. sig e nie, Mia: ar Br Fe 'S, Fat De) ey 2 als # AALEN en “ 4 LAN als EA EN 2) y „is * Ye} HER Ki h) 1003 * N } hg he rse7 ech eimititı eg HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. \SRIIE. Be De u. BEITRÄGE CHEMISCHEN PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE DRITTER BAND BEITRAGE CHEMISCHEN PHYSIOLOGIE UND PATHOLOGIE ZEITSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE BIOCHEMIE UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON r FRANZ HOFMEISTER FESSOR DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG DRITTER BAND JIBRAUNSCHWEIG DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN 1903 Alle Rechte, namentlich dasjenige der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten 11. III. NN VL. VIII. INHALT. A. Abhandlungen. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der « schwefelhaltigen Eiweilsabkömmlinge. Erste Mitteilung. Über die Konstitution des Cystins. Von E. Friedmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) . - Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung und Eiweifsbildung der Schimmelpilze. Von F. Czapek. (Ausgeführt mit Unter- stützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen.) Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. Von Prof. Dr. Friedrich Krüger in Tomsk. (Hierzu Tafel’I.). Über Hämolyse. Studien über die Wirkungsweise des Staphylo- lysin.. Von Dr. Heinrich Schur. (Aus dem staatl. sero- therapeutischen Institute in Wien. Vorstand: Prof. R. Paltauf.) Über das Verhalten der Albumosen in der Darmwand und über das Vorkommen von Albumosen im Blute. Von Dr. Gustav Embden (z. Z. Assistent am königl. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt) und Dr. Franz Knoop. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) . Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung von Eiweifsstoffen. Von Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Jena). - Über das elykogenspaltende Ferment der ‘Leber. Von Doz. Dr. Friedel Pick. (Aus dem pharmakologischen Institut der deut- schen Universität zu Prag.) . Beiträge zur. Kenntnis der physiologischen | Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweilsabkömmlinge. Zweite Mitteilung. «-Thio- milchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen. Von E. Friedmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburs,)e „un Seite 47 67 89 120 137 163 VI IX. XI. XI. XI. XIV. Ra XVI. xXVH. XVII. XIX. Inhalt. Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht des Kaseins und seine Spaltung beim Trocknen. Physikalisch- chemische Studie zur Eiweifschemie. Von E. Laqueur und O0. Sackur. (Aus der chemischen Abteilung des physiolo- gischen und der physikalisch-chemischen des chemischen Insti- tuts der Universität Breslau.) : Untersuchungen über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide. Zweite Mitteilung. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. Von Dozent Dr. Wolfgang Pauli. (Aus- geführt mit Unterstützung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.) (Aus dem Institute für allgemeine und ex- perimentelle Pathologie in Wien. Vorstand: Professor R. Palau) Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. Zweite Mit- teilung. Von Dr. Eugen Petry, klinischem Assistenten. (Aus der. Grazer medizinischen Klinik.) -2. .. ... .„ esse Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. Von Dr. Sigval Schmidt-Nielsen. (Fischerei-Departement Bergen," Nor- wegen.) Die Globuline des Blutserums. Von cand. med. Otto Porges aus Teplitz und K. Spiro. (Aus dem physiologisch -chemi- schen Institut zu Strafsburg.) Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. Von Waldemar Stade, appr. Arzt. (Aus dem Labora- torium der medizinischen Klinik des Herrn Geheimrat Prof. DrsBresiel)er. Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung der Knochen- substanz. Von Prof. Dr. Julius Stoklasa. Unter Mitwirkung der Assistenten F. Duchätek und J. Pitra. (Aus dem physiologischen Laboratorium der k. k. böhm. techn. Hoch- schule in Prag.) Über die Verdauung und Resorption der Eiweifskörper im Magen und im Anfangsteil des Dünndarmes. Von Dr. E. Zunz (Brüssel.) Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole und der Amidobenzoesäuren im Organismus. Von Dr. med. Herm. Hildebrandt. . Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. Von Dr. med. et phil. Leo Langstein. (Aus der medizinischen Klinik in Basel. Vorsteher: Prof. F. Müller.) Untersuchungen über die Blutgerinnung bei wirbellosen Tieren. Vorläufige Mitteilung. Von Dr. V. Ducceschi, Rom. [Aus der zoologischen Station zu Neapel (Abteilung für Physiologie).] Seite 193 225 247 266 277 291 322 339 365 373 378 Inhalt. vil Seite xXX. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweifses. Von A. Oswald. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik DEZ ES RER era, Rue. Vena a ae ler «ee 2 XXI. Über Präcipitine und Lysine. Von cand. med. Franz Fulırmann, Demonstrator am Institute für allgemeine und experimen- telle Pathologie der Universität Graz. (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Phatologie der Universität KOT ZA RE 9 Sala ee or et nee kereh zer errenen ATA XXI. Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe. Von Dr. Julius Schütz. [Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt „Rudolf- Stiftung“ Nee lonktand. Dr.uE., Ereund).] 2... 2000 22222. 2.227433 XXI. Über ein neues Produkt der Pankreasselbstverdauung. Von Dr. Fritz Baum. (Aus dem physiologisch -chemischen STIER ZUEStEAISbUnS a ee. 2.0489 XXIV. Weiteres über 'Skatosin. Von Robert E. Swain, Stanford- Universität, Kalifornien (U.S.A.). (Aus dem physiologisch- chemischen Institut zu Straßsburg.) . » » 2» 22.22... 442 XXV. Zur Frage der spezifischen Wirkung der intracellulären Fer- mente. Von Dr. Martin Jacoby, Privatdozent und Assistent am pharmakologischen Institut. (Aus dem phar- makologischen Institut zu Heidelberg.). . .. 2... 446 XXVI. Beitrag zur Kenntnis der wirksamen Substanzen des Anti- streptokokkenserums. Von J. Rodhain, Assistent am bak- teriologischen“ Institut in Loewen (Direktor: J. Denys). . 451 XXVII. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen und seine Beziehung zur alkoholischen Gärung. Von Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek. (Aus der pflanzen- physiologischen Versuchsstation der k. k. böhmischen tech- nischen Hochschule in Prag.) - . » » » » 2»... 0.2.2... 460 XXVII. Bemerkungenjüber das Ovomukoid. Von Leo Langstein. (Aus dem physiol.-chem.“Institut in Stralsbuse A) rat‘ XXIX. Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. Von A. Oswald. (Aus dem chemischen Laboratorium der medi- zZinischen Klınik in Zurich.) co. eis soul a 2 oo XXX. Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. Von Rudolf Höber. Mit Versuchen von P. Jankowsky. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) . . . 525 XXXI. Über die Gerinnung der Muskeleiweifskörper und deren mut- mafsliche Beziehung zur Totenstarre. Von Dr. Otto von Fürth, Privatdozent und Assistent. (Aus dem physiologisch - chemischen Institut zu Strafsburg.) - - » » - » 22... 948 XXX. Über die Autolyse der Lymphdrüsen. Von cand. med. Alfre d Reh. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsbure.) [si [or] be} VIII Inhalt. B. Kürzere Mitteilungen. Seite 1. Eine automatische Pipette zum raschen Abmessen. Von Fr. N. Schulz. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Jena) » 2 en. ee ee ne 2. Über den Jodgehalt von Knochentumoren mit Schilddrüsenbau. Von Dr. med. Edgar Gierke. (Assistent am pathologischen Institut zu: Heidelberg.) .. . |. a ı.e. en an 22 „las SL DR Er 3. Über die Silberverbindungen des Kaseins. Von F. Röhmann und L. Hirschstein. (Aus dem chemischen Laboratorium des physio- logischen Instituts zu Breslau). . ..»..... „u... u 20, 288 4. Über die quantitative Hippursäurebestimmung beim Menschen. Von Dr. Ferdinand Blumenthal und Dr. med. A. Braunstein aus Charkow. (Aus dem Laboratorium der I. medizin. Klinik zu Berlin.) u. ra a ar SS 5. Gepaarte Glykuronsäuren als Bestandteile der Galle. Von Dr. E. C. van Leersum. (Aus dem Laboratorium pathologicum der Universität ın Amsterdam.) . >... ... u 6. Bemerkung zu dem Aufsatz: Über das Bordetsche Laktoserum. Von Dr. Ernst Fuld, Assist. am pharmakol. Institut zu Halle a. S. 523 7. Über das’ Vorkommen von Glykuronsäure im ikterischen Harn. Von Dr. E. €. van Leersum. (Aus dem Laboratorium Pathologieum der Universität zu Amsterdam.) 2 2 ae 8. Über die Autolyse der leukämischen Milz. Von O0. Schumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Alloemeinen Krankenhauses Hamburg- Eppendorf.). ..... „Un. 20. 2 u ze I 3 19 \SAUS Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg DI. Band 1. bis 3. Heft (Ausgegeben Oktober 1902) [ee Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1308 Inhalt des 1. bis 3. Heftes. Seite I. E. Friedmann. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Bezie- hungen der schwefelhaltisen Eiweilsabkömmlinge. Erste Mittei- lung. Über die Konstitution des Cystins. (Aus dem physiologisch- chemischen. Institut zu Strafsbung) 2. - .: : 2. 1 II. F. Czapek. Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung und Eiweilsbildung der Schimmelpilze. (Ausgeführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Intteraturzin: Böhmen) 22. 47 IH. F. Krüger. Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. (Hierzu Tatel©I.)".. » 02.2 00 20 u na re 2 67 IV. H. Schur. Über Hämolyse. Studien über die Wirkungsweise des Staphylolysins. (Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institut In Wien ee ee ee TR 89 V. 6. Embden und F. Knoop. Über das Verhalten der Albumosen in der Darmwand und über das Vorkommen von Albumosen im Blute. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) 120 VI. F. Schulz und R. Zsigmondy. Die Goldzahl und ihre Verwert- barkeit zur Charakterisierung von Eiweilsstoffen. (Aus der chemi- schen Abteilung des physiologischen Instituts zu Jena.) ..... 137 Kürzere Mitteilungen. 1. F. Schulz. Eine automatische Pipette zum raschen Abmessen. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts ZURJENA:): zn nee een ee ee A 161 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei- nen in zwanglosen Heften, von deren 12 einen Band von 36 Druck- bogen zum Preise von M. 15, — bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Mafsgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Strafsburg ı. E., Wimpfelingstraise 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung mals- gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer thatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson- ders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40, — für den Druck- bogen und 50 Sonder- Abzüge. 1 Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweilsabkömmlinge. Erste Mitteilung. Über die Konstitution des Cystins. Von E. Friedmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) Das Cystin wurde 1810 von Wollaston*) in einem Blasen- stein, der fast ganz aus Cystin bestand, entdeckt. Die erste Ana- lyse rührt von Prout her, der den Schwefelgehalt dieses Körpers übersah. Derselbe wurde von Baudrimont und Malaguti **) ‚ entdeckt, ohne von ihnen bestimmt zu werden. Die erste voll- ständige Analyse findet sich bei Thaulow***), der auf Grund seiner Analysenzahlen für das Cystin, oder wie er es in Anlehnung an die englische Bezeichnung Cystic Oxyd nennt, für das Blasen- oxyd die Formel C,N;H,,0,S, aufstellte T). Diese Formel wurde von @melin willkürlich halbiert, und da die so erhaltene Formel eine unpaare Atomzahl C,H,NSO, hatte, verworfen und ebenso willkürlich durch die Formel C,H, NSO, ersetzt ff). Die so angeregte Frage nach der Anzahl der Wasserstoffatome und die damit aufs engste verbundene nach der Molekulargrölse des Cystins wurde der Ausgangspunkt für die weitere Erforschung dieses Körpers. *) Philosophical Transact. 1810, S. 223. ***) Journal d. Pharm. 24, 663. er) Liebigs Annalen 27, 197 und Journal d. Pharm. 24, 629. +) Liebigs Annalen 27, 200. }) Gmelin, Handbuch, IV. Aufl., 5, 133. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 1 9) E. Friedmann, Neben den beiden von Thaulow einerseits und von Gmelin andererseits aufgestellten Cystinformeln stellten Dewar und Gamgee*) eine dritte Formel auf Grund eigener Analysen auf, sie entschieden sich für eine um 2 Wasserstoffatome ärmere Formel als Gmelin und schrieben C,H,NSO,. Bemerkenswert ist ihr Versuch, einen ersten Einblick in die Konstitution des Cystins zu erlangen. Sie lielsen salpetrige Säure auf dasselbe ein- wirken und geben dabei an, Brenztraubensäure erhalten zu haben. Sie fassen deshalb das Cystin als ß-Aminothiobrenztraubensäure auf: CH,(NH,).CS. COOH! Diese Formel liefs erwarten, dafs man bei der Alkalispaltung aus dem Cystin Methylamin gewinnen könnte Hoppe-Seyler**) führte diese Spaltung als erster aus, er erhielt aber kein Methyl- amin, sondern fand, dafs der Stickstoff als Ammoniak abgespalten wird. Er entschied sich auf Grund seiner Analysenzahlen für die Gmelinsche Formel C,H, NSO,, obgleich seine Wasserstoffzahlen zu niedrig ausgefallen waren. Külz***) versuchte die Frage nach der Anzahl der Wasserstoff- atome im Cystin auf dem Wege der Analyse zu entscheiden. So bedenklich ein solcher Weg auch erscheint, so glaubte er sich doch auf Grund seiner, allerdings mit grölster Sorgfalt ausgeführten, Analysen zu dem Schlusse berechtigt, dals die Gmelinsche Formel zu verwerfen wäre, und an ihre Stelle die alte Formel von Thaulow zu treten hätte. Damit mulste auch ein Molekulargewicht für das Cystin angenommen werden, das die doppelte Grölse von dem nach der Gmelinschen Formel gebauten Cystin hatte Külz schrieb deshalb dem Cystin die Zusammensetzung 0,H,N5 5,0, zu. Ausschlaggebend war für ihn der Umstand, dals seine Wasser- zahlen stets zu niedrig im Vergleich mit den nach der Gmelinschen Formel berechneten Zahlen ausgefallen waren, wo doch erfahrungs- gemäls Wasserstoffbestimmungen eher zu hoch als zu niedrig aus- fallen, hingegen gute Übereinstimmung mit den nach der Thaulowschen Formel sich ergebenden Werten zeigten. Auf einem ganz anderen Wege gelangte Baumannr) zu dem- selben Resultat wie Külz. Baumann zeigte, dals das Oystin bei der Reduktion mit Zinn und Salzsäure eine neue Base liefert, die sich deutlich als Reduktionsprodukt des Oystins erweist, und deren *) Journal of Anat. and Physiol. 7, 142. **) Zeitschr. f. physiol. Chemie 5, 330. *#**) Zeitschr. f. Biologie 20, 1. r) Zeitschr. f. physiol. Chemie 8, 300. Über die Konstitution. des Cystins. 3 Analyse Werte ergab, welche der dem Öystin von Gmelin zu- geschriebenen Formel C,H,NSO, entsprachen. Er nannte dieses Reduktionsprodukt des Oystins Cystein und machte auf Grund der Analyse und des chemischen Verhaltens mit Recht darauf auf- merksam, dafs sich dasselbe zum Öystin durchaus verhält wie ein Merkaptan zu seinem Disulfid: C,H, N O,—S 2(G;H,N0,.SH) +0 — |+H,0. C,;H;,N 0,—S Für Baumann bildete der Nachweis, dafs das Cystin ein Disulfid ist, den Endpunkt einer eigenartigen Beweisführung der Konstitution des Cystins, deren einzelne Elemente zum gröfsten Teil in Analogieen bestanden, die sich ihm beim Studium der Merkaptursäuren ergeben hatten. Diese interessanten Körper sind Stoffwechselprodukte, dieBaumann in Gemeinschaft mit Preulse*) und gleichzeitig mit Jaffe**) im Harn von Hunden entdeckte, die mit Halogenbenzolen gefüttert waren. Baumann und Preufse (l. c.) fanden, dafs nach Brombenzolfütterung im Hunde- harn eine Substanz auftritt, die durch aulserordentliches Vermögen, die Ebene des polarisierten Lichtes nach links abzulenken, aus- gezeichnet ist. Diese linksdrehende Substanz ist sehr zersetzlich; bei Einwirkung verdünnter Säuren und Alkalien, auch schon bei längerem Erhitzen auf dem Wasserbade, nimmt die Linksdrehung allmählich ab und verschwindet zuletzt. Bei dieser Zersetzung wird eine sehr gut charakterisierte Säure gebildet, welche Brom, Stick- stoff und Schwefel enthält, und die sie Bromphenylmerkaptursäure nannten. Aus den Analysen berechnete sich für letztere die Formel C,H,BrNSO,. Der Konstitutionsnachweis der Brom- phenylmerkaptursäure beruht auf folgenden von Baumann und Preufse ermittelten Thatsachen. Durch längeres Kochen mit konzentrierter Salzsäure oder besser durch halb- bis dreiviertelstündiges Kochen mit verdünnter Schwefelsäure wird die Bromphenylmerkaptursäure in Essigsäure und eine neue, Brom, Stickstoff und Schwefel enthaltende Ver- bindung gespalten. Diesem Körper kommt die Zusammensetzung C,H,,BrNSO, zu. Auch Jaffe hat ihn in den Händen gehabt, und die von ihm mitgeteilten Analysenzahlen zeigen gute Über- einstimmang mit den von Baumann und Preu/se erhaltenen *?) Zeitschr. f. physiol. Chemie 5, 328. **) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 12, 1092. 4 E. Friedmann, Werten. Die Zersetzung durch Säuren findet in folgender Weise statt: C.,HBrSNO, — H,O = CH,.COOH + C,H ,BrNSO.,. Eine Betrachtung dieser letzten Formel liefs die Vermutung entstehen, dafs in dem Körper C,H,,BrN SO, der einwertige Rest (C,H,Br) ein Wasserstoffatom eines Körpers ersetzt, dessen Zu- sammensetzung C;H,NSO, sein mülste. Diese Formel aber ent- spricht der alten Oystinformel Gmelins, und die weiteren Zer- setzungen dieses Körpers schienen Baumann und Preufse dafür zu sprechen, „dals er in der That ein Derivat des Cystins ist, in welchem der aromatische Atomkomplex durch den Schwefel mit dem Reste des Oystins verbunden ist“. Sie bezeichneten ihn daher als Bromphenyleystin, eine Benennung, die Baumann später kon- sequent in Bromphenyleystein abänderte. Bei der Zersetzung dieses Körpers mit verdünnter Natronlauge konnte leicht gezeigt werden, dals nahezu der gesamte Stickstoff als Ammoniak abgespalten wird, während der Schwefel als Parabromphenylmerkaptan in an- nähernd theoretischen Mengen austritt. Daneben wird ein dritter Körper gebildet, dessen Erkennung zu Anfang mit Schwierig- keiten verbunden war, der jedoch bald als Brenztraubensäure er- kannt wurde. Der Nachweis, dafs dieser dritte Körper wirklich Brenztrauben- säure ist, bildet den Kernpunkt der Baumannschen Beweisführung über die Konstitution der Merkaptursäuren. Es sei deshalb ge- stattet, ausführlicher auf die einzelnen Argumente einzugehen. Baumann und Preufse konnten zeigen, dals nach kurzer Einwirkung von Natronlauge auf Bromphenylcystein eine äther- lösliche Säure gebildet wird, deren wässerige Lösung mit Eisen- vitriollösung eine von Debus*) als charakteristisch für Brenz- traubensäure beschriebene Rotfärbung zeigte, und die in alkalischer Lösung Kupferoxyd beim Erwärmen reduzierte. Versuche, ein Caleium- oder Baryumsalz dieser Säure darzustellen, scheiterten, da die wässerigen Lösungen dieser Salze sich unter Abscheidung amorpher, in heilsem Wasser unlöslicher Niederschläge zersetzten. Beim andauernden Kochen der ätherlöslichen Säure mit über- schüssigem Calcium- oder Barythydrat wurde reichlich Oxalsäure gebildet. Dieselbe ist auch nach längerer Einwirkung von Natron- lauge auf das Bromphenylcystein selber nachzuweisen, während sie bei kurzer Einwirkung in nur geringer, leicht zu übersehender *) Ann. d. Pharm. 106, 84. Über die Konstitution des Cystins. 5 Menge gebildet wird. Von Wichtigkeit ist, dafs sie als Spaltungs- produkt der ätherlöslichen Säure nachgewiesen ist. Neben Oxalsäure wird nach zehustündigem Kochen von Brom- phenyleystein mit. Barytwasser noch eine andere im Wasser unlös- liche, in. Alkohol und Ather lösliche Säure gebildet. Dieselbe wurde als Uvitinsäure erkannt. Sie krystallisiert in kleinen mikro- skopischen Nadeln, die zwischen 288° und 289° schmelzen und bei weiterem Erhitzen unzersetzt flüchtig sind. Die Analyse ergab die Zusammensetzung C,H,O,, die durch die Analyse des Baryum- salzes bestätigt wurde. Jedoch lieferten 45 & Bromphenyleystein nur 0,3 & Uvitinsäure nach zehnstündigem Kochen mit über- schüssigem Barytwasser. Der Nachweis, dals sie in einer Be- ziehung zu der ätherlöslichen Säure steht, ist nicht geführt worden. In der Bildung von Oxalsäure und Uvitinsäure bei der Alkali- spaltung des Bromphenylceysteins sehen Baumann und Preufse den ersten Grund, um die beobachtete ätherlösliche Säure als Brenz- traubensäure anzusprechen, ja, die oben mitgeteilten Thatsachen ge- nügen ihnen, um bereits jetzt zu dem Schlusse zu kommen, dafs die vorliegende Substanz Brenztraubensäure ist*). Es ist aber bei vorurteilsloser Betrachtung klar, dafs es wohl so sein kann, aber nicht so sein mufs. Nach zehnstündiger Alkali- spaltung ist aus dem Auftreten von Oxalsäure unter den Spaltungs- produkten überhaupt kein sicherer Schluls auf die Muttersubstanz derselben möglich, da die Oxalsäure als Endprodukt von Alkali- spaltungen häufig beobachtet worden ist. Ferner ist es nicht thunlich, bei einer Ausbeute von 0,3 & Uvitinsäure aus 45g Brom- phenyleystein dem Auftreten derselben eine Beweiskraft für die Konstitution des gespaltenen Körpers zuzusprechen, abgesehen da- von, dals ihre Bildung nach zehnstündiger Alkalieinwirkung ein viel zu unübersichtlicher Vorgang ist, um ihr Auftreten als Kon- stitutionsbeweis verwerten zu können. Auch die Kombination beider Thatsachen als Argument für die Natur des Zwischengliedes ist nicht statthaft, da dann erst die Berechtigung zu einer solchen genetischen Verknüpfung zu zeigen wäre. Die reichliche Bildung von Oxalsäure und die spärliche Bildung von Uvitinsäure bei der Alkalispaltung scheinen mir des- halb allein nicht genügend, um die ätherlösliche Säure als Brenz- traubensäure anzusprechen. Der Nachweis von ÖOxalsäure und Uvitinsäure gewinnt aber durch eine Reihe anderer Thatsachen an *),]. 0,8. 34. 6 E. Friedmann, Bedeutung, die einwandsfrei die fragliche als Zwischenprodukt auftretende Säure als Brenztraubensäure charakterisieren. Baumann und Preufse konnten nämlich weiter zeigen, dafs der bei Über- sättigen der ätherlöslichen Säure mit Barytwasser gebildete Niederschlag bei der Baryumbestimmung Werte ergab, die nur wenig höher waren, als hydruvinsaurer Baryt verlangt. Nun hatten Fittig und Böttinger*) in der That gezeigt, dals bei dieser Behandlung Brenztraubensäure ein Baryumsalz der Hydruvinsäure liefert. Ferner war seit den Untersuchungen von Wislicenus**) und Debus***) bekannt, dals Brenztraubensäure durch nascierenden Wasserstoff leicht in Gärungsmilchsäure übergeht. Baumann und Preufse versuchten deshalb, einmal direkt aus der bei der Alkali- spaltung von Bromphenyleystein erhaltenen und für Brenztrauben- säure angesprochenen Säure durch Reduktion mit Natriumamalgam in der Kälte Milchsäure zu gewinnen, und erhielten in der That eine ätherlösliche Säure, die ein gut kıystallisiertes Zinksalz lieferte. Aber die erhaltene Menge des Zinksalzes reichte für eine weitere Untersuchung nicht aus. Auf der anderen Seite gingen sie unter Verzicht auf eine Isolierung der ätherlöslichen Säure vom Bromphenyleystein selber aus. Sie erhielten jetzt leicht die ge- suchte Säure in genügender Menge, um zeigen zu können, dafs deren Calcium- und Zinksalz die Zusammensetzung des gärungs- milchsauren Caleciums resp. Zinks hatte. Ein völlig einwandsfreier Nachweis der Brenztraubensäure glückte aber erst, als das von E. Fischer und Jourdany) be- schriebene, charakteristische Phenylhydrazinderivat der Brenztrauben- säure zum Nachweis derselben herangezogen wurde. Die ersten Angaben über den so erhaltenen Körper finden sich in einer Arbeit von König rf), „Über die Oxydationsprodukte der Mer- kaptursäuren“, die im Baumannschen Laboratorium ausgeführt worden ist. König konnte die Merkaptursäuren mit Permanganat in der Kälte bei Anwesenheit geringer Mengen freien Alkalis ın Sulfone überführen, die durch Alkali leicht verseift werden konnten. Die bei dieser Zersetzung nach kurzer Zeit auftretende Brenz- traubensäure wurde als Phenylhydrazonbrenztraubensäure isoliert. *) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 5, 956. **) Ann. d. Pharm. 126, 225. ***) Ann. d. Pharm. 127, 332. 7) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 16, 2241. r) Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 547 (1892). Über die Konstitution des Cystins. 7 „Ihr Schmelzpunkt lag in Übereinstimmung mit der von Fischer aus reiner Brenztraubensäure dargestellten Verbindung bei 192 bis 193%“ Auch die Analyse bestätigte, dals es sich um Phenyl- hydrazonbrenztraubensäure handelte. In derselben Weise konnten Baumann und Schmitz*) nach kurzer Einwirkung von 10 proz. Natronlauge auf Jodphenyl- merkaptursäure die Bildung von Brenztraubensäure durch Dar- stellung der bei 192° schmelzenden Phenylhydrazonbrenztrauben- säure sicher stellen. Durch den einwandsfreien Nachweis der Brenztraubensäure unter den Spaltungsprodukten der Merkaptursäuren ist die Kon- stitution derselben klar gestellt, und die gefundenen Thatsachen finden ihren einfachsten Ausdruck in der Formel CH, CH,CO.NH.0.8.0H,X. Coon Schon in seiner ersten mit Preufse gemeinschaftlich aus- geführten Untersuchung über die Merkaptursäuren versuchte Baumann die hier gewonnenen Erfahrungen auf das Cystin zu übertragen und gab der Meinung Ausdruck, dals dem Cystein die Konstitutionsformel CH, NIL.0.SH COOH zugeschrieben werden mülste, wenn es gelänge, zu zeigen, dals bei der Alkalispaltung des Oystins Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Brenztraubensäure gebildet würde. Dementsprechend konzentriert sich der Baumannsche Konstitutionsbeweis des Cystins ebenfalls auf den Nachweis der Brenztraubensäure unter den Spaltungs- produkten des Cystins, da das Auftreten von Ammoniak und Schwefelwasserstoff bei der Alkalispaltung bereits längst bekannte Thatsachen waren. Ueber das Auftreten von Brenztraubensäure beim Abbau des Cystins liest, wie erwähnt, eine Angabe von Dewar und Gamgee vor**). Diese Forscher glaubten bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf Cystin Brenztraubensäure erhalten zu haben. Sie erhielten nämlich eine ätherlösliche Säure, deren amorphes, in Wasser un- *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 592 (1895). **) Journal of Anat. and Physiol. 5, 142. 8 E. Friedmann, lösliches Silbersasz dargestellt und analysiert wurde, und schliefsen „aus der nahen Übereinstimmung der Zusammensetzung dieses Salzes mit brenztraubensaurem Silber“, Brenztraubensäure in den Händen gehabt zu haben. Die Analysen der Silbersalze der frag- lichen Säure, die aus zwei verschiedenen Darstellungen gewonnen waren, zeigen aber weder unter sich noch mit den für brenz- traubensaures Silber berechneten Werten eine genügende Überein- stimmung, um zu diesem Schlusse zu berechtigen. >») I II ber. f. C,H,0,Ag. C 19,34 Proz. 21,32 Proz. 18,46 Proz. 1ER. po) 5 ad I 5300 Ag 569 „ Bu 55,38 „ Die Verfasser glauben zwar aus dem Vergleich der Reaktionen der aus Cystin erhaltenen Substanz mit denen der Brenztrauben- säure mit Sicherheit behaupten zu können, dafs die beiden Körper identisch seien, da jedoch die betreffenden Reaktionen nicht weiter angegeben werden, worauf auch Baumann und Preulse auf- merksam machen, so ist die Bedeutung dieser Behauptung schwer zu beurteilen. Übrigens zeigt ein direkter von Brenzinger*) bei Baumann mit Brenztraubensäure ausgeführter Versuch, dals bei Behandlung einer wässerigen Lösung derselben mit salpetrigsaurem Natrium schon nach 5 Minuten die Brenztraubensäure selbst mit der so empfindlichen Phenylhydrazinprobe nicht mehr nachzuweisen ist. Er folgert deshalb mit Recht, dals es im Gegensatz zu den An- gaben von Dewar und Gamgee nicht möglich ist, aus dem Oystin durch Einwirkung von salpetriger Säure Brenztraubensäure in Substanz zu erhalten. Auch konnte er dementsprechend zeigen, dafs nach Einwirkung von salpetriger Säure auf Athyleystein in der Reaktionsflüssigkeit keine Spur von Brenztraubensäure nach- weisbar ist. Es sei gleich hervorgehoben, dals sämtliche Versuche, Brenz- traubensäure als solche unter den durch Alkali erhaltenen Spaltungs- produkten des Cystins oder seiner Derivate zu isolieren, von gänz- lich negativem Resultate begleitet waren. Und doch berechtigte gerade das erwähnte Äthyleystein am meisten zu der Hoffnung, hier denselben Spaltungsprodukten zu oegegnen wie bei der Zersetzung des Phenyleysteins, da es sich nach seiner Darstellung **) aus dem *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 569 (1892). zu) e.1S2502 Über die Konstitution des Öystins. 9 @Quecksilbermerkaptid des Öysteins, unter Zugrundelegung der Baumannschen Cystinformel, vom Phenyleystein nur durch den Ersatz der Phenylgruppe durch die Äthyl gruppe unterscheidet. CH, CH, N1,.0.50,H, NH,.0.SC,H, £ b 00H 6 00H Athyleystein Phenyleystein Bei der Spaltung des Athyleysteins mit fixen Alkalien wurde zwar analog der gleichen Zersetzung des Phenyleysteins Merkaptan und Ammoniak abgespalten, aber einzig in der Thatsache, dafs diese beiden Atomgruppen abgespalten werden, besteht eine Ana- logie zu dem Verhalten des Phenylcysteins, die Art der Abspaltung ist bei beiden Körpern verschieden. Auf diesen Punkt soll später ausführlich eingegangen werden, hier sei nur erwähnt, dafs die Zersetzung des Athyleysteins durch Alkali überhaupt viel langsamer verläuft als die des Phenylcysteins und der Merkaptursäuren, und Baumann und seine Mitarbeiter sehen hierin den Grund, weshalb es ihnen in dem einen Falle mit Leichtigkeit gelingt, Brenztrauben- säure nachzuweisen, in dem anderen Falle aber überhaupt nicht. Denn Brenzinger*) konnte zeigen, dals zwar nach 5 Minuten langem Erhitzen der Brenztraubensäure mit 10 Proz. Natronlauge in der angesäuerten Flüssigkeit Brenztraubensäure noch reichlich nachgewiesen werden konnte, dafs aber nach 20 Minuten langem Erhitzen kein Brenztraubensäurehydrazen mehr zu erhalten ist. Bei Versuchen, Äthyleystein mit Sodalösung anstatt mit freiem Alkali zu erhitzen, stellte es sich heraus, dafs hierzu eine Zeit er- forderlich ist, die genügte, um, wie Kontrollversuche zeigten, die etwa gebildete Brenztraubensäure wieder zu zerstören. „Erhitzen des Äthyleysteins mit freiem Phenylhydrazin führte zu keinem besseren Resultate, ebenso wenig als durch Erhitzen von Äthyl- cystein mit essigsaurem Phenylhydrazin auf 130° Phenylhydrazon- brenztraubensäure abgeschieden werden konnte“ Ob hier Zer- setzung des Äthyleysteins stattgefunden hat und dementsprechend die Möglichkeit zur Bildung von Phenylhydrazonbrenztraubensäure gegeben war oder nicht, scheint nicht untersucht worden zu sein. Einen Grund für das ungleiche Verhalten des Äthyleysteins und des Phenyleysteins glaubt Brenzinger in der „festeren Bindung“ des Thioäthylrestes gegenüber dem Thiophenylrest zu sehen. Abgesehen davon, dafs ein solcher Erklärungsversuch blo[s eine EACH S.507, 10 E. Friedmann, Umschreibung der Thatsachen ist, so ist er in diesem Falle um so mehr zurückzuweisen, als er den zu beweisenden analogen Bau des Äthyleysteins und des Phenyleysteins als Voraussetzung der obigen Erklärung einschliefst. So bleibt als einzige Thatsache, die für eine gleiche Struktur des Merkaptursäurekernes und des Cysteins verwertet werden könnte, ein von Baumann ausgeführter Spaltungsversuch des Cystins übrig *). Baumann erhitzte 2& Cystin mit etwa 75ccm heils gesättigtem Barytwasser 20 Stunden fortgesetzt am Rückflufskühler und konnte zeigen, dafs hierbei aulser Ammoniak und Kohlensäure Oxal- säure und Uvitinsäure gebildet wird. Er erhielt aus 2& Cystin 0,416 & oxalsauren Kalk und etwa ein Centigramm einer Säure, die den Schmelzpunkt 286—287° der Uvitinsäure und die für diese angegebenen Löslichkeitsverhältnisse hatte. Baumann meint, dals „mit dem Nachweis der Oxalsäure und der Uvitinsäure unter den Zersetzungsprodukten des Cystins die Übereinstimmung im Ver- halten des Oystins und des Phenylcysteins in allen wesentlichen Punkten nachgewiesen ist“, und es ist in der That nicht zu ver- kennen, dafs in diesem Punkte eine Analogie zwischen den beiden Substanzen vorliegt. : Für Baumann reihten sich nun diese Thatsachen zu folgender Kette zusammen: Oxalsäure und Uvitinsäure entstehen bei fortgesetzter Alkali- spaltung der Merkaptursäuren, Oxalsäure und Uvitinsäure entstehen bei fortgesetzter Alkali- spaltung des Cystins, Oxalsäure und Uvitinsäure entstehen nach den vorliegenden Beobachtungen gleichzeitig nur bei der Zersetzung der Brenz- traubensäure, und so zieht er scheinbar in ganz logischer Weise den Schlufs: Also entsteht die bei der Alkalispaltung des Cystins ge- bildete Oxalsäure und Uvitinsäure aus primär gebildeter Brenz- traubensäure. Und doch entbehrt diese Deduktion der zwingenden Beweis- kraft. Es ist von vornherein klar, dafs mit dem Augenblick, wo man das gleichzeitige Auftreten von Oxalsäure und Uvitinsäure bei der Zersetzung einer anderen Substanz als Brenztraubensäure beobachtete, die ganze Beweisführung in ihrer logischen Verkettung hinfällig würde. Aber auch von diesem Falle abgesehen, zeigt eine *) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 15 (1734). Über die Konstitution des Oystins. 11 genauere Prüfung der einzelnen Argumente, dals es sich um eine lose, äulsere Aneinanderreihung ungleichwertiger Beweisstücke handelt, deren psychologische Verknüpfung wohl begreiflich, aber deren innerer, sachlicher Zusammenhang erst durch das Experiment zu bestätigen ist. Denn in dem ersten Falle (der Merkaptursäuren) ist Brenztraubensäure sicher als primäres Spaltungsprodukt nach- gewiesen worden, und es ist bereits auseinandergesetzt worden, dals nur deshalb dem Auftreten der Oxalsäure und Uvitinsäure erst Bedeutung beizulegen ist. In dem zweiten Fall (dem des Cystins) sind aber sämtliche Bemühungen, die Brenztraubensäure in Substanz zu isolieren, gescheitert, und deshalb ist es zwar mög- lich, dals die gebildete Oxalsäure und Uvitinsäure aus intermediär gebildeter Brenztraubensäure stammen, aber nicht bewiesen. Nach alledem ist es klar, dafs die vorliegenden chemischen Daten nicht genügen, um die von Baumann für das Cystein und Cystin aufgestellten Formeln . CH, CH, | | INH,.C.SH und NEL IE SS 0. NH, | | COOH COOH COOH als sicher begründet zu betrachten. Wenn Baumann dennoch zähe an der obigen Anschauung über die Konstitution des Cystins festhält, trotz der sich mehrenden Beobachtungen, dafs die Alkalispaltung in ihren feineren Details beim Cystin anders verläuft als bei den Merkaptursäuren, so ist hierfür leicht eine Erklärung zu finden, die zwar nirgends als Be- gründung der Cystinformel herangezogen wird, die aber sicher- lich einen wesentlichen Einfluls auf das Festhalten an obiger Formel trotz des dürftigen chemischen Untergrundes ausgeübt hat. Handelt es sich doch bei dem Cystin um einen Körper, der unzweifelhaft im intermediären Stoffwechsel von hervorragender Bedeutung ist. Sein Auftreten unter abnormen Verhältnissen im menschlichen Harn bei der sogenannten Oystinurie zeigt, dals ein grofser Teil des mit dem Eiweils eingeführten Schwefels als Cystin zur Ausscheidung gelangen kann. Und das Verhalten der Eiweilskörper selber gegen alkalische Bleilösungen, wo ein Teil des Schwefels als Bleisulfid abgespalten wird, ist schon sehr früh als cystinähnlich *) bezeichnet worden. Aufserdem lenkte die mehrfache gelegentliche Auffindung des Cystins im Tierkörper, so die von Cloötta in Rindsnieren**), *) Fleitmann, Ann. 66, 350 (1848). **) Ann. 99, 289 (1856). 12 E. Friedmann, von Scherer*) in der Leber eines an Typhus gestorbenen Menschen und von Drechsel in der Pferdeleber**) und Delphinleber***) immer wieder die Aufmerksamkeit auf das Oystin und machte es wahrscheinlich, „dals das Cystin ein intermediäres Spaltungs- produkt der Eiweifskörper ist*y). So lag denn für Baumann die Vermutung sehr nahe, dafs das Cystin und die Merkaptursäuren in engster genetischer Verknüpfung ständen, oder anders aus- gedrückt, dafs die Merkaptursäurebildung im tierischen Organismus „eine experimentelle Cystinurie sei“ ff). Dann aber mufste auch das Cystin resp. das Cystein die gleiche Konstitution haben wie die stickstoff- und schwefelhaltige Komponente der Merkaptursäuren- Dieses durch Einfachheit und Einheitlichkeit der Anschauung verführerische Bild gewann für Baumann erhöhte Wahrscheinlich- keit, als sein Schüler Suter unter den Spaltungsprodukten der Hornsubstanz &-Thiomilchsäure entdecktefjf),, Da Suter die &-Thiomilchsäure nur einmal aus einer gefaulten und von Schimmel- pilzen durchsetzten Tyrosinmutterlauge darstellen konnte, nehmen Baumann und Suter an, dals die Thiomilchsäure nicht als primäres Spaltungsprodukt der Hornsubstanz, sondern als Fäulnis- produkt des Cysteins aufzufassen sei, und sehen hierin einen neuen Beweis für die Richtigkeit der Baumannschen Cystinformel. CH, CH, | | NER CS He m HC.SH NH, | | COOH COOH Es ist nicht zu verkennen, dafs einer der Hauptgründe, immer wieder auf dem Umwege der Analogie an das Cystin heranzutreten, in der Schwierigkeit zu suchen ist, sich genügende Mengen Cystin zur direkten chemischen Untersuchung zu verschaffen, da man aus- schliefslich auf die äufserst seltenen Fälle von Oystinurie angewiesen war. Baumann hat zwar durch Suter untersuchen lassen, ob das Cystin als direktes Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen auf- trittS), aber da diese Experimente ein negatives Resultat hatten, kam er zu der Anschauung, dafs nicht das Oystin selbst im Eiweifs *) Jahresber. über d. Fortschr. d. Chemie 1857, S. 561. =") Du Bois Reymonds Archiv S. 243 (1891). +) Zeitschr. f. Biologie 33, 86. 7) Suter, Zeitschr. für physiol. Chemie 20, 565 (189). 11T) Baumann u. Preulse, 1. c., S. 806. ırr) Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 577 (1895). $) Das. 20, 564 und 583 (1895). Über die Konstitution des Cystins. 13 präformiert ist, sondern er stellte sich vor*), dals etwa eine ge- schwefelte Asparaginsäure die Stammsubstanz des Cystins, der Merkaptursäuren und der Thiomilchsäure wäre. CH,.COOH NH,.C.SH CooH Aber schon ältere, mehr zufällige Befunde deuteten mit ziem- licher Sicherheit darauf hin, dafs das Cystin ein Spaltungsprodukt der Eiweilskörper ist. Külz**) gelang es, unter den pankreatischen Verdauungsprodukten des Fibrins Cystin zu isolieren, und Emmer- ling***) konnte einmal Oystin als direktes Spaltungsprodukt der Hornsubstanz erhalten. Aber beide Befunde sind als mehr oder weniger zufällige anzusehen. Erst Mörner fr) gelang es, die regel- mälsige Bildung und das reichliche Auftreten von Oystin unter den bei der Hydrolyse des Keratins erhaltenen Spaltungsprodukten nachzuweisen, ein Befund; auf den kurz darauf und ohne Kenntnis der Mörnerschen Untersuchung auch G. Embdenyjy) in Hof- meisters Laboratorium stiels. Nachdem ‚so die Materialfrage gelöst war, konnten Baumanns im wesentlichen auf Deduktionen und Analogieen beruhende An- schauungen über die Konstitution des Cystins am Cystin direkt an der Hand des Experimentes geprüft werden, eine Aufgabe, die wegen der grolsen physiologischen Bedeutung, die dieser Körper besitzt, besonders ansprechend erschien. Diese Untersuchung über- gab mir Herr Professor Hofmeister im Mai 1900. Bevor ich zur Beschreibung des von mir eingehaltenen Ganges der Untersuchung übergehe, seien in Kürze die chemischen Daten zusammengestellt, die vor Beginn meiner Arbeit am Cystin direkt gewonnen waren. Der Schwefel des Cystins gilt für durch Alkalien leicht als Sulfid abspaltbar; jedoch geht aus den vorliegenden Unter- suchungen hervor, dafs ein Teil des Schwefels durch diese Ein- wirkung nicht abgespalten werden kann. Baumannyfy) hat ge- zeigt, dals der Schwefel im Cystin disulfidartig gebunden ist, durch *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 585 (1895). **) Zeitschr. f. Biologie 27. =) Ref. in d. Chemiker-Zeitung Nr. 80, Okt. 1894. r) Zeitschr. f. physiol. Chemie 28, 595 (1899). 1r) Das. 32, 94 (1901). irr) Das. $, 300. 14 E. Friedmann, Reduktion konnte er das dem Oystin entsprechende Merkaptan, das Cystein, erhalten, das seinem chemischen Charakter entsprechende Farbenreaktionen mit Eisenehlorid und Kupfersulfat giebt. In dem Äthyleystein, das aus dem leicht zu gewinnenden, aber unregel- mälsig zusammengesetzten Quecksilbermerkaptid*) durch Umsatz mit Jodäthyl dargestellt wird**), ersetzt der Äthylrest das Wasser- stoffatom der Thiogruppe, da das Athyleystein bei der Alkali- spaltung Äthylmerkaptan liefert. Auch gegen den Benzylrest ist dasselbe Wasserstoffatom leicht austauschbar und liefert ähnlich der Thiomilchsäure ein leicht falsbares, gut charakterisiertes Benzyl- derivat”**). Bei der Einwirkung von Alkalien liefert letzteres Benzylmerkaptan, so dafs auch hier der Eintrittsort des Sub- stituenten aulser Zweifel steht. Der Stickstoff des Cystins ist durch Alkali leicht als Ammoniak abspaltbar. Der Nachweis, dafs er als Amidogruppe im Cystin gebunden ist, wurde durch Darstellung der schwer löslichen Benzoyl- verbindung) erbracht. Auch eine Uraminosäure ff) oder vielmehr deren Anhydrid konnte leicht gewonnen werden. Die Benzoylverbindung des Oystins verhält sich in ihren Salzen als zweibasische Säure, so dals die Anwesenheit von zwei Karboxyl- gruppen im Cystin anzunehmen ist, eine Thatsache, die auch den leichten Übergang der Uraminosäure des Cystins in ihr Hydantion erklärt. Für das Oystein (und daher auch für das Cystin) kommen auf Grund dieser Thatsachen folgende Formeln in Betracht, wovon Formel 1 der Baumannschen Auffassung des Cysteins entspricht. ® 9; CH, CH,.NH, InH | m ee 000H COOH 3% 4. _NH, VESASIEN se | 2 | *) Brenzinger, Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 557 (1892). **) Brenzinger, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1. c., S. 562. =) Suter, Zeitschr. f. physiol. Chemie 20, 562 (1895). 1) Brenzinger, |. c., S. 572. ip) Brenzinger, 1. e., S. 172. Über die Konstitution des Cystins. 15 Eigene Versuche. 1. Darstellung des Ausgangsmaterials. Das zur Verarbeitung kommende Cystin wurde zu Beginn der Untersuchung aus Hornspänen dargestellt. Ich lehnte mich dabei ziemlich eng an das von G. Embden*) ausgearbeitete Verfahren der Cystindarstellung an, nur zog ich es vor, anstatt, wie Embden es gethan hat, Cystin und Tyrosin mit Hülfe verdünnter Salpeter- säure zu trennen, diese beiden Körper aus ammoniakalischer Lösung mit Hülfe von Eisessig zu fraktionieren. Im einzelnen wurde wie folgt verfahren: 500 & Hornspäne werden mit 1500cem Salzsäure (spez. Gew. 1,19) 4 Stunden in einem 5-Liter-Kolben auf dem Sandbade gekocht und nach dem Erkalten mit konz. Natronlauge bis zur schwach sauren Reaktion versetzt. (Die Natronlauge enthielt auf 750 cem Wasser 500g Ätznatron.) Die auf Zusatz der Natronlauge in lebhaftes Sieden geratene Flüssigkeit wird bei schwach saurer Reaktion mit Tierkohle, die reichlich und wiederholt eingetragen wird, etwa dreiviertel Stunden gekocht und heifs filtriert. Das hellgelbe, höchstens zweieinhalb Liter fassende Filtrat setzt beim Erkalten einen starken, krystallinischen Niederschlag ab, der aus Cystin, Tyrosin und Leucin besteht. Nach zwölfstündigem Stehen wird derselbe abgesaugt und mit wenig Wasser nachgewaschen. Die aus vier Zersetzungen erhaltenen Rohprodukte werden vereinigt und zusammen verarbeitet. Zur Trennung des Oystins vom Tyrosin und anderen Aminosäuren werden die aus vier Zersetzungen gewonnenen RKohprodukte in 1 Liter heiflsem, 10proz. Ammoniak gelöst, die Lösung mit Eis gut gekühlt und vom ausgeschiedenen Tyrosin durch Filtration befreit. Zu dem Filtrat wird vorsichtig Eisessig zugesetzt, jedoch muls die Reaktion deutlich alkalisch ‚bleiben. Der sofort entstehende Niederschlag erweist sich unter dem Mikroskop betrachtet als aus charakteristischen Tyrosin- nadeln bestehend. Derselbe wird abgesaugt und das Filtrat von neuem mit Eisessig versetzt. Für gewöhnlich bleibt die Flüssigkeit jetzt klar, bis die Reaktion stark essigsauer geworden ist, um dann einen schweren, sandıgen Niederschlag von Cystin abzusetzen. In einem Falle jedoch begann die Cystinausscheidung bereits bei schwach ammoniakalıscher Reaktion, aber auch hier war die Tyrosinausscheidung längst beendet, als die Cystinkrystallisation begann. Nach 24stündigem Stehen wird das erhaltene Cystin abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen, darauf mit Alkohol nachgewaschen, bis die Waschflüssigkeit farblos abläuft, und schliefslich mit wenig Äther der anhängende Alkohol entfernt. Das so hergestellte Präparat besteht ausschliefslich aus rosetten- förmig übereinander gelagerten, sechsseitigen Cystintafeln und ist in der Regel tyrosinfrei. (Auf Tyrosin wurde mit Millons Reagens geprüft, nachdem die Substanz durch tropfenweisen Zusatz verdünnter Salpeter- *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 32, 94 (1901). 16 E. Friedmann, säure zur Lösung gebracht war.) Dagegen enthält es noch andere Amidosäuren, da eine Probe, in Wasser suspendiert und, mit Kupfer- karbonat gekocht, ein blaugefärbtes Filtrat gab. Stets enthält es ge- ringe Mengen freien Schwefels. Durch wiederholtes Umkrystallisieren aus ammoniakalischer Lösung wird es völlig rein erhalten. Nach dieser Methode wurden aus je 2kg Hornspänen folgende Ausbeuten erhalten: 1. 2kg Hornspäne lieferten 56 g Cystin, 2, 2kg derselben Hornspäne lieferten 57 g Oystin, 3. 2kg anderer Hornspäne lieferten 19 g Cystin, 4. 2kg Hornspäne (derselben wie in Darstellung 3) lieferten 268 Cystin, 5. 2kg anderer Hornspäne lieferten 36g Cystin, von denen 19g sich aus schwach ammoniakalischer Lösung, 17g aus essigsaurer Lösung abschieden. Nachdem Mörner mitgeteilt hatte, dafs die Menschenhaare besonders reichlich Cystin enthalten — er konnte 12,6 Proz. Cystin daraus darstellen —, stellte ich mir das Cystin ausschlielslich aus Menschenhaaren dar. Zu diesem Zwecke wurden 500g Haare in derselben Weise wie die Hornspäne zersetzt. Das nach dem Neutralisieren und Entfärben ausfallende Produkt bestand aber hier so reichlich aus Cystin und ent- hielt so wenig Tyrosin, dals ein wiederholtes Umkrystallisieren aus ammoniakalischer Lösung genügte, um zu einem reinen Präparate zu gelangen. Auffällig war hier in anbetracht der kurzen Zersetzungs- dauer das reichliche Auftreten von nadelförmigem Cystin unter den Zer- setzungsprodukten, das sich mikroskopisch vom Tyrosin leicht durch seine stärkere Lichtbrechung und durch ihm eigentümliche schräg ab- geschnittene Spitzen unterscheiden läfst. Jedoch verschwand das nadel- förmige Produkt beim Umkrystallisieren, und das zur Untersuchung kommende Cystin bestand wie das aus Hornspänen dargestellte aus. Rosetten von sechsseitigen Tafeln. 2. Beschreibung einiger Derivate des Cystins. A. Cystinäthylesterchlorhydrat. Dieser Körper wurde dargestellt, weil in der Karboxylgruppe substituierte Derivate des Cystins noch nicht beschrieben worden sind und nach Analogie mit den Aminosäuren zu erwarten war, in dem salzsauren Salze des Oystinäthylesters ein gut krystalli- sierendes Derivat des. Cystins zu erhalten. Cystin wird in abs. Alkohol suspendiert und Salzsäure eingeleitet, bis alles gelöst ist. Die Lösung erfolgt sehr langsam und unter starker Erwärmung. Nachdem zum Schlufs eine halbe Stunde auf dem Wasser- bade erwärmt worden ist, wird die Lösung unter vermindertem Druck Über die Konstitution des Oystins. 17 auf ungefähr 50 ccm eingeengt. Beim Stehen krystallisiert ein Teil des salzsauren Esters aus, der in Lösung bleibende Anteil kann durch Zusatz von Äther aus der Mutterlauge der ersten Krystalli- sation gewonnen werden. Zur Reinigung wird der Körper in wenig Alkohol gelöst und durch vorsichtigen Zusatz von Ather zur Krystalli- sation gebracht. Das wiederholt umkrystallisierte Produkt bildet schneeweilse Nadeln, die teils frei, teils büschelförmig vereinigt sind. Beim raschen Erhitzen zersetzt es sich bei 185° unter Bräunung und Gas- entwickelung. Auch bei andauerndem Erhitzen auf 110° im Trocken- schrank findet Zersetzung statt, die Substanz sintert dabei stark zu- sammen, färbt sich braun und bedeckt zum Schluls als braune Kruste den Boden des Gefälses. Sie hat jetzt einen eigentümlichen, süls- lichen Geruch, löst sich nicht mehr im Wasser, sondern giebt an dasselbe nur Ammoniumchlorid ab. In Salzsäure ist der braune Rückstand unlöslich und wird beim Erwärmen mit Salzsäure ölig, dagegen löst er sich zum Teil in Natronlauge. Zur Analyse wurde die Substanz bei 100° getrocknet. 0,1487 g Substanz gaben 0,1582 g Ag Ül, entspr. 26,30 Proz. Cl. 0,1151 g Substanz verbrauchten 5,78 cem !/,. N-Schwefelsäure, entspr. 0,00809 g N oder 7,03 Proz. N. Berechnet für C,,Hs,N,0,8; + 53H C1 Gefunden 072627 Proz. 26,30 Proz. Neo 7,03 Ob der leicht zn gewinnende und durch grolses Krystallisations- vermögen ausgezeichnete salzsaure Cysteinäthylester ebenfalls mehr Salzsäure zu binden vermag, als seinem Stickstoffgehalt entspricht, wurde nicht untersucht, dagegen überzeugte ich mich, dafs sowohl das Cystinchlorhydrat wie das Cysteinchlorhydrat normal zusammen- gesetzt sind. 0,2552 g Cystinchlorhydrat gaben 0,2402 g Ag Cl, entspr. 23,27 Pro- zent U]. Berechnet für C,H,N,S,;0, + 2HC1 Gefunden Cl 22,64 Proz. 23,27 Proz. 0,1736 g Cysteinchlorhydrat gaben 0,1583 Ag Cl, entspr. 22,55 Pro- zent Cl. Berechnet für C,H,NSO, + HCl Gefunden C1 22,50 Proz. 22,55 Proz. Es sei noch erwähnt, dafs der salzsaure Methylester des Cystins ebenfalls dargestellt wurde, derselbe ist aber so hygroskopisch, dafs er nicht analysiert werden konnte. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 2) 18 E. Friedmann, B. Cystinhydantoinsäure. Bereits Brenzinger*) hatte versucht, durch Einwirkung von Kaliumeyanat auf Cystin eine Uraminosäure darzustellen. Beim Versuche, dieselbe zu reinigen, ging sie jedoch in das Anhydrid über, was durch die Analyse der erhaltenen Verbindung bestätigt wurde. Es schien jedoch von Interesse, von neuem zu versuchen, die freie Säure, wenigstens in Form eines ihrer Salze darzustellen, da möglicherweise diese Verbindung physiologische Bedeutung haben konnte. Denn die Bildung von Uraminosäuren ist ein syn- thetischer Prozels, der vom tierischen Organismus mit Leichtigkeit vollzogen wird, und da das Cystein im intermediären Stoffwechsel beim Abbau und Zerfall der Eiweiflskörper gebildet werden kann, im normalen Harn aber stets eine wenn auch nur sehr geringe Menge einer bleischwärzenden Schwefelverbindung nachzuweisen ist, so ist an die Möglichkeit zu denken, dafs ein Teil des Cystins vielleicht als Uraminosäure zur Ausscheidung gelangt, um so mehr als nach den Untersuchungen von Salkowski**) ein anderer schwef£elhaltiger Körper, der im intermediären Stoffwechsel eine hervorragende Rolle spielt, das Taurin, als Taurokarbaminsäure ausgeschieden wird. Es wurde versucht, das Baryumsalz der Cystinuraminosäure dar- zustellen, um einige Reaktionen dieses Körpers kennen zu lernen. a) Baryumsalz. 3g Cystin werden in 108cem !/,, N-Schwefelsäure suspendiert, und zu dem schwach erwärmten Gemenge 22 Kaliumcyanat, gelöst in 25ccm Wasser, gefügt. Es findet unter Erwärmung und Gasent- wickelung lebhafte Reaktion statt, wobei die Flüssigkeit alkalische Reaktion annimmt. Die alkalische Reaktion wird mit Schwefelsäure abgestumpft, eine Operation, die einige Male wiederholt werden muls, da das Reaktionsgemenge sehr bald von neuem alkalisch reagiert. Nach 1!/, stündiger Einwirkung wird zu der Flüssigkeit noch 1g Kaliumeyanat hinzugefügt, nach einer weiteren Stunde dieselbe Menge noch einmal. Nachdem nun alles Cystin gelöst ist, wird die hellbraune Flüssigkeit 12 Stunden sich selbst überlassen. Nach dieser Zeit wird die Schwefelsäure durch Eintragen von Baryt entfernt, wobei sich ein schwacher Ammoniakgeruch bemerkbar macht. Der überschüssige Baryt wird durch Kohlensäure entfernt und die von Baryumsulfat und Baryumkarbonat befreite, alkalisch reagierende Flüssigkeit durch Zu- satz von viel Alkohol gefällt. Es bildet sich ein reichlicher flockiger *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 16, 576 (1892). **) Virchows Archiv 58, 461 (1873) und Ber. d. deutsch. chem. Ges. 6, 749 u. 1312 (18735). Über die Konstitution des Oystins. 19 Niederschlag, der wegen seiner gallertigen Konsistenz nicht abzusaugen ist. Nachdem sich derselbe völlig abgesetzt hat, wird er filtriert und mit verdünntem Alkohol bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion ausgewaschen. Der auf dem .Filter befindliche Körper giebt mit alka- lischer Bleilösung starke Schwefelreaktion, das Filtrat dagegen keine. Der gut ausgewaschene Körper wird in wenig Wasser gebracht, in dem sich alles bis auf einen kleinen Rest von Baryumkarbonat löst. Da die konzentrierte Lösung auch bei längerem Stehen keine Neigung zum Krystallisieren zeigt, wird die Flüssigkeit von neuem mit Alkohol gefällt und der erhaltene schneeweifse Körper durch wiederholtes Auf- lösen in Wasser und Fällen mit Alkohol gereinigt. Das so dargestellte Baryumsalz bildet im trockenen Zustande ein schneeweilses, amorphes Pulver, das stark hygroskopisch ist. Beim Stehen an der Luft wird es harzig und bildet eine gelbliche, glänzende Masse. In wässeriger Lösung reagiert es neutral, in festem Zustande auf rotes Lakmuspapier gebracht, hinterläfst es jedoch einen blauen Fleck. Es verbrennt, ohne sich aufzublähen, zunächst ohne Geruchentwickelung, später unter starkem Geruch nach verbrannten Haaren; daneben macht sich ein leichter Blausäuregeruch bemerkbar, der gegen Ende der Ver- brennung vorwiest. 0,1247 g im Vakuum getrockneter Substanz verlieren bei 110° 0,0048 H,O, entspr. 3,85 Proz. H,O. 0,1353 g im Vakuum getrockneter Substanz verbrauchten bei der N-Bestimmung nach Kjeldahl 11,12ccm !/,o N-Schwefelsäure, entspr. 0,01557 g N oder 11,51 Proz. N. 0,1199 & bei 110° getrockneter Substanz gaben 0,0602 g Baryum- sulfat, entspr. 29,55 Proz. Ba. Berechnet für C,H,N,8,0,Ba + H,O Gefunden E60) 78 ro 3,85 Proz. N St, Berechnet für C,H ,N,S;0,Ba Gefunden Ba 29,76 Proz. 29,55 Proz. Die Analysen bestätigen, dals es sich um das Baryumsalz der Cystinhydantoinsäure handelt. Sein Verhalten gegen einige gebräuchliche Reagentien ist folgendes: Silbernitrat giebt eine weilse Fällung, die Flüssigkeit wird dabei. stark sauer. Der entstandene Niederschlag wird rasch gelb und besteht unter dem Mikroskop betrachtet aus einer gelatinösen, von feinen Körnchen durchsetzten Masse. Er ist im Überschufs des Reagens un- löslich, wenig löslich in heifsem Wasser und färbt sich beim Kochen in wässeriger Lösung braunrot. Er ist leicht löslich in Ammoniak und Salpetersäure. 2* 30 E. Friedmann, Eisenchlorid giebt einen voluminösen, amorphen Niederschlag von schmutzig graugelber Farbe, derselbe ist unlöslich in heifsem Wasser; in überschüssigem Reagens ‘ist er in der Kälte ebenfalls unlöslich, jedoch löst er sich in demselben in der Wärme, um beim Erkalten teils körnig, teils gelatinös amorph wieder auszufallen. Sublimat giebt einen weilsen Niederschlag, der sich beim Kochen zu grofsen Flocken zusammenballt. Er ist unlöslich in heifsem Wasser, unlöslich im Überschufs des Reagens und besteht aus körnigen, amorphen Massen. Quecksilberoxydnitrat giebt einen reichlichen weilsen Niederschlag, der beim Stehen in der Kälte schon nach wenigen Minuten eine graue Farbe annimmt, die allmählich immer dunkler wird. Beim Kochen wird der Niederschlag schwarz. Kupferacetat giebt keine Fällung. Bleiacetat giebt eine geringe Trübung, die beim Schütteln ver- schwindet. Zusatz von Ammoniak bewirkt die Ausscheidung eines flockigen weilsen Niederschlages, der in überschüssigem Ammoniak - unlöslich ist. Phosphorwolframsäure zu der vom Baryum durch Schwefelsäure befreiten Lösung hinzugesetzt giebt keine Fällung. b) Silbersalz. 0,5 & Baryumsalz der Cystinhydantoinsäure werden in Wasser gelöst und mit Silbernitrat versetzt, solange noch eine Fällung ent- steht. Dabei wird die Reaktion stark sauer. Nach dem Absetzen wird der Niederschlag älltriert, mit Wasser gut ausgewaschen und das so erhaltene gelbe Pulver im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. 0,1081 g Substanz gaben 0,0599 & AgCl, entspr. 55,41 Proz. Ag. 0,1809 g Substanz verbrauchten bei der N-Bestimmung nach Kjeldahl 8,72 cem !/,, N-Schwefelsäure, entspr. 0,01221g N oder 6,75 Proz. N. Berechnet für 0,H,N,S,0,Ag, -— A®,O Gefunden Ag 55,92 Proz. 55,41 Proz. Nor 6,75 ” 3. Über die dem Cystin zu Grunde liegende Thiomilchsäure. Bei Betrachtung der vier für das Oystin resp. für das Cystein möglichen Formeln ist es klar, dafs Formel 1 und Formel 2 sich von einer &-Thiomilchsäure ableiten, Formel 5 und Formel 4 von einer ß-Thiomilchsäure. Eine Entscheidung über die Frage, welche von den beiden Thiomilchsäuren dem Cystin zu Grunde liegt, schien auf folgendem Wege möglich. Jochem*) hat in Hofmeisters Laboratorium gezeigt, dals beim Behandeln von Aminosäuren in konzentriert salzsaurer Lösung mit Kaliumnitrit die Aminogruppe *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 31, 119 (1900). Über die Konstitution des Cystins. 231 mit Leichtigkeit gegen Chlor ausgetauscht werden kann. Bei der Übertragung dieser Reaktion auf das Cystin habe ich versucht, ein gechlortes, schwefelhaltiges, stickstofffreies Produkt zu erhalten, in der Hoffnung, aus dem gebildeten gechlorten Disulfid das Chlor durch nascierenden Wasserstoff herausreduzieren zu können und so zu der dem Cystin zu Grunde liegenden Thiomilchsäure zu gelangen. A. Einwirkung von Natriumnitrit auf Oystin in konzentriert salzsaurer Lösung, 5 g Cystin werden in 50 ccm Salzsäure (spez. Gew. 1,19) suspendiert und unter guter Kühlung und kräftigem Schütteln tropfenweise mit einer konzentrierten Lösung von 10 g Natriumnitrit versetzt. Die zu Anfang träge verlaufende Reaktion nimmt allmählich bei Zusatz von mehr Natriumnitrit an Intensität zu, es findet reichliche Gasentwickelung statt, die andauert, nachdem die gesamte Natriumnitritlösung ein- getragen ist. Die Operation dauert ungefähr eine Stunde. Das Reaktionsgemenge wird 12 Stunden bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Nach dieser Zeit wird die überschüssige salpetrige Säure und das Stickoxyd durch Hindurchleiten von Luft vertrieben, die Flüssigkeit vom ausgeschiedenen Kochsalz und wenig unangegriffenem Cystin befreit und mit Äther wiederholt ausgeschüttelt. Die ätherische Lösung ist hellgelb gefärbt. Nach Abdestillieren des Äthers hinter- bleibt eine geringe Menge eines braunen Öls, das die gesuchte Chlor- verbindung darstellt. Es ist anzunehmen, dafs dieselbe eine Dichlor- dithiodilaktylsäure ist. Die Verbindung reagiert stark sauer und besitzt einen eigen- tümlichen, an Katzenharn erinnernden Geruch. Sie ist unlöslich in Schwefelkohlenstoff, schwer löslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol, Äther, Ligroin, Chloroform, Benzol und Essigäther. Eine Probe, in Natronlauge gelöst, giebt mit alkalischer Bleilösung eine enorme Schwefelreaktion; dabei entweicht kein Ammoniak. Die wässerige Lösung giebt mit Silbernitrat eine gelbe, langsam ent- stehende Fällung, die in Salpetersäure löslich ist. Mit Salpeter- säure und Silbernitrat entsteht in der Kälte eine ganz geringe Trübung. Beim Stehen wird jedoch nach mehreren Stunden reichlich Chlorsilber ausgeschieden. Die Chlorabspaltung erfolgt sofort beim Kochen der Säure mit Salpetersäure und Silbernitrat. Kupfersulfat bewirkt keine Veränderung. Auf Zusatz von Eisenchlorid zu der wässerigen Lösung der Säure entsteht ein heller gelbbrauner Niederschlag, der im Überschuls des Reagens unlöslich ist. Die beiden letzten Reaktionen zeigen die Abwesenheit einer Thiomilchsäure an. E. Friedmann, 159) DD Versuche, durch Darstellung von Salzen die Verbindung in eine analysenfähige Form überzuführen, fielen negativ aus. Bei der Destillation unter gewöhnlichem Druck trat völlige Zersetzung ein. B. Reduktion der Dichlordithiodilaktylsäure. Die aus 15 Cystin erhaltene Säure wird, nachdem sie wieder- holt mit Wasser gewaschen und mit Ather aufgenommen ist, in 400 cem verdünnter Salzsäure suspendiert und allmählich Zinkstaub (208) ın die Lösung eingetragen. Nachdem eine halbe Stunde reichlich. Gasentwickelung stattgefunden hat, wird noch eine weitere halbe Stunde auf dem Wasserbade gelinde erwärmt. Die anfangs gelbe Flüssigkeit ist während der Reduktion wasserklar geworden, der eigentümliche Geruch des gechlorten Disulfids ist verschwunden und an seine Stelle ein penetranter, widerlicher Geruch getreten. Die erkaltete Flüssigkeit wird wiederholt mit Ather ausgeschüttelt. Nach Abdestillieren des Äthers hinterbleibt ein Öl, das nach Aufnehmen desselben mit Wasser starke Schwefel- reaktion mit alkalischer Bleilösung giebt und mit Eisenchlorid eine prachtvolle, rasch verschwindende Blaufärbung zeigt. Mit dieser Reaktion war die Anwesenheit einer Thiomilch- säure wahrscheinlich gemacht, und es handelte sich darum, zu ent- scheiden, ob dieselbe «- oder ß-Thiomilchsäure wäre. Charakte- ristisch für &-Thiomilchsäure ist ihr Verhalten gegen Kupfersulfat. Während nämlich ß-Thiomilchsäure mit Kupfersulfat keine Farben- reaktion, sondern nur einen amorphen, gelben Niederschlag giebt, erzeugt die «-Thiomilchsäure eine prachtvolle tief violette, bleibende Färbung. Die vorliegende Thiomilchsäure gab nun mit Kupfer- sulfat keine violette Färbung, sondern einen gelben, amorphen Niederschlag. Dieses Verhalten sprach also für die Anwesenheit einer ß-Thiomilchsäure; jedoch macht bereits Loven darauf auf- merksam, dafs die Farbenreaktion der «-Thiomilchsäure mit Kupfersulfat durch die Gegenwart von Zinksalzen verhindert wird. Diese waren aber stets in dem erhaltenen Reaktionsprodukt nach- zuweisen, so dafs es voreilig erschien, aus dem Ausbleiben der Farbenreaktion einen Schlufs über die Konstitution der erhaltenen Thiomilchsäure zu ziehen. Für die Abscheidung und Erkennung der «&-Thiomilchsäure ist von Suter die Überführung der Thiomilchsäure in Benzyl- thiomilchsäure mit gutem Erfolge benutzt worden. Aber trotz Über die Konstitution des Cystins. 23 peinlichstem Einhalten der von Suter gegebenen Vorschrift gelang es mir nicht, ein Benzylprodukt zu erhalten. Nach Aus- ätherın des überschüssigen Benzylchlorids fand auf Zusatz von Salzsäure nur eine ganz minimale Trübung statt, die nach wochen- langem Stehen im Eisschrank nur Spuren eines Niederschlages als Bodensatz absetzte. Der Nachweis der &-Thiomilchsäure auf diesem Wege ist also ebenfalls als gescheitert zu betrachten. Ein anderer Weg, die Frage nach der Natur der vorliegenden Thiomilchsäure zur Entscheidung zu bringen, lag in der Über- führung derselben in die entsprechende Dithioverbindung. Die in Frage kommenden Verbindungen unterscheiden sich sowohl durch Kıystallform wie durch Schmelzpunkt scharf voneinander. Während die «-Dithiodilaktylsäure in Nadeln vom Schmelzpunkt 141° kry- stallisiert, krystallisiert die ß-Dithiodilaktylsäure in Blättchen vom Schmelzpunkt 153 bis 154°. Zur Ausführung des Versuches wird das vom Äther befreite Öl mit 3/, Liter Wasser aufgenommen und mit Eisenchlorid tropfen- weise versetzt, solange noch eine Blaufärbung entsteht. Es bildet sich dabei ein geringer flockiger Niederschlag, der nach 24 stündigem Stehen abgesaugt wird; seine Menge ist zu gering, um untersucht werden zu können. Das trübe Filtrat wird bei Zimmertemperatur der freiwillisen Verdunstung überlassen. Nach 3 Monaten hat sich ein Bodensatz von Krystallen gebildet, die abfiltriert und in heilsem Wasser gelöst werden. Die wässerige Lösung scheidet beim Stehen pracht- volle Rosetten von Krystallen aus, die nach zweimaligem Umkrystalli- sieren unter dem Mikroskop betrachtet als Blättchen erscheinen, die im trockenen Zustande einen schönen Silberglanz besitzen. Ihr Schmelz- punkt liegt bei 151°. Nach nochmaligem Umkrystallisieren aus Wasser zeigen sie den Schmelzpunkt 154°, der jetzt bei erneutem Umkrystalli- sieren konstant bleibt. Die vereinigten Mutterlaugen werden im Vakuum konzentriert und liefern dabei eine zweite Krystallisation des- selben Körpers, der nach wiederholtem Umkrystallisieren ebenfalls bei 154° schmilzt. Krystallform und Schmelzpunkt sprechen also für die 8-Dithio- dilaktylsäure. Auch die nach v. Asboth ausgeführte Schwefelbestimmung bestätigt, dafs die vorliegende Substanz eine Dithiodilaktylsäure ist. 0,1262 & Substanz gaben 0,2803 & BaSO, entsprechend 30,50 Proz. S. Berechnet für 0,H,,S;0, Gefunden S 30,50 Proz. 30,50 Proz. Die im Vakuum getrocknete Substanz nimmt beim Trocknen bei 110° nicht an Gewicht ab. In einem zweiten Versuche wurde die der Reduktion zu unter- werfende Dichlorthiodilaktylsäure durch Eintröpfeln einer konzentrierten I4 E. Friedmann, Lösung von 14g Kaliumnitrit unter Eiskühlung in 300 cem konzen- trierter Salzsäure, in der 12g analysenreines Oystin durch kräftiges Rühren mittelst Turbine in feiner Suspension gehalten wurden, dar- gestellt. Die erhaltene Dichlordithiodilaktylsäure wurde bei Wasser- badtemperatur durch Zinn und Salzsäure so lange reduziert, bis die wässerige Flüssigkeit beim Erkalten völlig klar blieb. Die ausgeätherte Thiomilchsäure wurde nach Abdestillieren des Äthers in 10ccm Wasser aufgenommen und durch vorsichtigen Zusatz von Eisenchloridlösung oxydiert. Die nach kurzer Zeit ausgeschiedenen Krystalle wurden abgesaugt und aus wenig heilsem Wasser zweimal umkrystallisiert. Sie bildeten schöne grolse Blättchen vom Schmelzpunkt 154°. Auch die Elementaranalyse der bei 105° getrockneten Substanz ergab die für eine Dithiodilaktylsäure verlangten Werte. 0,1426 & Substanz gaben 0,1790 & CO,, entspr. 34,22 Proz. C und 0,0617 & H,O, entspr. 4,84 Proz. H. Gefunden Berechnet 34,22 Proz. C 34,20 Proz. C ABl Hl 20 Um die Natur der erhaltenen Verbindung als ß-Dithiodilaktyl- säure völlig sicher zu stellen, wurde zum Vergleich die ent- sprechende synthetisch durch Einwirkung von Kaliumsulfhydrat auf ß-Jodpropionsäure zu gewinnende Säure dargestellt. Die durch Abbau des Cystins erhaltene Säure und die synthetisch dargestellte Verbindung zeigten in ihren Eigenschaften völlige Überein- stimmung. Beide Körper allein, wie ein Gemisch gleicher Teile am selben Thermometer gleichzeitig erhitzt, schmolzen scharf bei 154%, so dafs die Identität der beiden Dithiodilaktylsäuren aulser Zweifel gestellt ist. Mit dem Nachweis, dafs die dem Cystin zu Grunde liegende Thiomilchsäure der ß-Reihe angehört, bleiben für die Konstitution des Cystins und des Cysteins nur zwei Möglichkeiten übrig, die von dem Eintrittsort der Aminogruppe in diesen Körper abhängig sind. 1. 9, SH CH,-SH oo ir e CH.N CH, 2 | COOH COOH 4. Über die Stellung der Aminogruppe im Cystin. Betrachtet man die obigen Formeln, so sieht man, dafs sich Formel 1 von einer ß-Aminosäure, Formel 2 von einer &-Amino- säure ableitet. Vergegenwärtigt man sich, dafs die in der Natur vorkommenden Monoaminosäuren, soweit sie bisher bekannt sind, Über die Konstitution des Cystins. 235 o-Aminosäuren sind, so erscheint es von vornherein wahrscheinlich, dals das Cystin das Disulfid eines nach Formel 2 gebauten Mer- kaptans ist. Diese letztere Vorstellung gewinnt an Interesse durch die physiologische Beziehung, die ein der Formel 2 entsprechendes Cystin zu einem anderen stickstoff- und schwefelhaltigen Körper eröffnet, der im intermediären Stoffwechsel beständig gebildet wird, nämlich dem Taurin, denn durch Oxydation der Thiogruppe zur Sulfogruppe unter Absprengung der entständigen Karboxyl- gruppe wäre ein direkter Weg gegeben, um vom Cystein zum Taurin zu gelangen. CH,.SH CH,.SO,H OERINELLN N 8 | | CH..NH, COOH Abgesehen von dem physiologischen Interesse, dals diese Überführung von Cystin oder Cystein in Taurin darbietet, würde damit auch endgültig die Frage nach der Konstitution des Oystins gelöst sein, denn nachdem die dem Oystin zu Grunde liegende Thiomilchsäure als ß-Thiomilchsäure erkannt ist, würde dieser Übergang die &-Stellung der Aminogruppe beweisen. A. Oxydation des Cystins zur Cysteinsäure. Nach vielen vergeblichen Versuchen, ein geeignetes Oxydations- mittel für das Oystin zu finden, wurde im Brom ein Mittel ge- funden, das den locker gebundenen, bleischwärzenden Schwefel des Cystins leicht und glatt in oxydierten, festgebundenen Schwefel überführt, ohne bei dieser Oxydation tief greifende Veränderungen hervorzurufen. Das dabei entstehende Produkt will ich der Kürze halber und aus Gründen, die später klar werden, Üysteinsäure nennen. Der zuerst eingeschlagene Wege &, dieselbe zu isolieren, war folgender. a) Isolierung der Oysteinsäure als Baryumsalz. 3g Cystin werden in 300 ccm Wasser suspendiert und tropfen- weise mit Brom versetzt. Das Cystin wird rasch gelöst, Brom reich- lich verbraucht; es findet lebhafte Erwärmung statt. Mit dem Brom- zusatz wird unter kräftigem Schütteln fortgefahren, bis der sich bildende Schüttelschaum gelb gefärbt ist. Eine Probe, der Flüssigkeit entnommen, zeigt, dals der bleischwärzende Schwefel verschwunden ist, eine geringe Schwefelsäurebildung hat stattgefunden. Brom und über- schüssiger Bromwasserstofft werden durch Bleiacetat entfernt, der 26 E. Friedmann, erhaltene Niederschlag wird rasch abgesaugt, das Filtrat mit Schwefel- wasserstolf entbleit und auf dem Wasserbade konzentriert. Dabei bräunt sich die Flüssigkeit beträchtlich. Nach mehrtägigem Stehen wird die stark konzentrierte Lösung von einem geringfügigen, bräun- lichen, flockigen Niederschlag filtriert, das Filtrat auf 350 cem gebracht und mit Baryumkarbonat 1 Stunde gekocht. Nachdem vom unan- gegrilfenen Baryumkarbonat abfiltriert worden ist, wird das erkaltete Filtrat mit 800 ccm 95 proz. Alkohol versetzt. Es entsteht ein volu- minöser, flockiger Niederschlag, der nach 24 stündigem Stehen abgesaugt wird und mit verdünntem Alkohol (1 Tl. Alkohol von 95 Proz., 2 Tle. Wasser) ausgewaschen wird. Derselbe wird in Wasser gelöst, von wenig ausgeschiedenem Baryumkarbonat abfiltriert und von neuem mit Alkohol gefällt. Der viermal umgefällte Körper wird unter absoluten Alkohol gebracht, unter dem er bald körnige Konsistenz annimmt, ohne aber deutliche Krystallisation zu zeigen. Der Körper ist schneeweils, löst sich leicht zu einer vollkommen klaren, alkalisch reagierenden Flüssigkeit in Wasser, kann aber daraus nicht durch Konzentrieren der Lösung zur Krystallisation gebracht werden. Die stark eingeengte Flüssigkeit behält firnisartige Be- schaffenheit, die sie selbst bei langem Aufbewahren im Vakuum über Schwefelsäure nicht verliert. Die Ausbeute aus 3g Cystin betrug 3,5 g analysenreines Produkt. Der Körper enthält reichlich Baryum. Er giebt mit alkalischer Bleilösung keine Schwefelreaktion mehr. Eine Probe, mit Soda und Salpeter geschmolzen, entwickelt reichlich Ammoniak. Die Schmelze löst sıch nicht vollkommen im Wasser, der Rückstand erweist sich als Baryumsulfat. Im Filtrat vom Baryumsulfat ist Schwefelsäure nach- zuweisen. Eine Probe auf eingetretenes Brom fällt negativ aus. Dieses Verhalten zeigt, dals es sich um das Baryumsalz einer stickstoff- und schwefelhaltisen Substanz handelt, und da vom Cystin — also einem Disulfid — ausgegangen war, und Disulfide bei kräftiger Oxydation in Disulfoxyde übergehen, lag es nahe, zu vermuten, dafs der vorliegende Körper das Baryumsalz des Disulfoxyds des Oystins darstellte. Aus den erhaltenen Analysen- zahlen liefs sich dieser Schlufs nicht ziehen. Zur Analyse wurde die Substanz bei 110° getrocknet. 0,0954 & Substanz gaben 0,0499 g BaSO,, entspr. 30,79 Proz. Ba. 0,1483 g Substanz verbrauchten bei der Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl 6,85 cem 1/,. N-Schwefelsäure, entspr. 0,00959 &g N oder 6,47 Proz. N. 0,1632 g Substanz gaben bei der Schwefelbestimmung nach v. Asboth 0,1652g BaSO,, entspr. 13,90 Proz. S. Berechnet für C,H,„N,S8; 0,Ba Gefunden Ba 31,25 Proz. 30,79 Proz. Ne 647 , S 1458 „ 13,90 „ Über die Konstitution des Oystins. 97 Auch mit dem Baryumsalz einer etwa aus dem Cystin ge- bildeten Sulfosäure zeigten die Analysenzahlen keine ausreichende Übereinstimmung. Berechnet für C,H, ,„N;8,0,,Ba Gefunden Ba 29,01 Proz. 30,79 Proz. Na BAT eN Sad. 13,90 „ Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dafs es sich um das Baryumsalz eines Körpers handelt, dessen Zusammensetzung zwischen Disulfoxyd und Sulfosäure liest. Das eine geht aus den er- haltenen Zahlen mit Sicherheit hervor, dals in dem vorliegenden Körper das Verhältnis von Ba:N:S wie 1:2:2 ist. Nachdem das Baryumsalz nicht ausreichenden Aufschlufs über die Natur des erhaltenen Produktes gegeben hatte, wurde versucht, die freie Oysteinsäure darzustellen. b) Darstellung der freien Cysteinsäure und Reinigung derselben durch Umkrystallisieren. Die Versuche, die freie Cysteinsäure darzustellen, führten rasch zum Ziel, als von völlig reinem Cystin ausgegangen wurde. Bei Verunreinigung des Cystins durch andere Aminosäuren erhält man ölige, nicht krystallisierende Körper, aus denen die Cystein- säure nur auf einem später zu beschreibenden Umweg isoliert werden kann. Die Oxydation des Cystins mit Brom wird in derselben Weise vorgenommen wie oben, nur wird ein Überschuls von Brom Sorg- fältig vermieden. Nach beendeter Oxydation wird zur Verjagung des gebildeten Bromwasserstoffs auf dem Wasserbade eingedampft. Die zurückbleibende, leicht bräunlich gefärbte Krystallmasse wird mit absolutem Alkohol gut verrieben und, sobald der Alkohol keine Verunreinigungen mehr aufnimmt, aus heilsem Wasser wiederholt umkrystallisiert. Bei langsamem Auskrystallisieren aus Wasser beobachtet man häufig das Auftreten von zwei verschiedenen Kıystallformen. Die zuerst auskıystallisierenden Mengen sind oktaedrische Gebilde, die später sich ausscheidenden Krystalle zeigen schöne, langgestreckte prismatische Formen und sind teils frei, teils zu Drusen angeordnet. Beim Umkrystallisieren der oktaedrischen Gebilde werden jedoch wieder nadelförmige Kıy- stalle erhalten, die sich als identisch mit jenen der später aus- krystallisierten Fraktion erwiesen, Verhältnisse, auf die später aus- führlich eingegangen werden soll. 38 E. Friedmann, Zur Analyse gelangte ein Präparat, das viermal umkrystallisiert war, aus schneeweilsen Nadeln bestand und unter dem Mikroskop betrachtet einheitlich erschien. Es wurde bei 110° getrocknet und analysiert. 0,1330 & Substanz gaben 0,1073g C0O,, entspr. 22,00 Proz. C und 0,0538g H,0, „ 4,D2 RS SPEE 0,1519 g Substanz gaben 0,1223 00O,, = 21,967, 2,2756 und 0,0562 H,0, ,„ AA 0,1459 verbrauchten bei der N-Bestimmung nach Kjeldahl 8,79 ccm !/. N-Schwefelsäure, entspr. 0,01231g N oder 8,44 Proz. N. 0,2146 g Substanz gaben bei der S-Bestimmung nach Liebig 0,3079 g BaS0O, entspr. 19,70 Proz. S. Dasselbe Präparat wurde noch zweimal umkrystallisiert, bei 110° getrocknet und von neuem analysiert. 0,1947 & Substanz gaben 0,1531 g CO,, entspr. 21,45 Proz. C undr 0,0759 1,07 4,36, ,.2, El: 0,1719 g Substanz gaben 13,39ccm N (21,5°, 756 mm), entspr. 8,82 Proz. N. 0,1537 & Substanz gaben bei der S-Bestimmung nach v. Asboth 0,2186 & BaSO,, entspr. 19,53 Proz. S. Ein weites Präparat, das Semi wiederholt umkrystallisiert war und völlig rein erschien, gab beim ersten Analysieren folgende Zahlen: 0,1650 8 Substanz alba 0,1286 & CO,, entspr. 91,79 Proz. C und20,073,70022 1,0282 3,1070 0,1471 g Substanz gaben 11,2 ccm N (20°, 754mm), entspr. 8,64 Proz. N. Nach erneutem Umkrystallisieren wurden folgende Analysenwerte erhalten: 0,1838 & Substanz gaben 0,1457 & 00,, entspr. 21,62 Proz. C und 0,0723 H50, a 4,40 Proz. H. 0,1684 g Substanz gaben bei der S-Bestimmung nach Liebig 0,2330 & BaSO,, entspr. 19,00 Proz. S. 26: aan S | Proz. \ Proz Proz Proz. Braparatila a at 22,00 | 4,52 | 8,44 | 19,70 DEE 21,96 | 2,1000 > umkrystallisiertt . . . | 21,45 | 4,36 | 8,82 | 19,56 Präparat. 2 va | 21,72| 5,10 | 8,64 | — " umkrystallisiertt . - . | 21,62 | 4,40 — | 19,00 Berechnet für C,H,,N,85:0,;, - - . || 28,65 3,971 9232 28.07. DiSulloxy, Berechnet für 0,H,NS0, . .... | 2128| 417 | 8,30 | 18.96 (Sulfosäure) | Ein Blick auf diese Tabelle zeigt, dafs die bei der Oxydation des Cystins mit Brom entstandene Cysteinsäure in keinem Falle dem erwarteten Disulfoxyd entspricht, vielmehr scheint das erhaltene Über die Konstitution des Uystins. 29 Produkt die Sulfosäure des Cysteins darzustellen. In diesem Falle mülste bei der Oxydation eine Sprengung der Disulfidbindung stattgefunden haben unter Bildung von 2 Sulfosäuremolekülen aus 1 Cystinmolekül. eans = 8.CH, CH,.SO,H H0,S-CH, | CH-NH, CH.NH,;, — CH.NH, CH.NH, | | | | COOH COOH COOH COOH Ein solches Verhalten ist ohne Analogie mit dem Verhalten der übrigen Disulfide gegen kräftige Oxydationsmittel. Es ist aber zu berücksichtigen, dals eine völlige Analogie gar nicht zu erwarten ist, da das Cystin das einzige bisher bekannte amidierte Disulfid der Fettreihe darstellt. Um die Frage nach der chemischen Natur der Uysteinsäure zu entscheiden, habe ich mich bemüht, auf einem anderen Wege als durch wiederholtes Umkrystallisieren eine Reinigung der Cysteinsäure vorzunehmen, da bei dieser Art der Reinigung das Material zu stark zusammenschmolz, ohne dals man eine Gewähr für die endgültige Reinheit des erhaltenen Produktes erhielt. Als beobachtet wurde, dafs die Cysteinsäure beim Kochen mit Kupfer- hydroxyd ein äufserst schwer lösliches Kupfersalz lieferte, wurde dieses in grölserer Menge dargestellt und hieraus die Cystein- säure in Freiheit gesetzt. c) Reinigung der CUysteinsäure über das Kupfersalz. Rohe Cysteinsäure (15 g) wird in 600cem Wasser gelöst und in die Lösung Kupferhydroxyd im Überschufs eingetragen. Das Ganze wird eine halbe Stunde am Rückflulskühler gekocht. Vom Ungelösten wird heifs abfiltriert und der Rückstand so lange mit Wasser ausgekocht, bis das ablaufende Filtrat farblos ist. Die vereinigten tiefblauen Filtrate werden stark konzentriert. Beim Eindampfen scheidet sich das Kupfersalz als krystallinische, harte Kruste am Boden der Schale aus. Nach dem Erkalten werden die Krystalle abgesaugt, mit kaltem Wasser wiederholt verrieben und schliefslich durch längeres Dekantieren mit Wasser gereinigt. Hierauf werden sie in 300ccm Wasser sus- pendiert und durch Hinzufügen von verdünnter Salzsäure zur Lösung gebracht. Nach Entfernung des Kupfers durch Schwefelwasserstoff wird das wasserhelle Filtrat durch Hindurchleiten von Luft vom über- schüssigen Schwefelwasserstoff befreit und auf dem Wasserbade ein- geengt. Die konzentrierte Lösung setzt beim langsamen Auskrystalli- sieren prachtvolle, schön ausgebildete Krystalle ab, die ausschliefslich der oben erwähnten oktaedrischen Modifikation angehören. Diese erste Krystallisation beträgt 4,5 g. Durch weiteres Einengen der Mutterlauge wird eine zweite 30 E. Friedmann, Krystallisation von 7,5 g erhalten, die ein Gemenge der oktaedrischen Form und der prismatischen darstellt. Aus den letzten Mutterlaugen schliefslich werden noch 2g aus Nadeln bestehender Krystalle erhalten. Untersuchung der ersten Krystallisation. Da ich wiederholt beobachten konnte, dafs dıe oktaedrischen Ge- bilde beim Umkrystallisieren in die prismatische Form übergehen, und es mir nur vereinzelt gelang, aus den Nadeln beim Umkrystallisieren die oktaedrische Modifikation zurückzugewinnen, so wurde vorläufig eine Reinigung der ersten Fraktion durch Umkrystallisieren nicht vor- genommen. Da von einem optisch aktiven Körper und zwar einem stark links- drehenden ausgegangen war, liels das Auftreten von zwei verschieden krystallisierenden Körpern bei der Oxydation daran denken, dafs mög- licherweise dieses Verhalten in der Bildung von inaktivem neben aktivem Produkt eine Erklärung finden könnte. Eine Inaktivierung von ursprünglich aktiver Substanz schien insofern möglich zu sein, weil nach der Darstellung die Substanz dem Einflufs konzentrierter Säure ausgesetzt war und eine Änderung der spezif. Drehung unter diesen Umständen wiederholt beobachtet worden ist. Zur Bestimmung der spezif. Drehung wurden 1,8481 bei 110° getrockneter Substanz auf 25ccm Wasser gelöst und die Lösung in einem 2dem-Rohr im Halbschattenapparat untersucht. Der abgelesene Winkel war im Mittel von 11 Bestimmungen + 1° 17". Daraus berechnet sich &D] = n- 8,66°. Ferner wurde untersucht, ob die Substanz Krystallwasser enthält. Es stellte sich heraus, dafs dies nicht der Fall ist, die lufttrockene Substanz verändert ihr Gewicht bei andauerndem Erhitzen bei 110 bis 120° nicht. Beim Umkrystallisieren der oktaedrischen Gebilde aus Wasser wurden schöne, gut ausgebildete, zu Drusen vereinigte Nadeln erhalten. Sie wurden über Schwefelsäure getrocknet. Die exsikkatortrockene- Substanz enthält noch ein Molekül Krystallwasser, eine Thatsache, durch die die Verschiedenheit der beiden erwähnten Krystallformen eine Erklärung findet. Zur Bestimmung der spezif. Drehung wurden 1,1063 g lufttrockener Substanz auf 15cem Wasser gelöst und die Lösung im 2 dem-Rohr im Halbschattenapparate untersucht. Im Mittel von 5 Bestimmungen wurde der abgelesene Winkel zu + 1° 6’ gefunden. Daraus ergiebt sich &D| — + 7,46°, oder auf wasserfreie Substanz berechnet an) = + 8,25%. “E Über die Konstitution des Cystins. 31 Bei der Krystallwasserbestimmung und Elementaranalyse wurden folgende Zahlen erhalten: 0,2735. g lufttrockener Substanz verloren bei 110° 0,0266 & H,O, entspr. 9,73 Proz. H,O. 0,1754 g bei 110% getrockneter Substanz gaben 0,1570 & 00,, entspr. 21,30 Proz. © und 0,0658g 0, „ 420 „ H Berechnet für C,H,NSO, + H,O Gefunden H,0 9,62 Proz. 9,73 Proz. Berechnet für C,H,NSO, Gefunden C 21,28 Proz, 21,30 Proz. ENTE AO Untersuchung der zweiten Krystallisation. Die dureh Konzentration der Mutterlauge der wasserfreien Sulfo- säure erhaltenen Krystalle, die ein Gemisch von wasserfreier und krystallwasserhaltiger Substanz darstellen, werden aus Wasser unter Salzsäurezusatz umkrystallisiert. Beim langsamen Auskrystallisieren erhält man schöne, lange Nadeln, die zwischen Fliefspapier getrocknet werden. Aus 7,5 g angewandtem Material werden 7 g durch Aus- krystallisieren aus der sauren Lösung zurückgewonnen, der Rest durch vorsichtigen Alkoholzusatz. 0,1550 & luittrockener Substanz verloren bei 110° 0,0144 H,O, entspr. 9,29 Proz. H,O. 0,1867 & bei 110° getrockneter Substanz gaben 0,1449 CO,, entspr. 21,17 Proz. C und 0,0700g8 H,0, „ 4195 He 0,1900 & bei 110° getrockneter Substanz gaben 13,79 cem N (19,3°, 762 mm), entspr. 8,35 Proz. N. 0,1396 & bei 110° getrockneter Substanz gaben bei der S-Be- stimmung nach v. Asboth 0,1919g BaS0,, entspr. 18,91 Proz. S. Berechnet für C,H,NSO, + H,O Gefunden H,O 9,62 Proz. 9,29 Proz. Berechnet für C,H,NSO, Gefunden C 21,28 Proz. 21,17 Proz. ET: a N 850 „ 835 , S 1896 „ ee Zur Bestimmung der spezif. Drehung wurden 2,1194g bei 110° getrockneter Substanz auf 20ccm Wasser gelöst und die Lösung im Halbschattenapparat in einem 2dem-Rohr untersucht. Im Mittel von 5 Bestimmungen wurde ein Winkel von 1° 45’ abgelesen. Daraus berechnet sich & Dj] = + 8,26%. 323 E. Friedmann, Untersuchung der dritten Krystallisation. Die dritte Fraktion hatte nach dem Umkrystallisieren ganz das Aussehen der übrigen Krystallisationen. Ich begnügte mich mit der Krystallwasserbestimmung der lufttrockenen Substanz. 0,1354& Substanz verloren bei 110° 0,0128g H,O, entspr. 9,45 Proz. H,O. Berechnet für C,H,NSO, + H,O Gefunden H,O 9,62 Proz. 9,45 Proz. Aus den letzten Mutterlaugen der dritten Krystallisation wurden durch starkes Einengen geringe Mengen eines öligen Produktes erhalten, das mit amorphen Partikelchen durchsetzt war. Jedoch reichten die erhaltenen Mengen zur weiteren Verarbeitung nicht aus. In einem besonderen Versuche wurde die Ausbeute an Cystein- säure aus Cystin nach Reinigung des ersteren über das Kupfersalz bestimmt. 3g Cystin lieferten 3g wasserfreie und 0,6 g wasserhaltige Cysteinsäure, was einer Ausbeute von 83 Proz. der theoretischen Menge entspricht. Eine Zusammenfassung der bei der Oxydation des Cystins mit Brom erhaltenen Resultate zeigt folgendes Bild. Das Cystin liefert bei der Oxydation mit Brom zu 83 Proz. einen stark sauer reagierenden Körper, dessen Analysenzahlen nach seiner Reinigung über das Kupfersalz ihn als die dem Cystein ent- sprechende Sulfosäure erscheinen lassen. Dieselbe krystallisiert in zwei Formen, einer oktaedrischen wasserfreien und einer pris- matischen Form mit einem Molekül Krystallwasser. Obgleich sie aus dem Cystin, einer stark linksdrehenden Substanz, dargestellt ist, ist sie mälsig rechtsdrehend. Ihre wahrscheinliche Formel ist: CH, .SO,H wenngleich die Formel: COOH noch nicht völlig auszuschliefsen ist. Sie stellt die erste in der aliphatischen Reihe ie Amino- sulfofettsäure dar. Von ihren Eigenschaften sei hervorgehoben, dals sie ab- weichend vom Cystin beim Kochen mit Alkali (Natronlauge sowohl Uber die Konstitution des Cystins. Di wie Barytwasser) weder Schwefelsäure noch Ammoniak abspaltet. Es ist hierzu erhöhter Druck und eine Temperatur über 100° nötig. Sie ist gegen konzentrierte Salpetersäure ganz beständig, man kann sie mit derselben abrauchen, ohne sie zu verändern. Sie zeigt hierin ein dem Taurin ähnliches Verhalten. Bei längerem Erhitzen auf 190° beginnt sie sich zu bräunen und zu zersetzen, unterhalb dieser Temperatur ist sie auch bei längerem Erhitzen beständig. Bei raschem Erhitzen auf 260° zersetzt sie sich unter Bräunung, starkem Aufblähen und Entwickelung von schwefliger Säure, ebenso bläht sie sich beim Verbrennen enorm auf und hinterläfst eine voluminöse, leicht verbrennliche Kohle. Zur weiteren Oharakterisierung der Säure wurden einige Salze dargestellt. d) Salze der Cysteinsäure. Trotzdem die Cysteinsäure zwei saure Gruppen enthält, eine Karboxyl- und eine Sulfogruppe CH,SO,H VHNE: C00H fungiert sie doch in ihren Salzen nur als einbasische Säure. Die eine der beiden sauren Gruppen ist also durch die gleichzeitig: vor- handene Aminogruppe neutralisiert. Welche von beiden Gruppen, ob die Sulfo- oder Carboxylgruppe, konnte mit Sicherheit nicht entschieden werden. Gegen eine innere Salzbildung nach Art der Aminosäuren spricht vielleicht der Umstand, dafs es selbst beim Eintragen von Kupferhydroxyd in die wässerige Lösung der Sulfo- säure nicht gelingt, einerseits den Sulfosäurerest an Kupfer zu binden, andererseits ein den Aminosäuren analoges Kupfersalz zu erhalten. Dagegen scheint der Körper gegen Baryum mit einem freien Sulforest zu reagieren, bei innerer Neutralisation der Amino- gruppe und der Karboxylgruppe. Am wahrscheinlichsten erscheint es, dals die Cysteinsäure je nach der Affinität zum eintretenden Metall, in dem einen Fall mit einer freien Karboxylgruppe, in dem anderen Falle mit einer freien Sulfogruppe reagiert, und ich möchte annehmen, dals in dem dargestellten Kalium-, Kupfer- und Zinksalz das Metall in die Karboxyleruppe eingetreten ist, da- gegen im Baryumsalz in die Sulfogrupppe, um so mehr als letzeres Salz auch in seiner sonstigen Zusammensetzung sich wesentlich von den übrigen Salzen unterscheidet. Beitr. z. chem. Physiologie. ILI. [Sb] 34 E. Friedmann, Kaliumsalz. 29 Cysteinsäure werden in etwa 50ccm Wasser gelöst, mit einer wässerigen Kalilösung genau neutralisiert, die Lösung auf ein viertel Volumen konzentriert und bei Wasserbadtemperatur mit Alkohol ver- setzt, bis eine deutliche ölige Ausscheidung beginnt. Dieselbe wird mit der gerade genügenden Menge heilsen Wassers wieder zur Lösung gebracht. Beim langsamen Erkalten scheidet sich das Kalıumsalz krystallinisch aus. Dasselbe wird aus Wasser unter Alkoholzusatz zweimal umkrystallisiert. Es wurden 2,4g analysenreines Salz erhalten. 0,5825 g lufttrockenes Salz verlieren bei 105° 0,04682 H,O, entspr. 8,03 Proz. H,O. Zu den übrigen Bestimmungen wurde die Substanz bei 110° oe- trocknet. 0,1506 & Substanz gaben 0,0629 9 K,SO,, entspr. 18,76 Proz. K. 0,1974 g Substanz gaben 0,1239 & CO,, R DET und 0,0553 & H,O, en Sort hl: 0,1712g Substanz gaben 10,00ccm N (16,3°, 756,5 mm), entspr. 6,77 Proz. N. 0,2150 g Substanz gaben nach v. Asboth 0,2402 2 BaSO,, entspr. 15,37 Proz. S. Die wahrscheinliche Formel des Kaliumsalzes ist die: CH,.S0,H | CH.NH, + 11,0. | COOK Berechnet für C,H,NS0,K + H,O Gefunden H,O 8,00 Proz. 8,03 Proz. Berechnet für C,H,NSO,K Gefunden 017,37 Broz: 17,12 Proz. H 29 „ aus No ET D 19,300, 19,30.08 K18.88° , 18,76 „ Baryumsalaz. 2 g Cysteinsäure werden in 200 ccm Wasser gelöst und mit über- schüssigem Baryumkarbonat eine halbe Stunde am Rückflufskühler gekocht. Nach dem Erkalten wird filtriert und das Filtrat mit viel 95 proz. Alkohol gefällt. Nachdem sich der erhaltene schneeweilse, voluminöse Niederschlag gut abgesetzt hat, wird er äbgesaugt, mit verdünntem Alkohol ausgewaschen, auf Thon von Mutterlauge befreit und wiederholt mit Alkohol aus wässeriger Lösung umgefällt. Es wurden 2,6 2 analysenreines Baryumsalz erhalten. Zur Analyse wurde die Substanz im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet. | Über die Konstitution des Oystins. 35 0,1479 & Substanz lieferten 0,0768 0 BaS0O,, entspr. 50,53 Proz. Ba. 0,1651 & Substanz gaben 8,3lccm N (19,3°, 771 mm), entspr. 5,86 Proz. N. Wie man sieht, ist dieses Salz identisch mit dem oben beschriebenen Baryumsalz, aber ebenso wenig wie früher stimmen die erhaltenen Zahlen für das Baryumsalz der Sulfosäure, trotzdem diesmal zur Darstellung des Salzes von analysenreiner Sulfosäure ausgegangen war. Wohl aber zeigen sie eine annähernde Überein- stimmung mit den für das Anhydrid der Sulfosäure verlangten Zahlen. Die Annahme, dafs dieses entstanden ist, scheint nicht willkürlich, da das erhaltene Baryumsalz alkalisch reagiert. Die wahrscheinliche Formel wäre also: CE SO BOSCH, | CHNH, CHNH, | | (020) 0) 00 Berechnet für C,H,,N,S;0, Ba Gefunden Il, I. Ba 30,16 Proz. 30,79 Proz. 30,53 Proz. Ne 616, 6AT 586. > S207 oe x (Die unter I aufgeführten Zahlen entsprechen den auf S.26 an- gegebenen Analysen.) Es sei jedoch nicht verschwiegen, dafs ich auch Baryumsalze in den Händen gehabt habe mit einem höheren Baryumgehalt. So wurde in einem Falle ein Baryumgehalt von 32,79 Proz. ge- funden, in einem anderen Falle von 31,86 Proz., in einem dritten Falle von 31,79 Proz. Es gelang mir jedoch nicht, ausfindig zu machen, worauf diese Inkonstanz zurückzuführen ist. Die Bestimmung der spezif. Drehung ergab, dals das Baryum- salz schwach linksdrehend ist. Zur Bestimmung gelangte ein aus der oben erwähnten zweiten Krystallisation der Sulfosäure dargestelltes Baryumsalz. 0,6219 & im Vakuum getrockneter Substanz wurden zu 15 ccm in Wasser gelöst und diese Lösung im 2dem-Rohr im Halbschatten- apparat untersucht. Im Mittel von 5 Bestimmungen wurde ein Winkel von — 0° 41’ abgelesen. Daraus berechnet sich &[D] = — 0,839. Das Baryumsalz liefert bei der Spaltung im Rohr bei 240° neben geringen Mengen eines neutralen, stickstoff- und schwefel- haltisen Körpers Baryumsulfit. 36 E. Friedmann, Kupfersalz. Trägt man in eine Lösung der freien Sulfosäure Kupferhydroxyd ein und kocht längere Zeit, bis kein Kupfer mehr aufgenommen wird, so erhält man ein tiefblaues Filtrat, dessen Blau einen schön vio- letten Ton zeigt, und das beim Einengen eine derbe Kruste von tief- blauen Krystallen absetzt. Dieselben werden aus viel Wasser wieder- holt umkrystallisiert, bei 110° getrocknet und analysiert. Die Substanz enthält kein bei 120° entweichendes Krystallwasser. Zur Kupferbestimmung wurde die Substanz in salzsäurehaltigem Wasser gelöst; das Kupfer wurde als Kupfersulfür bestimmt. 0,2270 g Substanz gaben 0,0736 g Cu,S, entspr. 25,89 Proz. Cu. 0,2212 g Substanz gaben 0,1192 g CO,, 4 14,705 7,236 und 0,0593g H,0, ,„ 3.0077, 22H 0,1923 g Substanz gaben 9,99 cem N (22,4°, 763 mm), entspr. 5,88 Proz. N. 0,1724 g Substanz gaben nach v. Asboth 0,1650 g BaSO,, entspr. 13,14 Proz. S. Diese Zahlen sprechen vielleicht für ein basisches Kupfersalz der Formel: CHF SOFE | CH.NH, | C0O0CuOH Berechnet für C,H,NSO0,Cu Gefunden Cu 25,57 Proz. 25,89 Proz. El 1447 |, 14700, H 283 „ 3,00 „ N 565, 5,88 „ SB o8g TB, Es wurde bereits erwähnt, dafs das Kupfersalz durch grolse Schwerlöslichkeit in kaltem Wasser ausgezeichnet ist. Jedoch fällt das einmal in viel heifsem Wasser gelöste Salz beim Erkalten nicht wieder aus, und es ist hierzu erst Konzentration der wässerigen Lösung nötig. Von der Schwerlöslichkeit wurde zur Reinigung der freien Sulfosäure Gebrauch gemacht, auch zur Isolierung der Oystein- säure aus Gemengen kann diese Eigenschaft erfolgreich verwertet werden, da ich in den Fällen, wo ich bei der Oxydation mit Brom von nicht ganz reinem Oystin ausging und beim‘ Einengen der Reaktionsflüssigkeit nur ölige, nicht krystallisierende Produkte er- hielt, durch Darstellen dieses schwer löslichen Kupfersalzes mit Leichtigkeit zu reiner, schön krystallisierter Oysteinsäure gelangen konnte. Über die Konstitution des Cystins. w —] Zinksalz. 1 g Cysteinsäure wird mit einem Überschuls von Zinkkarbonat eine halbe Stunde gekocht. Nach dem Filtrieren wird das alkalisch reagierende Filtrat eingedampft, Es bleiben gut ausgebildete Drusen von Nadeln zurück. Sie werden in wenig heilsem Wasser gelöst, die Lösung heils filtriert und in der Wärme mit Alkohol bis zur eben bleibenden Trübung versetzt. Der Alkoholzusatz muls langsam ge- schehen, da das Produkt sonst leicht ölig ausfällt. Beim Erkalten krystallisieren nach längerem Stehen schön ausgebildete, stark glänzende, kurze Nadeln in drusenförmiger Anordnung aus. Die Krystalle zeigen ausgesprochene Hemiedrie der Flächen. Eine einzelne Nadel unter dem Mikroskop betrachtet, zeigt an ihrem einen Ende eine rechtwinklig abgeschnittene Fläche, an dem anderen Ende zwei dachziegelförmig gegeneinander geneigte Flächen. Beim Auf- bewahren aber Sale sslsnne zeigen die Krystalle deutliche Ver- witterungserscheinungen, sie verlieren ihren Glanz, werden opak und schrumpfen stark. Eine ähnliche, wenn auch nicht so starke Ver- witterung zeigt die Substanz beim Aufbewahren an der Luft. Aus 1 Cysteinsäure wurden 1,3 g analysenreines Zinksalz erhalten. 0,3227 g durch Alkohol, Äther getrockneter Substanz verloren bei Zimmertemperatur 0,0139 H,O, entspr. 4,34 Proz. H,O. 0,3227 g durch Alkohol, Äther getrockneter Substanz verloren bei 110° 0,0570 H,0, entspr. 17,66 Proz. H,O. Das Zink wurde als basisches Zinkkarbonat bestimmt; nachdem die Substanz für diese Bestimmung und für die Elementaranalyse bei 110° oetrocknet war. 0,1764 0 Substanz gaben 0,0576 8 Zn, entspr. 26,24 Proz. Zn. 0 2086 8 Substanz gaben O 1192 8 CO RL AO und 0,0537 & H,0, ,„ 2,SSER ER Diese Analysen können für ein basisches Zinksalz der Formel: CH,.SO,H Im.ne, b00ZnoH mit 3 Mol. Krystallwasser gedeutet werden, von denen nahezu 1 Mol. bei Zimmertemperatur entweicht. Berechnet für 0,H,NS0,Zn 4 3H,0 Gefunden 3H,0 17,74 Proz. 17,66 Proz. Ja. 022 5:91 434 5 Berechnet für C,H,NS0,Zn Gefunden Zn 26,10 Proz. 26,24 Proz. er137,, 14,67 „ W989. 1; 2,88 „ 38 E. Friedmann, B. Oxydation des Cysteins mit Brom. Da sich bekanntlich Merkaptane und Disulfide bei der Oxy- dation verschieden verhalten, wurde auch das Verhalten des Cysteins gegen Brom untersucht. Um sicher zu sein, auch wirklich mit Cystein zu arbeiten, wurde die Base als Chlorhydrat der Oxydation unterworfen, da beobachtet wurde, dals die freie Base je nach der Dauer des Aufbewahrens wieder mehr oder weniger vollständig in Cystin übergegangen war. Es ergab sich, dals das Cystein dasselbe Oxydationsprodukt liefert wie das Cystin. Die Oxydation mit Brom wurde in derselben Weise vorgenommen, wie sie beim Cystin beschrieben wurde, das Oxydationsprodukt nach Überführung in das Kupfersalz und Wiedergewinnung aus demselben durch wiederholtes Umkrystallisieren gereinigt. Zur Analyse wurde die Substanz bei 110° getrocknet. 0,1710 g Substanz gaben 0,1338 g C0,, entspr. 21,34 Proz. C und 0,0696. H,0, „ 4,99 wg 0,1545 & Substanz gaben 11,59ccm N (18,6°%, 748 mm), entspr. 8,50 Proz. N. 0,4333 g Substanz gaben nach v. Asboth 0,6155 g BaSO,, entspr. 19,50 Proz. S. Berechnet für C,H,NS0, Gefunden C 21,28 Proz. 21,34 Proz. SZ 4,55 „ NF28,305, 8:n02B >, 58967, 1950 C. Überführung der Cysteinsäure in Taurin. Wenn von den beiden für die Oysteinsäure möglichen Formeln die wahrscheinliche Formel CH,.S0,H CH.NH, | „= C00H die richtige ist, so mulste eine einfache Kohlensäureabspaltung aus obiger Substanz zum Taurin führen 3,80, 8 CH,.NH,. Versuche, diese Abspaltung unter dem Einfluls verdünnter Säuren im Rohr zu erzielen, fielen völlig negativ aus.” Ich erhielt eine schmierige, schwärzliche Reaktionsflüssigkeit, aus der ich nur Über die Konstitution des Cystins. N) Ne) nach langem, ziemlich mühseligem Arbeiten geringe Mengen eines stark sauer reagierenden Körpers isolieren konnte, dessen Elementar- analyse ihn als Cysteinsäure erkennen liefs, wenngleich seine Kıystallform keiner der beiden beobachteten Krystallformen der Cysteinsäure entsprach. Vermutlich lag ein inaktives Produkt vor. Bei Versuchen, die ich zu demselben Zweck mit dem Baryum- salz der Cysteinsäure anstellte, erhitzte ich dasselbe in wässeriger Lösung im Rohr, bekam aber nicht, wie ich erwartete, eine Baryum- karbonatausscheidung, sondern es war unter diesen Umständen mindestens die Hälfte des vorhandenen Schwefels als Baryumsulfit abgespalten worden. Beim Öffnen der Röhren entwich aber Kohlen- säure unter Druck, wie einwandfrei nachgewiesen wurde, und es war deshalb möglich, dafs dementsprechend Taurin gebildet war. In der That gelang es mir auch, aus der Reaktionsflüssigkeit ge- ringe Mengen eines neutralen stickstoff- und schwefelhaltigen Körpers zu isolieren, dessen Krystallform der dem Taurin zuge- schriebenen entsprach, aber die Ausbeuten waren so spärliche, dafs es vieler Zersetzungsversuche bedurft hätte, um das zur Analyse nötige Material zu sammeln. Da ich nun ferner beobachtete, dafs die Baryumsulfitabscheidung im Rohr bereits bei verhältnismälsig niedriger Temperatur begann, so schien es mir wahrscheinlich, dafs die Zersetzung des Baryumsalzes unter Druck in zwei Phasen ver- läuft, deren erste im wesentlichen eine Abspaltung von schwefliger Säure vorstellt, abhängig von dem Einflufs des Baryums und seiner vorhandenen Menge entsprechend, deren zweite aber in einer Kohlen- säureabspaltung besteht, die aber nicht unter dem Einflufs des Baryums erfolgt sein konnte, da das meiste Baryum bereits entfernt war, sondern bei der die Wirkung des Wassers das wesentliche Agens sein mulste. Diese Überlegung führte dazu, die Kohlensäureabspaltung aus der Cysteinsäure durch Erhitzen der freien Säure mit Wasser im Rohr bei erhöhter Temperatur zu versuchen. 2g Cysteinsäure, die aus dem Kupfersalz gewonnen und vollkommen analysenrein waren, werden mit 15 ccm Wasser im Rohre erhitzt. Das Erhitzen wird so geleitet, dafs die Temperatur im Ofen innerhalb 2 Stunden auf 235° gebracht und darauf noch weitere 2 Stunden zwischen 235° und 240° gehalten wird. Nach völligem Erkalten wird die Röhre geöffnet, wobei unter beträchtlichem Druck ein geruch- loses Gas entweicht, das als Kohlensäure erkannt wird. Die Reaktions- Hüssigkeit ist ziemlich dunkel gefärbt und wird deshalb mit Tierkohle entfärbt. Ihre Reaktion ist nur schwach sauer, geringe Mengen ab- gespaltener Schwefelsäure sind nachweisbar. Nachdem auf ein kleines 40 E. Friedmann, Volumen eingeengt ist, findet beim Stehen eine reichliche, krystallinische Ausscheidung statt. Die derben, nadelförmigen Krystalle, die leicht grau schimmern, werden auf Thonplatten von der Mutterlauge getrennt, von neuem in Wasser gelöst und von wenig Tierkohle abfiltriert. Die Lösung reagiert jetzt gegen Lackmuspapier neutral. Aus der einge- engten Flüssigkeit schielsen beim Erkalten lange Nadeln an, die deutlich einseitig abgestumpfte Ecken haben und somit die für das Taurin typische Krystallform besitzen. Durch wiederholtes Umkrystallisieren aus Wasser werden sie weiter gereinigt. Man kann beobachten, dafs man unter Umständen Krystalle erhält, deren Lösung neutral reagiert, die aber, auf blaues Lackmuspapier ge- bracht und mit Wasser befeuchtet, einen deutlich roten Fleck hinterlassen. Man kommt in diesem Falle rasch zu einem analysenreinen Produkt, wenn man es aus Wasser umkrystallisiert, dem einige Tropfen stark verdünnten Ammoniaks zugesetzt sind. Die Ausbeute aus 22 Sulfosäure betrug 0,86 & analysenreines Produkt, was einer Ausbeute von 59 Proz. der theoretischen Menge entspricht. Die wirklich gebildete Taurinmenge ist jedoch gröfser, da bei dem Absaugen auf Thonplatten Verluste nicht zu ver- meiden sind. Der Versuch wurde unter Einhaltung der obigen Bedingungen dreimal mit positivem Erfolg wiederholt. Die Analyse der bei 110° oetrockneten Substanz bestätigte, dals das erhaltene Produkt Taurin war. 0,1846 g Substanz gaben 0,1304. CO,, entspr. 19,27 Proz. C und 0,0972g H,0, „ RER Jah 0,1544 Substanz gaben 15,58 cem N (23,7, 756 mm), entspr. 11,27 Proz..N:. 0,1630 g Substanz gaben nach v. Asboth 0,3073 BaSO,, entspr. 25,89 Proz. S. Berechnet für C,H,NSO, Gefunden O9 ISUBrLOZ. 19,27 Proz. He 5,89 „ N. 11000, or Ss 25,62 , 25,89 Mit dem Nachweis des Taurins bei der Spaltung der Oystein- säure ist für diese und ebenso für das Cystin bewiesen, dafs Thio- gruppe und Aminogruppe an verschiedenen Kohlenstoffatomen stehen. Da die B-Stellung der Thiogruppe zur Karboxylgruppe durch den Nachweis der ß-Thiomilchsäure festgestellt werden konnte, so ergiebt sich aus der Überführung der Cysteinsäure in Taurin die vermutete &-Stellung der Aminogruppe in der Cysteinsäure und daher auch im Cystin. Über die Konstitution des Cystins. 41 Die Formel des Oysteins ist demnach CH,.SH | CH.NH, | COOH, die des Cystins KES S 0m. | I ae CH.NH, | COOH COOH und die der Cysteinsäure CH,.80,H CH.NI, | COOH. D. Überführung der Cysteinsäure in Serin. Bei der relativ leichten Abspaltung der Sulfogruppe aus der Oysteinsäure lag es nahe, zu versuchen, die Sulfogruppe durch die Hydroxylgruppe zu ersetzen. Es war zu erwarten, dafs dieser Wee zum Serin führen würde. Die Vermutung, dafs Cystin und Serin in einem engen Zu- sammenhang stehen, ist so alt wie das Serin selber. Cramer”), der Entdecker des Serins, hat diese Hypothese bereits ausgesprochen, und da er für das Serin durch Überführung desselben in Glycerin- säure die Konstitution CH,.OH dH.NH, cooH nachgewiesen hatte, war er geneigt, in dem Cystin (resp. in dem Cystein) ein Thioserin zu sehen. Jedoch brachte er keinerlei Be- weise für diesen vermuteten Zusammenhang. Nach ihm hat Baumann **) die Frage nach dem Zusammenhang dieser beiden Substanzen diskutiert, kam aber, da das Serin durch Barytwasser nur sehr allmählich und unvollständig unter Ammoniak- entwickelung angegriffen wird und bei dieser Zersetzung weder ÖOxalsäure noch Uvitinsäure gebildet wird, zu dem Ergebnis, dafs «*) Jahresberichte 1865, S. 654; Zeitschr. f. prakt. Chem. 96, 76. *=*) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 15, 1755. 42 E. Friedmann, das Serin dem Cystin’ nicht analog gebaut ist. Er wurde gerade durch den von Öramer erbrachten Nachweis der Glycerinsäure bei der Behandlung des Serins mit salpetriger Säure in dieser ‘Vorstellung bestärkt. Neuerdings hat Kossel*) eine Vermutung über den Zu- sammenhang des Cystins und des Serins ausgesprochen. Kossel stellt für das Serin und das Cystein folgende Konstitutionsformeln auf: CH, CH, Io | sH INH, ar COOH 00H s Durch die vor kurzem von E. Fischer**) mitgeteilte Syn- these des Serins durch Anlagerung von Ammoniak und Blausäure an Glykolaldehyd und Verseifung des entstandenen Produktes ist die Konstitution des Serins als &- Amino-ß-oxypropionsäure zur Gewilsheit erhoben worden. Es besteht also zwischen Serin und Cystin sicherlich ein klarer chemischer Zusammenhang, der vielleicht nicht ohne biologische Bedeutung ist. Eigene, ein halbes Jahr vor der Publikation von E. Fischer und H. Leuchs angestellte Versuche, die Überführung des Cystins in Serin auf dem Umwege der Cysteinsäure zu bewerkstellicen, haben zwar ergeben, dafs dieselbe möglich ist, doch bin ich nicht zu einer einfachen Methode gelangt, welche sestattete, das Serin konstant und in befriedigender Ausbeute zu gewinnen, doch mögen diese Versuche als die in der angedeuteten Richtung zuerst aus- geführten hier Erwähnung finden. 28 Üysteinsäure werden in 400 ccm Barytwasser gelöst und im Autoklaven 8 Stunden bei 150° zersetzt. Nach dem Erkalten wird vom abgespaltenen Baryumsulfit abfiltriert, der gröfste Teil des überschüssigen Baryts durch Kohlensäure entfernt, der letzte Rest durch genaues Aus- fällen mit verdünnter Schwefelsäure. Das zum dünnen Sirup eingeengte Filtrat setzt beim Stehen Drusen von Nadeln ab. Sirup und Krystalle werden in SO proz. Alkohol gelöst, und die Lösung von einer geringen, amorphen Ausscheidung durch Filtration befreit. Beim Eindampfen der wässerig alkoholischen Lösung krystallisieren schöne Drusen von Nadeln aus, die mechanisch von der Mutterlauge getrennt und auf Thon abgesaugt werden. Durch weiteres Konzentrieren der Mutter- laugen können noch zwei Krystallisationen erhalten werden, die wie *) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 34, 3220. **=) Emil Fischer und Hermann Leuchs, Sitzungsber. d. köniel. preulsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin; Sitzung d. phys.-math. Klasse v. 30. Januar 1902. Über die Konstitution des Oystins. 43 die erste behandelt werden. Die gut abgepreisten Krystalle werden in Wasser gelöst, mit Kupferhydroxyd gekocht und die filtrierten, pracht- voll blauvioletten Lösungen stark eingeengt, der Rückstand wird mit 75 proz. Alkohol aufgenommen und dieser Auszug von neuem ein- gedampft. Der so erhaltene Rückstand, mit verdünntem Alkohol auf- genommen, giebt eine Lösung, die beim starken Konzentrieren schön blauviolett gefärbte, blättchenförmige Krystalle liefert, die Stickstoff enthalten, aber frei von Baryum und Schwefel sind. Bei der ersten Darstellung wurden aus 29 Uysteinsäure 0,32 Kupfersalz erhalten, bei der zweiten 0,088. Es konnte nur der Kupfergehalt der bei 110° getrockneten Substanz bestimmt werden. 0,2570 g Substanz gaben 0,0866 & CuO, entspr. 23,80 Proz. Cu. 0,0774 5; a 0.0232 g CuO, = 20, A GL Berechnet für Gefunden C,H,.N,0,Cu IL IT Cu 23,40 Proz. 23,80 Proz. 23,94 Proz. Versuche, durch kürzere Baryteinwirkung bei 170° und bei 200° bessere Ausbeute zu erhalten, fielen negativ aus. Vielleicht gelingt es aber, durch Arbeiten mit berechneten Mengen Baryt bei einer Temperatur unterhalb 150% zum Ziele zu gelangen. Schlufsbetrachtung. Mit dem Nachweis, dals das Oystin eine &-Diamino-ß-dithio- dilaktylsäure ist, wird der von Baumann vertretenen Anschauung eines direkten chemischen Zusammenhanges der Merkaptursäuren und des Oystins der experimentelle Boden entzogen, da die den beiden Körpern entsprechenden Cysteine verschieden gebaut sind. Das den Merkaptursäuren zu Grunde liegende Cystein mag, wegen der &-Stellung seiner Thiogruppe, als &-Cystein bezeichnet werden, woraus sich für das Cystein, dessen Disulfid das Cystin ist, die Benennung als ß-Oystein ergiebt: CH, CH,.SH | | NIS SC SH CEISNEHE | | cool COOH «@-ÜOystein. 3-Cystein. Beides sind, wie ein Blick auf obige Formeln zeigt, zwar isomere, aber doch ganz verschiedene Substanzen, und die be- obachteten Abweichungen in dem chemischen Verhalten ihrer Derivate voneinander finden hierin eine ausreichende Erklärung. 44 E. Friedmann, Das «-Cystein erweist’ sich, wie die obige Formel zeigt, als Brenz- traubensäureabkömmling, und seine Derivate geben daher bei der Alkalispaltung mit Leichtigkeit Brenztraubensäure, während das P-Cystein ein Glycerinsäurederivat ist. Letzteres kann daher auch bei der Alkalispaltung nicht direkt Brenztraubensäure liefern, was durch zahlreiche Versuche bestätigt wird. Sollte diese Säure aber dennoch bei andauernder Einwirkung von Alkali auf das Oystin entstehen, so ist ihre Bildung als ein sekundärer Prozels aufzu- fassen, da Übergänge von Glycerinsäure in Brenztraubensäure unter verschiedenen Bedingungen beobachtet worden sind *) Damit würde das Auftreten von Oxalsäure und Uvitinsäure unter den Spaltungsprodukten des Cystins eine Erklärung finden, ohne auf die von Baumann konstruierte Analogie im Bau der Merkaptur- säuren und des Cystins zurückgreifen zu müssen. Die Verschieden- heiten im chemischen Verhalten der Derivate des &-Oysteins und des ß-Cysteins beschränken sich aber nicht blofls auf das Auftreten resp. auf das Ausbleiben der Brenztraubensäure unter den Produkten intensiver Alkalieinwirkung, sondern es liegen noch einige andere Beobachtungen über abweichendes Verhalten der beiden Substanzen gegen Alkali vor, die, nachdem die verschiedene Struktur des Cystins und der Merkaptursäuren bewiesen ist, erneute Beachtung beanspruchen. Baumann und Goldmann**) haben gezeigt, dafs das Cystin seinen Schwefel auch bei längerem Erhitzen mit Alkalien nicht vollständig abgiebt, während die Merkaptursäuren bei gleicher Behandlung ihren Schwefel nahezu quantitativ als Merkaptan ab- spalten. Als Brenzinger ***) Äthyleystein (Äthyl-ß-eystein) mit Fehlingscher Lösung gerade auf die Temperatur erhitzte, bei der überhaupt Spaltung eintritt (70° bis 75°), so trat die Ammoniak- entwickelung erst auf, als die Abscheidung des Kupfermerkaptids nahezu beendet war, während beim Phenyleystein (Phenyl-«-cystein) nach den Beobachtungen von Baumann und Preufse 7) stets gleichzeitig Ammoniak und Phenylmerkaptan abgespalten wird. Auch dieses Verhalten wird beim Betrachten der entsprechenden Formeln leicht verständlich: *) Moldenhauer, Ann. 131, 323; Erlenmeyer, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 14, 321. *=) Zeitschr. f. physiol. Chemie 12, 261 (1888). eis) Tihenda 16, 570 (1892). 7) Ebenda, 1. ce. Über die Konstitution des Cystins. 45 CH2293.,C5H, CH, | | CH.NH, ANIEISCZES SU EI, | | COOH COOH Äthyl--eystein. Phenyl-«-eystein. Auch nach der physiologischen Seite ist an einem direkten Zusammenhang zwischen Merkaptursäuren und Oystin in dem Sinne, dals die Merkaptursäurebildung im tierischen Organismus eine experimentelle Oystinurie sei, nicht mehr festzuhalten, vielmehr kann man sich dem Schlusse nicht entziehen, dals der tierische Organismus eben über zwei Cysteine verfügt, das #-Oystein der Merkaptursäuren und das ß-Cystein der Eiweilskörper. Wenn so einerseits eine klare und einfache physiologische Vorstellung durch vorstehende Untersuchung zerstört wird, wird auf der anderen Seite eine Grundlage gegeben, nach welcher Richtung die Bedeutung des Cystins im normalen tierischen Stoff- wechsel zu suchen ist. Denn da gezeigt werden konnte, dafs das Cystin leicht und glatt in Taurin übergeführt werden kann, hat die Vermutung eine hohe Wahrscheinlichkeit, dafs auch für den tierischen Organismus das Oystin die Quelle darstellt, aus dem er das bei der Ausscheidung der Taurocholsäure verwendete Taurin bildet. Damit ist aber auch für das TTaurin seine Abstammung vom Eiweils gegeben, eine Beziehung, die die Fütterungsversuche von Kunkel*) und P. Spiro **) nur vermuten liefsen. Denn diese Forscher konnten an Gallenfistelhunden zeigen, dafs, wenn man das den Hunden zugeführte Eiweils auf die achtfache Menge steigerte, die Stickstoff- und Schwefelausscheidung durch die Galle der Versuchstiere auf das Doppelte anstieg. Aber für diese Vermutung ist ebenso noch der Beweis durch das Tierexperiment zu erbringen, wie für die andere damit eng ver- bundene Frage nach der Art, wie diese Überführung im tierischen Organismus erfolgt. Ist hierzu die Bildung der Cysteinsäure nötig, und erfolgt dann die Taurinbildung durch fermentative Kohlen- säureabspaltung ***), oder bildet der Organismus das Taurin direkt durch Oxydation der Thiogruppe zur Sulfogruppe unter gleich- zeitiser Abspaltung der endstelligen Karboxylgruppe in ein und demselben Prozels? Diese Fragen scheinen ebenfalls dem Tier- *) Pflügers Archiv 14, 344. *=*) Du Bois’ Archiv, 1380, Suppl.-Band, S. 50. *##) R. L. Emerson, Diese Beiträge I, S. 502 (1901). 46 E. Friedmann, Über die Konstitution des Cystins. experiment zugänglich zu sein und laden zu weiterer Forschung in der angegebenen Richtung ein. Auch der nachgewiesene Zusammenhang des Cysteins und des Serins bietet vielleicht ein biologisches Interesse und giebt zu der Vermutung Anlafs, dafs diejenigen Eiweilsstoffe, die keinen locker gebundenen Schwefel, also auch kein Cystin aufweisen, Serin enthalten, dals Cystein und Serin einander je nach Bedarf des pflanzlichen oder tierischen Organismus ersetzen können, eine Ver- mutung, die bei der grolsen chemischen Ähnlichkeit der Thio- und der Hydroxylgruppe einige Wahrscheinlichkeit hat. Nach der chemischen Seite läfst dieser Zusammenhang daran denken, einen Aufbau des Cysteins von dem bereits synthetisch erhaltenen Serin aus mit Hülfe eines Ersatzes der Hydroxylgruppe durch die Thio- gruppe zu versuchen. uk Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung und Eiweifsbildung der Schimmelpilze. Von F. Uzapek. (Ausgeführt mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen.) 3. Die Verarbeitung von Nitro- und Hydrazinderivaten und von aromatischen Stickstoffverbindungen. — Schlufsbetrachtungen. Nachdem wir die Stoffe, welche bei Aspergillus niger als wichtigstes Substrat für die Aminosäuren- und Eiweilssynthese dienen können, in der zweiten Studie dieser Reihe kennen gelernt haben, erübrigt es noch, eine Reihe abweichend gebauter Stickstoff- verbindungen auf ihren Nährwert als Stickstoffquelle hin zu prüfen. Hierbei ergab sich eine Anzahl erwähnenswerter Thatsachen von grölserer oder beschränkterer Bedeutung, über die ich noch bei richten will. a) Versuche mit anorganischen und organischen Nitroderivaten. Es ist eine bekannte Thatsache, dafs sich die Pflanzen gegen Nitrate sehr verschieden verhalten. Man weils schon lange, dafs Saccharomyceten bei Darreichung von Nitraten ihren Stickstoff- bedarf nicht zu decken vermögen; sie können demnach daraus die NH,-Gruppe nicht herstellen. Hingegen ist augenscheinlich Salpeter- säure, also das Ion NO,, für Phanerogamen eine der allerbesten Stickstoffquellen, ebenso für Algen. Bei der Hefe ist die Untüchtig- keit der Nitrate um so auffallender, als der Pilz anstandslos Sulfate zu SH,-Derivaten zu reduzieren vermag. 48 F. Czapek, % Tabelle L Pilztrocken- | Stickstoffgehalt i ME ‚auf roz. Lösung Substanz | derselben A Be gs! Zucker Proz. mg AmmonnItrat Ne 35,05 213,2 Kaliumnıtratt era SP ee | 13,87 157,6 j Nitromethan= CH, > NO, nme: 22,99 14,9 Methylhydrazin N,— NH—-CH,........ | 19,47 148,1 (Sulfat mit NaOH abgestumpft) | Phenylhydrazin N,— NH—C,H, ..... — — (Chlorhydrat) | a YyYCH— CH, Athaldosumm u. Near Te ee _ — NOH | you | Acetoximi, ONE OH ee — — | NOCH, Aspergillus niger wächst wie andere Schimmelpilze auf Nitraten ganz gut, wenn er auch augenscheinlich Ammoniumsalze bevorzugt. Dies zeigt sich auch darin, dafs er auf Ammonnitrat besser ge- deiht als auf Kalisalpeter. Die NO,-Gruppe wird also jedenfalls in die Amidgruppe durch Aspergillus nicht schwer übergeführt. Hervorzuheben ist, was ich hisher nicht angegeben fand, dals der | Pilz auch Nitromethan verarbeitet. Er bildet wohl darin nur eine | schwache konidienarme Vegetation, doch findet Wachstum statt (vgl. die Zahlenwerte in Tabelle I). Über den Reduktionsvorgang, der sich an der Nitrogruppe abspielt, läfst sich in keinem Falle etwas Bestimmtes aussagen. NH,;,-Ionen brauchen nicht das Endprodukt zu sein, es können auch komplexe NH;- oder N Hhaltige Gruppen entstehen, die das Ma- terial zur Aminosäuresynthese abgeben. Für die Nitroparaffine hat V. Meyer gezeigt, dafs ihre Reduktion zu Alkylaminen über das Zwischenstadium von Alkylhydroxylamin führt. Analoge Vorgänge sind bei der Verarbeitung von Nitromethan durch Aspergillus nicht ausgeschlossen, obwohl verschiedene Untersuchungen die toxischen Eigenschaften von Hydroxylamin feststellen konnten. Minimale Mengen dieses Zwischenproduktes könnten dennoch vor- Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. 8. w. 49 | Pilz- Stick- Iroelens Stick- Bau Aussehen der Kultur BEN DR ai ee ve nutzung auf 4proz. nutzung Kultur 100 Lösung | 100: ohne Zucker | 14,6 Schöne konidienreiche Decke _ _ 27,3 Schöne konidienreiche Decke — = _- 1,5 Schwache schleimiee konidien- En — — arme Vegetation 18,2 Gekröseartige weilse konidien- — -- lose Vegetation — kein Wachstum — — _ En kein Wachstum — — E B kein Wachstum — _ kein Wachstum übergehend auftreten. Übrigens würde gerade durch die Bildung solcher toxischer Zwischenprodukte die relativ schlechte Wirkung von Nitromethan erklärt werden; man hat natürlich auch zu be- rücksichtisen, dafs der Vorgang durch verschieden leichte Ver- arbeitung des Paarlings der NO,-Gruppe beeinflulst werden kann. b) Versuche mit Hydrazinen. Abgesehen von der Feststellung der Giftwirkung des Diamids durch ©. Loew sind mir auf diesem Gebiete keine Angaben be- kannt geworden. Nach meinen Erfahrungen giebt es unter den Alkylhydrazinen thatsächlich Stoffe, die relativ gute Stickstoff- quellen sind. So steht das Methylhydrazinsulfat an Wirkung vielen Stoffen mit der NH,-Gruppe nicht nach (Tabelle I). Konidienbildung beobachtete ich auf diesem Substrate allerdings nicht, die Decke war weils, von abnormem Aussehen. Phenylhydrazin war untaug- lich. Jedenfalls erfährt man aus den Versuchen, dafs die Gruppe — NH-—ND, als Stickstoffquelle benutzt werden kann und negative Resultate durch. das Alkyl hervorgerufen werden. Aminosäure- synthese findet jedoch gewils nur schwierig statt. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 4 50 F. Czapek, Tabelle I. Stickstoff- | Pilztrockengewicht Sen gehalt der | auf lproz. Lösung Se Substanz + 3 Proz. Zucker Proz. | mg OH /NNH, o-Aminophenol | | ET RE N EEE 12,87 116,0 NG OH EN p-Aminophenol | | N RE EL STE a 247,5 SZ NH, OH EN m-Aminophenol | | SE ER ETREUNE R ur Chlorhydrat \ / NH, COH /NNH, o-Aminobenzaldehyd | | REN DAR NE —= In konz. Lösung NL CO —CH, NINE, Aminoacetophenon | | BEL A RE A. = —_ Sn OH /NNH, Diaminophenol, Amidol | | En 14,24 241,9 | Chlorhydrat \_/ | N | Diaminoresorein, Chlorhydrat SEE — — ae 00—C,H, Benzoylanilid NH | Isatin sn 220 a BE ES ee 5 /NcCo0oH Nakalınsanre | ee 9,676 103,6 (Natronsalz) \_/ N Pyridin und Chinolin (Chlorhydrat) ....... = = Rhodannatrıum Nas O0) Ng 17,3 87,9 F kaltum meer — = errocyankalıum e<(CN),K, jeyankali ZN ee = = Ferricyankalium FeZCN).K, Nitroprussidnatrium Fe (CN), (NO)Na, ..... —_ —_ Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. 8. w. 5l Stickstoft- ausnutzung Aussehen der Kultur 100: 21,6 Wenige grölsere konidienarme Rasen 46,1 Dünne schwarze Decke — Sehr schwache Vegetation -3Proz.Zucker| Dünner Rasen. Nicht gewogen. —_ Kein Wachstum 40,7 Dünne schwarze Decke — Kein Wachstum 12,55 Dünne schleimige konidienarme Decke — Je ein lcm im Durchmesser haltendes, konidientragendes Räschen ausgebildet 25,7 Gute schwarz und weils gescheckte Decke _ Kein Wachstum 12,2 Weilse zusammenhängende Decke — Kein Wachstum — Sehr kleine weilse Mycelflöckchen. Nicht gewogen. — Sehr dünne Decke oder Räschen. Von Wägung abgesehen. 4A* 52 F. Czapek, Tabelle II. Ammonsalz der Mole- kulare Leitfähig- keit v = 2048 Lit. Stickstoff- gehalt der Substanz Proz. Pilztrocken- gewicht auf 1 proz. Lösung +3 Proz. Zuck.! ms Benzoesäure leg erei jelı lei ernten le we ee o-Toluylsäure | | GG CH, — CH, COONEH, N Hydrozimtsäure | V CH=CH-—-COONEH, N let weile, Mel os lee mean Zimtsäure \ 0—CH,—COONH, EN Phenoxylessigsäure | | Va U ECHNICHMER ON NA ee Nuelıhltur. ve uka line lete alanehel, in Weite NG wi ei, (emailen Le) fel /Jertn)e 24,6 15,71 19,18 56,55 59,88 26,82 17,19 8,4 8,5 8,3 9,05 10,4 493,4 9,5 er 123,3 169,9 Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. 8. w. oO o Aussehen der Kultur Sehr spärliche helle Rasen Viele sehr kleine weilse Knollige dicke dunkel- Sehöne schwarz und. weils gescheckte Decke Stick- stoffaus- nutzung 100: e- Kein Wachstum — Kein Waehstum 2,9 100,0 | Knollige Rasen DT. Räschen 100,0 braune Rasen 32,7 | Schöne Decke 45,0 100,0 Schöne schwarze Decke Pilztrocken- gewicht auf 4 proz. Lösung ohne Zucker | 210,1 249,8 Stick- stoffaus- nutzung 100: Aussehen der Kultur | Kein Wachstum | Dieke konidien- arme Schollen | Sehöne Decke | | 54 F. Czapek, Tabelle III aus Pilztrocken- Molekulare | ke cewicht auf | gehalt d = Ammonsalze der Leitfähigkeit | °F | I proz. Lösung v= 2048 Lit. | Substanz + 3 Proz. Zuck. | 1 »Broz. mg COONH, NCooNH, Phtalsäure | EL 63,39 14,03 193,4 SZ (620) EN NH Phtalimid (K) | = et Ve 7,58 55,1 SZ | Mellithsaures Ammon C,(COONH,), - - : — 13,88 405,1 COONH, H,/ NHOH Chinasaures Ammon | 42,27 6,71 137,2 H OH . OH HOH c) Versuche mit Oximen. Dafs der Stickstoff in Derivaten des Hydroxylamins nicht ausgenutzt werden kann, war aus chemischen Gründen fast zu erwarten; in der That ist z. B. Athaldoxim OH— N=CH CH, und Acetoxim OH— N=Ü NCH, | CH, für Aspergillus als Stickstoff- quelle nicht brauchbar. Der Pilz ist nicht im stande, aus diesen Stoffen etwa Nitril oder Säureamid zu bilden. d) Versuche mit cyklischen Stickstoffverbindungen. Obwohl in früheren Versuchsreihen Benzolderivate mit berück- sichtigt worden sind, so erübrigt doch noch, ausführlicher auf die stickstoffhaltigen aromatischen Stoffe in ihrer Bedeutung als Stick- stoffquelle für Aspergillus zurückzukommen, zumal einige Momente, welche für die Bedeutung der Aminosäuren von Wichtigkeit sind, hier gut hervortreten.‘ Wenden wir uns zunächst jenen Stoffen zu, welche Amino- Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. 55 Fortsetzung). Stick- Pilztrocken- | Stick- stofaus- Asche dar Tkulttp gewicht auf | stoffaus- Aussehen nutzung 4 proz. Lösung nutzung der Kultur 100: ohne Zucker | 100: | 21,1 Schwache schwarze Decke — _ _ 17,4 Schwächl. schwarze Decke — et —. 70,0 Gute schwarze Decke Keimung, aber kein Wachstum 66,9 Schöne schwarze Decke 340,8 30,4 Schöne Decke derivate des Benzols im engeren Sinne darstellen und eine bis mehrere — NH,-Gruppen direkt an ein C-Atom des Ringes an- gelagert enthalten. Dafs das Anilin, als Stammsubstanz dieser Derivate, keine schlechte Stickstoffnahrung abgiebt, wissen wir be- reits von früher; es sei auch daran erinnert, dals die Toluidine und Xylidine sämtlich unwirksam waren. Die Versuchsergebnisse, die Tabelle II aufweist, zeigen weiter, dals die Aminophenole sämtlich Stickstoffquellen darstellen können; am besten brauchbar war p-Aminophenol und o-Aminophenol, am schlechtesten m-Aminophenol. Ebensogut wie p-Aminophenol nährt (2,4) Diaminophenol, das Amidol des Handels. Es sei daran erinnert, dafs auch unter den Phenylendiaminen sich im m-Phenylendiamin ein, freilich nur sehr mälsiger, Nährstoff fand. Alle diese Stoffe sind, wenn überhaupt wirksam, nur dann Nährsubstanzen, wenn gleichzeitig Zucker als Kohlenstoffquelle dar- gereicht wird; sonst unterhalten sie das Pilzwachstum gar nicht. Unter den aromatischen Aminoderivaten mit kohlenstoffhaltiger Seitenkette erwies sich zunächst der o-Aminobenzaldehyd, in konzen- trierter Lösung mit 3 Proz. Zucker dargereicht, nur als schlechte Stickstoffquelle; o-Aminoacetophenon rief gar kein Wachstum hervor. 56 F. Czapek, An diese Substanzen schlie[sen sich nun die aromatischen Aminosäuren an; es war von Interesse, diese Stoffe mit den ali- phatischen Aminosäuren zu vergleichen. Sowohl Ortho- als Para- aminobenzoesäure sind, als Natronsalz dargereicht, keine Kohlenstoff- quelle. Nur auf metaaminobezoesaurem Natron wurde eine spuren- weise Vegetation in Form kleiner weifslicher Räschen (10,2 mg Erntegewicht) erzeugt. Mit gleichzeitiger Zuckerdarreichung sind aber alle drei Säuren als Stickstoffquelle verwendbar. Am besten nährte Metaaminobenzoesäure (80,5 mg Ernte), dann folste die Paraverbindung (28,4 mg Ernte), am schlechtesten bewährte sich die Anthranilsäure (7 mg Ernte). Die Stickstoffausnutzung erfolgte bei den 3 Säuren in der Reihenfolee 100:21,9; :7,7; :1,9. Es ist unzweifelhaft der Nährwert dieser Aminosäuren ein unverhältnis- mälsig geringer gegenüber den aliphatischen &- Aminosäuren. Zur Erklärung dieses differenten Verhaltens liest es nahe, die Ursache in der Anfügung der — NH;,-Gruppe zu suchen. Offenbar ist es die Gruppe — CH, NH, in Bindung mit der Karboxylgruppe CH,NH,, | 7 welche die biochemische Bedeutung der &- Aminosäuren coo bedingt. Da nun auch die aromatischen &-Aminosäuren als cyklische Ammonsalze aufgefasst werden können, kann die Differenz nur im H Vorhandensein und Nichtvorhandensein der Gruppe | — CHNE, begründet sein. Eine gute Bestätigung erfährt diese Ansicht durch die bedeutende Überlegenheit des Benzylamins über das Anilin als Stickstoffnahrung. CH,NH, NH, EN Benzylamin: | | Anilin: | | NH-00—( % | kann eben- Sa falls aus den angeführten Gründen keine bessere Stickstoffquelle darstellen. Benzoylanilid mit der Struktur Einige bemerkenswerte Thatsachen treten uns ferner bei den Ammonsalzen der aromatischen Säuren entgegen. Von allen unter- Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. 57 suchten Substanzen sind nur wenige gute Kohlenstoffquellen. Die allerbeste Kohlenstoffnahrung bieten die hydrierten Benzolderivate:- Der hohe Nährwert der Chinasäure war schon Nägeli auf- gefallen. In der That ist dieselbe ein weit besserer Nährstoff als alle anderen von mir untersuchten hydroxylierten Kohlenstoffver- bindungen, mit Ausnahme der Hexosen. Sie mu[s besonders leicht zur Zuckersynthese durch Ringsprengung verwendet werden können, Ebenso leicht gelingt dies aber auch mit anderen hydroaromatischen Derivaten, z. B. mit Quereit und Inosit. Diese biochemischen That- sachen können ihre Verwertung zur Bestätigung der Ansicht finden, dals die Benzolderivate im Pflanzenorganismus srolsenteils aus hydroaromatischen Verbindungen hervorgehen, deren Entstehung aus Zucker leicht möglich ist. Bei den aromatischen Derivaten steigt der Wert als Kohlen- stoffquelle mit der Hydroxylzahl. Polyphenole, wie Gallussäure, sind ganz gute Kohlenstoffquellen. Wahrscheinlich ist es hier leichter möglich, eine Hydrierung und Ringsprengung vorzunehmen. Auf- fällig ist nur der relative hohe Nährwert der Paraoxybenzoesäure *) als Kohlenstoffquelle. Die übrigen Stoffe waren keine guten Kohlenstoffquellen. Als Stickstoffnahrung neben Zucker dargereicht sind jedoch eine ganze Reihe von Ammonsalzen der aromatischen Säuren gut verwendbar. Die Eignung scheint hier nicht durch die elektro- lytische Dissoziation oder Affinitätskonstante der Säure als einem Hauptfaktor beeinflulst zu werden. Es sind stark dissoziierte Säuren, wie Phtalsäure, in Form ihrer Ammonsalze wenig wirksam, während schwächer dissoziierte Säuren, wie Zimtsäure, ganz gut wirken. Es wird die sonst günstige Wirkung der starken elektrolytischen Dissoziation in manchen Fällen wahrscheinlich durch anderweitige schädliche Wirkung des Säurerestes fast aufgehoben. Benzoesäure selbst war unwirksam. Die Ammonsalze ihrer drei Oxysäuren sind sämtlich gute Stickstoffquellen, die beste aber das Salieylat, viel- leicht im Zusammenhange mit der starken Dissoziation der Orthooxy- benzoesäure. Bemerkenswert ist ferner, dafs Zimtsäure und Hydrozimt- säure, die ungefähr gleich starke Säuren sind, im Nährwerte stark verschieden sind. Die stark dissoziierte Phenoxylessigsäure war schlecht geeignet, ebenso Phtalsäure und ihr Imid nur mittel- *) Über Wirkung der p-Oxy- und p-Aminobenzoesäure auf Phanerogamen haben unlängst A. Benedicenti und G. B. de Toni berichtet (Giornale della reale Ac. di Medieina de Torino 1901). 58 F. Czapek, mälsig. Mellithsaures Ammon hingegen ist als sehr gute Stickstoff- quelle anzusehen. Heterocyklische Stickstoffverbindungen scheinen nur selten zur Stickstoffversorgung geeignet zu sein, wie die vielen Angaben über Ernährung mit Alkaloiden u. s. w. zeigen. Ich fand Pyridin und Chinolin selbst (als Chlorhydrat) dargereicht ungeeignet. Der Pyridinring selbst scheint jedoch von Aspergillus unschwer gesprengt zu werden. Darauf läfst der günstige Effekt von nikotinsaurem Natron schlielsen, auf dem Aspergillus ganz normal aussehende Pilzdecken produziert. Wahrscheinlich ist das Pyridin selbst aus anderweitigen Gründen ungeeignet. Bei der Sprengung des Pyridin- ringes ist wohl auch als vorausgehendes Stadium Hydrierung zu Piperidin anzunehmen, aus dem eventuell Amine oder Diamine entstehen. Der Pyrrolring im Isatin ist dem Aspergillus gleichfalls nicht unzugänglich, und es werden sich wohl Pyrrolderivate finden, die noch besser wirken. Indolderivate dürften wohl insgesamt schlechtere Nährstoffe darstellen *). e) Cyan- und Sulfocyanverbindungen. Hier ist von Interesse der nicht ganz geringe Nährwert des Rhodannatriums. Konidienbildung beobachtete ich bei diesen Ver- suchen aber nicht. Nitroprussidnatrium und Ferricyankalium nährten nur sehr wenig. Ferrocyankalium wurde gar nicht assimiliert. Bemerkungen über die Art der Beteiligung der Aminosäuren an der Eiweifssynthese. Auf Grund der durch das beigebrachte Thatsachenmaterial er- worbenen Erkenntnis, dafs Aminosäuren als Intermediärstadium bei der Eiweilssynthese gebildet werden, will ich schliefslich noch ver- suchen, ihre Bedeutung hierbei von einigen Seiten her näher zu präzisieren. Die erste Arbeit dieser Reihe hat gezeigt, dals alle aliphatischen &-Aminosäuren für Aspergillus ideale Stickstoffquellen sind, und dafs der dargereichte Aminosäurestickstoff nach drei bis vier Wochen fast vollständig in der Pilzernte wiedergefunden wird, die Nähr- *) Für die Verarbeitung von Pyrrolderivaten bietet ferner Interesse die in allerjüngster Zeit von O. Emmerling, Ber. chem. Ges. 35, 2239 (1902) publizierte Beobachtung, dafs die «-Pyrrolidinkarbonsäure für die meisten Schimmelpilze eine gute Stickstoffquelle darstellt. Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. 59 lösung demnach bei dem obwaltenden Verhältnisse: ein Prozent Aminosäure und drei Prozent Rohrzucker, gänzlich erschöpft ist. CH,NH, Selbst das Taurin mit der Struktur einer Sulfosäure | CH,.SO,H wird vollständig assimiliert. Die Derivate der Aminosäuren sind oft ebenso gute Stickstoffquellen: z. B. Trimethylaminoessigsäure, Benzoylaminoessigsäure. Hingegen steht das der Aminopropion- säure isomere Sarkosin (Methylaminoessigsäure) der ersteren Säure beträchtlich nach, ebenso die phenylierten Alaninderivate, Phenyl- alanin und Tyrosin. Sehr wichtig ist nun die Erfahrung, dafs die hohe Eignung der Aminosäuren als Stickstoffquelle in hohem Grade unabhängig ist von dem Werte der betreffenden Aminosäure als Kohlenstoffnahrung. Schlechte Kobhlenstoffquellen, wie Asparagin, Glykokoll, Phenyl- alanin, auf denen ohne gleichzeitige Zuckerdarreichung nur Pilz- ernten von höchstens gegen 30 mg erzielt werden, wirken bei gleich- zeitiger Zuckerzufuhr als ebenso gute Stickstoffquelle, wie Amino- propionsäure oder Hippursäure, welche bis zu 200 mg Pilzernte ohne Zucker erzielen lassen. Die Bedeutung der Aminosäuren ist daher in ihrer stickstoffhaltigen Gruppe, eventl. in ihrer Natur als cyklisches Ammonsalz zu suchen. Sie sind nur sehr wenig; ionisiert, und ihre elektrolytische Dissoziation kann biochemisch keine erhebliche Rolle spielen. Es wurde schon früher gezeigt, dals die Gruppe HN das wirksame Agens bei der Funktion der Aminosäuren darzustellen scheint. Die geringen Nährerfolge der aromatischen Aminosäuren mit der Konstitution CZNH, peweisen dies ebenso, wie das A —0© — a C.NH, Z —C Verhältnis der Nährwerte von Anilin C,H, — NH, — a und Benzylamin a » von denen das letztere be- —Ü deutend besser verwendbar ist. Weiter erwies sich von Bedeutung für die Eignung als Stick- stoffquelle, dafs die — CH, NH,-Gruppe noch mit mindestens einem 60 F. Czapek, C-Atom, besser noch mit mehreren in Verbindung steht. So war das Athylamin deutlich geeigneter als Methylamin. Auch dieser Umstand mag bei der günstigen Wirkung der in &-Aminosäuren vor- — CHNEH, handenen Gruppe | eine gewisse Rolle spielen. Hingegen COOH kommt dem Charakter der- Aminosäuren als eyklische Ammonsalze: —CHNE; a wahrscheinlich keine entscheidende biochemische Be- (07020) deutung zu, weil es Stoffe giebt, welche, wie die aromatischen Aminosäuren, diesen Charakter besitzen, ohne hervorragende Nähr- fähigkeit aufzuweisen. Wenn wir uns diese Einzelheiten, die sich bei der Unter- suchung der Aminosäuren als Nährmaterial ergeben haben, in ein Gesamtbild zusammenfassen, so erscheint der Charakterzug, dals alle Aminosäuren als Stickstoffquelle annähernd gleich maximalen Nährwert haben, wohl verständlich. Es ist in erster Linie nur die stickstoffhaltige Gruppe und ihre nächste Nachbarschaft für die Nährfunktion von Bedeutung, selbst Substitution in der NH,-Gruppe, oder Anhängung eines Benzolringes vermag nicht in allen Fällen und nur relativ schwach ihre Wirkung als Stickstoffquelle herab- zusetzen. Dies gilt natürlich zunächst nur für den untersuchten Asper- gillus niger. Es ist nicht zu bezweifeln, dafs sehr allgemein weitere Untersuchungen an Pilzen und anderen Pflanzen dieselben Ergeb- nisse zur Folge haben werden. Doch zweifle ich ebensowenig daran, dals es Fälle geben wird, in denen die verschieden konstituierten Aminosäuren nicht gleich gut wirken, und es hat z. B. schon Hansteen*) angegeben, dals bei der Eiweilsbildung in Lemna minor wohl Asparaein und Harnstoff günstig wirken, nicht aber Leucin und Alanin. Diese Fälle sind freilich noch eingehend kritisch zu untersuchen, doch werden Differenzen im angedeuteten Sinne bei verschiedenen Ptlanzen wohl kaum fehlen. Heute ist es schwer zu entscheiden, inwiefern hierbei sekundäre Einflüsse sich geltend machen. Jedenfalls ist aber der Aspergillus niger ein glück- lich gewähltes Versuchsobjekt, da bei ihm die Wirkung der Amino- säuren bei der Eiweilssynthese ganz allgemein und ohne Störung hervortritt. So sehr die Bedeutung’ der Aminosäuren als Kohlenstoffquelle *) B. Hansteen, Ber. d. Bot. Ges. 14, 362 (1896). Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. 6] bei der Eiweilssynthese des Aspergillus niger zurücktritt, so wichtig ist andererseits die Natur der zweiten nötigen Substanz, die als Kohlenstoffnahrung dient, für den quantitativen Enderfolg und die Schnelligkeit der Eiweilsbildung. Die Zuckerarten überragen, wie orientierende Versuche lehrten, so weitaus an Wirkungswert die anderen Substanzen, dafs bei allen hier bisher erwähnten Versuchen mit binärer Ernährung Rohrzucker zur Verwendung kam. Angaben über den relativen Wert einzelner Substanzen finden sich zwar in allen tabellarischen Zusammenstellungen, die ich im Laufe dieser Ar- beiten gegeben habe, doch will ich noch eine Anzahl Daten zur Ergänzung hier beifügen. Die nachfolgend erwähnten Versuche sind sämtlich mit dreiproz. Lösung der betreifenden Substanz und Zufügung von ein Proz. Asparagin angestellt. Jedes Kölbchen enthielt somit in den 50 ccm eingeführter Nährlösung 1,5 g der Kohlenstoffquelle, 0,5 g Asparagin entsprechend 106,2 mg Stickstoff nebst den nötigen Aschenstoffen, die in gleicher Weise gegeben wurden wie sonst. Die Versuche wurden auch hier nach 22 lagen eingeerntet und standen im dunkeln Thermostatenraum konstant bei 28° C. Die Erntezahlen sind daher streng vergleichbar, sie geben auch ein ziemlich genaues Bild der Stickstoffausnutzung, da die Schwankungen des Gesamtstickstoffs der Pilzdecke nur ganz klein waren. Die Um- rechnung der Erntegewichte auf den Pfefferschen „ökonomischen Koeffizienten“ geschieht durch Multiplikation mit /;. Auf die interessanten Verhältnisse, welche sich bei der gleich- zeitigen Darreichung von zwei oder ınehr Kohlenstoffverbindungen ergeben, wurde hier nicht eingegangen. Näheres über die bisher hierüber vorliegenden Erfahrungen ist in Pfeffers*) mehrfach erwähnter ausgezeichneter Studie über „elektiven Stoftwechsel“ ein- zusehen. Übrigens dürften ähnliche Versuche auch für die Eiweils- synthese noch bemerkenswerte Aufschlüsse geben. | | | ee | Stickstoft- Kern Kohlenstoffquelle \SCWIcHL.Ger | ausnutzung > | Pilzernte | 100: ı der Kültur me | Methylal | | FZRÖCH, | | OS; : ee Sr ER ENT 53,9 I: 6,05 | Grolse schwarze Sl | % Im Rasen *) W. Pfeffer, Jahrbüch. f: wissensch. Botanik 28, (2) 205 (1895). 62 F. Czapek, | en Stickstoff- > E Ausseh Kohlenstoffquelle der en ER Pilzernte | Mutzung der Kultur mg 100: % CH,OH Gute geschloss. Athylenglykol N a N 74,3 8,39 Pesee 2 CH, —CHOH Propylenglykol | _ —_ Kein Wachstum CH,0OH CH,0H GlycerınL CHOR BE er ne 288,6 32,61 Schöne Decke CH,0OH Glyeerosan) 0 2 an ee 196,8 22,24 Schöne (Lösung nach E. Fischer u. Tafel) schwarze Decke HOH «-Erythrit CH,OH— 0 —C-—CH,0H 323,8 36,58 Schöne Decke OH OH l-Arabinose: OHOHH Re] 0H.CH,— C—C—C—-COH .... 350,0 39,53 Gute Decke lee] al Jst (Diet EISEO)EIGEN 1-Xylose OHCH,— C— C—C—COH Da, 57,9 Gute Decke OHH OH Rhamnose: Q)EIZEISSSH | ; 2 2 a Schöne E770H20H *) Vergl. Fischer und Tafel, Ber. chem, Ges. 20, 3386 (1887). Ist ein Ge- misch von relativ wenig Glycerinaldehyd COH mit relativ viel Dioxyaceton CH,OH | CHOH | CH,OH co | CH,OH OHOHH Untersuchungen über die Stiekstoffgewinnung u. 8. w. 63 Uhandio, |Stickstoß| gewic 2 ssehe Kobhlenstoffquelle der 2 ni He Pilzernte | nutzung der Kultur me 100: d-Mannit: Is Bl (olal (Miet Da oo ed cmom 416,1 47,0 Schöne schwarze Decke OH OH H H d-Sorbit: OHH OH OH Schöne erento co © cHoH 549,5 OL ekwarze Decke H OH H H Duleit: OHH H OH Dürftige OHCH, Be ( er Se CH,0OH 27,3 3,08 konidienlose H OHOHH en d-Glykose: H H O0HH OHCH, ER a De C--COH 477,1 53,92 | Schöne Decke OH OH H OH d-Mannose: H H OHOH HOCH 0 0 0 0 CoM..| 2868 39,41 Sekone schwarze Decke OH OH H H d-Galaktose: H OHOHH Schöne HOCH, a. oe wi CE COH 489,3 55,29 Kehwarse Decke OH H H OH d-Fruktose: H H OH HOCH, —0-C—-C—C0—CH,OH | 523,7 59,17 Schöne schwarze Decke 64 F. Czapek, Trocken- | gtickstoft- gewicht Sins Aussehen Kohlenstoffquelle der = Pilzernte , nutzung der Kultur me 100: Schöne Maltose tee a E 550,2 63.30: | ee Mülchzuckere re ne 138,0 15,60 | Schwarze Decke Ratıınose, en ee ae Sl 58,04 Schöne Decke Amylum“ (Linbner) ne 374,9 42,36 | Schöne Decke Inulinaw Ara ee Fe Pre 619,6 70,01 Schöne Decke «-Glykoheptose: HH OHHH Mälsige Vege- OH oe cn 35400. 200 len Konidien OH OH H OH OH d-Glykonsäure: EISAEISZOHSEN OHCH, IR > ee VE GOOEL o 253,8 28,43 Gute Decke OH OH H OH d-zuckersaures Natron: OHFIEHO0FFOH Na00C-C_0—-6-C6-000N2 | 298 28,23 | Gute Decke H OH H H CH, HOH/ \HOH Quereit | | Se 395,0 36,72 | Gute Decke HOH HOH Si | HOH Beim Überblicken dieser aufsteigenden Reihe von hydroxy- lierten Verbindungen tritt das eminente Übergewicht der Hexosen und ihrer Derivate über die übrigen Stoffe als Kohlenstoffquelle für die Eiweilssynthese von Aspergillus mit voller Deutlichkeit hervor. Nicht ohne Tuterenee ist, dafs das Methylal, welches als Di- methoxy läther eines nicht existenzfähigen Methylenslykols gelten darf, zwar nur schwach, aber doch deutlich Kohlenstoff liefert. Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. 65 Das Ernteerträgnis ist mehr als doppelt so grols, als wenn der Pilz auf 4 Proz. Asparagin allein kultiviert wird. Da man das Methylenglykol als Reduktionsstufe der Kohlensäure OH OH en OH 0% Hs H,C< betrachten kann, so könnte man vermuten, dals der Pilz deswegen CO, nicht assimiliert, weil er die Reduktion der CO, im an- gegebenen Sinne nicht im Lichte vollziehen kann. Dals Algen in Methylal Stärke bilden, ist übrigens durch Bokorny und andere Forscher schon längere Zeit bekannt. Äthylenelykol ist nur sehr schlecht als Kohlenstoffquelle brauch- bar, Propylenelykol mit seiner abnormen Kohlenstoffkette gar nicht. Erst Glycerin kann als ein für die Kohlenstoffversorgung sehr taug- licher Stoff bezeichnet werden. Bemerkenswert ist hier wiederum, dafs weder durch die Oxydation zu Glycerinaldehyd und Keton, noch durch Oxydation zur Glycerinsäure die Nährwirkung ge- steigert wird. Erst wenn wir ein neues Kohlenstoffglied zufügen, sehen wir im d-Erythrit eine namhaft vermehrte Eignung. Unter den Pentosen finden wir in der 1-Xylose bereits eine Substanz, welche dem Traubenzucker an Nährwert ebenbürtig ist; hier ist auch thatsächlich bereits der gröflste Teil des Glukosemoleküls sterisch vorgebildet. Vielleicht ist die Hypothese berechtigt, anzunehmen, dafs der Pilz nur dann die kohlenstoffdarbietende Substanz zu assimilieren und zur Eiweilssynthese verwenden kann, wenn er daraus Trauben- zucker aufzubauen vermag. Bei der 1-Xylose bereitet dem AÄsper- gillus offenbar die Hexosensynthese keine Schwierigkeit. Die beiden Hexite d-Mannit und d-Sorbit sind bemerkens- werterweise den Hexosen an Nährwert wohl gleich; hier spielt also die Weiteroxydation zu Aldehyd und Keton keine Rolle. Hingegen tritt uns im Duleit bereits eine Substanz entgegen, wo die Oxydation wahrscheinlich auf Hindernisse stölst, die durch die sterische Konfiguration dieses Hexits gegeben sind. Wenn der Pilz über eine „Aldehydase* verfügen sollte, so kann dieses Enzym die Konfiguration der Galaktose nicht angreifen. Galaktose selbst steht hinter Traubenzucker an Wert nicht zurück. Wohl aber erwies sich mein (sirupöses) Präparat von Mannose als schlechter nährend als die drei anderen Hexosen; woran dies lag, mufs noch mit Hülfe ganz reiner Mannosepräparate konstatiert werden. Dafs die Derivate der Hexosen zum grofsen Teile gute Beitr. z. chem. Physiologie. III. 5 66 F. Czapek, Untersuchungen über die Stickstoffgewinnung u. s. w. Kohlenstoffquellen sind, weils man längst; der Pilz vermag sie durch Enzyme rasch in Hexosen zu verwandeln. Ich will noch darauf aufmerksam machen, dafs ich für &-Glykoheptose nur sehr geringen Nährwert fand und dafs Glykonsäure, sowie Zuckersäure etwas schlechtere Kohlenstoffquellen sind als die Aldohexosen selbst. Die Notwendigkeit, sie zu reduzieren, vermindert wahr- scheinlich ihre Eignung. Der Quereit als Hexahydrobenzolderivat und fünfwertiger Alkohol kommt etwa dem Erythrit an Nährwert gleich. Es ist demnach erwiesen, dals sich die vier untersuchten Hexosen zur Eiweilssynthese als Kohlenstoffquelle ebenso excep- tionell eignen wie die Aminosäuren zur Stickstoffbeschaffung. Der Kern der bekannten, von W. Pfeffer schon 1872 und 1876 aufgestellten Hypothese der „Eiweilsregeneration aus Asparagin und Kohlehydraten“ hat somit auch für Aspergillus eine glänzende Bestätigung gefunden. In den wesentlichen Grundzügen ist der Vorgang der Eiweilssynthese wohl derselbe bei Phanerogamen- keimlingen und bei Aspergillus niger. Das nächste Ziel der Erforschung der Eiweilssynthese: fest- zustellen, wie sich die Gruppierung der Aminosäurereste und Hexosen zu Proteosen vollstreckt, wird auf dem m dieser Arbeit betretenen methodischen Wege erst dann mit Erfolg experimentell anzugehen sein, wenn man genauere chemische Kenntnis von der Art der Verkettung der Aminosäuren in den Proteosen haben wird. Bezüglich der Verarbeitung von fertigen Proteosen durch Aspergillus sei bemerkt, dafs wahrscheinlich diese Stoffe in Amino- säuren aufgespalten werden und nicht intakt vom Pilze resorbiert werden. Es ist bei der Darreichung von Proteosen, z. B. Witte- pepton, ebenso wie bei den Aminosäuren selbst zur Erreichung des vollen Nähreffektes nötig, gleichzeitig Zucker zuzuführen — eine für den Resorptionsmodus sehr charakteristische Eigentümlich- keit. Damit hängt es auch zusammen, dafs für Aspergillus alle bekannten Proteosen gleich gut geeignet sind. TE Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. Von Prof. Dr. Friedrich Krüger in Tomsk. “ (Hierzu Tafel 1.) In seiner Arbeit „Über die Einwirkung von Chloroform und Chloralhydrat auf den Blutfarbstoff“ giebt Formänek an, dals durch Erwärmen einer wässerigen Oxyhämoglobinlösung auf 50 bis 55°C. und Schütteln derselben mit Chloroform das Hämoglobin quantitativ ausgefällt werden kann *). Späterhin habe ich Gelegenheit genommen, kurz darauf hinzuweisen, dals sich auch bei Zimmertemperatur durch das genannte Reagens eine ebenso vollständige Ausfällung des Blutfarbstoffes erzielen lälst => Übrigens ist die Beobachtung, dafs das Chloroform ein Fällungsmittel für Hämoglobin ist, durchaus nicht neu, und es mufs Formänek wohl vollkommen entgangen sein, dafs schon im Jahre 1871 Preyer in seinem bekannten Werke „Die Blutkrystalle“ hierüber folgendes schreibt: „Wird eine wässerige Blutkrystall- lösung im Probierrohr mit reinem neutralen Chloroform geschüttelt, so sondert sich letzteres hell fleischfarben von jener ab. Nach einigen Stunden (bei etwa 10°) ist die rote Flüssigkeit blafsrot und in ihr ein fleischfarbener Niederschlag sichtbar. Gielst man den Niederschlag ab, so kann man das Röhrchen umkehren, ohne dafs Chloroform ausfliefst. Der Rückstand ist gallertig. Das Spektrum der roten Lösung ist unverändert das des Sauerstoff- hämoglobins. Durch Schütteln trennt sich die Gallerte in eine farblose Chloroformschicht und ein fleischfarbenes Gerinnsel. Aus diesen Reaktionen ergiebt sich, dafs durch Schütteln mit Chloroform *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 29, 416. »=*) Zeitschr. f. Biologie 41, 341. 68 Friedrich Krüger, das Hämoglobin als fleischfarbenes flockiges Gerinnsel aus seinen wässerigen Lösungen ausgeschieden wird. Durch anhaltendes Schütteln mit genügenden Mengen Chloroform kann man wässerige Hämoglobinlösungen vollkommen entfärben. Zwischen dem farb- losen Chloroform und der farblosen Flüssigkeit befindet sich dann sämmtliches Hämoglobin in Form von Hleischfarbenen amor- phen Flöckchen, welche ihre schöne Farbe bei etwa 8°C. viele (bis acht) Tage behalten. Sie lösen sich nicht in Wasser *).“ Während nun dieser Niederschlag in Wasser unlöslich ist, löst er sich leicht in schwach alkalischen Lösungen, wie z. B. in Sodalösung. Eine solche Lösung zeigt nach Formänek im Spek- trum zwei schwache Absorptionsstreifen, die den Bändern des Oxyhämoglobins entsprechen. Auf Zusatz reduzierender Reagentien schwinden diese Streifen, und statt ihrer erscheint das breite Band des reduzierten Hämoglobins, das in der Mitte ein wenige dunkler ist. „.. Die Verstärkung des Hämoglobinstreifens rührte davon her, dals sich auch ein wenig Hämatin bildete, welches durch Einwirkung von Schwefelammonium Hämochromogen gab, dessen Absorptionsstreifen die Mitte des Hämoglobinstreifens verstärkte“, so heilst es bei Formänek, und daraus zieht er den Schlufs: „Aus diesem Verhalten sieht man, dafs aus dem Chloroform- niederschlage des Oxyhämoglobins dieses letztere wieder erhalten werden kann **).“ Dieser Schluls, nach dem man wohl annehmen darf, alles oder doch nahezu alles Oxyhämoglobin könne aus dem Chloroform- niederschlage wiedergewonnen werden, ist jedoch durchaus nicht einwandfrei zu nennen, und es erschien mir sehr wenig wahr- scheinlich, dafs das Chloroform ein relativ indifferentes Reagens dem Hämoglobin gegenüber sei und den Blutfarbstoff nur einfach in eine schwerer lösliche Modifikation überführe. Einerseits erklärt ja Formänek selbst, dafs sich ein wenig Hämatin bilde, was doch auf eine zersetzende Wirkung des Chlo- roforms zurückzuführen ist, andererseits muls es auffallen, dafs Formänek nur schwache Oxyhämoslobinstreifen fand, obgleich er es offenbar mit einer verhältnismälsig recht konzentrierten Lösung zu thun hatte, denn er hat einfach „die obere Schicht des Niederschlages möglichst chloroformfrei abgegossen, durch *) Preyer, Die Blutkrystalle.. Jena 1871, S. 104. =*) ], c., 8. 418 und 419. le 219: Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. 69 Durch diese Erwägungen veranlalst, führte ich eine Reihe spektroskopischer Untersuchungen des Chloroformniederschlages aus. Als Ausgangsmaterial diente mir zweimal umkrystallisiertes, auf der Centrifuge mehrfach ausgewaschenes Pferde- und Hunde- hämoglobin, das in derselben Weise dargestellt war, wie in meinen früheren Arbeiten angegeben, jedoch ohne Zuhülfenahme von - Ammoniak *). Der Chloroformniederschlag ist, wie schon erwähnt, unlöslich in reinem Wasser; ebenso wenig löst er sich in Neutralsalzlösungen, dagegen leicht in schwach alkalischen Lösungen und in sehr ver- dünnten Säurelösungen. Beim Neutralisieren fällt er wieder aus. Es wurden die Spektra sowohl der alkalischen, als auch der sauren Lösungen untersucht. Bei den vorläufigen Untersuchungen stellte sich heraus, dals nicht zu konzentrierte alkalische Lösungen des Chloroformnieder- schlages, die etwa 0,2 Proz. Soda enthielten, im Spektrum zwei schwache Bänder zeigten, die ihrer Lage nach den Absorptions- streifen des Oxyhämoglobins entsprachen. Das spektroskopische Bild war aber nicht identisch mit dem des Oxyhämoglobins. Letzteres charakterisiert sich bekanntlich dadurch, dals der der Linie D anliegende Streifen & schärfer begrenzt und dunkler erscheint als der Streifen f. Bei weiterer Verdünnung der Blut- farbstofflösung schwindet zunächst der Streifen f, während das Band & noch deutlich sichtbar ist. Die alkalische Lösung des Chloroformniederschlages dagegen giebt ein Spektrum, in dem scheinbar der zweite Streifen (P) eine grölsere Intensität besitzt als der erste Streifen (©). Verdünnt man die Lösung, so schwinden beide Bänder gleichzeitig, vielleicht sogar Band & etwas früher als Band P. Hat man konzentriertere Lösungen vor sich, so kann man noch einen Schatten wahrnehmen, der vom Band & aus über die D-Linie hinaus zum Rot hingeht. In sehr konzentrierten Lösungen, die nur noch rotes Licht durchlassen, sah ich zuweilen einen ver- waschenen Streifen zwischen den Linien Ü und D, näher an (. Auf Zusatz einer grölseren Menge reduzierender Mittel (Stockes’ Reagens oder Schwefelammonium) zu einer mälsig konzentrierten Lösung des Chloroformniederschlages erscheint so- fort das spektrale Bild, das Formänek**) beschreibt, d. h. an *) Zeitschr. f. Biologie 24, 47 und 318. =®) |. c., 8. 418. 170 Friedrich Krüger, Stelle der zwei Streifen ein breites Band mit einer stärkeren Verdunkelung in der Mitte — das Bild der kombinierten Spektra des Hämochromogens und reduzierten Hämoglobins. Setzt man aber zu derselben Lösung des Chloroformnieder- schlages nur eine äulserst geringe Menge des reduzierenden Mittels, wird somit eine nur sehr langsam vor sich gehende Reduktion bewirkt, so erhält man zunächst ein ganz anderes Bild und man kann die Entstehung des eben beschriebenen Spektrums sehr gut mit dem Spektroskop verfolgen. Sofort nach dem Zusatz des Re- duktionsmittels verliert sich der Schatten, der von dem Streifen & nach Ü zu geht, und gleichzeitig werden beide Bänder bedeutend dunkler, hauptsächlich das Band &; die Bänder verändern dabei ihre Lage nicht. Man hat vollkommen das Bild des Oxyhämo- globins vor sich. Bei fortschreitender Reduktion verliert allmählich das Band « immer mehr und mehr an Intensität, während neben ihm im grünen Teil des Spektrums ein neuer Streifen auftritt, nur einen schmalen, helleren Raum zwischen sich und dem Band & lassend; mit ab- nehmender Intensität des letzteren nimmt die Intensität des ersteren zu, und zuguterletzt verbleibt ein breites, verwaschenes Band, ungefähr den Raum zwischen den Linien D und E einnehmend, sogar über E hinausgehend. Die Mitte dieses Bandes ist stärker verdunkelt. Wir haben das oben beschriebene Bild vor uns. Durch Schütteln mit Luft wird das ursprüngliche Spektrum wiedererhalten, und es kann wiederum die angeführte Veränderung beobachtet werden. Schwach saure Lösungen, mittelst sehr verdünnter Essigsäure hergestellt, geben ein dreistreifiges Spektrum. Ein Band liest im Rot zwischen den Linien Ü und D, näher zu C; dann folst ein schmales, sehr undeutliches Band bei D und endlich ein inten- siveres, breiteres Band, das in der Mitte zwischen D und E be- ginnt und sich über E hinaus, beinahe bis zur Linie b, erstreckt. Dieses Spektrum ist dem des Methämoglobins in neutraler oder. saurer Lösung sehr ähnlich. — Hier wie dort haben wir einen Streifen im Rot zwischen den Linien Ü und D, näher zu (©, als- dann ein schwaches Band, entsprechend dem Band «, und ein breiteres und dunkleres Band, entsprechend dem Band ß des Oxy- hämoglobins *). *) Hinsichtlich der letzteren Streifen muls ich hinzufügen, dals von vielen Forschern dieselben nicht als dem Methämoglobin angehörig betrachtet, sondern auf Reste von Oxyhämoglobin zurückgeführt werden. Inwieweit Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. 71 Dem Spektrum des Methämoglobins wird aber noch ein viertes Band zugeschrieben, das im blauen Teile des Spektrums zwischen den Linien b und F gelegen ist. Dieses Band habe ich nie bei den sauren Lösungen des Chloroformniederschlages beobachten können, und durch die Abwesenheit dieses Bandes unterscheidet sich, meiner Ansicht nach, unser Spektrum deutlich von dem des neutralen oder sauren Methämoglobins. Diese Beobachtungen machten eine weitere eingehendere Untersuchung der Spektra des Chloroformniederschlages notwendig. Bevor ich mich an diese Untersuchungen machte, bestimmte ich zunächst die Lage der Fraunhoferschen Linien in dem Spektrum meines Spektroskopes. Die Skala war derart eingestellt, dafs die Mitte des Linienpaares D auf den Teilstrich 50 zu liegen kam. In diesem Falle verteilten sich die Fraunhoferschen Linien folgendermalsen: Die Linie C entsprach dem Teilstrich 28,5 2 D = > 3 50,0 ERS, = 78,5 ” ) b b ” b) 84,5 ” y 13 » )) 105,0 E Y 5 160,0. Da die Spektra des Chloroformniederschlages mit den Spektren des Hämoglobins und seiner hier in Betracht kommenden Deri- vate verglichen werden sollten, mufste, natürlich zunächst für mein Spektroskop, die Lage der Bänder in den betreffenden Spektren festgestellt werden. Es ist selbstverständlich, dafs nur unter absolut gleichen Bedingungen gearbeitet wurde, d. h. bei gleicher Beleuchtung (Auerbrenner), Spaltbreite u. s. w. Ebenso selbstverständlich ist es, dafs die Spektra des Hämo- globins und seiner Derivate nur unter der Bedingung entsprechen- der Konzentrationen ihrer Lösungen direkt miteinander vergleich- bar sind, d. h. nur dann, wenn die zur Untersuchung gelangenden Lösungen der Hämoglobinderivate in der Volumeinheit die Menge des Derivates enthalten, die dasselbe Volum der zum Vergleich dienenden Hämoglobinlösungen liefert. Um solche untereinander vergleichbare Lösungen zu erhalten, verfuhr ich derart, dals ich für die ganze Versuchsreihe zu gleichen diese Anschauung richtig oder falsch ist, kann ich nicht entscheiden; meiner Ansicht nach harrt diese Frage noch ihrer endeültigen Lösung. Obiges Bild habe ich deswegen angeführt, weil es uns am häufigsten bei der Darstellung des Methämoelobins zu Gesicht kommt. 79 Friedrich Krüger, Mengen der ursprünglichen Hämoglobinlösung stets die gleichen Mengen Wasser resp. Reagens hinzufügtee Wurde z. B. zur ur- sprünglichen Oxyhämoglobinlösung auf 5cem l10cem Wasser hin- zugesetzt, so erhielt man die Lösung der betreffenden Derivate, indem zu 5 cem derselben Oxyhämoglobinlösung x ccm Reagens und dann 10—x cem Wasser gethan wurden. Weit schwieriger ist es, eine der ursprünglichen Oxyhämo- globinlösung genau entsprechende Chloroformniederschlaglösung: zu erhalten, da geringe Verluste beim Auswaschen desselben auf der Centrifuge fast unvermeidlich sind. Um diese Verluste auf ein Minimum zurückzuführen, verfuhr ich folgendermalsen: Aus einer abgemessenen Quantität (100 ccm) der ursprünglichen, konzentrierten Oxyhämoglobinlösung wurde der Blutfarbstoff durch Sehütteln mit Chloroform vollständig zur Fällung gebracht und nach >24 Stunden die abgestandene, trübe Flüssigkeit vom Niederschlag ab- gegossen und durch ein Filter von dickem schwedischen Filtrierpapier filtriert. Das Filtrat war stets vollkommen klar und farblos. Der im Mischeylinder zurückgebliebene dicke, breiige Niederschlag, der eine grofse Menge Chloroform in sich schlofs, wurde mit Wasser aufgerührt und in die Gläser der Centrifuge gebracht. Nach ungefähr halb- stündigem Centrifugieren bei etwa 1500 Umdrehungen in der Minute haben sich in den Centrifugengläsern drei Schichten gebildet. Die unterste Schicht besteht aus Chloroform, darauf folgt die Schicht des Niederschlages und dann die von suspendierten Partikelchen getrübte Waschflüssigkeit. Letztere wurde abgegossen und gleichfalls durch das oben erwähnte Filter filtriert. Zur Entfernung des abgesetzten Chloroforms wurde der ziemlich fest zusammengeprelste Niederschlag mit einem Glasstabe von den Wänden des Cylinders abgelöst, worauf das Chloroform sich mit Leichtigkeit abgieflsen liefs. Der im Nieder- schlag zurückbleibende Rest des Ühloroforms wurde durch vielfaches (10- bis 15 maliges) Auswaschen auf der Centrifuge entfernt, wobei jedes- mal die trübe Waschflüssiekeit durch das gleiche Filter filtriert wurde. War der Niederschlag frei von Chloroform und ein weiteres Oentri- fugieren überflüssig, so wurde zunächst die auf dem Filter gesammelte geringe Menge des Niederschlages auf dem Filter selbst in möglichst wenig 0,2 proz. Sodalösung zur Lösung gebracht, abfiltriert und einige Mal mit kleinen Portionen Sodalösung nachgewaschen. Das gesamte Filtrat wurde mit dem in den Centrifugengläsern verbliebenen Nieder- schlag vereinigt und 0,2 proz. Sodalösung bis zum halben Volumen der konzentrierten Hämoglobinlösung, das in Anwendung gekommen war, aufgefüllt. Nach vollständiger Lösung des Niederschlages wurde Wasser hinzugesetzt, bis das ursprüngliche Volumen der Hämoglobin- lösung erreicht war. Der Gehalt an Soda in der Lösung des Chloroform- niederschlages betrug somit nur 0,1 Proz. Die saure Lösung wurde entweder in derselben Weise her- gestellt unter Anwendung von sehr verdünnter Essigsäure statt Tafel 1. u en ” x Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. ra der Sodalösung, oder es wurde zur alkalischen Lösung tropfen- weise stark verdünnte Essigsäure gethan, bis der sich beim Neu- tralisieren bildende Niederschlag wieder vollkommen gelöst war. Aus einer grölseren Zahl von Versuchsreihen, die stets das- selbe Resultat ergaben, mögen hier zwei in extenso wiedergegeben werden. Die eine bezieht sich auf Pferdehämoglobin, die andere auf Hundehämoglobin. Es mag noch hinzugefügt sein, dafs es in Bezug auf das spektroskopische Verhalten gleichgültig ist, ob der Chloroform- niederschlag bei Zimmertemperatur oder nach Formänek bei 50 bis 55°C. gewonnen wird. Die Farbstofflösungen wurden in einer Schicht von lcm in Fläschchen mit planparallelen Wänden untersucht. Versuchsreihe A. Pferdehämoglobulin. Die Hämoglobinlösung, von der ich ausging, enthielt 1,76 Proz. Hämoglobin. Daraus wurden folgende Lösungen hergestellt durch Verdünnen mit Wasser: Lösung I mit einem Gehalte von 0,440 Proz. Oxyhämoglobin, » II ” ” ” ” 0,352 ” ” ” IIT ” ” ” ” 0,264 ” ” ” IN ” ” » ” 0,176 ” ” ” I ” 2” ” ” 0,083 2” 2” Diesen Oxyhämoglobinlösungen entsprachen natürlich auch die zu vergleichenden Lösungen der Hämoglobinderivate. a) Das Spektrum der alkalischen Chloroformnieder- schlagslösung wurde verglichen mit den Spektren des Oxyhämo- globins, alkalischen Methämoglobins und alkalischen Hämatins. l. Oxyhämosglobin. Lösung I. Das Band «& lag zwischen den Teilstrichen 49 bis 61 der Skala (A 591 bis 564), das Band ß zwischen 65 bis 81 (A 555 bis 521). Die absolute Verdunkelung beginnt bei 115—120. Lösung II bietet ganz dasselbe Bild. Beide Bänder erscheinen nahezu gleich dunkel. & nur schärfer begrenzt. Die grölste Inten- sität von & ist um A 577, von ß um A 536. Lösung III. Band «& zwischen 50 bis 59 (A 589 bis 571, gröfste Intensität um A 577); Band ß 66 bis 79 (A 552 bis 526, gröfste Inten- sität um A 536). Absolute Verdunkelung beginnt bei etwa 135. Lösung IV. Band & zwischen 51 bis 58 (A 586 bis 570, grölste Intensität wie oben), Band ß zwischen 67 bis 76 (4 551 bis 531). Die absolute Verdunkelung beginnt bei etwa 138—140. 74 Friedrich Krüger, Lösung V. Lage der Bänder wie bei Lösung IV. Die absolute Verdunkelung beginnt bei ungefähr 150. Von Lösung III an erscheint das Band ß weniger intensiv als das Band « Bei weiterer Ver- dünnung der Oxyhämoglobinlösung schwindet zunächst der Streifen P, während der Streifen & auch bei noch weiterer Verdünnung sichtbar bleibt. 2. Methämoglobin in alkalischer Lösung. Zur Darstellung des Methämoglobins aus dem Hämoglobin diente Ferrieyankalium. Die Lösung wurde mit Soda alkalisch gemacht. Lösung I. Das Spektrum besitzt drei Streifen. Der erste liegt zwischen 41 bis 47 (A 617 bis 598) und hat seine grölste Intensität um etwa 45 (A 605); der zweite, der mit dem ersten durch einen Schatten verbunden ist, ist zwischen 50 und 60 gelegen (A 589 bis 566). Seine gröfste Intensität hat er um 55 (A 577). Der dritte Streifen, der an Intensität dem zweiten gleichkommt, vielleicht sogar ein wenig dunkler ist, hat seine Lage zwischen 65 und 81 (A 555 bis 521) und ist am dunkelsten um A 540. Die absolute Verdunkelung beginnt um 100— 1035. Lösung II. Die Lage der Bänder ist im allgemeinen die gleiche wie in Lösung I, jedoch erreicht das dritte Band nicht den Teilstrich 81, sondern geht nur bis 79 (A 525). Die absolute Verdunkelung fängt bei etwa 120 an. Lösung III. Das erste Band liegt zwischen 42 und 47 (A 613 bis 598); das zweite zwischen 50 und 59 (A 589 bis 568), das dritte endlich zwischen 66 und 79 (A 553 bis 529) und erscheint ein wenig dunkler als das zweite. Die absolute Verdunkelung beginnt bei 125—130. Lösung IV. Dasselbe Bild wie in Lösung III, nur sind alle Bänder bedeutend schwächer. Absolute Verdunkelung fängt bei etwa 135 an. bösung V. Nur ganz schwache Schatten zwischen den Teil- strichen 50 und 60 sowie 67 und 78 zu sehen. Die absolute Ver- dunkelung tritt bei 145 bis 150 ein. 3. Hämatin in alkalischer Lösung. Diese Lösung wurde durch Kochen der Hämoglobinlösung mit Natronlauge hergestellt. LösungI. Diese Lösung zeigt im Spektrum einen zarten Streifen zwischen 35 und 58 (A 635 bis 570) mit der grölsten Intensität um etwa 45 (A 604). Die absolute Verdunkelung bei etwa 105. Lösung II. Das Band, das sich von etwa 36 bis 52 (A 632 bis 584) erstreckt, ist sehr zart und undeutlich begrenzt. Absolute Ver- dunkelung von 115. 5 — Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. Lösung III. Streifen kaum angedeutet. Absolute Verdunkelung von 130—135 an. Lösung IV und V. Von einem Bande nichts zu sehen. Die absolute Verdunkelung beginnt bei 150 bezw. 170. 4. Chloroformniederschlag in alkalischer Lösung. Lösung I. Das Spektrum weist zwei Streifen auf, von denen der eine zwischen 50 und 60 gelegen ist. Von diesem Bande geht ein Schatten nach Rot hin bis etwa zum Teilstrich 43. Der andere Streifen, der dunkler als der erste erscheint, hat seine Lage zwischen 66 und 79. In Wellenlängen ausgedrückt liegt das erste Band zwischen 4 589 bis 566, das zweite zwischen A 553 bis 525. Lösung Il. Der erste Streifen sehr schwach, zwischen 51 und 59 (A 589 bis 568) gelegen. Der zweite Streifen ist stärker und liegt zwischen 66 und 78 (A 553 bis 527). Absolute Verdunkelung von 125 an. Lösung Ill. Das erste Band nur angedeutet, das zweite sehr schwach, zwischen 66 bis 76 (A 553 bis 531). In allen angeführten Lösungen haben die Bänder die gröfste Intensität bei 55 (A 577) bezw. 72 (A 540). Absolute Verdunkelung von etwa 135 an. Lösung IV. Beide Bänder kaum sichtbar. Absolute Verdun- kelung beginnt bei 140. Lösung V. Von Streifen keine Spur. Absolute Verdunkelung von 155 an. b) Das Spektrum der mit reduzierenden Mitteln behan- delten alkalischen Chloroformniederschlaglösung wurde verglichen mit den Spektren des reduzierten Hämoglobins und des Hämochromogens. l. Reduziertes Hämosgelobin. Als Reduktionsmittel diente Schwefelammonium. In Folgendem ist der Sulfhämoglobinstreifen nicht berücksichtigt worden. Lösung I. Band zwischen 46 und 76 (4 600 bis 531); gröfste Intensität um 65 (A 555). Die absolute Verdunkelung beginnt ziemlich plötzlich bei etwa 125. Lösung II. Der Streifen nur ein wenig schmaler, von 47 bis 74 (A 597 bis 536), sonst wie oben. Absolute Verdunkelung von 130 an. Lösung III. Streifen von 48 bis 72 (A 594 bis 540). Absolute Verdunkelung von 135 an. Lösung IV. Grenzen des Bandes schwer zu bestimmen, nament- lich zum Rot hin, etwa 50 bis 70. Überhaupt ist es recht schwach, am dunkelsten um 65 (4 555). Absolute Verdunkelung von 138 an. Lösung V. Streifen nur schattenhaft zwischen 53 bis 70 zu sehen. Absolute Verdunkelung tritt bei 140 auf. 76 Friedrich Krüger, 2. Hämochromogen. Die Hämochromogenlösungen wurden durch . Zusatz von Schwefelammonium zu oben angeführter alkalischer Hämatin- lösung hergestellt. Lösung I. Band & zwischen 56 bis 70 (A 575 bis 544) ist dunkler als Band ß, welches zwischen 75 und 87 (A 535 bis 512) liest. Absolute Verdunkelung beginnt bei 110. Lösung ll. Band & zwischen 58 und 68 (A 570 bis 549) mit gröfster Intensität bei 63 (A 559); Band ß zwischen 76 bis 84 (A 532 bis 516) mit grölster Intensität bei 78 (A 527). Absolute Verdunkelung von 125 beginnend. Lösung Ill. Bänder ein wenig schmäler als in der vorhergehen- den Lösung; Band ß sehr schwach. ‘Beginn der absoluten Verdunkelung bei 135—140. Lösung IV. Von Streifen nichts wahrzunehmen. Beginn der absoluten Verdunkelung bei 155—160. 3. Chloroformniederschlaglösung nach Einwirkung von Schwefelammonium. Lösung I. Das Spektrum dieser Lösung zeigt ein breites Band zwischen den Teilstrichen 48 und 83, welches in der Mitte, entsprechend 59 bis 68 (A 568 bis 549), eine deutlich begrenzte Verdunkelung auf- weist. Die grölste Intensität dieses Bandes im Bande liest um 63 (4 560). Vielleicht ist eine zweite Verdunkelung zwischen 75 und 83 vorhanden. Die absolute Verdunkelung fängt bei 120 —125 an. Lösung II. Das breite Band liegt zwischen 50 und 80 (A 589 bis 523), das Band in ihm zwischen 60 und 67 (A 566 bis 551). Ein zweiter Streifen ist nicht zu sehen. Absolute Verdunkelung bei 130—135. Lösung III. Die Grenze ‘des breiten Bandes zum violetten Ende schwer zu bestimmen. Die Verdunkelung in der Mitte nimmt den Teil zwischen 60 und 66 ein (A 566 bis 553). Die absolute Verdun- kelung beginnt bei etwa 135. Lösung IV. Weder der breite Streifen noch der in ihm gelegene zu sehen. Absolute Verdunkelung bei 155—160 anfangend. Hinzufügen mufs ich noch, dals beim Schütteln der reduzierten Lösung mit Luft, bei geeigneter Konzentration, mit grolser Deut- lichkeit die Oxyhämoglobinstreifen auftreten. Gleichzeitig rückt die absolute Verdunkelung weiter zum roten Ende des Spektrums vor und zwar um etwa fünf Teilstriche im Vergleich mit der ent- sprechenden reduzierten Lösung des Chloroformniederschlages. Die Lage des Bandes im Bande deutet offenbar, wie schon von Formänek vermutet wird, auf die Gegenwart von Hämochromogen. Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. zit c) Zum Vergleich mit den sauren Chloroformnieder- schlaglösungen wurden die Spektren der neutralen resp. sauren Methämoglobinlösung und des Acidhämoglobins herangezogen. 1. Methämoglobin in neutraler Lösung. Die Darstellung geschah mittels Ferricyankalium. Es wurde neutrale Methämoglobinlösung statt saurer benutzt, was keinen Fehler bedingen kann, da bekanntlich beide Lösungen das gleiche spek- trale Bild zeigen. Lösung I. Im Rot ist ein intensiver Streifen zwischen 31 und 40 (A 648 bis 620) mit dem Centrum um 36 (A 632) zu sehen. Dann folet ein sehr schwaches Band mit schwer bestimmbaren Grenzen, dessen gröfste Intensität ungefähr bei 54—55 (A 580—578) liegt. Von 65 beginnt wieder eine Verdunkelung, die bei etwa 70—-72 ihren Höhepunkt erreicht und sich dann ziemlich gleichmälsig bis etwa 82 erstreckt. Von 82 bis 108 (4 520 bis 483) ist ein deutlich begrenztes Band sichtbar, dessen Centrum bei 95 (A 500) gelegen ist. Sodann folgt eine kleine Aufhellung bis etwa 125, wo absolute Verdunkelung beginnt. Lösung Il. Streifen im Rot zwischen 3l und 39: Centrum 35—36. Das folgende Band nur schattenhaft, mit verwischten Grenzen, erstreckt sich auf ungefähr 50 bis 57. Dann beginnt deutliche Ver- dunkelung bei etwa 65 und bleibt ziemlich gleichmälsig bis SI— 82. Vielleicht ganz wenig dunkler um 70—72. Das Band in Blau hat seine Grenzen bei 86 und 106 (A 514 bis 485), der dunkelste Teil liest um 95. Die absolute Verdunkelung tritt ziemlich plötzlich bei 130 ein. Zwischen den Bändern II, III und IV kommt es nicht zu einer mehr oder weniger vollständigen Aufhellung; sie sind durch Schatten miteinander verbunden. Lösung Ill. Band I zwischen 31 bis 38, schlecht begrenzt. Band II kaum sichtbar, Grenzen schwer bestimmbar. Dann ein Schatten zwischen 66 und 75 (Band III), der mit Band IV verbunden ist. Band IV zwischen S8 und 105 (A 511 bis 470). Absolute Ver- dunkelung von 135 —140 an. Lösung IV. Nur sehr schwacher Schatten um etwa 35 herum, ebenso zwischen 50 bis 60. Schatten um 70—72 und ganz schwaches Band zwischen 90 und 100 mit Centrum um 95. Die absolute Ver- dunkelung beginnt bei 140— 145. Lösung V. Kein Band mehr sichtbar. Absolute Verdunkelung bei etwa 150 anfangend. 2. Acidhämoglobin. Dargestellt durch Erwärmen der Hämoglobinlösun g mit ein wenig Essigsäure. Lösung I. Recht deutliches Band im Rot zwischen 27 und 37 mit dem Centrum um 32 (A 658 bis 629, Centrum A 644). Vielleicht 78 Friedrich Krüger, ein schwaches Band zwischen 62 und 75, doch sehr undeutlich, da schon von 60 an starke Absorption beginnt, die bei 105—110 absolut wird. Lösung I. Schwaches Band im Rot zwischen 28 und 35; viel- leicht sehr schwaches Band von 63 bis 74 mit gröfster Intensität um 70. Sonst wie Lösung I. Absolute Verdunkelung von 130 an. Lösung Ill. Verunglückt. Lösung IV. Keine Streifen wahrzunehmen. Absolute Ver- dunkelung von 140—145. Lösung V. Keine Streifen. Die absolute Verdunkelung beginnt ziemlich plötzlich bei 160 —165. 3. Chloroformniederschlag im saurer Lösung. Lösung I. Sehr schwaches Band zwischen 31 und 40 mit Centrum um 35 (A 648 bis 620; Centrum bei 635). Weiter folst ziemlich gleichmälsige Beschattung von 50 bis 65, dann ein deutliches Band von 65 bis 82 (A 555 bis 520) mit gröfster Intensität um etwa 72 (A 540). Die absolute Verdunkelung beginnt bei 120—123. Lösung I. Im Rot kein Band wahrzunehmen. Beschattung von 50 an äufserst schwach. Der Streifen zwischen 65 und 81 schwächer als in Lösung I, doch noch deutlich. Absolute Verdunkelung von 130—135 beginnend. Lösung Ill. Nur ein schwaches Band zwischen 66 und 80 mit gröfster Intensität um 72 zu sehen. Absolute Verdunkelung fängt bei 140 an. Lösung IV. Ein Schatten zwischen 66 und 79. Absolute Verdunkelung von 140—145 an. Lösung V. Von Streifen nichts zu sehen. Absolute Verdunkelung: besinnt bei 150—155. Versuchsreihe B. Hundehämoglobulin. Die Ausgangslösung enthielt 2,23 Proz. Oxyhämoglobin. Daraus wurden zu den spektroskopischen Untersuchungen acht Lösungen von verschiedener, unten angegebener Konzentration angefertigt. Im übrigen war die Versuchsanordnung dieselbe, wie in der schon an- geführten Reihe. Lösung I enthielt 1,115 Proz. Oxyhämoglobin, ” II ” 0, 143 P)] ” ) III ” 0,558 bi) ” A VE s ” \W ” 0, 3 1 9 ” ” 2 VI „ 0,227 br] ” „ NIIB x 013925 A / SOVAIEN O2 » Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. a) Alkalische Lösungen. l. Oxyhämoglobin. Lösung I. Es wird nur rotes Licht durchgelassen. Bei 47—48 fängt die absolute Verdunkelung an. Lösung II. Von 49 bis 85 sehr dunkles Band, dann wird etwas grünes Licht durchgelassen bis etwa 95; zwischen 95 und 100 wird die Verdunkelung absolut. Lösung II. Band zwischen 49 und 62, dann ein schmaler grüner Streifen bis 64 und von hier bis 83 ein dunkles Band. Ab- solute Verdunkelung beginnt bei 105—110. Lösung IV. Band & 49 bis 61 (A 591 bis 564); Band ß 65 bis 82 (A 555 bis 520). Absolute Verdunkelung von 115—120 an. Lösung V. Band « 50 bis 60 (A 589 bis 566), dunkler als Band ß, welches zwischen 65 und 80 (A 555 bis 523) liegt. Absolute Verdunkelung beginnt bei 125 —130. Lösung VI. Band & 50 bis 60 mit Centrum um 55 (A 589 bis 566, Centrum A 577). Band ß ist heller, liegt zwischen 66 und 79, das Centrum um 72 (A 553 bis 525, Centrum A 540). Absolute Ver- dunkelung von 135—140 an. Lösung VII. Dasselbe wie bei Lösung VI. Absolute Ver- dunkelung von etwa 140 an. Lösung VII. Band 51 bis 58, Band 67 bis 78. Centrum wie oben. Beide Bänder schwächer, besonders Band ß. Absolute Ver- dunkelung von 140—145 an. 2. Methämoglobin. Lösung I. Absolute Verdunkelung von 55 an. Lösung 1. n & eh | Kein Lösung Ill. R x „40 „| Streifen. Lösung IV. ; 5 AD | Lösung V. Band zwischen 42 bis 60 verbunden mit einem zweiten Bande, das von 65 bis 82 geht. Absolute Verdunkelung fängt bei 100—105 an. Lösung VI. Verdunkelung von 42 bis 60; sie besteht aus zwei Bändern, die ineinander übergehen; das erste, hellere hat seine grölste Intensität bei 45 (A 605), das zweite, bedeutend dunklere bei 54 (A 579). Dann kommt noch ein Band zwischen 65 und S1 mit der gröfsten Intensität um 72 (A 555 bis 522; Centrum bei A 540); dieses Band ist mindestens ebenso dunkel wie das zweite. Die absolute Ver- dunkelung beginnt bei 120 bis 125. Lösung VII. Die Bänder ein wenig schwächer, sonst wie bei Lösung VI. Absolute Verdunkelung von 130 an. 80 Friedrich Krüger, Lösung VIll. Der Streifen mit dem Centrum um 45 ist sehr schwach; der zweite und dritte von fast gleicher Stärke. Letzterer hat seine Grenzen bei 67 und 78. Absolute Verdunkelung beginnt bei etwa 140. Bei weiterer Verdünnung der Lösung schwindet zunächst der erste Streifen, die beiden anderen viel später und fast gleichzeitig. 3. Hiamlatın: Lösung I. Ziemlich plötzlich auftretende Verdunkelung von 32 an, die schon bei 40 absolut wird. Lösung Il. Beschattung beginnt bei 34 und bildet bis 60 ein schlecht begrenztes Band mit der gröfsten Intensität um etwa 46. Auch hinter 60 ist das Spektrum recht dunkel; die Verdunkelung nimmt zum violetten Ende hin immer mehr zu und wird schon bei 90 absolut. Lösung Ill. Band zwischen 35 und 59 mit gröfster Intensität bei 45 (A 635 bis 568, am dunkelsten bei A 604). Es ist nicht stark und nicht scharf begrenzt. Absolute Verdunkelung beginnt bei 105 — 110. Lösung IV. Sehr zartes Band mit schwer bestimmbaren Grenzen etwa von 35 bis 57. Die absolute Verdunkelung von 110—115 an. Lösung V. Band schattenhaft. Absolute Verdunkelung von 115 120 an. Lösung VI. Band kaum angedeutet. Absolute Verdunkelung von etwa 140 an. Lösung VI. Kein Band wahrnehmbar. Absolute Verdunkelung beginnt bei 150—155. Lösung VII. Absolute Verdunkelung tritt bei etwa 170 auf. 4. Chloroformniederschlag. Lösung I. Rotes Licht wird bis 43 durchgelassen, von da ab absolute Verdunkelung. Lösung ll. Von 42 an beginnt eine Beschattung, die bis 50 geht; von 50 bis 60 ein Band, das mit einem zweiten, zwischen 65 und S1 gelegenen, verbunden ist. Die absolute Verdunkelung beginnt bei 100—105. Lösung l11l. Ein Band zwischen 50 und 60 mit der grölsten Intensität um 55 (A 589 bis 566, Centrum A 577). Von ihm geht ein Schatten zum roten Ende des Spektrums bis 43, der jedoch keine deut- liche centrale Verdichtung zeigt. Ein zweites Band liegt zwischen 65 und 80 (A 555 bis 523) und erscheint am dunkelsten bei 72 (A 540). Dieses Band giebt scheinbar dem ersten an Intensität nichts nach, sieht sogar eher dunkler aus. Die absolute Verdunkelung nimmt ihren Anfang bei 115. Lösung IV. Von 43 bis 50 nur äulserst schwacher Schatten. Die Bänder bei gleicher Ausdehnung, wie in Lösung III, etwas weniger dunkel. Absolute Verdunkelung von 120 an. Uber die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. Ss] Lösung V. Beide Bänder ziemlich schwach; der Schatten vom ersten Streifen zum Rot hin nicht mehr zu sehen. Das erste Band nimmt den Bezirk von 51 bis 60, das zweite von 67 bis 78 ein; die grölste Intensität der Bänder natürlich wie oben. Absolute Ver- dunkelung von 130—135 an. Lösung VI. Beide Streifen sehr schwach. Absolute Verdunkelung beginnt bei 140. Lösung VII. Nur Schatten ohne bestimmbare Grenze um 55 und 71 bis 72. Absolute Verdunkelung von 150 an. Lösung VIII. Bänder kaum zu sehen, schwinden scheinbar gleichzeitig. Absolute Verdunkelung beginnt bei 155 —160. b) Alkalische Lösungen nach Behandlung mit reduzierenden Mitteln. l. Reduziertes Hämoglobin. Lösung I und Il. Absolute Verdunkelung beginnt bei etwa 45 bis 46. Lösung Ill. Sehr dunkles Band zwischen 46 und 30. Absolute Verdunkelung von 110—115 an. Lösung IV. Band zwischen 46 und 77. Absolute Verdunkelung von 125—130 an. Lösung V. Band zwischen 48 und 77; gröfste Intensität um 65—66 (A 596—533, am dunkelsten bei etwa A 556). Es tritt die absolute Verdunkelung bei 150 bis 155 ein. Lösung VI. Band von 49 bis 75. Absolute Verdunkelung von 135—140 an. Lösung VII. Band etwas heller als in Lösung VI. Absolute Verdunkelung von 140 an. Lösung VIII. Band sehr schwach von 50 bis 72. Absolute Verdunkelung beginnt bei 140. 2. Hämochromogen. Lösung I. Beschattung beginnt bei 32, absolute Verdunkelung bei 45—50. Lösung Il. Band zwischen 55 und 92, vielleicht in ihm “ein hellerer Streifen zwischen 71 und 75 (?). Absolute Verdunkelung stellt sich bei 105 ein. Lösung II. Band zwischen 56 und 71, ein zweites zwischen 74 und 91. Absolute Verdunkelung von 110—115 an. Lösung IV. Das erste sehr scharfe und dunkle Band ist zwischen 57 und 70 gelegen; das zweite Band liegt zwischen 74 und 90; es ist viel heller und weniger scharf begrenzt, als das erste. Die absolute Verdunkelung tritt bei etwa 120 ein. Beitr, z. chem. Physiologie. III. 6 32 Friedrich Krüger, Lösung V. Das erste Band von 57 bis 69, am dunkelsten um 63 (A 573 bis 547, am dunkelsten bei A 559), das zweite Band von 75 bis 86, am intensivsten um 78 bis 79 (A 534 bis 514, am dunkelsten bei etwa A 527). Die absolute Verdunkelung beginnt bei 130. Lösung VI. Bänder etwas schmaler und schwächer, als in der vorhergehenden Lösung, namentlich das zweite Band sehr schwach. Absolute Verdunkelung von 140 an. Lösung VII. Das erste Band von 60 bis 66, schwach; der zweite Streifen nur als Schatten um 78—S0 zu sehen. Absolute Verdunkelung von etwa 145 bis 150 an. Lösung VIll. Weder der erste, noch der zweite Streifen wahr- nehmbar. Absolute Verdunkelung beginnt bei 165—170. 3. Chloroformniederschlag. Lösung I. Absolute Verdunkelung von 46 an. Lösung Il. Sehr dunkles Band von 46 bis etwa 85. Die absolute Verdunkelung beginnt bei 110. Nach Schütteln mit Luft ein breites Band von etwa 49 bis 83. Absolute Verdunkelung von 95 an. Lösung Ill. Breiter Streifen zwischen 48 und 83 mit starker, ziemlich scharf begrenzter Verdunkelung in der Mitte, entsprechend dem Bezirk zwischen den Teilstrichen 57 bis 70; die stärkste Absorption um 63. Absolute Verdunkelung beginnt bei 120. Nach Schütteln mit Luft zeigt sich das Spektrum des Oxyhämo- globins; die absolute Verdunkelung beginnt früher, bei 110 bis 115. Lösung IV. Dasselbe Bild, wie bei der vorhergehenden Lösung. Beginn der absoluten Verdunkelung bei 120—125. Lösung V. Das breite Band geht von 50 bis SO (A 589 bis 523), das Band im Bande erstreckt sich von 60 bis 68 (A 566 bis 549) und hat seine gröfste Intensität bei 63 (A 560). Die absolute Verdunkelung fängt bei 130 an. Nach Schütteln mit Luft das Spektrum des Oxyhämoglobins; die absolute Verdunkelung rückt weiter vor bis 125. Lösung VI. Das Band im Bande relativ deutlich zwischen 61 und 67; der übrige Teil des breiten Bandes nur angedeutet. Absolute Verdunkelung von 130—135 an. Lösung VII. Nur ein Schatten zwischen 61 und 65 zu sehen. Absolute Verdunkelung nimmt ihren Anfang bei ungefähr 145. Nach Schütteln mit Luft deutliches Oxyhämoglobinspektrum. Lösung VII. Keine Bänder mehr zu sehen. Beginn der ab- soluten Verdunkelung bei etwa 145 —150. Nach Schütteln mit Luft rückt die absolute Verdunkelung bis etwa 140 vor. Die Oxyhämoglobinstreifen lassen sich deutlich er- kennen, doch ist das Band ß schon sehr schwach. Uber die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. 83 c) Saure Lösungen. l. Methämosglobin. Lösung I. Rotes Licht wird durchgelassen bis 28, von wo plötz- lich absolute Verdunkelung beginnt. Lösung II. Intensives Band von 29 bis 44, das mit einem zweiten von 50 bis 59 gehenden Streifen verbunden ist. Bei ungefähr 65 tritt absolute Verdunkelung ein. Lösung III. Fast ganz dasselbe Bild, das auch Lösung II giebt. Lösung IV. Im Rot ein Streifen zwischen 30 und 41 (4 651 bis 617), der bei etwa 36 (4 632) die gröfste Intensität aufweist. Dann folgt ein sehr schwaches zartes Band zwischen 50 und 58 mit dem Centrum um 54 (A 580). Verdunkelung beginnt bei 65 und wird schon bei 70 absolut. Lösung V. Der Streifen im Rot liegt zwischen 30 und 40, dann kommt ein schattenhaftes Band zwischen 50 und 57, alsdann fängt bei 65 wieder Verdunkelung an, wird bei 85 stärker; bei 110 wird wieder ein wenig Licht durchgelassen, und bei etwa 120 tritt absolute Ver- dunkelung ein. Lösung VI. Band im Rot von 31 bis 40. Vom folgenden Streifen nur eine Andeutung, dann Verdunkelung von 67 bis 108 mit deutlichem Band von 85 bis 108. Absolute Verdunkelung beginnt bei 125 —130. Lösung VII. Band im Rot zwischen 31 und 39 mit grölster Intensität um 35 bis 36 (A 648 bis 622, Centrum A 633). Der zweite Streifen kaum sichtbar. Verdunkelung beginnt bei 67, steigert sich etwa bis 72, um dann wieder ein wenig abzufallen und bei 85 in ein Band überzugehen, das sich bis 108 hinzieht und um 95 am dunkelsten ist (A 514 bis 483, am dunkelsten um A 500). Die absolute Verdunkelung beginnt bei etwa 140. Lösung VIII. Im Rot schwacher Streifen zwischen 32 und 38. Vom zweiten Bande keine Spur. Dann schwache Beschattung um 70 herum, worauf ein ziemlich schwaches Band zwischen 87 und 105 folgt. Beginn der absoluten Verdunkelung bei 145 bis 150. 2. Acidhämoglobin Lösung I. Band im Rot zwischen 27 und 39; ist durch einen Schatten verbunden mit der absoluten Verdunkelung, die bei etwa 50 beginnt. Lösung II. Dasselbe Band im Rot, sonst keine Streifen zu sehen, sondern fortschreitende Verdunkelung, die bei etwa 70 bis 75 ab- solut wird. Lösung III. Streifen zwischen 27 und 37 (A 662 bis 629) mit grölster Intensität bei 31 (A 648). Sonst kein Band. Beginn der ab- soluten Verdunkelung bei 105 bis 110. 6* S4 Friedrich Krüger, Lösung IV. Schwacher Schatten um 30 herum. Absolute Ver- dunkelung fängt bei 110—120 an. Lösung V. Kaum wahrnehmbarer Schatten um 30. Beschattung beginnt bei 75—80 und wird bei 125—130 absolut. Lösung VI. Streifen nicht vorhanden. Absolute Verdunkelung beginnt bei 150—155. Lösung VII und VII. Die absolute Verdunkelung nimmt ihren Anfang bei 155—160 resp. bei 160— 165. 3. Chloroformniederschlage. Lösung I. Intensives Band im Rot zwischen 32 und 40, das durch einen Schatten mit der bei etwa 50 beginnenden absoluten Ver- dunkelung verbunden ist. Lösung I. Streifen im Rot zwischen 32 und 40 (4 645 bis 620). Seine grölste Intensität liegt bei 36 (A 632). Dann ist vielleicht ein sehr undeutliches Band zwıschen 49 und 60 wahrzunehmen, das sich kaum merklich von der Umgebung abhebt und scheinbar direkt in ein recht intensives Band übergeht, welches seine Lage zwischen 64 und 88 hat. Die absolute Verdunke@lung beginnt bei etwa 110. Lösung UI. Schwaches Band zwischen 32 und 40. Weiter vielleicht ein Schatten um 58 und alsdann ein Band zwichen 65 und 35. Beginn der absoluten Verdunkelung bei 120—125. Lösung IV. Das Band im Rot sehr schwach (32 bis 39). Das darauffolgende Band, wenn überhaupt, so nur schattenhaft vorhanden. Sehr deutlich und verhältnismälsig scharf begrenzt das Band zwischen 66 und 83 (A 553 bis.518). Es hat seine gröfste Intensität bei 73—74 (A 538). Die absolute Verdunkelung fängt bei 125—130 an. Lösung V. Schatten zwischen 30 und 40 mit nicht bestimm- baren Grenzen. Darauf folgt deutliches Band zwischen 66 und 83. Absolute Verdunkelung von 150—135 an. Lösung VI. Streifen im Rot kaum sichtbar; Band zwischen 70 und 80 als Schatten. Beginn der absoluten Verdunkelung bei etwa 145. Lösung VII und VIII. Keine Bänder. Absolute Verdunkelung beginnt bei 150—155 resp. bei 160. Sehen wir uns nun das spektrale Verhalten des Chloroform- niederschlages an der -Hand der angeführten Untersuchungen und der beigegebenen Spektraltafel näher an. I. Man beachte zunächst das Spektrum der alkalischen Chlo- roformniederschlaglösung (Nr. IV der Tafel) und vergleiche es mit dem der Oxyhämoglobinlösung (Nr. I der Tafel). Das Ver- hältnis der Intensität der beiden Bänder zu einander ist in den beiden Spektren ein verschiedenes. Beim Oxyhämoglobin ist der näher zu D gelegene Streifen der dunklere, bei der Lösung des Chloroformniederschlages umgekehrt. Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. 85 Der Schatten vom Band & zum Rot (Nr. IV der Tafel) könnte entweder von einem Gehalt der Lösung an Methämoglobin oder von einem solchen an Hämatin herrühren. Im ersteren Falle mülste aber, meiner Meinung nach, dieser Schatten zum roten Ende hin eine Verdichtung zeigen und auflserdem die absolute Verdunkelung früher beginnen. Im letzteren Falle wäre es wenig verständlich, warum der Streifen ß dunkler erscheint, als der Streifen &. Wenn es sich jedoch nicht um eine Kombination der Spektra des Oxyhämoslobins, Methämoglobins und Hämatins handelt, so bliebe nur die Annahme übrig, dals es bei der Wirkung des Ohoroforms auf Hämoglobin zur Bildung eines Produktes mit besonderen spektralen Eigenschaften kommt. Zu Gunsten dieser Annahme würde auch der Umstand sprechen, dals in einigen Fällen (offenbar unter besonders günstigen, nicht näher bekannten Bedingungen) im Spektrum der alkalischen Chloroformniederschlaglösung ein Band im Rot von der gleichen Lage, wie das entsprechende Band des sauren Methämoglobins, beobachtet werden konnte. Ein derartiges Band ist, meines Wissens, für alkalische Lösungen der Blutfarbstoffderivate bisher noch nicht verzeichnet. I. Nach Zusatz von minimalen Mengen reduzierender Rea- gentien, wie Schwefelammonium, Stockes’ Reagens u. dergl., treten sofort deutliche Streifen des Oxyhämoslobins auf, d. h. es kommt eine Änderung des Spektrums derart zu stande, dafs die ursprünglichen Streifen der Chloroformniederschlaglösung bedeutend an Intensität zunehmen, besonders aber der erste (&), so dafs er dunkler und schärfer begrenzt erscheint, als der zweite (ß). Gleich- zeitig schwindet der Schatten, der vom ersten Bande (&) sich zum roten Ende des Spektrums hin erstreckt. Nach mehr oder weniger langer Einwirkung kleinster Mengen des Reduktionsmittels oder sehr schnell nach Zusatz g„rölserer Mengen desselben erhält man das schon oben beschriebene Band, das seiner Lage nach dem Bande des reduzierten Hämoglobins entspricht und eine deutlich begrenzte Verdunkelung in seiner Mitte aufweist (Nr. VII der Tafel). Man erhält unwillkürlich den Eindruck, als handele es sich um ein kombiniertes Spektrum, ent- standen aus den Spektren des reduzierten Hämoglobins (Nr. V der Tafel) und des Hämochromogens (Nr. VI der Tafel). Daraus mülste man den Schlufs ziehen, dals der Chloroformniederschlag aus Hämatin und Hämoglobin oder Methämoglobin besteht. 86 Friedrich Krüger, III. Das Spektrum der sauren Chloroformniederschlaglösung (Nr. X der Tafel) habe ich mit den Spektren des sauren resp. neutralen Methämoglobins und des Acidhämoglobins verglichen (Nr. VIII und IX der Tafel). Hier muls ich, um Mifsverständnissen vorzubeugen, einige Worte der Erklärung hinzufügen. Es will mir scheinen, als ob hinsichtlich der nächsten Zersetzungsprodukte des Blutfarbstoffes — des Hämatins und des Acidhämoglobins — noch viel Unklarheit herrschte. Natürlich würde es nicht in den Rahmen dieser Mitteilung passen und mich viel zu weit führen, wollte ich die gesamte darauf bezügliche Litteratur her- anziehen und kritisch beleuchten. Nur wenige Bemerkungen mögen hier Platz finden. Über das Spektrum des alkalischen Hämatins scheinen wesent- liche Meinungsverschiedenheiten nicht obzuwalten. Anders in Bezug auf die sauren Lösungen desselben. In der Mehrzahl der Lehrbücher finden wir die Angabe, dafs im allgemeinen die Spektren des Methämoglobins und Hämatins in saurer Lösung annähernd gleich seien: ein Streifen im Rot, zwei Streifen zwischen D und E und ein vierter Streifen zwischen b und F. In vielen Lehrbüchern, denen eine Spektraltafel beigegeben ist, begnügt man sich mit der Wiedergabe eines Bildes für beide Farbstoffe, als ob sie ganz identische Spektren hätten (Neubauer und Vogel, Ana- lyse des Harns, 9. Aufl., 1890; Neumeister, Lehrb. d. physiol. Chemie, 1895). Dieses ist nun ganz entschieden falsch. Wenn auch die übrigen Streifen des Methämoglobins und Hämatins zusammenfallen mögen, so gilt das doch in keinem Falle für das Band im Rot, worauf schon von Harnack aufmerksam gemacht worden ist*). Nach ihm liegt der Streifen des Methämoglobins zwischen Ü und D, näher zu (, erreicht jedoch höchstens diese Linie, während das Band des sauren Hämatins zwischen DB und C liegt, ohne Ü zu erreichen. Eine Mittel- stellung zwischen beiden nimmt in seinem spektroskopischen Verhalten das Acidhämoglobin ein, dessen Band auf der C-Linie liegt und sich zu beiden Seiten derselben erstreckt. Für meine mit Essigsäure behan- delten Hämoglobinlösungen wählte ich den Namen „Acidhämoglobin“, da ihr Spektrum dem des Acidhämoglobins am nächsten kam. Erwähnen will ich noch, dafs Ziemke und Müller**) neuer- dings für das saure Hämatin ein Spektrum angeben, das aus vier Bändern besteht — einem Bande im Rot zwischen Ü und D, näher zu (, und drei Bändern zwischen D und Z£. Von einem Bande zwischen b und F’ ist nichts gesagt. Das Spektrum der sauren Chloroformniederschlaglösung läfst sich mit keinem der zum Vergleich herangezogenen Spektren in Einklang bringen. *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 26, 558. ==) du Bois? Arech.,.1901,7Suppl. Bdus. Ara. Über die Einwirkung von Chloroform auf Hämoglobin. 87 Würde der Chloroformniederschlag wirklich, wie Formänek annimmt, zum grölsten Teile aus Oxyhämoglobin bestehen, so könnte bei der Einwirkung so geringer Mengen Essigsäure, wie sie zur Lösung desselben nötig waren, nicht so schnell das Bild des Oxyhämoglobins schwinden. Ich habe mehrfach Oxyhämo- globinlösungen von annähernd derselben Konzentration, wie die sauren Lösungen des Chloroformniederschlags, mit der entsprechen- den Menge Essigsäure angesäuert — die ursprünglichen Streifen schwanden nur sehr allmählich, und man konnte noch lange das Spektrum des Oxyhämoglobins, wenn auch mit allmählich schwächer werdenden Absorptionsbändern, beobachten. Vom Spektrum des Methämoglobins in saurer Lösung unter- scheidet sich das der sauren Chloroformniederschlaglösung haupt- sächlich durch das Fehlen des Bandes zwischen b und F. Vom Spektrum des Acidhämoglobins — durch die andere Lage des Streifens im Rot und durch die Gegenwart der beiden Bänder zwischen D und #, die miteinander verbunden sind und von denen der violettwärts gelegene der bedeutend dunklere und schärfer begrenzte ist. Dals dieses Spektrum nicht aus einer Kombination der Spektren des Acidhämoglobins und Methämoglobins hervorgegangen ist, scheint mir auf der Hand zu liegen. Ebenso scheint es mir aus allem Angeführten klar zu sein, dals der Chloroformniederschlag nicht einfach schwerlöslich ge- wordenes Oxyhämoglobin mit einer kleinen Beimengung von Hä- matin darstellt, sondern dafs durch die Einwirkung des Chloroforms noch andere Veränderungen im Hämoglobinmolekül bedingt werden. Welcher Art diese Veränderungen sind, mufls zunächst dahin- gestellt bleiben. Bei eingehenderem Studium der Litteratur über das spektro- skopische Verhalten der nächsten Hämoglobinderivate bin ich auf sehr viele Widersprüche gestolsen, und auf Grund einiger eigener Beobachtungen sind mir manche Zweifel aufgestiegen. Die Frage nach den optischen Eigenschaften des Blutfarbstoffes bedarf, meiner Ansicht nach, überhaupt einer erneuten und gründlichen Unter- suchung unter Zuhilfenahme exakterer Methoden. Bevor eine solche ausgeführt ist, ist es mir ganz unmöglich, endeiltige und sichere Schlüsse über die Veränderungen, die das Hämoslobin durch die Einwirkung des Chloroforms erleidet, zu ziehen. 88 Friedrich Krüger, Über die Einwirkung von Chloroform u. s. w. . Ich mufs mich daher fürs erste mit der Bemerkung be- gnügen, dafs mir das Chloroform durchaus nicht ein indifferentes Reagens zu sein scheint, das nur das Hämoglobin in eine schwerer lösliche Modifikation umwandelt, ohne es weiter chemisch zu ver- ändern. Erklärung der Tafel. I. Oxyhämoglobinlösung. II. Alkalische Methämoglobinlösung. III. Alkalische Hämatinlösung. IV. Alkalische Lösung des Chloroformniederschlages. V. Lösung von reduziertem Hämoglobin. VI. Hämochromogenlösung. VII. Reduzierte Chloroformniederschlaglösung. VII. Saure Methämoelobinlösung. IX. Acidhämoglobinlösung. X. Saure Lösung des Chloroformniederschlages. Die Spektren I bis IV entsprechen annähernd der Lösung V, die übrigen der Lösung VI des Hundehämoglobins. IV. Über Hämolyse. Studien über die Wirkungsweise des Staphylolysins. Von Dr. Heinrich Schur. (Aus dem staatl. serotherapeutischen Institute in Wien. Vorstand: Prof. R. Paltauf.) Die in jüngster Zeit erschienenen Arbeiten von Kraus und Ludwig*) über die Einwirkung von Staphylolysinen und Vibrio- lysinen auf den Organismus bei subkutaner Injektion waren die Veranlassung zu vorliegenden Untersuchungen. Von vornherein mulste es auffallen, dals es Kraus und Ludwig gelungen war, durch Injektion von 2ccm eines Staphylolysins, von dem 2 Tropfen blofs 5cem einer 5 proz. Blutaufschwemmung vollständig zu lösen vermochten, bei Kaninchen von 1 kg Körpergewicht überhaupt Erscheinungen im Blut hervorzurufen. Die möglichen aprio- ristischen, d. h. aus den bekannten Angaben ableitbaren Vor- stellungen über die Einwirkung des Staphylolysins im Organismus waren vor allem drei: Die injizierten Lysinmengen lösten erstens thatsächlich so viel, als sie bei obiger Versuchsanordnung in vitro zu lösen im stande waren, also 2 ccm (— ungefähr 40 Tropfen) lösten 5 ccm Blut. War schon diese Annahme im vorliegenden Falle eine aufserordentlich unwahrscheinliche, so war sie nicht einmal geeignet, den Effekt zu erklären. 5ccm Blut sind etwa der 16. Teil der Blutmenge der verwendeten Kaninchen und man kann eine solche Menge direkt durch Venäpunktion entfernen, ohne dafs im Blut die von Kraus und Ludwig beschriebenen Veränderungen auftreten. Viel wahr- scheinlicher war der zweite Fall, dafs sich die 2cem Lysin derart *) Wiener klin. Wochenschrift 1902. 90 Heinrich Schur, ; auf das ganze Blut verteilen, dafs jedes Blutkörperchen nur einen kleinen ihm nach Mafsgabe einer gleichmälsigen Verteilung zu- kommenden Teil bindet. Dieser kleine Teil hätte dann natürlich zu seiner Auflösung nicht hingereicht und wir hätten erwarten müssen, dafs überhaupt nichts erfolgte. Infolge ihrer grofsen Menge hätten sich die Blutkörperchen gegenseitig in ähnlicher Weise geschützt, wie etwa die Antilysine die Blutkörperchen vor der Giftwirkung schützen. Eine Erklärung der thatsächlich beobachteten Ver- änderungen hätte infolgedessen diese a priori wahrscheinlichste Vorstellung nicht geboten. Die dritte Vorstellung, dafs nämlich das Lysin ungefähr in gleicher Menge an jedes Blutkörperchen herantritt und aus diesem, nach Mafsgabe seiner Menge, nur einen Teil des Hämoglobins löst, das Blutkörperchen -also chlorotisch macht, ohne es vollständig zu zerstören, findet in den gültigen Anschauungen keinen Boden, würde auch nicht zur Erklärung der Blutbefunde ausreichen, da in den Fällen von Kraus und Ludwig eine Oligocythämie auftrat. Nur unter einer Bedingung schien a priori die Möglichkeit einer Wirkung der Injektion so geringer Mengen Lysin gegeben, nämlich unter der Voraussetzung <$, dafs das Lysin sich auf sämt- liche Blutkörperchen verteilt und diese, wenn auch nicht zur Lösung bringt (da die Menge unzureichend ist), so doch soweit schädigt, dals sie nachträglich im Organismus auf andere noch unbekannte Art zerstört werden. Nur die direkte experimentelle Untersuchung konnte über diese Verhältnisse Klarheit bringen. Das Studium der Wirkungs- weise des Staphylolysins in vitro erschien mir aber deshalb be- deutungsvoll, weil von demselben nicht nur Aufklärung über diesen Specialfall zu erwarten war, sondern bei der weitgehenden Analogie des Staphylolysins mit den übrigen Toxinen auch eine Über- tragung der neu gewonnenen Erfahrungen auf die übrigen Toxine zulässig erschien. Wenn wir die Wirkungsweise des Lysins im Organismus kennen lernen wollten, handelte es sich vor allem darum, die quantitativen Beziehungen zwischen der Menge des Lysins und der zerstörten roten Blutkörperchen festzustellen, und zwar sowohl bei wechselnden Blutmengen, als auch bei wechselnden Lysinmengen. Ein weiteres Interesse bot dieselbe Frage, wenn die Zeit als zweite Variable verwendet wurde. Diese Unter- suchungen brachten es mit sich, dafs Blutkochsalzlösungauf- schwemmungen oft bis zu einem Monat stehen gelassen wurden, Über Hämolyse. 9] und dieser Umstand zwang zu einer Untersuchung über das Ver- halten von Blutkörperchenaufschwemmungen in isotonischen Koch- salzlösungen bei wochenlangem Stehen. Als direkte Folgerungen aus den Versuchen ergaben sich dann die Bemerkungen über den fermentativen Charakter des Staphylolysins sowie über die quanti- tative Auswertung desselben. In weniger engem Zusammenhang mit diesen Fragen stehen dann die weiteren Untersuchungen über die Veränderungen des Blutes durch Staphylolysin vergifteter Kaninchen und über die diagnostische Verwertbarkeit der gefundenen Veränderungen. Die Arbeit zerfällt mithin in folgende Abschnitte: 1. Über die quantitativen Beziehungen zwischen der Menge des Lysins und jener der zerstörten roten Blutkörperchen. 9. Über die Veränderungen von Blutkörperchenaufschwem- mungen beim Stehenlassen. 3. Über Lysinwirkung als Funktion der Zeit. 4. Über die Fermentnatur des Staphylolysins. 5. Über die quantitative Auswertung des Staphylolysins. 6. Über die Veränderungen des Blutes bei mit Staphylolysin vergifteten Tieren. 1. Über die Beziehungen zwischen der Menge des Staphylolysins und der Menge der zerstörten roten Blutkörperchen. Für die quantitative Auswertung eines Hämolysins war bis jetzt ganz allgemein üblich die Bestimmung jener Toxinmenge, ausgedrückt durch die Tropfenzahl, welche im stande war, eine bestimmte Blutmenge in isotonischer Kochsalzlösung zur vollen Lösung zu bringen. Die weiteren quantitativen Angaben aus der Litteratur wie: „Kuppe gelöst, Spur, Spürchen gelöst“, sind natürlich so ungenau, dals sie als halbwegs genaues quantitatives Mals nicht verwertet werden können. Die Brauchbarkeit dieser Me- thode zur quantitativen Auswertung wollen wir vorderhand nicht besprechen. Das Eine ist sicher, dafs diese Methode ein Bild über die Lösungskraft eines Lysins gegenüber verschiedenen Blut- mengen ebenso wenig geben konnte, als sie im stande war, uns über den Wirkungswert verschiedener Lysinmengen gegenüber derselben Blutmenge aufzuklären. Wir mufsten deswegen nach einem anderen Verfahren zur Bestimmung des Wirkungswertes eines Lysins suchen und fanden dieses in einer Methode, die der von 99 Heinrich Schur, = Madsen*) zur Auswertung des Tetanolysins benutzten sehr ähn- lich ist, d. i. in der Bestimmung der durch das Lysin zur Lösung gebrachten Hämoglobinmenge. Die Bestimmung des Hämoglobins geschah auf colorimetrischem Wege mittels des Hämometers von v. Fleischl. Die Genauigkeit des Instrumentes reicht für diese Zwecke vollständig aus, besonders dann, wenn man, wie dies bei diesen Bestimmungen leicht möglich ist, die Füllung des Troges und die Ablesung mehrere Male bei ver- schiedenen Konzentrationen vornimmt. Mehr Schwierigkeit verursachte das Abheben der Hämoglobin- lösung von den ungelösten Blutkörperchen. Sie ist um so grölser, je weniger Lysin zugesetzt wird, da bei Verwendung kleiner Lysinmengen keine vollständige Agglutination der ungelösten Blutkörperchen ein- tritt und infolge dessen durch den Versuch des Abhebens der über- stehenden Flüssigkeitsschicht leicht der Bodensatz aufigerührt wird. Wır mulsten deshalb, um eine klare Flüssigkeit zu erhalten, öfters die abgehobene Flüssigkeit nochmals centrifugieren. War die Agglutination vollkommen, so machte diese das Centrifugieren oft ganz überflüssig. Zum Abmessen der zur Füllung des Troges zu verwendenden Hämo- globinlösung konnten wir natürlich nicht die dem Fleischlschen Apparate beigegebenen Kapillarpipetten verwenden, da diese viel zu klein sind. Ich verwendete deshalb hierzu eine in 1/,on cem geteilte Pipette von lcem Inhalt und es ergab sich, dafs lccm einer Blut- lösung von einem Tropfen Kaninchenblut in 5cem 1 promill. Sodalösung gewöhnlich etwa 100 Fleischl ergab. Die in den Tabellen angegebenen Zahlen für die Hämoglobinwerte zeigen an, wie viel Teile der Fleischl- schen Skala lccm der verwendeten Hämoglobinlösung geben würde. Da man mit dem Fleischlschen Apparate nur Werte bis 120 abmessen kann, so ist es selbstverständlich, dafs zur Bestimmung höherwertiger Hämoglobinlösungen kleinere Mengen derselben verwendet werden und die erhaltenen Werte umgerechnet werden mulsten. Erste Voraussetzung für die Möglichkeit einer derartigen Wertbestimmung des Lysins war, dafs die Färbekraft einer Hämo- globinlösung innerhalb der Beobachtungszeit weder durch das Lysin noch durch das Stehen beeinflulst wird. Da über diese Fragen keine Angaben in der Litteratur existieren, mulste ich diese kleine Vorarbeit selbst ausführen. Sie führte zu folgendem Resultat: 4 Tropfen Kaninchenblut in 1promill. Sodalösung: sofort nach 1 5 15 Tagen . 400 420 410 405 steril - # i | + 2 Tropfen Staphylolysin Z— 410 400 410 In den bakteriell verunreinigten Röhrchen ergaben sich folgende Werte: 400 420 600 700 *) Thorwald Madsen: Zeitschr. für Hygiene XXXI, 8. 214 (1899). Über Hämolyse. 33 Aus dieser Tabelle ergiebt sich die Brauchbarkeit der Methode. Gleichzeitig lehrte die spektroskopische Untersuchung, dals das Oxyhämoglobin nicht oder nur in Spuren reduziert wird. Nur hie und da konnte man in den Röhrchen eine eigentüm- liche kirschrote Färbung bemerken. Diese begann an den untersten Partieen, breitete sich allmählich über das ganze Röhrchen aus, gleich- zeitig trübte sich die Flüssigkeit; die spektroskopische Untersuchung ergab den Hämoslobinstreifen. Nach Schütteln mit Luft traten wieder die Oxyhämoglobinstreifen auf. In allen diesen Röhrchen konnten durch Abimpfen Bakterien nachgewiesen werden, während diejenigen Röhrchen, in denen das Oxyhämoglobin nicht reduziert wurde, steril blieben. Ich begeenete dieser Erscheinung auch später noch hie und da bei den Lysinversuchen und konnte nachweisen, dals auch dort die Reduktion des Oxyhämoglobins zu Hämoglobin an das Auftreten von Bakterien geknüpft war. Regelmäfsig war die Erscheinung zu beob- achten, wenn ich zu den Lysinversuchen anstatt der reinen Filtrate direkt die Staphylokokkenkulturen verwendete. In der Litteratur findet sich diese auffallende Verfärbung der Blutlösungen mehrfach erwähnt, so bei Kraus, Marmorek, ohne dafs diese Verfärbung auf ihre Ur- suche untersucht worden wäre. Es handelt sich zweifellos dort, wo mit Filtraten gearbeitet wurde, um bakterielle Verunreinigungen, bei den Versuchen, zu denen Kulturen verwendet wurden, wohl um eine Wirkung der zugesetzten lebenden Bakterien. Der Frage, ob sich ver- schiedene Bakterien in dieser Beziehung verschieden verhalten, ob vielleicht ein Unterschied zwischen aeroben und anaeroben Bakterien existiert, bin ich nicht näher getreten. Weiter lehrten die Vorversuche, dals die bakteriell verun- reinigten Röhrchen meist nachdunkelten, so dafs, wie aus der Tabelle ersichtlich ist, die bakteriell verunreinigsten Röhrchen des oben mitgeteilten Versuches nach 15 Tagen 700 Fleischl ergaben. Die Flüssigkeit gab die Streifen des reduzierten Hämoglobins, nach Schütteln mit Luft jene des Oxyhämoglobins. Neben diesen Streifen konnte in den dunkleren Röhrchen deutlich der Methämo- globinstreifen nachgewiesen werden *) Für mich ergab sich aus diesen Versuchen die unbedingte Pflicht des aseptischen Arbeitens. Freilich kam es auch in aseptisch gehaltenem Blut zum Auftreten von Methämoglobin, aber erst so spät und in so geringem Malse, dafs dieser Fehler den Wert unserer Bestimmungen nicht beeinträchtigt. Die Versuche **) gestalteten sich dementsprechend folgender- malsen: *) Ähnliche Beobachtungen machte Nolf. Auch er bezieht das Braun- werden auf das Auftreten von Methämoelobin. =) Zu den Versuchen wurde überall, wenn nichts anderes angegeben ist, Kaninchenblut verwendet. 94 Heinrich Schur, Zu 5ccem 0,85 proz. Kochsalzlösung wurden wechselnde Mengen Bluttropfen und eine wechselnde Anzahl Staphylolysintropfen zugesetzt, die Röhrchen nach 24 Stunden aufgeschüttelt und centrifugiert. In der überstehenden klaren Flüssigkeit wurde das Hämoglobin auf die oben angegebene Weise bestimmt. Gleichzeitig wurde die Fleischlzahl eines in 5cem 0,1 proz. Sodalösung direkt vollständig gelösten Blut- tropfens bestimmt. Die Untersuchungen lieferten folgende Resultate: ne | | Zur Bestimmung | Direkt abge- Berechnete | ; verwendete lesene Fleischlzahl Bluttropfen Or Rabe Menge Fleischerei pro.1 ccm 1 1 l cem 53 53 3 1 a, | 92 92 6 1 | Do 65 | 130 12 1 | Da 96 192 94 1 | 0 92 | 184 1 | 3 | 10%, 92 92 3 | 3 NO 90 180 6 3 0,35, | so 267 12 3 038: 90 300 1 5 | 700% 95 95 3 5 | Ma, 60 200 6 5 Ds 107 363 12 | 5 00, | so 400 1 | 10 | 0 | 90 90 3 10 VE 70 233 6 | 10 | 0 so 400 12 10 | 08, 108 540 1 0 100% <10 <10 3 0 ide 10 E10 6 0 1208, <10 <10 12 ) I <10 <10 94 0 ko <10 < 10 In allen Kontrollpräparaten zeigt sich sehr geringe Hämolyse. Ihr Wert ist nach Fleischl unbestimmbar, da er kleiner ist als 10. In den Eprouvetten ist jedoch deutlich zu sehen, dals mit steigender Bluttropfenzahl die Lösung des Hämoglobins konzentrierter wird. Schon eine oberflächliche Betrachtung dieser Tabelle lehrt, dals zwischen der Toxinmenge und der Menge des gelösten Hämo- globins keine einfache Beziehung besteht. Es lösten durchaus nicht Multipla von Toxinmengen entsprechende Hämoglobinmengen Über Hämolyse. 95 sondern es zeigte sich das eigentümliche Verhalten, dafs gleiche Mengen Toxin um so mehr Hämoglobin lösten, je mehr Blut ihnen zur Verfüsung gestellt wurde, ohne dafs in diesem Versuche jemals volle Lösung aufgetreten wäre, und dafs andererseits aus gleichen Mengen Blut um so mehr Hämoglobin ‚gelöst wurde, je gröflsere Toxinmengen angewendet wurden. Nur eine einzige Be- stimmung dieser Tabelle weicht von dieser Regel ab. Bei der Einwirkung von 1 Tropfen Toxin auf 24 Tropfen Blut wurde weniger Hämoglobin gelöst, als bei Einwirkung von 1 Tropfen Toxin auf 12 Tropfen Blut. Auf diese Ausnahme komme ich später wieder zurück. Aus diesem unerwarteten Versuchsergebnis ergaben sich zwei Fragen: l. Zeigt sich in der Wirkungsweise konstanter Lysinmengen auf wechselnde Blutmenge irgend eine Gesetzmälsigkeit und zeigt speziell die Steigerung der Lysinwirkung durch Vermehrung der ihr unterworfenen Blutmenge Grenzen, bezw. giebt es eine Menge Blut, bei der die Wirkung des Lysins durch weitere Blutzugabe abgeschwächt wird’? 2. Läfst sich irgend ein Gesetz für den Wirkungswert ver- schiedener Lysinmengen auf konstante Blutmengen ermitteln’? Der Beantwortung der ersten Frage dienen folgende Tabellen: Erster Versuch. pro Tropfen Blut. 1 Tropfen Toxin löst von 1 Tropfen Blut.... 8 88 BRRES, Be I 43 To ER NE ERA/ 21,7 SO BE en 8,85 a0 RR RED 2,75 (1 Tropfen Blut —= 94.) Zweiter Versuch. Ein zweites Lysin ergab folgende Tabelle: lropien. löst von 1 Tropfen Blut". » 2......8 85 Re A ai anal 58,5 Be N An 56 OR Em SE 98 2 Tropfen desselben Lysins lösen von 1 Tropfen But S1 81 Be a 69 6) u 3 525 66 16 & ; S00 50 (1 Tropfen Blut — 90.) 96 Heinrich Schur, Dritter Versuch. pro 1 Tropfen Blut. 1 Tropfen Lysin löst aus 1 Tropfen Blut ..... 90 90 De ae 70 ARE REES RU 49,5 8 “ RD 32,5 16 5 en El) 22 0,5 Tropfen desselben Lysins löst aus 1 Tropfen Blut 85 85 DR ch) ‚60 4 5 5 153 38 fe) si 5 190 21 1 70 11 (1 Tropfen Blut — 90.) Da alle weiteren Versuche dasselbe Resultat ergaben, hätte ‘es keinen Sinn, alle diese in extenso anzuführen. Es ergiebt sich aus ihnen für die gestellte Frage, dafs die Menge des nach 24 Stunden von einer bestimmten Toxinmenge gelösten Hämo- globins nur bis zu einem bestimmten Punkte mit der Blutmenge wächst. Von dieser Grenze ab wird dieselbe mit wachsender Blut- menge kleiner. Wenn wir dieses Gesetz graphisch darstellen wollen, so ergiebt sich z. B. aus dem ersten Versuch folgende Kurve. a le © | 217 217 Ö 177 E = Ro} oO &n [o) 5 110 I |fss ® Pix) o | Be) | ® &0 I 25 10 20 40 Blutmenge (Tropfen) Es giebt also für den Wirkungswert einer bestimmten Toxin- menge ein gewisses Optimum der Wirkung. Trotzdem in keinem Röhrchen wirklich ganz volle Lösung eingetreten war”), ergab sich in einzelnen Versuchen die Menge des gelösten Hämoglobins beim Optimum bis 10 mal so grofs als *) Diese Behauptung bezieht sich natürlich nur auf die in dieser Tabelle verzeichneten Versuche. Über Hämolyse. 97 in dem mit weniger Blut beschickten Röhrchen. Auf diese Weise wäre uns die Wirkung der subkutanen Hämolysininjektionen wohl verständlich geworden, da wir dem verwendeten Hämolysin einen 10 mal so grolsen Wirkungswert zuschreiben konnten, wenn nicht das allmähliche Absinken von diesem Optimum bei weiterem Blut- zusatz dieser Erklärung grofse Schwierigkeiten bereitet hätte. In der letzten Kolumne dieser Tabellen ist die Menge des gelösten Hämoglobins pro Tropfen Blut angegeben. Ein Blick auf die Tabellen lehrt, dafs die Zahlen mit Vermehrung der Blut- mengen ganz bedeutend abnehmen. Es zeigt dieser Teil der Tabellen, dafs trotz der anfänglichen Zunahme der absoluten Menge des gelösten Hämoglobins die relative Lösungsfähigkeit des Lysins gegenüber den Blutkörperchen mit der Zunahme ihrer Menge abnimmt. Je geringere Mengen Blutes einer bestimmten Lysin- menge zur Verfügung stehen, um so vollständiger ist die Lösung. Der Beantwortung der zweiten Frage dienen folgende Tabellen (82 8. 98): Aus allen diesen Tabellen ergiebt sich Folgendes: l. Aus gleichen Blutmengen wird um so mehr Hämoglobin gelöst, je mehr Toxin zugesetzt wird. 2. Das Verhältnis zwischen gelöster Hämoglobinmenge und Lysinmenge ist kein einfaches in der Art, dafs der doppelten Menge Lysin die doppelte Menge gelösten Hämoglobins entsprechen würde, sondern es entsprechen im allgemeinen Multiplis von Lysinmengen nicht eben solche Multipla gelösten Hämoglobins, sondern meist etwas weniger, so dals pro Toxineinheit um so weniger gelöst wird, je mehr Toxin zugegeben wird. Diese Abnahme des Wirkungswertes der Toxineinheit wird um so deutlicher, je höhere Dosen man verwendet, so dals sich bei hohen Dosen die einfache von der doppelten Dosis in ihrer Wirkung nur mehr wenig unter- scheidet. Dieses Gesetz wird in beifolgender Kurve deutlich ver- anschaulicht und man kann schon aus dem immer sanfter ansteigenden Verlauf dieser Kurve ersehen, dafs bei einigermalsen gröfseren Blutmengen wahrscheinlich die Lösung auch bei Zugabe der aller- grölsten Dosen Lysin unvollständig bleibt. Thatsächlich ergab sich auch in unseren Versuchen, dafs 8 Tropfen Blut selbst bei direkter Aufschwemmung in dccem reinem Lysin nicht ganz vollständig gelöst werden. Es löste z. B. ein solches Lysin in 2 10V : 2200 dieser Weise - während ein Tropfen desselben Lysins im stande war. Sehr deutlich erscheint die enorme Abnahme im Wirkungswert des Lysins bei Verwendung grölserer Dosen, wenn man Beitr. z. chem. Physiologie. III. zu lösen oO 7 98 Heinrich Schur, Erster Versuch. 5 Differenz c Differ Tropfen Blut = open Fleischl ee Pro, OFT: Toxin gegen U i Lysin 8 0) | 40 — — 8 0,1 50 10 10 8 122019 80 40 20 8 0,4 123 83 9] 8 0,8 200 160 90 8 1,0 230 190 19 8 9,0 290 950 12,5 8 4,0 350 310 7,75 1 Tropfen Blut —= 100. Zweiter Versuch. Ein anderes Toxin. | 0 40 sur I“ 8 Tropfen desselben Butes | Si n == 2 wie in Versuch 1 92 110 1 = ie 04 165 195 31 | 1,0 330 2390 29 Dritter Versuch. Ein drittes Toxin. | | 0 32 — — | 0,1 »8 6 6 8 Tropfen anderes Blut. J 0,2 100 68 34 1 Tropfen Blut = 100. | 0,4 123 91 23 12105 167 135 5 I 08 295 193 22 Vierter Versuch. || be- | 0) ler zZ 10 Sm EIER, | unbe- FIR AR 8 Tropfen Blut. J 1 stimmbar Sat ee m | 08 43 5 8,1 I al) 128 128 12,8 I. 28 195 195 9,8 beachtet, dafs die Vermehrung der gelösten Hämoglobinmenge durch Steigerung der Toxinmenge nicht blofs pro Toxineinheit absolut kleiner wird, sondern auch einen kleineren Teil des mit der vorhergehenden Toxinmenge nicht gelösten Restes bedeutet. Es lösen z. B. 1 Tropfen 230 — n 800 , 570 En Er 0007290, ae 35 = SE 510 S00 570 4 h al a Über Hämolyse. 99 Dieses Gesetz gilt, wie aus den Tabellen und dem nach oben offenen Winkel am Beginn der Kurve ersichtlich ist, erst von einem bestimmten Punkte. Bis zu diesem wächst mit der Menge des Toxins die Menge des pro Toxineinheit gelösten Hämoglobins. Diese Ausnahme bedeutet im wesentlichen nichts anderes als die in den früheren Versuchen gefundene Abnahme der Menge des gelösten Hämoglobins bei Verwendung relativ grolser Blut- mengen. Dals 0,1 Tropfen Toxin auf 8 Tropfen Blut pro Toxin- einheit weniger stark wirkt als 0,2 Tropfen, ist im Grunde gleichbedeutend mit der Thatsache, dafs 1 Tropfen Toxin aus 40 Tropfen Blut weniger Hämoglobin löst, als aus 20. Wir schen 350 > gelöste Hämoglobinmengen Toxin 02 04 08 10 2,0 40 also als allgemeines Gesetz: Die Lösungskraft steigender Lysin- menge auf konstante Blutmenge steigt bei den kleinsten Mengen pro Lysineinheit zuerst etwas an, wird dann bei mittleren Dosen relativ konstant, um dann bei grölseren Dosen stark abzufallen, so stark, dafs bei gröfseren Blutmengen selbst nicht durch die gröfsten Lysinmengen auch nur annähernd vollständige Lyse erzielt werden kann. Worauf diese eigentümliche Wirkungsweise des Lysins zurück- zuführen ist, läfst sich vorderhand nicht sagen. Wir haben schon 7F 100 Heinrich Schur, in den einleitenden Worten erwähnt, dafs man von vornherein im Sinne der bestehenden Lehre ein Gesetz der einfachen Proportionen, resp. Abnahme der Wirkungen bei zu grofser relativer Verdünnung des Toxins hätte erwarten dürfen. 2, Über die spontan auftretende Hämolyse. Limbeck*) schreibt in seinem Buche, dals es ihm bekannt sei, dals sich die normalen Blutkörperchen in isotonischen Koch- salzlösungen und selbst in ihrem eigenen Serum bei längerem Stehen allmählich auflösen, auch dann, wenn die Proben aseptisch aufbewahrt werden. Auch Nolf**) erwähnt in seiner Arbeit über den Mechanismus der Globulolyse die Autolyse als Thatsache. Ich hielt es für zweckmälsig, diese bei beiden Autoren nur mit einigen Worten erwähnte Angabe nachzuprüfen, und wenn sich eine spon- tane Hämolyse ergab, ihren quantitativen Ablauf zu studieren. Das Resultat der bezüglichen Versuche giebt folgende Tabelle wieder: Erster Versuch. 8 Tropfen Kaninchenblut in 5 ccm 0,85 proz. Kochsalzlösung geben: | nach nach nach nach nach Ss % z ner | 24 Stunden | 5 Tagen 8 Tagen 11 Tagen | 13 Tagen 0 0 0 110 385 700 deutlich _ gefärbt <10 5 Tropfen in Sodalösung — 800. Am elften Tage deutliche Agglutination. Zweiter Versuch. S Tropfen Kanınchenblut in 5ccm 0,85 proz. Kochsalzlösung geben: en | nach | nach nach nach nach | nach 1 Tage | 2 Tagen | 5 Tagen 7 Tagen | 9 Tagen | 15 Tagen ar aan | 30 | en | | | | S Tropfen — 800. Am 15. Tage deutliche Agglutination. Das Blut wurde für die Zwecke dieser Untersuchungen unter be- sonders peinlichen Vorsichtsmafsregeln aseptisch erhalten. In jedem Versuch wurde durch nachträgliches Abimpfen auf Agarröhrchen ab- solute Sterilität festgestellt. *) Limbeck, Grundrils einer klin. Pathol. des Blutes. 2. Aufl. 1896. **) Annales de l’institut Pasteur 1900. | Über Hämolyse. 101 Es ergiebt sich aus den Tabellen vor allem mit voller Sicherheit die Existenz einer aseptischen spontanen Hämolyse. Es tritt nach einer mehrtägigen Inkubationsdauer, wenn man so sagen darf, eine langsam sich steigernde Lösung auf. Wie dieser Vorgang genetisch. aufzufassen ist, soll hier nicht näher besprochen werden. Zweifellos hängt die Erklärung dieser Hämolyse stark von der Auffassung der sonstigen hämolytischen Vorgänge ab. Wir können uns mithin mit Nolf vorstellen, dafs es sich um eine durch das Wasser hervorgerufene physikalische Änderung des Stromas der Blutzellen oder, wie Limbeck andeutet, um eine allmähliche Spaltung des von Hoppe-Seyler*) in den Blutkörperchen supponierten Arterins handelt. Nolf selbst giebt an einer Stelle seiner grolsen Arbeit über den Mechanismus der Globulolyse an, dafs er diese Spontanhämolyse bezw. die Imbibition der Blutkörperchen mit Wasser als Folge des Eindringens der Alexine des eigenen Serums auffals. Aus unseren Versuchen ergiebt sich nur, dals sie sich im zeitlichen Ablauf sowie in ihrer Paarung mit Agglutination als ein Analogon der durch Einwirkung der spezifischen Lysine hervorgerufenen Lösung darstellt. Eine Erklärung in Nolfs Sinne könnte nur durch den Nachweis der Hämautolysine selbst, z. B. durch den Nachweis spezifischer Anti- körper sichergestellt werden. Was wir nachweisen können, ist blofs die spontane Lösung **). Zweifellos besteht aber eine Analogie in dieser aseptischen spontanen Hämolyse mit der von Salkowski aufgefundenen und in der Hofmeisterschen Schule weiter ausgebildeten Lehre von der aseptischen Autolyse der Organe. Diese Analogie wird um so vollständiger, wenn man mit Limbeck das Auftreten gelösten Hämoglobins als Ausdruck der Spaltung des von Hoppe-Seyler angenommenen Arterins (resp. Phlebins) betrachtet. Über die Möglichkeit, die quantitativen Verhältnisse bei der Spontanhämolyse durch die Temperatur und Konzentration der Blutaufschwemmungen zu beeinflussen, geben folgende Tabellen Aufschlufs. *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 13. **) Die Bezeichnung Autolyse könnte die Vermutung hervorrufen, dals wir an durch den Zerfall von roten Blutkörperchen im selben Organismus erzeugte Autolysine denken. Das ist nicht der Fall. Dafs es derartige Autolysine gäbe, ist aulserordentlich unwahrscheinlich. Ist die Autolyse durch Lysine hervorgerufen, so kann man nur an fremde resorbierte Lysine (wie z. B. in unseren Tierversuchen das Staphylolysin) oder an nicht auf die oben an- gegebene Weise im Organismus entstandene Lysine denken. 102 Heinrich Schur, Erster Versuch. Blut- | Lösung tropfen- | en menge |, nach 4 Tagen nach 6 Tagen | 8 Tagen | fast vollständ. vollständ 102,1%.35 Ist Or ee 2 MO n 990 ge.08 370 | 650 Temperatur des Ver- en: & gelöst suches 32° ) 1270 650 — 1 ı 10 10 50 \ Temperatur des Ver- 4 | 20 20 | 30 suches: 8 | 30 30 | 30 ) Zirhmertemperatur \ I Ein Tropfen Blut = 105. Zweiter Versuch. Blut- | Lösung tropfen- | menge | nach 1 Tage nach 2 Tagen nach 3 Tagen | a | ar | 19x vollständig | x 1 < 85 12 EN | Temperatur des Ver- 4 <35 106 | 300 sches 390 8 35 78 ' 400 J 1 N a) <10 <10 | Temperatur des Ver- 4 MM) <<) EL) suches: 6) 20 20 020 ) Zimmertemperatur Aus diesen Tabellen ist vor allem ein enorm beschleunigender Einflufs der höheren Temperatur ersichtlich. Für das Verhältnis der gelösten Hämoglobinmenge zur Konzentration der Blutauf- schwemmung ergiebt sich Folgendes: Die aus verschiedenen Blut- mengen in gleichen Zeitabschnitten gelösten Hämoglobinmengen differieren in den Versuchen, bei denen es in keinem der Röhrchen zu annähernd vollständiger Lyse gekommen ist, nur wenig von- einander. Meist findet sich in den konzentrierteren Blutaufschwem- mungen mehr gelöstes Hämoglobin. Doch kommt auch das Gegen- teil vor. Besonders bei kurzer Dauer des Versuches zeigte sich oft — auch in Versuchen, die hier nicht beschrieben sind — stärkere Lösung in den Röhrchen, die mit verdünnteren Blut- aufschwemmungen gefüllt waren. Als Ursache dieser Erscheinung ist eine die Lösung hemmende Einwirkung des Serums zu vermuten. Doch kann ich diese An- sicht nicht bestimmt aussprechen, da ich keine bezüglichen Ver- suche angestellt habe. Eine solche Annahme könnte das Phänomen m — — Über Hämolyse. 103 erklären, da die konzentrierten Blutaufschwemmnngen selbstver- ständlich auch mehr Serum enthalten müssen. Ein Versuch über den Einflufs verschiedener Konzentration der zu den Aufschwemmungen verwendeten Kochsalzlösungen zeigte keine wesentliche Verschiedenheit in dem zeitlichen Ablauf der Hämautolyse bei Lösungen von 7, 8,5, und 10 pro Mill. 3. Über den zeitliehen Ablauf der Staphylolysinwirkung. Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dafs die Wirkung der Spontanhämolyse innerhalb der ersten Tage bei Zimmertemperatur so gering ist, dals sie die Resultate der in dieser Zeit mit dem Staphylolysin bei Zimmertemperatur angestellten Versuche nicht wesentlich zu beeinflussen vermag. Die Resultate dieser Untersuchungen ergeben sich aus folgenden Tabellen. Erster Versuch. nach 24 Stunden | nach 45 Stunden 2% SE Ei or m" g& SE BE en za ae A S:l3n as Se 8 Tropfen Blut # 0 Tropf. Lysin 4° — _ 40 — — + 0,1 500.106 #108 | 7910.33 033 202 80.192405 11.20, 7 |E za 39 EA 123) 83 | 21 |208| 163 | 41 1208 200| 160 , 20 |220| 180 | 22 IL 11,0 2330| 190 | 19 1953| 213 | 21 220 290 250 19,5 [3833| 298 | 15 + 4,0 350| 310 | 7,8 |425| 355 | 9,6 | | | Zweiter Versuch. 8 Tropfen Blut + Lysin nach Tagen: N N N N || N ale 5 >23 55318 23/8 |:3|8|>3 ss |C ae laelälgeilnı Sejs 2 AnkorernlRetkernirerlerälkalere Deo 30, || 30° |. — so soul No a) ee 87,5| 57,5 | 117 | 117 || 180 | 150 | 220 | 160 05 | — | ıs+ | 5sı |220 | 38 | 260 | 46 | 5320 | 58 |.525 | 93 1,0 | — | 290 | 26 1320 | 29 |3s0| 35 |510 | 48 | 550 | 49 20 | — |400 | 185 400 | 185 | 4s0 | 22,5 | 570 | 27 1590 26,5 Heinrich Schur, Dritter Versuch. 1 Tropfen Blut = 100. Tropfen Lysin Tropfen Blut | nach 1 Tage nach 3 Tagen nach 5 0,2 0,2 0,2 0,2 ) m [oPilor lo ou u. N 90 265 395 350 60 92 230 Tagen Aus allen diesen Versuchen folgt, dafs die Menge des durch eine bestimmte Lysinmenge aus einer bestimmten Blutmenge ge- lösten Hämoglobins mit der Zeit der Einwirkung langsam aber Fig. 3. 8 el Blut + Sr Tropfen Lysin (2.Versuch) gelöste Hämoglobinmengen 1 gelöste Hämoglobinmengen Zeit in Tagen Fig. 4 8 Tropfen Blut + 1,0| Tropfen Lysin (2.Versuch) 2 380 320 290 1 3 5 8 Zeit in Tagen 525 550° Über Hämolyse. 105 Fig. 5. nach 72h nach 24h gelöste Hämoglobinmengen 16 Bluttropfen stetig wächst. Diese Steigerung der Wirkung ist um so deutlicher, Lysin je kleiner der Quotient ist, so dals die Wirkungen Blutmenge verschiedener Toxinmengen auf gleiche Blutmengen einander immer Lysin Blutmenge das Wachsen der gelösten Blutmenge sehr bald fast unmerklich. Wir sehen deshalb, z. B. im zweiten Versuch, am ersten Tage einen sehr grolsen Unterschied im Wirkungswerte verschiedener Lysin- mengen. Dieser Unterschied wird nach dem oben angeführten Gesetz immer kleiner, da die durch die kleineren Lysinmengen gelösten Hämoglobinmengen mit der Zeit wachsen und den durch grofse Lysinmengen sehr früh erhaltenen Wert später auch erreichen. Es folgt mithin aus diesen Versuchen, dafs sich der Wirkungswert einer bestimmten Lysinmenge hauptsächlich in der Schnelligkeit äulsert, mit der die durch ihn hervorgerufene Wirkung erfolgt. Wir haben in früheren Versuchen gesehen, dafs der Wirkungs- wert des Staphylolysins bei 24stündiger Einwirkung nur bis zu einem gewissen Maximum mit zunehmenden Blutmengen steigt, um dann wieder abzufallen, und haben in dieser Thatsache eine grofse Schwierigkeit für die Erklärung der thatsächlich vorhandenen intravitalen Einwirkung erblickt. Diese Schwierigkeit fällt weg, näher kommen. Ist der Quotient sehr grols, so wird wenn wir sehen, dafs bei genügend langer Dauer die Wirkung auch kleiner Mengen fast unbegrenzt wächst. Wir sehen z. B. in der 3. Tabelle dieses Abschnittes, dals bei 24stündiger Einwirkung 0,2 Tropfen Lysin aus 16 Tropfen Blut weniger Hämoglobin lösen 106 Heinrich Schur, als aus 8 Tropfen. Bei dreitägiger Einwirkung ändert sich dieses Verhältnis vollständig. Dasselbe Verhalten zeigt sich auch in den Versuchen der 1. und 2. Tabelle, wenn man auf den Wirkungs- wert von 0,1 Tropfen Lysin bei verschiedener Einwirkungsdauer achtet. Wir können mithin sagen: Je länger ein Lysin einwirkt, um so allgemeiner gilt das Gesetz, dafs der Wirkungswert des Lysins mit zunehmender Blutmenge wächst. Diese fermentartige Wirkungs- weise dürfte die Ursache der intravitalen Wirkung kleiner Lysin- mengen sein. 4. Über die Fermentnatur des Staphylolysins. Aus den Versuchen und Auseinandersetzungen des vorher- gehenden Kapitels folgt mit Sicherheit, dafs für die Wirkungen des Lysins auf die roten Blutkörperchen nicht ausschliefslich Be- ziehungen mafsgebend sein können, die dem Gesetz der multiplen Proportionen folgen. Die enorme Veränderlichkeit des Wirkungs- wertes des Lysins unter den verschiedensten äufseren Umständen zeigt uns, dals es sich bei der durch das Lysin hervorgerufenen Hämolyse um die Wirkung eines katalytisch wirksamen Agens handeln mufs, und es fragt sich jetzt nur, welcher Natur dieser Katalysator ist, ob das Staphylolysin als ein echtes Ferment auf- zufassen oder in die Gruppe der elementaren, nach Art des Wasser- stoffions wirksamen Katalysatoren einzureihen ist. Die Beantwortnng dieser Fragen kann uns nur ein genaueres Studium der Tabellen und eine Vergleichung der Wirkungs- weise unseres Lysins mit der Wirkungsweise anderer Fermente geben. Nach dem Gesetz von Guldberg und Waage müssen die durch einfache Katalysatoren beschleunigten Prozesse als monomolekulare Reaktionen in ihrem Verlaufe einer logarithmischen Kurve folgen, d. h. so verlaufen, dafs die in einer unendlich kleinen Zeit chemisch veränderte Menge der in diesem Zeitpunkt unverändert vorhandenen Menge proportional ist. Wenn wir nun die Wirkungsweise unseres Staphylolysins daraufhin untersuchen, so sehen wir, da[s es in seiner Wirkungsweise ganz anderen Gesetzen folgt. Wenn wir z. B. aus der zweiten Versuchsreihe des vorhergehenden Abschnittes die Reihe, die aus der Einwirkung von 1 Tropfen Lysin auf 8 Tropfen Blut hervorgeht, näher betrachten, so ergeben sich folgende Zahlen- werte: Über Hämolyse. 107 ——— = Zeit absolute Menge | ne | y z ler | gegenu er der „UWAacnHs 3 Mar . N. , a gelösten denen Res Pro Tag (Mittelwert) *) Hämoglobins Bestimmung | 290 1 290 290 A 0222. 77 == 04H 800 9 15 AR! e 3 320 30 510 0,05 k — (0.030 s 30 0 60 — 0 0067 5 38 ER 1,06 A 0,067 ip] | 43 a Be 92 RE RT 11 550 40 | oo 0,04 %k = 0,0494 Zuwachs Wir sehen aus dieser Tabelle, dals der Quotient zuerst vest rapid abnimmt, um vom dritten Tage an wieder allmählich anzu- steigen. Vom achten Tage an fällt dieser Quotient wieder. Aus diesem eigentümlichen Reaktionsablauf ergiebt sich, dafs es sich in diesem Falle um zwei gleichzeitig einsetzende Prozesse handeln mufs, von denen der eine sehr rasch ansteigt und sehr bald wieder gehemmt wird, während der andere erst nach längerer Inkubation in Erscheinung tritt und dann allmählich mit zuerst steigender, später wieder fallender Beschleunigung ansteigt. Der erste Anstieg entspricht unzweifelhaft der Wirkung des Lysins, der zweite ist Ausdruck der Spontanhämolyse. Es folgt also aus diesem Versuche, dafs die Wirkung des Staphylolysins ähnlich wie die vieler Fermente allmählich gehemmt wird und infolgedessen unvollständig ist. Diese Unvollständigkeit der Reaktion kann sich jedoch bei den Lysinversuchen nicht so deutlich ausprägen, weil der schon spontan ablaufende Prozels mit einer relativ grolsen Ge- schwindigkeit verläuft. Die eintretende spontane Hämolyse ver- *) Die Berechnung der Mittelwerte ist selbstverständlich streng mathe- matisch nicht zulässig. Da aber die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Ver- suchen nicht stark differieren, können wir sie für unsere Zwecke verwenden. Die genau berechnete Konstante der für jede einzelne Bestimmung suppo- “— ka ist sub k— angegeben. E — — I | nierten Gleichuno dr S dt gern. 0, Der Quotient E_—_ ist selbstverständlich nicht gleich A, mülste aber bei konstantem k auch konstant sein, und ändert sich in gleichem Sinne wie dieses. 108 Heinrich Schur, hindert das Auftreten eines konstanten Endzustandes. Wenn wir von diesem Unterschiede absehen, so ergiebt sich aus den Tabellen eine vollständige Analogie in den quantitativen Verhältnissen der Wirkung des Staphylolysins mit dem verschiedener Fermente. Barth*) findet für die Einwirkung von Invertin auf 100 cem 5 proz. Rohrzuckerlösung folgende Werte: Invertinmenge Invertzucker in Gramm in Gramm 0,001 0,0 | i : 0 3 I Dauer des Versuchs 30 Minuten, > a Temperatur des Versuchs 400 C 0,005 0,10 p Be Re Barth fand also Zunahme der Wirkung des Ferments mit der Grölse der Dosis, aber nicht proportional derselben, sondern mit der Zunahme der Dosis fallende Wirkung pro Fermenteinheit. Tamman**) fand für die Einwirkung von Emulsin auf Saliein folgende Werte: Menge des gespaltenen Salicins Emulsinmenge | in Prozenten des in me ursprünglich vor- handen gewesenen (3,0069 &) 3,9 1017 7,8 17,9 17, 27,2. 190 32,6 ı Dauer des Versuchs 24 Stunden, 31,2 26,4 ( Temperatur des Versuchs 00 62,5 51,8 195 66,0 250 66,0 500 66,0 Ein ähnliches Ergebnis hatte ein Versuch Tammans bezüglich der Wirkung des Emulsins auf Arbutin. Emulsinmenge | Zersetztes Arbutin | in mg ' ın Prozenten 7,8 41,3 er 41.7 Ursprüngliche Arbutinmenge 9 19,6 — 100 ecm 4proz. Lösung y— a, 62,5 44,3 | Dauer des Versuchs 15 Stunden. *) Berliner Berichte 1878, S. 481. **) Zeitschrift f. physiol. Chemie 16. Über Hämolyse. 109 Tamman fand also in beiden Versuchen Zunahme der Wirkung mit wachsenden Fermentmengen. Doch war diese nicht proportional den Fermentmengen, sondern sank mit wachsenden Fermentmengen. Dasselbe Ergebnis brachte eine genaue Überprüfung der Barth- schen Angabe über die Wirkung des Invertins auf Rohrzucker durch Tamman. Für die Wirkungsweise des Pepsins beweist die Gültigkeit der Schützschen Regel *) ähnliche quantitative Verhältnisse. Über die Einwirkung konstanter Fermentmengen auf wechselnde Mengen spaltbaren Stokas berichten verschiedene Autoren. Barth fand bei Einwirkung von ömg Invertin auf 100 cem von Rohrzuckerlösungen verschiedener Konzentration folgende Werte: Konz. der Rohr- Gebildete Menge Nenee Lese zuckerlösung in Invertzucker in ven = zuckers pro lmeg Prozenten Gramm Be 0,5 20 40 ] 1,0 43 dar“ 25 65 96 Dauer des Versuchs 5,0 100 20 ( /, Stunde 1. 100 13 Temperatur des Versuchs 10,0 104 10 40° C. 15,0 104 % 20,0 33 4 Ein ähnliches Resultat gaben die Versuche von Marckwort und Hüfner über die Einwirkung von Emulsin auf Amyedalin. Tamman findet für elnitane folgende Werte bei wechselnder Ver- suchsdauer, wechselnden Bun ndlelienensen und konstanten Emulsin- mengen. | Zersetzte Amygdalinmengen in Grammen nach 4 8—10 | 13—15 | 18—19 | 23>—24 | Min. **) Menge des Amygdalins in Grammen Br | 9,555 os 2 0095270: 0,76 | 0,79 ; | 0,09 \ 0,386 | 0,61 | 0,85 | 1.01 10,22 | 902 056 12073 | 0,89 | Es ergiebt sich mithin für das Invertin und für das Amyedalin ganz genau dasselbe Gesetz wie für das Staphylolysin, nämlich *) Emil Schütz, Zeitschrift f. physiol. Chemie 9. Julius Schütz, Zeitschrift f. physiol. Chemie 30. **) Bei Tamman fehlt diese präzise Zeitangabe, doch folgt aus anderen Versuchen zweifellos, dafs es sich um Minuten handelt. 110 Heinrich Schur, Wachsen der absoluten Menge der durch gleiche Fermentmengen aus wachsenden Substanzmengen zersetzten Substanz und Abnahme ihrer relativen Menge. Dieses im allgemeinen gültige Gesetz zeigt dieselbe Ein- schränkung, die wir bei der Einwirkung des Staphylolysins für dieses zeigen konnten. Die Zunahme der absoluten Menge der zer- setzten Substanz mit der Zunahme der reagierenden Substanz zeigt sich nur bis zu einer gewissen Grenze. Oberhalb dieser fällt die absolute Menge der zersetzten Substanz mit der Zunahme der der Fermentwirkung unterworfenen Menge. Der Versuch von Tamman zeigt, dals die Analogie der Lysinwirkung mit einer Fermentwirkung noch weiter geht. Wir sehen, dafs nach ganz kurzer Zeit (4 Minuten) die Werte der zersetzten Amygdalinmengen mit der Zunahme der Amygdalinquantität stark fallen, während sich nach etwas längerer Versuchsdauer für die Werte 2,555 und 5,110 das Verhältnis wieder umkehrt. Wir sehen also hier beim Emulsin, ebenso wie früher beim Staphylolysin eine Verschiebung des Grenzwertes, oberhalb dessen der absolute Wirkungswert des Ferments mit der Substanzmenge abnimmt, durch die verschiedene Dauer des Versuches. Dasselbe Verhalten zeigt Tamman in einem weiteren Ver- suche vom Invertin. In diesem prägt sich die Abnahme der ab- soluten Menge des gespaltenen Zuckers mit der Zunahme der zum Versuche verwendeten Rohrzuckermenge bei kurzer Versuchsdauer so stark aus, dals man in diesen Versuchen ein „Inkubationsstadium“ von 1 Stunde konstatieren kann. Die bezüglichen Zahlen sind folgende: 20 ccm 1proz. Rohrzuckerlösung geben nach 60 Minuten 14, nach 600 Mi- nuten 26, nach 1500 Minuten 54, 20 ccm 5proz. Rohrzuckerlösung «geben nach 60 Minuten O0, nach 600 Mi- nuten 78, nach 1500 Minuten 262, 20 ccm 10 proz. Rohrzuckerlösung geben nach 60 Minuten 0, nach 600 Mi- nuten 160, nach 1500 Minuten 439 bei Einwirkung gleicher Invertinmengen. Die unbenannten Zahlen bedeuten Abnahme des Drehungswinkels in Minuten im 22 cm langen Rohr. Berechtigen schon diese Versuche und Überlegungen zu der Behauptung, dafs das Staphylolysin als Ferment wirkt, so möchte ich doch noch auf einen weiteren Umstand aufmerksam machen, der die Fermentnatur des Staphylolysins zu stützen geeignet ist, weil er einiges theoretisches Interesse bietet. Über Hämolyse. 111 ÖOstwald definiert die Wirkung eines Katalysators als Be- schleunigung eines spontan vor sich gehenden Vorgangs. Es er- scheint mir nun interessant, dals ich in Bestätigung älterer Ver- suche oben zeigen konnte, dafs die Hämolyse auch spontan vor sich geht. Wir dürfen somit die Wirkung des Staphylolysins als katalytisch hervorgerufene Beschleunigung der spontanen Hämolyse auffassen. Diese Auffassung findet auch in Einzelheiten ihre Stütze. Wir sehen z. B. die Spontanhämolyse nach einer lange dauernden In- kubation mit einer langsam zunehmenden, später wieder abfallenden Beschleunigung ansteigen. Betrachten wir im Vergleich zu diesem Vorgang die durch wechselnde Lysinmengen hervorgerufenen Ver- änderungen, so sehen wir, wenn wir von der Wirkung kleiner zu der grolser Dosen übergehen, eine allmähliche Verkürzung jedes einzelnen Teiles der Kurve eintreten. Die Inkubationsfrist wird kürzer, die Beschleunigung des Anstieges wächst schneller u. s. w. Ich glaube deshalb berechtigt zu sein, das Staphylolysin ein- fach als ein hämolytisches Ferment zu bezeichnen. Diese Auffassung der Wirkungsweise eines Toxins ist übrigens nichts Neues. Schon Roux hat die Analogie zwischen fermentativer uud Toxinwirkung betont. Buchner*) hielt die Alexine für proteolytische Fermentee Morgenroth**) bringt Enzyme und Toxine in so nahe Beziehung zu einander, dafs er für beide einen ganz analogen Bau vermute. Morgenroth konnte für das Labenzym auch einen Antikörper durch Immunisierung gewinnen. Dasselbe gelang schon früher Gessard***) für die Tyrosinase. Hahnyr) fand im normalen Serum Antitrypsin und Antipepsin. Landsteiner7r) konnte zeigen, dafs sich im Serum verschiedener Tiere die allerverschiedensten spezifischen Antienzyme finden. Sachsfrf) gelang es, ein Immun- Antipepsin zu gewinnen. In jüngster Zeit vertritt besonders Oppenheimer in seiner Mono- graphie über die Fermente in geistvoller Weise die Lehre von der Analogie der Wirkungsweise der Fermente und der Toxine. Betreffs der Hämolysine hat, wie oben bemerkt, Buchner die Ansicht vertreten, dafs die hämolytischen Alexine als proteo- *) Münchener med. Wochenschr. 1899, No.39 und 40, und 1900, No. 9. **) Centralblatt für Bakteriologie 26 und 27. **#=) Annales de l’Institut Pasteur 1901. 1) Berliner klin. Wochenschrift 1897. Tr) Centralblatt für Bakteriologie 27. ırr) Fortschritte der Medizin 1902. 112 Heinrich Schur, lytische Enzyme aufzufassen sind. Nolf konnte nun wohl mit Sicherheit zeigen, dafs es sich bei den Hämolysinen des Serums um proteolytische Fermente nicht handeln könne, da er die Produkte einer Proteolyse nicht nachweisen konnte. Nolf wendet sich über- haupt gegen die Auffassung der Hämolysine als Fermente haupt- sächlich aus dem Grunde, weil er bei seinen Versuchen keine Spaltungsprodukte nachweisen konnte. In dem Momente, wo wir das Auftreten der Blutkörperchenlösung als Folge einer Spaltung einer komplexeren Verbindung auffassen, verschwindet für uns der Grund Nolfs gegen die hier vertretene Auffassung, die wohl als direktes Ergebnis unserer quantitativen Untersuchungen bezeichnet werden kann. Auf die Analogie, die sich zwischen der Wirkungsweise des Staphylolysins und den von Bordet und Ehrlich für Iımun- hämolysin aufgestellten, von Eisenberg und Volk erst kürzlich für die Agglutinine genauer studierten eigentümlichen Bindungs- gesetzen nachweisen läfst, konnte hier nicht näher eingegangen werden, da das Studium der Relation zwischen Bindung und Iytischer Wirkung des Staphylolysins Gegenstand einer weiteren Arbeit sein soll. 5. Quantitative Auswertung des Staphylolysins. Wenn wir die Wirkungsweise des Staphylolysins betrachten, so sehen wir leicht, dafs uns verschiedene Methoden offen stehen, die Wirksamkeit eines Lysins zu messen. Da seine Wirkung sich als grölsere oder geringere Beschleunigung äufsert, so wäre der einfachste Weg der, zu bestimmen, in welcher Zeit aus einer be- stimmten Blutmenge durch eine bestimmte Menge Lysin eine be- stimmte Hämoglobinmenge gelöst wird. Einen Spezialfall dieser Bestimmungsmethode böte die zeitliche Bestimmung des Eintritts der vollständigen Lyse. Man mülste selbstverständlich zu diesen Ver- suchen immer dieselben Blutmengen in derselben Kochsalzlösung verwenden, da die Grölse der Lösung durchaus nicht einfach von : 3 Lysin e : 5 dem relativen Quotienten ———— — abhängt, sondern sich auch bei Blutmenge = Konstanz dieser Relation für verschiedene absolute Blutmengen verschieden erweist. Es müfsten dann aus mehreren Bestimmungen Zeittabellen für verschiedene Mengen hergestellt werden. Man er- sieht sofort, dafs diese Methode aufserordentlich umständlich wäre, besonders dann, wenn als Endreaktion nicht vollständige Lyse ver- wendet wird. Wie aus dem Folgenden zu ersehen, kann die Ver- Über Hämolyse. 113 wendung der vollständigen Lyse als Indikator der Wirkung eine Quelle grofser Fehler sein, und es mulste infolgedessen diese Me- thode fallen gelassen werden. Eine zweite Methode könnte auf die Ermittelung des innerhalb einer bestimmten Zeit aus einer bestimmten Blutmenge durch eine Toxineinheit gelösten Hämoglobins gegründet werden. Dieses Ver- fahren wäre an sich sehr einfach; da jedoch, wie aus den Tabellen zu ersehen ist, die Beziehungen der Lysinmenge zur gelösten Blut- menge nicht sehr einfache sind, so mülsten für diesen Zweck erst genaue Tabellen angelegt werden. Immerhin kann die Bestimmung der aus einer bestimmten Blutmenge nach einer bestimmten Zeit gelösten Hämoglobinmenge eine brauchbare Charakterisierung des Wertes eines Lysins abgeben. Als dritte Methode könnte die Bestimmung des Optimums der Wirkung nach Zeit und Blutmenge Verwendung finden. Auch für diese Bestimmung mülsten erst Tabellen angefertigt werden. Ein viertes Verfahren ergäbe sich aus der Ermittelung der Menge Lysin, die notwendig ist, um in einer bestimmten Zeit aus einer bestimmten Blutmenge eine bestimmte Hämoglobinmenge in Lösung zu bringen. Ein spezieller Fall dieser Bestimmungsmethode wäre die Bestimmung der Menge Lysin, die notwendig ist, um vollständige Lyse hervorzurufen. Ich würde diese Methode am meisten befürworten. Es sind für sie keine Tabellen notwendig. Die Vergleichung des Wirkungswertes zweier Lysine ergiebt sich sofort aus der Vergleichung der zu einer bestimmten Wirkung notwendigen Tropfenanzahl. Ehrlich verwendet für seine Unter- suchungen den Spezialfall der vollständigen Lyse. Ich habe schon oben hervorgehoben, dals die Verwendung der vollständigen Lyse als Indikator der Kraft eines Lysins leicht zu Täuschungen führen kann. Aus den Tabellen ersehen wir, dafs die Menge des aus einer bestimmten Blutmenge durch wechselnde Lysinmengen gelösten Hämoglobins pro Toxineinheit immer kleiner wird, je näher wir der vollständigen Lyse kommen. Es ergiebt sich daraus, dafs sich bei dieser Lösungsgrenze die Wirkungen verschiedener Lysinmengen nur wenig mehr voneinander unterscheiden. Da nun die Lösung des Blutes niemals so vollständig ist, dafs in der Flüssigkeit auch nicht eine kleine Trübung wahrnehmbar wäre, da doch zum mindesten die Stromata immer ungelöst bleiben, so ergiebt sich, dals eine halbwegs scharfe Einstellung unmöglich ist, ganz abgesehen davon, dafs man bei grölseren Blutmengen vollständige Lyse überhaupt nicht erzielen kann. Beitr. z. chem. Physiologie. III. [09] 114 Heinrich Schur, Aus den Tabellen ergiebt sich, dals der Wirkungswert eines Toxins pro Einheit bis zu einer gewissen Grenze mit fallendem Quotienten Lysamense wächst, sonach auch der Unterschied in Blutmenge der Wirkung verschiedener Lysinmengen um so gröflser wird, je kleiner dieser Quotient ist. Es ist mithin am vorteilhaftesten, den Wirkungswert eines Lysins bei möglichst kleinem Quotienten en d. h. in dem Optimum seiner Wirkunsskraft zu be- Blutmenge stimmen. In unsern Fällen zeigte sich dieses Optimum bei 24 stün- diger Einwirkung meist bei einem -Quotienten ‘1/;, bis 1/ıo: Diese Zahlen gelten natürlich nur für die untersuchten Lysine, da sie vom Wirkungswert des Lysins abhängen. Allgemeinere Gültigkeit dürfte vielleicht unser Erfahrungsgesetz beanspruchen, wenn wir es in folgender Form ausdrücken: Die Gröfsendifferenzen und Wirkungs- werte verschiedener Lysinmengen zeigen sich bei jenen Versuchen, bei denen die Mengen des gelösten Hämoglobins etwa 1/, bis Y/ıa der der Lysinwirkung unterworfenen Blutmenge bedeuten. Von sehr wesentlicher Bedeutung für derartige quantitative Untersuchungen ist die Berücksichtigung der Einwirkungszeit. Aus den Tabellen ist ersichtlich, dafs die Unterschiede in den Mengen des gelösten Hämoglobins bei verschiedenen Toxinmengen um so kleiner werden, je gröfser die Dauer der Einwirkung ist. Es ergiebt sich hieraus für quantitative Untersuchungen die Lehre, bei möglichst kurzer Versuchszeit zu arbeiten. Eine untere Grenze hat aber dieses Gesetz auch, da sich für kleine Dosen Toxin eine längere Inkubationsfrist nachweisen lälst, resp. ein längerer Zeitraum, innerhalb dessen der Wirkungswert der Toxineinheit schr klein ist. Es ergäbe sich daher, dafs, wenn zur Wertbestimmung relativ kleine Dosen Toxin verwendet werden, die Dauer der Einwirkung länger werden muls. In der oben angegebenen Methode ist übrigens dieser Punkt schon berücksichtigt, da es nur darauf ankommt, dafs innerhalb der Ver- suchszeit sich ein möglichst grolser Wirkungswert der Toxineinheit zeigt. Für die Untersuchung nach 24 Stunden gilt das oben Ge- sagte. Bei kürzerer oder längerer Versuchsdauer mülsten grölsere resp. kleinere Toxinmengen verwendet werden, um das Optimum der Wirkung zu erreichen. Für sehr kleine Toxinmengen lälst sich eine Wertbestimmung nicht durchführen, weil bei der dann nötigen längeren Versuchsdauer die Autolyse stören würde. Aus allen diesen Auseinandersetzungen ergiebt sich als bestes Verfahren für quantitative Lysinauswertungen folgendes mit jener Über Hämolyse. 115 Methode, "die Madsen, freilich auf Grund anderer theoretischer Überlegungen, für das Tetanolysin in seinen Arbeiten angewendet hat, im wesentlichen identisches Vorgehen. Der Wert eines Lysins im Vergleich zu einem andern ergiebt sich aus der Zahl der Tropfen dieses Lysins, die aus einer gemessenen, in einer bestimmten An- zahl Kubikzentimeter 0,85 proz. Kochsalzlösung aufgeschwemmten Blutmenge innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Hämo- globinmenge zu lösen im stande sind. Dabei ist der Versuch so anzustellen, dafs die Menge des gelösten Hämoglobins etwa 1/, bis !/,; der zur Verfügung gestellten Blutmenge entspricht. Man könnte auf diese Weise auch zu einer absoluten Wertbestimmung gelangen, wenn man z. B. dasjenige Lysin, von dem ein Tropfen auf zehn Tropfen Blut in 5cem Kochsalzlösung 100 Fleischl er- giebt, als Einheit nehmen und jenes Lysin, von dem Y, 2,3.... u. s. w. Tropfen dieselbe Wirkung hatten, als 2-, Ya-, Us ..... u. Ss. w. wertig bezeichnen würde. Der Wert einer solchen ab- soluten Wertbestimmung der Lysinwirkung wird aber durch das wechselnde Verhalten eines und desselben Lysins gegenüber Blut- körperchen verschiedener Kaninchen stark beeinträchtigt. Ein Beispiel einer derartigen Wertbestimmung ergiebt folgende Tabelle: S Tropfen Blut und x Tropfen Lysin geben für Lysin: Lysinmengen a b (6) d e 0,1 0 0 0 0 0 0 = unbestimmbar <10 0,5 106 43 32 30 30 1,0 157 125 100 so 70 2,0 330 205 195 182 130 2 Tr. Toxin b wirken stärker als 1 Tr. al 1 BE DE a wie uns an len bl 2 5 Dt „ e wirken a ae a a ne „ schwächer, 2 „by 3 et: Eat 1 ON Aude e u Stasteolleich. a1 2 u d=> a 1 1l 2 5 ” e ) h) Bey lasinenbarer — 9 b> 7A: a Die fünf zum Versuche herangezogenen Staphylolysine waren Pro- dukte desselben Coccus in verschieden reagierender Bouillon. a) — Staphylokokkenkultur in Bouillon vom Säuregehalt pro 100 cem = 1,3 cem Normalsäure, b) = Staphylokokkenkultur in Bouillon vom Säuregehalt ('/, alkalisch) pro 100 cem = 1,5 ccm Normalsäure <) = Staphylokokkenkultur in Bouillon vom Säuregehalt (neutral) pro 100 cem = 0, 9) * 116 Heinrich Schur, d) — Staphylokokkenkultur in Bouillon vom Alkaligehalt (alkalisch) pro 100 eem = 0,5 cem normal, e) — Staphylokokkenkultur in Bouillon vom Säuregehalt (sauer) pro 100 eem —2,95 cem normal. Dieser Versuch war für mich die Veranlassung zur Bereitung des Lysins mit saurer Bouillon von 1,5 cem Normal-Säuregehalt pro 100ccm. Dafs die verschiedene Wirkung der einzelnen Lysine nicht von der verschiedenen Reaktion direkt abhängt, konnten wir ebenso wie Neilser und Wechsberg für ihre Lysine durch nach- trägliche Reaktionsänderung feststellen. Es ergab sich daraus ebenso wie für Neifser und Wechsberg*) auch für uns der Schlufs, dals derselbe Staphylococcus in verschieden reasierenden Bouillonproben in derselben Zeit entweder verschiedene Mengen des Lysins oder verschieden wirksames Lysin erzeust. Welche dieser beiden Möglichkeiten zutrifft, werden uns vielleicht quantitative Bindungsversuche mit Antilysin, die wir anstellen wollen, zeigen können. 6. Wirkungen des Lysins im Organismus. Die Frage, die mich bei der ganzen Untersuchung leitete, war die Frage nach der Wirkungsweise des Lysins im Organismus. Bevor ich noch durch vorstehende Tabellen Klarheit über die Wirkungsweise des Lysins in vitro erlangt hatte, habe ich durch das direkte Tierexperiment die Frage zu klären gesucht. Ich gebe die bei diesen Versuchen gewonnenen Erfahrungen kurz wieder: Bei der einfachen Blutuntersuchung mit Staphylolysin vergifteter Tiere war mir einigemal aufgefallen, dafs die Zahl der roten Blut- körperchen stärker abgenommen hatte, als die Fleischlzahl. Bei der Zählung der roten Blutkörperchen war als Verdünnungsflüssigkeit 0,85 proz. Kochsalzlösung verwendet worden. Kontrollzählungen mit Hayems Zählflüssigkeit ergaben höhere Werte. Es war daraus klar, dals für die Blutkörperchen die 0,35 proz. Kochsalzlösung nicht in- different war. Entsprechend dem in den einleitenden Worten aus- gesprochenen Gedankengange dachte ich mir nun, dafs die roten Blut- körperchen geschädigt seien, ihre Resistenz gegen Kochsalzlösung vermindert sein müsse. Die Resistenzverminderung suchte ich nun dadurch festzustellen, dafs ich das Verhalten des Blutes verschiedenen Kochsalzlösungen gegenüber untersuchte. Die Untersuchungsmethode war folgende: Es wurden mittels Melangeurs 2 proz. Blutmischungen mit Kochsalzlösungen verschiedenen Gehaltes hergestellt (5, 6, 7, 8, 8,5, 9, 10 pro Mille) und diese dann in kleinen Gefälschen centrifugiert. Das Resultat aller dieser Untersuchungen war, dals sich in den meisten *) Zeitschrift für Hygiene 1901, 36, 3. Heft. Te nn nn en Über Hämolyse. 117 Fällen kein Unterschied in dem Verhalten des kranken Blutes gegen- über dem gesunden Blut konstatieren liels. Die Verhinderung der Blutlösung war meist bei 0,6 Proz. erreicht; 0,7 proz. Lösung konser- vierte immer, hie und da aber auch 0,5 proz. Lösung. Nur selten zeigte sich bei kranken Tieren auch in den höher prozentigen (über 6 Prom.) Kochsalzlösungen Blutlösung. Diese Lösung zeigte jedoch keine graduelle Steigerung in Kochsalzlösungen von fallendem Koch- salzgehalt; es war in diesen Fällen meist in allen Röhrchen ganz gleiche Lösung. Hie und da war die Lösung auch in dem einen oder anderen Röhrchen stärker. Es liefs sich jedoch absolut keine Beziehung zwischen dem Prozentgehalt der Kochsalzlösung und ihrer Lösungs- fähigkeit gegenüber den Blutkörperchen herstellen. Es ergab sich aus diesen Versuchen, dafs wohl hie und da eine Schädigung der roten Blutkörperchen konstatiert werden konnte, dals diese jedoch nicht in einer Änderung des osmotischen Verhaltens bestand. Alle übrigen Versuche, die Herabsetzung der Resistenz der roten Blutkörperchen auf andere Weise zu ermitteln, schlugen fehl. Ich gab deshalb dieses Verfahren nach mehrfachen Bemühungen wieder auf. Ein ebenso negatives Resultat hatte die Untersuchung auf Hämo- globinämie. Ich konnte eine solche bei meinen mit Staphylolysin vergifteten Kaninchen niemals konstatieren. Auf Grund der theoretischen Vorstellungen über die Wirkungen des Staphylolysins gelangte ich dann zu einer neuen Vermutung. Die relativ kleinen Mengen Staphylolysin, die im Organismus zur Wirkung gelangten, hatten in vitro erst nach einigen Tagen zu einer beträchtlicheren Lyse geführt. Ich konnte mir nun vorstellen, dals auch im Organismus die Lyse nur langsam vor sich geht. Diese geringe Menge gelösten Hämoglobins konnte nun in der Leber zu Gallenfarbstoff umgewandelt werden, so dafs niemals nachweisbare Hämoglobinämie entstand. War diese Vorstellung richtig, so mulste das Blut, wenn es den Tieren entnommen wurde, weitere Lösungserscheinungen zeigen. Diese Vermutung erwies sich als richtig, und es konnte öfters in dem in Kochsalzlösung aufgeschwemmten Blut, in dem sofort nach dem Centrifugieren keine Hämolyse nachzuweisen war, nach 24- bis 48 stündigem Stehen im Brutofen schon deutliche Hämolyse nachgewiesen werden *). *) Der Nachweis von Lysinen in dem Blut mit Lysinen vergifteter Tiere wurde schon oft versucht, diese Versuche mulsten aber meiner An- sicht nach deshalb immer ein negatives Resultat haben, weil das Lysin im Serum gesucht wurde, während es doch selbstverständlich den Blutkörperchen anhaften muls. An diesen verursacht es dann in vitro die in der Tabelle verzeichneten Veränderungen. 118 Heinrich Schur, 3 Kaninchen von etwa 1 kg Gewicht wurden je 0,5 ccm eines Lysins injiziert, von dem 0,2 Tropfen aus 8 Tropfen Blut in 24 Stunden Hämoglobin im Werte von 395 Fleischl zu lösen vermochte; die Tiere nach 1, 2 und 4 Tagen entblutet. Von den drei verschiedenen Blut- sorten wurden sterile Blutaufschwemmungen von 8 Tropfen in 5 cem 0,85 proz. Kochsalzlösung hergestellt und im Brutofen einer Tempe- ratur von 30° ausgesetzt. Es zeigte sich gegenüber dem Kontrollblute eines gesunden Kaninchens in dem Röhrchen vom 2. Tage deutliche Lyse, während die übrigen Röhrchen sich ebenso verhielten wie das Kontrollröhrchen. Das Verhalten des Blutes vom 2. Tage giebt folgende Tabelle wieder: 8 Tropfen Blut in 0,85 proz. Kochsalzlösung geben bei Brutofen- temperatur beim kranken Tier: sofort nach 1 Tag nach 2 Tagen nach 3 Tagen 0 0 140 365 fast vollständige vollständige Acelutination Aselutination im Kontrollröhrchen 0 0 50 227 keine Agglutination unvollständige Aoelutination Ein ähnliches Resultat hatten weitere Versuche, die ich hier nicht anführe, weil sie als Gegenstand einer weiteren Arbeit in ausführlicher Weise besprochen werden sollen. Ganz dieselbe Erscheinung zeigte das Blut eines Hundes, dem subkutan lccm Immunhämolysin injiziert worden war. Da dieses viel stärker hämolytisch wirkte als mein Staphylolysin, zeigte sich selır bald Hämoglobinämie und Hämoglobinurie. Eine Blutprobe: 8 Tr. in 1,0 proz. Kochsalzlösung, zeigte nach sofortigem Üentrifugieren Fleischl . . 275 nach 24 Stunden bei Zimmertemperatur. . . 400 „24 5 „ Brutofentemperatur . . 500 also deutliche Zeichen von Nachlösung. Dieses eigentümliche Symptom hat neben seiner theoretischen auch praktische Bedeutung, da es wahrscheinlich ist, dafs man durch dasselbe bei Infektionskrankheiten Intoxikation mit hämo- lytischen von solchen mit nicht hämolytischen Giften wird unter- scheiden können. Sollte es auch noch gelingen, die Nachlösung durch Antikörper spezifisch zu hemmen, so wäre in diesem Verhalten des Blutes ein Mittel zur ätiologischen Diagnostik gegeben. Ich bin derzeit mit Ver- suchen dieser Art beschäftigt und werde über ihre Resultate seiner- zeit berichten. Die Resultate von Madsen über die Wirkung von Antitetanolysin auf schon im Gange befindliche Lyse berechtigen zu der Hoffnung, dals die Versuche positiv ausfallen werden. Noch eines Nebenbefundes möchte ich Erwähnung thun, weil m hnnnnn Über Hämolyse. 4 119 er theoretisches Interesse beanspruchen und vielleicht in den Dienst der ätiologischen Diagnostik gestellt werden kann. Kraus und Ludwig zeigten in ihrer mehrfach citierten Arbeit das Auftreten von Anämie und von kernhaltigen roten Blut- körperchen im Blute nach Injektionen von Bakteriohämolysinen; bei den Nachuntersuchungen, die ich für diese Arbeit machen mulste, fiel mir einigemal auf, dafs kernhaltige rote Blutkörperchen sich im Blute fanden, bevor noch Anämie konstatiert werden konnte. Es spricht dieser Befund dafür, dals beides, Anämie und Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen, direkt auf die Wirkung des Lysins bezogen werden können. Es wäre diese Auffassung vielleicht für das schubweise Auftreten von Normo- blasten im Blute Chlorotischer sowie für ihr Auftreten bei Leukämie zu verwerten *). Jedenfalls spricht das Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen schon nach der Arbeit vonKraus und Ludwig für eine Hämolysinintoxikation, und das um so mehr, wenn eine stärkere Anämie, die ihr Auftreten verständlich machen würde, fehlt. Aus vorliegender Arbeit ergeben sich folgende Schlufssätze: l. Das Staphylolysin wirkt sowohl innerhalb als auch aufser- halb des Organismus wie ein Ferment. 2. Die Wirksamkeit des Staphylolysins wächst bei Versuchen in vitro stetig mit der Zeit. Beim Tierversuche zeigt sich für diese Wirksamkeit eine Grenze. Dieses Verhalten ist der Aus- druck der Ausscheidung resp. der Kompensation des Giftes. 3. In einigen Tierversuchen mit einem anderen Lysin (Immun- hämolysin) ergiebt sich auch für dieses mit grolser Wahrschein- lichkeit eine fermentale Wirksamkeit. 4. Es giebt eine aseptische spontane Hämolyse. 5. Intoxikation mit einem Lysin (Staphylolysin resp. Immun- hämolysin) kann im Blut folgende Symptome verursachen: a) Oligocythämie (das folgt aus der Arbeit von Kraus und Ludwig). b) Rascheren Eintritt der Spontanhämolyse und Spontanagglu- tination (Kaninchenblut). c) Öfteres Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen im Blut, bevor noch Anämie aufgetreten ist. *) Ein Analogon dieses Auftretens von kernhaltigen roten Blutkörperchen im Blute ohne gleichzeitige Anämie ist die von Cantacuzene beobachtete Thatsache, dass Injektionen von kleinen Dosen eines Lysins Polycytaemia rubra hervorriefen. V. Uber das Verhalten der Albumosen in der Darmwand und über das Vorkommen von Albumosen ım Blute. Von Dr. Gustav Embden (z. Z. Assistent am köniel. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt) und Dr. Franz Knoop. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) Durch den Nachweis, dals, das in der Magenschleimhaut konstant vorkommende „Pepton“ *) (im älteren Sinne) beim Liegen des herausgeschnittenen Magens eine auffällige Abnahme erfährt **) ***), und durch weitere Untersuchungen wurde Hofmeister zu der Anschauung geführt, dafs innerhalb der Magenschleimhaut eine Regeneration von „Pepton“ zu koagulablem Eiweils stattfindet. Diese Anschauung, die später von Hofmeister auch auf den Darm übertragen wurde r), fand eine wesentliche Stütze in den Untersuchungen Glässners ff). Glässner stellte fest, dals die in der Magenschleimhaut vorhandenen Albumosen zur Zeit der Eiweilsverdauung beim Liegen der isolierten Schleimhaut zum grolsen Teile verschwinden und dafs an die Stelle derselben *) Überall, wo im Folgenden das Wort „Pepton“ (in Anführungszeichen) angewandt wird, ist es im älteren Sinne (nicht im Sinne Kühnes) gebraucht. »*) F, Hofmeister, Zur Lehre vom Pepton IV. Über die Ver- breitung des Peptons im Tierkörper. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. VI, S. 51 (1882). =) Derselbe, Zur Lehre vom Pepton V. Das Verhalten des Peptons in der Magenschleimhaut. Ebenda Bd. VI, S. 69 (18832). 7) Derselbe, Untersuchungen über Resorption und Assimilation der Nährstoffe. Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. 19, 1 (1885). ++) K. Glässner, Über die Umwandlung der Albumosen durch die Magenschleirnhaut. Beitr. zur chem. Physiol. und Pathol. 1, 523 (1901). G. Embden und F. Knoop, Über das Verhalten der Albumosen u.s.w. 191 koagulable Eiweilskörper treten. Über die Natur dieser koagu- lablen Eiweilskörper spricht Glässner sich nicht aus, doch hält er es für ausgemacht, dafs es sich bei der Umwandlung der Albu- mosen um einen regenerativen Prozels handelt. Während Glässner seine Versuche am Magen anstellte, bezichen sich ähnliche an- nähernd gleichzeitig von Cohnheim ausgeführte Untersuchungen auf den Darm *), zunächst auf den von Säugetieren. Cohnheim griff auf eine von Neumeister herrührende Versuchsanordnung **) zurück. Er brachte Darmstückchen von eben getöteten Hunden und Katzen in peptonversetztes verdünntes Blut oder peptonhaltige 'Ringersche Lösung und stellte fest, dals nach kurz dauernder Digestion derartiger Flüssigkeiten bei Körpertemperatur die Biuret- reaktion gebenden Substanzen aus den enteiweilsten Filtraten völlis oder nahezu völlig verschwanden. Er zeigte, dals dieses Verschwinden der Peptone durch eine Umwandlung derselben in die gewöhnlichen Endprodukte hydrolytischer Spaltung bedingt war. Er nahm an, dafs diese Spaltung der Peptone im wesent- lichen durch ein in der Darmwand vorkommendes und von ihm Erepsin genanntes Ferment bewirkt würde. Ob das Erepsin intra- cellulär wirkt oder in das Darmlumen secerniert wird, läfst Cohnheim dahingestellt. In jüngster Zeit haben aber Kutscher und Seemann ***) in einwandsfreier Weise dargethan, dals die Darmwand in der That ein proteolytisches Ferment secerniert, welches „schwach Fibrin, etwas stärker Deuteroalbumoselösung zersetzt“. Diese Wirkung auf Albumosen und überdies auf Pepton wurde auch von Salaskin y) beobachtet. Salaskin, namentlich aber Kutscher und Seemann stellten fest, dals die Wirkung des im Darmsaft enthaltenen Fermentes eine ziemlich geringfügige ist. Letztere Autoren halten daher das von ihnen in Übereinstimmung mit Kühne beobachtete Auftreten *) O0. Cohnheim, Die Umwandlung des Eiweils durch die Darmwand. Zeitschr. f. physiol. Chem. 33, 451 (1901). Derselbe, Weitere Mitteilungen über das Erepsin. Ebenda 35, 134 (1902). **) R. Neumeister, Zur Physiologie der Eiweilsresorption und zur Lehre von den Peptonen. Zeitschr. f. Biologie 27, 309 (1890). *=*) F. Kutscher und J. Seemann, Zur Kenntnis der Verdauungs- vorgänge im Dünndarm, II. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 432 (1902). +) S. Salaskin, Über das Vorkommen des Albumosen resp. Pepton spaltenden Fermentes (Erepsin von Cohnheim) in reinem Darmsafte von Hunden. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 419 (1902). 122 Gustav Embden und Franz Knoop, nicht unerheblicher Mengen von Tyrosin und Leucin, sowie das von ihnen entdeckte Vorkommen von Lysin und Arginin *) bei der Dünndarmverdauung im wesentlichen für eine Folge der Tıypsinwirkung. Da Kutscher und Seemann die verschiedenen im Darminhalt aufgefundenen krystallinischen Spaltungsprodukte weder in der Darmwand noch im Blut nachweisen konnten, nahmen sie an, dals dieselben bereits in der Darmwand so verändert werden, „dals sie sich einstweilen unserem Nachweis entziehen“. Nach der zweiten Arbeit von Kutscher und Scemann „scheinen sich“ in der resorbierenden Darmwand „biuretfreie Extraktivstoffe zu finden, welche unter Behandlung mit siedender Säure Leuein abspalten“. Dieser Befund spricht nach ihnen sehr für die Mög- lichkeit, „dals das von der Darmwand resorbierte Leucin und die übrigen Spaltungsprodukte der Eiweilskörper bereits in der Darm- wand eine Verkuppelung mit anderen Körpern erfahren“. Unsere eigenen Untersuchungen wurden zunächst namentlich durch den Widerspruch zwischen den von Cohnheim und von Glässner erhobenen Befunden veranlalsı. Cohnheim kam auf Grund seiner Versuche am Darm zu dem Resultat, dafs „das von Hofmeister, Neumeister und Salvioli beobachtete Verschwinden der Peptone bei Berührung mit der Darmwand nicht auf ihrer Assımilation oder ihrer Restitution zu Eiweils beruht, sondern auf ihrer weiteren Spaltung in einfachere Spaltungsprodukte“. Glässner dagegen gelangte für den Magen zu dem gerade umgekehrten Er- gebnis. Von vornherein erschien es uns als möglich, dals die ab- weichenden Anschauungen beider Autoren auf der Verschiedenheit ihrer Versuchsanordnung beruhtee Während Glässner sich, wie vor ihm Hofmeister, bemühte, die resorbierende Magenschleim- haut thunlichst von allen ihr aufsen anhaftenden Verunreinigungen, namentlich Eiweilsspaltungsprodukten und Fermenten, zu befreien, um so ein möglichst reines Bild von der Umwandlung der Albu- mosen innerhalb der „überlebenden* Magenschleimhaut (nicht bei „Berührung mit der Schleimhaut“, wie sich Cohnheim ausdrückt) zu gewinnen, brachte Cohnheim in eine Peptonlösung Darmstücke, die allem Anschein nach während des Versuches ihnen aufsen anhaftendes oder von ihnen gebildetes Ferment an *) Fr. Kutscher und J. Seemann, Zur Kenntnis der Verdauungs- vorgänge im Dünndarm, I. Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 530 (1902). Da- selbst siehe auch die übrige Litteratur über das Auftreten niederer Spaltungs- produkte bei der Dünndarmverdauung. Über das Verhalten der Albumosen u. s. w. 123 die peptonhaltige Lösung abgaben. Die von Cohnheim gewählte Neumeistersche Versuchsanordnung schien uns zwar im wesent- lichen geeignet, die Wirkung von der Mucosa anhaftendem Ferment auf Peptonlösungen zu zeigen, aber völlig ungeeignet, irgend sichere Ergebnisse bezüglich des Verhaltens der „Peptone“ inner- halb der Darmwand zu liefern. Wir griffen daher bei unseren Untersuchungen am Darm ebenso wie Glässner bei den seinigen am Magen auf die Hofmeistersche Versuchsanordnung zurück. In der chemischen Methodik lehnten wir uns auf das engste an Glässner an. Versuche am normalen Darm. Durch diese Versuche suchten wir zunächst zu ermitteln, ob in der Darmschleimhaut, ähnlich wie in der des Magens, auf der Höhe der Eiweilsresorption eine Zunahme des koagulablen Ei- weilses beim Liegen stattfindet. Auf der Höhe der Darmresorption befindliche Hunde (5 bis 91/, Stunden nach reichlicher Fleischfütterung) wurden durch Entbluten getötet, der Darm so rasch wie möglich herausgenommen, von an- haftendem Fett befreit, längs des Mesenterialansatzes eröffnet und nunmehr auf das gründlichste gereinigt. Zur Reinigung wandten wir anfänglich den Strahl der Wasserleitung, in allen späteren Ver- suchen einen scharfen Strahl körperwarmer Kochsalzlösung von 0,8 Proz. an. Ein oder mehrere Stücke des gereinigten Darms wurden mit dem Messer der Länge nach in zwei möglichst symmetrische Teile ge- spalten *). Jedes der beiden zusammengehörigen Längsstücke wurde gewogen, alsdann das eine sofort in eine gemessene Menge am Rückflufs- kühler siedender 1proz. Lösung von primärem Kaliumphosphat ge- worfen und in dieser zunächst 10 Minuten lang im Sieden erhalten. Das andere symmetrische Längsstück wurde auf verschieden lange Zeit (!/,; bis 3 Stunden) in eine feuchte Kammer gelegt, deren Temperatur auf 40° gehalten wurde. Alsdann wurde es ebenso wie das sofort verarbeitete Stück mit siedender Phosphatlösung koaguliert. Die Weiterbehandlung der Darmstücke und der aus ihnen ge- wonnenen Extrakte geschah folgendermalsen: Nachdem die Flüssigkeit halbwegs abgekühlt war, wurde das koagulierte Darmstück heraus- genommen, in eine Reibschale gebracht, hier zunächst mit der Schere und alsdann mit dem Pistill möglichst zerkleinert, dann unter Ver- meidung jedes Verlustes in die Flüssigkeit zurückgebracht und in dieser nochmals 20 Minuten zum Sieden erhitzt, so dafs die Gesamt- siededauer !/, Stunde nicht überschritt. Nach dem Abkühlen wurde *) Von den Versuchen blieb das Duodenum ausgeschlossen. Die ver- wandten Darmstücke entstammten, soweit nicht der ganze übrige Dünndarm (für mehrere Versuche) verwendet wurde, immer dem Jejunum. 124 Gustav Embden und Franz Knoop, das Volumen der den Darm enthaltenden Flüssigkeit genau gemessen (in vielen Fällen wurde auch auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt) und nach mehr- bis 24stündigem Stehen ein aliquoter, gemessener Teil mit dem halben Volumen gesättigter Zinksuifatlösung, der auf 100 Tle. 0,4 Tle. konzentrierter Schwefelsäure hinzugefügt waren, versetzt. Hierbei werden nach Glässner*) der Koagulation entgangene Globin- reste quantitativ ausgefällt und auch etwaige Reste anderer fällbarer Eiweifskörper entfernt”*). Der Niederschlag hat sich gewöhnlich nach wenigen Stunden, manchmal erst am folgenden Tage, abgeschieden, und es gelingt nun fast immer ohne besondere Mühe, ein klares Filtrat zu gewinnen. In einem gemessenen Teil des Filtrats wurde der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Wir haben diese Versuche in tabellarischer Anordnung zu- sammengestellt (Tabelle I). In der Kolonne 11 der Tabelle ist der Filtratstickstoffgehalt des sofort verarbeiteten Darmstückes A — 100 gesetzt und der Filtratstickstoffgehalt des nach längerem Liegen bei 40% ver- arbeiteten Darmstückes B unter Berücksichtigung der Gewichts- unterschiede der Darmstücke auf diesen Wert bezogen. Wie man sieht, ist bei allen 12 an 9 verschiedenen Hunden ausgeführten Versuchen der Filtratstickstoffgehalt in B gröfser als der in A. In einigen Fällen sind, wie aus den in den Kolonnen 2 bis 10 ge- gebenen Belegen ersichtlich, die bei den Stickstoffbestimmungen erhaltenen absoluten Unterschiede sehr erheblich, in anderen nähern sie sich der Fehlergrenze der Bestimmung oder liegen gar inner- halb derselben. Da aber alle 12 Versuche in demselben Sinne sprechen, kann es keinem Zweifel unterliegen, dals beim Liegen des Darms eine Zunahme des nicht koagulablen Stickstoffs eintrat. Diese Vermehrung des Filtratstickstoffs konnte selbstvet'ständ- lich nur auf Kosten von ursprünglich koagulablem Eiweils geschehen, *) K. Glässner, |. c. 8. 332. **) Cohnheim hat in seiner Arbeit, Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 400, gegen die hier angewandte Methodik Glässners den Einwand erhoben, dafs sich in frischen Schleimhautauszügen das Eiweils schwerer vollständig koagulieren lasse, als wenn nach einigen Stunden ein Teil der Eiweilskörper geronnen sei, und er fordert die Erledigung dieses Einwandes, bevor die Glässnerschen Resultate gesichert seien. Wir halten diesen Einwand nicht für stichhaltie: Die Drittelsättigung mit Zinksulfat beseitigt völlig das der Koagulation etwa entgangene Eiweilsglobin, Muein oder Nukleo- proteid. Die Resultate der Vergleichsbestimmungen in vorliegender Arbeit beweisen das um so schlagender, als die Auszüge der Darmschleimhaut bei der bisher üblichen Technik noch viel schwerer eiweilsfrei zu erhalten sind, als solche der Magenschleimhaut. Über das Verhalten der Albumosen u. 8. w. GI 2 NE CCN, 08 Stas ee a) 08 gG8 67 6 0s1 | 69 er oc ET 88 Be Tg 087 96 118 SOI = 06 er 065 2 Se eh) a8 {er 0:3 GT, 18 Sol Eee Fre 056 a3 ech] 0'g {er 09L 13 12 01 se | ° 091 EN 95 09 08 08T 36 187 651 | 08 09 ee FE ge'g 08 095 gg 11 9 fer eG 08 003 S-sCie a] 18 [ep 08 003 g'98 19 coL 9'9 08 00F 0 — 6F 69 08 007 9 Gq OLL 69 g'56 O8 Sol 7 79 08 00F FF F 9FI Se 0% 097 Rz 18 08°0L 09 08F g'19 8 081 ecl 001 009 era RE 776 001 009 078 % SF I 682 | 09 087 um—'PpIS$| 678 ST, 09 087 gıg I l | E | wm)» TUJD WII 3 ul) wa» 10067) 3 u950234 | spegptg SPELIILA DRIN S s33 MSIS 3 98 Ss io | singg- ae Haraisshıd 007 194 songs ompg- 1 N HOISSUM songs A 4038 N yerusyurz-®/, uopuoypeyguo .- N yaypassqurz-®/, uapuoypeuguo ® x Spamanıt | 8 suooaıT -uueq 2 : Zuıee SMOLS SSL aSuo N sap uEWnJoA ULB] UOp uam sap uaUNJoA w.Ie(T uop -1o/ pe q sppnIs SLIEISITE.L} saJpuen.taa J9p uawumJoA syp Toneı sep ay.1laısıpe.y sa4pueAM.ToA dap UIUIMTOA PD ; : -wuIe(] SIp Q +U9TAO9O) <@ ayoLaan sap IN -DON SuUNWWIISOE-N -JIesgn) -nON SUNMWULISOT-N --umes9H 2 eyaspgos ınz nz -yorgspeazyig g yPnysuLıe(T SOJ9NFqLE.LIA ‚OF TOQ USSOTT WEAODUR] YoeN V y9n9suLIeT S9I91194.TE1HA 9.10TOS| IL oL 6 8 L 0) q 7 8 3 I IESERSS END 126 Gustav Embden und Franz Knoop, ein Verhalten, das zu dem von Glässner am Magen beobachteten in geradem Gegensatz steht. Die Ursache der beobachteten Eiweilsspaltung konnte eine verschiedenartige sein; es konnte sich um Fäulniserscheinungen handeln, was allerdings für die Fälle, in denen deutliche Filtrat- stickstoffzunahme schon nach sehr kurzer Zeit eingetreten war, von vornherein wenig wahrscheinlich erschien; oder die Abnahme des Eiweifsstickstoffs war durch die Thätigkeit in der Darmwand vorhandener oder ihr äufserlich anhaftender Fermente bedinst. In erster Linie glaubten wir an eine Trypsinwirkung denken zu müssen. Möglicherweise fand sogar in der überlebenden Darm- wand, ebenso wie in der des Magens, eine Umwandlung von nicht koagulablen Eiweifsspaltunesprodukten in koagulierbares Eiweils statt, dieser Prozels wurde aber durch daneben einhergehende tryptische Spaltung verdeckt. Wir suchten deswegen den Eintritt von Trypsin in den Darm auf operativem Wege zu verhindern und wiederholten die oben geschilderten Versuche an der trypsinfreien Darmwand. Versuche am trypsinfreien Darm. Zur Ausschaltung des Trypsins unterbanden und durch- schnitten wir, wie das früher schon öfters geschehen ist, die Pan- kreasausführungsgänge. Der Verlauf der Operation gestaltete sich etwa folgendermalsen ”): Der Bauchschnitt wurde 1 bis 2 Finger breit rechts von der Linea alba angelegt; er begann unmittelbar unter dem Rippenbogen und war etwa 12 bis 15cm lang. Nach Eröffnung des Peritoneums wurde das Duodenum hervorgeholt und das Pankreas stumpf unter möglichster Schonung der Gefälsbrücken in seiner ganzen Länge von demselben losgelöst; es gelingt so leicht, die Pankreasgänge, deren Zahl und Lage bekanntlich variiert, aufzufinden. Die Gänge werden doppelt unter- bunden und zwischen beiden Ligaturen durchschnitten. Die Operation ist bei aseptischem Vorgehen und genügender Übung nicht sehr gefährlich. Während wir anfänglich einige Tiere verloren, starb von den letzten neun operierten Hunden keiner an den Folgen der Operation. Meist wurden die Hunde etwa S Tage nach der Operation getötet. Früher die Untersuchung der Darmschleimhaut vorzu- nehmen, schien uns deswegen unthunlich, weil einerseits die Ge- *) Herr Prof. Dietrich Gerhardt war so freundlich, uns die Technik der Operation vorzuführen. Über das Verhalten der Albumosen u. s. w. 197 fahr des Vorhandenseins von Trypsinresten im Darm naturgemäls gröfser war, andererseits auch, weil in den ersten Tagen nach der Operation häufig Durchfälle auftreten, die dann aber später bald wieder nachlassen. Der feste Kot nimmt dann — wenigstens bei fettarmer Kost — häufic eine eieentümlich fleischmehlartise Be- oO {eo} l schaffenheit an und ist fast geruchlos. Erheblich länger als 8 bis 10 Tage nach der Operation mit der Darmuntersuchung zu warten, ist deswegen unzweckmälsig, weil sich nach dieser Zeit neue Kommunikationen zwischen Pankreas und Darm gebildet haben können, worauf uns Herr Prof. Gerhardt aufmerksam machte. Selbstverständlich suchten ‘wir uns nach der “Tötung des Tieres zu überzeugen, ob die Ausschaltung des Pankreas eine wirklich vollständige war. Ist die Unterbindung gelungen, so muls nach 5 Tagen das Pankreas in allen Teilen knorpelhart sein, und es darf sich ferner natürlich anatomisch keine Kommunikation zwischen Pankreas und Darm auffinden lassen. Die Untersuchung des Darminhalts gab uns keinen Aufschluls darüber, ob Tıypsin vorhanden war oder nicht. Abgesehen davon, dafs die Darm- schleimhaut ein fibrinlösendes Ferment produziert (Kutscher und Seemann), ist natürlich auch an das Vorhandensein des trypsin- ähnlich wirkenden, aus dem Pylorusteil des Magens und den Brunnerschen Drüsen stammenden Pseudopepsins zu denken. In der That konnten wir in mehreren Fällen, in denen allem Anschein nach die Unterbindung der Pankreasgänge vollkommen gelungen war, im Darminhalt ein Ferment nachweisen, das eine zugesetzte Fibrinflocke über Nacht löste, sehr viel rascher also, als wir es nach den Versuchen Kutschers und Seemanns von dem proteolytischen Enzym des Dünndarms annehmen dürfen. Die Darmversuche wurden ganz in der früher beschriebenen Weise ausgeführt. Die erhaltenen Zahlen sind in Tabelle II zu- sammengestellt. Auch hier ist in der Kolonne 11 der Filtratstickstoff von A = 100 gesetzt und der Filtratstickstoffwert von B darauf bezogen. Wir sehen bei der Betrachtung dieser Zahlen vorläufig von jenen Versuchen ab, bei denen das Darnstück B länger als 2 Stunden bei 40° liegen blieb (22,III und 12,IV). Wir bemerken alsdann, dafs auch in dieser Versuchsreihe die Zahlen für B von denen für A abweichen. Während aber bei den trypsinhaltigen Därmen diese Abweichungen ausnahmslos in einer Zunahme des Filtratstickstoffs bei B bestanden, sehen wir hier, dals die Differenzen bald in der Richtung einer Zunahme, bald in Gustav Embden und Franz Knoop, 125 Tabelle I. 1 2 3 4 5 et 8 9 10 11 Sofort verarbeitetes Darmstück A Nach längerem Liegen bei 40° verarbeitetes Darmstück B Br a iltratstick- Zur Zur stoffsehalt Gewicht Gesamt- N-Bestimmung Neu- Gewicht Gesamt- N-Bestimmung Neu- des Darm- Nr. des des volumen der verwandtes tralisierte alas Dauer des | volumen der verwandtes tralisierte | stiicks B auf Wananohall Damnas den Darm Volumen des Menge De Re den Darm Wolumen des Menge Aulyatetiele: kicl enthaltenden /s-Zinksulfat N le > i enthaltenden /s-Zinksulfat N a en stücks ttig ai stück ; aan TE n ala sesättioten —_ Säure bei 40 Flüssickeit gesättisten — -Säure DR Flüssigkeit Filtrates 10 ss1g are 10 A300 bezogen © ccm ccm ccm g ccm ccm ccm 10,1 20,5 325 B) 3,45 24,7 1 Std. | 325 30 3,38 sl 10,11 23,8 300 B) Du 23,8 22. 300 30 3,1 105 11,1 33,8 260 30 5,10 51,5 5 260 30 5,40 111 all J0f 22,0 390 41,5 4,1 22,0 DE, 235 35,6 4,35 106 121 ID 250 30 4,25 17,0 1%; 2350 30 4,00 97 1271 30,5 40) 35,9 4,7 29,5 Dr, 310 51,7 9,5 104 12, III 33,5 180 30 9,0 32,5 Be 290 48,4 10,35 [118] 12, IV 21,0 250 30 4,55 21,0 4 „ 250 30 8,6 [189] 1153 1 37,8 150 15,5 5,8 39,5 1, 153 15,5 6,1 102 14,1 ale 2350 41 6,0 56 JErtes 196 26 6,15 110 14,11 So nes 30 8,65 33,0. | 96, = 30 8,85 98 15,1 56,5 170 20 8,9 52,5 ne 170 24 10,1 102 15,1 59,5 240 25,0 S,15 56 ee 270 50 9,5 116 Über das Verhalten der Albumosen u. s. w. 129 der einer Abnahme gelegen sind. Das Mittel ist 103. Grofsen- teils liegen die Abweichungen innerhalb der Fehlergrenzen der Kjeldahlbestimmung, fast ausnahmslos aber innerhalb der Fehler- grenzen, wie sie durch die gesamte Versuchsanordnung bedingt sind. Dies geht aus besonders angestellten Kontrollversuchen her- vor, bei denen wir Därme genau wie sonst der Länge nach spalteten und beide Darmstücke sofort verarbeiteten. Merklich aulserhalb dieser Fehlergrenzen liegt eigentlich nur die Abnahme des Filtratstickstoffs in Versuch 10,I und die Zunahme in Ver- such 15,1. Eine gesonderte Besprechung erfordern die Versuche 12,1 bis IV, da sie den Einflufs von Fäulnis auf das Versuchsresultat zeigen. Während in den Versuchen I und II (nach ein und zwei Stunden) keine merkliche Änderung im Filtratstickstoff eingetreten ist, zeigt Versuch IV (nach vier Stunden) eine Steigerung des Filtratstickstoffs auf fast den doppelten Wert. Hier war aber bereits stinkende Fäulnis eingetreten. Demgemäls darf wohl auch die Steigerung des Filtratstickstoffwertes in III (nach drei Stunden) auf beginnende Fäulnis zurückgeführt werden. Zwei an pankreasoperierten Tieren angestellte Versuche haben wir nicht in die Tabelle aufgenommen. Einen, wo wir bei der Autopsie eine unzweifelhafte Kommuni- kation zwischen Pankreas und Darm auffinden konnten *), und einen anderen, wo nach einer Stunde der Filtratstickstoffwert von B 130 betrug. Aller Wahrscheinlichkeit nach bestand auch hier eine Kom- munikation, trotzdem ihr anatomischer Nachweis nicht gelang **). Das wesentliche Resultat dieser Versuchsreihe lälst sich dem- nach folgendermalsen ausdrücken: Am trypsinfreien Darm tritt im Gegensatz zum Normal- darm beim Liegen der gereinigten Darmwand während der ersten beiden Stunden keine erkennbare Spaltung coagulabler Eiweils- körper ein; ebensowenig ist aber auch eine Zunahme der coagu- lierbaren Eiweilssubstanzen (im Sinne einer Regeneration) festzu- stellen. ; Die am Normaldarm schon innerhalb der ersten beiden Stunden eintretende Eiweilsspaltung ist sonach auf die Wirkung des *) Diesen Versuch haben wir als Versuch 9 in der Tabelle I an- geführt. **) Dieser Nachweis begeenet bei der breiten Verwachsung, die aus- ‚nahmslos nach acht Tagen zwischen Darmserosa und Pankreas eingetreten ist, aulserordentlichen Schwierigkeiten. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 9 130 Gustav Embden und Franz Knoop, Trypsins zurückzuführen, das sich eben auch durch noch so gründ- liches Abspülen nicht vollständig entfernen lälst *). Auch bei jenen Versuchen, welche Hofmeister zu der An- nahme führten, dafs nach Analogie der beim Magen gegebenen Ver- hältnisse beim Liegen der resorbierenden Darmwand **) darin ent- haltene nicht coagulable Biuretkörper unter Regeneration zu Eiweils verschwinden, war die Wirkung von Trypsin nicht ausgeschlossen. Möglicherweise beruhte auch bei diesen Versuchen das Ver- schwinden der die Biuretreaktion gebenden Filtratkörper lediglich auf tryptischer Spaltung der von vornherein vorhandenen und der erst durch das Trypsin beim Liegen gebildeten „Peptone“. Es ergab sich daher die Notwendigkeit, die Versuche Hof- meisters am trypsinfreien Darm zu wiederholen. Bevor wir unsere einschlägigen Resultate mitteilen, haben wir noch kurz einige von uns am Normaldarm zur Zeit der Eiweils- resorption vorgenommene Vorversuche zu besprechen. Wir hielten eine Nachprüfung der von Hofmeister erhobenen Befunde für notwendig, weil Hofmeister selber darauf hingewiesen hat, dals die von ihm zur Koagulation der Eiweilskörper angewandte Eısen- methode nicht völlig einwandsfreie Resultate liefert und namentlich am Darm schwierig zu handhaben ist. Bei unseren Versuchen verfuhren wir in folgender Weise: Die Koagulation mittels primärem Kaliumphosphat geschah ganz, wie oben geschildert, ja in den meisten Fällen wurden zur Vergleichung der Intentisät der Biuretreaktion dieselben Darmextrakte benutzt, die auch zur Kjeldahlbestimmung dienten. Es erwies sich als notwendig, vor dem Zersetzen mit Zinksulfatlösung einzuengen. Einige an Darm- extrakten vorgenommene Versuche zeigten, dals es für die Stärke des Ausfalls der Biuretreaktion gleichgültig ist, ob man bei der vom *) Neuerdings haben Kutscher und Seemann (Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 434) die mit Wasser sorgfältig gereinigte Schleimhaut des Hundedünn- darms (mit Ausnahme des Duodenums) der Selbstverdauung überlassen uud die dabei auftretenden Spaltungsprodukte untersucht. Kutscher und Seemann führten die Entstehung dieser Spaltunesprodukte auf die Wirkung eines der Darmschleimhaut angehörigen Fermentes zurück. Auf Grund unserer Versuche lälst sich die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dals bei der von Kutscher und Seemann gewählten Versuchsanordnung noch wirksames Trypsin vorhanden war, das sich, wie aus unseren Ver- suchen ersichtlich, auch bei gründlichstem Waschen niemals völlig beseitigen lälst. Damit ist natürlich keineswegs gesagt, dals die von Kutscher und Seemann beobachteten Spaltungsprozesse ausschlielslieh auf Trypsin zurückzuführen sind. **) F. Hofmeister, Archiv f. exper. Pathol. und Pharm. 19, 13. Über das Verhalten der Albumosen.u. s. w. 131 primären Kaliumphosphat herrührenden sauren, oder bei genau neutraler Reaktion eindampft. Wir haben daher von einer Neutralisation vor dem Eindampfen abgesehen: Gleichen Bruchteilen der gesamten Darm- stücke A und B entsprechende Extraktmengen wurden auf dem Wasser- bade eingeengt. Das eingeengte und genau auf ein bestimmtes, geringes Volumen gebrachte Filtrat wurde nun mit dem halben Volumen ge- sättigter saurer Zinksulfatlösung (siehe oben) versetzt; der eintretende, nicht unerhebliche Niederschlag setzte sich bald ab. Je 2ccm des klaren, in der Regel schwach gelblichen, bisweilen aber auch völlig farblosen Filtrates wurden in gleich weite Reagensröhrchen gebracht und mit dem gleichen Volumen starker Natronlauge versetzt*). Zu den beiden Proben wurde jetzt aus einer Bürette Tropfen für Tropfen ganz schwache Kupfersulfatlösung hinzugefügt. Die Färbungen beider Flüssigkeiten wurden nach Zusatz eines jeden Tropfens miteinander verglichen. Wir wollen auf die Versuche am Normaldarm im einzelnen nicht eingehen, sondern nur hervorheben, dafs wir im ganzen zu anderen Resultaten, als Hofmeister, gelangten. In einigen Fällen fanden wir zwar eine mehr oder weniger deutliche Abnahme der Biuretreaktion in dem Darmstück B, in anderen Fällen (und zwar in der Mehrzahl) stellten wir aber eine — manchmal sehr deutliche — Zunahme fest. In einer Minder- zahl von Fällen war ein deutlicher Unterschied überhaupt nicht zu bemerken. Dieses Verhalten kann nicht wundernehmen. Gehen doch beim Liegen der trypsinverunreinigten Darmschleimhaut mindestens zwei, in ihrer Intensität variable Prozesse nebeneinander einher, die den Ausfall der Biuretreaktion im Filtrat im entgegengesetzten Sinne beeinflussen müssen, nämlich die Spaltung von Eiweils in „Peptone* und die Spaltung von „Peptonen“ in biuretfreie Pro- dukte. Daraus folgt ohne weiteres, dafs die Versuche am trypsin- haltigen Darm nicht im stande sind, irgendwelche Aufschlüsse über das Verhalten der „Peptone“ innerhalb der lebenden Darm- wand zu liefern. Ob unsere Filtrate Peptone im engeren Sinne des Wortes enthielten, haben wir nicht untersucht. Albumosen waren jeden- falls vorhanden. Konzentrierte Salpetersäure gab in den darauf untersuchten Fällen Trübung, die beim Erwärmen verschwand, beim Erkalten wiederkehrte und im Überschuls von Salpetersäure völlig löslich war. Sättigung mit Zinksulfat rief auch in den *) Der starke Natronlaugezusatz ist nötig, um alles Zinkhydroxyd wieder in Lösung zu bringen. 132 Gustav Embden und Franz Knoop, stark verdünnten Lösungen, die vor der !/,-Sättigung nicht ein- geengt waren, Trübung hervor, die sich bald in eine an der Ober- fläche schwimmende Fällung verwandelte. Ein Darmextrakt, das bei genügender Einengune und nach 1/,-Sättigung ‚mit Zinksulfat gar keine Biuretreaktion lieferte, haben wir nicht beobachtet*). (Hungertiere wurden allerdings nicht untersucht.) Wir gehen nunmehr über zur Besprechung des Verhaltens der „Peptone“* beim Liegen der trypsinfreien Darmwand, in der inner- halb der ersten beiden Stunden keine Spaltung von koagulablem Eiweils eintritt. Die Versuche wurden ganz in derselben Weise, wie am Normal- darm, ausgeführt. Mit einer Ausnahme kamen nur Darmextrakte, in denen auch das Verhalten des Filtratstickstofs beim Liegen der Darm- wand bestimmt wurde, zur Verwendung. Ueber die Resultate der Versuche giebt die folgende Tabelle Aufschlufs. Die Versuche tragen, soweit sie schon in Tabelle 2 angeführt wurden, dieselben Nummern wie daselbst. Dauer des Liegens des : ß E | = 2 Biuretreaktionen von Nr. des Versuchs | Darmstückes B vor der Ver- | leo A und B | arbeitung KIT | 1 Stunde | gleich stark 12,1 1 Stunde gleich stark 12,17 | 2 Stunden gleich stark as 1 Stunde | ın B stärker als in A 13, I 2 Stunden in B stärker als in A lat. al 1 Stunde in B stärker als in A 14, II | 2 Stunden gleich stark s | 5 in B eben erkennbar Ian 7 Sal schwächer, als in A Wie man sieht, war in den acht untersuchten Fällen die Biuret- reaktion des enteiweilsten Filtrates von B viermal ebenso stark wie die des Filtrates von A, dreimal war sie stärker und nur einmal konnte eine (übrigens für das geübte Auge gerade eben erkennbare) Abnahme festgestellt werden **). *) Hiermit steht eine Beobachtung von Kutscher und Seemann, welche die Fxtraktivstoffe der Darmschleimhaut (mit siedendem Wasser) ohne Schwierigkeit frei von Biuretreaktion gebender Substanz erhielten (Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 433), in einstweilen nicht aufgeklärtem Widerspruch. ®=#) Den Versuch 12, III, wo das Darmstück B drei Stunden lang bei 40° gelegen hatte, und wo ebenfalls eine Abnahme der Biuretreaktion des Fil- Über das Verhalten der Albumosen u. s. w. 133 Unsere Befunde sprechen also mit aller Entschieden- heit dagegen, dafs innerhalb der überlebenden Darm- schleimhaut eine Umwandlung von „Peptonen“, sei es im Sinne einer Regeneration zu koagulablem Eiweils, sei es ‘einer Spaltung in nicht mehr die Biuretreaktion gebende Produkte stattfindet. Wodurch die mehrfach beobachtete Zunahme der Biuretreaktion beim Liegen bedingt war, entzieht sich einstweilen völlig unserer Be- urteilung. Findet also in der Darmwand weder eine Spaltung von „Peptonen“ in biuretfreie Produkte, noch eine Synthese zu koagulierbarem Eiweils statt, so müssen die „Peptone“, falls sie überhaupt von der Darmwand aufgenommen werden, als solche ins Blut übergehen. Gegen diese Annahme ist u. a. namentlich das völlige Fehlen von Albumosen und Peptonen im Blute angeführt worden, das seit den Untersuchungen Neumeisters*) wohl fast allgemein als gesicherte Thatsache angesehen worden ist. Bezüglich der echten Peptone (und vielleicht gewisser Deuteroalbumosen) scheinen auch uns die von Neumeister ge- wonnenen Resultate beweisend zu sein, da sich gegen die hier angewandte Methode der Ammonsulfatfällung kein Einwand er- heben läfst. Dafs aber auch Albumosen im Blute völlig fehlen, ist durch die Neumeisterschen Versuche unserer Erachtens durchaus nicht sicher erwiesen. Die von Neumeister angewandte Methode der Koagulation des bei 50% getrockneten Blutes mit absolutem Alkohol und.die nachfolgende Extraktion des Koagulates mit Wasser von 90°, sind kaum geeignet, einwandsfreie Resultate zu liefern. Das trates von B sich zeigte, haben wir nicht in die Tabelle aufgenommen, da, wie bereits oben erwähnt, augenscheinlich Fäulnis eingetreten war. — In Versuch 12 injizierten wir %, Stunden vor der Tötung des Tieres eine erölsere Menge gegen Wasser 24 Stunden dialysiertes, in physiologischer Kochsalzlösung g„elöstes Wittepepton mittels einer Pravazspritze in das Darmlumen, um der Darmwand Gelegenheit zu möglichst reichlicher Albu- mosenresorption zu geben. *) R. Neumeister, Über die Einführung der Albumosen und Peptone in den Organismus. Zeitschr. f. Biologie 24, 272 (1888). Derselbe, Zur Frage nach dem Schicksal der Eiweilsnahrung im Organismus. Sitzungsber. der physikalisch-mediein. Gesellsch. zu Würzburg. Jahrg. 1889, S. 64. Derselbe, Lehrbuch der physiol. Chem., Jena 1897, S. 310. 134 Gustav Embden und Franz Knoop, erhaltene Eiweilskoagulum hält etwa vorhandene, gleichmälsig in ihm verteilte geringe Albumosenmengen voraussichtlich aufser- ordentlich fest zurück, und es dürfte ebensowenig gelingen, letztere durch einfache Extraktion mit erwärmtem Wasser genügend in Lösung zu bringen, als es glückt, aus dem beim Kochen eines Hühnereies zur Gerinnung gebrachten Eierklar durch einfache Extraktion mit Wasser irgend erhebliche Mengen des darin reich- lich vorhandenen Ovomucoids zu gewinnen. Abgesehen davon ist übrigens bei der vorerwähnten Behandlung der oft beobachtete Übergang von primären Albumosen in für neutrale Flüssigkeiten unlösliche Modifikationen *) nicht ausgeschlossen. Die Ansicht Neumeisters, dafs Albumosen und Peptone im Blute völlig fehlen, hat wohl auch deswegen so allgemeine Ver- breitung gefunden, weil Neumeister zeigen konnte, dals beim Kochen genuiner Eiweilskörper mit Wasser (namentlich ange- säuertem Wasser) unter Umständen Albumosen entstehen können. Dieser Befund mahnt gewils zur äulsersten Vorsicht in der Beurteilung schwacher Biuretreaktionen im Filtrate von durch Er- hitzen koagulierten Eiweilskörpern. Dennoch glauben wir, dals unsere eigenen, nunmehr zu schil- dernden Versuche mit gröfster Wahrscheinlichkeit auf das Vor- handensein von Albumosen im Blute hinweisen. Zur Koagulation des Blutes bedienten wir uns, ebenso wie früher zu der des Darms, einer einprozentigen, siedenden Lösung von pri- märem Kaliumphosphat. In diese flofs das Blut in dünnem Strahle hinein; das Kochen des Blutes mit der Phosphatlösung dauerte 5 bis 40 Minuten. Danach wurde die Flüssigkeit mit Wasser auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt und blieb 24 Stunden stehen. Ein gemessener aliquoter Teil des alsdann gewonnenen klaren Filtrates wurde auf dem Wasserbade auf ein bestimmtes Volumen eingeengt, und mit dem halben Volumen konzentrierter Zinksulfatlösung, die 0,4 proz. konzentrierte Schwefelsäure enthielt, versetzt. Mit dem nun gewonnenen klaren Filtrat wurde die Biuret- reaktion angestellt. Diese fiel in der Mehrzahl der Fälle positiv, in einigen negativ aus; wo sie positiv war, trat bei Sättigung mit Zinksulfat eine Trübung ein, die sich bald in einen an der Ober- fläche schwimmenden Niederschlag verwandelte. Dals es sich bei den die Biuretreaktion verursachenden Körpern *) Vergl. E. P. Pick, diese Beiträge 2, 486. : Über das Verhalten der Albumoson u. s. w. 135 um präformierte Albumosen und nicht um die Kunstprodukte einer unzureichenden Methode handelte, glauben wir aus folgendem mit grolser Wahrscheinlichkeit schliefsen zu dürfen: l. Wir haben mehrfach dieselbe Menge des gleichen Blutes *) verschieden lange mit siedender Phosphatlösung behandelt, z. B. eine bestimmte Blutmenge 10 Minuten lang, eine gleiche Menge desselben Blutes 40 Minuten lang mit der Phosphatlösung im Sieden erhalten; die Biuretreaktionen der nach !/;-Zinksulfat- sättigung erhaltenen Filtrate, die gleichen Blutmengen entsprachen, waren gleich stark. 2. Blut von verschiedenen Tieren, in möglichst gleichartiger Weise behandelt, wies häufig sehr verschieden starke Biuret- reaktionen auf. 3. Es kam vor, dals die Biuretreaktion in einem Blute, von dem gleiche Teile verschieden lange mit Phosphatlösung erhitzt waren, völlig fehlte. Dieses Verhalten ist geradezu unerklärlich, falls man annimmt, dals erst durch die Koagulation aus den normal vorhandenen Eiweilskörpern Albumosen entstehen, oder dals die Biuretreaktion auf Resten von nicht koagulierten Eiweilskörpern beruht. Wären die Biuretreaktion gebenden Filtratkörper ausschliels- lich ein Produkt der Hitzekoagulation des Blutes und der sich daran anschlielsenden weiteren Behandlung, so mülste ihre Menge im wesentlichen mit der Dauer der Hitzekoagulation u. s. w. variieren, nicht aber, wie es thatsächlich der Fall ist, ausschlie[s- lieh mit der untersuchten Blutart. Auf Grund unserer Untersuchungen müssen wir also annehmen, dals im normalen Blut Albumosen vorkommen können. Zu dem gleichen Ergebnisse gelangten verschiedene ältere Autoren, deren Versuche neuerdings aber nicht als .‚beweis- kräftig angesehen wurden. Namentlich hat bereits Hofmeister, der sich ausführlich mit den „Peptonen“ im Blute beschäftigte, unter Benutzung der Eisenmethode ähnliche Doppelversuche wie ‚wir und zwar mit ähnlichem Erfolge angestellt. Auch der Frage, ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Albumosenresorption vom Darme aus und dem Auftreten von Albumosen im Blute besteht, suchten wir näher zu treten, ohne jedoch über einige Anfangsversuche hinauszukommen. Wir wollen *) Das Blut wurde stets aus der Carotis von Hunden entnommen und sofort verarbeitet. 136 6G. Embden und F. Knoop, Über das Verhalten der Albumosen u.s.w. hier nur hervorheben, dals wir mehrfach auch im Blute ver- dauender Hunde keine Albumosen nachweisen konnten; anderer- seits gelang uns dieser Nachweis zu verschiedenen Malen bei Hungertieren. Doch mufs die Entscheidung der eben erwähnten Frage späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Beim Liegen der trypsinfreien, überlebenden Darmwand zur Zeit der Eiweilsresorption ist eine Änderung in der Menge der koagulablen Eiweilssubstanzen ebensowenig wie ein Ver- schwinden der Biuretreaktion gebenden Filtratkörper zu beobachten. Es findet also augenscheinlich in der überlebenden Darm- wand weder eine Rückbildung von koagulablem Eiweils aus Albu- mosen und Peptonen noch eine Spaltung von Albumosen und Peptonen in nicht mehr die Biuretreaktion gebende Produkte statt. 2. Im Blute finden sich allem Anschein nach häufig Albu- mosen vor. Obgleich vorderhand Anhaltspunkte für einen direkten Zusammenhang des Auftretens von Albumosen im Blute mit der Eiweifsresorption vom Darme aus nicht gewonnen wurden, mufs dennoch an der Möglichkeit festgehalten werden, dafs von der Darmwand aufgenommene Albumosen als solche ins Blut übertreten. Anmerkung bei der Korrektur. Während Cohnheim in seinen ersten Untersuchungen über das Erepsin, wie bereits oben hervorgehoben, es unentschieden lälst, ob das Erepsin ins Darmlumen secerniert wird, oder innerhalb der Darmwand zur Wirkung gelangt, spricht er sich in einer erst nach Abschluls vorliegender Arbeit erschienenen Mitteilung [Zeitschr. f. physiol. Chem. 36, 13 (1902)] dahin aus, dafs „das Erepsin neben seinem jetzt nachgewiesenen Vorkommen im Darmlumen auch intra- cellulär wirken kann und, wie bestimmt anzunehmen ist, auch wirklich wirkt“. Innerhalb der überlebenden Darmwand findet nach unseren Unter- suchungen eine derartige Spaltung von Pepton durch Erepsin jedenfalls nicht statt. De ern em VI. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charak- terisierung von Eiweifsstoffen. Von Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Jena.) Einleitung. Eine kolloidale Lösung von Gold, nach den Vorschriften, die Zsigmondy gegeben hat*), dargestellt, wird durch Zusatz eines Elektrolyten, z. B. Kochsalz, gefällt. Diese Fällung äufsert sich darin, dafs die vorher schön rote Farbe der Lösung in Blau um- schlägt, ähnlich wie eine rote Lackmustinktur beim Alkalisieren. Dieser Farbenumschlag entspricht einer nicht umkehrbaren . Zu- standsänderung des kolloidalen Goldes, welche mit dem Koagulieren mancher anorganischer Kolloide verglichen werden kann. Nach einigem Stehen setzt sich das veränderte Gold als blauschwarzer Niederschlag zu Boden; die überstehende Flüssigkeit ist farblos geworden. Dieses Verhalten der Goldlösung wird wesentlich modi- fiziert durch die Anwesenheit anderer Kolloide, z. B. durch geringe Mengen von Leim. Die Gegenwart von Leim vermag das kolloidale Gold gegen die fällende Wirkung eines Elektrolyten, z. B. Koch- salz, zu schützen, so dafs die Goldlösung trotz Zusatz eines solchen ihre ursprüngliche schön rote Farbe behält und auch beim Stehen kein Gold absetzt. Der Schutz, den der Leim in diesem Falle ausübt, ist kein absoluter, sondern ein relativer; er hängt ab von dem gegenseitigen Mengenverhältnis von kolloidal gelöstem Gold, Leim, zugesetztem Elektrolyten, sowie auch von der Konzentration. Nimmt man die Menge des kolloidalen Goldes und des zugesetzten Chlornatriums sowie deren Konzentration konstant, und variiert die Leimmenge, so findet man eine untere Grenze, bei der die Menge *) Zeitschr. f. analyt. Chemie 40, 697 (1901). \ 138 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, des zugesetzten Leims nicht mehr ausreicht, um das kolloidale Gold gegen die fällende Wirkung des Kochsalzes zu schützen. Diese untere Grenze ist hinreichend scharf, um sich zahlenmälsig aus- drücken zu lassen. Hierauf gründet sich der von Zsigmondy auf- gestellte Begriff der Goldzahl, die sich demnach folgendermalsen definieren läfst: Diejenige Anzahl von Millisrammen Kol- loid, welche eben nicht mehr ausreicht, um 10cem einer gut bereiteten hochroten Goldlösung vor dem nach Zu- satz von lccm 10 proz. Chlornatriumlösung (sofort oder nach kurzer Zeit) eintretenden Farbenumschlag nach Violett oder dessen Nuancen zu bewahren, wird als Gold- zahl bezeichnet. | Eine derartige Goldzahl läfst sich nicht nur für den Leim, sondern auch für viele andere Kolloide bestimmen, z. B. Eiweils, Kasein, Gummi, Stärke. Zsigmondy hat in einer ausführlichen Publikation für eine srofse Reihe von Handelskolloiden die Goldzahl bestimmt und genaue Vorschriften über die Art und Weise der Bestimmung gegeben. Die überraschend grofsen Unterschiede in dem Werte der Goldzahl (Leim 0,005 bis 0,01; Albumin aus Eiern 0,1 bis 0,2; Dextrin 10 bis 20, bezw. 40 bis 80) liefsen erwarten, dals auch die Goldzahlen besser definierter Kolloide grofse und für deren nähere Charakterisierung wertvolle Unterschiede aufweisen würden. Die vorliegende Untersuchung hatte zunächst zur Aufgabe, das Eierklar nach den Regeln des physiologischen Chemikers zu frak- tionieren und die einzelnen Fraktionen, für sich getrennt, auf ihr Ver- halten gegenüber der kolloidalen Lösung von Gold zu untersuchen. 1. Methodisches über die Bestimmung der Goldzahl. Zur Erleichterung des Verständnisses seien hier die wichtigsten Vorschriften aus den früheren Publikationen von Zsigmondy kurz wiedergegeben und mit einigen Ergänzungen versehen. Zur Bestimmung der Goldzahl verfährt man am besten in fol- gender Weise: In kleinen Bechergläsern (etwa 50ccm) werden der Reihe nach steigende Mengen der zu untersuchenden Kolloidlösung (von be- kannter Konzentration) gebracht*) und zwar gewöhnlich 0,005; 0,01; 0,02; 0,05 u. =. w. bis 0,5 cem; grössere Mengen sind zu vermeiden, da hierdurch die Konzentration wesentlich beeinflufst wird. Das Abmessen geschah mit einer in 1/]900 cem geteilten 0,2 cem-Pipette. *) Der Eiweilsgehalt wurde zur Orientierung bei Vorversuchen nach Esbach bestimmt. Bei allen wiehtigen Hauptversuchen wurde aulserdem Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 139 Hierauf wurde aus der von Schulz für diesen Zweck konstruierten Pipette *), welche ein sehr schnelles Abmessen und Einfüllen gestattet, je 5cem der Goldlösung unter raschem Umschütteln eingeblasen. Schliefslich wurde nach Verlauf von 3 bis 5 Minuten je l/,cem einer 10 proz. Kochsalzlösung (100 2 NaÜl in 900 Wasser gelöst), gleich- falls unter Bewegung der Flüssigkeit, zugemischt. Man findet auf diese Weise leicht die obere Grenze, bei welcher kein Farbenumschlag in Violett, und eine untere Grenze, bei welcher ein Farbenumschlag in Violett oder Blau eintritt. Für beide Grenzen ergeben sich aus der bekannten Konzentration und dem Volum der Kolloidlösungen die Mengen des hinzugesetzten Kolloids, die, in Millisramm ausgedrückt und mit 2 multipliziert, das Zahlenintervall ergeben, welches die Goldzahl einschliefst. Wegen der in der Nähe des Umschlagpunktes stets auftretenden allmählichen Farbenübergänge läfst sich die Goldzahl nicht vollkommen genau bestimmen. Wir haben es daher vorgezogen, statt der Goldzahl das erwähnte Zahlenintervall anzugeben. Mit Absicht wurde dieses Intervall meist weiter genommen, als der erreichbaren Genauigkeit ent- spricht, einesteils um bei der Arbeit rascher vorwärts zu kommen, anderenteils aber mit Rücksicht auf kleine Verschiedenheiten der zu verschiedenen Zeiten hergestellten Goldlösungen, sowie um uns vor vorzeitigen Schlüssen auf grund geringer Differenzen zu bewahren. Bei den von einem von uns (Zsigmondy) früher (l. c.) gegebenen Goldzahlen wurde etwas abweichend verfahren, indem die Grenzen da- selbst enger gezogen und als obere Grenze gewöhnlich eine beträcht- liche Verfärbung gegen Purpur oder Violettrot angesehen wurde. Da- durch erscheinen jene Goldzahlen gegen die in dieser Arbeit von uns mitgeteilten etwas nach abwärts verschoben. Eine genauere Bestimmung der Goldzahl wird unseres Er- achtens erst später am Platze sein, wenn eine Gewähr dafür ge- geben ist, dafs nur Goldlösungen von stets genau gleichbleibender Qualität zur Verwendung gelangen **). Um vergleichbare Zahlen zu erhalten, wird man sich möglichst ‚genau an das hier angegebene Verfahren halten müssen, dessen Durchführung übrigens, wenn man einmal die erforderlichen Re- agentien u. s. w. zur Verfügung hat, sehr leicht und bequem ist, das Eiweils durch Wägung direkt bestimmt, und zwar entweder durch Wägung des getrockneten Koagulums, oder wo dieses nicht angängie (ovo- mukoidhaltige Lösungen) durch Wägune des Gesamttrockenrückstandes, von dem die unverbrennbaren Asehenbestandteile, sowie eventuell das durch eine Schwefelsäurebestimmung ermittelte Ammonsulfat abgezogen wurde. *) Vel. unter „Kürzere Mitteilungen“ dieses Hett. ==) Etwa dadurch, dals eine Fabrik die Erzeugung und Garantie dafür übernimmt. 140 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, umsomehr als das Abmessen der Flüssigkeiten (abgesehen von der zu prüfenden Kolloidlösung) keine so grolse Sorgfalt erfordert, wie sie bei analytischen Verfahren nötig ist. Näheres in bezug auf die Begründung dieser und der folgenden hier gegebenen Vorschriften findet sich in der citierten Abhandlung des einen von uns. (Zs.) | Mit Rücksicht auf den dort schon ausgesprochenen Satz, dafs alle Lösungen wirksamer Kolloide sich mit der Zeit so verändern, dafs ihre Wirksamkeit gegen kolloidales Gold sich vermindert, wird man darauf zu achten haben, dafs die Goldzahlen womöglich an frisch bereiteten Kolloidlösungen bestimmt werden. Schon mehrtägiges Stehen während der Dialyse kann die Gold- zahlen mancher Kolloide wesentlich beeinflussen; eine unserer ersten Aufgaben war es daher, uns zu überzeugen, ob die frisch gefälltem Albumin, Globulin u. s. w. anhaftenden Mengen von Ammonsulfat die Bestimmung der Goldzahl so: weit beeinflussen, dafs die Entfernung derselben durch Dialyse erforderlich erscheint oder nicht. Dahin abzielende Versuche haben nun ergeben, dafs man eine ungünstige Beeinflussung nicht zu befürchten hat, wenn. man die abfiltrierten, ammonsulfathaltigen Niederschläge vor ihrer Wiederauflösung auf einen Thonteller bringt und so lange darauf beläfst, bis sie wachsartige Konsistenz angenommen haben. Wir haben weiterhin stets so verfahren: Die bis zur Wachskonsistenz auf Thontellern getrockneten Niederschläge wurden in Wasser ge- löst (meist 5g auf 100 ccm), hierauf wurde in einem Teile der Lösung, eventuell nach weiterem Verdünnen, die, Goldzahl, in einem anderen Teile der Kolloidgehalt, wie oben (S. 138) angegeben, bestimmt. Auch der bei der Krystallisation des Eieralbumins übliche Zusatz von Schwefelsäure dürfte keinen wesentlichen Einfluls auf den Wert der Goldzahl dieser Körper haben, wie aus späteren Versuchen zu ersehen ist. Einen grofsen Einfluls auf die Höhe der Goldzahl hat erfah- rungsgemäls die Qualität der Goldlösung. Das Verfahren ihrer Herstellung ist aber sö weit ausgearbeitet, dafs zu erwarten ist, dafs andere Forscher ohne Schwierigkeit zu Flüssigkeiten von gleich erBeschaffenheit gelangen werden*). Zur Sicherheit wurde *) Es ist mir gleich bei der ersten Versuchsreihe gelungen, sehön rote und als Reagens verwendbare Goldlösungen zu erzielen. Durch einen erst- maligen Milserfolg lasse man sich nicht abschrecken, sondern wiederhole den Versuch mit denselben Reagentien. Schulz. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. ]4] jede neue zur Verwendung kommende Goldlösung bei Beginn und zum Schlufs der Benutzung in bezug auf ihren Wirkungswert mit einer 0,5 proz. Lösung von Merckschem Albumin geprüft. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Goldlösungen waren so gering, dafs die mit denselben gewonnenen Goldzahlen in dasselbe Zahlen- intervall fielen (s. später). Zur Erleichterung der Nachprüfung mag hier die schon früher von dem einen von uns publizierte Vorschrift nochmals wieder- gegeben werden. Herstellung der Goldlösung. 120 ccm Wasser, welches durch Destillation von gewöhnlichem destilliertem Wasser unter Anwendung eines Silberkühlers *) hergestellt und in einem Kolben aus Jenaer Geräteglas aufgefangen wurde, werden in ein Jenaer Becherglas von 300 bis 500 ccm Inhalt gebracht und zum Kochen erhitzt. Während des Erwärmens fügt man 2,5 cem einer‘ Lösung von Goldchlorid - Chlorwasserstoff **) (6 & der Krystalle von AuCl,H, 5H,0 auf 1 Liter mit destilliertem Wasser verdünnt) und 3 bis 3,5 ccm einer Lösung von reinstem Kaliumkarbonat (0,18-nor- mal) hinzu. Gleich nach dem Aufkochen fügt man unter lebhaftem Um- schwenken der Flüssigkeit (Glasstäbe aus weichem Glase sind zu ver- meiden, solche aus Geräteglas dagegen anwendbar) ziemlich schnell, aber partieenweise 3 bis 5 ccm einer verdünnten Lösung von Formaldehyd (0,5 cem käuflichen Formols in 100cem H,O), am besten nach Ent- fernung der Flamme, hinzu und erwartet unter Umrühren den meist nach einigen Sekunden, längstens einer Minute, erfolgenden Eintritt der Reaktion. Man beobachtet dabei das Auftreten einer hellen. in wenigen Sekunden intensiv hochrot werdenden Farbe, die sich nicht weiter verändert. Alle Flüssigkeiten, die zur Herstellung der Goldlösungen. dienen, lassen sich längere Zeit***) unverändert aufbewahren. Hat man sie einmal vorrätig, so wird man bei einiger Übung in einer Stunde leicht 1 bis 2 Liter Goldlösung und mehr herstellen können. Die Kosten der Herstellung sind sehr geringe. 1 Liter Goldlösung enthält 0,005 bis 0,006 Proz. Au im Werte von 15 bis 15 Pfennigen. *) Für die Herstellung eines solchen Kühlers kann man ‚geeignete Silberröhren von der Firma W. C. Heraeus in Hanau beziehen; sie sind nieht sehr kostspielig.. Auch werden chemische Fabriken sich gewils bereit finden, nach Vorschrift bereitetes Wasser in den Handel zu bringen. **) Krystalle, welche sich nach genügendem Eindampfen einer Lösung von reinem Gold in Königwasser beim Erkalten ausscheiden. Von Merck bezogenes Aurum krystall. flavum wurde mit demselben Erfolge verwandt. ==) Bei sehr langem Stehen wird allerdings die Pottasche- und die Form- aldehydlösung unbrauchbar. 142 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, Eine gut bereitete Goldlösung soll folgende Eigenschaften haben: Sie soll, bei gewöhnlichem Tageslicht betrachtet, im auffallenden wie im durchfallenden Lichte ungetrübt erscheinen und hochrot gefärbt sein (in 6 bis 7cm dicker Schicht nur das spektrale Rot und dieses nicht sehr geschwächt hindurchlassen, alle anderen Farben absorbieren). Sie soll sich zum Kochen erhitzen lassen, ohne Gold abzuscheiden. Das Auftreten von schwach bräunlichem diffusem Licht (einer geringen braunen Fluorescenz vergleichbar), in auffallendem Licht erkennbar, rührt von der Anwesenheit einer geringen Menge grölserer Goldteilchen her und schadet meistens nichts. Es darf diese (falsche) Fuorescenz jedoch nicht so intensiv werden, dafs die Lösung im auffallenden Lichte beträchtlich getrübt erscheint. Es ist zu beachten, dafs gute Goldlösungen, wie auch alle anderen kolloidalen Lösungen, sich durch längeres Stehen verändern und dann ohne vorherige Prüfung nicht mehr zu gebrauchen sind. Die Prüfung wird am besten mit Gummi arabicum oder käuflichem Albumin von bekanntem Wirkungswert durch Bestimmung der Gold- zahl geschehen. Sollte es trotz wiederholter Versuche nicht gelingen, eine Gold- lösung von den geforderten Eigenschaften zu erhalten, dann versucht man andere Reagentien oder man verlegt die Herstellung des destil- lierten Wassers oder auch der Goldlösung an einen anderen Ort *). Im allgemeinen werden solche Fälle, wenn man nur genügend reines Wasser zur Verfügung hat, selten eintreten. 2. Fraktionierung des Eierklars und Bestimmung der Goldzahl der einzelnen Fraktionen. Die Versuche wurden zum Teil mit einer Lösung von käuf- lichem, getrocknetem Eierklar (Mercks Albumin aus Eiern I, pul- vis subtilis, Ph. G. III), zum Teil mit frischem Eierklar ausgeführt. Beide sind Gemenge einer grölseren Anzahl verschiedener Eiweils- stoffe, die als Globulin, Albumin, Ovomucin, Ovomukoid unter- schieden werden, ohne dafs damit ausgedrückt werden soll, dafs diesen Bezeichnungen chemische Individuen entsprechen. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dafs es sich auch hier noch um Sammel- begriffe für Klassen einander ähnlicher 'Eiweilsstoffe handelt. Da es uns zunächst darauf ankam, zu prüfen, ob die Goldlösung als Reagens für Zwecke der physiologischen Forschung im allgemeinen mit Vorteil zu verwerten sei oder nicht, so haben wir uns darauf beschränkt, das Eierklar nach bekannten Methoden in die Haupt- gruppen Globulin, Albumin, Ovomukoid zu zerlegen und deren Gold- zahlen zu bestimmen, ohne Rücksicht darauf, dafs das Globulin sich nach neueren Untersuchungen von Langstein, Fuld und Spiro, *) Es können Laboratoriumsdünste und dergleichen zuweilen die Her- stellung in ungünstigem Sinne beeinflussen. DD Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u.s w. 143 Eichholz, Obermeyer und Pick u. a. in mehrere Bestandteile zer- lesen läfst. Wir überlassen es denjenigen Forschern, welche sich mit weitergehender Zerlegung dieser Eiweilsgruppe befassen, etwa (sogar wahrscheinlich) vorhandene Unterschiede im Werte der Gold- zahlen der aus einer Gruppe erhältlichen verschiedenen Eiweilskörper festzustellen. Aus dem gleichen Grunde wurde auch von eingehenden Elementar- analysen der von uns erhaltenen Produkte abgesehen, es wurde dagegen Gewicht darauf gelest, den wichtigsten und am genauesten untersuchten Körper des Eierklars, das krystallisierte Albumin, durch fortgesetzte fraktionierte Fällung (in mehreren Versuchsreihen) so weit von Verun- reinigungen zu befreien, dals die Bestimmung der Goldzahl zu überein- stimmenden Werten führte. Naturgemäls erwuchs uns daraus noch die Aufgabe, das Verhalten der das krystallisierte Albumin begleitenden und diesem zunächst teil- weise beigemengten Körper gegen die Goldlösung einer Prüfung zu unterziehen. Es sei gleich hier vorweg bemerkt, dafs wir überraschend grolse Unterschiede im Verhalten des krystallisierten Albumins gegenüber dem der übrigen Eiweilsstoffe feststellen konnten. Am günstigsten liegen die Verhältnisse beim Globulin und Ovomukoid, da Lösungen dieser Körper sich verhältnismälsig leicht von Beimengungen anderer Stoffe befreien lassen. Sie sollen daher zunächst besprochen werden. A. Darstellung des Globulins und Bestimmung der Goldzahl desselben. Zur Darstellung des Globulins wurde die zu untersuchende Lösung in der bekannten Weise durch Zusatz des gleichen Volums einer neutralen, wässerigen, konzentrierten Lösung von Ammon- sulfat gefällt. Der entstehende Niederschlag wurde abfiltriert, von neuem in Wasser gelöst und durch nochmalige Filtration von ungelösten Teilen befreit. Man stöfst hierbei bekanntlich auf Schwierigkeiten, da der unlös- liche Anteil gelatinös aufquillt und dadurch die Filtration sehr ver- langsamt*). Bei der Wiederholung der Fällung ist diese Schwierigkeit wesentlich geringer. Die Ausfällung des Globulins wurde zweimal wiederholt. Das Filtrat von der dritten Fällung war frei von Eiweils (Albumin). Das so erhaltene Globulinpräparat entspricht der von Langstein als „löslichen Anteil des Gesamtglobulins“ untersuchten Substanz. *) s. Leo Langstein, Über die gerinnbaren Stoffe des Eierklars. Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol., 1, 83 bis 104 (1901). Diese Arbeit enthält die Litteratur über Fraktionierung des Eierklars, soweit sie für uns in Betracht kommt. 144 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, , Dieselbe läfst sich durch fraktionierte Fällung mit Kaliumacetat nach den Ausführungen von Langstein in ein „Euglobulin“, welches zwei Drittel des mit Ammonsulfat fällbaren Globulins beträgt, und einen bisher nicht fafsbaren anderen Körper, der bei halber Sättigung mit Kaliumacetat nicht gefällt wird, zerlegen. Die Verhältnisse scheinen hier. also ähnlich zu liegen wie beim Blutserum, dessen Globulin nach Fuld und Spiro in einen durch Halbsättigung mit Kaliumacetat fäll- baren Bestandteil (Euglobulin) und einen nicht fällbaren (Pseudo- globulin) getrennt werden kann. Das Euglobulin ist durch Dialyse leicht, das Pseudoglobulin nicht fällbar. Wir haben uns darauf beschränkt, unser Globulin zunächst direkt zu untersuchen, ohne das die Lösung vermittelnde Ammon- sulfat sowie einen Überschuls daran durch Dialyse zu entfernen. Sodann wurde diese Lösung durch Dialyse so weit von Ammon- sulfat befreit, dafs ein beträchtlicher Teil des Globulins gefällt wurde. Da der in Lösung bleibende Teil (hypothetisches Pseudo- globulin + Rest von Euglobulin) sich gegenüber der Goldlösung, innerhalb der Fehlergrenzen, ebenso wie die nicht dialysierte Lösung verhielt, so können wir vorläufig sagen, dafs unser Globulin sich gegen Goldlösung einheitlich verhält. Das von Eichholz als neuer Bestandteil des Eierklars beschriebene ÖOvomucin wurde von uns nicht berücksichtigt, da eine Lösung des Ovomueins nur durch eingreifende Mittel zu erzielen gewesen wäre; es lag aber in unserer Absicht, die Versuchsbedingungen möglichst zu vereinfachen, um die bei der Eigentümlichkeit der Goldzahl zu erwar- tenden Störungen durch Nebenreaktionen u. s. w. möglichst auszu- . schalten. Bei der von uns gewählten Darstellung des Globulins wird dasselbe vom Ovomucin abgetrennt, so dals eine Beimengung von Ovo- mucin bei dem untersuchten Globulin auszuschliefsen ist. Aus der nachstehenden Tabelle I ist ersichtlich, dafs die Gold- zahl des Gesamtglobulins aus Hühnerei zwischen 0,02 und 0,05 liegt. Die verschiedenen Präparate zeigen untereinander eine sehr gute Übereinstimmung, so dals die Gröfsenordnung hinreichend scharf festgelegt ist. Auf eine noch genauere Bestimmung der Goldzahl, die vielleicht möglich ist, wurde aus schon anderweitig erörterten Gründen verzichtet. Nur nebenbei sei erwähnt, dafs die Goldzahl des Globulins aus Schweineserum in derselben Grölsen- ordnung sich bewegt. B. Darstellung des Ovomukoids und Bestimmung der Goldzahl desselben. _ Das Ovomukoid ist, soweit unsere bisherigen Kenntnisse reichen, der einzige beim Erhitzen nicht koagulierbare Eiweilsbestandteil des Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 145 Eierklars. Die Herstellung geschieht demnach am einfachsten, indem man durch Kochen, nach Zusatz von etwas Essigsäure, die koagulierbaren Stoffe ausfällt. Das Filtrat enthält dann das Ovo- mukoid, welches nunmehr durch Fällen mit Alkohol (oder auch Ammonsulfat) isoliert werden kann. In unseren Versuchen wurde das durch Kochen enteiweilste Filtrat von Merckscher Eiweils- Tabelle I*). na Ne an Datum Millisramme Kolloid auf 10 cem Goldlösung Nr. 0,005 0,01 /0,015[ 0,02 0,025 0,03 0,04 0,05, 0,06 I rer 1 |81 121.Dez.01 BB BBI— v/0|0o — | 0 - | 2| „8 „„»l BIB| —-|-|V|1—-|—-|— Mn 2 | 82 | Blnasson | | ee 13 Albumin | A Bla Bern 0er 190 | 1 1 | I} ak Bo a en Aa ne eg NReveks 6| „ a. „ „I |\VBl —|—- | 0|-|-|1—-|— nen N | | NEN WR N N) 2 Globulin | ausfrischen | 8 | 89 |11.Mr.2 BB | — | —- I|- vı-|-|o|—- Eiern 7) j | nn \ | | | Be | 9 | 82 |14.Feb. | V — — 1 Wie | || — 0) N serum ff) *) In dieser und den nachfolgenden Tabellen bedeuten: 0 = keine Farbenänderung; 0-P geringe Änderung gegen Purpur, PB Pürpur; V —= Violett; Vr — Violettrot; RV = Rotyiolett; Bl = Blau, BEZEINVSERBIT = Tanosam PD, VW, Bl. ==) Dreimal mit Ammonsulfat gefällt; dialysiert vom 14. bis 23. Dezember, am| 23. Dezember war ein unerheblicher Niederschlag vorhanden, derselbe nahm beim Aufbewahren noch zu. Zur Bestimmung der Goldzahl wurde die vom Niederschlag abgetrennte Lösung benutzt. Lösung: am 23. Dezember 0,20 Proz. Eiweils, am 5. Februar 0,14 Proz. Eiweils, Ammonsulfatgehalt 0,03 Proz. ’=#) Dreimal gefällt; vom 11. bis 12. Februar dialysiert; am 12. Februar von geringem Niederschlag abfiltriert. Filtrat enthielt 0,046 Proz. Eiweils, 0,048 Proz. Ammonsulfat. 7) 20 Eier verarbeitet; dreimal gefällt. Lösung enthielt 0,24 Proz. Ei- weils, 0,04 Proz. Ammonsulfat. 17) Einmal gefällt, mit Y, konz. Ammonsulfatlösung gewaschen. Lösung enthielt 0,058 Proz. Eiweils, reichlich Ammonsulfat. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 10 alle Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, lösung, sowie von verdünntem Eierklar benutzt (Näheres s. Tabelle IT). Bei Besprechung des Albumins müssen wir auf das Ovomukoid noch ausführlicher zurückkommen. Tabelle II. ealllai] Nolan Milligramme Kolloid auf 10 cem Goldlösung Nr. ‚0,02|0,04|0,05 0,06 |0,08|0,1/0,12|0,16 0,18 0,2 Ovomukoid*)| 9] 8110. Dez.01| — |BIV — |BIV| 00/0), 010 #8) 101.82 |18.Beb.02| BI Ivy | 006000 72 » ess) | 122 :90,118.März, | BLU naar Nach der vorstehenden Tabelle II liegt die Goldzahl des Ovomukoids zwischen 0,04 bis 0,08. Diese Goldzahl ist zwar verschieden von der des Globulins, jedoch genügen unsere bis- herigen Erfahrungen nicht, um mit Sicherheit zu entscheiden, ob diese geringen Verschiedenheiten, die sich in derselben Grölsen- ordnung bewegen, zu besonderen Schlüssen berechtigen. Das von den anderen etwas abweichende Ovomukoid ***) wird später noch besonders berücksichtigt. C. Die Albumine des Eierklars und ihre Goldzahl. Besondere Schwierigkeiten bietet die Untersuchung der als Albumin zusammengefalsten Eiweilsstoffe des Eierklars, haupt- sächlich weil das Ovomukoid sich gegenüber dem Ammonsulfat ganz Ähnlich wie das Albumin verhält, und weil eine Abtrennung des Albumins vom Ovomukoid ohne Denaturierung (Koagulation) des ersteren im günstigsten Falle sich nur für den krystallisierenden Albumimanteil bewerkstelligen lälst. Diesem Umstande ist es zu- zuschreiben, dafs über das Albumin des Eierklars sich die ver- schiedenartigsten Angaben vorfinden. Selbst bei dem krystal- lisierten Albumin, das doch von vornherein am meisten Vertrauen verdient, widersprechen sich die Befunde der verschiedenen Autoren in wichtigen Punkten. Die gefundene Zusammensetzung schwankt *) Lösung von 0,5@ Mercks Albumin, in 100cem Wasser + 1 Tropfen Essigsäure gekocht; Filtrat — 0,05 Proz. Ovomukoid. **) Aus frischem Eierklar durch Kochen (nach vorsichtigem Ansäuern mit Essigsäure) 0,19 proz. Lösung. e ’==*) Aus Fraktion III (s. später, S. 157) durch Kochen erhalten. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 147 mehr, als durch erlaubte Analysenfehler erklärt werden kann. Während die einen das krystallisierende Albumin als etwas Ein- heitliches auffassen, glauben andere, dafs dasselbe ein Gemenge mehrerer Albumine von etwa derselben chemischen Zusammen- setzung, aber von verschiedener Gerinnungstemperatur, Löslichkeit, spezifischer Drehung ist *). Eine andere noch immer diskutierte Frage ist die, ob neben dem krystallisierten Ovalbumin noch ein oder mehrere andere, von diesem verschiedene Albumine im Eierklar präformiert sind. Osborne und Campbell, sowie Langstein haben diese Frage neuerdings zum Gegenstande von Untersuchungen gemacht, mit dem Ergebnis, dafs etwa die Hälfte des vorwiegend aus Albumin bestehenden Gesamteiweils als krystallisierendes Albumin aus Eierklar gewonnen werden kann, ein anderer Teil des Albumins aber, von Osborne und Campbell als „Conalbumin“ bezeichnet, von diesem höchst wahrscheinlich als verschieden anzusehen ist. Mit absoluter Sicherheit liefs sich eine derartige Verschiedenheit bisher nicht nachweisen, da die Unterscheidungsmerkmale, elemen- tare Zusammensetzung, spezifische Drehung, Koagulationstem- peratur, nur bedingten Wert besitzen. Um so gröfseres Interesse beansprucht daher die Bestimmung der Goldzahl. C. I Das krystallisierende Albumin und dessen Goldzahl. Die Herstellung geschah in der üblichen, vielfach beschriebenen Weise **), indem das durch Halbsättigung mit Ammonsulfat von Glo- bulin befreite Eierklar durch Zusatz einer 1/, proz. Schwefelsäure, die mit Ammonsulfat halb gesättigt war, bis zur deutlichen Trübung versetzt wurde. Beim Umkrystallisieren wurde keine Schwefelsäure mehr benutzt, sondern die Ausfällung nur durch Ammonsulfat be- wirkt. Das krystallisierte Albumin unterscheidet sich von den bisher beschriebenen Eiweilskörpern (Globulin, Ovomukoid) durch eine sehr hohe Goldzahl, also geringen Wirkungswert. Zwei ver- schiedene Darstellungen lieferten uns Präparate mit einer Gold- *) s. Langstein, ]. c., S. 97 ff., auch bei Sehulz, Die Krystallisation von Eiweilsstoffen und ihre Bedeutung für die Eiweilschemie. Jena, Verlae von Gustav Fischer, 1901. ’*=*) Die Vorschriften der einzelnen Autoren weichen im kleinen von- einander ab; so verwendet Langstein zur Ausfällung Y, N.-Schwefelsäure (etwa 1 Proz.); die Zusammensetzung der Krystallisationsflüssiekeit bleibt dabei fast die gleiche wie bei unserem Verfahren. 19* 148 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, zahl, die zwischen 2 und 8 lag*), dieselbe ist so hoch, dafs man daran denken muls, ob dem krystallisierten Albumin überhaupt eine Goldzahl zukommt, oder ob nicht etwa eine Verunreinigung für den geringen nachweisbaren Goldschutz verantwortlich zu machen ist. Eine Verunreinigung mit 1 Proz. Ovomukoid würde genügen, um die Goldzahl zu erklären. Dagegen ist jedoch zu bemerken, dals die Goldzahl, wenn das krystallisierende Albumin einmal die erforderliche Reinheit besitzt (s. später), durch weiteres Umkrystal- lisieren nicht an Wirkungswert verliert, also keine durch Um- krystallisieren entfernbare, durch Goldlösung erkennbare Verun- reinigung mehr enthält. Ausserordentlich lehrreich ist es, an der Hand der Goldzahl den durch Umkrystallisieren bewirkten fortschreitenden Reinigungs- vorgang zu verfolgen. Es ist von anderer Seite (Wichmann) darauf hingewiesen worden, eine wie grolse Neigung zu verunreinigenden Einschlüssen die Eiweilskrystalle haben. Es fehlen bisher zuverlässige Anhalts- punkte dafür, wann das Umkrystallisieren die erwünschte Reini- gung bewirkt hat. Man ist gewohnt, ein zwei- bis dreimaliges Umkrystallisieren als genügend anzusehen, falls die Fällungen jedesmal rein krystallinisch ohne sichtbare amorphe Beimengungen sind. Die Bestimmung der Goldzahl hat uns gezeigt, dals diese Annahme zu Täuschungen Anlals geben kann. Der einmal ausgefällte Krystallniederschlag ist stets noch recht unrein. Erst bei einer späteren (der dritten bis sechsten) Krystallisation ist die nunmehr konstant zwischen 2 und 8 liegende Goldzahl erreicht. Als weiteres Zeichen mangelhafter Reinigung haben die ersten (noch *) Bei einer dritten Darstellung, bei welcher etwas mehr Säure ver- wandt wurde (die Krystallisation erfolgte daher nur mangelhaft), liels sich durch Umkrystallisieren der „verunreinisende Körper“ (s. später, S. 152 dieser Abhandlung) überhaupt nicht entfernen und wir erhielten stets unvollständig krystallisierende Niederschläge, deren Lösung in der Gold- lösung violettrote Trübung hervorrief. Die Lösungen dieser Krystalle lielsen beim Stehen für sich nach zwei bis drei Tagen einen weilsen Niederschlag fallen. Es ist übrigens zu beachten, dals bei den Lösungen von Körpern ge- ringer Wirksamkeit (z. B. krystallisierendem Albumin) die Qualität der Goldlösung einen merklichen Einflufs auf die Goldzahl ausübt. Man vergleicht daher am besten Albumine verschiedener Darstellung mit ein und derselben Goldlösung, wenn man eventuelle Verschiedenheiten der ersteren feststellen will. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u, s. w. 149 nicht genügend reinen) Krystallisationen die Eigentümlichkeit, dafs ihre Lösung auch ohne Zusatz von Kochsalz den roten Farbenton der Goldlösung in eine violette Trübung überführt. Diese violette Trübung kann sich eventuell durch Kochsalzzusatz sogar eher ver- ringern, namentlich bei hoher Konzentration an Albumin erschwert sie aber die Bestimmung der Goldzahl so, dafs sich nur eine untere Grenze feststellen lälst, bei der die eintretende Blaufärbung *) anzeigt, dafs das Gold nicht mehr geschützt ist. Dies eigentümliche Verhalten ist, wie später gezeigt wird, auf die Anwesenheit einer Verunreinigung zurück- zuführen, die erst bei häufigem Umkrystallisieren so vollständig ent- fernt wird, dafs die Goldlösung auch durch gröfsere Mengen der be- treffenden Eiweilslösung nicht direkt (ohne Kochsalz) verändert und _ eine scharf bestimmbare Goldzahl erhalten wird. In einem Versuche war ein dreimaliges Krystallisieren nötig, um die geforderten Eigenschaften zu erzielen (hohe Goldzahl, Fehlen des „verunreinigenden Körpers“). In einem zweiten und dritten Versuche hatte ein dreimaliges Umkrystallisieren jedoch nicht genügt. Bei einem anderen Versuche, bei welchem die Krystallisation besonders gut ge- glückt war, so dals Krystalle erhalten wurden von so schöner Aus- bildung, wie man sie selten beobachtet, erwies sich erst die fünfte und sechste Krystallisation als genügend rein. Es gelingt also, mit Hülfe der Goldlösung Unterschiede in der Qualität von Eiweilslösungen festzustellen, die bisher höchstens durch die Elementaranalyse sich hätten aufdecken lassen. Vielleicht wird es möglich sein, an der Hand dieser Erfahrungen eine Eini- gung über die Zusammensetzung des reinen krystallinischen Albu- mins, besonders über den Schwefelgehalt desselben zu erzielen, jedenfalls kann schon jetzt als sicher bezeichnet werden, dals die als rein analysierten Präparate von krystallisierendem Albumin zum Teil nicht völlig von Verunreinigungen befreit gewesen sein werden. Auch der Ansicht, dafs es verschiedene krystallisierende Albu- mine giebt, dürfte dadurch, dals eine wechselnde Verunreinigung der verschiedenen Kırystallniederschläge durch die Goldzahl nach- weisbar ist, eine weitere Stütze entzogen sein. Die durch Umkrystallisieren in unserem Sinne gereinisten Eiweilslösungen lassen sich durch Fraktionierung nicht weiter in einer durch die Goldlösung erkennbaren Weise zerlegen. Eine Lösung von Krystallen, in denen sich durch die Goldlösung keine Verunreinigungen nachweisen liefsen, wurde durch einen mög- lichst geringen Überschuls an Ammonsulfat zur Krystallisation gebracht. *) Unter Fällung des Goldes, das nach 6- bis 24stündigem Stehen als blausehwarzer Niederschlag den Boden des Glases bedeckt. 150 Fr. N. Schulz und R. Zsiemondy, Die von dieser ersten Fraktion abfiltrierte Mutterlauge, welche noch eiweilsreich war, wurde durch Mehrzusatz von Ammonsulfat nochmals gefällt. Zwar war nur die erste Abscheidung krystallinisch, während die zweite Fraktion, wahrscheinlich wegen zu rascher Ausfällung, amorph blieb, trotzdem war die Goldzahl der beiden Fraktionen genau die gleiche und auch übereinstimmend mit der nicht fraktionierten Lösung. Es sei ausdrücklich erwähnt, dafs die Goldzahl des krystallisierten Eiweils, sowie das ganze Verhalten sich nicht wesentlich änderte, wenn durch kurz dauernde Dialyse das anhaftende Ammonsulfat entfernt wurde. Tabelle II. | IE Milligramme Kolloid Kolloid | Nr. Datum Au auf 10 cem Goldlösung | Nr.|08)2|4|8 16 Krystall. Albumin, | I Be dreimal krystallisiert, %. | 12 | 10.März1902 | 89 | Bl L-Vr 0|0 | — nicht dialysiert J | | | | dito: dialysiert. ..... 13. | 12.5, 01.89 BINSVENDEION s Be Sa ER 142.18. 2, ,001.89%) Bil Vene on a RR 151.14 ,% 02090, BR ME aro n a I le x 90. BE Lv ER wor 5 RL ET TEE 17 | .172.,- 22..).90."BI DBIa Vale 20 In dieser Zusammenstellung wurde nur das eine Präparat von krystallisiertem Albumin berücksichtigt. Die Einfügung der anderen Präparate in die Zusammenstellung würde nur eine Wiederholung bedeuten. Im nachfolgenden wurde auf das Wiedergeben der Versuchs- resultate in Form von Tabellen verzichtet, da einmal keine reinen Prä- parate zur Untersuchung gelangten, und da ferner diese Tabellen nur zur Veranschaulichung dienen sollen, in welcher Weise wir die Goldzahl festlegten. Wenn unsere vorher dargelegte Vorstellung richtig ist, so mufsten wir die Verunreinigungen in den Kıystallisationsmutter- laugen wiederfinden. In der That gelang uns durch Untersuchung der amorphen Bestandteile der Kıystallisationsmutterlaugen eine völlig befriedigende Aufklärung. C. II. Der nicht krystallisierende Albuminanteıl. Nach den bisherigen Erfahrungen war zu erwarten, dals aus den Krystallisationsmutterlaugen durch fraktioniertes Aussalzen mit Ammonsulfat inkonstante Gemenge eines oder mehrerer Albumine (Conalbumin) mit Ovomukoid erhalten werden. Trotzdem also die — u nun Sc DB FE nn nn Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 151 im ‚nachfolgenden zu beschreibenden amorphen Albuminfraktionen sicherlich keine chemischen Individuen repräsentieren, hat uns die Bestimmung der Goldzahl derselben doch mit einigen interessanten Thatsachen bekannt gemacht. Es sei hier zunächst die Versuchs- reihe, bei welcher die Verhältnisse am einfachsten liegen, etwas ausführlicher geschildert. Die Mutterlauge der auf Säurezusatz ausgeschiedenen Krystalle wurde mit konzentrierter Ammonsulfatlösung versetzt, bis eine deutliche Fällung auftrat. Nach 24 Stunden hatte sich ein volu- minöser Niederschlag abgesetzt, der im wesentlichen amorph war; ganz vereinzelte Sphärolithen zeigten an, dafs noch geringe Mengen krystallisierbaren Albumins der ersten Fällung entgangen waren. Es wurde abfiltriert und das Filtrat nochmals mit konzentrierter Ammonsulfatlösung gefällt. Das Filtrat von dieser dritten völlig amorphen Fällung koagulierte nicht mehr beim Kochen, gab keine Biuretreaktion und übte auch keinen nachweisbaren Goldschutz mehr aus. Es ist also die Mutterlauge von der ersten Krystall- abscheidung in zwei amorphe Teile, die als Fraktion II und III bezeichnet werden sollen, zerlegt. Beide Fraktionen enthielten neben durch Kochen koagulierbarem Albumin beim Erhitzen in essigsaurer Lösung nicht koagulierendes Ovomukoid. Bei Fraktion II fanden wir ein eigentümliches Verhalten, ganz ähnlich dem bei ungenügend gereinigtem krystallinischem Albumin beschriebenen. Dieses Verhalten machte es unmöglich, eine Goldzahl zu bestimmen. Während Globulin, Ovomukoid u. s. w. die Farbe des kolloidalen Goldes nicht nur nicht verändern, sondern sogar den Farbenumschlag, den Kochsalzzusatz hervorruft, zu verhindern vermögen, hat diese Fraktion (auch nach Reinigung durch Dialyse) die Eigenschaft, ohne Elektrolytzusatz in Goldlösungen einen violetten Niederschlag zu er- zeugen, der allerdings als violette Trübung lange suspendiert bleibt, aber nach genügendem Stehen der Mischung zuweilen zu Boden fällt. Ist ein genügender Überschu[s von Fraktion II (etwa 5mg auf lOcem Goldlösung) vorhanden, so bewirkt Kochsalzlösung ein Auflösen der violetten Trübung unter Wiederherstellung der roten Farbe *). Das eigentümliche Verhalten dieser Fraktion ist darauf zurück- zuführen, dals sie aus zwei Körpern “*) besteht, die sich durch Aufkochen voneinander trennen lassen. Der eine — durch Kochen koagulierbare Körper (ein Albumin) — löst sich nach dem Koa- *) Ein ähnliches Verhalten hatten wir bei einer Lösung von Methämo- globin beobachtet. **) Vielleicht auch mehreren. 152 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, gulieren in erwärmter Natronlauge und übt dann einen hohen Goldschutz aus. Der andere, nicht koagulable, bewirkt, in ver- schiedensten Mengenverhältnissen der Goldlösung zugesetzt, eine in Kochsalzlösung nicht auflösbare schmutzig violette Trübung. Dieser, in seinen allgemeinen chemischen Eigenschaften nicht näher untersuchte „verunreinigende Körper“ hat die Eigenschaft, die Goldlösung violett zu färben, selbst wenn er anderen wirk- samen Kolloiden beigemengt ist. Man erhält bei seiner Gegen- wart in Albumin-, Ovomukoid- u. s. w. Lösungen jene unscharfen Übergänge, welche wir bei krystallisiertem Albumin beschrieben haben, und wir führen mit gutem Grunde auch dort jene un- scharfen Übergänge auf die Gegenwart des „verunreinigenden Körpers“ zurück. Wir vermuten, dafs der „verunreinigende Körper“ durch die bei der Krystallisation verwandte Schwefelsäure erzeugt wird. Es gelang uns zwar nicht, künstlich durch Säure aus Albuminlösungen den ver- unreinigenden Körper zu erzeugen, insbesondere sei hervorgehoben, dals dem Acidalbumin die Eigenschaften des „verunreinigenden Kör- pers“ fehlen; wir haben aber einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Menge des „verunreinigenden Körpers“ und der Menge der bei der Krystallisation angewandten Schwefelsäure beobachtet, ohne damit sagen zu wollen, dafs der „verunreinigende Körper“ ausschliefslich der Säurewirkung seine Entstehung verdankt. Fraktion UI. Im Gegensatz zu Fraktion II lieferte Frak- tion III wieder eine gut bestimmbare Goldzahl, und zwar 0,03 bis 0,06. Die nicht dialysierte Lösung der Fraktion III (Gehalt an Ei- weils und anhaftendem Ammonsulfat ungefähr zu gleichen Teilen) koagulierte beim Kochen fast vollständig, so dafs das Filtrat vom Koagulum nur geringe Mengen wirksamen Kolloids enthielt, übrigens auch nur schwache Biuretreaktion gab. Nachdem aber die Hauptmasse des Ammonsulfats durch Dialyse entfernt war, liefs sich ein reichlicher Gehalt an Ovomukoid feststellen *). Diese Ovomukoidlösung hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit jener aus *) Bei einer anderen Versuchsreihe wurde gleichfalls die Beobachtung gemacht, dals die Ausbeute an Ovomukoid erheblich grölser wird, wenn das Ammonsulfat, beziehungsweise die anhaftende Schwefelsäure durch Dialyse entfernt wird. Reine Ovomukoidlösungen, mit Ammonsulfat, bezw. Ammon- sulfat und Schwefelsäure versetzt (ohne dals Fällung in der Kälte auftritt), koagulieren beim Kochen nicht. Es fehlt also vorläufig eine befriedigende Erklärung für diese Beobachtung. Unsere Trennung des Ovomukoids von Albumin beruhte auf der Nicht- koagulierbarkeit desselben beim Kochen. Wir haben dabei die alt bekannte Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 153 Fraktion II, da auch hier die Übergänge unscharf waren, und auch bei gröfseren Mengen Kolloid eine leichte Verfärbung nach Purpur eintrat. Es ist also auch hier der „verunreinigende Körper“, wenn auch in geringerer Menge, zugegen. Bei der Untersuchung der Gresamtfraktion trat die störende Wirkung zurück, nachdem aber die Hauptmasse des gut wirkenden Kolloids durch Koagulation entfernt war, machte sich dieselbe deutlich geltend. Bei einer Wiederholung der Versuchsreihe wird es natürlich nicht stets gelingen, genau dieselben Fraktionen wieder zu erlangen, da die vorher beschriebene Fraktionierung bis zu einem gewissen Grade will- kürlich war. In der That fanden wir denn auch bei der Wiederholung Abweichungen, die sich aber alle ungezwungen auf die Ergebnisse der Versuchsreihe I zurückführen lassen. Die Krystallisationsmutterlauge enthält stets neben Ovomukoid einen koagulablen Stoff mit hoher Goldzahl und wechselnde Mengen des „verunreinigenden Körpers“. Der letztere steht in seinem Verhalten gegen Ammonsulfat dem krystallisierenden Eiweils am nächsten, so dals er gerade diesem am meisten und am hartnäckigsten anhaftet. Es ist sogar möglich, dafs die amorphen Fraktionen frei vom verunreinigenden Körper bleiben, der dann erst in den Mutterlaugen beim Umkrystallisieren von den Krystallen abgetrennt erscheint. C. IH. Einfluls der Versuchsbedingungen auf die Goldzahl. Wir mufsten uns nunmehr die Frage vorlegen, ob die auf- fallenden Verschiedenheiten in der Gröfsenordnung der Goldzahl und dem allgemeinen Verhalten gegenüber der Goldlösung, die wir bei den verschiedenen Bestandteilen des Eierklars feststellen konnten, nicht ganz oder zum Teil eine Folge der wechselnden Versuchs- bedingungen sei. Dafs die Verschiedenheit im Salzgehalt, speziell im Gehalt an Ammonsulfat, keinen wesentlichen Einflufs ausübt, ist schon vorher erwähnt (S. 140 dieser Abhandlung) und geht aufserdem aus dem Vergleich der Goldzahlen hervor, die zum Teil an dialysierten, zum Eigenschaft dialysierter Eiweilslösungen, beim Kochen gar nicht oder unvoll- kommen zu koagulieren, wohl berücksichtigt. Die Koagulation der dialy- sierten Lösung geschah nach schwachem aber deutlichem Ansäuern mit Essigsäure unter Zusatz geringer Mengen von Kochsalzlösung. Es wurde darauf geachtet, dals sich ein richtiges, festes Koagulum bildete und das Filtrat völlig klar war, was bei unvollständig koagulierenden, dialysierten Eiweilslösungen nicht zu erreichen ist. Eine Bildung von Acidalbumin oder gar von Albumosen hatte während der Dialyse nicht stattgefunden. 154 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, Teil an nicht dialysierten Präparaten gewonnen wurden. Wenn innerhalb derselben Fraktion der verschiedene hier in Betracht kommende Salzgehalt keinen nennenswerten Einfluls hat, so kann die Verschiedenheit der Fraktionen untereinander ebenfalls nicht in dieser Weise erklärt werden. Auch eine wechselnde Acidität bezw. Alkalescenz kann nicht als Ursache der Verschiedenheiten in der Grölsenordnung gelten. Die Ausfällung des Globulins geschieht bei schwach alkalischer Reaktion (wie sie dem Eierklar zukommt). Die übrigen Fraktionen werden bei schwach saurer Reaktion erzeugt. Nun ist zwar der Zusatz von verdünnter Säure oder verdünntem Alkalı nicht ganz ohne Einflufs auf das Verhalten gegenüber der Goldlösung *), wie im nachfolgenden gezeigt wird, aber der Einfluls ist unbedeutend im Vergleich zu den sehr grofsen Unterschieden der Goldzahlen von krystallisiertem Albumin einerseits und den übrigen Eiweils- körpern andererseits; auch liegt er zum Teil nach der entgegen- gesetzten Seite. Die zur Krystallisation verwandte Schwefelsäuremenge ist gering. In einem Versuche wurden bei Verwendung von 560 ccm mit Ammon- sulfat halbgesättioter Albuminlösung 55 cem mit Ammonsulfat halb- gesättigter 1/,,- Normalschwefelsäure gebraucht, bis gegen Lackmus eben saure Reaktion eintrat; dann waren noch 25 cem zur Ausfällung nötig. Es waren also im höchsten Falle 0,025 Proz. freie Schwefel- säure zugegen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei allen Versuchen. Es wurde zunächst der Einflufs von verdünnter Schwefelsäure auf die Goldzahl untersucht. Globulinlösung behielt dieselbe Gold- zahl, auch wenn dieselbe mit !/, N-Schwefelsäure zu gleichen Teilen ER 0 versetzt wurde. Bei krystallisiertem Albumin**) dagegen traten deutliche Veränderungen zu Tage. Sehr geringe Mengen Säure (etwa 0,0025 Proz. H,SO,) hatten keinen deutlich nachweisbaren Ein- flufs, auch nicht nach längerem Stehen. Acidalbumin liefs sich hier- bei nicht nachweisen. Bei etwas grölserem Zusatz von Säure (etwa 0,025 Proz.) wurde die Goldzahl nachweisbar erniedrigt auf 1,5 bis 3 (während sie vorher zwischen 3 bis 6 lag). Auch nach *) Auch grobehemische Veränderungen der Eiweilskörper können durch den zur Krystallisation nötigen Schwefelsäurezusatz hervorgerufen werden. So kann man zuweilen beobachten, dals den ersten Fällungen so viel Schwefel- säure anhaftet, dals die Lösungen derselben beim Stehen nach einiger Zeit gefällt werden. Es bildet sich Acidalbumin, welches durch das anhaftende Ammonsulfat gefällt wird. Erst mehrfach umgefällte Niederschläge geben Lösungen, die auch bei längerem Stehen keinen Niederschlag absetzen. **) Die Lösung enthielt 3 Proz. Albumin. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Oharakterisierung u. s. w. 155 24 Stunden bestanden dieselben Verhältnisse. Acidalbumin war ebenfalls noch nicht nachweisbar. Erst bei. höherer Konzentration (0,25 Proz.) trat neben deutlicher Bildung von Acidalbumin eine stärkere Herabsetzung der Goldzahl, also Erhöhung des Wirkungs- wertes ein. (Goldzahl 0,3 bis 1,5.) Es wird sich lohnen, diese Ver- hältnisse später genauer zu verfolgen; vorläufig genügen diese Daten, um zu zeigen, dals die hohe Goldzahl des krystalli- sierten Albumins nicht auf den Einfluls der bei der Kıystallisation verwandten Säure zurückgeführt werden kann, denn die Wirkung der Schwefelsäure besteht gerade in einer Erniedrigung der Goldzahl. Im Gegensatz zu verdünnter Säure wirkte verdünntes Alkali auf die Goldzahl des krystallisierten Eiweils nach ganz kurzer Ein- wirkung verschlechternd ein und zwar so, dals eine Goldzahl über- haupt nicht bestimmbar war; jedenfalls lag dieselbe über 30 *). Die Versuche wurden ausgeführt mit einem Gehalt an NaOH von 0,004 Proz., 0,04 Proz. und 0,2 Proz.**). Die mit 0,004 Proz. und 0,04 Proz. NaOH versetzten Lösungen erwiesen nach zwei Tagen dasselbe Verhalten wie bei sofortiger Prüfung. Globulin- lösung behielt ihre Goldzahl bei Zusatz von 0,2 Proz. Natrium- hydroxyd. Eine wesentliche Veränderung kann durch die Ein- wirkung stärkerer Natronlauge bewirkt werden, und zwar im Sinne einer Erniedrigung der Goldzahl. Während die letztere bei Globulin, sowie bei dem amorphen Albumin in der ursprüng- lichen Gröfsenordnung bleibt, wird beim krystallisierten Albumin eine totale Veränderung des ganzen Verhaltens herbeigeführt. Zu- satz von 30 prozentiger Natronlauge im Verhältnis von Scem Eiweils- lösung zu 2 ccm Natronlauge bewirkt ziemlich sofort eine wesent- liche Erhöhung des Wirkungswertes, also Erniedrisung der Gold- zahl, und zwar von 3 bis 6 auf 0,16 bis 0,4. Durch längere Ein- wirkung dieser Lauge (24 St.) wird die Goldzahl noch mehr er- niedrigt, und zwar auf 0,005 bis 0,02, also auf einen Wert, der in derselben Grölsenordnung liegt, wie die Goldzahl des Globulins, *) Jedoch war das Verhalten wesentlich verschieden von solchen Lö- sungen, bei denen die Anwesenheit des „verunreinigenden Körpers“ die Be- stimmung einer Goldzahl unmöglich machte; es trat keine direkte Fällung der Goldlösung (ohne Kochsalz), wie vorher (S. 151 dieser Abhandlung) be- schrieben, ein. ”*) Da die verwandten Albuminlösungen ammonsulfathaltig waren, so ist das wirksame Alkali bei den ersten Versuchen nicht verdünnte Natronlauge, sondern Ammoniak. 156 Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy, Ovomukoids, des amorphen Albumins, bezw. von deren Albu- minaten*). Es läfst sich also der Satz aufstellen, dafs die Albuminate sämtlicher untersuchter Eiweilsstoffe des Eierklars annähernd die gleiche Goldzahl haben. Zwar sind geringe Unterschiede vorhanden, jedoch bewegen sich die Zahlen in derselben Gröfsenordnung. Wir haben die Beobachtung gemacht, dals gerade bei der Bestimmung der Goldzahl der Albuminate unter den von uns eingehaltenen Bedingungen die Qualität der Goldlösung von allergrölstem Einfluls ist. Als wir eine Goldlösung benutzten, in der irrtümlich die doppelte Menge Gold enthalten war (die Lösung unterschied sich auch äufserlich durch starke Trübung und dunkel violettroten Farbenton), kamen wir bei den Albuminaten zu völlig abweichenden Ergebnissen, während dieselbe Goldlösung bei den nativen Eiweilsstoffen sich recht wohl benutzen liels. Die mitgeteilten Versuche haben uns zu der Überzeugung ge- bracht, dals diejenigen Reagentien, welche dem Eiweifs zwecks fraktionierter Trennung zugesetzt wurden und den Fraktionen auch nachträglich noch anhaften, in den in Betracht kommenden Mengen- verhältnissen keinen erheblichen Einfluls auf den Wert der Gold- zahl ausüben. *) Es sei besonders hervorgehoben, dafs die angeführten Goldzahlen der Albuminate bei Gegenwart des zur Albuminatbildung benutzten NaOH be- stimmt wurden. Die Einwirkung des NaOH ist dabei sicher über die Albuminatbildung hinausgegangen, so dals auch Albumosen, event. Peptone entstanden sind. Die 0,5 bis 3proz. Lösungen (meist noch ammonsulfathaltig) wurden, mit 30prozentiger Natronlauge im Verhältnis 8:2 versetzt, gut gemischt; nach 24stündigem Stehen bei Zimmertemperatur wurde die Goldzahl der Lösungen, die im wesentlichen Albuminat enthielten, bestimmt. Zur Erläuterung diene folgende Zusammenstellung: Albuminate aus Goldzahl Mercks Albumin 0,5 Proz. 0,008 — 0,04 Frischem Eierklar 0,5 Proz. 0,01 —. 0,02 Fraktion II 0,008 — 0,04 Ovomukoid aus Fraktion 11 0,01 — 0,04 Koagulum aus Fraktion II 0,006 — 0,036 Fraktion III 0,012 — 0,04 Globulin 0,012 — 0,04 Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 157 C. IV. Ist das krystallisierte Eiweils im Eierklar vorgebildet? Das eigentümliche Verhalten des krystallisierten Albumins zu starker Natronlauge ist für die Verwertung unserer Zahlen von Wichtigkeit. Es kann nach dem vorher Gesagten nicht bezweifelt werden, dals dem krystallisierten Albumin ein sehr geringer Wir- kungswert zukommt; es unterscheidet sich hierdurch von dem nicht krystallisierten Albuminanteil, sowie von den übrigen untersuchten Fraktionen des Eierklars. Bei Ovomukoid und Globulin ist dieser Unterschied ohne weiteres einleuchtend, anders ist es bei dem amorphen Albumin, dessen Goldzahl nicht direkt bestimmt wurde, da dasselbe in Fraktion II und Fraktion III mit Ovomukoid, bezw. noch anderen „verunreinigenden Körpern“ vorläufig ohne Dena- turierung untrennbar vermischt ist. Schon der Umstand, dafs Fraktion III (obschon sie nur zur Hälfte aus Ovomukoid, zur andern Hälfte aus amorphem, koagu- lablem Albumin bestand) annähernd den gleichen Goldschutz aus- übte wie eine reine Ovomukoidlösung (eher noch etwas wirksamer war), weist darauf hin, dals dem koagulablen Albuminanteil ein hoher Wirkungswert zukommt, und zwar ein etwas höherer als dem Ovomukoid. Jedoch ist dieser Beobachtung, in Anbetracht der Grölse des als Goldzahl bezeichneten Zahlenintervalls, keine absolute Be- weiskraft zuzuschreiben. Mehr Beweiskraft hat der Umstand, dafs eine Lösung von Fraktion III, falls man durch Kochen den koagulablen Albuminanteil entfernt, einen wesentlichen Teil ihrer Wirksamkeit einbülst, was nicht der Fall wäre, wenn nur das so schwach wirksame krystallisierte Albumin oder ein Körper mit gleich schwacher Wirkung neben Ovomukoid vorhanden wäre. 0,15 Proz. Lösung von Fraktion III (dialysiert) ungekocht Lösung Farbenänderung der ccm Goldlösung 0,02 By 0,04 0 gekocht *) 0,06 OV 0,14 Ip 0,2 0-P 1 0 *) Die Lösung enthielt nach dem Kochen noch 0,08 Proz. nicht koagu- lables Ovomukoid. 158 Fr. N. Schulz und R. Zsiemondy, Ferner ist zu beachten, dafs erst nach Entfernen des koagulablen Eiweils die Gegenwart des „verunreinigenden Körpers“ deutlich her- vortrat, was ebenfalls darauf hinweist, dafs derselbe in der Gesamt- fraktion III durch einen stark wirksamen Bestandteil verdeckt war. Es ist demnach das krystallisierte Eiweils offenbar von dem amorphen Albumin (Uonalbumin) verschieden. Es bleibt nun noch die Frage zu beantworten, ob das krystal- lisierte Albumin im Eierklar vorgebildet ist, oder ob es etwa durch den Prozef[s der Krystallisation erst hervorgerufen wird. Bekanntlich hat Gabriel früher die Vermutung: ausgesprochen, dals es sich bei der Krystallisation des Eieralbumins um einen Depolymerisationsproze[s handle, also um eine Verkleinerung des Eiweifsmoleküls unter dem Einfluls des Krystallisationsmittels. Dieser Vermutung fehlt bisher eine experimentelle Stütze. Da die Goldzahl des krystallisierenden Albumins nicht an den Kıystallen, sondern an deren Lösung bestimmt wurde und auch dann nicht verändert wurde, wenn aus dieser Lösung das Albumin in amorphem Zustande gefällt wurde, so ist es unwahrscheinlich, dals der Krystallisationsprozels das Verhalten gegen die Goldlösung beeinflufst. Die Prüfung des Verhaltens gegen starke Natronlauge er- möglicht es, den Beweis zu erbringen, dafs ein Körper mit hoher Goldzahl analog dem krystallisierten Albumin im Eierklar schon vorgebildet ist. Da durch Einwirkung starker Natronlauge nur die Goldzahl des krystallisierten Albumins wesentlich verändert wird, dieses Albumin aber nach Langstein, Osborne und Campbell zu etwa 50 Proz. des Gesamteiweils aus dem Eierklar gewonnen werden kann *), so mufs auch bei dem Gesamteiweils des Eierklars der Einfluls starker Natronlauge sich bemerkbar machen, falls das krystallisierende Albumin als solches im Eierklar vorgebildet ist. Dies ist in der That der Fall. Eine verdünnte Lösung von frischem Eierklar hat die Goldzahl 0,08 bis 0,15**). Wird eine derartige Lösung in der vorher beschriebenen Weise mit starker Natronlauge (8:2; *) Daher den Hauptbestandteil des Eierklars ausmacht. ’»*) Das Weilse eines frischen Eies wurde auf das zehnfache Volum mit destilliertem Wasser verdünnt. Von dem entstehenden festen Gerinnsel (Keratinhäutchen, Ovomuein, Globulin) wurde abfiltriert; der Eiweilsgehalt der klaren Lösung bestimmt. Die Goldzahl ist etwas niedriger wie beim Merck- schen Trockeneiweils, was wohl darauf zurückzuführen ist, dals stark wirk- same Bestandteile des Eierklars (z. B. Globulin) bei der Darstellung des Merckschen Albumins ihre Löslichkeit verlieren. Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit zur Charakterisierung u. s. w. 159 s. vorher) behandelt, so geht die Goldzahl in 24 Stunden auf 0,01 bis 0,02 herab. Das Mercksche Trockeneiweils wurde ebenfalls zur Unter- suchung dieses Verhaltens benutzt. Dieses Präparat ist in seinem Verhalten zur Goldlösung so gleich- artig, dafs es zur Prüfung jeder neuen Goldlösung auf ihren Wirkungs- wert von uns benutzt wurde. Wir verfügen also über eine grolse An- zahl von Bestimmungsreihen, auf deren ausführliche Wiedergabe hier verzichtet werden kann. Das Ergebnis. dieser Bestimmungen ist, dals die Goldzahl des Merckschen Albumins zwischen 0,10 bis 0,3 liegt*). Werden zu 8 Teilen Lösung von Mercks Albumin 2 Teile 30 proz. Natronlauge hinzugesetzt, so bleibt zunächst kurze Zeit die Goldzahl unverändert (0,1 bis 0,5); nach 24 Stunden ist dieselbe jedoch wesentlich erniedrigt und beträgt nur mehr 0,01 bis 0,03, bei längerem Stehen bleibt dieselbe konstant. Durch die eintretende Albuminatbildung ist ein schwach wirkender Bestandteil in derselben Weise beeinflufst worden, wie es beim krystallisierten Eiweils be- *) 0,5& Mercksches Albumin wurden mit Wasser verrieben, die Lösung auf 100 ccm aufgefüllt. Hierbei hinterblieb ein unlöslicher Rückstand, der durch Filtration oder Sedimentieren abgetrennt wurde. Der unlösliche Rückstand betrug bei unserem Präparat 17 Proz. Das Präparat enthielt 12 Proz. Wasser, 2,75 Proz. Globulin, 55 Proz. Albumin, 10 Proz. Ovomukoid, also 70 Proz. lösliche Eiweilsstoffe. Als Beispiel seien hier einige Goldzahlen tabellarisch zusammengestellt. | % | Milligramm Kolloid Kolloid | an | Datum (auf 10 cem Goldlösung) IE 01 |015| 02|0|03 | 82 | 6 Febr. 1908 |vası — |ovr| = | o | N SBL NV | 0-P 0-P Me Albımn | > | a. \| Di jBEv| ve 2 or "906 1 > Sohteer 00 00-P | 92 Sr dumm > | Bl Iv-Bl| V I-B7220-P Die im Gegensatz zum frischen Eierklar wenig scharfen Übergänge weisen auf einen störenden Einfluls hin, wie er früher für den „verun- reinigenden Körper“ nachgewiesen wurde, ’ Die von Zsigmondy (l. ce. pag. 709) beobachtete Erniedrigung der Goldzahl beim Kochen einer Lösung von käuflichem Albumin haben wir bei Anwendung frischer Lösungen von Mercks Albumin nicht wieder erhalten können. Es wurde damals eine durch längeres Stehen veränderte Lösung, die wahrscheinlich durch Zersetzung stärker alkalisch geworden war, benutzt. In betreff der übrigen Goldzahlen sei nochmals auf S. 139 dieser Ab- handlung, Absatz 4, verwiesen. 160 Fr.N.Schulz u. Zsigmondy, Die Goldzahl und ihre Verwertbarkeit u.s.w. schrieben ist. Es ist demnach höchst wahrscheinlich im frischen Eierklar (bezw. Mercks Albumin) das krystallisierende Albumin vor- gebildet und für die hier beschriebene Erscheinung verantwortlich. 3. Ergebnisse. Zusammenfassende Schlufsbetrachtungen. Die wichtigsten Resultate der vorliegenden Untersuchung seien im folgenden kurz zusamınengefalst. 1. Es wurde gezeigt, dafs die Goldzahl zur näheren Charakteri- sierung der Eiweilskörper Verwendung finden kann ähnlich wie andere chemische o«der physikalische, zahlenmäfsig ausdrückbare Eigenschaften (Zusammensetzung, opt. Aktivität, Koagulations- temperatur), dass sie aber in bestimmten Fällen viel auffälligere Unterschiede erkennen läfst. Zur Übersicht diene beistehende Zusammenstellung IV. | Untersuchtes Kolloid Goldzahl Globulin 0,02 — 0,05 Ovomukoid 0,04 — 0,08 Krystallisiertes Albumin 2—8 Fraktion III (amorphes Albumin und Ovomukoid) 0,03 — 0,06 Mercks Albumin 0,1 — 03 Frisches Eierklar 0,08 — 0,15 2. Das krystallisierte Albumin hat eine viel höhere Goldzahl, als die übrigen untersuchten Eiweilskörper. 3. Dasselbe wird leicht durch andere :Eiweilskörper verunreinigt, die sich nur schwer durch Umkrystallisieren entfernen lassen. Das kolloidale Gold giebt uns ein einfaches Mittel an die Hand, um uns von der Gegenwart und ungefähren Beschaffenheit der Ver- unreinigungen zu überzeugen. 4. Diese Verunreinigungen (zugleich die Bestandteile der amorphen Fraktionen des Eieralbumins) sind Conalbumin, Ovo- mukoid und aufserdem ein als „verunreinisender Körper“ von uns beschriebener Bestandteil, der sich von allen anderen untersuchten Proteinen des Eierklars dadurch unterscheidet, dals er in der Gold- lösung eine violette Trübung hervorruft und dadurch die Goldzahl unbestimmbar macht. 5. Die Albuminate sämtlicher untersuchter Eiweilskörper (ein- schliefslich des krystallisierten Albumins) haben annähernd die gleiche Goldzahl. Kürzere Mitteilungen. 1. Eine automatische Pipette zum raschen Abmessen. Von Fr. N. Schulz. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts zu Jena.) Beistehend abgebildete Pipette (Fig. 1) erleichtert das rasche Ab- messen bestimmter Flüssigkeitsmengen. Sie hat mir und Zsigmondy bei Bestimmung der Goldzahl gute Dienste geleistet. (Vgl. dieses Heft S. 139). Die Pipette wird gefüllt durch Saugen an dem Gummi- schlauche. Sobald die Flüssigkeit in den engen Teil des inneren Rohrs einsteigt, hat man eine bestimmte Menge Flüssigkeit in dem äufseren Rohr, die nun durch Aus- Kisı. blasen entleert werden kann. Wird das nn innere Rohr, bezw. dessen Spitze eng genug gewählt, so stellt sich die Pipette automatisch ein, indem die Wand- adhäsion in der Kapillare die Schwere der Flüssigkeit im äufseren Rohr über- windet. Ist die Schwere der Flüssigkeit im äufseren Rohr zu grols, oder will man, etwa um ein momentanes Entleeren der Pipette zu ermöglichen, das innere Rohr nicht zu sehr verengern, so kann man den Abschlufs dadurch erzielen, dafs man den Schlauch, sobald die Flüssigkeit in das innere Rohr einge- stiegen ist, mit den Zähnen zukneift. Durch Verschiebeu des inneren Rohres in dem abschliefsenden Gummistopfen kann man die Pipette mit Leichtigkeit auf jede bestimmte Flüssigkeitsmenge einstellen und dann durch Entleeren in ein Melsgefäls eichen. Falls man es vor- zieht, an der Pipette eine Graduierung anzubringen, so darf das äulsere Rohr = nicht in der gewöhnlichen Weise geeicht [ werden, sondern mufls für diesen be- E stimmten Zweck auf Ausflufis ausge- Beitr. z. chem. Physiologie. III, 11 162 Fr. N. Schulz, Eine automatische Pipette zum raschen Abmessen. messen werden, da das Einführen des inneren Rohrs eine Verschiebung des Meniskus bewirkt, wie aus umstehender Abbildung ersichtlich ist (Fig. 1). Die Vorteile dieser Pipette bestehen einmal darin, dafs man wechselnde Mengen abpipettieren kann. Ferner erlaubt dieselbe ein wesentlich rascheres Arbeiten als die gewöhnlichen Pipetten. Besondere Vorteile hat man also dann, wenn es sich darum handelt, häufiger das- selbe Quantum abzumessen; z. B. wenn bei der Stickstofibestimmung nach Kjeldahl immer bestimmte Mengen Schwefelsäure abgemessen werden sollen, oder bei Phosphortitration immer bestimmte Mengen Acetatgemisch. Ich glaube jedoch, dafs diese Pipette allgemeiner An- wendung fähig ist da, wo es weniger auf Präzision als auf rasches Abmessen ankommt. Wesentlich gröfsere Genauigkeit erzielt man, wenn man dem In- strument die in Fig. 2 abgebildete Form giebt; man muls hierbei aller- dings auf den Vorteil, wechselnde Mengen abpipettieren zu können, verzichten; höchstens kann man durch Anbringen von zwei Kugeln das Einstellen auf zwei verschiedene Mengen, etwa 5cem und 10 ccm, ermöglichen. Ein ähnliches Prinzip wird schon benutzt zur Füllung von Büretten; als Pipette scheint mir das vorstehend beschriebene Instrumentchen neu zu sein, jedenfalls hat dasselbe keine Verbreitung *). *) Die Firma A. Haak in Jena liefert das in Fig. 2 abgebildete Instrument, und zwar mit einer Kugel zu 5ecm oder 10 ccm, sowie mit zwei Kugeln zu je 5ccm. Das Instrument ist von der Firma Haak zum Musterschutz angemeldet. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 Mb. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht ren Med res mer zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 #b. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8 geh. Preis 4 M. Der kolloidale Zustand und die Vorgänge in der lebendigen Substanz. Von Dr. Wolfgang Pauli, Docent an der Wiener Universität. kl. 8. geh. Preis 0,60 Die Kräfte der Bewegung in der lebenden Substanz. Von Dr. Julius Bernstein, ord. öffentl. Professor der Physiologie in Halle a. S. gr. 8. geh. Preis 0,80 Ib. Chemie der Eiweisskörper. Von Dr. Otto Cohnheim, Privatdocent der Physiologie an der Universität Heidelberg. gr. 8. Preis geb. 7 #. Untersuchungen zur Blutgerinnung. Beiträge zur Chemie und Morphologie der Coagulation des Blutes von Dr. Ernst Schwalbe, Privatdocent und I. Assistent am pathologischen Institut zu Heidelberg. er. 8. geh. Preis 2,50 lb. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fortschritte der reinen und angewandten Chemie unter Mitwirkung von H. Beckurts-Braunschweig, C. A. Bischoff- Riga, M. Delbrück - Berlin, O. Doeltz - Clausthal, J. M. Eder - Wien, P. Friedlaender-Wien, ©. Haeussermann-Stuttgart, A. Herzfeld-Berlin, F. W. Küster-Clausthal, W. Küster-Tübingen, J. Lewkowitseh-London, A. Morgen-Hohenheim, W. Muthmann-München, herausgegeben von Richard Meyer Braunschweig. Elfter Jahrgang. 1901. Preis geh. 14 M.; geb. in Lnwd. 15 N&; geb. in Halbfranz 16 #M. Beiträge zur Physiologie. Festschrift für Adolf Fick zum siebzigsten Geburtstage. gr. 8. Preis geh. 4 M.; geb. 5 M. Chemische und medicinische Untersuchungen. Festschrift zur Feier des sechzigsten Geburtstages von Max Jaffe. Mit Beiträgen von M. Askanazy, P. Baumgarten, M. Bernhardt, R. Cohn, Th. Cohn, w. Eliassow, A. Ellinger, J. Frohmann, P. Hilbert, Lassar-Cohn, D. Lawrow, E. v. Leyden, W. Lindemann, W. Lossen, H. Meyer, E. Neumann, H. Nothnagel, E. Salkowski, W.Scheele, L. Schreiber, A. Seelig, 8. Stern, O. Weiss, R. Zander. Mit einer Textabbildung und sieben Tafeln. gr. 8. geh. Preis 12 NM. Acht Vorträge über physikalische Chemie, gehalten auf Einladung der Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 von J. H. van ’t Hoff. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 2,50 M. Anleitung zur Ausmittelung der Gifte und zur Erkennung der Blutflecken bei gerichtlich-chemischen Untersuchungen. Von Professor Dr. Fr. Jul. Otto. Siebente Auflage, neu bearbeitet von Dr. Robert Otto, Professor der Chemie an der Herzoglichen technischen Hochschule zu Braunschweig, Geh. Hof- und Medicinalrath. Für Chemiker, Apotheker, Medieinalbeamte und Juristen, Leit- faden in Laboratorien und bei Vorträgen. Mit eingedruckten Holzstichen und 1 farbigen Tafel. gr. 8. geh. Preis 8 N. a ee ir a a a in Zah A a a ne nett 3 1904 Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg II. Band 4. bis 6. Heft (Ausgegeben November 1902) ‚EEE Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn "1902 v2. AOHE XL. XI. Inhalt des 4. bis 6. Heftes. F. Pick. Über das alykogenspaltende Ferment der Leber. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität zu Prag)m—... 0. 2 ee ee E. Friedmann. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Be- ziehungen der schwefelhaltigen Eiweilsabkömmlinge. Zweite Mit- teilung. «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratin- substanzen. (Aus dem physiologisch -chemischen Institut zu Strafsburg.) 2. a. el ee ee E. Laqueur und ©. Sackur. Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht des Kaseins und seine Spaltung beim Trocknen. [Physikalisch-chemische Studie zur Eiweilschemie.] (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen und der physikalisch-chemischen des chemischen Instituts der Universität Breslau.) 2 us aa ee ee Se Be W. Pauli. Untersuchungen über physikalische Zustandsände- rungen der Kolloide. Zweite Mitteilung. Verhalten der Eiweils- körper gegen Elektrolyte. [Ausgeführt mit Unterstützung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.] (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien.) E. Petry. Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. Zweite Mitteilung. (Aus der Grazer medizinischen Klinik.) ..... S. Schmidt-Nielsen. Zur Kenntnis der Autolyse des Fisch- fleisches. (Fischerei- Departement Bergen, Norwegen.) . . . . . 0. Porges und K. Spiro. Die Globuline des Blutserums. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) . . . . - Kürzere Mitteilungen. 2. E. Gierke. Über den Jodgehalt von Knochentumoren mit Schilddrüsenbau \..... 2.5 1a... er Seite 163 154 195 vo. Über das elykogenspaltende Ferment der Leber. Von Doz. Dr. Friedel Pick. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität zu Prag.) Für eine Anzahl von Glykosurieen ist die Abhängiekeit ihres Auftretens vom Glykogengehalt der Leber erwiesen. Dieser Um- stand hat dazu geführt, dieselben als durch Spaltung des Leber- glykogens und Ausschwemmung des gebildeten Zuckers entstanden anzusehen; ein klarer Einblick in die feineren Vorgänge, die sich hierbei in der Leber abspielen, ist jedoch bislang nicht gegeben. Die vielfachen, trotz zahlreicher Einwände immer wieder er- neuerten Angaben über das Vorhandensein eines Glykogen in Zucker überführenden Fermentes in der Leber schienen die Mög- lichkeit zu eröffnen, durch das genauere Studium dieses Fermentes der Frage der Abhängigkeit jener Glykosurieen von der Ferment- thätigkeit näher zu treten. Wenngleich nun diese Hoffnung sich einesteils wegen der Schwierigkeit genauer quantitativer Vergleiche derartiger Ferment- wirkungen, anderenteils darum, weil eine solche diastatische Fähig- keit nicht nur der Leber, sondern in mehr oder minder hohem Grade noch anderen Organen, insbesondere dem Blute zukommt, als trügerisch erwiesen hat, so gestatten die im nachfolgenden an- zuführenden Versuchsreihen doch, zu der trotz vielfacher Bear- beitung unentschiedenen Frage nach der Existenz und insbesondere nach der Bedeutung des saccharifizierenden Leberfermentes für die intravitale Glykogenspaltung Stellung zu nehmen; eine Frage, die, wie auch Oppenheimer in seimer nach Ausführung meiner Versuche erschienenen Monographie der Fermente sagt, „im Dunkeln gelassen ist und dringend der Aufklärung bedarf“. 11* 164 Friedel Pick, 1. Die Anschauung, dafs die Umwandlung des Leberglykogens in Zucker durch ein spezitisches Ferment erfolge, ist fast so alt wie die Entdeckung des Glykogens selbst. Bereits Claude Bernard gab an, dafs man dasselbe durch Wasser und Glycerin extrahieren und durch Alkohol fällen könne. Das wurde alsbald von Hensen und Wittich bestätigt, welch letzterer dann die Existenz dieses Fermentes auch für die vollständig ausgewaschene, blutleere Leber festhielt und gegenüber der Anschauung Tiegels verteidigte, wonach die in der Leber statthabende Saccharifizierung durch im Blute enthaltene Fermente bewirkt werden sollte. Kurze Zeit nachher untersuchten Ebstein und Müller den Einflufs verschiedener chemischer Agentien auf das Leberferment und fanden, dafs die Wirkung desselben durch Salze gar nicht beeinflulst wird, während Alkalien dieselbe verlangsamen und Säuren sie aufheben. Im direkten Gegensatz zu allen diesen Autoren, welche das Ferment als ein vitales Agens auffassen, fand dann bei in E. Ludwigs Laboratorium ausgeführten Untersuchungen Abeles, dals auch längere Zeit der Siedehitze ausgesetzte und nachher wiederholt mit starkem Alkohol behandelte Lebersubstanz unzweideutige sacchari- fizierende Eigenschaften besitzt, und schlofs daraus, dals dieses saccharifizierende Ferment wohl als ein postmortales Produkt an- zusehen sei. Diese Deutung wurde jedoch von Seegen und Kratschmer zurückgewiesen, obgleich sie im übrigen die Thatsache, dafs auch in gekochtem Leberbrei Saccharilikation nachzuweisen ist, bestätigten. Da sie nämlich fanden, dafs auch in dem durch Alkoholfällung erhaltenen Niederschlag aus dem Dekokte einer gekochten Leber nach Auflösung anfangs nur Gly- kogenreaktion, später aber auch deutliche Zuckerreaktion zu er- halten war, wiesen sie die Annahme einer postmortalen Bildung des Fermentes zurück, da das Dekokt nicht mehr in Berührung mit der Leber war. Dies, sowie der Umstand, dafs schon durch Wittich und Lepine in fast allen Körperorganen ein diastatisch wirkender Stoff nachgewiesen worden war, dessen Wirkung, wie Seegen und Kratschmer nachzuweisen glaubten, auch dureh Kochen nicht verändert wird, führten diese Autoren dazu, reine Fiweilskörper in Bezug auf ihre Einwirkung auf Glykogenlösungen zu unter- suchen, und in der That fanden sie, dafs Serumeiweils, Eieralbumin und Kasein Glykogenlösungen energisch saccharifizierten, während das in Wasser unlösliche Fibrin diese Fähigkeit nicht aufwies. Durch Kochen der Lösungen der Eiweilskörper wurde die dia- Über das elykogenspaltende Ferment der Leber. 165 statische Wirkung momentan sistiert, trat aber nach zwei bis drei Tagen wieder auf. Dieselbe erwies sich qualitativ als mit jener des Speichel- und Pankreasextraktes identisch, stand ihr jedoch in Bezug auf Quantität und Schnelligkeit der Wirkung bedeutend nach. Diese Anschauung, wonach Eiweilskörpern als solchen dia- statische Wirkungen zukommen, ist übrigens für die pflanzlichen Fermente bereits von Baranetzki und Mulder geäulsert worden. Ähnlich jedoch wie die in den 60er Jahren vielfach vertretene Vorstellung, wonach allen tierischen Substanzen, jedoch nur im Zu- stande der Zersetzung, diastatische Fähigkeiten zukommen sollten, als durch Versuchsfehler bedingt erwiesen wurde (Foster), erfuhr auch diese Anschauung in neuerer Zeit eine gründliche Wider- legung durch Schwiening, der gelegentlich von Versuchen über Autodigestion der Organe nach der Methode von Salkowski fand, dafs der Zusatz von emigen Tropfen Chloroform das Auf- treten von Zucker in Albuminelykogenlösungen vollständig ver- hindert, und dies auf die antibakteriellen Eigenschaften des Chloro- forms zurückführte. Es wird dadurch wahrscheinlich, dafs in den Versuchen von Seegen und Kratschmer, die ohne antibakterielle Kautelen operierten, die Zuckerbildung auf Bakterieneinwirkung zu beziehen ist. Andernteils fand aber Schwiening auch, dafs Chloroformwasserextrakte gekochter Leber ebenfalls nach einiger Zeit Zunahme des Zuckergehaltes erkennen lassen, weshalb er in Übereinstimmung mit Abeles eine Neubildung des Leberfermentes aus den mit in Lösung übergegangenen Stoffen der Leber an- nehmen zu müssen glaubt. Im Gegensatze hierzu haben aber Pavy und Siau nach gründlichem Kochen keine weitere Zuckerbildung konstatieren können. Während man in diesen Versuchen eine fermentative Thätig- keit als erwiesen ansah und nur die intravitale Existenz des Fer- mentes bestritt, wurde von anderer Seite die Saccharifikation des Glykogens nicht als Wirkung von Fermenten, sondern als Resultat der Thätiekeit der Zellen hingestellt. Zunächst haben genauere Untersuchungen der aus Glykogen entstehenden Zuckerarten gezeigt, dals die Fermente das Glykogen in ein Gemisch von Dextrin und Maltose verwandeln (Bourquelot), was auch für das Leberferment von Eves behauptet, von Pavy, Paton, Bial und Tebb aber bestritten wird, wonach dieses Ferment nur Dextrose bildet. Da nach mehrfachen Angaben (Nasse, Seegen und Kratschmer, Külz) die in der Leber enthaltene Zuckerart Traubenzucker ist, haben Seegen und Kratschmer es für unzulässig gehalten, den 166 Friedel Pick, Leberzucker als durch Einwirkung einer Diastase auf Glykogen entstanden zu erklären. Seegen hat sich bekanntlich seither bemüht, die Herkunft des Leberzuckers aus Eiweilskörpern und Fett abzuleiten. Diese Annahme wurde von Bourquelot, Böhm und Hoffmann, Dastre, Girard vorwiegend unter Hinweis auf die ungenügende Beweiskraft der Seegenschen Versuche be- stritten. Dastre hat zunächst gefunden, dafs die Fermentwirkungen von Macerationsextrakten oder Dekokten der Leber bei genügender Sterilisation verschwinden, also wohl Effekt von Mikroorganismen sind, und dies auch unter Bedingungen, wo die Sterilisation Fer- mentwirkungen nicht aufheben würde (diskontinuierliche Sterilisation bei 550 C., Zusatz von 10 proz. Boraxlösung, Einwirkung bei 0%). Da er ferner fand, dafs Einwirkung von Eiskälte die Saccharifikation des Glykogens nicht verhindert, während dies in der überlebenden Leber der Fall ist, gelangte er zu dem Schlusse, dals diese Saccharifikation nicht Wirkung eines Fermentes, sondern der Zellen- thätigkeit sei. Denselben Weg, nämlich Aufhebung der vitalen Thätigkeit bei Intaktlassung der fermentativen, haben noch andere Autoren eingeschlagen, jedoch mit ganz entgegengesetztem Resultate. So "hat Salkowski gezeigt, dafs Chloroformwasser die Protoplasma- wirkung aufhebt, die löslichen Fermente der Gewebe jedoch in- takt läfst; bei der Anwendung auf die Leber fand sich bei Digestion mit Chloroformwasser totale Saccharifikation des Gly- kogens, welche nach vorhergehendem Eintragen der Leber in siedendes Wasser ausblieb. In ähnlichem Sinne wirkt nach Arthus und Huber eine 1 proz. Fluornatriumlösung; und auch diese Autoren fanden, dafs die Saccharifikation des Glykogens in einer Maceration von Leberbrei in Fluornatriumlösung prompt von statten geht, selbst wenn man das Leberbreifiltrat erst nach Wochen mit Gly- kogen zusammenbringt. Während also die Resultate von Salkowski und Arthus und Huber für die Annahme eines fermentativen Prozesses und gegen Erklärung der Verzuckerung des Glykogens durch Zellthätigkeit sprechen, sind dieser letzteren Anschauung doch in neuerer Zeit wieder zwei Vertreter erstanden, die auf Grund zahlreicher Experi- mente dieselbe verteidigen, No&l Paton, dem es nicht gelang mittels Glycerin oder Kochsalzlösung wirksame Extrakte aus der Leber zu erhalten, und der bei Verwendung einer 1 proz. Fluor- natriumlösung nach gleichen Zeiträumen immer mehr Glykogen Über das olykogenspaltende Ferment der Leber. 167 unverzuckert vorfand als bei Verwendung einer 0,75 proz. Koch- salzlösung, und Oavazzani. Ein weiteres, ursprünglich von Noöl Paton angeführtes Argument, dafs nämlich die prompte Verzuckerung in der überlebenden Leber an die Integrität der Zellen gebunden sei, hat sich bei einer Nachprüfung, die Paton infolge der Kritik Pavys unternahm, als durch einen Ver- suchsfehler bedingt erwiesen. Pavy, der in den sechziger Jahren gegenüber Claude Bernard die Saccharifikation des Glykogens als postmortalen Vorgang, bedingt durch ein beim Absterben der Leber frei werdendes Ferment, erklärt hatte, zeigte später, dals auch die durch längeres Stehen unter Alkohol zur Gerinnung gebrachte Leber ihre zuckerbildende Fähigkeit behält, worin er einen absolut sicheren Beweis sah, dafs die Erscheinung der Verzuckerung nicht auf einem nur den lebenden Zellen zukommenden Stoffwechselvorgang beruht. Die Fermentwirkung wird durch Gefrierenlassen der Leber aufgehoben und durch Ätzkali sowie kohlensaures Natron gehemmt, während eitronensaures Natron die Art der Glykogenveränderung zu beeinflussen scheint, indem das Reduktionsvermögen des gebildeten Zuckers erhöht wird. Die Frage, ob dieses Ferment auch im Leben eine Rolle spielt, kommt für ihn gar nicht in Betracht, da er ja bekanntlich eine Abgabe von Zucker an das Blut aus der Leber wenigstens als normalen Prozefs leugnet. Die Beweiskraft der Alkoholmethode Pavys in dem Sinne, dafs dadurch jegliche Protoplasmathätigkeit ausgeschaltet sei, ist nun von Paton bestritten worden mit der Begründung, dafs Albumine und Globuline erst nach längerer Einwirkung eines stärkeren Alkohols koaguliert werden. Paton fand in Versuchen, deren Beweiskraft jedoch wegen der geringen Menge der für die Einzelbestimmung verwendeten Leber (1 g der alkoholgefällten und getrockneten Substanz) zweifelhaft erscheint, dafs Behandlung der Leber mit Alkohol beim Kaninchen und Schaf die glykogenspaltende Fähigkeit aufhebt, beim Hunde und bei der Katze aber nicht. Dem gegenüber hat dann Tebb berichtet, dafs bei 40° getrocknete, dann zerriebene und nach 2!/, Monaten unter Alkohol gebrachte Leber nach weiteren 6 Monaten Stärke und Maltose in Dextrose zu verwandeln vermochte. Daraufhin hat in einer späteren Arbeit Paton das Bestehenbleiben der diastatischen Wirkung nach Alkoholeinwirkung zugegeben, jedoch auf Grund von vergleichenden Versuchen geleugnet, dafs dieses Vermögen der Leber in höherem Grade zukomme als dem Blut und der Niere. Weiter verglich Paton die Glykogenabnahme in einem sechs Stunden überlebenden Leberstücke mit derjenigen, welche das Leberpulver nach Alkoholbehandlung in Glykogenlösungen in der- selben Zeit zu erzielen vermochte. Er fand hierbei das letztere Pulver viel wirksamer. Auf diesen Punkt und die gegen Patons Versuche sich erhebenden Bedenken wird weiter unten bei der Mitteilung meiner eigenen noch einzugehen sein. Er untersuchte ferner die Einwirkung des Chloroforms, welches nach seinen Er- 168 Friedel Pick, fahrungen die Glykogenverzuckerung in der überlebenden Leber beschleunigt, auf das durch Alkoholfällung erhaltene Leberpulver und fand keine deutliche Beschleunigung; in zwei von fünf Ver- suchen schien sogar eine Verzögerung einzutreten. Dies alles führt Paton dazu, die fermentative Zuckerbildung in der Leber zu leugnen. Zu demselben Resultate gelangte in mehreren Versuchsreiben Cavazzani, der früher aus dem geringen Zuckergehalte der Leber bei Säuglingen und dem Fehlen der diastatischen Eigenschaften des Blutes bei denselben gerade einen Parallelismus zwischen Fermentwirkung und Zuckerbildung erschlossen hatte, später aber fand, dals das aus der Leber ausströmende Blut keine grölsere saccharifizierende Wirksamkeit hat als das ihr zuströmmende, ferner, dals die Reizung des Plexus coeliacus die Zuckermenge in der Leber steigert, ohne die Zirkulation in derselben zu ändern, wobei gleichzeitig die Leberzellen Strukturänderungen analog den in secernierenden Drüsen beobachteten zeigen. Sodann fand er das saccharifizierende Vermögen des Lebervenenblutes nach der Reizung in Bezug auf Verzuckerung von Stärke gar nicht oder nur ganz wenig erhöht, während der Zuckergehalt des Blutes bedeutend zunahm. Ebenso fand er die diastatische Wirksamkeit von Leber- stückchen auf Stärke vor und nach der Reizung nicht geändert. Durch diese Versuche und eine ablehnende Kritik der entgegen- stehenden Angaben glaubte Cavazzanı die Lehre vom Leber- fermente abgethan zu haben. Nach den seitherigen Untersuchungen von Salkowski über die Autodigestion, welche neuerdings für die Bedeutung der Fer- mentwirkung eintraten, ist Cavazzani auf diesen Gegenstand zurückgekommen. Er schlägt hierbei wieder den von Dastre, Arthus und Huber, Salkowski betretenen Weg ein, die Ent- scheidung unter Bedingungen zu suchen, wo die vitale Thätigkeit der Leberzellen ausgeschaltet ist, und zwar verwendet er hierzu das Methylviolett, welches nach den Erfahrungen über seine antı- septische Wirksamkeit die Lebensphänomene des Protoplasmas hindert. Nachdem geeignete Versuche gezeigt haben, dals die diastatische Wirkung des Blutes auf Stärke durch Zusatz von Methylviolett im Verhältnis von 1:1000 nicht beeinflulst wird, ver- gleicht er die nach mehrstündiger Digestion von Leberbrei mit Blut nachweisbare Zuckermenge bei einem normalen und bei einem solchen Hund, welchem intravenös Methylviolett injiziert worden ist. Die Zunahme an Zucker nach dem Tode findet er bei dem letzteren Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. 169 Tiere viel geringer. In demselben Sinne verlaufen Versuche mit Leberstückchen von demselben Hunde, welche vor und nach Methylviolettinjektion exstirpiert wurden, sowie solche mit Digestion von Leberstückchen mit Blut unter Zusatz von Methylviolett. Aus diesen Versuchen schlielst Cavazzani, dafs die Verzuckerung des Glykogens nicht auf ein lösliches Ferment, sondern auf die Thätig- keit der Leberzellen zurückzuführen ist. Diese Versuche Cavazzanis, die in den verschiedensten Punkten zum Widerspruche herausfordern, haben in jüngster Zeit eine eingehende Kritik von Bial erfahren, welcher die Hemmung der Leberzellenfunktionen durch Injektion- von Methyl- violett als nicht erwiesen erklärt, den Vergleich der vor und nach Methylviolettinjektion exstirpierten Leberlappen in Bezug auf so- fortigen und späteren Zuckergehalt mit Rücksicht auf den da- zwischen liegenden operativen Eingriff für nicht beweiskräftig hält u. a. m. Dem wäre, wie ich glaube, noch hinzuzufügen, dafs die Versuche von Cavazzani auch durch die geringen Mengen von Leberbrei, welche er vielfach verwendet, zweifelhaft erscheinen; darauf ist es ja auch zurückzuführen, wenn er in dem einzigen Glykogenversuch, den er mitteilt, als Resultat der Einwirkung von 5g Leberbrei auf 100 ccm einer 1/,proz. Giykogenlösung nach 24stündigem Stehen im Brutofen eine kaum merkliche Fällung von Kupferoxydul beobachtet, während ich in entsprechenden Versuchen bereits nach vier Stunden fast alles Glykogen verschwunden sah. Für die vorliegende Frage kommt ferner auch in Betracht, dafs Cavazzanı den Nachweis, dafs das Methyl- violett die diastatischen Vorgänge nicht beeinflufst, nur für Hunde- blut und Stärkekleister geführt hat, aber nicht für Glykogen und Leberextrakt. Ferner erscheint bei den Vergleichsversuchen zwischen zwei Tieren oder zwischen zwei Stücken derselben Leber vor und nach einem Eingriffe die blolse Bestimmung des ursprünglichen Zucker- gehaltes und desjenigen, der nach einigen Stunden sich findet, ohne gleichzeitige Bestimmung des Glykogengehaltes nicht genügend beweis- kräftig. Denn wenn Oavazzanı dann bei Methylviolettinjektion weniger Zucker findet, braucht dies nicht auf einer Hemmung der Ver- zuckerung des Glykogens zu beruhen, sondern kann in einem gerin®eren Glykogengehalte des Leberstückes seinen Grund haben, wie dies nach den Erfahrungen über die rasche Beeinflussung des Glykogengehalts der Leber durch operative Eingriffe im Abdomen, namentlich für den Versuch mit Methylviolettinjektion nach Exstirpation eines Leberlappens wahrscheinlich ist. Bial hat in jenem kritischen Aufsatze, der sich auch mit den Versuchen Cavazzanis beschäftigt, die enzymatische Natur der postmortalen Zuckerbildung vertreten, bezugnehmend auf seine früheren Arbeiten, in welchen er die entgegenstehenden 170 Friedel Pick, Versuche Seegens als unrichtig erwiesen, und gestützt auf die Erfahrung, dafs die Zuckerbildung in der Leber der Kraft des jeweilig wirkenden Lymphenzyms entspricht, das von ihm und Röhmann genauer studierte diastatische Enzym des Blutes und der Lymphe für die Zuckerbildung in der Leber verantwortlich gemacht hatte. In jüngster Zeit hat dann wiederum Monier, da alle seine Versuche, ein diastatisches Ferment aus Leberbrei zu gewinnen, negativ blieben, das Vorhandensein eines zuckerbildenden löslichen Fermentes in der Leber für unbewiesen und die Intakt- heit der Leberzellen als unumgängliche Bedingung für die Um- wandlung des Glykogens in Zucker erklärt. Wie die vorstehende Übersicht lehrt, ist über die in Rede stehenden Fragen keine Einigung erzielt, ja sogar die Existenz und Wirksamkeit des Fermentes nicht allgemein als erwiesen an- erkannt. Unter diesen Umständen dürfte die Mitteilung einiger Versuche nicht ohne Interesse sein, welche zunächst den Nachweis des Fermentes, weiter quantitative Bestimmung seiner Wirksamkeit, deren Beeinflussung durch verschiedene Substanzen und einen Vergleich der Wirksamkeit des Fer- mentes mit dem in der Leber postmortal eintretenden Glykogenschwund zum Gegenstande haben. 2. Methodisches. Die Mehrzahl der Autoren, welche die Leber auf Ferment untersuchten, hat den zerhackten Leberbrei mit Alkohol gefällt, nach Entfernung des Alkohols den so erhaltenen Brei getrocknet und die fein gepulverte Masse entweder direkt Stärke- und Gly- kogenlösungen zugesetzt oder erst mit Wasser, Glycerin, sowie Salziösungen extrahiert. Wir verwendeten zur Extraktion nach dem \Vorgange von Huber und Arthus das Fluornatrium, von welchem erstere wahr- scheinlich gemacht haben, dafs es die vitalen Vorgänge in der Zelle aufhebt, die enzymatischen dagegen intakt lälst, und zwar in einer Lösung von 0,2 g Fluormatrium auf 100 & physiologische Kochsalzlösung, eine Konzentration, die auch nach meinen Er- fahrungen Fäulnis hintanhält. Im einzelnen gestalteten sich die Versuche folgendermalsen: Die lebenswarm entnommene Leber wurde von der Pfortader aus so lange mit Leitungswasser durchgespült, bis dieses aus den Leber- venen farblos abflo[s, dann zerhackt und mit dem fünffachen Volumen 96 proz. Alkohols 24 oder mehr Stunden stehen gelassen, dann ab- Über das elykogenspaltende Ferment der Leber. 171 gepreist und das nach vorherigem Trocknen bei Zimmertemperatur oder bei 38° erhaltene Leberpulver mit der Kochsalz-Fluornatrium- lösung ausgezogen. Die Extraktion wurde im Anfang bei 38% in ge- wöhnlicher Weise ausgeführt, bis ein gelegentlicher Versuch zeigte, dafs durch Schütteln des Gemisches während der Digestion die Wirk- samkeit der Extrakte bedeutend gesteigert wird. (Der verwendete Schüttelapparat gestattete es, während der ganzen Zeit eine Temperatur von 38° einzuhalten.) Nach 24stündiger Digestion wurde das Gemisch koliert, die abgeprefste Fermentlösung im Falle des Bedarfs filtriert und dann eine abgemessene Menge zu ebenfalls in Kochsalz-Fluornatrium gelöstem Glykogen zugesetzt. Vergleichsproben wurden stets auf ein gleiches Volumen gebracht. Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Fermentes hat die Mehrzahl der Autoren den entstandenen Zucker nach einer der be- kannten Methoden bestimmt, andere den Glykogenrückstand. Die Zuckerbestimmung durch Reduktionsmethoden hat den Vorteil der Einfachheit, dagegen den Nachteil, dafs sie die Zwischenstufen der Hydrolyse des Glykogens, welche, wie Achroodextrin, ebenfalls reduzieren, in ungleichmälsiger Weise (s. darüber Neumeister, Lehrbuch, 2. Aufl., S. 80) mit bestimmt, wogegen die Alkoholfällung nach vorhergehender Enteiweilsung bei Festhalten einer Kon- zentration von etwa 90 Proz. das Achroodextrin nach den Unter- suchungen Tebbs mit niederschlägt. Dementsprechend ist die durch Bestimmung der vor und nach Fermenteinwirkung vorhan- denen, durch Alkohol gefällten Substanzen erhaltene Differenz vorwiegend auf Zucker zu beziehen, giebt also ein Mafs der Überführung von Glykogen in alkohollösliches Kohlenhydrat. Ich benutzte daher die Methode der Alkoholfällung. Was die Glykogsenbestimmung betrifft, so gelangte im Anfang die Brücke-Külzsche Methode, später auch die von Pflüger- Nerking zur Anwendung, beide mit gleichsinnisem Resultat. Natürlich war, da es sich um ein Extrakt der Leber handelte, das selbst mit Alkohol fällbare Bestandteile enthielt, auch eine Leer- bestimmung des Extraktes notwendig, um den erhaltenen Betrag von der nach Einwirkung des Fermentes auf die Glykogenlösung verbleibenden Fällung in Abzug bringen zu können *). '*) Hierbei zeigte sich, dals das Fluornatrium-Kochsalzextrakt der Leber eine geringe Menge eines Körpers enthält, der bei Salzsäure-Jodquecksilber- kaliumzusatz nicht gefällt wird, wohl aber durch starken Alkohol. Dieser Körper zeigt weder Jodreaktion, noch reduzierende Eigenschaften. Die Biuretreaktion ergab ein zweifelhaftes Resultat. Das Blut enthält diesen Körper nicht, dagegen findet er sich auch in Extrakten der Niere. Auf- fallend war auch, dals bei der Prüfung der Eiweilsfreiheit der Extrakte 172 Friedel Pick, 3. Wirksamkeit des Fermentes. Als erstes übereinstimmendes Ergebnis aller Versuche ist der Nachweis einer deutlichen Glykogenabnahme durch die Kochsalz- fluornatriumextrakte der durch Alkohol gefällten Leber nach ein- bis vierstündigem Verweilen im Brutofen bei einer Temperatur von 38 bis 40° hervorzuheben. Weiter ergab sich, dafs vorheriges Aufkochen der Ferment- lösung ihre Wirksamkeit vollständig aufhebt. Als Beispiel sei nur folgender Versuch angeführt. Versuch vom 16. Oktober 1899. Hund von 8kg wird getötet, der Leberbrei nach Zusatz des fünffachen Volumens Alkohol zwei Tage stehen gelassen, dann abge- preist, der Rückstand von 120g Gewicht mit 380 ccm einer 2 proz. Lösung von Fluornatrium-Kochsalz ausgezogen. Nach achtstündigem Schütteln wird das Extrakt abgepresst, wodurch 340 ccm Flüssigkeit er- halten wurden. Mit ihr wurden nachfolgende Proben aufgestellt und nach vierstündigem Verweilen im Brutofen, wie oben geschildert, behandelt. I. 40ccm Fermentlösung + 30cem Glykogenl.: Rückstand in Gramm: 0,330, somit wurden gelöst: 0,066, II. 0 ccm Fermentlösung + 30 cem Glykogenl.: Rückstand in Gramm: 0,404, somit wurden gelöst: 0,132, III. 120 ccm Fermentlösung + 30cem Glykogenl.: Rückstand in Gramm: 0,429, somit wurden eelöst: 0,247, IV. 40 ccm Fermentlösung gekocht + 30 cem Glykogenlösung digeriert und gefällt: 0,396 — 0,396, V. 40 ccm Fermentlösung allein digeriert und gefällt: 0,140 \ ago: VI. 30 cem Glykogenlösung $ 5 „ ee || Die in Lösung gegangenen Mengen sind aus IV und V berechnet. Vergleicht man in diesem Versuche den bei IV erhaltenen Wert (Rückstand in der gekochten Fermentlösung plus Glykogen nach vierstündigem Verweilen im Brutschrank) mit der Summe der Proben V und VI (Rückstand in der Fermentlösung selbst und Gewicht des zugesetzten Glykogens), so ergiebt sich eine Differenz von nicht mehr als 0,006 8, ein Wert, der innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler lieet, so dafs im Einklang mit anderen nach Salzsäure-Jodquecksilberkaliumfällung durch weiteren Zusatz von Jod- quecksilberkalium sich häufig eine Trübung einstellte, welche zunächst den Verdacht einer ungenügenden Eiweilsfällung aufkommen liels, was jedoch dadurch auszuschlielsen war, dals sich diese Trübung, wie E. Pflüger (Pflügers Archiv 53, 492; vgl. auch Seegen, Die Zuckerbildung im Tier- körper, Berlin 1900, S. 7) schon vor langer Zeit festgestellt hat, bei Alkohol- zusatz, lange bevor die Glykogenfällung eingetreten ist, vollständig löste Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. are: Versuchen, die ein ganz analoges Resultat lieferten, der Schlufs berechtigt erscheint, dafs durch Aufkochen die Fermentwirkung vollständig aufgehoben wird. Zugleich lehrt obiges Versuchsprotokoll, dass die doppelte {eo} oO ’ Fermentmenge genau doppelt so viel Glykogen spaltete, die dreifache SONS Oo 9 dagegen nicht ganz das Vierfache. Eine Anzahl anderer Versuche gab annähernd das eleiche Ergebnis, wie die nachfolgende Tabelle lehrt: fe) ken) ? te) Es führte Glykogen in Zucker über in 3 Stunden, die Wirk- samkeit der einfachen Fermentmenge gleich eins gesetzt: die zweifache Ferment- die dreifache Ferment- menge: menge: 4. Oktober Rindsleber Um 14/, 16. 35 Hundeleber In 15/, 26. D) » Sn 2a 2. Dezember 5 — 147, Indessen stimmen diese Zahlen 'doch nicht genügend überein, um weitergehende Schlüsse zu gestatten. Es erschien ferner wünschenswert, Vorstellungen über die Ver- teilung des Fermentes in der Leber zu gewinnen, um aus den vor und nach eventuellen Eingriffen in abgeschnittenen Leberlappen gefundenen Fermentwirkungen Schlüsse ziehen zu können. Die bezüglichen Versuche wurden derart angestellt, dafs ein Teil der Leber abgeschnürt und sofort verarbeitet, der Rest nach einer Stunde dem Tiere entnommen und in gleicher Weise be- handelt wurde. Die erhaltenen Werte wurden dann auf je 100& Lebersubstanz berechnet. 9. Febr. Hund von 6'/,kge. 96 & Leber ergeben eine Glykogenverminderung, auf 100 & Substanz berechnet, von 0,546 %,. BEN, = E »„ 78g nach Ih entnommen ergeben eine Glykogen- verminderune, auf 100 g Substanz berechnet, von 0,345 %. 8. März ',„ „ 14ke. 159g Leber ergeben eine Glykogenverminderung, auf 100 & Substanz berechnet, von 1,053 '/,. Be. .., ». 2259 Leber nach 1 h entnommen ergeben eine Glykogenverminderung, auf100. Substanz berechnet, von 1,046 %.. „ 46ke. 968 Leber ergeben eine Glykogenverminderung, auf 100 & Substanz berechnet, von 1,19 %.- Br. hi n 100 & Leber nach 1 h entnommen ergeben eine Gly- kogenverminderung, auf 100 & Substanz berechnet, von- la) Die Tabelle zeist, dafs die Verteilung des Fermentes in der Leber eine ziemlich gleichmäfsige ist und dafs der experimentelle co > (7o) = =} Eingriff gewils zu keiner Fermentverminderune führt. mal Friedel Pick, 4. Vergleich der Fermentwirkungen verschiedener Gewebe. Es ist seit langem bekannt, dafs auch Blut, Lymphe und zahl- reiche Gewebe diastatische Wirkungen zeigen. Indessen liegen über die quantitativen Verhältnisse bei demselben Tiere keine präzisen Angaben vor, obwohl dies bei einer in Blut und Lymphe vorkommenden Substanz zur Beurteilung der Frage, inwieweit diese Fähigkeit einem bestimmten Organ in erhöhtem Malse zukommt, von gewisser Bedeutung ist. Meine Versuche, bei denen Leber- und Nierenbrei sowie Blut in gleicher Weise zur Verarbeitung gelangten, ergaben, dafs in 3 Stunden gelöst wurden von 1008 Blut. . . . . 031g Glykogen „ 100g Lebersubstanz . 0,69 g s; 8100)82. Niere 1. 2200,30: Einesteils ist hier die starke, vielleicht auf Adsorption des Ferments beruhende Wirkung der Niere auffallend, die ich auch noch in einem zweiten Versuche bestätigt fand, anderenteils zeigt sich, wie sehr diese beiden parenchymatösen Organe in Bezug auf ihren momentanen Fermentgehalt dem Blute überlegen sind, was jedenfalls dafür spricht, dafs es sich nicht, wie dies vielfach ge- äulsert wurde, bei ihnen einfach um eine ihrem Blutgehalt ent- sprechende Wirkung handle. = Beeinflussung der Fermentwirkung durch pharmakologische chemische Agentien. Die vielfach bearbeitete Frage nach der Beeinflussung der Fermentwirkung durch Gifte hat für die Leberdiastase eine erhöhte Bedeutung, da hier mehrfach der Versuch gemacht wurde, durch Verwendung von Substanzen, welche die Leistungsfähigkeit der Organe, angeblich aber nicht jene der Fermente herabsetzen, eine Entscheidung für oder gegen die Fermenttheorie zu treffen. In meinen Versuchen gelangten mit Rücksicht auf die einschlägigen An- gaben verschiedener Autoren (Nasse, Baum, Cavazzani u. s. w.) zur Anwendung: Glycerin (1°/,), Salmiak (1°/,), Cyannatrium (1:1000), Strychnin (1:10000), Methylviolett (1:10000), Atropin. sulfur., Chinin. muriat. neutr., Curarin. Hierbei war eine Wirkung eigentlich nur bei Chinin deutlich, wie nachfolgende Tabelle lehrt: Von 0,506 Glykogen wurde in alkohollöslichen Zucker ver- wandelt durch reines Ferment . . . 2 .0,447°8 bei Zusatz von Curarin 1: 10000. . . 0,4628 bei Zusatz von. Cyannatrium 1:1000 . 0,449 g bei Zusatz von Chinin 1:1007 2 22703178 ot Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. 17 In einem zweiten Versuch wurde gespalten von 0,235 & Glykogen durch reine Fermentlösung . . . 7 O2 bei gleichzeitigem Zusatz von U an er 600 . - 0,104g bei gleichzeitigem Zusatz von Methylviolett 1:1000. . 0,106 & Aus diesen und anderen übereinstimmenden Versuchen ereiebt sich, dafs, während die Mehrzahl der angewendeten Stoffe in der gewählten Konzentration indifferent zu sein scheint, dem Methyl- violett eine leichte, dem Chinin eine deutlich hemmende Wirkung zukommt. Zur genaueren Sicherstellung habe ich beim Chinin die Wirkung steigender Konzentrationen geprüft. Es wurden überführt in Zucker von 0,165 & Glykogen in 6 Stunden durch reine Fermentlösung . . . . . O,165g bei Zusatz von Y/,%, salzsaurem Chinin 0,159 & ” ” ” 2a yn ” ” 0,146 er ” ” ” Hs Y ” ” 0,114 Sg Diese Versuche sind deswegen von Bedeutung, weil gerade Chinin von Cavazzani verwendet wurde, um eine Entscheidung über die Auffassung der Glykogenhydrolyse als fermentativen oder vitalen Vorgang herbeizuführen. Da nämlich Chinin wohl die Proto- plasmathätigkeit, aber nicht fermentative Vorgänge beeinflussen soll, hat Cavazzani Hunde durch intravenöse Injektionen von Chinin getötet und danach die Zuckermengen in der Leber ent- weder sofort oder nach einstündiger Digestion mit Blut bestimmt. Er fand dabei immer niedrigere Zahlen als bei Kontrolltieren und schlielst daraus, dafs Chininsulfat eine hemmende Wirkung auf die Glykosenumwandlung hat. Da Versuche mit Speichel und Blut- serum ihm gezeigt hatten, dafs die diastatische Wirkung dieser Flüssigkeiten auf Stärke durch Chinin (0,9 Proz.) nicht gestört wird, sieht er in diesen Versuchen, wie auch in den früheren mit Methylviolett einen Beweis dafür, dafs die Glykogenumwandlung in der Leber nicht Folge der Fermentwirkung, sondern der Zellen- thätigkeit ist. Es ist aber zu bedenken, dafs die Unfähigkeit des Chinins, auf die Umwandlung von Stärkekleister durch Speichel und Blutserum einzuwirken, a priori noch nicht einen Analogie- schlufs auf die Glykogenumwandlung durch das Leberferment ge- stattet, und die obigen Zahlen scheinen doch auf die Möglichkeit einer gewissen Hemmung dieses Vorganges hinzuweisen. 6. Vergleich der Fermentwirkung mit der postmortalen Zuckerbildung in der Leber. Zur Beurteilung der Frage, ob dem saccharifizierenden Leber- ferment eine Bedeutung für vitale Vorgänge zukommt, oder dasselbe 176 Friedel Pick, nur als ein postmortal frei werdendes Produkt anzusehen ist, er- scheint es notwendig, festzustellen, wie sich quantitativ die Wir- kungen des Fermentes zu der Umwandlung des Glykogens in Zucker verhalten, welche bekanntlich in der Leber sofort nach dem Tode einsetzt. Wie ich später gesehen habe, hat No&äl Paton in seiner letzten Arbeit, in welcher er die Existenz des saccharifizierenden Leberfermentes zugiebt, analoge Versuche mitgeteilt, weiche regel- mälsig eine stärkere prozentische Umwandlung des Glykogens durch die mit Alkohol behandelte Leber ergaben, als sie das Organ unmittelbar nach dem Tode zeigt. Meine Versuche verliefen in gleichem Sinne. Am 2. März 1901 werden die Lebern von 3 Hunden nach dem Zerhacken in der Fleischmaschine möglichst gut gemischt. Gesamt- gewicht 19008. Davon werden 960g sofort nach Külz verarbeitet und in 1002 finden sich 1,052 Glykogen; 450g werden mit ebenso viel Kochsalz-Fluornatrium 4 Stunden im Brutofen gehalten und 100g enthalten 0,453 Glykogen, d. h. geschwunden 0,599 9 Glykogen. 490 g, 3 Tage unter Alkohol gehalten, liefern eine Fermentlösung, welche in 4 Stunden pro 100g Leber 0,763 Glykogen spaltet. Es zeigt sich demnach auch in diesem Versuche, dals die Wirk- samkeit der Fermentlösung vollständig ausreichend ist, um den postmortalen Glykogenschwund zu erklären, wobei noch zu bedenken ist, dafs nach den Untersuchungen Bials und Noel Patons die Wirksamkeit solcher Fermente durch die Alkoholbehandlung in nicht unerheblichem Grade abgeschwächt wird. Die Anstellung mehrerer derartiger Versuche lehrte aber noch, dafs ein Parallelismus zwischen postmortaler Glykogenlösung und Fermentwirksamkeit für den einzelnen Fall nicht immer besteht. Insbesondere scheint bei ge- ringem Glykogengehalt der Leber der postmortale Glykogen- schwund viel geringfügiger zu sein, auch wenn sich das Extrakt der Alkoholleber als ziemlich kräftig erweist. So konnte ich in einem Falle, in welchem die Leber sofort nach der Herausnahme nur 0,287 Proz. Glykogen nach der Külzschen Methode lieferte und nach 3stündiger Digestion, sowohl nach der Külzschen als nach der Pflügerschen Methode untersucht, noch fast genau denselben Wert ergab, wo also nahezu kein Glykogenschwund nachzuweisen war, für das Fermentextrakt der Alkoholleber eine Wirk- samkeit feststellen, die sich für 100 & Leber auf rund 1 g Glykogen berechnet. Übrigens läfst sich den Zahlen, die Noöl Paton bei seinen 5 Ver- suchen erhielt, Ahnliches entnehmen. Denn auch er fand in 2 Fällen den postmortalen Glykogenschwund sehr gering, nämlich nur zu 10 Proz. Über das elykogenspaltende Ferment der Leber. Ir des anfänglichen Glykogenwertes, während die zugehörigen Ferment- wirkungen 49 Proz. der mit der Alkoholleber zusammengebrachten Glykogenmengen betrafen. Es zeigt sich also, dafs den aus der Leber nach Alkohol behandlung erhaltenen Fermentlösungen Glykogen spaltende Fähig- keiten ganz wohl in jenem Umfange zukommen, wie sie die post- mortale Glykogenumwandlung in der Leber erfordert, und es steht somit a priori nichts im Wege, diesem Ferment eine Beziehung zu dem postmortalen Glykogenschwunde zuzuweisen. Wie in der Einleitung ausgeführt wurde, ist die Beziehung des postmortalen Glykogenschwundes zu der intravitalen Glykogen- umwandlung durchaus kontrovers, indem Autoren, welche die intra- vitale Spaltung als eine enzymatische ansehen, wie Salkowski, Richet u. s. w., andere gegenüberstehen, welche die Auffassung vertreten, dals es sich dabei nur um vitale, an die Lebensthätigkeit der Zelle geknüpfte Vorgänge handelt (Paton, Oavazzani, Neumeister). Mir will es scheinen, als ob die von beiden Seiten nachhaltig geführte Diskussion eigentlich doch nur ein Streit um Worte sei, hervorgerufen durch den Umstand, dafs wir aus der Zeit minderer Erkenntnis her gewohnt sind, uns vorzustellen, dafs die fermentativen Vorgänge sich immer nur nach Absonderung der Fermente aus den Zellen in Hohlräume abspielen. Indessen lehren die Ergebnisse biochemischer Untersuchungen der letzten Zeit immer mehr, eine wie grolse Rolle intracellulären Fermenten für die vitalen Vorgänge zukommt, und während noch vor vier Jahren Neumeister sagen konnte, „wir müssen demnach vorläufig daran festhalten, dafs bei den Tieren ausnahmslos die cellulare Verdauung ohne Enzyme lediglich durch eine eigenartige Thätigkeit des leben- den Protoplasmas zustande kommt“, äufsert sich Hofmeister jüngster Zeit dahin, dafs man möglicherweise darauf rechnen könne, _ früher oder später für jede vitale chemische Reaktion ein zu- gehöriges, spezifisch auf diese abgestimmtes Ferment ausfindig zu machen. Von diesem Standpunkt aus, wonach die Fermente das wesentliche chemische Handwerkszeug der Zelle darstellen, ver- ‚flüchtigt sich aber auch der ganze, so scharf betonte Gegensatz zwischen der enzymatischen und der rein vitalen Deutung eines Vorganges, wie die in Rede stehende Verzuckerung des Glykogens in der Leber. Wir werden demnach dazu geführt, das, was wir als Ferment be- zeichnen, einfach als eine Substanz anzusehen, welche, in den Leber- zellen vorhanden und im Leben wirksam, aus der abgetöteten Zelle Beitr. z. chem. Physiologie. III. 12 178 Friedel Pick, unter Erhaltung ihrer Wirksamkeit extrahierbar ist. Von diesem Gesichtspunkte erklären sieh unschwer auch die verschiedenen über das Ferment vorliegenden Beobachtungen. Die Versuche Cavaz- zanis, der nach Methylviolett- oder Chininimjektion die Verzucke- rung abgeschwächt findet, sind da, wofern sie sich bestätigen und ihre Voraussetzung, dals diese Stoffe Fermentwirkungen gar nicht beeinflussen, wirklich richtig ist, was nach meinen oben mitge- teilten Versuchen zweifelhaft erscheint, kein ausreichender Gegen- erund. Denn es ist sehr wohl verständlich, dafs ein Gift, welches in dem zellfreien Extraxte das Ferment unbeeinflufst lälst, in dem so kompliziert gebauten Zellleibe Veränderungen herbeiführt, welche die Einwirkung des Fermentes auf das Glykogen beeimflussen- Umgekehrt liegen die Dinge bei Oavazzanis Versuch der Reizung des Plexus coeliacus, bei dem der Zuckergehalt des Blutes in den Venae hepaticae vermehrt ist, die diastatische Kraft des Blutes aber dieselbe bleibt. Ganz abgesehen von den Einwänden tech- nischer Natur, welche Bial gegen diesen Versuch erhebt, erscheint derselbe ganz wohl verständlich im Lichte einer Anschauung, welche an Stelle der „erhöhten Lebensthätigkeit der Zelle“, die Cavazzanı dadurch bewiesen sieht, den präziseren Begriff eimer gesteigerten Wirksamkeit des intracellulären Fermentkomplexes annimmt. In direktem Gegensatze zu der wohl zuerst von Salkowski klar ausgesprochenen Anschauung, wonach die Enzyme im Proto- plasma der Zellen vorgebildet sind, stehen die noch in jüngster Zeit geäulserten Meinungen anderer Forscher, wonach die Fer- mente nicht in den Geweben enthalten, sondern in den Säften ge- löst sind (Bial, Röhmann, Neumeister). Bial hat, wie ein- gangs erwähnt, das diastatische Ferment des Blutes und der Lymphe zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht. Er slaubte zunächst demselben eine Sonderstellung gegenüber den übrigen im Körper nachweisbaren diastatischen Fermenten darum zuweisen zu können, weil es Stärke nicht in Maltose und Dextrin, sondern in Dextrose umwandelt. Diese Anschauung, welcher auch schon ältere Angaben von Mering und anderen gegenüberstanden, wonach Maltose durch Speichel und Pankreas in Dextrose gespalten wird, erfuhr eine gewisse Korrektur durch eine weitere unter Röhmanns Leitung ausgeführte Arbeit (Hamburger), wonach es sich nicht so sehr um eine spezifische Eigentümlichkeit des Blut- und Lymph- fermentes als vielmehr um quantitative Unterschiede handelt, indem das Blut weniger Diastase als Speichel und Pankreas, aber mehr Glukase enthält. Bial hat sich nun bemüht, das diastatische Blut- Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. 179 und Lymphenzym als Ursache der Zuckerproduktion der Leber nachzuweisen, und stützt sich dabei zunächst auf die von ihm an- genommene spezifische Eigentümlichkeit der Dextrosebildung durch das Ferment, da ja der Leberzucker als Dextrose erkannt ist; weiter auf Versuche mit Digestion von Leberbrei mit verschieden fermentreichem Blute, bei denen sich ein Parallelismus zwischen der Zuckerbildung und dem Wirkungsgrade des zugesetzten Blutes herausstellte. Für die hier diskutierte Frage, ob das Enzym seinen Sitz in der Leberzelle hat oder nur im Säftestrom, beweisen diese beiden Punkte nichts. Der erstere, da er sich durch die Unter- suchungen Hamburgers als nicht spezifisch verwertbar heraus- gestellt hat, der zweite, weil der Leberbrei auch ohne Blut Zucker bildet und die Hinzufügung fermenthaltigen Blutes ja gewils er- höhend wirken mufs. Weiter haben dann Röhmann und Bial gezeigt, dafs unter Anwendung der Heidenhainschen Lymphagoga . erster Ordnung: Peptoninjektion, Stauung der Vena cava u. a, die Stärke des diastatischen Blutenzyms zwar dieselbe bleibt, dagegen die des zuckerbildeunden Lymphfermentes stark in die Höhe geht, und die Vermutung ausgesprochen, dals es der grölsere oder geringere Gehalt der Lymphe an diastatischem Ferment ist, welcher eine grölsere oder geringere Saccharifikation von Glykogen in der Leber zur Folge hat. Die Zuckerbildung, welche in der Leber unter dem Einflusse von Zirkulationsstörungen auftritt, so- wie die Glykosurie nach Piquüre, würden sich danach durch Änderungen in der Lymphbildung erklären. Bial hat dann in jüngster Zeit in seinem kritischen Artikel alle diese Momente wieder zusammengestellt und auch die schon Claude Bernard bekannte Thatsache der Zuckerbildung in der völlig entbluteten Leber in dem Sinne gedeutet, dafs bei der Durchspülung die fer- mentführende Gewebslymphe zurückbleibt. Er gelangt zu dem Schlusse, dafs die Annahme einer enzymatischen Umwandlung des Glykogens durch das diastatische Blut- und Lymphferment für die überlebende Leber nach allen Richtungen bewiesen erscheine und auch die einfachste und ungezwungenste Erklärung für die Mechanik der Zuckerbildung in der Leber des lebenden Tieres bilde. Mir will es scheinen, als ob diese Anschauung, wonach das Ferment nicht einen Bestandteil der Zelle bildet, sondern nur in den Gewebssäften an ihr vorbeipassiere, denn doch nicht so mit den Thatsachen übereinstimme, wie Röhmann und seine Schüler an- nehmen, und auch für die überlebende Leber nicht so bewiesen sei, wie dies Bial hinstellt. Es sei hier ganz abgeschen von der 12* 180 Friedel Pick, a priori nicht zu entscheidenden Frage, ob eine energische Wasser- durchspülung von der Vena portae aus nicht auch die Gewebs- spalten ausspült. Jedenfalls scheinen mir die quantitativen Ver- hältnisse der diastatischen Wirksamkeit gegen eine solche Auffassung zu sprechen. Vergleicht man nämlich die diastatische Wirksamkeit des Blutes mit jener der Organe, so zeigt sich (vgl. Vers. S. 12), dafs der Fermentgehalt in der Leber weitaus gröfser ist. als wenn das ganze Organ zu 100 Prozent Blut enthalte. Dies beweist zunächst noch nichts gegen die angenommene Bedeutung der Lymphe, allein: 1. fanden Röhmann und Bial in der Norm die diastatische Wirkung der Lymphe aus dem Ductus thoracicus geringer als die des Blutserums, 2. haben wir keinen Anlafs, der Lymphe in der Leber eine besondere Beschaffenheit im Sinne eines gesteigerten Fermeutgehaltes zuzuschreiben, sonst kämen wir auch auf dem Boden der Anschauung von Röhmann und Bial dazu, eine spezifische, die Fermentkonzentration steigernde Eigen- schaft der Lyınphendothelien anzunehmen. Alle diese Momente scheinen mir gegen den Versuch zu sprechen, die saccharifizierenden Eigenschaften der Gewebe nur auf ihren Gehalt an Lymphe zu beziehen, somit das Ferment nur in die Gewebssäfte und nicht in das Protoplasma der Zellen zu verlegen. Ferner kommt hier auch noch die Frage nach der Herkunft des Ferments in Betracht. Die seinerzeit vornehmlich von Schiff vertretene Anschauung, dafs das Erscheinen des diastatischen Fer- mentes das erste Symptom für das Absterben des Blutes sei, und die Behauptung von Tiegel und Plösz, dafs sich das diastatische Ferment des Blutes erst im Blute selbst durch einen Zerfall von roten Blutkörperchen bilde und nur während ihrer Zerstörung: seine Wirksamkeit entfalte, sind durch neuere Untersuchungen, namentlich von Bial, als widerlegt anzusehen, und wenigstens für die Lymphe ist durch einen Versuch von Röhmann — Glykogeninfusion in ein Lymphgefäfs der Pfote und Bestimmung des Zuckergehalts in der 'Thoraeieusliymphe — nachgewiesen, dals innerhalb der Lymphgefälse eine Umwandlung von Glykogen’ in Zucker erfolet. Allein über den Ort, woher das Ferment in Blut und Lymphe stammt, ist Sicheres nicht bekannt. Neumeister meint, dafs sowohl das Leberferment wie das ım Blut, in den Muskeln und im Harn aufgefundene offenbar aus dem Pankreas oder den Speicheldrüsen stamme, in der Form seines Zymogens zur Re- sorption gelange, physiologisch bedeutungslos und offenbar auf dem Wege der Ausscheidung aus dem Organismus besriffen sei. Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. 181 Diese Anschauung erschien einer experimentellen Kontrolle zu- gänglich, indem danach bei einem pankreaslosen Tiere eine Ab- nahme des Fermentgehaltes der Lymphe zu erwarten wäre. Ein bezüglicher Versuch an einem Hunde, der am achten Tage nach totaler, von starker Glykosurie gefolgter Pankreasexstirpation bei anscheinend vollem Wohlbefinden getötet wurde, erwies die diasta- tische Kraft des Blutes und der Lymphe als durchaus normal. Wenngleich dieser Versuch, da ja die Speicheldrüsen erhalten waren, nicht absolut beweisend erscheint, so ist er doch mit der Annahme, dals das diastatische Ferment aus dem Pankreas stamme, nicht gut verträglich. Gegen die a priori ja ziemlich plausible Ansicht Neumeisters sprechen aber auch noch die Differenzen, welche sich bei einem Vergleich der Wirksamkeit zwischen Blut und Lymphe einerseits, Speichel und Pankreas andererseits ergeben. Während nämlich die letzteren als Endprodukte der Saccharifikation vorwiegend Dextrin und Maltose ergeben, liefert das Blut- und Lymphferment der Hauptmasse nach Dextrose. Dieser Unterschied ist so auffallend, dafs Bial, wie eingangs erwähnt, darin eine spezifische Eisentüm- lichkeit des Blut-Lymphferments sah. In Übereinstimmung mit älteren Angaben von v. Mering und anderen hat allerdings ein anderer Schüler Röhmanns, Hamburger, seither gezeigt, dals es sich eigentlich um quantitative Unterschiede handle, indem hier wie beim Malzextrakt 2 Enzyme wirksam sind: Diastase und Glu- kase, richtiger gesagt Maltase, welche das von der Diastase ge- bildete Dextrin und die Maltose in Traubenzucker umwandelt. Diese beiden Enzyme sind nun in den verschiedenen Flüssigkeiten in ungleicher Menge enthalten, so dafs Speichel und Pankreassaft mehr Diastase, das Blut hingegen mehr Glukase enthält. Das Reduktions- maximum beträgt nach Hamburger beim Speichel 0,51, beim Pankreas 0,56, beim Blut hingegen 0,50. Diese Differenz ist etwas zu grofs, um das Blut- und Lymphferment einfach, wie dies Neumeister will, als durch Resorption aus dem Pankreas und den Speicheldrüsen stammend anzusehen, und man wird, wofern man nicht eine Ein- fuhr vom Darmkanal annehmen will, dazu geführt, den Ursprung dieses Ferments in anderen Geweben als den Speicheldrüsen und dem Pankreas zu suchen. Hier kommt als dasjenige Organ, in welchem die stärkste Dextrosenbildung, also intensivste Maltasen- wirkung nachgewiesen ist, vor allem die Leber in Betracht und so führen auch diese Überlegungen dazu, das diastatische Ferment nicht so sehr in die Gewebssäfte als in die Zelle selbst zu verlegen. 189 Friedel Pick, Litteratur. Abeles, Beitrag zur Lehre von den saccharifizierenden Fermenten, Wiener mediz. Jahrbücher 1876, II. Arthus und Huber, Ferments solubles et ferments figures. Arch. de physiologie 1892, p. 651. Baranetzki, Die stärkeumbildenden Fermente in den Pflanzen, Leipzig 1878, cit. nach Oppenheim. Bernard Claude, Critigque experimentale sur la fonetion elyco- genique du foie.— Compt. rend. de l’acad&mie des sciences V. LXXXIV, 1877. Bial, Über das diastatische Ferment des Blut- und Lymphserums. Pflügers Arch. 52. Ders., Weitere Beobachtungen über das zuckerbildende Blutferment. Ebenda 53, 156. Ders., Weiterer Beitrag zum Chemismus des diastatischen Blut- fermentes. Ebenda 54, 72. Ders., Über die Beziehungen des diastatischen Fermentes des Blutes und der Lymphe zur Zuckerbildung in der Leber. Ebenda 55, 434. Ders., Ist die Zuckerbildung in der Leber Funktion diastatischer Enzyme oder vitaler Thätigkeit der Leberzellen. Du Bois’ Arch. 1901, 5. 247. Böhm uud Hofmann, Über die postmortale Zuckerbildung in der Leber. Pflügers Arch. 23. Bourquelot, Recherches sur les proprietes physiologiques du maltose. Journal del’anatomie et de la physiologie 1886. Ders., Sur les caracteres de l’affaiblissement eprouve par la diastase sous l’action de la chaleur. Compt. rend. 104, 576. Cavazzani und Fratelli, Sulla fonzione glicogenica del feeato. Annali di chimic. e pharmacol. 1894. Dies., A proposito dei nervi glicoseeretori. Gazzetta degli Ospe- dali 1894. Cavazzani, Über die Veränderungen der Leberzellen währerd der Reizung des Plexus coeliacus. Pflügers Arch. 1894. Ders., Sul meccanismo della transformazione del glicogenio in glu- cosio nell’ organismo. Annali di chimic. e pharmacol. 1894. Ders., Sul meccanismo u. s. w. Daselbst 1897. ‘Ders., Über den Mechanismus der Zuckerbildune in der Leber. Du Bois’ Arch. 1899. Dastre, Recherches sur les ferments hepatiques. Arch. de physiol. normale et pathologique 1888. Ebstein, W., u. J. Müller, Ber. d. d. chem. Gesellsch. VIII, 679. Eves, Some experiments on the liver ferments. Journal of phy- siology V, p. 343. Foster, Notes on amylolytic ferments. Journal of anatomy and physiology I, p. 107 (1867). Girard, Über die postmortale Zuckerbildung in der Leber. Pflügers Arch. 41. Hamburger, Vereleichende Untersuchung über die Einwirkung des Speichels, des Pankreas und des Darmsaftes sowie des Blutes auf Stärke- kleister. Pflügers Arch. 60, 543. En a een nn Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. 183 Hofmeister, Fr., Die chemische Organisation der Zelle. Braun- schweig 1901, S. 14. Külz, Pflügers Arch. 24. Lepine, Über Entstehung und Verbreitung des tierischen Zucker- fermentes. Ber. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1870. Monier, Recherches physiologieo-chimiques sur une fonction du foie. Laborat. de Biol. de Liege 1901. Cit. nach Centralbl. f. Physiol. 1901, p. 730. Mulder, Chemie des Bieres. Leipzig 1858, eit. nach Oppenheim. Nasse, Bemerkungen zur Physiol. der Kohlenhydrate. Pflügers Arch. 14, 479. Neumeister, Lehrbuch der physiol. Chemie. 2. Auflage 1897, S. 132 bis 137 und 320. Oppenheim, Die Fermente. Paton, A further study of hepatic glycogenesis. Journ. of physiol. 22, 121. Ders., Some observations on the mode of conversion of glycogen to glycose in the liver. Journ. of physiology 24, 36. Pavy, Die Physiologie der Kohlenhydrate. Übersetzt v. Grube 1895. Ders., On hepatie glycogenesis. Journ. of physiol. 22, 391. Ders. und Siau, Über die Frage der Zuckerbildung in der erhitzten Leber. Journ. of physiol. 27, 457 (1902). Pflüger und Nerking, Eine neue Methode zur Bestimmung des Glykogens. Pflügers Archiv 76. Plosz und Tiegel, Über das saccharifizierende Ferment der Leber. Pflügers Archiv 7, 391. Richet, De la diastase ureopoetique. Compt. rend. de la soc. de biol. 1894, p. 523. Röhmann, Zur Kenntnis des diastatischen Fermentes der Lymphe. Pflügers Arch. 52, 158. Röhmann u. Bial, Über den Einflufs der Lymphagoga auf die diastatische Wirkung der Lymphe. Pflügers Arch. 55, 419. Salkowski, Kleinere Mitteilungen. Pflügers Arch. 56, 351. Ders,, Über die Autodigestion der Organe. Festschrift für v. Leyden. 1891, S. 90. Schiff, Untersuchungen über die Zuckerbildung in der Leber. Würz- burg 1859, S. 16. Sehwiening, Über fermentative Prozesse in den Organen. Virchows Arch. 136, 444. Tebb, Hydrolysis of glycogen. Journ. of physiol. 22, 429. Tiegel, Über eine Fermentwirkung des Blutes. Pfügers Arch. 6, 391. Wittich, Weitere Mitteilungen über Verdauungsfermente. Pflügers Archiv 3, 339. Ders., Über das Leberferment. Daselbst 7, 28 (1873). VIH. Beiträge zur Kenntnis der physiologischen Beziehungen der schwefelhaltigen Eiweilsabkömmlinge. Zweite Mitteilung. «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen. Von E. Friedmann. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) «@-Thiomilchsäure ist von Suter*) in einer aus Hornspänen stammenden Tyrosinmutterlauge gefunden worden. Diese Mutter- lauge hatte alkalische Reaktion, besals einen unangenehmen Fäulnis- geruch und zeigte auf ihrer Oberfläche reichliche Vegetationen von Schimmelpilzen. Die Thiomilchsäure wurde aus ihr durch Fällen mit Quecksilberchlorid isoliert und nach einer von Suter aus- gearbeiteten Methode als Benzylthiomilchsäure mit synthetisch dar- gestellter Benzylthiomilchsäure identifiziert. Farbenreaktionen der freien Säure, Schmelzpunkt, Analyse und Eigenschaften der Benzyl- verbindung stimmen so völlig zu den Angaben, die über die ent- sprechenden synthetisch erhaltenen Produkte vorliegen, dafs nicht daran zu zweifeln ist, dafs es thatsächlich &-Thiomilchsäure war, was Suter erhalten hatte. Jedoch gelang es ihm bei Wieder- holung des Versuches nicht, weder aus frischen T'yrosinmutter- laugen noch aus durch Zusatz von faulem Pankreas zur Fäulnis gebrachten Tyrosinlaugen Thiomilchsäure zu erhalten. Auf Grund dieser negativen Resultate hielt er sich für berechtigt, anzunehmen, dafs die «&-Thiomilchsäure kein primäres Spaltungsprodukt der Eiweilssubstanzen sei, und dieser Befund gab wiederum Bau- mann’*) Veranlassung, auf die nahe Beziehung hinzuweisen, die *) Zeitschr. f. physiol, Chemie 20, 577 (1895). ”*) Daselbst 20, 583 (1895). mn mem E. Friedmann, «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt u. s. w. 185 zwischen «-Thiomilchsäure und dem nach seiner Auffassung analog konstituierten Oystein bestehen sollte. Er ist der Ansicht, dafs die Bildung der Thiomilchsäure aus dem Cystein durchaus analog der Entstehung der Hydroparakumarsäure aus dem T'yrosin sei, wie sie sich im Stoffwechsel resp. bei der Darmfäulnis regelmäfsig vollziehe, und veranschaulicht diese Beziehungen durch folgende Formeln; OH NH, y°® H C,H,—CH,—CH.COOH + HH = C,H, —CH,.CH,.COOH + NH,, Tyrosin Hydroparakumarsäure NH, | CH, C- COOH 1 HH = CH,.CH(SH).COOH + NH, SH Cystein «-Thiomilchsäure Mit dem von mir geführten Nachweis“), dafs das Cystein anders, als es Baumann annimmt, gebaut ist, fällt natürlich auch die Mög- lichkeit einer Abstammung der 'Thiomilchsäure aus dem Cystein, denn es ist klar, dals ein Körper der Formel CHSASEI | CH.NH, | COOH 5 ß-Cystein den Übergang in CH, | CH.SH cooH e-Thiomilehsäure nicht zuläfst. Unter diesen Umständen sind für den von Suter mitgeteilten einmaligen Befund von &-Thiomilchsäure nur zwei Erklärungs- möglichkeiten vorhanden. Entweder ist die «-Thiomilchsäure ent- gegen den Angaben Suters ein primäres Spaltungsprodukt der Eiweilskörper, dann mülste sie aber konstant bei der Hydrolyse auftreten, oder sie ist in der That erst sekundär durch die kom- binierte Lebensthätigkeit von Schimmel- und Fäulnispilzen ent- standen, dann wäre ihre Muttersubstanz wahrscheinlich eine dem in meiner früheren Mitteilung postulierten &-Cystein nahestehende Verbindung, die aufzusuchen von Interesse sein mülste. *) Diese Beiträge 3, 1. 186 E. Friedmann, Eine gelegentliche Beobachtung, die ich beim Verarbeiten von aus zersetzter Wolle stammenden Quecksilberniederschlägen machte, führte mich dazu, planmäfsig die Prüfung der ersteren der beiden erwähnten Möglichkeiten vorzunehmen. Diese Niederschläge waren in stark alkalischer Lösung durch Quecksilberacetat gewonnen und näher untersucht worden, weil ich auf Grund eines Ver- suches, der sich allerdings später nicht bestätigte, der Ansicht war, dafs sich bei der Hydrolyse der Wolle reichlich primär Cystein bildet. Nach Zersetzen der in viel Wasser suspendierten Nieder- schläge mit Schwefelwasserstoff wurde der Schwefelwasserstoff durch Hindurchleiten von Luft durch die siedende Flüssiekeit ent- fernt, und die schwefelwasserstofffreie Lösung unter stark ver- mindertem Druck konzentriert. Die aufgefangenen Destillate gaben nun mit Eisenchlorid eine sehr schwache, rasch verschwindende Blaufärbung und mit Kupfersulfat eine geringe, aber deutliche und bleibende violette Farbe. Damit war die Anwesenheit von «-Thio- milchsäure in der erhaltenen Zersetzungsflüssigkeit wahrscheinlich gemacht. Ich nahm deshalb die von Suter begonnene Untersuchung an zersetzten Hornspänen wieder auf und benutzte gerade dieses Material, weil dasselbe bereits schon einmal unter bestimmten Be- dingungen &-Thiomilchsäure geliefert hatte. Über die Einzelheiten des eingeschlagenen Verfahrens mag nachstehendes Protokoll Aus- kunft geben. l1ke Hornspäne wird mit 3 Liter Salzsäure (spez. Gewicht 1,19) vier Stunden auf dem Sandbade sekocht. Nach dieser Zeit wird die erhaltene Zersetzungsflüssigkeit zum dicken Sirup eingeengt, auf 3 Liter mit Wasser aufgefüllt, mit konzentrierter Natronlauge (1:1) bis zur schwach sauren Reaktion versetzt und durch andauerndes Kochen mit Tierkohle entfärbt. Nach 24 Stunden wird die Flüssigkeit von aus- geschiedenen Tyrosin und Cystin abfiltriert, das hellgelbe 2,8 Liter fassende Filtrat, das rasch nachdunkelt, mit Natronlauge genau neu- tralisiert und mit einer konzentrierten Lösung von 500 & Quecksilber- acetat versetzt. Beim Zusetzen des Quecksilbersalzes färbt sich die Flüssigkeit auffallend rasch bräunlich, so dafs an eine oxydierende Wirkung des Quecksilbers zu denken ist. Die zu Anfang auf Zusatz von Quecksilberacetat entstehende geringe Trübung setzt nach kurzer Zeit einen schweren, weifsen Niederschlag ab, der nach 24stündigem Stehen abgesaugt wird. (Niederschlag 1.) Der erhaltene Niederschlag wird sorgfältig ausgewaschen, durch Schwefelwasserstoff vom Quecksilber befreit, und die vom Quecksilber- sulfid abfiltrierte Flüssiekeit stark eingedampft. Die konzentrierte Lösung wird wiederholt mit Äther ausgeschüttelt, giebt jedoch nur Spuren ätherlöslicher Substanz ab, die keine der für &-Thiomilchsäure m nn «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen. 187 beschriebenen charakteristischen Farbenreaktionen mit Eisenchlorid oder Kupfersulfat zeigt, dagegen enthält die wässerige Lösung reichlich Cystein, das in schwach ammoniakalischer Lösung unter Zusatz von wenigen Tropfen Eisenchlorid durch Hindurchleiten von Luft zu Cystin oxydiert wird. Dasselbe scheidet sich nach Entfärben der Reaktionsflüssigkeit und Ansäuern mit Essigsäure in charakteristischer Krystallform ab. Das Filtrat von Niederschlag 1 wird mit 30 ccm konzentrierter Natronlauge (1:1) alkalisch gemacht, der entstehende, zuerst weilse, dann rasch grau werdende, verhältnismälsig geringe Niederschlag (Niederschlag 2) abfiltriert und durch tagelang fortgesetztes Dekantieren mit Wasser gereinigt. Nach Zerlegung desselben durch Schwefelwasser- stoff wird die Flüssigkeit in derselben Weise wie die entsprechende aus Niederschlag 1 erhaltene Flüssigkeit auf #-Thiomilchsäure untersucht, jedoch auch jetzt mit negativem Erfolge. Die Anwesenheit von ÜUystein konnte durch Farbenreaktionen festgestellt werden. Zu dem Filtrat von Niederschlag 2 wird eine konzentrierte Lösung von 800 & Quecksilberacetat langsam und unter gutem Umrühren hin- zugesetzt, die reichliche, rasch sich absetzende, grau gefärbte Fällung (Niederschlag 3) abgesaugt und mit Wasser so lange ausgewaschen, bis das ablaufende Waschwasser farblos ist, was mindestens ein achttägiges, Hleilsiges Auswaschen erfordert. Der Quecksilberniederschlag wird in viel Wasser suspendiert und durch Einleiten von Schwefelwasserstoff vom Quecksilber befreit, die entquecksilberte Flüssigkeit nach Verjagen des Schwefelwasserstoffs zum dünnen Sirup eingedampft und mit Äther wiederholt ausgeschüttelt. Die ätherische Lösung hinterlälst nach Ab- destillieren des Äthers ein gelbgefärbtes Öl, das einen eigentümlichen, unangenehmen Geruch besitzt, wasserlöslich ist, starke Schwefelreaktion mit alkalischer Bleilösung giebt, mit Eisenchlorid sich vorübergehend intensiv blau färbt und mit wenig Kupfersulfat eine bleibende, prächtig tief blauviolette Farbenreaktion zeigt. Nach diesem Verhalten war die Anwesenheit von &-Thiomilch- säure in dem ätherischen Auszuge vom Niederschlage 3 anzunehmen. Zur Isolierung der &-Thiomilchsäure waren zwei Wege gegeben; einmal schien es möglich, sie in die in Wasser schwer lösliche Dithioverbindung überzuführen, andererseits war es wahrscheinlich, sie in Form der von Suter beschriebenen Benzylverbindung als Benzylthiomilchsäure fassen zu können. Da die Isolierung als Dithio- verbindung, wie vorläufige Versuche zeigten, wenn überhaupt, nur sehr langsam zum Ziele geführt hätte, wurde der zweite Weg ein- geschlagen. Zu diesem Zweck wird das aus Niederschlag 3 erhaltene Öl, das die Reaktionen der &-Thiomilchsäure zeigt, mit Natronlauge und wenigen Tropfen Benzylchlorid mehrere Stunden geschüttelt. Ein Erwärmen zum Schlufs der Reaktion, wie es Suter angiebt, habe ich unterlassen, weil die dabei mögliche Umwandlung von aktivem Produkt in Racenı- körper vermieden werden sollte. Nach Ausäthern des überschüssigen 188 E. Friedmann, Benzylehlorids wird die alkalische Reaktionsflüssigkeit mit Salzsäure übersättigt. Die entstehende milchige Trübung setzt sich nach längerem Stehen zum Teil ölig ab. Nachdem von diesem Öl abgegossen ist, setzt die noch immer milchig getrübte Flüssigkeit beim Aufbewahren im Eis- schrank schön ausgebildete, farblose Prismen ab, die nach dem Trocknen sofort den von Suter für synthetisch erhaltene Benzyl-&-thiomilch- säure angegebenen Schmelzpunkt von 74° zeigen. Die Hauptmenge des erhaltenen Benzylproduktes stellt das nicht krystallisierte Öl dar. Ich versuchte es durch längeres Stehen in der Kälte unter salzsäurehaltigem Wasser zum Krystallisieren zu bringen. Das Öl erstarrte zwar, wurde aber bei Zimmertemperatur wieder ölig. Die Krystallisation gelang aber leicht auf folgendem, einfachen Wege: Das in der Kälte zum Erstarren gebrachte Öl wird mit Sodalösung übergossen, in der es sich unter Aufbrausen löst. Überläfst man diese nicht völlig klare Flüssigkeit einige Zeit bei Zimmertemperatur sich selbst, so scheidet sie nach längerem Stehen einen amorphen, flockigen Niederschlag aus, der sich nur sehr langsam absetzt. Nachdem die überstehende Flüssigkeit völlig klar geworden ist, wird sie wiederholt durch ein Barytäillter filtriert und von neuem mit Salzsäure in der Kälte übersättigt. Beim Aufbewahren im Eisschrank scheiden sich aus der milchig getrübten Flüssigkeit über Nacht reichlich Krystalle aus. Dieselben werden abgesaugt und mit Wasser ausgewaschen. Sie sind noch ziemlich bräunlich gefärbt. Zur weiteren Reinigung werden sie in Alkohol gelöst, die alkoholische Lösung mit Tierkohle entfärbt, das farblose Filtrat mit Wasser versetzt und die alkoholisch-wässerige Lö- sung in einer Hachen Schale der freiwilligen Verdunstung überlassen. Es scheiden sich schön ausgebildete, farblose Prismen aus, die von neuem aus Sodalösung mit Hülfe von Salzsäure umkrystallisiert werden. Der Schmelzpunkt des so gewonnenen Körpers liegt bei 75°, derjenige von synthetisch erhaltener Benzylthiomilchsäure bei 74°. Auch die Löslich- keitsverhältnisse des Benzylproduktes entsprechen den über Benzyl- thiomilchsäure vorliegenden Angaben. Die Analyse bestätigte, dals das erhaltene Produkt Benzyl- thiomilchsäure sei. 0,1696 g im Vakuum getrockneter Substanz gaben nach v. Asboth 0,2001 BaSO,, entspr. 16,20 Proz. Ss. Berechnet für Gefunden CHH0SS S 16,34 Proz. S 16,20 Proz. Die wässerige Flüssigkeit, die durch Zersetzen des Nieder- schlages 3 gewonnen war und die beim Ausäthern &-Thiomilch- säure geliefert hatte, gab starke Cysteinreaktionen, und es gelang, mittels Oxydation durch Lufteinleiten in die mit Eisenchlorid ver- setzte ammoniakalische Lösung Oystin daraus abzuscheiden. Auf- fallend war, dafs nach beendeter Oxydation sich durch häufiges Ausäthern von neuem eine stark schwefelhaltige Substanz gewinnen «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen. 189 liefs, die nach Abdestillieren des Äthers als nicht zur Krystallisation zu bringendes Öl zurückblieb. Es gelang, aus diesem Öl durch vor- sichtige Oxydation mit verdünnter Salpetersäure einen bei 98 sinternden und bei 100° schmelzenden krystallisierten Körper dar- zustellen, jedoch reichte das erhaltene Material zu weiterer Ver- arbeitung nicht aus. Beobachtungen, die hier mitzuteilen zu weit führen würde, machen es wahrscheinlich, dafs dieser ätherlösliche Körper sekundär aus dem in der Lösung befindlichen Cystein durch Oxydation entstanden ist. Der in obigem Versuch mitgeteilte Befund der «-Thiomilch- säure unter den Spaltungsprodukten der Hornsubstanz macht es wahrscheinlich, dafs die von Baumann ausgesprochene Vermutung, wonach die &-Thiomilchsäure in dem einen von Suter untersuchten Fall durch Lebensthätiskeit von Fäulnis und Schimmelpilzen ent- standen sein sollte, irrig ist. Der Grund, weshalb Suter nur einmal und nicht wieder «-Thio- milchsäure aufzufinden vermochte, wird durch einen Vergleich der von ihm und von mir benutzten Methoden verständlich. Suter leste anscheinend auf die Reaktion der von ihm untersuchten Flüssig- keit kein Gewicht, während aus meinen Versuchen hervorgeht, dals zur erfolgreichen Ausfällung der &-Thiomilchsäure mit Quecksilber- salzen stark alkalische Reaktion neben einem grolsen Überschufs von Quecksilberacetat nötig ist. In dem einen von ihm mitgeteilten Falle, in dem er aus Tyrosinlaugen Thiomilchsäure isolieren konnte, besals die zur Untersuchung kommende Flüssigkeit thatsächlich alkalische Reaktion, und hierin, nicht in der Lebensthätigkeit von Fäulnis- und Schimmelpilzen, ist vermutlich der Grund zu sehen, weshalb Suter sie gerade aus dieser Tyrosinlauge isolieren konnte. Zur Entscheidung der Frage, ob die Thiomilchsäure ein kon- stantes Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen darstellt, oder, um mich vorsichtiger auszudrücken, nach der von mir benutzten Me- thode regelmälsig unter diesen Spaltungsprodukten aufzufinden ist, habe ich einige andere Keratinsubstanzen in den Kreis der Unter- suchung gezogen. Die Methode, die ich dabei anwendete, war dieselbe wie die beim Horn benutzte, nur wurde von einer fraktionierten Darstellung der Quecksilberniederschläge abgesehen und die Quecksilberverbin- dung aus den neutralen vom Neutralisationsniederschlag befreiten Zersetzungsflüssigkeiten durch Fällen mit 400% Quecksilberacetat auf 500 & untersuchtes Keratin bei stark alkalischer Reaktion dar- gestellt. Die Verarbeitung der Quecksilberniederschläge und die 190 E. Friedmann, Isolierung und Reindarstellung der Thiomilchsäure geschah in der bei den Hornspänen angegebenen Weise. Diese Methode führte bei Verarbeitung von Gänsefedern leicht und rasch zum Ziel. Die erhaltene Benzylthiomilchsäure hatte die Eigenschaften und den Schmelzpunkt (73°) der gesuchten Benzyl- &-thiomilchsäure. Bei der Untersuchung von Menschenhaaren erhielt ich jedoch beim Verarbeiten der Ätherauszüge der zersetzten Quecksilber- niederschläge keine‘ der für «-Thiomilchsäure charakteristischen Farbenreaktionen, obgleich reichliche Mengen bleischwärzender Sub- stanz in den Ätherextrakten vorhanden waren. Es lag daher der Gedanke nahe, dals ich in diesem Falle das Disulfid der &-Thio- milchsäure vor mir hatte, und so das Ausbleiben der Farben- reaktionen zu erklären wäre. In der That konnten, nach Reduktion des in Wasser aufgenommenen Schwefelkörpers mit Zink und Salz- säure und erneuter Extraktion mit Äther, sowohl die Farben- reaktionen der «-Thiomilchsäure erhalten, als auch reichliche Mengen von Benzyl-&-thiomilehsäure vom Schmelzpunkt 75° dar- gestellt werden. Bei einem Versuche, die spezifische Drehung der aus Menschen- haaren dargestellten Benzyl-“-thiomilchsäure zu bestimmen, stellte es sich heraus, dals die Substanz optisch inaktiv ist. Die Elementaranalyse ergab folgende Zahlen: 0,1984 & Substanz gaben 0,4409 & CO,, entspr. 60,61 Proz. C und 0,1094 g H,O, entspr. 6,17 Proz. H. Berechnet für . Gefunden C„H,30, & Ol op C 60,61 Proz. H 616 „ Hi Auf Grund der bei den Haaren gemachten Beobachtung änderte ich bei Verarbeitung der vierten untersuchten Keratinsubstanz, der Wolle, die Methode dahin ab, dafs ich vor dem Ausäthern der aus den Quecksilberniederschlägen erhaltenen Zersetzungsflüssig- keiten dieselben erst mit Zink und Salzsäure reduzierte Da sich beim Ausschütteln mit Äther in der Flüssigkeit immer wieder eine leichte Oxydationswirkung bemerkbar machte, wurde die von der ätherischen Lösung abgetrennte, wässerige Flüssigkeit in einem Gefäls, auf dessen Boden sich einige Zinkstückchen befanden, auf- gefangen und mit diesen vor erneutem Ausäthern erst einige Zeit in Berührung gehalten. Als ich jetzt nach Abdestillieren des Äthers mit Kupfersulfat «-Thiomilchsäure, ein Spaltungsprodukt der Keratinsubstanzen. 191 auf «-Thiomilchsäure prüfte, wurde eine starke, bleibende, blau- violette Färbung erhalten. Auch die Eisenreaktion fiel positiv aus. Setzte ich aber in diesem Falle vor dem Zusatz von Eisenchlorid der Flüssigkeit einen Tropfen Ammoniak zu, so erhielt ich eine tiefrote, ins Violette ziehende Färbung, die beständig war und beim Schütteln nur intensiver wurde, eine Reaktion, die für Thio- glykolsäure charakteristisch ist. Es war also hier in dem Ätherauszuge neben Thiomilchsäure Thioglykolsäure vorhanden. Da eine Methode zur Trennung dieser beiden Substanzen nicht bekannt ist, habe ich vorläufig die Iso- lierung der Thioglykolsäure durch Überführung in ein charakte- ristisches Derivat nicht auszuführen vermocht, hoffe aber, diese Lücke bald ausfüllen zu können. Auch die Frage nach der Ver- breitung der Thioglykolsäure ist aus demselben Grunde vorläufig unerledigt geblieben. Zeigen die mitgeteilten Befunde einerseits, dals die «-Thio- milchsäure konstant auf dem eingeschlagenen Wege unter den Spaltungsprodukten der Keratinsubstanzen aufzufinden ist, so lassen sie auf der anderen Seite einen Einwand gegen den eingeschlagenen Weg zu. Die Thatsache, dafs erst ein Überschufs von Alkali nötig ist, um die Quecksilberniederschläge zur Entstehung zu bringen, die die freien und reinen Schwefelverbindungen direkt geben, lälst die Deutung zu, dafs die betreffenden Verbindungen erst unter dem Einfluls des Alkali aus anderen, primär in den Zersetzungsflüssigkeiten vorhandenen Schwefelverbindungen abge- spalten werden. Dafs aber nur geschwefelte Verbindungen als Muttersubstanzen der gefundenen Thiosäuren in Betracht kommen, geht mit Sicherheit aus quantitativen Versuchen hervor, die Suter *) über die Frage angestellt hat, ob Hornzersetzungsflüssigkeiten bei andauernder Behandlung mit Schwefelwasserstoff Schwefel zu binden vermögen. Ferner konnte Suter in einem direkten Versuche zeigen, dafs die so leicht nachzuweisende Brenztraubensäure bei der Hydro- lyse des Horns unter den Spaltungsprodukten nicht auftritt, ein negativer Befund, der insofern von Wichtigkeit ist, als die Unter- suchungen von Böttinger**) und Loven“**) gezeigt haben, dafs die Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Brenztraubensäure einen Körper liefert, der durch Reduktion leicht in &-Thiomilch- säure übergeführt werden kann. *) Zeitschr. }. physiol. Chem. 20, 577 (1895). **) Liebigs Ann. 188, 310. 2*#) Journ. f. prakt. Chem. 29, 366. 192 E. Friedmann, «-Thiomilchsäure, ein Spaltunesprodukt u. s. w. Wesentlich für die Verwertung der mitgeteilten Resultate zu Rückschlüssen über die Bindung des Schwefels in den Keratin- substanzen ist aber augenscheinlich nur der Punkt, ob die erhaltene Thiomilchsäure beziehungsweise Thioglykolsäure als geschwefelte Körper in den Keratinzersetzungsflüssigkeiten vorhanden sind oder nicht, und daher ist — die Möglichkeit, dals sie aus durch Alkalı leicht zersetzlichen schwefelhaltigen Verbindungen stammen, zu- gegeben — dennoch der Schluls berechtigt, dals sie konstante Spaltungsendprodukte der Keratinsubstanzen darstellen. Damit ist aber auch für die schwefelhaltige Komponente der Keratinsub- stanzen eine Gruppierung von Atomgruppen geboten, welche die leichte Bildung von Oystin, Thiomilchsäure (event. auch von Thio- glykolsäure) ermöglicht, und es erhebt sich die weitere Frage, ob auch in den typischen Eiweilskörpern eine ähnliche Anordnung der schwefelhaltigen Gruppe vorliegt, eine Frage, die sowohl nach der chemischen wie nach der physiologischen Seite erhebliches Interesse beansprucht. IX. Uber die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht des Kaseins und seine Spaltung beim Trocknen. Physikalisch-chemische Studie zur Eiweilschemie. Von E. Laqueur und 0. Sackur. (Aus der chemischen Abteilung des physiologischen und der pbysikalisch- chemischen des chemischen Instituts der Universität Breslau.) Das Kasein hat bekanntlich den Charakter eimer schwachen Säure: es rötet feuchtes Lackmuspapier und bildet mit den Metallen salzähnliche Verbindungen *). Bei der grofsen Bedeutung, welche diese Salze in physiologischer Hinsicht haben, besonders die sauren wegen ihrer Beziehung zur Labgerinnung, sowie mit Rücksicht auf Widersprüche in der Auffassung derselben in der Litteratur schien es von Interesse, eine erneute Untersuchung des Kaseins mit physi- kalisch-chemischen Methoden in Angriff zu nehmen. Unserer Untersuchung lag folgender Plan zu Grunde: l. Das maximale Basenbindungsvermögen mulste neu bestimmt werden. Dieses sollte uns erstens zur quantitativen Bestimmung sehr *) Millon u. Comaille, Comptes rendus 11, 1867. — 0.Hammarsten, Malys Jahresberichte für Tierchemie 2, 118 (1872); daselbst 4, 135 (1874); Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 227 (1883). — G. Courant, Pflügers Archiv 50, 109 (1891). — F.Söldner, Dissertation, Erlangen 1885. — M.A. Böchamp, Bulletin de la societe ehimique, serie IV, tome IX. — Spiro u. Pemsel, Zeitschr. f£. physiol. Chem. 26, 235 (1898). — L. Hirscehstein, Dissertation, Breslau 1902. — Osborne, Journal of Physiology 1901/2, S. 399. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 1 (SP) 194 E. Laqueur und 0. Sackur, geringer Mengen von Kasein dienen, deren wir zur Feststellung seiner etwaigen Löslichkeit in reinem Wasser bedurften. Zweitens wollten wir durch das Basenbindungsvermögen das Äquivalent- gewicht des Kaseins in seinen neutralen Salzlösungen ermitteln. Durch Messung der Leitfähigkeit des elektrischen Stromes, mit deren Hülfe bereits Osborne die wahre Salznatur der Kasein- metallverbindungen bewiesen hatte, beziehungsweise ihrer Ver- änderung mit der Verdünnung, sollte das Molekulargewicht er- mittelt werden. Die für Phenolphtalein sauer und für Lackmus neutral reagie- renden Lösungen des Kaseins in Basen sind für diese Versuche nicht anwendbar, da sie neben den sauren Salzen wechselnde und zwar beträchtliche Mengen der Produkte der hydrolytischen Spal- tung enthalten. Als bequeme Methode zur ungefähren Messung der Grölse der hydrolytischen Spaltung und so der relativen Stärke der Säure erwies sich die Messung der inneren Reibung. 3. Bei den für diese Untersuchungen notwendigen Trocken- bestimmungen ergab sich eine Spaltung des Kaseins in einen lös- lichen und einen unlöslichen Körper, deren Eigenschaften näher untersucht wurden; hierzu wurden, soweit möglich, die beim Kasein angewandten physikalisch-chemischen Methoden benutzt, womit ihr Wert für die Charakterisierung chemisch ähnlicher Eiweilskörper erwiesen werden sollte. Basenbindungsvermögen. Das Kasein verhält sich Alkalien und Erdalkalien gegenüber wie eine Säure und bildet mit ihnen in Wasser leicht lösliche Salze, welche wie die der meisten Eiweilskörper richtige Salze im Sinne der van ’t Hoff-Arrheniusschen Anschauungen sind *). Die prozentische Zusammensetzung derselben sowie das Verhalten ihrer wässerigen Lösungen gegen verschiedene Indikatoren ist unter anderen von Söldner, Courant, Spiro und Pemsel (l. ce.) unter- sucht worden. Die genannten Autoren finden übereinstimmend, dafs die für Phenolphtalein neutralen Salze Lackmus und Lackmoid blau färben. Söldner verbrauchte zur Neutralisation einer Lösung, welche lg Kasein enthielt, bei Anwendung von Phenolphtalein im Mittel 8,3 eem einer !/,o-N.-Lauge (Kalkwasser oder Natronlauge), *) Sjöquist, Scand. Arch. f. Physiologie 5, 277 (1894). — Bugarsky und Liebermann, Pflügers Arch. 72, 51 (1898). ir Uber die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. 8. w. 195 bei Anwendung von Lackmus 5,6 ccm, Courant bei Anwendung von Phenolphtalein 9,5, bei Anwendung blauen Lackmoidpapiers 3,5ccm, während Spiro und Pemsel fanden, dafs die Menge der zur Neutralisation verbrauchten Natronlauge bei Anwendung von Lackmoid gröfser wurde, je mehr Natronlauge im Überschuls sie hinzufügten. Als Maximalwert erhielten sie 8,57 cem !/,9-N.-Na- tronlauge. Die schlechte Übereinstimmung der unter Anwendung von Phenolphtalein erhaltenen Zahlen beruht unter anderem darauf, dals auch die sogenannten lufttrockenen Präparate, mit denen die ge- nannten Autoren jedenfalls gearbeitet haben, wegen ihres wechseln- den Feuchtigkeitsgehaltes nicht unmittelbar vergleichbar sind; die Titration mit Lackmus und Lackmoid kann in Lösungen ver- schiedener Konzentration, wie später ausführlich auseinandergesetzt werden soll, überhaupt keine übereinstimmenden Resultate ergeben, da die Kaseinsalze als Salze einer schwachen Säure mit starken Basen hydrolytisch gespalten sind. Es erschien daher notwendig, das Basenbindungsvermögen des Kaseins neu zu bestimmen. Die verwendeten Präparate wurden teils nach Hammarsten dar- gestellt, teils von Merck in Darmstadt und den Höchster Farb- werken bezogen. Die Versuche wurden in der Weise vorgenommen, dals eine ab- gewogene Menge luftrockenen Kaseins teils mit einer überschüssigen Menge !/,,-N.-Natronlauge, Barytwasser oder Kalkwasser versetzt und mit 1/,,-N.-Salzsäure oder Oxalsäure bis zur Entfärbung des Phenol- phtaleins zurücktitriert (indirekte Titration), teils in weniger als der äquivalenten Menge Natronlauge gelöst und bis zum Eintritt der Rot- färbung titriert wurde (direkte Titration). Hierbei beoachteten wir, daf®®sich Kasein in Erdalkalien viel langsamer löst als in Alkalien. Trotzdem die Lösungen etwas opalescent sind, läfst sich nach einiger Übung der Neutralisationspunkt, der auch bei Anwendung von Phenol- phtalein wegen der Hydrolyse nicht absolut scharf ist, mit hinreichender Sicherheit feststellen. Derselbe wurde als erreicht betrachtet, wenn die Lösungen eine eben erkennbare blalsrote Färbung angenommen hatten, bezw. (bei indirekter Titration) dieselbe gerade verschwunden war. Die gute Übereinstimmung der einzelnen Titrationen, besonders bei den letzten Präparaten, beweist, dafs die Fehlerquellen der Methode sehr gering sind. Die folgende Tabelle (S. 196) enthält die mit den einzelnen Präparaten erhaltenen Mittelwerte, und zwar in Spalte I die Nummer des Präparates, in Spalte II die Anzahl Kubikcentimeter 1/,o-N.-Lauge, die zur Neutralisation von 1g lufttrockenen Kaseins verbraucht wurde, unter III die Gewichtsprozente, die das betreffende Präparat beim Trocknen bei 100° bis zur Gewichtskonstanz verlor, und unter IV die für 1g Trockensubstanz berechnete Acidität. 196 E. Laqueur und O. Sackur, I II 1001 | IV ıl 8,01 9,0 Proz. 8,90 9 7.63 1 8,60 2a 7,75 1090, 8,65 3 7,51 137%, 8,72 4 7,65 an) ee 9,05 - Mittel 8,81 5 790 . NE 8,66 Merck 1 7,82 5 8,85 WED 7,98 I, 8,86 Höchst 8,10 Sa 8,83 Präparat 2a war durch Auflösen von 2 in verdünnter Natronlauge und Ausfällen mit Essigsäure dargestellt. Die erhaltenen Zahlen, besonders die der letzten drei Präpa- rate stimmen ausgezeichnet überein, wenn man die Acidität auf absolut trockene Substanz berechnet; daraus scheint hervorzugehen, dafs beim Trocknen bei etwa 100° keine chemische Veränderung vor sich geht, sondern der Gewichtsverlust von im Durchschnitt 10 Proz. auf Rechnung des von den hygroskopischen Pulvern mechanisch festgehaltenen Wassers, Alkohols und Äthers zu setzen ist. ‘Dieser Schlufs hat sich jedoch im Verlauf der Untersuchung nicht bestätigt. Löslichkeit. Der Bestimmung der Löslichkeit des Kaseins in reinem Wasser stellen sich grofse Schwierigkeiten entgegen, da es nur sehr schwer möglich ist, Fäulniserreger auszuschlielsen. Den Versuch, dies durch Hinzusetzen eines Desinficiens zu erreichen — wir hatten Toluol gewählt —, mufsten wir aufgeben, da wir ja dessen Ein- fluls auf die Löslichkeit nicht kannten. Zur quantitativen Be- stimmung des Kaseins schien uns sein Basenbindungsvermögen am meisten geeignet, da die Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl bei sehr verdünnten Eiweilslösungen zu ungenau ist oder zu grolse Volumina beansprucht, da ferner ein Versuch, den Kaseingehalt einer Lösung durch Oxydation mit Kaliumpermanganat zu be- stimmen, vergeblich gewesen war. Eine abgewogene Menge, etwa 0,5g Kasein, wurde in einer ver- schlossenen Flasche mit etwa 100ccm reinen Wassers in einem Ost- waldschen Thermostaten bei 18° mittels eines Heifsluftmotors mehrere Tage geschüttelt; liefs sich der geringste Fäulnisgeruch wahrnehmen, so wurde der Inhalt weggegossen. Bei Schütteln bei 25° stellte sich fast regelmäfsig schon nach 2 Tagen Fäulnis ein. Der Inhalt der geruchlosen Flaschen, bei denen wir etwaige Fäulnis vernachlässigen zu Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 197 können glaubten, was uns die gute Übereinstimmung der Resultate bestätigte, wurde durch ein gewogenes Filter abfiltriert, der Rückstand bei 100° getrocknet und zurückgewogen, das Filtrat mit 1/390-N.-Natron- lauge bis zur Rotfärbung des Phenolphtaleins versetzt. Geht Kasein unzersetzt in Lösung, so muls sich die gelöste Menge übereinstimmend durch den Gewichtsverlust der Substanz wie durch die zur Titration verbrauchten Menge Natronlauge bestimmen lassen. Es zeigte Ale, dals das Filtrat ı immer schon durch wenige Tropfen der sehr verdünnten Lauge rot gefärbt wurde; der getrocknete Rück- stand war in 9 von 12 angestellten Versuchen bis auf wenige Zehntel Millisramm mit teils positiven, teils negativen Differenzen gleich der angewendeten Menge; die geringe unregelmälsige Gewichtsabnahme in den drei übrigen Versuchen ist wohl auf Versuchsfehler zurückzuführen, die bei der grofsen Adhäsionsfähigkeit der Eiweifskörper an die Glas- wand der Flasche nur schwer zu vermeiden sind. Es ergiebt sich also, dafs reines Kuhkasein keine mels- bare Löslichkeit in reinem Wasser bei Zimmertemperatur besitzt, ein Resultat, das auch in allerjüngster Zeit von Osborne (l. ec.) im Gegensatz zu älteren offenbar nicht einwandfreien Ver- snchen von Bechamp*) gefunden wurde. Aquivalent- und Molekulargewicht. Leitfähigkeit. Die genaue Bestimmung des Basenbindungsvermögens des Kaseins ermöglicht auch eine genaue Bestimmung seines Äquivalent- gewichtes.. Wenn 15% Kasein sich mit 0,881 Millimol. Natrium- hydroxyd zu einem mefrälen Salz verbindet — die Unabhängigkeit dieser Zabl von der Verdünnung beweist, dafs wir in diesen neu- tralen Lösungen thatsächlich eine nach konstanten Gewichtsverhält- nissen zusammengesetzte chemische Verbindung vor uns haben — so e : 3 LE UNN beträgt das Aquivalentgewicht des Kaseins Dan 1135 **), sein Molekulargewicht also ein ganzzahliges Vielfaches davon; das wie- vielfache, kann man allerdings aus den Titrationen nicht aussagen, da man nicht weils, eine wievielbasische Säure das Kasein ist. Eine Möglichkeit, diese Frage zu Er ee sich nach des Aelnischen Leitvermögens der neutralen N des Käseins.. Die genannten Autoren haben nämlich empirisch ge- *) Bechamp, Bulletin de la societe chimique, III. serie, tome IX, 1894. ==) Höhere Angaben von Salkowski, Hammarsten, Lehmann und Hempel beruhen offenbar darauf, dafs die genannten Autoren nicht mit neutralen, sondern mit sauren Kaseinsalzen gearbeitet haben. **=) Zeitschr. f. physik. Chem. 1, 529 (1887); 2, 49 (1885); 8, 433 (1891). 198 E. Laqueur und 0. Sackur, funden, dals für die Natriumsalze aller Säuren die Beziehung gilt A, — As — kn, wenn A, und A, die Aquivalentleitfähiekeiten bei den Verdünnungen v, und ©, n die Wertigkeit des betreffenden Anions und %k eine von der Natur der Säure unabhängige Kon- stante ist. Für die Verdünnungen 32 und 1024 ist nach ihren Messungen k etwa = 10. Es liegt nahe, durch Messung des Aquivalentleitvermögens des Kaseinnatriums bei verschiedenen Verdünnungen mit Hülfe dieser Beziehung die Zahl n, d. h. die ‚Wertigkeit des Anions, für Kasein zu bestimmen. Bei der Be- rechnung ist jedoch zu beachten, dals für Kaseinnatrium % nicht gleich 10 sein kann. Der Methode von Ostwald und Walden liest nämlich die Anschauung zu Grunde, dafs der Dissoziationsgrad bei Salzen mehr- basischer Säuren mit wachsender Konzentration rascher abnimmt als bei einbasischen, und zwar um so rascher, je vielbasischer die Säure ist. Da nun der Dissoziationsgrad bei der Verdünnung : LO : nach Arrhenius gleich Zr ist, so ist die Abnahme desselben & g a Die absolute Abnahme des Leitvermögens A, — 4, ist also nur dann ein Mafls für die Abnahme des Dissoziations- grades und somit der Wertigkeit des betreffenden Anions ver- schiedener Säuren, wenn die Äquivalentleitfähigkeiten der ver- schiedenen Salze sich bei grolser Verdünnung demselben Grenzwert A® nähern. Dies ist der Fall, wenn die Beweglichkeiten der verschiedenen Anionen wenigstens von derselben Gröfsenordnung sind, was bei den von Ostwald und Walden untersuchten Salzen zutrifft. Die Beweglichkeit des Anions'.des Kaseins ist aber infolge des hohen Molekulargewichts bedeutend kleiner, so dals man nicht die absolute Abnahme der Leitfähigkeiten A,— 4A, A dh As Een ; sondern die relative Eu rd als Mafs für die Abnahme des Disso- 1 ziationsgrades und somit der Wertigkeit des Anions betrachten muls, unter der Voraussetzung, dals 4, das Leitvermögen einer sehr verdünnten Lösung ist, das nicht weit von dem Grenzwert A entfernt ist. Für diese relative Abnahme ergiebt sich aus den Zahlen von Ostwald und Walden*) für das Natriumsalz einer zweibasischen *) Eine Zusammenstellung derselben vergl. bei Kohlrausch und Holborn, Leitvermögen der Elektrolyte, Leipzig 1898, S. 168#. Wir Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 199 Säure für die Verdünnungen 32 bis 512 (wegen der relativ hohen Eigenleitfähigkeit des uns zur Verfügung stehenden Wassers konnten verdünntere Kaseinlösungen nicht mit genügender Ge- nauigkeit untersucht werden) im Mittel der Wert von etwa 0,15, für das einer dreibasischen Säure 0,22, einer vierbasischen 0,29, einer fünfbasischen 0,55 und einer sechsbasischen 0,39. Für % ergiebt sich hieraus ungefähr der Wert 0,07. Die Leitfähigkeiten der neutralen Kaseinnatriumlösungen wurden nach der bekannten Kohlrauschschen Methode mit Wechselstrom und Telephon im Thermostaten bei 25° ausgeführt. Die konzentriertesten Lösungen wurden durch Auflösen der abgewogenen Kaseinmenge in den berechneten Volumen !/sn-N-Natronlauge, die verdünnteren durch Verdünnen dieser Lösung mit dem gleichen Volumen Wasser im Leit- fähiekeitsgefäls *) selbst hergestellt. Die einzelnen Versuchsreihen stimmten gut überein. Im folgen- den sind nur die durch graphische Interpolation erhaltenen Mittelwerte angegeben. Die erste Spalte enthält den Prozentgehalt der Lösung an Kasein, die zweite die spezifische Leitfähigkeit % in reziproken Ohm, die dritte die Verdünnung v in Äquivalenten des Natriums, die vierte das hierauf bezogene Äquivalentleitvermögen 4 — #.1000 v. Die spezifische Leitfähigkeit des benutzten Wassers betrug 2,6. 10%; dieselbe wurde von der spezifischen Leitfähigkeit der Lösungen ab- gezogen. Proz. Kasein 2 v A 2,84 11,6.104 | 40 | 46,5 1,42 GA, s0 51,3 0,71 Sl | 160 56,2 0,355 a. 320 63,0 0,1775 1.09, 640 69,5 Wie man aus der Kleinheit des Aquivalentleitvermögens ersieht, ist die Beweglichkeit des Kaseinanions viel geringer als die der bisher untersuchten organischen Säuren. Es ergiebt sich die Agso SIE Ay relative Abnahme — (33... Das Kasein ist also Agso mindestens eine vierbasische Säure, möglicherweise jedoch eine fünf- oder sechsbasische. Eine genauere Entscheidung lälst sich wohl nicht treffen, da das Bild der Leitfähigkeiten durch die mit bezeichnen mit Kohlrausch das Äquivalentleitvermögen mit 4, während Ostwald und Walden dasselbe « nennen. *) Nach Arrhenius, Kohlrausch und Holborn, |. e., S. 15, Fig. 6. 200 E. Laqueur und O. Sackur, wachsender Verdünnung zunehmende hydrolytische Spaltung ver- schoben wird. ; Die Messung der Leitfähigkeiten von Kaseinammoniumlösungen, die durch Auflösen einer abgewogenen Menge Kasein in dem be- rechneten Volumen Ammoniak hergestellt wurden, ergaben ähn- liche Resultate. Proz. Kasein z (0) | A 2,04 OR One: 55,6 59,6 1,02 | 5,90 111,2 65,6 0,51 ol 292,4 71,4 0,26 dr 445,0 > 0,13 096 „ 890,0 85,3 Infolge der gröfseren Beweglichkeit des Ammoniumions gegen- über dem Natriumion sind die Äquivalentleitfähigkeiten des Kasein- ammoniums grölser als die des Natriumsalzes. Die relative Ab- nahme ist geringer, nämlich nur 0,30, weil das durch Hydrolyse in den verdünnteren Lösungen frei werdende Ammoniak den Strom schlechter leitet als das entsprechende Natriumhydroxyd. Aus der Veränderung des Leitvermögens mit der Ver- dünnung geht hervor, dals Kasein eine vier- bis sechsbasische Säure und sein Molekulargewicht demnach 4540, 5675 oder 6810 ist. Blum, Vaubel und Hedin berechneten dasselbe aus Spal- tungsprodukten zu ungefähr 6600 *). Die letzten Angaben sprechen dafür, dafs Kasein eine sechsbasische Säure ist, doch ist eine end- gültige Entscheidung über das Molekulargewicht des Kaseins noch nicht möglich. Hydrolyse der Kaseinsalze. Söldner sowohl wie Courant schliefsen aus den bei der Titration mit Lackmus, beziehungsweise Lackmoid erhaltenen Zahlen auf die Existenz von sauren Salzen des Kaseins, welche weniger Metall enthalten als die für Phenolphtalein neutralen. Die Existenz derselben ist an und für sich wahrscheinlich und durch die That- sache bewiesen, dals sich Kasein in weniger Natronlauge löst, als zur Neutralisation notwendig ist, sowie durch die von Courant beobachteten Verhältnisse bei der Labgerinnung. Doch ist es *) Vgl. die Zusammenstellung bei Vaubel; Journ. f. prakt. Chemie 60, 55 (1899). Uber die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 201 nicht möglich, aus dem übrigens sehr schlecht zu beobachtenden Farbenumschlag des Lackmus, bezw. Lackmoids die Äquivalent- verhältnisse dieser sauren Salze zu berechnen, da sie stark hydro- lytisch gespalten sind, worauf Courant schon hingewiesen hat. Der für Lackmus neutrale Punkt ist nämlich nicht von der Konzen- tration unabhängig, wie es bei der Existenz wohl definierter Ver- bindungen notwendig wäre und wie es nach unseren Erfahrungen bei Anwendung von Phenolphtalein der Fall ist. Das beweist folgender einfache Versuch: Bringt man einen Tropfen einer für Phenolphtalein sauren, für Lackmus basischen Kaseinlösung auf Lackmuspapier, so wird dieses gebläut. Die Färbung geht aber bei Verdunsten des Wassers zurück und schlägt schliefslich in Rot um. Die Erklärung dieses Versuches ist sehr einfach. Die Blau- färbung von Lackmus durch neutrales Kaseinnatrium wird ebenso wie die durch Natriumkarbonat verursacht durch die hydrolytische Spaltung des Salzes. Das Gleichgewicht, das in einer solchen Lösung besteht, ist bestimmt durch die Gleichung Kas. nNa + nH,0 == Kas. nH + nNa0H, wenn Kas. das Anion des Kaseins und n seine Wertigkeit bedeutet. Wenn Kasein eine schwache, wenig dissoziierte Säure ist, so müssen in der Lösung seiner Salze freie Hydroxylionen sein; daher ist die- selbe für solche Indikatoren, welche selbst relativ starke Säuren sind, wie z. B. Lackmus oder Lackmoid, basisch und nur für sehr schwach saure Indikatoren, wie Phenolphtalein, neutral. Das durch die obige Gleichung beschriebene Gleichgewicht wird nach dem Gesetze der chemischen Massenwirkung zu Gunsten der rechten Seite verschoben durch gröfsere Verdünnung, d. h. durch Vermehren des Wassers und umgekehrt. Dies beweist der be- schriebene Versuch; durch Verdunsten des Wassers wird die Hydrolyse zurückgedrängt und die Lösung weniger alkalisch und schliefslich sauer. Nach der linken Seite verschoben wird das Gleichgewicht durch Vermehrung der Natronlauge; dies beweisen die Versuche von Spiro und Pemsel (l. c.). Diese Autoren lösten Kasein in überschüssiger Natronlauge auf, fällten das gesamte Eiweils der Lösung, d. h. sowohl das Kaseinnatrium wie die hydrolytisch abgespaltene freie Säure, mit Ammoniumsulfat aus und titrierten im Filtrat die freie Natronlauge, d. h. sowohl die überschüssige wie die hydrolytisch abgespaltene, 202 E. Laqueur und O. Saekur, zurück. Je mehr Natronlauge sie hinzugesetzt hatten, um so weniger konnten sie im Verhältnis zurücktitrieren, d. h. um so weniger war hydrolytisch abgespalten worden. Bei genügendem Überschufs von Natronlauge gelingt es, die Hydrolyse praktisch vollkommen zurückzudrängen, und thatsächlich erhielten Spiro und Pemsel auf diesem Wege einen Maximalwert für das Basenbin- dungsvermögen des Kaseins (8,55), der mit dem unsrigen durch Titration mit Phenolphtalein erhaltenen (8,81) annähernd überein- stimmt. Ähnliche Gesichtspunkte werden zur Erklärung dieser Versuche von Cohnheim und Krieger“) geltend gemacht. Die Annahme einer hydrolytischen Spaltung infolge der schwach sauren Natur des . Kaseins erklärt auch das Aussehen seiner Salzlösungen. Eine für Phenolphtalein neutrale Kasein- natriumlösung ist schwach opalescent; setzt man Alkali hinzu, so wird sie klarer, einige Tropfen verdünnter Säure machen sie opales- center (Öourant). Dieses Aussehen rührt von der hydrolytisch abgespaltenen undissoziierten freien Säure her, dem Kasein, das in reinem Wasser unlöslich ist und sich in Gegenwart von Kasein- salz wohl im Zustande eines Hydrosols befindet. Diese Fähigkeit einer Eiweilslösung, in reinem Wasser unlös- liche Körper kolloidal zu lösen, scheint ganz allgemein zu sein **). Obwohl man in diesen Lösungen keine mikroskopisch wahrnehm- baren Teilchen nnterscheiden kann, mufs man sie doch infolge ihrer Opalescenz als physikalisch inhomogen auffassen; denn diese kann nur dadurch entstehen, dafs inmitten der nicht homogenen Lösung Oberflächen vorhanden sind, an denen die Lichtstrahlen diffus reflektiert werden. Je stärker die Hydrolyse ist, um so mehr freie Säure wird abgespalten, und um so stärker mufs daher auch die Opalescenz werden, am stärksten bei den Salzen der schwächeren Basen, den Erdalkalisalzen. Diffusibilität. Aus den niedrigen Werten des Äquivalentleitvermögens der Kaseinsalze hatten wir auf eine geringe Wanderunssgeschwindig- keit des Kaseinanions geschlossen, die wohl durch den grolsen @uerschnitt des Moleküls bedingt ist. Es erschien daher von In- teresse, zu untersuchen, ob diese grofse Molekel wie andere ge- *) Zeitschr. f. Biologie 22, 95 (1900). =) Vgl. hierzu Paal, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 35, 2206 #f. (1902); ferner Sackur, Ztschr. f. physik. Chemie 41, 674 (1902). Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 203 löste Stoffe durch Pergamentpapier diffundieren kann, oder wie Kolloide durch dasselbe zurückgehalten würde. Der Versuch ergab das letztere; auch mit den schärfsten Eiweilsreaktionen konnte im Wasser des Dialysators kein Kasein nachgewiesen werden. Kasein- natrium ist also ein Elektrolyt, welcher nicht die Fähig- keit besitzt, durch Pergament zu diffundieren. Da das Natriumion jedoch ein groflses Bestreben hierzu hat, so wird jeden- falls die Membran der Sitz einer beträchtlichen Potentialdifferenz sein, deren Grölse uns nach der Nernstschen Theorie der Flüssig- keitsketten einen Aufschluls über die Gröfse der Ionenbeweg- lichkeit des Kaseins geben könnte. Inmenereıbumg. Aus der Kleinheit der Ionenbeweglichkeit und der Grölse des Moleküls der Kaseinsalze kann man einen KRückschluls auf die innere Reibung ihrer Lösungen ziehen. Reyher*) hat gefunden, dals z. B. in der Fettsäurereihe die innere Reibung der Lösungen sowohl der freien Säuren wie ihrer Natriumsalze mit wachsendem Molekulargewicht grölser wird. Das Umgekehrte gilt nach Ost- wald**) für die Ionenbeweglichkeit. Es war daher anzunehmen, dals auch die innere Reibung von Kaseinnatriumlösungen aufser- ordentlich grols ist. Der Versuch hat dies bestätist. Die innere Reibung wurde nach der von Arrhenius”**) be- schriebenen Poiseuille-Ostwaldschen Methode durch Messung der Ausflufsgeschwindigkeit aus einer Kapillare bei 15° gemessen. Be- deutet £ die Zeit, in welcher reines Wasser aus der Kapillare ausströmt, s sein spezifisches Gewicht, 7' die Ausfluiszeit desselben Volumens der Lösung, S ihr spezifisches Gewicht, so ist die innere Reibung der Lösung, bezogen auf Wasser als Einheit Die spezifischen Gewichte der konzentriertesten Lösungen wurden mit dem Pyknometer bestimmt — dieselben betrugen nie mehr als 1,006 —, die der verdünnteren durch Interpolation berechnet. Es ergab sich für neutrale Kaseinnatriumlösungen: (Tabelle s. folgende Seite.) Nach Arrhenius (l. c.) gilt für Nichtelektrolyte und viele Elektrolyte die Beziehung n = Ar oder log nn = n log A, *) Zeitschr. f. physik. Chemie 2, 743 (1888). =") Daselbst 2, 840 (1888). *#*) Daselbst 1, 285 (1887). 204 E. Laqueur und O. Sackur, an Normalität } | RS EER Proz. Kasein 7 (15°) log A in Aquivalenten Na 0,0183 2,08 1,570 14,8 0,00915 1,04 1,353 14,3 0,00458 0,52 1,165 14,5 0,0137 1,55 1,581 14,5 0,00547 0,62 1,202 14,6 worin A eine nur von der Natur des gelösten Stoffes abhängige Kon- stante bedeutet. Wie die letzte Spalte zeigt, bestätigt sich dieses empirische Gesetz auch an diesen komplizierten Lösungen ausge; zeichnet, obwohl die Konstante A von einer ganz anderen Gröfsen- ordnung ist (10!*) als bei den von Arrhenius u. a. untersuchten Lösungen, in denen A nicht viel grölser als 1 ist. Die Untersuchung der inneren Reibung bestätigt auch die oben entwickelten Anschauungen über die Konstitution der für Phenolphtalein neutralen und sauren Salze. Ihre Grölse ist ab- hängig von dem Umfang, in welchem das Kasein als freies Ion, als elektrisch neutrales undissoziiertes Kaseinnatrium und als ab- gespaltene freie Säure vorhanden ist. Es ist anzunehmen, dafs sie vornehmlich durch die Konzentration des thatsächlich gelösten Kaseinsalzes beziehungsweise seiner Ionen bedingt ist. Durch Zurückdrängung oder Vermehrung der Hydrolyse mülste dann bei konstantem Gesamteiweilsgehalt die innere Rei- bung zu- oder abnehmen. Der Versuch bestätigte diese Schlufsfolgerung; durch Zusatz weniger Tropfen verdünnter Natronlauge wurde die Hydrolyse zurückgedrängt, durch Zusatz freier Salzsäure wurde sie vermehrt. Die innere Reibung dieser Lösungen betrug: ARE Normalität des Normalität des Proz. Kasein | | Bade = A N überschüssigen OH! überschüssigen H’ 0,62 — | an 1,202 0,62 0,005 er 1,342 0,62 — 0,0022 1,128 Da die geringe Menge der zugesetzten freien Säure oder Base auf die innere Reibung der Lösung ohne merklichen Einfluls ist, Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 205 so. muls die beträchtliche Veränderung durch die Anderung der Kaseinionenkonzentration verursacht sein. Um diese Folgerung zu bestätigen, stellten wir zwei weitere Versuchsreihen an. Normalität des Normalität des on überschüssigen OH | überschüssigen Na | { re 0,716 — 0,006 3 | 1,24 | 14,8 0,716 0,006 3 0,012 6 1,36 | -- 0,716 0,012 6 0,018 9 1,35 = 0,716 0,018 9 0,025 2 1,34 | — 0,58 ex 0,005 13 Tao. 100 194 0,58 0,009 8 0,014 9 1533 — 0,58 0,016 8 0,021 9 Do = Normalität von | zugesetztem NaCl | 0,58 0,008 0 0,0131 | 1,14 = Hierbei fällt auf, dafs die innere Reibung nicht konstant durch Vermehrung der Hydroxylionen wächst, sondern bei einer be- stimmten Konzentration derselben ein Maximum erreicht; durch Zusatz von Chlornatrium wird sie vermindert. Auch diese Er- gebnisse lassen sich erklären durch die obige Annahme, dals die innere Reibung vornehmlich durch die Konzentration der Kasein- ionen bedingt ist. Durch Zusatz von Natriumhydroxyd wird nämlich nicht nur die hydrolytische Spaltung des Kaseinsalzes in freie Base und un- gelöste Säure, sondern auch die elektrolytische Dissoziation des Elektrolyten Kaseinnatrium in seine freien Ionen zurückgedrängt infolge der Vermehrung der Natriumionen. nun offenbar einen entgegengesetzten Einfluls Reibung. Beide Umstände haben auf die innere Bei geringen Mengen freien Natriumhydroxydes überwiegt der erstere, der dieselbe vermehrt; ist die hydrolytische Spaltung fast vollkommen zurückgedrängt, so überwiegt der zweite, das N xydkonzentration an wieder abnehmen. Natriumionenkonzentration allein ohne Verminderung der Hydro- lyse, wie sie durch den Zusatz von Natriumchlorid verursacht wird, mufs nur die elektrolytische Dissoziation und somit die innere Reibung verringern. heifst die innere Reibung muls von einer gewissen Natriumhydro- Eine Vermehrung der Auch Reyher (l. c.) fand, dafs die 206 E. Laqueur und ©. Sackur, innere Reibung der stark dissoziierten fettsauren Salze beträchtlich gröfser ist als die der freien wenig dissoziierten Säuren. Durch Ausdehnung dieser Untersuchungen auf andere Eiweils- körper wäre es wohl möglich, die innere Reibung von Eiweils- lösungen zu einer experimentell sehr bequemen quantitativen Be- stimmung ihrer hydrolytischen Spaltung und somit der relativen Stärke der freien Säuren beziehungsweise Basen zu benutzen. Spaltung des Kaseins durch Trocknen. Alle obigen Zahlen sind, wie üblich, auf Trockensubstanz be- rechnet, das heifst, ein Teil jedes zur Verwendung kommenden Präparates wurde zwischen 94 und 100° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet, wozu 12 bis 15 Stunden immer ausreichten. Der Ver- lust an Gewicht wurde auf Verdunstung nicht chemisch gebundenen Wassers (beziehungsweise Alkohols und Äthers) bezogen. Die Präparate sehen nach dem Trocknen nicht sehr verändert aus, nur häufig etwas gelblich. Behandelten wir nun dieses so getrocknete Kasein in ganz derselben Weise, wie oben vom lufttrockenen angegeben wurde, so konnten wir eine auffallende Verschiedenheit beobachten *). Normal 20 lösen, verwandelte sich das Präparat in eine mehr oder weniger gallertige Masse, die sich aus einer ziemlich klaren Flüssigkeit absetzte. Der gallertige Körper zeigte die Eigenschaften eines Eiweifskörpers, und auch aus der Flüssigkeit liefs sich ein dem Kasein ähnlicher Eiweilskörper durch verdünnte Säure ausfällen. Wir wollen der Kürze wegen den letzteren Körper, also den in ver- Beim Versuch, das getrocknete Kasein in -Lauge aufzu- dünnten Laugen löslichen A nennen, den ersten, in Laugen unlös- lichen ‚gallertigen D. Die Reinigung und Trennung des Körpers A von B gestaltet sich sehr einfach. N l : Der durch verdünnte _—_ -Essigsäure gefällte Hockige Nieder- schlag wurde auf Filtern gesammelt, mit Wasser ausgewaschen und durch Behandeln mit Alkohol und Ather in ein weilses, manchmal etwas oraues, staubiges Pulver verwandelt. Schwieriger war, BD ganz *) Viele der von uns beobachteten Thatsachen fanden wir nachträglich in einer Arbeit von M. A. Beehamp (Bulletin de la societe chimique, III. serie, tome XI, 1894), die wir merkwürdigerweise nur einmal in der Litteratur (Beilstein, Handbuch d. organ. Chemie, 3. Aufl.) eitiert fanden. Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 207 von A zu trennen, anfser wenn durch Trocknen bei höherer Tenı- peratur, 102 bis 107°, der unlösliche Körper sich als ziemlich feste, nicht gallertige Masse in den verdünnten Laugen absetzte. In allen Fällen i 5 Normal wurde dieser Rückstand D zuerst mit verdünnten Laugen (etwa —— )» dann mit Wasser so lange, oft tagelang, dekantiert, bis eine Auf- schwemmung in phenolphtaleinhaltigem Wasser von selbst rot wurde, was wir, Wie erst weiter unten gezeigt werden soll, als Zeichen seiner Reinheit auffassen durften. 5 wurde dann durch Absaugen mit der Wasserstrahlpumpe möglichst wasserfrei gemacht, was aber ganz erst durch Behandeln mit grofsen Mengen Alkohol gelang. Dieser wurde durch Äther ausgewaschen und nach dessen Verdunstung B gleichfalls als staubiges, etwas gelbliches Pulver gewonnen. Über die Natur von A und B und ihr Verhältnis zum ur- sprünglichen Kasein können wir keine endgültigen Angaben machen; jedoch ist 5 sicher ein Alkalialbuminat, das heifst die Verbindung eines Alkalimetalls mit einem Eiweilsradikal, und A ein dem Kasein in chemischer Beziehung sehr nahe stehender Ei- weilskörper, von ihm deutlich unterschieden in physikalisch- chemischer Hinsicht, wahrscheinlich aber noch keine einheitliche Substanz und somit kein Endprodukt der Zersetzung des Kaseins durch die Hitze. Es enthält vielmehr noch geringe Mengen des unzersetzten Kaseins und vielleicht solche anderen Körper, die als Zwischenprodukte der Spaltung aufzufassen sind und deren Menge von der zum Trocknen angewandten Temperatur abzuhängen scheint. Hierfür spricht, dals A bei einigen Präparaten seinerseits nach dem Trocknen bei 100° mit verdünnten Alkalien ganz wie Kasein in einen löslichen und einen unlöslichen Teil zerfiel. Die Übereinstimmung der mit verschiedenen Präparaten erhaltenen Zahlen beweist jedoch, dafs A, wenn es unter denselben Bedin- gungen dargestellt ist, im wesentlichen als ein einheitlicher Körper aufzufassen ist, den wir daher mit dem Namen „Isokasein“ be- zeichnen wollen. Der unlösliche Körper D, der bei der Behand- lung des getrockneten Kaseins mit verdünnter Natronlauge erhalten wurde, heilse Natriumkaseid ”). Um zu beweisen, dals diese Zersetzung des Kaseins nicht etwa nur die Foige einer Oxydation durch den Sauerstoff der Luft, sondern dals sie eine Folge des Erhitzens ist, wurde Höchster Kasein in einem Vakuum-Trockenschrank ‘bei der Temperatur des siedenden Wassers unter gewöhnlichem Luftdruck, also bei etwa *) Diese Namen verdanken wir einem Vorschlage von Herrn Prof. Röhmann. 208 E. Laqueur und O. Sackur, 98 bis 99% getrocknet. Das so getrocknete Kasein sah vollkommen weils aus und hatte etwa 0,5 Proz. mehr an Gewicht verloren als das im gewöhnlichen Trockenschrank erhitzte, verhielt sich aber beim Lösen in verdünnter Lauge genau wie dieses, d. h. ver- wandelte sich zum Teil in Gallerte BD, zum Teil in den löslichen Körper A. Aus diesem Versuche geht hervor, dafs zwar im ge- wöhnlichen Trockenschranke wohl eine Oxydation stattfinden kann, wofür die gelbe Farbe der Präparate und der Gewichtsunterschied gegenüber den im Vakuum getrockneten spricht, dals sie aber mit der von uns beobachteten Spaltung nichts zu thun hat. Ferner untersuchten wir, angeregt durch die Arbeit von Neu- meister*) und die von E. Salkowski**) über die Einwirkung überhitzten Wasserdampfes auf Eiweilskörper — die genannten Autoren fanden eine Abspaltung von Ammoniak —, ob auch das getrocknete Kasein eine solche durch Behandeln mit Laugen erfahre. 2 g getrocknetes Kasein wurde im Schlösingschen Apparat mit 10 cem filtrierten Kalkwassers übergossen, nach 48 Stunden die im 2 N l x darüber stehenden Schälchen befindliche ns -Schwefelsäure mit l De -Natronlauge zurücktitriert; die Abweichungen von der be- rechneten Menge lagen innerhalb der Fehlergrenzen. Ammoniak wird also nicht abgespalten. Dies stimmt mit den späteren durch Analysen gefundenen Ergebnissen überein. Um die Gewichtsverhältnisse festzustellen, nach denen sich das Kasein nach dem Trocknen in die Körper A und D spaltet, wurde wie folgt verfahren. Eine abgewogene Menge Mercksches oder Höchster Kasein wurde zwischen 98 und 100° bis zur Gewichtskonstanz — in einem Falle vier Tage Normal ZEN & 90 atron lang — getrocknet und in etwa 100ccm Wasser mit lauge bis zum Eintritt der Rotfärbung versetzt. Dazu war im all- gemeinen etwas mehr Alkalı erforderlich, als sich aus der Acidität des nicht getrockneten Kaseins berechnen liefs. (Ganz übereinstimmende Werte konnten jedoch nicht erhalten werden, da der Farbenumschlag infolge der gelbbraunen Färbung des unlöslichen Anteils undeutlich war und häufig nach einigem Stehen verschwand.) Der ungelöste voluminöse Anteil setzte sich über Nacht meist ganz gut ab. Die überstehende Flüssigkeit wurde durch einen Goochtiegel abgegossen, der Rückstand mehrmals dekantiert und schliefslich in den Tiegel gespült, *) Neumeister, Zeitschr. f. Biol. 26 (1890); ebenda, 36, 1898. Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 209 Trotz starken Saugens mit der Wasserstrahlpumpe filtrierte das Wasch- wasser sehr langsam. Dann wurde der Tiegel bei 100° getrocknet und gewogen. Die Ergebnisse sind folgende: i Normal \_ l. Die Trockensubstanz wurde mit Der -Natronlauge behandelt: 0,825 & Trockensubstanz ergaben denaturiertes Eiweils B 0,6356 & 83,2 Proz. Ü 0,603 ” ” „ ’) ” „ 0,439 ” 81,1 2) 1,005 ” ” ” ” ” D) 0,535 2) 33,1 „ 1,055 ” ” ” ” ” ” 0,870 ” 82,5 im Mittel 82,5 Proz. 2. Nach Behandeln mit Caleiumhydroxyd: 1,076 & Trockensubstanz ergaben denaturiertes Eiweils B 0,903 & 83,3 Proz. 1,180 , n br n 5 USB RED 3,959 „ „ „ „ a im Mittel 83,0 Proz. In Anbetracht der relativ grolsen Versuchsfehler — dieselben sind oben bei Beschreibung der Löslichkeitsversuche angegeben worden — ist die Übereinstimmung der einzelnen Bestimmungen befriedigend. Uber das Isokasein (Körper 4). Fällungsgrenzen. Um die Frage zu entscheiden, ob der in Alkalien lösliche Teil des "getrockneten Kaseins, den wir oben mit A bezeichnet hatten, noch unverändertes Kasein ist oder einen neuen Eiweilskörper darstellt, bestimmten wir zunächst seine Fällungssrenzen mit Am- moniumsulfat. Wir fanden für Kasein, richtiger für das Kasein- natriumsalz als obere Fällungsgrenze in der üblichen Hofmeister- schen Bezeichnungsweise 3,4 bis 3,6 cem *), in Übereinstimmung mit älteren Angaben, wobei wir es für unseren Fall für zweck- mälsiger hielten, die Fällung erst dann als beendet zu betrachten, wenn das Filtrat nicht nur mit hinzugefügten 0,2 ccm Ammon- sulfat klar blieb, sondern auch keine Xanthoproteinreaktion mehr gab. Für Körper A fanden wir nach demselben Verfahren als - obere Fällungsgrenze 4,0 ccm. Mit Magnesiumsulfat gelang es weder Kasein noch den Körper A aus seinen Lösungen vollständig auszusalzen, da selbst das nach Versetzen mit gesättigter Lösung erhaltene klare Filtrat mit konzentrierter Salpetersäure eine deut- liche Eiweilsreaktion ergab. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Storch**), der ebenfalls mit Magnesium- *) Fr. Alexander, Zeitschr. f. physiol. Chemie 25, 415 (1898). =") Monatshefte der Chemie 1897, S. 294. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 14 210 E. Laqueur und O. Sackur, sulfat das Kasein nicht vollständig aus der Milch aussalzen konnte. Zinksulfat war zur Bestimmung der Fällungsgrenzen nicht an- wendbar, da, wie der Versuch zeigte, beide Körper mit Zn-Ionen unlösliche Salze bilden. Durch die Verschiedenheit der Fällungsgrenzen mit Am- moniumsulfat ist es als bewiesen zu betrachten, dafs in dem lös- lichen Körper A mindestens ein von Kasein verschiedener, schwerer auszusalzender Eiweilskörper enthalten ist. Tlierbei wollen wir auf die Analogie hinweisen, die zwischen der aussalzenden Wirkung der Salze und der in neuerer Zeit von Roth- mund”), Abegg und Riesenfeld**) u. a. untersuchten Löslichkeits- beeinflussung z. B. von Phenylthioharnstoff und Ammoniak durch Elektrolyte besteht. In beiden Fällen erweisen sich die Sulfate als am meisten, die Nitrate als am wenigsten wirksam. Das Aussalzen besteht demnach in einer Entziehung des Lösungsmittels durch den hinzugesetzten Elektrolyten beziehungsweise seine Ionen, welche wahr- scheinlich hydratisiert sind ***). Beim Zusatz von Salz zu einer Eiweifs- lösung wird sich das Wasser zunächst nach einem von der Natur der jeweiligen Stoffe abhängigen Verhältnis zwischen diesen verteilen. Ist die dem Eiweifs zur Verfügung stehende Menge nicht mehr gro[s genug, es vollständig in Lösung zu erhalten, so beginnt die Fällung; sie ist beendet, wenn dieselbe nicht mehr ausreicht, me[sbare Mengen des Eiweifses zu lösen. Demnach werden die oberen Fällungsgrenzen nur von der Natur des Eiweilses und des Salzes, die unteren dagegen auch von der Konzentration der Lösung an ersterem abhängen. Da z. B. durch Ammonsulfat die meisten Eiweilskörper schon vor der Sättigung ausgesalzen werden, so müssen wir ihnen ein aufserordentlich grofses Hydratisierungsbestreben zuschreiben. Basenbindungsvermögen. Zur weiteren Untersuchung der Unterschiede des Körpers A, den wir fortan Isokasein nennen wollen, von Kasein wurde das Basenbindungsvermögen desselben bestimmt. Hierzu verfuhren wir in derselben Weise wie beim Kasein, d. h. titrierten eine abgewogene Menge sowohl direkt als indirekt Normal 5 0 -Natronlauge oder Kalkwasser unter Anwendung von Phenolphtalein als Indikator. Da wahrscheinlich A kein voll- kommen einheitlicher Körper ist, erhielten wir bei den einzelnen mit *) Rothmund, Zeitschr. f. physik. Chemie 33, 401 (1900). ’=*) Abeg’g und Riesenfeld, ebenda 40, 84 (1902). ==) Biltz, ebenda 40, 185 (1902). Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 311 Versuchen keine so gute Übereinstimmung, zumal wir nur mit >) sehr geringen Substanzmengen arbeiten konnten (0,1 bis 0,2 g). Die folgende Tabelle giebt die Resultate. Jreihe I enthält die Nummer des Präparates, als Mittel aus mehreren Titrationen, Normal ’ 5 — -Lauge, die zur Neutrali- 10 sation von 19 lufttrockner Substanz verbraucht wurden, III den II die Anzahl Kubikcentimeter Gewichtsverlust in Prozenten beim Trocknen zwischen 98 und 100°, IV die auf Trockensubstanz berechnete Acidität, V die Anzahl : Normal N Be Kubikcentimeter 10° -Lauge, die zur Neutralisation von 1g ge- trockneter Substanz verbraucht wurde. I II IT IV V le S,1 1250 Br: 07. 9,1 10,6 9, 8,52 Ta. 9,5 10,1 3 9,0 19,4 , 10,3 10,5 Mittel: 10,4 Wie spätere Versuche gezeigt haben, giebt das Isokasein viel schwerer das mechanisch festgehaltene Wasser (Alkohol, Äther) ab als das Kasein, so dals an demselben Präparate zu verschiedenen Zeiten unternommene Trockenbestimmungen verschiedene Werte ergaben; es scheinen daher die in Reihe II und IV erhaltenen Zahlen wegen des wechselnden Wassergehaltes nicht ganz einwand- frei zu sein, sondern die unter Reihe V gewonnenen das richtige Basenbindungsvermögen von A auszudrücken. Die für ‚Phenolphtalein neutralen Lösungen des Isokaseins unterscheiden sich äulserlich beträchtlich von den neutralen Kasein- lösungen. Sie sind nämlich nicht wie diese opalescent, sondern klar, jedoch gelb gefärbt. Man mufls daher annehmen, dafs die Salze von A nicht oder nur sehr wenig hydrolytisch gespalten sind und nicht, wie die Kaseinlösungen, zum Teil die freie Säure als Hydrosol enthalten. In Übereinstimmung hiermit ergab sich, dafs die für Phenolphtalein neutralen Lösungen des Natriumsalzes auch für Lackmus neutral sind und dasselbe nicht blau färben. Die Lösungen der Baryum- und Calciumsalze sind ganz schwach opalescent und ergeben mit Lackmus Blaufärbung, Nina. _ -Säure verschwindet. Das Iso- kasein ist also eine stärkere Säure als Kasein, da es mit Natron- die jeooch bei Zusatz der ersten Tropfen lauge hydrolytisch gar nicht oder nur wenig gespaltene Salze bildet. Seine Salze mit schwächeren Basen dagegen (mit Baryum- oder 14* 913 E. Lagueur und O. Sackur, Calciumhydroxyd) sind merklich hydrolysiert, jedoch ebenfalls weniger als die entsprechenden Kaseinlösungen, wie sich aus der stärkeren Opalescenz und milchigen Farbe der letzteren ergiebt. Das Aquivalentgewicht des Isokaseins berechnet sich aus seinem Basenbindungsvermögen zu 962, da 1& Trockensubstanz BE Normal zur Neutralisation 10,4 ccm — — 10 etwas niedriger als das des Kaseins (1135). Sein Molekulargewicht ist also ein ganzes Vielfache hiervon, das wir ebenfalls aus dem -Lauge verbraucht; dasselbe ist Leitvermögen der reinen Natriumsalzlösungen zu bestimmen ver- suchten. Die Leitfähigkeitsmessungen wurden nach ganz derselben Methode wie bei den Kaseinsalzen bei 25° ausgeführt. In der ersten Reihe ist der Prozentgehalt der Lösung an Isokasein, in der zweiten die spezifische Leitfähigkeit % in reciproken Ohm, in der dritten die Verdünnung v in Äquivalenten Natrium, in der letzten das Äquivalentleitvermögen A enthalten. Prozent Isokasein z | © Al | 0,70 4,93.10 * | 137 | 67,5 0,35 2,69 | 274 74,0 0,175 I | 548 80,6 0,088 | 0,82 | 1096 39,2 Eine zweite Reihe ergab annähernd dieselben Resultate: Prozent Isokasein z (b) | A | 17 7. 91210=- 76 60,2 0,935 4,35 152 66,2 0,318 2,41 304 73,4 0,13 1.33 6083 80,9 0,107 0,95 912 86,6 Die Äquivalentleitfähigkeiten des Natriumsalzes des Isokaseins sind merklich höher als die der Kaseinsalze in den entsprechenden Konzentrationen. Da die relative Zunahme derselben mit der Ver- dünnung annähernd ebenso grols ist wie bei den Kaseinsalzen und sie sich nicht demselben Grenzwerte /, nähern, so wird die höhere Leitfähigkeit nicht durch einen grölseren Dissoziationsgrad, son- A un BE Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 913 dern möglicherweise durch die gröfsere Beweglichkeit des Anions bedingt sein. Da unser Körper A jedoch wohl kein chemisch einheitlicher Körper ist, so kann er neben den Beimengungen an ursprünglichem Kasein auch noch solche eines anderen, bei der Spaltung durch Hitze entstandenen, niedriger molekularen Körpers enthalten, dessen Anwesenheit das relativ hohe Leitvermögen er- klären könnte. Da die Zunahme der Äquivalentleitfähigkeit A mit der Ver- dünnung ganz ebenso grofs ist wie bei den Kaseinsalzlösungen, näm- lich etwa 10 Proz. bei Verdoppelung des Volumens, so scheint das Isokasein eine ebenso vielbasische Säure zu sein wie das Kasein und demnach ein annähernd ebenso hohes Molekulargewicht zu besitzen, also das Vier- bis Sechsfache von 982. Ein Diffusionsversuch durch Pergament bestätigte dieses hohe Molekulargewicht. Da nach mehreren Tagen im Dialysator kein Eiweils nachzuweisen war, so fehlt auch den neutralen Lösungen von Salzen des Isokaseins die Fähigkeit, durch Perga- ment zu diffundieren. Eine weitere Prüfung der ungefähren Grölse des Molekular- gewichts bietet nach unseren obigen Ausführungen die Messung der inneren Reibung seiner neutralen Lösungen, die ebenfalls auf dieselbe Weise wie bei Kasein bei 15° ausgeführt wurde. Die erste Reihe giebt wieder den Prozentgehalt der Lösung an Eiweils, die zweite den Äquivalentgehalt von Natrium n, die dritte die innere Reibung 7 — , die vierte die naeh der Arrhenius- schen Formel 7 — 4” berechnete Konstante log 4. Prozent Isokasein n N log A 1,14 0,01186 1,695 19,3 0,57 0,00593 1,372 | 23,0 0,46 0,00474 1,312 24,7 Die Arrheniussche Formel bestätigt sich für Lösungen von Isokasein also nicht, da die Grölse log A nicht konstant bleibt, sondern mit wachsender Verdünnung zunimmt. Vergleicht man die Werte der letzten Reihe mit den ent- sprechenden für Kasein, so sieht man, dafs sie höher sind und zwar besonders in den verdünnteren Lösungen, dafs also die Salze 214 E. Laqueur und O. Sackur, des Isokaseins eine noch höhere innere Reibung besitzen als die des Kaseins.. Demnach mülste man dem Isokasein ein noch höheres Molekulargewicht zuschreiben als dem Kasein, wenn nicht, wie oben ausgeführt, die Konzentration des wirklich gelösten Ei- weilses, in unserem Falle, also hauptsächlich der Eiweifsionen, nicht aber die gesamte Eiweilskonzentration für die Grölse der inneren Reibung malsgebend wäre. Da nun Isokasein eine stärkere Säure ist als Kasein, und die Lösungen seiner Salze weniger hy- drolysiert sind, so enthalten sie mehr Eiweilsionen als die ent- sprechenden Kaseinlösungen; dieser Unterschied wird nach dem Massenwirkungsgesetze um so grölser sein, je verdünnter die Lösungen sind, und thatsächlieh sind auch in unserem Falle die Unterschiede der inneren Reibung in den verdünntesten Lösungen am grölsten. Um diese Schlüsse einer weiteren Prüfung zu unterziehen, wurde wiederum die Änderung der inneren Reibung durch Zusatz von freiem Alkali und freier Säure gemessen. Es ergab sich: { Normalität des Normalität des Prozent Isokasein |, BER e ne y überschüssigen OH’ | überschüssigen H’ 0,46 an ar 1,312 0,46 0,005 en 1,410 0,46 en 0,002 1,120 Wiederum nimmt durch Zusatz von freien OH’-Ionen die innere Reibung zu, aber bedeutend weniger als in den ent- sprechenden Kaseinlösungen (vgl. S. 204), da infolge der viel geringeren Hydrolyse sich durch ihre Zurückdrängung die Kon- zentration der Ionen des Isokaseinsalzes nicht um so viel ver- mehren kann wie die der Ionen des Kaseins. Umgekehrt ist die Veränderung der inneren Reibung durch Zusatz von freien H-Ionen eine gröfsere, da im Verhältnis zur hinzugesetzten Salzsäure auch Isokasein eine relativ schwache, d. h. wenig dissoziierte Säure ist, daher durch diese aus seinen Salzen verdrängt wird und in den undissozierten Zustand übergeht. Auch bei diesem Eiweilskörper giebt uns also die innere Reibung ein aufserordentlich einfach auszuführendes Verfahren zur Erforschung der Konstitution seiner Salzlösungen. Wir haben also aus mehreren voneinander unabhängigen Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u, s. w. 215 physikalisch-chemischen Methoden gefolgert, dafs dem Isokasein annähernd dieselbe Molekulargröfse zukommt wie dem Kasein. Da es aber durch Abspaltung aus diesem entsteht — und zwar geht nach dem Trocknen zwischen 95 und 100° nur ungefähr ein Sechstel des Gewichtes des Kaseins mit Alkalien in Lösung —, so muls das Molekül des Isokaseins durch Aneinanderlagerung von Atomkomplexen entstehen, die von mehreren Kaseinmolekülen ab- gespalten sind. Ob diese Aneinanderlagerung, die wahrscheinlich durch An- hydridbildung bedingt ist, schon beim Behandeln der Trocken- substanz mit verdünnten Laugen oder erst beim Ausfällen des gelösten Körpers mit Essigsäure vor sich geht, läfst sich nach unseren bisherigen Versuchen nicht aussagen. Aufschlufs hierüber kann eine Untersuchung des Filtrates, das man beim Auflösen des getrockneten Kaseins erhält, ergeben. Zu diesem Zwecke wurde eine abgewogene Menge getrockneten Kaseins mit etwas weniger Natronlauge versetzt, als zu seiner Neutra- lisation notwendig war, die klare Lösung von der unlöslichen Gallerte abfiltriert, nach Zusatz von Phenolphtalein möglichst genau bis zur Neutralisation titriert und auf ein bestimmtes Volumen verdünnt. Dann wurden aliquote Teile dieser Lösung zur Messung der Leit- fähigkeit und der inneren Reibung verwandt. In einem dritten Teile der Lösung wurde der Gesamtstickstoff nach Kjeldahl bestimmt und aus diesem die Eiweilskonzentration der Lösung berechnet. Die Na- triumkonzentration war nicht bekannt, da ein Teil des zugesetzten Natriums noch im unlöslichen Körper B teils chemisch, teils mechanisch festgehalten wurde. Die Ergebnisse zweier Versuchsreihen waren folgende: Die erste Reihe enthält den Prozentgehalt der aus der ersten durch Verdünnung hergestellten Lösungen an Eiweils, die zweite die spezifischen Leitfähigkeiten %, die dritte die innere Reibung n bei 15°C. I. lccm der Lösung enthielt 0,6984mg N und somit 4,360 mg Isokasein. (Wie die unten angegebenen Analysen zeigen, enthält Iso- kasein 15,59 Proz. N auf Trockensubstanz berechnet.) Prozent Eiweils | 7 | n | | 0,436 18,02107°° | ‚1,098 0,218 | 705 | 1,052 0,109 3,75 I 0,055 1,93 Inge 216 E. Laqueur und ©. Sackur, II. 1cem der Lösung enthielt 0,880 mg N und somit: Prozent Eiweils % 7 0,542 13,9.10 * 1,131 0,271 7 1,074 0,136 I ArfoRe ze 0,068 9a] ur 0,034 1,20 en Die Resultate beider Versuchsreihen, die recht gut überein- stimmen, sind in vieler Beziehung sehr auffällig, zunächst was die Leitfähiekeit anbetrifft. Während (vgl. S. 212) eine neutrale Auflösung von Isokasein in Natronlauge, die 0,70 Proz. Eiweils enthält, eine spezifische Leitfähigkeit von # — 4,93.10”* besitzt, leitet eine Lösung von noch nicht ausgefälltem Isokasein, die nur 0,456 Proz. Eiweils enthält, den elektrischen Strom fast dreimal so gut. Es müssen daher in der ersten Auflösung des getrockneten Kaseins, bezw. in dem ersten Filtrat des unlöslichen Körpers 5 auflser dem durch Essigsäure fällbaren Isokasein noch andere Elektrolyte gelöst sein, die ebenfalls durch Spaltung des Kaseinmoleküls entstanden sind. Als einen derselben gelang es uns phosphorsaures Natrium nach- zuweisen. Fällt man nämlich aus diesem ersten Filtrat das Eiweils mit Essigsäure, so erhält man durch Hinzufügen der gebräuch- lichen Maenesiamischung eine feine Fällunge, die sich nach Auf- lösen in Salzsäure durch Ammoniummolybdat in salpetersaurer Lösung als gelber Niederschlag absetzt; dadurch ist das Vor- handensein von HPO,-Ionen in dem Filtrat bewiesen. Zu dem gleichen Schlusse zwingen uns die weiter unten angegebenen Ana- lysenzahlen der beiden Spaltungsprodukte. Ob aufser der Phosphor- säure noch andere anorganische oder organische Stoffe aus dem Kaseinmolekül nach dem Trocknen durch verdünnte Natronlauge abgespalten werden, konnten wir nicht entscheiden. Ferner ist es auffällig, dafs die spezifischen Leitfähigkeiten der Lösungen angenähert proportional mit der Verdünnung abnehmen, dafs also die ihnen entsprechenden Äquivalentleitfähigkeiten, deren absolute Gröfse man aus Unkenntnis der Natriumkonzentrationen nicht berechnen kann, nur wenig mit der Verdünnung wachsen und sich deutlich ihrem Grenzwerte nähern. Da aber das Leit- vermögen dieser Lösungen zum Teil durch das Vorhandensein des phosphorsauren Salzes bedingt ist, wäre es unstatthaft, aus ihm Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. DT einen Schluls auf die Wertigkeit des Eiweilsanions und somit auf seine Molekulargröfse ziehen zu wollen. Dagegen gestattet dies die auffällig geringe innere Reibung der Lösungen. Während eine 0,46 proz. Lösung des mit Essigsäure gefällten Isokaseins eine innere Reibung von 1,312 besitzt, beträgt sie in dem an Eiweils konzentrierteren ersten Filtrat der Auf- lösung des getrockneten Kaseins nur 1,131. In dieser Lösung scheint also das Eiweils eine andere Molekulargröfse zu besitzen als nach dem Ausfällen und Wiederauflösen, da ja die Anwesen- heit des sehr verdünnten phosphorsauren Salzes die innere Reibung kaum beeinflufst. Dies konnte sich möglicherweise auch in den Fällungsgrenzen mit Ammonsulfat zeigen, was auch thatsächlich der Fall war. Während die obere Fällungsgrenze für die Lösung des aus- gefällten und gereinigten Isokaseins nach der Hofmeisterschen Bezeichnungsweise bei 4,0 ccm (vgl. S. 17) liest, liest sie für die des noch nicht gefällten erst bei 4,5 ccm. Hieraus folgt, dafs der noch nicht gefällte Eiweilskörper sich schwerer aussalzen läfst als das durch Essigsäure gefällte Isokasein, eine Thatsache, die in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der inneren heibung steht und für ein kleineres Molekulargewicht sprechen kann. Die Aneinanderlagerung der verschiedenen aus dem Kasein nach dem Trocknen durch Behandlung mit verdünnten Alkalien absespaltenen Atomkomplexe zu dem Molekül, das wir mit Iso- kasein bezeichnen, scheint also wenigstens zum Teil erst beim Aus- fällen mit Essigsäure stattzufinden. Löslichkeit. Die Löslichkeit des Isokaseins wurde in gleicher Weise wie beim Kasein (vgl. S. 196) zu bestimmen versucht. Wir konnten auch hier mit unseren Methoden keine Löslichkeit in reinem Wasser nachweisen. Eiweilsreaktionen. Isokasein giebt dieselben Reaktionen wie Kasein. Es bildet mit Schwermetallen unlösliche Salze (vgl. S. 209, Fällung durch Zinksulfat). Es wird durch Mineralsäuren und Essigsäure aus seinen Lösungen ausgefällt, desgleichen mit Phosphorwolframsäure in salzsaurer Lösung. Es giebt die Farbenreaktionen nach Millon, 218 E. Laqueur und O. Sackur, Adamkiewicz*), Liebermann**) die Biuret- und Xanthoprotein- probe; die Schwefelbleireaktion giebt es gar nicht, während das Kasein diese doch angedeutet erkennen lälst, die Probe nach Molisch ***) ebenfalls schwach, doch vielleicht etwas deutlicher als Kasein. Die Übereinstimmung der eben erwähnten Reaktionen mit denen von Kasein weist also darauf hin, dafs wesentliche Gruppen in beiden Körpern nicht verschieden sein können. Gerinnung. Bei der Gerinnung zeigen sich dagegen wieder wesentliche Differenzen. 0,3 & Kasein verschiedener Darstellung wurden in 10Ocem filtrier- ten Kalkwassers gelöst; nach Zusatz von 2,35 cem Phosphorsäure (20 off.:1000) gerann die Lösung durch wenig Lab (Kälbermagen) momentan, das Filtrat war vollkommen klar. Wurde Isokasein in derselben Weise behandelt, so gerann es zunächst überhaupt nicht; erst nach mehreren Stunden war ein Niederschlag zu sehen, während das Filtrat stark trübe war, auch wenn man grölsere Mengen Lab zur Gerinnung anwendete. Diese Erscheinung spricht dafür, dals dem Isokasein noch geringe Spuren von Kasein beigemengt sind, die die verspätete Gerinnung verursachen. Auch die deutliche Zunahme der Opales- cenz, welche wir, wie nachträglich bemerkt sein möge, beim Aus- salzen des Isokaseins durch Ammoniumsulfat zwischen 2,4 und 2,6ccm wahrnahmen, läfst sich durch diese Annahme erklären. Wasser- und Aschegehalt. Ebenso wie Kasein verliert das mit Alkohol und Äther ge- trocknete Isokasein beim Trocknen bei 100° bis zur Gewichts- konstanz zwischen 8 und 12 Proz. seines Gewichtes. Der Asche- gehalt war von gleicher Gröfse wie beim Kasein, 1,4 Proz. im Durchschnitt. Zur Kontrolle dieser Bestimmung und zur Prüfung der Reinheit unserer Kaseinpräparate untersuchten wir von jedem derselben den Aschegehalt. Hierbei ergaben sich die niedrigen Zahlen 0,25 bis 0,7 Proz., die wir für reines Kasein in der Litteratur angegeben *) A. Adamkiewicz, Pflügers Archiv für die gesamte Physio- logie 9 (1874). **) 1. Liebermann, Zentralblatt für die medizinischen Wissen- schaften 1837. ***) A. Molisch, Monatshefte für Chemie 7 (1888). Uber die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 219 fanden, nur, wenn wir die Substanz von der langsamen Ver- kohlung bis zum starken Glühen während der ganzen Dauer der Bestimmung in demselben Tiegel glühten. Bei dieser Methode gehen aber Aschebestandteile, die von Alkalien gebildet werden, verloren. Wir zogen darum ein genaueres Verfahren vor: Wir verkohlten die Substanz langsam, nahmen die Kohle auf dem Wasserbade mit kochendem Wasser auf und filtrierten durch ein asche- freies Filter; nach dem Trocknen des Filters glühten wir den Tiegel bis zum völligen Verschwinden der Kohle unter Hinzufügen von kleinen Mengen Ammoniumnitrat und dampften dann erst das Filtrat, die löslichen Alkalisalze enthaltend, in dem Tiegel ein. Dabei ergaben sich für das Kasein, sowohl für selbst dargestelltes (nach der Hammarsten- schen Methode mit nochmaligem Lösen in Ammoniak und Ausfällen durch Essigsäure) wie für das Mercksche und Höchster Kasein, Werte von 1,3 bis 1,4 Proz. Obwohl nicht das Gesamtgewicht der Asche als Verunreinigung aufzufassen, sondern sicherlich ein nicht unbeträchtlicher Teil der- selben auf Rechnung der beim Glühen aus dem Eiweilsmolekül entstehenden Schwefel- und Phosphorsäure zu setzen ist, so haben wir uns doch bei Berechnung der Analysen dem üblichen Ver- fahren, sie auf aschefreie Substanz zu berechnen, angeschlossen, sofern wir nicht wie bei Körper B ein wirkliches Salz vor uns hatten. Das Isokasein ist kein Alkalisalz. Denn das durch Behandeln des getrockneten Kaseins mit Calcium- oder Baryumhydroxyd aus- gefällte, mit Essigsäure dargestellte Präparat gab nach Auflösen in konzentrierter Salpetersäure keine Caleium- oder Baryumreaktion. Analysen. Der Stickstoff wurde nach der Kjeldahlschen Methode bestimmt. Als Mittel von je zwei oder drei Bestimmungen ergab sich für Iso- kasein: 1. dargestellt durch Lösen des getrockneten Kaseins in Ammoniak. ..... 1555,07 . dargestellt durch Lösen des enackrelen Knseinse in, Natronlauge u... 0.02 2..15635, 3. dargestellt wie 2 .. rer 19:60 Also enthielt Isokasein 15, 59 ide N, auf aschefreie Substanz berechnet .. .... 1580 „ N Für selbst dargestelltes Kasein hatten wir gefunden: als? Mittel’ aus 4 Bestimmungen '....2... 153%, auf aschefreie Substanz berechnet ..... 12545 „ N Für Höchster Kasein gleichfalls als Mittel von 4 Bestimmungen ...... 15297 „ auf aschefreie Substanz berechnet . . ... 15,48 23930 E. Laqueur und O. Sackur, Die Schwefelbestimmungen wurden nach der Methode von Asboth*) ausgeführt. Es ergab sich für Isokasein im Mittel . . 0,764 Proz. auf aschefreie Substanz berechnet. .... . . 0,74 „ nach derselben Methode für Kasein im Mittelt. 2 e auf aschefreie Substanz berechnet . .... 0,7 „ Der Phosphor wurde nach der Methode von A. Neumann“*) bestimmt. Es ergab sich für Isokasein im Mittel . . 0,724 Proz. auf aschefreie Substanz berechnet . . ... 0084 „ für Kasein N... a a ON En auf aschefreie Substanz berechnet ..... 002 „ Über das Natriumkaseid (Körper B). Wie schon oben kurz erwähnt, gewannen wir B, indem wir ge- trocknetes Kasein mit einer mehr als seiner Acidität entsprechenden Menge Lauge behandelten. Der entsprechende unlösliche Körper war mehr oder weniger gallertig, desto mehr sich einem festen Zustande nähernd, bei je höherer Temperatur (bis 107°) und je längere Zeit (bis 96 Stunden) das Kasein getrocknet worden war. Der Rückstand wurde dann oft dekantiert und endlich durch Be- handeln mit grofsen Mengen Alkohol und Äther als feines, stau- biges, meist gelbliches Pulver gewonnen. Körper B ist ein Alkalialbuminat, d. h. eine unlösliche Verbindung eines Eiweilsradikals „Kaseid“ mit einem Alkalimetall. Hierfür sprach zunächst, dafs zur Ausfällung des Isokaseins aus der bei Behandeln des getrockneten Kaseins mit Laugen erhaltenen Lösung nur etwa !/, bis !/, der Säure erforderlich war, welche sich aus der Acidität des getrockneten Kaseins berechnen lie[s; es war also ein Teil des Metalls der Lauge von dem galler- tigen Niederschlage gebunden worden. Ferner war sehr be- merkenswert, dals sich dieser schnell und in ziemlich fester Kon- sistenz absetzte, wenn statt der meist angewandten Natronlauge oder Ammoniak Caleium- oder Baryumhydroxyd zum Auflösen des getrockneten Kaseins verwandt wurde; dies findet leicht in dem höheren spezifischen Gewichte der Metalle der beiden letzten Basen eine Erklärung. Löst man das auf diese Weise dargestellte Kaseid in kon- *) Vergl. A. Düring, Über Schwefelbestimmung u. s. w., Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, 281 (1896). **) Arch. f. Anatom. u. Physiol. Physiol. Abteilung 1900, S. 159. Uber die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 922] zentrierter Salpetersäure und verdünnt mit Wasser, so fällt ein nunmehr in Alkalien leicht löslicher Körper aus, dessen Lösung mit Ammoniumoxalat, beziehungsweise -sulfat deutliche Caleium- beziehungsweise’ Baryumreaktion zeigt. Dieser Versuch beweist die salzartige Natur des Körpers B. In einem durch Behandeln des getrockneten Kaseins mit Natronlauge dargestellten Präparat wurde das Natrium quantitativ bestimmt. Die Substanz wurde vorsichtig verkohlt, mit Schwefelsäure aus- gelaugt, das Filtrat eingedampft und das Natrium als Sulfat gewogen. Es ergab sich ein Gehalt von 1,8 Proz. Na. Löslichkeit und Hydrolyse. Die Löslichkeit des Natriumkaseids in reinem Wasser ist ebenso wenig wie die des Kaseins oder des Isokaseins der Messung zugänglich. “ Jedoch mufs sie vorhanden sein, da B durch Wasser hydro- lytisch gespalten wird. Wir hatten, wie bereits oben erwähnt (S. 207), bei Darstellung von B die Präparate so lange dekantiert, bis ihre Aufschwemmung phenolphtaleinhaltiges Wasser rot färbte, da wir dies als ein Zeichen der "Reinheit der Präparate, d. h. ihrer Freiheit von mechanisch festgehaltenem Kasein oder Isokasein ansahen; denn solange noch einer dieser sauren Körper vorhanden ist, nimmt er natürlich frei werdendes Alkali für sich in Beschlag und ver- hindert so eine Rötung des Phenolphtaleins.s Um nun anderseits zu beweisen, dafs,die Färbung der Aufschwemmung von B nicht etwa durch mechanisch festgehaltene Natronlauge, was nach dem Behandeln mit Wasser und Alkohol recht unwahrscheinlich war, sondern durch wirklich infolge der Hydrolyse freiwerdende Natron- lauge zustande kommt, stellten wir folgenden Versuch an. Das Natriumkaseid wurde mit Alkoho] etwa eine Stunde gekocht, der Alkohol abäiltriert, im Becherglase eingedampft und der geringe Rückstand in Wasser gelöst. Dieses blieb nach Zusatz von Phenoi- phtalein farblos. Hinzuzufügen ist noch, dafs die Hydrolyse durch die kleinsten Mengen starker Säuren sofort zurückgedrängt wird, dafs also die Rötung des Wassers beim ersten Tropfen verschwindet. Eiweilsreaktionen. Das Natriumkaseid giebt dieselben Farbreaktionen wie Kasein und Isokasein, jedoch im Gegensatz zu ersteren die Schwefelblei- reaktion sehr deutlich- 222 E. Laqueur und 0. Sackur, Wasser- und Aschegehalt. Die Gewichtsabnahme, beim Trocknen des Natriumkaseids betrug ebenso wie beim Kasein und Isokasein 7 bis 12 Proz. Die Asche wurde nach der oben beschriebenen Methode (S. 219) be- stimmt. Bei einem durch Behandeln mit Kalkwasser dargestellten Präparat war nach dem Auslaugen der verkohlten Substanz das Filtrat stark alkalisch und zeigte Schwefelsäure-, Phosphorsäure- und Calciumreaktionen. Die Gesamtasche betrug bei mehreren durch Behandeln des getrockneten Kaseins mit Natronlauge oder Kalkwasser dasgestellten Präparaten 3,2 bis 4,1 Proz. Analysen. Die Analysen wurden nach den oben ausgeführten Methoden unternommen. Der Stickstoffgehalt wurde entweder aus einer oder als Mittel aus zwei Analysen bestimmt. B. 14.77 Proz. N B, 15,54 Proz.N Ina ke als Mittel aus B;. 14,727. EN URS B5 49.0407, SaNn 4 3 ‘ je eine Analyse B. 1550 x | je wei Analysen B,152 „N | BE ER B,. 15,35%, HN) Mittel aus allen Bestimmungen: 15,09 Proz. N. Die Verschiedenheit des Stickstoffgehaltes der einzelnen Präparate ist nicht so bedeutend, dals wir auch Bedenken gegenüber der Einheit- lichkeit des Körpers BD haben mülsten. Der Schwefelgehalt betrug als Mittel aus zwei Bestimmungen: 0,753 Proz. Der Phosphorgehalt ergab als Mittel aus £ übereinstimmenden Bestimmungen aus zwei Präparaten 0,586 Proz. Ein mit einem dritten Präparat erhaltener Wert von 0,455 ist offenbar als fehlerhaft auszu- schlielsen. Eine Zusammenstellung der Analysen ergiebt folgende Tabelle: IE ee | s Na Bann | 15,80 074 | 074 ie Natriumkaseid . . . . . | 15,09 0,586 0,753 1,8 Kasse 15,48 0,772 0,757 a Die Unterschiede der drei Eiweilskörper im Schwefelgehalt sind sehr gering, etwas grölser im Stickstoffgehal. Am auf- fälligsten ist der sehr geringe Gehalt des Natriumkaseids an Phosphor. Die Differenz mit Kasein erklärt sich durch die Ab- spaltung von Phosphorsäure, welche nach Behandeln des getrock- neten Kaseins mit Alkalien in der Lösung nachgewiesen wurde (siehe Über die Säureeigenschaften und das Molekulargewicht u. s. w. 223 oben 8. 216). Auch Bechamp (. ec.) hat nach einer kurzen Er- wähnung den durch Trocknen bei 140° erhaltenen unlöslichen Körper an Phosphor und Stickstoff ärmer gefunden als Kasein. Spaltung anderer Kaseine durch Trocknen. Diese hier vom Kuhkasein ausführlich beschriebene Spaltung durch Trocknen zwischen 98 und 100° und Behandeln mit ver- dünnten Laugen zeigte auch von uns selbst dargestelltes Ziegen- kasein und das von Herrn Professor Röhmann dargestellte und uns überlassene Frauenkasein. Wurden diese beiden Kaseine in verdünnten Laugen nach dem Trocknen zu lösen versucht, so ver- wandelte sich ebenfalls der Hauptteil in unlösliche Gallerte, während aus dem klaren Filtrat ein Eiweilskörper durch verdünnte Säuren ausgefällt werden konnte. Auf diese Spaltungsprodukte näher einzugehen war uns leider nicht möglich. Wir haben nachgewiesen, dafs die Kaseine beim Trocknen bei 100° eine tief greifende Veränderung erleiden; man kann da- her den hierbei eintretenden Gewichtsverlust nicht lediglich auf Rechnung des mechanisch gebundenen Wassers setzen, sondern muls eine 'chemische Veränderung, etwa eine innere Anhydrid- bildung annehmen. Ähnliches ist möglicherweise auch bei anderen Eiweilskörpern der Fall, und der Satz Cohnheims: In trockenem Zustande vertragen die Eiweilskörper höhere Hitzegrade, bis zu 110 und 150°, darf nur mit Vorbehalt angenommen werden. Auch die übliche Berechnung aller an Eiweilspräparaten erhaltenen Ana- lysenzahlen (bes. H) auf Trockensubstanz, wenn die Trocknung bei Temperaturen über 90° stattfindet, kann uicht ohne weiteres als ‚berechtigt anerkannt werden; es muls für jeden einzelnen Fall nachgewiesen werden, dals der Eiweilskörper beim Trocknen keine Veränderung erlitten hat. Zusammenfassung. Kuhkasein hat in reinem Wasser keine me[sbare Löslichkeit. Aus den für Phenolphtalein neutralen Alkali- und Erdalkali- salzen berechnet sich sein Äquivalentgewicht zu 1135; aus der Veränderung der Aquivalentleitfähigkeit dieser Alkalisalze mit der Verdünnung sein Molekulargewicht als das Vier- bis Sechs- fache davon. Die Salze des Kaseins sind hydrolytisch gespalten. Dies wird bewiesen durch die optischen Eigenschaften der Lösung, 994 _E. Laqueur und O. Sackur, Über die Säureeigenschaften u. s. w. durch die Abhängigkeit des für Lackmus, Lackmoid und Ähnliche Indikatoren neutralen Punktes von der Konzentration und durch die grolse Abhängigkeit der inneren Reibung von geringen Mengen freier Säure und freien Alkalien. Die grofse innere Reibung der Kaseinsalzlösungen ist vornehmlich bedingt durch die Konzentration der Kaseinionen. Das bei 100° getrocknete Kasein wird durch verdünnte Laugen in zwei Körper gespalten, von denen der eine in diesen unlöslich ist („Kaseid“) und eine Verbindung eines Eiweilsradikals mit dem ‘ Metall der entsprechenden Lauge darstellt („Natriumkaseid“). Der andere in Alkalien lösliche (Isokasein) ist ein dem Kasein äbn- licher Körper mit annähernd gleichem Molekulargewicht, jedoch stärkerem Säurecharakter. Seine Verschiedenheit vom Kasein wird bewiesen durch die höheren Fällungsgrenzen, die anderen physi- kalisch-chemischen Eigenschaften *) seiner Lösungen (höhere Aqui- valentleitfähigkeit, grölsere innere Reibung, klare Löslichkeit) und den höheren Stickstoffgehalt. Ziegen- und Frauenkasein erleiden ebenfalls durch Trocknen und Behandeln mit Laugen eine Spaltung, die der am Kuhkasein beobachteten anscheinend ähnlich ist. Die weitere Untersuchung mülste ergeben, ob diese beiden von uns Isokasein und Natriumkaseid genannten Eiweilskörper vollkommen einheitlich sind, beziehungsweise unter welchen Um- ständen Kasein getrocknet werden muls, um beim Behandeln mit Laugen in einheitliche Spaltungsprodukte zu zerfallen; ferner, wie sich diese zu den Spaltungsprodukten der anderen Kaseine ver- halten. *) An dieser Stelle wollen wir nicht verfehlen darauf hinzuweisen, dals die physikalisch-chemischen Methoden (Leitfähigkeit, innere Reibung) viel bequemer auszuführen und weniger zeitraubend sind als die chemischen Analysen, und, wie das Beispiel des Isokaseins zeigt, bei nahezu gleicher chemischer Zusammensetzung zweier Körper doch ihre Verschiedenheit sicher festzustellen gestatten. Hierin liegt ihre Bedeutung zur Charakterisierung von Eiweilskörpern. Breslau, Juli 1902. X. Untersuchungen über physikalische Zustands- änderungen der Kolloide. Zweite Mitteilung. Verhalten der Eiweiflskörper gegen Elektrolyte. Von Dozent Dr. Wolfgang Pauli. (Ausgeführt mit Unterstützung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.) (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien, Vorstand: Professor R. Paltauf.) Die durch Elektrolyte in Eiweilslösungen hervorgerufenen Zustandsänderungen sind verschieden, je nachdem es sich um die Einwirkung von Salzen, Säuren oder Basen handelt. In den fol- genden Untersuchungen wurden zunächst die von den Salzen ein- geleiteten Veränderungen nach ihrer physikalisch-chemischen Seite berücksichtigt, weil dieselben wegen der mangelnden Komplizierung mit sekundären chemischen Reaktionen für das Studium einfachere und übersichtlichere Verhältnisse bieten. Unter den Zustandsänderungen der organischen Kolloide, die sämtlich ein mehr oder minder labiles und reaktionsfähiges Ma- terial bilden, werden mit gutem Rechte die vollständig reversiblen als Ausdruck einer wenig tief greifenden chemischen Alteration betrachtet. Von diesem Gesichtspunkte aus lassen sich die Salze hinsichtlich ihrer Wirkungen auf gelöstes Eiweils ungezwungen in zwei grolse Gruppen scheiden, die Neutralsalze der Alkalimetalle (und des Maenesium) und die der Schwermetalle Die von den ersteren erzeugten Fällungen sind im allgemeinen reversibel, sie werden durch Konzentrationsverminderung des fällenden Salzes (Dialyse oder Verdünnung) zurückgebildet, ein Merkmal, welches in dieser Weise den Schwermetallfällungen nicht zukommt. Es sollen zunächst die Einwirkungen der Alkali- und Schwer- metallsalze getrennt behandelt und erst zum Schlusse die Be- ziehungen derselben ausgeführt werden. Sämtliche Versuche wurden aus Gründen, die ich schon in früheren Abhandlungen ausgeführt habe, vorläufig an den nativen Eiweilskörpern des Eierklars vorgenommen. Die Neutralsalze der Alkalimetalle, soweit dieselben Eiweils Beitr. z. chem. Physiologie. III. 15 296 Wolfgang Pauli, fällen, haben seit den grundlegenden Forschungen Hofmeisters über die Salzwirkung eine immer zunehmende Bedeutung für die Trennung und Charakterisierung der Proteinsubstanzen und ihrer nächsten Abkömmlinge erlangt und für das Studium fundamentaler biologischer Vorgänge wie Eiweilsabbau, Immunisation (E. P. Pick) unschätzbare Dienste geleistet. Demgegenüber ist die Einsicht in das Wesen der von denselben hervorgerufenen kolloidalen Zu- standsänderungen nur langsam fortgeschritten. Jeder Versuch, über die Wirkung gelöster Salze Näheres zu erfahren, muls vor allem darauf gerichtet sein, den Anteil der elektrisch neutralen Moleküle und der Ionen an derselben festzustellen und bei den letzteren den Effekt, welcher dem Anion und Kation zukommt, abzugrenzen. Eine Theorie, welche die Beziehungen von Eiweils und Salzen in einer Lösung umfassen soll, hat notwendigerweise nicht nur die Verhältnisse bei der festen Abscheidung von Eiweils zu berück- sichtigen, sondern auch alle jene zahlreichen Fälle aufzuklären, in welcheu unter keinen Umständen eine Zustandsänderung des gleich- zeitig in Lösung vorhandenen Eiweils wahrnehmbar wird. Der Um- stand, dafs bislang vorwiegend die eiweilsfällenden Salze ins Auge gefalst wurden, hat die Erkenntnis der im Grunde einfachen Gesetz- mälsigkeiten, welche die Wechselwirkungen von Eiweils und Salzen beherrschen, verhindert. In der That konnten die Hauptsätze einer solchen Theorie aus grolsenteils schon bekannten Thatsachen fertig abgeleitet werden und die meisten der im folgenden mitgeteilten ‘Versuche ergaben sich als unmittelbare Konsequenzen derselben. Für die Darstellung wurde jedoch im Interesse der Einheitlichkeit und Eindringlichkeit der Beweisführung der Weg vorgezogen, zu- nächst sämtliche wesentlichen Versuche anzuführen und, auf die- selben gestützt, die Gesetze der Salzwirkung abzuleiten. Versuche. In methodischer Hinsicht wäre vorauszuschicken, dafs ein wie bei den früheren Untersuchungen!) von allen faserigen Beimengungen gereinigtes, vollständig klares Hühnereiweils zur Anwendung kam, von welchem stets 2ccm dem bereit gestellten Salzgemisch zu- gesetzt wurden. Da es sich in den Versuchen um das Zusammen- wirken von Elektrolyten in mehr oder minder grofsen Mengen handelte, war die Frage zu entscheiden, ob sämtliche Versuche bei konstantem Gesamtvolumen oder konstanter Menge Lösungs- mittel anzustellen seien. Die Antwort konnte nur in dem Sinne lauten, dals in jeder Versuchsreihe das Lösungsmittel in kon- Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 997 stanter *) Menge genommen werden müsse, da dessen wechselnde Verringerung unter Wahrung desselben Gesamtvolums sowohl für die Salzlöslichkeit als auch für die Eiweilsfällung gegenüber der eigentlichen Salzwirkung ausschlaggebend wird. Dadurch können die Resultate verdeckt und die Versuchsgrenzen eingeengt werden. Gegenüber diesen Nachteilen konnte die unvermeidbare geringe Änderung der Niederschlagsdichte durch dessen Verteilung auf einen grölseren Raum nicht in Betracht kommen. Übrigens waren die durch verschiedene Salze hervorgerufenen Volums- änderungen in vielen Fällen von annähernd gleicher Grölse, und die Ergebnisse solcher Versuche standen in trefflicher Übereinstimmung mit den Fällen, wo Abweichungen merklich wurden. Der Einflufs dieser Umstände liefs sich auch durch entsprechende Variation der Versuche eliminieren und findet bei der Zusammenfassung derselben noch nähere Berücksichtigung. In manchen Experimenten, bei welchen das eine Salz in derselben Menge eingetragen wurde, wäh- rend das zweite in der Konzentration wechselte, konnte ein Mittelweg eingeschlagen werden. Es wurde nämlich das erste Salz zu einer hoch- gesättigten Normallösung gelöst und je ein gleicher Raumteil der- selben allen Proben zugesetzt, während das variierende Salz abge- wogen in die Versuchslösung eingebracht wurde. Auch hier traten die erwarteten Gesetzmälsigkeiten mit grolser Deutlichkeit zu Tage- Auf eine gerade für die Fällung durch die neutralen Alkali- salze erfahrungsgemäls wenig belangvolle Änderung der natürlichen Reaktion der Eiweifslösung durch Zusätze von schwachen Säuren oder sauren Salzen wurde verzichtet. Dies konnte um so eher ge- schehen, als wir durch die Ausführungen Friedenthals 2), welche auf der modernen Theorie der Farbstoffindikatoren basieren, wissen, dals das Eierklar normalerweise gegen Phenolphtalein neutral reagiert und nur infolge der willkürlichen Verwendung des Lack- musindikators als alkalische Flüssigkeit gilt. Die angegebenen Kon- zentrationen der Salze entsprechen Äquivalent-Normallösungen. Sämtliche Versuche, in welchen die möglichen Kombinationen von Salzen ein- und mehrwertiger Säuren und verschieden- wie ge- meinioniger Elektrolyte berücksichtigt sind, wurden thunlichst so ein- gerichtet, dafs die resultierenden Trübungen in der Nähe der Fällungs- grenze liegen, um die Differenzen deutlicher erkennbar zu machen. Sie zerfallen in zwei Gruppen, I. Zusammenwirken von fällenden Elektrolyten, II. von fällenden mit nicht fällenden Elektrolyten. *) Es bestand in der Regel aus Scem Wasser und 2cem Eiweilslösung. Das Krystallwasser wurde stets berücksichtigt. 15* 298 Wolfgang Pauli, 1. Kombinationen fällender Elektrolyte. a) KCl bezw. NaCl + NaC,H,O,. Zustandsänderung*) Zustandsänderung Salze a - Salze a sofort | nach 24h sofort |nach 24h 18 Tr : sehr zarte ; sehr zarte 5 = klar he N we klar Trübung 3 feinste ä h n =, wasser- Opa- & 2 sehr zarte Ei klar | lescenz klar | Trübung we 9. sehr feine 1,00 ey wasser- | sehr feine | 1,00 NaCl — se Trübung 1,50 Natrium- klar Trübung | 1,5 Natrium- acetat acetat 4. 10. Fa 2,00 KCl + wasser- zarte 2,00 NaCl + |sehr zarte milchige 1,5 Natrium- klar Trübung | 1,5 Natrium- | Trübung Trübung acetat acetat 5: 18 3,00 KCIl + zarte 3,00 NaCl + | sehr zarte zarte 1,00 Natrium- ala: Trübung | 1,00 Natrium- | Trübung | Trübung acetat acetat 6. in 12. zarte 300 Kell ne ns milehige | 3,00 NaCl + || Trübung | milchige 1,50 Natrium- || _Cne | Trübung | 1,5 Natrium- stärker | Trübung Trübung f acetat _ acetat als 11 Von Kalium- und Natriumehlorid wurden die entsprechenden Volumina einer 4,5 Normallösung, von Natriumacetat die betreffenden Mengen in Sub- stanz zugesetzt. Die Versuche zeigen, dals es durch Kombination der zwei fällenden Sazle einbasischer Säuren, Kaliumchlorid oder Kochsalz, mit Natriumacetat möglich ist, Fällungen zu erzielen, selbst wenn jedes einzelne der Salze unter seinem Fällungswerte gelegen ist. Es tritt also eine Summierung der Wirkungen ein, wobei der Bei- trag jedes einzelnen Salzes zum Gesamteffekt mit dessen Konzen- tration und dem spezifischen Fällungswerte wächst. (Die Acetate erscheinen etwas wirksamer als die Chloride.) Verwendet man statt des verschiedenionigen Chlorkaliums das Natriumchlorid in Kom- bination mit Natriumacetat, so tritt nur eine kaum merkliche Ver- stärkung des fällenden Effektes zu Tage. *) Es kam in den vorliegenden Versuchen nicht auf absolute Messung von Dichtigkeitsunterschieden, sondern auf die einem jeden Beobachter mögliche Wahr- nehmung deutlicher Niederschlagsdifferenzen an. Die Skala der in den Tabellen ge- wählten Bezeichnungen wäre etwa: wasserklar, klar, Opalescenz, sehr zarte (feine) Trübung, zarte T., fein-milchige T., milchige T., dicke Fällung. b) MgSO, + NaCl. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 229 Zustandsänderung ı Zustandsänderung Salze b = : Salze b J un sofort nach 24h sofort nach 24h 1. une 6. MeSO, taken ae 2,00 MgSO, + nung milchi ge 2,5 (dichter 3,5 NaCl wie 9 Trübung als 4) M Es sehr zarte | milchige {% t en a Fe 11 URS) ie us milchige zu) se 1,00 Na a ubune, Trübung 28 a Trübung BR NaCl Er zarte Opa- = etwas milchige 35 % lescenz | 3? MgSO, + dichter | Trübung , 1,5 NaCl a wie 2 4. Nacl zarteOpa- sehr zarte 9. Trübune opake 4.00 lescenz | Trübung 25 MgS0O, + | dichter milchige 2,00 NaCl als 8 Trübung 5. hr zarte te 1,00 M&80 er 35 N cl T Trübung | Trübung ’ Magnesiumsulfat wurde in entsprechenden Quantitäten einer 4,5 Normal» lösung, das Kochsalz in Substanz gewogen zugesetzt. Auch in dieser Kombination eines fällenden Salzes einer zwei- basischen mit einem ebensolchen einer einbasischen Säure zeigt sich die Summierung des Fällungseffektes der Komponenten, wobei das Überwiegen des stärker fällenden Magnesiumsulfats über Chlor- natrium in allen Versuchen deutlich ist. So ist nicht nur die Wirkung von 2,5 MgSO, + 2,00 NaCl, sondern auch die von 2,5 M&SO, im Vereine mit 1,5 und selbst 1,00 NaCl und endlich die von 3,00 MgSO, allein deutlich überlegen dem Fällungs- vermögen von 1,00 MeSO, + 3,5 NaCl. 230 Wolfgang Pauli, c) (NH,),SO + NaC,H,0,. Zustandsänderung Zustandsänderung Salze c Salze d sofort nach 24h sofort |nach 24h il, h ; fein- IL, fein- (NH,),SO, N milchige | Kaliumtartrat | _ zere milchige 2,8 num Trübung 2,00 Iaiisunz Trübung 2. a 2) Natriumacetat klar n 3% au 1,5 Kalium- |feineOpa- | zarte 2,5 Albming tartrat + lescenz | Trübung \ 0,5 (NH,),80, 2,00 (NH,),SO, | sehr zarte a 3. sehr feine +1,00 Natrium- || Trübung an Sr 1,00 Kahum- Opa- sehr zarte acetat Snaune tartrat + lesceenz Trübung H 1,00 (NH,),SO, | (fast klar) 2,00 (NH,),SO, zarte milchige 4. fein- chic + 1,5 Natrium- | Trübung Trübung | Kaliumtartrat || milchige ne Haie acetat 2.5 Trübung | "uns 5. kei 1,5 Kalium- zarte ee tartrat + Trübung = gr Se 1,00 (NH,),SO, ee) 6 sehr zarte fein- i f Trübung | milchige nn lu (etwas | Trübung 3 a u 0 stärker (etwas 15 (NH,),.S0, als d,) stärker als d,) Ammonsulfat wurde einer 5fach-Normallösung entnommen, die anderen Salze in Substanz zugesetzt. Versuch ec illustriert wie die früheren die Summierung nach dem Fällungswerte der Komponenten. Versuch d zerfällt in zwei Gruppen von den konstanten Ge- samtkonzentrationen 2,00 (d, d; d,) und 2,5 (d, d,; de). Wie in & die Überlegenheit des Sulfates über das Acetat, so tritt bei dieser Anordnung in besonders eindringlicher Weise das Überwiegen des Fällungsvermögens des Tartrates über jenes des Sulfats hervor. Jede Kombination, in welcher das Sulfat auf Kosten des Tartrates wächst, wirkt schwächer fällend und umgekehrt. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 231 e) K;0,H,0, + NaCl. Zustandsänderung x Zustandsänderung Salze e Salze sofort nach 24h sofort nach 24h sehr 1% ee | } \ 1. { schwache Opa- Kaliumeitrat | 2 SE g Kaliumeitrat Opa- N Sekaane or | rübung rübung 2 lescenz | 2% | fein- 9. | NH,,so, |Sehr zarte | nilchige NaCl a en 2,5 I muaunz Trübung 3.50 lescenz | | : | 1,25 Er le i | ; - un:on | milchige NaCl or Su zarie 2 ulehize | are 4,00 lescenz | Trübung 1,00 (NH,),SO, | Trübung | 5 4. 4. IB ran | in- Inmnslchige ti, 20005 1,25 Kalium- zarte fein- 1,25 Kalium- | a N milchige - = milchige : | SealEe . eitrat Trübung Trüb eitrat + ı Trübung + 1,00 NaCl Et lo ONENHSLOR | | 5. 5 | 3 | milchige | dichte 1,25 Kalium- ER milchige > t ı Trübung | milchige eitrat milchige | Trübung 1,00 Kalium- | (etwas | Trübung + 2,00 NaCl Trübung | ciral ir |. dichter (etwas | 2,00 (NH,)SO, | ans | fein : Ja”T4| als f,) dichter 2 alsz, nn ı Trübung | milchige ) 00 vo A (etwas | Trübung eitra » dichter (etwas zu SUENACH | se): | dichter | als e,) Kaliumeitrat und Natriumchlorid in abgewogenen Mengen, Ammon- sulfat in entsprechenden Raumteilen einer 5fach-Normallösung zugesetzt. Das Verhalten von Kombinationen fällender dreibasischer Salze mit ein- und zweibasischen ist den früheren Versuchen a bis d analog, indem auch hier die Summierung der Fällungswerte wieder- kehrt. Wolfgang Pauli, 2. Kombinationen fällender und nicht fällender Elektrolyte. e) NaCl + NH,Cl, NaBı, KBr, NH,Br, NaJ, KJ, NH,J, Medi. Zustandsänderung Zustandsänderung Salze Salze BEINE DI: sofort nach 24h sofort |nach 24h 1. sehr feine Te N 3.00 NaCl klar Opa- | 35 NaCl + | fast klar ee Ba: —+ 1,00 NH,Cl lescenz 2,00 NH,Br ae 2 deutliche 8. 5 3,00 NaCl | fast klar Opa- 35 NaCl + Opa; 1 zZ + 2,00 NH,C0l lescenz 1,5 NaJ leseenz Er 3. sehr zarte h R 2). 3,00 NaCl Opa- a 2 2 ae klar klar + 3,00 NH,Cl | lescenz | "uns 1,5 KJ 4. Opa- sehr zarte 10. 3,5 NaCl lescenz | Trübung | 3,5 NaCl 4 ar > - 15 NH,J klar klar 35 NaCl + ! fein- 11. h fein- 2,00 NaBr sehr A milchige | 3,5 Nacı + |°° ee milchige (Krystalle am Trübung Trübung 1,5 M&C], Lumamnz Trübung Boden) 12. zarte Opa- | sehr zarte 6. w fein- 3,5 NaCl lesceenz | Trübung 35 NaCl + 1000| milchige 2,00 KBr Dane Trübung In den Versuchen 1 bis 3 inkl. wurde Kochsalz in entsprechenden Raum- teilen einer 4,5-Normallösung, Chlorammonium dem Gewichte nach zugesetzt. ‘ In den übrigen Versuchen sind alle Salze in Substanz verwendet und zwar in 4 bis 7 inkl. auf Scem Wasser und 2ccm Eiweilslösung, in 8 bis 12 inkl. wegen der besseren Löslichkeit auf I9cem Wasser + 2ccm Eiweils- lösung. Die nicht fällenden Salze verhalten sich zugesetzt zu Chlor- natrium, welches in Konzentrationen nahe am Fällungswerte vor- handen ist, nicht einheitlich. Magnesiumchlorid und Ammoniumchlorid zeigen eine geringe, aber deutliche Steigerung des Fällungsvermögens von Chlornatrium, ebenso Bromnatrium und Bromkalium. Bromammonium, Jodnatrium, Jodkalium und besonders Jodammonium zeigen eine deutliche Hemmung der fällenden Wirkung des Chlornatriums. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte, 233 h) KCl + NaBı, KBı, NH,Br, NaJ, KJ, NH,J, MgC},. Zustandsänderung | Zustandsänderung Salze & - Salze in 2 er sofort nach 24h sofort | nach 24h | 1lg zarte Opa- zarte 6. 142 35 Kal leseenz | Trübung | 35 Rcı |zeneOpa-| Opa Na lescenz lescenz 2. | | 3,5 KCl fein- fein- £ | ++ 2,00 NaBr | milchige | milchige 35 KO klar | klar (einigeKrystalle| Trübung | Trübung +15 KJ ungelöst) 8. 3. fein- | fein- 35 KO | "N, | klar 35 Kl milchige | milchige | + 1,5 NH,J | + 2,00 KBr |) Trübung | Trübung | I. | 4. 35 KÜl ' fein- 35 KO | fast klar | Opa | + 15 Mecı, | re milchige + 2,00 NH,Br lescenz | (einige Kryst. rubunp | Trübune ungelöst) | 5. Opa- | sehr zarte | 3,5 KÜl lescenz | Trübung | | Sämtliche Salze in Substanz, in den Versuchen 1 bis 4 inkl. auf Scem Wasser, in den Versuchen 5 bis 9 inkl. auf 9cem Wasser und je 2cem Eiweilslösung zugesetzt. Die fällende Wirkung des Kaliumchlorids wird durch den Zusatz von Chlormagnesium, Natrium- und Kaliumbromid gesteigert, durch Ammoniumbromid, Natrium-, Kalium- und Ammoniumjodid gehemmt. 934 Wolfgang Pauli, i) KCl bezw. NaCl + KNO,, Ms(NO,;),, Na0l + NH,NO, KCNS, NH,CNS. Zustandsänderung Zustandsänderung Salze Salze sofort | nach 24h sofort |nach 24h ll, sehr zarte zarte Te fein- he 35 KCl Trübung | Trübune 3,5 NaCl milchige Trüb 5 + 2,00 KNO, | Trübung ae 9, fein- fein- 35 KCl milchige | milchige 8. SOEEEE Trüb Teil Opales- | sehr zarte + 1,00 KNO0, rubung | Zrubung | 3,5 NaCl I denn Trübung 1,00 M&(N O,), 3. | Ichi | eh 35 Ka milchige | milchige 9. Be + 2,00 RNO, | nübung | Trübung | 73,5 Nacıı Trübung. 1,00 NH,NO, 4. sehr zarte zarte 35 KÜ > ER 10. zarte Opa- A 1,00 Me(N0,), Trübung | Trübune 3,5 Nadl fast klar — 1,00 KCNS 5. Opales- | sehr zarte 3,5 NaCl cenz Trübung 11. 3,5 NaCl + klar klar 6. | #ein- 1,00 NH,CNS 35 NaCl | mpun. milehige + 1,00 KNO0, A Trübung Sämtliche Salze in Substanz zugesetzt. Kaliumnitrat verstärkt sehr deutlich und proportional der an- gewandten Menge die fällende Kraft von Kalium- bezw. Natrium- chlorid, Magnesiumnitrat übt in der Konzentration 1,00 keinen merklichen Einflufs aus. Ammoniumnitrat wirkt indifferent, Kalium- und Ammoniumrhodanid hemmen die Kochsalzfällung. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 235 j) KFI bezw. NH,FI + NH,0,H,0,, NH,CI, NH,NO,, NH,Br, NH,J, NH,CNS. Zustandsänderung A Zustandsänderung Salze Salze ER rer: a er sofort nach 24h sofort nach 24h fein- : ER | Tr 1l, zarte milchige Ö. | fein- | fein- 1,25 KFl Trübung | Pribung 2,00 NH,FI | milchig | milchig 2. fein- EN 3 125 KFl + | milchige | 0 "©° | 2,00 NH,Fl + | milchig | milchig 1,00 NH, C,H, 0, Trübung Kulm, 1,00 NH, 0,H,0, fein- _ : fein- 1 Hei milchig 1,25 KFI zarte | milchige | 2,00 NH,FI a N +- 1,00 NH,Cl Trübung Trübung | 1,00 NH,CI | Meng | giehteralss) 4. 3 fein- 11. ns fein- 1,95 KFI |sehr zarte! ilchige | 2,00 NH,FI ein | milchig 1 1,00NH,NO, | Trübung | prübune |41,00NH,No, | Wlchig | (etwas dichterals8) 5. 12. 125 KFI | fast klar | fast klar | 2,00 NH,FI |ehn zarte |, Bari — 1,00 NH,Br = 1,00 NH,Br ru Jung ru ung 6. 13. NH 1,25 KFI klar klar 2,00 NH,FI | fast klar nn ®, + 1,00 NH,J + 1,00 NH,J Deee 0. 1a Opales- 1,25 KFl klar klar 2,00 NH,Fl |fast klar | cenz {1,00 NH,CNS 11,00NH,CNS | Sämtliche Salze in Substanz auf Scem Wasser und 2cem Eiweils. Die Fluoride gehören, wie bei dieser Gelegenheit festgestellt wurde, zu den stärkst fällenden Salzen. Nach dem Fällungswert geordnet gilt die Reihe NaFl (1,00), KFl (1,25), NH,FI (2,00). Die Fällungen sind reversibel*). Ammoniumacetat verstärkt, Brom-, Jod- und Rhodanammonium hemmen die Fällung durch Kalium- und Ammoniumfluorid. Am- moniumchlorid und -nitrat verhalten sich gegen das verschieden- ionige Kaliumfluorid indifferent, gegen das gemeinionige Ammonium- fuorid als schwach fällungsbegünstigend. *) Für praktische Zwecke kommt nur das gut lösliche Kalium- und Ammoniumsalz in Betracht. Die Fluoride können auch als fällungsverstärkende Zusätze Verwendung finden in Fällen, wo Umsetzungen in das schwer lös- liche Natriumfluorid ausgeschlossen sind. Wolfgang Pauli, k) (NH,)SO, + NH,C, NH,Br, NH,J. Salze ie 25 (NH,),S0, 92 2,5 (NH,),SO, 1,00 NH,C1 3. 2,5 (NH,),SO, 1 925 NH,C 4. 2,5 (NH,),SO, + 1,00 NH,Br Zustandsänderung sofort | nach 24h fein- zarte Ich rubumen) Trübung fein- stärkere milchige fein- Trübung | milchige Trübung fein- | Ichier milchige Er er Trübune Irü “ (stärker (eranken als 1 u. 2) als 1 u. 2) sehr zarte zarte Trübung | Trübung Salze 6. 2,5 (NH,),SO, + 1,00 NH,J 7 2,5 (NH,),SO, +1 95 NH,J Zustandsänderung sofort |nach 24h feinste wasser- Opa- klar lescenz zarteste sehr zarte Op Trübung lescenz wasser- wasser- klar klar Ammonsulfat in entsprechenden Raumteilen einer 5,00-Normallösune, die übrigen Salze in Substanz abgewogen zugesetzt. Ammonchlorid verstärkt zunehmend mit der Konzentration die Ammonsulfatfällung, Brom- und Jodammonium verhindern die Fällung gleichfalls zunehmend mit der Konzentration. Jodammonium ist ein wirksameres Hemmungssmittel als Bromammonium. Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 237 ]) K,C,H,0, + NH,CI, NaBı, KBı, NH,Br, NaJ, KJ, NH,J, MeCl,, Me(N O,),, MgBr,, NH,NO,, NaCNS, KONS, NH,CNS, Me(oN3) Zustandsänderung | Zustandsänderung Salze Bi un Salze —e sofort | nach 24h | Sn | ran 941 12 I 0 2 2 PHP EEE BEREIT eo FETT | TE AB BEE EEE I HE Er zarte 9, | (beinahe fein- 2,00 Kalium- | zarteOpa- sehr zarte jean trat chiz inne tartrat lescenz | Trübung milchige rübung | + 1,00 M&Ql, | | Trübung | 10. fein- fein- 2,00 Kalium- | zarte an Kalium. milchige | milchige tartrat | Has Ialau Trübung 200] 00 NH, cl Trübung Trübung 1,00 Mg(NO,), | 11. | | 3. fein | 900 Kalium- 3,00 Kalium- ae a en fast klar | fast klar tartrat Dubung 1,00 M&B —+ 1,00 NaBr Trübung as de ss 12. | fein- fein- 2,00 Kalium- zarte zarte ilchige 3,00 En Trübung milchige tartrat + Trübung ae tartrat (wie 1) Trübune ll, 00 INDIE NO; Su 1 ‚00 K Br | | 1) 133 | | 5, | 2,00 Kalium- opales- | zarte 3,00 Kalium- les- | sehr zarte tartrat | cent | Trübung tartrat Trübung +1,00 Na0NS| -- 1,00 NH,Br | | 14. 6. 2,00 Kalium- opales-- | zarte 2,00 Kalium- » sehr zarte tartrat cent | Trübung Klleie | tartrat | Trübung | +1,00 KCNS —+ 1,00 NaJ | | 15: | 1. | 2,00 Kalıum- | | 2,00 Kalium- klar sehr zarte tartrat 4 klar fast klar I: Trübung | 1,00 NH,CNS | 1,00 KJ | S. sehr zarte 9.00 a 2,00 Kalium- klar Trübung artnet SE klar | klar tartrat (schwächer 1.00 Me CNS) | —- 1,00 NH,J als 6 und 7) | > = g( 2 | Alle Salze abgewocen in Substanz zugesetzt, Scem Wasser, 2 cem 'Eiweilslösung, Ammoniumchlorid, Natrium- und Kaliumbromid verstärken, Ammoniumbromid, Natrium-, Kalium-, Ammoniumjodid, Magnesiun- chlorid, -nitrat, -bromid, Natrium-, Kalium-, Ammonium- und Magnesiumrhodanid hemmen die fällende Wirkung des Kalium- tartrates. Ammoniumnitrat verhält sich indifferent. Wolfgang Pauli, m) K,CH,0; + NH,CI, NaBr, KBr, NH,Bı, NaJ, KJ, NH,J, MsCl,. Zustandsänderung Zustandsänderung Salze Salze sofort | nach 24h sofort |nach 24h ll. sehr zarte zarte 6. 1,5 Kaliumeitrat | Trübung | Trübune 11,5 Kaliumeitrat klar klar —+ 1,00 NaJ zarte > (fast fein- 5 s lehi dl. sehr zarte "Kaliumeitrat || arte milchige) 5 ; a So Trübune | Trübung |1-3Kaliumeitrat| klar Opa- , * (stärker + 1,00 KJ lescenz als 1) sehr zarte 8. 9, Trübune 1,5Kaliumeitrat | klar klar 1,5 Kaliumeitrat | (etwas zanıe + 1,00 NH,J +- 1,00 NaBr | stärker Trübung als 1 ) 9. sehr zarte | sehr zarte 4 1,5Kaliumeitrat| Opa- Opa- 1 en sehr zarte| zarte | + 1,00 MgCl, | lescenz lescenz + 1,00 NaBr Trübung | Trübung 5% 1,5Kaliumeitrat | klar klar — 1,00 NH,Br Alle Salze in Substanz wie im vorigen Versuche. Ammoniumchlorid, Natriumbromid verstärken, alle übrigen Salze hemmen die Kaliumcitratfällung bis auf Kaliumbromid, welches in der verwendeten Konzentration indifferent erscheint. Verhalten der Eiweilskörper gegen Blektrolyte. 239 > Versuchsergebnisse und Grundzüge einer Theorie der Eiweils- Salzbeziehungen. Es ist das grofse Verdienst Hofmeisters, in seinen Unter- suchungen über die Salzwirkung festgestellt zu haben, dafs das Fällungsvermögen der Salze in bestimmter Weise sowohl von dem sauren als auch von dem basischen Anteile derselben abhängt, Unter Anwendung der Ionenlehre können wir diese Thatsache gegenwärtig folgendermalsen formulieren. Betrachtet man die nachstehende Tabelle (S. 245), welche in vertikaler Reihe die Anionen nach dem abnehmenden Fällungs- werte der zugehörigen Salze, die Kationen nach wachsendem Fällungsvermögen derselben in horizontaler Anordnung enthält, so ergiebt sich, dals für jedes Anion dieselbe Reihenfolge der Kationen, für jedes Kation dieselbe Ordnung der Anionen bei gleichsinniger Anderung (Wachsen oder Abnehmen) des Fällungs- effektes Geltung hat. Die Wirkung der Anionen ist für sich be- trachtet in weitem Mafse unabhängig von dem hinzugefügten Kation und umgekehrt. Die eiweilsfällende Eigenschaft eines Elektrolyten setzt sich somit gleich vielen anderen additiv aus der Wirkung der konstituierenden Ionen zusammen. Aus diesem wichtigen Gesetze folgt zunächst, dafs auch bei der Kombination fällender Elektrolyte der Gesamteffekt der Summe aller einzelnen Ionenwirkungen entsprechen muls, eine Folgerung, welche sich im Prinzip in sämtlichen Versuchen (a bis f) bestätigt hat. Zugleich zeigte sich, dafs bei den angewendeten Konzen- trationen neben dieser Summierung der Einzeleffekte gleichzeitige Dissoziationsänderungen keinen so erheblichen Einfluls entfalten, dals die Resultate qualitativ geändert würden. So hat im Ver- suche a das Zusammenwirken des fällenden Natriumacetats mit den Chloriden keine auffallende Veränderung erfahren, sobald das Kaliumchlorid durch Natriumchlorid ersetzt wurde, welches als Salz mit dem gemeinschaftlichen Na-Ion die Dissoziation des Acetats herabsetz. Für die ausnahmslos im Sinne einer Ver- stärkung des Fällungsvermögens ausfallenden Versuche kann auch ein Bedenken nicht in Betracht kommen — die durch den Zusatz des zweiten Elektrolyten entstehende Raumvermehrung. Diese mülste, wiewohl sehr gering im Vergleiche zum Volum der mit einem einzigen Elektrolyten in wirksamer Konzentration ver- setzten Lösung, stets im Sinne einer feineren Verteilung des Niederschlages wirken, dessen Dichte um so mehr abnimmt, je J40 Wolfeang Pauli, grölser der Salzzusatz ist. In Wirklichkeit ist jedoch das Gegen- teil der Fall. Es giebt aber eine Reihe von Ausnahmen unter den Salzen, bei welchen die fällende Wirkung ausbleibt, wiewohl eine solche nach dem Anteile, den ihre Ionen in anderen Elektrolyten am Fällungsvermögen besitzen, erwartet werden mülste. So stehen sich Kalium- und Natriumsalze in Bezug auf ihre fällenden Eigen- schaften sehr nahe, während unter den stark fällenden Sulfaten das Kaliumsulfat Eiweils nicht niederschlägt. Ähnliches gilt für die Kaliumsalze der schwächer fällenden Chlorate und Nitrate. Nach Hofmeisters Annahme reicht in diesen Fällen die Löslich- keit der Salze nicht aus, um die Herstellung wirksamer Konzen- trationen zu ermöglichen. Man kann diese auf eine einfache Berechnung sestützte Erklärung in zweierlei Weise experimentell prüfen, indem man entweder übersättigte Lösungen dieser Salze verwendet, da sich dieselben durch eine mit der Temperatur rasch wachsende Lös- lichkeit auszeichnen, oder man bedient sich dieser Salze als Zusätze zu fällenden Elektrolyten, deren Sättigung unter dem Fällungs- werte gelegen ist. Beide Wege wurden eingeschlagen. Es wird durch Kochen in einer Eprouvette eine etwa 20 proz. Kaliumsulfatlösung hergestellt und, nachdem etwas warmes Öl darauf- geschichtet worden, das Reagenzröhrchen in ein mit einem Thermo- meter adjustiertes grölseres Becherglas mit Wasser von 100°C. ein- gebracht, dann das Ganze allmählich auf 50° C. abkühlen gelassen. Schichtet man nun vorsichtig unter dem Öl Eiweifslösung über das Salz, dann tritt sofort Ringbildung und schliefslich milchige Trübung der ganzen Flüssigkeit ein. Man kann sich an einer behutsam ent- nommenen Probe überzeugen, dafs diese Zustandsänderung bei Ver- dünnung reversibel ist, wobei gleichzeitig das überschüssige Salz aus- krystallisiert. Mit KNO,, welches in heifsem Wasser 20%, ,0, in kaltem 25/00 löslich ist, gelang der Versuch nicht, wiewohl die Herstellung einer bis auf 46° C. unterkühlten Lösung möglich war. Es liefs sich also durch Verwendung einer übersättigten Lösung ohne weiteres die fällende Eigenschaft des Kaliumsulfats nachweisen, bei Kaliumnitrat versagte dieses Verfahren; es könnte also hier das ungenügende Fällungsvermögen durch andere Um- stände bedingt sein. Dafs dieses und viele andere nicht fällende Salze dennoch einen nur dem Grade nach zu geringen Fällungswert besitzen, tritt bei einer viel empfindlicheren Versuchsanordnung hervor, bei der Verhalten der Kiweilskörper gegen Klektrolyte. 241 Vereinigung mit einem unter der Fällungsgrenze konzentrierten, eiweilsniederschlagenden Salze. Es resultiert dann bei passend ge- wählten Zusatzmengen des nicht fällenden Salzes eine Kombi- nation von oft sehr beträchtlichem Fällungsvermögen. Auf diese Weise lielsen sich (siehe Vers. h bis m) die fällenden Eigenschaften an den Salzen Ammoniumchlorid, Kaliumnitrat, Natrium- und Kaliumbromid beim Zusammenwirken mit Kalium-, Natriumchlorid, Ammoniumsulfat, Kaliumtartrat, Kaliumeitrat darthun. Auch dieses Fällungsvermögen wächst, wie zu erwarten, mit der Konzentration und wird bei sehr geringem Sättigungsgrade nicht merklich, so dals z. B. Zusatz von 1,0 Kaliumbromid zu Kaliumeitrat indifferent erscheint. Bei diesen Versuchen wirken wohl einige Umstände mit, welche die Resultate beeinflussen, wie sich jedoch herausgestellt hat, nicht so weit verändern, dals nicht die spezifische Ionenwirkung deutlich bliebe und regelmäfsig wiederkehre. Die störenden Neben- erscheinungen können teils von Dissoziationsänderungen der re- ‚ agierenden Salze, teils von Variationen des Gesamtvolumens durch die hinzugefügten Elektrolyte herrühren. Die Dissoziationsverminderung, welche bei Zusatz von Salzen mit einem gemeinschaftlichen Ion, beispielsweise in Versuch & Natriumchlorid mit Ammoniumchlorid, Magnesiumchlorid Natrium- bromid und Natriumjodid eintritt, kann ihren Einfluls zweifach entfalten: durch Verringerung der wirksamen freien Ionen und durch die Änderung der Beziehungen zwischen Lösungsmittel und elektrisch neutralen Molekülen. Eine Vermehrung der letzteren wird im allgemeinen zu einer stärkeren „Bindung“ von Lösungs- mittel führen. Diese zwei Faktoren müssen übrigens, wie aus den späteren Ausführungen über die Art der Jonenwirkung hervor- gehen wird, nicht notwendig in einem Sinne wirken. Auf eine solche Verdeckung der eigentlichen Ionenwirkung wäre die Abweichung zu beziehen, die das Magnesiumchlorid zeigt, indem es sich nur mit den gemeinionigen Salzen Chlor- kalium, Chlornatrium kombiniert als Fällungvermehrer erweist. Die Versuche sind derart eingerichtet, dafs die Salzwirkung sowohl in Kombination mit gemeinschaftlichen als auch mit ver- schiedenen Ionen geprüft wurde. So tritt die Fällungsverstärkung durch Kalium- und Natriumbromid bei Zusammenwirken mit Kalium- und Natriumchlorid stets in dem gleichen Sinne hervor, wiewohl sich bei jedem der möglichen Salzpaare die Dissoziations- verhältnisse abwechselnd ändern. Das Gleiche zeigt das Verhalten Beitr. z. chem. Physiologie. III. 16 42 Wolfgang Pauli, des Kaliumnitrats gegen Kaliumchlorid und Natriumchlorid. Bei- spiele dieser Art, welche den dominierenden Einflufs der spezifischen Jonenwirkung gegenüber anderen Variationen der Bedingungen er- kennen lassen, können in gröfserer Zahl den Versuchstabellen ent- nommen werden. Da sämtliche Zusätze im Sinne einer Verteilung des Eiweils- niederschlages auf einen grölseren Raum wirken, so kann dieser Umstand die Annahme einer fällenden Salzwirkung bei Verstärkung des Niederschlages nur noch mehr unterstützen. Alle bisher angeführten Thatsachen werden aus zwei Voraus- setzungen verständlich: die Salzwirkung auf Eiweilskörper ist eine additive Ioneneigenschaft, und in den Fällen, wo eine fällende Wirkung ausbleibt, ist die Summe der Ionenwirkungen zu gering, um zur Geltung zu kommen. Dabei ist stillschweigend seither stets angenommen worden, dafs beide Anteile des Salzes fällend wirken, so dals diese Eigenschaft die Summe zweier positiver Grölsen, der Fällungswerte der beiden Ionen darstellt. Diese An- nahme bildete das Hindernis für eine vollständigere Erkenntnis der Wechselbeziehungen von Eiweifs und Salzen. Es giebt zunächst eine Reihe von Elektrolyten, wie die Acetate, Nitrate, Chloride von NH, und Mg, mit welchen trotz zureichender Löslichkeit eine fällende Wirkung nicht zu erzielen ist, und diese Thatsache bleibt, wenn wir nicht auf unbekannte konstitutive Um- | stände zurückgehen, unverständlich, wenn man daran festhält, dafs. es sich um die Summierung zweier positiver Ioneneigenschaften handelt. Denn es mufs völlig paradox erscheinen, dafs beispiels- weise NH, im Ammonsulfat fällend wirken soll und im Am- moniumacetat nicht, während zugleich das Acetation im Natriumsalz der Essigsäure als fällendes Ion gilt. Aus der folgenden Tabelle, welche fällende (+) und nicht fällende (—) Salze enthält, lassen sich unschwer analoge Beispiele entnehmen. (Tabelle s. folgende Seite.) Die Wahrnehmung, dafs das Hinzufügen eines Ions in dem + ee einen Elektrolyten, z. B. des NH, zu SO,, einen positiven Wirkungs- wert, in einem anderen einen negativen Effekt giebt, z. B. des NH, zu NO,, lest bei Festhalten an dem Gesetze der additiven Jonenwirkung die Ansicht nahe, dals es sich um die algebraische Summierung antagonistischer Eigenschaften der entgegengesetzt geladenen Ionen handelt, während sie schlechterdings unvereinbar ist mit der wechselseitigen Ergänzung in einer und derselben Rich- Kationen > 1 9 9 4 5 zu ae Mg NH, K Na Li I. Fluorid n. u. n= E- E= A Im Ssullatı ...02....,. + + + E- + III. Phosphat . neu.) + + En n. u IV. Citrat Til Abk + 4 — n. u V. Tartrat. . nu. E. + + n. u. VI. Acetat . — — 2 - n.u. MI oHlende ur... — — + + u WEIS Naerate oh en _ _ + u IDe20hlorat Ir... n.u — — + il, X. Bromid = _ — = 2= ode een. a, bb — — — n. u. Burehhodanide. .. ... _ 2 — u n. u. tung wirkender Valenzen **).: Diese Auffassung beseitigt mit einem Schlage alle Schwierigkeiten, welche einer Erklärung der Ab- weichungen von den bisher als gültig angenommenen Fällungs- regeln im Wege standen, und besitzt den Vorzug, die Beziehungen der Eiweilskörper zu allen Salzen, nicht nur zu den fällenden zu umfassen. Indem wir die später zu begründende Annahme vorwegnehmen, dafs die Kationen fällende, die Anionen die Fällung hemmende Ionen sind, wäre die obige Tabelle in der folgenden Weise zu be- trachten. In der Horizontalen sind die Kationen von Magnesium bis zum Lithium nach wachsenden Fällungswerten geordnet, in der Vertikalreihe folgen die Anionen von Fl und SO, bis CNS nach wachsendem Hemmungsvermögen. Bei Acetat und Chlorid wird bereits das schwächere Fällungsvermögen des Me und NH, auf- gehoben, von dem stärker hemmenden NO, und C1O, wird aulser Me und NH, auch K unwirksam gemacht, von dem noch mehr fällungswidrigen Br werden alle Kationen bis auf das stärkst wirksame Lithium, von J und CNS sämtliche untersuchten Metall- ionen überwunden. *) n. u. — nicht untersucht. **) Bei der Erkenntnis der Gegenwirkung der Ionen auf gelöstes Eiweils hat mich die Analogie mit dem Verhalten des Lichtes wesentlich gefördert. Hier hat bekanntlich die Entdeckung der Interferenz — des Umstandes, dafs Licht und Licht zusammen Dunkel geben kann — der Undulations- theorie, der Lehre vom Bestehen „antagonistischer Abschnitte“ im Licht- strahle, zum endgültigen Siege über die Emissionshypothese verholfen. 16* DAA Wolfgang Pauli, Es lassen sich jedoch aus dem Gesetze von der Gegenwirkung der Ionen auf in Lösung befindliches Eiweils weitere Folgerungen ableiten, welche der Versuch bestätigt. Bezeichnen wir mit 5, f,f" ... die Fällungswerte einer Reihe von Kationen, mit h, W h’... die Hemmungswerte einer Reihe von Anionen, dann werden bei Kombinationen von Elektrolyten die folgenden drei Fälle möglich sein: Ss = N.) Es kann also aufser den Salzen, welche, fällenden Elektrolyten zugesetzt, deren Eiweilsabscheidungsvermögen steigern, noch in- differente und schlieflslich solche geben, die Fällungen verhindern, eventuell entstandene Niederschläge wieder zur Lösung bringen. Solche fällungswidrigen Elektrolyte, in denen die Hemmungs- wirkung des Anion das Koagulationsvermögen des Kation über- wiest, müssen sich zugleich aus der obigen Tabelle in gesetzmälsiger Weise ableiten lassen. Hat man etwa in einer Horizontalreihe ein indifferentes Salz bestimmt, dann muls das nebenstehende Salz mit dem schwächer fällenden Kation bereits niederschlag- lösende Eigenschaften besitzen. Ebenso kann man erwarten, dals das in der Vertikalreihe unterhalb stehende Salz desselben Kation mit dem stärker hemmenden Anion die Niederschlassbildung mehr oder weniger hindert. Diese Voraussage hat sich, soweit die Salze zur Verfügung standen, stets erfüllt. Auf diese Weise wurde z.B.in der Horizontalreihe VI (s. Tabelle S.243 und die Versuche h bis m) gefunden, dafs nach dem fällenden Natrium- und Kaliumchlorid das schwach fällungbegünstigende Ammoniumchlorid und auf dieses Magnesiumchlorid folgt, welches bereits fällungswidrig wirkt. Ahnliches gilt für das eiweilsfällende Lithium- und Natrium- nitrat, das fällungsteigernde Kaliumnitrat und das in schwachen Kon- zentrationen indifferente, in starken lösende Magnesiumnitrat u. 3. w. Ebenso zeigte sich beispielsweise in der Vertikalreihe 3, dals unter dem fällenden Kaliumchlorid das fällungbegünstigende Kaliumnitrat. steht, dem das nahezu indiiferente Kaliumbromid und schliefslich das lösende Kaliumjodid und -rhodanid folgen; von den Ammoniumsalzen löst bereits das Bromid u. s. f. Wie zu erwarten, wächst gleich der eiweilsfällenden Eigen- schaft auch die fällungswidrige Wirkung mit der Konzentration. Das Bedenken, dals die Elektrolyte durch die Raumvermehrung den Eiweilsniederschlag verdünnen, lälst sich durch eine Versuchs- anordnung leicht zerstreuen, bei welcher die Volumvermehrung für eine Reihe verschieden wirkender Zusätze von annähernd gleicher Grölse ist. Es gelingt sogar, bei stärker fällungswidrigen Salzen Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. 245 die eiweilslösenden Eigenschaften der Zusätze ohne Änderungen des Gesamtvolumens sichtbar zu machen. Auch hinsichtlich ein- tretender Dissoziationsänderungen konnten die Versuche so ange- ordnet werden, dafs die spezifischen Ionenwirkungen unabhängig von der Verwendung gemein- oder verschiedenioniger Salze un- verkennbar hervortraten. Die angeführten Ergebnisse stützen zunächst eine schon früher !) auf Grund von Versuchen über die Löslichkeitsbedingungen des Eiglobulins und über die Hitzegerinnung ausgesprochene Anschauung, dals beide Salzionen mit gelöstem KEiweils mehr oder minder lockere Verbindungen eingehen. Sie stehen auch in Einklang mit der zuerst von Spiro und Pemsel?) anläfslich von Studien der Säure- und Basenkapazität geäufserten Vermutung, dafs die Eiweils- körper amphotere Elektrolyte sind. Sichergestellt dürfte nunmehr sein, dafs die Salzwirkung auf Eiweilskörper, trotz der unvollständigen Dissoziation der hoch kon- zentrierten Salzlösungen, in ihrem Hauptanteile additiv aus den Ioneneffekten hervorgeht und dafs diese nicht als gleichsinnige, sondern als antagonistische Grölsen betrachtet werden müssen. Unberührt bleibt von unseren Versuchen vorläufig die Frage nach dem Wesen des Fällungsvorganges, worüber Bredig*) sehr an- sprechende Vorstellungen entwickelt hat, und die Thatsache, dafs die Fällung an eine von der Natur der Salzionen und der Eiweils- körper bestimmte Konzentration, die Fällungsgrenze, geknüpft ist. Aus der Betrachtung der Tabelle (S. 243) ergiebt sich, dals die Resultate auch entwickelt werden könnten aus fällenden Eigen- schaften der elektronegativen und lösenden der positiven Ionen. Die Gründe, welche einstweilen für die (von uns gemachte) ent- gegengesetzte Annahme sprechen, sind einmal das Verhalten von Säuren und Basen gegen native Eiweilskörper. Die ersteren, denen das elektropositive H-Ion gemeinsam ist, sind Eiweilsfällungs- mittel, die Laugen mit dem elektronegativen OH-Ion Lösungs- mittel für Eiweilskörper. In dem gleichen Sinne lassen sich die Beobachtungen an den stark fällenden Schwermetallsalzen ver- werten, über welche eingehende Untersuchungen in den folgenden Mitteilungen beigebracht werden sollen. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Rolle der elektrolytischen Dissoziation bei der Eiweilsfällung, deren Bedeutung wir selbst früher neben der damals nicht in ihrem vollen Umfange erkannten spezifischen Ionenwirkung übermäfsig in den Vordergrund gestellt hatten, näher gewürdigt werden können. 946 Wolfgang Pauli, Verhalten der Eiweilskörper gegen Elektrolyte. Die Lehre von der Gegenwirkung der Ionen bei den Zustands- änderungen der Eiweilskörper scheint, soweit das geringe vor- liegende Material reicht, einer gröfseren Ausdehnung und An- passung fähig, V. Rothmund’) fand ohne Kenntnis früherer Arbeiten (Hofmeister, ich) für die Löslichkeit von Phenyl- thiokarbamid bei Gegenwart einiger Neutralsalze, dals dessen Lös- lichkeitsherabsetzung additiv von den Salzionen abhänge. Das Ammoniumnitrat bildete insofern eine Ausnahme, als es die Lös- lichkeit des untersuchten Stoffes steigerte, ein Verhalten, welches nach der angeführten Theorie seine Fremdartigkeit verliert. Bei der Untersuchung über die Hitzegerinnung von Eiweils unter dem Einflusse von Neutralsalzen hatte ich bereits früher Kurven mit Inflexionspunkten erhalten und diese Bildung eines Maximums als Interferenzerscheinung antagonistischer Wirkungen aufgefalst. Über die Wechselwirkung von Elektrolyten und Nichtelektro- lyten bei der Eiweilskoagulation liegen abgeschlossene Versuche vor, die gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Peter Rona ausgeführt wurden und demnächst zur Veröffentlichung gelangen. Aus allen diesen Untersuchungen haben sich auch bemerkenswerte Auf- klärungen über die Wirkungsgesetze der Salze im Organismus sewinnen lassen. Wien, Juli 1902. Litteratur. ') Pauli, Die physikalischen Zustandsänderungen der Eiweilskörper. Pflügers Archiv 78, 315. 2) Friedenthal, Über die Reaktion des Blutserums der Wirbeltiere und die Reaktion der lebendigen Substanz im allgemeinen. Zeitschr. f. alle. Physiologie 1, 56. 5) Spiro und Pemsel, Über Basen- und Säurekapazität des Blutes und der Eiweilskörper. Zeitschr. f. physiol. Chemie 26, 233. *) Bredig, Anorganische Fermente, Leipzig, 1901, S. 15. 5) V. Rothmund, Zeitschr. f. physikal. Chemie 33, 401. XI. Uber die Verteilung der Kohlensäure im Blute. Zweite Mitteilung. Von Dr. Eugen Petry, klinischem Assistenten. (Aus der Grazer medizinischen Klinik.) Wenn nach längerer Entwickelung ohne gegenseitige Einfluls- nahme die Lehren eines Wissensgebietes durch jene eines zweiten unerwartete Aufklärung erfahren haben, tritt nicht selten das Bestreben hervor, das erstere Gebiet womöglich ganz in letzteres aufgehen zu lassen. Aus ähnlicher Überschätzung einer vermeint- lich alles aufklärenden Beziehung erklärt sich auch das leichte Hinweggehen jener Autoren, welche in jüngster Zeit die Frage der Permeabilität der Blutkörperchen behandelt und eine Erklärung der durch Kohlensäure sowie durch andere Säuren und durch Alkalien im Blute hervorgerufenen Erscheinungen versucht haben, über Thatsachen, die sich in betreff der Verteilung der Kohlensäure auf Erythrocyten und Blutflüssigkeit bei direkten chemischen Analysen und Serumvolumbestimmungen er- geben haben. Läfst man einschlägige Untersuchungen von Gryns *), Hedin **) Overton***) und Oker-Blomr), gegen welche teilweise grund- sätzliche Einwendungen möglich sind, hier aulser Betracht, so haben *) Pflügers Arch. 63, 86. *»*) Ebenda 68, 229 und 78, 525. »=*) Vierteljahrschr. d. naturforsch. Gesellsch. zu Zürich 1895, S. 159 und Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, 189. 7) Pflügers Arch. 79, 111 und 81, 167. 248 Eugen Petry, insbesondere Koeppe*) und Hamburger**), sich anlehnend an einen Gedanken Ostwalds***), dafs Membranen nicht für Salze als solche, sondern blofs für deren Ionen permeabel sein könnten, und auf den von Gürber) erbrachten Nachweis, dafs Chlor nicht als Salz in die Blutkörperchen wandert, vielmehr die Alkalimetalle an dieser Bewegung gar nicht beteiligt sind, sowie auf ein reiches eigenes Beobachtungsmaterial gestützt, hinsichtlich des Problems der Permeabilität der Blutzellen den Boden der Ionen- theorie betreten. Dieselben nehmen an, dals, sobald gewisse Stoffe die Erythrocyten verlassen, eine damit isotonische Menge anderer Stoffe in sie eindringt, dafs also jeglicher Austausch in isotonischen Verhältnissen stattfindet. Für Salze oder Säureradikale seien die Blutkörperchen nicht durchlässig, sondern lediglich für Ionen, und zwar, soweit es sich um Alkalisalze handelt, nur für Anionen derselben. Die Überwanderung eines Ion wäre somit nur dann möglich, wenn ein gleichnamiges anderes an dessen Stelle tritt. Hinsichtlich der Durchlässigkeit der Erythrocyten für Ol- und CO;-Ionen stimmen Koeppe und Hamburger überein. Da- gegen glaubten Koeppe, sowie Willerding?7y) deren Imper- meabilität für SO/- und für NO;-Ionen nachweisen zu können, während Hamburger die Blutkörperchen durchlässig annimmt für diese letzteren und noch für sehr zahlreiche andere elektro- negative Säure-Ionen. Den Umfang, in welchem diese Permeabilität zum Ausdruck kommt, läfst er in hohem Mafse abhängig sein von der in den Erythrocyten jeweilig vorhandenen Kohlensäuremenge, gegen welche die erwähnten Anionen wechelseitig diffundieren. Sind diese Aufstellungen alle richtig, dann muf[s (mit gewissen hier nicht weiter erörterten Beschränkungen) ein Austausch der Anionen von Serum und Körperchen nach beiden Richtungen in äquivalenten Mengen (Ersatz aller zweiwertigen durch je zwei ein- wertige Ionen) erfolgen, sobald irgendwie das Gleiehgewicht der Konzentrationen auf einer der beiden Seiten gestört ist, weil ja *) Archiv für Anatomie und Physiologie 1895, S. 154 und Pflügers Arch. 67, 189. **) H. J. Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre, I, Wies- baden 1902. Daselbst Verzeichnis und Inhaltsangabe aller früheren Arbeiten dieses Forschers. ’=e>) Zeitschr. f. physikal. Chem. 6, 71. +) Sitzungsberichte der med.-physikal. Gesellsch. Würzburg, 1895, 25. Febr. +7) Willerding, Hamburgers Blutkörperchenmethode in ihren Be- ziehungen zu den Gesetzen des osmotischen Druckes, Gielsener Diss. 1897. Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. )49 einem Ausgleich des Unterschiedes der Partialdrücke kein Hindernis im Wege steht. Bei Zufuhr von Kohlensäure und anderen Säuren zum Blute wird insbesondere die Wanderung von Cl-Ionen hier in Betracht kommen. Ohne weiteres wird aber natürlich die Erklärung von Koeppe und Hamburger für den Austausch jedes C0O;-Ion gegen zwei COl-Ionen, welche sich ursprünglich auf eine Suspension von Erythrocyten in Chlornatriumlösung bezieht, auf das Gesamtblut nicht anwendbar sein, weil dessen Serum von viel komplizierterer chemischer Zusammensetzung ist und z. B. ebenso wie die Blutkörperchen eine grofse CO,-Kapazität besitzt. Würden wirklich die Erythrocyten von den zugeführten Anionen mehr aufnehmen, so wäre ein nachträglicher Übertritt derselben nach dem Serum im Zusammenhang mit einem Austausch von Cl’-Ionen allerdings wahrscheinlich, welch letztere ja im Serum in grölserer Menge vorhanden sind. Zur Beurteilung der Verhältnisse im ge- gebenen Falle kommt es also stets zunächst auf die Entscheidung der Frage an, welcher Blutbestandteil von der heran- tretenden Säure thatsächlich stärker gesättigt erscheint. Lälst sich z. B. bei Zufuhr von Kohlensäure zum Blute das Serum als das OO,-Depot analytisch sicher nachweisen, so wird Koeppes Auffassung zweifelhaft und eine andere Erklärung der beob- achteten Chlorwanderung wünschenswert. Ferner mufs ein voll- kommenes Aus- oder ein sehr starkes Zurückbleiben der Chlor- bewegung bei Beschickung von Blut mit irgend welchen Anionen nicht ausschlielslich davon herrühren, dafs die Wandung der Blut- scheiben für die letzteren in einer der beiden Richtungen imper- meabel ist; es könnte ebenso gut auch darin begründet sein, dals sich die betreffende Säure gleichmälsig auf Körperchen und Serum verteilt hat. Für Kohlensäure hatten schon Al. Schmidt*, Zuntz“*), Setschenow***) u. L. Fredericq f) angegeben, dafs beim Durchleiten dieses Gases durch Blut, bezw. in gewöhnlichem (defibriniertem oder ungeronnenem) Blut das Serum stärker gesättigt ist als die Körperchen. Den absoluten Gehalt beider Blutbestandteile an Kohlensäure, dessen Ermittelung die Bestimmung der Volumprozente des Blutes an Körper- *) Berichte der kgl. sächs. Gesellsch. der Wissensch., mathem.-physikal. Klasse 19, 30. **) Centralbl. f. die med. Wissensch. 1867, S. 529. **=#) Memoires de l’acad. imper. des sciences de St. Petersbourg, ser. VII, ZERO, No.013: +) L. Fred6riegq, Recherehes sur la constitution du plasma sanguin, Gand 1378. 350 Eugen Petry, chen und Serum voraussetzt, hat unter verschiedenen Versuchs- bedingungen zuerst Kraus“) festgestellt. Obwohl sich die Alkaleszenz [„native“ Alkaleszenz im Sinne von Spiro **)] im defibrinierten Rinder- blut meist gerade entgegengesetzt verhält, kommt hier der Kohlen- säuregehalt der Körperchen nur ausnahmsweise den Werten der Serum- kohlensäure besonders nahe. In der Regel ist derselbe sehr merklich niedriger. Die Differenz des Gehaltes, auf die Volumeinheit Serum und Erythrocyten bezogen, kann über 20 Proz. betragen. Bringtman die Kohlen- säuregehalte verschiedener Gesamtblute in eine steigende Reihe, so er- scheinen die Kohlensäuregehalte der Sera fast ohne Ausnahme in derselben Anordnung. Auch das Serum von Pferden, sowie dasjenige gesunder und kranker Menschen pflegt sehr merklich kohlensäurereicher zu sein. Indem er ferner Blut nach verschiedenen Verhältnissen mit dem durch Öentrifugieren gewonnenen eigenen Serum verdünnte, erzeugte Kraus Blutmischungen, welche im ganzen weniger überschüssige basische Äquivalente, aber absolut mehr Kohlensäure enthielten, und fand, dafs der Kohlensäuregehalt des Serums der verschiedenen Mischungen der gleiche blieb. Endlich stellte Kraus noch eine Anzahl von Versuchen an, in denen das vom Cruor durch Centrifugieren getrennte Serum zu- nächst für sich in verschiedenen Verhältnissen kohlensäurereicher gemacht und erst dann wieder mit seinen Körperchen vereinigt wurde. Bei physiologisch in Betracht kommendem Kohlensäurezuwachs waren die Erythrocyten dabei vor- und nachher prozentisch ungefähr gleich reich an Kohlensäure; sämtliche oder fast sämtliche zugeführte Kohlensäure kann, durch längerer Zeit, im Serum verbleiben. Die weitgehenden Angaben von Al. Schmidt und von Fredericg sind allerdings teilweise zu berichtigen. Bei besonders grofsem Kohlen- säuregehalt des Blutes (wobei das Serum merklich hämoglobinhaltig zu werden pllegt) kann die Körperchensubstanz sogar etwas kohlen- säurereicher werden als das Serum. Indem Kraus daran festhielt, dafs die freien Alkalien zum mindesten einen der maflsgebendsten Kohlensäureträger in beiden Blutbestandteilen darstellen, schienen auch ihm diese Versuche geradezu das Vorhandensein eines Hinder- nisses nahe zu legen, welches der Kohlensäure nicht sofort gestattet, einfach den gegebenen chemischen Anziehungen folgend, im entsprechen- den Verhältnis sich auf Erythrocyten und Serum aufzuteilen. Auf schlechtere Permeabilität der Körperchen für CO,” bezieht aber Kraus gegenwärtig dieses Hindernis nicht mehr unbedingt. Wenn es also vorerst nicht die Blutkörperchen sind, welche bei Zuleitung von Kohlensäure mehr von dem Gase aufnehmen, fällt auch die vermeintliche Tendenz für den Austritt von 00}- Ionen in das Serum hinein im Zusammenhang mit einem Aus- tausch von Ol’-Ionen des Serums im Sinne der Koeppeschen Er- klärung fort. Gern habe ich es deshalb unternommen, mir aus *) Fr. Kraus, Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. Fest- schrift der Universität Graz (November 1897). *=*) Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 233. Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 351 einem anderen Gesichtspunkte durch eine Reihe eigener Versuche, welche naturgemäls zum Teil blofs eine Wiederholung früher von anderen Forschern ausgeführter waren, ein Urteil über die „Per- meabilität der Blutkörperchen“ für Kohlensäure und andere Säuren, bezw. über die Bedeutung der Kohlensäureeinwirkung zu bilden. Die Permeabilität der Erythrocyten für Chlor hat Hamburger durch chemische Analysen über allen Zweifel fest- gestellt. Namentlich hat er gezeigt, dafs Chlor in die Körperchen eindringt, wenn Blut oder Erythrocytensuspensionen mit Kohlensäure behandelt werden, auch wenn man letztere in den Mengen an- wendet, welche physiologisch in Betracht kommen. Über die Bedingungen, welche den Umfang dieser Chlorbewegung unter der Einwirkung anderer Säuren beherrschen, und über die eigentliche Natur derselben suchte ich mir deshalb vor allem Klarheit zu verschaffen. Zur ersten Orientierung wählte ich (das leicht zu erlangende) Rinderblut. Dasselbe wurde jeweils im Schlachthause während der Tötung der Rinder aufgefangen und durch Schlagen mit dem Glas- stab bei Luftzutritt defibriniert. Genau abgemessene Blutmengen beschickte ich sodann durch eine halbe bis eine Stunde mit (erst durch eine Silbernitratlösung und hinterher durch konzentrierte Schwefel- säure geleiteter) Kohlensäure in langsamem Strom und in kleinen Blasen. Darauf ist in allen Versuchen der Chlor-Gehalt des Serums, in einer Anzahl der Versuche auch das Volum der körperlichen Elemente ermittelt worden. Zur Kontrolle dienten Proben desselben Blutes, welche ebenso lange mit reinem, trockenem, aus Wasserstoffsuper- oxyd und Kaliumpermanganat dargestelltem Sauerstoff (Versuch I bis III, Tab. I) oder mit trockener Luft (Versuch IV) behandelt waren. Das Volum der Kohlensäureproben nahm während der Einleitung des Gases etwas zu (in Vers. II von 410 auf 415ccm), die Mengen der Sauerstofiproben blieben unverändert. Nach mehreren Vorversuchen ergab sich nun am zweckmälsigsten folgende Methode der Chlorbestimmung, welche den von Bunge*) und Hoppe-Seyler**) erhobenen Bedenken vollkommen Rechnung trägt. Es wurden 5 bis 10 ccm Serum in einer entsprechend grolsen Nickelschale mit etwa 60 ccm destillierten Wassers verdünnt, mit zwei Tropfen chlorfreier Essigsäure angesäuert, auf dem Wasserbad bis zur Trockne eingedampft. Die Verdampfung zur Trockne wurde mehrmals mit geringen Mengen Wasser wiederholt, wodurch die ein- getrockneten Massen sich vom Boden der Schale ablösen und dann leichter extrahiert werden können. Darauf wurden dieselben mindestens fünfmal mit siedendem Wasser ausgezogen und die Extrakte durch ein aschefreies Filter gegossen. Der Rückstand wurde dann mit etwa *) Zeitschr. f. Biologie 12. **) Handbuch der physiol.-chem. Analyse 1885, S. 516. 352 Eugen Petry, 5 g chlorfreiem Natriumkarbonat (in Lösung) eingedampft, hierauf bei eben noch leuchtender Flamme bis zur vollständigen Verkohlung erhitzt, wieder mehrmals mit siedendem Wasser extrahiert, der Auszug durch das zuerst benutzte aschefreie Filter filtriert, hierauf die zurück- bleibende Kohle mit dem Filter vereint in der Schale getrocknet und ‘bei scharf gehender Flamme bis zur völligen Veraschung geglüht. Endlich wurden beide Filtrate mit der Asche in der Schale vereint, eingedampft, bei leuchtender Flamme schwach erhitzt, um die ge- ringe Menge in das erste Extrakt übergegangener organischer Sub- stanz zu zerstören, sodann mit Wasser aufgenommen und durch ein kleines Filter in ein Hundertkölbchen gespült, daselbst mit Volhard- Salpetersäure neutralisiert und der Chlorgehalt nach Volhard be- stimmt. Das Verhältnis zwischen Blutzellensubstanz und Plasma, bezw. das Volum der körperlichen Elemente ermittelte ich nach der Methode von M. und L. Bleibtreu”). Das Verhältnis, in welchem verdünnt wurde, war gewöhnlich 3 Blut zu 2 Chlornatriumlösung. Die dem Serum isosmotische Salzlösung wurde auf Grund der Bestimmung des Gefrierpunktes des Serums mit dem Beeckmannschen Apparate aus- gewählt. Ferner wurde bei Ausführung des Bleibtreuschen Ver- fahrens stets die Stickstoffbestimmung (Kjeldahl) zu Grunde gelest. Es braucht wohl kaum darauf hingewiesen zu werden, dafs alle hieraus berechneten Werte mit einem etwas grölseren Fehler behaftet sind als die analytisch gefundenen Chlorgehalte des Serums. Die Gröfse dieser Fehler übersteigt noch diejenige der Methode von Bleibtreu selbst (unter 3 Proz.). Alle Versuche, mit dem Hämatokriten von Koeppe genaue Resultate zu erlangen, schlugen fehl. Tabelle 1. Chlor Chlor Körperchen- | Gefrier- | Ver- im Blut im Serum volum punkt nmel such | Kontr. | C0,|Kontr. | CO, |Kontr. | CO, er | co, | Kontr. | 00, | Proz. |Proz.| Proz. Proz.) Proz. | Proz. : *| Proz. |Proz. I 0,50 |0,495| 0,60 | 0,0 | — — 0,520 | 0,54 | — — I 0,51 .|0,50 |: 0,60 | 0,59| 39,0 | 39,9 | 0,505 | 0,51 | 1,213 | 1,239 III — — | 0,625 | 0,55 _ _ — _ — — IV 0,47 [0,44 | 0,59 | 0,58 | 43,7 1457| — — | 1,138 |1,183 Tabelle I (zu Vers. III). | | Sauerstoffserum | C0,-Serum Trockensubstanz . | 8,906 Proz. | 9,012 Proz. *) Pflügers Archiv 51, 151. Uber die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 253 Ausgesprochene Übereinstimmung mit den einschlägigen Angaben von Hamburger und v. Limbeck*) zeigen die Chlorwerte in Versuch III, in welchem der Chlorgehalt des Serums durch die Be- handlung mit Kohlensäure um 12 Proz. vermindert erscheint. Dals hier die Menge der übrigen festen Stoffe im Serum vermehrt war, beweist die Untersuchung der lrockenrückstände beider Sera, deren Resultat in Tabelle II zu ersehen ist. Die übrigen drei Versuche hin- gegen ergaben eine Übereinstimmung mit den Erfahrungen jener beiden Forscher nicht. In Vers. IV und II beträgt der Unterschied 1,6 Proz. des Analysenwertes, fällt also mit Rücksicht auf die bei den einzelnen Analysen gefundenen geringen Chlormengen (0,068) in die Fehler- breite. In Vers. I war der Gehalt beider Vergleichssera an Chlor überhaupt identisch. Das Körperchenvolum erwies sich in Vers. II gleichfalls in beiden Proben völlig übereinstimmend (Diff. 0,1 Proz.), auch in Vers. IV liegt die Differenz (2 Proz.) innerhalb der Fehler- grenzen der Bleibtreuschen Methode. Den Grund dafür, dafs bei drei von vier Versuchen ein Ein- dringen von Chlor in die Rindererythrocyten sich nicht nachweisen liels, könnte man mit Hamburger vielleicht darin suchen, dafs ich mit „normalen“ und nicht mit schon zuvor speziell kohlen- säurereich gemachten Blutkörperchen arbeitete: der Ionenaustausch wäre unter solchen Umständen zu schwach zur Gewinnung eines zuverlässigen Urteils aus quantitativen Ohlorbestimmungen. Aber diese letztere Auffassung selbst beruht ja blols auf der mit den Thatsachen nicht in Einklang stehenden Voraussetzung, dals von Anfang an die Erythrocyten bei Zuleitung von Kohlensäure zum Blute mehr von dem Gas aufnehmen, und dafs infolgedessen die Tendenz entsteht für ein Austreten von CO/-Ionen in das Serum im Zusammenhang mit einer Auswechselung von Cl-Ionen aus dem Serum. Eine von der wirklich zu beobachtenden Verteilung der Kohlensäure auf Körperchen und Blutflüssigkeit beim Ein- wirken dieses Gases auf Blut ausgehende Betrachtungsweise wird dagegen zu dem Schlusse gelangen müssen, dals (vielleicht im Widerspruch mit dem Verhalten des Plasmas der Menschen, Pferde und Kaninchen, welches Hamburger und v. Limbeck bei ihren Versuchen benutzt haben) entweder im natürlichen Serum der Rinder Bedingungen gegeben sind, welche einer Chlorfort- wanderung hinderlich im Wege stehen, oder dafs gerade die Rinder- blutkörperchen vergleichsweise nicht so gut für Chlor permeabel sind. Zur Entscheidung dieser Frage schwemmte ich in sechs Versuchen (Vers. VI bis XI in Tabelle III) Rindererythrocyten nach mehrmaliger Waschung mit isosmotischer Chlornatriumlösung (durch Centrifugieren *") Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 35, 309. 354 Eugen Petry, Tabelle IN. Versuchszahl| Blut vom vor | nach VI Rind. 5mal gewaschen, '/, Stde. | 0,951Proz.NaCl| 0,849Proz.NaCl ' mit CO, behandelt VII | Schwein. Amal gewaschen, |0,800 „ „ 10665 „ ,„ '/, Stunde 00, VII | Rind. Y, Stunde durchgeleitet 0,775 „ „ | 0:07, Bez, IDX ı Rind. 25 Minuten „ 0,921.7, Te x Schwein. '/, Stunde „ 0,333 TR DSB, XI Schwein. °/, Stunde „ OS 2S | 0,867 Re bewerkstelligt) in letzterer auf und behandelte eine Probe der Sus- pension sodann durch einige Zeit (10 Minuten, !/, Stunde) mit Kohlensäure. Sehr bald tritt unter diesen Umständen Dunkelfärbung des Gemisches ein, und sehr leicht kommt es dazu, dafs die Körperchen etwas Farbstoff an die Aufsenflüssigkeit abgeben. Vergleicht man die, wie man sieht, durchgehends stark posi- tiven Ergebnisse der letzteren Versuche, in welchen die Ery- throcyten gleichfalls nicht vor der Suspendierung in Kochsalzlösung kohlensäurereicher gemacht worden waren, mit den Resultaten der in Tab. I zusammengestellten, so erscheint es festgestellt, dals im künstlichen Serum unter dem Einflusse zugeleiteter Kohlensäure eine Chlorwanderung viel leichter, regel- mälsiger und ausgiebiger eintritt als im nativen Blutserum. Den Rindererythrocyten geht somit die Fähigkeit, Chlor durch- zulassen, durchaus nicht ab, die früher beobachteten hemmenden Momente für eine Wanderung des Chlors im natürlichen Blut scheinen vielmehr im Plasma zu liegen. In Vers. X liefs sich überdies nachweisen, dafs die Körperchen am Ende eines solchen Versuches noch nicht völlig mit Chlor gesättigtzu sein brauchen, denn der abcentrifugierte Erythrocytenbrei nahm hier bei nochmaliger Aufschwemmung in isosmotischer Kochsalzlösung und neuerlicher Behandlung mit Kohlensäure eine Chlormenge auf, welche einer Konzentrationsdifferenz von 0,108 Proz. NaCl im künstlichen Serum entsprach. Um noch die Möglichkeit des Zustandekommens der Chlorverminderung im (künstlichen) Serum durch Wasser- abgabe an letzteres von seiten der Erythrocyten auszu- schlielsen, ermittelte ich (in Vers. IX, X, XI) gleichzeitig das Körperchenvolum vor und nach der Kohlensäureeinleitung mittels der Bleibtreuschen Methode. l Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 257 w Dabei verdünnte ich die Suspension mit Ül-freier isosmotischer Rohrzuckerlösung und stellte sowohl in der ursprünglichen Chlor- natriumlösung als im Öhlornatrium-Rohrzuckergemisch den Uhlorgehalt fest (Tabelle IV). Tabelle IV. Versuchs- Körperchenvolum Körperchenvolum zahl vor CO,-Einleitung nach 00,-Einleitung X 55,4 Proz. 57,3 Proz. xI 40,0 „ 430 „ IX 3197, Ale =, Die in allen drei Versuchen hervortretende immerhin merk- liche Vermehrung des Volums der Erythrocytensubstanz läfst sich eher (im Sinne v. Limbecks) für eine Quellung der Körperchen verwerten. Dies spricht aber entschieden auch für eine Fort- wanderung des Chlors aus dem Serum. Zur weiteren Aufklärung des chemischen Vorganges dieser Chlor- verschiebung mufsten dann die wichtigen Angaben Gürbers*), dafs beim Durchleiten von Kohlensäure durch Blut sowohl das Serum als auch die Erythrocyten je ihren ursprüng- lichen K- und Na-Gehalt behaupten, nachgeprüft werden. Zur Entscheidung hierüber ermittelte ich zunächst die Mole- kularkonzentration und den Aschengehalt der Aufsenflüssigkeit in beiden Vergleichsproben. Die Gefrierpunktsbestimmungen wurden in Berücksichtigung der Thatsache, dals mit Kohlensäure gesättigtes Blut bei längerer Fortsetzung und Wiederholung der Bestimmung in- folge des Kontaktes mit Luftsauerstoff beim Rühren den Gefrierpunkt ändert, in einer vorher mit Kohlensäure gefüllten Tube ausgeführt. Die Versuchsergebnisse sind enthalten in Tab. V (Molekularkonzen- tration der [künstlichen] Sera) und in Tab. VI (Aschengehalte). Tabelle V. Versuchs- | Gefrierdepression zahl | vor der Kohlensäureeinleitung | nach der Kohlensäureeinleitung VIII 0,540 | 0,540 x 0,585 | 0,585 Tabelle VI (Vers. VI). | vor der | nach der | Kohlensäureeinleitung | Kohlensäureeinleitung Chlor (ausgedrückt in Proz. NaCl) | 0,775 | 0,670 Ascher (in, Proz)... 0%: | 0,307 | 0,309 *) Sitzungsberichte d. med.-physikal. Gesellsch. Würzburg, 25. Febr., 1595. 356 Eugen Petry, Trotzdem also Chlor nachweislich aus dem (künstlichen) Serum verschwindet, bleibt sowohl die Molekularkonzentration als die Aschenmenge unverändert. Die Annahme, dafs das Chlor als Salz in die Erythrocyten einwandert, wäre danach höchstens unter der Voraussetzung möglich, dals z. B. das Natrium des Serums sich entsprechend gegen Blutkörperchenalkali umtauscht. Zur Ausschliefsung auch dieser letzteren Möglichkeit stellte ich noch folgenden Versuch (Vers. XI) an: Ich wusch Schweineerythrocyten, die nach v. Bunge frei von Natron sind, mit isosmotischer Kochsalz- lösung und behandelte darauf eine Aufschwemmung derselben in letzterer mit Kohlensäure. Die Ergebnisse der an der Kohlensäure- und an der Kontrollprobe ausgeführten Kali-, Chlor- und Aschen- bestimmung stellt Tabelle VII zusammen. Tabelle VII (Vers. XI). vor CO, nach CO, Prozent Far ; 0,952 0,867 ProzentskClan een: er —_ 0,0215 Proz. CIK Gefrierpunktp. "nee le: 0,58 0,58 Die mit Kohlensäure beschickte Probe enthielt allerdines nachweisliche, auch spektroskopisch identifizierbare Mengen von Kalium, welche jedoch viel zu klein sind, als dafs ihr Austausch gegen das Natrium der Aufsenflüssigkeit die Abnahme des Chlors in der letzteren ausreichend zu erklären vermöchte. Gegenüber der älteren Auffassung, nach welcher Säuren nur als Salze in die Blut- körperchen einwandern, ist die Nichtbeteiligung der Alkali- metalle an dieser Bewegung unter den dargelegten Verhältnissen Thatsache. Auch noch in einer zweiten Beziehung ist Gürber zuzustimmen. Da bei Beschickung des Blutes mit Kohlensäure und nachträglicher Scheidung der Proben in Oruor und Serum das letztere mehr von dem Gase enthält, während die Körperchen für sich mehr Kohlensäure binden als Serum, wenn man beide Blut- bestandteile getrennt mit dem Gase behandelt, hatte man auf eine Überwanderung von Kohlensäureträgerın (bezw. von Alkali) aus den Erythrocyten nach dem Serum bei Zuleitung von Kohlensäure zum Blute, und zwar in dem Malse geschlossen, als in der Blut- flüssigkeit der Kohlensäuregehalt wächst. Das mitgeteilte Versuchs- ergebnis schlielst aber den Übergang von Kaliumkarbonat aus den Körperchen nach dem Serum aus, und die von Zuntz, Ham- burger und anderen beobachtete Steigerung der Alkaleszenz des letzteren nach Einleitung von Kohlensäure ins Blut ist kaum anders Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 257 als durch die einschlägigen Annahmen Gürbers zu erklären. Bei Behandlung des Blutkörperchen-Kochsalzgemisches mit Kohlensäure wird nämlich durch diese aus der Verbindung mit Chlornatrium Salzsäure verdrängt und die freie Säure von den Blutkörperchen aufgenommen; in der Aufsenflüssigkeit bleibt Natriumkarbonat zurück, daher die alkalische Reaktion derselben. Diese ungezwungenste Erklärung beruht auf dem Gesetze der Massenwirkung. Da die treibende Ursache für die Zerlegung ‘ der zer- eines Salzes durch eine Säure nicht auf „Anziehung‘ legenden Säure zum Metall des Salzes, sondern auf Übergehen der Ionen der Säure des zerlegten Salzes in den nicht dissoziierten Zu- stand beruht, so wird auch in unserem Fall das Anion des Chlor- natriums mit dem H’-Ion der zerlegenden Säure, also das Chlor als HCl wandern. Es handelt sich hier also weder um eine Auswechselung von Salzen, noch um einen Jonenaus- tausch. Nun trifft in der Erythrocyten-Kochsalzsuspension eine schwache Säure auf das Salz einer starken Säure, und Erscheinungen, wie die soeben geschilderten, pflegen blols einzutreten, wenn man umgekehrt dem Salz einer schwachen Säure eine starke Säure zu- fügt. Nach der Meinung von Kraus kommen aber in der che- mischen Analyse beim Zusammentreffen zweier Elektrolyte mit einem gemeinsamen Ion ähnliche Verhältnisse auch sonst öfter in Frage. Speziell liefse sich hier das auch von Ostwald zitierte Beispiel der Fällung des Zinks mit Schwefelwasserstoff anführen. Bekamntlich pflest man in solchen Fällen zu der Lösung Natrium- acetat im Überschuls zuzusetzen. „Dies hat nicht nur die Wirkung, dafs an Stelle der stark dissoziierten Salzsäure die schwach disso- ziierte Essigsäure tritt, sondern noch die weitere Wirkung, dals bei überschüssigem Acetat auch die Dissoziation der Essigsäure selbst noch in sehr erheblichem Malse herabgedrückt wird. Ein solcher Zusatz hat also den Erfolg, dafs man eine Flüssigkeit erhält, die fast wie eine neutrale sich verhält, während sie doch sauer reagiert, und diesen annähernd neutralen Zustand auch nicht verliert, wenn irn angeführten Falle der Zersetzung eines Zinksalzes durch Schwefel- wasserstoff fortwährend starke Säure durch die Reaktion in Frei- heit gesetzt wird. Denn diese Säure erleidet stets sofort die geschilderten Umwandlungen, und die Konzentration der vor- handenen wenigen Wasserstoffionen wird nur um unverhältnismälsig geringe Beträge vermehrt.“ In der Chlornatrium-Blutkörperchen- mischung spielen nun sehr wahrscheinlich (saure) Eiweilsstoffe der Erythrocyten, die jenen Teil des Alkalis binden, welchen man Beitr. z. chem. Physiologie. III. 17° 258 Eugen Petry, im Sinne von Loewy und Zuntz*), Gürber, Hamburger und anderen das schwer diffundierbare nennt, eime ähnliche Rolle wie dort das Natriumacetat. Leitet man nämlich Kohlensäure einfach in heifse Chlornatriumlösung, wird Salzsäure kaum in Spuren frei- gemacht. In der Körperchensuspension wäre weiter der Reaktions- ablau£ noch durch Abgabe der Salzsäure an die Erythrocyten be- günstigt. Diese Auffassung macht es auch verständlich, dafs in meinen Versuchen das natürliche Serum, welches vermöge seiner Alkalireserve für sich bedeutende Mengen Kohlensäure aufzu- nehmen vermag, sich anders verhält, wie ursprünglich neutrales künstliches (isosmotische Chlornatriumlösung). Die von Gürber an ähnliche Versuchsergebnisse, wie die mitgeteilten, geknüpfte Vorstellung der „Impermeabilität* der Erythrocyten für K’ und Na’ erhält durch dieselben noch keine zwingende Beweiskraft. Das Metall des zerlegten Chlornatriums kann ja in der Aufsen- flüssigkeit einfach durch Kohlensäure zurückgehalten sein. Es bot weiterhin Interesse, zu prüfen, ob diese Chlorwanderung bereits nach geringen Zunahmen des Kohlensäuregehaltes des Serums auftritt, oder ob sie erst in Anspruch genommen wird, wenn die native Alkaleszenz des Serums mit Kohlensäure „e- sättigt ist. Zu einer vorläufigen Orientierung hierüber wurde der Versuch gemacht, die Kohlensäuremenge durch verschieden langes Einleiten derselben zu variieren. Es sollte ermittelt werden, ob kleine Mengen überhaupt von Einfluls auf die Chlorverteilung im Blute sind. In Vers. XIII wurde tadellos defibriniertes Pferdeblut in vier Proben zu 150 cem geteilt und die verschiedenen Proben verschieden lange mit einem ganz trägen Gasstrom behandelt. Tabelle VIII stellt die Er- gebnisse zusammen. Tabelle VIII. Probe Beschickung Chlorgehalt des Serums I — 0,580 Proz. II 100 Blasen (2 Minuten) 0,590 „ III 200 Blasen (4 a) 0,5807, IV 400 Blasen (8 a) ORDER, V /, Stunde 0,472 , Man sieht, dafs die Beschickung mit 400 Gasblasen eine Änderung des Chlorgehaltes zur Folge hatte, welche man noch entschieden als innerhalb der Fehlergrenzen liegend bezeichnen muls. Erst eine länger *) Pflügers Archiv 58, 511. Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 259 dauernde Durchleitung erniedrigte den Chlorgehalt wesentlich. Um eine etwaige Kompensierung der Chlorverminderung durch gleichzeitige Verringerung des Serumvolums auszuschlieisen, bezw. um die absolute Chlormenge ermitteln zu können, und um die (Juantität der in Wirk- samkeit getretenen Kohlensäure zu bestimmen, stellte ich noch nach- stehenden Versuch (Vers. XIV) an. Es wurde tadellos defibriniertes Pferdeblut in drei Proben geteilt. In Probe A wurden je 100 ccm Blut mit 50 ccm genau isosmotisch gemachter Chlornatriumlösung versetzt, gemischt, abzentrifugiert und die über den Körperchen stehende Serumverdünnung auf Chlor und Stickstoff untersucht. In Probe B wurden 100cem Blut 25ccm isosmotischer Chlornatriumlösung und 25 ccm derselben Kochsalzlösung, welch letztere jedoch vorher eine halbe Stunde lang mit Kohlensäure beschickt worden war, hinzugefügt. In Probe C endlich setzte ich auf 100 cem Blut 50 ccm der mit Kohlensäure behandelten isosmotischen Chlornatriumlösung zu. In allen drei Proben wurde nun aus dem Stickstoffgehalt der Serumver- dünnung mit Berücksichtigung des vorher ermittelten Stickstoffgehaltes des negativen Serums das absolute Serumvolum nach Bleibtreu ermittelt und aus dem Chlorgehalt und dem Serumvolum die im Serumgemisch vorhandenen Ühlormenge berechnet. Die Analysen- resultate sind in Tabelle IX zusamımengefalst. Tabelle IX. Probe A |ProbeB100Blut| Probe C 100 Blut + | + 25cem CO,- 100 Blut + 50 cem gesättigter und | 50cem CO,- CO,-freier 25cem(0,-freier| gesättigter NaCl-Lösung NaCl-Lösung | NaCl-Lösung Absolutes Serumvolum . 100,7 100,0 97,6 Chlorgehalt in Prozenten 0,7635 0,738 0,723 Absolute Chlormenge . . 0,7685 0,738 0,7056 Chlorabnahme . .... —_ 0,030 0,0578 Der CO,-Zunahme würde äquivalent sein eine Chlorabnahme von . - — | 0,0615 0,123 Natives Serum. HIcEmE— UN \0,0556 & N Probe A. «) 10 ccm — 0,0557 & N somit 0,557 Proz. N 0,0760 & NaCl Dr ie 57 © Nall somit 0,763 Proz. NaCl Serumvolum: Een a labsolut . . . 100,7 Chlormenge entspr. 100,7: 0,7685. 17* 960 Eugen Petry, Probe B. (0,0562 8 N la somit 0,561 Proz. N ß) 10 ccm = 0.073858 NaÜl also 0,738 Proz. NaCl a 2 r Serumvolum: frelativ ... .. 50 \absolut . . . 100 Chlormenge: 0,738. Probe €. «) 10 ccm —= 0,0574 N also 0,574 Proz. N (0,0721 NaCl 0,0725 & NaCl somit 0,723 Proz. NaCl relativ . . . 47,6 Proz. absolut. 7 eo Chlormenge 0,7056& NaCl. £) 10V cem = Serumvcelum: | Kohlensäurebestimmung in der Chlornatriumlösung (nach der Methode Pettenkofers unter Benutzung von Barytlösung, Oxalsäure und Phenolphtalein): 15 ccm — Kae com —-Oxalsäure. (6,9. 0210 Aus den vorstehenden Zahlen ergiebt sich unzweifelhaft, dafs bereits Kohlensäuremengen, welche unter der nativen Alkaleszenz des Serums liegen (man vergl. besonders Probe B), eine nach- weisbare Verminderung des Chlorgehaltes im Serum zur Folge haben, und dafs diese Verminderung der Menge der zugesetzten Kohlensäure annähernd proportional ist. Bezüglich der genaueren Relation zwischen der Grölse der zugesetzten Kohlensäuremenge und derjenigen der Chlorabnahme aber wird man aus diesem Versuche wohl nur schliefsen können, dafs die Chlorabnahme wesentlich kleiner ist, als der äquivalenten Menge IlOl entspricht. In beiden Proben beträgt die verdrängte Menge Chlorwasserstoff ungefähr blofs dıe Hälfte der acidimetrisch der Kohlensäure entsprechenden Quantität. Angesichts der Breite der Fehlergrenzen bei einer auf Bestimmungen verschiedener Art (Stickstoff, Chlor, Kohlensäure) | basierten Relation wird man jedoch kaum weiter gehen können, als anzunehmen, dafs die Kohlensäure nur einen Teil der ihr äquivalenten Salzsäure aus dem Serum verdrängt. Durch die letztangeführten Beobachtungen wird wenigstens die Möglichkeit nahegerückt, dals der so viel diskutierte Einfluls der Kohlensäure auch für das Leben eine gewisse Geltung besitz. Um mir hierüber annähernd quantitative Aufschlüsse zu Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 61 verschaffen, wählte ich den Grenzfall der physiologischen Kohlen- säurebeschickung des Blutes, die Erstickung. Einem kräftigen 20kg schweren Hund wurde (Versuch XV) aus einer Schenkelarterie eine Blutprobe entnommen. Hierauf legte ich die Trachea des Tieres frei und zog dieselbe durch eine um sie herum- geführte Schnur zusammen. Beim Eintritt der Erstickungskrämpfe wurde abermals eine Blutprobe aus der Schenkelarterie entnommen, und als der Hund, nachdem die Krämpfe bereits sehr heftig gewesen waren, dem Tode ganz nahe war, zum dritten Male eine grölsere Quantität. Die Untersuchung des Chlorgehaltes des Serums dieses Tieres ergab beim ursprünglichen Blut 0,677 Proz., in der zweiten Probe 0,640 Proz. und im Erstickungsblut 0,633 Proz. Die vitale Schwankung des Chlorgehaltes des Serums inner- halb des lebenden Organismus beträgt hier somit in einem Maximal- falle weniger als 10 Proz. des Ausgangswertes, bleibt somit weit hinter den in vitro erzeugbaren zurück. Immerhin gestattet viel- leicht dieses Eindringen gewisser Säureradikale unter dem Einflufs von Kohlensäure, den Blutzellen eine spezielle Funktion im Stoff- wechsel zuzuweisen. Die im Plasma suspendierten Erythrocyten könnten nach den mitgeteilten Beobachtungen das Vermögen be- sitzen, an Alkali gebundene saure Stoffwechselprodukte durch Kohlensäure, welche dem Plasma in den Kapillaren zugleich mit jenen reichlich zuströmt, abzuspalten, in ihrem Leibe durch das Venensystem zu transportieren, und, Katalysatoren vergleichbar, die Entsäuerung der Gewebe beschleunigen. Die Umkehrbarkeit des Prozesses vorausgesetzt, welche nach Hamburgers Angaben eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt, könnten dann diese Säuren nach Ausscheidung der Kohlensäure durch die Lungen ins Plasma zurückkehren und von hier an bestimmte Organe abgegeben, aus der Ökonomie entfernt werden u. s. w. Von vornherein ist es klar, dals es für eine solche Funktion der Erythrocyten vorteilhaft wäre, wenn die durch anderweitige (stärkere) Säuren im Blute herbeigeführten Erscheinungen mit denjenigen, welche wir seitens der Kohlensäure kennen, keine volle Übereinstimmung darbieten, wenn die Kohlensäure in dieser Beziehung etwas Eigenartiges besitzen würde. Mit Rücksicht auf solche Möglichkeiten schien es mir schliefslich von Bedeutung zu sein, das Verhalten der Chloride des Serums bei Zusatz anderer Säuren zum Blute zu studieren. Sämtliche Versuche dieser Reihe wurden angestellt, indem ge- messene Mengen Pferdeblut spontaner Sedimentierung überlassen und dann von oben her gemessene Mengen der betreffenden Säure zuflielsen 963 Eugen Petry, gelassen wurden, so dals die einfliefsende Säure Gelegenheit fand, mit den Alkalien des Serums in Beziehung zu treten, ehe sie an die Blut- körperchen gelangte. Zunächst schien es mir geboten, zu untersuchen, wie dem Blute zugesetzte Salzsäure den Chlorgehalt des Serums beeinflulst; um der Möglichkeit eines verschiedenen Verhaltens kleiner und gröfserer Mengen Rechnung zu tragen, wurde der Versuch an demselben Blute mit verschiedenen Mengen zugesetzter Säure durchgeführt. Zu diesem Zwecke wurden (Vers. XVI) zu defibriniertem Pferdeblut in zwei Portionen wechselnde Mengen Salzsäure hinzugefügt. In Portion B wurden 5 cem, in Portion © 10ccm einer !/,-normalen HCI-Lösung auf 100ccm Blut in der oben beschriebenen Anordnung zugesetzt. Der Chorgehalt der Salzsäure wurde zu 0,718 Proz. ermittelt. Beim nativen Blut wurde das relative Serumvolum nach Bleibtreu be- stimmt, bei den beiden anderen Proben wurde das absolute Serumvolum aus dem N-Gehalt des Serums berechnet. Die beiden Proben blieben vollständig frei von Hämoglobinaustritt. Die Ergebnisse des Versuchs sind in nachstehender Tabelle wiedergegeben. ® Tabelle X. | .. I Zusätze zu Gehalt = a = © 1, | 5 Fe Pi | a = 80 = s=3= 100 Blut | 53=|3| ex 2% = 35538 Br= ae = m |ı8 = sO.85 a7: as = 3 8 Na | rd 805 = B-r-) = g 9 SnEnan— a |sAlsa Si2la ge ernten 17) v a | oe au ER EEE las else ala, = ıs5: An. ssealE| 85 | 52 Sea a SS ea sa <= Er Seen 5 am) 2 = lo) © 9 3 S an = N So zeri2 n@2 | ag ss oO. er < (5) ccm Zr=m BrozWBroz S Proz. Natives Serum || — — [0,630 0,326 | 53 | 0,603 | 0,318 — — ProbeB | 2,5 0,0359 | 0,616 — 54 | 0,6125 0,3307 | + 0,012 33 ProbeC | 5 0,0718 0,598 — 55 | 0,625 | 0,3437 | + 0,025 34 Berücksichtigt man zunächst (Stab 5 der Tabelle) das absolute Serumvolum, so findet sich bei Probe B und C eine Zunahme von 1 resp. 2Proz., welche nicht der zugesetzten Wassermenge (2,5 resp. 5 Proz.) entspricht; es ergiebt sich daraus somit eine Zu- nahme des absoluten Körperchenvolums unter dem Einflufs des Säurezusatzes. Betrachtet man weiterhin die Chlorwerte (Stab 6), so fällt auch ohne Beziehung derselben auf das absolute Serumvolum auf, dafs die Chlorzunahme bei B und C nicht mit dem Chlorzusatz zum Gesamtblut (Stab 2) im Verhältnis steht. Während letzteres Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 263 eine Zunahme von 0,0559 Proz. resp. 0,0718 Proz. erfährt, ändert sich der Prozentgehalt im Serum nur um 0,010, resp. 0,022 Proz. Noch deutlicher erkennt man, dals der grölsere Anteil des zugesetzten Chlorwasserstoffs in die Körperchen auf- genommen wurde, wenn man die aus der Multiplikation des Chlorgehalts mit dem absoluten Serumvolum sich 'ergebenden ab- soluten Chlormengen (entsprechend 100 & Ausgangsblut), welche in Stab 7 zusammengestellt sind, vergleicht. Die Differenz zwischen B, resp. zwischen © einer- und A andererseits, die Chlorzunahme des Serums (Stab 8), beträgt in beiden Fällen nur etwa ein Drittel des Gesamtzusatzes (Stab 2). Trotz der Variation der (in beiden Fällen unter der nativen Alkaleszenz des Serums liegenden) Säure- menge verhielten sich dabei die Proben B und © hinsichtlich der Aufteilung der Säure zwischen Erythrocyten und Serum völlig gleich. Um noch eine weitere anorganische Säure heranzuziehen, setzte ich zu defibriniertem Pferdeblut, wiederum in der schon bekannten Anordnung, Schwefelsäure hinzu, und zwar zu 100 Blut 5 ccm n } Ä : ß 7 Schwefelsäure. Vom nativen Blut war eine Bestimmung des (relativen) Serumvolums nach Bleibtreu gemacht worden. In der Schwefelsäure- probe war dies nicht gut möglich, weil das Serum merklich lackfarben wurde. Die Resultate (Versuch XVII) enthält Tabelle XI. Tabelle XI. Zusatz von 5cem Y, H,SO,- | Neuivai ı Säure zu 100cem Blut Relativ. Serumvolum (Bleibtreu) 55 Proz. ? Relativer Chlorgehalt in Prozenten | 0,575 „ 0,530 Die Beurteilung des Ergebnisses wird durch das Fehlen der Werte für das Serumvolum bei der Schwefelsäureprobe einiger- malsen erschwert. Immerhin zeigt aber der Vergleich der beiden prozentischen Chlorwerte eine so geringe Chlorabnahme in der Schwefelsäureprobe, dals dieselbe nur auf Rechnung der Ver- dünnung durch die 5ccm Zusatzflüssigkeit gesetzt werden kann. Würde man sich nämlich das Körperchenvolum als gleichbleibend denken, so mülste die Verdünnung des Serums allein eine Ab- nahme des prozentischen Chlorgehalts auf 0,522 bewirken. Die gefundene Abnahme auf 0,530 lälst also selbst bei Berück- sichtigung der Möglichkeit einer Vermehrung des Körperchen- volums eine Chlorwanderung aus dem Serum in die Körperchen als recht unwahrscheinlich erscheinen. Die Schwefelsäure scheint sonach ebenfalls auf die Chlorverteilung keinen Einfluls auszuüben. 964 Eugen Petry, Als letzte Säure wurde endlich die Milchsäure, als Vertreterin der alıphatischen Oxysäuren herangezogen; ihre Verwendung lag um so näher, als die Kohlensäure selbst dieser Gruppe angehört, und sie bot auch mit Rücksicht auf Fragen des intermediären Stofiwechsels unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen ein gewisses Interesse. In Vers. XVIII wurden zu je 100 ccm tadellos defibrinierten Pferdeblutes in einer Probe (B) 5 ccm > 80,-Lösung in einer anderen (C) „"Milchsäurelösung in der geschilderten Anordnung zu- gesetzt, und es wurde vom nativen Serum (A) sowie beiden Säure- proben der Chlorgehalt des Serums ermittelt. Die zugesetzten Säuren waren in diesem wie im vorhergehenden Versuch auf ihre Chlorfreiheit geprüft worden. Vom nativen Blut war auch das relative Serumvolum nach Bleibtreu ermittelt worden; bei beiden anderen Proben konnte dies wiederum nicht durchgeführt werden, da das Blut durch die Säure- behandlung schwach, aber immerhin deutlich lackfarben wurde. Die Resultate dieses Versuches finden sich in Tabelle XII. Tabelle XII. | ; B 100 Blut + 5ecem | C 100 Blut + 5cem a un) =-n H,80,-Säure 4-n Milchsäure Serum- | volum | — | — — Chlor- | ana- | lysen . 110 cem=0,0540 & NaCl 10 ccm==0,0490 2 NaCl | 1Ocem =0,0502 & NaCl Prozent- —=0,0550 & NaCl —0,0503 & NaCl —0,0495 & NaCl gehalt Chlor | 0,545 Proz. | 0,496 Proz. 0,497 Proz. Für die Beurteilung dieser Ergebnisse muls man dieselben Überlegungen wie bei Versuch XVII anstellen. Erwägt man die Verdünnung des Serums durch die zugesetzte Wassermenge, welche eine maximale Abnahme des prozentischen Chlorgehaltes bis zu 0,490 Proz. bewirken könnte, so wird man zugeben, dals eine beobachtete Verminderung auf 0,496 zu gering ist, als dafs man daraus eine neben der Verdünnung wirksame Verdrängung des Chlors aus dem Serum annehmen mülste. Von Wichtigkeit erscheint mir, festzustellen, dafs zwischen beiden zum Zusatze verwendeten Säuren (welche in äquivalenten Mengen zur Anwendung gelangten) kein Unterschied in der Wirkung besteht, dafs somit auch der Milchsäure, ebenso wie der Schwefelsäure, ein merklicher Einfluls auf die Chlorverteilung nicht zukommt. Über die Verteilung der Kohlensäure im Blute. 265 Dals der gröfsere Teil der zum Blut zugesetzten Salzsäure in die Körperchen aufgenommen wird, habe ich somit durch direkte chemische Analyse nachgewiesen. Dafs sich Schwefelsäure und Milchsäure sehr ähnlich verhalten, dafür spricht nach allem Früheren das von mir beobachtete Ausbleiben einer Chlorbewegung bei Beschickung des Blutes (bezw. des Serums) mit diesen Säuren. Denn wenn sich dieselben auf Erythrocyten und Blutflüssigkeit nach Mafsgabe ihrer Alkaleszenz aufteilen, fehlt für ein Fortwandern des Chlors aus dem Serum eine chemische Veranlassung. Da die Alkaleszenz der Körperchen nach allen darüber vorliegenden An- gaben merklich grölser ist als die des Serums, gehen vermutlich Salz-, Schwefel- und Milchsäure auch gröfstenteils in die Erythrocyten. Nach der Auffassung von Hamburger würde sich gegen- über dem Blute die Kohlensäure völlig wie jede Säure schlecht- hin verhalten und in dieser Beziehung gar nichts Spezifisches zeigen. Nach den vorstehend mitgeteilten Versuchsergebnissen glaube ich aber doch einen wenigstens quantitativ weitgehen- den (und für die früher postulierte Funktion der Erythrocyten zweckmälsigen) Unterschied annehmen zu müssen. Wahrscheinlich werden auch noch ähnlich schwache, andere Säuren (Schwefel- wasserstoff) das Blut so wie die Kohlensäure beeinflussen. Die „Permeabilität“ braucht hierbei nicht gerade eine besondere Rolle zu spielen, sehr schwache Säuren vermögen einfach die schwer diffusıblen Alkaliverbindungen der Zellen nicht rasch zu zerlegen. Es war viel Grund gegeben, zu denken, dafs Alkalien und Säuren als leicht diffusible Stoffe überall in den Zellen und in der Säftemasse zusammentreffen und auch überall direkt aufein- ander reagieren. Beobachtungen, wie die mitgeteilten, legen aber doch die Vermutung nahe, dals auch bei der einfachen Reaktion der Bindung von Säure und Alkali im Organismus innig mit Zellen verknüpfte kolloide Substrate ausschlaggebend ver- mitteln können. Die Bewegung von Säuren und Alkalien im Körper würde dann durch im Protoplasma streng lokalisiert fest- wurzelnde Verbindungen, denen das geeignete Material von An- und Kationen zugeschwemmt wird, bestimmte Richtungen empfangen. Um hierüber sichere Aufschlüsse zu erlangen, mufsten natürlich aulser den Erythrocyten auch Zellen anderer Provenienz auf ihr einschlägiges Verhalten geprüft werden. Mit einer dahinzielenden Untersuchung bin ich beschäftigt. Graz, Ende Juli 1902. XI. Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. Von Dr. Sigval Schmidt-Nielsen. (Fischerei-Departement Bergen, Norwegen.) Frisch geschlachtetes Säugetierfleisch hat bekanntlich eine zähe und trockene Beschaffenheit, weshalb es vor der Zubereitung einige Zeit aufbewahrt wird, damit die sogenannte Totenstarre sich löst und das Fleisch saftig und mürbe wird. Das Fleisch mufs eine „Reifung“ durchmachen. Eine völlig ausreichende Erklärung, worin diese Erscheinung eigentlich besteht, ist bis jetzt nicht in der Litteratur zu finden. Dals diese postmortale Erscheinung einfach als eine durch Milchsäurebildung veranlafste Lösung der Eiweilskörper oder, wie ältere Forscher angenommen haben, als eine bakterielle Fäulnis- erscheinung aufzufassen ist, läfst sich wohl zur Zeit nicht mehr aufrecht halten. Was Hoppe-Seyler für den Zellstoffwechsel vermutungs- weise ausgesprochen hat, mu[s man jetzt nach den Untersuchungen von Salkowski, Gautier, Schwiening, Hedin, Vogel und anderer für den Säugetiermuskel als gesicherte Thatsache ansehen, nämlich dafs die Zellen desselben im stande sind, sich ohne Bei- hülfe von Bakterien durch in ihnen auftretende Enzyme selbst in einem gewissen Grade zu verdauen. Die Autodigestion der Skelettmuskeln der Säugetiere lag aufser- halb des Rahmens meiner Arbeit, aber ich möchte doch an dieser Stelle erwähnen, dafs ich in Bestätigung und Ergänzung bereits vorliegender Befunde durch am Hundefleisch angestellte Unter- suchungen gefunden habe: l. dafs die Autolyse des Fleisches weitaus langsamer unter antiseptischen als unter aseptischen Kautelen verläuft; Sigval Schmidt-Nielsen, Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches.. 267 2. dals die schwach wirkenden Enzyme desselben allmählich gewisse Eiweilskörper durch die Stufe der Albumosen und Peptone hindurch zu Aminosäuren hydrolysieren; 3. dafs eine erheblichere Xanthinbasenbildung, wie ich sie für einige Fische gefunden habe (siehe unten), hier nicht stattfindet; 4. dals die Enzyme der Skelettmuskeln teilweise im stande sind, ihre 'Thätigkeit auch in kochsalzgesättigter Flüssigkeit zu entfalten. Beim Fischlleisch hat man es „in praxi“ nicht mit einer ähn- lichen Totenstarre und Lösung derselben wie beim Säugetierfleisch zu thun. Obwohl die Zubereitung frischer Fische für gewöhnlich „leben- des“ Rohmaterial erfordert, so wäre es doch nicht erlaubt, daraus zu schliefsen, dafs man bei den Fischen keine Reifungsvorgänge kennt. Im Gegenteil, viele Fische, besonders die gesalzenen, müssen vor dem Genuls einen intensiven Reifungsvorgang durchmachen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, auf die praktische und fischereitechnische Seite dieser Frage näher einzugehen; ich habe darüber schon an anderem Orte berichtet”). Im nachstehenden sollen nur jene Momente behandelt werden, welche ein biologisches Interesse darbieten. Unter den durch Einsalzen konservierten Fischprodukten sind die Pökelheringe die wichtigsten und am meisten gekannten. In einer Reihe rein chemischer, mikrobiologischer und physio- logisch-chemischer Untersuchungen habe ich in den letzten Jahren den Reifungsvorgang beim Pökeln von Heringen genauer studiert und dabei gefunden, dafs die Fischmuskeln ebenso wie die Säuge- tiermuskeln Agentien (Enzyme) enthalten, welche nach dem Tode, und zwar selbst in kochsalzgesättigter Flüssigkeit, eine Reihe von chemischen Veränderungen, vorwiegend Spaltungen, bewirken, welche zusammen den Reifungsvorgang darstellen. Bei den Fischen besteht ein grofser Unterschied zwischen fetten und mageren Arten; bei beiden haben wir es mit einer *) Sigval Schmidt-Nielsen: Über den Reifungsvorgang beim Pökeln von Heringen. Det kg]. norske videnskabers selskabs skrifter 1901, Nr. 5, Throndhjem 1902. — Chemical and microbiological Investigations on the Curing of Herring. Report on norwegian Fishery and marine Investigations. Vol. I, 1900, Nr. 8, S. 99 u. f. Bde. 268 Sigval Schmidt-Nielsen, Autodigestion zu thun, doch kann man bei den letzteren kaum von einem Reifungsvorgang sprechen. Wie das Rohmaterial sind die gebildeten Produkte verschieden, und sie werden deswegen auch hier getrennt besprochen. 1. Die Autolyse der Heringe. Gleich nach dem Fange werden die Heringe ausgenommen, mit ungefähr !/, bis !/, ihres Gewichtes an Kochsalz in Tonnen ge- packt und sich selbst überlassen. In 5 bis 14 Tagen haben sie dann jene Prozesse durchgemacht, durch welche sie genielsbar werden. Die Entscheidung darüber, wann dieser Reifungsvorgang ab- geschlossen ist, ist fast ausschliefslich Geschmackssache. Man findet eben, dafs die Heringe ihren „rohen“ Geschmack verloren haben. Als objektives Kennzeichen gilt, dafs die Haut sich leicht abziehen, und das Fleisch sich leicht von den Rückengräten abtrennen läfst. Vom analytisch-chemischen Gesichtspunkte aus sind die Pökel- heringe in Vergleiche mit dem frischen Material durch einen niedrigen Wassergehalt, einen entsprechend höheren Stickstoff-, Fett- und Salzgehalt charakterisiert. Dies ist einfach durch die gewaltigen osmotischen Prozesse veranlafst, die sich einstellen, wenn das salzarme Heringsfleisch in dauernde Berührung mit festem Kochsalz bezw. einer gesättigten Kochsalzlösung kommt. Die eigentümliche Geschmacks- und Konsistenzänderung, die diesen physikalischen Veränderungen parallel geht, kann nicht auf einfache Salzwirkung zurückgeführt werden. Sie mufs in einer chemischen Veränderung begründet sein. Um diese genauer festzustellen, habe ich einerseits die Heringslake, in welche natur- gemäls neugebildete diffusible Produkte übertreten, andererseits das Heringsfleisch selbst untersucht. Die Heringslake. So wie die Heringslake von den Tonnen abgezapft wird, bildet sie eine salzreiche, stark getrübte, mehr oder weniger dunkel gefärbte Flüssigkeit von neutraler Reaktion und charakteristischem Geruch. Die Trübung der Lake rührt her von einem feinverteilten Sediment, das hauptsächlich aus gefälltem, zum Teil koaguliertem Muskeleiweils besteht. Ganz junge, nur wenige Tage alte Proben lassen sich nicht klar filtrieren, sondern behalten stets ein grau-trübes Aussehen. Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. 269 Die ein wenig älteren Proben filtrieren weit leichter und voll- ständig klar. Von den anorganischen Bestandteilen ist aufser Kochsalz eine recht erhebliche Phosphorsäuremenge, wahrscheinlich in organischer Bindung, zu erwähnen. Es wurde z. B. gefunden: In einer 14 Tage alten norwegischen Lake 1,6 %, P,O,;. D) D) 1 Monat „ » „167, D) L Q » D) 2'/, Jahre „ » „. 19, D) » D) 5 Jahre „ » lan ” Die Gesamtmenge der anorganischen Salze bewirkt, dafs die Lake fast gesättigt ist und ziemlich konstant ein spezifisches Ge- wicht von 1,21 zeigt. In dieser kochsalzgesättisten Flüssigkeit vegetieren in der ersten Zeit, wo die Reifungsvorgänge sich eben vollziehen, zahl- reiche Bakterien. Es ist jedoch, wie unten auseinandergesetzt werden soll, durchaus zweifelhaft, ob man ihnen beim Herings- pökeln eine ähnliche wichtige Rolle wie etwa bei der Käsegärung beimessen kann. Die auffallendste chemische Veränderung erfährt die Lake während des Reifungsvorganges durch den Übertritt von orga- nischen, zunächst stickstoffhaltisen Stoffen in dieselbe. Als Mafs für die Menge derselben liegt es nahe, den Gehalt der Lake an Stickstoff anzusehen. Durch Bestimmung des Ge- samtstickstoffes in einer grölseren Anzahl von Proben zeigte sich, dals kleine Mensen von organischer Substanz sehr bald aus den Heringen heraustreten. Schon nach 24 Stunden hat die Lake einen "Sticktoffwert von 1 P/,, erreicht. Die tägliche Stickstoffvermehrung in der Lake nimmt dann allmählich ab, bis sie nach ein paar Mo- naten praktisch abgeschlossen ist; der Stickstoffgehalt beträgt dann durchschnittlich 5 %/,9; doch ist die Zunahme auch nach dieser Zeit vorhanden. So enthielt z. B.: 2\/, Jahre alte norwegische Lake 9 %,, N*) 5 5 rn e oO Selbst wenn man mit den höchsten Werten rechnet, die ich in den verschiedensten Proben gefunden habe, so zeigt sich, dafs vom Lakestickstoff nur ein geringer Teil in Form von geronnenem Eiweils vorhanden ist, während der Rest unter den Sammelnamen „Nichteiweils“* oder „Amidstickstoff“ fällt. *) Alle Analysen beziehen sich hier wie später auf die klar filtrierte Lake und geben nur den gelösten Stickstoff an. 270 Sigval Schmidt-Nielsen, Eiweilstickstoff Alter und Art der Gesamt- de durch SI Probe Stickstoff K ati Fällung mit |. h oagulation | Pssiosäure Ritthausen = 3 s | 1 Monat 34%, 06a, 0,7 Ya 0,9 Yon r r En 1 ” 3,7 ” 0,9 ” 1,2 ” > E'5 | 1 Jahr Don ka a 8-@| 5 Jahre 19,07% 0, 0,90 en Holländische Lake 40, 1.0 Die qualitative Untersuchung lehrt, dafs das koagulable Eiweils aus Globulinen und Albuminen besteht; daneben finden sich Albu- mosen und Myoproteide (nicht koagulable aus der salzhaltigen Lö- sung durch Essigsäure fällbare Eiweilskörper). Was das „Nichteiweils“ betrifft, so konnte in der Lake die Gegenwart von Xanthin und Fleischbasen, Aminen, Amiden, Mono- und Diaminosäuren, Aminosäureamiden zu erwarten sein. Um über die Menge dieser Stoffe, bezw. über die Bindungsweise des Stick- stoffes in denselben eine vorläufige Vorstellung zu gewinnen, habe ich in der Lake neben dem Gesamtstickstoff den durch salpetrige Säure*), den durch Bromlauge abspaltbaren und überdies den in Purinbasen enthaltenen Stickstoff bestimmt. Alter und Art der Gesamt- \Stickstoff abspaltbar durch Probe Stickstoff HNO, NaBrO | Xanthin-N 3 „f} Monst A U Ne 0,0 Yan 0,6 Yan 559) 1 Jahr Da 108% IE | 91), Jahre SB Bm = 5 ” 12,0 ” 5,7 ” 1,6 Yon 1,3 Yan Man kann aus diesen Daten entnehmen, dafs in der Lake Amide und Aminosäuren in ziemlich reichlichen Mengen vertreten sein müssen, zumal ich durch Destillation mit Magnesia mich davon überzeugt habe, dals die Lake arın an Ammoniakstickstoff ist. So enthielt z. B. eine Lake mit 3,7 Promille Gesamtstickstoff 0,1 Pro- mille und eine andere mit 4,6 Promille Gesamtstickstoff 0,16 Pro- mille präformierten Ammoniakstickstoff. Davon, dafs wirklich Aminosäuren in der Lake reichlich vor- handen sind, kann man sich übrigens auch durch qualitativen Nach- *) In der nach Ritthausen enteiweilsten Flüssigkeit. Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. 271 weis derselben überzeugen. Kocht man die enteiweilste Lake mit Kupferkarbonat, so erhält man eine tiefblau gefärbte Flüssigkeit, deren Farbe sich beim Kochen und Eindampfen nicht verändert. Was die Menge der Aminosäuren betrifft, so lehrt die Tabelle, dafs sie nicht allein absolut, sondern auch im Verhältnis zum Ge- samtstickstoff mit dem Alter der Laken zunimmt. Summiert man den Eiweils-, den durch salpetrige Säure ab- spaltbaren und den Xanthinbasenstickstoff, so erhält man jedoch nicht den Wert des Gesamtstickstoffes, trotzdem diese Zahlen teil- weise denselben Stickstoffverbindungen angehören und daher bei dieser Berechnungsweise doppelt gezählt werden. Ich habe daher versucht, den Lakestickstoff in Gesamtstickstoff, Eiweilsstickstoff, freien und leicht abspaltbaren Ammoniakstickstoff, Basenstickstoff, Monaminostickstoff und in Xanthinstickstoff aufzu- teilen, und gebe nachstehend die gefundenen Werte in tabellarischer Zusammenstellung. Zum Vergleich lasse ich die an kochsalzge- sättigtem Extrakt aus frischen Heringen ermittelten Zahlen vor- angehen. Extrakt aus frischen Heringen enthielt: Gesamtstickstof . . . . . . NE MR ee EN. Durch Tannin fällbare Yerbiidungen“ EN A Baer u? 1,4058 A9E% Direkt durch Magnesia abdestiliert ........ a EU au Nach Zerkochen mit Salzsäure durch Maenesia Endes eine OA, Phosphorwolframsäure: direkt fällt . . . .-.% ..... Re Nach Zerkochen mit Salzsäure und Dest. mit Magnesia Fällt Bhosphorwolliamisaure. 2... .-..0. 2. RE DSB 2, Te Beinilunasener 2 N er a N Ve oder anders ausgedrückt: NICK ee ee ne Tosmsturs Nicht koagulables Eiweils ...... . . U AUF ES (Myoproteide und andere tanninfällbare Stoffe.) Präformiertes Ammoniak . ...... RE 039275 = Durch Säure leicht abspaltbarer Stickstoff ee ae SUDL 9 Basensiickstofl ". . .... .. EEE erh (1010) Vaie- > Monaminostickstoff ee ) NE TEE REN er BE IE 0 Renee Pe MerssltiaBasenn ans 8 ee er ee ee NEE n Eine norwegische Heringslake enthielt Birpktie ni... © SE PR KEY EEE EEE TEEN: DEE DL nSrN ee EN EN ze Direkt durch Tannin fällbar .. ..... EB URAN ER, IRRE Dureh Tannin nach Koagulation fällbar ....... See AL Er Fol Direkt durch Magnesia abdestilierbar ........... 0,16 22 Sigval Schmidt-Nielsen, Nach Zerkochen der koagulierten Lake mit Salzsäure, ab- spaltbar durch Magnesia ... 02T Nach Koagulation mit Phosphorw Ol neinne, Ele Stick- SCORE 1: re De N er brsee)e na > > Xanthinkörper tr. Ha. ra era a nl aee ä oder anders ausg deickit ’ Gesamtstickstoft ur... 2 met ale le ee a A or Koagulables Eiweils. ... 2. au... u Nicht koagulables Eiweils ..... 02 a (Myoproteide, Albumosen und ade ältere Stoffe.) Präformiertes Ammoniak ... ln ec: Durch Säure leicht abspaltbarer Silalsieii HEN. Basenstickstolt | v... 2... 2 Sa ee ee Tee 5 Menaminestickstolt. . 2... nen Se Xanthinbasenir.ie. areas ne Re AO e7 Vergleicht man diese Tabellen, so fällt auf, dafs die frischen Heringe gar keine oder nur Spuren von Xanthinbasen enthalten, während solche in den gepökelten in reichlicher Menge vorhanden sind. Das frische Heringsfleisch scheint ferner reicher an mit Magnesia austreibbarem Stickstoff zu sein, während die Menge von durch Säure leicht abspaltbarem Ammoniak in der Lake gröfser ist. Dafs das frische Fleisch mehr Ammoniak bezw. locker gebundenen Stickstoff enthält, scheint zunächst auffallend, läfst sich aber wohl dadurch erklären, dafs ein Teil als Magnesiumammoniumphosphat ins Lakesediment übergeht. (Phosphorsäure sowohl wie Magnesia sind ja ausreichend vorhanden.) Monaminostickstoff ist in der Lake in gröfseren Mengen vorhanden, was von dem Basenstickstoff nicht mit Sicherheit gesagt werden kann. Durch die qualitative Untersuchung lälst sich zeigen, dals im frischen Heringsfleisch keine Aminosäuren vorhanden sind — sie werden erst beim Pökelprozels gebildet. Indessen enthält bereits das frische Heringsfleisch nicht koagulable Verbindungen, die durch salpetrige Säure und Bromlauge gespalten werden, nach einer Einzel- bestimmung entsprechend einem Minimalgehalt von 0,8 Promille N — eine Menge, die völlig ausreicht, um den Gehalt davon in der Lake zu erklären. Da aber die Lake Aminosäuren enthält, das frische Fleisch dagegen nicht, so mufs hier trotz der quantitativen Gleichheit doch ein qualitativer Unterschied bestehen. Was die Myoproteide*) betrifft, so scheint der Gehalt daran *) Neben dem zuerst von v. Fürth beschriebenen Myoproteid, das durch Kochsalz fällbar ist, und das ich vorläufig als Myoproteid A bezeichne, habe ich in der Lake zwei andere Myoproteide (B und C) gefunden. Diese werden Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. Bla: in der Lake geringer zu sein, aber es wäre verfrüht, daraus zu schliefsen, dafs diese leichter gespalten bezw. in Aminosäuren über- geführt werden als die koagulablen Eiweilskörper. Die . ersten hydrolytischen Spaltungsprodukte des genuinen Eiweilses, Albumosen und Peptone, sind in jungen Laken nur in geringen Mengen, aber nicht konstant vorhanden. Nach etwa einem Jahre treten sie gleichzeitig mit einer Zu- nahme der schon in den ersten Wochen nachweisbaren Tryptophan- reaktion in reichlicher Menge auf. Aus den hier skizzierten Untersuchungen geht hervor, dafs beim Pökeln der Heringe eine Reihe von stickstoffhaltigen Körpern auftritt, die im frischen Heringsfleisch nicht vorhanden waren. Von diesen sind die Xanthinbasen und die Aminosäuren speziell hervorzuheben, obwohl man annehmen darf, dafs die anderen noch nicht charakterisierten Anteile ebenso viel Interesse darbieten. In der Bildung dieser verschiedenen Produkte besteht, glaube ich, der Reifungsvorgang, soweit es sich um Veränderungen von stickstoffhaltisen Substanzen handelt. Er beruht danach auf fermen- tativen Vorgängen, die sich in der kochsalzgesättigten Lösung voll- ziehen *). Das Heringsfleisch. Da die Veränderungen der stickstoff- haltisen Bestandteile des Heringsfleisches auch in der Zusammen- setzung der Lake zum Ausdruck kommen, ist hier vor allem eine etwaige Umwandlung der Fette in Betracht zu ziehen. Die Untersuchung der Fette wurde, um die Störung durch Lecithine und andere ätherlösliche Körper möglichst zu vermeiden, nach Ausschmelzen mit Wasser vorgenommen. Die so gewonnenen Fette, die keine wasserlöslichen Säuren ent- hielten, wurden auf Säurezahl, Acetyl- und Jodzahl untersucht. Es zeigte sich, dals die Fette der Pökelheringe im Vergleich mit frischem Material eine mit der Dauer der Einpökelungszeit erst bei 65 proz., bezw. bei Ganzsättigung mit Ammoniumsulfat gefällt. Beide lassen sich wahrscheinlich in zwei Modifikationen trennen, wovon die eine (e) in kochsalzarmer Flüssiekeit durch Essigsäure fällbar ist, die andere (£) erst in kochsalzreicher Flüssigkeit. Auf die Klassifikation und die Eigen- schaften dieser Körper werde ich nächstens zurückkommen. *) Die Annahme, dals es sich, wie Dastre seinerzeit für die Fibrinolyse annahm, um eine digestive Wirkung des Kochsalzes handelt, darf wohl jetzt als unbegründet aulser Betracht bleiben, obwohl man auf der anderen Seite nicht a priori ausschlielsen kann, dals die Salzspannung dabei in irgend einer Weise beteiligt ist. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 18 274 Sigval Schmidt-Nielsen, stark steigende Säure- und Acetylzahl aufweisen, während zur selben Zeit die Jodzahl abnimmt. i Das durch Kochen mit Wasser aus- Art der Heringe 4 eis nach dem eeschmolzene Fett hat: Einpökeln a Säurezahl | Acetylzahl Jodzahl Norwegische 0 0,6 8,88 lan. ” 0 ; 0,8 Holländische 14-30 Tage 10,6 134 £ ? 30,2 95,5 122 Norwegische 9 Monate 37,0 21,0 127,9 Die beobachtete auffällige chemische Veränderung der Fette kann wohl am besten als eine Umwandlung von ungesättisten Fett- säuren in Oxyfettsäuren aufgefalst werden und ist vermutlich eben- falls auf Prozesse enzymatischer Natur zurückzuführen. Nimmt man an, dals die beim Reifen der Pökelheringe auf- tretenden chemischen Veränderungen fermentativer Natur sind, so erhebt sich naturgemäls die Frage, ob sie von den Enzymen des Fischfleisches oder den im Anfange reichlich auftretenden Bakterien veranlafst werden. Man könnte auch denken, dals sie das Resultat eines Zusammenwirkens der Enzyme beider Zellentypen darstellen, so zwar, dals die Bakterien die von den Geweben selbst ein- geleiteten Prozesse fördern oder hemmen. Es ist einerseits bekannt, dafs die Mikroorganismen bei ver- schiedenen analogen Prozessen, insbesondere bei der Käsegärung, eine entscheidende Rolle spielen, auf der anderen Seite ist durch die Untersuchungen der letzten Jahre über die Autolyse von tierischen und pflanzlichen Geweben eine Reihe von Thatsachen bekannt geworden, welche zeigen, dafs manche Prozesse, die früher ausschliefslich auf Bakterienwirkung zurückgeführt wurden, in der- selben oder in einer ähnlichen Weise auch ohne Beihülfe von Bakterien verlaufen, mit anderen Worten, dafs sie durch Agentien, die der lebenden Zelle selbst angehören oder in derselben nach dem Absterben auftreten, veranlafst sind. Für den uns vorliegenden Fall ist nach dem oben Gesagten von den stattfindenden Spaltungen nachweislich die Xanthinbasen- bildung weder direkt durch den Lebensprozels der Bakterien noch durch Enzyme derselben veranlalst; Heringsfleisch, das frisch durch Kochen sterilisiert wurde (wodurch die Enzyme insgesamt unwirk- sam wurden), und das nachträglich durch die Bakterien des Herings- Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. 275 darmes infiziert wurde und in Fäulnis überging, erwies sich als frei von Xanthinbasen. Dagegen könnten die Aminosäuren ebenso gut von den Bakterien wie von den Muskelenzymen gebildet sein. Das gilt auch von den ersten hydrolytischen Spaltungsprodukten des Eiweilses, wie zuerst Salkowski nachgewiesen hat. Durch eigene darauf gerichtete Untersuchungen habe ich mich wie oben erwähnt, davon überzeugen können, dafs auch die Fisch- muskeln Enzyme besitzen, die das Eiweils bis auf Aminosäuren spalten, und dafs sie diese ihre Thätigkeit auch in kochsalzgesättigter Flüssigkeit entfalten können. Es steht daher der Annahme nichts im Wege, dals wir es bei dem Reifen der Pökelheringe haupt- sächlich mit einer Autolyse zu thun haben. Die Spaltung der Glyceride kann im allgemeinen auch durch Mikroorganismen ver- anlafst sein. Aber da hier das Fett gleichmälsig im Fleisch ver- teilt ist und das Heringsfleisch, wie Lambertz und Kulescha*) gezeigt haben und ich im wesentlichen bestätigen kann, steril ge- funden wird, ist kaum eine andere Vorstellung möglich, als dafs auch die Fettspaltung einen autolytischen Vorgang darstellt. Nach dem eben Gesagten können die Bakterien ihre Thätig- keit wesentlich nur in der Lake entfalten. Immerhin bleibt noch die Möglichkeit, dafs die in der Lake gebildeten Stoffwechsel- produkte den Pökelheringen einen besonderen Geschmack verleihen. Ich habe, da die Methoden der jetzigen Bakterienphysiologie hier sehr wenig ausreichen, nicht nach typischen Bakterienstoffwechsel- produkten gesucht. Insofern wäre diese Frage schwer zu beantworten. Indessen glaube ich, dafs sie indirekt ihre Beantwortung findet. Einmal ist, wie schon erwähnt, der Reifungsvorgang auffällig vom Rohmaterial abhängig. Fettreiche Fische, wie Heringe, Lachse, Forellen, Makrelen und andere, reifen im gepökelten Zustande. Salzt man dagegen Dorsche, Schellfische und andere magere Fische ein, so fehlt der Reifungsprozels. Danach scheint es, dafs die Spaltung der Neutralfette beim Reifungsvorgang eine entscheidende Rolle spielt — und diese ist, wie erwähnt, sicher ein Proze[s autolytischer Natur. Auch eine andere auffällige Begleiterscheinung, nämlich die reichliche Xanthin- basenbildung, ist ausschlielslich ein autolytischer Vorgang. *) Lambertz siehe Stadler: Über die Einwirkung von Kochsalz auf Bakterien u.s.w. Archiv für Hygiene 35. — Kulescha, G.: Untersuchungen über die Bakterienflora der Heringslake. (Bericht des landwirtsch. bakteriol. Laboratoriums des Ministeriums der Agrikultur. St. Petersburg 1899.) 18* 276 Sigval Schmidt-Nielsen, Zur Kenntnis der Autolyse des Fischfleisches. Um die Frage endgültig zu entscheiden, habe ich Pökelver- suche angestellt, wo die Bakterienwirkung durch Zusatz von Anti- septicis, wie Fluornatrium und Natriumsalicylat, ausgeschlossen war. Man erhielt dabei, trotz des Fehlens von Bakterien, doch Pökel- heringe, die von den Praktikern als „reif“ bezeichnet wurden. Dadurch ist gezeigt, dals der Reifungsvorgang der Pökel- heringe ebenso wie jener des frischen Säugetierfleisches auf Autolyse beruht. Unter den oben erwähnten Befunden knüpft sich das grölste theoretische Interesse 1. an die autolytische Bildung von Oxyfettsäuren aus ungesättigten Fettsäuren; 2. an die reichliche Abspaltung von Xanthinbasen. Diese ist um so beachtenswerter, als sie nach meinen bis- herisen Untersuchungen nur bei den fetten Fischen durch Autolyse zu stande kommt und durch Bakterienwirkung ge- hemmt wird. Auf die Verbreitung, das Substrat und die Ursache dieser eisentümlichen biochemischen Spaltung werde ich in einer zweiten Mitteilung näher eingehen. XII. Die Globuline des Blutserums. Von cand. med. Otto Porges aus Teplitz und K. Spiro. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) Seit den ersten ausführlichen Arbeiten Hammarstens über die Globuline des Blutserums ist die Frage nach der Einheitlichkeit des „Serumglobulins“ Gegenstand vielfacher Untersuchungen ge- wesen. Während Burckhardt glaubte, dafs das Serumglobulin kein einheitlicher Körper, und dafs durch Dialyse und Kohlen- säureeinleitung oder Essigsäurezusatz die quantitative Abscheidung eines darin enthaltenen Körpers möglich sei, wies Hammarsten einwandsfrei nach, dafs das durch Dialyse nicht direkt fällbare Globulin in durch Dialyse fällbares umgewandelt werden kann. Ähnliche Anschauungen wie Burckhardt hat dann in neuerer Zeit Markus vertreten, der auch ein wasserlösliches Globulin von einem wasserunlöslichen zu scheiden suchte. In einer mit E. Fuld gemeinsam publizierten Arbeit wurde dann beiläufig über Versuche berichtet, die bereits im Winter 1897/95 angestellt waren und eine Zerlegung des Globulins mit Hülfe der Hofmeisterschen fraktionierten Aussalzung herbeizuführen suchten. Bei diesen Ver- suchen kamen gesättigte Lösungen von zwei Salzen in Anwendung, nämlich von Kaliumacetat und Ammonsulfat. Bei den Versuchen mit Kaliumacetat, welche zum Teil von Herrn cand. med. B. Haake ausgeführt wurden, ergab es sich, dafs durch Halbsättigung mit Kaliumacetat eine kleinere Quantität Globulin ausgefällt wurde als durch Ammonsulfat, so dafs es möglich schien, auf diesem Wege zu einer Fraktionierung zu kommen. Eingehendere Versuche über die Aussalzung mit Kaliumacetat hat dann Herr J. Waller- stein im hiesigen Institute ausgeführt und gezeigt, dals mit zu- nehmender Verdünnung die Werte für das fällbare Globulin ein wenig abnehmen, dafs aber in demselben Serum trotz stark wechselnden 278 Otto Porges und K. Spiro, Wassergchalts stets ungefähr derselbe Bruchteil des Gesamtglobulins aussalzbar ist. Er fand, dafs im Pferdeserum 28,5 Proz. des Ei- weilses durch Kaliumacetat fällbar waren, in dem des Schweines 44,5 Proz., in dem des Hundes 79 Proz., in dem des Kaninchens 52 bis 59 Proz, in dem des Menschen 38 Proz. Bei hungernden Kaninchen war eine Zunahme des Gesamtglobulins nachweisbar, die sich in den zwei angestellten Versuchen ungleich auf die beiden Komponenten verteilte. In der Lymphe eines Hundes waren 79,11 Proz. des Gesamteiweilses Globulin, davon 48,27 Proz. durch Kaliumacetat aussalzbar. Bei pleuritischen Exsudaten waren die entsprechenden Zahlen 35,9 bezw. 52,41, 50,4 bezw. 39,25, 44,18 bezw. 32,26. In nephritischem Harn waren sie einmal 79,37 bezw. 32,42, ein andermal 10,0 bezw. 0,79. Unsere eigenen Versuche mit Kaliumacetat ergaben, dals an- scheinend keine von den Fraktionen, wie man sie durch Ammon- sulfat aus dem Serum erhalten kann, mit der durch Halbsättigung mit Kaliumacetat darstellbaren zusammenfällt. Die durch Ammon- sulfat darstellbare erste Fraktion („Euglobulin“) wurde durch Halb- sättigung mit Kaliumacetat nicht vollständig ausgesalzen, ihre obere Grenze lag vielmehr erst bei 90 Proz. Sättigung. Auch zeigte eine Pseudoglobulin-Fraktion, die durch Kaliumacetat nicht mehr aus- salzbar war, nach mehrstündigem Stehen mit dem Salz eine Trü- bung, die durch Verdünnung nicht mehr aufgehellt werden konnte. Daraus mufste geschlossen werden, dafs entweder die Fraktionierung mit Kaliacetat eine andere Gruppierung der vorhandenen Globuline veranlalst, d. h. die Zahl der Globuline gröfser ist als zwei, oder dafs das Kaliacetat (vermöge seiner Alkalescenz) verändernd auf einen Teil derselben einwirkt. Wir glauben daher, dafs die Zahlen, wie man sie mit Kaliumacetataussalzung erhält, nicht mit den durch das Ammonsulfatverfahren gewonnenen, wohl aber untereinander vergleichbar sind. Von den mit Ammonsulfat erhaltenen Fraktionen wurde schon vor einigen Jahren angegeben, dals dabei eine Trennung des vom Fibrinoglobulin befreiten Globulins in zwei Fraktionen möglich sei, von denen die eine unterhalb, die andere oberhalb 34 Proz. Sätti- gung ausfiel. Dieselbe Trennungsmethode ist unabhängig von uns von E. P. Pick angewandt worden. In allerjüngster Zeit hat auch Rostoski bei Untersuchungen über Präcipitine eine Zerlegung der Globuline mit Ammonsulfat versucht. Wir haben eingehendere methodische Versuche über die Fraktionierung der Blutglobuline angestellt, zumal sich unterdessen ERREE Die Globuline des Blutserums. 279 die Ammonsulfatmethode zur Trennung der Enzyme, Toxine und Antitoxine bewährt hat. Bei diesen neuen Versuchen ergab es sich, dafs das Globulin sich hinreichend scharf durch wiederholte Aus- salzung in drei Fraktionen zerlegen läfst, deren Fällungsgrenzen 28 bis 36, 35 bis 42, 40 bis 46 sind. Man sieht, dafs die obere und untere Grenze der mittleren Fraktion kollidieren. Es stellte sich weiterhin heraus, dals die obere Fällungsgrenze der einzelnen Fraktionen konstant ist, während die untere Grenze in weitem Umfange schwankt. Sie liest um so tiefer, je höher die Konzen- tration der Globulinlösung ist. Hieraus ergiebt sich, dafs man eine gute Trennung der Substanzen blols in stark verdünnter Lösung herbeiführen kann, da hierbei die Interferenz der Fällungen ver- mieden wird. Was die chemische Charakterisierung der Globuline anlangt, so zeigen sie alle drei sämtliche typischen Eiweifsreaktionen. Alle drei geben Molischs Reaktion stark, die erste Fraktion an- scheinend besonders stark. Eine chemische Differenzierung der Globulinfraktionen ist bisher nicht möglich gewesen; immerhin weisen einzelne Befunde auf ihre Möglichkeit hin, z. B. die Kalk- bindung durch das Pseudoglobulin (Fuld und Spiro) und das von E. Zunz gefundene verschiedene Verhalten bei der Pepsinver- dauung. Dabei möchten wir bemerken, dafs nach unserer Er- fahrung die nativen Globuline der Trypsinverdauung einen sehr energischen Widerstand entgegensetzen, jedoch sich auf diese Weise weiter spalten lassen, wenn sie vorher mit Pepsin behandelt sind, ein Verhalten, wie es auch nach eigenen Versuchen in ge- wissem Grade der Leim zeigt. Die chemische Analyse ergab folgende Werte (auf aschefreie Substanz berechnet): Fraktion: a % | s%, | NY |C:N | | | 30 bis 37 Proz. Sättigung . . | 52,68, 52,56 | 7,65, 7,75 | 1,13 | 16,03 3,28 Sue man © »....]5048, 50,35| 7,78, 7,72 | 0,98 | 15,5 | 3,95 BIN 50%; 2 ...147,52, 47,40| 8,14, 8,01 | 0,92 | 14,45 3,98 | | Die erheblichen Differenzen im C- und N-Gehalt weisen auf eine Verschiedenheit der Globuline hin; da das Verhältnis C:N aber konstant ist, ist zunächst an einen verschiedenen Wasser- gehalt der Körper zu denken. Dabei ist zu bemerken, dafs die Trocknung bei allen drei Präparaten möglichst gleichmälsig vor- genommen wurde (Alkohol, Äther, dann bei 60%, 80° und 105°C.). Sie enthielten als leicht abspaltbaren Stickstoff : 1,31 bezw. 1,168 280 . Otto Porges und K. Spiro, Ad und 1,026 Proz., d. h. vom Gesamtstickstoff 7,057 bezw. 7,5352 und 7,099 Proz. Für die optischen Konstanten ergaben sich jedoch Differenzen. Die erste Fraktion zeist &p — 49°, die zweite %n —= 41°, die dritte &p = 42°. Bezüglich des Koagulations- puuktes liefsen sich keine prägnanten Differenzen ermitteln. Er liest bei 5proz. Ammonsulfatlösung zwischen 70 und 75°. Als wichtigstes Merkmal der Globuline hat, wie schon hervor- gehoben wurde, bis zu der Zeit, wo Hammarsten ihre Aussalzbar- keit mit Magnesiumsulfat zeigte, die Thatsache gegolten, dals sie durch Verdünnen bezw. durch Einleiten von Kohlensäure oder Hinzu- fügen von Essigsäure fällbar sind. Wir können von keiner der drei Globulinfraktionen sagen, dals ihr allein diese Eigenschaft zukommt, denn wir haben ge- legentlich von allen drei Fraktionen Präparate erhalten, welche ‚die bezeichnete Fällbarkeit durch Salzentziehung und durch Säure- zusatz zeigten, und ebenso auch solche, welche sie nicht zeigten. Wir haben wohl diese sogenannten typischen Globulineigenschaften öfter und stärker ausgesprochen bei der ersten Fraktion als bei den folgenden gesehen, was uns dazu führte, die erste als ein „Euglobulin*, die folgenden als „Pseudoglobulin“ zu bezeichnen, wir müssen jedoch Hammarsten vollkommen beistimmen, dafs auch die höhere „Pseudofraktion“ derart fällbares Globulin enthalten kann. Woher es rührt, dals dieselbe Fraktion bisweilen diese Fäll- barkeit zeigt, bisweilen nicht, darüber können wir nichts Bestimmtes aussagen. Schon Hammarsten hat gegenüber Burckhardt nach- gewiesen, dals im Serum Bestandteile sind, welche die Löslichkeit und Fällbarkeit der Eiweilskörper wesentlich beeinflussen. Vielleicht gehören zu diesen Stoffen die Salze; dafs die im Blute vorhandenen Seifen auf die Fällbarkeit der Globuline von grolsem Einfluls sind, hat K. A. H. Mörner bewiesen. Vielleicht hält ein Eiweils- körper andere in Lösung, wie dies von anderen Kolloiden be- kannt ist. Andererseits besteht die Möglichkeit, dafs die Zahl der Globuline eine noch grölsere ist, eine Annahme, für die E. Freund und J. Joachim in einer soeben erschienenen Arbeit (Oentralblatt für Physiologie 1902, Heft 11) eintreten. Die Vermutung, dafs an diesen Abweichungen die Gegenwart von Kalksalzen oder Phos- phaten Schuld trägt, liefs sich nicht sicher stellen. Wir haben in den Pseudoglobulinfraktionen öfter, aber nicht immer, Calcium oder Caleiumphosphat gefunden, dieselben aber auch gelegentlich in der Euglobulinfraktion gesehen. U Die Globuline des Blutserums. 381 Da die bisher angestellten Versuche zu einer chemischen Differenzierung der drei Eiweilskörper nicht ausreichen, erhebt sich die Frage, auf welche der ermittelten Eigenschaften mehr Wert zu legen ist, auf die übereinstimmenden oder auf diejenigen, welche Verschiedenheiten ergeben. Als gemeinsam kommt hauptsächlich die erwähnte typische Fällbarkeit durch Salzentziehung in Betracht, als trennend das Verhalten gegen Ammonsulfat. Wenn wir im folgenden dazu gelangen, die Fiaktionierung mit Ammonsulfat als mafsgebend zu betrachten, so können wir uns insofern auf Hammarsten stützen, als er gezeigt hat, dafs die Fällbarkeit durch Dialyse von noch unbekannten Verhältnissen abhängig ist und daher kein sicheres Unterscheidungsmerkmal abgeben kann. Wir wollen namentlich an die Versuche Hammarstens erinnern, nach denen auch das Kasein durch Verunreinigung mit Serumbestandteilen die Löslich- keit der Globuline in Neutralsalzlösungen annehmen kann. Während somit das bisher als typisch geltende Unterscheidungsmerkmal zwischen Globulin und Albumin nicht mehr als solches gelten darf, hat sich uns die Salzfällung als ein Mittel bewährt, das unter gleichen Bedingungen immer gleiche Resultate liefert. Gleichwohl haben wir versucht, die bei der Ammonsulfatfraktionierung er- haltenen Ergebnisse durch weitere Versuche zu stützen. Als solche führen wir zuerst die mit anderen Salzen an. Hammarsten hat schon gezeigt, dafs durch wiederholte Fällung mit gröfseren Koch- salzmengen eine durch Sättigung mit Chlornatrium quantitativ fällbare Fraktion zu erhalten ist. Einen kurzen Überblick über unsere Versuche giebt folgende Tabelle (S. 282). Alle Versuche wurden mit stark verdünnten Lösungen aus- geführt. Wir erwähnen das besonders, da in konzentrierten Lösungen die untere Fällungsgrenze sich aufserordentlich stark nach unten verschiebt, ein Verhalten, auf das gelegentlich gegen die Salz- fraktionierung gemachte Einwände zurückzuführen sind. Im ein- zelnen heben wir hervor, dafs NaCl, KCl, NaNO, nur die erste Fraktion aussalzen, während die zweite und dritte in verdünnter Lösung nicht ausgesalzen werden. Kalium- und Natriumacetat salzen die Fraktionen 2 und 3 nicht augenblicklich aus, wohl aber nach längerem Stehen. Das wasserfreie Na,SO, *) liefert bei 32° Fällungsgrenzen, die denen des Ammonsulfats aufserordentlich ähn- *) Über die Verwendung des wasserfreien Natriumsulfats zur Fraktio- nierung vergl. eine bei Hopkins angefertigte Arbeit von Pinkus. Journ. of Physioloey 1901. 282 Otto Porges und K. Spiro, Salzkonzen- baten Im | 10190 3040| 50 | 60|70 80 | 90 J100 Prozent Sättieung NaCl Die ausgezogenen Linien beziehen sich auf die KCl. Euglobulinfraktion, die striehpunktierten auf NaNO0, daserste Pseudoglobulin, die punktierten auf das Na-Acetat zweite Pseudoglobulin. — Sämtliche Versuche K-Acetat. . sind an verdünnten Ei- weilslösungen ausge- MgSO, führt. NH),S0, . ine N3,S0, als oberhalb 30° | lich sind. Noch geeigneter für eine Fraktionierung ist vielleicht das Magnesiumsulfat, da hier die Fällungsgrenzen weiter auseinander liegen. Trotzdem haben wir für die folgenden Untersuchungen das Natriumsulfat als das expeditivere Material bevorzugt. Die quantitative Bestimmung der Globulinfraktionen konnten wir nach zwei Methoden vornehmen, entweder indem wir an der- selben Serumportion nacheinander die Fraktionierung vornahmen, oder indem wir einzelne Serumportionen bis zu den aufeinander- folgenden Sättigungsgraden mit Salzlösung versetzten. Die beiden Methoden, die wir als Succedan- und Simultanfällung bezeichnen, ergaben gleichmälsig in einer Reihe von Versuchen für konzen- trierte Lösungen verschiedene Resultate *). Es wurden für das Gesamtglobulin bei der Succedanfällung niedrigere Werte erhalten als bei der Simultanfällung, ein Verhalten, das wohl hinreichend erklärt wird dadurch, dafs ein massiger Niederschlag viel Kolloide mitreilst, während ein geringer Nieder- schlag; die filtrierende Eiweilslösung so gut wie gar nicht beeinflufst. *) Nur bei der Simultan-, nicht bei der Succedanfällung erhält man in der Albuminfraktion krystallisierendes Eiweils. Die Globuline des Blutserums. 283 Da Aus- arbeitung der Methode galten, an Pferdeblut angestellt wurden, unsere Versuche, welche bisher wesentlich der wovon uns hinreichende Quantitäten zur Verfügung standen, so haben wir die Simultanfällung der Succedanfällung vorgezogen, um Zeit zu ersparen. Bezüglich der Eiweilsbestimmung haben wir uns mit der Kjeldahlmethode begnügt, da der Stickstoffgehalt der einzelnen Globuline untereinander ziemlich gleich ist. Wir dafs in 100cm? Serum etwa 40 mg nicht aussalzbarer Stickstoff fanden ferner, vorhanden sind. Wir haben mit der dargelegten Methodik den Globulin- und Albumingehalt von Serum und Plasma desselben Tieres bestimmt. Dabei ergaben sich in einem Vorversuch, der unter Ausschluls der Verdünnung ausgeführt wurde, folgende Zahlen: Stickstoffgehalt entsprechend Im Serum | Im Plasma | Im Plasma em® Y,-Normal-NH, gefunden gefunden | berechnet Gesamıstiekstetb 2... rn. 93,2 71,2 101,3 Bei 30 Proz. Sättigung fällt aus . 29,9 27,2 3,7 Mbummsutekstoltn oa: u... 54,0 23,9 34,0 Die im vierten Stab angeführten Zahlen sind unter der Annahme berechnet, dafs der N-Gehalt der Albuminfraktion im Serum und Plasma gleich ist. Zu nahezu denselben Zahlen gelangt man bei einer Be- rechnung, der das Volumen des Blutplasmas und die stattgehabte Ver- dünnung durch Oxalat zu Grunde liegt. Dabei ergiebt sich eine Differenz im Stickstofigehalt von 8,1 X 1,4mg N zwischen Plasma und Serum, welche offenbar dem ausgeschiedenen Fibrin entspricht. Da die Mutter- substanz des Fibrins, das Fibrinogen, in der bei 30 Proz. Sättigung ausfallenden Fraktion anzunehmen ist, so finden wir als Bestätigung dieses Befundes, dafs auch die Differenz zwischen dieser Fraktion des Plasmas und Serums eine ähnliche Zahl ergiebt, nämlich 8,8 X 1,4mgN. Hervorheben möchten wir noch, dals sich nach dieser Rechnung der Globulingehalt des Serums zu 53,5 Proz., der des Plasmas zu 66,4 Proz. ergiebt, was mit den Angaben Hammarstens gut übereinstimmt. Dafs die bei 30 Proz. ausfallende Fraktion im unverdünnten Plasma mehr, im Serum nur etwas weniger als die Hälfte des Gesamtglobulins (Ge- samt-N — Albumin-N) darstellt, erklärt sich aus der hohen Konzentration der Eiweilslösung, d. i. des nativen Serums. In konzentrierter Lösung wirken zwei Fehlerquellen ein, nämlich die Verschiebung der unteren Fällungsgrenzen nach unten und die schon erwähnte Mitfällung sonst löslicher Eiweilskörper durch voluminöse Niederschläge *). *) Der bei konzentrierten Lösungen beobachtete Unterschied zwischen Simultan- und Succedanfällung verschwindet bei hinreichender Verdünnung. 284 Otto Porges und K. Spiro, Ein an zehnfach verdünnter Lösung angestellter Versuch er- gab folgende Resultate: | Für Für Für Serum Plasma Plasma gefunden | gefunden berechnet Stickstoffgehalt entsprechend cm? 1/ 0-Normal-NH, Gesamtsbickstoll prosdieeme sn Ve 51,5 36,0 56,35 Fraktion I — bis 30 Proz. Sättigung .. 0,8 3,5 5,48 ER II 30 e N 7,4 3,9 6,11 x INTz36=, Aa = Io lan 35 14,56 U VERA 0 L ar 2,9 3,2 5.01 Ab unme ick 95,2 16,1 25,2 Ähnliche Zahlen, wie sie in dieser Tabelle enthalten sind, haben wir auch bei anderen Versuchen gefunden. Als Differenz zwischen Plasma und Serum ergiebt sich pro 10 cm? ein Fibringehalt entsprechend 9,7 cm !/,„-Normal-NH,, als Differenz zwischen der I. Fraktion *) von Serum und Plasma die Zahl 9,36, also eine durchaus hinreichende Übereinstimmung. Aus unseren Zahlen läfst sich im allgemeinen ein Fibrinogengehalt von 0,3 g in 100 Plasma berechnen. Der Globulingehalt des Plasmas entspricht 55 Proz., der Albumingehalt 45 Proz. des Gesamtstickstofs. Auffallend ist, dafs die IV. Fraktion im Plasma immer reichlicher vorhanden ist als im Serum. Eine Erklärung für dieses wiederholt von uns beob- achtete Faktum können wir vorderhand nicht geben, glauben jedoch nicht, dafs es auf einem Fehler der Methodik beruht, da Fraktion IV bei der Gerinnung um ebenso viel abnimmt, als II und III zunehmen. Wir glauben somit dargethan zu haben, dals die Aussalzungs- methode sowohl die qualitative, als auch die quantitative Trennung mehrerer Globulinfraktionen ermöglicht und auch die einzige zu- verlässige Methode bildet, um Albumine und Globuline zu trennen. Die Fällung durch Salzentziehung oder Ansäuerung dagegen erhält man nur unter bestimmten, noch unbekannten Bedingungen bei den verschiedenen Globulinen; ihr Eintreten ist für diese charakte- ristisch, ihr Ausbleiben beweist aber nichts gegen die Anwesenheit von Globulinen. Da sich aus dem Pferdeserum mit einer ganzen Reihe von Salzen übereinstimmend drei durch ihre Fällungsgrenzen und zum Teil durch ihre optische Wirksamkeit verschiedene Globulin- fraktionen gewinnen lassen, kann weiter kein Zweifel bestehen, *) Bei der Gerinnung des Plasmas sind demnach die Globuline nicht beteiligt. : l Die Globuline des Blutserums. I8 — dals das „Serumglobulin* ein Gemenge von mindestens drei ver- schiedenen Eiweilskörpern darstellt. Dafs dieselben in ihrer Zu- sammensetzung wenig oder gar nicht verschieden zu sein scheinen, kann um so weniger ein Hindernis sein, diese Unterscheidung festzuhalten, als bei den Eiweilskörpern wie bei anderen Kolloid- stoffen bereits Verschiedenheiten, welche in der Zusammensetzung nicht zum Ausdruck kommen, ihr Verhalten gegen Lösungsmittel, vielleicht aber auch ihr Verhalten bei physiologischen Vorgängen einschneidend beeinflussen können. Litteratur. A. E. Burckhardt, Archiv f. exp. Path. u. Pharm. 16. E. Fuld und K. Spiro, Ztschr. f. physiol. Chemie 31. | O0. Hammarsten, Pflügers Archiv 17, 18, 19, 22, 30; Ztschr. f. physiol. Chemie 2, 28. Ergebnisse der Physiologie 1, 330. E. Marcus, Ztschr. f. physiol. Chemie 28. K. A. H. Mörner, Ztschr. f. physiol. Chemie 34, 253 bis 265. E. P. Pick, Diese Beiträge 1. Rostoski, Verhdle. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg 35. S. Wallerstein, Inaug.-Dissert. Stralsburg 1902. Strafsburg i. E. Ende Juli 1902. Kürzere Mitteilungen. 2. Über den Jodgehalt von Knochentumoren mit Schild- drüsenbau. Von Dr. med. Edgar Gierke. (Assistent am pathologischen Institut zu Heidelberg.) Die letzten Jahrzehnte haben eine nicht unbedeutende Anzahl von Veröffentlichungen gezeitigt, die eine Form rätselhafter, durch ihren schilddrüsenartigen Bau charakterisierter Knochentumoren betreffen. Besonders die chirurgische Litteratur hat ihnen ein grolses Interesse entgegengebracht, da die operative Therapie hier grofse Erfolge aufzu- weisen hat im Gegensatz zu allen anderen Fällen, in denen die exstir- pierte Geschwulst sich histologisch als Metastase zu charakterisieren scheint und dem primären Tumor nicht zu Leibe gegangen wird. Es handelt sich um scheinbar primär myelogene Sarkome, die den Knochen schalig auftreiben und zerstören; häufig ist aufser ihnen selbst durch die Sektion im ganzen Körper kein Tumor auffindbar, manchmal finden sich Metastasen in Lymphdrüsen, Lungen und Knochen, selten in anderen Organen. Erst die mikroskopische Untersuchung führt zu einer Änderung der Diagnose, indem statt des erwarteten Sarkoms sich das charakteristische Bild einer kolloiden oder parenchymatös wuchern- den Struma darbietet, meist ganz ohne karcinomatöse oder verdächtige Stellen. Erst daraufhin wird dann die Schilddrüse am Lebenden oder an der Leiche untersucht, meist eine strumöse Vergrölserung, in einigen Fällen auch völlig normale Grölse konstatiert. Die ausgesprochene klinische Benignität, das Unverändertsein der Schilddrüse viele Jahre nach Entfernung des Knochentumors, mehrfach auch die genaue histo- logische Untersuchung scheinen gegen eine primär maligne Neubildung der Schilddrüse zu sprechen. Trotzdem hält die Mehrzahl der Autoren an dieser Annahme fest, von der Erfahrung ausgehend, dafs vielen Schilddrüsenadenomen ihr benigner oder maligner Charakter allein aus dem histologischen Bilde nicht angesehen werden kann, und falst die Knochentumoren als Metastasen eines latenten Adenocarcinoms der Schilddrüse auf. Dagegen sprechen nun die Erfahrungen, die aus dem Studium der echten Schilddrüsenkrebse, und überhaupt der malignen Edgar Gierke, Über den Jodgehalt von Knochentumoren u. s. w. 987 Geschwülste hinsichtlich ihres Verbreitungsmodus abstrahiert werden können. Da nun schilddrüsenähnliche Bilder unter Umständen auch durch Tumoren andersartiger Provenienz nachgeahmt werden können, ist auch eine Reihe einschlägiger Fälle mit völlig abweichender Auffassung veröffentlicht worden, indem dann meist ein Zusammenhang mit Lymph- gefälsen (Lymphangiosarkome) angenommen worden ist. Weder für die eine noch die andere Auffassung ist bisher ein vollgültiger Beweis geführt, ja überhaupt versucht worden. So lag es nahe, bei zwei derartigen Wirbelsäulentumoren, die ich Gelegenheit hatte zu untersuchen, und die beide zu Kompressionsmyelitis geführt hatten, der eine bei bestehender klinisch und anatomisch harm- loser Struma, der andere ohne Schilddrüsenvergrölserung, durch eine chemische Untersuchung ihrer Natur näher kommen zu wollen. Sind wir doch gerade bei der Schilddrüse — und hier handelte es sich beide- mal um typisch strumös gebaute, kolloidreiche Tumoren — in der glücklichen Lage, spezifische Substanzen zu kennen. Infolge der Aufbewahrung der Organe in Alkohol mulste ich auf eine Darstellung der spezifischen Kolloideiweifse verzichten und mich mıt dem Nachweise des elementaren Jods nach Baumanns, von Oswald etwas modifizierter Methode begnügen. Dieser gelang denn auch in allen fünf Proben des ersten, in einer des zweiten Falles; und zwar entsprachen 209g Tumor der kolorimetrischen Schätzung nach etwa Dmg Jodkalium, etwas mehr als in der unter gleichen Bedingungen aufbewahrten Schilddrüse des einen Falles; genauere quantitative Be- stimmungen unterblieben. Sämtliche Kontrollproben, teils von Organen, die in derselben Fixierungsflüssigkeit aufbewahrt waren, teils von echten primär myelogenen Sarkomen fielen völlig negativ aus. In Lungen- und Lymphdrüsenmetastasen eines Adenocareinoms der Schilddrüse hatte Ewald schon 1896 positiven Jodnachweis ge- führt, dessen Wert leider durch das völlige Fehlen des histologischen Befundes beeinträchtigt wird. Erinnert sei auch an die von v. Eisels- berg klinisch beobachtete vikariierende Funktion von Schilddrüsen- metastasen, die uns durch den Jodgehalt verständlich wird. Mit dem Hinweise auf diese wichtige Stütze für die Schilddrüsen- natur unserer Tumoren mufis ich mich hier begnügen, betrefis aller übrigen sich hier aufdrängenden Fragen, speziell nach der Anwendbar- keit analoger chemischer Diagnose für andere Geschwülste, nach der interessanten Fähigkeit maligner Geschwülste, unter Umständen die spezifische Funktion ihrer Mutterzellen beizubehalten, nach der Stellung unserer Tumoren in der Onkologie, ihrem Zusammenhang mit der Schild- drüse u. a. auf eine ausführlichere anatomische Arbeit verweisend*). Hier sollte nur über die den physiologischen und pathologischen Chemiker interessierenden Thatsachen in Kürze berichtet werden. *) Erscheint demnächst in Virchows Archiv. 388 F. Röhmann und L. Hirschstein, 3. Über die Silberverbindungen des Kaseins*). Von F. Röhmann und L. Hirschstein. (Aus dem chemischen Laboratorium des physiologischen Instituts zu Breslau.) Von Millon und Commaille**) wurden bereits im Jahre 1865 nicht nur Verbindungen des Kaseins mit den Alkalien und Erd- alkalien, sondern auch solche mit den Metallen hergestellt. Eine Silber- verbindung erhielten sie in der Weise, dals sie eine säurefreie Lösung von Silbernitrat in eine ammoniakalische Kaseinlösung eintrugen. Der hierbei entstehende weilse Niederschlag war unlöslich in Wasser und enthielt „ein Äquivalent Silberoxyd“. Aufser diesem unlöslichen Silbersalz des Kaseins existieren lösliche Silberverbindungen, welche von F. Röhmann und A. Liebrecht kurz beschrieben worden sind. Sie entstehen, wenn man Kaseinnatrium und Silbernitrat in einem Verhältnis mischt, dals kein Niederschlag entsteht, und diese Lösung dann mit Alkohol fällt***), oder wenn man die unlösliche Kaseinsilber- verbindung in den Alkalisalzen anorganischer oder organischer Säuren (auch Kaseinalkali) löst und wieder die Lösung mit Alkohol fällty). Die Lösungen der löslichen Kaseinsilberverbindungen zeigten die merk- würdige Eigenschaft}; 7), dafs das Silber in ihnen „maskiert“ war; es entstanden in ihnen keine Niederschläge mit Chloriden oder enıanlanken Alkalien, bei Zusatz von Schwetelalkalien erfolgte keine Abscheidung von Schwefelsilber, sondern nur eine Braunfärbung der Lösung. Bei einer erneuten Untersuchung dieser Verbindungen ergab sich, dafs die unlösliche Kaseinsilberverbindung noch den Charakter einer Säure hat, und dafs die durch Alkalien aus ihr erhaltenen löslichen Verbindungen Salzen dieser Säure entsprechen. Die Säure wird im folgenden als Argentumkasein bezeichnet, ihre Salze als Argentum- kaseinnatrium, Argentumkaseincalcium, Argentumkaseinsilber u. s. w. Darstellung des Argentumkaseins. Eine für Phenol- phtalein neutrale 9. bis 4 prozentige Kaseinlösung wird in einen Über- schuls von Silbernitratlösung eingetragen, der entstehende Niederschlag wird auf dem Filter Esel) und so lange mit destilliertem Wasser ausgewaschen, bis sich mit Diphenylamin keine Salpetersäure mehr ım Filtrat nachweisen Jälst. Zusammensetzung des, Ar en Keen. Von zwei Präparaten, welche aus einer er Lösung von selbstdargestelltem Kasein in Natronlauge gewonnen worden waren, enthielt das eine auf Trockensubstanz berechnet, 8,76 Proz. Ag, ein zweites 9,66 Proz. Ag. *) Vergl. die Inaug.-Dissert. von L. Hirschstein, Über thera- peutisch verwendete Silberverbindungen, insbesondere über Silber - Eiweils- verbindungen mit spezieller Berücksichtigung der Silberverbindungen des Kaseins. Breslau 1902. »*) Compt. rend. 61, 221 (1865). ’=»®) Deutsches Reichspatent 82951. 6. Mai 1894. 7) Deutsches Reichspatent 88121. 11. April 1895. fr) Siehe auch Arthur Liebrecht, Über Argonin. Therapeut. Monats- hefte, Juni 1895. Über die Silberverbindungen des Kaseins. 289 Zwei Präparate, die aus einer Lösung von Kasein in Ammoniak dar- gestellt worden waren, enthielten 8,54 und 8,10 Proz. Ag, zwei aus Kaseincalcium dargestellte ergaben einen erheblich niedrigeren Silber- wert, was, wie der Oalciumgehalt des Präparates zeigte, auf einer unvoll- ständigen Umsetzung des Kaseincalciums mit dem Silbernitrat beruhte, Es wurden weiter zwei Präparate analysiert, die aus Natrium- lösungen von Kasein-Höchst dargestellt worden waren. Letzteres unter- schied sich von dem selbstdargestellten Kasein durch eine etwas ge- ringere Acidität, seine Lösungen in Alkalien waren etwas weniger opalescent, beim Lösen hinterlieis es meist einen geringen schwerer lös- lichen Rückstand. Dais es aber jedenfalls nur wenig verändert war, zeigte sich darin, dals man aus ihm in der von Röhmann und Courant*) be- schriebenen Weise mit Lab typisch gerinnende Lösungen erhielt. Die Unterschiede zwischen dem Höchster und dem selbstdargestellten Kasein scheinen nur durch ein etwas stärkeres Trocknen bedingt zu sein. Die aus Höchster Kasein dargestellten Präparate von Argentum- kasein enthielten, auf Trockensubstanz berechnet, 10,81 und 10,36 Proz. Ag. Der Kohlenstoifgehalt des einen dieser Präparate ergab sich, auf silberfreie Trockensubstanz berechnet, zu 53,10 Proz., der Wasserstoff zu 7,29 Proz. Nach Hammarsten enthält Kuhkasein 52,96 Proz. © und 7,05 Proz. H. Die Bildung des Argentumkaseins erfolgt also ohne nachweisbare Zersetzung des Kaseins (vergl. die Analysen des Argen- tumkaseinsilbers). Eigenschaften des Argentumkaseins. Das Argentum- kasein bildet ein weilses, staubfeines Pulver, von dem sich in 100 ccm Wasser nur 0,47 g lösen. Es löst sich aber leicht in Alkalien auf. Die Löslichkeit in Alkalien führte zu der Beobachtung, dafs das Argentumkasein eine erhebliche Acidität besitzt. Es handen, auf Trockensubstanz berechnet, 100 Teile Präparat I aus selbstdargestelltem Kasein 1,48 Na ” II ” » ” 1,99 ” Präparat I aus Höchster Kasein 0,87. 3, ” 11 ” e)) br) ] 1 ‚29 ” Die Präparate zeigen also in Bezug auf die Acidität, ebenso wie in Bezug auf den Silbergehalt recht erhebliche Unterschiede, für welche die Ursache noch näher festgestellt werden mufs. Das Argentumkasein löst sich auch in Ammoniak, es löst sich ferner in dem für Phenolphtalein neutralen Natriumsalz des Kaseins, ein Hinweis darauf, dafs es eine stärkere Säure als das Kasein ist. Die Silbermengen, welche das Argentumkasein enthält, entsprechen der Acidität des Kaseins. So banden vom Höchster Kasein 100 g 12,15 g Silber, welche 2,595 g Natrium äquivalent sind, während die Acidität 2,65 g Natrium entprach. Man muiste hiernach zunächst, wie das ja auch nach der Art der Darstellung am wahrscheinlichsten war, erwarten, dals sich ein den neutralen Alkalı- und Erdalkalıisalzen ent- sprechendes, neutrales Silbersalz des Kaseins gebildet hatte. Dies war aber nicht der Fall. Denn das Argentumkasein reagiert, wie erwähnt, 'noch sauer. Es mufs eine andere Umsetzung stattgefunden haben. *) Arch. f. d. gesamte Physiol. 50. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 19 990 F. Röhmann und L. Hirschstein, Über die Silberverbindungen u. s. w. Hierfür spricht auch, dafs die Lösungen des Argentumkaseins nieht die Ionenreaktionen des Silbers geben. Es entsteht in ihnen durch Chloride kein Niederschlag von Chlorsilber, mit Natronlauge kein Niederschlag von Silberoxyd, mit Schwefelammonium färben sich die Lösungen des Argentumkaseins dunkelbraun. Das Silber verhält sich in dem Argentumkasein wie das Eisen in der Ferrocyanwasser- stofsäure. Wir können es auffassen als eine komplexe Säure, deren komplexes Anion elektrisch neutrales Silber enthält. Bei der Um- setzung, welche zwischen dem Kaseinnatrium und dem Silbernitrat erfolgt, treten sämtliche Natriumatome aus der Verbindung mit dem Kasein heraus und vereinigen sich mit dem Salpetersäurerest; das Fil- trat des Argentumkaseins reagiert neutral; beim Eintritt der Silber- atome verliert das Kasein nur einen Teil seiner Acıdität, der Rest wird durch die Verbindung mit dem Silber verstärkt. Die für Phenol- phtalein neutralen Lösungen des Argentumkaseins sind als die Alkali- salze dieser unlöslichen Säure zu betrachten. Setzt man zu ihnen schwefelsaures Kupfer, Eisenchlorid, Silbernitrat u. a., so entstehen Niederschläge, welche die entsprechenden Metallsalze des Argentum- kaseins darstellen. Mit dem schwächer elektrolytisch dissoziierten Quecksilberchlorid entsteht nur Opalescenz. Von den unlöslichen Metallsalzen wurde nur das Silbersalz näher untersucht. Argentumkaseinsilber. Zu seiner Darstellung wurde eine für Phenolphtalein neutrale Lösung von Argentumkasein in eine Lösung, welche etwas mehr als die berechnete Menge Silbernitrat enthielt, ein- getragen. Es entstand ein Niederschlag, welcher mit destilliertem Wasser bis zum Verschwinden der Silberreaktion gewaschen und mit Hülfe von Alkohol und Äther zur Trockne gebracht wurde. Das Argentumkaseinsilber bildet ein Pulver, das nicht wie das Argentumkasein rein weils ist, sondern einen Stich ins Gelbliche hat. Durch Licht wird es gebräunt. Es ist in Wasser so gut wie unlöslich, löst sich aber in Ammoniak. Neutralisiertt man die ammoniakalische Silberlösung mit Salpetersäure, so ruft Kochsalz einen reichlichen Niederschlag von Chlorsilber hervor; bei Zusatz von Natronlauge er- folgt Abscheidung von Silberoxyd. In dem Argentumkaseinsilber ist also ein Teil des Silbers ional gebunden. _ Die Menge des Silbers, welche bei dem Übergange des Argentum- kaseinnatriums in das Argentumkaseinsilber gebunden wird, entspricht der Acidität des Argentumkaseins. Das Argentumkaseinsilber aus Kasein- Höchst enthielt 14,94 Proz. Ag, das Argentumkasein 10,83 Proz. Die Differenz 4,11 ist äquivalent 0,87 g Natrium, einer Menge, mit welcher Präparat laus Kasein-Höchst eine für Phenolphtalein neutrale Lösung gab. Die Elementaranalyse ergab folgende Werte: 45,27 Proz. C, 5,73 Proz. H, 13,25 Proz. N. Berechnet man diese Werte auf silberfreie Trockensubstanz, so erhält man: 53,22 Proz. C, 6,74 Proz. H, 15,58 Proz. N. | Diese Werte stimmen mit denen des Argentumkaseins gut überein. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht dern Neal eımer zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 M. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8 geh. Preis % #M. Chemie der Eiweisskörper. Von Dr. Otto Cohnheim, Privatdocent der Physiologie an der Universität Heidelberg. gr. 8. Preis geb. 7 MM. Untersuchungen zur Blutgerinnung. Beiträge zur Chemie und Morphologie der Coagulation des Blutes von Dr. Ernst Schwalbe, Privatdocent und I. Assistent am pathologischen Institut zu Heidelberg. or. 8. geh. Preis 2,50 Sb. Acht Vorträge über physikalische Chemie, gehalten auf Einladung der Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 von J. H. van ’t Hoff. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 2,50 Ab. Die Pflanzen-Alkaloide von Jul. Wilh. Brühl, Professor an der Universität Heidelberg in Gemeinschaft mit Edvard Hjelt und Ossian Aschan, Professoren an der Universität Helsingfors. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Geb. in Lnwd. Preis 14 s. —— Soeben erschienen: — | le: I on von Helmholtz von Leo Koenigsberger. Erster Band. Mit drei Bildnissen in Heliogravure. Gr. 80. _ XIE u. 375 Seiten in vornehmer Ausstattung, Braunschweig, Verlag. von Friedr. Vieweg & Sohn, geh. M. 8.—, geb. in en a Wi chein ee Hokubalke Biene von Leo oe für die ganze wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des gebildete Publikums von grösstem Interesse. Vieljährige persönliche und wissenschaftliche Beziehungen zu Hermann a ne und der dringend wiederholte Wunsch seiner jetzt verstor- _ benen Wittwe Frau Anna von Helmholtz haben den Verfasser den Entschluss Tasseı N der schwierigen Aufgabe zu unterziehen, auf Grund des ımten wissenschaftlichen Nachlasses und der ihm zur freien Verfügung Briefe von Helmholtz an seinen Vater und der Antworten auf a der I Korrespondenz mit ae und eit umfangreiche Darstellung des Lebens Ei a Werke 3 a der in seiner ganzen wissenschaftlichen | ung erfasst. und als Mensch in dem harmonischen Zusammenhange Thuns und Denkens vorgeführt wir. ben erschienenen. ersten Bande wird der das Werk ab- TE re Er Beiträge Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IN. Band 7. und 8. Heft (Ausgegeben Dezember 1902) Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1902 Inhalt des 7. und 8. Heftes. Seite XIV. W. Stade. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. (Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik des Hernn Geheimrat. Brof.. Dr. Teiegel.) . . 2.2 Se 291 XV. J. Stoklasa. Über den Einfluls der Bakterien auf die Zer- setzung der Knochensubstanz. Unter Mitwirkung der Assi- stenten F. Duchäcek und J. Pitra. (Aus dem physiologischen Laboratorium der k. k. böhm. techn. Hochschule in Prag.) . . 322 XVI. E. Zunz. Über die Verdauung und Resorption der Eiweils- körper im Magen und im Anfangsteil des Dünndarmes . . . . 339 XVII. H. Hildebrandt. Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole und der Amidobenzoesäuren im Organismus .... . 365 XVIN. L. Langstein. Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. (Aus der medizinischen Klinik in Basel) . ......... 373 XIX. V. Ducceschi. Untersuchungen über die Blutgerinnung bei wirbellosen Tieren. Vorläufige Mitteilung. [Aus der zoologeschen Station zu Neapel (Abteilung für Physiologie))) . -..... 378 Kürzere Mitteilungen. 4. F. Blumenthal und A. Braunstein. Über die quantitative Hippursäurebestimmung beim Menschen. (Aus dem Labo- ratorium der I. medizinischen Klinik zu Berlin.) . ... . 385 Beriehtieung u. u... a, Bel ee Pa 390 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei- nen in zwanglosen Heften, von deren 12 einen Band von 36 Druck- bogen zum Preise von M. 15, — bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Mafsgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Strafsburg ı. E., Wimpfelingstrafise 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Fxaktheit der Durchführung, Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung mals- gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer thatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson- ders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40, — für den Druck- bogen und 50 Sonder- Abzüge. XIV. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. Von Waldemar Stade, appr. Arzt. (Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Riegel.) Sehon im Jahre 1858 hatte Marcet!) gefunden, dafs im Magen aus neutralem Fett Spuren von Fettsäuren abgespalten werden. In seiner Arbeit, die sich vorzugsweise mit dem Einflufs der Galle auf die Fette beschäftigt, wies er nach, dals die Galle nur bei Gegenwart freier Fettsäure emulsionsbildend wirkt. Da ihm aber die fettspaltende Wirkung des Pankreassaftes un- bekannt war, mufste er annehmen, dafs schon im Magen aus Neutralfetien Fettsäuren abgespalten würden. In der That gelang ihm an Hunden der Nachweis dieser neuen Funktion des Magens. Er fand, dafs das Ätherextrakt des Mageninhaltes von Hunden, die mit neutralem Fett gefüttert worden waren, im Gegensatz zu dem Ausgangsmaterial in warmer Galle löslich war und beim Ab- kühlen eine Emulsion gab. Diese Angaben Marcets wurden 22 Jahre später von Cash?) bestätigt. Cash zeigte nicht nur, dals eine — unter seinen Versuchs- bedingungen geringe — Fettspaltung im Magen stattfindet, sondern es gelang ihm auch, das Gleiche mit einem Extrakt der Magen- schleimhaut im Reagenzglas zu beweisen. Auf Grund seiner Unter- suchungen sprach er zuerst die Vermutung aus, dals es sich hier um eine fermentative Wirkung handle. Obgleich Ogata°), der wie Cash in Ludwigs Laboratorium arbeitete, diese Angaben bestätigte, hielten spätere Autoren diesen Vorgang für völlig unbedeutend und auf Bakterienwirkung zurück- führbar. So hat Müller), der die Angaben von Cash und Ogata nachprüfte, dem Pankreassaft allein eine fettspaltende 19 292 Waldemar Stade, Wirkung zugebilligt, und so haben Klemperer und Scheuerlen’) die minimale Spaltung von Ol im doppelt unterbundenen Magen und die etwas grölsere im dilatierten Magen bei längerem Ver- weilen für Gärungsvorgänge erklärt. Andere Autoren, wie Klug) und Contejean?), haben überhaupt jede Fettspaltung im Magen geleugnet, während Vaughan Harley‘) trotz Pankreasausschal- tung beim Hunde eine Milchfettzerlesung beobachtete; er fand, dafs nach siebenstündigem Verweilen im Magen eine Spaltung von 18,5 Proz. des Milchfettes erfolgt war. Ob er jedoch diese Spaltung für fermentativ oder bakteriell hielt, darüber hat er keine Angaben gemacht. So viel steht fest, dafs man im allgemeinen die Überzeugung. hegte, dafs der Magen Fette nicht angreife, und es ist eine That- sache, dafs man in den meisten Lehrbüchern Angaben über Fett- spaltung im Magen vermilst. Auf dieses Dogma hatte nun von Mering?) eine Methode der Resorptionsprüfung im Magen gegründet. Er führte eine Ei- gelbzuckeremulsion in den Magen ein und wollte, in der Annahme, dals das Fett im Magen keine Veränderung erleidet, dieses als Standardzahl verwenden, um in Beziehung auf die Fetteinheit die Menge des resorbierten Zuckers zu berechnen. Bei einer Nachprüfung der von Merineschen Methode machte aber Volhard!!) einige Beobachtungen, welche in ihm den Verdacht erweckten, dals das Eierfett im Magen verändert werde. Sie veranlalsten ihn, Ätherextrakte vor und nach dem Aufenthalt der Fette im Magen, welche überdies verschieden’ aus- sahen, zu titrieren. Damit war der Grund zur Kenntnis des Magensteapsins und zu Volhards weiteren Untersuchungen ge- legt. In seiner ersten Veröffentlichung !°) that er dar, dafs emul- giertes Fett im Magen in weitgehendster Weise gespalten werde. In seiner zweiten!!) wies er die fermentative Natur des fett- spaltenden Vorganges im Magen nach und untersuchte in seiner dritten!2) Abhandlung die Eigenschaften dieses Fermentes!*). Da- mit hat er auch dıe negativen Resultate anderer Autoren in über- zeugender Weise erklärt. Man hatte bisher dem wässerigen Magensaft nur unemulgierte Fette und Öle dargeboten und da- mit eine innigere Einwirkung schon aus physikalischen Gründen unmöglich gemacht, während Vaughan Harley zwar Milch be- nutzte, aber seine Versuche am Hunde machte, dessen Magensaft gewöhnlich so sauer ist, dafs die Fettspaltung sehr beeinträch- tigt wird. j = © RER ER Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 293 Volhards Angaben entsprechen vollkommen den Kennt- nissen, die wir von den Eigenschaften der Fermente haben, bis auf einen Punkt; es ist unwahrscheinlich, dafs die Fettspaltung durch das Magensteapsin nicht proportional der Zeit, sondern in unregelmälsigen Intervallen und ruckweise wachsen soll. Wäre diese Behauptung richtig, so würde sich dadurch das Magensteapsin von allen anderen bekannten Fermenten unterscheiden. Eine Nach- prüfung dieser Frage war daher sehr erwünscht. Herr Dr. Vol- hard hatte die Freundlichkeit, mich mit dieser Aufgabe zu be- trauen und den Plan für diese Untersuchungen, welche ich in dem Laboratorium der Klinik des Herrn Geheimrat Professor Dr. Riegel ausführen durfte, zu entwerfen. 1. Methodisches. Die von Volhard bei seinen Versuchen angewandte und als Anhang zu seiner Habilitationsschrift beschriebene Methode war kurz folgende: Eigelb wurde mit Magensaft verdaut und das Ver- dauungsgemisch auf Kaolin zweimal 24 Stunden lang getrocknet, danach mit Äther 24 Stunden lang im Soxhletapparat extrahiert. Unsere Untersuchungen bewegten sich zunächst in der Richtung, diese Methode zu vereinfachen und eventuell Fehlerquellen der Extraktionsmethode aufzufinden, auf deren Rechnung vielleicht Ungenauigkeiten der Resultate Volhards zu setzen wären. Es war zu untersuchen, ob nicht nach Herausnahme der Verdauungsgemische aus dem Wasserbade die Fettspaltung noch weiter fortschreite.e Von vornherein war nicht anzunehmen, dafs diese Spaltung, wenn sie überhaupt erfolgte, in der trocknenden Masse erheblich sei. Die Frage war leicht zu entscheiden, wenn man in Parallelversuchen Proben gekocht und ungekocht auf Kaolin brachte. Erste Versuchsserie. Versuchsreihe 1. (12. August 1901.) Versuchsanordnung: Je 5 ccm Magensaft werden mit 10 ccm Eigelblösung (drei Eigelb mit Wasser auf 100 ccm) versetzt und ver- schieden lange Zeit der Verdauung im Wasserbade bei 40° unter- worfen. Nach Herausnahme aus dem Wasserbade wird die eine Hälfte sofort gekocht, die andere ungekocht wie bisher auf Kaolin getrocknet. Aus den Zahlen der folgenden Tabelle geht hervor, dafs in der Zeit von der Herausnahme aus dem Wasserbade bis zur Be- netzung der Patronen mit Äther — die ja schon, weil sie dem nur wasserlöslichen Fermente das Fett entzieht, jenes unwirksam 994 Waldemar Stade, Soxhletversuch. \I. Titration: II. Titration: Prozente Ver- dureh durch Summe derdurch Be- Verseifun Ferment Nr. | dauungs- Ferment ab- 5 der | handlung abgespal- abgespalt. zeit gespaltene tene Fett- | Fettsäuren Fett- Fettsäuren säuren säuren 1b | ungekocht 29,15 20,2 49,35 59,0 RN 2StchnE z %b|) ' gekocht 15,2 34,15 49,35 31,0 3b | 6 ungekocht 29,9 16,9 46,5 63,8 Ab) ” | gekocht 20,3 . 24,1 44,4 45,7 5b | > ‚ungekocht 34,1 13,4 47,5 71,8 6b| ” | gekocht 24,9 15,5 40,4 61,6 macht — unzweifelhaft während der Trocknung im Kaolin eine recht beträchtliche Fettspaltung stattfindet. Daraus ergiebt sich weiter, dafs die mit der früheren Methode erhaltenen Zahlen nicht der Ausdruck der Fettspaltung in der angegebenen Verdauungszeit sind, sondern der Zeit vom Beginn der Verdauung im Wasserbade bıs zum Ende der Trocknung entsprechen. Während dieser Fehler leicht durch Kochen vermeidbar ist, lälst sich ein anderer der Soxhletschen Extraktionsmethode an- haftender Fehler nicht umgehen, wenn man diese nicht aufgeben will. Schon Pflüger!?) hat nachgewiesen, dafs die Extraktion der Fette im Soxhletschen Extraktionsapparat stets eine unvoll- ständige ist. Es läflst sich von vornherein annehmen, dafs die Extraktion um so besser sein muls, je kleiner und je lockerer gefüllt die Patronen sind. Von diesem Gesichtspunkte aus war es leicht, dadurch dafs wir das Fettsäure - Fett-Kaolingemisch auf verschiedene Patronen verteilten, bis zu einem gewissen Grade die Grölse des Fehlers festzustellen, den die Methode verursachte. Versuchsreihe 2. Versuchsanordnung: 170 cem Eigelblösung (5:170) werden mit 60 cem hyperacidem Magensaft (Acidität: 100 frei, 135 Ges.) in einer Flasche der Verdauung im Wasserbade 10 Stunden lang unterworfen. Danach werden dreimal 20 cem abgehoben, gekocht, in drei Schälchen mit Kaolin gebracht und nach der Trocknung auf 1, 2 und 3 Patronen verteilt. Es wurden dabei (vgl. folgende Tabelle) im Soxhletschen Extraktionsapparate erhebliche Mengen von Neutralfett nicht extra- Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 295 I. Titration: | II. Titration: Prozente Zahl durch | durch Summe der durch Nr. der N Ferment ab- Verseiftung | der Ferment ab- Patronen || gespaltene | Abgespal- | pettsäuren | gespaltenen | Fettsäuren | eat Fett- Fettsäuren | säuren 1 | 1 N 15,5 | 14,6 27,9 47,7 Sn 9 I 172 90,7 37,9 45,4 3 3 | 13,2 Bo 32,0 hiert. Zugleich erhellt aus dem Versuche, dals Fettsäuren leichter vollständig extrahiert werden als Neutralfette.e Je mehr Patronen benutzt werden, um so grölser wird die extrahierte Menge der Neutralfette, um sv kleiner die Prozentzahlen der gespaltenen Fette. Es erscheint aus diesem Grunde das Soxhletsche Ver- fahren zur Bestimmung der Wirkung des Magensteapsins nicht sehr geeignet. Dazu kommt noch, dafs es umständlich ist und erst nach verhältnismälfsig sehr langer Zeit zu Resultaten führt, weshalb es für klinische Zwecke ohnehin schlecht zu gebrauchen ist. Daher war es nötig, nach einer Methode zu suchen, die in kürzerer Zeit zu besseren, fehlerfreieren Ergebnissen führt. Bisher war darauf Wert gelegt worden, alle im Verdauungsge- mische vorhandenen Neutralfette und Fettsäuren quantitativ der Titra- tion zugänglich zu machen. Deshalb war anfangs die Soxhletsche Methode das einzig mögliche Verfahren. Denn wenn man das Ver- dauungsgemisch auch vollständig in Flasche oder Schütteltrichter aus- schütteln konnte, so wäre doch für eine quantitative Bestimmung des Fettes eine mehrfache viel zu umständliche Ausschüttelung nötig ge- wesen. Es waren aber andererseits die gewonnenen fehlerhaften absoluten Zahlen dazu verwendet worden, die prozentualen Werte der Fettspaltung zu berechnen. Es bedarf zu diesem Zwecke jedoch keineswegs absoluter Zahlen. Nachdem Volhard nachgewiesen hatte, dais die Fettspaltung annähernd prozentual erfolet, d. h. dals von viel oder wenig Fett ungefähr der gleiche Prozentsatz gespalten wird, so schien es erlaubt, nur einen beliebigen Teil des Fettäthers zu titrieren und zu verseifen und so den Prozentgehalt des Äthers an Fettsäuren zu ermitteln. Daher war es empfehlenswert, auf eine Methode zurückzugreifen, die Volhard schon früher angewandt, aber eben deshalb, weil sie keine absoluten Zahlen ergab, wieder verlassen hatte. Das Prinzip beider Methoden ist das gleiche: die möglichst inten- sive Benetzung des Verdauungsgemisches mit Äther. Volhard scheiterte mit seinen Versuchen, das Fett mit Äther auszuschütteln, daran, dafs er die gesamte Fettäthermenge verwenden wollte, es aber höchst schwierig, ja unmöglich war, diese vollständig zu gewinnen. Denn so 296 Waldemar Stade, oft er auch die sich absetzende schmierige weilse Eiweilsmasse sowie das Wasser ablaufen liels, immer schied sich nach einiger Zeit des Stehens im Abgelaufenen eine Schicht Fettäther ab, die bis dahin im Eiweils-Wassergemisch emulgiert war. Andererseits blieb an der Wand des Scheidetrichters von der schmierigen Eiweilsmasse immer etwas hängen, das, wenn man den Äther ablaufen liefs, mıt hinabgerissen wurde und so den Fettäther verunreinigte. Begnügte man sıch jedoch mit einem beliebigen Teil des Fettäthers, so war die Methode brauchbar; denn es war leicht, durch Absitzenlassen den Fettäther rein zu gewinnen. Wir gingen deshalb folgendermafsen vor: Gleiche Mengen des Verdauungsgemisches wurden in 100 bis 150 ccm fassende Flaschen gebracht, mit 75 cem Äther und zur Beschleunigung der Schichtung mit 2 ccm Alkohol übergossen, gut verkorkt und gleich lange geschüttelt. Zum Schütteln diente ein von Volhard konstruierter, im Labora- torium schon verschiedentlich verwendeter durch eine Wasserturbine bewegter Apparat. Sobald sich nach Beendigung des Schüttelns der Äther von dem Verdauungsgemische getrennt und geklärt hatte, wurden 50 ccm desselben in ein Kölbehen abgegossen, mit 75 cem neutralisierten Alkohols versetzt und mit wässeriger !/,,-Normalnatronlauge titriert. Danach wurden 10 cem Normalnatronlauge zugegeben und die Kölb- chen 24 Stunden lang auf kochendem Wasserbade unter dem Rückfluis- kühler der Verseifung unterworfen. Die aus den Neutralfetten so gebildeten Seifen wurden durch 10 ccm Normalsalzsäure gespalten, wobei gleichzeitig das überschüssige Alkali gebunden wird, und durch eine zweite Titration die Neutralfette als Fettsäuren bestimmt. Daneben wurden Parallelversuche mit Extraktion im Soxhlet- schen Extraktionsapparate angestellt. Versuchsreihe 5. (7. August 1901.) Versuchsanordnung: Je 20 ccm Magensaft werden 1. durch Zusatz von Normalsalzsäure auf eine Gesamtacidität von 78 gebracht und auf vier Röhrchen verteilt, 2. nach Zusatz von Phenolphtalöin mit Normal- natronlauge bis zur schwachen Rotfärbung neutralisiert und auf ebenso viel Röhrchen verteilt, 3. gekocht auf vier Röhrchen verteilt. In jedes Reagenzglas werden 10 ccm einer Eigelblösung (5:125) zugegeben und alle für 21/, Stunden in das Wasserbad (41°) gebracht. Makroskopische Veränderungen zeigen nur die Röhrchen unter 1. Die Emulsion ist zertört, im Gläschen eine gelbe, eben Flocken bil- dende Masse. Je zwei Röhrchen von 1, 2 und 3 werden nach beiden Methoden behandelt. Dauer des Schüttelns 3?/, Stunden. Die dritte Versuchsreihe, deren Resultat die beiden folgenden Tabellen wiedergeben, beweist nichts Neues; sie dient nur als weiteres Beweismaterial für die schon oben erwähnte Thatsache, dafs die Spaltung im Kaolin fortschreitet und die Extraktion nach Soxhlet viel zu kleine Werte giebt. Das erhellt, wenn man die Resultate des Soxhlet-Versuches mit denen des Schüttelversuches vergleicht. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 997 a) Schüttelversuch. I. Titration: II. Titration: Summe | Prozente durch | durch Ver- der | der durch Nr. Magensaft | Ferment ab- | seifung ab- | Fettsäuren | Ferment ab- gespaltene | gespaltene | in 50cem | gespaltenen Fettsäuren | Fettsäuren | Äther | Fettsäuren la 6,4 26,5 | 32,9 | 19,5 sauer } | 1b 5,3 | 24,3 | 30,1 | 19,3 2a DS REITEN a ae a! neutral | | | = 2b | 6,5 31,6 | 38,1 | 17,1 33% 0,9 26,0 | 26,9 3,3 \ gekocht de Ba a 32,1 Be 3,6 b) Soxhletversuch. I. Titration: ‚II. Titration: | Prozente durch durch Ver- Summe der durch Nr. Magensaft | Ferment ab- seifung ab- der | Ferment ab- gespaltene | gespaltene | Fettsäuren | gespaltenen Fettsäuren | Fettsäuren | Fettsäuren | la 18,5 18,2 36,7 50,4 sauer 4 1b 20,6 16,75 3753 55,3 2a |] 16,3 19,2 35,5 | 45,9 ' neutral | 2b I alas 18,6 36,4 48,9 33 1,4 36,0 37,4 327 \ gekocht i | spe) 1,4 35,1 365 | 3,8 Versuchsreihe 4. Versuchsanordnung: genau wie in der 1. Versuchsreihe, vgl. 8.293. Dauer des Schüttelns 5 Stunden, der Verseifung 23 Stunden. Schüttelversuch. 1. Titration: I. Titration:| Summe | Prozente Ver- han | durch durch Ver- |der Fett- der durch Nr. [dauungs- | | Fermentab- | seifung ab- | säuren | Ferment ab- zeit Bun | gespaltene | gespaltene |in 50cem | gespaltenen | Fettsäuren | Fettsäuren | Äther . Fettsäuren Ba . gan, Wngekocht I Ua 2615 | 375 99 Dee gekocht 9,2 25,7 34,9 26,3 34 | 6 ungekocht | 1815 19,7 32,85 40,0 4a || 2 gekocht 14,25 21,4 35,65 39,7 5all,, ungekocht 17,5 13,3. 30,8 56,8 Gall ” | gekocht a 382 53, 298 Waldemar Stade, Aus der vierten Versuchsreihe, welche ganz analog der ersten angestellt wurde, nur mit dem Unterschied, dals das Fett aus- geschüttelt wurde, geht einmal hervor, dals die Fettspaltung fast sofort in dem Momente der Einwirkung des Äthers aufhört, so dals bei dieser Schüttelmethode die Zerstörung des Fermentes durch Kochen überflüssig ist. Zweitens erkennt man auch im Vergleich zu den Versuchen der ersten Versuchsreihe, in denen das Ferment durch Kochen zerstört, das Fett aber mit Soxhlet extrahiert wurde, von neuem deutlich, dafs die Soxhlet- Methode zu hohe Werte für abgespaltene Fettsäuren giebt, weil im Ver- hältnis weniger Neutralfett extrahiert wird. Der folgende Versuch beweist dies sehr deutlich. Versuchsreihe 4a. (15. August 1901.) Versuchsanordnung: Die Patronen 4b und 6b der ersten Ver- suchsreihe werden mit je 150 cem Äther übergossen und ausgeschüttelt. Von 4b werden 45, von 6b 50 cem Äther abgegossen, titriert und verseift. I. Titration: II. Titration:| Summe der Be- en Ver- | durch Fer- | durch Ver- | Fettsäuren | rechnet Nr. ee | dauungs- ment abge- | seifung ab- in auf = zeit | spaltene gespaltene 45 bezw. | 150 ccm Fettsäuren | Fettsäuren ZOcem Äther| Äther 4b || etan il oe 1,55 5,2 gekocht, | | sh |) Dan, Ve 1,95 5,5 Addiert man zu den Soxhletversuchen 2b, 4b, 6b der 1. Ver- suchsreihe demnach 0,75 Fettsäure und etwa 5,0 Neutralfett, so viel, als der Extraktion entgangen sind, so erhält man folgende mit den Zahlen der analogen Schüttelversuche (2a, 4a, 6a der 4. Versuchsreihe) annähernd stimmende Werte. Be er Ionen ‚der Ba ve Prozente der Handalrd .. ‚durch Ferment| _ Kanal .„ ‚durch Ferment Nr. | hand- dauungs- fr.) han auungs abgespaltenen . abegespaltenen lung zeit San lung zeit ER Fettsäuren Fettsäuren | | | 2a \z:: 2 Stdn. | 96,3 2b l: s| 2 Stdn. 28,9 4a [ (ER 39,7 4b SER Bu 42,0 Kan ea 53,4 6b j® ae 55,6 Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 299 Damit war die Brauchbarkeit der Schüttelmeihode erwiesen, Es erübrigte nur noch, die gesamte Versuchsanordnung durch- zuarbeiten, auf eventuell in Betracht kommende Fehlerquellen zu prüfen und die Methode möglichst zu vereinfachen. So war daran zu denken, dafs aus dem Verdauungsgemische in den Äther, der sich beim Schütteln ja mit Wasser sättigen muls, Salzsäure überginge; es könnte in dieser Hinsicht auch der Zusatz von Alkohol von Einfluls sein. Schüttelt man indessen Magensaft mit und ohne Zusatz von Alkohol mit Äther aus, so ist die im Ätherextrakte nachweisbare Säuremenge derart gering, dals sie sich nur auf Spuren einer !/,„-Normalnatronlauge beläuft. Zusatz von einigen Tropfen Silbernitratlösung ruft nur eine ge- ringe Opalescenz hervor. Wenn also thatsächlich auch Salzsäure übergeht, so ist deren Menge so gering, dals sie vernachlässigt werden kann. Überdies haben wir in der Regel neutralisierten Magensaft verwendet. Es wäre jedoch noch möglich, dals der Zusatz von 2ccm Alkohol derart von Einflufs wäre, dafs im Alkohol lösliche Säuren, wie Glycerinphosphorsäure, in das Ätherextrakt übergingen, welche ohne Zusatz von Alkohol nicht extrahiert würden. Dafs aber auch dies nicht der Fall ist, beweist der folgende Versuch. Versuchsreihe 5. (19. August 1901.) Versuchsanordnung: 100 ccm Eigelblösung (3:100) werden in einer Flasche mit 50 ccm Magensaft (neutralisiert) im Wasserbade von 41° 6 Stunden lang verdaut. Dann werden 6 mal je l5cem mit einer Pipette in Reagenzgläser übertragen und darin gekocht, danach in Flaschen gefüllt und 3 mit, 3 ohne Zusatz von Alkohol mit 75 ccm Äther 3l/, Stunde lang geschüttelt. Dauer der Verseifung: 24 Stunden. | I. Titration: | II. Titration:|; | Summe Prozente Au durch durch der der durch Nr. | 8 Seien Ferment Verseifung | Fettsäuren | Ferment ab- mn ER abe ltene 'abeespalt in 50 cem gespaltenen abeespalte abeespaltene in € ges ale Fettsäuren | Fettsäuren Äther Fettsäuren 1 mit Alkohol ı 5,6 32,6 3832 14,7 2 \ohne ,„ HD, 30,3 35,5 | 14,7 3 mit 5,5 31,9 37,4 | 14,7 Au ohne ,, 5,4 30,7 36,1 | 15,0 5 mit De 32,3 38,2 14,9 Gesliiohne =. 4,9 29,0 39,9 14,5 300 Waldemar Stade, Es geht aber aus diesem Versuche nicht nur hervor, dafs Alkoholzusatz für die Extraktion gleichgültig ist, sondern es zeigt sich auch, wie genau das prozentische Verhältnis abgespaltener Fett- säuren durch die Ausschüttelung aliguoter Mengen ermittelt wird. Eine wesentliche Vereinfachung der Methode wäre es, wenn es gelänge, auch schon. nach kurzer Dauer des Schüttelns richtige prozentische Bestimmungen der im Ätherextrakt vorhandenen ab- gespaltenen Fettsäuren zu machen. Wie sich aus dem folgenden Versuche ergiebt, ist in der That die Dauer des Schüttelns gänz- lich belanglos für das prozentische Ergebnis der Fettspaltung. Es zeigt sich, dafs es auf die Vollständiekeit der Extraktion gar nicht ankommt. Legt man dagegen auf absolute Zahlen Wert, so mufs die Extraktion eine gewisse Zeit lang fortgesetzt werden. Versuchsreihe 6. Versuchsanordnung: Doppelversuch. 150 ccm Eigelblösung (5 Ei- gelb auf 170 aufgefüllt) werden in einer Flasche 10 Stunden lang mit 60 ccm Magensaft (freie HCl 100, Gesamtacidität 135) der Verdauung im Wasserhade von 41° unterworfen; sodann werden je 20 ccm mit der Pipette abgehoben und verschieden lange geschüttelt. Qualitatives Ergebnis: Die Emulsion ist vollkommen zerstört; in einer trüben, gelben Molke schwimmen gelbe Flocken und ein grolser, gelber, fetter Cylinder. Um mit der Pıpette bestimmte Mengen ab- heben zu können, mufste erst durch Schütteln wieder eine Emulsion hergestellt werden. I. Titration: | II. Titration: Summe Prozente durch durch der der durch ig, | Dauer und Art | Terment ab- Verseifung | .Fettsäuren | Ferment ab- des Seıminelne gespaltene 'abgespaltene in 50cem | gespaltenen Fettsäuren | Fettsäuren Äther <) Fettsäuren! ER 38,5 59,5 26,6 a so na 27,0 apparat | m 2a ||) 1 Stde. 7,8 20,5 28,3 27,6 2 || me ıl 12,9 35,6 48,5 26,6 3a |) % Stde. Te 18,9 96,6 28,9 3b HE wie! 7,4 19,1 26,5 27,0 4a 3 Min. 6,0 14,9 20,9 98,7 4b mit der Hand 8,6 22,6 31,2 27,6 Während also die absoluten Zahlen der abgespaltenen Fett. säuren sich zwischen 6,0 und 14,4, die extrahierten Fettsäuren zwischen 20,9 und 53,4 com 1/o-Normalnatronlauge bewegen, Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 301 schwanken die Prozente der abgespaltenen Fettsäuren dagegen nur zwischen 26,6 und 28,7. Wie es unser Ziel war, die Dauer des Schüttelns möglichst kurz zu machen, so richteten wir auch unser Bestreben darauf, die Verseifung möglichst einfach zu gestalten und zeitlich mög- lichst zu beschränken. Um diesem Ziele nahe zu kommen und um Unterschiede aufzuklären, die sich zahlenmälsig bei der Titration nach der Verseifung auch für gleiche Versuchsanordnung ergeben hatten, mulste der Vorgang der Verseifung noch näher untersucht werden. Denn es interessierte nicht nur der Einfluls der Temperatur, der Anwesenheit von Äther und Alkohol auf den zeitlichen Ab- lauf der Verseifung, es erwiesen sich auch das Glasgefäls und die Kohlensäure der Luft von Einfluls auf die Resultate. Versuchsreihe 7. (24. August 1901.) Versuchsanordnung: In 6 Kölbehen — 4 von Jenenser, 2 von ge- wöhnlichem Glase — werden aus einer Bürette je 50 ccm Fettäther, d. h. Äther, mit welchem eine gröfsere Portion Eigelb ausgeschüttelt worden war, gebracht; zu allen wird 75ccm Alkohol, zu zweien jedoch erst nach Verdampfung des Äthers, zugesetzt. Alle werden titriert und mit 5ccm Normalkalilauge versetzt. Von den ersten 4 werden 2 nach 14, alle, eventuell nach nochmaliger Verseifung, nach 24 Stunden titriert. Die ersten 4 werden unter Kochen, die letzten 2 in der Kälte verseift. I. Titration: II. Titration: Alikaclh durch Verseifung Durch Nr. Art des Glases, | p..ment ab- | abgespaltene Fettsäuren Verseifung Behandlung || „esnaltene gewonnene nach nach Fettsäuren Fettsäuren 14 Stunden | 24 Stunden la Jenenser Glas mit Äther 5,8 21,8 2,1 3,9 1b warm 5,8 —_ 24,7 24,7 2a Mast Glas ohne Äther, 5,8 22,2 17 23,9 2b | warm 5,8 _ 22,7 22,7 3a | | Gewöhnl. Glas 1729 — 23,2 23,2 3b |J mit Äther, kalt 81 — 25,9 25,9 Es ergiebt sich also, dafs die Anwesenheit von Äther für den Vorgang der Verseifung belanglos ist, und dafs die Verseifung in der Wärme wie in der Kälte innerhalb von 24 Stunden vollendet ist. Eine weitere Verseifung ergiebt nur noch geringe Säure- 302 Waldemar Stade, mengen, und zwar nur, wenn man ohne Abschlufs der Kohlensäure arbeitet. Daraus geht hervor, dafs auch die Kohlensäure der Luft die Resultate dadurch beeinflulst, dafs sie von der offen stehenden alkalischen Flüssigkeit gebunden, nach Zusatz von Salzsäure nicht entweicht, wohl deshalb, weil die Flüssigkeit ja nicht salzsauer, sondern fettsauer wird. Versuchsreihe 8. (10. Juli 1902.) Versuchsanordnung: 50 cem Fettäther werden mit 50cem Alkohol und 5ccm Normalnatronlauge 24 Stunden lang kalt und warm, und 3 Stunden lang warm unter Kohlensäureabschlufs (Natronkalkröhrchen) verseift. | | Menge der durch Ver- Nr. | Art der Verseifung | Dauer der Verseifung | seifung abgespaltenen | | Fettsäuren Ka 33.2 en | | 31,4 2 warm | ; an 2b | 32,1 3a | 39,8 3) warm | Da 39,4 Die Zahlen beweisen nicht nur, dafs die Verseifung in der Kälte nach 24 Stunden vollendet ist, sondern auch, was wichtiger ist, dals man sie in 2 Stunden durch Kochen der Lösung be- endigen kann. Zur Erkenntnis der Wichtigkeit des Kohlensäureabschlusses sind wir erst in der letzten Zeit gekommen. Zunächst fanden wir eine Hauptfehlerquelle, welche die Resultate trübte, im Glase. Es war uns aufgefallen, dafs im Gegensatz zu den Werten der durch Ferment abgespaltenen Fettsäuren, bei der H. Titration die er- haltenen Werte schlecht übereinstimmten. Es waren bisher zur Verseifung und Titration wässerige Nor- mallaugen gebraucht worden. Bei der Verseifung mit alkoholischen Laugen und mit metallischem Natrium blieben die Resultate gleich ungenau. In der That stellte sich heraus, dals das Glas der einigemal benutzten Flaschen so weit, als die alkalische Flüssigkeit darin zu stehen pflegte, trüb geworden war und an Wasser merkliche Mengen Alkali abgab. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 303 Die Prüfung verschiedener Glasarten ergab, dafs Jenenser Normal- glas relativ am beständigsten gegen Lauge ist, während Wiener Kali- glas schon an kaltes destilliertes Wasser Alkali abgiebt. Da es uns nicht möglich war, die Versuche in Porzellan- oder Metallgefäfsen zu wiederholen, so mufsten wir darauf bedacht sein, auf andere Weise den Fehler dadurch möglichst auszuschalten, dals das nach einem Versuche im Glase vorhandene lösungsfähige Alkali be- seitigt wurde. Dies gelang zunächst durch ein etwas zeitraubendes Verfahren. Die Fläschehen wurden nämlich so lange der Einwirkung strömenden Dampfes ausgesetzt, bis das sich an den Wänden derselben konden- sierende Wasser ohne Alkaligehält abflofs.. Durch die Liberalität des Herrn Geheimrat Professor Dr. Riegel, der im Anschlufs an die Dampf- druckleitung eine Vorrichtung anbringen liefs, auf der gleichzeitig drei Fläschchen der Einwirkung strömenden Dampfes ausgesetzt werden konnten, wurde es möglich, etwas rascher zu arbeiten. Versuchsreihe 9. Versuchsordnung: Je 50 ccm Fettäther + 75 cem neutralen Alkohols + Phenolphtalöin werden mit 10 cem Normalnatronlauge in gereinigten Fläschchen verschieden lange in der Wärme verseift, mit 10cem Normalsalzsäure versetzt und mit !/,„-Normalnatronlauge titriert. — — | Menge | Menge |. Dauer : EM der Nr. | Daun cr a | der ne Fettsäuren | suinas | Fettsäuren la |] 31,8 4a || 1114,..822 1 Stde. | 17 1b |] a 30,9 4b |] en | 32,3 2a ” 31,8 banal yı | 33,4 2b ER aa SB 31,4 3a | 33,3 barın 2 32,3 tdn. | , ) = 2 Stdn -- ee ie : Aus diesen ziemlich gut übereinstimmenden Zahlen geht hervor, dafs eine Stunde auf dem Wasserbade zur Verseifung vollkommen genügt. Zwar sind die Zahlen der Tabellen unter 1 und 2 niedriger als die folgenden; wenn man aber berücksichtigt, dafs bei längerer Ver- seifung erstlich das Glas entsprechend stärker von der Lauge ange- grifen und zweitens um so mehr Kohlensäure aufgenommen wird, so muls man die Zahlen unter 1 und 2 dennoch als die genaueren be- trachten. Unter Anwendung der beschriebenen Methode ist es möglich, in wenigen Stunden sich ein sicheres Urteil über die feıtspaltende Wirkung irgend eines Magensaftes, und wenn vielleicht Magen- 304 Waldemar Stade, steapsin, Pepsin und Lab in parallelen Mengen ausgeschieden werden, auch über die Fermentsekretion überhaupt zu bilden. Das Resultat dieser der Ausbildung einer einfachen und ge- nauen Methode gewidmeten Versuche läfst sich dahin zusammen- fassen: Für die quantitative Bestimmung der Fettspaltung, wie sie in einer begrenzten Zeit stattfindet, ist das bisherige Verfahren der Soxhletextraktion der auf Kaolin getrockneten Verdauungsgemische ungeeignet, weil während der Trocknung bei Zimmertemperatur die Fettspaltung fortschreitet. Es empfiehlt sich vielmehr, das Verdauungsgemisch mit Äther (75 ccm) und etwas Alkohol auszu- schütteln, einen aliquoten Teil des Äthers, mit Alkohol (50 ccm) versetzt, gegen Phenolphtal&in mittelst wässeriger !/,„-Normalnatron- lauge zu titrieren. Die titrierte Flüssigkeit wird mit genau 10 cem Normalnatronlauge entweder 2 Stunden unter dem mit Natron- kalkröhrchen versehenen Rückflulsrohr gekocht oder 24 Stunden gut verkorkt kalt stehen gelassen. Nach stattgefundener Verseifung der Neutralfette werden 10 cem Normalnatronlauge zugesetzt und nun die Neutralfette als Fettsäuren titriert. Da durch die Ver- seifung das Glas angegriffen wird, so empfiehlt es sich, die Kölbchen vor dem wiederholten Gebrauch auszudämpfen. 2. Die Wirkungsweise des Magensteapsins. Mit Hülfe der beschriebenen Methode haben wir die Fett- spaltung nach verschiedenen Seiten hin verfolgt. Da sich während der folgenden Untersuchungen erst das Bedürfnis nach einer Ver- besserung der Methode herausstellte, so ist bei ihnen mit Ausnahme der allerletzten Versuche noch nicht die Methode in ihrer mög- lichsten Vereinfachung angewandt worden; namentlich nicht mit Rücksicht auf die Dauer des Schüttelns und der Verseifung, auch nicht unter Beobachtung des Kohlensäureabschlusses. Doch be- einflulst diese Fehlerquelle die Resultate nicht wesentlich. Der zeitliche Ablauf der Fettspaltung. Zweite Versuchsserie. Versuchsreihe 10. (22. August 1901.) Versuchsanordnung: 400 ccm Eigelblösung (12 Eigelb auf 400 aufgefüllt) werden mit 130 ccm bis zur schwachen Rotfärbung von Phenolphtalöin neutralisierten Magensaftes zusammengebracht, die eine Hälfte sofort ins Wasserbad von 40% gebracht, die andere Hälfte auf Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. l. Flasche. Nr. 14 15 16 17 233 26%) Dauer der Ferment- einwirkung 2 Stdn. 4 ” Me, 8 D) ON. 24 , DON ER, Por: SORT, BD, Sden. BODEN Ta I. Titration: durch Ferment abgespaltene| Fettsäuren 8,1 10,1 11,5 12,1 13,3 20,5 18,0 19,0 19,4 19,8 20,3 21,6 44,2 | Il. Titration: durch Verseifung abgespaltene Fettsäuren 37 29,4 97,1 92,2 22,1 20,7 18,5 17,9 16,0 15,6 14,6 12,3 12,8 Dumme der Fettsäuren in 50 cem Äther 39,8 39,5 38,6 34,3 35,4 41,2 36,5 36,9 35,4 35,4 34,9 33,9 57,0 305 Prozente der durch | Ferment ab- ı gespaltenen ı Fettsäuren 20,4 | 25,6 | 29,8 37,6 49,8 49,3 51,5 54,8 55,9 58,2 63,7 77.5 *) Der in der Flasche befindliche Rest wurde ausgeschüttelt. 2. Flasche. I. Titration: II. Titration:| Summe | Prozente der Dauer der durch durch der durch Nr, Ferment- Ferment | Verseifung | Fettsäuren | Ferment ab- einwirkung \abgespaltene abgespaltene in 50cem | gespaltenen Fettsäuren | Fettsäuren Äther Fettsäuren 6 12 Stdn. 10,8 34,0 44,8 24,1 7 14: 11,2 SER 46,9 23,9 8 16, 11,6 34,0 45,6 95,4 9 la ı 12,1 35,3 47,4 95,5 10 DEE 12,4 33,0 45,4 27,3 11 DICH 12,5 29,6 | 42,1 29,7 18 EDER 13,8 211 a) 39,5 19 38er 16,3 25,0 41,3 39,5 20 AB; 16.4 24,6 41,0 40,0 31 I 16,9 23,7 40,6 41,6 22 Aa; zn 23,9 41,0 41,7 23b*) 46 „ 17.9 20,4 37,9 46,2 24 BE. 18,0 — Br An 25%) Gaza, 14,9**) 12,9 27,8 53,6 *) Vgl. oben Anm. *). — **) Bei der Verseifung geht ein Teil verloren. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 20 306 Waldemar Stade, Eis zurückgestellt und später angesetzt. Nach je 2 Stunden werden je 20 cem mit Pipette abgenommen, sofort in Flaschen übertragen und mit 75 cem Ather + 2 ccm Alkohol 2 Stunden lang ausgeschüttelt. Verseifung 24 Stunden lang auf dem Wasserbad mit Normalkalilauge. Qualitatives Ergebnis: In der ersten Flasche ist die Emulsion nach 6 Stunden zerstört, der Inhalt sieht streifig aus; nach 24 Stunden fällt eine Gasentwickelung auf, die auch in der zweiten Flasche 24 Stunden nach Beginn der Verdauung bemerkt wird (Hefegärung?). Durch diese Gasentwickelung wird die Emulsion wiederhergestellt. Der Geruch ist schon nach 24 Stunden faulie. Wie die Tabelle (S. 305) zeigt, erfolgt die Fettspaltung nicht, wie Volhard getäuscht durch die im Kaolın fortschreitende Fermentwirkung angiebt, ruckweise, sondern entsprechend unseren Kenntnissen von anderen Fermenten kontinuierlich und durch eine regelmälsig verlaufende Kurve ausdrückbar. Dals aber auch die Fettspaltung in den ersten 2 Stunden ebenso wenig sprungweise ab- läuft, ersieht man aus folgendem Versuche. Versuchsreihe 11. (25. August 1901.) Versuchsanordnung: 100cem Eigelblösung (3 Eigelb auf 100 auf- gefüllt) werden mit 50 cem neutralisierten Magensaftes nach ge- trennter Vorwärmung der Verdauung unterworfen. 1 Röhrchen mit 5 cem gekochtem Magensaft + 10 ccm Eigelblösung (8). Dauer des Schüttelns 80 Minuten, der Verseifung 24 Stunden. II | I. Titration: II. Titration: Summe Prozente der En | durch | durch | der durch Nr Bar | Ferment | Verseifung | Fettsäuren Ferment Stunden | RE abgespaltene | abgespaltene in 50ccm |abgespaltenen | Fettsäuren | Fettsäuren | Äther Fettsäuren re | 0,9 | 28,1 29,0 au aD | 1,9 | 97,3 29,2 6,5 Be | 3,0 | 24,9 | 27,9 10,8 AR De 3ya 3,8 | 23,9 97,7 13,7 Dane | 4,6 24,5 29,1 15,8 (0 | 5,1 | 24,7 29,8 17,1 7 10% 6,0 | 25,5 | 31,5 19,1 Sr er 2r0ek 0,9 | 25,0 25,9 3,9 Weiteres Zahlenmaterial erbringen die Versuchsreihen 15, 16 und 17 der Serie Ill. Weder im Magen noch im Reagenzglas wird das Maximum der Spaltung rasch erreicht. Die Intensität der Fettspaltung nimmt vielmehr allmählich ab. Zur Erklärung dieser Thatsache lassen sich vier Möglichkeiten heranziehen. Entweder kann die Spaltung Untersuchungen über das: fettspaltende Ferment des Magens. 307 bei gleicher Fermentmenge abhängig sein von der vorhandenen, zu spaltenden Fettmenge und um so grölser sein, je kleiner diese ist, oder sie wird durch Anhäufung von Verdauungsprodukten verlang- samt, oder es hat infolge der Emulsionszerstörung das Ferment eine geringere Angriffsfläche. Endlich besteht die Möglichkeit, dals das Ferment mit der Zeit beim Stehen bei Körpertemperatur an Wirksamkeit abnimmt. Über den Einflufs der Fettmenge auf die Gröfse der Spaltung. Volhard hat nach Versuchen mit den früheren Methoden ge- funden, dafs die gebildete Fettsäuremenge direkt proportional den angewandten Fettmengen sei, dals also relative, in Prozenten aus- drückbare Werte für die Verdauungsprodukte resultieren. Wir haben mehrere Versuche unter Variation der Fettmengen angestellt. Versuchsreihe 1%, (14. August 1901.) Versuchsanordnung: Doppelversuch. Je 5ccm eines stark sauren Magensaftes werden mit abnehmenden Mengen Eigelblösung und so viel Wasser zusammengebracht, dafs das Volum in allen Versuchen gleich ist. Verdauungszeit: 4 Stunden. Dauer des Schüttelns 5 Stunden, der Verseifung 24 Stunden. Qualitatives Ergebnis: In 1 bis 5a und b Zerstörung der Emulsion, in 1a und b Streifen- und Flockenbildung, ebenso in 2a und b, nur be- findet sich am Boden des Gläschens eine klare Molke, in der sich einige gelbe Flocken befinden, darüber schwimmt eine gelbe flockig-streifige Masse. In 3a und b ist dieser Befund noch ausgeprägter, mehr trübe Molke, weniger Bodensatz, leichte Retraktionserscheinungen. In 4a u. b schwimmt in trüber Molke ein retrahierter Öylinder; ebenso in 5a u. b. I I Versuchsanordnung I. Titra- | II. Titra- a Prozente tion: durch | tion: durch N der durch h 5 Ferment |Verseifung | . Ferment Nr.) Eigelb- | Magen- | säuren | abge- > H,0 | abge- au 1 lösung saft : in spaltenen spaltene spaltene | _ Fett- Fettsäuren | Fettsäuren cn e cem cem cem Äther | Sduren | | 1a 10,0 5 _— 9,2 34,1 A330 2199180 2a 7,5 5 2,5 7,6 25,85 33,45) 22337 3% 5,0 5 5,0 5,6 19,4 25,0 22,4 2 | 7,5 2,9 (7,7)*) | (10,6)*) | (26,4)*) 5a 1,0 5 9,0 0,9 3,1 4,0 22,5 6a = 51 ge- | 100 |) 0,2 0,1 0,3 — u 10,0 5fkocht — 1,5 39,6 41,5 3,6 *) Vgl. Anm. S. 308. 308 Waldemar Stade, 5 5 Summe | Prozente Versuchsanordnung I. Titra- | DI. Titra- > 2 der der durch tion: durch | tion: durch am 4 = Ferment | Verseifung | . Sn Ede Nr. | Eigelb- | Magen- Se a säuren | abge- lösung saft HO, A - in !spaltenen spaltene spaltene 50 Fett Fettsäuren | Fettsäuren | x Sn ccm ccm cem | Ather säuren ib| 100 5 = 8,9 33,5 49,4 21,0. 2b 76) 5 2,9 za 24,8 31.9 22,5 3b 5,0 5 5,0 5,5 17,4 22,9 24,0 4b 2,5 5 7,5 2,8 (7,8)*) | (10,6)*) | (97,3)*) 5b 1,0 5 9,0 0,35 (13,55)*) | A42)%)| @&0,7)) 6b — 5\ ge- 10,0 0,2 32 3,4 — 7b 10.0.2205 Jkochtı, 7 72.216 39,1 40,7 3,9 Während es in diesem mit verhältnismälsig geringen Mengen Eigelb angestellten Versuche den Eindruck macht, als wäre die Intensität der Fettspaltung der angewandten Fettmenge direkt proportional, so beweisen die folgenden mit grölseren Fettmengen angestellten Versuche das Gegenteil. Versuchsreihe 13. (16. Juli 1902.) Versuchsanordnung: Wachsende Mengen einer Eigelblösung (13:500) werden mit Magensaft von wechselnder Fermentmenge im Wasserbade bei 40° der Verdauung unterworfen. Drei Proben (I) werden durch Wasserzusatz auf gleiches Volum gebracht, drei weitere Proben (II) behalten verschiedenes Volum, in den drei letzten (III) wird bei gleichbleibenden Ferment- und Fettmengen nur das Volum durch Wasserzusatz geändert. Nach 4 und nach 24 Stunden werden aus den Flaschen I und Ill, und nach 4 Stunden aus der Flasche Il je 20 cem mit Pipette abgenommen. Der verwandte Magensaft war neutralisiert. Zu II wurden 10 ccm dieses Magensaftes auf 90 ccm mit Wasser auf- sefüllt, um den Einfluls der Fettmenge auf die Spaltung bei geringem Fermentgehalt zu studieren. Die Ausschüttelung erfolgte mit der Hand. Die heifse Verseifung (mit Natronkalkröhrchen) dauerte 2 Stunden. Qualitatives Ergebnis: Nach 4 Stunden ıst die Emulsion in I, 1 und 2 zerstört; in I 1 ein feiner, in I 2 ein flockiger Bodensatz, darüber eine gelbe trübe Molke. I 3 unverändert, ebenso II. In III haben sich feine Flocken ohne Abrahmung gebildet, in III 2 ist diese Erscheinung *) Die Versuche 4a, 4b, 5b sind verunglückt; da die in 1Ocem Eigelb- lösung vorhandene gesamte Fettsäure 62cem Y,,-Normalnatronlauge ent- sprach, so konnte berechnet werden, wie viel 50 cem Fettäther von 2,5 und 1,0 cem Eigelblösung enthielten. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 309 eben angedeutet, III 3 ist unverändert. Nach 24 Stunden ist die Emul- sion in I und III zerstört. In I 1 hat sich eine gelbe cylindrische Platte unter einer gelben trüben und über einer farblosen trüben Molke abgesetzt. In I 2 ist die Bildung noch nicht so ausgesprochen, unten eine dichtere flockige eylindrische Masse, darüber gelbe in trüber Molke schwimmende Flocken. In II 3 eine rissige gelbe Masse, ebenso in III 1 mit dem Unterschiede, dafs diese Masse unten homogener als oben ist. In III 2 schwimmt über einer gelben trüben, einige Flocken ent- haltenden Flüssigkeit eine unregelmäfsig gestaltete homogene Masse, darüber gelbe Molke mit reichlichen feineren und gröberen Brocken. In III 3 schwimmen in trüber Molke grobe und feine gelbe Flocken. —| Werl u Eur 0 Versuchsanordnung SHE 85 u SR = Bo 2 = .® 32 Bm H el El En 8 RI = nz | E = | 5) 22 Nr. Eigelb- Magen- Seas lee H,O See a En lösung | saft 2 Seel eu sale ARE OR EEE DES © aß | mo | H 25 Ei NA CS IE en | cem Nele Dell lee nach 4 Stunden | 1%) USER EL en 1,9 |..3,6.|| 46,9 22a 50 Be 50 Si 12,8 18,5 30,8 3a 100 30 — 9,0 26,6 35,6 25.3 IA 10 | al wenn En 33 8,8 12,1 22 2a 50 30 »dünnt — 3,2 29,5 33,0 SIT 3a 100 | 30)10:90 | —_ 2,0 36,5 33,5 9,2 III. 1a 50 30 al 30 SEu 23,9 33,2 29,2 2a 50 dannt | so 5,3 12,4 ac 29,9 3a 50 30 | 320 2,6 6,6 92 | 28.2 nach 24 Stunden 1b 10 30 | 90 ner 21.0) Aa ale 2b 50 30 50 9,8 7,0 la58e 560 3b 100 30 Io - 17,8 | 222 | 40,0 | 44,5 III 1b 10 30 | 30 18,8 \ 19,1 37,9 49,6 2b 50 30 | 80 8,7 | 6,3 | 15,0 | 58,0 3b 100 30 320 4,2 3,2 7,4 | 56,7 | | Da dieser Versuch für die zweite Hälfte nicht gänzlich ein- wandsfrei erschien, weil ja durch Abnehmen von 20 cem sowohl Fett- wie auch Fermentmenge vermindert wurde, so stellten wir unter Umgehung dieser Fehlerquelle den folgenden Versuch an. 310 Waldemar Stade,' Versuchsreihe 14. (18. Juli 1902.) Versuchsanordnung: Wachsende Mengen einer Eigelblösung (8:275) werden in Fläschchen mit gleichen Mengen neutralisierten Magensaftes und abnehmenden Mengen Wasser 3 und 24 Stunden der Verdauung im Wasserbade bei 41° unterworfen. Das Ausschütteln erfolgt in den gleichen Fläschchen mit der Hand. Dauer der Verseifung: 3 Stunden auf dem Wasserbade. Qualitatives Ergebnis: Nach 3 Stunden zeigen sich in keinem der Verdauungsgemische makroskopische Veränderungen. Nach 24 Stunden findet sich überall Emulsionsstörung mit Abrahmung, Molken- und Cylinderbildung. = 3 ei) een A z A Versuchsanordnung Suou= . 8 a8 358° 3 Ban: dead Fe U = 22|.8%88 lo2dı 2 a8 Sea | RES Nr. | Eigelb- | Magen- SER essen | Er a 5 Ho |#8e | ar 32 ee lösung saft 2 csdea|ı E.as 2a ass See see seısas Ele Be Sal 2583 cem ccm ccm ER ne) RE nach 3 Stunden I ikeyi, .l0) 10 10 Ta 18,3 26.0 | 29,6 2a 15 10 5 12,0 34,0 46,0 26,1 34 25 10 — 13,6 42,0 55,6 24,5 Nesga 5 10 45 9 5,6 14,7 62,6 2a 25 10 25 28,0 46, 748 37,4 34 50 10 = 39.0 62,1+4,3*) 105,4 37,0 nach 24 Stunden E29 10 10 10 17,8 Sl 26,9 | 66,2 2b 15 10 5 23,7 19,8 43,5 | 54,4 3b 25 10 — 28,9 24,7 53:61 059,9 II. 1b 5 10 45 2,3 0,6 2,90.198 2b 25 10 25 14,6 8,5 23,1 |% 63,6 3b 50 10 — 26,7 15,2 51,9| 51,4 Es zeigt sich also, dafs in Verdauungsgemischen, die dieselben Ferment- und Fettmengen enthalten, die Verdünnung für die Grölse der Spaltung gleichgültig ist; selbst eine erhebliche Verdünnung *) Da es sich bei II 3a gezeigt hatte, dafs der Verseifung Schwierig- keiten erwachsen, wenn die ganze Menge ausgeschüttelt und verseift wurde, werden bei II 1b ff. wieder 20 cem als Testprobe abgehoben und ausge- schüttelt. II 3a wurde nochmals verseift und ergab nach der zweiten Ver- seifung noch einen Ausschlag von 4,3. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 311 (13. II, 3a) setzt die Fettspaltung kaum merklich herab, dagegen scheint ein Zuwenig an Wasser die Reaktion zu beeinträchtigen Bntr32, I, 28; I, 3b, II, 2b). Bei gleicher Fermentkonzentration und ungleichen Fettmengen kommt es auf die Gröfse der Differenzen an. Differieren die Fett- mengen beträchtlich, so macht sich auch ein deutlicher Unterschied derart geltend, dafs die kleineren Fettmengen in der gleichen Zeit vollständiger gespalten werden. Benutzt man jedoch als Teestobjekt geringere Fettmengen, z. B. 10 bis 5 ccm einer Eigelblösung (aus 3 Eiern ad 100 Wasser), so sind wirklich die abgespaltenen Fett- säuren dem angewandten Neutralfett proportional. Für die prak- tische Anwendbarkeit der Fettverdauungsprobe ist das insofern sehr wichtig, als man keine konstante Testfettlösung nötig hat und es keiner quantitativen Fettbestimmung bedarf, sondern nur der Eruierung der prozentischen Fettspaltung in einem aliquoten Teil des Ätherextraktes. Über den Einflufs der Fermentmenge auf die Gröfse der Spaltung. Volhard hat bereits wahrscheinlich gemacht, dafs auch für das Magensteapsin das Schütz-Borissowsche Gesetz gültig ist, welches besagt, dafs sich die Verdauungsprodukte verhalten wie die Quadratwurzeln der Fermentmengen. Dieses Gesetz (p):P5 = YA ; V) wurde zunächst von Schütz?) für das Pepsin angegeben und von Borissow!®) bestätigt, dann haben Pawlow!”) und Walther1!S) seine Gültigkeit für die bekannten fermentativen Pro- zesse des Verdauungskanals nachgewiesen. Deshalb war es von be- sonderem Interesse, die Gültigkeit des Gesetzes auch für das Magen- steapsin zu untersuchen. Unsere nach der neuen Methode ge- machten Versuche beweisen besser als die früheren von Volhard in seiner Habilitationsschrift veröffentlichten die Gültigkeit des Gesetzes. Volhard!?) hat die Ergebnisse unserer Versuche zum Teil schon im Herbst vorigen Jahres auf dem Hamburger Kongresse mitteilen können. Es erübrigt nur noch, die zahlenmälsigen Be- weise zu geben. Dritte Versuchsserie. Versuchsreihe 15. (29. August 1901.) Versuchsanordnung: Wechselnde Mengen eines Magensaftes (von dem 40 ccm mit !/,o-Normalnatronlauge neutralisiert und mit Wasser auf 80 ccm aufgefüllt sind) werden in 5 Flaschen und mit Wasser auf 312 Waldemar Stade, das gleiche Volum gebracht. Die in die Flaschen gebrachten Magen- saftmengen verhalten sich wie die Quadrate der Zahlen 1, 2, 3, 4, 5. In jede Flasche kommen 100 cem einer Eigelblösung (25:640) im Wasserbade von 40° zur Verdauung. Nach 3, 6, 9, 12, 24 und 78 Stunden werden jedesmal aus jeder Flasche 20 cem mit der Pipette abgenommen und 2 Stunden lang ausgeschüttelt. Um die unvermeid- lichen Beobachtungsfehler zu reduzieren, werden die 5 für jeden Zeit- abschnitt erhaltenen Werte addiert und ihre Summe im Verhältnis 1:2:3:4:5 geteilt. Qualitatives Ergebnis: Während am 29. abends die Verdauungs- gemische noch gut emulgiert und dünnflüssig waren, erschienen sie am nächsten Tage dickflüssig, der Geruch war leicht faulig, nach 48 Stunden deutlicher Geruch nach Schwefelwasserstoff. an I, Fe Versuchsanordnung E 55 5 28 a = 25 Ei he se: |l@=: „alas. Te, 36 :8 56 no 2.8 San > EB aR2 | 2a | 52 | oSeıjhn Nr.| Magen- | Eigelb- 1.2.5168. ee - R HOSE ser 22 0, ee saft lösung 2 Ian lege se EEE: SHE ee cem cem Gem WE en A le nach 3 Stunden | I 25 frisch | 100 = 5,3 503 | 556| 95 9,75 II 1608, 100 9 3,9 50,0 | 5389| 72 7,8 II Ra 100 16 2,6 52,0 | 546| 48 5,85 ya, 100 21 2,0 53,0 | 550 | 3,6 3,9 Va 1a 1005 8 9 17 5L,8 | 5355|. 32 1,95 VI|10 ge&k. | 3 ix 1,5 509 | 5294| 29 — nach 6 Stunden I 25 frisch | 100 — 80. | 46,8. 5482| 14,0 Fu oe | 100 3265 [248.9 = 55,40 Par 11,2 nnel | 100 16, 40° 21.955,89 2 8,4 Ev 2,015 100 91 Ba a rs 4,5 5,6 VS 100 94 ee 53,0 | 54.8 3,3 2,8 | | | nach 9 Stunden II I | 1|25 frisch | 100 —- 9,4, | 4600 | 55,20 aa, 17,0 II | os 100 9 6,4*%) 33,6*)| 40,0 | 16,0 13,6 IT 200% 100 16 a | 9,3 10,2 Da 100 21 Sl Be 5,4 6,8 v) Br 100 94 9, nee 54 3,5 3,4 | | *) Im Schüttelapparate öffnete sich die Flasche, es flols ein Teil des Äthers ab, so dafs nur noch 40 ccm abgegossen, titriert und verseift werden konnten. Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 313 ET: cr Versuchsanordnung 18 A = Eu u = 8 | A # ar | ame. Balnas | Hal Nr. | Magen- | Eigelb- le Ei: 2 Er Eee 4 | 18 I | = Bla3,.|845° ne Me: 10 | EREN 0. BES Reh lee ccm ccm | cem |; = > ee N at: nach 12 Stunden | I I} Il25frisch| 10 | — | 102 | 404 | 50,6 | 20,2 18,8 ” | N | Bao 1005| 97) 86 |. 444 | 5380|. 162° |) 150 KL 37 „ 1007729.16% 16,32 7| 55,8 62,1 10,000 163 Be 100. 217 0,35 1,543 | 5278| 61 7,5 Ber 100°. | 791 | Hal 255,0 3,8 3,8 | | | | nach 24 Stunden I 25 frisch 100 0195, 3857 1 51.0 245 24,0 TEIIG 100 9 | 104 429 | 533. 195 19,2 9, | 100 16 | 80 453 | 533 | 15,0 14,4 Ry|ı.42 100 DI 50,3 | 55,0 8,5 9,6 N 100 Dar 2,6 52,4 | 55,0 4,7 4,8 | | nach 48 Stunden | | | | I 25 frisch 100 — | 211 | 445 | 656 321 34,1 IE. 100 | a 33 | 28,1 97,3 NE 9, 100 16 | le ze 20,55 Bd, oe, 64,5 do, 13,1 13,7 Ve 100 | 24 | 49 | 686 | 73,5 6,7 6,85 Weniger befriedigend, aber doch annäherungsweise finden wir SO ke) 9 oO das gesetzmälsige Verhalten in einer zweiten derartigen V ersuchsreihe, bei welcher die erst später eliminierten Fehlerquellen das Resultat RB anscheinend mehr beeinträchtigen, sie soll aber aus Billigkeits- gründen bier doch Platz finden. Versuchsreihe 16. (6. September 1901.) Versuchsanordnung: Neutralisierter Magensaft wird unverdünnt verwandt. Die Anordnung sonst wie bei Versuchsreihe 15. Verdauungs- zeit 3, 6, 9, 12, 24, 48 und 72 Stunden. Dauer des Schüttelns 1 Stunde, der Verseifung 6 Stunden. Qualitatives Ergebnis: Die Emulsion ist um so eher zerstört, je mehr Magensaft zu den betreffenden Versuchen verwandt worden ist, derart, dafs sich nach 6 Stunden in Flasche I Rifsbildung, nach 9 Stunden vollkommene Zerstörung der Emulsion mit Abrahmung und in Flasche II Rifsbildung zeigt. In III treten Emulsionszerstörungen erst nach 24 Stunden auf, ohne dals es zu Abrahmung käme. In Flasche IV und V sind keine makroskopischen Veränderungen zu beobachten. 314 Waldemar Stade, spaltene Fettsäuren II. Titration: durch Verseifung abge- spaltene Fettsäuren nach 3 Stunden 45,8 48,1 60,3 63,0 62,6 nach 6 Stunden 45,3 41,9 54,5 68,4 62,7 nach 9 Stunden 41,5 43,7 55,5 68,3 71,3 nach 12 Stunden E= Versuchsanordnung = © I e Nr.| Magen- Eigelb- = = | saft | lösung H,0 sus | = | | ai © l cem | ccm ecmgr ine 25 125 Er 9,6 ET; 125 9 9,4 ur 9 125 16 6,9 IV 4 1 | al 3,9 V| 1 125 21 0,3 Il 3 125 2 110 II 16022105 9 11,6 III Es an 16 9,1 IV 4 125 21 5,5 V a Bl2> 24 9,7 Il 2 TO 13,1 | LG 125 9 13,4 dt. 125 16 10,9 IV 4 125 31 6,5 V 1 125 24 2,8 I 5 5 An | leer. 2195 N) 152 | | 125 | IV 4 125 21 V| 1 125 2 07 | | | *) Beim Aufsetzen auf das Verseifungsbad fiel die Flasche um, ein Teil flols aus, 42 cem blieben übrig; 142 ccm waren anfänglich im Fläschchen (50 Fettäther + 75 Alkohol +4 7,1 Yıo- Normalnatronlauge + 10 Normal- natronlauge‘, also 142,1:10 = 42:x; x = 3,0, d. h. es sind 3cem Normal- salzsäure zur Spaltung der gebildeten Seifen und zur Neutralisation des überschüssigen Alkalis nötig. Die Menge der vorhandenen ungespaltenen Fette berechnet sich demnach als Fettsäure nach der Formel 142,1:42 a3 Sy @016: 7,1*)| 38,3 49,7 51,5 60,6*) 34,0 67,2 Summe der Fettsäuren 66,9 64,9 57,0 53,5 63,6 73,9 65,4 | 54,6 57,1 66,4 74,8 74,1 52,5 57,9 63,2 67,7 35,7 Prozente der durch Ferment abgespal- tenen' Fettsäuren 24,0 23,5 16,4 8,7 3,8 27,0 26,2 18,5 10,5 4,8 A A a Sy Prozente I + II geteilt wie 17 14,2 10,6 Ze 3,5 29,7 18,1 13,6 9,1 4,5 95,5 20,4 15,3 10,2 5,1 29,0 23,2 17,4 11,6 5,8 DET 1 Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 315 Versuchsanordnung eE: 2a Baus 2,5 u gaaleaal23 1383 53|1|44 ' 0” Nr. | Magen- Eigelb- H.0 3 En = b= F E s = =E 2 a 5 saft lösung £ AES|IER2E| 23 | 835 ,| 85° | Bsan88| 53 |S3E2|C7 | eem cem cm |; =" a2 |E8?7|R+ nach 24 Stunden I 25 125 _ 18,7 34,1 52,8 35,4 37,0 II | 16 125 9 17,8 37,7 55,9 32,1 29,6 III | ) 125 16 15.3 50,4 65,7 2,3 222 IV | 4 125 21 sl 58.3 67,6 13,5 8 v 1 125 24 23 | 26 |319| 66 7,4 nach 48 Stunden Il 3 125 Er 94,9 31,6 1565 A4ıl 46,1 I 16 125 9 23,4 33,4 56,8 41.2 36,9 mi 9 125 16 | 189 | 50 1689| 9,6 27,7 IV| 4 125 21 12,0 58,4 70,4 17,0 18,4 7 il 125 24 4,5 65,3 70,3 6,4 2 nach 72 Stunden = | 35 125 7 978° | 98.9.1565 |. 49:0 50,4 16 125 9 357 | 338 |595 | 432 40,3 11 9 125 16 194 | 41,3 | 60,7 | 32,0 30,2 IV 4 125 21 13,2 52,5 65,7 20,0 20,2 v 1 125 24 47° | 633. | 680 |> :69 10,1 Kontrolle 10 Magensaft gekocht + 10ccem Eigelblösung nach 3 Stunden 1,6 33,3 39,9 4,0 — Sehr bald läfst die Schützsche Regel in der folgenden Ver- suchsreihe im Stich, in welcher höhere Fermentkonzentrationen in Anwendung kamen. Versuchsreihe 17. (21. Juli 1902.) Je 1. 4, 9, 16, 25ccm eines neutralisierten normalen Magensaftes werden durch 1, 4, 9, 16 und 25 Stunden mit l10cem einer Eigelb- lösung (8: 175) im Wasserbad (40°) digeriert. Die Verdauungsgemische werden direkt in 100 bis 150 ccm haltenden Schüttelflaschen ins Wasser- bad gebracht, nach Ablauf der Verdauungszeit in Eis gekühlt, mit 75ccm Äther + 2cem Alkohol übergossen und mit der Hand ausge- schüttelt. Dauer der Verseifung 2 Stunden unter Kohlensäureabschluls. 316 Waldemar Stade, Qualitatives Ergebnis: Emulsionszerstörungen waren erst nach 9 Stunden zu beobachten. Sie bestanden in Flockenbildung, während sich nach 16 und 25 Stunden Cylinderbildung ergab. | Versuchsanordnu BE s 3 Ö B ä E = 5 | A = |Ver rdnung 1 aa Sa ErorS aaaleaal|s: les, Hre2 ee nee en Nr. | Magen- | Eigeib- | 283m | 2 5& | „E <22 2 ,&= E Eeo|lsSo Son oe +% saft lösung | SE = | S.0E. 5er | as2| 5828| .3. | ss2 | sa a, cem cem es 8 Er 28% er aum! 2 je! [77] un nr + nach 1 Stunde la 25 10 6,2 I DO 26,3 (23,6) — 23 16 10 5,4 | 20,0 25,4 21,3 21,6 3a 9 10 4,3 20,7 25,0 7. 16,2 4a | 4 10 23,9 23,1 26,0 11,2 10,8 5a 1 10 1,0 23,4 24,4 4,1 5,4 nach 4 Stunden 1b 35 10 7,9 9,5 17,4 (45,4) — 3b 16 10 9,4 12,0 21,4 (44,0) 48,0 3b 9 10 97 17,3 37,9 38,9 37,5 4b 4 10 73 18,8 26,1 28,0 25,0 5b 1 10 Sl 23,4 27,1 17 12,5 nach 9 Stunden 1ie| 3 10 8,8 Ar neo) es) er IC 16 10 9,0 8,0 17,0 (52,9) — 3c 9 10 ll la 11,9 23,5 49,4 — 4c 4 10 192 18,4 30,6 39,8 39,2 5e ll 10 5,6 23,5 29,1 19,2 19,6 nach 16 Stunden ld 25 10 14,7 6,8 21,5 (68,4) = Id 16 10 9,5 4,6 14,1 (67,4) — 3d 9 10 6,0 5,8 11,8 (50,9) — 4d 4 10 9,6 14,0 23,6 40,7 41,6 5d 1 10 -5,D 19,7 25,2 21,6 20,8 | ) nach 25 Stunden | le 35 10 12,6 4,4 17,0 | (74,1) = 2e 16 10 12,5 4,4 16,7 73,6 — 3e 9 10 12,0 6,3 18,3 65,6 — de | 4 10 13,7 16,1 29,8 46,0 — De 10 81 lo | a 31,5 = Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 317 Diese Versuchsreihe zeigt, dals das gesetzmälsige Verhalten mit Zunahme der Verdauungsprodukte eine Grenze hat, und zwar hört es bei höheren Fermentkonzentrationen an sich und bei den weniger konzentrierten im Laufe längerer Verdauungszeit auf. Dabei stellt sich heraus, dals mit steigenden Fermentkonzentrationen und mit Zunahme der Verdauungsprodukte die Übereinstimmung mit dem Gesetz immer schlechter wird. Mit diesem Verhalten steht das fettspaltende Ferment nicht allein in der Reihe der Fermente. Auch beim Pepsin beobachtet man, dals es in höheren Konzentrationsgraden dem Schütz- Borissowschen Gesetze nicht mehr folgt. Trägt man, wie es Volhard bei seinem Hamburger Vortrag gethan hat, die erhaltenen Werte mit den Verdauungsprodukten als Ordinaten der Zeit als Abscisse auf, so ergiebt sich an der resultierenden Kurve auch der schöne und regelmälsige Verlauf der Fermentwirkung. Ist dieser ein gesetzmälsiger, so müssen alle mit irgend einem beliebigen Magensafte gewonnenen Fermentations- kurven mit den aufgezeichneten in ihrem Verlaufe übereinstimmen. Unterscheiden dürfen sie sich nur durch die Grölse ihrer Ordinaten. Doch mufs das Verhältnis zweier Ordinaten auf derselben Zeit- abseisse für je zwei Kurven überall gleich und konstant sein (Pı:Pa '— konst.). Will man die gefundenen Resultate in die Praxis übertragen, so steht man vor zwei Möglichkeiten. Entweder man berechnet aus den für zahlreiche Magensäfte „gefundenen Werten eine Normalkurve, oder man legt beim Vergleiche irgend eine gefundene Kurve zu Grunde. Das letztere erscheint zunächst, wo vergleichende Untersuchungen einer grolsen Anzahl normaler Magensäfte hin- sichtlich ihrer fettspaltenden Wirkung noch nicht gemacht sind, als das Einfachere und Praktischere. Betrachtet man die unterste der von Volhard. veröffentlichten Kurven als das Bild der Wirk- samkeit der Fermenteinheit, so verhalten sich die Ordinaten der folgenden zu dieser wie 1:2:3:4:5; es entspricht die zweite 4, die dritte 9, die vierte 16, die fünfte 25 Fermenteinheiten. Diese mülsten in derselben Zeit wie die Fermenteinheit 2-, 3-, 4- und ö mal soviel Fett spalten. Es würden also 25 Fermenteinheiten nicht 25 mal, sondern in derselben Zeitdauer 5 mal so viel Fett spalten als die Einheit; mit anderen Worten: man mülste, um 10 mal so viel Fett als die Fermenteinheit in der gleichen Zeit zu spalten, 100 Fermenteinheiten zur Wirksamkeit bringen. Dafs die von Volhard aufgezeichneten Kurven ein Bild der 515 Waldemar Stade, Fermentwirkung geben, dafs jede andere Fermentationskurve des Magensteapsins gleichstimmig mit ihnen verläuft, das beweisen die mit den Zahlen der Versuchsreihe 10 gewonnenen Kurven. Das Verhältnis ihrer Ordinaten zu den auf derselben Zeit- abseisse gelegenen der Einheitskurve ist überall ungefähr gleich und beträgt für Versuch I'10,3 bis 10,6, für Versuch II 6,3 bis 6,8. Der zu Versuch I verwandte Magensaft enthält also 10,52 bis 10,62, der zu Versuch II verwandte, dessen Wirksamkeit durch Stehen abgenommen hatte, 6,32 bis 6,5? mal mehr Ferment als der, mit dem die Einheitskurve erhalten wurde; d. h. er enthält 106 bis 110, bezw. 39 bis 45 Fermenteinheiten. Und wenn wir nach dem ersten gut stimmenden Versuche auch für die letzte Versuchs- reihe die Fermentmengen berechnen, so hätte lccm dieses Saftes etwa 5,82 oder 33,64 und 25ccm hätten etwa (5.5,8)2, d. h. 841 Fermenteinheiten enthalten. Es ergiebt sich aber aus den Zahlen unserer Versuche nicht nur eine Bestätigung des Schütz-Borissowschen Gesetzes, das für verschiedene Fermentmengen bei gleichen Zeiten gilt, sondern auch ein Gesetz, gültig für gleiche Fermentmengen, für denselben Magensaft zu verschiedenen Zeiten, ein neues Zeitgesetz für das fettspaltende Ferment. Wir haben aus den früheren Versuchen ersehen, dafs die Spaltung in einem gewissen Verhältnis zur Zeit steht. Die Natur dieser Proportionalität giebt sich erst deutlich zu erkennen an der Reihe 5a bis f der Versuchsreihe 15, an der mit dem schwächsten Fermentgehalt erhaltenen Verdauungskurve. Hier heifst die nach Schütz-Borissow berechnete Idealkurve 1,95 2,8 3,4 3,5 4,8 6,35 Proz. nach 3 6 9 12 24 438 Stunden und es fällt auf, dals diese Kurve zufällig fast identisch ist mit den Quadratwurzeln aus den Verdauungszeiten: . ir 05 30 ano oa Der Faktor, um den sich die Wurzeln der Verdauungszeiten von den Verdauungsprodukten unterscheiden, beträgt annähernd 1 und ist fast konstant. In Formel gebracht, lautet das neue Gesetz 9:9: — V 6: Ya: Vi, oderp=zYt. Der Faktor x zerfällt nach dem Gesetz von Schütz-Borissow in den Ausdruck k 172 und wir erhalten allgemein die Formel 9 — k Vr. Wählen wir als Fermenteinheit den Fall, in welchem k =], die Verdauungsprodukte also direkt den Wurzeln aus den Ver- Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 319 dauungszeiten gleich sind, also für 1 Stunde 1 Proz., für 2 Stunden 2 Proz., für 4 Stunden 2 Proz., für 9 Stunden 3 Proz. Fettsäure , ’ E FE Dh: betragen, so erhalten wir die Formel p — Vf; ‚R-als07 == > mit anderen Worten: wir brauchen nur das Quadrat der zu einer be- liebigen Zeit erhaltenen prozentischen Verdauungsprodukte durch die Verdauungszeit zu dividieren, um zu wissen, wieviel Ferment- einheiten die angewandte Probe Magensaft enthält. Machen wir für sämtliche Verdauungsversuche der Reihe 15 die Probe, indem wir die Verdauungsprodukte durch vr dividieren, so muls aus allen derselbe konstante Faktor resultieren. DE t k Ti t k 2 el 146192 72:4 X 17 — 1,06 11,7:4 x 25 = 1,17 Aa 3 ll NN n223,>< 2m = URN BO: 2E>< 17 == 1106 um >2 25 = WR) Sl — (1,5) 331022552 De k DE t h 70 ee 20935 > 85 = hl 60m ASS 15385 ea > an ld aa 1011302355, 20:96 DA =.0:90 6,162252< 935 10,87, a9 2, = 1,10 el > a NR) Do; t k DD AIR) 1997449 =E0 19:.0538>4. 922102 8591255497 0,8% Aue I6 Die Übereinstimmung ist bei Berücksichtigung der Fehler- quellen doch eine überraschend gute. Wir finden also für %k bei der angewandten Fermentkonzentration den Wert 1,1. Wollen wir die Fermentkonzentration in Fermenteinheiten ausdrücken, so ist 9 — Vf, in einer Stunde p —= VW, 1 a — Vr, Zen ne — 1,2 Fermenteinheiten. Bei Versuchsreihe 17, bei welcher der leichteren Übersicht wegen das Verhältnis der Fermentmengen sowohl wie der Verdauungszeiten den Quadraten der Zahlen 1 bis 5 entsprechend gewählt worden waren, ist leider die Übereinstimmung mit dem Gesetz nicht mehr sehr erfreulich. Doch hört auch bei dem Pepsin bei vorgeschrittener Verdauung und einer gewissen Ferment- konzentration die Gesetzmäfsigkeit auf?!). In Versuchsreihe 16 ist der Faktor k in der nach Schütz-Borissow berechneten Idealkurve 330 Waldemar Stade, nach 3 Stunden 2, nach 6 Stunden 1,8, nach 9 und 12 Stunden 1,7, nach 24 Stunden 1,5, nach 48 Stunden 1,3, nach 72 Stunden 1,2. Dieses neue für das Magensteapsin abgeleitete und bewiesene Gesetz findet ein interessantes Analogon in der von Huppert und Schütz2°) konstatierten Thatsache, dafs sich bei der Pepsin- verdauung die sekundären Albumosen verhalten direkt proportional der Albuminmenge und proportional den Wurzeln aus den Fermentmengen, der Verdauungszeit und der HCl-Konzentration. Se k A.Ypts, wobei S die sekundären Albumosen, %k die Ge- schwindigkeitskonstanute, » die Pepsinmengen und s die Säure- mengen bezeichnen. Bis auf den Einfluls der Säure, welche bei unserem Ferment zunächst nicht in Betracht kommt, höchstens hindernd bei höheren Konzentrationen, ist die Huppert-Schützsche Formel für das Pepsin vollständig identisch mit unserer Formel für das fett- spaltende Ferment. Denn da wir im der Formel » — k YA unter p die prozentischen Verdauungsprodukte verstehen, so sind diese gleich den absoluten Mengen abgespaltener Fettsäuren mal —. wobei F die angewandten Fettmengen bedeutet, und wir v.100 erhalten die Formel —ıl vr oder vo — Er k.yYft. Auch hier zeigt sich also das schöne parallele Verhalten des Pepsins und Magensteapsins. Nach allem, was wir über die Sekretion des Magensaftes wissen, dürfen wir annehmen, dafs der gesunde Magen relativ gleich viel Pepsin, Lab und Steapsin abscheiden wird. Wenn die in dieser Hinsicht noch anzustellenden experimentellen Versuche zu einem positiven Resultate führen, so wird es möglich sein, für klinische Zwecke an Stelle der Pepsinbestimmungsmethoden die einfache und genaue Bestimmung der fettspaltenden Wirksamkeit eines Magensaftes treten zu lassen. Und zwar sind wir mit der neuen Methode in der Lage, durch einfache Titration und‘ Verseifung eines beliebigen Teiles des Ätherextrakts der Verdauungsmischung bei beliebiger Verdauungs- zeit den Gehalt des Magensaftes an Fermenteinheiten zahlenmälsig auszudrücken. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Privatdozenten Dr. Volhard für die liebenswürdige Überlassung des "Themas, die mannigfache Unterstützung und Förderung meiner Arbeit Untersuchungen über das fettspaltende Ferment des Magens. 321 durch Rat und That aufrichtig zu danken. Gleichen Dank aber schulde ich auch meinem hochverehrten Lehrer Herın Geheimrat Professor Dr. Riegel für die Erlaubnis, diese Arbeit in seinem Laboratorium ausführen zu dürfen, sowie für die grofse Bereit- willigkeit, mit der er mir nicht nur die Materialien und Apparate des Laboratoriums zur Verfügung stellte, sondern auch für meine Arbeit wichtige Anschaffungen machte. Litteratur: !) Marcet, The med. Times and Gazette. New Series 1853, vol. XVII, pag. 210. 2) Cash, Du Bois’ Archiv 1880, S. 323. ®) Ogata, daselbst 1881, S. 115. “) Müller, Zeitschrift für klinische Medizin 11, 107. 5) Klemperer und Scheuerlen, daselbst 15, 370. 6) Klug, Ungar. Archiv. für Med. 3, 87 Ref. Centralblatt f. Physiol. 1895, 9, 182. 7) Contejean, Archives de physiologie 1894, p. 125, Ref. Virchows Jahresberichte 1894, I, S. 1883. ®) Vaughan Harley, The british medical journal 1897, I, p. 1218, Ref. Virchows Jahresberichte 1897, I, S. 154. °) v. Mering, Verhandlungen des Kongresses für innere Med. 1897. 10) Volhard, Münchener med. Wochenschrift 1900, Nr. 5 und 6. 1) Volhard, Zeitschrift für klin. Medizin 1901, Bd. 42, Heft 5 und 6. 12) Volhard, daselbst Bd. 45, Heft 5 und 6. 13) Dormeyer, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiologie 61, 341; 65, 90. 12, Volhard, Verhandlungen der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 1901, Bd. 73, Hamburg. 15) E. Schütz, Zeitschrift f. physiol. Chemie 9,.577 (1885). 16) Borissow:Pawlow, Die Arbeit der Verdauungsdrüsen, S.. 32; übers. v. Walther, Wiesbaden 1898, J. F. Bergmann. 7) Pawlow, 1. ce. 2) Walther, Archives des sciences biologiques publiees par [’Institut Imperial de medecine experimentale a St. Petersbourg, t. VII, p. 1. "°) Volhard, Verhandlungen des 19. Kongresses für innere Medizin in Berlin 1901, Wiesbaden, J. F. Bergmann. 20) Huppert und Sehütz, Über einige quantitative Verhältnisse bei der Pepsinverdauung. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiologie, SO, 1900. >) J. Schütz, Zur Kenntnis der quantitativen Pepsinwirkung. Zeitschr. f. physiol. Chemie 30, 1 (1900). Beitr. z. chem. Physiologie. III. 9] XV. Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung der Knochensubstanz. Von Prof. Dr. Julius Stoklasa. Unter Mitwirkung der Assistenten F. Duchäcek und J. Pitra. (Aus dem pflanzenphysiologischen Laboratorium der k. k. böhm. techn. Hochschule in Prag.) Die Zersetzung der Knochensubstanz durch die Bakterien ist insofern von Interesse, als man aus derselben nicht nur den Chemis- mus ersieht, welcher bei dei Zersetzung des Osseins (des Kolla- gens des Knochens) gegeben ist, sondern auch das ganz abweichende Verhalten gewisser Bakterien bei der Zersetzungsarbeit verfolgen kann. Ich habe zwar schon in einer im Zentralblatt für Bakterio- logie II, 1900 erschienenen Arbeit auf diese interessanten Vor- gänge aufmerksam gemacht, habe aber diese Studien in der letzten Zeit aus mehrfachen Gründen fortgesetzt. In der oben genannten Abhandlung habe ich nur über das Verhalten von 6 Bakterien- arten berichtet. Bei der Fortsetzung unserer Studien dehnten wir nunmehr die Untersuchung auf insgesamt 13 Bakterienarten aus. Als eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit betrachte ich, dals es uns gelungen ist, festzustellen, dafs im Boden verschiedene Gruppen von Bakterienarten existieren, welche sich durch einen spezifischen Einflufls auf die Zersetzung der Knochensubstanz charakterisieren. Die Infektionsversuche wurden, wie früher, in einer geräumigen Brutkammer ausgeführt, und zwar wieder bei einer Temperatur von 28 bis 32% C. Hierbei ist zu bemerken, dals jede Einwir- Julius Stoklasa, Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung u.s.w. 323 kung des Tageslichtes in der Brutkammer vollständig ausge- schlossen war. Zur Verwendung kamen folgende Mikrobenspezies: 1. Baecillus megaterium, 2. Bacillus proteus vulgaris, 3. Bacillus butyricus Hueppe, 4. Bacillas mycoides, 5. Bacillus mesentericus vulgatus, 6. Bacillus subtilis, 7. Bacterium coli commune, 8. Bacillus typhi abdominalis; ferner nachfolgende Bakterien, welche als Denitri- fikationsbakterien bekannt sind und in geeigneten Nährmedien Nitrat- gärung hervorrufen: Bacillus fluorescens liquefaciens, Bacterium pyoeyaneum, Bacterium Hartlebii, Bacterium Stutzeri, Bacterium filefaciens. In einen 2300 ccm fassenden Kolben wurden 10 g fein durchge- siebten Knochenmehles gebracht und diesem 100 ccm Nährstofllösung und 800 ccm Wasser zugesetzt. Die Nährstofllösung war folgendermalsen bereitet: nun ccm Lösung enthielten in dextilliertem Wasser: 1,0 & Kaliumsulfat, 0,5 „ Magnesiumchlorid und 0,1 „ Eisensulfat. Das feingemahlene Knochenmehl enthielt: 19,3 Proz. Phosphorsäure, 5,26 „ Stickstoff, some. x Bett: Auf diese Weise wurden im ganzen 20 Kolben beschickt. Hiervon wurden nach gründlicher Sterilisierung und nach Ablauf des Inkubations- stadiums, welches im ganzen 20 Tage währte, 18 Kolben mit absolut reinen Kulturen infiziert *). Ein Teil der Kolben wurde mit Vorlagen verbunden, in welchen sich Normalschwefelsäure befand. Durch den ganzen Apparat wurde in grofsen Intervallen keimfreie Luft getrieben. Die Anordnung der Apparate ist aus folgender Schilderung ersichtlich. Der Erlenmeyersche Kolben mit dem Nährsubstrat ist auf beiden Seiten mit doppelten Kugelapparaten verbunden, von welchen ein Teil mit Schwefelsäure gefüllt ist. Ein kleiner Kolben, welcher sich mit dem grolsen Kolben in direkter Verbindung befindet, ist zwischen beide Kugelapparate eingeschaltet und enthält die Normalschwefelsäure. An *) Es sei hier bemerkt, dals mit allen Bakterienkulturen zuerst Lösungen von Pepton + Glykose bei Gegenwart aller anorganischen Nähr- stoffe infiziert wurden und dals erst mit Hülfe dieser einheitlichen Nährstoft- lösung die Infektion der Knochenmehl enthaltenden Lösungen in den oben erwähnten Kolben vorgenommen wurde. 21* 324 Julius Stoklasa, beiden Enden des Apparates befinden sich zwei mit sterilisierter Baum- wolle gefüllte Oylinder *). Der ganze Apparat wurde sterilisiert; die Einwirkung der Mikroben auf das Knochenmehl dauerte von der Infektion an im ganzen 33 Tage bei einer Temperatur von 3209 C. Bei der Analyse des Inhaltes einzelner infizierter Kolben, die einfach mit sterilisierter Baumwolle verschlossen waren, und durch welche Luft nicht durchgetrieben wurde, konstatierten wir eine voll- kommene Übereinstimmung der Stickstoffmenge in der Amid- und Diaminoform (s. weiter unten), weshalb wir von der weiteren Analyse dieser Serie Abstand nahmen und unsere Aufmerksamkeit lediglich den mittels der oben beschriebenen Apparate ausgeführten Versuchen zuwendeten. Die Resultate der Versuche beziehen sich nur auf diejenigen Kolben, in denen wir nach Beendieung die betreffenden Mikrobenarten in Reinkultur nachgewiesen haben. 1. Verhalten des Stickstoffes. Zur Bestimmung des Stickstoffes habe ich eine Methode an- gewendet, welche, auf den Erfahrungen Hlasiwetz’ und Haber- manns**), Cohns***) und Nassesf) über den Charakter der Eiweiflskörper fufsend, im Laboratorium F. Hofmeisters von Walter Hausmannjy) ausgearbeitet wurde. Um einen gewissen .orientierenden Einblick in die Bindungsweise des Stickstoffes in den tierischen Proteinkörpern zu erhalten, bestimmt der genannte Autor nach der Zersetzung mittels Salzsäure nebst dem Gesamtstickstoff 1. den in Form von Ammoniak abgespaltenen Stick- stoff, 2. den Stickstoff basischer, durch Phosphorwolframsäure fällbarer Verbindungen (Lysin, Areinın, Histidin u. s. w.), 3. den fest gebundenen, zu den basischen Zersetzungsprodukten nicht gehörigen Stickstof (Leucin, Tyrosin, Asparaginsäure, Glutaminsäure u. s. w.). Der Kürze halber nennt Hausmann die erste Stickstoffform Amidstickstoff, die zweite Form Diaminostickstoff und die dritte Monamino- stickstofft. *) Ich verweise hier auf die Illustration der Zusammenstellung meiner Apparate in der Publikation meiner Arbeit „Über den Einfluls der Bakterien auf die Knochenzersetzung“ im Zentralbl. f. Bakteriol. 1890. ”*) Annal. d. Chem. u. Pharm. 169. ==) Rud. Cohn, Über eine quantitative Eiweilsspaltung durch Salz- säure. Zeitschr. f. physiol. Chem. 22 und 26. 1) Pflügers Arch. 6 und 7. +7) Über die Verteilung des Stickstoffes im Eiweifsmolekül (Zeitschr. für physiol. Chem. 27 und 29). Über den Einfluls der Bakterien auf die Zersetzung u. 8. w. 335 Diese Methode ermöglicht eine interessante Übersicht über die Verteilung des Stickstoffes in den einzelnen Eiweilskörpern. Man sieht z. B., dafs der Amidstickstoff vertreten ist im Edestin mit 10,25 Proz., im Globin nur mit 4,62 Proz., der Diaminostickstoff im Edestin mit 38,15 Proz. und im Globin mit 29,37 Proz., schlie[siich der Monaminostickstoff im Edestin mit 54,99 Proz. und im Globim mit 67,08 Proz. Bei der Bestimmung des Stickstoffes haben wir folgenden Vorgang beobachtet: Vom klaren Filtrate wurden 250 bis 500 ccm abgemessen und in einem Apparate, welchen man bei der Bestimmung des Stickstofles in Ammonsalzen zu verwenden pflegt, auf etwa 100 ccm abgedampft. Das entweichende Ammoniak wurde in der Vorlage mit Normal- schwefelsäure aufgefangen. Nach gehöriger Abkühlung wurden 20 ccm konzentrierter Salzsäure zugesetzt und ein doppelt durchbohrter Stöpsel aufgesetzt, durch dessen eine Öffnung ein bis auf den Boden reichen- der, mit Glashahn versehener Tropftrichter ging, während die zweite Öffnung mit einem Liebigschen Kühler verbunden war. Die Koch- dauer betrug 5 Stunden, die abdestillierte Flüssigkeit wurde durch den Trichter immer von neuem in den Kolben zurückgebracht. Nach gehöriger Abkühlung und sorgfältiger Neutralisation mit gebrannter Magnesia bei stetiger Abkühlung wurde endlich das Ammo- niak aus dem Chlorammonium durch Magnesiumoxyd ausgetrieben. Nach beendeter Destillation wurde der Rückstand in Salzsäure ge- löst, die Lösung auf ein kleines Volumen abgedampft und mit Phosphor- wolframsäure ausgefällt, der Niederschlag nach 24 bis 30 Stunden abfiltriert und mit stark verdünnter, salzsäurehaltiger Phosphorwolfram- säurelösung gewaschen, bis das Filtrat nicht mehr gelb gefärbt ablief. Der Niederschlag wurde sodann samt dem Filter in einen Kolben ge- bracht und der Stickstoff? nach Kjeldahl bestimmt. Das Filtrat wurde auf 250 ccm eingedampft und der Stickstoff entweder in dem Gesamtfiltrate oder in der Hälfte desselben ebenfalls nach Kjeldahl bestimmt. Der abdestillierte Stickstoff wurde zu jenem Stickstoff hinzuaddiert, den man mit Hülfe der gebrannten Magnesia nach dem Kochen mit Salzsäure erhalten hatte. In einem anderen abgemessenen Teile der ursprünglichen Lösung, und zwar ın 250 ccm, wurde endlich nach entsprechender Konzentration die Be- stimmung des Gesamtstickstoftes ebenfalls nach Kjeldahl durchgeführt. Alle Analysenergebnisse wurden auf 1000 ccm Flüssigkeit. somit auf 10 g Knochenmehl umgerechnet. A. Nicht infiziertes Knochenmehl. ERRTISDIeIS Or Er e E 0.016 & | 5 im ganzen emesinekstolf ... ....... un. 8. = 00 Der Aanimostuickstaft '.. . 2... . 2... . Te OD Sl us Gesamtstickstoff in der Lösung . ....... . . 0,3698 326 Julius Stoklasa, B. Infiziertes Knochenmehl. I. Gruppe: Ammonisationsbakterien. Amidstickstoft Diaminostickstoff Monaminostiekstoff Gesamtstickstoft ın Amidstickstoff Diaminostiekstoff Monaminostickstoff Gesamtstickstoff in Amidstickstoff Diaminostickstoff Monaminostickstoff Gesamtstickstoff in Amidstickstoft Diaminostickstoff Monaminostickstoff Gesamtstickstoff in Qu Amidstickstoff Diaminostickstoff Monaminostickstoft Gesamtstickstoff in Amidstickstoftf Diaminostickstoff Monaminostickstoff (Gesamtstickstoff ın Amidstickstoff Diammostickstoff Monaminostickstoff Gesamtstickstoff in Amidstickstoff Diaminostiekstoff Monaminostickstoff Gesamtstickstoff in 1. Bacillus megaterium. der Lösung 0,304 © 0,102 „ 0,070 „ 0,498 & 2. Bacillus proteus vulgaris. der Lösung 0,200 & 0,136 „ 0,131, 0,459 & 3. Baecillus butyricus Hueppe. der Lösung 0,232 © 0,073 „ > 0,506 &: 4. Bacillus myceoides. der Lösung 0,317 € 0,044 „ 0,128 „ 0,510 ©; Baeillus mesentericus vulgatus. wurde nicht bestimmt. der Lösung 0,300 &: 0,195 „ 0,476 & 6. Bacillus subtilis. der Lösung 0,306 & 0,091 „ 0,062 „ 0,497 & 7. Bacterium colı commune. der Lösung Ce 8. Baeillus typhi abdominalis. der Lösung 0,323 & 0,048 „ 0,086 „ ao | | | | J | im ganzen 0,4760. N im ganzen 0,467 & N im ganzen 0,485 & N im ganzen 0,489 0 N im ganzen 0,495 0 N im ganzen 0,4598 N im ganzen 0,436 N im ganzen 0,457 N Über den Einfluls der Bakterien auf die Zersetzung u. 8. w. By) —ı II. Gruppe: Denitrifikationsbakterien. 1. Bacillus fluorescens liquefaciens. Snülshieliiiinn, Wer Sue ME Re Ma, | a. ; : ; ; 2 n ganzen EBENEDIEKSIOIEE ee ee te la yet anna O2 0474 N ISTIIOSTICKBUOT EEE een 0,077, | ; 2 Gesamtstickstoff in der Lösung . . ........ 05008 2. Bacterium pyocyaneum. Beton nat ne 20100 | EEE 3 4 5 3 3 n ganzer Nismiaoahkekeiken. Sukisc Ir 6 An a El 0.4 GE = BRREITEmOBtIEKStotEE een 20,080, | a Beromitstickstolt. in’ der" Lösung . 2... ....... 04588 > 3. Bacterium Hartlebıı. She EHE ETREIHDLRE, Seen ke Pe 5 EEE 1012 yAfcn | ae BEeuRImoRNeRstole 2.0. teen. 0027, 0 456 N Monaminostiekstot . . .. 2.2... 00.0.0098 „ ) Ze Gesamtstickstof in der Lösung .......... 040g 4. Bacterium Stutzeri. 2 ID SIGREUGHE, Se RU) Br: a EEDDSHICKStOf ern rer 0206 ,; 0 Monammostiekstof . .. . 2... 0.2..002.2020020..009, Se Gesamtstiekstoff in der Lösung . ». »....... 08628 5. Bacterium filefaciens. SE ES ESTATE 20, Ken EEE KB: BRRINIINDSHICKSLOH een en ne 22T, Monammostickstott ns ee ara 010637, Besarmtstiekstolt in der Lösung . .. .. 2... 08518 im ganzen | 0,3220 N Aus den angeführten Daten sind die bedeutenden Unterschiede in der Verteilung des Stickstoffes im Knochenmehlextrakte, je nach der Art der wirksam gewesenen Mikroben, ersichtlich*). Aller- dings kommen ziemlich auffallende Differenzen zwischen der Summe der einzelnen bestimmten Stickstofffraktionen und dem Gesamtstickstoffe vor, und diese dürften, zum Teil, auf die Mängel der analytischen Methode zurückzuführen sein. Umstehend eine tabellarische Übersicht der oben erwähnten Ergebnisse in Prozenten: *) Die analytischen Daten beziehen sich nur auf diejenigen infizierten Versuchskolben, in welchen nach dem Versuche keine Invasion anderer Mikroben nachweisbar war. Natürlich haben wir die Versuche wiederholt, so dafs sich die Resultate als Mittel von zwei bis drei Untersuchungen darstellen. 3938 Julius Stoklasa, Tabelle: T. | Amid- | Diamino- | „ulmum | Infiziert mit | | | AmnO” | Differenz Stickstoff Baeillus megaterıum.... . . .....|. 61,04 2048 2020522 7495 n proteus vulgaris. .. .. | 43,57 | 29,62 28,54 | + 1,73 . butyricus Hueppe . ... | 458 | 14,42 39,97 | — 4,16 5 ycaldesar ir. | 62,15 | 8,62 25,09 | — 4,14 \ || | , fnicht be-) # mesentericus vuleatus . . 63,02 | 40,96 Venen: j 3,90 irssubtilisee Seen el Sen OA 765 Bacterium coli commune. . . .. | DA 20,00 — 6,24 Bacillus typhi abdominalis . . . . | 6729 | 10,50 17.91 1080) # fluorescens liquefaciens . | 22,60 | 56,80 |- 15,40 | — 5,20 Bacterium pyocyaneum . .... | 21,83 55,24 17,46 — 5,47 5 Hartlebu.....,. 2.32. 2100 2419.52 65,71 11,42 — 335 : Stutzeriie a. 140900 08,090 2596 | — 3,05 x hletaciensg or. 2 210,822 2169.96 17,94 — 8,28 Nieht interne es Sn ea 2 61,51 — 5,44 2. Verhalten der Phosphorsäure. Die Phosphorsäure wurde in einem abgemessenen Quantum der Lösung in der bekannten Weise bestimmt. 100 bis 250 ccm klaren Filtrates wurden unter Zusatz von Sal- petersäure auf ein kleineres Volumen eingedampft, sodann Salzsäure mit Kaliumchlorat zugesetzt und die Mischung gekocht. Endlich wurde mit Molybdänsolution gefällt. Die gewonnenen Resultate sind wiederum mit Bezug auf die chemische Thätigkeit der einzelnen Mikrobengattungen schr charakteristisch. Wie eingangs erwähnt, enthielt das ursprüngliche Knochen- mehl an Gesamtphosphorsäure 19,8 Proz. Die in Lösung übergegangene Menge Phosphorsäure ist in nebenstehender Tabelle (S. 329) auf 1000 ccm Lösung oder 108 Knochenmehl umgerechnet und in Prozenten der Gesamtphosphor- säure ausgedrückt. Aus diesen Ergebnissen geht die übereinstimmende Thätigkeit der Bakterien bei der Auflösung der Phosphorsäure- und der Stick- stoffverbindungen des Knochenmehls hervor, und zwar sind es auch hier die Mikroben: Bacillus megaterium, Bacillus mycoides, Bacillus mesentericus vulgatus, Baecillus subtilis, Bacillus typhi abdominalis, Bacterium coli commune u. s. w., welche Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung u. s. w. 3929 Tabelle II. | ı Von 10 Diese Menge en: Knochenmehl in Prozenten der | haben sich gelöst Gesamt-P, O, Er, ausgedrückt Bacillus megaterium . : | 0,427 | 21,56 Peproteus vuloaris. .....\ 0,293 | 14,79 m butyrieus Hueppe. . . . 0,308 | 15,55 “ yeoldes nr nun, 0,456 | 23,03 FR mesentericus vulgatus . . 0,408 | 20,60 a5 SU EI DS a ee 0,462 23,3 en typhi abdominalis. .. . . 0,457 23,1 Baeterium coli commune ..... 0,410 20,7 n pyooyaneuma are 0,245 12,2 & Hemlepie m 0,124 | 6,3 5 DIzerRe 0,150 7,6 “ mlewdetense nr 0,083 | 4,2 eemtiziere, 2... 2020.20. 0,076 | 3,83 besonders intensiv wirksam waren. Gemäls unseren Beobachtungen hat es den Anschein, als ob das Caleiumphosphat gemeinsam mit dem Caleiumfluorid im Knochen in Form von organischen Ver- bindungen vorkommen würde und dafs erst durch. die Zersetzung der organischen Materie die Moleküle des Caleiumphosphates den chemischen Agentien zugänglicher werden, welche es entweder in Diealeium- oder Monocalciumphosphat umwandeln. Diese Prozesse zeigen sich uns auch bei der Thätigkeit der Mikroben. Einzelne Mikrobenspezies wachsen auf Kosten der Knochenmaterie zu mächtigen Bakterienkulturen heran, und mit der Thätigkeit dieser Mikroben hängt nicht nur eine intensive synthetische, sondern auch, unter gewissen Verhältnissen, eine un- gemein energische spaltende Thätigkeit zusammen. 3. Betrachten wir die gewonnenen Daten, so bemerken wir gewisse Unterschiede zwischen der ersten Gruppe von Bakterien und der Gruppe der Denitrifikationsbakterien. Bei der ersten Gruppe, und zwar bei Bacillus megaterium, mycoides, subtilis, typhi abdominalis u. s .w., tritt der Amidstickstoff in auffälliger Weise in den Vordergrund. Von dem gesamten, in Lösung befindlichen Stickstoffe finden wir bis 67 Proz. in Form von Amidstickstoff. 390 Julius Stoklasa, In der Gruppe der Denitrifikationsbakterien sinkt der Amid- stickstoff in auffallender Weise, dafür steigt wieder der Diamino- stickstoff, welcher zum Beispiel bei Bacterium filefaciens auf den gesamten in Lösung befindlichen Stickstoff berechnet bis 62 Proz. und bei Bacterium Hartlebii bis 65 Proz. erreicht. Amidstickstoff wurde bei einzelnen Denitrifikations- bakterien von 10 bis 22 Proz. konstatiert; gewils eine geringe Menge gegenüber den Bakterien der ersten Gruppe, den sogenannten Ammonisationsbakterien. Mit einer besonders charakteristisch geringen Menge treten Bacterium filefaciens (10,32 Proz.) und Bacterium Stutzeri (14,09 Proz.) auf. Die Unterschiede, welche so auffällig bei der Zersetzung der Knochensubstanz durch die einzelnen Bakterienarten hervortreten, mufs man vor allem im spezifischen Charakter der fundamentalen Lebensfunktionen der letzteren suchen. Die erste Bakteriengruppe und zwar Bacillus megaterium, subtilis, mycoides u. s. w., welche sich durch eine energische Zer- setzung der Leimsubstanz auszeichnet, zeigt eine andere Reaktion gegenüber stickstoffhaltigen Substanzen, als die zweite Gruppe, zu der Bacterium Hartlebii, Stutzeri, filefaciens u. s. w. ge- hören. Verfolgen wir z. B. die Assimilation des Stickstoffs seitens der einzelnen Denitrifikationsbakterien aus dem Kalium-, Natrium- und Caleiumnitrat u. s. w. bei Gegenwart gewisser Kohlehydrate, oder organischer Säuren und der übrigen anorganischen Nähr- stoffe, so zeigen sich Erscheinungen von ganz interessantem Charakter. Ich habe schon Gelegenheit gehabt, in meiner oben an- geführten Arbeit: „Die Stickstoffassimilation durch die lebende Bakterienzelle“*, welche im verflossenen Jahrgange des „Zentral- blatts für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten“ publiziert ist, darauf hinzuweisen, unter welchen Bedingungen die Lebensprozesse der Bakterien vor sich gehen, und auch auf eine geeignete, von früheren abweichende Methode hingewiesen, welche ich bei der Kultivierung der Bakterien verwendet habe, bei der ausschliefslich als Stickstoffquelle Natriumnitrat und als Kohlen- stoffquelle entweder eine gewisse Art von Kohlehydraten oder von organischen Säuren verwendet erscheint. Zur besseren Orientierung führe ich hier die Zusammensetzung des Nährmediums an. In 1000 cem Wasser waren enthalten als Kohlenstofiquelle: 2 bis 100g einer organischen Säure oder irgend eines Kohlehydrates, als Uber den Einfluls der Bakterien auf die Zersetzung u. s. w. 33] Stiekstoffquelle: 2 bis 10 Natriumnitrat; ferner anorganische Nähr- stoffe: 0,25 & Natriumphosphat (IH Na,PO,) 0,20 „ Kaliumsulfat, 0,05 „ Caleiumchlorid, 0,05 „ Magnesiumchlorid, 0,10 „ Natriumkarbonat, 0,05 „ Ferrophosphat. Die Kolben falsten 2300 bis 5000 cem. Nach gründlicher. Sterili- sation und Ablauf des Inkubationsstadiums wurden die Kolben mit den einzelnen Bakterienspezies geimpft. Die Versuche dauerten 30 Tage. Die Kolben standen in einer geräumigen Brutkammer (in der biologischen Kammer) bei 28 bis 30° ©. unter Abschiuls des Tages- lichtes. Der Stickstoff wurde bestimmt in Form von’ Ammoniak, in Form von salpetriger und Salpetersäure, schlieislich in organischer Form *). Die Analysen wurden stets in mehreren Kolben durchgeführt und zwar 2- bis 3mal. Qualitativ wurde auf die Anwesenheit der salpetrigen Säure und Salpetersäure sowie des Ammoniaks nach be- kannter Methode geprüft. Aus den umfassenden analytischen Daten und den längeren Beobachtungen über die Vorgänge in der Bakterienzelle gelangt *) Die analytische Methode wurde in foleender Anordnung angewendet: Der Inhalt der Kolben wurde nach dem Versuche auf 2000 cem verdünnt. Aus diesem Melsgefälse wurden sodann 500 ccm, event. 1000 cem zur Be- stimmung des Ammoniaks genommen. Die Destillation des Ammoniaks wurde mittels Kaliumhydroxyds und auch mit Magnesia durcheeführt. Kleine Quantitäten von Ammoniak wurden auch kolorimetrisch . bestimmt. Als endeültige Ergebnisse wurden nur jene Ziffernresultate betrachtet, die sich bei der Destillation mit Magnesia und bei der kolorimetrischen Methode ergaben. Die Salpetersäure wurde durch Reduktion in alkalischer, alkoholischer Lösung mit Aluminium und Kupferzinklegierung nach der Methode von Devarda ermittelt. In den nach Bestimmung des Stickstoffs in Form von Ammoniak und Salpetersäure zurückgebliebenen Resten wurde, nach gründlicher Ansäuerung, der organische Stickstoff nach der Methode Kjeldahls ermittelt. Die salpetrige Säure wurde, neben der Salpeter- säure nach der modifizierten Methode Pellets in besonders konstruierten Apparaten bestimmt. Der Stickstoff in Form von Salpetersäure lälst sich, falls er m grölseren Mengen vorhanden ist, in exakter Weise neben Ammoniak und organischem Stickstoff bei. Gegenwart won Hexose und Pentose, sowie Disacchariden nicht genau ermitteln, wie wir uns in einer ganzen Reihe analytischer Operationen überzeugt haben, und zwar weder nach der Methode Jodlbauers noch nach jener Försters. Beide Methoden liefern regelmäfsig zu niedrige Resultate. 332 Julius Stoklasa, man zu dem folgenden Schlusse: Im Boden und im Stalldünger existieren zwei Hauptgruppen von Bakterien, welche die Meta- morphose der Nitrate bewirken. Zur ersten Gruppe gehören: B. megaterium, B. mycoides, B. subtilis, B. mesentericus vulgatus, B. ramosus, Proteus vulgaris und Proteus Zenkeri, B. radieicola, Clostridium gelatinosum, B. typhi abdominalis, B. coli commune u.8.w. Diese erste Gruppe von Mikroben charakterisiert sich dadurch, dafs sie die in den Nitraten enthaltene Salpetersäure zu Ammoniak reduziert und dafs bei ihnen bisher eine Reduktion zu elementarem Stickstoff nicht beobachtet wurde. Die zweite Gruppe, zu welcher gehören: B. Hartlebüi, B. fluo- rescens liquefaciens, B.pyocyaneum, B. Stutzeri, B. centropunctatum, B. filefaciens, B. denitrificans |B. denitrificans und B. coli com- mune*)| B. nitrovorum u. s. w., zeichnet sich dadurch aus, dafs sie _ den Nitratstickstoff in einem geeigneten Nährmedium in elemen- taren Stickstoff überführt. Die Grunderscheinung bei beiden Bakteriengruppen ist, dafs über die Lebensvorgänge der bezeichneten Bakterien in erster Linie das Nährmedium entscheidet. Enthält nämlich das Nährmedium als Kohlenstoffquelle eine organische Säure, z. B. Milchsäure, Buttersäure, Bernsteinsäure, Äpfelsäure, Oitronensäure u. 8. W. (mit Natriumkarbonat neutralisierte organische Säuren), und aus der Gruppe der Kohlehydrate die d-Glukose, die Saccharose, dann ruft der überwiegende Teil der zweiten Bakteriengruppe Nitrat- eärung hervor, während die Salpetersäure, die in den Nitraten enthalten ist, in Nitrite und schlie[slich in elementaren Stickstoff übergeht. Enthält jedoch das Nährmedium zum Beispiel 1-Xylose, l-Arabinose, dann reduziert der überwiegende Teil der Bakterien (B. Hartlebii und B. fluorescens liquefaciens sowie B. denitrificans, B. coli commune ausgenommen) Salpetersäure zu Nitrit und Am- moniak und nur in seltenen Fällen zu elementarem Stickstoff. Eine Nitratgärung tritt nicht auf. d-Lävulose und d-Galaktose zeigen sich uns überhaupt als schlechte Kohlenstoffquellen für eine ganze Reihe Denitrifikationsmikroben (B. Hartlebii ausgenommen). In der d-Lävulose und d-Galaktose ist selten eine Nitrateärung zu beobachten. Betreffs der ersten Gruppe von Bakterien bemerken wir, dals es hauptsächlich die Kohlehydrate sind, und zwar die d-Glykose, *) d. h. in Synergie. nn nn Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung u. s. w. 333 Saccharose, Maltose, 1-Xylose, l-Arabinose, welche uns als vorzüg- liche Kohlenstoffquellen für die Lebensprozesse der Mikroben er- scheinen. Hier bemerken wir auch, dals die Bakterien die in den Nitraten enthaltene Salpetersäure zu salpetriger Säure und schliefs- lich zu Ammoniak reduzieren. Nitratgärung wurde von mir bei dieser Gruppe bisher nicht beobachtet. Wir sehen, dafs in beiden Fällen, sowohl bei der Nitratgärung, als auch bei der blofsen Reduktion der Nitrate in Ammoniak, als primäres Produkt salpetrige Säure auftritt. Bei der Salpetergärung wird der Stickstoff der salpetrigen Säure zu elementarem Stickstoff reduziert und, falls Nitratgärung nicht eintritt, dann wird die salpetrige Säure bis zu Ammoniak reduziert. In beiden Fällen, d. i. sowohl bei der Nitratgärung, als auch bei der Überführung der salpetrigen Säure in Ammoniak, entsteht Eiweilsstickstoff. Die Bildung des Eiweifsstickstoffs ist in erster Linie von dem Wachstum und der Entwickelung der Bakterien und der damit in Verbindung stehenden Energie der Nitrateärung oder Ammonisation der Nitrate abhängig. Mit der Energie beider Prozesse wächst auch die Bildung des Eiweils- stickstoffes. Alle diese Prozesse sind abhängig: 1. von dem Verhältnisse der Menge der organischen Säure oder des Kohle- hydrates zur Menge des Nitrats im Nährmedium; 2. von der Konzentration ‘der Lösung; 3. von der Temperatur; 4. von der Gegenwart oder Abwesenheit des Sauerstoffes, d. h. inwiefern der Prozels ein aerobiotischer oder ein anaerobiotischer ist oder nicht; 3. von der Dauer des Gärungs- oder Ammonisationsprozesses. Sind alle Bedingungen für eine energische Gärung vor- handen, dann verwandelt sich der Nitratstickstoff in elementaren und organischen Stickstoff. Salpetrige Säure und Ammoniak lassen sich nicht konstatieren. Je mehr von gewissen Kohlehydraten oder organischen Säuren im Nährmedium vorhanden ist, desto mehr organischer Stickstoff bildet sich. So z. B. entsteht bei Verwendung einer 0,2- bis 0,5 proz. Lösung von Natriumnitrat und einer 2- bis 10 proz. Lösung von Kohlehydraten oder organischen Säuren im Nährmedium im Verlaufe von 10 Tagen bei einer Temperatur von 25 bis 30° ©. 30 bis 60 Proz. Stickstoff in organischer Form, während der übrige Teil sich in elementaren Stickstoff verwandelt, allerdings den gesamten Stickstoff, der im Natriumnitrat enthalten ist, der Rechnung zu Grunde gelegt. Ist aber das Nährmedium so zusammengesetzt, dals sich in demselben 0,2 Proz. Natriumnitrat und 0,2 bis 0,4 Proz. organische 334 Julius Stoklasa, Säuren (in neutralisiertem Zustande) oder gewisse Kohlehydrate befinden, dann entstehen im Laufe von 10 Tagen 5 bis 20 Teile organischen und 80 bis 95 Teile elementaren Stickstoffs aus 100 Teilen Salpeterstickstoff. Ist das Gärungsvermögen ein sehr geringes, so dals die Gärungserscheinungen nur sehr langsam verlaufen, oder ist die Nitratgärung eine unvollständige oder nur geringfügige, dann bleibt noch nach 10 Tagen eine ziemliche Menge von Stickstoff, die im Natriumnitrat vertreten ist, unbe- rührt, und wir sind in der Lage, Salpetersäure, salpetrige Säure, aber auch Ammoniak neben organischem Stickstoff und solchem von elementarer Form zu konstatieren, aber auch, was von be- sonderem Interesse ist, Alkohol! Bei der ersten Gruppe von Bakterien, . bei welcher wir aus- schliefslich einen Proze[s der Ammonisation des Nitrats wahrnehmen, bemerken wir, dafs das Verhältnis des Natriumnitrats zur Menge des Kohlehydrats, das im Nährmedium vertreten ist, eine grolse Rolle spielt. Finden sich z. B. im Nährmedium 0,2 Proz. Natrium- nitrat und 2 bis 10 Proz. Kohlehydrat, dann finden wir nach Ablauf von 50 Tagen 40 bis 70 Proz. organischen Stickstoffs (haupt- sächlich in Form von Eiweilsstoffen), den übrigen Teil des Stick- stoffs in Form von Ammoniak und manchmal auch im einer gewissen Menge in Form von salpetriger Säure. Die Nitrate ver- schwinden. Ist eine geringere Menge von Kohlehydraten vorhanden, insbesondere d-Glykose, Saccharose, Maltose u. s. w., dann bemerken wir einen geringeren Ammonisationseffekt, sowie eine verminderte Bildung organischen Stickstoffs. Die salpetrige Säure ist immer in grofsen Mengen nachzuweisen. Einen grofsen Einfluls auf alle diese Prozesse hat die Wahl der Kohlehydrate, so z.B. mufs man die d-Lävulose und d-Galaktose als ein sehr ungeeignetes Material für die Ammonisationsprozesse ansehen. Die ganze Reihe der hier namhaft gemachten Bakterien der ersten Gruppe wachsen in d-Lävulose und d-Galaktose überhaupt nicht, oder sie entwickeln sich nur schlecht. Die Bakterien sind also in Bezug auf die Kon- figuration des Moleküls der Kohlehydrate sehr wählerisch. Ungemein interessante Erscheinungen können wir beobachten, wenn wir das Verhalten der verschiedenen Bakterienarten zum Asparagin oder zum Kollagen des Knochens (Ossein) neben Natriumnitrat verfolgen. Bereiten wir die Nähırflüssigkeit derart, dafs sich neben anorganischem Stickstoff auch Asparagin oder Kollagen in der Lösung vorfindet, dann beobachten wir, dafs die Über den Einfluls der Bakterien auf die Zersetzung u. 8. w. 33: St erste Gruppe von Bakterien und zwar B. mycoides, subtilis, mesentericus vulgatus, megaterium u. s. w., also Bakterien- arten, welche die Nitrate in der ersten Phase in Nitrite reduzieren und in der zweiten Phase Ammoniak (und organischen Stick- stoff) bilden, dem Asparagin oder Kollagen in der Bildung von neuer, lebender Materie dem Nitratstickstoff gegenüber den Vorzug geben. Die Nitrate erscheinen in geringerem Mafse an- gegriffen, wenn gewisse organische, stickstoffhaltige Stoffe im Nähr- medium enthalten sind. Eine andere Erscheinung nehmen wir bei der zweiten Gruppe wahr. Diese als Denitrifikationsbakterien gekennzeichneten Mi- kroben geben umgekehrt dem Nitratstickstoff dem Stickstoff der organischen, stickstoffhaltigen Substanzen gegenüber den Vorzug. Die Versuche zur Lösung dieses interessanten Problems erfolgten nach einem ähnlichen Verfahren, wie es schon eingangs angeführt wurde. Io Natriumnitrat und entweder 2,5g Asparagin oder 3g Kollagen. An anorganischen Nährstoffen waren die schon oben angegebenen enthalten. Die Nährflüssigkeiten wurden sterilisiertt und im Inkubations- stadium belassen. Nach 14 Tagen wurden 28 der Kolben infiziert und 6 als blinde Versuche nach 30 Tagen verarbeitet. Die Kolben enthielten den Stickstoff ın den nachstehenden Formen. Ein Teil der Gefäfse enthielt in 1000cem: 2g Glykose, 2& A. Das Nährmedium mit Asparagin. Das Asparagin enthielt 18,5 Proz. N. Es waren daher in 2,58 0,4625 Stickstoff enthalten. Der Durchschnitt der Analysen ergab folgende Resultate: Die Destillation lieferte: Mit MsO 5 ® N == 0,07768 2 Na0H Tasıch 30 Min. )] Ne 02324 N bestimmt nach der Methode Kjeldahls““). - — 0,2260), N in Form des Nitrats h — 03280 Der mittels Destillation mit NaOH und nach der Methode Kjeldahls bestimmte Stickstoff beträgt . . . 0,4584 g *) In einem besonderen Anteil der Nährflüssigkeit. *") Nach der Destillation mit NaOH und Austreibung des N,0, in einem besonderen Teile der Nährflüssigkeit. Die zur Bestimmung des Stick- stoffs angewendete Methode ist oben beschrieben. a6 Julius Stoklasa, B. Nährflüssigkeit mit dem Kollagen des Knochens (Ossein). Das Kollagen enthielt 17,02 Proz. N; in 3g sind daher 0,510 @ Stickstoff enthalten. Die durchschnittlichen Analysen ergaben: Bei der Destillation mit M&0O an N — 0,034 & OR Ener „NaOH anıN = 700398 [nach30 Minuten *)]”" . an N = =000% Stickstoff in Form des Nitrats: = Stickstoff bestimmt nach der Methode Kijeldahls nach der -Austreibung IN U Ps A rg ee EN. Der durch die Destillation mit NaOH gewonnene und nach der Methode von Kjeldahl bestimmte Stickstoff beträßt U. eu. sh RO Die Kolben wurden mit folgenden Bakterienspezies geimpft: Bac. mycoides, Bac. typhi abdominalis, ferner mit Bacterium Hartlebii und Bacterium nitrovorum, Bac. typhi abdominalıs und Baec. denitrificans. Die Kolben wurden bei einer Temperatur von 28 bis 32° C. in der Brutkammer belassen. Nach 30 Tagen wurden die Resultate erhalten, welche aus der angeschlossenen Tabelle III (S. 337) er- sichtlich sind. Aus der Tabelle geht sehr klar hervor, zu welcher Intensität die Fähigkeit der einzelnen Bakterien, stickstoffhaltige organische Substanzen bei Gegenwart von Nitraten zu zersetzen, ansteigt. Es ist eine bemerkenswerte und nicht wenig lehrreiche Er- scheinung, dafs die Denitrifikationsbakterien, welche in einem geeigneten Nährmedium eine Nitratgärung bewirken, nicht jene Energie in der Zersetzung stickstoffhaltiger Stoffe besitzen, wie so viele Bakterien, welche die Salpetersäure in salpetrige Säure und schlie[slich bis in Ammoniak überführen (Bac. mycoides, Bac. subtilis, megaterium, mesentericus vulgatus, typhi abdominalis, Bact. coli commune u. s. w.). Diese Gruppe von Bakterien, welche uns nicht nur die organischen, stickstoffhaltigen Stoffe mit grölserer Energie zersetzt und als schliefsliches Produkt Ammoniak bildet und weiter Salpetersäure in salpetrige Säure und schliefslich in *) In einem besonderen Anteil der Nährflüssigkeit. **) Nach der Destillation mit NaOH und Austreibung des N,0, in einem besonderen Teile der Nährflüssiekeit. Die zur Bestimmung des Stickstoffs angewendete Methode ist oben beschrieben. Über den Einfluls der Bakterien auf die Zersetzung u. 8. w. spyepjoly („Nuusoq FOISTOLIS YBHIA UOSNnK USNUoJSsIssy pun wmergsug) sne s[e]] 'ıq uoA Alynjossne sun og uopınm uoskpeuvy 9SOLl ( | Zi | | B 06F°0 0680 czE‘0 | 00070 | OF800 | "ONEN + 98oynL9) —- uaserLoy — | en iscr'o 09250 |T8CEO FrEzo 92200 | ONEN + 9soyng —+ urseredsy == en I6F'O 0650 5020 005, ONE So use ES | | | tgdAg oe —+ sueoyragruop "DB '6 sro | 88T —_ | Susi 880 || Role. 17 osoatare) I werds | mau a 8 S6F0 0650 — | 8080 | 8600 | "ON®N 7 esoynpn —- ureredey umaoAoagru © Ze Soro 1780 — , 510 | 800 | "ONEN + 9sogupg — uosejjoy E x 9/8 187°0 2080 — 4850 | 860°0 | "ONEN + song + ureredey ugopgiepg umrepeg 'c | [| = 08g°0 0870 | 6080 | 0070 | T0so | "ONEN + esognpg + uadeoy | ' E 2 aan ae) ı sIT0 | 9180 | 00Fo | coro | "ONEN + soyupg + underedsy sıreurwopge ıyday “ ||” 0I°0 | SFTO | 8650 | z9E0 | Iso | ONEN + song + uadeoy 9° s ae 00°°0 ı 6200 | 8080 | 1270 | zseio | ONEN + ssoyng + urseredsy soprookur snyproegg "I | E 3 Be 2 5 3 5 ar E SE ee las oe = en a Ben ae ee ni See Sue: Se NONSTSENHAgEN JABUOLLOINLEE Fi een i = 2 SITZT TOLENT: 338 Julius Stoklasa, Über den Einflufs der Bakterien u. s. w. Ammoniak umwandelt, wie bereits angeführt, bezeichnen wir als „Ammonisationsbakterien“. Die Denitrifikationsbakterien finden die faktische Quelle für ihr energisches Wachstum haupt- sächlich in den Nitraten; der organische Stickstoff ist für sie ein minder wertvolles Nährmedium. Aus der Tabelle ersieht man, dals die Nitrate aus dem Nährmedium vollständig verschwunden sind, und der Salpeterstickstoff teils zur Eiweilssynthese der neuen Mikrobenzellen verwendet, teils in elementaren Stickstoff übergeführt wurde. Über die Anwesenheit und Wirkung der proteolytischen Enzyme der beiden Bakteriengruppen, und zwar sowohl bei den Ammonisationsbakterien als auch den Denitrifikationsbakterien, werden wir in einem nächsten Artikel berichten. XVI. Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper im Magen und im Anfangsteil ‚des Dünndarmes. Von Dr. E. Zunz (Brüssel). Vor kurzem habe ich*) über Versuche berichtet, welche den quantitativen Verlauf der peptischen Verdauung der Eiweilskörper in vitro betrafen. Obeleich es nicht an Untersuchungen fehlt, welche die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper im lebenden Magen und Darm zum Vorwurfe hatten, so schien es doch von Interesse, die neueren Methoden, welche eine annähernde gesonderte Bestimmung der einzelnen bei der Verdauung auf- tretenden Stoffe ermöglichen, auf die im Leben gegebenen Ver- hältnisse anzuwenden. Im nachstehenden teile ich die Ergebnisse solcher ausschliel[s- lich an Hunden ausgeführten Versuche mit. 1. Die Verdauung von gekochtem Fleisch im Magen und Dünndarme des Hundes. Hunden von 7 bis 10kg wurde gekochtes frisches Rindfleisch verabreicht. Die Wahl dieser Nahrung erfolgte, um den normalen Ernährungsverhältnissen möglichst nahe zu bleiben. Da nicht ohne weiteres angenommen werden durfte, dafs die für die Verdauungsprodukte anderer Eiweilskörper gefundene Methodik auch auf die aus Fleisch hervorgehenden angewendet werden darf, so mufsten einschlägige Versuche über die Fällungs- grenzen der aus Fleisch erhältlichen Albumosen vorausgeschickt werden. Ich habe daher gekochtes Rindfleisch der künstlichen Pepsinverdauung unterworfen und die erhaltene Lösung mit Zink- *) E. Zunz, diese Beiträge 2, 435 (1902). [00] 189] % 340 E. Zunz, sulfat fraktioniert. Es ergab sich folgendes: Beträgt die Menge der in Lösung gegangenen Eiweilsstoffe ungefähr 2 Proz., so ist die untere Fällungsgrenze der ersten Fraktion durch 0,24 Zink- sulfatsättigung gegeben, die obere durch 0,44 Sättigung. Die zweite und die dritte Fraktion werden bei Sättigung von 0,56 bis 0,62 bezw. 0,72 bis 0,32 gefällt. Die Fällung der vierten Fraktion be- ginnt bei 0,88 Sättigung und ist bei vollständiger Sättigung mit feingepulvertem Zinksulfat beendigt. Die Fällungsgrenzen der verschiedenen Fraktionen nähern sich demnach am meisten den unter gleichen Umständen aus krystallisiertem Serumalbumin er- haltenen *). Auf Grund meiner und E. P. Picks**) Untersuchungen er- giebt sich, dafs diese Fraktionen nachstehende Verdauungsprodukte enthalten: Die erste Fraktion: die Proto- und Heteroalbumose; die zweite Fraktion: ein (semenge sekundärer Albumosen; die dritte Fraktion: die primäre B-Albumose |Synalbumose Hofmeisters***)] und sekundäre Albumosen; die vierte Fraktion die Ü-Albumose Picks, ein sekundäres, den Peptonen nahestehendes, bereits sehr einfach gebautes Produkt. Wie ersichtlich, enthalten die zweite und dritte Fraktion Gemenge von Albumosen, deren Zusammensetzung nach dem Stadium der Verdauung sehr erheblich wechseln kann, während die erste und die vierte Fraktion bestimmten Stufen der Verdauung entsprechen. Im Filtrat von IV finden sich die. Peptone (im Sinne Kühnes)- die den Peptonen noch nahestehenden komplexen, aber keine Biuretreaktion darbietenden Vorstufen der Aminosäuren, für welche Hofmeister***) jüngst den Namen „Peptoide“ in Vorschlag gebracht hat, endlich die Aminosäuren selbst, das Ammoniak und die sonstigen Endprodukte der peptischen Spaltung. Da ich viel, fach diese fünfte Fraktion durch Fällung mit Phosphorwolfram- säure weiter zu zerlegen versucht habe, so sei gleich hier bemerkt, dafs von den in ihr enthaltenen Stoffen das Ammoniak, die basischen Endprodukte (Arginin, Lysin und andere) und die Pep- tone durch Phosphorwolframsäure gefällt werden, sowie dals die Menge der fällbaren Stoffe mit der Verdauungsdauer zunimmt, vermutlich durch Spaltung der Peptoide zu Endprodukten. *) E. Zunz, Zeitschr. f. physiol. Chemie 27, 247 (1899). **) E. P. Pick, diese Beiträge 2, 481 (1902). ==) F, Hofmeister, Ergebnisse der Physiologie. Herausgegeben von Asher und Spiro. I. Jahre., I. Abt., S. 782. € Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 341 A. Erste Versuchsreihe. Untersuchung des Mageninhaltes. Das Versuchstier erhält nüchtern 500 g frisch gekochtes, klein ge- hacktes, möglichst von Fett befreites Rindfleisch. Das Tier verschlingt gewöhnlich das gesamte ihm gereichte Fleisch auf einmal. Nach Ablauf der bestimmten Versuchsdauer wird das Tier durch Chloroform rasch getötet, die Bauchhöhle eröffnet, die Speiseröhre vor- sichtig gleich über der Cardia und das Duodenum unmittelbar unter dem Pförtner unterbunden, sodann der Magen von der Speiseröhre und dem Duodenum abgetrennt und die Aufsenfläche sorgfältig durch Ab- spülen von anhaftendem Blut befreit. Dann öffnet man den Magen und fängt dessen teils festen, teils breiigen oder flüssigen Inhalt in einer Porzellanschale auf, spült die Magenschleimhaut mehrmals mit destilliertem Wasser ab und füst die Waschwässer dem Mageninhalt hinzu. Die erhaltene Flüssigkeit ist gelblichbraun, stark sauer und enthält feste Partikelchen. Sie wird aufgekocht und nach dem Erkalten auf ein feuchtes Filter gebracht. Hierauf bestimmt man nach Kjeldahl die in 10Occm des erhaltenen klaren Filtrates enthaltene Stickstofimenge. Da die oben angeführten Fällungsgrenzen der einzelnen Albumosen- fraktionen an Verdauungslösungen bestimmt waren, welche etwa 2 Proz. gelöste und verdaute Eiweilsstofie enthielten, so muls das Filtrat, ehe es der Fraktionierung unterworfen wird, je nach Bedarf durch Ein- engen oder Verdünnen auf diese Konzentration gebracht werden. Dann wird ‘es sorgfältig mit verdünnter Natronlauge neutralisiert, um das Acidalbumin zu entfernen, und die Verteilung des Stickstofies unter die verschiedenen Fraktionen nach der in meinen früheren Mit- teilungen”) beschriebenen Methode ermittelt. In einigen dieser Ver- suche habe ich die Stickstofimenge bestimmt, welche sich im Neutrali- sationspräcipitat findet. Die so erhaltene Zahl entspricht dem grölsten Teil des im Acidalbumin enthaltenen Stickstoffes. Die Bestimmung der Verteilung des Stickstoffes wurde nur aus- geführt, wenn ich mich überzeugt hatte, dafs die Magenschleimhaut keine Verletzung zeigte, sich somit kein Blut mit dem Mageninhalt vermischt hatte, und dafs der Magen keine Speisereste oder sonstige störende Beimengungen (Knochenstückchen, Gras, Iartoffeln) enthielt. Manchmal weist der Mageninhalt Spuren von Schleim auf, dessen man sich nicht durch Koagulation entledigen kann. Dieser wird durch Zinksulfat unter 0,30 Sättigung gefällt, also mit der ersten Albumosenfraktion niedergerissen. Unterwirft man ihn der peptischen Verdauung, so entstehen Albumosen, deren Fällungsgrenzen durch Zinksulfat- nicht von jenen der gewöhnlichen Albumosenfraktionen abweichen. Der Fehler, welchen allenfalls die Gegenwart des Schleims und der daraus gebildeten Albumosen veranlaist, kann, da es *), E. Zunz, Zeitschr. f. physiol. Chemie 28, 132 (1399). — Diese Bei- träge 2, 435 (1902). 342 E. Zunz, sich stets nur um verschwindend geringe Mengen handelt, nur unbe- deutend sein. In Tabelle I sind die in den einzelnen Fraktionen ermittelten Stickstoffwerte in Prozenten des Gesamtstickstoffes der Verdauungs- lösung. angeführt. Tabelle I. | Proz. N. enthalten 8) Zi 3 | | \ in den anderen = E | = | | in den Albumosen | Verdauungs- = Ss 2) | | produkten, = & = I | und zwar e ds) S | ö | — | 5 > > Eee Se | > “m 3 | albumin Se See = BE, FEB Ei Ei | 1 I U Eee Ele aa © Sı er le Sn | Ss |aE2|s8H| = oO 2 | RS es a ln Salzen alaksı ne >| elf ® So lasellısa | | | | | EI A | 9800 | '% | Spuren | 42,60 | 14,68 | 20,84 | 12,52 | 90,64 | 1,20 | 8,16 | 9,36 B 110050) 1 | 5,98 | 5,07| 8,14 99,17\|43,93 |79,31| 3,18 | 11,53 [14,71 c | 9500| 2 | 7,53 45,66 |21,28122,55| 1,71 |91,20| 0,64 | 0,63] 1,27 D 7200| 3 || Spuren | 54,76 21,99 18,05 | 4,08 98,57 | 0,79 .| 0,64 | 1,43 E 8800 4 2,02 1467. 015,551 153,452 29,9821,93,03) DE 300232 033 F | 8600| 4 | Spuren | 44,33 | 2,59 | 22,07 | 21,07 | 91,06 | 2,98 | 6,96 | 9,94 “Iwlal „ I-1—|— | — 913) 8364| 103787 H | 9700| 6 $ 39,93 | 31,54 | 13,50 | 13,58 | 97,55 | 1,00. | 1,45 | 2,45 | | | Hierzu sei noch bemerkt: das albumosenireie Filtrat gab deutlich die Biuretreaktion bei den Hunden B, G und H, schwach bei den Hunden E und F; sie fehlte gänzlich bei den anderen. Die vorstehende Tabelle lehrt zunächst, dafs die im Magen vorhandene Verdauungslösung, zu welchem Zeitpunkt der Ver- dauung man sie auch gewinnen mag, von Verdauungsprodukten weitaus überwiegend Albumosen enthält.e. Nur in einem unter 8 Fällen betrug die Menge des Albumosenstickstoffes weniger als 90 Proz. des Gesamtstickstoffes. Hingegen ist das Acidalbumin stets nur in sehr geringer Menge, oft nur in Spuren, vorhanden, und auch die Gesamtmenge der Peptone, Peptoide und Endpro- dukte geht nur ausnahmsweise über 10 Proz. des Gesamtstick- stoffes hinauf. Während nach dem Ergebnis der qualitativen Untersuchung Peptone in einzelnen Versuchen ganz fehlen, scheinen Über die Verdauung und Resorption der Kiweilskörper u. s. w. 343 Peptoide und Endprodukte stets, wenn auch zum Teil in sehr ge- ringen Mengen, vorhanden zu sein. Die sehr grolsen Unterschiede in betreff der einzelnen Albu- mosenfraktionen lassen keinerlei Regelmälsigkeit, namentlich auch keine Abhängigkeit von der Dauer der Verdauung erkennen. Im ganzen und grolsen entsprechen die gefundenen Zahlen wegen des Überwiegens der Albumosen etwa jenen, welche man bei kurzdauernder künstlicher Verdauung*) erhält, nur zeigt bei dieser das Auftreten der einzelnen Albumosen eine gewisse Regel- mälsigkeit. Auch fehlen da die Peptone nie. Die Ergebnisse der Versuchsreihe stimmen in wesentlichen Punkten mit Beobachtungen von A. Cahn, Gillespie und Ewald überein. bestimmte in mit der Sonde entnommenen Proben des Mageninhaltes zu verschiedenen Zeitpunkten deren Gehalt an Verdauungsprodukten. Schon eine halbe Stunde nach der Darreichung war eine erhebliche Menge von Verdauungsprodukten gebildet, ja die absolute Menge war zu diesem Zeitpunkte gröfser als später. Syntonin fand sich während der ganzen Dauer der Verdauung nur in sehr geringer Menge. Gillespie***) fand im Mageninhalt von Hunden, welche gekochtes Fleisch gefressen hatten und während der Verdauung getötet wurden, viel Albumosen und sehr wenig oder gar keine Peptone. Ewaldy) nimmt an, dafs beim Menschen die Menge der echten Peptone im Magen stets äulfserst gering ist und dafs der grölste Teil der Körper, welche im Mageninhalt die Biuretreaktion geben, aus Albumosen besteht. B. Zweite Versuchsreihe. Untersuchung von Magen- und Darminhalt. In dieser Versuchsreihe habe ich aufser im Magen auch im Anfangsteil des Dünndarmes die Menge der einzelnen Verdauungs- fraktionen zu bestimmen getrachtet. Die Versuche wurden in gleicher Art wie in der vorigen Versuchs- reihe ausgeführt, nur wurde aulser dem Magen auch das oberste *) Es ist selbstverständlich, dafs ein Vergleich der Verdauung von Fleisch, also eines Gemenges von verschiedenen echten Eiweilskörpern mit Nucleoproteiden, Kollagen und anderen stiekstoffhaltigen Substanzen, mit der Verdauung homogener Eiweilskörper nur in groben Zügen gestattet ist. **) A. Cahn, Zeitschr. f. klin. Mediz. 12, 34 (1887). et) A. L. Gillespie, Proceed. of the Royal Society 62, 10 (1897). r) Citiert bei C. A. Ewald und Gumlich, Berlin. klin. Wochenschr. 27, 1016 (1890). 344 E. Zunz, 50 cm lange Stück des Dünndarmes zwischen Ligaturen gefaist und sein Inhalt gesondert zur Untersuchung gebracht. Schneidet man das aufsen sorgfältig abgespülte Darmastück auf, so erhält man stets nur sehr wenig Alias Inhalt. Man spült sodann den das Duodenum bedeckenden Belag sorgfältig ab und vereinigt In- halt und Spülflüssigkeit. Die Reaktion der leicht gelblichen Flüssiekeit ist entsprechend den Angaben von Nencki*), Gillespie und Munk **) schwach sauer. Nie konnte ich ım Inhalt des Dünndarmes unverändertes, vom Magensaft nicht angegrifienes Fleisch nachweisen. Die Verarbeitung geschah in der oben beschriebenen Weise. Waren Parasiten (Bandwürmer, Askariden) im Darminhalt vorhanden, so wurde von der Untersuchung abgesehen. Tabelle 1M. | Proz. N enthalten in =] 3 E Unter- den anderen 3% | den Albumosen Verdauungs- E = 2 | suchter produkten Ins nn Teil des a ES] Dt 4 ul ee S P2 Ex oO o=a|H ® 2 = 5 \dauunes- 3 a = S = oH 823 = .n | i> = rn [@) 9 > Sie) dea®s nn ze ar ee g | Ska. es © Em ıiE EEE a | | ei | | 2 : ns (| Magen |61,23| 4,66| 9,18|14,27|s9,34| 9,89| 7,77 \10,66 7600, # || Darm 148,30120,39 |20,14| 6,09194,92 | 0,12| 4,66| 5,08 7) 600 «|, Magen |34,07 11,18 26,62 18,12 189,99 | 1,08) 8,93 |10,01 9600 6|| Darm | 4,70| 1,76 51,19 26,08 |83,73| 1,85| 14,42 16,97 : sm (| Magen |48,90 22,16 17,09 7,36.|95,51| 0,64| 3,85| 4,49 en | Darm 129,97 0,31, 10,00| 5,36\45,64| 6,99 | 47,37 [54,36 L 9500 10) Magen | 37,90|22,70 20,99 14,96 [96,55 | 1,05) 2,40| 3,45 eL (| Darm | 6,79| 0,00 | 22,43 |14,99 44,21 | 8,51 |47,28)55,79 | | | M|esog | sf| sul = | = 1 | 28002] Saaj men eng = Dam | | | — |76,42! 4,60|18,98 123,58 Er . || Magen | | | — |9813| 0,85| 1,02| 1,87 N 18300 | 6] Darm I | |. joe soon ge | |\ Masenäln | — | — 89,33] 2,16 | 8,51 10,67 9.1800 | Sl Darm ı |. 0000 2 ae Po el | || are 1 9590: 10 "Darm |, 2 | 2, 2°, 2275900 0 ee een *) A. Macfayden, M. Nencki und N. Sieber, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 28, 319 (1891). ”*) I. Munk, Zentralbl. f. Physiol. 16, 33 (1902). Te ra m nn Zub mon unsre nm nn Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 345 Es fanden sich Spuren von Acidalbumin in allen aus dem Magen oder auch aus dem obersten Teil des Dünndarmes herrührenden Flüssigkeiten. In den albumosenfreien Filtraten erhielt man Biuretreaktion bei dem Mageninhalt der Hunde ], J (nur schwach), M, OÖ und P, sowie auch bei dem Inhalt des ersten Teiles des Dünndarmes der Hunde K, L, O und P. Der Mageninhalt der Hunde K, L, N und der Inhalt des ersten Teiles des Dünndarmes der Hunde I], J, M, N enthielten keine echten Peptone. Die vorstehende Tabelle bestätigt in betreff der Magenver- dauung des Fleisches einfach die in der vorigen Versuchsreihe erhaltenen Befunde. In betreff der Darmverdauung lehrt sie, dals der Anteil der ' Albumosen an den im obersten Dünndarm anzutreffenden Ver- dauungsprodukten in den ersten Stunden ebenso hoch sein kann als im Magen, dafs er aber, wie aus den beiden Versuchsserien IJ KL und M N O P übereimstimmend hervorgeht, in den späteren Stunden mit grolser Regelmälsiskeit sinkt, während die Menge der übrigen Verdauungsprodukte entsprechend ansteigt. Schliefslich wird die Quantität der Albumosen von jener der "übrigen Verdauungsprodukte übertroffen. Unter diesen herrschen dann bei weitem die durch Phosphorwolframsäure nicht fällbaren Substanzen vor. Was die Menge der einzelnen Albumosenfrak- tionen anlangt, läfst sich für den Darm so wenig wie für den Magen eine Abhängigkeit von der Verdauungsdauer erkennen mit Aus- nahme der Fraktion II, welche (in der ersten Versuchsreihe) eine sehr rasche Verminderung nach der vierten Stunde aufweist und schlie[slich verschwindet. Über den Verlauf der Dünndarmverdauung sei noch folgen- des bemerkt: Während der ersten zwei Stunden enthielten das Duodenum und der Anfangsteil des Jejunums nur ein wenig Schleim. Dann aber traten nach und nach, schon nach zwei Stun- den, ein gelblicher, mehr oder minder dieker Belag auf der Darm- wand und etwas oelbliche Flüssigkeit auf. Das Darmstück ent- hielt nach acht- und zehnstündiger Verdauung sicher eine grölsere Menge Verdauungsprodukte als nach vier- und sechsstündiger. Nach zehn Stunden befanden sich im Magen noch etwas sehr dicker Brei, der unzersetzte Fleischstücke enthielt, und, nahe dem Pförtner, eine bräunliche Flüssigkeit. Bei zwei, zwölf Stunden nach der Fütterung getöteten Hunden war der Magen ganz leer, während der erste Teil des Dünndarmes bei dem einen nur Schleim, bei dem anderen eine sehr geringe Menge eines gelb- 346 E. Zunz, lichen Belages aufwies. Diese Angaben stimmen völlig mit den wichtigen Beobachtungen von Schmidt-Mülheim*) über die Fleischverdauung beim Hunde überein. Betreffs der Bildung der Albumosen und sonstigen Verdau- ungsprodukte herrscht zwischen den bisherigen Beobachtern wenig Übereinstimmung, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dafs die benutzten Nachweismethoden zum Teil untereinander nicht ver- eleichbare Resultate geben. Dafs die Aufspaltung der Eiweilskörper im Dünndarm mittels Trypsin durch das Stadium der Albumosen und Peptone hindurch bis zur Bildung von Endprodukten (Leucin, Tyrosin u. s. w.) gehen kann, ist schon von Kühne**) bewiesen worden. Schmidt-Mülheim***) fand bei quantitativen Versuchen die Bildung der krystallinischen End- produkte so gering, dafs er ihr jede Bedeutung für die Eiweilsresorp- tion abspricht. Nach seiner wie Kühnes Vorstellung wird die Haupt- menge des eingeführten Eiweifses von der Darmschleimhaut in Form von näheren Verdauungsprodukten (Albumosen und Peptonen) auf- genommen. Hofmeisterf) beobachtete an mit Fleisch gefütterten Hunden, dafs die absolute Menge der im Dünndarm nachweisbaren Biuret- reaktion gebenden Produkte (Albumosen und Peptone) bis zur siebenten Stunde nach der Mahlzeit zunahm, dann langsam abnahm. Nur einmal unter zehn Versuchen war Fleisch aus dem Magen in den Darm über- getreten. Neumeisterf7) fand im Dünndarm auch nach sehr reichlicher Mahlzeit keine Peptone im Dünndarm, selbst wenn der Magen solche enthielt. Daraus schliefst er, dafs die Eiweilsstoffe wahrscheinlich im Dünndarme als Syntonin oder Kühnesche primäre Albumosen resorbiert werden. Nencki, Macfayden und Sieber7jr) trafen in dem Darm- inhalt, welcher aus einer am untersten Dünndarm befindlichen Fistel einer Frau abflofs, wohl Eiweifs und Pepton, aber kein Leucin und Tyrosin an. *) A. Scehmidt-Mülheim, Archiv f. Anat. und Physiol. Physiol. Abt. 1879, 8. 39. **) W. Kühne, Archiv für pathol. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Medizin. 39, 155 (1867). :»>*) A, Schmidt-Mülheim, Archiv f. Anat. und Physiol., Physiol. Abt. 1879, S. 39. +) Fr. Hofmeister, Zeitschr. f. physiol. Chemie 6, 51 (1882). Hof- meister bezeichnet dort die gesamten nicht koagulablen, Biuretreaktion darbietenden Verdauungsprodukte dem damaligen Brauche gemäls als „Pepton“. 7) R. Neumeister, Sitzungsber. d. physik.-med. Gesellschaft zu Würz- bure 1889, S. 70. +rr) A. Macfayden, M. Nencki und N. Sieber, loe. cit. Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 347 Gillespie*) fand beim Hund nie Albumosen im Inhalt des Duodenum und Jejunum, während das Jejunum Spuren von Peptonen enthielt. Andererseits glaubt Capparelli**), dafs das Endprodukt der Eiweifsverdauung im Darm nicht echtes Pepton ist, sondern ein viel einfacher gebauter, im Wasser löslicher, in konzentriertem Alkohol unlöslicher, sehr leicht dialysierbarer Körper. Capparelli glaubte auch diesen Körper (ein „Peptoid“ in obigem Sinn) aus Eiweils in vitro durch vereinigte Wirkung von Trypsin, Pepsin und Ptyalin erhalten zu haben. Noch weiter gehen Kutscher und Seemann“**), welche Albu- mosen und Peptone im Darminhalt bei mit Fleisch gefütterten Hunden nicht in nennenswerter Menge nachweisen konnten und daher an- nehmen, dafs ein wesentlicher Teil der Eiweilskörper im Dünndarm bis zur Bildung krystallinischer Produkte gespalten wird. Der Widerspruch in diesen weit auseinander gehenden Befun- den wird auf Grund meiner quantitativen Versuche zum grolsen Teil verständlich, da es ganz vom Stadium der Verdauung abhängt, ob der Inhalt des obersten Dünndarmes SO bis 95 oder blofs 30 bis 45 Proz. seines Stickstoffes in Form von Albumosen, umge- kehrt nur. 5 bis 20 oder aber 55 bis 70 Proz. in Form von End- produkten enthält. Ebenso ist klar, dafs aus dem quantitativen Verhältnis von Albumosen, Pepton und Endprodukten an sich kein sicherer Schlufs darauf abzuleiten ist, in welcher Form die Resorp- tion des verdauten Eiweilses vorwiegend erfolst. Befremdlich ist und in Widerspruch mit allen sonstigen Angaben die Beobachtung von Kutscher und Seemann, wonach Albumosen und Peptone im Dünndarminhalt in gar so geringer, nicht nennens- werter Menge, oft bis zum Fehlen der Biuretreaktion, auftreten sollen. C. Dritte Versuchsreihe. Darreichung von gekochtem Fleisch mit Fleischbrühe. Pawlowyr) hat gezeigt, dafs die Extraktivstoffe des Fleisches kräftige Erreger der Magensaftabsonderung sind. Es war daher denk- bar, dals die Verdauung von gekochtem Fleisch im Magen anders ver- läuft, wenn die Tiere es allein bekommen, als wenn ihnen mit dem Fleische die zugehörige Fleischbrühe gereicht wird. #) A. L. Gillespie, loc. eit., S. 10. ==) A. Capparelli, Atti dell’ Accad. Gioenia di sc. nat. in Catania, 4. R., 12 (1899) [in der Münch. mediz. Wochenschr. 46, 946 (1899)]. =**) Fr. Kutscher und J. Seemann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 523 (1902). 7) J. P. Pawlow, Die Arbeit der Verdauungsdrüsen, Wiesbaden 1898, J. F. Bergmann, S. 126. 348 E. Zunz, In nachfolgender Tabelle III sind die Ergebnisse einer Versuchs- reihe zusammengestellt, bei welcher die Tiere 500g gekochtes Fleisch und die dazu gehörige Fleischbrühe erhielten. 2, 4, 6, 8 oder 10 Stunden nach der Mahlzeit wurde das Versuchstier getötet. Der Mageninhalt und der Inhalt des ersten Teiles des Dünndarms wurde dann genau in derselben Weise wie in den früheren Versuchen untersucht. Nach 2 Stunden enthielt der Dünndarm nur einen äufserst spär- lichen Belag, in welchem Albumosen und durch Phosphorwolframsäure fällbare Stoffe vorhanden waren, aber keine echten Peptone. Der Mageninhalt hatte dasselbe Aussehen wie bei den Hunden, welche nur Fleisch allein erhalten hatten. Nach 10 Stunden war jedoch der Magen- inhalt fast vollständig Hüssig und nur in relativ geringer Menge vorhanden. Tabelle IM. z a T E | | | Proz. N. enthalten in | II i — || un | I a9 den anderen a = = = | e = |z = Verdauungsprodukten An E = oo | = S re) 5 —_ | 2 = Fe = 5 Zillze) | = = © 2 ans Eu lıden oo Sp & 28 IS 5 PT) = 53 = 538 a ea Ol 2 == = ®& || Qi 2 ı Qi RS = oo = 3, a 8 || Albu- Ze ze = [«B} Se! ae Sasse ne ® © ern 2@:| moen IT 55 zT = => = | = %) ES | en HS. = Ss. | = > a genen || Rn ee & AUS: 5) 3 © nn ers) [72] a >= I se SB se. Ö =) 7 | EZ Suse! oO | = | | > I el | | | | | Q | 6800 2 Magen | 32,26 Se 1247 17,74 || negativ I R | 5500 4 Magen | 86,98 130 | 1,08 13,01 | positiv | Darm | 10,04 7,08 82,85 89,96 | negativ | 2 are | | 2 in 1 5 | 7600 6 Magen Sa 1,54 16,14 17,63 | negativ | || M | Y y N 5 | Darm 33,96 | ‚14:35 51,69 66,04 | negativ T | 8200 8 | Magen Bo) 2,41 24,18 26,59 | positiv Dayamı | 8.58 | 3806 | @ll,30 96,42 |, negativ U || 7900.) 10° | Magen |. 86,26. |: 2,03 | Erle Nor npasıis, ' Darm | 26,70 Hole 76) 73,30 || positiv Vergleicht man die in dieser Tabelle mitgeteilten Ergebnisse mit denen der Tabellen I und II, so sieht man, dafs, während bei den Hunden, welche das gckochte Fleisch ohne Fleischbrühe er- halten hatten, im Mageninhalte 79,31 bis 98,57 Proz. des gelösten nicht koagulablen Stickstoffes und im Dünndarminhalte 32,20 bis 94,92 Proz. in Gestalt von Albumosen sich befanden, bei den Tieren, welche mit dem gekochten Fleische zugleich die Fleisch- brühe erhielten, im Mageninhalte 73,41 bis 86,99 Proz. des Stick- stoffes und im Dünndarminhalte 3,56 bis 33,96 Proz. als Albumosen vorhanden waren. Die Zufüsung der Fleischbrühe, bezw. der Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 349 darin enthaltenen Extraktivstoffe scheint also eine geringe Ver- minderung der relativen Albumosenmenge im Mageninhalte und eine bedeutende Verminderung der relativen Albumosenmenge im Dünndarminhalte zu veranlassen. Es könnte dies die Folge einer Änderung in der Magen- und Pankreassekretion sein. Doch darf nicht übersehen werden, dafs die gleichzeitige Zufuhr von Flüssigkeit auch andere Bedingungen der Verdauung, so die Bewegung des Mageninhalts und nament- lich seinen Übertritt in den Dünndarm in noch nicht zu über- sehender Weise beeinflussen kann. D. Die Bildung von krystallinischen Verdauungs- produkten im Magen. Bekanntlich haben in jüngster Zeit ausgeführte Untersuchungen, so jene von Lawrow*) und Langstein**), die Angabe Hoppe- Seylers“**) bestätigt, dals die peptische Eiweilsspaltung schliels- lich bis zur Bildung krystallinischer Produkte fortschreitet. Damit ist freilich noch nicht dargethan, dafs eine derartige weitgehende Zerlegung auch innerhalb der physiologischen Verhältnisse, d. h. innerhalb der relativ kurzen Zeit erfolgt, welche das Nahrungs- eiweils im Magen verweilt. Ich habe darum den Mageninhalt und zum Vergleich den Dünndarminhalt des Hundes M auf die Anwesenheit krystallinischer Spaltungsprodukte der Eiweilskörper untersucht. Zu diesem Zwecke wurde das nach Ausfällung durch Phosphorwolframsäure erhaltene Filtrat durch Barytwasser von Phosphorwolframsäure und Schwefel- säure befreit, der überschüssige Baryt zuerst durch Einleiten von Kohlensäure und nachher durch Hinzufüsung sehr verdünnter Schwefelsäure quantitativ ausgefällt. Die nach Entfernung des Baryts erhaltenen klaren Lösungen wurden im Vakuum bei einer 40° nicht übersteigenden Temperatur zum Sirup eingeenst und dann in der Kälte stehen gelassen. Aus dem Mageninhalt wurde so eine sehr spärliche Menge, aus dem Dünndarminhalt eine grölsere Menge Krystallbrei er- ‚halten. In beiden Proben fanden sich bei der mikroskopischen Untersuchung Leuceinkugeln, Tyrosinnadeln, kleine gelbliche Krystall- rosetten und Tropfen einer ölartigen schwarzbraunen Flüssigkeit von anscheinend ziemlich hohem spezifischen Gewicht. Im Magen- *) D. Lawrow, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 513 (1899), 33, 312 (1901). **) L. Langstein, diese Beiträge 1, 507 (1902), 2, 229 (1902). ===) F, Hoppe-Seyler, Physiol. Chemie, Berlin 1878, Hirschwald, 2, 228. 350 E. Zunz, inhalt war vorwiegend Leucin, im Dünndarminhalt Tyrosin und das schwarzbraune Öl vorhanden. Die genauere Untersuchung ermöglichte es bisher nur, in der aus dem Magen stammenden Probe neben anderen krystallinischen Produkten, über die ich ein andermal berichten will, Leucin und Tyrosin sicher nachzuweisen. Das Leucin konnte durch die Form der Ausscheidung, die Scherersche Reaktion und den Stickstoff- gehalt (gefunden: 10,41 Proz., berechnet: 10,69 Proz.), das Tyrosin durch Löslichkeitsverhältnisse, Krystallform, Millonsche und Piriasche Reaktion identifiziert werden. Dieser Befund kann eine physiologische Tragweite nur für den Fall beanspruchen, als sich beweisen läfst, dafs die gefundenen krystallinischen Produkte durch die Einwirkung von Pepsin und Pseudopepsin entstanden, nicht aber schon im Fleisch vorgebildet enthalten sind. Der letztere Verdacht war aber um so weniger zurückzuweisen, als die Erfahrungen von R. Vogel*) über Autolyse des Fleisches gelehrt haben, dafs die chemische Veränderung desselben sehr bald nach dem Schlachten einsetzt. In der That erhielt ich bei Verarbeitung von 500 Rindfleisch, das wie in den Fütterungsversuchen etwa 5 bis 6 Stunden nach dem Schlachten abgekocht wurde, eine geringe, aber sicher nach- weisbare Menge von Tyrosin (etwa 0,1g), jedoch kein Leucin. Ich mufs mir vorbehalten, die Entscheidung dieser für die Auffassung der Magenfunktion nicht ganz unwichtigen Frage durch weitere Versuche anzustreben. 2. Die Resorption der Verdauungsprodukte im Magen nach Einbringung von Gemengen derselben. Wie oben dargelegt, ist die nach Fleischeinfuhr im Magen befindliche Verdauungslösung in allen Stadien durch das starke Überwiegen der Albumosen, das Fehlen oder äufserst spärliche Vorkommen von Peptonen, den geringen Gehalt an sonstigen Ver- dauungsprodukten charakterisiert. Nun ist die Zusammensetzung des flüssigen Mageninhalts von einer ganzen Anzahl von Bedingungen abhängig: 1. von der Menge und Zusammensetzung des hinzu- tretenden Speichels und Magensekrets, 2. von der Intensität der fermentativen Wirkung des Magensaftes, 3. von dem Abflufs der verflüssigten Anteile in das Duodenum, 4. von der Resorption seitens der Magenwand. *) R. Vogel, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 72, 291 (1902). « Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 35] Unter diesen Bedingungen dürfte die erstangeführte wegen des geringen Gehalts des Speichels und Magensekrets an nicht koagulablen stickstoffhaltigen Bestandteilen auf die Bestimmung der gefundenen Verdauungsprodukte nur geringen Einflufs haben. Betreffs der übrigen Bedingungen haben schon ©. A. Ewald und Gumlich*) hervorgehoben, dafs der geringe Gehalt des Magens an Peptonen nicht wohl auf ein Übertreten derselben in den Dünn- darm zu beziehen sei, da ein Zurückbleiben der ebenso gut in Lösung befindlichen Albumosen nicht verständlich wäre. Es bleibt nach ihnen somit nur die Möglichkeit, entweder, dals im Magen Pepton nur in sehr geringem Umfang gebildet wird, weil die ein- mal in Lösung gebrachten Eiweilsstoffe nicht lange genug im Magen verweilen, oder aber, dafs das Pepton, wenn einmal gebildet, rascher als die Albumosen von der Schleimhaut resorbiert wird. Ewald und Gumlich neigen der ersteren Vorstellung zu auf Grund der bekannten Thatsache, dals es bei künstlicher peptischer Verdauung beträchtlicher Zeit bedarf, um merkliche Mengen von echtem Pepton zu bilden. Um den Einflufs dieser beiden Bedingungen auf die Zusammen- setzung des Mageninhalts kennen zu lernen, habe ich einige Ver- suche an Hunden angestellt, denen ich Gemenge peptischer Ver- dauungsprodukte verabreichte. Zu diesem Zwecke dienten entweder 2proz. Witte-Pepton- lösungen oder auch Lösungen, welche durch die peptische Verdauung eines reinen Eiweilsstoffes während einer bestimmten Zeit erhalten worden waren. In allen diesen Lösungen wurde natürlich im voraus die Verteilung des Stickstoifes zwischen den verschiedenen Fraktionen der eingebrachten Albumosenlösung ermittelt. Die Versuche wurden ausgeführt: 1. am intakten Tier; 2. unter Behinderung des Übertritts von Mageninhalt in den Dünndarm. Obgleich die Ergebnisse dieser Untersuchungen keine entscheidende Beantwortung der gestellten Frage ermöglicht haben, so haben sie doch einige bemerkenswerte Thatsachen ergeben. A. Versuche an normalen Tieren. Da die Tiere die Aufnahme der Albumosenlösungen meist ver- weigerten, wurden sie ihnen mittels Sonde eingeführt. Nur selten wurde der Versuch durch nachträgliches Erbrechen vereitelt. In den ersten Versuchen wurde nach einer gegebenen Zeit der Mageninhalt mittels Sonde ausgehebert und der Magen einige Male mit bekannten Volumen destillierten Wassers nachgespült. Dieses Verfahren *) C. A. Ewald und Gumlich, loe. eit. 352 Tabelle IVZ In den Magen eingeführte Lösung Art der Gewinnung | | Während 9 Tage der pep-, tischen Verdauung unter- worfenes Kasein Während 6 Tage der pep- tischen Verdauung unter- worfenes krystallisiertes Eieralbumin Während 4 Tage der pep- tischen Verdauung unter- worfenes Kasein Witte-Pepton (Fibrin) Während 6 Tage der pep- tischen Verdauung unter- worfenes Serumglobulin Proz. Stickstoff ent- halten ın , den anderen Ver- dauungsprodukten Flüssigkeit in & den Albumosen Stickstoffmenge im 10cem der säure fällbar durch Phosphorwolfram- » Fr [ex oO durch Phosphorwolfram- säure nicht fällbar 41,92 45,84 32,49 91,84 45,73 Gesamtmenge Versuchshund RK Gewicht in & 3800 7600 6400 6800 6100 5900 6300 7600 7900 4700 4800 3950 Flüssiekeitsmenge in cem In den Magen ein- | geführte | | m & o 200 180) =) oO 200 180 130 200 180 200 200 200 200 200 180 200 200 200 195 200 200 200 190 hat den Vorteil, dafs man mit ein und demselben Tiere mehrere Versuche anstellen kann, hat aber auch einige Nachteile. Zuvorderst ist es nicht absolut sicher, dafs es den gesamten Inhalt des Magens auszuhebern ge- lingt, sodann bedingt das mehrfache Auswaschen eine gröfsere Unsicher- heit in der Abschätzung der im Magen vorhandenen Flüssigkeitsmenge. Deshalb wurde bei anderen Versuchen das Tier durch Chloroform Stickstoffmenge in & 0,50274 0,55860 0,55860 0,55860 0,50274 | 0,43776. 0,48640 0,43776 0,48640 0,46900 0,46900 0,46900 1,57240 1,41516 1,57240 1,57240 1,57240 1,53309 1,57240 0,35140 0,35140 0,33383 m LU nn nnnn — —— Über die Verdauung und Resorption der Kiweilskörper u. s. w. im Magen in Stunden #wWerweildauer der Flüssigkeit = | 5 2 2 - [> Verwendetes Verfahren, um den Maeeninhalt zu erhalten Ausspülung Autopsie Ausspülung ” ” Autopsie Ausspülung ” ‘ Autopsie Flüssigkeitsmenge in cem {0.0} oO 110 115] 5 = Im Magen wiedergefunden | I Proz. Stickstoff ent- 353 | Inhalt ı des ersten Teiles des Dünndarms, Proz. des | Stiekstoffs enthalten in Stickstoff- menge halten in | H den anderen Ver-| Ei > dauungsprodukten [7] fe! =| : : a S a E, SEE selaala Eid s ar 242223 Sunset ası=eg)ı A =) = 2-| a lea .s S _ = Hz mn 2 [«b) 5 8 ER on 3 e | o ke) 0,02485 ,0,19880 45,52) 19,64 | 34,84 |54,48| 0,02674 | 0,29414 63,06 | 14,93 | 22,01 36,94 0,01547 | 0,09282 53,07 | 17,42.| 29,51 46,93) 0,01383 0,09681 64,60) 9,52, 25,88 35,40. 0,01059|0,05295 56,14 7,98 | 35,88 |43,86 0,01968' 0,16728 55,61 ° 7,23 | 37,16 |44,39| 0,01434|0,10038| 59,38) 5,58 | 35,04 40,62 0,01503 0,06763 67,03, 4,12 | 28,85 |32,97 0,01450 0,07250 79,73| 3,03 17,24 20,27 0,01910 0,18145 |75,24| 4,82 19,94 24,76, 0,01786 0,17860 70,85, 5,18 | 23,97 29,15 0,01543 0,11562 77,63| 3,96 18,41 122,37 | 0,06474 | 0,74451|60,13| 26,66 | 13,21 |39,82 0,05062 .0,45558|68,08| 16,95 | 14,97 31,92 0,05982 ‚0,44865 |61,31, 18,67 , 20,02 38,69 0,04614 0,04614| — | — — | —| 0,04350 0,23925 63,33, 17,86 | 18,81 36,67 : 0.03510/0,0530), — — = | -ı| 0,03741 0,28057 |64,03| 16,58 | 19,39 | 35,97 0,01564,0,13294 64,20| 4,98 | 30,82 35,80. 0,01333 0,15329 79,85, 3.13 | 17,00 20,13 0,01190 0,04760 82,19) 2,21 15,60 117,81 | den anderen Ver- dauungsprodukten I | | | | I | | | | | den Albumosen durch Phosphorwolfram- säure füllbar durch Phosphorwolfram- säure nicht füllbar Gesamtmenge Ben 72,27|25,81 1, 55,06 | 35,08 I | I | | | | nach Ablauf der im voraus bestimmten Zeit getötet und der Magen- inhalt dem beiderseits unterbundenen Magen entnommen. Der Verlauf der weiteren Untersuchung war der bereits beschriebene. In der vorstehenden Tabelle (IV) finden sich die ermittelten Zahlen zusammengestellt. Beitr. z. chem. Physiologie. III. Bei einigen Hunden habe ich die Unter- 23 354 E. Zunz, suchung auch auf den Inhalt der obersten 50 em Dünndarm ausgedehnt. Der Mageninhalt enthielt immer echte Peptone, aber nie Acid- albumin. Im obersten Teile des Dünndarms waren weder Acidalbumin noch echte Peptone vorhanden. Von den Ergebnissen, die sich aus den erhaltenen Zahlen ab- leiten lassen, seien nachstehende hervorgehoben. 1. Entsprechend dem Umstand, dals beim normaler Tier dem Übertritt der Flüssigkeit in das Duodenum nichts im Wege steht, hat sich in allen Fällen das Gesamtvolum der eingebrachten Lösung vermindert. Dafs es sich blols um eine Verminderung durch Resorption gehandelt hat, ist auf Grund der bekannten That- sachen *), welche einen Übertritt flüssigen Mageninhalts durch den Pförtner beweisen, ausgeschlossen. Darauf dürfte auch zu be- ziehen sein, dals ich im Darminhalt in jenen Fällen, wo ich ihn mindestens eine Stunde nach der Einflöfsung der Lösung unter- suchte, stets eine mehr oder minder bedeutende Menge einer gelb- lichen, sehr dicken, schleimähnlichen Flüssigkeit vorfand, während ich sie nach halbstündiger Versuchsdauer vermilste. 2. Die im Magen wiedergefundene gesamte Stickstoffmenge ist bedeutend geringer als die eingeführte. Gewöhnlich ist sie um so kleiner, je länger der Versuch dauert, doch besteht kein festes Verhältnis zwischen Stickstoffabnahme und Versuchsdauer. Auch der prozentische Stickstoffgehalt des Mageninhalts vermindert sich. Dafs diese Abnahme nicht ausschliefslich Folge einer Ver- dünnung durch den zuströmenden Magensaft sein kann, geht aus den sofort zu besprechenden Veränderungen in der Zusammen- setzung der eingebrachten Lösung hervor. 3. Der relative Gehalt der eingebrachten Lösung an Albumosen nimmt während des Verweilens im Magen zu, während der Gehalt an den anderen Bestandteilen abnimmt. 4. Die relative Menge der durch Phosphorwolframsäure fäll- baren nicht albumosenähnlichen Stoffe erfährt im Beginn eine Er- höhung gegenüber der eingeflölsten Lösung, hinterdrein eine Er- niedrigung. Doch ist auch hier eine feste Proportionalität zur Dauer des Verweilens im Magen nicht zu erkennen. 5. Die Zusammensetzung des Inhaltes des obersten Teiles des Dünndarms ist von der des Mageninhaltes ziemlich verschieden. *) Man vergl. Untersuchungen von W. Busch, J. von Mering, a WHRsesichheurasetz Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 355 Bald ist die relative Albumosenmenge gröfser, bald kleiner als im Magen. Meistens findet man im ersten Teile des Dünndarmes mehr nicht albumosenähnliche Produkte, welche durch Phosphorwolfram- säure gefällt werden, und weniger solche, welche nicht gefällt werden, als im Magen. Da der zuströmende Magensaft, falls er, wie zu erwarten, eine verdauende Wirkung äulsert, nur eine Verminderung der Albumosen und Vermehrung der übrigen Verdauungsprodukte bewirken könnte, der Versuch aber übereinstimmend das entgegengesetzte Verhalten ergiebt, so ist kaum ein anderer Schlufs möglich, als dafs die Magenwand die Albumosen langsamer als die anderen Produkte (oder doch einen Teil dieser Produkte) aufnimmt. Für eine nach- trägliche Umwandlung der eingebrachten Albumosen in solche leichter resorbierbare Stoffe durch die Wirkung des Magensaftes spricht direkt die unter 4 angeführte vorübergehende Zunahme der durch Phosphorwolframsäure fällbaren Peptone und Endprodukte. B. Versuche an Tieren mit Pylorusverschlufs. Die Anordnung der Versuche war folgende: Bei einem 8 bis 11kg schweren Hund wird in vorsichtiger Äther- narkose nach Abscheren und sorgfältiger Desinfektion der Bauchhaut die Bauchhöhle durch einen 1 oder 2cm rechts von der Linea alba geführten, 15 bis 20 cm langen, 1 bis 2 cm unter dem Rippenbogen beginnenden Einschnitt geöfinet. Dann unterbindet man die Speiseröhre unmittelbar über der Cardia, ohne die grofsen Gefälse der Magenoberflläche zu ver- letzen, bringt 2 Fäden unter das Duodenum und öfinet es durch einen Längsschnitt. Dieser Einschnitt mu/s lang genug sein, um die Ein- führung eines in der Mitte durchbohrten Gummistopfens zuzulassen. In der Bohrung steckt eine 25 bis 30 cm lange Gummisonde, welche den Stopfen ungefähr 5 cm lang überragt, so dafs ihr inneres Ende sich im Magen befindet, wenn der Stopfen am Pförtner sitzt. Der andere Teil der Sonde mifst wenigstens 15cm und ist 5 cm von seinem äulseren Ende mit einer Schraubenklemme versehen. Durch den Ein- schnitt der Duodenalwand und den Pylorus führt man die Sonde in den Magen und bringt dann den Stopfen bis an den Pförtner, wo er mit Hülfe der unter das Duodenum gelegten Bindfäden befestigt wird. Es ist darauf zu achten, dafs während der Operation kein Blut in den Magen gelangt. Nach der Operation verschliefst man die Bauchhöhle, indem man die Sonde durch eine kleine Öffnung nach aulsen leitet. Die Wunde wird mit Watte bedeckt gehalten und das Tier in öfters erneuerte erwärmte Decken gehüllt. Die Operation bedarf keiner halben Stunde und vollzieht sich ohne sonstige Blutung als der aus den kleinen Gefälsen der Bauchwand *). *) Herr Dr. H. Vindevogel hatte die Güte, mir bei diesen Versuchen Hülfe zu leisten, wofür ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. 23* 356 E. Zunz, Tabelle V. In den Magen eingeführte Lösung { s Proz. N. enthalten in 3 o gs | den anderen 3 s — nn r = eg Verdauungsprodukten E = o ch = ' ' "3 a U a den Er .. {eb} [>} = =; = so eo Be &0 =) = 2 = S a 3 3 3 > & 28 225 © 2 = E 5 DD 9900 Witte-Pepton (Fibrin) | 0,02615 | 51,53 29,14 19,33 | 48,47 | EE |10500 Während 9 Tage der] | 10800 peptischen Verdauung } | 0,02793 43,58 14,50 41,92 56,422 FF unterworfenes Kasein || \ | GG | 7sooll Während 20 Stunden der | | pephischen Verdauung \| Qosago || 74,76 | 122 | 2400 awaz unterworfenes Se | | | HH | 9300 lisiertes Eieralbumin | | | [ Int 11000 Witte-Pepton (Fibrin) | 0,04778 | 58,47 95,05 16,48 | 41,53 | ' | | KK | 9900| | 1 oder 2 Stunden nach der Operation versieht man die Sonde mit einem Trichter und giefst in dieselbe 400 bis 500 cem einer Albumosen- lösung von bekanntem Gehalt. Man schliefst dann rasch die Klemme derart, dafs die Sonde gefüllt bleibt. Der Einlauf der Flüssigkeit in den Magen geht sehr leicht vor sich. Nach 1, nach 1!/, und nach 2 Stunden werden je ungefähr 100 cem des Mageninhaltes aufgefangen. Dafür genügt es, die Klemme los- Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 357 nu Aus dem Magen entnommene Lösung Bere S 8 ET ee TESTER Far rn on D az E = De 8 | Proz. N. enthalten in 39% EEE | Eo |e Senn BE: d-= 2 3 & N “ - E | 2 den anderen 2 = F z Eee | an0|ı „nr ı Verdauungsprodukten ag 9 es eıne5| HS ı a — — 817 09 a52l8 7 2I5$8| »A den |; er 2908 SpEersalei| 25 &» 2. | & | 2958 Seh n I) ES Albu- | 5 Ber 5 Si = BED) ® on .5 LS) = a nr = «) an ® SH on BE .,o90 as FE: = DER A .® 25 8% mosene DE een ie, 2ER, SE r 28 DE er es En u ee ss” |E rs Me netz 2 | 824% ae Se es 8 Ss |25 2 TE EEE 500 } 100 | 0,02530 || 58,23 Balls a 9500 AMT 470 1%), | 110 | 0,02340 | 78,40 16,31 529 | 21,60 2 110 | 0,02131 || 71,49 19.21 9,30 | 28,51 495 1 110 | 0,02376 | 47,49 97,12 | 25,39 |5251| 410 1Yy, 95 | 0,02161 || 34,74 30,12 35,14 | 65.26 9 100 ' 0,02030 | 24,35 32,97 | 4268 | 75,65 480 110 | 0,02492 | 55,90 25,94 | 1816 |44,10| 46) 2 120 | 0,02075 | 5872 |ı 3245 | 883 |41,28| | | | 500 1 100 | 0,03284 | 57,98 1192 50.907, 42:09 540 1% | 100 0,03148 | 55,55 1040 | 34,05 | 44,45 a | 120 | 0,03006 || 52,25 13.34 3441 | 47,75 450 1 110 | 0,031476 || 51,31 15,80 | 3289 | 48,691 490 1, 105 | 0,03403 | 50,51 14,79 | 34,70 49,49 | 9 115 | 0,03142 || 47,76 15,57 36,67 | 52,24 | 500 1 | 105 | 0,04750 | 45,26 34,36 20,28 | 54,74 | 525 192 110 | 0,04666 | 42,51 40,39 1710 |57,49| 2 105 | 0,04153 || 44,35 34,43 91,92 | 55,65 500 1 | 110 | 0,04606 | 47,14 33,45 19,41 | 52,86 | 515 1Y, || 100 | 0,04502 || 45,56 3007 | 24,37 | 54,44 2 I 120 | 0,04078 | 33,23 37,88 28,389 | 66,77 | | | | | zuschrauben; nur ist es nötig, zunächst ungefähr 20 ccm Flüssigkeit - abfliefsen zu lassen, was die in der Sonde verbliebene Menge übertrifft. Man ist dann sicher, dafs die aufgefangene Flüssigkeit wirklich aus dem Magen herrührt. Der Hund wird nachher rasch durch Chloroform getötet. Die noch im Magen verbliebene Flüssigkeit wird mit der nötigen Vorsicht aufgefangen, wobei man sich auch dessen versichert, dals die Operation 858 E. Zunz, richtig ausgeführt wurde, und besonders dals der Magen unverletzt blieb. Um den Betrag der Magenresorption schätzen zu können, wurden sämtliche während des Versuchs entnommenen Flüssigkeitsmengen und das bei der Autopsie des Hundes im Magen vorgefundene Flüssigkeits- volum addiert. Man bestimmt alsdann den Stickstoffgehalt und die relative Albu- mosenmenge jeder der während des Verdauungsprozesses aufgefangenen Proben in derselben Weise wie in den früheren Versuchsreihen. Die entnommenen Proben enthielten sämtlich Peptone. Die im letzten Stab der Tabelle angeführten Zahlen zeigen, dals die im Magen wiedergefundene Flüssigkeitsmenge in vier Fällen gröfser, in drei Fällen etwas kleiner war als die ursprünglich eingeführte. Diese Veränderungen sind bedingt durch zwei ein- ander entgegenwirkende Vorgänge, Resorption von Wasser und Zuflufs von Magensaft. Der Gesamtstickstoff des Inhalts erfährt in allen Versuchen eine schliefsliche Abnahme, auch wo eine Flüssig- keitszunahme nachweisbar ist, woraus hervorgeht, dafs in allen Fällen eine Resorption stickstoffhaltiger Substanz, wenn auch nur in geringem Umfang, stattgefunden hat. Da ich von dem Mageninhalt wiederholt Anteile zur Untersuchung entnahm, so ist es nicht möglich, ganz genau zu berechnen, wieviel Stickstofi derselbe zu Ende des Versuches enthalten hätte. Man kann aber den Stickstofigehalt des Mageninhalts nach einstündiger Versuchs- dauer und am Schlusse des Versuchs (bei Berechnung auf die Gesamt- flüssigkeit) zur Grundlage einer Schätzung machen. Die berechneten Zahlen sind in Tabelle VI nebeneinander gestellt. Tabelle VI. Gesamtstickstoffmenge des Mageninhaltes am Ende des Versuchs | ; Mao el i | > en Versuches, in Grammen berechnet, = | eingeführt in nach dem Stickstoffgehalt | a nach 1 Stunde nach 2 Stunden | | | DD 1,3075 | 1,1591 1,0016 Di 1,1114 | 0,9742 | 0,8323 FF | 1,3406 | 1,1463 0,9545 CE | 1,8400 1,7734 1,6232 HH | 1,6560 | 1,7032 1,5395 3%) | 2,3890 | 2,4937 | 2,1803 KK 2,3890 2,3721 | 3,1002 Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s. w. 359 Wie ersichtlich, ergiebt sich aus den Bestimmungen am Ende des Versuches übereinstimmend eine Abnahme des zurückgehaltenen Stick- stoffs in annähernd gleicher Höhe (0,15 bis 0,31g). Auch aus den nach einstündigem Verweilen erhaltenen Zahlen ist, mit Ausnahme der Versuche HH und JJ, eine Abnahme des Gesamtstickstofs zu ent- nehmen. Die thatsächlich erfolgte Resorption dürfte etwas grölser sein, als die gefundenen Zahlen besagen, da der Stickstofigehalt des hinzu- gekommenen Magensafts nicht in Rechnung gebracht ist. Die prozentische Zusammensetzung des Mageninhalts an Albu- mosen und den übrigen stickstoffhaltigen Bestandteilen erfährt bei fünf Versuchstieren eine Änderung im Sinne einer Abnahme der Albumosen und Zunahme der entfernteren Verdauungsprodukte. Nur bei Hund DD und FF findet sich das entgegengesetzte Ver- halten. Dabei steigt in allen Fällen (bei DD allerdings nur vor- übergehend) der Gehalt an durch Phosphorwolframsäure fällbaren, nicht albumosenähnlichen Substanzen, zumeist auch — Versuch FF an den (Kasein) bildet da eine besonders auffällige Ausnahme nicht durch Phosphorwolframsäure fällbaren. Wie man sieht, gestattet dieses Ergebnis keinen einfachen Schluls. Daran trägst zum Teil die Verwendung verschiedener Eiweilsstoffe (Fibrin, Eieralbumin, Kasein) Schuld, deren Ver- dauungsprodukte (welche überdies sehr verschiedenen Verdauungs- stadien entsprechen) in betreff des Verhaltens zu Magensaft und bei der Resorption gewils Verschiedenheiten aufweisen. Immerhin lassen sich die Befunde im ganzen dahin deuten, dafs die Zu- sammensetzung der im Magen verweilenden Albumosenlösung zwei nebeneinander einhergehenden, sich in ihrem Ergebnis kreuzenden Einflüssen unterliegt: der verdauenden Wirkung des Magensafts auf die Albumosen und der Resorption. Die peptische Spaltung vermindert notwendig die Menge der Albumosen und vermehrt jene der übrigen Verdauungsprodukte, während die Resorption nach dem früher Ermittelten vorwiegend die Menge der letzteren herabsetzt. Erfolgt der Abbau der Albumosen so rasch, dafs die Resorption nicht Schritt halten kann, so kommt es zu dem am häufigsten beobachteten Ergebnis: Verminderung des Albumosen- gehalts, Zunahme der übrigen Produkte. Überwiegt die Resorption, so kann das Umgekehrte erfolgen. Vielleicht ist es kein Zufall, dafs die zwei Versuche (DD und FF), welche eine Anreicherung an Albumosen aufweisen, zu denjenigen gehören (DD, EE, FF), bei denen eine Abnahme des Flüssigkeitsvolums, vermutlich daher eine lebhafte Resorption vorlag. 360 E. Zunz, Dieser Deutungsversuch geht von der Voraussetzung aus, dafs die Albumosen von dem Magensaft rascher, als man bisher annahm, zu Peptonen und weiteren Produkten umgewandelt werden. Doch sprechen alle neueren Erfahrungen dafür, dafs man die spaltende Wirkung des Magensafts auf Grund der in vitro mit Pepsin (bei Abwesenheit von Pseudopepsin) ausgeführten Versuche zu niedrig eingeschätzt hat. C. “Vergleich der Resorption im Magen und Anfangsteil des Dünndarmes. Die für diese Versuche verwendeten Hunde wurden auf die gleiche Art operiert wie jene, welche zu den in der Tabelle V zusammen- gestellten Versuchen gedient hatten. Aufserdem wurden bei diesen Tieren zwei Unterbindungen am Duodenum angelegt, eine definitive nahe beim Cöcum und eine provisorische am Duodenum in geringer Entiernung von der provisorisch den Pförtner absperrenden Ligatur. Durch eine im Duodenum zwischen den beiden provisorischen Unterbindungen an- gelegte Öffnung wird mittels einer mit Trichter und Klemme versehenen Sonde in den Magen und dann in den Dünndarm die gleiche Menge einer Lösung von Verdauungsprodukten eingebracht. Die Ligaturen werden im Moment des Herausziehens der Sonde zugezogen, so dals Magen und Dünndarm endgültig abgeschlossen sind; dann wird die Bauchwunde verschlossen. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit wird das Tier getötet und der Inhalt von Magen und Dünndarm für sich auf- gefangen und zur Bestimmung des Stickstoffes benutzt. Tabelle VII ($. 361) giebt eine Übersicht der erhaltenen Zahlen. Aus diesen Zahlen geht neuerdings hervor, dafs im Magen eine Resorption erfolgt. Da auch hier die mit dem Magensaft zugeführte Menge Wasser und Stickstoff nicht in Rechnung ge- bracht ist, so sind die gefundenen Resorptionswerte sogar etwas kleiner, als der Wirklichkeit entspricht. Die im Darm erfolgte Resorption ist allerdings trotz sonst gleicher Bedingungen sehr viel oröfser. Da das aufserordentlich grofse Resorptionsvermögen der Dünndarmschleimhaut durch zahlreiche Versuche anderer Forscher festgestellt ist, liegt kein Grund vor, auf dieselbe näher einzugehen. 3. Schlufsbemerkungen. Die von mir erhaltenen Resultate vervollständigen in einzelnen Punkten unsere Erfahrungen über Magenverdauung und Magen- resorption. Zunächst seien die bereits vorliegenden Arbeiten, soweit sie Säugetiere betreffen und soweit sie nicht schon Berücksichti- gung gefunden haben, kurz zusammengefalst. Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s.w. 561 an a A = Be. & = ur uaULmE.IK) UL zZ = EEE ri — al a m — Z POISYOLISJuresaH) = a an. Sc So “= < S 3: 9.0.6 = z FE are SUTIarnG SEAGSEN) = uUSUNUIEIK) UL S @ a Se - = x 1m I DD © > 9 > ‘Noyorssupg Jep UND OL a Ei a a 0285 3 u odwugojs[png ie ee 2 ZEN re = LIpuNusogLguy U S = BE - 9OUYULSITIMOLSSULT 2 4 2 a == USLLUIEIK) UL = = SS 5:3 = FOISYOLIsJULESI%) =] =] =: +5 © — = SSH = a uIoJpUuusodyIgny ur = = Eznerern 2. SSUIWSNONOISSNIT =2 cn EI PEIICTETEN | a aer= 3 = SE SB ) Su BhNle a m — m. — — © = E<} suoJIaMmIaA SEP NZ = = a = e || = Sur uswueIr) Ur Jy9ImaH = a S 3 = zZ punysyonsaaa = = zZ ——— -_- Ä « 3475 en | | 0,0 0,02152 ur sS5usuLFoIsya1Ig USWULELIL UL ‘"Zunso I9p W9 OI = = To a ©) je + = 5 = 3 = = Sr Dan AT Bee = = 4 e sam ae 3 Te ee Nr le SR Si el Em a9 10553 area tes = = = DEDAESFEES SR = = oO = = = Dar zn nn Zn za Pan ro} = zZ I" :5 =; Sera u m Ara ana 2 SM = Pe Ser oe SEAT SEHEN - = = =) ai a Fe zu 0. = a = = nr :9 = = — a = 5 Ag _ = B= = SH 2 9 = 25 sie: = er = Z Ss ri sa 5 53 0 an a "73: 535 5 =: Aa en B- = = De en ar ar © ER © Sei I — I Tappeiner*) unterband bei einem nüchternen leicht chlorofor- mierten Hunde den Pförtner und führte dann mittels einer Sonde 55,3 cem einer wässerigen Lösung, welche 10,7 g Peptone (eigentlich durch Phosphorwolframsäure fällbare Produkte) enthielt, in den Magen ein. Nach drei Stunden fanden sich 60 ccm Flüssigkeit im Magen, also mehr als die eingeführte Menge. Die wiedergefundene Pepton- menge war 9,628. Demnach war Verdünnung des Mageninhaltes durch den Magensaft und eine geringe Resorption der Peptone eingetreten. Bei zwei mit einer in der Nähe des Pförtners befindlichen Magen- *) H. Tappeiner, Zeitschr. f. Biol. 16, 497 (1880). 362 E. Zunz, fistel versehenen Hunden führte von Anrep*) in das Duodenum unterhalb des Pylorus einen Gummiballon ein, welcher aufgeblasen den Magen vom Duodenum abschlofs. Frisch bereitetes Syntonin, in den ausgespülten Magen nüchterner Tiere gebracht, gab nach 1!/, Stunden bezw. 1 Stunde 40 Minuten eine grofse Menge Albumosen und Peptone. Von Wittepepton wurden in 1 Stunde 40 Minuten bezw. 1 Stunde 45 Minuten 23,3 bis 33,9 Proz. resorbiert. Die Flüssigkeitsmenge nahm durch Zutritt von Magensekret zu. Brandl**) brachte an einem nüchternen Hund mit Magenfistel nach Verschlufs des Pylorus durch einen Gummiballon „Grübler*- sches „Pepton“ in 5- bis 20proz. Lösung in den Magen ein und bestimmte die Menge des resorbierten Anteils durch Stickstoffbestimmung der eingeführten und der nach zwei Stunden wiedergewonnenen Flüssig- keit. Dabei entfernte er den vom Magen herrührenden Schleim durch Fällung mit Essigsäure. Es gelangten 2,68 bis 13,26 Proz. des „Pep- tons“ zur Resorption, weniger aus den verdünnten als aus den kon- zentrierten Lösungen. In allen Fällen erfuhr die Flüssigkeit durch den Magensaft eine sehr bedeutende Vermehrung. von Mering***) beobachtete ebenfalls, dafs in den Magen von Hunden eingebrachte Witte-Peptonlösung verdünnt in das Duodenum abflofs. Nach Zufuhr von 300 cem einer 20 proz. Witte-Peptonlösung erhielt er aus der Duodenalfistel 475 ccm einer blofs 12 proz. Lösung. Von den zugeführten 609 des Albumosenpeptongemenges waren nur 3g zur Resorption gelangt. Gegen die absolute Genauigkeit der durch diese Versuche ermittelten Werte, ebenso wie auch gegen die von mir angewandte Methodik lassen sich mehr oder weniger begründete Einwände erheben. Die Anlegung einer Magenfistel beeinträchtigt die Funktion der Magenschleimhaut. Wird der Ösophagus über der Cardia nicht ligiert, so besteht einerseits die Gefahr des Erbrechens, an- dererseits jene der Beimengung von Speichel). Eine Ligatur des Ösophagus wie des Pylorus vermag dagegen die normale Innervation und Blutversorguug zu stören. Die Einführung von Sonden führt vielleicht zu einer stärkeren Magensaftsekretion fy). *) B. von Anrep, Archiv f. Anatom. und Physiol, Physiol. Abt. 1881, S. 504. »*) J. Brandl, Zeitschr. f. Biol., N. F., 11, 277 (1892). »»#) J. von Mering, Therapeut. Monatsh. 1893, 8. 201; Verhandl. des XXI. Kongr. f. inn. Med. zu Wiesbaden, 1893. +) von Bunge, Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie, 4. Auflage, Leipzig 1898, S. 167. +r) Nach P. Leconte [La Cellule 17, 283 (1900)] und Pawlow (loc. eit.) scheint die Einführung eimer Sonde in den Magen keine Magensaft- sekretion hervorzurufen. Über die Verdauung und Resorption der Kiweilskörper u. s. w. 363 Auch Narkose und Laparotomie können sekundär die Magen- funktionen beeinflussen *). Man kann unbedenklich die Berechtigung dieser Einwände zugeben, ohne auf die Verwertung der mit den bemängelten Methoden erhaltenen Resultate verzichten zu müssen. Sieht man von groben und gut vermeidbaren Versuchsfehlern, z.B. Erbrechen, ab, so handelt es sich allenthalben um Momente, welche geeignet sind, die Leistung des Magens für die Verdauung (z. B. durch gestörte Innervations- und Zirkulationsverhältnisse und infolge- dessen beeinträchtigte Sekretion) oder für die Resorption (z. B. durch Zufuhr von Wasser und stickstoffhaltigen Substanzen mit dem Speichel und Magensaft) zu verringern oder doch geringer erscheinen zu lassen, während keins dieser Momente etwa eine gesteigerte Leistung in diesen beiden Richtungen vortäuschen kann. Wenn die Versuche trotzdem übereinstimmend eine bestimmte Bedeutung des Magens für Verdauung und Resorption ergeben, so kann nur gefolgert werden, dafs diese Bedeutung beim intakten Magen zumindest ebenso erofs, vermutlich aber gröfser ist als unter den gesetzten Versuchsbedingungen. Soweit die mitgeteilten Versuche über das Schicksal des in den Hundemagen eingeführten Fleisches ein Urteil gestatten, lälst sich nun folgendes darüber aussagen. Die geronnenen Eiweils- körper des Fleisches — und die gleichen Verhältnisse dürften bei anderen Arten festen Nahrungseiweilses gegeben sein — werden im Magen successive durch den Magensaft in Lösung gebracht, wobei sehr wenig Acidalbumin, sehr reichlich Albumosen, minder reichlich entferntere Verdauungsprodukte (Peptone, Peptoide, viel- leicht auch krystallinische Endprodukte) entstehen. Der in Lösung gegangene Anteil wird zum erölsten Teil an den Dünndarm ab- gegeben, wo er einer rapıden weiteren Spaltung und der Resorption verfällt. Ein geringer Teil gelangt schon im Magen zur Resorp- tıon, und zwar unterliegen dieser in erster Reihe die entfernteren *) Da die Isolierung des Magens nach den von Fremont (s. in dem Berichte des dritten internationalen Physiologenkongresses zu Bern 1895 die Mitteilung von Herzen darüber) und von A. Frouin [Compt. rend. hebd. de sc. de la Soc. de Biolog., 11. Serie, 1, 397 (1899)] beschriebenen Verfahren einen Teil der Gefäls- und Nervenverbindungen des Magens ausschaltet, so dürften auch diese Verfahren Einwänden Raum lassen. Die von Pawlow (loc. eit., S. 16) ersonnene Methode aber, durch welche ein nach aulsen mün- dender kleiner Magen gebildet wird, welcher funktionell ein richtiges Ab- bild des eigentlichen Magens darstellt [J. Lobassow, Arch. d. sc. Biolog. 5, 425 (1896), nach Pawlow zitiert], war für meinen Zweck nicht verwendbar. 364 E.Zunz, Über die Verdauung und Resorption der Eiweilskörper u. s.w. Verdauungsprodukte, während die Albumosen schwieriger 'auf- genommen werden. Dementsprechend enthält der flüssige Mageninhalt während des Verweilens des Fleisches im Magen stets bei weitem überwiegend Albumosen neben geringen Mengen der entfernteren Verdauungs- produkte. Unter den vorhandenen Albumosen finden sich primäre und sekundäre. Ein bestimmtes Verhältnis der einzelnen Fraktionen ist nicht gegeben. Peptone sind stets nur in sehr geringer Menge vorhanden oder fehlen ganz; hingegen werden die nicht Biuret- reaktion gebenden Produkte nie vermilst. Wenn man nicht annehmen will, dals der geringe Gehalt an Peptonen durch eine besondere selektive Resorption der Peptone seitens der Magenschleimhaut veranlafst wird, so gelangt man zu dem Schlusse, dafs ihnen keine besondere Bedeutung für die Resorption zukommt, wie dies schon anderseitig, z. B. von Ewald und Gumlich, betont worden ist. In der That unterscheiden sich diese relativ einfach gebauten Stoffe von den Vorstufen der Amidosäuren, den „Peptoiden“, vielleicht nur durch ihre Fähigkeit, die Biuretreaktion zu geben, und es ist nicht ausgeschlossen, dals beiden Gruppen von Stoffen (Peptonen und Peptoiden) die gleiche physiologische Bedeutung zukommt. Soweit eine Resorption der Verdauungsprodukte des Eiweilses im Magen erfolgt, betrifft sie nach den Mengenverhältnissen zu schliefsen, vorwiegend die nicht mehr die Biuretreaktion gebenden Produkte, obgleich die That- sache, dafs die resorbierende Magenschleimhaut V erdauungsprodukte vom Charakter der Albumosen enthält*), eine Aufnahme derselben seitens der Magenwand nicht gut bezweifeln läfst. *) K. Glaelsner, diese Beiträge 1, 332 (1902). XVIl. Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole und der Amidobenzoesäuren im Organismus. Von Dr. med. Herm. Hildebrandt. Preufse*) hat nachgewiesen, dafs p-Bromtoluol im Or- ganismus des Hundes zu der entsprechenden p-Brombenzoesäure oxydiert wird, die sich aber zum gröfsten Teile mit Glykokoll im Or- ganismus paart und als Hippursäure ausgeschieden wird. Bezüg- lich des o-Bromtoluols hat Preulse keine näheren Untersuchungen angestellt, da sein Präparat nicht frei von der p-Verbindung war, Neuerdings ist o-Bromtoluol im Handel zu haben, nicht dagegen ein gutes Produkt von m-Bromtoluol. Hingegen sind die ent- sprechenden chlorsubstituierten Isomeren durch die Chemische Fabrik von Kahlbaum zu beziehen. Während über das Ver- vorliegen, welcher fand, dafs sie beim Hunde in die entsprechenden Hippursäuren übergehen, liegen in der Klasse der Chlorverbindungen nur betreffs des Verhaltens der m-Chlorbenzoesäure Unter- suchungen vor. Vergleichende pharmakologische Versuche hinsicht- lich des Verhaltens der halogensubstituierten Toluole beanspruchen aber schon darum ein Interesse, weil sich diese Körper gegen Oxydationsmittel in chemischer Hinsicht verschieden verhalten. Chromsäure oxydiert die m- und p-Halogentoluole zu den entsprechenden Karbonsäuren, sie verbrennt dagegen die Orthohalogentoluole vollständige. Beim Kochen mit ver- dünnter Salpetersäure, durch Kaliumpermanganat oder Ferrieyan- *) Zeitschr. f. physiol. Chemie 5, 57 ff. (1881). **) Gazz. chim. it. 13, 522. 366 Herm. Hildebrandt, s kalium werden alle Isomeren, auch die Orthoverbindungen, in Karbonsäuren übergeführt*). Wenn man den nach Eingabe von halogensubstituierten Toluolen vom Kaninchen gelassenen Harn mit Salzsäure oder Schwefelsäure ansäuert und kocht, so kann man durch nachfolgendes Schütteln mit Äther mit Leichtigkeit die entsprechenden halogensubstituierten Benzoesäuren gewinnen. Auch nach Darreichung von p-Brom- toluol erhält man auf diese Weise nur die p-Brombenzoesäure. Die Kondensationsprodukte mit Glykokoll werden meist als schwer spaltbar beschrieben. Bertagnini**) gewann nach Dar- reichung von Nitrobenzoesäure die entsprechende Hippursäure und bemerkt, dafs selbst 10 Minuten langes Erhitzen mit rauchender Salzsäure keine Zersetzung herbeiführte, dagegen einstündiges Kochen. ©. Schultzen und ©. Graebe***) fanden nach Ein- nahme von m-Chlorbenzoesäure die entsprechende Hippursäure im Harn und konnten ihr Kalksalz analysieren. Beilstein und Schlun hatten nach Darreichung der m-Chlorbenzoesäure beim Hunde diese unverändert im Harn wiedergefunden. Schultzen und Graebe erklären das abweichende Resultat damit, dafs im untersuchten Harne bereits eine Zersetzung eingetreten sei; es sei bekannt, dafs Hippursäuren unter dem Einflufs faulender und särender organischer Substanzen sich weit leichter versetzen als durch Einwirkung von Mineralsäuren. Nach meinen Erfahrungen sind die halogensubstituierten Hippursäuren auch gegenüber ver- dünnten Mineralsäuren, namentlich Schwefelsäure und Salzsäure, ziemlich empfindlich. Wenn man nach Zusatz dieser Säuren den Harn ausäthert und behufs besserer Trennung der Ätherschicht mit Alkohol versetzt, so geht stets etwas Säure in die ätherische Lösung; beim Abdestillieren kann bereits eine Zersetzung der Hippursäuren erfolgen. Um diese Zersetzung zu vermeiden, bin ich derart verfahren, dals ich den Harn der Tiere zunächst mit Ammoniak alkalisch machte und im Glaskolben etwa 5 Minuten kochte, wodurch er leichter durch Äther extrahierbar wird, nach dem Erkalten mit Phosphorsäure sauer machte und dann mit Äther ausschüttelte. Nunmehr erhielt ich stets stickstoffh altige Säuren, die nach dem Absieden des Äthers auf Zusatz von Wasser auskrystallisierten, wenn ich bromsubstituierte Toluole in Tages- *) Richter, Chemie d. Kohlenstoffverb., 9. Aufl., II B., S. 55. >) Ann. Ch. u. Ph. 78, 100 #f. (1851). =>") Du Bois-Reymonds Arch. 1867; Annalen d. Chemie 142, 346 ff. Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole u. s. w. 367 gaben von 2 g an mittelgrofse Kaninchen verfütterte. Chlor- substituierte Toluole hingegen lieferten stets die ungepaarten entsprechenden Benzoesäuren. Ein ganz anderes Verhalten zeigte der Hund; hier wurden stets die chlorsubstitnierten Toluole als Hippursäuren ausgeschieden. A. Versuche am Hund. l. Chlorsubstituierte Toluole. Ein grofser Hund erhielt 5& p-Chlortoluol in Gelatine- kapseln.. Aus dem am nächsten Tage gelassenen Harn habe ich die p-Chlorhippursäure isoliert; sie schmilzt bei 143°; die Analyse ergab Folgendes: 0,20% ©: 0,3693 CO,, 0,074 H,O. Gefunden: Berechnet für: C,H,C1NO, (+ H,O) 0249716, Proz: & = 50,16 Proz. Es rA.062, kEr=r un Ne NND Durch Kochen mit konzentrierter Salzsäure habe ich eine Spaltung herbeigeführt und erhielt die entsprechende p-Chlorbenzoe- säure vom Sp. 235°. Diese hat OÖ. Emmerling*) erhalten durch Oxydation des p-Chlor- toluols mittels Kaliumpermanganat, Beilstein und Geitner**) durch Einwirkung von Chromsäure auf p-Chlortoluol. Nach Darreichung von Metachlortoluol beim Hunde er- hielt ich eine nicht kıystallinische Säure, die gleichfalls stick- Einnahme |von m-Chlorbenzoesäure und von Ottoy) durch Ein- wirkung von Chlor auf Hippursäure dargestellten m-Cl-Hippursäure identisch ist. Beim Kochen mit starker Salzsäure konnte ich aus der m-Cl-Hippursäure leicht die m-Chlorbenzoesäure vom Sp. 1520 gewinnen. Diese ist von Wröblewskijr) aus m-Ül- Toluol mittels Chromsäuregemisch erhalten worden. Orthochlortoluol geht im Organismus des Hundes gleichfalls in die entsprechende Hippursäure über. Auch diese *) Berl. Ber. S, S80. **) Annalen d. Chemie 139, 336. SEE)NIoch ei. 7) Annalen d. Chemie 122, 129. r) Daselbst 168, 156. 368 Herm. Hildebrandt, krystallisiert nicht; dagegen konnte ich ihr Kalksalz krystallinisch erhalten, dessen Verbrennung ergab: 0,2080 & : 0,0598 H,O, 0,3512 CO,. Gefunden: Berechnet für: (C,H,CIN 0,),Ca & = 46.05 Proz C = 46,46 Proz. = 238 5 BL 80 ; Beim Kochen mit Salzsäure erhielt ich die o-Chlorbenzoe- Säure, Sp. 1910. Zuerst hat sie Kekul&*) aus Salieylsäure dargestellt, Emmer- ling**) erhielt sie durch Oxydation des o-Chlortoluols mittels Kalium- permanganat, Graebe”**) aus der Anthranilsäure durch Austausch des Amids durch Chlor. 2. Bromsubstituierte Toluole. Orthobromtoluol geht im Organismus des Hundes über in o-Bromhippursäure vom Sp. 153°. 0,185 & gaben 0,0572 H,O, 0,2640 CO,. Gefunden: Berechnet für: C,H, Br.NO, - 5,0) 05==738:92PRr:o72 09 PFRroR EL a H= 39 „ N 44 , N 50 „ Bei der Spaltung mit Salzsäure erhielt ich o-Brombenzoe- säure, Sp. 148". Diese Säure hat Zincketr) durch Behandeln des o-Bromtoluols mit verdünnter NO,H erhalten; Rhalis}r) stellte fest, dafs Chrom- säure zu stark oxydierend auf o-Bromtoluol wirkt und dafs auch unter dem Einflufs von Kaliumpermanganat eine teilweise Oxydation zu Oxal- säure und Kohlensäure erfolst. Graebejj7) endlich empfiehlt ihre Darstellung aus der Anthranilsäure. Metabromtoluol ist käuflich nicht rein zu haben; ein mir von der Firma Th. Schuchardt in Görlitz als chemisch rein ge- jiefertes m-Bromtoluol — hergestellt aus angeblich chemisch reinem Metatoluidin — erwies sich als stickstoffhaltig”*y), war auffallend *) Annalen d. Chemie 117, 157. =), loc. eit. =) Annalen d. Chemie 276, 56. +) Berl. Ber. 7, 1502. +7) Annalen d. Chemie 198, 100. +ry) loc. eit. »=+) Die Firma Th. Schuchardt hatte sich erboten, mir das seiner Zeit von Klaus aus m-Bromtoluol mittels Propylbromid und Na gewonnene Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole u. s. w. 369 stark giftig (vergl. unten) und lieferte nach Darreichung an Hund und Kaninchen keine m-Brombenzoesäure bezw. m-Bromhippursäure. Ich habe mir daher m-Brombenzoesäure (Sp. 155°) durch Einwirkung von Brom auf Benzoesäure im Einschlufsrohr dar- gestellt und diese Säure verfüttert. Im Harn des Hundes erscheint hiernach m-Bromhippursäure (Sp. 183"). 0,192 8: 0,059 H,O, 0,2792 00, Gefunden: Berechnet für: (,H,Br.NO, + H,O) 0 = 39,65 Proz. O3 2ErO7- kuziraal, Hy. %:3.H22100, N==14,92, 3 Ne, Bei der Spaltung mit Salzsäure entsteht wiederum m-Brom- benzoesäure. Von J. Maier*) wurde Bromhippursäure erhalten, wenn er eine siedende alkoholische Lösung von Hippursäure mit Brom versetzte, das Gemenge einige Minuten kochte, dann Wasser zufügte und auf das halbe Volumen eindampfte. Beim Erkalten schieden sich feine weilse Krystallnadeln ab. Ich habe nach diesem Verfahren unveränderte Hippursäure (Sp. 187°) wieder erhalten. B. Versuche am Kaninchen. Das Kaninchen scheidet nach Eingabe der chlorsubstitu- ierten Toluole lediglich die entsprechenden Benzoesäuren aus, ohne sie mit Glykokoll zu paaren. Anders verhalten sich die bromsubstituierten Toluole; hier tritt eine Paarung mit Gly- kokoll ein, jedoch mit dem Unterschiede, dals o-Bromtoluol vollständig als o-Bromhippursäure ausgeschieden wird, die m- und p-Bromtoluole bezw. Benzoesäuren nur teilweise die Paarung eingehen. Es gelingt hier, wie schon Preuflse**) bei der p-Brombenzoesäure bezw. p-Bromhippursäure zeigte, mittels Petroläthers die stickstofffreien Säuren von den gepaarten zu trennen. Beim Kaninchen erweisen sich die p-Halogentoluole als die giftigsten; am wenigsten giftig sind die Orthover- bindungen; in der Mitte steht das m-Chlortoluol. Ein mir von Th. Schuchardt geliefertes m-Bromtoluol war stärker giftig als die p- Verbindung, doch kann ich auf diese Abweichung mit m-Cymol zu liefern; das mir oesandte vermeintliche m-Cymol war stark halogenhaltig, ebenso eine von mir nach dessen Darreichung im Harn gefundene krystallinische Säure. Dieser Umstand spricht gleichfalls gegen die Reinheit des m-Bromtoluols-Schuchardt. *) Zeitschr. f. Chemie u. Pharm. 1865, S. 415. **) ]oc. cit. Beitr. z. chem. Physiologie. III. JA 370 Herm. Hildebrandt, Rücksicht auf das oben Mitgeteilte keinen Wert legen. Nun hat sich bezüglich der bromsubstituierten Toluole herausgestellt, dafs die Orthoverbindung am leichtesten die Paarung mit Glykokoll eingeht, und man könnte meinen, dals damit im Zusammenhange — die p-Chlorhippursäure ist um ein vielfaches weniger giftig als die p-Chlorbenzoesäure — ihre geringere Giftigkeit stände. Da aber die chlorsubstituierten Toluole, ohne eine Paarung beim Kaninchen einzugehen, die analogen Unterschiede in toxischer Hin- sicht zeigen, so muls prinzipiell jener Zusammenhang geleugnet werden. Das eingangs erwähnte Verhalten der Orthoverbindungen gegenüber Chromsäure lest es nahe, anzunehmen, dafs die Ortho- verbindungen darum weniger giftig seien, weil sie leichter auch im Organismus oxydiert werden. Ich untersuchte daher die im Handel zugängliche o-Chlorbenzoesäure hinsichtlich ihres Schicksals im Tierkörper und fand, dafs sie nach Eingabe beim Kaninchen fast quantitativ aus dem Harn als solche wiedergewonnen werden kann. Sie ist also im Organismus weiteren Oxydationen unzugäng- lich. Auf anderem Wege hat schon Preuflse*) beim p-Brom- toluol festgestellt, dafs das Molekül im Organısmus im wesent- lichen intakt bleibt, indem er kein Bromid im Harn der Tiere nachweisen konnte. Es ist hiernach nicht anzunehmen, dafs die Orthobromtoluole darum weniger giftis sind, weil sie leichter im Organismus — über die Karbonsäuren hinaus — oxydiert werden als die anderen Körper. Vielmehr haben sich bei den Oxydationsprodukten, den halogensubstituierten Benzoe- säuren die analogen Unterschiede hinsichtlich ihrer Toxizität herausgestellt wie bei den Toluolen. In beliebigen Mengen sind im Handel zu haben die o-Chlor- benzoesäure und die p-Brombenzoesäure. Die p-Brombenzoesäure erwies sich als erheblich giftiger wie die o-Ohlorbenzoesäure bei Anwendung molekularer Mengen; auch letztere ist noch giftiger als Benzoesäure. 3,0 & p-Brombenzoesäure, in neutraler Lösung einem Kaninchen innerlich gegeben, führten in wenigen Stunden den Tod unter allgemeinen Lähmungserscheinungen herbei. Zu weiteren vergleichenden Versuchen, die ich an weilsen Mäusen mit subkutaner Injektion anstellte, dienten die neutralen Lösungen der aus dem Harne der Kaninchen gewonnenen Säuren. Bei Verwendung lproz. Lösungen der chlorsubstituierten Benzoe- säuren ergab sich, dafs im Falle von p-Chlorbenzoesäure bereits *%) loc. cıt. Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole u. s. w. 371 0,35 cem tödlich waren, von m-Chlorbenzoesäure 0,7, von o-Chlor- benzoesäure noch nicht 1,0. Äquimolekulare Lösungen der Brom- derivate zeigten ein analoges Verhalten: von p-Brombenzoesäure waren 0,5 ccm bereits tödlich, von m-Brombenzoesäure 0,4, von o-Brombenzoesäure 0,5. Die Bromderivate erweisen sich demnach als die giftigeren; doch ist das relative Verhältnis der Giftigkeit inner- halb derselben Reihe das analoge. Es ergab sich folgende Reihe, wenn die für p-Brombenzoesäure ermittelte Dosis als Einheit der Normallösung gesetzt wurde: p-Brombenzoesäure: 1,0, p-Chlorbenzoesäure: 1,2, m-Brombenzoesäure: 1,3, o-Brombenzoesäure: 1,5, m-Chlorbenzoesäure: 2.3, o-Chlorbenzoesäure: 3,3. Es zeigen also die Oxydationsprodukte der halogensubstituierten Toluole in toxischer Hinsicht ein den Toluolen selbst entsprechendes Verhalten. Diese Unterschiede haben in dem einen wie im anderen Falle ihren letzten Grund in der abweichenden chemischen Struktur dieser Körper. Das Verhalten der Amidobenzoesäuren und Toluidine im Tierkörper. Die drei isomeren Amidobenzoesäuren zeigen ein von den halogensubstituierten Benzoesäuren abweichendes Verhalten. Die Wirkung auf das Nervensystem tritt erst bei Anwendung erheb- lich gröfserer Dosen auf. Subkutane Injektion von 0,05 & bei weilsen Mäusen (als Na-Salz) war im Falle der m- und p-Ver- bindung noch ohne Wirkung, gröfsere Dosen führten nach vorüber- gehender Erregung zu Lähmung. Die Orthoverbindung bewirkte schon zu 0,05% heftige anhaltende Krampferscheinungen, denen schlielslich allgemeine Lähmung folgte. Auch beim Kaninchen er- wies sich die Orthoverbindung bei innerlicher Darreichung des Na-Salzes als die giftigste. Um die Natur der im Harne nach Einführung der Amido- benzoesäuren auftretenden Stoffwechselprodukte festzustellen, bin ich wie bei den halogensubstituierten Toluolen verfahren. Der beim Abdestillieren des Äthers zurückbleibende braun gefärbte Rück- stand wurde in alkoholischer Lösung mit Tierkohle behandelt und schied auf Zusatz von Wasser eine feste, körnchenartige Substanz aus. Diese löste sich fast ganz in salzsäurehaltigem Wasser, und zwar bei allen drei Säuren in gleicher Weise. Nur dieser Teil 24° 3723 H.Hildebrandt, Über das Verhalten halogensubstituierter Toluole u. s. w. wurde weiter verarbeitet und dabei die unveränderte Amidobenzoe- säure zurückerhalten. Die nach Darreichung der m-Amidobenzoesäure erhaltene Säure aus Harn lieferte folgende Werte: 0,2065 & Substanz : 0,4643 CO,, 0,1142 H,O, 0,094 & Substanz : 6,4cem Zehntelsäure. Gefunden C 61,32 Proz., H 6,14 Proz., N 9,53 Proz. Berechnet für C,H,N0,:C 61,31 Proz., H 5,04 Proz., N 10,22 Proz. Die nach Darreichung der o- und p-Verbindung erhaltenen Säuren ergaben ähnliche Werte. Die in salzsäurehaltigem Wasser nicht löslichen Anteile waren zu geringfügig, als dafs eine Verarbeitung auf Uramidobenzoe- säure sich gelohnt hätte. Eine solche hat E. Salkowski*) bei der Verarbeitung des nach Eingabe von m-Amidobenzoesäure ge- lassenen Harnes gewonnen, wenn auch nur in sehr kleinen Mengen, wobei nicht regelmäfsig auch Amidohippursäure auftrat. Mit Rücksicht auf das bezüglich der halogensubstituierten Toluole Ermittelte war es von Interesse, zu untersuchen, ob auch CH die Toluidine SEK durch Oxydation von CH, zu COOH im 3 Organismus in die entsprechenden Amidobenzoesäuren übergehen. Baumann und Herter**) haben festgestellt, dafs p-Toluidin keine Vermehrung der Ätherschwefelsäuren des Harnes bewirkt. Graebe und Schultzen***) haben nach Toluidineingabe die Bildung von Amidobenzoesäure und Amidohippursäure nicht mit Sicherheit nachweisen können. Auch mir gelang es bei keinem der drei Toluidine, aus dem Ätherrückstande die entsprechende Amidobenzoesäure zu isolieren. In ihrer Allgemeinwirkung zeigen die Toluidine ein den Amidobenzoesäuren entsprechendes Ver- halten, indem auch hier die o-Verbindung sich als die giftigste erweist. *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 93 ff. **) Daselbst 1, 266. *+*) Du Bois-Reymonds Arch. 1867, S. 169. XVIH. Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. Von Dr. med. et phil. Leo Langstein. (Aus der medizinischen Klinik in Basel. Vorsteher: Prof. F. Müller.) Die in Bd. III, Heft 1 bis 3 dieser Zeitschrift eben erschienene Arbeit von G. Embden und F. Knoop: „Über das Verhalten der Albumosen in der Darmwand und über das Vorkommen von Albumosen im Blute“ veranlalst mich, schon jetzt Erfahrungen mitzuteilen, die ich bezüglich des Vorkommens durch Hitze nicht koagulabler Eiweilskörper im Blute von Tier und Mensch gemacht habe. Zur Ausführung der im folgenden mitgeteilten Unter- suchung hat mich eine Arbeit Zanettis*) veranlalst, in der er über den Befund eines dem Ovomukoid ähnlichen Körpers im Ochsenblut berichte. Zu seiner Auffindung kam Zanetti auf folgende Weise. Verdünntes Ochsenblutserum wurde bei schwach saurer Reaktion durch Kochen enteiweilst.e Das Filtrat wurde auf ein kleines Volumen eingedampft und nach starker Konzentration mit der mehrfachen Menge Alkohol behandelte. Dabei fiel ein schwach gelblich gefärbter Eiweilskörper aus, der durch wiederholtes Lösen in Wasser und Fällen durch Alkohol gereinigt wurde. Die elemen- tare Zusammensetzung dieses Körpers war © 47,6, H 7,1, N 12,935, S 2,35. Er gab sämtliche Eiweifsreaktionen, enthielt reichlich blei- schwärzenden Schwefel, durch Spaltung mit verdünnter Säure er- hielt Zanetti ein Kohlehydrat, das er durch das Osazon charak- terisierte.e. Die Ähnlichkeit der physikalischen und chemischen Eigenschaften dieses Eiweilskörpers mit denen des Ovomukoids *) Zanetti, Sull’ Ovimucoide e sopra un nuovo Glieoproteide contenuto nel siero di sangue. Annali di Chimica e di Farmacologia 26, 12. 874 Leo Langstein, veranlalste den italienischen Forscher, ihn in die Klasse der Mukoide einzureihen. Auch Eichholz*) spricht von einem Mukoidstoff des Blutes. Er stellt ihn aus verdünntem Pferdeblutserum durch Ausfällung: mit schwacher Essigsäure dar. Eichholz sieht diesen Eiweils- körper als die Muttersubstanz der von Mörner, ihm und anderen Forschern aus Blutglobulin abspaltbaren Kohlehydrate an. In jüngster Zeit hat auch Mörner**) zur Frage des Vor- kommens eines Mukoidstoffes im Blute Stellung genommen. Er hält die Existenz eines solchen auf Grund der Untersuchung Zanettis nicht für erwiesen. Er diskutiert die Möglichkeit, dals durch das Kochen des Blutserums zum Zwecke der Koagulation eine Spaltung des Blutglobulins stattfindet, und dafs der von Zanetti nachgewiesene Mukoidstoff ein aus dem Blutglobulin erst sekundär entstandener Eiweilskörper sei. Mörner verweist auf eigene Versuche, in denen es ihm gelang, durch blofses Kochen von Blutglobulin mit Wasser sogenanntes tierisches Gummi dar- zustellen. Bei der grofsen biologischen Wichtiskeit, die den Eiweils- körpern des Blutes zukommt, erschien es mir angezeigt, durch eine grölsere Untersuchungsreihe zur Klärung dieser strittigen Frage beizutragen. Zur Untersuchung gelangten drei Ochsenblutsera, sieben Pferdeblutsera und zweimal Blutserum vom Menschen, das durch zu kurativen Zwecken ausgeführte Aderlässe an Herzkranken mit schweren Stauungserscheinungen gewonnen war. Meine Methodik war folgende. Mit der vierfachen Menge physiologischer Kochsalzlösung verdünntes Serum wurde bei schwach essigsaurer Reaktion schnell aufgekocht. Das Filtrat von den durch Kochen koagulierten Eiweilskörpern wurde bei vermindertem Druck bis zu einem leicht gelblich gefärbten Sirup eingedampft und dieser mit der mehrfachen Menge Alkohols digeriert. Dabei fiel bei sämtlichen untersuchten Blutproben ein Eiweilskörper in weilsen Flocken aus, der durch zwei- bis dreimaliges Lösen in wenig Wasser und Fällen durch Alkohol schneeweils erhalten werden konnte. Er gab sämtliche Eiweilsreaktionen; sehr be- trächtliche Schwankungen zeigte die Menge, in der dieser Körper aus den einzelnen Blutproben erhalten wurde. Durch Kochen mit verdünnter Säure gelang es einige Male, Kohlehydrat abzuspalten, *) Eichholz, Journal of physiol. 23, 176. **) K. A. H. Mörner, Zur Kenntnis der Bindung des Schwefels in den Proteinstoffen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 207. Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. 375 ebenso oft wurde solches vermilst. Es mufs unentschieden bleiben, ob das nachgewiesene Kohlehydrat wirklich aus dem Eiweilskörper stammt, ob es nicht vielleicht in diesem beigemengten „tierischen Gummi“ seine Muttersubstanz hat; hat doch Freund *) gezeigt, dals dieses normalerweise im Blute vorkommt. Durch Halbsättigung mit Ammonsulfat konnte dieser Körper aus seiner Lösung nicht voll- ständig gefällt werden; die obere Fällungsgrenze lag unterhalb der 2/,-Sättigung mit Ammonsulfat. Bei einem der untersuchten Pferdeblutsera erhielt ich kaum Spuren dieses Körpers; auffallend war mir ferner die Verschieden- heit in der Intensität der Bleischwärzung, die die von den ein- zelnen Blutproben stammenden Eiweilskörper bei der Prüfung auf leicht abspaltbaren Schwefel zeigten. Bei dieser Sachlage war ich sehr geneigt, mit Mörner diesen nicht koagulabeln Eiweilskörper als ein sekundär entstandenes Produkt anzusehen. Erst die im folgenden mitgeteilten Versuche haben mich davon überzeugt, dals ein oder mehrere nicht koagulable Eiweilskörper, die wir nach dem heutigen Stande unseres Wissens wohl als Albumosen bezeichnen müssen, in dem jeweilig untersuchten Blute zur Zeit der Untersuchung präformiert waren. Vor allem galt es festzustellen, ob durch die Operation des Aufkochens aus Serumglobulin oder Serumalbumin ein Eiweils- körper mit den Eigenschaften des vorliegenden abgespalten wird. Die bezüglichen Versuche mit Serumglobulin und krystallisiertem Serumalbumin fielen negativ aus. Erst durch ein mindestens halb- stündiges Kochen mit schwach angesäuertem Wasser läfst sich aus koaguliertem Blutglobulin in ganz geringer Menge ein Körper ab- spalten, der Beziehungen zu dem von Mörner beschriebenen tieri- schen Gummi hat. Das Serumalbumin erweist sich als noch viel resistenter. Erst nach einstündigem Kochen lassen sich in der Flüssigkeit Albumosen in spärlicher Menge nachweisen. Auf die Entstehung von albumosenähnlichen Substanzen beim Kochen nativer Eiweilskörper mit Wasser hat übrigens Neumeister“*) schon vor längerer Zeit hingewiesen. Um den Einwand völlig zu ent- kräften,, dals der oder die nichtkoagulablen Eiweilskörper des Blutes möglicherweise doch durch die Operation des Kochens aus dem Blutglobulin abgespalten werden, habe ich noch folgenden Versuch angestellt. *) E. Freund, Centralbl. f. Physiol. 1892, S. 345. **) Neumeister, Lehrb. d. physiol. Chem. 1897. 376 Leo Langstein, Pferdeblutserum wurde mit der zehnfachen Menge absoluten Alkohols versetzt. Die ausgefällten Eiweilskörper wurden drei bis vier Wochen lang bei gewöhnlicher Temperatur in Berührung mit dem Alkohol belassen. Nach dieser Zeit wurden sie filtriert, mehr- mals mit Alkohol gewaschen und scharf abgeprefst. Der Prefs- kuchen wurde tagelang mit Wasser unter häufigem Schütteln dige- riert. Dabei ging ziemlich viel Eiweils in Lösung. Doch enthielt diese keine Spur von Blutglobulin, das durch den Alkohol voll- ständig koaguliert war, hingegen grölsere Mengen Serumalbumins. Dieses wurde durch Hitzekoagulation nach Zusatz von primärem Kaliumphosphat*) ausgefällt; die filtrierte Lösung gab, zum Sirup eingeengt, sämtliche Eiweifsreaktionen; durch Digestion mit Alkohol konnte der in Lösung befindliche Eiweilskörper ausgefällt werden. Damit dürfte der Beweis erbracht sein, dafs im unter- suchten Blute ein oder mehrere nicht koagulable Eiweils- körper präformiert waren. Es erheben sich nun die wichtigen Fragen nach der Natur derselben, ihrer Stellung im System der Proteine, ihrer Genese. Zanetti spricht von einem Glykoproteid, Eichholz von einem Mukoidstoff. Meines Erachtens /muf[s vor allem die Frage, ob hier ein einheitliches Produkt vorliegt, unent- schieden bleiben. Die Elementaranalyse allein kann uns darüber keinen Aufschluls geben. Mir scheinen die wechselnden Mengen- verhältnisse dieses Körpers in verschiedenen Blutarten sogar direkt gegen die Annahme seiner Einheitlichkeit verwertet werden zu können, ebenso wie der verschieden starke Ausfall der Reaktion auf leicht abspaltbaren Schwefel. Ob wir den Körper seiner Konstitution nach in die Gruppe der Glykoproteide einbeziehen dürfen, mu[s mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Verunreinigung mit tierischem Gummi dahingestellt bleiben. Mit dem Begriff eines Mukoids zu operieren, halte ich bei dem gegenwärtigen Stand der Eiweilschemie für ein mifslich Ding. Die Eigenschaften eines solchen sind viel zu wenig scharf umschrieben, als dafs man unseren Eiweilskörper schlechtweg zu den Mukoiden zählen dürfte. Es präjudiziert wohl am wenigsten, wenn wir den besprochenen Eiweilskörper als Albumose resp. als ein Gemenge von Albumosen ansehen. Sehr wichtig ist nun die Beantwortung der Fragen nach der Bildungsstätte dieser Albumosen, nach ihrer Bedeutung für den Stoffwechsel. Vor allem wäre zu entscheiden, ob die Albumosen ”) Vgl. J. Schütz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 5. to) Über das Vorkommen von Albumosen im Blute. 377 I als solche im normalen Blute kreisen, ob sie sich nicht, woran natürlich gedacht werden mufs, erst nach der Entnahme aus dem Organismus durch die im Blute vorhandenen Fermente aus seinen Eiweilskörpern gebildet haben. Letzteres erscheint mir allerdings mit Rücksicht darauf, dals das Blut sofort nach der Entnahme aus der Vene verarbeitet werde, unwahrscheinlich, ist jedoch noch zu diskutieren. Sind die Albumosen jedoch, was ich auf Grund meiner Unter- suchungen fast für gesichert halte, auch im kreisenden Blute vor- handen, dann wird das Studium der Bedingungen ihres Auftretens, ihrer Mengenverhältnisse äuflserst wichtig werden. Dieses wird auch der Pathologie mit Rücksicht auf das Phänomen der Albu- mosurie zu gute kommen. XIX. Untersuchungen über die Blutgerinnung bei wirbellosen Tieren. Vorläufige Mitteilung. Von Dr. V. Duceceschi, Rom. [Aus der zoologischen Station zu Neapel (Abteilung für Physiologie).] Das Blut zahlreicher wirbelloser Tiere erleidet, wenn es den Gefälsen oder den Lakunen entnommen wird, Veränderungen seines makroskopischen Aussehens, welche bei weitem nicht jene Gleichförmigkeit aufweisen, die uns bei der Blutgerinnung der Wirbeltiere entgegentritt. Bei einigen Arten (ich habe hier stets wirbellose Seetiere im Auge), z. B. bei einigen Krustaceen (Pali- nurus, Homarus und anderen), erstarrt das Blut binnen einer Minute nach Entnahme in seiner Gesamtheit zu einer kompakten, ge- latinösen Masse, welche nach einiger Zeit ein paar Tropfen einer noch gerinnungsfähigen Flüssigkeit austreten lälst. Diese schon seit langer Zeit bekannte Form der Gerinnung hat in ihrem äufseren Ver- halten am meisten Ähnlichkeit mit der Blutgerinnung der Wirbel- tiere. Hingegen hat das Blut anderer wirbelloser Seetiere nach Entnahme aus dem Organismus in seinem Verhalten viel weniger Ähnlichkeit mit einem wahren und eigentlichen Gerinnungsprozesse. Bei einigen Echinodermen (z. B. beim Strongylocentrotus lividus) wird die periviscerale Flüssigkeit fast augenblicklich trübe, sobald sie der Körperhöhle, in welcher sie eingeschlossen ist, entnommen wird, nach 1 bis 2 Minuten beginnt sich von der äulsersten Peripherie eine wolkige Trübung loszulösen, welche deutlich die Form eines Netzes mit mehr oder weniger regelmälsigen Maschen annimmt, sich langsam zusammenzieht und sich schlielslich meist in eine einzige kompakte, auf dem Boden des Gefälses liegende V. Dueceschi, Untersuchungen über die Blutgerinnung u. s. w. 379 Flocke verwandelt. Bei einigen Würmern hingegen (z. B. bei Sipunculus nudus) wird zwar das Blut gleich nach seiner Ent- nahme ebenfalls trübe, aber statt eines zusammenhängenden Ge- rinnsels bildet sich binnen weniger Zehntelsekunden ein äufserst feiner Niederschlag, der sich schnell zu Flocken vereinigt und auf dem Boden des Gefälses absetzt. Bei Phymosoma granulatum habe ich beobachtet, dafs das Gerinnsel ein Aussehen annimmt, das dem bei Krustaceen beobachteten oben beschriebenen ähnelt. Das Blut erstarrt binnen 40 bis 50 Sekunden zu einer kompakten, transparenten Masse, in deren Innerem man deutlich die ziemlich grolsen Maschen eines ausgedehnten Netzes wahrnimmt. Taucht man aber ein Glasstäbchen in das Gerinnsel, so scheidet letzteres plötzlich eine grofse Menge klarer Flüssigkeit aus, die nicht mehr imstande ist, zu koagulieren. Sie war in den Maschen des Netzes enthalten, das sich alsdann schnell zu einigen oder mehreren Flocken zusammenzieht. Von gelatinöser Substanz zeigt sich keine Spur. Das mikroskopische Bild dieser Gerinnungsformen ist schon wiederholt und eingehend beschrieben worden (Geddes, 1880; Halliburton, 1885; Löwit, 1889; Cattaneo, 1889 bis 1891; Hardy, 1892). Die beobachteten Veränderungen bestehen haupt- sächlich darin, dafs einzelne morphologische Elemente des Blutes zahlreiche amöboide Fortsätze aussenden, welche miteinander ver- schmelzen; dasselbe thun zuweilen auch die Zellkörper, indem sie Plasmodien oder mehr oder weniger regelmälsige Netze oder Fibrillenbündel bilden, welche das Aussehen des Fibrins annehmen. Halliburton hat bei den Krustaceen nachgewiesen, dals der Ge- rinnungsproze[s der Einwirkung eines Ferments auf eine dem Fibrinogen analoge Eiweilssubstanz zuzuschreiben ist, welche sich im Augenblicke der Gerinnung im Blute dieser Tiere befindet. Die Untersuchung des Gerinnungsvorgangs bei Wirbellosen wird in hohem Malse durch die Verwendung von Kokain erleichtert welches, wie weiter unten erörtert wird, ermöglicht, den Vorgang in jeder beliebigen Phase zu fixieren. Von meinen mikroskopischen Beobachtungen sei als notwendig hierher gehörig nur die folgende angeführt. Bei einigen Krustaceen (z. B. bei Palinurus vulg.) erhält man, wenn man das Blut ruhig gerinnen läfst, eine kom- pakte, gleichförmige, transparente Masse von der Konsistenz einer ziemlich dicken Gallert, die sich unter dem Mikroskop auch nach Tinktion als eine amorphe, glasartige Substanz darstellt, welche nur spärliche mit Gentianaviolett leicht färbbare Fasern aufweist. Auf dem Boden des Glases bemerkt man hingegen eine weils- 350 V. Dueceschi, liche, opake Schicht, die sich unter dem Mikroskop als ein dichtes Geflecht feiner Fasern von ungleicher Stärke erweist, die sich mit Gentianaviolett färben lassen und sich hier und da zu einem ganz regelmäfsigen Netze anordnen, in dessen Maschen man zahlreiche mehr oder weniger veränderte morphologische Elemente sieht. 1. Einwirkung der Salze. Meine Untersuchungen beziehen sich von Echinodermen auf Strongylocentrotus lividus, von Würmern auf Phymosoma granulatum und Sipunculus nudus, von Krustaceen auf Car- cinus maenas, Palinurus vulg., Maja squinado sowie Maja verrucosa. Gesättigte Lösungen von Magnesiumsulfat, Natriumsulfat, Koch- salz und Natriumphosphat (Na,HPO,) verhindern bei den von mir untersuchten Spezies die gewöhnlichen Veränderungen des Blutes nach seiner Entnahme, wenn das Volum des Zusatzes 4 bis 5 mal so grols ist wie dasjenige des Blutes. Einige davon bedingen das Erscheinen von Eiweilsniederschlägen. Dies war hinsichtlich des Palinurus (Halliburton) und einiger anderer Spezies bereits bekannt. Die Verdünnung des Blutes mit mehreren Volumina von ag. dest. oder Seewasser verzögert zwar, verhindert aber nicht die Bildung der Plasmodien oder der fibrinähnlichen Netze oder Bündel. Bei Palinurus zeist sich das gelatinöse Gerinnsel nicht, wenn man dem Blute das ?,5- bis Sfache seines Volumens an Wasser hinzusetzt, das wie Fibrin aussehende Gerinnsel dagegen tritt in gleicher Weise auf. Läfst man das Blut in eine Lösung von Kaliumoxalat flie[sen, die vermöge ihrer Konzentration hinreicht, das im Blut enthaltene Calcium zu sättigen, so gerinnt das Blut trotzdem; nur die ge- sättigte Lösung von oxalsaurem Kali verhindert die Blutgerinnung (Bottazzi, 1902, bei Palinurus und Maja squinado). Dieselbe Thatsache habe ich auch bei Strongylocentrotus liv. Sipun- culus, Phymosoma, Carcinus maenas und Maja verrucosa konstatiert; ja bei diesen Spezies scheint die Zufügung eines Vo- lums 21/,proz. Oxalatlösung die Bildung des Gerinnsels zu be- günstigen. Auch der Zusatz von Natriumoxalat bis zur Sättigung, von Natriumeitrat bis zu 5 Proz., von Fluornatrium bis zu 3 Proz. bildet kein Hindernis für die Bildung der Plasmodien und des fibrinähnlichen Gerinnsels. Untersuchungen über die Blutgerinnung bei wirbellosen Tieren. 381 Die gesättigte Lösung von Kaliumoxalat verhindert, zu gleichen Volumteilen zugefügt, das Auftreten der charakteristischen Blut- veränderungen. Verdünnt man aber die Mischung mit Wasser, so erscheint das Gerinnsel sofort; dies beweist, dafs nicht die Fällung des Caleiums, sondern die Konzentration der Salzlösung das Hindernis für die Bildung des Gerinnsels darstellt. Dasselbe gilt hinsichtlich des fibrinähnlichen Gerinnsels bei Palinurus. Fügt man jedoch dem Blute (bei meinen Experi- menten liels ich das Blut immer direkt in die Lösungen der Salze fiefsen) auch nur die Hälfte seines Volumens in Gestalt einer 2 proz. Lösung von oxalsaurem Kali oder citronensaurem Natrium bezw. Fluornatrium hinzu, so bildet sich gar kein gelatinöses Ge- rinnsel; man erhält dieses jedoch sofort, wenn man nach Ein- - wirkung jener Salze der Mischung einige Tropfen einer konzen- trierten Lösung von Calciumchlorid hinzusetzt. Injektion von konzentrierten 2 proz. Lösungen von oxalsaurem Kali, oxalsaurem oder citronensaurem Natrium in das Innere des Körpers verhinderte nicht die Blutgerinnung unter Bildung von Plasmodien oder Fibrin; bisweilen ruft sie sogar (wie z. B. beim Strongylocentrotus) die Bildung des Gerinnsels im Innern des Organismus hervor. Diese Thatsachen legen die Annahme nahe, dafs dem Calcium bei den Gerinnungserscheinungen, welche das Blut der Wirbellosen darbietet, nicht die Rolle zukommt, die es bei der Blutgerinnung der Wirbeltiere spielt. Dies ist um so bemerkenswerter, als sich, wenigstens was die Krustaceen betrifft, das Gerinnsel durch die Einwirkung eines Enzyms auf eine Substanz bildet, welche die Eigenschaften des Fibrinogens besitzt und beim Gerinnen zum Teil das mikroskopische Aussehen des Fibrins annimmt. Nur die Bildung der amorphen gelatinösen Substanz, welche man bei Palinurus beobachtet, und wahrscheinlich auch die ähn- licher Produkte, die man bei anderen Krustaceen erhält (Squilla mantis u. s. w., mitunter auch bei Careinus maenas), scheinen von der Anwesenheit der Caleiumsalze im Blute abhängig zu sein. 2. Einwirkung des Kokains. Vermischt man das Blut der von mir beobachteten Spezies von Seetieren mit gleichen Teilen einer 2- bis 3proz. Lösung von salzsaurem Kokain in Seewasser, so zeigt das Blut nicht mehr bei Entnahme aus dem Tierkörper die charakteristischen Gerinnungs- 382 V. Ducceschi, erscheinungen. Statt der Gerinnselbildung erfolgt die Abscheidung eines sehr feinen, pulverig sich absetzenden Niederschlages, der sich unter dem Mikroskop als aus isolierten morphologischen Elementen (Amöbocyten) zusammengesetzt erweist, die gröfsten- teils die normale rundliche Gestalt behalten haben. Die Aus- sendung der Pseudopodien ist nicht erfolst. Auch einige Stunden nach Einwirkung des Giftes fehlt das Gerinnsel; noch nach 16 bis 24 Stunden bewahrt der grölsere Teil der Amöboeyten seine rundliche Gestalt, ein kleinerer Teil hat sich aufgelöst, und man bemerkt das Auftreten einzelner fibrin- ähnlicher Fasern und Faserbündel. Bei Verwendung von weniger konzentrierten Kokainlösungen gelingt es, den Gerinnungsprozels nur teilweise aufzuhalten und im mikroskopischen Präparate die Zwischenphasen desselben zur Darstellung zu bringen. Die Wirkungen des Kokains sind noch augenfälliger, wenn es solchen Tieren beigebracht wird, in welchen die Verteilung des Giftes in schneller und gleichförmiger Weise vor sich geht. Dies ist der Fall bei Strongylocentrotus, bei welchem die geformte Elemente enthaltende Nährflüssigkeit, die man vielleicht nicht im strengen Sinne des Wortes Blut nennen kann, sich in der weiten perivisceralen Höhlung beisammen findet. Bei Exem- plaren von Strongylocentrotus, die etwa 35 bis 45g wiegen und etwa 10 ccm periviscerale Flüssigkeit enthalten, verhindert die Injektion von lccm der 2,5 proz. Kokainlösung in die Körper- höhle die Gerinnselbildung. In diesem Falle ist das Kokain in einer Verdünnung wirksam, die viel gröfser ist, als wenn man die Mischung in vitro vornimmt, wobei allerdings Umstände, welche die Bildung des Gerinnsels begünstigen (Kontakt mit Fremd- körpern u. s. w.) ihren Einflufs geltend machen. Wenn man 10 Minuten nach Ausführung der Kokaininjektion das Blut entnimmt, so bildet sich statt des Gerinnsels ein pulveriger Niederschlag; derselbe besteht aus den isolierten Amöbocyten, welche ihre normale rundliche Gestalt beibehalten. Es ist bemerkenswert, dafs die Kokaindosis, welche ausreicht, um die Gerinnung zu verhindern, nicht imstande ist, alle morpho- logischen Elemente des Blutes zu töten. Die Körperhöhlenflüssig- keit von Strongylocentrotus enthält verschiedene Formen von Amöbocyten. Einige sind farblos und fein granuliert, während andere grobe, stark Licht brechende Granulationen enthalten (maul- beerförmige Körper). Sodann finden sich Amöbocyten, welche grolse rötliche oder gelb-grünliche Körner einschlielsen, endlich Untersuchungen über die Blutgerinnung bei wirbellosen Tieren. 383 findet man eine mälsige Anzahl ziemlich kleiner, beweglicher Zellen, die mit einer Art schweifförmigem Fortsatz versehen sind, welcher ihnen eine schnelle Rotationsbewegung ermöglicht (Cuenot, 1891). Nun habe ich bei den Versuchen, die ich angestellt habe, sei es, indem ich das Blut direkt in die Kokainlösung fliefsen liefs, oder indem ich dem Tiere das Gift injizierte, immer eine grolse Zahl dieser Elemente im Zustande der Thätigkeit gefunden, und erst nach Stunden wurden die Bewegungen allmählich schwächer und schwanden dann völlig. Wenn ich das Blut in eine 5proz. Lösung von salzsaurem Kokain hatte fliefsen lassen, fanden sich noch nach einer Stunde bewegliche Elemente. Dies stimmt sehr gut zu der Thatsache, die sich aus der mikroskopischen Untersuchung des serinnenden Blutes ergiebt, dafs es hauptsächlich die Amöbocyten mit farblosen Körnern sind, welche das Gerinnsel bilden. Läfst man das Blut in Lösungen von verschiedenem Gehalt an Atropin, Menthol, Disitalin oder Akonitin einfliefsen, so sieht man keine Abweichung von dem gewöhnlichen Verhalten. Auch nach Hinzufügung eines gleichen Volums mit Chloroform gesättigten Seewassers erfolgt schnelle Gerinnselbildung. Die Injektion der Lösungen dieser Gifte (bis zur Konzentration von 2 Proz.) in die periviscerale Höhlung desselben Tieres verhindert das Auftreten des Gerinnsels durchaus nicht, ja letzteres bildet sich zuweilen sogar in der Höhlung des Körpers. Nur bei Applikation des Atropins in derselben Art und Dosis wie beim Kokain erhält man ein unvollständiges Gerinnsel, das sich langsam zusammenzieht. Die Injektion von mit Chloroform gesättigtem Seewasser in das Innere von Strongylocentrotus erzeugt gewöhnlich die Ge- rınnung des Blutes in situ; taucht man jedoch das Tier in das Chloroform enthaltende Seewasser und lälst es ein paar Stunden darin, so gerinnt das nachher entnommene Blut nicht mehr, sondern hinterläfst auf dem Boden des Recipienten einen pulverartigen Niederschlag, der aus rundlichen isolierten Amöbocyten besteht, die keine Fortsätze zeigen und vollkommen denjenigen ähnlich sind, welche man nach der Einwirkung des Kokains beobachtet. Was das Blut von Palinurus betrifft, so verhindert das Kokain, wenn es in denselben Verhältnissen wie bei Strongylo- centrotus verwendet wird, die Bildung des fibrinähnlichen Ge- rinnsels und läfst den grölsten Teil der Amöbocyten unverändert. Doch bildet sich das gelatinöse Gerinnsel, wenn auch erst einige Stunden nach dem Giftzusatz, wahrscheinlich wenn sich ein gewisser Teil der Amöbocyten aufgelöst oder anderweitig verändert hat. 384 V. Ducceschi, Untersuchungen über die Blutgerinnung u. s. w. Wie läfst sich nun diese Wirkung des Kokains erklären? Das Kokain lähmt die amöboiden Bewegungen der geformten Elemente des Blutes; diese Thatsache ist bereits an den Lymph- zellen (Aducco, 1889) und an den Amöbocyten des Krebses be- obachtet worden (Albertoni, 1890). Nun besteht die erste Leistung der Amöbocyten einige Sekunden nach Entnahme aus dem Organismus in der Aussendung zahlreicher langer Pseudo- podien, die mit denjenigen anderer Amöbocyten verschmelzen. Inwiefern diese Thätigkeit zur Bildung des Gerinnsels speziell des deutlicher ausgeprägten fibrinösen (da ja das gelatinöse eine wesentlich verschiedene Erscheinung darzustellen scheint), nötig ist, und ob das Kokain nur insoweit einwirkt, als es die Aus- sendung der Pseudopodien verhindert, kann ich einstweilen nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Es könnte ja auch sein, dals das Kokain seine Wirkung derart ausübte, dals es die von Hardy bei den Krustaceen beschriebene Erscheinung des „explosiven Zerfalls“ der besonders an der Ge- rinnselbildung beteiligten Elemente (explosive corpuscles) hintan- hielte. Oder es könnte sich auch die Wirkung des Kokains durch die von Löwit als Plasmoschise bezeichnete ähnliche Er- scheinung erklären, welche im Austreten kleiner Partikeln aus den Amöbocyten in Gestalt von Körnern oder Tröpfchen besteht und nach Ansicht des genannten Autors in engster Beziehung zu der Bildung des Gerinnsels steht. Mögen es nun diese oder andere Gründe sein, derentwegen das Blut nach Einwirkung des Kokains oder des Chloroforms nicht mehr gerinnt, jedenfalls deutet diese 'Thatsache darauf hin, dals eine der ersten Phasen des Gerinnungsprozesses bei den wirbel- losen Seetieren durch ein aktives Eingreifen, durch eine spezifische funktionelle Reaktion bestimmter morphologischer Elemente des Blutes zustande kommt; erfolgt der Tod dieser Elemente, ohne dafs eine solche Reaktion eintritt, so bilden sich das fibrinähnliche Gerinnsel und das Plasmodium nicht. Die Untersuchungen bezüglich des Wirbeltierblutes, mit denen ich eben beschäftigt bin, werden zeigen, inwieweit das im vorher- gehenden Ausgeführte auf die gegebenen Verhältnisse bei höheren Tieren übertragbar ist. Kürzere Mitteilungen. 4. Über die quantitative Hippursäurebestimmung beim Menschen. Von Dr. Ferdinand Blumenthal und Dr. med. A. Braunstein aus Charkow. (Aus dem Laboratorium der I. medizin. Klinik zu Berlin.) Für Harne von Pflanzenfressern, welche reichlich Hippursäure aus- scheiden, haben Bunge und Schmiedeberg*) eine Methode der Hippursäurebestimmung angegeben, welche noch heute als die beste zum Nachweis der Hippursäure bezeichnet werden mufs. Beim menschlichen Harn, der nur geringe Mengen Hippursäure ent- hält, versagt diese Methode aber fast immer, weil es nicht gelingt, die Hippursäure am Ende des Verfahrens wegen ihrer geringen Menge zur Krystallisation zu bringen. Man mufste also, wollte man beim Menschen den Hippursäurestoffwechsel erforschen, meist in anderer Weise ver- fahren. Am nächstliegenden war es, auf die Reindarstellung der Hippur- säure zu verzichten und sie aus dem Stickstofigehalt der zum Schluls nach Bunge-Schmiedeberg erhaltenen Lösung zu berechnen. — Bei dem Bunge-Schmiedebergschen Verfahren wird nun die Hippur- säure in Essigäther ausgeschüttelt; der Essigäther nimmt aber, wie E. Salkowski zuerst festgestellt hat, Harnstof mit auf, der sich selbst nach Waschen des Essigäthers mit Wasser nicht ganz aus dem- selben entfernen läfst. Es versuchte deshalb der eine von uns (Bl.) ein Verfahren anzuwenden, dessen sich E. Salkowski**) zur Hippur- säurebestimmung beim Kaninchen bedient hat. Das Verfahren wurde so modifiziert, dafs der Äther- Alkoholauszug nicht durch Abdampfen auf Natronkalk, sondern durch Schütteln mit Wasser von Harnstoff befreit wurde. Der Stickstoffgehalt der restierenden Ätherlösung wurde *) Bunge und Schmiedeberg, Arch. f. exper. Path. 16, 235. **) E. Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 12. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 35 - 386 F. Blumenthal und A. Braunstein, dann nach Kjeldahl bestimmt. Die Methode*), die sich schliefslich ergab, war folgende: 300 ccm Harn werden schwach mit Sodalösung alkalisiert und erst auf freiem Feuer, sodann auf dem Wasserbade zur Trockne ver- dampft. Der Rückstand wird 2 mal mit je 150 cem 96 proz. Alkohol auf dem erwärmten Wasserbade ausgezogen und filtriert, die Filtrate ver- einigt und auf dem Wasserbade zur Sirupdicke verdunstet. Der Sirup wird, in etwa 50ccm Wasser gelöst, mit etwa l1Occm 20- bis 25 proz. Salzsäure oder Schwefelsäure versetzt und im Schütteltrichter mit je 3200 cem Äther, der 20 ccm 96proz. Alkohol enthält, kräftig unter Lüf- tung durchgeschüttelt. Der Ätherauszug wird einmal mit destilliertem Wasser (etwa 75ccm) gewaschen und dann der Äther abdestilliert. Das Ausschütteln mit Äther wird im ganzen 4mal wiederholt. Die Destillations- rückstände werden in 20 ccm destilliertem Wasser gelöst, in einen Kieldahlkolben durch einen Trichter gegossen, wenn die Lösung wenig Farbstoff enthält, und mit Wasser nachgespült. Enthält die Lösung viel Farbstoff, so bringt man sie in den Schütteltrichter zurück und schüttelt sie vorsichtig mit 15cem Chloroform aus, das den Farb- stoff aufnimmt. Nach Ablassen des Chloroforms bringt man die wässerige Flüssigkeit in den Kjeldahlkolben, setzt sehr vorsichtig 15 cem kon- zentrierte Schwefelsäure hinzu (sehr starke Erhitzung), schüttelt dann gut durch, fügt etwas Kupfersulfat hinzu und verbrennt. Das weitere Verfahren der Stickstoffbestimmung ist das gewöhnliche. Man legt 325 ccm 1/,-N.-Schwefelsäure vor, die verbrauchten Kubikcentimeter werden mit 17,9 multipliziert, und der erhaltene Wert ist die in 300 ccm enthaltene Hippursäure in Milligramm. Es zeigte sich, dals dieses Verfahren 15 Proz. weniger als die Bunge-Schmiedebergsche Methode lieferte und die Werte nur als Vergleichswerte innerhalb einer Versuchsreihe Bedeutung haben. Diese Methode ist dann unter dem Namen Salkowski-Blumenthalsche Methode von anderen Autoren angewandt worden; nur Soetbeer be- zeichnet sie als Blumenthalsche Methode. Soetbeer hat Versuche zu ihrer Prüfung vorgenommen und kommt in Bd. 35, S. 536 der Zeitschrift für physiologische Chemie zu dem Ergebnis, „dafs die Blumenthalsche Methode der Hippursäure- bestimmung unbrauchbar ist“. — Dieses Urteil gründet sich darauf, dafs ein Teil des Stickstoffs, welcher angeblich nach Blumenthal als Hippursäure berechnet wird, mit Magnesia abgespalten werden kann, was bei der Hippursäure nicht geschieht, und zwar 64,4 Proz., ferner dafs salpetersaures Quecksilberoxyd, welches Hippursäure nicht fällt, 43 Proz. der nach Blumenthal als Hippursäure berechneten Sub- stanz niederschlägt. Bei der Durchsicht der Arbeit Soetbeers fiel uns sofort auf, dals Soetbeer in einem sehr wesentlichen Punkt von den Angaben Blumenthals abgewichen ist, indem er nämlich, während Blumen- thal vorschreibt, je 200 cem Äther mit etwa 75 ccm Wasser zu schütteln, ie 800 cem Äther mit 75 ccm Wasser ausgeschüttelt hat. — Es handelt *) F. Blumenthal, Zeitschr. f. klin. Mediz. 40, Hirssu Über die quantitative Hippursäurebestimmung beim Menschen. 387 sich nämlich bei dieser Prozedur darum, den in den Alkoholäther über- gegangenen Harnstoff zu entfernen. Vermutlich ist Soetbeer durch ein Milsverständnis zu seiner Ab- weichung gelangt. Die Angaben Blumenthals lauten, wie oben an- geführt, „der Ätherauszug wird einmal mit destilliertem Wasser gewaschen (etwa 75cem) und dann der Äther abdestilliert. Das Ausschütteln mit Äther wird im ganzen 4 mal wiederholt“. Es ist hierbei gemeint, dals jeder Äther- auszue mit 75cem Wasser gewaschen wird; es hätte ja gar keinen Sinn, nur den ersten Auszug mit Wasser zu waschen und die übrigen 4, die ja eben- falls Harnstoff enthalten, nicht. Da weder Lewin, noch der eine von uns (Bl.), noch, wie ich höre, andere, welche diese Methode gebraucht haben, diese Stelle anders, als sie gemeint ist, aufgefafst und danach gehandelt haben, so können die Versuche Soetbeers nicht, wie er behauptet, ohne weiteres die Versuchsergebnisse der Autoren, welche mit dieser Methode gearbeitet haben, in Frage stellen. Dafs etwa eine Verunreinigung der Ätherauszüge mit Harnstoff bei dem Verfahren von Salkowski-Blumenthal in dem von Soetbeer angegebenen Umfang erfolgt, war von vornherein unwahrscheinlich. 3 Versuche, welche so angestellt waren, dafs die Lösung von 8 bis 10 Harnstoff 5 mal mit 200cem Äther (10 Volumen Alkohol enthaltend) nach Ansäuern mit Salzsäure ausgeschüttelt und jede Ätherportion mit 75 cem Wasser gewaschen wurde, hatten nämlich gezeigt, dals der Ätherrückstand an Stickstoff enthielt im Versuch 1: 0,0004 & D) ” 2: 0,0006 ” D) 3: 0,0003 „ d. h. Stickstoffmengen, welche innerhalb der Fehlererenzen der Methodik liegen. Wir können also sagen, dafs der Ätherrückstand, wie er nach der Salkowski-Blumenthalschen Methode erhalten wird, harnstoff- frei ist. Da aber der von Soetbeer für zweckmälsig erachtete Weg der Kontrolle noch nicht an der unmodifizierten Salkowski-Blumen- thalschen Methode eingeschlagen war, so untersuchten wir, ob bei genauer Innehaltung der Vorschriften die Methode dieser Kontrolle standhielt. Versuch 4. Lösung von Hippursäure + Harnstoff. (1,3006 g Hippur- säure + 10g Harnstoff in 1 Liter Wasser gelöst.) 300 cem dieser Lösung verarbeitet nach Salkowski-Blumenthal. Der erhaltene Ätherrückstand wird mit Wasser auf 120 cem gebracht. Davon werden: a) 40cem 3 Stunden mit 15 g Magnesia destilliert, indem dieselben auf 200ccm mit Wasser verdünnt werden. In die vorgelegte '/,-Schwefel- säure ist kein Ammoniak übergegangen. b) 40cem werden mit salpetersaurem Quecksilberoxyd versetzt; es ent- steht kein Niederschlag. 388 F. Blumenthal und A. Braunstein, Versuch 5. Wir haben nun Harn nach Salkowski-Blumenthal behandelt und zwar je 300cem. Der Ätherrückstand wurde mit 150 cem Wasser verdünnt und mit 10g Magnesia destilliert. Es wurden 100cem abdestilliert und dann noch 2 mal auf 150 aufgefüllt und wieder bis auf 50 cem Rück- stand abdestilliert. Im ganzen wurde etwa 3 Stunden destilliert. In die vorgelegten 15cem '/,,-Normalsäure müssen zur Sättigung 14,4ccm '/,,-Normal- lauge eingelassen werden. Es ist also übergegangen 0,00084 & Stickstoff oder auf Harnstoff berechnet 0,0015 g. Es würden also bei der Salkowski- Blumenthalschen Methode 0,0107 g Hippursäure zu viel in 300 ccm Harn gefunden worden sein. Versuch 6. 900ccm Harn nach Salkowski-Blumenthal behandelt. Nach dem Abdestillieren wird der Ätherrückstand in 300 cem Wasser gelöst. a) 100cem werden mit 5& Magnesia 3 Stunden destilliert. Es ist ın der vorgelegten '/,„-Säure kein NH, nachweisbar. b) 100 ccm werden nach Kjeldahl verbrannt. Es werden 0,0522 & Stickstoff gefunden. c) 100ccm werden mit 25 ccm salpetersaurem Quecksilberoxyd (Lösung, wie sie zum Titrieren nach Liebig benutzt wird) versetzt. Es entsteht erst eine leichte Trübung, die sich allmählich zu einem Niederschlag verdichtet. Von dem Niederschlag wird abfiltriert; derselbe wird ausgewaschen. Das Filtrat wird auf dem Wasserbade eingeengt und der Stickstoffgehalt bestimmt. Es werden 0,0822 9 Stickstoff gefunden. Es ist hier mehr Stickstoff ge- funden als im Versuch b. Die Menge ist aber grölser, als dals sie durch den geringen Gehalt des zugesetzten Stickstoffs im salpetersauren Quecksilber- oxyd bedingt sein könnte. Es liegt also ein Bestimmungsfehler vor, weshalb ein neuer Versuch nötig wurde. Versuch 7 wie Versuch 6. a) 100 cem Ätherrückstand wie No. 3 mit 5g Magnesia destilliert. Es ist kein Ammoniak übergegangen. b) 100 cem nach Kjeldahl behandelt. Es werden 0,1078 & Stickstoff gefunden. c) 100 ccm werden mit 15 ccm salpetersaurem Quecksilberoxyd versetzt. Von dem allmählich sich bildenden Niederschlag wird abfiltriert u. s. w. Stickstoffgehalt des Filtrats 0,095 Stickstoff. Es sind also 88,3 Proz. des gesamten Stickstoffs im Filtrat vorhanden. Dafs der Ätherrückstand durch Quecksilberoxydnitrat fällbare Substanz enthält, dürfte wohl nicht auffallen, aber diese Substanz ist sicherlich nicht Harnstoff. Sie ist wohl nicht einmal stickstoffhaltig. Dies kann wohl be- hauptet werden, da bei jedem Filtrieren geringe Verluste entstehen. Alle diese Versuche zeigen übereinstimmend, dafs der Ätherrück- stand keinen Harnstoff in irgendwie in Betracht kommender Menge enthält. Damit dürfte gezeigt sein, dals die Vorwürfe Soetbeers sich nur auf die von ihm gemachte Abweichung von der Salkowski-Blumenthalschen Methode, nicht aber auf diese selbst beziehen. Soetbeer erhebt nun aber noch einen zweiten Vorwurf. Er schreibt: „Blumenthal hat es unterlassen, auch nur den Versuch zu Über die quantitative Hippursäurebestimmung beim Menschen. 389 machen, den am Schlufs seines Verfahrens aus dem Harn erhaltenen Stickstoff als wirklichen Hippursäurestickstoff zu identifizieren.“ Ein solcher Versuch ist nun aber thatsächlich in der Arbeit von Bl. mitgeteilt. Da ihn Soetbeer offenbar übersehen hat, so sei der- selbe hier noch einmal angeführt (Zeitschr. f. klin. Med. 40, H. 3 u. 4. Sep.-Abdr. S. 4). h „Lrotzdem es eigentlich unmöglich war, dafs der Atherrückstand nach Behandlung mit Chloroform eine andere stickstofihaltige Substanz enthalten konnte als Hippursäure, hielt ich es doch für wünschenswert, zu vergleichen, wie weit der Wert der Hippursäure nach der Methode durch Stickstoffbestimmung von dem Wert der Reindarstellung der Hippursäure differiert. Ich wandte hierzu Harn von einer Patientin an, die Uhinasäure (5,08) pro die erhalten hatte, nach welcher reichliche Hippursäure- ausscheidung eintritt. Ich konnte normalen Harn nicht nehmen, weil es mir wiederholt nicht gelungen war, aus normalem Harn (300 ccm) ohne sehr grolse Verluste so viel reine Hippursäure zu erhalten, dafs ich diese hätte durch Wägung bestimmen können. Der Ätherrückstand, den ich aus 300 ccm Harn nach Chinasäureverfütterung erhalten hatte, wird in Wasser gelöst und mit Chloroform im Schütteltrichter behandelt (sehr vorsichtig geschüttelt), das Chloroform abgelassen und die wässe- rige Flüssigkeit genau auf 100 ccm gebracht. In 20 ccm wird der Stickstoffgehalt bestimmt und auf 100 ccm und Hippursäure berechnet. Demnach waren in den 300 ccm Harn enthalten Hippursäure 0,243 g. 80 ccm werden auf dem Wasserbade langsam zur Trockne verdampft, der Rückstand wird 2 mal mit Petroläther zur Entfernung der Benzoe- säure extrahiert. Der noch etwas schmierige Rückstand wird mit 25 ccm Wasser durch Erwärmen in Lösung gebracht und mit etwas Knochenkohle behandelt. Nun wird filtriert, mit heiflsem Wasser nach- gewaschen und vorsichtig bis auf 5ccm eingedampft. Am nächsten Tage wird die ausgeschiedene Hippursäure auf ein gewogenes Filter gebracht, bei 80° zwei Stunden getrocknet und gewogen. In 100 ccm waren erhalten worden, nachdem das Resultat auf 300 ccm Harn berechnet war, 0,221 g Hippursäure.“ Damit dürften sich die Soetbeerschen Vorwürfe auch nach dieser Richtung als ungerechtfertigt erledigen. Gelegentlich dieser Untersuchungen ergab sich nunmehr, wie schon früher der eine von uns (Bl.) festgestellt hat, dafs die Salkowski- Blumenthalsche Methode 15 Proz. weniger liefert als die Standard- methode von Bunge und Schmiedebere. Versuch 8. Urinmenge 1030 cem. ... a) 500cem enthalten nach Salkowski-Blumenthal 0,214 g Hippur- säure. b) 500eem enthalten nach Bunge-Schmiedeberg 0,233g Hippursäure Versuch 9. Urinmenge 680 cem. 340 cem Hippursäurebestimmung nach Salkowski-Blumenthal 0,2638, nach Bunge-Schmiedeberg 0,500 g. Dies liegt daran, dafs der Essigäther die Hippursäure besser auf- nimmt als der Ätheralkohol. Auf der anderen Seite zeigten aber neuer- 390 F.Blumenthal u. A. Braunstein, Über die quant. Hippursäurebest. u.s. w. dings angestellte Versuche dasselbe Ergebnis, wie es schon früher Salkowski gehabt hatte, dafs trotz sehr sorgfältigen Auswaschens des Essigäthers mit Wasser Harnstoff in demselben, wenn auch in geringer Menge, zurückbleibt. Diese geringe Harnstoffmenge ist aber grofs genug, um bei einer Stickstoffbestimmung das Resultat nicht unbeträchtlich zu beeinflussen. Wir kommen also zu dem Ergebnis, dafs das Bunge-Schmiede- bergsche Verfahren überall da anzuwenden ist, wo reichlich Hippur- säure vorhanden ist, dort aber, wo dieses versagt, kann man inner- halb einer Versuchsreihe mit Hülfe der Salkowski-Blumenthalschen Methode noch brauchbare Vergleichswerte erhalten. Berichtigung. Irrtümlicherweise ist in der Mitteilung von M. Herzoe: „Liefert das Pankreas u. s. w.“ in Band II dieser Beiträge 8. 111 die Überschrift: „Eigene Versuche“ an die Spitze der Seite gestellt worden, statt unter den ersten Absatz vor die Worte: „Die näher mitzuteilenden Versuche u. s. w.“ Infolge dieses Versehens erscheint der erste Absatz: „Meine eigenen Versuche“ bis „aufzufassen hätte“ als Meinungsäulserung des Verfassers, während er thatsächlich nur eine Fortsetzung des auf S. 110 angeführten wörtlichen Citates aus dem Buche von K. Oppenheimer „Die Fermente“ S. 298 darstellt. SID f DD SDSDD N N 3 EN, DI —_ Soeben erschienen: Hermann von Helmholtz von Leo Koenigsberger. Erster Band. Mit drei Bildnissen in Heliogravure. Gr. 8°. XII u. 575 Seiten in vornehmer Ausstattung, Braunschweig, Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn, geh. M. 8.—, geb. in Leinwand M. 10.—, geb. in Halbfranz M. 12. —. Das Erscheinen der grossen Helmholtz-Biographie von Leo Koenigs- berger ist für die ganze wissenschaftliche Welt und für weite Kreise des gebildeten Publikums von grösstem Interesse. Vieljährige persönliche und wissenschaftliche Beziehungen zu Hermann von Helmholtz und der dringend wiederholte Wunsch seiner jetzt verstor- benen Wittwe Frau Anna von Helmholtz haben den Verfasser den Entschluss fassen lassen, sich der schwierigen Aufgabe zu unterziehen, auf Grund des gesammten wissenschaftlichen Nachlasses und der ihm zur freien Verfügung gestellten Briefe von Helmholtz an seinen Vater und der Antworten auf dieselben, sowie der umfangreichen Korrespondenz mit persönlichen und wissenschaftlichen Freunden u. s. w. unter thatkräftiger Unterstützung von seiten der Familie eine umfangreiche Darstellung des Lebens und der Werke des grossen Forschers zu geben, der in seiner ganzen wissenschaftlichen Bedeutung erfasst und als Mensch in dem harmonischen Zusammenhange seines ganzen Thuns und Denkens vorgeführt wird. Dem soeben erschienenen ersten Bande wird der das Werk ab- schliessende zweite Band Anfang nächsten Jahres folgen. DDDDDDDDODDDOD Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht der Medieimer zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 fb. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 MH. Die Pflanzen-Alkal von Jul. Wilh. Brühl, Professor an der Universität Heidelberg in Gemeinschaft mit Edvard Hjelt und Ossian Aschan, Professoren an der Universität Helsingfors. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Geb. in Lnwd. Preis 14 M. Chemie der Eiweisskörper. Von Dr. Otto CGohnheim, Privatdocent der Physiologie an der Universität Heidelberg, gr. 8. Preis geb. 7 M. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8. geh. Preis 4 M. Acht Vorträge über physikalische Chemie, gehalten | auf Einladung der Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 von J. H. van ’t Hoff. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 2,50 Mb. Untersuchungen zur Blutgerinnung. Beiträge zur Chemie und Morphologie der Coagulation des Blutes von Dr. Ernst Schwalbe, Privatdocent und I. Assistent am pathologischen Institut zu Heidelberg. gr. 8. geh. Preis 2,50 M, Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister 0. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg II. Band 9. und 10. Heft (Ausgegeben Januar 1903) Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn En 1903 Inhalt des 9. und 10. Heftes. Seite XX. A. Oswald. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik in [Zürich ) \: 02 en) see en ee ee 391 XXI F. Fuhrmann. Über Präcipitine und Lysine. (Aus dem Institute für allgemeine und esperimentelle Pathologie der Universität Gras) td DE ee ee ee 417 XXIIL J. Schütz. Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe. (Aus dem pathologisch - chemischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt „Rudolf- Stiftung“ in Wien.) -........ 433 XXIH. F. Baum. Über ein neues Produkt der Pankreasselbstverdauung. (Aus dem yhysiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) . . 439 XXIV. R. Swain. Weiteres über Skatosin. (Aus dem physiologisch- chemischen Insiatut zu Strajsburg)e 22.22 449 XXV. M. Jacoby. Zur Frage der spezifischen Wirkung der intra- cellulären Fermente. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) u. Ss. 2 ee a ee 446 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei- nen in zwanglosen Heften, von deren 12 einen Band von 36 Druck- bogen zum Preise von M. 15, — bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Mafsgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der ın einem Jahre erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den au Stralsburg i. E., Wimpfelingstrafse 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung mafs- gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer thatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson- ders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40, — für den Druck- bogen und 50 Sonder- Abzüge. XX, Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweifses. Von A. Oswald. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik in Zürich.) 1. Einleitung. Durch die in den neunziger Jahren rasch nacheinander erfolste Entdeckung von natürlich vorkommenden jodhaltigen Protein- stoffen bezw. von deren Spaltungsprodukten, als: dem Jodothyrin dem Jodospongin durch Hundeshagen***), ist die Aufmerk- samkeit der Chemiker auf die Gewinnung und Untersuchung der bis dahin kaum beachteten Jodeiweilsverbindungen gelenkt worden. Dies geschah um so mehr, als der künstlichen Darstellung dieser Stoffe von verschiedener Seite eine praktische Bedeutung bei- gemessen wurde. Es erschienen in rascher Aufeinanderfolge zahl- reiche einschlägige Abhandlungen. F. Blumyr) liefs Chlor, Brom und Jod in der Kälte oder bei gelindem Erwärmen auf feuchtes Eiweils einwirken, wobei er reichliche Bildung von Halogenwasserstoff beobachtete. Wie der Autor ausdrücklich hervorhebt, sind die erhaltenen Körper als Halogensubstitutionsprodukte der Eiweilskörper aufzufassen. ut 2 SEE Ya *) Über das normale Vorkommen von Jod im Tierkörper. I. Mit- teilung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 21, 319 (1895) und II. Mitteilung ebend. 21, 481 (1896). ’&) Beiträge zur Chemie einiger Seetiere. Über das Achsenskelett von Gorgonia Cavolinii. Zeitschr. f. Biolog. 33, 90 (1896). ’es#) Über jodhaltige Spongien und Jodospongin. Zeitschr. f. angew. Chemie 1895, 473, eit. nach Malys Jahresbericht für Tierchemie 25, 594; Chem. Centralbl. 1895, II, 570. +) Über synthetisch dargestellte Speeifica. Verhandlg. des Kongr. f. innere Medizin, 1897. 25% 392 A. Oswald, Ähnliche Präparate scheint Renault*) für ärztliche Zwecke hergestellt zu haben. Lepinois**) versetzte Milch mit Jodlösung und fällte das gebildete Jodkasein mit Essigsäure; das Produkt enthielt 21,6 Proz. Jod in fester Bindung. Liebrecht***) vermengte nach dem von ihm und Röh- mann benutzten Verfahren bei Wasserbadtemperatur Kasein und Jod und erhielt dabei einen Körper, das „Perjodkasein“, der 17,8 Proz. Jod enthielt, wovon jedoch der gröfste Teil locker gebunden war. Bei Behandlung mit unterschwefligsaurem Natron ging das Produkt in „Jodkasein“* über, das 5,7 Proz. Jod einschlols und in trockenem Zustande ein weilses Pulver darstellte. In ähnlicher Weise wie Baumann das Jodothyrin aus der Schilddrüse ge- wonnen hatte (mehrstündiges Kochen mit 10 proz. Schwefelsäure), stellte Liebrecht aus dem Jodkasein das Kaseojodin dar, das 8,5 bis 9,3 Proz. Jod enthält. Später stellte F. G. Hopkinsyr) aus verdünntem globulin- freien Hühnereiweils durch Einwirkung von Jod bei 40 bis 45° Jodalbumin dar mit ‘einem Gehalt von 6,2 Proz. Jod. Mit Alkohol konnte er demselben in geringer Menge Verbindungen entziehen, welche 17,99 Proz. Jod enthielten. | F. Hofmeisteryf) jodierte als erster reines krystallisiertes Eieralbumin. Er erzielte eine maximale Jodaufnahme, indem er im Wasserbade auf eine wässerige Eiweilslösung eine Mischung von Jodkalium, Kaliumjodat und Schwefelsäure mehrere Stunden einwirken liefs. Der Jodgehalt des dabei erhaltenen Produktes betrug 8,9 Proz. Hofmeister nimmt an, dafs je zwei Atome Jod auf ein Atom Schwefel in das Eiweilsmolekül eintreten. Alsdann folgte eine Publikation von Blum und Vaubel77y), welche die Eiweilskörper in lauwarmer, 40% nicht übersteigender Lösung mit Jodjodkalium bei Anwesenheit von Natriumbikarbonat jodierten. Letzteres hatte den Zweck, den bei der Substitution ge- % *) Cit. nach Hofmeister (s. weiter unten Ty). **) Journ. de pharmacie et de chimie [6] 5, 561 (1897). ’==*) Über Jodderivate von Fiweilskörpern. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 30, 1824 (1897). | +) Untersuchung über die Einwirkung der Halogene auf Eiweils. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 30, 1860 (1897). 7) Untersuchungen über Proteinstoffe. Über jodiertes Eieralbumin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. 159 (1898). +rr) Über Halogeneiweilsderivate. Journ. f. prakt. Chem. N. F. 5%, 365 (1898). Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 393 bildeten Jodwasserstoff, welcher die weitere Einwirkung des Jods hindert, zu beseitigen. Auf diese Weise stellten sie Verbindungen des Jods mit verschiedenen Eiweifskörpern dar. Der Jodgehalt derselben betrug 6 bis 11 Proz. Bei schwach saurer Reaktion jodierten F. G. Hopkins und St. N. Pinkus*) FEiweilsstoffe und erhielten Produkte mit 6,3 Proz. Jod. Unter der Leitung von F. Hofmeister führte D. Kurajeff**) unter Einhaltung verschiedener Versuchsbedingungen Jod in Serum- albumin und krystallisiertes Eieralbumin ein. Er gelangte zu Produkten, die bis 12,3 Proz. (Jodserumalbumin) bezw. 8,5 Proz. Jod (Jodovalbumin) enthielten. Später jodierte derselbe Autor ***) Oxyhämoglobin und Hämatin. Ersteres nahm bis 12,5 Proz. Jod, letzteres bis 14,5 Proz. Jod auf. Fast alle diese Autoren begnügten sich damit, das Jod in die Eiweilskörper einzuführen und die erhaltenen, womöglich ad maximum jodierten Verbindungen der Elementaranalyse zu unter- werfen. Diese Art der Untersuchung, auf mehrere Eiweilskörper ausgedehnt, förderte das eine Resultat zu Tage, dafs die verschie- denen Eiweilsstoffe ganz ungleiche Mengen von Jod aufzunehmen imstande sind, dals jedoch jeder derselben unter Einhaltung der gleichen Versuchsbedingungen, abgeschen von geringen Schwan- kungen, stets die gleiche Jodmenge zu binden vermag. Daraus folgt, dafs die Verschiedenheiten im Jodbindungsvermögen als Ausdruck von Verschiedenheiten in Bau und Zusammensetzung: der Eiweilsmoleküle aufgefalst werden müssen. Eine solche An- nahme steht mit anderweitigen Untersuchungen der letzten Jahre im Einklang, aus welchen hervorgeht, dafs die verschiedenen Eiweilsarten in ihrem Bau ganz erheblich differieren. Da wir aber gerade durch diese Untersuchungen über den Bau der Eiweiflskörper bedeutend aufgeklärt worden sind und dieselben als Verbindungen kennen gelernt haben, welche bei ganz abweichender Art der Spaltung (wobei jedoch immer hydrolytische Vorgänge im Spiele sind) in eine relativ kleine Anzahl gut charak- terisierter Atomgruppen zerfallen, die gleichsam die Bausteine des Moleküls darstellen, so erschien mir der Versuch, die aus dem *) Zur Kenntnis der Einwirkung von Halogenen auf Proteine. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 31, 1312 (1398). **) Über Einführung von Jod in das krystallisierte Serum- und Eier- albumin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 462 (1899). »»e:) Über das Jodprodukt des Oxyhämoglobins. Daselbst 31, 527 (1901). 394 A. Oswald, Eiweilsmolekül abspaltbare noch unbekannte jodbindende Atom- gruppe zu isolieren, nicht aussichtslos. Freilich mulste ich mich von vornherein auf das eventuelle Milslingen dieses Unternehmens gefalst machen, falls das Jod sich an solchen Stellen anlagerte, wo die „präformierten* Atomgruppen miteinander verankert sind. Da es nicht ausgeschlossen ist, dafs es sich hier, wenigstens zum Teil, um lockere Doppelbindungen handelt, so wäre denkbar, dals gerade diese Stellen besonders günstige Angriffspunkte für das Jod bieten könnten. Wir wissen jedoch, dafs das Jod sicher teilweise durch Substitution von Wasserstoffatomen in das Molekül eintritt, so dals diese Eventua- lität nicht gerade zu befürchten stand. Das Freiwerden von Jod, wie es Drechsel*) bei der Auf- spaltung des Gorgonins und ich bei der Zersetzung des Thyreo- globulins mit siedender Salzsäure beobachtet haben, zeigt immerhin zur Genüge, wie leicht das Jod aus den natürlichen Jodeiweifs- körpern abspaltbar ist. Von den früheren Autoren haben sich nur wenige damit be- schäftigt, Jodeiweils zum Zweck der Auffindung des jodbindenden Komplexes in seine Komponenten zu zerlegen. verschiedener Spongien jodorganische Spaltungsprodukte in Form ihrer unlöslichen Metallsalze isoliert, die aber nicht einheitlich waren. Er sprach sie als jodierte Aminosäuren, Jodaminofett- säuren oder Jodtyrosine an. Leider war mir die Mitteilung von Hundeshagen im Original nicht zugänglich, so dafs ich über die Art der Aufspaltung des Spongins nichts Näheres habe er- fahren können. Ein Jahr darauf stellte Drechsel***) aus dem Gorgonin, dem eiweilsartigen Bestandteil des Achsenskelettes einer Koralle (Gorgo- nia Cavolinii) durch Spalten mit siedendem Barytwasser eine krystallisierbare Verbindung, die Jodgorgosäure, dar, die er auf Grund ihrer elementaren Zusammensetzung für Jodaminobutter- säure erklärte. Es sei jedoch bemerkt, dals die Spaltung mittels Barytwasser einen tieferen Zerfall bewirkt als die mittels Säuren bezw. Fermenten, indem durch die Wirkung des Baryts einzelne Endprodukte der Säure- bezw. Fermentspaltung, wie Arginin und *) loe. eit. **), loc. eit. *#) Joe. cit. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 395 vielleicht auch Histidin, noch weiter abgebaut werden (Schulze und Winterstein*), Steudel**). Für eine solche Wirkung spricht auch das Vorkommen von Produkten bei der Barytspaltung, hervorhebt, bei der Zerlegung mittels Säuren nicht, oder wenigstens in geringerer Menge auftreten. Im Hinblick hierauf ist, selbst wenn Drechsels Auffassung der Jodgorgosäure als einer Jod- aminobuttersäure sich als richtig herausstellen sollte, die Möglich- keit nicht ausgeschlossen, dals sie ein weiteres, sekundäres Abbau- produkt einer anderen, komplizierteren Verbindung darstellt. Die Gewinnung des Jodothyrins durch Baumanny) aus dem Schilddrüseneiweils, dem später von mir isolierten Thyreoglobulin, zeigte, dals das Jod an einen gegen die Wirkung spaltender Agentien widerstandsfähigen Komplex des Eiweilsmoleküles ge- bunden ist. Über den Bau desselben gab die Elementaranalyse - wegen des noch sehr hohen (aus dem Jodgehalt7) berechneten) Molekulargewichtes keinen genaueren Aufschlufs. Es handelt sich aber zweifellos entweder um ein Gemenge verschiedener Stoffe (worunter vielleicht auch „melaninartige“ 7ff) oder eine sehr kom- plizierte Verbindung, die nur durch Zerlegung in einfachere Körper näher charakterisiert werden kann. Ich will gleich hier einschalten, dafs Versuche, die ich in dieser Richtung unternommen habe, wegen der Schwierigkeit der Beschaffung genügenden Ausgangsmateriales zu keinem befriedi- genden Resultate geführt haben. Durch mehrstündiges bis mehrtägiges Behandeln mit siedendem konzentrierten Barytwasser liels sich das Jodothyrin vollständig zerlegen. Aus dem klaren, weingelben, vom Baryt befreiten Filtrat krystallisierte etwas Leucin aus, die davon getrennte Mutter- lauge gab auf Zusatz von Silber- oder Quecksilbersalzen einen weilsen, sowohl in verdünntem Ammoniak, wie in verdünnten Säuren leicht löslichen Niederschlag, der, abfiltriert und mit Schwefel- *) Bildung von Ornithin bei der Spaltung des Arginins. Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 1 (1898). **) Zur Kenntnis der Spaltung von Eiweilskörpern. I. Mitteilung. Ebend. 35, 540 (1902). »=*) Citiert nach Hammarstens Lehrb. d. physiol. Chem. 1895, S. 18. r) loe. eit. : ir) Derselbe betrug im Maximum 14 Proz. ir) Die „Melanine“ binden Jod. In Schmiedebergs Melanoidinsäure — aus rohem Hühnereiweils dargestellt — habe ich 2,16 Proz. Jod einführen können. 396 A. Oswald, wasserstoff von Metall befreit, eine wasser- und alkohollösliche jodreiche Verbindung darstellte. Aus den sorgfältig gereinigten, mehrere Male umgefällten, äufserst geringen Rückständen erhielt ich jedoch nur Sirupe, die sich selbst nach mehrmonatlichem Stehen im Exsikkator der Krystallisation unzugänglich erwiesen. Sie gaben intensive Xanthoproteinreaktion und entwickelten beim Schmelzen mit Ätznatron Geruch nach Skatol. Mit Phosphorwolframsäure gaben sie keinen Niederschlag. Die Probe mit Millons Reagens fiel negativ aus (Jodothyrin giebt auch keine Millonsche Reak- tion). Durch Zusatz von rauchender Salpetersäure wurde Jod entbunden, nicht aber durch verdünnte Salpetersäure unter gleich- zeitisem Zufügen von salpetriger Säure. R | Dem Jodothyrin ist seiner Darstellungsweise nach das schon erwähnte Kaseojodin analog, welches Liebrecht*) aus Jodkasein erhielt, ebenso das von Harnack**) aus Spongin erhaltene Jodo- sponein und Blums***) „Jodalbacid“, von dem unten noch die - Rede sein sollf). Diese Körper stellen aber insgesamt wie das Jodothyrin noch Gemenge oder hochmolekulare Verbindungen dar, über deren Bau sich einstweilen nichts aussagen lälst. Auf Grund des negativen Ausfalles der Millonschen Reak- tion beim Jodeiweils ist von mehreren Seiten [Hofmeistery), später Blum und VaubelYrf)], die Ansicht ausgesprochen worden, dals das Jod in das Tyrosin eintritt. Letztere Autoren betonen besonders, dafs das Jod nicht die Stelle des Hydroxyls einnimmt, sondern „demselben benachbart in den Benzolkern eintritt“, da es ihnen gelungen sei, nach Wegnahme des Halogens durch Erhitzen unter Druck den positiven Ausfall der Millonschen Reaktion wieder zu erlangen. Die gleichen Autoren unterwarfen das Jodeiweils der Spaltung mit Alkali und fanden dabei, dafs durch die Einwirkung ver- *) Über Jodderivate von Eiweilskörpern. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 30, 1824 (1897). »=#) Über das Jodospongin, die jodhaltige eiweilsartige Substanz aus dem Badeschwamm. Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 412 (1898). »»=s) Über den Halogenstoffweehsel und seine Bedeutung für den Orga- nismus. Münch. med. Wochenschr. 1898, Nr. 8 u. 9. y) Ich hebe ausdrücklich hervor, dafs sich die Analogie zwischen diesen Körpern und Jodothyrin blols auf die Darstellungsweise und einige chemische Merkmale bezieht. Die Körper sind in ihren physiologischen Eigenschaften ganz verschieden vom Jodothyrin. ir) loe. ecit. irr) loe. eit. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 397 dünnter (5 proz.) Natronlauge auf dem Wasserbade die Eiweils- körper in verschiedene Fraktionen zerfallen, von welchen die eine, in verdünnter Essigsäure unlösliche, 13,5 Proz. Jod, eine andere in absolutem Alkohol unlösliche 7 Proz. Jod, eine dritte, schwefel- reiche, kein Jod aufnimmt. Eine nähere Charakterisierung der Produkte fehlt. Bei der Spaltung durch Alkaliwirkung erhielten sie ferner aus Kasein und Eierklar Produkte, welche 13 bis 15 Proz. Jod auf- nahmen, während ungespaltenes Eiweils und Kasein 6 bis 7 Proz. Jod zu binden vermögen. Diese Zunahme des Jodbindungsver- mögens deute auf eine Verminderung der Molekulargröfse. Die Autoren haben auch für Pepton (aus Hühnereiweils) zum Teil ein höheres Jodbindungsvermögen (7 bis 15 Proz. Jod) gefunden als für die Albumosen aus dem käuflichen Witte-Pepton (11,3 Proz. Jod). Es mag jedoch bemerkt werden, dafs auf Grund Blums eigener Befunde der Vergleich von Spaltungsprodukten zweier so verschiedener Eiweilskörper, wie des Peptons aus Hühner- eiwei[ls und der Albumosen aus Fibrin (Witte-Pepton), kaum zu Schlulsfolgerungen berechtigt. 2. Spaltungsversuche mit Jodeiweils. Den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen bildete ursprüng- lich die Beobachtung Hofmeisters*), dafs bei der Spaltung des Jodalbumins mit siedenden verdünnten Säuren eine in konzentrierten Mineralsäuren schwer lösliche, in Alkali und auch etwas in Alko- hol lösliche Substanz entsteht, welche sehr jodreich ist und bezüg- lich ihrer äufseren Merkmale in mehrfacher Beziehung an Bau- manns Jodothyrin erinnert. Ich hatte mir auf Veranlassung von Prof. Hofmeister in dessen Laboratorium zur Aufgabe gemacht, diese jodreiche Ver- bindung näher zu charakterisieren und womöglich auch gleichzeitig den Ort, wo das Jod in das Eiweifsmolekül eintritt, zu bestimmen. Diese Untersuchungen mufste ich aber bald nach ihrem Beginne wegen anderweitiger Inanspruchnahme aufgeben. Die Resultate, zu welchen ich damals gekommen war, sind kurz folgende: | Der vom [nach Hofmeister**)] jodierten Eiweils bei 4- bis 5stündigem Kochen mit 10proz. Mineralsäuren hinterlassene *) loc. eit. loczeit- 398 A. Oswald, Rückstand ist löslich in Alkali, unlöslich in Säuren. Er löst sich in noch feuchtem Zustande zum Teil in Alkohol, zum Teil ist er unlöslich darin. Der alkohollösliche Teil entspricht in betreff seiner Darstellungsweise und seiner äulseren Merkmale dem Jodo- thyrin. Er giebt wie letzteres die Alkaloidreaktionen (Fällbarkeit durch Phosphorwolfram- und Phosphormolybdänsäure, Jodqueck- silberkalium u. s. w.), ferner die Xanthoproteinreaktion, unter- scheidet sich aber wesentlich davon, indem er die Biuret- reaktion giebt und die physiologischen Eigenschaften des Jodothyrins nicht besitzt. Sowohl die Millonsche, wie die Adamkieviczsche und die Molischsche Reaktion fallen negativ aus. Er enthält keinen bleischwärzenden, wohl aber fest gebundenen Schwefel. Seine Zusammensetzung ist keine konstante. Auch verringerte sich die Ausbeute beträchtlich bei längerem Kochen der sauren Lösung. Drei Präparate ergaben bei der Analyse folgenden Jod- und Stickstoffgehalt: Präparat I 3,01 Proz. J 10,91 Proz. N See, Braparat@ al 11 see) 1293.00, 4 Präparat II 98 „ J 115865. N) Wie ersichtlich, schwankte der Jodgehalt ganz auflserordentlich (zwischen 3,0 und 11,5 Proz.), auch der Stickstoffgehalt der drei Präparate differierte (um 2 Proz... Es war nicht zu ermitteln, worauf diese Schwankungen im Jodgehalte beruhen. So weit haben sich meine Untersuchungen über das Jodeiweils im Hofmeisterschen Laboratorium erstreckt. Wegen der In- konstanz der Zusammensetzung wurde der Körper nicht weiter untersucht. | Anscheinend derselbe Körper ist inzwischen von F. Blum**) beschrieben und unter dem Namen „Jodalbacid“ als Surrogat für Schilddrüsenpräparate empfohlen worden. Später, nachdem ich das Thyreoglobulin kennen gelernt hatte, bemühte ich mich, aus dieser natürlichen Jodeiweilsverbindung die *) Analytische Belege: 0,0332 & Substanz gaben 0,001 g Jod = 3,01 Proz. J 0,400 „ „0001525 5 sm 0,0651 , „..0.0075465 „ 15 „9 0.055354 , „. 0005478., = 98 0 0,0940 „ „ 0005g N=19 „N. 0,1065 „ „ 10m ce N=198 „N 0,101e „ „ voml eo N =1186 „ N sent Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 399 jodhaltige Gruppe abzuspalten, kam aber wegen Mangels an ge- eignetem Materiale*) nicht zum Ziele. Ich wandte mich daher wieder den künstlich jodierten Eiweilskörpern zu, die in beliebiger Menge leicht zu beschaffen sind. Ich versuchte zuerst, eine Spaltung des Jodeiweilses durch mehrstündiges Sieden mit konzentrierter Salzsäure zu erzielen, gab aber dieses Verfahren auf, als ich bemerkte, dals hierdurch ähnlich wie bei der Zersetzung des Gorgonins und des Thyreoglobulins Jod in Freiheit gesetzt wird. Ich nahm daher meine Zuflucht zur Spaltung mit Alkalien und wählte im Anlehnung an Drechsels Versuche über Gorgonin das Barytwasser. Das Jodeiweils (aus rohem Hühnereiweils) wurde mit sieden- dem Barytwasser so lange erhitzt, bis die Lösung die Biuret- reaktion nicht mehr gab, was mehrere Tage in Anspruch nahm. Aus der filtrierten, klaren, weingelben Flüssigkeit liefs sich nach Entfernung der basischen Produkte durch Phosphorwolframsäure- zusatz mit Hülfe von Silbernitrat eine Fraktion isolieren, welche viel organisch gebundenes Jod enthielt. Der Körper war auch fällbar durch Quecksilbersalze, dagegen nicht durch Kupfersalze. Der Silber- bezw. Quecksilberniederschlag war leicht löslich in ver- dünntem Ammoniak und verdünnten Säuren (auch Salpetersäure), konnte aber durch vorsichtiges Neutralisieren wieder aus der Lösung gefällt werden. Durch Benutzung dieser Eigenschaft wurde ver- sucht, den Jodkörper von Beimengungen zu befreien. Nach der Entfernung des Silbers mit Schwefelwasserstoff oder mit der gerade notwendigen Menge Salzsäure wurde ein Teil der wässe- rigen Lösung mit Äther überschichtet, ein anderer bis zur Sirup- konsistenz eingeengt. Es schieden sich jedoch aus letzterem, selbst nach mehrwöchentlichem Stehen im Exsikkator, keine Krystalle aus. Eine der Jodgorgosäure ähnliche Verbindung lag also nicht vor. Beim mehrmonatlichen Stehen über freier Schwefelsäure blieb schliefslich ein gelblicher Firnis übrige, der sich in Form durch- sichtiger spröder Lamellen vom Glase abheben liefs und aus der Luft begierig Wasser anzog. Ein anderes Mal sinterte der Sirup zu einer dunkelbraunen klebrigen Masse zusammen, die sich im Vakuumexsikkator aufblähte und schliefslich zu einer spröden Masse erstarrte. Der Jodkörper erinnerte in seinem Verhalten an *) Die mir zur Verfügung stehenden Schilddrüsen waren fast sämtlich kropfig entartet und lieferten daher äulserst jodarme Thyreoglobulinpräpa- rate, die zu einer sehr unbefriedigenden Ausbeute führten. 400 A. Oswald, das von Hopkins und Pinkus*) aus dem Siegfriedschen Antipepton erhaltene Bromierungsprodukt. Der eingetrocknete Sirup löste sich leicht in Alkohol von 95 Proz., dagegen nicht inA ceton, Essigäther, Chloroform, Benzol. Er enthielt 23,08 Proz. Jod. Zu einer weiteren Charakterisierung des Produktes reichte die äulserst geringe Ausbeute nicht aus, nur so viel konnte ich ermitteln, dafs es beim Schmelzen mit Alkali keinen Skatol- bezw. Indolgeruch entwickelte. Der Körper liels sich nicht benzoylieren; auch beim Ansäuern der Reaktionsflüssig- keit schied sich kein Niederschlag aus. In der Hoffnung, dafs vielleicht durch eine weniger tief- greifende Zersetzung, als sie die Spaltung durch Barytwirkung . darstellt**), ein fafsbares Produkt zu erreichen wäre, habe ich Jod- eiweils und später Jodprotalbumose der Trypsinverdauung unter- worfen, letztere wegen ihrer leichten und glatten Zersetzbarkeit durch Trypsin [E. P. Pick***)]. Ein analysierbares Produkt ver- mochte ich jedoch auch auf diese Weise nicht zu gewinnen. Da ich angesichts dieser negativen Resultate nicht erwarten konnte, auf dem Wege der Spaltung zu einem reinen Produkte zu gelangen, und mir die Lösung der uns interessierenden Frage auf diese Weise nicht möglich schienf), so änderte ich die Fragestellung. Ich spaltete zuerst die Eiweilskörper und jodierte erst nachher die einzelnen Bruchstücke. Aus ihrer Jodaufnahme- fähigkeit und der Gröfse derselben im Verein mit ihrem sonstigen reaktionellen Verhalten hoffte ich einen Schlufs auf die Zusammen- setzung und die Natur des jodbindenden Komplexes ziehen zu können. Zuerst zog ich als gelindes Spaltungsmittel das Pepsin heran, welches relativ hochmolekulare, noch Eiweilscharakter darbietende Spaltungsprodukte liefert, und wählte für meine Versuche das käufliche Witte-Pepton, über dessen Bestandteile wir durch ver- schiedene Arbeiten, namentlich die von E. P. Pick fr) in mehrfacher Beziehung aufgeklärt sind. Besonders genauen Aufschlufs ver- danken wir diesem Autor über die Zusammensetzung zweier Be- *) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 31, 1325 (1898). **) Vgl. weiter oben. ’==*) Zur Kenntnis der peptischen Spaltunesprodukte des Fibrins. Zeit- schrift f. physiol. Chem. 28, 219 (139). r) Auch das Thyreoglobulin habe ich auf die geschilderte Weise zer- lest. Uber diese Versuche werde ich in einer anderen Mitteilung berichten. rr) loe. eit. und vgl. weiter unten. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 401 standteile desselben, der Protalbumose und der Heteroalbumose *). Aus dem Vergleich meiner Befunde mit denjenigen Picks, be- treffend die beiden Körper, erhoffte ich daher ganz besonders Aufklärung über die hier aufgeworfene Frage. Was die übrigen Albumosen und die Peptone anbelangt, so stand zu erwarten, dals mit der Tiefe der Spaltung das Jodbindungsvermögen sich ändern würde, indem die die jodbindende Gruppe enthaltenden Fraktionen mehr, die übrigen weniger Jod oder gar keins aufzunehmen im- stande sein dürften **). Im nachfolgenden soll über meine in dieser Richtung an- gestellten Untersuchungen des näheren berichtet werden. 3. Einführung von Jod in die peptischen Spaltungsprodukte des Fibrins (Witte-Pepton). A. Darstellung der Albumosen und Peptone. Die Albumosen und Peptone wurden nach dem von E. P. Pick ***) ausgearbeiteten Verfahren voneinander getrennt. Da für die Trennung der Proto- von der Heteroalbumose dieser Autor verschiedene kleine Modifikationen seiner Methode angegeben hat, so sei die von mir gewählte Darstellungsweise dieser beiden Frak- tionen kurz geschildert. Das käufliche Witte-Pepton wurde der Pickschen Vorschrift gemäls in etwa der zehnfachen Gewichtsmenge warmen Wassers gelöst und am folgenden Tag vom unlöslichen Rückstand abältriert. Das klare Filtrat wurde mit der gleichen Menge gesättigter Ammonsulfat- lösung versetzt und der nach einiger Zeit zu einem Kuchen zusammen- geballte Niederschlag, die primären Albumosen darstellend, von den in Lösung gebliebenen Deuteroalbumosen durch Filtration getrennt. Zur vollständigeren Reinigung wurde der Niederschlag noch einige Male in Wasser gelöst und mit gesättigter Ammonsulfatlösung gefällt, dann gut abgepreist und in möglichst wenig Wasser gelöst, was am besten *) Nach Fertigstellung meines Manuskriptes erschien eine ausführliche Mitteilung von Pick über die übrieen Albumosen, die Deuteroalbumosen. Diese Beiträge 2, 481. ”=*) Nach den Anschauungen der Kühneschen Schule mulste eine dem allmählichen Abbau der Albumosen und der dadurch bedingten Abnahme ihres Molekulargewichtes entsprechende Zunahme des Jodbindungsvermögens _ erwartet werden. Diese Jodierungsversuche gestalteten sich daher gewisser- malsen zum Prüfstein der Kühneschen Theorie über die peptische Spaltung des Eiweilses. ==) Untersuchungen über die Proteinstoffe. Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 246 (1897) und loc. eit. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 26 4093 ; A. Oswald, in der Wärme geschah. Die etwa 40proz. Lösung wurde mit dem gleichen Volumen 95proz. Alkohols versetzt und der dadurch ent- standene Niederschlag abältriert. Das trübe Filtrat setzte in den nächsten Tagen einen geringen schleimigen Bodensatz ab, während die Lösung sich vollkommen klärte. Sie wurde 8 bis 14 Tage stehen ge- lassen, nach welcher Zeit sich kein Niederschlag mehr ausschied. Dann wurde auf dem Wasserbad der Alkohol vertrieben. Der entstandene Sirup (die Protalbumose darstellend) wurde in Wasser gelöst und der Jodierung unterworfen. Der durch den Alkohol erzeugte Niederschlag (aus der Hetero- albumose bestehend) wurde gut abgepreist, in kochendem Wasser ge- löst, vom unlöslichen Rückstand abältriert und das Filtrat mit dem doppelten Volumen 95 proz. Alkohols versetzt. Der Niederschlag wurde wiederum in Wasser gelöst und gefällt und diese Prozedur noch 4- bis 5 mal wiederholt. Durch dieses Verfahren verringerte sich die Aus- beute wesentlich, da beim Auflösen des Niederschlags in heilsem Wasser ein Teil davon sich jedesmal als unlöslich erwies, dafür konnten aber Reste von Protalbumose um so sicherer ausgeschlossen werden. Dafs in der That die Trennung der Heteroalbumose von’ der Prot- albumose sowie beider primärer Albumosen von den Deuteroalbumosen eine befriedigende war, dafür spricht die mit Picks Befunden über- einstimmende Thatsache, dafs die Protalbumose eine sehr intensive, die Heteroalbumose dagegen keine oder nur eine sehr dürftige Millonsche Reaktion gab, während wiederum die beiden primären Albumosen gänzlich negativen Ausfall der Molischschen Furfurolreaktion zeigten im Gegensatz zu dem Deuteroalbumosengemenge, bei welchem diese Reaktion positiv ausfiel. Aus dem Filtrat (Filtrat I) der primären Albumosen wurde in der von Pick beschriebenen Weise, durch weiteren Zusatz von gesättigter Ammonsulfatlösung bis zu ?/,-Sättigung die Fraktion A, und aus dem Filtrat (II) durch vollständige Sättigung die Fraktion B gefällt. Aus dem abermaligen Filtrat (III) wurde endlich durch vorsichtigen, all- mählichen Zusatz von mit Ammonsulfat gesättigter, verdünnter Schwefel- säure die Fraktion Ü niedergeschlagen. Zur besseren Abscheidung der Niederschläge wurden die Lösungen vor dem Abfiltrieren stets über Nacht stehen gelassen. Sämtliche drei Fraktionen wurden mehrere Male umgefällt und jedesmal mit den entsprechenden Lösungen ausgewaschen, alsdann in Wasser gelöst und durch anhaltendes Dialysieren zuerst gegen laufendes, dann gegen destilliertes Wasser von den anhaftenden Salzen befreit *). Aus dem sauren, mit Ammonsulfat gesättigten Filtrat wurden die Peptone nach dem Jodverfahren von Pick gefällt. Ich habe jedoch nur einmal die Trennung der beiden Peptone A und B durchgeführt, die übrigen Male dagegen das Gemenge beider untersucht, da es mir vor- derhand mehr auf das Gesamtgemenge der als Peptone bezeichneten, *) Inzwischen ist, wie schon erwähnt, eine neue Publikation von Pick erschienen, worin gezeigt wird, dafs diese 3 Albumosenfraktionen sich noch weiter zerlegen lassen. Es soll weiter unten darauf eingegangen werden. Über jodierte Spaltungsprodukte des Biweilses. 403 ohnehin noch nicht näher charakterisierten Körper, als auf einzelne daraus darstellbare Fraktionen ankam. Die schwach saure, ammonsulfatgesättigte Lösung wurde nach Pick mit einer ammonsulfatgesättigten Jodjodkaliumlösung so lange versetzt, bis eine Probe der Flüssigkeit mit salzgesättigter Jodjodkaliumlösung keine Fällung mehr gab. Der rotbraune Niederschlag wurde auf dem Filter gesammelt und mit einer ammonsulfatgesättigten Jodjodkalium- lösung ausgewaschen. Bei den übrigen Darstellungen wurde die saure salzgesättigte Lö- sung mit Ammoniak neutralisiert und auf dem Wasserbade eingeengt. Durch abwechselnden Zusatz von Methylalkohol und Einengen der Filtrate wurde das Ammonsulfat entfernt, das Filtrat auf dem Wasser- bade zum Sirup eingeengt. Es gab keine Millonsche Reaktion. Der alkoholfreie Sirup wurde mit Wasser verdünnt und der Jodierung unter- worfen. B. Jodierunge. Die Jodierung geschah zum Teil nach dem von Kurajeff*) im Hofmeisterschen Laboratorium angewandten Verfahren, indem die wässerisen Albumosen- bezw. Peptonlösungen mit einem Ge- menge von Jod und Jodkalium versetzt und unter Zusatz von Magnesiumkarbonat längere Zeit bei einer Temperatur von 40 bis 50° belassen wurden. Zum Teil wurde unter Einhaltung der gleichen übrigen Versuchsbedingungen an Stelle des Magnesiumkarbonats Natriumbikarbonat verwendet, wie dies Blum und Vaubel**) ge- than haben ***). Die Resultate waren in beiden Fällen genau die gleichen; ein Unterschied im Jodgehalt der erhaltenen Produkte konnte nicht nachgewiesen werden. Die Erhitzung der Lösungen geschah im Wasserbade, dessen Tempe- ratur 40 bis 45°C. betrug), und dauerte so lange, bis kein Jod mehr gebunden wurde, was nach häufigem Umschütteln nach !/, bis °/, Stunde der Fall war. Nach dieser Zeit wurde die klare, dunkelbraune Lösung *) loc .eit. aeloez cit. ===) Während der Jodierung entweicht anfangs viel Kohlensäure, es muls daher für einen ständigen Überschuls von Magnesiumkarbonat bezw. Natriumbikarbonat gesorgt werden. y) Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, dafs bei sämtlichen Jodierungs- versuchen die Temperatur des Wasserbades 45° nie überschritt. Wenn diese Malsregel nicht befolgt wird, so werden die Versuchsbedingungen wesentlich verändert, indem das doppelt kohlensaure Natron gespalten und die Lösung stark alkalisch wird. Unter diesen Umständen erhält man viel jodärmere Produkte. Ich hatte anfangs auf die Einhaltung der Temperatur nicht genau geachtet und daher Präparate mit viel niedrigerem und sehr ungleichem, zwischen 2,4 und 6,9 Proz. schwankendem Jodgehalt erhalten. 26* 404 " A. Oswald, in kaltem Wasser abgekühlt, in einen Schlauch von Pergamentpapier gegossen und anfangs gegen laufendes, später gegen destilliertes Wasser dialysiert, bis im Dialysat Jod nicht mehr nachweisbar war, was einige Tage in Anspruch nahm. Dieses Verfahren konnte natürlich nur bei den Albumosen angewendet werden. Nach Entfernung des überschüssigen Jods und der Jodsalze wurde der Inhalt des Schlauches mit verdünnter Essigsäure angesäuert, wobei die Jodalbumosen in Gestalt fein verteilter, blafsgelber Flocken aus- fielen. Dieselben wurden auf einem Seidenfilter gesammelt und behufs rascheren Trocknens mit Alkohol gewaschen. Die bei mäfsiger Wärme getrockneten Präparate wurden im Mörser zerrieben, dann bei 110° bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Sie stellten ein hellgelbes, nicht hygroskopisches Pulver dar. Bei der Analysierung der erst erhaltenen Produkte, zu deren Her- stellung die Protalbumose gedient hatte, stellte es sich heraus, dafs der oılaahall fast um 2 Bon (von 11,2 Proz. bis 13,1 Proz.) variierte. Zur Aufklärung dieses Verhaltens wurde die Versuchsanordnung abwechselnd nach verschiedener Richtung hin modifiziert, eine Ab- hängigkeit des Jodgehalts von irgend einer Versuchsbedinsung war jedoch nicht zu ermitteln. Ich fand z. B. in einem Präparat [II1]*) 12,22 Proz. Jod, in einem anderen (VII) 11,44 Proz., in einem dritten (II) 11,53 bezw. 11,24 Proz. Dieselben waren unter Zusatz von Natriumbikarbonat hergestellt. Bei Zusatz von Magnesiumkarbonat fand ich 11,81 Proz. Jod (Präparat IX). Die erwähnten Präparate waren alle vom überschüssigen Jod durch einfache Dialyse gegen Wasser befreit worden. Ihre Lösung gab auf Zusatz von verdünnter Schwefelsäure und salpetrigsaurem Natron beim Schütteln kein Jod an Chloroform ab. Um sicher zu sein, dafs nicht dennoch locker gebundenes Jod darin vorhanden war, habe ich die Jodalbumosenniederschläge mit Wasser ausgekocht. Dabei erhielt ich aber selbst nach längerem Kochen unter Erneuerung des Wassers keine wesentlichen Unterschiede im Jodgehalt. Ich fand nach zweimaligem Auskochen in einem Präparat (V) 12,35 Proz. bezw. 12,66 Proz. Jod, in einem anderen (VI) nach viermaligem Auskochen 12,15 Proz. Jod. Das sind nicht niedrigere Werte als bei Umgehung des Kochprozesses. Auch durch öfteres Umfällen mit verdünnter Essigsäure aus ver- dünnten Alkalien wurden die Jodwerte nicht verändert; so war das oben erwähnte 11,44 Proz. Jod enthaltende Präparat 3 mal, das mit 11,53 Proz. Jod 6 mal umgefällt worden. Ebenso schien von der Dauer der Jodeinwirkung und des Jodierungs- vorganges die Inkonstanz des Jodgehaltes nicht abzuhängen. Durch längeres, bis 12stündiges Stehenlassen der meets: im Brut- schrank nach beendeter Jodaufnahme von seiten der Albumosen konnte ich eine gesetzmäfsige Veränderung im Jodgehalt nicht nachweisen. Bei Präparat VIII hatte die Jodierung eine halbe Stunde gedauert, bei Präparat X wurde die Jodalbumosenlösung in Gegenwart von über- *) Siehe weiter unten. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 405 schüssigem Jod 10, bei Präparat XI 20 Stunden im Brutschrank ge- lassen. Präparat VIII enthielt 13,15 Proz. Jod, Präparat X 13,80 Proz., Präparat XI 13,0 Proz. Jod. Die Gewinnung der Jodpeptone gestaltete sich etwas schwieriger als die der Jodalbumosen, da selbst auf sehr vorsichtigen Zusatz der Essigsäure aus der (überschüssiges Jod enthaltenden) Lösung nur ein sehr geringer Niederschlag ausfiel, während das Filtrat davon noch sehr intensive Biuretreaktion gab, also noch Pepton enthielt. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll das zur Gewinnung der Jodpeptone gewählte Verfahren im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Analysen weiter unten besprochen werden. C. Bestimmungsmethoden. Zur Bestimmung des Jods veraschte ich die Präparate im Nickeltiegel in der früher von mir schon beschriebenen Weise. Anfangs bediente ich mich des Freseniusschen Verfahrens, das sich nach meiner früheren Erfahrung am besten eignet, da, wo es sich um die Bestimmung des Jods neben Chlor handelt“). Wegen des hohen Jodgehalts der Präparate leistete diese Methode keine guten Dienste, da trotz Anwendung grolser Mengen von Schwefelkohlenstoff letzterer sich stark mit Jod sättigen mufste und daher beim Auswaschen stets eine erhebliche Quantität Jod an die Waschwässer abgab. Ich habe daher das Volhardsche Verfahren angewendet, mit welchem Hofmeister und später Kurajeff gute Resultate er- zielt haben. Freilich bestehen gegen dieses Verfahren die Einwände, welche mich seinerzeit dazu bewogen hatten, die Freseniussche Methode an- zuwenden: es wird dabei mit dem Jod auch das Chlor (der Asche) be- stimmt und dadurch ein zu hoher Jodgehalt vorgetäuscht. Die Mit- bestimmung des Chlors kann jedoch einen wesentlichen Fehler nur bei solchen Präparaten bedingen, welche im Vergleich zum Jod eine merk- liche Menge Chlor enthalten, wie etwa bei sehr jodarmen Eiweilsver- bindungen. Dies trifft aber nicht zu bei den in Frage stehenden Jod- albumosen und Jodpeptonen, deren Jodgehalt unvergleichlich höher ist als die in der Asche vorkommende geringe Menge Chlor. Der Fehler betrifft höchstens einen Bruchteil eines Prozents. Die Bestimmung des Kohlen- und Wasserstoffs geschah in der *) Die Bemerkung von Blum (Zeitschr. f. physiol. Chem. 33, 345), ich hätte gelesentlich meiner früheren Untersuchungen (ebenda 32, 121) diese Methode aus seiner (Blums) Arbeit „eitatlos, aber fast wörtlich über- nommen“, beruht auf einem Irrtum. Die Methode ist viel älter. Ich habe sie der Anleitung zur quantitativen Analyse von Fresenius, Bd.]I, $ 145, I b, 3 (6. Auflage, S. 452) entnommen. 406 A. Oswald, üblichen Weise durch Verbrennen im offenen Rohr mit Kupferoxyd und Bleichromat und vorgelegter Kupferspirale. Die Bestimmung des Stiekstofis geschah nach Kjeldahl, und die des Schwefels nach dem früher von mir schon mehrfach angewendeten Verfahren. D. Beschreibung und Zusammensetzung der Präparate. Die Jodalbumosen stellen im frisch gefällten Zustande einen hellgelben Niederschlag dar, welcher in verdünnten und kon- zentrierten Alkalien leicht löslich, in verdünnten Säuren dagegen unlöslich ist; sie verhalten sich also in dieser Beziehung wie die ungespaltenen Jodeiweilsverbindungen. Sie zeigen in gleicher Weise wie die von E. P. Pick beschriebenen Albumosen die Farbenreaktionen der Eiweilsstoffe*), mit Ausnahme der Millon- und Adamkieviczschen Reaktion, welche völlig negativ ausfallen. Verdünnte salpetrige Säure spaltet in saurer Lösung kein Jod ab, wohl aber rauchende Salpetersäure. Auch hierin sind sie also den noch ungespaltenen Jodeiweilskörpern ähnlich [Hofmeister**)]. An Silbernitrat geben sie das Jod nicht ab, sondern verbinden sich damit zu einem in Alkali und verdünnten Säuren löslichen, bei der Neutralisation ausfallenden Niederschlag. Durch Entsilberung werden wieder die. ursprünglichen Jodverbindungen erhalten. Sie enthalten keinen bleischwärzenden Schwefel. Die Elementaranalyse ergab folgende Werte: 1. Jodprotalbum.ose. Präparat I 0,2033g Substanz gaben 0,3462 © 00, = 46,44 Proz. C und 005 „HO=571 ,„H Präparat I 0,2130, = gaben. 0,03237 °, N aan 5 II 0,2003 „ 5 » ..0,030137.,. N 7212020 R IV 0,2787 „ h »„ 00419 „ N =150 „ N _ im Mittel: 15,17 Proz. N Präparat I 0,5585g Substanz gaben 0,00515 & S = 1,43 Proz. S 5 IT 0,4158 „ 5 » 000679, 5 — L6l „ 8 im Mittel: 1,52 Proz. S Präparat I 0,2905g Substanz gaben 0,0559 & J = 12,36 Proz. J s 17402153 00 .0,026723. 03 » Ba a II 0,2109 , K „..0,02425. 3,2% Intel | » 1170/5114 °,, > „5 0,0359 12, SIT 4 IT 02539 " ».10,03104. 21, 1.2. I = 32 EN > IV 0,1064 „ > 3. 3001372. 2 Sl *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 246 (1897). F)locseit: Präparat N VI VII BR VL Präparat ” Präparat ” Präparat ” Präparat ” ” Präparat Präparat Präparat ” Präparat ” Präparat ” IX X X xl I Ill I II III I I I I I II 101 Über jodierte Spaltungsprodukte 0,1868 & Substanz gaben 0,02365 g J = a RR OLE 0,259,» „ 0096 „I = 02752 55 2°, 00868, I = 0,292 5, » 009, I = 0,2626 „ Ä 20.030085 Je 0,2787 „ Rn REN ISEANE N TE == 0,1488 „ E 7.0.0934 7. 7.1 = im Mittel: 0,1883 & Substanz gaben 0,0002 « Asche = 0,1440 „ 3 BR Lu U, 0) re ee — 2. Jodheteroalbumose. 0,1775 g Substanz gaben 0,2910 g 00, —= 0,2155 „ 5 m a0 CO im Mittel: 0,1775 Substanz gaben 0,035897 & H,O — 0,2155 „ 5 79110742 Er im Mittel: 0,1942 & Substanz gaben 0,0298 g N = DEAN > „ 008864 „N = 0,2106 „ » SR N BRSL ES a im Mittel: 0,2102 & Substanz gaben 0,005549 S = DEN 70.015558, Je = DSB 0.019670 3 0,1363 „ " 2.0:014170975 2,5 0,2746 „ n SL 0.0390, 0,1569 „ 5 2.2.0,01489,, 7 Jr 0,1768 „ N = 0.016010 im Mittel: 0,1175 Substanz gaben 0,0005 g Asche — 3. Jodalbumose der Fraktion A. 0,2074 Substanz gaben 0,3489 g 00, = 0,1280 „ 3 2.022197 46055 im Mittel: 0,2074 g Substanz gaben 0,1054 & H,O —= 0,1280 „ n NEL ER — im Mittel: 0,2231 & Substanz gaben 0,047 a N = 0,2069 „, R „ oa, N = im Mittel: des Eiweilses. 12,38 Proz. . 12,15 „, 11,4 „ 13,15 „ IST} Ts YDmr 13.850805 13.0007 12,45 Proz. 0,10 Proz. 041 „ 44,71 Proz. AT 45,04 Proz. 5,61 Proz. DD305 5,57 Proz. 15,37 Proz. 5:0 a 15,48 Proz. 1,59 Proz. 302225 10,04 „ 10700 1290055 9,49) )) law 10,23 Proz. 0,42 Proz. 45,87 Proz. ATI 46,57 Proz. 5,80 Proz. DIS : 5,86 Proz. 15,36 Proz. 1498.05 15,17 Proz. 407 lu gg yo goguoQ Asche ei! ZZZRIBER {a [u uun ZZ Asche zz EBjkR alaa zZ 408 A. Oswald, Präparat I 0,2629 & Substanz gaben 0,0045 g S = 1,87 Proz. 3 = 117°20:3285, 5 > ..0,00587° 3,8 2, — Wlurere 5 im Mittel: 1,82 Proz. S Präparat I 0,1854 Substanz gaben 0,0229 g J == 12,49 Proz. J x 117 0,13369, en „ .0,01639 5. MV „ II 0,2780 „ = ».: 0,0335... Sr Pr III 0,1448 „ 5 » ..0,01749°,..3 2 See im Mittel: 12,18 Proz. J Präparat I 0,1154o Substanz gaben 0,0008 gAsche= 0,25 Proz. Asche 4. Jodalbumose der Fraktion B. Präparat I 0,1506& Substanz gaben 0,2213 g 00, = 46,21 Proz. C und. 0,0709, 4,0530 x I 0,1556, a gaben 0,023435 „ N =1506 „N > IE013D18; 5 »:...0,00296)°,, 1877 SA 5 1201231 5 » 0,0168: „JE else e I 0,1944 „ ; „. 002722 I 2 112.0,1417,, R „..-:0,02209 7, = I pa lH DIE 5 11170,13015 n 3... 0,018942,7. I aD u IV220516522,, 5 .. 0,025097.,,2.I., alba ım Mittel: 14,58 Proz. J Präparat I 0,1202g Substanz gaben 0,0008 g Asche = 0,66 Proz. Asche 5. Jodalbumose der Fraktion C. Präparat I 0,12885o Substanz gaben 0,2168 g CO, — 46,32 Proz. C und.0,12887 7, H, O6 Aa > I 0,1645 „ " saben..0:001769,, 8, — E07 3 1.047597, = »...:0.025716 „I 2 al Ale e 1 0097, > ».... 0,0011 .7,, Asche?) — AD rasche Es möge hier noch auf einen Befund aufmerksam gemacht werden. Wie schon erwähnt, sind die Jodalbumosen durch Aus- fällen mit verdünnter Essigsäure aus ihrer Lösung gewonnen worden. Dadurch wird jedoch nicht die gesamte Eiweilsmenge gefällt, denn das Filtrat giebt noch Biuretreaktion. Versucht man durch vorsichtigen Zusatz von Essigsäure weiterhin Albumosen daraus niederzuschlagen, so gelingt dies keineswegs. Dagegen fällt Alkohol einen weilsen feinflockigen Niederschlag. Derselbe giebt die gleichen Eiweilsreaktionen wie die Albumosen, enthält jedoch regelmälsig viel weniger Jod als letztere. Ich fand darin, z. B. im Rückstand der Joddeuteroalbumose, C, 4,55, 4,79 und *) Zu einer Stickstoffbestimmung reichten die Präparate nicht mehr aus. Diese Fraktion war bei sämtlichen Darstellungen sehr spärlich ver- treten. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 409 8,05 Proz. Jod*), während Joddeuteroalbumose C, wie oben gezeigt, 14,67 Proz. Jod enthält. Dafs es sich um einen ungenügend jodierten Teil der Albumosen handle, ist nicht wohl anzunehmen, denn ich habe diese Körper auch aus solchen Lösungen darstellen können, welche längere Zeit (mehrere Stunden) bei Bruttemperatur mit einem Überschuls von Jod in Berüh- rung geblieben waren. Vielleicht stellen diese Körper durch die Wirkung des Jodes (Oxy- dation?) abgesprengte Bruchstücke der Albumosen dar, welche sich vor den Albumosen durch ein geringeres Jodbindungsvermögen auszeichnen und infolge ihres geringeren Jodgehaltes weniger saure Eigenschaften besitzen, daher durch Säuren nicht niedergeschlagen werden. Dals eine solche Veränderung der Eiweilsstoffe bei der Jodierung stattfindet, wird weiter unten gezeigt werden. Nicht zu verwerfen ist die Annahme, dafs diese Körper schon von vornherein in den Albumosenniederschlägen vorhanden waren und den Fraktionen entsprechen, welche E. P. Pick mit Hülfe seines Alkohol- verfahrens daraus isolieren konnte. Es mufs jedoch hervorgehoben werden, dafs ein gleiches jodarmes Produkt auch aus dem Filtrat der Jodproto- und Jodheteroalbumose erhalten wurde. 6. Jodpeptone. Eine vollständige Elementaranalyse der Jodpeptone habe ich nicht ausgeführt, da ich eine solche in Anbetracht des Umstandes, dals ich von dem nicht weiter getrennten Peptongemenge aus- gegangen war, für wertlos hielt. Andererseits lieferte die nach Pick einmal durchgeführte Trennung der Peptone A und B eine so geringe Ausbeute, dafs sie für eine vollständige Analyse bei weitem nicht ausreichte. Zur Isolierung der Jodpeptone verfuhr ich folgendermalsen: Zuerst jodierte ich das vom Ammonsulfat in der geschilderten Weise (vgl. S. 405) befreite Gesamtgemenge der Peptone. Die Jodierung geschah wie bei den Albumosen. Nach erfolgter Jod- aufnahme schied sich jedoch selbst auf sehr sorgfältigen Zusatz von verdünnter Essigsäure**) nur ein sehr geringer brauner Nieder- schlag aus. Derselbe, abfiltriert, mehrere Male in verdünnter Natronlauge gelöst, mit verdünnter Essigsäure gefällt und bis zum Verschwinden des freien Jodes mit Wasser gewaschen, enthielt im *) Analytische Belege: 0,1730 & Substanz gaben 0,00787 & Jod = 4,55 Proz. J 0,1809 „ > 00, ei eh 0,2248 „ > LT 5 RU Br Er **) Der Zusatz der Säure muls sehr vorsichtig geschehen. da der Niederschlag in einem geringen Überschuls der Säure löslich ist. 410 A. Oswald, trockenen Zustande 20,34 Proz. Jod*). Er gab keine Biuret- reaktion. Damit ist erwiesen, dals unter den Produkten der Pepsinverdauung ein Körper vorhanden ist, der die Fähigkeit, Jod zu binden, besitzt, aber weder albumose- noch peptonartiger Natur ist. | Erwähnt mag werden, dafs ich diesen Körper nicht bei jedem Jodierungsversuch habe erhalten können, bisweilen blieb die Jod- peptonlösung auf Säurezusatz vollkommen klar. Das Filtrat des Essigsäureniederschlages gab sehr intensive, rotviolette Biuretreaktion, enthielt also die Peptone Die Dar- stellung derselben in einer die Analyse lohnenden Form gelang nicht. Zur Gewinnung derselben wurde eine Probe des sauren Filtrates mit Silbernitrat versetzt. Das Jodsilber (die Lösung enthielt viel über- schüssiges Jod) wurde abfiltriert, das Filtrat mit Schwefelwasserstoff entsilbert und nach sorgfältigem Neutralisieren mit Ammoniak auf dem Wasserbade eingeengt. Der Sirup gab starke Biuret- und Xantho- proteinreaktion, erwies sich jedoch als jodfrei. Die Peptone hatten also, falls sie Jod überhaupt gebunden hatten, dasselbe an Silbernitrat abgegeben. Jodverbindungen, welche an Silbernitrat ihr Jod abgeben, sind bekannt; stellte es sich heraus, dals die Jodpeptone zu diesen ge- hörten, so würden sie sich von den Jodalbumosen, welche das Jod in festerer Bindung halten, wesentlich unterscheiden. Zur Aufklärung dieser Frage wurde eine Peptonlösung nach der Jodierung mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert und mit Phosphor- wolframsäure versetzt. Der abfiltrierte und gut gewaschene Nieder- schlag, welcher intensive Biuretreaktion gab, wurde in der gewöhn- lichen Weise mit Baryt zersetzt und aus dem Filtrat der überschüssige Baryt durch Einleiten von Kohlensäure und nachherigen Zusatz von Schwefelsäure entfernt. Das Filtrat wurde bei neutraler Reaktion ein- geengt und die dickflüssige Lösung mit Alkohol und Aceton gefällt. Die Fällung war unvollständig; das Filtrat gab noch intensive Biuret- reaktion. Der Niederschlag. enthielt 5,25 Proz. Jod, daneben aber noch sehr viel Asche [52,2 Proz.**)], die sich als jodfrei erwies***). Die Peptone vermögen also Jod zu binden; wieviel sie aufzunehmen imstande sind, bleibt in. Anbetracht der Innen des een einstweilen noch unentschieden. Bemerkenswert ist, dafs die Jodpeptone im Gegensatz zu den Tode albumosen durch Säuren nicht gefällt werden; ob der Mindergehalt an *) 0,1161 & gaben 0,02362 & Jod — 20,54 Proz. J. 0.123122 8, 24,78 „ J.[in letzterem 2,52 Proz. (jodfreie) Asche). **) 0,5709 & Substanz gaben 0,02997 & Jod == 5,25 Proz. Jod. 0.1132, 5 »..210.0591.7, Asche — 227 Te szche ==*) Sie bestand zum grölsten Teil aus Barytsalzen. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. tl] Jod daran schuld ist, insofern als durch den Eintritt von weniger nega- tiven Jodatomen der Säurecharakter nur einen geringeren Grad er- reicht, mag dahingestellt bleiben. Bei der Jodierung eines zweiten Peptonpräparates, und des Pep- tones A (Pick) kam ich zu ähnlichen Resultaten. Die auf aschefreie Substanz berechneten Mittelwerte der untersuchten Präparate sind in folgender Tabelle übersichtlich zusammengestellt. | Unbekannter ı Jodprot-| Jod- Jod- Jod- er reaktion albu- | hetero- | albumose | albumose | albumose| pep- | ;cht geben- mose albumose A B | C tone der Jod- | körper c| 46,55 45,22 46,58 | 46,51 | 46,97 H 5,72 5,59 5,87 | 6,02 | 6,57 N 15,20 15,54 15,20 | 15,16 B> I | 248 | 1027 | 121 | 1467 |. 14,87 (10,98) f 20,33 See 150. 1,59 12 | 18 1,07 L 22,79%) (0) | (18,53) | (21,79) (18,32) | (16,19) er | | | 4. Besprechung der Resultate. Aus der Durchsicht obiger Tabelle ergiebt sich, dafs die Jod- werte der verschiedenen Albumosen, zum Teil wenigstens, nicht unerheblich differieren. So weisen namentlich die drei Körper, welehe man sich nach neueren Untersuchungen von E. P. Pick**) und E. Zunz***) bei der Verdauung als gleichzeitig und primär aus dem Eiweilsmolekül entstanden zu denken hat, die Protalbu- mose, die Heteroalbumose und die Albumose B, einen verschie- denen Jodgehalt auf, die Protalbumose 12,48 Proz. Jod, die Hetero- albumose 10,27 Proz. Jod, die Albumose B 14,67 Proz. Jod. Da diese Ziffern die Mittelwerte aus zahlreichen Bestimmungen darstellen, so dürfen sie nicht, etwa im Hinblick auf die recht erheblichen Schwankungen der Werte der einzelnen Präparate, als zufällige betrachtet werden. *) Der Aschegehalt konnte wegen Mangel an Material nicht bestimmt werden, war aber ganz unbeträchtlich. *=*) loc. ceit. ***) Über den quantitativen Verlauf der peptischen Eiweilsspaltung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 132 (1899). 412 A. Oswald, Ein grofser Unterschied besteht namentlich zwischen der Heteroalbumose und der Albumose B, der Jodgehalt der letzteren übertrifft den der Heteroalbumose um beinahe die Hälfte. Die beiden übrigen Albumosen zeigen wiederum Werte, welche den schon erwähnten gleichkommen, die Albumose A den gleichen wie die Protalbumose, die Albumose © den gleichen wie die Albumose B*). Was die Peptone anbelangt, so bedarf die gefundene Ziffer (10,98 Proz. Jod auf aschefreie Substanz berechnet) noch der Bestätigung, bevor irgend welche Schlüsse daraus gezogen werden können, da es mir bisher nicht gelang, die Präparate von der ihnen anhaftenden grofsen Menge von Salzen zu befreien. Bemerkenswert ist das Auffinden eines die Biuretreaktion nicht gebenden sehr jodreichen Körpers (20 bis 22 Proz. Jod). Auf das Vorkommen solcher jenseit der Peptonstufe stehenden Spaltungsprodukte im Pepsinverdauungsgemisch der Eiweilskörper ist schon von verschiedener Seite |[Lawrow**), Zunz***), Pfaund- lerf), Langsteinyf) u. s. w. aufmerksam gemacht worden ;ff)]- Die sehr geringe Ausbeute gestattete mir nicht festzustellen, ob der erwähnte jodbindende Stoff eins der schon isolierten End- produkte oder einen noch unbekannten Körper darstellt. Nur das eine vermochte ich neben seiner Löslichkeit in Alkalien und Un- löslichkeit in verdünnten Säuren nachzuweisen, dafs er sehr starke Xanthoproteinreaktion giebt. Besonders auffallend ist die Thatsache, dafs die Heteroalbu- mose und die in ihrem Bau davon so abweichende Protalbumose einen *) Es ist selbstverständlich zu erwarten, dals die Unterschiede im Jod- gehalt bei den von E. P. Pick neuerdings beschriebenen, in ihrer Zu- sammensetzung beträchtlich voneinander abweichenden Albumosenfraktionen, wie die Thioalbumose und die Glykoalbumose, sich viel grölser gestalten. Ebenso beruht die Ähnlichkeit im Jodgehalt einzelner Albumosen vielleicht nur auf der Verunreinigung mit der Nachbarfraktion. Es ist anzunehmen, dals dies der Fall ist für Albumose C. =‘) Zur Kenntnis des Chemismus der peptischen und tryptischen Ver- dauung der Eiweilsstoffe. Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 513 (1838). +), loc eit. 7) Zur Kenntnis der Endprodukte der Pepsinverdauung. Ebenda 50, 90 (1900). r) Zur Kenntnis der Endprodukte der peptischen Verdauung. Diese Beiträge 1, 507 (1902). tr) Ob diese Wirkung dem Pepsin oder einem beigemengten Fermente (Erepsin oder Trypsin) zugeschrieben werden muls, ist hier nicht der Ort zu erörtern. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses, 413 relativ so wenig (um 2 Proz.) verschiedenen Jodgehalt aufweisen. Daraus lassen sich Schlüsse von allgemeiner Bedeutung für die Jodeiweilskörper, nämlich über die anfangs aufgeworfene Frage, die Natur der jodbindenden Gruppe des Eiweilsmoleküles be- treffend, ziehen. Wie aus den eingehenden Untersuchungen von E. P. Pick*) hervorgeht, zeichnet sich die Heteroalbumose dadurch aus, dafs sie sehr viel Diaminosäuren und nur wenig Monaminosäuren enthält, bei der Kalischmelze keinen Geruch nach Skatol oder Indol ent- wickelt, bei der Trypsinverdauung nur wenig Proteinochromogen entstehen läfst, nur sehr dürftige Millonsche Reaktion giebt und dementsprechend bei der Aufspaltung nur sehr wenig Tyrosin liefert, während die Protalbumose relativ weniger Eiweilsbasen ent- hält, bei der Kalischmelze sehr intensiven Indol- und Skatolgeruch ent- wickelt, sehr viel Proteinochromogen liefert, äufserst intensive Millonsche Reaktion giebt und sehr reich an Tyrosin ist. Wenn daher trotz dieser ganz verschiedenen Zusammensetzun« beide Körper einen beinahe gleichen Jodgehalt aufweisen, so geht, vor allem mit Rücksicht auf den verschiedenen Tyrosingehalt, daraus hervor, dals das Jod sich nicht ausschlieflslich, wenn überhaupt, an das Tyrosin anlagert. Ebenso dürfte es sich nicht ausschlie[slich mit dem indol- liefernden Komplexe verankern**). E. P. Pick hat die Beobachtung gemacht, dafs bei der Oxy- dation der Heteroalbumose mit Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung Benzoesäure entsteht, und dadurch das Vorkommen eines aromatischen Komplexes auch in der Heteroalbumose erwiesen. Er spricht die Vermutung aus, dafs die hydroxylierte, Benzoc- säure liefernde Phenylgruppe das von Schulze und Barbieri***) aufgefundene, neuerdings von E. Fischery) und seinen Mit- arbeitern aus vielen Eiweifsarten gewonnene Phenylalanin sei. *) loc. eit. **) In einer späteren Mitteilung werde ich zeigen können, dafs sich auch auf andere Weise der Beweis erbringen lälst, dals das Tyrosin nicht die einzige jodbindende Gruppe darstellt. »=*) Bildung von Phenylamidopropionsäure beim Erhitzen von Eiweils. stoffen mit Salzsäure und Zinnchlorür. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 16, 1711 und: Über Phenylamidopropionsäure, Amidovaleriansäure u. s. w. Journ. f. prakt. Chem. 27, 337 (1883). +) Über die Entstehung von «-Pyrrolidinkarbonsäure und Phenyl- alanin bei der Hydrolyse des Eieralbumins. Zeitschr. f. physiol. Chem. 33; 412 (1901) und: Über die Hydrolyse des Leims. Ebenda 35, 70 (1902). 414 A. Oswald, Wenn es sich herausstellt, dafs thatsächlich der aromatische Komplex die jodbindende Gruppe darstellt, wofür ja, wie schon verschiedene Autoren hervorgehoben haben, das negative Ausfallen der Millonschen Reaktion nach der Jodierung zu sprechen scheint, so dürfte in der Heteroalbumose das Phenylalanin oder eine andere nicht hydroxylierte Phenylgruppe diese Rolle übernehmen. Es ist schon erwähnt worden, dals die Albumose A den gleichen Jodgehalt aufweist wie die Protalbumose, und die Albu- mose C den gleichen wie die Albumose B. Ob dies nur Zufall ist oder vielleicht auf einem genetischen Zusammenhang beruht, lälst sich auf Grund des vorliegenden Materiales nicht entscheiden. Es sei nur erwähnt, dafs auch Pick*) die Frage einer genetischen Beziehung der Albumose A zu den primären Albumosen (Proto- und Heteroalbumosen) aufwirft, ohne jedoch die Möglichkeit auszu- schlie[sen, dafs die Albumose A ein primäres Spaltungsprodukt darstelle. Dafs die Albumose © aus einer anderen Albumose hervorgeht, d. h. sekundär entsteht, ist sowohl durch Pick wie durch Zunz nachgewiesen worden, ihre Abstammung von der Fraktion B ist freilich nur unter gleichzeitiger Abspaltung eines Kohlehydrat- komplexes verständlich. Auf die Ähnlichkeit der Protalbumose und Albumose A nicht nur in betreff ihres Jodgehaltes, sondern hinsichtlich der ganzen übrigen Zusammensetzung will ich nicht näher eingehen, da diese Fraktion nach Pieks neuesten Untersuchungen ein Gemenge von mindestens zwei Körpern darstellt. Ebenso läfst sich die Fraktion B nach Pick in drei Körper zerlegen **). | In Übereinstimmung mit Piecks Befunden an den nicht jodierten Produkten fand ich die Heteroalbumose etwas kohlen- stof- und wasserstoffärmer, dagegen stickstoffreicher als die Protalbumose. Vergleicht man aber meine Analysenwerte mit den- jenigen Picks (siehe Tab., S. 415), so sieht man, dafs die Abnahme des Stickstoffgehaltes annähernd der Jodaufnahme entspricht, dafs dagegen die Abnahme des Kohlenstoffgehaltes eine grölsere ist, als sich aus dem Eintritt von 12, bezw. 10,27 Proz. Jod berechnen *) Zur Kenntnis der peptischen Spaltungsprodukte des Fibhrins. II. Teil. Diese Beiträge 2, 480 (1902). = ) Ich hatte nicht versucht, die ursprünglichen Piekschen Deutero- albumosen in weitere Fraktionen zu zerlegen, da ich Herrn E. P. Pick mit solchen Versuchen beschäftigt wulste; siehe auch loe. eit. Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. 415 Protalbumose | Jodprotalbumose | Heteroalbumose | Jodheteroalbumose C 55,64 46,55 55,12 45,22 H 6,80 5,72 6,61 | 5,59 N 17,66 15,20 17,98 | 15,54 J _ 12,48 = | 10,27 S 1,21 1,52 1,22 | 1,59 (0) 13,69 18,53 19,07 | 21,79 läfst. Diese Beobachtung ist auch von Hofmeister*) am Jod- albumin gemacht worden. Die geringe Abnahme des Stickstoffgehaltes steht im Einklang mit der Beobachtung C. H. L. Schmidts**), welcher bei der Jodierung eine Abspaltung von Amidogruppen aus dem Eiweils- molekül direkt nachwies.. Was dagegen die bedeutende Abnahme des Kohlenstoffgehaltes betrifft, so muls man mit Hofmeister den Austritt eines kohlenstoffhaltigen, stickstofffreien (oder doch stickstoffarmen) Komplexes annehmen. Ob das schon erwähnte, durch Säuren nicht fällbare, relativ jodarme Produkt, das sich jedesmal nach Entfernung der Jod- albumosen aus dem Filtrat durch Fällung mit Alkohol gewinnen läfst, diesen abgespaltenen Komplex darstellt, ist vorderhand nicht zu sagen. Das Produkt enthält freilich noch Stickstoff und giebt sogar noch Eiweilsreaktionen, dies spricht jedoch nicht gegen die Annahme, dals es (durch Oxydation?) aus den Albumosen ab- gespalten worden ist***). Auffallend ist der hohe Schwefelgehalt meiner Präparate im Vereleiche zu dem der Pickschen Proto- und Heteroalbumosen. Dies spricht auf jeden Fall gegen die Annahme, dafs bei der Jodierung Schwefel abgespalten werde, und steht im Einklang mit Hofmeisters und Kurajeffs Eıfahrungen am ungespaltenen Eiweils. Überblicken wir diese Jodierungsversuche an Witte-Pepton, *) Joc. cit. ’**) Über die Bedeutung der Jodsäurebildung bei der Jodierung des krystallisierten Fieralbumins. Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 55 (1901). ==“) Auf einer ungleichen Abspaltung von Teilstücken des Moleküls (durch Oxydation) beruhen vielleicht auch die nicht unbeträchtlichen Schwan- kungen im Halogengehalt, welehe von allen Autoren, welche sich mit der Jodierung (und Bromierung) der Eiweilskörper befalst haben, verzeichnet worden sind. 416 A. Oswald, Über jodierte Spaltungsprodukte des Eiweilses. so ersehen wir daraus, dals die Jodierung uns ein Mittel an die Hand giebt, die Produkte der Eiweilsspaltung in gewisser Beziehung zu charakterisieren, und uns dadurch einige Anhaltspunkte gewährt zum Verständnis der Art des Abbaues des Eiweilsmoleküls durch die Wirkung des Pepsins*). Vor allem sehen wir, dals eine regel- mälsige Zunahme des Jodbindungsvermögens der Albumosen, wie sie der Kühneschen Vorstellung von den Vorgängen bei der Pepsin- verdauung gemäls vermutet werden konnte, nicht nachweisbar ist, dals vielmehr die schon gleich beim Beginn der Verdauung auf- tretenden Spaltungsprodukte in ihrem Jodbindungsvermögen er- heblich voneinander abweichen. In dieser Beziehung stimmen meine Versuche mit den ausführlichen Beobachtungen E. P. Picks über- ein, aus welchen hervorgeht, dafs schon bei der ersten Einwirkung des Pepsins das Eiweilsmolekül in eine ganze Anzahl ungleicher Produkte zerfällt. *) Es wäre von besonderem Interesse gewesen, festzustellen, wieviel Jod das unverdaute Fibrin aufzunehmen imstande ist; dadurch wäre ein Vergleich in dieser Richtung zwischen dem Fibrin und seinen höheren Spaltunesprodukten möglich gewesen. Leider scheiterten die Versuche an der Unmöglichkeit, das Fibrin in eine lösliche, zur Jodaufnahme geeignete Form zu bringen, ohne gleichzeitig das Molekül anzugreifen. XXI. Uber Präcipitine und Lysine. Von cand. med. Franz Fuhrmann, Demonstrator am Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität Graz. (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität Graz.) 8 Die vorliegende Mitteilung berichtet in Kürze über einige Versuche, welche ich auf Anregung des Institutsvorstandes Prof. Klemensiewicz ausführte. Die mir gestellte Aufgabe bestand darin, zu untersuchen, ob die Präcipitinwirkung und Lysinwirkung gewisser Sera an bestimmte Eiweilsfraktionen derselben gebunden sei. Durch fraktionierte Fällung mit Ammonsulfat haben Spiro und Haake!) aus Pferdeblutserum zwei Globulinfraktionen dar- gestellt. Nach dem Vorschlage von Hofmeister wurde der bei einem Gehalte von 28 bis 33 Proz. (NH,)SO, ausfallende Körper „Euglobulin“, der bei einer Sättigung von 34 bis 36 Proz. des Salzes ausfallende Körper „Pseudoglobulin“ genannt. Im Verlaufe von Versuchen über die labende und labhemmende Wirkung des Blutes kamen Fuld und Spiro unter anderem zu dem Resultate, dafs nur die Lösungen des Euglobulins in Milch eine Gerinnung hervorbringen, während die Pseudoglobulin- lösungen nur labhemmende Eigenschaften besitzen. _ In ähnlicher Weise verfahrend gelang es Pick?), aus dem Serum des gegen Diphtherie immunisierten Pferdes, bei Fällung mit Ammonsulfat bei einem Sättigungsgrade von 35 Proz. einen Niederschlag zu erhalten, welcher den Diphtherie-Heilkörper in ganzer Menge enthielt. Die bei geringerem Gehalte an Ammonsulfat, von 21,5 bis 25,6 Proz., abgeschiedenen Eiweils- körper zeigten keine antitoxischen Wirkungen *). *) Ein Gehalt von 25,6 Proz. Ammonsulfat entspricht für Zimmer- temperatur im allgemeinen einer Drittelsättieung und 38 Proz. einer Halb- sättigung mit diesem Salze. Beitr. z. chem. Physiologie. III. [80] | 418 Franz Fuhrmann, Die Thatsache, dafs das Diphtherieantitoxin nur in einer von den beiden Fraktionen des Diphtherieheilserums enthalten war, benutzte Pick als Wegweiser für die Trennung der beiden oben genannten Eiweilskörper aus Normalserum. Bei dieser Gelegenheit gelang es Pick, auch den Nachweis zu liefern, dafs die Fällungsgrenzen der beiden Globuline auch in den Seris verschiedener Tierspezies die gleichen sind. Dafs die Antitoxinwirkung des Diphtherieheilserums an den bei der Dialyse des Serums in Lösung bleibenden Körper ge- bunden ist, hatten schon früher Marcus?) und Seng?) gezeigt. Auch Freund und Sternberg’) erhielten durch Aussalzen des Diphtherieheilserums mit Magnesiumsulfat oder mit Ammonsulfat bei halber Sättigung eine vollständige Ausbeute an Heilsubstanz im Niederschlage. Wie früher erwähnt wurde, hat Pick zur Bestimmung der Fällungsgrenzen für die Eiweifskörper des Diphtherieblutserums den Gehalt der Niederschläge an Heilsubstanz benutzt. Er schlofs daraus auf die gleichen Verhältnisse im Normalserum, und so gelang es ihm thatsächlich, aus dem Paraglobulin des Blut- serums die beiden von Spiro und Haake dargestellten Eiweils- fraktionen zu erhalten, die sich nicht nur durch die Verschieden- heit der Fällungsgrenzen, sondern auch durch eine Reihe anderer Reaktionen als verschiedene erweisen (vgl. Fuld und Spiro, loc. eit.). 2. Versuche über die Fraktionierung der normalen Sera. Was nun meine eigenen Versuche anlangt, so wollte ich mir vorerst ein Urteil über die Fällungserscheinungen bilden, welche bei verschiedener Sättigung mit Ammonsulfat in dem Normalserum jener Tiere auftreten, die ich zu den Versuchen verwendete. Es war von vornherein zu vermuten, dafs die Fällungsgrenzen sich in einem quantitativen Versuche im Normalserum ohne weiteres an der Niederschlagsmenge erkennen lassen mülsten. Der Versuch wurde in der Art angestellt, dals kleine, möglichst gleiche Eprouvetten mit steigenden Mengen einer kalt gesättigten Ammonsulfatlösung beschickt wurden“). Durch Zusatz entsprechender *) Um Änderungen in der Konzentration der Ammonsulfatlösung zu vermeiden, fertigte ich mir eine nach Landolts und Börnsteins chemisch- physikalischen Tabellen bei 10°C. gesättigte Lösung des Salzes an. Nach diesen Tabellen wird 10 (NH,),SO, von 1,3588 H,O bei 10°C. gelöst. Diese Zahlen sind der Berechnung des Prozentgehaltes bei den Versuchen zu Grunde gelegt. Über Präcipitine und Lysine. 419 Mengen von destilliertem Wasser wurde die Salzlösung auf einen be- stimmten, in den aufeinander folgenden Eprouvetten steigenden Salz- gehalt und gleiches Volumen gebracht. Darauf wurde in jedes Röhrchen die gleiche Menge von Blutserum zugesetzt. Der Prozentgehalt an Ammonsulfat stieg in zehn zum Versuche verwendeten Eprouvetten von 19,24 bis 45,88 Proz. Die Differenz des Salzgehaltes der Lösung betrug somit in zwei benachbarten Röhrchen annähernd 3 Proz. Bei diesen Versuchen, welche ich mit normalem Blutserum vom Rinde, Pferde, Kaninchen, Meerschweinchen und Schweine anstellte, ergaben sich für die verschiedenen Serumarten die gleichen Verhältnisse. Das Röhrchen mit dem geringsten Zusatz zeigte keinen Nieder- schlag, nicht einmal eine Trübung. In den folgenden Röhrchen entstanden Niederschläge, welche mit steigendem Salzgehalte der Flüssigkeit an Masse zunahmen. Diese Zunahme war aber keine gleichmälsige, dem Salzgehalte proportionale, sondern eine sprung- weise. Es zeigten sich deutlich erkennbare jähe Zunahmen der Niederschläge bei einem Salzgehalt von etwa 25 Proz., dann von etwa 34 Proz. und endlich von etwa 45 Proz. Weit genauere Resultate als die einfache Beurteilung der Niederschlagsmassen gab der Wägungsversuch. Ich teile hier einen solchen an Rinderserum ausgeführten Wägungsversuch mit, bei dem die Niederschläge abfiltriert und bis zur Gewichtskonstanz bei 40°C. im Vakuum getrocknet worden waren. Tabelle I. © ı (NH,,SO, ge- Rinder- ı Prozent- Gewicht des | a 3 gs E20 serum | gehalt an | Niederschlages Gewicht = Eh -: ER (NH,)SO, |' in Grammen differenz 1 2,6 5,4 D 194 | Er ge 9 3,0 5,0 2 DOOR 0,0533 ae 3 3,4 4,6 2 25,16 0,0790 | 0,0257 4 3,8 4,2 2 ae 0,2105 0,1315 5 4,2 3,8 9 31.0803 0,2203 0,0098 6 4,6 3,4 2 34,04 0,2375 0,0172 7 5,0 3,0 2 37,00 | 0,3805 0,1430 8 54 9,6 9 39,96 0,4850 | 0,1045 9 5,8 2,2 2 42,92 0,4960 0,0110 10 6,2 1,8 2 45,88 0,6320 0,1360 Auch in diesem Versuche zeigen sich, wie aus dem letzten, bezw. vorletzten Tabellenstabe ohne weiteres ersichtlich ist, drei 97* 420 Franz Fuhrmann, Stellen ziemlich. jäher Zunahme der Niederschlagsmengen. Diese Stellen entsprechen nach der von mir gewählten Versuchsanordnung einem Prozentgehalte von 28,12, 37,00 und 45,88 an (NH,)SO.. Diese Versuche bieten eine weitere Stütze für die Annahme der Verschiedenheit von KEuglobulin und Pseudoglobulin und stimmen auch mit den Resultaten, welche Fuld und Spiro er- hielten, im allgemeinen überein. Gleiche Resultate erhielt ich bei einem solchen Versuche mit Kaninchenserum. Ich will nur erwähnen, dafs eine volle Übereinstimmung der Zahlen des Prozentgehaltes schon nach der Anordnung der Ver- suche nicht zu erwarten war und dafs ich deshalb für die folgen- den Versuche 25 Proz., einer Drittelsättigung entsprechend, und 37 Proz., einer Halbsättigung entsprechend, als die Fällungsgrenzen angenommen habe. Diese Zahlen wurden nicht nur deshalb ge- wählt, weil sie in einzelnen Versuchen thatsächlich die Grenzen darstellten und auch von anderen Untersuchern gewählt wurden, sondern weil sich als Resultat einiger Versuche ergab, dals der Euglobulinniederschlag innerhalb ziemlich weiter Grenzen, 25 bis 29 Proz., ausfällt. Das kann schon daraus entnommen werden, dals sich bei Herstellung der Fraktionen I und II in jedem Falle die Quantität des Euglobulins (I) als grölser erwies denn die des Pseudoglobulins (I). Auch aus der früheren Tabelle läfst sich diese Thatsache erkennen, wenn man aus dem vorletzten Tabellen- stabe die Mengen des Euglobulins und Pseudoglobulins er- mittelt. | Es ergiebt sich für 28 Proz. Salzgehalt aus 2cm3 Serum ein Gehalt von 0,2105& Euglobulin, für 37 Proz. Salzgehalt ein Gehalt von 0,1700& (0,3805 — 0,2105) an Pseudoglobulin. Auch hat die Drittelsättigung für sich, dafs dem Euglobulin kein oder nur wenig Pseudoglobulin beigemengt sein dürfte. 3. Versuche über die Präeipitinwirkung der aus Immunserum gewonnenen Fraktionen. Zu den Versuchen wurden Kaninchen verwendet, welche wäh- rend einer Woche täglich 2cm? frischer Kuhmilch subkutan er- halten hatten. Das Blutserum der so vorbehandelten Tiere wurde bei Drittel- und Halbsättigung mit Ammonsulfat fraktioniert gefällt. Die abfiltrierten und abgeprelsten Niederschläge wurden, den ur- sprünglichen Serumquantitäten entsprechend, in 0,85 proz. Koch- salzlösung gelöst, zu den Versuchen verwendet. | 42] Uber Präcipitine und Lysine. Bei einer Temperatur von 5 bis 10°C. aufbewahrt, behielten diese Lösungen, auch ohne Zusatz einer fäulniswidrigen Substanz, mehrere Tage hindurch ihre Wirksamkeit. Ebenso bereitete ich aus Rinderblutserum Lösungen beider Fraktionen. Die filtrierten Lösungen der Fraktionen stellten eine schwach opalisierende Flüssigkeit von geringem Gehalte an Ammonsulfat dar, welcher aber in keiner -Weise störend die Präcipitinwirkung beeinflufst (vgl. Fuld und Spiro, loc. cit.). Lösungen von Ammonsulfat jener Konzentration, welche den verwendeten Lösungen der Fraktionen I und II entsprachen, gaben mit Milch, Kaseinlösungen und den übrigen zu den Versuchen ver- wendeten Flüssigkeiten keinen Niederschlag und keine Trübung. Milch zeigt z. B. erst bei Drittelsättigung mit Ammonsulfat einen Niederschlag. Die in den Tabellen mitgeteilten Versuchsresultate entsprechen dem Verhalten der Proben nach einstündigem Aufenthalte im Thermostaten bei 35°C. In Tabelle II teile ich, zunächst des Vergleiches halber, die im hiesigen Laboratorium ausgeführten Versuche von Hamburger 6) mit, die im allgemeinen die Versuche von Bordet’) zur Grund- lage hatten, und welche ich auf die Fraktionen I und II des Rınderblutserums ausdehnte. Die Tabellen III und IV geben die Versuche mit den Frak- tionen des normalen und des Laktoserums von Kaninchen wieder. Tabelle II. Normal- und Laktoserum von Kaninchen. Übersicht über das Verhalten von Normal- und Laktoserum des Kaninehens gegen verschiedene Eiweilslösungen. &0 Sp Sspueng = a EN Fe] = St | = >] I 5 © Nessie 3 © = SE 8] = a5 gas 205 235 38335333333 »as 3 S 9 8 0&8 SnSsor Bora or or mono Ss De Se g 9 SS = =. ano | AO ar DEFNS EDDIE ne SS m ı© 2.2 NS re HH EZ HSAASA| O SA Benetton oe ıeı de S rs Bari mit Kuh-| Nieder- | Nieder- | Nieder- Spur kein kein kein milch schlag, | schlag, | schlag, | Nieder- | Nieder- | Nieder- Nieder- gespritzt | Flüssig- | Flüssig-| Flüssig- | schlag, | schlag, schlag, schlag, keit klar keit klar| keit klar Flüssig- | Flüssig- | Flüssig- Flüssig- keit trüb |keitklar keit klar keit klar normal kein kein all- kein kein | kein kein Nieder- | Nieder- | gemeine | Nieder- | Nieder- | Nieder- Nieder- schlag, | schlag, | Trübung | schlag, | schlag, schlag, schlag, Flüssig- | Flüssig- leichte | Flüssig- | Flüssig- Flüssig- keit klar | keit klar Trübung |keitklar keitklar | keit klar 422 Tabelle II. Franz Fuhrmann, Fraktionen des Laktoserums. Übersicht über die Präeipitinwirkung der aus dem Laktoserum des Kaninchens hereestellten Fraktionen I und II gegenüber fällbaren Eiweilslösungen ver- schiedener Art. \ a &0 =| as =) =] =) u a = eu 5} - 4 ‚cr ‚S aR=| 1 um} a kacalzoası Bene ee ea deal m 8 == ea Se Sneen onen ao 92 a5 8 so eo oe 220 je 9 8 Euas gs a 2 Seren S sa Has|a2a-o 5 einen ne 08 © En =) Eu3- es I Flüssig- | Flüssie- | Flüssig- | Flüssig- Flüssig- | Flüssigkeit lcem keittrüb, |keittrüb, keit klar, keittrüb,| keit klar, trüb, später später |Sediment später kein kein klar und |klar und Sediment | Sediment | Sediment Sediment | Sediment II Flüssig- | Flüssig- | allgem. | Flüssig- | Flüssigkeit | Flüssiekeit lccm keit klar, |keit klar, | Trübung keit klar, | wenig ge- klar, kein kein ohne kein trübt, kein kein Sediment | Sediment | Sediment |Sediment | Sediment | Sediment Tabelle IV. Fraktionen des Normalserums. Übersicht über das Verhalten der Fraktionen I und II des Normalserums vom Kaninchen gegenüber verschiedenen Eiweilslösungen. 8 2 an a » we £ = ei =! E-0r Sr es MEESS = 5 ıSe2 sas|lızesı 24 ss: san. Shome- Selen ea = 3 8.|ea.d le enleere are a Eee en 2.8 2 = © 2 Si Saale ae SS :o 0 rn Ye) Sr IS © ıo | rd EI g en ars DO SO © n SH a un 8 ei R DS Bazar Sl Sn ge | ea Kae E S= hd za rs | a) 8 RS I kein kein kein Spur Trübung keine l ccm Nieder- | Nieder- | Nieder- einer Trübung schlage, | schlag, schlag, | Trübung keine | Trübung | Trübung Trübung später | später Spur, Spur, Nieder- | Nieder- schlag schlag . | B B « « II kein) ‚ken alleem. | keine keine keine lcem | Nieder- | Nieder- |Trübung, Trübung | Trübung | Trübung schlag, schlag, kein keine keine | Nieder- Trübung | Trübung schlag Aus der Tabelle II ist ersichtlich, dafs das Laktoserum auf die Fraktionen I und II des Rinderserums keine präcipitierende Über Präcipitine und Lysine. 493 Wirkung zu äulsern vermag, während diese Wirkung in Kasein- lösungen, insbesondere in Milch, aber auch im Rinderserum klar ausgesprochen ist. Eine schwach präcipitierende Wirkung auf Rinderserum hat, wie bekannt, auch das Normalserum des Kanin- chens. Aus der Tabelle III ist zu entnehmen, dafs die präcipitierende Wirkung des Laktoserums vom Kaninchen gegenüber Kasein- lösungen, Milch und Normal-Rinderserum an die Fraktion I oder den Euglobulin-Niederschlag des Laktoserums vom Kanin- chen gebunden ist. Ob die wirksame Substauz, das Präcipitin, aus dem Lakto- serum genau ebenso wie das Euglobulin selbst durch fraktionierte Fällung zu gewinnen ist, oder ob in dieser Hinsicht eine Divergenz besteht, das sollen weitere quantitative Versuche erörtern. Zur Anstellung; dieser mangelte mir vorläufig das entsprechende Quantum von Laktoserum. Doch ergiebt sich aus meinen Versuchen, dals bei Drittelsättigung mit Ammonsulfat aus dem Laktoserum die ganze Präeipitinmenge ausgefällt ist. Solche quantitativen Versuche sollen auch über die Wirkungen der Fraktionen des Laktoserums auf die Fraktionen des Rinder- serums Aufschlufs geben. Fraktion I des Laktoserums giebt nämlich mit Fraktion II des Normal-Rinderserums eine Trübung (Tab. III). Ebenso giebt Fraktion I des Normal-Kaninchenserums mit Fraktion I des Normal- Rinderserums eine Trübung (Tab. IV). Auch die Fraktion II des Laktoserums (Tab. III), welche für Kaseinlösungen, Milch und Normal-Rinderserum ebenso unwirksam ist wie Fraktion II des Normalserums vom Kaninchen (Tab. IV), giebt mit Fraktion I des Rinderserums eine Trübung (Tab. III). Wie aus Tabelle II ersichtlich ist, wird Normal-Rinderserum durch Normal-Kaninchenserum spurweise getrübt. Diese geringe Präeipitinwirkung kommt auch der Fraktion I (dem Euglobulin) des Normalserums (Tab. IV) und, wie schon erwähnt, in erhöhtem Malse der Fraktion I des Laktoserums zu (Tab. II). 4. Versuche über die Lysinwirkung der aus dem Serum gewonnenen Fraktionen. Nach dem Vorgange von Ehrlich und Morgenroth erhielten zur Erlangung eines wirksamen Serums Kaninchen fünf Tage hin- durch täglich 2cem defibrinierten Rinderblutes subkutan. 494 Franz Fuhrmann, Das von den Kaninchen gewonnene Serum wurde wie in den vorerwähnten Versuchen durch Drittei- und Halbsättigung mit Ammonsulfat in Fraktionen getrennt, welche, in 0,85proz. Koch- ' salzlösung gelöst, zu den Versuchen verwendet wurden. Um den Gehalt der Fraktionen I und II an Ammonsulfat zu eliminieren, verwendete ich in späteren Versuchen dialysierte Lö- sungen derselben, welche nachträglich wieder auf eimen Salzgehalt von 0,85 Proz. ClNa gebracht waren. Aus dem Filtrate von Fraktion II stellte ich durch Eintragen von krystallisiertem Ammonsulfat bis zur völligen Sättigung eine Fraktion III dar, welche ebenfalls dialysiert und, in 0,85 proz. Kochsalzlösung aufgelöst, zu den Versuchen verwendet wurde. Die zur Erkennung der Lysinwirkung nötige Erythrocyten- aufschwemmung wurde, wie üblich, im Verhältnisse von 5 Blut zu 100 Kochsalzlösung von 0,85 Proz. Salzgehalt hergestellt. Es ist eine bekannte Thatsache, dals auch das Normalserum "bestimmter Tierspezies gegenüber dem Blute anderer Tiere eine nicht unbeträchtliche Lysinwirkung zu äufsern vermag. Durch die Untersuchungen von Ehrlich und Morgenroth sind auch der- artige Fälle bei Versuchen mit Blut verschiedener Tiere derselben Art bekannt geworden (Isolyse). Es ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, die verschiedenen zu den Versuchen zu verwendenden Blutsorten in dieser Hinsicht genau zu prüfen. So findet man z. B., dafs Kaninchen-Normalserum energisch hämolytisch wirkt auf Schweine- und Pferdeblut, nicht aber auf Rinderblut. Die hämolytische Wirkung, welche das Normalserum des Kaninchens auf die Blutkörperchen des Schweines äufsert, ist in Bezug auf ihre Intensität in verschiedenen Versuchen wechselnd. Haben Kaninchen Rinderblut subkutan eingespritzt erhalten, so zeigt sich das gewonnene Kaninchenserum (Rinderblut-Immun- serum des Kaninchens) hämolytisch gegenüber dem Rinderblute, aber Blutkörperchen des Schweines und des Pferdes werden davon entweder gar nicht oder nur sehr spärlich gelöst. Werden aus einem Versuche, in welchem Schweine- oder Pferdeblutkörperchen vom Kaninchenserum nicht gelöst wurden, die Blutkörperchen abcentrifugiert, gewaschen und nun mit Schweine- bezw. Pferdeblutserum behandelt, so findet ebenfalls keine Hämo- lyse statt. Diese auffällige Thatsache kann in sehr mannigfaltiger Weise gedeutet werden, doch beenüge ich mich, dieselbe vor- läufig zu konstatieren, und verschiebe eine Deutung derselben, bis l Über Präcipitine und Lysine. 49; De ich durch weiter fortgesetzte Versuche über ein reicheres Material verfüge. Wie schon früher erwähnt wurde, habe ich die aus dem Blut- serum dargestellten Fraktionen der Dialyse unterworfen, was sich als dringend nötig erwies, da auch sehr geringe Spuren von Ammonsulfat dem Zustandekommen der Hämolyse hinderlich sind. Ein Beispiel dafür ist die Thatsache, dafs Rinderblut-Immunserum des Kaninchens, welches Erythrocyten des Rindes energisch löst, durch Zusatz äulserst geringer Mengen von Ammonsulfat dieser Wirkung sofort beraubt wird. Um die Übersicht über die Lysinversuche zu erleichtern, führe ich von jeder Art derselben einen an und werde daran die Be- sprechung der Resultate anschliefsen. Vorerst gebe ich eine Tabelle der ersten sieben Versuchsreihen, zu der ich nur bemerke, dafs unter Fraktion I], II und III das Dialysat aus Rinderblut-Immunserum vom Kaninchen zu verstehen ist. Als Komplement wurde Normal-Kaninchenserum verwendet. RBJS be- deutet in dieser Tabelle V Rinderblut-Immunserum vom Kaninchen. Als Erythrocytenaufschwemmung wurden in allen Versuchen, wie er- wähnt, Rinderblutkörperchen, gewaschen und in Kochsalzlösung auf- geschwemmt, verwendet. Tabelle V. RN Fraktion Komnl Erythro- S = RBISI eyten- hi i: 2 3 I II III ment suspension Hämolysis © | > "| ccm | cem | eem | cem ccm ccm I ‚2 — — — — 1 0 f kaum merkliche Spur u ’ E77 = 0,1 ı L von Hämulyse III — 0.2 — — —_ 1 0 10% —_ 0,2 _ — 0,1 1 Hämolyse V —_ 0,2 — — 1 N) VI — — 0,2 — 0,1 1 0 vu —_ — — 0,2 — 1 Hämolyse Aus diesen Versuchen ist ersichtlich, dafs der Pseudoglobulin- niederschlag (Fraktion II) des Immunserums vom Kaninchen auf die Erythrocyten des Rindes stark lösend wirkt (Versuch IV). Ebenso wirkt, wenn auch weniger stark, der Euglobulinnieder- schlag: (Fraktion I, Versuch II). Die Fraktion III dagegen erweist sich sowohl ohne als auch mit Zusatz von Kaninchen-Normalserum als völlig unwirksam. 496 Franz Fuhrmann, Im Sinne von Ehrlichs Theorie könnte man annehmen, dafs an Fraktion III weder ein Immunkörper (Lysin) noch ein Komple- ment gebunden ist. Andererseits werden aber die Resultate der Versuche V und VI auch schon durch die Abwesenheit des Immun- körpers allein erklärt. Dafs aber in diesem Falle thatsächlich beide Substanzen mangeln, wird durch weitere Versuche bewiesen. Werden nämlich die Blutkörperchen, welche in Versuch V und VI ungelöst blieben, durch Oentrifugieren und Waschen mit Kochsalzlösung (0,85 Proz.) von den Zusatzflüssigkeiten befreit, so erweisen sie sich auch auf Zusatz von neuem Normalserum vom Kaninchen als nicht löslich. Also ist kein Immunkörper vor- handen. Wird die Lösung der Fraktion III mit präparierten (mit Immunkörper beladenen) Rindererythrocyten zusammengebracht, so erweist sie sich auch als unwirksam. Also ist kein für Rinder- erythrocyten wirksames Komplement vorhanden. Versuch VII. Wurden die in den Versuchen I, II und III der Tabelle V ungelöst gebliebenen Blutkörperchen durch Centrifugieren und Waschen mit Kochsalzlösung von den in den Versuchen verwendeten Flüssiekeiten befreit und in Kochsalzaufschwemmung mit einem Tropfen Normal- serum vom Kaninchen versetzt, so erhielt ich in allen drei Fällen innerhalb weniger Minuten völlige Lösung der Erythro- ceyten. : Der Versuch IV (Tab. V), im Sinne der Ehrlichschen Theorie erörtert, lälst erkennen, dafs die Fraktion II sich ähnlich verhält wie ein inaktiviertes Lysinserum, was durch den Versuch VIII bestätigt wird. In demselben Sinne aufgefalst, ergiebt der Versuch II, dafs zwar ein Immunkörper vorhanden ist, der aber auf Zusatz geringer Mengen von Komplement nicht oder nicht vollkommen komplet- tiert wird, da nur spurweise Hämolyse auftritt. Das kann auch in der Weise gedeutet werden, dafs eine die Hämolyse hemmende Substanz vorhanden ist. Weitere Versuche werden erweisen, dals diese letztere Ansicht, welche zur Annahme eines Antikomplementes in Fraktion I führt, die wahrscheinlichere ist. So viel ist aber sicher, dafs in den Versuchen I, II und II die Blutkörperchen im Sinne Ehrlichs mit dem Immunkörper (Amboceptor) beladen erscheinen; das geht aus Versuch III hervor. An Stelle des Normalserums des Kaninchens habe ich in einigen Versuchen auch die aus dem Normalserum hergestellten und durch Dialyse gereinigten Fraktionen benutzt, um eine all- Über Präeipitine und Lysine. 427 fällige Komplementwirkung derselben zu konstatieren. Die Frak- tionen des Kauinchen-Normalserums erwiesen sich aber in dieser Hinsicht als völlig unwirksam. Zum Nachweise des “Antikomplementes in den Fraktions- lösungen habe ich eine Reihe von Versuchen ausgeführt, welche in Tabelle VI wiedergegeben sind. Es wurden die aus den Ver- suchen I, IH, III, V und VI der Tab. V stammenden, abcentrifu- gierten Flüssigkeiten verwendet und auf ihre hämolytische Wirkung geprüft. Tabelle VI]. P | | Flüssigkeit v. Versuchs- ]. Fraktion o. = = BE REIS nummer aus Tab. V des Lysin- = =3 3= serums =#: 25 e > anlv| velnsktin Ba cem| ccm |eem cem)cem ccm cem com ccm 1 ; Ri 1002| 1) —- | — | —| — _ — | keine Hämolyse xl 17 j02|-jı|-|—- | —-| — — | Hämolyse I 1 022 — — 1/-ı — _ — , Hämolyse xT) ı J02 ii -/|-|1|-| = ı — | Hämolyse KT 1 2 | 1 — #1 | _ — | Hämolyse xIv| 2) _-— 0.2 0.1 | Hämolyse | | | | Zu dieser Tabelle sei nur noch bemerkt, dafs unter Fraktion I des Lysinserums inaktiv die !/, Stunde auf 56°C. gehaltene Fraktion I desselben Rinderblut-Immunserums vom Kaninchen zu verstehen ist, welches auch zu den Versuchen IX bis XIIl verwendet wurde. Aus diesen Versuchen ersehen wir, dals durch die Fraktion I des RBJS (Lysinserums) thatsächlich eine Behinderung der Lysin- wirkung auftritt, welche hemmende Wirkung durch Erwärmen dieser Fraktionslösung auf 56°C. (Inaktivierung) verschwindet. Es erscheint mir deshalb gerechtfertigt, diese Thatsache im Sinne der Ehrlichschen Theorie durch die Anwesenheit eines Antikomple- mentes zu erklären. In Bezug auf diese Hemmungswirkung, welche ich schon der Kürze wegen als Antikomplementwirkung bezeichnen will, ist fol- gendes bemerkenswert. Das Antikomplement ist gegenüber der Anwesenheit von Ammonsulfat in den zur Fraktionierung verwendeten Konzentrations- graden unempfindlich. Wie schon früher erwähnt wurde, sind 428 Franz Fuhrmann, die Immunsera in Bezug auf ihre hämolytischen Wirkungen gegen- über dem Gehalte an Ammonsulfat sehr empfindlich, und dasselbe gilt selbstverständlich auch für deren Fraktionen (s. S. 425). Während aus den Versuchen in Tabelle VI sich eine an Fraktion I des Rinderblut-Immunserums gebundene Antikomplement- wirkung ergiebt, ist für Fraktion II und III nichts derartiges nach- weisbar. | Dafs solche Antikomplementwirkungen gelegentlich zu beob- achten sind, ist bekannt. So berichten Ehrlich und Morgen- rothS) über den Mangel jeder hämolytischen Wirkung eines Rinderblut-Immunserums des Kaninchens auf Rinderblut (Ochsen- blut). Auch die von Ehrlich versuchte Komplettierung mit über- schüssigem Kaninchenserum war eıfolglos.. Aber nach Zusatz frischen Normalserums des Kaninchens als Komplement wurden die abcentrifugierten Rinderblutkörperchen sofort und voll- ständig gelöst. Diese Versuche erklären Ehrlich und Morgen- roth in der Weise, dafs Komplement fehlte und aufserdem Anti- komplement vorhanden war. Das von mir verwendete Immunserum (Lysinserum) war im- stande, Rinderblutkörperchen, im Verhältnisse von 0,1 Serum zu 16 bis 158 Blutkörperchenaufschwemmung, in einer Stunde voll- ständig zu lösen. Es war also eine von Haus aus kaum merkliche hemmende Wirkung auf den hämolytischen Vorgang zu bemerken. Wurde aber das Lysinserum mit Ammonsulfat gefällt und Frak- tion I zu den Versuchen benutzt, so trat die hemmende Wirkung in den Vordergrund (Antikomplement). Wie schon oben erwähnt wurde, ist diese Erscheinung auf die Ausschaltung der Komplement- wirkung durch die Behandlung mit Ammonsulfat zurückzuführen. Für die Erklärung dieser Erscheinung wäre noch die Ansicht von Lipstein°’), welche er in seinen Untersuchungen als Kom- plementablenkung bezeichnet hat, in Betracht zu ziehen. Gegen die Lipsteinsche Auffassung einer Ablenkung der Komplementwirkung durch überschüssige Amboceptoren mit be- stimmtem Aviditätsverhältnisse spricht die Thermolabilität des Antikomplementes, die sich aus meinen Versuchen ergiebt. Eine Vernichtung oder Änderung des für eine „Ablenkung“ der Kom- plementwirkung nötigen Amboceptorenüberschusses ergiebt sich aus meinen Versuchen nicht. Eine solehe Vernichtung oder Ände- rung mülste dann durch das Erwärmen auf 56° C. zn stande kommen, was aber der bekannten Stabilität der Immunkörper gegen diese Temperatur widerspricht. Über Präeipitine und Lysine. 429 5. Präecipitine in den Fraktionen des Lysinserums. Wird das Lysinserum in der früher angegebenen Weise durch Ammonsulfat gefällt und die beiden Fraktionen des Euglobulins und Pseudoglobulins dargestellt, so zeigt sich in Versuchen mit Kasein- und anderen Eiweilslösungen eine Präcipitinwirkung. Diese Präcipitinwirkung ist an die Fraktion I (Euglobulin) ge- bunden und ist unabhängig von dem Gehalte der Fraktionslösungen an den geringen Mengen von Ammonsulfat, welche in nicht dialysierten Lösungen enthalten sind. Tabelle VII giebt eine Übersicht über derartige Versuche. Tabelle VI. Fraktion Kasein- | | Fraktion I | Fraktion In { ! Rinder- des Lysin- lösung Kuhmilch, ‘vom Rinder- vom Rinder- rum ’ serums, — Ca0Cl, | 3 Tropfen serum, serum, | O5eem | $) l ccm 0,5 ccm 0,5 cem 0,5 cem | | | en | | Trübung, äfsi S | | 5 R mälsiger pur ee Fraktion I | später Spur |... Sr 1 klar ı Trübung ; Niederschlag Trübung | z Niederschlae | ; | | allgemeine | & Trübung Spur Fraktion II | klar = klar e: klar | ohne Trübung Sediment 6. Versuche über die Wirkung der Immunisierung von Tieren mit der Euglobulin- und Pseudoglobulinfraktion. Die Versuche gingen darauf aus, zu konstatieren, ob durch die Injektion der Euglobulin- und Pseudoglobulinfraktion bei Tieren spezifische Präcipitine entstehen. Es ist selbst- verständlich, dafs ich zu diesen Versuchen sowohl bei der Ein- spritzung als auch bei den Präcipitinversuchen dieselben Lö- sungen der Fraktionen benutzte. Derartige Versuche haben Landsteiner und Calvo!?) an- gestellt. Diese Forscher benutzten Lösungen der Fraktionen I und II sowie von Serumalbumin aus dem Normalserum des Pferdes zur Einspritzung und erhielten negative Resultate in Bezug auf die Spezifität der Präcipitinwirkung. Es erzeugte nämlich das nach Einspritzung von Fraktion I des Pferdeserums gewonnene Immun- serum in allen Fraktionen des normalen Pferdeserums ein Prä- eipitat, aber dieses war am stärksten mit Fraktion I des Pferde- 450 Franz Fuhrmann, normalserums. Ähnlich verhielt sich das Immunserum von Frak- tion II gegenüber den Fraktionen des Pferdenormalserums. Ich verwendete Fraktion I und II des Normal-Rinderserums, welche, in 0,85 Proz. Kochsalzlösung in möglichst grofsen Mengen gelöst, einer Reihe von Meerschweinchen in Dosen von lcem täg- lich eine Woche hindurch in die Bauchhöhle injiziert wurden. Das Serum der mit einer der beiden Fraktionen vorbehandelten Tiere gab mit beiden Fraktionen des Normal-Rinderserums und mit Normal-Rinderserum einen Niederschlag. Es ist jedoch zu beachten, dafs die Trennung der Fraktion I und II möglicherweise keine quantitative war, so dafs hieraus ein ganz sicherer Schluls gegen die spezifische Wirkungsweise der erhaltenen Präcipitine noch nicht gezogen werden kann“). Ausschlaggebender ist, dafs auch die Kuhmilch, und zwar hauptsächlich durch das Immunserum von Fraktion I, zum Gerinnen gebracht wurde, eine Eigenschaft, welche das Blutserum des Meerschweinchens durch die Einspritzung von Lösung der Fraktion I des Normal-Rinderserums erst erlangte, da, wie aus Tabelle VIII hervorgeht, dem Normal-Meerschweinchen- serum eine solche labende Wirkung auf Kuhmilch nicht zukommt. Auch dem Normal-Kaninchenserum (vgl. Tabelle II) kommt eine solche Wirkung auf Kuhmilch nicht zu. Eine Übersicht über die Versuchsresultate giebt Tabelle VII. Iabell’esVv2mT ' Fraktion I: Fraktion II: re: Rinder- Rinder- ae Kuhmilch serum serum 05ccm | * Tropfen 0,5 cem 0,5 cem | ; Immunserum nach [ | een Einspritzung der Frak-* Trübung Trübung J = \ Niederschlag | \Trübungf tion I, 1cem | iur Immunserum nach | kaum eine Einspritzung der Frak- ı Trübung Trübung | Trübune '*SpurNieder- tion II, 1cem | schlag Normales . Meerschweinchenserum, | klar klar klar Fe x l cem | ne *) Versuche darüber, ob sich reine Euglobulin- und Pseudoelobulin- lösungen ebenso verhalten, sind im Gange. Uber Präcipitine und Lysine. 431 Zusammen fassung. Aus meinen Versuchen ergeben sich kurz zusammengefalst folgende Resultate: 1. Durch Wägung der Niederschläge, welche in Rinder- und Kaninchenserum durch Zusatz von Ammonsulfat in steigender Konzentration entstehen, lassen sich 5 kritische Punkte erkennen, welche etwa einer 1/,, }/, und totalen Sättigung mit dem Salze entsprechen. Auf diese Weise lassen sich nach dem Vorgange Hofmeisters das Euglobulin, das Pseudoglobulin und das Serumalbumin gesondert gewinnen. Ähnliche Resultate er- geben volumetrische Versuche mit Seris verschiedener Tierspezies (Rind, Kaninchen, Pferd, Meerschweinchen und Schwein). 2. Die präcipitierende Wirkung des Laktoserums vom Kaninchen für Milch, Kaseinlösung und Rinderserum ist an den Euglobulin- niederschlag gebunden. Am Normal-Kaninchenserum ist keine Labwirkung auf Milch nachweisbar. Eine solche ist aber an Fraktion I des Normalserums erkenntlich., Der Pseudo- globulinniederschlag des Laktoserums vom Kaninchen enthält keine derartig wirksamen Substanzen. 3. Die hämolytische Wirkung des Rinderblut-Immunserums vom Kaninchen ist an das Euglobulin und an das Pseudo- globulin gebunden, während der Fraktion III, dem Serum- albumin, eine solche Wirkung nicht zukommt. 4. Komplementäre Wirkungen der Fraktionslösungen des Normal-Kaninchenserums sind nicht nachweisbar. 5. Die hämolytische Wirkung des Pseudoglobulins aus Lysinserum des Kaninchens dargestellt, ist ohne weiteres kenntlich. Nicht so verhält es sich mit dieser Wirkung des Euglobulins aus Lysinserum. In dieser Euglobulinfraktion ist eine Substanz vorhanden, welche hemmend auf den Verlauf der Hämolyse wirkt (Antikomplement). 6. Das Antikomplement wird durch Erhitzung auf 56° C. unwirksam. 7. Während die Antikomplementwirkung durch den Zusatz von Ammonsulfat nicht beeinflulst wird, sind die Komplemente des Normalserums sowohl, als auch des Lysinserums gegen dieses Salz sehr empfindlich. Dem entsprechend lälst sich in keiner Fraktion dieser Sera ein Kom- plement nachweisen. 8. Die Fraktion I (Euglobulin) des Lysinserums zeigt 433 Franz Fuhrmann, Über Präeipitine und Lysine. aulser der Lysinwirkung auch eine präcipitierende Wirkung auf Kaseinlösung, Kuhmilch, Rinderserum und Fraktion I des Rinderserums, während Fraktion II des Rinderserums nicht gefällt wird. 9. Nach Immunisierung der Tiere mit Lösungen der Eu- globulin- oder Pseudoglobulin-Fraktion zeiste das Immun- serum eine deutliche Präcipitinwirkung aul jede der von mir dargestellten Fraktionen. Graz, 1. Oktober 1902. Litteratur. !) Fuld und Spiro, Über die labende und labhemmende Wirkung ge Blutes. Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 140 u. f. °) Pick, Zur Kenntnis der Immunkörper. Beitr. z. chem. Physiologie und Pathologie 1 (1902). ®) Marcus, Über in Wasser lösliches Serumglobulin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 559 (1899). *) Seng, Über die qualitativen und quantitativen Verhältnisse der Eiweilskörper im Diphtherie-Heilserum. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektions- krankh. 31, 513 u. £. 5) Freund und Sternberg, Über Darstellung des Heilkörpers aus dem Diphtherie-Heilserum. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankh. 31, 431 u. £. (1899). ‘%) Hamburger, Biologisches über die Eiweilskörper der Kuhmilch und über Säuglingsernährung. Wiener klin. Wochenschr. 49 (1901). ”) Bordet, Le mecanisme de l’agglutination.e Annal. de l’Inst. Pasteur 1899, p. 240. ‘) Ehrlich und Morgenroth, Über Hämolyse. V. Mitteilung. Sonderabdruck aus der Berliner klin. Wochenschr. 10, 16 (1901). °) Lipstein, Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenzglas- versuchen und ihre Ursache. Zentralbl. f. Bakteriologie und Parasiten- kunde 31, 460 u. f. (1902). 10%) Landsteiner und Calvo, Zur Kenntnis der Reaktion des nor- malen Pferdeserums. Zentralbl. f. Bakteriologie und Parasitenkunde 51, 781 u. f. (1902). XXII. Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe. Von Dr. Julius Schütz. [Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der k. k. Kranken- anstalt „Rudolf-Stiftung“ in Wien (Vorstand Dr. E. Freund).] Bereits in älteren Arbeiten [Schützenberger, Kossel!) u.a.] ‚war gezeigt worden, dafs in Hefe, welche unter Ausschlufs von Fäulnis sich selbst überlassen wird, ein Abbau von Eiweilskörpern stattfindet. Salkowski?) war der erste, welcher zeigte, dafs in gekochter Hefe diese Erscheinung sich nicht nachweisen liefse, und damit die Annahme eines enzymatischen Vorganges nahe legte. Salkowskis Angaben wurden in neuerer Zeit speziell durch M. Hahn und Geret?), sowie durch Kutschert) ergänzt. Hahn und Geret fanden eine Anzahl sehr bemerkenswerter 'Thatsachen bezüglich der Wirkungsweise des proteolytischen En- zyms, sowie bezüglich der Natur der Spaltungsprodukte. Sie zeigten insbesondere, dals das proteolytische Enzym der Hefe in den Prefssaft übergehe und sich daraus bis zu einem gewissen Grade isolieren lasse. Kutscher fand, dafs sich unter den Spaltungsprodukten aufser dem bereits früher gefundenen Leucin und Tyrosin auch Aspara- ginsäure, Diaminosäuren, sowie Ammoniak nachweisen lassen. Ich versuchte nun die Wirkungsweise des Enzyms bezüglich seiner Spaltungskraft gegenüber verschiedenen Eiweilskörpern zu studieren und auch einige quantitative Daten betreffs der Ammo- niakbildung zu erhalten. Da ich aus äufseren Gründen gezwungen bin, meine Arbeit für einige Zeit zu unterbrechen, so sehe ich mich veranlalst, einen Teil der ermittelten Thatsachen schon jetzt mitzuteilen. Beitr. z. chem. Physiologie. III. [80] [0 2] 434 Julius Schütz, Bereits Hahn und Geret haben die Einwirkung von Hefe- prelssaft auf Eierklar, Kasein, Glutenkasein und Legumin unter- sucht und gefunden, dafs hierbei das durch Hitze koagulable Ei- weils durch das im Hefepref[ssaft befindliche Enzym vermindert werde. Sie konnten auch eine Verflüssigung fester Karbolgelatine konstatieren. Ich suchte vor allem der Frage näher zu treten, ob das pro- teolytische Enzym der Hefe im stande ist, verschiedene Eiweils- körper in tiefstehende Produkte von nicht mehr albumosen- oder peptonartiger Natur zu spalten, und wie stark diese Spaltungswirkung bei verschiedenen Proteinstoffen ist. Zur Ver- wendung kamen: Euglobulin, Pseudoglobulin, krystallisiertes Serum- albumin und Gelatine. Die Eiweilskörper des Blutserums wurden aus Pferdeblutserum gewonnen, und zwar das Euglobulin durch Drittelsättigung mit Ammon- sulfat (es enthielt demnach noch geringe Mengen von Fibrinoglobulin), das Pseudoglobulin durch Halbsättigung des Filtrats vom Euglobulin, das krystallisierte Serumalbumin nach der Methode von Pemsel’) (vorsichtiges Behandeln des Serums mit 1/,-Normalsäure nach Aus- fällung der Gesamtglobuline). Letztere Methode lieferte mir stets sehr reine Präparate in sehr guter Ausbeute, besonders nach Einbringung von Impfkrystallen. Die vier Proteinkörper kamen in möglichst gleichprozentiger wässeriger Lösung zur Verwendung. Die Lösungen gaben sämt- lich bei Prüfung mit Nesslerschem Reagens ein negatives Ergeb- nis, so dafs der Stickstoffgehalt bis auf eventuelle Spuren anderer Substanzen auf Eiweils bezogen werden konnte. Pre(shefe wurde mir in sehr grofser Reinheit von der Simme- ringer Brauerei in beliebigen Mengen liebenswürdigst zur Verfügung gestellt, wofür ich Herrn Direktor Thausing, sowie Herrn Chemiker Pfeiffer auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. Die in einem speziell dazu konstruierten Apparate gewaschene Hefe wurde direkt im Gärkeller in sterile Gefäfse gebracht und mög- lichst bald in Arbeit genommen. Eine bestimmte Quantität wurde in dem Fünffachen des Gewichts an 0,7 proz. Kochsalzlösung aufgeschwemmt und die zum Versuche notwendige Menge mittels Pipette abgemessen. Bei einiger Übung läfst sich auf diese Weise eine genügende Gleich- mälsigkeit erzielen, besonders wenn man die Aufschwemmung während des Aufsaugens mit einem Glasstabe entsprechend umrührt. Die allgemeine Versuchsanordnung in den folgenden drei Versuchs- reihen bestand darin, dafs eine bestimmte Quantität Hefeaufschwemmung (H) von bekanntem Stickstoffgehalt mit der Lösung eines Eiweilskörpers Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe, 435 vermischt, hierauf mit entsprechenden Mengen konzentrierter Kochsalz- lösung und destillierten Wassers auf 100, resp. 10l ccm in der Weise aufgefüllt wurde, dafs schliefslich ein Kochsalzgehalt von 0,7 Proz. resul- tierte. Als Kontrollprobe diente die gleiche Quantität Hefeaufschwem- mung ohne Eiweilszusatz, die unter sonst gleiche Bedingungen ge- bracht wurde Die Proben wurden mit Toluol stark versetzt, gut verkorkt und unter häufigem Umschütteln acht Tage im Brutschrank bei 40° belassen. Nach dieser Zeit wurden sie, wie folgt, verarbeitet. Nach quantitativem Überspülen in Bechergläser wurden die Proben ganz oder in aliquoten Teilen mit !/; bis !/,, verdünnter Essigsäure und hierauf mit 10 proz. Gerbsäure versetzt, solange noch ein Niederschlag entstand. Hierauf blieben die Flüssigkeiten mindestens 16 Stunden gut zugedeckt stehen; nach dieser Zeit wurde, falls sich die Ausfällung als vollständig erwies, filtriert und im Filtrate der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Sämtliche unten angeführten Zahlen sind das Mittel aus zwei bis drei gut untereinander stimmenden Parallel- bestimmungen. Ich lasse nun meine Versuche tabellarisch folgen: Tabelle ]. | | | 5 = Darin N || | Darin | mg | Nach S me; | | N | achttägieer Eulen Zugesetzte Protein- | me | | Digestion aıs|s Ye lösung | Siralaser „lmsubenrA0, ef = E n | a — Zeile - I = [5) {eb} = -S De 5) = | as & O5 2 |\3 | SI az | © SRH ITS ESEHN EINE 5) 12) 2 =) ES) Be) | N zZ Sl Se SEE ES = I= saels.e m PP |s|3 Sn =! = | & \ Salsa: | 2 > Sg HH | on > rt > 755 & on ed > Art El Sl Er Seele = m e= derselben Sale Ss ee © | I ee ee Z | | 5 = AIN = | | l l | | | || | wis | oO | = = 11 50[995,5 48 | 0 —ı — /2955| 48 | 207,2 |159,2 I 2 ,50/225,5| 48 |Euglobulin . . |50| 240 || 465,5 | 48 233,8 | 185,8 | 3 50 225,5 48 |Pseudoglobulin [50 | 240 | 465,5 | 48 240,8 | 192,8 4 501225,5 48 |Serumalbumin |50| 240 | 465,5 | 48 | 238,5 | 190,5 1 |25/109,5| 23,6 | —_ —| — 109,5 | 28,6 ||. 98,7 | 75,1 11.)| 2 |25|109,5| 23,6 |Euglobulin . . 60 288 | 397,5 | 23,6 | 119,0 | 95,4 | 3 25.109,5, 23,6 Pseudoglobulin 60 | 288 ı 397,5 | 23,6 | 100,1 | 76,5 4 25,109,5, 23,6 Serumalbumin 60 288 || 397,5 | 25,6 | 150,0 | 106,4 || | | r | 1110| 43 | 10,1} —_ —| — 43 10,1 | 39,0 | 28,9 | 2/10 45 | 10,1 Pseudoelobulin 601 288 1331 | 10,1 | 50,0 | 19,9 3.10) 43 | 10,1 |Gelatinelösung |60| 240 |283 | 10,1 | 150,0 | 119,9 436 Julius Schütz, Wie aus obiger Tabelle ersichtlich, erfolgt während der Di- gestion in allen Fällen eine Zunahme von durch Tannin nicht fällbarem Stickstoff, jedoch in sehr ungleichem Mafse. Während das Hefeeiweils selbst und die Gelatine eine sehr bedeutende Zer- lesung unter Bildung von Endprodukten erleiden, ist dieselbe bei Euglobulin und Serumalbumin zwar stets vorhanden, doch viel ge- ringer, beim Pseudoglobulin fehlt sie, wie der Vergleich mit der Kontrollprobe (I, 1 u. III, 1) lehrt, in zwei von drei Fällen ganz. Ein ganz genauer zahlenmäfsiger Vergleich ist allerdings in- sofern schwierig, als einmal die Bestimmungen notwendig mit kleinen Messungsfehlern behaftet sind, die sich besonders beim Hefenuklein geltend machen können, sodann, weil nicht sichersteht, ob nicht die Autolyse der Hefe selbst durch den Zusatz der Pro- teinstoffe eine Veränderung, sei es im Sinne einer Steigerung, sei es einer Verminderung, erfährt. Ein drittes Bedenken, das man geltend machen könnte, dafs etwa die zugesetzten Proteinstoffe schon an sich ohne Hefezusatz bei der Digestion autolytische Veränderungen durchmachen, ist nicht stichhaltig. Bei den oben angeführten echten Eiweilslösungen war nach der Digestion nur eine minimale Menge, etwa 2 mg, nicht durch Gerbsäure fällbarer Stickstoff zu erhalten, und auch die Gelatine ergab nur Spuren davon. Nachstehend gebe ich für die vorstehenden Versuche eine Zusammenstellung der Mengen nicht fällbaren Stickstoffs in Mill- gramm, welche aus den zugesetzten Proteinstoffen entstanden sind, sub I unter der Voraussetzung, dafs die Autolyse der Hefe nach Proteinzusatz ebenso verlief wie ohne denselben, sub II unter der möglichst ungünstigen, gewils nicht verwirk- lichtem Voraussetzung, dals die Hefeautolyse in den mit Protein versetzten Proben so rasch verlief, dals das gesamte Eiweils der Hefe in nicht mehr durch Gerbsäure fällbare Stoffe übergeführt wurde. Was für viele andere Fermente gilt, dafs sie einem bestimmten Substrat angepalst sind und an diesem maximale Wirkungen ent- falten, während sie sonst ganz ähnliche Stoffe wenig oder gar nicht angreifen, trifft wohl auch für das proteolytische Ferment der Hefe zu. Es erinnert in dieser Beziehung an das Verhalten verwandter autolytischer Fermente, so an das autolytische Ferment der Leber, das nach Jacoby‘) wohl Albumine, aber nicht Globuline angreift, und an das Erepsin, das nach Cohnheim!?) viele Eiweilsstoffe intakt läfst, während es Kasein spaltet. Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe. 457 Tabelle II. Zunahme an nicht durch Gerbsäure Versuchs- Versuchs- fällbarem N in Milligramm reihe nummer nach I nach II ji 9 26,6 Azanı I 3 + 33,6 + 15,9 I 4 1231,3 13,0 II 2 —+ 20,3 +9 u 3 a afeı II 4 + 31,3 +20 In ( D 22,00 13,0 3 —- 91,0 + 57,0 Die Thatsache, dafs gerade das Hefeeiweils das günstigste Substrat für die Wirkung des proteolytischen Hefeenzyms darstellt, ist im Sinne der Auffassung, dals die autolytischen Fermente neben anderen die Aufgabe haben, das abgestorbene Material in eine Form überzuführen, die von der überlebenden Schwesterzelle assimiliert werden kann, gut verständlich. Die merkwürdige Erscheinung, dafs das Pseudoglobulin so ungleich von dem Hefeenzym angegriffen wurde, ja in einem Fall selbst die Hefeautolyse hemmte, scheint auf die gelegentliche An- wesenheit eines die Proteolyse hemmenden Agens hinzuweisen, was ein Seitenstück zu dem von Fuld und Spiro®) beobachteten lab- hemmenden Agens des Blutserums darstellen könnte. Doch ist die Zahl meiner Beobachtungen zu geringe, um daraus mehr denn einen Fingerzeis entnehmen zu können. Über den Umfang der Ammoniakbildung lälst sich aus folgen- den Versuchen einiges entnehmen. a) 160 & reinster Preishefe wurden in 800 cem 0,6 proz. NaCl- Lösung aufgeschwemmt und unter starkem Toluolzusatz 36 Tage lang im Brutschranke belassen. Nach dieser Zeit wird der Gesamt- und der durch Magnesia abspaltbare Stickstoff bestimmt: Gesamtstickstoff in 100 cem — 546 mg Magnesiastickstoff in 100 cem — 32,4 mg — 5,91 Proz. des oe b) 52. reinster Prefshefe wurden in 500 cem 0,6 proz. Kochsalz- lösung unter starkem Toluolzusatz 14 Tage lang im Brutschrank be- lassen. Nach dieser Zeit werden folgende Zahlen erhalten: 438 Julius Schütz, Zur Kenntnis des proteolytischen Enzyms der Hefe. Gesamtstickstoff in 100 cem —= 262 mg Magnesiastickstoff in 100 ccm —= 16,6 mg — 6,29 Proz. des Gesamtstickstoffes. Zum Vergleiche seien die Zahlen folgender Autoren angeführt. Jacoby°) fand in der Leber 5,6 bis 9,4 Proz, Pfaundler’”) bei der Spaltung von Witte-Pepton durch Bacterium coli etwa 6 Proz.., Mochizuki°) bei der Trypsinverdauung von krystallisiertem Serum- albumin 5,9 Proz. direkt durch Magnesia abspaltbaren Stickstoff. Es stimmen demnach die Zahlen von Mochizuki, Pfaundler und mir ziemlich überein, während die von Jacoby etwas höher sind, entsprechend der von Jacoby nachgewiesenen Thatsache, dals das autolytische Leberferment festgebundenen (Monamino- oder Diamino-) Stickstoff in lockergebundenen überführt, während vom Trypsin nichts Ähnliches bekannt und nach Mochizukis Zahlen auch nicht zu erwarten ist. Einen Schlufs darauf, ob das proteolytische Enzym der Hefe mit dem Trypsin identisch ist oder nicht, lassen diese Thatsachen vorläufig ebenso wenig zu wie die bisher in der Litteratur vorliegenden Befunde. Litteratur. !) Sehützenberger, Bulletin de la societe chimique u. s. w. 1876; Kossel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 4, eitiert bei Kutscher (s. u.). ®) Salkowski, Zeitschr. f. klinische Medizin 17, Suppl. ®) Hahn und Geret, Zeitschr. f. Biol. 40. *) Kutscher, s. speziell: Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Be- förderung der gesamten Naturwissenschaften zu Marburg, 20. Juni 1900. 5) Pemsel, s. Krieger, Darstellung krystallinischer tierischer Eiweils- stoffe. Imauguraldissertation, Stralsburg 1899. °) Jacoby, Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 156 bis 158. 7”), Pfaundler, Centralbl. f. Bakt. 31 (1902), Nr. 4, S. 118. ®) Mochizuki, diese Beiträge 1, 49. °) Fuld und Spiro, Zeitschr. f. physiol. Chem. 31. 1%), Öohnheim, Zeitschr. f. physiol. Chem. 35. XXI. ber ein neues Produkt der Pankreasselbst- verdauung. Von Dr. Fritz Baum. (Aus dem physiologisch -chemischen Institut zu Strafsburg.) Bei Untersuchung von Verdauungslösungen, wie sie durch Selbstverdauung von Pankreas unter Ausschluls von Fäulnis er- halten werden, habe ich ein bisher nicht bekanntes Produkt isolieren können, welches darum ein besonderes Interesse beansprucht, weil es mit dem Inmdolkomplex des Eiweilsmoleküls in näherer Be- ziehung zu stehen scheint *). Zur Darstellung verfuhr ich, wie folgt: Rindspankreas wird von anhaftenden anderen Gewebsteilen möglichst befreit, fein zerhackt mit dem doppelten Gewicht Wasser übergossen, mit etwas Natrium- karbonat alkalisch gemacht und nach reichlichem Toluolzusatz der Digestion überlassen. Nach drei Tagen wird das nicht angegriffene Bindegewebe abkoliert, die Verdauungslösung in geschlossenen Flaschen weitere fünf bis sechs Wochen bei 50° stehen gelassen. Nach dieser Zeit ist die Biuretreaktion verschwunden oder kaum mehr nachweisbar, dagegen können noch geringe Mengen eines beim Erhitzen aus der Lösung sich ausscheidenden eiweils- artigen Körpers vorhanden sein. Die Verdauungslösung wird nunmehr auf dem Wasserbade stark eingeengt, mit viel starkem Alkohol in der Wärme versetzt, wodurch die Fällung weniger schmierig wird, und nach dem klaren Absitzen des entstandenen Niederschlags durch Dekantieren und Absaugen das alkoholische *) Eine vorläufige Notiz diesen bereits im Jahre 1899 gemachten Befund betreffend findet sich am Schlusse der Arbeit Landolts, „Über das Melanin der Augenhäute“, Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 210. 440 Fritz Baum, Filtrat gewonnen. Dasselbe wird nochmals möglichst weit ein- geengt und neuerdings mit viel Alkohol gefällt. Das letzte alkoholische Filtrat wird von Alkohol befreit und unter Zusatz von Wasser so lange auf dem Wasserbade erwärmt, bis aller Alkohol vertrieben ist. Sodann wird wieder mit Wasser verdünnt, starke Natronlauge zugesetzt und unter Kühlung mit Benzoylchlorid ge- schüttelt. Der entstandene Niederschlag wird durch Waschen mit mälsig starker Natronlauge im Schütteltrichter von schmierigen Bestandteilen befreit und in einen grobkörnigen Zustand über- geführt. Sodann krystallisiert man aus heilsem Alkohol um und wiederholt dies zweimal. Man erhält so farblose Nadeln vom Schmelzpunkt 169°. Die Ausbeute an analysenreiner Substanz betrug, wenn ich von 20 Stück Rindspankreas ausging, etwa 38. Die Analyse ergab folgende Werte: I II III IV V Mittel: Gl 74,50 74,93 — — 74.87 H 5,74 5,42 5,38 _ _ 5,51 Ne en N N) 4,51 6) ar ar ee — — 1a Diese Zahlen entsprechen der Formel C,, Hz N,0,;. Berechnet: Gefunden: C 74,47 Proz. 74,87 Proz. er ee N 4,58 „7 4,51 n a 15 > Eine Benzoylbestimmung nach R. und H. Meyer**), so aus- geführt, dals die durch Verseifen mit Natriumalkoholat erhaltene Benzoesäure der angesäuerten Lösung mit Wasserdampf über- getrieben und unter Verwendung von Rosolsäure titriert wurde, ergab 67,64 Proz. Benzoyl. Die Formel C,,H},N,0, (C; H,O), ver- langt 68,68 Proz. Die Substanz ist schwer löslich in Äther, unlöslich in Benzol. Beim Schmelzen mit Kali entwickelt sie starken skatolähnlichen Geruch. Durch wässerige und alkoholische Natronlauge wird das Benzoyl- produkt verseift. Die wässerige Lösung der freien Base fällt durch Phosphorwolframsäure und giebt mit Bromwasser einen gelben Niederschlag. *) Bestimmt nach Kjeldahl. **) Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. 28, 2965. Über ein neues Produkt der Pankreasselbstverdauung. 44] Leider war es mir aus äulseren Gründen nicht möglich, die Untersuchung weiter zu führen. Soweit die vorgeführten Thatsachen einen Schluls gestatten, handelt es sich um ein Verdauungsprodukt, das die Zusammensetzung O,,H,N,zO, besitzt und entweder der Indolgruppe selbst angehört oder doch leicht unter Ringschlufs Abkömmlinge derselben liefert. Das Verhalten gegen Brom er- innert an die von Kurajeff*) festgestellte Thatsache, dafs sich unter den mit Brom aus tryptischer Verdauungslösung fällbaren Körpern (Bromproteinochromen) einer findet, der „schwarze Körper“ Kurajeffs, welcher C:N im Verhältnis 10:2 enthält. Wegen der vermutlichen Beziehung zum Skatol schlägt Herr Prof. Hofmeister vor, das neue Spaltungsprodukt „Skatosin* zu nennen. *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 510. XXIV. Weiteres über Skatosin. Von Robert E. Swain, Stanford-Universität, Kalifornien (U. S. A.). (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) Vor mehr denn drei Jahren hat F. Baum*) aus durch Selbst- verdauung gelöstem Pankreas mittels Benzoylierung eine bei 169° schmelzende Verbindung isoliert, welche bei der Kalischmelze indol- oder skatolähnlichen Geruch entwickelte. Auf Grund der Analyse und der Benzoylbestimmung falste Baum die Verbindung als das Teetrabenzoat einer noch unbekannten basischen Verbindung, des Skatosins (O)H,;N50;), auf. Die von ihm aus äulseren Gründen abgebrochene Untersuchung wurde im hiesigen Institute weitergeführt. Doch wollte es lange nicht glücken, der Schwierig- keiten, welche sich der Darstellung des interessanten Körpers ent- gegenstellten, Herr zu werden. Namentlich war zuerst der Umstand, dafs das bei Pankreasselbstverdauung auftretende Oxyphenyl- punkt aufweist wie das Tetrabenzoylskatosin, seiner Wiederauf- findung hinderlich. Hingegen gelang es L. Langstein ***), bei sehr weit fort- geschrittener peptischer Verdauung von Bluteiweils durch Fällung der Verdauungslösung mit Quecksilberchlorid eine durch Phosphor- wolframsäure fällbare, durch Pikrinsäure und Jodquecksilberkalium nicht fällbare Base zu erhalten, welche von den Eiweilsreaktionen nur die Xanthoproteinfärbung gab, bei der Kalischmelze reichlich Skatol entwickelte und ein in Nadeln krystallisierendes Benzoyl- *) Vgl. Landolt, Über das Melanin der Augenhäute. Anm. Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 210. **) R. L. Emerson, diese Beiträge 1, 501. ==) L. Langstein, daselbst 1, 518. Robert E. Swain, Weiteres über Skatosin 443 produkt gab, das bei 169 bis 170° schmolz. Die freie Base, in möglichst konzentrierter Lösung mit Alkohol gefällt, schied sich beim Erkalten in glitzernden spielsförmigen Nadeln ab. Auch ein krystallinisches Platinsalz war darstellbar. Doch genügte die er- haltene Menge nicht zur Analyse. Langstein weist darauf hin, dals dieses Verdauungsprodukt vielleicht mit Baums Skatosin identisch ist. Wenn diese Vermutung zutrifft, so wäre damit er- wiesen, dals das Skatosin nicht aus einem blols dem Pankreas angehörigen Stoffe herstammt, vielmehr wahrscheinlich ein weiter verbreitetes Spaltungsprodukt der Eiweilskörper darstellt *). Unter Benutzung der im hiesigen Laboratorium inzwischen bei der Verarbeitung von Verdauungsgemengen gemachten Er- fahrungen, namentlich jener von R. L. Emerson, vermochte ich bei Wiederaufnahme der Versuche Baums einen zuverlässigen Weg zu seiner Isolierung zu finden und die vorläufig aufgestellte Formel durch Darstellung des Hydrochlorats zu stützen. 70 Pankreas vom Rind werden von Fett und fremdem Gewebe thun- lichst befreit, mit 35 Litern Wasser übergossen und nach reichlichem Toluolzusatz 10 bis 11 Tage im Brutofen bei 35 bis 38° der Selbstverdauung überlassen. Dann wurde die keine Spur von Fäulnis zeigende Flüssig- keit von den unverdauten Resten durch Kolieren getrennt, durch Er- hitzen und Ansäuern von koagulablem Eiweils befreit, mit etwas Baryum- karbonat zur Abstumpfung der sauren Reaktion versetzt und bis zum Beginn der Tyrosinausscheidung eingeengt. Nach dem Erkalten bildete sich eine reichliche Ausscheidung, welche abfiltriert wurde. Sowohl der noch reichlich Mutterlauge zurückhaltende Filterrückstand wie das Filtrat wurden nun mit so viel 95 proz. Alkohol angerührt, dafs die Konzentration an Alkohol etwa 75 bis SO Proz. entsprach, und die Masse neuerdings filtriert. Die alkoholische Lösung wurde wieder zum Sirup eingedampft und dieser mit 95 proz. Alkohol unter Schütteln erschöpft, bis der Alkohol nur noch schwache Färbung annahm **). Das alkoholische Extrakt wurde dann zum Sirup eingeengt und dieser mit 1 Liter Aceton gut durchgeschüttelt. Dann schied sich, wie bereits Langstein und Glaessner”**) beobachtet haben, eine *) Das inzwischen von Hopkins und Cole (Journ. of physiol. 27, 418) aus Pankreasverdauungslösungen erhaltene Tryptophan, C,,H,N,0,,. welches sicher ein Skatolderivat ist, scheint nach Eigenschaften und Zusammensetzung (vel. namentlich den viel niedrigeren Wasserstoffgehalt) nicht in unmittel- barer Beziehung zum Skatosin zu stehen. **) Der in Alkohol unlösliche Teil enthielt neben anorganischen Salzen, Tyrosin und anderen Stoffen nicht unerhebliehe Mengen Cystin, das ja be- kanntlich als Spaltungsprodukt des Eiweilses zuerst bei Trypsinverdauung beobachtet wurde (Külz). Die Schwefelbestimmung ergab 26,56 Proz. S. (Berechnet: 26,62 Proz.) ##*) Diese Beiträge 1, 39. 444 Robert E. Swain, überstehende rötlichbraune, klare, acetonreiche Flüssigkeit, und ein acetonarmer, schwarzer, am Boden sich absetzender Sirup ab. Daneben entstand ein gelbgrauer leichter Niederschlag, der sich zumeist über dem schwarzen Sirup in der Acetonlösung locker absetzte. Der boden- ständige Sirup und der Niederschlag wurden von dem acetonlöslichen Anteile getrennt, im Wasserbad zur Trockne gebracht, in wenig Wasser gelöst und zunächst in Schacherls Extraktionsapparat mit Amyl- alkohol erschöpft, was etwa eine Woche in Anspruch nahm. Der in Amylalkohol unlösliche Rückstand wurde in wässeriger Lösung mit (uecksilberacetat gefällt, wobei sich ein sehr schwerer Niederschlag abschied, welcher abfiltriert, ausgewaschen, dann in Wasser verteilt und mit Schwefelwasserstoff zerleot wurde. Da die erhaltene rotbraune Lösung bei Vorversuchen die Tryptophanreaktion mit Bromwasser und eine schöne Reaktion nach Adamkiewicz gab, wurde behufs Ent- fernung des Tryptophans nach Hopkins und Cole die gesamte Lösung auf etwa 2 Liter gebracht, mit Schwefelsäure bis zu einem Gehalt von 5 Proz. versetzt und nun mit Merkurisulfat gefällt. Der schwere Hockige Quecksilberniederschlag wurde mit Wasser gewaschen, bis das Waschwasser keine Millonsche Reaktion gab, dann das Filtrat mit den Waschwässern vereinigt, heils mit Schwefelwasserstoff von Queck- sılber, dann das Filtrat vom Quecksilbersulfid, mit Baryumkarbonat von Schwefelsäure befreit, auf ein Volum von 500 ccm eingeengt, mit Natron- lauge versetzt und anhaltend mit reinem Benzoylchlorid geschüttelt. Es entstand ein dunkler amorpher Niederschlag, welcher abfiltriert, sorg- fältig gewaschen und mit Alkohol aufgenommen wurde. Bei langsamem Verdunsten bildete sich ein erheblicher krystallinischer Niederschlag. Er wurde einigemal aus heilsem Alkohol umkrystallisiert und schliefslich in reinweilsen Krystallen vom Schmelzpunkt 169° erhalten, welche bei der Kalischmelze Skatolgeruch entwickelten. Die Analyse ergab: Berechnet für Tetrabenzoylskatosin 0,H,N,0,(C,H,0),: VD HRrOZ: 74,47 Proz. E28 DI NS AI A DONE, OO 19,6Sn Hydrochlorat. Etwa 2,5 der Substanz wurden mit Salzsäure durch sechsstündiges Erhitzen auf dem Wasserbade gespalten. Die leicht gelb gefärbte Lösung setzte beim Erkalten Benzoesäure ab. Zur Entfernung der überschüssigen Salzsäure wurde mehrere Tage mit strömendem Wasserdampf destilliert, der Rückstand auf ein ganz ge- ringes Volum (3ccm) gebracht. Beim Abkühlen bildete sich eine reich- liche aus schiefwinkeligen Plättchen bestehende Ausscheidung, die mit verdünntem Alkohol gewaschen wurde. Die Substanz war gelblichweils, enthielt kein Krystallwasser und schmolz unter Schwärzung und Gasentwickelung bei 345 bis 555°. *) Bestimmt nach Dumas. Weiteres über Skatosin. 445 Die Analyse ergab: Berechnet nach C,H,N,0,.3H (1: (E75 9903 Rroz 39,27 Proz. Beoge en NY) 931 „ 9,19 0: —=3477 , 34,80 ÜSE—E10A0NE,, 10,47 Danach steht die Formel des Skatosins mit C,,H,,Ns50, aufser Zweifel. Nach dem Verhalten zu Benzoylchlorid darf angenommen werden, dafs es zwei NH,- und zwei OH-Gruppen enthält. Nach dem hohen Wasserstoffgehalt zu schliefsen, enthält es den Indol- kern nicht als solchen. Vielmehr ist zu vermuten, dals die Bildung von Skatol (oder einem ähnlichen Körper) bei der Kalischmelze ein sekundärer Vorgang ist. Sehr auffällig und der Aufklärung bedürftig ist der Chlorgehalt des Hydrochlorats, da man im Skatosin nach seinem Stickstoffgehalt eine zweiwertige Base ver- muten mulste. Die im hiesigen Laboratorium weitergeführte Untersuchung soll über diese und ähnliche Fragen, sowie über die physiologischen Beziehungen der neuen Base Aufschlufs bringen. *) Bestimmt nach Dumas. XXV. Zur Frage der spezifischen Wirkung der intracellulären Fermente. Von Dr. Martin Jacoby, Privatdozent und Assistent am pharmakologischen Institut. (Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg.) Die Untersuchungen der letzten Jahre haben ergeben, dafs aulser den von Salkowski entdeckten eiweilsspaltenden Fermenten der Leber und der Muskeln sich ähnliche Fermente auch in zahl- reichen anderen Organen finden. Bisher ist nichts darüber bekannt, ob diese Fermente in dem Sinne spezifisch sind, dafs sie die Eiweilskörper der anderen Organe nicht spalten können. Diese Frage bildet den Gegenstand vorliegender Arbeit. Methode. Der Plan der Versuchsanordnung sing dahin, festzustellen, ob Lebersaft die Spaltung der stickstoffhaltigen Substanzen des Lungengewebes zu beeinflussen vermag. In einer Versuchsreihe wurde festgestellt, wieviel nicht aussalzbare Produkte gebildet wurden, in einer zweiten wurde die Quantität des nicht koagulablen Stickstoffs bestimmt. Für die einzelnen Versuche wurden immer ein oder zwei Hunde durch Verbluten getötet, die Organe sofort zerhackt. Der Leberbrei wurde mit destilliertem Wasser oder 0,9 proz. Kochsalzlösung unter Toluolzusatz so versetzt, dafs auf 100 g Leber 100 ccm Flüssigkeit genommen wurden. Dann wurde durchgerührt und nach kurzer Zeit filtriert. Man erhält so einen dünnen Lebersaft, der neben anderen Substanzen Eiweifskörper und Fermente, darunter auch das Leber- eiweils spaltende Ferment enthält. Vom Lungenbrei wurden Portionen (in den einzelnen Versuchen von 10 bis 100g schwankend) abgewogen. Zu jeder Portion wurde Martin Jacoby, Zur Frage der spezifischen Wirkung u. s. w. 447 die gleiche Menge Kochsalzlösung und Toluol zugefügt, bei einem Teil der Proben wurden einige Kubikzentimeter der Kochsalzlösung (in den einzelnen Versuchen schwankte das zwischen 10 und 25ccm) durch Lebersaft ersetzt. Von dem Lebersaft wurde aufserdem eine Reihe entsprechender Proben besonders abgemessen. Alles kam dann auf 24 — 48 Stunden in den Brutschrank bei 37°. Dann wurden die Proben ohne Lebersaft mit den besonders dige- rierten Lebersaftproben vereinigt, einige Lebersaftproben auch besonders verarbeitet. In einem Teil der Versuche wurde nun mit Hülfe von gesättigter Lösung von stickstofffreiem Zinksulfat und Zufügung des Salzes in Substanz Sättigung mit Zinksulfat hergestellt, dann so viel stickstoft- freie Schwefelsäure zugesetzt, dals die Konzentration etwa 0,4 Proz. betrug. Nach einigen Stunden wurde filtriert; die Niederschläge wurden mit gesättigter Zinksulfatlösung, der Schwefelsäure zugefügt war, aus- gewaschen und grolse Anteile der gemessenen Filtrate auf einmal zur Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl verwandt. Vertreibt man das Wasser auf dem Wasserbade und Sandbade und zersetzt in Jenenser Kolben, so macht der grofse Salzgehalt keine Schwierigkeiten. Bei den Koagulationsversuchen wurden besonders gute Resultate erzielt, wenn die saure Reaktion nach dem von J. Schütz*) ange- wandten Verfahren durch Mononatriumphosphat hergestellt wurde. Resultate. Die Resultate der beiden Versuchsreihen fielen in jeder Gruppe immer gleichartig aus auch in mehreren in der Tabelle nicht aufgeführten Versuchen. Hier habe ich die Versuche wieder- gegeben, bei denen die Kontrollproben am zahlreichsten sind und besonders gut übereinstimmen. | Lungenbrei und Lebersaft Lungenmenge | | Dit . | I} | ce pro Portion | Nach der Autolyse Vor der Autolyse | 6 | vereinigt | vereinigt | 208 0,2558 | 0,289 & | +34 ne] - | | & Aus- 50 „ 0,584 „ 0,658 „ | +74 „ | lee IR, 0,069 „ | OnUS,, I [An 10 ” 0,071 „ 0,073 BD) | + 2 ” | Koagu- 15 bi) 0,104 ” 0,103 b) li ” J lation Zusatz von Lebersaft vermehrt also nicht den nicht koagulablen Stickstoff bei der Spaltung des Lungengewebes, wohl aber den *) J. Schütz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 5. 448 Martin Jacoby, nicht aussalzbaren Stickstoff. Es wird also infolge Einwirkung des Lebersaftes nicht mehr Eiweils gespalten, wohl aber die Quan- tität der niederen Spaltungsprodukte vermehrt, also mehr Albumose weiter gespalten als in der normalen Lungenautolyse. Nun habe ich früher *) in Übereinstimmung mit Salkowskis Beobachtungen bei der Leberautolyse Albumosen nur in Spuren gefunden. Ehe man also den analytischen Werten Gewicht bei- legen konnte, war besonders festzustellen, ob bei der Lungen- autolyse im Gegensatz zu dem Verhalten bei der Leberverdauung in der That viel Albumosen auftreten. Das war schon deshalb wahrscheinlich, weil F. Müller**) bei der Autolyse der pneumo- nischen Menschenlunge Deuteroalbumosen nachgewiesen hat. In der That konnte ich mich in besonderen Versuchen von dem Auf- treten reichlicher Mengen von Albumosen bei der Autolyse der Hundelunge überzeugen. Koaguliert man Hundelungenbrei nach 24 stündiger Autolyse in Gegenwart von Mononatriumphosphat, entfernt zur Sicherheit etwa noch vorhandene Eiweilskörper durch !/,-Sättigung mit Zinksulfat und sättigt das Filtrat mit Zinksulfat in Gegenwart von Schwefelsäure, so erhält man reichliche Niederschläge, deren Lösung schon in kleinsten Proben intensive Biuretreaktion geben. — Lälst man auf Lungen- albumosen, die man durch Koagulation der Eiweilskörper fermentfrei erhalten hat, Lebersaft einwirken, so nehmen in 36 stündiger Verdauung zwar die Albumosen stark ab, verschwinden aber keineswegs vollständig. Leber- und Lungenautolyse unterscheiden sich also zunächst da- durch, dafs bei der Lungenautolyse jedenfalls quantitativ weit mehr Albumosen nachweisbar sind als bei der Leberautolyse. Die fermen- tative Eiweilsspaltung in beiden Organen erweist sich insofern als spezifisch, als das Leberferment die Lungeneiweilskörper nicht zu spalten vermag***). Das ist nicht befremdend, da die verschiedenen Organe nicht völlig übereinstimmende Eiweilssubstanzen besitzen und viele Fermente nur auf ganz bestimmte chemische Strukturen eingestellt sind. Auch mit physiologischen Vorstellungen harmo- *) Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 1900. »»<) Verhandl. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel 1901 und Verhandl. d. Kongr. f. innere Medizin 1902. »==*) Eine noch experimentell zu prüfende Möglichkeit bestände darin, dals beide Fermente zwar in ihrer Fermentwirkung oleich sind, aber ver- schiedene Antikörper besitzen und in der Lunge ein Antihepatolysin vor- handen ist. Denn durch Morgenroth ist festgestellt, dals zwei Labfermente verschiedener Herkunft auf Milcheiweils ganz gleich wirken können und doch ganz verschiedene Antikörper besitzen. Zur Frage der spezifischen Wirkung der intracellulären Fermente. 449 nieren unsere Beobachtungen, ganz besonders, wenn man die zur Zeit besser als früher gestützte Annahme synthetischer Funktionen der spaltenden Fermente zuläfst. Denn wir verstehen dann, dafs mit Hülfe der spezifischen Organfermente aus dem Material, welches den Organen zuflielst, die spezifischen Organeiweilskörper aufgebaut werden. ‘Ferner wird im normalen Stoffwechsel weder Leberferment zur Lunge noch Lungeneiweils zur Leber gelangen, eine Spaltung des Lungeneiweilses durch Leberferment wäre also ohne leicht er- sichtliche physiologische Bedeutung. Auch die Zunahme der Spaltung der Lungenalbumosen durch Lebersaft hat nichts Befremdendes an sich. Diese Zunahme kann bedingt sein durch Aktivierung von Zymogenen albumosenspaltender Lungenfermente oder durch direkte Leberfermenteinwirkung. Für die zweite Annahme sprechen einige chemische und physiologische Gesichtspunkte. Zunächst weist der Verlauf der Leberautolyse darauf hin, dafs es ein Leberferment giebt, welches intensiv Albu- mosen spaltet, ein Ferment, das in gewisse Analogie mit Cohn- heims Erepsin zu stellen ist, wobei wir es unerörtert lassen können, ob dieses albumosenspaltende Leberferment mit dem, das die Ei- weilskörper der Leber spaltet, etwas Gemeinsames hat oder nicht. Ferner ist es wahrscheinlich, dals Lungenalbumosen zur Leber gelangen können, da Embden und Knoop*) unabhängig von der Darmresorption Albumosen im Blut nachgewiesen haben, wir also vermuten dürfen, dafs Albumosen, die im Stoffwechsel der Organe entstehen, wandern und überall im Organismus verwertet werden können. Die chemische Konstitution der Albumosen, die sich aus den einzelnen Organeiweilskörpern abspalten, ist zwar noch nicht bekannt, wohl aber ist sicher, dafs die einfacheren Bausteine der Eiweilskörper sich mehr untereinander gleichen als die kompli- zierten Eiweilskörper selbst. Wir können also bei Albumosen, die aus verschiedenen Eiweilskörpern stammen, eher die gleiche chemische Struktur erwarten als bei den Eiweilssubstanzen selbst. Also auch von dieser Seite aus betrachtet, ist es verständlich, dafs Leberfermente auf Lungenalbumosen einwirken. Neben den spezifischen auf die komplizierten Eiweils- substanzen der Organe eingestellten autolytischen Prozessen (Vorgängen erster Ordnung) können wir als solche zweiter Ordnung heterolytische Prozesse unterscheiden. In diese Gruppe *) Diese Beiträge 3, 1902. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 29 450 Martin Jacoby, Zur Frage der spezifischen Wirkung u. s. w. würde die von mir beobachtete Einwirkung von Leberferment auf Lungenalbumosen einzureihen sein. Unter Heterolyse wäre dabei die Einwirkung der Fermente eines Organs auf Material, das einem anderen Organ entstammt, zu verstehen. Dafs diese Verhältnisse die Organfermente scharf von den physiologisch ganz anderen Zwecken dienenden Darmfermenten unterscheiden, folgt ohne weiteres. Hier sei aber noch besonders hervorgehoben, dafs keines- wegs alle eiweilsspaltenden Organfermente nur autolytisch sein müssen; vielmehr mufs von Fall zu Fall entschieden werden, ob sich Heterolyse nachweisen läfst. Eine namentlich für die Patho- logie bemerkenswerte Heterolyse ist wohl die neuerdings von F. Müller*) beobachtete Einwirkung von Leukocyten auf Lungen- gewebe. Da man zumeist die weilsen Blutkörperchen als Last- träger für Substanzen ansieht, deren Heimat in den verschiedensten Körperbezirken zu suchen ist, so lälst F. Müllers Beobachtung erwarten, dals noch andere pneumolytische Organfermente, die auf die Eiweilskörper der Lunge direkt einwirken, im Organismus sich finden werden. Zum Schluls sei noch kurz darauf hingewiesen, dals gewisse Analogieen, die sich wohl allmählich auf experimentellem Wege zu bestimmten Beziehungen verdichten könnten, zwischen dem hier wiedergegebenen Verhalten der Organfermente und dem der „Kom- plemente“ bestehen. Die Komplemente sind normale Bestandteile des Organismus, sie sind in ihrer Wirkungsweise untereinander sehr ähnlich, und doch giebt es eine grolse Zahl streng spezifischer Komplemente neben solchen, die weniger spezifisch sind. Ob im übrigen die Komplemente, wie zuerst Buchner angenommen hat, proteolytische, aus den Organzellen stammende Fermente sind, ist eine sehr komplizierte, noch keineswegs geklärte Frage, die wir hier nicht erörtern können. *) Kongrels f. innere Med. 1902. Heidelberg, Ende November 1902. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. praktisch-chemischen Unterricht deerravre dareTmrert zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 ‚H. H erma nn von H elmh olt Z von Leo Koenigsberger. Erster Band. Mit drei Bildnissen. gr. 8. Preis geh. 8 ., geb. in Leinwand 10 #., geb. in Halbfranz 12 b. Die Zersetzung stickstofifreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8. geh. Preis 4 #M. Chemie der Eiweisskörper. Von Dr. Otto Cohnheim, Privatdocent der Physiologie an der Universität Heidelberg. gr. 8. Preis geb. 7 . Die Pflanzen-Alkaloide von Jul. Wilh. Brühl, Professor an der Universität Heidelberg in Gemeinschaft mit Edvard Hjelt und Ossian Aschan, Professoren an der Universität Helsingfors. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Geb. in Lnwd. Preis 14 fl. Beiträge zur Physiologie. Festschrift für Adolf Fick zum siebzigsten Geburtstage. gr. 8. Preis geh. 4 #.; geb. 5 MM. . = Dr = Be und pathologisch- chemischen Analyse ir Aeı ae und Studirende bearbeitet ee : Prof Dr. H. ae ; ER a A Mobaoe Scharlenna > e rliches Lehrbuch der Chemie. Mit eingedruckten Abbildungen und Tafeln. gr. 8 EN —— Vollständig in neun Bänden. — zweiter Band. Anorganischer Theil. Dritte gänzlich um- * ‚ Band 26 Ss, geb. in Lnwd. 27 M., in Hibfrz. 28 Mb is neunter Se Die Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate "DB i e Sr er se ene. N 1% PERS Mon Dr. Fr. Heusler, \ Privatdocenten der une in Bonn. RL Be a Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 | von a H. van 't An. r. Hugo Ber ssor er en an der Universitat Greifswald, Geheimer Regierungsrat. e. Mit vier eingedruckten Abbildungen und 1. 8. Be e tete, Auflage von Sir Henry E. Roscoe und Alex. Olaienen. a a. Theil. von Prof. Jul. Wilh. a REN Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg IH. Band 11. Heft (Ausgegeben Februar 1903) Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn ”1,903 Inhalt des 11. Heftes. Seite XXVI. J. Rodhain. Beitrag zur Kenntnis der wirksamen Substanzen des Antistreptokokkenserums. . . ... .... 2. rer 451 XXVI. J. Stoklasa, J. Jelinek und E. Vitek. Der anaerobe Stoff- wechsel der höheren Pflanzen und seine Beziehung zur alkoholischen Gärung. (Aus der pflanzenphysiologischen Ver- suchsstation der k. k. böhmischen technischen Hochschule in Prag.) lea, ee ee 460 XXVIHI. L. Langstein. Bemerkungen über das Ovomukoid. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut in Strafsburg.) . . - ... 510 XXIX. A. Oswald. Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik if: ZÜRICH) wenn ee ee Le 514 Kürzere Mitteilungen. 5. E. van Leersum. Gepaarte Glykuronsäuren als Bestand- teile der Galle. (Aus dem Laboratorium pathologieum der Universität in‘ Amsterdam.) 2 2.2.2. 522 6. E.Fuld. Bemerkung zu dem Aufsatz: Über das Bordetsche Laktoserum.\. ...... 2. 2 we 523 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei- nen in zwanglosen Heften, von denen 12 einen Band von 36 Druck- bogen zum Preise von M. 15, — bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Maisgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Stralsburg ı. E., Wimpfelingstraise 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung mafs- gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer thatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson- ders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40, — für den Druck- bogen und 50 Sonder- Abzüge. XXVl. Beitrag: zur Kenntnis der wirksamen Substanzen des Antistreptokokkenserums. Von J. Rodhain, Assistent am bakteriologischen Institut in Loewen (Direktor: J. Denys). Injiziert man Pferden wiederholt Streptokokkenkulturen ins Blut, so erscheinen darin neue Substanzen, die dem Serum des immunisierten Tieres spezifische Eigenschaften in folgenden drei Richtungen verleihen. Erstens besitzt das Antistreptokokkenserum eine Schutzwirkung, indem es bei Präventivinjektion die Tiere für Streptokokkeninfektion unempfindlich zu machen und selbst eine ausgebrochene Infektion günstig zu beeinflussen vermag. Ferner besitzt das Antistreptokokkenserum ein Agglutinationsvermögen für Streptokokkenkulturen. Endlich wirkt das Antistreptokokken- serum zwar nicht direkt baktericid auf die ursprüngliche Strepto- kokkenkultur, vermag aber deren Entwickelung zu beeinflussen. Werden Streptokokken in Streptokokkenserum geimpft, so ordnen sich die Einzelkokken in bestimmter Weise an, und zwar anders als bei der Agoglutination. Hängen diese neuen Eigenschaften ab von der Entstehung von drei verschiedenen neuen Substanzen oder gehören sie einem einzigen neuen Körper an, der unter dem Einflufs der Immuni- sation gebildet worden ist? Um diese Frage zu entscheiden, wurde untersucht, in welcher Beziehung die neuen Eigenschaften des Serums zu den verschiedenen Eiweifsgruppen stehen, die sich mit Hülfe der Hofmeisterschen Methode aus dem Serum isolieren lassen. Zu den einschlägigen Untersuchungen diente das hochwertige Serum des hiesigen bakterio- logischen Instituts. Die Trennung der Eiweilsfraktionen geschah mit Ammonsulfat; das durch Halbsättigung erhaltene Gesamt- 29° 452 J. Rodhain, globulin wurde nach mehrmaligem Umfällen während 48 Stunden dialysieren gelassen, das ausgeschiedene Euglobulin abzentrifugiert, mit destilliertem Wasser ausgewaschen und in physiologischer Kochsalzlösung gelöst. Auch ein durch neunfache Verdünnung des Serums dargestelltes Globulin wurde in derselben Weise be- handelt. Das durch Ganzsättigung aus dem Filtrat vom Gesamt- elobulin dargestellte Albumin wurde ebenfalls durch Dialyse ge- reinigt. Alle diese Prozeduren wurden möglichst beschleunigt, da mir von früheren Versuchen her bekannt war, dals das Anti- streptokokkenserum aufserhalb des Organismus an Wirksamkeit sehr schnell einbüfst. Die Lösungen von Euglobulin, Pseudo- globulin und Albumin wurden auf eine dem normalen Serum entsprechende Konzentration gebracht. Zu unseren Versuchen diente ein von einem Fall von Angina gezüchteter Streptococeus, dessen Virulenz für Kaninchen sehr hochgradig war; die tödliche Dosis betrug !/oo00 CCM der frischen Bouillonkultur. 1. Schutzwirkung. Zuerst wurde in einer Versuchsreihe die Schutzwirkung der einzelnen Eiweilsfraktionen gegen Streptokokkeninfektion untersucht. Versuch I (Albumin). Von fünf Kaninchen dient I zur Fest- stellung der Wirksamkeit des Serums: 1 cem vermochte ein Kilo Kaninchen gegen die 10 fache tödliche Dosis zu immunisieren. II diente zur Kon- trolle der Virulenz meiner Streptokokken, die drei übrigen Tiere er- hielten steigende Dosen Albumin; die niedrigste Dose entsprach 1 Pro- mille des Antistreptokokkenserums. Versuch I. BEE TREITENE I SENSE NN ANETTE TTE I FL_L_—————— | Gewicht | Kulturmenge Injiziert Bester | g ccm cem 112000001 Serum 5 Bleibt am Leben; Kaninchen I | 900 0,0009 0,9 a Amen | Tot nach 36 Stdn.; II| ı0 0,0001 = J 2 A | = \ ohne lokale Reaktion - Small 00 0,0008 | Albuminlösung |( Tot nach 24 Stdn.; | 0,8 \ ohne lokale Reaktion | Tot nach 24 Stdn.; anal en 0,0008 32 f z | \ ohne lokale Reaktion | Tot nach 24 Stdn.; | 2 j ; 2 2 Na) on 0 \ ohne lokale Reaktion | Beitrag zur Kenntnis der wirksamen Substanzen u. 8. w. 453 Eine im. Verhältnis zum Serum fünffache Albumindosis ist also ohne Einfluls auf die Infektion geblieben. Versuch IH (Albumin). In diesem Versuch wurden noch grölsere Albumindosen mit demselben negativen Erfolg gegeben. Gewicht Kulturmenge Injiziert Resultat © ccm cem Serum ) i j Bleibt am Leben; Hawuzelosn Al NND BoD! 2 \ keine lokal. Erschein. Tot nach 24 Stdn.; II 0,00008 2 J ; 2 2 ; \\ keine lokale Reaktion SORT 790 0,00072 Albuminlösung |( Tot nach 24 Stdn. ; 12 ‚\\ ohne lokale Reaktion 11,4 f Tot nach 24 Stdn.; IV 950 0,00995 2 | eo; i 2 12 Prom. |\ ohne lokale Reaktion Das Albumin entfaltet also nicht einmal den zwölften Teil der Schutzwirkung des Serums. Versuch HI (Pseudoglobulin). Gewicht | Kulturmenge Injiziert Bee g ccm ccm | Serum | . ’ Kaninchen I | 900 0.0009 0,9 | a ee J Tot nach 24 Stdn.; c RR, | 2 I I ohne lok. Symptome ı IH 200...) 0,0007 | ee | Were ‚| Erysipel des ganzen sa RE 650 | 0,00065 1,95 | Ohres; tot nach | | zwei Tagen Erysipel des ganzen 3 V 700 0,0007 3.D | Öhres: tot nach zwei Tagen In diesem Versuche zeigt sich die im Verhältnis zum Serum fünffache Menge an Pseudoglobulin aulser stande, die Infektion zu verhüten; da jedoch die beiden letzten Kaninchen der Infektion etwas länger widerstanden und auch das Auftreten lokaler Reaktion auf erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen die Infektion zu deuten schien, wurde ein neuer Versuch mit grölseren Pseudoglobulin- dosen angestellt. 454 J. Rodhain, Versuch IV (Pseudoglobulin). ı Gewicht | Kulturmenge | | g ccm Kaninchen I 725 0,00075 D II 900 0,0009 11201900 0,0912 52301000 0,001 Auch in Injiziert ccm Serum 0,75 Pseudoglobulinlös. 6,0 10,0 Resultat j Bleibt am Leben; \ nichts lokal f Tot nach 24 Stdn.; \ nichts lokal [ Tot nach 24 Stdn.; Erysipel am ganzen | Ohr [1 nach 24 Stdn.; ‘ Erysipel am ganzen | Ohr diesem Versuche hat sich trotz hoher Dosen das Pseudoglobulin unwirksam erwiesen, höchstens eine leichte Steige- rung der Widerstandsfähigkeit gegen die Infektion bewirkt. Dafs an dem Ergebnis der bisher mitgeteilten Versuche nicht die zur Fraktionierung angewandte Methode die Schuld trug, lehren die folgenden positiv verlaufenen Versuche mit Euglobulin. Versuch V (Euglobulin). Gewicht g Kaninchen I 350 „7021000 UT: 650 „rc 1Vvel. 800 5 V 820 Kulturmenge cem 0,00085 0,0001 0,00065 0,0008 0,00082 Injiziert cem Serum 0,85 Euglobulinlösung 0,65 2,4 3,28 Resultat Bleibt am Leben; ee. lokal j Tot nach 24 Stdn.; \ nichts lokal Tot nach 48 Stdn.; Erysipel am ganzen Ohr Bleibt am Leben; ae lokal f Bleibt am Leben; \ nichts lokal Die Euglobulinfraktion hat sich also in diesem Versuch als wirksam erwiesen, die genauere Bestimmung ihrer Wirksamkeit geschah in folgendem Versuch. Beitrag zur Kenntnis der wirksamen Substanzen u. s. w. 455 Versuch VI (Euglobulin). Gewicht | Kulturmenge Injiziert Bösalkar g ccm ccm Serum ‚| Brysipel des ganzen Kaninchen I 900 0,0009 0,45 ') Ohres am zweiten nase tot am dritten J Bleibt am Leben; 2 a 2 0 " U nichts lokal PR 1000 0,0001 — Tot nach 24 Stdn. inlö Tot nach zwei Tagen; Euglobulinlösung gen; D) IV | 1150 0,0011 0,57 | Erysipel am ganzen Ohr '/ Bleibt am Leben; 2 u 9 ur \Unichts lokal f Bleibt am Leben; Pe 2850 0,00085 1,7 N nichts lokal In diesem Versuch zeigt sich kaum ein Unterschied in der Wirksamkeit der Euglobulinfraktion und des Gesamtserums: die mit 1 und 2 Promille Euglobulin immunisierten Tiere bleiben ebenso wie die Kontrolltiere am Leben, während das mit 0,5 Pro- mille Euglobulin behandelte Tier etwas schneller als das Kontrolltier zu Grunde geht. Der Versuch wurde mehrfach mit demselben Ergebnis wiederholt; die Euglobulinfraktion hat dieselbe immuni- sierende Wirkung wie das Gesamtserum. Zwar wurde wiederholt eine geringe Differenz in der Wirksamkeit zu ungunsten der Euglobulinfraktion beobachtet, doch glauben wir dies auf Verluste bei der Darstellung zurückführen zu müssen. Diese Er- klärung ist sicher zutreffend für das durch Verdünnung dargestellte Globulin, das sich bei wiederholtem Ausfällen immer schlechter absetzte und abzentrifugieren liels. Versuch VII (Euglobulin). Gewicht | Kulturmenge Injiziert Besalist g ccm ccm Serum - - . i Kaninchen I | 900 0,009 0,9 ! nn a / Tot nach zwei Tagen; „ II 30) 0,001 U nichts lokal Euglobulinlösung 'f Tot nach zwei Tagen; 5) II 900 0,0009 0,9 nichts lokal Bleibt am Leben; ” Er 1000 0,001 2,0 { nichts lokal r 456 J. Rodhain, Als Gesamtresultat dieser Versuche ergiebt sich daher, dals die Albumin- und Pseudoglobulinfraktion im Antistrepto- kokkenserum unwirksam sind, die Schutzwirkung der Euglobulinfraktion allein zukommt und zwar in einer dem Gesamtserum entsprechenden Stärke. Wir wissen seit den Arbeiten von Denys und Leclef*), dafs das Heilvermögen des Antistreptokokkenserums darauf beruht, dafs es den Leukocyten die Fähigkeit zur Phagocytose verleiht, wenn sie diese vorher nicht besalsen. Nach dem Vorgang der genannten Autoren läfst sich die Phagocytose sehr gut experimentell in vitro nachweisen. Da nun nach unseren Versuchen dem Euglobulin des Serums das gesamte Immunisierungsvermögen zukommt, so mulste sich auch seine Wirkung auf die Phagocytose nachweisen lassen, wenn die Anschauungen von Denys und Leclef richtig waren. Dies liefs sich in der That durch folgenden Versuch erzielen: Versuch VIll. 6 Röhrchen wurden mit je 0,9 ccm normalen Kaninchenserums, sowie O,lccm eines durch Injektion von abgetöteten Streptokokken erhaltenen leukocytenreichen Pleuraexsudates beschickt; ins erste Röhrchen kam aufserdem 0,1 ccm normalen Pferdeserums, ins zweite nichts, ins dritte O,l ccm Antistreptokokkenserum, ins vierte, fünfte, sechste je 0,1 ccm Euglobulin-, bezw. Pseudoglobulin- und Albuminlösung, die beiden letzteren mit einem entsprechenden Zusatz von Kochsalz. Alle Röhrchen wurden mit einer Öse frischer Strepto- kokkenkultur geimpft und bei 39°C. im Wasserbad gehalten und öfter umgeschüttelt. (Siehe Tabelle S. 457.) Wir finden, wie die Tabelle lehrt, in den Kontrollröhrchen 1 und 2 die Phagocytose gleich Null, das Kokkenwachstum sehr lebhaft, in den Röhrchen 5 und 6, die mit Pseudoglobulin und Albumin be- schickt sind, ist das Mikrobenwachstum ebenso üppig, Phagocytose fehlt; ferner in Röhrchen 3, das mit Antistreptokokkenserum be- schickt ist, findet intensive Phagocytose statt; auf 50 Leukocyten, die ausgezählt werden, findet sich die Hälfte mit Kokken und Ketten vollgefüllt; die Phagocytose ist so energisch, dals das Mikrobenwachstum stark geschädigt wird und 6 Stunden nach der Impfung sich erst 1 bis 2 lange Ketten im Gesichtsfeld zeigen; endlich, dafs das mit Euglobulin beschickte Röhrchen 4 sich voll- kommen ebenso verhält wie Röhrchen 3. Es hat also nur die Euglobulinfraktion im Antistreptokokkenserum die Fähigkeit, die Leukocyten zur Phagocytose virulenter Streptokokken zu veranlassen. Das Antistreptokokkenserum *) La Cellule, 1895. 457 Beitrag zur Ikenntnis der wirksamen Substanzen u. 8. w. ‘09:0 2sS0o4L4D905UyUd uopay uazıny pun uoyNOoyofdtet ‘uOyNON UOA anyny ‚Stpuogqaf UOYLDONNArT 09:5 8sSoIXD0oSuyUd "uoyyoyl uozıny pun uoyyOoM -ofdıq "UOYYNOM UOA winIsuyou AA SOdULIEH ‘09:0 aso4XooSeyugd "PIaJSIPISOH wur uoyoyM azıny pun UONNoyoLdıq ‘uoyNOoM aypraeıpyez yorwearz ‘pınpq Typ) "uoyN0N04danyg 9sQ I SunsoT -urumqy wo 1°0 YEPNSXOL.MIIT WO9 T'O WNIOSUOTOULLEN -[LWION 109 6'0 9 Toyaayoy 09:0 8so9Kvoduyudg uoyay uazıny | pun uOyNOoNoTdıq | uoyyoyf UOA nyuy -Sıpuoqof u9NLKDOoNNOT (2) 09:7 UNI 8804KH0oSreUA "uoNoM uazıny pun uOYNOst -ofdıqL ‘UOYNNOM UOA um4syoe AM SODULIOH ‘09:7 8s0o4kvoSeua | JS}YPISIH ur wIEPOIN F | SIQ g uoA uoyoyy pun UINNONOLILT UONNOM , Pyproayez yorwaorz -pungag AOy91OTy) "UOYNOMOIdaLS 9sO) L 3 ınso] - ‚ -umnqoTsopnasg u»9 ‘0 EpNSxau. mad a9 T‘o wNI9SLITDUTUBM -[EWION W960 g uoyaıgoy Sun Tea | -UONYOM ONYAUIS OS FUOIN 'g 9IM ZUR) o "Sıpuagaf uo} (oosnorT 09:65 9so4AD90oSuyaA "UONNONOTITT, OU UONNOM UOIDAF ULON UOoy ode] ımN ‘09:2 9804kvooseyua "PIOFSIUOTS -99 WI UOYNNOM SL SIq OT U0A uoNoy F sıq 8 "punpgq AOya1oLs) "U9NNONOIdaNS 9s0) T SunsoT -TINGgOJSnY wD9 T'O Yepnsxzaeınalg Wan L‘0 wndosuayouruey. -[eULION UND 60 7 uoroagoy DSOJKV0SLUA ONEN9IOALASOISNL Afog "upq[ossop Bdurr] ozuud op aaqn PIoFsIyoTsoN) wur U9449 7] 9SUurT ayos zZ sta [L "uogorg wm UOJKDONNOTL 09:85 950% -kooseug 9yıUıS "UONNONOLIIT y9oL UONNOoM UWoIsaF ouLoy ‘uoyo}segq UEYNYOM 0% sn® orp "PIOFSFIITSON ur uoyay adue] AU9s OAZ ‘09:9 88504A908r UA -pIoJsYyDIs -94) WI UONMONT 8L SIq 0T OA mONoyM FSıq 8 Pungog AOU9TOTI "u9yN0oN0Idet4S 950 T wINIOSUONNON -07doxysiyuvy uD9 TO YEPNSXORANSIT WOD L‘O WUNAOSUIYOULLENM -[LUIION WOD 60 ERUSTSLUOH 09:0 898504AvoSreuyud -uoyyoy] uozany pun uoyNoyojdıq ‘"uoysoyl UOA anyny Oyploı og "uogqorg ug uoJkDoynorT 09:0 9s0o4Anoseyud uoys[oyojdı pun uoy -NOM UOA u9AanyTns[LLrag :0g:0 98504kooseya "PIPFSIOTSOHY wt uoyoM 9zany pun UINNONOLLA *UONNOoM Oyoroapyez yorwoLz "punjJog A919) -u97NONOIdAN4S 980 T yepnsxoe.ına]d Was L'0 UMAISUAYIULUCH -[ewwtoNn 1109 6°0 z vogpayoy 09:0 9804A909eyd "uoyyoy] uozany pun UONNONOLIIT *uoyoy uUOoA anyınyy Oydroı ayag "uogarT ww uoJkDosnarT 09:0 9804A00oSvyd uoystospofdıq pun uoy -0}] UoA u9anynyurag ‘09:0 98oyk9odreyud "PIOFSYY2IS9H um u9949J7] ozany pun uONNONOoTALT *uoyNoyM Oydrsayez yorwarz "puoqor uOALDKWÄLIONMIT 9SJI aM "PIOFSFYDISOH wr uU9Y9 47 9Zzıny pun UONNONOTIIT pun uwOyNJOoy Sruo MM "UONNONOIdOyS a8Q I um.AOS -HpAOFT-[EwaoN UDD L‘O + Yepnsxowanayq und T‘o + wmıasuay9ulue‘M -[ewaoN UD96'0 T uoyoarygoy | | | | | | | | | "ups 9 YpeN aoyds "upyg & aoayrds '9pIS T 4yonsaoyın aayydeu auqjoyyrwuuf) 4249893 -uI9 "IM 08 ayNn z un peq -IOSSB AA SUT ee ee ze en a 458 J. Rodhain, unterscheidet sich also hierin vom Antidiphtherieserum, dessen Im- munisierungsvermögen ganz an die Pseudoglobulinfraktion des Serums gebunden ist*). 2. Agglutinationsvermögen. Da das Wesen der Agglutination noch unbekannt ist und von einzelnen Forschern als ein die Phagocytose einleitender Vorgang "up4S 7 yDeN yueayos -magr wur ‚ups 7 pen O3suonl 07z290s03nZ SeTydSAaapaırN | +|+|+ ya umAog| SeIy2SIOPaIN LE NR Bl ne “al urngopong uıpngqopsopnaosq een Sk IR en Ir au IR BUT En A ur Ir Ey ah I urungpy aufgefalst wird, so schien es uns von Interesse, festzustellen, ob das Asgluti- nationsvermögen derselben Serumfraktion zukommt, wie das Immunisierungsver- mögen. Versuch IX. Das verwendete Serum agglutinierte die von mir angewandten Streptokokken im Verhältnis 1:50 bis 1:75 (s. nebenstehende Tabelle). Die Euglobulinfraktion birgt somit das ganze Agglutinations- vermögen des Antistreptokokken- serums, während Pseudoglobulin und Albumin vollkommen frei davon sind. Ich möchte dabei daran erinnern, dals beim Pferde das Streptokokkenagglutinin sich in derselben Fraktion findet wie das Choleraagglutinin **). 3. Beeinflussung des Wachstums der Streptokokken. Unsere Streptokokken, die in Bouillon- kultur, ebenso in Kaninchen- und Pferde- serum in Form von Kokken, Diplokokken oder kurzen 4- bis 5 gliedrigen Ketten wuchsen, bildeten im Antistreptokokken- serum lange, zum Teil aufgerollte Ketten, die sich zuweilen über das ganze Gesichts- feld erstreckten und aus mehr als 100 Glie- dern bestanden. An welche Serumfraktion ist dieser Einflufs gebunden? *) Ide und Lemaire, Archiv. internat. de pharmacodynamie 6, 1899. =) E. P. Pick, diese Beiträge 1, 351 (1902). Beitrag zur Kenntnis der wirksamen Substanzen u. s. w. Hierüber giebt Versuch X Aufschlufs (s. nebenstehende Tabelle). Wir finden somit, dals der Streptokokkus sich in Euglobulinlösungen so verhält wie im Antistreptokokkengesamtserum, dagegen von Pseudoglobulin- und Albuminlösungen nicht beeinflulst wird: Demnach ist das Immunisations-, das Agglutinations- vermögen und die Fähigkeit, das Wachstum der Streptokokken zu be- einflussen, gebunden an dieEuglobulin- fraktion. Vielleicht handelt es sich also nur um drei verschiedene Eigenschaften einer ein- zigen Substanz, die im Verlauf der Immuni- sation im Serum auftritt. Ob es sich dabei um einen Eiweilskörper handelt, vermögen wir vorläufig nicht zu entscheiden, da ja auch andere Substanzen, wie z. B. Fermente, den Eiweilsniederschlägen anhaften können. Pick hat in seiner letzten Arbeit über die Asglutinine versucht, diese von den Eiweils- körpern zu trennen, wie uns scheint, ohne Erfolg. Pröscher*) hat ferner ganz kürz- lich angegeben, dafs er das Diphtherieanti- toxin vom Pseudoglobulin hattrennen können, seine Methode jedoch noch nicht veröffent- licht. Meine Versuche, die wirksame Sub- stanz des Antistreptokokkenserums vom Eu- globulin mit Hülfe von Pepsin zu trennen, waren erfolglos, da die wirksame Substanz durch die Pepsinverdauung vollständig zer- stört wird. Zum Schlufs spreche ich Herrn Professor Denys für die Überlassung des Serums und des Versuchsmaterials meinen herzlichsten Dank aus, ebenso Herrn Professor Ide für seine wertvollen chemischen Ratschläge. *) Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. ID 07) Versuch X. rl 459 en 4 a =) DE Pr = u A ag 1 = er u me ee + Fe N 2 2 je! = = re oo E2Ao 2M ES, in ..# Eu HEN A u. > B3-8.0 Sim m MB—H—M >) - m an» je} Be Er 5 oj au M D 2 Pe = SE k 2 = Or ® Ri -| —H FE Pe S En ee WE A. au oO - oa a8 zo - mo 4 14 ® nsAro 2% - 2 = .,-+ Eu — ee = OI=225® AS - DB Z- - -_ 5 re nn = = a a Han Fre :© =) 2 r. z2o 7 —_ szaRn 2 7% 8909598 2a = Su au at En E) = = © € al 5 SE 8 = EEE m aa3,5298 z = ae az EIS = ._ I — z =2479% 0 Z fe! er > © | a =. >) >) m se = == u oo =u BE: 2 5M = = Q Pı :© > a _ pe B Se: 3 ON > -i a ci Sr -_ . - ern © NE sBE= 2 NS > = = a 2) Ze PR) sr 5 828 = E 2 = >28 = a = 2a 53705 nn Be) DZ HA =. - = ) sles&2>2 = Zu ee d=! 3 N "5.3 S= = Be) äı © ZB ja= a 2 5 oo .— = 5 See - Se= . = Se re zs2% - D A 8% 52 air = os = = ST oO 2,20 Ss ara u gan 1 en ch nn es Eu Sr — = a ag a Be a Br AN IN gt 3 ee Se: > ne > SER>) ae Je 5 4 35% a= = nn I a nn ss urd a eo - — — — Er: ı oO 5 Ss 5 aA< Ru Pu = | a — = > an = =D nee) XXVI. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen und seine Beziehung zur alkoholischen Gärung. Von Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek. (Aus der pflanzenphysiologischen Versuchsstation der k. k. böhmischen technischen Hochschule in Prag.) 1. Vorbemerkungen. Schon der älteren einschlägigen Litteratur war die Beob- achtung Dumonts*) und Döbereiners**) bekannt, dals Obst, insbesondere Äpfel und Birnen, wenn sie sich eine gewisse Zeit in einer Kohlensäureatmosphäre befunden haben, nachweisbar Al- kohol enthalten. Interessant sind diesfalls die Beobachtungen von Berard***), der im Jahre 1821 fand, dafs unter Kohlensäure- atmosphäre gehaltenes Obst Erscheinungen einer Fermen- tation zeigt. Im Jahre 1861 schrieb Pasteur f): „La levure de biere se, comporte absolument comme une plante ordinaire, et on, peut esperer A rencontrer des conditions dans lesquelles certaines plantes inferieures vivraient A l’abri de Pair en presence du sucre, en provoquant alors la fermentation de cette substance a la maniere de la levüre de biere.“ Später experimentierte er mit unter Kohlensäureatmosphäre gehaltenen Weintrauben und kam schliefslich zu der Ansicht, dals *) Dumont, Neues Journal der Pharmaeie, Leipzig 1819, 3, 563. **) Döbereiner, Annalen der Physik, Leipzig 1822, 72, 430. ===) Berard, Sur la maturation des fruits. Ann.d. chim. et de phys. 1821. 7) Pasteur, Influence de l’oxygene sur le developpement de la levure et sur la fermentation aleoolique. Bull. d. la Soc. chim. 1861. Jul. Stoklasa, Joh. Jelinek u. E. Vitek, Der anaerobe Stoffwechsel u.8s.w 461 hier ein Prozefs stattfinde, der dem durch Hefe in einem anderen Nährmedium erresten analog ist. — Der Gedankengang Pasteurs gipfelt in den Worten“): „Cette formation de Valcool est due A ce que la vie chimique et physique de cellules du fruit se continue dans des conditions nouvelles, semblables a celles des cellules des ferments.“ Lechartier und Bellamy”*) haben die Beobachtungen der früheren Autoren in grölserem Malsstabe weiter verfolgt; so ge- lang es ihnen unter anderem, Kohlensäure und Alkohol als Produkte des anaeroben Stoffwechsels nachzuweisen. Sie experi- mentierten nicht nur an Birnen, sondern auch an Gersten- und Kastanienfrüchten. Brefeld““"), Müntzf) und Cochinyyf) setzten die Studien über den anaeroben Stoffwechsel (die „intramolekulare Atmung“) an verschiedenen Pflanzenorganen fort und konnten die Resultate der früheren Forscher bestätigen. Weiter gelangten dagegen Claude Bernardyyfy), Berthe- lot”), Devauxff*), Gerberfff”) und Maze*7). Sie beob- achteten, dafs schon beim Atmen des Pflanzenorganismus in freier Luft die Bildung von Äthylalkohol erfolgt. Im Jahre 1897 veröffentlichten Em. Godlewski und F. Polzeniusz Atmung sterilisierter, unter Wasser getauchter Samen und über *) Pasteur, Note sur la production de l’aleool par les fruits. Compt. rend. t. LXXV, p. 1054—1056. *#) Lechartier und Bellamy, Compt. rend. t. LXIX, p. 466, 1869; t. LXXV, p. 1204, 1872; t. LXXIX, p. 1066, 1874. >) Brefeld, Landw. Jahrb. 5, 327:, „Über Gärung.“ (Brefeld wies Alkohol durch die Jodoformreaktion nach.) 1) Müntz, Ann. de chim. et de phys. V. t. XIII, p. 558. fr) Über die Forschungen ‚Cochins referiert Duelaux in Traite de Microbiologie t. III, 1900. ırt) Claude Bernard, La fermentation alcoolique.. Berthelots Be- richt in Rev. scientifique 1878. 1”) Berthelot, Travaux de la station Meudon. Paris 1899. 11T”) Devaux, Compt. rend. 1899. 171”) Gerber, Maturation des fruits charnues. Ann. de Se. Nat. Ser. VIII, t.4. *r) Maze, Signification physiologique de l’aleool dans le regne vegsetal. Compt. rend. t. 128, p. 1608. =) Em. Godlewski und F. Polzeniusz, Über die intramolekulare Atmung von ins Wasser gebrachten Samen und über die dabei stattfindende Alkoholbildung. (Sur la respiration des graines) places dans l’eau et sur la production de l’alcool pendant la respiration. Extrait du „Bulletin de PAcademie de Sciences de Cracovie 1901“.) 4623 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, die Alkoholbildung bei diesem Prozels. Diesen Versuch wieder- holte Maze*) mit sterilen Samen (Erbsen) in sterilisiertem Wasser, wobei er fand, dafs die so gebildete Alkoholmenge in 27 Tagen 6,56 Proz. der ursprünglichen Erbsentrockensubstanz be- trug. Auch Effront”*) bewies neuerdings an sterilisiertem Obst die Bildung von Alkohol durch intramolekulare Atmung. Am ein- gehendsten haben den ganzen Prozels des anaeroben Stoffwechsels Godlewski und Polzeniusz in ihrer schon erwähnten, erst im vorigen Jahre ausführlich publizierten, an Samen durchgeführten Arbeit klargestellt. Hier erhalten wir zum ersten Male einen genaueren Einblick in den Chemismus der betreffenden Vorgänge. Es wird fest- gestellt, dafs Alkohol neben Kohlensäure das Hauptprodukt der intramolekularen Atmung ist, und die Autoren gelangen zu der Schlufsfolgerung, dals der Reservestoff der Samen, die Stärke, durch Hydrolyse in Glykose übergeht, welche dann so vergätt, wie bei der Alkoholgärung durch Hefe. Aber nicht nur die Reservestoffe der Samen, sondern auch diesen zugefüste, Kohlenhydrate können vom Erbsensamen bei intramolekularer Atmung vergoren werden. Auch die Saccharose z. B. wird invertiert und dann vergoren. Die Arbeiten von Godlewski und Polzeniusz unterscheiden sich sehr wesentlich von den Experimenten der früher genannten Autoren durch die vorgängige vollkommene Befreiung des unter- suchten Objektes von Mikroben. Auch Maze und Effront experimentierten mit Obst und Samen in mikrobenfreien Medien, aber ihre Arbeiten verfolgten nicht das Ziel, eine vollständige Bilanz des anaeroben Stoffwechsels festzustellen. Eigene Versuche belehrten uns, dafs manchmal selbst nach sorgfältigster Sterilisierung und bei vorsichtigster Arbeit die Ver- suchslösungen nach Beendigung der Experimente lebensfähige Bakterienkeime aufwiesen. Überdies wissen wir aus eigener Er- fahrung, dafs eine grolse Zahl von Bakterien durch Vergärung von Glukose und Saccharose Kohlensäure und Alkohol bildet. Er- wägt man weiter, dafs nicht nur die Schizomyceten, sondern auch die Phycomyceten und Aspergilleen u. s. w. neben Kohlensäure *) Maze, Compt. rend. 1899. Über diese Arbeiten referiert auch Duclaux in Trait& de Microbiologie t. III im Artikel „Production de l’alcool par de vegetaux vivants“, p. 52. ’=*) Effront, Die Diastasen und ihre Rolle in der Praxis. I. Band. Wien 1900. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 463 Alkohol als Gärungsprodukte erzeugen, so sieht man, wie nötig es ist, bei ähnlichen Experimenten eine ganz besondere Vorsicht walten zu lassen. Besonders sind dies die ziemlich verbreiteten Mucoraceen (Mucor racemosus, spinosus, mucedo, Rouxii), Aspergilleen (Asper- gillus glaucus, oryzae, niger), Penicillium glaucum, weiter Torula- arten, Monilia candida u. s. w., welche unter Umständen Alkohol- gärung verursachen. Wehmer”) hat auch thatsächlich viele der angeführten Arten von Mikroorganismen auf Obst gefunden. 2. Versuchsmethodik. Zu unseren Versuchen wurden Zuckerrüben (Beta vulgaris), Kartoffeln (Solanum tuberosum) und schliefslich Citronenfrüchte verwendet. Die Untersuchung des anaeroben Stoffwechsels läfst sich be- sonders gut an der Zuckerrübe ausführen; deshalb wurde Ver- suchen an derselben besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Mit- bestimmend war auch der Umstand, dafs hier eine Gesamt- bilanz des Stoffwechsels durch Analyse der Versuchsobjekte vor und nach dem Experimente bisher nicht durchgeführt worden ist. Über den Zusammenhang der normalen mit der intramoleku- laren (anaeroben) Atmung werden wir noch Gelegenheit haben, zu sprechen; übrigens ist es wahrscheinlich, dafs dieselben in genetischem Zusammenhange stehen, wie dies auch den Ansichten vor Pfeffer, Jentys u. a. entspricht. Die Experimente mit Zuckerrübe haben den praktisch inter- essanten Hintergrund, dafs, wie bekannt, die Rübe eingemietet wird und dabei namhafte Verluste an Zucker erleidet. Es wurde auch wirklich gefunden, dafs, wenn die die Rübe umgebende Luft in den Mieten nicht mehr als 7 Proz. Sauerstoff enthält, namentlich bei feuchter Witterung intramolekulare (anaerobe) Atmung eintreten kann. Bei den Versuchen kamen ursprünglich unverletzte Zuckerrüben- wurzeln in Verwendung; nur die Blattstiele waren dicht beim Kopf der Rübe abgeschnitten. Die Sterilisation wurde mit 0,1 proz. bis 0,5 proz. Sublimatlösung in der Dauer von 20 Minuten durchgeführt. Es stellte sich jedoch heraus, dafs die danach durch sechs bis sieben Tage unter sterilisiertem Wasser gehaltene Wurzel manchmal doch noch lebensfähige Keime enthielt. Im ersten Teil der Versuche wurde die Rübe nicht unter sterili- *) Wehmer, Beiträge zur Kenntnis einheimischer Pilze, Jena 1895. 464 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, siertem Wasser gehalten. Im zweiten Teile der Versuche, wo aulser Kohlendioxyd auch Alkohol bestimmt werden sollte und eine periderm- lose Wurzel benutzt wurde, führten wir die Sterilisation gründlicher durch, und zwar mit 0,5 prozentiger Sublimatlösung, die wir 25 bis 35 Minuten einwirken lielsen. a) Die Anordnung der Apparate. (Vergl. Fig. 1.) Der aus dem Kippschen Apparate entströmende Wasserstoff passierte die mit destilliertem Wasser beschickte Waschflasche (W,), dann die Röhre (Uo,), welche Kupferoxyd enthielt, sodann zwei mit konzentrierter Natriumhydroxydlösung gefüllte Drechselsche Wasch- flaschen (W_) und (WW), weiter eine ebensolche vierte (W,,), welche eine alkalische Lösung von Pyrogallussäure (5 a Pyrogallussäure in 15ccm Wasser und 120g KOH in 8S0Ocem Wasser) enthielt, und schliefslich eine fünfte ( W,), welehe mit 0,5 prozentiger Sublimatlösung beschickt war. Den 40cm hohen Cylinder Ü von 7cm Durchmesser schlielst ein gut diehtender Kautschukpfropfen, der 4cm tief in den Cylinder hin- einragt. Durch den zweimal gebohrten Pfropfen führen zwei Glas- röhren, von denen die zuleitende bis zum Boden des Cylinders reicht, während die ableitende den unteren Rand des Pfropfens um 5 cm über- ragt. Sie stellen (wie aus Fig. 1 ersichtlich) die Verbindung mit zwei kleineren, 11 cm hohen Cylindern von 5cm Durchmesser her, die eine 4cm mächtige Quecksilberschicht enthalten (ÜHe, und CHg,). In jenen kleinen Cylinder, in den die Ableitungsröhre a führt, mündet eine knieartig gebogene, mit einem Ablafshahn versehene Röhre r, die in das Quecksilber eintaucht. Die in Quecksilber tauchenden, sowie die mit den Waschflaschen verbundenen Röhrenteile sind mit sterili- sierter Baumwolle gefüllt. Dasselbe gilt von der in die kleinen Oylın- der hineinragenden Mündung des Zuleitungs- und Ableitungsrohres 2 und a. Das Ableitungsrohr reicht bis in das Quecksilber des zweiten, kleineren Cylinders und ist ebenfalls mit sterilisierter Baumwolle gefüllt. Aufser dem Rohre « münden, wie schon erwähnt, noch zwei andere, knieartig gebogene, mit Hähnen versehene Röhren r und r, in diesen Cylinder; die eine verbindet ihn mit den Absorptionsapparaten, während die andere zum Heraustreiben des eventuell noch zurück- gebliebenen Kohlendioxyds dient. Die Gase passieren nach dem Aus- tritt aus dem Cylinder CHg,, zuerst einen Winklerschen Absorptions- apparat, der mit konzentrierter Schwefelsäure gefüllt ist, dann ein 35cm hohes, 2,5 cm weites U-Rohr mit Kupfervitriolbimsstein, ferner ein zweites U-förmiges Rohr, welches Chlorcalcium enthält, das häufig erneuert wird. Das völlig getrocknete Kohlendioxyd wird von Kalium- hydroxyd (Lösung 2:3) im Geisslerschen Apparate absorbiert. Um die aus diesem entweichende, ganz unbedeutende Menge Wasser auf- zufangen, sind weiter mit festem Kaliumhydroxyd und Calciumchlorid gefüllte U-Rohre (Uxaom) vorgelegt. Weiter rückwärts befinden sich noch zwei U-förmige Schutzrohre, dazu bestimmt, in der Luft enthaltenes Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. 8. w. 465 u) a =) Bl Bl D ae TABLE ET Er N Beitr. z. chem. Physiologie. III. EIN) 466 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Kohlendioxyd (und Feuchtigkeit) abzuhalten. Sie sind mit Calecium- chlorid und Kaliumhydroxyd gefüllt und mit dem Aspirator verbunden. Die beiden Röhren Uxaom und Ucacı, wurden vor und nach dem Durch- leiten gewogen. Der ganze Cylinder (CO) samt dem Propfen, sowie auch einem Teile der Röhren tauchen in einen grölseren, 0,5 prozentige Sublimat- lösung enthaltenden Glascylinder @ von 52cm Höhe und l1cm im Durchmesser. Die Cylinder samt Stopfen und zugehörigen Röhren werden sterilisiert. b) Versuchsanordnung. Die Versuche, betreffend die normale Atmung, wurden nach be- kannter Methode angeordnet. Um die ausgeschiedene Kohlendioxyd- menge festzustellen, wurde durch den Apparat Luft getrieben, die vor- her absolut von Kohlendioxyd befreit worden war. Um die Menge des bei intramolekularer (anaerober) Atmung in einem Wasserstoffistrome ausgeatmeten Kohlendioxyds bei verschiedener Temperatur bestimmen zu können, wurden die Rüben nach einer Sterilisierung mit 0,2 bis 0,5 prozentiger Sublimatlösung in der Dauer von 25 Minuten in den Cylinder gebracht. Beim Studium der Bildung von Alkohol neben jener des Kohlen- dioxyds wurde wieder ein anderer Modus gewählt. Die ganze Wurzel (auch wenn sie auf der Oberfläche des Periderms sehr sorefältig ge- reinigt worden war) zu sterilisieren, hielt sehr schwer, weshalb das Periderm und eine weitere 1,15cm dicke Schicht der eigentlichen Zuckerrübenwurzel (des sogen. „Fleisches“) entfernt wurde. Erst dann wurde die Rübe durch 25 Minuten in 0,5 proz. Sublimatlösung sterili- siert; die zurückgebliebene Sublimatlösung wusch man mit sterilisiertem Wasser ab. Es wurde nun weiter folgendes Verfahren eingehalten: Die vor- sichtig gereiniote, vom Periderm befreite Wurzel wurde in zwei Hälften geteilt, von diesen jede abgewogen und bezeichnet. Nach wiederholter Sterilisierung mit 0,5 proz. Sublimatlösung in der Dauer von 25 Mi- nuten wurden beide Stücke in sterilisiertem Wasser gewaschen. Hier- auf wurde die eine Hälfte abgesengt und in den Cylinder gebracht, die andere gewogen und analysiert. Diese Procedur wiederholte man mit so viel Rüben, als zur Erzielung des nötigen Gewichtes gebraucht wurden. Die Wurzeln wurden in steriles, destilliertes, durch Kochen von Luit befreites Wasser getaucht. So war es möglich, eine thunlichst genaue Voranalyse durchzu- führen. Nachdem dann der Cylinder noch abgesengt worden war, ver- schlofs man ihn und machte den Pfropfen durch Übergiefsen mit ge- schmolzenem Paraffin völlig undurchlässige. c) Analytische Methoden. Der Zucker wurde vor und nach dem Versuche aus der Rübe mittels Alkohol im Soxhletschen Apparate extrahiert und nach bekannter Methode bestimmt. Der Invertzucker wurde nach Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 467 Pavy*) bezw. Peska**) ermittelt. Diese Methode liefert viel niedrigere Zahlen, als diejenigen, welche man nach der Methode von Herzfeld erhält. Wir hielten uns im ganzen an die Art der Durchführung, welche Karl Andrlik in seiner einschlägigen Arbeit ***) angedeutet hat. Die Trockensubstanz wurde an 15 bis 20 g des Breies, welcher mit einer kleinen Menge von Methylalkohol bespritzt wurde, bestimmt. Zuerst wurde dieser Brei bei 60 bis 70° C., dann bei 98 bis 100° ©. getrocknet, bis der Verlust zwischen den einzelnen Wägungen 3 bis 5 mg: betrug. Der Alkohol wurde in der Zuckerrübenwurzel (im Brei) vor und nach dem Versuche bestimmt. Der abgewogene Rübenbrei, 30 bis 40 g, wurde mit etwa 200 ccm Wasser vermengt, mit 1/,„- Normalschwefelsäure sehr schwach ange- säuert und der Destillation unterworfen. Das etwa 150 ccm betragende Destillat wurde sorgfältig neutralisiert, einer neuerlichen Destillation unterworfen und das Destillat ın einer Menge von genau 50ccm in einem gut kalibrierten Pyknometer von Reischauer-Aubry gesammelt. Die aus dem spezifischen Gewichte ermittelte Alkoholmenge wurde auf das Gesamtgewicht der Rübe vor bezw.nach dem Versuche umgerechnet. Zur Bestimmung des Alkohols in den einzelnen Destillaten wurde auch die Jodoformreaktion benutzt und weiter die Ausscheidung von Jodoformkrystallen nach Müntz. Bei diesem Verfahren wird dem Destillat krystallisierte Soda und etwas pulverförmiges Jod beigefügt; bei starkem Umrühren in der Abdampfschale bei einer Temperatur von 60° C. setzen sich hexagonale Krystalle von Jodoform an. Nach Du- claux kann man mit dieser Methode 20 mg Alkohol in 10 Liter Wasser bestimmen 7); freilich habe ich mich für die einzelnen Bestimmungen nicht mit dieser Methode nach dem Versuche begnügt, sondern den entstandenen Alkohol an einem gröfseren Quantum ermittelt. Die Zuckerrübe enthielt vor dem Versuche keinen Alkohol. Dafs thatsächlich Äthylalkohol nach Verweilen in der Wasserstoff- atmosphäre vorhanden war, stellten wir an einer grölseren Menge — bis 10 kg — Zuckerrüben fest, welche vollständig sterilisiert, etwa 10 Tage unter einer von einer Wasserstoffatmosphäre abgesperrten sterilisierten Wassersäule gehalten wurden. Nach starker Gärung in dem sterilen Medium — denn es wurden keinerlei Mikroorganismen in demselben konstatiert — wurden sowohl aus dem Wasser, als auch aus der Zuckerrübe, und zwar nach mehrfacher Destillation unter strenger Identifizierung 50 bis 100 cem Äthylalkohol ab- destilliert. Der Siedepunkt wurde mit 75 bis 79°C. und das spezi- fische Gewicht mit 0,799 bei 15°C. gefunden. *) Pavy, Die Physiologie der Kohlenhydrate, Leipzig 1895. =) Peska, Listy chemicke 189. ==) Bericht aus der Versuchsstation für Zuckerindustrie I, Prag 1897. 7) Traite de Microbiologie par E. Duclaux, t. III, p. 10. 30 * 468 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, In der Rübenwurzel bezw. in den Würfeln wurde weiter das Kohlen- dioxyd bestimmt. Im Kolbeschen Apparate wurde das Kohlendioxyd durch Phosphorsäure frei gemacht, in Kalilauge absorbiert, aus dieser neuerdings durch Phosphorsäure ausgetrieben und sodann gewogen. Die Bestimmung des Kohlendioxyds wurde nach der Methode Kolbe- Fresenius ausgeführt, wobei zu bemerken ist, dafs vor dem Geifs- lerschen Absorptionsapparate drei U-förmige Röhren sich befanden, von welchen zwei mit Kupfervitriolbimstein gefüllt waren, indes die dritte CaC], enthielt. Es wurde vor dem Versuche in der Zuckerrübenwurzel ein Gehalt von 00, = 0,04 — 0,05 ®/, festgestellt; nach den Versuchen mit intramolekularer (anaerober) Atmung wurden 0,06 — 0,08 0/, CO, (umgerechnet auf das ursprüngliche Gewicht der Zuckerrübe) ge- funden. In dem Wasser *), unter welchem die Zuckerrüben gehalten wurden, ermittelten wir den Abdampfrückstand, die Saccharose, den Invert- zucker und das Kohlendioxyd nach bekannten Methoden. Bemerkt muls werden, dals das Kohlendioxyd durch Phosphorsäure ausgetrieben und im Geilslerschen Apparat gewogen wurde. Der Alkohol wurde nach der bereits erwähnten Methode bestimmt. 3. Die normale und anaerobe Atmung bei wechselnder Temperatur. Wir geben in folgendem zunächst die Resultate der Versuche mit normaler Atmung im Luftstrome, dann die Resultate der Versuche mit Atmung im Wasserstoffstrome, wie sie an Zucker- rübenwurzeln erhalten wurden, welche nicht in Wasser getaucht waren. In diesen Experimenten handelte es sich somit blofs um die Bestimmung des Kohlendioxyds, welches bei verschiedenen Temperaturen ausgeatmet wurde. Die Versuche, betreffend die Einwirkung der höheren Tempe- raturen, wurden in einem gröfseren Thermostaten durchgeführt, welcher mit Glasscheiben an zwei gegenüberliegenden Seiten versehen war, um die Temperatur im Versuchscylinder ablesen zu können. Bei jedem Versuche wurden pro Stunde 5 Liter und zwar entweder kohlendioxyd- freie Luft oder Wasserstoff durch 1 bis 2 Stunden durch den Ver- suchscylinder durchgetrieben. Es ist zu bemerken, dafs, bevor zum eigentlichen Versuche geschritten und das ausgeatmete 00, bestimmt wurde, immer 1 bis 2 Stunden lang Luft oder Wasserstoff durch den Versuchseylinder durchgetrieben wurde, um aus der Rübe sowohl als auch aus dem Versuchscylinder das von früher her in denselben befindliche Kohlendioxyd auszutreiben. *) Das ausgekochte Wasser, welches zu den Versuchen benutzt wurde, war frei von Kohlensäure. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 469 Betreffs der Bestimmung des von der Zuckerrübe ausgeatmeten Kohlendioxyds mufs betont werden, dafs bei höherer Temperatur aus der Rübe ziemlich viel Wasser entweicht. Deshalb lielsen wir die ab- strömenden Gase erst den Winklerschen Apparat, gefüllt mit kon- zentrierter Schwefelsäure, und dann zwei U-förmige Röhren, gefüllt mit Vitriolbimstein, passieren. Dann erst traten sie in die Chlorcaleium- röhre und von hier in den Geifslerschen Kohlendioxyd-Absorptions- apparat. Zu bemerken ist noch, dafs bei den Versuchen betreffend die intra- molekulare Atmung, bei welchen eine Wasserstoff- oder Stickstofi- atmosphäre benutzt wurde (es gilt dies speziell von einem Falle, in dem es sich um die Feststellung der intramolekularen Atmungsinten- sität bei höheren Temperaturen handelte), immer nach dem Versuche vor dem Wägen aus dem Geifslerschen Absorptionsapparate und aus den U-Röhren der Wasserstoff oder Stickstoff durch kohlendioxyd- freie Luft völlig ausgetrieben wurde. A. Kohlendioxydausscheidung der Zuckerrübenwurzel bei Temperaturen von 1 bis 30%. Versuche mit nicht sterilisierten Wurzeln. ia) Normale Atmung. iR Gewicht der Wurzel 4629. Normale Entwicklung; vollkommen unverletzt; Varietät: „Wohankas Zuckerreiche“; Temperatur 18 bis 20°C.; Dauer des Versuches bei permanentem Luftstrom: 8 Stunden; Abgegebenes Kohlendioxyd in 8 aufeinander folgenden Stunden: 14,6 mg, 15,2 mg, 13,0 me, 10,5 mg, 14,2 mg, 8,6 mg, 9,2 mg, 8,3 mg; Summe in 8 Stunden: 93,6 mg; Mittel, berechnet für 1 Stunde: 11,7 mg; somit für 1 kg Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 25,3 mg. IN, Dieselbe Zuckerrübenwurzel. Die Temperatur auf 1 bis 3°C. her- abgesetzt. — Dauer des Versuches bei permanentem Luftstrom: 19 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 8,5 me, 7,3 mg, 6,0 me, 7,3 mg, 4,4 mg, 4,0 mg, 4,5 mg, 4,2 mg, 3,5 mg, 3,2 mg; Summe in 10 Stunden: 53,4 mg; Mittel, berechnet für 1 Stunde: 5,34 mg; berechnet für 1 kg Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 11,4 mg. IM. Dieselbe Zuckerrübe. Die Temperatur erhöht auf 30 bis 32°C. Dauer des Versuches bei permanentem Luftstrom: 10 Stunden. Er- halten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 15,2 mg, 16,0 mg, 16,5 mg, 19,4mg, 18.Smg, 24,6 mg, 28,3 mg, 26,5 mg, 30,2 me. 3l,4mg; Summe in 10 Stunden: 226,9 mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 22,69 mg, berechnet für I1kg der Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 49,11 mg. 470 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, IV. Gewicht der Zuckerrübe: 954g. Dieselbe vollständig unverletzt. Temperatur: 18 bis 20°C.; Dauer des Versuches bei permanentem Luft- strom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 18,5 mg, 27,4 mg, 26,5 mg, 19,7 mg, 22,4 mg, 24,5 mg, 23,0. mg, 28,2 mg, 20,6 mg, 22,5 me; Summe in 10 Stunden: 233,3 ng. Mittel, berechnet für 1Stunde: 23,33 mg, berechnet für 1kg der Zucker- rübenwurzel pro Stunde: 24,45 mg. V. Dieselbe Zuckerrübe; die Temperatur erhöht auf 30 bis 32°C.; ' Dauer des Versuches bei permanentem Luftstrome: 10 Stunden. Er- halten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 24,5 mg, 28,6 mg, 30,2 mg, 30,6 mg, 36,5 mg, 38,2 mg, 40,4mg, 32,5 mg, 56,2 ng, 40,5 mg; Summe in 10 Stunden: 338,2 mg. Mittel, berechnet für } Stunde: 33,8 mg, berechnet für 1kg Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 33,4 mg. S v1. Dieseibe Zuckerrübe; die Temperatur herabgesetzt auf 1 bis 3° C.; Dauer des Versuches bei permanentem Luftstrom: 9 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 9 aufeinander folgenden Stunden: 5,4mg, 6,3 mg, 8,2mg, 4,5mg, 6,3 mg, 5,2mg, 4,4mg, 5,6mg, 6,2mg; Summe in 9 Stunden: 52,1mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 5,78mg, be- rechnet für 1kg der Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 6,06 mg. b) Anaerobe Atmung. Die Versuche wurden ebenfalls mit Zuckerrüben vorgenommen. Das Gewicht der im Versuch I bis III verwandten Zuckerrübe, welches ursprünglich 462% betrug, sank im Verlaufe der Versuche, welche ausschliefslich bei Tage vorgenommen wurden, auf 459 0; in Versuch IV bis VI sank es bei einem anderen Objekt von 954 auf 9508. Die Bestimmung des ausgeatmeten Kohlendioxyds erfolgte nur, wie früher, solange der Proze[s sich im normalen Stadium befand. Das vor der Beobachtung entstandene angehäufte Kohlendioxyd wurde durch Wasserstoff vertrieben. Ik Temperatur: 18 bis 20°C.; Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstoffstrom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufein- ander folgenden Stunden: 5,3mg, 6,2mg, 6,0mg, 4,0mg, 5,5 mg, 6,8 mg, 4,2 me, 5,4mg, 6,2mg, 5,3mg; Summe in 10 Stunden: 54,9 mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 5,4 mg, berechnet für 1kg der Zucker- rübenwurzel pro Stunde: 11,9 mg. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. 8. w. ATI Jule Dieselbe Zuckerrübe; die Temperatur herabgesetzt auf 1 bis 3° 0.; Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstofistrom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 3,5 mg, 2,0 mg, 1,0 mg, 2,2mg, 2,0. mg, 1,5 mg, 1,0 mg, 1,5 mg. 1,0 mg, — mg; Summe in 10 Stunden: 15,7mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 1,57 mg, berechnet für 1 kg Zuckerrübe pro Stunde: 3,42 mg. II. Dieselbe Zuckerrübe; die Temperatur erhöht auf 30 bis 32° C.; Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstofistrom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 8,3 mg, 9,2 mg, 7,5 mg, 6,8 mg, 7,3 mg, 8,2 mg, 8,0 mg, 8,2 mg, 8,0 mg, 9,3 mg; Summe in 10 Stunden: 80,83mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 8,08 mg, berechnet für 1kg Zuckerrübe pro Stunde: 17,6 mg. Iv: Das Gewicht der Rübe betrug ursprünglich 950g. Der Versuch schlofs sich unmittelbar an den Normalversuch an. Temperatur: 18 bis 20°C.; Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstoffstrom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 9,4 mg, 12,5 mg, 13,8 mg, 12,3 mg, 13,6 mg, 10,2 mg, 9,8 mg, 10,5 mg, 10,3 mg, 8,Smg; Summe in 10 Stunden: 111,2mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 11,12 mg, berechnet für 1kg der Zuckerrüben- wurzel pro Stunde: 11,70 me. N: Derselbe Zuckerrübenorganismus; die Temperatur erhöht auf 30 bis 32°C.; Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstofistrom: 10 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 10 aufeinander folgenden Stunden: 12,5 me, 11,3 me, 10,6mg, 15,5 mg, 15,2 mg, 16,3 mg, 18,6 mg, 20,5 mg, 18,3 mg, 24,2 mg; Summe in 10 Stunden: 164,0 mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 16,4mg, berechnet für 1kg Zuckerrübenwurzel pro Stunde: 17,2 mg. IR Dieselbe Zuckerrübe; die Temperatur auf 1 bis3°C. herabgesetzt: Dauer des Versuches bei permanentem Wasserstofistrom: 6 Stunden. Erhalten Kohlendioxyd in 6 aufeinander folgenden Stunden: 3,2 mg, 4,0mg, 3,8mg, 3,0mg, 4,5me, 3,0mg; Summe in 6 Stunden: 21,5 mg. Mittel, berechnet für 1 Stunde: 3,58 mg, berechnet für 1kg Zucker- rübenwurzel pro Stunde: 3,77 mg. Versuche mit sterilisierter Zuckerrübenwurzel. Diese Versuche wurden in der Weise angeordnet, dafs die Zuckerrübenwurzel in zwei Hälften geteilt und jede derselben sterilisiert wurde; die eine diente sodann zum Studium der nor- malen, die andere der intramolekularen Atmung. 472 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, VI. Normale Atmung Anaerobe Atmung Durchleiten eines Luftstroms Durchleiten eines Wasserstoffstroms durch S Stunden. durch 8 Stunden. Gewicht der Rübe: 232 & Gewicht der Rübe 254g Erhalten Kohlendioxyd in me: Temperatur 18 bis 20°C. In der 1. Stunde 5,8 2, er n 6,3 4,3 ” ” 9. ” 6,0 4,2 ” ” 4. ” 6,4 8,9 ” ” 5. 2 7,0 ; 32 ” ” 6. ” Man 6,4 A ENTe 7,8 2,7 EUCH > 6,3 3,5 Summe in 8 Stunden 53,3 31.8 Berechnet für 1 Stunde 6,66 3,975 0) kg der Zuckerrübenwurzel 28,70 15,64 Temperatur: 1 bis 3°C. In der 1. Stunde 2,6 2,0 ” p) 2 2 6) ZT ) ) ’ ” ” 3 ” 2,4 2,5 ” ” 4. ” 2,6 Ba De? 5 ” 2,5 2,0 ker 5 2» = CE Ra 3,6 2,0 De) 8. ” 2,6 2,7 Summe in 8 Stunden 21,4 E 11,2 Berechnet für 1 Stunde 2,67 1,4 5 ulako..der. Zuckerrübenwurzel 11,49 5,01 Temperatur: 30 bis 32°C. In der 1. Stunde 9,8 6,5 RN DA a 10,5 6,2 pr) b>) >. ” 14,0 5,9 ern dı 12,3 4,4 SB 3 102 6,3 er RO, » 14,8 5,2 ” ” H- ” 14,3 7,8 x N aich el) 3,4 Summe in 8 Stunden 101,9 60, 50,1 CO, Berechnet für 1 Stunde 12,7 „ 62 » „1 kg der Zuckerrübenwurzel 54 ,„ 244 „ Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. 8. w. 473 Man glaubt allgemein, dafs, wenn ein Pflanzenorganimus ver- letzt ist, derselbe intensiver atmet als ein unverletzter, namentlich ist dies neuerer Zeit auf Grund von Versuchen von Stich“) be- hauptet worden. Die betreffenden Autoren haben jedoch nicht mit bakterienfreien Pflanzenobjekten gearbeitet. Wir haben dagegen beim Vergleich einer in verdünnte Sublimatlösung ge- legten, verletzten, bezw. unverletzten Zuckerrübe in betreff ihrer Atmungsintensität das Gegenteil gefunden, die verletzte Rübe atmet weniger als die unverletzte. Und das ist auch einleuchtend: die zerstörten Zellen sind des Atmungsvermögens beraubt. Die Wahrnehmung, dafs ein verletzter Organismus intensiver atme als ein unverletzter, ist auf die Atmungsthätigkeit der Bakterien zurück- zuführen, welche sich in den verletzten Zellen ansiedeln und hier den Zelleninhalt zersetzen. Als Beispiel führe ich an, dals ein Gramm Bact. Hartlebii (auf Trockensubstanz berechnet) in einer Stunde bei einer Temperatur von 25°C. 25ms CO, abgiebt. (Über die Atmungsintensität der Bakterien werden wir in der nächsten Zeit eine grölsere Studie mitteilen.) Betrachten wir die gewonnenen Resultate, so bemerken wir vor allem, dafs das Quantum des ausgeatmeten Kohlendioxyds bei normaler Atmung konstant etwa doppelt so grols ist als bei anaerober. So finden wir bei einer Temperatur von 1 bis 3°C. das per Stunde ausgeatmete Kohlendioxydquantum per Kilogramm Zuckerrübenwurzel zu 6,05 bis 11,49mg. Bei einer Temperatur von 18 bis 20°C. wurden bei normaler Atmung 24,4 bis 28,7, bei anaerober Atmung 11,7 bis 15,6mg Kohlendioxyd gefunden. Bei höherer Temperatur, und zwar zwischen 50 und 32°C., wurde wohl in beiden Fällen ein gröfseres Quantum Kohlendioxyd aus- geschieden, doch blieb das relative Verhältnis beider Werte das gleiche, bei der normalen Atmung 35 bis 54mg, bei der anaeroben 17,2 bis 24,4me CO.. Die angeführten Thatsachen sind, vom allgemeinen Stand- punkte betrachtet, insofern nicht neu, als wir bereits wissen, dals die Produktion des Kohlendioxyds bei intramolekularer Atmung eine viel geringere ist als bei der normalen, weiter, insofern wir wissen, dafs bei einem Organismus mit veränderlicher Eigenwärme die Produktion von Kohlendioxyd sinkt, wenn die Aufsentemperatur und damit die Eigentemperatur niedriger wird, während homöo- *) Die Atmung der Pflanzen bei verminderter Sauerstoffspannung und bei Verletzungen. Flora 1891. 474 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, therme Organismen auf äufsere Abkühlung mit selbstthätiger Wärmeerzeugung reagieren. Der Einfluls der Wärme auf die Umsetzungen in der Zucker- rübenwurzel hat, wie bereits erwähnt, in der Praxis grolse Be- deutung, und zwar für deren Aufbewahrung. Die Saccharose, als in der Rübe abgelagerter Reservestoff, unterliegt der Zersetzung. Die Ausscheidung des Kohlendioxyds erfolgt sowohl bei der nor- malen wie der anaeroben Atmung ganz auf Kosten derselben. F. Strohmer*) hat schon im Jahre 1895 in einem sehr inter- essanten Vortrage auf die Verluste an Zucker hingewiesen, die in den Mieten vom Zeitpunkte der Ernte bis zu ihrer Verarbeitung entstehen. Leider hat F. Strohmer seine Studie nicht mit allen Belegen ver- öffentlicht. Seinen Angaben sei nachstehendes entnommen. F. Strohmer benutzte zu seinen Versuchen: Rübe I im Gewicht von 357,1& mit einem Zuckergehalt von 16,6 Proz. ” II ” ” ” 35,26 ” ” ” ” ” 17,8 ” ” III ” ” ” 362,2 ” ” ” ” ” 19,6 ” Die Rüben waren also in ihrem Gewichte ziemlich gleich, in ihrem Zuckergehalte jedoch sehr verschieden. Die stündliche Kohlendioxyd- abgabe schwankte bei einer Temperatur von 16,7 bis 18,4°C. während 34 tägiger ununterbrochener Beobachtung: bei Rübe I von 7,8 bis 31,1mg (anfänglich 13,1mg, am Ende 8,9 mg); bei Rübe II von 9,6 bis 22,6mg (anfänglich 10,85 mg, am Ende 22,1 mg); bei Rübe III von 5,9 bis 8,3mg (am Anfang 8,3 mg, am Ende 6,2 mg). Der zweite Versuch kann, wie der Autor selbst darlegt, nicht als richtig angesehen werden, da sich auf der Zuckerrübe Pilze angesiedelt hatten und die Rübe sich in Zersetzung befand. Im ganzen stimmen die Resultate der gelungenen Versuche mit unseren, bei 15 bis 20°C. gewonnenen überein. Doch ermög- lichen erst unsere Untersuchungen eine klare. Vorstellung über die Art und Weise, wie sich die Kohlensäureabgabe der Wurzel bei verschiedener Temperatur, und zwar in normalem und anaerobem Zustande gestaltet. Besonders aufklärend sind die Versuche mit halbierter und sterilisierter Wurzel, wobei die eine Hälfte unter normalen Verhältnissen, die andere anaerob gehalten wurde. Die gebildete Menge Kohlendioxyd ist nun ein bedeutungs- volles Kriterium für die anaerobe Umsetzung während der Auf- *) Österr.-ungar. Zeitschr. f. Zuckerind. u. Landwirtschaft, Wien 1895. Die Zuckerverluste der Rüben während ihrer Aufbewahrung. Vortrag, ge- halten auf der Generalversammlung des Centralvereins für Rübenzucker- industrie der österr.-ungar. Monarchie zu Bregenz. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 475 bewahrung der Zuckerrübe vor ihrer Verarbeitung. Wir haben nicht die Absicht, aus diesen Ziffern die Verluste an Zucker, welche sich aus der gefundenen Dissimilation für die Praxis er- geben, näher zu berechnen, und heben blofs hervor, dafs die Menge des abgegebenen Kohlendioxyds innerhalb 30 Tagen per 1000 & Rübe bei einer Temperatur von Ta ERDE rise VS DO ann. 2 PB 0,0856, DR N EN rn BAHN betrug. B. Kohlendioxvdausscheidung bei extremen Temperaturen. Y g «@) Temperaturen unter 0°. Zu diesen Versuchen wurde eine gesunde Zuckerrübenwurzel von 270g benutzt. Sie wurde in einen ganz kurzen, sterilisierten Cylinder gebracht, welcher mit der beschriebenen, ebenfalls gründlich sterilisierten Armatur versehen in eine Kältemischung (Eis und Koch- salz) versenkt wurde. Das Kontrollthermometer war in die Zuckerrübe eingestochen. Die Versuche wurden im Winter im ungeheizten Zimmer bei einer Temperatur von 5 bis 10% 0. durchgeführt. In reiner Wasserstoffatmosphäre bei — 2°C. atmete der Orga- nismus der Zuckerrübe so unbedeutend, dafs nach zweistündigem Durchleiten von Wasserstoff keine merkliche Menge Kohlendioxyd gefunden wurde. Bei normaler Atmung, in derselben Zeit und Temperatur, wurden 2 me Kohlendioxyd gefunden. Das Temperatur- minimum der normalen Atmung ist somit unter —2°C. gelegen. Bei etwa — 4°C. beginnt die Zuckerrübenwurzel zu gefrieren, und die Zellen sterben infolge der Kıystallisation des in ihnen ent- haltenen Wassers ab. Es wurde ferner untersucht, ob die Zuckerrübe noch beim Gefrieren Kohlendioxyd produziert. Wir hielten die Zuckerrübe 5 Stunden unter —3 bis 4°C. (eine nachweisbare Menge von CO, wurde nicht erhalten). Es sei bemerkt, dafs die Luft, welche durch den Versuchscylinder durchgeleitet wurde, zuerst eine U-Röhre passierte, die in eine Kälte- mischung gestellt war. Bekanntlich ist es nicht die Herabsetzung der Temperatur an sich, welche das Absterben der Zelle bewirkt, sondern die Bildung von Eis. Infolge der Krystallisation des Wassers kommt es zu einem Wasserverlust des Protoplasmas und zu einer Zerstörung seiner ganzen Architektur *). *) Hans Molisch, Untersuchungen über das Erfrieren der Pflanzen. Jena 1897. 476 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, 8) Temperaturen über 30°C. Die Temperätur der maximalen Kohlenoxydausscheidung be- stimmten wir in der Weise, dafs der gläserne Versuchscylinder samt dem Thermometer in einen kupfernen Thermostaten ver- senkt wurde, welcher eigens zu diesem Zwecke konstruiert war und die Temperatur im Versuchscylinder abzulesen gestattete. Dem Versuchseylinder wurde während der Versuche Wasserdampf zugeführt, um, so weit als möglich, den Wassergehalt der Zucker- rübe auf gleichmälsiger Höhe zu erhalten. Die über 30°C. hinausgehende Temperatur hat bereits einen be- deutenden Einflufs auf die Transpiration der Zuckerrübenwurzel, und wollten wir das Maximum der Atmungsthätigkeit und das Absterben des Protoplasmas durch Wärmewirkung ermitteln, dann durfte das in den Zellen bestehende Konzentrationsverhältnis nicht gestört werden. Vor den Vorlagen befanden sich zwei Absorptionsapparate, System Winkler, mit konzentrierter Schwefelsäure, welche öfters ausgewechselt wurden. Zu den Versuchen wurde eine gesunde Zuckerrübenwurzel im Gewichte von 232&*) gewählt. Die Beobachtungsresultate sind folgende. Die ausgeatmete Menge Kohlendioxyd per Stunde im Strome feuchter Luft betrug: Normale Atmung. Erster Tag: Zweiter Tag: 30 bis 31°C. — 12 me CO,. 37 bis 38°C. — 40 mg CPO,. 31 ” 32° I 14 ” » 38 A) 39 u 42 ” ” 32 ” 390 In hr 19 » ” 39 » 40° NAHER 43 ” ” 33 ” 34° De, » 40 ” ul N 48 „ ” 34 » 35° Deu: 25 )) 4l ” 422 RRRUSE, 48 ” ” 35 ” 36° TEE 29 ” ” 42 ” 43° RENT 50 ” » RESTE En Dritter Tag. . Vierter Tag. 45 bis 44°C. — 5lmge CO,. 49 bis 50°C. — 46me CO,. 44 ” 45° MER: 56 ” ” 50 » 51° DR Bam 40 ” 2) N ee BL. 500 8 Bo 46 ” 22 Dr 66 ” ” 52 ” 53° N 30 ” ” 47 ” 48° IN AAIRE 63 ” ” 53 ” 54° LET 2) ” ” 48 49° DENE: 56 ” ” S *) Die Wurzel rührte von einer in üppigem Wachstum begriffenen Rübe her. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. 8. w. 477 Fünfter Tag. Sechster Tag. 54 bis 55°C. — 26 mg 60,. 58 bis 59°C. — 15 mg CO,. 55 » 56° Ra 19 ” „ 59 3) 60° Slam) 13 ” „ 56 $)) 57° ge 18 ” )) 60 ” 61° a 7 15 ” ” 57 ” 58° TEE 16 „ „ Siebenter Tag. 61 bis 62°C. — 11me CO,. 62 ” 63° I 10 ” „ 63 ” 64° LI 9 ” ” 64 ” 65° ee u) ” ” Aus den gewonnenen Zahlen ist zu ersehen, dals das Maximum der normalen Atmung zwischen 46 und 48°C. erreicht wird, wo- bei 66 bis 68 mg Kohlendioxyd im Verlaufe von 1 Stunde aus- geschieden werden. Darüber hinaus beginnt die Kohlendioxyd- bildung zunächt langsam, dann von 52 bis 53°C. ab rascher zu sinken, so dals sie schon bei einer Temperatur von 54 bis 55°C. nur noch 26 mg beträgt. Über 56°C. beginnen die Zellen abzu- sterben, was durch Braunwerden der Rübe angezeigt wird. Zur Bestimmung der Tötungstemperatur wählten wir eine Zuckerrübenwurzel von 215g Gewicht und ermittelten vor- her die Menge des bei 30°C. ausgeatmeten Kohlendioxyds, um festzustellen, ob nach Unterbrechung der höheren Temperatur die Wurzel noch normal ist. Bei plötzlicher Herabsetzung der Tempe- ratur auf dieselbe Stufe wie vor dem Versuche mulste dann wieder eine entsprechende Kohlendioxydmenge erhalten werden. Innerhalb einer Stunde wurden in drei Versuchen bei 30°C. im Mittel 14mg Kohlendioxyd abgegeben. Die Temperatur wurde hierauf unter fortwährender Zufuhr von Wasserdampf gesteigert und während der sechsstündigen Dauer des Versuches das ausgeatmete Kohlendioxyd- quantum bestimmt. Es wurden gefunden: In der 1. Stunde 52 me CO,. ” ” 2. ” 54,5 ” 7 ” ” 3. ” 56,4 ” 22] ” ” d. ” 59,2 ” ” ” ” 5. ” 5 4,5 ” ” 6. 5 DOOR Am folgenden Tage wurde die Wurzel bei einer Temperatur von 30°C. durch drei Stunden belassen und die Kohlendioxydabgabe pro Stunde zu 12 mg gefunden; also in der That etwa eben so hoch wie vor dem Versuche. Die Temperatur wurde nun ständig erhöht. Zunächst wurde die Wurzel durch vier Stunden bei 60°C. gehalten. Im Verlaufe dieser a7s Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, vier Stunden wurden 45 mg CO, ausgeatmet. Am dritten Tage wurde die Temperatur durch fünf Stunden bei 62'C. gehalten und hier schon eine geringere Atmungsintensität festgestellt. Es wurden im ganzen nur 40,5 mg (CO, gefunden. Am vierten l'age wurde die Temperatur durch fünf Stunden bei 63°C. erhalten und hierbei blofs 30,5 mg CO, gefunden *). Aber auch wenn man weiterhin CO,-freie Luft durchtrieb, war es möglich, CO,-Abgabe zu konstatieren, obwohl die Zuckerrübe bereits ganz braun war, ein Beweis, dafs das Protoplasma in den Zellen zum grofsen Teile schon abgestorben war, denn diese Verfärbung entsteht bekanntlich durch die postmortale Oxydation der Chromogene. Eine beachtenswerte Erscheinung ergab sich bei der bakterio- logischen Untersuchung. Die Zuckerrübenwurzel beherbergte nach dem Versuche trotz vollständiger Sterilisation in einer 0,5 proz. Sublimat- lösung durch 25 Minuten an der Oberfläche, wie mit Hülfe von Gelatine- platten sichergestellt wurde, zahlreiche Mikroben. Trotz aller Vorsicht scheinen also beim Durchtreiben des Dampfes Bakterien in den Versuchs- eylinder eingedrungen zu sein, welche sich dann auf der Rübe ver- mehrten. Wie wir uns überzeugen konnten, handelte es sich um ge- wisse thermophile, bisher wenig studierte Bacillen. Die Bestimmung des Tötungspunktes des Zuckerrübenorganismus durch absolut exakte Methoden behalten wir uns für eine spätere Zeit vor. Aber aus dem Ermittelten ist zu ersehen, dals die Zuckerrübenwurzel durch eine bedeutende Resistenz gegenüber den Einflüssen extremer Temperaturen ausgezeichnet ist, namentlich wenn wir erwägen, dals die Wurzeln unserer Cerealien und Legu- minosen in einem auf 50°C. erwärmten Boden schon in einigen Tagen absterben. Ob bei dem Absterben der Zuckerrübenwurzel vorwiegend physikalische oder chemische Einflüsse beteiligt sind, ist heute lierung der Eiweilsstoffe ***), hervorgerufen durch höhere Tempe- ratur, die Ursache des Todes ist. Wir kennen ja Pflanzen, die schon bei einer Temperatur von 20 bis 40°C. absterben, und weiter *) Ich mufs hier bemerken, dals die Versuche nicht in einem Zuge durchgeführt wurden, sondern dals dieselben stets mehrere Tage erforderten. Jedesmal aber wurde vor dem eigentlichen Versuche das angehäufte CO, durch ein mindestens zweistündiges Durchtreiben von Luft, bezw. Wasser. stoff entfernt, ehe an die Feststellung der Atmungsintensität geschritten wurde.. =) W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. Leipzig 1901, II. Band. — N. v. Chudiakow, Beiträge zur Kenntnis der intramolekularen Atmung. Landw. Jahrbücher XXIII, 1894. =) Otto Cohnheim, Chemie der Eiweilskörper. Braunschweig 1900. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 479 solche Pflanzen, die noch bei 75°C. vegetieren. Die Ursachen des Todes durch supramaximale Temperaturen sind uns unbekannt. Wir haben gesunde, frische Wurzeln der Zuckerrübe in die Sterilisierungsapparate versenkt und nach sechsstündiger Sterilisation, Auskühlenlassen und Durchschweifen in 0,5 proz. Sublimatlösung neuerlich dahin geprüft, ob sie beim Durchleiten von Luft Kohlen- dioxyd abgeben. Im Verlaufe von vier Stunden wurden nur 8mg CO, gefunden, ein Quantum, das man nicht mehr als Produkt der Atmung ansehen kann. Eine postmortale Atmung der Zuckerrübe wurde also nicht konstatiert. Breinstein und Reinke*) beobachteten wohl eine post- mortale Entwickelung des CO, beim Pflanzenorganismus, was aber Johannsen**), Detmer***), Pfefferf), Kreuslerff) und Klausen}7f) zu bestätigen nicht in der Lage waren. Die Beeinflussung der Intensität der anaeroben Atmung durch Einwirkung supramaximaler Temperaturen wurde in der oben angeführten Weise geprüft, nur mit dem Unterschiede, dafs die Zuckerrübenwurzel in sauerstofffreies Wasser getaucht und Stick- stoff durch die Versuchscylinder getrieben wurde. Dabei wurden die Versuchsbedingungen von dem Gesichtspunkt aus gewählt, das Experiment den analogen Versuchen mit normaler Atmung mög- lichst gleich zu gestalten. Das Gewicht der Zuckerrübe betrug 225g. Sie wurde selbst- verständlich sterilisiert. Es war notwendig, nach Abschlufs des Ver- suches die Menge des im Wasser gelösten CO, zu bestimmen. Unsere Beobachtungen gingen von einer Temperatur von 30° aus und dauerten für einen Grad vier Stunden. Es wurden an ausgeatmetem Kohlendioxyd durchschnittlich pro Stunde gefunden: Bei 30 bis 3I!C — &me Bei 50 bis 51°C — 33 mg ” 35 » 36 WE 17 ” ” 55 » 56 PRRFEN 16 „ ” 40 ” 41 ENT 27 ” ” 60 ” 61 IN An 7 ”„ ” 45 ” 46 ” — 36 » Die anaerobe Atmung der Zuckerrübenwurzel erreichte somit ihr Maximum bei 45 bis 46°C. Es wurden durchschnittlich pro *) Berichte d. deutsch. botanischen Gesellschaft 5 (1837). **) „Botanische Zeitung“ 1337, Nr. 46. ==) Landw. Jahrbücher 11. r) Pfeffer, Beiträge zur Kenntnis der Oxydationsvorgänge in der lebenden Zelle 1889. ir) Landw. Jahrbücher 19, 699, 33. fr) Daselbst 19, 892. 480 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Stunde 36mg CO, gefunden. Bei der Atmung in Gegenwart von Sauerstoff wurde oben die höchste Intensität bei 46 bis 480 C. sichergestellt und zwar zu 66 bis 68 mg Kohlendioxyd pro Stunde. Bei der Untersuchung des Einflusses der höheren Temperatur auf die Intensität der Atmung ist aufsergewöhnliche Vorsicht notwendig. Die Wurzeln der Zuckerrübe müssen gründlich sterilisiert sein, und es ist erforderlich, nach dem Versuche sicherzustellen, dafs die Anwesen- heit von Mikroben völlig ausgeschlossen war. Wir hatten Gelegenheit, zu beobachten, dafs bei 50°C. eine bestimmte Art von Mikroben, deren Beschreibung wir uns für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten, kräftig zu wuchern und die Saccharose zu zersetzen begann. Bisher wurde den im Boden stark verbreiteten thermophilen Bacillen, die an den Wurzeln der Pflanzen nachweisbar sind, geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Auf der Zuckerrübenwurzel finden sich mehrere Arten solcher thermophilen Bacillen. C. Über das Konstantbleiben des Quotienten = bei verschiedenen Temperaturen. Aus Tabelle I (siehe S. 481) ist das Verhältnis zwischen der anaeroben und normalen Atmung bei verschiedenen Zuckerrüben- wurzeln und für dieselbe Wurzel bei drei verschiedenen Tempe- raturen (1: bis 3°, 18 bis 20°, 30 bis 32°C.) ersichtlich. Die Resultate der neun Beobachtungen stimmen im ganzen mit den Beobachtungen von Wortmann*), Wilson**), Möller ***), Borodin?r), Stichfy), Sn Ammj7”) und Chu- diakow ff”). Die Experimente, bei denen extreme Temperaturen zur An- wendung gelangten, führen wir nicht an, weil hier das normale und anaerobe Atmungsexperiment nicht an einem und demselben *) Wortmann, Arbeiten d. botan. Instituts zu Würzburg 2, 500—520. »»*) Wilson, Untersuchungen aus dem botan. Institut zu Tübingen 1, 645—656. ==) Möller, Berichte der deutschen botan. Gesellschaft 2, 313 bis 318. 7) Borodin, Botanische Zeitung 1881, S. 127. ir) Stich, Flora 1891, S. 22—25. +rr) Clausen, Dr. H., Beiträge zur Kenntnis der Atmung der Gewächse und des pflanzlichen Stoffwechsels; Landw. Jahrbücher 19, 893. +") Amm, Ant., Untersuchungen über die intramolekulare Atmung der Pflanzen, Pringsheims Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik 15 Heft 1. +r7*) Chudiakow, Dr. N. v., Beiträge zur Kenntnis der intramolekularen Atmung. Landw. Jahrbücher 23, 333. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 48] Tabelle |]. Durchschnittliche Menge des abgegebenen CO, bei normaler und anaerober Atmung für 1000 g Zuckerrübenwurzel pro Stunde in Milli- gramm bei gleichem Strome von atmosphärischer Luft oder Wasserstoff (5 Liter pro Stunde). Nummer Gewicht des Ver- | der Rübe | Temperatur Normale Anaerobe | en suches in Gramm Le U I 1 469 1 his 30 11,4 ee 0,303 2 462 190042202 25,3 11,9 0,470 3 462 30 „ 39 49,11 17,6 0,358 4 954 Bu peat 6,05 3,77 0,623 5 954 18 , 20° OMA 1170 0,478 6 954 30 „ 32 35,4 72 0,485 | 232) h | r 78 u 254f A) 11,49 5,9 | 0,478 8 en Ron era a 106 0,542 9 232) 30.1580 54,8 24,4 0,445 254 | Organismus durchgeführt wurde. Denn wir hatten schon Gelegen- heit zu erkennen, dals die Atmungsintensität der Zuckerrüben- wurzel, auf ein bestimmtes Gewicht der Rübe bei gleicher Tempe- ratur und gleicher Feuchtigkeit bezogen, keineswegs gleich ist. Worin diese Verschiedenheit ihren Grund hat, sind wir mit Sicher- heit zu sagen nicht in der Lage. 4. Intensität der Atmung der Zuckerrübenwurzeln in den einzelnen Entwickelungsstadien. ‚ Auf einem Versuchsfelde bauten wir Zuckerrüben, und zwar wählten wir hierzu „Wohankas Zuckerreiche“. Der Charakter des Bodens war ein gleichmäfsiger. Er wurde mit wasserlöslicher Phosphorsäure, Kali- und Chilisalpeter gedüngt. Nach einer be- stimmten Vegetationsdauer wurden einzelne Rüben aus dem Boden gezogen, nach gründlicher Reinigung gewogen und zum Atmungs- versuch benutzt. Stets wurden unverletzte, blofs ihrer Blattstiele knapp am Wurzelkopfe entlediste Rüben verwendet. Die Versuche wurden im übrigen unter den oben beschriebenen Bedingungen durchgeführt. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 31 482 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, a) Die Pflänzchen im ersten Stadium der Entwickelung. Vegetationsdauer 25 Tage. Gewicht der Blätter von 100 Pflanzen . . 2. ......2..2...26,8g Gewicht der Wurzeln von 100 Pflanzen . . . ISERED Gewicht der Wurzeln von 100 Pflanzen an Tre . 0,34 „ 25,3g der Würzelchen atmeten innerhalb 18 Stunden bei einer Temperatur von 25 bis 26°C. Kohlendioxyd in Milligsramm aus *): Erster Tag. Zweiter Tag. In der 1. Stunde 8,3 mg In der 7. Stunde 10 mg ” ” 2. ” 9,5 2” ” ” 8. ” 12 ”„ ” ” 3. ” 8 ” ” ” 9. ” 13 ” ” ” 4 “ ” 10 ” ” ” 10. ” 1 1 ” ” ” 5 “ ” 1 1 ” ” ” 1 1 ® ” 10 ” ” ” 6. ” 12» Dritter Tag. Vierter Tag. In der 12. Stunde 14 mg In der 16. Stunde l4 mg ” ” 13. ” 135 ” ” ” 17. ” 13 ” n ” 14. ” 12 ” ” ” 18. ” 10 ” b)] ” 15. ”» 13 ” In Summa innerhalb 18 Stunden 204,3 mg, somit innerhalb einer Stunde 11,33, , . 1000 g Würzelchen atmeten in einer Stunde aus: 439,92 mg. Dies ergiebt, berechnet auf Trockensubstanz, pro 100g und Stunde 543,6 mg CO,. b) Pflanzen im zweiten Stadium der Entwickelung. Vegetationsdauer 50 Tage. Gewicht der Blätter von 10 Pflanzen . . . . .285 g Gewicht der Wurzeln . ..e...08: ar wa Su Gewicht der Trockensubstanz . . . RO 31,2 g Wurzeln gaben an Kohlendioxyd im Verlaufe von 12 Stunden bei 25 bis 26°C. ab: In der 1. Stunde 6 me In der 7. Stunde Smg ” ” 2. ” 5 ” ” ” 8. ” 7 ” ” ” 3. ” 7 ” b)] ” 9. ” 7 ” ” ” 4. ” 3 ” ” ” 10 ” 6 ” » ” 5. ” 8 ” ” ” 11 ” 5 » ” » 6. ” 8 ” ” ” 12. ” 4 ” In Summa innerhalb 12 Stunden 74 mg Innerhalb einer Stunde 6,17 me 1000g der Wurzeln atmeten somit innerhalb einer Stunde bei einer Temperatur von 25 bis 26°C. 197,75mg aus. Berechnet auf 100g Trockensubstanz pro Stunde: 175,78 mg CO.. *) Innerhalb einer Stunde gingen 5 Liter Luft durch den Apparat. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 483 c) Zuckerrüben im dritten Stadium der Entwickelung. Vegetationsdauer 75 Tage. Gewicht des Blattwerks und des Blattstiels einer Pflanze. . 188g Gewicht der Wurzeln . . . N Ara Gewicht der Wurzeln an tanken Se ne a en BUT 82 g der Wurzeln gaben innerhalb 12 Stunden bei 25 bis 26°C. ab: In der 1. Stunde 6 mg In der 7. Stunde 6mg pr) ] ” 2 » 4 ” ” n 8. ” 2 ” ” ” >. n 5 ” ”» n 9. ” 4 „ 2 ”„ 4. ”„ 4 ” >} ” 10. ” 3 ”» ” ” d ” 3 ” ”„ „! 11. » 4 7 ”„ ” 6 ” 5 „ ” ”„ 12. ” 3 ”„ S In Summa innerhalb 12 Stunden 49 mg, somit innerhalb einer Stunde bei einer Temperatur von 25 bis 26°C. 4,083 me. 1000g der Wurzel atmeten somit innerhalb einer Stunde 49,79 mg CO, aus; berechnet auf 100g der Trockensubstanz 32,09 mg. d) Zusammenfassung. Aus diesen Beobachtungen ist ersichtlich, dafs die zarten Würzelchen der Zuckerrübe im ersten Stadium der Entwickelung sich durch eine ungemein intensive Atmung auszeichnen. So geben 1000& Würzelchen nach 25tägiger Vegetation bei 25 bis 26°C. 439,92 mg Kohlendioxyd innerhalb einer Stunde ab. Mit dem Fortschreiten der Entwickelung sinkt die Atmungsintensität der Zuckerrübenwurzel sehr merklich. Nach 50 Tagen der Vege- tationsdauer atmen 1000 & nur 197,75 mg, und nach 75 Vegetations- tagen nur noch 49,79mg Kohlendioxyd pro Stunde aus. Eine normal entwickelte Zuckerrübenwurzel atmet bei abgeschlossener Entwickelung im Monate September mit verhältnismäfsig noch geringerer Intensität, und zwar wurden auf 1000& Wurzeln pro Stunde bei einer Temperatur von 25 bis 26°C. nur 30 bis 50 mg Kohlendioxyd gefunden. Die Zuckerrübenwurzel bekundet übrigens im Anfangsstadium ihrer Entwickelung nicht nur eine besonders hohe Atmungsintensität, sondern es erreicht, wie wir uns über- zeugen konnten, auch die Energie der Assimilation des Kohlen- dioxyds durch die Chlorophyllorgane in dieser Zeitperiode den Höhepunkt. Wir haben absichtlich eine Temperatur von 25 bis 26°C. an- gewendet, um die Dissimilationsprozesse kennen zu lernen, denn inner- 31* A484 Julius Stoklasa, Joh. Jelmek und Eugen Vitek, halb der Grenzen von 25 bis 30°C. liegt das Optimum der Assimilation des CO, durch die Chlorophyllapparate *). Sehr klar treten uns die Dissimilationsverhältnisse entgegen, wenn wir die ausgeatmete Kohlendioxydmenge pro Stunde auf die Trockensubstanz der Zuckerrübenwurzel berechnen. Auf 100& Trockensubstanz entfielen an ausgeatmetem CO, pro Stunde bei 25 bis 26°C. in Millisramm. I. Im ersten Stadium der Entwickelung . ......... 543,6 mg II. Im zweiten Stadium der Entwickelung . .....-..... Was, III. Im dritten Stadium der Entwickelung ....... 1.020320, IV. Im vierten Stadium der Entwickelung -.......... sl “ Im ersten und zweiten Stadium entwickelt der Kübenorganis- mus das Blattwerk in mächtiger Weise, [dafür bleibt das Gewicht der Wurzel klein. Das Gewicht der Blätter beträgt bis zum Zehnfachen des Gewichtes der Rübe. Im ersten und zweiten Stadium erreicht die ausgeatmete CM,-Menge eine bedeutende Höhe, und dies fällt in auffälliger Weise mit der erhöhten Assi- milation des Kohlendioxyds ‚durch; die Chlorophyllapparate zu- sammen. Berechnen wir nämlıch das Quantum des assimilierten CO, auf 100g& reiner Blattsubstanz in den verschiedenen Stadien der Entwickelung, dann ergiebt sich der höchste Wert ebenfalls in dem ersten Abschnitte der Vegetationsentwickelung. In der Periode, in der sich bereits die Saccharose in der Zuckerrübenwurzel in inaktivem Zustande abgelagert hat, und in welcher die Transformation der Reservestoffe aus den Blättern in der Wurzel beendet ist, besitzt die Rübenwurzel nur noch eine geringe Atmungesintensität. Und diese sinkt noch beim Absterben der Chlorophyllapparate. Die Zuckerrübenwurzel befindet sich dann in einer Art Winter- schlaf und wartet auf die Erweckung zu neuem Leben durch ge- nügende Feuchtigkeit und Wärme. Es ist dies ein Seitenstück zu der bekannten Erscheinung, dafs auch bei den Säugetieren, die sich im Winterschlafe befinden, die Atmungsintensität aulserordentlich sinkt. e) Der Anteil der einzelnen Teile des Rübenkörpers an der Kohlendioxydbildung. Die für das neue Leben vorrätig gehaltene Energie findet sich im obersten Teil des Rübenkörpers aufgespeichert. Untersucht *) Über die Assimilation des Kohlendioxyds durch Zuckerrübenblätter und die Entstehung von Zucker bei Einwirkung verschiedener Tempera- turen erscheint ehestens eine umfangreiche Arbeit. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 485 man die Atmungsintensität der verschiedenen Teile der Zucker- rübenwurzel, so findet man hier die grölste Atmungsleistung, wie die nachfolgenden Versuche lehren. Für dieselben wurden zehn gleichmälsig gebaute hKüben der Varietät „Wohankas Zuckerreiche“, welche ein Gewicht von 620 bis 650g hatten, gewählt. Das Gesamtgewicht der zehn Rübenexemplare betrug 6350 9. Die Zuckerrübenwurzel wurde in fünf Teile geteilt und zwar in: Gesamtgewicht Aznam JS I Kopf ohne Blattstiele ....... 706 & a perrörger \ 2. Hals, hypocotyles Stengelelied . . . 1910, MesNitelkörper.. . . ı&v.. .. EN en 2060 „ BRRBBRTTE I KORDIE tue. aeg ae aaa ee 1234 „ I Sullmeinz Wo A ER EEE 440 „ Die einzelnen Teile enthielten an Saccharose in Prozenten: PEranE si 12a Kopienras >, ur 14,8 Proz. oherkörge \aanHlalsper, er ee 16.055 HEaNiitelkorperz.tnn.. SR er 16,4 „ IHISL Unterkorpen) .n 13, ci 3 2 re 196, 5 IVERLSCHWÄNZE... 2° nun ne Ra or nalen 145 „ Die einzelnen Teile wurden in einer 0,5 proz. Sublimatlösung sterilisiert und in geräumige Cylinder in nachfolgenden Gewichten ver- senkt: 2 RROPII Bee Wer. 588 UL CC eörper { 2 Hals Se ent a INeBaVELtelkörpen: wer nee ee 193%, EReUTnVELrkörpers N, wen re 1032 „ IVRSchwanz ‘ne ee ea een er 362 „ Nach zweistündigem Durchtreiben von C O,-freier atmosphärischer Luft (5 Liter pro Stunde) durch jeden der Versuchscylinder wurde das ausgeatmete Kohlendioxyd bestimmt. Es lieferten pro Stunde bei 25°C. Co, 2 SR I. Oberkörper [ = ne LE EN nn Fi DAS edle PROBEN, I SMttelkörper eu. ee ee. 38,9 „ II Unterkorpen 2 ra er 298 5 INA SChwanzt se ee a I 2 Berechnet auf 1000. atmen somit die einzelnen Teile der Zuckerrübe folgende Kohlendioxydmengen pro Stunde aus: x IN KOopE er ee 45,1 mg i kör J : > onen uLrer SE EN Eee ee he 38.3, m MPMattelkorper. rn cn rn re Ale IT.» Untenkorpery „area en 28:67, IEVARSSCh wanz re a ee 2.025405 486 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Wie man sieht, zeichnet sich der Kopf durch ungewöhnliche Atmungsintensität aus; auf 1000 & Gewicht berechnet, bildet er 45,1lmg CO,, also eine verhältnismälsig bedeutendere Menge als der Mittel- und Unterkörper. Aber auch der Hals, in dem sich die Adventivknospen befinden, zeichnet sich durch besondere Atmungs- thätigkeit aus. Eine damit vielleicht in Beziehung stehende interessante Thatsache ist, dafs sich im Safte des Kopfes nach der Methode Fermis*) proteo- lytische Enzyme nachweisen lassen. Der Saft der mittleren und unteren Partie des Körpers der Zuckerrübenwurzel ergab bei gleicher Prüfung nur eine verhältnismälsig geringe Verflüssigung der Karbolgelatine. 5. Der Chemismus der anaeroben Atmung. Für die Beweiskraft unserer Beobachtungen war es von ent- scheidender Bedeutung, darzuthun, dafs es thatsächlich die Zucker- rübenwurzel ist, die anaerob atmet, und keineswegs etwa die ver- schiedenen Mikrobenarten, die ihr anhaften und Zersetzung der Saccharose bewirken. Es kamen da namentlich nachstehende Arten in Betracht, deren Vorkommen auf der Zuckerrübenwurzel wir in der That beobachtet haben: Bacillus viscosus sacchari und Laxas Ulostridium gelatinosum, zwei Mikrobenarten, welche bei 50 bis 40° C. den Zuckerrübensaft in Gärung versetzten**). Insbesondere wurde Clostridium gelatinosum Laxa in der nach Beendigung des Versuches getrübten Lösung öfter und zwar auch nach Sterili- sation mit 0,5 proz. Sublimatlösung beobachtet. Sämtliche Experi- mente, welche nach Beendigung des Versuchs mit anaerober Atmung: in der Lösung lebensfähige Keime zeigten, wovon wir uns stets durch Petrischen Plattenguls überzeugten, wurden aus unserer Beobachtungsreihe ausgemerzt bezw. mit frischem Material wieder- *) Fermi, Archiv für Hygiene 1890. Die Leim und Fibrin lösenden und die diastatischen Fermente der Mikroorganismen. *=*) Daneben beobachteten wir in einem Falle auch Leuconostoc. Bacillus viscosus sacchari bildet in Rohrzuckerlösungen Schleim. Er ist anaerob und dürfte mit dem von Kramer (Monatshefte für Chemie 10, 467) be- schriebenen identisch sein. Bei der Vergärung von Invertzucker soll nach Horsin-Deon zuerst die Fruktose angeoriffen werden. Von vielen Forschern wurde bei der schleimigen Gärung des Zuckerrübensaftes auch Mannit ge- funden. Über das Clostridium gelatinosum, welches Laxa isoliert hat, werden wir an einer anderen Stelle berichten. Dieses Bacterium hat sehr interessante Eigenschaften, auf welche übrigens vielfach schon Laxa hin- gewiesen hat (Centralblatt für Bakteriologie II, 2: Über einen thermophilen Bacillus aus Zuckerfabrikationsprodukten). Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 487 holt. Die Anwesenheit von Mikroben verriet sich in dem Wasser, in das die Zuckerrübe versenkt war, immer am fünften oder siebenten Tage. Die Flüssigkeit trübte sich milchig. Nach Abschluls der anaeroben Atmungsthätigkeit, die bis 25 Tage dauerte, war die Zuckerrübenwurzel stets vollkommen gesund und unverletzt, nur die oberste Partie der Rübe, wohin die wasserstoffzuführende Röhre reichte, war manchmal — immer nur nach längerer Zeit — von den Quecksilberdämpfen alteriert, so z. B. beim dritten Versuche, der 21 Tage dauerte, und beim sechsten Versuche, der 25 Tage währte. Es gelang uns schliefslich nach langwieriger und mühevoller Arbeit, unter 21. Versuchen 6 durchzuführen, in denen die Flüssig- keit, in welche die Rübe versenkt war, nicht nur vollkommen klar blieb, sondern auch keinerlei lebensfähige Mikroben aufwies. Es konnte in diesen Fällen bei Impfung auf verschiedenen Nährmedien, weder auf Gelatine noch auf Agar irgendwelche Kolonienentwickelung beobachtet werden. Der sechste Versuch wurde überdies in der Weise durch- geführt, dals die Zuckerrübenwurzel statt in Wasser in eine sehr verdünnte Sublimatlösung getaucht wurde*); die Konzentration be- trug 0,05 Proz. Th. Bokorny hat zwar darauf hingewiesen, dals schon eine Konzentration von 0,02 Proz. Sublimat die Gärkraft der Zymase aufhebt, allein nichtsdestoweniger war auch in dieser Konzentration von 0,05 Proz., welche allerdings durch den Wasser- gehalt der Zuckerrübe fast auf die Hälfte verdünnt erschien, die Gärwirkung, wenngleich von geringerer Intensität, immerhin deut- lich wahrnehmbar. In 25 Tagen wurden bei einem Rübengewichte von 364,3 & 0,7396 & CO, ausgeatmet und in derselben Zeit 0,7982 g Alkohol gebildet. Aus der nachstehenden Tabelle ersehen wir die Resultate der scchs ausgeführten Experimente bei einer Temperatur von 20 bis 22°C. Das Kohlendioxyd wurde täglich durch Wasserstoff ausgetrieben und gewogen. Die Menge des gefundenen Alkohols ist insofern nicht absolut *) Dieser Versuch beweist die Gärfähiekeit der Zuckerrübenwurzel bei der anaeroben Atmung in einem Medium, in welchem das Leben von Mi- kroben unmöglich ist, da wir, mit Richet zu sprechen (Compt. rend. 117, 637), eine Konzentration anwandten, welche die „Dose antigenetique“ und „Dose antibiotique“ weit übertraf. S. auch OÖ. Emmerling: Die Zersetzung stick- stofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Braunschweig 1902, S. 36. Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, 488 Tabelle I. ; a Analyse der Rübe vor dem Versuche Analyse der Rübe und der Lösung nach dem Versuche Se E aa ner en, es S SE re | ul S S ago | Ssc | na Oo De 5) {77} SH m 30 3 & © E SESER De RS SS I. Bono Re EOS U Sr O2 2 a on SBan| 8% a 28 S 2) ee ne (ee De ale een. z = 3)@23 | 9.8 een Tage © Prozess wbroz Bor g g g Broze u Browse 212707 © 8 % en a Er er ae ee A ee rer er 1 6) 351,3 | 16,97 | 0,059 | 24,21 | 3,5160 | 4,2631 | 362,2 | 18,49 | 11,78 | 0,148 | 12,3720 | 9,3919 | 0,9898 2 10 425,9 | 15,59 | 0,052 | 23,38 || 3,2930 | 3,3506 | 418,5 | 16,54 9,18 | 0,158 | 22,4780 | 17,7049 | 1,2160 3 21 413,0 | 14,42 | 0,044 | 21,90 || 5,5524 |.5,4704 | 355,4 | 12,25 5,68 | 0,125 | 35,4400 | 27,8768 | 2,5340 Tabelle II. an m o |» 5) Sa & eo S Alkohol und | Verlust an Verlust an 8 = S zogen Senken N an =) eu here ers Korn a Ba ljlesu 00, auf Trocken- Saecharose | 2 Sl SS ERS EEFSE Essen Een eo za. E88 ol : an a ea zo 3. .=1|0 zes 42 | Saccharose |substanznach | nach dem le Anmerkung Ze urn Oa2|o7 5 A| 2 ° 3 umgereehnet|dem Versuche | Versuche | 2$o > rD 8 > 3 Su Tage g g © g g g g 0% Proz. % Brozal> Ser 4 ae — — | 1,5460 | 1,7537 | 3,2997 = ee es 5 ee — | 1,0221 | 1,2071 | 2,2292 5 2 ai 2 — | m 3. ae — — | 0,7396 | 0,7982 | 1,5378 Z Ze al 1 8 | 351,3 | 85,0393 | 59,8328 | 3,5160 | 4,9631 | 7,7791 | 7,3901 5,7732| 6,78 | 6,7023 | 11,19 | 121,2 2 10 | 423,9 | 99,0968 | 66,3802 | 3,2930 | 3.3506 | 6,6436 6,3114 7,4928| 7,56 || 8,1644 | 12.29 || 101,7 3 | 21 | 413,0 | 90,4379 | 59,7685 | 5,552 | 5,4704 |11,099 | 10,470 11,6103| 12,83 || 8,7335 | 14,61 | 98,5 Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 489 richtig, als er fuselhaltig war, somit höhere Alkohole enthielt, die ein grölseres spezifisches Gewicht besitzen als der Äthylalkohol. Ob andere Gase aulser Kohlendioxyd in dem gasförmigen Gärungs- produkte vertreten waren, insbesondere Methan und Stickstoff, sind wir nicht mit voller Bestimmtheit zu sagen im stande, doch könnte es sich nur um unbedeutende Mengen gehandelt haben. Wir haben wenigstens bei der Analyse des entstandenen Gases weder Methan noch Stickstoff gefunden. Die behufs anaerober Atmung in Wasser versenkten Zuckerrüben begannen bei einer Temperatur von 20 bis 22° innerhalb 24 Stunden zu gären. Am zweiten und dritten Tage erreichte die Gärung einen ziemlich hohen Grad. Die Saccharose in der Zuckerrüben- wurzel wurde durch Invertase hydrolytisch in-Invertzucker übergeführt, welcher dann zu Alkohol und Kohlendioxyd vergoren wurde. Der Mechanismus der Gärung läfst sich durch die bekannten Gleichungen ausdrücken: 0,H,0,,+ H,0 — 2C,H,,0, 2C,H,0,;, = 400, + 4C,H,.0H Bei der alkoholischen Gärung der Glukose kommen auf 100& CO, 104,5& Alkohol; wir finden in unseren Versuchen ein ähnliches Verhältnis: Versuch 5 10::.49855 Versuch 2277222113532 Bo. 101,7 a ” ee a LS) x RR eel21,2 . Wir hielten es ferner für nötig, zu untersuchen, ob sich nicht etwa Bernsteinsäure und Glycerin bilden, welche, wie wir wissen, als Nebenprodukte der alkoholischen Hefesärung regelmälsig ent- stehen. Zu diesem Zwecke überliefsen wir Zuckerrübenwurzeln im Gewichte von l0kg, nach gründlicher Sterilisation, in einem grolsen Glascylinder in sterilisiertem Wasser unter einer Wasserstoff- atmosphäre durch 14 Tage der Selbstgärung. Es trat starke Kohlen- dioxydentwicklung ein. Die Lösung enthielt aber nur ein geringes Quantum von Glycerin; Bernsteinsäure wurde nicht nachgewiesen. Der Versuch bedarf indessen der Wiederholung, auch wäre die Menge des Glycerins quantitativ zu bestimmen. Die Zellmembranen der Zuckerrübe enthalten Hemicellu- losen, darin das Araban, Xylan und Galaktan*), von welchen die ersten beiden, wie bekannt, durch Hydrolyse in Pentosen (Ara- binose und Xylose), die letztere in Hexose (Galaktose) übergehen. *) Stoklasa, Über die Verbreitung und biologische Bedeutung der Furfuroide. Akademie der Wissenschaften in Wien 1898. — Stoklasa, Über die physiologische Bedeutung der Furfuroide im PHlanzenorganismus. Bot. Centralblatt 1899. 490 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Beide Pentosen, die Arabinose und Xylose, reduzieren sehr stark die Fehlingsche Lösung; nach Stone*) entsprechen 1,95 mg Cu einem Milligsramm Arabinose. Schon mit A. Vyskocil untersuchten wir in unserem Labo- ratorium, ob sich etwa in der Flüssigkeit, in welcher die Zucker- rübe anaerob atmete, gelöste Pentosen vorfinden. Furfurol konnte zwar aus einer grölseren Partie der Lösung erhalten werden, doch keine wägbare Menge an Phloroglucid. Auch Galaktose haben wir in der Lösung nicht gefunden. Ihr Vorhandensein wurde mittels der Schleimsäurereaktion geprüft. Wir haben diesen Versuch jüngst wiederholt und die Ergebnisse der Arbeit, welche A. Vyskotil im’ hiesigen Laboratorium aus- geführt hat, vollkommen bestätigen können. Wir gehen nun an die Erläuterung der chemischen Gesamtbilanz bei dem anaeroben Stoffwechsel. Je nachdem man die Menge des gebildeten Alkohols und Kohlendioxyds mit der Abnahme der Sacharose (a) oder der Trockensubstanz (b) vergleicht, ergeben sich etwas verschiedene Werte. Versuch 1. (Rübengewicht 351,3 g.) Verlust ansSaccharose.. „2 un, 22ban0>ane: n „ Trockensubstanz 2 22 0.7272 a) Die Hydrolyse von 6,7023 g Saccharose erfordert 0,3527 g H,O. Der entstandene Invertzucker im Gewichte von 7,055 g entwickelt bei der Gärung an Alkohol und Kohlendioxyd Berechnet: Gefunden: BSEI-IO Ener 23.005918; 4,2631 CORE 3.4491 „ 3,5160 „ 7,0550 & 7,7791 b) Rechnen wir, dafs der Verlust der Trockensubstanz blofs auf die vergorene Saccharose entfällt, so erhalten wir: Die Hydrolyse der Trockensubstanz (Saccharose) im Gewichte von 5,7732 erfordert 0,3038 g Wasser. An Invertzucker würden daher entstehen 6,077 & Durch die Vergärung bildet sich an Alkohol und Na Berechnet: Gefunden: ° CSENO)EEE 773510608, 4,2651 CO 2,9709 „, 3,5160 „ 6,0769 & 7,7791 *) Berichte der deutsch. chem. Gesellschaft 3. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 491 Versuch 2. (Rübengewicht 423,9 g.) Verlust an Saccharose . . . : . . .. 81644g a „ Trockensubstanz . . . . . 74928 „ a) Die Hydrolyse von 8,1644 g Saccharose erfordert 0,4297 g H,0. Der Invertzucker im Gewichte von 8,5941 g bildet bei der Gärung an Alkohol und Kohlendioxyd: Berechnet: Gefunden: CSERFOET. ... .4,39258 3,3506 g DO 4,2016 „ 3,2930 „ 8,5941 6,6436 € b) Die Hydrolyse von 7,4928g Trockensubstanz (als Saccharose gerechnet) erfordert 0,3943g H,0. An Invertzucker würden daher entstehen 7,8871g. Durch die Vergärung würde daher an Alkohol und Koblendioxyd gebildet: Berechnet: Gefunden: GH.OH. .. .4,0812g 3,3506 & BON 0... 3,8559.) 3,2930 „ 7,8871 e 6,6436 @ Versuch 3. (Rübengewicht 413 g.) Verlust an Saccharose . . . . . . . 87335 g e MeTrockensubstanzesr. 2... 11.601057, a) Die Hydrolyse von 8,7335g Saccharose erfordert 0,4596 g H,0. Der Invertzucker im Gewichte von 9,1931g bildet bei der Gärung an Alkohol und Kohlendioxyd: Berechnet: Gefunden: GSESOHR.?. . .. 4,6987 5,4704 & OR N .-. 4,4944 „ 5,5520 „ 9,1931 & 11,0224 & b) Die Hydrolyse der Trockensubstanz (als Saccharose berechnet) ım Gewichte von 11,6105 erfordert 0,6111 H;,0. An Invertzucker würde demnach entstehen 12,2214 g. Durch die Vergärung entwickelt sich an Alkohol und Kohlensäure: Berechnet: Gefunden: GELOE..., 2 6,2465 8 5.4704 o On IA, 5:5520% 12,2214 © 11,0224 & Rechnen wir nun die so gewonnenen Analysenresultate von dem benutzten Rübengewichte auf ein Gewicht von 100g Zucker- rübenwurzel um, so erhalten wir: Versuch 1. 2,008 g Invertzucker in 100 g Zuckerrübenwurzel liefern: Berechnet: Gefunden: GEEOERF 2.210268 1,263 & WORER En er: 0,951 „ 1.000 „ 2,007 & 2,263 & 493 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Versuch 2. 2,027 g Invertzucker in 100 g Zuckerrübenwurzel liefern: Berechnet: Gefunden: G,EIAO)E E51 0308; 0,790 & CO 0,776 „ 2,027 g 1,566 8 Versuch 3. 2,225 g Invertzucker in 100 g Zuckerrübenwurzel liefern: Berechnet: Gefunden: GSEAOU HE 2721158 1,324 & BO 1,088 „ 1,344 „ 2,226 8 2,668 & Aus den analytischen. Resultaten’ ist ersichtlich, dafs der Ver- lust an Saccharose nahezu identisch ist mit dem Verluste an Trockensubstanz. Die Differenz beträgt: inViersuchleu rs rer 0,9291 & > B ER N 0,6716 „ „ n 3 a 3 As; Bei den ersten zwei Experimenten ergiebt sich eine sehr günstige Übereinstimmung. Bei dem dritten Versuche nehmen wir eine bedeutende Differenz wahr, welche durch die gefundene geringere Quantität an Saccharose verschuldet erscheint. Dafs thatsächlich ein analytischer Fehler bei der Bestimmung der Saecharose diese bedeutende Differenz zwischen Zuckerverlust und Abnahme der Trockensubstanz verschuldet hat, beweist uns die auf- gefundene auf die Saccharose umgerechnete Alkohol- und Kohlen- dioxydmenge. Der Verlust der Saccharose beträgt im Hinblick auf die gefundene Menge Alkohol und Kohlendioxyd 10,47 g. Der Verlust an Trockensubstanz beträgt 11,6103g, der Unterschied ergiebt sich mit 1,1403 g, also ein ziemlich günstiges Resultat. Reduzieren wir die oben vermerkte Differenz auf 100g Zuekerrübenanfangsgewicht, dann ergeben sich die Differenzen wie folst: Beim" Versuches mit 2 0 ersee . 0,26 & N = De RE 0,16 „ h n BR ee aa dio). DIEB), Ziehen wir weiter die Differenzen in Betracht, welche wir zwischen dem entwickelten Kohlendioxyd und dem Alko- hol, umgerechnet auf Saccharose, und dem Verlust der Trocken- substanz finden, dann ergeben sich nachfolgende Ziffern: Beim Versuche 1 1,6169 g auf ein Rübengewicht von 351,58 c [2] » „ 2 1,1814 De?) „ ” „ 423,9 ” 2} (5) „ be) 3 1,1408, „ ” b) ” 413 „ Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 493 Berechnen wir weiter die Differenzen einerseits zwischen dem gebildeten Alkohol und Kohlendioxyd, umgerechnet auf Saccharose, und andererseits dem thatsächlichen Verluste an Saccharose, so finden wir: Beim Versuche 1 0,6878g auf ein Rübengewicht von 351,3 g e E I, B30 2 5 a „ 423,9, 5 5 Dralh73094,, ur, ” 3,2139: 4 Aus all den gefundenen Resultaten geht sehr klar hervor, dafs der anaerobe Stoffwechsel der Zuckerrüben- wurzel im wesentlichen identisch ist mit der alkoho- lischen Hefegärung. "So wie bei der alkoholischen Hefegärung als Haupt- produkt Kohlendioxyd und Äthylalkohol entsteht und die Nebenprodukte nur in unbedeutendem Malse auf- treten, so ergeben sich auch bei dem anaeroben Stoff- wechsel der Zuckerrübenwurzeln Kohlendioxyd und Äthylalkohol als Hauptprodukte, während Nebenprodukte nur in unbedeutendem Malse auftreten. Wir finden ferner dasselbe quantitative Verhältnis zwischen Kohlen- dioxyd und Alkohol wie bei der alkoholischen Hefegärung. Aus allen diesen Thatsachen ist zu entnehmen, dafs die Saccharose, der in die Zuckerrübenwurzel niedergelegte Reserve- stoff, in der Zelle zuerst durch Hydrolyse in Hexosen, Glykose und Lävulose übergeht, und dafs diese Hexosen dann durch einen Mechanismus, der der Hefegärung entspricht, in Kohlendioxyd und Äthylalkohol gespalten werden. 6. Über die Invertase der Zuekerrübe. Es war zu vermuten, dals die Hydrolyse der Saccharose durch eine Invertase hervorgerufen wird, welche ja thatsächlich in Pflanzen- organismen bereits vielfach nachgewiesen ist. Das Vorkommen derselben aufser bei Saccharomyceten ist sichergestellt bei Pilzen von Hansen, E. Fischer, P. Lindner, Thierfelder, Fernbach, Went u. a, bei den höheren Pflanzen von Kjeldahl, und zwar in keimender Gerste, von Bechamp in den Blumen der Robinia pseudoacacia und viscosa, sowie in Papaver Rhoeas und Rosa centifolia, von Mireau in bedeutender Menge in den Früchten der Banane, von O’Sullivan in den Organen der Graminaceen u. Ss. w, Unsere nächste Aufgabe war es, nachzuweisen, ob sich that- sächlich Invertase in den Zellen der Zuckerrübenwurzel nach durch- geführtem anaeroben Stoffwechselversuch vorfindet. 494 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Invertzucker konnte stets in der Lösung in bedeutender Menge nachgewiesen werden. Wir haben nach Versuch 1 in der Lösung *) 0,9898 & Invertzucker ” 2 ” ” ” 1,2160 ”„ ” ” Inn » 2,5340 „ » gefunden. In der Zuckerrübenwurzel wurden ermittelt: Vor dem Versuche: Nach dem Versuche: Versuch 1 0,059 Proz. Invertzucker 0,148 Proz. Invertzucker ” 2 0,052 > ” » 0,158 ” ” ” 3 0,044 ” ” 0,125 n ” Zum Nachweis der Invertase‘ haben wir die bekannten Methoden angewandt **). Isolierung der Invertase. Die vorerst in einer 0,5 proz. Sublimatlösung sterilisierte Zuckerrübenwurzel im Gewichte von 10 kg wurde in sterilisiertem Wasser unter Wasserstoffatmosphäre durch 14 Tage anaerob sich selbst überlassen. Nach dieser Zeit wurde die Rübe herausgenommen, abgespült und zu einem feinen Brei zerrieben, welcher sodann mittels hydraulischer Presse ausgepreist wurde. Der Druck wurde allmählich bis auf 50 Atmosphären erhöht. Zu dem so erhaltenen Prelssafte wurde absoluter Alkohol hinzugesetzt, bis der Alkoholgehalt 60 Proz. betrug. Die Flüssigkeit samt dem ausgeschiede- nen Niederschlag wurde zwei Stunden ruhig stehen gelassen, hierauf der Niederschlag abfiltriert, mit absolutem Alkohol durchgewaschen und im Vakuumtrockenapparat getrocknet. Die trockene Masse wurde sodann mit drei Teilen Chloroformwasser gemischt, durch 24 Stunden maceriert und der so entstandene Brei durch Leinwand durchgeseiht. 20 ccm der trüben Flüssigkeit, in welcher die Invertase zu ver- muten war, wurden zunächst mit 100 ccm 5 proz. Saccharoselösung ge- mischt und auf ihren Polarisationswert ın der Weise untersucht, dafs 30 cem mit lIccm basischen Bleiacetats gefällt und das klare Filtrat in einer 10cm langen Röhre polarisiert wurde. Es wurde thatsächlich binnen 48 Stunden bei einer Temperatur von 30°C. eine Abnahme der Saccharose und Bildung von Invertzucker nachgewiesen. Nach diesem *) In welche die Rübe versenkt war. die Verbreitung der Invertase im Pflanzenreiche und ihre Isolierung enthalten: Jean Effront, Die Diastasen und ihre Rolle in der Praxis. Leipzig und Wien 1900. — Karl Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. Leipzig 1900. — J. Reynolds Green, Die Enzyme. Ins Deutsche übertragen von W. Windisch. Berlin 1901. — 0. Emmerling, Die Enzyme. Braun- schweig 1901. — E. Duelaux, Traite de Mierobiologie. Paris 1898 — 1901. — (. Went, Über den Einflufs der Nahrung auf die Enzymbildung durch Monilia sitophila. Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik. Leipzig 1901. — A. Fernbach, Sur l’invertase ou soucrase de la levure. Ann. de /’Institut Pasteur, t. 4 (1890). Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 495 Orientierungsversuche wurde zur quantitativen Bestimmung des durch die Invertase gebildeten Invertzuckers geschritten. In zwei 100 cem-Kölbehen wurden je 25 cem 10 proz. Zuckerlösung und 5ccem der fraglichen Invertaselösung eingebracht. Eins der Kölbchen wurde, behufs Durchführung eines Kontrollversuchs im Wasser- bade durch 30 Minuten erhitzt. Dann wurden in beide 2 Proz. Chloro- form hinzugefüst und beide bei 25°C. durch 16 Stunden sich selbst überlassen. Dann wurde ihr Inhalt analysiert. Auf dem Wasserbade wurde vor allem das Chloroform ausgetrieben, dann die Lösung ge- fällt, filtriert und das klare Filtrat auf 100cem verdünnt. 25 ccm reduzierten aus 50 ccm Fehlingscher Lösung an Kupfer: Von der gekochten Flüssigkeit . . . . . 0,0122g Kupfer Von der nicht gekochten Flüssigkeit. . . 0,1014, 4 Das ist eine neunmal so grolse Menge. Nachweis der Invertase im Prelssafte der Zucker- rübe, welcher nach Ablauf einer anaeroben Stoffwechselperiode unter einem Drucke von 350 Atmosphären gewonnen wurde. Aus 5 Litern des Prefssaftes wurde mittels absoluten Alkohols ein Niederschlag erhalten, der mit 90 proz. Alkohol schnell gewaschen, im Vakuumtrockenapparat getrocknet und noch warm in 100 cem sterilen Wassers gebracht wurde. Die Lösung wurde in zwei Teile zu 50 cem geteilt. Der erste Teil wurde sofort mit 100 ccm sterilisierter 5 proz. Saecharoselösung gemengt. Die zweite Portion wurde durch 10 Stunden bei einer Temperatur von 100°C. erwärmt und dann ebenfalls mit 100 ccm sterilisierter 5 proz. Saccharoselösung gemengt. Beide Kolben wurden im Thermostaten bei einer Temperatur von 25°C. belassen. Nach 24 Stunden zeigte bereits der Kolben, in welchem sich die nicht er- wärmte Niederschlagslösung befand, eine deutliche Reduktion der Fehlingschen Lösung, während der zweite eine sehr unbedeutende Reduktion hervorbrachte. Die Lösung im ersten Kolben gab mit essig- saurem Phenylhydrazin einen Niederschlag von Glykosazon, während der zweite Kolben nur eine sehr schwache Reaktion gab. Durch diesen Versuch war somit die Anwesenheit der Invertase dargethan. 6. Die Zymase der Zuckerrübe. Es ist nun fünf Jahre her, dafs Eduard Buchner die Mög- lichkeit einer alkoholischen Gärung ohne Hefezelle darthat. Seine Angabe wurde jedoch einerseits von vielen Seiten, insbesondere von Stavenhagen, bestritten, andererseits wurde ihm die Priorität abgesprochen *). Jetzt vermag man die Bedeutung von Buchners *) M. Herzog bemerkt in seiner letzthin publizierten Arbeit: „Liefert das Pankreas ein Dextrose spaltendes, Alkohol und Kohlensäure bildendes Enzym?“, dafs er schon im Jahre 1894 mit aller Bestimmtheit die Ansicht vertrat, dals die Zuckerspaltung durch Hefezellen die Funktion eines Enzyms sein müsse. (S. Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, Heft 1 bis 2 (1902.) 496 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, folgenreicher Entdeckung für die Auffassung der Dissimilations- prozesse im ganzen Pflanzenreiche klarer zu übersehen. Delbrück*), Will**), Lange***), Wroblewskif), Albertff) und Mazejfr) haben die Zymase aus der Hefezelle, wie auch aus einzelnen Pilzen (Maze) isoliert und die Beobachtungen Buchners voll- ständig bestätigt. Wroblewski charakterisiert die Zymase mit folgenden Worten: „Ungeachtet dessen, dafs es noch nicht streng bewiesen ist, dafs Zymase mit dem Protoplasma nicht verbunden ist, sprechen schon ihre bekannten Eigenschaften dafür, dafs sie von den Enzymen verschieden ist und denselben daher nicht ein- gereiht werden kann. Sie ist zwar ein Ferment, aber kein Enzym. Sie repräsentiert eine dritte Gruppe der Katalysatoren, welche sehr nahe den morphologischen Bestandteilen des Protoplasmas stehen.“ - Nach neueren Untersuchungen kann man aber nicht mehr bezweifeln, dals die Buchnersche Zymase wirklich ein echtes Enzym ist. Bei den vorliegenden Studien über die anaerobe Atmung der Pflanzen haben wir gefunden, dafs nicht nur die Wurzeln der Zuckerrübe, sondern auch die Knollen der Kartoffeln, Früchte wie Citronen, Äpfel, Birnen, weiter die Samen der Ge- treidearten ı. s. w. nach einer Periode sowohl anaeroben als auch aeroben Stoffwechsels ein der Buchnerschen Zymase ähnliches Enzym enthalten. Wir haben dabei weiter feststellen können, dals das Gärungsvermögen einzelner Pflanzenteile, besonders aber der Früchte bezw. einzelner Samen sehr verschieden ist und zwar, wie es scheint, von dem Verhältnisse der Eiweilsstoffe zu den Hexosen, Disacchariden und Polysacchariden, welche in den ein- zelnen Pfianzenbestandteilen enthalten sind, abhängt. Auch die Nitratgärung *y) der Denitrifikationsbakterien ist nur *) Delbrück, Alkoholische Gärung ohne Hefezellen. Wochenschrift für Brauerei 14, 363; 15, 133. 5 **) Will, Zur Frage der alkoholischen Gärung ohne Hefezellen. Zeit- schrift für das ges. Brauwesen 20, 363; 21, 291. =) Lange, Beitrag zur alkoholischen Gärung ohne Hefezellen. Wochen- schrift für Brauerei 15, 877. +) Wrobl&wski, Über den Buchnerschen Hefeprefssaft. Journal für praktische Chemie 64, 1. ır) Albert, Einfacher Versuch zur Veranschaulichung der Zymase- wirkung. Berliner Berichte 33, 3775 (1901). iır) Maze, Die Zymase von Eurotiopsis Garzoni. Compt. rend. 155. *7) Wir verweisen auf den Vortrag Julius Stoklasas gelegentlich der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg 1901: Über die Nitratgärung und ihre Bedeutung in den biologischen Prozessen des Bodens. Chemikerzeitung 1901, Zentralblatt für Bakteriologie 1901 u. s. w. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 497 hervorgerufen durch die Anwesenheit eines der Zymase ähnlichen Enzyms in der Zelle dieser Bakterien. Der Äthylalkohol, dessen Quantum abhängig ist von der Gärungsenergie der Bakterien in den verschiedenen Nährmedien, wirkt auf zwei Moleküle salpetriger Säure nach der Gleichung: C,H,0H-+2N,0,=200,+4N-t3H,0. Zahlreiche Bakterien reduzieren die Nitrate im Nährmedium durch den Wasserstoff in statu nascendi in Nitrite, welche dann durch die Einwirkung des Alkohols zu elementarem Stickstoff reduziert werden. Buchner*) und Wroblewski**) beobachteten, dafs bei der alkoholischen Gärung der Hefezelle die Nitrite zu elementarem Stickstoff reduziert werden, und erklärten, dafs Hefesaft denitri- fizierend wirke. Beide Forscher vermuten, dals die Reduktion der Nitrite, bezw. der salpetrigen Säure darauf beruht, dafs die Ammonsalze, primären Amine und Amide mit den Nitriten, bezw. mit der salpetrigen Säure freien Stickstoff entwickeln, wie Marp- mann”**) nachzuweisen versucht. Bereits an mehreren Stellen haben wir darauf hingewiesen f), dafs bei der Konzentration, bei welcher die Denitrifikationsprozesse vor sich gehen, diese Reaktion nicht eintritt. Wenn z. B. eine Nährlösung in 1000 cem 2 bis 4g Ammoniumnitrat neben einigen Disacchariden oder einigen orga- nischen Säuren (in vollständig neutralem Zustande) und den übrigen anorganischen Nährstoffen enthält, so vergärt der Bacillus Hart- lebii die Saccharose, Maltose u. s. w., das Ammonnitrat wird zu Ammoniumnitrit und schliefslich die salpetrige Säure bis izu ele- mentarem Stickstoff reduziert, ohne dals die ursprünglich vor- handene Quantität Ammoniak, welche wir an Milchsäure, Butter- säure gebunden finden, eine Änderung erfährt. Die Gegenwart des der Zymase ähnlichen Enzyms im Safte der Zuckerrübe nach Ablauf einer Periode anaeroben Stoffwechsels bezw. dem dadurch eingeleiteten intensiven Gärungsprozesse nach- zuweisen, gelang mittels verschiedener Methoden. *) Buchner und Rapp, Berliner Berichte 34, 1523 (1901). »*) Wrobl&wski, Über den Buchnerschen Hefesaft. Journal für prak- tische Chemie 1901. ®==*) Marpmann, Zentralblatt für Bakteriologie 1899. +) Julius Stoklasa und Eugen Vitek, Stickstoffassimillation durch die lebende Bakterienzelle. Zentralblatt für Bakteriologie 1901. Julius Stoklasa, Über den Einflufs der Bakterien auf die Zersetzung der Knochen- substanz. Diese Beiträge 3, 322 (1902). Beitr. z. clıem. Physiologie. III. 39 498 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Isolierung der Zymase. Macfadyen, Morris und Rowland beobachteten eine starke Selbstgärung des Hefesaftes unter Bildung von Kohlendioxyd und Alkohol. Auch wir be- obachteten Entwickelung von CO, im Zuckerrübensaft, den wir durch Druck von 100 bis 400 Atmosphären nach erfolgter anaerober Atmung erhalten hatten, nachdem wir 2 Kaliummetaarsenit auf 100 ccm Saft zugefügt hatten. Die Gärungsthätigkeit des Saftes war stärker, sobald dem Safte bei einer Temperatur von 25°C. Glykose, und zwar auf 100cem 5g hinzugefügt wurde. Diese Erscheinung führte uns zum Studium der Selbstgärung des Saftes aus der Zuckerrübe nach Ablauf einer Periode anaerober Atmung. Erste Versuchsreihe. Etwa 10kg Zuckerrübenwurzel, sterilisiert in 0,5 proz. Sublimat- lösung, wurden in sterilisiertem Wasser belassen und häufig die über der Flüssiekeitssäule in dem geschlossenen Gefälse befindliche Wasser- stoffatmosphäre erneuert. Letzteres geschah, weil nach 24 Stunden die Gärung bereits ziemlich intensiv auftrat und sich unter heftiger Schaumbildung steigerte. Nach 14 Tagen wurden die Rüben zerrieben und der Brei einem Drucke von 100 Atmosphären unterworfen und der ausgepreliste Saft für sich aufgefangen. Der Prefsrückstand wurde neuerlich einem Drucke von 400 Atmosphären ausgesetzt, der Saft abermals aufgefangen. Zu dem hinreichend (durch Leinwand) filtrierten Safte, welcher in Portionen zu 500ccm in zwei sterilisierte Cylinder gethan wurde, wurden 10 g Kaliummetaarsenit (nach Buchner) hinzugefügt. Die Armatur der Cylinder war in derselben Weise an- geordnet, wie dies früher betrefis der Anordnung der Versuche mit anaerober Atmung beschrieben wurde. Durch die Cylinder wurde Wasserstoff täglich durchgetrieben und gleichzeitig das Kohlendioxyd in bekannter Weise bestimmt. Die Temperatur wurde auf 20 bis 22° ©. gehalten. Die Menge des aus dem Prefssafte entwickelten Kohlendioxyds war folgende: Prefssaft gewonnen Prelssaft gewonnen bei 100 Atmosphären bei 400 Atmosphären 1. Tag 0,0320 & 0,0000 &; On 0,0304 „ 0,0478 „ Eee 0,0270 „ 0,0151 „ A 0,0050 „ 0,0055 „ De, 0,0231 , 0,0269 6 0,0496 „ 0,0093 „ Summe des 00, 0,1671 g 0,1046 & In der Lösung wurden ge- funden CO, 0,1116 & 0,2787 & Im Zuckerrübensafte vor dem Versuche gefun- den CO, 0,1000 & Ausgeschiedenes CO, 0,1787 & en m Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 499 Alkohol in dem bei etwa 100 Atmosphären erhaltenen Preissaft: Vor dem Versuche waren 1,5494 g Alkohol in 500 cem enthalten Nach „ ” ” 1,6692 „ n „ 500 „ ” Anwachsen. un. « . 0,1198 Alkohol. Im zweiten Versuche wurde der in der Lösung befindliche Alkohol sowie das Kohlendioxyd nach dem Versuche nicht bestimmt. Aus den mitgeteilten Resultaten geht hervor, dafs die Gär- kraft des bis zu einem Druck von 100 Atmosphären, sowie bis zu einem Druck von 400 Atmosphären erhaltenen Prelssaftes an- nähernd gleich ist. Innerhalb 6 Tagen wurden in der Wasserstoff- atmosphäre von ersterem 0,1671 & Kohlendioxyd, von letzterem 0,1046 5 gasförmig abgegeben. In der Lösung wurden im ersten Falle nach dem Versuche noch 0,1116 Kohlendioxyd, daher mit der ausgeschiedenen Menge im ganzen 0,2787 & gefunden. Im Safte wurde vor dem Versuche 0,1 & Kohlendioxyd gefunden. Es beträgt demnach die Menge des gebildeten Kohlendioxyds 0,1787 g. Was den Alkohol betrifft, so wurden gefunden nach dem Versuche 1,6692 g, vor dem Versuche 1,5494. Es zeigt sich daber ein Zuwachs von 0,1198& Alkohol. In 500 cem Prels- saft waren vor dem Versuche an Saccharose und Invertzucker, beides berechnet auf Glykose, 46,2 & enthalten. Wie wir uns überzeugt haben, war der Saft zellenfrei und selbst nach dem Versuche in den Oylindern, wie wir uns durch Platten. guls versicherten, auch bakterienfrei. Der Gärungsprozels war bereits am zweiten Tage bemerkbar. Die Resultate des Experimentes waren aber nicht völlig entsprechend, und deshalb veranstalteten wir ein zweites Experiment, dessen Ver- lauf in folgendem wiedergegeben ist. Zweite Versuchsreihe. Unter den oben angeführten Bedingungen wurde abermals der Prefssaft nach Beendigung des Versuches mit anaerober Atmung aus einer grölseren Menge Zuckerrübenwurzeln dargestellt und gut durch- gerührt. In einer Probe wurde das Kohlendioxyd und der Alkohol be- stimmt. Der übrige, von allen zelligen Elementen vollständig befreite Saft wurde zu je 500 ccm (516g) in drei sterilisierte, mit vollständiger Armatur versehene Cylinder verteilt. In Cylinder I wurde auf 500 ccm 0,053 g Sublimat % ES RIT = -5000295,1625 Toluol N Er ER; 9007.10 „ Kaliummetaarsenit zugefügt. © 159) 500 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eueen Vitek, Bei einer Temperatur von 18 bis 20°C. und unter stetem Hin- durchleiten von kohlendioxydfreier Luft, und zwar 5 Liter pro Stunde, wurden pro 24 Stunden die folgenden Kohlendioxydmengen gefunden: Preissaft Tag versetzt mit Sublimat mit Toluol mit Kaliummetaarsenit ll. 0,0311 & 0,0250 & 0,0300 & 9, 0,0086 „ 0,0123 „ 0,0335 „ 3, 0,0069 ‚ 0,0156 „ 0,0223 „ A 0,0111 „ 0,0107 „ 0,0138 „ 5. 0,0133 „ 0,0164 „ 0,0192 „ 6. 0,0118 „ 0X 0) EIER 0,0189 „ T- 0,0093 „ 0,0235 „ 0,0134 „ 8. 0,0153 „ 0,0137 „ 0,0239 „ 9, 0,0245 „ 0,0157 „ : 0,0164 „ 10. 0,0306 „ 0,0104 „ 0110 11. 0,0305 „ le 0,0100 „ 119% 0.031083 — ,„ 0,0175 „ 112% 0,0297 „ — ,„ 0,0245 „ 14. 0,0233 ‚, — , 0,0269 „ Summe in 14 Tagen innerhalb 10 Tagen innerhalb 14 Tagen 0,2771g C0,, 0,1620 & CO, 0,2814 0 C0, Nach dem Versuche im Prefssafte gefundenes Kohlendioxyd. (Nach Abzug des schon im Safte enthaltenen Kohlendioxyds): I. In der mit Sublimat versetzten Probe. . . 0,2106 & IE oluol N ni a ONTASAT, II. „ „ „. Kaliummetaarsenit e ae Wr), An Kohlendioxyd wurde somit im ganzen gebildet: I. In der mit Sublimat versetzten Probe. . . 0,4877 g I 2 Roluol N OO II. „ „ „ Kaliummetaarsenit » 0a, In 500 cem Saft wurden vor dem Versuche an Alkohol selunden......... Ku ee lee A 0,6240 g Nach dem Versuche wurde im Preflssafte an Alkohol gefunden: I. In der mit Sublimat versetzten Probe. . . 2,1634g en allnall „ v2 Runbestimmt II. „ „ „ Kaliummetaarsenit > 2 el ARO, Daher an entstandenem Alkohol und Kohlendioxyd: CO, GE on I. In der mit Sublimat versetzten Probe 0,4877 g 1,5394 & I role! \ h 0,3104 „ nicht bestimmt. IT. 7, Keliummetaarsenit 7, » 0.5544 „ 0,4974 & Wir haben weiter Versuche mit dem von uns in der oben beschriebenen Weise gewonnenen Prelssafte unter Hinzufügung von Glykose durchgeführt. Dieselben können jedoch wegen Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 501 eines unterlaufenen Fehlers nicht als völlig beweiskräftig gelten, so dals wir dermalen von ihrer Mitteilung absehen. Aus den angeführten Beobachtungen über die Gärthätigkeit des Saftes der Zuckerrübenwurzel ist zu ersehen, dafs derselbe Kohlendioxyd und Alkohol in ziemlich bedeutender Menge auch unter allen Kautelen der Asepsis bildet. Die Gärung war eine sehr mäfsige, die Schaumbildung zeigte sich an der Oberfläche der Flüssigkeit in geringer, gleichmälsiger Menge. Innerhalb etwa 14 Tagen sank immer die Menge des täglich produzierten Kohlen- dioxyds plötzlich auf einige Milligramm herab, der Proze[s war beendet. Vergleichen wir die Intensität der Kohlendioxydproduktion im Prelssafte mit der Atmung der gesunden Zuckerrübe, so be- merken wir nachfolgende Unterschiede: Bei einer Temperatur von 15 bis 20°C. wurden von der Zuckerrübenwurzel im Gewichte von etwa 500 5 innerhalb einer Stunde 5 bis 6mg Kohlendioxyd aus- geschieden, während 516g Prelssaft 1,4 bis 1,6 mg Kohlendioxyds produzierten. Hierzu mufs jedoch bemerkt werden, dafs der be- nutzte Pre[ssaft in seiner Konzentration nicht dem frischen Zuckerrübensaft entsprach, sondern fast auf die Hälfte mit Wasser verdünnt war, denn die Rüben waren bei der anaeroben Atmung 10 bis 14 Tage in Wasser versenkt gewesen. Selbst- verständlich war bei diesem Vorgang ein Teil des Zuckers vergoren, ein anderer ausgelaugt worden. Wir können daher vermuten, dafs bei entsprechender Konzentration die Gärthätig- keit des Saftes jener der Zuckerrübenwurzeln ziemlich nahe ge- kommen wäre. Es ist denkbar und wahrscheinlich, dafs die Gärung in der Zuckerrübenzelle dadurch auf der gleichen Intensität erhalten wird, dafs sich ständig neue Zymase bildet, während bei der zellenfreien Gärung nur jene Menge Zymase wirksam ist, welche in die Lösung gelangt. Es liegt auf der Hand, dafs infolge der Verletzung des lebenden Protoplasmas die Sekretion der Zymase vollständig auf- gehört hat, und hierin liegt der grolse Unterschied zwischen der Gärung des Prefssaftes und der Zelle selbst. Wir möchten noch ausdrücklich erwähnen, dafs sämtliche Versuche über Gärung des Saftes bei völligem Ausschlusse von Mikroben er- folgten. Wehmer“) bemerkt zwar, dals eine 2 proz. Kaliummetaarsenit- *) K. Wehmer, Über Hemmungs- und Giftwert einiger Substanzen für Hefe. Zeitschrift für Spiritusindustrie 1901, Nr. 25. 502 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, lösung kein völlig verläfsliches Antiseptikum darstelle, nichtsdesto- weniger bemerke ich, dafs wir blofs in drei Fällen ein schwaches Wachs- tum von Hyphomyceten und Bakterien konstatieren konnten, welche Fälle aus unseren Beobachtungen ausgeschlossen wurden. Ss. Gärung des Zuckerrübenwurzelsaftes nach Filtration durch das Chamberlandfilter. Buchner, Macfadyen, Morris und Rowland machten darauf aufmerksam, dafs Hefesaft, welcher durch das Chamberlandfilter filtriert wird, das spontane Gärvermögen einbüls. Wroblewski hat sogar gefunden, dals derart filtrierter Saft die Fähigkeit verliert, Zucker in Gärung zu versetzen. Der in oben beschriebener Weise unter einem Drucke von 400 Atmosphären erhaltene Prelssaft wurde gründlich durchgerührt und in drei Portionen a 1000 cem geteilt. Eine Portion wurde durch sterilisierten Sand, die zweite durch das Chamberlandfilter filtriert, die dritte zu Kontrollzwecken auf Selbstgärung geprüft. Zu jeder Probe wurden 500 cem verwendet und die täglich bei 23 bis 25°C. produzierte Kohlendioxydmenge bestimmt. Der Flüssigkeit in jedem Versuchscylinder wurden 100 Kalium- metaarsenit zugefügt. Täglich wurde ein Luftstrom von 5l pro Stunde, eine Stunde lang, durch die Flüssigkeit hindurchgetrieben. Der Saft bildete CO, nach Filtration durch durch in der In Stunden Chamberland sterilis. Sand Kontrollprobe 24 0,032 0: 0,052 & 0,068 e 48 0,033 „ 0,041 „ 0,094 „ 96 0,022 „ 0,020 „ 0,073 „ 120 0,014 „ 0,058 „ 0,028 „ 144 0,013 „ 0.047 „ 0,034 „ Summe in 5 Tagen 0,114g CO, 0,218 & 0,297 & Aus dieser Tabelle ersehen wir, dals im ersten Falle, wo der Saft durch das Chamberlandfilter filtriert wurde, dieser im ganzen 0,114 Kohlendioxyd lieferte, der durch sterilisierten Sand filtrierte 0,218 g, der einfach durch Leinwand geprefste im ganzen 0,297 g. In den letzten beiden Fällen wurde eine ziemlich mälsige Gärung beobachtet. Nach dem Versuche konnte die Gegenwart von Mi- kroben nicht beobachtet werden. Es ist bekannt, dafs die Zymase sehr schwer dialysiert und zum grolsen Teile im Chamberlandfilter zurückgehalten wird. Dasselbe eilt von unserem gärungserregenden Agens. Ja wir be- Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 503 obachteten, dafs schon durch Sand die Gärkraft des Saftes einiger- malsen abgeschwächt erscheint. Bei sämtlichen Versuchen sahen wir, dafs bei der anaeroben Atmung aus der Zuckerrübenwurzel reichlich Kohlendioxyd in Bläschen austrat. Die klare Lösung, in welche die Rüben ver- senkt waren, zeigte aber nach dem Versuche bei Gegenwart von antiseptischen Mitteln, und zwar von Kaliummetaarsenit, Sublimat, Thymol oder Toluol niemals Gärung. Die Abgabe von Kohlen- dioxyd war stets eine so minimale, dafs von einer Gärthätigkeit überhaupt nicht gesprochen werden kann. Auf Grund dieser Resultate ist sicherlich der Schlufs gestattet, dafs der anaerobe Gärproze[s sich vollständig innerhalb der Rüben- zelle vollzieht. Diese Anschauung erscheint überdies auch dadurch gestützt, dals es uns nicht gelang, in der Flüssigkeit, in welcher die Zuckerrübenwurzel gor, ein der Zymase ähnliches Enzym nach- zuweisen. Die Rübenzymase hat somit durch die Zellmembran nicht diffundiert. Wie die Hefezymase, so ist auch unser, derselben analoges Enzym, wie es scheint, ein kolloidaler, in Wasser wenig löslicher Körper. Die Hydrolyse der Saccharose und die exothermale Spaltung der Kohlehydrate ist somit ein rein intracellularer Vorgang. Erst wenn die Zellwand eine Zerstörung erfahren hat, ist es möglich, aus der Zelle das der Zymase ähn- liche Enzym zu erhalten. Die intracellulare Atmung der Zucker- rübenwurzel ist eine Invertierung der Saccharose mit nachfolgender Vergärung. 9. Weitere Versuche zur Isolierung der Rübenzymase. Versuch 1. Zur weiteren Isolierung des der Zymase analogen Enzyms benutzten wir eine Modifikation der Albert-Buchnerschen*) Methode, von deren Genauigkeit wir uns vorher bei verschiedenen Mikrobenarten überzeugt hatten. Dem nach Ablauf des Versuchs mit anaerober Atmung unter einem Drucke von 300 Atmosphären gewonnenen Prefssaft wurde in einem hohen, engen Cylinder absoluter Alkohol und Äther hinzugefügt. Nach Abscheidung des dunkeln, hauptsächlich aus Eiweifskörpern bestehenden Niederschlages, die in einigen Minuten erfolgte, wurde die Flüssigkeit über dem Niederschlage sofort abgehebert und der Alkohol durch Äther *) R. Albert, Einfacher Versuch zur Veranschaulichung der Zymase- wirkung. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch., Berlin 1901. — Buchner, Alkoholgärung ohne Hefezellen. Ebenda 1897. — Buchner, Über zellfreie Gärung. Ebenda. 504 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, ersetzt. Nach Durchschütteln mit demselben wurde die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit abgezogen, rasch durch ein ge- räumiges Filter filtriert, sodann der Niederschlag in einem warmen Luftstrom bei etwa 30°C. getrocknet. Der Niederschlag wurde im Kolben mit 16 proz. Glykoselösung vermischt und zwar wurden auf etwa 6g des Niederschlages 50 cem 16 proz. Glykoselösung verwendet. Als Antisepticum wurde der Lösung ein Körnchen Thymol zugefüst, der Kolben ins Wasserbad versenkt und mit einer entsprechenden Einrichtung behufs Bestimmung des Kohlen- dioxyds versehen. Die Flüssigkeit begann augenblicklich zu gären. Innerhalb 48 Stunden wurden 0,93g Kohlendioxyd gebildet. Das Kohlendioxyd wurde durch Hindurchtreiben von kohlensäure- freier Luft durch die Flüssigkeit erhalten. Zur Abscheidung des gärungserregenden Enzyms waren 2,5 Liter Flüssigkeit benutzt worden. Die Menge des Niederschlages war nur eine geringe, weil man rasch arbeiten und den Niederschlag von Alkohol und Äther durch schnelle Dekantation befreien mulste. Versuch 2. Es wurde im ganzen in derselben Weise wie im vorigen Versuche vorgegangen. In zwei Kolben wurden je etwa 5g Niederschlag, welcher das der Zymase ähnliche Enzym enthalten mulste, gebracht. Als Antisepticum wurde wieder Thymol verwendet. Der Inhalt eines der Kolben wurde gründlich aufgekocht. Beide Kolben wurden dann bei einer Temperatur von 28 bis 30°C. unter den schon früher angeführten Kautelen belassen, der Niederschlag wurde mit einer 16 proz. Glykoselösung übergossen und das Kohlendioxyd durch Durch- treiben von kohlendioxydfreier Luft ausgetrieben. Aus dem aufge- kochten Kolbeninhalte wurden im Laufe von 72 Stunden 0,006g Kohlen- dioxyd gewonnen, während in dem Kolbeninhalte, der nicht aufgekocht worden war, somit das unveränderte Enzym enthielt, 0,332 g Kohlen- dioxyd gefunden wurden. Versuch 3. Der Versuch wurde in der oben näher beschriebenen Art wiederholt. Zur Ausscheidung wurden 1,2 Liter Saft benutzt. Der ausgeschiedene Niederschlag wurde in 50 cem 16 proz. Saccharoselösung gethan und mit Thymol versetzt. Es wurden durch den C0,-freien Luft- strom innerhalb 78 Stunden bei einer Temperatur von 30°C. 0,4938 g Kohlendioxyd ausgetrieben. Versuch 4. Der Versuch wurde ganz genau unter den früheren Verhältnissen durchgeführt, es wurden ungefähr 6g des Niederschlages in 100 ccm 16 proz. Glykoselösung gebracht. Es trat sofort energische Gärung ein. Binnen 2 Stunden wurde mittels Luftdurchleiten 0,15 g Kohlendioxyd erhalten. Versuch 5. Gewonnen wurden an Niederschlag etwa 7g, die mit 100cem 15 proz. Glykoselösung gemischt wurden. Der Mischung wurde 1,0g Kaliummetaarsenit hinzugefügt. Die Temperatur wurde zwischen 29 und 30°C. gehalten. Es wurden mittels Luftdurchleiten in 84 Stunden 0,9715 & CO, erhalten. In der Lösung wurden 0,95 g Alkohol gefunden. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 505 Versuch 6. 6. Niederschlag wurden mit 100 ccm einer 15 proz. Glykoselösung vermischt. Es trat augenblicklich Gärung unter Kohlen- dioxydentwickelung ein. Bei 30°C. wurden innerhalb 48 Stunden im ganzen gewonnen: Köohlendtoxyd 7 2 027272 2270,68 % Glen e. 02ra, 09405 Das Kohlendioxyd wurde durch kohlendioxydfreie Luft ausgetrieben und auch in einem abgemessenen Teile der Lösung bestimmt. Versuch 7. Etwa 6g Niederschlag wurden mit 100 ccm 15 proz. Fruktoselösung gemischt. Es wurde nur eine eben wahrnehmbare Gärung erzielt. Bei 30°C. wurden in 48 Stunden im ganzen ge- funden: N ESS Se a nr a ee OA Op al 2 (O1 E EI a ER (Das Kohlendioxyd wurde abermals durch kohlendioxydfreie Luft ausgetrieben und im abgemessenen Teile auch in der Lösung bestimmt.) Die Resultate dieser Beobachtungen lehren, dafs hier ein chemischer Prozef[s vorliegt, bei dem Alkohol und Kohlendioxyd durch ein Enzym gebildet werden. Was die Vergärbarkeit der einzelnen Kohlehydrate durch die von uns isolierten Enzyme betrifft, so ist zu ersehen, dafs der d-Glukose der Vorzug vor der d-Fruktose zufällt. Die Saccharose wird erst nach vorhergehender Inversion durch die im Nieder- schlage enthaltene Invertase vergoren. Dafs die Fruktose wie die Glykose vergärt, das hat uns bereits die Probe, die wir beim Chemismus der Atmung durchgeführt haben, gelehrt. Es schien interessant, festzustellen, ob nicht der Invertzucker, welcher sich nach vollzogenem Anaerobioseversuch findet, vielleicht zum grolsen Teile aus Fruktose besteht. Wir gingen nach der neuen Methode von Neuberg*) vor, mittels welcher durch Methylphenylhydrazin bei Gegenwart von 50 proz. Essigsäure und Bildung des d-Fruktosemethylphenylosazons (C,,H3;0,N;) die Isolierung der Ketose neben Aldose ausgezeichnet möglich ist. Ein auffällig grölseres Quantum der Fruktose neben Glykose haben wir dabei nicht beobachtet. Wir erwähnen ausdrücklich, dafs wir den chemisch-biologischen Charakter des der Zymase ähnlichen Enzyms weiterstudieren, nament- lich handelt es sich uns um die Isolierung desselben in völlig reinem Zustande. *) Neuberg, Über die Isolierung von Ketosen. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 35, 959. 506 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Bereits heute halten wir uns für berechtigt, auf Grund der gesamten Beobachtungen und da die Reaktion bei der Vermischung des isolierten Enzyms mit Glykose eine so energische war, mit voller Sicherheit zu schlielsen, dafs es uns gelungen ist, das der Zymase ähnliche Enzym, die Rübenzymase, zu iso- lieren und seine Wirkungen festzustellen. (Ich verweise übrigens auf meine, im nächsten Hefte erscheinende Arbeit, in welcher über die Isolierung analoger Enzyme nicht nur aus anderen Pflanzenorganen, sondern auch aus Tierorganen berichtet werden wird.) 10. Schlufsbetrachtungen. Wir hoffen, dafs es uns durch das Mitgeteilte gelungen ist, mit voller Bestimmtheit nachzuweisen, dafs die anaerobe Atmung der Zuckerrübe bei völligem Ausschluls von Mikroben eine alko- holische Gärung darstellt und dafs die entstandenen Produkte, Alkohol und Kohlendioxyd, echte Exkrete und zwar, in unserem Falle, der Zelle der Zuckerrübenwurzel sind. Da es uns weiter gelang, die Gegenwart von Enzymen, und zwar einer Invertase und eines der Zymase ähnlichen Enzyms in der Zelle der Zuckerrübenwurzel nachzuweisen, so liegt es auf der Hand, dafs die anaerobe Atmung des Zuckerrübenwurzel- organismus aulserordentlich viel Gemeinsames mit der Atmung der Hefezelle hat. Unsere Erfahrungen weisen darauf hin, dafs die beiden Enzyme, und zwar ebenso die Invertase wie das von uns gefundene, der Zymase analoge Enzym, bei völligem Luftabschlufs sich gebildet haben, und es ist die Möglichkeit anzunehmen, dafs die Rübenzelle nur soviel an dem der Zymase analogen Enzym produziert als sie für ihre Lebensvorgänge braucht. Vergleichen wir nämlich das Gärungsvermögen des zellfreien Zuckerrüben- wurzelsaftes unter aseptischen Kautelen mit dem Prefssafte der Hefe in einer 15 proz. Saccharoselösung, so sehen wir, dafs der Hefesaft sich durch eine viel gröfsere Energie in der Abspaltung von Kohlendioxyd und Alkohol auszeichnet. Diese Erscheinung läfst sich sehr leicht daraus erklären, dafs die Gärung, die durch Hefe in einer Saecharoselösung (bei Gegenwart der übrigen not- wendigen Nährmedien) hervorgerufen wird, überhaupt eine un- gleich energischere ist. Welche Summe von Energie durch die anaerobe Atmung, sowohl der Mikroben als auch der Zucker- rübenwurzel, verfügbar wird, darüber geben die folgenden Beispiele Aufschlufs. Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 507 Die Versuche wurden bei einer Temperatur von 20° C. vorgenommen, und zwar in einer Nährlösung, welche !/,, Molekulargrammgewicht Saccharose und 1!/,, Molekulargrammgewicht NaN O0, in 1000 ccm Wasser neben den übrigen anorganischen Nährstoffen enthielt. 100 g Clostridium butyricum *) (auf Trockensubstanz berechnet) lieferten innerhalb 1 Stunde. . . . . 213 g CO.. 100g Bakterium Hartlebii **) (auf Trockensubstanz berechnet) lieferten innerhalb 1 Stunde. . . . . 23,89 g CO,. 100 & Zuckerrübenwurzel (auf Trockensubstanz be- rechnet) lieferten innerhalb 1 Stunde . . . . . 0,006g CO,. Welch’ bedeutende Verschiedenheiten! Es ist anzunehmen, dafs das Protoplasma der Mikrobenzellen ein verhältnismälsig grölseres Quantum Enzyms secerniert und auch eine gröfsere Energie entwickelt, als das Protoplasma der Zellen der höher organisierten Pflanzen. In der Hefezelle scheint die Zymase an- gehäuft zu sein, was nach unseren Erfahrungen in der Rübenzelle nicht der Fall ist. Wir müssen weiter erwägen, dals in den Zellen der Zuckerrübenwurzeln ein Reservestoff in grolser Menge nieder- gelegt ist — die Saccharose, die Eiweilsstoffe hingegen in ge- ringer Menge vorhanden sind. Vielleicht besteht hier ein Zu- sammenhang. Es wird vielfach angenommen, dafs die Enzyme in ihrer Zusammensetzung den Eiweilsstoffen sehr nahe stehen, und man glaubt wohl allgemein, dafs die Enzyme als stickstoff- haltige Substanzen aus den Eiweilsstoffen hervorgehen. ‘Wir behaupten nicht, dals wir aus dem Safte der Zuckerrüben- wurzel ein Enzym isoliert haben, welches mit der Buchnerschen Zymase der Hefezelle identisch ist, aber wir sind berechtigt, auf Grund unserer Experimente den Schlufs zu ziehen, dals in dem Zuckerrübensafte ein Enzym vorhanden ist, welches mit der Zymase Buchners sehr viel Gemeinsames hat. Unsere weiteren einschlägigen Versuche sind zwar nicht nach jeder Richtung hin abgeschlossen, aber schon sehr weit vor- geschritten. Insbesondere in Bezug auf die Isolierung der Zymase bei anderen Pflanzenprodukten, nach Ablauf der anaeroben Atmung, haben wir Versuche angestellt, deren Publikation bevorsteht. Jetzt schon geht aus denselben unzweideutig hervor, dals ein der Zymase ähnliches Enzym nach der Gärung in verschiedenen Früchten und Pflanzenteilen nachweisbar ist. *) Unter Buttersäuregärung, wobei Butylalkohol gebildet wird. **) Unter Nitrateärung, bei welcher Äthylalkohol «gebildet wird. In beiden Mikrobenzellenarten wurde ein gärungserreoendes Enzym konstatiert. 508 Julius Stoklasa, Joh. Jelinek und Eugen Vitek, Die anaerobe Atmung des Organismus der Zuckerrübenwurzel müssen wir nach dem Gesagten als einen vitalen Vorgang be- trachten, welcher hervorgerufen wird durch ein vom Protoplasma trennbares Enzym. Die Lebensenergie, die bei diesem anaerobio- tischen Prozesse verfügbar wird, ist ein Produkt der Hydrolyse und der Wanderung des Sauerstoffatoms innerhalb des Moleküls. Nach erfolgter Hydrolyse des Rohrzuckers zu d-Glykose und d-Fruktose werden diese durch die Wirkung eines gärungserregen- den Enzyms weiter gespalten: CH,OH(CHOH),COH und cH..0H. cacon ren CH,OH(CHOH),C0O.CH,OH | | SL ) EBENEN em. CH,.OH Bei genauerer Erwägung der Lebensvorgänge der Pflanzen- zelle erscheint es als wahrscheinlich, dals die aerobe Atmung eine sekundäre Erscheinung ist; der primäre Vorgang ist die intra- cellulare Bewegung der Atome im lebenden Molekül, verbunden mit der Umlagerung von Sauerstoff innerhalb des Moleküls. Bei diesem Vorgang, durch welchen die zum Leben nötige kinetische Energie gewonnen wird, spalten sich Kohlendioxyd und Alkohol so ab, dafs in dem lebenden Molekül reduzierte Atomgruppen entstehen, welche zum Sauerstoff eine grolse Affinität haben. Bei Ausschlufs von Luft ist bei der anaeroben Atmung keine Möslich- keit gegeben, die im lebenden Protoplasma reduzierte Atomsruppe — Alkohol — in seinem molekularen Aufbau durch Aufnahme von Sauerstoff zu fesseln, deshalb wird dieser neben Kohlendioxyd ausgeschieden. Bei hinreichendem Zutritte von Sauerstoff, also bei aerober Atmung, wird das gebildete Alkoholmolekül in statu nascendi derart gebunden, dals es unter der Einwirkung von Sauer- stoff (durch Aerooxydasen) zur Bildung neuer Teile des lebenden Protoplasmas benutzt wird, bei welchem Vorgange abermals Kohlen- dioxyd gebildet wird. Wir haben oben Gelegenheit gehabt, die Grölse der Ab- spaltung von Kohlendioxyd genauer kennen zu lernen; wir haben dabei gesehen, dafs bei der anaeroben Atmung etwa um 50 Proz. weniger Kohlendioxyd produziert wird als bei der normalen Atmung, was beweist, dafs nicht aller Kohlenstoff in den redu- zierten Atomgruppen zu Kohlendioxyd oxydiert wird, dafs sich somit ein Teil regeneriert und, wie anzunehmen ist, Material zur Bildung neuer Bestandteile des lebenden Protoplasmas darstellt. Wenn man annimmt, dals bei der anaeroben Atmung aus einem Molekül Hexose (Glykose oder Fruktose) zwei Moleküle Kohlen- „eu Der anaerobe Stoffwechsel der höheren Pflanzen u. s. w. 509 dioxyd entstehen, so entstehen bei aerober Atmung vier Moleküle Kohlendioxyd. Es ist zu ersehen, dals zwei Atome Kohlenstoff als neues Material zum Aufbau neuer lebender Materie verwendet werden *). Aus den früher angeführten Versuchen über die anaerobe Atmung bei Einwirkung supramaximaler Temperaturen ist uns bekannt, welche Intensität die Abspaltung des Kohlendioxyds zu er- reichen vermag. Der Vorgang ist jetzt klar, da das von uns isolierte, der Zymase ähnliche Enzym bei 30 bis 35°C. eine energische Gärung der Glukose hervorzurufen im stande ist. Aus unseren Ver- suchen geht hervor, dals beim Zusammenbringen des von uns iso- lierten gärungserregenden Enzyms mit Glykose sofort die Spaltung des Zuckers eintritt und mit Steigerung der Temperatur an Inten- sität ungemein zunimmt. Wie bekannt, besitzt die Hefezymase, der Einwirkung der Hitze gegenüber, ein grölseres Widerstands- vermögen als die Zelle, aus der sie stammt. In vorliegender Studie haben wir die Vorgänge der anaeroben Atmung bei der Zuckerrübe erörtert. In einer folgenden Ab- handlung werden wir die Isolierung gärungserregender Enzyme bei anaerober Atmung mehrer anderer Pflanzenorganismen be- leuchten, in denen als Atmungsmaterial Stärke, Citronensäure und Öl aufgespeichert sind, uns dann aber den Vorgängen in der Mikrobenzelle und schlielslich in der Zelle des tierischen Orga- nismus zuwenden. Nach den neuesten Resultaten unserer Unter- suchungen sind wir im stande, das gärungserregende Enzym auch in der normal atmenden Pflanzen- und Tierzelle nachzuweisen. Erst nach vollständiger Durchführung dieser Untersuchungen wird es möglich sein, ein klares Bild über die intermediären Stoff- wechselvorgänge im Pflanzen- und Tierorganismus zu gewinnen und auch eine Erklärung der obligaten bezw. fakultativen anae- roben Atmung zu finden, welche mit den so verschiedenen Gärungs- erscheinungen einhergeht. *) Auch Pfeffer betrachtet den genetischen Zusammenhang zwischen der intramolekularen und normalen Atmung als sichergestellt. Pflanzen- physiologie von W. Pfeffer, Leipzig 1897. XXVII Bemerkungen über das Ovomukoid. Von Leo Langstein. (Aus dem physiol.-chem. Institut in Strafsburg.) Während die koagulablen Eiweilskörper des Eierklars in der jüngsten Zeit eine gründliche Bearbeitung erfahren haben, ist das Ovomukoid seit seiner Entdeckung durch Mörner?), Neumeister, Salkowski, der Aufklärung seiner Kohlehydratkomponente durch Seemann’) und Zanetti, ein Stiefkind der Forschung geblieben. Eine Arbeit von Carlo Milesi, die den Zweifel aufkommen lälst, ob das Ovomukoid ein im Eierklar präformierter Eiweilsstoff sei, war es, die mich veranlafste, anschliefsend an meine Studie über die gerinnbaren Stoffe des Eierklars, eine erneute Untersuchung des Ovomukoids vorzunehmen. Dieselbe wurde im Sominer vorigen ‚Jahres im Laboratorium von Prof. Hofmeister im wesentlichen fertig gestellt, dann durch ein erneutes Studium der Kohlehydrat- gruppe zur Zeit meiner Thätigkeit an der medizinischen Klinik in Basel (Vorsteher: Prof. Friedr. Müller) vervollständigt. In einer Arbeit, betitelt: „Di un corpo fosforato isolato dall’ Albume d’uovo presentante i caratteri chimici di un mucoide“*, be- richtet Milesi*), dals es ihm gelungen sei, im Eierklar einen reichlich Phosphor enthaltenden Proteinstoff, der in seinen sonstigen Eigen- schaften dem Ovomukoid fast völlig gleich, nach folgender Methodik aufzufinden. Er versetzte Eierklar mit dem vielfachen Volumen 99 proz. Alkohols, trocknete den gebildeten Niederschlag im Vakuum bei gewöhnlicher Temperatur, pulverisierte ihn fein und extrahierte ihn mit wenig kaltem Wasser. Aus der filtrierten Extraktionsflüssig- keit liefs sich durch Alkohol und Äther eine Masse ausfällen, die sich wie arabisches Gummi verhielt, durch geeignete Behandlung Leo Langstein, Bemerkungen über das Ovomukoid. 5ll jedoch leicht als weilses Pulver erhalten werden konnte. Sie war nicht hitzekoagulabel, gab sämtliche Eiweilsreaktionen; es gelang Milesi, durch Erhitzen mit 20 proz. Salzsäure Kohlehydrat ab- zuspalten. Die Elementaranalyse ergab ihm folgende Werte: C: 37,06 H: 7,53 N:10,29 S: 3,50 P: 1,650 Proz. Milesi weist auf die Ähnlichkeit dieses Körpers mit dem Ovomukoid hin und wirft die Frage auf, ob Mörner nicht viel- leicht den Phosphorgehalt seiner Präparate übersehen habe. An nach Mörner dargestelltem Ovomukoid — die Methode beruht bekanntlich darauf, dals die gerinnbaren Stoffe des Eier- klars durch Kochen koaguliert werden, und aus dem eingeengten Filtrat das Ovomukoid durch Alkohol gefällt wird — habe ich mich zunächst überzeugen können, dafs darin Phosphor höchstens in ‚Spuren vorhanden ist, die überdies ohne weiteres auf Ver- unreinigungen zurückgeführt werden können. Es drängte sich mir aber naturgemäls der Gedanke auf, ob nicht die Art der Dar- stellung, das Erhitzen auf 100°, die Abspaltung eines an Phos- phor reichen Komplexes bedingt, dessen alkoholfällbarer Paarling etwa das Ovomukoid der Autoren darstellt. Um zu einer Ent- ‚scheidung zu gelangen, habe ich nach der Methode Milesis ein Präparat dargestellt, das durch dreimaliges Umfällen und schlief[s- liche Dialyse gegen eiskaltes destilliertes Wasser gereinigt wurde. Die Analyse der im Vakuum über Schwefelsäure getrockneten Substanz ergab folgende Werte: 6: 48,82 H:690 N: 1241. S: 2,19 Proz. P in geringen Spuren. Die Analysenzahlen eines nach Mörner dargestellten Prä- parates waren folgende: BIS IB 2 E16:96:5 IN: 1251 7E832.25 Pror.P m, Spuren. Durch dieses Resultat ist mit voller Sicherheit erwiesen, dals das Ovomukoid im Eierklar präformiert ist. Das abweichende Resultat Milesis vermag ich nicht zu er- klären. Meine Analysenwerte stehen auch in guter Übereinstimmung mit denen Mörners und Zanettis; Mörner fand einen Stick- stoffgehalt von 12,68 Proz. und einen Schwefelgehalt von 2,22 Proz. Zanetti, der das Ovomukoid nach Mörner darstellte, fand folgende Werte bei der Analyse desselben: C: 48,75 H: 6,90 C: 48,94 H: 6,94 Es möge an dieser Stelle auch eine Bemerkung über die Farbenreaktionen des Ovomukoids Platz finden. Fast sämtliche N: 12,46 S: 2,22 Proz. a12 Leo Langstein, Autoren berichten übereinstimmend, dafs die Reaktion nach Adam- kiewicz dem Ovomukoid nicht zukomme — eine Angabe, die auch in Thierfelders „Physiologische Chemie“ übergegangen ist. Bei meinen Präparaten fiel die Reaktion immer positiv aus. Viel- leicht ist der negative Befund in manchen Fällen darauf zurück- zuführen, dafs der angewandte Eisessig keine Glyoxylsäure enthielt. Es ist nicht leicht, die Stellung des Ovomukoids im System der Eiweilskörper zu präzisieren. Seinen analytischen Eigenschaften nach verhält es sich wie eine Albumose, auf Grund seiner konstitu- tionellen Merkmale müssen wir es als ein Glykoproteid bezw. als ein Chondroproteid bezeichnen. Letztere Bezeichnung wäre mit Rücksicht auf eine Beobachtung Zanettis10) zu wählen, der angiebt, dafs ein Drittel des Gesamtschwefels durch Kochen mit Salzsäure als Schwefelsäure in kurzer Zeit abgespalten werden kann. Ich habe diese Angabe Zanettis an einem fast aschefreien, durch Dialyse gereinigten Ovomukoid nachgeprüft, ohne sie bestätigen zu können. Erst nach dreimal zwölfstündigsem Kochen werden Spuren von Schwefelsäure in Freiheit gesetzt, ein Prozels, der wohl einer sekundär oxydativen Wirkung des Kochens mit Salz- säure zuzuschreiben ist. Ich habe ferner nach der Methode von F. N. Schulz’) feststellen können, dafs von den 2,22 Proz. Schwefel 1,39 bis 1,43 Proz. leicht abspaltbar sind, also nicht viel weniger als drei Viertel des Gesamtschwefels. Da Mörner?) gezeigt hat, dafs bei einem entsprechenden Verfahren Cystin und Oystein nur drei Viertel ihres Schwefels als Bleisulfid abgeben, ist wohl die Annahme gerechtfertigt, dals der grölste Teil des Schwefels im Mukoid in eystinähnlicher Bindung enthalten ist. Die Beobachtung Zanettis, die das Vorhandensein einer ge- paarten Schwefelsäure im Ovomukoid wahrscheinlich machte, hat mich veranlafst, in diesem Eiweilskörper auf Chondroitinschwefel- säure zu suchen — mit negativem Ergebnis. Es ist dies um so bemerkenswerter, als Levene!) angiebt, in gewissen Schleimstoffen, aus denen sich Chitosamin abspalten läfst, Chondroitinschwefelsäure gefunden zu haben. Da es bei neueren Versuchen mit vervoll- kommneten Methoden nicht gelungen ist, aus Chondroitinschwefel- säure Chitosamin’) zu erhalten (so in noch unveröffentlichen Unter- suchungen O. Neubauers*) aus dem Laboratorium F. Müllers, sowie zufolge einer Angabe von Neuberg?) über gemeinsam mit Orgler ausgeführte Versuche), diese Esterschwefelsäure vielmehr *) Mit Erlaubnis des Autors mitgeteilt. Bemerkungen über das Ovomukoid. 519 andere Kohlehydrate in ihrem Molekül enthält, müssen in den von Levene untersuchten Mucinstoffen mehrere Kohlehydrate prä- formiert sein. Dadurch ist aber ein konstitutioneller Unterschied gegenüber dem Ovomukoid gegeben, denn am Abbau desselben beteiligt sich, wie ich mittels der von Neuberg und Wolff®) ausgearbeiteten Methode nachweisen konnte, nur ein einziges Kohle- hydrat, das: Chitosamin. Der Gehalt des Eierklars an Ovomukoid scheint ein ziemlich konstanter zu sein; durch das Liegen der Eier erfährt er auf Grund meiner Erfahrung keine Vermehrung. Seine genetischen Be- ziehungen zu den koagulablen Stoffen des Eierklars zu verfolgen, wäre von Interesse — besonders im Hinblick auf eine von mir gemachte Beobachtung, dafs es durch Spaltung des krystallisierten Ovalbumins mit verdünntem Alkali gelingt, alkoholfällbare Albu- mosen zu erhalten, die in ihrem Kohlehydrat- und Schwefelgehalt dem Ovomukoid verwandt sind. Litteratur. !) Levene, Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 395. ®) C. Th. Mörner, ebenda 18, 525. NEFIH. Mörner, ebenda 34, 207. ”) C. Milesi, Bolletino della Societa Medico-Chirurgica di Pavia 1898. °) C. Neuberg und Orgler eit. nach Neuberg, Ber. d. Deutsch, chem. Gesellsch. XXXV, 18, 4011. °) C. Neuberg u. H. Wolff, Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. XXXIV, 15, 3480. ‘) Schmiedebere, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 28, 355. 8) Schulz, F. N., Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 16. °) Seemann, J., Inaug.-Diss.. Marburg 1893. "") Zanetti, Annali di Chimica e di Farmacologia XXVI], 12, 529. Beitr. z. chem. Physiologie. III. co os XXIX. Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. Von A. Oswald. (Aus dem chemischen Laboratorium der medizinischen Klinik in Zürich.) 1. Über Jodierung von Kasein und Leim. Wie aus Picks Beobachtungen *) hervorgeht, sind die Proto- und die Heteroalbumose in ihrem Bau wesentlich voneinander ver- schieden. Die Protalbumose enthält wenig Diaminosäuren, wenig: oder gar kein Leucin, kein Glykokoll, wohl aber viel Monaminosäuren und viel tyrosin- und indolliefernde Komplexe. Die Heteroalbumose dagegen ist reich an Diaminosäuren, an Leucin und Glykokoll, ent- hält aber nur sehr wenig tyrosin- und indolliefernde Gruppen, wohl aber Phenylalanin. Während die Protalbumose bei der Trypsinverdauung leicht und ganz gespalten wird, so wird die Heteroalbumose durch Trypsin nur schwer und wenn überhaupt, nur durch langdauernde Ver- dauung über die Peptonstufe hinaus zersetzt. Auch gegen andere Einwirkungen, wie die von Pepsinsalzsäure und Alkali, ist die Hetero- albumose anscheinend resistenter. Trotz dieser Verschiedenheiten zeigen diese beiden Körper in gewisser anderer Beziehung kein sehr abweichendes Verhalten. So ist, wie ich kürzlich dargethan habe, ihr Jodbindungsvermögen kein auffallend differentes. Der Unterschied beträgt blofs 2 Proz. Jod. In *) Zur Kenntnis der peptischen Spaltungsprodukte des Fibrins. I. Teil. Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 219 (1899) und II. Teil: Die sogenannten Deuteroalbumosen. Diese Beiträge 2, 481 (1902). A. Oswald, Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. 515 die Protalbumose vermochte ich *) 12,33 Proz. Jod (als Mittel aus zahlreichen Jodierungsversuchen), in die Heteroalbumose 10,27 Proz. Jod einzuführen. Nach Kühnes alter Darstellung entspräche die Protalbumose vorwiegend der Hemigruppe, die Heteroalbumose der Antigruppe des Eiweilsmoleküls. Unter den genuinen Proteinkörpern finden sich zwei, welche in ihrem Verhalten grolse Ähnlichkeit mit den erwähnten Albu- mosen aufweisen, das Kasein und das Glutin. Beide sind kohle- hydratfrei. Ersteres liefert bei der Pepsinverdauung nur Prot- zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an basischem Stickstoff, Glykokoll (von letzterem nach E. Fischer ***) 16,5 Proz.) und Leuein aus, ferner durch Abwesenheit von tyrosin- und indol- bezw. skatolliefernden Komplexen, während Kasein reich an Monamino- säuren [62 Proz. seines Stickstoffes sind in dieser Form vor- handen]}), an Tyrosin, und arm an Diaminosäuren ist. Kasein ist durch Trypsin leicht, Glutin dagegen schwer verdaulich [Klug fr), Chittendenfff), Nencki*7), Tatarinoff*ff), Reich-Herz- berge*fi7)]. Im Hinblick auf diese Ähnlichkeit war es nun von Interesse, zu untersuchen, wie sich Leim und Kasein der Einführung von Jod gegenüber verhalten. Obgleich schon von verschiedenen Autoren Jod in das Kasein ein- geführt wurde und Bestimmungen seines Jodgehaltes vorliegen, so habe ich es dennoch selbst jodiert, um ein sicheres Vergleichsobjekt zu *) Über jodierte Spaltungsprolukte des Eiweilses. Diese Beiträge 3, 391 (1903). **) Zur Kenntnis des Kaseins und seiner peptischen Spaltungsprodukte. Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 411 (1893). ’==*) Über die Hydrolyse des Leims. Ebenda 35, 70 (1902). +) Gümbel, vel. Hofmeister, Ergebnisse der Physiologie, heraus- gegeben von Asher und Spiro, I. Jahrg., S. 777. ++) Über die Verdaulichkeit des Leims. Pflügers Archiv 48, 100 (1891). -++r) Die primären Spaltungsprodukte, welche bei der Verdauung von Gelatine gebildet werden. Journ. of physiol. 12, 23 (1891). *+) Über die Harnfarbstoffe aus der Indigogruppe und über die Pankreas- verdauung. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 7, 1593 (1874). *++) Zur Kenntnis der Glutinverdauung. Centralbl. f. d. med. Wiss. Nr. 16 (1877). +++) Über die Einwirkung von Trypsin auf Leim. Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 119 (1901). 516 A. Oswald, besitzen. Zur Verwendung kam das käufliche Caseinum puriss. Merck, das mehrere Male aus verdünnter Natriumkarbonatlösung mit Essig- säure ausgefällt wurde. Der frisch gefällte Niederschlag, der starke Millonsche Reaktion gab, wurde in der früher geschilderten Weise *) jodiert und nach beendeter Jodaufnahme durch Dialyse gegen anfangs fliefsendes, dann destilliertes Wasser vom überschüssigen Jod befreit. Aus der salzfreien Lösung wurde das Jodkasein mit Alkohol von 95 Proz. gefällt, auf einem Seidenfilter gesammelt und getrocknet. Reines Glutin wurde nach dem von Faust**) angewendeten Ver- fahren dargestellt. Reinste käufliche Gelatine wurde in destilliertem Wasser auf- quellen gelassen, dann das Wasser nach 24 stündigem Stehen in der Kälte abgegossen und frisches Wasser und etwas Ammoniak zugesetzt. Nach abermaligem 24 stündigen Stehen wurde bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion gewaschen. Hierauf erfolgte die gleiche Be- handlung mit Wasser, das mit etwas Essigsäure angesäuert worden war. Sodann wurde erst mit reinem Wasser bis zum Verschwinden der sauren Reaktion gewaschen, hierauf mehrere Tage mit 10 proz. Chlornatriumlösung extrahiert und neuerdings mit Wasser bis zum Verschwinden der Chlorreaktion behandelt. Nun wurde die Gelatine durch Erwärmen auf etwa 50° in wenig Wasser gelöst, zu der Lösung Alkohol bis zur beginnenden Trübung hinzugefügt und die wässerig- alkoholische Lösung warm filtriert. Aus dem Filtrat schied sich auf weiteren Zusatz von Alkohol von 95 Proz. die Gelatine in Gestalt weilser, feiner, Flocken aus. Dieselben wurden auf Seide gesammelt und die ganze Prozedur noch einmal wiederholt. Sodann wurde mit Wasser so lange gewaschen, bis der Alkohol vollständig entfernt war, endlich der Niederschlag in warmem Wasser gelöst. Die Lösung gab, mit Millons Reagens erhitzt, eine ganz schwache, kaum wahr- nehmbare Rosafärbung, während die Flocken eine rötlich-braune Farbe annahmen. Das gelöste Glutin wurde in der schon erwähnten Weise jodiert. Nach vollendeter. Jodierung wurde die überschüssiges Jod ent- haltende Lösung im Pergamentschlauch gegen lauwarmes Wasser im Brutschrank dialysiert, unter so lange fortgesetzter Erneuerung des Wassers, bis dasselbe kein Jod bezw. Jodid mehr aufnahm. Dann wurde der Inhalt des Schlauches mit Alkohol versetzt und der in hellgelben Flocken sich ausscheidende Leim abfiltriert, getrocknet und zur Jod- bestimmung verwendet. Die Bestimmungen des Jodgehalts erfolgten in derselben Weise wie früher *). Die Analyse ergab folgende Werte: *) Über die jodhaltigen Spaltungsprodukte des Eiweilses. Diese Bei- träge 3, 391 (1903). **) Über. das Glutolin, ein Albuminoid des Blutserums. Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 41, 309 (1898). N —] Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. Jodkasein. Präparat 1 0,3574 gaben 0,04717 & J — SHIRT E 1.0.4654, „ 0,0626 „„ — 1310 » u 0,4581 » ” 0,0518 „,„ — 11,30 ) „”) 4 1.0,24529, 7, + .0,0035. „ Asche = 1,017 '„. Asche Jodelutin. Präparat I 0,2501 & gaben 0,0040 & J — 1,43 Proz. J oo, 00082, el, a Ders 00058: 0 ars I Be 00 a na ee S Ia02lsam VOBEHZ Asche =2,.06 7°, Asche Dee od, a Bas 000er Auf aschefreie Substanz berechnete Mittelzahlen: Jodkasein “*) Jodelutin 1213,45 Broz. I 1,46 Proz. J UL TEE eher I Bo Wie aus diesen Ziffern ersichtlich, enthält das Jodkasein 11,43 bis 13,45 Proz. Jod, das Jodglutin blofs 1,54 bis 2,0 Proz. Jod. Daraus ergiebt sich, dafs das Kasein auch in seinem Jodbindungs- vermögen der Protalbumose gleicht, welche ebenfalls 11 bis 13 Proz. Jod bindet, das Glutin dagegen sich völlig verschieden von der Heteroalbumose verhält, welche ja 10,2 Proz. Jod’ zu binden vermag. Aus diesem Verhalten dem Jod gegenüber lassen sich einige Schlüsse ziehen auf die Natur der jodbindenden Gruppe des Eiweils- moleküls. Da das Glutin keine oder doch nur eine minimale Millonsche Reaktion gab, so konnte es nicht wohl Tyrosin sein, welches das Jod gebunden hatte. Daraus ergiebt sich in Übereinstimmung mit meinen Befunden an den Jodalbumosen ***), dals das Tyrosin nicht die einzige jodbindende Gruppe des Eiweilses dar- stellt. *) Wie aus diesen Zahlen ersichtlich, zeigt das Jodkasein ähnlich den übrigen Eiweilskörpern [vgl. diese Beiträge 3, 391 (1905)] einen etwas schwankenden Jodgehalt. **) Liebrecht [Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 30, 1824 (1898)] und Blum und Vaubel [Journ. für prakt. Chem., N. F. 57, 365 (1898)] fanden ım Jodkasein nur 5,7 bezw. 6 bis 7 Proz. Jod. *®) Diese Beiträge 3, 413 (1903). 518 A. Oswald, Bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über Jodheteroalbu- mose habe ich darauf hingewiesen, dals diese Albumose, trotzdem sie kein oder nur wenig Tyrosin enthält, ein sehr grofses Jod- bindungsvermögen besitzt. Es ist weiterhin wahrscheinlich ge- macht worden, dals es der darin vorkommende, nicht hydroxylierte Benzolkern, das Phenylalanin, ist, welcher das Jod aufnimmt. Um ähnliche Verhältnisse dürfte es sich nun auch beim Leim handeln. Denn dafs im Leim der aromatische Komplex nicht fehlt, ist schon von verschiedenen Autoren hervorgehoben worden, so von A. Schlieper*), 6. Guckelberger**), E. Schulze ***), welche bei der Oxydation von Leim mit Chromsäure, mit Braun- stein und Schwefelsäure und mit Kaliumbichromat und Schwefel- säure Benzoesäure erhielten, ferner von R. Maly T), welcher diese Befunde bestätigte, dann von Nenckifr), Selitrenny 1TYy), die auf verschiedenem Wege das Vorkonmen von Phenylalanin im Leim wahrscheinlich machten. Endlich ist es K. Spiro*y) und E. Fischer, Levene und Aders*rr) gelungen, das Phenyl- alanin unter den Spaltungsprodukten des Leims direkt nach- zuweisen bezw. durch Überführung in Zimtsäure als solches zu identifizieren. Allein aus allen diesen Untersuchungen scheint hervorzugehen, dafs die aromatische Gruppe im Leim jedenfalls nicht reichlich vertreten ist. Den höchsten Gehalt an Phenylalanin giebt Seli- trenny”jff) an und zwar zu 2 bis 3 Proz. Damit stimmt die Thatsache überein, dafs nur wenig Jod in das Molekül des Leims eintritt. Es darf daher als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden, dafs das Phenylalanin der jodbindende Bestandteil des Leims ist. *) Ann. d. Chem. u. Pharm. 59,1. **) Ebenda 64, 39. =) Untersuchungen über die Amidosäuren, welche bei der Zersetzung der Eiweilsstoffe durch Salzsäure und durch Barytwasser entstehen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 9, 120, Anhane (1885). }) Über die bei der Oxydation von Leim mit Kaliumpermanganat ent- stehenden Körper u. s. w. Monatsh. f. Chem. 10, 26 (1889). ++) Über die Zersetzung der Gelatine und des Eiweilses bei der Fäulnis. Festschr. f. G. Valentin. Bern 1876. Tr) Wiener Monatshefte 10, 908 (eit. nach Spiro). *7) Die aromatische Gruppe des Leims. Diese Beiträge 1, 347 (1901). =) Über die Hydrolyse des Leims. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 70 (1902). "rr) loc. cit. a ca Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe, 519 2. Einführung von Jod in die tryptischen Spaltungsprodukte des Eiweilses. In einer vorhergehenden Abhandlung ist auseinandergesetzt worden, dafs ich über die Natur der jodbindenden Gruppe des Eiweilses dadurch Aufschlufs zu erhalten hoffte, dafs ich das Ei- weils zuerst spaltete und in die Spaltungsprodukte mit Hülfe der gleichen Methode, welche zur Jodierung des intakten Eiweilsmoleküls gedient hatte, Jod einzuführen suchte. In dieser Absicht hatte ich die peptischen Spaltungsprodukte des Fibrins jodiert und war da- bei, unter Zuziehung unserer sonstigen Kenntnisse von dem Bau dieser Körper, zu dem Schlusse gekommen, dafs neben Tyrosin ein anderer nicht hydroxylierter, aromatischer Kern, vermutlich Phenyl- alanin, an der Jodbindung beteiligt ist. Es ist nicht zu leugnen, dafs durch die Zerlegung des Eiweilses in seine Bestandteile andere Verhältnisse für die Jodaufnahme geschaffen werden, indem z. B. aus Kernen, welche im intakten Eiweilsmolekül kein Jod aufnehmen, bei der Hydrolyse Körper entstehen können, welche alsdann Halogen zu binden vermögen. Wenn dies bei höheren Spaltungsprodukten, wie sie die Pepsin- verdauung liefert, nicht zu befürchten stand, so liegen die Dinge wesentlich anders bei der tieferen Zerlegung mittels Trypsins. Wie wir sehen werden, haben jedoch die Versuche sowohl mit den tryptischen wie mit den peptischen Spaltungsprodukten das gleiche Resultat ergeben wie jene mit den beiden ungespaltenen Eiweilskörpern, dem Kasein und dem Leim. Zur Jodierung gelangte zuerst selbstverdautes Pankreas, welches in schwach chen N nasen und unter Zusatz von Toluol mehrere Monate im Brutschrank gestanden hatte und die Biuretreaktion nicht mehr gab. Nachdem die Lösung vom Ungelösten abfiltriert, das Toluol durch längeres Kochen erniepen und ein auf Essigsäurezusatz entstandener bermer (die Biuretreaktion nicht gebender) Niederschlag entfernt worden war, wurde das mit Natriumbikarbonat schwach NE kalisch gemachte Filtrat in der üblichen Weise jodiert. Mit Silbernitrat wurde ein in verdünnter Salpetersäure löslicher Körper isoliert, der sich nach Entfernung des Silbers als jodhaltig erwies, der sich aber bei gleicher Behandlungsweise der Krystallisation ebenso unzugänglich erwies wie die früher geschilderten jodhaltigen Spaltungsprodukte des Eiweilses *). Um mich über das Verhalten und die Zusammensetzung event. gebildeten Jodtyrosins zu orientieren, habe ich, da Angaben über *) Vol. diese Beiträge 3, 391 (1903). 520 A. Oswald, diesen Körper in der Litteratur nicht vorliegen *), reines Tyrosin der Jodierung unterworfen. Chemisch reines Tyrosin wurde in heifsem Wasser gelöst, die Lösung auf 50° abkühlen gelassen, mit etwas Natriumbikarbonat versetzt, eine gesättigte Auflösung von Jod in Jodkalium zugefügt und die Mischung eine halbe Stunde unter zeitweiligem Umschütteln im Wasserbade bei 45° gehalten. Nach dieser Zeit gab die Lösung die Millonsche Reaktion nicht mehr. Durch Zusatz von Essigsäure wurde versucht, das Jodtyrosin in der gleichen Weise wie die Jodeiweilskörper nieder- zuschlagen, was jedoch nicht gelang. i Zur Gewinnung der Jodverbindung wurde daher die noch viel überschüssiges Jod enthaltende Lösung mit Silbernitrat versetzt, der reichliche Niederschlag mit verdünnter, vorher gekochter Salpetersäure ausgezogen und dann abfiltriert. Das. weingelbe klare Filtrat liefs auf Zusatz von verdünntem Ammoniak einen weilsen flockigen Niederschlag ausfallen. Derselbe wurde mehrere Male umgefällt, mit Wasser ge- waschen, entsilbert und das klare Filtrat auf dem Wasserbade ein- geengt. Allein selbst nach mehrwöchentlichem Stehen schieden sich keine Krystalle aus. Im Exsikkator über Schwefelsäure trocknete der Sirup zu dünnen, durchsichtigen, hellbraunen, amorphen Lamellen ein, die leicht vom Glase entfernt werden konnten. Das Präparat ergab 63,18 Proz. Jod **). 0,0685 g gaben 0,04327 & J = 63,18 Proz. J. Berechnet für C,H,NO,J, 58,64 Proz. .) ” ” C, H, NO, J; 64,97 ” ” Aus dıesen Zahlen scheint hervorzugehen, dafs in das Tyrosin drei Atome Jod eingetreten sind. Hiermit erscheint der Beweis geliefert, dafs unter den ge- wählten Versuchsbedingungen das Tyrosin Jod zu binden vermag. Es wurde vorhin erwähnt, dafs die Befunde am Leim und an der Heteroalbumose ergeben haben, dafs das Tyrosin jedenfalls nicht der einzige jodbindende Komplex des Eiweilses sei. Um die Produkte der tryptischen Spaltung nach dieser Richtung hin zu prüfen, wurde folgender Versuch angestellt. Eine Lösung von (jodfreiem) Thyreoglobulin***) wurde mit frischem, zerkleinertem Pankreas versetzt und unter Zusatz von etwas Soda bis zur schwach alkalischen Reaktion und Toluol mehrere Monate im Brutschrank verdauen gelassen. Aus der filtrierten Verdauungslösung, welche keine Spur von Biuretreaktion mehr gab, wurden die basischen Bestandteile mit Phosphorwolframsäure entfernt und das Filtrat von der überschüssigen Phosphorwolframsäure in der üblichen Weise mit Baryt *) Vaubel (Chem.-Zeitg. 23, Nr. 98, 1078 [1900]) giebt an, Tyrosin jodiert zu haben. Die Beschreibung seines Produktes fehlt. ’=°®) Der Verdauungsversuch war zuerst für andere Zwecke bestimmt. Über die jodbindende Gruppe der Proteinstoffe. 521 befreit und der überschüssige Baryt in der Wärme mit Schwefelsäure entfernt. Aus dem eingeengten Filtrat krystallisierten nach längerem Stehen Leucin und Tyrosin aus. Dieselben wurden abfiltriert und das sirupöse Filtrat mit Alkohol von 95 Proz. ausgezogen. Der alkoholische Auszug gab starke Millonsche Reaktion, der Rückstand dagegen schwache. Dieser wurde alsdann so lange mit Alkohol ausgekocht, bis er schliefslich keine Spur von Millonscher Reaktion mehr gab, also völlig tyrosinfrei war. Die Xanthoproteinreaktion fiel dann noch positiv aus. Dieser Rückstand wurde in Wasser gelöst und der Jodierung unterworfen. Beim Ansäuern der Lösung mit Essigsäure bildete sich ein geringer ockerfarbener Niederschlag, welcher abfiltriert wurde. Das Filtrat wurde hierauf mit Silbernitrat im Überschufs versetzt, der Niederschlag abfiltriert, mit verdünnter, ausgekochter Salpetersäure ausgezogen und filtriert. Das Filtrat gab bei der Neutralisation mit verdünntem Ammoniak einen weilsen Niederschlag, welcher mit Wasser gewaschen und entsilbert sich als jodhaltig erwies. Damit war gezeigt, dafs unter den Spaltungsprodukten des Eiweilses aufser dem Tyrosin noch ein anderer Körper vor- handen war, welcher Jod zu binden vermag. Weleher Natur dieser Körper ist, bleibt noch unentschieden. Dafs er das von Emerson”) aus dem Pankreasverdauungsgemisch isolierte p-Oxyphenyläthylamin nicht ist, liegt auf der Hand, denn die Lösung gab keine Millonsche Reaktion. Nur so viel vermag ich zu sagen, dafs das Jodprodukt beim Schmelzen mit Atznatron keinen Geruch nach Skatol bezw. Indol lieferte, dagegen, wie schon hervorgehoben, die Xantho- proteinreaktion gab. Erwähnt sei auch, dafs der Jodkörper nur in ge- ringer Menge vorhanden war. Vielleicht handelte es sich um Phenylalanin. Zum Schluls sei auf einen Punkt von allgemeiner Bedeutung für die Chemie der Eiweilskörper hingewiesen. Aus den vor- liegenden und meinen früheren Untersuchungen scheint hervor- zugehen, dals das Jod ausschliefslich oder vorwiegend in den aromatischen Kern eintritt. Wenn sich dieser Befund allgemein bestätigen sollte, so wäre uns in der Jodierung ein einfaches und bequemes Mittel gegeben, bei den verschiedenen Eiweilsarten über die quantitativen Verhältnisse des aromatischen Komplexes (Phenyl- und Phenolgruppen) Aufschlufs zu gewinnen. Aber auch für den Fall, dafs sich nachträglich herausstellen sollte, dafs neben den aromatischen noch andere ungesättigte Gruppen des Eiweilses an der Jodaufnahme beteiligt sind, dürfte die Halogeneinführung in die Proteinstoffe gelegentlich wichtige Aufschlüsse über Natur und Zahl der beteiligten Gruppen gewähren. *) Über das Auftreten von Oxyphenyläthylamin bei Pankreasverdauung und über fermentative C0,-Abspaltung. Diese Beiträge 1, 501 (1902). 33* Kürzere Mitteilungen. 5. Gepaarte Glykuronsäuren als Bestandteile der Galle. Von Dr. E. C. van Leersum. (Aus dem Laboratorium pathologicum der Universität in Amsterdam.) In einem Aufsatze: Über die Ausscheidung der Glykuronsäure*) sagt M. Bial in Anbetracht der Herkunft der Glykuronsäure: „Zwei Fälle waren denkbar: 1. dafs die Glykuronsäure als ein Produkt der Darmverdauung im Darm auch entstände; 2. dafs sie in den Darm erst importiert würde.“ Und einige Zeilen weiter unten läfst er folgen: „Ich verkenne nun gar nicht, dafs diese Beobachtung (d. h. positiver Ausfall der Orcinreaktion in Kaninchengalle) keinen vollgültigen Be- weis für die Anwesenheit der Glykuronsäure abgiebt, aber es besteht danach doch eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür.“ Dals ge- paarte Glykuronsäuren zu den Bestandteilen des normalen Darm- inhaltes gehören, hat er schon früher”*) gezeigt. Gerade diese Publi- kation hat mich zur Untersuchung normaler Galle vom Rind angeregt, da ich der Meinung war, dafs gepaarte Glykuronsäuren aus der Leber stammen, eine Ansicht, welche inzwischen ihre Begründung in den Unter- suchungen Embdens***) gefunden hat. Die Galle aus 5 Gallenblasen vom Rind wurde von mir bis auf 300ccm auf dem Wasserbade eingeengt, die zähflüssige Masse mit 50 ccm verdünnter Schwefelsäure (20cem H, SO,, 30 cem H,O) angesäuert und danach mit 300 ccm Alkohol von 95 Proz. und 1 Liter Äther gemischt und das Gemenge 3 Tage unter häufigem Schütteln stehen gelassen. Der Ätherauszug wurde nun abgegossen, der Äther abdestilliert und der Rückstand auf dem Wasserbade so lange erwärmt, bis aller Äther- und Alkoholgeruch verschwunden war. Nun wurde der Rückstand mit Tierkohle gemischt, kurze Zeit erhitzt und darauf abäiltriert. Eine Probe des schwach gelblich gefärbten Filtrats gab keine positive ÖOrcinreaktiine Nachdem ich eine zweite Probe mit ver- dünnter Schwefelsäure einige Minuten gekocht hatte, bekam ich nach *) Zeitschr. f. klin. Med. 47, 5. u. 6. Heft, 489. =») Diese Beitr. 2, 528. >) Daselbst 2, 591. E. C. van Leersum, Gepaarte Glykuronsäuren als Bestandteile der Galle. 523 weiterem Erhitzen mit Salzsäure und Orcin eine schmutzig braungrün gefärbte Flüssigkeit, welche ihre Farbe an Amylalkohol abgab, worin sodann der charakteristische Streifen zwischen Rot und Grün deutlich wahrzunehmen war. Die gelblich gefärbte Flüssigkeit zeigte keine Linksdrehung. Nach- dem ich sie aber eine Stunde lang in einer gut verschlossenen Flasche mit Schwefelsäure (Gehalt 2 Proz.) im Wasserbade erhitzt hatte, zeigte sie eine äulserst geringe Rechtsdrehung. Die Flüssigkeit zeigte nun folgende Eigenschaften: Durch Kochen mit Phloroglucin und Salzsäure färbte sie sich schwach rot; die Farbe verschwand aber bald. Kochen mit Orcin und Salzsäure ergab eine schön grüne Farbe, welche mit Leichtigkeit in Amylalkohol übergeführt werden konnte. Der Amylalkohol zeigte besonders schön den Ab- sorptionsstreifen zwischen Rot und Grün. Fehlingsche Flüssigkeit wurde in der Hitze reduziert; nach längerem Stehen setzte sich ein roter Niederschlag im Reagenzrohr ab. Leider konnte ich aus der Flüssigkeit keine p-Bromphenylhydrazin- verbindung darstellen. Möglicherweise war der Gehalt an Glykuron- säure zu diesem Zwecke zu gering. Indessen wird dies bei Verwendung grölserer Mengen Galle (bezw. Fel taur. insp.) wahrscheinlich gelingen. Den Befund Bials, namentlich die Anwesenheit von Glykuron- säure in normalen Fäces, kann ich ebenfalls bestätigen. Es gelang mir mittels des von Bial eingeschlagenen Verfahrens, die genannte Säure in einer Portion normaler Fäces (etwa 300 g) nachzuweisen. Diesem Befunde zufolge glaube ich zu der Annahme berechtist zu sein, dafs gepaarte Glykuronsäuren zu den normalen Bestandteilen der (Ochsen-) Galle gerechnet werden können, und dafs sie mit dieser in den Darm gelangen. Amsterdam, 16. Dezember 1902. 6. Bemerkung zu dem Aufsatz: Über das Bordetsche Laktoserum. Von Dr. Ernst Fuld, Assist. am pharmakol. Institut zu Halle a. S. In Bd. II, Heft 7 bis 9 dieser Zeitschrift hatte ich über die Reaktion von Kaninchen gegen Injektion von Kuhmilch berichtet und dabei er- wähnt, dafs diese ausblieb, als ich zur Injektion Nutroselösung oder gekochte Milch anwandte. Da die verwendeten Tiere aus derselben Quelle und zur gleichen Zeit bezogen waren, in derselben Weise ge- füttert und behandelt wurden, wie die erfolgreich injizierten, denen sie vollkommen ähnlich waren, so glaubte ich, dafs aus dem Ausbleiben der Reaktion in diesen, ihrem Auftreten in jenen Fällen weitere Schlüsse gezogen werden dürften. Da nun Tiere, denen mälsig erwärmte Milch eingespritzt worden war, ein Serum lieferten, das auch gegen gekochte 594 Ernst Fuld, Bemerkung zu d. Aufsatz: Über d. Bordetsche Laktoserum. (oder sterilisierte) Milch und Nutrose wirksam war, so nahm ich an, „dafs die Fähigkeit, mit einem Antikörper zu reagieren, und die Fähig- keit, seine Bildung im Tierkörper zu veranlassen, durchaus zu trennen sind“. In überaus dankenswerter und liebenswürdiger Weise macht mich nun Herr Dr. Morgenroth, Mitglied des Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., darauf aufmerksam, dafs zahlreiche ent- gegenstehende Resultate in der neueren Litteratur”) ihn veranlafsten, meine Versuche mit den ungleich oröfseren Mitteln des Instituts für experimentelle Therapie zu wiederholen, und dafs seine Wiederholung zu dem Resultat führte, dafs in verschiedenen Versuchsreihen mit roher und gekochter Milch die Relation in der Stärke der Sera unregelmälsig wechselte. Diese Mitteilung veranlafste mich, den Versuch auch meinerseits wieder aufzunehmen, eine Reaktion des Kaninchens gegen Injektion von gekochter Milch zu erzielen. Zwei Kaninchen (allerdings aus anderer Quelle bezogen) erhielten, wie früher beschrieben, Injektionen gekochter Magermilch in steigender Quantität, zuletzt 60 bezw. SO ccm. Die Injektionen wurden mit starker Gewichtsabnahme beantwortet. Die Menge der abgepreisten Sera war bei gleichem Körpergewicht und gleicher Blutmenge auffällig verschieden, übereinstimmend aber ihre Fähigkeit, mit dem Zehntel Volum Kuhmilch sofort energisch zu reagieren ”*). Ich kann also auf meine früheren negativ ausgefallenen Versuche kein Gewicht mehr legen. Da es mir aus äufseren Gründen nicht möglich sein wird, in nächster Zeit auf diesen Gegenstand zurückzukommen, so sei es ge- stattet, noch einiges über das Verhalten des erhaltenen Laktoserums zu sagen. Eine Wägung des Niederschlages liefs kaum mehr Zweifel, dafs er das gesamte Kasein enthält. Mit der berechneten Menoe Oxalat gekocht und älltriert, ergiebt die Milch einen viel unbedeutenderen Niederschlag (offenbar auch diesen nur vermöge des Kalkgehalts im Serum). Der mit dem zehnfachen Volum Alkohol erhaltene und unter Alkohol aufbewahrte Niederschlag aus dem Serum, in schwach salz- haltigem Wasser gelöst, war unwirksam. Nach der Injektion von zuletzt 80 (im ganzen 150) cem Milch resultierte ein Serum, das ein Fünftel Volum Magermilch noch klärt, durch weiteren Zusatz aber getrübt wurde. Jedenfalls also läfst sich mit gekochter Milch ein Lakto- serum von ganz beträchtlicher Stärke gewinnen. *) Moro, Wiener klin. Wochenschr. 1901, Nr. 44. — Aschoff u. Meyer, Berliner klin. Wochenschr. 1902, Nr. 7. — P. Müller, Zentralbl. f. Bakt. 32, Nr. 7. =") Auch ein (wenig Fibrin lieferndes) pleuritisches Exsudat des einen Versuchstieres zeigte sich wirksam, wiewohl in geringerem Grade. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. geh. Preis 0,60 ‚H. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht dem Meder mwer zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 #M. Roscoe-Schorlemmer’s Ausführliches Lehrbuch der Chemie. Mit eingedruckten Abbildungen und Tafeln. gr. 8. == Vollständig in neun Bänden. — Erster und zweiter Band. Anorganischer Theil. Dritte gänzlich um- gearbeitete Auflage von Sir Henry E. Roscoe und Alex. Classen. Preis & Band 26 ‚#., geb. in Lnwd. 27 ., in Hibfrz. 28 Mb. Dritter bis neunter Band. Die Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate oder Organische Chemie. I..— VI. Theil. Von Prof. Jul. Wilh. Brühl. Mit einem General-Inhaltsverzeichnis und einem General- Sachregister. Preis 154 Ab, geb. in Lnwd. 161,50 6, in Hlibfrz. 168 Sb Jeder Band auch einzeln käuflich. Die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8 geh. Preis 4 M. Die Kräfte der Bewegung in der lebenden Substanz. Von Dr, Julius Bernstein, ord. öffentl. Professor der Physiologie in Halle a. S. gr. 8. geh. Preis 0,80 Je. Lehrbuch der anorganischen Chemie. Von Dr. H. Erdmann Professor an der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin. Dritte Auflage. Mit 291 Abbildungen, 99 Tabellen, einer Rechentafel und 6 farbigen Tafeln. gr. 8. Preis geb. in Leinwand 15 6, in Halbfranz 16 #. > = R Ki, Foniacheitt f en des sechzigsten Geburt von ASER Max. .Jaite A | Mit Beiträgen von ns P. Baumgarten, M. Bernhardt, R. Cohn, Th. Cohn, a Be W. Eliassow, A. Ellinger, J. Frohmann, P. Hilbert, Lassar-Cohn, & D. Lawrow, E. v. Leyden, W. Lindemann, W. Lossen, H. Meyer, ar B Neumann, EL Nothnagel, E. Salkowski, W.Scheele, L. Schreiber, BL A. Seelig, 8. Stern, O. als R. Zander. * E nn ae und nn Tafeln. ee 8. Ba Preis 12 6. DD) Die Pflanzen- n-Alkaloide FR von Jul. Wilh. Brühl, Professor an der Universität Heidelberg in Gemeinschaft mit el. Sad wand Erlokt mund Ossian Aschan, a, SPIEL, i Professoren an der Universität Helsingfors. Mit eingedruckten Abbildungen. = 8. Geb. in Lnwd. Preis 14 % ua u a a a m Pe — Beiträge zur Physiologie. _ Festschrift für un Fick zum siebzigsten Geburtstage. gr. 8. Preis geh. 4 db; geb. 5 Me | S Ba Hilfsbuch zur Ausführung chemischer Arbeiten für Chemiker, Pharmazeuten und Mediziner ORRRE LS | von Dr. Hugo Schwanert, | N er un Professor der Chemie an der Unswersitet Greifswald, rt A Y en Geheimer Regierungsrat. Bo BREEEIE Vierte umgearbeitete Auflage. Mit vier eingedruckten Abbildungen und ‚aRlE En zwei farbigen Spektraltafeln. gr. 8. Preis geh. 8 fe, geb. 9 de Be aus Are = _ Chemie der Eiweisskörper. WEREN SEEN rei der Physiologie an der Universität Heidelberg. ER RE last 8. Preis ep: 7 KM. ht Vorträg ve e über physikalische Chemie, EN RR aa f gehalten g der Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 | von J. H. van ’t Hoff. ie in den Tec eingerusken Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 2,50 Mb 2 Ca EL a 405 7 Teen 0 20 22 ef rv \“ IJWT Beiträge zur Chemischen Physiologie und Pathologie Zeitschrift für die gesamte Biochemie unter Mitwirkung von Fachgenossen herausgegeben von Franz Hofmeister o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg II. Band 12. Heft (Ausgegeben April 1903) Braunschweig Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn 1903 Inhalt des 12. Heftes. Seite XXX. R. Höber. Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionen- lehre. Mit, Versuchen von P. Jankowsky. (Aus dem physio- logischen Institut der Unwersität Zürich) ... . .. 2... 525 XXXI 0. von Fürth. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper und deren mutmalsliche Beziehung zur Totenstarre. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg) » » -» .» - 543 XXXIIL. A. Reh. Über die Autolyse der Lymphdrüsen. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsbuwg.) -. ».»... 569 Kürzere Mitteilungen. 7. E. van Leersum. Über das Vorkommen von Glykuronsäure im ikterischen Harn. (Aus dem Laboratorcum Pathologieum den Universitan, zu Anistendam) 2 574 8. 0. Schumm. Über die Autolyse der leukämischen Milz. Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Kran- kerihuuses Hamburg-Bppendosp) 22 2 E E 576 Berichtirungen!. nl 2 Musa se eher ee Neo eh l.ae 20 Se 580 Die „Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie“ erschei- nen in zwanglosen Heften, von deren 12 einen Band von 36 Druck- bogen zum Preise von M. 15, — bilden. Die Ausgabe der Hefte erfolgt nach Mafsgabe des einlaufenden Materials in kurzen Zwischenräumen. Die Zahl der in einem Jahre erscheinenden Bände soll zwei nicht überschreiten. Manuskriptsendungen sind an den Herausgeber, Stralsburg ı. E., Wimpfelingstraise 2, zu richten. Bei der Aufnahme von Arbeiten in die „Beiträge“ soll in erster Reihe deren biologisches Interesse, sodann Exaktheit der Durchführung, Sachlichkeit, Knappheit und Übersichtlichkeit der Darstellung mafs- gebend sein. Polemische Ausführungen, welche den Rahmen einer thatsächlichen Richtigstellung überschreiten, können nicht Aufnahme finden. Der kurzen Mitteilung neuer Befunde bleibt ein besonderer Raum vorbehalten. Solchen „kürzeren Mitteilungen“ kann ein beson- ders rasches Erscheinen zugesichert werden. Die Mitarbeiter erhalten ein Honorar von M. 40, — für den Druck- bogen und 50 Sonder- Abzüge. XXX. Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. Von Rudolf Höber. Mit Versuchen von P. Jankowsky. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) Es sind noch bis in die letzte Zeit hinein immer wieder neue Vorschläge zur Bestimmung der Harnacidität gemacht worden, deren Willkürlichkeit nicht erst durch viele mühselige Versuche nachzuweisen nötig gewesen wäre, wenn das Massenwirkungsgesetz, besonders in seiner Anwendung auf die Gleichgewichte zwischen Ionen, schon Allgemeingut geworden wäre; es würden Methoden wie die von Freund *), Lieblein **), de Jager***) vom Physiko- chemiker ohne weiteres beiseite gelegt worden sein ohne langes Nachprüfen }). Überflüssige Arbeit ist auch vielfach verwendet worden auf das Durchprobieren von allerhand Indikatoren bezüglich ihrer Brauchbarkeit bei der Titration des Harns; hier hätte die Kenntnis der physikochemischen Theorie der Indikatoren die Mühe leicht sparen und einen bestimmten Indikator als am besten brauch- bar angeben können. Und trotz der vielfältigen Vorschläge und "Verbesserungen existiert doch bis heute kein anerkanntes Ver- fahren für die Aciditätsmessung des Harnes. Es werden also neue Wege aufgesucht und anempfohlen werden. Vielleicht dals aus diesen Gründen eine kurze Diskussion der bisherigen Erfahrungen *) Centralbl. f. d. medizin. Wissensch. 1892, S. 689. **) Zeitschr. f. physiol. Chem. 20, 73 (1894). *##) Ebenda 24, 308 (1896). +) Nägeli, ebenda 30, 313 (1900) und Arnstein, ebenda 34, 1 (1901). 5236 Rudolf Höber, vom Standpunkt der physikalischen Chemie aus zusammen mit einer Erörterung über die Möglichkeiten der Aciditätsbestimmung im allgemeinen vor manchen Irrtümern schützen, den Wert des Vor- handenen herausheben und auch zur Lösung der zweifellos schwie- rigen Frage einiges beitragen kann. Der Begriff der Aecidität. Wenn die Aufgabe gestellt wird, die Acidität einer Säure zu bestimmen, so giebt es zwei Möglichkeiten für ihre Lösung je nach der Definition der Acidität. Der Physikochemiker definiert eine Säure als eine chemische Verbindung, die, in Wasser gelöst, Wasserstoffionen H+ abdissoziiert, also dem Wasser, welches selbst in reinstem Zustande bei Zimnrertemperatur im Liter ungefähr 0,8.107& H+ enthält, einen höheren H"-Gehalt erteilt; er be- zeichnet als eine starke Säure, als einen Stoff von hoher Acidität eine chemische Verbindung, von der ein Mol in einer begrenzten Zahl von Litern, etwa in 32 Litern, grölstenteils dissoziiert, als eine schwache Säure dagegen, als einen Stoff von niedriger Acidität eine Verbindung, die relativ schwach dissoziiert; für ihn ist die Acidität einer 1/;, n-Salzsäure etwa 40 mal so grols als die einer 1/., n-Essigsäure, weil in dieser Verdünnung der Dissoziationsgrad der Salzsäure 0,97, der der Essigsäure nur 0,024 beträgt. Der Chemiker definiert dagegen eine Säure als eine chemische Ver- bindung, in der an Stelle von Wasserstoffatomen Metallatome treten können, die. den Säurecharakter neutralisieren, und er milst die Acidität einer Säure an der Menge Lauge, die zugesetzt werden muls, damit das Metall den Säurewasserstoff vollständig verdrängt, welcher sich mit dem Hydroxyl der Lauge zu Wasser verbindet; für ihn hat ein Liter 1/,, n-Salzsäure und ein Liter. !/,, n-Essig- säure dieselbe Acidität,, weil beide zur Neutralisation gleich viel Lauge verbrauchen. Betrachten wir diesen Neutralisationsprozels ganz kurz vom physikochemischen Standpunkt aus! In einer reinen Säurelösung befinden sich nebeneinander die Säuremoleküle HR und ihre Ionen H*+ und RT. Bezeichnen wir die Konzentrationen dieser drei Be- standteile mit cur, cH und cr, so ergiebt das Massenwirkungs- CH-CR ; ® o B gesetz, dafs a — kist. DBezeichnen wir ferner die Konzen- trationen der Ionen des Wassers mit cp und com, so folgt aus einer ganzen Anzahl sehr verschiedenartiger Messungen, dafs bei Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 597 Zimmertemperatur stets cu.com = 0,64.107* = k, ist. In der wässerigen Lösung einer Säure überwiegt demnach cp über com, in der Lauge überwiegt umgekehrt cop über cp, in reinem Wasser oder in der Lösung eines echten Salzes sind cr und cop gleich grols. Fügt man nun zum Zweck der Neutralisation zu einem Quantum Säurelösung einen Tropfen NaOH, so dissoziiert die Lauge vollständig in Natund OH-; das OH=-muls sich dann mit H* zu HOH verbinden, weil das Produkt cu. com grölser als k) geworden ist. Es verschwindet also H+; dadurch ist das Gleichgewicht N CHR muls HR weiter dissoziieren in HF + R7, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt ist. Der Endeffekt ist also Zunahme an cr und entsprechende Abnahme an cn, also Zunahme an con. Ein zweiter, dritter und weitere Tropfen NaOH wirken genau so; mehr und mehr Wasserstoff der Säuremoleküle wird Ionenwasserstoff, und schliefs- lich, wenn alle Säuremoleküle aufgespalten sind und ihr H* sich mit OH, mit der äquivalenten Menge OH-, verbunden hat, sind in der Lösung ebenso wie sonst in reinem Wasser cn und com gleich ge- worden, C#.Com ist gleich 0,8.107.0,8.107 — 0,64.1014, die Lösung ist neutral. Wie man den Moment erkennt, in dem cn = Con Wird, davon später. gestört, es Nach diesen Erörterungen kann man nun den Inhalt der beiden genannten Aciditätsmethoden, der physikochemischen und der titrimetrischen, kurz so zusammenfassen: die erste Methode milst die Konzentration der aus den Säuremolekülen abge- spaltenen, effektiv vorhandenen „aktuellen“ Wasserstoffionen, die zweite mifst sowohl diese als auch den Wasserstoff, der zu Beginn der Bestimmung noch im Säuremolekül fest gebunden ist, aber in ihrem Verlauf ionisiert wird, also die „aktuellen“ und die „potentiellen“ Wasserstoffionen (Ostwald). (Die Aus- einandersetzung über die zweite Methode ist nur bedingt richtig; die nötigen Ergänzungen werden sich aus dem Folgenden von selbst ergeben.) Die Methoden sind nun, scheint mir, beide für die Unter- suchung der Harnacidität von Interesse. Um das zu zeigen, muls ich etwas weiter ausgreifen. Das Zustandekommen der Harnaeidität. Der Harn ist ein Sekret, das aus Blutbestandteilen gebildet wird. Er ist von wechselnder Zusammensetzung, weil das Blut, das in unregelmäfsiger Weise von verschiedenen Quellen aus mit 598 Rudolf Höber, chemischen Verbindungen gespeist wird, von den Nieren auf einer einigermalsen konstanten Zusammensetzung erhalten werden. muls. Konstant ist unter anderen bis zu einem gewissen Grade der Gehalt des Blutes an OH”, der seine Alkaleszenz bedingt; er schwankt nach meinen Untersuchungen*) zwischen 0,22.10 und 0,9.10® Gramm -OH” pro Liter. Nun entstehen im Körper durch die Oxydation von Schwefel und durch die Hydrolyse der phosphor- säurehaltigen Nukleine freie starke Säuren, also Verbindungen, die reichlich H-Ionen bilden, und wern diese Ionen ins Blut gelangen, so müssen sie, entsprechend der Überschreitung des Produktes CH.com — 0,64.10-1* [bei Bluttemperatur ungefähr 2.2.1014 **)], OH- wegfangen. Die Gegenwart der OH-Ionen in den Säften des Körpers ist aber sehr nötig, die Oxydationsprozesse, die Arbeits- fähigkeit der Muskulatur, die Vorgänge beim Wachstum sind an ihre Gegenwart gebunden; der Körper kann eine starke Ver- minderung des OH7”-Gehalts vom Blute nicht ertragen. Wäre nun im Blut das Hydroxyl nur in Form der aktuellen Ionen. einer enorm verdünnten, nämlich nur etwa 0,5.10°-normalen, voll- ständig dissoziierten Lauge vorhanden, so brauchten nur etwa 0,4mg Schwefel zu Schwefelsäure verbrannt zu werden und ins Blut zu gelangen, um schon sämtliche Lauge in den 5 Litern Blut des Erwachsenen zu neutralisieren. Zum Glück sind aber neben den aktuellen reichlich potentielle OH-Ionen vorhanden, welche Ver- luste an aktuellen in weitgehendem Malse zu decken vermögen. Wo findet sich dieses potentielle OH? Es besteht neben manchen anderen Gleichgewichten im Blut eins zwischen den Ionen H+, HPO,= und H,PO,-, derart dafs a — k, ist, entsprechend einer reversiblen Reaktion H,POQ, H,PO,- = H+ + HPO,-. Das Anion eines primären Phos- phates H,PO,- verhält sich also wie eine Säure, die zum Teil dissoziiert. Da c#.cCom = k, ist, so läfst sich auch das Gleich- gewicht durch die Beziehung ausdrücken: k, er NL DIR Kir, CoH- CH,PO, Das heifst: wenn com verkleinert wird, mufs sich das Gleich- gewicht in dem Sinne verschieben, dals H,PO,- sich bildet, HPO,- *) Pflügers Archiv $1, 522 (1900) und Höber, Physik. Chem. d. Zelle u. d. Gewebe 1902, 8. 241. **) Siehe Ley, Zeitschr. f. physik. Chem. 30, 193 (1899). Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre, 529 verschwindet; beides geschieht durch die hydrolytische Reaktion: HPO,= + HOH — H,PO,- + OH- Potentielle OH-Ionen des Wassers werden also aktuell, und der OH--Verlust des Blutes wird gedeckt oder wenigstens zum Teil gedeckt. Ein ähnlich wirksames System von Bestandteilen beruht auf der Anwesenheit der Karbonate im Blut. Wird das Gleichgewicht Se — _ _CH00, _ kı CoH - CH,0 0; durch Fortnahme von com gestört, so erfolgt Kompensation durch die Hydrolyse: HCO,7 + HOH = H,00, + OH. In einem dritten Gleichgewicht spielen die Anionen der Harn- säure die Rolle der Phosphat- und Karbonatanionen. Es steckt also der Blutvorrat an OH”, aus dem sich schöpfen läfst, im Wasser, und verwertbar wird er durch den Gehalt des Blutes an „sauren“ Salzen von mehrbasischen Säuren, welche stufen- weise dissoziieren. Durch die geschilderten kompensatorischen Verschiebungen, die durch die Bildung von Säure oder richtiger von H* im Körper eingeleitet werden — die ebenfalls vorkommende Bildung von OH wollen wir in dieser ‘rein schematischen Darstellung aulser acht lassen —, steigt nun der Gehalt des Blutes an HB, PO, ”, an H;CO, u. a. über die Norm, dıe Nieren treten deshalb in Funktion und entfernen den Überschufs, welcher Harnbestandteil wird. Aulser den genannten durch Oxydation und Hydrolyse im Organismus entstehenden starken Säuren können aber auch noch manche schwache Säuren sich bilden. Ihr Einflufs aufs Blut ist ein etwas anderer als der der starken Säuren, wie ich mit wenigen Worten auseinandersetzen will: Es ist vielleicht nicht nötig, im einzelnen genau zu begründen, dals sich die Blutflüssigkeit mit der Lösung einer schwachen Base vergleichen lälst; sie mag z. B. einer Lösung von Ammoniak an die Seite gestellt werden. Löst man nun äquivalente Mengen von Ammoniak und einer schwachen Säure, etwa Schwefelwasserstoff H*H+?S= miteinander auf, so sind die Mengen H?t und OH, die die beiden bilden, wegen der Gerinefügiskeit ihrer Disso- ziationen nur klein; entsprechend der Überschreitung des Produktes eH-Com — k, vereinen sie sich aber zu Wasser, während die Ionen NH,* und S= unverbunden bleiben. Wenn dann weitere Mengen issoziieren, so müssen eben wegen des Übrigbleibens des Basen- Beitr. z. chem. Physiologie. III. 34 530 Rudolf Höber, kations und des Säureanions die Dissoziationsgleichgewichte der CnH,.coH CH - Cs Base bezw. Säure k) = und ks = bald erreicht CnNH,OH CH,S sein, lange ehe alle Säure- und Basenmoleküle in die Ionen auf- gespalten sind; es bleiben also grölsere Mengen Base und Säure unverbunden nebeneinander in der Lösung. Daher riecht eine Lösung von (NH,),S sowohl nach Ammoniak wie nach Schwefel- wasserstoff. Ziemlich genau so ist es, wenn irgendwo im Körper gebildete schwache Säuren in den Kreislauf gelangen; so wenig ionisierte Säuren, wie Kohlensäure, Harnsäure oder auch wie die in patho- logischen Fällen auftretenden, wie Leucin, Oystin, B-Oxybuttersäure und viele andere, können. nur unvollkommen von den basischen Be- standteilen des Blutes neutralisiert werden, bleiben also frei und werden als störende Stoffe von den Nieren aus dem Kreislauf eliminiert. In den Harn gelangt also, wenn wir uns, wie gesagt, mit der bisherigen absichtlich schematisch gehaltenen Auffassung der ex- kretorischen Funktion der Niere begnügen wollen, eine Reihe von Säuren; teils sind es neutrale Moleküle, teils Anionen (H,PO,, Harnsäureanion). Letztere können natürlich nur gleichzeitig; mit, entsprechenden Mengen Kation, z. B. Nat, das Blut verlassen. Im Harn gelöst dissoziieren nun die Säuren entsprechend ihrer Stärke, -H,PO, 7 ın "Hr und HRO,, 3,60, mIEssndare Oz u. s. w. Der Überschufs an H+ über OH- bedingt die Acidität des Harns im physikochemischen Sinne, der Gehalt an Wasserstoff, der vom Basenhydroxyd bis zum Auftreten der Neu- tralität Ca = Com verbraucht wird, bedingt die Acidität im ge- wöhnlichen Sinne. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dafs zwischen beiden Grölsen keine einfachen Beziehungen zu existieren brauchen; denn je nach der Relation zwischen leichter und schwerer dissoziierenden Säurebestandteilen kann eine hohe Titrationsacidität mit einer relativ niedrigen Ionen- acidität einhergehen und umgekehrt. Die Messung der Harnaeidität. Theoretisch sind die beiden Harnaciditäten ganz scharf fixiert; dagegen kann die praktische Ausführung aus einer ganzen Anzahl von Gründen bis jetzt nur näherungsweise richtige Werte liefern. Ein Teil der Fehlerquellen ergiebt sich aus physikochemischen Erörterungen. Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 531 l. Die Titrationsacidität. — Angenommen, von den Nieren aus gelangte zur Ausscheidung nur Wasser, Nat und H, PO,7; nach der Ausscheidung dissoziiert dann, wie schon gesagt, in der wässerigen Lösung H,PO,- zum Teil in H* und HPO,=. Die Titrationsacidität sollte in diesem einfachsten Fall durch die Menge von starker Lauge (z. B. Natronlauge) bestimmt sein, die die aktuellen und potentiellen H*-Ionen der Säure H+*HPO,= bindet, die also alles bei der Säuerung des Blutes entstandene H,PO,- wieder in HP O," überführt; der Neutralpunkt cu = &n — 0,8. 107 mülste nach dem Laugenzusatz erreicht sein. Zunächst: wie ist dieser Neutralpunkt zu erkennen? Bekannt- lich benutzt man dazu die Indikatoren; das sind nach Ostwald im allgemeinen sehr schwache Säuren, deren Anionen eine andere Farbe haben, als ihre neutralen Moleküle; das Anion des Phenolphtaleins ist rot, das Molekül farblos, das Anion des Methylorange gelb, das Molekül rot, u. s. w. Für jede der Säuren giebt es ein Gleich- gewicht zwischen den Ionen H* und R7 und dem Molekül HR, CH- CR derart dals - —=k ist. Aus dieser Gleichung folgt, dals ein CHR Zusatz von H zu einer Indikatorlösung um so mehr das Gleich- gewicht zu Gunsten der Moleküle HR und auf Kosten der Anionen R7 verschieben muls, je kleiner das Ionenprodukt c#.cr von vorn- herein ist; ein Indikator ist also in seiner Farbe um so empfind- licher gegen H*, je schwächer er dissoziiert ist. Nun ist von den üblichen Indikatoren das Phenolphtalein die schwächste Säure; selbst in reinem Wasser, also bei einer Konzentration cm = 0,8. 10”, ist die Konzentration cr nicht grofs genug, um die Lösung rötlich erscheinen zu lassen, sondern erst wenn im Wasser com eine Spur über cn überwiegt, erst dann kann freies rotes RT” in merklichen Mengen auftreten. Danach ist es selbstverständlich, dafs man bei der Bestimmung der Titrationsacidität des Harns, wo es darauf ankommt, Lauge so lange zum Harn zuzusetzen, bis cm auf den minimalen Wert von 0,5.107 herabgedrückt ist, Phenolphtalein verwendet. Denn die anderen Indikatoren, wie Methylorange, Rosolsäure, Kochenille, Alizarinrot u. a., sind Säuren von höherer Acidität als Phenolphtalein und zeigen deshalb bereits die Ionen- farbe oder eine Mischung von IJonen- und Molekülfarbe, wenn C# Sich noch ein Stück weit oberhalb des Wertes 0,5. 1077 befindet, wenn also die Lösung noch sauer ist. Mit Recht wird darum neuerdings Phenolphtalein angelegentlichst zur Aciditätsmessung 34” 232 Rudolf Höber, des Harns empfohlen *); nur wäre es nicht nötig gewesen, seine Vorzüge erst durch langwierige Versuche nachzuweisen. Wenn man nun unter Verwendung von Phenolphtalein eine Lösung, die H, PO,” enthält, mit Lauge titriert, so ist nachweislich noch nicht alles H,PO,7 in HPO,- übergeführt, wenn der Neutral- punkt erreicht ist. H,PO,- ist nämlich eine recht schwache Säure, die sich in gewissem Malse etwa wie das Phenolphtalein verhält. Dieses bildet seine roten Anionen nur dann, wenn ein kleiner Zusatz von OH” zum neutralen Wasser dessen normalen H+- Gehalt etwas herabgemindert hat; ähnlich ist auch wenigstens eine vollständige Dissoziation der schwachen Säure H,PO,- nicht möglich in Gegenwart von 0,8.107”& H* pro Liter, nicht einmal ein Überschufs von OH bringt die Moleküle H,PO,- zum Ver- schwinden. Denn das geht deutlich aus der bekannten Erscheinung hervor, dals bei Auflösung von reinem Na,HPO, in Wasser durch „hydrolytische Reaktion“ die HPO,--Ionen sich mit den H*-Ionen des Wassers zu H,PO,- vereinen, woraus ein Überwiegen an OH- in der Lösung, eine Alkalescenz resultiert. Wäre H,PO,- eine starke und nicht eine schwache Säure, zerfiele es also leicht in die Ionen HF und HPO,-, dann wäre die Lösung von N,HPO, neutral; und der Harn wäre neutral, nachdem ihm die dem H,PO, äquivalente Menge NaOH zugesetzt wäre. In Wirklichkeit aber ist er dann schwach alkalisch. Neutralpunkt, Moment des äquivalenten Zusatzes von Lauge und Moment des völligen Verbrauchs der potentiellen H*-Ionen der Säure H, PO, sind also nicht, wie wir eigentlich (S. 527) vor- aussetzten, identisch; denn nach dem Zusatze der der H,PO,”- Menge äquivalenten Lauge ist der Neutralpunkt schon überschritten, und die Umwandlung von H,PO,- in HPO,- unter Verlust von H+* ist noch nicht erreicht. Wie weit soll nun titriert werden? — Wenn wir die Lösung von Na*H,PO,- mit dem Harn identi- fizieren — was wir in Anbetracht der ähnlichen Disso- ziationsverhältnisse bei den anderen für die Harnacidität malsgebenden Elektrolyten ruhig thun dürfen —, so muls nach allem, was über die Art des Zustandekommens der Harn- acidität gesagt ist, es als das Ziel von deren Messung gelten, die den Säureanteilen äquivalente Lauge zu ermitteln. Das hielse also, einen gewissen Grad von Alkalescenz, eine gewisse schwache vötung mit Phenolphtalein herstellen. Das ist aber wegen der *) Nägeli, Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 313 (1900). Die Aecidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 533 wechselnden Eigenfarbe des Harns technisch undurchführbar. Also mufs man auf einen der zwei anderen Punkte titrieren, selbstver- ständlich auf den leicht einstellbaren und dem Äquivalenzpunkt sehr nahen Neutralpunkt. Man begeht nur einen kleinen Fehler, wenn man ihn als Endpunkt der Titration wählt; die Acidität wird ein wenig zu niedrig bestimmt. Damit sage ich natürlich gar nichts Neues, sondern beschreibe nur möglichst genau, wie man zu dem Aciditätsminus auf Grund der Dissoziationsgleichgewichte der einzelnen Phosphationen und ihrer gegenseitigen Umwandlungsfähigkeit kommt. Und zwar thue ich das mit deshalb, weil man sich von diesen und ähnlichen Vorgängen gewöhnlich ungenügend Rechenschaft giebt, vielmehr die primären und sekundären Phosphate sehr häufig wie stabile Verbindungen ansieht, während doch sie oder besser ihre Ionen im Gegenteil aufserordentlich veränderlich sind. Darum kann man auch nicht, wenn man den H,PO,-Gehalt des Harnes für seine Acidität für malsgebend ansieht, diese dadurch zu bestimmen suchen, dals man Kationen zum Harn zusetzt, die mit dem H,PO,- einen unlöslichen Niederschlag geben. Denn es ist eine Unmög- lichkeit, eine Art Phosphationen gerade in der Menge, in der sie im unveränderten Harn enthalten ist, für sich auszufällen und die andere für sich zurückzulassen, ebenso wenig wie man die Wasser- stoffionen einer partiell dissoziierten Säure mit OH wegtitrieren und den undissoziierten Bestand von Säuremolekülen dabei völlig intakt lassen kann. Und was für die Phosphationen gilt, gilt für alle übrigen Ionen des Harns genau so; deshalb sind die Ver- fahren von Maly, von Lieblein und Freund, von de Jager, die mit Fällungsmitteln hantieren, von vornherein verfehlt. Noch in anderen Punkten, freilich nicht sehr belangreichen, spielen die Dissoziationsgleichgewichte für die Titration des Harns eine Rolle. Ich erwähne auch diese Punkte im wesentlichen nur, um nachdrücklich bemerkbar zu machen, was für ein labiles Ge- bilde eigentlich eine jede organische Flüssigkeit ist. Das vorher genannte Aciditätsminus, das von der Hydrolyse der HPO,--Ionen herrührt, kann nicht einmal einen konstanten Fehler bei der Titration bedeuten. Denn sowohl die Praxis wie die Theorie lehren, dals die Hydrolyse, also die Umkehrung der mit der Titration angestrebten Reaktion OH=- + H,PO,— HOH + HPO,T, um so stärker ist, je verdünnter die Lösung. Um so stärker ferner, je höher die Temperatur. Was bisher für die Um- wandlung von H,PO,- in HPO,= gesagt ist, läfst sich Wort für 534 Rudolf Höber, Wort auf die Umwandlung von H,CO, m HCO,- übertragen, und gerade von HCO,-Lösungen ist bekannt, dafs sie bei Zimmer- temperatur Phenolphtalein röten, bei Eistemperatur nicht, weil die Hydrolyse HCO,- + HOH—H,C0, + OH bei höherer Tempe- ratur wegen der erheblicheren Dissoziation des Wassers und des Bikarbonats merklich, bei niederer unmerklich ist. Das Resultat der Titration des Harns, welcher Phosphate und Karbonate enthält, muls also von Verdünnung und Versuchstemperatur abhängen; das bedeutet eine neue Erweiterung der Fehlergrenze. Dann kommt noch eins in Betracht. Wenn im Verlauf der Titration mehr und mehr HPO#= auf Kosten des H,PO,” entsteht, so bildet sich mit den Na-Ionen auch etwas undissozüertes Salz Na,HPO,, dessen Menge durch ein Gleichgewicht k — Na CnPo, CN3a,HPO, definiert sein mag. Neben H,PO,= und Nat wird nun von den Nieren stets noch in wechselnden Mengen Cl7- und Nat ab- geschieden; das Gleichgewicht SNa JERU. und damit die Kon- Cna,HPO, zentration an HPO,= mufs deshalb mit bestimmt sein vom Koch- salzgehalt des Harns; je grölser dieser, um so weniger HPO,-, je kleiner, um so mehr. Von der Konzentration des HPO,= hängt aber, wie wir sahen, dessen Hydrolyse ab und damit auch der Neutralisationspunkt. Dieser Überlegung entspricht die Thatsache, dals wenigstens beiniederer Temperatur eine Lösung von NaHPO, Phenolphtalein nicht rötet, wenn ein starker Kochsalzüberschuls zugegen ist. Also auch vom Kochsalzgehalt des Harns muls dessen Titrationsaeidität abhängig sein. | Neben diesen und einigen weiteren, auf andere Ionen bezüg- lichen Fehlerquellen, die für das Titrationsverfahren aus der komplizierten physikochemischen Beschaffenheit des Harns resultieren, spielt eine grofse Rolle dann noch eine, die Eigenfarbe des Harns, die die Erkennung des Indikatorfarbenumschlages so sehr erschwert. Es scheint mir ziemlich sichergestellt, dafs die Ungenauiekeit des Titrationsverfahrens, die in einer Fehlergrenze von mehreren Pro- zenten zum Ausdruck kommt, vor allem diesem Moment zur Last fällt, da eine ausgiebige Verdünnung des Harns mit Wasser keinen namhaften Einflufs auf das Titrationsergebnis zu haben scheint. Gerade wegen der Eigenfarbe hat man sich auch auf andere Aciditätsmethoden besonnen und hat ihren Einfluls in den ver- schiedenen Fällungsverfahren, bei denen Sulfat- oder Phosphat- niederschläge erzeugt werden, die den Farbstoff zum Teil nieder- - Die Aeidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 535 reilsen, wohl auch zu eliminieren versucht. Aber wenn auch die vorausgehenden Betrachtungen, wie ich schon sagte, auf relativ unbedeutende Fehler der Titriermethode die Aufmerksamkeit lenken, und wenn sie vielleicht nicht viel Neues enthalten, vielmehr im wesentlichen nur alte, schwer verständliche Lehrsätze in die klare Ionensprache übertragen, so können sie doch wenigstens den Sinn haben, allgemeinbegreiflich zu machen, dals, wo man auch am Harn — und noch viel mehr gilt das wohl fürs Blut — einen chemischen Hebel ansetzt, man das ganze System ins Rollen bringt, dals es keine Änderung, kein Herausnehmen und kein Hinzufügen giebt, ohne dals alle Verhältnisse sich ändern. Allerdings je nach dem Eingriff in verschiedenem Mafse. Dals dieser Eingriff bedeutend sein muls in den Fällungsverfahren, wäre leicht noch deutlicher zu zeigen, als es hier geschah; dafs er relativ wenig Bedeutung hat für das Resultat der einfachen Titration mit Lauge, dürfte wohl aus dem Gesagten hervorgehen. Die Titration mit Phenol- phtalein bis zum Neutralpunkt halte ich also für ein ganz brauchbares Verfahren. 2. Die Ionenacidität. — Zur Messung der Wasserstoffionen- Konzentration des Blutes habe ich vor einiger Zeit eine elektro- metrische Methode vorgeschlagen *), die, wie ich damals am Schlufs meiner Publikation aussprach, sich auch zur Messung der Harn- acidität eignet; in einer Kette von der Anordnung Wasserstoff Salzsäure | Harn | Wasserstoff wird die Konzentration an H+-Ionen im Harn bekannt, wenn Konzentration und Dissoziationsgrad der Salzsäure, die elektromotorische Kraft der Kette und das Be- rührungspotential zwischen Säure und Harn bestimmbar sind. v. Rhorer**) und ich***) haben nach diesem Prinzip Be- stimmungen der Ionenacidität des Harns ausgeführt, die zu un- gefähr dem gleichen Ergebnis geführt haben, obgleich die Definierung des Berührungspotentials Salzsäure | Harn auf verschiedenem Wege erreicht wurde. Ich suchte die Unbekannte des Potentials dadurch aus der Gleichung für die Acidität wegzuschaffen, dafs ich zwischen Salzsäure und Harn eine Kochsalzlösung einschob, die die gleiche Leitfähigkeit hat wie der Harn, von der Annahme ausgehend, dafs elektrochemisch die Elektrolyte des Harns sich annähernd genau so verhalten wie eine Kochsalzlösung, dals also zwischen Harn *) Pflügers Archiv 81, 522 (1900). **) Ebenda S6, 586 (1901). ==) Physikal. Chem. der Zelle u. der Gewebe 1902, S. 248 bi {77} ID ot u 536 Rudolf Höber, und einer Kochsalzlösung von gleichem Widerstand das Potential Null besteht; dureh diese Einschiebung bildet sich zwar ein neues Berührungspotential zwischen Salzsäure und Kochsalz; dessen Wert ist aber leicht zu berechnen, wenn HCl-Lösung und NaCl-Lösung in Bezug auf Ionen gleich konzentriert, „isohydrisch“ sind. v. Rhorer brachte das Berührungspotential Salzsäure | Harn dadurch annähernd h 1 auf Null, dafs er zu einer ——- oder -norm. Salzsäure Kochsalz 100 1000 in einer Konzentration zufügte, die mit dem als Norm angenommenen mittleren Kochsalzgehalt des Harns von 0,2-norm. identisch war, und diese HCI-NaCl-Mischung direkt an den Harn angrenzen liefs. Ver- suche von Bugarszky und theoretische Erörterungen von Abegg und Bose ergeben, dafs dann das Berührungspotential praktisch zu vernachlässigen ist, auch wenn der Kochsalzgehalt des Harns nicht ganz genau einer (,2-norm. Lösung entspricht. Meine Methode ist zweifellos die kompliziertere, weil für jeden Versuch die Leitfähigkeitsbestimmung am Harn, die An- fertigung einer gleich leitenden Kochsalzlösung, einer isohydrischen Salzsäurelösung und eine Ermittelung des Dissoziationsgrades der Salzsäure nötig ist, während v. Rhorer für alle Versuche mit derselben Lösung von - oder ao nor. HCl + 0,2-norm. NaCl auskommt, in der die Salzsäure als völlig dissoziiert angesehen werden kann. Trotzdem möchte ich meiner Methode den Vorzug geben, wenigstens wenn sie für die Untersuchung aller möglichen atypischen und pathologischen Harne angewendet werden soll, Denn wenn infolge von Stauung im Kreislauf oder bei Nephritis, Diurese, Diabetes der Kochsalzgehalt des Harns sehr erheblich von dem Mittelwert 0,2-norm. abweicht, so ist, wie die Rechnung leicht ergiebt, das Berührungspotential zwischen Harn und m + 0,2-Na0l doch nicht mehr einfach zu vernachlässigen; zwischen einer 0,2-norm. NaÜl-Lösung und einer 0,01-norm. (— 0,058 Proz.) beträgt es bereits 0,014 Volt, und bei Ketten, die überhaupt nur etwa 0,2 Volt Spannung haben, ist das schon ein erheblicher Bruch- teil der ganzen elektromotorischen Kraft. Beiden Methoden haftet ein Fehler an, der allen Gasketten anhaftet; ihre elektromotorische Kraft ist nicht ganz konstant. Schwankungen um + 0,003 Volt in maximo kommen immer vor *), *) Siehe darüber v. Rhorer, S. 593. Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 537 Wieviel dies für die Ionenacidität ausmacht, werde ich noch zeigen. Kleine Ungenauigkeiten sind auch sonst noch möglich; bei meiner Anordnung H, | HCl | NaCl | Harn | H, resultieren sie teils aus manchmal nicht ganz vollkommener Übereinstimmung in der Leit- fähigkeit des Harns und der NaCl-Lösung, und teils aus kleinen Fehlern in der Beurteilung der HCl-Dissoziation, welche an Hand Mr für HE geschah, die aus Kohl- einer Kurve der Werte von —— w@ rauschs bekannten Messungen der molekularen Leitfähigkeiten abgeleitet war. Ob diese Fehler viel ausmachen, soll ebenfalls noch erörtert werden. Vergleich der Titrations- und Ionenaeidität von normalen und pathologischen Harnen. Um ein paar weitere Anhaltspunkte über den Wert der Aciditätsbestimmungen nach den beiden Methoden, zumal auch für die Untersuchung pathologischer Harne zu gewinnen, veranlalste ich Herrn P. Jankowsky, einige Messungen auszuführen. Die Titration geschah mit 0,l-norm. NaOH und Phenolphtalein, die Be- stimmung der elektromotorischen Kraft mit dem von mir für Blut- alkalescenzmessungen angegebenen Apparat“). Wenn man einen schwachen Wasserstoffstrom etwa 5 Minuten lang durch seine beiden Gefälse hindurchleitet und dann die Elektrodenräume gegen die Atmosphäre vollständig durch Quecksilberventile abschlieflst, so stellt sich innerhalb 3 bis 5 Stunden ein konstanter Wert für die elektromotorische Kraft z ein, und die Jonenacidität ist dann zu berechnen aus der Gleichung: — 0,0575 los = EN. in der cpcı die Normalität der Salzsäure, & ihren Dissoziationsgrad, x die Ionenacidität und 0,031 das Berührungspotential zwischen der Salzsäure und der isohydrischen NaQl-Lösung bedeutet. Ein Beispiel soll zunächst den Versuchsgang und die Fehler- grenzen deutlich machen: Versuch 70: Kette: H, | 0,582 HCl | 0,40 NaCl | Harn | H, Spezif. Leitfähigkeit des Harns bei t = 25°: A = 38,73.10=3 „ » von 0,4 NaCl bei t = 25°: 4 — 42,86.10-3 *) Physikal. Chem. der Zelle u. der Gewebe, S. 240. 338 Rudolf Höber, Zeit 70 | €: 10° [ep - 10°] U In Beeinn 2 0,2488 0,43 | 0,416 Rt 0,2478 0,460 0,433 Din 0,2441 0,533 0,501 65 0,2477 0,463 0,436 Die Konstanz der z-Werte in dem gewählten Beispiel ist so schlecht wie sehr selten, die Schwankungen übersteigen 4 Milli- volt. Dementsprechend variiert die berechnete Ionenacidität cu zwischen 0,44.105 und 0,55.102. - Die Werte unter ca.105 sind berechnet auf Grund der Annahme, dafs in der 0,382-norm. HCl die Säure zu 85 Proz. dissoziiert ist. Wäre diese Annahme falsch, und beträfe die Dissoziation nur 80 Proz. der Moleküle, wäre also ein Fehler von 5 Proz. gemacht, was in Wirklichkeit kaum vor- kommen kann, so ergäben sich für die Acidität die in der Rubrik [cm . 105] angegebenen Werte. Die verzeichneten Schwankungen könnten erheblich erscheinen, wenn nicht die weiterhin mitgeteilten Resultate zeigen würden, dals in der Ionenacidität des normalen und noch mehr mancher pathologischer Harne starke Variationen, und zwar um das Zehn- fache und mehr eines bestimmten Wertes vorkommen, denen gegen- über die kleinen Schwankungen, die das Resultat von Fehlern der Methode sein können, keine besondere Bedeutung beanspruchen. — In den folgenden Tabellen der Mefsresultate bedeutet cn die Ionenaeidität, t die Titrationsaeidität, A die spezifische Leitfähigkeit des Harns. Die cn-Werte sind im allgemeinen in eine absteigende Reihe gebracht, um übersichtlich darzustellen, ob mit den t- und A-Werten ein Parallelismus vorhanden ist. In den meisten Fällen wurde der Harn des letzten Tages untersucht; innerhalb von 24 Stunden verändert sich bei Aufbewahrung im kühlen Raum weder die Titrations- noch die Ionenaciditätt. Vom normalen Harn wurden meistens Morgen- und Abendportionen gesondert untersucht. Aus der Tabelle (siehe S. 539) ergiebt sich, 1. dafs die cn-W erte weit stärker variieren als die t-Werte (cz Maximum 1,00, Minimum 0,047; t Maximum 0,075, Minimum 0,015); dieser Erscheinung werden wir immer wieder begegnen; 2. dafs, wie als möglich, wenn auch nicht als nötig voraus- gesehen werden konnte (siehe S. 530), zwischen cn und t keine Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 539 Normaler Harn. VaBulalgs Bemerkungen ee 10% t 2.10: Nr. 50 0,83 0,039 17,43 98 0,61 0,052 29,34 55 Abendharne 0,13 0,025 26,52 96 0,12 0,025 96,10 52 0,047 0,028 99,75 Abendharn. Über J 0,23 0,028 41,30 = Tag keine Flüssigkeit \ Gi X r 51 0,58 0,046 17,34 29 0,52 0,034 26,96 7 Morgenharne 0,50 0,042 27,90 53 vor dem Frühstück 0.46 0.069 98.05 ’ D) = ZI, 56 0,31 0,075 24,41 25 1,00 0,039 27,30 1 Kaugionlehan | 0,87 0,018 15,74 94 nach dem Frühstück | 0.68 0.047 97.02 = > ’ ’ direkte Beziehung besteht; hierin weichen Jankowskys Resultate von denen v. Rhorers ab; 3. dafs weder cp noch t in deutlicher Abhängigkeit von A steht. Harn von Nierenkranken. Ver- suchs--| Bemerkungen |cp-.10°| t [A.10° Weitere Bemerkungen Nr. Prom. 2 A 283. Sept.| 2,34 |0,019 | 10,12 1 Eiweils. Menge: 1300 cem Interstitla- 6 is Etwa | 1.0kt.| 1,50 |ooıs|12080| 2 „ 029300 Be nor, |70,820.097 [09a , 90007 ,; 17 |Urämiezu-| 8. „ | 1,10 [0,020|10,73| 1,75 „ 600: Bau 1a | 0,86. 100019 1,08 1.75 1100 49 26. Nov.| 2,20 |0,022| 9901 4 , 0180074 54 ae N 2,10 0,020 | 9,01 Se a 300,8, Som |: Dez. |; 2,10 |0,022| 9,54] 25 „ 341000, 60 |Scharlach-\ 4. Dez. | 0,66 0,052 12,64 62 | mephritis | 5. „ | 0,66 | 0,052 | 12,77 4 | Nephritis 130. Sept. 0,56 0,014 | 11,28 5 | chroniea | 1.Okt.| 0,67 | 0,050/17,15|| 0,5 Eiweils. Menge: 1200 ccm 7 | NeEeica chrome }| 918 |0,011|16,4 || Menge: 1800 cem Diese Tabelle zeigt vielleicht am deutlichsten, dafs jede der beiden Aciditätsmethoden ihre Berechtigung und ihren eigenen Wert besitzt. Soviel ich weils, gelten die titrimetrisch bei nephriti- 540 Rudolf Höber, schen Harnen gefundenen Werte nicht als besonders pathognomonisch charakterisiert. Von den hier angegebenen Titrationszahlen könnte man höchstens sagen, dals sie wenigstens bei dem Fall der urämischen Nephritis und der Nephritis acuta durchweg und gleichförmig niedrig sind. Um so auffälliger ist es, dals die Ionenaeidität oft so hoch ist, wie sie beim normalen Harn bisher nicht gefunden wurde. Unter den 14 normalen Werten kommt ein Wert 1,00.10 und zwei über 0,8.10”5 vor; unter den 6 Werten, die ich früher *) angegeben habe, ist der höchste 0,6.107°; v. Rhorers Maximalwert ist 0,76.10®. Bei der urämischen Nephritis und bei der Nephritis acuta ist die Acidität aber stets höher als 0,8.10-°? und erreicht einmal den Wert 2,34.10-°®. Nachfragen über die Therapie bei diesen Krankheiten ergaben keine Anhaltspunkte für die hohe Acidität. Auffällig in der Tabelle sind ferner die fast durchgehends niedrigen Werte für A. Das steht sicherlich in Zusammenhang: mit der bekannten sehr geringen molekularen Konzentration des Harns bei Nierenerkrankungen, mit der „Hyposthenurie“ v. Koränyis, und ist auch neulich von Steyrer**) an einer Anzahl von Kranken kon- statiert worden. Man kann daran denken, dals von diesem geringen Elektrolytgehalt des Harns seine grofse Ionenacidität abhängt, dals nicht die genügende Anzahl Nat-Ionen anwesend ist, um die Disso- ziation der sauren Natriumsalze ausgiebig zurückzudrängen; vielleicht gelangen aber auch während der Nephritis andere saure Bestandteile oder die gewöhnlichen in anderen Verhältnissen zur Ausscheidung. Ein deutlicher Parallelismus zwischen cp und t ist wiederum nicht zu bemerken. Harn von Fiebernden: | Ver- suchs=| Cr. 1020 717.10: Bemerkungen. 60 0,66 | 0,052 | 12,64 | Scharlach 4. Dez., morgens 38°. 62 | 0,66 | 0,082 12,77 k ER 12 0,49 | 0,050 | 20,69 | Sepsis. 11 | 0,41 | 0,0386 | 12,47 | Typhus abdom. abends 39,7%, morgens 39,30. 16 Menge 900 cem, 1,25 Prom. Eiweils. 1 0,29 | 0,039 | 12,42 | Pleuropneumonia fibrinosa, abends 38,3%, mor- gens 39,0. Menge 100 cem. 0,25 Prom. Eiweils. 21 0,26 0,040 | 18,16 | Typhus abdom. 1,5 Prom. Eiweils, 39,6". | 0,18 0,042 | 14,24 5 ; morgens 38,6". 8 | 0,18 | 0,046 | 23,08 || Sepsis. 38,9°, *) Physikal. Chem. der Zelle u. der Gewebe, S. 250. *#) Diese Beiträge 2, 312 (1902). Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. 541 Weder die cpn- noch die t-Werte sind besonders hoch. Für die t-Werte ist das auffallend, da im allgemeinen im Fieber die Acidität erhöht ist. Ein Parallelismus zwischen cn, t und 4 be- steht nicht. Harn bei verschiedenen Krankheiten. suchs-|Cg. 10° | t 14.10 Bemerkungen 102 2.0771 0,025 | 12,22 | Insufficientia cordis. Menge 200 cem. 15 | 0,45 0,037 | 18,39 | Tetanus. Am vorhergehenden Tage Krämpfe. 57 | 0,38 0,017 | 17,83 | Insuffic.mitralis. Starke Diurese. Menge 2400 cem. 1S || 0,35 0,013 | 13,02 „ “ Menge 2400 eem. 66 || 0,33 0,030 ı 9,99 | Carcinoma ventric. mit Anacidität d. Magensafts. 22 || 0,32 0,020 | 17,72 | Diabetes mellitus 14. Okt. 2,2 Proz. Zucker. 16 | 0,27 | 0,023 | 20,17 a Non. R 19 | 0,24 | 0,022 | 17,36 * n 1072.0kt 22 2, a 14 || 0,19 0,011 | 17,73 | Insuffie.mitralis. Starke Diurese. Menge 3600 cem. 65 | 0,028 | 0,009 | 16,58 n 4 2 3 20 || 0,019 | 0,014 | 11,49 | Insuffic. cordis. Menge 600 cem. 5 Prom. Eiweils. 9 | 0,0015 | 0,005 | 12,0 Insuffic. mitralis. Menge 4600 cem. Auch hier zeigen sich cp-, t- und A-Werte voneinander unab- hängig, wie ja bisher überhaupt. Aber notwendig ist dieses gegenseitige Verhältnis nicht. Das beweist z. B. der parallele Gang von cn und t beim Kaninchen unter dem Einfluls des Hungers: Harn vom hungernden Kaninchen. a Bemerkungen Ca. 10° t 2.10% 30 Gefüttert 0,00007 | — 0,03 | 39,80 sl 2 Tage Hunger | 0,00007 | 0 12,62 32 Due n | 0,094 | +-0,045 | 13,35 35 1 Tag 5 0,00026 | — 0,04 | 16,89 36 3 Tage ,„ 0,27 40,066 | 11,80 37 DE, " 1,9 + 0.098 | 14,07 I I Zusammenfassung. Der Begriff der Acidität des Harns hat zweierlei Bedeutung; entweder man versteht darunter die Menge von dissoziiertem und undissoziiertem Wasserstoff pro Liter, die an Hydroxyl gebunden werden muls, damit der Harn neutral wird, oder man versteht nur die Konzentration des dissoziierten Wasserstoffs darunter. Es läfst 549 Rudolf Höber, Die Acidität des Harns vom Standpunkt der Ionenlehre. sich theoretisch ableiten, dafs die beiden Aciditäten, die „Titrations- acidität“ und die „Ionenaeidität“, voneinander unabhängige Grölsen sein können, so dafs von zwei Methoden zu ihrer Bestimmung jede ihre selbständige Bedeutung haben mülste. Experimente zeigen, dafs wirklich häufig, vielleicht in den meisten Fällen, kein Parallelismus zwischen den Ergebnissen beider Verfahren existiert. Wenn also die Messung .der Acidität des Harns überhaupt von wesentlichem Nutzen für die Beurteilung von besonderen Sekretions- zuständen der Nieren oder eigentümlichen Verhältnissen im Stoff- wechsel ist, so kann die eine Methode so gut von Wert sein wie die andere. Die wenigen orientierenden Versuche, die zum Ver- gleich der beiden Aciditäten angestellt wurden, zeigen denn auch, dals die Ionenacidität anormal sein Kann, wo die Titrationsacidität es nicht ist. XXXI. Über die Gerinnung der Muskeleiweifskörper und deren mutmafsliche Beziehung zur Totenstarre. Von Dr. Otto von Fürth, Privatdozent und Assistent am physiologisch - chemischen Institut zu Strafsburg. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) Die vorliegende Mitteilung bildet eine Fortsetzung älterer Untersuchungen des Verfassers, welche die Eiweilskörper des Muskelplasmas und deren Gerinnungserscheinungen zum Gegenstand hatten*). Bekanntlich gehört das Problem der Totenstarre zu den meist umstrittenen der Physiologie. Seitdem Kühne die spontane Ge- rinnbarkeit des Muskelplasmas entdeckt und mit den Erscheinungen der Leichenstarre in Zusammenhang gebracht hat, war die Frage, ob denn der Rigor mortis wirklich auf die Koagulation der Muskel- eiweilskörper zurückgeführt werden könne, Gegenstand zahlreicher und umfassender Untersuchungen, deren Erörterung den Rahmen dieser Abhandlung weit überschreiten würde. Wenngleich gegen- wärtig wohl die Mehrzahl der Physiologen zu der Kühneschen Auffassung hinneigen dürfte und die meisten Lehrbücher das Problem der Totenstarre in dem angegebenen Sinne erläutern, fehlt es auch jetzt nicht an Stimmen, welche schwerwiegende Argu- mente zu Gunsten der „Kontraktionstheorie“ geltend machen. So *) 1. Über die Eiweilskörper des Muskelplasmas. Arch. f.exper. Pathol. u. Pharm. 36, 232—274. 2. Über die Einwirkung von Giften auf die Eiweilskörper des Muskelplasmas und ihre Beziehung zur Muskelstarre. Ebenda 37, 389412. 3. Über die Eiweilskörper der Kaltblütermuskeln und ihre Beziehung zur Wärmestarre. Zeitschr. f. physiol. Chemie 31, 338 .bis 352. 4. Zur Gewebschemie des Muskels. Ergebnisse der Physiologie. 1, 109—133. 544 Otto v. Fürth, ist, um nur ein Beispiel anzuführen, vor einiger Zeit Modica*) auf Grund eingehender Untersuchungen zu der Überzeugnng ge- langt, die Totenstarre könne nicht als Effekt der Koagulation des Muskelplasmas angesehen werden; dieselbe sei vielmehr als eine Kontraktion von Muskelfibrillen aufzufassen, welche durch den Reiz gewisser postmortal im Muskel auftretender Substanzen ausgelöst werde. Es sei von vornherein hervorgehoben, dals die im folgenden mitgeteilten Versuche keinen Anspruch erheben, eine Lösung der Frage in dem einen oder anderen Sinne herbeiführen zu wollen; dieselben sollen lediglich einige Ergebnisse objektiver Beobachtung dem weiteren Studium dieses Problems dienstbar machen. 1. Versuche zum Nachweise eines die Totenstarre auslösenden Fermentes. Die Analogie in den Erscheinungen der Spontangerinnung der Eiweilskörper im Muskelplasma nnd im Blute brachte es mit sich, dafs die Erscheinungen der Totenstarre von jeher mit der Wirkung von Fermenten in Zusammenhang gebracht wurden. Diese Auf- fassung schien einen thatsächlichen Untergrund zu gewinnen, als Halliburton Beobachtungen über ein „Myosinferment“ ver- öffentlichte, d. h. über ein Enzym im Muskel, das befähigt sein sollte, Muskelplasma in ähnlicher Weise zur Gerinnung zu bringen, wie das Fibrinferment die Gerinnung des Blutes einleitet. Da ich mich bei meinen älteren Versuchen von der Existenz dieses Fermentes nicht ausreichend hatte überzeugen können, schlug ich nunmehr einen anderen Weg zu seinem Nachweise ein. War ein Ferment bei der Entstehung der Totenstarre be- teiligt, so war zu erwarten, dals Extrakte aus totenstarren Muskeln befähigt wären, bei Injektion in die Muskelgefälse eines frisch getöteten Tieres den Eintritt der Totenstarre zu beschleunigen. Die Erfahrung hat nun gelehrt, dafs die aseptische Autolyse vielfach die Möglichkeit bietet, Organen Fermente zu entziehen, die bei direkter Extraktion der Gewebe von den Organzellen be- harrlich festgehalten werden. Dafs sich speziell in den Muskeln postmortale autolytische Vorgänge abspielen, ist bekanntlich schon von Salkowski und seinen Schülern sichergestellt worden, und es lag nahe, an die Möglichkeit zu denken, dafs vielleicht gerade *) Le singole forme della rigidita muscolare nei cadaveri e loro cause. Bulletino d. R. Ace. med. Roma 24, Heft II. 1897—1898. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 545 Prozesse der bezeichneten Art es wären, welche das hypothetische Totenstarre-Ferment erst in Freiheit setzen und aktionsfähig machen. Es ergab sich also zunächst die Frage, ob es möglich sei, aus autolysierten Muskeln ein die Totenstarre auslösendes Fer- ment zu extrahieren. Die Technik der Isolierung umfangreicherer Muskel- partieen zum Zwecke der aseptischen Autolyse bedarf einiger erläuternder Bemerkungen. Dievon Öonradi*)ausgearbeitete Methodik, die sich da, wo es sich um andere Organe und Gewebe handelte, vor- treiflich bewährt hat, liels in diesem speziellen Falle im Stich und zwar offenbar deshalb, weil die grolsen zerfaserten Schnittlächen der Muskeln eine Infektion aulserordentlich begünstigen. Nach zahlreichen vergeb- lichen Versuchen führte nachstehendes Verfahren zum Ziele: Dem Rat des Herrn Prof. Ernst Levy folgend, ging ich derart vor, dals ich einen sehr grolsen Klotz ganz frisch aus dem Schlacht- hause bezogenen Pferdefleisches zunächst für 5 Minuten in kochendes Wasser brachte, um sämtliche in die oberflächlichen Schichten einge- drungenen Keime zu zerstören. Mit Hülfe eines grolsen in kochendem Wasser sterilisierten und überdies unmittelbar vor dem Gebrauche aus- geglühten Messers und einer ebenso behandelten Pinzette wurde sodann der Klotz der Quere nach durchtrennt. Hierauf wurde aus dem Innern desselben eine Anzahl faustgrolser Würfel herausgeschnitten, jeder der- selben sogleich für 3 bis 4 Minuten in kochendes Wasser und schliels- lich aus diesem in ein sterilisiertes, luftdicht verschliefsbares Blech- gefäls übertragen. Bei dieser Prozedur wurde das Gewebe nur im Bereiche einer etwa centimeterbreiten Oberflächenzone koaguliert; das Innere der Fleischstücke blieb intakt und in der Regel wochenlang steril. Bei der jeweiligen Eröffnung der Gefäfse wurde sogleich eine bakteriologische Prüfung des Inhalts durch Impfung auf Agar-Agar und Bouillon vorgenommen. Bei der unter Anwendung der beschriebenen Kautelen bei Brut- ofentemperatur sich vollziehenden aseptischen Autolyse des Muskel- gewebes behält dasselbe lange Zeit eine ziemlich feste Konsistenz. Am Boden des Gefälses pflegt sich eine geringe Menge einer blutig ge- färbten Flüssigkeit anzusammeln. Die Muskelstücke besitzen nur einen schwachen fettsäureartigen, niemals aber käsigen Geruch. In allen jenen Fällen, wo ein solcher Geruch, sowie eine hochgradige Auflockerung und Neigung zum Zerfalle in Fibrillen sich bemerkbar machte, ergab die bakteriologische Untersuchung die erfolgte Infektion. Dais eine sorgfältige Untersuchung in dieser Richtung bei ähnlichen Versuchen unumeänglich notwendig ist und dafs man sich keineswegs auf die Geruchsprüfung verlassen darf, ergiebt sich aus der wiederholten Beob- achtung, dafs auch Fleischstücke, die selbst nach längerem Verweilen *) H. Conradi, Über die Beziehung der Autolyse zur Blutgerinnung. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Stralsburg.) Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. 1, 144 ff. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 35 546 Otto v. Fürth, im Brutschranke nahezu geruchlos geblieben waren, grolse Mengen von Mikroorganismen enthielten. Ich stellte nun einige Versuche folgendermalsen an: Das dem sterilen Gefälse entnommene Fleischstück wurde zerkleinert, mit Quarzsand unter Zusatz physiologischer Kochsalzlösung verrieben und die filtrierte und eventuell neutralisierte Flüssigkeit (etwa 50 ccm) in die Arteria femoralis eines frisch getöteten Hundes oder Kaninchens injiziert, während in die Schenkelarterie der anderen Seite die gleiche Menge physiologischer Kochsalzlösung eingeführt wurde. In dem einen oder dem anderen Versuche beobachtete ich eine merkliche Beschleunigung des Eintritts der Totenstarre in dem mit der Autodigestionsflüssigkeit injizierten Schenkel und glaubte daher . bereits auf eine Bestätigung der oben geäulserten Ver- mutung rechnen zu können. Einige weitere Versuche aber, die in der Art ausgeführt wurden, dafs ich die zu prüfende Flüssigkeit in zwei gleiche Hälften teilte und die eine Portion im nativen Zustande, die andere jedoch nach vorausgegangenem Aufkochen in die beiden Arteriae femorales desselben Tieres injizierte, fielen durchweg negativ aus und ergaben keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme eines „Totenstarrefermentes“. Da manche Gewebsfermente angeblich erst bei Anwendung eines sehr starken mechanischen Druckes den Zellen entzogen werden können, prefste ich in einem Falle das autolysierte Muskel- gewebe nach sorgfältigem Verreiben mit Quarzsand unter Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung mit Hülfe einer Buchner- schen Presse aus, deren Benutzung mir in gütiger Weise von dem Direktor des hygienisch-bakteriologischen Instituts, Herrn Prof. Forster, gestattet worden war. Doch auch dieser Versuch fiel negativ aus. Die bekannte Beobachtung, dals sich die Totenstarre bei Tieren, die unter heftigen Krämpfen zugrunde gegangen sind, besonders schnell und intensiv entwickelt, legte den Gedanken nahe, dals sich vielleicht unter diesen Verhältnissen eine reichlichere Bil- dung des gesuchten Fermentes vollziehe. Ich führte daher einen Versuch in der Weise aus, dafs ich ein Kaninchen mit Strychnin vergiftete.e Nachdem das Tier unter heftigen Krämpfen zugrunde gegangen und seine Muskulatur schnell totenstarr geworden war, wurde dieselbe zerkleinert, mit Quarzsand verrieben und ohne Zusatz einer Extraktionsflüssigkeit in der Buchnerschen Presse unter Anwendung eines Druckes von 200 Atmosphären ausgeprelst. 40 cem von dem so erhaltenen höchst konzentrierten Prefssafte wurden Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 547 in die rechte Schenkelarterie eines frisch getöteten Kaninchens in- jiziert. Gleichzeitig liefs ich die gleiche Menge physiologischer Kochsalzlösung in die linke Arteria femoralis einströmen. In beiden Extremitäten entwickelte sich die Starre fast gleichzeitig. Versuche, von denen später die Rede sein soll, hatten ergeben, dals sich in autolysierten Muskeln eine nicht zu der Kategorie der Fermente gehörige dialysable Substanz findet, welche die Spontan- gerinnung des Muskelplasmas in intensivster Weise hemmt. Man konnte daher daran denken, dals dieses in die Muskelextrakte übergehende Agens möglicherweise die Wirkung eines gleichzeitig vorhandenen Totenstarrefermentes hemme bezw. verdecke. Die aus einenı autolysierten Muskelstücke gewonnene Extraktionsflüssigkeit wurde daher zum Zwecke der Entfernung dieser gerinnungs- hemmenden Substanz gegen flie[sendes Wasser dialysiert, sodann durch Kochsalzzusatz wieder annähernd den Gewebssäften isotonisch gemacht und erst dann in die Schenkelarterie eines frisch getöteten Tieres injiziert. Doch auch hier war von einer Beschleunigung der Totenstarre nichts zu bemerken. Ebenso wenig Erfolg erzielte ich, als ich die aseptische Auto- lyse durch die antiseptische ersetzte. Hundemuskeln wurden vier Monate lang unter Toluolwasser bei Brutofentemperatur gehalten. Die abgegossene Flüssigkeit wurde in einem sterilisierten Scheidetrichter vom überstehenden Toluol befreit, sodann in eine sterilisierte Schale übertragen und darin im Vakuum über Schwefelsäure bei Zimmertemperatur eingedunstet. Der Trocken- rückstand wurde in Wasser gelöst und in der vorbeschriebenen Art auf die Gegenwart eines die Totenstarre einleitenden Fermentes geprüft; auch hier wiederum ohne Erfolg. Die negativen Ergebnisse der Autolyseversuche veranlalsten mich, es mit einem Mittel zu versuchen, das eine noch stärkere Lockerung der Gewebe herbeiführt als die Autodigestion, mit der Trypsinverdauung, doch mit gleich negativem Erfolg. Totenstarre Pferdemuskeln wurden zerkleinert, in physiologischer Kochsalzlösung suspendiert, die Flüssigkeit mit Natriumkarbonat schwach alkalisch gemacht und die Masse zwei Tage lang nach Trypsin- zusatz bei Brutofentemperatur belassen. Sodann wurde filtriert, neutra- lisiert, der Eiweifsniederschlag abäiltriert und die Flüssigkeit schliefslich mit Uranylacetat unter Zusatz von Natriumkarbonat und Natrium- phosphat gefällt. Der Niederschlag wurde auf einem Saugfilter ge- sammelt, mit Sodalösung von 0,2 Proz. verrieben und die nach ein- tägigem Stehen filtrierte Lösung auf einen Kochsalzgehalt von 2 Proz. gebracht. Die nunmehr vorgenommene physiologische Prüfung auf das in Rede stehende Ferment verlief auch hier resultatlos. 35* 548 Otto v. Fürth, Da Fälle bekannt sind, wo ein Ferment nicht in freiem Zu- stande in einem Organe enthalten ist, vielmehr in Form eines Profermentes, das erst durch Säurewirkung aktiviert wird, schien es geboten, auch einen von diesem Gesichtspunkte aus an- gestellten Versuch nicht zu unterlassen. Totenstarre Pferdemuskeln wurden daher mit verdünnter Essig- säure übergossen. Nach drei Tagen wurde die stark gequollene Masse mit Wasser verdünnt, Äiltriert, das Filtrat mit Natriumkarbonat neutra- lisiert und die vom Eiweilsniederschlag befreite klare Flüssigkeit auf einen Kochsalzgehalt von 2 Proz. gebracht. Auch hier fiel die Ferment- prüfung negativ aus. Schliefslich sei noch eines Versuchs gedacht, den ich anstellte, um mich zu vergewissern, ob nicht vielleicht ein im Muskel enthaltenes Proferment durch Kalkentziehung aktiviert werden könne. Zer- kleinerte Pferdemuskeln wurden zu diesem Behufe mit 2 proz. Na- triumfluoridlösung durchgeschüttelt. Das nach viertägigem Stehen gewonnene Filtrat wurde durch Dialyse vom Natriumfluorid befreit, auf einen Kochsalzgehalt von 1!/, Proz. gebracht und durch den Tier- versuch geprüft, der auch hier die Unwirksamkeit der Lösung oifen- barte. Bei allen diesen Versuchen blieb die Frage unberührt, ob etwa bei der Autolyse des Muskels Substanzen nicht enzymati- scher Natur auftreten, die befähigt wären, die Gerinnung des Muskelplasmas zu beschleunigen. Modica (l.c.) fand in der That, dals sich unter den Muskelextraktivstoffen solche finden, die, in das Blutsystem von Fröschen eingebracht, Muskelstarre erzeugen. Es ist dies auch keineswegs überraschend; geht doch z. B. aus den Untersuchungen von Schmidt-Nielsen*) hervor, dafs Xanthin- körper zum mindesten bei der Autolyse des Fischfleisches in reich- lichen Mengen aus höher zusammengesetzten organischen Sub- stanzen abgespalten werden. Da sich nun aus den Versuchen O. Schmiedebergs**) ergiebt, dafs zahlreiche Purinderivate eine dem Koffein analoge starreerregende Wirkung auf das Muskel- gewebe entfalten, die Koffeinstarre aber, meinen früher veröffent- lichten Untersuchungen entsprechend, auf die Gerinnung der Muskel- eiweilskörper zu beziehen ist, ist es sehr wahrscheinlich, dafs man etwa durch Anwendung entsprechend konzentrierter Muskelextrakte *) Sievald Schmidt-Nielsen, Zur Kenntnis der Autolyse. des Fischfleisches. Beiträge zur ch ° ‚»ı0l. u. Pathol. 3, 266. »=*) Q. Schmiedebeı ,‚, Vergleichende Untersuchungen über die pharmakologischen Wirkungen einiger Purinderivate. Ber. d. deutschen chem. Ges. 34, 2550. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 549 sowohl Muskelstarre als auch Gerinnung des Muskelplasmas in vitro hervorrufen könnte. Dals aber derartige Beobachtungen nicht ohne weiteres zur Beurteilung der Erscheinungen der physiologischen Totenstarre verwendet werden dürfen, liegt wohl auf der Hand. Aus den mitgeteilten Versuchen ergiebt sich sonach, dals es mir nicht gelungen ist, Anhaltspunkte dafür :;zu ge- winnen, dafs die Totenstarre durch ein Ferment aus- gelöst wird. Es wäre jedoch sicherlich ganz unstatthaft, daraus den bestimmten Schlufs zu ziehen, dals die Totenstarre in Wirk- lichkeit nicht durch einen enzymatischen Vorgang eingeleitet werde. In einer Frage wie der vorliegenden können nur positive, nicht aber negative Befunde als Beweise anerkannt werden, und es ist natürlich sehr wohl möglich, dals es bei Benutzung anderer Me- thoden doch noch gelingen wird, ein „Totenstarreferment* aus Muskeln zu extrahieren. 2. Versuche betreffend gerinnungshemmende bezw. starrelösende Agentien. 1. Der negative Ausfall der Versuche, ein die Totenstarre auslösendes Ferment aus autolysierten Muskeln zu extrahieren, durfte nicht ohne weiteres als Beweis für das Fehlen eines die Ge- rinnung des Muskelplasmas einleitenden Enzyms angesehen werden. Denn solange nicht der exakte Beweis dafür erbracht ist, dals die Totenstarre thatsächlich durch eine Gerinnung von Muskel- eiweilskörpern hervorgerufen wird, erfordert eine objektive Be- handlung des Gegenstandes ein strenges Auseinanderhalten der beiden genannten Erscheinungen. Als nun die Kochsalzextrakte aseptisch autolysierter Muskeln von dem erwähnten Gesichtspunkte aus untersucht wurden, ergab sich die überraschende Wahrnehmung, dafs dieselben nicht nur nicht fördernd, sondern in hohem Grade hemmend auf die Ge- rinnung der Muskeleiweilskörper einwirken. Die Hemmungswirkung macht sich nicht nur in Bezug auf die im Säugetiermuskelplasma ja nicht sonderlich augenfällige Spon- tangerinnung geltend. In viel schlagenderer Weise tritt sie dort zu Tage, wo die Gerinnung des Muskelplasmas durch Zusatz ge- wisser Agentien (wie z. B. Rhodannatrium oder salicylsaures Natron) in mächtiger Weise gefördert. " Ein Beispiel möge das ver- anschaulichen. In eine Reihe von Probiergläsern wurden je 5 cem frisch berei- tetes Hundemuskelplasma und überdies 5 ccm 1Oproz. salieylsaures 550 Otto v. Fürth, Natron eingefüllt. Eine Hälfte der Proben wurde mit 5 ccm physiolo- gischer Kochsalzlösung versetzt, die andere mit dem gleichen Volumen eines mit Hülfe von physiologischer Kochsalzlösung gewonnenen Fx- traktes aus Kaninchenmuskeln, die fünf Tage lang im Brutofen der Autolyse überlassen worden waren. Die Proben der ersten Reihe be- gannen sich fast momentan zu trüben, und innerhalb einer Stunde bei Zimmertemperatur hatte sich ein mächtiger grobflockiger Niederschlag in der Flüssigkeit abgesetzt. Die anderen Proben dagegen, welche die Extraktionslüssigkeit aus autolysierten Muskeln enthielten, waren noch nach 24 Stunden unverändert. Nachdem zunächst sichergestellt worden war, dafs die Ge- rinnungshemmung nicht etwa auf eine Änderung der Reaktion zu beziehen sei, vielmehr auch der genau neutralisierten Autodigestions- flüssigkeit eigentümlich ist, ergab sich zunächst die Aufgabe, zu ermitteln, welcher Art von Agentien die gerinnungshemmende Substanz angehört. Als wesentlichster Befund ergab sich ohne weiteres, dals die- selbe kein Ferment ist, da sie durch Aufkochen in ihrer Wir- kung nicht geschädigt wird. Es wurde ferner eine Autolysenflüssigkeit durch Eindampfen und viermaliges Auskochen des sirupösen Rückstandes mit absolutem Alkohol in zwei Fraktionen zerlegt und durch den Vergleich der- selben festgestellt, dafs die fragliche Substanz in kochendem Alkohol zwar nicht ganz unlöslich ist, dafs sich jedoch die Hauptmenge der- selben in dem in Alkohol unlöslichen Rückstande findet. | Bei Fällung der Autolysenflüssigkeit mit Schwermetallen findet sich, wie nach Zersetzung der Niederschläge mit Schwefelwasserstoff ermittelt wurde, die gerinnungshemmende Substanz in den Fällungen. Doch ergab ein Fraktionierungsversuch mit Quecksilberacetat, dals die Fällung keineswegs vollständig ist. Da die wirksamen Lösungen stets eiweilsartige Substanzen ent- hielten (Albumosen bezw. Peptone), mufs es einstweilen dahingestellt bleiben, ob das gerinnungshemmende Agens mit einer derselben iden- tisch ist oder nicht. Hinsichtlich des Auftretens desselben ist zu bemerken, dafs es bereits bei kurzdauernder Autolyse beobachtet und auch nach sehr langer Dauer derselben nicht vermifst wird, dals es ebenso bei der aseptischen wie bei der antiseptischen (Toluol-) Autolyse und endlich auch bei der mit Fäulnis einhergehenden Selbstverdauung vorkommt. Einige weitere Versuche bezogen sich auf die Analyse der Hem- mungswirkung in Bezug auf die einzelnen Eiweilskörper des Muskel- plasmas, das Myosin und das Myogen, welche Substanzen mit Hülfe der fraktionierten Ammonsulfatfällung dargestellt worden waren. Die Gerinnung des Myogens erfolgt, wie ich bei früherer Gelegenheit nachweisen konnte, in zwei Phasen, insofern zunächst das bei 35 — 40° koagulierende lösliche Myogenfibrin und erst aus diesem ‚das un- Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. $. w. 55l lösliche Myogenfibrin entsteht. Es ergab sich, dafs sich die Hem- mungswirkung beiden Phasen gegenüber geltend macht, und dals so- wohl der Übergang des Myogens in lösliches Myogenfibrin, als auch die Gerinnung dieses letzteren durch die Anwesenheit der hemmenden Substanz in hohem Mafse verzögert wird. Jedoch auch die Gerinnung des Myosins, welches viel leichter als das Myogen in eine unlösliche Modifikation übergeht, wird durch die Gegenwart des Hemmungsstoifes wenn auch nicht ganz aufgehoben, so doch wesentlich verzögert, und dies auch, wenn seine Tendenz zur Spontangerinnung durch die Gegenwart von Chinin hochgradig ver- stärkt erscheint. 2. Die Beobachtung einer gerinnungshemmenden Substanz in autolysierten Muskeln leitete zur Frage hinüber, ob man denn im- stande sei, aus diesen letzteren ein Enzym zu isolieren, das ge- ronnenes Muskeleiweils wieder zu lösen vermag. Ich hatte bei meinen früheren Untersuchungen zeigen können, dals die von anderen Autoren vertretene Meinung, man könne geronnenes Eiweils durch Salzlösungen wieder in Lösung bringen, auf einer Täuschung beruhte. Dagegen war es von vornherein sehr wahrscheinlich, dafs, falls die Totenstarre wirklich auf einem Gerinnungsvorgang beruht, die Lösung derselben auf eine fermentative Spaltung der Eiweils- gerinnsel in den Muskelschläuchen zu beziehen und mit den autoly- tischen Vorgängen in Zusammenhang zu bringen wäre. Bereits Brücke glaubte ein peptisches Ferment im Muskel gefunden zu haben. Dafs die autolytischen Vorgänge in totenstarren Muskeln aulserordentlich intensive sind und schnell eine weitgehende Spal- tung der nativen Muskeleiweilskörper in grolsem Umfange herbei- führen können, ist inzwischen durch eine wertvolle, im Laboratorium von F. Müller in Basel ausgeführte Untersuchung R. Vogels*) gezeigt worden. Ich habe eine Anzahl von Versuchen, deren detaillierte Aus- einandersetzung hier zu weitläufig wäre, ausgeführt, um ein eiweils- verdauendes Ferment aus Muskeln in verschiedenen Stadien der Totenstarre und Autolyse zu isolieren, und hierbei auch die Vor- sicht gebraucht, als Prüfungsobjekt nicht etwa nur Fibrin u. del., sondern auch spontan geronnenes Muskeleiweils zu verwenden. Die Versuche fielen, soweit ich mit sterilen Flüssigkeiten arbeitete, durch- aus negativ aus. Dort, wo ich Lösung der Eiweilsgerinnsel im *) R. Vogel, Untersuchungen über Muskelsaft. Deutsches Archiv für klinische Medizin 1902, S. 292—326. 552 Otto v. Fürth, Brutofen konstatieren konnte, ergab die bakteriologische Unter- suchung auch die Gegenwart von Mikroorganismen. Auch Vogels Bemühungen, ein eiweilsverdauendes Ferment aus Muskeln zu extrahieren, waren vergeblich. Diesen negativen Befunden gegenüber steht ein positiver von Rosell*), der angiebt, er habe nach der Uranylacetat-Methode ein trypsinoides Ferment in den Muskeln gefunden. Welches die Faktoren sind, welche die Extraktion des eiweils- spaltenden Fermentes aus Muskeln und den Nachweis desselben mit Hülfe der typischen Methoden so sehr erschweren, mag einst- weilen dahingestellt bleiben. Denn dafs ein solches Enzym vor- handen ist, läfst sich angesichts der Art und Intensität der beob- achteten autolytischen Vorgänge kaum bezweifeln. Jedenfalls mahnen aber diese Wahrnehmungen auch zur Vor- sicht in der Verwertung der negativen Befunde, soweit dieselben die Existenz eines „Totenstarrefermentes*“ betreffen. 3. Über die Bedeutung der Säure für das Auftreten und die Lösung der Totenstarre. 1. Aufser der Wirkung fermentativer Agentien ist insbesondere die postmortale Säurebildung im Muskel mit der Toten- starre und ihrer Lösung in Verbindung gebracht worden. Nachdem bereits Kühne im Jahre 1859 beobachtet hatte, dafs Milchsäure einerseits eine Beförderung der Gerinnung des Muskelplasmas, andererseits aber eine Auflockerung der gebildeten Gerinnsel bewirke, hat sich insbesondere Oatherine Schipiloff*) speziell mit dem Studium der Einwirkung von Säuren auf die Muskeleiweifskörper intra und extra corpus beschäftigt. Sie ge. langte auf Grund ihrer Versuche zu der Annahme, die Totenstarre beruhe auf einer durch postmortale Säurebildung bewirkten Fällung der Muskeleiweilskörper, und die Lösung des Rigor mortis sei durch das spätere Auftreten noch grölserer Säuremengen bedingt. Diese Schlufsfolgerung erscheint bei näherer Betrachtung der Voraussetzungen, auf welchen sie beruht, keineswegs einwandsfrei. Denn wenn es auch keinem Zweifel unterliest, dafs man Muskel- eiweilskörper durch Anwendung entsprechend grofser Säuremengen *) M. Rosell, Über Nachweis und Verbreitung intracellulärer Fer- mente. Inaug.-Dissert. Stralsburg 1901. =) 0. Schipiloff, Über die Entstehungsweise der Muskelstarre. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1882, S. 291. >| Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 553 aus ihren Lösungen fällen und dafs man diese Niederschläge in einem Überschusse von Säure wieder lösen könne, so wurde doch durch die Versuche ©. Schipiloffs in keiner Weise der Beweis erbracht oder auch nur versucht, dafs die hierzu erforderlichen Säurequantitäten zur Zeit, wo die Totenstarre auftritt, bezw. sich löst, thatsächlich im Muskel vorhanden sind. Ich habe mir nun zum Zwecke der Klarstellung der Verhältnisse zunächst die Frage vorgelegt, ob und inwieweit die Spontangerin- nung des Muskelplasmas durch die Anwesenheit von Säuremengen gefördert werde, die an sich unzu- reichend sind, um eine direkte Fällung der Eiweifs- körper zu bewirken. Es möge mir gestattet sein, auf einen ein- schlägigen Versuch näher einzugehen. Aus Hundemuskeln wurde mit Hülfe physiologischer Kochsalz- lösung eine Extraktionsflüssigkeit bereitet und in einem Teile derselben die Acidität unter Anwendung von Phenolphthalein als Indikator titri- metrisch festgestellt. Es ergab sich, dafs 100 ccm des Muskelplasmas . zur Neutralisation 18,dcem !/,o-n. NaOH erforderten. Es wurden nun Lösungen in drei Aciditätsgraden untersucht: I. 100 ccm Muskelplasma -+ 18,5 cem !/jo-n. NaOH (dem Neutralisa- tionspunkte entsprechend). 1110057 „ N ohne Zusatz. I177100%,,;, # + 5 cem /jo-n. H,SQ,. Bei einem Säurezusatz von 10 ccm Y/,o-n. H,S0, auf 100 cem Muskelplasma erfolgte bereits direkte Eiweilsfällung. Proben zu je 5ccm von I, U und III wurden nun mit 5ccem von a) salicylsaurem Natron (10proz.), bezw. b) Rhodanammon (10 proz.), bezw. c) physiologischer Kochsalzlösung versetzt und bei Zimmertempe- ratur beobachtet. Es ergab sich nun folgendes: Von den Proben der Serie ce (physiologische Kochsalzlösung) waren die mit dem Aciditäts- grade I und II noch am nächsten Tage unverändert, während sich in den Proben III ein Niederschlag fand. Von den Proben a (salicylsaures Natron) war I noch am nächsten Tage unverändert; II erschien nach einer Stunde schwach, III dagegen stark getrübt; am nächsten Tage enthielten sowohl II als auch III volu- minöse Gerinnsel. Von den Proben der Reihe b (Rhodanammon) enthielten bereits nach !/, Stunde II einen feinflockigen und III einen mächtigen grob- flockigen Niederschlag, während I unverändert geblieben war. Aus diesem Versuche und anderen ähnlich angeordneten er- gab sich, dafs Säuremengen, die zu gering sind, um direkte Eiweifsfällung zu bewirken, immerhin insofern einen merklichen Einflufs geltend machen, als sie die Gerinnung des Muskel- plasmas wesentlich beschleunigen. Da jedoch Muskelplasmen, deren Acidität so weit abgestumpft 554 Otto v. Fürth, ist, dafs selbst das besonders säureempfindliche Phenolphthalein keine Säure mehr erkennen lälst, nicht etwa dauernd ungeronnen bleiben, sondern eine (wenn auch sehr verlangsamte) Spontangerinnung- er- kennen lassen, so kann die Anwesenheit von Säure keines- wegs eine unerläfsliche Bedingung für den Übergang der Muskeleiweilskörper in die geronnene Modifika- tion bilden. Bereitet man mit Hülfe der fraktionierten Salzfällung und nachfolgender Dialyse eine neutrale Myogenlösung, so kann man beobachten, dafs dieselbe sehr lange Zeit (mitunter tagelang) klar bleibt; schliefslich kommt es aber doch zu einer Abscheidung von geronnenem Eiweils, trotzdem dabei, wie titrimetrisch festgestellt werden konnte, von einer Säurebildung nichts zu bemerken ist. 2. Aus Serienversuchen, die derart angestellt wurden, dafs in einer Reihe von Reagiergläsern Eiweilslösung unter Einhaltung der- selben Konzentration mit steigenden Säuremengen zusammengebracht wurde, ergab sich mit grofser Klarheit, dals bereits sehr bald nach Überschreitung des Optimums (d. h. jener Acidität, bei der maximale Eiweilsfällung erfolgt) ein kleiner Säureüberschuls die vollständige Lösung des Niederschlages bewirkt. Bei aufmerksamer Beobachtung zeigte sich nun aber ohne weiteres, dals die Auffassung C. Schipiloffs, der zufolge die Lösung der Totenstarre auf eine Lösung gefällter Muskeleiweils- körper durch ein Plus von Säure im Muskel zu beziehen wäre, un- möglich den thatsächlichen Verhältnissen entsprechen könne. Es ergab sich nämlich, dafs ein durch Säurezusatz in einem Muskelplasma erhaltener Eiweilsniederschlag nur im frisch ge- fällten Zustande in einem Überschusse der Säure leicht löslich ist, bereits nach kurzer Zeit aber alle Eigentümlichkeiten koagu- lierter Eiweilskörper annimmt; er löst sich dann selbst in heilsen konzentrierten Mineralsäuren nur sehr langsam, ist aber in schwäche- ren verdünnten Säuren (z. B. Essigsäure, Milchsäure u. dgl.) voll- kommen unlöslich. Es handelt sich dabei um den bekannten und beim Studium der Muskeleiweilskörper immer wieder in Erschei- nung tretenden Übergang gefällten Myogens und Myosins in Myogen- bezw. Myosinfibrin. Es ist sonach ganz ausgeschlossen, dafs ein zur Zeit des Ein- tretens der Totenstarre etwa durch die Wirkung der Muskelsäure entstandener Eiweilsniederschlag sich noch nach einem oder mehreren Tagen in einem Überschusse dieser Säure lösen könnte. Falls es sich bei der Lösung der Totenstarre wirklich um Verflüssigung Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 555 eines Eiweilsniederschlages handelt, so kommt eine solche sicher- lich nicht durch eine Säure, sondern jedenfalls durch Ferment- wirkung zustande. 3. Es ergab sich nun weiterhin die für das vorliegende Problem wesentliche Frage, ob denn die Eiweilsfällung in einem Muskel- plasma einsetzt, sobald die Säurekonzentration in demselben einen gewissen absoluten Prozentgehalt überschritten hat, oder ob die untere Fällungsgrenze in erster Linie durch die Eiweilskonzentration bedingt wird. Es zeigte sich, dals letzteres zutrifft. So ergab z. B., wie durch Serienversuche festgestellt wurde, ein Kochsalzextrakt aus Muskeln maximale Fällung bei einer Acidität von 14 cem Y/jo-n. Säure auf 100 ccm Plasma. 100 ccm derselben aufs Doppelte ver- dünnten Extraktionsflüssiekeit wurden durch 6 bis 8cem !,]-n. Säure maximal gefällt, bei vierfacher Verdünnung aber bereits durch 2 bis £cem !/,y-n. Säure. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dafs man bei allen Versuchen dieser und ähnlicher Art niemals aulser acht lassen darf, dafs Wasser eine Myosinfällung in Muskel- plasmen bewirkt. Man hat sich daher zur Verdünnung einer physio- logischen Kochsalzlösung zu bedienen und mufs auch die Säure vor dem Zusatze auf einen entsprechenden Neutralsalzgehalt bringen. Die löslichen Eiweilskörper des Muskels zeigen, wie man sieht, in- sofern einen basischen Charakter, als eine bestimmte Menge von Alkali abgestumpft werden mufs, bevor ihre Fällung durch eine Säure beginnt. Beachtenswerterweise gelingt es aber in keiner Weise, aus einem Muskel- plasma alles Eiweils durch noch so vorsichtigen Säurezüsatz niederzu- schlagen. Die Fällung bleibt unter allen Umständen eine sehr unvoll- ständige. 4. Aus dem Mitgeteilten geht hervor, dafs die Frage, ob die Totenstarre auf eine direkte Eiweilsfällung durch die ım Muskel nach dem Absterben entstandene Säure bezogen werden darf, ohne genaue Berücksichtigung der absoluten Säuremenge, die sich in der Gewichtseinheit des Muskels postmortal entwickelt, einerseits und der Eiweiflskonzentration des nativen in den Muskelschläuchen enthaltenen Plasmas andererseits überhaupt nicht diskutiert werden könne. Was zunächst den ersteren Faktor betrifft, kommt es dabei natürlich nur auf die Zunahme der Säure post mortem an, nicht aber auf die absolute Menge freier Säure, die im Muskel über- haupt enthalten ist. Ich konnte also von den weitläufigen Über- 556 Otto v. Fürth, legungen, durch welche Faktoren die Acidität der Muskeln be- dingt wird, ob durch saure Salze oder durch freie Säuren, ganz absehen. Da es mir nicht um theoretisch richtige, sondern um sicher vergleichbare Werte zu thun war, schien mir die Verwendung des sehr säureempfindlichen Phenolphthaleins als Indikator für die Bestimmungen der Aciditätszunahme am zweckmälsigsten zu sein. In Bezug auf die über diesen Gegenstand bereits vorliegenden Erfahrungen sei hier namentlich auf die eingehenden Unter- suchungen von Röhmann*) und von Heffter**) hingewiesen. Röhmann fand für 100 & frischer Hunde- bezw. Kaninchen- muskeln eine Acidität entsprechend 28,2 bis 48,7 ccm 1/,on.H, SO, (für Curcuma), bezw. 32,5 bis 41,0 cem 1/,o-n.H, SO, (für Phenol- phthalein); dagegen für 100 & totenstarrer Muskeln 32,8 bis 72,0 ccm /o-n.H, SO, (für Curcuma), bezw. 42,0 bis 69,6cem !/on. H,SO, (für Phenolphthalein. Der beobachtete Unterschied zwischen frischen und starren Muskeln schwankte in den einzelnen Ver- suchen zwischen 2,0 und 31,8cem !/,o-n.H, SO, für 100% Muskeln. Ich ging nun derart vor, dafs ich dem Tiere unmittelbar nach dem Tode Muskeln entnahm, dieselben fein zerhackte und nun von dem gut durchgemischten Muskelbrei sogleich eine Anzahl Por- tionen von 30 bis 50 & auf Dezigramme genau abwog. Ein Teil der- selben wurde sogleich abgekocht, der Rest aber im Eisschranke kürzere oder längere Zeit aufbewahrt und erst dann untersucht. Die Technik der einzelnen Aciditätsbestimmungen gestaltete sich sehr einfach. Die abgewogene Muskelmasse wurde einige Minuten lang mit Wasser gekocht, die Flüssigkeit sodann in einen grölseren Kolben hineinfiltriert und der Vorgang viermal wiederholt. Die Extraktions- flüssigkeit wurde dann unter Anwendung von Phenolphthalein titriert. Bei einiger Übung lassen sich Verluste bei der Manipulation unschwer vermeiden. Die Vollständigkeit der Extraktion ist unter diesen Um- ständen eine für die Zwecke dieser Versuche durchaus ausreichende. Ich führe die Ergebnisse dieser Bestimmungen tabellarisch an: Es ergab sich für die Extrakte aus je 100g Muskeln folgende Acidität: I. (Muskeln vom Hund) Differenz frisch untersucht. . . . 24,0ccm !/,o-n. Säure | 30,7 \ Mittel 31,7cem | 7,7 ccm !/\o-n. Säure 33,8 | !/o-n. Säure „ 2 Tagen untersucht 36,8 5, Las ei nach 1 Tag untersucht *) F. Röhmann, Über die Reaktion der quergestreiften Muskeln. Pflügers Arch. 50, 88 (1891). — Kritisches und Experimentelles zur Frage nach der Säurebildung im Muskel bei der Totenstarre. Ebenda 55, 589 (1894). ”*) A. Heffter, Beiträge zur Chemie des quergestreiften Muskels. Arch. f. exp. Path. 31, 225 (1893). oO ot — Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. II. (Muskeln vom Hund) Differenz frisch 31,0 cem 1/,y-n. Säure y 1 S I nach 3 Tagen is) Mittel 40,1ccm !/,o-n. Säure | 9,1 cem !/o-n. Säure III. (Muskeln vom Hund) frisch SH Mittel 27,3 cem !/o-n. Säure | h MT 36,2] { 8,8 ” ” 2) nac 1 ag 35 9| ” 36,1 ” ” ” | IV. (Muskeln vom Kaninchen) frisch Mittel 31,5 cem !/,o-n. Säure | 37,7] 9 | ET nach 1 Tag 387, DIS AR En 4 V. (Muskeln vom Kaninchen) frisch 37,3 ccm 1/,o-n. Säure | 76 mache Mas. 44,9: „ a I % Ze? 5. Da die mitgeteilten Versuche ergeben hatten, dafs die post- mortale Aciditätszunahme im Säugetiermuskel nur innerhalb ziem- lich enger Grenzen schwankt, konnte nunmehr die Frage unter- sucht werden, ob die beobachtete Säurebildung ausreicht, um in dem die Muskelschläuche erfüllenden Muskel- plasma eine Eiweifsfällung zu bewirken. Es liels sich das in einfacher Weise konstatieren, indem man die Muskeln eines frisch getöteten Tieres möglichst rasch ohne jeden Reagentien- zusatz unter starkem Drucke ausprelste und das so gewonnene un- verdünnte Muskelplasma sogleich mit jener Säuremenge versetzte, die erfahrungsgemäls zur Wirkung gelangt wäre, wenn man den Muskel in intaktem Zustande den normalen postmortalen Verände- rungen überlassen hätte. Es mufste sich so herausstellen, ob eine direkte Beeinflussung der Muskeleiweilskörper erfolgt oder nicht. Durch Serienversuche, bei denen eine Reihe von Eprouvetten mit der gleichen Menge des Muskelplasmas und mit kontinuierlich steigenden Säurequantitäten beschickt wurde, konnte genau fest- gestellt werden, bei welcher Acidität das betreffende Plasma that- sächlich gefällt wird. Dergleichen Versuche bedürfen natürlich sorgfältiger Vor- bereitungen, um die zahlreichen notwendigen Manipulationen ent- sprechend schnell durchführen zu können. Es gelang mir, dieselben derart einzurichten, dals ich innerhalb einer Stunde nach dem Tode der Tiere die Serienversuche an dem mit Hülfe der Buchner- schen Presse gewonnenen Prelssafte ausführen konnte. 558 Otto v. Fürth, Ein so gewonnener frischer Pre[ssaft aus Kaninchenmuskeln wurde bereits bei Zusatz einer Säuremenge von 2,7 bis 3,5 ccm 1/ıo-n. H,SO, auf 100 com Plasma direkt gefällt; ein Plasma von Hundemuskeln dagegen bei einer Acidität entsprechend 5,7 cem !/,,.n.H, SO, auf 100 ccm Flüssigkeit. Vergleicht man diese Werte mit denjenigen, welche für die postmortale Zunahme der Acidität ermittelt worden sind (6,7 bis 12,8 cem pro 100 & Muskel), so ergiebt sich der Schlufs, dafs die gesamte nach dem Tode im Muskel auftretende Säuremenge thatsächlich ausreichen dürfte, um eine Eiweifsfällung im Muskelplasma zu bewirken*). 6. Es wäre nun aber sehr voreilig, aus dieser Beobachtung ohne weiteres den Schluls zu ziehen, eine durch die postmortal auftretende Muskelsäure hervorgerufene Eiweilsfällung sei als Ur- sache der Totenstarre anzusehen. Ein solcher Schluls wäre (ganz abgesehen davon, dafs der strenge Beweis dafür, dafs die Toten- starre überhaupt durch eine Eiweifsfällung oder -gerinnung hervor- gerufen wird, noch aussteht) nur dann einigermalsen berechtigt, wenn man zeigen könnte, dals die zur Fällung der Plasma- eiweilskörper erforderliche Säuremenge im Muskel be- reits zu jener Zeit angehäuft ist, wo die Totenstarre be- ginnt. Ich führte nun zur Klarstellung des Sachverhaltes folgenden Ver- such aus: Aus den Extremitätenmuskeln der einen Körperhälfte eines frisch getöteten Hundes wurde, wie oben, möglichst schnell Prefssaft hergestellt, wobei ich die Muskulatur der oberen und der unteren Fx- tremität getrennt verarbeitete. In abgewogenen Proben des frischen Muskels wurde aufserdem die Acidität bestimmt. Serienversuche er- gaben, dafs diese beiden Prefssäfte (ohne Reagentienzusatz gewonnen) bei einer Aciditätszunahme von 13,2 bis 14,7 cem !/,o-n. H, SO, direkt gefällt wurden. An den intakten Extremitäten der anderen Seite wurde *) Eine Berechnung, wie die oben angeführte, kann natürlich nur Näherungswerte ergeben. Es ist dabei zu beachten, dals der Buchnerprels- saft ein nicht ganz unverdünntes Muskelplasma repräsentiert. Dem Inhalte der Muskelschläuche wird dabei etwas Blut und Gewebslymphe beigemenst, Andererseits ist aber zu bedenken, dals 100g Muskelgewebe keinesweos gleich- bedeutend sind mit 100 cem Muskelplasma. Denn selbst angenommen, das Muskelplasma hätte ein gleiches spezifisches Gewicht wie das feste Gewebe, so okkupiert es doch nur eben jenen Platz, der durch das Stroma übriggelassen wird. Wollten wir uns vorstellen, dafs die postmortal entstandene Säure in ihrer Gesamtheit nur auf das Plasma verteilt ist, so müssen wir für ihre prozentische Konzentration in demselben einen noch höheren Wert berechnen, als wir es oben gethan haben. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 559 der Eintritt der Totenstarre beobachtet, die in diesem Falle in oberen und unteren Extremitäten nahezu gleichzeitig, nach drei Stunden, voll entwickelt war. Nunmehr wurde wieder in entnommenen Muskelproben die Acidität festgestellt. Der Versuch ergab: Untere Extremität: Acidität von 100g frischer Muskeln: 34,3 cem !/jo-n. Säure (Indikator: Phenolphthalein) a R „ „ totenstarrer Muskeln, 3 Stunden post mortem: 36,3 ccm 1/|,-n. Säure Aciditätszunahme für 100g Muskeln: 3,0 ccm !/o-n. Säure. Obere Extremität: Acidität von 100 g frischer Muskeln: 33,3 ccm 1/,,-n. Säure & » 5» totenstarrer Muskeln, 3 Stunden post mortem: 33,3 ccm 1/,p-n. Säure Aciditätszunahme für 100g Muskeln 0. Dieser Versuch lehrt in klarer und eindeutiger Weise, dafs zu jener Zeit, wo die Totenstarre bereits voll entwickelt war, höchstens ein Bruchteil jener Säuremenge, die zu einer direkten Fällung der Muskeleiweilskörper erforderlich wäre (in diesem Falle 13,2 bis 14,7 ccm), wirklich vorhanden war. Es erscheint also aus- geschlossen, dals die Totenstarre durch eine Säurefäl- lung von Muskeleiweilskörpern bedingt wird. Dagegen scheint aus den oben mitgeteilten Versuchen hervor- zugehen, dafs, wenn die postmortale Säurebildung im Laufe eines oder mehrerer Tage in dem Muskel fortschreitet, es doch noch nach- träglich in dem schon totenstarr gewordenen Organ zu einer direkten Säurefällung von ungeronnen gebliebenen Plasmaeiweilskörpern kommen kann. 7. Wenn man also das ursächliche Agens für die Auslösung der Totenstarre keineswegs mit der postmortalen Säurebildung identifizieren darf, so würde man doch wohl zu weit gehen, wenn man jede Beeinflussung der Totenstarre durch den Aecidi- tätsgrad des Muskels in Abrede stellen wollte Bekanntlich unterliegt die Totenstarre hinsichtlich der Schnelligkeit ihres Auf- tretens und ihrer Intensität grofsen individuellen Schwankungen. Alle Beobachter stimmen aber darin überein, dafs hochgradige Muskelanstrengungen, Krämpfe u. dgl. unmittelbar vor dem Tode die Totenstarre aufserordentlich befördern. Nun steht es aber bekanntlich fest, dafs dieselben physiologischen Faktoren auch die Aeidität der Muskeln steigern. Es liegt daher nahe, anzu- 560 Otto v. Fürth, nehmen, dafs z. B. die Muskeln eines mit Strychnin vergifteten Tieres deswegen so schnell starr werden, weil sie viel mehr Säure enthalten und diese einen fördernden Einfluls auf den durch ein anderes physiologisches Moment (vielleicht ein fermentatives Agens) ausgelösten Gerinnungsvorgang im Muskelplasma geltend macht. Auch für die Erscheinungen der toxischen „Arbeitsstarre“, wie sie Pohl bei der Vergiftung durch monobromessigsaures Natron und Santesson bei der Chininvergiftung beok,. ;litet hat, und die dadurch charakterisiert erscheint, dals der Muskel nur nach einer vorhergegangenen Arbeitsleistung in den Zustand der Muskel- starre übergeht, dürfte sich aus den mitgeteilten Beobachtungen eine ungezwungene Erklärung ergeben. Wie ich bei früherer Ge- legenheit ermittelt habe, befördern die genannten Substanzen, wie überhaupt alle jene chemischen Agentien, welche geeignet sind, eine künstliche Muskelstarre am lebenden Tiere zu erzeugen, nach- weisbar die Gerinnung der Muskeleiweiflskörper in vitro. Man ge- langt so zu der Vorstellung, dafs die Wirkung der erstgenannten Gifte im Tierkörper nur dann zu einer wirklichen Koagulation der Muskeleiweilskörper führt, wenn der gerinnungsbefördernde Einflufs derselben durch eine (im Anschluls an die Muskelarbeit erfolgende) Erhöhung des Säuregehalt., im Muskel kräftig gesteigert wird. 8. Im Anschlusse an die mitgeteilten Beobachtungen habe ich auch einige Versuche betreffend die Säurestarre an lebenden Tieren ausgeführt. Setzt man einer bestimmten Menge Muskelplasma allmählich immer mehr und mehr Säure zu, so gelangt man, wie erwähnt, schliefslich zu einem Punkte, wo die Eiweilskörper auszufallen be- ginnen. Diese Fällungsgrenze ist, wie wir gesehen haben, in erster Linie durch die Eiweilskonzentration des Muskelplasmas bedingt, und man kann dieselbe natürlich ebenso gut durch Zusatz einer relativ geringeren Menge einer konzentrierteren, wie durch eine entsprechend grölsere Menge einer verdünnteren Säure erreichen. Es war nun von Interesse, festzustellen, wie sich das in den Muskelschläuchen eines lebenden Tieres enthaltene Muskelplasma in dieser Hinsicht verhält. Mufs man, um zur Fällungsgrenze, d. h. zum Eintritte der Säurestarre zu gelangen, eine bestimmte abso- lute Säuremenge, gleichgültig in welcher Verdünnung, zu- führen? Oder ist gerade die Konzentration der Säure das Mafsgebende, derart, dals man bis zu einer gewissen Konzentra- Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. s. w. 561 tionsgrenze beliebige Säuremengen durch die Muskelgefälse passieren lassen kann, ohne die Starre auszulösen, während jede weitere Steigerung der Konzentration sofort zur Gerinnung der Eiweils- körper in den Muskelschläuchen führt? Ich konnte mich überzeugen, dafs letzteres der Fall ist. Ich liefs langsam einen Strom säurehaltiger physiologischer Kochsalz- lösung in die Arteria femoralis eines durch Verblutung frisch ge- töteten Hundes einflielsen und durch die Vena femoralis wieder ausströmen und steigerte dabei stufenweise von 50 zu 50cem die Säurekonzentration. Bei einer Acidität von 30 ccm !/jo-n. H,SO, auf 100 ccm Flüssigkeit war noch kein Einfluls zu bemerken; bei einer weiteren Steigerung der Acidität (35 cem Yjo-n. Säure : 100) ent- wickelte sich alsbald die Säurestarre. Es steht dieser Befund mit dem oben mitgeteilten Bestim- mungen der Acidität des frischen Hundemuskels (24—31 ccm 1/;o-n. Säure pro 100g Muskel) im Einklang. Es erfolgt eben ein osmotischer Austausch zwischen der Transfusionsflüssigkeit und dem Inhalte der Muskelschläuche, und erst wenn die Säurekonzentration aulserhalb der Sarkolemmschläuche gröfser ist als innerhalb, wird die Säure in das Muskelplasma hineindiffundieren und dasselbe *ällen können. Ein ähnlicher Versuch am Frosche, wobei die Transfusions- flüüssigkeit durch den Arterienbogen einflols, ergab eine Acidität von 25cem !/jo-n. Säure pro 100 cem Flüssigkeit als Grenzwert der Fällung. 9. Schlielslich sei hier noch einer Reihe von Beobachtungen gedacht, die sich auf die Natur der postmortalim Muskel auftretenden Säure beziehen. Bekanntlich weisen die Litteratur- angaben über diesen Gegenstand erhebliche Widersprüche auf. Die verbreitete Meinung, es handle sich um Milchsäure, ist durch- aus nicht von allen Autoren angenommen worden. Weyl und Zeitler*) fanden bei ihren Versuchen, dafs die Menge anorganischer Phosphorsäure im Muskel beim Tetanus merklich zunimmt, während gleichzeitig die organisch gebundene, in lecithinartigen Substanzen enthaltene Phosphorsäure eine ent- sprechende Abnahme erfährt. Es lag daher nahe, an die Möglichkeit zu denken, dafs auch *) Weyl und Zeitler, Über die saure Reaktion des thätigen Muskels und über die Rolle der Phosphorsäure beim Muskeltetanus. Zeitschrift für physiol. Chemie 6, 557. Beitr. z. chem. Physiologie. III. 36 562 Otto v. Fürth, die postmortale Aciditätszunahme wenigstens zum Teile auf Rech- nung von Phosphorsäure zu setzen wäre, die durch Spaltungsvorgänge nicht nur aus lecithinartigen Substanzen, sondern auch aus Verbin- dungen von der Art der Inosinsäure und Phosphorfleischsäure ent- stehen könnte. Ich habe daher bei einer Anzahl von Tieren den Gehalt an anorganischer Phosphorsäure in frischen und totenstarren Muskeln verglichen. Die Bestimmungen wurden auf titrimetrischem Wege ausgeführt, da diese Methode einen schnellen und für die Zwecke dieser Untersuchung ausreichenden Überblick gestattet. Die Technik der Untersuchung gestaltete sich derart, dafs ie 30 der feingehackten Muskeln teils frisch, teils totenstarr abge- wogen und mit viermal erneuerten Portionen Wasser ausgekocht wurden. Die Extraktionsflüssigkeit wurde in einem Mefskolben von !/, Liter Gehalt filtriert und bis zur Marke aufgefüllt. Dann wurden von der gut umgeschüttelten Flüssigkeit Portionen von je 150 cem im Mels- kolben abgemessen. Der Inhalt eines solchen wurde in einen grölseren Kolben quantitativ übergespült, mit genau 5 Tropfen einer Cochenille- tinktur und mit 10 ccm einer Natriumacetatlösung versetzt (100 & Natriumacetat und 30cem Eisessig ım Liter enthaltend). Sodann wurde aufgekocht, eine Uranylacetatlösung von bekanntem Gehalte (1 cem — 0,001 gr P,; O;) portionenweise zugesetzt, immer wieder aufgekocht und (event. nach Filtration einer kleinen Probe) beobachtet, wann die röt- liche Färbung der überstehenden Flüssigkeit eben geschwunden war. Das Verschwinden der Rotfärbung wurde als Endreaktion angesehen *). Es fanden sich in je 100g Muskeln: I. Kanınchen: frisch nach 2 Tagen frisch nach Kochen mit 0,311 0,338] verdünnter Salzsäure 0,311] 542% 0,350| 8:20 0.383) 5 5 0,322) 0,344] ec an: Ve? 0,338| ” 0,361 TR 0300 en) a 0,355 5» I. Kaninchen: nach 2 Tagen 0,338] 0350| 5P2% *) Die Anwendung des bei der Harnanalyse üblichen Verfahrens, wobei das Auftreten einer grünen, beim Kochen nicht verschwindenden Färbung des Niederschlages als Endpunkt angesehen wird, erwies sich in diesem Falle nicht als brauchbar, da auf diese Weise keine ausreichend scharfe Endreaktion erzielt werden konnte. Da es sich hier nicht um abso- lute Werte, sondern um Vergleichswerte handelt, erscheint die erwähnte Modi- fikation statthaft. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. 8. w. 563 III. Kaninchen (durch Curare getötet): frisch nach 1 Tag mit Salzsäure gekocht 0399|, 5 VB en 0,377 g P,O, 0,317| 8P2% 0,398] 872% 0,366. , 0,300 0,333) 0311 ” „ 0,341] ” ” 0,322) 0,328) 883,” ” 0,322 | ” „ IV. Kaninchen (nach 31/, stündiger Curarelähmung bei künstlicher Respiration getötet): frisch nach 5 Tagen 0,337 & P,0, 0,372 g Py 0; VB. 0,405 | 0,417| ” ” V. Kaninchen: frisch nach ] Tag 0,309) _ 0,329) 0,309] & #2 o,31| & 2 0,322] 0:32 Dr en Dssar > Aus diesen Beobachtungen läfst sich so viel entnehmen, dafs von der im Muskel angehäuften organisch gebundenen Phosphor- säure, während die postmortale Autolyse des Muskelgewebes fort- schreitet, ein Teil allmählich in anorganische Phosphorsäure über- geführt wird. Es steht dieser Befund durchaus im Einklange mit älteren Beobachtungen Salkowskis”), der bei der Autodigestion von Organen und speziell auch von Muskeln Spaltung von phos- 'phorhaltigen Substanzen zu beobachten vermochte. Dagegen wider- spricht er (soweit ich einem mir vorliegenden Referat entnehmen 'kann) den Beobachtungen Magnanimis**), der zur Zeit der Lösung der Totenstarre eine Abnahme des Phosphorsäuregehalts von Muskel- extrakten gefunden zu haben scheint. Was nun aber die uns hier in erster Linie interessierende Frage betrifft, ob die zur Zeit des Einsetzens der Toten- starre beobachtete Aciditätszunahme auf das Freiwerden von anorganischer Phosphorsäure bezogen werden könne, so glauben wir, dieselhe verneinend beantworten zu müssen. Denn selbst nach 24 bis 48 Stunden ist eine zweifellose, aufser- *) E. Salkowski, Über die Autodigestion der Organe. Zeitschr. f> ‚klin. Med. 17, Suppl.-Bd., 77—100. ®»®) Magnanimi, Chemische Veränderungen in den Muskeln bei der Totenstarre. Soc. lancisiana Roma, Febr. 1901. (Cit.nach Jahresber. f. Tier- chemie 31, 553.) 36° 564 Otto v. Fürth, halb der Fehlergrenzen fallende Phosphorsäurezunahme nicht zu konstatieren [frische Muskeln 0,311—0,357 g P,O, in 100 g Muskeln *); Muskeln 1—2 Tage post mortem 0,522—0,555g P,0;]. Die Befunde finden eine willkommene Ergänzung in den kürz- lich veröffentlichten Versuchen W. A. Osbornes**), welche die Beziehungen der Milchsäurebildung zum Rigor mortis zum Gegenstande haben. Unter Anwendung eines neuen Verfahrens zur quantitativen Bestimmung der Milchsäure vermochte Osborne zu konstatieren, dals die postmortale Bildung von Milchsäure im Säugetiermuskel thatsächlich sofort nach Aufhören der Zirkulation einsetzt und dafs dieselbe durch Reizung des Muskels gesteigert wird. Man hat daher nunmehr keinen triftigen Grund, daran zu zweifeln, dafs es sich bei der postmortalen Säurebildung im Muskel in Wirklichkeit um Milchsäure handelt, wie dies ja die älteren Physiologen auch meist angenommen haben. 4. Bedeutung des Kalkes für das Auftreten der Muskelstarre. 1. Neben der postmortalen Säurebildung war es noch ein anderer Faktor chemischer Art, der von älteren Autoren mehrfach mit den Gerinnungsvorgängen im Muskelplasma in Zusammenhang gebracht wurde, nämlich der Kalkgehalt desselben. Nachdem man die Beziehungen der im Blute enthaltenen Kalkverbindungen zu den Vorgängen der Fibringerinnung erkannt hatte, lag es nahe, ähnliche Verhältnisse bei der Gerinnung des Muskelsaftes zu ver- muten, und so hat namentlich Danilewsky***) auf den Kalk- gehalt des Muskeleiweilsgerinnsels nachdrücklich hingewiesen. Später behauptete Cavazzaniy), dals das Kaliumoxalat, ähnlich wie es die Blutgerinnung infolge Kalkbindung zu hindern vermag, auch der Gerinnung des Muskelplasmas und infolgedessen dem Auftreten der Totenstarre entgegenwirke. Doch vermochten Howell und Locker) seine Angaben nicht zu bestätigen. Da ich bereits gelegentlich einer früheren Untersuchung mich *), Weyl und Zeitler (loe. cit.) fanden 0,283—0,341o P,0, in 100 frischer ruhender Muskeln. =) W. A. Osborne, Journ. of Physiol. 26, IL—L, 1901. ==) A, Danilewsky, Myosin, seine Darstellung u. s..w. Zeitschr. f. physiol. Chem. 6, 158 ff. 7) Cavazzani, Del azione dell’ ossalato potassico sul plasma musculare. Riform. Med. 1892, S. 151—132 (eit. n. Jahresber. f. Tierchemie 1892, 8. 333). ir) F. S. Locke, Note on Oxalates and Musele-Rigor. Journ. of Physiol. 17, 293—295, 1894—1895. Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. 8. w. 565 überzeugt hatte, dals Calciumsalzlösungen in gröfseren Konzentra- tionen einen fördernden Einflufs auf die Gerinnung einer Myogen- lösung ausüben, waren Versuche zur Klärung der Frage, ob die Anwesenheit von Kalksalzen im Muskelplasma zu der Gerinnung desselben in Beziehung stehe, am Platze. Ich extrahierte Pferdemuskeln mit verdünnter Natriumfluoridlösung, um ein nach Möglichkeit von Calcium befreites Muskelplasma zu ge- winnen, und stellte daraus durch Dialyse und Erhitzen auf 56° eine von Salzen und anderen Eiweilskörpern befreite Myogenlösung her. Zu je 5ccm derselben wurden hinzugefügt: a) 5ccm physiologische Kochsalz- lösung; b) 5eem 10 proz. salicylsaures Natron; c) 5 ccm 10 proz. salicyl- saures Natron und 0,5cm 10 proz. Caleciumchlorid; d) 5ccm 10 proz. Rhodannatrium und e) 5 ccm 10 proz. Rhodannatrium und 0,5 cem 10 proz. Caleiumchlorid. Nach einigen Stunden war nicht nur a, sondern auch b und d unverändert, während die kalkhaltigen Proben e und e massenhafte Gerinnsel gebildet hatten. Weitere Versuche ergaben, dals dieses Ergebnis nicht etwa auf eine saure Reaktion der Kalksalzlösung zu beziehen ist (denn auch eine ammoniakalische Lösung hat die gleiche Wirkung) und dafs auch eine sehr geringe Menge Calciumchlorid (0,1 Proz.) genügt, um die Erscheinung in voller Deutlichkeit hervor- zurufen. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dals die Gerinnbar- keit des Muskelplasmas durch Zusatz geringer Mengen von Kalksalzen wesentlich erhöht wird. Dals aber die Anwesenheit anorganischer Kalkverbindungen keine notwendige Bedingung für die Spontangerinnung der Muskeleiweilskörper bildet, ergiebt sich aus der Beobach- tung, dals eine künstlich von Kalk befreite Myogenlösung zwar sehr spät, aber schliefslich doch noch spontan koaguliert. Wir werden daher schwerlich fehlgehen, wenn wir einen grölseren oder geringeren Gehalt des Muskelplasmas an Kalksalzen, ebenso wie eine grölsere oder geringere Acidität desselben jenen physiologischen Bedingungen zurechnen, welche den zeitlichen Ablauf der Spontangerinnung mit beeinflussen. 2. Falls nun die Erscheinungen der Gerinnung des Muskel- plasmas in vitro und des Einsetzens der Totenstarre wirklich ein- ander parallel gehen, mufste man erwarten, dafs die Bindung der im Muskel enthaltenen Kalksalze durch kalkfällende Mittel, Cavaz- zanis erwähnten Beobachtungen entsprechend, eine Verzögerung des Eintritts der Totenstarre zur Folge habe. Ich war daher nicht wenig überrascht, zu sehen, dafs sich bei Injektion einer 5proz. Natriumfluoridlösung in die Schenkel- arterie eines frisch getöteten Kaninchens die erwartete Verzöge- 566 Otto v. Fürth, rung der Totenstarre nicht nur nicht bemerkbar machte, dafs sich vielmehr fast augenblicklich und regelmälsig eine hochgradige Muskelstarre einstellte. Binnen !/, Stunde waren sämtliche Ge- lenke der betreffenden Extremität maximal gestreckt und fixiert und alle Muskeln hart und voluminös, während die mit dem gleichen Volumen 5 proz. Natriumchloridlösung injizierte Kontroll- extremität noch nach einer Stunde und später weich und beweglich erschien. Analoge Versuche an Fröschen ergaben schwankende Resultate. Ich mufste nun erwarten, dafs das Natriumfluorid jenen Agen- tien zuzuzählen sei, welche die Gerinnung des Muskelplasmas fördern. Denn ich hatte gelegentlich meiner früheren Untersuchungen beobachten können, dals alle jene Agentien, welche Muskelstarre erzeugen, auch die Gerinnung des Muskelplasmas beschleunigen und verstärken. Und als ich jüngsthin das Natriumperchlorat, das nach Hans Meyer den Muskelstarre erzeugenden Giften zu- zurechnen ist, in dieser Richtung prüfte, konnte ich ebenfalls eine gerinnungsbefördernde Wirkung wahrnehmen. Es war mir daher doppelt überraschend, zu beobachten, dafs das Natriumfluorid die Gerinnung des Muskelplasmas keineswegs fördert, sondern eher hemmt. Ein mit dem gleichen Volumen 5proz. Natriumfluoridlösung versetztes Muskelplasma war nach drei Tagen bei Zimmertemperatur noch völlig klar geblieben, während sich die mit 5proz. Natriumchloridlösung versetzte Kontrollprobe schon nach einem Tage infolge Abscheidung von geronnenem Eiweils getrübt hatte. Die Natriumfluoridstarre läfst sich daher nicht in dem gewöhnlichen Schema unterbringen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Erscheinung besonderer Art, deren genaueres Studium ich weiteren Untersuchungen vorbehalten möchte. 3. Dals aber das genauere Studium der Erscheinungen der chemischen Muskelstarre nicht nur ein toxikologisches, sondern auch ein rein physiologisches Interesse bieten dürfte, scheint mir aus einigen neuen Beobachtungen hervorzugehen. Es war mir bei meinen älteren Versuchen über die Einwirkung von Giften auf die Eiweilskörper des Muskelplasmas aufgefallen, dafs zwar, wie er- wähnt, alle Starre erregenden Gifte die Gerinnung des Muskel- plasmas in vitro fördern, dafs aber nicht das Umgekehrte gilt. Gerade jene Substanzen, welche extra corpus die Spontangerinnung des Muskelplasmas in mächtigster Weise beschleunigten, wie das Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper u. 8. w. 567 Rhodannatrium und das salicylsaure Natron, versagten, in die Muskelgefälse eines lebenden Tieres gespritzt, gänzlich und erwiesen sich als untauglich, Muskelstarre zu erzeugen. Ich. habe nunmehr beobachtet, dals es unter Umständen ge- lingt, fast momentan Muskelstarre höchsten Grades zu erzeugen, wenn man .eine Lösung dieser Salze in die Muskelgefälse eines frisch getöteten Säugetieres einströmen lälst, noch sicherer aber, wenn man der Injektionsflüssigkeit eine geringe Menge eines Cal- ciumsalzes hinzufügt. Weit weniger schlagend waren die Versuche an Fröschen. Doch sah ich auch hier in einem Falle nach Injektion von salieyl- saurem Natron ausgesprochene Muskelstarre eintreten, nachdem ich durch eine vorhergehende Injektion von arsenigsaurem Natron die Muskeln zum Absterben gebracht hatte. Aus diesen Versuchen, die natürlich nach vielen Richtungen hin einer Ausgestaltung bedürfen, scheint mir einstweilen so viel bervorzugehen, dafs wir in den genannten Substanzen Reagentien besitzen, die mit grolser Schärfe einen bestimmten physiologischen Zustand des Muskels zu er- kennen gestatten. Über die Natur der zugehörigen Zustands- änderung hoffe ich bei späterer Gelegenheit berichten zu können. Zum Schlusse noch einige Worte über das Bild, welches die Spontangerinnung des Muskelplasmas darbietet, da darüber, wie es scheint, vielfach irrige Meinungen verbreitet sind. Erscheinungen, die einigermalsen an die Gerinnung des Blutes erinnern, nämlich ein gallertiges Erstarren der ganzen Flüssigkeit, beobachtete ich ausschliefslich am Muskelplasma von Kaltblütlern; so in konzentrierten Muskelprefssäften von Fröschen, Fischen, Salamandern, Axoloteln u. dgl. Am Muskelplasma von Säugetieren hatte ich nie Gelegenheit, dergleichen zu sehen, trotzdem ich mit Hülfe der Buchnerschen Presse wiederholt äufserst konzentrierte Prefssäfte bereitet habe. Auch in diesen Fällen ist das Bild der „Spontangerinnung“ ein recht unscheinbares und beschränkt sich auf die Bildung eines spärlichen, erst fein-, dann grobflockigen, sich nach einigen Stunden absetzenden Niederschlages, der, wie ich bei früherer Gelegenheit wiederholt hervorgehoben habe und wiederum betonen möchte, nur einen sehr geringen Bruchteil der gelösten Muskeleiweilskörper ausmacht. Falls dieser spärliche und unansehnliche Niederschlag wirklich 568 Otto v. Fürth, Über die Gerinnung der Muskeleiweilskörper. das materielle Substrat der Totenstarre ist, sollte man eigentlich erwarten, dafs seine Entstehung mit dem Einsetzen der Toten- starre zusammenfalle In einem Versuche, wo ich darauf geachtet habe, war dies nicht der Fall. Ich bereitete mit Hülfe der Buchner- schen Presse. schnell und ohne jeden Reagentienzusatz einen Prels- saft aus den Extremitätenmuskeln der einen Körperhälfte eines frisch getöteten Hundes und beobachtete an den in situ be- lassenen Muskeln der anderen Seite das Eintreten der Toten- starre. Dabei ergab sich, dafs die Niederschlagsbildung in vitro einige Stunden später erfolgte als das Einsetzen des Rigor mortis. XXXI. Uber die Autolyse der Lymphdrüsen. | Von cand. med. Alfred Reh. (Aus dem physiologisch-chemischen Institut zu Strafsburg.) Die regressive Metamorphose leukocytenreicher pathologischer Produkte und die nachträgliche Resorption derselben ist ein so verbreitetes Vorkommnis, dafs Untersuchung analoger Vorgänge an leukocytenreichen Organen Interesse beanspruchen darf. Das in dieser Beziehung nächstliegende Material, die Lymphdrüsen, ist bisher noch nicht bearbeitet. Ich habe mich daher auf Anregung des Herrn Prof. Hofmeister dieser Aufgabe unterzogen. 20kg Rindslymphdrüsen wurden von Fett befreit, fein zer- hackt, mit der gleichen Menge Wasser versetzt und unter Toluol einer vierwöchentlichen Autolyse bei 30 bis 40° überlassen. Nach dieser Zeit wurde die erst abkolierte, dann filtrierte Flüssigkeit durch Kochen unter Essigsäurezusatz von Eiweifs befreit. Das Filtrat wies keine Biuretreaktion mehr auf, wohl aber gab es die Millonsche Reaktion und mit Ferrocyankalium -Essigsäure noch eine Trübung; es wurde durch Phosphorwolframsäure gefällt, löste Kupferkarbonat beim Kochen mit blauer Farbe. Es gab keine Fällung mit Silbernitrat in stark ammoniakalischer Lösung und keine Tryptophanreaktion. Die Flüssigkeit wurde auf ein kleines Volumen eingedampft und mit 95 proz. Alkohol gefällt (Alkoholniederschlag — I). Die eingeengte alkoholische Lösung gab mit Äther ebenfalls einen Niederschlag (— U). Die alkohol-ätherische Lösung (III) wurde durch Ab- destillieren von Äther und Alkohol befreit und auf ein kleines Volumen eingedampft. Es kıystallisierte ein scheinbar einheitlicher, neutral reagierender Körper in Nädelchen aus, der nicht in kaltem, leicht in siedendem Wasser löslich war, in Nädelchen sublimierte, 570 Alfred Reh, mit Quecksilberacetat, nicht aber mit Phosphorwolframsäure fällbar war und über 300° schmolz. Nach längerem Kochen mit Tierkohle und mehrmaligem Umkrystallisieren aus siedendem Wasser wurde er in schön weilsen grofsen Drusen (erinnernd an die „moos- artigen Rasen“ Mieschers*) gewonnen. Die Ausbeute betrug über ein Gramm. Analysen, sowie Eigenschaften des Körpers lassen es nicht zweifelhaft erscheinen, dafs hier Thymin vorlag. 0,1884g Substanz lieferten 0,3291 CO, und 0,0831 H,O 0,1558 g 5 & 31,38cem N bei t = 20,0° u. B = 762,0 0,12258 n verbrauchten 21,1 ccm 1/,o„-Normalschwefelsäure. C H N Berechnet für C, H,N; O0, 47,62 Proz. , 4,16 Proz 722 227P102: Gefunden 47,64 „ AI, 23020, Asbadk Wenn auch der Stickstoff zu hoch gefunden wurde, so konnte doch an der Auffassung der, Substanz als Thymin um so weniger Zweifel bestehen, als sie nach geeigneter Vorbehandlung die von Steudel**) für das Thymin gefundene Weidelsche Reaktion gab. Durch Nitrierung einer kleinen Probe mit nachfolgender Reduktion bekam ich ein Produkt, das nach Behandlung mit Chlor- wasser bei Ammoniakzutritt schöne Rotfärbung gab. Übrigens hat auch Kutscher***), der das Thymin zum ersten Male bei der Autolyse (Thymus) fand, einen zu hohen Stickstoffwert erhalten. Er vermutet eine Verunreinigung mit Uracil. Dafs in meinem Falle wohl eine solche vorgelegen hat, wird aus dem noch Mitzu- teilenden wahrscheinlich. Die letzte Mutterlauge dieser Fraktion enthielt etwas Leucin. Der Alkoholätherniederschlag (II) wurde in Wasser ge- löst, wobei weilse Körner ungelöst zurückblieben. Dieselben gaben Millonsche Reaktion. Die Vermutung, dals Tyrosin vorlag, be- stätigte die Analyse. Durch mehrstündiges Kochen mit Tierkohle und mehrmalises Umkrystallisieren erhielt ich die Substanz rein. 0,25g Substanz verbrauchten 14,0ccm !/,„-Normalschwefelsäure Berechnet für C,H, NO; Gefunden N ==276713 Bro 7,83 Proz. Eine Portion des löslichen Teils des Alkoholätherniederschlages (HU) wurde mit Kupferhydroxyd gekocht; das erhaltene schwer löslicehe Kupfersalz erwies sich als Le ucinkupfer. *”) Miescher-Schmiedeberg, Arch.f. exp. Path. u. Pharm. 37, 124. ==) H. Steudel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 539. Über die Autolyse der Lymphdrüsen. 571 Für 0,1005 g Kupfersalz wurden verbraucht 6,1 ccm !/,„- Normal- schwefelsäure. Berechnet für (C,H; N O5), Cu Gefunden N ==.8,65 Proz. 8,50 Proz. Nun wurden die noch restierenden Fraktionen (I, Rest von II und Mutterlauge von III) vereinigt und mit Sublimat in saurer Lösung gefällt. Dieser Niederschlag war gering und wurde nicht weiter verarbeitet. Dagegen erhielt ich nach Zusatz von Natronlauge und wei- terem Zusatz von Sublimat einen starken Niederschlag, der eine Verarbeitung lohnend erscheinen liefs. Der Rest des Materials, der ebenfalls nicht weiter verarbeitet wurde, entwickelte beim Erwärmen mit Magnesia reichlich Am- moniak. Die Behandlung des aus der alkalischen Lösung gefällten Quecksilberniederschlages gestaltete sich folgendermalsen. Da nach Entfernung des Quecksilbers durch Schwefelwasserstoff beim Ein- dampfen eine Kıystallisation nicht erfolgte, so wurde nacheinander zuerst mit Pikrinsäure, dann mit Phosphorwolframsäure und dann das Filtrat nach Entfernung des letzteren Fällungsmittels wieder mit Sublimat und Natronlauge gefällt. Der reichliche Quecksilber- niederschlag wurde durch Schwefelwasserstoff von Quecksilber be- freit und eingedampft. Nun erst schieden sich Krystalle (Nadeln) aus, und zwar erhielt ich durch fraktionierte Krystallisation zwei scheinbar einheitliche Substanzen. Beide waren ziemlich leicht, mit neutraler Reaktion, in Wasser löslich, fielen aber bei 0° in Drusen aus, beide sublimierten, fielen mit Quecksilberacetat aus, gaben mit Phosphorwolframsäure keine Fällung. In trockenem Zustande unterschieden sie sich makroskopisch dadurch, dafs die erste beim Auskrystallisieren einen Krystallfilz, die zweite ein Pulver gab. Dieses Verhalten erinnerte an den schon von Ascoli*) bemerkten makroskopischen Unterschied zwischen Thymin und Uracil. Nur schien zunächst die leichte Löslichkeit meiner Sub- stanzen gegen diese Vermutung zu sprechen, zudem lag der Schmelzpunkt der filzförmigen Substanz bei 248° (korr.), während das Thymin bei 321° schmilzt |E. Fischer] **). Die zweite, pulver- förmige Substanz hatte keinen charakteristischen Schmelzpunkt (zwischen 300 und 315°). (Uracil schmilzt bei 335° [E. Fischer] ***). *) Alberto Ascoli, Zeitschr. f. phys. Chem. 31, 161. ”=*) E. Fischer und Roeder, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 34, 3751. FE) ].e. DZ: Alfred Reh, Bei der Analyse des filzförmig krystallisierenden Körpers er- hielt ich folgende Werte: 0,1150 g Substanz lieferten 0,1860g CO, und 0,0505g H,O. Berechnet für C; H,N; O0, für C,H,N,0, Gefunden CAD Error: 49,87 Proz. 44,11 Proz. Hu 476 Bu) 4,9158; Die Zahlen liegen zwischen denen des Thymins und des Uracils. Die Annahme, dafs es sich hier um ein Gemenge beider handelt, liegt nahe und wird noch erhärtet sowohl durch den positiven Ausfall der Weidelschen Reaktion mit einem geringen Reste der Substanz, als durch die Analyse des pulverförmigen Körpers. Derselbe wurde mit Tierkohle gekocht und noch mehrmals umkrystallisiert, wobei er in Wasser immer unlöslicher wurde. Die Analyse der möglichst gereinigten Substanz — dem weiteren Umkrystallisieren setzte die geringe Quantität eine Grenze — ergab: 0,1068 Substanz gaben 0,1702g CO, u. 0,0401g H,O 0,0637 g r „. 13,78cem N bei t# — 16,7 2und br 7620 C H N Berechnet für C,H,N, 0, 42,87 Proz. 3,59 Proz. 25,05 Proz. Gefunden 43,45 „ 420 ,„ 25,59 „ Mit einem Teil der Mutterlauge gelang es mir, ebenfalls die Weidelsche Reaktion zu erhalten, so dafs ich nicht anstehe, den fraglichen Körper als Uracil anzusprechen. Seine Menge war viel (etwa achtmal) kleiner als die des Thymins. Der Pikrinsäureniederschlag war amorph und konnte nicht zur Krystallisation gebracht werden, wohl aber das durch Behandeln mit konzentrierter Salzsäure und Äther daraus dargestellte salzsaure Salz. Indes konnte wegen der minimalen Menge kein Aufschlufs über die Natur der Substanz gewonnen werden. Auch die Bearbeitung des Phosphorwolframats führte zu keinem gut charakterisierten Produkt. Ich kochte mit Baryt, entfernte das überschüssige Baryum mit Schwefelsäure und dampfte ein. Eine Krystal- lisation erfolgte nieht. Mit Platinchlorid erhielt ich einen amorphen Niederschlag, ebenso mit Pikrinsäure. Bei der Autolyse der Lymphdrüsen finden sich somit als Spaltungsprodukte Ammoniak, Leucin, Tyrosin, Thymin und Uracil. Es liest nahe, meine Resultate mit den von Kutscher*) aus Thymus erhaltenen zu vergleichen. Er fand Ammoniak, Thymin und Lysin; es fiel ihm auf, dafs Tyrosin und Leucin fehlten. Bei mir war Tyrosin in relativ grofser Menge (ich schätze es auf min- =) 6 © Über die Autolyse der Lymphdrüsen. 515 destens 108) vorhanden; etwas geringer war die Ausbeute an Leuein. Dagegen konnte ich Lysin nicht gewinnen. Es ist fraglich, welche Bedeutung diesen abweichenden Be- funden beizulegen ist, zumal auf den Verlauf der Autolyse Mo- mente von Einflufs sind, die wir noch nicht in wünschenswerter Weise beherrschen. Neu ist der Befund von Uraeil. Die von Kossel*) aufgewor- fene Frage, ob das Uracil auch bei der Hydrolyse vorkommt, ist somit positiv zu beantworten. Auffallend ist, dafs sich in der Ausgangsflüssigkeit nicht die Reaktion auf Purinbasen fand, was möglicherweise mit dem Auf- treten von Thymin und Uracil in Zusammenhang steht. Doch es ist nach den in jüngster Zeit im hiesigen Laboratorium durch S. Fränkel**) gewonnenen Aufklärungen über den Bau des Histi- dins auch an eine Abstammung von diesem zu denken. =) Kossel und Steudel, Zeitschr. f. phys. Chem. 37, 245. ==) 8, Fränkel, An. d. K. Wiener Akademie 1903. Die ausführliche Mitteilung wird demnächst in den Monatsheften für Chemie erscheinen. Kürzere Mitteilungen. i. Über das Vorkommen von Glykuronsäure im ikterischen Harn. Von Dr. E. C. van Leersum. (Aus dem Laboratorium Pathologicum der Universität zu Amsterdam.) Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dafs Gallenbestandteile enthaltende Urine im stande sind, Kupferoxyd in alkalischer Lösung zu reduzieren. Man ist geneigt, dieses Reduktionsvermögen, wenigstens zum Teil, auf Rechnung der Gallenfarbstoffe zu stellen. Sahli (Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden, 1899, S. 509) nennt unter den Körpern, welche im Harne reduzierend wirken, neben Harnsäure, Kreatin und Kreatinin, unter anderen auch Gallenfarb- stoff. Ebenso v. Jaksch (Klinische Diagnostik innerer Krankheiten, 1896, S. 374). Ich habe nun gefunden, dafs bei der Reduktion im ikterischen Harn aufser den genannten Körpern noch eine andere Verbindung eine wichtige Rolle spielt, die in der letzten Zeit öfter besprochene Glykuronsäure. Nachdem sich gezeigt hatte, dafs normale Ochsengalle Glykuron- säure enthält ”), Jag es nahe, anzunehmen, dafs unter den Bedingungen, bei denen Gallenbestandteile in Blut und Harn übergehen, Glykuron- säure regelmälsig im Urin anwesend sein dürfte. Diese Vermutung hat sich bei Untersuchung des Harns einiger mit Ikterus behafteter Patienten bestätigt. Mir standen Urine von sechs Patienten zur Verfügung. Es waren Fälle von Stauungsikterus, Hanotscher Cirrhose, Pneumonia biliosa und Carcinoma ventriculi et hepatis. Die Urine enthielten sämtlich Gallen- farbstoff, jedoch keinen Zucker, zeigten keine Drehung der Polarisations- ebene und reduzierten Fehlingsche Flüssigkeit nach längerem oder kürzerem Stehen, jedoch nicht in dem Maise, dafs es zur Ausscheidung von gelbem Kupferoxydul gekommen wäre. (Die Lösung wurde nur trübe und färbte sich schmutzig-gelb.) Eine Ausnahme bildete nur der Urin des Patienten mit Cirrhose. Bei diesem gelang die Reduktion *) Diese Beiträge 3, Heft 11. E. C. van Leersum, Über das Vorkommen, von Glykuronsäure u. s.w. 575 erst nach vorherigem Kochen mit Schwefelsäure. Ohne Ausnahme reduzierten sämtliche Urine deutlich und innerhalb kurzer Zeit, wenn sie vorher mit Schwefelsäure einige Minuten lang gekocht worden waren. Die Orcinreaktion gelang im ursprünglichen Harn nicht immer. Sie trat meistens erst auf, wenn durch Kochen mit Säure im Reagenz- röhrchen oder beim Erhitzen in einer starken, gut verschlossenen Flasche bis zu 102°C. die gepaarten Glykuronsäuren gespalten waren. Zusatz von ein paar Tropfen Eisenchlorid (Bial) erwies sich öfters als vor- teilhaft. Ich konnte ferner mittels des Schwefelsäure-Alkoholäther-Gemisches Glykuronsäure aus den ikterischen Harnen extrahieren, was durch positiven Ausfall der Orcinreaktion sicher gestellt wurde; jedoch waren hierbei die ins Extrakt übergetretenen Farbstoffe sehr hinderlich. Mit der Darstellung der p-Bromhydrazinglykuronsäure, eigentlich dem exaktesten Mittel zum Nachweis der Säure, hatte ich weniger Glück. Nur in einem Fall gelang es mir, mit 50cem vorher mit Schwefel- säure gekochten Harns die charakteristischen Krystalle zu gewinnen. Sonst war mir dies nicht möglich. Es bildete sich stets nach dem Ab- kühlen ein dicker, schwarzer Niederschlag, worin ich die Krystalle nicht auffinden konnte. Es ist gerade die grofse Menge Farbstoff, welche im ikterischen Urin den Nachweis der Glykuronsäure sehr schwierig macht. Der Harn, der bei Ikterus schon dunkel genug gefärbt ist, nimmt nach dem Kochen mit Schwefelsäure und in stärkerem Mafse noch bei der eigentlichen ÖOrcinreaktion, sei es mit oder ohne Zusatz von Eisenchlorid, eine äufserst dunkle Farbe an, welche Ursache ist, dafs man in dem dunkelrot ge- färbten Amylalkoholextrakt spektroskopisch nur mit Mühe etwas von den bekannten Absorptionsstreifen sehen kann. Öfters ist das ganze Spektrum, mit Ausnahme eines Teiles vom Rot, ganz verdunkelt, und man ist sodann genötigt, den Amylalkoholauszug passend zu verdünnen, wobei es oft erst nach mehreren Versuchen gelingt, den Streifen zu er- kennen. Ich habe bemerkt, dafs die Streifen etwas deutlicher werden, wenn die Flüssigkeit einige Zeit gestanden hat und öfters geschüttelt wird. Es scheint, als ob der Stoff, um welchen es sich hier handelt, weniger leicht als die anderen Pigmente in den Amylalkohol überträte. Ich möchte also davor warnen, nach einer ersten milslungenen Probe die Untersuchung sofort aufzugeben. Man kann freilich den Urin behufs Entfernung der Gallenfarb- stoffe mit Kalkmilch oder Tierkohle behandeln. In einem auf solche Weise behandelten Harn fiel die Orcinreaktion positiv aus. Es ist aber möglich, dafs bei dieser Methode ein Teil der Glykuronsäure verloren geht *). *) Das beste Mittel zur Prüfung des Reduktionsvermögens zuckerfreier Harne bleibt noch immer die Fehlingsche Flüssiekeit. Ich setze bei der Probe, auch bei Zuckerharnen, zu 1 oder 2cem Harn 5 bis 1Ocem Fehling- scher Flüssiekeit. Bei Zuckerharnen bietet dies den Vorteil, dals die redu- zierenden Stoffe aulser Zucker so stark verdünnt werden, dals sie auf die Reduktion keinen Einfluls ausüben können. 576 OÖ. Schumm, Die angebliche reduzierende Eigenschaft der Gallenfarbstoffe kann meines Erachtens nicht aufrecht erhalten werden. Reines Bilirubin reduziert ganz bestimmt das Kupferoxyd in alkalischer Lösung nicht, wie sich bei Versuchen mit 5mg Bilirubin in 40cem Fehlingscher Flüssigkeit, zwei Minuten langem Kochen und zwei- bis dreistündigem ruhigen Stehen ergeben hat. Ich glaube vielmehr mit Bestimmtheit annehmen zu können, dafs die Ursache der Reduktion seitens ikterischer Harne in der Anwesenheit gepaarter Glykuronsäure gelegen ist. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dafs die Glykuron- säure zu den normalen Stofiwechselprodukten gehört, zumal es mir auch gelungen ist, diese Verbindung, aufser in der Rindergalle auch in menschlichen und tierischen Gallensteinen und im Pferdeblutserum aufzufinden. Der Salzsäureauszug der vorher mit Äther ausgezogenen menschlichen Gallensteine enthält so viel Glykuronsäure, dafs man damit sehr schöne Orcinreaktion erhalten kann. Inwieweit gewisse Krank- heiten, Fieber, Dyspnoe, wie P. Mayer”) annimmt, im stande sind, zur Vermehrung der Glykuronsäurebildung Anlals zu geben, wage ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls erscheint es mit Rücksicht auf die von mir besprochenen Thatsachen notwendig, eine solche Vermehrung auf quanti- tativrem Wege zu beweisen. S. Über die Autolyse der leukämischen Milz. Von O0. Schumm. (Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses Hambure - Eppendorf.) In der leukämischen Milz sind reichliche Mengen von „Pepton“ gefunden worden !. von Jaksch?) fand es auch in der normalen Milz. — In der frischen Milz vom Rind, Pferd, Schwein, Schaf und Hund wiesen neuerdings Hedin und Rowland?°) ein proteolytisches Enzym nach, das am stärksten in saurer Lösung wirkt. Bisher’ ist meines Wissens noch nicht untersucht worden, ob bei der Autolyse der leukämischen Milz ihr Gehalt an „Pepton“ eine Änderung erleidet. Ein Fall von akuter Leukämie bei einem 25jährigen Manne bot mir die Gelegenheit, einen derartigen Versuch auszuführen. Der Kranke starb am 17. Tage nach seiner Aufnahme in das Krankenhaus. Die sehr stark vergröfserte Milz wurde mir von der chirurgischen Abteilung freundlichst zur Verfügung gestellt. Die Sektion fand 20 Stunden nach dem Tode statt; bis dahin war die Leiche im Kühlraum aufbewahrt gewesen. Gleich nach der Sektion wurde die Milz sorgfältig zerkleinert und zerquetscht; von dem erhaltenen schwach sauer reagierenden, gleich- mälsigen Organbrei wurden: *) Deutsch. med. Wochenschr. 1901, Nr. 16. u. 17. Über die Autolyse der leukämischen Milz. 577 I. 700 g mit der doppelten Menge Wasser unter Zusatz von Chloroform (nach Salkowski) in einem gut verschlossenen Glasgefäls unter zeitweiligem Umschütteln sechs Wochen bei 37° stehen gelassen; I. 150g mit der doppelten Menge Wasser aufgekocht; das ver- dampfte Wasser wurde ersetzt und das Gemisch nach Zusatz von Chloroform in einem gut verschlossenen Glasgefäls unter zeitweiligem Umschütteln ebenfalls sechs Wochen bei 37° stehen gelassen. Während bei der Portion I die über dem Niederschlage stehende Flüssigkeit bald einen tief bräunlichgelben Farbenton annahm und klar wurde, blieb bei der Portion II die über dem Bodensatze stehende Flüssigkeit unverändert hellgelb und stark trüb. Am Schlufs der Digestionszeit enthielten beide Portionen noch genügend Chloroform; bei beiden war die Reaktion sauer. Sie wurden im bedeckten Trichter durch ein Filter aus dichtem Papier filtriert; das Filtrat der Portion II blieb stark getrübt. Das Filtrat von I gab schwache, das von Il sehr starke Biuret- reaktion. In beiden Filtraten wurde der Stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Ferner wurden gleiche Mengen von beiden Filtraten zu möglichster Entfernung etwa noch vorhandener koagulabler Eiweils- stoffe aufgekocht, unter Anwendung kleiner Filter aus hartem Filtrier- papier filtriert, die Filter mit möglichst wenig heilsem Wasser nach- gewaschen, die Filtrate auf ein bestimmtes Volumen aufgefüllt und ihr Stickstofigehalt bestimmt. Der ermittelte Stickstoffgehalt betrug: bei Filtrat I. a) vor dem Enteiweilsen 0,749 Proz. b) nach dem Enteiweilsen 0,735 „ bei Filtrat II. a) vor dem Enteiweilsen V2yES b) nach dem Enteiweilsen 0,243 „*) Der Rest der beiden enteiweilsten Flüssigkeitsmengen wurde nach den bekannten Methoden von Kühne, Neumeister, Pick auf Albu- mosen und Pepton (Kühne) geprüft und zwar mit folgendem Ergebnis: *) In ähnlicher Weise habe ich die Milz von einem Falle von Peri- typhlitis mit nachfolgender Peritonitis untersucht. Das Organ wurde gleich nach der Entnahme sorgfältig zerkleinert; von dem sauer reagierenden gleichmälsigen Organbrei wurden I. 42,59 mit der doppelten Menge Wasser unter Zusatz von Chloro- form 3 Tage lang bei 37° stehen gelassen; II. 42,5g mit der doppelten Menge Wasser aufgekocht und nach Er- satz des verdampften Wassers und Zugabe von Chloroform ebenso behandelt. Die Analyse ergab folgenden Stickstoffgehalt: Filtrat I. a) vor dem Enteiweilsen 0,714 Proz. b) nach dem Enteiweilsen 0,672 „ Filtrat II. a) vor dem Enteiweilsen OR b) nach dem Enteiweilsen 0,217 „ Beitr. z. chem. Physiologie. III. [S%) I 578 O0. Schumm, 1: I. Brimäre Albumosenze See Spuren reichliche Menge Sekundäre Albumosen . . . . | geringe Menge | reichliche Menge Bepten (Kirhne)aeir. ne Spuren geringe Menge Bei der weiteren Untersuchung des Filtrats II liefs sich eine ge- ringe Menge durch Magnesia austreibbaren Stickstofis nachweisen; Leuein und Tyrosin konnte ich nicht auffinden. Ebenso liefsen sich auch die Eiweilsbasen nicht nachweisen; es wurden zwar in der Histidin-, Arginin- und Lysinfraktion Niederschläge erhalten, sie waren aber so gering, dals die weitere Verarbeitung aussichtslos war. Von dem Filtrat I wurde ein kleinerer Teil für andere Versuche zurückgestellt, der grölsere Teil, entsprechend 400 & Milz, wurde nach den Methoden Kossels*) auf die hydrolytischen Spaltungsprodukte der Eiweilskörper untersucht. Der Gang der Untersuchung war der- selbe, wie ihn Kutscher) bei seiner Untersuchung über das proteo- lytische Enzym der Thymus benutzte. Beim Ausfällen der Flüssigkeit mit Barytwasser entwickelte sich reichlich Ammoniak. Von den Eiweils- basen konnte ich das Lysin mit Sicherheit nachweisen. Die Ausbeute an Lysinpikrat betrug etwas über 2g; die Bestimmung des Gehalts an Kohlenstoff und Wasserstoff ergab auf das Lysinpikrat passende Zahlen. In der Argininfraktion erhielt ich eine geringe Fällung, aus der sich nur eine winzige Menge eines nicht krystallisierenden Sirups gewinnen liefs. Aus der Histidinfraktion konnte ich auch nur eine kleine Menge eines Sirups erhalten, der nicht zur Krystallisation zu bringen war. Von Monoamidosäuren konnte ich Asparaginsäure und Glutamin- säure nicht auffinden, dagegen gelang es mir, 0,1 g Tyrosin und etwa die doppelte Menge Leuein abzuscheiden. Das Tyrosin wurde aulser durch seine Krystallform durch die Millonsche, Piriasche und Mörnersche ) Reaktion, das Leucin durch die Art der Sublimation und die Scherersche Probe identifiziert. Thymin habe ich unter den Spaltungsprodukten nicht aufgefunden. Die Untersuchung hat somit folgendes ergeben: 1. Der reichliche Gehalt der leukämischen Milz an Albumosen geht bei der Autolyse bis auf eine geringe Menge zurück. 2. Es treten andere charakteristische Produkte der hydrolytischen Eiweilsspaltung auf, von denen Lysin. Leucin, Tyrosin und Ammoniak nachgewiesen wurden. 3. Trotz der bedeutenden Verminderung des Gehalts an Albumosen haben die nicht koagulierbaren Stickstoffsubstanzen eine Ver- mehrung bis zum Dreifachen der ursprünglich vorhandenen Menge erfahren; sie müssen daher zum grölseren Teile aus dem koagulablen Teil der Milzsubstanz durch Autolyse entstanden sein. 4. Die bei der achttägigen Autolyse der Milz von einem Falle von Perityphlitis mit nachfolgender Peritonitis gebildete Menge nicht Über die Autolyse der leukämischen Milz. 579 koagulierbarer Stickstoffsubstanzen war annähernd so grofs wie bei der leukämischen Milz. Die Autolyse der leukämischen Milz nimmt anscheinend einen ähnlichen Verlauf wie die von Kutscher’) studierte Autolyse der Thymus. Kutscher konnte in seinem Versuche bei der Verarbeitung von etwa 500 g Kalbsthymus unter den hydrolytischen Spaltungs- produkten der Eiweifsstoffe mit Sicherheit nur Lysin und Ammoniak nachweisen, und zwar beide in gröfserer Menge. Das sind aber die- selben Spaltungsprodukte, die auch bei der Autolyse der leukämischen Milz im vorliegenden Versuche in relativ reichlicher Menge nach- gewiesen wurden. Gegenstand meiner weiteren Versuche ist es, zu ermitteln, ob sich bei Verarbeitung einer gröfseren Menge Material noch andere hydro- lytische Spaltungsprodukte in der autolysierten leukämischen Milz auffinden lassen, ob die Autolyse der normalen menschlichen Milz die- selben Spaltungsprodukte liefert; ferner, welchen Einfluis die Dauer der Autolyse auf das Auftreten der einzelnen Spaltungsprodukte hat. Litteratur. 2) Salkowski, Virchows Archiv 81, 166 (1881). — E. Ludwig, Wiener med. Wochenschr. 31, 122 (1581). — von Jaksch, Zeitschr. f. physiol. Chem. 16, 243. *) loe. eit. 5) Hedin und Rowland, Zeitschr. f. physiol. Chem. 32, 341. — Die- selben, daselbst 32, 531. *) Kossel und Kutscher, daselbst 31, 165. 5) Kutscher, daselbst 34, 114. 6) Mörner, daselbst 37, S6. ; 7) Joe. eit. Berichtigungen. Seite 267 Zeile 1 von unten lies: Nr. 8 statt Nr. 8, 1,99. 209 oe G; „ gemeinem statt geronnenem. el ee I er UA Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig. Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht diem Ned Teiwer zusammengestellt von Dr. Franz Hofmeister, o. Professor der physiologischen Chemie an der Universität Strassburg. 8. Gebunden in Lnwd. Preis 3 4b. Die chemische Organisation der Zelle. Ein Vortrag von Franz Hofmeister, o. Professor der plıysiologischen Chemie an der Universität Strassburg. Ss. geh. Treis 0,6V „4b. Der Stickstofi mmerseine wichtigsten Verbindungen. Von Dr. Leopold Spiegel, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 20 #H. Acht Vorträge über physikalische Chemie, gehalten auf Einladung der Universität Chicago 20. bis 24. Juni 1901 von J. H. van ’t Hoff. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 2,50 #M. Vorlesungen über theoretische und physikalische Chemie von J. H. van ’t Hoff. Erstes Heft. Die chemische Dynamik. Zweite Auflage. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 6 Sb. Zweites Heft. Die chemische Statik. Zweite Auflage. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 4 fl. Drittes Heft. Beziehungen zwischen Eigenschaften und Zusammen- setzung. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. geh. Preis 4 #M. Die Pflanzen-Alkaloide von Jul. Wilh. Brühl, Professor an der Universität Heidelberg in Gemeinschaft mit Edvard Hjelt und Ossian Aschan, Professoren an der Universität Helsingfors. Mit eingedruckten Abbildungen. gr. 8. Geb. in Lnwd. Preis 14 #. a al willy Buche 2 2 Mülhausen im Elsass. it einer ale er. & ‚geh. Preis 4 sb. a Chemie der Eiweisskörper. nn Pillen Dr. Otte Cobnhers, 2200... Privatdocent der Physiologie an der Universität Heidelberg. BE Na en ee Preis geb: 7 sh. Es sn ” u Ba. Dei r kolloidale Zustand N und die Vorzing in der lebendigen Substanz. Von Dr. Wolfgang Pauli, I N Dissen der Wiener Oh eze kl. 8. geh. Preis 0,60 Ib De ie stiekstofffreier organischer Sr seele durch Bakterien. Von Dr. 0. Emmerling, Privatdozent an der Universität Berlin. Mit sieben Lichtdrucktafeln. kl. 8. gel. Preis 4 Me. Hl? Fra e ische und medieinische Untersuchungen. Festschrift ie ER zur Feier des sechzigsten Geburtstages von a nn a 1 RR Mit Beiträgen von \skanazy, P. Baumgarten, M. Bernhardt, R. Cohn, Th. Cohn, W. Eliassow, A. Ellinger, J. Frohmann, P. Hilbert, Lassar-Cohn, Lawrow, E. v. Leyden, W. Lindemann, W. Lossen, H. Meyer, en mann, H. en ‚E. Salkowski, W.Scheele, L. Schreiber, 000... A. Seelig, 8. Stern, O. Weiss, R. Zander. ne Tertabbildung und sieben Tafeln. gr. 8. geh.ä Preis 12 Eu 2 Hilfsbuch usfü rung chemischer Arbeiten RN, Chemiker, Pharmazeuten und Mediziner oe von Dr. Hugo Schwanert, che: her Professor der Chemie an der Universität Greifswald, N Ben Regierungsrat. e Auflage. Mit vier eingedruckten Abbildungen und TERN gr. 8. Preis geh. 8 Ah, geb. 9 de Kahn h) Du i Karol)