wabengrösse in den einzelnen Zellen 64, bez. 1560, bez. 7820 cbu. betrug. Wenn aber die Curve mit vollem Rechte von 27000 bis zu 8 gezogen werden kann, so darf dieselbe, glaube ich, unter sonst gleichen Bedingungen, auch herab bis zu 1, höchstens bis zu 0,5 verlängert werden, ohne dass dadurch ein Fehler begangen wird. Kleinere Waben als 1,0 resp. 0,5 cbu kommen sowohl nach Bütschli’s, als nach meinen Befunden schwerlich vor. Ich glaube sogar, dass man eher 1 cbu als 0,5 u als Minimalmaass setzen kann. Die kritische Grösse in Bezug auf Strukturerkennbarkeit liegt bei c. 5 cbu Wabeninhalt. Aber trotz aller Uebergangsstadien, trotz der Erhaltung analoger Bilder wird mancher Naturforscher sich doch noch reservirt verhalten. Es möge deshalb versucht werden, die Frage noch auf andere Weise zu lösen. Wir wenden uns zu diesem Ende den weiterhin sichtbaren Erscheinungen in der lebenden Zelle zu. In dieser Beziehung sind es in erster Linie die Physoden, die durch ihr mehr oder weniger lebhaftes Hin- und Hergleiten die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ihr Verhalten in den Zellen mit gross- maschigen Lamellensystemen ist bereits beschrieben worden. Sie gleiten dort stets in den Lamellen umher. Ausserhalb der Lamellen kommen sie nie vor. Diese Möglichkeit ist infolge ihres ganzen Zusammenhanges mit dem Plastinsystem einfach ausgeschlossen. Trotzdem erschien es, als ob ein grosser Theil der Physoden nicht den Lamellen, sondern den Wabenräumen eingelagert seien. Es waren diejenigen, die in solchen Lamellen lagen, welche zur Sehachse mehr oder weniger senkrecht lagen. Man sieht in diesen Fällen zwar die Physoden, nicht aber die durchsichtigen Lamellen, ähnlich wie in einem mit Russpartikeln versetzten Seifenschaum wohl eine grosse Reihe Russpartikelchen, nicht aber die den Partikelchen als Stütze dienenden Lamellen zu erkennen sind. Bei weiterer Beobachtung zeigt sich in den erwähnten Fällen, dass die Physoden scheinbar von einer Masche in die andere gleiten und dass sie hierbei über die nach unten gehende, dem Beobachter als zarte Linie erscheinende Lamelle ruhig hinweggleiten. Bisweilen gleiten sie aber auch in die erwähnte Lamelle hinein, um nach dem Inneren der Zelle zu gelangen. Desgleichen wurde an anderer Stelle das umgekehrte Verhalten beschrieben. Diese Bewegungsweise ein und desselben Organes, bald zweifellos in den Lamellen, bald scheinbar in einer Masche, setzt aber ein regelrechtes Lamellen- system voraus, da doch wohl nicht angenommen werden kann, dass das- selbe Organ der Zelle sich bald im Zellsaft, bald in dem Plastin befinde, Bei den Zellen mit grossmaschigen Schäumen lässt sich nun das Lamellen- system und insbesondere das konstante Verhältniss der Physoden zum Lamellensystem theils durch Contraktion des Plastinsystemes mit Glycerin, 502 theils durch Drehung des Objektes (sofern es sich um Zellfäden handelt) sicher nachweisen, wodurch der oben gezogene Schluss bestätigt wird. Dieses specifische Verhalten der Physoden, welches zwar eine indirekte, aber sehr kräftige Stütze für die Lamellennatur ist, findet sich nun auch bei den Pflanzen mit feinschaumigen Plastinsystemen. Auch da gleiten die Physoden bald deutlich in einer sichtbaren Linie, bald in einer Masche. Es lässt sich dies schon bei „fliessendem Plasma“, also in Bewegung befindlichen Lamellensystemen konstatiren. An den Stellen, wo das „Plasma‘ stockt, tritt die Erscheinung sehr deutlich zu Tage. Es eignen sich deshalb besonders die Zellen an Vegetationspunkten für diese Be- obachtungen, da ja in diesen Zellen das Lamellensystem wegen Platz- mangels sich in Ruhe befindet, und hier oft nur die Physoden als das einzig Bewegliche in der Zelle erscheinen — übrigens ein ganz analoges Verhalten wie in den Braunalgenzellen. Es zeigen sich also in dieser, die inneren Lebensvorgänge berührenden Beziehung bei allen untersuchten Pflanzen, gleichviel welcher Maschengrösse, genau dieselben Erscheinungen, ein weiterer Beweis, dass hier gleiche Ur- sachen, also sich in einem Lamellensysteme bewegende Physoden, vor- liegen. — Als dritter Grund mag noch folgender angeführt werden. Die Waben sind auch bei den kleinschaumigen Lamellensystemen nicht alle von genau gleicher Grösse. Einige, manchmal einzeln, manchmal zu zwei oder drei zusammenliegend sind ein wenig grösser. Ihr Cubikinhalt beträgt vielleicht 4 bis 8 cb», entsprechend einer Maschenweite von 1,6 bis 2 u. Nach den bisherigen Erfahrungen müsste an diesen Waben bereits ihre eigentliche Natur, d. h. ihre die Wabe abschliessende Lamelle, erkannt werden. Dies ist auch thatsächlich der Fall. Liegen mehrerer solcher Waben zusammen, so bilden sie einen deutlichen Schaum, eine einzelne Wabe erscheint als Bläschen, als „dem Protoplasma eingelagerte Vakuole‘“. In den Wänden dieser deutlichen Schäume oder einzelnen Vakuolen sieht man nicht selten Physoden; wie sich solche auch in den Wänden von im Verhältniss sehr be- deutend entwickelten Waben, die dann als Zellsafträume bezeichnet werden, befinden. Nicht weniger ckarakteristisch sind die aus „Protoplasmasträngen‘ sich bisweilen seitlich hervorwölbenden Partieen. Auch an diesen ist in der Regel die schaumförmige Anordnung nicht zu verkennen, s. Fig. 76, wenn- gleich auch die einzelnen Linien nicht als Lamellen verfolgbar sind. So spricht nicht ein einzelner Umstand für die lamellöse Struktur des erkennbaren Gerüstwerkes, sondern eine ganze Reihe verschiedener Be- obachtungen sprechen dafür und lassen theilweise wohl schwerlich eine andere Deutung zu. Inwieweit die hier vorgebrachten Gründe als endgültige Beweise für die Lamellenstruktur angesehen werden können, vermag ich allein nicht zu ent- scheiden. Ich glaube aber berechtigt zu sein, für alle pflanzlichen Elementar- organismen, in denen bei der einzelnen Einstellung ein Netzwerk zarter, 505 stark lichtbrechender Linien erkennbar ist, dessen Grössenverhältnisse aber aus den besagten Gründen eine Entscheidung über die eigentliche Struktur nicht zulassen, stets dann eine lamellöse Struktur annehmen zu dürfen, wenn 1) die Physoden in dem specifischen Verhältniss zu den Linien stehen und letztere mehr oder weniger auftreiben, 2) wenn die Linien eine Stärke von 0,3 » nicht überschreiten (es ist früher erörtert worden, dass bei klein- schaumigen Piastinsystemen die Linien fleischiger erscheinen, als sie that- sächlich sind, s. pag. 423) und 3) weın die Physoden bei ihren Bewegungen scheinbar weder an die Maschen noch an die Linien gebunden sind (vergl. oben). In Punkt 3 liegt zugleich die wesentliche Bedingung, dass alle Er- scheinungen an lebendein Materiale erkannt werden müssen; ausserdem wird eine gewisse Verfolgung der inneren Lebenserscheinungen der Zelle hier- durch bedingt. Ich bin überzeugt, dass, wenn diese drei Punkte im Ver- eine mit den anderen besprochenen Nebenumständen erfüllt werden, sicher kein Trugschluss gezogen wird. Uebrigens ist es oft gar nicht so leicht, alle Bedingungen erfüllt zu sehen. Manches Objekt, oder vielmehr manche einzelne Zellenart, denn es muss doch täglich ein neues Objekt benutzt werden, erfordert wochenlanges Studium, Bei manchen Objekten ist die Entscheidung leicht, bei anderen wieder, z. B. Spirogyra, konnte ich zu einem einwandsfreien Endurtheil nicht gelangen. Nie habe ich aber, sofern überhaupt etwas zu erkennen war, auch nur einen Punkt gefunden, der gegen die Lamellennatur der Plastinsysteme gesprochen hätte. Allgemeine Erfordernisse für diese Arbeiten sind in erster Linie ein wirklich gutes Mikroskop. Wirklich gute Instrumente sind leider doch seltener, als man im Allgemeinen anzunehmen pflegt. Weiter erforderlich ist die geeignete Auswahl der Objekte, und dann fand ich, dass nur un- unterbrochenes stundenlanges Beobachten desselben Zellstückes zum Ziele führte. Dieser Punkt mag allerdiugs sehr individuell sein, doch hüte man sich vor zu schnellem Urtheilen, Dieses stundenlange Beobachten ist nicht etwa langweilig, sondern es ist äusserst spannend, sogar aufregend. Letzteres ist insbesondere die Beobachtung der Physoden bei O’haetopteris und vielen anderen Pflanzen. Ein wichtiger Umstand, auf welchen bereits Bütschli hingewiesen hat und den ich durchaus bestätigen kann, ist der: Man hüte sich vor Ueber- lichtung. Des Weiteren möchte ich jüngere Collegen darauf aufmerksam wachen, auch das Lamellensystem des eigenen Nervensystemes nicht ausser Acht zu lassen. Ich rathe Jedem dringend, sobald er fühlt, dass er während der Beobachtung mehrere Tage hintereinander unruhig wird, die Arbeit ein- fach auf einige Monate zu unterbrechen und irgend eine andere Aufgabe, deren es ja immer genügend giebt, vorzunelimen, denn sonst kann man einer leichteren oder schwereren Neurasthenie ziemlich sicher sein. Man verzeihe diese kleine Abschweifung. Vielleicht ist sie aber dem einen oder dem anderen der verehrlichen Leser von Nutzen, Bevor die einzelnen Pflanzen besprochen werden, muss noch auf das Vor- handensein und die Entstehung von Plastinfäden Rücksicht genommen werden, Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd, VII, Heft III, 34 Man wird erstaunt fragen: Können nach den ganzen bisherigen Aus- führungen überhaupt noch Plastin,,‚fäden‘ vorkommen? Auf diese Frage ist mit „‚Ja‘“ zu antworten. Es wird sich sogleich zeigen, dass trotz dieser Thatsache das Vorhandensein des Lamellensystemes durchaus nicht in Frage gestellt wird. „Fädiges‘‘ Protoplasma oder vielmehr Plastin kommt in der Natur nach meinen bisherigen Erfahrungen nur an zwei Stellen vor: 1) in den Cilien der Schwärmsporen und den Ausläufern von Pseudopodien ete. und 2) in den Zellen höherer Pflanzen als Verbindungsfäden zwischen grösseren ‚„‚Protoplasma-“ also Plastinsystemklumpen. Es sei bemerkt, dass ich gerade auf das Vorkommen solchen fädigen Plastins bei den Beobachtungen Rücksicht genommen habe. In den Cilien und den erwähnten Verbindungsfäden, welche beide bisweilen unmessbar zart sind, konnte kein Wabenwerk vorliegen. Infolge dieser Beobachtung vermochte ich mich lange Zeit nicht auf den in dieser Arbeit eingenommenen Standpunkt zu stellen. Auch in dieser Frage sind es wieder die Braunalgen, welche die Lösung der schwebenden Frage ermöglichten, und zwar waren es Parenchymzellen von F'ucus, an denen die betreffenden Beobachtungen gemacht wurden. Bei der vorsichtigen Contraktion des Zellleibes der erwähnten Zellen mit Glycerin — es handelte sich darum, das Verhältniss des Plastins zu den Tüpfeln bezl, den Nachbarzellen festzustellen — zeigte sich, dass die wand- ständige Plastinlamelle an den Tüpfeln zunächst festhaftete, während sie sich von der verdickten Zellwand leicht ablöste. Infolgedessen bildete die Lamelle zwischen dem sich kontrahirenden Haupttheile und den Tüpfeln anfangs dieke, dann, infolge der weiteren Contraktion, immer dünner werdende Röhren. Vergl. Fig. 18. Die unzweifelhaft durch die Plastinlamelle ge- bildete Röhrenwandung war ebenso zartwandig wie ihre Muttersubstanz und enthielt anfangs Physoden und Chromatophoren in der bekannten Weise eingelagert. Letztere Organe wurden bald darauf von dem Haupttheil ein- gezogen; die Verbindungsröhren zwischen Haupttheil und Tüpfeln wurden infolge fortdauernder Contraktion dünner und dünner. Schliesslich war die Contraktion soweit vorgeschritten, dass der Haupttheil des Zellleibes eine scharf begrenzte Kugel bildete, und die ehemaligen Verbindungsröhren trotz sorgfältigster Beobachtung nur noch als äusserst zarte Verbindungs,‚fäden“ sichtbar waren. Es waren mithin aus der wandständigen Plastinlamelle erst Röhren, hieraus Plastinfäden, und zwar Plastinfäden von unmess- barer Feinheit gebildet worden! Vergl. Fig. 19. Der Zellleib hing als eontrahirte Kugel inmitten der Zelle an diesen Plastinfäden. In der con- trabirten Kugel waren die einzelnen Lamellen und in diesen die Physoden und Chromatophoren deutlich zu sehen. An einem Tüpfel hatte sich wohl infolge ungleichmässiger Contraktion der Röhre eine kleine Plastinkugel ge- bildet. Letztere wurde nach einiger Zeit ebenfalls zu dem Haupttheil ein- gezogen. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass sich der Zell- leib in all diesen Stadien im lebenden Zustande befand, Aus diesem Versuch geht hervor, dass die Plastinlamellen sehr dehnbar und andererseits sehr eontraetil sind. Die Hauptmasse der grossen wand- ständigen Lamelle ist zu der ganz erheblich kleineren Abschlusslamelle der Kugel eontrahirt. Ferner ist aus anderen Fällen, z. B. von Ühaetopteris her, bekannt, dass die Plastinsubstanz, ähnlieh wie Flüssigkeiten, bei Ver- schiebungen des Lamellensystemes mit Leichtigkeit Substanz an benachbarte Lamellen abgeben kann, wobei letztere meist grösser und erstere kleiner wird. Die wechselnde Grösse der Lamellen, verbunden mit Stoffabgabe resp. Annahme von Nachbarlamellen findet an jedem makroskopischem Schaum bekanntlich in derselben Weise statt. Schliesslich hat sich bei dem Versuch gezeigt, in welcher Weise unzweifelhafte Fäden aus einem Lamellensystem hervorgehen. Hätte es damais die Zeit, als auch das Leben der Zelle ge- stattet, das Glycerin dem Objekte langsam zu entziehen, infolgedessen der Zellleib wieder anschwillt, so würde sich sicher gezeigt haben, dass diese Verbindungsfäden wieder mit in der Lamellensubstanz aufgehen. Auf Grund der Beobachtungen an F'ucus ist es nun ein Leichtes sich ein Urtheil über das Entstehen und über das Verschwinden der Plastin- verbindungsfäden in den ausgewachsenen Zellen höherer Pflanzen, wie auch über das der Cilien zu bilden. Wenn sich z. B. ein Plastinlamelleneomplex von Urtica aus inneren Gründen in verschiedenen Richtungen bewegen will, so geht dies anfangs ganz glatt von Statten. Der eine Theil der Lamellen wälzt sich dahin, der andere dorthin. Schliesslich befinden sich zwischen beiden Theilen nur noch eine oder wenige Waben. Diese werden dann zunächst in die Länge gestreckt und bilden eine feine Röhre. Doch geht dies nur soweit, als es der Inhalt der Wabe gestattet. Diese röhrenförmige Wabe kann bei der leichten Dehnbarkeit und dem Anleihevermögen ihrer Lamellensubstanz schon recht langgestreckt werden und schon so den Anschein eines recht zarten Fadens erwecken. Ausserdem kann sich aber in besonderen Fällen noch das Lamellensystem dieser Wabe unter Benützung von Plastinsubstanz der benachbarten Lamellen, wohl am leichtesten an einem Ende der Wabe, zu einem thatsächlichen Faden ausspinnen, und zwar in ganz analoger Weise wie bei Fucus. Zerreissen thut ein Plastinfaden in einer lebenden Zelle nie. In einem solchen Faden resp. zarten Röhre können nun die Physoden ebenfalls nach Belieben umhergleiten; desgleichen kann sich daran, wie man es ja so oft beobachtet, das Liamellensystem fortwälzen. Im letzteren Falle wird der event. Faden sofort wieder der Lamellensubstanz einverleibt, resp. wird eine dünnwandige Röhre aus ihrer gestreckten Lage in eine normale Wabe zurückgebracht. Das Auftreten solch thatsächlich als Fäden anzusehenden Plastines bietet also nicht den geringsten Anhalt gegen das Vorhandensein eines Lamellensystemes. Dies fädige Plastin tritt innerhalb behäuteter Zellen ausnahmslos als besagte Verbindungsfäden auf. Innerhalb des dichten Lamellensystemes einer Zelle kommen. dieselben nicht vor. Sie finden sich, wie aus den 34* 506 Erörterungen leicht hervorgeht, auch nur in Zellen, in denen das Plastin- system genügend Platz zur freien Bewegung besitzt. Nie sind sie deshalb in solchen Zellen zu beobachten, in denen sich ein in Ruhe befindliches Plastin- system befindet — es fehlen hier einfach die Vorbedingungen für ihre Bildung. Diese Fäden stellen auch nie konstante Bestandtheile der Zelle dar, sondern sie werden bei weiteren Bewegungen des Plastinsystemes früher oder später von dem sich daran hinwälzendem Plastinsysteme wieder aufgenommen. Nach aussen hin, also nur bei sog. nackten Zellen, vermag aber das Plastinsystem, infolge seiner formbildenden Kraft, verhältnissmässig leicht solche fädige Fortsätze zu bestimmten Zwecken zu treiben, Es beweist dies die Cilienbildung der Schwärmsporen und Infusorien. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen mögen einige Arten besonders besprochen werden. Elodea. Von dieser Monoecotyledone eignen sich die Zellen der Vegetationspunkte für die diesbezüglichen Untersuchungen. In Fig. 66 sind zwei Zellen des endständigen Vegetationspunktes wiedergegeben und zwar im Verhältniss 1:1200. Die eine derselben ist in den Ber. d. deutsch. bot. Ges. 1892 Tafel XXI. Fig. 9 in vergrössertem Maassstabe dargestellt. Abgesehen von dem verhältnissmässig grossen Kern, sind diese Zellen bekanntlich voll von „Protoplasma“. Bei näherer Untersuchung lässt sich nun ein Netzwerk zarter Fäden resp. Lamellen in dem Protoplasma erkennen. Die als etwas stärker lichtbrechende Linien erscheinenden Fäden sind zu ziemlich regel- mässigen Polyedern angeordnet, ganz ähnlich, nur in verkleinertem Maass- stabe wie bei Chaetopteris. In den Maschen des Netzwerkes befindet sich hier wie dort eine nicht lichtbrechende wässerige Flüssigkeit. Der Maschendurchmesser beträgt im Durchschnitt 1 u. Es liegen also Grössenverhältnisse vor, die eine direkte Entscheidung über die eigentliche Struktur des sichtbaren Linienwerkes nicht zulassen. Die Linien selbst erscheinen hier, wie schon früher mitgetheilt wurde, nicht so zart wie bei den meisten Braunalgen. Immerhin sind sie noch ziemlich dünn, etwa "ıo bis 's u. Eine Bewegung dieses Netzwerkes findet aus Mangel an Raum nicht statt. Auch hierin gleicht mithin Zlodea den Braunalgenzellen. Ausser dem Netzwerk stärker lichtbrechender Linien und den dazwischen befindlichen wässerigen Maschenräumen sind noch mehr oder weniger leb- haft hin und hergleitende Physoden zu bemerken. Dieselben liegen theils in den Linien, diese ziemlich stark auftreibend, theils scheinen sie sich in den Maschenräumen zu befinden. Bei dem hin und hergleiten wandern sie von einer Masche in die andere, oder von einer Masche in eine Linie ete. Es werden demnach alle diejenigen Forderungen erfüllt, welche ich oben zur Charakterisirung eines Lamellensystemes aufgestellt hatte. Es ist mithin das scheinbare Netzwerk der zarten Linien als der jeweilige Durch- schuitl eines Lamelleusystemes auzusehen. Die Physoden gleiten in den 507 Lamellen ebenso wie bei den Braunalgen umher. Sie enthalten wie dort die am leichtesten oxydirbaren Stoffe der Zelle. Sie sind auch hier ver- schieden gross und führen bei ihren Wanderungen schwach amöboide Form- veränderungen aus. Das gegenseitige Verhältniss der einzelnen Zellbestand- theile zu einander zeigt also eine ausserordentliche Uebereinstimmung mit dem der Braunalgen, so dass wir auch hier den Satz aufstellen müssen: Der Zelle liest ein System zarter Plastinlamellen zu Grunde, diesem Lamellensysteme sind der Kern, die Physoden und die Leucoplasten ein- gelagert. In den Waben des Lamellensystemes befindet sich eine klare, wässerige Flüssigkeit. Nicht anders sind in ihrem Aufbau die Zellen am basalen Vegetations- punkte junger Blätter beschaffen, wie aus der Fig. 67 ersichtlich ist. Während nun beim Aelterwerden und Heranwachsen der Braunalgen- zellen sich alle Kämmerchen (Waben) in annähernd gleicher Weise mit wässeriger Flüssigkeit anfüllten und infolgedessen einen ziemlich gleich- mässigen, sehr grossmaschigen Schaum bildeten, findet bei Elodea die Auf- nahme der wässerigen Flüssigkeit nır in einer oder wenigen der kleinen Waben statt. Letztere wachsen deshalb zu sehr ansehnlichen Räumen, den Zellsaftkammern, heran, während die Schwesterwaben ihre ursprüngliche Kleinheit beibehalten. Bei der Untersuchung älterer Zellen treten die kleinen Waben deswegen vollständig gegen den Zellsaftraum zurück; ja der feine Schaum scheint sogar in direktem Gegensatz zu dem grossen Zellsaftraume zu stehen, ähnlich wie dies der Fall ist, wenn man eine kleine Portion eines recht feinwabigen Schaumes in einem Glaskolben bringt und darin umschwenkt. Es werden dann eine oder mehrere grosse, den Kolben fast ganz ausfüllende Waben gebildet, und der Rest des feinwabigen Schaumes erscheint als eine mehr oder weniger homogene Masse, die leicht als Ge- sammtheit in direkten Gegensatz zu den grossen Waben gebracht wird. Die Wandungen resp. Lamellen der grossen .Waben scheinen dann aus jener Gesammtmasse zu bestehen. Thatsächlich werden aber die grossen Lamellen nur aus derjenigen Masse gebildet, welche auch die Lamellen des feinen Schaumes bildet, und in den Waben des feinen, kaum erkennbaren Schaumes befindet sich dieselbe Substanz, wie in den grossen Waben. Da sich in den älteren Zellen von Klodea das feinwabige Lamellensystem in fliessender Bewegung befindet, und das Lichtbrechungsvermögen der ein- zelnen Lamellen ein geringes ist, so sind an lebendem Materiale die Struktur- verhältnisse in diesen Zellen kaum zu erkennen. Beim Abtödten der Zellen mit Ueberosmiumsäure tritt bei der Beobachtung momentan das charakteristische, ziemlich regelmässige Polyederwerk deutlicher hervor und gleicht den Figuren der bekannten Bütschli’schen Abhandlung Taf. IH. Fig. 5 u. 6. Während also die Zellen an den Vegetationspunkten sehr schöne Studien- objekte liefern, sind die älteren vegetativen Zellen wenig oder fast nicht für diese Zwecke geeignet, 508 Trianea. Das „Protoplasma‘“ der Wurzelhaare dieser Pflanze zeigt bekanntlich Rotationsbewegung. Man sucht sich desshalb zweckmässig die in weniger lebhafter Bewegung oder am besten in Ruhe befindlichen Theile des „plas- matischen Wandbelegs‘‘ zur Beobachtung aus. An diesen Stellen ist zu- nächst ein stärker lichtbrechendes Netzwerk zu erkennen. Fig. 69 giebt ein kleines Stück des Wandbelegs wieder. Die Grössenverhältnisse des Netzwerkes gleichen etwa denen von Elodea oder Urtica. Es ist also die thatsächliche Struktur nicht ohne Weiteres erkennbar. In dem Netzwerk gleiten kleine, die scheinbaren Fäden torulös auftreibende Physoden mit stark redueirendem Inhalte in der bekannten Weise umher. Hat man erst an diesen ruhenden Stellen die Strukturverhältnisse erkannt, so fällt es er- heblich leichter, dieselben auch an den in Bewegung befindlichen Theilen wahrzunehmen. Man sieht dann, wie das Maschenwerk sich mehr oder weniger schnell verschiebt. Ausserdem findet eine hiervon unabhängige Bewegung der Physoden statt. Die letzteren gleiten nicht selten in ent- gegengesetzter Richtung in nächster Nähe an einander vorbei. Auch auf dem optischen Durchschnitte ist im „plasmatischen Wandbeleg‘ das demselben zu Grunde liegende Lamellensystem als zartes Netzwerk stärker lichtbrechender Linien zu sehen. Die Physoden verhalten sich in derselben Weise wie in der Oberflächenansicht. Das Netz- oder vielmehr Lamellenwerk wälzt sich meist an sich selbst fort und wechselt hierbei fast beständig seine Mächtigkeit. In der Fig. 69 sind 2 Schneefloekenerystalle und ein Caleiumoxalat- erystall mit eingezeichnet. Ich muss es betreffs dieser Gebilde unentschieden lassen, ob dieselben sich in den kleinen Waben oder in der grossen, zu dem „Zellsaftraume‘‘ herangewachsenen, befanden. Es lässt sich diese Frage nur mit Sicherheit bei Einstellung auf den optischen Durchschnitt ent- scheiden, was leider seinerzeit nicht geschehen ist. Auch in den inneren chlorophyliführenden Zellen ist das zarte Netzwerk sammt den Physoden zwar schwer, an ruhigen Stellen aber doch deutlich zu erkennen. Hydrocharis. Sowohl in den Wurzelhaaren als in den chlorophylliführenden Wurzel- zellen waren die sich lebhaft hin- und herwälzenden Plastinlamellensysteme oft recht gut zu sehen. Die Einzelerscheinungen gleichen sowohl in Bezug auf die Lamellensysteme als auch auf die Physoden denen von Trianea. Mais. Zur Untersuchung wurde frisch gekeimter Mais verwandt. Auf Längs- schnitten durch die 2—3 mm langen Blättchen konnte in vielen Zellen die schaumförmige Anordnung des Plastins erkannt werden. In den einzelligen Wurzelhaaren, deren Plasmastruktur nieht weiter ver- folgt worden ist, glitten die Physoden in allen Richtungen umher. 509 Weizen. Hiervon wurde das erste grüne, noch in der Hülle befindliche Blättchen eines frisch gekeimten Kornes benützt, und zwar wurden die inneren, lang- gestreckten Zellen näher untersucht. Eine dieser Zellen war 65 w lang und 20 u breit. Der Kern hatte etwa 11 u Durchmesser. Das ‚Plasma‘ durchzog bereits in Strängen, analog wie in Urticahaaren, die Zelle. Im Wandbeleg — ich benutze der Einfachheit wegen die üblichen Ausdrücke — war ein ebensolches Wabenwerk wie in den Vegetationspunkten von Elodea deutlich erkennbar, und zwar kamen auf eine Strecke von 2 u etwa 3 bis 4 Waben. In den Waben befand sich wie bei den übrigen Pflanzen wässerige Flüssigkeit. Die Physoden waren anfänglich schwer zu erkennen, da bei diesem feinen Wabenwerk die „falsche Netzbildung‘ (vergl. Bütschli, Mikroskop. Schäume ete.) etwas störend wirkte. Doch nach einiger Örientirung konnte ich die Physoden an lebendem Material sicher erkennen. Dass ich mich in der Beurtheilung nicht getäuscht hatte, ergab die chemische Prüfung, welche übrigens stets unter dem Mikroskop ausgeführt wurde. Mit Osmiumsäure wurden die als Physoden erkannten Gebilde auch hier zuerst geschwärzt. Tradesecantia. Die Staubfädenhaare verschiedener Tradescantiaarten waren häufig Gegenstand der Untersuchung. Was man in diesen Zellen gemeiniglich unter „Protoplasma‘“ versteht, ist wohl eigentlich als zu bekannt voraus- zusetzen, um hier darauf eingehen zu müssen; immerhin sei erwähnt, dass hierunter in Uebereinstimmung mit den meisten Forschern dasjenige Sub- stanzgemenge verstanden wird, das von Strasburger als Cytoplasma, und von Flemming als Zellsubstanz bezeichnet wird. Ich erwähne dies nur, um Missverständnissen, wie sie vorgekommen sind, möglichst vor- zubeugen. In dem als ‚„Protoplasma‘‘ bezeichnetem Gemenge lässt sich verhältniss- mässig leicht, doch immerhin etwas schwieriger als bei Ürtica und Bryopsis, ein ebensolches Netzwerk wie bei den letztgenannten Pflanzen erkennen. Auch hier ist das, dem Auge als Fädenwerk erscheinende Gebilde nichts anderes als der jeweilige Durchschnitt eines kleinmaschigen Lamellen- systems. Die Grösse der Waben lässt sich am Besten an den Stellen des Plastinsystems messen, welche sich nicht in fliessender Bewegung befinden, was vorwiegend in der Nähe des Kernes der Fall ist. Die Lamellen erscheinen an diesen Stellen als ein ziemlich regelmässiges Netzwerk von Fünf- und Sechsecken. Der Durchmesser der einzelnen Waben beträgt an solchen Stelien knapp 1 u. Die Grössenverhältnisse sind demnach ungefähr dieselben wie bei Bryopsis und Urtica. (Vergl. Fig. 74.) An den in fliessender Bewegung befindlichen Theilen des Lamellen- systemes sind die Waben analog wie bei den erwähnten Pflanzen mehr oder weniger in die Länge gestreckt. Es erscheint in solchen Fällen das Plastin- 510 system oftmals rein längsfibrillär. Gerathen solche fliessende, längsfibrillär aussehende Theile aus irgend einem Grunde ins Stocken, z. B. wenn sie in der Nähe des Kernes anlangen, so schieben sie sich schnell wieder zu dem regelmässigen Wabenwerk zusammen. Man vergleiche hierzu die Abbildung von Urtica Fig. 75, welche ebensogut als eine Abbildung von Tradescantia ausgegeben werden könnte. Auf die Bildung der zarten Verbindungsfäden zwischen den einzelnen Plastinparthieen ist bereits im allgemeinen Theile näher eingegangen worden. Das Lamellensystem, welches hier nieht mehr die Zelle dicht erfüllt, sondern vielmehr infolge Ausbildung einer sehr grossen Wabe, des Zell- saftraumes, Platz zur freien Bewegung gewonnen hat, befindet sich, wie schon angedeutet, in fliessender Bewegung. Dieselbe kommt dadurch zu Stande, dass die einzelnen Lamellen aneinander hingleiten. Der erste An- trieb zu diesen Bewegungen liegt offenbar in den lebendigen Plastinlamellen selbst. Die für uns sichtbaren, verhältnissmässig rohen Bewegungserscheinungen zeigen sehr viele Analogien mit künstlich bewegten leblosen Schäumen. Der in den kleinen Kammern des Lamellensystemes befindliche wässerige Inhalt, von Bütschli noch als „Enchylema‘ bezeichnet, wird durch die ihn einschliessenden Lamellen mit herumgeschleppt. Voraussichtlich ist dieser Vorgang für den Wassertransport bei höheren Gewächsen von Wichtig- keit. Das Wasser wird gewissermassen in die Höhe getragen. Die Kammer- flüssigkeit bezl. das „‚Enchylema‘‘ besitzt selbst durchaus kein Bewegungs- vermögen, sondern die dem „Protoplasma‘‘ zukommende Bewegung ist, abge- sehen von der Physodenverschiebung, lediglich eine Aeusserung des Plastin- systemes. Dass hierbei das Plastinsystem seine einzelnen Lamellen ver- grössern und verkleinern kann, wurde schon früher erörtert. Für unser Auge spielen sich hierbei dieselben Vorgänge ab, wie sie einem Jeden von makro- skopischen Schäumen her bekannt sind. Es folgen also die leblosen Schäume in vielen Stücken den Gesetzmässigkeiten, welche für die lebendige Substanz maassgebend sind, und nicht umgekehrt. Mit besonderer Freude hat mich er- füllt, dass Bütschli selbst im Nachtrag zu seinem hervorragenden Werke den Erklärungsversuch zurücknimmt, den er zur Lösung dieser Räthsel heran- gezogen hatte. Die Plastinbewegung lässt sich eben nicht auf chemisch- physikalische Weise erklären; denn die Bewegung ist eine freiwillige — ein Ausfluss des Lebens, des dem Plastin innewohnenden Willens. Den freien Willen aber in starre Gesetze zu formuliren, das wird uns wohl nicht so leicht gelingen. Die Physoden, im vorliegenden Falle bisher als „„Mikrosomen‘ bezeichnet, stellen kleine, verschieden grosse Bläschen dar. Sie stehen zu den Plastin- lamellen in genau demselben Verhältniss, wie dies bei den Braunalgen etc. der Fall ist. Im Durchschnitt sind sie bei den einzelnen Arten verschieden gross. In einer Zelle wurde der Durchmesser der Physoden von !/a bis "2 u festgestellt. Der Inhalt der Physoden stellt eine farblose oder schwach gelblich gefärbte, weiche‘ oder flüssige Substanz dar. Dieser plastische, individualisirte Inhalt kann sich in den Lamellen ziemlich schnell in beliebiger Riehtung verschieben. Die Physoden können sich infolge dieses freien Bewegungsvermögens in derselben Lamelle bald überholen, bald in entgegen- gesetzter Richtung an einander hingleiten. Von mehreren in derselben Richtung hingleitenden Physoden kann die eine oder die andere plötzlich umkehren u. s. f. Ziemlich oft bewegen sich die Physoden entgegen der Richtung der Plastinbewegung und zwar nicht selten mit solcher Energie, dass sie einem ziemlich schnell fliessenden Plastinsysteme nicht nur die Waage halten, sondern in der von ihnen angestrebten Richtung auch noch vorwärts kommen. Am leichtesten lässt sich die freie Physodenbewegung in den in Ruhe befindlichen Theilen des Lamellensystemes verfolgen. Auch hier gleiten die Physoden zum grössten Theile hin und her, und hier lässt sich am besten beobachten, wie die Physoden von einer Masche in eine andere Masche zu gleiten scheinen, wie sie sich scheinbar von einer Masche in einen Faden begeben können und umgekehrt. Es sind somit die Bedingungen erfüllt, welche im allgemeinen Theile gestellt wurden, um ein als Fädenwerk erscheinendes, direkt nicht zu entzifferndes Gebilde als Lamellensystem an- zusprechen. Thatsächlich ist auch an den ruhenden Theilen des Lamellen- systemes und an dem Verhältniss der Physoden zu diesem, abgesehen von der Grösse, durchaus nichts Anderes wahrzunehmen, wie bei der jeweiligen Einstellung der grossmaschigen Braunalgenzellen, z. B. einer Fucus- hyphenzelle. Als bemerkenswerth ist bei Tradescantia noch hervorzuheben, dass der Inhalt der kleinen Waben, also die Kammerflüssigkeit — das „Enchylema‘ — ebenso, d. h. blau oder roth gefärbt ist, wie der Inhalt der grossen Zellsaftwabe. Die Färbung der zarten Plastinlamellen ist in dem blauen bezl. rothen Medium, wie leicht erklärlich, nicht zu erkennen. Dagegen sind der Kern und die Physoden farblos, letztere bisweilen schwach gelblich gefärbt. Beide heben sich bei Einstellung auf ihren optischen Durchschnitt scharf von der gefärbten Umgebung ab. Auch in den dichtesten Schichten von „‚Protoplasma“ lässt sich die Färbung des „Enchylema‘‘ sicher erkennen. Der ganze „‚Plasmacomplex‘“ erscheint nur infolge der vielfachen Einlagerung der ungefärbten Physoden heller, als der Zellsaft. Einige andere Zelleinschlüsse wurden zur Untersuchung nicht genügend herangezogen, um hier berücksichtigt werden zu können; allenfalls möchte ich noch bemerken, dass die Nucleolen Formveränderungen zeigen. Ob dieselben aktiver oder passiver Natur sind, wurde nicht weiter verfolgt. Ferner zeigten die Nucleolen der T’radescantiahaarzellen, wie auch Ein- schlüsse in den Nucleolen der gefärbten Blumenkronenhaare von Dianthus caesius dieselbe Färbung wie der Zellsafl. Ob und wieweit diese Be- obachtungen weitere Beiträge zur physiologischen Erkenntniss der Elementar- organismen bringen können, ist selbstredend nur aufGrund eingehender Arbeiten zu entscheiden, zu welchen diese Bemerkung vielleicht Veranlassung giebt, 512 Allium. In chlorophylihaltigen Zellen von Allium baicalense war die Struktur des Plastins zu erkennen. Der Wabendurchmesser betrug im Durchschnitt l u. Bezüglich der Physoden sind hier die Untersuchungen seinerzeit nicht abgeschlossen worden. Beim Absterben nahm das Plastin, wie übrigens in allen solchen Fällen, die starre Anordnung an, wie sie uns an den Lamellen- systemen künstlicher Schäume entgegentritt. Vergl. Fig. 70. In beiden Fällen wird das Bild durch dieselben Lamellen hervorgerufen. Im lebenden Zustande ist aber der Gesammteindruck ein plastischer, ein frischer; im abgestorbenen Zustande dagegen ein starrer. Dieselbe Er- scheinung trat uns schon an den grossmaschigen Schäumen der Chaetopteris- scheitel etc. entgegen, und da ich die Umwandlung sehr oft unter dem Mikroskop verfolgt habe, so ist auch hier ein etwa infolge Gerinnselbildung hervorgerufener Irrthum ausgeschlossen. Aloe. In einer Anzahl zum inneren Theile des F'ruchtknotens gehöriger, theils langgestreckter, theils runder Zellen, welche sehr reich an „Protoplasma‘, theilweise ganz erfüllt davonwaren, traten ganz ähnliche Erscheinungen hervor, wie in den bisher besprochenen Zellen. In Fig. 73 ist ein Stück einer der langgestreckten Zellen wiedergegeben. Dieselbe ähnelte, wie auch die Figur zeigt, in allen Stücken sehr den jungen Blattzellen von Klodea (Fig. 67). Die abgebildete Zelle ist, abgesehen vom Kerne, dicht erfüllt mit ‚„Protoplasma‘“. Bei der einzelnen Einstellung ist darin deutlich das zarte Netzwerk etwas stärker liehtbrechender Linien zu erkennen. Der Wabendurchmesser dieses Maschenwerkes beträgt knapp l x. Auf 21 kommen c. 3 Waben. Die letzteren sind hier, wie bei allen anderen Pflanzen, nicht sämmtlich gleich gross und auch nicht gleich geformt. Neben Waben von Yz u finden sich solche von 1 uw D. ete. Bisweilen ist trotz der Kleinheit die Schaumnatur des dem „Plasma“ zu Grunde liegenden Gerüstwerkes zu erkennen; besonders einige Zeit vor dem Tode tritt die- selbe unzweifelhaft hervor. Dass es sich auch hier nicht um Entmischungs- zustände ete. handelt, gelit daraus hervor, dass auch bei völlig intakten Zellen das Lamellensystem bei der jeweiligen Einstellung als Netzwerk erkennbar und durch die ganze Zelle verfolgbar ist, dass fernerhin einige Zeit vor dem Absterben dieselben vorher gesehenen T'heile nur deutlicher hervortreten. Die Physodenbewegung ist in dem ruhig stehenden Lamellensysteme sehr schön zu beobachten. Die Physoden können durch die halbe Zelle hindurch gleiten, dann umkehren und wiederum eine andere Richtung einschlagen u. 8. f. Ihre Form ist dabei häufig anders als rund. In Fig. 72 ist ein kleines Stück aus einer runden Zelle abgebildet. Es geht aus der Figur hervor, dass in Bezug auf das Plastinlamellensystem und die Physoden gleiche Verhältnisse vorliegen, wie in den oben besprochenen langgestreckten Zellen. Ein interessantes Stadium ist dasjenige, wie es in Fig. 71 wiedergegeben ist. In mehreren der soeben besprochenen rundlichen Zellen waren durch Flüssigkeitsaufnahme mehrere benachbarte Waben bedeutend herangewachsen. Die zwischen den einzelnen vergrösserten Waben befindlichen Lamellen durchsetzen als sehr zarte Flächen die wässerige Kammerflüssigkeit. Diese grossen, deutlich sichtbaren Lamellen sind in diesem Falle durchaus gleich- werthig den kleinen Lamellen des wandständigen feinmaschigen Plastin- systemes. In anderen Zellen hatte sich nur eine einzige Wabe durch Flüssigkeitsaufnahme zu dem „Zellsaftraum‘‘ vergrössert. Die Fig. 71 ist auch insofern von Interesse, als sie zur Erläuterung der im Laufe der Abhandlung herangezogenen Bezeichnung „primärer“ und „seeundärer“ Schaum dienen kann. Unter „primärem Schaum‘ verstehe ich den feinmaschigen Schaum des Plastinlamellensystemes, welcher (hier vorwiegend den peripherischen Theil der Zelle ausfüllend) die Grundsubstanz des „Protoplasma“ bildet, also das lediglich aus Plastin bestehende Schaumwerk. Aus oben erwähntem Grunde gehören die zarten, die „Zellsafträume‘‘ (im Gegensatz zu „Plasma‘*) durchsetzenden Lamellen in diesem Specialfalle mit zu dem primären Schaum, denn es sind einzelne Plastinlamellen und durchaus nicht „Proto- plasma“. Unter „sekundärem Schaum‘ wird dagegen derjenige verstanden, der uns bei unvollkommener Beobachtung, z. B. bei schwächerer Ver- grösserung, entgegentritt. In der betreffenden Figur würde bei schwacher Vergrösserung das „Protoplasma durch zwei Zellsafträume vakuolisirt sein“, und zwischen den beiden Zellsafträumen würde sich eine ‚„Protoplasma- lamelle‘‘ (rechts unten am Kern) befinden. Mitunter werden an Vege tationspunkten mehrere Zellsafträume in nicht benachbarten Waben an- gelegt, und dadurch verschiedene ,‚Protoplasmalamellen‘‘ gebildet. Es ist dann das „Plasma als schaumförmig vakuolisirt‘‘ bezeichnet worden. Sobald wir jedoch diese ‚„Protoplasmalamellen‘‘ genauer verfolgen und in ihnen ein ganzes System von „Plastin‘“-Lamellen erkennen, wird der prineipielle Unterschied zwischen primären und sekundären Schaumwerken wohl ver- ständlich sein. In dem einen Falle haben wir es mit Plastinlamellen zu thun, in dem anderen mit mehr oder weniger dicken Lamellen eines Ge- menges, dem erst ein Plastinlamellensystem zu Grunde liegi. Es ist schon früher darauf hingewiesen worden, dass bisher diese beiden Schaumarten nicht genügend auseinander gehalten worden sind, und dass infolge- dessen vielfache Missverständnisse entstanden sind. Ja, noch mehr. Diese sekundären Schäume scheinen verschiedene Forscher von dem richtigen Wege abgebracht zu haben. Es schweben mir augenblicklich zwei Fälle vor. Obgleich mir die betreffende Litteratur seit Jahren nicht mehr zur Hand ist, möchte ich doch aus dem Gedächtniss — selbstredend ohne sichere Gewähr — die beiden Fälle hier anführen, Der erste Fall betrifft das Ei von Ginkgo, an welchem Strasburger Untersuchungen angestellt hat. So viel mir erinnerlich ist, schreibt Stras- burger hierüber, dass die Zelle von zarten „Plasma“lamellen schaumförmig durchsetzt wird, dass die Lamellen sehr dünn sind und von gewissen Ein- schlüssen torulös aufgetrieben werden. Als ich die betreffende Arbeit las, hatte ich den Eindruck, als ob Strasburger nicht „‚Protoplasmalamellen“, sondern „Plastin‘‘- Lamellen eines verhältnissmässig lockeren Schaumes be- obachtet hat, dass S. also die primäre Schaumstruktur vor sich gehabt und auch richtig als Wabenstruktur gedeutet hat. Andere ungünstigere Objekte haben ihn dann nur die sekundäre, vielleicht vermischt mit der primären Struktur erkennen lassen, und in dem Glauben, dass beide Lamellenarten identisch seien, musste Strasburger — wenn er an ungünstigen Objekten in mehrere Mikren dicken ‚‚Protoplasmalamellen‘“ die primäre Struktur nicht zu erkennen vermochte — folgerichtig das „Protoplasma‘‘ wieder als eine hyaline, zähtlüssige Substanz bezeichnen, zumal die zarten Lamellen eines Ginkgoeies erst recht hyalin erschienen. Ich vermuthe, dass Strasburger desshalb von der Wabenstruktur wieder abgekommen ist, weil er bei un- günstigem Materiale in den dicken, schleimigen, sekundär schaumförmig angeordneten ,„Protoplasmalamellen“ keine Protoplasmastruktur zu er- kennen vermochte, und es andererseits auf der Hand lag, dass dieser körnige Schleim vollständig dem Protoplasmastrang einer ausgewachsenen Zelle entsprach. Da nun in den letzterwähnten Zellen sicherlich nicht „Protoplasma‘'strukturen vorliegen konnten, so liess voraussichtlich $. auch die richtig erkannte Schaumstruktur des „Protoplasma‘‘ des @inkgoeies fallen, indem er die dortigen „Plastin‘‘lamellen den ‚‚Protoplasma“lamellen ungünstigen Materials gleichsetzte. Derselbe Irrthum ist ihm, wie übrigens allen bisherigen Forschern, in Bezug auf das Plastinsystem der Braunalgen unterlaufen, wie sowohl aus dem Text als auch einer Figur von Sphacelaria oder O'haetopteris hervorgeht. In der betreffenden Figur sind die in Wirk- lichkeit scharf begrenzten Lamellen mit punktirten, lose begrenzten Strichen wiedergegeben. Der andere Fall bezieht sich auf eine Abbildung in Berthold’s Proto- plasmamechanik. Kine einen Pilz darstellende Figur vermag ich mit Rück- sicht auf das Verhältniss der Einschlusskörper (Physoden) zu den zarten Linien (Lamellen) kaum anders zu deuten, als dass in den betreffenden Zellen ein grossmaschiges ‚Plastin‘“-System vorgelegen hat. Uebrigens scheint mir auch in einer Reihe von thierischen Zellen die „Protoplasma-“ oder „Zellsubstanz“-Struktur wider Erwarten offenkundig zu Tage zu liegen. Desshalb ist dringend anzurathen, dass man die Lamellenstärke und das Verhältniss, in welchem Lamellen und Physoden zu einander stehen, be- rücksichtige. Bei einiger Uebung wird man leicht „Protoplasma-“ und „Plastin“-Lamellen unterscheiden können, 515 Urtiea. Als Versuchsobjekt diente vorwiegend die für diese Zwecke sehr günstige Urtica pilulifera. Die Brennhaare dieser Species verdienen wegen der Deutlichkeit, mit welcher die Einzelheiten zu erkennen sind, eine besondere Beachtung. Dass im Prineip auch hier nichts anderes zu sehen ist, als bei den übrigen Pflanzen, ist schon an verschiedenen Stellen, insbesondere bei Bryopsis und T’radescantia erwähnt worden. Die Fig. 75 und 76 geben ein Stück eines von dem Kern ausgehenden „Protoplasmastranges“‘ wieder. Am Kern findet sich das „Protoplasma‘ nicht in Strömung. Infolgedessen hat das auch hier dem „Protoplasma‘ zu Grunde liegende Lamellensystem eine gleichmässige, wabige Anordnung angenommen, ähnlich wie in den jungen Zellen von Giraudia ete. Die Waben sind nicht alle gleich gross. Im Mittel beträgt der Durchmesser etwa 1 u. Die Lamellen erscheinen trotz ihrer Zartheit etwas fleischig. Die Physodenbewegung lässt sich in diesem ruhenden Lamellensysteme sehr schön verfolgen. Aehnlich wie bei den Braunalgen gleiten diese Gebilde scheinbar von einer Masche in eine andere, von einer Masche in einen Faden u. s. f. Sie gleiten eben ad libidum in einem dem „Protoplasma‘ zu Grunde liegenden Lameilensysteme umher. Sie können in der äussersten, den „Plasmastrang‘ nach aussen abschliessenden Lamelle ebenso schnell gleiten, wie in den inneren Lamellen; des Weiteren können sie von den inneren Lamellen in die äussere wandern u. s.w. Es kommt dies daher, dass die äussere Lamelle den inneren Lamellen durchaus gleichwerthig ist. Es besteht kein Unterschied zwischen den äusseren und den inneren Lamellen eines Plastin- systemes. bei Verschiebungen des Lamellensystemes tauschen beide ihre gegenseitige Lage oft aus; die inneren werden zu äusseren, die äusseren zu inneren Lamellen. Sämmtliche Lamellen eines Systemes bestehen aus der- selben Substanz, welche wir im Anschluss an Reinke’s chemische Arbeiten mit dem Namen „Plastin‘‘ belegt haben. Nochmals sei hervorgehoben, dass „Plastin‘“ kein Eiweisskörper im eigentlichen Sinne ist, und dass es aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens ebensoviele „Plastine‘‘ wie Pflanzen- und Thier-Species, ja vielleicht sogar soviele, wie Individuen vorhanden sind, giebt. Und selbst hiermit noch nicht genug, es wird wohl soviele auch chemisch etwas verschiedene Plastine geben, wie Zellen; denn das Plastin ist nicht nur ein chemischer Körper, sondern zugleich ein Träger des Lebens, eine selbständige Willenskraft. In jedem Plastinsystem_ liegt eine gewisse schöpferische Kraft, mit Hilfe deren das Plastin neues Plastin zu erzeugen vermag. Diese schöpferische Kraft, der Ausfluss eines eigenen Willens, ist und kann nicht gezwungen sein ganz bestimmte chemische Körper zu erzeugen, Die eigene Individualität ist dem Plastin gewahrt, und sobald diese ihm genommen würde, hört es eben auf Plastin zu sein. Trotz dieser Freiheiten ist den Plastinen von dem Schöpfer aller Dinge doch ein gewisser Zwang, eine grosse Einseitigkeit auferlegt, so dass es nur im Stande ist ein mit geringen Abänderungen behaftetes, im Wesentlichen aber 516 gleichartiges Produkt zu erzeugen. Weshalb und warum? Diese und viele andere Fragen spielen bereits in das psychologische und philosophische Gebiet der Zellenlelhre. Sie zeigen, dass der wichtigste Theil der Erkenntniss des Plastins auf Gebieten liegt, welche für gewöhnlich von der exakten Naturwissenschaft getrennt behandelt werden. Obgleich diese Trennung bei einer eingehenden Bearbeitung des Plastines an und für sich durchaus un- statthaft ist, so muss dieselbe dennoch auch hier innegehalten werden, in der Erkenntniss, dass Verfasser in dieser Richtung keinen Beitrag zur weiteren Klärung der Frage zu bringen vermag. Gegen die geistigen Arbeiten, gegen die Willenskraft treten alle anderen Eigenschaften des Plastins erheblich zurück. Denn zuerst besteht die Absicht, der Wille z. B. Cellulose zu bilden, und erst wenn dieser Wille vorhanden ist, erfolgt die betreffende chemische Thätigkeit. — Oben wurde dargethan, dass die gegen den Zellsaft zu gelegenen Lamellen eines „Plasmastranges‘ völlig gleichwerthig mit den im Inneren gelegenen Lamellen seien. Es kann hier noch hinzugefügt werden, dass auch in Bezug auf die Dicke und auf den Wassergehalt kein Unterschied besteht. Da sich diese Verhältnisse nicht nur bei Urtica, sondern bei allen unter- suchten Pflanzen vorfinden, so geht hieraus hervor, dass ein „Protoplasma- strang‘‘ eine besondere Hautschicht nicht besitzt. Ebensowenig ist der Zell- saft von einer solchen umgeben. Der Zellsaft ist von denselben Dingen eingefasst, wie die Tausende von kleinen Vakuolen, den Waben eines „Protoplasmastranges,‘“ und diese von denselben Dingen wie die grösseren Waben der Braunalgenzellen, nämlich alle sind von Plastinlamellen begrenzt. Correkter ausgedrückt muss es heissen: Die zwischen den Lamellen eines Plastinsystemes befindlichen Räume, die Waben, werden von einer wässerigen, wenig lichtbrechenden Flüssigkeit ausgefüllt, welch letztere im Leben der Zelle eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Dieselbe Struktur wie in den die Zelle durchziehenden Strängen findet sich auch im „plasmatischen Wandbeleg.‘“ Bei höchster Einstellung wie auf dem optischen Durchschnitt zeigen sich dementsprechende Bilder. Fig. 77 giebt ein Stück des optischen Durchschnittes wieder, in welchem sich mehrere Wabenlagen übereinander befinden. Die Dicke dieses Belages wechselt bekanntlich sehr. Hierbei ist es leicht verständlich, dass die dem Zellinneren zugelegenen Systemtheile sich schneller bewegen, als die der Zellwand anliegenden; denn der Zellwand liegt ständig eine zarte, gemein- same Lamelle dicht an, nämlich diejenige, welche die Zellwand gebildet hat. Diese Lamelle begrenzt auch gewissermassen den Elementarorganismus nach aussen. An dieser festliegenden Plastinlamelle wälzt sich nun das teinmaschige Plastinsystem, der ‚„Wandbeleg‘‘, in mehr oder weniger dicker Schicht hin, wobei sich die dem Zellsaft zugewandten Theile, da sie fast keinen Widerstand zu überwinden haben, schneller bewegen, als die an der wandständigen Lamelle haftenden Theile. Infolgedessen kommt häufig eine Ueberwälzung des Wandbelegs vor, an welcher nicht selten die wabige ww 517 Struktur des Plastinsystemes deutlich zu Tage tritt. Fig. 87 zeigt ein solches schaumförmig aussehendes Stück, wie es in derselben Weise sich aus dem „Strangplasma‘ hervorwölbt. Solche, als Schäume erkennbaren Parthien nehmen beim Weiterfliessen wieder ein rein längsfibrilläres Aussehen an. Das Spiel der Physoden ist im Wandbeleg dasselbe wie im Inneren der Zelle. Die Physoden sind hier wie dort verschieden gross, und bei starker Vergrösserung deutlich als Bläschen erkennbar. Durch Ueberosmiumsäure wird ihr Inhalt am kräftigsten oxydirt, während die in der grossen, wie den vielen kleinen Waben befindliche Flüssigkeit mit diesem Reagens nur eine hellgraue Färbung annimmt. An dieser Stelle möge noch einer nicht weiter verfolgten Erscheinung gedacht werden. In den Zeilsafträumen verschiedener Pflanzen waren bis- weilen herumflottirende kugelähnliche Gebilde zu bemerken. Bei der ihnen zu Theil gewordenen nebensächlichen Beachtung machten sie den Eindruck, als ob es vom Gesammtsystem losgetrennte Plastintbeile seien, die zur Kugel abgerundet im Zellsaft umherschwimmen. Fig. 78 stellt ein solches Gebilde von ziemlicher Grösse einer Urticahaarzelle dar. Dass sich ausserdem in den Plastinsystemen der verschiedenen Pflanzen bisweilen noch einige andere Einschlüsse (Leucoplasten) finden, bedarf wohl kaum der Erwähnung. In den chlorophylihaltigen, am Grunde des Haares befindlichen Zellen war das Lamellensystem sammt Physoden zwar weniger gut, aber doch deutlich zu sehen. Dianthus. Von Dianthus caesius wurden sowohl die am Plattengrunde der Kron- blätter befindlichen Barthaare als auch assimilirende Zellen der Blätter zur Untersuchung herangezogen. Was die einzelligen, zartwandigen Haare anbetrifft, so enthalten dieselben ziemlich viel „Protoplasma“. In Letzterem sind die Strukturverhältnisse etwas leichter zu erkennen als bei dem Plasma der T’radescantiahaarzellen. Das Lamellensystem erscheint bei der Beobachtung als zartes Netzwerk. Die Grössenverhältnisse sind etwa dieselben wie bei Urtica. Die übrigen Erscheinungen stimmen im Wesentlichen mit denen an den zuletzt besprochenen Pflanzen überein. Besonders erwähnenswerth ist hier nur die gegenseitige Beziehung von „Enchylema‘‘ und „Zellsaft“. Bei Tradescantia wurde hervorgehoben, dass die in den grossen wie auch kleinen Waben befindliche Kammerflüssigkeit gleich gefärbt ist. In den ausgewachsenen Haarzellen von Dianthus ist dagegen die in den kleinen Waben befindliche Flüssigkeit weniger intensiv gefärbt als der in der grossen Wabe befindliche Zellsaft. Es lässt sich dies am besten in Haarenden, welche „voll von Protoplasma‘ sind, erkennen. Bei weiterer Verfolgung dieses Umstandes zeigt sich aber, dass in jungen, noch sehr kleinen Haaren der Zellsaft etwa die gleiche Färbung besitzt wie die oben 58 erwähnte Kammerflüssigkeit der Haarenden; also ursprünglich befindet sich in sämmtlichen Waben eine gleich gefärbte Flüssigkeit. Erst beim weiteren Heranwachsen der Zelle, wobei bekanntlich fast nur die Zellsaftmenge zu- nimmt, wird die intensiver gefärbte Substanz erzeugt und, da sie neben- sächlicher Natur ist, in den Sekretbehälter der Zelle, in den grossen Zell- saftraum, abgesondert. Das Plastin sucht also nicht gerade schädliche, aber doch unerwünschte Stoffe an einem Ort zu lokalisiren, um sich so für die ganz erheblich grössere Menge Lamellensubstanz ein reineres, als Umgebung der Lamellen dienendes Medium zu wahren. Erwähnen möchte ich noch, dass sich in den Nucleolen der Kerne zwei bis drei kleine, wie der Zellsaft gefärbte (roth), aller Wahrscheinlichkeit nach fiüssige Inhaltskörper befanden. (Vergl. Tradescantia.) In den chlorophyliführenden Blattzellen ist das Lamellensystem ebenfalls in den lebenden Zellen deutlich erkennbar. Ich fand, dass sich das Lamellen- system in diesen Zellen verhältnissmässig langsam verschob, während die den Lamellen eingelagerten Physoden wieder recht eifrig im Umhergleiten waren. Im Durchschnitt zeigen die Waben beim Abrunden "z bis 1 y. Durchmesser. Die Physoden sind verschieden gross. Sie fangen mit sehr kleinen Dimensionen an und können einen Durchmesser bis zu "2 u erreichen. Auf dem optischen Durchschnitte sieht man die Dicke des „Wandbelegs“ fast fortwährend wechseln. Die Netzstruktur, der jeweilige Ausdruck des Lamellensystemes, ist auch hier deutlich erkennbar. Die Chromatophoren und der Kern liegen den Lamellen ebenso ein- gelagert wie bei den Braunalgen, nur dass dort infolge der Grössenverhält- nisse die Einlagerungsart viel deutlicher zu Tage tritt, wie hier. Bei den Braunalgen sehen wir den Chromatophor oft vollständig innerhalb einer einzelnen Lameile liegen; hier ist dies unmöglich, weil der Chromatophor eine grössere Ausdehnung hat als eine einzelne Lamelle. Er muss sich also durch mehrere Lamellen hindurcherstrecken, ähnlich wie dies bei den bandförmigen Chromatophoren einiger Braunalgen (z. B. Zetocarpus sili- culosus) der Fall ist. Es kann infolgedessen der Schein erweckt werden, als ob das Lamellensystem um den Chromatophor herumgelagert sei. Dies ist aber, wie aus den Analogien hervorgeht, nicht der Fall, sondern die Chromatophoren resp. der Kern sind auch hier den Lamellen selbst ein- gelagert. Beim Absterben der Zelle nehmen die Lamellen die schon mehrfach er- wähnte specifisch regelmässige Anordnung an. In Fig. 80 ist das wandständige Plastinsystem, nach lebendem Material gezeichnet, wiedergegeben. Bezl. Fig. 79 vergl. Figurenerklärung. Pelargonium. In den Haarzellen junger Blätter verschiedener Pelargontumarten war die dem „Protoplasma‘“ zu Grunde liegende Struktur öfters sehr gut zu erkennen. Noch leichter als bei Urtica war bisweilen das Netzwerk 519 sichtbar, und an den Stellen, wo sich das nicht sehr schnell fliessende „Protoplasma‘ anhäufte, war mehrfach die Schaumnatur des Gerüstwerkes an lebendem Materiale deutlich zu erkennen. Vergl. Fig. $1. Im Uebrigen glichen die einzelnen Erscheinungen fast völlig denen von Urtica, Trades- camtia, Bryopsis u. s. w. Da nun, wie erwähnt, bei diesem Objekte die lamellöse Struktur des Netzwerkes deutlich und verhältnissmässig leicht zu erkennen ist, so bilden die betreffenden Haare ein sehr werthvolles Material für die uns beschäftigende Frage, indem hier die thatsächliche Struktur, d. i. die lamellöse, an einzelnen Stellen durch direkte Beobachtung zu konstatiren ist und festgestellt werden kann, dass das Lamellensystem beim Weiterfliessen wieder scheinbar rein fibrilläre Gestalt annimmt. Es liegt mithin den Haarzellen von Pelargonium ein zartwandiges Lamellensystem zu Grunde. Den Lamellen sind Physoden in der bekannten Weise eingelagert. Dieselben besitzen auch hier eine eigene, von der Plastinverschiebung unabhängige Bewegung. Impatiens. Sehr jugendliche Pollen resp. Pollenmutterzellen von I/mpatiens sind, abgesehen von dem Kern und event. einer Vakuole (grosse Wabe), dicht erfüllt mit einem feinschaumigen Lamellenwerk. Dasselbe lässt sich in lebenden Zellen in den verschiedenen Schichten des Zellleibes sehr gut er- kennen. Die Anordnung der Lamellen ist die speecifisch lebende und gleicht in intakten Zellen nicht den Oelseifenschäumen. In dem Lamellensysteme zerstreut finden sich auch hier die verschieden grossen, glänzenden Gebilde. Ein ebensolehes Lamellenwerk wie in den Pollen war auch in lebenden Zellen junger Samenanlagen zu erkennen. In den Zellen des Fruchtblattes vermochte ich bei zwanzigminütiger Beobachtungszeit von Protoplasmastrukturen nichts zu erkennen, dagegen konnte ich in den Zellen eine sehr rege Physodenbewegung wahrnehmen. Auch hier waren es vorwiegend einzelne Physoden, die sich durch grosse Wanderungen auszeichneten. Etwas von der allgemeinen Regel Abweichendes wurde demnach auch .in den Fortpflanzungszellen nicht gefunden. Malva Alcea. Von Malva Alceas wurden vorwiegend verschiedene Zellen des Blatt- stielgewebes untersucht. In fast allen parenchymatischen Zellen zeigte sich das Netzwerk sammt den Physoden in der bekannten Art und Weise. Bei höchster Einstellung wurden analoge Bilder erhalten wie bei Bryopsis. Die Grössenverhältnisse sind etwa dieselben wie bei der erwähnten Pflanze und wie bei Urtica. Ruhende Theile des Lamellensystemes ähneln, abgesehen von der Grösse, sehr dem etwas unregelmässig gebauten Plastinsystem von Sphacelaria; beim Weiterfliessen dieser Parthieen nehmen sie dagegen ein längsfibrilläres Aussehen wie das Plastinsystem von Urtica an. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VII, Heft III. 35 520° Auf dem optischen Durehschnitte wurden dementsprechende Bilder er- halten. In Fig. 82 ist ein Stück einer chlorophyliführenden Zelle auf dem optischen Durchschnitt wiedergegeben. Die Wabenlage des Wandbelags ist meist mehrschichtig.. Etwas Bemerkenswerthes bietet das Bild nach dem früher Erörterten kaum, als höchstens das, dass überall die gleichen Ver- hältnisse vorliegen. Hier sind zufällig mehrere Plastin-Fäden mitgezeichnet worden, über deren Bedeutung und Entstehung bereits im allgemeinen Theile dieses Abschnittes berichtet wurde. Die Physoden erfüllen bei Malva dieselben Aufgaben wie bei den anderen Pflanzen. Auch in den langgestreckten Begleitzellen der Gefässe vermochte ich das als Netzwerk erscheinende Lamellensystem sammt den ihm eingelagerten Physoden in lebenden Zellen zu erkennen. Desgleichen erhielt ich die entsprechenden Bilder in den am Grunde (der Kronenblätter befindlichen Haaren. — Hoffentlich ist es mir durch diese Ausführungen gelungen, die in der Einleitung aufgestellten Sätze zu beweisen. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass nirgends von dem Schema abweichende Strukturverhältnisse erkannt werden konnten, und dass dort, wo meist infolge zu kurzer Beobachtungszeit keine Strukturen zu sehen waren, was wohl vorwiegend in dem geringen Licht- brechungsvermögen des Plastins seinen Grund haben mochte, die Art und Weise des Umhergleitens der Physoden völlig derjenigen glich, wie in den beschriebenen Fällen, so dass die Annahme, dass gleiche Grundbedingungen vorliegen, nicht ungerechtfertigt erscheint. Einiges über Funktionen der einzelnen Zellorgane. Bisher haben wir uns vorwiegend mit der räumlichen Anordnung und der aus dieser sich ergebenden Beziehung der einzelnen Zellbestandtheile zu einander beschäftigt. Wenn nunmehr der Versuch gemacht werden soll, einiges über die Funktionen der einzelnen Zellorgane zu berichten, so kann und soll dies an dieser Stelle nur in Form einer Skizze geschehen. Es können selbst- redend auch nur wenige Punkte berührt werden. Die Besprechung der Funktionen der einzelnen Theile eines Elementar- organismus hat nach völlig anderen Grundsätzen zu erfolgen, als z. B. die Besprechung der Funktionen der einzelnen Theile einer Dampfmaschine. Letztere wird von des Menschen Hand erbaut, geleitet, gefeuert u. 8. w. — Sie steht also unter dem Willen eines Anderen. Ohne den Willen des Betreffenden keine Dampfmaschine und keine Arbeitsleistung. Der Elementar- organismus aber baut sich selbst auf. So, wie er es haben will, richtet er seine Organe ein. Hoch und erhaben steht zur Zeit seine Kunst über der des Menschen. Spielend leicht bringt er die wunderbarsten und zier- lichsten Formen hervor; spielend leicht erzeugt er die komplicirtesten chemischen Verbindungen und mit derselben Leichtigkeit zerlegt er diese 521 wieder. Alles ohne Kelle und Zirkel, alles ohne komplieirte chemische und physikalische Apparate. Wohl benutzt er ihm zu Gebote stehende Kräfte und Energieen — aber was ist Kraft? was ist Energie? — und angenommen Kraft und Energie wären physikalisch fassbare Begriffe, was helfen sie dem Elementarorganismus, wenn er sie nicht auszunützen verstände? Ja, er muss sie auszunützen „verstehen.“ Der Elementarorganismus muss ein „Ver- ständniss‘‘ besitzen, welches über eventuellen „Kräften‘‘ steht. Neben dem Verständniss muss aber auch der ‚Wille‘ und das „Können‘‘ vorhanden sein, die ihm gebotenen Dinge in der geeigneten Art und Weise zu verwerthen. Es sind also in erster Linie Funktionen des Geistes, welche uns ent- gegentreten und welche mit dem Gesammtnamen „Wille“ bezeichnet werden mögen. Wo kein „Wille,“ da keine schaffende Kraft, da kein Leben! Alle mechanischen und chemischen Leistungen der Zelle sind demselben untergeordnet. Von seinen Beziehungen zur etwa vorhandenen Substanz wissen wir wohl soviel wie Nichts. Da nun alle Einzelvorgänge in der Zelle von dieser Kraft geleitet werden, so ist es schlechterdings auch unmöglich, die Einzelerscheinungen auf Grund von rein mechanischen oder rein chemischen Gesetzen zu erklären, sondern bei den betreffenden Betrachtungen muss stets darauf Rücksicht genommen werden, dass ein freier, ungezwungener Wille mit der einzelnen Erscheinung auf eine uns unerklärliche Weise innig verknüpft ist. Immerhin sei es unter Würdigung dieser geistigen Kräfte gestattet, von mechanischen und von chemischen Funktionen der einzelnen Zellorgane zu sprechen. Jedem einzelnen Zellorgan kommen sowohl psychische, als mechanische, als auch chemische Funktionen zu. Es kann zweekmässig mit der Frage begonnen werden: Wer giebt dem Organismus seine äussere Form, wer dient seinen einzelnen Theilen als Stütze? Auf diese Frage ist bereits im ersten Theile dieser Abhandlung eingegangen worden. Es zeigte sich dort, dass das Plastinsystem als Grund- lage des gesammten Organismus angesehen werden muss. Es dient sowohl als Stütze für die einzelnen Zellorgane als für sich selbst. Sich selbst schützt es und stützt es durch Ausscheidungen von festen Membranen in gewissen Abständen innerhalb seiner Lamellen. Nur dadurch, dass es völliger Beherrscher dieser scheinbar festen Membranen ist, dass es beim Wachsen, wobei die feste Membran sich mit ausdehnen muss, nach Belieben neue feste Antheile zwischen die alten Membrantheilchen zu lagern und so gewissermassen sich selbst einen Sockel zu bauen vermag, ist es dem Plastin möglich, sich in verhältnissmässig sehr geringer Menge hoch über die Erd- oberfläche zu erheben und dem Gesammtorganismus beliebige Form zu geben. Hiermit ist a priori festgestellt, dass jedes Plastin sich zu bewegen vermag. Von dieser nur sehr langsam stattfindenden Wachsthumsbewegung kann man die amöboide Bewegung gewisser Plastine unterscheiden. An anderer Stelle ist gezeigt worden, dass die amöboide Bewegungsfähigkeit der einzelnen Zellorgane bei den einzelnen Pflanzen eine recht ver- 35* 522 schiedene ist. Z. B. ist bei den Braunalgen, wie auch in den Zellen der Vegetationspunkte höherer Pflanzen, kurzum in allen Zellen, wo annähernd gleichgrosse Zellsaftkammern (Waben) in der einzelnen Zelle vorhanden sind, die amöboide Bewegung des Lamellensystems eine sehr geringe. Hier sind es in erster Linie die Physoden, welche für uns sichtbares Leben, d. h. Bewegung in die Zelle bringen. Bei den Braunalgen fand sich auch eine ausgesprochene, amöboide Bewegung der Chromatophoren. Letztere wandern bei den erwähnten Pflanzen in den in annähernd gleicher Lage bleibenden Lamellen an denjenigen Ort und in diejenige Stellung, in der sie benöthigt werden. Bei Kerntheilungen finden sie sich am Kern, bei Zell- wandbildungen in der Nähe dieser in grösserer Menge vor. Später dienen sie, wie weiter unten noch gezeigt werden wird, der Zelle als mechanische Sehutzvorriehtung, indem sie die Zelle vor zu starker Beleuchtung bewahren ; sie begeben sich zu diesem Ende vorwiegend in die wandständige Lamelle. Das bekannte Phänomen der „Protoplasmaströmung‘‘ kann sich nach den früheren Erörterungen und findet sich thatsächlich nur in solchen Zellen, in denen die Waben des Lamellensystems in Bezug auf ihre Grösse eine verschiedene Ausbildung erlangt haben. Die weiteren Ausführungen hierüber finden sich an anderer Stelle. Hier mag nur nochmals hervor- gehoben werden, dass die „Protoplasmabewegung“ stets ein mehr oder weniger schnelles Verschieben der einzelnen Lamellen des Plastinsystems ist. Unabhängig von dieser Lamellenbewegung findet eine eigenmächtige Bewegung der diesen Lamellen eingelagerten Physoden statt. Hieraus geht hervor, dass die sichtbare Bewegung nicht die Funktion eines einzelnen Zellorganes ist, sondern dass jeder individualisirte Zell- bestandtheil das Vermögen der freien, amöboiden Form- und Ortsveränderung besitzt. (Vergl. pag. 420.) Am interessantesten und von weittragender Bedeutung ist dieselbe bei den Physoden, welche als Haupttransportorgane, als die eigentlichen Ver- mittler zwischen den einzelnen Organen innerhalb der Zelle (insbesondere zwischen Plastinsystem und Kern) anzusehen sind. Von vielleicht sehr hoher Bedeutung für die höheren Pflanzen kann auch die Bewegung des fein- wabigen Plastinsystemes insofern sein, als dadurch in Verbindung mit anderen z. Th. bekannten Erscheinungen das Wasser gewissermassen eMpOor- getragen wird. Inbetreff der chemischen Arbeiten der einzelnen Zellorgane möge mit der Kohlensäureassimilation begonnen werden. Der fundamentale, für die Pflanzen characteristische Prozess, die Erzeugung von komplicirteren, verhältnissmässig sauerstoffarmen Kohlenstoffverbindungen aus Kohlensäure, kommt wohl den Chromatophoren allein zu. Man kann die Chromatophoren in erster Linie für Condensationsapparate halten, welche be- fähigt sind, die an und für sich leicht zersetzbare normale Kohlensäure C(OH), in Kohlenstoffverbindungen mit 6 C-Atomen umzuwandeln. In den Berichten der deutsch. botan. Gesellschaft 1892, pag. 250 ist in den „Gedanken über 923 die Assimilation und die damit verbundene Sauerstoffausscheidung‘“‘ bereits dargethan, dass ich den ersten Prozess der Kohlensäureassimilation in erster Linie für einen chemisch - physikalischen Vorgang von verhältnissmässiger Einfachheit halte, dass vielleicht in der normalen Kohlensäure selbst die Kraft liegt, die Kohlenstoffverkettung und die damit verbundene Reduktion resp. Sauerstoffausscheidung herbeizuführen. Also die chemische Energie liegt in der normalen Kohlensäure C(OH), selbst, die physikalische Energie wird ihr durch Vermittelung der Chromatophoren ertheilt. Ich vermag diesen Prozess kaum anders aufzufassen, da sonstige hinlängliche Reduktionsmittel in den Zellen durchaus fehlen und ferner anzunehmen, ist, dass dieser Prozess, da er doch mit die Grundlage für alle weiteren Lebensbedingungen ist, ein bestimmter, äusserst einfacher sein muss. Wie dieser Assimilationsprozess thatsächlich verläuft, darüber sind wir noch völlig im Dunkeln. Leider sind auch die Aussichten auf baldige Lösung des Problems keine günstigen, denn auch die von chemischer Seite unternommenen Arbeiten sind bis jetzt erfolglos geblieben. Zn berücksichtigen ist, dass voraussichtlich hier bereits psychische Vorgänge mit im Spiele sind. Die Annahme, dass die Chromatophoren resp. Leucoplasten als Con- densationsapparate dienen, wird dadurch gestützt, dass die Stärkekörner, doch wohl sicher Condensationsprodukte von Zucker, sich nur in resp. an den erwähnten Zellorganen finden. Diese vorwiegend den Chromatophoren zu Gute kommende Condensations- kraft fehlt aber auch dem Plastin nicht, allerdings mit der Beschränkung, dass Letzteres wohl nur Verbindungen, welche bereits mehrere C-Atome ver- kettet enthalten, zu condensiren vermag. Als Beispiel möge die Zellwand- bildung angeführt werden. Es liegt hier offenbar ein der Stärkebildung sehr nahestehender Prozess vor. Aus diesem Grunde findet auch die An- wesenheit der Chromatophoren an jungen, resp. sich erst bildenden Zell- wänden eine Erklärung, nämlich diejenige, dass die Chromatophoren einen Theil der Condensationsarbeit übernehmen, z. B. Zuckermoleküle bis zur wasserlöslichen Stärke condensiren, so dass dann das Plastin mit Hilfe der Physoden vorwiegend die Einreihung und endgültige Umwandlung nebst Fixirung der Moleküle zu besorgen hat. (S. Fig. 86 u. 83.) Die zweite Phase des Assimilationsprozesses, die Umwandlung der ersten Condensationsprodukte in weitere chemische Verbindungen und vor allem das wichtigste und grossartigste Kunststück, die Umwandlung dieser chemischen Verbindungen in lebende Substanz scheint vorwiegend anderen Zellorganen zuzukommen. Was hierbei die Leistungen des Plastins und der Physoden anbetrifft, so wird eine scharfe Trennung bei dem innigen Zusammenhang nicht immer vorhanden sein, zumal werden an dem Aufbau komplicirterer Kohlenstoff- verbindungen Beide betheiligt sein. Sehr leicht möglich ist, dass in letzterer Richtung die Kerne alle anderen Organe der höher entwickelten Zellen übertreffen. 524 Eine Hauptlebensfunktion dürfte aber insbesondere den Physoden allein zukommen. Es ist dies die Athmung. Zur Begründung des Satzes, dass die Physoden die Athmungsorgane der Elementarorganismen darstellen, ist insbesondere der Umstand anzu- führen, dass in den Physoden die am leichtesten oxydirbaren Substanzen vorhanden sind. Es ist naheliegend, dass, da der Athmungsprozess ein Oxydationsvorgang ist, auch in erster Linie die am leichtesten oxydirbaren Stoffe verbraucht werden, und dass an den Stellen, wo diese Stoffe lagern, also in den Physoden, die Athmungswerkstätten sich befinden. Bei der Athmung, welche also inmitten der lebenden Physodensubstanz beginnt, wird jedenfalls das Sauerstoffmolekül gespalten und die Sauerstoffatome theils direkt verbraucht, theils zur Oxydirung von nicht lebenden, an und für sich schwer zersetzbaren Verbindungen verbraucht, behufs Bildung von Wärme und (lebendiger) Kraft für den Organismus. Es findet auf diese Weise eine Sauerstoffübertragung durch die Physoden statt. Dieser Umstand gewinnt an Interesse, sobald wir uns vergegenwärtigen, dass der Physode infolge ihres eigenen Bewegungsvermögens fast ein jeder Platz innerhalb der Zelle zur Verfügung steht, dass also bei Bedarf durch Vermittelung der Physoden Sauerstoff in statu nascendi und eventl. als Ozon bezl. Wasserstoffsuperoxyd bald hier, bald dort in Wirkung treten kann. Es wurde soeben erwähnt, dass die Sauerstoffathmung inmitten der lebendigen Substanz beginnt und zwar inmitten der Physodensubstanz. Hier- bei wird gewiss ein Theil dieser Substanz verbraucht, aber, worauf be- sonders aufmerksam gemacht sei, ein Mitverbrauch von Plastinsubstanz findet bei der Athmung nicht statt. Alle meine Beobachtungen haben mir gezeigt, dass das Plastin, die Grundlage des ganzen Organismus, überhaupt nur einen ausserordentlich geringen Bruchtheil des Zellleibes ausmacht, ferner, dass das Plastin bereits ein verhältnissmässig sehr sauerstoffreicher Zellbestandtheil und deswegen zur weiteren Oxydation, zur Athmung, direkt ungeeignet ist. Das Plastin ist sehr widerstandsfähig und während des Lebens mit der stabilste Körper innerhalb der Zelle. In abgestorbenen Zellen findet es sich als Ge- rinnsel vor. Ueber die betreffenden Verhältnisse in Gefässbündelzellen bin ich, wie ich bemerken möchte, nicht genügend orientirt. Ich glaube aber kaum, dass jemals gebildetes Plastin wieder zurückgebildet und weiter verbraucht wird. Dass das Plastin und dasjenige Gemenge, welches als „‚Protoplasma‘* bezeichnet wird, sehr verschiedene Dinge sind, braucht wohl kaum noch ein- mal erwähnt zu werden. Von dem „Protoplasma‘“ als Sammelbegriff werden bei der Athmung Theile verbraucht, z. B. Physodensubstanz, ferner wohl ziemlich sicher die in den Plasmawaben befindlichen wasserlöslichen und diffusionsfähigen, also in die Plastinlamellen und in die Physoden ein- dringenden Bestandtheile, wie gelöste Kohlehydrate (Stärke) ete., auf welch’ letztere Körper dann der aktive Sauerstoff einwirken kann. Das Plastinsystem des Protoplasma aber wird, wie erwähnt, nicht verbraucht. So konnte ich bei Chaetopteris, welches monatelang im Dunkeln eultivirt war, keine Abnahme 525 der Plastinsubstanz, wohl aber eine solche der Physodensubstanz beobachten. Ein Verbrauch etwa im Zellsaft gelöster Kohlehydrate ete. lässt sich auf optischem Wege nicht ermitteln. Wie bei diesen Vorgängen das Leben und Treiben der Organe innerhalb der einzelnen Zelle ineinandergreift, sei an einigen Beispielen mit besonderer Berücksichtigung der Braunalgen erörtert. Es bieten z. B. die jungen, sich theilenden Zellen eines C'haetopterissprosses oder die entsprechenden Zellen eines Giraudiafadens auf den ersten Blick ein anderes Bild als die älteren Zellen derselben Pflanzen. Die jungen Zellen sind hell und durchscheinend, die älteren dagegen für Licht wenig durchlässig. Es ist dies bedingt durch die Lage, Grösse und Anzahl der Chromatophoren. Vergleicht man z. B. von Giraudia die Fig. 35 und 37b, so ergiebt sich, dass in den jungen Zellen die Chro- matophoren gegen die übrigen Zellbestandtheile zurücktreten, iu den älteren dagegen die Chromatophoren wie eine „schützende Decke“, womit in Reinke’s „Lehrbuch der allgemeinen Botanik“ das Chlorophyll bezeichnet wird, aus- gebreitet sind. Es hat dies, wie auch aus den Arbeiten von Pringsheim und Anderen hervorgeht, seinen guten Grund. Schon mehrfach ist des Umstandes Erwähnung gethan worden, dass die Chlorophylikörper bei den Braunalgen besonders in den jungen Zellen, also in den Zellen mit wenig Chromatophorensubstanz, sehr viel zu leisten haben (Chaetopteris, Giraudia u. a... Da bei den betreffenden Pflanzen eine Wanderung der Baustoffe kaum in Betracht kommt, ja in manchen Fällen ausgeschlossen ist, so fällt den oftmals noch sehr kleinen Chromatophoren der erste Theil des Assimilationsprozesses, die Bildung von einfacheren organischen Verbindungen, zu, und zwar ist in diesen Stadien einerseits die Neubildung, andererseits aber auch die Weiterverarbeitung der gebildeten Stoffe zu Plastin am grössten. Die Zellen erledigen also mit wenig Chlorophyll ausserordentlich viel Arbeit. Es geht hieraus zunächst hervor, dass die Leistungen der Chromatophoren nicht mit ihrer Grösse proportional sind, sondern dass kleine Chromatophoren bezüglich kleine Leucoplasten die ihnen zukommende chemische Thätigkeit vollkommen erledigen können. Ferner kommt hier als zweiter wichtiger, dem Organismus zu Gute kommender Punkt in Betracht, dass die kleinen Chro matophoren der Zelle nicht zuviel Licht und somit indirekt (lebendige) Kraft vorenthalten. Dadurch, dass in die jungen Zellen die Lichtstrahlen ungehindert eindringen können, kann in diesen Zellen eine lebhafte Athmung und mithin Kraft- aufspeicherung auf Kosten der Physoden stattfinden. Die durch die Athmung gewonnenen Kräfte sind aber nirgends mehr am Platze als in diesen Zellen, den Bildungsstätten des Plastins, der Kerne, des individualisirten Physoden- stoffes ete. — Soll diese lebhafte Neubildung von Plastin und Kernen in einer Zelle nicht mehr stattfinden, und ist infolgedessen der Kräfteverbrauch kein so grosser mehr, so lässt die Zelle in ihrer Athmungsintensität nach und sucht sich sogar durch die Lagerung und das Heranwachsen der Chro- 526 matophoren vor zu vielen, die Athmung befördernden Lichtstrahlen zu schützen. Wie weit die Bildung einer solchen „schützenden Decke‘‘ gehen kann, zeigt Fig. 37b. Unter dem Schutze der Chromatophorendecke findet nunmehr eine erhebliche Ansammlung von Physodenstoff statt. (8. auch pag. 480.) Dass bei höheren Pflanzen die Verhältnisse ähnliche sind, möge mit Bezugnahme auf verschiedene Stellen aus Frank’s Lehrbuch erörtert werden. Es heisst dort pag. 495: ,‚An jungen Pflanzentheilen, welche nur erst wenig Chlorophyll enthalten, wie die sich öffnenden Blattknospen, ist selbst bei günstiger Beleuchtung ein Verbrauch von Sauerstoff zu constatiren, weil hier die Kohlensäureassimilation noch gering ist.‘‘ In den erwähnten Pflanzen- theilen liegen nun bekanntlich ebenfalls die Bildungsstätten von Plastin etc. vor. An diesen Orten findet naturgemäss ein grosser Kräfteverbrauch statt, welche Kräfte ihrerseits durch eine lebhafte Athmung mit beschafft werden. Der Athmung, also der Kräftespeicherung kommt aber auch hier der Um- stand des Chlorophylimangels ausserordentlich zu Gute. Die Lichtstrahlen haben in die Laboratorien freieren Eintritt, und ihre Energie kann voll und ganz verwerthet werden. Der oft gänzliche Mangel an Chlorophyll-Farbstoff in den Vegetationspunkten kommt insofern nicht in Betracht, als ja bei höheren Pflanzen an die betreffenden Zellen Kohlenstoffverbindungen etc. durch Zu- fluss aus anderen Zellen geliefert werden. Die Verarbeitung dieser wohl meist verhältnissmässig kleinmolekularen Zufliessungsprodukte zu höheren Kohlenstoffverbindungen und schliesslich zur lebenden Substanz erfolgt aber erst an Ort und Stelle, d. h. in den Vegetationszellen. Betreffs der Knospen der Bäume steht in demselben Lehrbuch pag. 494: „Die Knospen der Bäume, die im geschlossenen ruhenden Zustande wenig von Athmung erkennen lassen, beginnen mit der Entfaltung ihrer Blätter ziemlich lebhaft zu athmen.‘“ Demnach beginnt auch hier die lebhaftere Athmung, sobald das Licht freieren Zutritt zu den Zellen erhält und anderer- seits die schützende Chromatophorendecke noch wenig entwickelt ist. Mit der lebhafteren Athmung Hand in Hand geht auch hier die Neu- bildung wichtiger Zellbestandtheile.. Die durch die Athmung gewonnene Kraft wird auf die Neubildungen verwendet. Sobald dieselben beendet sind, wird die „schützende Decke‘ vorgeschoben, und soviel Licht bezl. Kraft zu- gelassen, dass bei mehr oder weniger unterdrückter Athmung eine sichtbare Substanzaufspeicherung stattfindet (pag. 480). Aehnlich liegen die Verhältnisse bei den Keimpflänzchen, bei welchen die Athmungsintensität auch dann am grössten ist, so lange die Zellen ver- hältnissmässig leicht von den Lichtstrahlen durchdrungen werden können. In Bezug auf die Blüthen heisst es pag. 494: „Die Blüthen, welche unter allen Organen der erwachsenen Pflanze die energischste Respiration zeigen, was wohl mit der schnellen Entwiekelung dieser Theile zusammen- hängen dürfte.‘ „Aber auch die einzelnen Theile der Blüthen athmen mit verschiedener Energie und darin stehen die Sexual-Organe oben an; die 527 männlichen Blüthentheile und Blüthen athmen lebhafter als die weiblichen.‘ Die Athmungsintensität der weiblichen Organe beträgt im Durchschnitt un- gefähr die Hälfte von der der männlichen Organe. Auch hier zeigt sich, dass die Pflanze an ihren Hauptbildungsstätten für plastische Substanz eine lebhafte Athmung eintreten lässt, und dass sie an diesen Stellen eine schützende Chromatophorendecke möglichst meidet. Wo es auf eine sehr schnelle Entwickelung von möglichst kräftigen Elementar- organismen ankommt, wo also, da die Bildung der einzelnen Zellorgane ete. nur an Ort und Stelle erfolgt (eine Wanderung solch fertiger Stoffe findet nicht statt), zur Bildung der neuen Bestandtheile ein bedeutender Kraft- aufwand nöthig ist, wie es am meisten in den Pollenkörnern der Fall ist, da ist die Pflanze bestrebt, durch eine möglichst kräftige Athmung ihre (lebendige) Kraft zu erhöhen und gewährt zu diesem Ende durch Vermeidung von (Chromatophorenbildung den sie unterstützenden Lichtstrahlen freien Zutritt. Ja, die Pflanze geht sogar so weit, dass sie, damit zur völligen Ausreifung der Pollen den erwähnten Laboratorien Licht und Sauerstoff, das physische Elternpaar der lebendigen Kraft, in genügendem Maasse zur Ver- fügung steht, die Bildungsstätten mit Hilfe besonderer Träger möglichst frei stell. Im Prineip findet sich dies schon bei C'haetopteris, Ectocarpus u. a. In den weiblichen Organen, wo die definitive Vollendung der Elementar- organismen nicht so eilt, ist eine weniger intensive Kräfteentfaltung resp. Athmung nöthig. Infolgedessen befinden sich diese Zellen an einem vor Licht geschützteren Platze. Ist dann in einem solchen Zellkomplex die Haupt- arbeit, die Plastin- und Kernbildung etc. vollendet, und soll die Aufspeicherung von Reservestoffen beginnen, so schützen sich diese Zellen in geeigneter Weise vor zu lebhafter Athmung, vor zu lebhafter Lichtenergiezufuhr. Hier geschieht es durch Schalen ete., in den vegetativen Giraudiazellen durch die schützende Chromatophorendecke. Aus ähnlichen Gründen, wie hier erörtert, kommen jedenfalls auch die lichtfliehenden Plasmodien behufs Sporenbildung an’s Licht, um nach voll- endeter Arbeit sich wieder vor letzterem zurückzuziehen. Es zeigt sich also im Leben der einzelnen Zellen eine sehr weitgehende Uebereinstimmung und zwar nicht nur in dem morphologischen Aufbau der verschiedensten Zellen, sondern auch in den einzelnen Entwickelungs- zuständen. Athmungsintensität, Verbrauch von Physodenstoff, Neubildung von organisirten Bestandtheilen, Aufspeicherung von organischer Substanz, Lage und Grösse der Chromatophoren und sichtbare Arbeitsleistung der Physoden stehen in ganz bestimmten Verhältnissen zu einander. ($. pag. 480, Fig. 33, 37, 38.) Nicht ganz unberücksichtigt darf hier der Vorgang der sogen. intra- molekularen Athmung bleiben. Der Standpunkt, der im Allgemeinen in dieser Frage eingenommen wird, lässt sich wohl mit folgendem Satze aus Hertwig, „Die Zelle“, pag. 107, dokumentiren, Er lautet: „Dass nicht 898 der von aussen eindringende Sauerstoff den ersten Anstoss zu den chemischen Vorgängen der Athmung giebt, dass vielmehr innerhalb des Protoplasmas zunächst und primär eine Zersetzung des Eiweissmoleküles stattfindet, welche mit Kohlensäurebildung endigt, dass aber durch den von aussen her zu- tretenden Sauerstoff eine restitutio in integrum stattfindet.‘ Es wird demnach die intramolekulare Atmung als das Primäre, als die Ursache der Sauerstoffathmung angesehen. Der Prozess der intramole- kularen Athmung selbst soll auch nur ein dem lebenden Protoplasma zu- kommender Vorgang sein. Wenn die zweite Behauptung richtig begründet wäre, so hätte die erste viel- leicht Berechtigung. Aber der zweite Satz lässt sich sehr leicht anfechten, da auch sicher abgestorbene, nicht in Gährung etc. übergegangene Pflanzen Kohlensäure in Menge produziren. Diese von Reinke und seinen Schülern festgelegte Thatsache ist zwar vor mehreren Jahren in den Berichten der deutsch. bot. Gesellsch. ziemlich energisch zurückgewiesen worden — mir sind leider z. Z. die betreffenden Abhandlungen nicht zur Hand —, doch steht trotzdem die Thatsache als solche fest. Herr Geheimrath Reinke liess auch mich, infolge der erwähnten Widerlegungen, einen Theil der Versuche ausführen, und konnte ich nur die früher in Kiel gefundenen Resultate bestätigen. Darnach wird von abgetödteten Pflanzen in den ersten Tagen eine reichlichere Menge, späterhin eine geringere Menge Kohlensäure pro- dueirt — also diese (postmortale) Kohlensäureausscheidung erfolgt in abge- tödteten Pflanzen in ähnlicher Weise wie bei der intramolekularen Athmung. Es ist demnach gewagt, den Vorgang der intramolekularen Athmung, von welchem Vorgang wir nur durch die Kohlensäureentwickelung Kenntniss haben, als nur der lebenden Zelle eigen anzusehen. Voraussichtlich liegt hier nicht eine vitale Bigenschaft des Protoplasma vor, sondern eine fermentative Thätigkeit eines Zellbestandtheiles, und zwar scheint ein Ferment vorzuliegen, welche sowohl bei Siedehitze, als auch in Aetherdampf etc. seine Wirkung beibehält. Ausser der vermutheten Fermentwirkung ist auch noch eine andere Möglichkeit vorhanden. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, und in ge- wissem Grade bereits erwiesen, dass der Zellkern eine grössere Widerstands- fähigkeit gegen äussere Einflüsse besitzt, als das „Plasma“ d. h. als unser Plastinsystem sammt Physoden. Das Plastin kann demnach vielleicht schon abgestorben sein und der Kern noch leben. Die noch lebenden Kern- elemente lassen dann (auch bei Sauerstoffmangel) einen der alkoholischen Gährung nicht unähnlichen Prozess eintreten, indem sie die Vorrathsstoffe der abgetödteten Zellen zu Kohlensäure und Alkohol ete. vergähren, also der Kern würde eine für die niedersten Organismen characteristische Arbeit ausführen. Was schliesslich speziell die Eiweisszersetzung, womit leider soviel zu erklären versucht wird, bei der intramolekularen Athmung anbetrifft, so sei darauf hingewiesen, dass die bei der intramolekularen Athmung ent- stehende Kohlensäure nicht wohl ein Spaltungsprodukt der Eiweissstoffe sein kann. Dies hat Diakonow wahrscheinlich gemacht, denn er fand, dass die Schimmelpilze Penicillum glaucum, Aspergillus niger und Mucor stolonifer im sauerstofffreien Raum nur dann Kohlensäure ausscheiden, wenn ihnen Glycose mit als Nährmaterial geboten wird. Pflanzen, welche Mannit enthalten, vergähren diesen Stoff zu Kohlensäure und Alkohol, ferner wird dabei neben der Kohlensäure auch Wasserstoff ausgeschieden. Es zeigt sich mithin, dass die bei der sog. „intramolekularen Athmung‘ auftretende Kohlensäure weder ein Spaltungsprodukt von Eiweissstoffen ist, noch dass dieses Auftreten der Kohlensäure zur Zeit als eine besondere Leistung des „lebensthätigen Protoplasma“ aufgefasst werden kann. Die intramolekulare Athmung ist demnach noch eine sehr fragliche Grösse, und wohl sehr schwerlich fällt ihr die hervorragende Aufgabe zu, der Urheber der Sauerstoffathmung zu sein. Es waren bisher die Chromatophoren als Condensationsapparate zur Dar- stellung für verhältnissmässig einfache Kohlenstoffverbindungen bezeichnet worden, das Plastin und insbesondere die Physoden als die Theile, in welchen ein Theil der weiteren chemischen Verarbeitung stattfindet. Die Physoden scheinen vor Allem dazu geeignet, da in ihnen allein infolge der Verathmung gewisser Stoffe eine Reihe Körper entstehen, die zur Neubildung von weiteren Verbindungen sehr befähigt sind. Bezüglich des ersten chemischen Vorganges der Athmung liesse sich etwa folgendes Schema aufstellen: i a) Oatom resp. O, oder O, H, geeignet zur Oxydation von Zucker, Fetten, Eiweiss ete., b) höher oxydirte Physodenstoffe (Plastin), c) kleinere, abgespaltene, zur weiteren Oxydation Physodenstoff + 0, = fähige Stoffe, d) kleinere, abgespaltene, reaktionsfähige Atom- gruppen (z. B. Aldehyde, Phenole, Amide ete.), die sich theils an grössere Complexe anschliessen, \ theils zu grösseren Molekülen vereinigen können. Je nach der augenblicklichen Bestimmung der Zelle tritt die eine oder die andere der unter b bis d angeführten Reaktionen besonders in den Vordergrund. Alle diese Leistungen werden bis zu einem bestimmten Stadium rein synthetische Vorgänge sein, und es können auf die angedeutete Weise ge- wiss sehr hochmolekulare Verbindungen entstehen, aber zunächst wohl immer chemische Verbindungen, an und für sich leblose Moleküle. Nun wirft sich unwillkürlich die Frage auf: Wie, wo und wann werden diese kleineren und grösseren leblosen Moleküle individualisirt, zum selbst- ständigen Leben, zum geistigen Empfinden angefacht? Es sei gestattet, dieses Problem, denn als solches kann es nur behandelt werden, vorwiegend in Bezug auf das Plastin in Erwägung zu ziehen. Es ist wohl Thatsache, dass das Plastin schliesslich im Plastin, der physikalische Energie wird frei. 530 Chromatophorenstoff in den Chromatophoren entsteht. Wie das geschehen kann, davon giebt es vom theoretischen Standpunkte aus viele Möglichkeiten, von denen zwei hier angeführt sein mögen. Zunächst können an die lebenden Plastinmoleküle — vorausgesetzt, dass wir überhaupt den Begriff Molekül auf die lebende Substanz übertragen können — eine Anzahl grösserer und kleinerer, lebloser, rein chemischer Moleküle angefügt werden. Die lebendige Kraft des Plastins könnte dann auf diese Anhängsel übertragen werden — über das „Wie‘‘ mache ich mir kein Kopfzerbrechen mehr; es ist dies ein Prozess, den ich mir auch mit Hülfe der complieirtesten Schwingungen etc. nicht zu erklären vermag. — Durch geeignete Auswahl der aufzunehmenden Stoffe kann das Plastinmolekül heranwachsen und sich schliesslich theilen. Hiernach würde das Plastin selbst der Erreger des Lebens sein. Im Gegensatz zu dieser Vorstellung steht aber die im Laufe der Ab- handlung mehrfach hervorgehobene Beobachtung, dass zur Plastinbildung der bereits individualisirte Physodenstoff verwendet wird. Letzterer geht hierbei noch Veränderungen ein, was daran erkennbar ist, dass der Physoden- inhalt leicht oxydirbar ist, während dies das Plastin nicht mehr ist. Es liegt im Plastin eine stabile Verbindung vor, was uns auch nicht Wunder nehmen kann, da das Plastingerüst als Grundlage der Zelle in der Regel sehr lange erhalten werden muss. Auf Grund der Beobachtungen erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass das Plastin vorwiegend durch Aufnahme bereits individualisirter Substanz wächst. Es frägt sich nunmehr von Neuem: Wo findet die erste Individualisirung dieser Stoffe statt? Vielleicht in den Physoden, vielleicht auch im Plastin, und würde dann eine Aufspeicherung nebst Weiterverarbeitung in den Physoden stattfinden. Es wird dies wohl das Zutreffende sein. Vielleicht aber findet dieser räthselhafte Vorgang im Kerne statt. Es hat sich gezeigt, dass die Physoden zwar eigentliche Trabanten des Plastins sind, dass sie aber dennoch mit dem Kern in regem Austausch bleiben. Die Physoden umlagern den Kern oft schaarenweise und bemühen sich sichtlich mit ihm längere Zeit in direkte Verbindung zu treten. Wir sahen die Physoden von ihren Wanderungen im Plastinsysteme nach kürzerer oder längerer Zeit wieder zu dem Kern zurückkehren. Die Physoden können so in der bequemsten Weise die nöthigen Stoffe zum Kern herbeiführen, und letzterer kann diesen Stoffen die Weihe des Lebens geben. Die mit den lebendigen Stoffen beladenen Physoden wandern hierauf zur weiteren Arbeitsleistung in die Zelle zurück. Es würde sich so auch leicht erklären, dass der Kern an den Bildungsstätten für Plastin ete., d. h. an den Vegetationspunkten besonders auffällig in Erscheinung tritt. Desgleichen würde die erwiesene Unersetzlichkeit des Kernes erklärlich sein. Die erwähnte Beobachtung kann aber auch dahin ausgelegt werden, dass der Kern besonders in chemischer Beziehung thätig ist und mehr oder weniger complicirte chemische Verbindungen an die Physoden abgiebt. — 531 Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass über die chemische Natur des Plastins bereits seit Jahren umfangreiche Arbeiten vorliegen '). Die werthvollsten unter ihnen sind wohl diejenigen von Reinke, da hierbei eines der günstigsten Objecte, die Schleimpilze im abgepressten Zustande, benutzt worden ist. Es wird wohl kaum eine geeignetere Methode geben, um in den Besitz einer grösseren Menge verhältnissmässig reinen Plastins zu gelangen. Infolgedessen sind die erwähnten Arbeiten grundlegend für die chemische Erkenntniss des Plastins. Mit voller Absicht habe ich diesen Abhandlungen den Namen „Plastin“ entnommen, da ich der Ueberzeugung bin, dass sich unser morphologisch begrenztes „Plastin‘ nahezu mit Reinke’s (als auch mit Zacharias’s) chemisch näher charac- terisirtem Körper „Plastin‘‘ deckt. ı) Die Tinktionsmethoden wie auch einfache Löslichkeitsversuche können meines Erachtens nicht als „chemische“ Arbeiten betrachtet werden. Insbesondere erstere sind sehr geeignet uns auf Irrwege zu führen, sobald wir aus den Befunden Schlüsse auf die chemische Zusammensetzung ziehen wollen. Figuren- Erklärung zu Tafel XII—-XV. Mit wenigen, leicht erkenntlichen Ausnahmen sind die Physoden roth, die Chroma- tophoren grau gehalten, Fig. 6. Parenchymzelle von Fucus bei höchster Einstellung. Ausser den Physoden und Chromatophoren sind die nach dem Zellinneren zulaufenden Lamellen als zarte Linien erkennbar. An zwei Stellen sind mehr oder weniger ver- zweigte, fädige, nur zeitweilig auftretende Diflerenzirungen zu erkennen. Ar Fig. 7. Eine andere Parenchymzelle von Fucus bei höchster Einstellung. Fig. 8. Parenchymzelle von Fueus bei etwas tieferer Einstellung als Fig. 6 u. 7. Fig. 9. Parenchymzelle von Fueus nahezu auf dem optischen Durchschnitt. Die Physoden sind dicht um den Kern gelagert. In Fig. 8 u. 9 sind die Plastinlamellen ebenfalls als zarte Linien sicht- bar. Die Physoden und Ohromatophoren sind nur diesen Lamellen einge- lagert. Fig. 10. (Vergr. 1200.) Drei benachbarte Hyphenzellen von Fucus, die verschiedene Wabengrösse in den einzelnen Zellen zeigend. Nur in der mittleren Zelle sind Physoden und fädige Differenzirungen eingezeichnet. Fig. 11. (Vergr. 1200.) Eine Hyphenzelle von Fucus mit noch feinschaumigerem Plastinlamellensystem als die Zellen der Fig. 10. Die fädigen Differenzirungen erstrecken sich meist über mehrere Maschen. Fig. 12. (Vergr. 1200.) Hyphenzelle von Fucus, zeigend, dass bei feinschaumigem Lamellensysteme die Lamellen fleischiger erscheinen. (Vergl. Fig. 76.) Fig. 13. (Vergr. 1200.) Hyphenzelle von Fucus, Gesammitbild. Die roth punktirte Linie zeigt den zurückgelegten Weg einer Physode in dem ruhenden Lamellensysteme an. Fig 14, 15 u. 16. (Vergr. 1200.) Oogonien von Fucus in verschiedenen Entwickelungs- stadien. In Fig. 16 ist ein Theil des bereits engmaschigeren Lamellensystemes bei höchster Einstellung, ein anderer Theil nebst Kern auf dem optischen Durchschnitt wiedergegeben. Rechts vom Kern befindet sich ein noch engmaschigeres Stück eines gleichgrossen, jedoch älteren Oogoniums. Fig. 17. Endstück einer Hyphenzelle von Fucus, die Lage der Lamellen bei ver- schiedener Einstellung zeigend. Fig. 18 u. 19. Parenehymzelle von Fucus nach Behandlung mit Glycerin. Darstellung der Entstehung feinster Plastinfäden aus Plastinlamellen bezl. Plastinröhren, welche ihrerseits aus der wandständigen Plastinlamelle gebildet werden. Fig. Fig. 20. „21. 8. 29. . 96. . 37. 38. 533 (Vergr. 1200.) Die Hälfte einer jugendlichen, in Theilung begriffenen Zelle von Chaetopteris auf dem optischen Durchschnitt. Die beiden Kerne sind bereits an ihre neuen Bestimmungsorte gewandert. Die Lamellen zwischen beiden Kernen zeigen eine spindelförmige Anordnung. Physoden und Chromotaphoren befinden sich vorwiegend auf je einer Seite des Kernes (vergl. auch Fig. 16). Bei b ist ein Stück fädiger Differenzirung (bei höchster Einstellung innerhalb der wandständigen Plastinlamelle beobachtet) in derselben Vergrösserung eingezeichnet. (Vergr. c. 2400.) Derselbe Kern wie in Fig. 20. Aus der Fig. geht die veränderte Lage der Physoden und Chromatophoren nach längerer Be- obachtungszeit hervor. Physoden von Chaetopteris, Verzweigungen und innere Differenzirungen zeigend. stellt die Entstehung eines Knotenpunktes dar, in dem vier Plastinlamellen aufeinanderstossen. Ein bezl. zwei Chromatophoren von Sphacelaria. Formveränderungen inner- halb einer erheblich grösseren Plastinlamelle in der Zeit von 45 Minuten. 26. Durch eone. Schwefelsäure und Piperonal aufgequollene Zellwand von Chaetopteris, die äussere Plastinlamelle und den darin enthaltenen Gehalt an phenolartigen Körpern (wie er in den Physoden enthalten ist) zeigend. Dieselben Verbindungen innerhalb der Zellwand auf dem Querschnitt eines älteren Chaetopterissprosses mittelst Eau de Javelle kenntlich gemacht. Weitere Figuren von Chaetopteris s. Fig. 39, 40 u. 86, ferner in den Be- richten d. deutsch. botan. Gesellsch. Bd. X Tafel XVII. (Vergr. 1200.) Vegetative Zelle von Hetocarpus. Die wandständige Plastin- lamelle ist dieht mit Physoden erfüllt. Skizze derselben Zellenart. Nur der schraffirte Theil war wie in obiger Figur mit Physoden erfüllt. Intercalare Vegetationszelle von Zetocarpus. (Vergr. 600.) Vegetative Zelle einer Zefocarpus-Species auf dem optischen Durchschnitt. Der Kern ist wie die Physoden und Chromatophoren den Lamellen eingelagert. (Vergr. 1200.) Die Hälfte einer Zelle von Eetocarpus. Die Lamellen bei verschiedener Einstellung gezeichnet. Skizze des (grau gez.) Physodengehaltes eines Zetocarpusfadens. In den (ausgebuchteten) Fruktifikationszellen istder Physodenstoff mehr oder weniger verbraucht, während die vegetativen Zellen damit vollgestopft sind. Trennung von Physodenanhäufungen mittelst Glycerin. (Vergr. 1200.) Interealare Vegetationszelle von Giraudia (entsprechend a der Fig. 1). (Vergr. 1200.) Heranwachsende Zelle desselben Fadens. (Vergr. 1200.) Ausgebildete vegetative Zellen eines Giraudiafadens. In den Zellen 36 u. 37 findet eine Neubildung von Lamellen nicht statt. In Fig. 37a ist eine eben ausgewachsene Zelle wiedergegeben, in der die Chroma- tophoren noch klein sind. In Fig. 37b ist dagegen eine ältere Zelle skizzirt. Die Chromatophoren bilden eine „schützende Decke“. s—Phaeophyceenstärke. (Vergr. 1200.) Sich zur Fruktifikation anschickende Giraudiazellen. Es findet Neubildung von Plastinlamellen statt. (Vergl. Fig. 14, 15 u. 16.) Weitere Figuren von Giraudia s. Berichte d. deutsch. botan. Gesellsch, Bd. X Taf. XXIIL, Fig. 2, 4 u. 6. . 39. “ig. 40. . 67. . 68. 534 Suecedane Zellwandbildung (Ausnahmefall) bei Chaetopteris. Skizze über die Physodenvertheilung einige Zeit nach der Zellkerntheilung. Ansammlung der Physoden an den Stellen, an denen die Zellwand ge- bildet wird. (Zellplatte.) Vergl. auch Fig. 86. (Vergr. 1200.) Halorhiza. In der oberen Zelle ordnen sich die Plastin- lamellen zu einer Ebene, in der später die Celluloseausscheidung erfolgt, an. (Vergr. 1200.) Haplospora, vegetative Zelle. (Vergr. 1200.) Haplospora, Fruchtstück vor der Zellkerntheilung. (Vergr. 1200.) Seytosiphon. Der Weg einer Physode innerhalb der wand- ständigen Lamelle ist mit rothen Punkten angedeutet. (Vergr. 1200.) Dieiyota. Epidermiszelle.e Am Kern befindet sich ausser den Physoden ein seiner Natur nach nicht näher charakterisirtes Körperchen. Man beachte die Einfachheit im Aufbau, und vergl. die Fig. 47, 48 u. 54. Melosira. Es ist nur auf die Physoden und den Chromatophor Rücksicht genommen worden. Delesseria, opt. Durchschnitt. Haarzellen von Polysiphonia, opt. Durchschnitt. (Vergr. 1200.) Trichogyn von Phyllophora. Spirogyra. Weandständiges „Plasma“ auf dem opt. Durchschnitt. Z = Zell- wand. (Vergr. 1200.) Bryopsis bei hoher Einstellung. Bryopsis, opt. Durchschnitt. Bryopsis, wie 51, abgestorben (etwas stärker vergrössert). (Vergr. 1200.) Zmnteromorpha, opt. Durchschnitt. (Vergr. 1200.) Zhizoclonium. (Cladophora s. Fig. 68.) (Vergr. 1200.) Skizze von Calothrix. u. 58. (Vergr. 1200.) Erste und letzte Zelle obiger Skizze, genau ausgeführt. In Fig. 58 sind die Lamellen auch bei tieferer Einstellung wiedergegeben. (Vergr. 1200.) Blaue Meeresalge. Chromatophoren und Physoden. (Vergr. 1200.) Spirulina. Chromatophoren und Physoden. Saprolegnia. Uebergang von dem lockeren, zweifellos lamellös gebauten zu dem dichten, scheinbar fibrillär gebauten Plastinsystem, (Vergr. 1200.) Keimling von Saprolegnia. Längsgestreckte Form der Weinhefe, Plastinlamellensystem nebst Physoden, Schema für emulsionsartiges „Protoplasma“ nebst Querschnitt. Schema für gerüstförmiges „Protoplasma“, nebst Querschnitten des Stranges bei Annahme von spongiösem (oben) und von lamellösem (unten) Bau, (Vergr. 1200.) Zellen aus dem Vegetationspunkt von Elodea. Die eine möglichst natürlich gehalten, die andere in leichter zu übersehender Aus- führung. (Vergl. hierzu die Berichte d. deutsch. botan. Gesellsch. Bd. X, Taf. XXI, Fig. 9, welche eine der Zellen in stärkerer Vergrösserung wiedergiebt.) (Vergr. 1200.) Zelle aus dem basalen Vegetationspunkt eines Zlodea- blattes (wie ob.). (Vergr. 1200.) Stück einer Zelle von Oladophora. Aeusserst zarte Plastin- lamellen begrenzen die grössten bisher beobachteten diesbezgl. Waben. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. x Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 69. 535 Trianea. Wandständiges Plastinlamellensystem des Wurzelhaares. Ausser den Physoden sind 2 Schneeflockenerystalle und 1 Caleiumoxalaterystall eingezeichnet. (Vergr. 1200.) Allium. Aloe. Die sog. „Zellsafträume‘“ sind von einigen Plastinlamellen durchsetzt. (Vergr. 1200.) Aloe; Stück aus einer runden, lebenden Zelle. (Vergr. 1200.) Aloe; Stück aus einer langgestreckten, lebenden Zelle (vergl. Fig. 66 dann 11, 10, 13 und 20). Tradescantia. Ruhendes „Protoplasma‘. (Vergr. 1200) Urtica pilulifera. Vom Kern ausgehende Stränge. (Vergr. 3300.) Dasselbe wie Fig. 75. In dem massigeren, den Kern ein- schliessenden Theil stockt die Bewegung, wesshalb hier die wabige Struktur gut hervortritt. In den dünneren Strängen befindet sich das Plastinlamellen- system in fliessender Bewegung. (Vergr. 1200.) Trtica, Wandbeleg. Urtica, flottirende Kugel. Dianthus. Skizze. Einige Plastinlamellen durchsetzen den grossen „Zell- saftraum‘“. Dianthus. (Vergr. 1200.) Pelargonium. Plastinlamellensystem. Malva Alcea. Chlorophylliführende Zelle, opt. Durchschnitt. Schema zur Erklärung der Zellwandbildung. u. 85 (Natürl. Gr.) Skizzen der (unregelmässig gesägten) Blätter ein und desselben Zweiges (nach getrocknetem Material gezeichnet). Erstes Stadium der Zellwandbildung. Physoden und Chromatophoren be- finden sich an der Plastinebene. Seitliche, schaumförmig aussehende Ausbuchtung aus einem „Protoplasma“- strang. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. VIL. Heft III. 36 n h % % SEMLRELLENEEA Ir nt ER a a ER s ’ y. $ Ui „n i se 1 MITEREKGE BIN > 4. RE RN DU S Bar ee BE. SA EN ET 27 DER Muanukl ir ERRIDART OT Au we Re: air! RER BETE } y k Amer NT Pe Ar PR tu His 'E Ka ee A kg: Beiträge zur Morphologie der Bakterien’). Ueber zwei fadenbildende Bacillen. Von Dr. L. Catiano in Berlin. Mit Tafel XVI, XV. Naehst dem Dickdarm bietet wohl die Scheide des Weibes eine reiche Fundgrube differenter Arten der Bakterienflora, und unter den bis jetzt aus dem Vaginalsecret gezüchteten Spaltpilzen ist das Bacterium coli als steter Befurd angetroffen worden, dem jetzt eine zu grosse pathogene Bedeutung zugeschrieben wird. In dem von mir bakteriologisch untersuchten, sehr stürmisch verlaufenden Krankheitsfall war ebenfalls das Bact. coli in vorwiegender Menge im Vaginal- secret vorhanden, und über die zu gleicher Zeit daraus gezüchteten, bis jetzt unbekannten Spaltpilze behalte ich mir nähere Mittheilungen vor. Nur zwei Arten davon, die ein rein bakteriologisches Interesse bieten, sollen in Folgendem beschrieben werden. Beide gehören den chromogenen Arten an, und obwohl sie nur geringe Unterschiede aufweisen, glaube ich sie dennoch als verschiedene Species betrachten zu müssen. 1) Obige Abhandlung wurde mir von dem Verfasser Anfang Januar dieses Jahres zur Aufnahme in unsere Beiträge übersendet; doch konnte er meinen Wünschen wegen Aufklärung zweifelhafter Stellen nicht mehr entsprechen, da er bald nach Empfang meines Briefes an einer Lungenentzündung erkrankte, die ihn nach 7 Tagen am 8. Februar 1896 hinwegrafite. Dr. Catiano war am 21. Juli 1849 in Jassy (Rumänien) geboren und hatte sich in seiner Heimath als Famulus eines Arztes eine praktische Vorbereitung in der Mediein erworben, so dass ihm schon 3 Jahre, nachdem er 1870 die Berliner Universität bezogen, die Zulassung zur Staats- prüfung und die Promotion als Dr. med. auf Grund seiner Inauguraldissertation „Ueber die subeutane Anwendung des Ergotin‘‘ gestattet werden konnte. Seitdem hatte Dr. Catiano als praktischer Arzt in Berlin gelebt; zwei in Virchow’s und Langenbeck’s Archiv erschienene Abhandlungen beweisen, dass er wissenschaftlich weiter gearbeitet hatte. Seit 1895 hatte er sich mit grossem Eifer der Bacteriologie zugewendet; die obige, im Berliner hygienischen Institut entstandene Arbeit war die erste Frucht dieser Studien und muss jetzt als Epitaphium eines ernsthaft strebenden Forschers an die Oeffentlichkeit treten, Ferdinand Cohn. 36* 938 1. Bacillus rubiginosus. (Fig. 1.) Im hängenden Tropfen betrachtet, erscheint dieser Baecillus als zartes, schlankes, an den Enden zugespitztes, äusserst bewegliches Kurzstäbchen mit undeutlicher Hülle, wodurch es sich nur schwach von dem umgebenden Wassermedium abhebt. Die Länge des Stäbchens beträgt 1—1,5 uw. Es färbt sich leicht mit den gebräuchlichen Färbemitteln, wobei es in der Mitte etwas aufquillt. Nach Gram enttärbt es sich vollständig. Auf der Gelatineplatte sind die Colonien erst am vierten Tage sichtbar und zwar als ganz kleine, kreisrunde, helle Punkte, die bei Betrachtung mittelst der Loupe 'Thautropfen gleichen. Am 6—-8. Tlage breiten sich diese thautropfenähnlichen Colonien auf der Gelatineplatte als Häutchen ober- flächlich aus und sind bei mieroscopischer Betrachtung vollständig durchsichtig, bis auf eine kleine Stelle der Colonie, an der sich das Pigment ansammelt. Beim weiteren Wachsthum in den darauf folgenden Tagen erscheint das Centrum des Häutchens mit körnigem Farbstoff gesättigt, und lagern sich die farbig tingirten Bacillenhaufen wurstförmig in der Mitte der Colonie über- und nebeneinander, während die Peripherie vollkommen durchsichtig bleibt. Der scharfe Rand ist ausgebuchtet, wodurch die Colonie blattartig gezackt erscheint. Die tiefen Colonien sind kreisrund und scheinen aus drei Zonen zu bestehen, aus einem gelb tingirten Centrum, das von einem dunkel gefärbten Gürtel umgeben ist, der wieder von einer hellen, breiten Randzone umgrenzt ist, so dass man den Eindruck einer von einem Ring dicht umschlossenen Colonie hat. Peptonisirung der Gelatine findet nicht statt. In der Gelatinestichkultur zeigt sich der Bacillus als fakultativer A&rob, indem er sich im Stichkanal farblos entwickelt und nur an der Oberfläche einen schleimigen, dunkelziegelroth gefärbten Belag bildet und so, gleich den meisten chromogenen Bakterien, nur bei Sauerstoffanwesenheit den Farb- stoff produeirt. Auf Agar entwickeln sich nach 3—4 Tagen den Impfstrich entlang runde, linsenförmige, schwach gefärbte Colonien, die im weiteren Verlaufe confluiren und dann einen schleimigen, deutlich gefärbten rostfarbenen Belag mit bogenförmigem Saume bilden. Auf Kartoffel ist der schleimige Belag dunkelziegelroth gefärbt; die sterilisirte Milch verändert sich nicht, nur entwickelt sich auf der Oberfläche eine rothgefärbte Schicht. Er gedeiht ebenfalls sehr gut auf eiweissfreiem Nährboden — wie die Uschinsky’sche Lösung — ohne dass daselbst Färbung oder Trübung eintritt. In Peptonwasser, aber ganz besonders im Bouillonröhrchen ist das Wachs- thum ein ganz charakteristisches. Die Bouillon bleibt vollständig klar, und nur beim Schütteln des Röhrchens erhebt sich von der Mitte des Bodens eine helle, schleimige Masse, die mit ihrer dunkel gefärbten Basis am Boden des Glases haftet. Das Ganze erscheint wie ein nach oben sich zuspitzender Zopf, dessen gefärbte Basis fest am Boden sitzt. In Milchzuckerbouillon wachsen die Bacillen zu Scheinfäden aus, deren stark liehtbrechende Spitzen 539 Sporenbildung vortäuschen. Gasproduction findet nicht statt. Das Temperatur- optimum befindet sich zwischen 22—32° Cels. Bei Bruttemperatur von 37° C. nehmen die Bacillen die wunderlichsten Involutionsformen an, wobei die Farbstoffbildung in etwas gehemmt ist, die aber sofort wieder eintritt, wenn man das geimpfte Agarrohr aus dem Brutschrank von 37° C. in den von 28° C. hineinsetzt oder es der Zimmertemperatur aussetzt. Die weiteren morphologischen Verhältnisse sollen, um eine unnütze Wiederholung zu ver- meiden, mit denen des folgenden Bacill zusammen beschrieben werden, 2. Baecillus coceineus. (Fig. 2.) Bei der Untersuchung im hängenden Tropfen erscheint dieser Baeillus — der häufig als Diplobaeillus auftritt — als scharf begrenztes, plumpes, an den Enden abgerundetes, äusserst bewegliches Kurzstäbchen, das 1,5—2 u lang ist. Sehr oft tauchen im Gesichtsfelde dunkle, eoceenähnliche, beweg- liche Gebilde auf. Solange die Langseiten der beiden zusammenhaftenden Bacillen in einer Ebene liegen, sind sie dem Beobachter als Diplobaeillus sichtbar; sobald aber das eine Stäbchen desselben in die Tiefe des Tropfes sinkt, zieht es das andere mit sich, wodurch die Langseiten des Diplo- baeillus dem Gesichtsfelde entschwinden, und nur das Ende resp. der obere Scheitel des einen Bacillus an der Oberfläche sichtbar ist, der so ein coecenähnliches Gebilde vortäuscht; ein Bild, das man oft bei beweglichen Diplobaeillen antrifft. Der Baeillus färbt sich nach Gram, wodurch er sich von seinem ihm sonst ähnlichen Vorgänger unterscheidet. Auf der Gelatineplatte erscheinen die Colonien am vierten Tage und zwar als äusserst kleine, gelbliche, mit kreisrundem Rande umgebene Körner, welche, falls mehrere zusaämmengeballt liegen, die Gestalt einer Himbeere bilden. Die oberflächlichen Colonien, welche als Häutchen weiter wachsen, haben einen kreisrunden Rand, und sind mit Farbstoff bis zur Peripherie gleich- mässig durchsetzt. Das Häutchen breitet sich nicht concentrisch um die auf der Gelatineplatte sitzende Colonie aus, sondern nur nach einer Seite hin, wodurch die Häutchencolonie in Form eines an einem Stiele sitzenden Blattes oder einer Malerpalette erscheint. Die tieferen Colonien sind oval und bis zum Rande gleichmässig dunkel gefärbt. In den ersten Tagen sind die oberflächlichen Colonien viel heller als die tiefen, die bereits stark gefärbt sind, so dass es den Anschein hat, als ob sich Colonien von zwei verschiedenen Arten in der Gelatineplatte befinden. Peptonisirung der Gelatine findet nicht statt. Im Impfsticheanal bildet der Bacillus keinen Farbstoff, wohl aber an der Oberfläche. Auf Glycerinagar (8%) bildet er einen carmoisinrothen, schleimigen Belag, während er auf der Kartoffel eine orangegelbe Auflagerung bildet. In Bouillon erscheint er ebenfalls in der charakteristischen Zopfform mit fest am Boden des Röhrchens ansitzender, dunkel gefärbter Basis, ohne die Bouillon zu trüben. 940 In Zuckerbouillon entwickelt er sich zu Scheinfaden, ohne daselbst Gas zu produciren. In sterilisirter Milch bewirkt er Säurebildung und Ausfällung des Casein, wobei die Molke orangegelb gefärbt wird. Der Farbstoff beider Baeillen wird weder durch Ammoniak noch durch Essigsäure, Chloroform oder Alkohol verändert. Sporenbilduug ist bei beiden Baeillen nicht beobachtet worden, und wirken sie auch nieht pathogen auf weisse Mäuse. Fasse ich in aller Kürze die Differenzen der beiden sonst ähnlichen, chromogenen Baeillen zusammen, so unterscheiden sie sich, abgesehen von der geringen Differenz im morphologischen Aussehn, noch in folgender Weise: bacillus rubiginosus. Bacillus eoceineus. Entfärbt sich nach Gram. | Färbt sich nach Gram. Sterilisirte Milch bleibt unver- Sterilisirte Milch wird sauer und ändert. coagulirt. Die Farbe bleibt unverändert auf | Die Farbe auf Glycerinagar ist den verschiedenen Nährböden. carmoisinroth, während sie auf Kar- toffel orangegelb ist. Die oberflächlichen Colonien der Die oberflächlichen Colonien haben Gelatineplatte haben einen ausge- einen kreisrundenRand, diePeripherie buchteten Rand, die Peripherie ist ist von Farbstoff gleichmässig tingirt, durchsichtig, der Farbstoff körnig wie das Centrum. abgelagert. Die tieferen Colonien sind rund, Die tieferen Colonien sind oval haben einen deutlichen Gürtel, der und von Farbstoff bis zur Peripherie dunkler gefärbt ist, als das Centrum. gleichmässig durchsetzt. Behufs Färbung der Geisseln bei diesen beiden chromogenen Baeillen ist die Anwendung des Löffler’schen beizverfahrens am günstigsten. Nur muss man auf 10 ccetm der nicht zu frischen Beize 6—10 Tropfen einer frisch bereiteten 1°oigen ("a normalen) Natriumhydratlösung zusetzen. Das Abspülen der Beize darf aber nur mit Wasser und keineswegs noch nachträglich mit absol. Alkohol bewirkt werden. Die Ehrlich’sche Anilin- farblösung muss 2 Min. lang auf das vorher gebeizte Präparat einwirken und zwar während der Dauer dieser Zeit in steter Dampfbildung erhalten werden, durch zeitweises Erwärmen neben der Flamme. Verfertigt man Präparate aus 2—4 Tage alten Agarculturen in der eben geschilderten Weise, so findet man von den Baeillen auslaufend sehr grosse, die Baecillen um das 10 bis 12fache an Länge übertreffende, stark schraubenförmige Geisseln, die längsten wohl, die bis jetzt bekannt sind. Die abgerissenen Geisseln sehen den Recurrensspirillen oder dem Spirillum rubrum Esmarchi täuschend ähnlich. (Man vergleiche nebenstehende Geisselphotographien mit den Abbildungen der Reeurrensspirillen und des Spirillum rubrum Esmarchii im Fränkel-Pfeiffer’schen mierophotographischen Atlas Tafel LXVIIL 541 No. 138 und Tafel VIl No. 14.) Die Bacillen besitzen 4 Geisseln und zwar je zwei an jeder Langseite. (Siehe Fig. i u. 2.) In Präparaten aus etwas älteren Culturen findet man Bacillen mit schraubenförmigen Geisseln nur noch vereinzelt vor, während die Mehrzahl der Bacillen lange, dieke, gerad verlaufende Fäden besitzen, die sich mit denen der Nachbarbaeillen verflechten; 10tägige Culturen bieten das schönste Bild dieser Fadenformation. Wie die Spinnen in ihrem Netz sitzen die Bacillen in ihrem Fadengeflecht (siehe Fig. 3), und finden sich die Baeillen zu Haufen zusammengeballt, so strahlen von diesen Bacillenhaufen lange Fäden wie Telephondrähte nach allen Richtungen aus. (Siehe Fig. 4.) Sehr oft werden die feinen Lücken zwischen den einzelnen Fäden des vom Bacillenhaufen ausgehenden Geflechtes derartig mit Farbstoff durch- tränkt, dass eine gleichmässige Plasmaschicht um den Bacillenhaufen entsteht, von der aus die Fäden strahlenförmig ausgehen. Untersucht man die Fäden mittelst des Polarisationsapparates, so findet man, dass sie sich dem polarisirten Lichte gegenüber in keiner Weise anders verhalten, als die Geisseln. Nieht nur von Agareulturen entnommene Bacillen zeigen diese Faden- bildung, sondern auch die auf allen anderen Nährböden gezüchteten. Die Vermuthung, dass diese Fäden Kunstprodukte der bereits im Ab- sterben begriffenen Bacillen seien, entstanden durch plasmaartige Ausdehnung der Bacillenmembran, die bei Herstellung des Deckglaspräparates mit nach- träglicher Färbung fadenartig in die Länge gezogen worden sind, wird durch die Beobachtung widerlegt, dass beide Arten dieser chromogenen Baeillen, längere Zeit der Bruttemperatur von 37 ° C. ausgesetzt, Involutions- formen annehmen und trotz der intensiven Färbung mittelst der stark wirkenden Ziehl’schen Farblösungen keine Spur von Fäden aufweisen. Ebenso ist die Annahme, dass diese Fäden Involutionsformen der Geisseln seien, von der Hand zu weisen, da die Anzahl der von den Baeillen aus- gehenden Fäden eine zu grosse im Verhältniss zu der der Geisseln ist. Die photographischen Abbildungen sind in der Berliner Filiale der Zeiss’schen Fabrik angefertigt worden mit Apochromat er Projeetions- ocular 4; Zettnow Filter, Bogenlampe (16 Amp. 43 Volt.). Ver- grösserung 2000 X. Gleichzeitig nehme ich Veranlassung Herrn Hänsel, dem Vertreter der Zeiss’schen Fabrik, für die grosse Mühe, die er sich bei der Anfertigung der photographischen Platten gegeben, meinen besten Dank auszusprechen. Berliner hygienisches Institut, Weihnachten 1895. Fig. 3 io} Fig. 4 Figuren-Erklärung. Alle Figuren Vergrösserung 2000. Tafel XVI. Baeillus rubiginosus. Löffler’sche Beize und Ehrlich’sche Färbung. Ztägige Agarcultur. Zeiss Apochromat a: Projections-Ocular 4; Zettnow Filter; Bogenlampe (16 Ampere, 42 Volt.) Bacillus coccineus; Praep. wie oben. 2tägige Agareultur. Tafel XVII. Bacillus rubiginosus, Fadengeflecht; Praep. wie oben; 10tägige Agarecultur. Baeilhus coceineus, dessgl. 10tägige Agareultur. F.Cohn,, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 7200. E.Crato gez. Lith. Anst.v.C. Kirst, Leipzig. F.Cohn ‚Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 2323 E.Crato gez. | Lith. Anst.v.C. Kırst, Leipzig. Band. VII. Tat XIV. F.Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. ' i Nein, u m 7200. 35. 7200. 68. Lith. Anst v.C.Kirst, Leipzig E:Crato ger F Cohn Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band. VII. Taf XV, Dir VnBaBBe: Ur 87 SICHER IE DiRapsz NO80 "x ) y &4. EZ. Crazo gez. . Li. Anst.vC.Kirst, Leipzig. F. Cohn, Beiträge zur Biolcgie der Pflanzen. Band VII. Taf. XV. s Fig. 2. nn ne mm m nn an er nn F. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band VII. Taf. XVII. MN ii 3 5185 00259 Ye h ne: N a et, . SF, au a a NEE 4.05 na + EP K