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BEITRÄGE

ZUR

GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SPRACHE UND LITERATUR

UNTER MIT\VIKKUN(; VON HERMANN PAUL UND EDUARD SIE VERS

HKRAllS(iKÜKHEN

WILHELM BKAUNK.

XXXVIIl. lUND.

HALLE A. S.

MAX NIEMEYEK

6 BRÜDEItSTRASSK

1913

^.4

3^

INHAL r.

Seite

Die Variation bei Otfrid. Von P. K. Kolbe 1

(Inhaltsverzeichnis s. 66) Zur geschichte der deutschen -er-plurale, besonders im frühneuhoch- deutschen. II. m. Von H. Gürtler 67

(IL D) Die -er-flexion im frühneuhochdeutschen (1450 1600) s. 67. E) Die -er-flexion im 17. Jahrhundert s. 81. F) Rück- blick s. 86. ni. Materialien zur altersbestimmung der -er-plurale im deutschen s. 100). Stilistische Untersuchungen über den Willehalm des Rudolf von

Ems. Von A.Henrich 225

Herzog Iron. Von W. v. Unwerth 280

Beiträge zur germanischen Wortforschung. Von H. Petersson . 314

Germanisch Hsa 'eis'. Von E. Sievers 324

Über die etymologie des nhd. schivanen. Von A. Lindqvist . 329

Beschummeln, heschuppen. Von E. Gutmacher 384

Ein aussprach Gregors des großen in ahd. reimversen aus S. Maximin

zu Trier. Von R. Priebsch 338

Zur form von himmel und hülle. Von B. Q. Morgan . . . . 343

Zweierlei Notker? Von E. Ochs 354

Zur ausstoßung des schwachen e im bairischeu des 11. und 12. Jahr- hunderts. Von M. Triwunatz 358

Frz. 0 = deutsch s. Von 0. Behaghel 370

Literatur 371

Zur ausspräche des neuhochdeutschen im 18. Jahrhundert. Von

A. Tritschler 378

(I. Der accent s. 378. IL Die E-\z,\\t& s. 389. HL Deh- nung kurzer vocale s. 411. Literaturverzeichnis s. 451).

Zum Stockholmer homilienbuch. Von G. Neckel 459

(I. Zur Zusammensetzung der handschrift s. 459. IL Zur quellenfrage s. 481). Zur etymologie von schivanen. Von 0. Behaghel 500

^H

INHALT.

Seite

Textkritisches und metrisches zu den dichtnngeu Kourads von

"Würzhurg. Von P. Gereke 501

dir. Nachträge zum Engelhard, heiträge zum Silvester und zum Schwanritter s. 501. IV. Zum text des Alexius und des Pantaleon s. 519).

Elisabet und Erlösung. Von A. Leitzmann 529

Fraueulobs begräbnis. Von L. Pfannmüller 548

Etymologien (1. Hunzen, verhunzen. 2. Gepritscht). Von E. Gut- macher 560

Zur erklärung des Ulfilas-stempels. Von 0. Fiebiger .... 564

Zum Spervogel. Von M. H. Jelliuek 566

Zu Murners Narrenbeschwörung und Schelmeuzunft. Von P. Zyl-

mann 567

Literatur 571

Berichtigungen 572

\:

DIE VARIATION BEI OTFRID.

I. Einleitung'. 1)

Ein liauptmerkmal von Otfrids dicliteriscliem stil ist die Variation. Dem boden der altgermanisclien poesie entsprossen, hat sich diese form des ausdrucks in dem evangelienbuche des Weißenburger münches geradezu zu einem ungeheuren Wachs- tum entwickelt. Obschon es gar nicht zu leugnen ist, daß die Variation bei Otfrid in vielen fällen einen bloß formelhaften, versfüllenden Charakter angenommen hat und sich dadurch von der kräftigen, markigen ausdrucksweise eines Heliand- oder eines Beowulfdichters unterscheidet, so zeigt doch eine sorgfältige betrachtung des gesamten materials, daß Otfrid durch feine, kunstvolle behandlung der Variation einen ge- wissen ersatz für den mangel an lebensfrische gewonnen hat. Die oft plump wirkenden, vielfach asyndetisch aneinander- gereihten Variationen der alliterierenden dichtung werden von dem meister organisch zusammeugefügt und zu einem feineren stilistischen ganzen umgestaltet.

Daß nicht alle mäugel beseitigt wurden, daß sogar viele gute eigenschaften bei dem übergange verloren gingen, darf niemand wundern; denn wir dürfen mit Sicherheit annehmen, daß der Übergang von alliteration zum reim keine größeren Schwierigkeiten bereitete, als die Umbildung der altgermanischen Variation unter dem einflusse des lateinischen stils.

1) Titelangabe einiger öfter angeführter büciier. Behaghel = Zur teclmik der mhcl. diclitimg, von 0. Beliagliel, Beitr. 30, 431 ff. Erdmanu = Otfrids Evaugelienbucli, hsg. von Oscar Erdmann. Halle 1882. Pachaly = Die Variationen im Heliaud und in der altsächsischen Genesis

(Sehr. z. g-erm. phil. 9) von Paul Pachaly. Berlin 1899. Schütze = Beiträge zur poetik Otfrids, von Paul Schütze. Diss. Kiel 1887.

Beiträge zur geschichte der deutschen Sprache. XXXVIII. ^

2 KOLBE

Die Variation an nnd für sich findet ihre einfachste aus- drucksweise in der asyndetischen Zusammenstellung zweier Wörter von annähernd gleicher bedeutung, d.h. in der ap- position.i) Von dieser ursprünglichen variationsart ist keine literatur ganz frei. Heinzel, Über den stil der altgermanischen poesie (QF. 10) behauptet (s. 49) und nach ihm auch Schütze und Pachaly , daß die Variation in ihrer weiteren aus- bildung der germanischen und sogar der altarischen dichtung eigen sei. Pachaly (s. 2) geht noch weiter: 'Indessen besitzt sie (die Variation) im versbau des altgermanischen einen tieferen grund nnd boden, insofern sie hand in band mit der alliteration geht und in den bedürfnissen dieser zum großen teil die er- klärung ihrer entstehung und weiten Verbreitung hat, womit nicht gesagt ist, daß jede Variation notwendig alliteriert.' Für ein umgekehrtes Verhältnis spricht Behaghel s. 553,

Ein weiterer grund für die anwendung der Variation ist selbstverständlich der drang nach klarheit der Vorstellung. Daß diese art der Variation weder zeitlich noch örtlich be- grenzt ist, zeigt uns jede literatur. Vgl. z. b. die englische literatur von der erober ung bis über Chaucer hinaus, wo die englischen und französischen Wörter häufig zu gegenseitiger erklärung nebeneinander gebraucht werden. Ganz besonders lehrreich sind Behaghels beobachtungen (s. 511 ff.) über die anwendung der Variation im allgemeinen.

Aus den eben angeführten tatsachen dürfen wir folgendes schließen :

1. Die Variation beruht ursprünglich auf der apposition und Avird durch das bestreben nach klarheit der Vorstellung hervorgerufen.

2. Die altgermanische Variation ist eine weitere ent Wicke- lung hieraus.

3. Die anwendung der Variation in der poesie der germani- schen sprachen in jüngerer zeit ist zum größten teil eine über- kommenschaft aus dem altgermanischen, wobei Otfrids Variation eine Übergangsstufe bildet.

') Für die verschiedenen müglicbkeiten in der weitereutwickelung- aus dieser einfachsten yariationsart vgl. die eingehende ahhandlung von Behaghel, s. 438 ff.

DIE VARIATION BEI OTFRID. Ö

Schütze (s. 2 ff.) behandelt kurz die Variation bei Otfrid. Leider teilt er sein material nur nach äußerlichen gesichts- punkten ein, nämlich in begriffs Variationen, d. h. bei ihm variierte Wörter, und in gedankenvariationen, d. h. variierte Sätze. Eine solche einteilung gestattet zwar eine beurteilung des Otfridschen stils der form nach, erschließt aber keineswegs den viel wichtigeren Inhalt. Auch die für Otfrid so charakte- ristische gruppenvariation (gleichzeitige Variation mehrerer gedankenreihen) berührt er nur flüchtig, ebenso wie das Ver- hältnis der Otfridschen Variation zu den entsprechenden stellen in den quellen.

Eine ganz andere, doch für unseren zweck ebenso un- befriedigende behandlungs weise finden wir bei Pachaly. Seine einteilung läßt nämlich den variierten satz ganz unberücksich- tigt und beschäftigt sich ausschließlich mit dem variierten Worte, was allerdings infolge der knapperen darstellungsweise des Helianddichters weniger unvollständige resultate zeitigt, als dies bei Otfrid der fall gewesen wäre. Trotzdem aber hätte eine vollständige materialsammlung vielleicht doch auch zu noch, weiteren ergebnissen geführt.

Es schien mir daher am besten das mit möglichster ge- nauigkeit ausgeschöpfte material nach logischen principien anzuordnen; denn gerade aus diesem logischen Zusammenhang zwischen object und Variation lassen sich die künstlerischen absiebten des dichters am besten erkennen. Das schwierigste bei diesem verfahren war das bestreben, immer consequent vorzugehen, d.h. ähnliche fälle zu erkennen und gleich zu behandeln. Wenn mir dieses bei der ungeheuren masse des materials nicht immer gelungen ist, so muß ich gerade in dieser beziehung um nachsieht bitten.

Die bestimmung des ausdrucks 'Variation'. Die erste frage und keineswegs die leichteste war natür- lich: inwiefern soll man sich einschränken in der auffassung des Wortes 'Variation'? Die notwendigkeit, über das variierte wort von Pachaly hinauszugehen, lag auf der band; auch der satz mußte herangezogen werden.

Trotzdem aber blieben noch so viele Schattierungen der variationsweise zu beurteilen übrig (vgl. hierüber auch Behaghel),

1*

daß es notwendig- wurde, eine gewisse feste grenze aufzustellen, oder aber hoffnungslos durch ein nieer von einzelheiten dem ziele zuzustreben. Es mögen also an dieser stelle diejenigen gattungen erwähnt werden, die zwar im strengsten sinne als Variationen aufgefaßt werden müßten, die aber trotzdem von der weiteren behandluug ausgeschlossen werden:

1. Variation durch pronomina.

a) Durch demonstrativpronomen: L: 8 er aUo slunfa freive sih; thes thigge io mannogilih!

b) Durch persönliches pronomen: L: 1,2 Liiäowkj Hier snello ... er ostarrichi rihtit al. In diesem falle kann das pronomen auch voranstehen, wie in III 14, 115. 116 thoh sie ougtin argan Avillon, emmizen thiu menigi. Wegen der häufigkeit solcher Wendungen wird eine vollständige Sammlung dieses materials kaum wünschenswert sein. In der zuschritt an Ludwig allein finden wir [schon zahlreiche beispiele in den zeilen 8. 9. 10. 16. 25. 26. 28. 30. 31. 44. 47. 51. 56. 62. 74. 79. 88. 92.

2. Zwei coordinierte verba.

Das erste dient nur als formelle einleitungsphrase oder Umschreibung, z. b. 1116,41 Er selbo ouh tho ghncinta, thie fisga in thar gideilta.

Oft finden wir *duan' oder 'gimachon' als formellen Stell- vertreter mit dem demonstrativpronomen verbunden. Dieser gebrauch grenzt dann an 1; z, b. IV 8, 24 in thiu er ihaz gidati, so gisuaso man gilati. Oder mit 'gimachon', V 23, 133 Ni mäht avur thccz gimaclwn, thara ingegin racJion.

3. Wiederaufnahme eines gedankens nach längerer pause. Es kommt öfters vor, daß Otfrid denselben gedanken

innerhalb eines capitels variiert, daß jedoch die beiden sätze weit auseinander und ohne organischen Zusammenhang stehen; z.b. V23, 1. 17

1 Wolt ih liiar iiu redinon (ni mag; iz thoh irkoborou!) 17 Thes -wolt ih hiar bigiuuaii, ui mag iz thoh bibriugan.

In manchen fällen finden wir ein wort (oder einen satz) sogar in verschiedenen büchern variiert; z. b. II 9, 73 Lang ist iz zi saganne V17,33 Iz ist zi lang manne sus al zi nennenne.

Eine vollständige Zusammenstellung solcher fälle wäre für unsere zvrecke von geringem wert, da es uns hauptsächlich auf

DIE VARIATION BEI OTFRID. 5

die unmittelbare Variation ankommt, jedenfalls in erster Knie auf die Variation innerhalb der vierzeiligen Strophe (aus- genommen sind natürlich die gruppenvariationen).

4. Variation im präfix.

Z. b. IV 9, 28, 29 . . . thaz githionotnn se thar. Irthionotim se harto frnma managfalto. Vgl. auch H. 95. 9G wolle, irwellen.

5. Wiederholungen.

Z. b. I 6, 16. 17, wo eine ganze zeile wiederholt wird. Über diesen gebrauch sagt Erdmann in seiner anmerkung zu diesen Zeilen: 'Ähnliche Wiederholungen eines ganzen oder halben verses, bisweilen mit geringer änderung oder Umstellung der Worte, finden sich bei 0. noch III 6, 8. 9; 36 a. 37 a. IV 3, 18. 19. V 4, 54b. 55a; 11, 16a. 17a; 12, 36a. 37a; 42a. 43a; aus dem ersten in den zweiten langvers III 16, 71b. 72a; in verschie- denen abständen mit mehr rhetorischer Wirkung V 20, 37 ff.; 23, 33. 41; 53. 54; 102. 103.' Zu diesen wären noch hinzuzu- fügen die lyrischen refrains, wie sie z. b. in V 23 und auch sonst vorkommen.

Kaum mehr als formelle Variation ist es, wenn dasselbe wort zweimal in verschiedener construction gebraucht wird, wie z, b. in V 5, IIa. 13 a Then sabon sie thar funtun ... Ther sueizduah ivard thar funtan.

Unter möglichst strenger ausscheidung der eben genannten Variationsgattungen, die entAveder eine unbedeutende rolle spielen oder aber als reine formelhaftigkeit des Otfridschen Stils bezeichnet Averden müssen, habe ich die große zahl der übrigen Variationen gesammelt und den versuch gemacht, die- selben nach den im folgenden entwickelten principien möglichst consequent zu ordnen.

II. Die einteihmg der variatioueii.

Übersicht.

1. Ansdrucksvaiiation.

A) Die ausdrücke sind im Ijegriffe identisch.

B) Die gruudbegrilfe siud verschieden, doch hat Otfrid nur einen einen einheitlichen begriff im sinne.

2. ßegriffsvariation.

A; Begriffscoordiuation.

a) Disjunctive begriffe.

b) Gegensätzliche und coutradictatorische begriffe.

B) Begriffssubordiuatiou.

a) Ein allgemeiuer begriff Avird durch ciiieu speciellen oder einen teilbegriff variiert.

b) Ein specieller begriff wird durch einen allgemeinen begriff' variiert.

3. Gemischte Variation.

A) Die einreihigen gemischten Variationen.

B) Die gruppenvariationen.

1. Die ausdrucksvariation.

Jede ausdrucksvariation ist streng genommen auch eine begriff svariation, denn der begriff, der einem worte beigelegt wird, beruht nur auf dem jeweiligen gebrauch und wechselt beständig mit zeit und ort. Daher dürfen wir uns von den verschiedeneu grundbedeutungen zweier variierender Avörter nicht irreleiten lassen; denn für unseren zweck kommt es in erster linie darauf an, was für bedeutungen diese Wörter zu Otfrids zeit und in Otfrids spräche hatten. Diese lassen sich nur durch die vergleichende methode, d. h. durch heranziehung aller belegstellen (wie es z. b. in dem Otfridlexikon von Kelle geschehen ist) bestimmen. Indem wir uns nun an diese me- thode halten, gehen wir über zu der besprechung der

Ausdrucksvariation A. Mit diesem namen bezeichnen wir diejenigen Variationen, welche im begriff identisch sind, d.h. solclie, die sich gegen- seitig decken und in Otfrids spräche begrifflich als gleich- bedeutend gelten. Mögen folgende beispiele dazu dienen, diese art der Variation zu erläutern:

1. Wort wort: IV 9, 7. 8 Wir ni eigun sar, theist es meist, huses wilit, so thu weist, noh wiht sclidono oder IV 13, 21 Er sprah haldlicJio joh harto tlieganlklio.

2. Wort wort— wort: V 17,9 Thoh quement iu thio maliti, giwalt joh gotes Icrcfti.

3. Urteil urteil: 118,1.2 After thiu in war min so molitun thri daga sin; so tlies thritten dagcs sar so ward tliiz, thaz ih sagen thar oder V 13, 19. 20 Ihes duent buali thar gihugt, , . . thaz zellent evangelion.

4. Urteil urteil urteil: V 15, 4a. 5b. Ga. minnost thu mih filu mer . . . thaz ih minna haben tliiu,^"ö/t thu mir bist in minnon.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 7

5. Urteil wort: V 16, 27. 28a Mines selbes lera thia diiet in filu mara; toufet sie inti hredigot.

Obwohl obige art der Variation nicht allzu häufig ist und dabei auch die teudenz zeigt, durch kaum merkliche Schattie- rungen in classe B überzugehen, so dürfen wir doch aus dem gesamtmaterial folgende stellen in diese classe einreihen:

Buch I. I 37. 38; 51; 105. 100; 115—117. II 34. III 5; 43. 44. IV 63. 64 65. 67. 68. V 1. 2; 22. 23.1; 39; 57. VIII 17. 18; 23. 24. IX 11. 13 19. 20. XIII 1 ; 7; 15. 16; 18—20. XVII 55a. 56a; 62. XVIII 25. 26 43b. 44a. XIX 16. XX 25— 27. XXI 6. XXII 32b. 33a; 57. 58. XXIII 1. 2; 3. 4; 5. 6; 17. IS. XXVII 57—60.

Bach II. I 21; 43. II 15. 16. III 13. 14. IV 14. 15; 28; 35; 47. 48. VI 3. 4; 7. 8; 23—25. VII ',•. 10; 42; 43; 46; 51. 52. VIII 1. 2. X II. XI 10. 11; 23. 24; 25. 26. XII 7. 8; 21). 30; 82; 89. XIII 5. 6. XIV 8; 28; 93. 94. XVII 16. XVIII 9. 11; 19. 20. XXI 15—17; 41b. 42 b. 44 b. XXIII 11. 12; 24; 29 a. 30 a.

Buch III. I 21. II 1. 2; 7. 8; 29. 30. IV 4 ; 9. 10; 22; 29—30. 31—32; 29 a. 30 b. V 14. VI 6; 36 a. 37 a. 38 a. VII 14; 15. 16; 72. VIII 17. 18. 20; 29. IX 2 a. 3 a; 9. 10; 17 a. 18a. X 15. 16; 23—24. 26; 38a. 40b. XI 7. 8. XII 5. 6. 7b; 9—11 ; 11—13. 17; 4 5. XIII 27. 30; 38. XIV 1; 13.14; 17; 31.32; 41b. 42 a; 56; 62.63; 69.70; 93. 94. XV 31. 32; 37; 43. 41. XVI 2. 3; 35 a. 36 a; 39. 40; 45 a. 46 a; 47 a. 48 a. XVII 3—6 ; 7. 8; 37; 39 a. 41b; 43—46; 47. 48; 62. XVIII 20; 21.22; 37.38; 39.40; 43.44; 45.47; 67.68. XX 25. 26; 53. 54; 57; 61. 63; 67—69; 77. 78; 79. 80; 83. 84; 137. 138; 148; 149. 150; 169. 170; 181a. 182 a. XXI 17. 18; 21; 28. XXII 29.30; 37.38; 59 a. 61b. XXIII 1.2; 7.8; 33 b. 34 a; 41b. 43 a; 44; 45. 46. XXIV 16; 18 a. 19 b; 21. 22; 29—32; 35. 36; 45. 46; 67. 68; 92. 94; 96. XXV 10. 11; 23. 24; 25. 26; 29. 30. XXVI 17. 18; 31. 32; 39. 40; 47. 48; 53. 54; 63. 64; 66; 67. 68.

Bach IV. I 15 a. 17 a; 21. 22; 24. 25; 41. 42. II 6; 17. 18; 31b. 32 a. III 17—19; 21. 22. IV 19. 20; 21. 22; 45. 46; 45 a. 47 a; 49. 50; 67 70. V 42 b. 44 b. VI la. 3 a; 33. 34; 42. VII 9 ; 31 ; 37. 38; 60 64; 65. 66; 85. 86. VIII 4 b. 6 b. IX 7. 8. XI 8 ; 31. 32; 35. 36 37 b. 38; 41. 42; 45. XII 1—3; 6; 10. 11; 23 a. 24 a; 26. 27; 35. 36 a; 39 a. 41; 59 a. 00 a; 61. XIII 5 ; 9. 10; 21; 21a. 22 a. XIV 1; 3. 4. XV 3; 7. 8; 34b— 35. 36; 35; 49. 50; 57 a. 58a; 64. XVI 6 b. 8; 21. 22; 36; 43. 44; 45. 46. XVII 13; 27. 28. XVIII 1; 7. 8 ;

8 KOLBE

21. 22; 27. 2«. XIX 5. 6; 11. 12; 19; 37; 41. 42; 45. 46; 47.48; 55; 57 b. 59 b. 60; 70; 75. 76. XX 23. 24; 26 a. 27 b. 2S ; .SO. 40. XXI 8; 9.10; 12 a. 13a; 17a. ISa; 33.34. XXII 5. 6 ; 25.26; 29. 30; 31. 32. XXIII 5b— 6a. 7—8; 23. 24; 33. ;;4 : 36 38; 39. 40. XXIV 7. S; 13. 14; 17. 18. XXVI 36 a. 37 a. XXVII 1. 2 ; 5. 6; 11. 12; 2S. XXVIII 17. IS. XXIX 32 a. 33 a; 36b. 38b; 49. 50; 56. 58 b. XXX 2— 4; 3 b. 4 a; 31. 32; 33. 34 a; 35 b. 36 a. XXXI 9—12 ; 21. 22; 35. 36. XXXII IIa. 12b. XXXIII 19b. 20; 23. 24; 33a. 37a; 38 b. 40 b; 39. XXXIV 13. 14; 19. 20. 22. XXXV 12. 13; 24 a. 2.1a; 29. 30; 32. 33; 41. 42. XXXVI 6a. 7a. 8a; 9; 11. 12. XXXVII 1. 2; 17 b. 18 b; 19 b. 20 a; 35. 36.

Bach V. I 9; 13. 14; 17. 18; 23. 24; 29. 30; 35. 36; 41. 42; 47. 48. IV 1; 16 a. 18 b; 21. 23; 33. 34. V 9. 10; 19. 20. VI 17. 19. 23—24; 27. 28; 61. VII 2. 3; 3 b— 5 ; 15 b. 16 b; 19.20; 22 a; 25 ; 33. 34 ; 35 a. 37 a; 37. 3S; 39. 40. VIII 7; 17 b. 19 b; 33. 34; 45. 46. IX 9. 10; 11. 12; 13. li; 21b. 22a; 37; 45a. 48b; 45. X 19a. 20a; 27. 29; 32; 33b; 35a; 34b. 3Gb. XI 7. 8 ; 16. 17. XII 16b— 18; 19.20; 21b. 22; 28. 29; 45 b. 47 a; 47 b. 48; 79. 80. XIII 9 b. 10b; 11. 12; 13; 19. 2m ; 21. 22; 23. 24; 26 b. 28 a; 36. XIV 2 b ; 19. XV 4 a. 5 b. (ia; 24 a; 27. 28; 29. 30. XVI 3. 4 ; 8; 17. IS; 19. 20; 27. ■J8a; 31. 33; 45. 46. XVII 7. 8 ; 9; 17. 18; 19 a. 20 b; 27 a. 28 a; 37 —40. XVIII 6 a. 7 a. XX 6. 7; 15. 16; 19. 20; 65. 66; 67 b. 68 a; 91.02. XXI 4; 23. 24. XXIII 1! 14; 40b. 50a; 53. 54; 61—63; 71a. 72 a; 72 b. 73 a; 79—82; 95—98; 105—108; 115—118; 119 a. 120b. 121; 119b. 120a; 145—148; 155.156; 157—160; 181b. t82a; 229. 230; 259. 260; 291b. 294 a. XXV 8. 9; 25. 28; 37. 38; 47. 48; 55; G6b. 67 b. 68 a; 69 a. 70». 71a; 73.74; 85 b. 86 a; 103 a. 104 a. 11: I. 2; 23; 31; 91. 92; 102 b. 103a; 107 a; 115. 116; 133. 134. 163 a.

Ausdrucksvariation B.

Diese art der ausdrucks Variation bei Otfrid beruht haupt- sächlich auf der bildlichen auffassung vieler ausdrücke und wird natürlich vorwiegend in denjenigen teilen des evangelien- buches angewendet, welche sich mit mystischen deutungen und erklärungen beschäftigen, d.h. in den 'Spiritaliter', 'Mystice' U.S.W, betitelten stücken.

Als beispiele solcher mystischen deutungen vgl. II 9, 23. 24

Tharana malit tliu irthenken, mit hninncn thih gidrcnkat, gifreiven oiüi iliie ihine mit geistlichemo Kine.

Ursprünglich sind 'brunnen' und 'wine' ganz verschieden- artige Sachen, ebenso auch 'gidrenken' und 'gifrewen', doch in der symbolischen spräche Otfrids dienen beide ausdrücke

DIE VARIATION BEI OTFRID. \)

zur umsclireibuiig- des einlieitliclien begriffes: 'Die geschichten der diener gottes (d. li. hrunnen, in menschlichem sinne auf- gefaßt — ivin, auf göttliche dinge ausgedeutet, vgl. Erdmann) erquicken uns.' Noch klarer tritt die allegorische deutung hervor in III 7, 27. 28 Thoh findu ih mdo tharinne . . . joh hrosmun suaza in alawar. Hier umschreiben 'melo' und 'brosmun' beide den begriff: nutzen geistliche speise.

Hierher gehören auch rhetorische oder poetische Umschrei- bungen; vgl. III 7, 65. 66

Wir sculun thes biginnan, sulih gras io tlmingan joh thio sino suazi al dretan untar fuazi.

Meistens sind freilich die durch Variation zusammengefaßten begriffe nur wenig verschieden; vgl. III 7, 61. 62

Wanta sie sint alle thera kristes lera folle,

thia selba kleimin wizzi thia scribent sie uns zi nuzzi.

Oder als beispiel für den satz, II 4, 63 Is mcinit hiar then gotes drut (in themo ferse ist iz lut).

Unter die gleiche variationsart gehören auch diejenigen fälle, wo ein wort oder ein ausdruck durch negation seines gegenteils variiert wird; vgl. III 6, 47 Thaz sie gihaUan icurtin joh ouh ni ftncurtin.

Zuweilen aber deckt sich der negierte gegenbegriff so genau mit dem variierten begriff, daß der fall eher als aus- drucksvariation A zu bezeichnen ist; vgl. III 5, 14 in werkon io gilichan noU iveryin missilichan.

Es folgt die vollständige aufzählung der fälle, die unter ausdrucksvariation B einzureihen sind:

Buch I. L: 2—4; 9. 10; 47. 48; 53; 72. 73; S2 ; 92. 93; 95. 96. S: 6. 7; 9—12; 18—22; 25. 26; 42. 43. II; 45. 47; 59—64; 73. 74; 93 —96; 103. 104; 118. II 1 b. 2b; 3.4; 5b. 7a. 8a. IIa; 13.14; 23. 24; 47. 48 a; 55-58. III 7. 8; 15. 16; 27. 28; 29. ?0; 49. 50. IV 5—8; 14—17; 37—38. 41—42. 43. 44; 51. 52. 54; 57. 5S. V 5. 6 ; 17. 18; 48. 49; 50. VI 5—7. VH 5. 6 ; 13. VIII 4. IX 6. 7 ; 12—14; 29. 30. X 9. 10. XI 1; 5; 23. 24; 27. 28; 37. 38; 47—50; 49; 51. 52; 55. 56; 56. 58. XII 13. 14; 17. 18; 21. 22. XIII 17. 18. XIV 5. XV 17—20; 27. 28; 35. 36; 43. 44; 45. 46. 48. XVI 17. 18; 25. 26.

XVII 15. 16; 19. 20; 21. 23; 22; 31. 32; 37. 38; 57. 58; 73. 74.

XVIII 4. 6; 31. 32. XIX 14; 15; 19. 20: 23. 24. XX 17. 18; 23.

10 KOLBE

XXI 1. 2; 15. 16. XXII 7; 8; 15. 16; 33. 34; 4S ; 50. 51. XXIII 9; 27. 2S; 31. 32; 47. 48; 4Ü. 50; 51. 52. XXIV 11. 12; 13. 14; 16; 17. XXV 17. 18; 27. 2S. XXVI 2-4; 11; 13. XXVII 1—3—4; 27; 30; 35. 3fi; 49. 50. XXVIII 9; 11—13; 16. 17.

Buch IL 133—44; 45—50; 49. 50. II 12; 17. 18; 19; 21; 22; 27; 29; 31. 32; 33. III 9. 10; 15. Ki; 37; 55. 5t). IV 1. 2; 5, 6 ; 11. 12; 20 —22; 41; 49. 50; (53; (i5. 06; 79. 80; 85; 94. 95; 99. 100; 105. 106, V 3. 4; 12. VI 51. 52; 55. 56. VII 11. 12; 13; 30; 33. 34; 55. 56 63 ; 75. VIII 39. 40 ; 43 ; 49. IX 20 ; 23. 24 ; 47. 48 ; 56. 57 ; 63. 64 69. 70. X 16— !S; 21. XI 27. 28; 41; 42. 43; 47. 48; 49—51; 53. 54 XII 24; 31. 32; 37. 38; 38. 39; 41. 42; 51. 52; 56. 57; 76—78; 85b, 80a. 87 b. XIII 7; 15. IG; 25. 26; 30. XIV 1. 2; 35. 36; 41. 42 53; 71. 72; 76. 77; 90. 91; 101. 102; 105. XVI 10—12; 12. XVII 3, 4; 5. 6; 9. 10; 13. 14; 19. 20. XVIII 5; 7. 8 ; 15. 16; 17. 18. XIX 9. 10; 13. 14; 21. 22. XX 13. 14. XXI 11. 12; 13. 14; 23—26; 29 37. 39; 38. XXII 10; 37. 38. XXIII 1. 3 a; 7. 8 ; 27. 28 ; 29. 30 b XXIV 15. 16; 29—32; 35. 36.

Buch III. I 2. 3. 5; 15; 17. 18; 29. 31. 32; 41—44. II 11. 12; 13. 14; 19 a. 20 a. III 1. 2; 17. 18; 27. 28. IV 8; 41. 42; 44. V 15—17; 17. 18; 21. 22. VI 2 ; 7; 8—10; 15. 16; 21. 22; 47; 51. 52; 55. 56. VII 10; 11. 12; 17. 18; 21. 22; 25. 26; 27. 28; 31b. 32b: 61.62; 65. 66; 75. 76; 82—84. XIII 19. 20; 25. 26; 29. 30; 33; 39. 40; 41. 42. IX 2b. 3b. 4a; 17b. ISa; IS— 20. XI; 9.10; 11.12; 35.36; 37a. 38a; 37b. XI 3. 4; 7b. bb; 11; 12a. 14; 12. 13; 17. 18; 20. 22 a; 25; 27-30. XII 13 a. 17 b; 23. 24; 25. 26; 35. 36 b; 44. XIII 1. 2; 3. 4; 7; 19. 20; 25. 26; 33. 34; 35; 40. XIV 1. 2; 4S b. 50; 99. 100. 103—104; 108b. 104a; llOb. lila; 111b. 112; 118. 119. XV 9 b. 10b. 11; 13.14; 17.18; 19.20; 29 a. 30 b ; 29 b. 30a; 35; 37. 38. XVI 5. 6; 8 b— 10; 15. 16; 17; 19. 20; 27. 28; 51; 65. 66.

XVII 9. 10; 27. 28; 29. 30; 53. 54; 65 b. 66; 67.68; 69 b. 70 b.

XVIII 5. 6; 9. 10; 11. 12; 15. 16; 19; 25. 26; 27. 28; 31. 32; 35. 36; 53. 54; 61—64. XIX 1. 2; 3—7; 21. 22; 25. 26; 33. 34. XX 5, 6; 15.16; 18.19; 35.36; 41.42; 43.44; 65; 87.88; HO; 123. 124; 131. 132; 133. 134; 143. 144; 153. 154; 155b— 156a. 157b; 159. 160; 165—168. XXI 3; 4-6; 15. 16; 29. 30. XXII 1. 2; S; 13. 14; 15. 16; 21; 24-28; 31; 41; 45. 46; 49. 50; 59. 60; 63. XXIII 6 ; 27. 28; 38; 39. 40; 49 a. 50 a; 58 b. 60; 59. XXIV 9. 10; 18 b. 19 a. 20; 27.28; 33.34; 51.52; 56; 69 a. 70 a. 72 b ; 81.82; 86; 87.88; 89. 90; 97. 98; 98—100; 102; 103. 104; 107b. lOSb; 110—112. XXV 3. 8; 17. 18; 19. 20; 26. 27; 27. 2S; 31. 32; 33. 34; 39. XXVI 3. 4; 10; 16. 17; 20; 21. 22; 36; 45. 46; 61.

DIE VAKIATION BEI OTFKID. 11

Buch IV.

I 1.2; 3.4; 7a. 8a— 11 ; 27.28; ^^Ob. 40a; 44.45; 53.54; II 1. 2. 4; 29. 30. III 14. 15; 16. IV 23— 2G ; 27—32; 33— 3(i ; 37. 38; 51b— 52 a. 52 b; 53 b. 54 b. 55—56; 55 a. 56 a; 57. 58; 59. 60; 65. 66; 69; 73. V 4; 10; 21b. 22b; 27-29; 32.33; 41.42; 43.45a; 43b. 44a; 45b. 46; 47.48; 61a. 62a. VI 8—10; 16.17; 35.36. VII 7b. 8a; 21. 22; 23. 24; 26; 27. 28; 52b. 54b; 61a. 62a; 76b. 78 b; 83. 84; 89. VIII 2; 34; 13—16; 25. 26; 27. 2S. IX 10. 12 b; 16; 23—26; 32. XI 29; 33. 34; 46; 47. 48; 51. 52. XII 5 b. 7 b ; 13—15; 20; 29.30; 3Tb. 38 a; 39.40; 45—47; 51.52; 62.63; 63. 64. XIII Ha. 12a; 13.14; 18; 30. XV 9. 10 ; 14 16; 18; 19.20; 29.30; 32. XVI 1.2; 13b. 14a; 17.18; 23.24; 25a. 26b; 37; 41b. 42 a; 55. 56. XVIII 2. 4 ; 25; 25. 26; 30. 31; 33. 34. XIX 1. 2; 7—10; 15. 16; 26b— 28; 31. 32; 40; 43. 44; 49. 50. XX 27 a. XXI 4—6; 29. 30; 31. 32; 35. 36. XXII 11. 12; 16; 21. 22; 33. 34. XXIV

I. 2. XXV 5; 7. S; 9. 10. XXVI 3. 4; 5-7; 8b. 10b; 13. 14; 15. 17—18; 18—20; 22. 23; 25. 26; 29—32; 36b— 38; 39. 40; 42 a; 51. 52. XXVII 9. 10; 13. 14; 15. 16. XXVIII 7; 22b— 24. XXIX 4; 4. 5 ;

II. 12; 23—28; 29—31; 53. 51. XXX 11. 12; 15. 16; 17. 18; 2S-30. XXXI 19 b. 20 a; 24—26; 29-31. XXXII 5. 6. XXXIII 13 b. 14 a; 27. 28; 29. 30. 32. XXXV 7 a. 8 a ; 9. 10 ; 34; 37. 38; 43. 44. XXXVI 3.4; 15.16; 21. XXXVII IIb. 12b. 13; 14b. 15b. 16b; 23.24; 37. 38; 44—46.

Euch V.

II 3. 4. IV 5; 7b. 8a; 10; 37—39; 47. 40; 50; 57. 58. V 3. 4 ; 17. 18. VI 57 b. 58 a; 65. 66; 71. 72. VII 6. 7; 7. 8 ; 12; 21. 23 a; 25 b. 26; 27 b. 2S ; 29. 30; 47. 4S ; 50. 57; 61. 62. VIII 5. 6; 15. 16; 25b. 26a; 20b-2Sa; 30; 31b. 32b; 38a— 40; 43b. 44b; 57.58. IX 1. 2; 18. 19; 23. 24; 39. 40; 42. 43. XI 9. 10; 13; 28 b. 29 b; 37. 38; 40. 42; 43. 44. XII 2; 10—12; 31. 32; 36 b. 38-40; 45. 46; 49.50; 75.76; 81.82; 86—88; 90; 93 a. 94 a. 95. XIII 18; 26 a. XIV 1. 2; 5. 6; 11. 12; 17. 18; 25 b. 26 a; 25—29. XV 13. 14; 15. 16; 17.18; 24 b. 25 b. 26 b; 25 a. 26 a; 33.34; 37. 3S. XVI 6. 7 ; 21 ; 29. 30; 43 b. 44. XVII 6; 14. 15; 23. 24; 35. 36. XVIII 3. 4 ; 7. 8. 10. XIX 3-8; 12. 13; 14; 16b. 17b; 32 b. 34. 35 ; 38—40; 42.43; 44; 62; 64. 65; 66. XX 3. 4 ; 13. 14; 21. 22; 21. 23—24; 25b— 28; 29; 58; 93; 103. XXI 1. 2. XXII 9. 10. XXIII 5— S ; 15 a. 17 a. 18 a. 19 b; 21b. 23 b; 45. 46— 49 a ; 50b— 52; 55. 56; 75. 76; 91—93; 109 b. HO; 111—114; 123. 124; 127. 128; 160. 161; 177. 178; 188b. 189a; 190. 191; 223. 224; 265. 266; 275a. 276a; 275. XXIV 2— 4a; 13. 14. XXV 1 ; 2. 3; 4. 5; 11. 12; 15. 16; 17. 18 ; 19. 20; 20. 21; 23. 24; 30b. 31a; 39. 40; 49; 57—61; 66a. 67a; 75. 76; 81—82. 83-86; 87. 88; 90b. 91b. 92a; 101. 102. II: 3. 4; 5b— 10a; 16; 20. 21; 21. 22; 44; 49; 51a. 52 a. 55; 57. 58; 59-61; 81. 82; 83. 84; 99. 100; 119a. 120; 119.123.125; 129.130; 137.138; 141.142; 161.162; 165.166.

12

2. Die begriffsvariation.

A) Begriffscoordiuatiou. a) Disjunctive begriffe.

Hiermit bezeichnen wir aneinandergereihte begriffe, Avelclie logiscli eine ähnliche fiinction haben, sich aber der bedeutung nacli nicht decken, wie z. b. 'zeisig und nachtigall', 'rot und weiß' U.S.W. Am häufigsten kommt diese variationsart in Otfrids spräche bei nomina und adjectiven vor, wie z. b. IV 1, 32 lera filu wara, in alla worolt mara oder IV 3, 21. 22 Sie dru- agun in then hanton palmono gertun ingegin imo rumo, zuig ouh olihoumo.

Auch weiter ausgeführte begriffe werden auf dieselbe Aveise variiert: IV 2, 23—26

In tliiu man tbaz irweliti, man arme miii ncriti, joli mau thes gihogti, ouh naJcote githagti; Ouh then, thar after laute farent loallonte, thaz man then in noti mit thiu ginadoti.

Zuweilen begegnen wir, wie bei den anderen Variationsarten, auch hier der zweifachen nominalvariation; vgl. V 8, 13. 14 Thie selbun gotes thegana, thie uns scribeut kristes rcdina, thie uns scribeut sino dati Job selbaz sin giraii.

Unter die längsten Variationen dieser art gehören 1 11, 39-46 und V 17, 25—31, wo Christi himmelfahrt veranschaulicht wird, und zwar gerade durch anhäuf uug verschiedener, doch gleich fungierender begriffe:

Thia sunnun Job tbcn manon so ubarfnar er gaben,

Job allan thesan woroltring, ui gisab man er io sulib tbing;

Sar zi tberu Stulln thiu zuelif zeichan ellu,

io sar bi tbenio tbinge in tbemo uabaklen ringe;

Ubar iha2 sibunstirri Job ther wogano gistelli,

then drachon niewibtes min, tber sib tbar wintit untar iu;

Saturnum ouh tbeu dragon, Folonan ouh then stetigon . . .

Etwas zweifelhaft ist der fall bei III 13, 55. 56

Thie jungorou tbar tho gabun tliera sconi hintarquamiin, Job sie tbo tbero dato irforahtun sib thrato.

Daß 'hintarquamun' etwas von furcht in sich trägt, ist natürlich nicht zu leugnen, und an dieser stelle steht auch nur 'timuerunt' in den (luellen, doch da 'hintanjuamun' sonst auch

DIE VARIATION BEI OTFKID. 13

Öfters ein 'mirabantur' der (luellen übersetzt (vgl. III 16, 6—8),

dürfen wir hier vielleicht annehmen, daß Otfrid den ausdruck

der quelle auch begrifflich variieren wollte.

Es folgt nun eine aufzählung der disjunctiven begriffs-

variationen:

Bnch I.

L: 1; 20; 25.20; 80; 87. SS. S: 1 a. 3 a ; 15. IG ; 29— 32 ; 30b. 15. G; 97; lOO; 113. II G a ; SO. III 5. 6 ; 13. IV 33. V 21 ; 23b. 25a. 26; 42; 03. G4. VI IG. VII II. 12. VIII 1. IX 35. 36. X 17. XI 39—46. XII 1. 2; 5. 6 ; 20. XIII 7. 8. XIV 2. 3. XV 1; 25. 26.

XVI 1. 2; 3. 4; 20. XVII IS; 47; 51; 52. 53. XIX 25. 26. XXII 21; 44. 45; 62. XXIII 25; 37; 41—44. XXIV 5—8; 9. 10. XXV 10; 29.30. XXVI G. 7. XXV1I3. 4; 10; IG; 17. IS ; 66.

Buch II. I 25; 35. 3G. II 9. 10; 24—26. III 1. 2; 27. 28; 4G— IS; 61; 67. IV 16; 67. 68; 84; SS; 89. 90. V G. VI 9. lU ; 49. 50; üS. VII 3; 36; G7. GS; 76. VIII 5-1; 55. IX 10; 21. 22; 59. 60. X 9. 10; 20. XI 56. X1I3. 4(?); 19.21); 25.26; 31; 34; 35; 49.50; 65.66; 67; 70; 83; 85 a. 86 b. 87 a. XIII 24; 37. 38. XIV 5. 6; 10; 26; 43; 61; 67; 78; 109. 110. XV 15. 16; 23.24. XVI 13b; 13. 14.

XVII 23. 24. XVIII 2. 3. XX 3. XXI 19. 20; 30; 33. 34; 39. 40. XXII 5. G; 12; 17. IS; 21. 22; 23. 24; 26; 41. XXIII 5. G. XXIV 1 ; 3. 4; 9— IG; 2S.

Buch III. I 4; 12a; 13; 14; 16. III 6; 11.12; 15b. IV 12; 26. V 3. 4; 12. 13. VI 23. 24; 36 b; 43. 44. VII 47. 48; 69; 74; 87. 88. VIII 21. 22; 37. 3S. X 4. XI 29. XIII 55. 56. XIV 35. 36 ; 37—39; 59.60; 73.74. XV 15 a. 17 a; 42 a. XVI 4 ; 26; 62. XVII 16; 23. 24; 60. XVllI 1. XX 177. 178. XXII 22; 51. 52. XXIII 16. 17; 34; 55. 56. XXIV 41. 42; 91b. XXV 35. XXVI 7; 44.

Buch IV. I 8; 32. II 14; 23—26. III 11. 12; 21. 22. IV 40; 41. 42; Gl. 62; 63. 64. V 2; 7. 8 ; IG; 17. IS; 57; 59. GO. VI 11. 12; 28; 44. VHS; 12; 17.18; 35.36. X 2. XII 23. XIII 23 b ; 25 b. 26 a. XIV II. 12. XV 5. 6. XVI 15. 16; 19a; 34. XVII 19. 20. XVIII 3. XX 35. XXII 34 a. XXIII 31. 32 ; 43. 44. XXIV 25. 26. XXVI 12. XXVII 21b. 22 a. XXVm 15. XXX 5. XXXI 11. XXXV 1 a. 2 b ; 14; 15. IG ; 35 b. 3G. XXXVI 6 ; 20 ; 23. 24. XXXVIl 9. 10 ; 26 a ; 29. 30 ; 40. 41.

Buch V.

I II. 12; 19a. 20a. 21a; 44—46. II 1. 2. VII 44. VIII 2a; 13.

14. IX 25. 26. 27a. 2!5a; 29; 30; .^6. X 3. XVII 11. 12; 25—31. XX

29 a. oO; 50. XXI 5—14; 25. 26. XXIII 23 b. 24; 65. 66; 73 b. 74 a^

137.138; 175; 192; 267.268; 273 b. XXIV 5. 6. XXV 77 a. 78 a. H: 87.

14 KOLBE

b) Gegensätzliche begriffsvariation.

Diese art der Variation gelit noch einen schritt weiter als die disjuuctive: wir haben es hier nicht mit bloß verschieden- artigen, sondern mit direct entgegengesetzten, und z. t. auch mit contradictorischen begriffen zu tun. Die meisten Variationen zeigen sich als Wortpaare, vorzugsweise von Substantiven, Avie z. b. in II, 22 a Thie Icngi joh tliie hirti. Ebenso 110,5 Zi uns riht er hörn heiles, nales fehtannes.

Auch adverbialpaare begegnen; vgl. II 14, 63 Thaz ir noh Mar, noh ouh theo:

Ebenso gepaarte adjectiven in substantivischem gebrauch; vgl. I 27, 7. 8

Alle thie furistun joh thie jungishm, arme joh riche giaiigun irao al giliche.

Zuweilen finden wir zweifache Variation; vgl. II 1,3 Er se joh himil wurti joh erda ouh so herti. Auch die gegensätz- liche, parallele satzvariation kommt ein paar mal vor: III 3, 9. 10

Ther kuiiiiig bat, er quami: ui Avas kriste thaz gizami; ther sculdheizo es ni gerota: er thara thoh farau wolta!

Ähnliche beispiele noch 13.14; 15.10. IV 6, 50. 51. Ein vierzeiliges beisjjiel dieser Variationsart kommt einmal vor; vgl. III 3, 25-28.

Es folgt nun eine aufzählung sämtlicher beispiele dieser

classe :

Buch I.

I 22a. X 5; 21. 22. XI 53. XII 8. XVI 18; 19. XVII 36. XIX 10. XXVII 7 ; 8.

Buch II.

I 1; 3; 26. V 18. VI 22. VII 71. XIV 03. XXII 7. 8; 23. XXIV 37.

Buch III.

I 21b. 22 b. II 37 b. 38 b. III 9. 10; 13. 14; 15. 16; 19.20; 22; 23. 24; 25—1:6. 27—28. V 6. X 22. XII 29. 3U. XX 6Sa; 113. 114. XXVI 13 b. 14 b.

Buch IV.

I 15b. 17b. IV 55b. Ö6b; 67.68. V 61b. 62b. VI 50. 51. VII 32; 67. IX 27 a. 28 a. XI 22. XII 59 b. 60 b, XIX 22. XXIII 38 a. XXIV 34. XXVI 49. 52. XXVII 22 a. XXXI 15 b. 16 a. XXXV 16 a.

Buch V. VI 63b. 64a. VII 15a. 16a. VIII 52. XV 9b; 21b; 35b. XVI 29 a; 30 b. XIX 53 a. XX 16 b; 22 a. XXIII 12 a; 69 b. 70 a; 80a; 96 a

DIE VARIATION BEI OTFRID. 15

106a; 116a; 135. 136; 146a; 158a. XXIV 5a; 6a; 9. 10. XXV

80 b; 95; 96 a; 103; 104 a. H: 139. 140; 168 a.

B) Begriffssiibordination. a) Allgemeine begriffe specielle begriffe.

Die nähere bestimmung eines allgemeinen oder umfassenden begriffs durch einen (auch durch mehrere!) speciellen oder teilbegriff ist bei Otfrid die beliebteste art der begriffssubordina- tion. Fast in jeder Strophe finden wir beispiele dafür. Die einfachste art dieser Variation bildet die apposition; diese steht oft noch in demselben halbvers; z. b. 13,48 Johannes, thegan siner. In vielen fällen dehnt sich sogar diese einfachste form über die ganze langzeile aus, wie z. b. V20, 9 Thaz meintun hiar thie zuene, ihie ivizun man tJiie scone.

Öfters ist das erste Substantiv nur formelles einleitungs- wort, wie z. b. in V 17, 34 al thaz seltsani thes Jiimihs (jimali Oder V 20, 1. 2 Gizellen will ih suntar thaz egislicha wuntar, thaz seJba urdeili.

Bei postnominaler Stellung des adjectivs, wenn gebraucht, um dadurch eine besonders emphatische Wirkung hervoi'zu- bringen, neigt dieses dazu, in die nominalconstruction überzu- gehen, weshalb dieser fall wohl hierher zu rechnen ist; vgl. 1 4, 1 In dagon eines hininges, joh harto firdancs.

Keineswegs aber sind die Variationen dieser classe auf bloße Wortvariation beschränkt. Auch die satzvariation kommt außerordentlich häufig vor; z. b. 116,40—42

tho irfivta uns mer ouh thaz guat, thaz er lougnen gisdiat; Thaz er gigia)ig in baga thera gotes fraga joh fon imo iz %canta, thaz icih iz anazalta.

Hier ist 40b die allgemeine bezeichnung, 41 vielleicht eben- falls in variierter form, während 42 dagegen die näheren be- stimmungen des 'lougnen' angibt.

Die ausgedehntesten beispiele dieser art der begriffs- subordination finden wir in denjenigen fällen, wo eine gewisse religiöse begeisterung den Verfasser zur anhäufung von immer neuen einzelheiten über irgend ein beliebtes thema antreibt; vgl. z. b. 118,35—42, wo die zeile 'Thes selben pades suazi suachit reine fuazi' etwa neunmal variiert wird. Ebenso wird in 116,17—22 'thia guati' fünfmal variiert; in 11114,51—72

16 KOLBE

'zeicliaii filu managu' etwa zelinnial; in IV7, G9a— 82 •bilidi' zwar nur einmal, doch ist die Variation über vierzehn Zeilen ausgedehnt; endlich in V 24, 5 14 finden wir eine fünffache Variation.

Es folgt nun die aufzählung sämtlicher beispiele:

Buch I. L: 12—14; 17. IS; 29; 31— 36; 34; 45; 52—55; G4 ; 89. 90 ; 96. S: 1. 2; 3; 13. 14; 23. 24; 29 a. 30; 33b-36. 18; 12; 13—16; 35; 43. 44; 75. 70; S2— 84 ; S9 ; 101. 102; 111. 112; 119. 120; 123. 124; 125.126. II 5. ü; 15—18; 21.22; 25.26; 31.32; 37.38; 53.54. III 23 a. 25. 26; 4S. IV 1; 29. ; 34. 35; 59; 72. 73. V 3 ; 6. 7 ; 13. 14; 15. 16; 27. 2S ; 33. 34; 55. 56. VI 7; 15. VII 21.22; 25; 27. VIII 9. 10; 20—22; 25. 26. IX 8; 21—23; 25. 26. X 6; 11. 12; 15. 16; 19. 20; 25. XI 30. 31; 53. 54. XII 3; 11. 12; 17. XIII 2; 22. 23. XIV 4; 13; 14.15; 17.18; 20. XA^2-4; 15.16; 49.50. XVI 6. 7; 22. XVII 3; 11. 13. 14; 12; 70—72; 74—76. XVIII 1. 2; 2S —30; 35—42; 43 a. 44 a. XIX 11. 12. XX 4—8; 9. 10; 15. 16; 21. 22; 31—34. XXII 45. 46. XXIII 10—13; 15.16; 2U— 22 ; 33.34. XXV 4; 7; 13. 14; 15. 16. XXVI 11—14. XXVII 33. 34; 35a. 36b; 47.48.

Buch II. II 1. 2; 3. 4; 7. 8 ; 13. 14; 37. 38. III 3. 4; 33—36; 39. 40; 43. 44; 51. 52; 57; 63—66. IV 23. 24; 29—32; 57—59; 61. 62; 69. 70; 73. 74; 77; 82. 83; 97. 98; 103. 104; 107. V 7. 8 ; 9. 10; 23. VI 5-8; 17—22; 40—42; 43.44; 44—46; 47.48. VII 19. 20 ; 27. 28 ; 37. 38; 43. 45; 47. 48; 49. 50; 64; 71—74. VHI 11; 13. 14; 21; 27. 29; 29.30; 31; 37.38; 45.46. 1X4—6; 14-16; 29; 31.32; 37.38; 51. 52; 53. 54; 58; 65-67. X 5. 6 ; 13. 14. XI 1. 2; 21. 22; 31; 36.37; 45.46; 57.58. XII 1.2; 12.13; 27.28; 43—46; 71.72; 73. 74; 91; 95. 96. XIII 9. 10; 11—14. XIV 19. 20; 23. 24; 43. 44; 81. 82; 83. 84; 87. 88; 121. 122. XV 9. 10; 11. 12; 21.22; 22. XVI 1. 2; 3. 4; 5. 6; 15. 16; 17. 18; 19. 20; 21—24; 25; 29. 30. XVII 1.2; 21.22. XVIII 2. XIX 1.^)— 17; 23.24; 26—28. XX 7. 8. XXI 31. 32; 35. 36. XXII 1—4. XXIII 23 b. 25 a.

Buch III. I 11. 12; 39. 40; 43. II 9. 10; 17; 18; 21. 22; 23. 24; 27. 28; 33. 34; 36. III 3. IV 16. 17—18; 24; 35. 36; 37. 38. V 7. 8. VI 5. 6; 21; 25. 26; 39 a. 40; 53. 54. VII 1. 2; 37. 38; 39. 40; 49. 50; 63; 85. 86. VIII 7. 8 ; 15. 16; 27. 28; 31—33; 45. 46; 49. 50. IX 14—16. X 1. 2; 5. 6. 8b; 10; 13. 14; 17. 18; 19. 20; 21.22; 27.28. XII 1—3; 3.4; 7.8; 13—16; 19.20; 23a. 24. XIII 10; 49.50; 51b; 53.54. XIV 15. 16; 21.22; 23.24; 25.27-28; 41b. 42 b. 43 a; 43b— 45; 50; 51-72; 86-88; 107b. 108a; 109.110; 118—119.120. XV 1.2; 5—8; 20b. 21. 22; 39.40; 40 b. 41. 44. 45 ; 41.42; 45 b.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 17

46a; 47; 48b— 52. XVI G. 7 ; 11.12; 31.32; 33.34; 43.44; 45; 53-55; 50b— 58a; 71.72. XVII 21b— 23; G9 a. 70 a. XVIII 3.4; 41.42; 46; 58—60; 65.66; 74. XIX 11.12; 13—15; 17; 27.28. XX 7.8; 8; 61.62; 69.70; 71.72; 73.74; 75.76; 91; 103.104; 109—111; 117. 118; 119—122; 129. 130; 135. 13G ; 146; 147 a. 147b —148 b; 151. 152; 163. 164; 179; 184. 185. XXI 13. 14; 19. 20; 31. 32. XXII 5. G; 11. 12; 35. 36; 42; 47. 48; 57. 58; 64. XXIII 3. 4; 9.10; 12; 19.20; 53.54; 57. XXIV 3.4; 7.8; 13b— 16; 57.58;

63 b. 64; 75—77; 7S. XXV 13. 14; 21. 22; 35. 36. XXVI 2; 11. 14; 22; 37 a. 37 b; 41.

Buch IV. I 29—32; 33. 34; 35. 36; 43. II 9. 10; 19. 20; 21. 22 ff. ; 27,28. III 1. 2; 4. 6—8. IV 3. 4; 15. 16; 39; 43. 44. V 19 b. 20 a; 39 b. 40a. VI 4. 5; 18; 20; 54; 55 a. 56 a. VII 4; 13b— 18; 47.48; 50;

64 a— 68; 68; 69a— 82; 73.74; 79— S2. VIII 1 b. 2 b ; 17; 19.20. IX r2b— 14; 19.20; 29.30. X4; 14b— 10. XI 3. 4 ; 25.20; 43.44; XII 11. 12; 10b— 18; 33 b. 34 b ; 35. XIII 1.2; 7.8; IIb; 22—24; 29; 49-52. XV 15; 25 a; 26; 39. 40; 59. 60. XVI 7. XVII 15—17; 25. 20; 2.). 30; 31. XVIII 9. 10; 19. 20. XIX 4a; 17. 18; 21. 22; 29—32; 65. XXI. 2; 7b. 8; 12—14; 16; 21.22. XXI 2 a. 3 a ; 13. 14; 17 b. 18 b; 25.26. XXII G. 7 ; 23.24; 2S. XXIII 9—13; 17.18. XXIV 3. 4; 5. 6; 19 b. 20 a. XXVI 49. 50. XXVII 17. 18; 23 b. 25. 26; 29 a. 30. XXVIII 6-8. XXIX 1.3; 15 a. XXX 7. 8. XXXI 2 b -4; 4; 5. 6. XXXII 5. XXXIII 15. IG; 17. 18; 19. XXXIV 10-18. XXXV G; 21.22. XXXVI 7. 8 ; 10; 13; 18.19. XXXVII 25 b. 20 b ; 26 a. 27 a; 39. 40; 42 a. 43.

Buch V. I 7. 8; 15.16. II 9 b. 10. IV 3 b. 4 b ; 14; 28. 29; 42 a. 43; 44; 50. 51; 52 b. 53. V 5. G ; 7. 8. VI 19b-21; 55. 56; 67—69. VIU 3b. 4a; 11; 19.20; 22; 23; 35.30; 47b— 52. IX 46. X 1.2; 9 —12; 13. 14. XI 19. 20; 25. 26; 35 a. 36 a. XII 5. 6; 58. 59—00. 61—02; 63 b. 64; 89. 90; 97; 99. 100. XIII 2; 5. 6 ; 23. XIV 4; 9. XV 9a. 10; IIa. 12b; 19. 21; 31. 32; 39. 40. XVI 1; 13. 14. XVII 34. XVIII 11. XIX 15a-18. XX 1.2; 9; 69; 71-80; 95— 99 a ; 97 b. 98; 103—108; 115. 116. XXII 13. 14. XXIII 5; 22; 33 b. 34 ; 67.68; 77.78; 83-85; 125.126; 140b— 144 ; 149—153; 293. XXIV 5—14; 11. 12. XXV 4b; 10; 21.22; 32—34; 43.44; 69b; 79.80; 97.98. II: IIb. 12a; 19a. 20; 27 b. 30 ; 32—34; 39.40; 41.42; 55b. 56; 75; 93.94; 100.101; 107.108; 111.112; 117.118; 135; 151—154; 15Sa— 160.

b) Specielle begriffe allgemeine begriffe. Viel geringer ist die zahl der speciellen begriffe, welche durch allgemeinere ausdrücke variiert werden. Merkwürdig ist die tatsache, daß kein einziges beispiel dieser art sich

Beitrage zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 2

18 KOLBE

Über die grenzen der Yierzeiligen Strophe ausdehnt. Auch in hinsieht auf den kunstvollen bau stehen diese Variationen weit hinter den anderen zurück. Das enjambement begegnet zwar ziemlich häufig, doch sind die fälle von Chiasmus oder par- allelismus verhältnismäßig selten. Als beispiel für die wort- variation vgl. II 6, 15. 16

In tod, quad, iii g-igiaugin, thoh siu tbarazua fiangin, noh bi thia meina in freisa niheina.

Auch verba finden sich in dieser weise variiert, z. b. in III 14, 57. 58

Er gibot then wintou, theu undon zessontou; so slium er es giicuag thar, sie gistiltuu in sar.

Eigennamen, die bestimmt auf eine gewisse Persönlichkeit hinweisen, kommen zuweilen vor und werden dann gewöhnlich durch einen allgemeineren ausdruck variiert; vgl. 1 3, 31 Ih meiuu sanda Mariun, huningin thia ricimn.

Die Satzvariation erstreckt sich meist über zwei lang- zeilen; vgl. II 5, 15. 16

Themo alten det er suazi, thaz er thaz ohaz azi,

gispnan, thaz er otth thaz firliaz, thaz druhtin inan duan hiaz.

In ein paar fällen wird die ganze vierzeilige Strophe durch diese variationsart ausgefüllt; vgl. IV 29, 37—40 (drei specielle eine allgemeine Variation).

Thaz thar wiht ni rometi, so er sih iz analegiti, bi(iuaiui zioro ana wank thaz selba frono gifauk; Job thar, soso iz zami, wiht fulteres ui wari, thaz sih zi thiu gifiarti, thia kristes lih biruarti.

Es kann auch vorkommen, daß ein specieller ausdruck durch zwei allgemeine begriffe variiert wird mehr als zwei solcher begriffe nebeneinander habe ich nicht gefunden; vgl. II 16, 26-28

mit thiu sie thaz giweizent, sie gotes kind heizent; Got gibit in zi lonon then selbon namon sconon, joh duit in thaz girauati mit thes namen gnati.

Bei manchen Wortpaaren läßt es sich schwer bestimmen, ob der erste oder der zweite ausdruck der allgemeinere sei, so z. b. bei 'boto engil' und ähnlichen Verbindungen. Daher ist eine genaue differenzierung zwischen dieser classe und der vorhergehenden bisweilen nicht ohne eine gewisse willkür zu

DIE VARIATION BEI OTFRID. 19

treffen. Die yerliältnismäßig- wenig-eii beispiele von Variation des specielleu durch den allgemeineren begriff sind im folgenden aufgezählt:

Bnch I. L: GS; 70; 80. 81— 81 b. S: 38. I 31. 32; 39; 53. .54; 77—80. III 11. 12; 31; 39. 40; 41—43. V 19. 20; 24. VI 1. VIII 27. 2S. IX 16. 18. X 5. C. XII 7b. 9a; IG. XIII 11. 12. XV 5—7. XVII 9. 10; 34 b. 35 b. XVIII 9. 10. XIX 3. 4 ; 7. 8. XXI 4—6. XXIII 23 —26; 35. 36; 55. 56. XXV 19—22. XXVII 1. 2; 43. 44.

Buch II. III 19. 20; 49. 50; 53. 54. IV 33. 34; 71. 72. V 15. 16. VI 11. 12; 15. 16; 27. 28. VII 23. 24. IX 27. 28; 33— 36 b ; 41. 42; 45. 46; 49.50; 61.62; 77.78; 79-81. XI 23— 26. XII 60 ; 88-90. XIII 40. XIV 3. 4; 15. 16; 45. 46; 60; 89. XV 1. 2 ; 15. 16. XVI 26-28. XIX 19. 20. XX 1-4. XXIII 13—16.

Buch III. VI 13. 14; 33. 34; 38 b. 39 a. VII 43. 44.. XI 23. 24. XII 22; 35 b. 36 a. XIII 6. XIV 18—19.20; 4S a ; 57.58; 67.68; 81. XVI 61. 62. XVII 64 b. 65 a. XVIII 23. 24; 70—72. XIX 35. XX 1. 2 ; 107; 161.162. XXI 1. XXIV 25.26; 55 b. 56 ; 65.66; 108.109. XXV 1. XXVI 23. 24; 28—30.

Buch IV. VI 21b. X 5. 6. XI 50. 51. XII 49 b. 50 b. XIII 43 a. 44 a. 45a; 53.54. XV 19; 41.42; 45.46. XVI 11.12. XVIII 39. XXI 27. XXII 15. 16. XXIII 5 b. 6; 25. 26. XXIV 27. 28. XXVI 47 b. 48 a. XXVII 29. XXIX 37-40. XXXV 3. 4.

Buch V. VIII 2 b. 3 a; 7 a. 8 a ; 55 b. 56. IX 41. 42; 47. XI 47. 48. XII 95b. 96. XVII 5a. XIX 1.2. XXIII 47; 175a. 176a; 262 b. 263 ; 263 b. 264 a. H: 128.

3. Die gemischte Variation.

Die meisten fälle der Variation bei Otfrid lassen sich entweder als reine ausdrucks- oder reine begriff s Variation be- zeichnen, doch existiert daneben, wenn auch nur in verhältnis- mäßig- geringer zahl von beispielen, eine mischgattung, die wir keineswegs unberücksichtigt lassen dürfen. Diese ge- mischten Variationen bilden wiederum zwei ganz verschiedene classen: A) die einreihigen gemischten Variationen, B) die gruppen Variationen (mehrreihig).

2*

20 KOLBE

A) Die einreihigen gemiscliten Variationen. Bei diesen Variationen bleibt die logische ideenfolge ganz unberücksichtigt, d. h. es kann z. b. eine variationsreihe vorkommen, wo allgemeine mit specielleu begriffen beliebig Avechseln, oder wo ausdrucks- nnd begriffsvariationen bunt durcheinander gehen. Notwendigerweise muß bei all diesen fällen eine mehrfache Variation vorliegen. Es mögen nun ein paar der interessantesten fälle das eben gesagte erläutern;

IV 18, 15. 16

Er suar tho filu genio, quad, ni Avari thero manno; mit eidu iz cleta festi, tliaz er tlien man ni westi.

Hier finden wir ein einfaches beispiel der zweifachen Variation (1. 'suar', 2. 'quad', 3. 'mit eidu deta festi'), wo 1 und 3 bloße ausdrucksvariation bilden, 2 dagegen den all- gemeineren begriff des redens angibt. Eine älinliclie misch- variation, doch diesmal innerlialb der grenzen der begriffs- variationsclasse, bildet II 14, 113. 114

Gimuatfagota er tho in, ivas zuene daga thar mit in; milti sino iz datiin, so sie nan thar tho hatim.

Hier haben wir zuerst den unbestimmten, allgemeinen begriff, dann die specifizierte Variation desselben, endlich nocli eine variierte Wiederholung von 1.

Wie nun zu erwarten ist, gehen die meisten beispiele dieser variationsart über die zweifache Variation hinaus. Als beispiel der längeren, gemiscliten Variationen sei hier angeführt

V 16, 35—42

Zeichono eigit ir giwalt zi wirkeune nbar woroltlaut, tliiu ir mih duan saliut, unz ir mit mir warnt: Horngibrnacler heilet, so sliumo ir iz gimeinet, thie suhti thana fuaret, so sliumo so ir se ruaret; Dote man irquiket, thar ir zi mir es thigget, tharzua sin ouh gizalte bettirison alte. Thiu kraft ist in gimeini, thaz nist uuheili in worolti zi wäre, nub ir sa heilet sare.

Die beiden ersten sowohl wie auch die beiden letzten Zeilen enthalten allgemeine ausdrücke ('zeichono zi wirkenne; unheili heilet), die vier zwischenstehenden Zeilen dagegen geben die näher specifizierten Variationen dieser allgemeinen begriffe au.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 21

Zuweilen zeigt eine gemischte Variation die allgemeine tendenz, sich den bedingnngen irgend einer regulären classe anzupassen, wie es z. b. in IV 5, 11 18 der fall ist. Hier könnte man vielleicht an eine ausdrucksvariation der B-classe denken, wenn sich nicht in den zeilen 11. 12 und 18 offenbar begriffe allgemeinen Inhalts befänden.

Ganz sicher als gemischte Variationen sind folgende zu bezeichnen :

Buch I.

L: 71— TS. S: 4<). 41. I 4S-50. IV 23. 24. V 53. 54. XV 41. 42. XVI 9-13; 23. 24. XVII G4-G6. XIX 1. 2. XXII 2-5.

Buch II.

VII 5. 7. XI 12—20. XtV 113. 114. XV 17. 18. XXIV IS— 20.

Buch III.

VIII 10— 14. X 29-32. XII 3S-44. XV 33— 36. XVII 1.2b. XIX 9. 10. XXII 55. 56.

Buch IV. V 11-18. XVIII 15. 16. XX 17-20.

Buch V. XVI 35-42. XXI 1.5-18.

B) Die gruppenvariation. Mit diesem namen bezeichnen wir diejenigen stellen bei Otfrid, wo mehrere begriffe zur selben zeit variiert werden, eine art laufende, z. t. parallele, doch oft formlose Zusammen- stellung mehrerer variationsreiheu (vgl. Behaghel s. 498 ff.). In fast jedem falle wird ein längerer satz (oft direct aus den quellen) als grundlage genommen, dessen teile dann im laufe des ganzen Variationsstückes mehrfach variiert werden. Nehmen wir als einfaches beispiel den satz: Der Ixiiser hatte eine frau. Jedes wort dieses satzes könnte man variieren, vielleicht etwa: Der herrscJier besaß ein tveib. Wenn nun die Variation in der nächstfolgenden zeile in directem parallelismus zum vorher- gehenden satz steht, und wenn jedes wort nur einmal variiert wird, so dürfen wir höchstens von einfacher satzvariation sprechen. Ganz anders aber sieht die sache aus, wenn eins der Wörter nur einmal, ein zweites aber doppelt und ein drittes vielleicht gar nicht variiert wird. In dem falle hätten wir etwa das schema:

22 KOLBE

Der kaiser hatte eine frau

Otto I. hatte eine frau

Ber herrscher besaß eine frau. Offenbar kann man hier nicht von satzvariation reden, da nur teile des satzes, und diese nur in ungleichem maße an der Variation teilnehmen. Für solche fälle ließe sich Avohl die bezeichnung 'gruppen Variation' anwenden; diese besteht aus mehreren Variationsreihen, welche wir bezeichnen mit a, b, c, d U.S.W.; z.b. a = der kaiser (zweimal variiert),

b = hatte (einmal variiert),

c = eine frau (gar nicht variiert). Natürlich wären dann in gewissem sinne die parallelen und chiastischen Variationen ebenfalls gruppenvariationen, da beide arten zwei gedankenreihen enthalten; doch wenn beide reihen gleich oft variiert werden, erscheint es doch zweck- mäßiger, dieselben als einfache Variation eines einheitlichen ganzen zu betrachten.

Die grundlage der gruppenvariatiou ist in der alten allitera- tionspoesie zu suchen. Schon in den ersten Zeilen des Hilde- brandsliedes (1—6) begegnet eine solche zweireihige gruppen- variation :

a) vater und söhn (dreimal variiert),

b) rüsteten sich zum kämpfe (dreimal variiert).

Ik gihoi'ta dat seggen,

dat sih urhettun senou muotin,

a

Hiltibrant euti Hadubraut uutar heriun tuem

a b

suuufatarungo iro saro rihtim,

b b

garutun se iro güdhanmn, gurtun sih iro suert ana

a

helidos, iibar hringä, do sie to dero hiltiii ritun.

Auch der parallelismus dient als weitere grundlage für die gleichzeitige Variation mehrerer begriffe.

Vergebens aber sucht man in der alliterationspoesie nach gruppenvariationen, welche mehr als zwei oder drei gedanken- reilien enthalten. Dem volkstümlichen Charakter der früheren dichtung liegt der kunstvolle bau der Otfridschen grupi)en- variation völlig fern. Über dieses künstlerische elemeut in

DIE VARIATION BEI OTFßlD. 23

den gruppenvariationen wie auch in den Variationen überhaupt wird im folgenden abschnitte noch weiter gehandelt werden. Eine einteilung der gruppenvariationen nach logischen principien, wie es bei den einreihigen Variationen zum größten teil möglich war, ist wohl ganz ausgeschlossen, da die ver- schiedenen gedankenreihen sich in keinem falle einem einheit- lichen, logischen Schema anpassen würden. Daher empfiehlt sich als geeignetste methode die einteilung nach der zahl der gedankenreihen. Die einfachste art der gruppenvariation ent- hält natürlich zwei gedankenreihen; nach oben ist die mög- lichkeit nicht begrenzt, und Otfrid variiert bis zu sechs deut- lich erkennbaren reihen. Wir betrachten zuerst

a) Die zweireihige gruppenvariation. Diese ist die weitaus häufigste art der gruppenvariation. Als einfaches beispiel dient II 11, 61 G8. Hier unterscheiden wir zwei scharf getrennte reihen:

a) Christus erkannte

b) die (listigen) absiebten (des Volkes). Hierdurch wird das 'ipse enim sciebat, quid esset in homine, der quelle wiedergegeben. Der text folgt:

b

Ni firliaz sili krist in wara in thei-o liuto fara

a

tho zi thenio sinde; sie wanm imo künde.

a b

Er irkanta follon in in tlien iro Avillou

b

joli thio hugulusti, thie in warun in theru brusti. Wizist ana baga: (ni was imo thurft thera fraga,

a b

thaz imo iaman zalti), waz manues herza wolti;

a b

AVanta imo ist al inthekit, thaz manues bngu rekit

b

Job thaz er mit gilustin dregit in tbeu brustiu.

(Die buchstaben über den Zeilen dienen zur bezeichnung der reihe). Wir ersehen hieraus, daß die erste reihe (a) aus vier, die zweite (b) dagegen aus sechs gliedern besteht. Solche ungleichmäßige Variation der verschiedenen reihen ist für die gruppenvariation typisch.

Es folgt nun die aufzählung der beispiele zweireihiger Variation mit angäbe der variierten begriffe. Die ein-

24 KOLBE

gescliobenen Ziffern bezeichnen in jedem falle die anzahl der Variationsglieder in den nnmittelbar vorliergeliendeu reilien.

Buch I. L 19—25 In der not (6) half ihm gott (4).

I 17—20 Die schriftliche aufzeichuung (-4) hringt freude am leben (-4). I 21—28 (Sie machen es) angenehm (2), indem sie es sorgfältig be- arbeiten (5).

ni 1—4 Sie zeigen (3) seine herknuft (5).

VII 14—18 Er erniedrigte die hohen (3) und erhöhte die niedrigen (2).

VIII 13—16 Er dachte an (3) ihre tugeud (4).

XI 59—62 Wäre Christus nicht gekommen (3), so wäre die weit ver- loren (4).

XXII 23—31 Angst der mutter (7); eilige Wiederkehr (4).

XXIII 57 62 Es nehme sich jeder in aclit (2), daß er nicht ins ver- derben gerate (5).

XXVII 61—68 Diese rettet er (4), jene verstößt er (3).

XXVIII 1—20 (Laßt uns gott bitten), daß wii' nicht verstoßen werden daß wir höllenqual meiden (8) und daß wir des himmels teilhaftig werden (5).

Buch IL I 1 32 In principio (17) erat verbum, et verbum erat apud deum (19). III 46—48 Es wäre uns allein genug (2), wenn wir den rechten ver- stand hätten (3).

V 5—14 Er konnte Adam verleiten (3); gegen Christus war er machtlos (3).

VI 29—34 Hätte er es ungeschehen gelassen (3), dauu wären wir nicht alle verloren (3).

IX 87—94 Wenn du diese lehren hörst predigst , darnach handelst (4), labst du dich mit süßem tränke (4).

XI 61—68 oben besprochen.

XIII 29—34 Der vater liebt seinen söhn (2); er gibt ihm unumschränkte macht (5).

XXII 31—36 Die bitte des kindes (3); die antwort des vaters (5).

XXIV 21—26 Schütze uns (3) vor allem bösen (4).

Buch UI. I 22—29 Erhöhe erwecke meine fähigkciten (3), damit ich an dem mahle der bibel teilnehmen deinen willen ausführen kann (4).

VII 41—48 Der herr gab erklärte uns (5) den sinn nutzen der bibel (7).

VII 49-56 Wenn einer etwas davon nicht versteht (2), so erklären sie es (5).

VIII 3—6 Er entfloh in das gebirge (3), weil seine zeit noch nicht gekommen war (2).

IX 11—14 Sie nahmen mit sich (3) das heil (5).

DIE VARIATION BEI OTFRID. 25

XIII 13 18 Es geschehe nie (5), daß dir solches begegne (4).

XIV 75—84 Er tröstete heilte (4) alle, die zu ihm kamen (8).

XVII 17—20 Erzähle uns (3) deine gedaukeu (3).

Buch IV. I 49—52 Das geschah (2) durch dich (6). V 35—38 Er leitet uns (2) zum himmelreich (6). VIII 5—10 (Sie befahlen), daß man ihn verfolgen sollte (5) überall, wo er auch sei (3).

XVIII 35—38. Petrus erinnerte sich (3) des wertes des herrn (2). XXV 1 4 (Ich will erzählen), wie er uns dadurch half (3), daß^man

ihn verhöhnte (3).

XXV 11—14 Er duldete (4), damit wir erlöst wurden (2).

XXVIII 11—16 Wir wollen das kleidungsstiick nicht verletzen wollen es ganz lassen (4); das los soll entscheiden (2).

XXIX 8b 10 Da ist (2) nichts zusammengeflicktes unpassendes (4). XXIX 15 20 Damit es erreicht sei (4), daß sie (die tunika) heil bleibe (5). XXIX 45—48 Daß es (das kleid) zu seinem leib passe (3), da sie es

schuf (2).

XXXI 13—16 Er brachte segen (3) einem jeden überall (3).

XXXIII 1—14 Die sonne entsetzte sich (3) und verbarg ihr licht (7).

XXXVII 3—6 "Wir sollen sie (die wacht am grabe) unternehmen (2) mit anderer gesinnung (3).

XXXVII 31—34 Laßt uns (die nachricht) verbreiten (2) unter den menschen (4).

Buch V.

X 5—8 Gehe nicht weiter bleibe bei uns (3), denn der tag hat eich geneigt (2).

X 20—26 Angst sorge überfiel sie (4), daß er nicht mehr da war (3). XII 41—44 Die tat sein beschluß (4) (war) wunderbar (3).

XIX 21—29 Der prophet sagte (3), (daß es ein tag sei) der schrecken (11). XXI 19—22 (Sie fahren) in die hölle (4) wegen ihrer Untaten (2). XXIII 100—104 Vom himmel (2) ins Unglück (5).

XXIII 277-280 (Der duft weht) ewiges heil (3) gottes getreuen ent- gegen (3).

XXIII 287 291 Es ist uns eine erquickung eine freude (5), den herrn (zu sehen) (3).

XXV 51-54 So machen es (3) die Franken (3).

XXV 93—96 Sfeine herrlichkeit (2) sei überall (7).

H: 61b 66 Die anderen starben (2); Noe entkam (3).

b) Die dreireihige gruppenvariation. Als beispiel nehmen wir V16, 22— 25

ab 0

gizellet woroltthiote al, theih iu gibiete.

a b

Faret bredigonti, so wit so thisu worolt si,

26 KOLBK

a c b

joh kündet ellu thisu thiiig ubar thesan woroltriug;

a c

Gizellet in ouli filu frara, theih selbo liera in worolt quam.

Hier finden wir die drei reihen: a) erzählet lehret b) der weit c) von meinem leiden als mensch.

Auch hier bildet die quelle das vorbild: 'Universum prae- dicate evangelium omni creaturae', Mc. 16, 15.

Eine aufztälilung der weiteren beispiele folgt:

Bucli l. III 17—20 David (2) wurde könig (4) wegen seiner vortrefflichkeit (2). XI 7—18 Jedermann (8), wo er auch sei (9), muß gezählt werden (5).

XVII 48—48 Der könig bittet um auskunft (über) (4) den lauf des Sternes (2) das suchen nach dem kinde (3).

XVIII 11—23 Wir vertauschten unser land gegen ein fremdes (5), daher sind wir i;nglücklich (10); dies geschah durch eigene schuld (4).

Buch IL V 23—28 Auf dieselbe weise (3), wie er uns irreführte (5), soll er selbst umkommen (4).

XV 3—6 Die nachricht verbreitete sich (2) über alle Länder (4); die leute versammelten sich um ihn (2).

XVI 33—38 Beati estis (3) (cum maledixerint) meutientes propter me (2), quoniam merces vestra copiosa est in caelis (2).

XXI 3—9 Behalte dein gebet im herzen (5), damit es dir gut ergehe (3), und bleibe bei deinem vorsatz (2).

XXIV 39—46 Daß wir selig werden (3) mit den deinen (6) auf ewig (3).

Buch III.

I 33—38 Sie beschirmt es (4) vor den angriffen anderer (3), indem sie es selbst züchtigt (2).

IX 5—8 Sie brachten zu ihm (2) alle kranken (6) das ist die Wahrheit (2).

XIV 89—94 Nichts wenig (4) sollten sie mitnehmen (2); so sollten sie gehen (2).

XVIII 49—52 Abraham (2) freute sich (4), als er meinen tag sah (2).

XXI 7—12 Alle menschen (2) (dulden) elend blindheit (5) wegen ihrer Sünden (2).

XXI 33— 3G Damit wir ihn anschauen können (2) mit unverhüllteu äugen (4), damit es uns zum wohle gereiche (2).

Buch IV. XIII 31—38 Du verleugnest (mich) (5) noch diese nacht (2), ehe der bahn kräht (2).

XVII 7—10 (Es gibt keinen andern), der sich so tapfer benehmen würde (3), der unbewaffnet (2) in den kämpf (2) ginge.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 27

XXI 19—22 Meine kvieger würden es bewirken (2) mit ihrer kühn- heit (2), daß der feind nicht so über mich macht hätte daß sie mich erretteten (3).

XXVI 43— i6 Ihr werdet rufen (3) den bergen (2), daß sie euch be- decken (3).

XXX 19—24 Die priester (2) verhöhnten ihn warfen ihm alles vor (6), was ihnen in den sinn kam (2).

Buch y.

I 27. 28. 31—34. 37—40 Alles (8) in der ganzen Schöpfung (3) ist ihm bezeichnet bezeichnet durch das kreuz gehört ihm (6).

II 1—18 Laßt uns das kreuz (als kriegsfahne) tragen (5), und jeder feind (3) wird dadurch besiegt (6).

III 1—19 Gesegnet sei beschirmt sei (12) ich mein leib meine seele (15), damit mir der feind nicht schaden kann vor den Ver- suchungen des feindes (7).

VI 1 8 Cursus duorum discipulorum (4) habet (3) (magnum) my- sterium (8).

VI 29—50 Die zeit wird kommen (2), wo die Juden den wahren glauben anerkennen werden von dem unwahren glauben sich bekehren (10), uud wo sie bereuen und weinen werden (12).

IX 31—35 (Wir glaubten), er würde uns befreien (2) von unseren leiden (3), doch geschah es nicht (2).

IX 49—55 (Er begann) die stellen der Schrift von Moses von den Propheten (5), welche von ihm handelten (3), zu erzählen auszulegen (0).

XII 1—8 Gottes taten die erzählung davon (6) sind ein (zu) großes wunder (6), als daß wir sie verstehen wiedererzählen könnten (2).

XII 51—56 (Ich erzähle noch mehr über) die heilige lehre seine taten (4), denn wir haben diese lehre sehr nötig (2), (damit wir alle ver- stehen), was sie zu bedeuten hat (3).

XVI 22 25 Schon oben besprochen.

XVIII 13—16 Es ist für uns wichtig wir sollen daran denken (2) : er weiß (3) unsere taten werte gedanken '^3).

XX 61—64 Sie schauen ihn au (2) und erwarten mit furcht (2), wie er sie richten wird (3).

XX 83—90 Wer hätte es glauben sollen (3), (daß dir) solche leiden (9) auferlegt wurden (2).

XXIII 35—42 (Was) man liebt (3), wenn es auch nicht zugegen ist (3), daran denkt man immer seufzt immer darnach (4).

XXIII 197—203 Da sind da hörst du genießest du (4) die ver- schiedensten Instrumente (8), die je erdacht worden sind (2).

XXIII 235 -240 Wie kann ich die herrlichkeit erzählen (2), welche die anderen alle die ganze weit nicht erzählen konnten (2), obschon sie es versuchten (2).

XXIII 245 254 Der tod bringt es keinem keiner braucht sich zu fürchten (3), daß ein leid z. b. krankheit, traurigkeit [8) seine fröhlich- keit (2) (beeinträchtigen wird).

28

c) Die mehr als dreireihigen (4. 5. 6) gTuppenvariationeu, Viel seltener kommen diejenigen gruppenvariationen vor, die mehr als drei reihen aufzuweisen haben. Nur im fünften huche, dessen satzstructur auch sonst als die complizierteste des ganzen Werkes zu bezeichnen ist, finden sich die mehr- reihigen gruppenvariationen etwas häufiger. Bei der folgenden auf Zählung bezeichnet die umklammerte nummer unmittelbar am anfange des variierten satzes die anzahl der variations- reihen im betreffenden complexe. Weitere beispiele anzuführen ist wohl kaum nötig, da das princip auch bei diesen gruppen- variationen dasselbe bleibt:

Buch IL

VI 35—39 (4) Er brachte uns (schaden [2]) (3), der nicht von uns weicht (2), (indem er uns) die freudeu des himmels (2) (wegnahm).

XIII 19—24 (4) (Wer von der erde ist), soll reden (3) von irdischen dingen (3); der aber vom himmel ist (2), erteilt eine andere lehre (2).

Buch IV. XXXIV 3—10 (5) Ich sage dir (2), die (seligen) toten multa Corpora sanctorum (4) standen aus ihren gräbern auf surrcxerunt exeuntes de monuraentis (3) (und gingen) unter die menschen vene- runt in sanctam civitatem (2), damit ein solches ereiguis bekannt werden sollte (2).

Buch V

I 1 6 (5) (Viele wundern sich darüber), daß Christus (2) den tod durch kreuzigung (2) erwählte (2), als er uns erretten wollte (4) von unsern feinden (3).

IX 3—7 (4) Seine apostel (2) gingen (ihres weges) (3) in untröst- lichem sinn (2), den verfall die erscheinung besprechend (3).

XII 65 74 (5) (Er gab ihnen den heiligen geist zuerst auf erden, später aber) vom himmel (2); dadurch zeigte er (2) die liebe zu den mit- menschen (4) die liebe zu gott (3), wie ich euch versichere wie ihr wißt (3).

XIX 45-60 (6) Alle mittel (11) helfen nützen (6) dem menschen (nicht) (2), denn jeder muß sorgen (2) für sich selbst (3), (weil) alle gleich sind (3).

XX 31—54 (4) Er scheidet sie das zusaramengeliörige wird aus- einandergerissen (9) (und keiner darf) dagegen sprechen (8) ; (denn es wird geschehen), wie es gott befiehlt (3) glaubt meinen Avortenl (2).

XXII 1—7 (4) Die auserwählten (5) (fahren) in den liimmel (4) (und) freuen sich dort sind ohne furcht (3), (denn) sie verdienten es hienieden (2).

XXIII 87—90 (4) (Die guten), welche taten (2), (was) die evangelien (3) befehlen (2), freuen sich dort (2).

DIE VARIATION BEI OTFRID. 29

XXIII 161 170 (4) Diejenigen werden g-lücklich leben (4), die schon auf dieser erde nach dem binimelreich streben (6) ihr ganzes leben lang (2); denn das binimelreich ist ganz anders (als diese erde) (2).

XXIII 209—218 (5) Alle freudeu segen (6), die es gibt (2), ge- nießest du (4) mit Seligkeit liebe (2), ohne sorge und vermeidest quäl sorge (5).

XXIV 15—22 (4) Sei uns gnädig (8), damit Avir uns freuen dürfen deine gegenAvart genießen (2) mit deinen getreuen (2) und dich loben (2).

III. Über die form der Y.ariatiou.

Die form der altgermanisclien Variation in der alliterie- renden poesie war im Verhältnis zu derjenigen der Otfridsclien Variation eine äußerst einfache. Enjambement zwar begegnet häufig, parallelismus jedoch seltener und Chiasmus gar nicht (?) (vgl. Schütze s. 9). Auch die gruppenvariation war fast un- bekannt und kam nur gelegentlich in ganz einfacher gestaltung vor meist in der form der zweireihigen Variation. Bei der knapperen darstellungsweise der älteren poesie bildet die wort- variation die mehrzahl der fälle, Avährend die längeren saiz- variationen zu den ausnahmen gehörten. Nur in bezug auf die anhäufung mehrerer Variationen war die alliterationspoesie schon weit vorgeschritten (vgl. Pachaly, der allerdings die getrennten Variationen aus allen teilen des Pleliand ge- sammelt hat).

Über diese grenzen ging nun Otfrid weit hinaus. Die alte form des enjambement behielt er bei und verwendete sie in weitem umfang ebenfalls den parallelismus, den er auf drei und sogar auf vier zeilen ausdehnte. Auch die chiastische Variation benutzte er, sowohl die zweizeilige als auch die vierzeilige und machte von dieser besonders kunstvollen form häufigen gebrauch.

Die Wortvariation kommt bei ihm natürlich noch häufig vor, doch überwiegen bei weitem die urteil- oder satzvariationen. Auch in bezug auf die zahl der nebeneinandergereihten Varia- tionen übertrifft er sogar die wortreichen Vorbilder der allite- rierenden dichter. Unsere aufgäbe ist es nun, diese fortschritte in der technik der Variation etwas näher zu besprechen. Wir betrachten zuerst als allgemeine Vorbereitung zu den übiigen fragen

30 KOLBE

Die zeilenmäßige ausdehnung der Variationen.

Otfrids normalstroplie erstreckt sich über zwei langverse, ein umfang, der auch für die mehrzahl der Variationen maß- gebend ist. Ganz besonders aber führt seine Vorliebe für die form des enjambements zu der verhältnismäßig großen zahl der zweizeiligen Variationen. Auch die meisten beispiele des parallelismus und des Chiasmus bewegen sich in diesem rahmen.

An zweiter stelle stehen die einzeiligen Variationen, die sich zum größten teil über beide halbzeilen erstrecken. Die Variation innerhalb der halbzeile ist seltener und kommt natür- lich nur bei einfacher Wortvariation vor, wie z. b. II 7, 5a Stuant Johannes gomono ein. Besonders zu hause in der halb- zeile ist die gegensätzliche Variation, die meist aus zwei formel- haft aneinandergereihten Wörtern besteht, wie z. b. in 1 16, 18 a Dages inti naldes. Die Variation innerlialb der langzeile ist, wie schon gesagt, sehr häufig und zeigt entweder die wort- variation, wie in 1 1, 1 "Was liuto filu in flize, in managemo agaleize, oder die satzvariation, wie in 117,62 ihaz lind sie thar tho hetotun joh liuldi sino thigitun.

Als dritte classe bezeichnen wir diejenigen Variationen, die über die grenzen der zweizeiligen Strophe hinausgehen. Abgesehen von den gruppenvariationen finden sich mit ziem- lich großer häufigkeit auch einfache Variationsreihen, die eine beträchtliche zahl von zeilen in anspruch nehmen. Ein bei- spiel von jeder art anzuführen ist wolil kaum wünschenswert, daher begnügen wir uns damit, die dreizeilige, die vierzeilige und die mehr als vierzeilige hier zu veranschaulichen. Als beispiel der ersten gattung vgl. V 8, 26 28

. . . wio er hera in worolt quam; Wio druhttn deta, so imo zam, er unsan lichamon nam, wio er ivard ouh hera funs . . .

Ein beispiel für vier zeilen findet sich in 1121,41—44

Ob ir in muat in lazet, tliaz sunta ir io bilazet:

so dilont sino guati tbio iuo missidati;

Ther thar afur so iii dnat (lazet qneniau in iz in nniat!):

gizelit sint tbemo in drati allo tbio undati.

Über die vierzeilige Strophe geht die einfache Variation nicht allzu selten hinaus. Wenn Otfrid einen gegenständ be-

DIE VARIATION BEI OTFRID. 31

sonders liervorlieben will, häuft er Variation auf Variation, um dadurch von den verschiedensten Seiten seinen lesern die heilige lehre klarzumachen. Wie die g-ruppenvaiiationen, so sind auch diese längeren, einreihigen Variationen dem mystisch -exege- tischen Stil des dichters eigen. Ihre Wirkung auf den leser ist aber deshalb eindringlicher als die der gruppenvariationen, weil hier die aufmerksamkeit nicht von der hauptgedanken- reihe abgelenkt wird. Als beispiel diene V 24, 5—14 (Varia- tionen über den hauptgedanken 'druhtin bist es alles'):

Erdim iuti himiles inti alles fliazeutes,

fehes iuti maunes druhtiu bist es alles.

Wir binm, druhtin, alle thin: ui laz quemau tliaz io in nuiat min,

tlieih hiar gidue in riebe Aviht thes, tbii- ni liebe!

Giborau wir ni wurtun, er tbino mabti iz woltun;

steit ouh unser enti in tbiues selbes benti;

Ist uns in tbir giwissi oiib tbaz irstantnissi,

tbaz unser stubbi fulaz werde avur sulih, soso iz Avas.

Thu weltist oub ana tbes thes selben nrdeiles,

ribtis selbe tbu tbeu dag, tben mau biwaukon ui mag.

Für die relative häufigkeit der drei obigen classen vgl. die tabelle auf s. 41.

Die mehrfache Variation.

Schon in der alliterierenden poesie war die mehrfache Variation ein beliebtes mittel, um eine persönlichkeit oder einen gegenständ zu veranschaulichen. So finden wir z. b. im Beowulf eine anhäuf ung der benennungen für das meer, das Schwert und sonstige concrete begriffe. Dieses stilistische mittel ergriff nun Otfrid, um seine geistlich -abstracten er- läuterungen dem Frankenvolke klarzumachen. Neben den kürzeren Wortvariationen, wie sie in der oben angeführten stelle 1121,41—44 zu finden sind (vgl. auch Y 14, 25-29), begegnet in den mystischen teilen eine menge von mehrfachen Variationen, die eigens dazu dienen, die betreffende Vorstellung dem hörer mit großer nachdrücklichkeit einzuprägen.

Es kommen hier natürlich die gruppenvariationen in erster linie in betracht. Bei der aufzähhmg derselben haben wir schon gesehen, daß manche reihen zehn, zwölf und sogar vier- zehn variierende glieder aufweisen können. Dasselbe findet sich auch bei den einreihigen Variationen ganz besonders

32 KOLBE

da, wo ein allgemeiner begriff durch eine menge von speciellen begriffen variiert wird.i) Nehmen wir z. b. V20, 71— 80

I Ir eigut iz gisciildit, willou miu h'fuUit;

\ ih loiiou iu es tliare, mit liebu zi alaware. Ir gibuaztut mir iu war tburst iuti buiigar, in bus mib oub iutfiangi, tbeib walloiiti iii giangi; Ir ni tbultut tburub got, tbaz ib giaugi uacbot, ir eigut oub tburub got siucbi iu mir gilocbot; Ob ib in karkare was, ir biriwetut tliaz, wisetut miu oub in tbiu, ui brast mir wibtes uob io zi iu; "Ward oub tbaz, tbeib irstarb: iuer iagilib biwarb, tbaz mau mib irbuabi job scouo bigruabi.

Hier sehen wir eine siebenfache Variation über den all- gemeinen gedanken der ersten zeile.

Manchmal gelingt es Otfrid, bei der mehrfachen Variation eine wdrklich bewundernswerte mannigfaltigkeit des ausdrucks zu entfalten. Fast scheint es, als ob er seine im anfange des Werkes ausgesprochene meinung bekräftigen wolle, daß auch die fränkische spräche sich zur literarischen aufzeichnung eigne. Ein solches beispiel finden wir in V20, 25— 28

Tbic selbe irstautent alle fon thes lichawen falle, fon themo fiden legere, iro werk zi irgebauue, Us fon theni asgii, fon iheru falaivisgu, so wanne soso iz werde, fon themo irdisgcn herde.

Doch war es nicht angängig, jede Variation in das mannig- fache auszudehnen. Das charakteristische dement des Otfrid- schen stils liegt nicht in der großen zahl seiner mehrfachen Variationen, sondern in der übei'wiegenden mehrheit st-iner ein- fachen Variationen, die in fast jeder zeile wiederkehren. Das Verhältnis der einfachen zu den mehrfachen Variationen ei'gibt sich aus der tabelle auf s. 41.

Über den kunstvollen bau der Variationen, a) Enjambement. Dieses alte mittel, um zwei langverse zu einer Strophe zu verbinden, verwendet Otfrid mit besonderer Vorliebe. Im

*) Bemerkenswert ist die tatsacbe, daß Bebagbel s. 498 iu den von ilim untersucbteu mbd. stücken keine beispiele findet, die über die vierfacbe Variation binausgeben.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 33

gebrauche desselben findet sein drang nach stilistischer ent- wickelung seinen einfachsten ausdruck. Besonders auffallend ist die tatsache, daß das auftreten des enjambement mit der reiferen kunst des dichters in den drei letzten büchern an häufigkeit stets zunimmt. Über das besondere Verhältnis der kunstvoll gebauten Variationen zu der entstehungsgeschichte des evangelienbuches wird in einem späteren stücke ausführ- licher gehandelt. Folgende aufzählung der fälle des enjambe- ment diene zur allgemeinen Übersicht. Bei der angäbe der beispiele von enjambement, parallelismus und Chiasmus wird in jedem falle nur die zahl der ersten der beiden in betracht kommenden zeilen gegeben.

Buch I. L: 13. 15. S: 23. I 5. 13. 73. III 1. 7. 39. 42. IV 29. V 33.

VII 21. IX ü. XI 51. XII 13. 17. 21. XIII 15. XIV 2. XV 43. XVI 0. 7. XVII 31. XVIII 25. XX 25. XXII 32. XXIII 1. 3. 5. XXVII 43. XXVIII 12.

Buch II. II 17. 31. III 1. 3. 15. 27. IV 1. 47. 73. 79. 97. 99. VI 27. 38. VIT 9. 23. 37. VIII 1. 39. IX 51. 63. XI 23. 25. 57. ('.2. XII 7. 9. 37. 56. 95. XIV 1. 15. b7. XV 1. 3. 5. XXI 11. XXIII 7. 13. XXIV 25.

Buch III.

I 2. II 9. III 11. 17. V 17. VI 15. 33. 3S. VII 43. 47. Gl. 85.

VIII 17. 19. 25. 29. 37. 45. X 5. XI 12. XII 35. XIII 1. XIV 1. (i2. G7. 93. 103. 107. 110. 118. XV 29. 45. XVI C5. 71. XVII 9. 17. 29. 47. 64. XVIII 25. 35. 05. 67. XIX 21. XX 41. 77. 79. 159. 161. XXI 17. 19. XXII 11. 13. XXIII 7. 16. 45. XXIV 9. 35. 57. 67. 89. 97. XXV 25. 26. 27. XXVI 23. 31. 67.

Buch IV. I 27. 35. 39. 41. II 31. III 11. IV 19. 21. 63. V 17. 19. 39. 43.

VI 33. 35. VII 17. 65. 79. VIII 3. 7. IX 7. 19. X 5. XI 41. XII 13. 62. 63. XIII 7. 25. 53. XV 39. 41. 45. 49. XVI 11. 15. 17. 21. 23. 41. XVII 15. XVIII 7. XIX 11. 21. 49. XX 23. 39. XXI 9. 29. XXII 23. 25. XXIII 31. 39. XXIV 17. 19. XXV 9. XXVI 25. 47. XXVII 5. 21. XXIX 11. 25. 27. 49. 53. XXX 3. 15. 19. 21. XXXI 15. XXXIII 13. 19. XXXV 41. 43. XXXVI 3. 11. 23. XXXVII 5. 19. 23. 29.

Buch V. I 17. 23. 29. 35. 41. 47. II 1. 3. IV 7. 21. 37. V 7. 17. VI 57. 63.

VII 7. 29. 33. VIII 2. 3. 5. 13. 25. 57. IX 3. 41. X 2. 23. XI 7. 9. 25. 43. XII 1. 19. 31. 43. 51. 53. 81. 87. 99. XIV 1. 5. 25. XV 5. XVI 45. XVII 7. 11. 14. XVIII 7. XIX 1. 51. XX 1. 13. 21. 25. 61. 07. 91.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 3

ä4 KOLBE

XXI 23. 25. XXII I. '.. XXIII 39. -!0. 5-5. CO. 72. 73. 77. 101. 113. 125. 127. 181. 188. 199. 210. 215. 210. 217. 223. 229. 251. 203. 207. 277. 2s7. XXIV 15. XXV 19. 20. 21. 30. 37. 47. 07. b5. S7. 91. H: II. 20. 21. 39. 102. 117. 141.

b) Parallelismus. Tescli (Zur entsteliuiigsg-escliiclite des evangelienbuches von Otfrid. Diss. Greifswald 1890) behandelt die Variation bei Otfrid, und zwar auch wieder nur von der seite der form. Die resultate, zu denen er kommt, können wohl nicht als ge- sichert gelten, da es ihm überhaupt nicht klar zu sein scheint, was unter den ausdrücken 'parallelismus' und 'chiasmus' zu ver- stehen ist. Es sei bei dieser gelegenheit besonders betont, daß nur die strenge durchführung des Schemas a b als parallelis- mus, oder von f ^ als chiasmus betrachtet ^^ ' werden darf.

' b a

Wenn nun Tesch als beispiel von chiasmus einen fall an- gibt wie I 5, 31. 32

AUera worolti ist er lib gebenti, tbaz er oub insperre bimilrichi manne.

so muß man gestehen, daß zu diesem falle das Schema kaum passen wird.

Ebensowenig trifft er das richtige, w^enn er sagt (p. 26): 'Vergebens sucht man die parallele Variation in den anerkannt alten stücken' (doch vgl. z. b. 14,03. 64); oder ferner Avenn er angibt: 'Jedenfalls hatte sie (die chiastische Variation) wohl damals noch in deutschen versen den reiz der neuheit und wurde eben deshalb von 0. vorzugsweise gepHegt, und zwar so sehr, daß die altüberlieferte parallel gebaute (bei 0. wenig- stens) einstweilen gänzlich in den hintergruud trat' Die Unrichtigkeit dieser ansieht wird bewiesen schon durch die tatsache, daß sogar im ersten buch, das nach Tesch 'sofort mit der anwendung der chiastisch geordneten Variation am allerkräftigsten einsetzt', sich nur 15 beispiele von chiasmus gegen 23 von parallelismus finden (vgl. die aufzählung der fälle unter den titeln 'parallelismus' und 'chiasmus').

In der tat bleibt Otfrid der alten form des parallelismus treu. In keinem buche überwiegt die zahl der chiastisch ge- reihten fälle, im gegenteil kommen im ganzen werke etwa zweimal so viele parallele als chiastische Variationen vor.

DIE VARIATION BEI OTFRID.

35

Als beispiel der zweizeiligen, parallel gegliederten Varia- tion vgl. II 18, 15. 16

Thaz mauuilih giborge, sih zi iamanne ni beige, joh ouh thaz bimide, er man nilieiu ui uide.

Doch gibt es bei Otfrid auch drei- und sogar vierzeilige, parallele Variationen; vgl. z. b. 1121,3 5

Thaz si in herzen thanne, thaz thir es wiht ui intfalle; gidougno in themo muate, theiz thir irge zi guate! In herzen si iz scono, thaz iu es got gilouo

Für die vierzeilige, parallele Variation vgl. IV 20, 17 20

Quaduu, sih bihiazi, er gotes suu hiazi, joh onh dati mari, er iro kuning wari; Zelle ouh in giwissi, thaz er selbe krist si, in thia beldida gigange, then namon imo feige.

Sonst kommt der vierzeilige parallelismus meines Wissens nur noch einmal vor, nämlich IV29, 17— 20.

Es folgt nun die aufzählung der fälle von zwei- und dreizeiligem parallelismus (die dreizeiligen fälle sind in fetten Ziffern wiedergegeben).

Buch I.

L: 9. S: 42. I 105. II 31. III 15. IV 6.3. V 48. 53. ^■1I 17. XI 27. XVI 9. 25. XVII 13. XX 32. XXII 15. XXIII 15. 33. 51. 5S. XXIV 9. 11. XXV 13. XXVI 2.

Buch II. I 39. III 3.3. 40. IV 58. VI 7. XII 41. XIV 3. 45. 76. XV 23. XVI 27. XVII 3.9. XVIII 15. XIX 13. 16. XXI :{. 13. lü. 31. XXU 5. 7. 17. 21. XXIII 5. XXIV 35.

Bach III. I 11. II 13. III 9. 13. 15. IV 41. VI 13. VII 11. 75. 82. S7. VIII 27. IX 19. XI. XII 5. 39. XIII 15. 25. XIV 69. XVIII 62. XX 153. XXI 34. XXVI 28. 53.

Buch IV.

I 3. 9. II 23. IV 55. 59. V 27. 35. 61. VI 11. IG. 50. VII 27.

37. 85. XI 50. XII 59. XV 9. XVII 8. XVIII 30. XIX 47. XXI

31. 35. XXIII 17. XXV 3. XXVI ;.6. 44. XXVIII 13. XXIX 29.

XXX 11. 28. XXXI 14. XXXIII 5. XXXIV 7. XXXVI 18. XXXVII 35.

Buch V. VII 15. 39. IX 1. 13. 18. 23. XI 37. XII 28. 59. 61. XIII 11. XV 25. XVI 23. 37. XVIII 15. XIX 22. XX 6. 96. XXI 20. XXIII 83. 8s. 100. 142. 166. 253. XXIV 9. XXV S. 11. 17. 27. 43. 66. 73. 75. H: 57. 111. 139.

3*

36 koLbe

c) Chiasmus. Daß die alliterationspoesie keine beispiele der chiastisclien Variation aufweist (wie Schütze s. 9 annehmen möchte), ist vielleicht doch zu viel behauptet. Wenn wir unter den spär- lich überlieferten resten der ahd. alliterationsdichtung- suchen, finden wir schon im Muspilli 43. 44 folgendes beispiel: pidiu scal imo helfaii der himiles kiuualtit. der auticliristo stet pi demo altfiante

Hier ist das bestreben zur chiastisclien Stellung der Varia- tion ganz offenbar, denn 43a und 44b weisen ganz regelrechte ausdrucksvariation auf, während 43 b und 44a ebenso klar in gegensätzlichem variationsverhältnis zueinander stehen. Auch folgende stelle aus Beowulf (1484 1485) zeigt eine ziemlich regelrechte chiastische Variation:

Maeg f>onne on pmn golde ongitan Geata dryhteu, geseou simu Uredles, pouue he on pset sine starad .

Deshalb dürfen wir kaum mit Schütze annelimen, daß Otfrid zum ersten male die chiastische Variation in die ahd. dichtung einführte. Daß er sie aber in ziemlich weit aus- gedehntem maße und mit kunstvoller behandlung verwendet und hierdurch 'über die technik der alliterationspoesie hinaus- geht', läßt sich gar nicht bestreiten. Als einfachste ai't dieser Variationsform betrachten wir die zweizeilige, chiastische Varia- tion, wie sie z. b. in IV 31, 9. 10 zu finden ist:

Uusu werk zi wäre thiu gagauent ims hiare, joh ruarent uu in tbrati tliio unso luissodati.

Solche beispiele in zwei zeilen sind natürlich am häufigsten, doch begegnet auch zuweilen der vierzeilige chiasmus; vgl. IV 8, 13—16

Quadun, iz ui datin in then hohen gizitin,

thaz ther selbo liutstam thar wig nirhuabi zi fram.

'Wir scnlun', quadun, 'huggen, thaz sie nan uns nirzukeu;

bi thiu scel iz wesau noti in andere giziti.'

Hier handelt es sich aber um das Schema a b b a d. h. um die chiastische Stellung der langzeilen, was im gründe ge- nommen doch etwas ganz anderes ist, als die chiastische Stellung der halbzeilen. Auch findet strenge correspondenz der variierenden zeilen hier nicht statt und ist wohl auch sonst kaum zu finden.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 37

Die fälle des zweizeiligen cliiasmiis, der im Verhältnis zum parallelismns ziemlich selten vorkommt, sind aus folgender Zu- sammenstellung zu entnehmen.

Buch I. L: 72. I 21. II 56. V 3.3. VII 15. IX 29. XI 50. XV G. 41. 45. 49. XVI 2:3. XVIII 31. XXII 57. XXIII 17.

Buch II. III 55. IV 5. VII 49. XI 47. XII 85. 86. XXII 23. 32.

Buch III. I 17. II 21. III 23. V 7. VI S. X 17. 21. XIV 87. XVI 2. XVIII 5. 11. 23. XX 73. 103. 131. 137. XXII 1. 1.^. 29. XXIII 55.

XXIV 18. 21. XXVI 29.

Buch IV.

V 47. VII 83. XII 26. XIX 15.45. XXV 2. XXVI 13. XXVII 13. XXVIII 2.3. XXXI 9. XXXVII 1. 37.

Buch V. IX 2.). XV 33. XVI 17. 19. 43. XIX 39. XXIII 119. 259. 278.

XXV 39. 93. H: 1. 91. 133.

Der kunstvolle bau der längeren Variationen.

Fast jede längere Variation zeigt ein gewisses streben nach kunstvoller structur, nach schematischer gliederung der verschiedenen variierenden teile. Besonders tritt dies in den gruppenvariationen zutage, wo der dichter manchmal einen ganz erstaunlichen fleiß entfaltet, um seine vorgenommene gliederung durchzuführen. Eigentlich ist dieses vorgehen nur die weitere entwickelung derselben principien, die im enjambe- ment ihren ersten ausdruck linden und im parallelismus und Chiasmus zu noch weiterer Vollendung gelangen; gerade durch die aufstellung und geschickte anw^endung höherer stilistischer grundsätze zeigt sich Otfrid besonders in den jüngeren teilen des Werkes als meister der spräche und des satzbaues. Daß er manchmal in seiner begeisterung für den gedanken, seine fränkische mundart zur litei-atursprache zu erheben, wohl nach heutigem geschmack einen zu wortreichen stil entwickelt, darf ihm mit rücksicht auf die Verhältnisse nicht verübelt werden.

Als beweise für die sorgfältige genauigkeit seines metho- dischen satzbaues betrachten wir zuerst 11121,33—36

38 KOLBE

a b

Job wir nau muazin scowon offenen ougun,

I) c

indanemo annuzze, thaz uns iz wola sizze;

b c

Ofenemo muate, theiz uns irge zi guate,

b a

mit thes herzen ougon muazin iamer scowon. Das Schema ist:

a = damit wir ihn beschauen können

b r= mit offenen äugen,

c = so daß es uns zum wohl gereiche.

Also : a b

b c

b c

b a

d.h. die Zeilen 1 und i sind chiastisch gegliedert, 3 und 4

parallel.

Daß die quelle oft einen großen einiluß auf die form der

Variation ausübte, zeigt die stelle III 18, 49—52; hier hat

der bibeltext:

ii b

Abraham exultavit, ut videret diera nieuni;

b a

vidit et gavisus e?t,

also eine chiaslische Variation. Diese chiastische Stellung ahmt Otfrid genau nach, allerdings unter noch weiterer Variation seinerseits:

Abraham ther alto er blidta sib thes barto,

a b

er thes sib muasi frowon, then miuan dag biscowon;

b a

Gisah er dag minan, thes frewita er hugu sinan;

a

thes blidt er herza sinaz, giwisso wizit ir thaz!

Also das Schema: a

a b

b a

a .

Ein längeres beispiel findet sich V 21, 5 14

Oba ther scal sin in beche, ther armen brot ni breche:

waz ther, inan ubar thaz ni liaz haben sinaz?

Nu man ivizinot ihen man, ther armen selidono irbau:

ist ferro irdriban fon himile uz, ther anderemo uiuiit sinaz hus

Oba ouh ther bislipfit, ther nachotau ni tbekit:

waz wanist therao irgange, ther anderan roubot thanne?

0ha ther brinnit thuruh not, ther haftes man ni wisot:

DIE VARIATION BEI OTFRID. 39

fon hellu ther nirwintit, ther suntilosan biutit!

Nil hrinnit ther in hcclie thar, ther dotan ni bigrebit hiar:

waz thunkit thih, si themo man, ther anderemo thaz lib iiam?

Jede der fünf oben ang-eführten Strophen weist denselben satzbaii auf, und die ersten halbzeilen von jeder Strophe haben regel- mäßige ausdrucksvariation untereinander, wie auch in den quellen. Durchaus gleichgegliederte Variationselemente zeigen die beiden Strophen in II 15. 3 6

a b

Es maru wort tho (luamuu, so wit so Syri waruu,

b _ c

so wit so Galiläa bifiaug; ther liut iugegin aller giaug;

.1 b

Thaz mari ward ouh mauagfalt ubar Judeouo lant,

b c

ubar liuti manage, thie fuarun al zisamaue.

a = Die nachricht verbreitete sich

b = überall.

c = die leute fuhren zusammen.

Das Schema wäre also: a b

b c

a b

b c .

Eng verwandt mit den oben angeführten beispielen stili- stischer kunststücke ist die mehrfache Aviederholung von en- jambement, parallelismus oder Chiasmus in aufeinander folgenden Zeilen; vgl. z. b. für enjambement 1115,1 6. 11125,25—28. V23, 215— 218, V25, 19— 22; für parailelismus 124,9—12. III 13, 13—16. V 12, 59—62; für Chiasmus II 12, 85—87. III 24, 18—22.

Ein drittes kunstmittel, um die aufmerksamkeit des lesers zu erregen, ist die steigernde Variation. Hier kommt es nicht nur auf bau und Stellung der ausdrücke an, sondern in erster linie auch auf die bedeutung. Als beispiel einer solchen steigern- den begriffsreihe vgl. III 14, 73—74

Thie ih al irzelleu ni mag, thoh ih tharzua due ihen dag, ouh thaz jar allaz joh minaz Üb ubar thaz.

Ähnliche beispiele finden wir noch in Buch I L 17—18. II 55—58. XX 21. 22. XXIII 49. 50. Buch II XIV 67.

Buch III - XVI 56 b 58a. XXIII 55. 56.

Buch IV III 4—8. IV 61. 62. V 35-38. XII 16— 18. XIH 31— 88 Buch V XX 21. 23—24. [(reihe a).

40

DIE VARIATION BEI OTFRID.

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42

IV. rber die auvvcndung der variatioueu.

Quellen Variationen.

Nach den bisherigen ausführungen dürfte es als bewiesen gelten, daß der Ursprung der Variation bei Otfrid in der alt- germanischen alliterationsdichtuug zu suchen ist. Wenn diese annähme nun auch im allgemeinen den tatsachen entspricht, so wäre es doch falsch, den grund zur anwendung einer jeden Variation ausschließlich auf dieses vorbild zurückzuführen. Im gegenteil beruht eine ganz beträchtliche zahl der Variationen auf directer anknüpfung an den lateinischen biblischen text oder an die lateinischen commentare, die Otfrid als quellen benutzte. Erst durch sorgfältige begründung der genauigkeit, mit welcher Otfrid den quellen in bezug auf ihre variierenden ausdrücke folgte, gelangen wir zum richtigen Verständnis vom werte derselben für den dichter.

In seinem verhalten gegenüber den quellenvariationeu unterscheiden wir drei behandlungsweisen:

1. Die quellenvariation ward entweder umgestaltet oder nur ungenau und mangelhaft wiedergegeben. So finden wir z. b. eine kleine Umänderung in II 13, 37. 38

Themo avnr, thaz iii gidnat, quimit serngaz mnat, joh wonot iuau iibari gotes abulgi.

Hier hat die quelle in nicht ganz genauer Übereinstim- mung J 3, 36 qui autem non credit iilio, non vidchit vi tarn, sed ira dei manet super eum.

Mangelhafte wiedergäbe der quellenvariation findet sich in III 3, 15 b In in ist uns gimuati gold joh diiiro tvati, wo die quelle nicht nur divitias, sondern auch Iwnorcs erwähnt: Alcuin zu J. 4, 53 qui in hominibus non naturam , sed Iwnorcs et divitias veneramur.

Solche fälle aber gehören zu den ausnahmen. Viel häufiger jedoch ist:

2. Die quellenvariation wird direct übersetzt. So z. b. in III 14, 25. 27—28

Mit mihileru ilu so ward si sar io heilu,

sar gab stal, thaz ist war, mer zi riniiaime tbar brunno thes Wuates

DIE VARIATION BEI OTFRID. 43

Die quelle hat Mt. 9, 22 et salva facta est mulier ex illa hora ; Mc. 5, 29 et confestim siccatus est fons sanguinis ejus. Dieser fall ist überdies darum besonders interessant, weil Otfrids Variation hier aus zwei ganz verschiedenen quellen stammt, was auch sonst durchaus nicht zu den Seltenheiten gehört.

3. Die quellenvariation wird als basis übernommen und noch durch weitere Variationen vom dichter ausgeschmückt. Auf diese weise behandelt Otfrid die meisten quelleuvariationen. Als beispiel vgl. V 15,4a. 5b. 6a

'minnost thii mih fihi mer, thanue thin giuoz ander?'

'Thii weist druhtin', quad er, 'min, tliaz ih minna hahen thin,

joh thu mir bist in minnon fora allen woroltmannon.'

Hier hat die quelle nur zwei gegenüber den drei aus- drücken des dichters aufzuweisen: J, 21, 15 dicit Jesus, Simon Johannis, ääigis me plus his? dicit ei: etiam, domiue; tu scis, (luia amo te!

Für noch weiter ausgeführte beispiele dieser art vgl. die gruppenvariationen und die längeren Variationen überhaupt.

Nur vereinzelt kommt es vor, daß Otfrid eine quellen- variation ganz übergeht. Vielmehr versucht er den bibeltext stets treu wiederzugeben, auch wenn er dadurch seinem stil zwang antun muß. Eine solche gezwungene wendung finden wir in II 18, 3

Ni wanet, thaz gizami, thaz ih zi thiu qnanii, ih mih in thiu rachi, then wizzod firhrachi, Odo, fco ih nu redino, thehein thero forasagono.

Hier erfordert es zwei ganze zeilen, um das 'legem aut prophetas' des textes unterzubringen. Umgekehrt aber ver- fährt er in 1114,72, wo er mit mit ivaru wilit ther gotes geist, thaz man inan beto meist das 'in spiritu et vcritate oportet adorare' kurz übergeht.

Aus obigen beispielen ersehen wir, daß gewisse Variationen mehr oder minder durch Variationen in der vorläge bedingt sind. Es erscheint also angebracht, diese aus der gesamtzahl auszuscheiden, ehe wir uns mit der betrachtung der von Otfrid selbst geschaffenen Variationen beschäftigen. Es folgt also eine aufzählung von denjenigen Variationen, welche durch die vor-

44 KOLBE

läge bedingt sind. Es wird in jedem falle nur die zahl der ersten der in betraclit kommenden zeilen angegeben.

Bucli I. II 1. IV 5. 23. 37. 57. 63. V 6. 53. VII 13. 14. VIII 1. 4. 1X29. X 5. 9. 11. 15. 17. 19. 25. 27. XI 56. XII 1. 13. XV 17. XVII 61. 64. 70. XVIII 9. 35. XX 25. XXI 15. XXII 21. 62. XXIII 20. 23. 25. 27. XXIV 5. XXV 26. XXVII 1. 10. 17. 47. 61.

Bach II.

I 1. 25. 26. 33. 43. 55. II 29. 31. 37. IV 49. 57. 82. 105. V 7. 18. VI 22. VII 23. 27. 36. 43. 55. 67. 71. 74. IX 14. 51. 53. XI 12. 31. 56. 57. XII 1. 31. 35. 43. 56. 71. S5. 88. XllI 11. 19. 24. 29. 37. XIV 3.5. 23. 41. 63. 67. 105. 109. XV 3. XVI 13. 13—14. XVII 9. XVIII 2. 15. XIX 15. 21. 23. XXI 31. 33. 37. 41. XXII 5. 7. 10. 23. 31. XXIII 5. 13.

Ruch III.

II 11. III 9. 15— 16. 15 b. IVB. V 12. VI 13. 15. 25. VII 15. 21.65. VIII 29. 29—30. 49. X 10. XI 20. XII 1. 23. 25. 29. 38. XIII 7. 13. XIV 25. 89. 107. XV 35 37. XVI 11. 27. 31. 45. 56. 61. 62. 65. XVIII 45. 46. 49. XX 87. 143. 153. 177. XXII 22. 24.55.57.63. XXIII 9. 49. 57. XXIV 27. 29. 35. 41. 57. 92. 102. 108. XXV 1 23.

Buch IV. IV 55. 67. V 7. 11. 17. 41. 61. VI 8. 54. VII 4. 7. 8. 12. 13. 17b —18 a. 21. 27. 32. 35. 47. 52. Vill 1. X 14. XI 37. 45. 46. 50. XII 23, 39.45 XIII 7. XV 14. 16. 19. 25. XVI 15. 19.55. XVII 31. XVIII 9. 35. XIX 7. 21. 41. 45. 49. 57. XX 17. 39. XXI 9. 17. 29. XXII 6. 15. XXIII 5. 33. 39. XXIV 3. XXVI 5. 36. 43. XXVII 23. XXVIII 6. XXXI 2. 5. 24. XXXllI 19. XXXIV 16. XXXV 1. 9. 35. XXXVI 6.

Buch V. I 11. 15. 19. 27. VI 63. VII 7. 12. 15. VIII 7. 38. 52. IX 25.27. 30. X 27. XI 28. XII 79. XIV 1. XV 4. 9. 21. 31. .35. XVI 13. 27. 35. XVIII 3. XIX 32. XX 16. 58. 71. 83. Iü3. XXI 1. 5. XXIII 23. 135. 273. II: 57.

A\'enn wir obige beispiele zusammenzählen, finden wir, daß aus der gesamtzahl der Variationen (23<U) etwa 290, d. h. 12,3 proc. auf die vorläge zurückgehen. AVenden wir uns nun der frage zu: zu welchem zwecke gebraucht Otfrid die von ihm selbst geschaffenen Variationen? Hierfür lassen sich mehrere gründe aufzählen:

1. Zur belehrung und erklärung, wie es oft bei namen und titeln zu finden ist; vgl. 14, 1 In dagon eines kuninges, joh liarto fiirdanes.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 45

Hier ergänzt Ib die mangelhafte angäbe von la und deutet auf den im bibeltexte mit namen genannten Herodes. Diese Variationsgattung liegt den meisten derjenigen fälle zu gründe, avo ein allgemeiner ausdruck durch einen speciellen begriff variiert wird. Aufs engste mit diesem princip zusammen- hängend ist

2, Die emphatische Variation. Das ausgeprägteste bei- spiel dieser classe bilden die schon erwähnten steigernden Variationen. Hier liegt nicht nur das bestreben zu gründe, den begriff zu erklären und zu veranschaulichen, sondern auch dem leser nachdrücklich einzuprägen. Dasselbe ist der fall bei den mehrfachen Variationen, die, wenn sie auch nicht in steigernder reihenfolge angeordnet sind, doch demselben zwecke dienen. Dieses princip hat Schütze mit dem namen 'variierende eindringlichkeit' sehr passend charakterisiert. Als besonders auffallendes beispiel dieser 'eindringlichkeit' vgl. II 1, 1—32, wo die ersten 32 Zeilen den kurzen satz: 'in principio erat verbum, et verbum erat apud deum, et deus erat verbum' mit immer neuen nuancen wiederholen.

3. Schmückende, stereotype Variationen. Diese begegnen bei Otfrid sehr häufig, doch müssen wir bedenken, daß manche derartigen beispiele nicht eigentlich auf den dichter selbst, sondern vielmehr auf die quelle zurückgehen. Sonst scheint der wichtigste zweck dieser variationsart in der versfüllung zu liegen. Vgl. aus den zahlreichen fällen z. b. II 6, 58 nu wir thaz wizi miden joh himilriches bilden.

Manchmal wird nicht nur stereotype versfüllung, sondern auch Strophenfüllung angestrebt; vgl. 114, 5. 6

Tho sleih ther farari irfindan, wer er wari, Thaz zi irsuachenne ubar al selber ther diufal.

Haß (Das stereotype in den altdeutschen predigten. An- hang: Das predigtmäßige in Otfrids evangelienbuch. Diss. Greifswald 1903) glaubt, daß das stereotype dement besonders mit den predigtmäßigen teilen des evangelienbuchs in engem zusammenhange stehe. Er sagt darüber (s. 93): 'Wenn man auch manche fälle aus der freiheit und fülle des dichterischen ausdrucks erklären könnte, so weist doch die häufigkeit, mit der gerade der für die predigt so charakteristische parallelismus

46 KOLBE

(Variation) zur wiedergäbe der bibelworte benutzt ist, auf die bewußte befolgiing einer ganz bestimmten methode hin.'

Daß bei einzelnen fällen auch andere anwendungsprincipien in frage kommen, ist kaum zu leugnen, doch darf man mit Sicherheit sagen, daß die meisten selbstgeschaffenen Variationen bei Otfrid entweder als belehrend, emphatisch oder schmückend zu bezeichnen sind.

Allgemeines über den gebrauch der gruppen- variationen.

Aus den früheren ausf ührungen über die grupi)envariationen erhellt klärlich, daß Otfrid die form der altgermanischen Varia- tion wesentlich umgeändert und zu vollendeter, künstlerischer gestaltung erhoben hat. Aus der zweireihigen gruppenvaria- tion, die in der alliterationspoesie ihre höchste entwickelungs- stufe im parallelismus und Chiasmus findet, hat Otfrid einen mächtigen bau geschaffen einen bau, der an imposanter erscheinung und künstlerischer ausführung wohl kaum in der literatur der germanischen sprachen übertroffen wird.

Es fragt sich nun: zu welchem zwecke braucht Otfrid die gruppen Variation? Bei welchen gelegenheiten wendet er mit Vorliebe diese höchst complizierte ausdrucks weise an? Eine genauere Untersuchung der 103 vorhandenen fälle zeigt ein doppeltes anwendungsprincip für diese variationsart:

1. Sie ist besonders zu hause in denjenigen teilen des evangelienbuchs, die wir mit dem allgemeinen namen 'mj-stisch' belegen dürfen. Mit dieser bezeichnung sind hier in erster linie gemeint die mit 'spiritaliter', 'mystice' oder 'moraliter' bezeichneten stücke, ferner auch diejenigen teile, welche im bildlichen sinne gehalten sind oder mit überirdischen Sachen sich beschäftigen, wie z. b. gebete, danksprüche an den herrn, besonders auch die einleitungs- und schlußstücke. Obschon diese partien bei w^eitem nicht den größten teil des ganzen Werkes einnehmen, so ist doch mehr als die hälfte (53) der gruppenvariationen in den abschnitten dieser art zu finden.

2. Die sonstigen beispiele (50) stehen meistens in den übrigen teilen, allerdings sind sie bei der größeren ausdehnung derselben verhältnismäßig selten. Nur wenn es dem dichter darauf ankommt, irgend eine tatsache oder eine beschreibung

DIE VARIATION BEI OTFRID. 47

besonders hervorzulieben, bedient er sich hier der gTuppen- variation. Auch ist der umstand beachtenswert, daß die gruppen- variationen in diesen stücken fast sämtlich einen einfachen bau aufweisen. Nur in zwei fällen finden wir die vierreihige Varia- tion (V 9, 3—7 und 23, 87—90, beide im fünften buche, wo die neigung- zur Variation schon bedeutend vorgeschritten ist). In achtzehn fällen sind die gruppen dreireihig, dagegen in den übrigen dreißig fällen nur zv/eireihig.

Wir dürfen also schließen, daß die ent Wickelung zur gruppenvariation den bedürfnissen des mystischen elements im evangelienbuch entsprungen ist, und daß dieselbe ihre grüßte ausdehnung und höchst entwickelte structur in diesen m3'stischen Partien findet; ferner, daß die gruppenvariation bei den er- zählenden und beschreibenden teilen fast ausnähme ist daß sie hier in den meisten fällen ihre einfachste structur aufweist und nur dann angewendet wird, wenn ein gegenständ besonders hervorzulieben ist; wie z. b. V 9, 3 7, wo die trauer der apostel um ihren verlorenen herrn geschildert wird.

Nicht zutreffend, wenigstens in bezug auf diese art der Variation, ist die auffassung von Salzwedel (Der Heliand seiue entstehung und als germanisches epos. Columbus 1910), wenn er (s. 84) sagt: 'Mit Variation erscheinen solche dinge, welche entweder unbekannt oder mißverständlich oder leicht übersehbar und doch wichtig sind.' Im gegenteil sind es gerade die hauptpunkte der erzählung oder beschreibung, die Otfrid durch die gruppenvariation (und wohl auch durch die Variation überhaupt) hervorheben will. Für seine zwecke dient die Variation fast möchte man sagen als eine art cursivschrift, um die wichtigsten stellen mit besonderem nach- druck hervorzuheben.

V. Über das Verhältnis der Variation zum inlialt der darstelluug und zur eutstehuugsgescliichte.

Das wichtigste erkenuungszeichen, um das alter der ver- schiedenen stücke des evangelienbuchs zu bestimmen, ist neben dem satzbau die anwendung der zum teil neu erfundenen metrischen regeln. Durch sorgfältige vergleichung dieser beiden elemente ist es Erdmann gelungen, die chronologische reihenfolge mit einiger Sicherheit festzustellen jedenfalls

48

KOLBE

die ältesten stücke aus dem ganzen herauszufinden. Neben den eben erwähnten kriterien spielt auch die anwendung der Variation in der altersbestimmung eine wichtige rolle. Aus häuflgkeit, umfang und bau der Variationen lassen sich sichere, unbestreitbare Schlüsse ziehen, die ein licht auf die sich all- mählich entwickelnde kunst des dichters werfen.

Um nun eine klare Übersicht über das gesamte material zu geben, folgt eine summarische tabelle der in betracht kommenden haupterscheinungen auf dem gebiete der Variation, angeordnet nach den verschiedenen stücken. Bei dieser be- trachtung- ist nicht die zahl von einzelnen Variationen von Wichtigkeit, sondern die zahl und das Verhältnis der zeilen mit Variation zu denjenigen, die keine Variation aufweisen.

Tabellarische Übersicht.

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1

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Stück

Gattung

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Widmung

96

62

64 24

3

4

2

7

S

Widmung

48

87

77 1 11

6

'

1

'l{

Einleitung

126

79

63

26

7

2

2 12

Gehet

58

37

64

13

4

1

2

3

Erzählung

50

34

68

13

4

1

8

4 Erzählung

86

35

41

8

5

1

1

5 Erzählung

72

35

49

21

1

2

6 ' Erzählung

18

6

33

4

1

1 ' Canticum \ Magnificat'

28

10

36

6

1

2

5

8

Erzählung

28

19

68

7

2

y

Erzählung

40

22

55

5

5

1

10 1

' Canticum

28

15

54

11

[ benedictus deus'

Latus

548

301

1

56

119

38

10

14

32

DIE VARIATION BEI OTFRID.

49

Stück

Gattung

1

II

SS

1

Ij

Variation innerhalb

d. zw^eizcil. strophe

(1—2 Zeilen)

Variation innerhalb

d. vierzeil. strophe

(3—4 zeilen)

ILängere Variationen (mehr als 4 zeilen)

Fälle von parallel Is- mus und Chiasmus

Zahl der zeilen in gruppenvariation

Transport

534

292

1

114

29

5

11

25

I -, W Erzählung

l Mystice

62

45

73

11

3

2

2

1

16

-!

Erzählung Mystice

34

18

53

11

1

13

Erzählung-

24

13

54

8

1

14

Erzählung

24

10

42

7

15/

Erzählung Prophezeiung

50

28

66

8

4

4

16

Erzählung

28

20

71

10

1

3

-{

Erzählung Mystice

78

46

59

19

5

1

1

6

18

Mystice

46

36

78

6

2

2

1

13

19

Erzählung

28

18

64

11

20

Erzählung

36

21

58

5

2

1

1

21

Erzählung

16

7

44

3

1

22

Erzählung-

62

30

48

12

1

1

2

9

.{

Erzählung Predigt

64

49

76

16

5

1

5

6

24

Predigt

20

12

60

5

1

2

25

Erzählung

30

18

60

10

1

20 ; Moraliter

14

9

64

3

2

1

27 Wechselrede

70

36

51

17

2

1

8

28 ' Spiritaliter

20

20

100

2

1

1

20

Süfflffla

1240

728

59

270

60

16 34 103

Ol

Einleitung

50

50

100

8

3

1

32

^!

Deutende Erzählung

38

28

74

16

1

Latus

1

88

78

24

1

3 i 1 1 32

Bei

rage zur geschieht«

Jer deu

sehen s

prache.

XXXVII

I.

4

50

KOLBE

Stück

Gattung

1

a

1

1

h

3

o <u

Variation innerhalb l

d. zweizeil. strophe

(1—2 Zeilen)

Variation innerhalb

d. vierzeil. strophe

(3-4 Zeilen)

i?

Fälle von parallelis- mus und ehiasmus

Zahl der zeilen in gruppeuvariation |

Transport

88

78

24

1

3

1

32

3| l

Erzählung mit Besprechung

68

48

63

17

3

3

3

4

Deutende Erzählung

108

66

61

32

2

2

5

Spiritaliter

28

21

75

8

2

16

6

Spiritaliter

58

50

86

13

4

3

1

11

7

Erzählung

76

42

55

26

3

1

8

Erzählung

56

21

38

13

1

9

Spiritaliter

98

65

66

20

6

1

8

10

Deutung

22

13

59

7

1

"{

Gehobene erzäh- Deutung [lung

68

48

71

15

2

2

1

8

./

Christi Lehre

96

62

65

31

5

3

.3{

Christi Lehre

40

28

70

9

1

2

12

14

Erzählung

122

55

45

35

3

.{

Gehobene Erzählung

24

20

83

9

1

1

4

ig{

Christi Lehre

40

33

83

11

3

1

1

6

nj

Christi Lehre

24

17

71

9

2

18 {

Christi Lehre

24

14

58

7

1

1

.{

Christi Lehre

28

17

61

5

2

2

20 (1 Christi \ j Lehre

14

8

57

3

1

2^ f Christi 1 Lehre

44

35

80

10

4

1

4

7

Latus

1136

736

304

41

15

26

107

DIE VARIATION BEI OTFRID.

51

Stück

i xn

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g -^ B I Ss-S

Transport 1136

Christi ,n

Lehre

Christi oq

Lehre i

Schlußijebet

40

736

304

41

15

26

27

64

11

1

1

6

21

70

7

8

1

30

78

6

2

3

i

summa

1244

820

66

328

47

19

31

127

III \ j

Einleitung Gebet

44

41

98

12

3

2

2

14

2

Erzählung-

38

27

71

15

2

3

Moraliter

28

23

82

13

1

4

4

Erzählung

48

22

46

12

2

1

5

Moraliter

22

15

68

7

1

1

6

Erzählung

56

33

59

20

2

2

7

Spiritaliter

90

60

67

25

1

2

4

16

8

Erzählung

50

38

76

14

3

1

1

4

i

Gehobene Erzählung

20

19

95

4

5

1

8

10

Erzählung

46

34

78

16

4

3

11

Moraliter

32

18

56

9

3

12

Erzählung

44

35

80

12

4

8

2

X3{

Christi Lehre

58

81

53

15

1

1

2

6

14

Erzählung

120

89

74

27

8

4

2

16

15

Erzählung

52

40

77

16

5

2

.{

Erzählung Lehre

74

46

62

23

3

1

17

Erzählung

70

43

61

17

5

4

18

Lehre

74

57

77

23

5

4

4

Latus 960 , 671 , j 280

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Gattung

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15

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72

19

Moraliter

38

24

63

9

1

1

20

Erzählung

186

103

55

49

7

5

21

Spiritaliter

36

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10

2

1

1

10

H

Christi Lehre

68

44

65

23

1

1

3

23

Erzählung

60

36

60

20

2

1

24

Erzählung

112

75

67

31

8

2

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Erzählung

40

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70

18

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Erklärung

26

Moraliter

70

40

57

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2

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1576

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67

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18

47

82

IV 1

Einleitung

54

39

72

14

4

1

2

4

2

Erzählung

34

23

68

9

2

1

3

Erzählung

24

16

67

6

1

1

M

Gehobene Erzählung

76

56

74

24

4

1

2

5

Spiritaliter

66

41

62

18

4

1

4

4

6

Erzählung

56

26

47

14

2

3

'{

Christi Lehre

92

56

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26

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Erzählung

28

22

79

7

2

1

1

6

M

Erzählung Besprechung

34

20

59

7

3

10

Erzählung

16

7

44

3

1

11

Erzählung

52

26

50

16

1

H

Erzählung Besprechung

64

46

72

20

6

2

Latus

596

378

164

32

8

20

14

DIE VARIATION BEI OTFßlD.

53

Stück

Gattung

3

03

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Csl

1.1

TS 'S

>

Variation innerhalb

d. zweizeil. Strophe

(1—2 Zeilen)

Variation innerhalb

d. vierzeil. Strophe

(3-4 Zeilen)

•43-33

05 CS

Fälle von parallelis- uius und Chiasmus

Zahl der zeilen in gruppenvariation

Transport

596

378

164

32

8

20

14

-{

Erzählung- Prophezeiung

54

37

69

15

4

1

8

14 Erzählung

18

5

28

3

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64

34

53

22

1

1

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56

32

58

18

1

17 Erzählung

32

17

53

6

1

1

4

18 Erzählung

42

27

65

13

2

1

4

19 Erzählung

76

45

59

20

4

3

20 Erzählung

40

23

58

13

3

1

21 Erzählung

36

28

78

14

1

2

4

22 Erzählung

34

20

59

13

23 Erzählung

44

26

59

8

2

1

1

24 Erzählung

38

19

50

10

25 Spiritaliter

14

13

93

3

2

2

8

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52

39

75

11

7

3

4

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30

22

73

11

1

1

28 Erzählung

24

14

58

3

2

1

2 1 6

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58

41

71

7

7

2

3 13

30 i Erzählung

36

27

75

10

2

1

2 6

31 Erzählung

36

25

69

6

5

2 4

32 Erzählung

12

4

33

3

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40

32

80

8

1

2

1

14

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26

16

62

1

2

1

1

8

Latus

1458 924

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54

Stück

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24

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75

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1

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46

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5

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1564

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105

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48

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Deutung

18

18

100

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1

18

Gebet

20

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1

19

4

Erzählung

64

31

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4

5

Erzählung

22

12

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6

6

Spiritaliter

72

49

68

7

2

3

30

7

Erzählung

66

35

53

18

3

2

8

Spiritaliter

58

45

78

22

3

1

9

Erzählung

56

48

86

19

1

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5

17

10

Erzählung

36

28

78

5

5

1

11

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Besprechung Erzählung

50

23

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11

1

1

12

Spiritaliter

100

77

77

18

6

5

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28

13

Erzählung

36

18

50

12

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1

14

Mystice

30

16

53

9

1

15

Erzählung

46

31

67

16

3

2

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Abschied von den Jüngern

46

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2

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4

17

Himmelfahrt

40

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1

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Botschaft der engel

16

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3

2

1

4

19

De die judicii

66

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2

15

Latus

890

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166

DIE VARIATION BEI OTFRID.

55

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Gattung

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21

De die judicii

26

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4

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16

11

69

2

1

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De Qualitate

298

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9

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2

1

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25

Schluß

104

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77

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8

Smia

1472

1056

72

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71

46

46

298

H.

Widmung

168

98

58

41

5

4

6

6

Besprechung der tabellen.

Dem Stil nach läßt sich die mehrzahl der stücke des evangelienbuchs in drei hauptgattungen einteilen:

1. erzählende stücke (2762 zeilen),

2. exegetische stücke (moraliter etc. 888 zeilen),

3. einleitungs- und schlußstücke (726 zeilen).

Bei der folgenden besprechung werden als 'erzählende stücke' nur solche aufgefaßt, die rein erzählenden Inhalts sind. Sonstige Schattierungen, die in den tabellen unter der rubrik 'gehobene erzählung' oder 'deutende (erklärende) erzählung' er- scheinen, bleiben von der weiteren behandlung ausgeschlossen. In diese letzteren hat der dichter meistenteils ein mj^stisches oder exegetisches element hineingebracht, weshalb sie als mittelding zwischen 1 und 2 zu betrachten sind. Die mit 'gehobener erzählung' betitelten stücke behandeln fast aus- schließlich überirdische begebenheiten, z. t. auch die leidens- geschichte.

56 KOLBE

Zu den 'exegetisclien stücken' werden nur diejenigen ge- rechnet, die vom dichter selbst mit 'moraliter', 'spiritaliter' oder 'mj'stice' bezeichnet sind. Wenn aber ein solches stück den Schluß eines buches bildet (vgl. die bücher 1. 3. 4), so ist es unter 3 behandelt.

Gewöhnlich hat jedes buch nur ein einleitungs- und ein schlußstück, doch im ersten buche finden wir neben dem ein- leitungsgebet auch noch eine zweifellos später zugefügte all- gemeine einleitung, und im fünften buche dienen die ersten drei stücke als einleitung, während die erzählung erst mit dem vierten stück beginnt. Ebenso steht am ende desselben buches neben dem üblichen schlußgebet auch noch ein stück, das den titel 'conclusio voluminis totius' trägt und der all- gemeinen einleitung des ersten buches entspricht. Es wären also im ganzen nicht zehn, sondern vierzehn stücke als ein- leitungs- bez. schlußstücke aufzufassen.

Die eben erwähnten drei gattungen des Otfridschen stils, die wir vielleicht am besten als erzählend, exegetisch (oder mystisch) und rhetorisch bezeichnen können, unterscheiden sich wesentlich voneinander in bezug auf ihre anwenduug der Variation. Am einfachsten von allen ist 1. Der erzählende stil.

Im ganzen lassen sich 57 stücke als rein erzählend auf- fassen, die zusammen 2762 Zeilen enthalten. Von diesen kommt Variation in nur 1634 zeileu vor, also in etwa 59 proc. der erzählenden Zeilen. Auch die gruppenvariation fehlt fast aus- nahmslos in diesen stücken; denn trotz der verhältnismäßig großen zahl von zeilen dieser art enthalten nur 107 gruppen- variation (in den ganzen fünf büchern sind 715 zeilen mit gruppenvariation).

Anders aber steht es mit den fällen von parallelismus und Chiasmus, die in den erzählenden teilen ziemlich häufig vorkommen (aus den 212 beispielen in den fünf büchern stehen 69 in den 1634 variierenden zeilen der erzählenden stücke). Dieses Verhältnis ist natürlich dadurch zu erklären, daß die weitaus meisten fälle nicht über die grenzen der zweizeiligen Strophe hinausgehen und daher die einfachheit der erzähluug nicht besonders stören oder höchstens dann stören, wenn sie mit außergewöhnlicher häufigkeit angewandt werden. Auch

DIE VARIATION BEI OTFKID, 57

sind diese satzstellimgen eine alte germanische überkommen- schaft und passen daher ebensogut und sogar noch besser zum erzählenden als zum exegetischen oder zum rhetorischen Stil.

Überaus arm ist der erzählende stil an Variationen, die über vier zeilen hinausgehen. In den 2762 Zeilen finden wir nur 23 solcher fälle, während die beiden anderen gattungen zusammen in ihren 1614 zeilen 47 beispiele aufweisen. Solche längeren Variationen stören das rasche fortschreiten der hand- lung und sind daher für den erzählenden stil ganz ungeeignet. 2. Der exegetische stil.

Diese stücke, die der dichter selbst als solche kennzeichnet, bilden einen bestimmten gegensatz zu den erzählenden teilen, indem sie das neue element der Otfridschen dichtung im gegen- satz zur germanischen alliterationspoesie ausmachen. Mit zag- haften versuchen fängt der dichter im ersten buche an, den neuen stil in die deutsche spräche einzuführen. Er beabsichtigt mit seinen mystischen deutungen zunächst keine selbständigen stücke, sondern denkt sie sich nur als Schluß verse eines er- zählenden teils. Im ganzen ersten buche sind nur 90 zeilen als exegetisch bezeichnet (allerdings mit ausname des schluß- stückes). Die ausbildung des exegetischen stils läßt sich von diesem punkt an leicht verfolgen. Angehängte verse dieser art finden sich in immer größerer zahl bei den erzählenden teilen (doch von nun an unbezeichnet) und in manchen stücken überwiegen sie sogar. Daneben vermehrt sich auch die zahl derjenigen zeilen, welche der dichter selbst als exegetisch be- zeichnet. Im fünften buche ist die bescheidene zahl des ersten buches bis auf 260 solcher zeilen gewachsen.

Auch in bezug auf die Variation besteht ein wesentlicher unterschied zwischen exegetischen und erzählenden stücken. In den ersteren ist die Variation viel häufiger, auch zeigen sie eine compliziertere ausdrucksweise als die erzählenden stücke. Von den 888 exegetischen zeilen variieren 632 etwa 71 proc. gegen 59 proc. der ersten gattung. Die fälle von längerer Variation sind verhältnismäßig viel häufiger (auf 888 Zeilen konnnen 25 fälle). Dagegen spielen parallelismus und Chiasmus keine bedeutendere rolle als in den übrigen gattungen (25 fälle gegen 69 unter 1). Besondere aufmerk- samkeit verdient aber die große zahl der gruppenvariationen

58 KOLBE

(von den 888 Zeilen enthalten 157 gruppenvariation gegen 2762 zu 107 unter 1).

3. Der rhetorische stil (einleitungs- und schlußstücke). Fast alles, was von den exegetischen stücken gesagt wurde, gilt (doch in gesteigertem maße) auch für die einleitungs- und schlußstücke. Hier befinden sich unter den 726 zeilen 594 mit Variation, also etwa 82 proc. 169 zeilen zeigen gruppen- variation, und es kommen 22 fälle von mehr als vierzeiliger Variation vor. Im ganzen darf man behaupten, daß diese dritte gattung in hinsieht auf kunstvolle ausgestaltung das vollendetste in Otfrids stil darstellt und mit wenigen aus- nahmen, die noch im einzelnen besprochen werden, einer sehr späten epoche seiner dichterischen tätigkeit angehören muß.

Wir gehen nun über zu einer kurzen betrachtung der stets fortschreitenden technik des dichters, wie sie aus den zu verschiedenen zelten entstandenen stücken des werkes zu ersehen ist.

Im allgemeinen deuten die meisten Variationserscheinungen auf eine ziemlich regelmäßige stilistische entwickelung vom anfange bis zum ende des ganzen werkes. Gewisse auffallende ausnahmen, die für eine verhältnismäßig frühere oder spätere abfassung einzelner stücke sprechen, kommen erst nach der allgemeinen besprechung zur erörterung.

Als erster beweis für die annähme, daß die einteil ung in fünf bücher, wie sie jetzt vorliegen, im ganzen auch den relativen zeitlichen abfassungsperioden ziemlich genau ent- spricht, dient die tatsache, daß die Variation, von der wir mit recht bei der immer geübter werdenden kunst des dichters eine stete zunähme an häutigkeit erwarten dürfen, tatsächlich diese fortschreitende entwickelung in der technik genau wied er- spiegelt. So haben wir für die fünf bücher folgende procent- sätze von variierten zeilen: I 59 proc, II 66 proc, III 67 proc, IV 65 proc, V 72 proc

Das verhalten des vierten buches mit nur 65 proc. gegen 67 proc. im dritten buche erklärt sich zweifellos aus der tat- sache, daß das vierte buch zum größten teil erzählenden Inhalts ist (von den 37 stücken sind 21 rein erzählend);

DIE VARIATION BEI OTFKID. 59

denn gerade bei diesem stil wird, wie wir schon gesehen haben, die Variation am allerwenigsten gebraucht.

Eine ähnliche entwickelung zeigen die vom dichter selbst als exegetisch bezeichneten stücke ('moraliter' etc.). Diese werden in jedem buche mit stets wachsender Vorliebe an- gewandt. So finden wir im ersten buche 110 zeilen dieser art, im zweiten 184, im dritten 318, im vierten 184 und im fünften 260. Hier ist natürlich das störende verhalten des dritten buches mit 318 zeilen recht auffallend, doch ist die erklärung wohl darin zu suchen, daß der dichter nach Voll- endung des fünften buches wahrscheinlich das dritte buch zum teil umarbeitete und durch hinzufügung von mehreren stücken erweiterte. Eine ausführlichere begründung dieser theorie folgt bei der behandlung des dritten buches.

Die anwendung der überkommenen formen von parallelis- mus und chiasmus zeigt keinen so großen unterschied im Ver- hältnis zu den abfassungsperioden der verschiedenen bücher, doch läßt sich auch hier die wachsende gewandtheit Otfrids deutlich feststellen: I hat 34 beispiele, II 34, III 47, IV 51, V 46 beispiele.

Die erklärung für die geringere häufigkeit der fälle im fünften buche beruht auf der tatsache, daß das fünfte buch am allerwenigsten den erzählenden stil anwendet (von den 25 stücken sind nur 7 rein erzählend), in welchem eben gerade parallelismus und chiasmus zuhause sind.

Mit der zunehmenden gewandtheit des dichters hält ein merkliches Wachstum an wortfülle gleichen schritt. Dies zeigt sich am deutlichsten in dem verhalten der ausdrucksvariationen, deren häufigkeit stets zunimmt. Diese wachsende tendenz zur bloßen Variation des ausdrucks beweist, daß der reiferen kunst Otfrids viel mehr Wörter zugebote standen, als dies im anfange des Werkes der fall war; deshalb tritt in den jüngeren stücken eine gewisse neigung zur Weitschweifigkeit im ausdruck zu- tage, die den älteren stücken fernliegt. Das verhalten der fünf bücher in bezug auf das vorkommen der ausdrucksvaria- tion ist aus dem folgenden ersichtlich: I 38 proc, II 37 proc, III 54 proc, IV 57 proc, V 58,5 proc.

Endlich kann als weiterer beweis für die allmähliche ent- wickelung in der technik Otfrids die tatsache gelten, daß die

60 KOLBE

längeren und die kunstvoll gebauten Variationen in jedem buche stets häufiger auftreten (vgl. s. 41). Hier bildet das erste buch nur scheinbar eine ausnähme; denn die später geschriebenen widmungs- und einleitungsstücke sind auch mit eingerechnet, wodurch das prozentuale Verhältnis etwas verschoben wird.

Da es wohl nach dem bisherigen als bewiesen gelten dürfte, daß die reihenfolge der fünf bücher im allgemeinen den ent- stehungsperioden derselben entspricht, Avenden wir uns nun der betrachtung derjenigen stücke zu, die in ihren rahmen nicht recht hineinpassen, d.h. von den anderen stücken des betreffenden buches in bezug auf ihre anwendung der Variation merklich abweichen.

Auf diese weise ist es uns ermöglicht, wenigstens eine hypothese über die entstehungsgeschichte des ganzen Werkes aufzustellen. Wir halten uns bei dieser besprechung an das material in den tabellen auf s. 49— 55.

Die Widmungsstücke.

Erdmann nimmt an, daß die Zuschrift an Salomo wahr- scheinlich früher als die beiden anderen Zuschriften gedichtet Avurde. Sicher ist es, daß die Zuschrift an Ludwig nach der Vollendung des ganzen werkes entstand, was auch in dem verhalten der Variationen treu wiedergespiegelt wird: L. hat nämlich 64 proc. von variierten Zeilen, dabei aber vier längere Variationen und sieben zeilen in der gruppenvariation; S. hat 77 proc. Variation, nur eine längere Variation und keine gruppenvariation; H. hat nur 58 proc. Variation, doch bei ver- hältnismäßig viel größerem umfange nur 6 längere Variationen und sechs zeilen in gruppenvariation.

Aus diesen tatsachen können wir nur entnehmen, daß weder S. noch H. zu den frühesten versuchen Otfrids gehören, sondern daß sie vielmehr als producte einer späteren periode anzusehen sind. Die Zuschrift an Salomo in eine zu frühe periode zu verlegen, wäre wegen des hohen procentsatzes der Variation ganz besonders verfehlt.

Buch I. Daß das erste stück sich auf das ganze werk bezieht, daher einer jüngeren periode angehört, ist unzweifelhaft.

DIE VARIATION BEI OTFRID. 61

2 sieht Erdmann wolil mit recht für iimdichtuiig einer älteren vorläge an, denn gegenüber der unvollkommenen verstechnik einiger zeilen weist doch der hohe procentsatz (68 proc.) der Variation kaum auf den anfäuger hin.

Als einfachste stücke des buches und wohl auch als die ursprünglichsten sind 4. 5. 6. 7. 9. 10. 12. 13. 14. 15. 20. 21. 22. 27 zu betrachten, die alle einen auffallend niedrigen procentsatz von Variation zeigen. Doch erscheint schon in 7. 22 und 27 die gruppenvariation, die aber keineswegs gegen die frühe abfassung der stücke spricht, da sie überall nur als die einfache art der zweireihigen Variation auftritt.

Erdmanns annähme, daß 3 einen späteren einschub bildet, wird dadurch gestützt, daß dieses stück 68 proc. Variation aufweist, was den einfachen erzählungsstil in den meisten anderen stücken des buches weit übertrifft. Ebenso verhalten sich noch die erzählenden stücke 8 und 11 (letzteres mit 16 Zeilen gruppenvariation, z. t, dreireihig!). Schließlich muß Wühl noch 18 als Interpolation oder jedenfalls als Umarbeitung betrachtet werden, da es bei 78 proc. Variation auch noch eine 13 Zeilen lange dreireihige gruppenvariation enthält.

Sämtliche einleitungs- und schlußstücke werden später in einer besonderen behandlung zusammengefaßt.

Buch IL Das zweite buch zeigt im ganzen bedeutende fortschritte in der stilistischen ent Wickelung, doch geht diese nicht im gleichen maße durch das ganze buch hindurch. Schon aus dem losen zusammenhange mit den übrigen stücken hat Erd- mann erschlossen, daß die ersten sechs stücke als spätere hin- zufüguug zu betrachten seien, eine annähme, die durch die Variation glänzend bestätigt wird; der procentsatz der variierten Zeilen in diesen sechs stücken übertrifft bei weitem denjenigen der meisten anderen stücke desselben buches. Auffallend ist die tatsache, daß die drei rein erzählenden stücke sämtlich eine ziemlich geringe zahl von Variationen aufweisen (7 55 proc, 8 38 proc, 14 45 proc) und damit ganz auf der stufe des ersten buches stehen. Daneben zeigt sich aber ein fortschritt in den relativ höheren procentzahleu der deutenden und ge-

62 KOLBE

hobenen erzähl iiugen, die in diesem buche zum ersten male zum Vorschein kommen.

Außer den schon erwähnten sechs stücken am anfange ist das buch wohl ziemlich nach der vorliegenden reihenfolge gedichtet worden, wahrscheinlich in directer ankniipfung an das erste buch und ist auch wohl keiner späteren Umarbeitung unterzogen worden.

Buch III.

Sehr schwer zu erklären sind die Variationsverhältnisse im dritten buche. Hier findet sich nicht mehr das ziemlich regelmäßige verhalten der erzählenden stücke mit wenig Variation gegenüber den mystischen teilen mit höherem procentsatz, sondern hier geht alles bunt durcheinander, und die eben angedeuteten Verhältnisse sind öfters gerade ent- gegengesetzt. So erscheinen z. b. die erzählenden stücke 2. 8. 10. 12. 14. 15 mit einer ganz erstaunlich großen zahl von variierten zeilen, dagegen 4. 6. 17. 20. 23. 24 mit einem nor- malen procentsatz. Dieser stand läßt sich entweder durch annähme von Umarbeitung oder späterer hinzufügung erklären, oder aber er zeigt nur eine schon entwickeltere kunst des dichters, wie sie auch in den erzählenden stücken des fünften buches zu erkennen ist. Für die theorie einer hinzufügung spricht das Zeugnis von Otfrid selbst (ad Liut. 5 31 ff.):

'In medio vero, ne graviter forte pro superfluitate ver- borum ferrent legentes, multa et parabularum Christi et mira- culorum ejusque doctrinae, quam vis jam fessus (hoc enim novissime edidi), ob necessitatem tamen praedictam praetermisi invitus et non jam ordinatim, ut caeperam, procura vi dictare, sed qualiter meae parvae occurrerent memoriae.'

Die erwähnung von nicht zusammenhängenden stücken trifft für viele teile des dritten buches ganz genau zu; ferner geben die variations Verhältnisse des zweiten und des vierten buches sehr wenig anlaß, eine wesentliche Umänderung der ursprünglichen gestalt dieser bücher durch hinzufügung von neuem material anzunehmen. Daher erscheint der Schluß fast unumgänglich, daß Otfrid gewisse stücke des dritten buches im sinne hatte, als er sein 'hoc enim novissime edidi' schrieb. Aus derselben annähme wäre es auch zu erklären, daß das

DIE VARIATION BKI OTFRID. 63

dritte buch alle anderen an umfang übertrifft. Ferner führt die relativ große zahl der mystischen stücke, wodurch das dritte buch mit 318 zeilen allen anderen büchern in dieser beziehuug- voransteht, zu der weiteren annähme, daß Otfrid nicht nur erzcählende, sondern auch mystische stücke bei der Umarbeitung- dieses buches einführte.

Unter den mystischen stücken des dritten buches nehmen 11 und 19 (auch das schlußstück) wegen ihrer geringen Varia- tion eine ganz besondere Stellung ein, da sonst die technik in den exegetischen teilen dieses buches und in den folgenden schon ziemlich weit vorgeschritten ist. Auch weisen die eben erwähnten stücke keine gruppenvariation auf und zusammen nur einen fall von längerer Variation. Da es sich hier kaum um sehr früh gedichtete stücke handeln kann, müssen wir eben annehmen, daß bei Otfrid der mühevoll erworbene stil noch nicht ganz festsaß, und daß diese zeilen gewissermaßen als ein rückfall in die frühere, einfachere Schreibweise anzu- sehen sind. Doch begegnen ähnliche fälle von nun an immer seltener (nur noch in IV 5 und V 14).

Buch IT. Im großen ganzen zeigt dieses buch den zu erwartenden forschritt in der technik des dichters gegenüber den vorher- gehenden büchern. Die mystischen stücke weisen mit wenig ausnahmen einen hohen procentsatz von Variation auf, und nur vier von den erzählenden stücken verhalten sich besonders abweichend von der mehrzahl ihrer gattung, indem sie weniger als 50 proc. Variation haben (6. 10. 14. 32). Von diesen ist wohl nur bei 32 an die müglichkeit zu denken, daß wir es hier mit einem schon viel früher gedichteten stücke zu tun haben. Dafür spricht

1. der äußerst einfache stil,

2. der fünfsilbige, unbeholfene vers Hb thar so hangenter,

3. die regelmäßige gliederung der langverse (4-2-4-2), die dem ganzen ein hymnenartiges gepräge verleiht; zu diesem Clement paßt auch recht gut die ermahnung der letzten zeile.

Es wäre daher wohl keine gezwungene annähme, wenn wir das kurze stück als einen schon viel früher von Otfrid

64 KOLBE

verfaßten gesang- betrachteten, den er nun an geeigneter stelle in sein später unternommenes werk einführte.

Buch V. Hier zeigt sich ebenfalls die folgerichtige weiterführung des vorhergehenden buches, die kaum durch irgendwelche merkliche einschübe oder Umarbeitungen frülieren materials gestört ist. Das fünfte buch nimmt einen ganz besonderen platz im gesamtwerke ein, indem es (mit den einleitungs- und schlußstücken) das vollkommenste product von Otfrids reifer kunst darstellt. Diese behauptung läßt sich beweisen

1. durch den verhältnismäßig hohen procentsatz der va- riierten Zeilen,

2. durch das häufige vorkommen der mehr als dreireihigen gruppenvariationen (aus den 13 beispieleu stehen 10 im fünften buche).

3. durch den größeren umfang der mystischen stücke.

Trotz des einheitlichen Charakters des buches im all- gemeinen scheint es aber doch nicht unmöglich, daß die stücke 13 und 14 auf eine ältere grundlage zurückgehen oder vielleicht sogar in der vorliegenden fassung ein früheres product sind. Für diese ansieht lassen sich folgende gründe anführen:

1. die relativ geringe Variation (50 53 proc),

2. die einfache structur (keine gruppenvariation und nur zwei Variationen, die über zwei zeilen hinausgehen),

3. die klage in 14, 3-6 über die Schwierigkeit des ausdrucks in fränkischer spräche. Warum sollte der geübte dichter des fünften buches, der schon so viele Schwierigkeiten überwunden hat, gerade an dieser stelle über seine fast beendete aufgäbe seufzen? Einen ganz anderen ton schlägt er in I 1 an, das sicher doch auch einer späteren periode angehört, denn hier spricht der dicliter, der seiner sache sicher ist und keine Ursache mehr zur besorgnis wegen des gelingens seines Unter- nehmens hat,

4. die berufung in den zeilen 14, 25 27 auf kirchliche schriftsteiler, die sonst nur einmal (V 25, 69) vorkommt,

5. die tatsache, daß 13 mit einer ganz neuen episode an- fängt und keinerlei Zusammenhang mit dem vorhergehenden

DIE VARIATION BEI OTFRID. 65

verrät. Man könnte sich die beiden stücke sehr gut als eine früher geschriebene, alleinstehende kleine predigt in versen denken.

Die einleitungs- und schlußstücke.

Ans dem vorher gesagten ist es klar geworden, daß die anfangs- und schlußstücke den höchsten procentsatz von Varia- tion zeigen. Daß Otfrid ursprünglich wohl nicht die absieht hatte, alle bücher mit solchen stücken zu versehen, erhellt aus der tatsache, daß I 1. III 1 und IV 1 sich alle über das vollendete werk aussprechen, daher als spätere zudichtungen zu betrachten sind. Über die spätere abfassungszeit von II 1 haben wir schon gehandelt. Dafür spricht auch die überaus kunstvolle structur dieses Stückes mit 100 proc. Variation und 32 Zeilen gruppenvariation. Ob nun die drei einleitungsstücke des fünften buches schon vor abfassung der übrigen teile des buches geschrieben wurden oder erst nachher, läßt sich kaum mit Sicherheit bestimmen; auch ist die frage nicht von großer bedeutung, da sie auf jeden fall der späteren periode an- gehören. Wir sehen also, daß sämtliche einleitungsstücke erst gegen das ende von Otfrids dichterischer tätigkeit entstanden sind, und daß ihre structur die complizierteste des ganzen Werkes ist. Wie steht es nun mit den schlußstücken? I 28 steht in bezug auf seinen bau auf derselben stufe wie die einleitungsstücke und gehört also wohl der gleichen periode an. Dasselbe läßt sich auch mit Sicherheit von V 24 und 25 behaupten. Dagegen zeigt III 2(3 eine so einfache structur (57 proc. Variation keine gruppenvariation), daß die ab- fassung sicher nicht in diese vorgeschrittene periode fällt. Hier ist wol anzunehmen, daß Otfrid bei der revision seiner ganzen arbeit dieses 'Moraliter' am ende des dritten buches schon fertig vorfand und, da es sich ganz gut zum schluß- stück eignete, einfach als solches stehen ließ. Dasselbe kann auch bei II 24 und IV 37 der fall gewesen sein, doch hier läßt sich kaum etwas mit Sicherheit feststellen.

Als Zusammenfassung des gesagten dürfen wir also mit einiger bestimmtheit behaupten, daß die einleitungsstücke sämtlich, die schlußstücke dagegen nur zum teil spätere zudichtungen sind.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 5

Q6 KOLBE, DIE VAEIATION BEI OTFRID.

luhaltsverzeicliiiis.

I. Einleitung s. 1. Bestimnmng des aiisdrucks 'Variation' s.S.

II. Die eiuteiluug der Variationen s. 5. 1. Die ansdrucksvariation s. G. Classe A s. C. Classe B s. 8. 2. Die begriffsvariatiou s. 12. A) Begriffs- coordination s. 12. a) Disjuuctive begriffe s. 12. b) Gegensätzliche begriffe s. 14. B) Begriffssiibordination s. 15. a) Allgemeine begriffe specielle be- griffe s. 15. b) Si)ecielle begriffe allgemeine begriffe s. 17. 3. Die ge- mischte Variation s. 19. A) Die einreihigen, gemischten Variationen s. 20. B) Die gruppenvariationen s. 21. a) Zweireihig s. 23. b) Dreireihig s. 25. c) Vier-, fünf- und sechsreihig s. 28.

III. Über die form der Variation s. 29. Die zeilenmäßige ausdehnung der Variationen s. 30. Die mehrfache Variation s. 31. Über den kunstvollen bau der Variationen s. 32. a) Enjambement s. 32. b) Parallelismus s. 3i. c) Chiasmus s. 36. Der kunstvolle bau der längeren Variationen s. 37. Statistische tabelle nach dem Inhalt s. 40. Statistische tabelle nach der form s. 41.

IV. Über die anwendung der Variationen s. 42. Quellenvariationen s. 42. Sonstige variationsprincipien s. 44. Allgemeines über den gebrauch der gruppenvariationen s. 46.

V. Über das Verhältnis der Variation zum inhalt der darstellung nnd zur entstehungsgeschichte s. 47. Tabellarische Übersicht s. 48. Besprechung der tabellen s. 55. 1. Der erzählende Stil s. 56. 2. Der exegetische stil s. 57. 3. Der rhetorische stil s. 58. Die widmungsstücke s. 60. Buch I s. 60. Buch II s. 61. Buch III s. 62. Buch IV s. 63. Buch V s. 64. Einleitnngs- und schlußstücke s. 65.

AKRON, Ohio. PARKE REXFORD KOLBE.

ZUR GESCHICHTE

DER DEUTSCHEN -^-i^-PLURALE, BESONDERS

IM FRÜHNEUHOCHDEUTSCHEN/)

II.

D) Die -3*-flexiou im frülmeuhochdeutscheu

(1450—1600).

§ 46. Mit dem ende des 16. jh.'s war der abscliluß in der entwiclvelung der pluralen -er-flexion für weitaus die meisten stamme erreicht. Die wenigen Wörter, die sich in der folgezeit der conse([nenten durchfiilirung des -r-typns noch widersetzt haben, konnten dies noch vereinzelt tun entweder aus lautlichen gründen oder unter dem einfluß mundartlicher einwirkungen und bedeutungsdifferenzierungen; ferner ist der schriftsprachliche gebrauch mancher formen auch in späterer zeit namentlich in poetischen denkmälern noch sehr durch äußere rücksichten bedingt. Im allgemeinen jedoch bedeutet die eigentlich frühneuhochdeutsche periode in der ausgestaltung unserer Schriftsprache auch für den weiteren ausbau des -r-pluraltypus den wichtigsten abschnitt, in dem der abscliluß der ganzen bewegung schon großenteils durchgeführt oder doch für den noch schwankenden teil der -fr-pluralclasse vorbereitet ist. Die mehrzahl der häufig wiederkehrenden neutralen a- Stämme mit facultativer -er-bildung im plural hat in früh- nhd. zeit den neuen pluraltypus consequent durchgeführt. Ihnen schlössen sich auch eine anzahl mascul. stamme an; ^*a-st. treten diesen gegenüber an zahl und bedeutung zurück, dagegen ist der große anteil an collectivbildungen hervorzu- heben. Für die ja- st. und collectivbildungen fällt das haupt-

1) Fortsetzung zu Beitr. 37, 492—543.

5*

68 GÜRTLER

gewicht auf otd. boden; die a-st. zeigen schon in spätmhd. zeit große Verbreitung in md. ma. Es war nun für die aus- gestaltung der Schriftsprache wichtig, daß die -er-pluralclasse im obd. schon so weit ausgestaltet war, daß sie mit dem Übergang des literarischen Schwerpunkts von Oberdeutschland auf Mitteldeutschland auch im md. bei den zu ihr gehörenden Wörtern einheitlich durchgeführt werden konnte. Nach dem vorbilde dieser stamme liat sicli dann auch der -r-plural der collectiva in der Schriftsprache durchgesetzt. Hiermit hat die im 16. jh. vorwiegend md. gefärbte Schriftsprache oberdeutschem einflusse ein Zugeständnis gemacht.

§ 47. Die schon in der ersten hälfte des 15. jh.'s unter mundartlichem einflusse rascher ausgewachsene -cr-classe diängte nach Vereinheitlichung der flexion zugunsten des neuen pluraltypus. Wenn sie trotzdem bis etwa zur mitte des 16. jh.'s noch nicht allgemein durchgeführt erscheint, so haben wir die schuld daran in der einwirkung der gleichen factoren zu sehen, die den entwicklungsgang schon in früherer zeit verzögert liaben. Um die wende des 16. jh.'s macht sich noch der unter- schied in der anwendung der -r-formen in prosawerken und besonders in poetischen denkmälern selir bemerkbar, er ist noch im ganzen 16. jh. zu beobachten und sogar in späterer zeit noch nicht ganz ausgeglichen (nicht nur im reim). In der prosa sind die flexionssch wankungen nicht ganz so groß; dem einfluß der im 16. jh. mächtiger aufblühenden prosaliteratur wird auch der endgiltige sieg in der schriftsprachlichen Verwendung zu- zuschreiben sein.

In gebundener rede hat namentlich der reim die allgemeine durchführung des -r-plurals verhindert. Daß aber die Verwen- dung der alten, nicht erweiterten flexionsformen in reimstelliing als dem spraclibewußtsein zuwiderlaufend erschien, beweisen verschiedene beispiele für reimungenauigkeiten, die durch ab- sichtliche liexionsänderung des reim Wortes durch den ab- schreiber verschuldet sind. Zum teil gehören sie noch liand- schriften des 15. jh.'s an:

Jcinder {winden) in Brud. Hans. Marienlied. (Minzloff) 3310; ich zu prichpurg stete vncl Slosser (: verf/rossc/i) Rosenblüt, Fastnacbtssp. (LV.30, s. 1184); unter den de ehern ( : s/^rec/icu) Fastnaclitssp. (LV. 28) s. 102, doch dechen (: versprechen) 380; sijehen, das sie es nie haben gelesen Noch finden

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^A'-rLURALE, 69

(jeschrihen in den edier n Wo man das crcictz sol suochen Q'hAi\..'LY.Aß, s. 72, dageg-eu 75 ^^»oc/ieu (: s«oc7je>0; an allen seinen gelideren {-.erlitten) Sterzinger passioii (hs. von 1496, Altd. passioussp. aus Tirol, Wackernell) 1905; szo reche gott an uns synhlut Und aminßern hindern (: befyndcnn) Alsfeld, pass. 4472 (1501); bejj mann und auch hey weihern (: bleiben) Yolks- u. gesellsch.-lied. (DTM. bd. 5, hs. 16. jh.) 192,54; gläsern {: gelesen) iu Lindeuers Katzipori (LV. 163) 188.

Trotzdem ist der einfliiß des reims für die bewahrung der älteren flexionsformen fast in allen werken des ausgehenden 15. und 16. jli. handgreiflich nachzuweisen:

vaß (•■paß) in Rosenblüts fastnachtssp. (LV.30) s. 1106, fcsscr (: pesser) 1161 (über das heldenbudi vgl. weiter unten); in den dorfen {-.geworfen) Fastnachtssp. (LV. 28) 380. 384, Maid {: hübschait) 393; sprcuen {: k reuen) ebda. 29,771; 7-ind : kind ebda. 46,162; vasser {-.passer) Beheim, Buch v. d. Wien. 74,10, vas (: tarras) 84, 1, techer (: frecher) 100, 11, lach (: zaim- spach) 100, 7; landen in Manuels weinspiel (1548) im reim 3566 u.oft, lender 3342; tieffe ihal (: soZi) Volks- u. gesellsch.-lied. (DTM. bd. 5) 140, 13 ; lender im reim bei H.Sachs, Werke 8 (LV. 121) 6,26. 115,8, landt {-.gesandt) 357,20; Armband im reim bei Ayrer, Drara. 1 (LV. 76) 561. 566. 525, Arm- bänder hm, Kleidt {-.Aydt) 69 u.a.m.

Dazu treten in allen diesen werken eine menge belege für lernt und für alte gen. und dat. der oben genannten Wörter. Gegenbeweise kommen nirgends vor, denn in stellen wie: dar zu ochcscn vnd rinder Vnd ein scJione fraiven on Icind in Kellers altd. ged. (Tüb. 1846) 241, 8 (hs. von 1476), in teutsch oder in welschen landen, In Payren, Ungern oder in Flandern Fastnachtssp. (LY. 46, 218), namentlich an der zweiten, kann geradesogut ein versehen des Schreibers als absieht in der wähl der form vorliegen. Schwieriger ist die entscheidung an der folgenden stelle aus einem fastnachtsspiel des 15. jh.'s (LV. 46,281): ican icer da wilt erhört werden van god, Der vollen- bring syin gchoder. In ]\Ianuels weinspiel (1548) steht rind 2 mal im reim!

Am auffälligsten aber machen sich in frühnhd. zeit die alten flexionsformen in solchen poetischen denkmälern breit, die sich als Überarbeitungen älterer vorlagen darstellen. Die altertümlichkeit des Stoffes hat hier bewußtermaßen auch die spräche insofern beeinflußt, als sie sich an die gegebene vor- läge möglichst eng ansclüießt. Der Charakter der flexion in solchen denkmälern macht gegenüber derjenigen in gleich- zeitigen selbständigen prosaquellen den eindruck des rück-

70 GÜRTLER

ständigen, insofern hier zugunsten der alten flexionsverliältnisse auf neubildung-en fast ganz verzichtet wird. So hat, um nur ein beispiel zu geben, der älteste druck des heldenbuches (ca. 1455, LV. 87) von -er-bildung-eu im plural nur lünder 651,26. 756,37 (:rinder), beide im reim, niülere {: sclmere) 177, 1, an iren meiileni 4.87,^6, cleiderSb,32 u.s., tücher 155,21, 169, 40 in innenstellung, sonst nur a-, c-pluralformen; eine be- stätigung- dessen gibt auch der aus dem anfang des 16. jh.'s stammende Theuerdank und der Weißkunig (ähnlich in den Nürnberger erzählungen (DTM. bd. 14) aus dem ende des 15. jh.'s und bei Ackermann).

Eine ganz ähnliche beobachtung kann man aber auch an manchen prosachroniken machen, namentlich da, avo die sprachliche eigenheit des überarbeiters der überkommenen quellen den vorlagen gegenüber mehr zurücktritt. Wo es sich um die wiedergäbe zeitlich weiter zurückliegender ereig- nisse handelt, ist der Charakter der spräche in anlehnung an die älteren quellen ein altertümlicherer als da, wo jüngere geschehnisse behandelt werden. Für die beurteilung dessen können aber nur die Uexionsverhältnisse entscheidend sein. Ich habe diese beobachtung bei einer reihe von Chroniken be- stätigt gefunden, so noch für Enoch Widmanns chronik der Stadt Hof (1592).!)

Auch die spräche der bibel, um das wichtigste für die beurteilung der spräche der prosawerke gleich vollständig auf- zuführen, zeigt bei den einzelnen Übersetzern übereinstimmend eine größere Vorliebe für beibelialtung der ursprünglichen jiexionsformen unter Verzichtleistung auf manche schriftsprach- lich schon längst möglichen neubildungen. Man vergleiche dazu den stand der -er-pluralflexion in der Wittenberger bibel- ausgabe von 1543; die angaben, die Kelirein (Gr. 1, § 280. 98. 99. 301 303) aus Dietenbergers bibelübersetzung (vor 1534, gedruckt erst 1571 in Köln) macht, stimmen damit ebenfalls überein.

Nach erwähnung dieser für die ausgestaltung der -/-flexion im frünhd. wichtigen factoren wenden wir uns der eigentlichen betrachtung ihres Werdegangs in dieser zeit zu.

>) Hobenzoll. forschungen 2 (1893).

ZUR GESCHICHTE DEK DEUTSCHEN -iiA'-RLURALE. 71

§ 48. In die zweite liälfte des 15. jli.'s etwa ist der end- giltige absclihiß der flexionsneugestaltung zug-unsten des -r-plurals anzusetzen für bad, hoU; in der ersten liälfte des 16. jh.'s war er für hand, hiich, hörn, licht, volk, ivort ebenfalls erreicht. In die zweite liälfte des 16. jh.'s endlich fällt der sieg der -r-form bei amt, hild, ding, dorn, faß, fdd, gemüt, geschUclit, gott, Jcind, mann, nest, ort, schloß, schwert, spital, weih, lösavicht.

Neben diesen tauchen in der älteren Schriftsprache ge- legentlich -r- formen von den folgenden Wörtern auf: in der zweiten hälfte des 15. jh.'s bei armhrust, anilits, elent, gehet, geivand, hüf, nmnd, pfeil; im 16. jli. (erste hälfte) anivälder, häller, hetter, hremer, ender, (eurer, gcheter, geschenker, (an)- gesichter, grinder, hinterhälter, leilacher, ränder, Schiffer, un- fläter, sweiger\ (zweite hälfte) hächcr, därmer, gespenster, gewülher, henner, herzer, hemmeter, Jdösser, leichnamer, mäler, pfröpffer, röhrer, Ständer, ställer, Stifter, tümer, tvämser] guter.

Auch bei diesem zuletzt zusammengestellten material fällt der große anteil md. ma. an den -r-bildungen auf, und zwar noch stärker als früher; es handelt sich hierbei zum teil um formen, die auf obd. gebiet mit -r-plural nirgends belegt er- scheinen (vgl. därmer, gehoter, geheicr, grinder). Umgekehrt tritt von den aufs obd. entfallenden bildungen der große an- teil des schwäbischen besonders hervor {schiffer, armhruster, henner, herzer, kemmeter, röhrer, ställer)\ auch dem alem. ge- hören einige besonders an {feurer, wämscr, leilacher, geivölber). Bei den zuletzt genannten, z. t. öfter belegten formen haben wir es mit dialektischen bildungen zu tun; dagegen scheinen -j--plurale wie anivälder, häller, hräter, hremer, ender, geschenker, hinterhälter, unfläter, zweiger, hächer, leichnamer, pfröpffer, Ständer nicht volkstümliche, sondern buchformen zu sein. Sicher er- scheint mir das für die sonderbare form hinterhälter bei dem hochdeutsch schreibenden Kantzow; durch das Vorbild des sy- nonymen -r-plurals löuher ist ziveiger (später auch äster) erklär- lich. Ständer verdankt sein -er dem reim, gesehenker den Parallelbildungen mit gc-. Für die übrigen läßt sich der grund der -r-bildung kaum erweisen. Ich glaube nicht wie Bojunga a.a.O. s. 139 f. an den einliuß der neben den auffälligen formen anivälder, hremer stehenden synonymen -er-ableitungen (redner,

72 GÜRTLER

Mfer) auf die flexion.i) Nur die tatsaclie, daß die schrift- sprachliche Verwendung der Wörter mit ->--iilural noch in der ersten hälfte des 16. jh.'s keine einheitliche war, daß sie mehr oder minder im belieben des einzelnen Schriftstellers stand, vermag die möglichkeit ihres entstehens erklärlich, wenn auch nicht begreiflich zu machen. Seit dem ende des 16. jh.'s tauchen solche vereinzelte formen immer seltener auf, ein zeichen dafür, daß der abschluß der -»--classe um jene zeit im Avesentlichen schon vollzogen war.

§ 49. Bei den in unserm Zeitabschnitt und in späterer zeit in die erscheinung tretenden Wörtern mit -r-plural fällt vor allem die große zahl der mascul. auf; mit ausnähme von ränder treten -r-formen nur sporadisch auf. Diese bildungen, die sich gleicherweise auf obd. (ställer) wie md. (meist) ma. verteilen, sind jedoch bei ihrer schriftsprachlichen Verwendung an dem widerstand der im plural von den neutralen a-stämmen deutlich geschiedenen, einheitlich flectierenden mascul. a-classe gescheitert, rand verdankt sein -er nur seiner (teilweise wenig- stens) begrifflichen Übereinstimmung mit ort {bort).

Merkwürdigerweise aber kommt die Übertragung des -er auch auf femin. vor {henner, hremer). Fürs alem. gibt Bir- liuger^) s. 154 die möglichkeit der -er-bildung femininer stamme an, doch nur in beschränktem maße. Auch dem schwäbischen sind solche formen in heutigen ma. geläufig; sie reichen bis ins 16. Jh., vielleicht noch darüber hinaus, zurück {lienner, Zimmr. cliron.). Dagegen sind aus md. gebiet derartige ano- malien mundartlich nicht bezeugt; so bleibt zur erklärung der

') hiczer, das mau hier aufübren könnte {lemper, kiczcr oder Jcelber, hs. a. 1363), hat sein -er allerdings durch aualogiebildung erhalten, indem das Vorbild der damit verbundenen Avörter die flexionsaugleichuug veranlaßt hat. Aber wir haben es hier einmal mit vollständig bedeutungsgleichen Wörtern zu tun; hier ist der einfluß der flexion der syntaktisch damit ver- bundenen Wörter höher anzuschlagen als die lautähnlichkeit und zufällige äußere Übereinstimmung sonst völlig geschiedener (anwälder wälder), oder als die noch weiter abliegende aulehnung begriffsverwaudter Wörter (anioälder redner, bremer Jcäfer). Zweitens aber ist vom Standpunkt der wortbildungslehre aus zu bemerken, daß sich plurale auf -er und siugu- larische -er-ableitungen begriif lieh nicht decken. Eine berührung zwischen beiden ist nicht zu erweisen.

-) Die alem. spräche rechts des Eheius seit dem 13. jh. (1868).

ZUR GESCHICHTE DEIi DEUTSCHEN -ER-FhVRXLE. 73

auffallenden (nur einmal bezeugten) form brenicr bei Luther bloß Übernahme der obd. eigentümlichkeit übrig.

§ 50. Was die stammclassen angeht, denen die oben auf- geführten wortstämme angehören, so ist als auffallendste tat- sache der übertritt einiger «-stamme zur pluralen -r-liexion zu erwähnen. Allerdings handelt es sich hier nur um seltene ausnahmen, und bei den ^Yenigen schriftsprachlich belegbaren Wörtern {hräter, lierzer) ist dialektischer einfluß sicher; nur wäre die frage, ob hier eine obd. oder md. flexionseigentüm- lichkeit vorliegt. Die Wahrscheinlichkeit spricht auch hier für sonderentwickelung- im obd. (scliwäb., lierzer in d. Zimmr. chron.), doch hat Opitz hräter.

Von ja- Stämmen haben sich nach Verlust des auslautenden -e einige der -r-pluralclasse angeschlossen {hett, ende, antlits u. a.); mundartlich ist der -r-plural hier noch heute großenteils bewahrt.

§ 51. Wie oben schon angeführt wurde, ist für die zweite hälfte des 15. jh.'s noch in den allermeisten werken eine große formenverwirrung zu bemerken; im anfange des 16. Aveicht die bantheit der formengebung* immer mehr einem einheitlichen Schema. Von den schon früher -er bildenden stammen aus- gehend, wurde die flexionsweise zuerst bei den häufiger ge- brauchten Wörtern consequent durchgeführt (doch hat Zwingli [1522] fast noch regellos ah()6tt{cn), ahgötter), erst in der zweiten hälfte wurde sie schriftsprachlich allgemein gefordert. Wie gering noch im 15. jh. der einfluß mehrerer, verschiedenen flexionsclassen angehörender Wörter selbst in S3^ntaktisch enger Verbindung im satze gegenseitig w^ar, läßt sich am besten an der flexionsweise der Wörter man, iveip, Mnd erkennen; so hat Eothe nebeneinander manne weip und Tcinder (Chron. no. 556). Die gleiche Verteilung der formen ist z. b. in Steinhöwels Äsop, bei Wyle und noch bei Eberlin v. Günzburg dicht nebeneinander öfter anzutreffen. Im allgemeinen jedoch ist seit dem 16. jh. ein ausgleich in der flexionsgebung zu verzeichnen (doch hat Federmanns reiseber. z. b. noch nebeneinander iveih und kinder 22. 30, manne und lueiher 30).

Teilweise sind die letztgenannten belege verständlich durch das in der älteren spräche häufig zu beobachtende princip der flexiousersparnis. In Zusammenstellungen wie iveib und

74 GÜRTLER

Jänder wäre also die erste form nicht mehr als endungslose pluralform aufzufassen. "Wie weit sich damit ein teil der regellosigkeit in der formengebung der älteren spräche er- klären läßt, muß freilich unentschieden bleiben, da die flexions- w^eise der gleichen betroffenen Wörter auch in alleinstehender Verwendung in ein und demselben denkmal meist keine ein- heitliche ist. Immerhin ist zuzugeben, daß die scheinbar endungslose form mancherorts als erweiterte aufgefaßt werden darf, wobei die flexionssilbe des ersten gliedes freilich infolge des gleichklangs der danebenstehenden unterdrückt ist (vgl. z. b. in Federmanns reiseber. [1557] ire weih und Jclnder 22. 30. 46. 49. 62, alleinstehend tveiber, Jcitider). Vgl. Steglich, Zs.fdwf. 3, 20.

Dagegen ist die alte form in den sogen, zählformeln absichtlich erhalten geblieben. Diese erscheinung geht noch auf mild, zeit zurück und ist hier besonders deutlich an den mascul. a-st. zu beobachten. Die ältesten sicheren belege für endungslosigkeit neutraler «-st. (mit facultativer -r-plural- bildnng) nach zahlbegriffen reichen ebenfalls noch ins mhd. zurück; seit anfang des 14. jh.'s ist die erscheinung schon ziem- lich allgemein.

ivol hundert houbet tvilder sioin im elsäss. Parzif. 189, 3(5 (gegen hou- heter von den loilden swin 191,28. 210,15); zwei sicert sint Beheim 1343 Evangelienb. L. 22, 38 (sonst -c-fonneu); vier Hecht Urkdb. Arnstadt 150 (a. 1386); ein Jcint ... hette zwei herze und zwei houbet in Jac. Tvvingers Straßl). cbronik (Chr. ddSt. 8) 521. G22 (höub{e)ter 515. SSLdlb u.s.); zwaij hundert holtz Font. rer. Austr. bd. 31, 461 (a. 1409, Tirol); fünf band Heldeu- buch 234,37; als tvenn hundert licht gewest by eyn Mich. Wysseubere ca. 1474, Heinr. d. Löwe (Maßmann, Denkm. 1, 130); an vier ortt Federniann 1557, Eeiseber. 42 (sonst ör/e?-) ; 2 fas bier l'rkdb. klost. Ilsenburg (2. liälfte) 349 (a. 1580). Vit tausent Weib vnd Man Ayrer, Dram. (LV. 76) 77. Weitere belege dafür ließen sich leicht beibringen; vgl. auch Molz, Beitr. 31, 350.

§ 52. Unter den besonderheiten der -r-flexion beansprucht in erster reihe das pleonas tische -e beachtung. Seine Ver- breitung in der urkundensprache ist oben 37) schon auf- geführt worden. Die Verwendung im schriftsprachlichen ge- brauch stimmt mit dieser geographisch verschiedenen Verteilung insofern überein, als sie sich ebenfalls auschließlich auf md. schriftsteiler beschränkt; dagegen hat es sich hier nur wenig über die mitte des 16. jh.'s gehalten, während es in Urkunden noch später häufiger begegnet.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -£/?-PLURALE. 75

In i're hcwsere bei Eosenblüt, Fastnachtssii. (LV. 30) 1112 ausnähme; niülere (: schwere) Heldenbuch 177,1, sonst c-formen neben a-plur. {hauhte 11, 9. 395, 40, Jiauht 82, 10, Jcinde 198, 36. 509, 2, band 234, 37. 273, 34, hörne 249, 40, pfände 358, 22, weihe 526, 3, trinckfas 430, 32, sc/izccr« 545, 27, hol 754, 35 u.a.), überhaupt ist die flexion hier sehr gemischt; stump alzo rindere Redentin. ostersp. (1464, Kürschn. Nat.-lit. 14, 1) 1281; hindere vereinzelt in der md. bearbeitung- des Valent. und Namelos (Ndd. denkm. 4) 77; heuscre Lindau ca. 1480, Dauzig. chron. (Script, rer. Pruss. 4) 513, stete und schlösse 514 vereinz.; Icindere Frankfurt, passion (1493) 3091, die Jcinde dein 1851 vereinz.; dorfere'S,8, hindere i, 31. 5,10. 13,10 u.s.w., Jdeidere9,3. 13,27. 28. 17, 7. 12. 18, 19 u. s., hüchere 28, 32, sprichwörtere 66, 20, löchere 69, 18 u. a. in einer obersächs. hs. (zweite hälfte des 15. jh.'s, Mittheil. d. deutschen ges. Leipzig 5, 2) , die erweiterten formen sind hier regel ; bei Harff (1499 Pilgerf.) slocsse 9. 12. 39. 46 u. oft, lande 8i, hoitffde Vd8, hoernc 239, bort (ufer) 81, stuck 225. 22(), ivijlf23b; ähnlich ist die llexionsverteilung in Koel- hoffs gleichzeitiger Kölner chrouik {Imserel-kl ausnähme); bei Konr. Stolle ist das -e regel, loiber, kinder Ib, tucher 101, grinder 18b, dorjfd2, vaß 121 sind ausnalimen.

Im 16. jh. ist das -e selten anzutreffen: Lutlier hat es nur in den ersten drucken öfter, doch nicht regehnäßig-, in späterer zeit (hibel von 1545) nicht mehr; in Oklecops chronik ist es jedoch noch regel.

Die vereinzelt stehende form rcliere in der Zimmr. chron, (LV.) 3, 557 (>t/«c/- 4, 341), die einzige mir bekannte obd. aus dem 16. jh., hat schon Molz, Beitr. 31, 352 als große seltenlieit bezeichnet.

Eine Übersicht über die angeführten belege lehrt, daß das überschüssige -e schriftsprachlich seit der mitte des 15. jh.'s in rein hochdeutschen denkmälern verhältnismäßig spärlich auf- tritt. Auch aus md. werken ist es in der zweiten hälfte des 16. jh.'s verschwunden.

§ 53. Im gen et. plur. hat sich das -e der ursprünglichen flexion in hochdeutschen denkmälern nur selten erhalten: der Mnde brot Frankf. pass. (1493) 588 u. sonst; der cleidere Buch Weinsberg-; dagegen dit is der kitidere hovescheit Altd. tisch- zuchten (Geyer, Progr. Altenburg- 1882) 14, 153 (hs. 15. jh.);

bildere Oldecops chronik 173, 37. cre im genet. kommt nur

in mnd. werken noch häufiger vor.

Dat. -cren begegnet im ausgehenden 15. jh. bei obd. und md. Schriftstellern noch häufiger als später. Im 16. jh. be- schränkt er sich eigentlich nur aufs md., denn in den formen

-eren, die Molz. Beitr.31.353 aus Spreng (1610. scliwäb.) anführt, beruht das c auf lautlicher Sonderentwicklung-, indem zwischen -))i- licäufig auch sonst -e- eingeschoben wird (erenst, Iwren, hnrcn)\ andere beispiele aus dem obd. sind mir nicht bekannt. In vil lendcren Job. Meier, zusätze zu Elsb. Stagels leben d. scb^vest. zu Töß (DTM. bd.6) 2,4 (1454, md.); mit scheflein und tuckeren Muffel ca. 1460, Bescbreib. von Eom 54; den jungJicn hyndcrcn Redentin. osterspiel (14G4) 1280; nasslochcren 383, deideren 894, iccibercn 395, hinderen 406, hnneren 400 iu Albr. v. Eybs Grisardis (bs. von 1470, Zs. fda. 29, 373 ff.) ; hörneren, höltzeren, völckeren, dörffcrcn, gräberen Kebreiiis sog. 4. bibelausg-., Ivebrein, Gr. 1 §302; gclidcrcn Fastnacbtssp. (LV. 30) 1259; öfter bei Harff (1499Pilgerf.): hcuffteren 40. 226. 239, duecheren 47. 51. 225, orderen 48. 93, huysseren 51, lijchteren 55, hinderen 74 u. oft, dcchercn 94, geJaseren 97, ampteren 130, siverderen 142; in der Koelhoffscben chronik heufderen 299. 826. 892, dorperen SIT, hinderen 380. 393. 416 u. oft, slosscren 437, gehodcren 389 u.a.m.; an den glidercnn Heidelberg, pass. (bs. von 1514) 4334, vonn hinderenn 4866 und s. 235; aus Dietenbergers bibel führt Kebrciu (§302) an völckeren, hinderen, heupteren, aus Tschudi acmpteren, Huseren; bei Oldecop bilden die formen auf -eren fast die regel giideren 53, 14. 73, 28. 118,33. 324,16, JioltcrenllO,U, hocheren 210,3011.9..; hildercnWotzellbSB, Söhne Giaff. 123, vereinz.; im Buch Weinsberg habe ich die formen nur selten angetroffen (schilderen 87).

§ 54-. Die endung des dat. fehlt bisweilen, und zwar nicht nur in obd.denkmälern (vgl. §42); vgl. Molz, Beitr.ol,351 f.;

rß' yeren hiieffder Harff 1499, Pilgerf. 225, an allen steden dorffer ind Order 9b; mit iren frömden iceisen und huizenantlitter Geiler; mehrere bei- spiele iu Oheims chron. von Reichenau; icli wel uch uwern hnchcr ihun bekant Alsfeld, pass. (lis. von 1501) 4885, myt synen kyndern, noßer und gcsynde 1335; das loir denn locker komenn no Heidelberg, pass. 5370; viiit den syben köpffen vnd zekcn körner Nazarei 1521 (Neudr. 142/43) 33; so man u-il mit bicclicr rmb gon Giinzburg 1521, Bundesgen. (Neudr.) 202; den hinder Hug, Yilliug. chron. 88, die uff den beden scklosser 82; zcur icclilickcn ehre, lust vnnd gxdter Luther 1520, Sermon v. d. guten werken 75, 22, er macht sie zu Heubter vber das volch 2. Mos. 18, 25, gebunden mit grabiuckcr Job. 11, 44, Wittenberg, bibelausg. 1543, nach Kehrein, Gr. 1 § 302 ; mit kleider, kleinat, kettn und ringen Hans Sachs, Werke 8 (LV.) 284,5; in disen lender Zimrar. chron. (LV.) 1, 296, mit britter 1, 310, von besen gaister 4, 243, sampt den garnen, sailcr oder anderm zeug 1, 401, sampt den zu- gehörigen Storeken- und hetzenncster 1,275; mit prinenden schenckliechter Württerab. reimchrou. (ca. 1570) 23. 24. 25, mit gepend vnd klaineter ge- schmücket 97; icas solt tvir mit den Weiber tkan Ayrer, Dram. (LV. 76) 97; in tceissen cleidern oder hemmeier Kiechel (1585,89), Eeiseber. 191 ; u.a.m.

Der abfall der flexion ist namentlich nach präpositionen häufig, indem hier, wie Molz richtig bemerkt, die 'genaue

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function der präposition' 'unter der schwelle des bewußtseins geblieben' sein muß. Die erscheinung- ist jedoch noch im 16. jli. weiter verbreitet, als man nach den von Molz beigebrachten belegen schließen könnte.

§ 55. Als Überrest der alten flexionsformen hat sich besonders der dat. widerstandsfähig gezeigt. Ich habe schon oben gelegentlich darauf hingewiesen (auch Molz, Beitr.31,350f. hat einzelne beispiele aufgeführt), möchte aber fürs 16. jh. noch einige ergänzende angaben machen.

Nazarei 1521 (Xeudr. 142.43) göiten öiter wehen yöltern, landen IG. 32 (2 mal); abgölten Zwingli 1521 (Neudr. 173) 6. 7. 25 (2 mal), nie dat. ah- göttern; kinden in Hags Yilliug. cliron. 119. 120. 14G. 20G u. oft, kindern 129, lüihen 141. 14G, wiber 9G; kinden 25. 200 u. s. Widmann, CLrou. von Regensburg-, nom. acc. kinder, xnlden 143, pilderl^o; bei H.Sachs liabe ich mir in den ausgezogenen stücken (LV. 121, s. 1—500) notiert: kinden ira reim 7 mal, in innenst. 8 mal, dagegen kind im reim 4 mal, in iunenst. nur 3 mal, sonst -er, landen im reim 4 mal, im versinneru 1 mal, land 1 mal im reim, sonst -er; landen 93. 110. 153. 185 Stadeu 155G, Reiseber., kinden 46. 72 Federmaun 1557, Reiseber., nom. acc. -er, kindern G2, landen 28, länder 39. 81, orten Gl, sonst meist -er; Lindener 1558, Rastbüchl. mannen 8.25, männer 115. 119; kinden Buch Weinsberg bd. 3, 38 neben -er-formen selten, mannen 4, G7. 119, menner 4, 80.

Dazu kommt noch eine große zahl von belegsteilen, wo die alte form des dat. im reim erhalten ist. Die völlige an- gleichung des dat. an das Schema hat sich bis in den ausgang des 16. jh.'s verzögert; erst dann erlag der alte rest früherer flexion dem systemzwang ganz.

§ 56. Übergriff der schwachen declination auf die -er-classe (vgl. oben § 28. 41) ist im 16. jli. im obd. (alem., schwäb.) häufig, md. dagegen sehr selten (dem einzigen belege aus Luthers Schriften [1542] für die ivdhcrn hat Molz, Beitr. 31, 388 noch eine stelle aus dem ostmd. Riccius beigefügt jhre hknstöcJce vnd hienlöchern [1572]):

von grossem getemer der scJnvertteren Volksbücher (ca. 1474) 279, zemen- füegiing der hölczern 110, aller goczhüsern 110, wan ich . . . der bnochern ivol gelcrt ivas 19G, hatten sy gar ril häeneren 239, vergäße ouch klostren und goczhnßren nit 109; die kostlichkait ri/cher hüsern Wyle, Translat. 28, die seilen der hüsern 19G, zcesserung der garten vnd krütern 204, mannig- faltig Schriften der büchern 207, mangerlay lendern anstössz 209, mancher fölckern vnrechte verda^npnung 22c>. 22G, Vermischung der wybern vnd mannen 235, grosse loirdigkait der üminern 298. 349; eclentern (genet.) Albr. v. Eyb

78 GÜRTLER

1472, ob einem maü . . . (Augsburg) 4rw, nach Weinhold, AI. gr. § 396; jr Weibern (nom.) Dieb. Schilling ca. 1480, Beschr. bürg, krieg 38, Kehrein, Gr. 1 §301; er floch in die hölern der Berg Geiler 1510, Seelen parad. 86 a (ebda. § 302) ; so sy der ahgöttern spyß Assen Zwiugli 1521 (Neudr. 173) 7, in die hend der völckeren des erdtrichs 31 ; die Ueinotcrn Seb. Münster 1544, Cosmogr. 331, von wegen der gfderen 369, Kehreiu § 301. 302; der glesern ist schier gantz da Iccins Manuel 1548, Weinsp. 1564; das silbergeschier und Jdainottern (accus.) Zimmr. chrou. 3, 138; die ermel der u-ämmassern Würt- temb. reimchrou. 4; im Bisin der Männern Tschudi, Chronic. 40, der Goits- hüseren Nutz 19, der Güetern Inkhommen 23, kamend vil Wibern nnd Töchtern 380, der umligenden Tälern 70; aller Volckern Götter Wetzel 1583, Reise d. söhne Giaff.4.7; träst l trabern, lex triling., Straßburg 1590, Dieffen- bach, Gloss. 619 c.

Daß die ersclieiuung des Übergriffs der schwachen flexion auch aus url^unden zu belegen ist, beweist der beleg aus dem Urkdb. Rottweil (a. 14G3), oben § 41; sonst stehen mir urkund- liche belege aus dieser zeit nicht zur Verfügung-, da ich die Urkunden des 15. und 16. jh.'s meist nicht mehr untersucht habe. Analog- der fürs 14. jli. aufgeführten Verbreitung- der «-flexion dürfen wir jedoch auch später häufiges übeigreifen annehmen, zumal die erscheinuug- in der sonstigen literatur einen so großen umfang- angenommen hat. Bei einigen häufig gebrauchten Wörtern ist aus der häufigen Verwendung- der formen mit unechtem -n sogar ein neuer pluraltypus erwachsen, der im 17. und 18. jh. oft begegnet, wie Molz, Beitr. 31, 388 nachgewiesen hat (bei trümmer, scheitcr). Im großen ganzen jedoch hat sich die Schriftsprache immer gegen aufnähme der- artiger anomalien gesträubt; wir finden sie demgemäß auch fast nur auf alem. und zwar hochalem. (schwäb.) boden, wo sie der mundartlichen flexionsweise (vgl. Winteler, Kerenzer ma.) entsprechen. Haller hat in der zweiten ausgäbe seiner gedichte (1734) die falsch gebildeten genet. geistern, blättern, gliedern, häntarn, Jünäern, thälern, Völkern verbessert (Zaga- jewski, QF.105, s. 12), erst in der dritten (1743) göttcrn, feldern, hindern, rädern.

Parallel griffen die schwachen formen aber auch auf die nicht erweiterten neutralen und masc. a-stämme über, und zwar ebenfalls vorzugsweise obd.:

gewonheit der landen Volksbücher (ca. 1474) 138, gap im da vil costcn- licher kleyneden 134, der fassen eins 163, so er vil landen und stettcn he- czivungen hait 109, on clöster und clusen und cappellen, spyttalcn 109, vil

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poser geisien 280, der abgotten huß 57, diner abgölten 79, (gabent) federspü und rossen 47, funden gar vil fürsten und hern, kiinigk und kunges kinden 163 u.a.; das marg der gölten Wyle, Translat. 19. 28. 32. 226, der tcorten 32, betrugnüsz der iciben 50, der kinden 187. 138, fremder geschlechten 214:, in so grosser vnruwe der gemüten 295, mit den nachgeburen Irer anstos- senden landen 358; von der abgötlen spyß Zwingli 1522 (Neudr.) 7. 26; ein htiff'en faltscher gölten Morgant 76, der strit der zicey rossen 154; alle ir- thäinen Münster 1544, Cosmogr. 18, die fi'irstenthwnen 16, nach Kehrein, Gr. 1, §280. 297; Manuel 1548, Weiuspiel genet. kinden 2 mal; man soll durch schöner junkhfreulen willen Zerstechen die speer, zerhauwen die schilten Volks- u. gesellsch.-lied. (DTM. hd. 5) 144,14; der kinden Tschudi 1572, Chronic. 9, entsetzten si jrer Bislumhen 36; Stimm der Waiden Spee, Trutz- nachtig. (Cölu 1649), Kehrein § 280.

§ 57. Schwund des ilexionsvocals in der endsilbe ist im 15. jli. schon seltener als früher (oben § 40), später kommt die anomalie kaum mehr vor. Auch hier handelt es sich in erster reihe um Wörter mit langer Wurzelsilbe, nach welcher kurzer vocal der flexion im obd. ausfiel:

071 alle fraß vnd sprewr {: theür) Rosen blüt, Fastuachtssp. (LY. 30) 1115; (sij) gibt mir speivr (= sprewr) für das koren Cl. Hätzlerin, Liederb. 1,98,4; iüon die maidr in icarend weit Wittenweiler, Ring 35 d, 46, vier rindrin chäis auf einer hürd 2 c, 22; die sprüwren dem wijnd empfelhen Nazarei 1521 (Neudr. 142/143) 3; ein Ku, die kalbren teil Manuel 1548, Weinsp. 535; (du) falst offt über blöchr und steyn Wickram, "Werke 5 (LV.) 137, 67.

Daß das -e hier nicht gesprochen wurde, beweisen auch reime wie spreuer (: teur) Fastuachtssp. (LY. 29) 576. Seltener sind formen wie goczhußren, Idajdren Volksbücher (ca. 1474) 109. 113.

Man sieht, hauptsächlich sind es also Wörter aus der umg-angssprache gewesen, die sich in ihrer schriftsprachlichen fixierung der allgemeinen norm widersetzt haben. Bei einigen von ihnen, so z. b. bei dem plural von spreu, ist die Schreibung im 15. jh. sehr schwankend: die sprure, spruer, sprmver neben- einander in Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gramm. 1, § 301), die spreüre (: stetere) Folz, Meisterlied. (DTM. bd.l2) 82,155, neben spreiier.

Im allgemeinen jedoch ist seit der mitte des 15. jh.'s die Wirkung der systemaugleichung bemerkbar, d.h. in der über- wiegenden mehrzahl der stamme, die früher das -e der er- weiterungssilbe ausstoßen konnten, ist dieses nach dem Vorbild der hauptmasse der ganzen classe eingeführt worden. Con-

80 GÜRTLER

sequenter ist die regel im 16. jli.; seither kommen kaum mehr ausnahmen vor (Jiöler in Kehreins sog. 4. bibel, bei Steinhöwel, Kaisersberg-, Aventin; sprüiver, spreiier bei Wyle, Nazarei, Sachs u. a. m.).

§ 58. Die bezeiclmung- des umlants fehlt zum teil noch bis ins IG. jh.:

ein müh zwey schone liorner gavan Keller, Erzüblungen aus altd. bs. 491,38 (bs. 15. Jh.), mit grünen loubern 623,6; die V locker Muffel ca. 1460, Beschreib, v. Eora 16, zioey lochereten eysen 8, hauhter und ander gepein 48, mit scheflein und tucheren 54; in den folkern groß Folz, Fastnachtssp. (LV. 28) 26; vasser (-.passer) Bebeim, Buch v. d. Wien. 74, 10, daz man dy trutnmer von den drein Sah in dy lujft fliegen von dan 95, 12. 96, 21, slosser 197,17; ivon die maidr in irare»(Z ?re/( Witten weiler, Ring 35 d, 46; die huser, schüren ind gebuws Wierstraat, Chronik von Neuß 1247. 1254. 3085, houlzer 1519. 1583. 3131, loclier 2667; slosser neben sloesser in Harffs Pilgerf. 1499 öfter, drij stucker 40. 49. 61. 83. 142. 143. 158. 192. 248, in den orderen 48. 93, Jdottzer 60. 62. 120, houß'der 71. 226, dorß'er ind order 95, gelaserendl, amiUeren ISO, Je orn er 146, locker 11\, Lader 215, rader 22ii, drencicvasser 2i8; ähnlich in Koelhoffs gleichzeitiger Kölner chronik; pareß- korner Tucher 1507,17, Haushaltungsb. 12. 16. 25. 27. 30. 33. 45. 47. 51; loorter Eniser 1521, Streitschr. (Neudr. 96^98) 145, volckern 159; Schlosser, furer Hug, Villing. chron. 82. 18; vereinzelt in Luthers bibel von 1543 orier; kalhren Manuel 1548, Weinsp. 535; Schlosser Volks- u. gesellsch.-lied. (DTM. bd. 5) 58,42. 50; häufig bei Oldecop; im buch Weinsberg stiicker 1,356, gehodcr 2, 125. 126, hlocker 2, 150, wamhisscr 2, 374.

Meist fehlt die unilautsbezeichnung auch noch bei -tum: in andern furstentkumern Widniann 1592, Chron. von Hof 308. Ebenso bis spät ins 16. jh. hinein auch bei anderen ableitungssilben öfter, vgl. klcyuoicr Einser a.a.O. 217; vnter andern Kleinoicrn Aventin, Chron. (gedr. 1580, Frankfurt) 131a; an gezirden kleinotern Seb. Münster 1544, Cosmogr. 128. 331; kleinater H.Sachs, Werke 8 (LV.) 421,7; kleinotter Federmann 1557, Reiseber. 42, kklainetter 47; kleincter, -oter, -ater Ziinmr. chron. oft; kleinotern Wetzel 1583, Reise d. söhne Giaffers 120; cleinoder Kiechel, Reiseber. 44; kleinater Buch Weinsberg 1,8. 187. 207. 287. 302. 2,13. 128. 269. 348 u. oft. Die . . . ermel der ivammassern Württemb. reimchr. ca. 1570 (LV. 74) 4. Ellicke licknamer Buch Weinsberg 2, 178. Hier ist die unbetontheit der formen schuld an der umlautslosigkeit; ebenso ist i/rt?ac/tcr Zimmr. chron. 3, 131 zu erklären.

§ 59. Übertragung der pluralendung auf den Singular 28. 45) ist selten: dein iopen die doch gar Ideines (jclter teert ist Decamer. 148, 11; hlocher zum heirfessergin Buch Weins- berg 2, 150.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^^-PLURALE. 81

E) Die -er-flexion im 17. jalirlmudert.

§ 60. Im 17. jli. war die entwickliing der -er-classe endlich im wesentlichen zum abschluß gekommen. Die bis dahin noch schwankenden Wörter haben sich unter dem drucke der übrigen angehörig-en der tlexionsgruppe dem neuen typus endgiltig an- geschlossen. Es war dies die notwendige folge der schon im IG. Jh. einsetzenden bemühungen nach Vereinheitlichung der flexionsweise. Insofern kommt der sprachlichen bewegung des 17. jh.'s auch für die vorliegende flexionsclasse besondere be- deutung zu.

Ins 17. jh. fällt der abschluß der -e?--flexion in schrift- sprachlicher Verwendung bei den folgenden stammen: geist, land, leih, rand, schild, Strauch, wald, fach, gemach, pfand\ dazu treten die Wörter auf -tum. Bemerkenswert ist er ferner für einige fremdwörter {regimcnter, spitäler). Erst im 18. jh. vollzog sich der abschluß für geivand, gras, tvurm, -mal.

Es sind dies diejenigen, die sich in der Schriftsprache auf die dauer behaupten konnten.

Dazu kommen noch eine reihe von bildungen, die nur vereinzelt schriftsprachlich belegt sind. Sie verdanken ihre entstehung entweder analogiebildungen (z. b. die collectiva), oder sie sind mundartliches sprachgut: ääser, äster, hräter, heiler, hlicher, hlitzer, hüscher, capauncr, däuscr, felliser, felser, getviinneter, menscher, sääler, särger, ungetümer, zeiter, zweiger \ im 18. jh. treten dazu: compUmenter, döchter, flösser, gemälder, gesänger, geschiväzer, {ge)treider, gewichter, gichter, hirner (Koller), rester, stöclcer, sträusser, werJcer, hundsfötter (Lessiug), der junge Schiller hat formen wie diehesMüftcr, feuerhränder, präsenter. Außerdem bilden noch einige fremdwörter den plural auf -er: kameler, hapitäler, losamenier, später Jcahineiter (Heine). Die menge dieser beispiele, die sich leicht vermehren ließe, zeigt die beliebtheit der bildungsweise; der anschluß weiterer fremd- wörter (sowie auch die zahl der collectivbildungen) beweist ihre productivität.

Grammatisch betrachtet haben wir es bei all den auf- gezählten Wörtern mit angehörigen der verschiedensten stamm- classen zu tun. Außer den eigentlichen 5- und der menge von a-stämmen, welche die plurale flexion dieser letzteren schon

Beiträge lur geschichte der deutschen spräche. XXXVUI. Q'

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früh übernahmen, traten schon in mhd. zeit, wie wir sahen, zahlreiche -ja-stämme zu dieser classe über. Diesen collectiven mit ge- entsprechend, die sich darunter befanden, sclilossen sich später auch «-st, an, die mit dem gleichen präfix zusammen- gesetzt sind. Die Schicksale und lautlichen Wandlungen dieser Stämme bis zu ihrer festen einfügung in unsere pluralclasse sind von Molz für das 16. jh. und die spätere zeit mit einem viel umfangreicheren material, als mir für diesen Zeitabschnitt zugebote steht, so eingehend behandelt, daß ich es mir ver- sagen kann, hier noch einmal darauf zurückzukommen. Es mag genügen, an der band des dort gebotenen noch einmal hervorzuheben, daß sich in frühnhd. zeit aus den angehörigen all dieser flexionsgruppen allmählich ein einheitlicher fester pluraltypus ausgewachsen hatte, der stark genug war, auch andere bis dahin (schriftsprachlich) noch widerstandsfähige gruppen in seinen bann zu ziehen. Dahin gehören in unserm Zeitabschnitt vor allem die Wörter auf -tum, die nach langem schwanken im 17. jh. endlich vollständig übertraten (vgl. unten). Für die tatsache, daß auch häufiger gebrauchte fremdwörter -er-plural bildeten, ist meiner ansieht nach mundartlicher einfluß anzunehmen. Diese annähme läßt sich als wahrschein- lich erweisen einmal aus der beliebtheit und häufigkeit solcher bildungen in den mundarten (vgl. spitäler), wo sie schon früh belegt sind und heute einen breiten räum einnehmen, dann aber auch aus dem conservativen zug in der sich allmählich herausbildenden Schriftsprache. Sonst lag für die Übernahme des -e>--plurals bei dieser gruppe kaum ein grund vor. Denn wie schon Molz, Beitr. 31, 347 hervorgehoben hat, wurden neue -er-plurale 'nach 1600 kaum mehr in die Schriftsprache auf- genommen'. Der grund hierfür war die annähme des -e-plurals bei den nicht nach unserer classe fiectierenden neutralen «-Stämmen. Dadurch war eine genaue Scheidung beider gruppen ermöglicht.

§ 61. Wenn bei vielen Schriftstellern des 17. und 18. jli.'s neben den (von den grammatikern zu anfang des 16. jh.'s noch spärlich belegten und öfter gerügten, seit ende desselben jedoch nach dem vorbilde der entstehenden [ostmd.] Schriftsprache zu- gelassenen) -cr-pluralen noch so viele ausnahmen begegnen, so haben wir darin (sofern es sich um einzelne Wörter, nicht

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ganze gruppen. z. b. -tum, -mal, handelt) entweder bewußte anlehnung an die flexionsweise älterer sprachstufen zu erkennen (so bei manchen Schriftstellern des 18. jh.'s), teils sind sie ver- schuldet durch das aus begriffsdifferenzierung entstandene nebeneinander von alten formen und neubildungen, teils war auch mundartlicher flexionsstand mitbestimmend für die wähl der formen. Die einzelnen dialektgruppen sind in verschiedenem maße beteiligt an der aufnähme des -er-plurals. Im großen ganzen kann man sagen, daß seine kraft immer mehr erlahmt, je näher man der niederdeutschen Sprachgrenze rückt, daß sie sich am productivsten in hoch- und mitteldeutschen ma. zeigt, und zwar hier wieder am meisten in einigen obd. (schwäb., bayr.). Deshalb ist auch der anstoß zur aufnähme solcher Wörter in die Schriftsprache meist von hier ausgegangen, wie an einer großen reihe der unten folgenden Stichwörter nach- gewiesen ist; ihnen gegenüber ist die zahl derjenigen, bei denen der entwickelungsgang in umgekehrter richtung verlief, nur gering.

§ 62. Es ist zuzugeben, daß bei neutralen stammen mit auslautendem -r (jähr, röhr u. a.) der -er-plural möglicherweise nur aus gründen des Wohllautes vermieden wurde. Bei zwei Wörtern, die hierher gehören, taucht er schon in alter zeit auf {harir, cliorer{im)), ohne später zur regel geworden zu sein. Namentlich die menge der belege für die flexionsform harir scheint mir diese Vermutung zu bestätigen. Andere -er-formen {röhrer, schwäb.) tauchen später nur vereinzelt auf, und dann immer in denkmälern, die in ihrer spräche stark dialektisch gefärbt sind; mundartlicher einfluß ist dabei also als sicher anzunehmen.

Hierher gehört auch die merkwürdige erscheinung des antritts von -er an mascul. stamme, und zwar an nom. agent. auf -er, die obd. schon früh belegbar ist {gemcynerer Straßburg a. 1379). Die bildungsweise dieser plurale hat schon Bojunga (a.a.O. s. 127) erklärt in der sprachlichen gleichung hiatt : Mager = hlätt er : Jdäger er. In den ma. müssen solche anomale formen einen breiteren räum eingenommen haben als sich literarisch beAveisen läßt, sonst könnte Schottel nicht noch dafür eingetreten sein [Magerer, gJäiibigerer).

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§ 63. Dagegen halte ich es mit Molz, Beitr. 31, 349 Bo- jimga gegenüber nicht für wahrscheinlich, daß die noni. agent. auf -er die bildiing eines gleich auslautenden plurals desselben Stammes verhindert hätten, daß also beispielsweise der im obd. häufig vorkommende plur. seilcr nicht durchdringen konnte, weil das nom. agent. 'seiler', der obd. und mnd. belegte plur. spiler nicht, weil ' Spieler' daneben gestanden hätte. Wäre eine derartige negative beeiiiflussung zuzugeben, so wäre nicht einzusehen, wie der -er-plural noch in später zeit z. b. von schloß (oder mal) trotz des nom. agent. ' Schlosser' schrift- sprachlich hätte durchgeführt werden können, und zwar gerade bei Wörtern, die sich ihm so lange erfolgreich widersetzt haben; der bloße umstand, daß das nom. agent. hier umlautslos ist, daß also trotz der ähnlichkeit der bildungsweise noch eine lautliche sclieidung zwischen beiden möglich war, ist m. e, nicht aussclilaggebend gewesen. Außerdem treffen wir den -er-plural in völlig gleicher lautgestalt wie das zugehörige nom. agent. bei vielen anderen Wörtern, die ihn teils früher, teils später aufgenommen haben (gräber toteng ruber; Stifter [stifte] Stifter), ohne daß dadurch eine begriffs Verwirrung entstanden wäre. Ich erblicke den grund für die ablehnende haltung mancher dei- oben angedeuteten Wörter dem -cr-plural gegenüber (z. b. seile, spiele) vielmehr in der Wirkung des a- plurals.

§ 64. Für Übertragung der pluralendung auf singular- formen (§ 28. 45. 59) ist mir aus späterer zeit kein beispiel mehr bekannt. Solche vereinzelte anomalien sind schließlich an der norm der Schriftsprache gescheitert. Ebensowenig sind diminuierte singularformen mit -er 45) mehr zu belegen. Zum Schlüsse möchte ich hier auf die diminutive noch einmal zu sprechen kommen, z. t. im anschluß an meine aufstellungen in Zs.fdwf. 12, 135ff. Ich habe dort schon hervorgehoben, daß plurale viel seltener diminuiert werden als singularformen. Die größte zahl dieser verkleinerten plurale entfällt aber auf -6;>--formen, denn die übrigen Variationen der anomalen plural- bildungen bei den diminutiven im frühneuhochdeutschen {-cliene, -erchene; -eher, -erclier; -cliens, -erchens, -leins, -erleins) sind in der Schriftsprache, z. t. ihres seltenen vorkoumiens wegen, nicht durchgedrungen, wohl aber sind sie mundartlich noch

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erhalten, und zwar gerade in den gebieten, die das plurale -er bevorzugen. So deckt sich das Verbreitungsgebiet der mund- artlichen diminutivendung -eher (rhein- und mittelfränkisch) mit einem teile des mitteldeutschen mundartengebiets, das viele -er-bildungen aufweist (vgl. Friedrich, Zs.fdph. 33, 77 f), noch deutlicher läßt sich die Übereinstimmung an dem verstärkenden -ercher aus hessischen ma. nachweisen (belege Zs.fdwf. 12, 137). Im ostmd. tritt -er bei dem einzigen auf dialektischer sonder- entwicklung entstandenen suffix -chcne (also -erchene) viel mehr zurück; belege kommen seit dem 16. jh. literarisch kaum mehr vor (Zs. fdwf. 12, 137 aus Herrn, v. Fritslar Ideidcrclune belegt, aus einer obersächs. hs. aus der zweiten hälfte des 15.jh.'s hjnder- cliynne, ivelferchynne] in der gleichen hs.i) tficJiercJiinne 12,14:, Idnderchinne 17, 20). Beispiele für antritt des -er an das -Z-sufflx in obd. ma. (also -ler), wie sie dialektisch für einen großen teil des gebietes angegeben sind (Schmeller, Bayr. wb. 1, 1479 daß pißle, plur. die pißler; vgl. Friedrich a.a.O. s. 78), vermag ich in der älteren Schriftsprache nicht nachzuweisen, ebensowenig für -erle.

Dem gesamten mundartgebiet gemeinsam ist die fähigkeit, solche diminuierte Wörter, die -cr-plural annehmen können, in der diminutionsform mit -er zu erweitern (also -erclien, -erlein). Es ist diese erscheiuung die einzige, die auch in die Schrift- sprache eingang fand. Belege sind seit dem 14. jh. häufig (vgl. Zs. fdwf. 12, 135 f.), am meisten bei -c/iew, wie a.a.o. schon hervorgehoben wurde. Das mir neu vorliegende belegmaterial liefert eine bestätigung dafür, daß die erscheiuung auf md. boden und bei md. Schriftstellern am häufigsten ist. Dafür zeugt auch die dort schon erwähnte tatsache, daß -erchen in diesem gebiete an w^örter antreten kann, denen die epenthetische pluralendung gar nicht zukommt {MäusedrecJcergen Riemer 1678, Bastard s. 67 u. a.). Den aufgeführten obd. -erlein kann ich nur wenige beifügen: fürt mit ir chinderlein Gesta Roman. 68, ir cleiderlin sie nämen Erlösung (hs. 15. jh.) 4351; diese beiden sind die ersten stamme, bei denen das erweiterte suffix in an- wendung kam. Erst im 16. jh. und in späterer zeit breitete

1) Griseldis, lisg-. tou C. Schröder, Mittlieil. d. deutsch, gesellsch. in Leipzig 5, 2 (1872).

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sich der typus schriftsprachlich allgemein aus. Bemerkenswert dabei ist vor allem der häufige gebrauch bei md. Schriftstellern. Wenn obd. autoren sich dem obd. -erleiu gegenüber viel ab- lehnender verhielten als md., so kann der grund hierfür eigent- lich nur der sein, daß sich im obd. keine parallele bot, die eine solche form hätte veranlassen können, während das md. deren mehrere aufweist {-erchenc, -ercher)] denn -erlc im süd- rheinfränkischen verrät schon durch seine dialekt-geographische läge den kompromiß in der bildungsweise zwischen obd. und md. sprachgut.

F) Rückblick.

Im folgenden soll der versuch gemacht werden, die ent- wickelung der -er-pluralflexion noch einmal ihrem inneren Werdegang nach kurz zu skizzieren. Als ausgangspunkt dazu wähle ich den stand der fiexion im mhd., wie ich ihn in § 15 angedeutet habe. In classischer zeit ist die -cr-flexion, wie wir sahen, noch auf einen kleinen kreis von Wörtern be- schränkt; es sind dies meist die traditionell so flectierenden. Mit dem ausgang des 13. jh.'s macht sich jedoch bereits ein Umschwung bemerkbar, indem um diese zeit zum ersten mal der -t'r-plural auch bei anderen stammen auftaucht, die ihn bislang nicht annehmen konnten. Und zwar kommen hierbei einmal solche stamme in betracht, die nicht als buchwörter anzusprechen sind, bei einer reihe der anderen steht Über- nahme der mundartlichen form in die Schriftsprache fest ; dazu tritt endlich noch die Wirkung der analogie. Alle diese mo- mente lassen sich an der flexionsweise in solchen nachclassischen denkmälern, die einen in sich geschlossenen flexionsstand haben, nachweisen, so bei Konr. v. "Würzburg, welcher, der zahl seiner reimereien entsprechend, auch zufrühst am meisten -t'>--plurale gebraucht; ähnlich gestaltet sich das Verhältnis bei Jansen P^nikel. Schließlich mag noch kurz auf Eeinfried von Braun- schweig, die Martina Hugos von Langenstein und den Renner Hugos von Trimberg als auf weitere beweise dafür ver- wiesen sein.

Der überblick möge am einfachsten an der band dialekt- geographischer gesichtspunkte erfolgen.

Für die schon im 13. jh. weite Verbreitung des -tr-plurals

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in mundartliclier Verwendung- im alemannischen spricht die menge der Wörter, die abweichend von der traditionellen mhd. flexionsweise -cr-formen bilden können (vgl. lioiiUer Reinfried, liehter, pfeder, beder, rossir, tächir in der Martina, dächcr, heerer, höpter, Jcöler, nezser, spriaiver in den Alem. predigten (Grieshaber). Namentlich die beiden letztgenannten quellen erweisen klar die bedeutung dialektischer sonderentwickelung für den schriftsprachlichen gebrauch und die ausgestaltung einer im Werdegang beg:riffenen, nicht mehr einheitlichen flexionsclasse. Im großen ganzen aber hat der flexionsstand auch während des 14. jh.'s in alem. denkmälern noch keine große Verschiebung erfahren. Das beweist ein blick in Boners fabelsammlung. Über den flexionsstand hier sagt Wethley (Alsat. Studien 4, 1892), 70: 'der nom. und acc. plur. der neutra sind wie im mhd. flexionslos: die ivori, die Idnd, die gesicht' Allerdings muß hierbei betont werden, daß in Boners spräche dialektische eigenheiten mehr zurücktreten als in anderen gleichzeitigen (etwa Kunrats schachzabelbuch, empter, liehter) und späteren alem. quellen; und ferner darf es als ausgemacht gelten, daß die neigung für die -e;--flexion nicht im ganzen gebiete des alem. gleich stark ausgeprägt erscheint. Nach Birlinger (a.a.O. s.l54) ist bei vielen Wörtern der plural endungs- los, andere können das -er beliebig annehmen oder abstoßen. Diese flexionsverhältnisse in der ma. sind schon in früherer zeit vorauszusetzen. Nur unter dieser annähme ist die Ver- schiedenheit der flexion in fast gleichzeitigen denkmälern zu verstehen, so z. b. in Boners Edelstein und der wenig späteren Straßburger chronik des Fritsche Closener, oder, um zwei nach zeit und ort ihrer entstehung noch enger zusammen- stehende quellen aus späterer zeit anzugeben, zwischen dem heiig. Namenbuch des Konrad Dangkrotzheini (1435) und Meister Ingolds goldenem Spiegel (1432,33). Au den beiden letztgenannten denkmälern läßt sich deutlich der einfluß des Stils auf die spräche beobachten. Die spräche der dem volkstou viel mehr angepaßten predigten Meister Ingolds ist weit fort- geschrittener in der ausgestaltung der flexion als die im heiig. namenbuch; sie stimmt übrigens genau überein mit derjenigen von Twingers chronik und mit den übrigen elsässischen quellen, die ich für diese zeit untersucht habe. Überhaupt ist zu be-

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merken, daß das elsässische zusammen mit dem liochaleman- nisclien die aufnähme der -er-plurale weit mehr begünstigte als die übrigen teile des gebietes. Der elsässische Parzifal (1331/86) hat an dialektischen hierhergehörigen formen diehcr, hlecher, Meinöter, Iwubeter, hörner, Wörter, die mir in dieser pluralgestalt in der folgezeit in allen Straßburger quellen begegnet sind; hlecher, hücher, götter, hörner in Jak. Twingers Chronik; bei Meister Ingold begegnet öfter die foi-m Schwerter. Als proben aus dem 16. jh. fürs elsässische mögen noch einige formen aus Wickrams werken angeführt sein: thiercr, rehcr, Scheiter, seüer, hlöcher. Schließlich verweise ich hier nochmals auf die sonderbare pluralform gemcyncrer (Straßburg a. 1379). Mit den elsässisclien ma. zusammen hat der hoch alemann, teil des gebiets am meisten die -f'r-flexion begünstigt. Lite- rarisch ist dies ebenfalls nachzuweisen, vgl. hander bei Hein- zelein von Konstanz (ca. 1310), pfender im ung. gleichzeitigen Habsburg. -österr. urbarbuch, empter, lichter bei Kunrat von Ammenhausen, lichter, Micher (kinder) bei Elsbeth Stagel; seit dem anfang des 15. jh.'s ist dieser einfluß der mundartlichen flexion noch viel deutlicher nachzuweisen an formen wie gadmer, hlöker, lender in Eichentals Konstanzer konzilschronik, glesser, loener bei Konrad von Weinsberg (1437 38), hemder, vorhilder in des teufeis netz, dicrer, vesser, schivertter, lender in der be- arbeitung der Volksbücher (ca. 1474), mäider, tcörter, ivcyher, pfeifller (gesinder) in Wittenweilers Ring, hlöcher, Schlösser, geschlechter, sailer, heger in der Reichenauer chronik; aus dem 16. jh. führe ich hier noch an tviher, menner, geister, götter bei Eberlin von Günzburg, ahgötter, völker bei Zwingli, Schlösser, hetter, thierer, hempter, g{e)müctter im Morgant, hilder, fürer, hemder in der Villinger chronik. Diese aufstellungen wären leicht zu erweitern. Man sieht aus dem beigebrachten material jedoch schon, daß dem dialekt die fäliigkeit der -er-bildung in hohem maße zukam. Innerhalb der gruppe der ausgesprochen alemann. Spracheigentümlichkeiten aufweisenden denkmäler bilden die angeführten formen bis etwa in die erste hälfte des 16. jh.'s hinein fast die regel auch bei denjenigen Wörtern, die in der Schriftsprache -er nicht angenommen haben.

Im 16. jh. machte sich erst ein rückschlag in der schrift- sprachlichen Verwendung dieser formen, ausgehend von der

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allmählich aufkommenden (ostmd.) Schriftsprache, bemerkbar. Dadurch schwanden auf der einen seite die ausschließlich dialektischen formen immer mehr (doch kommen einige noch bei Haller vor), auf der anderen wurde der ausgleich zu- gunsten der -er-form bei einigen nicht ganz einheitlich flec- tierenden (gott, land z. b. meist ohne -er noch bei Nazarei 1521, Zwingli 1522, man bei Eberlin von Günzburg 1521, Thiebold Gart 1540 u. a.) stammen angebahnt. Schließlich erlagen auch noch einige derjenigen Wörter, die sich am längsten als widerstandsfähig erwiesen hatten {länd, -tum), der macht der analogiewirkung. Langsam nur ging dieser ausgleich bei der form kind vor sich, merkwürdigerweise auf dem gleichen gebiete, aus dem weitaus der früheste beleg für -er-plural des Wortes (9. jh., Benedictinerregel) beizubringen ist. Bis in die mitte des 16. jh.'s sind die endungslosen formen noch die regel (in manchen denkmälern, z. b. bei Eberlin 1521, Thieb. Gart 1540 begegnen ausschließlich diese formen), dann erst stellt sich langsam der Umschwung ein, doch so, daß ende des jh.'s die neuen formen noch nicht ausnahmslos auftreten. Ähnlich ist der ausgleichsproceß auch für -tum, land, ivald verlaufen. Im großen ganzen war also das alem. bei dem werdenden ausgleich in der Schriftsprache eher einer der gebenden als einer der empfangenden teile, wenigstens soweit die flexion der neutra in betracht kommt. Mascul. stamme mit -er be- gegnen erst seit dem 16. jh. häufiger.

Gewissermaßen die brücke zwischen alemann, und schwä- bisch mag der aus alem. gebiet stammende Nyclas von Wj^le schlagen, der einen großen teil seines lebens auf schwäbischem boden zugebracht hat. In seiner Stellungnahme zur -er-flexion stimmt er sowohl zum alem. wie zum schwäbischen. Meist ist der plural der starken neutra noch endungslos i); doch hat Wyle unter anderen -er -formen schon folclcer, sailer, näster, hildcr, ivyher, von mascul. nur männer gelegentlich als aus- nähme (der ung. gleichzeitige Decameron hat plöcher, scJdösser, recher, meiiler, diecher, schiveincr, fesser, hilder). Den fiexions- stand in rein schwäbischen denkmälern aus dem letzten drittel des 15. jh.'s mag die spräche Steinhöwels und Tüngers zeigen.

') Nohl, Die spräche des Nicolaus von Wyle. Diss. Heidelberg 1887, s. 80.

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Bei Steinliöwel findet das neutrale -er im pliiral 'nur beschränkte an Wendung; wo es vorkommt, finden sich auch die formen ohne -er'.i) Außer den traditionell seit dem mhd. -er aufweisenden formen kommen nur wenige neubildungen in betracht: techer, hücher, hörner im Äsop, ivyhcr, holer, feller in de dar. mulier., sonst hciner. Mascul. bilden nie -er, sowenig wie bei Tünger (148G); im Bach der beispiele der alten weisen (ca. 1460) taucht dije form manner allerdings schon gelegentlich auf. Im ganzen genommen neigt die flexionsweise in allen drei denkmälern noch viel mehr zum mhd. als zum nhd. besitzstand. Ein be- stimmter gebrauch in der wähl der formen bei einzelnen schwankenden Wörtern ist noch nirgends ausgebildet. Dieser ausgleich muß erst in der zweiten hälfte des 16. jh.'s erfolgt sein, ausweislich der flexion in den reiseberichten der zwei Ulmer Federmann (1557) und Kiechel (1585/89). In Feder- manns in der ersten hälfte des 16. jh.'s niedergeschriebenen (1557 gedr.) aufzeichnungen weist die declinationsweise der starken neutra noch vielfache Schwankungen auf: mascul. bilden nur ausnahmsweise -er (männer), und die schon früher als hemm- steine für die ausgestaltung der -e;-classe bezeiclineten häutig wiederkehrenden momente (flexionsersparnis, flexionslosigkeit nach zahlbegrilfen, festigkeit der alten dativformen) beweisen, daß die cntwicklung noch ganz im fluß war. Die spräche Kiecliels zeigt sie schon auf einem Aveiteren schritte zum ab- scliluß. Bei ihm treten die angeführten verzögei'nden fac- toren mehr zurück, nur der alte dativ zeigt noch eine gewisse Stetigkeit; sonst sind es nur noch wenige schwankende Wörter, die sich der Wirkung der analogie entzogen haben. Daß -tum noch nicht -er bildet, obgleich das scliwäbische sonst für neu- bildungen leicht zu haben ist (schlösser, Völker, geschleehter bei Kiechel), darf nicht besonders wundernehmen, denn die Zimmerisclie chronik (1564,67), die sonst in ihrer spräche den flexionsstand der ma. ziemlich genau wiederspiegelt, liat noch kein beispiel dafür; ebensowenig die fast gleichzeitige reim- chronik auf herzog Ulrich. Beide quellen beweisen in ihrer volks- tümlichen spräche am besten die freude der ma. an -er-pluralen (vgl. Jcemmeter, thierer, hemder, lemlacher, scheuer, geivelber,

1) Karg, Die spräche H. Steiuliöwels. Diss. Heidelberg 1884, s. 48-

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her s er, möser, rehcr, sailcr, -mehr, steiler Zimmer, chronik, tvammasser, relier u.a. Eeimchron.).i) Die Zimmer, chron. bringt auch den beweis dafür, daß in der ma. sogar feminina -er annehmen können (henner); fürs alemann, bemerkt Birlinger a.a.O. s. 154 dasselbe, ohne belege zu geben. Wie man sieht, ist das schwäbische also großenteils parallel mit dem aleman- nischen gegangen im entwicklungsproceß der -er-classe, nur daß sich der abschluß hier wie im bayr.-österr. etwas schneller vollzog als im alemannischen.

Am raschesten war der verlauf entschieden im bayrisch- österr. Diese ma.-gruppe steht seit ausgang mhd. zeit voran in der bildung neuer -er-formen [vgl. örter, ivelfer, pliender im Lohengrin, decher, iücher im Kreuziger des Joh. von Franken- stein, hücher, gotter bei Heinr. von Neustadt, und in der reim- chronik, gädemer im Meraner stadtrecht, dlnger, mäider, vässer, värhcr, Wörter bei Megenberg, tveiber, Iciczer, Schlosser, gedinger Statuten Trient (hs. von 1363), gelter in Kazmairs denkschrift (München, ca. 1400), tveiber, ivürmer bei Vinteler, steiner, wciber {riiemer, lüemer?) bei Wolkenstein, gcschlösser, rösser Schiltbergers (München) reisebuch (ca. 1430), endlich in Be- lieims Buch von den Wienern swcrtcr, vässer, tveiber, iächcr, dingcr, plöchcr, IciJler, rösser, rcher, {ge)slösser\ f üi'S 16. jh. stehen mir nur Kehreins angaben über die chronik Aventins zur Ver- fügung (darin bdier, dörner, geister, bößwichter, geschleckter u. a.); die von Molz untersuchten bayrischen texte aus dieser zeit weisen ebenfalls manche merkwürdige form auf, die auf anderem gebiete unmöglich erscheint. Parallel mit dem auf- kommen dieser neubildungen verlief auch der rückgang der veralteten flexionsformen, und zwar ebenfalls schneller als auf irgend einem der übrigen ma. gebiete.

Schon die texte aus dem anfang des 14. jh.'s unterscheiden sich hierin von anderen obd., namentlich aber md. denkmälern; so weist z. b. der Apolloniusroman des Wieners Heinrich von Neustadt alte flexionsformen neben den neubildungen fast aus- schließlich nur im reim oder im dativ auf (die Vorliebe für die nicht erweiterte pluralform Jcint teilt das bajT.-österr. mit

^) Für weitere belege aus früherer zeit, die möglicherweise hier ein- zureiheu sind, ygl. uuteu (ostfränk.), wo Albr. von Eyb erwähut wird.

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den übrigen obd. dialekten); im Kreuziger Job. von Franken- stein ist die Verteilung; der formen schon äbnlich so. Die gleicben verbältnisse wären auch für die poetischen denkmäler aus späterer zeit festzustellen, nur sind hier schon kleine trübungen durch den im 15. jh. einsetzenden rückschlag in der bewegung entstanden. Auch in der prosa ist im 14. jh. noch keine einigung im gebrauch der formen erzielt gewesen, daher begegnen die altertümlichen flexionsformen neben neubildungeu nocli häufiger in den Trienter Statuten (hs. a. 1363); Schiit- berger (ca. 1430) hat als ausuahmen nur noch die alten dativ- formen, ferner iccyh (nach hint, man), landt, spitall, den jrt-st. hild und die mascul. ivdde, man, und dieser besitzstand muß auch für die folge ungefähr so erhalten geblieben sein, bis sich im 16. jh. der völlige ausgieich vollzog, wenigstens stimmen Kehreins angaben über Aventins chronik genau damit überein. Somit ist das bayr.-österr. diejenige ma.-gruppe gewesen, die dem heutigen gebrauch der -er-classe in der Schriftsprache schon im 14. und 15. jh. am nächsten stand.

Unter den md. ma.-gruppen kommt in spätmhd. zeit nament- lich dem ostfränkischen die fähigkeit der -e;-pluralbildung in hohem grade zu. Der Eenner Hugos von Trimberg spiegelt schon nicht mehr genau die fiexionsverliältnisse des classischen mhd. wieder (vgl. hörner, ivörter, beide öfter), und die spräche Johanns von A\'ürzburg in seinem gedichte über A\'ilhelm von Österreich (1314 vollendet) entfernt sich davon noch weiter (vgl. mäider, siccrter, hleclier, lender). Zu dieser Weiterentwick- lung stimmen auch die folgenden belege aus dem 14. jh.: eycr- mfiscr beim König vom Odenwald, sterner, hander, geister in der Minneburg. Alle diese formen sind übereinstimmend als mundartliche einflüsse zu erklären. In gehobener prosa, z. b. in den aufzeichnungen der nonne von Engelthal (ca. 1340) oder in den Offenbarungen Adelheid Langmanns, kommen sie nirgends vor; hier bleibt die -er-tlexion nur auf das herkömmliche be- schränkt. Als tj'pus für den stand der flexion im ostfränkischen um die mitte des 15. jh.'s wähle ich Nicol. Muffels beschreibung von Rom, nicht die spräche der zahlreichen poetischen denk- mäler (fastnachtsspiele u. a.), weil in diesen trotz der teilweise viel getreueren anlehnung an die ma. einmal rücksichten auf den vers (reim) vielfach ausschlaggebend gewesen sind für die

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walil und brauclibaikeit der formen, dann aber, weil, wie schon oben bemerkt, die Überarbeitung volkstümlicher Stoffe in mög- lichst genauer anlehnung an die vorläge naturgemäß auch auf die spräche von einfluß sein mußte, indem ältere flexionsformen oft einfach übernommen wurden. Unter berücksichtigung dieser tatsachen steht die flexionsweise der starken neutra z. b. bei Eosenblüt oder in den Nürnberger fastnachtsspielen aus der zweiten hälfte des 15. jh.'s oder in den kleineren Nürnberger gedickten aus den letzten Jahrzehnten des 15. jh.'s i) allerdings genau in einklang mit Muffels Sprachgebrauch. Yon geringen ab weichungen (zählformeln, alte dative) abgesehen, stimmt seine declinationsweise bei den a-stämmen genau zum nhd. (ich habe nur tal noch ausnahmsweise mit nicht erweiterten pluralformen angetroffen), nur bei den ja -st. {hild) herrscht noch regellosigkeit; mascul. können -er noch nicht annehmen. Damit stimmt auch die spräche in den reiseberichten der familie Eieter und in demjenigen Tetzels (ca. 1475), alles Nürnberger kinder, überein. ^Mascul. stamme mit -er (zuei'st inänner) begegnen in Nürnberger quellen consequent erst gegen ende des 15. jh.'s (z. b. in Deichslers chronik); bei Albrecht von Eyb treten solche -er-formen trotz seiner Vorliebe für das der ma. angehörige -er (vgl. eelenter, amcälder, jiörstcr, dorner, zwyeger, ender \ inwieweit dieses nach Kehrein aus Augsburger drucken Eyb scher werke angeführte material allerdings noch schwäbisches sprachgut enthält, das abweichend von der hand- schriftlichen vorläge im druck in den text unterschoben wurde die hs. der Grisardis, Zs. fda. 29, 373 ff., kennt derartige formen nicht, was zugunsten der eben ausgesprochenen Ver- mutung ins gewicht fällt muß dahingestellt bleiben) eben- falls noch sehr zurück; erst bei H. Sachs habe ich einen wesentlichen f ortschritt 2) bemerken können, indem mir hier von man (gott) andere pluralformen als die mit -er nicht auf- gestoßen sind. Ayrers spräche (ca. 1570) stellt in den hier in frage kommenden punkten nur die consequente entwicklung des Sprachgebrauchs seines Vorgängers H. Sachs dar und stimmt

1) Hsg. von Euling, DTM. bd. 14 (1908).

-) reichtümer bei Folz ist nur vereinzelter mascul. stamm und zudem ausnähme als -er-bilduno'.

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im wesentliclien mit der heutigen Verteilung überein. Zeitlich und dem umfange der von der flexionsbeweguug ergriffenen Stämme nach steht das ostfränkische also in der entwicklung der -er-plurale dem bayr. - österr. und schwäbischen, seinen nachbardialekten, am nächsten. Wie in jenen ist schon im ausgang des 15. jh.'s eine ziemlich consequent durchgeführte regel ausgebildet, wonach die neutralen «-stamme erweitert werden. Bei den übrigen stammen, die später der gruppe ebenfalls noch fest eingefügt wurden, kam der völlige aus- gleich allerdings ebenfalls erst spät im 16., z. t. erst im 17. jh. zustande. Im ganzen betrachtet steht das ostfränkische in der ausgestaltung der -e>--classe den obd. dialektgruppen näher als den md.

Betrachten wir zunächst das westmd., so fällt dem ost- fränk. gegenüber auf, daß der entwicklungsproceß hier nament- lich im 14. jh. und in der ersten hälfte des 15. langsamer vor sich gegangen ist. In bruder Philipps Marienleben stimmt der stand der -6T-flexion, von vereinzelten formen tüccher, göter abgesehen, noch vollkommen mit der mhd. declinations- weise überein; noch deutlicher ist diese Übereinstimmung be- merkbar in der bearbeitung des buchs der Makkabäer (vor 1338, hs. aus dem anfang des 15. jh.'s) und in der Apokalypse Heinrichs von Hesler. Dialektische neubildungen sind mir in dieser zeit in anderen quellen nur sehr spärlich begegnet (hcuhthcre in bruder Hansens Marienliedern, nienner in der Limburger chronik). Im ganzen genommen ist der stand der llexion also am ende des 14. jh.'s dem mhd. gegenüber in literarischer Verwendung noch nicht weit verschoben.

In der ersten hälfte des 15. jh.'s ist hierin keine wesent- liche änderung eingetreten. Die flexion in A\'ormser quellen, der Mainzer chronik und in den dem niederrheinischen gebiete angehörigen geistlichen gedichten (Schade) beweist dies zur genüge; andere größere denkmäler aus dieser zeit habe ich nicht untersucht. Gegen ende des jh.'s ist ein wandel zugunsten der neuerung bemerkbar, so beispielsweise in Wormser prosa- quellen, in der hs. des Alsfelder passionsspiels (hs. 1501 geschr.), noch deutlicher in der Heidelberger passionshs. (1514 geschr.). In allen diesen quellen nähert sich die flexion der hier in frage kommenden stamme, wenigstens bei den starken neutren, dem

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späteren stände des schriftsprachlichen gebrauchs schon sehr. Der Kölner literatnrdialekt, wie er sich zu ende des 15. jh.'s herausgebildet hatte, stimmt mit dem übrigen teile des west- md. gebietes überein. In der Koelhoff sehen chronik (1499) sind es nur noch wenige stamme, die sich der Wirkung der analogie entzogen und die herkömmliche flexion noch behalten haben (die ja-st, die mascul. und einige erst spät übergetretene neutr. «-st., außerdem von den übrigen noch alte dativformen). Was die mascul. angeht, so stimmen die gleichzeitigen auf- zeichnungen Harifs über seine pilgerfahrt damit vollkommen überein. Sonst geht aus dessen Sprachgebrauch hervor, daß er sich noch mehr an mundartliche eigenheiten anlehnt {Idoitzer, lireutzer, sclmcffer, vasser, gehoeder), als Koelhoff (gehoeder)] des- halb begegnen auch nicht so viel ausnahmeformen bei ihm. Aus den drucken Jaspars von Gennep hat W. Scheel i) die gleiche Verteilung der formen nachgewiesen. Daß der nieder- rheinische literatnrdialekt auch späterhin in der schriftsprach- lichen Verwendung der -er-plurale mit der allgemeinen aus- gestaltung der classe schritt gehalten hat, mögen kurz einige proben aus dem Buch Weinsberg dartun. In consequenter Weiterentwicklung der flexion des 15. jh.'s (Koelhoff, Harff, Gennep) begegnen in diesen Kölner aufzeichnungen aus dem ende des 16. jh.'s nur geringe ausnalimen zur allgemein giltigen regel, nicht in größerem maße als auch sonst (fas, land] man, dative in alter lautgestalt). Für den dialekt charakteristisch sind die formen gehei{t)er, gehoi{t)ey, stucher, Ikhnamer. Sehen wir von dem aus verschiedenen gründen (s. darüber oben) für eine genaue sprachgeschichtliche beurteilung nicht ganz stich- haltigen und einwandfreien material Kehreins aus Dietenbergers bibel (gedruckt erst 1571, Cöln) ab, so zeigen die drei von mir untersuchten texte aus der mitte des 16. jh.'s (Albers fabeln 1550, Stadens reisebericht 1556, Lindeners rastbüchlein und Katzipori 1558) ein ziemlich übereinstimmendes bild. In allen diesen denkmälern sind nur noch einzelne mascul. stamme im rückstand mit der bildung des -er-plurals (Alber iveld; Staden geyste, leih, aber männer; Lindener manne»). Bei Alber habe

1) Jaspar. v. Geuiiep und die entwickelung der nLd. Schriftsprache in Kühl, Westdeutsche Zeitschrift, ergänzungsheft 8 (1893), s. 57.

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ich alte pluralformen sonst nur im reim gefunden {Kindt, Icinäen, Kindelem); bei Lindener ist mir als einzige form, die sonst noch aus der regel des nhd. flexionsgesetzes herausfällt, nur landt (1 mal) begegnet; im übrigen deckt sich sein Sprach- gebrauch vollkommen mit dem nhd. schriftsprachlichen {müser mundartlich). Stadens spräche weicht davon nur in dem einen punkte ab, daß er von land ausschließlich nicht erweiterte formen kennt; collective mit ^e-präfix können -er noch nicht annehmen (gcscJileclit{e)). Als bestätigung dafür, daß im west- md. die -er-Üexion in literarischer Verwendung um die mitte des 16. jh.'s den stand des ungefähr gleichzeitig geregelten schriftsprachlichen gebrauchs erreicht hatte, könnte auch die bemerkung Mosers über Fischarts spräche in handschriftlichen quellen (ßeitr. 36, 180) dienen, wonach dort -er-plural bei den folgenden Wörtern belegt ist {wort, land, [landsjvolk, [jar]bHch, weib, ort u.a.); wenn er bei anderen noch fehlt {iveih, kind, liosenhand, ivort), so ist es bei einem schriftsteiler wie Fischart allerdings schwer festzustellen, auf wessen conto diese Unregel- mäßigkeiten zu setzen sind.

Um die entwicklung der flexion im ostmd. zu verfolgen, können wir am betiuemsten von dem material ausgehen, welches im Alexanderroman des Böhmen Ulrich von Eschenbach (der Wilhelm von Wenden ist nur in einer papierhs. des 15. jh.'s erhalten, sein vom Alexander abweichender wirklicher flexions- stand mithin unsicher), im alten Passional und in der Livlän- dischen reimchronik vorliegt. Die drei genannten denkmäler stehen in der flexion der -er-classe vom reinen mhd. schon viel weiter ab, als man der zeit nach erwarten sollte, nament- lich aber das Passional und die Livländ. reimchronik. Den beweis dafür liefert in allen drei quellen übereinstimmend die flexion des Wortes Iclnd. Das mhd. der classischen zeit kennt den -e;--plural des Wortes bekanntlich nur in sehr spärlichen ausnahmen. Während der Alexanderroman z. b. noch fast in der hälfte aller fälle die alten formen aufweist, treten belege für diese zugunsten der neubildung im Passional schon erheb- lich zurück, in der kurz darauf entstandenen Livländ. reim- chronik aber kommt die nicht erweiterte pluralform m. w. nur gelegentlich im dativ und sonst als ganz vereinzelte ausnähme vor. Bei anderen stammen ist eine solche conformität der

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bildmigs weise in den genannten denkmälern allerdings noch nicht zu erweisen, doch scheint mir so viel sicher, daß Passional und Livländ. reimchronik einander näherkommen in bezug auf die -e>--flexion als eine dieser ciuellen dem südlicheren Ulrich von Eschenbach, der sein sprachliches Vorbild noch zu sehr im Sprachgebrauch seiner literarischen vorlagen suchte. Ton einer er Weiterung der -er-classe durch zugang ist in den er- wähnten quellen sonst nichts zu merken. Aus anderen denk- mälern sind in der ersten hälfte des 14. jh.'s zu nennen die neu- bildungen geister ( : meister), vielleicht auch hörster bei Heinrich von Meißen, Wörter bei Tilo von Kulm (1331), iceihir in einer schlesischen homilie, röcher im Schachbuch (1355). Die zahl der im ostmd. bis etwa 1350 der -e>--classe angehörigen stamme ist also verhältnismäßig klein, hat doch z. b. Heinrich von Freiberg nur deider, liäer, hiiener, Tiriuter als an gehörige der classe aufzuweisen, was besonders bemerkenswert erscheint, weil er demjenigen teile des ostmd. gebietes angehört, von dem später der haupteinfluß ausging zur einigung des schrift- sprachlichen gebrauchs überhaupt. Auch in Beheims evangelien- bearbeitung (1343) ist die Verschiebung noch nicht viel weiter gediehen. Die flexion ist noch keine einheitliche, doch herrscht ausgesprochene neigung für anwendung der -er -formen schon bei denjenigen stammen vor, welche die erweiterungssilbe an- nehmen können; dazu gesellen sich noch einige neue stamme {orter, decher). Vielleicht sind diese formen mundartlichem einfluß gei-adesogut zuzuschreiben wie tvelfer. In böhmischen nia, (Dalimils chronik, hs. von 1389) ist die classe vertreten in bucher, hinder, gelider, huser, dorfer, ahgoter; schlesische quellen zeigen in der zweiten hälfte des 14. jh.'s ausätze zu einer weiteren ausgestaltung der gruppe {iveiher, dinger; der schlesische dichter der Kreuzfahrt des landgrafen Ludwig nach 1300 geht dagegen mit -er-pluralen noch sehr sparsam um). Sonst lagen mir aus dem 14. jh. für dieses gebiet keine größeren denkmäler vor. Im 15. jh. tritt unsere flexionsclasse mehr in die erscheinung, und zwar auf der ganzen linie des ostmd. In der schlesischen liederhs. des Xicolaus von Cosel (nach 1417 geschr.) überwiegen die -er -formen schon bei den meisten der betroffenen stamme.

Beiträge zur geschichte der deiitschen spräche. XXXVIII. 7

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Nach Br. Arndt i) wären die flexionslosen pluralformen bei den starken neutren im schlesisclien sogar 'auf die erste liälfte des 15. jh.'s beschränkt', was ich jedoch in dieser stricten form für so frühe zeit nicht aufrecht erlialten möchte. Rothes Thüringische chronik kennt einen derartigen formen ausgleich noch nicht. Hier bilden im g-egenteil die flexionslosen formen noch die regel; an neubildungen sind nur zu nennen uciher, gles{s)er, dazu das mascul. menncr und die dialektische form hels{s'}ßr. Die große menge derjenigen stamme aber, die gegen mhd. flexionsmögliclikeit noch immer (z. t. regelmäßig) in nicht erweiterter gestalt auftreten, läßt erkennen, daß die entwick- lung hier noch keine großen fortschritte gemacht hat. Gerade bei Rothe zeigt sich noch alles im Werdegang begriffen; nur die der ältesten Schicht angehörenden stamme bilden durchweg -cr-plural, bei den übrigen wechseln flexionslose formen in bunter reihe mit -c- und -<?r-pluralen. Die obersächsische hs. (geschr. 1461), aus der C.Schröder eine spätere bearbeitung des Steinhö welschen Apollonius und der Grriseldis mitgeteilt hat2), stimmt damit im wesentlichen überein. Kann hier von einem rückschlag in der flexionsbewegung keine rede sein, so möchte ich dies behaupten für den nordöstlichen teil des ge- bietes auf grund der von mir untersuchten texte. Zum min- desten ist ein stillstand in der bewegung festzustellen, denn die im vergleich zu den denkmälern um 1300 noch verhältnis- mäßig große zahl von altertümlichen flexionsformen bei lind in der Preußischen chronik des Joh. von Posilge (ca. 1430), in der älteren Hochmeisterchronik und im Dorotheenleben des Joh. Marien Werder (ca. 1440) in denkmälern also, die dem Passional und der Livländ. reimchronik ihrem entstehungsort nach ziemlich nahestehen läßt sich nicht einfach durch secundäre einflüsse (flexionsersparnis, formenangleichung, ana- logiewirkung) befriedigend erklären. Zudem ist die zahl der inzwischen zu der classe hinzugetretenen stamme verschwindend gering (niänner, dm(jcr\ rüsser, moyler sind möglicherweise genau so wie bracher dialektische bildungen). Auch die Dan-

1) Der Übergang vom mhd. zum iihd. iu der spräche der Breslauer kaiizlei, Germanist, abhdlgen. 15 (1898), s. 84.

*) Mittheilungen der deutscheu gesellschaft in Leipzig 5, 2 (1872).

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zig'er Chronik des Joh. Lindau aus der zweiten liälfte des jli.'s (ca. 1480) bestätigt diese beobaclitungen; immerhin weist sie auch schon weitere neubildungen auf (schlosser, streucher). Von einem ausgeprägten flexionssystem der -er-classe ist dem- nach im ostmd. literaturdialekt zu ausgang des 15. jh.'s nichts zu bemerken. Auch im ersten drittel des 16. jh.'s hat hier noch keine Verschiebung stattgefunden. Den beweis dafür geben die aus jener zeit stammenden werke Luthers. Im Sermon von den guten werken ist z. b. (nach Hertel, Zs. fdph. 29, 488) noch nicht einmal die flexion von Meid völlig aus- geglichen, und die formen ohne -er von Mnd begegnen noch in einem fünftel sämtlicher belegsteilen; land, schwerf, ampt nehmen -er noch nicht an, ebensowenig der ja-st hild, alte dativformen sind noch häufig. Von mascul. sind im Sermon nur gotter, menner und orter mit -er belegt, die übrigen später übergetretenen stamme haben noch -e {leybe, geyste). Hiermit stimmt die flexion in den Streitschriften gegen Emser, die ich daraufhin untersucht habe, genau überein, nur daß in diesen auch von got die alte form {ahgötti^ noch belegt ist (außerdem hoßivichter). In den späteren Schriften ist ein langsamer f ort- schritt in der entwicklung zu verspüren, trotzdem aber bleiben bis in Luthers letzte bibelausgaben noch so viele Schwankungen in seinem Sprachgebrauch bestehen, daß man zu ihrer erklärung die ein Wirkung des ndd. nicht wird leugnen können; bei anderen neubildungen ist obd. einfluß sicher. So macht sich in Luthers spräche auch hierin der compromiß zwischen obd., md. und ndd. sprachgut bemerkbar. Den beweis dafür, daß es mit der flexion anderer ndd., hochdeutsch schreibender zeit- genössischer autoren gleich bestellt ist, liefert z. b. Agricolas Sprichwörtersammlung. Der erste schriftsteiler auf ostmd. boden, der in seiner flexiousweise mit dem stand der heutigen Schriftsprache ungefähr übereinstimmt, ist Valentin Voigt (1537/38). Der völlige ausgleich hat sich hier jedoch erst in der zweiten hälfte des 16. jh.'s vollzogen (um 1570), wie Molz an dem Sprachgebrauch des Stephan Eiccius genauer nach- gewiesen hat.

Was schließlich das niederdeutsche selbst angeht, so sei nochmals betont, daß die ndd. ma. das stammerweiternde -er in nicht geringem umfange kenneu. Von hier aus ist es

7*

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auch in die Schriftsprache gedrungen, allerdings nur langsam. Zu aufang des 16. jh.'s ungefähr kehren nach Lasch i) nur wenige neubildungen häufiger wieder {heuszer, dörffcr). 'Doch findet sich z. b. neben cleider noch cleyd.' Von land kommen nur pluralformen ohne -er vor. Die flexion in Oldecops mndd. (Hildesheim) chronik (nach 1561) bestätigt diese beobachtungen insofern, als mir zu keinem einzigen der Wörter mit facultativer Stammerweiterung nur erweiterte formen bekannt sind. Wenn der kreis der neubildungen freilich schon viel weiter gezogen ist, so hat hierzu die einwirkung des hochdeutschen das ihre beigetragen (vgl. männer\ u-iffer, reder, hilder, orteren).

III.

Materialien zur altersbestiiiimung der -ej'-plurale im deutscheu.

Einen berechtigungsnachweis über die art und weise der anläge der nachfolgenden lexikalischen Zusammenstellungen habe ich schon Beitr. 37, 498 ff. kurz zu erbringen versucht. Aus der tatsache, daß sprachliche neuerungen (namentlich flexivischer art, wie die hier behandelte) bei ihrem eudgiltigen abschluß stets auf einen längeren, meist abwechslungsreichen entwicklungsproceß zurückblicken, erwächst jener art von Sprachforschung, die sich, nachdem einmal der entwicklungs- gang der gesamten sprachlichen erscheinungen in seinen um- rissen gezeichnet ist, mit der eingehenden Untersuchung des einzelproblems befaßt, die aufgäbe, die entwicklungsgeschichte sprachlich besonders bedeutsamer erscheinungen oder neue- rungen monographisch möglichst genau festzustellen. Es gilt dabei, von den ersten anfangen einer Spracherscheinung ausgehend, zu verfolgen und zu bestimmen, wie sich der Wandel im Sprachgebrauch allmählich herausgebildet und in welchen etappen er sich vollzogen hat, welches die für die Wandlung notwendigen günstigen Vorbedingungen und welches die mitbestimmenden triebkräfte waren.

Daß bei der Verfolgung eines Sprachproblems, das sich in seinem Werdegang über mehr denn acht Jahrhunderte unuuter-

1) Geschichte der Schriftsprache iu Berlin (1910), s. 70.

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broclien wechselnd hinzieht, die menge des in der voranstehenden gesamtiintersiichung verarbeiteten materials in einer lexika- lischen bearbeitung des problems, die erst genauere anhalts- punkte lind eingehenderen bericht zu geben vermag über die chronologische seite der frage, wenigstens einigermaßen voll- ständig zu wort kommen muß, bedarf wohl kaum des beweises. Denn nicht allein der umstand, daß fast jedes einzelne der unten aufgeführten Stichwörter seine eigene entwicklungs- geschichte gegangen ist (nur bei sehr wenigen ist direete beeinüussung nachweisbar), war dafür mitbestimmend, sondern auch die erwägung, daß die Wichtigkeit einer spraclmeueriing in einer bestimmten periode, die häufigkeit ihrer schrift- sprachlichen Verwendung während derselben und der fortschritt in der aiisgestaltung des tlexionsschemas dem stände der spräche des vorausgehenden Zeitabschnitts gegenüber am besten ge- kennzeichnet werden könne durch eine möglichst weitgehende Verwertung des einschlägigen belegmaterials. Wenn demgemäß der entwicklungsgang der ihrer zeit am meisten umstrittenen -i'>--plurale an der band der belege auch ausführlicher dar- gestellt werden mußte als bei anderen bildungen, die auf Aveniger widerstand stießen, so entspricht dies eigentlich mü- der bedeutung des einzelproblems (einzelnen wortes) vom sprachgeschichtlichen Standpunkt (im rahmen der ganzen frage) aus, und in der erkennt nis dieser tatsache deckt sich die von mir eingeschlagene mehr oder minder ausführliche behandlimg des einzelnen wortes auch mit dem in den neuesten teilen des DWb. zur durchführung kommenden darstellungs- verfahren.

Eine derartige ausführliche bearbeitung ist gerade für solche sprachliche problerae geboten, die einen so langen ent- wicklungsgang bis zu ihrer endgiltigen lösung hinter sich haben, zumal wenn es sich um fragen handelt, die in dem capitel der immer noch viel zu wenig bearbeiteten frühneu- hochdeutschen Sprachgeschichte eine rolle spielen. Für die ältere zeit, namentlich das mhd., fehlt es nicht mehr an er- gebnisreichen einzeluntersuchungen, die sich mit der aufhellung eines einzelproblems während eines größeren Zeitabschnittes befassen. Fürs frühnhd. dagegen stehen wir hierin noch immer in den anfangen der forschung, und was hier an sicheren

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einzelresiiltaten gewonnen wurde, ist größtenteils weitverstreut (meist in den kritischen einleitungen zu textausgaben) nieder- gelegt, so daß es (zumal bei der verschiedenen behandlungs- weise) schwer ist, sich hieraus einen genaueren überblick zu verschaffen.

Noch aus einem weiteren gründe dürfte eine eingehende lexikalische Verwertung des belegmaterials aus der Übergangs- zeit vom mhd. bis zur eiuigung der nhd. Schriftsprache be- rechtigung erlangen. Die verschiedenartige Stellung der ein- zelnen dialektgruppen, die ja alle mehr oder weniger auf die schließliche ausgestaltung unserer Schriftsprache im 1(3. und 17. Jahrhundert abgefärbt haben, würde ohne die einbeziehung eines reichen beweiskräftigen belegmaterials nicht ersichtlich werden. Um hier Aveitere Schlüsse zu ermöglichen, habe ich versucht, auch die Urkundenliteratur möglichst zu berücksich- tigen, wenigstens noch fürs 14. und 15. Jahrhundert. Zwar konnte auch mit ihrer hilfe vieles nicht aufgehellt, anderes nur wahrscheinlich gemacht werden, aber die schuld daran lag nicht so sehr an der Zuverlässigkeit des einzelfundes als an der Zufälligkeit des gesamten dort gebotenen sprachgutes. Dennoch glaube ich, daß eine größere beachtung der urkund- lichen Sprachschätze und ihre Verwertung für die sprach- geschichtliche einzelforschung eine erkenntnis, die augen- blicklich noch zu den postulaten der neueren forschungsmethode gehört auch hier wie in anderen fragen noch in manchen punkten aufschluß geben kann und namentlich da, wo es sich um die chronologische seite der frage handelt, nicht ver- sagen wird.

Hftser, -r-plural vereinzelt bei Stieler belegt.

Ämter, 'ir empter sind mir mibekant' Konr. v. Ammeuhausen, Schach- buch 7584; 'das er in repnblichä Zerteilt du crapter snnderlicb' 7559; 'das si dester leuger niügen bestän An ir emptern mit valscheit' 16385; 'an sinem buoch ... Da von den emptern ane stat' 7998. 'Si muossend gros rüw und biios bestan, Darziio ir empter recht halten' D. tenf. netz (LV. 70) 4273; 'tuot in empter und gelt schenken' 4772. 'Daz chainer die ampter, die ym nit zw gehören, sol ans richten' Ältest. statnten d. bistums Trient, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 152; 'wie die amptleut pey iren amptaren sollen peleibcn, alle amptleut ... sullcn gestät pleiben pey iren amptaren iiij nionat' 153; dagegen 152 'zw den vorgenanten ampten'. 'Da- rumb den selben billich zügefüget vnd geben werden die wirdigosten ämpter'

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Wyle, Translat. (LY. 57) 289. 240. 287; 'grosse Avirdigkait der ämptern (!) zemeren' 298; 'nach vnderschaid der stenden empteru' 349; (die priester) 'lesen Ire änipter gütliches dieustes' 173. 'Das weder ir zuugen, füss oder OTigen ire ämpter volbriiigeu künden' Tünger, Facet. (LV. 118) 88. 'Was ämpter sie zu hoff hat' Job. v. Morßheim 1497, Spieg. d. regim. (LV. 37) 240 ; 'wie man viel der änipter feil trag' 260; 'bald muß der selb groß ämpter haben' 640. 'Dae waren 32 arabochter ind vil gasthuisser, spitail u.' Koelhoffsche chrou. von Köln (1499; Chr. ddSt. 14) 822; sonst 'ampten' 444. 548 U.S. 'In gotlichen amptereu' Harff 1499, Pilgerf. 130; sonst 'ampten' 75. 201 u. s. Eberlin v. Günzburg hat in den 15 bundesgenossen nur den plural 'ämpter' (Keudr.) 12. 36. 134. 177. 'lere empter alle' Hug, Villinger Chronik (LV. 164) 111; 'allen emptern' 89; doch 'bi sinen ampten' 34. 'Er hat alle empter verwesen' Aventin (vor 1534) Chronik, Frankf. 1580, 189b nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Die da ämpter hau' Thiebolt Gart 1540, Joseph (Eis. lit. denkm. 2) 981. 'Ward der herzogin durch iren hofmaister angesagt, das zeit were zu kirchen zu geen, dann mit den emptern und andern ceremonien uf sie gewartet wurde' Zimmr. chron. (LV.) 1,510.

Der -r-plural des wortes stammt aus dem obd., wie die Urkunden deut- lich zeigen. Von dem dat. 'ampten' abgesehen (Niederösterr.urkdb., St. Polten, 2, no. 759 [a. 1384] ), sind mir andere als -r-forraeu nicht begegnet ; dagegen kann ich das wort aus md. raa. außer Lacombl., Niederrhein, urkdb. 3, 147 (a. 1320) 'embder' nur in nicht erweiterter pluralform nachweisen: 'mit off'erampten' ebda. 3, 542 (a. 1363), 'ire ampt' Hess. Urkunden (Baur) 5, 476 (a. 1385); 'ampten' Urkdb. Jena 1, no. 318 (a. 1365). 335 (a. 1367), 'alle zcugehorunge der slosse und ampte' 2, no. 426 (a. 1448); 'ampten' Cod. dipl. Saxon. reg. I abt. B, 2, 305 (a. 1402). 334 (a. 1403). 3, 2 (a. 1407); 'ampten' Urkdb. Arnstadt 422 (a. 1496). Damit stimmen auch die verhältnis^se in den gleichzeitigen md. Schriftstellern überein: 'alle andere ampt' Chron. Mainz (Chr. ddSt. 17, 75. 157. 220); 'irer ampte' Statuten des deutschen ordens 1442, Kehrein, Gr. 1, § 298. Bis ins 16. jh. läßt sich diese Verteilung ver- folgen: Agricola (1529/30) 'ampte, ampten' Kehrein, Gr. 1, § 297. 299; 'ampten' Dietenberger, Wicel; 'ampten' Oldecop 180,10. 182,22 u.a. Für Aveitere beispiele vgl. Molz, Beitr. 31, 362. Nicht so häufig sind aus- nahmen auf obd. boden: 'mit den seelambten' Laudshuter chrou. (Chron. ddSt. 15) 323 (1478); 'in allen seineu ampten' Widmanu, Chron. Regens- burg ebda. 19 (1513); 'andere pristerliche ampt' Emser 1521, Streitschr. (Neudr. 96—98) 205 (2 mal). Seit dem 14. jli. ist hier die form belegt und ziemlich constant: 'in den ämptern ze Lunghofen' Fürstenberg, urkdb. 2, no. 315a (a. 1356) u. sp.; 'in den vorgeschriben ämptern' Urkdb. abtei St. Gallen 3,640 (a. 1357), 'es werden ouch au dem stillen fritag kaiue göttliche ambter zu Sant Lareuzen von alter bar gehalten' 4,78 (a. 1367, Konstanz) u.a.; 'an denselben seinen emptern' Urkdb. Straßburg 6,412 (a. 1393). Erst in der zweiten hälfte des 16. jh.'s dringt der neue plural auch im md. auf dem ganzen gebiete durch.

antlilzer, 'auch jr ein teil (der frauen) salben vnd schmirn sich mit farwe. die verbergen ir antzlitter (!), die jue got geben hat vnder die farwe' Altd. bl. 1, 59. 'Die goukler, die kind erschrecken mit iren frömdeu

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weisen und Initzenantlitter' Kaisersberg-, Irrig schaf G 5b nach DWb. 2,707. Im 17. jh. kehrt der -r-plural bei Loheustein wieder, Molz, Beitr. 31, 371.

armbrnstcr (: 'armbrnst', armbrust), 'theten uns gross not an mit ireu armbrustern und lantzenscbiessen' Gabr. Tetzel (^1475, Reiseber. (LV. 7) 167. Obgleich die lexikalischen hilfsmittel einen -er-plural zu dem starken neutrum 'armbrust' nicht anführen, glaube ich doch, daß an der stelle an 'armbruster armbrustschütze' nicht zu denken ist. Zudem ist der -r-plural fürs schwäbische bezeugt in Herrn. Hoffmans Bauernkrieg (1533, Württemb. geschqu. 1): 'alle grosz und ciain geschutze, puchsen, pulver, armbrnster, haruasch, wurfbej-hel, lang spies, helnparten' 3il, 'arrapruster' 343.

anwälder, (: der anwalt), vereinzelte dialektische bildung: 'die anwalder vn redner' Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. sitten 104a, nach Kehrein, Gr. 1, § 280. Sonst a-, i-plural, vgl. Molz, Beitr. 27, 240.

äster (:ast, stm. ast), vereinzelte dialektische bildung: 'der halb- begrünteu äster' (gen.) Fleming (~ 1640), Poemata 14!), nach Kehrein, Gr. 1, §280; dat. 'ästen' 443.

bächer, vereinzelte dialektische -r-bildung bei Kiccius (1570, ost- md.); Molz, Beitr. 31, 359.

bäcler, 'man sol kaltiu beder mezeclich üben' Meinauer naturl. (LV. 22) 7. 'Da für er iemir berrct Der helle strazin vnd ir pfedcr Vnd leckin in der schänden beder' Hugo v. Langenst., Martina 46, 82. 'Drissich warmer siedender bronne ... die in schoin steynen bader lieffen, dae sich lamen ind kranken inue baeten' Harff 1499, Pilgerfahrt 215; 'sij hauen dae inne gar gude bedder knecht' 97. 'Auch ist im hernach durch die Aviltbeder zum tail geholfen worden' Zimmr. chron. (LV. 92) 2,490. Aixf einen beleg bei Fischart 'in den Bäderen' verweist Kehrein, Gr. 1, §302. 'Werden düe bäder taglich gewermett' Kiechel 1585/89, Reiseber. (LV. 80) 207. 'Alte thermae der Römer oder bäder' Ernstinger 1620/30, Raisbuch (LV. 135) 157; 'von disen bädern sein wir zum meer gespaziert' 174. 175. Fürs bayr. und ostfränk. belegt Molz, Beitr. 31, 332 den alten a-plural aus Folz und Aventin (1535). Man wird aus den übrigen belegen annehmen dürfen, daß sich der -r-plural im 15. jh. durchgesetzt liatte. Zuerst tritt er im alem. auf.

bäller, belegt Kehrein, Gr. 1, § 280, aus Joh. Aventin (vor 1534) Chronik, Frankf. 1580, 'die beller seiner zene werden jm blutig' 239; ob bei der aus der literatur sonst nirgends belegten form an 'ball' gedacht werden muß, wie Kehrein annimmt, ersclieint mir fraglich.

bäncler, 'tenebamur uinculis ligati pihabet uuarun pantirun ki- puutaue' Murbacher hyran. 24,6; solve vincla peccatorum iutpint pentir suntono' ebda. 1,12. 'Pautirum', gl. Emm. 407 nach Weiuhold, Bayr. gr. §343. *Si hafte zeinem aste Diu pfertbender vaste' Iwein 3470 in bs. D, die manche textabweichungen hat, die sich in anderen hs. niclit finden (vgl. Paul, Beitr. 1, 288 ff.). 'Mir sint der minne bander (: einander) Onch kündec in der raäze' Heinzel. v. Konst., V. d. ritter u. pf. 126 (so zweifels- ohne mit Pfeiffer, Weinhold, Lexer, Ehrismann, Beitr. 22, 299 entgegen Sprengers coujectur 'bandum' [= baunerj Zs. fdph. 27, 1 15). 'Bänder' 2027,

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -iJ^^-PLURALE. 105

'ban-lern' 1893, Miuneburg- (Ehrismann, Beitr. 22, 299), beide formen im -reim. 'Das ich der pender ie gedacht Mit gruenen sunder wenken, Daz hat mir oft ein vmve bracht Mit mengerlei gedenken' Hngo v. Montfort (LV. 143) 6, 17. 'GlUdten ketten, ring vnd armband' Ayrer, Dramen 1 (LV. 76), 561. 566, beide male im reim, dagegen in der bühnenanweisimg 566, also nicht durch den reim beeinflußt, 'er weist jhm armbänder'; in der bedeutung 'ketten' kommt nur die alte, nicht erweiterte form vor: 'so löset jhn auff jhre pandt' (: laudt) 525, 'der Steckenknecht legt in eissene banden au' in der bühnenanweisung s. 524. Die Scheidung im gebrauch zAvischen alter form und -r-plural ist damit schon fürs 16. jh. bezeugt. Durch die collective bedeutung haben sich die traditionellen flexionsformen bis ins 16. jh. fast ausschließlich erhalten. Erst um diese zeit ist der -r-plural stärker durchgedrungen. Beide flexionsarten führten zu der be- griffsschcidung, die sich bis in die neuzeit erhalten hat.

bäiinier, 'wy dy wortze vnde boumer heyßiu' Eberh. Cersue 1401, D. niinne regel (Wöber) s. 4; 'men lobit ouch dy boumir tzart Durch ire frucht vnde wolgestalt Der telgen' (zweige) 1203; 'van den wortzegartin, vortzen vnde boümeren' s. 22. Das DWb. und Kehrein § 280 führen belege aus Abraham a. St. Clara an, in dessen werken die form 'baumer' (neben 'bäume') oft begegnet, vgl. Judas (D. nat.-lit. 40) 33,25. 34,24. 63,34 u. s.

Aus Urkunden kann ich nur einen beleg aus der Wetterau (Urkdi). klüster Arnsburg no. 399 (a. 1311) beibringen, der sich den obigen aus Eberhards minneregel anschließt: '2 jugera et 1 quartale an spillinbauymeris wege'. Auf obd. gebiete ist die dialektische pluralform wenig belegt (vgl. Friedrich a. a. o. s. 71).

beiler, vereinzelte facultative -r-bildung bei grammatikern des 17. und 18. jh.'s; Molz, Beitr. 31, 357.

beiner (: bein, stn. bein), meist in der Ijedeutung 'totengebein'. 'Beiuer' in Reinbots hl. Georg 52a (nach Grimm, Gr. 1,680). 'Die bainer' Steiuhöwel im ortus sanitatis auf teutsch 1487 (Ulm), B iij nach Karg, D. spr. H. Steinhöwels, Diss. Heidelbg. 1884, s. 48. '(Er) ward nimermer recht gesundt, so hart ward er in kopff gehauen, het im grosse painer (= knocheu- stücke) herausgenomen' Widmann, Regensburger chron. (Chr. ddSt. 15) 27 (a. 1515). ' Würt noch gesehen in gemeltem getter düe schalen des kopfs sampt öttlichen beinern ' Kiechel 1585, 89, Reiseber. (LV. 86) 46. Für weitere belege aus dem 16. jh. und Abraham a St. Gl. vgl. das DWb. und Molz, Beitr. 31, 355 f.

Seit dem 15. jh. (vereinzelt früher) ist der -r-plural auch auf obd. boden, wo wir seine eigentliche heimat zu suchen haben, bezeugt. Ver- einzelt sprang er von hier aus auch auf md. gebiet über. Schriftsprachlich hat er sich bis ins 17. jh. erhalten (zumeist in der oben angegebenen bedeutung), ohne gerade häufig aufzutreten.

better (: das bett), möglicherweise ist die mit Grimm, Lexer unter bäder aufgeführte form 'beder' aus der Martina hierherzustellen. 'Do fundend sy die tisch nut mer, daruff sy gessen haftend, nach die spis [nach] kammern nach better' Morgant (LV. 189) 22. Oberdeutsch ist die plural- form im 16. jh. und später dialektisch sehr beliebt, auch Haller schrieb

106 GÜRTLER

1732 noch 'gartenbetter'. Im alera. erscheint sie zuerst; imlT.jh. griff sie auch auf die anderen gebiete über, doch ist sie im ostmd. nicht bezeugt. Vgl. Molz, Beitr.3L369f.

bilcler, 'Seht hie ir tugentbilder an' Eeinbot v. Durne, hl. Georg (Vetter) 17. 'Der heiiger dry er kouincge bilder' (Kölner) reiseber., Zs. fdph. 19,24. 'Die selten der gaistlicher Vorbilder wesen' D. teufeis netz (LY. 70) 13065. 'Den korb wolten si han verprant Ynd ouch die pilder alle sand' Neidhart Fuchs (D. nat.-lit. 11) 1782; 'si schütten die pilder nider auf die pin' 1790. 1797; aber 1785 'lat vns die pild gen hoffe tragen'. 'Auch sölt ir -n-issen das ... die stat alle vol ist meiner eitern bilder vnd wapen' Decamerou (LV. 51) 636. 'Du grussest und sagst allen pildern ... lob' Muffel, Beschreib, v. Kora (LV. 128) 21; 'güldene pild, metallen pilden' 61. 'Etlich bilder ... von ir gegunterfaitet' Wyle, Translat. (LV. 57) 330. 'Und sahen das hostlich werk von geschnitzten bildern' Gabr. Tetzel r-o 1-175, Reiseber. (LV. 7) 158. 'Vil steinen bilder' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13) 401. 'Dae inne staent weder die sulen gesatzt gar groisse bylder' Harff 1499, Pilgerfahrt 142; 'saich ich in desem tempel geyn gemeyls bylder ader aeffgoederij ' 180. 208; 'alle altair mit den beil- dcrn der heyligen' 208. 'Bilder vnd raonstrantzen' Jud. Nazarei 1521, Vom alteu u. neuen gott (Neudr. 142,143) 55.6.8; vereinzelt 'bild' 12. 'Tattend alle bilder der kilcheu' Hug, Villinger chronik (LV. 164) 103. 'Es wolten dy pilder umbgefallen sein' Widmann, Regensburger chron. (Chr. ddSt. 15) 135 (a. 1534); doch 'alle ... altiir, pild, gemeld, capteln zun pildeu' 143 (a. 1537). 'Die bilder' Weish. 14, 8, neben 'bild' 14, 16, 'der bilden' 14, 12 in Dietenbergers bibel (vor 1534), Cöln 1571, nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Ich Avil ewre bilder ausrotten' Luther 1543, bibel, 3. Mos. 26, 30; 'du machest dir mansbilder' Ez. 16, 17; gegen 'bilde' Ez. 7, 20, 'alle maus- bilde' 1. Mach. 5, 28. 35, nach Kehrein ebda. 'Ettliche bilder' Seb. Münster 1544, Cosmogr. 158, gegen dat. 'bilden' 155, Kehrein ebda. 'Ich solt alle manßbilder fliehen' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 346, 35. 386, 34; dagegen 'alle manßbildt' 372,33, 'bildt' im reim 414,9. 'Scheue wcibbilder' Zimmr. chron. (LV.) 1,312; 'wenig Weibsbildern zu vertrawen (ist)' 2, '239. 128; 'mit schönen, altfrenkisclien bildern geschnitten' 2, 578. Auch Oldecops (randd.) chronik gebraucht die form öfter. 'Für mannspersonen besonder so wohl auch für düe weybsbilderr' Kiechel 1585,89, Reiseber. (LV. 86) 66. 'Bilder' im Buch Weinsberg (ca. 1590) öfter. Molz, Beitr.31, 362f.

Die wenigen belege, die mir aus Urkunden für den plural zur Ver- fügung stehen (Meißen a. 1470, Mansfeld 1527), zeigen die alten formen. Nach jener frühen form aus Reinbots Georg zu schließen, scheint das obd. (bayr.?) das ausgangsgebiet für den -r-plural zu sein. Bis ins 14. jh. sind aber belege auch hier selten. Der rascheren entwicklung der form stand die mhd. bedeutuug des Wortes im wege. In md. ma. zeigen sich belege vereinzelt im 14. Jh., häufiger jedoch erst ende des 15. Allgemein ist der -r-plural erst ende des 16. jb.'s endgiltig auf der ganzen linie in gebrauch gekommen.

Das collectivum gebilder taucht erst im 18. jh. (Klopstock) ver- einzelt auf.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^^-PLURALE. 107

billeter, vereinzelt bei Schiller belegt.

blfttter, 'quinque foliis fimfim pletirum' (anfg-. 9. jh.) Keros Bene- dict.-regel (Hattemer, Denkm. 1, 92); 'bletir' Tatian 146, 1; 'ad pletirspabc' (a.887) Mon. boica28^72, 78 'Pletirspah'; 'scedulis püoh pl&'ir' Ahd. gl. 2, 742, 20 (10. Jh.); 'laureatus niitlörpaumespl&imm' 2, 765, 6 (10. Jh.); 'spa- tnlas pl&ir' 1,801,3 (10. Jh.); 1,550,60 (10. jh.); 'pletir' 1, 352, 18 (lO.jh.). Notker, Capella (Piper 1) 'äne durriu lorbleter' 702,15. 'Stipulas pletir' Ahd. gl. 2, 629, 28(11. Jh.); 'bieder' 2, 707, 25 (11. Jh.): 'pletir' 4, 56, 9 (11. Jh.); 'plet^'3, 588, 2 (ll..ih.); 'sperma salnhuubletir' 3, 509, 16(ll/12.jh.); 'pletir' 2, 684, 12. 1, 550, 61 (12. jh.) ; 'salbeiunbletter ' 3, 100, 39 (12. jh.); 'bletter' 3,92,29 (12. Jh.); 'pleter' 1,352,19 (12. Jh.). 3,195,6. 197,49. 531,14. 536,6. 563,63. 564,34. Tis bomes bladere sint arcedie' Marieulied. 7, 35 (Zs. fda. 10); 'want sine bladere is sine lere' 7,39 ebda. 'Der boiim mit sinen bleteru neic ...' Albr. v. Halberst., Ovid 1, 1096. 'Sebleter swebent dar inne' Gudrun 1374, 4. 'Daz er die bleter deste baz Gelerude werfen unibe' Stricker, Pfaffe Amis 238. 'Die bletter al gemaine Wareut durch- slagen silberin Und gabent wunneclichen schin' Piud. v. Ems, Wilh. v. Orlens (DTM. bd. 2) 6384. 'Mit silberpletern kile glänz Was gemachet dar an vil' Ulr. V. Lichtenst. 1534, 4. 'Die bladere' Lilie (DTM. bd. 15) 7, 29. 31. 8, 17. 9,2.4. 13,1.13 u. oft; 'van den grünen bladeren' 7,27.36. 12,26. 'Ich sage in lihte der zehen tüsent bnoche vier bleter oder sehsiu' Berti), von Eegensbnrg (Pfeiffer) 1, 5, 19; 'eteliche (böume) die habent bleter' 1, 158, 38. 'Diu bleter diu wären guldin' Pleier, 3Ielerauz 3404. 'Dürre bleter nie gerisen So balde ab einer linden' Konr. v. Würzburg, Troj. kr. 33347; 'diu bleter üz rubinen' 17578; 'er stuont der bleter also vol' 16536; 'ir bleter und ir blüete' 1146; 'bleter unde bluot' 486; 'an bleteru und au vasen' 10639; 'sin herze truoc der eren bleter' 6831; 'von bletern und von rise' 16503, Engelh. 5337. 'Mit Stengeln gruu, gebleter liljen veize' Graltempel (Zarncke, Sitzungsber. d. sächs. ges. d. wiss. 7, 5) 1, 74, 3. 'Platauus sagi ich uch algater Ist groz und hat breite blater' Bruu v. Schonebeck 5932. 'Alsus pflac er blumen lesen Oder bleter für die bluraeu' Marienlegeuden (Pfeiffer) 21,62. 'Ain olzwi mit grünen bletern' Dtsche. pred. 13. jh. (Grieshaber) 2,136. 'Uf diu bleter lise Lat ez vallen sin har' Job. v. Würzburg, Wilh. V. Österr. (DTM. bd.3) 12650. 'Bletere' Beheim 1343, Evangelieub. M. 21, 19. 24,23. 'Di veltblume hat fünf bletere üffe irme stamme' Herm. v. Fritslar (D. myst. 1) 56,2. 57,15. 'Der wint so sleit die blader' (Kölner) reiseber. (Zs. fdph. 19, 82). 'Si singent und lesent vil biicher und kerent der bletter vil har und dar' Tauler (DTM. bd.ll) 136, 6. 'Riser und gezwige, Cnoppen, bloemen, louber und blater' (: allegater) br. Hansens Marieul. (Minzloff) 3071. 'Und prechent mit ir weizzen hant Di pleter von dem stengel' Pet. Suchenwirt (Primisser) 9, 19. 'So neme man neberen biedere' Halberstadter bruchst. (Zs.fdph. 12) 155; 'bletere' 165. 168. 170. 180. 'Ton Wettern bluomeu stuonden schon' Hugo v. Montfort (LV. 143) 28,13 u. öfter. 'Furt her bletir adir krud' Eothe, Ritterspieg. 665; 'mit hörnern und cleblettirn silbern' Thür. chron. no. 335 u. öfter. 'Lilienbletter' (: vetter) Wittenweiler, Ring 15a, 3. Der -r-plural des Avortes ist schon seit ahd. zeit herrschend. Ausnahmen (Luther 1543 bibel, Kehrein 1, § 302) sind sehr selten.

108 GÜRTLER

blccher (: blech stn.), 'brateolas bleccher' Abd. gl. 2, 485, 1 (O.jb.); 'pbilacteria plecbir' (amwlet) 1,812,54 (10. Jb.); 'plecbar' Graff 3, 243- 'Diu blecber do zersprungen Uz der nagel nieten' Job. v. Würzburg, "Wilb. v.Österr. (DTM. bd. 3) 8518. 'Die blecber worent guldin Und oucb die nagele also fin' Cl. Wisse und Pbil. Colin, Parzifal (Eis. lit. denkm. 5) 315,18. 'Beyngewaut, bucbblecber" (teil der rüstung) Jak. Twinger, Straßb. cbron. (Chr. ddSt. 8. 9) 876. In Urkunden ist mir die mundartliche form, die Molz, Beitr. 31, 357 ebenfalls nur spärlich belegt, nicht begegnet, dagegen öfter 'brustbleche' Cod. dipl. Rbeno-Mosellan. 4, no. 8 (a. 1402); mit eyseu plechen' Hoffraan 1533, Bauernkrieg (Württemb. geschqu. 1, 294). Die form 'blecher' ist darnach nur auf obd. boden zuhause, wo sie schriftsprachlich bis ins IG. jh. gelegentlich begegnet.

blieker, 'die Blicker der Augen', bei Abraham a St. Clara öfter, nach Kehrein 1, § 280.

blilzer, vereinzelt im obd. (Spreng 1610, schwäb.; Molz, Beitr. 31, 359), bei Abraham öfter, z. b. Judas (D. nat.-lit. 40) 30,28.

blöclier (stn. block), 'pilohhir' Kero,Bened.-reg.45,2. 'Waz touc der Siegel äne stil, Da mau blöcher spalten wil?' Freidank (Bezzcnberger) 126, 14. 'Da von s6 brach er unde spielt Die rotte in kurzer wile, Sam der mit eime kile Zerkliiebe groziu blöcher. Schrenz unde witiu löcher Schriet er durch liebte schilte' Konr. v. Würzburg, Troj. kr. 3295811 'Das thor ... das was gantz verrigelt. Und ussen in dem see ... warend große blöker an ainander gebunden, das nieman her in für' Richental, Chron. (LV. 158) 119. 'Bischuf Eile . . . hatte auch zu Bnn ein grosse schif lassen machen ind hat dat mit blochereu bussen behangen' Kölner chron. (Chr. ddSt. 13) 104. 'Der schaifer gäbe im zu essen, darnach ctlich grosse plöcber ze spalten, die Nuto nicht mocht ze hauben, Also Masetto der ein iung starck man waz in wenig streichen die plöcher zu spalten het' Deca- meron (LV. 51) 167. 'Also gruben sy das geslass Allenthalben, über dy mass. Ez wart mit plöcbern wal durchhulczt' Beheim, Buch v. d. Wien. 121,27. 'Ich hab zu ser im Avald gehauen Und hab an nacketen plöcbern gehaben' Fastnachtssp. (LV. 29) 731. 'Nun het der künig Marchs groß ploch in den sal tragen lassen' Trist, u. Isalde, prosarom. (LV. 152) 115 im Augsburger druck von 149H; der Wormser nacbdruck r^ 1550 setzt dafür 'blöcher'. 'Und so sy die lüt gewar wurden und es clagtend, so ficngen sy sy darzü und laitends in blöcher' Oheim, Chron. von Reichenau (LV. 84) 21; an die erklärung 'l)lockhäuser', die der herausgeber im Wörterverzeichnis angibt, ist dabei nicht zu denken. 'Gost auch offt auff der gassen rancken Von einem hauß zürn andern schwancken Und falst offt über blöchr und steyn, Zerfalst den kopff, knye und schinbeyn' Wickram, Werke 5 (LV.) 137,67. 'Blocher zum beirfessergiu' Buch Weinsberg (^^ 1590) 2, 150. Vgl. Molz, Beitr. 31,354.

Im großen ganzen sind belege für das wort seit dem 15. jh. selten. Aus Urkunden hat Molz in den Beitr. einen beleg aus Speyer (a. 1350) bei- gebracht. Mir ist nur der dat. 'uf biochen geslagen' (Urkdb. Straßburg 6,561 [a.l395j) begegnet.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -A/?-PLURALE. 109

börster (borst, stn. horste), 'iaciilis porstirom' Alul. gl. 2, 331, 12 (10. Jh.). 'Wil man den igel villen, So nem man etswaz vür die hant: Sin horsten sint so scharpf erkauf Franenlob (EttmüUer), Spr. 74, 14; die Wei- marer liederhs. schreibt dafür 'purster', die Jenaer 'börster' nach MS. 3, 132. Das große mhd. wb. 1,222b verweist für weitere belege auf Lohengrin 5728 ('als eines igels borster') und den Renner. 'Förster' bei Eyb 1511, Spiegel d. Sitten 58b, Kehrein, Gr. 1, § 280.

börter (:bort, stn. Eaud, dann auch in der hedeutung 'brett', s. dort). 'Lieber bruder setz har den hären An dises Port, dann es gibts gären, Woß solche thüffe börter hat Gwüß sind gut fisch an selbiger stat' St. Meiurad 1576 (alem., LV. 69) s. 56.

Die form ist obd. (alem.-schwäb.), Jeroschin und Harff schreiben immer 'bort, borte'. 'Der kistener, der horter und bretter nimet' Urkdb. Straß- bürg 4-, 206 (14. Jh.), 'so nimet Gerspach unsern burgern ire bortere uf der Kintzigen' 5, 407 (a. 1359), 'das halbe hus mit hörttern' 5, 766 (a. 1371). '(Der vogt) sol einen vischer han, der im vf den fritag vnd den samstag vische au den bortern (= ufern) vmb vnd vmb an dem sewe" Fürstenberg, urkdb. 2, no. 399 (a. 1365).

bräter ( : brate, swm. braten), vereinzelt bei Opitz, nach Bojuuga a.a.O. s. 63.

bremer (:brem<e), swm. bremse), hei Luther belegt, Bojunga a.a.O. s. 64.

bretter, 'tabulata pritir" Ahd. gl. 1, 431, 1 (8, 9. Jh.); hierher die glosse 'esilos pre«&ir'? 3, 10, 57, Kassel, gloss. ; nach Diez, Zs. fda. 7, 399 'esilos << assicellus', frz. 'aisseau' schiudel; 'tabulata pretir' 2,650,14 (11. jh.); 'tabule bretter" 3,129,69 (12.3h.); 'asseres preter" 3, 647, 49 (12. Jh.). 'Noch volge mir, geselle friuut, uut büwe ein bretervelf Friedr. v. Sonueuburg (Ziugerle) 4, 33. 'Die hültziuen bayen (wurden) all mit brittern verschlagen' Richental, Chron. (LV.158) 119. 'Pretter' Schiltberger, Reiseber. (LV. 172) 27. 'Sy saczteu scherm preter vnd vas" Beheim, Buch v. d. Wien. 84. 'Tach- pretter' Nürnberger polizeiordnungen 300 (nach Lexer). 'Breterwäge' aus den Monum. habsburgica belegt Lexer 1,351. 'Vil bwholzer und breder und bort, damit man ein notmuren machen kau' Wormser memorial, ende des 15. jh.'s (Quellen zur gesch. der Stadt AVorms 3, 361, 19). 'Du solt auch bretter machen' Luther 1543, bibel 2. Mos. 26, 15: dagegen 26,26 'zu den hreten' nach Kehreiu, Gr. 1, §301. 'Das portal von lauterm holz und pritterwerk gemacht" Zimmr. chrou. (LV.) 3, 258; 'mit britter' 1,310; 'die badtstuben ... underschlagen mit brettern' 4,110; in der lautgestalt 'britter' begegnet der plural im 15,16. jh. im schwäbischen immer, vgl. auch Hoffman 1533, Bauernkrieg (Württemb. geschqu. 1) 'etlich bryter gittersweise über ainander geschrenkt' 292.

Das wort bildet schon seit ahd. zeit regelmäßig -r- plural. Aus- nahmen hat Molz, Beitr. 31,332 fast nur fürs ostmd. nachgewiesen (im Schwab. Decameron 'spilhrette' vereinzelt); mir ist die form 'brett' nur bei Jeroschin, also fürs gleiche gebiet, begegnet.

brettern, swv. (aus brettern machen) in Tuchers baumeisterbuch (1464/75) 234,14. 303,26 nach Lexer. 'Nur ain hrittere wandt zwischen

110 GÜRTLER

inen war' Zimmr. chron. (LV.) 3,73; 'von wegen der britterueu wandt' 4,110; 'fiel ... ab ainer britternen biniu ... herab" 3,477; vgl. 'bretter'.

brücher (:brii<o)eb, stu. morast, brach), '(es) täte vaste schadin an dem getreyde, sunder wening au luten, wend sie sich hattin vorsloftin in dy brucher, weide und heyue' Job. v. Posilge oo 1430, Preuß. chron. (Script, rer. Pruss. 3, 228). ' Die uff der walstatt . . . und do unibe langk in den Avelden und brüchern tot blieben' Job. Lindau, Dauzig. chron. f>^ 1480, ebda. 4, 594; 'die in die brucher und ferne in die weide und streucher woren vorlouffeu' 594. Jeroschin hat dagegen nur niciit erweiterte formen.

In Urkunden ist mir der -r-plural ebenfalls nur im nordosten be- gegnet: 'czwisschen den VII milen sint IV brucher, eins hadt czwe seel' (Wegbericht von Insterburg nach Marienwerder, a. 1384), Script, rer. Pruss. 2.683, neben 'bruche'; 'do sint ij böse brucher iczlichis einis seilis lank' ebda. 2,689.690 (a. 1384), 'do czwisschen müs man czwe brücher bruckin' 2, 697 (a. 1384) und sonst vereinzelt. Für Schlesien kann ich nur die form 'bruche" belegen (Cod. dipl. Siles. 4,302 [a.l411]).

büchcr, 'Daz die vrouwe wol geborn "Was der buocher wise' Ebern. V.Erfurt, Heinr. u. Kunig. (ß. ges. nat.-lit. 39) 3337. 'So niöhte doch diu werlt so vil büecher niht behalten von ertriche unz an daz firmament' Bertli. V. Regensburg 1, 372, 14; 'daz stet in her Moyses büechern" 2, 117, 13 (dagegen bloße zählformel iu 'zehen tüsent buoche' 1,5,19 u. öfter). 'Als ich is an de buchereu las' Passional 1. u. 2. buch (Hahn) 5, 14 u. öfter. 'Er Avas der puecher wol gelertf Heinr. v. Neustadt (DTM. bd. 7) Apollon.409; 'der pucher was er Aveyse" 2627; 'ich hab so hoche pucher gelesen " 16648; 'daz hör ich in den püchereu lesen' 6202; 'wer gute bucher dichten wil' Visio Philib. 1; daneben aber öfter 'buch': 'dez boren wir die buch zelu' Gottes zi;k.6039; 'hastu püch j-e gelesen' ApoUon. 16663, 'püchen' (: suchen) ebda. '20605. 'Und truogen an dem zil Mit in der büecher vil' Üsterr. reim- chron. (MG., DChr. 5) 91366. 'Di böchir pflegin tichtiu" Nicol. v. Jeroschin, Chron. (Pfeiffer) 253. 'Büchere' Beheim 1313, Evaugelienbuch. 'Dö sint ganze bucher voue geschribcn" Herrn, v. Fritslar (D. myst. 1) 76, 22; 'do braute man vil siner bucher' 104, 19. 40; Herödes was ein beiden und en- wiste nit von der Juden buchereu 50, 6; 'wie getrüweliche her (Augustinus) geerbeitet habe in der schrift daz merkit bi sfnen buchern. Virzehen hun- dert hat her gemachit äue kleine buchelin; von der heiligen drivaldikeit hat her gemachit funfzeheu bucher" 185, 30if. ; immer 'bucher". '"\Vau ez sint dy orteil bucher' (: Avucher) Dalimil, Chron. von Böhmen 11, 10. 'Mau bereitete in in kurzer zit Ros, büecher und gewant' mhd. studentenabent. (Palaestra 67) 99. 'Der ärzt püecher" Megenberg 35, 14. 'Dy buchir' Ho- milie (Rückert 1878, Entwurf ein. syst, darst. d. schles. ma.) 119. 'Stro mau in die bücher leit" Ged. d. Köu. v. Odenwald (Schröder) 5,173. 'Si singent und lesent vil bücher und kerent der bletter vil bar und dar' Tauler (DTM. bd. 11) 136,6 ('alle buch' 81,19). 'Eil tüscher bücher hat sy gefrümet' Elsbeth Stagel, Leb. d. schwest. zu Töß (DTM. bd. 6) 45,30, gegen 30,26 'zway grosse buch". 'Do von so sprichit Macrobius In sinir buchir eime sus' md. Schachbuch, Zs. fda. 16, 192, 5. 'Vil lobelicher bucher' Closeuer, ötrußb. chrou. (Chr. ddSt. 8) 26. 'Iu breuiatur pucher" Älteste

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Statuten ü. bistums Trieut, hs. von 1363 (Arcli. f. k. österr. gescbqu. 2G), no. 58; 'in den acht brifen oder bncbereu' 126. 'Dar inn sol sin kein muß, Die in die bücher nag' Herrn, v. Sacbsenheim, Gold, tempel 601; im reim aber 'buochen' 732. 'Die boicber waren ir wail bekant' Kather. pass. (Schade, Geistl. ged. d. Niederrb.) 51. 'Chamer- und steur-puecher" Kaz- mairs Denkschr. (München 1397, Clir. ddSt. 15, 465). 'Bücher' Twinger, Straß- burg, ehren, (ebd. 8. 9) 529.536; 'buchern' 537.729; nie anders. 'Was die püeclier der altväter sagen' Viutler, Blum. d. tug. 144. 1576. 2680. 9473; 'lospiiechern" 7757; 'puecben" im reim 123. 'Do wurdent ver- brennt maister Domiuicus de Lande bücher' Eichental, Chron. (LV. 158) 144. 'Geschriben nach den püechern alt" ^Yolkenstein (Schatz *) 118, 406. 'Bucher' Eothe, Thür. chron., no. 173. 174. 207. 208. 213. 235 u. oft; 'buchir' 155, 'messebuchir" 564, 'j-n yren rechtbuchern' 134; auch im Ritterspiegel herrscht die form durchweg: 'also di aldin buchir uz richtiu" 678. 379. 858. 2587; 'kan her der buchir nicht gelesin' 397. 'Pücher' Meist. Ingold, Gold, spiel 24, 8. 24,16. 31,20: 'in den reehtpiicbern ' 19,14. 'Wie vil bücher si band gelarf D. teufeis netz (LV. 70) 5533. 9998; 'si hands aber nit in den bücher (I) gelert' 5314. 'Da von man in den puchern lisf Egerer fronleichnamssp. (LV. 156) i960. 1946 u. öfter. In den Mainzer Chronikaufzeichnungen (C^hr. ddSt. 17) erscheint die form 'buch" 145 (a. 1444) nur vereinzelt neben 'bucher(e), rechenbucher(e>, fridebucher(e)'. 'Doch lasse wir sten daz ire kamern mer vol mit gutem confecte vnd gewürcze sein dann mit pettbücheru, sy haben mer schateln vnd püchsen vol guter latvverge dan vol mit predigbüchern' Decameron (LV. 51) 419. 'Do begert er, dise bücher zu haben" Buch d. beisp. (LV. 56) 8; 'in den büchern der wysen' 75; 'die sprachen, das sy solich anzöugung in jren büchern ouch fündeu' 7. 'AuJ3 vil alten puchern' Nürnberg, jahrb. (Chr. ddSt. 10) 147. 197. 'Dise fabel haben vil der hochgelerten maister nit wellen in iere bücher seczen" Steiuhöwel, Äsop (LV. 117) 152. 'Und wan ich ... der buochern (!) wol gelert was" Volksbücher ^ 1474 (LV. 185) 196; 'in etlichen buochern" 109. 'Der hat der bücher vil gelesen' Wittenweiler, Ring 22b, 16. 51a, 29. 'Andere tütsche bücher" Wyle, Translat. (LV.57) 314; 'der historien bücher' 109; 'in sineu büchern' 121; 'alda magst du büchertext vnd glosan bede ... lesen' 312; 'so er vil gesecheu gelesen vnnd gelernt hat mannigfaltig Schriften der büchern' 207. 'Si jeheu, das sies nie haben gelesen Noch finden geschriben in den püechern. Wo man das crewtz sol suochen" Fast- nachtssp. (LV. 46) 72, also mit Zerstörung des ursprünglichen reimsl 'Die boicber' Koelhoff 1499, Kölner chronik (Chr. ddSt. 13) 417; (gen.) 'boicber' 383; dat. immer 'boichen' 414. 456 u. s. 'Büecher' 57, ' schwartzkunst- büecher" 299, Morgant (LV. 189). Bei Oldecop (mndd. chronik) überwiegen die erweiterten pluralformen schwach; in der ersten hälfte der chronik ist das Verhältnis von 'boker : boke' = 7:5.

Der große anteil md. ma. an den aufgeführten -r-bildungen läßt sich auch aus den Urkunden erweisen: 'buchere' Urkdb. Frankfurt 2, 226 (a. 1326), 'myn bete bucher' Hess. urkd. (Baur) 1, 474 (a. 1380), ' mit büchern ' Urkdb. Worms 2, no. 966 (a. 1392); 'buchere' Urkdb. Jena 1, no. 321 (a. 1365), 'buchern" Cod. dipl. Sason. reg. I abt. B, 1,257 (a. 1390), 112,347 (a.l409),

112 GÜRTLBR

nur einmal ist mir der dat. 'buchen' begegnet Urkdb. Erfurt 2, uo. 908, (a. 1385): 'in ewern statbuchern" Urkdb. Saaz (Städte- u. urkdb. a. Böhmen 2), no. 303 (a. 1407). Obd. kommen ausnahmen in Urkunden kaum vor: 'mit sinen rodel und bücher (!)" Urkdb. St. Galleu 4 1046 (a. 1306, anhang), 'vil bucher' Urkdb. Straßburg 4-, 163 (a. 1322) u. a. Immei'hiu ist der -r-plural schriftsprachlich hier im 14. und 15. jh. noch nicht alleinherrschend, vgl. Vintler 'puechen' im reim; 'les eins die buoch, die gschriebeu sind Vor maugeu hundert jareu' Hugo v. Montfort (LV. 143) 24,125, 'du hast gar guoti buoch gelesen' 29,91, 'buochen' 15,63; 'ez ist war, oder di püch müßen liegen" Erlauer spiele (Kummer) 2, 104. Die alten formen begegnen auch noch öfter in md. gebiet: 'er nam alle buech" Muskatblut (Groote), versch. lieder 75, 71; Koseublüt 'puechen" im reim (LV. 30)1118; Koelhoff u. a. Der endgiltige sieg der -r-bildung -wird fürs obd. gegen ende des 15. jh.'s, für md. ma. etwas später anzusetzen sein, sonst müßte der -r-plural im mudd. (Oidecop) schon größere fortschritte gemacht haben.

büsclier, vereinzelte pluralbildung: 'daß die püscher sanffter brausen' Fleming (r^ 1640), Poemata 361, nach Kehrein, Gr. 1, §280, dat. 'püschen" 427; Avie 'gefilder : f eider' bildet Fleming auch zu diesem wort einen collectivplural 'gepüscher" (: frischer) 75, also unter dem eiufluß des reims, dat. 'gepüschen" 99. 'Zwey zwintzige büscherle haar' Abraham, Judas (D. nat.-lit.40) 106,32. Im 18. jh. -r-plural bei Hempel (1754) belegt.

clierer, 'deapis picherir" Ahd. gl. 3, 11, 43 («^ 800, Kass. gl.), 'pi- cherir' nach Diez, Zs. fda. 7, 401 ' bieuenkörbe". 'Coucas cherer" Ahd. gl. 1, 465, 16 (12. Jh.). 'Gib uns volle kar" (: dar) Liederb. d. Gl. Hätzlerin 1, 91, 181.

capauner, 'zehen cap.' Abraham a St. Ci., Kehreiu, Gr. 1, § 280.

eoiuplimenter, vereinzelt bei Hempel (1754) neben 'complimente'.

(lädier, 'Ir glänzen decher wunneclich Mit golde siut gar über- leit' Troj. krieg 21230. 'Sweune div tächir Iriefent" Hugo v. Laugensteiu, Martina 131, 109. 'ler sehent och wol. so der winter hin ist. de der su§ ab den dechern fliuzet un smilzet' Dtsche. pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 2, 4. 'Daz sult ir bredigen hi vor l'f den dechern allermeist' Job. v. Frankenst., Kreuziger 4653. 'Üf den decheren' (neben 'dachen" L. 12, 3) Beheim 1343, Evangelienb. M. 10, 27. 'Auf dächer und auf stiegen ' Pet. Suchenwirt (Pri- raisser) 20,42. 'Über alle decher" Script, rer. Pruss. 4,132. 'Ich gieng iu der nacht by vollem mouschin vnd stjg vff die techer der hüser, darjnn ich mich rychtumbs versach, vnd nam war der tagfcnster durch die techer' Buchd. beisp. (LV. 56) 13. 'Sand Agnesen cappellen stet iu dem grossen platz, der mit steinen dechern ist" Muffel, Beschreib, von Kom (LV. 128) 59. 'Nu het dy stat uil schindel tach Dy waren dürr alz ein zaunspach, Dar zu waz offt der wint vil gross, Daz er mit lautem saus ertoss In dy stat durch dy techer' (: frecher) Beheim, Buch v. d. Wien. 100, 7 fi". ; 'das der sehne auff den techern was ' 101, 14. ' Und zoch sich in die hüser zuo den lüten, daz iere wonung under den techern sicherer wäre' Steinhöwel, Äsop (LV. 117) 106. 250. 'In den hütten vnd vuder den fächern der armen' Wyle, Translat. (LV. 57) 96. 'Tet der betler ouch under die negsten techer Hieben' Tanger, Facet. (LV. 118) 79. 'Unter den dechern' (: sprechen!) Fastnachtssp. (LV. 28) 102. ' Dat gemeyne volck sleyfi't oeueu off den

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dechereu' Harff 1499, Pilgerfahrt 94. 'Decbere' Koiir. Stolle oo 1500, Erfurt, chron. (LV.32) 170. 'An den techern' Eng, Villinger chron. (LV. 164) 67. '(Der wind) tett merckhlichen schaden au techern' Widniann, Regenshurger chron. (Chr. ddSt. 15) 215 (a. 1552). 'Allte strodächer" Lindeuer 1558, Katzi- pori (LV. 163) 62, Molz, Beitr. 31, 329.

Seit dem 14. jh. mehren sich die belege auch in der urkimdenliteratur: 'grempdecher' Urkdb. Straßburg 4 ^ 161 (a. 1322); 'was holzes si zu ir zimbre oder ze ir tächern bedürfen' Urkdb. abtei St. Gallen 3, 499 (a. 1334). 'So sollen si uns auch ziegel zu den dachern geben' Kiederösterr. urkdb. (St. Polten) 2, no. 708 (a. 1377). 'An summerloben, an tächern, an gädmern' Urkdb. Rottweil no. 1071 (a. 1443). 'An decheru, muren' Urkdb. kloster Arnstein (Lahn) no. 90 (a. 1339); dagegen findet sich noch 1460 'an Avenden muren vnd dechen", Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no.280. Die -r-bildung ist im 15. jh. allgemein durchgedrungen.

därnier ( : darm, stm. darm), 'därmer und geschling von allerlei rindvieh" Euoch Widmann 1592, Chronik d. Stadt Hof (HohenzoU. forschgn. 2) 398. 'Die gedärmer' bei Spee, Grimmeishausen, nach Kehrein, Gr. 1, § 301. Nach den angaben bei Molz, Beitr. 27, 255. 31,360, der belege aus Luther, Opitz, Gueintz, Girbert, Steinbach und Hernpel beibringt, handelt es sich hier um eine speciell dem md. eigentümliche dialektische pluralbildung, die sich über das ganze md. gebiet erstreckt haben muß.

däiiscr ( : daus, mhd. 'düs, tus n. äuge im Würfelspiel); -r-bildungen des plurals belegt Molz, Beitr. 31, 332 aus grammatikern des 17.jh.'s, doch wird es sich nur um dialektische formen handeln. Schriftsprachlich sind solche für das alte lehnwort (afrz. 'doues') nicht bezeugt.

diebesklüfter, bei Schiller nach Pfleiderer, Beitr. 28, 339.

dielier (: dich, stn. Oberschenkel), nach dem großen mhd. wb. eine stelle in Konrads Troj. krieg, die ich nicht vergleichen konnte. 'Langer lip, daz mittel teil was groz, Der dieher gesach ich nie irn genoz' M. Alt- swert (LV. 21) 12-, 28. 'Den (hirz) erilte er unde eutbast in reht Und gap den hunden ir teil, seht. Mit im fuorte nüt me der man, Wände siten und dieher dan" Cl. Wisse u. Ph. Colin, Parzifal (Eis. lit.-denkm. 5) 235, 14. 'Wem der dieher paiu her für pauzelnt, daz bedeut kueuhait' Megeuberg 49,4. ' Haben sy (die kränch) dann eyn beyn als wie mügen sy dann zwey diecher haben' Decamerou (LV. 51) 389; 'in disen worten die hunde die frawen pey iren diechern namen' 360. Außerdem eine stelle bei Mynsinger 1450, V. d. pferden 3. Der -r-plural ist speciell obd. bilduug. Molz, Beitr. 31, 354. Nach dem 15. jh. ist er nicht mehr belegt.

dinger, ein beleg in Kellers altdeutschen gedichteu (1846) 175, 9 nach Lexer (s.v.); urkundliche belege aus den Monum. Zolleraua 1,247 (a. 1303) und aus Böhmen (Goldeukron a. 1337) ebda. 'Als ez der nätür der diuger eben kümt' Megeuberg 82, 27, wo wir dinge erwarten würden. 'Das f vmft capitel ist ein betrachtunge der dinger dye dy selige iunckfraw Maria layd an dem guten freitag' Traktat d. hl. Paphnut. (Rückert 1878, Entwurf ein. System, darst. d. schles. ma.) 8; 'so sölde sy yo got . . . vber alle diuck lieb haben vnd ander dinger nicht achten" 83; sonst 'dinck, dingen' 61. 71. 75. 'Und sy gewönne zo gros begerung ledige czu sein der czeitlichen

Beiträge: zur geschichte der deuUcheE spräche, XXXVIII. g

114 GÜRTLER

dinger und ir czu entpern' Joh. Marien werder, Leb. d. hl. Dorothea (Script, rer. Pruss. 2, 255). 'Ainr hiess kristaff pemuinger, Der hart auch dise dinger, Daz man etlich geuangen het' Beheini, Buch v. d. AVien. 109, 22. 'Sie sprach nun muß dein walten Der halben dinger gewalt' Fastuachtssp. (LV. 30) 1387. 'Diuger' ( : vinger) im heldenbuch (oo l-i72), Laurin 75 (nach Grimm, Gr. 1, G80). 'Die frawen tragen ser seltsam gebäud auf, etlich ge- macht als die pfiiferling, etlich au der stirn als die mansdiuger, etlich als die flachen schüssel' Gabr. Tetzel <^ li75, Reiseber. (LY. 7) 1G6. 'Der glaub ist der dinger die sich nit ertzaigen' Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. Sitten 5a, 'du solt nichts deiner dinger loben' Sa, nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Oben an die beume hatten sie dinger gebunden, Sippo genannt, wachsen wie hoppen bremen ' Staden 1556, Reiseber. (LV. 47) 104; 'bunden mir an ein btin etliche dinger an einer schnüren' 128; 'derselben wilden weiber machen dinger von baumwollen garu, wie ein sack unten und oben offen, die ziehen sie an' 170; 'dinger die sie an die obren hencken' 183; 'sie schlaffen inn dingern ... sein von baumwollen garn gemacht" 173; 'sie sagten mir offtmals, wie die dinger sprechen. Wie ich nun in die hütte kam, da die Weissager inne waren, welche die dinger solten sprechen macheu, musten sie sich alle nidersetzen' 184; 'da sagte ich, die dinger (= götzen- bilder) haben keine macht' 128; man sielit aus diesen belegen bei Staden, die ich absichtlich ihrem ganzen Wortlaute nach hierher gesetzt habe, daß die Unsitte, gegen die Wustmann (3. aufl. s. 21) ankämpft, schon Vergangen- heit hat. 'Obgesagtcr und noch vil trefflicher dinger' Federmann 1557, Reiseber. (LY. 47) 52.

Überraschend früh tritt der -r-plural des wortes schon auf der ganzen linie auf, doch konnte er sich nirgends vor ende des 16. jh.'s durchsetzen. Eine bedeutungsuüancierung dieser bildung gegenüber den regelmäßigen flexionsformen im verächtlichen sinne des wortes läßt sich an der band der ältesten belege nicht feststellen; sie bildete sich erst später heraus. Ygl. für weitere beispiele Molz, Beitr. 31, 332 f.

döchter, der -r-plural neben 'dachte' in Steinbachs Wörterbuch, nach Molz, Beitr. 27, 221.

dörfer, 'in den dorfon' Williram, Paraphr. 126, 2. 'In dorfern' Spiegel deutscher leute (Ficker) 39. 80c. 167. 192. 317 d; 'vil durfer' Lehn- recht, ebda. 179. 193. 228. 'Huobe dörfer unde laut' Die Warnung (Zs. fda. 1) 2214. 'Man roubt diu laut naht unde tac; da von vil dörffer wücste lac' Dir. V. Lichtensteiu 1677, 8. 'Kirchen, strazcn, dörfer' MS. 2, 361. 'In wer gewalt get niht hoeher danne in die stete und diu dörfer' Berth. v. Regens- burg 1,305,11; 'in steten und in dörfern' 2,91,36. 'So die von Troye denne sehent, Daz man ir dörfer stoeret ...' Konr. v. Würzburg, Troj. kr. 11763; 'swaz man da dörfer inne vant. Da wurden fiur gestozen au' 11896; 'si stozent miniu dörfer an Vil harte schedeliches viur' Partonop. 3400; 'bürge, dörfer unde laut' 7044; 'er brach ir dörfer unde stete Mit schede- lichen reisen' Schwanritter (Roth) 36. 'Des warn si vrö und wol gemuot Und lihen in dorf er unde leben' Jansen Enikel, Fürstenbuch 1861 ; 'sam der herzog Liupolt tet Beide in dorfern und in stet' ebda. 2060. 'In dem lande uiuwen Sach man vaste biuweu Von mauger bände liuten, Dörfer stiften,

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acker liuteu' ülr. v. Escheiibacb, Alex. 26121. 'Bürge, dürfer und stete' Reimer 4371; 'in steten, iu dörfern, iu bürgen, in gazzen' 8269. 10282. 18116. 21825. 22108. Im Habsburg -österr. urbarbuch (1303—1311, LV. 19) begegnet nur die form 'dörfer, dörfern' 13. 15. 19. 23. 30 u.s.w. 'Stet, purg und dorffer vol' Heinr. v. Neustadt, Apollon. (DTM. bd. 7) 4337; 'öde dorffer man vant' 9007; 'was in dorfferen und in velden Oder Ava es zu schaden was gewesen. Das man iu Hesse genesen' 3839. 'Durch groziu dörfer und durch stete' br. Philipp, Marienleb. 3132; 'daz si ze den dörfern loufen' 5858. 'Bruochüser, sloz und dörfer genuog' Cl. Wisse u. Phil. Colin, Parz. (Eis. lit. denkm. 5), Prol. 427; 'durch die dörfer iu daz laut' 153,37; 'ez wer in dörferen oder in stette' 154,34. 'Swer stete, bürge oder dörfer büwen wil' Konr. v. Ämmenhausen, Schachbuch 18232; gegen 'dorfen' 5432. 5435. 'Daz si gen in di nehstin dorfere' Beheim 1343, Evangelienb. Mr. 6,36 (L. 9, 12 'di dorf). 'Stete vnd gute dorfer' Dalimil, Chrou. v. Böhmen 202,34. 222,14. 'Lude, die up den dorpern wonent' (Kölner) Ptcisebericht, Zs. fdph. 19, 34; 'nyat in steden noch in dorpern' 35. Nach Perrj', Die spräche d. spätmhd. ged. 'Karl d. gr. u. d. schott. Heil.', diss. Marburg 1892, s. 44, ' dorffer ' 2190 im versinnern. ' Lüg ist in dörfern und üf bürgen ' Meister- lieder, Kolmarer hs. (LV. 68) 437,15. 'In den dorfieren' Älteste Statuten d. bistums Trient, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 120; 'die menschen der vorgenant dorffern (!) oder pfarren' 10; 'seiner vesten, bürgen oder dorffern vnd steten' 2. 'Stette und dörfer' Tvvinger, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 8. 9) 415. 846. 847. 862; 'andere dörfere' 662. 700. 819. 842. 'Dorffer und stet' Richeutal, Chron. (LV. 158) 19; 'zu dörffern und stetten' 23 u. öfter. '(Er) las die weyne abe umbe drei dorffer unde braute die dorff dor noch uss' Rothe, Thür. chron. uo. 793: 'vorbrante yre dorffir' 489; 'die laudt waren vol dorffer unde vol volkes' 185; 'yu allen dorffirn unde Blossen' 687; daneben aber öfter 'dorff': 'lief nacket vor die dorff' 596; 'buweten den ackir unde yre dorff wedir' 614. 621. 622. 707. 751 u.a. 'Stet und vil döröer' Schiltberger, Reiseb. (LV. 172) 80. 'Stete noch dorfyr' Alt. hochmeisterchron. (f-o 1440; Script, rer. Pruss. 3) 549; 'singen us wol X dorf er' 577. 'So hands hoff und dorffer verbrant' D. teuf eis netz (LV.70) 8315. 9899. 'Dorch dy laut, dorfer, markte und stete' Job. Marienwerder, Leb. d. hlg. Dorothea (Script, rer. Pruss. 2, 243). 'Auf ire dorffer zu farn' Decameron (LV. 51) 364; 'in den elenden dörffern vnd in den f eidern' 7. 'Hüser, dörfer, äcker, garten, wisam, matten' Wyle, Translat. (LV. 57) 68. 'In acker, in wische, in dorper efte in mollen' Des dodes danz (Lübecker druck 1489) 722 (LV. 127). 'Etzliche slosse ind dorper' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13. 14) 905 ('dorpe' 812); 'der dorper, der sloesser' (gen.) 677; 'mit steden ind dorperen' 377. 'An allen steden dorffer ind Order' Harff 1499, Pilgerfahrt 95. Oldecops (mndd.) chronik weist neben vereinzelten formen 'dorper(e>' 73,25. 98,3. 170,17. 326,35, 'von sloten und dorpern' 162, 3, meist noch die nicht erweiterte pluralform auf: 'flecken und dorpe' 29,8. 84,26. 256,11. 290,16. 297,12, 'dorpen' 98,11. 207, 10. 264, 5 u. oft. Vgl. Molz, Beitr. 31, 333.

Deutlicher läßt sich die entwicklung der pluralform an der band der Urkunden verfolgen. Den weitaus frühesten beleg (erste hälfte des9.jh.'s)

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liefert hier fürs bayr. das traditionsbucli £ozrohs (= Die tradit. d. lioch- stifts Freising I, hsg. Bitterauf): 'hereditateiu reliquerunt in loco nuncupaiite dorfin' no. 62 (a. 773), während in der Überschrift zu der Urkunde (von Coz- rohs band) 'dorfir' steht. Aus späterer zeit stehen mir im bayr. erst belege aus dem ende des 13. jh.'s zur Verfügung; etwas früher fürs alem. und Schwab.: 'der dorfer deheinz' ürkdb. Straßburg 1, 395 (a. 1263), 'dorfern' 2,159 (a. 1296); 'was dörffer ich oder min bruder jetzt inhand' Frei bürg 1, 223 (a. 1318) u. später; 'die dörfer und lüt und guter' Abtei St. Gallen 4, 46 (a. 1363); 'dörfer' Fürstenberg, urkdb. 2, no. 147 (a. 1326) u. sp. Ausnahmen nach der a-flexion kommen auf obd. gebiet kaum vor: 'dieselben dorff' Ur- kdb. Rottweil no. 855 (a. 1420) neben 'dörffern' in derselben Urkunde; vgl. dazu Wolfgang Kirschenesser ca. 1525 Urgicht (Württemb. geschqu. 1, 357) 'in der nacht weren die pawrn ... in die dorff gefallen.' Auch sonst sind nicht erweiterte formen auf obd. gebiet Seltenheiten; ich füge noch einige belege aus der literatur ein: 'üf elliu büs, in elliu dorf und ouch in alle stete' Friedr. V. Sonnenburg (Zingerle) 4,25; 'er wolt och wizzen vz ge- lesen Wie vil der dörfen mohte wesen' Hugo v.Laugensteiu, Martina 255,32; Konr. V. Ammenbausen (vgl. oben). Viel häufiger begegnet der alte a-plural dagegen in Urkunden, die aus md. Sprachgebiet stammen, und zwar reicht er hier z. t. noch ins 16. Jh., und nicht nur im dat. Den belegen, die Molz fürs ostmd. beigebracht hat, füge ich hinzu: 'in dorfin' (neben 'dorfirn') Urkdb. Arnstadt 61 (a. 1332), 'in dorfen oder in velde' 100 (a. 1354); 'die kirchleen derdorffe' Erfurt 2, no. 176 (a. 1338). 599 (a. 1366), 'dorfin' ebda., 'dy vorbeuanten vesten, dorf und die andir gutere' 907 (a. 1385); 'unsen guderen unde dorpeu' Wernigerode 141 (a. 1407); 'vylen in czwey dorff eyn' Cod. dipl. Saxon. reg. I abt.B, 3, 415 (a. 1418); 'an velden, an dorppen' Klost. lisenburg 257 (a. 1451). 260 (a. 1452). Fürs westmd.: 'in den dorfen, der zweier dorfe' Urkdb. Frankfurt 2, no. 232 (a. 1323), 'in dorfin, in feldin' Kloster Arnsburg no. 877 (a. 1360); in den Hess. Urkunden (bei Baur) kommt der dat. 'dorffen' bis 1481 öfter vor ('jnn annderu dorffen' 4,225 [a. 1477]. 239 [a. 1481]); 'die dorffe, die off der syten lieut' Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no. 193 (a. 1442), 'vs denselben dorffen' (neben 'dorft'ern') ebda.; 'in den dorffen' Boppard, anfang des 15. jh.'s (Weistümer d. Rheiuprov., Piiblicat. d. ges. f. rheiu. geschqu. 18) 22, 4, 'zwey dorf oder drey dorf ebda. 48, 39 (an- fang des 16. jh.'s). Aus der literatur füge ich diesen belegen hinzu: Elke, Sachsenspiegel (Weiske- Hildebrand') 'üz drin dorfen' 1,55,2; 'üf dem Wege her niht entvant Wen deine dorf und keine stete' Berth. v. Holle, Demantin 6435; Beheim s. oben; '(wir) kommen erst von den dorfen herein' Fastuachtssp. (LV. 28) 350; im reim 380. 384; 'vil stete vnd dorff darzu' Konr. Stolle, Erfurt, chron. (LV. 32) 92; Luther; im 17. jh. noch gelegentlich im reim bei Andrea, Kehrein, Gr. 1, § 299. Trotz dieser langen reihe alter- tümlicher formen darf es den unten folgenden angaben zufolge als aus- gemacht gelten, daß der -r-plural in md. gebiet auf der ganzen linie schon um die mitte des 14. jh.'s die obermacht errang. Im ostmd. kann ich ihn nachweisen: Urkdb. klöster grafschaft Mansfeld 435 'yn hoffen, dorfern und feldern' (a. 1302), 'dorff'ern' 51 (a. 1395); Arnstadt seit 1332; Mühlbausen seit 1332; Erfurt seit 1324 in der mehrzahl der fälle; Jena seit 1360;

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^Ä-PLURALE. 117

Meißea seit 1378 ii.s.w.; im westmcl.: am Niederrheiu (Lacomblet) seit 1317 ('an den dorperen' 3, 131. 202 [a. 1330] u.a.m.); rheinfränk. für Worms seit 1322 (immer so), Kloster Arnsburg seit 1343 (überwiegend), in liess. Ur- kunden (Baur) seit 1341; moselfränk. seit 1352 (überwiegend).

Wir haben es bei dem worte mit einer allem anschein nach vom obd. (bayr.) ausgehenden -r-bildung zu tun, die sich schon in mhd. zeit in den übrigen ma. festsetzte. Je weiter die belege nach norden weisen, um so häufiger sind die alten formen neben der neubildung. Der sieg des -r-plurals wird für das ganze gebiet etwa ins 14/15. jh. zu verlegen sein.

dörner, meine belegsammlungeu für diese pluralform gehen nicht weit über Kehreins Zusammenstellungen Gr. 1, § 280 zurück, weswegen ich die dort verzeichneten belege hier kurz noch einmal zusammenstelle: 'dorner' neben dat. 'dornen' Albr. v. Ej'b; 'disteln vnd dorner' Agricola 1536; 'et- lich fielen vnder die dorner' Dietenberger (vor 1534), Bibel, neben 'dornen'; 'dorner, dornen' Aventin (vor 1584), Chronik; 'du stehst auff dornern' H. Sachs. Schon die erste bibelausgabe r^ 1466 (LV.) hat Matth. 13, 7 gleichlautend mit Kehreins sog. 4. Übersetzung ' die andern vielen vnder die dörner vnd die dorn wüchsen'. '(Sie) stecken auch scharffe dörner umb die hütten her' Staden 1556, Reiseber. (LV. 47) 171; 'sie vergraben auch spitze dörner' 187; 'hagenputten, so auff den dörnern wachsen' 194. Spee schreibt gelegentlich 'dörner' neben 'dornen', auch Rist hat die dat. 'dornern' und 'dornen' nebeneinander (Kehrein). Eine menge weiterer belege bei Molz, Beitr. 27, 319. 31, 360. Darnach wäre der -r-plural des Wortes etwa ende des 16. jh.'s durchgedrungen; im 15. jh. beschränkt er sich noch aufs alem. und ostfränk.

Das wort hat im frühnhd. eine lange entwicklungsgeschichte durch- gemacht, bis es sich endlich für die -r-bilduug entschied. Der gang dieser ent Wicklung ist von Molz in den umrissen angedeutet (e-, i-, -er-plural; n-plural). Zu untersuchen wäre jedoch hierbei noch, ob und wie der be- deutungswandel des Wortes auf die pluralflexion bestimmend eingewirkt hat. Das belegmaterial bei Molz gibt leider hierfür keinen aufschluß, auch die wenigen belege im DWb. ermöglichen keine bestimmten feststellungen. Zuerst scheint die neubildung in der übertragenen bedeutung des wortes ('dorngebüsch') aufzutreten; die aulehnung an 'läuber, blätter' wäre in diesem falle augenscheinlich. In der ursprünglichen bedeutung (' Stachel, scharfe spitze') ist der -r-plural nach dem DWb. erst seit dem 16. jh. belegt. Auch die Wirkung des genuswechsels auf die pluralflexion wäre noch ge- nauer zu bestimmen.

drieseher ( : driesch stm. n., unangebautes, brachliegendes stück land), 'auch sal der amptmann des stifftes dy probeste ane wisen, da in ire gulde feilet, unde sal sij nit myt drischer bezalen unde sal dy herren na wisen' Urkunde Tilemann Elhens (MG., DClir. 4, 1) 123, 29. Die Wörter- bücher führen für das wort sonst nur a-plur. an.

eier, 'oua egir' Ahd.gl. 1, 615, 1 (8/9.jh.); 'eigir' 3, 449, 13 (9. Jh.); 'euer' 2,701,17 (11. jh.) 'Tue muddi eiero' Freckenhorst. Heber. 7. 122. 225. 360. 425 (Heyne, Klein, altndd. denkm.). 'Dei aier dei si sol oz nichen' Genes, u. Exodus 68,5. 'Ich pin rechte alsam staete sam uor der wintsprüt

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daz mel, oder sam uor dem isen ist daz eigeruel' Heiuriclis Litanei (Hoffm., Fundgr. 2, 225, 21). 'So der strüz legin scol siniu eier, so wartet er au dcu himel, ob er die Sternen gesiMt, die der heizent uirgilie, so legit er siniu eier' Pbysiolog. (Hoffm., Fundgr. 1, 35); 'so hat si uergezzen der eiere . . . , si legit ir eier iu die hizze' ebda.; 'so hat si uergezzen der eiere ... dar nach leget si dei eier in die hitzze' Physiolog. (Karajan 103. 102). 'Eiere uude chaese ne tuont si da gesoten uoh gebraten' Zs. fda. 8 himilriche 273. 'Da suln staeticlichen diu eijer inne sin' Ortuit 498, 2 (DHB. 3). 'Diu rep- hüenre einander steint Ir eier' Freidank (Bezzeuberger) 144,12. 'Diu gap so vil der zweier Der nunnen, kaese und eier' M. Helmbrecht 126. 'S wenn er sin eiger hat verlorn Dar uz er brüetet sine fruht' (der drache) Konr. V. Würzburg, Tr. kr. 34131. 142G0. 'Miuner wenne zwei eier' ( : Beier) Brun T. Schonebeck (LV. 198, auhang 2628). ' Mir ist der antvogel tot. Der die guldin eiger legte' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 4185. 'Von eigern, kese, vleische Und von aller wines vruchf Passional 3. buch (Köpke) 335, 34. 'Daz er mit stetir gesiht An siniv eiger sihet' Hugo v. Langenst., Martina 75, 49. 'Der eyer warn nit dann zwei' Heinr. v. Neustadt, Gottes zuk. (DTM. bd.7) 1765. 'ßehte als der strüze Machet lebenthaft Mit siner gesihtc kraft Siner toten eier fruht" Österr. reimchron. (MG., DChr. 5) 39034. 'Kese adir eygir woltin si nit uenen' Dalimil, Chron. von Böhmen 89, 12. 'Diu henu arbait vast in dem airsetzen' Megenberg 194, 1; 'die airschaln' 193, 34 u. oft. 'Eyermüser, kachelmutzen' Gedichte d. kün. v. Odenw. (Schröder) 2, 109. 'Ein henn, die maistert tzwelf han, Daz si ier legten ayer" (:Peyer) Pet. Suchenwirt (Primisser) 45,111. 'Kauf hüener, air und wurste' AVolkenstein (Schatz) 112,109. 'Tuo zwey eiger in den sack" Dangkrotzheira, Hlg. namenbuch (Eis. lit. denkm. 1) 134. 'Smalz und aiger' ( : maiger) D. teuf eis netz (LV. 70) 5362. 9687. 'Kes, milch, hüur, dar zu eier' Beheim, Buch v. d. Wien. 386, 22. 'Seyn wappen warend äyger' Wittenweiler, Eing2c, 26; 'hab ich dann iüger in dem haus' 21c, 23; 'vier äyger' 37a, 27 u. öfter. 'An der aireu' Fastnachtssp. (LV. 28) 304. Vgl. außerdem die bei Lexer aufgeführten belege für die zahlreichen Zusammensetzungen mit eier-. Einen beleg für nicht erweiterte pluralform finde ich nirgends.

eiern (= eier legen), 'diu henn airt allzeit' Megenberg 196,10 u. oft; 'die gens airnt oft an den ganzen' 168, 29 u. oft. 'Die geyriu (kann) an menlichs erweln Durch sich selbs ayren und gepern ' Folz, Meister- lieder (DTM. bd. 12) 75,301 ; '(die ameisen) eyern, hecken, prüften auß' 7, 20.

eiber (:alp stm. n. gespenstisches wesen, alp), 'ich weue die eiber triget mich" Herbort v. Fritslar, Troj. kr. 756. Frommann (iu den anmerk. s. 228) und Vilmar, Kurhess. Idiotikon s. 8 fassen die form als neutralen plur. zu einem sonst nirgends belegten neutr. 'alp' auf. Bemerkenswert erscheint, daß die pluralform auch im mndl. vorkommt: 'elver-scle' (nach Grimm, Gr. 1, 69'2).

elender ( : das elend), Albr. v. Eyb 1472 (Augsburg), Ehebüchlein 4rw 'eelentern', nach AVeiuhold, Al.gr. § 396. Schiller hat die dialektische form in der Kapuzinerpredigt ('Und alle die gesegneten deutschen lander Sind verkehrt worden in elender') unter dem eiuflusse Abrahams ('werden ... die läuder iu elender verwandlet' Judas, Nat.-lit. 40, 92) gebraucht.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^i?-PLURALE. 119

ender (:das ende), 'die ender' 5b, gegen 'ende' 5a Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg-), Spiegel d. sitten, nach Kehrein, Gr. 1, §301. Für das schwäbische ist der -r-plural außerdem bei Henisch belegt: 'die ender der balckeu' u. a. In heutigen mundarten lebt er im md., v:o er von Friedrich a.a.O. s. 77 speciell als für das Siegerland häufig angegeben wird.

fächer, nach dem DWb. taucht der -r-plural des wortes im bayr. schon 14S0 auf (Mon. boica 9, 300): 'dasz auf den einzelnen fischlehen acht, zwelf oder sechzehen facher gemacht (werden sollen)' in der alten bedeutung des Wortes 'falle, schlinge'. Der heutige gebrauch des -r-plurals im sinne von 'abteilungeu' geht erst ins 17. jh. zurück, und zwar erscheint er hier zuerst im ostmd. (Opitz: 'fächer des gehirnes', Schottel, Stieler, während Henisch noch von 'fachen' oder 'kästen' redet).

fässer, 'die kläen (d. greifen) sint so groz, daz in die laut köpf dar auz macheut mit trinkväzzer' Megenberg 190, 9. 'Als pald man sy (fische) verkauffen wil vud fall gehabt werden, so sol man sy aus den korben oder czisteu czihen oder aus den fassern' Ältest. Statuten d. bistums Trieut, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 83. 'So laynen sie sich an die fesser' ( : pesser) Eosenblüt, Fastnachtssp. (LV. 30) 1161. 'Fesser vol Wasser' Decameron (LV. 51) 532; 'die fesser die sy raeynet alle voller öle wern, sy alle vol wasser fände' 543; 'pey czweinczig fessern' 539. 'Da Schüssen wir für passer Feur pfeil in dy uasser' Beheini, Buch v. d. Wien. 74, 10; 'hindern uessern vnd heusern, wa Sy sicher mähten pleiben da' 74,19; dagegen 84, 1 'preter vnd vas' im reim. 'Von keßeln, vessern' Nürnberger Jahrb. (Chr. ddSt. 10, 319). 'In den vässeru" 2. Mos. 7, 19, in Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gr. 1, §302). 'Denen hastu ze drincken gen dinen guldineu unnd sylherinen vessern' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 314; dagegen 1G3 'die faß namen wir und band sy verborgen . . . der fassen eins wil ich üch geben'. 'Fässer rumplen' Fasnachtssp. (LV.29) 895. 'Tzwei koestliche drenckvasser' Harff 1499, Pilgerfahrt 248. 'Man sol auch viel fesser voll guter fuszyseu bestellen' Wormser memorial, ende des 15. jh.'s (Quellen z. gesch. d. Stadt Worms 3,361,18). 'In drey fessern' Widmann, Regensburg. chron. (Chr. ddSt. 15) 28 (a. 1515). 55 (a. 1523). 'In die fässer' Lindener 1558, Eastbüchl. (LV. 163) 22. 'Uf selbigem wagen waren zu allem unfahl zwai grose fesser oder gestippich geladen' Zimmr. chron. (LV.) 4,170. 'Die vesser mit wein' Württemberg, reimchron. ca. 1570 (LV.74)3. 'Väßer' bei Enoch Widmann 1592, Chronik d. stadtHof (Hohenzoll.forschgn.2), 58. 78. 116. 418; ganz vereinzelt 'vaß'. 'Mit vilen vässern guetes weins' Ernstiuger 1620,30, Raisbuch (LV. 135) 169. 'Vate' in den ndd. bauern- komöd. (1661, LV. 147) 73.

Nur selten zeigt sich die im obd. schon seit dem aufang des 14. jh.'s belegte pluralform auch im md. Konr. Stolle, Weiusberg und Oldecop weisen noch keinen beleg dafür auf, während sich bei Luther einige belege finden; für andere vgl. Molz, Beitr. 31, 334. Wie die kraft des bei diesem worte ursprünglich obd. -r-plurals auf md. Sprachgebiet nach norden zu immer mehr erlahmt, läßt sich an diesem beispiel gut ersehen: 'vesser oder karriche' Urkdb. Straßburg 4^161 (a. 1322); 'darnach haben sie die heimlichen ge- mach zu Stroßburg vssgeroumpt, den wüst in thunnen vnd vössern (!)

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gethou, dasselbig vnd vil auder stiucker ouß ynd schelmeu mit bleiden vud hantwercken in das schloß geworfen' Fürstenberg. nrkdb. 2, uo. 186 (a. 1333). Demgegenüber ist obd. nur der dat. 'fazzen' belegt [für Straßburg urkdb. 6,448 (a. 1.393), Niederösterr. urkdb. (St. Polten) 1,406 (a.l357). 463 (a.l362)], was nicht weiter auffällt. Dagegen ist, von einer einzigen späteren aus- nähme abgesehen, in md. mundartgebiet überhaupt nur die pluralform 'faz' belegt [ürkdb. Frankfurt 2, 471 (a. 1337) 'die groziu beckin und hantfaz', Urkdb. kloster xVrnsburg (Wetterau) 'alle vnse trinkefaz' no. 736 (a. 1346), Urkdb. Erfurt 2, no. 1019 (a. 1392) 'sechs halbe faz", Urkdb. Jena 1, no. 555 (a. 1404) 'fasze', Urkdb. klöster d. grafschaft Mansfeld (= Geschqu. d. prov. Sachsen 20) 'drie braufasse, czwey sudefasse' 241 (a. 1511), '2 fas hier' Kloster Ilsenburg, ebda. 6, 349 (a. 1580)]; 'mit secken vund fessern' Hess. Urkunden (Baur) 4, 263 (a. 1489). Genau so gestaltet sich das Verhältnis der belege aus der übrigen literatur zueinander; nur kommen hier bei obd. Schriftstellern aus reim- und versrücksichten noch mehr alte a-formeu vor, als in den Urkunden.

Die form 'gefesser', dieMolz, Beitr.31,371 aus Kantzows pommerscher Chronik (ca. 1535) belegt, 'gefencknus und gef.', wird kaum als collectiv- form zu unserra wort aufzufassen sein. Ich sehe darin vielmehr die collectiv- bildung zu dem in der älteren spräche vorkommenden singular 'fesser' (bei Rothe öfter) 'bände, fesseln', die auch dem sinne nach besser hierher paßt.

felder, 'campi feldhir' Ahd. gl. 1, 31, 4 (8.jh.); 'feldir' 1,30,4 (8,9. Jh.). Notker, Ps.95,12, St. Gall. hs. (= Piper 2, 405) 'campi dei. die gotis kefildir'. Für die mhd. zeit habe ich einen beleg in der literatur nicht gefunden. 'Die felder lügent one clag' Neidhart Fuchs (D. nat.-lit. 11) 1673, gegen 1670 'wol staund (= stehen) die feld'. '(Die) thor der Wein- garten oder ander garten oder felder' Älteste Statuten d. bistums Trient hs. von 1303 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 111. 'Do gar vil mist gruben warn do etliche pauern den mist vnd sprachheüser raumung darein schütten ire felder zu düngen" Decameron (LV. 51) 530; 'in den dörffern vnd in den feldern' 7; 'in iren heusern vnd in den feldern' 7. 'Auf die felder' Zimmr. chron. (LV.) 1,406; 'die Straßen und velder" 2,445; 'be- gerten inen stockvelder ußzumessen' 4,304. Wie Notker bildet auch Fle- ming (f^ 1040, Poemata) einen collectivplural (vgl. 'gebüscher) 'gefilder' 17. 57, 'in verödeten gefildern' (: verwildern) 307 zu 'gefelde' 124; bei Stieler 'gefilder'. Trotz der früh auftretenden -r-formeu kommt der nicht erweiterte plural im mhd. noch bei einer so großen anzahl von Schriftstellern vor, daß man die ahd. belege eigentlich nur als frühe aus- nahmen bezeichnen kann. Ich beginne, um die belege nicht allzusehr zu häufen, mit dem letzten drittel des 13. jh.'s: 'üf velden und üf sträzeu' Jansen Enikel, Chron. 5503; 'die velt gar waereu überzogen' Ulr. v. Eschen- bach, Alex. 14033; 'witiu velt und smaler stic' Reinfrid v. Braunschweig (LV. 109) 13966; 'uf velden unt in prüchhen' Grundacker v. Judenburg (DTM. bd. 18) 3114; 'in velden, in weiden über al' Renner 5569, 'velden ' weiden' im reim 19751. 22748; Maccabäer (md. bearbeitung, LV.233) 'velden' im reim; 'uf den velden an den stetten' Ammenhauseu, Schachbuch 4804; 'man mag nicht sprechen schach roch auf uugeleichen velden" Meisteringold,

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -£'/?-PLURALE, 121

Gold, spiel (Eis. lit.-deukm. 3) 33,28; 'er macht uff widen felden manch riche frucht nit seiden' Muscatblut (Groote), Minnel. 48, 39, *uif velden vnd in auwen' Versch. lied. 87, 84; 'wol stauud die feld vnd sechend die weit ' Neidhart Fuchs, Überarb. (D. nat.-lit. 11) 1670 ; weitere belege bei Molz, Beitr. 31, 334. Da in den dort aufgeführten stellen und in den obigen be- legen md. schriftsteiler weniger als obd. zu wort kommen, setze ich hierher die belege aus den md. Urkunden: '(mit) weiden, velden, jegerien' Lacomblet, Urkdb. Niederrh. 3, 583 (a. 1368) ; ' veldin' Urkdb. kloster Arnsburg (Wetterau) no. 682 (a. 1338). 877 (a. 1360). 1102 (a. 1392); 'jn dorfferu, fehlen' Hess. Urkunden (Baur) 4,63 (a. 1420), AVcährend schon a. 1380 'birckenfeldirn' be- legt ist (3,533); im Cod. dipl. Rheno-Mosell. kommt der dat. 'felden' noch 1467 vor (4, no. 310), während der erste -r-plural 1435 auftaucht: 'mit ... dorffern, Avelden, wiesen, buschen, felderu' 4, no. 156, 'feldern' 328 (a. 1472). Für den Osten habe ich andere als a-formen überhaupt nicht an- getroffen: 'in den dorffern unde felden' Cod. dipl. Saxon. reg. I abt. B, 1, 316 (a. 1392). 3,2 (a. 1407); 'mit hunern, eigern, müllen, felden, Auren' ebda. II. abt., 2, 2 (a. 1423); 'auff strazzeu, felden, holzern' Urkdb. Jena bis a. 1480 (2, no. 665); 'in stetin, in dorffern, off ffeldeu' Urkdb. Aussig (Städte- u. Urkdb. aus Böhmen 3) no. 237 (a. 1443); 'mit ackern ... weiden, felden, püsschen, streuchen' Cod. dipl. Siles. 4, 73 (a. 1526). Namentlich ist es also der dat. gewesen, der sich so lauge widerstandsfähig erwiesen hat. Die Ursache hierfür wird in dem einflusse der gleichen endung damit verbundener Wörter zu suchen sein. Für obd. ma. kommen seit der mitte des 14. jh.'s auch urkundlich -r-bildungeu vor neben den alten formen: 'alle ire weide, almenden, höltzer, velder' Urkdb. Freiburg 1, 541 (a. 1368) neben 'velde' 1, 515; '(in den) dorfern und veldern' Niederöst. urkdb. (St. Polten) 2, no.719 (a. 1378). Warum sich der -r-plnral bei dem schon seit ahd. zeit auftretenden Avort nicht rascher durchsetzte, bleibt beim maugel an älteren belegformen für den plural (außer dat.) unklar. Vor das ende des IG. jh.'s wird der sieg der neuen form nicht zu setzen sein. Der erste urkundliche beleg entfällt auf alem. gebiet: 'vildira' (ortsname) Neugarth no. 25 (a. 759)')) falls die Zerlegung in 'vildir-aha' richtig ist. Sonst kehrt in Ortsnamen (vgl. 'häuser, hager') nur der dat. '-felden' wieder.

feller ( : vel, stn. feil), vereinzelte dialektische bildung. 'Die milch si üch uuzzen, mit den uelliren si sich rüsten' Genes, u. Exodus (Milstätt. hs., Diemer) 23,21. 'Gewermet von den vellern miner schaff' Kehreius sog. 4. bibelübers. Job 31, 20 (Gr. 1, § 301). 'Als aber die selb Camilla basz ge- wachsen was, ward sie ieren lyb bedeken mit den fellern der wilden tier' Steinhüwcl, De dar. mul. (LV. 205) 134. Der seltene -r-plural scheint sich darnach aufs obd. zu beschränken.

felliser ( : fellis, n. felleisen), gelegentliche mundartliche bildung, aus dem Simpliz. belegt (Molz, Beitr. 31, 355). Die entwicklung der laut- gestalt des wortes ist in frühnhd. zeit sehr schwankend gewesen.

felser, 'von dannen wolten sie, mit ausgebrochnen felsern, mit holz und kalk und stein, das sie auf eignen hälsern hin auf den berg gebracht,

1) Grimm, Gr. 1, 621.

122 GÜRTLER

den himmel werfen ein' Kongebl ((^^1680/90) Innoceutia 69, nach DWb. 4, 2,2-13; DWb. 3, 1501 unter 'fels' sind durchweg nur schAvache phiralformeu belegt.

ferher (: farh, stn. ferkel), 'purcelli farhir' Ähd.gl. 3,10,35 (~ 800, Kass.gloss.); 'faraher' 3, 451,23 (9.jh.); 'farihir' 3, 442, 19 (lO.jh.); 'fa- rahir' 3, 17, 13 (lO/ll. Jh.); 'nati farhir' 2, 651, 62 (11. Jh.); 'porcelli ferihir' 3, 442, 19 (11. Jh.); 'narhir, farahir, forher' 4, 88, 1 (12. Jh.). 'Er sol hin gen Und sol an einie Stabe leu Und solt da selbe verher wen Vil verre uf gener beide wit, daz sie der wolf uiht zücke' Meisterl., Kohnar. bs. 14, 37 (LV.68). 'Er ist ijch vater aller lebender creatur, als vogel oder Tisch oder wilder tier oder vihe, ez sin rinder oder verher, oder aller creatur die do leben hau' Au.slegung d. Vaterunsers Zs. fda. 18, 72, 11. 'Swaz verher der bof bat, die drin borent, mit den suln die inunche varin, swar si wollen; erloubet man aber in dem dorf mer verher zc habenne ...' Grimm, Weistb. 4, 522 (alem., a. 1289); ',unt sol danne eins abbetes uut der closterherren verere vorgan unt dar nah solnt gan der bürgere unt der hubere verere, die sie haut gezhügen zu beiden siten uffe irem miste, ane geverde', ebda. 1,761 (a. 1310, aus dem speiergau). 'Wenne ain varch schreit, so läuft diu ganz hert der värber zuo' Megenberg 122,6; 'diu verbermüeterlein werdent sneller vaizt, so man si genunnet bat' 122,9; 's6 diu verbermuoter gepirt, s6 gibt si daz erst prüstlcin irm sun' 122,11. 'Es tet auch großen schaden in dem spital zu Kegenspurg au vich, besunder an verbern, der gar vil ertrunken' Augsburg, chron. a. 1407 (Chr. ddSt. 4, 113, 18). Die übrigen be- lege, die Lexer für die pluralform angibt, konnten nicht alle eingesehen werden: Pfeiffers Übungsbuch (1866) 153, 8; Väterbuch 16, 23; Scbwaben- spiegel (Wackernagel) 416, 2; Augsburg, stadtbuch (Meyer) 32,8. 201,6; Kloster Geisenfeld (13. jh.); Nürnberg, polizeiordnungen 197.

In Urkunden: 'der mulner in der Ertzenleiten gibt zwey verber oder anderthalp pfunt haller', Urbar burggrafsch. Nürnberg (Mon. boica 47,5; 14. Jb.). 'Rinder, ohsen, verher, schaf oderpferde' Urkdb. Straßburg 5, 1045 (a. 1369). 'Yeher' mit ausgestoßenem r Urkdb. Frankfurt 625 (a. 1352).

feiierbriln€lcr, bei Schiller nach Pfleidercr. Beitr. 28, 339.

f eurer, 'auch durch das gantz lannd sind die volkber aufzünden brynnend feurer' (schweizer.) Reisebericht 1521 (Zs. fdph. 25, 196). 'Hatten fil furer' Hug, Yillinger chron. (LV. 164) 82; 'macbt man frocdfurer, und was man fast frolich von des fridens wegen' 18. Die form beschränkt sich auf das alem., wo sie auch bei Hebel belegt ist.

flös^er, nach Molz, Beitr. 31, 357 bei Gottsched und Hempel.

gädiuer (:gadem, stn. gemach), nach dem großen rahd. wb. 1, 455b eine stelle in der Martina Hugos v. Langenstein. 'Zum Gädmern ward ouch ain für' Appenzeller reimcbron. (Arx) s. 154 (= bauernhütte). 'Do viengen an ze buwen die frömden mecbanici, das sind bandtwerchlüt . . . und macb- tend gadmer und machtend lainin stuben' Richeutal (LV. 158), Chronik 33. 'Ain hocher türm, hett acht gadem hoch . . . und ain ander großer stock ains turns, was zwai gadmer hoch' Augsburger chron. (—1468; Chr. ddSt. 5) 315,4; 'hueb Peter Egen am weinmarkt [an] sein haus abzeprccben, dar- nach wider ze pavven und höcher ze macheu zwai gadmer hoch'.

ZUK GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -Ä7-PLURALE, 123

Die Vermutung-, daß es sicli hier um eiue obd.-mundartliche plural- bildung bandelt, wird durch die folgenden belege bestätigt: 'diu gedemer' Urkdb. Zürich 4, 14 (a. 1265); 'diu gaedemer diu die herren ... durch die mure braechent' Urkdb. Augsburg 1, no. 73 (a. 1282), 'si suln auch vor irn gaedemern chaiuen zuber setzen' ebda. (var. 'goedemer, gedemeru'); 'die vorgeuanten kurseugädmer' 1, no. 278 (a. 1325), 'uf iren gaedmern' no. 492 (a. 1352); 'zway kursengadem' neben 'gädmer' vereinzelt 1, no.278 (a. 1325). Im Meraner stadtrecht (hs. von 1317) 'swaz fuoter ouch die gädemler koufen, daz sullent sie offenlich veile haben in potigen in den vordem gädemern' (Zs. fda. 6, 423). 'Mit zwain stuban und mit den gaedmern, du darzu horeut' Urkdb. Rottweil no. 99 (a. 1314), 'an gädmern, au stallen' ebda. no. 1071 (a. 1443). 'Das haus dreier gadraer oder kar hoch machen' Ulm (a. 1427, Moues anzeiger 4,371). Auch auf alem. bodeu ist die form gut belegt: 'der sol den wanthöwe vff müren sträße halb (= nach der straße zu) zwaiger gädemer hoch' Stadtbuch Schaff hausen (14. Jh., Alem. 5, 23, 37); vgl. außerdem oben u. Lexer s.v. (a. 1311) 'gedmer'. 'Zu den Gädmern' (orts- bezeichnung) Urkdb. abtei St. Gallen 5, 239 (a. 1420). Nur selten sind obd. schwache pluralformen bezeugt ['gademeu' Urkdb. Straßburg 6,485 (a. 1393)], während diese formen für md. ma. regel sind [Urkdb. Worms 2, no. 346 (a. 1344) 'gademen', Arnstadt s. 119 (a. 1369) 'dy gademe, dy gademenen' (!) ebda., dat. 'gademeu'].

gater ( : gat, stn. Öffnung, loch; auch gitter), 'gatter' Daniel von Soest (Jostes, glossar). Der -r-plural kommt gelegentlich auch im mittel- uiederländischeu vor, vgl. te Winkel, Pauls grundriß 1-, 8uO.

gebeter, 'innige gebedercheu' Geunep 1536, Spiegel evang. vol- komenh.' K 8b, 'fuerige gebedercheu' M 3b, 'mit kurtzen vurigen ge- bedercheu' F 4b u. sonst. 'Der broder lass im die passion und vil uis der hilliger schrift gutte gebetter vur' Buch Weiusberg (^-^1590) 1, 322. In den brieten der herzogin Elisabeth Charlotte begegnet die pluralform 'gebetter' häutig, z. b. 'Gott gebe, daß gott der allmächtige die gebetter erhören möge' (LV. 107, 5). Aber die form ist nicht allein auf das Avestrad. beschränkt. Im alem. Morgant erscheint 'gebetter, better' neben 'gebätt', und auch sonst findet sich der -r-plural auf obd. boden, vgl. Molz, Beitr. 31, 370 f.

geblätter, s. blätter.

geboter, 'wan wer da wilt erhört werden van god, Der vollen- bring syin geboder' Fastnachtssp. (LV. 46) 281. 'Dat send Cunibertus und Pipinus in wail geleirt haven in dem wege ind geboderen gotz' Koelhoff 1499, Chron. von Köln (Chr. ddSt. 13) 389. 'Die taeffel der tzeyn geboeder' Harff 1499, Pilgerfahrt 124. 'Die kuecht im vurhaus schriben gebotter' Buch Weinsberg (~1590) 2,125; 'hat mich hart gescholten, es were min scholt, das etliche geboder (= auf gebot, gerichtsschreiben) versumet Averen' 2,126; 'vur die 2 knecht das gebodergelt' (= vorladuugsgebühren) 1, 329. Darnach scheint die form in r h ei uf ränkischen mundarteu beliebt zu sein. Aus Urkunden kann ich dafür keinen beleg beibringen, doch Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no.385 (a. 1491) 'nach den gebodeu vnd gesetze godes'. Auffällig bleibt, daß Hoenig für Köln nur den plur. 'gebQtte' angibt, wäh- rend er für 'gebet' den -r-plural ('gebedder') belegt.

124 GÜliTLEll

gebiiiider, vereinzelt bei Lohensteiu belegt.

gedäriuer, s. därmer.

gedinger (: gedinge stn., gericbt), 'alle sach der gediug oder ge- dinger sulleu geendet werden genczlich' Älteste Statuten d. bistunis Trient, lis. Ton 1363 (Arch. f. k. österr. gescbqu. 26), no. 52; 'von der czeit der czbair monadt des gediugs oder der gedinger ze raiteu' 52; 'von den gedingen' 53.

gefesser, s. fässer.

gefilder, s. felder.

geister, 'wir haben nu einen meister, Dem ist wol wunder kunt, Der bindet übele geister' Manier, MS. 2, 242a. 'Oucli wand er dir sich selben git Gar ane strit, Vür arger geister kundekeit so hohe z'einer spise' Boppe, MS. 2, 381a. 'Sus ich verwant die geister' (: meister) Frauenlob (Ettmüller), Leiche 1, 14, 30. 'Von genaden syben geyster Was er der siben- czende meister' md. Paraphr. buch Hieb (DTM. bd. 21) 15329. 'Geister' ( : meister) Minneburg 3357 (Ehrismann, Beitr. 22, 299). 'Aber der zeende hemel Is boven desen allen, Da uz die ge3'ster und schemel Mit Lucifer alsament sint gevalleu' br. Hansens Marienl. (Miuzloff) 3109. 'Daz er von im jage die boesen geister' (: meister) Meisterlied. d. Kolmar. hs. (LV. 68) 290, 2. 'Du bösen gaister Noch der weit natürlich maister' Laßberg, Lieders. 2,553,77. 'Die heylig gaister vnd Anthonier' Eberliu 1521, 15 Bundesgen. (Neudr.) 161; 'mit den gaistern der boßhait' 192; dagegen 'geist' (gen.) 28, 'gaysten' 25; 'die unbescheydnen frey geister' Werke (Neudr.) 2, 88; 'dan got gefeit meer ein keusches mensch, das von hertzen keusch ist, dan tausent vnkeusche keusch geister, vnd geysterin' Werke 2, 25; 'sollich müs.sick gcschwetzick vnnutz geysterin' 3,36. 'Wie alle geyster nicht gute geyster sind' Agricola 1530, Sprichw. 22, nach Kehrein, Gr. 1, §280. 'Die geister vnd götter' 178a. b, 'vnter diesen geistern' IIa, 'die wir geiste nennen' IIa, Joh. Aventiu (vor 1534), Chronik, Frankft. 1580, nach Kehrein, Gr. 1, §280. 'Eruimpt sieben geister zu sich' Luther 1543, bibel, Luc. 11, '20; 'ein gott der geister' 4. Mos. IG, 22; 'geiste' Marc. 5, 13, 'bösen geisten' Luc. 7, 21, nach Kehrein ebda. 'Fremde geyster' Staden 1556, Reiseber. (LV. 47) 185, gegen 142 'unser leut geyste'. 'Spiritus und gaister' Zimmr. chronik (LV.) 1,455; 'die hellische gaister' '2,352. 469; 'hat die ein under inen bekennt, sie seien geister' 1,280; 'solcher \m- rainer gaister sein vor alten zeiten vil gewesen' 3,84; 'von gaistern' 4,187.275.236; 'von den hellischen gaister (!) geplagt' 4, 243 (2 mal); da- gegen noch öfter 'geist' 1,100. 2,492. 3,7. 4,218. In der bedeutung 'ver- stand, rocg' gebraucht Joh. Wetzel 1583, Reise d. söhne Giaffers (LV. 208) die pluralform öfter: 'dieweil sie so fürtreffenliclie sinnreiche geister betten' 51; 'wegen euwer edlen und sinnreichen geistern' 25; '(er) mercket wol daß die jüngiing mit edlen und sinnreichen geistern begäbet seien' 44; 'wollen wir ... mit unsern geistern in dise zwen hirtzen (fahren)?' 58.

Für die annähme des -r-plurals, der schon in mhd. zeit auftritt, war das begrifflich nahestehende 'götter' maßgebend (nicht 'männer, gespenster', die erst viel spcäter belegt sind), vgl. die ersten belege. Reimeinthiß allein kann nicht ausschlaggebend gewesen sein für seine bilduug, denn bei

ZUK GKSCniCHTE DER DEUTSCHEN -^i^-PLURALE. 125

raeister Boppe begegnet der erweiterte plural schon im versinneru. In der älteren zeit wird er durchaus nur zur hezeichnung von lehewesen gebraucht, und zwar in verschlimmerndem sinne, wie die meist damit verbundenen eigenschaftswörter beweisen. Wo das wort sonst in anderer bedeutung pluralisch gebraucht auftritt, kommt ausnahmslos die alte form vor. Diese Scheidung im gebrauch hat sich bis ins IG. jh. hinein erbalten, wie Molz, Beitr. 27, 249 aus Aventin nachweist. Außerdem ist zu bemerken, daß sich mit der a-form in der älteren spräche meist collective bedeutung verbindet, die sich auch späterhin erhalten hat. Im heutigen übertrageneu sinne des Wortes findet sich die erweiterte pluralform seit dem 16. Jh., drang jedoch erst im an fang des 17. jh.'s allgemein durch.

gelder, 'da waz ich purgermaister, und wart geen hof gesandt zue herzog Steffan von vihs wegen daz man unseru purgern zu Wasser- wurg auf het gehalten, die vihungelter' Kazmairs denkschr. (München 1397, Chr. ddSt. 15) 46G; zu 'vihuugelt' im glossar die bemerkung: 'abgäbe für einfuhr und verkauf von vieh'.

In den Urkunden ist mir der -r-plural nur für Tirol begegnet: 'die gelter und schuld, von im herrürendt' Font. rer. Austr. 31,606 (a. 1466). Einige weitere belege hat Molz, Beitr. 31, 329 beigebracht. Alle diese be- lege entfallen auf obd. ma. und legen den Schluß nahe, daß der -r-p)ural hier seit dem ende des 14. jli.'s bestanden haben muß. Verstärkt wird diese annähme durch die singularform 'gelter' (Decameron), die Molz a.a.O. anführt.

gelöiiljer, s. lüuber.

gemäclier, 'aus ihren untern gemächern' Enoch "VVidmann 1592, Chronik der stadt Hof (Hohenzoll. forschgn. '2) 368. 'Vil schöner cammer und gemacher' Ernstinger 1620,30, Eaisbuch (LY. 135) 153. Vorher ist mir schriftsprachlich kein -r-plural begegnet, dagegen die alte form bei Dieten- berger, Aventin, Seb. Münster, Kiechel. In Urkunden findet er sich auf obd. boden vereinzelt schon früher: 'vmb die gemäch, die ich gehabt hau in der vorgenanten Schottenhof ... vnd vmb die genuguüsse des holtzes, die ich gehabt solt haben zu den egcnanten gemächern' Font. rer. Austr. 18, 475 (a. 1400, Wien). Dagegen Urkdb. Jena 2, no. 1286 (a. 1524) 'die heimlich gemach'. Marstaller 1570 (Lüneburg), Bericht 'gemach' 15. IG. 19. Molz, Beitr. 31, 364. Erst gegen ende des 17. jh.'s setzte sich der -r-plural durch.

gemälder, bei Nast (1777) vereinzelt belegt; Molz, Beitr. 31, 371.

gemeinerer (: gemeiner, stm.angehüriger,mitbesitzer, -Schuldner, mittelsperson), '(ich) gab Lienharte und Zornelin und iren gemeyuerern fünftzig marg silbers' Urkdb. Straßburg 5, 98G (a. 1379).

gemüser, s. müser.

geiiiiüter, 'o, wie ist der mentsch so gar torechtig, der den frowen vertruwet, die die gmüetter so lychtferig band' Morgaut (LV. 189) 150. 'Der büler sorgfältige trawrige gemütter' Thiebold Gart 1540, Joseph (Eis. lit. denkm. 2) s. 54. 'Die yetz froliche gmüter haben' Manuel 1548, Wein- spiel (Neudr.) 1824. 'Setzt fort ewr gemüter Hin auff die bimlischen guter' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 258, 12. 'Die traurig-langweiligen gmüter' (: wider) in der vorrede zur Nürnberger ausgäbe von Ayrers dramen (1618) (LV. 76) 15,

126 GÜRTLER

Seit aufang des 16. jh.'s ist der -r-plural aiif alem. gebiet belegt, doch kennt ihn Eberliu 1521, Bundesgen. noch nicht, vgl. 'erbere gemüt' 94. 102, 'ewere härtz vnd gemüf 151, 'in menschlichen gemüt eu' 72. Von hier aus sprang er auf die übrigen gebiete über, wo er ende des 16. jh.'s allgemein durchdrang. Weitere belege bei Molz, Beitr. 31, 365.

gericliter (: gerichtstn., iudicium), vereinzelte dialektische bildung: 'das dorf Wirtheim und die vorgeschrieben dorfer und gerichter' Weistum a. 1361, Wirtheim (Wetterau), Grimm, Weisth. 5, 309. Ich kenne die ano- male form nur noch aus Abraham a St. Gl. : 'bey den gerichtern', -woraut schon Kehrein, Gr. 1, § 280 verweist. Molz, Beitr. 31, 371 belegt sie aus Dornblüth. Dagegen ist mir urkundlich im rhein- und moselfräukischen und auch sonst nur der plural 'gerichte' begegnet.

gesänger, bei Nast (1777) belegt.

ge.schenker, vereinzelt bei Luther, nach Molz, Beitr. 31, 371.

gescbleclitcr, 'twelff geslechter der kinder van Ijsrahell' Harff 1499, Pilgerfahrt 164. 'Die wapen . . . der geschlechter' Oheim, Chron. von Reichenau' (LV. 84) 172. 'Die geschlechter' 130b. 132b Joh. Aventin (vor 1534) Chronik, Fraukf. 1580; 'vom adel vnd geschlechteru' 82b; doch 'ge- schlechte' 132a, 'geschlechteu' 131b. 132b nach Kehrein, Gr. 1, § 301. 'Die genannten geschlechter' Seb. Münster 1544, Cosmogr.78, gegen 'geschlechten' 202, nach Kehrein ebda. 'Die baide geschlechter Leiningen und Daxpurg' Zimmr. chron. (LV.) 1,339; 'wievil sind deren geschlechter' 1,296. 483. 3,287. 239; 'von der merertail grafen- und herrn geschlechter deutscher nation' 4,170; 'so man bei etlichen furnemen geschlechteru geschriben fiiidt' 1, 488. 336. 2, 532 u. oft. 'Weilen es in derselbigen Stadt Gar vil der edlen gschlechter hat' Ayrer, Dramen 1 (LV. 76) 521. 540. 'Von den fürnemsteu geschlechteru' Kiechel 1585,89, Reiseber. (LV. 86) 335, dagegen 233 'ge- schlechten'. 'Jonkern und geschlechteru' Buch Weinsberg (^^ 1590) 1,158. Weitere belege bei Molz, Beitr. 31,365.

Darnach muß der -r-plural schon ende des 15. jh.'s für obd. und fränk. ma. vorausgesetzt werden. Doch setzte sich die ueuerung schriftsprachlich nur langsam durch, wie die lange reihe obd. und md. schriftsteiler beweist, die den -r-plural meiden, vgl. ^'azarei, Eberlinv.Günzburg, Kiechel, Grimmeis- hausen ; Dietenberger, Franck, Wicel, Sachs, Widmann, Staden ; Oldecop u. a. m. Erst in der zweiten hiilfte des 16. jh.'s werden belege für -r-plural häufiger; vollständig ist er jedenfalls erst ende des 16. jh.'s durchgedrungen.

geschlösser, s. schlösser.

gescliwäzer, bei Nast (1777) vereinzelt belegt nach Molz, Beitr. 31, 371.

gcsicliter angesicliter, 'ire angesichter' Dietenbergers bibel (vor 1534), Jer. 5, 3; 'Janus mit zweyen angesichtern' Seb. Franck 1538, Chron. la, nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Solche butzen-larven vnd vorgemahltc gesiebter (= Schreckensgestalten, gespenster) erschrocken die arme jugeudt offt' Moscherosch 1613, insomnis cura par. (Is'eudr. 108/109) 83.

Urkundlich: 'darauf auch zvvay angesichter* (gestickt waren) Urkdb. d. klöster der grafschaft Mansfeld 604 (a. 1527). Im übrigen geben mir meine Sammlungen die bestätigung für die richtigkeit der von Molz, Beitr. 31, 314 ff.

ZÜK GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^^-PLURALE. 127

366 ausgesprochenen beliauptung, daß sich der plural 'augesichter' vor dem collectivischen 'gesichter' durchsetzte. Der -r-plural drang im laufe des 1 6. j h. ' s durch.

gesinder (:ge3int, stm. begleiter, dieuer, oder: gesinde stu. ge- folgschaft; Lexer), 'daz die deupin und ir gesiuder Geligin uider sam die riuder' Wittenweiler, Ring 52 a, 25.

gespenster, wie Molz, Beitr. 31,366f. berichtigt, erklärt sich der -r-plural des wertes als aualogiebilduug zu dem sinnverwandten begriffe 'geister', doch tauchte er in dieser bedeutung erst spät auf (zufrühst in Widmanns faustbuch 1599) und ist im 17. und 18. jh. noch lauge nicht regel (belege bei Molz); erst ganz zu ende des 18. jh.'s scheint er Tüllig durchgedrungen zu sein. Der grund für das lange verharren des wertes bei den traditionellen flexionsformen war sein coUectiver gebrauch in der älteren spräche, der sich bis weit in die neuzeit hinein erhalten hat.

geslräiiclier, s. sträucher.

getreider, 'traider' (Österr. Aveist., a. 1727) vereinzelt, Molz, Beitr. 31, 371.

gewänder, dem von Molz, Beitr. 31, SGi auf alera. gebiet schon ca. 1450 (Stretliuger chrouik) belegten plural (schwäbisch: Hoffmann 1533, Bauernkrieg, Württemb. geschqu. 1,317 'stalen kelch und meszgewander' in einer Urkunde [a. 1525] aus Hall) kann ich für Mitteldeutschland hinzu- fügen: 'bey den 80 meßgewander' Urkdb. Jena 2, no. 1282 (a. 1524). Sonst sind mir nur die alten formen des plurals bis ins 17. jh. begegnet. Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, daß das Vorhandensein eines nom. agent. 'gewander, gewender' (Molz a. a. o.) die bildung eines -r-plurals ge- hindert hätte. Der eigentliche grund für das verharren des wortes bei den traditionellen flexionsformen war seine collective bedeutung (vgl. jetzt dazu H. Wunderlich im DWb. 4, 1 in 5257 f.), die erst spät eingeschränkt wurde. Damit hängt auch die auf den ersten blick etwas auffällige tat- sache zusammen, daß der -r-plural zuerst in compositis auftritt. In diesen Zusammensetzungen trat die collectivbedeutung zurück zugunsten des einzel- begriffs; so konnte viel eher ein individualisierender plural entstehen. Auf der anderen seite aber haben sich collectivformen namentlich in gehobener spräche neben anderen neubildungen des plurals immer erhalten. Aus diesem gründe breitete sich der mehr dialektisch empfundene neue plural in der Schriftsprache nur langsam aus. Man wird ein übergewicht des -r-plurals erst im 18. jh. annehmen dürfen, vgl. Molz; leider hat AYunder- lich a.a.O. darüber auch keine näheren angaben gemacht.

gewichter, bei Nast (1777) vereinzelt belegt, nach Molz, Beitr. 31, 371.

gewölber ( : das gewölbe), 'gewelber under erden' Zimmr. chron. (LV.) 4,387. 2,416; 'ich glaub, es het der herzog von Wurtenberg zu schaffen, die gewelber alle mit wein ußzufuUen' 4,388; 'mit finsteren geugeu und gewelbern' 4,198. 'Kamern und gewölber' Kiechel 1585,89, Reiseber. (LY. 8C) 335; 'düe haben ihre wahren in besondern heüseru und gewölbern' 264. Im IG.jh. ist die form auf obd. boden sehr beliebt, doch nicht allgemein; Haller schrieb noch 1725 'des weiten himmel-raums saphirene

128 GÜRTLER

gewölber (: selber)' Nat.-lit.41,2, sA. 40. Auf md. gebiet sind nur a-, e-formen belegt. Die specifisch obd. form draug im 17,18. jh. auch iu die schrift- gprache, ohne sich jedoch lange halten zu können. Vgl. Molz, Beitr. 31, 371. Auch der junge Schiller hat die mundartliche bildung noch gebraucht.

gewünisotcr (= gewinne), Simpliz. vereinzelt, Molz, Beitr. 31, 371.

geKOIler. s. zelter.

gicliler, vereinzelte dialektische bildung: 'er feit vor schmertzen in die gichter, alß wen er die schwer-noht hett' Briefe d. Elisabeth Char- lotte (LV. 107) 101; 'ist in abscheuliche gichter gefallen' 255; 'eine schlaff- sucht mit mouve(me)nten von gichter' 52; dagegen 99 'ihre krauckheit mitt den gichten undt convulsionen kompt mir gefehrlich vor'. Aus Dornblüths observatioues (1755) 172 belegt Boucke, Diss. Freiburg 1895, s. 60 den -r-plur. ebenfalls in der bedeutung 'convulsions'. Weitere belege aus Schillers Jugendschriften und Grillparzers ahnfrau (v. 1711) Zs. fda. 53, 181.

gläscr, 'von dirre liebte fiure Daz in den glesern ist enbrant' Konr. V. Würzburg, Pantaleon (Zs. fda. 6) 1229. 'Glaser und müraere Muosten grifen zehant Gleser, mermel wol bekaut, Beidiu wiz unde rot" Jausen Enikel, Weltchron. 12851. 'Und Avaere ez danne müglich, daz du diu gleser alliu zuo einem Spiegel mühtest gemachen' Altd.pred. (Pfeiffer, Myst. 1,403,20). 'An schonen glessern' Geistl. prosa (Zs. fdph. 14, 95; mittelrhein.). 'Swer hie M'iu verköft vsser deliainera vasse. es siie bi mäßen, bi köppfen ald bi glesern' Stadtbuch Schaff hausen (14. jh.), Alem. 5, 19, 7. '(Sie) sullent ouch gleser und becher haben' im alten Merancr stadtrecht, hs. von 1317 (Zs. fda. 6, 41G). 'Die pecher vnd die chöpf vnd die gleser' Gesta Roman. (B. gcs. NLit. 23) 117. 'Glesser' Weinsberg 1437,38, Einnahmenregister (LV. 18) 61. 'Das her glesser machen künde, die nicht zubrechen' Rothe, Thür. chron.no. 73. 'Sy haben mer schateln vnd püchsen vol guter latwerge dan vol mit predigpüchern, iuer augster glesser vnd flaschen vnd ander trinck- geschirre' Decamerou (LV. 51) 419. 'Glaub auff die glesser' Kleinere er- zählungen (Nürnberg; DTM. bd. 14) 165,4. 'Koestliche oeuergulde geleyser' Harff 1499, Pilgerfahrt 55; 'stouen (stuben) mit yetlichen ronden gelasereu' 77. Fürs 15. jh. gibt Lexer außerdem belege aus Nürnberger Stadtrechnungen (1421) und Tuchers baumeisterbuch an. 'Feustergleser' Widmann, Regens- burger chronik (Chr. ddSt. 15) 33 (a. 1519); 'augengleser' 146 (a. 1538). 'Schwaugk die glesser aus' Ackermann 1539, Uuger. söhn (LV. 170) 726. 'Der glesern (!) ist schier gantz da keins' Manuel 1548, Weinspiel (Neudr.) 1564. 'Zway augengläser' Lindencr 1558, Katzipori (LV. 163) 181; 'gläsern' ( : gelesen !) 188. ' In schonen geschmelzten glesern ' Zimmr. chron. (LV.) 3, 292. Molz, Beitr. 31, 328.

'In glesern' Urkdb. Straßburg 5,296 (a. 1355); 'an trinckglesern ' Frei- burg 2, 237 (a. 1409). Der -r-plural des wertes scheint schon im 1 4. j h. auf der ganzen liuie allgemein gewesen zu sein.

glicder, 'daz chuit daz houbet. unde diu lider. die forhten ougende an sineu liden' Notker, Ps., Wiener hs. (Piper 3,30,1); 'den tiefel unde siniu lidir' ebda. 34, 1. 'Daz gap er uns ze uiezen wider daz im niht ent- wüehsen siniu lider' Messegesang (MSD.) 28. 'Der heilige krist ist unsir hübet, wir biru siuiv lider. dei lider dvch der heilant an sineu iungern'

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -£y?-PLURALE. 129

Specul. eccles. 60 (Kelle). '... deu krump warn diu lider' ( : nider) obd. Servatiusdichtg. 1571 (Zs. fda. 5). 'Wan er mer gewitzet waz an der zungen dann an andern siuen gelidem' Altd. pred. (Schönbach) 2,118,37. 'Swenne ■wären muede siniu lider Von gotes dienste, die legete er nider' St. Ulrich (Schmeller) HO. 'An siuen glideru allen Hat in der val verseret' Heinr. V. d. Türlin, Krone 7578; 'alliu siniu lider' (: wider) 19832. 'Got git der sele gar wider Ir lip und elliu diu lider' Stricker, Karl 9090 u. sonst. 'Au seinen glüdern allen' Wigamur (v. d. Hagen-Büschiug, Dtsche. ged. 1) 183. '(Sie) entwapenteu ir müde glider' (-.nider) Dietrichs erste ausfahrt 453,1 (LV. 52). 'Do machet er sich unwürdic ... der gelider sines eigenen libes' David V. Augsburg, Zs. fda. 9, 11; 'Kristus ist unser houbet unde wir kristen siniu lider' Myst. 1,339, 38. 333,21; 'so der muut izzet, werdent älliu lider kreftic' 3-10, 5 u. öfter; aber dat. plur. 'liden' 313, 19. 341, 12 u. sonst. 'Want so we hazet einich siner lidere, He mach nit sin des hovedes minnere' Lilie (DTM. bd. 15) 57,28. 'Da von hat der almehtige got diu selben fünf pfuut geschriben an unseriu lider. An die hende fünf viuger, an die füeze fünf zeheu ...' Berth. v. Eegensburg (Pfeiffer) 1,12,28; 'du hast drier hande lider au dir ... diu schoensten lider und diu edelsten sint diniu ougen' 2,128,29; 'bein unde fleisch unde alliu diniu gelider' 1,127,26; 'ir seht wol, daz der almehtige got aller der gelider mer uns gegeben hat wan der zungen' 159,7; 'so getuot in niemer houbet we uoch zant noch ouge ... noch äder noch gelider' 226,15; 'als ir iuwer gelider erbietent den Sünden, also sult ir iuwer gelider erbieten dem dienste unsers herren' 2,66,2. 26,89; 'die ädern des libes unde alliu glider' 1,432,39; 'in allen siuen glideru' 1,383,6. Die form ('lider') findet sich an den 33 stellen, au denen Kourad v. Würzburg sie braucht, 31 mal! im reim: 'ich wil an iuwer ungemach Ervrischen alliu siniu lider' (-.wider) Troj. kr. 10479. 7708. 10997. 11086. 26718. 33537. 35138. 35305. 36426. 37G96. 38499 u.oft; 'so gar verzagten im diu lider' ( : Avider) Partonop. 8319. 10853. 10985; 'nü wären alliu siniu lider' (: nider) Gekrenket von der järe zale' Troj. kr. 12790. 5924. 26094; 'bis daz ir strites müediu lider (: nider) Geruo- went algemeine' 26823. 27245. 33364 u. sonst; 'daz im betrüebet iemer mer Beide ir leben und ir gelider' Partonop. 3477 [die nicht erweiterte pluralform ist ziemlich selteu: 'nach grozen arebeiten Kunrierteu si ir müede lide' (: vride) Troj. kr. 43281. 48387; 'diu lit' ( : schrit) Pautaleon (Zs. fda.6) 420, (:kupfersmit) Troj. kr. 37249; 'liden' (: smiden) Pautal. 1299; noch seltener in inuenstellung: 'ich wil noch tüsent houbet Von starken liden schroten' Troj. kr. 38861; 'daz si gelich iiud eiugevar An allen liden wären' Engelh. 481]; in inuenstellung: 'und diu salbe in erst getraf Und im diu lider sin durchgienc' Troj. kr. 10783; 'also daz diniu lider kraue Von siner helfe siu gesuut' Pantal. 1108. Jausen Euikel verwendet die er- weiterte pluralform nur im reim: 'uns swuoren all unser glider' ( : uider) Weltchron. 12222; 'swie hart im swüeru siniu glider' (: Avider) Danuoch ez ungern saech, Daz dem herrn leit geschaech' 21724. 25343; 'er liez sicherlichen Dem bäbst wider siu gelider Und gap im diu ougen wider' 26231. 'Morne solt ir mit dem swert Diu lider ouch erswingen' Reinfrid V. Braunschweig 1313; 'daz sich niht enmohten Kein sine lider rüeren

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 9

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22315. 22308; ohne erweiterung kommt der plural höchst selten vor: 'diu hat gelit und nihts niht me' 26281; dagegen ist der reim 'lider' (: nider, wider) ein stetig wiederkehrender: 'sich piuteu niauges ritters lider' 990, 'ein ritter moht siuiu lider Kitterlich erswiugen' 1744:. 2232. 2950. 2999. 4968. 5852. 6509. 6562. 7040. 9048 u.s.w., im ganzen 25 mal! Auch Hugo Y. Langenstein verwendet in der Martina die form hauptsächlich im reim : 'vnd wurden also swach der lidir* (: nider) 18,83. 61,89; 'zebrachin siv do sinv lider' (: wider) 39,87. 45,102. 79,8. 96,72; 'stete blivwet mau ir lider' ( : gevider) 67,39; 'an ruggen an allen lidern' (: widern) 84,61 u. oft; seltener in innenstelluug: 'vnd daz er brechin hieze Ir lider' 39,82; 'vnd liezen sich pf enden Der füeze vnd der henden EUiv lider binden Vnd also rinder schinden' 100,83; die nicht erweiterte pluralform ist ebenfalls nur spärlich belegt: 'der lide vnd ouch der houbete' 12,56. 'Daz im entwichen gar die lider' (: nider) Livländ. reimchron. 10064. 'In fleisch unde ouch in glider' (: nider) Erlösung (Bartsch) 2686; Leben d. hl. Elisab. (LY. 90) 6775; 'arme unde alle glider gar Kunde er selbe nit ent- haben' ebda. 8526. 8304. 9269. 'So wil der milte got ... alliu diniu lider. alliu diniu haerer viuden' Dtsche. pred. d. 18. jh.'s (Grieshaber) 1,55; 'alliu miuiu lider in minem übe' 1, 157; ebda. 1, 35. 43. 54. 55. 110. 156. 2, 13. 63. 'Alle ir gelider' D. hlg. regel (DTM. bd.l6) 27, 8. 29, 32. 33. 34. 30, 10; 'di sele ginc van lideu zu geliden' ebda. 40, 14. 'Und brühte siner kni gelider' (: wider) Job. v. Fraukenstein, Kreuziger 3428; 'niht blint niht krum an dem gelider' (: wider) [= sceletus] 193; 'ab im wart rinnen der sweiz Von allem sime gelider' (: nider) 3708. 8848. 7328. 8019. 'Ir habt der houbet vert vernomen; nu bin ich an diu glider körnen' Heinr. v. Beringen, Schachged. 10201. 'Sin lip, sin arme, siuiu glider (: nider) Zer tjüste siut zerquetschet gar' Heinzel. v. Konstanz, V. d. ritter u. pf. 184. 'Er was der lider nicht lazzer' Heinr. v. Freiberg, Trist. 3212. 'Unser herre hat uns fünf sinne gegeben, Xäch den wir richten unser leben . . . Alliu unser ge- lider mügen rüeren' Renner 9637; 'sweune sin gelider beginnent quelu' 11667; 'toubez houbt und müediu gelider' (: wider) 9678. 9798; 'als ist der mensche, dem gotes minne Sin gelider enzündet üzen und inue' 19322. 'Lamen liuten gab er wider Unt paralyticis ir lider' Walth. v. Rheinau, Marienleb. 145, 52. 146,21. 134,12; doch 163,14 'lide' ( : underschide). 'Daz im die glieder sint abe' Heinr. v. Neustadt, Gottes zuk. (DTM. bd. 7) 6208. 'Die da wären müeder lider' (: wider) Österr. reimchron. (MG., DChr. 5) 26337. 29619. 'Wan alliu werc, diu der mensche würket, diu ent- springent in dem herzen unde tretent für baz in diu gelider' M. Eckhart (Pfeiffer, D. myst. 2) 196,2; 'diu sele hat niht wan zwei gelider' 803,29. 'Elliu diniu lider sint Von eiu ander vaste gestrecket' br. Philipp, Marien- leb. 7431; 'daz elliu siuiu lider krachten' 8627; im reim 9445. 3014 'glider' (gegen 'lit' 5679). '(Er) ruort weder äten noch lider' (: nider) Kour. V. Ammenh., Schachbuch 6572. 492. 'Der lidir ordenunge' iS'icol. v. Jeroschiu, Chron. (Pfeiffer) 235; 'an den sineu gelidirn' ( : widirn) 16861. 'Elle di kraft aller deiner glider schol verzert werden in meinem dinst' Adelh. Langmann, Offenbar. (QF. '20) 41,7; 'do ich der hitz enpfindent wart in allen mein glidern, do hueb ich an und wart lacheut' 58,8; sonst 'gilt,

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^il?-PLURALE. 131

g-lide'. 'In alliii gelidim ist keiu kraft' Dalimil, Chron. von Böhmen 82, 38. 'Ich erschotte ü- gelider' ( : nider) Boner, Edelstein 48, 55; 'ze samen bunden si sin lider' (: nider) 52,62. 48,83 (sonst 'lit' und 'lide') als ein- ziges mit -er-plnr. erweitertes neutrum. 'Diu gaistleichen gelider' Megen- berg366,32. 372,3. 417,8; außerdem 312, 13. 389,38; 'si hahent uegel an den lidern' 490,7 u. oft. 'Sü hüben sich von daune zu haut Und komeu zu Adam wider. Dem über alle sin gelider Yil wirser was daune ee' Lut- wiu, Adam u. Eva 2769. 'Die gelieder volgetent irme houbete' Tauler (DTM. bd.ll) 81,6. 124,22; 'gelider' 56,18; 'in diuen eigenen gelidern' 69,17; 'noch dem hobte noch den glidern' 122,21 u. oft; 'dis hobt mit den lidern ' 159, 19 ; ' der selbe licliam der hat vil lider und vil sinne, und ein ieklich teil der lider die haut ir sunderlich amt ' 177, 6. 208, 22. 295, 18. 327, 18. ,Alle mine gelider' Elsbeth Stagel, Leb. d. schwest zu Töß (DTM. bd. 6) 54,9. 58,28. 72,35. 'Mir zittern myn glidcr' ( : nyder) Meist. Alt- swert (LV.21) 219,30. 237,36. 246,19. 249,6. 'Gelider' im reim bei Pet. Suchenwirt (Primisser) 25,137 gegen 'gelid' 29,198. 31,195. 'Daz er ge- winnet gevider vude sinii lider' (: wider) hl. Cäcilia (Zs. fda. 16) 1308. ' Wan im ervroren sin gelider ( : sider) Wol von den kalten winden' Meister- lied., Kolmar. hs. (LV. 68) 398,63. 'Ir lieder alle sunderlich Warnd rauch als ain per" D. gr. Alexander, Wernigeroder hs. a. 1397 (DTM. bd. 13) 4474; 'die (seul) viel do selber nider An aller menschen gelieder' ebda. 2504; 'ez bedarf ander speizz. Die den gelidern künden geben Natürlich hicz' 4391. ' So faulen die andern gelider all gemain ' Yintler, Blum. d. tug. (Ziugerle) 6319. 9106; im reim 3910. 'Glider' im reim bei Wolkenstein (Schatz) 79, 65; 'gilt' im reim 77,34. '(Er) hiess ... die gleder worffen vor die raben' Kothe, Thür. chron. no. 236. 'Wir seyen häupter und ir sind gelider' Meist. Ingold, Gold, spiel 18,22. 12,35. 'Der hat über die geUder kraft' Dangkrotzheim, hl. Namenbuch (Eis. lit. denkm. 1) 207. 'Soltent denn die glider nit sin oed?" D. teuf eis netz (LV. 70) 3002; 'gelider' im reim 5535; 'den gelidern tuon ich licht angesigeu' 7190. 'As alle sine hüge geleder uzer den anderen waren gedilf Leid. d. hl. Maccab. (Schade, Geistl. ged. v. Niederrh.) 149. 191. 240 u. öfter. 'Du bist klein des lybs vnd zarter ge- lider' Buch d. beisp. (LV. 56) 105. 'Er wäre ... seiner glider verdorben' Füeterer, Lauzelot (LV. 175) 235; 'wol gemacht von glidern' 257. 'Un- gewisse blodikait ... der gelider' Steinhöwel, De dar. mul. (LV. 205) 38, vereinzelt gegen 'gelid' 70, Äsop (LV. 117) 163, 'geliden' 164. 'Die ge- lider meins leibs' Albr. v. Eyb, Grisardis (Zs. fda. 29) 377. 'Diser gaist regiert mine gelider' Wyle, Translat. (LV. 57) 49; 'das gelide das ge- neunet wirt composicio furo in drütaile oder gelider wirt getailet' 354; 'äne der anderen siner gelidern lidmäsz' 24. 'Waschest alle gelider mir' Sterzinger passion (hs. 1-0 1496; Wackerneil, Altd. passionsspiele aus Tirol) 379. 2085. 2141; 'gelidereu' im reim zu 'erlitten' (!) 1905. 'Die gelidder des hilligen richs' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13) 457. 'An allen geledern" Harff 1499, Pilgerfahrt 79.

Aus dem beigebrachten belegmaterial erhellt, daß der plural des wortes seit mhd. zeit überwiegend schon in dieser form gebildet wurde. Der ja-stamm 'gelider' taucht als erster dieser classe seit dem 12. jh. auf.

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Ausnalimen nach der a-flexion, äie sich nicht ans versstellnng' erklären ließen, sind obd. seltener als auf md. gebiet; zu den oben erwähnten nud den von Molz, Beitr. 31. 363 verzeichneten füge ich hinzu: 'beweldigte sie ire gleede und machte das fleisch undirtenig dem geiste' Joh. Marienwerder (erste hälfte des 15. jh.'s., Script, rer. Pruss. 2, 205) ; ' czu haut begriffen di erczte di ädern unde den puls der jungfrowen unde och ire geledemaß' Steinhöwels Apollon., obersächs. hs. a. 1461 (Mittheil. d. deutsch, ges. Leipzig 5,2) 41,9, 'geledemaßen' 45,30. Die volle form ist im ganzen 15. jh. noch gut belegt, erst im 16. jh. wird sie geschwächt. In Urkunden ist das wort nur spärlich belegt. Man wird den völligen sieg des -r-plurals auf dem ganzen gebiet ins 14/15. jh. setzen dürfen.

glicelcrn, ' . . . glichet sich unser vrowe eineme reinen lichanieu, an deme alle geistliche kinder gelidert schollen sin" (= anfügen, anreihen) D. hlg. regel (DTM. bd. 16) 2, 7.

götier abgötter, 'excelsis abgotiruu" Ahd. gl. 1,433, 10 (10. jh.); 'idolothytis apgotir' 2,131,18 (10. Jh.). Notker, Ps. 73, 3 'cultor idolorura uobäre abkotero' (aber 78,1 'abkoto'). 'Excelsa apgotir' Ahd. gl. 1,442, 43 (11. Jh.). 'Eachel sin tohtir stal im siniv apgotir (abgoter)', Genes, u. Exod. 61,8. 'Dei abkotere' Ps. 113,12 (Windberg, hs., Graff, B. ges. NLit. 10). 'Die den abgoteren dienent dirre werlte' Physiolog. (Hoffm., Fundgr. 1,26). 'Dem tiere gelich sint. diu isirahelischen kiut. si bettoten zeerist. an got herist. dar nach durch gliift unde durch huor. uoboteu si dei apgotir' Physiolog. (Karajan 82). 'Do het si den apgutern unde dem tievel wider- seit' Altd. pred. (Scliünbach) 3,96,17; 'nu du den apgotcru unde dem tievel durch mich widerseit hast' ebda. 3,96,20; 'und heten sich mit den apgoteru und mit vil maniger unreincheit bewollen' ebda. 2, 48, 13; daneben öfter 'apgot, apgoten'. 'Der beiden apgöter ligent alle in dem graben' Ortnit408, 4 (DHB. 3); 'vor ir abgötern beiden si)rach si ir gebet' ebda. 385,1; daneben 'guter'. 'Sein vir aptgoter C.) oben dran' Dietrichs erste ausfahrt 93, 7 (LV. 52); daneben 'guter'. 'Er enpfie der abgötcr segen' Jansen Euikel, Weltchron. 23666; 'ze den selben stunden Wart daz golt funden Den abgötern ze eren' ebda. 3511; sonst immer 'abgot'. 'Das haben dy gotter understan' Ileinr. v. Neustadt, Apollon. (DTM. bd. 7) 3351; 'dy gotter di ich hab genonf 4259; 'deß helfe mir der gotter kraft' 4253; 'wann ich pin der götter spott' 10255. 'Darüf sach man steu Sin abgoter schone' Österr. reimchron. (MG., DCbr. 5) 50797; daneben 'goter'. 'Ich man dich, herre, do du komd in Egiptum land, daz di abgöter all nidervileu' Adelh. Langmann, Offenbar. (QF. 26) 87,10. 'Vch irczurnent dy abgoter' (im reim) Dalimil, Chron. von Böhmen 56,24. 'Die alten haiden heten ir abgötter in den aichen, und wenn si in ircn kumer klagten, s6 antwurtten in diu abgötter auz den paumeu' Mcgenberg 343, 5; 'von den abgötern' 312,2. '(Er) zerstörte die apgotter' Twiiiger, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 8. 9) 274; 'der apgotter tempel' 372; meist jedoch 'apgotte' 278. 314. 399 u. oft; 'der apgötte bilde' 709. 'So wecket man neur die abgötterei' Vintler, Blum. d. tug. 9660; 'abgötter' 828.6313. 'Sie ... solten nicht glauben an die abtgötter' Schiltberger, Reiseber. (LV. 172) 85. 'Abgoter' Meist. lugold, Gold, spiel 61, 27. 73,5; 'ditz spil prii)gt vil ab-

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gutterey 47,20. 54,27. 70,4; 'der ward von weihen verkert von got zu der abgutterey' 19,26. 'Ein teufel aller abtgotter' Muffel, Be.scbreib. von Korn (LV.128) 19. 'Petet er an die abtgotter' Albr. v. Eyb, Grisardis (Zs. fda. 29) 380. 'Dann wer ain creatur fürsetzet got dem allmechtigen der ist ain eerer vud vber der abgöterye' Wyle, Trauslat. (LV. 57) 98; sonst immer 'götteu'. 'Afgoderie' Koelhoff, Chron. von Köln (1499; Chron. ddSt. 13. 14) 2S5. 315. 455. 456; aber 'afgode' 284. 285. 813. 545 u.a. 'Saich ich in desem tempel geyn gemeyls hylder ader aeffgoederij' Harff 1499, Pilgerfahrt 180. 208. 100; 'vm der aeffgoederij en wylle' 124. 134; aber immer 'aeffgoede' 21. 29 u. s. 'Abgottreier' = einer der abgötterei treibt, aus einem handschriftlichen Grazer brevier des 15. jh.'g (Lexer, Nachtr.ll). 'Abgotter' 3. 10. 66 neben 'abgott' 6. 8 bei Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142,143), doch immer 'abgotterei'. 'Ab- gotter' bei Eberlin V. Günzbnrg immer so. 'Der abgotter spyß' Zwingli 1522, Von freiheit der speisen (Neudr. 178) 25. 26; 'so sy der abgöttern spyß ässen' 7; sonst 'abgött' 25, 'abgotten' 6. 7. 25; 'der abgotten spyß' 7. '26; 'ein wäre abgottery' 17. 'Abgötter, göttern' JMorgant (LY. 189) 52 u. oft; 'ein huffen faltscher gütten' 76 vereinzelt.

götter, Genes, u. Exodus: 'unsir gotir si uermanent" 120, 11 (Wiener hs. dafür 'gote' 86,21); 'umbe was er im staele sine hosgotir' ebda. 62,1 (Wiener hs. 'hüsgote' 45,44); 'ich tun min gerihte in den goteren Egipti', ebda. 153, 22 (fehlt Wien. hs.). 'So muostu die gote läzen varn' Kaiser- chronik (MG., DChr.l, 1) 3758 (var. 'got«', 12. jh. österr.). 'Die goter, die von golde Od uz silber geslagen Dem kunige bi sinen tagen Wären' Bar- laam u. Jos. (Fragm., Zs. fda. 1, 129); '(er) hiez vber die stat . . . Die goter brechen' ebda. 'Dus durch die guter mein' Wolfdietrich A 260, 2 (DHB. 3); 'so wil ich werdyn eyu cristeu, mein goter ab geseit' ebda. 266, 2. 'Nu bin ich eine sterker danue al diu göter sint' Ortnit 273,4 (DHB. 8); 'si vlegten ir göter beide und vielen für den sarc' ebda. 389, 2. 'Vnser gotter sint also starch als ir got' Legende (in Ficker, Spiegel deutscher leute, 1859) 12; 'eile deine gotter" ebda. 28 (daneben 'daz si irev abgot anbeten ' ebda. 15). 'Nu ruf du deine goter an' Dietrichs erste ausfahrt (LV. 52) 172,11; 'so trawt ich seinen götern wol' 188,12. 'Alle der götter hulde' jung. Titurel (Hahn) 2546. 'Unsaelic, valsch unde mein Sint alle goter wider in' Österr. reimchron. (MG., DChr. 5) 19309; 'bi sinen gotern er swuor Üf der kristeu schaden' ebda. 46649; im reim 'gof 46992. 47885. 49016. 50018. 51407 u. oft. 'So meine goeter gar erplint Und mir auch zu uichte sint' Laurin (Holz) K 1, 1765. 'Mars und her Mercuriüs Und ander goter lester- liche" br. Philipp, Marienleb. 3344; 'daz ir göter nider lägen' 3340; 'do er al diu göter sach" 3404; doch meist 'gote'. 'Ein got ob allen göttern' Adelh. Langmann, Offenbar. (QF. 26) 61,22. 'Ich sich daz die götter dir Genedig sint' D.'gr. Alexander (DTM. bd. 13) 389. 454. 1429. 2631. 2989. 4338. 4344. 4359. 4423. 4603. 4650 u. öfter; 'er waiß der götter sin' 1436. 2167. 2295; 'du geleichest den gotern dich' 1199. 1599. 2171. 2941. 8187. 3467. 4077. 4325 u. öfter; 'sag mir, waz hilfet dich Daz du haist, hör ich, Vil der seul auf richten Und die gottern tychten' 4318; in der hs. (Wer- nigerode, von 1397) herrscht die form ausnahmslos. 'Daz sie den gottern

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opfern solt' in der maget kröne (alem.) (Wiener sitzungsber. 47, 489 ff.), 95b vereinzelt neben 'got'. 'Do opfert er den göttern an den stunden' Yintler, Bhun. d. tng. (Zingerle) 4755 u. öfter; 'götter' 2907; 'abgötter' 828. 0313. 'Umb üwer götter was es getan' Hugo v. Montfort (LV. 143) 32, 107; 'abgötten' 24,39. 'Si petten fremde gotter an' Egerer fronleicbnamssp. (LV. 156) 937. 'Unser götter' Nürnberger jahrb. (Chr. ddSt. 10, 169). 'Habent die götter myn gebet erhöret' Steinhöwel, Äsop (LV. 117) 75, vereinzelt gegen 'got, gotten". 'Götter' bei Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142, 143) meist, vereinzelt noch 'gott' 6. 8; 'gotten" 4. 7. '(Der) sieg Den uns die götter v.öUen geben!' H.Sachs, "Werke 8 (LV.) 5, 2 u. oft; eine nicht erweiterte form ist mir nicht begegnet. Molz, Beitr. 27, 243. 31, 359. Der entwicklungsgang des plurals ist ein sehr langwieriger gewesen; erst in der zweiten hälfte des 16. jh.'s kam er mit dem eudgiltigen siege der -r-bildung zum abscbluß. Den ansgangspnnkt haben wir zweifels- ohne in dem in der alten spräche häufig belegten stn. 'abgot = götzenbild' zu suchen, also in der concreten bedeutung. Mit der bedeutungsentwick- lung des wertes kam dieser -r-plural bald auch in nähere beziehung zu dem masc. 'got'. Die frühesten belege hierfür gehen in den anfang des 12. jh.'s zurück. Li dieser form setzte sich die -r-form jedoch nur sehr langsam durch. Dies hat verschiedene Ursachen gehabt: einmal erscheint 'abgot' vorzugsweise pluralisch gebraucht, Avährend man zu dem masc. a- und i-stamm einen plural nur selten bildete (die ersten belege haben fast alle noch die bedeutung des compositums), dann aber fehlte es für masc. Stämme bislang an analogien, durch die sich die gelegentlich be- zeugten -r-bildungen hätten stützen können. So kam es, daß die neue pluralbildung beim compositum in mhd. zeit schon eine größere Stetigkeit zeigt, doch drang sie auch hier erst im 14 15. jh. auf dem größten teile des obd. und md. vollständig durch. Nur das alem. zeigt in der ersten hälfte des 16. jh.'s noch die alten flexionsformcn: 'also sind die abgott die nüwen gott entstanden' Nazarei 1521 (Neudr. 142 143) 6; Zwingli 1522, V. freiheit d. speisen (ebda. 173) 25 'abgott, abgötten' 7. 25 (2 mal). 26, öfter auch 'ab- götter' gen.; Orosius 1539 (Molz, Beitr. 31, 359) 'abgötten'. Im ostmd. (Luther 1521, Streitschr. gegen Emser, Neudr. 90/98, 'Emßers abgötte, babst vnd cardinal' 23) sind sie selten. Viel langsamer hat sich der plural 'götter' durchzusetzen vermocht. Von vereinzelten, verfrühten bildungen im sinne des compositums abgesehen, herrscht die traditionelle mhd. flexion noch bis anfang des 15. jh.'s. Um diese zeit zeigt sich in md. denkmälern z. t. schon die möglichkeit einer -r-form (vgl. Alexander); bei obd. Schriftstellern ist der gebrauch noch unentschieden, doch überwiegen die nicht erweiterten formen bis ende des 15. jh.'s. Erst um die mitte des folgenden jh.'s war auch hier die entwicklung abgeschlossen. Wir werden nicht fehlgehen, im siege des -r-plurals 'götter' einfluß speciell md. mund- arten zu sehen.

grÄber, 'tumulos greber' Ahd. gl. 2, 235, 57 (anfang des 9. jh.'s); 'scpulchra prophetarura ir zimbrit grabir forasagono' (anfang des 9. jh.'s) Mondseer fragm. 18,7. 'Grebir monumeuta' Tatian 141,21. 26. 209,2, dat. 'grebirun' 53,2. 88,9, 'grebiron' 141,22. 209,4, 'gribirnn (-ron) 53,3.

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'Thhi g-rebir sih imlätmi, ioh giaHgnn fiz thie dotun' Otfnd4, 34,3; 'sie giaugim ir tlien grebiron zeu liutiii in diabürgin' ebda. 4, 34, 5. 4,26,20. '(Ad) tumbam crepif' Alid. gl. 2, 302, 13 (10. Jh.). Notker, Ps. 48, 12 'Dar ze iro greberen häretou sie in be namen. Iro aftercliomen nuisotou Iro gve- bero' (neben 'sint iro grab' ebda.). 'Diu greber täten sih üf Ezzos gesang (MSD.) IS, 7. 'Di graber sich indädun' Friedberger (Wetteran) Christ (MSD.) Ea, 3. Gedichte d. Ava, Zs. fdph. 19, 308 'greber'. 'Grebere ire' Pä. 48,11 (Wiudberg. hs., Graff, B. ges. NLit. 10); 'in den greberen' ebda. 67, 7. 'So tünt sich den greber uf Antichrist (Hoffmann, Fuudgr. 1, 199, 13). 'Div grebere taten sih uf Diemer, Ged. 326, 7. 'Die crebere' Altd. pred. (Schönbach) 1,13,18; 'und alle menschen die ie wurden die erstent auz den grewern' ebda. 2, 14, 5. 'Die gekelkede graber' Lilie (DTM. bd. 15) 8, 11. 'Do sich die steine spielten Und sich diu greber täten üf ' Konrad V. Würzburg, Gold, schmiede 1983, Silvester 3260. 'Da er vil alter greber sach' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 4923; 'daz man die greber üf dem velt Mit müre umbevienge' 9176. 'Div grebir wurden offen' Hugo v. Langen- stein, Martina 38, 106. 76, 29; 'dur daz alle toten sa Uz den grebirn komen sa' 190,64. 'Ir bint gelich den gemaleten grebern' Dtsche. pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 1, 11. 75. 76. 152. 'Als di greber erschrundeu' Joh. V. Frankenstein, Kreuziger 10323; 'manich greber enthüllet warn' 10331. 'Die greber worden uf getan' Heinr. v. Neustadt, Apollon. (DTM. bd. 7) 3125. 6140. 'Ir sult den grebern si geliehen' br. Philipp, Marienleb. 6246. 'Von den greberen' Beheim 1343, Evangelienb. M. 8, 28. 23,27. 'Als die greber' Vintler, Blum. d. tug. (Zingerle) 9021; 'grab' in iunenst. 5750 (in spät. hss. 'gräber'). 'Vil heydenischer grebir' Rothe, Thür. chron. no. 105. 'Do sind vil greber und heyliger gepein, die noch aldo ligen' Muffel, Be- schreib, von Rom (LV. 128) 48. 'Do Xanthus mit Esopo ob den grebern der altvodern was und die übergeschriften der greber las' Steiuhöwel, Äsop (LV.117)61. Molz, Beitr. 31, 328 führt für das wort ebenfalls nur -r- formen auf; nur wenige a-plurale, die sich aus der Stellung im vers er- klären, sind mir begegnet: 'diu grab si offen fuuden' Gundacker v. Juden- hurg, Christi hört (DTM. bd. 18) 3474; Buch der Maccab. (LV. 233) im reim 10455.

Aus Urkunden kann ich nur den eigennamen 'Grebern' anführen, Mon. boica bd. 10, 404 (a. 1190). 459 (a. 1198).

grÄser, 'grazz, kraut und auch würcz Gebeut kaiuer freude hürcz Zu der myune weyß' D. gr. Alexander (DTM. bd. 13, hs. von 1397) 4387. In frühnhd. zeit scheint das wort trotz seiner nahen begriffsverwandtschaft mit 'blätter, läuber' keinen -r-plural zu bilden, wenigstens belegen ihn die Wörterbücher erst für die neuere zeit (seit dem 18. jh.), wo er als wissenschaftlicher terminus im sinne von 'gramina = graspflanzen, -arten' vorkommt. Die ältere spräche vermeidet den plural des wortes, der singular hat hier zugleich coUective bedeutuug. Vgl. auch Molz, Beitr. 31, 329.

griezzer (: grioz, stra. gries, sand), 'meregriezer' in Keiles specileg. 145 (nach Grimm, Gr. 1, 680).

grinder (:griiit, stm. grind, grindkopf), 'eyne krangheit . . . dy mau hiß dy Franczoßeu ... Es worden mit ersten breite blättern, dar noch

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worden sj breite grinder vuud rochen sere ubele" Kour. Stolle ^^ 1500, Erfurt, ehren. (LV. 32) 185.

guter, 'dusse gaf der kerken de godere to Slaustede unde to De- deleve" Chron. d. Stifts St. Simon und Judas, Goslar (MG., DChr. 2) 594,4; 'dusse heft vvedder gebuwet de Hartesborch unde heft geyen der kerken de goider bi der Säle* 595,10. 'Kirchengüter' Closener, Straßburger chron. (Chr. ddSt. 8) 37; 'gütere' 77. Auf einen frühen beleg in den Monum. Habsburgica (Chmel) 2, 678 yerweist Leser s. v. Im Habsburg.-österr. urbar- buch (1303—11, LV. 19) begegnet immer die form 'güeter" 7. 28, 'güetern' 24. 45. 60; dagegen findet sich auf einem pfandrodel (1281—1300) noch zweimal die alte form 'guot' ebda. 332. 336. 'Und koufiu si gutir di nicht sint fri Und vorziusin di seibin gute' Eothe, Ritterspiegel 413; 'ab nu wol er gutir sint fri' 931; 'mit andern unzellichen guthern' Thür. chron. no. 335. 'Auch sy hätten alle ire guter frey gelassen' Decameron (LV. 51) 4; 'also (er) in alle seine guter wider ein geseczt ... warde' 224; ' Schlösser vnd guter' 228. 'Seczt sie das romisch volk ze erben aller ierer ligenden und farnden guter' Steiuhöwel, De dar. mul. (LV. 205) 214. 'Die guter so ains menschen sinf Wyle, Translat. (LV. 57) 152; 'die guter der kirchen" 163 u. öfter. 'Alle ire guter und liplich narung" Tünger, Facct. (LV. 118) 137. 'Geistlike goder' Des dodes danz (Lübecker druck 1489) 1136 (LV. 127); ' vele sechstu van dinen landen nnde 6k van den velen goderen " ( : broderen) 526; 'dat he mi unde mine negesten erven An titliken goderen nicht late vorderven' 880. 'Gebiede, herlicheit ind goider' Koelhoff 1499, Chron. von Köln (Chr. ddSt. 13. 14) 679. 508; 'gueder' 693. 'Dat deyl der güder dat my gehört' Burk. Waldis 1527, Verlor, söhn (Neudr. 30) s. 11. 'Von wegen der güteren' Seb. Münster 1544, Cosmogr. 369, nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Setzt fort ewr gemüter Hin auff die hiralischen guter' H.Sachs, Werkes (LV.), 258,12; 'das man auff sein begern der-massen Sein guter im hett faren lassen' 206,29. 101,28 u. öfter; 'must er ir all sein gütr verschreiben" 82,8; dat. 'gütern' 220,24 u. sonst. 'Sein die dörfer und gueter bei stammen und nammen bliben' Zimrar. chronik (LV.) 2,352 u. öfter; dagegen 'die lehenguet' ebda. ' Der kerken gudere ' Oldecop (mndd.) Chronik 74,28. 290,16. 324,25; 'guder' 87,34. 284,22; 'guderen' 73,28. 118,33. 324,16; 'goderen' 53,14; vereinzelt noch die alte form 'gut' 324, 21 u. sonst.

Viel ausgiebiger sind belege für den plural in der Urkundenliteratur, wo er auf schritt und tritt begegnet. Die -r-formen müssen schon im 13. jh, über das ganze gebiet verbreitet gewesen sein, wenn ich sie um diese zeit auch nur im alemann, und ostmd. nachweisen kann. Der familienuame 'de Guttern' kommt im Urkdb. Mühlhausen (= Geschqu. d. prov. Sachsen 3) seit 1244 vor, no. 99. 101. 108. 124. 125. 143. 157.183 u. sonst, 'Gotevridus et Theodericus de Bischofisguttern" 184 (a. 1268). 389 (a. 1292). 445 (a. 1295) u. sonst, 'in cauipetis ville Aldenguttern' 698 (a.l316). 802 (a. 1325). Aus dem äußersten nordosten: 'die guter ... in ortern des teutscheu landes' Liv-, est- u. curländ. nrkdb. 1,343 (a. 1254), 'landeguedere' 582 (a. 1280); aus dem übrigen teile: 'vonvnsern lehengüttern ' Urkdb. d. klöster d. grafschaft Mansfeld (= Geschqu. d. prov. Sachsen 20) 429 (a. 1276), im 14. jh. mehren

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sich die belege; fürs schles.: 'seine gutter ... an dorfferu vnd an weiden' Cod. dipl. Siles. 6, 200 (a. 1377), 'alle seine guter" Urkdb. Saaz (Böhmen) no. 232 (a. 1394), u. a. Wo im ostmd. nicht erweiterte pluralforraen auf- treten, entfallen sie der mehrzahl nach auf den dat. 'guten': 'mit alle sj-nen rechtin ... zciusen, guten' (neben 'gutiru' in derselben Urkunde) Urkdb. Erfurt 2, no. 972 (a. 1388), 'von gudeu des closters' iTkdb. kloster Ilseuburg 228 (a. 1101), 'guten' Jena 2, no. 577 (a. 1167) neben 'gutern', seltener auf die anderen casus: 'alle yre gute und gerichte" Grafschaft Mansfeld (s. oben) 459 (a. 1378), 'dye . . . gud' Jena 2, 297 (a. 1137), 'alle vnse gud' Ilsenburg, zweite hälfte s. 1 (a. 1461). Im großen ganzen sind die alten flexionsformen hier schon im 14. jh. selten, und wo sie in dieser und späterer zeit begegnen, beschränkt sich ihr gebrauch auf die dem fränk. zunächst liegenden teile des ostmd. Hier, namentlich im westfränk., sind die alten formen im 14. und 15. jh. öfter zu belegen, und zwar am längsten im nördlichsten teile des gebietes: 'alle die huser und gut" Urkdb. Frank- furt 2, no. 422 (a. 1331); 'dy gute vnd höfe' Hess. Urkunden (Baur) 3,468 (a.l368), 'die gude' 5,489 (a.l392), 'guter' seit 1355 oft belegt; 'die selben gude' Urkdb. kloster Arnsburg no. 1089 (a. 1388); 'guter' erst 1411; 'gute' Urkdb. Worms 2, no. 1035 (a. 1397), meist -r-plural seit 1364; bei Lacomblet, Urkdb. d. Niederrh., ist mir im 14. jh. keine neubildung be- gegnet; fürs moselfräuk. läßt sich ein häufigerer gebrauch der -r-form erst seit ca. 1430 erweisen (seit 1359 belegt, im C^od. dipl. Rheno-Mosell. 3, no.455 'die gudere die herna geschrieben steenf), doch sind die a-formen noch bis gegen ende des Jahrhunderts gut belegt: 'das dritteil aller erbgude vnd lehengude' 4, no. 340 (a. 1476), namentlich im dat. Für einige weitere a-formen aus md. gebiet verweise ich auf Molz, Beitr. 31, 334. Im alem. tritt der -r-plural seit a. 1300 öfter auf im Urkdb. abtei St. Galleu: 'du guter' 3,304, 'swaz der lüten unt der gütern (!) lehen ist' 305, 'ussir den ... gütirn' 354 (a. 1307), 'disu guter* 411 (a. 1319) u.a.m.; 'gutere ... ackere' Urkdb. Straßburg 4 ^ 129 (a. 1322) u. sp.; 'allü minü andern gütere' Urkdb. Freiburg 1, 331 (a. 1337), 'die herschaft yiu\ guter' 325 (a. 1336) u.a.m. Schwab.: im Urkdb. Rottweil zuerst a. 1314, no. 99 'disu guter', während es a. 1290 (no. 47) noch heißt 'diu gut'; (besitz) 'an zwinge, bann, lütheu, güetern, gerichten" Fürstenberg, urkdb. 2, no. 113 (a. 1321) U.S.W. Bayr.-österr.: 'ir guter, gutern' Font. rer. Austr. bd. 39, no. 214 (a. 1334, Kärnten) u.a., 'gueter' ebda. bd. 18, 265 (a. 1350, AVien). Im iirkdb. des Stifts St. Pulten (Niederösterr. urkdb.) hat das wort seit etwa 1350 fast durchgehends -r-plural, vereinzelt 'gut' 1, no. 335 (a. 1347). Dar- nach muß der -r-plural auch im obd. schon im 14. jh. für das ganze gebiet vorausgesetzt werden, doch ist er ausgangs des Jahrhunderts namentlich im Schwab, und bayr.-österr. noch nicht so constant wie im ostmd., vgl.: 'gute' Fürstenberg, urkdb. 2, no. 518 (a. 1387), 'gut' (a. 1347. 1357); 'die gut, urbar und stucke" Font. rer. Austr. bd. 34, 315 (a. 1373, Tirol), 'alle die guet' 329 (a. 1376) neben 'gueter, gütern" ebda., und noch a. 1455 'die nachgeschriben urbar und guet' 599. Dat. 'guten' kommt daneben eben- falls öfter vor: Urkdb. Eottweil bis 1405 (no. 692), Augsburg bis 1391 (2, uo. 768); St. Pulten (Niederösterr. urkdb.) bis 1393 (2, no. 810) u. a.

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Anders siud die folgenden belege fürs alem. zu beurteilen: 'ällü du gut \md guter, du er und sin gotzhas habint . . . daz du selben gut \ind guter ällü rechtü schupflebeu sint und nit erbleben sint' Urkdb. abtei St. Galleu 4, 262 (a. 1381), ' brief . . . die zu den obgeschribnen guten und gütern Werdenberg und Starkenstain gehörent' 394 (a. 1390). Hier handelt es sich um eine parallele zu jener erscheiuung, die wir später für das gleiche ge- biet auch für den plural 'Länder' feststellen werden. Bemerkenswert für diese stellen ist die doppelsetzung des Wortes, die ich sonst für kein anderes beispiel der ganzen classe (außer 'länder') belegen kann. Diese doppel- setzung aber kann nur dann befriedigend erklärt werden, wenn wir für beide pluralformen verschiedene bedeutuug annehmen. Als solche ergibt sich für den alten plural 'guten' die collective (vgl. 'länder'), für den -r-plural die mehr individualisierende. Indes ist eine strenge begriffliche Scheidung beider formen sonst noch nicht durchgehends zu bemerken, viel- mehr kommt der alte plural 'guten' auch hier noch bis ins 15. jh. vor (a. 1405; 4,744), ohne speciell collective bedeutung; auch gelegentlich im Urkdb. Straßburg 6, 290 'an iren leiben und guten' (a. 1389).

Fassen wir das gesamte material zusammen, so gelangen wir zu dem Schlüsse, daß die schon im 13. jh. in md. ma. und im alem. belegte plural- form sich auf ostmd. boden schneller auswuchs als im obd. Für das gesamte gebiet wird der sieg der -r-bildung schon um die mitte des 14. jh.'s an- zusetzen sein, wenn auch gelegentliche ausnahmen weit über diesen Zeit- punkt hinaus noch vorkommen. Vom ostmd. aus sprang die form auch auf ndd. ma. über (vgl. oben Oldecop).

liäger (: hac, stm. n. dorngebüsch, einfriedigung, umfriedigter ort), 'onch sol man wissen, das ... uns disü vorgeschriben gueter noch acker noch treffen noch etzen noch howen han usser iren hegern. Der stampbacker het ouch kein ehaftigü vssernd sinen hegen . . . Ouch sol man wissen das . . . uns das vssernd den hegern nieman weder etzen noch tretteu noch howen sol' (3 mal so) Weistum aus Meggen (b. Lucern), Mitte 14. jh. (Grimm, Weisth. 1, 165). 'Swer dem andern hie schaden tiit an wingarteu bongarten, garten, akkern. wisen. zünen. hegern ald an sölichen dingen' Stadtbuch Schaffhausen (14. jh.), Alem. 5, 18, 17. In der bedeutung von dorngebüsch, Unkraut findet sich der plural in Oheims chronik von Reichenau ^^1500 (LV. 84) 'hat der tapfer und fürpuntlich ackcrman ... angefangen, mit rütthowen, bickeln, karsten und schuffla die uunutzeu schoß, dorn, tistel und alles ungebuwen gestud und heger uszerütten' 8. 'Ich frage, wor der erste pfal in den 7 freyen liagen ist geschlagen worden? Antwort: auf unsers gnädigen hr. gnaden und auf die 7 freyen hager ge- rechtigkeit' Grimm, Weisth. 3, 307 (Niedersacbsen, 16. 17. jh. ?); ebda, sonst 'hagen'. Hierher auch die Zusammensetzung -hagen in ortsuaraen, vgl. Wendhagen, Probsthagen u. a. in Niedersachsen. Vielleicht ist hierher auch zu stellen: 'de Hagerhuson' aus einem urbar aus Werden (Publicat. d. ges. f. rhein. geschk. 20, rhein. urbare 2) '290 (12. jh.). 303 (13. Jh.).

hälmcr ( : halm, stm. halm), vereinzelte dialektische bildung; in einer Variante zu Freidank (hs. anfg. d. 14. jh.'s) 77,12 'swä die halme ein herren weint', 'halmer, helmer', Grimm s. 240. Nach Lexer s. v. in

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Salman und Morolt. 'Auch strozhelraer zeucht er zu im' St. Florianer Steinbuch (15. jh. bayr.-üsterr.; Volmar, Steinbuch, hsg. Lainbel 1877, s. 95ff.) 623. In Diefenbachs glossensammlungen 161c 'culmina helmer', 472a 'pullu- lare vffgeen in die helmer 1 ehern', 54:6h 'spicarius helraer- (eher) leser'. 'Der waitzen steiget in die hälmer" Dasypodius. Für Aveitere belege aus dem 16. und 17. jh. vgl. DWb.4,2,237; Molz, Beitr. 27, 219. 31,360. Nach den begriffsverwandten 'gräser, blätter, läuber' gebildet, hat sich der -r-j)Iural neben der a-flexion vereinzelt bis ins 19. jh. (Grimm) erhalten. Ursprüng- lich scheint er nur obd. ma. zuzukommen, von wo aus er auf die anderen gebiete übergriff.

halber (:hals, stm. hals), vereinzelte dialektische bildung; 'der (lyntworme) waren eyn teil, das der vorgift uss iren helssern für also fewer' Rothe, Thür. chron. no. 126. Eine parallele zu diesem anomalen plural bringt das DWb. 4, 2, 243 aus Kongehl (~ 1680; 90) 'hälsern' (: felsern). Das dunkle 'halsirom habenis' (Grimm, Gr. 1, 622) ist damit jedenfalls nicht identisch.

Iiärer (:har, stn. haar), 'capilli harer' Ahd. gl. 1,83,7, 'pellitie harir' 1,233,21 (8. Jh.); 'harir' 1,82,7 (8,9. jh.); 'canos craiu harir' 1,274,17 (9. Jh.). 'Habebat vestimentum de pilis camelorura habeta giuuäti fon härirun olbentÖDo' Tatian 13,11 (aber capilli capitis 44,20 'iuuares houbites här'). 'Harir' Ahd. gl. 1, 599, 35 (10. Jh.); 1, 83, 7; 1, 233, 21 (10. Jh.); 'harir' 1,643,1 (10. jh.). 'Mines houbctes härer' Notker, Ps. 68, 5. 'Setas harir' Ahd. gl. 2, 638, 3; 'harint' (= harir) 2,656,44 (11. jh.); 'harir' 1,642,72; 1,599,35 (11. Jh.). Das wort ist gewöhnlich nur in einzelnen hs., nicht in mehreren übereinstimmend, als -er -plural gebraucht; selbst hs., die eine menge von -er-pluralen aufweisen, bevorzugen die nicht erweiterte form. 'So wil der railte got ... alliu diuiu lider. alliu diniu haerer vinden' Dtsche. pred. 13. jh. (Grieshaber) 1, 55. Aus den Haimonskindern (1531) bringt Molz, Beitr. 31,356 einen beleg bei. Der ursprünglich über das ganze gebiet verteilte -r- plural scheint sich nur im obd. (alem.) erhalten zu haben.

liänpter, 'er fuort ein kreftecliche schar Mit im an der stunde. Houbter sam die huude Hat al sin massenie ' Reinfr. v. Braunschweig 19350. 'Un der künege höpter brahten si dem herren Gedeon' Dtsche. pred. 13. jh. (Grieshaber) 2, 94. 'Er brach houpter und spielt Arme und schenke! er abe sluog' Gl. Wisse u. Phil. Colin, Parzifal (Eis. lit. denkm. 5) 84, 19; 'ouch sage ich üch sicherlich, Möhteut die ros han gessen in Houbeter von den wälden swin' 191,28; 'men möht anders niht gesehen, Wan höbeter, dez möhte man jehen' 210,15. 'Nu so welleut soliche lüte dis durchbrechen rechte mit gewalt in eime gestürme und machent hose hobeter' Tauler (DTM. bd. 11) 93, 23. Aus Seifrids Alexandreis 144. 289 belege bei Lexer s.v. 'Ja wie sold he Verliesen Die sulchen heubthere' br. Hansens Marienl. (Minzloff) 3491. 'Den dette er die houpter abe schlahen' Closener, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 8) 54; 'schlug ... die houbter abe' 31. 'Der küug und ritter naigteu sich Und machten all die höbter bloß' Herrn, v. Sachseuheim, Mörin 1145. 'Slügent in allen die höuheter abe' Jak. Twinger, Straßburger chron. (Chr. ddSt. 8. 9) 915.515; 'houbter' 884; 'houbeteu' 507; 'zwei

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houbet' 521. 622. 'Wir werdent vuser houpter bar Füreut wir den kuabeii dar' Haus V. Bühel, Diocletian (B. ges. NLit. 22) 534. 'Das mau sölt den zwaiu knechten Ir höpter abschlan' Appeuzeller reimchrou. (ool405) (Arx) s. 163. '(Er) hies die häubter für in tragen' Vintler, Blum. d. tug. (Zingerle) 1819. 'Und was die bull also geschriben und gezaichnot: an ainem tail sant Peter und sant Pauls höpter' ßichental, Chron. d. Konstanz. Konz. (LV. 158)66; 'och was uff dem altar sant Conratz und saut Pelayen höpter' 126; 'rittend all in priesterlichem gewand uud hattend infein uff iren höptern' 127. 'Das prüeft man an vil grossem heubtern wol' Wolken- stein (Schatz) 103,42; 'da sein vil heubter schuldig an' 118,24. 'Die anderen man ließ er köpfen und macht dornach auß den köpfen ainen tliureu von heuptern mitten in der Stadt' Schiltbcrger, Eeiseber. (LV. 172) 31. 26. 'Wir seyen häupter und ir sind gelider' Meist. Ingold, Gold, spiel 18,22; 'hüwschrikel, die beten menschenhäupter und langü horuer und krön auf den haubtern' 72,12; 'wan man uit zway häupter sol haben über ain volk' 39,28. 'Wan die höupter sind och uf gitikait genaigt' Des teufeis netz (LV. 70) 4991; 'si band erdacht ain nüwe 1er Daz si die gaistlichen höupter zuo in ziehen' 5168; 'da tügen wir all unser hilif zuo Das die höupter habind kain ruo' 2936; 'wir ligent den höuptern in den oren' 2939; 'so man das von höuptern hoert jehen' 3095. 7189. '(Sie) neigent sich all mit den hoptern' Mone, Schausp. d. ma. 2, 323. 345 (mittelrhein.). 'Zu schlaffen gonden ire höpter sinckeu' Neidhart Fuchs (D. nat.-lit. 11) 1283. 'Auf die häupter der mann' Decameron (LV. 51)246. '(Er) sach vorhergon vier tier, die mit geduckten höubtern in begerten zu uerschlinden' Buch d. beisp. (LV. 56) 20; 'do erschracken sy vnd stunden mit geneigten höubtern' 80. 'Do sind vil greber und heyliger gepein, die noch aldo ligen uud haubter uud ander gepein' Muffel, Beschreib, von Rom (LV. 128) 48. 'Do waren die greber uud die heüpter auf den zj'nnen alls enweg' Füeterer, Lauzelot (LV. 175) 43; 'er schlueg in paiden die heüpter ab' 184. 191. 'Über das schlug man in ire häpter ab' Augsburger chrouik 1470 (Chr. ddSt. 4) 330, 30. '(Er) besamuet ein unmesig her mit ungewoneu lütten: moren, Tatten, hunczhöpter und aller band' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 99. 'Gebenedijt siju mit namen Die oeverst hoefder zusamen Der werder hilger cristeuheit' Christ. Wierstraat, Chrouik von Neuß (Chr. ddSt.20) 2774. 'Sie machen da mit hörner an die heubter' Altd. bl. 1,60. 'Li wurden beiden ire heufder afgeslagen' Koelhoif, Chrou. von Köln (Chr. ddSt. 13. 14) 735; 'do keirden si ire heufder umb ind Hessen die versen sien" 711. 765; 'die heufder van der stede Coelne' 629. 545; (si) soulden heilni haven up iren heuf deren' 299. 826. 892. 'Schone menner koestlich lanck gekleyt vss off die voesse, die hueffder (!) alle gar geschoren' Harff 1499, Pilgerfahrt 45; 'die tzwey heuffder sijnt Peter en sijut Pauwels apostelen' 15. 56. 95. 104. 129. 144. 193. 205. 233; 'junge kyntz houffdcr' 71; 'van desen drijn heuffteren' 40. 239, 'mit geschoren houffderen' 226; 'vffyeren hueffder' (!) 225. 'Vil weibische heüpter' Jud. Xazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142 143) 62. 'Die höupter der kircbeu' Eberliu, Werke 1 (Neudr.) 148. 97; 'häupter' 3,112. 'Sieben heubter" Luther 1543, bibel, Offeub. 12, 3; 'er macht sie zu heubter (!) vber das volck' 2. Mos.

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18, 25, nach Kehreiu, Gr. 1, § 002; dagegen öfter 'heubte' ebda. § 303. 'Legte ihnen die hend auff die henpter" Staden 1556, Eeiseber. (LV. IT) 137. Weitere belege bei Molz, Beitr. 31, 335.

Der dat. zw ' hoiipteu ' ist im 15. jh. schon ziemlich constant. Formen nach der a-flexion sind in md. gebiet viel häufiger als im obd.: Eothe 'houpte' öfter; 'neygetin ire höupte kegin ir' Joh. Marienwerder (Script. rer. Pruss. 2, 313); 'ir habeut den zweyen die haubte abgeschlagen' Heldeu- buch 11. 395, 40, 'die haubt er in abschlug' 82,10; 'de gesegenteu die heyligen zwei haubt der kirchen einander' Muffel ca. 1460, Beschreib, von Eom (LV. 128) 28 ; ' met bry ven , dy sy eu under dy höbt ley te ' Altd. bl. 1, 145; 'vmbinden yere houffde' Harff 1199, Pilgerfahrt 138, sonst 'heuffder'; in der gleichzeitigen Koelhoffschen chronik 'heufden' neben 'henfder, heuf- deren'; 'die häupt der ross' in Dietenbergers bibel. Obd. kenne ich aus dem 16. jh. nur einen beleg aus Hugs Yillinger chronrk (LY. 161) 'man ... huw in ire hopt ab' 89.

In Urkunden begegnet der -r-plural obd. schon im 14. jh. oft: '100 kabes höpter' (= krautköpfe) Fürsteuberg. urkdb. 2, no. 491 (a. 1381); 'die zwen acker ... an den fürhöptern anenander stossent' Urkdb. abtei St. Gallen 4, 415 (a. 1391) u. a. Für md. gebiet kann ich die form erst im 15. jh. be- legen: 'wiugarten, wahsgulde, oleygulde, bestheubtere vud andere ziuse' Cod. dipl. Eheno-Mosell. 4, no. 201 (a. 1113). Die Verschiebung zugunsten des -r-plurals drang also schon im 14. jh. im obd. durch, in md. ma. erst später völlig, so daß wir den -r-plural etwa seit der mitte des 15. jh.'s für die ganze linie voraussetzen dürfen.

liänser, 'husir' Mondseer hs. (a. 772), Zs. fda. 46, 296 gegen 'huson' ebda, (a.828); 'Oathareshusir' (a. 794), 'Totinhusir' (a. 804) Salzburger Verbrüderungsbuch, Zs. i'da. 43, 5; 'in locis denominatis, id est... in Pluvi- ieshusirum et in Scafhusirum' (a. 800) Xeugart, Cod. dipl. Aleraanniae 119. 'Theatras (!) spilahüsir' Ahd. gl. 2, 764, 20. Notker, Psalm, 'huser, hiüser' 48,12.47,14; Boeth. (Piper) 'sie nehabeton hiuser" 1,97,20; Ps. 'dero üurehton hiüsero' 73, 20; *a domibus eburneis föne helfentpeinineu hiuseren' 44,9; 'vnder dieu hiüsern' 44,10; 'in iro hüseren' 47,4; 'ecclesie dei sint torcularia. Sie sint torculhüser' Psalm. 83, 1 (aber 83, 2 'in torculhüsen'). 'Dücenhuser' Werdener heberolle (12. jh.; Heyne, Altndd. denkm. ; s. 108). 'Diu gesperre unser husero sint cedrin' Williram 25,1; 'Ismahelitae ..., die der hüser nehäbeut, sunter okkeret uilzhüs unte andera unuuätliche herbberga' ebda. 9, 4; in der Leydener hs. 'husero' 13,2 nach Busch, Zs. fdph. 10, 326; 'hüse' 7, 24 in der gleichen hs. möchte v. Helfen, Beitr. 22, 481 in 'hviser' ändern. 'Grebere ire sint husere ire' Ps. 48, 11 (Windberg, hs., Graft', B. ges. xsLit. 10); 'in huseren' ebda. 47,3. 'Daz vil tunkelen schaten Diu wikhiuser hären ' obd. Servatiusdichtg. 80 (Zs. fda. 5) ; ' Gotes hiusern tet er we' ebda. 3397. 1115. 'Diu hiuser wären über al Beher- berget vaste' Erec2B3; 'daz er sinen s weher alten Zweier hiuser lieze walten' ebda. 1820; 'als er diu hiuser zuo im nam' ebda. 1829; 'gotes hiusern viel daz ander teil' Arm. Heinr. 255. 'Ir türue und hiuser wären ganz ' Thomas, v. Zirklaere, Der Avälsche gast 2448. ' Do begunde di erde so biben, Daz diu hiuser küme stende bliben' Stricker, Karl 8262. 'Ir

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gotes haeiiser' Spiegel deutscher leute (Ficker) 44. 303. 'So sult ir diu biuser spisen' ülr. v. Lichteustein, 25. Lied, v. 11. 'Do solt reiniu iduser haben' Berth. v. Regensburg (Pfeiffer) 1,121, IG. 122,17; '(sie) Lüeteu der biuser uude der kiude' 1.21,28; 'an den biusern' 1,111,35. 121,7. 24; 'so beten etelicbe üzsetzigiu biuser. Der an den biusern üzsetzig was, so biez mau deu die üzsetzigen steine üz breebeu und einen andern an die stat setzen" 2,117,21. 118,4.10: 'gotesbiuser' 1,25,33; 'gotesbiuser unde kloester' 1, 449, 37; 'da von legent sie ir stricke für litbiuser durcb überigez trinken' 1, 409, 24. '(Sie wollen) erlicb in orn büsern lebin' Bertb. v. Holle, Demantin (LV. 123) 7229. 'Betbiuser, sträze, stige, Avege, Hiuser, winkel, brücke, stege was algelicbe ein uude ein' Kour. v. Würzburg, Troj. krieg 48267 ff.; 'swaz bie betbiuser ist' 47404. 41627; 'ir bauier si da stiezen Üf diu wicbiuser bobe enbor' 12371; 'er baete in dem schirme sin Diu gotes biuser alle' Silv. 579. 'Lät äue trüebsal Diu gotes biuser über al' Buch d. rügen (Zs. fda. 2) 1102. 'An die biuser biez er tragen AUeutbalbeu viure' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 22946; 'in was der hiuser gar verzigen, Des muosen sie üf dem velde ligen' ebda. 3927. 'S wer vor kein kost ver- borgen bet lu gewelbeu kamer biusern oder glet, Daz Avart uu voUeclich her vür geuomen' Lohengriu 4189. 'Ob div liuser riecbint' Hugo v. Langen- steiu, Martina 131,99. 'Min herre grozen schaden hat; dem gunt, daz er sich reche. Diu diupbiuser breche' Seifr. Helbliug 15, 820. 'Do er die büser wol besach' Livläud. reimchrou. '2315. 10815; 'war er in die büser quam, Die vrüntscbaft er gerne nara' 9715. 10934. 'So vallet aliez de gezimber uider alliu büser" Dsche. pred. 13. jh. (Griesbaber) 1,152; 'diu hailigen gotes büser' ebda. 1,67. 'lu kleinen biusern kleiuiu fiur Sint gc warsam und gebiur' Renner 9465. 'Si heteu bi dem tempelhüs Gemachet biuser maugerslaht' br. Philipp, Marieuleb. 522; 'zebrochen siut unser biuser alle' 3317; 'daz mau da bi Gotes hiuser schone zierte' 65. 'Bruochüser, slos und dürfer' Cl. Wisse uud Phil. Colin, Parzifal (Eis. lit. denkm. 5) Prol. 427; 'bruochhüser und manig veste bus' ( : ürgalus) 175,15; 'hohe glocbüser rieh" 373,19; 'in den hüseren vech uud puut' 189,11. 'Das mau sol lassen vor zolle vri, Swas pfafheit und gotsbuser si' Konr. v. Ammenb., Schacb- buch 16894. 5897? 'Di hüsere der witeweu' Beheim 1343, Evangelieub. M. 23,14. 'Baut si iu di hüsere' Herm. v. Fritslar (D. myst. 1) 148,15. 'Er bawet ouch gotis huser' Dalimil, Chron. von Böhmeu 64,21; 'czu boch- czitin si trachtin, Wy man dy lenthusir virlyse' 100,3; 'busir' 21,19. 146,5. 'Der gotshäuser guot' Megenberg 197, 12; 'in iren aigen bäuseru' 108,1. '(Leute) dye in deinen busern wonent' (Kölner) Reiseber., Zs. fdph. 19, 28. 'Alle die busere und winkele' Tauler (DTM. bd. 11) 104,31; 'grosse büser' 127,13. Nach Perry, D. spräche d. spätmhd. ged. 'Karl d. gr. u. d. schott. Heil.', Dise. Marb. 1892, s. 44, 'baeuser' v. 9032 im versinnern. 'Daz iz ubir alle busir czocb' md. Schachbuch, Zs. fda. 16, 254, 18, aber im reim 'busen' 362,30. 'In den slicbtbuseren' Kölner chronikaufzeichnungeu (Chr. ddSt. 12) 276 (a. 1371); 'vur alle ... ire huisere' 301 (a. 1396), aber 277 (a. 1372) 'iip ire railhuis'. 'Hawser' neben 'haus' bei Peter Snchenwirt. 'Hüser' (297) neben 'hüsere' (279. 685. 724) Twinger, Straßb. chron. 'In der kvnig baeuser' Gesta Romau. (B. ges. NLit. '23) 9; '(sie) geud iu leithaeuser vud werden

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -Aie-PLUEALE. 143

trvuchen' 48. 'Ich han stift heuser, die sint ho' Viutler, Blum. d. tugeud (Ziugerle) 336. 'Der lierreu waiipeu, die sie an die büser . . . anschliiogeuf Eicheutal, Chron. (LV. 158) 13 u. oft. 'In liensern, gasseu, wegen' Wolken- stein (Schatz) 63, 170. 'Der ordiu uudirwant sich der slos und huser' Jon. V. Posilge ~ 1430, Preuß. chron. (Script, rer. Pruss. 3, 182). '(Sie) brechen euch vil husser neder' Eothe, Thür. chron. no. 50. 22; 'vorkouften die glocken die bucher kelche uude messegewant den andirn gotishussern ' 723 ; 'in den husirn und nf der straze' Eittersp. 3505; daneben findet sich noch die nicht erweiterte pluralforni 'rumetin yre hnss' Chron. no. 533; 'brauten vil huess und brochen ouch vil husser neder' 50. 'Das man nicht west, ob heuser do weren gestanden oder nicht' Schiltberger, Eeiseber. (LV. 172) 27; 'die stat hat zway hundert thaiisent heuser und hat acht spitall' 53. 'In ireu hüssern' Meist. Ingold, Gold, spiel 55, 10, 'zu gotz hüsseren' 72, 20. *In ereu bethuseren' Alt. hochmeisterchronik (<^ 1140; Script, rer. Pruss. 3) 546. 'So si die gotzhüser tuond verderben' Des teufeis netz (LV. 70) 3317. 7616.7620. 'Inirehewsere" Eoseublüt, Fastnachtssp. (LV. 30) 1112. 'Meine heuser vnd palast' Decameron (LV. 51) 63(5; 'vil mist gnxben ... do et- liche pauern den mist vnd sprachheüser raumuug darein schütten ire felder zu düngen' 530; 'in iren heusern vnd in den feldern' 7. 'Ich gieng in der nacht by vollem monschin vnd styg vff die techer der hüser' Buch d. beisp. 13. 'Dieselben heuser sind frawenheuser gewest' Muffel, Beschreib, von Eom (LV. 128) 59. 'Hindern uessern vnd heusern' Beheira, Buch v. d. Wien. 74,19. '(Sie) zoch sich in die hüser zuo den lüten' Steinhöwel, Äsop (LV. 117) 106. 'Do was er ein beschirmer (aller) wytiben und weysen und aller goczhüsern' (!) Volksbücher ^^ li74 (LV. 185) 110; 'er vergäße ouch klostren und goczhußreu (!) nit' 109. 'Pauw nicht heuser durch den tod' Witteuweiler, Eing 31c, 33; 'in heusern und in gassen" 20b, 10. 56d, 25. 'Die huser, schüren ind gebuvvs' Christ. Wierstraat, Chronik von Neuß (Chr. ddSt. 20) 1247. 1254. 3085. 'Dwyle ire hüser anaiuander gelegen wären' Wyle, Trauslat. (LV. 57) 25. 68; 'küschhait waisz nit die kostlich- kait rycher hüsern' (!) 28; 'die zellen der hüsern' (!) 196; 'z wüschen beden hüsern' 45. 161. 'Ire heusere' Job. Lindau, Danzig. chron. ---j 1480 (Script, rer. Pruss. 4) 513. 'Wirtzhewser' Erzählungen (Nürnberg; DTM. bd. 14) 410,5. 'Dae waren ... vil gasthuiser, spitail etc.' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13. 14) 822; 'sloesser ind husere' 747, 'huisere' 495. 'In yeren huysseren' Harff 1499, Pilgerfahrt 51. 'AU horhüßer deuckt he to vorstorenn" Burk. Waldis 1527, Verlor, söhn (Neudr. 30) 483. 'Huser(e), heüsser' schreibt Oldecop (mndd.) Chronik meist (40,14. 104,25. 105,9. 156,17. 169,22. 170, 4. 14 u. s.w.), vereinzelt noch 'huse' 298, 1, 'goddes- huse' 3,19, 'blockhuse' 106,36.

Schon in mhd. zeit finden sich verhältnismäßig nur wenige a-formen (Eud. V. Ems, Bari, 'diu betehüs der apgot' 342,6. 339,11; Lichteustein 'sit er wil diu hüs besitzen' 25, 11; Friedr. v. Sonnenburg 4,25; Troj. kr. 48319. 48342; Jansen Enikel, Chron. 3076; Herzog Ernst 5050; Hagen, Kölner chron. 'di si in eren husen nemen' 3436; Passional 3,92,21, und sonst gelegentlich; in einem Kölner reiseber. ca. 1350 'in den hnysen' Zs. fdph. 19, 23; Eothe 'huess', neben 'huser'), die sich zumeist aus dem versbau

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ergeben. Auf md. bodeu kehren solche formen auch später noch wieder und behaupten sich bis fast ins IG. jh. Damit stimmt ungefähr auch das bild überein, das sich aus den Urkunden ergibt. Für obd. ma. habe ich fast keine a-formeu gefunden ('huse, hofe, äcker' Urkdb. Eottweil no. 1021 [a. 1439]), dagegen häufig in md. ma., und zwar bis ins IG. jh. Ich fülu-e zuerst beispiele hierfür au: 'in allen der maze als ich die andern zwei gotshuser be.sct7.it hau, unde die andern dri marg geldes, die setziu ich in die dru gotshus' ürkdb. Frankfurt 2, 320 (a. 1332), 'von zweiu husiu' 319 (a. 1332), sonst 'huser' seit 1281, 'min yirteyl an hi;siu, schurin vnd gartin' Urkdb. kloster Arusburg no. 871 (a. 1359); 'unse steynenhuis uf der brücken' Urkdb. kloster Arusteiu no. 251 (a. 1370), 'wichhußer' ebda. 90 (a. 1339); 'sine hues ... end gude' Lacomblet, Urkdb. Niederrhein 3,538 (a. 13G3), 'husen' 3, 419 (a. 1352) u. öfter, aber 'gotzhuyser' 3, 124 (a. 1317). 157 (a. 1321), 'gotzhusere" 3,591 (a. 13G9) u. öfter; 'huys' Cod. dipl. Rheno- Mosell. 4, no. 98 (a. 1420), 123 (a. 1426) beide male in Urkunden aus Trier, 'hus' 3,385 (a.l351), dagegen 'husern" 3,204 (a. 1335), 'husere' 3,397 (a. 1352); 'zwei hus^ Urkdb. Mühlbausen no.702 (a.l31G), doch 1027 (a.l350) ' husere ', 1014 (a. 1349) ' heusern " ; ' husen ' Urkdb. Erfurt 2, no. 434 (a. 1355), 'hiisere' 459 (a. 135G); 'die obgeschribeu huß, wiugarten, wiesen und garten' Urkdb. Jena 2, no. 478 (a. 1452); 'hause und hove' Cod. dipl. Saxon. reg. I abt. B, 2,320 (ca. 1400); 'der... goddeshuse' Urkdb. Wernigerode 357 (a. 1460), 'buteu den husen' ebda.; 'husen' Urkdb. kloster Ilsenburg (= geschqu. d. prov. Sachsen 6) 74 (a. 1493) u. a. m. Hier ist es also nicht nur der dat., der sich der annähme der erweiteruugssilbe widersetzte. Die form 'huser' selbst ist schon seit dem 8. jh. gut belegt in Ortsnamen: 'Metamunhusir, Hrodolfeshusir" Mon. boica 9, 15 (ca. 731), in den Urkunden des hochstifts Freising, über die unten gehandelt wird, seit 748; alem. 'in Villa, qui (!) dicitnr Meresusir' Urkdb. d. abtei St. Gallen 1, 104 (a. 786), 'in loci« denominatis, id est in Seppinwanc et in Pluwileshusirum et in Scaf- husirura' 1,147 (a. 799); bayr.-österr. in den Salzburger güterverzcichnissen des bischofs Arno (ca. 790) 'Hulthusir' nach Beitr. 36, 341. Für md. Sprach- gebiet ist die pluralform '-huser' in Ortsnamen nicht nachzuweisen, ob- gleich die nicht zusammengesetzte form hier auch urkundlich nicht fehlt: 'duccnhuser' (ca. 900) Werdener urbar'), 'in Rolinkliusaro marca' ebda. 159 (ca. 1000). Vielmehr begegnet md. ausschließlich nur die form '-husun', vgl. 'Liudinghuson' ebda. 21. 24 (ca. 900), 'an Halicgeringhuson' 32 (a. 900 —911), 'Hrotsteniughuson' 35 (a. 875), 'in Hanihusun' 48 (ca. 900), 'in Osta- husun' 50 (ca. 9Ü0j, 'in Uuestarhusun' 50 (ca. 900) u.s.w. Dies hängt zu- sammen mit der Verwendung des dat. '-husun' statt '-husir', die in frühe zeit zurückgeht. Zum beweise dafür greife ich nochmals zurück zu dem material an Ortsnamen, das die traditionen des hochstifts Freising*) am bequemsten zur Verfügung stellen. Aus der vergleichuug der in den Ur- kunden bis zum jähre 908 vorkommenden ortsnamenformen auf '-husir' und '-husun' geht hervor, daß zu den nanien auf '-husir'- parallelformen '-husun'

») = Publicat. d. ges. f. rheiu. geschk. 20, Rhein, urbare 2, s. 40. 2) Hsg. Bitterauf, Quell, u. erört. z. bayr. u. deutschen gescb., N. f. 4.

ZUK GESCUICHTE DER DEUTSCHEN -^Ä-PLURALE. 145

für den größten teil {^U) aller vorkommenden orte belegt sind, und zwar schon früh, oft gleichzeitig mit den formen '-husir'; doch überwiegt im 8. jh. noch die form -ir (19 : 8), und die wenigen auftretenden '-husun "-formen begegnen erst seit 790 häufiger. Seit der mitte des 9. jh.'s (ca. 845) werden -ir- formen immer seltener, so daß gegen ende des 9. jh.'s (namentlich seit ca. 875) '-husun' fast ausschließlich herrscht. In zahlen würde sich diese Statistik fürs9.]h. ( 908) folgendermaßen darstellen, wobei öfter wechselnde Varianten einer namensforra nicht gezählt sind: a)a.800— 845: '-husir : -husun' = 32 : 20; b) a. 845-875: = 6 : 16; c) a. 875—908: = 2 : 24. In ver- einzelten fällen sind '-husun '-formen sogar vor dem -r-plural belegt: 'in loco Adalhareshusum' uo. 318 (a. 814), 'ad Adalhareshusir' 547c (a. 827); 'in loco qui dicitur Richarteshusiu' 96 (a. 779), 'Rihhareshusir' 379 (a. 817); 'adPullinhusun' 598 (a. 830), 'Pullinhusir' 657 (a.843); 'ad Chuginhuson' 714 (a.849), 'Chuginhusir' 865 (a. 860/69). Damit stimmt auch die auf- fallende tatsache übereiu, daß die zu den Urkunden im copialbuch später hinzugefügten Überschriften oft '-husun' schreüjen, während der ort im text der Urkunde selbst auf '-husir' lautet. Bequem controllieren läßt sich diese bemerkung für denjenigen teil des Urkundenbestandes, der aus Cozrohs (notar, urkundlich bis 848j Sammlung stammt; als beispiel für solche fälle, wo die form '-husun' vom Schreiber (Cozroh) über den text der Urkunde gesetzt wurde, führe ich an: 'in loco qui dicitur Uuolfperhteslmsir' (nach dem bositzer 'Uuolfperht' benannt) no. 2 (a. 748), Überschrift 'de Uuolf- perhteshusun ' ; 'Teoruneshusir' 10 (a. 757), Überschrift 'de Teoruneshusun'; 'in loco Tellinhusir' 529 (a. 826), Überschrift 'ad Tellinhusun'; 'in loco Kysinhusir' 580 (a. 829), Überschrift 'ad Kysinhusun' u.a.m. Dagegen kommen fälle umgekehrter art sehr selten vor: 'in loco qui dicitur Eichartes- husin' no. 96 (a. 779), während die Überschrift in Cozrohs hs. 'Rihhareshusir' lautet (vgl. 62 [a. 773J 'dorfin', Cozrohs Überschrift 'dorfir'). Doch stimmen in der mehrzahl der belege text und Überschrift in der lautgestalt des Orts- namens überein, und zwar bei '-husir': 'in villa noniiuata Eparmunteshusir' 31 (a. 769), wo Cozrohs Überschrift lautet ' Traditio Sikifridi de Eparmuntes- husir'; 'Holzhusir' 38 (a. 770); 'Heraminhusir' 46 (a. 772); 'Altunhusir' 47 (a. 772); 'Drudperhteshusir' 56 (a. 773); 'Teitinhusir' 09 (a. 775); 'Ker- munteshusir' 133 (a. 790/94). 582 (a. 829); 'Auuigozeshusir' 142 (a. 791) u.a.; bei '-husun': 'ad Holzlmsum territorium' 75 (a. 776); 'ad Durfingeshusun' 76 (a. 776); 'ad Pullinhusun' 699 (a. 848) u.a. Die ortsnamenform 'husa', die auch sonst belegt ist,i) tritt erst gegen ende des 9. jh.'s auf: 'in loco qui dicitur Heginhusa' no. 1002 (ca. 887/95), 'Tutinhusa' 1018 (a. 895/99), 'in villa que dicitur Adalhereshusa' 1035 (a. 902) neben 'Adal- hareshusir' 547d (a. 827). Endlich ist auch das auftreten des elementes '-hofa' zur bildung von Ortsnamen nicht ohne einfluß geblieben auf die lebensfähigkeit der mit '-husir' zusammengesetzten namen. Wechsel zwischen beiden elementen in der namengebuug findet schon früh statt: 'Eihcozeshusir' 428 (a. 819), während die folgende Urkunde aus dem gleichen jähr 'Rihcozeshouum' schreibt; den beweis dafür, daß es sich um den

*) ' in villa Husa ' (a. 929, bei Naumburg) Mon. germ. bist., Urkden. 1, no. 19.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXYIII. IQ

146 GÜRTLKR

gleichen ort handelt, gibt 439, wo die Überschrift statt des textcs 'in loco uuncxipante Authadeshusir' (a. 820) die form 'Authadeshofa' einsetzt (no. 486, a. 823); fürs folgende jähr ist der gleiche ort unter dem namen 'ad Anthadeshofon' belegt, no. 454. Seit dem ersten drittel des 9.jb.'s mehren sich die belege für '4iofa, hofon', und die steigende beliebtheit des nenen compositionsgliedes und die so hervorgerufene formver-wirruug tat auch der productivität der form '-husir' abbruch. Doch schAviuden auch in späterer zeit auf obd. boden die -r-formen in Ortsnamen nicht ganz: 'Eberhardus de Huseren' Mon. boica 7, 49. 52 (a. 11G8), eine ortsbezeichnuug, die für obd. gebiet auch in späterer zeit gut belegt ist, vgl. im Habsburg.-österr. urbar- buch (Lit. ver. 19, a. 1303— 1311) 'zuo den Hiuseru' 5G, 'ze Walchhüsern' 149, 'ze Walthiusern' 166, 'ze Holzhiuseru' 185; 'Hüsern' Urkdb. abtei St. Gallen 3,347 (a.l306), 'in Hüserou' 3,348 (a. 1307), 'ze Hüsren' 3,450 (a. 1324) u. sonst, '(der) hof ze Tüfenhüsern' 4, 1100 (a. 1360, anhang), 'Enkhüsren' 3,662 (a. 1359), 'Obrahüsern' 4,687 (a. 1403) u.a.m. Die heutigen entsprechungen lauten fast alle auf '-hausen'; wo '-häusern' steht, handelt es sich meist um spätere nachbilduugen nach der ursprüng- lichen form.

Nachdem wir so die Verwendung der form '-husir' in der ortanamen- gebung auf obd. boden verfolgt haben, dürfte es erübrigen, für das wort als Sachbezeichnung selbst weitere belege aus Urkunden Oberdeutschlauds anzuführen. Ich beschränke mich infolgedessen auf rad. gebiet, wo der -r-plural ja im 14. jh. noch nicht ganz gesichert ist: 'in vico dicto Geilin- husersgasze' Urkdb. kloster Arnsburg no.309 (a. 1302); 'von den husern' Urkdb. Worms 2, no. 36 (a. 1306); 'alle vnsir husir' Hess. urkd. (Baur) 5, 256 (a. 1327) u. oft; 'allen huesern' Li v-, est-, curländ. urkdb. 1, 580 (a.l279); 'yn wighusern' Cod. dipl. Pruss. 2,209 (a. 1336, Marienwerder). Im all- gemeinen kann man sagen, daß die form im obd. schon im 13. jh. fest ist, während sie sich auf md. gebiete erst im verlaufe des 14. Jahrhunderts durchsetzte.

hcmder, 'darzuo schnoch, henidcr uudsük' D. teufeis netz (LV. 70) 1710. 'In wissen hemdern' Mone, Schausp. d. ma. 2, 342 (oberd. bearheitg.). ,Hembder' in Brants narreuschiff 4, 16 nach d. DWb. 'Slaeffen also bij eyn andern ind doynt sich nummer vss dan wan sij wijsse hemder aen doynt' Harff 1499, Pilgerfahrt 94. 'Daz ir all kommen und guad von minem heren begeren in blossen hempteru und füessen' Morgant (LV. 189) 81. Murner hat 'hembder' nach Lauchert, Alem. 18, 147. 'Namend in all ... ir klaider bis uff die underhemder" Ilug, Villinger chronik (LV. 164) 11; ,also komeud gar fiU lantzkneht in hcnulern in das Tutzland' 50; 'die beklaitend sich all mit wißen hemdern' 200. 'Gab im gelt, hemder, kleider' Frey 1557, Gartengesellsch. (LV. 209) 76,5. 95,3 u. öfter. 'Hat ine also der schAveis übereilt, das man ime die hemder und die leinlacher stettigs abwichslen niueßen' Zimmr. chronik (LV.) 8,131. 'Alte weibs- hembter vnd scheißhadern' Ayrer, Dramen 1 (LV. 76) 538. 'Darinnen haben sie jre bad-mentel, hembder, vnnd ander gereth' Nicolai 1576, Raiß in die Turkey 123. iMarstaller 1.576 (Lünebg.), Bericht 'hembder" oft. 'Haben süe zwey hemmeter iber ein ander au uf dem blosen leüb' Kiechel 1585,89,

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Reiseber. (LV. 8G) 3G7. 369. 4M; 'hemmater' 367; ' hömmetter " 368; 'vast alle in weissen cleidern oder hemmeter' (!) 191. ' Gemeinlicli hab ich 6 oder 8 hemder, die ich trag' Buch Weinsberg (ca. 1590) 2,374; '7 hembder' 2, 167. 'Glaubt ihr -wohl, daß ein arme fraw . . . solche reine und zarte hembder ... solte getragen haben?' Ziukgräf -Weidner 1653, Apophthegm. 3, 171.

Eine menge -weiterer belege für die in der älteren spräche beliebte -r-bilduDg bei 3Iolz, Beitr. 31, 369. Am ausgeprägtesten tritt die neigung zur -r-form im obd. hervor, hier wieder namentlich im alem. Immerhin muß die volkstüraliclie flexionsforra auch für md. ma. (namentlich westmd.) schon in früher zeit vorausgesetzt werden (vgl. Harff ). Daß sie sich rasch über das ganze gebiet ausbreitete, darf beim häufigen gebrauch des wortes nicht wundernehmen. In den heutigen ma. kommt der -r-plural nach den angaben Friedrichs überall vor. In der Schriftsprache taucht er im 18. und 19. jh. nur noch gelegentlich auf.

lienner (:henne, stf. henne), 'i;ugeferdt schickt es sich, das ain henuen mit dem geschwer (als man dann sagt, das die henner und anders gefugel auch pesten überkommen) uf kauft warde' Zimmr. chron. (LV.) 2, 456.

lierzer ( : herze, swn. herz), 'derhalben sagten inen ire aigen herzer, das es nit wol umb iren bruder steen wurde' Zimmr. chron. (LV.) 1,401; 'sein die dörfer und gueter bei stammen und nammen bliben. Darzu sein die lehenguet, das sie durch unutze, aigensinuige und untrewe herzer nit leuchtlichen megen iren geschlechtern entzogen ... werden' Zimmr. chron. (LV.) 2, 532.

liintcrhältcr, bei Kantzow (1535, Pommern) belegt nach Molz, Beitr. 31, 360.

hirner, bei Haller, Molz, Beitr. 31, 370.

höler ( : hol, stn. höhle), 'vel uorago edo holir' Ahd. gl. 1, 170, 11 (8/9. Jh.); 'de latilibus suis fona holirum iro' 1,389,1 (8,9. Jh.); 'cubans in antri:s sizzanti in holirum" 1, 511, 2 (8 9. Jh.); 'cavernis holirun' 1,276,31 (9. Jh.); 'antra holir' 1,314,7 (9. Jh.); 'conclaua holir' 2,215,3 (9/10. Jh.); 'caveas holir' 2,764,21 (10. Jh.); 'fauces holir' 1,667,53 (10. Jh.); 'holer' 2,776,4 (10 11. Jh.); 'domos holir' 2,627,49 (11- jh); 'latebras holar' 2,633, 10 (11. Jh.); 'holir' 2, 637, 37 (11. Jh.); 'holiron' 2, 641, 68; 'holirvn' 2,644,68. 651,35 (11. Jh.); 'holer' 2,670,34 (11. Jh.); 'auerna holer' 2,706,24 (11. Jh.); 'scatebris hvolirin' 2, 392, 25 (11. Jh.); 'hqllr (= holir)' 2, 757,55 (11/12. Jh.). 'Du der nistes in steinlocheron unte in den heggeholeron' Wil- liram 43,2. 3; 'diu tüba, diu da nistet in den steinlocheron unte in den heggeholeron,' ebda. 43,13; 'pardon höler' (höhlen der leoparden) ebda. 62,5; in der Leydener hs. 'heggeholeron, -ran' 19,20. 9 (nach van Kelten, Beitr. 22, 482). 'Uf taten sich des himeles holer, dar engagen switzten dei teler' Genes, u. Exodus (Wiener hs.. Hoffmann, Fundgr. 2) 27, 26. 'Holir' Ahd. gl. 2, 246, 17 (12. jh.); 'in holirun' 4,220,2. 'Da wonet er in den holren, in bergen und in telren' Hartm., Rede vom glauben 3142 (Germ, abhdlgn. 14). 'In den holren' Diemer, Ged. 176, 1. 'So gänt die lüte üz den holren in diu si sich haut fersclofen' Dtsche. pred. d. 13. jh.'s (Gries- haber) 1,152. 'Ouch die in den bergen baten Ir holer' Maccab. (md., LV. 233) 13758, im reim 7731 'die hol'. 'In wustenunge der vlyzen Und in

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ertholern sy wonten' lud. Parapbr. d. buchs Hiob (DTM.bd. 21) 11305. 'Wenne aber diu bölr lank und weit sint' Megenberg 108,30; 'in des ertreicbs bölr' 102,23; 'anz den bölrn' 107,26. 108,2 ii. oft. 'Durcb daz ob sie mecbteu ... In brucben oder in bergen Oder in bolrcn sich vorbergen' Hesler, Apokal. (DTM. bd. 8) 217C0; 'in holreu uud in gruben' 12077. 12247. 'Die fuchs habent holr vnd die vogel nest' Gesta Roman. (B. gas. NLit. 23) 52. Aus der Wenzelbibel führt Jelineks mhd. wb. 377 einen beleg an. ' (Sie) hattin holer gemachet nedewennyk bobin deme wale ' Job. v. Posilge (~1430), Preuß. chrou. (Script, rer. Pruss. 3,278). 'Daz sy di vinger an di holer stiz ' Job. Marienwerder, Leb. d. hl. Dorothea (Script, rer. Pruss. 2, 204), var. 'löcher'. 'Dannocht flöch sie nit, als erschrokne wyber tuud, in die holer' Steinhöwel, De dar. mul. (LV. 205) 174; 'die groben törpel, in den holern erzogen ' 36. 'Sy machten in holer vnd grüben' 1. Bibel (LV.) ~ 1466, Eicht. 6,2; 'von iren hulern' öfter. 'Er floch in die holern der berg' Geiler von Kaisersb. 1510, Seeleu paradiß 86 a, nach Kehrein, Gr. 1, § 302. 'Au den heim- lichen hulern, holtzerif Aventin (vor 1534) Chronik, Fraukf. 1580, 198a, Kehreiu. Marstaller (1576). Andere belege fürs 16. jh. führt Molz, Beitr. 31, 355 auf. Nicht erweiterte formen bleiben ausnahmen ('als ob deine sunnelin Durch die hol in vinster drungen' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 7271; 'die zwerg fluhen in die hol' Heklenb. (LV. 87) 754,35; 'in die hol der berg' Tetzel ca. 1475, Reiseber. [LV. 7J 174). Sichere urkundl. belege stehen mir nicht zur band, denn formen wie 'ad Holerenberch' Mon. boica 11,139 (a. 1009), 'holernbah' ebda. 11, 151 (a. 1040), 'Hderbrunnen' ebda. 14, 410 (a. 1145) und eigeunaraen wie 'de Tachshöler' ebda. 26, 30 (a. 1289) 'dachs- olrer' 88 (a. 1317), 'der dachshülrär' 103 (a. 1323) u.s. w. sind nicht sicher zu beurteilen. Fürs schwäb. hat Molz, Beitr. 31, 355 den -r-plural ur- kundlich nachgewiesen (Augsburg 1450). Die bis zu beginn des 17. jh.'s gelegentlich belegte pluralform tritt seit ältester zeit in allen teilen des gebietes auf, doch kommen ausnahmen nach der a-flexiou noch im mhd. gelegentlich vor.

liölrig-, 'rindenhölrig' (mit löcheriger rinde) Megenberg 300, 18.

liMicm (swv. durchlöchern, aushöhlen), 'daz ist gentzlich offenbar Daz vil wazzer tropphen deine Durch holern herte steyne (= perforare)' md. Paraphr. d. buchs Hiob (DTM. bd. 21) 5712; 'min gebeyne durch holert wert' 11427. 'Di site stet ime offen und di hende sint ime geholert' Herrn. V. Fritslar (D. niyst. 1) 81,30; 'wan wol dri milen laue und breit ist iz allez irholert, do di kristenlüte inne wonten verborgen vor den beiden' 65,20. 'Die kern auzhölern' Megenberg 320, 5.

liölzcr, in Notkers ps. nach Kelle 1889, Untersuchungen z. Über- lieferung, Übersetzung, gramm. d. ps. Notkers s. 108 'holzir'. 'Daz (unkraut) ziuh' ich uz mit miner haut, Unt henge ez uf diu hölzer, daz ez dorre' Meist. Stolle, MS. 3, 5; 'guoter mau, war ümbe hastu diz getan, Daz du diu hölzer uf richtes? daz soltu (mich) wizzen lau' ebda. 'Von ediln holzirn samit erhie Ein uivwes nest hoeriut wie' Hugo v. Langenst., Mar- tina 87, 109. 'Un da von so gän ich hie samenon zAvay holzer. mit den •ich de mel muge gebachen' Dtsche. pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 2,113. 'Die vörste uud alliu diu hölzer' Habsburg.-österr. urbarbuch (1303—1311,

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LV. 19) 20. 222. 223; 'die wälde unde diu bölzer" 72. 'Diu reine witwe ouch liep im was Diu vor Sarepte zwei hölzer las' Eeuner 13162. 'Diu vier hölzer uam der kneht' br. Philipp, Marienleb. 4280. 4277; 'wand er diu hölzer het verlorn' 4289. 4308. 4315. 4325. 4329. 4331. 6987. 'Mit swerten und holczeren' Beheim 1343, Evangelienb. Mr. 14, 43, 'Dine ap- gote sin steine und holzer' Herrn, v. Fritslar (Pfeiffer, D. myst. 1) 86,8. 88,1. 175,23; 'dö liz her si beugen an zwei holzer' 60,10. 206,7; 'wau du versmehet were under allen hölzern' 8,27; 'di knechte stizen in mit den gabelen und mit den holzeren' 71,8; 'dar umme hiz der keiser zwei holzer machen üffe zwo schiben . . . und hiz dise heiligen mertelere an den holzen zudenen' 104,35. 'Nu het er dürre holtzer vil gederret andersunn' Gesta Roman. (B. ges. NLit. 23) 126. 'Do sant er sin Unger in sine hölzer, die huwend holtz' Eichental, Clu'on. (LV. 158) 138. 'Mache dir eyne arche mit beslagen holtzern' Eotbe, Thür. chron. no. 14b. 'Wir lesen . . . das die holtzer im wald beten ain rat' Meist. Ingold, Gold, spiel 13,20. 'So muos- send die armen mit iren kindern fliehen In die hölzer und in die weld' D. teufeis netz (LV. 70) 7631. 'So das den spiessereS wol II holtzer zer- brochen uiid aldo blibeü. Also schribeü iii die houptleute vom Newenmarckte, das sy en die heltzscr wider weltteu senden. Do schreib iii der burger- meister wider von der Lobaw, mau solte im syn schwert wider senden, er weite in die heltzser senden. Also schickten ime die houptleuthe das scliwertt, und er schickte in ouch die hSltzser also wider' Script, rer. Pruss. 4,161. 'Der hailigen holtzer eines von dem heiligen creutz' Reiseb. d. fam. Bieter (LV. 168) 30 (a. 1462); 80 (a. 1479). 'Alle strick oder zemenfüegung der hölczern (!) in dem sale ... erkrachotend' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 110. 'Want die houlzer groit Siegen dair manchen in den doit' Christ. Wierstraat, Chron. von Xenß (Chr. ddSt. 20) 1583. 1519. 3131. 'Von dörffern, stetten, schlossern, holtzern' Gabr. Tetzel ca. 1475, Eeiseber. (LV. 7) 158. 'Bunde hultzer' Harff 1499, Pilgerfahrt 49. 'Sy verbürgend sich inn die holtzer und studen ' Morgant (LV. 189) 321. 'An den heimlichen hölern, holtzern' Aventin (vor 1534) Chronik, Frankf. 1580, 198a nach Kehrein, Gr. 1, § 302. 'Es seyn vill weld und holtzer außprunnen' Widmann, Eegens- burger chronik (Chr. ddSt. 15) 162 (a. 1540). 'Du solt deine wildtpeun in eeren halten. Item du solt deine hölzer in eeren halten' Zimmr. chronik (LV.) 1,445. 'Lauge holter' Oldecop (mndd.) Chronik 42, 24. 144,17; 'mit körten und langen holteren' 170,14. 'Wählt und hölzer' Kiechel 1585/89, Eeiseber. (LV. 86) 5 ; ' hatten ... uf dem landt ausserhalb der hölzer kein sehne mer' 74. 'Schuttholter' (= schutzhölzer) in den niederd. bauern- komödieu (1661 Amsterdam, LV. 147) öfter, vgl. s. 75.

Beste der a-flexion zeigen sich schon seit dem 15. jh. nur vereinzelt. In den Urkunden ist der -r-plural seit ende des 13. jh.'s belegt: 'diu gut, diu da haisseut Arnolts holzer' Urkdb. Eottweil uo. 47 (a. 1290), 'vsser dem holtz, dem man da sprichet Vnderholtzer' Fiirstenb. urkdb. 2, uo.46 (a.l309); 'swa ovch die bvrger gebanuenü hölzer haut' Urkdb. Freiburg 1,125 (a.l293) u.a.');

1) 'zway hundert holtz' Font. rer. Austr. bd. 34, 464 (a. 1409, Tirol) ist Zählformel.

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'mit ackern, wesen, bolczeni' Urkdb. Jena 1, no. 297 (a. 1360); 'mit holczern nnde mullen' Cod. dipl. Saxon. reg. I abt. B, 1, 20 (a. 1381). Zuweilen findet sich noch der dat. 'holzen": ebda. 2, 264 (a. 1394). 332 (a. 1406) Meißen; 'de halue houe twischen den holten' Urkdb. kloster Ilseuburg (= Geschqu. der prov. Sachsen 6) 241 (a. 1414) ; 'myt holten, myt wateren" Cod. dipl. Branden- burg. (Eiedel) 1,256 (a. 1399), 'holten vnde velden' 1,496 (a. 1455), doch nur selten im ohd. 'mit ganzen holzzn' neben 'holzern' in der gleichen urk., Urkdb. Augsburg 1, no. 414 (a. 1345). Im großen und ganzen weist der eut- wicklungsgang des plurals vom obd. aufs md. Molz, Beitr. 31, 330. Der entwicklungsgang der pluralflexion war erst ende des 15. jh.'s auf der ganzen linie zugun.steu der -r-formen endgiltig entschieden.

böIzci'Bi. 'her vurte in (den leichnara) heim und satzte in in einen hulzeriuen schrin' Herrn, v. Fritslar (D. myst. 1) 224,25. 'Ydolatria ader hulttzer aeffgoederijen" Ilarff 1499, Pilgerfahrt 100. Im 16. jh. kommt das wort auch öfter in der form 'höltzen' vor: 'hulzin pasteyeu' Hoffman 1533, Bauernkrieg (Württemb. geschqu. 1, 294); 'ein new höltzene porkirchen' Enoch Widmann 1592, Chronik d. Stadt Hof (Hohenzoll. forschgn. 2, 405). 'Ihre camern ... sein mütt hülzenen schlos verrügeltt' Kiechel 1585/89, Reiseber. (LV. 86) 268.

liöriier, 'horuir forth brenginde (var. horni)' Heyne, Klein, altndd. denkm., Ps. 68, 32. 'Do hört er allethalbe di hornir T de walde' Aegid. 401 (Zs. fda. 21). 'So sal di man der ku uri hornri bisnite' Alt. stadtrecht von von Mühlhauseu <~ 1230,50 (Geschqu. der prov. Sachsen 3, 637). 'Ein volc ouch Widers hörner treit' Reinfr. v. Braunschweig 19672. 'Uü gab in her- horner in die gerehten hanf Dtsche. pred. 13. jh. (Grieshaber) 2, 94. 'Einem siht man di schultern storren Als bockes hörner und rindes knorren' Renner 364. 'Die hörner wurdent jegerlich erschalt' Cl. Wissen. Ph. Colin, Parzifal (Eis. lit. denkm. 5) 235, 3. 'Hat groisze horner' (Kölner) Reiseber., Zs. fdph. 19, 72. 73. 'Zwey hörner von rubin' Herrn, v. Sachsenheim, Gold, tempel 1236; im reim dagegen 'hörn' Murin 5014. 'Drew hürner fraysand' D. gr. Alexander (DTM. bd. 13) 3684. 'Siben engle, die ich do irsach, Die siben horner trugen, Bereiten sich mit vugen Wie sie ir horner gebliesen' Hesler, Apokal. (DTM. bd. 8)13224ff.; gegen 'herhorn' 12781. 'Siben hornir' md. Johannesübers. (Zs. fda. '22, 134). 'Hürner an der Stirnen' Jak. Twinger, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 8) 300. 'Allir leye horner lud' Eberh. Cersne 1404, D. minne regel (Wüber) 417. 'Bussen die horner' Rotlie, Thür. chronik no. 284; 'das zymbir uff dem helme mit hörnern unde cleblettirn silbern' 435. 'Hüwschrikel, die beten menschenhäupter und langü horner und krön auf den häubtern' Meist. Ingold, Gold, spiel 72, 12. 'Wir miisseut die horner lan ercliugen" Mono, Schausp. d. ma. 2, 307, 50, gegen 2, 307, 47 'land die hörn hie erschellen'. 'Ein milb zwey schone horuer gewan' Erzählungen (LV. 85) 491,38; 'do nun die hörner zeit here ging, Der pfafi" sein rayß auch an ving" 367,6. 'Do sy nun solcher süssigkeit enpfunden het vnd nicht vernomcn het mit was hrmier die manne stiessen' Decameron (LV. 51) HO; 'hcirner auf seczen' 171; 'körne es mir in meinen syn dir die hürner zu macheu vnd auf zu seczen' 434 u. öfter; 'ein swarcz tiere nit sere groß mit hörnern' 528. '(Ain mcrwonder) helfe ain langen hart, und ob

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eleu oren zway gewechs, als ob es liöruer wäreiit' Steinliöwel, Asop (LV. 117) SIS; 'die ochsen wären gewapnet mit leren hörnen ... Darum bitt ich dich, obrister got, du wollest mir euch sölliche hörner geben' 268; dagegen 'hörn' 202, dat. nur 'hörnen'. 'Daz gie der kuo ze herczen, die hürner ward sie sterczen' Wittenweiler, Eing 10 b, 43; 'seczt sey dir dann hürner an' 18b, 18; 'so in die hurner werdent hert' 20b, 44; 'da wirt ein gäyss mit hürnern aus' 34b, 3. 'Sie macheu da mit horuer au die heubter' Altd. bl. 1, 60; 'dye hornre' ebda. 123. In Brants narrenschiff, vorr. 19 'hörner' als kopfschmuck der frauen. '(Ein slauge) hauende off sijme heuffde, tzwey hoerner' Harff 1499, Pilgerfahrt 148; 'hoerne' 239. 'Hörnerzit' (Chr. ddSt. 11,680, 7). 'Das thier mitt den syben kopifen vnd zehen horner' Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142/143) 33. 'Hirschhörner' Hoffman 1533, Bauernkrieg. 'Ich hör ie jägers-hörner schöllen' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 34,21; gegen 'hörn (: woru)" 87,6.

An diesen ältesten belegen fällt der große anteil md. ma. sofort auf. In der tat zeigt sich bei obd. Schriftstellern des 15. jh.'s die form nur ver- einzelt gegenüber dem alten plural; Hugo v. Montfort und Richental haben noch keinen beleg für die neuerung. Aus Urkunden kann ich nur eine stelle beibringen: '(im wappen) haben sie schwarze buf hörner gefuert Fürstenberg, urkdb. 2, no. 400 (ca. 1365). Im md. dagegen zeigt sich (von vereinzelten dat. ' hörnen ' und stellen im reim , Heldenbuch 249, 40 ab- gesehen) entschieden eine festigkeit des neuen plurals. Immerhin bleibt bemerkenswert, daß er im 16. jh. noch nicht ins mndd. vorgedrungen zu sein scheint, denn in Oldecops chronik finde ich nur die form 'horu'. Für Aveitere belege vgl. Molz, Beitr. 31, 335 f. Der -r-plural wird anfang des 16. jh.'s auf der ganzen linic durchgedrungen sein.

Iiöugor ( : houc, stn. hügel), 'de loco dicto üf den heugern' MB. 41, 40 (a. 1344).

hiifer ( : hüf stm., neben hüfe swm., häufen, menge; Lexer 1, 1376), 'er stieß allzeit sich in die maisten und hertisten gedreng, mit söllicher fraidiger manhait schlueg er vier hauffer aus der wer' Füetcrer ca. 1470, Lauzelot (LV. 175) 245; eine mit -er erweiterte pluralform findet sich in den lexikalischen hilfsmittcln nicht. Molz, Beitr. 27, 307 belegt das wort als swm.

hüliner, 'puUi honir' Ahd. gl. 3, 10, 38 (-^800; Kass. gloss.); 3, 451, 24 (9. Jh.); 'huanir' 2, 739, 43 (10/11. Jh.); 'phasides aves. i. fesihoner' 2,390,8 (11. Jh.). 'Half hunderod honero' Freckenhorst. heber. 7. 122. 225. 360. 425 (Heyne, Klein, altndd. denkm.). 'Hvnir' Ahd. gl. 3, 460, 13 (12. Jh.); 'phasides aves id fessi honef ' 2,594,4; 'fesiohoner' 2,544,61. '(Der bauer) muoste hüeten alle tage Siner hüener vor Beinharte' Glichesaere, Keinh. fuchs 23; 'nü hän ich der hüener min Von Beinharte zehen verlorn' ebda. 30; 'owe der hüener min' ebda. 140. 'Grüenez fleisch ist in ver- boten, Ezn sin hüener, wol versoten' Eraclius 3588. 'Ir pfaffeu ezzet hüener und trinket win' Walther (Paul) 75,59. 'Der zadel hüener abe in schoz' Parz. 194, 8. 'Hüenre unde vische' Heinr. v. d. Türlin, Krone 20328. 'Hüener und wiltbraete' Wolfdietrich B 419, 3 (DHB. 3). 'Diu rephüeure einander steint Ir eier' Freidank (Bezzenberger) 144,11. 'Junge huonre

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unde lemberin fleisch' Meinaner iiaturl. (LV. 22) 7. 'Gense, huener, vogel', swin" MS. 2,15-1; 'dem git man semelu unt deu win, Pfemiiuge, Imeure, vische unt veizte braten' ebda. 2, 174. 'Do begunde he winnen üz der malen Lachene und von gokle schalen, Schulderen honre unde win' Berth. V.Holle, Demantin (LV. 123) 8303. 'Zwei hüenr im warn gebraten' Fleier, Meleranz 9660. 'Diu rephüenr einen valken Gefluhen nie so balde' Konr. V. Würzburg, Troj. kr. 33584. 'Der mus ar vaet vür die rephuenre miuse' MS. 3, 86. 'Rephüener, visch, wildbraet, Hasen, hüener, guot geraet' Jans. Enikel, Weltchron. 8479. 5964. 9201. 18234. 18281. 24963. 26400; 'hüener, hasen, vische, Rephüener gesoten und gebraten, Da mit warn die tisch beraten' 18252 ff. 'Nu bern im die hüener uiht' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 1829. 'Hüener und vogel äne zil' Heiur. v. Freiberg, Trist. 1143. 'Vier kese, zwei hüener' Renner 1613. 'An hüenern und an wiltpraete' Österr. reimchron. (M(t., DChr. 5) 7783. 7789. 'Zwei herbisthüenr unde ij vasnaht- hüenre' Habsburg. - österr. urbarbuch (1303— 1311, LV. 19) 103; die form 'hüenr' herrscht sonst durchgehends 6. 10. 12. 19. 24. 25 u.s.w. 'Hüenre, gense, swin' Konr. v. Amracnh., Schachbuch 19148; 'das mag man au den huenren warn' 2726. 'Dise hunre' Herrn, v. Fritslar (D. mj'st. 1) 169,13. 'Hüenren und gensen' Megenberg 163, 27. 'Die honre von ludia' (Kölner) Reiseber., Zs. fdph. 19, 80. 'Wa gesoten hunre sin' Ged. d. kön. v. Odenw. (Schröder) 9,85. 'Recht ... als blinde hünr' Tauler (DTM. bd. 11) 332,30. 'So koff ir die siechraaisterin hünr' Elsbeth Stagel, Leb. d. schwest. zu Töß (DTM. bd. 6) 91,32. 'Die hundliin ... die rephuenre driben' br. Hansens Marienl. (Minzloff) 4479. 'Darnach zwey hüener er briet' Meist. Altswert (LV. 21) 230,24. 'Mich dunckt, ir Avissent ouch die regel, Wan mau den huenren salcz hin leit' Herm. v. Sachsenheim, Murin 379; 'hünren' 993. 'So izze ich gerne feizte hüenr' Meisterlied. Kolmarer hs. (LV. 68) 428,59; 'haet ich junc hüenr, diu aezen mir die wigen' 515,10. 'Die zoch fisch vnd hünre vil' Laßberg, Lieiers. 1, 35, 10. 'Kauf hüener, air vnd wurste' Wolkenstein (Schatz) 112,109. 'Aine bringt hünr und braten enten' Des teufeis netz (LA'. 70) 5475. 5322. 9392. 9448. 'In wirt hüenr vnd gense bracht' Erzählungen (LV. 35) 508,87; 'siben rephuner' 361,23; 'das du mir liest freßen die katzen die hüner mein' 226,18. 177,11. 'Kes, milch, hünr, dar zu cier' ßeheim, Buch v. d. Wien. 386, 22. 'Kouffet hünr, hennen, gens und tuben' Steinhöwel, Asop (LV. 117) 53. 'Nun hatten sy gar vil hüeneren (!) in dem closter' Volksbücher oo 1474 (LV. 185) 239; 'also em- pflag er der hüeneren' (!) 239; 'der hüenner wil niemau pflegen' 239. 'Die hüenr' Wittenweiler, Ring 19c, 28; 'hüner' 21c, 24; 'pey hünren lernt man gachczgen' 30c, 18. 'Vil hoener' Harff 1499, Pilgerfahrt 92; 'gesoeden hoenre' 92. Außerdem eine menge Zusammensetzungen bei Lexer 1, 1374f., nachtr. 2ü0f. Andere pluralformen sind mir nicht begegnet. Molz führt Beitr. 31,327 eine form 'haselhunnen' aus Ayrer an, die sich aus reimeinfluß erklärt.

liühncri), 'gallus gallicinius hvoniriner (hano)' Ahd. gl. 1, 605, 8 (10. jahrh.).

btinclsföttcr, bei Lessing vereinzelt.

ZUR GESCHICHTE ÜER DEUTSCHEN -^/?-PLUKALE. 153

juliliir, 'in ingeribus in iuhliinm' Ahd. gl. 2, 341, 2 (9. jh.) ; 'in luh- hiran (I. luhhiruu) centorii in ingeribus' Mon. boica 7, 373. Ähnliche belege aus älterer zeit sind mir nirgends begegnet. Für österr. gebiet führe ich an: 'vierdhalb jeuch' Font. rer. Austr. bd. 18 (Wien), s.436 (a. 1394). 543 (a. 1414), 'von zwain jeuchen' 356 (a. 1374), 'vier jeuchen' ebda. bd. 33, 150 (a. 1312) zum singul. 'jeuch' ebda., doch kommt auch hier daneben häufig die form 'jeuchart, juchart' vor, oft in derselben Urkunde. Für spätere zeit belegt Molz, Beitr. 31, 357 einen plural 'jöcher' neben 'joche', der mit unserer form zusammenhängen wird, aus grammatikern des 18. Jahr- hunderts.

innetlir, in Nyerups symbolae ad literaturam teutonicara (Hannov. 1787) 119, nach Grimm, Gramm., nachtr. bd. 4, s. 1159.

liabiuetter, vereinzelt bei Heine, Hippel, nach Molz, Beitr. 31, 354.

kälber, 'in vitulo trimo in chalbire driiarigemo' Ahd. gl. 1, 409, 9 (8/9. Jh.); 'F idelli (= vitelli) chalpir' 3, 10,28 (~ 800; Kass. gloss.); 'focie (= focae) marine chalpir urmeri' 2, 765, 14 (10. Jh.); 'agna chilpura' 3, 442, 8 (10. Jh.); 'chilbrin' ebda. (12. Jh.). 'Chalber, chelber' Notker, Ps. 21, 13. 49, 9. 50,21. 'Agnas chilpiir' Ahd. gl. 1,305, 52 (11. Jh.); 'phoce merikalbir' 4, 86,56 (12. Jh.); 'agna kilbra' 3,76,25 (12. Jh.), in mehreren Ls., var. 'kelvera, kylbira' ebda. 76, 27; 'agne kilbur' 3,451,10 (12. Jh.). 'Nihne nime ih uone huse dineme dei chelbere' Ps. 49, 10 (Windberger hs., Graff, B. ges. NLit. 10). 'Si opferoten chelber' Diemer, Ged. 43, 16. 'Als ein kelber muoter lüet' Wolfram, Willeh. 35, 17. 'Dat se anbededen kalvere van golde gegoten' Eike, Zeitbuch (LV. 42) 35. 'Swä der ohse kröne treit, Da hänt diu kelber werdekeit' Freidank (Bezzenberger) 139,18. 'Do si den äbent späte gie Suochen kelber in dem lohe' M. Helmbrecht 1391. 'Sie scherzent als die kelber unde grisgraraent als die lewen ' Berth. v. Regensburg (Pfeifler) 1,202,10. 'Kelber, ohsen unde wider' Konr. v. Würzburg, Sil- vest. 4412. 4427. 'Habt ir den reinen got verlän Und w^elt diu kelber beten au?' Jansen Enikel, Weltchron. 8788. 8783; 'wän da zwei kalp rot Wurden von ir kleinot' 8778. 'Sint recht geschaffen als bockes kalber (: halber)' Brnn v. Schonebeck 256. 3636; 'also zwei rebockes kalber (: halber)' 3432; dagegen 3632 'also di kalbe der rebucke' 'Kelber von golde' Ulr. V. Eschenbach, Alex. 11651; 'von der merkelber blute' ebda. 22779. 'Vor der herren tisch sie lüent Sam diu kelber nach den küen' Seifr. Helbling 2, 1395. 'Kelber' Dtsche. pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 1, 23; 2,115. 'Die priester nämen aleine war Stern, kelber und bockes bluotes' Renner 2849. 'Ir kleider waren kelber fei' Heinr. v. Neustadt, Gottes zuk. (DTM. bd.7)794. 'Gulden kalver' (Kölner) Reiseber., Zs.fdph. 19, 25. 'Lemper, kiczer oder kelber' Älteste Statuten d. bistums Trieut, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 68. 'Da in wurdent kalber genomen' Appen- zeller reimchron. (f^l405; Arx) s. 201. Ausnahmen (s. oben Enikel) sind sehr selten. Bei Riccius (1572) 'diesen ochsen und kalben', Molz, Beitr. 31, 327, handelt es sich nicht um unsern plural, sondern um das fem. 'kalbe' (= junge kuh), vgl. Rosenblüt (LV. 30, 1130) 'so hutten sich dan vnd kalben ( : alben) '.

In den Urkunden treten zahlreiche mit der pluralform 'kälber' zu-

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sammeiige?etzte orts- und personeunamen auf: 'usque ad locum, ubi Kel- birisbach cadit in Album Regiu' Mon. germ. bist., Urkdeu. 4, 135 (a. 1029, = Mon. boica 29, 1, 24: 11, 144} ; ' Khelbirisbabc' Mon. boica 29, 1, 64 (a. 1040) ; 'Colberspach' (!) ebda. 11, 151 (a. 1040), 'Cbalberespadr 12, 113 (a. 1184), 'in Cbalberspacb' 12, 135 (a. 1274), 'in Chalberspacb" 12, 88 (14. Jb.), 'Kelberpach' bd. 47, 304. 310 (14. Jb.), 'de Cbelbersowe' 6,502 (a. 1189), 'Chelbergras' 4, 224 (ca. 1120), 'Kelberbecbin' bd. 47, 198 (14. Jb.). Die Ur- kunde Mon. germ. bist., Urkden. 3, no. 516 (a. 1009) ist uuecbt und stammt erst aus dem anfange des 12. jb.'s, 'Kelbiribach'. 'Fridericus de Kelber- ovva' Cod. dipl. Moenofraucof. 1, no. 56 (a. 1221). 'Henricus de Kelbera' Urkdb. Müblbauseu no. 465 (a. 1297), 'Kelbra' 318 (a. 1284). 542 (a. 1303) u. sonst. Audi sonst stebt in Wortzusammensetzungen meist 'kelber-', vgl. Lexer 1, 1539, naditr. 2C8.

külbcrn, das große mbd. wb. verweist auf Mone, Zs. 7, 593 'chel- birinii;'. 'AI friscb kelberin Von einer hut zwei ribbalin' Wolfr., Parz. 127,27. 'Der fleiscbslabter bat veil etewenne kelberin fleiscb' Bertb. von Ilegensburg 1,285,17. 'Ich seit in allen iuwern muot, Daz ez ohsin scbolde sin ... läz im bereiten kelbriu, dem vil lieben berren min' Jansen Enikel, Fürstenbucb 1041. 'Vnd tet daz gadera auf. da der sakh mit dem cbel- brein vell. vnd flaj'sch verporgon waz' Gesta Roraanorum (B. ges. NLit. 23) 41. 'Hat er denn kelbris oder lembrin flaiscb vail' D. teufeis netz (LV. 70) 9547. 'Kelbreu pratteu' Tücher 1507—17, Haushaltungsb. (LV. 134) 49.

kiilbrij^cli, 'spring kelbriscb" Wolkenstein (Schatz) 43,23.

kälbern, swv., 'gleycb wie ein ku, die kalbren wil' Manuel 1548, Weinspiel 535.

kilber(c) (fem. sing., weibl. lamm, agna, ahd. 'kilburra'), in mbd. glossen öfter; 'kilber' Germau. 23, 299, 42. In obd. ma. lebt die form noch jetzt als 'kilbere'.

kainelor, vereinzelt bei Ilempel (neben 'kamele'), nach Molz, Bdtr. 31,357.

kapitaler, bei Lessing und Goethe vereinzelt, Molz, Beitr. 31,354.

keniiiieter (: kcmraet, stn.; vgl. LA^ 92, s. 128), einer Vermischung von 'kamin' und 'kemenate', s. DWb. 5, 99. 529. 'Wolt ... die kemmeter im schloß zu gepurendcr zeit nit ußseubcrn lasen' Zimmr. chron. (LV. 93) 3,388; 'mit aiuem armen kemmetfeger ... der die kemmeter solte ge- ßeubert haben' ebda. Der -r-plural entstand vielleicht nach dem vorbilde von 'gädmer'.

kiczer ( : kiz, kitze, stn. junges der ziege, dann junges auch von anderen tieren), 'daz die meczger schuldig sindt vnd suUen auff tbuen leniper, kiczer oder kelber oder alle andere thier (agnos, caprcolos, vitulos)' Ältcst. Statuten d. bistums Trient, hs. von 1363 (Archiv für künde österr. gcschqu. 26), no. 68. Sonst ist mir der plural nicht begegnet, nur a-forraen, vgl. 'zway kitz' Font. rer. Austr. bd.34, s. 374 (a. 1384) u. öfter, Tirol.

kinder, 'ut non solum iratns pater suos, non aliquando filios cx- heredet daz nalles einin erpolganer fatcr siniv nalles conaldre chinder vrerbe' (anfang 9. jb.) Keros Beuedict.-regel (Hattemer, Deukm. 1, 30). 'Iriv chiudir (chinder) ' Genes, u. Exodus 65, 25. ' (Di) wären alle kinder ( : gesinde)'

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Alexander 5547. 'Waz ich lieber kinder virlorin häul' Rother 485. 'Ob sy an chinder pär sein' Margaretenlegende 677, Zs. fda. 1. 'Beide wip vn kinder. die sluc man alse riuder" Graf Rudolf (W.Grimm) s. 11. 'Her liz ez spelin unde tobin Mit andern kindern genvich' Eilhart, Tristan 139. 'Die kindere genasen' Marieulied. 37, 23 (Zs. fda. 10, niederrhein.); 'so wilige nrowe nit kindere enbrechte' ebda. 8G, 29; 'godes kindere iude gutes brude' ebda. 100,4; 'nie sal man die dri kindere louen' ebda. 106,39 und öfter; daneben nur selten anders: 'under anderen urowen die kint geberen' 86,32. Von den 8 stellen, an denen die form bei "Wolfram wiederkehrt, stehen 2 im reime: 'Gewäpendiu merrinder: starke liute (ez warn niht kinder)' Willehalm 352, 7; 'öwe, minne, wa:^ touc din kraft under kinder? Avan einer der niht ougen hat, der möhte dih spüren, ginger blinder' Titurel49, 1; in innensteilung: 'siniu kinder liefen vor im in' Parz. 23, 18, 'da siniu kinder sazeu' 34,2, 'wir wären kinder beidiu do' 94,27, 'si enphähent kleiniu kinder dar' 494,5, 'Artus liez die werden Über al daz her diu kinder sehen' 718,14; 'iwerr kinder mäge sint verlorn" Willehalm 178,1. 'Ez ist gar wider gotes geböte Der siner kinder friheit Der eigenschefte vür leit' Gottfrid, Trist. 6109 ff. 'Dri kinder vil wol getan' Ebern, v. Erfurt, Heinr. u. Kunig. 3560 (var. 'kindere'). 'Des diu kinder solten leben, Daz muoz ich ze stiuwer geben' Neidhart (Haupt) 73,17; 'frönt iuch, kinder, über al' 14,1 (unecht?). 'Ez waere allez ciu kinderspil' Stricker, Daniel 5402. In den hs. Eikes ist die thematisch er- weiterte pluralform bei weitem überwiegend, doch finden sich oft beide arten hart nebeneinander: 'ein wib mac gewinnen eliche kint, adelkint, eigenkint und kebeskiut ... ist sie kebes, sie mac fliehen man nemen und mac kinder iemer dar binnen gewinnen' Sachsensp. (Weiske- Hildebrand') 1,51,2; 'Mauricius vlö mit Avive unde mit kinderen. he wart gevangen unde gehövedet mit wive unde mit kinden jämerliken' Zeitbuch (LV. 42) 221 (in der mehrzahl der hs. so); 'brüder kindere und swester kindere' Sachsensp. 1,3,3; 'hübet aber die witewe nach ires maunes tode mit iren kinderen in der kindere gute' 1,20,4; 'Rea, se de kint gewan, Avart levendich begraven, also recht was. de kindere het de veddere henen (hinweg) werpen. de kindere vant bi der Tivere Stade Faustulus' Zeitbuch 76; 'dat we unser vieude kinder niht ne scolen döt slän' ebda. 173; 'her en darf des nicht teilen mit sineu kinderen' Sachsensp. 1,10.11. 11,23. 111,27. 45,9. 76,1 u.s.w. an einer menge von stellen; der nom. heißt meist 'kindere'. Auch im ältesten stadtrecht von Mühlhausen ca. 1230, 50 (geschqu. d. prov. Sachsen) begegnet der plural 'kinder<e)' schon meist. 'So mochten dan die kinder wol Gehaben frejen ganck' Wigamur (v. d. Hagen-Büsching, Dtsche. ged. 1) 162; 'seine kinder' ebda. 1487. 'Pfaffen chinder' Spiegel deutscher leute (Ficker) 283; 'stirbet er dev Aveil seiner chinder oder ander sein erben ze lehenreht ... vmbetailent sint' Lehenrecht, ebda. 244. 'Hetestu tüsent kinder' Wolfdietrich C 3, 46 (DHE. 4). 'Der adlar lät siniu kinder in die sunnen sehen' Maruer (Strauch) 15,15. 'Er ist nit weis, der kinder vil thuet fragen' Reinmar v. Zweter (Roethe) 327,4 (unechte str.?). 'Es sein für Avar nit kinder (:hiuder)' Dietrichs erste a\isfahrt 612,3 (LV. 52). 'J\ü tut er aber als ein man, Der avoI kindere ziehen kau'

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Heinr. v. Kröllwitz, Vaterunser (B. ges. NLit. 19) 2573; 'da ziuliet man gute kiuder mite' ebda. 227; aber 309 'diu kint (: sint)'. 'Yilleben kindere min' Zs. fdph. 21, 384 (mndd.). 'Älse du diuen vliz keres an dine kint, Also sülen dine kindere an ire kiuf Lilie (DTM. bd. 15) 49,38 und öfter in innenstellung; 'wie unse kindere, die unse erve müzen nemen' 49,26. 4,17. 54,5.8.19. 58,20 u. sonst. 'Si truoc ir kinder zwei an beiden armen' Wartburgkrieg (Simrock) 90,6. 'Wan swä diu menschen kinder habent mit argen Sünden pfliht' Friedr. v. Sonnenbnrg (Zingerle) 4,1; 'swä menschen kiuder siindeuf 4, 5d. 'Kinder, kinder, sint gemant, AVir sun scbouwen wuune manikvalde ' MS. 1 , 25 ; 'de rief ein walt wiser Durch diu riser: »Wol dan, kinder, unt geht hein«' ebda. 3, 30. 'Wan iu i\nd iuwern kinden des himelriches als nOt ist, so sult ir iuwer kinder selber ziehen' Berth. v. Regensburg (Pfeiffer) 1,35,3; 'vater und muoter marter lident darumbe daz sie den kindern boesiu dine vertragent' 2,58,10; 'und darumbe wirt vil vater und muoter verlorn, daz sie den kinden niht boeser dinge Avernt' ebda. 58, 23; gewöhnlich lautet der plural in den hs. 'kinde' (1,433,27.470,4, 'kinden' 3G8, 11), ausnahmsweise 'kinder': 'so muczet ir an dem juugesten tage antwürteu für iuwer eigen kinder' 1,35,15; 'ir sult iuwer kinder niht harte twingen zuo lernunge' 1,112,2; 'wirt unde hüsfrouwen, kinder und ander gcsiude' 1,432,10; 'wan ich hau vil kinder und wenic guotes' 2,224,10; steht das wort dagegen mit einem zusatze oder in composition, so findet sich die nicht erweiterte form des plurals nur selten ('disen gotes kinden' 1,368,11, 'judenkinden' 2, 86, 24, also nur im dativ): 'wä sitzet ir vor rainen ougen, ir himelische kinder?' 2,8,26; 'ir hiraelkinder, minnet den alraehtigen got' 1,547,19; 'wol iuch wart, ir sacligen himelkiuderl' 1,428,3; 'da ahtent disiu himelkinder nihtes niht üf 1,427,37, hauptsächlich in der zixsammensetzung 'gotes kinder': 'disiu armen gotes kinder' 1,58,17; 'ir saeligen gotes kiuder' 1,60,29. 68,2.15. 25. 77,29. 78,16 u. oft; 'waz Übet ir disen gotes kindern!' 2,30,22. 'Di warn an grozir gestalt So kindere verzen jar alt' Berth. v. Holle, Demantin (LV. 123) 7034; 'wen si an groze wären Als kindere von zen jaren' 7110. 'Ez cn?int nilit veige kinder (:hiuder)' Albr. v. Kemenaten, Virginal (DHB. 5) 621,3. 'Alsam die kinder spilent mit den tocken' jung. Titurel (Hahn) 1370; 'die hevte kinder hiezzen der uamen kvnd er vber naht verkeren' 1687; 'die veter und die kinder (:hinder)' 2834; 'ander ku- niges kinder (: minner)' 106; 'Vtpandragvues kint vnd kindes kinder ( : minder)' 1772. 'Diu kinder hiez er üf sten' Jansen Enikel, Weltchronik 17413. 'Di brut gihet daz irre muter kindir Si anvechten sara di riudir' Brun V. Schonebeck 8965; 'groze urrinder, Di irschrecken man und kinder' 9387. 8891; anhang 138; in innenstellung wechselt 'kinder' mit 'kint': 'di kiuder sint worden wol' 1002, 'daz wizzeu dine kiuder wol' 1354, 'da mete vuten kinder di ammen' 3440, 'zwuschen lewenkinder (I), her seit, Siif ich mit grozer trubheit' 10125. 11559. Die erweiterte pluralform nimmt bei Ulrich v. Eschenbach trotz einer großen auzahl von gegen- beispielen schon einen breiten räum ein: 'iodoch sint die kinder min' Alex. 3085; 'muoter, kiuder und diu küniginne' 6845; 'sie beliben beide kinder bar' 11339. 13441. 17442; Wilh. v. Wenden 1644. 2217. 3777. 4712.

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4715. 5091. 5110. 5U6; 'fronwe, sit wir iiiht kimler hau AI unser leptagen biz her, Frouwe, so ist daz min ger, Daz wir ze kinde disiii kiut Nemeii, diu zäbeut koineu sint' Wilh. v. Weudeu 5049; häufig steht die form im reim: 'Niobes het vierzeheu kiuder (:ninder)' Alex. 2808. 14602. 2413; 'waz weit ir muoter, wibe, kimler? (:hiiider)' 6791. 6217; 'aide juuge und deine kinder ( : merrinder) ' 9917; 'vür ander ir kinder Dructen sie sie hiuder' Wilh. v. Wenden 4754 u. sonst. 'Ire kinder mit eren wiven' Gottfr. Hagen, Kölner chron. (Chr. ddSt. 12) 3441. Die form 'kindere' (ge- legentlich 'kinder' 50,58) findet sich im alten Passioual sehr oft: 'der kindere nichtes nicht genas' (Hahn) 1. u. 2. buch 43, 84; 'nv sich herre wie gar bliut Dine kindere vf dich sint' 44,73. 49,92. 51,32; 'nv waren ouch ZV der selbe vlvt Genuch deiner kindere kume' 49,71. 51,67. 43,1. 43,16. 44,16; 'der schade vnde ouch der vnruch An den kinderen worchte Daz iekelich sich ervorchte' 49,85 u. oft, daneben aber auch oft die nicht er- weiterte form im reim und sonst; auch in den hierhergehörenden Marien- legeudeu (Pfeiffer) kehrt die form 'kindere' öfter wieder: 'die kindere wären des ervorcht' 25,56, 'als mau die kindere leren pflit' ebda. 44. 'Diu kiuder gent vür den gral' Lohengrin 497; 'als ein lewe der siniu kinder in dem hol Mit hunger weiz' 5735; 'sol ich min zit mit im vertribeu, Daz ich niht enwizzen sol wann unser kinder heizen?' 6957; 'vriunt mäge wip unt kinder (: hinder)' 4947. In der Martina gebraucht Hugo V. Langeustein die form oft im reim : ' der div cleiniv kinder ( : winder) Dicke hat erfruorit' 44,24. 62,12. 76,44. 98,67. 24,4; 'da wider frovden- bere Sint abir gotis kinder So siv div helle riuder Schowint also harte' 66,103; 'des tievils erbe kinder (: hinder)' 62,12; nicht erweiterte form im reim sowie -er-plural in inuenstelliing sind seltener. 'Ir kinder unde ir grisen' Frauenlob (EttmüUer) Spr. 413, 14. 271, 12. 838, 14. Fast aus- nahmslos herrscht die form schon in der Livländischen reimchrouik ('mit kinden und mit wiben' 5781, doch selten): 'mit kindereu und mit wibeu (:blibeu)' 2416. 2910; 'kinder unde wip' 2790; 'wib unde kinder lideu not' 7048; 'wib, kindere imd man' 8042. 5988; sehr oft im reim mit 'rinder': 'die wip und ouch die kiuder, Ochsen unde rinder' 2897. 3037. 8321. 4257. 4715. 11047; 'man, wib unde kindere, Pferde unde rindere Teilten sie gliche" 7381. 'Die man der hellen kinder hiez' Erlösung (Bartsch) 1623. 1658. 1856. 1874. 3669. 4381; 'wanne die kinder hatten spil' Leb. d. hlg. Elisab. (LV. 90) 710. 2357. 4938. 8380 u. sonst. 'Dar wart sin (Eea) swanger mit twen kinderen, dat segede siu dat it wäre van Marse dem wichgode . . . Eea do siu de kint gewan, si wart levendich be- graben, alse do recht was. De kindere het de veddere hiuen werpen. De kindere vant bi der Tyvere Stade Faustulus en herde ... De kint ge- wossen, se slogen ir müder vedderen Amulium', Sachs, weltchron. (MG., DChr. 2) 79,22; 'he was oc de erste man de twie echte wif nam, van den he kindere gewan' ebda. 68, 34. 74,22. 76,25. 225,16; 'Adam hadde sinen kindereu vorgesaget tvier haude goddes wrake die komen solde' ebda. 69, 5. 'Kindere' in den Interpolationen zu Eikes zeitbuch (Gothaer hs., LV. 42) 551. 570. 576. 585; 'kinderen' 527 ('kinden' selten, 532). 'Ir kiudir, volget alle mi' md. ged. (LV. 58), Marieuleg. (ostmd.) 1'240. 70. 'Sus quemeu

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unser kiiider wider' D. sünden widerstr. (Zeidler; thüriug.) 1981. 1513; 'herzeliben kiuder miu' 15. 'Der hailige gaist der ist dez geziuch. de wir sigeu diu rehten gotez kinder. Uli da von sigen wir diu rehten gotez kiuder' Dtsche. pred. 13. jh. (Grieshaber) 1,37. 'Wie relite sür Dünket sich der wvaltgebür Und siniu bercrinder! Wir siu uilit wageukinder' Laurin D 2552. ' . . . glichet sich unser vrowe eineme reinen lichameu, an deme alle geistliche kiuder gelidert schollen sin' D. hlg. regel (DTM. bd.16) 2,7 und sonst 'kiuder' neben 'kint". 'Te siuen huus ginc rigant Daer hi sine kiuder vant" Flovent (raudd. fragm., Germ. 9, 261) u. sonst; 'kinder (: minder)' 287. 310. 'Der vogel Pelicauus, der sin kinder stüret sus Wider zu dem leben' Joh. v. Frankeust., Kreuziger 10708. 2183; im reim 'kinden' 268G. 'Der siner kinder niht ernert' Heiur. v. Beringen, Schachged. 824; sonst überall 'kint'. 'Denn dil der kinder sibeniu sinf Heinzel. v. Koust, V. d. ritter u. pf. 262; 'weune er (der pelikan) mit sines herzen bluot Diu sine kinder spiset' v. St. Johans. str. 3; sonst 'kint'. 'Zweimal schriren kinder an Elyseum den heiligen man" Eenner 14811; 'so wilent kleiuiu kinder sähen Fremde Hute, die begonden gäben' 12611; 'kinder (:rinder)' 12521; sonst im reim und in innonstellung immer 'kint, kinden". 'Waz mag ich daz die lüte swern Ir kinder hin ze geben' Joh. v. Würzburg, Wilh. V. Österr. (DTM. bd. 3) 9101; im reim 4343; sonst 'kint'. 'Zwayr kinder sy genaß' Heiur. v. Neustadt, Apollou. (DTM. bd. 7) 14278; sonst immer 'kint". 'Unt so ich minem wib unt kindern werd' unwert' Regeu- boge, MS. 3,345. In der Verbindung 'gotes kinder' in den hs. von Eck- harts Schriften (Pfeiffer, D. myst. 2) fast durchgehends die form 'kinder': 'daz Avir gotes kinder geheizen werden' 38,24. 143,14.15. 213,33; 'die sint kinder der gute' 302,32; 'der gute kinder daz sint die, die die hei- ligen Schrift lesent' 302,13.23; 'unde wie wol wir von näture kiuder von vater unde muoter siu, so si wir doch über daz von rehte kinder gotes' 353,17 u. öfter; in anrede findet sich die form fast auch ausnahmslos: 'eyä, kiuder, merkeut mich' 31,15; 'eyä, lieben kinder, stet vaste an dem tale, dar in ir iuch geworfen habet' 393,9; in anderem gebrauch kehrt die form, dem plural 'kint' gegenüber, nur selten wieder: 'ir sint ... kinder des obersten" 86,32; 'daz sie kinder von gnaden des hime- lischen vater sin' 365,32; 'smäheut iuch diu kinder der werlte, da vallet niht' 393, 10. 'Der kinder unvcrnumpht' Tilo v. Kulm, Sieb, ingesig. (DTM. bd. 9) 3243. 5931 ; im reim 329. 1796. 3203. In der md. bearbeitung des Buchs d. Maccab. steht die form 'kinder" nur zweimal im reim (12559. 14151; dagegen 29 mal 'kint"), in inuenstellung selten. 'Kinder : rinder' Nicol. V. Jeroschin, Chron. 'Di welfere ezzin uudir dem tische von den brosmeu der hindere" Beheim 1343, Evaugelieub. Mr. 7, 28. 'Diue hindere sullen wonen in dir. Di kinder der sele daz sint lügende und heilige be- gerunge' Herrn, v. Fritslar (D. myst. 1) 27,36; 'die kiuder der Iftte" 14,7; 'di w^erden alle gotis kindere' 33,31. 34,12. 36,27. 39,7 u. oft; 'mit den kinderen der lüte' 28,6; 'ire husvrowen und ire kiuder" 66,3. 77,2. 82,6; daneben nur vereinzelt 'kint'. 'Kinder' im reim bei Dalimil, Chron. von Böhmen 67,37. 108,5. 209,35 u. öfter, auch in innenstellung. 'Des vogels kinder" Megenberg 203,1, soust immer 'kint' 'Da lygent umb alle yre

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wyf iud kimler in yreu kleidern' (K(ilner) Reiseljer., Zs. fdpli. 19, 28; 'kinder' 15. 24. 55. 56. 62; 'kindere' 29; 'kindern' 79 (soust 'kiut, kiiideu'). 'Lieben kinder, was went ir' Tanler (DTM. bd. 11) 137,10; 'och kinder, die not nnd der jomer der do werden sei, der gat über alle not" 137,14. 81,5. 433,6; in der anrede immer so. Die form 'kinder' bei Elsbeth Stagel, Leb. d. schwest. zu Töß (DTM. bd. 6) in der anrede fast durchweg vorkommend (nur 53,27 'kind, schlaffend'), sonst nie. 'Di kindir mit der weide' md. Schachbuch, Zs. fda. 16, 188, 15. 3L 191,31. 246, 9. 13 u. öfter; im reim 193, 1. 205, 25. 240, 1 u. oft; ' wan he den kindiru wedir gap . . . ' 252,28; sonst in inneustcllung 'kint'. 'Des musten kinder vil ir blot verleren' br. Hansens Marienl. (Minzloff) 2770. 227. 061 u. oft; 'von kinder (!), meechden, mannen oder vrouwen' 3467; im reim 391. 982. 2374, 'kinder (: vinden)' 3316. 'So sie ir kindeskiuder beyd Verlor' Meist. Alt- swert (LV. 21) 158,23; im reim 137,36. 'Chunik Nabuchodonosor Di selben chinder pindeu hiezz' Pet. Sucheuwirt (Primisser) 41, 1223; 31, 122; sonst 'kint, kinden' 11,361. 39,95. 5,78. 'Schiff kinder von dem grossen see" Herm. V. Sachsenheim, Mörin 480. 3931; 'ir Adams kinder hoch unnd werd' Jes. d. arzt 129; aber im reim und in innenstellung 'kinden'. In den vom Niederrhein stammenden Geistlichen gedichten (Schade 1854) findet sich die -r-form sehr oft, daneben 'kinde'. 'Kinder telen' (:= kinder kriegen) in den ndd. Akener schüffenbüchern (bis 1394) nach Roethe, Abhdlgn. der ges. d. wiss. Göttiugen N.f. II 8, s. 100 (1899). Bei Heinr. v. Hesler ist die -r-form oft belegt, doch nicht ausnahmslos voiherrsehend: 'und daz sie mit vrevele sunden Und ir kindere dar zu schunden" Apokal. (DTM. bd.8) 3824; 'Jakobis kinder kunne V\'ixz in der himel wunne' 12589. 15802. 16960. 16!366. 17093. 1<J740; im reim 3527. 7116. 17106. 20060 u. öfter; 'von zwelf Jacobes kindern (: hindern)' 12579. 21097; daneben in innenstellung und im reim öfter 'kint, kinden', was durch die Untersuchungen Helms, Beitr. 24, 100 auch für das Evangel. Kicodemi bestätigt wird. In der lieder- hs. des Nicol. v. Cosel (Rückert 1878, Entwurf ein. sj-st. darst. d. schles. ma.) öfter in der anrede 'lieben kinder' 291. 381. 250 und sonst 11. 237. 'Auf daz die kinder ir vaeter und ir muter nerten' Gesta Romanorum (B. ges. NLit. 23) 1; 'seineu kindern' 4. 11 u. öfter; '(sie) fürt mit ir die chinder- lein' 68 ('chindleiu' ebda.); die -er-form überwiegt ungefähr. 'Und muest der chinder auch enperen' Vintler, Blum. d. tug. (Zingerle) 2078; 'in dem herzen der clainen chinder (: linder)' 2230; sonst immer 'kind' 1872. 2674. 3448; 'kinden' im reim 2884. 'Wenn chinderprot ist gar versait den hunden' Wiener sitzuugsber. 88, 840 (Steiermark ca. 1420) ; 'denselben chinderu, als wir lesen, ain roter streimel ist gewesen umb ieren hals' ebda. 88, 840. 'Die kinder spotten mein nu schier' Wolkenstein (Schatz) 93,51; 'kinder' im reim 41,18. 102,3. 107,50; 'kinden' im reim 90,26. 'Itzunt hatte her alsso vil kynder unde kyndeskynder gewonnen' Rothe, Thür. Chronik uo. 11; 'namen die kinder' 751; 'manne weip unde kynder' 550; außerdem 104. 105. 178. 191. 201. 214 u. öfter; 'die kyndere' 498; 'au yren weihen kyudern unde swestern' 158; daneben treten noch oft nicht erweiterte formen auf: 'drey kynt' 430, namentlich der dat. 'kynden' 11. 32. 104. 202. 282. 299. 517. 549 u. sonst; für den Ritterspiegel ergibt

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sich die gleiche Verteilung. 'Dornach hyeß er weyber und chiuder ... aiißhin auff ein velt füren' Schiltberger, Reiseb. (LV. 172) 31; 'der chinder waren pey siben thausent' ebda.; 'do nam er zu im sein briesterschaift mitt weyben und chindern' 26; meist jedoch findet sich noch die nicht erweiterte pluralform: 'die anderen weyb und chind' 31. 19. 33, zumal im dat. 'chinden' 8. 18. 30 u. sonst. 'Die kiuder von Israhel' Meist. Ingold, Gold, spiel 62, 21, sonst immer 'kind'. 'Sy irhuben sich mit wip und kiuden czu velde. Do rantyn dy Preuszeu czu, und irslugen mau und wip, dy kinder fürten sy in gevengnisze' Alt. hochmeisterchron. (oo 1440, Script, rer. Pruss. 3) 572. 577; 'cristen kinder" 571; im dat. immer 'kinden' 570. 572 u. sonst. In dem ung. gleichzeitigen alem. ged. D. teufeis netz (LV. 70) kommt die nicht erweiterte form noch in einem drittel der ges. fälle vor: in innenstellung 'kind' 4463. 6747; 'kiuden' 2635. 6747; 'kiuden' im reim 1971. 8427; der dat. 'kiudcrn' ist jedoch ebenfalls gut belegt 512. 7630, 'kepskinderu' 2637. 'Dein kinder' Egerer fronleichnamssp. (LV. 156) 506, sonst immer 'kindt'. 'Ir mußt all mein stefchinder sein' Erlauer spiele (Kummer) 4, 257. 263; 2,353 dagegen 'chiuden'. Im ältesten drucke des Deutscheu heldeubuches (LV. 87) nur im reim 'kinder' 651,26. 756,34. 'Von einer edeln fraweu ... die iren mau vud czwei kinder verloren het' Decameron (LV. 51) 90. 225; 'wie ein edelman ... mit czweien seinen kindeu ... in das elende floche, peyde kinder iu Engelant liesse" 125; der dat. 'kinden' kehrt stets wieder: 234. 291. 565 u. sonst. 'Mit Verlust vnser kinder' Buch d. beisp. (LV. 56) 53 vereinzelt, sonst 'kind' 53. 74, 'kinden' 103. 185. 'Von iren weybern und kyuderu' Muffel, Beschreib, von Rom (LV. 128) 48. 'Jungkfrawen, kinder, weib und man' Beheim, Buch von d. Wien. 71,17; 'dy kinder uou israhel' 357,20; im reim 50,17; 'kiudern (: hindern)' 279,26; dagegen im reim 'kiude'50, 4. 273,7; 'kint' 201, 15; 'kinden' 384,19, in innenstellung 114,27. 'Alze me deyt den juugheu kynderen, De dar sint stump alzo rindere' Redentiner osterspiel (a. 1464; Nat.-lit. 14, 1) 1279. 'Czwee kindere' Valentin u. Namelos (a. 1465, mitteld. bcarb.; Niederd. denkm. 4) 77, sonst durchweg 'kindir, kinder'. 'Von iren peihtkindern' Nürnberger jahrb. (Chr. ddSt. 10, 183). '(Sie) clagten paid ser ir chinder Verlust' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 6 u. öfter; a-plurale und -r-bildungen wechseln wahllos, doch überwiegen die ersteren noch. Die gleichen Verhältnisse bietet Steiuhöwels Äsop, nur daß die a-formen noch mehr vorherrschen: 'ain wittib, die von dem ersten mann kinder hat, aineu andern man nimpt, der ouch kinder der frowen zuobriuget, so ist sie ierer kind rechte muoter und ist der andern kind stieffmuter' 49. Oft begegnet die form in Wittenweilers ring, im reim 19c, 41. 20b, 41; 'einiger vatter füret bas Syben kinder durch einu gatter. Dann siben kinder einen vatter' 20c, 31. 45c, 31. 54a, 13 u. oft; 'mit weib und kindern' 19b, 24. 10 d, 11; 'kindel geschray und kiuderpetten' 21 c, 2; 'kiudermachen' 21c, 39. Auch in Albr. v. Eybs Schriften ist die erweiterte pluralform noch nicht alleiuherrschend, vgl. Grisardis (Zs. fda.29) 'kiuder' 373. 375. 886; 'kin- deren' 406; 'kind' 425. 426; 'kinden' 376. 387. 423. 426. 'Erberer vnd fromer lüten kinder' Wyle, Translat. (LV. 57) 9; 'torechter dann die kiuder' 136; sonst immer 'kind, kinden'; 'alt vatter vud müter beroubet

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sin vnd maugel haben der wolhist vnd fröiden jrer kinden, darumb daz inen vorzesterben syg vnd ee jre kinder aincher tilgend mögen werden vnderwisen' 138. 'Mine kinder, die mögen in korter tit werden De alder- geweldigesten' Des dodes danz (Lübecker druck v. 1489) 251. 1315 (LV.127). Im Frankfurter passiousspiel von 1493 (Nat.-Iit. 14, 2) wechseln die formen 'kinder' und 'kiude, kindt' bunt miteinander. 'Czu hant satczte sy syne kyndere yn den kerker gevangen und sante noch yrem vatere und sprach, ab he syne kynden weide löfsen' Altd. bl. 1, 121, 'kindere' öfter. In den in Nürnberg (ausgang des 15. jh.'.s) entstandenen erzählungen (DTM. bd. 14) überwiegt die nicht erweiterte pluralform noch. 'Alle fundelkiuder' Deichs- lers Nürnberger chron. (Chr. ddSt. 11) 555. 627; 'dreier kinder' 627; ver- einzelt 'kind' (genet.) 627. 'Wif ind kinder' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13. 14) 601, 'ure wiver ind kinder' ebda.; 'van sinen lieven kinderen' 380. 393. 416; 'kind, kinden' öfter. 'Tzwelff geslechter der kinder IjsraheU' Harff 1499, Pilgerfahrt 164; fast ausnahmslos die form 'kinder, kinderen'. Auch in Konr. StoUes Erfurt, chron. (LV. 32) findet sich die alte form kaum gegenüber einer menge von belegen für -er-plural. Eberlins 15 Bundesgenossen (1521) haben die erweiterte pluralform nie; Hug, Villinger Chronik (LV. 164) verwendet sie nur selten, 'kinder' 88, 'kindern' 129. 'Kinder' Val. Voigt 1538, Von d. herrl. urspr. (LV. 170) 1287; 'die kindt Gottes' 1294, 'den kinden' 2205. Auch bei Luther findet sich die alte nicht erweiterte form noch, namentlich im dat. 'kinden'; bei Seb. Münster 1544, Cosmogr. 'kind, kinden'. In Manuels Weinspiel 1548 (Zürich, Neudr.) begegnet 'kinder' nur einmal im reim 975, sonst in allen Stellungen nur 'kind(en)', während Zwingli (1522) meist 'kinder' schreibt. Erasmus Alberusl550, Fabeln 'kinder'; nur im reim 134, 65 'kind', 77,182. 79,233 'kindelein', 76,125. 181,17 'kinden'. Bei H.Sachs liegen die Verhält- nisse in den von mir untersuchten spielen (Werke 8, LV. 121, s. 1—500) folgendermaßen: an den insgesamt 57 belegstellen findet sich die form 'kinder' in der hälfte aller fälle in innenstellung, im reim nur 4 mal; der dat. 'kindern' kommt in innenstellung 5 mal, im reim nie vor; für die nicht erweiterten pluralformen gestalten sich die zahlen wie folgt: 'kind' im reim 4, in innenst. 3 belege; 'kinden' im reim 7, im versinnern 8 mal. Demnach ist der -er-plural schon bedeutend überwiegend; außer der be- eiuflussung durch den reim zeigt nur der dat noch das bestreben, die alte form beizubehalten. Eine bestätigung dieser ergebnisse liefern die belege für das wort in den eingefügten bühnenanweisungen, wo rücksichten auf den vers bei der auswahl der form also nicht mitspielen konnten; außer einem vereinzelten dat. 'kinden' 251 sind mir hier nur erweiterte formen begegnet. Federmann (1557) vereinzelt 'kinden' (LV. 47) 46.72; sonst 'kinder', 'sampt weih und kindern' 62. In der Zimmerschen chronik habe ich nicht erweiterte flexionsformen nur selten getroffen, 'all sein kind' 3,72. Oldecop hat in seiner (mndd.) chronik noch einige male 'kint' 5,19, 'borgere kint' 27,24 u.a., sonst 'kinder(e)'. Wetzel 1583, Reise der söhne Giaffers (LV. 208) schreibt noch vereinzelt 'kind' 11. 134. 'Kinder' im Buch Weinsberg (~ 1590) meist, doch gelegentlich noch dat. 'kinden' 3, 38. Vgl. auch Molz, Beitr. 31, 336.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 11_

162 GÜRTLER

Fassen wir ziinäclist die Verhältnisse für das 16. jh. zusammen, so fällt sofort auf, daß die traditionellen flexionsformen fast ausschließlich auf obd. gebiet beschränkt sind, und zwar speciell aufs alem. Th. Gart hat in seiner comüdie Joseph (1540) noch keinen einzigen beleg für -r-plural. Wo die nicht erweiterten formen sonst auftreten (vom dat. 'kindeu' bei Wid-. mann, Frey, Spee u.a.m. abgesehen), erklären sie sich aus reimzwang: Waldis 1527, Verl. söhn 1181; Ackermann 1539, Thobias (LV. 170) 1047; 1510 Un- ger. söhn 143; HoUonius 1605, Somnium (Neudr. 95) 428 u.a.m. Im all- gemeinen ist der -r-plural bei md. Schriftstellern schon zu beginn des 16. jh.'s regel, bei obd. beginnt sich der Umschwung erst in der zweiten hälfte entschiedener geltend zu machen. Ganz sind die alten formen aus der Schriftsprache nie geschwunden (Goethe, Scheffel; für weitere beispiele vgl. DWb. 5, 707 f.). Aus der angeführten literatur des 15. jh.'s ergibt sich, daß die bildung bei md., namentlich ostfräuk. und ostmd. autoren schon um die mitte des 15. jh.'s mit einer gewissen regelmäßigkeit auftritt, wäh- rend sie alem. und bayr. bei den meisten Schriftstellern überhaupt fehlt, z. b. bei Dangkrotzheim , Schiltberger. Trotzdem muß der -r-plural ausweislich der Urkunden auch für diese ma. schon für viel frühere zeit gefordert werden. Alem.: 'vur uns und unsers sunes kinder' ürkdb. Straßburg 1, 464 (a.l266), 'Eberlins kindere' 3,57 (a. 1284), 'einer kinder' 3,206 (a. 1310). 4«, 114. 116 (a.l322), 'kinderu' 7,173 (a.l349), doch sind das alles nur schüch- terne ausnahmen; 'aber mit gedinge sol man Abrechte von Vra ze aller erst zwei kiut da von beraten siner kinder, vnd were, das vnder minen nachwendigen fründen nüt kint weren also davon ze beratende, so sol man priester pfruonda davonmachen' Urkdb. Freiburg 1, 368 (a. 1347), doch noch a. 1500 'kint, kinde'; 'Cünrat Groblis kinder' Urkdb. abtei St. Gallen 4,506 (a. 1396). 576 f. (a. 1399) 'kinder kind', sonst immer 'kint'. Bayr.- österr.: 'seinen chindern' Niederöst. urkdb. (St. Pulten) 1, no. 152 (a. 1297). 191 (a. 1312). 295 (a. 1342). 330 (a. 1347) u. a., falls nicht späteres Substitut in der abschrift; 'mit . . . willen . . . aller meiner chiuder' Font. rcr. Austr. bd. 33, 157 (a. 1313), 'hern Otten chindcr' 175 (a. 1324), 'aller meiner chinder' 226 (a. 1348) u. sonst, doch bis über die mitte des folgenden jh.'s noch a-formen. Schwab.: 'sinen kindern' Urkdb. Eßlingeu 1, 173 (a. 1308), sonst 'kint'; 'kindern' Fürstenberg, urkdb. 3, no. 55 (a. 1409); auch hier bilden die alten a-formen die regel bis tief ins 16. jh. hinein. Viel con- stanter ist der -r-plural schon im 14. jh. in Urkunden md. gebiets, und zwar am meisten im ostmd. Ich beginne mit dem westen: 'kindere' Lacomblet, Urkdb. Niederrh. 2, 304 (a. 1263). 310 (a. 1'264), 'kinderen' 2,1011 (a. 1298). 3,34 (a. 1306) u. öfter; 'minis brudir kinder' Urkdb. kloster Arnsburg no. 1226 (a. 1286); Urkdb. Frankfurt 2, 337 (a. 1332), 'kindern' 367 (a. 1333), vereinzelt; 'kinder' Cod. dipl. Rheno-Mosell. 3, no. 155 (a. 1328). 160 (a. 1329) u. a., doch noch oft bis 1489 'kinde' (4, no. 381); 'ane widdir spräche irr kynder' Urkdb. Worms 2, no. 326 (a. 1343) u. öfter, doch werden die neuen bildungen erst gegen ende des 14. jh.'s allmählich häufiger; die gleiche bestätigung liefern die Hessischen Urkunden. Für das ostfräukische stehen mir so ausgedehnte Sammlungen nicht zur Verfügung, doch decken sich die ergebnisse hierfür ungefähr mit

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -ER-FLVRAhE. 163

dem rheinfränk., nur daß schon in der ersten hälfte des 15. jh.'s ein über- gewicht des neuen plurals zu bemerken ist. Noch gesicherter aber ist er im Osten, und zwar auf der ganzen linie. a- formen als ausnahmen sind mir im 14. jh. nur wenig, ganz spärlich im 15. jh. begegnet: 'kindt' Cod. dipl. Saxon. reg. abt. II, bd. 3, 153 (a. 1463), Urkdb. Jena 2, no. 663 (a. 1480). 'Allen kinderen' Liv-, est- u. curländ. Urkdb. 1,568 (a. 1277), 'kindere' 764 (ca. 1300); 'kindere' (a. 1295) in einer Magdeburger ratsurkunde bei Tzschoppau-Stenzel, Urkdensammlg. z. gesch. d. urspr. d. Städte in Schlesien (1832) 430; ferner ohne andere nebenformeu: Urkdb. Wernigerode seit 1330 (408), Erfurt 1350 (2, no. 346), Mühlhausen 1348 (no. 995), Arnstadt 1350 (93), Jena 1351 (2, no. 234) u.s. w.; fürs schlesische: 'kindirpelcze' Cod. dipl. Siles. 8, 22 (a. 1349). 4,31 (a. 1372) 'kiudern' u.a.; 'kiuder, kindern' Urkdb. Saaz (Städte- u. urkdb. aus Böhmen 2) no. 232 (a. 1394) u. sonst.

Aus dem angeführten, absichtlich etwas gehäuften belegmaterial er- hellt, wie lange zeit der -r-plural des wortes brauchte, um auf der ganzen linie durchzudringen. Der Zeitraum von nahezu sechs Jahrhunderten, dessen es dazu bedurfte, wird von keiner anderen bildung der ganzen gruppe übertroffen. Die ausätze zu diesem -r-plural, die das deutsche mit dem altenglischen verbinden, müssen schon in ahd. zeit ziemlich gleichmäßig über die verschiedeneu mundarteu verteilt gewesen sein. Im mhd. begegnet die form bei obd. dichtem verhältnismäßig öfter, als sich der plural aus Urkunden dieser gegenden belegen läßt. Deutet dies schon auf einen starken einschlag md. ma. hin, so wird diese Vermutung bestätigt durch das frühe auftreten der form im mndd. Warum sich gerade bei diesem wort die alte pluralform im obd. der neuerung so lange widersetzen konnte, Avährend sich der entwickluugsproceß in der mehrzahl aller übrigen fälle in um- gekehrter weise vollzog, entzieht sich unserer genauereu kenntnis.

klügerer (vgl. 'gemeinerer'), anomale pluralbilduug bei Schotte!.

kleider, 'mit clediren undi mit spisen di sichiu sal he wisen' Ged. d. wild, mannes (Kuhn) 3,205. 'Sie ne bäten die kleider noch die ros' ßother 1317. 'Kleider unde spise' Traugemundslied (MSD.) 1,5. 2,6. 'Nüwe kleider samit rot' Eilhart, Tristan 1965; 'euch gingen in die cleider abe Von weter und von regene' 4570; ' Tristrant gräwe cleider nam ' 7446 ; 'mit cleidern' 8230; außerdem 1969. 2090. 4574. 4903. 7028. 7446. Um einen Überschlag und eine ungefähre Vorstellung zu geben von der großen beliebtheit und Verbreitung des -er-plurals, setze ich im folgenden eine reihe von belegen und stellenaugaben aus der mhd. und späteren literatur hierher. Unsere lexikalischen hilfsmittel versagen hier wie bei so manchem, was mit häufigkeits- und Sprachgebrauch zusammenhängt. 'Koufet guoter kleider vil' Spervogel (MF. 6). 'Vor leide si gezarte Diu kleider von dem libe' Konr. V. Fussesbr., Kindh. Jesu 2155. 'Siner kleider misliche varwe' obd. Servatiusdichtg. (Zs.fda. 5); 'kleider und geträgede' ebda. 1492. 2920. ,Dut uch suarce cleidere ane' Marienlied. 28,23 (Zs. fda. 10, niederrhein.); (deme du spise inde cleidere maches' ebda. 38,24; 'dat ich diue cleidere muge geschriuen' ebda. 109,33. 120,1 u. öfter; 'it eururde si noch an cleideren noch an hären' 107,4. 'Die stracten ire cleidere an den weg'

164 GÜRTLER

Altd. pred. (Schöubacli) 1,191,12. 'Hovelich stunden im sin cUeider an' Salom. 11. Markolf (Vogt) 688. 699; 'scharlachen cleider leit er an' ebda. 169; 'cleider nnd ouch spise' ebda. 44. 313. 'Do badete er sich, und legete sich an Mit cleideru, als da was bereit' St. Ulrich (Schmeller) 1465; 'mit chleider (!) dar' ebda. 661. 'Die kleider wäre so gesuite' Herb. V. Fritslar 486; 'zuri:^^en die er aue trug Ware sine kleider' (: leider) ebda. 1419; 'auch truc sie gute kleider ane' ebda. 3258. 8463. 13339. Von den 17 stellen, an denen sich die form bei Hartraanu findet, stehen 5 im reim: 'ir har und diu cleider' (: leider) Iwein 1311; 'er lief nacket beider, Der sinne unde der cleider' ebda. 3360. 2814. 3584; Erec 9854. In innenstellung: 'ir kleider siut herlich' Erec 3197: 'dirre kleider sult ir Wandel hän' ebda. 1530; 'in swachen kleideru' ebda. 1586; 'ditz sint cleider der ich truoc' Iwein 3587; 'vrischiu kleider' 3454. 5154. 6192; 'von cleidern, von spis' und von bade' 3649; 'si zarte diu kleider in der nät' Arm. Heinr. 1203; 'im Avären kleider vremede' Gregor. 2939. 198; 'von kleidern und von gemache' ebda. 115. 'Kleider wurden ir bereit' Eraclius 2371; 'kleider diu warn armeclich' 5220. Bei Wirnt v. Grafen- berg, Wigalois, ist das wort mit 9 belegen das einzige beispiel für -er-plur. , im reime stehen 3 belege: 'aller bände kleider' (: beider) 9807. 2747; 'diu kuneginne sande im sa Sehs riterkleider' ( : beider) 1632; in innen- Btellung: 'vil gfitiu kleider heteus an' 7300. 7401. 9078. 9138. 9937; 'uf kleidern und uf schilte' 9176. 'Golt silber ros und dar zuo kleider' (: leider) Walther (Paul) 69,42; 'do er bäte mir geschaffen kleider' (: leider) ebda. 75,96. 'Die rii^^^en im ab sin kleider' Oreudel 476; 'bil- grins kleider' ebda. 3209. Im Nibelungenlied (B) kehrt die form an 29 stellen wieder: 'des suln wir richiu kleider vor der frowen tragen' 344, 'man zoch uz den kleidern den sinen schoenen lip' 1026, 'von zobel unt ouch von barme vil kleider man da vant' 575, 'ir reisekleider wären rieh' 1434 u. oft. Wolfram hat 24 belege, nur einen davon im reim: 'Lähelin hiez balde sniden Siner tohter kleider' (: beider) Parz. 375, 5, aber öfter 'kleit' (:-keit) Willehalm 31,25. 63,13. 83,22. 428,16 u. sonst; in innen- stellung z. b. 'wan iu ist niht kleider noch gesuiten' Parz. 228, 17; 'diu niuwen kleider leit' er an' 588, 23; 'von pfelle kleider tiure' Willeh. 174, 13 u. a. Bei Gottfrid ist das wort neben einem einzigen beleg für 'kinder' das einzige, das -er-plural annimmt; im reime steht von den 18 belegen nur einer: 'Braugacne hete au sich genomeu

der künigenne kleider:

diu kleider ir beider

wären verwandelt uuder in' Tristan 12592 ff.; 'schoeuiu kleider unde pfert' 3732; 'siniu kleider, diu er ane truoc' 2745; 'siniu kleider fremede unde rieh' 2856. 2542. 3998. 4079. 4553. 4561. 5000. 10765 U.S.W.; 'und beschouweten besunder Der kleidere wunder' 10870. 'Durch kleider und durch schoene gesmit' Thomas, v. Zirklaere, D. wälsche gast 7779. Von den 37 belegen bei Heinr. v. d. Türlin entfallen 6 auf reim- stellung: 'Nie wart ir schoz naz Und ander ir kleider' (: leider) Krone 1561; 'Ein hemde klein unde wiz Vuorte er an ander kleider' (: beider) 3706; 'kleider' (: leider) 11663. 19622. 26020; 'in maneger wise kleider'

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^A'-PLURALE. 165

(: beider) Mantel 173; in inneustellung: 'solhe kleider vuort si an" Krone 7706, '. .. tet im richiu kleider an' 8049, 'und truoc diu besten kleider an' 13009, 'von kl eidern so gezieret' 14164, 'an kleidern und an übe' 29375, 'bi kleidern so riehen' 7738 u. öfter. Bei Konr. Fleck stehen von 5 belegen 2 in reimstellung: 'wes wir bedürfen der cleider' ( : beider) 5447; 'alsän in wären bereit Rilichiu cleider' ( : beider) 7529; sonst: 'kleider uude rieh gewant' 7734. 3656. 5441. 'Sie zarte här und kleider' (: leider) Albr. V. Halberst., Ovid 16,246. Die form 'kleider' findet sich in der Gudrun an 32 stellen, im reime davon stehen nur 4: 'daz ich in wasche kleider' (: leider) 1055,3. 1192,2. 1233,3. 1267,3; außerdem 2 mal im binnenreim: daz niemen künde baz

gewaschen in diu kleider in Ormanie lande.

ir megeden wart nie leider do sie sie sähen dienen üf dem sande' 1058. 1070; sonst: 'daz er ze kleidern gerte heim und ringe' 22; 'daz sie weiden von den kleidern gaben' 1211; 'von des wirtes gademe kleider man do truoc' 40 u. öfter; dagegen findet sich auch die nicht erweiterte form im reim nicht selten: 'fünfhundert frouweu kleit' ( : leit) 36,2; 'wir bleichen baz diu kleit' 1269,2. 1304,2; sonst: 'an sinen kleiden' .. . 854,4. Bei Ebernand V. Erfurt, Heinr. u. Kunig. öfter: 'ich bedorfte wol kleider' (: leider) 3072, 'daz mau an ir kleider sach' 3552; 'den kleidern was der segen getan' 3395. 3367. 3079. 'Wie wol er siniu grüeniu kleider au sich strichet' Neidhart (Haupt) 19,8 u. sonst; 'kleider' (: beider) 22,28. Der Stricker hat ebenfalls eine anzahl von belegen für das wort, darunter so viel ich sehe nur 2 im reim: 'den nam man abe ir kleider' (: leider) Karl 10739. 11898; sonst: 'ros kleider unde swert' Pfaffe Amis 1475; 'man sach sie kleider anetragen' Daniel 6564; 'si legent ir hovekleider an' 681 u. sonst. 'Ir cleidir tätin sie ir ane' Athis u. Prophil. (W.Grimm, Kl. sehr. 3) D 131; 'gewunnin cleidir harte guot' ebda. D 105; 'mit cleidirn üz geväzt' ebda. 0*60; 'cleidir' ( : beidir) C* 114; 'wie sie den edilin man Siuir cleidir intuactin' A 7. 'Dar zuo knehte, kleider, ieglichem vierzig marc' Wolfdietrich A 240, 2 (DHB.3); 'do si diu kleider vant' ebda. 430, 1. 435,2; B 226, 4. 417,2. 828,3; 'mit kleidern lobelich' 31,2. 72, 3 u. sonst. Bei Eike kommt das wort meines wissens nur in der themat. erweiterten pluralform vor: 'alle wibliche kleidere' Sachsensp. (Weiske- Hildebr.') 1,24,3. 3,22,1. 3,56,3; 'zu vrowen cleidern' 1,24,3; 'tut her munches cleider an' 2,22,3; im Zeithuch (LV. 42): 'kledere van golde' 146; 'we hebbet der scöneu kledere vele' 165. 357. 384; 'au den klederen' 177. 220. 282. 'Du sihest doch kristenkleider an dem libe min' Wolf- dietrich D 5, 147 (DHB.4); 'kostbaerlichiu kleider' ebda. D 5, 37. Rudolf von Ems verwendet die form, so viel ich sehe, fast nur in inneustellung, während er im reim meist die form 'kleit' braucht (Barlaam u. Jos. 29,37; D. gute Gerh. 703. 2506. 2905. 3571. 3593 u.s.w.): 'ouch fleiz ich mich der beider Orse und richer kleider' D. gute Gerh. 3446; 'der truoc diu boesteu kleider an' Bari. 140, 12. 88,18; 'siniu kleider er da lie' ebda. 375,26; 'die demüeten Hute, Die boesiu kleider tragent an' ebda. 49,11. 161,29; 'kleider unde spise vil' D. gute Gerh. 5199; 'mit guoten kleidern guot g-enuoc; ebda. 5943 u. oft. 'Ir kleider lühtenwiten' ßeinbot v. Durne, Der

166 GÜRTLER

hl. Georg 2556 u. oft. 'Waz cl eider vrouwen wol an ste' Reinraar v. Zweter (Roethe) 41,1. In Mai und Beaflor steht von 6 helegen einer im reim: 'der vürste hegunde rizen Ab im gar diu kleider' (: leider) 171,7 (gegen 'kleit : geleit' 40,35. 58,17. 104,9. 151,20); 'saphir, Smaragde, rubin, Maueger üf den kleidern lac' 40,23; 'du bist der sinne gar ein kint, Daz du si bi den kleidern wil Erkennen' 218,19. Bei Meier Helmbrecht steht das wort an der einzigen stelle im reim: 'des wart si äne leider Durch des sunes kleider' 168. Die 14 belege bei Ulr. v. Lichtenstein stehen sämt- lich in innenstellung, während im reim nur die form ' kleit " vorkommt (218,7. 234,6. 495,7. 511,2 u. oft); 'niht kleider stät den vrowen baz, Danne die si von der güete treit: daz sint erenberndiu kleit' 1756,6; '»in kleider künden niht gesin Bezzer' 848,4; (er) 'füert wibes kleider au' 691,6; 'beidiu durch kleider und durch lip' 1780,5; '(daz ich) in wibes kleidern gie' 933,6 u. öfter. 'Dii erst jungfrowe zoh ir du alten klaider ab' Der St. Georgener prediger (DTM. bd. 10) 44, 20. 45, 1. 139, 1; 'wie ge- zäme ainer jungfrowen daz si gienge für ainen kunig mit alten klaidern hosen?' 45,4. 'Want sine cleidere wäre dünne' Lilie (DTM. bd. 15) 33,24. 35,25; 'cleideren' 1,9. 'Kleider' (: leider) Ulr. v. Winterstetten (Minor) 18,5 u. sonst (aber 33, 3 'in der schouwe liehter kleide' [: beide]). 'Er gab uns tiure kleider unde schilte' Wartburgkrieg (Simrock) 136,6. 141,4; 'harnasch, kleider unde ros' 83,7. 'Mit so grozir richcit Di mau an oren cleidern vaut' Berth. v. Holle, Demantin (LV. 123) 1627; 'mit cleidern ge- zimeret' 581. 2339. 3174. 6603; 'brün scharlachin ein riebe want Solu or hovecleidere sin' 10095; 'or reitecleider sin genant' 10098 (dagegen 7001 'sine cleit waren riebe'). 'Dem Ingesinde ane swachen Wurden kleider euch gesniten' Ulr. v. d. Türlin, Willehalm 208, 15; 'heim und swert, daz truog ich Und froweukleider darobe' 238,11; 'froweukleider' (: leider) 132,29; 'kleider' (: beider) 251, 20. 'S6 liehtiu wafenkleider an Legten dise zwene mau' Albr. v. Kemenaten, Yirginal (DHB. 5) 13,4; 'kleider truoc man ime hervür' 257,12. 304,5. 923,12. 968,7. 971,4; 'legt an iur besten kleider' (: beider) 1.34,3. 422,6. 1051,3. Von den etwa 36 belegen beim Fleier steht kein einziger im reim, vielmehr verwendet er hier aus- schließlich 'kleit' (Qarel3095, Meier. 3051. 3108. 3112 u. oft); dagegen ist in innenstellung die erweiterte pluralform regel (ausnahmen: 'vrischiu kleit, diu legt er an' Meier. 8749, 'si stuonden üf und legten sa An sich kleit, diu wären guot' 11225; 'üf wäpenkleiden und üf schilten' Garel 9787): 'richiu kleider man im dar truoc' Garel 858. 2820; 'richiu kleider het er an' 800. 1219; 'der aller kleider wären rieh' 8444. 4447. 4481. 4486. 4524 u. s.w.; 'er fueret rotiu kleider an' Meier. 549, 'im wurden kleider dar getragen' 3606. 5307. 6372. 8664; 'im sant diu edel künigin Richiu kleider bi der rnagt Diu ir diu maere het gesagt Von dem ritter lobeliche. Diu kleider wären riebe' 7562 ff.; 'mit tiwern kleidern riebe' Garel 4393; 'in liebten kleidern wol gesniten' 8964; 'mit den andern kleidern min' Meier. 3011; 'üf den andern wäpenkleidern sin Man daz selbe wäfen sach' 9173. Anders gestaltet sich das Verhältnis bei Konrad v. Würzburg; fast 60 belegen in innenstellung stehen hier nur 8 im reim gegenüber: 'ros unde vväpenkleider' (: beider) Troj. kr. 123; 'ich hän verworht 6r unde

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -JSR-PLVRkhE. 1G7

leben An miuem vater leider, Sit ich des widers cleider Enpfloehet sinem lande hän' 10424; 'und einer megede kleider' (: beider) 28379; 'wäfen- cleider' (: leider) 39204 ; 'ross unde liehtiu kleider' (: beider) Partonop. 3939. 7815; Engelh. 2837. 5255; meist aber findet sich im reim die form 'kleit' (Troj. kr. 5513. 12541.23025.24818.28549.30069 u. oft, Eugelh. 2486 u. sonst; 'cleiden' [ : -eiden] Troj. kr. 5398. 12249. 24844. 29749. 30830. 83370; Engelh. 1301, 'wäfencleide' [ : beide] Troj. kr. 30775. 30939. 34069. 39170), in iunenstellung jedoch nnr selten: 'daz man diu cleit im abe zoch' Sil V. 4458; aus der menge der übrigen belege greife ich einige heraus: 'trinken, ezzen, kleider tragen' Partonop. 1994. 17412. 17436. 17848. 17902. 18730. 20276; 'er gap im kleider unde pfert' Engelh. 1607. 4480; 'zoch der keiser Constantin Diu blanken westercleider abe' Silv. 1940. 1551. 1858; 'mit wäfenkleidern liehtgevar" Troj. kr. 32841. Die form 'kleider' steht bei Jansen Euikel nur in iunenstellung, im reim ge- braucht er nur 'kleit': 'er wolt niu kleider tragen' AVeltchron. 17690; *ir kleider wit unde lanc' 26858; 'mit kleidern und mit spisen' 27589 u. oft. 'Und kleite si ^vunniclichen Mit kleider (!) volliclichen' Brun von Schonebeck 905; 'wer ist der uns kleider maket?' 2608. 9584. Von den mehr als 20 belegen für die form bei Ulrich v. Eschenbach steht nur einer im reim: 'cleider' (: beider) Alexander 17469; sonst 'er gap im cleider unde phert' 2929. 4064. 4941. 5504. 7079. 7555 u. sonst; 'mit solichen cleidern clären' 5296. 8707; 'der dritte het westerkleider nieht' Wilh. von Wenden 3572. 3129; gelegentlich 'kleit' im reim ebda. 5088. 'Begunde si vragen an, Of si eit hedden vernomen, Wan in de cleider weren komen ' Gottfr. Hagen, Köln, chron. (Chr. ddSt. 12) 4336 u. sonst. Im Passional kehrt die form 'kleidere" öfter wieder, z. b. 'so sal der wize cleidere han' 1. u. 2. Buch (Hahn) 4, 40. 37, 45, 'mit cleideren' 4, 17; im 3. Buch (Küpke) 'im waren durch grozen unvuc Die kleidere hingerizzen' 33,29. 305,15. 621, 86 u. oft, nur gelegentlich (im reim) anders. Im Lohengrin fällt von etwa 17 belegen nur einer dem reime zu: 'daz si barvuoz trat glüendes isens kleider" ( : beider) 7540; nicht erweiterte pluralform ist vereinzelt: 'alle siuiu wäpenkleit diu wären rieh' 2072, 'iuwer fremde wäpenkleit, dar in ir wärt verborgen" 6277, 'dem swan üf wäpeukleiden truoc' 5304; sonst 'kleider': 'harnasch kleider unde ros' 237. 813. 864. 868. 871. 1207. 1716 U.S.W.; 'mit kleidern und mit unser selbes kost man siht Uns bi ir' 1142; 'mit den vremden wäpenkleideru gar verholn ' 6905. 4802. In bruder Hermanns Leben d. gräfin Jolande ist das wort das einzige, das mit -er er- weitert ist: 'dy kleider und dy krönen rieh' 4016. 3904. 4909; 'an dede sy wize kleider' ( : leider) 1853. Unter 12 belegen bei Reinfrid von Braun- schweig ist 'kleider' 4 mal im reim vertreten: 'er truoc des künges kleider' (: beider) 5408.20820; 'ros pherit kleider' (: beider) 14685.22819 (daneben kleit' [ : -eit] 1469. 11464 und in iunenstellung 'ir kleit sint also enge' 15214, 'so waehe noch so Wide Kleit wurden niht me gesniten' 26179); 'orse kleider liehtiu wät' 417; 'und truoc sin kleider reht als e' 5911. 18534; 'gemähter kleider vil dar kam' 21953. 26376 u. sonst. In der Martina kehrt die -r-form im reim und in iunenstellung oft wieder: 'der got so richiv cleider (: leider) Gab' 53,73. 61,71. 64,79. 93,103 u. oft;

168 GÜRTLER

'die sahin bi in zwene man In vil wizen cleidirn stan' 43,24. 70, 84 u. s.w. 'Ein teil der cleider leiten üf Erlösung (Bartsch) 4332. 5759; 'ir cleiderlin sie namen' ebda. 4851; 'wanne ez doch bi wilen quam, Daz dise frouwe lobesam Det cleidere uzene an den lib' Leb. d. hl. Elisabeth (LV. 90) 2009. 'He nam des mannes cledere an' Sachs, weltchron. (MG., DChr. 2) 184,3; 'he wart van den ridderen gebeten Carakalla, van den clederen, de he up- brachte van Vraucrike' ebda. 109, 2. In den Interpolationen zu Eikes zeit- buch (Gothaer hs., LV. 42) 'kledere' 571; 'klederen' 553. 560. 578. 'Vor cleider und vor crönin ' Mhd. ged. (LV. 53) Marienleg. 984. 560. 626. 947 u. öfter (ostmd.). 'Di alden cleider von uns tu' D. Sünden widerstr. (Zeidler; thüring.) 358. 364. 3340; 'an cleidern und an bare" 1094. Bei Gundacker V. Judenburg, Christi bort (DTM. bd. 18) ist das wort noch das einzige, das im plural mit -er erweitert wird: 'ir chleider' 4917. 5006; 'in wizen chleidern' 2872. 'Mache nu toerisch dinen ganc Und lege uarrencleider an' Heinr. V. Freiberg, Tristan 5113; 'der truoc hie narrencleider an' ebda. 5488; 'cleider' 847. 851; 'cleiden' 4494. 'Daz aber si niht kleider und Wangen riben' Renner 12695. 12809. 984. 2088; 'mit rossen, kleidern und mit koste' 11647. 2498; 'wä pfellerkleider?' 4842; im reim 2487. 15171 u. oft. 'Swaiz uf ir claider rert' Job. v. Würzburg, Wilh. v. Österr. (DTM. bd.3) 12400. 9366 u. sonst; im reim 1369. 10272; sonst 'kleit'. Heinr. V. Neustadt (DTM. bd. 7) gebraucht den -r-plnral, soweit ich sehe, nur in innenst eilung, im reim dagegen 'kleit': 'daz er uit gute klaider hatt' Apollon. 1570. 4023. 8264. 11613. 15222. 15622; Gottes zuk. '235. 262. 265. 734 u. oft. 'Ez het der furste hochgeborn Umb sich swert unde sporn Und sin reisekleider an' Österr. reimchron. (MG., DChr. 5) 97880; 'kleider' 1661. 3304 u. oft; 'kleide' im reim 1836. 'Ich het maus klaider an tan, Das mich niemant erkant' Friedr. v. Schwaben (DTM. bd. 1) 3184 u. öfter. ' Man sol weschen und mit nuwen kleidere (!) kleiden und si zieren mit aller zierden und die alte kleidere hinwerfen" Tauler (DTM. bd. 11) 432, 12; sonst 'kleider'. 'Ir kleidir warin bunt' md. Schachbuch (Zs. fda. 16) 190, 11 u. öfter; 'wen he in purpirkleidin saz' 177,8, und 'kleidin' im reim öfter (181,6). 'Hettestu der cleider an nicht" Meist. Altswert (LV.21) 78,14 u. oft; 'nu sag mir von irn cleider" (!) (: leider) 50,10. 'Die frau wen gingen gekleidet zu hoben unde zu dornzen mit parkleidern' Tilem. Elheu, Lim- burger chron. (MG., DChr. 4, 1) 36, 18. ' Seit ich pin enpluzzet Der chlaider, meiner vrewden bort' Pet. Suchenwirt (Primisser) 11, 137 u. öfter; im reim 10,198; 28,313; doch kommt daneben oft 'klait, klaiden' vor 31,136; 28,317; 38,2741. In den vom Niederrhein stammenden geistl. gedichten (Schade 1854) kehrt das wort nur in der -r-pluralform wieder. In Heinr. V. Heslers werken begegnet diese im reim wie in inneustellung ausnahmslos. 'Also er sich zu berey t mit kleydern vud roßen ' Decaraeron (LV. 51) 558, während sonst auffallenderweise nur die form 'klej-de' vorherrscht, 649 öfter, 659. 'Kleytt er sich mit seynen keyserlichen kleydren' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185), 113. Neben 'kleider' verwendet Eberlin vereinzelt noch die form 'kleid', so 15 Bundesgenossen (Neudr.) 'solich sundere kleid machen große vnglicheit' 112. 'Kleder(e)' schreibt Oldecop in seiner chronik (mndd.)

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fast durchgehends, selten begegnet 'klede', 'togen alle ore klede uf 291, 37. Vgl. Molz, Beitr. 31, 337.

Schon seit mhd. zeit ist der -r-plural bei dem höfischen modewort fast regel; die nicht erweiterten formen sind fast alle aus ihrer Stellung im Terse zu erklären. Die -r-bildung ist am intensivsten bei md. autoren; bei obd. sind die alten formen im 15. und 16. jh. noch häufiger als sonst anzutreffen, Avenngleich es sich auch hier nur um gelegentliche ausnahmen handeln kann.

kleidcrn, swv., mit kleideru versehen; Lexer, Nachtrag 274, wo ein beleg aus dem Altprager stadtrecht aufgeführt ist und der folgende: 'get, pringt mir her deu ersten stol, meind chind ich do mit chleidern sol' Wien, sitzungsber. 88, 833 (Steiermark ^^ 1420); '(er) wil uns miltigleich begaben und chlaidern mit der ersten stol' ebda. 840.

klcinoder, nach Grimm, Gr. 1, G81 schon in einem bruchstück zu Flore u. Blancheflor. 'Es wäre schonhait, edelkait, früntschaft, kleineder und haimlichkait, daz vindent wir alles an im' Der St. Georgener prediger (DTM. bd. 10) 18, 12. Bei Ulrich v. Eschenbach kommt die erweiterte pluralform nur in dem in einer hs. des lö.jh.'s überkommenen Wilh.v. Wenden vor, während der auch seiner abfassungszeit nach frühere Alexander dafür durchweg 'clein6t(e)' setzt: 2656. 2732. 4248. 5347. 5506. 9424 u.sw.; 'sie brähtenz in den palas Da inne des herren bette was. Dar under er sin kleinoter bare' Wilh. v. Wenden 480; 'ze iungest sie kämen an die stat, Da er sin kleinoter hat Mit üize verborgen' 633, 'und richer kleinoter vil Wurden vür den herren bräht' 3385. 7650; alle diese belege erwecken den anscheiii, als ob sie erst secundär durch den Schreiber in deu text gekommen wären, ein verdacht, der durch einzelne daneben stehende unerweiterte plurale bestärkt wird ('vil cleinote min herre bäte' 1789, 'in sante der gehiure Richer kleinöte stiure' 3393). 'Der miuneclichen schoenen fruht Truoc man für mangen grözen schriu Da si ir kleinoeter in Hat, die sloz si üf zehant' Reiufr. v. Braunschweig 12460. 'Gürtel, fürspan und vingerlin, Manie kleinoter guldin' Cl. Wisse u. Ph. Colin, Parzifal (Eis. lit.-deukm. 5) 169,13; 'ir fürbuege und ir kleinoter rieh Möhte nieman vergolten han' 287,10; 'wol fünfhundert juncfrowen, Die mit syden noten gar Manig kleinoter klar' 301,18; hier vielleicht schon singularisch gebraucht wie in den folgenden belegstellen: 'sin cleinöter ist alles rieh' 289,17; 'daz er ouch der geminueteste waz, an sime kleinoter schinet daz, Wan ez engetruoc nie ritter her Schönres noch so riches mer' 292,10. 'Do wonte der jungeliug daz di kleinoter zu kleine weren' Herrn, v. Fritslar (D. myst. 1) 67, 20 gegen 'kleinöte' 67, 16. 'Cleinotter' Kistener, Jakobsbr. var. zu v. 242. 'Gespilen oder kleinoter' Tauler (DTM. bd. 11) 52,6; 'es si kleider oder kleinoter' 154,30 (daneben aber öfter 'kleinot', z. b. 52, 15. 150,28. 259,31; 'kleinsten' 150,28. '208,25); in den hs. zu Taulers werken auch singu- 1 arisch: 'als einr der ein kleinoter von eime neme' 152, 10; 'dem menschen git der aller gütste Got ein solich kleinoter, das ist alsolich froide' 173, 19. Fritsche Closener, auch ein Straß burger, wie Kistener, verwendet die form in seiner chronik (Chr. ddSt. 8) ebenfalls singularisch: 'wand es ein alse schone kleinoter were' 54. 'Deheiue kleinotter' Straßb. chrou. (Chr.

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ddSt. 9) 1023 (1387); 'silberiu geschirre oder cleiuotter' ebda. 1000 (1893). Auch in Jak. Twingers Straßb. cliroii. (ebda. 8, 9) ist die form gut belegt: 'schihtent ime kleinotter' 311; ' verkoufte . . . siues wibes kleinotter' 351. 830. 913; auch siugularisch gebraucht er die form: 'das beste laut und smaltzgrube unde kleinotter ... in allen landen' 680; 'sither sint die beide teil des heiigen crüzes gar wite geteilet in die weit, wan es ein solich kleinotter was, das küuige und keysere iren libesten früuden dovon gobent' 366. 'Si . . . namen sin goit . . . sin cleinoit ind gewait und deuten die selve cleineder under sich' Koelhoif 1499, Chron. von Köln (Chr. ddSt. 13) 491; 'ir cleinoder ind ander goit' 771; 'vil cleinot' 864. '(Er) Hesse idt vns küssen ind vnse kleynoder dar an bestrijchen' Harff 1499, Pilgerfahrt 123; sonst 'cleyuoden' 42. 53u. s. 'Ander kleynoter' Emser 1521, Streitschr. geg. Luther (Neudr.96 '98) 217. 'Inventirung der klainüter der stifften' Widmann, Regeusburger chronik (Chr. ddSt. 15) 83 (a. 1528). ' Vnter andern kleinotern' Aveutin (vor 1534). Chronik, Frankf. 1580, 131a nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Kleinother' 6b, neben 'mit kleinothen' 61b Seb. Franck 1538, Chron., nach Kehrein ebda. 'Die kleinotern' (!) Seb. Münster 1544, Cosmogr. 331, neben 'kleinet' 332; 'an gezirden kleinotern' 128, nach Kehrein ebda. 'Sein kleinater, ketten und ring' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 421, 1, sonst 'kleinat'. 'Ettlich klainotter von goldt' Federmann 1557, Reiseber. (LY. 47) 42; 'k(h)lainetter' 47. 22; 'sampt ettlicheu klainetern von goldt' 18. 'Kleider und kleinater' Zimmr. chron. (LV.) 1,337; 'kleineter' 3,262; 'kleinoter' 3,409. 4,364. u. meist so; 'mit kleinatern' 3,336. 4,160; 'klainetern' 3,110.97; 'klainetern' 3, '234. 4,9. 104. 169. 357; 'das silbergeschier und kleinottern' (!) [accus.!] 3,138; 'kleinodien' 1,233. 'Schön mit gepend vnd klaineter (!) geschmückht' Württemb. reimchron. ~ 1570 (LV. 74) 97; 'kleinetern' 51. 'Schetz vnd kleinoter' Nicolai 1576, Raiß in d. Turkey 106. 'Mit köstlichen kleinotern' Wetzcl 1583, Reise d. söhne Giaffers (LV. 208) 120. 'Cleinoder' Kiechel 1585 89, Reiseber. (LV.86) 44. 'Kleinoter', meist 'kl(e)inater' im Buch Weiusberg (r>j 1590) häufig wiederkehrend; 'die besten cleiuaten' 3,98. 'Ich setz solchen fall, es hat jemandt geldt oder andere kleinoter verlohren' Binsfeld 1590, Von bekaudtnuß d. zaubereru. hexen 122a. Auch die belege aus den Urkunden lehren, daß die dialektische plural- bildung zuerst im alem.-schwäb. heimisch war: 'kleinnoter' Urkdb. Straß- burg 4^ 27 (vor 1311). 114 (1322); 'es sol oach dehein gesellschaft noch nieman anders dehein cleynoter noch dierlin noch zeichen . . . mit einander tragen' im Straßburger stadtrecht 1322 (4", 157), wo die form vermutlich singularisch aufzufassen ist; ebenso 5, 925 (a.l377) 'würde yme och kein gut heimeliche gegeben oder kleinoter, das sol er unverzogeuliche den pfle- gern verkünden'; dagegen 'klainet' Urkdb. abtei St. Gallen 5,29 (a. 1413); 'vermeinten, die frow solte cleinater, gelt oder ander geschmick zu ir ge- nomen haben' Fürstenberg, urkdb. 2, no. 186 (a. 1333), 'mit allen den kley- nottern, die sy zu ime bracht hat' 3,91 (a. 1413). Fürs bayr.-österr. sind die neuen formen dagegen nicht belegt: 'clainat' Urkdb. Augsburg 2, no.498 (a. 1353). 576 (a. 13G3); 'iniecher, klained' Font. rer. Austr. bd. 39, no. 324 (a. 1401), 'kleinaten' bd. 34, 608 (a. 1468). In der übrigen urkunden- literatur ist mir der -r-plural nur im rheinfränkischeu begegnet: 'die

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cleinocler perlen vnd silver geschirre' Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no. 355 (a. 1480), ein beleg-, der die stellen ans Harff und Koelhoff vortrefflich illustriert. Im osten ist die form bis ende des 15. jh.'s nirgends zu be- legen, in ostmd. werken taucht sie erst im laufe des 16. jh.'s auf. Erst um diese zeit ist ein übergreifen der ursprünglich aufs alem.- schwäbische be- schränkten dialektform nachzuweisen; vgl. Molz, Beitr. 31, 368. Doch kommen während der ganzen zeit im alem.-schwäb. noch die alten formen (namentlich im dat.) häufig vor. Im laufe des 16. jh.'s erlitt der neue plural einbüße durch die gelehrte form 'cleinodien', die mir zuerst 1491 (Cod. Rheuo-Mosell. 4, no. 385) begegnet ist, 'kleinodyen' Harff 1499, Pilger- fahrt 247; fürs raittelniederländische gibt te Winkel, Pauls grundriß P, 861, diese form ebenfalls an neben 'cle(y)node(u)'. Bezüglich der endungsvocale ist zu verweisen auf A. Semler, Frühnhd. endungsvocale, diss. Freiburg 1909, s. 82 ff'.

klösser, der -r-plural ist im ostmd. seit dem 16. jh. (Riccius 1570) belegt und hat sich auf diesem gebiet bis ins 18. jh. vereinzelt erhalten; vgl. Molz, Beitr. 27, 255. 31, 360.

klötzer ( : klöz, klumpige masse) Lexer 1, 1034, wo ein beleg von 1412 aus Mones zs. f. gesch. d. Oberrh. 4,60 angeführt ist: '100 clotzer'. '(Er) saichte mir sij betten in deme schyff so ijser ind steynbuss klottzer oeuer die seesdusent, dar zoe Avaeren noch vier steynmetzer die degelijchs in deme schyff me klottzer maichden' Harff 1499, Pilgerfahrt 62; 'in der tzijt voerte der patroyu vil hausteyne in dat schyff, dae sij vnden dat schyff mit pallasten, dae sij ouch degelichs bussen klottzer van bleuen' 60; 'in der erden groysse saltz klottzer lijgen' 120. Belege aus dem 16. jh. (Al- berus; Riccius ostmd.) und später bei Molz, Beitr. 27, 255. 31,360. Die mundartliche -r-bilduiig scheint namentlich md. gebieten zuzukommen.

köler ( : kol, swm. und stn. kohle), Lexer 1,1663. '(Er) nam de rochvaz voller kolr' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 2,119. 'Daz dritt waz daz. daz er glüeudi choler trüeg in seinem püsen ze naechstan der haut' Gesta Roman. (B. ges. NLit. 23) 91; 'do man daz rauchfas mit glüenden cholrn vmb trüg do für eyn angezvnter chol dem chnaben auf seinen arm' 31; 'nu nam er vor in allen glüend cholen in sein hend' 92. 'Hy stan ich, daz ich stoss und mürst Köler, swefel, saliter' Beheira, Buch V. d. "Wienern 123,21. Der -r-plural des wortes ist specifisch obd.

körner, 'dise corner sint uiht mauicfalt, si sint vil schiere gezalt' Alexander 2095 f. ; 'den enfieuc er mit zorne

und warf di peffercorner nitlichen in sinen munt' ebda. 2117 ff. 'Kornere' Marienlieder, ende des 12. jh.'s, niederrhein. (Zs. fda. 10, 45, 33). 'Swelche korner undern andern In glich gewechse sich verandern' Job. V. Frankenst., Kreuziger 1763. 'Wan daz sy eerkorner (ährenk.) icht ... Zu samne lasen her und dar" md. paraphr. Buch Hiob (DTM. bd. 21) 9650. 'Die korner setz man vort' (Kölner) Reiseber., Zs. fdph. 19, 83. 'Also belege daz gancze schach Mit hersenkornern bepart' md. Schachbuch, Zs. fda. 16, 852,7. 'Zwei korner als zwen epfel' Meisterlieder, Kolmarer hs. (LV. 68) 401, 36. ' Wenn seynes volckes were also vil alsso der korner yn dem sacke '

172 GÜRTLER

Kothe, Thür. chron. no. 93. 'Zu nichte sint die koruer gut Dan daz gebet zu myi-ken dut' Muskatblut (Groote) 31,49. 'Drey körner weyrach' Deca- meron (LV. 51) 566. 'Die betten ir nest voll weitzenküruer" Bucbd. beisp. (LV. 56) 153; 'sy hat mir weitzenküruer geoffenbart' 84; 'körnen' 153. 'Die peffer korner' Harff 1499, Pilgerfahrt 146. 'Parißkorner' Tucher 1507 —1517, Haushaltungsb. (LV. 134) 25. 30. 45. 47 u. oft. Molz, Beitr. 31, 330. 'Paternosterkörner' Urkdb. Straßburg 6, 448 (a. 1393). 'Alle kornir, allis getreydis' Cod. dipl. Siles. 4, s. 302 (a. 1411), 'der kornermeister' ebda. s. 42 (a. 1408). Der -r-plural ist schon früh im 15. jh. auf der ganzen linie durchgedrungen; nur der dat. 'körnen' begegnet noch vereinzelt (Buch d. beisp.). Den frühesten belegen nach zu urteilen, scheint die -r-bilduug von md. (westrad.) ma. ausgegangen zu sein.

kräutcr, 'chriuter' Notker, Ps. 36, 2; 'der stang diürero cbriütero' 44,9; 'mänige slähta chrutero' Capeila (Piper 1) 782, 29; 'dero tiurron chriutero' 785,24; 'sumelicheu chrüteren' 772,6; 'an dien chriuteren' 785,26; Boethius (Piper 1) 'föne chriuteren' 1,201.12; die form 'chruoto' : *fone demo accouita ervuüohs chruoto uuirsesta' 1,300,2 gehört nach Kelle (Sitzuugsber. d. k. acad. d. wiss. Wien bd. 109, 283) 'dem Schreiber' an. ' Fru- tecta chrutir' Ahd. gl.2, 389,'22 (UJh.); '(h)olera cruter' 3, 199, 19. 'Krüter und der würze kraf Albr. v. Halberst., Ovid 1, 1001; 'kruter manger bände' 33, 373. ' Swa ain vrowe wäre du ainen garten hetti mit gütan krütem wol smekende' Der St. Georg. Prediger (DTM. bd. 10) 48, 21. 'Golt, kriuter unde edel steine' Wartburgkrieg (Simrock) 171,6. 'Den würzen unde kriutern' Berth. v. Regensburg (Pfeilfer) 1, 153, 14; 'da zoubert diu mit den kriutern, diu mit dem heiligen krismen' 2,71. 'Da stuonden kriuter wilde' Konr. V. Würzburg, Troj. kr. 10016; 'da leite si diu kriuter in' 10646; 'mit disem wazzer si do söt Diu guoten kriuter äne sraalz' 10667. 10698. 10709; 'man findet kriuter maniger slaht' 10852. 10860. 11151; 'loup unde kriuter manecvalt' Partonop. 11017; 'von kriutern und von steinen' Troj. kr. 863; im reim findet sich die form meines wissens nur zweimal in der Gold, schmiede: 'wilder rime kriuter' (: liuter) 70; 'da von dich manic wiser munt Geliohet edelen kriutern' ( : geliutern) 1325. 'Würze kriuter mangerleie' Lohengriu 1007. 'An bluomen bluot und kriuter smac' Rein- frid V. Braunschweig 27595; 'ie der art Als an der kriuter krefte was' 19844. 'Daz ez die bovme vnd div criuter Verbrenne viid och liuter Die vogel fihe vnde tier' Hugo v. Laugenst., Martina 197,83. 'Lop vnd edeliu kriuter' (: liuter) Frauenlob (Ettmüller) Spr. 64, 10; 'üz guoten kriutern' 77,19. 'Loup krüder blüraen iinde gras' Erlösung (Bartsch) 2505. 5685. 1921. 'Graz uii diu krüter' Dtsche pred. d. 13. jb.'s (Griesbaber) 1,152. ' Üzgedruckter krüter jus' Job. v. Frankenst., Kreuziger 802. 'Vil bluomen sie vaste Und kriuter üf sich luoden' Heiur. v. Freiberg, Trist. 3405; 'mit krüten' 8502. 'Bi disem bilde so sach mau Wahsen kriuter wolgetan' Walth. V. Rheinau, Marieuleb. 138,32. 'Edel krüter ane zil' Heiur. v. Neu- stadt, Gottes zuk. (DTM. bd. 7) 4134. 'Die krüter gobent suezen smac' Cl. Wisse u. Ph. Colin, Parzifal (Eis. lit.-deukm. 5) 69,27; 'allen gesmac möht men do voren Von krüteren guot, die dinne woren' 34,8. 'Allen chreuter, die da umb in steu' Viutler, Blum. d. tug. (Ziugerle) 1778. 'Von krüteru

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und von würzen' D. teufeis netz (LV. 70) 10019. 'Si loff, suechte krewter und wurczen' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 161; 'si machet proet von clirewtern' 108. '(Die) krafft der zober krüter' Steiuhöwel, De dar. mul. (LV. 205) 86. 'Zu pflantzung der bömeu vud zu buwe vnd wesserung der garten vnd krütern' (!) Wyle, Trauslat. (LV. 57) 201.

Im allgemeinen ist der -r-plural schon im mhd. regel, doch finden sich auch ausnahmen: 'diu krut diu muoste er niezen durch des hungers not' Griulrun 83,1; 'diu krüt schatten sus und s6' Reiufrid v. Braunschw. 19832, vgl. oben; 'wand ez ist so smalzhaft, Vier krüten git ez kraft' Seifr. Helbliug 1,957; 'alliu krüt besuuder' Meisterl., Kolm. hs. (LV. 68) 584,83; 'wolsmackeude krut' im reim, Dangkrotzheim 1435, El. namenb. 103; ebenso in md. ma.: 'van bomen unde van krüden' Eike, Zeitbuch (LV. 42) 8; Beheim, Evangelienb. ; 'grazz, kraut und auch würcz' Der gr. Alex. (DTM. bd. 13, hs. von 1397) 4387; Rothe; 'och meyerayn, du bis eyu vil guet kruet Bouen allen kruden schoene' Liederb. d. Anna v. Köln (ca. 1500, Zs. fdph. 21, 153).

kreiizer ( : kriuz, stn. kreuz, Lexer 1, 1740, wo aiif einen beleg aus der St. Galler chronik [1360 1490] hingewiesen ist). 'Dae inne wart dat heylige cruytz, der tzweyer scheker cruytzer, dat sper, die negel ind die doernen kröne fundeu' Harff 1499, Pilgerfahrt 170; 'van den dryn locher (!) der drijer cruytzer' 171; aber ebda, 'der tzweyer scheker cruytz'. Einige weitere belege für die form aus dem 17/18. jh. sind DWb. 5, 2176ff. und bei Molz, Beitr. 31, 370 nachgewiesen.

Vielleicht gehört hierher: '(der) garten ... stozzet an hailig crvitzer' Urkdb. Augsburg 1, no. 251 (a. 1318), 'vor haelig crützer tor' 297 (a. 1330), 'in hailig crüzer pharre' 323 (a. 1333), '(der) schmid gesezzen an haili- krützer gazzen' 2, no. 654 (a. 1374). Die schriftsprachlich seltene plural- form scheint vom obd. ausgegangen zu sein.

läniuier, 'agnelli lempir' Ahd. gl. 3, 10, 30 (~ 800; Kass. gloss.); 'agni lambir' 3,450,24 (9. Jh.). 'Pasce agnog meos fuotri miuiu lembir' Tatian 238, 1. 2. 'Bisih mir lembir minu' Otfrid 5, 15, 21. Notker, Ps. 113, 4 'die freuton sih also lember' (gegen 79,7 'quasi agnos inter lupos: also lamp under uuolfa'). 'Abel der junge brudir hüte siner lembir (lember)' Genes, u. Exodus 23,28. 'Lembir' Ahd. gl. 3, 451, 11 (12. Jh.). 'Lember und diu rotin rinder' Wernhers Maria (Hoffm., Fundgr. 2, 152, 15). 'Die mit kiusche lember wären' Parz. 737, 20. 'Diu lember sint ze wolven worden' Thomas, v. Zirklaere, D. wälsche gast 8435. ' Swä der wolf gerihtes pflege, Da gen diu lember von dem wege' Freidank (Bezzenberger) 137,16. 'Daz ist min geselle Lemberslint' M. Helmbrecht 1185 (jedenfalls gleich 'Lämmer- schling'). 'Sam hie diu lember mit im Haben da heim gehalten' Seifr. Helb- ling 8,524. 'Cain der opherot diu bösen lember' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 1,70. '(Liute ... die) als einveltigiu lemmer lüzent' Renner 13255. 'Beide, lember unde swin, Liez' ich dir bereiten' Neidhart, MS. 2, 219b. Lexer verweist außerdem auf zwei stellen aus Beinhart Fuchs. 'Ich sende uch alse di lemmere undir di wolfe' Beheim 1343, Evangelienb. L. 10,3. 'Die lemmer' Rothe, Thür. chron. no. 12. 'Lember' Schiltberger, Reiseber. (LV. 172) 64. 'Als einen lemperzagel' Erlauer spiele (Kummer) 3,471.

174 GÜRTLER

'Zehen guter schaff, (vnd) die machen alle des jares lember' Bach d. beisp. (LV. 56) 130. 'Sehend ir nit den wolf, der üwere lemmer nnd schauff ... gefi-eßen hat?' Steinhöwel, Äsop (LV. 117) 210. 'Alsus woulden die goide lemerchin vur iren herden sterven' Koelhoff 1499, Kölner chrou. (Chr. ddSt. 13) 494. Häufig als erstes glied in compositis, vgl. Lexer.

Ausnahmen nach der a-classe finden sich sehr selten: 'ich hAn bocke gemacht Unde lamp' Albr. v. Halberst, Metam. 32, 299; 'ej-n säure bester lamme' ( : vlamme) br. Hansens Marienl. 252; dat. 'lammen' Urkdb. Leipzig (a. 1462) neben 'lemmere' Molz, Beitr. 31, 328. -r-plurale sind in den Ur- kunden für alle ma. belegt; zufrühst Cod. dipl. Fuldensis (Dronke) no. 549 (a. 842) 'inter Horobachorum marcum et Lembirbachorum marcum'.

lämmern swv. Zimmr. chron. 3, 89,36 'het die guet fraw oftermals gern gelemmert' (obsc).

lämmern adj. 'aguinus lepriner' Ahd. gl. 4, 219, 7 (11. jh.). 'Die habent die lemperinen wat an ' Altd. pred. (Schönbach) 3, 137, 17 u. öfter. 'Junge huonre unde lemberin fleisch' Meinauer, Jsaturl. (LV. 22) 7. 'Vür frost vil bezzer sin Fühsin, hesin und lemmerin (feile)' Renner 18949. 'Einen leimberin bellez' Grimm, Weisth. 1, 665. 'Und undir lemmerine hüt Trüc (er) ein vuchsin herze' Nico), v. Jeroschin, Chron. (Pfeiffer) 8509. 'Do gab her sich mit gedult Vor die menschliche schul In lemmerin otraute' Hesler, Apokal. (DTM. bd. 8) 9605; 'diz waz lemmerin wol gnuc Daz her iz so semfte vortruc' 9617. 'Flaisch vand man gnfig ... swinis, riudris, lembris' Richeutal, Chron. (LV. 158) 40; 'ain stüklin lembrisflaisch' ebda. ^Hat er denn kelbris oder lembrin flaisch vail' D. teuf eis netz (LV. 70) 9547. Dazu die belege bei Lexer 1, 1877.

liinclcr, 'wergot, ruof uns Künzen durch diu lander' (: ander) Neidhart (Haupt) 37,8. 'Haizzt boten keren Witen in diu lender' ( : ge- nender) Joh. v. Würzburg, Willi, v. Österr. (DTM. bd. 3) 5669. In Richen- tals Chronik (LV. 158) vereinzelt, sonst 'landen, land'. 'In vil lenderen' Joh. Meier, Zusätze zu Elsb. Stag-el (DTM. bd. 6) 2,4 (md.). 'Ir kunigrich und ir lender' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 162; 'stett und leiider" 109; 'alle uuußre länder' 145. 'Mangerlay lenderu (!) anstössz vnd dero sitten' Wyle, Translat. (LV. 57) 209, sonst 'land, landen'. 'Lender stett und flecken' Wormser memorial, ende d. 15. jh.'s (Quellen z. gesch. d. Stadt Worms 3,361,34). 'Volcker vnd leuder' Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. Sitten 97 b, nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Besapten sy sich mit hübschen steken vnd lenderu' Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142 143) '26; sonst 'land' 16.31, 'landen' 16.32. Murner hat 'leuder, lendren'. 'Lendern' Agricola 1530, Sprichw. 1, nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Mit sampt fiU mechtiger fürsten und lender' Hug, Villinger chrouik (LV. 164) 157. 'Aus den hinderen' Dietenberger (vor 1534), Bibel, Cöln 1571, Ez. 34, 13 (Kehrein). 'Hundert und sieben und zvventzig Leuder hatte er unter sich' Val. Voigt 1537, Esther (LV. 170) 54. 'Stett, schloß, merckt, dorffer vnd lender' Manuel 1548, Weiuspiel (Neudr.) 3342, sonst «landen' im reim 3566 u. oft. 'In denselbigen ländern' Erasmus Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) s. 8. 'Wie wol wir der statt Roma hau Wider sehr grossen schaden thau, Erlegt in viel herrlicher männder, Destminder nit

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^i?-PLURALE. 175

beid statt und lender' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 6,26; 'lender' (: fraweu- schender) 115,8; außer im reim ist mir die form hier nicht begegnet (sonst 'land, landen, lenden'), auch Kehrein, Gr. 1, § 280 belegt nur reim- formen. 'Länder' Federmanu 1557, Reiseber. (LV. 47) 81 u. öfter; 'in kalten landen' 28. 'Newe länder zu erobern' Zimmr. chron. (LV.) 1,1.530; 'anderer länder' (genet.) 4,2-43; 'in disen länder' (!) 1,545. 'Dorch vele lander' Oldecop (mndd.) Chronik 2, 17. 140,16; meist jedoch 'lande' 223,25. 261,7, 'erflande'320,32, 'landen' 147, 12. 171, 18. 176, 8 u. oft. 'All ander länder seind zu schmehn' Ayrer, Dramen 1 (LV. 76) 560 u. oft, dagegen im reim noch öfter 'land', dat. auch in innensteUung noch meist 'landen'. 'Lender' Enoch "Widmann 1592, Chronik d.stadtHof (HohenzoU.forschgn.2) 84. Wie Molz, Bei tr. 31,337 richtig hervorhebt, ist die Verschiebung zu- gunsten des -r-plurals erst im 17. jh. zum abschluß gekommen. Ahnlich wie bei dem damit häufig verbundenen plural zu 'ort' bildete sich aus der flexions- unsicherheit zwischen den alten a-formen und dem neuen plural allmählich eine bedeutungsdifferenzierung heraus, die, obwohl öfter durchbrochen, der entwicklung der -r-flexion hinderlich im wege stand. Die anfange zu dieser noch bis in die heutige zeit nebeneinander herlaufenden doppelflexion reichen ins 14. jh. zurück. Um diese zeit schon verbindet sich mit dem -r-plural eine ganz bestimmte engere bedeutung: 'wüste ungebauete lender, gelegen yn hoffen, dörfern und f eidern' Urkdb. d. klöster d. grafschaft Mansfeld (= Geschqu. d. prov. Sachsen 20) 435 (a. 1302); 'mit den lendern, die den vor- gnanten herren zu horent' Urkdb. Straßburg 5,36. 38 (a. 1334), 'in den lendern und gebieten, die an uns stoszent' 215 (a. 1350); 'die vorgenemten lender und hüve' Urkdb. abtei St. Gallen 3, 541 (a. 1344), 'die lüt in den vor- genanten vier ländern' (näral. 'Appenzelle, Huntwile, Urneschen, Tiufen') 4,231 (a. 1379), 610 (a. 1401), 'alle die, die in den vorgenanten vier ländern und telren gesessen sint' ebda., 'die lender und telr' 625. 628 (a. 1401), in steten, in clöstern, in dörfern, in lendern, uf dem veld, uf wasser, uf dem land' 513 (a. 1396), 'mit allen üusern vestinen, steten, lendern, lüten und guten' 419 (a. 1392), 'die von Appenzell und die lantlüt der andern lender, die zu dem gotzhus gehöreut' 666 (a. 1402), 'die von Appenzelle und die lüt der lender daselbs' 660 (a. 1402), 'alle die lender, telr und gegniuen, die under dem Walensew ob der stat Utzna . . . gelegen . . . sint' 773 (a. 1405) u.s.w. bis ende des jh.'s. Daß die mehrzahl der belege auf alem. gebiet weist, beruht sicher nur auf zufall. Für das ganze gebiet aber ergibt sich mit gewißheit für die angeführten stellen die bedeutung: 'gebietsteile, guter, besitztümer'.') Aus dieser speciellen bedeutung ist

1) Ich setze mich damit bewußtermaßen in gegensatz zu der ansieht von Molz, Beitr. 31, 337, der behauptet, der jjlural 'lande' werde im heutigen Sprachgebrauch 'in dem mehr collectiven sinne von »ländereien, gebiets- teile« angewendet', ohne indes einen beweis dafür zu erbringen. M. e. hat die heutige collectivform 'lande' einen zusammenfassenden verall- gemeinernden sinn (die deutschen lande ; die ^iiederlaude, früher bezeichuung für Belgien und Holland!), Avährend die form 'ländereien' nur eine mehr- zahl einzelner kleinerer teile bezeichnet, die zusammengenommen kein ein-

176 GÜRTLER

auch das später belegte 'lenderie' erwachsen, eiue bildung, die aus dem heutigen plnralbegriff 'länder" nicht erklärbar ist ('die ander lendery' Urkdb. kloster Ilsenburg 185 (a. 1525) u.s.w.). Vielleicht noch in der gleichen bedeutuug kommt die form vor in den folgenden stellen: 'in den lenderu so vor genennet siut' Urkdb. Freiburg 1, 287 (a. 1333), 'in derselben hertzogen lendern' ebda.; 'lender und lüte' Urkdb. Strai3burg 5, 27 (a. 1333); 'von . . . stetten und lenderu' Ebätische Urkunden (= Quell, z. Schweiz, gesch. 10) no. 115 (a. 1394), doch kann es sich hier schon um gelegentliche Über- tragung für die spätere weitere bedeutung des plurals handeln. Für md. ma. kann ich leider nicht eine genügende anzahl von belegen beibringen, doch fehlt der -r-plural hier auch nicht, vgl. 'gefeile von der gude czu Lentirshasil, gelegen czu Romolßhußin vnd czu Lantirshasil' Hess, urkden (Baur) 1, 1267 (a. 1398). Neben dem erweiterten plural kommt die alte form im obd. namentlich im dat. 'landen' noch häufig vor, Urkdb. Freiburg 'landen' bis 1499(2,643), Urkdb. abtei St. Gallen bis ins 15. Jh., Urkdb. Rottweil bis 1464 (no. 1315); ebenso im md., Hess, urkden (Baur) bis 1422 (4, 75), Cod. dipl. Saxon. reg. I, abt. B, bd. 3, 204 (a. 1411) ostmd. Unter dem schütze dieser form konnte sich auch der alte a-plural des wortes halten: 'alle ire lande vnd leute ... markte vnd dorffere' Urkdb. Freiburg 2, 374 (a. 1427); 'stete, dorfere, lande' Urkdb. abtei St. Gallen 4, 838 (a. 1408, Konstanz); 'vnße sloße, lande, dorffere vnd lüde' Hess, urkden (Baur) 4, 100 (a. 1428); 'dorpere, lande ind lüde' Cod. dipl. Eheno-Mosell. 4, no. 26 (a. 1407), 52 (a. 1412), 71 (a. 1416) u. öfter; 'furstenthumer und lande' Urkdb. d. klöster d. grafschaft Mansfeld 379 (a. 1537, Leipzig). Aus diesen wenigen belegen schon läßt sich ersehen, wie die alte flexionsform allmählich zu ihrer neuen, collectiven bedeutung kam. Diese hat sich im laufe des 15. und 16.jh.'8 allmählich herausgebildet: 'do er so vil landen und stetten beczwungen hatt' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 109, 'ander gewonheit der landen' 138; '(ein) beschützer der landt' Nazarei 1521 (Neudr. 142,43) 31, 'in dütschen landen' 32, 'lendern' s. ob.; Oldecop 'lande' 261.320; 'das er durch alle sine landen kirchenkleinater, golt und silber leis samen tragen' Buch Weinsberg 1,187, sonst 'lender' u. a.m., um nur einige fälle zu erwähnen. Man sieht aus den belegen, daß die Scheidung auch hier gleichmäßig auf obd. und md. gebiet verteilt ist; für weitere beispiele vgl. Molz, Beitr. 31, 837 f. Der letzte oben beigebrachte beleg aus dem Buch Weinsberg lehrt zugleich, daß die sonst nur im alem. belegten schwachen pluralformen des Wortes ('ander lüte, die in den gebieten vnserre herren der hertzogen und landen ... sint' Urkdb. Freiburg 1,288 [a. 13331; Deutsche Volksbücher ca. 1474 [LV. 185], belege ob.; 'haben krieg gefürt mit den nacbgeburen irer ansto.«senden landen' Wyle, Translat. 358) gelegentlich auch auf andere gebiete überspringen konnten.

lünfcr (aufeinanderfolge von verschiedenen tönen): 'Recht auf ca- pellen art aus euren keelen röhr Anmuttige leuffrichen einschaltet dem gehör',' Scherffer 1652, Geistl. u. weltl. ged. 469.

heitliches ganzes ausmachen und bezeichnen wie jene. Vgl. dazu auch DWb.6,91, Paul, Wb. s.v.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^7e-PLURALE. 177

leiber, 'darunter (unter d. kirclienschatze) ist gewest die iaiber sambt den köpfen der apostlen Sim. und Jud.' Ernstinger 1620/30, Raisbuch (LV. 135) 179. Seit der zweiten liälfte des 16. jh.'s ist der -r-plural (Molz, Beitr. 27, 250f. 31,859) im ostfräuk. und schwäb. belegt; er hat sicli jedocli erst allmälilich im laufe des 17. jli.'s weiter ausgebreitet und ist dann durch- gedrungen. Ich stimme Molz bei, der in dem 'synoymum oppositum' 'geist' das Vorbild für die annähme des -r-plurals sieht; auch der reim- einfluß (:'weiber') ist nicht zu leugnen. Wenn sich die bildung trotz dieser beiden begünstigenden momente nur so langsam durchsetzte, so ist der grund hierfür zu suchen in der allmählichen bedeutungseutwicklung des mhd. 'lip' (vita, persona, corpus). Erst in der letzten, verhältnis- mäßig spät entwickelten bedeutung konnte sich der -r-plural entfalten.

leiobnamer, 'etliche lichnamer' Buch Weinsberg (ca. 1590) 2,178; 'bei den doeten lichnamen' 286.

letlaeher, 'pett, kysain, lilacher, goldter und deckin' Nürnberg, druck ca. 1510 bei Weller (LV. 119) 2. 'Hat ine also der schweis übereilt, das man ime die hemder und die leinlacher stettigs abwichsleu mueßen' Zimmr. Chronik (LV.) 3, 131. Weitere belege fürs 17. jh. hei Molz, Beitr. 31,355; alle weisen auf obd. boden.

'Kessel, häfen, pfannan, schüsslan, bettpfulwen, küssü, golter, lilacher, tecklacher, tekinan, lederlacher und waz zu bettgwät und zu allem hus- geschierr gehört' Ehätische urkd. (= Quellen z. Schweizer gesch. 10) no. 127 (a. 1397).

(li)lewir ( : hleo, stm. erdhügel), 'in tumulis site in leirum kaleganiu' Ahd. gl. 1, 380, 30 (8,9. Jh.). 'Ad illos cumulos quos lewir vocamus' Frei- singer Urkunden (hsg. Bitterauf, 1905) no. 1007 (nach 895).

Damit wird auch der im 11. jh. aus Kärnten und Tirol häufiger be- zeugte fluruame 'Lewer' identisch sein, der durch sein schwanken in ge- schlecht (neutr., masc, fem.?) und numerus auf einen -r-plural deutet: 'omnes domus ... et in Lewrn, in Puchlern' Urkdb. kloster St. Paul (Kärnten)») no. 192 (a. 1319), 'der grünt da seibs hintzetal vntz auf dew ebn daz man nennet in den Lewärn' no. 220 (a. 1337), 'die slaiff in dem rayu vnder Loschental enhalb dem Lewer, vnd die wisen im Lewer vncz an die slaif no. 232 (a. 13-46), 'ain rain an der Leber' neben 'in dem Lebr' in der gleichen Urkunde no. 320 (ca. 1398), 'dje wisen in den Lebern' no. 323 (a. 1400), 'in den Lebarn' no. 377 (a. U20) u. öfter. 'Ze nidern grub, ge- legen pei Mannlebarn' (jetzt Mallebern), Font. rer. Austr. bd. 18, s. 824 (a. 1366, Wien).

lichter, 'so sieht man vor der porten ston Clar siben liechter schine' Eeinmar v. Zweter (Eoethe) 291,3 (unechte str.?). 'Wie zwelf liehter über al Schon brinneut unde reine, Und swenn der zwelver eine Sterben muoz \md sterben sol, Daz siht man an den liehteru wol, Wan einz verliuret sinen glänz' Eeinfrid v. Braunschw. 27010 ff. ; 'daz ir schar Geruowet kume zuo uns dar Und bringen liehter alle sant' 16055. 'Ein blinde wurde da gesehinde Vnd aber ein gesehinder blint Sit div liehter

1) Font. rer. Austr. bd. 39.

eiträge zur gcschiclUe der Jeutsclisn sj. räche. XXXVIII. 12

178 GÜRTLER

ane zal da sint' Hugo v. Laugenst., Martina 251,58. 'Daz si brante ir wirouch ünde ir kerzeliehter ouch Den heiligen al dort obe Zw niinne unde ouch zu lobe' Leben d. hl. Elisab. (LV. 90) 858-i. 'Lägelliu iu den wären liehter verborgen' Dtsche pred. 13. jh."s (Grieshaber) 2, 9i; 'de si denue nemen diu Liehter' ebda.; 'do erscrachen die vigende. von den liehtern. och von dem gedone' ebda. 'Er wonde vinden der liehter schin, Alse er for sach lühten fin. Aber er konde fluden niht Noh sich bedenken die riht, An Avelme ende in dem walde gros Er die liehter do kos' Cl. Wisse u. Ph. Colin, Parzifal (Eis. lit.-denkm. 5) 4i4,31ff.; '(er) gebot sinen lüten allensamt Vil liehter bringen alzehaut' 209, Si; 'und liehter vil, die brandent dar' 463,24; 'von liehtern, die schinent gegen über der' 447,24; aber 446,21 *do wir die lieht sohent ir und ich'. 'Du liehter vrurden do iesä Von den ewarteu erlöschet gar' Konr. v. Ammen- hausen, Schachbuch 13384; 'mit liehtern gar sere verbrant' 10376. 'Alle die liechter' Tauler (DTM. bd.ll) 144, 30. 151, 33. 167, 20; 'mit iren valschen iechtern' 205,5. 'Schone Avuunenklichi liechter' Elsbeth Stagel, Leb. d. schwest. zu Töß (DTM. bd. 6) 13,12.17. 31,24; 'mit diseu gaistlichen liechtern' 13,18. 'Do waren die andern fvufe megede So tvmbe vnde also trege Daz ir liehter waren vnbereit' hl. Cäcilia (Zs. (da. 16) 13; 'si hatte vier schoni liehter in ir glazvaz wol bereit' 33. 'Liechter onne zal' Herrn. V. Sachsenheini, Gold, tempel (LV. 137) 905. 'Liehter' Twinger, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 8. 9) 852; 'von liehtern' 487. 'Aller liehter was er an, Dri karfunkel trug man im vor' Hugo v. Montfort (LV. 143) 28, 199. 399. 'Man müßt inn nun mit liechter (!) zünden' Richental, Chron. (LV. 158) 119. 'Die unser liechter süllen wegen Zu leren uns das ewig gnesen' Wolkenstein (Schatz) 118,203. 'Xelche messegewaut bucher unde lichter fürten sie von dannen' Rothe, Thür. chron. uo. 737. 638 neben 'lichte, liechte' 564. 588. 'Tuond si in denn lichter brennen' Des teufeis netz (LV. 70) 11808. 'Do si ... viel liechter anzünten" Decameron (LV. 51) 485; 'liecht' 108. 633; 'Hechte' 223. 'Vnd sint doch dise zvven man, für gröste lichter der kunst gehalten worden' Wyle, Traiislat. (LV. 57) 18. 'Brunnen etwo vil liechter' Landshuter ratschron. (Chr. ddSt. 15) 322 (a. 1478); 'mit 36 wündliechtern' ebda.; 'darinnen etwo vil liecht gesteckt' 823. 'Piß das die liechter verflindern' Fastnachtssp. (LV. 28) 388; neben 'liecht' 100. 385. 'Nae den nueweu lijchteren' Harff 1499, Pilgerfahrt 55. 'Mit den liechtern' Wormser memoria!, ende d. 15. jh.'s (Qu. z. gesch. d. St. Worms 3, 854,29). 'Mit brünnenden liehtern' 1521 (schweizer.) Reisebericht (Zs. fdjih. 25,493). 'Liechter' Wicel (1546), neben 'liechte' nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Brinende liechter' Zimmr. chronik (LV.) 2,209. 4,133. 190; 'mit ge- weichten liechtern' 4,181. 'Vier grauen mit prinenden schenckliechter' (!) Württerab. reimchron. ~ 1570 (LV. 74) 23. 24. 25; 'liechtern' 24 u. öfter. Molz, Beitr. 31, 338.

Der aus den angeführten belegen sich ergebende entwicklungsgang des -r-plurals wird durch das auftreten der form iu den Urkunden be- stätigt. Wir haben es darnach mit einer speziell obd. form zu tun, die im laufe des 14. jh.'s vereinzelt auf md.ma. übersprang (Urkdb. Speyer a.l344, Molz), jedoch erst im folgenden jh. weiter um sich griff und sich in der

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ersten liälfte des IG. jh.'s allgemein durchsetzte. Alem.: 'vnd süln die drüe messen vnd du drü liehter gümachot werden, in dem lande zvo Brisgove' Urkdb. Freiburg 1, 246 (a. 1322), 365 (a. 1347), '(die) zwei ewigen liechter' 367 (a. 1347) u. oft; 'alle ir venster und liehter' Urkdb. Straßburg 7, 328 (a. 1363); schwäb.: 'swer deuue der vorgeschrieheuu siben liehter pfleger ist' Urkdb. Augsburg 1, no. 356 (a. 1338), 'den... siben lichtem' ebda., 'diu siben liebt vor dem crvtzalter' 335 (a. 1336), nach 1340 immer 'liehter'; Urkdb. Eottweil no.l036 (a.l440); fürs bayr.-österr. steht mir leider nur ein beleg zur Verfügung, der noch die alte form aufweist: 'messpueher, ehelich, ornet, liecht' Niederösterr. urkdb. (St. Polten) 2, no. 777 (a. 1387). Füi's md. liefern meine Sammlungen eine bestätigung der schon von Molz angegebenen Verhältnisse: 'mit unsern kertzen und Hechten ' Urkdb. Worms 2, no. 902 (a. 1388); 'syne haut vol wassche liechte, der yetlichs sol sin nune dumen glid lang' aus Spay a. 1454 (Weist, d. Rheinprov., Publikat. bd. 18, 39); ostmd.: 'niyt . . . bornenden lichten' Urkdb. d. klöster d. grafsch. Mansfeld 182 (a. 1843); 'bringen ore licht" Urkdb. Wernigerode 350 (a. 1458), 'eyn punt wasses to den lichten' 347 (a. 1458); 'vier liecht' Urkdb. Arnstadt 150 (a. 1386), 'oren lichten' bis 1487 (s. 394); 'mit vier liechtern' Urkdb. Aussig no. 290 (a. 1483). Zu diesen im 15. jh. auch in der literatur häufig wieder- kehrenden alten formen ist zu bemerken, daß die mehrzabl dieser belege auf stellen entfällt, wo das wort entweder im dat. gebraucht ist, oder mit einem zahlbegriff verbunden erscheint. In diesen sogen, zählformelu aber hat sich die unliectierte form bekanntlich sehr lauge erhalten, vgl. Mich. Wyssenhere (vor 1474), Herzog Heinr.: 'eyn carfünckel stein. Der lücht vnd brant sich also helle, Als wem hundert licht gewest by eyn (= Maßmann, Denkmäler 1, 130). Beide momente zusammen hatten schuld daran, daß sich die alten formen so lange neben den neubildungen erhalten konnten. Ton dieser md. Verteilung der fiexion des wertes aus ist auch die schon im 15. jh. weitverbreitete au Wendung des plurals ('licht(e)') im sinne von kerzen zu erklären. Der bedeutuugswandel des plurals zugunsten der concreteren bedeutung hätte sonst auf der ganzen liuie früher zur an- nähme des geeigneteren -r-plurals führen müssen, der im obd. schon längst durchgeführt war. Vgl. dazu DWb. 6, 862. Bei md. autoren hat sich diese Verwendung des plurals vereinzelt bis in die neuzeit erhalten.

lieder, 'so wil ich ir diu lieder senden' Friedr. v. Hausen (MF. 8). 'Durch daz send ich disiu lieder durch spehen An eine stat dar daz herze mich twauc" Beruger v. Horheim (MF. 14). '(Die) von minne lieder sungeu' Stricker, Daniel 8165. 'Die wäpen-lieder' (Überschrift zu str. 84) Dietrichs erste ausfahrt (LV. 52, lis. d. 15. ih.'s). 'Schenken lieder hänt dich üz dien sinnen bräht' Ulr. v. Winterstetten (Minor) 4, 38. 'Wan sendet ir daz Heinzlin dar: Daz singet also suoze, Ez kau diu selben lieder gar, Unt hat ouch wol die muoze' MS. 2, 147; 'man sol den spaehen edelen jungen spaehiu lieder singen' ebda. 3, 45. 'Ich wolte halt gerne daz man lieder da von süuge. Ist iht guoter meister hie, daz sie niuwen sanc da von singen, die merken mir disiu siben wort gar eben uude machen lieder da von' Berth. v. Eegensburg (Pfeiffer) 1,405,38; 'unde dar umbe saehe ich gerne, daz man diu lieder von in sünge' ebda. 1, 406, 8. 'Wil er danne

12"

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sprechin Darzvo liedir singen' Hugo v. fjangenst., Martina 63, 48. 'Si lie die Saiten dingen Och niinnelieder singen' MargaretLenleg. (Wiener sitzungsber. bd. 34, 289). 'Des er diu lieder buoch uu hat' Hadlaub, MS. 2,280b. 'Daz man lieder von im sang' Nonne v. Engelthal (LV. 108) 3. 'In diseni selben jare vurwandelteu sich dictamina unde gedichte in duschen lidern. Want man bit her lider lange gesougen hat mit fünf oder ses ge- setzen' Tilem. Elhen, Limburg, chron. (MG., DChr. 4, 1) 49,4; 'der lider unde widersenge machte he gar yil' 71, 11. 'Lieder' (als Überschrift) Meisterlieder, Kolmarer hs. (LV. G8) 429. 469. 496. 'Frow, söltint nu die lieder "sin Nach willen den ich zu üch ban' Hugo v. Montfort (LV. 143) 18,197; 'zehen lieder hän ich gmacheu Als si hie geschriben stau' Hugo V. Montfort (LV. 143) 31,173; 'wie vil ich hab mit sinnen gemachet lieder und reden' ebda. 162; 'Heden' im reim 177. 'Das sind die rechten mayster- lieder' Meist. Ligold, Gold, spiel 83, 29. 'Darumb wil ich von warhaftigen dingen Schimpfliche lider singen' Neidhart Fuchs (D. Nat.-lit. 11) 3167. 'Her Guggoch ist ein man, Der selber lieder tichten chan' Wittenweiler, Ring 36 d, 5. 'Soliche lider sint gemeynlich von üppigen vnkuschen worten' Altd. bl. 1, 53 u. öfter; 'vnküsche schamper lieder' 55. 'Mit worten, liedern und mit possen' Ackermann 1539, Thobias (LV. 170) 381. 'Het . . . scbant- lieder gesungen' Deichlers Nürnberger chron. (Chr. ddSt. 11, 664). 'Thut geistliche lieder singen' H.Sachs, Werke 8 (LV.) 88,32. ' Frauzesische oder welsche lieder' Zimrar. chron. (LV.) 4,24. 2,239. 240. 3, 130; 'liedern' 1,287; 'mit den deutschen lieder' 2,239.

Molz behandelt die form nicht. An der band der obigen belegstellen wird man den sieg des -r-plurals spätestens fürs 15. jh. ansetzen dürfen. Der ausgangspnukt für die bildung scheinen auch hier obd. ma. zu sein. Belege aus der Urkundenliteratur stehen mir nicht zur Verfügung.

löolier, 'claustra sunt pilohhir sint' (anfang d. 9. jh.'s) Keros Benedikt.-regel (Hattemer, Denkm. 1, 45). 'Os suum lohiro' Ahd. gl. 1, 598, 8 (10/11. Jh.). Notker, Ps. 62, 11 'fuchsen die in erdo lücher habenf; 103,21 'do samenoton sih diu selben uualdtier. unde zugen sih in iro lucher'; Capella (Piper 1) 'fiur ... liget ferborgen in dien steinen, unde in dien erdlucheren' 747, 11; 'chämen sie... ze dien gesprächen lucheren' 703, 2'2. 'Cellas. Cameras, luhhir' Ahd. gl. 2, 241, 5 (11. jh.); 'spiramenta locher' 2, 699, 36 (11. Jh.). 'Du der nistes in steinlocherou unte in den heggeholeron' Williram 43, 2. 3; 'diu tüba, diu da nistet in den steinlöcheron unte in den heggeholeron' (var. 'heggelöcheron') Williram 43,13; in der Leydener hs. außerdem 'steynlocheron, lochoran' 19, 20. 21 (nach van Helfen, Beitr. 22, 482). 'Er gap dem antlutzze siben locher nutzze' Genes, und Exodus 5,12. 'Pori sweizlocbir' Ahd. gl. 3, 72, 39 (12. Jh.). 178,27; 'colum- baria riemlöcher' 3,164,15 (12. jh.); 'nares naselocher' 3,362,10. 'Aus seynem maul gyenc mördlicher rauch Aus seinen naslöchern schwebel auch' Margaretenleg. 431 (Zs. fda. 1). 'Div sibende tvgent der tvben ist. daz si in den hohl stainen. oder in den löchern ir nest machet' Specnl. eccles. 43 (Kelle). 'Daz pluot allenthalben durh diu locher vlöz' Nibelungen!. (B) 2078. '(Ob er) sich verslüffe In locher der steinwende' Klage (Bartsch) 4341. 'Swaz man im locher vor gebort, diu vüUet er' Keinmar v. Zweter

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^i^-PLURALE. 181

(Eoethe) 137,11. 'Diu naselöcher' Berth. v. Regensburg 1,404,28. 'Als ob da goldes draete Dur cleiniu löcher glizzen' Konr. v. Würzburg, Troj. kr. 7501; 'daz dur diu löcher enge ... der stahelriuge dranc der sweiz' 35722' 'schrenz unde witiu löcher ( : blöcher) Schriet er durch liehte schilte' 32962; 'so werfeut, helt gehiure, In beidiu naselöcher in Den lün so rehte vaste hin' 9267. 'Si hewiu löcher durch de dure Unde erslogeu wat da was vure' Gottfr. Hagen, Kölner chronik (Chr. ddSt. 12) 2516. 'Loecher' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 1,2. 32. 54. 'Ir naßlocher waren weyt' Heiur. v. Neustadt, Apollon. (DTM. bd. 7) 9040. 4384. 'Der löcher im so yil geschieht' Gl. Wisse u. Ph. Colin, Parz. (Eis. lit.-deukm. 5) 280,4; 'ir nase kurz und stumpf gar, Ir naselöcher wit für war' 386,17. 'Ich engloube nit daz kristus erstanden si, ich ... stecke miue vingere in di löchere siner hendc' Herrn, v. Fritslar (D. myst. 1) 23, 31. 'In dem gründe vint man löcher' Tauler (DTM. bd. 11) 185,6. 'Die houptlocher sint in also wit' Meist. Altswert (LV. 21) 50,36. 'Di nase was breit, mit gerumeden naselochern' Tilem. Elheu, Limburger chron. (MG., DChr. 4, 1) 51, 9. 'Nu sin der löcher dri' Meisterlieder, Kolmarer hs. (LV. 68) 412,19. 'Die junk- frowen und die wib . . . (die) Zuo der vesper und zuo der predig gand Und so witi hoptlocher band Das man in sieht den halben lib' Des teufeis netz (LV.70) 5243. 'Ir hauptlöcher seiut gesuytten Beide zue weyt vnd auch zue groß' Erzählungen (LV. 35) 677,26. 'Do die V löcher sein in dem altarsteiu' Muffel, Beschreib, von Rom (LV. 128) 16. 'Reht alz dy grutschen vnd maurwerff Machten sy lacher, grub vnd kerff' Beheim, Buch V. d. Wienern 118, 22. 'Der feldmus warend die löcher unerkant' Steinhöwel, Äsop (LV. 117) 93. 'Ir schühel (warent) nebent den lüchern ganz' Witten- weiler, Ring 33 c, 2. 'Dat die viand moisten rumen Ire geschanz ind ire löcher' Christ. Wierstraat, Chron. von Neuß (Chr. ddSt. 20) 2669. 'Mit halben nasslocheren' Albr. v. Eyb, Grisardis (Zs. fda. 29) 383. 'Van den löcher (!) der drijer cruytzer' Harff 1499, Pilgerfahrt 171. Molz, Beitr. 31, 328.

Der -r-plural überwiegt bei dem wort schon seit mhd. zeit. Aus- nahmen sind seit dem 14. jh. selten, dann meist nur im dat. 'lochen'; gelegentlich auch urkundlich: 'iuger, situm in den breideu lochin' Hessische urkd. (Baur) 5, 216 (a. 1316), dagegen 'löchere' Urkdb. Worms 2, no.764 (a. 1380). 'Ad Dahsluchirun ' Cod. dipl. Fuldensis (Dronke) no. 760 (a. 1059).

löoherii swv., 'der stein ist gelöchert vaste" Hartraaun, Iwein 30. 'Ez douht mich ein raichel wunder Was do gelöchert het den stein' DTM. bd. 17, 112, 7. 'Daz er also durchlöchert waz' Cl. Wisse u. Ph. Colin, Parz. 278,7; 'nu ist er gelöchert, muoz ich jehen' 278,19. Dazu die belege bei Leser 1,1950 aus Iwein, dem jüug.Titurel, Beheim und Tucher.

löcherig, 'des wart vou speres brüchen Da löcherechte mauic schilt" Konr. V. Würzburg, Troj. kr. 32665; 'daz löcherehte dühte' 32561. Lexer verweist außerdem auf Myst. 1,245,16. 'So wer er löcherehte gar: der löcher im so vil geschiht' Cl. Wisse u. Phil. Colin, Parz. 280, 3. 'Swem di hent löcherot .sint' Adelh. Langmaun, Offenbar. (QF. 26) 70,3. 'Der scheppfet wazzer auz einem prouu. in ein lochrigez vas' Gesta Roman. (B. ges. NLit. 23) 148. 'Zwu seuleu von alabaster mit zweyen pleyen kreutzen, daryn zwey lochereten eysen vermacht sind' Muffel, Beschreib, von Rom

182 GÜliTLER

(LV. 128) 8. DaziT die belege bei Lexer 1, 1950, nachtr. 302 ans Grieshabers predigten, dem Karlsruher Freidank, Heinr. v. Neustadt, Konr. v. Ainmen- hausen u. a. m.

löner, 'knehtloner, botenloner' Konr. v. Weinsberg 14. 16, nach Grimm, Gr. 1,702. Zum singular vgl. Urkdb. Arnstadt s. 394 (a. 1487) 'der selbige . . . -wülde . . . das Ion dar von geben' und Eothe, Thür. chronik no. 411 'dag Ion der gemeynen weyber'.

losamenter, vereinzelte bildung bei Weise (Molz, Beitr. 31, 354).

löter (: 16t, stu. lot), 'er geit jaerleich 25 loeter chaes" Urbar Friedr. V. Liechtenstein (a. 1357); Lexer, Nachtr. 303.

lönber, 'consnerunt folia kifluhtun laubir' Ahd.gl. 1,316,4 (8,9. Jh.). 'Folia thiu loubir" Tatian 121, 1. 'Frondes lober' Ahd. gl. 3, 92, 11 (12. Jh.). 92,31. 'Es habent die kalten nebte getan Daz diu löuber an der linden Winterliche valwin stän' Yeldeke, Lieder (MF. 9). '(Sie) bestrubeten den wek mit lonbern und mit blüraen' Altd. pred. (Schöubach) 1,191,13 an- merkg. 'Ein boum mit löubern niht ze breit' Ulr. v. Zatzikh., Lanzel. 4439. 'Des sint löuber uude gras verdorben' Walther (unechte str.?, Paul) 100,3. '(Boume) die der Avint niht enletzet An löubern und an zwien' Konr. Fleck, Flor u. Bl. 2059. 'Diu löuber an dem aste' Konr. v. Heimesfurt, Mariae himmelf. 356 (Zs. fda. 8, 173). 'Vor vreuden stuont die schoene vrouwe Als der rose in dem touwe Stet vil schöne gebluot Und siiiiu lönber üf tuot' D. gute frau 2974 (Zs. fda. 2). 'Loubir zwige wiurebin' Athis u. Propbil. D 136 (W.Grimm, Kl. sehr. 3): 'und wie sie den edilin man Sinir cleidir intnactin Und mit loubiru bedactiu' ebda. A 8. 'So sich von einem winde, Senfte, süeze und linde Der löuber dicke underdranc, So wart ein also süezer klanc' Rud. v. Ems, Barlaam u. Jos. 310,33. 'Er waere also zer- füeret, Reht als diu leuber "tuot der wint Immer, so si ervalbet sint' Ulr. V. Lichtenstein, 2. Büchl. 118. 'Daz wäre ain edel bom der winter xmd. summer grün wäre und ze allen ziten in blfimen stunde und schönü lober bette 1' Der St. Georg, prediger (DTM. bd. 10) 48, 16. 'Uude da bi hat uns got crzöuget, daz wir swigen suln unde niht klaffen suln noch sneren als diu esjjinen löuber an den böumen. Wan der löuber ist gar vil an den böumeu und äne zal' Berth. v. Regensburg (Pfeiifer) 1, 159, 30. 'Hiure bluote manic rösedorn, der vil schöne zierte daz gevilde; sint siniu lönber val' Konr. V. Würzbnrg, Lieder 12, 9. 16, 7. 17, ö; 'löiber ab der linden Risent von den winden' ebda. 31,4; 'ouch wären löuber unde reben Dar nf genät mit golde frisch' Troj. kr. 20102; 'von löubern und von tieren Sach man die Avende zieren' 23163. 17514. 16544; 'enmitten uf diu löuber bete Ein wilder grife sich zertän' Partonop. 5156. 'von golde löuber' Turnier von Nantes 493. 'Ein bovm uz rotem golde levber zwi vnd esten' jung. Titurel (Hahn) 372. 'Diu löuber waren dicke" Graltempel (Zarncke, Sitzungsber. d. k. Sachs, ges. d. wiss. 7, 5) 1, 77, 1; 'der löuber klanc' ebda. 1, 78, 3; 'stingel, krut und blüde, gelenk und ouch gelöuber üzer golde' ebda. 1, 75, 4. 'Di boume di da brachten e Blumen löuber vrucht mit werde' Brun v. Schone- beck 10950; 'di grünen löuber und den kle bete bedacket gar der sne' 12523. 'Mit löubern meisterlich durchgraben' Erlösung (Bartsch) 451. 'Daz dhes boumes jüngeren zvich Sconer löuber tragen Dan dhe alten, hör ich

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^/?-PLURALE. 183

sag-eii" Braunscliw. reimchron. (MG., DChr. 2) 2498. 'Lönber{e) rigen Von den böuraen hin ze tal' Wizlaw, MS. 3,85. 'L0uber, blut und mandilkern' Tilo v.Kiilm, Sieben ingesig. (DTM.bd.9) 1603. 'Die anderen hiuwen loubere von den boumeu' Beheim 13-1:3, Evangelienb. Mr. 11, 8. ' Schone grünen das began, Ouch sprungent löiber daran' Lutwin, Ad. u. Eva 3636. (Der paradies- apfelb.) 'hait louver wael VI of VII voesse lauck' (Kölner) Eeiseber., Zs. fdph. 19,82. 'Riser und gezwige, Cnoppen, bloemen, louber und blater' br. Hansens Marienl. (Minzloff) 3071. 'Andir dy sneten lübir vnd czweyge' Nicol. V. Cosel (Eückert 1878, Entwurf ein. syst, darst. d. schles. ma.) 2, 17. 'Mid loubern' Eberh. Cersne 1404, t). minne regel (Wöber) 94. 'Doch mit grünen loubern was er iSlach wünsch gezieret' Erzählungen (LV. 35) 623, 6. 'Die von Gami viellen der nider alls in dem herbst die lewber ab den pawmen' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 246. 'Lober, lewber, leuber, lauber' in Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gr. 1, §301). 'Loyuer' Harff 1499, Pilger- fahrt öfter. 'Lübertag' (laubhüttenfest) Diefenbach, Glossensamml. 518a. 'Löuberlin' Lexer 1, 1965. Hierher 'löber-zecke?' Nürnberger druck ca. 1515 bei Weller (LV. 119) 34: 'Die löber-zecken und die egel, Die saugttent mir solch blütt, Da von man witzig Averden thütt". 'Die walde bringen lauber' 119a, Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. sitten, nach Kehrein, Gr. 1, §301. Daß -r-formen bis ins 18. jh. hinein vorkommen, hat Molz, Beitr. 31, 355 angedeutet. In mhd. zeit und noch lange später ist der -r-plural regel, a-formen seltene ausnahmen: '(si) namen der lobe' Genesis (Hoffmann, Fundgr. 2, 19, 22); 'si möhten vliegen so diu loup ( : roup)' Parzival '200, 20; 'diu loup grüene und darunder gras' Moriz V. Craon, Zwei altd. rittermären (Schröder) 1691.

Aus Urkunden führe ich an: 'Hartmanne von Lauberbach' Hess, ui-kd. .(Baur) 5, 269 (a. 1332). 461 (a. 1378); 'Helwig de Laubirbach' Urkdb. kloster Arnsburg (Wetterau) no. 1065 (a. 1383). 'Mit körn und leubern' Ehätische Urkunden (= Quell, z. Schweizer gesch. 10) no. 47 (a. 1361).

loubern (= laubähnlich machen), 'loubaron" Graft 2, 66, 'loubrota fronduerat'. 'Vedern von golde gelöubert' Jansen Enikel, Fürstenbuch 3092. 'Pey ainem schönen prunuen ... do ain wol gelewberte linden ob stuend' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 163.

llioger (:luoc, stn. lagerhöhle des wildes, loch, Lexer 1, 1985), 'et in specubus iuti in luakirü' Ahd. gl. 1, 511, 4 (8/9. jh.); 'de cubilibus leonum fona luakirü leono' 1, 553, 1 (8/9. Jh.); 'in delubris in luakijrum' (!) 1,619,58 (8/9. ]h.). 'Do samenoton sih diu uualttierer unde zugen sih in iro luoger' Notker, Ps., Wiener hs. (Heinzel-Scherer) 103,22. 'Leuuon lüoger' (var. 'legor, luohher; lüoga') Williram 62, 4. 'Da sint luoger' (var. 'lueger, lüger, löcher') in gemachet' Neidh. v. Reuenthal 59,12. 'Ir nasluoger wären wit' Heinr. v. Neust., Apollon. 9020. '(Er) swingt sich durch alle lüeger' Megenberg 108, 26. 'Do gab der ritter dem rosz ein trankh ein vnd pulfer in sein naseulüger vnd als paldt wart daz ros ge- sunt vnd gestüem' Gesta Roman. 91.

Vereinzelt kommt auch die nicht erweiterte pluralform vor, so Konr. V. Würzburg, Troj. kr. 6130 'er slouf in die luoge, dar inne ir kint die bereu zugeu'.

184 GÜRTLER

lüemer (:lün?, stn.), 'dünn wang, genimpfen rüemer, Teixifangen in der pra, Prait scliulter, weitmeulig lüemer, Yalscli zxmg, pös liie iind da', so beschreibt Osw. v. Wolkenstein (Schatz'' 97, 79) die kriegsknechte; *lün' (Lexer 1, 1982), nur aus M. Helmbrecht und einer späteren ebenfalls obd. hs. belegt, bezeichnet nach Lexer einen teil der kopfbedeckuug der kriegsleute. Die bezeichnung ist speciell bayr.-österr.

mäder (:mät, stn. das mähen; heu, wiese; Lexer 1,2060, Schweiz, idiot. 4, 72). Auf einen beleg aus den Monum. Habsburg. (Chmel) 2, 437 verweist Lexer s. v. (Grundbesitz) 'au ackeren, an holtz oder an wis- mederen' Urkdb. Augsburg 1, uo. 2G3 (a. 1322); 'ain mansmad hüwahs, gelegen uf den Medern' Urkdb. abtei St. Galleu 4, 569 (a. 1399), Überschrift 'meder"; 'daz mäderli hinder Zwingeustains wis' 1125 (a. 1400). Für den aufang des 17. jh.'s bringt Molz, Beitr. 31, 355 einen beleg aus Schwaben bei.

Es handelt sich bei der form um eine speciell alem.-schwäb. bil- dung, die sich sonst nirgends wiederfindet, vgl. 'di aekcher wismad und holz' Niederösterr. urkdb. (St. Polten) 1, no. 534 (a. 1366); 'mit ackern, wiseu, wismeten' Font. rer. Austr. bd. 37, 356 (a. 1408, Böhmen).

-mäler, 'ain tail (leute) haben vermaint, er seie in peste ge- storben. Dem seie, wie im welle, ain mal hat man, zuvor und er mit dodt abgangen, die rohmeler an ime gesehen, sie seien gleich ursach, wie sie wellen, an inue kommen' Zimmr. chron. (LY.) 3, 159. 'Zeigt damit den umbstehenden die füß uuder und ober knies, all voller blawen mäler' Ulen- hart 1617, Verdeutschung des Lazarillo v. Tornes, nach DWb. 2, 1099. In der bedeutung 'fleck' begegnet der -r-plural seit dem 15. jh. zuerst im bayr. (Mynsinger 1450, bei Molz, Beitr. 31, 338), im 16. jh. auch im md. (Tabernaemontau, DWb. s.v.); belege dafür reichen bis ende des 18. jh.'s. In übertragenem sinne 'convivia' führen die Wörterbücher fürs 16. und 17. jh. fast nur den plur. 'male' auf; gelegentlich 'abeudraäler' (Naß 1577, bayr.). In dieser bedeutung wird der -r-plural erst im 17. jh. allgemeiner. Die Übertragung auf Zusammensetzungen scheint auch hier vom obd. (bayr.) ausgegangen zu sein. In anderen compositis tritt der neue plural erst im laufe des 18. jh.'s öfter auf ('deukmäler' Kalloandro 1656), doch hat sich in allen fällen die alte form daneben erhalten. Dieses nebeneinander führte schließlich im 19. jh. eine künstliche Scheidung der formen nach ihrer be- deutung herbei. Dabei zeigt sich die überraschende tatsache, daß da, wo früher der individualisierende a-plural beim simples bevorzugt wurde, der Sprachgebrauch des 19. jh.'s die alte pluralform forderte ('wundmale"). Schon daraus läßt sich erkennen, daß es sich hierbei um eine künstlich erzeugte Scheidung handeln muß. Begrifflich scheidet der heutige Sprach- gebrauch nicht zwischen grabmäler grabmale, gastmäler gastmale u. a., doch macht er insofern einen unterschied in der anwendung beider, als die erste form in der Umgangssprache allein ihr recht behauptet, Aväh- rend die plurale auf -male auschließlicb in gehobenem Stile wiederkehren. Nur vereinzelt haben bedeutungsunterschiede auf eine begriffsmäßige Scheidung einfluß gehabt (vgl. dazu Molz, Beitr. 31, 339).

müiincr, 'und vurhouften sich di menner in den steden unde in dem laude' Tilemanu Elhen, Limburg, chron. (MG., DChr. 4, 1) 31,17;

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'unde machten di meiiner nuwe kleidiiiige' 38, 2G; 'uiide di junge menner drugen alle meistlichen gekneufte kogelu als di frauwen' 52, IG; sonst immer 'man, manne'. 'Do waren 36 jungir mener' Rothe, Thür. chron. no. 118; 'dorzu gewan her mit andern Aveiben 30 naturliche ssone gerader menner' 82; '(er) bestalte das holtz mit den menneru, sso das her nicht dar von mochte komen' 77-1; die regel bildet jedoch noch die form 'manne' 50. 556 u. öfter. 'Wereß auch . . . das si . . . nit ratber menner betten" Chron. von Mainz (Chr. ddSt. 17, 73) a. 1130; 'die erbern menner R. v. H., Cl.Gr.' u.a.m. 277 (a. 1115). 'Totten vil manner und rösser' Alt. hoch- meisterchron. (ooUlO, Script, rer. Pruss. 3) 637. 'Wie etlich frawen ire männer betrogen haben' Decameron (LY. 51) 466; 'wir mügen die reichsten männer werden' 476; 'die warn beyd gar kurczweilig vnd abenteurlich männer' 474; sonst aber immer 'mann, manne, mannen', z. b. 466 'von den mannen die ire weiber vnd weiber die ire mann . . . betrogen haben', außerd. 110. 217. 246. 258. 'Ir menner der Avjßheit vnd der vernunfft' Buch d. beisp. 75; 'der kouffman batt die männer, mit den vögeln zu reden' 81; 'das der kling sinen rat setz uff verstendig vnd frum männer' 142. 'Fremde m;aaner' (neben 'mann') in Kehreins sog. 4 bibelübers. Ez. 16, 32 (Gr. 1, §280). '0 ir menner und mein volck' Albr. v. Eyb, Grisardis (Zs. fda. 29) 377; 'man. mannen' 395. 392. 394; 'männer' vereinzelt im Spiegel d. Sitten (1511) nach Kehrein, Gr. 1, § 280. 'Etlich schrift ... die als vil die männer schelten tüg als vil die vorig schrifte die wj'ber' Wyle, Translat. (LV. 57) 325, sonst 'mannen' 40. 140. 141. 285. 'Also gutta menner thun' Joh. Lindau, Danziger chron. ~ 1480 (Script, rer. Pruss. 4) 583; 'vorlorn do vor mer den IIP gutter manner' 591. '(Der kunig) Der von streitparn mennern umb kam' Folz, Fastnachtssp. (LV. 28) 28. 'ZAven edelmenner' Deichslers Nürnberger chron. (Chr. ddSt. 11) 582; 'eeraener' 696; 'warn die obersten drei haublmenner' 643. 'Schone menner koestlich lanck gekleyt vss off die voesse' Harff 1499, Pilgerfahrt 45; 'die koeuinc- gynne van Ciperen mit tzwen soeuen, dat gar groisse suuerliche menner waren' 214; sonst 'man, mannen' 235. 218 u.s. Aus dem 15. jh. belegt Lexer die pluralform aus nid. Urkunden ('mender' neben 'menner'). Tuchers baumeisterbuch 331,7 und Nürnberger polizeiordnungen 121. 'Disse noch- geschreben mennir' (a. 1449) Grimm, VVeisth. 3, 357 ; 'die nihender geraein- lich jung vnnd alt deß gerichtz Steinbach" (a. 1492) ebda. 3, 349, beide aus Hessen; 'mennir(-cr)' außerdem 3, 367. 379. 405. 535 u. öfter. Häufiger- scheint in ostfränk. texten die form 'mänder' neben 'männer', so Chr. ddSt. 11,786 'das darnach die gemainen empter under dieselben dapfern gotts- fürchtigen männer und nicht die mänder under die empter außgethailt mögen werden"; 'drei oberste haubtmänder' 787. 792; 'mändern' 786. 'Dieselben edelmenner' Wormser memorial, ende d. 15. jh."s (Quellen z. gesch. d. St. Worms 3, 357, 26). 'Die frauen lern ich die menner petriegen' Haller passion 1828 (hs. von 1514), Wackerneil, Altdeutsche passionssp. a. Tirol. 'Junge menner, gar vil treffenlicher menner' Emserl521, Streitschr. geg. Luther (Neudr. 96/98) 146. 'Hoch gelert vnd christliche mennner' Eberlin 1521,15 Bundesgen. (Neudr.) 4. 60. 108. 150. 175; meist aber 'man, die maü...vud die fr a wen' 114, 'zwen man' 8.81 u. oft. Murner 'menner'

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vereinzelt. 'Zwelf menner' Widraann, Regensburg, cbron. (Chr. ddSt. 15) 110 (a.l532), 127 (a. 1.533). 'Menner' Val. Voigt 1537, Esther (LV. 170) 119; 'von zweien menneru' 93. IISI. 1508; 'sich do, drey menner koraen dar' 1538 Von d. herrl. ur.spr., v. 1587. 'Menner' bei Ackermann (1539). 'Wolan ir männer secht ich kum' Thiebolt Gart 1540, Joseph (Eis. lit.-deukm. 2) 1702. 1732. 36. 42. 70. 1817. 2194; doch 1630 'es seind die mann anß Chanaan'. 'Die frommen menner müssen wandern" Erasm. Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) 105,500 u. oft. 'Haben beyd herrschaft anff-gesetzt Sechs männer, einen kampff zu thun' H.Sachs, "Werke 8 (L\.\ 3,20, öfter im reim 'männder' 6,25. 103,25; eine nicht erweiterte form ist mir nicht begegnet. 'Manne und weiber' Federmaun 1557, Reiseber. (L"V^ 47) 30; 'mann und frawen" 13; '(aiu) hanptmann mit dreissig mannen" 43; sonst 'männer' 74 u. sonst. 'Zu andern . . . mannen' Lindener 1558, Rastbüchlein (L"V^. 163) 8. 25; sonst 'männer'. In der Zimmr. chron. ist mir von anders flectierten formen nur der dat. 'mannen' 4,110. 324 begegnet. 'Grote menner und resen' Oldecop, (mndd.) Chron. 2, 9. 13, 1. 103, 3 u. oft; ' to riken menneru gemaket' 219,13; vereinzelt 'menue' 30,20. 103,11. Im Buch Weinsberg (—1590) begegnet meist noch die form 'mau", '3 walfischs ... in deren meuler man (!) uffrichtig stunden" 2,348, 'mannen', selten 'männer' 4, 80. Für weitere belege aus dem 16. jh. vgl. Molz, Beitr. 27. 24tff. 31, .358f. Trotz des verhältnismäßig reichen dort verwerteten materials ist die eut- wicklungsgeschichte des plurals 'männer' nur in den umrissen richtig ge- zeichnet. Sie ist allerdings eine der verwickeltsten der ganzen gruppe, weil sich bei diesem wort mehrere pluralbilduugen (später mit bedeutungs- differenzierung) einstellten, die sich alle nebeneinander den rang streitig machten. T^us wird indes im folgenden nur der -r-plural beschäftigen.

Von einer allerdiugs unsicheren belegsteile vom jähre 1297 (kaiser- urkuude Adolfs v. Nassau, im Urkdb. Augsburg 1, no. 165 'die strengen menner Ulrich und Conrad von Rechperg'; höchst wahrscheinlich ist der -r-i)lural erst durch die abschrift des 18. jh.'s in die Urkunde hineingekommen), die .sich dem frühesten beleg bei Molz (Speyer, a. 1340) zur seite stellen würde, abgesehen, kann ich den -r-plural im obd. schon im 14. jh. nach- Aveisen: 'die vorgenanteu min töhterraänner und min töhter' Urkdb. Angs- biirg 1, no. 359 (a. 1338), 'der Priolin töhtermilnner' ebda., neben '— manne' ebda., 355 (a. 1338), 'manne' 2, 7G9 (a. 1391); 'allen minen erben, frouwen als mänueren, töchtern als knaben' Urkdb. St. Galleu 4, 577 (a. 1399), doch 650 (a. 1402) 'mannen'. Doch kann es sich hierbei sicherlich nur um seltene ausnahmen handeln, denn diesen gelegentlichen -r-bildungen stehen in den von mir untersuchten obd. urkuudensammlungen bis ende des 15. jh.'s zahlreiche belege 'mann, manne, mannen' gegenüber. Bemerkenswert ist immerhin, daß sich die -r-forra bei der flexionsunsicherheit des i)lurals auch im obd. verhältnismäßig schon früh einstellte. Aber sie drang hier erst viel später durch, einmal wegen der beiden übrigen pluralfurmen, dann aber, weil die beste analogiestütze ('weiber, kinder') im obd. um diese zeit noch nicht in dem maße durchgedrungen war wie in md. ma. In diesen haben wir das eigentliche Verbreitungsgebiet der -r-bildung zu suchen. Auf das fränkische allein (Molz, Beitr. 27, 245) ist der -r-plural jedoch nicht

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -5/?.PLURALE. 187

beschränkt : 'haben unser liern des landgraven manne faste verlorn an pherde ...so sint onch eyn teil raenre uff bede siten tot bieben' Cod. dipl. Saxon. reg. I, abt. B, bd.3,415 (a.l418, Erfurt): 'de vorgenanten unse menre' Urkdb. Wernigerode (= Geschqu. d. prov. Sachsen 25) 189 (a. 1418); 'wann dy menre . . . lehen entphan ' Urkdb. d. klöster d. grafsch. Mansfeld (ebda. 20) 658 (a. 1445), 'unser menuer und ire erben' 478 (a. 1490); 'mennern' Hes.s. urkd. (Baur) 4,176 (a. 1457), 'die funff menner' 192 (a. 1466), 'etzliche manne' 235 (a. 1480). Seit dem letzten drittel des 15. jh. 's begegnen jedoch in allen diesen ma. nicht erweiterte pluralforraen nur höchst selten. Daß sich ein bestimmter teil dieses gebietes als ausgangspunkt festhalten ließe, kann kaum erwiesen werden, wenn auch im ostfränk. seit ca. 1450 die formen 'manne, mannen' zugunsten der -r-bildung immer mehr zurück- treten. Im 16. jh. ist die -r-form bei md. Schriftstellern fast allgemein, namentlich seit ung. 1550; nachher begegnet eigentlich nur der dat. 'mannen' noch häufiger. Im obd. dagegen zog sich der flexionsweclisel noch länger hinaus, vgl. ob. Federmann 1557. Hier dr^ng der -r-plural erst ende des 16. jh.'s durch, nach einem ziemlich langen entwicklungsprozeß, wenn man bedenkt, daß die ausätze dazu über die mitte des 14. jh. hinauf- reichen.

märker (:marc, stn., Lexer 1, '2042, DWb. 6, 1633, zeichen, greuzzeichen); für diese von Schmeller fürs bayr. nachgewiesene und im DWb. für Tirol aus späterer zeit gebuchte dialektische form kann ich aus dem gleichen gebiete einen frühen beleg anführen: 'ausserhalben des zauus und der märcher, als si yetz aus gestechket sint' Font. rer. Austr. bd. 34, 40G (a. 1387, Tirol). Doch ist die nur fürs bayr.-österr. belegte form ver- hältnismäßig selten.

mäiiler, 'Der wurm het müler dri, Die gnaisten sam die funken' Job. V. Würzburg, Wilh. v. Üsterr. (DTM. bd. 3) 14572. 'Daz sie mit den mäulern in horwigem uulustigem ertreich rüedent' Megeuberg 121,30; 'si habeut laugez här pei den mäulern' 151,31. 163,26. 234,23. 'Doruoch so rakten schire di pherde of ir moylr in der wunen, di sy gebrochin hatten" Joh. Marienwerder, Leb. d. hl. Dorothea (Script, rer. Pruss. 2, 247). 'Das man in des merdruras in die meuller schlug' Rosenblüt, Fastnachtssp. (LV. 30) 1159. 'Si huien moler, das etlichem weit wart sein maule sam eim gaule, . . . das mauler, naß vud augeu wurden von plüt schwanger' Neidhart Fuchs <D. Nat.-lit. 11) 1972 ff. 'Ir scheut den wirmen gemeine An iren raeüleru an Ob kein wurm groß oder deine Kein zungen mige han' Heldenbuch (LV. 87) 487,36. 'Czen grosse hunde . .. mit iren meülern scharpffen czen ir in irer plossen seyten lagen' Decanieron (LV. 51) 3.59. Ettmüllers lesung 'komüler' im Redentiner osterspiel (a. 1464; B. ges. NLit. 31) ist jedenfalls nach Frouiugs text 'ik konde v.'ol komulen braden" v. 1543 (Nat.-lit. 14, 1) zu verbessern. 'Won die raaulr in warend weit Und offen gar ze aller zeit' Wittenweiler, Ring 35 d, 46. 'Ein teil haben kümeuler vorn' Folz, Fastnachtssp. (LV. 30) s. 1277; 'ich torst euch schier pede auf die meuler schlahen' (LV. 28) 68. '(Sie) getören nun ir müler nicht mer uff tuou' Tünger, Facet. (LV. 118) 95. ' Schweigt still und halt all die meuler zu ' Fastnachtssp. (LV. 28) 169 j 'so weit ich in allen iu die meuler scheißen'

188 GÜRTLER

181. 188. 'Sie müesseu das swert jnn manlern tragen' ErzäLlmigen (Nürnberg; DTM. bd. 14) 4607; 'wan peiten, verzihen und harn Das macht recht essel, läppen und narren Und auch ginmeuler und läppen' 325,7. '(Habt) den leüten die meüler mit gefült' Wickrani, Werke 3 (LV.), 33,16 (1555). 'Die fallen mägdt und flatzeumäwler' Lindener 1558, Katzipori (LV. 163) 63; 'in ireu mäwlern' 9. 'Sin bei Antwerpen 3 walfischs ge- fangen, in deren meuler man (!) uifrichtig stunden' Buch Weinsberg (— 1590) 2,348. Weitere belege bei Molz, Beitr.31, 328. Soweit ich sehe, steht der -r-plural des wortes schon im 14/15. jh. fest.

mäiiler (= maultiere), 'hundert weisse mülere Het die iunge künigein Die sie trügen ou schwere Gen constantinoppel ein' Heldeu- buch (LT. 87) 177,1. 'Do sy über die bruggen reitten meynten sovil ge- ladner roß vnd meüler darüber gingen das sy darüber nicht kernen mochten, also lang bis die geladen meüler darüber komen waren, rnder denselben meülern eyn sere scheuhend maul was, do das mitten auff die bruggen kam in keinen weg weder^hinder sich noch für sich geen wolt, vmb des Avillen der maultreiber eyn guten brügell nam vnd das maul auß allen seinen kreften .. . schlüge' Decameron (LV. 51) 580. 'Do ritten wir auf meulerin und eselen' Eeisebuch d. fam. Eieter (LV. 168) 15 (a. 1462); '(wir) bestelten mewler und liesen unsere pferdt do steen und ritten auf den mewlern" 12; 'auf eseln und meulern' (a. 1479) 121. 'Wein, der was über die berg auf den meulern gefüert worden in den geisshäuten' Gabr. Tetzel r>o 1475, Reiseber. (LV.7) 170. 'Pert camelen ind muyler" Harff 1499, Pilgerfahrt 93; 'stalten wir vns nae allen noiturfftigeu saichen mit eselen muyler' (!) 189. 'Auff jungen meulern' Val. Voigt 1537, Esther (LV. 170) 1268. 'Gaul' und mäuler' Fleming (~ 1640) Poemata 18, nach Kehrein, Gr. 1,§280. Der -r-plural dos Avortes war namentlich im 15. und 16. jh. beliebt.

inäii>scflrecker, 'derhatwol heute noch keine mäusedreckergen gefressen' Ivicmer 167«, Bastard 67.

nienschcr, 'Cammer-menscher' Abraham 1686, Judas (D. Nat. Lit.40) 195. Der -r-plural des wortes kommt seit dem 17. jh. im obd. (alem.) vereinzelt vor. Über die bedeutungsentwicklung vgl. Molz, Beilr. 31,339.

inöser ( : mos, stn. nioos), 'ubir div moser elliv breit unde lengiv (muser)" Genes, u. exodus 137, 30. 'Da vielen die feind all von den rossen und gen holtz und in die möser' Burkh. Zink ~ 1470, Augsburger chron. (Chr. ddSt. 5, 333, 23). Leser s. v. verweist außerdem auf Mones anzeiget 17, 114. 'Dieweil es dann ain durrer frueling und sommer und man der möser und wassers halb zunechst sich daran (an d. Stadt) legem kmit' Zimmr. chron. (LV.) 1,363; 'also daz die Venediger sich in iren müsern enthalten muesten" 2.441. Weitere belege bei Molz, Beitr. 31,355.

In den Urkunden ist der -r-plural ebenfalls nur auf obd. bodcn belegt: 'Moserow' Urkdb. abtei St. Gallen 5, 185 (a. 1419); 'mit den vorgcschribnen alpeu und gebirgen, waldern, musern, talern, ebnincn, wisen' Tschudi, Chronic, helvet. (Basel 1734) 1,70. Von seiner eigentlichen heimat, dem alem. -Schwab., scheint der -r-plural gelegentlich auch einmal aufs ostfränk. übergegriffen zu haben.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -Ä/e-PLURALE. 189

niüiidcr, 'sie habent inünder vnd reden nit' Kehreius sog*. 4.bibelübers. Ps.114,13; Esth.9,4 (Gr. 1, §280). Aus dem 16. jh. weist Molz, Beitr. 31,360 den -r-plural fürs bayr. aus Schaidenreisser (1537) und Albertiuus (1591) nach.

fürmimdcr, das Kehrein aus Dietenbergers bibel (vor 1534), Cölu 1571, 4. Kün. 10, 1. 5 und Seb. Münsters Cosmogr. (1544), 'die pfleger ynd Vormünder' 200 belegt, braucht nicht notwendig als plural zu 'für- raund' (nach paradigma 'mund') aufgefaßt zu werden, da ein sing, 'für- munder' ^= vormund für die ältere spräche häufig belegt ist. Auch die weiteren von Molz, Beitr. 27, 254 beigebrachten belege scheinen mir wenig beweiskräftig für einen -r-plural. Ich glaube hier so wenig an einen ein- fluß der form 'münder' (die erstens nur spärlich und zweitens nicht für md. gebiet belegt ist) wie bei der bildung 'anwälder' an das directe Vor- bild ' Wälder'.

inüser (:muos, stn., essen), 'Eyermüser, kachelmutzeu, Der endarf man da niht tutzen, Die machent schone frauwen' Ged. d. kön. v. Odenw. (Schröder) 2,109. 'So sol man geben iedem meister zwene beringe, und iedem kuehte ein und zwei muser' Grimm, Weisth. 1, 698 (a. 1320, Artoltz- heim, Unterelsaß); 'so ein hüber siuen sün oder sinen gedingten hotten [sendet, der?] für jnn sinen tagwen tut, dem sol man geben einen sechste- ling rotz wins vnd zwey müser geteilt vnd ze nacht . . . jn der vasten häring vnd auch müser die zu der vasten gehorent' ebda. 4, 118 (a. 1354, Sennheim, Elsaß). Außerdem nach Lexer eine stelle in Laßbergs liedersaal 3,561,30. '(Sie) kundt wol hasen braten, müser machen' Lindener 1558, Katzipori (LV. 163) 119. 'Habermüser, müser' Marstaller 1576 (Lüneburg), Bericht 111. Der collective plural 'gemüser' ist erst aus späterer zeit be- legt (Nast 1777).

nester, German. 14, 462 (nach Lexer). 'Die fuchse habent hülen vnd die fögel des hiraels näster' Wyle, Translat. (LV. 57) 184. 'Also haben sie (die pfründen) wie die raupennester . . . der grossen zehenden berawbt, wie die raupen die grünen erstlich fressen, das nur der dürr stamm da- bleibt' Herolt ca. 1551, Gültbf.chlein (Württemb. geschqu. 1, 387). 'Sampt den zugehörigen storcken- und hetzennester' (!) Zimmr. chron. (LV.) 1, 275. Weitere belege aus dem 16. jh. bei Molz, Beitr. 31, 331. Der spärlich belegte -r-plural scheint erst im laufe des 16. jh.'s durchgedrungen zu sein.

Hetzer (: netze, stn. netz), 'un wüschen die vischer ieriu nez ... var üf die tiufe des sewez. werfent iuwer nezzer de ier vische vahent' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 1, 63.

nieter (:niet, stm. breit geschlagener nagel), 'zwei raeder gain up zwei neder, Si sniden hin und her weder' Kather. pass. (Schade, Geistl. ged. d. Niederrh.) 372 u. öfter. Ein mit -er erweiterter plural ist in den Wörterbüchern zu dem stark flectierenden worte nicht verzeichnet.

nozzer, 'siniu smalenözzer nuzzun thaz uuazzer' Christ, u. d. Sama- riterin v. 17. 'Scabroues (= cabrones) [horuuzi] hoznuzir' (!) Ahd. gl. 1, 368,22. (10. Jh.). 'Der nuzire dechein' Ältestes stadtrecht von Mühlhausen, «^ 1230,50 (Geschqu. d. prov. Sachsen 3,637). 'Der hot uns dissen born ge-

190 GÜRTLER

gebeu Und draugk des selber by sym leben Myt syiien kyuderu, iioßer (I) und gesj-nde' Alsfelder passiousspiel 1501 (D. Nat.-lit. 14, 2. 3) 1335. 'Man sal dem ijferner sechs nosser frei halten' Grimm, Weisth. 3, 888; 'sal der fronhof geben und halden drü notzbare nosser' 1,519; 'zwelf "vvagin füll, der man ye einen mit vier notzern gefaren mag' 1,524:. Aus dem 16. jh. (1572) hat Molz, Beitr. 31, 355 fürs ostmd. noch die formen 'rindesnosser, -uösser' nachgewiesen. Die für das ganze gebiet schon früh anzusetzende form hat sich in so später zeit jedenfalls nur in aulehnuug an den begriffsverwandten plural 'thierer' erhalten können.

örter (verschiedene bedeutungeu), 'do baut er in an sein chrutz, an die vier örter sines chrüzes' Altd. pred. (Schöubach) 2,3,17. 'Der wiut diu örter (fahuenwappen, fahne) rüeret' Gudrun 1460, 2; 'da (im wappen) Stent örter (spitzen der waffen) inne' 1371,2. 'Alsus manic werllch slac diu Schildes örter schirbct' Lohengrin 2127. 'Örter zuo den slozzen Füert der uuverdrozzen In dem einen ermel vol' (== dietriche?) Seifr. Helbliug 1, 185; einen sinnverwandten beleg führt Lexer 2, 170 aus dem Frank- furter baumeisterbuch a. 1438 an. 'Daz bret al umbe Erhoehet spangen sin gemacht, mit den die örter sin bedabt' Heinr. v. Beringen, Schachged. 9469. 'Der swerter orter clungen' Joh. v. Würzburg, Wilh. v. Österreich (DTM. bd.3) 8776. 'Der ryngk was helle unde hatte uff vier ortirn vier crutze' Rothe, Thür. chron. no. 765. Vereinzelt neben 'ort'. 'Do zog er hin auff sie an zwaien örttern und macht ein groß geschray unter in' Schiltberger, Reiseber. (LV. 172) 19. 'Die örter der mantel' (= ecken) Kehreins sog. 4. bibelübers. 4. Mos. 15, 38; 'die örter des altars' 3. Mos. 1, 15; 'in den örttern des subhumerals' 2. Mos. 39, 17; 'vff den vier örtern der erde' Offeub. 7, 1 (Gr. 1, § 280). 'Off den gemeyncn orderen van den gassen' Harffl4ü9, Tilgerfahrt 93. 48; 'an allen steden dorffer ind order' 95. 'Auff allen örttern' Wormser memorial. 'Zwölff vischende örter' Oheim, Chronik von Reichenau (LV. 84) 56; 'an schlechten besondren örter' (!) 89. In einem obd. glossar zu Luthers bibel (r^ 1525, Zs. fdph. 22, 327) findet sich die erklärung für fittiche 'örtter an kleydern, flügel' (zur Stellenverteilung dieser bedeutungeu vgl. die aum. s. 332), während Melanchthou in seiner schutzrede für Luther 1521 (Neudr. 103) schreibt: 'das gesetz ... wuchs er gepott auch an die thür pfosten tzu schreybeu. vnnd ynn die ortt der kleyder tzu hefften' E 5b (= s. 46 des Neudr.). 'Au die vier orten jrer kleider' Dietenberger (vor 1534), Bibel 1571, 4. Mos. 15, 38, nach Kehreiu, Gr. 1, §280; 'alle örter" l.Kön. 23, 23; 'in festen orten' 23,14.19. 'An allen örtern' 113a. 147b Joh. Aventin (vor 1534), Chronik, Frankf. 1580, sonst 'orten' 52b. 147b, 'orten' 25b. 147a (Kehrein). 'Es sanile sich das wasser an sondere örter' Luther 1543, Bibel, 1. Mos. 1, 9 u. öfter, (Kehrein), vgl. 'örtern' swv. Dat. 'örtern' Seb. Münster 1544, Cosmogr. öfter, (Kehreiu). 'In der wüsten vud vnreinen stetten vnd örtliern' Musculus 1555, Hosenteufel (Neudr. 125) 20. 'Sie setzen ire wonungen gerne auff örter da sie wasser und holtz nicht weit haben' Staden 1556, Reiseber. (LV. 47) 172. 114; '(das land) hat ein gebirge, reychet auff drey meil nahe bey das meer, auff örteru weiter' 170. 'Die örtter des landes' Federmann 1557, Reiseber. (LV. 47) 38; 'an örttern da man das gesagt Sud mör erraicht' 39. 31; dagegen 42

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN .^/?-PLURALE. 101

'an vier ortt', 61 'au wässerigen und nioßigen orten'. 'Örter' bei Kiechel 1585/89, Reiseber. (LV. 8G) oft; dat. 'orten' 171.

lu der heutigen bedeutuug ('stellen, gegenden') kommt der -r-plural in der literatur seit dem 14. jh. gelegentlich vor, drang- aber erst spät im 16. jh. allgemein durch. Die frühereu verschiedenen nebenbedeutungen des neutr. sing, 'ort' ('dieses orht' noch bei Wetzel 1583, Eeise der sühne Giaffers [LV. 208] 143. 157 und in Ayrers dramen) ermöglichten später den übertritt des plurals aus der a-classe zur -r-flexion, doch erhielt sich die ursprüngliche declinationsvveise daneben aufrecht. Aus diesem neben- einander entwickelte sich mit der zeit die Scheidung zwischen coUectiver und eigentlich pluralischer bedeutung (s. oben) ähnlich wie bei dem plural 'Jänder'. Die ausätze zu dieser bedeutungsdiiferenzierung reichen ins 15. jh. zurück; im 16. ist schon eine gewisse festigkeit erreicht. Namentlich er- hielt sich der dat. in allen ma. in seiner alten form; wahrscheinlich erfolgte von ihm aus bei der flexionsuusicherheit des plurals später ein rückschlag zugunsten der a-liexion auch für die übrigen casus. Molz, Beitr. 27, 221 f.

Aus deu Urkunden ist die pluralforiu in heutiger bedeutung schon fürs 13. jh. zu erweisen: 'die guter ... in orteru des Teutschen landes' Liv-, est- u. curländ. urkdb. 1,343 (a. 1254); 'in den ortern der lande' Cod. dipl. Saxon. reg. I, abt. B, bd. 1, 183 (a. 1387); 'und sollent ouch, die au den örter (!) sitzent, die württe noch ir gesinde nit mieten' ürkdb. Straß- burg P, 247 (a. 1347).

örtern swv. (Lexer 2, 172), 'den heim ich ze houbet baut: der was gezimirt wunneclich Mit einer wael von golde rieh: Die sach man vil vvol geortert sin' (= mit spitzen versehen, scharf) Ulr. v. Lichtenstein 1405,5; 'der fuort üf dem helme sin Ein wael von golde geortert wol' 1524, 5. Lexer verweist außerdem auf einige stellen in Diefenbachs glossen- sammluugen und in obd. Urkunden. ' S. Paulus aber ortert die wapen alßo, das er den hellm nennet eyn hellra des heylß, das pautzer odder krebß eyn pantzer der gerechticheif u.s. w. Luther 1521, Streitschr. gegen Emser {Neudr. 96/98) 47; '(secten) die ... das Christlich leben georttert haben ynn esszen vnd triucken, yun kleyder vnd schuch' 123; vgl. 'örter'. 'Das er uff dem reichstag der religion Sachen nit örtern soll' Job. Herolt 1540/41, Chronik d. Stadt Hall 269. 'Orteren' Oldecop, (mndd.) Chronik 138, 2.

In md. Urkunden kehrt das verb in dieser bedeutung nicht selten wieder: '(wir bekennen) daz wir ... uns mit einander voreynet ... und mit unsern landen geortert haben" Cod. dipl. Saxon. reg. I, abt. B, bd. 3, 197 (a. 1411); '(da vereinbart ist) das wir dy orterunge unser lande machin . . . , also orteru und machin wir die, als hiruach geschrebin stehet. Czum ersten ortern unde slaheu wir zcu dem orte unde laude, daz ir büsher ynne gehabt habit, Dornburg hus unde stad' ebda. 845 (a. 1415); 'die uzslissunge, die ir mid den geist! ichin leben des thumes Aldinburg in der orterunge gemachet habet' ebda. 347 (a. 1415); 'dy orterunge unser lande' Urkdb. Jena 2, no. 57 (a. 1415) u. sonst öfter.

örter (müuzbezeichnung), 'Abir her sach ouch eine arme witewe läzinde ercz zwei ortere" Matth. v. Beheim 1343, Evangelienb. L. 21, 2. DWb. 7,1352 ('ort' 4) sind für diese bedeutung nur a-plurale belegt.

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pfeder (:phat, stm. n. pfad), -'da für er iemir beriet Der helle strazin vnd ir pfeder Vnd leckin in der schänden beder' (= bäder) Hngo V. Langenstein, Martina 4^,81: 'siv -waren gar erlazin Der pfeder vnd der strazin Die zegöte giengen' ebda. 57. 76, gelegentlich auch 'pfede' im reim. Die lexikalischen hilfsmittel führen belege für diesen plnral sonst nicht an. vielmehr flecuert das wort überall regelmäßig nach der a-classe. Mölz. Beitr. 27, 222.

Pfänder, 'Mir ist ein gmezen Worden von der suezen. Und ist doch min not noch tmverslizzen : Wan minin pfender. Ich tumber. eilender An gesuoche noch muoz leager wizzen, Daz ich einez niht dar ab erloesen mak" ilS. 2. 133 (^^ 12ö0>. '(Sie) gedähten: sie länt uns noch pfender hie, Tür daz sie nns so dicke hänt verprennet ' Lohengrin 2S99. Im Habsbnrg.- österr. urbarbnch (nach 1303, LV. 19) begegnet die plnralform 'pfender' immer, 'diu vorgeschriben pfender' 37, 'diu tirbar der vorgnanten pfender' 38 u. öfter. 'Ob er sich verpflicht zw dem. daz er das pfant oder pf anter wider ze geben das er schuldig ist' Älteste Statuten d. bistnms Trient, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26). no. 3i: 'daz er die pfant mag verkaufen" 3i u. öfter, 'von pfänden' ebda. Im allgemeinen findet sich das wort in der literatur selten im plural gebraucht. Auch Molz, Beitr. 31. 339 hat nur spärliche angaben dafür beigebracht.

Desto häufiger tritt der plural in den Urkunden atif : zuerst auf alem. gebiet. Von hier sprang er schon im anfang des li. jh.'s auf rheinfräuk. ma. über, indes ohne festen fuß zu fassen. Für die übrigen md. gebiete, ebenso fürs schwäb. und bayr.-österr. sind die alten formen bis spät in das 16. jh. hinein urkundlich belegt. Damit decken sich auch die belege aus der übrigen literatur. Kehrein belegt den a-plural noch spät im 17. jh. bei Harsdörffer und Grimmeishausen. Warum sich der -r-plural nicht rascher ausdehnte, bleibt bei dem fehlen genügenden beweismaterials in der literatur nicht ganz klar. Immerhin bleibt die möglichkeit bestehen, daß sich von der im mhd. und frühnhd. schon zeigenden coUectiven bedeutnng der alten pluralform aus ein rückschlag zu Ungunsten der -r-bildung geltend machte. Auch die heutige spräche kennt die alte pluralform collecriver bedeutung in gehobener ausdrucksweise noch. Andererseits ist zu erwähnen, daß der plural des wortes in einigen ma. berührnngen mit i-st*mmen zeigt, z. b. im westmd. (vgl ÜIolz, Beitr. 31, 291). Die pluralfleiion des wortes war also im frühnhd. sehr schwankend. Der sieg der -r-form fallt möglicher- weise erst ins 18. jh. Alem.: 'du ... phender" Urkdb. abtei St. Gallen 3,304 (a.l300), 'andrü pfendir' 323 (a.l302), 'phänder' 381 (a.l313). 441 (a.l322) U.S.W., vereinzelt 'pfände' 402 (a. 1316), 'phanf 413 (8.1319) und noch a. 1418 (5,129); 'mit phenderen' Rhätische Urkunden (Qnell. zur Schweiz, gesch. 10) no. 15 (a. 1335), 'an den vorgedachten pfendem" 99 (a. 1385), 'um du obgeschribenen guter und pfender' ebda., 'zwifaltfi pfant . . . ze niemen" ('.) 112 (a. 1394): 'und wer dem andern in unser stat xunb iinen hofzinse hinnanthin pfender nemen wU und ustragen. der sol des ersten grifen an des phendere, der den zins sol" Rechtsqu. von Basel Stadt und land 1.52 (a. 1394); vgl. femer fürs hochalem. Grimm. Weisth. 1, 32 (a. 1347), aus Zürich; 'pfände" Urkdb. Straßburg 6, 92 (a. 1383;. Im

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rheinfränkiächen taucht der -r-plnral zuerst in Hessischen Urkunden auf (Baur 3, 167 f.) : 'mit den Tnderpendem, han ich ... dise vnderpender ge- setzet' (a. 1338), 'vnderpendere' 3,331 (a. 1351) u.s.w., doch ist der nom. ' vndirphande noch 1366, der dat. ' vndirphanden " noch 1391 belegt: -mit den egenanten gudem und underphendern' Urkdb. Worms 2, no.592 (a. 13(>1;, ' under phendere 615 (a. 1366;, 'underphendern' 629 (a. 1366), doch in der- selben Urkunde genet. 'der underphande, underp banden' 897 (a. 13S8). Sonst sind mir im westmd. nur die herkömmlichen formen begegnet: Amstein 'underpant' (a. 1314): Ämsburg 'vnderphande' bis 1388, 'zu Yndirpandin' 13S3, genet. 'siner vndirphanden' (I) no. 113Ö (a. 1100;, darnach schetut der plural nicht bloß innerhalb der starken flesdonsclassen geschwankt zu haben; 'vnderpanden' moselfränk. (Cod. dipl. Eheno-MoselL 4,110) noch 1129; 'die pfend' Eheinprov., Kesselheim a. 1552 (Publ. bd. 18). Aus dem ostmd. führe ich an: 'die phanf Arnstadt (a. 1350;, Erfurt 'pfant, pfände' (a. 1350;; 'pfänden' MüMhausen (a. 1319;: MeiBen 'pfantt' (1395), 'pfänden' (1118;. Schließlich mögen auch noch einige belege fürs bajr. und Schwab, folgen: 'ire phand' Mederösterr. urkdb. (St. Polten) 2, no. 811 (a.l393); 'pfende' Mon. boica 11, 275 (a. 1336), 'furpfant' 5,181 (a. 1335), 'pfant' 2, 100 (ca. 1400;; 'phanf Font. rer. Austr. bd. 34, 184 (a. 1419, Tirol); 'pfant' Augsburg 1, no. 546 (a. 1360); 'pfandf Eottweil (a. 1412), 'pfänden' fa. 1418;.

pheiler (:pheil, stn. neben 'der phU' = pfeil, pfeileisen; Lexer 2,245;; 'der tag von pfeyllem tunkel ward' Witten weiler, Eing 52b, 16; 'won die pfeyl ze der geschieht, Hietens vomen aU yergift' 52 b.

pfröpffer, bei Eiccius (1570, ostmd.j in der bedeutung 'pfropf- reiser', nach Molz, Beitr. 31, 360.

plezer r:blez, stm. läppen, flecken, streifen landes), Lexer 2, 280; dem dort aus den Aachener Stadtrechnungen des 14. jh.'s verzeichneten plural -pletzer" (eingeweide, kaldaunen; kann ich für die gleiche zeit einen andern auf ostmd. gebiet anreihen: 'mit . . . wegin, strasin unde phleczem' Urkdb. Jena 1, no. 502 (a. 1395). Im obd. findet sich der plural in der ur- sprünglichen bedeutung des wertes bei Geiler (DWb. 2, 109).

plander (zu mnd. 'plunde, nd. 'plume' = Meldung, gerät'; DWb. 2,167;, 'die anderen vlouweden Iren plunder alle umb in die stede' Koel- hoffl499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 14; 692. Urkdb. Eottweil 1, no.453 (a. 1379) 'bluuder', Fürstenberg. urkdb. 2, no. 477 (a. 1379; 'blander oder kofmansschacz ' ; 3, 503 (a. 1165). Bei Lexer 1, 315 belegt aus dem lieder- buch der Hätzlerin. Wittenweilers ring, glossen und Urkunden. '(Er) sach vil plunders vf den wägen stecken' Württemberg, reimchronik »~ 1570 (LT. 74; 137.

plündern, mhd. 'plündern' swv, Lexer 2, 231 aus der Minneburg (hs. d. 15. jh.'s; und Mich. Beheün belegt.

prä.senter, bei Schiller nach Pfleiderer, Beitr. 28, 339.

p .sälmer ( : (p)salm(e/, stm. stn. psalm. Lexer 2, 584), 'wan iz ist geschriben in dem buche der selmer: sin wonunge ist wnste' Hemu V. Fritslar (D. myst. 1; 97,3; 'David sprichit in den guldinen selmeren: »gotes Opfer ist ein wol geötmutiger geist«' 2'J2, 11. Die nhd. schwache

Beiträge zxa gescbichte der deutschen spräche. XXXVUL 13

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flexionsweise des Wortes bildete sich erst im laufe des 16. jli.'s heraus, vgl. Molz, Beitr. 27, 313.

rftder, ' quadrige (= -gae) feorhrediro reitun ' Ahd. gl. 2. 764, 39 (10. Jh.). In Notkers Capeila 'rederen' uach Kelle, Zs. fda. 30, 328. 'Plaustra redir' Ahd. gl. 2, 720, 38 (11. Jh.). 'Umbe cherten sich div reder, obe müseu si Sweben" Genes, u. Exodus 163, 19. 'Imos currus aftiuantikiuredir' Ahd. gl. 2, 680, 1 (12. Jh.). 'Da wären gesazt uuder starkir rädere viere' Alexander 6108 f. 'Die ronen in rederen gicngen' Parz. 205, 24; 'swaz üf rederen kom gegangen' 206,2. 'S6 diu reder nach ir krunibe In ein- ander liefen umbe' Lamprecht v.Eegensburg, Tochter Syon 2704; 'doch wil ich diu vier reder bringen' ebda. 2715; 'ez gent her und wider dan diu reder' ebda. 2731 (dagegen immer 'raden' 2741, : 'schaden" 2757; 'diu vier rät warn enein' 2743). 'Also hat dirre wagen vier reder' Berth. v. Regensburg (Pfeiffer) 1,161,18; 'üf disen vier redern' ebda. 101, 36. 'Galgen reder hvrde vor in die eristeuheit wol niohten fryen' jiing. Titurel (Hahn) 237; 'die höhen redere der karratsch' 3383. 'Wie er die reder entuihtet' Ulr. v. Eschenbach, Alex. 12501. 'Daz man vier redere machte' Passional 3. buch (Köpke) 683,55. 'Zwelf reder an der mülen gant' Regen- boge, MS. 3, 348; 'die reder unt die edel stein' ebda. 'Di machten zwei redere' Herm. v. Fritslar (D. rayst. 1) 256,18. 'Sin reder worcnt furin Und gobent also liebten schin' Lutwin, Ad. u. Eva 2164. 'Redrer zu dem wagnen' Augsburg, chron. (a. 1389) Chr. ddSt. 4, 90, anm. 2. 'Ich kan wail rader machen' Kather. pass. (Schade, Geistl.ged. d. Niederrh.) 364; 'zwei raeder gain up zwei ueder, si sniden hin und her weder' 372 u. oft. 'An rinnende rader gebonden' Leid. d. hl. Machab. (Schade, ebda.) 271. 355 u. oft. 'Der lies setzen in den roden schilt zwei rader' Koelhoff 1499, Kölner chron. (Chr. ddSt. 13) 367. 'Eyn groisse moele, die stedichs tz weif rader hait gayn' Harff 1499, Pilgerfahrt 223. 'Hat dasz here ein grosz katz gemacht auf grosz redder' Wormser memorial, ende d. 15. jh.'s (Quellen z. gesch. d. st. Worms 3, 365, 38). 'Etlich unschuldige gefangene, in reder geflochten' Zimnir. chron. (LV.)3, 414; 'mulreder' 1, 387. 'Worden vele up de reder gesettet' Oldecop, (mndd.) chronik 15,8. Von wenigen stellen, die sich durch reimstellung erklären, und vereinzelten dativformen 'raden" (StoUes chronik) abgesehen, zeigt das wort schon seit dem 14. jh. überwiegend -r-plural. Molz, Beitr. 31, 331.

Belege für das wort in Urkunden sind verhälsnismäßig selten: 'ie nach dem als er denne gäuder (= gitter), reder und müliuan oder bluwel an dem bach da hat' Urkdb. abtei St. Gallen 4, 665 (a. 1402).

rädern (swv. Lexer2, 369, Xachtr. 346), 'und sölt man mich zer- houwen zuo riemen, Rederen und brennen ließ ich mich ee' Fastnachtssp. 876,5 (LV. 29). 'Desselben jars am freitag vor sant Kathrein redert man zwen zu Bamberg' Isürnberger Jahrbücher (Chr. ddSt. 10) 258,4. In Laß- bergs liedersaal 1, 430 eine stelle, die ich nicht vergleichen konnte. Außer- dem belege aus Diefenbachs glossensamml., Kirchbergs chronik und dem Prager rechtsbuch nach Lexer. 'Redren, spissen, schinden, brennen' Manuel 1548, Weinsp. (Neudr.) 2228.

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i'ünder, 'diaconrücke mit rotheii räudern' Urkdb. d. klöster d. graf- schaft Mansfeld (= Geschqu. prov. Sachsen 20) 603 (a. 1527). Molz, Beitr. 27, 254. 31, 359 weitere belege fürs 16/17. jh. Sonst sind mir nur a-formen begegnet. Daß der gleichklang des Wortes 'länder, bänder, pf ander' allein entscheidend war für die Übertragung des -r-plurals, scheint mir wenig glaubhaft; ich nehme vielmehr einfluß des sj'uonymen 'börter' ('örter') (s. V.) au, wenn ich hierfür -r-bildungeu im md. teilweise auch nicht nach- weisen konnte. Der -r-plural scheint sich erst im 17. jh. durchgesetzt zu haben.

regimenter, die -r-form des plurals beginnt im 17. jh. sich ein- zustellen. Zufrühst ist sie für das ostmd. (Opitz) bezeugt, in der zweiten hälfte des jh.'s begegnet sie auch im obd. Die begriffliche trennung (herr- schaft a-plural; truppenteil -r-plural), wie sie sich im heutigen Sprach- gebrauch herausgebildet hat, ist für diese zeit noch nicht festzustellen. Übrigens wird die regel auch in neuerer zeit gelegentlich durchbrochen (vgl. Wustmanu^ s. 21 anm. 1). Molz, Beitr. 31, 354.

reljer ( : rech, stn. reh), 'capreas reher' Ahd. gl. 2, 78, 40 (10/11. jh.). ,Er chund wcd nahen dei Reher mit der gäbe' Genes, u. Exodus 46, 21. 'Hasen unde vühse. Reher unde lühse' Heinr. v. d. Türlin , Krone 3326, 'Sie hiez ouch mit ir schricken Hirze, reher unde swiu' Kourad v. W., Troj. kr. 1083. Walther v. Rheinau , Marienl. 75, 10 nach Lexer. 'Hasen, binden, reher genug' Heinr. v. Neustadt, Apollon. (DTM. bd. 7) 6773. 'Herze hindin rere vil' Md. ged. (anfang des 14.jh.'8, LV. 53) 2,553. 'Der garten ... so lustig vnd schöne Avaz daz nyemant darauß ze gen begeret, sunder mit freüden den fußstapffen der wilden tierlein als hasen recher vnd külen den nachfolgten' Decameron (LV. 51) 238; dat. 'rechern' 93.94. 'Er mocht wol haben gut geiait Mit pern, swein, rehern, hirrsen' Beheim, Buch V. d. Wienern (Kara Jan) 384, 25. 'Und hasen, fuchs, Recher, luchs' Liederb. d. Cl. Hätzleriu 1, 91, 138. Auf einen beleg aus Nürnberg (Polizei- ordnungen 313) verweist Lexer s. v. Fürs alem. gibt Birlinger 1868 Die alem. spräche 151 den -r-plural 'reher' (1546) an. 'Dise zngen die reher ab, die andren waren emsig, die feißten fasanten und holtztanben zu rupi^en' Wickram (1556), Werke (LV.) 2, 175, 7; 'die anderen wilden thier, als hirschen, reher, schwein, fuchs und ander gewild' 3,219,26(1556); 'reher und sunst allerley thier' 2,326,21 (1557); 'hasen und die schnellen reher' ( : beger) 8, 190, 16 (1544). 'Hasen, reher, Avildtpret und fisch' Zimmr. chrou. (LV.) 4,341; 'guet rehere wiltpret' 3,557; 'man henkt im vil reherfueß oder hennenbain oder auch vil gret von den großen vischen für die thur' 3,488. 'Zugemacht reher vnd wilprett frisch' Württemb. reim- chrouik <^ 1570 (LV. 74) 57; 'au hochgewild sein gewesen der stuckh 479, Vnd der reher zAveihiindert fünffzig zweu gesein' 64; 'ain vorgebrates von relieru, in siesser prie' 53. 54.

Im 16. jb. ist der dialectische plural in der Schriftsprache nur noch aufs schwäbische beschränkt. In den übrigen ma. ging er in der a-flexion auf.

reiner (:rein, stm. der rain, begrenzende bodeuerhebung, Lex. 2,388), 'da nach in kurtziu stunden Begi;ud ich riten vorbaß Gar frolich vüde rysche Durch gebirgete, anger grou, Durch gar schone wysche Vau

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blumichiu vnde ryueren schou' Eberh. Cersi;e 1404, D. miiiue regel (Wüber) 4274; das wort ist, soweit ich sehe, sonst uur mit a-formen belegt: 'offene hoenreyne' Hess. Urkunden (Baur) 1,373 (a. 1319); 'in alen synen reyneu wassirloufteu struchern pusseben fisscherien' Urkdb. d. bochstifts Meißen (= Cod. dipl. Saxon. reg. 2) bd. 2, 408 (a. 1414).

reiser ( : ris, stn.), 'uirecta (= vireta, rasen) hrisir' Abd. gl. 1, 266, 8 (8. Jb.); 'ramusculi riser' 3,92,25 (12. Jb.). 195,7. 'Do rief ein walt wiser Durcb diu riser: Wol dan, kinder, unt get bein' MS. 3, 30. 'Riser und gezwige, Cnoppen, bloemen, louber und blater' br. Hansens niarieul. (Minzloft) 3070. 'Üf au diu riser' Hadaraar v. Laber, Jagd 96. Weitere belege für das nicht allzu häufig auftretende wort bei Molz, Beitr. 31, 331.

Urkdb. Basel 3, 38, 29 'riser' (a. 1292); 'in loco dicto ze Eisereu bi deme holz' ebda. 82, 7 (a. 1293). 'An rijseren off an holte' Urbare v. Werden (Publik, d ges. f. rhein. geschk. 20, 2) anhang no. 64 (a. 1436). Darnach wird man schon fürs 13. jh. den sieg des -r-plurals ansetzen dürfen. Gelegent- liche a-plurale sind ausnahmen. Vgl. 'mit scherfen besenrisen' ( : Avisen) Passional (Hahn) 55,23.

rester, die -r-bilduug scheint erst im 19. jh. aufzutauchen.

;ii)rewir ( : abd. hreo, mhd. re, stm. leichnam), 'Egyptus flebat fortiter natorum dira funera. [egj'pt uuafjta [starchlijcho chindo chrimmiu reuuir,' Murbacher hymnen 1, 5.

rieder ( : riet, stn. Schilfrohr, sumpf riedgras ; sumpfige gegend, Lex. 2, 426). 'In loco quae appellatur Reodir' Traditionen d. bochstifts Ereising (hsg. Bitterauf, Quellen u. erört. z. bayr. u. d. gesch., NF. 4) no. 118 (a. 784*); daneben kommt aber fürs gleiche jähr die form 'Reoda' vor (no. 119), und späterhin sind nur nicht erweiterte plurale belegt: 'azReode' no. 252 (a. 807), no. 615 (a. 836), no. 701 (a. 848), no. 703 (a. 849) u. a. Als ilurname und ortsbezeichnung kommt die form in späterer zeit in vielen ma. vor. 'Von Achprugg bis auf die Rieder, von den Riedern auf dem Rain bis gen sand Jobanns rain' (a. 1332, Mon. boica 7, 166); 'bis auf die Rieder, von den Rieder (!) auf den Rain' ebda. 207 (a. 1455); 'auf dem Pvhel bi den Ridern' ebda. bd. 36 teil 2, 3.364; gelegentlich 'Riede' 17, 20 (a. 1274). Der davon abgeleitete familienname 'Riedrer' ist für Augsburg seit 1337 belegt: 'fraweu Agnesen der Totenriederin' Urkdb. Augsb. 1, no.347 (a. 1337), 'her Berchtold der Riedrer' 1, no. 404 (a. 1344) l)is a. 1368, 'Gerholdt derRyederer' 2, no. 507 (a. 1355). Auch in Rottweil findet sich der name, 'Ulrich Riedrer' Urkdb. no. 1143 (a. 1450). Fürs alem. führe ich an: (äcker, welche liegen) 'in den rieteru' Cod. dipl. Sale- mitanus (hsg. v. v. Weecb) 2, 504 (a. 1295); ' de Riedern' Urkdb. abtei St. Call. 3,773, 'prope villam dictam Riedern' 3,328 (a. 1303) u. öfter, 'ubir die Eiedreu in die bürg' 5,293 (a. 1421), '(der bof) der ainbalb stosset [an] Ricbentscbwile, anderthalb an Riedren' 5, 152 (a. 1419); 'der bof in Riedra'

1) = Meichelbeck , Hist. Erising. 1 abt. 2, no. 97; ebda, auch no. 303 'alios locos duos, quod uomiuamus Reodir'.

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4, 319 (a. 1385). 5, 239 (a. 1420) n. oft. Auch in md. raa. kehrt die form oft wieder: 'curtim illam in Riederin prope Frankenfort' Cod. dipl. Moeno- Francof. 1, no. 31 (a. 1193), 43 (a. 1216), 'pro curte in Kiderin' 46 (a. 1219), 'bonis in Ryderen' 75 (a. 1226) n. a., 'in via qua itur Rideren' 2,81 (a. 1817), 'de vinea dicta Eiederberg' 2,431 (a. 1332), 'au der Eeiger- wisen bie dem Ridergraben' 2,346 (a. 1329), '2 iugera ... teuduut cum una parte uffe die Eyderbach' 2,685 (a. 1339), '2 iugera ... teudunt uffe daz Eyderbruch' ebda. u.a. 'In campo versus Ryderen geyn Eyderen' Urkdb. kloster Arnsburg no. 688 (a. 1340). 'Villa Riderbach' (Wüstung bei Worbis) Urkdb. Mühlhausen no. 629 (a. 1311). 'Der Rieder Weingarten ge- nant die kamer' Urkdb. kloster Goldeukron (Böhmen, Font. rer. Austr. bd. 87) s. 430 (a. 1437).

rinder, 'bubulorum rindiro' Ahd.gl. 1,446, 25 (8,9.jh.); 'bubule carnis des rindares . . . fleisc' 1, 426, 24 (8 9. Jh.); 'animalia hrindir' 3, 10, 22 (r^800; Kass. gloss.); 'arraentas hrindir' 3,10,25 (ebda.); 'bas (= bu- culas?) rindir' 3,448,30 (9. Jh.); 'pecua rindir' 4,4,1 (9. Jh.); 'tauri slegirinder' 1, 716, 19 (9. Jh.); 'boetici hrindirarae' 2, 341, 11 (9. Jh.). 'Oves quoque et boves scäf inti rindir' Tatian 117, 2. 'Thiu scäf ioh thiu rindir' Otfrid 2, 11, 16. 'Boum rindiro' Ahd. gl. 2, 764, 41 (10. Jh.); 'firaum boum mist rindiro' 2,728,5 (10. Jh.); 'bubus rindrun' 1,454,1 (10. Jh.); 'pa- scuales sueichriudir' 1,433,29 (10 U.jh.). Notker 'scäf unde rinder' Ps. 8,8; 'pringo dir rindir' 65,15; Boeth. (Piper 1) 'Cacus ter dieb. der herculi siniu rinder ferstäl' 800,25; 'rindero' Ps. 65, 5; 'gelih rinderen unde rossen' 48,21. 103,14. 'Boum rindiro' Ahd. gl. 2, 731, 53 (11. Jh.); 'sveichrindir" 1,433,29 (11. Jh.); 'bostar rindi^stal' 4,197,38; 3,295,5 (11/12. Jh.); 4,133,24. 'fios unde rindir' (rinder) Genes, u. Exodiis 3, 17. 32,1. 103,26, 'veistiu rinder' 65,20 u. öfter. 'Daz er in dem bachte vor den rindern lac' Anegenge (Hahn) 86,80. 'Rinder' Gedichte d. Ava, Zs. fdph. 19, 179. 'Uros iirind^' (= 'urrinder') Ahd. gl. 3, 714, 60; 'armenta sueicrlnder' 3, 670, 37. 'Uf den goffen habtiz rinderhär' Alexander, Yorauer Hs. 251; 'rinder' ( : 'minder') Alex. 4047a. 'Si uürten uil rinder, schaf unde geize' Diemer, Ged. 135, 17. 251, 1. 'Lember und diu rotin rinder' Wernhers Maria (Hoffm. fundgr. 2, 152, 15). ' Beide wip vn kinder. die sluc man alse rinder' Graf Rudolf (W.Grimm) s. 11. 'Er erwlte einin rindir hirte' Specul. eccles. 84 (Kelle). 'Hie sint ouch rinder unde swin' Glichesaere, Reinh. Fuchs 923. 'In dem stalle ist maneger slahte bäht. Da rinder und esele bediu stänt' Konr. v. Fussesbr., Kiudh. Jesu 1128. 'Da warn ouch iune vaile rinder unde schaf Altd. pred. (Schönbach) 3,143,11. 'Wer gibt mir rinder unde schaf?' Salom. u. Markolf (Vogt) 702. 'Wisent und ur- rinder' ( : 'hinder') Iwein 411; 'er müese uns rinder unde swin Triben üz unde in' Gregor. 1179. 'Ros, rinder unde swin' Eraclius 536. 'Gewäpendiu merriuder : starke liute (ez warn niht kinder)' Willehalm 352, 7. 'Sam tüsent rinder' Heiur. v. d. Türlin, Krone 9500. 'Rindere und zeigen, Eike, Sachsensp. (Weiske-Hildebr.') 1,24,1. 'Der gebür da niht glückes hat, Da der wagen für diu rinder gät' Freidank (Bezzeuberger) 127,11. 'Diu rinder vrezzeut den gut" Warnung (Zs. fda. 1) 2247- 'Dar umbe ich gap miuiu rinder' ( : 'blinder") M. Helmbrecht 1751; 'siniu rinder müezeu loufen'

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1136. 1269. 'Diu schoensten rinder linde ros behielten sie' Berth. v. Regens- burg 1, 349, 16. 'Min hüt ist swerzer dann ein rab Und dicker dann ein rinderbüt' Jansen Enikel, Weltchron. 1209. 17273. 28812; 'er schuof, daz ein schouwer Sluoc scbäf, rinder unde swin' 8083. 13225. 13232. 13406. 13408; 'swä man rinder rouben scbol" Fürsteubuch 2175. 'Di brut gihet daz irre muter kindir Si anvechteu sam di rindir' Brun v. Schonebeck 8966; 'groze urriuder, Di irscbrecken man und kinder" 9387, anhang 137. 'Dentzogen merrinder' (:'nynder') Herzog Ernst (v. d. Hagen, Dtscbe ged. d. ma. 1) 4692. 'Merrinder unde dromedär' Ulr. v. Eschenbach, Wilh. v. Wenden 3642; Ales. 12339. 21457; im reime ( : 'kinder') Alex. 9918; ( : 'hiuder") 6791. 7295. ( : 'winder') 4526. 'Da wider frovdeubere Siut abir gotis kinder So siv div helle rinder Schowint also harte" Hugo v. Langenst., Martina 66, 104. 76, 44; *vnd liezin sich pfenden Der füeze vnd der henden EUiv lider binden Vnd also rinder schinden' 100,84. 167,49. 'Einder, schäf, swin undlamp' Seifr. Helbling 1, 658. Sehr oft im reim mit 'kinder' in der Livläudischen reimchronik: 'wib unde kinder, Pferde, dar zuo rinder' 3038. 2898. 3321. 4257. 4715. 11047; 'kiudere : rindere' 7382; 'rinder unde pferde' 7291; 'man uam ir rindere und gilt' 11365. 'Rinder' Dtsche pred. d. 13. jb.'s (Grieshaber) 1,23. 107; 2,71. 72. 84. 'Wie rehte sftr Danket sich der •waltgebür Und siniu bercrinderl Wir sin niht wagenkinder' Laurin D 2551. 'Phert, rinder unde vich' Österr. reimchron. (MG., DChr. 5) 17351. 'Rindere und schäf Beheim 1343, Evangelieub. J. 2, 14. 'An den rindern' Megenberg 159, 24 (aber 265,8 'diu wilden rint"). 'So die rindere oder die Bchafe iht gezzen han' Halberstadter brucbst. (Zs. fdph. 12) 154. 'Alze me deyt den juughen kynderen, De dar sint stump alzo rindere' Redentiner osterspiel (a. 1464, Nat. Lit. 14, 1) 1280. Wittenweiler verwendet das wort öfter im reim: 'rinder' 19c, 42. 20b, 42. 52a, 26, u. sonst. 'Rinderstaren' Morgant (LV. 18!») 248. Mit wenigen ausnahmen, die sich aus reim- einfluß erklären ['ros unde rint : kiut' Jansen Enikel, Weltchron. 13276; 'der hat erüst Schwein, schauf, ros, kie unde rind Und dar zuo vil der unsern kiud" Fastnachtssp. (LV. 46, 162); bei Manuel (nach Molz, Beitr. 31,328)], kommt das wort nur in dieser pluralform vor.

Wie der plural von 'kalb' findet sich die form 'rinder' schon früh zur bildung von eigennamen, vgl. 'Riuderfuos' Mon. boica 1, 258 (a. 1255), 287 (a.l271). 18,59 (a. 1309), 'Rinderbach' 8,529 (a. 1257), 'Rinderschinch' 11,216 (a.1'243), 40 (a. 1252), 'Rindermoser' 17,119 (a. 1349) u. a. Aus Förstemanns namenbuch setze ich hierher: 'Rindertal' (a. 748), 'Rinder- bach' (a. 1051), 'Rindervelt' (a. 1060) 2,770.

rindern, 'carnis bubul^ rlndrines' Ahd. gl. 1, 462, 9 (10. jh.); 'bubulus (sanguis) rindrinaz' 2,454,24 (11. jh.); ' (bubulus sauguis) rindiri- niz' 2,396,7 (11. jh.). 'Sinen rinderinen scuoch' Kaiserchronik (MG., DChr. 1, 1) 14797. 'Zwen groze riuderin schnöbe" Orendel 662; 'de enkunde er mit allen sinen sinnen Die rindrin schnob uit in die Stegreif bringen' ebda. 994. 'Rinderin gelüte" Albr. v. Halberst., Ovid 1, 1483. 'Do truogen wir grawe rücke und buntschuoh rinderin' Wolfdietrich D 9, 67 (DHB.4). 'Riudrinez' (üeisch) im alten stadtrecht v. Meran, hs. von 1317 (Zs. fda. 6, 418). 'Flaisch vaud man gnüg . . . swiuis, rindris, lembris'

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Richeiital, Chron. (LY. 158) 40. 'Er trat her als ein akerraan Vnd het zwu rindrin hosen an' Beheim, Buch v. d. Wienern 386,25. 'Vier rindriu chäis' Wittenweiler, Ring 2 c, 22. Vgl. außerdem weitere belege bei Lexer 2, 445. '12 ü. rinderes' (fleisch) Tucher 1507—17, Haushaltuugsb. (LV. 134) 34. Selten begegnet die form 'rinden': 'es soll auch kein meister in die stieifel riudene oder schaff stück mit einer nadel eiunäen' Urkdb. Aussig (Städte- u. iirkundenbücher aiis Böhmen 3) no. 418 (a. 1514).

riiiclerlicb, 'Turnieren was h ritterlich, Nu ist ez rinderlich' Eeinraar v. Zweter (Roethe) 106, 2, Wolfdietrich D 9, 67.

robotei'C?), '(das gut) mit ackern, wisen, wismeten, weiden, wassern und roboteru' Urkdb. kloster Goldenkron (Böhmen, Font. rer. Austr. bd. 37) s. 356 (a. 1408). Mir scheint die bedeutung 'robäter' (fronarbeiter, Lexer 2, 478, Jelinek 590) hier nicht zu passen. Ich glaube eher an Zu- gehörigkeit zu dem st. fem. (auch schwach flectierend) 'robät(e)' fronarbeit.

röcher ( : roch stn., d. türm im Schachspiel, aus frz. 'roc', dies von pers. 'rokh'; Lexer 2, 479). 'Nu wel wir rede haldin Von den anewaldin Des kuugis, als uns ist bekant, Di do rochir siut genant' md. Schachbuch, Zs. fda. 16, 240, 26.

röder ( : rot, stn. rodung, durch roden gewonnenes land). Als flur- name ist der plural des wortes in md. ma. häufig zu belegen (vgl. auch DWb. s.v.): 'Rodoron" neben 'Rodorium' a. 975, wahrscheinlich 'Rödcrn' (kreis Simmern) Förstemann 2, 1189. 'Duo iugera super Roderen' Urkdb. Worms 2, no. 34 (a. 1306). 319 (a. 1342), "die andern zwene (äcker) sint gelegen in Hocheimer marcke fif den Rodereu" no. 4'27 (a. 1351) u. s. w.; als flurname wird die bezeichnung 'Rödergewann' jetzt noch für Worms bezeugt. 'Vf me sande in den rodirin an dem Nuwenrode" Urkdb. kloster Arnsburg (Wetterau) no. 557 (a. 1323), 'alle vnß Rodere, dye wir ligen han yn Wisker walde' no. 1030 (a. 1377); 'ej-n stücke, daz liget uf dem Roderpade' Urkdb. kloster Arnstein (Lahn) no. 130 (a. 1350), daneben 'Rodenfurt' (a. 1386, 1407); 'vort sali der vurg(enant) Johan hauen ind behaldeu Rodern bye Oilbruck' Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no. 136 (a. 1428), 'zwene odir drey morgen Roder' 4, no. 281 (a. 1461), 'in dem vurg. gerichte Roder' ebda. 'Undecim iurnales terre arabilis, qui siti sunt in Roderackere' Urkden pfarrarch. St. Severiu Köln (ed. Hess 1901) s. 71 (a. 1323). 'Die hopphe- garten, die da heissen die Rodere, unde das holcz, daz eczwau Heydenrichs vom Rode Avaz, das holcz unde dy Rodere stoßen an Schyken holcz' Urkdb. Jena 1, no. 239 (a. 1351). Auf obd. boden ist die bildnngsweise seltener; dem belege aus Lexer (bayr. a. 1347) füge ich hinzu: 'Heinricus de Rodirn' Fürsteuberg, urkdb. 1, no. 150 (a. 1218); 'in dem obern veld . . . ligent drey router vor dem haselgraben' Font. rer. Austr. 33,229 (a. 1349).

rölirer, im 16. jh. vereinzelt schwäbisch (Molz, Beitr. 31, 356), wo die -r-bilduug des plurals auch in heutigen mundarten sehr beliebt ist.

rösser, 'etsliche siv bunden Wilden rossiru an sweifen' Hugo V. Langenstein, Martina 101, 55. Nach Perry, Die spräche d. spätmhd. ged. 'Karl d. gr. u. d. schott. heiligen', Diss. Marb. 1892, s. 44, 'rösser' 279 im versinnern. 'Do sach ich vier rösser Üz howe körn dreschen' Altd. bl. 1, 164. 'Wan ich han gesehen von den Tattern, das sie den rössern haben in ein

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aflern geschlagen und haben das plutt auffgefangen* Schiltberger, Eeiseber. (LV. 172) 62; 'bey den camelen unnd pey den rösseru' 84. 'Totten vil manner und rösser' Alt. hochmeisterchron. (<^ 1440, Script, rer. Pniss. 3) 637. 'Der yeglicher het gslässer (schlösser), Etlich sechs und funff rosser' Beheim, Buch v. d. Wienern (Karajan) 289,14. 'In den rossern vnd in den rytern' in Kehreins sog. 4. bibelübers. Os. 1, 7 (Gr. 1, §302).

rücnier (= ?), 'dünn wang, gerumpfen rüemer' (: 'lüemer", s. ob.), Osw. y. Wolkenstein (Schatz^) 97, 77.

süä^lcr, der -r-phiral ist bei Zeseu öfter belegt.

särger. 'in ihren särgeru' Hoffmanswaldan , nach Kehrein, Gr. 1, §280. Nach Molz, Beitr. 27, 255 -r-plural aiich für Abraham a St. Clara.

scheffer (:schaf, stn. flüssigkeitsmaß), 'si (di winniezzer) sullent ouch staete und empziglich warten mit allem irem ziuge, scheffer, Stangen und ander, ob fiur üz kaeme, daz si da mit bereit sin' Stadtrecht von Meran (14. Jh.), Zs. fda. 6, 422. 'So sijnt vff deser sacrastijen groisse hultze schaeffer zo beyden sijden gemaicht' Harffl499, Pilgerfahrt 248. 'Schaffer vnd wannen" 232, 'schäffer' 290 Abraham 1686, Judas (D. Nat. Lit. 40).

sclieiter ( : schit, stn. gespaltenes stück holz, Lexer 2, 758 f.), 'swie gnot diu schiter sin, unt ist boese der hert, Von hitze empfaeht er doch vil selten vrüuden' MS. 3, 211b. 'Si namen dr\v scheitter vil draut Zu ßtunt an der selben stät, Die waren gar dirre, Unnd zunten die an mit fwre' Friedr. V. Schwaben (DTM. bd. 1) 1623. 'Ein äsen wol geladen mit büechin schitern' Kolmarer liederhs. 94,50. Die stelle in Laßbergs lieder- saal 3, 220, 108 'schüter' (Lexer s. v.) konnte ich nicht vergleichen. 'Solte das burneholtz geben schiter oder wellen' Künigshofen, Straßb. chron. (Chr. ddSt.9) 865, anm. 'Holtz koln spen scheiter ast vnd peil' Folz, Fast- nachtssp. (LV. 30) s. 1219. ' Doch muostu einen hauffen schey tter ( : wey ter) Zu einem abtrag geben mir' Fastuachtssp. (LV. 46) 44; dagegen 'wiltu mir die scheit am haubt zuschlagen?" 50 (LV. 28). 'Umb dise weil und zeit solten die ofenscheiter aufgeclobeu und zu dem see gepracht werden' Tegernseer kalender 1534 (Genn. 9, 196); vgl. 'scheitern'. 'Doheim mußt ich schyter vffbj'gen' Manuel 1548, Weinspiel (Neudr.) 358; '(ich) ließ als im hnß zscliyttern gan" 3032. '(Welcher) Ohn not und ursach kriegt und streit, Allein sein grentzen zu erweitern, Darunter ghct gmeinklich zu scheitern, Off landt und leut verdirbt' H.Sachs, Werke 8 (LV.) 397,16. 'Scheiter' Wickram, Werke 4 (LV.) 180,78; vgl. 'scheitern'. 'Iloltzhawen und scheiterklüben' Lindener 1558, Rastbüchl. (LV. 163) 7. 'Also das der merertail ross gar nahe waren zu scheitern geritten' Zimmr. chron. (LV.) 4,395. 3,592; 'manspersonen ... die sein uf der scheiterbeig gesessen' 4, 208. Bei Abraham a St. Clara öfter. Für weitere belege vgl. Molz, Beitr. 31, 339. Der in älterer zeit im obd. regelmäßig wiederkehrende -r-plural drang auch in md. Sprachgebiet, ohne hier regel zu werden. Der rück- schlag zugunsten der alten a-flexion des wortes ging im 17;18. jh. jeden- falls von hier aus, wo die mehr obd. -mundartliche -r-bildung als nicht schriftsprachlich empfunden wurde. In neuerer zeit begegnet sie in ge- hobenem Stile kaum mehr (obwohl sie Molz anführt), die einzige erinneruug an den früheren -r-plural bildet 'Scheiterhaufen'.

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scheitern (swv. neben 'scliiteu' dünn machen, lockern), 'daz sicli die kristen torsten niht schitern' (= ihre reihen lockern, ausdehnen) Lohen- grin. 'Die rotte schitern' Snchenwirt 25, 300. 'Ein klein verdakt der Stirn glicht mit einem slairlin durchsichticlich geschittert' Wolkeustein (vgl. Mhd.wb.2^ 165h). 'Holz zu schlahen ist zwaierlai: aius zu scheitern ■oder zuprennen' Tegernseer kalender 1534 (Germ. 9, 197) ; vgl. 'scheiter'. 'Lewfrid halff in holtz scheitern und tragen' Wickram, Werke 2 (LV.) 384 (1557). Hauptsächlich ist die erweiterte form also auch hier aufs obd. be- schrcänkt. Für md. ma. ist häufiger 'schiten' belegt, das Jelinek z. b. für Böhmen (neben 'scheiter'!) nachweist.

Schiffer, im schwäbischen (Decameron) vereinzelt belegt; Molz, Beitr.31,356.

Schilder (: schilt stra. n.), 'sper vnde schildir brachen Daz ez gnyttzirt obirlut' Eberh. Cersne 1104, D. minne regel (Woher) 4613. 'Min und miner hausfrauen Weisgius schilder' (= wappen) Buch Weinsberg (f^ 1590) 2,3; 'ire wapen und schilder' 2,160; 'ein finster mit einer ronden, darin stonden 2 bilder und maus- und frawen-nam und schilder' 2, 39; '24 tortischeu mit den schilderen' 2, 87. Weitere belege aus späterer zeit bei Molz, Beitr. 31, 339 f. Daß die -r-form von dem masc. ausgegangen sei, läßt sich aus dem belege bei Cersne bei der sprachlichen eigentüralich- keit des denkmals nicht unbedingt erweisen, doch scheint es das wahr- scheinlichste. Die Vermischung des wertes mit dem gleichlautenden neutr. stamm hat den -r-plural gestützt, ihm aber erst etwa im 1 7. j h. zum end- giltigen siege verholfen. Eine bcdeutungsdifferenzierung beider flexions- formen, wie sie die heutige spräche kennt, hat sich erst im laufe des 16. und 17. jh.'s herausgebildet; vgl. dazu Molz.

Schlösser, 'ein yeglicher, der da zerpricht thor der Weingarten oder ander garten oder fehler oder Schlosser' Ältest. Statuten d. biütums Trient, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), no. 111; in der Über- schrift 'die thor oder schlos . . . auff prechen'. 'Des bischoufs slosser unde stete' Rothe, Thür. chron. no. 787 vereinzelt neben 'sloss' 156. 162. 168. 183, 'slossen' 329. 687. 'Das sich die anderen stet und geschlösser dester peller ergäben' Schiltberger, Reiseb. (LV. 172) 11. 'Ich zu prich purg stete vnd slosser' ( : 'uerdrossen'!) Rosenblüt, Fastnachtssp. (LV. 30) 1184. '(Sie) bemanteü dy slosser alle beyde' Alt. hochmeisterchron., fort- setzung (Script, rer. Pruss. 3) 692. 694; 'heteü sich alle sycher von den slossern abgeteydingt' 671. 'Beyde (ritter) stett vund Schlösser vnder irem gewalt hetten' Decameron (LV. 51) 296; 'alle paufellige Schlösser vnd guter' 228; 'domit ich euch mit schlossern oder stetten het begaben mügen' 590. 'In Österreich dy Schlosser vnd alle mergt vnd auch stete' Beheim, Buch v.d. Wienern 197, 17; 'der yeglicher het gslässer Etlich sechs und funff rosser' 289,13. 'Stete, slossir vnd land' Valentin u. Namelos (a. 1465, mitteld. bearb., Niederd. deukm. 4) 85. '(Sie) gewunnen im vil guter stet an und Schlösser' Nürnberger jahrb. (Chr. ddSt. 10, 141). 'Si maurten und speisten ir stet und Schlösser, das si wenig sorg hetten gen allen iren veinten' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 341. 'Mit schlossern' Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gr. 1, §302). 'Stet Schlösser vnddörffer' Folz,

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Fastnacbtssp. (LY. 30) s. 1302. 'Von dörffern, stetten, schlossern, lioltzern' Gabr. Tetzel ~ 1475, Reiseber. (LV. 7) 158. 187; 'scbloss' 164. 195. 'Ett- lich Schlosser' Reiseber. d. fam. Rieter a. 1479 (LV. 168) 46. 'Alle slosser' Job. Lindau, Danziger cbron. f^ 1480 (Script, rer. Pruss. 4) 506 u. öfter, 'seinen stetten und schlossern' 609. 013. G16; nur vereinzelt noch 'slosse' 514. 'Sloesser ind ander gueder' Koelhoff 1499, Cbron. von Köln (Chr. ddSt. 13. 14) 693; 'up die sloesser' 569; 'he zerstoerde ind zerbrach ouch vil roufsloesser ind husere' 747; 'der sloesser' (gen.) 677; 'van ein deil slosseren' 437; 'up sin sloessern' 691; daneben 'sloesse, slos' 428. 548. 678. 905 U.S. 'Stede ind sloesser' Harff 1499, Pilgerfahrt 11. 46. 47. 58. 69; 'slosser' 8; 'berchslosser' 13. 37. 66. 212. 218; dagegen 'sloesse' in der hälfte aller belege. 'Mit iren schlüssern, kilchen' Oheim, Cbron. von Reicbenau (LV. 84) 62. 'Cluster, pfründen, land, Schlosser, dorffer' Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142 143) 2. 44. 'Junseln, die mit schlossern wol bewart stand' (schweizer.) Reiseber. 1521 (Zs. fdph. 25,172). 'Die verwuestind und verbranttind stett und schlüsser' Morgant (LV. 189) 6. 44. 80. 81. 195 u. oft. 'Die uff den bedeu Schlosser' Hug, Villiuger chronik (LV. 164) 82; sonst 'schloß' 83. 94. 'Raubschlösser' Widraann , Regensburger chronik (Chr. ddSt. 15) 50 (a. 1523) , 70 (1526). 'Dorffer vnd Schlosser' Aventin (vor 1534), Chronik, Frankf. 1580, 22a, nach Kehrein, Gr. 1, § 302. 'Das er . . . die schlosz au der wehrren zer- schlug' Job. Herolt 1540 41, Chronik d. Stadt Hall (Württenib. geschqu. 1) 266, 'risz die schlosz, den zeiger unnd schult von dem schlagurlin an der kirchen herab' ebda.; sonst 'schlüszer' (= bürgen) meist mit -r-plural, häufiger als bei Hoffraann 1533, Bauernkrieg ebda. 'Stedt, Schlosser und die landt' (reim) Volks- u. gesellschaftsl. (DTM. bd. 5) 58,42. 50. 'Vmbher viel hoher Schlösser leigen' Erasm. Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) 117,91. 'Durch statt, Schlösser, marck, berg und tal" H. Sachs, Werke 8 (LV.) 73, 13, 'mit vier schlossern' 108,5. 'Als die alten Schlösser einest raehrtails in die buche gebawen waren' Zimrar. chronik (LV.) 1,283; 'schlüser zu er- bawen' 4,133. Der alte plural 'scbloss' in der bedeutung 'riegel', den Molz, Beitr. 31,340f. erst für den anfang des 17. jh. 's nachweist, findet sich schon in der ersten hälfte des le.jh.'s, vgl. ob., Zimmr. chronik 4, 185 'alle schloß und thuren'; in früherer zeit werden beide formen promiscue ge- braucht, s. ob. 'Jetzo warn schon der Schlosser drey Inn hertzog Virichs gwalt vnd band' Württemb. reimchron. ^^^ 1570 (LV.74) 141. 'Scblüsser' bei Kicchel 1585,89, Reiseber. (LV.86) öfter, ausnähme nur s. 71 'dann ich den tag müt zuegebracht, düe kürcben und schloss zu besehen'; in der be- deutung 'riegel' hier ebenfalls nicht erweitert: 'wüe auch ihre camern und gemach oder zümraer ingemein sein mütt hülzeuen schlos verrügeltt' 268. 'Da man an die alten thuren fallschloß gemacbet' Enoch Widmann 1592, Chronik d. Stadt Hof (Hoheuzoll. forschgen 2) 393; dagegen 374 'die thuren ... so mit schlossern verwalnet'.

Die pluraländerung des Avortes zugunsten der wie es scheint vom rad. ausgegangenen endung gelangte erst spät zum abschluß. Molz gibt Beitr. 31, 340 das 16. jh. an unter hinweis auf die -r-formen bei den ost- milteldeutscheu Mathesius und Riccius. Immerhin hat Üldecops chronik

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -ER.VhVEALE. 203

noch keinen beleg dafür. Anch sonst ließen sich aus dem 16. jh. noch manche Schriftsteller anführen, welche die form nicht wählen, vgl. Dietenherger, Aventin, Hug, Kiechel, namentlich also ohd. In den Urkunden tritt der -r-plural zu anfang des 15. jh.'s fast auf dem ganzen gebiet auf; nur für hayr.-üsterr. stehen mir belege nicht zur Verfügung: 'mit iren vesten, sloßern und guten' Cod.dipl.Saxon.reg. 1, abt. B, bd.2, 200 (a.llOO) vereinzelt neben 'sloße' 1,151 (a. 1387) u. öfter; 'lande, stete, slosser, merckte unde dorffere' ebda. 3, 201 (a. l-lll) in einer königsurkunde Wenzels (205 'slossen'). Für Schlesien sind 1455 noch beide formen nebeneinander be- legt: 'in schlossern, stetten, festen" Cod. dipl. Silesiae 12, 5, 'yn slossen' ebda. 7. 'Sehloszer, schlöszern' neben 'schlosz, schloszeu' im Urkdb. Arn- stadt 267 (a. 1440), doch findet sich der dat. 'schlössen' noch 421 (a. 1496) .wie im Urkdb. Jena. In rheinfränkischen ma. taucht die form um die gleiche zeit gelegentlich auf, ohne indes verallgemeinert zu werden; 'alle vnd jegliche manne vnd burgmanne zu den obgenanten bürgen slossern stetten, vnd thelern gehörig, vnd auch die bürgere inwohner, vnd armeu luthe derselben bürgen schlösse stette vnd thelere' Cod. dipl. Rheno- Mosellan. 4, no. 137 (a. 1428), 'sloisser ' uo. 1G9 (a. 1437), 'in den vurg. sloss stat vnd durffern' 128 (a. 1428), wo sich die form aus flcxionsersparuis er- klären läßt, 'sloesse' 3G1 (a. 1484); 'slosser, huser . . . guter' Urkdb. Eott- weil no. 1143 (a. 1450) aus Bamberg; 'slossen' Hess. urkd. (Baur) 4,161 (a. 1451). 272 (a. 1491); 'thürn und schlüsz' (anfang des 16. jh.'s. Weist, d. Eheinprov., Publikat. d. ges. f. rheiu. geschk. bd. 18, s. 49, 2). Auch im obd. er- scheint der plural um die gleiche zeit: 'slosser, mergde, dorffere vnd gütere' Urkdb. Freiburg 2, 371 (a. 1425), 'slosse' 2,874 (a. 1427), während vorher alem. nur die letztere form nachweisbar ist; 'in iren slossern, stetten vnd dorffern' Fürstenberg, urkdb. 2, no. 167 (a.l425), doch 302 (a.l440), 395 (a.l450) 'schloß', 598 (a. 1472) 'slossen'; 'sloss' Urkdb. Rottweil no.ll66 (a. 1452), 1208 (a. 1455). Die entwicklungsgeschichte der form ist nicht ganz klar, doch weisen unsere frühen belege (von einigen gelegentlichen obd. abgesehen) eher auf md. als auf obd. boden.

Die coUectivbildung 'geschlösser', s.o. Schiltberger, Beheim, von Molz, Beitr. 31, 371 aus Aventin und einer Urkunde a. 1510 belegt, be- schränkt sich aufs bayr.-österr.

scbmätzercheii, Logau (LY. 113) 519 'schmätzrichen'.

Schwerter, 'swerter' (nach Grimm, Gr. 1,680) Klage 3892. 4027. 'Der swerter orter clungen In der (= deren) heim herte' Job. v. Würz- burg, Wilh. V. Österr. (DTM. bd.3) 8776. 'Si wolten sich rechen Mit iren swerttern geschwind. Ir straich wurden nit lind. Man hört ire swert klingen Und der swert dou von den helmen dringen' Friedr. v. Schwaben (DTM. bd. 1) 3854 ff. 'Ich han vil schAverter wider dich' Meist. Ingold, Gold, spiel 12, 8. 24,5; daneben 'seh wert, Schwerter' 34,5. 7,18. 'Mit swertern, meßern oder spießen' Erlauer spiele (Kummer) 5,196. 'Mit harnusch, armprusten vnd wern, Swertern, spiessen, nakeln, Jucern' Beheim, Buch v. d. AYienern 29, 12; 'swertern' im reim 54,31. 55,31. 'Si griffen zu iren sclnverteru' Füeterer, Lanzelot (LV. 175) 205 u. ütter, doch überwiegt die schwache pluralform entschieden. 'Mit Schwertern' in

204 GÜRTLER

Kehreins sog. 4. bibelübers. Marc. 14, 43 (Gr. 1, §301) neben 'scbwerteu'. 'Man mocht es nit bann gehört vonn grossem getemer der schwertteren (!) ' Volksbücher ca. 1474 (LV. 185) 279. 'Ich han die swerter pei dem gehülz' Fastnachtssp. (LV. 28) 428, vereinzelt neben 'schwert, schwerten'. 'Die nameu mit yn heim, schilt, sper und Schwerter' Trist, u. Isalde, Prosarom. 1498 (LV. 152) 193; 'die mit Schwertern und mit spereu' 128. 'So ruckden si ire swerder over den buschof Koelhoif 1499, Chronik von Köln (Chr. ddSt. 13) 533. 'Drij ader vier dusent swerder" Harff 1499, Pilger- fahrt 48; 'noch boege mettzer noch swerder' 129; 'hiess er . . . den heyligeu apostel mit swerderen zo doit stechen' 142. 'Kurtze degen vnd schwertter" Luther 1521, Streitschr. geg. Emser (Neudr. 96;98) 54; in der bibelausgabe 1543 findet sich nach Kehrein, Gr. 1, §301, die form nur ver- einzelt Ps. 55, 22 gegen 'Schwerte' 9,7, 'mit jren schwerten' Ez. 16, 40. 'Damit zugend sy ir# Schwerter uß' Morgant (LV. 189) 29. 'Sie haben ir Schwerter gewetzt' H.Sachs, Werke 8 (LV.) 50,8 u. öfter.

Aus Urkunden kann ich nur einige belege fürs alem. nachweisen, welche die andern aus mhd. zeit bekräftigen: 'mit blossen swertern' Urkdb. Straßburg 4', 95. 97 (a. 1322); 'mit zwein swertern' 5,2 (a. 1332) neben 'swerte, swertcu"; 'swertern' 6,595 (a. 1395); vgl. dazu M. lugold. a-formen herrschen im ganzen 15. jh. vor, auch bei md. autoren, zumal im dat. Der -r-plural drang erst in der 1. hälfte des 10. jh.'s durch. Für weitere belege vgl. Molz, Beitr. 31, 341.

scidir (?), 'tendiculas, insidias seidir' Ahd. gl. 1, 528, 41 (in ver- schiedenen meist dem 10. jh. angehörenden hs.), vgl. dazu 'tendicula seidh' 1,541,4 aus dem Cod. Carolsr. Aug. IC (8/9. jh.), der eine ganze anzahl von belegen (13) für -er-plural liefert; vgl. auch Grimm, Gr. 1, 622, wonach der -er-plural zweifelhaft ist. Lexer führt 2,859 nur ein stf. 'seite' auf.

seilcr ( : seil, stn.), 'snoer ind seyler sy do namen lud bundent vaste ind scre An eynen marmelen pylere' Karlmeinet (LV. 38) 144,56; dagegen 130,2 'dat man sy mit seien (: erdeylen; An den galgen hangen sal lesterliche". 'Do ligt jnneu seyler vnnd segeltucher' Eeiseber. (1434) Zs. fda. 25, 62 ; 'an yder seyten funff seyler ... die halten den mast paumen' 63; 'zu den saylern' 65. 'Sayler und ander zeug' Grimm, AVeisth, 3, 646 (a. 1435 Peitingau, Lech). 'Sy brachten seiler' Kehreins sog. 4. bibelübers. Kichter 16,8; 'mitseilern' Esth. 1,6 (Gr. 1, §301). 'Lasz fallen dise sailer' Wylc, Translat. (LV. 57) 49; 'mit nassen sailcrn' 229. 'Von hanffstrangen oder sailer (!)' Oheim, Chron. von Reichcnau (LV. 84) 55. 'Mit seylern' Seb. Münster 1544, Cosmogr. 89, nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Theteu ir garn und seiler stellen' "Wickram, Werke (LV.) 7, 127,41. 242,37 (1544); 'kamend sy mit seilern unnd leitern" 3,61,4 (1555). 'Sampt den garnen, sailer oder anderm zeug" Zimmr. chronik (LV.) 1,401. Molz, Beitr. 31, 356. Darnach beschränkt sich der -r-plural in der älteren spräche keineswegs nur aufs obd. (alem.), vielmehr ist er schon fürs 14.3h. im westmd. bezeugt. Die heimat der -r-bildung werden wir im alem. zu suchen haben. Auf obd. boden weist auch die mehrzahl aller belege. Schriftsprachlich konnte sich die dialcctische eigentümlichkeit nach dem 16. jh. nur noch vereinzelt halten.

ZUR ÖESCHICHTE DER DEUTSCHEN .£/?.PLURALE, 205

sncbilazir, 'scinifes snebilazir' Älid. gl. 3, 452, 45 (12. jh.)-

spacber, 'sarmenta spacher' (dürres bremiholz) Ahtl. gl. 2, 33, 38 (11. Jh.), neben 'spähe'. Lex. 2, 1062 belegt 'spache' nur als schw.niasc.u.fem.

speller ( : mhd. 'spei', stn., erzählung, Lexer 2, 1077); 'spellirunt nivve raere' Entechrist (Hoffm., Fundgr. 2, 107, 3).

spiler ( : spil stn., spiel), 'wy der fogel sang sußir vnde bessir waz, dan dy spei er, dy hij nach gescrebin steu' Eberh. Cersne 1404, D. minne regel (Wöber) s. 23; 'da hortich allir speler clang' 498; 'ez ist gar eyn grobir tat, Schentlich vnde den frouwen schäm, Daz men daz nydirste anevät Au der ubirsten speler ram' 1198.

spiüiler, 'Spitalertor' Nürnberger jahrb. (Chr. ddSt. 10, 181); 'pei dem Spitler weißen turn' 228. 'Spitlertor' in Tuchers memorialbueh (ca. 1499, ebda. 11,502); 'spitlerturn' ebda. G04. Alle diese belege weiseu auf Nürnberg. Doch kann es sich hier gerade so gut um das nom. ageus 'spitalaere', ' krankenbruder, Insasse eines krankenhauses ' handeln, als um den plural zu 'spital'. 'Von Wien an lagen sy kranck, todt, lablos auif den Strassen, alle spittäler voll' Widmann, Chron. Regensburg, ebda. 15, 195 (a. 1542). Einen andern beleg für Bayern aus dem IG.jh. (Naß 1571) bringt Molz, Beitr. 31, 354 bei. '7 spittäler' Ernstinger 1620/30, Raisbuch (LV. 135) 161.

Aus den Urkunden kann ich die form obd. nicht belegen ['spitaler' im Urkdb. Augsburg 1, no. 83 (a. 1284), 119 (a.l298), 210 (a.l308), 261 (a. 1321), 264 (a. 1322) ist teils adjekt., teils nom. agens; ebenso Urkdb. ab tei St. Gallen 5, 47 (a. 1414) 'spitaler gut'], dagegen taucht sie schon zu anfang des 14. jh.'s in den an -r-pluralen reichen rheiufräuk. (hessischen) ma. auf: (guter, gelegen) 'in dem awen weg neben Peder zume hohenhus in den awen neben den spidelren . . . offene lioenreyue neben den spi- delren . . . vffme var wege neben den spidelren . . . offen Rin neben den spidelren' Hess. urkd. (Baur) 1, 373 (a. 1319), ebda. 1, 404 'bi deme spydale'; vielleicht auch an der folgenden stelle: 'vnse wisen mit namen dy wisen gelegen an der Rynen oben an der spidelre wisen . . . vnd eyn sedelchin, daz gelegen ist indewendig dez dorfes an der spidelre wisen' 1, 635 (a. 1362); 'iuger . . . dictum der crummc morgen, situm apud den spitalren' Urkdb. Frankfurt 2, 512 (a. 1339).

Einem bestimmten mundartlichen gebiete vermag ich diesen plural nicht zuzuweisen. Von obd. Schriftstellern, die noch keinen -r-plural kennen, erwcähne ich Schiltberger ca. 1430, Reiseber. (LV. 172) 'die stat hat zway hundert thauseut heuser und hat acht spitall' 53; 'on clöster und clusen und capellen, spyttalen' Volksbücher (ca. 1474) 109; Eberlin v. Günzb. 1521, Bundesgen. (Neudr. 139 141) 'spital' 116. 130. 161. 178 u.s.w.; 'clöster und spütähl' Kiechel 1585/89, Reiseber. (LV. So) 175. Md. ist er nicht be- legt bei Harff 1499, Pilgerfahrt 'tzwey hospitael' 220; 'grosse gebew der kloster, stifften, hospitaln' Musculus 1555, Hosenteufel (Neudr. 125) 24. Der sieg der -r-form wird nicht vor dem ende des 16. jh.'s anzusetzen sein. spriiiwcr (: spriu stn., spreu), 'phtipsane spriuü' Ahd. gl. 1, 425, 24 (10/11. Jh.); 'spriuir' 1,818,75; 'siliqua treber i spruwer' 3,257,28 (12.3h.). 'Do begeroter de er sinen lip mohte füllen mit den spriuwern

206 GÜRTLEU

(^— tisclialjfälle) mit dem swinaz dez diu swin äzen' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Griesliaber) 2, 78. In mhd. glosseiisamml. 'sprüwer, sprenr, sprüger'. 'Was süllent im die sprüwer, so eiu ander das körn hat?" Taiüer (DTM. bd. 11) 235, 18; 'anders so ist alles gebet des mundes rehte alse spruwern (!) und stru wider edelme weissen' 68,17. 'Der kern und nit die spriuwr' Meister Altswert (LV. 21) 187,27. 'Dar inn da lägen spriuwer vil' Kolmarer liederhs. 86, 49. 'Wie wol ich ouch ain esel bin, So trag ich doch die seck nit gern, Die sprüwer lieber wenn den kern" Heim. v. Sachsenheim, Mörin (LV. 187) 6076. 'So schütten si sprür vff' Stadtbuch Schaff hausen (14. Jh.), Alem. 6, 278, 3; 'der stob sol bi den sprüren beliben' 6, 277, 40. 29. 'Er gewint och an sprüwer und klien' Des teufeis netz (LV. 70) 9297; 'lat kernen mit den sprüwer (!) varen' 9418. 13464. 'On alle fraß ynd sprewr' ( : theür) Eosenblüt, Fastnachtssp. (LV. 30) 1115. '(Sy) gibt mir spewr (-.sprewr) für das koren' Liederb. d. Cl.Hätzlerin 1, 98, 4; 2,39,4. 'Sprüer, sprüre, sprüwer' in Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gr. 1, §301). 'Doch lis ich auf die spreüre Und nym dein hilff zw stewre" Folz, Meister- lieder (DTM. bd. 12) 82,155. 'Da hin er suchet zetrageu der kernen vnd haimant zelässen die sprüwer' Wyle, Translat. (LV. 57) 141; 'zwüschen sprüwer geworffen' 229. 'Ain guten pflück von spreuer' ( : teur) Fast- nachtssp. (LV. 29) 576; 'dy spreyberr bringt er heim' (LV. 46) 289; da- gegen 'spreuen': 'du kümpt er und wil mir geben di spreuen" (:kreuen) 771 (LV. 29). 'Die spreüwer' Geiler 1510, Granatapfel (Augsburg) 89a nach Kehrein, Gr. 1, § 301. Außerdem führt das große mhd. wb. die plurale 'spruwern, sprüren' an; Lexer verweist 2, 1119 noch auf 2 belege aus dem 15. jh. 'On sprüwer' Jud. Nazarei 1521, Vom alten u. neuen gott (Neudr. 142/143) 62; sonst nur die form mit -n: 'die sprüwren dem wynd empfelhen' 3, 'was glichnuß sind die .spruwern zum weitzenkoru'?' 66, 'wie die ackerroß nüt dan spruwern essen, der kernen ist inen vnbekant' 48. 'Spreüer, sprewer' bei Eberlin v. Günzburg öfter. 'Die hülsen und spreier' Herolt ca. 1554, Gültbüchlein (Württemb. geschqu. 1,387), 'Als werens sprewer' H.Sachs 1560, Werke 2, 33b, nach Kehrein, Gr. 1, §301. 'Spreuer' bei Fischart öfter. 'Ich glaub, deine kern werden nicht ohne sprewer gewachsen seyn' Zinkgräf- Weidner 1653, Apophthegm. 1, 160. Weitere belege aus dem 17. jh. für den plural bei Molz, Beitr. 31, 355. Nicht erweiterte formen kommen verhältnismäßig- selten vor ('er ist daz körn, ir sit diu spriu' Walther; 'die spriu' Passional; 'üz den sprüwen' Mj'stiker 1, 85 u.a., s.o.), gelegentlich auch in Urkunden: 'stro, .spruwe, mist, fasze' Urkdb. Jena 1, no. 555 (a. 1404). Für Leipzig hat Molz den -r-plural a. 1340 nachgewiesen. Die -r-bildung des Wortes ist schon in mhd. zeit allgemein. Vereinzelt nahm das wort später femin. gcschlecht an.

stünder (: stand), vereinzelte bildung, 'alle stender' (: lender) H. Sachs 1560, Werke 2,104 b, nach Kehrein, Gr. 1, §280.

stedir (:stat, stm. u., gestade, ufer, Lexer 2, 1143); '(statio) stedir i lenti' Ahd. gl. 2, 645, 12 (ll.jh.), also singularisch, während die gleiche hs. das wort 2,684,29 mit 'stedi' glossiert. Die stelle: 'ostiis' 2,506,46 ist in hs., die zahlreiche belege für -er-plurale bieten, mit 'stadun (-en)' wiedergegeben, "^'gl. ferner Schatz a.a.o. § 98. 'Er (gott) sprach: nu werde

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^^^-PLURALE. 207

sunder wazzer uon der erde, daz si trukcheu werde, diu gruntfeste si ge- scaffet, diu steder wole geniachet, diu wazzer da in zwisken rinnen swaso si springen' Genes, u. Exodus (Wiener bs., Hoffmann, Fundgr. 2) 12,16. 'Wiewol die mole (mühle) an czweyen staden lige' Urkdb. Jena 2, 24r2 (a. 1466).

Steiner ( : stein, stm. stein) ; Laßberg, Lieders. 1, 497 (nacb Grimm, Gr. 1, 680). 'Icbwett umb all die stainer Poliert durcb edel dacb, Ob doch auss hundert ainer Plib, ganggelt er mir nach' Wolkenstein (Schatz) 111, 93. 'Daselbst stehen zwo schöner hoher marmelstainer, auch funff viereckete seulen' Nicolai 1576, Raiß in d. Turkey 65. Bei Abraham a St. Clara öfter. Im allgemeinen sind belege für die form schriftsprachlich selten. Die beispiele (vgl. 'steinern') decken sich geographisch mit dem tou Friedrich a.a.O. p. 71 beschriebenen Verbreitungsgebiet der form.

steinern, 'so kombt man zu einer steinern stieg' Reiseb. d. fam. Rieter (LY. 168) 20 (a. 1462). 'Damit man ein notmuren machen kan, wann die steinernen mure abgeschossen wurde' Wormser memorial, ende d. lö.jb.'s (Quellen z. gesch. d. Stadt Worms 3,361,20). 'So hat er auch on allen schertz Keyn steinern oder eisen hertz' Thiebold Gart 1540, Joseph (Eis. lit.-denkra. 2) 717. 'Neun steinern creutz' Erasmus Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) 87,49. 207,68. 'Durch einen hohen geschlossnen steinern bogen' Kiechel 1585 89, Reiseber. (LV.86) 295; 'in einer steinernen grotta' 297; 'mütt gewaltigen marmorsteineru seülen' 409.

Aus Urkunden führe ich an: 'dy steynerne rynne' Urkdb. Erfurt 2, no. 1135(a. 1399); 'das steiner creutze' Urkdb. Jena 2, no. 665 (a. 1480), während in der gleichen Urkunde dreimal 'steinen' belegt ist.

stälier (: stall, stm. stall), 'das innerhalb dreißig- jaren ob den vierzig heusere ohne scheurn und steller alda erbawen worden' Zimmr.chron. (LV. 92) 2, 484.

sterner (:stern, stm. stern), 'sterner' (: gerner) Miuneburg v. 1685 (Ehrismann, Beitr. 22, 299).

Stifter, 'die gestiebter mit iren scholeren' Buch Weinsberg (^1590) 2, 86. Wie im nhd., sind auch iu frühnhd. zeit belege für den plural sehr selten, vgl. Molz, Beitr. 31, 342. Einen vereinzelten frühen beleg aus Bayern bietet das Urkdb. Freiburg 1, 308 (a. 1335) : 'Wir . . . tuon kunt ... daz wir . . . vnsere lieben fürsteu . . . pflegere der stifte ze Mentze vnd ze Spire, für sich vnd für die siuen der vorgenanten Stiftern ... vfgesetzet hau'. Der -r-plural des Wortes scheint erst im 17. jh. allgemein zur geltang ge- kommen zu sein.

stöeker, 'über graben und stöcker', vereinzelt im 18. jh. belegt; Molz, Beitr. 27, 255.

sträuclier, 'die in die brucher und ferne in die Avelde und Btreucher woren vorlouffen' Job. Lindau o-^ 1480, Danziger chron. (Script. rer. Pruss. 4, 594). 'Dem weinstock aber, und feylichenstreuchern . . . schadet die kälte nichts' Colerus 1592, Calender 5.

Zuerst ist mir der verhältnismäßig selten belegte plural im ostmd. begegnet : 'in allen synen reynen wassirlouften struchern pusschen fisscherien' Urkdb. d. hochstifts Meißen (=- Cod. dipl. Saxou. reg. II) bd. 2, 408 (a. 1414);

208 GÜRTLER

ebda. 378 (a. 1411) 'strucheu'; 'in den struclieru, pnsclien' Urkden d. markgr. von Meißen (= Cod. dipl. Sax. reg. L abt. B) bd.2,8G9 (a.l-iU). 'Mit allen . . . holtzern, streuclieru, puschen' Urkdb. der klöster der grafscbaft Mausfeld (= Gescbqu. d. prov. Sachsen 20) 387 (a. 1543). Für Schlesien ist 1526 noch der a-plural bezeugt (Cod. dipl. Siles. 4, 73). Man wird die form für die anderen ma. nicht über das 16. jh. biuaufrückeu dürfen. Der sieg des -r-plurals fcällt erst spät ins 17. jh. Molz, Beitr. 27, 254. 31,359. Das collectivum ist zuerst bei Schaideureißer (1537, bayr.), 'gestreicber', belegt.

Stränsser, der mundartlich weitverbreitete -r-plural des wertes taucht seit dem 18. jh. (Gottsched) in der literatur vereinzelt auf.

stückcr, 'dreyhundert und acht stucker heiligthumbs' Muffel 1468, Gedenkbuch (Chr. ddSt. 11, 745). 'Die aide muire ... wart afgebrochen, daevan doch noch litzeichen iud stucker hude zo tage sin ind gesien werden' Koelhoff 1499, Chronik von Köln, ebda. 13,520; 'ein groisse mircliche ge- zail van . . . bürgeren ... die vast moitwillens dreven under dem hülse, die geschreven tafelen zo stucker zo slainde' 853; 'der stucker (:= mutwillige streiche) dede he vil' 429. 'Die verbrante stuiker bleven in dem raoude also alendich hangen' Leiden d. hl. Machab. (gedr. o^ 1540 Köln; Schade, Geistl. ged. vom Niederrh.) 284. 'Vau deseu drijn heufftereu gaeff he mir drij stucker' Harff 1499, Pilgerfahrt 40; 'so dat der steyn die stucker gar kleyn malt' 83; 'van stuut an spranck der aeffgot zo dnsent stucker' 142; 'sneden van deme holtz iud koffer vil stucker' 181; außerdem 49. 61. 158. 192. 248; 'hauen sus gar vil stucker in yeren gelouuen, dat mich deicht, sij boesser geleuffteu dan die heyden' 143; dagegen 'drij stuck goltz' 226. 225. 211. 83. 'Dann offtermals sie stücker von den tartschen vnnd hämisch, auff den platz fliegen machten' Amadis (1569, LV. 40) 77; die form ist vielleicht auf conto des druckorts (Frankfurt) zu setzen, der Verfasser der Übertragung ist Schwabe. '(Er) nam alle luchten ... und scloich sei zu kleinen stucker uff der erden' Buch Weinsberg (no 1590) 1, 356. 'Sie betten es mit ihren abgestorbenen freunden gemacht, Avie die trincker mit ihren glässern, wann ihn deren eins breche, schreyen sie alle darüber, werffen aber doch hernach die stucker zum fenster hinauß" Zinkgräf -Weidner 1653, Apophthegra. 1, 160. 'Stücker' öfter in den briefen Elisabeth Char- lottens. In Urkunden ist mir die form dagegen im rheinfränkischen nie begegnet (Cod. dipl Kheno-Mosell. 3, uo.368 [a. 1350J 'stucke' u. öfter). Für weitere belege aus Oberdeutschland vgl. Molz, Beitr. 31, 370. Die keinem bestimmten gebiete zuweisbare dialektische form hielt sich in der Schrift- sprache vereinzelt bis ins 17. jh. (Simpliz.).

SWiner, 'porciu snuinir' Ahd. gl. 3, 10, 31 (~800; Kass. gloss.). Das schon im jähre 908 urkundlich belegte bayrische Örtchen Scbweinersdorf heißt dagegen in den Urkunden des hochstifts Freising (hsg. von ßitterauf, (Quellen u. erört. zur bayr. u. deutschen gesch., u. f. 4) 1, no. 1045 'Suuana- hiltadorf.

scliweiuern, 'mir ist mein schöner schweiner packen gestolen worden' Decameron (LV. 51) 491; 'do vnserm gütenn freunde Calandrino ist gester zenacht sein schöner schweiuer pache gestolen worden' 492. Analogie nach 'rindern' u.a.

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN .^/?-PLURALE. 209

täler, 'inter medium montiiim pertrausibunt aquae: in deu ge- teleren unter inmitten dere berge durchuarent dei wazzer' Docen, Mise. 1,39. 'Ih bin ueltblüoma unte lilia dero telero' Williram 26,1. 'Öf tet sich der himil und elliv div telir' Genes, u. Exodus 28,20. 'Da wonet er in den holren, in bergen und in telren' Hartmann, Rede v. glaiiben 3142 f. (Germ, abbdlgn. 14). 'In telern uoh in pergen' Kaiserchronik 36GG (MG., DChr. 1,1). 'Ubir dei telir unde ubir die berge' D. hochzeit (^Yaag) 217. 'Gezierde ist er der erde, der teler und niht der berge' Marienlob (MSD.) 3,7 (Vorauer hs.). 'Dei getelere dere gezelte mizze ih' Ps. 59,7 (Wind- berger hs., Graff, B. ges. NLit. 10). 'Diu (steingeiz) . . . minnet hohe berge, in den teleren weidemet si gerne' Physiolog. (Karajan) 91. 'Der hirz ver- midet dei tiefin telri. vnde ist gerne vf der hohe' Specul.eccles.il (Kelle). 'In telrin und in holzin* Athis u. Prophil. (W.Grimm, Kl. sehr. 3) A* 127. 'Da von so predigte Jesus des tages der menige in den telren' Altd. pred. (Pfeiffer, Myst. 1) 387,13; 'der wol betet unde der got mit dem gebete suochet, der stiget von den irdischen telren ze himelischer hoehe' ebda. 387,17. 'In telren und an Uten" Lohengrin 7350. '0 liechter rose suuder dorn, Der telre lylie vs erkorn" Walther v. Rheinau, Marienleben 258,13. 'In telren und üf den alben' Konr. v. Ammenhausen, Schachbuch 5039. 'Die telre sint vil fruchtberer gemeinlichen wan die berge' Tauler (DTM. bd.ll) 200,34; 'fulte alle telre und die gründe' 304,32. 305,5. 'Blossen und telren' Twinger, Straßb. chron. (Chr. ddSt. 9) 826. 'Fliegen wir aber über berg vnd teler' Buch d. beisp. (LV. 56) 83. Auch sonst gibt es eine menge von belegen aus der älteren literatur für die pluralform. In der vk'eitaus überwiegenden anzahl sämtlicher belegstellen steht der -r-plural schon seit frühmhd. zeit, doch kommt auch die alte form noch bisweilen vor: 'hoch berg vnd tyeffe tal' ( : gmal) Wigamur (v. d. Hagen-Büsching, Dtsche ged. d. ma. 1) 5539; 'tiefe tal' ( : smal) Dietrichs erste ausfahrt (LV. 52) 341,5, 'auf pergen hoch, in talen tief 303,4; 'so grüenent berg und elliu tal' (:vial) Seifrid Helbliug (Seemüller) 7,21; 'si wolten sich verbergen In taln unt in bergen' Beitr. 5, 193 ff. Unser frouwen klage 443; 'tal' (: al) Renner 5570; 'dat wasser, so van den bergen louft in die dale' Kölner reiseber., ca. 1350 (Zs. fdph. 19, 67); 'perg, aw, aiTch tale, daz gefild Sich schon erzeigt auß grundes mild" Neidhart Fuchs, Überarbeitung d. 15. jh.'s (D. Nat.-lit. 11) 2863; 'die do kumen über mer das gepir (ge- birge) und die tall' Muffel (ca. 1460, Beschreibung von Rom (LV. 128) 26. Im reim erhielt sich der alte plural sogar noch viel länger: 'thal' (: soll) Volks- u. ges.-lied. des 16. jh.'s (DTM. bd. 5)140, 13; 'in tieffen thalen' (:gfallen) Christ, v. Schallenberg ca. 1590, Ged. (LV. 253) 56,33; Gryphius 'die thal', nach Kehrein, Gr. 1, §303.

Nach diesen belegen muß der a-plural im obd. noch lange zeit als nebenform bestanden haben; 'thale' ist bei Schubart und Schiller im reim belegt (Pfleiderer, Beitr. 28, 338), bei Salis-Seewis (1785) öfter, neuerdings wieder sehr beliebt (Liliencron, Dehmel). Alis den Urkunden kann ich allerdings aus spärlichen belegen für obd. ma. nur den -r-plural nachweisen. Widerstandsfähiger erwiesen sich md. ma. : 'mit weiden ... bergen, talen' Cod. dipl. Saxon. reg. I, abt. B, bd. 1, 100 (a. 1385); 'an velden, an dorppen,

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. "j^^

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an bergen, an dalen' Urkdb. kloster Ilsenburg (:= Gesch quell, der provinz Sachsen 6) 257 (a. 1451). 2G0 (a.l452); 'an bergen, an dalen' ürkdb. Wer- nigerode (ebda. 25) 310 (a. 1452), 'au talen' 327 (a. 1455), namentlich also an den berührungspunkten mit dem ndd. Fürs ostmd. ist mir sonst nur ein beleg begegnet: 'mit dorferen ... puscbin, Aveldiu, perge, talen' Urkdb. Aussig no. 119 (a. 1400). Alle diese belege bestätigen die schon von Molz, Beitr. 31,342 aufgestellte Verteilung der pluralformeu. Der -r-plural hat sich auf der ganzen liuie nicht so schnell durchzusetzen vermocht, wie man es nach den flexionsverhältuisseu für die mhd. zeit erwarten sollte.

tamir (: mhd. täm, stu., damhirsch; Lexer 2, 1400); 'dammas tamir' Ahd. gl. 2, 640, 33 (11. Jh.). Ein mit -er erweiterter plural des wertes ist mir sonst nirgends begegnet.

teuer, 'zolde men auch nach mynnen Inst, Dy ubirstin teylir licbir hau Sam syt houbit vnde brüst, So were daz nicht vbiltan' Eberh. Cersne 1404, Der minne rcgel (Wöber) 1104; 'dem ritter gebe sy dy brüst Vnde der obirstin teyler spil' 3803. 1246.

tiercr, 'fona diorerun' Würzburger beichte (9. Jh.), MSD.' 1, 246, 29. Notker, Ps., Wiener hs. (Heinzel-Scherer) 'da sint iuue luzeliu tierer unde micheliu' 103,26; 'in dero naht farent uz in iro uueida elliu uualttierer, alle tiufala' 103,20; 'do sameuoton sih diu uualttierer unde zugen sih in iro luoger' 103,22 (die St. Galler hs. hat dafür überall 'tier'). Willirara 86,7. 8 'Uone daunan ist er gelih den uuenegun diereron, uieth den michelon. Daz diu dierer gerno in dero hohe sint, daz bezeichenet die höhon unte die incompreheusibilem maiestatem Christi"; die Leydener hs. hat 'diere' 16, 21 nach V. Helfen, Beitr. 22, 481. Nach Lexer (s. v.) eine stelle in Dalimils Chronik von Böhmen (hs. von 1389) 15,5. 'Ich ... beschlüß dich dar in, daz du wol sicher bist, das dir die dierer nitt mögen gethuu' Volksbücher ~ 1474 (LV. 185) 341. 'Ouch halt er so marsteller koeche keiner becker jeger visscher bussenmeyster ind plcger ader verwarer der wilder dyerer oebcr die el ff hundert' Ilarff 1499, Pilgerfahrt 206. 'Darynn myr niemant widderstrebt, dann die vureynen thierer' Luther 1520, Von d. gut. werken (Neudr. 93,94) 9; 'vnd weil man sie (die Wahrheit) nicht wil hören, durch menschen mund, das mau sie doch höre, durch thierer vnd bestieu mund' Fabeln (Neudr.) 3; nach Kehrein, Gr. 1, § 301 auch in der bibelausg. 1543, Wittenb. 'ich boret der vier thierer eines sagen' OiTenb. 6, 1. Zu den von Molz, Beitr. 31,356 angeführten belegen aus dem 16. jh. füge ich hinzu: '(er) fleug an uff die beiden zeschlachen und schluog sy nider wie die thierer' Morgant 105; 'Ruolland kam och, der tedt die beiden wie thierer' 106. 169; 'tierer' s. '24 ist genet. 'Baldt wir under die thierer kamen' Wickram, Werke 8 (LV.) 205,271 (1544). 'Die unvernunftigen thierer' Zimmr. chron. (LV.) 4, 413. Nach Steinmeyers aumerkuug zur Würzburger beichte (MSD.2,393) iiadet sich der -r-plural ferner in S.Bircks Judith E VIIl' (Augsburg 1539) und in Spangenbergs Ganßkönig E VIP (Straßburg 1607; Martins Neudruck 82, 61). Weitere belege hat Lexer, DWb. 11,373 bei- gebracht: 'Esopus und etliche andere fabelschreiber , damit sie zu tugent reizten oder aber von lästern erschreckten, dichten sie aller art thierer (= omnis generis bestias) und ietliches nach seiner uatur redend' Schade,

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^^-PLURALE. 211

Sat. 11. Pasqu. 3, 112, 3, 'wilde und unflätige thierer' 113,4, 'der maßen thierer' 113,27 (ca. 1524, Wittenberg?): 'zween drachen ... die ... auß- ziehen, die thierer in allen landen zu verschlicken' Amadis (1569, schwäb.) 43, ' als dann begaben sich die im schloß gantz erschrocken auff die flucht, damit sie dieser thierer (löweu) wüten vnd grimm vermeiden vnd entfliehen möchten' 242; außerdem bei S. Brant (bei SteinhGwel), im Buch der liebe (Frankfurt 1587) 216d, Maaler 400d, Bürster, Simplic.

Somit ist die pluralbildung im frühnhd. besser belegt, als man aus den vereinzelten, zerstreuten angaben und belegen schließen konnte. Zweifellos handelt es sich um dialektischen einfluß, wie sich aus der ver- ächtlichen bedeutung in der mehrzahl der angeführten belege ergibt. Zur annähme des -r-plurals selbst verhalf dem worte seine begriffliche Stellung neben anderen tierbezeichnungen. Aus diesem gründe (von dem frühen auftreten des -r-plurals ganz abgesehen) allein schon wird es schwer sein, die bildung einem bestimmten gebiete zuzuweisen, wie Molz versucht. Das alem.- schwäb. ist daran nicht viel stärker beteiligt als das west- und ostmd. In keiner dieser ma. ist der -r-plural in früherer zeit ausschließlich belegt; auch nicht im alem., trotzdem er für die heutigen ma. für dieses gebiet angegeben wird (Seiler, neben 'dier'). Daß er nicht als streng schriftsprachlich galt, beweist der gebrauch des Wortes in Albers fabeln (1550), wo 'thier' immer zweisilbig zu lesen ist zur ausfüllung des Vers- maßes von 8 Silben, obgleich der -r-plural hier leicht über die Schwierigkeit hinweggeholfen hätte. Über die erste hälfte des 17. jh.'s hat sich die form kaum erhalten (Simplic).

tiufilir, nach Grafts lesung ging die form 'diufilir' bei Otfrid 8,14,53 'Uuio fuarun thiu diufil ir uz thar zi petruses hus' auch in Keiles ausgäbe über. Die Laut- und fornienlehre 2, 163 verbessert richtig in: 'diufil ir (daemonia eorum)'. Eine parallelforra zu dem -r-plural ist nirgends belegbar. Darnach ist es nicht nötig, für diese eine stelle einen genus- wechsel (übertritt vom masc. zum neutr., wie bei dem besser belegten 'eiber' [s. oben]) des Avortes zu coustruieren (vgl. Grimm, Gr. 3, 349. 323, anm.), wie dies auch Franck a. a. o. § 132, 2 tut.

treber, 'also in torcula uuerdent geskeiden uuin unde treber' Notker, Ps. 8, 1 in der Wiener hs.; die St. Galler hs. schreibt dafür 'trester'. 'Siliqua treber i spruwer' Ahd. gl. 3, 257, 28 (12. jh.); 'vinacia wiutreiber' 3,580,37, 'treber' 3,695,6 (12. Jh.). Im mhd. ist das wwt als stark und schwach flectiertes femininum öfter belegt. Diefenbachs glossensammlungen bieten die Varianten 'trew^er, treberen, traber, trober'. Für weitere belege vgl. Lexer 2, 1499. Ein mit -u erweiterter plural ist noch aus Suchenwirt '45, 78 belegt; vgl. ferner Diefenbachs gloss. 619c 'vinacium träst i traberu' mit flexionsersparnis? (aus einem vocabiil. a. 1590). Vgl. 'trester'.

tresemer ( : tresem, stm., schätz, Lexer 2, 1505), 'tresemer ... in (für) die reise' Urkdb. Straßburg 6, 661 (a. 1396).

trester, Schünsleder 1618, Promptuarium lat.-germ. erklärt nach Schmeller, Bayr. wb. 1, 676: 'trest, magma, das dick, so überbleibt, wann was ist außgetrucket'; hierzu macht Schmeller die bemerkuug: 'Hiervon mag das üblichere trester, trestir, der plural seyn'. 'Amurca foua t'esti-

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nun' Ahd. gl. 2, 311, 39 (8'9.jh.); 'senecias trestir' 4,282,2; 1,641,42 (10. Jh.); 'vinacia trestir' 2,41,1 (10. Jb.); 'qnisqiiilie trestir' 2,364, 56 (10. Jh.); 1,668,21 (10/11. Jh.); 'napta olitrestir' 4,309,7 (10/11. Jh.); 'trestirum' 2,603,4 (10/11. Jh.). Notker, Ps. 8, 1 'trester' in der St. Galler hs., wofür die Wiener hs. 'treber' setzt; s. dort. 'Trestirun' Abd. gl. 2,603,4; 'trfstkr (= trestir)' 1,641,42 (11. Jh.); 'wiutrest^' 3,263,63 (12. Jb.); 'trester' 4,372,14 (12. Jh.); 'trestir' 3, 347, 28 (12. Jb.); 4,281,7. 4, 282, 10 ; ' trestereu ' 2, 603, 4.

Wie 'treber' findet sich das wort im mbd. als starkes (und schwaches) feminiunm öfter ; Lexer 2, 1506.

'Nun gesegen dich got, du liebe dresterprüe' Straßburger druck ca. 1510 (Weller, LY. 119, s. 44). Im großen ganzen sind belege für das wort selten.

trüinmer ( : drum, stn., endstück, ende, splitter; Lex. 1,471; vgl. noch Lindener 1556, Eastbüchl. [LY. 163] 51 'drumm, ein stuck'; 'mit einem drum von eim zerbrocbnen stul' Aventin (1580), Chronik 120a, nach Kebrein). 'Den grozen tieren in dem walde müezent sie (d. Jäger) groze stricke legen, wan sie zerbraecben die kleinen anders ze einvalten drümern' Bertb. v. Regensburg (Pfeiffer) 1,478,11. 'Ez pringt iamer. Wo man auz guten landen weit Wil stukcb und drümer machen' Pet. Suebenwirt (Primisser) 34, 102. Auf eine stelle aus Rosengarten C 342 verweist Lexer (s.v.). 'Gen der kaiserin zimer Scbusseus, daz man dy trimer Sah auff prellen in diken zeiln' Bebeim, Buch v. d. Wienern 74,22; 'daz man dy trumraer uon den drein Sah in dy lufft fliegen" 95,12. 96,21. 'Do warf man aus einer pleiden (Steinschleuder), die pracb zu trumeren' Tucher 1430, Memorial (Chr. ddSt. 2, 18,9). 'Ich wil dir dein haubt zu drummern schlahen' Fastnachtssp. (LY. 28) 421. 'Do günt das baws mit jn ein fallen und tet Sampson zu trümern prechen' Kleinere erzählungeu (Nürnberg; DTM. bd. 14) 104, 19. 'Danebenn doch der glaub vnd recht Christlich leben zu drummern geht' Luther 1521, Streitschr. geg. Emser (Neudr. 96/98) 124. '(Sie hat) etliche drümer tbuch (= stücke tucb) gestolen' Widmann, Regens- burger Chronik (Chr. ddSt. 15) 214 (a. 1543); 'drum' teil eines ganzen, 'sie haben .'. . alles in gruudt zerrissen und zerbrochen, kaiu drum pei dem andern gelassen' 106 (a. 1531); vgl. 'trüramerweise'. 'Wirdt ich die tbür tretten zu drümern' H. Sachs, Werke 8 (LY.) 252,33; 'zu trimcrn gben' 418, 24. Fast ausschließlich ist seit dem 13. jh. also die -r-forin des Wortes in geltung, vgl. Molz, Beitr. 31, 328 f.; doch Hoffman 1533, Bauernkrieg (Württemberg, geschqu. 1) 296 'das man trummen nit scbliige'. Die femin. siugularform 'trümmer' (Herder) ist aus dem -r-plural abgeleitet, vgl, 'kleinoder'. In neuerer zeit bat G. Frey tag den für die ältere spräche vorauszusetzenden plural 'trumme' wieder zu beleben versucht, 'die trumme gebrochener speere'. Der -r-plural des wortes erscheint schon seit dem 13/14. jh. ziemlich regelmäßig.

trüiniueru'eise = stückweise, in stücken; 'der gut Gabriell ward ... gein alteucapellen drümerwciß begraben' Widmann, Regens- burger Chronik (Chr. ddSt. 15) 181 (a. 1541).

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tüclier, 'gezartiu tnocbir niwe' Genesis ii. Exod. 17, 15. 'Dar auf die tücher spehe Die wurden schön darauf geleit' Dietrichs erste ausfahrt (LV. 52) 790,8 (in einer hs. des 15. jh."s!). 'Der stad Strossen waren ge- leit Vud ire huß behängen Mit turen tuchern langen' Herzog Ernst (v.d. Hagen, Dtsche ged. d. ma. 1) 5052. 'Siden ducher, di si druc' Leben d. h].Elisab. (LV. 90) 3767 (aber 'düchen' 7013). 'De er de behieuge uii umbezuge mit edelen tüchern. De tach de solter beziehen mit herinen tüchern' Dtsche pred. d. 13. jh.'s (Grieshaber) 2,116. 'Mit guldin tüechern liehtvar Umbhienc man die wende gar' Walberan (DHB. 1) 1207. 'Der roc den unser here trüc Was oben, bi dem houbetlüc, Mit andern tuchern ubernat' Job. v. Frankenst., Kreuziger 9395. 'Mit guidein tüechern liecht- var' Laurin (Holz) K 2, 1215. 'Diu tüecher' br. Philipp, Marienleb. 8098 vereinzelt neben 'tuoch". 'Mit tücheren' Beheim 1343, Evangelienb. L. 2, 7. 'Lange doicher' (Kölner) Reiseber., Zs. fdph. 19, 24. 'So arm was doc die coninc alre riiche, Sold he ennege wendel duecher haben, Joseph die moest se schoren Von sinen alden hosen doe beschaben' br. Hansens Marienl. (Minzloff) 2614; 'in eynre cribben Mit armen snoden doecheren ge- wonden' 2672, aber 2621 'in sulchen doechen als her was gewonden'. 'Daz man tücher uf die elter sol legen' Closener, Straßburger chronik (Chr. ddSt. 8) 21; 'edele düchere' 146; 'fanen von semetduchern' 105; daneben 'dach' 107. 'Daz er ... tucher verkauff noch verschneidt' Älteste Statuten d. bistums Trieut, hs. von 1363 (Arch. f. k. üsterr. geschqu. 26), no. 152. 'Da vindet ir daz chiudel In tucher (!) und in windel' Pet, Suchenwirt (Primisser) 41,420. 'Die alterducher' Twinger, Straßb. chron. (Chr.ddSt. 8. 9) 509. 522; '60 gülden ducher" 816. 'Ain bett mit vier guldin tüchern' Richental, Chron. (LV. 158) 92; 'mit vast köstlichen tüchern und gewand' 98; meist jedoch 'tüchen' 59. 85. 93 u. oft, 'wiße tüch' 59. 'Zwelf grauwe dücher' Konr. v. Weinsberg 1437, 38, Einnahmen- register (LV. 18) 82; 'fünff dücher' 53; an allen übrigen belegstellen jedoch die form 'düch". 'Nomen doruss messegewant altir tuchir messe- buchir kelche unde lichte' Eothe, Thür. chron. no. 564, 'seiden tuchir' 481; 'in arme tuchir gewundin' Rittersp. 202. 'Die pest seyden, da man die gutten tücher auch auß macht' Schiltberger, Eeiseber. (LV. 172) 38; 'wann sie die leychtücher oben pey dem kopfif zupinten' 89; 'wann alle haideu tragen weysse piuttücher umb das haubf 93. 'Do ligt jnnen seyler vund segeltucher' Eeiseber. (1434), Zs. fda. 25, 62. 'Tücher' Des teiifels netz (LV. 70) 12026. 12112; 'mit schoenen tüchern und och röken' 2366. 'In seidin tücher reine Ward es (d. kind) da schier geleit' Heldenbuch (LV. 87) 155,21. 169,40. 'In dem er den tische mit schneweissen tüchern decket' Decameron (LV. 51) 366,15. '(Ein) kouffmau, der ein gantz gadem vol guldiner vnd sydiner tücher het' Buch d. beisp. (LV. 56) 12, 'sine tfich' .127. 'Mit leylachen und tüchern' Muffel, Beschreib, v. Eom (LV. 128) 46; 'das plut . . . das hat die junckfraw sand Braxedis aufgeschepft mit schef- lein \mA tücheren' 54. 'Eeine tücherchine' ApoUonius, obersächs. (Mitteil. d. deutsch, gesellsch. Leipzig 5, 2) 12, 14. ' Gürtel peutel tasche vnd pruch Wuschtucher neser vnd heutschuch' Folz, Fastnachtssp. (LV. 30) s. 1217. 'Ander costlicher vnd wercklicher tücher' Wyle, Translat. (LV. 57) 2i-

214 GÜRTLER

'Baut myne wunden mit lynen thücher (!)' Altd. bl. 1, 126. 'Gulden duecher' Harff 1499, Pilgerfahrt 47. 89; 'mit koestlicheu duecheren' 47. 51. 225; 'duechen' 106; 'deichen' 41. 'Mit sidinnin . . . tüechern" Morgant (LV. 189)21. 'Gebunden mit grabtücher (!)' Liither 1543, Bibel, Job. 11, 44, nach Kehrein, Gr. 1, § 302. 'Mit gülden tüchern' H. Sachs, Werke 8 (LV.) 31, 21 u. oft. Molz, Beitr. 31, 831.

Diesen belegen entspricht das auftreten des -r-plurals in der urkunden- literatur vollkommen. Zuerst begegnet er hier fürs obd. (schwäb.) im 13. Jh., doch muß er um diese zeit auch schon auf die übrigen ma. übergesprungen sein, denn in der ersten hälfte des 14. jh.'s ist er auf der ganzen liuie all- gemein. Vereinzelt hielt sich, wie in der Schriftsprache, so auch in Urkunden der dat. 'tuchen' noch lange. Wo sonst a-plurale vorkommen, erklären sie sich z. t. aus der früheren collectiven bedeutung des wortes, vgl. 'ire tuche' (= tuchlager) Urkdb. Straßburg 6, 307 (a. 1390), 'an tuchen und an andern dingen' 76 (a. 1383); so auch Buch d. beispiele (LV. 56) 127 'ich weiß nach by vns einen brunnen, dahin kumpt zu ziten ein wüllinweber, zu weschen sine tiich', sonst 'tücher', vgl. ob. Obd.: 'mit tiichern unde mit blähen' Urkdb. Augsburg 1, no. 73 (a. 1'2S2), 'diu selben tuch' 384 (a. 1341); 'mit altartüchen' Eßlingen 434 (a. 1347); 'tücher' Rottweil no.539 (a.l388), 'iru tuch' 624 (a. 1400), 728 (a. 1408), 836 (a. 1418) und noch a. 1466 (no. 1347); 'mit seiden tüchern' Font. rer. Austr. (Tirol) bd.34,247 (a.l336), 'zway guldeyne tuch' 324 (a.l374); Urkdb. Freiburg 1,366 (a.l347), 2,95 (a. 1394) 'nasse tücher'; Straßburg 'tücher, tüchere' neben 'tüche' 6,24 (a. 1381); auf rad. gebiet: 'vier bethte düchir' Urkdb. Frankfurt 2, 281 (a. 1330), 'bcttedüchere' 370 (a. 1333), 439 (a. 1336); 'mit swartzen bedeckten duchern' Cod. dipl. Eheno-Mosell. 4, no. 885 (a. 1491); 'an den tuchen' Arnstadt 119 (a. 1369); 'an . . . altirtucheru' Jena 1, no. 511 (a. 1397); Meißen (a. 1409) 'tucher', Cod. dipl. Saxou. reg. 2, bd.2,347; 'sydine tuchir', 'tuchirn' Cod. dipl. Siles. 8, 20 (a. 1336); 'tucher' Urkdb. Saaz (Böhmen) no. 212 (a. 1391). Darnach wird man annehmen dürfen, daß sich der -r-plural der hauptsache nach schon in der zweiten hälfte des 14. jh.'s durchgesetzt hatte; im 15. jh. begegnet er fast allgemein.

-tünicr, 'hör das ich reichtünier beger Das thu ich auch vmb zeytlich eer' Folz, Fastnachtssp. (LV. 30) 1230 (druck v. 1480); 'dar vmb reichtüra zu fliehen seyu' ebda. 1236. Zum sing, 'daz richtuom' belegt Lex. 2, 421 einen plural 'richtumer, -tümmer' aus Diefenbachs glossen- sammluug 188c. 'Fallen euch reychthumer zu' Agricola 1530, Sprichw. 62, Kehrein, Gr.l, § 302. 'In andern fürst enthuraern' Widmaun 1592, Chron.d.st. Hof (Hohenzoll. forsch. 2) 808, neben 'bisthumb' 81, 'bistumben' 23. 'Fürsten- thuraber' Zinkgref (1628), 'irthiimmer' Grimmeishausen (Kehrein), bei letz- terem noch öfter die alte form 'beweißthümen'. Abraham 1676, Judas (Nat.- lit.40) 'heylthumer' 107, 'reichthum(h)en' 78.327, 'beweißthümen' 248.265.

Sonst habe ich den -r-plural im 16. jh. nirgends angetroffen. Auch Molz bringt in seinen Zusammenstellungen Beitr. 31, 345. 27,243 nur wenig belege aus dem 16. jh. Es ist nicht zu bestreiten, daß eich die einzelnen mit der nachsilbc zusammengesetzten Wörter zur einreihung in die -r-plural- classe unterschiedlich verhalten haben. Ich sehe den grund hierfür jedoch

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nicht im verscWedenen geschlecht der Wörter (irrtum, fürstentum), sondern in der Verschiedenheit ihrer hedeutung. Übertritt des masc. zum neutr. ist mehrfach belegt (vgl. ob., Dalimil 'daz reichtum' neben masc). Mithin muß die Zusammengehörigkeit beider bildungeu trotz des geschlechts- wechsels im sprachbewußtsein fortgelebt haben. Wenn trotzdem der erste beleg für die form 'Irrtümer' (masc.) fast ein jh. nach dem aufkommen des neuen flexionstypus '-tümer' sich schüchtern zeigt, so kann dies nicht rein zufällig sein. Der -r-plural kam eben sonst nur zur bildung von con- creten vor, für abstracte fehlte es bislang an aualogien. Hierin glaube ich auch den grund sehen zu sollen, weshalb sich das wort trotz seines häutigen Vorkommens im plural der ganzen classe nur langsam anschloß.

Als ausgangspunkt für den neuen typus weisen die ältesten belege aufs OS tf rank, und ostmd. Aus Urkunden kann ich zur bekräftigung nur einen beleg aus dem 15. jh. beibringen: 'zwischen beiden furstenthuem- beru' Cod. dipl. Siles. 6, 215 (a. 1180), a. 1470 (ebda. 12,11) noch '-tumben'. Sonst sind belege auch aus der ersten hälfte des 16. jh.'s noch selten: 'furstenthumer und lande' Urkdb. d. klöster d. grafschaft Mansfeld (Geschqu. d. prov. Sachsen 20) 379 (a. 1537, aus Leipzig). Damit stimmt ungefähr auch die Verteilung der -r-formen bei den gleichzeitigen ostmd. Schriftstellern überein, doch war der entwicklungsproceß ende des jh.'s noch nicht weit über die anfange hinausgediehen. Fürs bayr. bringt Molz einige ver- einzelte belege aus dem Weißkunig und Naß (um 1570). Aus Urkunden steht mir für obd. ma. kein beleg zur Verfügung. Ich stehe nicht an, diese belege (namentlich aus dem Weißkunig) trotzdem nur als frühe ausnahmen zu bezeichnen, denn die reihe derjenigen oberdeutschen, die nur die alte form gebrauchen (Aventin, Schaidenreisser, Albertinus, Boner [1539], Spreng, bei Molz, Beitr. 31, 345), ließe sich bequem erAveitern: Zimmr. chron., Tschudi, Wetze], Kiechel. Aus diesem gründe kann im 16. jh. für obd. ma. nur eine beschränkte Verwendung des -r-plurals bei dieser gruppe angenommen werden. Der völlige Umschwung zugunsten der neuerung mag für Mittel- deutschland in die erste hälfte des 17. jh.'s zu verlegen sein, für Ober- deiitschland erst gegen ende desselben (Abraham a St. CI. hat noch 'reich- thumen, irrthumen, beweißthumen"; Grimmeishausen 'beweißthümen' neben 'irthümmer', nach Kehrein). Immerhin bleibt der entwicklungsgang der formen beim fehlen weiterer belege noch etwas unsiclier. Zu den flexious- verhältnissen der einzelnen nebenformen, die dort genügend berücksichtigt sind, vgl. Molz, Beitr. 31, 345 f.

lürmer ( : turn stn., türm), 'der muren thormer, vnde der thormer hotir' Eberh. Cersne 1404, D. minne regel fWöber) s. 4; 'der thormer waz dy meyste teyl. Da keyn hotir obin saß' 121, wo das r nachträglich in die hs. hineincorrigiert ist. Im 18. jh. ist eiue -r-form aus Morhof (Kiel) belegt, Molz, Beitr. 27, 255, was darauf schließen ließe, daß die bildung den ma. des Avestl. Niederdeutschland zukäme.

iinfläter, nach Molz, Beitr. 27, 225 vereinzelte bildung bei Pauli, Aventin und Naß, also obd.

iingetiimer, -r-bildung erst in neuester zeit.

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vieher ( : vihe stn., vieh), ' er ist auch aller lebendegen creaturen vater, als vögeln, vischen, wilder dire vnd vehe. ez sin rinder, veher, müken, spynnen vnd aller creatturen, die da lebenden sint' Geistl.prosa (Zs. fdph. 14, 90; Mittelrhein, anfang des 15. jh.'s). Lexer 3, 347 belegt die form 'veher' aus Müllers saiuralung deutscher gedichte des 12. 14. jh.'s, die mir nicht zugänglich war. Die dialektische pluralform ist in der älteren und späteren Schriftsprache selten.

Tölker, 'vülckern, volckeren" Ez. 38, 8. 36,4 in Kehreins sog. 4. bibelübers. (Gr. 1, §302). 'Wiewol sust ain gemainer lümde ist, die tütschen alle ander fölcker vber treffen' Wyle, Translat. (LV. 57) 28. 74; 'vndcr allen fölckern' 295, 28; 'darnach erzalt er . . . mancher fölckern vn- rechte verdampnung' 225; 'als verfürer der fölckern vnd verschmecher der götten' 226. 'Vom auf gang Ist mein nam piß zum nidergang Firter in den folkern groß' Folz, Fastnachtssp. (LV. 28) 26. 'Volcker vnd lender' Albr. V. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. sitten 97b, nach Kehrein, Gr. 1,- §302. 'Tzu allen volckern' Emser 1521, Streitschr. gegen. Luther (Neudr. 96/98) 159. 'Auch durch das gantz lannd sind die volkher aufzüuden brynnend feurer' (schweizer.) Eeiseber. 1521 (Zs. fdph. 25, 196); 'etlich völcker' 168. 'In die hend der vulckeren des erdtrichs' Zwingli 1522, Von freiheit d. speisen (Neudr.173) 31. 'Von volckeren' Dieteuberger (vor 1534), Bibel, Cöln 1571, Ez.34, 13 nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Nach jeder schrifft sprach der Völker' Val. Voigt 1537, Esther 818; 'du solt auch ein vater werden Viler völcker auff der erden' (1538), Von d. herrl. urspr. v. 1484, 1530. 'In des gab sich ein theüre zeit, Das alle völcker kamen weit' Thiebolt Gart 1540, Joseph (Eis. lit.-denkm.2) 68; 'den volckern' 2123. Fischart hat 'Volker, landvölker' nach Moser, Beitr. 36, 180. 'Die Römer haben aller volckern (!) götter angenommen' Wetzel 1583, Reise d. söhne Giaffers (LV. 208) 4 u. öfter. Weitere belege bringt Molz, Beitr. 31, 331.

Aus urkundenbüchern ist mir nur ein beleg für alem. gebiet zur band: 'vor deu frömbden Völkern' Urkdb. Freiburg 2, 531 (a. 1474, aus Bern). Aus dem material ergibt sich, daß der im obd. schon in der zweiten hälfte des 15. jh.'s gut belegte -r-plural rasch auch auf md. gebiet übergriff, sodaß die neuerung um 1550 auf der ganzen linie durchgedrungen war. Aus- nahmen sind seitdem selten.

wali8ir(?), 'uuas (= vasa) uuahsir" Ahd. gl. 3, 11, 11 (~ 800, Kass. gl.) mit der anmerkung: 'bisher unverstanden'. Grimm, Gr. 1,622 vermutete in dem wort deu plural von 'wahs (cera)', der aber sonst nirgends zu belegen ist.

ii'iilder, 'in wäldern' Enoch "Widmann 1592, Chronik d. Stadt Hof (Hohenzoll. forschungen2)369; 'walte' 63, 'wälde' 248. 'Es hat darinnen Wälder, teicht und hirschen' Ernstinger 1620, 30, Raisbuch (LV. 135) 148. Kehrein, Gr. 1, §280 belegt die form aus Spee ('walder' neben 'wäldeu' genet. und dat.) und Harsdörffer ('in wälderen').

Belege für den -r-plural aus früher zeit sind in Urkunden äußerst selten: 'mit muelen, busschen, Avelderen, weiden" Cod. dipl. Rheno-Mosell. 4, no. 4 (a. 1401), während 183 (a. 1440) noch die alte form 'weide, velde' belegt ist, ebenso 349 (a. 1479), von dem dat. 'weldeu' der oft wiederkehrt,

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ganz abzusehen. Für das g-leiche gebiet liefern die Weistümer der Rlieiu- provinz (Publikat. d. rhein. ges. f. geschk. 18) weitere gegenbelege bis ende des 16. jb.'s: 'etliche weide' 94,17 (Wellraich 1530;40), 'weide vnd wiesen' (Waldesch, vor 1536), 'in wälden' (1588); 'Schirmherr der gewelden und holzereu' (1594) 113,13. Fürs ostmd. steht mir ebenfalls nur ein beleg zur Verfügung: 'an wälderen, geholtzeu" Urkdb. kloster Ilsenburg (Geschqu. d.prov. Sachsen 6) 341 (a. 1580), während der dat. ebda. 342 'walden' lautet; in schlesischen Urkunden habe ich auch nur die alte form angetroffen 'walde, wiesen' Cod. dipl. Siles. 4, 271 (a. 1516), 'weide' 281 (a. 1587), auch Jelinek gibt in seinem wb. keinen beleg für die neubildung. Fürs obd. gibt das DWb. 13, 1073 ergänzende angaben: St. Gallen 1493, Kärnten 1506, Vinstgau 1538, Tirol 1589. Mit dieser Verteilung der formen stimmt auch die lange liste von gegenbelegen überein, die Molz. Beitr. '27, 252. 31,359 aufstellt. Diese tatsachen bestätigen die Vermutung von Molz, daß die -r-bildungen die alten formen 'erst im laufe des 17. jh. 's' verdrängten (s. 253). Was die Ursache der annähme des -r-plurals selbst angeht, so stimme ich Molz vollkommen zu, wenn er dafür den plural des gleich- bedeutenden 'holz' verantwortlich macht. Beide plurale kommen im 16. jh. noch sehr häufig als Synonyma vor (s.o.). Dagegen erscheint eine engere Verbindung des wortes mit 'feld' in auf Zählungen, namentlich in Urkunden, nur in der minderzahl aller von mir beobachteten fälle; directe beeiu- flussung ist also aus diesem gründe wenig Avahrscheinlich. Außerdem aber entfällt mehr als die hälfte der für beeinflussuug wirklich inbetracht kommenden fälle auf dativformen, und hier hat sich ein -r-plural 'Avälder' nicht leicht neben dem noch verhältnismäßig spät auftretenden dat. 'feldeu' (neben 'felderu') entwickeln können.

Wämser, 'damastiu wamasser ' Württemb. reimchr. ca. 1570 (LV. 74) '20; 'die . . . ermel der wammassern (!)' 4. 'Über das leinenhemt doin ich winterszit noch ein roit wuUeu heuit oder dubbel weis sardoichshemt au under die wambisser umb der wermden" Buch "Weinsberg (~ 1590) 2,374. 'Gedencke ich die wammaser darvon machen zu lasseun' Briefwechsel Balth. Paumgartners (LV. 204) s. 21. Weitere belege fürs obd. aus dem 16. Jh., für md. autoren aus späterer zeit bei Molz, Beitr. 31, 342. Die -r-bildung scheint vom obd. ausgegangen zu sein.

weiber, nach Grimm, Gr. 1, 680 in einer Variante zu Wolframs Parzifal 123c. 'Du bist liplich obir die lybe der weibir' Homilie (schles., 14. Jh., Eückert 1878, Entwurf ein. systera. darst. d. schles. ma.) 87. 'Er trabt tlö mit sinnen, Wie er diu wibel moht gewinnen' Enikels chronik (MG., DChr. 3) 13649, mit der Variante 'wiber' in einer dem 14. u. 15.jh. an- gehörenden hs.-gruppe. 'Daz die beiber oder jr vater oder muter... pflichtig vnd schuldig sind ze clageu' Älteste Statuten d. bistums Trient, hs. von 1363 (Arch. f. k. österr. geschqu. 26), uo. 16. 'Frassheit, chrieg und spil, Uncheusch und weiber ze vil Die wüesten allen reichtumb' Vintler, Blum. d. tug. 6247 ; 'weihen' im reim 6305. 'Wer alte weiber hauset. Der hat ouch gereu gest. Wann alte weih und änten Gehörn in ainen se' Wolkeustein (Schatz) 112,131; 'fliecht (= fliehet) pöser weihe glänz' 88,50; 'ir alten weib' 36,1; im reim 60,62. 'Seyue beide weiber' Eothe,

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Thür. chroü. no. 13; 'das die knechte . . . weiber mit on nf die torme nnde iif den kor furteu' 764; 'das Ion der gemeynen weyber' 411; regel ist aber noch die form 'weip' 14b. 112. 143. 55G, 'weihen' 15. 17. 158. 164. 282. 299 u. öfter. 'Vier thausent man an weyher und chindf Schiitherger, Eeiseher. (LY. 172) 19; 'dornach lij-eß er weyber und chinder . . . außhin auff ein velt füren' 31; 'da nara er zu im sein volgk mitt weybereu und mit ehinden' 18; daneben stehen jedoch öfter wahllos gebrauchte nicht erweiterte formen: 'mit weyben und chiudern' 26,8; 'mitt weyb und mit ehinden' 30; 'die anderen weyb und chind' 31 u. ähnl. formen. 'Die ge- meynen weih klagen auch iren orden Ire weyde sey vil zu mager worden Die winckelweyber und die haußraeyde Die fretzen teglich ob ir weide' Eosenblüt, Fastnachssp. (LV. 30) 1111. 'Also het der pfaff den funfften tot Gelidenn noch der weyber lere' Erzählungen (LV. 35) 119,19; 'dar- mit macht man die weiber hen' 190,21; 'ich wölt gern wissen, wie der hieß, Der sich weiber nit äffen ließ' 349,20; 'da hört ich dreyer man wortt. Die klagten ab den weiberu wunder' 188,5. 'Von den mannen die ire weiber vud Aveiber die ire mann ... betrogen haben' Dccameron (LV. 51) 46G; 'ire weiber vnd haußgesind' 309; 'als weiber oderfraweu' 243. 'Es ward ein statt gewunnen von iren finden, vnd do sy die mau derselben statt alle erschlugen, do teilten sy die wyber vnder sich, vnd von geschieht ward einem kühirten zwey wyber. Vnd uff ein tag gieng er mit sinen zweyen wyhern, holtz iuzutragen ab dem veld' Buch d. beisp. (LV. 5G)76; 34'wyhen'. 'Von iren weybern und kyndern' Muffel, Beschreib, von Rom (LV. 128) 48. 'Kaiserin, weiber, iuncfrawleiu" Beheim, Buch v. d. Wienern 74, 25; 'weihen' (innenst.) 271,18. 275,18. 'Von irn weibern' Kürnberger jahrh. (Chr. ddSt. 10,153). 'Ire weiber sind mit vech be- schnitten' Liederb. d. Cl.Hätzlerin 1,29, 31, meist aber noch alte pluralform. 'Wyber" in Kehreins sog. 4. bibclübers. (Gr. 1, § 301) vereinzelt neben 'wyb, wyben'. 'Do das die wyber merkten, sie volgten nit der Hücht ierer man' Steinhöwel, De dar. mul. (LV. 205) 249; 'als nu der wyber von Lemuia gesaczt was, müst sie die selben kind usz dem land schiken' 67; 'für all ander haidnische wyber' 32, 'dannocht flöch sie nit, als erschrokne wyber tünd, in die holer' 174; dagegen 'wyb' 51. 250, im Äsop ebenfalls öfter. 'Die weyber fluogend, die twerge stubeud Auff gayssen und auf rehen' Wittenweiler, Ring 52a, 40. 'Vil uutugent der weiber' Albr. v. Eyb, Grisardis (Zs. fda. 29) 380. 388; 'wegen der weyber' 380 u. öfter; 'weiberen' 395; 'weyben' 390. 414 vereinzelt. 'Welchen briefe do etliche alte wyber ... läsent' Wyle, Translat. (LV. 57) 57; 'Avyber oder keps- wyber drühuudcrt' 214; 'etlich schrifte ... die als vil die männer schelten tilg als vil die vorig schrifte die wyber" 325, '27; 'lies zu die Vermischung der wyhern vnd mannen' 235. 'Man und weiber" Tetzel oo 1475, Reiseber. (LV.7) 166. 170. 181; 'vil hübscher weiber' 149; 'pfaften weiber' 166; 'eweiber' 181. 'AVciber, M-eibern' (nom.!) bei Dieb. Schilling (~ 1480) nach Kebrein, Gr. 1, § 301. 'Das in die wyber also vynd wurden' Tünger, Facet. (LV. 118) 145; 'darunib zimpt sich, das die, so erst wyber nemen, ir selbs acht haben' 101; 'vielcnd ylends in das huß zween ryfiou, diser ding vor- hin von den wyhern uuderricht, und uameud sich au, sy weriud der wyber

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^i^-PLURALE. 219

ee-man" 82; '(die) den wybern vil laids znofuogten" 145. 'Dor iimme Averden sülelie frowen wünschelwybere genant" Altd. bl. 1, 129; 'vor bösen falschen wybern' 135; im reim aber 'wyben' 135. 'Sag, was mit euren weibern da Die Römer hau (gemadit)' Folz, Fastnacbtssp. (LY. 28) 28. 'Wol auf, ir weiber alle gar' Fastnacbtssp. (LV. 29) 63-i u. öfter in der anrede; 'die weiber wollen in snst uberfaigen' 5i5; 'was man mit alten weibern kempfen wil' 508; 'wurd dich nach andern weibern dursten' (LV. 28) 167; daneben jedoch oft 'weip, weiben'. 'So machen weyber manchen torn' Erzählungen (Nürnberg; DTM. bd. 14) 535, 82; 'schnöder fauler weyber' 541,2; 'wer den edlen weybern dj kinder macht' 418 (überschr.); daneben öfter 'weyben'. 'Vier weiber' Deichslers Nürnberger chrou. (Chr. ddSt. 11) 627. 'Ure wiver ind kinder' Koelhoff 1499, Kölner chron. ebda. 13,601; sonst 'wif. 'Sij hauen in eren sekten dat yer paffen moigen wijffer nemen' Harff 1499, Pilgerfahrt 74. 94. 108. 138. 160; 'wifer aderfrauwen' 207; 'wijuer' 94; durchgehends die erweiterte plural- form. Vorherrschend ist die form auch schon in Konr. StoUes Erfurter chron. (LV. 32) 'wiber' 15, 'Avibere' 16. 62. 183 u. s.; 'wibe' 145, 'wiben' 99. 'Die wiber sind darumb so günstig den bättel münchen' Eberlin 1521, 15 Bundesgen. (Neudr.) 60. 102. 110. 124. 195 u. öfter; eine nicht erweiterte form kommt nicht vor. Murner hat 'wyber, wybren, weibereu' neben 'wib, wyben' nach Lauchert, Alem. 18, 147. 'De olden wyiier ... de kynder' Burk. Waldis 1527, Verlor, söhn (Neudr. 30) s. 3; dagegen v. 118 'vnße wyff vnd kynder'. 'Die pfaffen nomen eliche wiber' Hug, Villinger chronik (LV. 164) 96; 'wiben' 141. 146. 'Ein gschray von weibern' Widmann, Eegensburger chronik (Chr. ddSt. 15) 137 (a. 1534). 'Weiber' in Val. Voigts tragödien immer. 'Wie wol mans vns offt keret letz, Spricht, das wir weiber schAvetzen vil' Thiebolt Gart 1540, Joseph (Eis. lit.-denkni. 2) 561. 12.59. 'Was ist vns alten wybren gsünder' Manuel 1548, Weinspiel (Neudr.) 2481; sonst 'wyber', nur 3851 'vwer wyb vnd kind'. In der dem 16. jh. angehörenden liederhs. (Heidelberg) Pal. 343 (= DTM. bd. 5) findet sich die form öfter (z. b. 176,27); 192,54 ist entgegen der vorläge! im reim zu 'bleiben' die form 'weibern' absichtlich eingesetzt, während der alte reim ' weiben : bleiben ' sonst überall unangetastet blieb, so 197,21. 74,30. 82,14. 102,83; m.öglicherweise ist auch 128,25 'weibern : Aveibern' erst vom Schreiber geändert Avorden. Erasm. Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) hat nur die erAveiterte pluralform. 'Wenn alle Aveiber Avern ein weih' H. Sach.««, Werkes (LV.) 329,34; 'darzu hctt er kebßweiber meng' 454,15. 455,1. 474,18. 495,20 u. oft, im reim 3S6, 2G, doch 177,5 'die Aveib' (:leib); '(der) mit gmeinen weibern lebt im sauß' 412,1. 492,14. 'Schöne weiber' Federmann 1557, Reiseber. (LV. 47) 67. 69. 72 u. öfter; in satzfüguugen Avie 'one weih, kinder, und alte leutt' 49, 'ire weih und kinder' 22. 30, 'die- AA'eil weib und kinder auch darunther (waren)' 46 erklärt sich die -er-lose pluralform aus flexionsersparnis ; der einzige beleg für a-flexion ist der dat. 'mit weib und kiuden' 46. 72. 'Die burgerweiber' Zimmr. chron. (LV.) 1,461; 'under dem weiberfolk' 1,313; 'zogen sie im das geschier und den (!) Aveiber-Averkzeug herfur' 1,70; anders flectierte formen begegnen

220 GÜRTLER

selten. Die formen 'wiffer' und 'wiffe' kommen in Oldecops (mndd.) Chronik abwechselnd ungefähr gleich oft vor. Molz, Beitr. 31, 343.

Das ergebuis dieses belegmaterials wäre, daß der -r-plural im 14. jh. im ostmd. auftaucht (damit stimmen auch die urkundlichen belege überein), zu gleicher zeit auch schon im bajT.-österr., doch griff er hier erst im laufe des 15.jh.'s weiter um sich. Von hier aus sprang er um die gleiche zeit auf die übrigen ma. über. Immerhin vollzog sich der Umschwung in der pluralbildung des wortes so langsam, daß man erst im 16. jh. von einem siege des -r-plurals auf der ganzen linie reden kann. Der dat. 'weihen' hat sich durch seine enge Verbindung mit 'mannen' noch bis tief ins 16. jh. erhalten, während die übrigen a-formen schon in der ersten hälfte des jh.'s im -r-plural fast ganz aufgegangen waren. Nur fürs alem. ist noch eine gewisse Zurückhaltung zu bemerken, die sich auch urkundlich belegen läßt ('man' ürkdb. Freiburg 2, 610 [a. 1-495]). Wo ausnahmen auf md. gebiete in dieser zeit noch vorkommen , sind sie meist auf rechnung des reims zu setzen. Die frühsten urkundlichen belege für die form sind folgende: 'sampt unseru eücheu weiberu und kinden" Urkdb. Jena 1, no. 216 (a. 1348), immer so; 'weiber' Urkdb. Erfurt 2, no. 322 (a. 1349), doch ist die lesuug an dieser stelle nicht ganz zuverlässig; 'ire weiber, Witwen, ire kinder' Cod. dipl. Siles. 4, 65 (a. 1458). Für die übrigen gebiete stehen mir belege für den in Urkunden nicht häufig bezeugteu plnral aus so früher zeit leider nicht zur Verfügung. Die späteren bestätigen den oben gezeichneten ent wicklungsgang.

weifer, 'catellus vuelfer' Ahd. gl. 3, 449, 30 (9. jh.); 'catulus uueifir' 3,17,21 (10,11. Jh.). Notker, Ps. 103, 21 'catuli leonum. Vuelfer leuuon'; 56,5 'de medio catulorum leonum. üzzer mitten leuuön uuel- feren'; Boeth. (Piper 1) 'ter affo guuinnet zuei uuelfer" 164,8. 'Catuli leonum rugientes : weifer dere lewen ruohelente' Docen, Mise. 1, 39. 'Catuli weifer' Ahd. gl. 3, 80, 43 (12. Jh.); 201,61. 'Hie suln wir vernemeu eine michele deumut au dem Avibe. wan do sie unser herre zalte ze den hunten; do ebeuniazete sie sich zu den weifern. Also si spreche. Des dinen wortes des die Juden niht vernemen wellent. des teile uns ein vil wenigez. unde jier uns alsam dine weifer' Altd. pred. (Mones anz. 8, 409. 433). 'Waz solte ich an iu weifern (= jungen drachen) eren hie begän' Wolfdietr. A 599. 'Des löuAven M-elfer lebende tuot Sin wüefeu unde sin geschrei' Konr. V. Würzburg, Lieder 1,65; 'wan er diu weifer zerren muoste von der brüst' Troj. kr. 14779. '29552. 'Als ein lewe der siniii kinder in dem hol Mit hunger weiz und im ist niht gelungen An den tieren da mit er diu weifer wolde spiseu" Loheugriu 5737. 'Di welfere ezzin undir dem tische von den brosraen der kiudere' Beheim 1343, Evaugelienb. Mr. 7, 28; 'di welfcrchen ezzin von den brosmen di da vallen von irer herren tische' ebda. s. 38. 'Catulus welffrigeu' Vocab. (~ 1476 Frankft.?, Diefen- bach, Gloss. 107 c). Einen letzten beleg vom jähre 1566 führt Vilraar, Idiotik. V. Kurhessen 446 an. In md. ma. scheint sich die -r-pluralform darnach noch bis ins 16. jh. erhalten zu haben.

In hessischen Urkunden begegnet die form seit der mitte des 12.jh.'s in Ortsnamen: 'in territorio ville Welversheim' Cod. dipl. Nassoic. 1, 1,

ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN .^i?-PLURALE. 221

no. 200 (a. 1141), meist mit nnterdrückung des vocals in der ersten silbe: '(Gelfrado) de Vlversheim' Baur, Hess. urkd. 3, 1543 (a. 1262), 2, 276 (a. 1276), 3, 1562 (a. 1290), 2, 455 (a. 1291) u. s. w. bis 1369 (3, 1391). Statt des dumpfen -e- erscheint schon im 12. jh. -u- und -o- in anlehnung au 'wolf , vgl. 'mansum umim in Wolferestal' Cod. dipl. Nass. 1, 1, no. 199 (a. 1140), 'in Wolvershem' Baur, Hess. urkd. 5, 82 (a. 1278), 'geyn Wolvirsheym an deme Wolvirsheimer phade' 1, 888 (a. 1313), 1, 1144 (a. 1383), 1174 (a. 1386), 'in campis villae Wolvirsheym' Urkdb. kloster Arnshurg 224 (a. 1302), 554 (a. 1362); 'in campo versus Wulvirsheim' ebda. 386 (a. 1327), 'in dem flure vnd velde des dorffis zu Wulversheim' Baur, Hess. urkd. 1, 931 (a. 1358) 11. s. w. ' Wolvesheim ' ebda. 5, 459 (a. 1378) ist entweder Schreibfehler oder directe anlehnung an 'wolf.

werker, der -r-plural ist im 18. und 19. jh. vereinzelt belegt, vgl. Molz, Beitr. 31, 357.

wiliter ( : wiht, stm. n., geschöpf, wesen); über die pluralflexion in den anderen altgcrm. dialekten vgl. bes. Beitr. 36, 8 f. Otfrid 4, 6, 23 schreiben alle hs. übereinstimmend: 'Giböt, thaz sies gizilotin, ioh armu uuihtir hölotin' In der 13 jähre nach dem textbaude erschienenen laut- uud formenlehre (1869) 2,180 trennt Kelle 'müht irholötin' und denkt nicht mehr an einen -r-plural. Von den 5 weitereu stellen, an denen das wort belegt ist, scheiden für die beurteilung der frage 3, weil durch rück- sicht auf den reim beeinflußt, von vornherein aus (gen. plur. 'uuihto' 4, 2, 33; dat. plur. ' uuihtin ' 2, 20, 1 ; acc. plur. ' uuihti ' 3, 9, 5). Da im dat. der -r-plural erfahrungsgemäß am spätesten durchgedrungen ist, wird 4, 12, 48 'thaz hiazi er then nuorton uuaz armen uuihtin spenton' ebenfalls nicht in frage kommen. So bliebe dem -r-plural nur die eine stelle 2, 16, 17 als beweiskräftig gegenüberzustellen: 'salig thie ärmherze, ioh thie ärmu iiuihti smerze'. Da Wechsel zwischen thematisch erweiterten und reinen a-pluralen in der älteren zeit häufig ist, und da sich die form zudem in den glossen in gleicher bedeutung an mehreren stellen findet, werden wir wohl 'uuihtir' zu lesen haben, wie Braune, Ahd.gr. §196 es auch tut; jetzt auch Franck a.a.O. § 132,2. 154,1. Kelle hat sich an der stelle bei der redaction des textes zu sehr von seiner correctur 'diufil ir' aus 'diufilir' leiten lassen (vgl. unter 'tiufilir'). 'Miseri ubiliu uuihter' Ahd.gl. 2, 77, 43 (10/11. Jh.); 'animalia vvihtir' 2,644, 45, 'uuihtir' 2, 664,52 (11. jh.). 'In demo mere sint uunderlihu uuihtir, diu heizzent sireue unde onocentauri' Physiologus (MSD. 1, 263; 11. Jh.). 'Ich weysz daz du bist, heer, eyn rechter richter. Du hasz keyn onrecht ym ghetan. Mer vil genaten gar ons armen wichter' br. Hansens Marienl. (Miuzloff) 1013; 'ich snodste aller wihter' 2346. In spätmhd. zeit ging die pluralform verloren, erhielt sich jedoch in der spräche in der Zusammensetzung 'bösewichter', deren zweites compositionsglied sich seiner bedeixtuug nach mit ahd. mhd. 'wichter' deckt. Mir scheint nicht aualogiebildung nach jener älteren form zu der neubikhmg 'bösewichter' geführt zu haben, wie Molz, Beitr. 27, 243 anzunehmen scheint, sondern directe Übernahme der form. Der letzte beleg für das alte mhd. 'wichter' und der früheste für die neue form stehen zeitlich nicht sehr weit aiiseinander.

222 GÜRTLER

bösewicliter, zufrülist kann ich diese form für das rhein- f ränkische nachweisen: 'verredere overmoydiglie bozewichtere, ir hait over mich gheloghen as misdeidyghe bosewichtere' Quell, z. gesch. d. stadt Külu 5, 379 f. (a. 1386). Wormser memorial, ende d. 15. jh.'s. (Quellen z. gesch. der Stadt Worms 3): 'lieffeut die boß wichter in der fiusteruusz nnder ander lewt' 354,27, 'darumb etlich boszwichter verbrant und getot worden' 3G0, 6; 'dieselben boszwicht' 360,20. 'Dein vnd dej-nes gleichen boß- wichter ergernis' Luther 1521, Streitschr. gegen Emser (Neudr. 96 98) 14. 'Wie man den gfeller und Juden mit 8 tausent gülden zu püß wichtern ge- macht hat' Widmann, Kegensburger chrouik (Chr. ddSt. 15) 38 (a. 1521), 'Die bößwichter' 18b, 'den boßwichtern' 121b, Joh. Aventin (vor 1534), Chronik, Frankf. 1580, nach Kehrein, Gr. 1, §280. '(Er) hieß sie allsampt bußwichter' (reim) Erasmus Alberus 1550, Fabeln (Neudr.) 148,74; 'es worden an dem adeler Etlich vogel feyg bößwichter' 151,184; in innen- stellnng ist das wort leider nicht belegt. 'Bößwichter' H. Sachs, Werke 2 (1560) 38a, nach Kehrein, Gr. 1, § 280; dagegen Werke 8 (LV. 121) 385, 29 'die mördischen boßwicht' (: nicht). 'Er bette nicht anders gemeint, dann ich were ein Portugaleser, welches so arge bößwichter weren' Staden 1556, Reiseber. (LV. 47) 140. 'Ihr bößwichter' Zinkgref 1G28, Scharpfsinnige kluge Spruch 1, 52, nach Kehrein, Gr. 1, § 280. Bei Moscherosch ist die form öfter belegt. Sogar in den niederd. bauerncomödien (1601, Amsterdam, LV. 147) begegnet die -r-bildnng 'boysewichter', vgl. s. 75. Im 15. jh. kann ich den -r-plural obd. nicht nachweisen, vielmehr findet sich bei Folz, Wyle, Tünger nur '-wicht(e)' (Urkdb. Rottweil no. 1134 [a. 1449J 'ir boswiht'), ebenso md. im Ileldenbuch, bei Rothe u.a. Erst seit dem aufang des IG. jh.'s tritt der -r-plural häufiger auf, anscheinend besonders bei md. autoren. Abraham 1676, Judas (Nat.-lit. 40) 'büßwicht' 104. 195.

H'ililir (: wilt, stu., bestia), 'eratque cum bestiis uuas her tho mit uuildiruu' Tatian 15,6. Im ae. 'wildor' (sing.) geht das -ur durch die ganze ilexion; vgl. Weyhe, Beitr. 31,88.

Wörter, Servatius (Zs. fda. 5) 1071 (nach Grimm, Gr. 1,G80). 'Der sitich kriechisch Wörter sprichet. Diu aglaster ouch sicli ofte brichet' Renner 3633; 'spilerlin und slüntliu Vertrogen müder hüutlin Diu vor nnwirdc diu Wörter spaltent Oder si su lange in in behaltend 14911; 'so er diu Wörter under zücket Und über si rumpelt unde loufet' 2734; 'wer wil dar um si pfende Ob Swanfclder ir Wörter leugent?" 22303. 2218 u. sonst. 'Alsust di leiden thoren Di nach mit durkeln oren Den selben diuest lyben. Durch di di Wörter styben AUir dinge ane vrucht' Tilo v. Kulm, Sieb, ingesig. (DTM. bd. 9) 2716; 'in der biwerter wise Spricht Salomon der grise' (= Sprüche) 3155. 'In den hebräischen Wörtern' Megenberg 271,34 (aber 2,4 'däutschiu wort'). 'Vil worter schlag ich ab' Meist. Altswert (LV. 21) 235,25. 'Von ... czornigen wörtirn' ^^icol. v. Cosel (Rückert 1878, Entwurf ein. syst, darst. d. schles. ma.) 114; 'das seynt die wort des heyligen ewangelii' 258. 'Aber die tach bort si wol mit einander reden di vrürter' Gesta Roman. (B. ges. NLit. '23) 114. 'Diu zunge ist gar sieht; Du tuost mir Wörter geben' Hugo v. Montfort (LV. 143) 28, 236. ' Retczel adder Sprich- wörter' Apollou., obersächs. (Mitteil. d. deutsch, gesellech. Leipzig 5, 2) 66, 17;

ZUR GESCHrCHTE DER DEUTSCHEN -ER-VLURkhE. 223

'ire kliig-e wisse rede unde sprich wortere' 66,20. 'Under andern worttern sprach er' Volksbücher ~ 1474 (LV. 185) 219. 'Dar zno der tauffer sprechen schol Genautew würter, die mau wol Viudet in der hailig-en gschrift' Witten- weiler, Ring 3 c, 19. 'SubocaJ lebüK bin ich genant, Die Wörter leß gegen der lincken hant' Geyer, Altd. tischzuchten s. 22 (druck von 1492). 'Und ist also der württer sag: Der mensch, der hewt an dissem tag Sich uit pe- trüebt,, der wirt verderben' Sterzinger passiou (hs. nol496; Wackernell, AM. passious.spiele aus Tirol) 1213. 'Wörter' 23a, Albr. v. Eyb 1511 (Augs- bürg), Spiegel d. sitten, nach Kehrein, Gr. 1, § 302. 'Die sprach vnnd auß- legung der worter' Emser 1521, Streitschr. gegen Luther (Neudr. 96/98) 145. Murner hat 'wurter' neben 'wort, worten' nach Lauchert, Alem.18, 147. 'VVie- wol in deutscher sprach nicht viel wurtter sind' Agricola 1530, Sprichw. 1, nach Kehrein, Gr. 1, §302. 'Sprichworter' Aventin (vor 1534), Chronik, Frankf. 1580, 98b, nach Kehrein ebda. 'Also das unther zelien Wörter so ime beuolhen, kaum eines meines gefalleus' Federmann 1557, Reiseber. (LV.47)35. 'Die Sprichwörter" Lindener 1558, Katzipori (LV. 163) 118. 'Waurd(e)r' häufiger in den niederd. bauerncomödien (1661, Amsterdam, LV. 147), vgl. s. 75.

Wo der -r-plural in der älteren spräche belegt ist, hat er eigentlich pluralische function. Eine begriffliche Scheidung zwischen alter und neuer form hat sich erst im laufe des 1 6. j h. ' s aus dem Sprachgebrauch heraus- gebildet, vgl. dazu Molz, Beitr. 31, 343 f.

würuicr, 'als do in die würmer betten durchnagen' Vintler, Blumen d. tugend (Zingerle) 9849; 'den wurmen in der erden' 5711. 'Würmer' 56a, gegen 'wärme, wurmen' 6b. 58b Albr. v. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. Sitten, nach Kehrein, Gr. 1, §280. 'Den todten leybe müssen die worme fressen, das er der wormer speyse wurde' Agricola 1530, Sprichw. 208 (Kehrein); dagegen 'wurme, wurmen' 709. 301. Der kämpf um die neue form erstreckt sich noch über das ganze 17. Jh., vgl. Zesen (1656) 'wurmern', Abraham a St. Gl. 'wurmer wurmen", Grimmeishausen 'wurmen', Hoff- manswaldau 'würmer, würme(n)'; erst im 18. jh. drang unsere heutige pluralform durch, und zwar auf dem ganzen gebiete, änderte doch auch Haller in der 2. ausgäbe seiner gedichte (1734) den gen. 'der wurmen' in 'würmer'. Genauere angaben darüber bei Molz, Beitr. 27, 253. 31,359. Seit dem 16. jh. ist der -r-plural häufiger belegt. Nach Friedrich (Zs. fdph. 33, 71) kommt er in den heutigen mundarten namentlich im bayr.-ostfränk. und thüring.-obersächs. vor; gelegentlich greift er auch auf ndd. gebiet über. Damit stimmen die oben und bei Molz angeführten belege geographisch zum größten teil übereiu. Ich vermute, daß auch dieser -r-plural vom bayr., wohin der früheste bekannte beleg weist, ausgegangen ist, doch glaube ich nicht au die annähme von Molz, Avouach die 'abgeleiteten be- deutungen des wertes = »armseliger mensch, schurke, kiud im zustand schAvacher hilflosigkeit« einen anhält für die erklärung der -r-form" geben könnten. Der gebrauch der form 'würmer' = 'schurken' bei Mathesius hängt sicher mit dem ebenfalls bei ihm belegten, begrifflich nahestehenden 'teuf eis würmer' zusammen; möglicherweise steht hier das simplex einfach als abkürzuug im sinne der Zusammensetzung, wie dies ja auch bei 'wichter

224 GÜRTLER, ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN -^Ä-PLURALE.

= bösewicbter ' u. a. vorkommt. Die versclilimmernde bedeutiiug: ist auf den plural erst übertragen worden, uicbt aber bat sie diesen ins leben ge- rufen. — Dagegen scbeiut mir die bemerkuug Bojuugas, der den einfluß des neutralen gescblechts des wertes in ndd. muudarten verantwortlicb zu machen sucht für die annähme des -r-plurals, fürs md. nicht ganz von der band zu weisen zu sein. Doch könnte für diese nia. auch dialektischer einfluß angenommen werden, vgl. 'türmer".

zeiter ( : zeit, stn.), 'ihre zeiter" Hoffmaus waldau, nach Kebrein, Gr. 1, § 301. Für weitere nachweise aus grammatikern des 17. und IS.jh.'s vgl. Molz, Beitr. 31, 357. In der literatur sind -r-bildungen dagegen sonst nirgends bezeugt. Das collectivum taucht vereinzelt auf, Lehms (a. 1713) 'gezeltern': Molz, Beitr. 31, 371.

zicker (:zic, stm., leise berübrung, neckerei; Lexer 3, 1100), 'fro- likeyd ist allir tzickir eyn tzil' Eberh. Cersne 140i, Der minne regel (Wöber) 728. Die bedeutung 'streit, hader', die der berausgeber angibt, die jedoch sonst nirgends belegbar ist, paßt meiner ansiebt nach hier nicht.

zoagir, 'sarmenta zoagir' Ahd. gl. 1, 245, 3 (10. Jh.).

zokelir, 'crepida zokelir' Ahd. gl. 3, 652, 58 (var. 'zokeln', 12. jb.); zu mbd. 'zockel' swfm., Lexer 3, 1145, 'holzschuh"?

zweiger (:zwi, stm., zweig), vereinzelte bilduug nach 'blätter, läuber (äster)', 'die scbüssling der pämeu meern sich in zwyeger' Albr. V. Eyb 1511 (Augsburg), Spiegel d. sitteu 43 a, nach Kebrein, Gr. 1, § 280.

DÜSSELDORF. HANS GÜRTLER.

STILISTISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS.

Unter den Schülern Gottfrieds von Straßburg- wird neben den beiden fortsetzern des Tristan und Konrad von Würzburg stets Rudolf von Ems g-enannt. Eine arbeit von Krüger i) behandelt die abhängigkeit Rudolfs von Gottfried in bezug auf einzelne stilistische erscheinungen (gleichnisse und bilder, antithesen, Wortspiele). Sie beschränkt sich auf den Guten Gerhard und den Barlaam. Rudolfs Willehalm von Orlens, den Viktor Junk 1905 in einem abdruck der handschrift D den wünsch nach einer kritischen ausgäbe rege machend vorgelegt hat, 2) sei im folgenden zum gegenständ stilistischer Untersuchungen gemacht, die dem einfluß Gottfrieds ihre be- sondere aufmerksamkeit zuwenden, zugleich aber die starke einwirkung Wolframs auf diese dichtung nachweisen wollen.

Der nahezu abgeschlosseneu arbeit nahm ein aufsatz von Leitzmann^) einen geringen teil ihrer ergebnisse vorweg, wies jedoch, zugleich mit der f orderung nach einer stilistischen Untersuchung der werke Rudolfs in die eben angedeutete richtung.

Es kann nicht mein ziel sein, vor der drucklegung der beiden größten werke Rudolfs, des Alexander und der Welt- chronik, ein abgeschlossenes bild der stilistischen eigentümlich- keiten dieses fruchtbaren dichters zu geben. Die beschränkung meiner arbeit auf den Willehalm findet ihre berechtigung einmal in dem bedürfnis nach fixierung des poetischen wertes

1) F. Krüger, Stilistische Untersuchungen über Rudolf v. Ems als nach- ahmer Gottfrieds v. Straßburg. Programm Lübeck 1896, 36 s. ^) Deutsche texte des mittelalters II. ^) Zs. fdph. 43, 301—320.

Beitiäge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. ;1^5

226

HENRICH

des Willehalm, über den sich die entschieden absprechende meinung Zeidlers^) und die preisende des herausgebers^) un- vermittelt gegenüberstehen um nur neuere arbeiten zu nennen. Andererseits hofft meine Untersuchung einer endlichen bestimmung des chronologischen Verhältnisses des Alexander und Willehalm, die an der haud anderer daten nicht möglich zu sein scheint, durch ausbreitung des stilistischen materials des einen Werkes vorgearbeitet zu haben. Eine ähnlich ein- gehende stilistische Untersuchung des in bälde im druck zu erwartenden Alexander wird vielleicht über die chronologische frage klarheit schaffen können, indem sie ihr besonderes augenmerk auf die entwicklung des stils bei Rudolf richtet und den gebrauch von flickwörtern und formein und die an- weudung grammatischer reime, durchgehender reime und son- stiger reimkünste im Alexander und in der Weltchronik im Verhältnis zum Willehalm berücksichtigt. Diese momente habe ich deshalb in meine Untersuchung einbezogen.

In der literarischen stelle des Alexander, die sich von der entsprechenden aufzählung im Willehalm durch die vielfach wohlgelungene Charakterisierung der dichter unterscheidet, spricht Rudolf mit besonderer wärme von dem 'weisen Gott- fried'. ^Vährend die anderen epiker sich mit Avenigen versen begnügen müssen, widmet er dem 'dritten vollkommenen reis' deren 32. Daraus ergibt sich schon, daß er Gottfried über alle anderen meister stellt, und es ist zu vermuten, daß er sich an ihn anzuschließen gesonnen ist, ähnlich wie Gottfried herrn Hartmann vor allen anderen preist und seiner kunst folgt. Ein blick in Rudolfs werke bestätigt die Vermutung. Kein anderer meister war ja auch im äußerlichen so leicht nachzualimen wie der, dessen stilistische formen zu einer bisher nicht gekannten künstlichkeit entwickelt waren. Vergleichen wir das jeweilige Verhältnis der drei bisher gedruckten werke Rudolfs zu Gottfried, so ergibt sich ein doppeltes: die sprach- liche und stilistische abhängigkeit ist in den beiden älteren werken auffallender, der stoffliche einfluß geht im Willehalm weiter. Beides ist nicht nur aus dem verschiedenen Charakter

0 Victor Zeidler, Die quellen von Rudolfs v. Ems Wilhelm v. Oilens. 1894. - «) Beitr. 29 (190i), 448.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 227

der behandelten Stoffe zu erklären, sondern aus dem umstand, daß die beiden legenden sich durchweg an eine vorläge eng anschließen, der Willehalm nur zum geringeren teil. Dort war also der dichter der sorge um führung der handlung ent- hoben, seine ganze Sorgfalt konnte sich der formgebung zu- wenden, hier hatte er sich eine aufgäbe gestellt, der seine epische kunst nicht gewachsen war. Seine erfindungsarmut behalf sich mit der entlehnung zahlreicher motive aus fremden dichtungen, die not des epikers ließ dem Verfasser des Guten Gerhard keine muße zur stilistischen durchbildung seiner Sprache. So haben wir im Willehalm ein werk, das an poeti- schem wert tief unter den ansprechenden älteren erzählungen steht. Zeidler hat in seiner Untersuchung die vielfachen stoff- lichen beziehungen dieses Werkes zum Tristan und anderen mhd. epen nachgewiesen. Seine these: Jehan et Blonde von Pilippe de Remi die vorläge zum Willehalm haben andere i) abgewiesen und dahin berichtigt, daß beide werke auf eine gemeinsame quelle zurückgehen müssen. Diese vorläge durch vergleichung beider dichtungen zu erschließen, hat Victor Lüdicke sich bemüht in einer die ergebnisse Zeidlers über- sichtlicher anordnenden und hier und da erweiternden Unter- suchung. 2) Den stofflichen beziehungen dürfte nicht viel nachzutragen sein. Eine stilistische Specialuntersuchung, auf die Lüdicke ausdrücklich verzichtet (a. a. 0. s. 85) , führt zu reicheren ergebnissen.

I. Zum wortgebrauch. An Gottfried sehe eigentümlichkeiten im wortgebrauch er- innert die häufige Verwendung folgender Wörter 3):

Mrschaft (vgl. Bechsteiu, Aum. zu Tristan v. 4042). 148. 155. 1749. 2978. ... 10164. 11801. 13281. 14784. 14879. 15004;

dmc (statt der speciellen bezeiclmuiig) 456. 575. 1737. 1800. 8182. 9599. 12789. 12823.

1) Singer, Anz. fda. 21, 233; Rosenhagen, Zs. fdph. 27, 421 ; Lambel, Lbl. 1895, S.365.

') Lüdicke, Vorgeschichte und nachleben des Willehalm von Orlens. = Hermaea 8 (178 s.), 1910.

3) Die citate gebe ich in normierter Schreibweise. Für einzelheiten (bezeichnung der länge in den endungen -lieh, liehe) verweise ich auf die mhd. Studien von Zwierzina, Zs. fda. 44 u. 45.

15*

228 HENRICH

Zusaramensetzuugen mit herze-: herzegunst 6053; Jierzeclage 8203; herzeleit 1917; herzeliep 1917. 13362. 3944. 4403. 4895. 5016. 5100. 8253. 8263; herzeliebe 5001. 5009. 5020; herzermwe 600; herzeser 1506. 1873. 8278. 10393; herzenschrik 1934.

heinlich, heinliche (Tristan, Bechstein zu v. 2045) 3559. 3563. 4268/9. 4271. 4320. 4512. 5437. 7547. 8530. 8669. 8677 u. ö.

Adverbiales des endes (Tristan, Bechstein zu v. 5346) 3850. 9180. 10072.

süeze (vgl. Pope, Die auweudung der epitheta im Tristan s. 35 f.). Sehr häufig im Willehalm, z. b. 2719. 2724. 2731. 2745. 2747.

Adjectiva und adverbia auf -lieh, -liehe sehr häufig;*) in den beliebig herausgegriffenen 1000 versen 6000—7000 finden sich 39 adjectiva und 20 adverbia dieser art.

Bildungen mit un- (Tristan, Bechstein zu v. 3862) häufig, vgl. das Wortverzeichnis von Junk.

iif legen (Tristan, Bechstein zu v. 4561) ; im Willehalm immer in der form des part. perf. 364. 842. 9591. 9614. 10360. 10692. 11156. 11666. 11818. 13460. 14143. 15361 (außer v. 9591 immer im reim!).

Doch dies sind nur wenige von den eigentümlichkeiten des Gottfried sehen Wortschatzes und nicht die aul'fallendsten. Alle die Wortzusammensetzungen, an denen Gottfried so reich ist, 2) die coraposita mit -site {hastsite, hovesüe u. dgl.), mit -ge- selle, mit sene-, misse-, über-, eben-, ende-, erbe-, die bildungen mit -sam, die verbalsubstantiva auf -oere werden von Eudolf nicht übernommen. Ebensowenig andere lieblingswörter Gott- frieds wie ange, gebcere, genöte, ge.legenheit, liere, gevallen, nenien, veige, teidinc, tveide. Andere ausdrücke finden sich bei Rudolf sehr oft, die Gottfried gar nicht oder nur sparsam gebraucht.

Die stete Wiederkehr dieser Wörter bedingt eine gewisse eintönigkeit in Rudolfs darstellungsweise. Ich nenne die auf- fallendsten erscheinungen.

Substantiva.

Sehr häufig ])ris (wie auch bei Wolfram).

schal, meist in Verbindungen wie viit färsieclichem schalle, z. b. 3008. 3065. 3847. 5542. 5756,8. 5866 u. ö.

tverdekeit 3. 42. 82. 141. 170. 195. 227. 241. 261 u.s. w. (in den v. 1-6000 41 mal, stereotypes reimwort).

») Über die häufigkeit dieser formen bei Gottfried vgl. Stiebeling, Stilistische Untersuchungen über Gottfr. v. Str. und seine beiden fortsetzer Ulrich v. Thürheim und Heinrich v. Freiberg. Diss. Halle (1!)05, 80 s.) s. 73.

'^) Über die nachahmung dieser eigentümlichkeit Gottfrieds durch die fortsetzer des Tristan vgl. Stiebeling s. 75.

WILLE «ALM DES RUDOLF VON EMS. 229

zip) (meist in der bedeutung ' Zeitpunkt, zeitranm, frist', vgl. Mhd. wb. 3, 883) 556. 636. 1921. 2309. 2377. 2431. 2654. 2757. 3228. 3289. 3482. 3646. 5055. 5211. 5419. 5748. 5840. 5950. 5988. 6155. 6209. 7518. 8069. 8100. 8414. 8514. 8802. 8871. 9012. 9536. 9770. 9818. 10517. 10664. 10780. 10885. 11827. 11982. 12073. 12328. 12769. 13194. 13309. 13674. 13869. 13909. 14164. 14422. 14618. 14873. 14883. 14949. 14952. 15317. 15660 (stereotypes reim- wort auf vil, ivil u. ä.).

Umschreibend: endes siP) 5642. 15599.

Rudolf liebt auch ähnlich wie Wolfram =*) Zusammensetzungen mit sunder-, sunderere 3865. 11479. 13786. 14617; swucfemje 1602. 2516. 14958; sunderrede 3818. 4202; simderrinc 6350; sunderrote 7268; sunderschar 9086.

Umschreibungen. *)

mit Tcraft (mit dem gen. oder ein. adj. zur Verstärkung des nom. begriffs). Z. b. mit so guoter Sprüche kraft 2263; in friuntlicher kraft 2478; siner lugende tvunsches kraft 2573, ähnlich 217. 2725. 3318. 3765. 8889. 9103 u. ö. (immer im reim).

mit kür, z. b. in geselledicher kür 5434; ähnlich 5922. 5983. 6688. 9089. 13655 u. ö. (immer im reim).

mit Site, z. b. mit senedichen siten 487. 633. 637. 748. 1074. 1465 (v. 1—5000 21 mal), vgl. 7359. 10983 (immer im reim).

mit name (vgl. für dieses das Wortverzeichnis bei Junk und Mhd. wb. 2, 306 f.).

mit stiiire 107. 2151. 8496 (immer im reim).

Adjectiva und adverbia.

werlich 686. 689. 693. 707. 711. 895. 915. 991 u. ö.

toise in den versen 1000—4000 33 mal.

algelidie 1680. 2028. 2404. 2518. 3237. 3548. 4518. 4694. 5431. 5000 u. ö.

wU erkant,iverterkant ')u.ägl 254. 340. 483. 1180. 1190. 2335 (2796) u. ö. (immer im reim).

Schmückende beiwörter in häufiger Wiederkehr: ivandelsvrie 1QB6. 1978. 3745. 4788. 6981. 9473. 9775; wolgemäUiu sper^) 6018. 6188. 6402. 7436. 7712. 8453 (vgl. 5980/1.

1) Im häufigen gebrauch dieses Wortes folgt R. Wolfram, vgl. Kinzel, Zs. fdph. 5, 31.

2) Über Konrads Vorliebe für diese Verbindung vgl. Joseph, Klage der

3) San-Marte, Parzival-studien 3, 232 ff. [kunst s. 36. *) Im gebrauch der Umschreibungen mit kraft, kür, site folgt Rudolf

wiederum Wolfram, vgl. Kinzel a. a. o. s. 32. In diesen schnörkelhaften Ver- zierungen sehen wir die anfange eines der Charakteristika der gegen ende des jh.'s in mode kommenden 'geblümten rede', vgl. Ehrismann, Über die minneburg, Beitr. 22, 317.

5) Häufig bei Wolfram, vgl. Förster, Zur spräche u. poesie Wolframs (1874) 8. 10.

«) Öfters bei Wolfram, Parz. 59, 5. 377, 28. 460, 5. 228, 9.

230 HENUICH

Verba und verbalverbindimgen. enein werden^) 9532. 10161. 11299. 11654.

lereit tcerden, bereit sin 242. 753. 784. 812. 905. 992. 1012. 1061 u. ö. Unpersönliches bevün c. gen. 2) 1182. 3070. 2556. 3356. 8074 u. ö. erkant tiion 86. 947. 2630. 3625. 3675. 5536. 7019. 7219. 8520. 8822 u. ö. icerren (unpersönlich c. dat.) 2620. 4084. 4085. 4186. 4219. 4491. 4831. 4884. 4940. 5072 u. ö.

In einigen Wendungen und constructionen glauben -wir wieder den eiu- fluß Gottfrieds zu spüren, so in den formein

linder in zwein (Trist., Bechstein zu 819) 61. 312. 3819. 8129 u. ö. in allen ich (Trist., Bechstein zu 1611) 292. 402. 2049. 2783. 3181. 3695. 3953 u. ö.

in, sunder ividerstrit 292. 298. 5582. 5722. 5967 u. ö. Die formelhafte Umschreibung mit beginnen verwendet Eudolf gleich Gottfried besonders oft, z.b. 2364. 2450. 2452. 2614. 2681. 2732. 2766. 2808. 2813 ....

Im gebrauch des negativen verbums vcnniden mit ntht schließt Eudolf sich an Wolfram an (vgl. Kinzel a.a.o. s. 6— 10), z.b. 3154. 3853. 5115. 5248- 5724. 7911 u. ö.

Nichtssagende flickform ein, bei Gottfried sehr selten (z. b. ein koufschif und delieinez mc 2150, U minen friunden, die ich hän 14042, nicht 3672!) erlaubt sich der weniger sorgfältige dichter des Willehalm öfters:

8941 Do begreif er, daz ist war mit alter daz drizehende jär. Ebenso 4102. 4445. 10189. 15251. 15423. 8193 Diu juncfrouwe sere erschrac daz ir gemahel wolte komen als er solte. 3172 ze rehte rot, ze rehte wiz was er als er solte. Ebenso 1621. 3140. 3884. 6340 u. ü., vgl. auch 8249. 4695 Wilhelm, nu ner dich Got durch sin gotlich gebot. Ebenso 908. 3028. 4837. 9576.

Von Gottfried übernahm Rudolf die Vorliebe für das parti- cipium praesentis, das er jedoch fast nur in attributiver Stellung, hier sehr häufig (in den v. 1 5000 45 mal), seltener prädicativ (1—5000 1379. 1512. 2214. 2943. 3225. 4574. 4759. 4763. 4819)

») Häufig bei Wolfram, vgl. Mhd. wb. 1, 417.

2) Auch bei Wolfram häufig, Parz.24,28. 60,12. 82,20. 150,12. 158,1. 250, 20 u. ö.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 231

oder substantivisch (nur v. 121) verwendet. Das attributive participium wird oft mit einem object verbunden: ere gerend 14. 121. 2081. 3197. 3265. 3349 u. ö.; minne gerend 51. 4340; tilgende gerend 3406. 3975; mmne berend 4i34] lügende, tviinne herend 189. 1028. 3164. 3710 u. ö. Rudolf benutzt auch gern die bei Gottfried häufige i) Verbindung des part. praes. mit si7i und werden, z. b.

247 Sus wärens in gelicher jugent wachsende in nutzlicher tiigent. 14071 Der liehte morgen clär begunde wachsende sin. 10423 von herze gie diu clage

die si was clagende alle tage. 14217 Frou Duzab^le daz lerte wau si den haz verkßrte der ienier wernde wsere wan diu unwandelbsere. ähnlich 1347. 11433. 12545. 14843. 15653.

Die von Gottfried bevorzugte Verbindung dreier parti- cipia in einem reimpaar (z. b.

13997 ist er mir allez streichende listende uude smeichende)

die bei Konrad v. Würzburg sehr häufig vorkommt, findet sich im Willehahn nicht.

Das französische element, das im Guten Gerhard und im Barlaam, dem stoff und der spräche der vorläge entsprechend, fast gänzlich fehlt, tritt auch im Willehalm nicht sehr stark hervor, geht ja nur etwa ein viertel der dichtung auf eine französische vorläge zurück. Die bei Gottfried häufigen franzö- sischen begrüßungs-, abschieds- und dankformeln^) fehlen im Willehalm ganz. Außer den ganz gewöhnlichen fremdwörtern haben Rudolf und Gottfried folgende gemeinsam: garzun, gentil, harnascli, Jcroijieren, Tiumpanie, leisieren, parrieren, plänje, present, puzele, rivier, {samelieren), schiimpfentiure , trihte^) (triste), tsclievalier, ßer, (walopieren^)).

1) C. Lüth, Der ausdruck dichterischer individualtiät in Gottfrieds Tristan. Programm Parchim (1881), s. 28.

2) Vgl. E. Lobedanz , Das französische element in G.'s. v. Str. Tristan, Diss. Rostock 1878, s. 18.

3) Vgl. das Wortverzeichnis bei Junk. ") Vgl. Diez, Wb. s. 154.

232 HENRICH

Die anderen kennt der Tristan nicht: larhier,^) lovel,"^) gdline, (halbieren), krie,^) Jcroijierwre, marMs, (natüren), nol'elier, jpardriseJdn , rabine, schalander ,*) seitiez,^) saldier, soldieren, tamhür, trunzun,^) htrhopel,') ussier, fälieren.

Französisclie sätze finden sich überhaupt nur zweimal nahe beieinander als ausruf: 2029 ei dcus hi a feit; 2035 ei de France trihte gent, beidemal mit abhängigem satz.

Außerdem werden noch einigemal personennamen mit französischen attributen verbunden: 659 li duc genta de Lorens\ le Jcunte de sancte Gißis 641. 1085; ßlehgunt {= ßs du comte) 526. 594. 666. Endlich die Wendungen la hea imzele 10892. 11728; pitit mangier 987. 6605. 11143.

IL Ästhetische figuren.

Der weite abstand Rudolfs von Gottfried, zugleich der mangel an poetischer anschauung des epigonen wird recht deutlich bei einer betrachtung der bildlichen elemente in Rudolfs darstellung. Rudolf mangelt die Originalität in aus- wahl und anwendung bildlicher elemente. Im Willehalm findet sich kein ausgeführtes gleichnis. Die wenigen an- gedeuteten enthalten auch keine eigenen gedanken. Gleich zu anfang heißt es von der Stimmung des dichters, der sich einem ungeduldigen zuhörer gegenüber sieht:

V. 26 er (der zuhörer) duuket iu also sweere

als ob in drukte faste

ein berc mit sinem laste.

Diesen nicht eben gewöhnlichen vergleich könnte Rudolf aus dem pseudohartmannischen büchlein entnommen haben: 162 daz ist ein bercswserer last leides minem libe.

Ein ähnliches bild^) in gleicher Situation im Willehalm:

1) Öfters bei Wolfram, Parz. 155, 7. 265, 27. 598, 1.

2) Desgl. Parz. 18, 22. 350, 29. 408, 3.

8) Desgl. Parz. i78, 30. 739, 24. 80, 3. 379, 27.

*) Vgl. das Wortverzeichnis bei Junk.

^) Desgl. 668, 1. 686, 17. 826, 17.

«) Parz. 106, 17. 480, 7. 262, 18 u. ö.

') Parz. 386, 9. 681,20; Wh. 18, 17. 170,19. 185,1. 304,26.

*) Ähnlich heißt es in Konrads klage der kunst zweimal (19, 3. 31, 3)

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 233

9796 Nu druket micli ein bürde diu ist immäzeu swaere: begin ich miner msere . . .

In der beschreibung des aussehens des Willelialm, die Rudolf, ein auch von Gottfried beobachtetes i) episches kunst- grincip befolgend, bei der gelegeuheit gibt, als zu Cöln aller äugen sich auf den fremden ritt er richten, heißt es:

3168 val reide was sin här^) lieht als ein gelwe side als ez juncfrouwen blide gemachet hätten durch ir fliz.

An Erec v. 2051 {ir sattel ivol behängen: wan da was gar gevangen sivaz ir tvart gestouhet) erinnert der vergleich: 7732 Die eilenthafte ritterschaft stoubete der degen guot reht als ein gervalke tuot vil kleiner vogelline.'')

Neben den allgemein gebräuchlichen vergleichungen ivizcr danne ein sivän v. 1040; rot als ein hliiot 14461. 14696; griiene als ein gras 6382; ir tugent hluot in hluomen ivts v. 197; die glasten als ein Spiegelglas 6012; gold...daz gelich dem fiure Iran 6385 findet sich nur einer, den ich anderwärts nicht be- legen konnte:

11396 Do stach Gutschart der wise man

sin sper üf den wisen

daz man ez sach zerrisen

als noch die dürren smelehen tuont.

Der vergleich:

7655 von spern wart groz krachen rehte als dürre spachen horte man sie brechen

ist wohl einer stelle im Parzival nachgebildet:

mit bezug auf die Wechselwirkung zwischen dichtung und publicum : siccere alsam ein hli.

1) Vgl. M. Heidingsfeld, Gottfried v. Straßburg als schul er Hartmanns V. Aue. Diss. Eostock 1886, s. 19.

'^) Vgl. Tristan v. 3334 brünreideloht tvas ime sin här (M!) vgl. Tr.4698f.

») Vgl. auch Germ. 7, 438; ferner Graf Rudolf Fb, 25—50 u. Bethmann. Untersuchungen über die mhd. dichtung vom grafen Rudolf (Palaestra 30) B. 146.

234 HENRICH

219, 7 do wurden an den stunden sin hende also gCAvunden daz si begunden krachen als die dürren spachen.

Häufig finden sich im Willehalm vergleiche allgemeiner art, die darin bestehen, daß irgend ein Vorgang nicht durch die beziehung zu einem ähnlichen aus anderer Sphäre ver- anschaulicht, sondern mit dem allgemeinen, typischen verlauf derartiger Vorgänge gleichgesetzt wird ') (z. b. siveic er als die siumbcn tuont 10019). Diese ausdrucksweise entspricht Rudolfs neigung zu typischer darstellung. Auch bei Gottfried sind derartige vergleiche nicht selten. Anklänge an den Tristan sind auf diesem gebiete bei Rudolf nicht festzustellen. Die Wendung:

3490 Nach ritterlichem rehte

empfiengen sie die geste wol als mau noch liehe geste sol

die an Tristan v. 5870 erinnert, findet sich ähnlich im Erec V. 178 und anderwärts. Ich zähle die hierher gehörigen stellen auf: 774. 1621. 3908. 4824. 5902. 8177. 8693. 10019. 10551. 12090. 13742. 14838. 14848. Rudolf bezieht diese typisierenden vergleiche gerne auf die gegen wart: so wie es heute noch in solchen fällen zu geschehen pfiegt:

3885 "Wilhelm vor im stuont

als noch die juncherreu tuont.

Ahnlich 1316. 1748. 2078. 2597. 3068. 3784. 3880. 5224. 7032. 10837. 11028. 11399.

Man hat neuerdings mit recht einspruch erhoben gegen die gepflogenheit, die poetischen bilder nach den anschauungs- kreisen zu ordnen, denen sie entnommen sind. 2) Mag diese art auch den psychischen Vorgängen in dem schaffenden dichter und dem wesen der metaphern nicht gerecht werden, so schien mir doch ein festhalten am herkömmlichen in dieser arbeit

*) Vgl. Roetteken, Die epische kuust Heiurichs v. Veldeke und Hart- manns v. Aue 1887, s. 86ff. Leistner, Über die vergleiche in G.'s v. Straß. Tristan mit herücksichtiguug des metaphorischen elemeutes im engeren sinne. Diss. Leipzig 1907, s. 58—63. Heidiugsfeld a. a. 0. s. 20.

'') Für die neuere literatur Th. A.Meyer, Das stilgesetz der poesie 1901. Elster, Principien der literaturwissenschaft 1, 1897. A. M. Wagner, Das drama Hebbels 1910. Eieß, Heiuses romantechnik 1911.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 235

empfehlenswert, soweit der geringe verrat an bildern eine solche einteilung überhaupt zuläßt. Eudolf ist kein dichter, der innerem drang gehorcht, und dessen dichtung die objecti- vierung eines psychologischen gesetzes im dichterischen schaffen zu beobachten erlaubte. Das denken in bildern ist ihm nicht natürlich, er bemüht sich im eigentlichen sinne um den schmuck der rede, er holt ihn von außen herbei. Zur beibehaltung der gebräuchlichen einteilung bestimmte mich auch der umstand, daß die mehrzahl der bisherigen Stiluntersuchungen in dieser art angelegt ist, und gleiche anläge einen vergleich dieses gebietes mit anderen dichtungen erleichtert. Und dies schien mir wesentlich zu sein für eine Stiluntersuchung über einen von anderen dichtem vielfach beeinflußten epigonen.

Die mehrzahl der bilder im Willehalm entstammt dem Pflanzenreich. 1) Die Vorstellungen 'blume, blühen' benutzt Rudolf sehr oft:

4422 siu muot gen tilgenden bluote 7430 Wilhelm und Avenis

die bluomeu rehter milte 12296 nu blüemet^) mir allez das guot daz mir ist von iu geschehen ähnlich 3734. 4054.

18210 gen blüender bluot blüendiu bluot.

Oft verbinden sich die Vorstellungen des wachsen», des wurzelns, der frucht mit der des blühens:

245 diu was in wiplicher zucht

nach blüender bhiot ein berude frucht (nämlich Ilie im vergleich zu ihrem gatten) ähnlich : 1639. 2718. 2724. 15411-15417.

V. 4928 und huop in sinem herzen sich

von liep ein soliche siimerzit

sunder leides widerstrit,

daz allez sin gemüete

bluot in so süezcr blüete

daz wunnecliche blüemelin

möhten da gewachsen sin^)

waeren sie gewurzet da.

') Auch im Guten Gerhard und im Barlaam, vgl. Krüger a. a. o. s. 4. ^) Imperativ, transitiv etwa = die kröne aufsetzen, ä) Vgl. Tristan 4715 als ob si da gewachsen sin.

236 HENRICH

Man beachte, wie Rudolf mit dem letzten conditionalsatz das bild wieder zerstört, indem er damit auf die Irrealität der Vorstellung hinweist. Wie wenig anschauliche kraft im all- gemeinen die bilder bei Rudolf haben, beweist ihre Zusammen- stellung mit Vorstellungen, die ganz anderen gebieten an- gehören, z. b.

6847 Frouwe, aller tugende ein Spiegelglas, ein cron, ein bluome, ein adamas wiplicher güete.

Die nebeneinanderstellung der bilder von der zarten blume und dem festen diamanten, die beide die weibliche gute illu- strieren sollen, läßt auf die abblassung dieser bilder schließen. Die ganz einwandfreien verse Hartmanns im Armen Heinrich i) (62), die Rudolf wie so manchen andern vorgeschwebt haben:

er was ein bluome der jugent,

der werlte fründe ein Spiegelglas,

stpeter triuwe ein adanaas

hat Rudolf, nur wenig variiert, noch mehrfach benutzt:

12550 Er was ein bluome ganzer tugent stfeter triuwe ein adamas milte und zuht ein Spiegelglas und 2033 der äne valsch ein bluome was und staeter triuwe ein adamas.

Andere dem leben der organischen natur entnommene bilder sind:

3802 sunder valsche neige

wuochs ir pris so gar üfreht. 12154 diu msere wuchsen schiere do in diu lant . . . 7582 (ich) wuohs in hohem muote sider 4850 ir munt in rosenroete erschein 8722 der ougen wunne ein meienris 6277 Liep, alles liebes bluomenschin . . . mines liebes bluomenkrauz»)

») Daß die verse 10256—258 aus dem Armen Heinrich v. 208— 204 übernommen sind, Avurde schon von anderen bemerkt, vgl. Baechtold, Gesch. d. dtsch. lit. in d. Schweiz s. 32 der anmerkungen.

*) Vgl. Parz. 122, 13 aller manne schuine ein bluomen kränz. Über die bildliche Verwendung von Jcranz bei Wolfram vgl. Bock, Wolframs bilder und Wörter für freude und leid (QF. 33) s. 33.

WILLEHÄLM DES RUDOLF VON EMS. 237

10428 nu wil ich aber wider komen

an der äventiure stam*) 15523 den kunic Willehalmen

sach (man) des Wunsches palmen

mit des lobes sige tragen.

All Gottfrieds poetische worte über den ersten deutschen kunstepiker, die Rudolf auch in der einleitung zur literarischen stelle im Alexander paraphrasiert hat, gemahnen die verse 4037 (Frou Minne) belzete in sin gemüete

ir zwic mit blüender blüete;

diu begunden würzen da

mit kraft in sinem herzen sä. Zu dem bild 1021 Und sol ich der riuwen kränz

mit jämer iender machen ganz

dekeinem werden wibe vgl. Parz. 461, 18 daz diu riuwe ir scharpfen kränz

mir setzet üf werdekeit.

Als Rudolfs eigentum dürften die folgenden bilder schon ob ihrer gezwungenheit anzusprechen sein:

1026 Swä der früuden grüenen cle diu riuwe machet bluoticvar'-) an also wuunebernder schar

und gleich darauf

1031 wie der ere bluomen da

diu riuwe strüute üf leides slä.')

Aus dem Parzival ist ferner das bild entnommen:

13337 Swer do frou Amalien sach der muoste jehen unde jach bäte in diu naht daz lieht genommen ez wsere in mit ir wider komen. Parz. 84, 13 frou Herzeloyde gap den schin,

waern erloschen gar die kerzen sin, da wser doch lieht von ir genuoc.

Aus zwei stellen des Parzival (73, 15 und 281, 12) ist folgendes bild combiniert'»):

^) Vgl. Parz. 678, 30 an den rehten stam diz mcere ist konin.

*) Yergieichscomposita (zu Gottfried vgl. Leistner a.a.O. s. 87 89) finden sich nur selten: röserdt 4064 (4850), schameröt Albl. 13919, silherwiz 5982. 7391.

ä) Vgl. Parz. 533, 5 sus breitet sich der riiven slä.

<) Leitzmann, Zs. fdph. 43, 305.

238 HENRICH

6646 Wsere ein niuleise

von sne an derselben zit so dike üf daz velt gesnit so vil der sprinzeu üf daz gras geströut von den spern was, ir wsere ze spor genuoc gesin.

Die gestirne des liimmels, denen Gottfried mit Vorliebe seine edlen fraueugestalten vergleicht,') verwendet Rudolf im Willelialm nicht. Auch dem reich der tiere, der vögel entnimmt Rudolf im gegensatz zu seinem meister kein bild, abgesehen von den beiden schon citierten (1040. 7735) und der bildlichen Wendung dine höhe swehenden fliege 3284; auch dem jagdleben nicht. Das bild

13991 Ir lip, ir triuwe, ir minne, ir herz, ir muot, ir sinne, ir ruiunebernden ougenblic vläbten sich an einen stric*) den nieman künde entwinden an des Wunsches kinden.

ist nicht von der jagd hergenommen.

Wolfram 'verrittert' das Universum, Gottfried verschmäht es, bei der Schilderung ritterlicher kämpfe und Verhältnisse sich aufzuhalten, und verstößt wiederholt gegen die ritter- lichen gesetze.3) Er vermeidet geradezu jeden aus der ritter- lichen rüstkammer entnommenen schmuck der rede.^) Rudolfs Interesse ist im Willehalm vorzüglich auf ritterliche kämpfe gerichtet. Der fast gänzliche mangel an ritterlichen bildern im Willehalm würde uns sagen, wie wenig innere anteilnahme er diesen dingen entgegenbringt, wüßten wir das nicht aus der eintönigen darstellung der turniere und der kämpfe in Norwegen und auf der insel Desilvois. Die einzigen ritter- lichen bilder sind:

1) Vgl. Preuß, Stilistische Untersuchungen über Gottfr. v. Str. (Straßb. Studien 1, 1882) s. 45 f. Leistner a. a. o. s. 25 ff.

2) Über die bildliche Verwendung von stric bei Gottfr. vgl. Preuß a. a. 0. s. 52 f. ; Hansen , Die ausdrucksformen der affecte in Gottfrieds Tristan. Diss. Kiel 1908, s. 96 ff.

3) Piquet, L'originalite de Gottfried de Strasbourg dans son poSme de Tristan et Isolde. Lille 1905, s. 324.

*) Vgl. Preuß a. a. o. s. 44. 52.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 239

204:3 Allen werden frouwen ist an im verhouwen der fröuden schilt, der sselden kränz.

Die letzten werte sind bezeichnend für die unanschaiüich- keit von Eudolfs Vorstellung.

5189 Vor dem winter, e daz mer mit winde setze sich ze wer 80 kum wider her ze mir. 11733 Mir hat din süeze minne muot, herz \md sinne gevaugen und gebunden, mit sig überwunden.

und gleich darauf die Wiederholung:

11746 dennoch bindet mich diu hant, die diner süezer minne rät geleit au mich mit kreften hat.

und etwa noch:

12198 der tugende wünsch bete an in fluht 14764 vertreib diu naht den tac.

Der dichter des Barlaam entnimmt im Willehalm kein bild dem religiösen leben. Wie die zwar häufige, aber durch- aus gleichgültige nennung gottes in beteuerungen, so läßt auch das eine bild, das von gott spricht, nicht auf besondere frömmigkeit schließen:

10133 liebte heude wiz

au den lac hoher gotes fliz.»)

Es bleiben noch einige, meist menschlichen Verhältnissen entnommene bilder.

7505 Sin ors viel von Stiches kraft

dem leiste er geselleschaft

mit vallene üf dem ringe dö. 9497 tuet er sin niht, so sol sin leben

ze buoze sich den schulden geben.

Die bildliche Verwendung von kröne und Jcrcenen,'^) die zu nahe lag, als daß Gottfried sie öfters hätte verwenden sollen, 3) liebt Rudolf besonders.^)

1) Aus Parz. 88, 15 viü ir linden handen xciz : an den lac der gotes fitz (nach Leitzmann a. a. o. s. 306).

2) Häufig bei Wolfram, vgl. Bock a. a. o. s. 33.

3) Vgl. Preuß a.a.O. s. 57.

*) Auch im Guten Gerh. und im Barlaam, vgl. Krüger a.a.O. s. 5.

240 HENRICH

553 diu im sin hobgemüete

krönte mit ir güete 3725 die kröne hohes muotes und wertliches guotes. Ähnlich: 16. 1639. 2042. 2884. 2906. 3261. 3402. 3725,9. 3790. 3984. 6848. 8034. 13330.

Die allgemein gebräuchliche') Wendung Spiegelglas findet sich im Willehalm mehrfach.

168 aller tugeude ein Spiegelglas 12552 milte und zuht ein Spiegelglas. Ferner 3162. 6012. 6847. 10435. In ähnlicher Verwendung sunnenglanz."^)

2046 der werlte lobes sunnenglanz 6280 miner fröuden sunnenglanz 3720 aller schoene sunnenglanz. Über die entlehnung der hyperbolischen wendung aus "Wolfram 6392 daz muoste entgelten der walt ■wan den swante ir beider bant

Vgl. Leitzmann, Beitr. 14, 151.

Aus dem Parzival stammt ferner

1186 nam diu riuwe leiden zoP) an dem ellenthaften man

und kurz darauf ein verwandtes bild:

1214 begunde zinsen sich

diu früude riuweclicher not.*) 10430 an libe, an muote, an fröuden lara^) (Amalie war so tugendhaft):

3808 daz sich nie ouge an ir versneit") mit der gesibt, ez funde an ir allez sines herzen gir.

Die seltene bildliche wendung:

4918 im wart so wol und so vil baz

>) Vgl. Maßmann zu Eraclius s. 375.

'') Als compositum sonst nicht belegt (Junk, Wortverzeichnis).

') Parz. 185, 12 da gap diu diet von fröuden zol.

*) Parz. 248, 6 was shi scheiden dein ze fruo an der flustbeeren ztt dem der nu zins von fröuden git.

6) Vgl. Parz. 125, 14. 505, 10 an fröuden lam. Wh. 112, 20 sin fröude was an kreften lam. Parz. 287, 8 an hohem muote lam.

ß) Vgl. auch Berth. v. Holle, Crane v. 1661 vil ouge sich an ir versneit.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 241

daz sich daz herze küme enthielt daz ez niht von fröuden spielt

findet sich auch in Konrads Silvester

4837 daz im enzwei daz herze spielt ( : wielt).

Der verrat an bildern ist mit den folgenden erschöpft: 372 do er die slihte riuhen sah^) 8056 mines herzen ougen^)

sehen dich ze aUen ziteu an 8976 der höhgemuote niinneudiep 9748 der äventiure tor 10353 so koufte ich willeclicheu mir

groze uusaelde und ouch ir 11112 . . . daz er viel uider üf daz gras

lind daz kleine grüene gras

daz senf teste bette was 12231 Sit si den slüzzel bi ir hat

in dem des herren rede stät 12924 wan si sines herzen pflac

und siner zungen sloz besloz^*) 14203 mit minuen was ir haz bedaht ( : naht) 14238 des landes heil und sseldenstein 15462 er neigete sinen hohen muot

nider zuo den guoten;

ob den hohgemuoten

truoc er den muot höhe enbor;

sin lop lief in allen vor.

Rudolf neigt zur häufung und zur spielerischen Ver- wendung bildlicher Vorstellungen, die dadurch an plastischer kraft verlieren oder etwas pretiöses bekommen. 3790 des Wunsches kröne vie

bi der haut des Wunsches kint. Zwei kint da bi einander sint, diu der wünsch nach wünsche gar ze Wunsches kinde im gebar. 3718 sähen die Brabande

den wünsch, des Wunsches wunnenkranz

1) Vgl. Parz. 74, 30 da icart rück diu reise.

2) Über das vorkommen dieses bildes seit Otfrid bis Wolfram vgl. Bock a.a.O. s. 35.

^) Über die bildliche Verwendung von sloz, sliezen bei Wolfram vgl. Sau Marte, Parzivalstudien 3, 244.

Beiträge zur geschichte der deuUchen spräche. XXXVIII. \Q

242 fiBNRICH

und aller seboene sunuenglauz, der werlte lop, der sselden pris, der Ollgen wiinne ein meienris, der herzen fröude ein twinge, nach swasre ein liep gediiige, die kröne liohes muotes und werltliches guotes, ein Überguide von sender not, den schür und herzeleides tot und alles lobes kröne sitzen dort vil schöne.

Auch das folgende bild hat etwas gezwungenes: 3160 In des Wunsches galmen geloetet und gemälet was au im der schoeue Spiegelglas, als ez gewunschet solte sin.

Die bildliche Verstärkung der negation meidet Rudolf im gegensatz zu Gottfiied, der sie von allen mhd. epikern am häufigsten verwendet^) Von den drei Umschreibungen, die bei den ralid. dichtem aller Sprachgebiete am häufigsten sind 2): niht ein här, {nilit) ein iviht, (niht) ein ivint, finden sich im AVillehalm här 11979, wiht 4835, ivint 3157. 10405. Für die beiden älteren dichtungeii Rudolfs bringt Zingerle in seiner umfangreichen Sammlung außer den genannten nur noch fuoz bei (Bari. 359, 32).

Die darstellung verwickelterer psychologischer Vorgänge bei Gottfried, seine kunst, das keimen und wachsen eines ge- fühls, einer leidenschaft zu schildern, beruht großenteils auf der personification.^*) Trost, zwifel, zorn, arcivän, tvipheit, iriuwc, ere, riuive werden als lebendige menschliche wesen gefaßt, die den menschen ansprechen, ihm raten, ihn warnen, ihn antreiben, ihn begleiten; entweder kämpft der mensch mit ihnen, oder es sind zwei gegensätzliche geflihle, die einander befehden, und von denen jedes den menschen auf seine seite zu bringen sucht. 4) Diese art der personification hat Gottfried

') Preuß a.a.O. s. 65; Leistner s. 50 ff.

'*) Iguaz V. Zingerle, Über die bildliche Verstärkung der negation bei mhd. dichtern. = Sitzungsber. d. k. acad. d. wiss., phil.-hist. classe. 1862, s. 414-477.

3) Vgl. Preuß a.a.O. s. 21£f. ; Hausen a. a.o. s. 51 ff.

*) Vgl. auch Bock a. a. 0. s. 7.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 243

ZU hoher Vollendung' entwickelt, während er sich sonst dieses kunstmittels fast gar nicht bedient, i) Eudolf versucht es einmal, Gottfried auf diesem gebiet nachzuahmen: Amalie schwankt, ob sie der guten nachricht über Wilhelm glauben soll:

12716 Der zwifel und diu zuoversiht täten ir wol unde we: si tröste der gedinge nie gen fröude gernder zuoTersiht denne in der werlte anders iht; der zwifel ob erz waere fuogete ir vil groze swsere.

Von Wolfram übernahm Eudolf die form des gesprächs mit frau Aventiure, frau Minne u. ä. Frau Aventiure hat Wolfram in das epos eingeführt. In der berühmten scene zu anfang des 9, buches, die von späteren, Eudolf von Ems, Ulrich von Türheira, Eeinbot von Durne und dem dichter des jüngeren Titurel mit geringerer kunst nachgeahmt wurde.'-)

Eudolf beginnt das 2. buch des Willehalm mit einem Zwiegespräch mit frau Aventiure. Diese scene ist nach der erwähnten einleitung zum 9. buch des Parzival und dem an- fang des Wigalois componiert. Von Wolfram übernimmt Eudolf die form des dialogs, von Wirnt einzelne gedauken und Wendungen. Gleich die ersten verse Eudolfs schließen sich eng an den Wigalois an:

Willehalm v. 2143 Wigalois v. 1

Wer hat mich guoter her gelesen? Wer hat mich guoter uf getan.

Ist ez iemen gewesen Si ez ieman der mich kau

lebende in solicher wise Beidiu lesen und versten

lop er mich dez mich prise . . . Der sol genäde an mir hegen. ez si man oder wip . . .

Bei beiden fragt frau Aventiure, dort wer sie begonnen, hier im anfang des 2. buches wer sie bis hierher gedichtet habe. Bei Wirnt bittet frau Aventiure um nachsieht, ver- wahrt sich vor valscher rede, gesteht, daß die dichtung kein vollkommnes kunstwerk sei, hofft doch auf den beifall der urteilsfähigen. Bei Eudolf bittet frau Aventiure, sie nicht zu verlieren, jeder möge ihren dichter unterstützen. Dieser

1) Grimm, Mythologie* s. 744. Vgl. zu diesem abschnitt auch Richard Galle, Die personificatiou in der mhd. dichtung, 1888.

2) Grimm, KI. sehr. 1, 88.

16*

244 HENRICH

glaubt nicht die nötige kunst zu besitzen, hofft aber die gunst seines auftraggebers und den beifall aller guten leute zu er- halten. Ans dem gesagten ergibt sich Übereinstimmung und unterschied. Eudolf faßt ebenso wie Wolfram die Aventiure als die personiflcierte erzählung, Wirnt meint die nieder- geschriebene erzähluug, das gedieht. J.Grimm deutet in dem eben citierten aufsatz diesen unterschied an.') Wirnt bringt die scene zu anfang des ganzen Werkes, Rudolf nach dem ersten buch! Das iif tuon bei Wirnt möchte ich nicht wie Grimm mit 'das buch aufschlagen' übersetzen, sondern in über- tragenem sinne mit 'anfangen = zu lesen anfangen' inter- pretieren. Übrigens ist diese ziemlich seltene wendung wohl als ein bewußter anklang an A^'olframs werte tuot üfl zu er- klären. Das Zwiegespräch mit frau Aventiure verwendet Eudolf noch einmal zu anfang des 5. buches, die Wirkung dieses Intermezzos durch die Wiederholung wesentlich ab- schwächend: hier redet der dichter die frau Aventiure an. Er schlägt ihr vor, sie beide wollten den beiden der erzählung nun aus ihrer not helfen und ihnen nach leid nun wieder liebe schenken (12205—12272).

Mehrmals wird frau Minne eingeführt. Ein Zwiegespräch wie dasjenige Hartmanns im Iwein führt der dichter zwar nicht, er spricht immer allein. Einmal richtet er die vor- wurfsvolle frage an sie, weshalb sie nun auch die kinder in ihren gehorsam zwinge, während doch meister Walther gesagt habe, sie kümmere sich nicht um sie. 2) Nun möge sie ihnen von ihrer not helfen (v. 4456 4485). In längerer rede wendet sich der dichter dann am Schluß des 3. buches an frau Minne (96G1— 9734). Wieder macht er ihr einen Vorwurf -'): daß sie sich mit frau Unmäze gesellt habe, anstatt diese ihrem Jcempfe, der frau Mäze zu überlassen. Wilhelm, Amalie, Avenis, alle

1) A. a. 0. s. 89.

2) Spruch von minne u. kiuderspiel 102, 1 ; vgl. Laclimauns aumerkung. ä) Diese vorwurfsvollen fragen au frau Minne hat E. offenbar Wolfram

nachgebildet (Parz. 291, 1 ff. 585, 5 ff.; Wh. 55, 10), auch im ausdruck finden sich anklänge: v. 96G1 Frou Minne, rietet ir den schaden, mit dem si sint überladen? vgl. Parz. 291, 1 Frou Blinne, tvie tuot ir so, daz ir den trnrgeti machet frö mit kurze tcernder fröude? 9GG6 ir möhtet iuch des gerne schämen, daz iu geselleclicher pfliht ein frouive . . . giht ; vgl. Parz. 29 1 , 15 froti Minne, ir habt ein cre, und tccnc decheine mere. frou Liebe iu geselleschaft.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 245

hat sie zu schaden gebracht (über den nun folgenden, gegen Gottfried gerichteten excurs vgl. unten s. 270). Und noch ein drittes mal muß frau Minne einen Vorwurf, in parenthese, hören, weil sie ihre kraft an einem armen gefangenen zeigt (11782—786). Eine ähnlich beiläufige frage an frau Minne findet sich v. 12979/80.

In den besprochenen fällen stellt der dichter frau Minne ob ihres tuns zur rede. An anderen stellen wird von ihrem tun erzählt: sie hat die getrennten in liebe vereint (4976 ff.), sie belädt die liebenden gleichmäßig mit ihrem schaden (5025). Bemerkenswert ist v. 4033 ff. Frau Minne erscheint hier als überlegendes, mit absieht in die geschehnisse eingreifendes wesen. Die meist nur auf handlung sich erstreckende personi- fication ist hier auf verstandesmäßige reflexion ausgedehnt:

4033 Do frou Minne wart gewar (laz er nach ir rate gar von herzen und von sinnen ir uamen künde rainnen, si belzete in sin gemüete ir zwic mit hlüender blüete; diu begunden würzen da mit kraft in sinem herzen sä.

Endlich spielt auch noch frau Eiuwe eine stumme rolle. Ebenso wie später frau Minne muß sie eine ganze reihe von vorwürfen des dichters anhören am Schluß des 1. buches 2095 ff. Ihr wird die schuld an dem tod so vieler ritter in dem kämpf zwischen Brabant und Hennegau zugeschrieben. Der tod hat sich eine zahlreiche gesellschaft ') geholt (2122 ff.), der leider ja immer am liebsten gerade die packt, die in der vollen kraft des lebens stehen. Von anderen weniger energischen personi- ficationen findet sich nicht viel bemerkenswertes. Allgemein üblich sind Wendungen wie des ivunsches harn 3743, der scelden harn 12045, der tcerlte tvunsches kint 10406, des lohes hcehste amie 10408 (ähnlich 3791. 3794. 8583. 12181. 13213. 13996. 14793. 14937); ebenso Wendungen wie wm ivän hcirouc mich an dir nie 2966 (ähnlich 2913 ff. 3210 ff. 3401. 3610 f. 13804. 15466 u. ö.).

Ich merke noch folgende an:

1) Zu V. 2122 f. vgl. wieder Parz. 291, 15.

246 HENKICH

1186 do Dam diu riuwe leiden zol an dem ellenthaften man

3622 des herren name fürder stät und muoz beliben vor der tür.

III. Phonetische figuren.

Prenß hat Gottfrieds freiide an alliteration und Wortspiel richtig auf seinen hang zur spielenden behandlung des wort- materials zurückgeführt, ein musikalisches princip in diesen erscheinungeu yermutet. i) Gottfrieds musikalisches gefühl zeigt sich nicht nur in diesen klangspielen, sondern auch in dem Wohlklang, dem gefälligen rhythmus, der Sprachmelodie seiner verse.^) Rudolf fehlt dieses feine musikalische empfinden. Eine Untersuchung des declamatorischen gefühls^) Rudolfs, wie es im Willehalm zutage tritt, würde uns zu weit abführen. Dazu bedürfte es eines umständlichen textkritischen Verfahrens, das auf grund des bisher erst vorliegenden handschriften- abdrucks und der sehr sparsam gegebenen Varianten vorläufig unmöglich ist. 4)

Gottfrieds kunst spielender behandlung des materials nach- zuahmen, dazu fehlt es Rudolf an der souveränen beherrschung der spräche. Seine Avortspiele bestehei\ vielfach in einfachen Wiederholungen. Dieses bequemen äußerlichen schmuckes be- dient sich Rudolf sehr gerne. Die schwierigere form der alliteration findet sich selten. Schüttet Gottfried eine fülle von alliterationen über seine dichtung aus,^) so benutzt Rudolf kaum den schätz allgemein üblicher alliterationen e): liep und

') Preuß a. a. o. s. 4.

'*) Sievers, Sprachmelodiscbes in der deutschen dichtung. = N. jb. f. d. class. alt. 9, 53—67.

^) Vgl. C. Kraus, Metrische Untersuchungen über Keinbots Georg. Abb. d. k. ges. d. wiss. zu Göttingen, pbil.-hist. cl. NF. bd. 6, no. 1 (1902).

*) Ich kann hier auch nur hinweisen auf die beeinflussung der vers- melodie durch das enjanibenieut, das sich bei R. ähnlich wie bei "Wolfram häufig findet. Vgl. 0. Reiueke, Das enjambement bei Wolfram v. E. Progr. Rudolstadt 1901. Auch P. Claus, Rhythmik u. metrik in Seb. Brants narren- schiff (= QF. 112) 1911, s. 104-108.

*) Vgl. die reiche Zusammenstellung bei Preuß a. a. o. s. 5—8.

*) Konr. V. Würzburg überbietet in alliterationen seinen meister noch : Haupt zu Engelhard 3465.

WILLEHAf.M DES RUDOLF VON EMS. 247

leit 41. 12252, laster unde leit 11878, lehen unde Up 188. 3973. 11527. (12536). 15213, Hute unde laut 415. 277. 11810, mit tverken und mit icorten 715, durch heim, durch houhet 1121, nach mägen und nach mannen 10833, miniu Ichen, mtniu lant 3118, an Übe an lobe 249.

Weniger geläufige Verbindungen sind:

a) Wörter derselben syntaktischen function:

kunst unde kraft 236. 7671. 10951 rüeren und anreicheu 1375 wunschliche und wol bereit 7417 wol und werliche 8743.

b) Wörter verschiedener function:

der wise wigant 517. 1112. 9118. 9285. 11088

der werde wigant 485. 10399. 12175. 12629

der wise, werde wigant 15097

ein wiser wartman 774

der werde wise man 9434

in rehter rime rihte 2324

der werlte wünsch mit werdekeit 2692

den werden wunden 10167

wunneclich wäpencleit 11356

manlicher muot 11409. 12103

Avunneclichiu werdekeit 11716

üf des wilden wäges fluot 12930. 14585

ze wünsche ich wol die wege kau 8234

nach wünsche sinen willen gar 208

diu werden Avip 549

mit minneclichem muote 12375

wihes ere und werdiu wip 12558

süezer schal und seitspil 1001

der werlte werdekeit 82.

In fast all diesen Verbindungen bildet das starktonige tv die alliteration, das Gottfried offenbar absichtlich meidet. Auch die sog. uneigentliche alliteration findet sich nicht häufig:

getreten und gestözeu 7699 gevangen und gebunden 11735 verharret und verletzet 12087 verberget, verwüestet und verhraut 11862 unvertriben und unverbrant 416 vervluochen und versteinen^) 4709.

') vermeinen (nach Singer, Auz. fda. 21, 237).

248 HENRICH

Ob hier die absieht stilistischer Wirkung anzunehmen ist, möchte ich mit hinweis auf Herrn. Pauls berechtigte mahnung zur vorsieht bei annähme dieses kunstmittels^) nicht entscheiden. Gottfrieds interesse richtet sich im gegensatz zu seinen Vor- gängern Eilhart, Veldeke, Wolfram nicht so sehr auf die bunte fülle des geschehens, als vielmehr auf die psychologische durch- dringung, eine gefällige behandluug und wirkungsvolle ein- kleidung des Stoffes. Rudolf macht seine personen nicht zum gegenständ psychologischer beobachtung wie Gottfried; was er von gefühlsbeschreibungen gibt, weiß er nicht über den referierenden prosaton zu erheben. Sein interesse richtet sich auf das stoffliche. Indem er aber dem geschmack eines durch den Tristan verwöhnten publicums entgegenzukommen sich bemüht, hält er sich als echter epigone an den äußerlichen schmuck der rede.

Die anapher hat Gottfried als erster in weitgehendem maße verwendet. 2) Bei Gottfried sind es meistens, bei Rudolf ausnahmslos form Wörter, die wiederholt werden. Gottfried teilt durch die anapher innerhalb eines verses diesen meistens in zwei gleiche hälften. So entstehen Symmetrie und rhythmus, die bei Rudolf meist auch dann fehlen, wenn er sich auf zwei glieder beschränkt:

darnäcli in stuout ir herz, ir niuot 110

an übe, an lobe gar fürwär 249. 12195

mannes lip so wert, so zart 12679

ir lip, ir holigemüete,

ir tugent, ir reinen güete 6839.

Anaphorisch verwendet werden die Wörter min 6851, din 6900. 6901, sin 11718, ein 10985. einen 15436, durch 7215. 7216. 9855, äne 9593, in 10229, mit 10451. 11717. 11814.

Auch bei Gottfried werden mehrere glieder in einem verse anaphorisch verbunden, z. b. a7i gehurt, an tugent, an Übe 8460 (ferner 923. 924. 1350. 1737. 13497. 17951. 19354). Rudolf bevorzugt diese zusammendrängung von drei und vier gliedern in einem vers.^)

•) Grundriß d. germ. pliil.^ 1, 174. 2) Preuß a.a.O. s.29ff.

") Rudolf liebt überhaupt asyndetische Verbindungen. Mehr als 3 glieder werden nebeneinander gestellt in den versen 173—174. 536. 5836 ff. 6260.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 249

3 glieder:

ein krön, ein bUiome. ein adamas 6848

der spranc, der lief, der dritte gienc 6044. Ferner: 3 mal an 7131. 7181. 7563. 10238. 10430. 10735. 11780. 12594. 14362. 15059,

so 8619,

er 12051,

ir 8163/4. 13991. 13992.

4 glieder:

ir zuht, ir lop, ir ere, ir pris 6260 der sliioc, der warf, der stach, der schöz 12102. Ferner: ir 13989.

an 6859. 7193.

Die anaphorisclien Verbindungen werden gehäuft: 13988 des selben sich versinnete

ir herze, ir lip, ir sin, ir muot, an den wisen degen guot: ir lip, ir trinwe, ir minne, ir herze, ir muot, ir sinne, ir minnebernden ongenblic.

Die anaphern, die gebildet werden durcli die anfange der verse, bestehen bei Rudolf wiederum meistens aus mehreren gliedern; auch hier nur formwörter: 4401 ein fröudebserez herzeleit

ein lihtiu swerende arebeit,

ein wetuondez herzeliep,

ein unbescholtener stelnder diep,

ein lihtez ungemüete. diu 180-186. 15426—15429, ir 9787—9790, mit 3805—3807, sin 9779—9784, von 42—45,

und 7581—7583. 15166—167, wie 9685—9687. 2104,6/9/12/14, owe 12497—499.

Wie die verszahlen ergeben, haben wir auch hier Rudolfs gewöhnliche häufungen.

6839—6840. 6859. 6900-02. 7193. 7215/6. 10244'5. 10767. 10991. 12102. 13123-13125. 13989. 13991-13993. 14241/2. 14770/1. 15003 4. 15191/2. 15556;7.

250 nENRiCH

Die wortwiederholuug zur Verstärkung des ausdrucks, außerhalb der leidenschaftlichen rede, von Hartmann gelegent- lich bei adverbien gebraucht {dicl-e, laz), von Gottfried auf alle wortclassen ausgedehnt i) (z. b. daz tvundcr und daz ivunder Tr. 12214, ouge und ouge 1082), wird von Rudolf nur in der allgemein gebräuchlichen weise verwendet:

ie baz und ie baz 1273. 4827. 9182. 10962

dicke und dicke 1933. 4689

ie näher und näher 6728

ie balder und ie balder 9183.

Die nachdrucksvolle Verbindung eines Substantivs mit einem adjectiv gleichen Stammes hat Rudolf vielleicht von Gottfried übernommen. Wie Tristan 15865 und 16300 heißt es im Wille- halm 14476 daz uunderliche tvunder.-) Ähnlich uianlichiu man- iieit 705, ein endelich ende 4542, stcethi stcetekeit 11289, mit liostticher hoste 11379, ein einec ein 13976.

Die Wortwiederholung in der rede des affects findet sich bei Rudolf im gegensatz zu Gottfried sehr selten: nu sprich, scelic man, nu sprich 13409.

Am stärksten tritt die abhängigkeit Rudolfs von seinem Vorbild hervor in seinen wort- und klangspielen. Gottfrieds Virtuosität wird überboten im äußerlichen, die Spielereien werden vielfach sinnlos ») gehäuft. Gottfrieds Wortspiele stehen im allgemeinen im dienst der rede, sie erweitern, wenden den gedanken, dem Wortspiel entspricht fast immer ein bedeutungs- unterschied, wenn auch nicht mit der von Bechstein behaupteten ausschließlichkeit. Bei Rudolf wird umgekehrt der gedanke durch das Wortspiel nicht gefördert, sondern vielfach verdunkelt. Das kunstmittel des Wortspiels tritt an die stelle des präcisen ausdrucks und leistet der eintönigen darstellungsweise Vor- schub, Die folgende Classification und Zusammenstellung von Wortspielen sucht eine Vorstellung von der art. wie Rudolf dieses kunstmittel handhabt, und von seiner häufigkeit zu geben. Auf absolute Vollständigkeit macht das Verzeichnis

') Vgl. Heidiugsfeld a.a.o. s. 36; Piquet s.307f.

2) Ebenso bei Reiuraar von Zweier im spruch auf den herzog Ernst 162, 9 und bei Raumsland 2, 369 a 1 1 (nach Roethe, Reinmar 299, anm.) auch in Rudolfs Alexander 13021 (Junk).

3) Vgl. auch Haupt zu Erec v. 95i6.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 251

keinen anspruch. Um aber die beiirteilung der liäufigkeit der Wortspiele zu ermöglichen, habe ich aus den versen 1 3000 und 7500—10500 alles hierhergehörige aufgezählt. Im übrigen werden nur besonders bemerkenswerte erscheinungen citiert.

A) Einfache Wortspiele mit einmaliger, selten zweimaliger Wiederholung

I, 1 Dasselbe wort in gleicher fuuction:

865 er habe so vil ritter niht

so vil man ritter bi uns siht 3776 und wil . . hin zuoz im sitzen gän.

heiz oueh du in sitzen her. 227,9. 468,9. 686,9. 707/11. 3776; 7. 8069/72. 8640,1.9521,2.

1,2 Dasselbe wort in verschiedener grammatischer functiou: 159 der da ze lande schone truoc des landes kröne 203 eine triuwe und einen sin

mit stseten triuwen under in 1365 Jofrit der fürste wise

des pris gen hohem prise was ie giric unde snel 2340 und was heim ze hüse komen

da er mit hüse wolte wesen 2897 und verlige dich hie niht

als man dich hie verligen siht 10990 rot und rot gevar.

389 90. 874,5. 877,8. 2083/5. 2694/9. 3220/1. 3335/7.7626,7. 7654. 8044 5.8055/6.8075/6. 8090/1. 8175/6. 8205/6. 8861/3. 9017,8. 9020/2. 9108. 9181/2. 9311/3. 9320-9326. 9833/4. 13208/12. 14200/3. 15418.

II, 1 Aus demselben stamm gebildete Wörter gleicher classe:

989 sich wäfende diu ritterschaft in prisesgerndes ritters kraft 2707 daz sin sselden sseldekeit

begunde an sselden sin bereit. 112—117. 598/9. 909,11. 3767,8. 4358/60. 7977/8. 8003/4. 8975. 9372/3. 9503/4. 9527—30. 9701/2. 9709/10. 10183—85. 10495. 15444—551.

II, 2 Derselbe stamm erscheint in verschiedenen wortclassen: a) als nomen und adjectiv oder adverb: 6 lop und lobelichez guot 98 von hovelichen dingen hoverede machen guot

252 HENRICH

in hohgemüete hohen miiot

hoeheu unde kroenen. 223 flaz teilte also sin miltiu hant

(laz sin milte wart erkannt. 90 dar nach so man sprechen sol ...

ritterliche von ritterschaft,

minnecliche von der kraft

die diu süeze miuue hat. 4390 daz hat min friunt her Ulrich

von Türheim mit wisheit

an Clies wisliche geseit. Ähnlich: 214. 223 4. 322;5. 493 4. 617 8. 71920. 724 5. 818 9. 895/6. 907,8. 2122,3. 4391/2. 4658,9. 914;5. 705. 1510. 1613 4. 2817,'8. 3589/90. 3602. 3434. 4542. 5592 3. 7635,6. 8171/2. 8163/5. 8323/4. 8850,1. 9759/60. 10629,30. 13236 9. 13458/60.

b) Als nomen und verhum:

102 schoene wol geschoenen an minneclichem wibe.

197 ir tugent bluot in bluomen wis 2050 swaz priseu sol der werlte pris. 120/1. 127,8. 152. 671/3. 806/7,8. 1142/3,5. 1159. 1615,6. 1670,1. 2050. 2075. 2098. 2583,4. 4038. 4351/2. 4858-63. 8066. 8127/9. 8199-8204. 8915. 8922/3. 9002/3. 9086. 9406 -9409. 9787. 9833/4. 9855,6. 10423/4.

c) Verbum und adjectiv oder adverb:

264 Hanegou und Brabaut

gelegenliche sint gelegen. 8909 wan ir nach lieplicher art

der fürste liepte und diu vart. 246. 290,1. 375,6. 7830-35. 8246, 8;50. 9023,4.

d) Adjectiv und adverb:

96 wisliche wisen rät

ze wisem ende bringen. Nicht häufig: 631,3. 712,3 7. 9681,2.

B) Größere Avortspiele mit mehrfachen Wiederholungen.

I. Verschiedene Wörter desselben Stammes:

3596 ouch pflac er solcher friuntschaft diu siuem alter avoI gezam: swelch friundin in ze friunde nani gen der pflac er süezer site; hie lernet er die fuoge mite

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 253

daz er friuutschaft künde pflegen, wan swer friuntliche ist gelegen, den kan diu friuntschaft leren wol, wie er friunde ereu sol.

Ähnlich: 471—480 helfe, heJfcere, helflich (8 mal),

541—546 helfe, helfeclich (3 mal),

675—681 bildungen vom stamm ritter (4 mal),

1983 2021 tcij), iviplich, unwiplkh, umvq), wipheit (27 mal),

8787—3794 icunsch (8 mal),

8956-3966 -friunt- (9 mal),

8108-8114 frö- (4 mal),

9346—9362 -trmwe- (8 mal),

13254—265 geste- (5 mal),

18862-389 -liep- (9 mal),

18480-490 reht- (7 mal),

13965—981 liep- (8 mal).

n. Mehrere Wörter verschiedenen Stammes:

3613 Miet machet krumhez sieht und krumbet slehtez reht. Der name herre ist worden kneht: da man solte finden reht, da siht man ez verren; an rate sint die herren worden kranke knehte. Nach fürsteclichem rehte nimet man nu knehte rät, des herren name fürder stät und muoz beliben vor der tür; da dringet swacher name für und tuot ouch swachen rät erkant.

Ähnlich: 8965—4032. 4976-4988. 8700—8705. 4419—4444. 14205-216. 13969-996.

Ein begriff sspiel bei gleicher wortform kann ich nur einmal nachweisen: sivä die feste lägen, die solcher feste pßägen 10789.

Es ist oft ungewiß, ob wir in den wort Wiederholungen ein beabsichtigtes Wortspiel zu sehen haben oder Rudolfs Un- fähigkeit, den ausdruck zu wechseln. Letzteres ist wohl zu folgern aus dem umstand, daß derselbe begriff mehrmals in enger folge durch den gleichen ausdruck wiedergegeben wird. So wird in den 185 versen 5152—5336 die Wendung swert leiten 8 mal gebraucht (5152/71/85. 5220/59; 76. 5308/36); ähn- lich helfe 500/05^06. 512y 18/20; hrähte 691/3/7;9/ 703; urloup

254 HENRICH

5429 / 61 / 63 / 69 / 79. 5510 ; Up gedinge 14051 / 61 / 65 ; rneinen 13591/99/605 (auch diu vesperte Jiiiop sich an, tcart erhaben, sich hüte gehabet an 7330/40/50). 'Prunkstücke Rudolfischer Stilkunst' sind das liebesgespräch zwischen Wilhelm und Amalie in der brautnacht (13950—957) und der erste') liebesbrief. Im Willelialm finden sich fünf liebesbriefe, die zwischen dem ritter und seiner geliebten die Verbindung aufrechterhalten und den liebhaber im rechten augenblick zurückrufen (6277 —6320. 6847 6906. 7559 7616. 8025-8080. 8251—8286). Die anläge ist in allen im wesentlichen die gleiche. Das Schema (grüß preis der geliebten dienstversicherung bitte um gehör), in dem sich diese beliebte lyrisch -epische kleinform seit dem liebesbrief des Gramoflanz (Parz. 715) in den folgenden Jahrzehnten bis in die mitte des 14. jh.'s stets gehalten hat (vgl. Ernst Meyer, Die gereimten liebesbriefe d. deutschen mittelalters 1898), ist wenig verändert: an die stelle des grußes tritt die kurze directe anrede liep, fromve, hcrze- liep, trütyeselle, der sachliche Inhalt nimmt in den drei letzten briefen mehr räum ein, dem zweiten fehlt er ganz, dem ersten fast ganz. Alle briefe schließen mit der empfehlung des adressateu an gott. Von dem sachlichen Inhalt abgesehen enthalten die briefe fast die gleichen gedanken und klingen mehrfacli aneinander an (z. b. 8251 ff. = 6285 ff. und 7566 f.). Die Wortspiele halten sich in allen briefen außer dem ersten in bescheidenen grenzen. Auch hier hat Rudolf wieder den Parzival und den liebesbrief des vielgelesenen Wigalois nach- geahmt. Zu dem Wortspiel mit iröst v. 6881/3 vgl. das ähn- liche Parz. 715, 4/7, zu v. 8028/30 vgl. Wigal. v. 8762/5. Über die bisher nicht erkannte benutzung des zweiten liebesbriefes durch den Verfasser der von ]\Ieyer veröffentlichten briefe einer Dresdener hs. (in no. Yll) vgl. meinen aufsatz Beitr. 37, 552 ff.

IV. Sinnfiguren.

'Gottfrieds denk- und darstellungsweise ist von der anti- these beherrscht.' 2) Ebenso wie das spiel mit dem wort als sinnfälliger form liebt er das spielen mit dem gedanken. Ein

') Nicht die liebesbriefe, wie Liidicke a.a. o. s. 101 sagt. "") Treuß a.a.O. s. 17.

WILLEHALM DES EUDOLF VON EMS. 255

begriff wird mit dem eutgeg-engesetzten oder aber auch mit einem gleichen verbunden: antithese und Synonymik. Beide erscheinuugen werden häufig erweitert zu dem von Gottfried kunstvoll verwendeten parallelismus.i) Die einfacheren formen finden sich bei Rudolf im anschluß an Gottfried häufig, die complizierteren sind ziemlich selten.

Synonyme Verbindungen (in großer zahl):

a) Substautiva :

not und arebeit 83. 1288i. 14024 diu werlt und all diu erde 5863 der doz und der schal 6035 laster uude schände 11341 guot gedinge und lieben wän 13830 blükeit und kindes schäm 13915 angest, not und arebeit 14732. Ferner: 386. 1097. 2664. 2752. 10370. 11370. 11760. 11992.

b) Adjectiva und adverbia:

guotliche unde wol 5901

vil bald und harte swinde 7016

so gähes und ouch nu zehant 8661

lam und ungesunt 13535

Stil und tougenliche 10396. Ferner: 149. 669. 1081. 7611. 10116. 10142 = 10998. 10396. 10820. 10823. 12970. 13325. 14347.

c) Verba:

ietweder fuor und sande 470

hoeheu unde krceuen 101

daz wart vernihtet und zertrant 365

durch daz wil ich pinen und arbeiten mich 3268

wahsen und sich meren 4345

raten unde leren 5332

lihen unde geben 6916

prüeven uude sagen 11791. Ferner: 268. 3750. 6635. 6924. 5697 = 7729 = 9619. 7916. 8202. 8212. 9490. 10226. 10283. 10339. 10591. 10731. 10828. 10831. 11735. 11934. 12652. 14823. 15554.

Die nebeneinanderstellung gleichwertiger oder gleich- geformter versteile oder gauzer verse bezeichnen wir als parallelismus, Gottfried dehnt diese kunstform sogar auf

') Vgl. Heidiugsfeld a. a. o. s. 51 ff.

256 HENRICH

versgruppen aus und läßt kunstvoll gebaute periodeu ent- stehen. Auch hier finden wir im Willehalm nur die kleinen formen.

Symmetrische vershälften. 314 ir beider Unwille

was alle zit, alle tage sin boehstez leit, sin hoehste klage, daz geschach, ez wart getan 5398 (11201). ') in kiudes wis, in knelites namen 10229 nilit ze gröz, niht ze kranc 12584 daz ist mir liep, ich wser es vrö 12383. Ferner: 4M8/9. 6638. 7215 '6. 11061. 11760.

Hierher gehört auch die besonders bei Wolfram-) beliebte Verknüpfung der positiven und negativen form eines gedankens, meist in zwei symmetrischen teilen einen vers füllend 3):

mit grozer richheit, nieuder kranc') 5746

die jungen, niht die alten 7706=)

mit fröuden sunder herzeleit 8978. 14068

vil zornec, niht ze vrö 10683

hurtecliche sunder traben 6390

vroelich äne herzeleit 11602

nieman trüric, alle vrö 5750

mit fröuden äne sorgen 14074

ein unlanc stunt, ein kurze naht 14204

gewarliche äne lougen 13592

mit statten triuwen äne haz 14398

von liebe niht von leide 14708

der swiget und niht reden kau 12622. Ferner: 4115. 1068. 13892.

daz was dem lantliute niht leit

si wären algeliche vro 12152.

Parallele verse gleichen Inhalts.

5689 diu zit begunde nähen und in engegene gäben 13131 do si versinnen sich began und wider gar den sin gewan

•) Vgl. Tristan 11227 diz ivas getan, nu daz geschach, daz ... ») Kiuzel, Zs.fdph.5, 12. ") Über Gottfried vgl. Lobedanz a.a.O. s. 24.

*) Vgl. Parz. 174,18 einen starken riter niht ze Jcranc. 339,23 mit grözer fuore niht ze kranc u. ö. ä.

^) Parz. 43, 14 den jungen niht den alten.

Willehalm des rudolf von ems. 257

11515 diz erschal al durch daz laut

diu msere wurden schiere erkant 11589 daz maueger da sin ende kos

der sin leben da verlos 4115 daz er ein teil unfröude pflac und lihte fröuden sich bewac. 8565 . . . daz sin fröude starb

und all sin hoher muot verdarp.

Der zweite satz abhängig von dem ersten >): 8165 daz si so leitlichen saz

daz si aller fröuden gar vergaz.

Immer bilden die beiden verse ein reimpaar. Reimnot hat aber wohl auch die folgende tautologie veranlaßt:

12358 do dem kuuege wart geseit und er hate wol veruomen daz sin swester wsere komen.

Gleichgeformte verse:

3193 lebe, swie du wellest leben, gip, swem du wellest geben. 12901 die kiusche, wol geborne,

die reine, üz erkorne. 12905 diu juncfrouwe und ir bäseliu,

der kunec und diu kunegin. 7658 slaheu unde stechen hurten unde dringen stözen unde ringen. 4887 swä daz sere, da diu haut,

swä liep, da herze und enge erkant.*) 12497 owe der leiden blicke, owe der leiden schricke, owe des jämers, owe ach. 7215 durch richheit, durch gesunden luft, durch schal, durch ritterlichen guft. Ähnlich: 9425,6. 11799 ff. 11887 ff. 2741/2. 2767/8 u. ö.

Daß der parallelismus sich öfters mit der anapher ver- bindet und wie in synonymen Verbindungen so auch in anti- thetischen zutage tritt, liegt in der natur dieser stilformen.

1) Über denselben fall beiVeldeke vgl.Koetteken, Die epischekunst s. 101.

2) Der gedanke wohl entlehnt aus Tristan v. 16478 si sint doch gerne einander hi das ouge bi dem herzen, der vinger bt dem smerzen.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXYUL YJ

258 fiteNRICH

Die kunstvoll gebauten perioden Gottfrieds (z. b. 1075 1084. 993—1005 u. ö.) vermag Rudolf nicht nachzubilden; er begnügt sich mit der bequemen häufung paralleler verse: 1216 da frumede werder ritter tot

leitliche smerzen,

siuftebseriu herzen,

klageliche swfere,

leit uud leider maere

unfroeliehe frage,

riuwege mäge,

nazze Avibes ougen,

offeuliche und tougeu,

windende hende,

nach liebe leides ende,

nach früuden unfrrelichez leit,

angest, not und arebeit,

nach süezer geselleschaft

sendez sür mit järaers kraft,

euschumpfierter fröuden sie,

röter ougen weinlich blik. Ähnlich: 9781—9792. 2771—2777.

Während Gottfried sich bemüht, den geschmack seines publicums zu verfeinern, kommt der Willehalm den gröberen stofflichen instincten der breiten masse willig entgegen. Die antithese entspricht Gotfrieds natürlicher denkweise, bei Rudolf ist sie mehr äußerer von Gottfried übernommener zierat. Wir unterscheiden antithetische Verbindungen, die eine einheit be- zeichnen sollen, und eigentliche antithesen. Erstere, die sog. antithetischen zwillingsformeln,i) vereinigt meistens ein vers, letztere dehnen sich über zwei oder mehrere aus. Es finden sich folgende allgemein übliche formein:

arme unde riche 231. 3238. 6830. 7858. 14984

junge, alte, arme und riche 2027. 11995. 12911

wip unde man 3141. 3218. 7962. 10179. 12910. 13600

liep und leit 41. 1917. 12252. 13363. 5200

vor künden uud vor gesten 3182. 5348. 5349

spät und fruo 727. 5705. 6139. 11478. 15207.

offeuliche und tougcn 1224. 4712

da und anderswa 3936. 4108. 5204. 6135. 7493. 14771/2 u. ö.

üz und inne 6592;

') Über derartige 'gegensätze als ausdruck der gesamtheit' bei Wolfram vgl. San-Marte, Parz.-stud. 3, 287 ff.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 259

außerdem nur wenige Verbindungen:

nu mornuüg nu hüte 320

beide stil und überlüt^) 5102. 7568. 10900. 11177. 13426

die andern und die sine 7736

ir verderben, ir genesen 12922

Eigentliche antithesen sind weniger zahlreich:

guotes arm, des muotes rieh 7751. 8523/5

den iuren liep, den üzren leit 11491

daz beste e daz boeste 12729

der riet sus, der ander so 13664 1132 in der enge maneg-e wite

machete und manegen witen rün (vgl. 6744) 1993 wiplich wip und uuwip

swie die haben geliehen lip

ir name ungeliche treit 4010 alsus lernte daz kiut,

daz ez nideriu minne

•wiste an hohe sinne,

nideriu minne in lerte

ob ez ze höher kerte. 5222 diz dühte ir etelichen guot

und ir sumelichen uiht. 5470 ungerne daz gegeben wart

und wart gerne da genommen. 7815 jene baten vil verlorn

dise lop und ere erkorn. (vgl. 6765—69)

Ähnlich: 6745/6. 11179-182. 11743/4. 12256;7. 13890/1. 14200 -14203. 14066;7. 15145/6. 14706. 15224/5.

Eine der lieblingsvorstellungen Gottfrieds: geliebter und geliebte als ein leib mit zwei seelen (Tr. 11731 ff. 14341 ff. 11447. 13014. 18346—362) macht auch Rudolf sich zu eigen:

15126 ir solt gedenken wol daran

daz ir mit triuwen äue strit

ein lip mit zwei seien sit. 15434 ze allen ziten niuwen

truogen si beide under in

einen muot und einen sin

einen lip under in zweiu,

da zweier seien namen üz schein.

*) Derselbe vers im Erec 6524.

17*

260 HENRICH

Und dieser gedanke wird dann in stilistischer breite noch- mals wiederholt:

15439 der werde man, sin liebez wjp mit zwei seien einen lip truogen under in beiden, eines libes unbescheiden wäreus in dem muote.

Ausgeführte antithesen (bei Gottfried häufig-: 881 ff. 1331 ff. 6079 ff. 10261 ff. 11745 ff. 13753 ff. 15241 ff.) fehlen fast ganz; nur 13630—646. Rudolf neigt zur übertreibenden häufung. Die kunstmittel, die er sich angeeignet hat, müssen durch viel- fache multiplication den mangelnden inneren wert ersetzen. Auch antithesen werden gehäuft:

4381 Sus lert diu minue vlehen, miunen unde vehen, troesten und untroesteu. Die besten und die boesten minnent alle minne.

9774 von liebe hän noch herzeleit Wilhelm der wandelsfrie und diu süeze Amalie sin lip ist halp erstorben ir kraft ouch halp verdorben sin stumben wil ir lachen ze weinden engen machen, sin wunt ir herze seret, sin ser ir sorge meret, sin leit ir früude leidet, sin scheiden von ir scheidet mit jämer allen hohen muot, sin herze ir herze trüren tuot, ir not in leides ncetet, ir leit sin liep nu toetet . . .

Dem oxj'moron nähern sich die antithesen:

4355 von der truoc er minnen last, des was si siner fröuden gast, siner liebe ein sendez leit, siner seufte uusenftekeit, ein unguot sines guotes, ein unmuot sines muotes, ein Ungunst sines herzen ger, sines Unwillen ein wer.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 261

Das Oxymoron findet sich sonst nicht oft. Ein vers des Tristan (60 ir süeze sür, ir liebes leit) wird übernommen i): 46 wie diu minne mit ir kraft süezez sür und liebez leit leidez liep mit arebeit zwei gelieben lerte.

Auch hier wieder hänfiing:

4400 dem herzen ein unsenfter hört, ein fröudebserez herzeleit, ein lihtiu swerende arebeit, ein wetuondez herzeliep, ein unbescholtener stelender diep, ein lihtez ungemüete.

Die synonymen und in gewissem sinne auch die anti- thetischen Verbindungen dienen der Steigerung- des ausdrucks. Wir sprechen von hj'perbeln, wenn die Steigerung einen un- wahrscheinlichen oder unmöglichen grad erreicht. Die un- bestimmten hyperbeln, in denen vergleichend ein ähnliches oder größeres maß negiert, das vorliegende als das größte bezeichnet wird, sind in allen mhd. epen häufig; die bestimmten sind, besonders in den kunstepen weit seltener 2) (von Gottfried aber in Verbindung mit glücklich gewählten metaphern öfters kunstvoll verwendet,3) z.b. 4044. 4603. 5282. 6869. 7649. 10777. 16270). Im Willehalm finden wir fast nur die unbestimmte form. 3740 solhe fruht gebar nie wip. Ähnlich: 9905. 10463. 11179. 12184.

10150 ez wart nie ritter anderswä

baz noch schoener ie gepflegen. Ähnlich: 5828. 13038. 11705. 13588. 13619. 14573. 14014 der beste ritter, den der tac bi der zit belühte.*) Ähnlich: 3686. 13349.

Neben diesen nüchternen Avendungen verzeichnen Avir einma eine individuellere:

1) Derselbe vers auch im Barlaam 130, 16 (vgl. ebda. 10, 28 der werlte üppekeit, die si in süezeyn süre treit).

2) L.Wolf, Der groteske und hyperbolische stil des mhd. volksepos. (Palaestra 25, 1903).

^) Vgl. auch Hansen a.a.o. s. 79 ff.

■*) Vgl. Tristan v. 10777 disiu sunne nie beschein tugenthafter herze dehein.

262 HENRICH

14043 die richeste morgengäbe die AVelsche oder Swäbe ie davor gegeben e.

Die einzige bestimmte hyperbel im Willelialm ist einer ähnlichen des Tristan nachgebildet.

Zu Tr. 16267 Tristan do er daz bundelin gewan in die gewalt sin ern bete wserlicbe Eome nud elliu riebe elliu laut luid elliu mer derwider geachtet uibt ein ber. vgl. Willehalm 10261 (Amalie spricht):

den edeln herren hohgemuot weite ich nemen äne guot e daz ich einen wolte hän, dem Aslä wser undertän, al der werlte dritteil gar.

Ebenso ist die h3'perbolische wendung

141 daz mit siner werdekeit ir aller pris wart bingeleit

nachgebildet der Tristanstelle (1761)

ir tuon und al ir werdekeit

daz allez Avas do bingeleit (mit Riwalins tod).

V. Hervortreten der dichterischen persönlichkeit.

Gottfried beteuert häufig die subjective Wahrheit seiner erzählungi) (z. b. als ich iu von in leiden wcerUche mac be- scheiden 1813), Eudolf nur selten, z. b. 4117 des diu wärheit gibt 7293 von %värbeit niht nach wäne') seit diu äventiure daz,

beide male die unübertrefflichkeit Willehalms bekräftigend; ferner 12150 als iu nu sint

diu rehten msere geseit. 13942 j&, benamen, von wärheit,

wart nie zwei gelieben baz! 13395 ez was sin eigen niht,

als diu gewisse wärheit gibt.

>) Vgl. Preuß s. 41—42.

'■*) Vgl. Titurel 83, 1 das rede ich icol mit icärhcii niender nach warn.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 263

Bemerkenswert ist die geschickt vergegenwärtigende wendung 680 swer si zeit der gibt also

daz der ritter si nach reliter zal dritthalp tüaent liberal.

Die von Gottfried liäufig gebrauchten beteuerungen weiz got, sem mir got, seiväre n. ä. finden sich bei Rudolf nie in der erzählung. Beide berufen sich oft auf ihre quelle, i) Diese allen mhd. epen gemeinsame, ursprünglich den tatsächlichen abhängigkeitsverhältnissen entsprechende, später mehr und mehr nur dem verlangen des publicums nach wirklichen ge- schehnissen entgegenkommende eigentümlichkeit, die bei Gott- fried noch gemäßigt auftritt und bei ihm die berechtigung der aus verschiedenen Überlieferungen als einzig richtig er- kannten Version hat, ist bei Rudolf zur heuchlerischen formel geworden. Geradie die partien, die Rudolf selbst erfunden, bez. componiert hat: die Vorgeschichte, die erzählung von den turnieren und den kämpfen in Norwegen und auf der insel sind reichlich bedacht mit solchen übereifrigen beteueiimgen eines sich unsicher fühlenden erzählers (z. b. in der Vorgeschichte^): 169. 252. 559. 562. 676. 701. 718. 726. 742. 743 u.s.w.; gleich nachdem Rudolf seine vorläge verlassen hat, indem er die ent- führung mißglücken läßt^'): 9279. 9294. 9299; ferner in nicht der quelle angehörigen partien: 5906. 5930. 5936. 5947. 5957.") 7072. 7078. 7088.'^) Ich zählte in der ganzen dichtung 98 solcher nichtssagenden form ein). Diese formein füllen in der regel einen vers: als ich Jiän vernomen; als uns diu äventiure giht\ diu mmre horte ich zcllen (5767) u. ä.;«) meist in dieser persönlichen wendung, seltener allgemein: nach der äventiure sage, diu äventiure seit also. Manchmal mögen sie der reimnot ihr dasein verdanken, doch ist, wie auch ein blick auf die geraden oder ungeraden zahlen lehrt, das übergewicht der formein im zweiten vers nicht allzugroß. Die stete gleich- förmigkeit der Wendungen wird nur selten unterbrochen.

') Die quellenberufungen im Guten Gerhard, Barlaani, Alexander hat zusammengestellt Zingerle, Die quelle zu R.'s Alexander (Germ, abhandl. i, 1884) s. 14-17.

2) Vgl. Lüdicke s. 85 f. ') Ebda. s. 103 f.

*) Ebda. s. 107 ff. ^) Ebda. s. 102.

^) Über diese formein vgl. J. Grimm, Kl. sehr. 1, 86.

264 HENRICH

8800 die äventiurer hörte ich sagen. 11806 der diz äventiure las

der hat uns von ir kundgetän, daz . . .

Die seltene Wendung-

14560 als lins hie Urkunde giht diu äventiure der mpere*)

hat Rudolf vielleicht aus Wolframs Willehalm übernommen: 402,29 swer nu lieze niht verderben dirre äventiure nisere deste holder ich dem wjsre.

Öfters scheint die quellenberufung beteuernden nachdrucks zu bedürfen: füricär diu äventiure giht 5814, sonst nur im letzten teil des gedichts 13270. 13796. 14069. 14456. 15234. 15485.

Historisches wird lebendiger eingeführt: 15383 als ich selber vernoraen hän 15578 als uns allen ist erkant.

Ein ähnlich feinfühliges Verhältnis zum publicum wie bei Gottfried, der die empfindungen, die seine erzählung in den Zuhörern hervorruft, ihr verlangen nach näherer erklärung, zweifei an der möglichkeit solchen seelischen geschehens mit- fühlt und diesen empfindungen erläuternd entgegenkommt (z. b. 2027. 4506. 5656. 13038. 16817 u. ö.), kennt Rudolf nicht. Er versteht es überhaupt schlecht, mit seinen zuhörern fühlung zu nehmen. So kühl wie seinem Stoff steht er dem publicum gegenüber; in wenigen stereotypen Wendungen erschöpft sich sein werben um die aufmerksamkeit der hörer. Es sind die aus dem volksepos bekannten nichtssagenden rück Weisungen: als ich iu hän verjehen; als ir selbe hat vernomen\ 1612. 6482. 6992. 7234. 7262. 7639. 7930. 8345. 8364. 8571. 9228. 9898. 10085 U.Ö. Ferner:

2358 als ich in e vor las

4100 als iu ir jär genemmet sint

7663 als wir ez hän hie vernomen

8400 als ich iu hän bescheiden.

Ermahnungen zur aufmerksamkeit:

8498 nu hoeret wie ez dort ergie!

0 Vgl. äventiure dirre mcere in der gothaischen hs. des herzogs Ernst 2049, vgl. Haupt, Zs. fda. 7, 263 f.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 265

8785 nu beeret, lät iu sagen hie wie ez dort hinder im ergie. Vgl. 40i3. 10554. 10813/4. 10867. Ankündigungen:

7298 ich wil iu sagen wie er lac 1640 des sol nu sin disiu äventiure. Vgl. 683. 947. 6765. 6846. 9933. 10428. 12111.

Oder etwas umständlicher:

7217 wer dar ritter wsere komen

o1) ir daz habet nibt veniomeii,

so wil ich iu ez tuen erkant. 9113 swen wundert und hat nibt vernomen

war her Willebalm si komen

und oueh sin trüt amie,

diu süeze Amalie,

dem wil ich ez tuon erkant.

Die älmliclie Wendung bei Gottfried 5696 swer nu die teile nie vernara die man an ganzem libe hat, dem sage ich, wie diu teile ergät

hat ihre berechtigung, da es sich um ein allgemeines handelt.

Wenn Rudolf einmal um erlaubnis bittet, die erzählung vorläufig abbrechen und einen anderen faden aufnehmen zu

dürfen: 9627 war er do kam, wie ez im ergie, des lät mich eine wile hie mit iuwern hulden nu gedagen, und wil iu von der frouwen sagen, wie ez ir ist ergangen.

SO variiert er damit nur die von Gottfried häufiger verwendete Überleitung mit der frage, i) wozu es nütze, hier weiter zu er- zählen (Trist. 1692. 7201. 4589. 5215. 5225. 5871. 7939 u. ö.). Dieser art der Überleitung gibt er statt der interrogativen die affirmative form. Die häufigen Übergänge der erzählung, be- dingt durch die doppelgeschichte der beiden getrennten, kündigt er immer gewissenhaft an:

6493 wolte ich daz sagen der maere Avürde ze vil

nein ich ensol ez noch enwil. 7414 ouch was der kunec Avenis

I) Preuß s.39f.

266 HENRICH

so wül bereit daz ich nibt wil

in prüefen, ez würde alze vil. 8497 die umberede läzen bie!*)

nu beeret wie ez dort ergie! ÄbiiHcb: 7516. 8808. 98i8. 13899. 15600 und 9628. 9932. 10428. 10811. 10867. 11787.

Der verzieht auf weiterfülirung der erzäliliing wird mehr- fach motiviert durch die formelhaft anmutende erklärung mangelnder kenntnis:

7747 des mobte ich nibt ze ende komen

und bau ez oucb uibt veruomen. 332 her Willebalni, sin oebein bräbte wiser liute vil, der ich uu nibt nemen wil: si sind mir nibt wol erkant. Ähnlich: 7079. 7093. 7767.

Gottfrieds einleitung seiner dichterischen heerschau: 4589 wie gevähe ich min sprechen an, daz ich den werden boubetman Tristandeu so bereite ze siner SAvertleite, daz man ez gerne veruäme und an dem msere wol gezäme?

scheint Rudolf nachzuahmen, freilich ohne Gottfrieds kunst und mit geringerem dichterischen Selbstgefühl:

1011 Wie und mit welcher manbeit ieglicb her wart bereit, und ieglicb ritter, weit ich daz prüefen, dar zuo waer ze laz min kunst und al min sin ze kranc und würden diu maere oucb ze lanc; durch daz wil ich ez hie gedagen und kurzelich die wiirheit sagen.

Einmal wird das publicum gewissermaßen activ an der weiterfiihrung der erzählung beteiligt:

13023 daz im was benoraen

daz lazen im nu widerkomen an der wandelsfrien, der reinen Amalien!

In den einleitungen zum ersten und vierten buch nimmt Eudolf veranlassung, sich eingehender mit dem publicum und

1) Vgl. Tristan 4772 nu s^) rechen iimhe die nahtegalen.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 267

seinem kunstbedürfnis auseinanderzusetzen. Besonders die zweite stelle zeichnet sich durch eine bei Rudolf überraschende anschaulichkeit und lebendige und stellenweise recht derbe realistik aus (9804—9852): mancher säße v/ohl da, der sich ärgere, daß alle schweigen sollen, während einer eine unend- liche geschichte erzählt. Andere sprächen lieber von ihrem guten wein, von Würfelspiel, Schwestern und weibern mit lärmen, schelten und unschamlichen mmren. Dieses Sittenbild ist m. e. das beste in der ganzen dichtung.

Gottfried gibt öfters mit einem zurückgreifenden ich meine eine erklärung des gesagten'):

Tr. 2969 den lierzeric er gevienc

(ich meine an dem daz herze hienc).

Eudolf ahmt diese wendung einige male nach: 12798 diu bürde üf mir ze lange lit, ich meine die gevangen schar. Ähnlich: 5613. 10931. 12233.

Das von Gottfried nur sparsam zur belebung der dar- stellung angewandte mittel der directen oder indirecten, von dem Zuhörer ausgehenden frage, das sein künstlerischer anti- pode oft spielen läßt, 2) findet sich bei Rudolf vereinzelt: 4607 Nu furht ich ir stsetekeit, e daz si wende siniu leit, si läze in e verderben, in Sender not ersterben. Tuot si daz? deist war, si entuot. 3811 Waz täten da wip unde man? nibt wan daz si sähen an diu zwei da bi ein ander.

und gleich darauf in parallele zu dieser frage die indirecte: ivaz disiii beidiu täten? 3817.

Nur dreimal nimmt Gottfried in dieser art die frage der Zuhörer vorweg (1712. 5858. 5946). Rudolf benutzt diese form etwas öfter: 7390. 10409. 13941. Von den Jungfrauen, die sich zum empfang der äbtissin Savine putzen, heißt es einmal mit einem gewissen humor:

') Preuß s. 40.

») Förster, Zur spräche u. pcesie "Wolframs s. 35—38 ; San Marte, Par- zivalstudien 3, 210.

268 HENRICH

13266 Ob iender dekein valscher strich durch valsche varwe wurde dar gestrichen? niht! si -wären gar mit angeborner varwe klär, daz seit diu äventiure fürwär.

Einfluß Wolframs i) verraten wiederum die Wendungen in kämpf Schilderungen :

647-i ob si da spraugten? ja si, ja! 7438 ob diu ors iht ruorten

die erde? ja, doch lise.

Die revocatio wird einmal älmlicli verwendet wie bei Gott- fried (vgl. Tr. 172 ez ist in scre guot gelesen, giwt? ja innec- liehe guot Ferner 172G. 1733. 2480 u. ö.). 4997 in minneten ir sinne mit einfalter minne. Waz einfaltigiu minne si? (darauf folgt eine längere auseinandersetzung).

Wie bei Gottfried bleibt es manchmal ungewiß, ob der dichter oder ein zuhörer die frage auf wirft. 2) 13892 Ei süezer got, wie was in do! ich wsene wol, baz danne wol. 3787 Bi wünsche saz der wünsch aldä. was der wünsch iender anderswä? nein er, niht! er was alhie.

An Gottfrieds abneigung, mit der Schilderung trauriger dinge sich und seine zuhörer zu beschweren

(z. b. 1692 daz ich vil von ungehabe und von ir jämer sagete waz iegelicher klagete, waz solte daz? ez wjere unnot. Ferner 7201 u. ö.) erinnern Avir uns bei Rudolfs frage:

1021 sol ich der riuwen kränz

mit jämer iender machen ganz

dekeinem werden wibe

mit klagebserem libe?

daz tuot an den raferen we.

') Vgl. Wolframs Willehalm 24,18 ob diu spcr ganz heliben? nein, ir tjost ivart so getan . . . Ähnliche fragesätze bei Wolfram zusammengestellt von San Marte, Parz.-stud. 3, 241 f.

!*) Preuß 8. 39.

WILLEHALM DES RUDOLF VOK EMS. 269

Eine eigentliche rhetorische frage finden wir nur in der vorwurfsvollen apostrophe an frau Eiuwe am Schlüsse des ersten buches und außerdem einmal im laufe der erzählung: 1404:6 waz mohte er ir gegeben me wan herze, liep, sin unde muot sich selbe, lant, liut unde giiot?

Nach dem bericht von dem kläglichen tode der Blauscheflur fordert Gottfiued jeden, der von wibe ie muot geivan auf, zu bedenken, wie oft leid auf freude folgt und gott für Blanscheflur um gnade zu bitten (1774 ff.). Diese wendung ahmt Rudolf nach. Beim wiedersehen Wilhelms und seiner geliebten appelliert er an jeden, dem umgekehrt I liep nach leide ie gcschach (13362 ff.). Aber er knüpft keine beruhigende betrachtung all- gemeinen Inhalts an den einzelnen fall. Rudolf steckt immer in dem engen kreis seiner erzählung, ohne sie in beziehung zu setzen zu dem allgemein menschlichen Schicksal er nimmt vielmehr die persönlichen erfahrungen der zuhörer in anspruch für die vergegeuwärtigung eines gefühls, das er selbst zu schil- dern sich unfähig fühlt:

13362 wurde iemau herzecliebes fro

dem liep nach leide si geschehen,

der gedenke und helfe jehen,

waz der degen steete

höher fröuden hsete,

im daz groze liep geschach.

und ähnlich gleich darauf 13370—375. Eine derartige auf- forderung leitet auch das dritte buch ein. Die reflexion be- herrscht die ganze Tristandichtung Gottfrieds. Allgemeine betrachtungen über menschliches tun und menschliche leiden- schaften unterbrechen häufig den fluß der erzählung. Auf diesem gebiet vermag Rudolf dem welterfahrenen meister nicht zu folgen. Wo er versucht, seinen rittergeschichten einen tiefern hintergrund und sinn zu geben, bringt er es über gemeinplätze nicht hinaus. Das zeigt schon die unbeholfene einleituug, die Gottfrieds gedankenvolle Strophen geradezu parodiert. Über Gottfrieds hauptthema, die alle bezwingende, freude und leid bringende minne, reflectiert Rudolf v. 4381 4414, ebenso wie über den unterschied zwischen minne und herzlicher liebe (4999—5012) und den veredelnden einfluß reiner Weiblichkeit, den 'fundamentalsatz der mittelalterlichen

270 HENRICH

liebesdoctriii'') (14210—14216 und 1983—2011). Klagt Gott- fried darüber, daß minne dem gelde feil sei (12304 ff.), so klagt Rudolf, daß ehre und recht zukaufe stehen (3610-3625) und daß die herren ihre würde nicht zu wahren wissen. Den sinn des Spruches 'was man will, das glaubt man gern' sucht Rudolf umzudrehen mit der behauptung, so gerne man gute nachricht glauben möchte, so vorsichtig sei man doch gewöhnlich, sie für wahr zu halten (12702—711). In der stelle 9715 ff. wendet er sich offenbar gegen Gottfried. Des meisters klage, daß niemand mehr rechte minne pflege, daß der edlen gewalt ge- schehe (12225 ff. 12283 ff.), sucht Rudolf zu berichtigen. Frau Minne sei selbst schuld an dem unheil, das sie mit ihrem schlechten rat anrichte; leider folgen arm und reich ihrer stvachen lere; gäbe sie guten rat, und der würde mißachtet, nur dann dürfte sie über gewalt klagen. Von sonstigen aus- sprüchen allgemeinen Inhalts sind zu vermerken der gedanke, daß minne und kindheit sich nicht verstehen, wofür der dichter das Zeugnis Walthers von der Yogelweide anruft (vgl. oben s. 244) V. 4466 f., sowie der gedanke, daß der tod unterschiedslos gute und böse dahinraffe, und leider nur zu oft den besten sich zum gesellen hole v. 2122 2136.

Der Tristan spielt in unhistorischer zeit. Gottfried ver- sucht auch nicht, seiner geschichte irgendwie historischen hintergrund oder Interesse zu geben. Auch läßt er ab- gesehen von der musterung der deutschen dichter in keiner weise die gegen wart in seine erzählung hineinspielen. Rudolf baut auf historischen, nicht allzuweit zurückliegenden ei-eig- nissen, der geschichte Wilhelms des eroberers, auch knüpft er wiederholt an die gegenwart an, so in der klage über den tod des edlen Oettingers (2084) und in den angaben über die her- kunft seiner aventiure und die veranlassung zur dichtung (2301—2331. 8493 ff. 15601—689).

Scheint auch Gottfried nicht so lebhaftes Interesse au seiner erzählung zu nehmen wie etwa der pfaffe Konrad, Eil- hard oder Hartmann, die sich gelegentlich in ausrufen der entrüstung gegen die feinde ihrer beiden ergehen, 2) so weiß

») Heinzel, Über Gottfried von Straßburg (= Kl. sehr. s. 34). ■■^) Roettekeu a.a.O. s. 195; Bethmann, Graf Rudolf s. 151.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 271

er seine innere anteilnahme an dem gesclielien feinerem empfinden um so fühlbarer zu machen. Alles scheint in dem Strome echter menschlichkeit gebadet und belebt. ^ Rudolfs eintönige darstellung schließt die feinheiten Gottfriedischer nüancierungen aus. Von seiner anteilnahme an menschlichem geschehen weiß er uns nicht zu überzeugen. Ein paarmal unterbricht er den einförmigen gang der abenteuer mit einem ausruf der sorge: mi furht ich ir stwtekeit iQOl , des bedauerns: owe! das ich nu muoz sagen leiüichiu mcere li20 (ähnlich 1021 ff. 1182 ff.). Doch auch hier glauben wir eher die con- ventioneile phrase als den ausdruck persönlichen empfiudens zu hören. Wie Gottfried enthält er sich aller andeutungen über seine person und seine lebenslage, abgesehen von den angaben über die herkunft seiner aventüre, seinen auftrag- geber und seine früheren dichtungen. Er spricht nur einmal andeutungsweise von dem geringen liebeslohn, den er bisher geerntet (4003—4005), ein anderes mal bekennt er, es sei ihm oft ähnlich gegangen wie dem Pitipas, daß die hoffnung auf später ihm den genuß der gegenwart habe ersetzen müssen. Freilich sei es dann oft anders gekommen, als er gewünscht habe. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die weder originelle noch auch nur geschickte Verwendung der übernommenen poetischen formen nirgendwo einen dichter erkennen läßt, der nach eigenem empfinden sein werk gestaltet und ihm ein persönliches gepräge zu geben weiß.

VI. Zum reimgebrauch.

Bei großer reimgenauigkeit ist im Willehalm eine gewisse nachlässigkeit in versbildung und reimwahl zu beobachten. Zur füllung des verses bedient Rudolf sich oft nichtssagender Partikeln.

Auf ähnliche weise behilft er sich bei der reimwahl. Über- mäßig oft findet sich die reimbindung

da : (im ganzen 130 mal): 359. 519. 689. 839. 843. 909. 969. 1157. 1329. 1393. 1469. 1545. 1615. 1667. 1751. 1815. 1951. 2051. 2465. 2587. 2643. 2945. 3079. 3111. 3213. 3451. 3485. 3545. 3643. 3717. 3855. 3867. 3889. 4039. 4531. 4595. 4617. 4769. 4935.

1) Vgl. besonders Piciuet a. a. o. s. 315—318.

272 HENRICH

4967. 5249. 5289. 5429. 5509. 5837. 5883. 5907. 6039. 6059. 6141. 6229. 6369. 6387. 6411. 6605. 6697. 6937. 7111. 7315. 7333. 7693. 7847. 7931. 8103. 8289. 8315. 8347. 8515. 8685. 8715. 8751. 8777. 9025. 9179. 9215. 9303. 9313. 9585. 9623. 9803. 9825. 9911. 9951. 9993. 10071. 10529. 10677. 10947. 10957. 11011. 11051. 11059. 11143. 11351. 11465. 11625. 11671. 12013. 12097. 12129. 12387. 12757. 12873. 13173. 13221. 13247. 13657. 13739. 13747. 13763. 13833. 13859. 14087. 14135. 14151. 14269. 14303. 14665. 14745. 14755. 14783. 14793. 14865. 14899. 14993. 15149. 15221. 15297. 15347. 15369.

Häufig sind auch die reimbindungen : also und dar : gar.

: also (im ganzen 49 mal): 679. 861. 877. 935. 1719. 2057. 2517. 2605. 3587. 4693. 4801. 5511. 5539. 6099. 6571. 7001. 7507. 7675. 7945. 8085. 8115. 8713. 8739. 8771. 8927. 8993. 9035. 9055. 9241. 10215. 10949. 11815. 11843. 12137. 12691. 13153. 13245. 13267. 13335. 13509. 13777. 14061. 14167. 14431. 14739. 14753. 14909. 15363. 15493.

dar : gar (im ganzen 70 mal): 337. 673. 771. 1605. 1733. 1763. 2615. 2657. 3005. 3045. 3363. 3487. 3857. 4715. 4767. 5045. 5205. 5377. 5495. 5585. 5671. 5679. 5701. 5859. 5965. 6335. 6533. 6843. 7137. 7151. 7251. 7271. 7441. 7765. 7851. 7901. 8377. 8523. 8569. 8805. 8905. 9217. 9331. 9913. 10879. 11065. 11147. 11617. 11971. 12061. 12867. 13061. 13171. 13235. 13243. 13319. 13327. 13841. 14147. 14153. 14265. 14305. 14435. 14681. 14795. 14913. 15107. 15295. 15353. 15357.

Manchmal folgen mehrere solcher reime nahe aufeinander, z.b. 10947—950. 13161 und 13171—174. 13243—248. 13319 und 13327—335. 13739 und 13747—763. 14745—756. 15347 —15370.

Auch abgesehen von diesen Partikeln ist die wähl der reimwörter vielfach sorglos. Ich glaube nicht mit Junk,i) daß die häufigen grammatischen reime, vierreime, Wechsel von länge und kürze der gleichen reimsilbe innerhalb zweier reim- paare, Wiederkehr desselben reims im zweitfolgenden reimpaar ein bewußtes kunstmittel sind. Diese 'reimkünste' finden sich durchaus nicht immer an stellen, in denen ein 'besonderes pathos' liegt. Die grammatischen reime am Schluß der ab- schnitte in den ersten büchern des Alexander sind natürlich beabsichtigt, ähnlich werden sie im Willehalm aber nirgends verwendet. Die grammatischen reime im AVillehalm sind m. e. zum größten teil 'zufällig'. Sie werden hervorgerufen durch

1) Untersuchungen zum reimgebrauch Rudolfs von Ems, Beitr. 27, 446 -503 (sie beschränken sich auf den Guten Gerhard und den Barlaaui).

WILLEHALM DES HUDOLF VON EMS. 273

Rudolfs wortspielerische nianier. Ihre große zahl möchte ich nicht auf übertriebene künstelei, sondern vielmehr auf Sorglosig- keit und mangel an feingehör des Verfassers zurückführen. Eigentliclie reimkünste finden sich nur am Schluß des Willehalm in dem durch 9 verse durchgehenden reim -ät, in dem liebes- gespräch v. 13950—961, dessen sämtliche reime auf das helle i ausgehen, vielleicht auch in der häufung grammatischer reime in den ermahnungen Jofrits an Wilhelm v. 3341 3354, i) und endlich in den 32 versen 3965—3996, in denen 5 vierreime enthalten sind. Diese stelle enthält allgemeine betrachtungen über minne und echte Weiblichkeit. Es liegt also nahe, eine nachall mung der Gottfriedischen Strophen anzunehmen. Doch schmücken diese reimkünste nicht etwa geschlossene Strophen, satz und gedanke greifen vielmehr regelmäßig vor- und rück- wärts über den vierreim hinaus. Die geschlossene form recht- fertigt also nicht diesen schmuck wie bei Gottfried. In diesen 5 i-eimgruppen haben v. 1 und 3 und v. 2 und 4 rührende reime. Das folgende Verzeichnis sämtlicher reimbesonderheiten des Willehalm möge die entsprechenden Zusammenstellungen Junks (für den Guten Gerh. und den Bari.) ergänzen Bezüglich der gleichheit eines oder beider reimwörter in den vierreimen Avie entsprechend in den grammatischen reimen sind die folgenden sechs typen möglich:

1. t3'pus a' : a : a' : a

4. a : a' : a : a

5. a' : a" : a' : a" o. ata lata*

Vierreime :

ohne gleiches wort: 81—84. 85—88 (1405).

l.typus 3401

2.

3. 3613

4. 4271

5. 4385. 4729. 6301

6.

vgl. auch 3923 ivas : Jas : etesivaz : baz.

1) Wohl nachahmnug- von Hartmanns Gregorius 607—624.

Beiträge zur geschichte der deutsclien spräche. XXXVIII. Jg

274 HENRICH

Identische reime'):

6637 hie : hie

8825 zernienge : anegienge

8761 kraft : kraft

14907 zehant : zehant.

Reimwiederholung innerhalb dreier reimpaare:

Verschiedene reimwörter: 165—170. 595—600. 2111-2116. 4447 -4452. 14469—474. 15511—516.

1. typus 219—224. 6179. 8963. 11317. 12603. 13011

2. 455. 1995. 8235. 11971. 12447. 13645. 15047. 15583

3. 12923. 13345

4. 3747. 4463. 9273. 11529. 12157. 12715. 13017. 14523

5. 3325. 3511. 4433. 6923. 7603. 10043. 11581. 13419.

6. 633. 1385. 12827. 13543. [14935. 15457

Mehrmalige Wiederkehr desselben reimes : 5003. 5013. 5017. 5575. 5579. 5583. 12617. 12621. 12627. - 14105. 14117. 14121.

Grammatische reime, ein oder zwei worte stehen in grammatischem reimverhältnis:

1. typus 467. 1253. 2083. 3189. 4585.5595.7277.7655.9145.

9837. 10639. 10895. 11839. 14731

2. 5575. 5617. 6215. 7559. 12491

3. 2795. 4165. 6399. 7417. 8225. 15121. 15679

4. 2693. 2S85. 7725. 7891. 7997. 10739. 11445. 15611.

5. 173. 3397. 3563 3629. 4221. 5125. 6881. 9723. 12553.

14359. 14765. 15101. 15443. 15461. 15669.

6. 4425. 4429. 4977. 7827. 11285. 12989. 14033. Häufung: 10717—10756 in 16 reimpaaren 9 reime auf -ant, -atide,

•anden. Man beachte auch reime wie: erkant : Sigenant : wiganden : Se- ianden 483—486; ivigant : bevant : besande : lande 10723; Möranden : sanden : Irlant : icigant 11933; wolte : solte : galt : holt 12029; werde- keit : bereit : beiden : eiden 14393.

Während ein eigentliches praesens histoiicum sich im Wille- halm nirgends findet, gebraucht Rudolf mehrmals eine präsens- form im reim, die neben präteritalformen desselben satzes vollständig isoliert, keinem anderen grund als der reimnot ihr dasein dankt, z. b. 3044. 4604. 10158. Die bequemlichkeit R.'s in der wähl eines reimwortes veranlaßte auch die bedeutungs- lose Wendung:

*) Sonstige rührende reime (in einem reimpaar) gibt es im Willehalm nicht. Damit bestätigt sicli die auf den Guten Gerhard und den Barlaam bezügliche aufstelluug Zwierzinas (Zs. fda. 44, 294) , daß R. den rülireuden reim ängstlich meidet.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 275

7314 üf grüenem grase sixnder mein (: heln) bäte er geherberget da.

und die tautologie: ich genas und vil ivol genesen ivas 8589; vgl. auch 2366. Die gewolmlieit R.'s, mit einer quellenberufung sich einen gewünschten reim zu verschaffen, läßt ihn eine solche einmal an einerstelle einfügen, wo sie ganz unberechtigt ist: in dem ruf der grogierer v. 7975 als ich hän vernomen.

yil. Verschiedenes.

Mancherlei ungenauigkeiteu in construction und ausdruck (wie das beziehungslose ir in v. 142 und ferner 230 f. 219. 1016. 1053. 3474. 56G7. 6232. 7668) mögen auf rechnung der hand- schrift zu setzen sein. Dagegen sind andere Unebenheiten des ausdrucks dem dichter zur last zu legen, z. b.

9812 knappe, sage disen rittern wie ( : hie !) wie wart dem man der ronp genomen. 1088G me gezierde danne vil; äbulicb 10927 7425 daz si die tjost wol mohten seben diu da solle da gescheben. Ferner: 7300/1. 7877,8. 7843/4. 8661. 8847,8. 9339. 10529,30 12261.

Es ist sicher weniger umständliche breite als Ungeschick- lichkeit, die den dichter nach Willehalms tod immer wieder von der trauer und klage Jofrits sprechen läßt: 1499 ff. 1513 ff. 1540 ff. 1550 f. 15681 Von klagen und jammern um gefallene beiden ist in dem ersten buche überhaupt fast mehr die rede, als von ritterlichen taten. Wenn ein ritter im kämpf den tod findet, unterläßt es Rudolf selten, auf den Jammer hinzuweisen, der so mancher frau daraus erwächst (z. b. 1125. 1191. 1217). Alles wird bei Rudolf schablonenhaft geschildert; die kämpfe verlaufen fast alle gleichmäßig, vor jedem entschluß zieht der fürst seine mannen zu rate, die aber manchmal ganz passiv bleiben (charakteristisch: 5304—5332). Nichts wird individuali- siert, nichts wird lebendig. Alles wird mit abgegriffenen Worten und Wendungen gesagt, z. b.

12432 mir bat gedienet sit dem tage daz icb was siben jar alt ein degen bövesch uude balt der kam in diz riebe so rebte bovelicbe

18*

276 HENRICH

daz er in juncberren wis bejagete hie den hcehsten pris, den Tor siner zit ieman in knehtes namen me gewan.

Es sei auch hingewiesen auf eine sprachliche besonderheit, die Rudolfs darstellung ein unpersönliches, absti-actes und prosaisches gepräge gibt: die häufige passive ausdrucksweise, wo wir die active wünschten (besonders auffallend 9996/7. 4543. 14316), das oft gebrauchte unpersönliche man, die farb- losen hilfsverba sin, werden, geschehen, tiion, hän u. dgl. In den Versen 133 1000 zählen wir z. b. 46 passiva, 8 mal findet sich man, 7 mal geschehen, 15 mal sin, 6 mal icerden. Wie nüchtern diese ausdrücke wirken, ergibt z. b. die stelle v. 2879 2948, in diesen 70 versen haben wir nicht weniger als 18 mal formen wie ist, tuot, stät, hän (ähnlich 3670—3717. 5254—5283 u. öfter).

Rudolf operiert gerne mit zahlen. Er rechnet uns vor, wie viele von den zehn genossen Wilhelms beim ersten kämpf am tor von Nivel erschlagen wurden, wie viele dann noch übrig blieben und wie viele schließlich gerettet wurden (1429 ff.). Fernere zahlenmäßige angaben: 404-407. 923 ff. 954 ft\ 2704 ff. 2744. 2760. 2770/1. 3314/16/22. 5768—5787.

Rudolf interessiert sich nur für das äußere wechselvolle geschehen. Inneres erleben, individuelles empfinden vermag er nicht darzustellen. Von psj^chologischer durchdringung des Stoffes ist keine rede. Wie der junge Wilhelm erfährt, daß Jofrit nicht sein vater ist, läßt der dichter ihn mit keinem wort um den tod seiner eitern klagen. Er legt ihm nur die gedanken in den mund, die ihm dem dichter die hand- lang fortführen helfen sollen. Rudolf sieht nur die menschen, dem Schauplatz widmet er keine aufmerksamkeit, jede scenerie fehlt entweder ganz oder wird nur eben angedeutet, nie lebendig besclirieben (630. 14633). Auf diese mangelnde teil- nähme an der farbigen und mannigfaltigen erscheinung der dinge ist es wohl auch zurückzuführen, daß sich nur wenige und verhältnismäßig kurze beschreibungen im Willehalm finden, die hinter dem sonst üblichen maß (auch im Tristan, kleider- verse!) zurückbleiben: 1038—59. 3160-73. 6374—85. 7299— 7313. 7391-7413. 14539—14543. R. hastet über alles weg.

WILLEHALM DES RUDOLF VON EMS. 277

Geschehen reiht sich an geschehen. Ein höheres künstlerisches interesse kennt er nicht, er denkt nur an den geschmack des durchschnittspublicunis: disiu äventiure tvert swes ieman von mceren gert (119), Nicht einmal die bunte fülle wunderbarer abenteuer bietet für die mangelnde kunst der darstellung einen ersatz. Die erzählung ist gar nicht abenteuerlich, son- dern manchmal recht prosaisch. Der dichter verschmäht es nicht, von den einkünften Wilhelms und von Jofrits kauf- männischen Unternehmungen zugunsten seines adoptivsohnes zu berichten (220. 2650. 3018).

Eeligiös-sittliclie Interessen fehlen dieser ritterlichen er- zählung fast ganz (vgl. nur v. 14848 als man hezzerunge sol gimncn icgltchem man). Ethischen gehalt weiß Eudolf seinem werk nicht zu geben. Doch ergreift er mehrmals die gelegen- heit, seine personen väterliche lehren erteilen zu lassen: 3344 ff. 3390 ff. 15113 ff. 15160 ff. 15308 ff. Da heißt es denn wieder- holt vor allen dingen minne got 3395. 15129 und ähnlich 15178, woran sich einmal die mahnung an die letzten dinge (15189), ein anderes mal der hinweis auf den himmlischen lohn knüpft (15133). Sonst enthalten diese ermahnungen fast nur all- gemeine lehren über treue, zucht, Weisheit, freigebigkeit, gattenliebe.

AYas sich sonst an didaktischen el erneuten im Willehalm findet, erhebt sich nicht über die durch die literarische mode geforderten allgemeinen betrachtungen, die aber im Willehalra äußerlich angehängter schmuck bleiben und mit der erzählung nur in lockerem Zusammenhang stehen, z. b. die erörterung über die verschiedene auffassung der minne durch die besten und die hoesten (4384 ff.) und die ohne rechten grund eingefügte unklare auseinandersetzung über einfältig ni minne (4999 ff.). Lehrhafte tendenz, die man nach der einleitung von dem dichter des Guten Gerhard und des Barlaam erwarten könnte, hat die dichtung nicht. Diese einleitung ist übrigens nicht etwa dem Tristan nachgebildet. Eher ist an Freidanks Bescheidenheit zu denken, einmal wegen der form: es werden nicht vier, son- dern meist zwei verse zusammengefaßt: 1 2. 3—4. 11 12. Dann sind die verse 15—16 der einleitung zu Freidank ent- nommen (bescheidenheit, diu alles lobes Jcröne treit; ebenso heißt se auch v. 3401/2). Eingestreute Sprichwörter sind selten

278 HENRICH

Nur einmal wird ein Sprichwort als solches kenntlich gemacht : ez ist tüär: so ie gceher so ie gar unncelier^) (9131). Als Sprich- wort ließe sich noch bezeichnen: miet machet Jcrumbes sieht iinde hrumbet slehtez reht (3613, vgl. Freidank 167,16 und 50,24); ein böte sinem lierren sol sin dinc iverhen, daz stät ivol (10625); sivä daz sere, da diu hant, swä liep, da herze und ouge erhant (4887). Sprichwörtliche redensarten, jedoch nicht in geschlos- sener form, finden sich noch folgende: sives man sich getrccsten sol und daz nienian mac gehän, daz sol man guotUche län 1710; ez ist gar unschämelich, oh in guotem mnote ein man titot so er beste Jean 2276; von liebe liebe mcere geloubet man vil hüme 1^702; ein Jcint tuot so ez beste Jean und darnacJi sine witze sint 12852.

Es ist bemerkenswert, daß ein in der deutschen literatur so belesener dichter, für dessen weitgehende kenntnisse nicht nur die literarischen stellen, sondern beweiskräftiger die viel- fachen nachahmungen fremdei' dichtungen sprechen, im Wille- halm gar keine spuren antiker bildung, mythologie, sage, dich- tung oder Philosophie aufweist.

Die stilistische Untersuchung des Willehalm hat uns immer wieder auf die erkenntnis der Unselbständigkeit Rudolfs geführt. Sein Stil ist nicht der ausdruck einer persönlichkeit, sondern ein product äußerlicher nachahmung. Der gedankengehalt ist ganz durch den behandelten Stoff bedingt. Der Barlaam kennt nur weltflucht und religiosität, der Willehalm hat nur sinn für ritterliches leben. Den übernommenen stoff aus eigenem mit menschlichem gehalt zu durchdringen, ihn zu einem bild des lebens zu erweitern, dazu fehlt es Rudolf an innerem reichtum, an Charakter, an persönlichkeit. Andererseits ist anzuerkennen, daß er nicht das mangelnde talent durch prahlerische Selbst- überhebung ersetzt. Er ist bescheiden und erklärt wiederholt, er wolle sich rechte mühe geben, seinem stoff gerecht zu werden. Es fehlt ihm Gottfrieds schönes dichterisches Selbstgefühl. Er sagt nicht mit seinem meister ^vir, die dichter'. Er hat kein inneres Verhältnis zur kunst. Gottfrieds pathos in der ab-

1) Am ende eines citats, das von Grimm Freidank zngewiesen wird (im anhang zn seiner ausgäbe).

WILLEIIALM DES liüDOLF VON EMS. 279

lehnung irregehender rätseldichtung liegt ihm fern. Sein ton ist trocken. Es fehlt ihm die wärme, der schwung und alles, was den dichter macht.

Inhalt.

Einleitung-. I. Zum wortoebrauch : lieblingswörter und -formein. Das französische element. II. Ästhetische figureu: vergleiche ver- gleiche allgemeiner art bikler bildliche Verstärkung der negation personification. III. Phonetische figuren: alliteration anapher Wort- spiele. — IV. Siuufigureu: synouyma parallelismus antithesen Oxymoron hyperbel. Y. Hervortreten der dichterischen Persönlichkeit: Versicherung der Wahrheit berufuug auf die quelle anreden an die Zuhörer rhetorische frage allgemeine betrachtungen persönliche Verhältnisse des dichters seine anteilnahme an der erzählung. VI. Zum reimgebrauch. VII. Verschiedenes: Unebenheiten des ausdrucks Rudolfs mangel an psychologischem Interesse Schauplatz beschreibungen fehlen des religiösen und moralisierenden elements Sprichwörter Ver- hältnis zur antike wert der dichtung.

STEASSBURG. ANTON HENRICH.

HERZOG IRON.

I.

Die piörekssaga berichtet in cap. 337—341 (U cap. 245— 274) ') von den scliicksalen zweier söhne des königs Artus von Bertangaland, die von 'Etzel als jarle eingesetzt werden: ApoUonius in Tira, Iron in Brandinaborg. ApoUonius warbt um Herborg, die tochter des nachbarkönigs Salomon von Frank- reich. Er wird vom vater abgewiesen. Nachdem er sich aber durch die gäbe eines zauberkräftigeu ringes die liebe der Jung- frau gesichert hat, läßt sie sich von ihm entführen. König Salomon erklärt sich bereit zu einer Zusammenkunft, bei der er sich mit seinem Schwiegersöhne vergleichen will. Doch bevor es dazu kommt, stirbt Herborg plötzlich, und nunmehr bleibt das Verhältnis zwischen dem könig und den jarlen ein gespanntes.

Von jetzt ab tritt Iron in den Vordergrund der erzählung. Er wird geschildert als ein gewaltiger Weidmann. Eine Zeit- lang läßt er sich durch seine gemahlin Isolde von seinen jagd- zügen, die ihn in bedenkliche nähe von Salomons reich führen, abhalten. Einst aber erfährt er von einem bei ihm herbergenden f/arö syn, daß könig Salomon sich nahe der grenze im ualsloengu- skogr einen alten und eine anzahl junger wisente halte. Und

1) Ich eitlere die saga (ps.) nach H. Bertelsen, jDiÖriks Saga af Bern, Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur 34, bd. 2 und weise nur bei capitelangabeu gleichzeitig aiif die ausgäbe von Unger (U) hin. Mb be- zeichnet die norwegische pergamenthandschrift, Mb, u.s.w. die an teile der verschiedenen Schreiber dieser handschrift, A und B die jüngeren isländischen handschriften, deren lesarten bei Bertelsen verzeichnet sind, Sv die alt- schwedische redaction der saga (G. 0. Ilylteu-Cavallius, Sagan om Didrik af Bern, Stockholm 1850), in welcher der gesamte erste teil der Ironerzählung nur ganz kurz augedeutet ist.

HERZOG IRON. 281

als nun weiterliin die nachriclit kommt, daß der feindliche könig" auf dem gebiete des Apollonius hat jagen lassen, da macht Iron sich zusammen mit dem bruder auf, und sie er- legen in Salomous walde drei der jungen wisente. Bald danach trifft Apollonius' Jäger Kolfr den könig, wie er zur Vergeltung in dem dem jarl gehörigen Ungaraskogr jagt. Als Iron dies erfährt, zieht er diesmal ohne Apollonius, der inzwischen erkrankt ist wiederum nach dem ualsloenguskogr und erlegt den alten wisent. Der furchtsame ritter AVandilmar, der durch ein komisches mißgeschick dem wisent auf den nacken zu sitzen kommt und dadurch das tier so ermüdet, daß es schließlich den Jägern erliegt, erscheint als der held des tages und gewinnt so die liand von Irons tochter Isolde.

Bald danach macht Iron sich auf, um auch die noch übrigen jungen wisente zu erlegen; im Ungaraskogr aber stößt er auf Salomon, der ausgezogen ist, um räche zu nehmen, und fällt samt seinem Jäger Nordian dem gegner in die bände. Als jedoch Irons gemahlin Isolde, mit einem brief Etzels versehen, persönlich bei Salomon um freilassung ihres gemahls bittet und dabei von der gattin des königs unterstützt wird, gibt Salomon den herzog frei und sendet ihn zu Etzel, der ihm weiterhin seine hei-rschaft Brandinaborg beläßt.

Nach dem tode der Isolde lernt Iron auf der fahrt nach Eom zu einem gast mahle könig Ermeurichs Bolfriana, die gattin des herzogs Aki aurlunga trausti zu Fritila kennen. Sie fassen neigung zueinander, und als ein anderes mal herzog Aki im begriffe steht, zu Ermenrich nach Eom zu ziehen, sucht Iron ein zusammentreffen mit Bolfriana ins werk zu setzen. Der herzog aber entwendet seiner gemahlin den brief, in dem Iron sein kommen meldet; er richtet es so ein, daß er mit jenem im walde zusammentrifft, und erschlägt ihn, Dietrich von Bern, der mit Wittich und Heime ebenfalls auf dem wege nach Eom ist, findet im walde den leichnam, bei dem roß, hunde und falken des erschlagenen trauern, und bestattet ihn. Bald danach finden Nordian und die anderen begleiter Irons das grab ihres herrn.

Daß die quelle für diese erzählung der ps. auf deutschem boden zu suchen ist, bezeugt der sagaverfasser selbst. Denn wenn er bei der erwähnung von Irons Jagdhunden hinzufügt:

282 VON UNWERTH

XII vorn enir hceztii luindar Peir er allir cru nefndir i Py- cfeshim hveöiim (s. 128, 5 ff.), so stützt er sich bei dieser be- merkuiig wohl auf dieselbe erzählung {])at er mcellt i sogum s, 128,3 f.), die ihm von Irons neun berühmten hunden berichtete. Von den aufgeführten hundenamen (s. 126, 19 ff. 135, 13 ff.) ist Bracci selbstverständlich das deutsche bracJce. Und der name der liündin Luska (so in Mb, AB; nur s. 127, 3 hat Mb Losca) darf zusammengestellt werden mit dem deutschen worte Lusche 'hündin', das in Grj'phius' 'geliebter dornrose' ebenfalls als name verwendet scheint. Der Ursprung des Wortes ist nicht klar; aber das vorkommen der formen Lusche, Liisch (neben sonstigem Lutsche, Leutsche) in ganz verschiedenen hd. gegenden (Bayern, Hessen, Schlesien) läßt die ansetzung einer bereits mhd. form lusche als nicht unberechtigt erscheinen (vgl. Grimm, UWb. unter Leutsche, Lusche 2; Weinhold, Beiträge zu einem schlesischen wörterbuche s. 55).

Daß man vom herzog Iron in Deutschland wußte, dafür bietet auch die mhd. literatur directe Zeugnisse. Im mhd. Weinscliwelgi) heißt es in v. 981i.:

der herzöge Ytam'*)

der was gar äue wisbeit,

daz er einem wiseut nächreit,

er iint sin jeger Nordiän.

Und Enikel sagt im Fürstenbuch-') v. 3604 ff.:

Man seit von dem herzogen Iran*) und ouch von Bern heru Dietrich, des vehtens des Avas nie gelich, daz dise zwen küene man beten üf dem velde getan.

Und ähnlich in der Weltchronik (hsg. ebda.) v. 16296 ff.: Man seit von herzog Tran-') und von bern Dieterich, des vehtens was dem niht gelich, daz dise zwen man vor Troy heten getan.

') Lucse, Der Aveiuschwelg. Halle 1886.

«) Oder Yram?

^) Hsg. von Strauch, Mon. Germ. Deutsche cbron. bd. 3.

*) Hs. Yran, Yra7n, tvan, gran.

•') Hs. Yran, Cyran, ieran.

HERZOG IKON. 283

Endlich begegnet Nordian als personenname in einer vor 1206 ausgestellten ba3aischen Urkunde (Müllenhoff, Zs. fda. 15, 343 ff.), ein umstand, aus dem natürlich nicht kurzerhand ge- schlossen werden darf, daß zur genannten zeit in jener gegend die von der I)s. benutzte dichtung bekannt gewesen sei.

Wie sich aus diesen Zeugnissen ergibt, ist also auf deutschem boden eine ausführliche Irondichtung nicht erhalten, mit der man den bericht der ps. bis ins einzelne vergleichen könnte. Man ist mithin, wenn man Charakter, alter und heimat von dessen deutscher quelle bestimmen will, mehr als bei anderen Stoffen auf die saga selbst angewiesen.

Einen versuch in der genannten richtung hat neuerdings Boer unternommen (Arkiv för nordisk filologi 27, 253 ff.): ihm gilt als quelle der ps. eine rheinische dichtung vom ende des 12. jh.'s. Das Rheinland ist wohl gewählt, Vv'eil als grundlage der deutschen dichtung eine französische angesetzt wird, die wiederum die brücke bildet hinüber nach der ags. sage, in der Boer einen teil der Irondichtung durch abbildungen auf dem ags. runenkästchen bezeugt finden will (s. 215 ff.). Als beweis für das Vorhandensein einer französischen vorläge wird aber außer der endung des namens Iron, die möglicherweise franzö- sisch sei, nur angeführt die namensform Franz ^) für Frank- reich und die bemerkung, daß man am hofe Salomons der königstochter a franzeis tungu zu antworten habe (s. 118, 6 ff.). Da die ausdrücke Frans und franzeis den Norwegern aus ihrer auf französischen quellen beruhenden Übersetzungsliteratur bekannt waren (vgl. Fritzner, Ordbog 1, 481), so brauchen sie in der ps. nicht aus deren vorläge zu stammen. Nimmt man aber letzteres an, so braucht man nicht weiter als in die er- haltene rahd. literatur zu gehen, um die erklär ung für solche formen zu suchen. Die namensform Franze ist der deutschen höfischen poesie nicht fremd, und das adjectiv belegt Lexer (art. franzois) auch aus quellen, die nicht einer französischen vorläge folgen. Daß aber das französische für die Umgangs- sprache an einem königshofe erklärt wird, kann bei einem

1) Franz begegnet s. 124, 15. 126, 11. 132, 16 (Mb und zum teil AB) neben den in den abschnitten über ApoUonius und Iron mehrfach vor- kommenden nordischen formen FrakJcland, Frakka riki, Frakka vellÖi.

284 VON UNWERTH

deutschen dichter der kreuzziigszeit kaum wundernehmen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß Wolfram selbst die heidnische königin Ekubä, eine gestalt, die nicht seiner französischen quelle entstammt, franseis reden läßt (Parz. 329, 11 ff.; weiteres zu dieser ganzen frage s. unten).

Boers argumente zwingen also nicht zur annähme einer französischen quelle der Irondichtung. Und die folgende Unter- suchung wird zeigen, wie von der erzählung in der ps. aller- dings mancherlei fäden hinüberlaufen nach der französischen literatur, wie aber die annähme einer directen französischen vorläge nicht zur gewißheit erhoben werden kann. Irgend- Avelche triftigen gründe für die localisierung der Irondichtung im Rheinlande sind ferner nicht angeführt worden. Gleichwohl läßt sich über ihren Charakter weit mehr feststellen, als bisher geschehen ist, und es ist sehr wohl möglich, ihr einen platz anzuweisen, wenn auch nicht in einer einzelnen landschaft oder einem bestimmten jähre, so doch innerhalb der uns be- kannten Strömungen der mittelalterlichen deutschen literatur.

n.

Neumann (Germania 27, 1 ff.) hat die Verbindung der Apol- lonius- mit der Irondiclitung als ein werk des sagasclireibers erklärt und versucht, eine reihe von Widersprüchen aufzuzeigen, die noch zeugnis ablegen sollen für die gewaltsame zusammen- schweißung der verschiedenen Stoffe. Principiell ist dazu zu bemerken, daß die alte philologische methode, mit Widersprüchen Interpolationen herauszuarbeiten, gerade gegenüber den Stoffen der ps. nur mit allergrößter vorsieht angewendet werden darf. Die erhaltenen denkmäler der deutschen volksepik und Spiel- mannsdichtung lehren, daß die gedichte dieser gattungen immer wieder Überarbeitungen und Umgestaltungen ausgesetzt waren, so daß, wo die Überlieferung reichlicher fließt, von einer her- stellung des Originals nicht die rede sein kann. Ungleichheiten und Widersprüche gehören zum wesen dieser werke. Und wenn nun denkmäler ähnlichen Inhalts und Charakters, die von der ps. bewahrt worden sind, ähnliche eigenschaften zeigen, so kann das bereits in den quellen, es braucht nicht in ihrer zu- sammenarbeitung durch den Norweger begründet sein. Denn daß dem sagaschreiber gerade lauter neugefertigte originale

HERZOG IRON. 285

bekannt geworden seien, wird man nicht fordern können. Und was sind in der deutschen heldendicht img überhaupt originale? Ein beweis aus Widersprüchen kann also auch im vor- liegenden falle nicht sofort als gültig anerkannt werden. Die tatsache aber, daß überliaupt wenn auch nicht von vorn- herein behauptet werden darf: durch den sagaschreiber eine Verbindung verschiedenartiger Stoffe hier vorgenommen ist, kann man nicht bestreiten. Die fabeln der Apollonius- und der Irondichtung sind auch nicht eigentlich ineinandergearbeitet, sondern aneinander angesetzt. Zuerst wird die werbungs- geschichte des Apollonius erzählt. Nachdem aber die ent- führung geglückt ist, werden die weiteren auseinandersetzungen zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn jäh abgebrochen durch den dichterisch unmotivierten tod der Herborg (s. 120, IG ff.). Daß Apollonius vorher seinen zauberkräftigen ring gerade aus der band von Irons gemahlin erhält (s. 112, 5 ff.), dazu besteht keine notwendigkeit, und in dem Charakter der Isolde, wie er im weiteren sich zeigt, ist der besitz eines solchen riuges in keiner weise begründet. Der tod der Her- borg schafft nur platz für die eigentliche Ironfabel, die nun alsbald mit ihrem hauptmotiv, der jagd, einsetzt. Nun ist allerdings an dieser fabel Apollonius beteiligt, indem die un- rechtmäßigen jagdzüge könig Salomons eben sein gebiet treffen. Aber die handluug würde keinen anderen verlauf nehmen, wenn Salomon unmittelbar auf Irons gebiet gejagt hätte; und an dem hauptschlag gegen den könig, der jagd auf seinen großen wisent (s. 134, 12 ff.), ist Apollonius gar nicht beteiligt. Sein fehlen wird durch eine plötzliche erkrankung gewaltsam motiviert. Dann wiederum, als Iron in die bände des geguers gefallen ist und es nun an seinem bruder wäre, helfend einzugreifen, wird Apollonius dieser Verpflichtung durch einen plötzlichen tod enthoben (cap. 340; U cap. 266). Diese seine beseitigung vor zwei wichtigen Unternehmungen kann auf nichts anderem beruhen als eben darauf, daß in einer voranliegenden quelle seine gestalt noch nicht in die erzählung eingeführt war, und daß vielmehr im ersten falle Iron, im zweiten seine gemahlin die alleinigen träger der handlung ge- wesen sind.

Daß gleichwohl dem Apollonius eine rolle in der jagd-

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erzählung- zugekommen sei, möchte man zunächst vielleicht daraus schließen, daß ihm wie dem Iron ein eigener mit namen genannter Jäger zugeteilt ist. Aber der name dieses Jägers, Rolfr, ist nicht deutsch, sondern nordische) Man muß also damit rechnen, daß in der quelle der saga ein ungenannter veidimadr (oder etwa Nordian?) die rolle dieses Rolfr gespielt hat. Ein eigner Jäger des Apollonius wird damit ebenso pro- blematisch wie die figur des jarls selbst in der jagddichtung. Gleichzeitig bietet sich hier ein hinweis darauf, daß eine ein- fügung, die im Zusammenhang mit Apollonius steht, erst auf nordischem boden stattgefunden hat.

Deutlicher aber als aus dem vorhergehenden ergibt sich die notwendigkeit, Apollonius- und Irondichtung zu trennen, aus einem vergleich des literarischen Charakters beider er- zählungen. Wie sehr sie dabei auseinanderfallen, kann erst aus der gesamten folgenden Untersuchung hervorgehen. Hier sei zunächst nur die dichtung von Apollonius kurz charakterisiert.

Der versuch Neumanns a.a.O., den weiteren gang der er- zählung zu reconstruieren, kann zu keinen sicheren ergebnissen führen, da sich aus der Irondichtung keine bestandteile aus- scheiden lassen, die notwendig nicht ihr, sondern der Apollonius- dichtung angehören müßten. Mau ist also für die letztere der hauptsache nach auf den anfang des gemeinsamen abschnittes in der ps. angewiesen, auf die werbungsgeschiclite. Daß Apol- lonius, der jarl in Tira, seinem namen nach kein anderer ist als der held des bekannten antiken romans, Apollonius von Tyrus, ist klar. Von diesem wird im eingang des romans er- zählt, wie er eine gefährliche werbungsfahrt an den hof des königs Antioclms unternimmt. Die eizählung deckt sich nicht mit derjenigen in der ps.-) Aber der name Antiochus kehrt in der ps. wieder als der name des vaters von könig ^alomon (Antiocus s. 143, 16; AB nennen den namen nicht). Seine rolle als vater der königstochter und gegner des Apollonius hat sein

^) An eine umsetziDig der deutschen naniensform in die nordische ist kaum zu denken, zumal an anderen stellen in der ps. die deutsche form als Itoöolfr auftritt.

^) Weisen die worte: en sua mikit ann henni salomon konungr, at Cßngum vill hann hana gipia (s. 111, 10 f.) noch auf das romanmotiv, daß der alte künig selbst von unnatürlicher liebe zu seiner tochter erfüllt ist?

HERZOG IKON. 287

söhn übernommen. Die werbuiig-sgeschiclite selbst aber bewegt sich in motivkreisen, die unschwer ihre literarische Zugehörig- keit erkennen lassen. Apollonius schickt zunächst boten, deren Werbung erfolglos bleibt (s. 111, 13 ff.); er zieht dann selbst aus und nimmt einen ring mit, der ihm die liebe jeder frau ver- schafft, die ihn angesteckt erhält (s. 112, 5 ff.); bei einer zweiten fahrt verbirgt er sein bewaffnetes gefolge im walde nahe der königsburg und geht selbst verkleidet hinein (s. 116, 19 ff.); zweimal benachrichtigen sich die liebenden heimlich durch briefe, die in äpfeln verborgen sind (s. 115, 5 ff. 118, 13 ff.); ein andermal bestellt ein loddari, ein fahrender, botschaft von Herborg an Apollonius (s. 116, 3 ff.). Wenn sich diese motive auch nicht alle in völlig gleicher Verwendung auf deutschem boden nachweisen lassen, so führen sie doch ebenso wie das ganze thema der erzählung, die abenteuerliche werbuugs- geschichte, deutlich hin auf eine ganz bestimmte gattung der deutschen literatur: auf die spielmaiinsdichtuDg, die ihre haupt- pflege gefunden hat in den Eheinlanden. Ein wichtiges Interesse des spielmännischen dichters verrät sich auch in der ausführ- lichen hervorhebung von Herborgs und Apollonius' freigebig- keit (s. 118, 20ö\ 119, 15 ff.). Und auf einen Zusammenhang gerade mit rheinischer poesie weist das verkleiduugsmotiv: Apollonius tritt auf in der gestalt einer weitberühmten hure. Dieses motiv findet sich wieder in einem niederländischen volks- liede (H. Wolfskehl, Germanische werbuugssagen 1, 25 ff., Darm- stadt 1893).

Bei einem rheinischen spielmanne ist ferner die einführung des königs Salomon in die rolle des Antiochus leicht denkbar: er ist offenbar seinem Ursprung nach kein anderer als der biblische Salomon, dessen lob in der ersten häifte des 12. jh.'s im Stile rheinischer spielmannspoesie gesungen Avurde und der weiterhin zu einer hauptfigur in dem rheinischen spielmauns- gedicht von Salmän und Mörolf wurde. Als ein könig, aus dessen reiche eine frau mit list und nicht gegen ihren willen entführt wird, erscheint er ja auch hier. Eine merkwürdige umkehrung der in den siüelmannsdichtungeu üblichen Verhält- nisse scheint aber in der ApoUoniusdichtung vorzuliegen, wenn hier ein in Tjtus wohnhafter held die tochter des königs von Frankreich entführt, während sonst derartige erzählungen

288 VON UNWERTH

christliche fürsten im heidenlande als werber auftreten lassen oder auch ganz sich in orientalischen Verhältnissen bewegen. Vielleicht aber läßt sich dieser v/iderspruch beseitigen und mit ihm auch eine geographische Schwierigkeit innerhalb der Irondichtung. Einem deutschen spielmann mußte Salomon doch wol könig in Jerusalem (Jerusale, Salmän und Morolf) sein; auf das königreich Jerusalem aber, wie es die kreuzzugs- zeit kannte, paßt trefflich die bemerkung der Apolloniusdichtung, daß man am hofe Salomons hirtcislega a franseis tunyu zu sprechen habe. Eine solche bemerkung konnte leicht einen nacherzähler, vielleicht eben den Norweger, von dem diese partie der ps. stammt, veranlassen, den könig, in dessen reiche man französisch spricht, als könig von Frankreich aufzufassen. Die namensform Franz entscheidet ja, wie oben (s. 283 f.) gezeigt ist, nichts dafür, ob sie von einem Nordländer oder von einem Deutschen dem texte eingefügt ist.

Nach dem ausgeführten läßt sich die Apolloniusdichtung etwa folgendermaßen literarhistorisch auffassen. Ein deutscher spielmann, dem aus dem Apolloniusroman die namen Apollonius und Antiochus und das motiv einer abenteuerlichen werbungs- fahrt erinnerlich waren, gestaltete dies motiv mit den mittein, die ihm die traditionen seines Standes an die band gaben, zu einer eclit spielmännischen Werbungsgeschichte aus und führte dabei den könig Salomon, dessen reich er sich in der art des kreuzfahrerstaates Jerusalem dachte, als gegenspieler des Apol- lonius ein. Der spielmannsstil und die beziehungen zu einem niederländischen volksliede weisen wohl am ersten auf das Rhein- land als die heimat der dichtung.

III. Einen anderen Charakter als die Apolloniusdichtung zeigt der teil der erzählung, in dem Iron der hauptheld ist. Hier betritt man den boden der deutschen heldensage. Dietrich von Bern, der zusammen mit seinen recken Wittich und Heime den erschlagenen herzog bestattet, hat ihn im leben offenbar gut gekannt. Und daß die mhd. volksepik von einem gemein- samen auftreten der beiden gewußt hat, geht aus dem oben (s. 282) angeführten zeugnis Enikels hervor, der von dem ge- waltigen fechten spricht, das sie vor Troy (bez. üf dem veldt)

HERZOG IRON. 289

aufgeführt hätten. Ob der name Troy in diesem zusammen- hange tatsächlich einer volkstümlichen Dietrich -Irondichtung entstammt, läßt sich nicht ausmachen. Auf jeden fall kennt die mild, volksepik Troye Troige in mancherlei Verwendung (vgl. Eckenliet L Str. 81,9 und dazu ps. 1, 179, 10; ferner Ortnit Str. 39. 48; Wolfdietrich B str. 323 u. ö., D [Holtzmann] str. 530 u. ö,; Virgin äl [ZupitzaJ str. 438).

Die iDs. nennt noch einen anderen jarl Iron, der bei einer kriegerischen Unternehmung Dietrichs eine rolle spielt. Er ist bruder des Russenkönigs Waldemar, nach dessen falle er sich Etzel ergibt und von diesem als abhängiger beherrscher Rußlands eingesetzt wird (cap. 364. 365; U cap. 314. 315; Sv cap. 266. 267: hier heißt dieser jarl Iron, während der name des jarls von Brandinaborg nur als Iram Irom Irungh erscheint). Wie also Iron, der söhn des Artus, von Etzel zum beherrscher von Brandinaborg erhoben wird, wie er dann, als Etzel bei Salomon seine freilassung befürwortet und ihm darauf von neuem seine herrschaft übergibt, deutlich als vasall des Hunnen- königs erscheint und wie Etzel ihm nach seinem tode einen nachf olger bestellt (s. 156, 14), so setzt ganz entsprechend Etzel den Iron, Waidemars bruder, als tributpflichtigen vasallen ein. Es besteht mithin eine deutliche parallele in der auffassung dieser beiden fürsten namens Iron, und wenn sich auch bei der sonstigen Ungleichheit nicht behaupten läßt, daß hier auf der einen seite eine entlehnung von der anderen stattgefunden habe, so darf man doch wohl auf jeden fall schließen, daß im letzten gründe eine gemeinsame quelle vorliegt und daß die deutsche volksepik überhaupt einen" herzog Iron als vasallen Etzels gekannt hat. Wenn die ps. (cap. 320; U cap. 231) er- zählt, daß Tistram, der bruder Herburts, zu herzog Iron nach Brandinaborg geflüchtet sei, i) und später in der erzählung von Heimirs klosterleben den könig Dietrich der scene gedenken läßt, wie sie einst den leichnam Irons auf der straße gefunden haben (Ds. cap. 439; U cap. 434), so kann nicht mit voller bestimmtheit behauptet werden, daß der sagaschreiber

1) Die bemerkung, Tistram sei dort dem Jäger Nordiau beigegeben worden (Ds. 2, 45, 22 ff.), fehlt in AB und Sv (cap. 213) und kann also weder dem original der saga noch deren quelle bestimmt zugesprochen werden.

Beiträge zur geschieht« der deutschen spräche. XXX VIII. ;^9

290 VON UNWERTH

hier wörtlich seinen quellen folgt und nicht vielmehr personen und scenen, die sonst in seinem werk vorkamen, an diesen stellen selbständig verwertet, i) Bei ersterer annähme hätte man hier zwei weitere Zeugnisse für die kenntnis der gestalt Irons, im zweiten falle sogar der von der I)s. benutzten Iron- dichtung in Deutschland. 2)

Auf traditionen deutscher volksepik oder Spielmanns- dichtung weist fernerhin der name von Irons Jägermeister Nor- diau. Wenigstens nennt die ps. an anderen stellen einen Nordian als söhn des Wilzenkönigs Yillcinus und als vater der drei riesischen gefolgsmänner des königs Osantrix (ps. cap. 36 ff. 301 f. 324 ff.; U cap. 23 ff. 1931). Ferner erinnert der name von Irons Schwiegersohn Wandilmar an den könig Wandelbar (var. Wendelnar) von Frankreich, den der Wolfdietrich D (Holtz- mann str. 1873) nennt.

Deutlicher ist die herkunft aus der deutschen heldensage bei herzog Aki, dem gegner Irons im letzten teil der dichtung. Er gilt als bruder Ermenrichs und oheim Dietrichs und führt den beinamen aurlinga trausii. Zur erklärung dieses namens muß man von der soeben angeführten form ausgehen, die der

>) Der Zusatz von A au der letzteren stelle (s. 386, 34 f.; iu Mb und B fehlt diese partie) : og hversu aller hans menn kauf du unt sinum herra, der sclieinbar auf eine andere auffassuug der scene deutet, als sie iu dem Iron- abschnitt selbst gegeben ist, dürfte kaum alt sein. Die folgenden worte: og einngi pcirra vüldi nid hann skiliast finden sich auch in Sv (cap. 378, 21 f.), sind aber hier, wie das der Schilderung im Ironabschnitt entspricht, auf die tiere des toten bezogen.

') Ohne jede beziehung zu der gestalt des herzogs Iron ist könig Iran von Britannien (Mbj, Mbs und B haben Iran, A Iron, Sv Iron und Irara; vgl. 1)3.1,49,13. 2,70,21; Sv cap. 220 und s.335). Bedeutungslos für die beurteilung der Irondichtung ist auch die erwähnung eines römischen kaisers iron in der Tristramssaga ok Isondar (hsg. von Kölbing, Heilbronu 1878, s. 91, 37). In der jüngeren fassuug der saga (hsg. von Brynjülfsson, Aunaler for nordisk Oldkyndigbed og Historie 1851, cap. 12) fehlt die ent- sprechende episode, ebenso in der mittclenglischen Tristandichtung. Wich- tiger ist, daß bei Gottfried von Monmouth (hsg. von San Marte, Halle 1854, b. 10, cap. 1 ff. und ebenso in der nordischen Übertragung seines werkes, den Bretasügur cap. 38 ff., hsg. von Finnur Jönsson in der Hauksbök) in der entsprechenden erzählung der name Iron nicht auftritt. Sollte der keisari irön einer einzelnen sagahandschrift nicht durch mißverständnis eines ab- schreibers aus einem keisari i röm (kaiser in Eom) entstanden sein?

HERZOG IRON. 291

Schreiber von Mbs g-ebraucht und der in AB durchgehends erlimgatrausti entspricht.') Wenn demgegenüber in der Diet- leiberzählung Mb^ die form Ämlungatrausti bietet Q)s. 1, 235,23. 238, 12), so ist diese eher als die andere auf secundärem wege entstanden zu denken: denn die in der saga häufig vorkom- menden namen Anüungr, Amiungar, Amiungaland (s. Berteisens register 2, 400) konnten leicht veranlassung geben, ein unver- ständliches oder undeutlich geschriebenes aurlunga als amlunga aufzufassen. In einer quelle, die aus deutscher heldensage schöpft, kann nun aurlunga trausti kaum etwas anderes sein als der Harlunge tr6st\ und der narne des herzogs, Aki, findet sich auch als Hache eng verbanden mit der Harlungensage. Die erhaltenen mhd. quellen kennen Hache nur als vater Ecke- harts, des Schützers der Harlunge (Biterolf v. 10243 ff.; AVolf- dietrich D str. 2100: hier ist Hache, Eckeharts vater zu Bri- sach, identificiert mit dem auch im Wolfdietrich B genannten Hache, Berhtungs söhn). In der ps. dagegen ist Aki der vater der Harlunge selbst und bruder Ermenrichs. Daß der Harlungen- vater Ermenrichs bruder ist, wissen auch erhaltene deutsche quellen (Jiriczek, Deutsche heldensagen s, 77 f.); er erscheint aber hier unter anderm namen. Welche Stellung kommt nun dem Aki der Ironsage zu? Sein beiname der Harlunge tröst ist nach analogie anderer entsprechender bezeichnungen in der mhd. volksepik kaum in der ursprünglichen Wortbedeutung 'der trost, beschützer der Harlunge' zu fassen eine bezeich- nung, die für den vater Eckeharts, der die rolle als 'Harlungen- trost' an den söhn könnte abgetreten oder von ihm übernommen haben, an und für sich denkbar wäre. Wenn Günther im Nibelungenliede (B str. 1726) als tröst der Nibehmge angeredet und Dietrich in der Yirginäl (str. 136) als der Wülfinge tröst"^) bezeichnet wird, so soll an den betreffenden stellen gar nicht besonders hervorgehoben werden, daß diese männer der trost, die Zuversicht der ihrigen sind, sondern man wird diese aus- drücke kaum anders als mit 'Nibelungen-', 'Wülfingenfürst'

1) Sv neiint den beinameu nicht.

2) Der beaibeiter B der Virginäldichtung (vgl. die Zusammenfassung über die bearbeitungen bei Kraus, Zs. fda. 50, 121 if.) gebraucht den offenbar aus der ursprünglichen dichtuug übernommenen ausdruck in ganz veränderter bedeutuug in str. 5S6 (B augehürig nach Kraus s. 92).

19*

292 VON UNWERTH

wiedergeben dürfen. Und im anscliluß daran muß wolil der Harlimge tröst als 'Harlungenfürst' aufgefaßt werden, und der name bezeichnet dann eher den vater der jungen Harlungen- könige als den vater ihres mannes Eckehart. Diese Stellung Akis weist der quelle, aus welcher der Irondichter schöpfte, einen bestimmten platz innerhalb der entwicklung der Har- lungensage an. Die eigentlichen beiden der sage sind ja von jeher die jungen brüder Embrica und Fritila (Widsiö; Quedlin- burger annalen; Biterolf). Wenn daher hier die gestalt ihres Vaters als des 'Harlungenfürsten' schlechthin auftritt, so kann es sich dabei erst um eine jüngere entwicklungsstufe der sage handeln. Andererseits zeigen aber Biterolf und Wolfdietrich D gegenüber der Irondichtung (und der Dietleibdichtung der I3s., die hierin auf gleicher stufe steht) eine weitere Verschie- bung, indem Hache zum vater Eckeharts geworden ist.^)

Was die geographie der Irondichtung angeht, so kommt nach den obigen ausführungen die tatsache, daß als Irons feindlicher nachbar der könig von Frankreich genannt wird, nicht als ein sicheres zeugnis in betracht. Denn Salomons name hat ein besseres heimatsrecht in der ApoUonius- als in der Irondichtung, und seine auffassung als könig von Frankreich ist selbst in jener wohl secundären Ursprungs. Man muß sich also damit bescheiden, daß über den namen von Irons gegner nichts bestimmtes zu ermitteln ist. Sein reich ist südlich von Irons gebiet gedacht, da der ualsloenguskogr südlich vom Ungara- skogr liegt (vgl. s. 131,3ff. 138, 15 f.). Die beziehungen der Iron- dichtung weisen im übrigen nicht auf die nachbarschaft von Frankreich. 2) Will man die residenz Irons, Brandinaborg, als Brandenburg deuten, so ist das für einen vasallen Etzels in der deutschen heldensage ein ganz geeigneter sitz. Kämpfe Etzels und Dietrichs mit lettoslavischen Völkern (Böhmen, Polen, Russen, Preußen, vgl. Jiriczek a.a.O. s. 179 ff.) kennt die deutsche volksepik. Und die Wilzen, die in der ps. eine

') Eiue Vermischung dieser jüngeren deutschen fassung mit der älteren scheint in dem Harluugenabschuitt der ps. (cap. 344f.; U cap. 281 ff.) oder in dessen quelle vorzuliegen, wo Egarö ein söhn des Aki und gleichzeitig selbst einer der Harlungenbrüder ist.

*) Damit fällt jede veranlassung, in dem ualsloenguskogr den Wasgen- wald zu sehen (Holthausen,. Beitr. 9, 478), hinweg.

HERZOG IRON. 293

haiiptrolle spielen, sind nachweislich der hd. diclitung nicht fremd gewesen (vgl. Marner, M.S.H. 2,251; Dietrichs flucht 2457 ff.). Es lag somit nahe, einen vasallen Etzels nach Brandenburg, in die grenzmark gegen das Wendenland (Bran- dinaborg als grenzfeste gegen Wilzenland erscheint auch ps. cap. 347; U cap. 291), zusetzen. Daß Irons gebiet zum reiche Etzels gehört und daß dessen läge übereinstimmend mit den Vorstellungen der hochdeutschen epik gedacht ist, zeigt auch der Ungaraskogr, der im besitze Irons i&tJ)

Der zweite teil der dichtung spielt auf einem anderen hauptschauplatz hochdeutscher volksepik, in Norditalien. Auf dem wege, der Iron nach Rom führt, liegt in aumlungaland, dem reiche Dietrichs von Bern, die bürg herzog Akis, Fritila (B Fritula, Sv Fritalea). Derselbe name für diesen herzogs- sitz begegnet im Dietleibabsclmitt der |3s. (cap, 220; U cap. 123). Der weg, auf dem Dietleib hier zu Dietrich gelangen soll und auf dem er Fritila erreicht, wird ihm folgendermaßen be- schrieben: von der Straße, die von Trient nach Verona führt, soll er abbiegen und nicht durch den paß, den er vor sich sieht, sondern nach osten auf die see zu reiten. Diese be- schreibung des weges nach Fritila macht es unmöglich, den namen mit Friösoela-Vercelli zusammenzustellen, wie dies in der vorläge von AB (ps. 1, 30 und 31, fußn. 3) geschieht. Holt- hausen schlägt daher Feltre (Feltria) vor, dessen läge besser zu den angaben der saga stimmt (Beitr. 9, 471 ff.). Mir scheint es, wenn hier in einer mittelalterlichen quelle von einem herzogssitz im östlichen Oberitalien gesprochen wird, näher- liegend, an Friaul zu denken. Ein der mhd. form Friül (z. b. Dietrichs flucht v. 2443; Parzival 496, 21) entsprechendes wort konnte leicht als früil- verlesen werden, zumal von einem Schreiber, dem der in der Harlungensage vorkommende per- sonenname Fritila vorschwebte. Denn die buchstabenfolge iu konnte durch einen hinzugesetzten accent oder ein abgleiten der feder unschwer das aussehen von iti erhalten. Daß der name der beherrschten landschaft in der nordischen nach-

1) Daß daneben für die residenz Etzels der an den verschiedensten stellen in der ps. genannte name Susara auch in der Ironerzählung be- gegnet (s. HO, 8. 147, 8), kann kaum für deren quelle etwas beweisen.

294 VON UNWERTH

erzählung als name der hauptstadt gefaßt ist, iDraucht nicht wunderzunehmen.

Die beziehungen der Irondichtung zur deutschen helden- sage lassen sich also folgendermaßen charakterisieren. Der Verfasser kennt die miteinander verschmolzenen Sagenkreise von Dietrich und seinen helden, Ermenrich (Harlungen) und Etzel, der in kämpfe mit slavischen Völkern verwickelt ist. Diesen Sagenkreisen hat er die gestalt eines vasallen Etzels, Iron, entnommen. Auch andere namen (Nordian, Wandilmar) klingen an namen in der deutschen volksepik an, doch ohne daß die rollen ihrer träger identisch wären. Die Stellung des Verfassers zur Harlungensage lehrt, daß sie ihm in einer nicht besonders altertümlichen fassung bekannt war, die aber gleich- wohl der entwicklung, die sich im Biterolf zeigt, vorangegangen sein muß. Die localisierung entspricht in ihren grundzügen (Etzel in Ungarn, Dietrich und Ermenrich in Italien) derjenigen in der hd. volksepik.

IV.

Die Irondichtung enthält aber noch andere elemente als die, welche der deutschen heldensage entstammen. Als vater der brüder Apollonius und Iron wird Artus von Bertangaland genannt (r. 109, 16). Dieser name scheint wirklich der quelle des nordischen Verfassers angehört zu haben. Denn dieser fühlt sich verpflichtet, seine angäbe in einklang zu bringen mit einer anderen partie der saga, in der als könig von Ber- tangaland vielmehr Isungr erscheint (cap. 297 ff.; U cap. 190 ff,; Sv cap. 178ff.): dieser Isungr, so wird in dem Ironabschnitt die Sachlage erklärt, hat sich nach Artus' tode des reiches bemächtigt und damit die söhne seines Vorgängers gezwungen, bei Etzel Zuflucht zu suchen. Wem in der deutschen quelle ein vater namens Artus zugekommen ist, dem Apollonius oder Iron, darüber entscheidet wohl der Charakter der Apollonius- dichtung: ein spielmann wird sich kaum veranlaßt gesehen haben, seinem fürsten von Tyrus, dessen geschicke sich im Orient abspielen, den Bretonenkönig der höfischen epik zum vater zu geben. Dem Irondichter dagegen war, wie sich noch näher zeigen wird, der anschauungskreis der höfischen poesie nicht fremd. So gibt er ja auch der gemahlin seines beiden

HERZOG IRON. 295

den namen einer der bekanntesten franengestalten der ritter- lichen epik: Isolde. Die Verwendung und die form dieses namens deuten sogar an, welche der deutschen Tristau-Isolde-dichtungen dem Verfasser dürfte bekannt gewesen sein. Der name lautet in Mb Isolld oder Isollde.') Darf man diese form aus der deutschen quelle herleiten, so setzt letztere Gottfrieds Isolde, nicht Eilharts Isalde voraus. Und in dieselbe richtung weist der umstand, daß die Irondichtung zwei Isolden, mutter und tochter (s. 133, 21. 139, 19 ff.), kennt. Auch dieses Verhältnis findet sich zwar bei Gottfried und in seiner quelle, nicht aber bei Eilhart.

Beziehungen zur höfischen poesie zeigt auch die scene, in der Dietrich und seine gesellen den erschlagenen Iron auf- finden. Nach dem bericht der saga (s. 154, 3 ff.) sehen sie den toten vor sich auf der Straße liegen; bei ihm steht sein ge- satteltes roß; es beißt und schlägt, wenn ihm jemand nahe kommt; zwei hunde bewachen heulend ihren herrn und leiden nicht, daß man ihn berührt; und oben auf einem bäume sitzen seine zwei falken und schreien klagend. Auch nachdem Diet- rich den toten bestattet hat, weichen die treuen tiere nicht von ihrem herrn: au seinem grabe trifft sie nachher Xordian (s. 156, 1 ff.). Dasselbe eindrucksvolle bild: die klagenden tiere, die bei dem unbestatteten leichnam ihres herrn ausharren und ihn verteidigen, begegnet im Wigalois. König Amire ist auf der fahrt zu Wigalois' hochzeit von Lion erstochen w^orden

^) Sv nennt Irons gemahlin nicht. In AB tritt mehrfach häufig in A, seiteuer in B uehen den oben genannten formen die lautgestalt Isodd auf. Ebenso gibt A den namen von Herburts mutter, der in Mb und B als Isollde erscheint, durch Isoddi (acc.) wieder (ps. 2, 43, fußn. 11), während der name von Dietrichs letzter gemahlin (cap. 4:22 ff.) stets mit Ud, nicht mit dd geschrieben wird. Jlau wird bei dieser Verteilung der formen auf die hs. und die verschiedenen partien der saga nicht schließen dürfen, daß der Wechsel Isollde Isodd direct auf eine dem gebrauche Gottfrieds (Isolde Isot) folgende deutsche quelle zurückgehe. Die Verwendung von dd kann leicht aus nordischem gebrauch sich herleiten. In der älteren fassung der Tristramssaga (oben s. 290 , f ußu. 2) führen die mutter von Markes gemahlin tsoud und die spätere gemahlin Tristrams den namen Isodd, in der jüngeren bearbeitnng der saga und dem auf ihr beruhenden Tristramskvoeöi (Islenzk forukvceöi, hsg. von Grundtvig und Jon Sigurösson 1, 18G ff.) heißen sowohl Markes wie Tristrams gemahlin Isodd.

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(Wigalois, lisg. von Benecke v. 9792 ff.). Sein garzün hat soeben der festversammlimg die künde davon gebracht. Darauf fcährt der dichter fort (v. 9946 ff.):

Sus nam er urloup und schiet dau •wider zuo dem toten man, der dannoch ilf dem velde lac, des got mit siner huote pflac vor vögeln und vor huuden. Sin ors daz was gebunden vil vaste an einer linden ast. also gewäfent lac der gast: sin schilt was über in geleit nach des landes gewonheit: daz swert under sinem houbet lac. ditze was der sibende tac, daz der helt was erslagen. wan sach in jsemerlichen klagen zwene winde die bi im lägen: des beides si da pflägen vor vögeln und vor wilde, ungäz üf dem gevilde dolten si des hungers not, unz si da lägen bi im tot, daz ros und sine winde. Den schate gap in diu linde mit ir loube, daz was breit.

Daß zwischen dieser Schilderung im Wigalois und der scene in der Irondichtung irgendwie directe oder indirecte beziehungen entstehen, wird man annehmen dürfen. Nun handelt es sich hier um eine partie des Wigalois, für die eine quelle nicht nachgewiesen ist. Die erzählung vom rachezuge des Wigalois gegen Lion, der seinen freund Amire erschlagen und dessen gemahlin gewaltsam mitgeschleppt hat, findet im französischen Papageienroman keine entsprechung (vgl. Saran, Beitr. 21, 253 ff.) und ist zudem der haupterzählung so lose angefügt, daß man in ihr sehr wohl eine zutat erst des deutschen dichters sehen kann. Woher aber hat er den stoff dazu genommen?

Der name Amire erinnert an einen namen des Artus- sagenkreises: an Amir, den söhn des Artus, der nach keltischer localsage von seinem vater selbst erschlagen und in einem hügel südlich von Hereford bestattet wurde (vgl. Mon. Germ.

HERZOG IRON. 297

Auct. ant. 13, 217,27 ff.).^ Dieser söhn des Artus ist auch der späteren keltischen Überlieferung- bekannt: gewiß mit recht findet Zimmer (Gott. gel. anz. 1890, s. 522, fußn. 3) ihn wieder in Amhar, dem söhne des Artus, der nach der kymrischen er- zählung Geraint ab Erbin als knappe an Artus' hofe auftritt (Lady Ch. Guest, The Mabinogion, London 1849, bd. 2, 70). An dieser stelle ist der name direct aus kymrischer tradition ent- nommen, da die quelle der erzählung, Chrestiens Erec, die namen von Artus' knappen nicht nennt. 2) Damit ist aber natürlich nicht gesagt, daß die gestalt des Amir der fran- zösischen Artusdichtung überhaupt unbekannt gewesen sein müsse und nicht auf französischem boden eine erzählung vor- handen war, welche direct oder indirect die quelle Wirnts für seine nachrichten über könig Amire geworden sein kann. Eins hat ja dieser Amire mit dem Amir der alten Artussage gemein: was an ihm interessiert, scheinen vornehmlich sein tod und die Schicksale seines leichnams zu sein. Hat sich in diesem zusammenhange das motiv von den an der leiche trauernden tieren an Amirs namen geknüpft, so kann die so ausgestaltete erzählung ebenso wie für den \Yigalois auch für die Iron- dichtung stoff geliefert haben, und die berührungen der beiden deutschen gedichte beruhen auf benutzung einer gemeinsamen quelle. War aber in dieser quelle der held noch Amir, der söhn des Artus, so kann sich hieraus auch erklären, weshalb der Irondichter seinen beiden, dem er nach seinem tode das gleiche Schicksal zuteil werden läßt wie dem Amir, auch wie diesen zu einem söhne des Artus macht.

Aber weit mehr noch als einzelne namen und scenen hat die Irondichtung mit der höfischen poesie gemein. Das ganze leben, das sie schildert, bewegt sich in den formen ritterlich- höfischer cultur. Die fürsten tragen wappenbilder auf ihren Schilden (s. 153, 3. 9); sie sind umgeben von riddarar; Wandilmar,

1) Momrasen hat zwar, seinen textkritischen grundsätzen streng folgend, die namensform Aiu'r in den text gesetzt. Durch das von Zimmer (Nennius vindicatiis, Berlin 1893, s. 113 ff.) angeführte urkundenmaterial wird aber die form mit m als die richtige erwiesen.

2) Vgl. H. Othmer, Das Verhältnis von Christiaus von Troyes 'Erec et Enide' zu dem Mabinogion des roten buches von Hergest 'Geraint ab Erbin', Bonner diss. 1889, s. 30.

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der sich bei Iions jagd ausgezeiclinet hat, wird zum grafen erhoben (s, 139, 27). In Irous jagdgefolge befinden sich sein skenkiari und sein drottsaeti: es bestehen also bei ihm die bekannten hofämter der ritterlichen zeit (vgl. z. b. Parzival 666, 25 ff.; Willehalm 212, 7 ff.). In der volksepik treten diese ja erst auf, als die höfische anschauungsweit die dichter be- einllußt. Siegehören z.b. im Nibelungenliede erst einer jüngeren Schicht an: der Xibelungenabschnitt der I3s. kennt sie noch nicht, und noch nach str. 1517 ff. (B) ist Eümolt kein küchen- meister, sondern ein kühner degeu, der die ausziehenden könige warnt und dessen schütze Günther sein land und sein kind befiehlt. Erst in der fassung des liedes, die Wolfram von Eschenbach bekannt wurde, erscheint der warner als hoch und gibt seinem herrn den rat, lieber selbst küchenarbeit zu tun, als die gefährliche fahrt in Etzels land zu unternehmen (Parz. 420, 25 ff.).i) Die fassung AB (B 1465 ff.) kennt Riimolt dann ebenfalls als hichenmeister, streicht aber das kochmäßige in seinem rate, das erst C in wenig glücklicher weise in den text von AB wieder einfügt.-) Die einführung der hofämter fällt also in der entwicklung der Nibelungendichtung zwischen die noch durch str. 1517 ff. bezeugte fassung und diejenige, die Wolframs quelle wurde.

Eine ähnlich späte Verwendung findet in der volksepik der titel des Jägermeisters. In den älteren fassungen des Nibelungenliedes ist der mann, der dem Sivrit seinen Spür- hund zuführt, einfach ein alter jägere (B 933), die höfisch aus- gestaltende Version C aber nennt ihn Jägermeister^) Ein anderer ähnlicher fall, daß dem jegenneisier Markes, den Gott- frieds höfische Tristandichtuug (17331 ff.) nennt, in der älteren

') Ich gebe in v. 420, 27 übereinstimmend mit einer mündlichen äuße- rung von Fr. Vogt der lesart von Ggg den vorzug. Liddamus sagt also: ich täte e als BümoU dem küncc Guntherc riet, nnd diese form seiner änßeruug, er wolle lieber den rat Rümolts befolgen nicht ihn geben, wie die lesart von Ddgg besagt als fechten, wird auch durch die ant- wort Kingrimurseh (121, 5 ff.) vorausgesetzt.

'^) Ich fasse also die verse in C nicht mit Braune (ßeitr. 25, 88) als quelle Wolframs, sondern als eine contamination von AB mit eine verlorenen, durch Wolfram bezeugten fassung auf. L'ber die hofämter vgl. Braune s. 172 f.

*) AB verwenden den ausdruck (B 954) nicht als titel, sondern in der bedeutung 'der erfolgreichste Jäger'.

HERZOG IRON. 299

einfacheren dichtung Eilharts nur ein des Jconinges tveideman entspricht (v. 4594 ff.), beruht wohl bereits auf einer Verschieden- heit in den romanischen quellen (Kölbing-, Tristraras sag-a, einl. s. cxiiiff. cxvi). Die Irondichtung hat nun offenbar wie die anderen hofämter so auch die höfische Stellung des Jägermeisters gekannt. Zwar wird Nordian stets nur veidimadr genannt (die Tristramssaga bezeichnet den Jägermeister als ligfudveidimadr oder meistari veidimanna). Aber die hervorragende Stellung, die er einnimmt er erscheint neben schenk und truchseß in der unmittelbaren Umgebung des herzogs (s. 135, 10 ff.) und die rolle, die er bei der jagd spielt er hat die Vor- bereitungen zum jagdzuge zu treffen (s. 126, 18 ff. 133, 8 ff. 140, 1 ff.) und folgt als erster, vor dem herzog, mit angeseilten hunden dem wilde (s. 135, 10 ff.) , lassen keinen zweifei darüber, daß es sich hier nicht bloß um einen aus der schar einfacher weidleute handelt, sondern um den hofjägermeister, wie ihn etwa auch der hof könig Markes nach Gottfrieds Tristan besitzt.

Neben den Inhabern hoher hofämter taucht dann eine andere gestalt auf, die nicht minder ein wichtiger zubehör des höfischen lebenskreises ist: eines abends kehrt bei Iron ein wandernder garö syn ein (s. 124, 10 ff.). Diese eigentüm- liche bezeichnung des gastes, die Mb zweimal verwendet (s. 124, 11. 14), hat ein nordischer Schreiber dann sich selbst verständlich zu machen gesucht, indem er sie als gardsveinn (hofbursche) auslegte {gardsveinn mehrmals in Mb, stets in AB); für den beurteiler seiner quelle aber lehrt der ursprüngliche ausdruck mehr: er geht offenbar auf ein mhd. ^ar^i«^ zurück; und ein garzün, wie ihn die höfische epik kennt, ist dieser gast tatsächlich. Er kommt aus dem reiche iSalomons, kehrt nur für die nacht ein und wandert am morgen weiter: offenbar ist er ein wandernder böte, eine rolle, die dem garzun häufig zufiel (Schultz, Das höfische leben zur zeit der minnesinger 1, 135 ff.). Wenn der nordische Verfasser ihn berichten läßt, er habe sich bei Salomon den ganzen winter über in guter Verpflegung aufgehalten, so verwendet er hier offenbar den ihm geläufigen begriff der vetrvist, des Winteraufenthalts, den im norden reisende kaufleute oder skalden auf gastfreien höfen zu nehmen pflegten, und zeigt damit, daß er sich über den

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Charakter des wandernden nicht völlig im klaren ist. Dem deutschen und französischen dichter aber war der weit wandernde garzim ein willkommenes mittel, innerhalb seiner erzählung eine neue handlung einzuleiten oder verschiedene nebeneinander herlaufende handlungen in Verbindung zu bringen. Der junge Wigalois, der ohne kenntnis des weges einherreitet, um nach Artus zu suchen, trifft einen garzün, der glücklicherweise gerade von Artus nach Ispänje gesandt ist, und wird so auf den rechten weg gevriesen (Wigalois, hsg. von Benecke V. 1411 ff.). Einem garzün, der ihm begegnet, nimmt Iwein den bogen ab, mit dem er dann wild erlegen und so im walde sein dasein fristen kann (Iwein, hsg. von Benecke und Lachmann^ v. 3261 ff.). Und ein garzün, den Cunnewäre auf botschaft ausgesandt hat, erblickt den jungen Parziväl, wie er in sinnen versunken vor den blutstropfen im Schnee hält; er eilt zurück, um die ritter des königs xA.rtus auf den fremden zu hetzen, und gibt so veranlassung dazu, daß Parziväl mit den Tavelrundern zusammentrifft (Parz. 283, 25 ff.). Ganz ähnlichen dichterischen zwecken dient der garzün in der Irondichtung: da er von Salomon kommt und bei Iron einkehrt, kann durch ihn der herzog künde erhalten von den wisenten des königs und so seine jagdlust gelenkt werden auf den gegenständ, der in der nächsten zeit bestim- mend für seine Schicksale werden soll.

Das bild ritterlich-höfischen lebens, wie es aus der Stellung der handelnden personen fürsten, ritter, hofbeamte, garzün sich abnehmen läßt, wird äußerlich noch ergänzt durch die feste bürg, deren türm als verlies für gefangene dient (s. 141, 24. 142, 3). Der geist der cultur des hohen mittelalters aber spricht aus der bildung und den bildungsidealen der handelnden. Vor- nehme weltliche personen schreiben und lesen selbst ihre briefe (s. 143, 1 ff. 149, 21 ff.). Und in hoher Schätzung steht bei ihnen die hurteisi, die hövescheit: die Jciirteisi der Isolde erklärt Sa- lomon für einen grund, der ebenso bestimmend wie Etzels schreiben für die Freilassung Irons mitwirkt (s. 145, 15 ff.).

Die kehrseite zu der formalen feinheit der bildung zeigt sich aber in anschauungen über den verkehr der geschlechter, die an das maß echter Sittlichkeit sich nicht mehr binden. Soweit sich aus der nacherzählung der ps. ersehen läßt, steht

HERZOG IRON, 301

der dichter dem ehebrecherischen Verhältnis Irons zur gern ahlin des herzogs Aki nicht anders gegenüber als etwa die Verfasser höfischer tagelieder den moralisch nicht eben einwandfreien Situationen, die sie schildern. Der dichter äußert mit keinem Worte, daß ihm die handlungs weise Irons und der herzogin unrecht erscheine; er sucht im gegenteil dem beleidigten ehe- mann die Sympathie des lesers zu entziehen: er läßt ihn auf eine wenig feine weise sich in besitz von Irons brief setzen der herzog macht seine gemahlin berauscht und nimmt ihr in diesem zustande den brief ab (s. 150, 14 ff.) , und er schil- dert weiterhin, wie Aki bei seiner begegnung mit Iron in ganz nnritterlicher art seine begleiter auffordert, mit ihm zusammen über den einzelnen gegner herzufallen (s. 153, 5 ff.). Anschau- ungen, wie sie denen gewisser höfischer kreise entsprechen, äußert auch Irons gemahlin Isolde, wenn sie ihren mann von seinen jagdfahrten zurückhalten will mit der bemerkung: wenn er sich seiner frau nicht genügend widme, werde das ein anderer an seiner stelle tun (s. 123, 14 ff. 124, 2 ff.). Die be- rechtigung zu solcher anschauung wird den frauen ausdrücklich zugestanden im Frauenbuch Ulrichs von Lichtenstein: wenn eine frau einen mann habe, der si nilit freud lät mit im hdn, so dürfe sie sich einen liebhaber erwählen, und niemand solle sie deswegen tadeln (Lachmann, Ulrich von Lichtenstein, Der vrouwen buoch 622, 23 ff.).

V.

Was Isolde an der soeben herangezogenen stelle beklagt, die jagdlust des gatten, welche die frau in ihren ansprüchen auf sein Interesse und seine Zärtlichkeit zu kurz kommen läßt, wird im Frauenbuch (607, 3 ff. 635, 15 ff.) als ein arger übel- stand in ritterlichen kreisen gerügt. Es geht daraus hervor, welche bedeutsame rolle das hauptthema der Irondichtung, die jagd, für das Interesse der ritterlich - höfischen gesellschaft spielte. Jagdstücke nehmen ja in den aus dem romanischen übertragenen epen eine bedeutsame Stellung ein (z. b. Veldeke, Eneide v. 1659 ff.; Gottfrieds Tristan v. 2757 ff.), und erst unter höfischem einfluß ist wohl die jagderzählung des Nibelungen- liedes so eingehend ausgestaltet worden.

Die Irondichtung nun schildert die Jagdverhältnisse auf

302 VON UNWERTH

der höhe ihrer entwickliiiig- in der ritterzeit. Der conflict im ersten teile ergibt sich aus der eifersüchtigen strenge, mit welcher der grundherr das jagdrecht auf seinem gebiet für sich selbst in anspruch nahm (vgl. Schultz, Höfisches leben 1, 346 ff.). König Salomon hält sich in einem besondern walde eine seltene gattung von wild, das er schonen läßt, um nur selbst das vergnügen der gefährlichen jagd auf sie genießen zu dürfen. Dieses hegen eines bestimmten wildes an bestimmtem ort erinnert an eine Schilderung im Erec(v. 7115ff.): nach dieser besitzt ein vornehmer herr einen mit einer mauer umschlossenen wald, der in drei abgesondei-ten gehegen rotwild, Schwarzwild und kleines wild, wie fuchse und hasen, birgt. Der wisent, dessen jagd für den Irondichter im mittelpunkt des interesses steht, wird als ein geschätztes wild des öftern in der mhd. literatur erwähnt (Schultz a.a.O. s. 354, fußn. 4).

Die jagd selbst aber geht in einer form vor sich, wie sie erst zusammen mit der großen reception französischer ritter- licher lebenshaltung in Deutschland eingang fand: als regel- rechte Parforcejagd (vgl. Zarncke, Beiträge z. erklär, u. gesch. des Nibelungenliedes s. 163, fußn. 4). Parallelen zu ihrer Schil- derung bieten in der deutschen literatur (franz. Zeugnisse s. Schultz s.358ff.) besonders Gottfrieds Tristan (v.2757ff. 17287 ff.), der Meleranz (hsg. von Bartsch, Bibl. d. lit. ver. 60, v. 1918 ff.) und Hadamar von Labers jagdallegorie (hsg. von H. Stejskal, Wien 1880). Bei dieser art von jagd hat der Jägermeister sein auftreten in der Irondichtung wurde schon oben (s. 298 f,) aus dem einwirken höfischer anschauungen erklärt mit dem leithund an der leine die fährte des wildes aufzusuchen. Ist das tier gefunden, so wird die meute losgekoppelt, und unter lautem zuruf und hörnerschall verfolgt die berittene Jagd- gesellschaft das wild, bis es sich ermüdet den liunden stellt {ze Ule stät) und schließlich von einem der Jäger den todes- stoß erhält. Dieser verlauf der parforcejagd spiegelt sich deutlich wieder in den Schilderungen von Irons Jagden. Zwar wenn es in der erzählung vom ersten jagdzuge der beiden jarle heißt, sie hätten mit ihren hunden hirsche, baren, binden und allerhand anderes wild gejagt (s. 128, 16 ff.), so ist damit eher ein derartiges weniger einheitliches jagdbild angedeutet, wie es ausführlich das Nibelungenlied entwirft. Aber sobald die

HERZOG IRON. 303

Spur des wisents entdeckt wird, entwickelt sich die regelrechte liatz (s. 128, 18 ff.). Weit deutlicher noch entrollt sich deren bild in der erzählung von Irons zweiter wisentjagd (s. 135, 3 ff.). Man trifft auf die spur des wildes. Daß heim aufsuchen der Jägermeister eine besondere rolle gespielt hat, geht aus den Worten der saga nicht hervor. Aber der Jägermeister, der den leithund führt, begegnet doch nachher unverkennbar in der gestalt Nordians, der mit zwei hunden an der leine als erster der meute folgt (s. 135, 10 ff.). Auf der spur werden die hatzhunde losgekoppelt, die berittene jägerschar folgt ihnen, und unter gewaltigem lärm: hundegebell und zuruf der Jäger, braust der jagdzug dahin (s. 138, 14 f.). Schließlich stellen die hunde den wisent, und nun wird mit großer anschaulichkeit der verzweifelte kämpf des gewaltigen tieres gegen die meute geschildert (s. 135, 6 ff.). Wenn die Jäger einige besonders wertvolle hunde erst zu diesem entscheidungskampf von der leine lassen, so erinnert das an eine Situation in Hadamars jagddichtung, wo der Jäger, als das wild sich den hunden ge- stellt hat, aufgefordert wird, nun den hund Ende, den er an die leine gelegt hat, freizulassen (Jagd str. 345. 348 ff.). Der wisent macht sich in erfolgreichem kämpfe noch einmal von den hunden los und flieht weiter (er 'bricht den UV). Erst als er, ermüdet durch seinen unfreiwilligen reiter Wandilmar, sich zum zweiten male stellt, kann Iron ihm den todesstoß geben mit seinem Speere, einer waffe, die auch die beiden des Nibelungenliedes (B 916) auf der wisentjagd verwenden (s. 138, 20 ff.).

VI.

Die art von Jagd, die der Irondichter mit so viel Ver- ständnis schildert, ist also die parforceJagd, eine passion der mit französischer cultur bekannten höfischen kreise. Auf die poesie derselben kreise und desselben Zeitalters weist aber auch eine weitere Verwendung, welche die Jagd in seinem werke findet: die Jagd als minneallegorie.

Als Isolde ihren gemahl von seinen Jagdzügen abbringen will, geht sie eines morgens hinaus vor die bürg und legt sich entkleidet mit ausgebreiteten armen in den frischgefallenen schnee unter einer linde. Darauf geht sie zu Iron, der eben im begriff ist, zur Jagd auszureiten, und teilt ihm mit, sie

304 VON UNWERTH

habe soeben in unmittelbarster nähe ein wild gesehen, das weit wertvoller sei als die tiere, die er in der ferne zu jagen pflege. Und nun weist sie ihm die spur dieses tieres: den ab- druck ihres bloßen körpers im schnee, und bedeutet ihm: ein anderer werde dies wild jagen, wenn er selbst sich nicht dazu halte (s. 122, 3 fl). Ein entsprechendes motiv klingt später an in den Worten, mit denen herzog Aki dem Dietrich auseinander- setzt, warum er Iron erschlagen habe: 'er wollte in meinem walde (ABy minne merk, Sv titi mm sJcog) gegen meinen willen ein zweibeiniges wild jagen: darum erschlug ich ihn' (s. 155,14ff.). Beidemal ist hier das Verhältnis des liebenden mannes zur frau dargestellt unter dem bilde des Jägers, der ein stück wild verfolgt.

Derartige vergleiche sind der mhd. literatur nicht fremd. Zwar die ausführlichste und bekannteste behaudlung des themas, Hadamars 'jagd', ist erst zu einer zeit entstanden, als die Iron- dichtung bereits in nordischer nacherzählung vorlag. Das motiv von 'der minne jagd' aber ist, wie Vogt (Grundriß 2, 321) mit recht hervorhebt, in der deutschen literatur älteren Ursprungs. So bezeichnet Konrad von Würzburg seinen beiden Eugelhart, der im baumgarten versteckt die liebe der Engeltrüt genießt, als der minnen jeger (Engelhart, hsg. von Haupt "^5 v. 3258).

Noch ältere Zeugnisse aber deuten direct auf den Ursprung des motives hin. Heinrich von Veldeke hat soeben berichtet, wie Didü, auf der jagd durch ein unwetter von ihrem gefolge getrennt, sich dem geliebten Eneas hingegeben hat; daran knüpft er, ohne von seiner französischen vorläge dazu ver- anlaßt zu sein, die worte (Eneide v. 18G4ff.):

dat dier was rehte gedreven. so der man so geskötet, dat he's wale genutet, so lievet liera die vart.

Der act der liebenden Vereinigung wird also mit einer erfolgreichen jagd verglichen, bei welcher der mann einen guten schuß getan hat. Noch deutlicher spricht sich in demselben sinne aus ein vagantenlied in der Sammlung der Carmina Burana (unvollständig mitgeteilt bei Schmeller, Carmina Burana no. 146, Bibl. d. lit. ver. 16; vollständig bei MSH 3, 447, no. lxxxvi). Da erzählt ein mägdlein, wie beim

HERZOG IRON". 305

Llumensuchen ein ungetan sie unter eine linde abseits vom wege g-elockt hat unter dem vor wände, er habe dort seine harfe liegen. Als sie sich niedergesetzt haben, zeigt er aber seine wahre absieht:

Er greif mir an den wizeu lip

nou absque timore,

er sprach: 'ich mache dich ein wip,

dulcis es cum ore.'

Er warf mir uf daz hemdelin,

corpore detecta,

er rante mir in daz purgelin

cuspide erecta.

Und nun wird, was hier mit derber Offenheit gesagt ist, noch einmal bildlich umschrieben mit den Worten:

Er nam den kocher uut den bogen, bene venebaturJ)

Der Jäger, der mit kodier und bogen erfolgreich jagt, vertritt also im bilde den mann, der sich bei dem mädchen liebesgenuß verschafft. Der schütze mit köcher und bogen weist aber in solchem Zusammenhang wohl auf nichts anderes als auf den pfeilschießenden liebesgott der antike. Kenntnis dieser figur ist ja bei dem lateinkundigen vaganten ebenso vorauszusetzen, wie sie den Verfassern höfischer dichtungen zugänglich war (Parz. 532, 11 f.; Wigalois, hsg. von Benecke, V. 830 ff.). Der brauch aber, von hier ausgehend nun das bild des pfeilschützen zu verwenden, um damit die tätigkeit des mannes beim liebesgenuß anzudeuten, dürfte seinen Ursprung wohl eher in einer edlen gattung der poesie, etwa der höfischen lyrik, genommen haben als in der Vagantendichtung, die kaum zu umschreiben brauchte, was sie unverhohlen aussprach. An den beiden angeführten stellen dürfte also wohl benützung eines schon fertig vorhandenen motivs vorliegen. Denn Veldeke, der den pfeilschießenden liebesgott durch Venus ersetzt (Eneide V. 860 ff.), kann eben darum nicht der erste sein, der es ge- braucht hat. Kenntnis des motives zeigt weiterhin wohl auch Nithart, wenn er darüber klagt, daß der erfolgreichere neben- buhler auf die geliebte sin hölzel scMuzet (Neidhai't, hsg. von Haupt 2, 64, 8).

^) Doch wohl venabatur.

Reitläge »ur geschichte der deutschen spräche. XXXVUI. 20

306 VON UNWERTH

Im ganzen aber tritt diese alte form der mann als schütze wenig hervor. Es hängt dies wohl damit zusammen, daß in der mhd. poesie der verwundende liebespfeil gern in der hand weiblicher wesen erscheint. Schon bei Veldeke (Eneide v. 860 ff.) und dann auch bei anderen (Carmina Bu- rana, Schmeller no. lila. 124a) schießt Venus mit pfeilen. Anderwärts tut es vrou Minne (z. b. Walther, hsg. von Paul no. 31) oder die geliebte selbst (ebda. no. 27, 47 ff.). Das bild einer jagd aber knüpft sich an diese Vorstellungen nicht.

Die jagdallegorie selbst hat viehnehr ihre hauptentwicklung genommen von einer form aus, in der nur die allgemeine Vor- stellung einer jagdsituation geblieben, das bild des pfeilschützen aber verblichen ist. Das jagdmotiv wurde stattdessen aus- gestaltet durch Züge, die dem jagdleben der höfischen kreise selbst entnommen waren: der mann erschien als parforcejäger, die geliebte als das gehetzte wild. Ulrich von Gutenburg sagt in seinem leich IV (MSF s. 71, 30 ff.; Vogt s. 81) von seiner geliebten:

si ruoit mich an min alten ban: die mnoz ich aber niuwen. ich hiipfe ir üf der verte nach.

Er wird also von ihr gezwungen, ihr auf der fährte nach- zujagen wie der Jäger oder der hund dem wilde. Eine ganz entsprechende Vorstellung findet sich in einem gedieht des Strickers (K.A.Hahn, Kleinere gedieh te von dem Stricker, Quedlinburg u. Leipzig 1839, 12, 263 ff.):

ich klage, daz wiu und armiu wip mer fröwent denne vrouwen lip: daz ist ein loterfuore, und silie doch in der ruore vil niangeu edelen ritter da, der billichen anderswä bi hohem vröuden wsere.

Eine nähere ausführung des damit gegebenen bildes bieten zwei Strophen ßurkarts von Hohenvels (MSH 1, 205, no. 9, 1. 2):

Min herze hat minen sin

wilt ze jagen uz gesaut,

der vert nach mit minem muote;

vil gedanke vert vor in,

den ist daz vil wol bekant,

HERZOG IRON. 307

daz daz wilt stet in der buote bi der, der ich dienstes bia bereit; ir sin, ir muot, ir gedenken, kan vor in mit künste wenken: wol bedorft ich vuhses kündekeit.

Wie wirt mir daz stolze wilt? daz ist snel, wise unde stark; snel gedenken vert vor winde, wiser sin bi menschen spilt, Sterke in lüuwen sich ie bark. der gelich ir muot ich vinde: ir snelheit mir weuket hohe enbor, ir wisheit mich überwindet, mit ir Sterke si mich bindet: sus ir schoeue torte mich hievor.

Yom herzen ausgesandt, zieht des dicliters sin auf jagd aus; er führt den muot gleichsam wie der Jäger den leithund mit sich, die gcdanke jagen gleich der losgekoppelten nieute Yor ihm her dem wilde nach. Im weiteren leidet dann freilich die einheitlichkeit des jagdbildes darunter, daß anstatt der geliebten selbst drei dinge: ihr sin, ihr muot, ihr gedcnl-en als jagdwild erscheinen und bei der näheren Charakterisierung dieser drei dinge schließlich der rahmen der Jagdallegorie ge- sprengt wird. Trotzdem aber ist festzustellen, daß hier zum ersten male ein ansatz gemacht ist, die allegorie durch belebung unpersönlicher dinge wie sin, muot, gedenken zu erweitern. Die jüngeren Jagddichtungen sind dann vornehmlich auf diesem wege weitergeschritten und geben stets dem minnejäger eine meute von belebten eigenschaften, handlungen u.s.w. bei. Den gipfelpunkt in dieser entwicklung erreicht Hadamars *jagd'. Daß sie aber schon während des 13. jh.'s im fortschreiten war, zeigt die Königsberger Jagdallegorie, die von ihrem heraus- geber in dieses Jahrhundert gesetzt wird (Zs. fda. 24, 254 ff.). Demselben Jahrhundert gehört auch der Seifried Helbling an, in dessen IV. stück begriffe wie NU, Valsch, Haz, Triince u. a. als Jagdhunde auftreten (Jos. Seemüller, Seifried Helbling, Halle 1886, 4, 407 ff.); hier handelt es sich allerdings nicht um eine minneallegorie; aber die dichtung setzt offenbar bereits andere ausführungen der allegorie voraus und zeigt in der anläge der scene sogar eine gewisse ähnlichkeit mit der Königsberger allegorie (s. Seemüller a. a. o. s. xxxiv ff.).

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308 VON ÜNWERTBT

Welche entwicklungsstufe der allegorie wii'd nun von der Irondichtung vorausgesetzt? Daß ihrem Verfasser die spätere ausgestaltung mit Verwendung der allegorischen hundenamen bekannt geworden sei, ist durch nichts angedeutet. Anderer- seits findet sich auch nicht die verhältnismäßig ursprüng- liche — auffassung des mannes als (pfeil-)schützen. Besonders hervorgehoben ist dagegen die entdeckung der fährte des wildes. Und dies deutet zusammen mit der ganzen art, in der auch die tatsächlichen Jagdschilderungen in der dichtung gegeben sind, darauf hin, daß dem Verfasser als bild für das minneverhältnis bereits die parforcejagd, doch ohne allegorische ausmalung ins einzelne hinein, vorgeschwebt hat.

Kann somit der Irondichtung annähernd ein platz inner- halb der entwicklungsgeschichte der deutschen minneallegorie angewiesen werden, so lassen sich darüber hinaus auch noch bezieliungen zu gewissen einzelnen gedichten feststellen. Die spur, an der Iron erkennt, welches wild er nach dem wünsche seiner frau jagen soll, ist der abdruck eines nackten frauen- körpers im schnee unter einer linde. Von einem solchen körperabdruck unter einer linde, der erraten läßt, wer da geruht hat, spricht aber auch das bekannte lied Walthers: Under der linden, an der heide. Das mädchen schildert hier, wie sie mit ihrem geliebten auf einem lager von rosen geweilt hat: noch kann man an dem abdruck im rosenbett erkennen, wie ihr körper gelegen hat (Walther, Paul no. 14,19 ff.). Dieses lied erinnert aber nach der ganzen Situation, die es schildert, an ein anderes, das seinem stilcharakter nacli allerdings sonst fernab liegt: nämlich an das oben (s. 304 f.) herangezogene vagantenlied: in beiden berichtet ein mädchen selbst davon, wie sie auf die wiese gegangen ist und da mit einem manne zusammentraf, der sie unter einer linde am walde in die arme genommen hat. Das vagantenlied läßt in diese Situation noch das motiv von der minnejagd hiueinklingen. Dieselbe motiv- verbindung, bei der also die frau als ein wild erscheint, das unter dem lindenbaum gejagt wird, ist auch ins Volkslied späterer zeit übergegangen (Uhland, Alte hoch- und nieder- deutsche Volkslieder no. 101).

Mit jedem der beiden mhd. gedichte liat nun die Iron- diclitung zwei motive gemein: spricht Walther von der linde

HERZOG IRON. 309

und dem körperaljdriick darunter, spricht das vagantenlied andererseits von der linde und von der rainne als Jagd, so hat die Irondichtung alle drei motive vereinigt: die linde, den körperabdruck darunter und die miunejagd. Dadurch fällt auch einiges licht auf das gegenseitige Verhältnis der beiden deutschen gedichte. Daß das eine von dem andern abhängig ist, wird man bei ihrem grundverschiedenen Charakter von vornherein nicht gern annehmen. Die Irondichtung zeigt nun darüber hinaus, daß ein Schema von motivverbindungen vorhanden war, das sowohl dem einen wie dem andern zugrunde gelegt sein kann. Daß die epische dichtung selbst die quelle der beiden lyrischen sei, ist kaum möglich. Denn die gesamtanlage, die gerade beiden gemeinsam ist das mädchen schildert selbst seine begegnung mit einem manne kann ja nicht aus ihr entnommen sein. Weiterhin findet sich das motiv von dem verräterischen körperabdruck bei Walther, wo es eine natürliche folge der geschilderten Situation ist, in einer ur- sprünglicheren Verwendung als beim Irondichter. Und wie bei diesem einen motiv hat man bei der gesamten Situation den eindruck, daß wohl der epische dichter, dem die motivverbin- dung aus lyrischer darstellung bekannt war, sie in sein werk eingeführt haben kann, um so eine, wenn auch etwas ge- künstelte, symbolische andeutung geben zu können, daß aber kaum seine ausgeklügelte epische scene den anstoß gegeben haben kann für eine lyrische Verwertung derselben motivreihe. Die Zusammenstellung der drei texte läßt also am ersten eine lyrische quelle erschließen, die mehr oder weniger direct, mehr oder weniger bewußt von ihnen allen benutzt worden ist. Läßt sich somit von einer directen beziehung der Irondichtung zu den beiden deutschen liedern nicht sprechen, so wird sie doch immerhin für die literarhistorische betrachtung in unmittelbare nähe der beiden gerückt.

Eine beziehung zur hd. poesie zeigt möglicherweise auch die zweite stelle, wo in der Irondichtung die jagdallegorie anklingt. Aki deutet Irons ehebrecherische absiebten auf die herzogin an mit den worten: 'er wollte in meinem walde jagen' (oben s. 304). Ein ähnlicher gebrauch des gleichen ausdrucks begegnet in einem Neidhart-schwank, der in v. d. Hagens Neid- hart-handschrift (15. jh.) und im Neidhart Fuchs enthalten ist

310 VON UNWERTH

(MSH 3, 241, no. 78; Bobertag, Narrenbuch s. 226 ff.). Der herzog hat ein geliist auf die frau Neidharts, deren Schönheit ihm von einem gegner des dichters gerühmt worden ist. Er sagt sich daher zum besuch bei Neidhart an und bittet ihn: da^ ir mich lazet jagen in iuwerni vorste. Der kluge dichter aber versteht, daß hinter diesem ausdruck etwas anderes liegt; er redet daher seiner frau ein, der herzog sei taub, während er dem herzog dasselbe von seiner frau weismacht, und so ver- läuft denn die Unterhaltung zwischen ihr und dem fürsten so, daß dieser sich bald und gern wieder verabschiedet. Man kann es nicht mit voller bestimmtheit behaupten, wird aber doch wohl annehmen dürfen, daß hier für dichter und hörer in dem ausdruck 'in jemandes forste jagen' ein doppelsinn lag, der eben auf dessen Verwendung in der allegorischen minnedichtung beruhte. Der Verfasser des schwankes hätte dann den ausdruck in demselben sinne gekannt, in dem ihn der Iroudichter verwendet.

VII.

Damit ist gesagt, was mir an beziehungen der Irondichtung zu literarischen und culturellen Strömungen in Deutschland bemerkenswert erscheint. Nunmehr ist es möglich, zusammen- fassend den Charakter dieser dichtung kurz darzustellen. Es handelt sich um ein werk, das die deutsche literaturgeschichte in dem capitel über die volksepik behandeln würde. Die großen gestalten der deutschen heldensage treten zwar nicht selbst in den hauptrollen auf; aber der held steht in engen be- ziehungen zu ihnen, und die geographischen und historischen Verhältnisse, wie sie in der erhaltenen mhd. Dietiichsepik ge- schildert sind, bilden für den Verfasser eine selbstverständliche Voraussetzung. Sein werk kann daher nicht einer älteren zeit angehören als die volle entwicklung dieser literaturgattung, wenn es auch in bezug auf einen einzelnen stoff (die Har- lungensage, oben s. 290 ff.) einen ursprünglicheren Standpunkt vertritt als gewisse mhd. quellen (vgl. im ganzen oben ab- schn. III).

Die lebensverhältnisse, in die der Verfasser seine gestalten versetzt, sind die der hochentwickelten ritterlich - höfischen cultur: man sieht vor sich leute der ihr eigenen gesellschafts-

HERZOG IROX. 311

classeii, man verspürt den geist der weltlich - ritterlichen bildung des hohen mittelalters nnd erkennt anschaiiungen, die den voll, ja über die grenzen gesunder moral hinaus ent- wickelten frauencult der minnesingerzeit voraussetzen (ab- schn. IV). Dem interessenkreise der höfisch-ritterlichen gesell- schaft ist auch das eigentliche thema der dichtung entnommen: die jagd. Im ersten teile steht im mittelpunkt die wisentjagd, geschildert in den formen der modernen, aus Frankreich ein- geführten Parforcejagd (abschn. V). Aber auch der zweite teil ist nur eine Variation desselben themas: denn der Verfasser betrachtet das Verhältnis von mann und weib unter einem der mhd. von haus aus doch wohl der höfischen (oben s. 305) poesie eigenen bilde als jagd (abschn. VI), und so erscheint im zweiten teile der herzog, wie der erste ihn als wirklichen Jäger auf fremdem revier vorführte, als minnejäger im forste eines anderen.

Zeigt sich so der Verfasser mit den literarischen interessen und gewohnheiten der ritterlichen poesie wohl vertraut, so kann es nicht wundernehmen, daß namen wie Artus und Isolde ihm bekannt sind und er eine quelle benutzt zu haben scheint, aus der auch der ritterliche Verfasser des Wigalois schöpfte (oben s. 295 ff.), und eine andere, aus der Walther von der Vogel- weide eine anregung entnahm (oben s. 308 f.).

Ließen schon die elemente der heldensage, die sich in der Irondichtuug finden, darauf schließen, daß der anschauuugs- kreis der uns erhaltenen mhd. Dietrichsepik dem Verfasser bekannt gewesen sei, so zwingt auch die völlige durchdringung mit dementen höfischer poesie dazu, sein werk nicht vor die auf hd. boden sich vollziehende entwicklung oder abseits von ihr zu stellen. Läßt sich an der Nibelungendichtung das allmähliche eindringen höfischer elemente direct beobachten, weisen andere werke wie der Biterolf schon durch die anläge ihrer fabel deutlich auf das Vorbild höfischer epik, so kann noch darüber hinaus die Irondichtung fast selbst als ein pro- duct höfischer poesie gelten. Man würde sich kaum wundern, wenn als grundlage ihrer fabel, wie man dies mit guten gründen für das Eckenlied behauptet hat,') einmal ein französisches

') Die ansieht von Freiberg (Beitr. 29, 1 ff.) scheint mir trotz des

312 VON UNWERTH

original nachgewiesen würde. Auf grund des vorläufig be- kannten materials (besonders oben s. 296 f., vgl. auch s. 283 f.) ist man aber noch nicht berechtigt, ein solches original zu be- haupten. Ich stelle also die dichtung in den weiteren verlauf einer entwicklungslinie hochdeutscher volksepik, auf welcher frühere punkte durch den archetypus des Nibelungenliedes, dessen fassung C und etwa den Biterolf bezeichnet sind. Diese einreiliung ebenso wie ihr grund: die Vertrautheit des dichters mit dem anschauungskreise und den kunstmitteln der höfischen poesie, machen es durchaus unwahrscheinlich, daß es sich hier, wie dies gern für möglichst alle in der ps. enthaltenen Stoffe angenommen wird, um ein erzeugnis niederdeutscher kunst handelt. Die Vorbedingungen für die entstehung eines solchen Werkes : die ausbildung einer an französischen mustern geschulten höfischen poesie und eine ent Wicklung der heldendichtung unter deren einfluß, sind auf niederdeutschem boden in älterer zeit nicht vorhanden. Des weiteren kommt noch hinzu, daß deutsche Zeugnisse für das Vorhandensein einer Irondichtung sich in hochdeutschen quellen tatsächlich finden (oben s. 282 f.). Es besteht kein grund anzunehmen, daß dem dichter des Weinschwelg, der von der wisentjagd und zwar von einer hetzjagd {der einem tviseni nächreit) Irons und Nordians spricht, eine andere quelle vorgelegen habe als die der ps.

Das letztgenannte zeugnis gibt nun auch einen fingerzeig für die datierung der Irondichtung. Der \\'einschwelg wird von Lucae in die zweite hälfte des 13. jh.'s gesetzt. Wie dann E. Schröder gezeigt hat, setzt er jedenfalls das nach der mitte dieses Jahrhunderts verfaßte Frauenbuch Ulrichs von Lichten- stein voraus. 1) Demnach könnte man in dem Verfasser der Irondichtung einen Zeitgenossen Ulrichs sehen, mit dessen moralischen anschauungen sich ja die seinen berühren (oben

energißcben Widerspruchs von Lassbiegler (Beiträge zur gescbichte d. Ecken- dichtuugeu, Bonner diss. 1907) und Boer (Beitr. 32, 155 ff.) noch ernstester erwägung wert.

') Den von Schröder (Anz. fda. 13, 120) angeführten berührungen des Weiuschwelg mit dem Frauenbuch füge ich noch an die reimpaare: Frb. 609, 31 f. da sint si iump, da sint si karc, \ da sint si snel, da sint si starc. Weiuschw. 27 f. der loirt ivise unde karc, \ er ivirt sncl unde starc.

HERZOG IRON. 313

s. 301). Bis in die anfangsjalire des 13. jh.'s wird man sein dichterisches schaffen niclit zurückdatieren dürfen, da doch die volle entwicklung und das bekanntwerden der höfischen poesie einer so starken einw'irkung- auf ein werk anderer literaturgattung-, wie sie an der Irondichtung zu beobachten ist, vorangegangen sein muß. Das Verhältnis des dichters zu Wirnt und Walther gestattet keinen bestimmten chronologischen Schluß, da es sicli hier wohl bloß um benutzung gemeinsamer quellen handelt. Dagegen läßt sich ein terminus a quo ge- winnen, wenn man zugibt, daß die oben (s. 295) angeführten argumente zu der annähme berechtigen, daß dem dichter Gottfrieds Tristan bekannt gewesen sei. Dann fällt die ab- fassung der Irondichtung etwa in die zeit zwischen 1210 und 1260.

Die eingehende betrachtung dieses dichtwerks hat wohl auch gezeigt, daß es seiner ganzen art nach von einer typischen Spielmannsdichtung wie der geschichte von Apollonius (ab- schn. II) fernab steht. Man wird also die beiden in der ps. verbundenen erzählungen nicht für das werk eines dichters halten können. Da sich nun tatsächlich deutliche spuren einer aneinandersetzung zeigen und ferner eine neuerfindung, die dem zusammenarbeiter anzugehören scheint, nordischen Ur- sprung verrät (oben s. 286), so ist es das nächstliegende an- zunehmen, daß die Verbindung der beiden verschiedenartigen Stoffe erst von dem Norweger, der den betreffenden abschnitt der ps. ausarbeitete, hergestellt worden ist,

MARBURG. WOLF VON UNWERTH.

BEITRAGE ZUR GERMAXISCHEN WORTFORSCHUNG.

1. Ahd. hesamo. Alid. hesamo 'besen' finden wir in sämtlichen westgermanischen sprachen wieder, z. b. alts. hcsmo, afi'ies. ags. hesma, neuengl. hesom.

Falk und Torp, Et. wb. s. 53 haben damit die germanischen Wörter für 'bast, baststrick', aisl. hast, mnd. hast, ags. bcest u.s.w\ verknüpft. Als wurzel stellen sie idg. *b]ies- : bhas- auf, indem sie ferner griech. g:äöxov 'langhaariges baummoos' heran- gezogen haben.

In Ficks Wb. S"* (Torp) wird germ, *bcs-anian- 'besen' mit germ, *bas-an- ' Strauch' (norw. dial. bas, basc 'strauch') und germ. *basta- *bast, baststrick' mit lat. fascia 'band', fascis 'bund, rutenbündel', ir. basc 'halsband' verglichen.

Neuerdings hat van Wijk, IF. 24, 233 das germanische *hcsman- 'besen' zur behandlung aufgenommen. Obgleicli lat. fascis, fascia und ir. basc eine wurzel mit a voraussetzen, zweifelt er nicht an Verwandtschaft zwischen diesen Wörtern und dem germ. *bcsman-. Während indessen Falk und Torp ein ablautsverhältnis c : a annehmen, führt van Wijk *bcsman- auf die dem lat. fascis angeblich zugrunde liegende wurzel *bhas- zurück.

Mit gutem rechte kann man jedoch, scheint es mir, die frage tun, ob es berechtigt ist, eine idg. wurzel *bhas- aufzu- stellen. In sämtlichen einschlägigen Wörtern folgt ein guttural auf den Spiranten: lat. fascis, ir. basc, alb. baskt 'zugleich, ge- meinsam, zusammen', baskön 'nähere an, vereinige', abrit. bas- cauda 'korb', griech. ßäoxtoi dsöfwi (fQvyävmv (Hesych), ßäöxtvrai qaöx'iötq ' äyxäXai (ebda.). G. Meyer geht auch IF. 6, 106 von einer wurzel *b]iask- 'binden' aus. Der umstand,

ZUR GERMANISCHEN WORTFORSCHUNG. 315

daß der guttural in allen ablegcrn dieser wurzel wiederkehre, ist auch van Wijk aufgefallen, wofür folgende worte von ihm zeugen: 'Diese basis (*/y//a57.'-) könnte aus *&/m5 + Z: entstanden sein; wegen des germ. *besman- ist diese annähme nicht not- wendig; denn -sm- könnte eventuell auf -shn- zurückgehen.' Die möglichkeit dieses lautwandels ist zwar nicht zu bestreiten, die vocalische discrepanz bleibt jedoch immerhin zurück. Idg. a kann nicht so ohne weiteres zu germ. e werden. Es ist auch nicht möglich, wie Falk und Torp es tun, einen idg. ablaut a : e anzunehmen. Germ. *besman- fordert eine wurzel *bhes- und andererseits haben wir die wurzel *b}iask-. Nach dem, was wir über die vocalischen Verhältnisse der idg. sprachen wissen, ist es unmöglich, eine brücke zwischen diesen wurzeln zu schlagen.

Man scheint im allgemeinen übersehen zu haben, daß Gustav Kissling in seiner schrift. Lautmalende wurzeln der indogermanischen sprachen s. 30 das germanische *besman- mit lat. ferula 'ginster' zusammengestellt hat. Nur in der siebenten aufläge von Kluges Etymologischem Wörterbuch wird die com- bination fragend angeführt. Walde, Etym. wb. s. v. vermutet für fenila Zusammenhang mit ferio 'stoße, treife', was gar nicht überzeugt. Nach Kissling ist nun ferula aus idg. *bhesolä entstanden. Die möglichkeit, daß er hierdurch die richtige erklärung getroffen hat, ist natürlich nicht ausgeschlossen. Als grundbedeutung für die beiden zusammengestellten Wörter wäre wohl dann 'quaste, busch' oder ähnl. anzunehmen. In letztem gründe sieht Kissling hier eine idg. wurzel *6/ja5-, *bhes- 'blasen, blähen'. An anderem orte (KZ.) werde ich in- dessen für lat. ferula eine andere etymologie aufstellen, wobei das /- in ganz anderer weise erklärt wird.

Ich will darum versuchen, für germ. *besman- eine andere etj'mologische anknüpfung zu finden. Ich stelle es nunmehr zu griech. ipüuov, ipiXXiov 'armband', xpü.iom 'umwinde, be- kränze', v^/rt{>^o? 'decke, matte'. Letzteres wort mag eigentlich 'eine geflochtene oder gebundene matte' bezeichnet haben. Zum ausgang -ad-o:; vergleiche griech. xcda&og 'geflochtener korb', das mit aind. Icaläpa- m. n. 'bündel, pfeilköcher' ver- wandt sein mag. Siehe verf., Studien zu Fortunatovs regel s. 115. Die bildung von ipthov, iplXXiov bleibt mir zwar

316 PETERSSON

dunkel, wie man aber für griech. xpalco 'reibe, zermalme', \pa- fiaß^og 'sand', ip<x>xog 'staub', tpedrög 'abgerieben, kalü', ^TXoii 'nackt, bar' eine idg. wurzel '*bhes- : *bhs- wegen aind. bhdsati, hdbliasti, bdpsati 'kaut, zermalmt' angesetzt hat, können wir auch, scheint es mir, mit gutem rechte für die oben ver- glichenen Wörter eine einfache idg. wurzel *bhes- : *bhs- etwa 'binden' aufstellen. Nunmehr glaube ich germ. *besman- auf die idg. grundform %hes-mon- 'bündel (von reisern)' zurück- führen zu können. Möglicherweise könnte man auch daran denken, griech, qTfiög 'nose-band (of a horse's bridle)' anzu- reihen (aus idg. *blr^-mös). Doch ist dies natürlich viel un- sicherer. Ob die germanisclien Wörter für 'bast' herangezogen werden können, ist ebenfalls ein wenig zweifelhaft, da diese auch mit griech. iptjv 'reiben', ipr^Jg u.s.w. vereinigt werden können (Wood, Colornames s. 69). Dabei ist zu vergleichen abg. lyko 'bast', das mit aind. hiücati 'rauft, rauft aus, rupft' sicher richtig vereinigt wird. Andere erklären aisl. ags. ahd. hast 'baststrick' aus *bha{dhysto- und verknüpfen ferner damit die wurzel *bhasJi-, wonach diese aus uridg. *b]ia{dh)-sJc- zu erklären sei. Man vergleiche hierüber Walde, KZ. 34, 492.

In BB. 29, 199 hat Fick griech. (/aöxideq und (faoxo)Xng 'ränzel' unrichtig mit f/axtXög 'bündel' zusanimengebraclit, in- dem er (faoxi- aus (pax-Gxs- erklärt. Indessen sind diese Wörter echtgriechische ableger der idg. wurzel %hash, Avährend die Hesychischen ßäoxioi und i-iaoxevrai wegen ihres ß zweifels- ohne makedonischen Ursprungs sind. fpaxtXög wieder gehört mit 0(p7]x6m 'schnüre zusammen' zu arm. paJcem 'befestige, verschließe', ahd. spanga 'spange' (Hübschmann, Arm. gramm. s. 500; Scheftelowitz, BB. 29, 36). Die wurzel ist wohl idg. '■\s)2)hel-- : *{s)ph9Jc-. Hier schließe ich auch an poln. j)?A; 'bündel', pah,pqcz 'knospe', kxodit. puk dass. ym^s. pulcz 'bündel, bund, büschel'. Urslav. *pcf.liz wäre auf idg. ^phd-n-lco- zurück- zuführen.

2. Alts. flit. Alts. /Ii^ 'eifer' mit verwandten wie mnd. vllt dass., ahd. ßz m. 'eifer, streit', fllzzan 'eifern, streben, sich befleißigen', mnd. {sik) vliten dass., ags. ßtan 'streiten, zanken', neuengl. dial. //?7e 'zanken' hat bisher keine überzeugende ety- mologische anknüpf ung gefunden. Wood, IF. Anz. 15, 107 hat

ZUR GERMANISCHEN WORTFORSCHUNG. 317

die Sippe mit lat. suis zusammengebracht. Darnach stände fl- für ])l- wie in fliehen neben got. pliahan. Schröder, Zs. fdph. 37,294 sucht Zusammenhang mit germ, *62>ZI^a?^ 'spalten' (nhd. spleissen). Die bedeutungsentwicklung wäre: Zwiespalt Wetteifer fleiß.

Ich verknüpfe nun die in rede stehende Wortsippe mit lett. pUjüs, plites 'sich aufdrängen'. Die grundlegende Ur- bedeutung kann sehr wohl einfach 'drücken, drängen' gewesen sein. Daraus erklären sich leicht bedeutungen wie 'streben, eifern' und ähnl. Das lange l der Wörter scheint auf eine schwere idg. basis, *2^leiä oder ^pläH-, hinzuweisen. Das ger- manische verb *fltt(m mag aus einem idg. -f7o-praesens hervor- gegangen sein und reiht sich demnach an Wörter wie mhd. scherze 'springe', aind. kürclati 'springt' neben griech. oxcdQco 'hüpfe, springe' u. a. Vgl. Brugmann, Grdr. 2, 1047. 1052.

An lett plUes erinnert aind. vlinäti 'drückt zusammen', das unter bestimmten Voraussetzungen damit verwandt sein könnte. Ganz undenkbar wäre vielleicht nicht, daß v- über h- aus p- prakritisch in Zusammensetzungen mit Partikeln wie pra- oder ni- entstanden wäre. Yg\. prahl'ma- 'zusammengeknickt'. Durch freimachung wäre darauf das einfache vlinäti hervorgerufen. Wenn indessen aind. ved. vrdyas 'erdrückende gewalt, Über- macht' (schon Rigveda 2, 23, 16 belegt) zu vlinäti gehört, muß das V- ursprünglich sein. Die Zusammenstellung von vrdyas und vlinäti wird von Oldenberg, Textkritische und exegetische noten s. 207 aufrecht erhalten. Wahrscheinlich haben wir darum für vlinäti eine auf Spleiß-, *pläH- reimende wurzel *uleiä- oder *ulä''i- anzusetzen. Bei einem wurzelansatz ^idciä- liätten wir zwar eher erwarten können, daß das wort *vlinäti mit kurzem wurzel-/ gelautet hätte. Die länge kann indessen aus dem particip vUna- geholt sein. Vergleiche auch Holger Pedersen, IF. 2, 301 über vlmäti. Wenn man als wurzel die zweite alternative ''idä'=i : *m/*- wählt, könnte man vielleicht vlinäti zu lat. Imdo, -ere 'verletzen, beschädigen', dann eigent- lich 'zerstoßen, zerdrücken' ziehen. Lat. hedo wäre dann aus idg. \d9i-d- entstanden und könnte als ein altes -^-praesens aufgefaßt werden. Außer den oben genannten beispielen ver- gleiche noch ahd. houwan, nhd. hauen neben lat. cudo 'haue, schlage' und nhd. heien 'schlagen, stoßen, rammen' neben lat.

318 PETEESSOK

ccedo 'haue, schlage'. Bei dem zweiten wurzelansatz muß aind. vrdyas natürlich aus idg. *uldlos erklärt werden. Auch kann dabei vlmäti ursprünglich nicht der -wä-classe angehört haben. Vergleiche hierzu aind. liinäti 'schneidet' zu läva- 'schneidend', lävalca- 'Schnitter', griech. Xaiov, ion. Xi'iiov 'Saatfeld', wofür Hirt, Ablaut § 115 eine idg. basis lau- aufgestellt hat.

Mit der sippe von nhd. f^eiss stimmen begrifflich folgende Wörter sehr nahe überein: ahd. hrey "hartnäckigkeif, mhd. hriec 'anstrengung, streben, widerstand, streit, kämpf, mnd. hnch, gen. liriges 'streit, zwist, rechtsstreit, krieg'. Der zunächst zugrunde liegende begriff ist offenbar 'anstrengung, eifer'. Die genannten Wörter hat bekanntlich Fick, Wb.^ 2, 185 mit ir. hrig 'kraft' zusammengestellt. Hiernach wäre somit von einer wurzel *gvrctyh- : *gUnyli- auszugehen. Nehmen wir nun ferner an, daß die wurzelbedeutung 'drängen' oder ähnl. war, wird es uns ermöglicht, die folgende bisher unerklärte slavische sippe anzuschließen: abg. sz-greza ^ovyxvoig, confusio', sz-greziti 'ovfi(fiQtod-ca, commisceri', vzs-greziti^&oXovv, turbare', sz-grezz 'qvfjaua, massa'. Ist nun diese anknüpfung riclitig, ist somit die aspirierte media als palatal anzusetzen. Die idg. wurzel war also *gUreigh- : *gUnyh-.

3. Ags. palstr. Das ag^.jJalstr 'a spike or something väüi a point' kehrt im ndl. 2)alster 'stock, pilgerstab' wieder. Als germanische grundform hat man *palstra- anzusetzen. Ich erkläre das wort aus der idg. wurzel ""held- : hold- 'schlagen, hauen, stoßen' u. dgl. Die wurzel ist in germanischen dialekten reichlich vertreten. Man vergleiche Johansson, KZ. 36, 371 ff., der eine große anzalil von hierher gehörenden Wörtern beson- ders aus dem nordischen gesammelt hat. Unter diesen nenne ich schwed. dial. pult 'eiu abgehauenes stück holz', schwed. palta 'lumpen, hader', mw^.pialte, palt 'läppen, fetzen, lumpen, Splitter'. Germ. *palstra- ist nun aus *bold- durch das instru- mentalsuffix -tro- gebildet. Das wort bedeutet also eigentlich 'das, womit man schlägt, prügel, knüttel'.

Schon Franck, Etym. woordb. s. v. hat fragend Verwandt- schaft mit mnd. palte, nd. palt, p)altcr, ptdt, schwed. palta ver- mutet. Jedoch scheint er nicht über die wirkliche bildung des Wortes klar gewesen zu sein.

ZUR GERMANISCHEN WORTFORSCHUNG. 319

4. Aisl. hrinda. Aisl. lirinäa 'stoßen' gehört, wie ich vermute, zu der gruppe von Wörtern, worin Osthoff eine be- stimmte idg. praesensbildung auf -nt- gefunden hat. Ich finde nämlich in dem worte eine urgermanische wurzel *lirai- : *hn-. Daraus stammt meiner Vermutung nach aisl. hregg 'stürm' (aus urgerm. *hraiia-). Ferner glaube ich abg. krajati 'scindere' (vorslav. *Jcröiätt) anschließen zu können.

Es wäre folglich eine idg. wurzel *Jcrei- : *h-oi- : *kn- etwa 'hauen, stoßen' anzunehmen. Das aisl. hrinda setzt also ein idg. praesens "^kri-ntö (urgerm. *hrmdo) voraus. Nach Verben wie hindan, band u. a. ist hrinda in die dritte ablauts- classe hinübergetreten. Besonders stark anziehend muß das gleichbedeutende aisl. rinda, ratt darauf gewirkt haben, welches verbum in dieser classe heimisch ist. Vergleiche ags. rendan aus *randian. Auf eine ursprüngliche -e-wurzel beruht auch ahd. ags. sivindan 'schwinden' (aisl. svma, svla). Siehe Osthoff, IF. Anz. 1, 82 und Zs. fdph. 24, 215.

5. Ags. iveorod. Für ags. weorod, werod 'schar, menge' sind viele erklärungen vorgeschlagen worden. Sweet, The stu- dent's dictionary s.v. erklärt uxrod aus teer 'mann' und räd 'riding (on horse, in carriage, in sliip); journey; warlike ex- pedition, raid'. Diese auffassung ist aus vielen gründen un- haltbar. Kluge, Nomin. stammb.^ s. 68 sieht zögernd in dem worte eine collective ableitung auf -oäit- (= got. -üdas). Bül- bring, Altenglisches elementarbuch § 377b führt iveorod auf *iver-hädu- (= got. haidus) zurück.

Ehe ich zur weiteren besprechung des Wortes schreite, mag ein wort über die stammbildung des Wortes vorangehen. weorod flectiert zwar wie ein «-stamm, nachweislich aber ist es ursprünglich ein -it-stamm. Die Wörter der alten -w-declina- tion, die lange Wurzelsilbe haben oder mehr als zweisilbig sind, sind bekanntlich im altenglischen in die -a-declination übergetreten. Siehe Sievers, Angelsächs. grammatik^ s. 143. Die form iveoriid beweist nun, daß unser wort ein ursprüng- licher -2t -stamm war. Hier kann nämlich das u nur durch die einwirkung eines stammauslautenden u erklärt werden. Der in u umgefärbte vocal kann sowohl a als o sein. Vgl. Bülbring a.a.O. § 377b und § 366, 1). Hieraus ist ersichtlich,

320 PETERSSON

daß die erklärungen von Kluge und Bülbring- beide lautlich möglich sind. Ich bin indessen nicht ganz überzeugt, daß iveorod aus tver 'mann' gebildet ist. Ich will darum eine etymologische erklärung vortragen, die in ganz andere richtung führt. Ich denke mir, daß weorod mit folgenden Wörtern zu- sammenhängen kann: aiud, vräta- 'schar, häufe, menge', ir. foirenn, foirinn 'abteilung, schar', cymr. gwerin 'menge, volks- masse', lit. vorä 'eine lange reihe von sich hintereinander be- wegenden gegenständen, wagen, Schlitten, gänseu' u.s.w., ags. zvorn 'menge, truppe, schar', got. wrijnis 'herde' (wohl für *wrepus), adän. vrath 'schweineherde', ags. ivräd, tvrced 'herde, truppe'.

Ich führe nun weorod über urgerm. "^uerödu- auf idg. *uerö-tu- zurück. Die einfache wurzel *uer- (lit. vorä), die in ags. ivorn in schwundstufiger gestalt vorliegt, ist hier mit einem erweiternden element -ö- versehen. Damit kann nun e in ags. tvrcßö ablauten (idg. *tire-hi-). Aind. vräta- kann so- wohl idg. *iire-to- als *urö-to- sein.

Zuletzt möchte ich fragen, ob nicht auch abg. roh 'rotte, schar' verwandt ist. Es kann zu aind. vräta- in ablauts- verhältnis stehen. Wir hätten hiernach rotz aus idg. ''urdto- herzuleiten. Das anlautende u ist gefallen nach Lideus baltisch- slavischem anlautsgesetz.

6. Ags. clümian und clipian. Ags. clümian 'murmeln' und clipian 'rufen' (neuengl. yclept 'genannt') sind meiner Ver- mutung nach entfernt verwandt. Es ist bekannt, daß wir eine schallbezeichnende idg. wurzel *gel- haben (abg. glasz 'stimme', aisl. halla 'rufen', ags. ceallian dass.). Ags. clümian beruht nun, wie ich glaube, auf einer -?<-erweiterung der- selben. Hierzu ziehe ich nun lat. glöcire 'naturlaut der henne' und glancire 'naturlaut der schafe'. Im ersten wort steht ganz gewiß o dialektisch für au. glauctre scheint eine idg. wurzelform *gldu-k- vorauszusetzen. Derselbe wurzelerweiteriide guttural kann auch im ags. clümian einst vorgelegen haben. Es ist möglich, daß die urgermanische form ^klühmukin ge- lautet hat, sonst allerdings *Uumöian. Der lateinische diphthong au ebenso wie das germ. ü mag auf einen ursprünglich langen diphthong hindeuten. Lat. glöria wird aus der wurzel *gel-

ZUR GERMANISCHEN WORTFORSCHUNG. 321

Cgel-ö-) erklärt. Siehe Walde, Etym. w\).- s. v. Vielleicht geht hier o auf idg. -ö(u)- zurück.

Ags. clipian wieder dürfte auf eine -/-er Weiterung der Wurzel *gel- beruhen. Hier vergleiche ich lat. glicciö, -Ire 'naturlaut der gänse', das vielleicht für älteres *gIicio steht. Lat. glls, gliris 'haselmaus, bilchmaus' ist vielleicht anzu- schließen. Ein dialektischer schwedischer name der Singdrossel (turdus musicus) lautet Jdedra und Bera. In der hallän- dischen mundart heißt das wort Maira (August Bondeson, Halländska sagor s. 140). Das e in Medra geht also auf ai zurück. Rietz, Svenskt dialekt-lexikon gibt auch die formen Mädra, Idära und TiVödra. Diese wortformen lassen sich laut- lich nicht leicht mit den vorigen vereinigen. Es verdient indessen bemerkt zu werden, daß Rietz auch ein verbum Mädra 'singen, lallen (von kindern)' kennt. Ich möchte glauben, daß Medra unter ein Wirkung dieses Wortes zu Mädra umgeformt worden ist. In Mödra dürfte das ö für ein dialek- tisches ö- gefärbtes ä geschrieben sein. Vielleicht läßt sich Medra in suffixaler hinsieht mit andd. agastria 'elster', ags. Jmlfestre ' regen vogel' vergleichen, wo wir ein sufflx -triön- haben. Siehe Kluge, Nomin, stammb.^ § 49. Danach wäre Medra auf urgerm Vdaidrion- zurückzuführen. Rein theoretisch setzt dies ein idg. ""gloi-triön- voraus.

Aus der auf grund der hier verglichenen Wörter gewonnenen Wurzel urgerm. *Mai-, Mi-, idg. *gloi- : ^glt- ist nun, wie ich glaube, ags. clipian gebildet. Wir haben hier ein wurzel- determinativ germ. -p-, idg. -h- anzunehmen. Es ist beachtens- wert, daß eben dieses determinativ in vielen Wörtern mit der bedeutung 'rufen' undähnl. vorkommt. Man vergleiche folgende beispiele: got. hröpjan 'rufen', hröp>s 'ruf zu aisl. hrös 'rühm', ahd, Jiriiod dass., got. höpan 'sich rühmen, prahlen'; ivopjan 'laut rufen, ausrufen' (abg. valiti 'herbeirufen, herbeilocken', lett. vähit 'vor gericht fordern'); ags. gielpan 'prahlen', aisl. gialpa; aisl. Imrpa 'prahlen, rühmen', mengl. carpen 'to talk', lit. gerhti 'ehren', garhe 'ehre' zu lit. giriü, ghii 'loben, rühmen', aind. grnäti 'singt'.

Got. ]vöp>an hat bisher keine anknüpfung gefunden. Vor- schlagsweise möchte ich einen versuch machen, das wort zu analysieren. Nehmen wir an, daß hier ein idg. determinativ

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 21

322 PETERSSON

-h- vorliegt, können wir eine idg. 'urwurzel' *hm- ansetzen. Es ist bekannt, daß neben idg-. *stä- 'stehen' (aind. tisthämi, lat. sto 'stehe') eine wurzel *stel- vorliegt (griech. oreXXco, ahd. stilli 'unbewegt, ruhig' u.a. Neben idg. *hhä-, *bhe 'glänzen' (aind. bhräi 'glänzt', griech. aeol. rfavog 'licht' u.s.w.) liegt eine gleichbedeutende wurzel *bhel- (litt, hdlti 'weiß werden', griech. (paXöc 'glänzend'). Es ist wohl wahrscheinlich, daß stel- und bhel- auf die kürzeren wurzelformeu stä- und bhä-, bhe- zurück- gehen. Vergleiche Persson, ^^'urzelerweiterung s. 63. In meiner oben citierten arbeit habe ich s. 78 wegen aind. kvanati 'klingt, tönt', Risl.hvellr 'laut, tönend', ags.hwelan 'tosen' u.s.w. eine idg. wurzel Viyel- aufgestellt. Das oben aus got. höpjan er- schlossene einfache wurzelelement *ÄMä- kann sich nun zu diesem ""kuel- verhalten wie ""stä- zu *stel- u.s.w. Got. wöpjan, abg. vabUi, lett. väblt beruhen ohne zweifei auf einer urwurzel *?.m-. Mit guttural erweitert ist diese in lat. vägio, -Ire 'wim- mern, quäken (von kleinen kindern und tieren)' wiederzufinden. Aus der unerweiterteu wurzel *uä- sind mit -mo- bez. tnen- formans ags. wmn- m. 'sound, noice' aisl. ömr 'laut' und ags. ivöma m. 'sound, noice' gebildet. Mit -^o-suffix gehört hierher ags. wo]) f. 'a sound, cry, noise; voice, song, speech'. Die hier gewonnene wurzelform *nä- mag mit der wurzel \iel- in aind. väm 'stimme, rede; musik', cech. volati, poln. ivoiac 'rufen' in eben derselben weise verglichen werden.

7. Ags. wögian. Ags. ivögian 'freien' (mengl. wo^en, neuengl. ivoo) kann, glaube ich, mit folgender Wortsippe ver- wandt sein: Siind. väghdt m. 'der gelobende, beter, Veranstalter eines opfers', lat, voveo 'gelobe', griech. tvyofiai 'bete, gelobe, wünsche', tv/jj, tvycoXt] 'votum, wünsch', av. aog- 'verkünden, sagen, sprechen', aind. öhate 'rühmt, prahlt'. Nach Holger Pedersen, KZ. 40, 210 gehört hierher auch 3iYm. uzem 'ich will', y-uzem 'ich suche'. Bekanntlich hat man für diese Wörter eine idg. wurzel *eueguh- aufzustellen.

Ags. tvögian aus urgerm. *nögölan setzt nun ein idg. praesens *ijLögvhäiü voraus. Die labialisierung ist vor germ. ö gefallen. Diebedeutung 'freien' kann aus 'wünschen, begehren' erklärt werden. Letzteren begriff finden wir ja in griech. ti'xofiai und arm. uzeni. Audi aus 'geloben, ein feierliches gelöbnis

ZUR GERMANISCHEN WORTFORSCHUNG. 323

tun' ließe sich die Bedeutung von ags. wögian sehr wohl erklären.

8. Nhd. Strauch. Nhd. strauch 'größere pflanzen mit holzigen Stengeln' geht auf mhd. struch 'strauch, gesträuch' zurück. Diesem entspricht mittelniederdeutsch strük 'strauch'. So viel ich weiß ist das wort noch nicht etymologisch beleuchtet. Die Vermutung, daß Urverwandtschaft mit spätmhd. gestriuze n. 'buschwerk, gebüsch', striuzach n. 'gebüsch', nhd. strauß 'blumen-, federbüschel' besteht, liegt ganz nahe. Indessen glaube ich ein außergermanisches wort nachweisen zu können, das sich mit struch völlig deckt. Dieses wort ist griech. OTQvyvog m. f. 'nightshade, Solanum, a family of plants of whicli the Ancients knew three or four species, some poisonous, one (xrjjialoc) bearing an eatable berry of an acid vinous flavour', woneben auch rQvxvrj f. Mhd. struch, mnd. strük geht auf urgerm. ^strüka- zurück, das ich ferner über *struMa- aus idg. *strHgh-nd- erkläre. Hierzu stimmt nun völlig griech. OTQvyj'OQ aus idg. "^strugh-no- mit der schAvächsten form des wurzelvocals. Die vollstufe "^strei^gh- oder *stroiigh- weiß ich in keiner spräche nachzuweisen. Fassen wir -gh- als wurzel- determinativ auf, können wir Verwandtschaft mit strauß auf- rechterhalten, indem wir eine idg. urwurzel *streii- : *strü- ansetzen. Mhd. gestriuze wäre dann aus idg. *streii-d- zu erklären. Hier könnte man vielleicht abg. trzsti 'schilfrohr' anreihen. Dann wäre es aus idg. ^trud-ti- zu erklären. Be- merkenswert ist, daß das unorganische s- in vielen slavischen Wörtern fehlt, deren entsprechungen in den übrigen sprachen damit versehen ist, z. b. k\)^. pira, inrati 'treten' neben lat. sperno, aisl. sperna, griech. ojtmqco u.s.w. und abg. tratz 'agmen' falls zu griech. orgarog 'feldlager, beer' u.a. Anderer- seits aber läßt sich irzsfh sehr wohl mit lit. truszls m. 'schilf- rohr' vereinigen, in welchem falle die grundform mit idg. *trus-ti- angesetzt werden muß. Sommer, Griechische laut- studien s. 60 ff.

9. Got. wo]) eis. Dem got. ivöjms 'süß, lieblich' ent- sprechen ags. wcöe, alts. wöthi, wöcti 'angenehm'. Das germ. *udpia- ist bisher ohne etymologische anknüpf ung geblieben. Ich möchte nun damit aind. vamds 'lieblich, lieb' zusammen-

21*

324 PETERSSON, ZUR GETRM. WORTFORSCHUNG. SIEVERS

stellen. Dieses wäre also aus idg. *iiänio- oder *iw-mo- zu erklären.

Bisher stellte man vämds zu aind. vänati 'wünscht, liebt', lat. venus 'lust' u.s. w., wobei vämds aus idg. ""un-mö- zu er- klären sei. Ich glaube nun indessen, daß got. ivöjjcis und aind. vämds aus einer wurzel *iiä- gebildet sind, die sich zu *uen- in vdnati verhält wie die wurzel *uä- 'leid zufügen, ver- wunden' in lit. vöüs 'böses geschwür', voj§s 'leidend', lett. tväts 'wunde' zu *uen- in got. wunds 'wund, verwundet', ags. wenn 'geschwulst' U.S.W. Man vergleiche Persson a.a.o. s. 72.

LUND. HERBERT PETERSSON.

GERMANISCH *ISA- 'EIS'.

Wenn jemand etwa die spätmhd. dialektform Monster dazu benutzen wollte, dem lat. claustrum einen nur in jenem letzten ausläufer noch sichtbar nachlebenden Innern nasal zu vindi- cieren, so würde seine argumentation schwerlich auf viel beifall rechnen dürfen: man würde gegen sie wohl einwenden, daß sie sich über zu viel notorisch feststehendes oder doch zur zeit mit gutem grund für einleuchtend gehaltenes hinwegsetze. Nicht eben andere wege als den hier beispielsweise angedeuteten scheint mir aber P. Di eis zu gehen, wenn er soeben in der Zs. f. vgl. spracht. 45, 88 ff. gestützt auf die schwäb. dialektform äes und die vergleichung von slav. inije 'reif den germ. stamm *isa- 'eis' auf ein älteres *ins- zurückzuführen versucht, dessen nasal vielleicht in jener schwäb. form noch erhalten sein möge. Er gelangt zu diesem resultat, indem er aus der bekannten reihe gleichartiger formen mit dialektischer nasalierung vor 5 einseitig die Wörter faust, deichsei und eis herausnimmt, um nach deren etymologischer deutung der meinung ausdruck zu

GERMANISCH */5^- 'EIS'. 325

geben, die übrigen Wörter der reihe gestatteten 'keine sichere oder auch nur ansprechende ankuüpfung' (s.89). Dabei scheint mir aber doch mindestens das von D. selbst mit citierte 'ziestag^ über gebühr in den hintergruud gedrängt zu sein. Denn man sollte sonst meinen, daß das in einer liste der wochentagsnamen als directe glossierung von lat. dAes Martis in den glossae San- blasianae (Alid. gll. 3, 205, 6) auftretende ciesdach (zu dem Lexer noch aus einer Engelberger hs. des 14. jh.'s die parallele cigis- tage neben cistach beibringt) seit den tagen Jacob Grimms einwandfrei und annehmbar als Zies-tag aufgefaßt werde. Gerade dieses beispiel aber ist wichtig, weil es und doch wiederum wohl einwand sfrei lehrt, daß die durch die spätere häufige Schreibung zinstac und das heutige schwäb. säestich belegte nasalierung (mag man dabei volksetj^mologische beein- flussung durch zins annehmen oder nicht) doch nicht vor der contraction des zweisilbigen zies- zu dem später geläufigen SIS- eingetreten sein kann, also sicher nicht vor dem ende der ahd. zeit. Dieser fall von nasalierung ist also sicher secundär.

Ferner schwäb. räes 'fischreuse' = mhd. riuse, ahd. rüs(s)a etc. aus *rusjön-. Warum ist die übliche anknüpfung dieses Wortes an got. raus, ahd. rör u.s.w. weniger ansprechend als die Verbindung von germ. *isa- 'eis' mit slav. inije 'reif, lit. l/w^5?

Ich würde ferner an Diels' stelle die tatsache nicht un- erwähnt gelassen haben, daß bei deiclisel, das Diels mit andern in durchaus glaubhafter weise auf ein germ. *])e)r/slö zurück- führt, der eintritt der nasalierung im schwäb. streng an den ausfall des h gebunden ist, d.h. daß es zwar däSsl oder dSsl, disl heißen kann (neben doisl u. ä.) , daß es aber stets d9iJcsl u. ä. heißt, niemals ""däeJcsl oder dgl. (s. Schwäb. wb. 2,130). Wie ist das zu erklären, wenn es sich um die erhaltung ererbter nasal vocale handelt? Darüber sagt Diels nichts, ebensowenig wie über die frage, wie weit das schwäb. überhaupt sich bei den Wörtern verhalte, die früher einmal sicher einen nasal- vocal besaßen. Das wären die Wörter mit urspr. vocal vor vx oder nh, also, wenn man von dem hier ausschlag gebenden folge-5 absieht, grade fälle wie auch jene dihsel und füst, wenn deren ableitungen aus ^Jjeuydö- und *fui3ysti- richtig sind (wogegen ich, wie angedeutet, meinerseits gar nichts

326 SIEVERS

einzuwenden habe). Ich muß nun bekennen, daß mir da aus dem Schwab, irgendwelche nasalierungsformen vor andern consonanten als s nicht bekannt geworden sind, sondern eben nur jene däesl und fäöst mit den lautfolgen is, fis, die selbst- verständlich mindestens ebensogut unter die rubrik 'secundäre nasalierung von ts, us' fallen können wie unter die rubrik erhaltung alter nasalierung bei ursprünglicher lautfolge vocal -f- nhs\ Speciell für feile, dessen herkunft aus "^fenyjö- meines bedünkens durch das als nasaliert direct bezeugte altn. J)el recht 'annehmbar' gemacht wird, heißt es im schwäb. überall fdil etc., und nirgends *fael, wie man bei erhaltung der nasa- lierung erwarten müßte, und ähnliches gilt für gedeihen, wenn auch das wort vielleicht nicht ganz volkstümlich und darum vielleicht nicht ein ganz vollwichtiger zeuge ist (s. Fischers bemerkung im Schwäb. wb. 3, 143). ')

Nun siud wir ja übrigens in fragen der nasalierung durchaus nicht auf das schwäbische (oder alemannische) allein angewiesen. Alte nasalvocale (beliebiger herkunft) sind vielmehr besonders in den scandinavischen sprachen lange als solche erhalten ge- blieben, in schwedischen mundarteu oft bis auf den heutigen tag (vgl. etwa Noreens bekannte abhandlung im Arkiv 3, 1 ff.). Dies gilt speciell auch von denjenigen nasal vocalen, die sich aus vocal + nasal vor germ. h entwickelt hatten. Für das schon erwähnte altisl. J)el 'feile' ist die nasalierte ausspräche ja aus dem 12. jh. direct bezeugt, ebenso wie z. b. für altisl. fcer = got. fahip im gegensatz zu altisl. fcer 'schaf ' SE. 2, 18 AM.; Den forste og anden gramm. afli. i Snorres Edda udg. af V. Dahlerup ok F. Jöusson, Kob. 1886, s. 5. 26). Es wäre also doch wohl zu erwarten, daß auch einem germ. Hns- im isl. des 12. jh.'s (um von allem andern abzusehen) ein nasa- liertes *7ss entsprochen hätte. Wie reimt sich aber das damit daß der treffliche Verfasser des berühmten 'ersten grammatischen tractats' a.a.O. sein isl. ^.95 'eis' gerade als contrastbeleg für nicht nasalierten vocal aufführt, in dem er den acc. pl. isa mit nicht nasaliertem l der formel l 'sah hinein' mit nasaliertem l gegenüberstellt? Denn daß sich der entdecker

') Auch für andere vocale gilt das gleiche: ich kenne uurnicht nasa- lierte formen wie 2>''öxt, hr^xt, d^xt, zf = mhd. (ge)hraht, brachte, diehte, zmlie; vgl. ferner die verschiedenen formen für fahen und hahel im Schwcäb. wb.

GERMANISCH *ISA- 'EIS'. 327

der altisl. uasalvocale hier über seine eigene ausspräche und die seiner Zeitgenossen geirrt haben sollte, ist bei der nach- gewiesenen correctheit seiner sonstigen angaben praktisch ausgeschlossen.

Unklar hat Diels auch gelassen, auf welchem wege er von seinem Hns- aus zu dem angenommenen Hsa- mit langem nasa- liertem l gelangen will. Warum wurde jenes *i»5 nicht zu *ins gekürzt (nach der allgemeinen kürzungsregel), und warum blieb dies *i«5 nicht einfach bestehen, da ns sonst zunächst unangetastet in die germ. einzelsprachen hinübergeht? Soll da etwa die nasalierung nach langvocal schon vor den eintritt der sonstigen kürzungen fallen? Für unmöglich kann man ja so etwas nicht geradezu erklären, aber man hätte doch ge- wünscht, daß D. wenigstens kurz angegeben hätte wie er verstanden sein will und Avas für gründe er für seine ab- weichenden anschauungen in Sachen der germ. lautgeschichte vorzubringen hat.

Ich meine, schon nach dem wenigen was hier über intern germ. Verhältnisse mehr augedeutet als ausgeführt ist, wird es angezeigt erscheinen, das germ. Hns- alsbald wieder in die Versenkung hinabsteigen zu lassen, aus der es Diels herauf- beschworen hat, und es wird nicht noch nötig sein auf die weiteren Schwierigkeiten einzugehen, die der ansatz eines s-stammes H-n-os, H-n-es, *l-n-s mit secundärsuffix -os -es dar- bietet (denn das n der 'grundlage' *m- könnte doch gemeiner annähme nach nicht wurzelhaft sein): ich wüßte wenigstens aus dem germ. keinen ganz genau entsprechenden fall solcher Verwendung des Suffixes nachzuweisen. Aber auf einen andern punkt muß ich doch noch kommen.

Auf s. 87 erwähnt Diels nach Wredes dialektbericht im Anz. fda. 18, 411 auch das bekannte waldeckische ix für 'eis', und meint es sei 'gewiß schon der versuch gemacht worden, dieses ix mit seinem seltsamen guttural auf eine ursprünglich nasalierte form zurückzuführen (vgl. die form ings im oberamt Ravensburg)'. Dazu sei zunächst nur im vorbeigehen daran erinnert, daß jenes ings natürlich die ausspräche ius (ohne g) meint. D. schreibt dann weiter: 'das führt nun auch in die- selbe richtung: denn auch ix liegt ganz in der nähe einer entnasalierungsgrenze (in diesem fall der niederdeutschen), s.

328 SIEVER8

die angaben Wredes über gäns, gäus, gas u.s.w. im Sprach- atlas.' Diese auffassung ist originell, wird aber auch nicht gleich jedem einleuchten. Sie sagt im gründe doch etwa dies: daß jene bekannte kleine gruppe von hochdeutsch redenden Ortschaften im AValdeckischen sich die ausspräche ix für 'eis' mit rücksicht darauf (oder in irgendwelchem Zusammenhang damit) zugelegt hätte, daß die benachbarten niederdeutschen mundarten vor s 'entnasalieren'. Notabene nur bei diesem ix aus ts, dessen ursprünglicher nasal erst noch zu erweisen wäre, während sichere ns (wie in gaiis, unser) nach Diels' eigener angäbe über die entnasalierungsgrenze dort unangetastet bleiben, obwohl das niederdeutsche hier das n aufgibt. Und mit dem von Diels allein benutzten ix ist es auch so eine sache. Die 'vorliegenden hilfsmittel', selbst die von ihm citierten, hätten ihm nämlich über jenes waldeckische 'x' doch erheblich mehr bieten können, als was er verwertet. Hätte er z. b. nur in den dialektberichten Wredes im Anz. fda. etwas weiter ge- blättert (s. dort 20, 210. 22, 109) oder hätte er etwa die dialekt- proben bei Firmenich 2, 117 ff. aufgeschlagen, so hätte er leicht finden können, daß diese waldeckischen x, soweit sie in wirk- lich volkstümlichen formen erscheinen, wieder für alle s nach urspr. I, u stehen, und zwar nicht nur für s = germ. s, wie in wixen, hux, selbst hicJcspel = mhd. tvisen 'zeigen', hüs, Uspel, sondern auch für hochd. ^ = germ. t, also z. b. in ux, wixe, dricksig = mhd. iiz, wize, drizec. Und alle diese x wären dem niederdeutschen grenznachbar zuliebe oder zufolge entwickelt, auch da wo dieser gar kein s sprach? Und wo soll dieses waldeckische x mit dem schwäb. velarnasal von ins und con- sorten in Zusammenhang gebracht werden, der gar keinen Verschlußlaut enthält? Ich glaube, das hat, entgegen der oben citierten Vermutung von Diels, doch noch kein germanist vermocht, und es wirds auch wohl keiner zustande bringen. Bis dahin aber wird es, denke ich, auch noch gestattet sein bei der annähme einer 'spontanen nasalierung von i, u, iu vor s' in schwäbischen und anderen alemannischen mundarten zu verbleiben, selbst wenn man einstweilen den vorliegenden tatbestand weder historisch noch phonetisch in einleuchtender weise zu erklären vermag. Durch den umstand, daß das germ. wort für 'eis' mit einem slav. wort für 'reif in dem

GERMANISCH ^'iSA- 'EIS'. LINDQVIST, NHD. SCHWANEN. 329

besitze des vocals i- zusammentrifft, kann jedenfalls eine neue auffassung des bekannten tatsachenmateiials nicht herbei- geführt werden.

LEIPZIG, 16. april 1912. E. SIEVEßS.

ÜBER DIE ETYMOLOGIE DES ^KD. SCHWANEN.

Die landläufige ableitung aus dem subst. schwan schon bei Wächter, später, wie zu erwarten war, von J.Grimm mehrmals vertreten (Kl. sehr. 4, 427. 6,1401; Myth." 1, 354) und noch von Hirt in der neuerdings erschienenen neuen be- arbeitung des Weigand sehen Wörterbuches vorgetragen ge- hört zu jenen poetischen etymologien, die ganz schön klingen und selten richtig sind.

Der ausgangspunkt für diese Zusammenstellung ist offenbar der rein lautliche gewesen: sclmanen muß zu schwan gehören wie etwa fischen zu ftsch. Den jedenfalls auf den ersten blick klaffenden abgrund zwischen der bedeutung 'cj^gnus' und der von 'ahnt, dünkt' hat man dann dadurch zu überbrücken ver- sucht, daß man an die Vorstellung erinnerte, daß der schwan seinen tod voraussehe und mit einem gesang ankündige. Diese erklärung hat schon Wächter.')

Ferner berufen sich Grimm und die folgenden etymologen darauf, daß der schwan in altgermanischer zeit der weissagende vogel gewesen sei.

Nun verlangte wohl eine derartige entstehung dieses in der Volkssprache und bis ins 18. Jahrhundert nur in dieser

1) schwanen 'omiuari, animo prsesentire ' ... genus ducit a scJuvan cj'guus. Nam de cygno fert opinio vulgi, fabulosa qiüdem sed autiqua, quod mortem instantem prsevideat et cantu prsesignificet. Hinc cygnnm Apollini nou sine causa dicatum esse, sed quod ab eo divinationem habere videatur scribit Cicero in primo Tuscul. qusest. (sp. 1482).

330 LINDQVIST

geläufigen verbums, daß jene Vorstellungen feste wurzeln im altgerraanisclien Volksglauben hätten. Dem ist aber nicht so. Denn einmal ist die Vorstellung von der todesahnung und dem todesgesang des schwanes durchaus nicht volkstümlich sie beruht vielmehr, wie in Grimms Wörterbuch richtig hervor- gehoben wird, auf einer rein literarische Überlieferung aus dem classischen altertum, und sodann ist nicht nachgewiesen, daß der Schwan in alter germanischer anschauung als 'der weis- sagende vogel' gegolten habe. Denn daß die walkyrien und meerfrauen gelegentlich in schwanengestalt erscheinen (Grimm, Myth.^ 1, 353 f.), ist doch kein ausreichendes zeugnis dafür.

Diese erklärung hat auch nicht allerwärts Zustimmung gefunden. So verhält sich Paul in seinem Wörterbuch sehr skeptisch ihr gegenüber und Heinrich Schröder hat sie neuerdings gelegentlich einer recension der eben erwähnten neuen aufläge von Weigand in IF. Anz. 28, 34 abgelehnt. Er meint, der anschluß an das subst. schwan sei lediglich volks- etymologisch und stellt das wort zum vb. nhd. sehen. Er will nämlich darin einen stamm s{e)^ud)i finden, ablautend mit sepi{d)n zu se{f)iin, das im got. anas'mns 'sichtbar', altn. synn und vb. syna vorliegt. Das dän.-schwed. det synes mig wäre = nnd. mi sicant, nhd. mir schwant.

Diese erklärung befriedigt aber ebensowenig wie die alt- überlieferte. Sie ist eine der zahlreichen, von denen man zwar nicht leugnen kann, daß sie rein lautlich stimmen, denen aber jede größere Wahrscheinlichkeit abgeht. Denn es bleibt immer eine mißliche sache, ein erst in den letzten Jahrhunderten und zwar nur in einem germanischen dialekt erscheinendes wort durch die ansetzung einer in ihrer fortentwicklung nicht be- legten idg. form zu erklären.

Der alte Wächter bietet indessen eine zweite deutung. Er meint, schwanen könnte auch dasselbe wort sein wie ivanen 'conjicere, conjectura prospicere', eine erklärung, welcher der Schwede Ihre in seinem Glossarium suio-gothicum (1769) bei- pflichtet. Sp. 88 f. führt nämlich dieser aus, Avie aus dem vb. ana mit liilfe des 'präfixes' iv das altn. subst. van 'spes' und das altn. vana 'sperare' entstanden seien, und fügt hinzu: 'Germani, solito suo sibilo initium vocis auctius reddentes, schwanen fecere.' Die ableituug aus icanen findet auch bei Adelung Zustimmung:

ETYMOLOGIE DES NHD. SCHWANEN. 331

'oliue zweifei ist es {schwanen) vermittelst des Zischlautes von ivahn, wähnen in der ehemaligen weitern bedeutung für »glauben, urteilen, mutmaßen« gebildet' (4, 3241).

Ich führe diese alten etymologen so ausführlich an, weil ich meine, daß ihre ansieht, schwanen sei im gründe dasselbe wort wie ivähnen, richtig ist. Freilich läßt sich das anlautende s nicht so einfach wie bei Adelung abfertigen: 'der zischlaut ist oft ein intensiver, oft auch ein bloß müßiger Vorschlag.'

Eine erklärung des wortes muß m. e. an zwei tatsachen anknüpfen, erstens au die provenienz des wortes, zweitens an die auffallende Identität der bedeutung von mir schivant mit der des anklingenden mir ahnt.

Das wort ist allen anderen germanischen sprachen fremd und in der deutschen literatur erscheint es erst im 16. jh.: auf niederd. boden im jähre 1514 (swanen im Braunschweiger schichtbuche), die ältesten hd. belege sind ungefähr gleich- zeitig: 1543 (Der verzucket Pasquinus), 1569 (Jac. Cornerus Apelles).

Dem späten erscheinen des wortes sowie dessen beschränkt- heit auf das deutsche gebiet will die folgende erklärung gerecht werden.

Ich nehme an, daß es schwant mir (mich), spätmhd. es swänt mir {mich), zunächst aus es ivdnt mir {mich) entstanden ist, also eine sog. collisionsform ist. wänen ist eine nebenform von ivcenen, die im raittelalter auf dem nd. gebiet die weitaus ge- wöhnlichere ist und auch in hd. quellen nicht selten vorkommt ') (s. Grimms wb.).

Fürs praeteritum tvänte kommen beide verba in betracht.

Der subjectlose gebrauch vom verbum wänen: es tvänt mir statt ich iväne wiederum beruht auf analogischen einfluß von dem synonymen und lautlich so anklingenden verbum es ahnt mir. Daß auf diese weise ein ursprünglich subjectisches verbum nach der analogie eines bedeutungsverwandten subject- losen in die coustructionsart des letzteren übertritt, ist ja in den germanischen sprachen, namentlich im mittelalter, eine

') Ob dies ivänen auf eine alte form ivändn das alid. hat ivanön neben wänen zurückzuführen ist oder das m-verbum durch aualogischen einfluß vom subst. nhd. imlm den umlaut eingebüßt hat, mag dahingestellt bleiben.

332 LINDQVIST

recht häufige erscheinimg. Man erinnert sich, wie im meugl. i 2)enJce 'ich denke' durch die analogisch nach melmiTxep 'mich dünkt' gebildete subjectlose construction verdrängt wird, ein Vorgang, der später zu gänzlichem zusammenfall der beiden verba führt, und der sich übrigens auch auf deutschem boden vollzogen hat es denkt mir bez. mich haben u. a. Logau, Lessing, Goethe, Hansjakob wie auch sporadisch im alt- schwed.i) In der letzteren spräche zeigt übrigens das mit ivanen, wänen eng verwandte vfptita gelegentlich diese neue analogische construction. Sehr gewöhnlich ist diese bei hopa, wie dies ja auch im mnd. {liopen) der fall ist.

In der tat fehlt es in der literatur nicht ganz an Zeug- nissen dieser construction bei wänen, iv (jenen. So hat Stricker ern moJite ir niht zuo gesprechen: im ivände sin herze brechen, da^ er si hörte unde sach Das bloch 12, und Scheit so dir der hauch ist tvie ein trumm gespant, gestrecht und auszgedent, dasz er dir ietz zerspringen tvent Grobianus 936 u. a. stellen.^)

Viele beispiele dieser art lassen sich nicht anführen. Die subjectlose construction ist bei diesem verbum wie öfters die volkstümliche gewesen und hat als uncorrect nur dann und wann in die Schriftsprache aufnähme gefunden.

Daß in verschiedenen sprachen nicht wenige spät belegte Wörter durch eine derartige falsche auflösung es swant statt es want entstanden sind, ist ja eine wohlbekannte Sache. Behaghel erwähnt in seiner geschichte der deutschen spräche 3 § 248 mehrere dermaßen umgestaltete Wörter aus der Volkssprache: nasscl und nast für asscl und ast mit dem vor- geschobenen n aus dem unbestimmten artikel u. a.

Da es sich hier bei swant um eine Verschiebung der wort- grenze zwischen pronomen und verbum handelt, könnte daran erinnert werden, wie das aisl. pronomen personale per aus er in Verbindungen wie z. b. kallij) er entstanden ist, genau wie

') van der Gaaf, The transition from the irapersonal to the personal construction in middle english (= Augl. forsch, li) s. 77 if.

') Andere deutsche beispiele bei Grimm, Gr. 4, 241, beispiele aus dem mengl. bei van der Gaaf im oben erwähnten werk, aus den nord. sprachen in meinem werk Förskjutningar i förhällandet mellan grammatiskt och psy- kologiskt Subjekt i svenskan (= Lunds Universiteta arsskrift N.F. Afd. 1. Bd. 8, no. 2) s. 151 ff.

ETYMOLOGIE DES NHD. SCHWANEN. 333

das erst im nschwed. auf tauchende pronomen ni (= 'Sie' eigent- lich 'ihr') durch anhaftung des n der personalendung an dem alten pronomen % ('ihr', 'kallm i wird zu IcaUe ni, lcalla{r) ni). Der nämlichen Verschiebung der wortgrenze verdankt die im nschwed. so häufig gebrauchte präposition (= 'auf') ihre entstehung. Die ältere Verbindung upp ä (= auf an) ist zu einem worte zusammengeschmolzen (vgl. engl, upon) und durch fehlerhafte trennung entstand das neue wort^ja wie im deutschen neben aus eneben < en eben.

Da ich das es in der älteren Verbindung es want als nom. auffasse, muß ich annehmen, daß der Vorgang sich auf hoch- deutschem boden abgespielt hat da wanen im Süden weniger üblich ist und die ältesten hochdeutschen belege für schivant von mitteldeutschen Verfassern herrühren, vielleicht auf mittel- deutschem.

Was die zeit betrifft, so ist der Übergang ^ > s eine Voraussetzung; älter als aus dem 14. jh. kann das neue wort also nicht sein.

Auf hochdeutschem boden ist später das durch die neue trennung anlautend gewordene s in 5 übergegangen. Im nd. ist die form swanen erhalten.

Bei dieser auffassung leugne ich aber durchaus nicht, daß das verbum volksetymologisch mit dem subst. schwan zusammen- gebracht worden ist ohne rücksicht auf die bedeutung, wie derartige volksetymologische anknüpfungen ja oft recht sinnlos sind. Vielmehr ist es nicht unwahrscheinlich, daß die große Verbreitung des Wortes es wird jetzt aus der Volkssprache allerlei sowohl ober- wie niederdeutschen gegenden verzeiclmet zum teil gerade auf diese volkstümlich anmutende association beruht. Dieser volksetymologischen anlehnung des verbums an das subst. schwan entstammen wohl die als wortspielereien zu betrachtenden ausdrücke schwansfedern haben, tragen, be- Jcommen; es tvachsen mir schwansfedern.

GÖTTINGEN, juli 1912. AXEL LINDQVIST.

334 GUTMACHER

BESCHUMMELN, BESCHUFFEK

Auf die Zusammengehörigkeit von hescJnwwieln und he- sclwppen hat J. Franck bei der besprechung einer der ersten auflagen von Kluges etymologischem Wörterbuch Anz. f. deutsch, alt. 1885, 17 schon vermutungsweise hingewiesen. Kluge hält jedoch noch in der neuesten aufläge an der trennung fest, s. s. V. V. Eine andere erklärung gibt neuerdings Heiur. Schröder, Germ.-rom. monatsschrift 3 (1911), 174. 175: 'hcschummeln ist eigentlich dem bäum den schummel (d. i. rinde) abziehen, ihn nackt machen, enthäuten, beschuppen, dem fisch die schuppen abstreifen, ihn kahl, nackt machen.' Dazu verweist Schröder auf mnd. sclwven 'beschuppen, betrügen' (zu nd. schöve 'fisch- schuppe') und Grimms erklärung = desquamare entschuppen. Diese erklärung befiiedigt keineswegs: 1. hat Schröder den begriff des schummel zu eng gefaßt und 2. ist der von ihm

angesetzte gebrauch von hc- in der bedeutung cnt er führt

ja einige beispiele dafür an recht selten. Ich will ver- suchen, eine andere erklärung zu geben, die 1. gestattet, die geläufige bedeutung von he- beizubehalten und 2. die genannten Worte in einen größeren Zusammenhang einzureihen.

Doornkaat-Koolman, Wörterbuch der ostfriesischen spräche 3, 158. 159 heißt es: »Schummel 'festansitzender schmutz oder gräuliche schmutzdecke', schummele 'bohnerei . . . ', schummeln 'mit scharfer lauge oder seife und scharfer besenbürste etc. den Schummel von der haut oder den mauern etc. abwischen, die- selben vom Schummel befreien, waschen', schummeln 'trügen, täuschen', daher heschummeln 'betrügen oder hinters licht führen' = Schummer 'halbdunkel : dämmerig, dunkel machen .. , ver- tuschen, hinters licht führen, betrügen'. Möglich ist es in- dessen auch, daß neben schummeln {'Schimmel oder schmutz wegnehmen, scheuern, bohnen..')i) von schummel oder schmiere

') schummeln 'scheuern, rein macheu' Brcm. wb. 4, 712; Holst, id. 4, 81. Mnl. schommelen de vateu wasschen, allerlei keukeuwerk doeu. Yervvijs- Verdam, Mul. wb. 7 s. y.

BESCHUMMELN, BESCHUPPEN. 335

oder nnreinigkeit etc. noch ein zweites sclmmmdn in der be- deutung 'schmutzig und schmierig machen, schmutz und schmiere machen auf etwas, die oherfläche mit schmutz überziehen, die färbe und das aussehen von etwas verdunkeln, trüben, etwas dunkel und trübe machen' entstand, wie auch schommelen im ndl. die bedeutung 'trübe und dunkel machen' hat^) und daß hieraus wieder das verbum hescJmmnieln und das Substantiv schummele entstand.«

Schmmnel heißt 'halbdunkel, dämmerung, Zwielicht, schum- mer'2) in sclmnimeläüstern Doornkaat-Koolman (a.a.O.). 'Im dunkeln ist gut munkeln'. Holsteinisch kennt man Sclmpp- stunne 'dämmerung, ehe licht angezündet wird und man sich leichter stoßt, zu schuppen, stoßen, Schupps' etc. Holst, id. 4, 82. Die erklärung ist offenbar falsch. Man hat wahrscheinlich in Sclmppstunde eine parallelbildung zu Schmnmelstimde zu sehen und einen fingerzeig für die auffassung von hescliuppen. ülnl. schohhen-, schubhen = 1. 'schüren, schurken, jeuken, krouwen', 2. 'schroben, met nat vegen, keren, schubben, vegen' Mndl. wb. 7,593; ZU Schub = 'een scelle van vissche squama schelle in d'ooge taye ou macule a l'oeil, tunicula vel membranula ocu-

^) Schommel-maertken keukenmeid wij zouden eerder zeggen een asche-

poester een meid die vooral met vuil te doen heeft. Schoinmehcork

Yuil morsig Averk Oudemaus Bijdrage 6, 193. Stellen wir das in der vorigen anmerkung angeführte schommelen de vateu wasschen etc. dazu, so haben wir die beiden gewünschten von Doornkaat-Koolmann angedeuteten bedeu- tungen vereinigt.

*) Schiimmel verhält sich zu Schimmel wie Schummer zu Schimmer. Zu dem nebeneinander von dunkel und hellschimmernd in Schummer und Schimmer vgl. mau die etvmologie von got. maurgins 'morgen', aisl. ?H?/r- genn, morgonn, aengl. morgen, mergen, as. abd. morgan 'morgen', denen nächstverwandt abulg. virzknati 'dunkel werden', mrakz 'finsternis', russ. mracnij 'dunkel, finster', lit. merkti 'mit den äugen blinzeln'. Zur gleichen sippe gehören aind. markäs 'vei-fiusterung', av. mahrk^ 'tod, verderben'. Neben *merk findet sich *merg in aisl mjgrkve, myrkve 'dunkelheit', myrhr, aengl. myrce, as. mirki 'dunkel'. Vgl. auch lit. inirgeti 'flimmern', lett. marga 'schimmer', margüt 'schimmern' Feist, Got. etym. wb.^ s. 191. Auszugehen hat man wohl von lit. merkti 'mit den äugen blinzeln' und dieses nichtscheidenkönnen von hell und dunkel beim blinzeln wird wohl auf die Vorstellung von der dämmerung, bei der des morgens die helle, des abends die dunkelheit das endresultat ist, und bei der im Zwielicht hell und dunkel sich mischen, zurückgehen. Man denke auch an die etymologie von uhttoo Feist^ s. 288 und alban. nesar 'morgen'; s. Bezz.'s beitr. 20, 236 ff.

386 GUTMACHEK

loriim, albiigo' Mndl. wb. 7. 404 ff. i) ; suhm 'kratzen, krauen, scheuern' Teuchert, Neumärk. Wortschatz, Zs. f. d. ma. 1910, 23. So haben wir heschuppen ebenso aufzufassen wie beschum- meln, nämlich nicht = ent-, sondern = beschuppen, mit schuppen bedecken. Die auf diesem wege gewonnene grundbedeutung des 'verdunkelns, beschmutzens' für 'betrügen' sollen die fol- genden belege bestätigen:

anputzen 'betrügen' (Quedlinburg) Jhb. d. ver. f. nd. spr. 29, 142.

anrökern 'betrügen' (Quedlinburg) a.a.O. 8.142.

anschlten 'beim handel betrügen' ebda.

anschmieren 'anschmieren, betrügen' Hünig, Köln. ma. G.

bebaumölen, pltd. behomöle 'sich bepissen, namentlich vor angst, lachen etc.', öck hau dt, dat du di bebomölst. Im gleichen sinne beulen auch in Posen, Mecklenburg, Vorpommern ' betrügen, anführen, anschmieren ' Frisch- bier, Preuß. wb. 1, 59.

bedrabbeln 'beschmutzen, betrügen' ebda. s. GO.

bedresse 'betrogen, mit eskrementen beschmutzt' Honig, Köln.ma. s. 14, wohl identisch mit

bedriten 1. 'bescheißen', 2. 'betrügen, anführen' Woeste s. 24. Mnd. bedräen 1. 'mit kot besudeln', 2. 'anführen, betrügen" zu driet 'sordes ventris' (noch driet noch schiet 'nicht das geringste' Cläws Bür s. 683; "Woeste, K. Z. 2, 9G) Schiller-Lübben 1, 177.

beglamsen 'überlisten, übervorteilen, anschmieren', auch 'beschmieren' Brem. wb. 2, 519. Dazu beglatnsern : sie haben ihn gut beglamsert 'beschmiert, angeschmiert, betrogen' Frischbier 2, 510b.

beglümen syn. von beglamsen: zu lange er do sumete daz warten in beglumete Jeroschin 8. G8c, zu gliim 'trübe vom wasser, hier' Brem. wb. 2,519.

glummen oder glömen 'trüb machen' ibid. s. 520; Luther, Hesek. 32, 2 'conculcabas flumina eorum' und machst seine ströme glum.

belämmern 1. 'besudeln, verunreinigen'; er hat sich 'beläramert, mit Unrat besudelt', gleichsam wie ein lamm, dem es gleichgültig ist, wohin es hofiert, 2. 'übervorteilen, betrügen' Frischbier 1, 67.

belämmern 'sich beschmutzen", als synonym dazu ist bekannt sich be- hameln Woeste s. 26. Woeste trennt davon belämmern 'hintergehen, über- listen, l)etrügen' und stellt es zu ahd. lam 'lahm', belemeren 'betrügen' Bauer, Waldeck. wb. s. 11. Kluge, Etym. wb.' s. 47 schreibt belämmern und bringt das wort mit mnd. ndl. belemmeren 'verhindern, belasten' zusammen,

*) Gods smjvre vinger treckt de schubben van uw oogen Voudel 2, 569. Eckehardt 2cußte nicht, ivie ihm geschah, er fuhr mit der Hand über die äugen, als lägen Schuppen darüber Eckehart 131; Grimm, DWb. 9, 2015. Unserer redensart die Schuppen fallen ihm von den Augen synonym kennt das mndl. und nndl. de schellen vallen hem van den oogen Stoett Neder- laudsche Spreekwoorden etc.- 583; vgl. engl, the scales are fallen from his eycs.

BESCH UJUMELN, EESChVIFEN.

■•^1

es soll dann zu 7«/???? gehören Brem, wb. 3, 52; s. auch Schiller-Lühbeu 1, 223. Ich halte die angezogene eikläruug von Frischbier für die richtige, weil sie durch die parallel- und Synonymbildungen hehämehi 'den säum des kleides beschmutzen' Bauer s. 10 (zu hämel 'hammel' ibid. s. 43), sieh be- hämehi Woeste s. 26, und sich hekülhern 'vomieren, erbrechen, sich bespeien' Frischbier 1, 65 gestützt wird.

hescheiszen 'betrügen' Birlinger, Schwäb.-Augsb. wb. s.56 (nd. heschiten 1. 'bescheißen', 2. 'betrügen' Schiller -Lübben 1,263, heseluten 'betrügen' Woeste s. 28). In dieser bedeutung schon im 15. und 16. jh. belegt: der bapst mit seinem ablas, fegfeur, heiligen dienst die weit umb jr gut und geld so schendlich betrogen, belogen und beschissen hat Die lügend von S. Chrysostomo 1537 ; stiel treuge und bescheis die leutte Ausl. der evaug. von Ostern 1.527 u. ö. Diez, Luther wb. 1, 266. Der landshiecht gedacht: Baur laß sehen, tver den andern bescheißt Wickram, Rollwagenbüchlein (Werke ed. Bolte 3, 53, 26 ff.). Dazu das substantivum Bescheißerei fallacia, fraus: alles gelt und gut, das yhr mit bescheissereg geraubt habt ein brief an den Cardinal ertzbischoff zu Meutz 1580. das ablas ein lauter bescheisserey sey, damit der hellische vater alle weit generret und umbs gelt betrogen hat Wider das bapsttum zu Rom 1545, Diez 1,266.267 und Beschiß 'betrug': und war das nicht ein sonderlicher meisterlicher beschiss viit unsers herrn rock zu Trier? Vermanung an die geistlichen 1530, Diez a.a.O.

beschmeißen 'betrügen': tcir bauern haben bisweilen eine rechnung, damit die größten herren beschmissen werden Christian Weise, Za. f. d. wort- f. 2, 26.

beschmutzen 'betrügen' Gil Blas 2, 101. 228 bei Paul, Beitr. z. d. wb. = Zs. f. d. wortf. 10, 94.

In gleicher weise sucht Trautmann, Bezz.'s Beitr. 30, 320 lett. Icrdpt, lit. hropti 'betrügen' Miezinis 119 zu erklären, in- dem er es zu lat. creper 'dunkel, ungewiß' stellt. Dagegen führt Walde, Etym. wb.2 s. 201 an, es müßte, wo im lat. die bedeutung 'dunkel, dämmerig' als die ursprüngliche zu gelten hat, der bedeutungswandel auf seilen des baltischen liegen. Zu creper gehört crepusculmn 'dämmerung'. Denkt mau nun an das oben bei Scliummel- und Schuppsiimde bemerkte, so ist der Übergang ganz leicht zu begreifen.

BERLIN. ERICH GUTMACHER.

Beiträge zur ge^chichte der deutschen spräche. XXXVIII.

338 PRIEBSCH

EIN AUSSPRUCH GREGORS DES GROSSEN

IN AHD. REIMVERSEN AUS S. MAXIMIN

ZU TRIER.

Die neunziger jähre des 18. jh.'s waren bekanntlich ver- hängnisvoll für die reichen handschriftenschätze des Trierer erzstifts. Noch elie die französische regierung. geleitet von dem fruchtbaren centralisationsgedanken, sie für Paris in be- schlag genommen hatte, war ein großer teil vernichtet oder entwendet und verschleudert worden;') und so ist es gekommen, daß eine nicht unbeträchtliche zahl von handschriften dieser abkunft schließlich ihren weg in englische bibliotheken öffentliche und private gefunden hat. Von diesem immerhin noch günstigen Schicksal sind denn auch Codices aus der abtei S. Maximin in Trier betroffen worden. Th. Gottlieb, der s. 344 —348 seines nützlichen buches Über mittelalterliche bibliotheken die noch nachweisbaren S. Maximiner handschriften zusammen- stellt,'^) kennt hier neben einigen Codices der Bibl. Phillippica (Cheltenham) freilich nur einen im British Museum: das herr- liche, im bildschmuck prangende Evangeliarium, jetzt MS. Egerton 809, einst eine der no.5— 9 des alten bücherverzeich- nisses von S. Maximin aus dem 12. jh.3) Tatsächlich aber kommen mindestens noch vier andere, allerdings von künst- lerischem Standpunkt aus nicht so kostbare handschriften hinzu:

1. Additional 6045. Perg. 4to. 10. jh. 125 bl. Smaragdus de diversis virtutihus (d. 1. Diademon monachorum) = Becker 110.

Interessant ist der museums- vermerk auf vorgebundener papiercustode: Purchased at the Sah of thc Library of 31. Tal-

') S. J. Marx, Gescliiclite des erzstifts Trier, 2. bd. (1862) s. 568.

*) Vgl. auch L.Traube, Geschichte der palüographie (in Vorlesungen und abhandlungeu hsg. von F. Boll 1909) s. 12() : über die in Gent liegenden Trierer hs. NA. d. gesellsch. f. alt. d. Geschichtskuude bd. 27 (1902) s. 739 und L. Traube, Palaeographische forschungeu (iu Abhandlungen d. bist. cl. d. kgl. bair. acad. d. wiss. 23, 338).

ä) G.Becker, Catalogi Bibliothecarum antiqui, Bonn 1885, no.l76, s.l78.

AHD, REIMVERSE AUS TRIER. 339

leyrand, Prince of BeneventoA) Auf bl. 125b von einer liand des 10. oder 11. jli.'s der noch zweimal von jüngeren bänden wiederholte eintrag: Codex sei maximini si quis abstuUrit ana- fhema sit Amen.

2. Add. 36,668. Perg. kl. 4'°, frühes 9. jh. (doch die bl. 113 117 ergänznng aus dem 14. jh.), 117 bl. (aber bl. 1 moderne papiercustode). Expositio heati Hieronimi preshiteri in Danielem prophefam"^) = Becker 54. Museums -vermerk: Purchased at Sothehy's White sale {lot 1055) 2V^ Apr. 2''^ Mmj J902; auf 3"" Codex Sex Maximini (11. jh.?); IH'': Codex moste'ij S' MaximJ arcJiiepi Treue' o^ von der texthand des 14, jh.'s.

3. Add. 36,736. Perg. 4'°. 10. jh. 240 bl. Holzdeckel mit gelblich- weißem, gepreßten leder bezogen und dem datum 1750. Inhalt: Augustinus de caritate. Item idem de haptismo. Item Vita Brandani ahhaiis = Becker 31 oder 32 {item lihri duo de caritate) -f 40 {Aug. de haptismo imperfectas, was tatsächlich in unserer hs. der fall ist) + ? (eine Vita Brandini ist nicht erwähnt). Die drei ursprünglich getrennten hs. wurden also 1750 zusammengebunden.

Bl. 1 ■' Codex sancti Maximini si quis abstulerit anatliema Sit in eternum und die alte Signatur: M 9. Uri., sowie auf bl. 2 ■■ N. 236. Museums -vermerk auf vorgebundener papiercustode: Purchased of K. de Bozyclü 13. Od. 1902. (Aus der Görres- bibliothek?).

4. Die handschrift, die hier eingehendere beachtung ver- dient, Add. 10940. Es ist ein pergamentcodex, den ich auf die grenze des 10/11. jh.'s setzen möchte. Wohl in der hauptsache von einer band, zweispaltig in nach-karolingischer minuskel geschrieben, enthält er 134 bl. moderner Zählung (22, 5 cm x 16,7 cm); davon sind jedoch die bl. 1 und 134 alte custoden

^) Vgl. (Michand) Biographie universelle vol. 40, 606 ff.; ferner A Cata-

logue of a superlatively splendid Library consigned from tlie Continent

. . . which will be seid by aiiction by Leigh & Sotheby . . . on Wednesday May 8'h 1816 and seventeen followiug days. Obige bs. ist da no. 5442, Verkaufspreis £1,1,0.

2) Auf bl. 2v trng eine wenig spätere band folgendes lat. rätsei ein, dessen auflüsung ich dem Scharfsinn der leser dieses aufsatzes überlassen muß: Vidi arhorem novem läteris ■inscriptuui. tolle quatuor, remanent V et inter mille non invenies talem.

22*

340 PRIEBSCH

aus einer lat. lis. astronomischen inlialts des frühen 9. jh.'s, und bl. 2 ein beigeheftetes papierblatt des 19. jh.'s mit sum- marischer inhaltsangabe. Gebunden ist der codex in einen alten braunen holzdeckel mit kalblederrücken; ursprünglich zierten ihn je 5 messingbuckel, die nur noch teilweise erhalten sind; auch reste einer schließe sind noch vorhanden.

Seinen hauptinhalt bilden werke des hl. Augustinus und zwar von bl. 7 ^ ab.

(a) Liher de 3Iagistro 7^— 16^' und 119^—123^;

(b) Liber de vita heata 17'' 29'';

(c) Liher unde maliwi 30'' 39'';

(d) Libri duo de libero voluntatis arbitrio 40'' SS"";

(e) Liber de vera Religione 89'' 118'';

(f) Liber de presentia Bei ad Dardanum 125' 133''. Auf 3" finden wir von einer band des späten 11. jh.'s den eiu- trag: Codex sancti maximini si qui^ abstulerit l etnU moriaf. Am. und auf 4' von späterer band (15. jh.) Hie Codex mösterii sei Maximi ex mures (sie!) trev.] außerdem die Signatur N. 20; endlich am fuß von 7 " Ex libris Lnperialis Monasterii s. Maxi- mini (18/19. Jh.). 1) Das British Museum erwarb laut eintrag auf bl. 3 ■■ den codex von dem antiquar Cochran 1837.

Wir haben zweifelsohne no. 23 des alten bibliotheks- Ver- zeichnisses vor uns: Aug. de magistro et de beata vita et unde malum et de libero arbitrio et de vera religione et de presencia Bei ad Bardanum in uno volumine. Aber weder das S. Maxi- miner Verzeichnis noch der museums-katalog erwähnen die ein- trage, welche drei von der haupthand verschiedene, doch nur wenig spätere bände auf den leeren selten 5^und6'' gemacht haben. Die erste schreibt einen ausspruch S.Augustins nieder: AG. [F]lageUantur enim boni simul cum malis. non quia simul agunt malam vitam sed quia simul amant temporalem vitam, die di'itte ein umfangreiches gedieht in leoninischen hexametern, das von der mitte der ersten spalte auf 5^^ bis in die mitte der zweiten von 6' reicht. Es beginnt:

Qui regis ^therea servaus sine tewipore cuiicta, Assis peccauti qua7«vis peccare volenti

») Derselbe eintrag in den no. 113. 114 und 121 des Verkaufskatalogs: Alte büclier und nianuscripte, E. v. Ro/ycki, Pasing bei München o. j.

AHD. REIMVERSE AUS TRIER, 341

Tollens iielle malnwi careat ne merce bonorum Me pater accuso. viciis quia valde laboro

und schließt:

Ad miüiebre manus membrum se vertit et eius Querit naturam corrlis tum vuluerat aulain.

Augensclieinlich eine Confessio peccatoris, deren nähere bestim- miing- berufeneren überlassen bleibe.

Zwischen beiden einträg-en endlich steht von zweiter band zierlich und deutlich geschrieben ein aus dem Zusammenhang mitten herausgerissener satz Gregors des großen: GB. Formt- dari diaholus non debet qul nihil nisi p mif fitf ualet (= Gre- gorii Moralium lib. II In caput I B. Job, Migne tom. 75, c. 564 A), gefolgt von seiner Übertragung in ahd. reimverse, die ich zunächst genau nach der hs. hinsetze:

Nifal luemau . then diu baluorhtan . uuandahernemach mannefcadafin , iz niheiigi i mo ufe druhttm .

d.i. in abgesetzten reimzeilen und normaler worttrennung:

Ni sal uieman

then diubal vorhtan,

uuanda her ne mach manne scada sin

iz nihengi imo use druhttin.

Ich rhythmisiere die verse nach typus A, wobei allerdings dem Ni (v. 1) der hauptton in der emphase zuerkannt werden muß;') im übrigen finden sich parallelen für jeden der vier verse mühelos bei Otfrid (vgl. Kögel, Ltg. I, 2, s. 54 ff). Was den dialekt des Spruches angeht, so läßt sich zunächst sagen, daß der stand der westgerm. d im an- und inlaut: dkibal, druhttin, tvanda das oberdeutsche und ostfränkische ausschließt, während andererseits zufolge der Verschiebung des germ. t in i;3 mfrk. gebiet, woran man wegen der herkunft der hs. denken könnte, wegfällt. So bietet sich das rhfrk. als das wahrschein- lichste dar, wozu auch das th in theii, die pronominalform her, auch ti in druhttin (Ahd. grammatik § 161, 5) stimmen.

Der ausgang -i in nihengi stellt sich zu dem hsl. gihanni ini der Lex salica MSDs I, 227, 18, in beiden fällen also wohl assimilation an den folgenden vocal, nicht Schreibfehler. Allein

*) Etwaige bedenken, die ich anfangs trug, hat mein College W. P. Ker zerstreut.

342 PßlEBSCH

neben alledem bleiben zwei wortformen des kleinen Stückes recht auffällig: die pronominalform use und die endung in -a des w-stammes scado. ^) Sie lassen sich, da der durch den reim gesicherte Infinitiv des verb. subst. sin alts. ui'sprung verbietet, wohl am besten durch heranziehung eines ndd. abschreibers^) erklären, dessen dialekt ingwäonische elemente enthielt, wie die endung -a in scada lehrt (s. Holthausen §308,1; scatlia auch in den Essener evangelienglossen, "Wadstein, Alts, denk- mäler 53, 32) und ebenso use st. iisa Holthausen § 329, anm. 1 und 29, G; in gleicher Verbindung wie hier steht es auch im Segen A (Wadstein 19, 11): use druliün, welch letzteres wort sich in den Oxforder Yirgilglossen übrigens auch mit -tt- ge- schrieben findet: druhttingas, Wadstein s. 152 zu 112, 30—31. Auch h als ungenaue wiedergäbe von 5 (Holthausen § 220, anm. 1) in diuhal ließe sich gegenüber 0. dhifal, diufil hierher rechnen, doch hat auch Js. diuhil.

Trifft unsere annähme rhfrk. heimat das richtige, so haben wir also gerade den entgegengesetzten fall zu den kürzlich entdeckten Trierer Zaubersprüchen vor uns, deren alts. herkunft bei rhfrk. niederschrift m. e. Braune in diesen Beitr. 36, 551 ff. erwiesen hat.

Es scheint mißlich zu fragen, ob der ndd. möuch. falls er aus einer vorläge copierte, darin nur diesen einen spruch mit deutscher bearbeitung vorfand, oder ob sie deren eine ganze reihe ähnlicher enthielt. Andere bände haben auch auf den bl. 6\ 124\ 125'''' ausspräche Augustins und Gregors, der in der bibliothek am reichlichsten vertretenen Schriftsteller, ein- getragen, aber eben nur die lat. originalien. Immerhin darf daran erinnert werden, daß die Idsteiner Sprüche der väter aus dem 12. jh., für die Gregorius hauptquelle gewesen zu sein scheint, aller Wahrscheinlichkeit nach (vgl. Miethke, Zs. fda. 51, 103) ins nördliche Rheinfrauken oder südliche Mosellaud

*) Man kommt mit dem hd. allein belegten abstr. scado = dammim ganz gut ans; wäre es nom. agentis wie im alts., so würde man den gen. viannes erwarten. Die möglichkeit einer sandhi-scbreibnng liegt doch fern.

-) Oder sollte man doch die möglichkeit ins äuge fassen, durch längeren aufenthalt im rhfrk. sei ihm dieses ideom geläufig geworden und sein heimat- licher dialekt breche nur an gewissen punkten hindurch? Aber warum dann gerade an diesen, warum z. b. nicht auch he und ä neben use?

AHD. REIMVERSE AUS TRIER. MORGAN, HIMMEL U. HÖLLE. 343

führen; gern möchte man wissen, ob ihre vollständige Über- lieferung vielleicht unseren sprach in vorliegender oder ähn- licher gestalt enthielt. Jedenfalls aber konnte das ihnen zugrunde liegende bedürfnis, kernsprüche der väter mit ihren tugendlehren und weisen lebensregelu in die breitere schichte des Volks dringen zu lassen, auch schon in einer früheren Periode einmal empfunden worden sein.

LONDON, im juni 1912. E. PEIEBSCH.

ZUR FORM VON HIMMEL UND HÖLLE.

Mit der form des MSD 30 gedruckten Schriftstückes hat sich die forschung seit Wackernagel mehr oder weniger be- schäftigt, ohne jedoch zu einem befriedigenden ergebnis zu gelangen. Der erste versuch, diese sonderbare form zu er- gründen, wurde von Moritz Haupt gemacht, und seine be- merkungeu wurden dann von Müllen ho ff und Seh er er in die anmerkungen zu ihren denkmälern aufgenommen. Es heißt dort (s. 159):

'An dieser Schilderung des himmels und der hölle, die merkwürdiger ist als man bis jetzt nach dem abdruck in der Zeitschrift erkannt hat, ist Wilhelm Wackernagel nicht achtlos vorbeigegangen. In seiner Literaturgeschichte- s. 107 redet er von den erhaltenen althochdeutschen predigten, deren spräche nur selten sich rednerisch erhebt. »Um so höheren rede- schwuug«, fährt er fort, »bis in alle fülle sinnlich ausmalender poesie zeigt uns ein anderes denkmal, welches doch eigentlich keine predigt, sondern nur ein stück aus der catechetischen redehandlung der beichte ist, eine Schilderung der freuden des himmels, des grauens der hölle; mit Überraschung weilt der blick auf solchem bisher ungeahnten vermögen unserer alten literatur.« . . . Mich wundert, daß Wackernagel, der die dich-

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terisclie redefiille dieser Schilderung so hoch stellt, allzuhoch, wie mich dünkt, doch ihre dichterische form nicht wahrnahm. Seitdem ich dieses denkmal kenne, habe ich nie bezweifelt, daß es ein gedieht, d. h. in versen abgefaßt ist. Und dies, daß es verse sind, in dem gewöhnlichen maße von vier tacten, wird nun weiter keines beweises bedürfen, wenn auch nicht alle genau nach otfridischen regeln gebaut sind . . . , aber da keine regel wahrzunehmen, so ist weder reim noch alliteration beabsichtigt, und damit steht das gedieht einsam in der alt- deutschen dichtung da.'

In der dritten von Steinmeyer besorgten ausgäbe fügt dieser hinzu: 'Daß diese beschreibung von himmel und höUe den poetischen denkmälern eingereiht und damit ein in unserer literatur singuläres reimloses gedieht creiert wurde, scheint mir . . . sehr bedenklich. Denn mit dem gleichen rechte würden große Partien des in derselben hs. überlieferten Bamberger GB als verse gelten dürfen. . . . Zum beweise lasse ich ein solches stück, den Schluß der beichte, nach versen abgeteilt, folgen . . . '

So leicht läßt sich aber Haupts entdeckung denn es war eine nicht abAveisen. Es muß jedem aufmerksamen leser auffallen, daß die sache doch irgend einen haken hat, daß die aus der beichte gemachten verse den eben besprochenen doch nicht ganz gleich sind. Sie sind nicht so glatt, nicht so regelmäßig, sind schwerer zu lesen, holpern, und wie man sich sonst auszudrücken pflegt. Sehen wir genauer zu, so bemerken wir eine knappere ausdrucks weise in HH, eine mit größerer regelmäßigkeit gegliederte satzordnung. Die satzkola sind, namentlich in dem zweiten von der hölle handelnden abschnitt, tatsächlich sehr kurz, und es wäre kaum an einen anderen Vortrag zu denken als eben den, welchen Scherer durch seinen druck andeutet. In gewöhnlicher prosa, mit anderen werten, ist das werk auf keinen fall verfaßt.

So schreibt denn Vogt (Pauls Grundr. 2, 183): 'Diese ober- flächliche bearbeitung [der österreichischen Übersetzung des physiologus] zeigt, Avie leicht sich auch ein prosatext nach dem überaus dehnbaren versschema jener zeit lesen ließ; das wesent- lichste kennzeichen poetischer form war immer der reim. So wird man nicht annehmen, daß bei einer reimlosen, der zeit und gegend von Ezzos Anegenge angehörigen Schilderung von

HIMMEL UND HOLLE.

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himmel und hölle die giiedening in vierhebige verse, welche . . . ohne große textänderungen durchgeführt werden konnte, wirklich beabsichtigt sei, und die schwungvolle, glänzend bilder- reiche darstellung dieses merkwürdigen Stückes wird ebenso wie die in der tat ziemlich ebenmäßige giiederung seiner satzkola am wahrscheinlichsten darauf zurückzuführen sein, daß es, wie Kelle (LG s. 50) annimmt, Übersetzung eines lateinischen hymnus ist.' Es sei beiläufig bemerkt, daß manche der wenigen in den denkmälern aufgenommenen textänderungen dadurch veranlaßt wurden, daß Haupt die verse für vierhebig hielt. Daß es eher zweihebige verse sind, werden jetzt die meisten forscher zugeben.

Bei Kelle finden wir, nachdem er ausgeführt, daß solche Schilderungen in den griechischen und lateinischen kirchen- vätern häufig zu finden sind, folgende äußerung: 'Petrus Da- mianus besang die herrlichkeit des paradieses und die strafen der hölle in zwei berühmten hj'mnen. Sie wurden mehrfach nachgeahmt. Und das Bamberger denkmal ist nichts weiter als eine zum kirchlichen gebrauche gemachte, wahrscheinlich wörtliche Übersetzung eines solchen hj'mnus.'

Wenn diese äußerung die rhythmischen eigentümlichkeiten unseres denkmals erklären soll, so ist die erklärung noch dunkler als das erklärte. Ich brauche nur den forscher an seine eigenen arbeiten zu erinnern. Ist es denn seine erfahrung, daß eine wörtliche Übersetzung eines gedichtes rhythmische prosa ergibt, oder daß vollends irgendwelche verse dabei zu- stande kommen?

Wenden wir uns nun zu dem werk selbst, ob wir da nicht einigen auf Schluß finden. Ich lasse einen teil hier folgen:

der bürge tiure liehtfaz mit aller tiuride meist der himelmeregriezzon die porte joh die luüre und daz eiug-eliellist in heiligemo lebenne daz ist ir ewig slift die der hänt ervullet iu stäter tiigent regula

diu tiure minna über al

11

der unendige tag

12

13

diu l)urg ist gestiftet

14

15

ediler geistgimmon

16

17

der bürge fundameuta

18

20

der gotes furstlielido

21

22

aller lieiligoue liere

24

27

siu stät iu quäderwerke

28

30

alle gotes trütfriunt

31

32

diu vier evangelia

33

34

iu gelichimo eiumuote

37

daz meinet daz da vurstesot

38

346

MORGAN

39 der goteliche ivistuom

41 siu ist in goldes scoui

43 allivi durhscouwig

45 da wizzen al ein anderen

47 die himilisgen erben

49 in durhskonen tugindan

51 da ricliisöt diu minna

54 mit stäten vrasmunde

61 daz suozze gotes ivunuelob

63 der wundertiuro biraentstauk

65 da ist daz zieriste here

67 daz dienest Owent sie

69 da ist des frides stäti

71 da ist offen vernunst

73 al gotes tougen

77 derne liabeut sie sigez

79 in ist ein alterbe

81 da ist alles guotes ubergennlit

87 da ist einniuoti

89 der stil liste lust

93 da uist sundone stat

95 da nist ungesundes nieht

100 aller sälidouo meist

102 die kuninglichen cra

103 daz nnerrahliche lön 105 sin wunniglicb initewist 108 gebe tiuriste

110 daz der vore gegariwet ist

112 mit inio ze niezzenne

114 so ist taz himelricbe

116 in dero hello

120 mandunge bresto

122 der sterkiste svevel stank

125 alles truobisales >vaga

126 der verswelebente loug 128 viuriner dunste

130 diu ieraer evvente brunst

132 diu betwuugeniste phragina

134 >ve ane ivoluu

136 aller ivenigbeite not

137 diu liertiste rächa 141 käla äne yriste 143 uppigiu riuwa

145 weiuleiches ahhizot

40 mit allemo wole willen

42 samo daz durhliehte glas

44 Job durhluter

46 unvertougenlicbo

48 die die bürg büent

52 mit aller miltfrowida

55 da verselet diu wärheit

62 diu geistlicbe mendi

64 aller gotes ivolöno

66 allez in ein hei

68 mit seuftemo vlizze

72 allero dingo

74 daz ist in allez offen

76 in selber ivärheite

78 der huge in ne wenket

80 eines riches ebenteil

82 mit sicbermo babenne

84 diu meiste sigera

88 aller maraminde meist

90 diu siciiere räwa

92 suudergebiuwe

94 sorgono wizzede

97 der untriuAvon äkust

101 diu miltiste drutscaft

104 daz gotes ebenerbe

106 diu lussamiste anesiht

107 der siner minnone

108 daz ist daz hereste guot 111 gotes tn'itfriundeu

113 ieuier in ewa

115 einis teilis getan

117 da ist döt äne tot .

121 becbes gerouche

123 verwäzzenlicb genibile

124 des tödes soategruoba 127 die Avallenteu stredema 129 cgilieb vinster

131 diu vreissamen dotbant

133 claga, Muoft äne trost

135 wizze äne resti

138 der handegoste ursuocb

142 ungenädöne rliz

146 alles nnlustes

HIMMEL UND HÖLLE. 347

147

zälsam gesturme

149

zano klaffuuga

150

aller weskreio meist

151

diu iemer wereute angest

152

aller scandigelich

153

daz scamilicheste offen

155

leides iinende

158

mit allem unheile

164

uuverwaudellich übel

165

alles guotes äteil

166

diu grimmigisite lieriscaft

167

diu viantliche sigeuunft

168

griulicli g-esemiue

169

der Yülida unsübrigheit

170

mit allem unscoue

171

diu tiuvalliche anesiht

172

aller egisilich

173

alles bales unmez

174

diu leitliche heima

175

der helle karkäre

177

alles uuwuunes

178

der hizze abgrunde

180

der tiuvalo tobeheit

181

der ursinuigliche zorn

182

und aller ubehvillo

184

in aller ähtunga vliz

187

äue zites ende

188

iemer in ewa

190

einis teilis getan

Bei diesem abdriick springt die häufigkeit der alliteration jedem leser in die äugen. Aber ein kunstprincip ist nicht zu beobachten: das erhellt schon daraus, daß bei gewöhnlichem lesen die alliteration einem so gut wie gar nicht auffällt. Ich constatiere alsa nur, daß viele gleich anlautende Wörter in diesem werke nebeneinander stehen. In zahlen ausgedrückt, stehen die Verhältnisse so: von 190 versen finden wir nur 53 (ca. 27 proc), die weder mit anderen versen durch alliteration verbunden sind, noch doppelalliteration aufweisen. Die alli- teratiouen betragen 210, davon 52 durch vocale vermittelt.

Daß dieser umstand nicht auf zufall beruht, ergibt sich aus der Untersuchung von Ezzos gesang, welcher um dieselbe zeit und in derselben gegend entstand. In den ersten sechzehn Strophen vom Ezzolied, genau 190 versen, finden sich im ganzen 69 alliterationen, einige zweifelhafte mitgerechnet. Von diesen entstehen 48 durch doppelalliteration innerhalb des verses, so daß verhältnismäßig wenige verse durch alliteration verbunden sind. Das Verhältnis zwischen den alliterierenden und den nicht alliterierenden ist also gerade das umgekehrte: in dem Ezzo- lied sind nur 45 verse, die alliteration aufweisen.

Nun machen wir an den versen von HH noch eine beob- achtung, wozu das ausscheiden der entbehrlichen adjectiva und artikel uns von selbst führt: viele der verse sind genau so gebaut wie die verse des Heliand. Ich mache besonders auf folgende verse aufmerksam, indem ich die Sieversschen typen

348 MORGAN

angebe: hurg ist gestiftet (A), mit tiuride meist (B), cdiler geist- gimmön (C), hiirge fundamenta (A), porte joh müre (A), daz ist ewig stift (B), in tugent regida (C), diu minna über dl (B), goteliche ivistuom (A). mit ivolewillen (C), samo durhUehte glas (B), joh durlüüter (C), liimilisgen erhen (A), ricJiisöt minna (A), milt frowida (D), aZZer ^ro^es ivoUno (C), Jieiligöne here (E), zieriste here (E), aiZe^ m e?« 72(?Z (E), ««zY senftemo vlizze (A), aZZero cZ?«^o (A), in seiher ivärheite (C), Ät^^fc in ne ivenhct (A), m ist alterbe (C), mamminde meist (E), da ist einmuoti (C), stilliste lust (E), sichere räiva (A), sunder gebinice (A), fM n25^ sundöne stat (B), sorgöno ivizzede (A), untriuivon ähust (A), miltiste dridscaft (A), huninglichcn era (A), ^reie tiuriste (D), (/«^ hcreste guot (B), c?a^ gegariwet ist (B), da 26^^ rfo^ a»e fö^ (B), mandunge hrcsto (A), 6^c/ie5 gerouche (A), truobisales tvaga (A), M(?es scategruoba (D), viuriner dunste (A), egilich vinster (A), ewente brunst (E), vreissamen dötbant (A), 2t*e awc ivolun (A), ?6'e^^c awe re5^e: (A), hertistc rächa (A), ÄY<Za awe t-r/^^e (A), uppigiu riuwa (A), «7/t'5 unlustes (D), zälsam gtsturmc {k), zano Jda/funga (D), iccslcreio meist (E), griuUch gesemine (A), t7Hü?a usübrigheit (A), leitUche heima (A), ÄeZZc JcarMre (D), /»>-?e abgrunde (D), tiuvalo tobehcit (A), m ähtunga vUz (E oder B).

Bei vielen dieser verse habe ich gar nichts gestrichen, sie stehen einfach so da. Am häufigsten habe ich neben dem artikel das adjectiv aZ gestrichen, und da möchte ich im vorbeigehen auf die beispiellose anhäufung gerade dieses Wortes in HH (45 mal) aufmerksam machen. Für das metrum war allerdings das streichen nicht nötig; wir hätten bloß eine größere zahl der erweiterten verstypen; aber da der artikel häufig fehlt, wo wir ihn anderen versen gemäß erwarten könnten, so dürfen wir ihn wohl getrost überall fallen lassen, Avo er nicht nötig ist. Die verse aber weisen so wie so ent- schieden zweihebigen rhythmus auf: man braucht nur einige verse aus dem Ezzolied zu lesen, dann einige aus HH, um darüber ins klare zu kommen.

Auch eine dritte eigentümlichkeit der technik des alli- terationsverses ist hier zu beobachten, nämlich die Variation. Wenn wir daraufhin das Ezzolied untersuchen, so finden wir folgende fälle: 3,9—10 daz gescuofe du al eino, dune bedürftest

HIMMEL UND HÖLLE. 349

helfe dar ^uo] 4, 1 2 got du gescuofe al das ter ist: eine dich ist nietviht; 4, 8 9 das er ewich mohte sin, noh erne vorhte im den tot; 10, 2 3 des elliii disiu lant sint, demo dienet erde unte niere; 10, 7 9 ivante si ivas muoter unde maget, st ivas muoter äne mannes rät. Auf 190 verse fünf fälle.

In HH dagegen finden wir 24 fälle von Variation, wie folgt: 10 ff. da ist das gotes zorftel, der unendige tag, der htirge tiure liehtfaz\ 15 f. ediler geistgimmön, der himelmeregriezzdn\ 41 ff. siu ist in goldes scöni samo das durhliehte glas alliu durhscouwig joh durhlüter; 49 f. in durhshönen tugindan, an aller missetäte pflega\ 60 ff. der engilo vrosanlc, das suosse gotes wunneloh, diu geistliche mendi\ 69 f. da ist des frides statt, aller gnädöne hü; 11 f. derne habent sie äges, der huge in ne ivenJcet; 78 f. in ist ein alterbe, eines riches ehenteil; 85 f. da nist forehtöne nicht, nichein misseheheda; 87 ff. da ist einmuoti, aller maniminde meist, der stilliste tust, diu sichere räwa; 95 f. da nist ungesundes nicht, heile meist ist dar; 99 und 101 da ist diu veste tvinesJcaft, diu miltiste driitscaft; 118 ff. Jcaröt unde jämer, al unfrouivida, mandunge hresto; 121 f. heches gerouche, der sterJciste svevelstanJc; 126 ff. und 130 der versivelehente long, die ivallenten stredema viuriner dunste, diu iemer ewente hrunst; 132 f. diu betivungeniste phragina, claga, tvuoft äne tröst; 134 ff. tve äne tvolun, tvisze äne resti, aller ivenigheite not; 139 ff. das serige elelentduom, aller bittere meist, liäla äne vriste; 144. 145. 150 harelich gedösze, tvein- leiches ahhisöt, aller zvesJcreio meist; 148. 149. 151 forhtöne hiha, sano Idaffunga, diu iemer iverente angest; 164 f. unver- ivandellich uhel, alles guotes äteil; 166 ff. diu grimmigste heri- scaft, diu viantliche sigenunft, griuUch gesemine; 174 ff. diu leitUche heima, der helle harhäre, das richiste trisehüs alles umvunnes; 187 f. äne Sites ende, iemer in ewa.

Es stellt sich also heraus, daß 64 verse mehr oder minder deutliche spuren von Variation zeigen, sechs mal so viel als das Ezzolied. Außerdem ist zu bemerken, daß die art der Variation ganz anders ist in HH, der älteren technik entsprechend.

Auf die sprachliche form einzugehen, da das denkmal reimlos ist, nutzt uns wenig. Ich möchte aber wenigstens auf die große zahl der ahd. formen hinweisen, die hier mit verkürzten mhd. formen abwechseln. Es kommen im ganzen

350 MORGAN

114 formen in diesen 190 zeilen vor. welche unverkürzte vocale aufweisen. Vergleichen wir wieder das Ezzolied, so finden wir dort nur 38 solche formen in den ersten 190 versen.

An sich wäre diese auf Zählung natürlich so gut wie wertlos; aber es kommt eine sehr wichtige tatsache hinzu. Es muß nämlich dem aufmerksamen leser auffallen, daß manches wort in diesem denkmal ihm fremd erscheint. Es stellt sich in der tat heraus, daß eine überraschende menge seltener Wörter in diesem werke vorkommen. Ich gebe das material in drei gruppen an. Zunächst führe ich die Wörter an, welche bei Lexer nicht zu finden sind: äteü (165), hiha^) (148), himentstanlc (63), eingehcUist (21), einmuote-) 34, geistgimmön (15), hiniel- meregriezzön (16), karelich (144), Maffunga (149), mamminde^) (88), mütfrowida (52), minnöne^) (107), missehehede (86), offen (153), 3) rötlohezönte (36), sigera (84), sundcrgchiuive (92), tara- hafti {I8b),^) irisehüs (17 Q), trütfriunden (oO. Hl), unbigehenUch (179), imscöne (170), 3) ursinniglich (181), viirstesöt (37), fürst- hclido (20), ivewigelich (156. 159), ivizzede (94), u'olewülen (40), ivolöno (64), 3) wohin (134). Im ganzen 29.

Sodann führe ich die Wörter an, die nur in diesem werke ^ belegt sind: htirgkiinmge (25), döthant (131), durhscoincig (43), ehmerle'^) (104), ehenteü (80), hahenne') (82), Icaröt (118), mCin- sJdmen (3), 'phragina^) (132), quddencerlce (27), scaicgnioha (124), stredema (127), svevelstanh (122), uhelwillo (182), unerraJilich (103. 157), un7nez (17 S), unvertotigenlicho (46), unwunnes^) (177), vrasimmde'^^) (54), tccsJcreio (150), wiinderimro (63), zahani (147), zorfteU^) (10). Im ganzen 24 Wörter.

') Ohne beleg als ahd. wort aufgenommen.

■•') Als neutrum nicht belegt.

^) Als subst. nicht belegt.

*) Entspricht einem ahd. g. pl. minnono (0. IV 15, 52); im mhJ. nur singularisch, außer ze minnen, mit minnen.

*) Ich verstehe nicht, warum Lexer z. t. nach MSD citiert, meist aber nach Haupts abdruck Zs. fda. 3, 443.

*) Als neutrum nicht belegt; sonst zweimal als masc, einmal in einer glosse. ') Als subst. sonst nicht belegt.

^) Als plur. nur hier; kommt überhaupt nur einmal mit dem artikel vor.

">) Belegt als fem. Tund. Spec. Blik. MS. 10) Als fem. belegt Helbl. Ot.

") Als subst. nur hier; sonst selten.

HIMMEL UND HÖLLE. 351

Drittens lasse ich liier die Wörter folgen, die in den mlid. wb. weniger als zehnmal belegt sind, und bezeichne mit einem Sternchen diejenigen, bei denen der beleg für dieses denkmal fehlt: ägez (77) Litan. MS., ähümga;^ (184) Gest. Rom., Spiegel d. leute, alterW (79) Eol., haV (173) Hätzl. Dwb., dnrhlieMe^ (42) MSH 2, 370b, äurhlüter (44) Trist. Ritterspiegel, äurli- skönen (49) Mar. Ld., diirnohteste* (83) Diem. Aneg. Karaj. Trist. Gen. Altd.bl. Hätzl., egilich (129) Gen. Tund. Griesh., Der veter b., Wack. pr., eimmwti* (87) Leys. Wack. pr., ele- lentduoni* (139) Gen. Physiol. nur in der form ellenkiom, er- rekket* KChr. Antichr. Greg. Wig. Gen. Mar. Krone, ewen* (67) Wack. pr. j. Tit. Denkm., geroiiche (121) ^Yack., gesemitie* (168) Exod. Sum. Th., liandegöst&^ (188) Herb. Pf. Berth. Keinz. MGD Vintl. MS Alex., lieriscaff" (166) Diem. Rol. Heinr., mendi'' (62) Serv. Lanz. MS Exod. Denkm., serige^' (139) Diem. Spec. Pass. Anno. Fromm. Cgm., skandigelich (152) KChr. Beh., sMmo (5) Diem. Serv. Troj. Jer. KChr. Wack. pr., tinride (14) Dief. n. gl. Herb, und sonst in anderer bedeutung. uhergenuM (81) Gen. Bari., nrsuoch (138) Hrd. MS und sonst in anderer be- deutung, verdanmunga* (160) Karaj. Griesh. Lit. Prl. Renn. Birk., verwäzzenlich (123) Schm. fr. Br. 0., vrösank (60) Anti- chr., vülida (169) Frlg., iveinlekh (145) Hpt. h. lied, tvenigheüe (136) Karaj. Gen. Spec. Fdgr. Roth, pr., wineskaft (99) Diem. Glaub. Im ganzen 31.

Nehmen wir an, daß die Wörter, welche von Lexer nicht aufgenommen wurden, nur in diesem werke vorkommen, so haben wir nicht weniger als 53 ajia^ uyof/era in diesem einen werke; dazu kommen 31 seltene Wörter, die in den meisten fällen sonst nicht mehr als fünfmal belegt sind. Das heißt, der Verfasser dieses Stückes bedient sich einer spräche, welche durchaus von der gewöhnlichen auch frühmhd. spräche absteht. Hier ist wiederum der vergleich mit dem Ezzolied höchst lehr- reich. Dort finde ich kein einziges ä:^a^ XtyoiiEvov, und nur fünf seltenere Wörter, wie folgt: ntbelvinster (6, 8) vier belege, vorlote (8, 7) sieben belege, werltivuostunge (8, 10) ein beleg, gehit (11,3) vier belege, gewahst (13,4) sechs belege. Es er- hellt daraus, daß die ungewöhnliche spräche von HH sich weder durch zufall noch durch das alter des denkmals er- klären läßt.

352 MORGAN

Bis jetzt handelt es sich in dieser Untersuchung lediglich um tatsachen. Stellen wir diese zusammen, so können wir viererlei in bezug auf HH als festgestellt betrachten: 1. das stück ist viel reicher an alliteration, und namentlich an vers- verbindungen durch alliteration, als durch zufall zu erklären ist; 2. die verse weisen entschieden die tj'pen des alliterations- verses auf; 3. deutliche spuren von Variation finden sich; 4. der Verfasser bedient sich sehr vieler seltener Wörter. Dazu käme allenfalls noch die beobachtung. daß HH fast dreimal so viel ahd. formen aufweist als das Ezzolied.

Ich könnte damit meine betrachtungen schließen, möchte aber mindestens versuchen, eine erklärung für diese tatsachen zu finden. AVas machen wir mit einem teilweise alliterierenden gedieht mit verstümmelten versformen und vielen seltenen und altertümlichen Wörtern gegen ende des 11. jh.'s? Ein bewußter versuch, ein alliterierendes gedieht zu schreibeu, kann es nicht gewesen sein, wir liätten in dem falle keine erklärung für das immerhin häufige fehlen der alliteration, sowie für den mangel- haften Versbau. Ein reimloses gedieht sonstiger art kennt die ältere literatur gar nicht, wie schon Haupt zugibt. Es bleibt eine einzige möglichkeit, wenn wir überhaupt bewußtes schaffen bei der entstehung dieses denkmals voraussetzen wollen: der Verfasser hat regelrecht prosa schreiben wollen, und es ist ihm nicht gelungen. Der grund dafür wird der sein, daß er in seiner arbeit irgendwie beeinflußt wurde. Da liegt es nahe anzunehmen, daß er nicht frei schrieb, sondern eine vorläge hatte, deren form er nicht ganz los werden konnte.

Was die form dieser vorläge betrifft, so geht aus der vor- liegenden Untersuchung klar hervor, daß diese ein alliterierendes gedieht war. Wir finden in unserem stück, wie oben dargetan, drei haupteigentümlichkeiten der alliterierenden dichtung: den Stabreim selbst, zweihebige kurze verse, die sich vielfach wie richtige alliterationsverse lesen lassen, und endlich die vai'ia- tion, die sonst nur ganz vereinzelt mehr auftritt. Wir werden somit zur annähme genötigt, daß der Verfasser von HH ein alliterierendes gedieht vorfand, welches er in prosa aufzulösen bemüht war. Daß dieses gedieht sehr alt war, erfolgt aus mehrerem. Schon die alliteration weist auf hohes alter, da dieses kunstprincip früh ausstarb; sodann darf die häufigkeit

HIMMEL UND HÖLLE. 353

der alid. formen als beweiskräftig gelten; drittens ist hier hervorzuheben die große anzahl von seltenereu Wörtern, die wir hier fanden. Letzterer umstand läßt sich kaum anders erklären als durch die annähme, der Verfasser habe alte, jetzt ausgestorbene oder bereits aussterbende Wörter in seiner vor- läge gefunden, und sei zu bequem gewesen, sie durch modernere zu ersetzen. Es kann also keinem zweifei unterliegen, daß der Verfasser dieses werkes nicht frei dichtete, sondern nach einer jedenfalls sehr alten alliterierenden dichtung, welches er in prosa umzuarbeiten versuchte. In einigen fällen meinen wir sogar die alten verse noch vor uns zu haben. Verse wie die folgenden könnten direct aus einem solchen gedieht ent- nommen sein:

17 bürge fundamenta 18 portae joh uiüre

48 die die bürg büent

68 mit senftemo vlizze 69 da ist frides stäti

71 offen vernunst 72 allero dinge

89 stilliste lust 90 sichere rawa

93 da nist suudone stat 94 sorgono wizzede

113 iemer in ewa

115 einis teilis getan

129 egilich viuster 130 ewente brimst

134 we äne wohin 135 wizze äne resti

137 hertiste rächa 138 handegoste ursuoch

150 weskreio meist 151 wereute angest

Andere verse lassen sich mit wenigen Umstellungen und änderuugen sehr leicht herstellen.

B. Q. xAIORGAN.

Beiträge zur geschichtc der deutschen Sprache. XXXVIII. 23

354

ZWEIERLEI NOTKER?

Von den werken der Notker schule redete man eine Zeit- lang. Den einen starren Notker lehrten andere. J.Weinberg hat 1911 in einer schrift über das anlautsgesetz (Sprache und dichtung, heft 5) den anmutenden weg betreten, einen Notker auf mehreren entwicklungsstufen nachzuweisen. Ersagts.26:

'I. Notkei'S Übersetzertätigkeit beginnt mit den beiden ersten büchern des Boet. Gleichzeitig etwa arbeitet Notker an Interpr. und Categ. Diese drei werke stimmen überein in der consequenten Schreibung t p Je im satzanfange, sowie im Wechsel zwischen f und V. Sie stimmen ferner darin überein, daß sie alle drei gegen den Schluß das v nur noch spärlich verwenden.

II. Es folgen dann Boet. II F. IV und Cap. I. Kennzeichen: der Wechsel zwisclien f und v ist aufgegeben, es wird fortan nur f geschrieben. Dagegen bleibt die Schreibung im satz- anfange noch t p L Doch treten in allen werken dieser periode auch schon die dh g nicht ganz selten auf.

III. Boet. V und Cap. II. Kennzeichen: die Schreibung tj) k im satzanfang ist aufgegeben. Der satzanfang folgt jetzt der regel des satzinneren. Es wird nur /' geschrieben.'

Diese ergebnisse sind zu ergänzen und zu berichtigen. Es weicht nämlich das Boethiusbruchstück aus dem codex Turi- censis 121 hs. D nach Pipers ausgäbe von der haupt- handschrift A in folgenden, hier bedeutsamen fällen ab: tterte 176,22 {fertck)- uore 177, 12 {fort)- uinr 177,22. 177,25 {fiur)- udsto 177,24 {fdstd); uliege 177,25 {jiicge); uart 178, 12. 178,17 (fdrt); uinden 179,6 (finden).

Sämtliche fälle stammen aus dem satzinlaut nach sonoren. Dazu kommt noch dds uore 177,25 D = dd^ fore A. In dieser partie hat A alle anlautenden u verdrängt durch f (Zu- nächst könnte man ja auch sagen, D habe f verdrängt durch ii. Aber D hat recht viele /"mit A gemeinsam, satzinlautend nach stimmlosen 178,25. 179,5. 179,7. 179,18; satzinlautend nach sonoren 178,6. 179,9. 179,10; satzanlautend 177,20. Bei der

ZWEIERLEI NOTKER? 355

Verdrängung müßte also D merkwürdigerweise das anlautgesetz aus Notkers erster zeit befolgt haben!). Der 71. abschnitt von Boet.III, d. h. s. 176/9, geht in der hs. D zurück auf eine fassung aus Notkers erster zeit, A bietet eine neufassung aus seiner zweiten zeit. (Rein als haudschrift mag A immerhin das ältere sein, vgl. uuerlte 177, 17 A : imelte D; dllero 177,17 : dller-^ füoret 179, 18 : fueret.

Nachdem ich diesen ausgangspunkt gewonnen habe, möchte ich auch in folgendem diese Umarbeitung sehen: Jütera 177,25 D > Uehtera A. taz turhJcat tiu sunna (anlautgesetz stimmt!) 178, 4 D > tdz turhlxät si A. also diu scla luot Ue lide (an- lautg. stimmt!) 178,4 D > diso diu sela die lide iüot (stimmt!) A. Ta bist 'kemaccJiiu räuua 179, 14 D > Tu bist ti kemdchiu rumta A (durch die änderung entstand ein verstoß gegen das anlaut- gesetz). Besonders aber beachte man 179, 3 ff.:

Jäb sinemo sinne, daz er hina ufkestigen miige. ze dinenio cheiserlichen stüole taz er Mmdisläu ding fernemen muge. Ketuo in uitiden Jctiötis urspring. D >

J{ib sinemo müote. ddz iz hina tif Icestigen müge. ze dinemo cliciserlichen stüole. tdz iz Jdmdiskiu ding fernemen müge. Ketüo sinen sin finden güotes urspring. A .

D accentuiert leider nachlässig. Im übrigen stimmen die zwei hs. sonst wohl zusammen, zumal im Wechsel dbg : tpL Abw^eichungen sind nur folgende neun fälle: elementa \)indist Vll, 20 D = elementa bindest A. wide i^rennent 178, G D = ünde brennet A. simnun. kända 177, 32 D = sünnün gända A. mittemen kända 178, 1 D = mittemen gända A. iiinden kuötis 179,6 D = finden güotes A. imelte. iürhscdffener. 177,17 D = uuerlte Mrhskdffener. A. mdcJwta türhsJcaffena 177, 18 D = mdchöta MrhsMjfena A. netdicge tdz 177, 25 D = nefltege ö.az A. si tia 178, 16 D = si dm A. Also in neun fällen folgt in D auf einen Sonorlaut fortis, in A lenis. Man sehe hierin nicht gleich Schreibfehler von D; ich möchte lieber worauf zw^ei der beispiele auch deutlich weisen den Satz- zeichen die schuld geben: durch Umarbeitung (und durch nicht- überlieferung) der interpunction kann ein wort in den satz- inlaut kommen, während es ursprünglich nach der regel für den satzanlaut behandelt wurde. Eines aber steht fest: das kennzeichen von Notkers dritter zeit, die völlige ausdehnung

23*

356 OCHS

des satzinlautg-esetzes auf den satzanlaut, darf man weder in D, noch in A suchen wollen. Die Umarbeitung: fällt in die zweite periode, nicht in die dritte. Gemeinsam in AD stehen z. b. folgende t satzaulauteud nach sonorem satzschluß: 170, 17. 19. 22. 29. 177, 30. 178, 2. 5. 23. 32. 179, 2. 13.

Und nun muß ich eine folgerung- machen, die ich bedaure. Den alten streit über die 'duo libri Boetliii' glaubte Weinberg durch lautlichen beweis dahin entschieden zu haben, daß Notker anfänglich nur die zwei ersten bücher der 'Trostschrift' über- setzte, später deren rest. Seine gründe haben durch meine Untersuchung eher verloren als gewonnen. Denn ich habe be- wiesen, daß ein stück des dritten buches (also wohl überhaupt das dritte buch) ursprünglich den lautstand von Notkers erster zeit hatte, wie buch I und IL (Die abweichungen von IV und zumal V könnten jetzt auch aufgefaßt werden als das ergebnis stetig fortschreitender neubearbeitung durch Notker).

Bloß in D überliefert ist die abhandlung 'de syllogismis'. Sie gehört nach den ergebnissen Weinbergs sicher nicht zu den späten werken Notkers. Ihr lautstand paßt ungefähr zu dem des Boethiusbruchstückes. In D stehen auch die schriftchen 'de partibus logicae' und 'de arte rhetorica'; auch sie gehören nicht in Notkers spätere zeit; sie sind auch in anderen hs. überliefert, doch kann ich bei der geringen zahl der beispiele nicht feststellen, ob etwa auch hier zwischen zwei bearbeituugen zu scheiden ist; es ist nicht wahrscheinlich. Aus der Logik habe ich angemerkt: Teiitonicc. Dir 594, 8 D = Teiäonice. Ter G. Aus der Khetorik: peraino. Td2 670, 22 D = perceptio. Daz GH. uel mruiiorfeniu 676, 17 D = uel tirimörfeniu G = uel tiruuorfeniu H.

Die Kategorien und die abhandlung 'de interpretatione' gehören zu Notkers ältesten werken. Sie sind überliefert im codex Sangallensis 818 (= B nach Pipers ausgäbe), die Kategorien außerdem (mit ausnähme des Schlusses) in A. Weil, nun A gegenüber D beim Boethius die jüngere bearbeitung darstellte, möchte man zunächst hier ähnlich scheiden zwischen A und B. Aber das wäre falsch. Wohl hat auch hier A einige f nach sonoren, wo B m hat: 370,21. 429,1.20.24. 430,6. 432,25.

ZWEIERLEI NOTKER? 357

452, 24 (ferner doh uone 373, 14 B = doh föne A, das f aus u radiert). Aber umgekehrt hat auch B einige f nach sonoren, wo A M hat: 374,23. 399,21 zweimal. 399,26. 27. 424,2. Um eine planmäßige, gründliche hinausarbeitung der u, wie wir sie in Boethius III verfolgten, handelt es sich hier nicht. Die große menge der w stimmt in beiden hs. überein: 367,6.14. 368,10. 369,21.27. 370,11. 371,19. 372,20. 373,2.22. 374,8. 405, 5. 432, 3. 4. 12. 433,24 u.s.w.; selbst in bedenklichen fällen wie da^ ucld 411,6; vgl. 381,25. 383,30. 389,26. 394,30.

Überhaupt geht A eng mit B zusammen, hat gleichen alterswert. Der in A überlieferte Boethius und die in A über- lieferten Kategorien sind scharf zu trennen (eine hindeutung hierauf ist schon in Zs. fdph, 13,315, von Piper). A der Kate- gorien stellt einen zustand dar älter als A des Boethius, gleichalt mit B und D. A und B gehen sogar in fällen zusammen, wo man gern fehler sieht: habet geliehen 370,11; nieht gemeine 426,15; neheina kelegeni 408,27; in kezeigön 442,1; ümhcgdt diu 408, 1: ncist. ddime 392,27. Eine unmenge beispiele stimmen hinsichtlich des wechseis dbg : t 2^ k zusammen. Die ab- weichungen führe ich der genauigkeit wegen auf:

des \m-gis 408, 4 B ^ des hergis A. ze beiden 467, 2 B = zc ^eidcn A. nöh tdnne nehdbit 416,11 B = nöh ädnne nebabit A. ist. tdrme doz 417, 21 B = ist. ädnne ddz A. qiiantitatis. idz 418, 15 B = quantitatis. ädz A. uueiz tdz 442, 7 B = mieiz das A. ist tes 425, 27 A = ist des B. hojno. täz 369,9 A = homo. das B. sint kendmmen 367, 10 B = sint gendmmen A. Iz Mi 429,21 B = Iz gät A. ctemtcs kdirn 466, 13 B = cteimes gelirn A. sehendo. crifendo 436, 5 B ^ sehendo. gnfendo A. Tdz kesdzta ist föne sezzi kesdzt 424, 15 B = Tdz gesäzta ist föne sezzi kesdzt A. her ad ünde üngerad 421, 15 B = herdd. ünde ünktrdd A. zcsdmine gelegetin 372, 5 B = zesdmene kelegetin A. gramatiche gehdfter 424, 30 B = gramatiehe kehdfier A. demo gelih 455, 8 B = demo kelih A. dürhkdng 419, 12 A = dürligdng B. ddz keuettachöta ist föne uettache genettachöt 428, 25 A = daz geucttaehöta ist föne uettache geuettachöt B. qualitatibus kcshdföt 461, 11 A = qualitalibus gesJcdföt B. ünde güotis 472, 16 A ^= unde cüotis B.

Diese verhältnismäßig wenigen abweichungen sind großen-

358 OCHS, ZWEIERLEI NOTKER? TRIWUNATZ,

teils sicher flüchtigkeitsversehen und zwar leiclitbegreifliche. Die raehrzahl ist von A verschuldet, das auch in anderen dingen etAvas flüchtiger ist, vgl. 391, 25. 400, 14. 404, 4. 406, 6. 416,11. 441,25.

Zum Schluß eine frage. Auch Notkers accentensystem läßt sich vielleicht entwicklungsgeschichtlich behandeln, und ein bild von dessen v/erden könnte uns endlich einen tieferen blick in sein wesen ermöglichen. Z. b.: hat etwa Xotker an- fänglich auf jede lange (neben-)silbe den circumflex setzen wollen, später nur noch auf lange und zugleich (neben-)betonte? Ich werde diese Untersuchung nicht selbst führen. "\^'er ver- dient sich damit die sporen?

ETTENHEIM. ERNST OCHS.

ZUR AUSSTOSSUNG DES SCHWACHEN E IM BAIKISCHEN DES 11. UND 12. JAHRHUNDERTS.O

Bekanntlich kommen in Wessobrunner Glaube und beichte II (Denkm.3 95) fast alle ausstoßungen des schwachen e vor, welche für das mittelhochdeutsche im allgemeinen und das bairisch- österreichische im besonderen charakteristisch sind. Nicht nur ganz geläufige mittelhochdeutsche ausstoßungen, wie in xmsern, (jchorn, sivern, vaters, tailn, genagiU, der (gen. dat. sg. und gen. pl.), miner (dat. sg. und gen. pl.), siner (dat. sg.), aller (gen. pl.), sögiianer (gen. pl.), nnrehtir (dat. sg.), dem, uarcm, an, von, tcerlte, ^icrdc, gcmainde, ylouhe, gnade u.s. w. sind regel, sondern auch formen wie pstuont, bhaltin, rstuont,

') Die vorliegende abhandliing wurde auf auregung vou prof. Sievers vor längerer zeit begonnen, konnte aber aus äußeren gründen erst jetzt, nachdem sich inzwischen manches ursprünglich beabsichtigte erledigt hat, abgeschlossen werden.

ZUR AU8STOS8UNG DES SCHWACHEN E. 359

rgeVü u. s. w. sind ziemlich zahlreich vertreten. Daß sich trotz- dem auch dieses denkmal manchmal durch die vorläge beinfiussen läßt und hinter der wirklichen ausspräche zurückbleibt, zeigen formen wie gelouhe 15, der gegenüber über zwanzig vocallose formen stehen, ferner formen wie herren 2. 29. 30. 31 (zweimal). 32, engilin (dat. pl.) 30, gemartirot 7, henennede 15, magede 4, mageden 33, ehingeivaltiger 13, denen im bedeutend conserva- tiveren denkmale desselben Jahrhunderts Benedictbeurer Glaube und beichte III (Denkm. 96) formen Mrrn 125, engein 40, ge- martrot 7 (daneben in dem gleichfalls aus dem 12. jh. stam- menden denkmale Münchner Glaube und beichte, Denkm. 97 gemartert 18. 28), gncndi 4, mcidi 7, mogdin 43, dem givalte 99, den gwcdt 103 gegenüberstehen. Demnach ist in Wessobrunner Glaube und beichte II sicherlich auch in den formen mennesche 6 und heschirmidi 20 (vgl. Sievers, Beitr. 4, 531 und 529) der mittel- vocal nicht mehr gesprochen v.'orden; dafür spricht sowohl die form menschen in Münchner Glaube und beichte 38, als auch die form mennisch in Benedictbeurer Glaube und beichte III 81, in welcher i offenbar denselben wert hat wie in örin 80, indem es bloß den silbischen wert des consonanten bezeichnet. Daß auch in unte der endvocal kaum gesprochen worden ist, kann man ohne weiteres annehmen, obwohl er nie fehlt. Es wird übiigens auch in den Denkm. II 450 darauf hingewiesen, daß unte simes 15 für unt des sunes steht. Alle diese Überreste der älteren Schreibweise in einem der volkstümlichen ausspräche sich so stark nähernden denkmale sind zur beiirteilung des zwischen den denkmälern und der gesprochenen rede herr- schenden Verhältnisses ganz willkommen und werden weiter unten noch besonders herangezogen werden.

Jedenfalls steht aber auf grund dieses denkmals fest, daß im 12. Jh., wahrscheinlich bereits um die mitte desselben, die ausstoßung des schwachen e in der gesprochenen rede des bairischen Sprachgebiets in allen fürs mittelhochdeutsche in frage kommenden fällen vollzogen war. Wann beginnt sie? Wie hat sie sich entwickelt? Diese fragen auf grund der bairischen prosadenkmäler zu beantworten ist die eigentliche aufgäbe der vorliegenden abhandlung. Daß die poetischen denkmäler nicht berücksichtigt werden, wird man nach Sievers' ausführungen über die accent- und lautlehre der germanischen

3G0 TRIWUNATZ

sprachen (Beitr. 4, 525 f.) begreiflich finden. Da heißt es näm- lich unter anderem: •... die spräche, d.h. die nicht nach metrischen bedürfnissen oder zu literarischem gebrauche um- gemodelte Volkssprache, zeigt überall consequenz der entwick- lung. Nirgends findet sich ein mhd. ^sce'lcde oder dergleichen, während Otfrieds salidä, uiiafmic neben seinem saViäa, miafäne eine inconsequenz der betonung aufweist, die klärlich ihren grund in metrischen bedürfnissen hatte, deren existenz in der einfachen prosarede durch kein directes zeugnis beglaubigt, vielmehr durch die lautgeschichtliclie entwicklung geradezu widerlegt wird. Es besagt dies ja auch weiter nichts anderes, als die in jeder modernen spräche überall zu machende beob- achtung, daß innerhalb gewisser grenzen der hörer im verse von der strenge der wortbetonung zugunsten der erhaltung rhythmischer reinheit mit leichtigkeit absieht, namentlich so- bald es sich um den eigentlich sangbaren veis handelt. Mein ohr empfindet z. b. nicht die geringste härte bei einer betonung wie mn'tuß in daktylischem oder anapästischem oder mM'ge in trochaischem verse oder mutige in versen mit synkope der Senkungen (selbst mit starkem ictus auf dem /; er reitet so freudig sein mutiges pferd u.dgl.), obwohl ich in prosa nur die betonung mutige kenne (wie weit diese betonung heutzutage allgemein ist, mag dahingestellt bleiben). Ich gebe gern zu, daß Avir vielleicht in beziehung auf die ausdehnung solcher freilieiten abgestumpfter sind als unsere vorfahren, aber die Sache bleibt dieselbe, es kann sich nur um giaduelle unter- schiede handeln' (I.e. s. 525). Da nun die metrischen bedürf- nisse gerade in bezug auf die ausstoßung bez. beibehaltung des schwachen c eine wichtige rolle spielen, erscheint es rät- lich, vor der band poetische denkmäler unberücksichtigt zu lassen (vgl. hierzu auch Paul, Beitr. 8, 182). Daß auch die prosadenkmäler weit entfernt davon sind, immer die wirklich herrschende ausspräche wiederzugeben, braucht kaum hervor- gehoben zu werden. Es wurde schon oben festgestellt, daß die überlieferte Schreibweise, bez. die vorläge, auch in Wesso- brunner Glaube und beichte II auf die wiedergäbe der ge- sprochenen rede hemmend wirkte, obwohl z. b. in den Denkm. II 450 ausdrücklich eiwähnt wird, daß dieses denkmal 'durch die treue, mit welcher der Schreiber die ausspräche des gewöhn-

ZUR AUSSTOSSUNG DES SCHWACHEN E. 361

liehen lebens wiedergegeben hat, merkwürdig' sei. Es ist selbstverständlich, daß dies bei anderen denkmälern in einem viel höheren grade der fall ist. Die zu allen zelten herrschende ehrfiircht vor dem geschriebenen wort hat die unerfreuliche tatsache gezeitigt, daß die denkmäler in der regel hinter der ausspräche zurückbleiben. Ihr religiöser Inhalt hat ihren conservatismus freilich nur erhöht, und es mußte ein ganzes Jahrhundert verstreichen, bis auf Ötlohs gebet, das sich der gesprochenen rede ebenfalls in einem ungewöhnlichen, wenn auch nicht besonders hohen grade Ucähert, Wessobrunner Glaube und beichte II folgte.

Viel schlimmer als die mangelhafte wiedergäbe der ge- sprochenen rede ist der umstand, daß die eigentlich bairischen denkmäler des 11. jh.'s recht spärlich sind. Daß die lautformen von Xotkers psalmen in der Wiener handschrift, wie ähnlich auch die predigtbruchstücke (Denkm. 86) zu viel aus Notkers sprach- und schreibformen enthalten, als daß sie für voll- wertige Zeugnisse der bairischen mundart um das jähr 1100 gelten könnten, hebt Schatz ausdrücklich hervor (Altbair.gr. 2). Daß ferner in den Wessobrunner denkmälern eine anzahl von vollen formen direct durch die alemannische vorläge zu erklären ist, bemerkt wieder mit recht Schatz in seiner abhandlung Zur spräche der Wessobrunner denkmäler (Prager deutsche Studien 8, 176). Gerade hinsichtlich des vocalismus sind also diese quellen mehr oder weniger stark alemannisch gefärbt und deshalb unzuverlässig. Sieht man aber von ihnen ab, so bleibt Ötlohs gebet (Denkm. 83) als das einzige bairische denk- mal, das sicher ins 11. jh. gehört (vgl. Braune, Ahd. leseb.' s. 179). Neben ihm kommt nur noch die Zweite bairische beichte (Denk- m. 77) aus dem 10/11. jh. (vgl. Braune, Ahd. leseb.' s. 176) und Benedictbeurer Glaube und beichte II (Denkm. 94) aus dem 11/12. jh. in betracht. Das ist aber sehr wenig, zumal auch in diesen denkmälern die überlieferte Schreibweise bez. die vorläge sehr stark auf kosten der ausspräche zum ausdruck kommt. Es lassen sich immerhin auch an ihnen beobachtungen machen, die für die ausstoßung des schwachen e im bairischen von Wichtigkeit sind, denn andere denkmäler bieten nicht selten eine glückliche ergänzung ihres mangelhaften materials.

362 TRIWUNATZ

Das Wessobrunner Glaube und beichte II zeitlich am nächsten liegende denkmal, Benedictbeurer Glaube und beichte II, weist trotz der beeinflussung: durch die aleman- nische vorläge so deutliche spuren der volkstümlichen aus- spräche auf, daß sich in bezug auf diese manche sicheren Schlüsse ziehen lassen.

1. Endsilben.

a) Auslautende endsilbenvocale: mit tcr reinich- heite 36, mit tcr chüske 37, der sculde (gen. pl.) 38, aller der sculde 38, aller dcrc sunton 7, der ih (gen. pl. pron.) 38. 39, dcre nie (gen. pl. pron.) 25, minere vrouun (dat. sg.) 1. 6, ander min ebencristene (acc.pl.) 15, ander bantiertage (acc, pl.) 18, ander banvaste (acc. pl.) 20, dem almaht. 1. 10, dcino almaht. 14. 17. 19. 21. 27. 29. 31. 32, minemo 2 (zweimal). 3. 4. 5, disimo 1, geiäneme 8, selbemo 11, unzitlicheme 30, sippeme 30, got (dat.) 20, gote 1. 10. 14, goto 17. 22, soll 17. 19. 21. 28, solle 22. 23. 24. 25. 33. 35. 38, unz (an) 8, iinze (an) 39, an 8. 39, von rehte 16, vone rehte 27, vone anegenge 8. In anbetracht dieser formen läßt sich vor allem feststellen, daß gegen das ende des 11. jh.'s der auslautende vocal nach r so- wohl im artikel als auch in der adjectivischen declination geschwunden war. Es liegt ja sonst für aller der sculde neben aller dere sunton kein grund vor. An 'doppelformen schneller und langsamer Sprechweise' (Michels, Mhd. eb.2 § 56, 4a anm.) zu denken ist kaum angebracht, da ja auch die dative got, gote, goto nebeneinander vorkommen. Es handelt sich also offenbar um zähes festhalten an der überlieferten Schreibweise einerseits und entgleisungcn zugunsten der ausspräche anderer- seits. Wer so weit geht, die sicher nicht mehr gesprochene form goto zweimal zu schreiben, wird sich zu der form got kaum hinreißen lassen, solange auch die geringste spur vom silbischen werte des auslautenden vocals vorhanden ist. Be- denklicher mag auf den ersten blick die form minere erscheinen, weil sie beide male mit vocal im auslaut vorkommt. Dabei muß man aber bedenken, daß das schon um einige Jahrzehnte ältere Ötlohs gebet formen wie euuiger 2h, deser 9 u.s.w. auf- weist, wonach die ausspräche des endvocals in minere gegen das ende des 11. jh.'s ausgeschlossen ist. Nach r war der endvocal in der adjectivischen declination vielmehr so voll-

ZUR AUSSTOSSUNG DES SCHWACHEN E. 363

ständig geschwunden, daß sogar im acc. pl. masc. nur die form ander (dreimal) vorkommt. Zu beachten ist weiter auch der umstand, daß trotz dem achtmal vorkommenden demo diese form sicher nicht mit endvocal, sondern ohne ihn gesprochen wurde, wie es die zweimal vorkommende form dem beweist. Aus diesem gründe ist der Schwund des endvocals auch in minemo, disimo, getänemc, selhemo, iinzitliciiemc, sippeme mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Wie gerade der fall mit demo und dem lehrt, kann man nicht sicher sein, daß bei einer größeren anzahl von belegen die form ohne endvocal nicht vorkommen würde. Nicht unwichtig ist ferner auch der umstand, daß die form so, wie sie in drei fcällen vorliegt, sicher nicht mehr gesprochen wurde, da vom vollen vocal um die zeit der entstehung des denkmals keine rede sein kann. Und schließlich ist noch zu bedenken, daß sowohl in Wesso- brunner Glaube und beichte II als auch in Benedictbeurer Glaube und beichte III die formen ohne endvocal eine aus- nahmslose regel bilden, obwohl sie in diesem letzteren denk- male zahlreich vertreten sind. Die präposition an kommt beide male ohne endvocal vor, dagegen aber anegengc 39; hierzu ist jedenfalls auch die form angenge 4. 45 in Benedict- beurer Glaube und beichte III heranzuziehen, die deutlich zeigt, daß ane auch als erstes glied eines nominalen composi- tums seine volle form nicht zu bewahren braucht. Die präposi- tion voyi wird zweimal mit, einmal ohne endvocal geschrieben; daß diese letztere form der wirklichen ausspräche, die ersteren dagegen nur der überlieferten Schreibweise entsprechen, zeigt un2, das ebenfalls in derselben Stellung mit und ohne endvocal erscheint. Man hat also nicht mit stärker oder minder be- tonten formen zu tun, wie es auf den ersten blick den anschein hat. Es sei zugleich auch an den umstand erinnert, daß sogar in Wessobrunner Glaube und beichte II fünfmal die form vonc und nur viermal die form von vorkommt, und daß in Benedict- beurer Glaube und beichte III an derselben stelle die form von gebraucht wird, an welcher in Wessobrunner Glaube und beichte vone steht ( . . . enpliangin wart von dem heiligim geiste 4, geborn wart von minir frouwen sancte Marien G; da- gegen: enphangin Avart vone dem heiligin gaiste 3, geborn wart vone miner frowen sancte Mariun 4), was ebenso dafür

364 TRIWUNATZ

spricht, daß hier nicht etwa ungleiche betoniingsverhältnisse, sondern ungleiche beeinflussungen durch die vorläge der haupt- sächliche factor sind. Dasselbe gilt -auch von der form solle, die in derselben Stellung mit und ohne endvocal erscheint (... so ih von rehte soJt: daz riuet mih 17, so ih vone rehte soltc: daz riuet mih 27). Wie stark in solchen fällen der ein- fluß der vorläge sein kann, zeigt am besten die form soUi in Wessobrunner Glaube und beichte II. wo sie allerdings nur einmal (42), aber neben drei vocallosen formen vorkommt. Wenn daneben in Benedictbeurer Glaube und beichte III nur solte geschrieben wird, so ist das ein beweis, daß in dem punkte die volkstümliche ausspräche von dem Schreiber unbeachtet blieb; denn diese hat solche formen (mit endvocal) sicher nicht mehr gekannt, und sie können höchstens noch in der gehobenen rede existiert haben, die in der regel archaisch gefärbt ist.

b) Inlautende endsilbenvocale. Die zahl der belege ist nicht groß, gewährt aber immerhin hinreichendes material zu einigen mehr oder weniger sicheren Schlüssen: martyrern 5, biJäeren 6, anders (gen. sg.) 28, engelen (dat. pl.) 2, danchs 9, undanelis 9. Die form martyrern zeigt deutlich, daß auch hihteren ohne vocal gesprochen wurde, und darüber kann wohl kein zweifei herrschen. Daß auch in engelen der endsilben- vocal nicht gesprochen wurde, kann man auf grund der formen danchs und nndanchs mit Sicherheit annehmen, da der ausfall nach l im allgemeinen älter zu sein pflegt. Es ist übrigens interessant, daß in dem schon mehrfach herangezogenen denk- male des 12. jh.'s Benedictbeurer Glaube und beichte III um- gekehrt engein 40, d. h. ohne vocal, dagegen aber danches 47, nndanches 47, also mit vocal geschrieben wird, was die un- zuverlässigkeit der denkmiiler in bezug auf die wiedergäbe der ausspräche nur in ein noch klareres licht stellt als die bisherigen beispiele. Jedenfalls ist aus den vorhandenen be- legen so viel zu ersehen, daß gegen das ende des 11. jh.'s der inlautende endsilbenvocal im bairischen nicht bloß nach r und l, sondern auch nach anderen consonanten ge- schwunden war. Wie weit aber der ausfall bei anderen consonanten als r und l verbreitet war, läßt sich freilich nicht sagen.

ZUR AUSSTOSSÜNG DES SCHWACHEN E. 365

2. Mittelsilben.

In raittelsilben felilt der vocal nur in lucmo (dat. sg.) 13 und emcige 33; sonst nicht nur mageden 6, witeiven 23, gefru- meto 8, Icefmmete 9, gepflcgcte 22, sondern auch Uchenamcn 35. Dieses letzte beispiel zeigt aber, daß auch andere mit vocal in der mittelsilbe geschriebenen formen unzuverlässig sind und die wirkliche ausspräche höchstwahrscheinlich nicht wieder- geben; denn die vocallose form des letztgenannten wortes kommt nicht nur in Ötlohs gebete (lihnamon 16), sondern auch in der Zweiten bairischen beichte {Uchnamin 12. 17), also um ein g-anzes Jahrhundert früher vor. Man sieht übrigens auch nicht ein, warum in lucmo der mittelsilbenvocal früher schwinden sollte als in mageden oder namentlich in gefnimete. Beide letztere formen kommen jedenfalls in Benedictbeurer Glaube u. beichte III nur ohne vocal vor (gefnoute 45, frnmte 52, magdin 43), obwohl auch dieses denkmal nicht selten die überlieferten formen den gesprochenen vorzieht {tougcUclie 116 neben tougUche 115, mit iihelen gedanken 82 neben: mit ubehi rätin 78, unsern herrin 3 neben: unsern /(crm 125, Uchenamcn QO u.s.w.). Jedenfalls spricht also die form luono dafür, daß die ausstoßung des mittel vocals gegen das ende des 11. jh.'s sehr weit fortgeschritten war.

3. Vorsilben.

Die Vorsilbe ge- mit ausgestoßenem vocal kommt nur einmal vor und zwar vor l: glöhen 1. Das ist zugleich auch das ein- zige beispiel, in dem das präfix ge- vor l vorkommt. Sonst steht der vocal überall, auch in genäden 41 und geivalt 40. Daß die erstere der beiden formen mit der ausspräche nichts zu tun hat, zeigt wieder Ötlohs gebet, in w^elchem der vocal der Vorsilbe ge- vor n ganz ausnahmslos ausgestoßen wird, obwohl der fall über fünfzehnmal vorkommt. Daß Benedict- beurer Glaube und beichte II in der beziehung couservativ verfährt, ist gar nicht zu verwundern, da sich auch im 12. jh. denkmäler finden, z. b. Münchner Glaube und beichte (Denk- m. 97), in denen die formen mit erhaltenem vocal der vorsilbe ge- vor l und n überwiegen.

Wenn man nun, einen Zeitraum von ungefähr fünfzig jähren überspringend, Ötlohs gebet näher in betracht zieht, so findet man im wesentlichen dieselben Verhältnisse.

366 TRIWUNATZ

1. Endsilben. a) Auslautende endsilbenvocale. Der vocal fehlt nur in einigen fällen der adjectivisclien declination: euulger (gen. sg.) 25, deser (dat.) 9, aller (gen. pl.) 1. 19. 28. 46; sonst rcldero (dat.) 64, dincro (dat.) 12. 59 (gen. pl.) 42, allero (gen. pl.) 42. 43. 44. Im ganzen also sechs formen mit ausgestoßenem und sieben mit vollem vocal. Daß demnach der Schwund des end- vocals in allen angeführten beispielen ohne weiteres angenommen werden kann, liegt auf der band; denn einerseits kann man in der ausspräche eine abwechslung von ausgestoßenem und vollem, nicht abgeschwächtem vocal gar nicht voraussetzen, andererseits kommen formen mit vollem vocal auch im 12. jh., als von ihrer ausspräche doch keine rede mehr sein konnte, noch vor, um das zähe festhalten an der überlieferten Schreib- weise um so auffallender zu kennzeichnen (vgl. rcldero [dat. sg.] 37 in Benedictbeurer Glaube und beichte I aus dem 12. jh., Denkm. 87). Es handelt sich also in allen fällen, in denen der vocal in Ötlohs gebet fehlt, um zufällige entgleisungen zugunsten der ausspräche. Daß dieser keine bewußten Zugeständnisse gemacht werden, zeigt unter anderem auch die behandlung der Präposition umhe, die in dieser form nur viermal, mit vollem vocal dagegen zwölfmal (siebenmal iimla, fünfmal umbl) vorkommt. Es ist demnach kein wunder, daß die form dcro nur mit vollem vocal geschrieben wird; als ganzes kann sie sich nämlich ihrer kürze und ihrer häufigkeit wegen dem ge- dächtnisse viel tiefer einprägen und sich dann auch länger halten als die bloße endung der adjectivischen declination, wo aber dem Verfasser die überlieferte form ganz geläufig ist, opfert er sie keineswegs der gesprochenen. Daß dero sicher nicht mehr gesprochen wurde, ist es kaum nötig zu betonen, da mindestens der volle endvocal abgeschwächt war; es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß er überhaupt nicht gesprochen wurde, denn in den Predigtbruchstücken (Denkm. 86, B 1) kommt schon die form auch ohne endvocal vor: der bredigi (gen. sg.) 9, der arin (gen. pl.) 13, der er (gen. pl. pron.) 2. Man kann aber jedenfalls ohne bedenken die regel auf.stellen, daß in der adjectivischen declination der auslautende endsilben- vocal nach r im bairischen schon um die mitte des 11. jh.'s nicht mehr gesprochen wurde. Dasselbe auch

ZÜE AUSSTOSSUNG DES SCHWACHEN E. T)!}?

vom auslautenden endsilbenvocal nach m zu behaupten, liegt kein grund vor, da nur formen mit vocal vorkommen.

b) Inlautende endsilbenvocale werden stets ge- schrieben. Von ihrer verstummung kann also keine rede sein, wenigstens auf grund dieses denkmals nicht.

2. Mittelsilben.

unsäura>i 0 (vgl. Scluitz. Altbaii-. gr. § 52tV'. un^ire 42. 52, imsri 02, unsruii 43, aadrd 51. hrnodra ()2, »lartra 20, chnid- Unc 29, diiuiluKjd 54, rirrdnid Ol, rirraydini 0 i Hhnanion 10, samannngc 46, f//s<ü)ianot 40. hirnldltnd 51. Liroldhoii 48, pivi- llJio 08, iccroUi \}, Jiiitiil/sL'i.'ii 20, giridtn (rlat. pl.) t), niciniiscon (dat. pl.) 15. iiKifjidi 25. Wie diese beispiele zeigen, ist die aus- stoOung in lU^n miUelsilben vor nachfolgendem r, /, ii sehr weit voi'gedrungen. Den angefiihrten beispielen mit aiis- gestoßenem vocal ist jedenfalls auch n-eroUi beizuziihlen. da die vocallose form in den Predigtbruchstückeu (Denkm. 80) eine ausnahmslose, regel bildet und zwar nicht nur in cas. obl. (neunmal), sondern au(,'h im num. sg. (zweimal l(■rrIf\^^U} und B^OO, bei Utloh dagegen /nrull'li). obwohl son>l die Predigt- bruchstiieke in der behandluiig des schwachen e unverhältnis- mäßig conservativer sind als otjohs gebet. Daß übrigens in diesem letzteren auch si»nst tonnen mit nicht gespi'ocheneni mittelsilben vocal vorkommen, zeigt rlrraraiKi neben rinania. Man kann also mit Zuversicht behau[Uen, daß um die mitte des 11. jh.'s die ausstoßung des unbetonten mitlelsilbenvocals vor nachfolgendem ;•, l, n sehr weit fortgeschritten war und jedenfalls um einige Jahrzehnte fiüher begonnen liatte, als dieses denkmal entstand. Für die ausstoßung vor anderen consonanten sind keine belege vorhanden, und sie ist allem anscheine nach auch siiäteren datunis.

3. Vorsilben.

(ßouhiüit 2, (jJoahi 12. (jlonhd 04. fjiJd~~ast 18. (jnddd 3. 22. 40. 42. 44. 45. 50. 00. 09. (als imperat.) 50. (jndhin 41. 50. 52. 55. 02, (jnioz-2en -ii^Au; (/rihttii ü?>, luigriitti <yK ni'dcl isiait (/rilttcf, vgl. Braune, Ahd. gr.' § 323, anm. 2) 42. Vor r, l, n fehlt also der vocal der vorsilbe ge in ständigen compositis durchweg, und in der einzigen ausnähme {gUd.i2dst) ist wohl die erhaltung des vocals dem umstände zuzuschreiben, daß infolge des häuligen gebrauch des einfachen Ui.z-an beide teile

368 TRIWUNATZ

nicht zu einem ständigen ganzen verwaclisen waren, sondern als selbständig empfunden wurden. Vor tv kommt die vorsilbe ge in einem einzigen ständigen compositum vor und zwar mit vocal: tmgiivitiri 61. Daß der vocal in diesem falle aucli ge- sprochen sein wird, zeigt schon die folgerichtigkeit, mit der er in obigen beispielen fehlt; aber auch in späteren denk- mälern erscheint ge vor tv ganz regelmäßig mit vocal, der wahrscheinlich erst zu beginn des 12. jh.'s, jedenfalls aber be- deutend später als vor r, l, n geschwunden ist. Ganz selbst- verständlich ist demnach auch die form ghvirsirit 58 (nicht giivirsirist, wie es bei Schatz, Altbair, gr, § 32 heißt), da im particip die ausstoßung viel weniger zu erwarten ist als in ständigen compositis (vgl. Dütschke, Die rhythmik der litanei s. 19). Um so interessanter ist aber das particip riJitct, das nach Braune statt grihtet steht; es zeigt nämlich, daß die ausstoßung vor r so weit fortgeschritten war, daß sie bereits auch das particip erfaßte und somit den kreis ihrer Wirkung auch außerhalb der ständigen composita auszudehnen begann. Dies steht freilich mit der von Dütschke aufgestellten und oben herangezogenen regel in Widerspruch, ist aber nichts- destoweniger richtig und wird auch durch spätere entwicklung bestätigt; denn schon im 12. jh. findet man nicht bloß glemct (Benedictbeurer Glaube und beichte III 24), sondern auch viret statt gviret (ebda. 56), was offenbar dafür spricht, daß im 12. jh. ge im particip auch vor anderen consonanten als r, l, n seinen vocal einbüßen konnte. Zu verzeichnen ist schließ- lich auch die form girran 40 als beispiel für den sehwund des vocals der vorsilbe vor nachfolgendem vocal.

AVenn man zum Schluß noch die um etwa fünfzig Jahre ältere Zweite bairische beichte näher in betracht zieht, so findet man in ihr die oben erwähnten erscheinungen nur im keime. Man muß aber dabei im äuge behalten: 1. daß sie eine jüngere erweiterung der Ersten bairischen beichte (Denk- m. 73) ist (vgl. Braune, Ahd. leseb.' s. 176), also dem einilusse der altertümlichen formen dieser älteren vorläge ausgesetzt war; und 2. daß sie ein ganz kurzes, wenige (in Denkm. zwanzig) zeilen umfassendes denkmal ist, das dem Schreiber zu häufigen entgleisungen zugunsten der ausspräche keine

ZUR AUSSTOSSUNG DES SCHWACHEN E. 369

besonders günstige Gelegenheit bot. Wo daher diese ent- gleisungen vorkommen, sind sie um so wertvoller.

1. Endsilben, unrehter (dat.) 12, tmrehtero (dat.) 14, minero (dat.) 4, suelicliero (dat.) 7, unmahtigero (gen. pl.) 17, allero minero (gen. pl.) 3 (zweimal). In der adjectivischen declination erscheint also neben acht formen mit vollem end- vocal nach r eine einzige vocallose; vermittelnde formen mit abgeschwächtem endvocal fehlen wie auch in Ötlohs gebet. Gerade deshalb kann aber diese eine vocallose form unmöglich für einen gewöhnlichen belanglosen Schreibfehler erklärt werden. Man muß darin vielmehr die wiederSpiegelung derselben Ver- hältnisse erblicken, die in Ötlohs gebete, dank seiner länge, deutlicher zum Vorschein kommen. Es hat somit die apokope des schwachen e nach r jedenfalls schon zu anfang des 11. jh.'s im bairischen eingesetzt, und zwar zunächst in der adjectivischen declination. Der artikel ist allem anscheine nach etwas später um seinen endvocal nach r gekommen.

2. Mittelsilben, hungrenta 20, Uchnamin 12. 17 , soupreS, andremo 8, andrem 18. Der vocal der mittelsilbe fehlt also wieder vor r und n und würde höchstwahrscheinlich auch vor l fehlen, wenn nur irgend eine der in Ötlohs gebet vorkom- menden formen oder ein sonstiger beleg da wäre. Offenbar liegt dasselbe Verhältnis vor wie dort.

3. Vorsilben. Nur gilahöta 20, tmgilouhiin 8, vor r und n überhaupt keine belege. Es läßt sich daher über den Schwund des vocals der vorsilbe ge nichts bestimmtes sagen. Angesichts der sehr vorgeschrittenen ausstoßung in Ötlohs gebete wäre sie jedenfalls auch hier zu erwarten, denn jünger als dieses denkmal wird der Schwund des vocals in der vorsilbe ge kaum sein.

Kurz skizziert gestaltet sich also die geschichte der aus- stoßung des schwachen e im bairischen des 11. und 12. jh.'s folgendermaßen:

In endsilben schwindet zunächst der auslautende vocal, und zwar in der adjectivischen declination nach r. Dieser Schwund beginnt etwa um das jähr 1000. Nach m schwindet der vocal bedeutend später, vermutlich erst gegen das ende des 11. jh.'s. In die zeit fällt ungefähr auch der seh wund

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 24

370 TRIWÜNATZ. ZUR AUSSTOSSÜNG DES SCHW. E. BEHAGHEL

anderer auslautender endsilbenvocale {an, von, dat. got, solt). Auch der Schwund des inlautenden endsilbenvocals erfolgt un- gefähr gegen das ende des IL jh.'s, jedenfalls zuerst nach r,

I, n und erst dann auch nach anderen consonanten {martyrern, anders [gen. sg.], danclis).

In mittelsilhen beginnt der vocal ebenfalls schon um die wende des 10/1]. jh.'s zu schwinden, und zwar wieder zu- erst nach r, n, l, um gegen das ende des 11. jh.'s auch in anders beschaffener consonantischer Umgebung zu verstummen.

In der vorsilbe ge ist die ausstoßung um die mitte des

II. jh.'s vor r, l und n so weit fortgeschritten, daß sie jeden- falls bedeutend früher begonnen haben muß; auch ihr anfang fällt also ungefähr in die ersten Jahrzehnte des 11. jh.'s. Wann der schwand vor anderen consonanten begonnen hat, läßt sich nicht feststellen; jedenfalls ist die ausstoßung im 12. jh. auch vor anderen consonanten sehr häufig, und der Schwund dürfte in diesen fällen spätestens um die wende des 11/12. jh.'s be- gonnen haben.

Eine größere anzahl von belegen würde jedenfalls den hier skizzierten verlauf vollauf bestätigen, aber auch die vor- handenen zeigen hinreichend, daß er dort, wo er nicht nach- gewiesen werden kann, zum mindesten sehr wahrscheinlich ist.

BELGRAD. MILOSCH TRIWÜNATZ.

FRZ. Z = DEUTSCH S.

Schon Kassewitz, Die franz. Wörter im mhd. s.91 und 92 hatte darauf hingewiesen, daß frz. £ in einzelnen fällen durch deutsches 5 vertreten wird. Dann hat W. Hörn die erscheinung behandelt und zahlreiche beispiele gegeben, Zs. f. frz. spr. u. lit. 21, 76; einiges auch bei Salverda de Grave, De franse woorden in het nederlands s. 2G5. Es entspricht also z. b. deutsch franse dem frz. frange, nhd. losament gehört zu afrz. logier, mhd. mansier zu afrz. mangier\ bei Wolfram erscheint melirfach Wilhelm von Orense = Orange. Hörn meint nun, es liege hier

FRZ. Z ^= DEUTSCH S. LITERATUR. 371

eine lautsubstitiition vor für den frz. i-laut, 'der in manchen g-egenden einem 5 nahegestanden haben mag. wie es ja in heutigen dialekten zu stimmhaftem s geworden ist'. Gegen diese auffassung spricht der umstand, daß die Vertretung von z durch s in ganz alte zeit hinaufgeht, vgl. alts. spunsia = spongia, mit dem sich Pogatscher, Zur lautlehre der griech., lat. u. roman. lehnworte im altengl. s. 203, vergebens abmüht. Ich glaube, die erklärung liegt in dem, was wir in neuerer zeit über die geschichte unseres deutschen s gelernt haben: es hat früher zweifellos dem seh näher gestanden und hat sich zu diesem wie die lenis zur fortis verhalten, vgl. meine Gesch. d. deutschen spräche'^ s. 216. Es war daher zur wiedergäbe des romanischen s ein besonders geeigneter laut.

GIESSEN. 0. BEHAGHEL.

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sis^

ZUR AUSSPRACHE DES NEUHOCHDEUTSCHEN IM 18. JAHRHUNDERT.

Einleitung.

Unsere Schriftsprache trägt den Stempel der verschiedensten mundarten. Jedes wort hat seine heiraat, seinen ganz bestimmten geographischen entstehungsbereich, den wir in einer reihe von fällen angeben und oft eng begrenzen können. Wenn wir heute vater sagen, so zeigt die lautliche gestalt dieses wortes nach Mitteldeutschland als seiner heimat. Das fehlen des Um- lauts in glauben, taufen weist nach Oberdeutschland. Jede mundart hat ihren beitrag zur Schriftsprache geliefert.

Heute sind wir uns dessen kaum noch bewußt. Selbst die auffallenden, in ihrer lautgestalt sicher kenntlichen nieder- deutschen Worte sind in der hochdeutschen Schriftsprache so eingebürgert, daß wir sie nicht als ungewöhnlich, geschweige denn als fremd empfinden. Die Schriftsprache ist der ausgleich unter den mundarten geworden, den alle anerkennen. Sie ordnen sich ihr unter, nur immer noch bereichernd und belebend.

Dies war im 18. jh. noch nicht so; der kämpf der mund- arten untereinander war noch nicht entschieden, und wenn der streit der grammatiker sich scheinbar auch mehr um eine einheitliche Orthographie, als um eine gemeinsame ausspräche dreht, so versteht es sich doch von selbst, daß der Orthographie immer die ausspräche des betreffenden grammatikers, also seine heimatliche mundart, zugrunde lag. Im wesentlichen allerdings war die sächsische mundart durchgedrungen und man erkannte sie als die beste, die eigentlich hochdeutsche, an. Was man dabei als sächsische mundart zu verstehen habe, sagt Gottsched in seiner Sprachkunst^ 1762, s. 68:

'Was ich hier von der obersächsischen Aussprache sage, will ich keines- wegs auf das einzige Meißen gedeutet haben: wie ein gelehrter Mann zu

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 25

374 TRITSCHLER

Götting-en nnläugst dafür gehalten bat, der dieser Landschaft die Gränzen zwischen der Elbe und Saale angewiesen; ohne doch zu bestimmen, wie hoch hinauf diese beyden Ströme genommen werden sollen. Wir können sicher auch das ganze Yoigtland, Thüringen, Mansfeld und Anhalt, nebst der Lausitz und Niederschlesieu dazu rechneu. In alleu diesen Landschaften w'ird in Städten, unter vornehmen, gelehrten und wohlgesitteten Leuten ein recht gutes Hochdeutsch gesprochen: welches man a priori, nach dem Sitze des vornehmsten Hofes, das Obersächsische zu nennen pflegt.'

Man bemühte sich, dieser hochdeutschen spräche im ge- wöhnlichen leben nahezukommen, blieb aber wohl meist weit hinter dem erstrebten ideal zurück. Wenn selbst wir heute im 20. jh. in unserm sprechen unsere heimat nicht verleugnen, so waren die landschaftlichen eigenheiten bei jedem einzelnen menschen im 18. jh. noch viel schärfer ausgeprägt. Schiller fiel wegen seiner schwäbelnden ausspräche mit dem Fiesko durch. Von Goethe sagt H. Heine, er mauschle. Die ver- schiedenen landschaften lasen denselben text auf ganz ver- schiedene weise. Heinze erzählt in seinen Anmerkungen 1759, s. 17, man finde in niedersächsischen Städten noch viele priester, die bei dem diphthongen ie das e nach dem i ganz deutlich hören ließen. Christian Weise gibt in seinen Curiösen Gedanken 1702, s. 9 den rat, wer mit seinen versen nur an einem orte, oder gar nur bei einer person erfolg bezwecken wolle, möge sich ruhig nach seiner heimatlichen spräche richten; wer aber sein licht im ganzen deutschen lande wolle leuchten lassen, müsse auf reime sinnen, die sich an allen orten annehmlich erweisen. Man war also von einer sicheren, gemeinsamen spräche noch weit entfernt.

In dieser Verwirrung sehnte man sich jedoch nach einheit. So allgemein man nun die grundlage zu einer einheit in der obersächsischen mundart erkannte, so fühlte man doch seinen eigenen heimatlichen dialekt in so vielen punkten im Wider- spruch mit dem obersächsischen, daß man nicht ohne weiteres in allem nachgeben zu dürfen glaubte. Es entstand ein wilder, oft persönlich gehässiger streit um jeden einzelnen paragraphen der grammatik. Zunächst konnte man sich nicht über die zahl der deutschen laute einigen. In der ersten hälfte des Jahrhunderts machte man noch keinen unterschied zwischen laut und buchstaben, und jenachdem man nun /" v, ph u.s.w. als einen oder als drei 'buchstaben' ansah, kam man auf sehr

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 375

verschiedene zahlen. Heiß umstritten war die frage, wo c und wo ^• zu setzen sei. Jeder einzelne grammatiker glaubt sich verpflichtet, seine gewichtigen gründe für und gegen c aus- einanderzusetzen. Richter (Rechtschreibung 1780) will um jeden preis das c zur bezeichnung des ß einführen. Ahnliche Zank- äpfel waren das g, v, ph, cc, y und z. Alle möglichen plane wurden gemacht. Der eine wollte von /' r, t th, i y u.s.w. das eine zeichen entfernen, der andere wollte dazu noch neue schriftzeichen einführen.

'Der erste, welcher so etwas unternahm, ist, so viel ich mich erinnere, J. S. V. Popowitsch, von Geburt ein Krainischer Wende, welcher, so wohl in seinen Anfangsgründen der teutschen Sprachkunst, Wien 1754, als auch in einigen andern Schriften, die Orthographie ummodeln wollte, und zu dem Ende neue Buchstaben aus dem Griechischen, Hebräischen und Slavonischen in Vorschlag brachte. . . . Weit zahlreicher und dreister wurden die ortho- graphischen Neuerungen von 1770 au, da die gewöhnliche Orthographie ganz verdränget, und durch neue auf willkürliche Gründe gebaute Systeme ersetzet werden sollte. Das meiste Geräusch machten zwey übrigens ge- lehrte Schwaben, die Herren Fulda und Nast, ein Pfälzer, Hr. Hemmer, Hr. Klopstock ... und ein Schlesier, Hr. Abraham Gotthelf Mäzke, dessen Neuerungen alles übertreffen, was in diesem Fache in irgend einer Sprache nur versucht worden ist' Adelung, Orthographie 1788, s. 421.

Jeder schmiedete sich eine hausorthographie. Wie die Sprachlehren ab und zu ausfielen, kann man sich schon aus- malen, wenn man weiß, daß der Verfasser gelegentlich auch einmal ein schuldiener war. So hat der schöneckische schul- diener Johann Christian Wolf im jähre 1749 einen 'Gründ- lichen und vollkommenen Unterricht zur Rechtschreibung der deutschen Sprache' herausgegeben, den später der ehrwürdige pater Weitenauer von der gesellschaft Jesu ausgeschrieben hat. Köstlich imd gut getroffen ist die satire, die Immermann im Münchhausen gegen solche grammatiken schrieb; nur daß das urteil, das die bauern über den armen Schulmeister Agesel fällen, auf den eigentlichen Übeltäter, den Verfasser der gram- matik, zurückfällt.

Die möglichkeit, das bild jedes wertes einheitlich zu ge- stalten, suchte man vor allem in der etymologie. Man muß aber nur einmal solche etymologische versuche des 18. jh.'s eingesehen haben, um zu ahnen, was dabei für Ungeheuerlich- keiten herauskommen konnten. Gleichzeitig konnte man bei

25*

376 TRITSCHLHR

dem grundsatz, auf die alte spräche zurückzugelien, der spracli- gesclnchte und entwicklung uiclit gerecht werden. Glücklicher- weise wurde die etymologie auch gar nicht von allen gram- matikern als grundlage der rechtschreibung anerkannt. So hieß z. b. Klopstocks princip: bezeichne auf kürzeste bloß die ausspräche, wobei Klopstock allerdings ins entgegengesetzte extrem verfiel und der etymologie gar keinen platz gönnte. Der üblichen Orthographie macht er den Vorwurf, daß sie das äuge in sachen des ohrs urteilen lasse. Nachdem er am Messias als dichter gescheitert war, wurde er ein schlechter gram- matiker. Er wagte es, seine fragmente über spräche und diclitkunst in einer neuen, man kann sagen phonetischen Um- schrift drucken zu lassen. Doch war er sich wohl bewußt, daß er durchaus nicht unbedingt phonetisch schreiben dürfe:

'Ich schrib z. E. daf ferkürzte flit e/" nicht, wi ich hette tun sollen, fti^s, sondern fli4f; so auch nicht Lichz, Wollauz, sondern Lichtf, WoUautf U.S. w.' s. 205.

Ich habe in meiner arbeit mich nicht in eine Untersuchung dieser phonetischen Umschrift eingelassen, sondern mich darauf beschränkt, die positiven angaben, die Klopstock und ebenso Mäzke, Lignet u.s.w. über ihre ausspräche machen, mitzu- teilen. Eine eingehende Untersuchung könnte aber doch zu manchen ergebnissen führen, zumal da sonst phonetische beob- achtungen im 18. jh. spärlich und meist sehr primitiv sind.

Andere grammatiker stützen sich auf den gebrauch und auf die guten schriftsteiler. Scheller (Gedanken von den Eigen- schaften der deutschen Schreibart 1772) bezeichnet alles als richtig, was die schriftsteiler schreiben:

'Wie diese schreiben, so müssen auch die übrigen schreiben, folglich auch reden', denn ein richtig oder falsch gibt es nicht, es gibt nur einen usus. 'Es ist so, wie mit den ehemals Krieg führenden Nationen. Die siegende gab der überwundenen Gesetze, und diese muste die Art zu denken und folglich zu reden annehmen, die jene vorschrieb' ebda.

Allerdings, meint er, ist die gewohnheit nicht bloß will- kürlich, nicht Zufall oder eigensinn. Sondern der gedanke gibt der rede die prägung und den ausdruck. Scheller will eine academie, die unter der garantie und dem schütze des kaisers und sämtlicher reichsstände über die richtigkeit der spräche wacht. H. Volck von A\'ertheim (Anweisung zur Ortho-

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 377

graphie 1711, s. 186) hat den besten aiisweg gefunden. Wenn er im zweifei ist, ob er iverfen oder tcerffen zu schreiben habe, was er 'aus dem Gehör fast nicht wohl haben kann', so folgt er . , . seiner bibel.

Immer war man bestrebt, die homonj^me möglichst künst- lich in der schrift voneinander zu unterscheiden: die Haabe, von ich habe; bis Heyn atz in seinen Briefen und Mäzke in seiner Grammatischen Abhandlung gegen dieses 'Unterscheidler- Prinzip' front machten. Die Verzeichnisse der 'Wörter von einem Klang und unterschiedlicher Bedeutung' sind auch wirk- lich nur mit äußerster vorsieht, ja fast nur, wenn daneben ausdrückliche angaben über die ausspräche beigegeben sind, zu verwerten, da man sich der Unterscheidung zuliebe die größten willkürlichkeiten erlaubte. Adelung wendete sich auch mit guten gründen gegen diese versuche:

'Ließe sich nun auch die Gleichheit für das Auge heben, so würde doch der Gleichklang- für das Ohr bleiben: und doch findet man nicht, daß der- gleichen gleich lautende Wörter in der mündlichen Rede so viele Dunkel- heit verursachen, sonst würde die Sprache, aus dem dunkeln Bewußtseyn des Bedürfnisses, der Sache sehr leicht haben abhelfen können' Orthographie 1788, s.105.

H^'perhochdeutsche Schreibungen sind alltäglich. Man schreibt fünden, weil man wähnt, es sei hergeleitet von Fund, flüßen von Fluß, güßen von Guß u.s.w. Man darf also nie aus der Schreibung eines Wortes auf die ausspräche schließen.

Wie wenig die grammatiker oft auf die ausspräche geachtet haben, dafür bietet Rust, Abhandlung von der deutschen Recht- schreibung 1773, s. 23 einen beweis:

'Betrachten wir endlich den vierten und letzten Grund des Recht- schreibens, welcher die ausspräche ist; so sollte dieselbe eigentlich nur als ein Nebengrund, welcher den erstereu drej^en in einigen Fällen zur Bey- hülfe dienen könnte, gebrauchet werden.'

Ja, Rust meint sogar, daß man die ausspräche berück- sichtige, sei eine Ursache der verderbung der deutschen recht- schreibung.

Nach dieser kurzen Charakteristik der gramraatiken des 18. jh.'s ist noch einiges grundsätzliche über meine arbeit zu sagen. Ich habe versucht, die angaben der grammatiken über die ausspräche herauszusuchen. Benützt habe ich dafür alles,

378 TRITSCHLER

was mir au grammatischer literatur in die liäude kam. Daß darunter eine ganze masse unbrauchbaren materials war, brauche ich kaum zu versichern. Ich habe das material mehrfach gesichtet und nur das zurückbehalten, was mir wirklich von einigem werte schien, vor allem das, was als genügend sichere angäbe gelten kann, ^^'enn doch darunter noch einiges zweifelhafte oder sonst überflüssige, z. b. gelegent- lich doppelte belege für ein und dieselbe sache, zurückblieb, so nahm ich dies auf, um den kämpf zu veranschaulichen, den die grammatiker um jedes wort der deutschen spräche führten. Man erkennt daraus, daß es erst dem 19. jh. vorbehalten blieb, eine einheitliche deutsche büchersprache zu erringen.

I. Der accent.

Der hauptton.

über den wort accent gibt uns vor allem die gebundene rede auskunft. Doch da es bei ungewöhnlicher accentuierung eines wortes im verse stets ungewiß ist, ob die gewöhnliche rede damit übereinstimmte, so können als sichere beweise nur die theoretischen angaben der Sprachlehrer gelten. Im wesentlichen bestehen für das 18. jh. dieselben regeln wie für unsere zeit.

Für sich gehen zunächst die fremdwörter. Sie behalten meist den fremden accent bei:

'Viele andere haben in der Stellung des Tones noch etwas aus- ländisches behalten, wie Anies, Altar, Altan, Alatin, Barbier, Canal, Fasan, Fasele, Figur, Kapitel, KameJil, Khjstier, Metall, Perso)i, Prophet, Begent, Register, Tyrann, welche denn als solche anzusehen sind, welche zwischen den völligen Bürgern und den völligen Fremdlingen in der Mitte stehen Ist aber ein Wort nicht von allgemeinem Gebrauche, son- dern nur in einer oder der andern Wissenschaft, Kunst oder Lebensart gangbar, hat es kein deutsches Ansehen, und ruhet der Ton, wider die Art ächter deutscher Wörter, nicht auf der verrauthlichen Stammsylbe, sondern auf einer der Ableituugssylben, w. z.B. Cloalc, Musik, Mechanik, musica- lisch, Cahale, so hat es auch noch nicht das Bürgerrecht erhalten' Adelung, Orthographie 1788, s. 113f.; 'Einzelne Wörter von mehreren Silben, da- rinn man nicht unterscheiden kan, welches die Grund- oder Ilauptsilbe sei, wie Person ; oder dariun die Grundsilbe den Accent nicht auf sich hat, wie Kamel, Planet, Latern, Manier, 8alat , Olive , sind keine teutsche Wörter' Fulda, Grundregeln 1778, s. 33.

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 379

Daneben gibt es schon eine dem deutschen accent an- bequemte ausspräche:

'Die fremden Wörter behalten auch meistens ihren Accent, sonderlich die aus dem Französischen und Italiäuischeu aufgekommen, als: Mümör, Allärm. In einigen bleibt der lateinische und französische: IlUslk und IltisiJc, CöliJc und Cölik^ Bödiker, Grundsätze 1746, s. 567; 'Nach der Aus- sprache kan also der Dichter scaudiren Ältäi; und auch Ältär, Pcüläst und Pälläst' Lindner, Inbegriff 2, 1772, s. 234; ^der (und das) Alt-är und Altar; die Altäre. Der Alt- an, gewöhnlicher die Altane' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 135; 'Einige werden zwiefach betont: Altar, Altar; Pallast, Palläst; Bärbar, Barhär Voß, Zeitmessung 1802, s. 17.

In einzehien mundarten ist der accent der fremdworte auf eine gewisse silbe festgelegt worden, ohne daß eine verschiedene betonung möglich blieb:

'Endlich aber glaube ich, daß von den fremden Wörtern Altan und Bombast in Absicht des Tones teutsch geworden sind und ihn auf der ersten Sylbe haben' Rüdiger, Zuwachs der Sprachkunde 3, 1784, s. 79; 'In Kaffee, Abbee (kafe, übe) sind sich die Sylben dem Tone nach gleich, in jenem aber hat kä, in diesem be, den Wortton' Richter, Rechtschreibung 1780, s. 50.

So tadelt Hejniatz an dem vers:

Ist es denn nicht der Mensch, der auf die Thürme steigt, Und uns durch den Compaß des Himmels Größe zeigt,

daß der dichter 'in dem Worte Compaß die erste Sylbe kurz gemacht hat, die wir jetzt lang gebrauchen würden' Briefe 1771, s. 206; J. H. Seume glaubt, Alter könne mit Altar verwechselt werden: 'Recht Alter ist, wenn Witz in Jahren sich vermehret; Nenn Altar, darauf GOtt mit Opffern ward geehret' Lexikon 1733, s. 11; unsicher ist die bei Seume in der gebundenen rede, allerdings aber in seinem versifizierten Lexikon erscheinende betonung Copeij und Cdmin: 'die Copey (Abschrift) schreib so, daß maus lesen könne' s. 39 und 'Im Camm seh' ich Feur, gewiß! es ist kein Wahn' s. 111; dagegen bestimmt bezeugt Weber die betonung der ersten in Alaun:

' obgleich in Alaun, Oheim, Zeitlauf und dergleichen die erste Syllbe lang und die andere mit Selbstlautern etwas kürzer zufallen scheinet, auch in der Dichtkunst eine solche Syllbe oft vor eine kurze gebrauchet wird, so kann doch jene nicht gänzlich vor eine kurze paßiren" Sprachkunst 1759, s. 734.

Oft ist die deutsche betonung der fremdworte in der mundart durchgeführt, während die Schriftsprache den fremden accent beibehält. Dafür zeugt folgende stelle:

380 TRITSCHLER

'Unser lebendes Alter denkt sehr imvatterländisch, dafr es die franzö- sische Aussprache fremder Wörter ihrer teutschen Aussprache vorzieht, Politik mit dem Acceut auf der letzten Silbe ; und dall es den gemeinen Mann auslacht, der 3Insik, Avie Plu/sik mit dem Accent auf der Grund- silbe spricht' Fulda, Grundregeln 1778, 8.33.

Über Uneinigkeit klagt der Bayer Braun: 'Wie aber, wenn wir Deutsche selbst in der Aussprache nicht einig sind? So sprechen z. E. die Sachsen Barhären, Satyren, wir hingegen Barbären, Satyren' Dicht- und Versekunst 1772, s. 23. Bezeugt ist Demant Antesperg, Ka^'serliche Grammatik 1750, s. 303.

Fremden accent haben die bildungen auf -ieren und -ei. Dafür zeugt jede grammatik. Nur Adelung will die Wörter auf -ey mit deutschem accent aussprechen:

'Die abgeleiteten Wörter auf cij, ehedem ige, ije: Jiaserey, Tändeley, Sjnelerey, Kinderey. Aber auch hier ist diese Aussprache nicht so allgemein, daß man sie nicht ohne Bedenken sollte für fehlerhaft erklären, und dafür liäserey, Tinidehy, Spklerey, Kinderey zu sprechen, empfehlen können; da denn in der Verlängerung des Wortes die Sylbe ley einen halben Ton be- kommen würde: Tcindeleyen' Lehrgebäude 1782, s. 252.

Doch wendet sich Rüdiger dagegen:

'Auch scheinet mir Herr Adelung wieder den allgemeinen guten Ge- brauch zu verstoßen , wenn er in Ichendig und den Wörtern auf cy, Avie liaMrey, den Ton nach der Regel auf die Stammsylbe setzet. Hier muß man dünkt mich wohl eine Ausnahme macheu, Avenn man nicht in Ziererey verfallen will ' Zuwachs der Sprachkunde 3, 1784, s. 79.

In der behandlung des accentes der deutschen Wörter übergehe ich die elementaren tatsachen und führe nur die erscheinungen an, die einer besonderen erwähnung bedürfen.

Noch deutlich als junge Zusammensetzungen des Sub- stantivs mit dem vorausgehenden adjectiv und ungewöhnlicher hauptbetonung des adjectivs empfunden werden Jungefrau und Jungemayd:

^ Jungefrau, in einem dreysilbigen Worte mit dem Ton auf der ersten Sylbe, wird theils zur Anrede fremder, theils auch bisweilen für Ehefrau gebraucht. Jungemagd in einem Wort mit dem Ton auf der ersten Sylbe, eine Magd die etwan zwischen Köchin und Kammerjungfer das Mittel aus- macht, und in Niedersachsen das Hausmädchen, in Oberteutschlaud Stuben- mädchen genannt wird' Rüdiger, Zuwachs der Sprachkuude 2, 1783, s. 87.

Seltsam ist die betouung der fem. motionssilbe -in der persönlichen substantiva. Das Grimmsche Wörterbuch gibt unter dem worte Prinzessin für den plural die ältere betonung

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 381

Prinzessinnen an (Canitz 1750, s. 201; Brockes 9, 505). Weitere Zeugnisse sind:

'Die Alteu haben IchcncUg gesagt, wir sageu jetzt lebendig. Man merke auch Göttmncn und Hiddinnen' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 279« 'Die Endsilbe in, die den weiblichen Hauptwörtern zukömmt, wird von vielen mit einem doppelten n, als Fürstinn, Königinn u. s.w. geschrieben. Diese Schreibart kömmt von denjenigen Schriftstellern her, die ihrer be- sondern Mundart nach den Ton in der vielfachen Zahl solcher Wörter auf das in sezeu, und Fürstinen, Küniginen u.s.w. sprechen, welches sie denn schon in der einfachen Zahl durch das doppelte n anzeigen wollen. Allein das ist eine falsche Aussprache, wovon weder unsere Pfalz, noch viele andere Landschaften was wissen. Wir lassen den Ton in Königinen u. dgl. auf eben der Sylbe, auf welcher er in Königin lieget, nämlich auf der ersten ' Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 79.

Verwirrt ist diese erscheinimg bei Reichssiegel , der den accent mit der quantität verwechselt:

'Diese Wörter auf inn müssen darum nicht laug ausgesprochen werden, weil sie ein doppeltes nn haben; denn eben aus dieser Ursache haben sie ein doppeltes nn, weil das i kurz ist. . . . Wem aber das einfache n besser gefällt, der kann dasfelbige gleichwohl behalten, und künftighin Göt-ü-nen, Kö-ni-gT-nen u. d. gl. laug und gezogen sprechen ' Rechtschreibung 1761, s. 195.

Die stelle bei Freyer, Orthographie 1735, s. 57 deutet wohl auch auf diese erscheinung hin:

'Ferner verdoppeln zwar einige das n in der Endung in; indem sie Königinn, Fürstinn, Sängerinn schreiben; weil man im plurali spricht die Königinnen, Filrstinnen, Sängerinnen. Allein der usus hat diese Schreibart noch nicht also bestättiget, daß man derselben sicher folgen könnte.'

Ebenso die angäbe bei Omeis, Anleitung 1712, s. 316:

'Hier fragt sichs, ob ich in singulari schreiben soll Heldin, Keiserin, Königin, Prinzeßin, oder Heldinn, Königinn, weil es in plurali heißet die Keiserinnen, Königimten; terminatio aber accidentalis in plurali ist en, und nicht )ien. Hierauf dienet zur Antwort: der Gebrauch habe schon längsten eingeführet, daß ich schreibe die Keiserin und Keiserinnen; die Königin, und Königinnen. Was aber die Wörter Heldin und Prinzeßin anlanget, wollen etliche die letzte Syllben ohn eine, in plurali, kurz aus- sprechen und schreiben: Hcldinen, Prinzeßinen:

Wie Hemmer für die Pfalz (s. oben), so bezeugt Xast für Schwaben, Antesperg für Wien, Lignet für Schlesien, daß die Silbe -in den accent dort nicht trug:

'Das inn, wenn der Accent darauf gesezt wird, ist gänzlich uuteutsch" Nast, Sprachforscher 1777, s. 66; 'Hingegen bekommen einen Langzweykurz (dactylum) das ist, die erste lang und die letzten zwo kurz, die zweysylbige Wörter, welche ausgehen auf in . . . , wann sie eine Eudsylbe annehmen.

382 TßlTSCHLEß

Z. E GötUnen^ Autesperg, Kays. Gramm. 1750, s. 426; 'Können den

di Schwäbischen Herren Forscher unserer Schpräche Äbtissinnen, Prinzes- sinnen etwa nicht w w O , und Königinnen nicht w w läsen? müssen si um dar zwei n willen di Sylbe in mit däm Ton belägen? Welches freilich uudeutsch wäre. Aber di Meisuer, di Merker etc., wir es müsten den Leute nicht fertig läsen gelernt habeu schprechen äben so wenig Ahtissi)icn, Frinzessinen, Königinen (NB. in dar vörlezten Svlbe ein langes i), als ich glauben wil, das es di Süddeutschen tun' Liguet, Gram- matikalien 1780, s. 25.

Bei der Ordnung der folgenden belege halte ich mich an Wilmanns gramraatik 1, § 340 ff.

von und miß vor dem verbum sind unbetont (Wil- manns § 357), vor dem nomen betont: 'Eben so verkürzte man das untrennbare voll in vollenden, vollführen (alt vollfordern), vollstrccJcen, vollsiehn, Volhug . . . Verkürzt schwebt es in vollauf und vollkommen' Voß, Zeitmessung 1882, s. 26; mittelzeitig sei: ^mis vor abgekürzten Handlungswörtern: misfdllen {misgefallen), mislingen, misrathen, und mishanddn, für übel behandeln; in mis fällig ist es wieder hochtonig' ebda. s. 28. Daß in einem verse in Seumes lexikon 1733, s. 52 mißrät mit erstbetonung vorkommt, ist dichterische freiheit: 'Eh und bevor du greiffst zur Ehe, must du beten; die Ehe mißrätli sonst, und du ver- dirbst in Nöthen.'

Hierher gehören noch folgende belege, die zu den von Wilmanns gegebenen regeln stimmen:

'In offenbar, offenbaren fält ier Wortton algemciner, obgleich nicht richtiger auf die dritte Silbe' Kichter, Krit. Anm. 1784, s. 49; 'Tieftonig ist die Bestimmungssilbe in frohlocken, lobsingen. . . . ' Voß, Zeitmessung 1802, s. 23; 'Will ist mittelzeitig in willkommen; laug behielt es der Will- kommen und bewillkommen' ebda. s. 27.

Für ivillfnhren bezeugt Braun, Dicht- und Versekunst 1772, s. 21 erstbetonung. Adelung schreibt:

'Den Ton werfen auf das Verbum, und bedürfen folglich im Participio Präteriti des Augmenti nicht: 2) die mit den drey Umstandswörtern hinter,

voll und wider, contra, zusammen gesetzten Wenn daher voll vor

einem Verbo den Ton hat, voll gießen, voll machen, voll schütten, voll loerden, so können beyde auch nicht als zusammen gesetzt angesehen werden. 3) Die beyden lobpreisen \\\\A lobsingen ..' Lehrgebäude 1, 1782, 8.860; 'Nur die mit miß zusammen gesetzten machen hier eine Ausnahme, oder viel- mehr sie sind von gedoppelter Art. Die meisten haben 1) den Ton auf der Partikel, und bekommen folglich das gewöhnliche Augment. Nur in der Stellung desselben, und des zu im Infinitive findet sich ein Unterschied,

ZUS AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 383

welcher sonst bey keinen andern Verbis beobachtet wird. Sind sie Activa, so nehmen sie das ge und zu vorsieh: mißbilligen, mißbrauchen, mißdeuten,

mißgönnen, mißkennen, mißleiten Sind sie aber Neutra, so treten beyde

in die Mitte: mißarten ... mißbiethen; mißgebären ... mißgehen ... miß- glücken ... mißlingen; ob mau gleich auch häufig sagt, mißlungen, zu mißlingen, welches aber nur dann richtig ist, wenn der Ton auf dem Verbo

ruhet, mißlingen; mißtönen 2) Einige wenige v/erfen den Ton auf

das Verbum, und diese haben kein Augment: mißfällen, mißverstehen, miß- lingen, (wenn mau es so ausspricht,) mißrdthen, nicht gerathen, als ein Neutrum, und ^viderrathen, als ein Activum ...' ebda. s. 861.

Lehrg-ebäude 2, 1782, s. 269 wiederholt Adelung, daß die mit hinter, voll und wider und einige mit miß zusammen- gesetzten verba den accent niclit auf der partikel tragen;

'ferner, die mit auser und auf er zusammen gesetzten und ihre Ab- leitungen: auferstehen, atcserlesen, auserkören Endlich gehöret hierher

noch kalmäusern, welches den Ton gleichfalls auf das Grundwort legt ,

indem das ähnliche düchnäusern den Ton auf dem Bestimmungsworte trägt' ebda. s. 269.

Für die verba auf -ensen behauptet Rüdiger betonung der silbe ens: 'Hingegen haben insbesondere die Wörter wie jadenzcn nach meinem Gehör wieder die Regel den ganzen Ton allein auf der Endung, eben so wie handtiren u. d. g.' Zuwachs der Sprachkunde 3, 1784, s. 79. Unsicher ist lioncchen, ausecken: ^^^^^-\ ecken kann der Mensch die Armen und die

Aus- I

Reichen' Seume, Lexikon 1733, s. 95.

Die nach Behaghel durch das streben nach bequemerer gewichtsverteilung veranlaßte accentverschiebung zeigt sich im 18. jh. in demselben umfang wie heute, sowohl im norden wie im Süden. So sagt Adelung 'em Feldweges iveit, . . . aber der Feldweg, des Feldivcges' Lehrgebäude 2, 1782, s. 268. Zu Wil- manns § 353 gehören folgende belege:

'Tief tonig ist die Bestimmuugssilbe in . . . Jahrhundert, Ostindien (wo es nicht dem JVestindien entgegensteht), Neuholland, Stralsund. Greifs- iocdde, Südost, Südsüdost, Frohideichnam, Palmsonntag, Ostermontag, und den Beiwörtern von übertriebenem Nachdruck handgreiflich (aus hand- greiflich entstellt), herzinnig, dienstwillig, leibeigen' VoJ3, Zeitmessung 1802, s. 24; 'In Titeln werden, besonders vor zusammengesezten Wörtern, welche schon auszeichnenden Ton haben, die ehrenden Vorsäze, Aveil sie, als vielen gemein, nicht mehr sonderlich auszeichnen, oft tief tonig gelassen: Hof- oder Feldmärschal, Eeichshöfratli, Schlosshaüptmann, Landämman, Stifts- dmtmann, Landförstmeister, Erztruchseß, Erz- oder Erbkümmercr, Land- syndicus, in Hamburg sogar Eathsküchelbecker und Eathsdiener' ebda.

384 TRITSCHLER

s. 24f.; 'Ist das Grundwort zusamnieug-esetzt, das Bestimmnng-swort aber einsylbig-, so bleibt der Ton, wenn gleich ein neues Bestimmungswort davor kommt; daher der Ton alsdann auf dem mittlem Worte ruhet: Feldbäuhimsf, weil es aus Feld imd Bmd-unst zusammengesetzt ist; wäre es aus Feldhall und Kunst zusammen gesetzt, so müßte es Feldhaukunst heissen. So auch Frohiüeichnam, Großiwfmeister, Hatiptbösewicht, Feld- märscliall, Hofposhneisier, Kreishüuptiiuvin, Kriegsschauplatz, Erhjüger- meister, Erhschätzmeister, AUgegemcart, Bergnüchfahrer, Erhzinsgut, Kreis- ähschied. Eben dieses gilt auch, wenn mehrere Bestimmungswörter vor einem zusammen gesetzten Grundworte vermittelst des Bindezeichens ver- bunden werden: Groß-Kron-Feldlierr, Eeichs-General-FeldmürschaU; welches keine eigentlichen Zusammensetzungen sind, weil sie dreytheilig sind, indem Groß- Krön und Beiclis- General nicht als ein Ganzes angesehen werden, folglich auch kein zusammen gesetztes Wort ausmachen können" Adelung, Lehrgebäude 2, 1782, s. 273. ^Mittag und Mitternacht haben den Accent fast lieber hinten als vornen' Aicbiuger, Sprachlehre 1754:, s. 115; ^Mitter- nacht aber hatt den Accent lieber hinten, als vornen' Hempel, Sprachlehre 1754, s. 112; 'Die dreypylbige (trisyllaba) Composita deren Subject ein- sylbig ist, haben die erste Sylbe kurz, die änderte lang, die dritte wiederum kurz. Z. E. HidfsmlttH, BYichhinder, Blntsaüger, Städstürmcr, )mmässen, dergleichen, etc.' Antesperg, Kays. Gramm. 1750, s. 4'27; Vorlesungen Glogau u. Leipzig 1764, s. 154 ist diese stelle aus Antesperg wörtlich abgeschrieben. Rüdiger, Zuwachs der Sprachkunde 2, 1783, s. 136 nennt die 'Versetzung des Tons z. B. in Marie auf die erste, in Mitiagsbrod, Brannitveinschank, zu Mittage auf die vorletzte Sylbe" unrichtig. 'Aber veraltete oder ent- stellte Stammsilben vor hochtonigen Längen sind mittelzeitig, und mehr oder weniger der Kürze nahe: Konipan, Kamien, Sticgliz, Ilauhize, Morast, Karhutsche, Karniffeln, Karthaiuie, Kartoffel, Hamhutte, Holunder, Wa- cholder, Kalmiiuser, Kaidaunen, Scharmüzel, Kossat, Kajüte' Voß, Zeit- inessung 1802, s. 16; 'Das übrigens hochtonige nr {Ursprung, nrthcilen) ist durch tiefen Ton mittelzeitig in Urähnherr, Urältervater und urplözlicK' ebda. s. 28; 'Dahin gehören: Von Substantiven, einige vielsylbige Zu- sammensetzungen mit all, AUwissenheit, Alhceisheit, Allgegenwart, AU- gem'igsamkeit u. s. f. . . . . ingleichen, Ilahnhiitte, doch oft und richtiger auch Jlahnhutte, und noch besser Ildgebuite, Ilohh'inder, Kalmiiuser, Kaldduncn. ... Ferner einige vielsylbige Zusammensetzungen mit Zahlwörtern: Brey- cinigkcit, DregfVdtigkeit, Dreyheller, Achtpfi'inder und so ferner' Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 268.

Vgl. auch E.V.Kleist, Der Frühling:

' In Einer holden Verwirrung

Drängt sich //a»ifcit«e«gesträuch voll feuriger Sternchen, mit Quitzbaum, Hollünder, raüchem Wachhölder, und sich umarmenden Palmen'.

Unsicher, wie alles in Seumes lexikon 1733, ist die be- tonung Ameisen und Dockmäüser: 'Ameisen sinds, wohin die Schrifft die Faulen w^eist' s. 146: doch daß Seume Ameisen

ZUR AUSSPRACHE DES NUD. IM 1«. JAHRHUNDERT. 385

gegen die Meisen abgrenzt, deutet mit walu-scheinliclikeit auf Aweisen hin; •Doekmaüstrs Sinn und Tliun auf ßofllieit lieini- licli zielt' s. 40.

Für die mit all-, ua-, ur- u. s. w. zusammengesetzten ad- jective lassen sieh bestimmte regeln der betonung für das 18. jh. so wenig geljen wie für die heutige zeit. Die betonung schwankt:

'In etliclieu adiectivis uml den dalier eutsteliendeu substantivis, als: (lU)niirhti(i. uiutKSsju-cc/ih'cJt, unemUicIt, mu rsiittlich, tun r^i'Jnc/iir/Iirli, ini- <j}(uihlid,, Hiivenjhuchli'h^ roUi;umnnn. l'nr.uUichkeä, Viia-^nüUdikeit, Voll- Iconnuenheil, u. d.gl. kann der Accciit, iiarlidem es der Nachdruck der Rede erfodert. bald auf der vrirderstrii Syllbe. bald auf der Staiuinsyllbe seyu" Aicbiiiger, Spiachldire \TA, s. Uö; -Dit Z\vuykurzlani4- (aiiapacstUfi.) z. E. ... \udnsur(iL' Aute-spery-, Ivay.-;. (Iraunii. ITfiO. 8.430; -In uiiniiii nicht immer den Tun an sich, sondern last ilm cfl dem folgenden Tlieile der Zusammensetzung-, z. E. aufilrrlihcli, unnr/inft, niuji num i.md Onij.mi'hi. nn- schiililiii und i'iisrhtililui. Auf^lriclie Art sa^t mau fr^iiriilui und fretu-iUuj' Heyuatz, Siiraclilehrf ITT'J, s. -JT!». ' E1}imi so auch in manchen Zusanunen- setzunycn, wie I'-rhiintter, f^tucilliiiluiri/. fc/.svc/'.s'v/, iiiniKiiilidi, i()i.<(hilich u.d.y:. Die den Ttui wit^ler die -■cm.iue Kci;-'! auf der letzten liiiltte Ite- halteu" Kiidiger, Zuwachs der Sprachkunde :!. 17.S4, s. 7t): •l'aiiiu gehiiren: von Beseliaffenlieitswiirtern. 1) Kinige Zusammensetzungen mit (th: nhhi'lf- lich, ((hsin'i>><h'ij. (thir.'ii'h'fi. (ih.o'niiltii'r/i. nlnn'ijsdm, dhln^/ir/i, und iiire Gegensätze mit im. iiniilduMirh. '2) l>ie mit "//: nllein. allcnmi. <it!wmhli,i, (ob mau -leich sagt dir AUmurld.) allun'U>li;i, allwaSi: r./Z/r/.vsr/«/, allt/inig. 3) I'ie >uperlative mit alUr: ,ill,rbr.<t, der aücnjrniUc, der (dlcrlubsW. 4j N'iele mit aus: iiiisliiocl/ij, inisdrt":kiirh. ((ii.<fidirl/(li. ansni/unend, mi.'i- sprceld/ch. und die davon abgeleiteten und iliie (legensätze niit iin: .l»s- fiihrliddicif, A usdrncldicldccit, UHaasluseldiclt, iDniiis.^prrr/dic/i, i'i«ui.<spn'rh- lichkeit. ."■)) l»ie uudsten mit (iraß, icolil und liurh zusammen gesetzten Titelwdrler: (jroj-innicld/ii. iirvf-UjiDistig, (jr<>iWi(hibiu\ iruldvdci wo/dweise, ivolil(jcb<ireii, hochadcUii. Iiuc/tdlcl, hochgebönii, hochjurstldli, huclujiv/irt, }ioch(iclihrt, livdmardiij, hoclniuthitj] aber hocldn'liKjt, hücldietrmd, hörh- vitdhiij. Iincldrabcinl. (1) \'iele mit Zahlwörtern zusammen gesetzte: add- jühri(j. drejitatjiij. :icei/!<ed/;i, scdisi'd:i(j, fniii]ijit)tdiii. f^icbeumnJdifj. drcif- lu'rri(j; welche doch auch oft den Ton auf dem Bestimmungsworte haben. 7) Etwa noch folgende: aulkrördndlidi, b(da(unisdt. bann/u'-rzifi. Jjiinii- hirzigkeü, bediiiöijlirhst, dicnsienjdjeit, dienstfreioidl/ch. diciistwdl/ijy friij- ei(je)i, frei/trdl/g. Itandgrtiffh'di. Itditjitsddilidi, herz/xn/f/. hohhcldj, iii^taitd/g, notliwcndiij, (aber auch häufig nöiluvendig.) voriuhndidi und so ferner, avo aber doch der Ton oft auch auf das Bestimmungswort geleget wird, bimn- herzig und so ferner' Adelung. Lehrgebäude 1782. s. 268 f.; 'In einigen vielsilbigeu Zusammensetzungen ruht der Ton auf der Stammsylbe des zweiteu Worts: AUicu^seidted, Dregtinigked, absönderlidf. desgleich in ab- iccndig. uUicclsc, allmäddig, uusdrücklidi, ctusßhrlidi. unat(S!i]jrL'ddk'h, un-

386 TRITSCHLER

aufhaltsam, unabsehbar, großmächtig, tvohhcelse, hochunirdig u.s.w.' Klügel, Enzyclopädie 3, 1784, s. 584; 'Mittelzeitig ist un vor Mittelwörtern, un- belohnend, unbelohnt; daß also das Beiwort iingelehrl, ungerecht, sein un immer laug hat, das Mittelwort iingelehrt, ungerächt, es besser verkürzt. .... Ferner ist toi uiittelzeitig vor Beiwörtern auf bar, lieh imd sani, die von einem Handhiugswort abstammen: undenkbar (leidend), unscheinbar (handelnd); unmerklich, unsterblich; unbildsam. Zu diesen Verbalen gehört unstreitig für unbestreitbar, tmuntenvürflg, und aus Opizens Sprache un- ersüttig, unleidig. Selbst den folgenden Längen ab, an, auf, aus, nach, wieder, entzieht un den hohen Ton: xmahschbar, unnachahmlich, umcieder- bringlich' Yoß, Zeitmessung 1802, s. 29; 'Die durch häufigen Gebrauch geschwächten Verstärkungen, all, hoch, wohl, groß, viel, voll, wurden aus tieftoniger Länge zum Theil mittelzeitig, zum Theil kurz. All, welches in Allvater, allgegemväriig, allbarmherzig, der Hauptregel folgt, ist mittel- zeitig in allmächtig, albceise, und andern der Art, wo es vor Einer Länge steht: ferner in almählich, alstets, athier, alda, also; in den zwei letzten auch lang; endlich kurz in allein. Hoch, wohl, groß, mittelzeiüg in Titeln: hochädlicli, icohledel, hoch- tmd wohlsclig, großmächiig; lang nur vor einer Kürze oder zwei Längen, hochgebohren, hochfreiherrlich. Das veraltete höchedel hat Ton und Würde vou hochherzig; aber Eure Höchedeln werden behend abgefertigt. Auch in tvohlan, icohlauf, schwebt tcohl zur Kürze; da das unverbrauchte frisch auf ein steigender Spondeus ist' ebda. s. 25f.; 'Andere, die von der Eegel abzugehn scheinen: abscheulich, vörtreflich, vornemlich, vorzüglich, absonderlich (besonders), ausnehmend (sehr), außer- ordentlich, ausbündig, atiserlesen, ausdrücklich, ausführlich, überlatd, über- mäßig, überschwenglich: wurden entstellt durch des Lobes und des Tadels übertreibenden Nachdruck, der beide Längen mit erböhter Stimme aus- dehnte. Eben so ungemein, unmenschlich, unglücklich, unglückselig, noth- tvendig, in schreiendem Ton vorgetragen: der sogar mittelzeitigeu Silben, wie leibhaftig, icahrhaftig, elendiglich, Gewalt anthat' ebda. s. 33f.

Aucli andere, nicht mit einer dieser Vorsilben zusammen- gesetzte adjective nehmen tonverschiebung an. So zeigt schon der eben angeführte beleg von Voß: leibhaftig, u-uhrhdftig, elendiglich. Schon Schot tel hatte dies beobachtet. Aber ihm widerspricht Omeis, Anleitung 1712, s. 64:

'Und hat dieses keinen Grund, wann Herr Schottel und andere wollen, daß, wann zu diesen Wörtern am Ende noch eine Syllbe kommt, als Kunst- Wörter, Dank-Lieder, die erste Syllbe hernach für kurz könne gebrauchet werden; ah sänft^nüiig, Künst-Wörter\ Bödiker schreibt: 'Bisweilen können die Derivations -Sylben, bar, haft, heit, inn, isch, keit, lieh, ling, niß, sal, sam, haft, tum, verlängert werden, wenn sie in die andere oder dritte Sylbe fallen. Lebhafte Bilder. Lönbäre Mühe. Furchtsames Hasenherz. Tügend- sänu'S Kind' Grundsätze 17-lG; 'Die zweysylbige "Wurzel = abgeleitete und zusammen gesetzte "Wörter, Avann sie die Endsylbeu ig, e, er, en, etc. zu sich nehmen, bekommen den Ton in der zweyten Sylbe, das ist, die erste

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 387

kurz, die änderte lang-, und die dritte kurz. Z. E. sänftmütJug, tvegfehrfig, rückständig, WmdJmnde, Künshvörier, Zvnsgüter, glönvürdig, Soldaten, Propheten, Planeten, etc.' Antesperg, Kays. Gramm. 1750, s. 425 f.; 'In ivalir- liaftig ist die erste gezogen, die andre steigend, die dritte sinkend' Heinze, Anm. 1759, s. 210.

Präpositionen, die mit einem abliäugig-en nomen oder pro- nomen verschmelzen, bleiben ihm im accent untergeordnet:

'Manche haben ein eigentliches Vorwort: ahhänden (von Händen), obhänden, vorhanden, inngleichen, ingeheim, fürlieh, fürwahr, überall, über- haupt, überziverg, unterwegs, zufrieden (in Frieden), zuweilen^ Voß, Zeit- messung 1802, s. 34; Adelung betont: 'Auf der letzten Hälfte: 1) Die- jenigen, welche sich mit all, allen, alle)-, allzu und als anfangen: allhier, allgemein, allezeit, das veraltete alldieiceü, allbereit, allda, alldort, allcmahl, allenfalls, allenthalben, allerdings, allererst, allerhand, allerlei/, allernächst, allerseits, allesammt, alsbald, alsdann, also, allzuviel, allzusehr. 2) Die- jenigen, welche sich mit an, bey und bis anfangen: anbey, anheim, anher, anjetzt, annoch, beijan, (besser bey an,) beynahe, beysammen, beyseit, bisher, bisweilen. 3) Einige mit da: dafern, daheim, dahinten, danieder. In den meisten übrigen wechselt der Ton nach der Bedeutung oder dem Willkühre. 4) Viele mit der: dereinst, dermahleinst, derhalben, desgleichen, dieiceil, derselbe, derjenige, dermaßen, demnach, deswegen. 5) Die mit ehe, ein, em und ent: ehedem, ehedessen, einander, einher, empor, entgegen, enticeder, entztvey. 6) Die mit fort und hin: fortan, forthin, hinan, hinab, hindurch, hinweg, hinauf, hinaus, hinein, hinfort, hinüber. 7) Die mit je, in i;nd im: jedoch, jedemioch, (ausgenommen jemals, jemand,) immittelst, indem, in- dessen, insonderheit, ingleichen, inzwischen. 8) Die mit über und um: überaus, überein, übereck, überhand, überhaupt, überhin, überlaut, umher, umhin, umsonst. 9) Die mit vor und zu: vorhey, voran, vorhin, vorher, zuvor, zugegen. 10) Noch folgende einzele: fürwahr, gleichwie, mithin, nachdem, nachher, nunmehr, (auch nunmehr,) obivohl, obgleich, obschon, nimmermehr, (&uch. nimmermehr,) kurzum, und vielleicht noch andere mehr' Lehrgebäude 2, 1782, s. 271 f. Vgl. auch Gottsched, Sprachkunst^ s.610; Faber, Schöne Wissenschaften 1767, s. 196; Braun, Dicht- und Versekunst 1772, S.21; Maitre de la langue a. 1782, s. 438.

Dagegen als zweite compositionsglieder pflegen sowohl die Präpositionen als andere Partikeln und adverbien den hauptton zu tragen. Siehe Adelung, Lehrgebäude 2, 1782, s. 271; ferner: 'In den Wörtern Bergauf, Bergab, Bergan bestimmen die Nach- silben, alb^o mus auch ihr Ton bestimmend sein' Weisenstein, Eegeln u. Bem. über d. Lesen u. Schreiben 1782, s. 106.

Zweierlei betonungsmöglichkeit haben wörtchen wie darum, also, jetzimd u.s.w.; s. Hentschel, Grundregeln 1720, s. 100; Anleitung z. T. Sprache von einem Priester d. Ges. Jesu 1744, 3,51; Bödiker, Grundsätze 1746, s.568.

388 TKITSCHLER

'Das Wort lebendig wird von Vielen nach der Regel ausgesprochen, so daß die erste Sj'llbe, als die Wurzel, den Acceut bekommt. Die meisten aber geben der mittlem Syllbe den Accent, ob sie schon von Natur kurz seyn sollte: welche Unrichtigkeit sonst in der ganzen teutschen Sprache nicht augetroffen wird' Aichinger, Sprachlehre 11 öi, s. 114; 'Mau bemerke sich die einzige Ausuame, lebendig, das unartige Wort, das den Accent auf end legt. Doch hört man auch hie und da die regelhafte Aussprache' Fulda, Grundregeln 1778, s. 33.

Der nebentou.

Für den nebenton gelten im 18. jh. sclion die gesetze unserer heutigen scliriftspraclie (Beliaghel, Grundriß 1. 115 ff.). Der höcliste nebenton steht bei compositis auf der silbe, die im Simplex den hochton trug. Für das verbum bezeugt dies Antesperg, Kays. Gramm. 1750, s. 42 f.:

'Die zweysylbige Zeitwörter (verba dissyllaba) wann sie mit einer absöuderlicheu Präposition componiret werden, haben die erste und änderte lang, die dritte kurz. Z. E. abschreiben, anzeigen, aufgeben, eintreffen, mtt- brlngen, obsiegen, darreichen, toBgträgen, ausschlagend, etc.';

für das nomen Fulda, Grundregeln 1778, s. 38.

Ferner:

'Die Nachwort- Glieder (Suffixa) bar, e, de, el, en, er, ern, haß, heit, ich, ig, in, isch, keit, Schaft, tum, ung u. d. sind in den zweisyllbigen Wörtern allezeit kurz: aber in den drei- oder mehrsyllbigen Wörtern können derer etliche auch lang werden' Omeis, Anleitung 1712, s. 64:; ebenso Fischlin, Deutsche Prosodie 1752, s, 13; Fulda, Grundregeln 1778, s. 40; Nast, Sprachforscher 1777, s. 190. 'Unabsonderlicb, und unselbständig, ganz kurz und ohne Ton sind die Vorsilben . . . und die Endsilben. Nur einige Reste des Archaismus bei den lezten geben sich ein Ansehen, von der Würde des Alters. Man überseze sie in Gedanken ins neue, und kleide sie stillschweigend in das heutige Gewand: so fällt ihre Halblange dahin: Trübsal in Trübsei, wie Bätsei. Ahorn in Ahern, wie ehern. Brosam wie Bresem. Heiland, heilend. Leumund, leumend. Heimat, Heimet, Leumut, Leumet. Ameis, in Arnes ..' Fulda, Grundregeln 1778, s. 39f.; 'Kurze Silben, die sicher keines eigentlichen Tons, noch einer Länge iähig sind, müsen, wenn sie in viersilbigen Wörtern die vorlezte Silbe ausmachen, eine Art von Daur und Erhebung bekommen, wenn sie sollen können aus- gesprochen werden' ebda. s. 40; ebenso Bödiker, Grundsätze 1746, s. 558; 'Die Archaischen: Trübsal, Ahorn, Heiland , und die gewesenen halb- selbständigen: dankbar, Freiheit, mannhaft sind kurz. Wenn sie aber selbst etwas zu regiren bekommen, und eine Ableitungssilbe an sich nemmen, so werden sie halblang, Trübsale, Ahorne , dankbare, Frei- heiten — ' Fulda, Grundregeln 1778, s. 41.

ZUR AUSSPRACnE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT. 389

'Wörter mit drey Accenten sind so gar gemein nicht. Z. E. Wider- wärtigJcetten' Hentschel, Grundregeln 1729, s. 100.

Sj^nkope des unbetonten mittel vocals zeigt sich bei Mäzke:

'Misstaht, Nachigall, Brüiitgam von Nacht und gall, von Braut und

gam, denn in Nachtigall oder Brrmtigamw ist das i ganz undeutsch'

Wörterfamilien 1780, s. 109.

II. Die i;- laute.

Die angaben der grammatiker über den lautwert des e nach einem andern als dem chrouologisclien gesichtspunkte zu ordnen, war nicht möglich. Wenn man den vocal nach seiner entstehung verfolgen und so das umlauts-e, das urgermanische e, das e aus urgerm. ai u.s.w. getrennt behandeln wollte, dann müßte man fast jeden beleg dreimal oder noch öfter anführen. Darum verzichte ich auf diese anordnung. Auch eine Zu- sammenstellung nach mundarten läßt sich nicht durchführen; denn einmal ist durchaus nicht jede angäbe beAveisend für die heimatliche mundart des betreffenden grammatikers: die an- gaben eines aus Berlin stammenden und in München lebenden mannes können für Berlin oder für München gelten, oder können eine ausgleicliung zwischen beiden bedeuten. Nur selten wird ausdrücklich gesagt, daß eine bestimmte mundart dem e diesen bestimmten, angegebenen lautwert verleihe. Und dann bleibt es oft unsicher, ob die forderung, die ein gram- matiker aufstellt, überhaupt auf einer mundartlichen gruud- lage beruht oder ob sie nicht vielmehr rein theoretisch, d.h. nach der angenommenen etymologie eines Wortes gerichtet ist. Aus der Schreibung jedenfalls darf nie mit Sicherheit irgend etwas geschlossen werden, denn etymologische Schreibungen sind außerordentlich zahlreich. Eine reihe von grammatikern verlangt die Schreibung hässer, spricht aber zweifellos hesser.

So habe ich mich also für die chronologische anordnung entschlossen. Der kämpf, der um die ausspräche geführt wird, läßt sich auch bei dieser Ordnung deutlich verfolgen. Die mundartenforschung kann dabei aus meiner arbeit ihre belege mit leichtigkeit heraussuchen und verwerten, soweit einige Sicherheit über mundartliche eigenheiten in manchen belegen gegeben ist.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 2G

390 TRITSCHLER

'Thöricht ist deßhalben, daß ich soll schreiben h(Wen für hehen. wärffen für tverffeu, Jähen für lehen, Sünden für senden. Dami man kau keinen Unterscheid machen unter dem e claro und obscuro, wo es nicht von allen vocalibus gelten soll, welche, per remissionem vel elationem soui, nicht können sofort in literas specie diversas, oder diphthongos verwandelt werden' Morhof, Unterricht von der Teutscheu Sprache und Poesie 1700, s. 426; 'bald ändern sich die Yocales, da haben wir ein klares £". gehen, stehen : bald ein dunckles, sehen, geschehen' Weise, Curiöse Gedancken von Deutschen Versen 1702, s. 9.

Volck von Wertheim schreibt in seiner Orthographie 1711:

'bläcJcen balare wie die Schafe mit einem ä, blocken mugire wie die Ochsen mit einem ö, blecken freudere, ringere die Zähne blecken mit einem einfachen e'; 'Es ist auch behutsam, zumal bei uns, umzugehen in Reimung der \Yörter, so ein lautes und dunkeles e haben. Also reimen sich nicht wol gehen und sehen; ehren und beschiveren: rvie schon vorlängsten Herr Buchner im Wegweiser Cap. XI und andere, angemerket. Daher dann diese Regel (die etliche machen wollen.) nicht angehet, daß man alle die Wörter zusammen reimen könne, so auf gleiche Art geschrieben werden, als leben, heben; da ich doch dem Laut nach beßer reimen kau Aehren, begehren, leeren, derer Wörter doch keines wie das andere geschrieben Avird. Wiewol hier wiederum das Ohr und die Mund -Art unterschiedlicher Lands-Leute, Schieds- Richter seyn kan'. Omeis, Anleitung 1712, .s. 87; 'Wann ein Teutsches Stamm -Wort zu seiner Kenn-Litter (litera characteristica) ein a hat, und im numero plurali dem Laut nach geändert wird, muß solches nicht in e, sondern in ein o* meisten theiis verändert werden: als Gräber, Männer, Stäbe. Auch in der Vergrößerung oder Comparatione, als stärker, kränker, von stark, krank; nicht weniger in den Zeit-Wörtern oder verbis, du blasest, fällest, weil man sagt, ich blase, falle.

* Ich sage meistentheils: dann in allen gehets schlechthin nicht an. Also haben die Alten 3Iensch und nicht Mansch geschrieben; da doch Mensch von Männisch herkommt. Also schreibt man heßlich, besser, ein- hellig, Eltern, die doch von Haß, bas. Hall, Alter abstammen' ebda. s. 309; 'Man denket nach, wo das Wort herkommt, und richtet sich in der Schreibart darnach. NB. Folgende Wörter werden ausgenommen, als fließen, gießen, heßlich, Eltern, Veiter, beßer, Hencker, tennen, Ergerniß, Einhelligkeit, Greuel etc.' Orthographie Embden 1716; 'Das e wird bald wie ein rechtes c, bald aber auch wie ein ä ausgesprochen. Denn a) wird es wie ein e pronuncieret und ausgesprochen, in diesen Worten: denn, fest, gehen, gerade, kehren, legen, das Netze, die l'redigt, die Hede, redlich, der liegen, die Schicemme, schwer, segnen, iceder etc. b) Wird es wie ein ä ausgesprochen in nachfolgenden Wörtern: denen, das Leben, lecken, der Nebel, das Nest, der liechen, selig, sehen, der Senf, die Stege, die Wellen etc.' TöUner, Orthographie 1718, s. 76; *rfer Bäcker, pistor, wird pronun- cieret als hies es: Becker, weil es bishero immer falsch mit einem e ge- schrieben worden, da es doch ex derivatione ein ä seyn soll' ebda. s. 78; 'Das Wort Schmär, adeps, wird meistentheils mit einem doppelten ee ge-

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT, 391

scliriebeu, Sclimeer, aber ohne Grnnd, sondern nur ans einer üblen Gewohn- heit. Daß es aber mit einem ä recht geschrieben werde, ist zu erkennen a) aus der Pronunciation , indem man es ja nicht, wie ein Wort, das mit

ee geschrieben wird, ausspricht, sondern wie ein Wort das ein ä hat '

ebda. s. 139; 'Das c wird verdoppelt, wenn die Sylbe gar lang aus- gesprochen wird, als: Seele, scheel, See, item Heer, leer, Meer, Beere, in welchen letztern das e grob ausgesprochen wird und sollte billig das eine

e gezeichnet werden, als das ä In Seelig, und Seeligkeit, wird nach

einiger Mundart das c hell und scharf nach anderer aber, sonderlich Meder- sachsen, grob und dunkel ausgesprochen, in nehmen, befehlen, fehl, stehlen, Mehl, etc. ist auch das e grob, ob schon ein h dahinter stehet' Wahn, Orthographie 1720, s. 19.

In Weiclimanns Poesie der Nieder-Sachsen gibt B.H.Brockes eine nntersucliung- über die reimendnugen bei. Es lohnt sieb, einzelne teile hier vollständig abzudrucken:

^E. Das e ist ein Laut-Buchstab, dessen sich die Tentschen in ihrer Sprache mehr, als eines andern, bedienen. Daher ist nicht zu verwundern, daß in der fast unzähligen Veränderung auch der Klang ziemlich verändert wird, und in Ober- und Nieder-Sachsen sich oft in der Aussprache ein merklicher Unterschied eräuget. Wir wollen dieselben, nach unserer bis- herigen Ahrt, ordentlich untersuchen. E allein, Eh, und Ec haben alle, so wol in Ober- als Meder-Sachseu, eine Aussprache, uemlich einen ganz hellen und freyeu Klang, e. g. Aloe, das lieh, die See. Eb und Ehe hin- gegen haben, wie die meisten Endungen in e, einen ganz andern Ton, nemlich ein c diphthongoides; so daß man fast gar keinen Unterschied zwischen eh und üh machen kann, als nur bey uns in dem einigen Worte Cuhehe. Alle die übrigen haben so wol hier, als droben, keinen Unter- schied, 6. g. hehe. Sehet, ivehen, die Leher etc. Ech, Eche etc. In diesen Endungen verändert sich das e abermals, und wird durch einen mehr ver- steckten Klang in allen Wörtern vorgebracht, e. g. Blech, ich hreche, die Hechel, steche)), der Becher, Zecher etc. Auf gleiche Weise verhält es sich in allen Wörtern, worin consonantes auf das ech folgen, e. g. rechnen, ivechseln etc. Dieses ist ohne Ausuame, und kommen so Ober- als Nieder- Sachsen hierin überein. Doch werden sechse und Gewächse bey uns wie eck ausgesprochen, denen die Herren Ober-Sachsen der Nächste noch hin- zuthuu . . . Eck und Ecke. Der Klang des e ist hier durchgehends wie in ech. Nur nemen die Nieder-Sachsen alle Wörter hievon aus, die aus andern Sprachen übernommen sind, welche sie durch ein deutliches e aus- sprechen, e. g. BiUiothec, der Apotheker etc. In welchen Wörtern auch das c vor dem k wegfällt. Ecket. Hier nemen die Nieder-Sachsen abermal die zwey Wörter ans: der Ekel, der Bekel; welche sie, ihrer Mund -Ahrt nach, per e diphthongoides aussprechen, da die Ober-Sachsen im Gegentheil sie per e darum expiimiren. In allen übrigen Endungen auf eck, es folgen für Buchstaben darauf, welche wollen, behält das e, wie schon erwehnet, einen versteckten und abgekürtzten Klang, so wol droben, als bey uns. Ede. Der Sclticede und die Ehede werden allenthalben durch ein langes e,

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392 TRITSCHLER

die Hede aber, nebst vielen davon herkommenden Wörtern, per e diphthon- goides ausgesprochen ; doch ziehen die Herreu Schlesier etwas mehr auf das laute e. Die Oesterreicher gehen noch weiter, und geben hierin der Aus- sprache der Frankfurter Juden nicht viel nach. Eden, Eder, und Edig lauten allenthalben, wie ein ä. Nur uemen die Meder-Sachsen hievon aus : der Garten Eden, die Ceder, der Catheder, Venedig. Ee behält allenthalben wie oben bereits erwehnet ist, den freyen Klang. Wenn aber ein r un- mittelbar darauf folget, wird solches als ein ä ausgesprochen, e. g. das Meer, ein Heer, leer, der Speer. Eg und Ege. Was die Verwechselung des eg mit dem eck bey den Herren Ober-Sachsen betrifft, davon ist oben bey ag bereits Erwehnung geschehen. Im übrigen stimmen beyde darin überein, daß sie alle in eg ausgehende Wörter durch ein schnelles und ab- gekürztes e aussprechen. Egen. Dieses e wird durchgeheuds wie ein ä ausgesprochen. Nur nemen die Ober-Sachsen das Wort egcn und gegen ; die Nieder-Sachsen aber nur gegen mit allen seineu abstammenden Wörtern hievon aus, e. g. die Gegend, begegnen etc. Ehe hat bey beyden seineu völligen und freyen Klang. Nur gehen die Ober-Sachsen in dem Worte sehen von ims ab, ohne daß ich die Ursache davon errahte. Sie sollten aber billig eine Aenderung hierin treffen, weil man nach ihrer Ahrt ich sehe Video, ich sähe viderem, und ich säe sero nicht wol unterscheiden kann. Wir begehen zwar nebst ihnen denselben Fehler in dem Worte der Wind ivehet; allein, anstatt einen Gleich-Laut zu machen, dienet solches doch noch zur Vermeidung desselben e. g. die Winde wehen, und die Wehen. Ehen. Von oben stehender Regel uemen beyde Nationen aus : drehen, krähen und nähen; welche bey der einen so wol, als bey der andern, Avie ein ä lauten,

womit auch die beyden letzten Wörter billig geschrieben werden

El und Ell haben keinen Unterschied, sondern werden fast gleich, nemlich durch ein halb verschlucktes e, ausgesprochen. Jedoch ziehen sie droben mit dem el etwas mehr auf das e darum, und zwar meines Erachtens nicht unrecht, um einen Unterschied zu macheu zwischen einem einfachen und gedoppelten /. Wir hingegen reimen das liundel, ein Camel, als welche zwey wir davon ausnehmen, alle übrige aber z. E. Israel, Gabriel etc. sprechen wir durch ein kurzes e aus, als wenn zwey II daselbst stünden. Eide. Es reimen die Herren Ober-Sachsen: zu Felde und das Gemähide, welches Avir nicht für rein halten. Ehler. Ein Felder und die Thäler ist bey uns, wegen Gleichheit des Tons, nicht unrecht. Ein Köler und schmäler ist viel härter, wie auch Fehler und Scheeler. Elle und Ellen. Ober- und Nieder-Sachsen reimen, ohne Verletzung des Gehörs: die Welle, die Bälle und die Hölle; Forellen, Wällen und Zöllen. Eilt. Er stellt und vcrmeldt, ist nicht gar zu rein gereimet. Em hat ein e diphthongoides e. g. dem, wem, bequem. Es nemen sich aber bey uns aus Bethlehem, Jerusalem, klemm, welches letzte aber mit einem doppelten w zu schreiben. Enken. Alle Wörter dieser Endung haben ein verstecktes e; doch reimen sie alle ganz rein mit änken, e. g. senken und Bänken. Auf gleiche Weise wird es auch mit den auf enden und änden ausgehenden Wörtern gehalten. Ene und Ehne. Ene wird allenthalben deutlich ausgesprochen, e. g. 3Iag- dalene, Sirene. Doch scheinets, als wenn die Ober-Sachsen jene von dieser

ZUR AUSSPRACHE DES NHL). IM 18. JAHRHUNDERT. 393

Regel ausuemen. Ehne bingegeu endet sich als ähne^ e. g. ich dehne, ich sehne etc. Aehne, ich entlehne nimmt sich aus zum Unterschiede des Worts lehne mich. Beyde reimt mau mit ohne; wiewol es weit reiner klingt: Irene und die Schöne, als ich gewehne und die Söhne. Schreibt man aber geivöhne mit einem ö, wie es billig seyu soll: so ist dieser Reim nicht im geringsten zu tadeln. End't und E>tnt. Es ist nicht gar rein gereimt: er cerpfünd't und er rennt, er schänd't und er kennt. Das erste müste in

der Aussprache etwas härter klingen Eps. Der Schöps und ich

geb's wird droben gereimet, welches wir nicht gern nachmachen mögten. Er und eer. Es ist be\' dem doppelten ce bereits Erwehnung geschehen, daß, so bald ein r unmittelbar darauf folget, der freye und helle Klang, den das e billig haben sollte, sich verändert, und gleichsam in ein ä ver- wandelt wird. So spricht man anders aus, z. E. die See und leer. Wiewol ich zugebe, daß wir Nieder -Sachsen dieß noch etwas mehr in die Länge ziehen. Der, wenn es nicht auf eine gewisse Sache gehet, und nur als ein Artikel gesetzet ist, sollte billig durch ein abgekürztes e ausgesprochen werden, e. g. der Mann, der Hund; anders aber, wenn es gleichsam vorauf zeiget, e. g. Der Mann, und nicht ein anderer; allwo der Accent oder Nachdruck den Ton nicht unbillig verändert, und ihm gewisser Massen den Klang des ä mittheilet. Wer, wird droben mit dem Worte tcär in der Aussprache verwechselt, worin wir einen Unterschied machen, und das erste durch ein verstecktes e, das andere hingegen als ein e diphthongoides

aussprechen Erd, ert, und ehrt. In diesen ist kein sonderlicher

Unterschied. Nur sprechen sie droben die Wörter: verhehrt, versehH etc. durch ein helles e aus, und hingegen: er kehrt, bekehrt, per e diphthon- goides, welches wir hier gerade umkehren. Erde. Die Ober- Sachsen reimen: die Erde, und Gehährde; wir hingegen die Erde, und ich werde.

Ergt. Verbergt und inerkt halten wir nicht für rein Est. Das Nest

wird bey uns durch ein halb verschlucktes e; droben fast wie ein ö aus- gesprochen. Et, Etf, Eth. Von denen Wörtern, die droben per e darum ausgesprochen werden, nemeu wir folgende aus: ein Stilett, ein Cabinett, ein S2)inett, Banket, welche bei uns einen freyen und deutlichen Klang haben. In dem Worte Brett, welches bey ihnen, und zwar mit Recht, ein e diphthongoides hat, wie auch in fett, nett, wird gleichfalls das e bey uns abgekürzet; ihr seht hingegen hat bey uns einen hellen und natürlichen Klang, wie bereits oben erwehnet worden. Ete verhält sich wie et, und unterscheiden wir stete, unstete, durch ein freyes e von Städte. Ette. Wir unterscheiden gleichfalls in der Aussprache das Wort ich red'te von ich rette per e diphthongoides.'

'E. Cette voyelle a le meme son que l'e ouvert Frangois. Ex. der degen, Tepee, das ebenholz, l'ebene' Leopold, L'Art de parier 1728; 'Bey einem jeden Reime wird erfodert a) daß die Reim-Vocales oder Diphthongi bey der laugen Sylbe und alle darauf folgende Buchstaben, der Aussprache nach, einerley sej-n. Also gilt nicht ein e darum und obscurum. z. E. Sehen : gehen' Hentschel, Grundregeln 1729, s. 103; Seume, Lexikon 1733 schreibt enthüren und entbehren s. 16, beschüren und bescheeren s. 22, beten und bäten s.23; 'Der Herr Professor reimet z.E. p. 49 entehrt mit ivieder-

S94 TRITSCHF.ER

Tcelirt. Diesen Reim wird keiu Scblesier gelten lassen" Gottsched, Beytr. z. crit. Hist. 6 (1733), s. 222; 'soll ich schreiben zählen, ivählen, von ZaJiI, Wahl, oder zehlen, loehlen?' ebda.; 'mit einem ä müsten ans oben an- gegebenen zween Gründen folgende "Wörter geschrieben werden: übertäuben, von taub; lästern von Laster: hängen von hangen; wählen, erwühlen von Wahl; zählen, erzählen, unzählig von Zahl; überschtcänglich von Über- schtvang; Bär von baar, ursus; Hälfte von halb; einschränken von schranken; fähig von fahen, fangen; gäbe in der unvollendeten Zeit, von gab; träge, Trägheit, weil es meinem Bedünken nach von Tragen ab- stammet, und man auch so spricht; icärts, niederwärts, weil viele warts sprechen; häute pelles, heute liodie; etzen insculpere, äzen inescare von az, auf die Az gehen; doch kenntlich braucht mau mit keinem « zuschreiben, weil es von Kennen herkommt. Diese Worte habe ich alle bey ver- schiedeneu, die sich der Rechtschreibung befleißigen, mit eiuera e ge- schrieben angetroffen, aber unrecht' ebda. 4 (1733) , s. 620; Hallbauer, Oratorie 1736, s. 165 schreibt 'Scheben, vom Flachs, nicht Schaben: ich schele, nicht ich schäle; ich schere, nicht ich schäre; die Schere, nicht Schüre; das Schmcer, nicht das Schmär; das Schrecken, nicht Schrücken . . . der Schivengel, nicht Schicüngel; schweren, suppurare, nicht schwären; Schiver, ulcus, nicht Schwär'' und s. 166 'zehlen nicht zählen'; 'Das ä oder ae, so eigentlich nur als ein e anzusehen ist, das Einen Laut hat, sprechen sie ganz verkehrt aus: Matthäus für Mattheus; Sadduzäer für Sadduzecr; Pharisäer für Fhuriseer, u. s. f. Diese drey "Wörter mülien zwar nicht mit ee geschrieben, aber doch so ausgesprochen Averden, weil das ae im Teutschen keiu Diphthongus oder doppelter "N^'ocalis ist' Crispin, Anweisung 1742, s. 14; 'Also reimen sich auch nicht Held, und hält, ob- schon ein anderer Buchstaben gesetzt seye, dieweil sie in der Aussprache voneinander kaum unterschieden werden" Anleitung z. T. Spr. v. e. Priester d. Ges. Jesu 1744, 3, s. 54; Hauptmann, Einladungsschrift 1752, s. 7 mißbilligt die Doppelsclireibung des Vokals, aber 'ein anders ist es, ... wenn er den schärfern Ton anzeiget, da sonst e vor r wie ä gelesen wird. Beere, Heer, leer, Meer\ Hauptmann spricht also in dieseu Worten ge- schlossenes e. 'Die meisten sprechen nicht ädel, sondern edel' ebda, s.7; Eicigkcit aevitas, predigen praedicare, Ägypten Al'yvnTog sollen 'wegen der Aussprache, des Gebrauchs und der Übereinstimmung mit andern Sprachen' mit e geschrieben werden, ebda. s. 4; 'Ich schreibe Kese, und nicht Käse, wie es der üble Gebrauch eingeführet hat' Stockwisch Spott- richter, Abfertigung 1754; 'Der Oberländer spricht das Meer (mare) aus, wie der Meißner, oder gewißlich der Niedersachse, sein mehr, plus, d.i. wie ein Franzose das mer vorbiingen würde. Hingegen lautet das mehr, plus, in Oberteutschlaud, wie mähr im Munde eines Meißners. Der Ober- länder sagt leben, vivere, vita; Degen, gladius, mit einem scharfen e; sehen, stehen, mit einem dicken e: der Meißner leben, Degen; sehen, stehen. Die Niedersaclisen unterscheiden überaus deutlich das e und e. Man gebe nur Acht, wie sie Wehle (so ein Marschländisch Wort ist) und Welle, fluctus; liegen, lineae, und liegen, pluvia, so schön auseinander sezen' Popo witsch , Untersuchungen vom Meere 1750, s. 92. PopoAvitsch verlaugt

ZUR AUSSPRACHE DES NIIÜ. IM 18. JAHRHUNDERT. 305

von einer Grammatik, daß augegeben werde, wann das e oifen, nnd wann geschlossen ansznsprechen sei. Der Oberländer bedürfe dieser Hilfe: ' Wenn er einen Sachsen reden höret, so merket er fleißig auf, wie derselbe gewisse Wörter vorbringe. Er beobachtet, daß dieser mehr, plus, sehr, valde, wehren, sehen, gehen, stehen u. s. f. spreche. Er verfasset sich folgende Regel: Das Teutsche e vor dem h klinget scharf. Diese Lehre wäre deutlich. Allein ist sie auch richtig und allgemein? Dergleichen Erörterungen und Entscheidungen nun suchet ein Oberteutscher, vor allen andern Abhandlungen, in einer gründlichen Teutschen Sprachlehre' ebda, s. 93; 'Hr. Gottsched schreibet (im Gesänge von der Oberpfalz) Gems. Allein aus der Steyermärkischeu, Oesterreichischen, Bayerischen etc. Mund- art kann derselbe ersehen, daß er Güms hätte schreiben sollen. In allen iztgedachten Ländern sagt man Güms'' ebda. s. 291; 'Das lateinische aes gibt Frisch im Teutschen mit Erz, Hederich mit Erzt. Eine dieser Schreibarten wird sich in diesem Werke finden, vielleicht beide; denn ich besorgte, man möchte mich einen Neuerer nennen, wenn ich Aerz gesezt hätte, welches richtig ist. Die Oberländer, derer Mnudart eine getreue Yerwahrerin der Stammvocalen ist, zum Avenigsten die Stejermärker, Oesterreicher, Bayern, sprechen A'rz, mit ihrem hellen Ä' ebda. s. 413; 'Das wehen flare, spirare, ist mit seinen Angehörigen eines derjenigen Wörter, die ich mit einem ä hätte schreiben können, weil ich wußte, daß ein a ihr Stammvocal sey. Die Steyermärker und Oesterreicher sagen wühen, ..." ebda. s. 420; 'Ferner schreibe ich, schwär, schivürlich, he- schwärh'ch, weil alle alte Mundarten in dem Grundwerte ein ü oder a haben . . . Ich sehe nicht, wie die Herren Sachsen, in ihi'em schwer, das scharfe e rechtfertigen können. Bei Gelegenheit des Wortes rechtfertigen, erinnere ich, daß die Gelehrten noch nicht einig sind, ob man fertig oder fdrtig schreiben soll" Popowitsch, Anfangsgründe d. T. Spraciikunst 1754, vorrede s. 35; 'Das Ä spricht man heutiges Tages aus, wie ein dickes E; denn z.B. in stählern lautet es, wie das eh in stehlen' ebda. s. 4; 'Die neuern Sprachrichter schreiben nun Fässel, compes, Aveil das Wort von fassen kommt. Wenn ein Österreicher dieses lesen sollte, der Manu ist verurtheilet worden, in Fusseln sein Leben zuzubringen, so würde ihm die Strafe, welche man dem Manne zuerkannt hat, lächerlich vorkommen. Denn Fässel bedeutet in Österreich ein kleines Faß. In der Bedeutung eines Fußeisens ist das Wort, zum wenigsten denjenigen unter dem ge- meinen Volke, die keine Hochteutschen Bücher lesen, unbekannt" ebda, s. 460; 'Einige schreiben auch drängen, schwämmen, sänken, yon dringen, schwimmen, sinken, vermuthlich, weil man, ich drang, schioamm, sank, spricht. Allein, wenn diese Schriftsteller die Sprachähnlichkeit beobachten wollen, so müssen sie auch, lägen, rannen, säzen, schreiben, weil man, ich lag, die Lage, ich rann, der Saz (ich sazte Steinb.) spricht. In stänkern, tränken ist das ä um kein Haar fester gegründet' ebda. s. 4G2; ^E lautet, 1.) am Ende der Syllben, oder wenn ein h. darauf folget, wie der Franzosen e ferme, etwas scharf, als: Ehre, Weh, mehr, See, stehen, wehen; 2.) Ohne h. hatt es bald einen etwas breitem, oder dunklern, Klang; fast wie ein ä.; und das Französische e ouvert, als: Besen, Wesen,

396 TRITSCHLEli

lesen, her, der u.s.w. 3.) Bald, und wenn souderlich ein doppelter Mit- lau ter darauf folget, liatt es eiuen kurzen, oder hellen, Ton; z. E. denn, icenn, brechen, nennen, zerren, er f retten. 4.) Zu Ende der Wörter, ent- weder wenn gar kein Cousonans, oder doch nur ein einfacher, darauf folget, klingt es etwas stumpf. Ja es wird öfters verbissen; fast wie das Franzö- sische e mutum! als: ich gebe, nehmen, die Liebe, Triebe, bringet, bliebe

U.B.W ' Hempel, Sprachlehre llbi, s. 39; 'Äe, ä, wird wie ein halbes

a und ein halbes e ausgesprochen, als träge, Thäler, er führt, schmählen, ii-äre u. s. w. Es darf also nicht wie ein bloses e, oder auch ee, sondern muß etwas dunkler, lauten. See klinget mithin ganz anders, als Thäler, träge; und diejenigen fehlen, welche wäre wie iveere aussprechen' ebda, s. 54; 'E lautet am Ende der Syllben, und wo ein h drauf folget, etwas dunkel, wie der Franzosen e ferme, als: Ehre, gegen: wo aber ein Mit- lauter in eben der Syllbe folgt, klinget es hell, wie das e ouvert, als: wer, denket. Die Regel ist kurz und richtig, aber Ausnahmen gibt es genug. In vielen Wörtern, wo es dunkel seyn sollte, klingt es hell, als: begehren, fehlen, leben, Degen: in vielen dunkel, wo es hell seyn sollte, als: Held, Essig, Kessel. Doch hierinneu kommt eine Provinz mit der andern nicht überein. Ich finde im Gottschedischen Werke, 48. S. daß Held auderstwo liell; und 565. S. daß beben dunkel ausgesprochen werde. Also lautet in diesen unseru Gegenden geben, leben, Segen, lesen, u. d.g. in der gemeinen Aussprache durchgehends dunkel' Aichiuger, Sprachlehre 1754, s. 8 ; 'Ae sollte seinem Ursprung nach allemahl heller ausgesprochen werden, als ein blosses e, wie in schmählen, Thäler, u. d. g. Aber ofi't lautet es ziemlich dunkel, z. B. in tväre, fährt. Vielleicht drückt man das ü in andern Ländern seiner Natur gemässer aus: wiewohl bey Herrn Gottsched, 560. und 561. S. wahrzunehmen ist, daß auch die Meißner hierinnen nicht änderst sprechen, als wir' ebda. s. 22; Aichinger s. 46 schreibt 'Hälfte besser als Helffte, weil es von halb ist: man wolle dann der Gewohnheit folgen'; ferner: ^Häßlich, von liassen, nicht heßlich' s. 46; 'Jenner, lieber Jänner von lanuarius' s.48; 'Nehren an Statt nähren ist eben nicht zu verwerffen. Die Bayrische Mundart ist für das erstere: denn da wird das e in i verwandelt, wie m kehren, w-c/tren u. d. g.' s. 53; 'Netzen von naß, sollte nätzen heissen, wenn man nicht der Ge- wohnheit folgen wollte' ».53; 'Schälen von Schale, nicht schelen' 8.54; 'sperren nicht spärren' 8.55; ' Stäts, stülig, vermöge der Bayrischen Mundart besser als stets, stetig' s. 55; 'wehlen nicht tvählety s. 58; 'Wer Avird heutiges Tages Aerde, nämen, Kürze, Bägen schreiben, anstatt: Erde, nehmen, Kerze, Regen? obwohl sie in einigen Mundarten so lauten' Gerlach, Sprachlehre 1758, s. 150; ' wenn die Aussprache in der Ab- stammung anders ausfällt oder diese ungewiß ist und die desfallsige Be- urtheiluug in den gewöhnlichen Bildungen keinen Grund findet, so pfleget die Orthographie von den Buchstaben ihres Stammwortes ohne Bedenken abzugehen und sich darinnen nach der Aussprache zu richten. Also hat man bisher immer geschrieben: Edel, Eltern, emsig, Enderung, Ermel, Ernde, Heu, Menschen, nehmlich, Vetter etc. Desgleichen: Abwendig, bendigcn, bewegen, verwegen, endercn, eigenen, einschrenkcn , schmcichelen,

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 397

wegen, weJilen, zehlen etc. heutigts tages aber will mau zuschreiben an- fangen: Aedel von Adel, Aeltern von alt ' Weber, Sprachkunst

1759, S.758:

'E. Es hat aber gleichwohl vielerley Klang; 1) einen zarten,

wie in stehen, See, Weh, mehr; 2) einen völlern, wie in Besen, lesen, Wesen, her, der, fast wie ein ü; 3) einen scharfen, oder kurzen Ton, wie in denn, loeg, brechen, nennen, zerren' Gottsched, Sprachkuust^ 1762, s. 32; 'ü, oder ä, wie ein halbes a und halbes e, wie träge, wäre; nicht wie ee, in See: obgleich einige das tcäre wie iveere sprechen' ebda. s. 4G; ^Ee, Avie ein langes e, als Beere, Heer, Klee, leer, Meer, Scheere, See, Seele, etc.' ebda. 8.47; 'Mau muß sich aber auch durch die Aussprache nicht ver- leiten lassen, solche Seltsamkeiten zu begehen, als die Zesianer im vorigen Jahrhunderte auf die Bahne brachten. Diese meyneten, ein jedes e, welches mit vollem Munde ausgesprochen wird, als in Segen, Wellen, Helden, u. d. gl.

müßte in ein ä verwandelt werden : und also schrieben sie ...

Schtcäfel, Ragen, Halden, Fälsen, Sägel, Wällen, ..." ebda. s. 69;

Gottsched wendet sich dann gegen einige Neuerungen: 'Einige Alten schrieben, Ideglich, scJnceher, hemmer, menner, engstigen, Geivesser, neher, fch/'g, Henslein, Heuser, schivehisch, frenkisch u.d. gl. Einige Neuere aber schreiben lieber gar schicär, , lür, härh, Gäms, tcäen, Sätzen, hägen, färtig, stäts, marken' ebda. s. 70; 'schlägt und legt reimt sich in den meisten Ohren, ob es schon nicht gleich buchstabiret ist. Ein anders ist es mit ü und ie, ö und e: denn diese unterscheiden sich zu sehr; fühlt und simlt reimen sich also nicht mit zielt und spielt; hört und stört, nicht mit nährt und fährt; diese hergegen nicht mit lehrt und unversehrt u. s. w.' ebda.

s. 627; 'So reimen sich ... wäre mit Eh-e, bethen mit trompeten

ganz und gar nicht' ebda. s. 631; 'Ein anders wäre es noch, wenn beyde Wörter mit einerley Buchstaben geschrieben würden, als leben und heben, geben und beben, sehen und gehen. Denn obgleich hier in Meißen die Töne dieser ersten Syllben nicht gleich lauten; indem heben, beben und gehen so lautet, wie das doppelte e in Seele, heeben, beeben, geehen: so zeiget doch die einträchtige Schrift mit leben, gehen, und sehen, daß diese Aussprache nicht allgemein sey' ebda. s. 632;

'E hat in der deutschen Sprache einen zwey fachen Laut; der eine wird durch den offenen, der andre durch den etwas zusammen gezogenen Gaum gebildet. Man kann eines das offene, das andre das geschlossene e nennen. Das geschlossene e nähert sich dem Laute des ö, wie edel, Ehre, zehlen, u. d.g. Das offene hingegen mehr dem «, wie Feder, Leben, icegen, u. d. g. Wir haben so gar Wörter, die mit gleichen Buchstaben geschrieben, verschiedene Sachen bedeuten, und blos durch die Aussprache des ge- schlossenen oder offenen e ihre wahre Bedeutung erhalten, z. B. überlegen, perpendere, mente agitare, und er ist mir überlegen, superat rae, fortior me est; so auch verlegen, eben, u. d. g.' Bob, Sprachkunst 1771, s. 15; 'Wo ist das Stammwort, Mehl, oder mahlen'f Da man gewiß ist, daß es mahlen ist, warum schreibt man nicht Mähl'i Von zehlen kommt Zahl; warum will man loägen von Wage herleiten? Und warum schreibt man erivegeni (perpendere, ponderare) Wie soll man allen diesen Schwierig-

308 TRITSCIILER

keiteu ausweichen? Durch Regeln der Reclitschreibnng? unmüg-lichl "Wir sind alle überzeuget, daß dem Mangel nicht durch Regeln, sondern durch

ein vollständiges Wörterbuch kann abgeholfen werden' ebda. s. 44;

'Er (Gottsched) schreibt z.B. zählen, ivühlen, vermuthlich, weil mau Zahl und WaJd spricht; allein so würde er auch dächen, marken, Sätzen, gäben schreiben müßen; weil man Dach, Mark, Satz, Gabe spricht. Der Aus- sprache nach klingt zehlen wie decken, u. d. g" Man schreibt be-

währen, von tmhrmachen, Gefänrfniß, von fangen, männlich, von 3Iann. Eey einigen hat der Gebrauch eine Ausnahme gemacht, z. B. ... Eltern von alt, Henne von Hahn; Mensch vielleicht von Mann'' ebda. s. 50.

Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 13 ff. schreibt:

'Das e ist auch entweder lang, oder kurz; allein das lange e ist bald scharf oder geschlossen (d. i. es behält seineu natürlichen reinen Laut), z. E. am Ende (als in Base, Liebe), oder auch sonst (als in Valer, andere, lehren, begabt, jemand, jedoch), bald offen, (d.i. es nähert sich dem a etwas, und klingt wie ü), z. E. in lebt, bald sehr offen, Avclches nur vor dem )• statt findet, z. E. in scheren, Schwcrdt, Erdwnrm; das kurze e hin- gegen ist vor dem r offen, z. E. in sterbt, lernt, in allen übrigen Fällen aber scharf, z. E. in denn, Athem, blasen, schrecken, schnell, holet, es, Feld, Knecht. '

'Das lange ü ist vor dem r sehr cilleu, und in allen andern Fällen offen; nur sind die lateinischen Wörter ausgenommeu, in welchen mau das lange ä gemeiniglich wie ein scharfes e aus spricht, z. E. Cäsar wie Cesar, Thebä wie Thebe, Diät wie Dicht, obgleich einige ein solches ä lieber offen hören lassen. Eben dies ist von den Wörtern in tat, die von den lateinischen Wörtern in tas, oder vielmehr von den Französischen in tc herkommen, zu bemerken, z. E. 3Iajestät, Autorität, JVaivetät. Das kurze ä lautet allemal völlig so, wie e lauten würde.' ' Manche Sachsen sprechen auch in eigentlich deutschen Wörtern das lange ä wie ein scharfes e, z. E. ernehren für ernähren, imgleichen in den Konjunktiven tcäre, nähme, gäbe etc., welches man nicht nachthun muß.'

'Einige Gegenden sprechen sowol das lauge, als das kurze offene e viel zu offen aus. Exempel davon lassen sich mündlich in den Wörtern Erde, lebt, und zerrt geben. Aber auch das scharfe c bekömmt diesen zu offenen Laut ; das lange am Ende, z. E. in Liebe (welches vornehmlich im Singen höchst unangenehm klingt), und das kurze mitten in der Sylbe, z. E. in denn.''

Ebda. s. 19 if. : ' Mau wird das sehr offene und das scharfe lange e nicht verwechseln, wenn mau nur behält, daß das eh vor einem r außer den Wörtern begehren, hehr (Ps. 111,9 für heilig), entbehren, nehren, ohn- gefehr (wofür man besser nähren und ohngefür schreibt), wehren und zehren beständig den scharfen Laut habe, da sonst das lange e vor r allemal sehr offen ist, und mit ä vollkommen gleich lautet, z. E. in her, Schwerdt, Erde, schwer, scheren, bescheren. Bloß das c am Ende einer kurzen Sj'lbe, (z. E. in amlere, längere, ich meistere) ist scharf, obgleich ein r darauf folget'.

'In einigen Gegenden hat eh vor r fast in allen Fällen den sehr

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 300

offenen Laut, und man sagt also daselbst Jähren, vermähren etc. für lehren, vermehren. So machen auch einige zwischen kehren (mit der Bürste, dem Besen u.d. gl.) nnd kehren (für wenden) den unnützen Unterschied, daß sie das erste mit einem oifenen, und das letzte mit einem scharfen e aus- sprechen. Selbst versehren hört man hin und Avieder wie versähren aus- sprechen, da doch sehr allenthalben ein scharfes e hat.'

'Einige sprechen das lange e auch in schicer, Herd, begehren, hehr, zehren u.a. scharf aus, welches falsch ist. Noch gewöhnlicher ist dieser Fehler in ersV

'Von den "Wörtern, in welchen das lange e offen ist, kann man fol- gendes nach den Endungen eingerichtetes Verzeichniß merken ; doch kommen darinu nur diejenigen vor, welche mit einem einzelnen e geschrieben werden, (die mit eh folgen . . . ). Was in Klammern eingeschlossen ist, ist eine Endung ohne Bedeutiing.

[ehe]. Folglich Bebe. Kubehe (ein Gewürz) und Zihehe (eine Art Rosinen) haben ein scharfes e.

[chcl]. Hebel, Knebel, Nebel (umnebelt), Sehel (besser Säbel), Feldicehel

Eber, Leber, Treher (besser Trüber).

eben, beben, geben, heben, hieben, leben, neben, schweben, streben, weben, nebst allem, Avas davon herkömmt, als: Heber, hebt, gäng und gäbe, ver- gebens etc.

[ede, eden\ Reden, und was davon herkömmt, als Bede, beredt

Isimm aus das Hebräische Wort Eden, imgleichen Schweden und die Bhede.

edel, Schedel, Wedel {veredeln, wedeln).

[eder]. Feder, Fledermaus, Flederwisch, Leder, weder. Nimm aus Ccder, jeder, Katheder, Meder.

\edig\. Ledig, und (wie einige schreiben) ruhmredig für ruhmräth/g.

[edigt, edigen]. Fredigt, predigen.

\efen\. Hefen.

\cg\ Steg, Weg. In der Partikel tveg aber ist das e scharf und kurz.

Egel, Flegel, Kegel, Legel (ein kleines Fäßchen, wofür andre Lägel schreiben), Segel und (wie die meisten schreiben) Schlegel (vom Reh). Hin- gegen e in Begel ist scharf.

egen (wie einige anstatt eggen schreiben), Degen, fegen, gegen, hegen, legen, pflegen, regen, Segen, bewegen, erwegen (Avofür andre erwägen schreiben); imgleichen Gegend.

[ehe, ehen]. drehen, flehen, nehen (besser nähen), ivehen (das Zeitwort), zehe (wofür man besser zähe schreibt), imgleichen das Zahhvort zehen oder zehn. Ein scharfes e haben die Ehe, ehe, eher, gehen, Beh, stehen, das Wehe, die Wehen, die Zehen. Ungewiß sind sehen, die Sehe und geschehen; doch scheint es besser zu sein, das e offen hören zu lassen.

[eloi, eler]. Schelen (wie einige für schälen schreiben) und Bescheler (ein Hengst).

elend und Elend.

[elig]. Selig, muhselig etc.

[em\. Bequem, dem, wem.

[emen]. Schemen (ein Schatten Ps. 39, 7.), Bremen.

400 TRITSCHLER

[emlich]. Kemlich (wofür andre nämUcJi sclireibeu).

[cn, enen]. den, denen. Nimm aus jener, Tiren, Athen, Irene, Sara- cenen n.ä.g.; imgleichen das e vor dem n in kurzen Sylben, z. E. offener, ebener.

Esel, Wesel.

[csem]. Besem, oder besser Besen.

[ese, esen]. Genesen, gewesen, lesen, Wesen, verwesen. IS'imm aus Agnese, Hypothese u.d.g.

[eser]. Der Verweser, die Wesei: In PortngaJeser ist das e scharf.

[efcHJ. Beten, kneten (wofür andre Icnüten schreiben), treten.

[et, ete, eter, eiig, eis]. Gebet, der, die, das stete, stetig (für beständig und auch vom Pferde, das nicht fort will), stets. Nimm aus Poet u.d.g., Grete, labet, Lamprete, Magnet, MusJcete, Peter, Pakete, Pastete, Tapete, Trompete, Zeter.'

'In Hederich, Hedewig und Wegerich ist das erste e offen, und das zweite scharf. Schlesien hat in der ersten Sylbe besser ein scharfes e.'

'Das eil wird in folgenden wie ein offenes c ausgesprochen:

[chde]. Fehde. Aber e in Fehde (wie einige für Phede schreiben) ist scharf.

[ehl, ehle, ehlen]. Fehlen, hehlen, Kehle, auskehlen, Mehl, Qnehle, stehlen etc.

[ehmett]. Nehmen, wovon angenehm, vornehmlich.

[ehne, ehnen]. Lehnen (reclinare), dehnen. Sehne, sehnen. Hingegen sind scharf das Lehn, lehnen (mutuum dare oder accipere) und die davon herkommen, z. E. belehnen, Darlehn.

[ehr, ehren]. Siehe oben.'

'In folgenden "Würtern lautet das e in einigen Gegenden Deutschlandes, besonders im Meißnischen, scharf: heben, dehnen, drehen, edel, Flegel, Fehde, flehen, gegen, Gegend, Hebel, heben, Hefen, hegen, Kegel, ledig, legen, Nebel, Predigt, reden, Schedel, Schlegel, Segel, sehnen, selig, Wedel, icehen'

'Doch hat Lorber ein langes sehr offenes e, weil es für Lorheere steht' ebda. s. 24; 'Portrait lautet -wie Portrett, oder auch ^xie Porträh' ebda.

'Das verdoppelte e ist zwar auch allezeit lang; allein am Ende eines Worts (z. E. in See, Klee) und in scheel, Seele, Beet, Meet, Pundeel, zween, imgleichen in Beenhase, Beete, beede, zweeie, Beest (wie einige für Bön- hase. Bete, beide, zweite, Bestie schreiben) wird es scharf, und in den übrigen offen ausgesprochen. Indessen lassen freilich einige Gegenden in 3Ieer, Heer u.a. das verdoppelte e eben so lauten als in Seele' ebda. s. 25.

S. 68 f. gibt Heynatz ein vei zeiclinis der Wörter, die mit ä zu schreiben sind. Da ilm dabei etymologische gesichts- punkte leiten, beweisen diese Schreibungen nichts für seine ausspräche.

'Es sind bloß ehren, kehren, lehren, mehr und sehr noch zu merken, die ein scharfes e haben" ebda. s. 72; 'Das e in tceg kann allerdings scharf genannt werden' Heynatz, Briefe 1771, s. 129; 'sonst hat freilich e und «

ZUR AUSSPRÄCHE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT. 401

oft völlig- einerley Laut, und man liest nach der guten Aussprache z. E. Altern und währen im geringsten nicht anders, als Eltern und loehren^ Heynatz, Handbuch 1775, s. 4G.

Zu diesen ausfülirung'en von Heynatz schreibt Denst in seinem anonym erscliienenen zweiten teil der Heynatzischen Sprachlehre 1773, s. 5ff.:

'Nr. 16 behauptet Hr. Heynatz, das e am Ende der Wörter (Base, Liebe), ingleichen in der vorletzten Sylbe der Wörter andere, begabt und ähnlicher sei ein scharfes langes e, ein Französisches e, wie in Valer. Das buchstabirende Kind mag es so aussprechen; sonst thut es niemand, so viel ich weiß. Der Klang des angezeigten e hält das Mittel zwischen dem scharfen e und dem /. Aber das e jemand, das vor dem h in leJineu, das letzte in andere, wenn es deutlich gesprochen wird, ist allerdings ein scharfes. Ausser diesen beideu giebt es noch ein offenes langes, das dem langen ä gleich klingt (lebt), und ein scharfes kurzes (icenn). lieber diese noch ein sehr offenes langes und ein offenes kurzes, welche beide vor dem r Statt fänden, anzusetzen, halt ich für unrecht. Das e ist in Schwcrdt nicht offener, als in lebt, in sterbt eben so scharf, als in denn. Der ganz andere Laut, den man zu hören glaubt, kömmt vom r (besonders wenn es nach Märkischer Mode gesprochen wird), nicht von dem e her. Spricht Hr. Heynatz die Sylbe scJt-e in scheren in Absicht des e nicht, wie le in leben":! Beym ü in den fremden Wörtern wünscht ich Ihn umständlicher. AViehmd reimt Sphäre mit einher und Sphären mit lehren.^ Ferner s. 9: 'Zu den Wörtern, in welchen eh vor einem r (den sehr offenen, wie Hr. Heynatz eintheilt, d. i.) den offenen Laut hat, setze ich nocli kehren in allen Bedeu- tungen, die es haben mag. Wegen versehren bin ich zweifelhaft. . . . Hr. H. hält es für falsch, das lange e in erst scharf (als e im Französischen) auszusprechen. Ist es aber nicht von e/teV

'Hier ist ein kleiner Zusatz zum Verzeichnisse, so gut ich ihn ohne Nachschlagen oder Lesen machen kann. Das e in je und den davon ab- stammenden ist scharf, ob es gleich hier am Ende des Wortes steht. Die Regel, daß das e am Ende den Mittelklang zwischen e und / habe, leidet dadurch eine Einschränkung, [eder] e in tveder offen gesprochen klingt barbarisch, egel. Ist das e in Segel gewiß offen? Ich frage nicht um meinet Willen. Mancher schreibt Seegel, und spricht das ee scharf aus. Die in gegen, Gegend das c scharf hören lassen, deren dürften leicht mehr sein, als der andern, die es offen, wie in begegnen, aussprechen, [egern] tvegern (besser tvcigern). In der ersten Sylbe in Begimen (bey Krankheiten) ist das e ein scharfes, in regieren und den Derivaten des selben ein offenes. [ehen\ In seheyi, die Sehe, geschehen halt ich es auch für besser, das e offen hören zu lassen, [eher] In Heher (Nußheher, gleichsam Häuer von hauen) ist es scharf. In Schlesien sprechen die Landeseiugebornen das e offen, scharf nur diejenigen, welche Fremden nachäffen, [et, eth] In Zibet (and. Zibeth) ist das e scharf, in Kabinet (besser Kabinett) kurz, in Karrete, (Cleve?), ewig scharf, in wehten, zehlen (and. wählen, zählen) offen.'

402 TRITSCHLER

'Das ce in scheel, Beet (area) Sprech ich uicht mit Hr. Hej-natzen scharf aus. Von Meet halt ich mein Urtheil ziuücIj."

Zu den Unterscheidungen, die Heynatz vom e macht, sagt auch Eichter in seinem Versuch einer Rechtschreibung- 1 780, s.28:

' Das heiß ich mir ein subtiles Ohr ! Und doch will Herr Heynatz mit all den Abtheilungen avoI nur das sagen : Es ist noch ein Mittellaut zwischen

ä und e, und das kann avoI sej'n Vielleicht daß all die Wörter als:

sclnver, daher, dehnen, Gegner, lebendig, sehen, reden u.s. w. aus Mangel eines eignen Zeichens für besagten Mittellaut in der gewöhnlichen Eecht- schreibung durchaus e haben.'

Ferner : 'Aber was ist das, wenn man schreibt: edel, nehmen, lesen, reden, weil auch einige so reden? Oder wie soll man es dem e in sehen an- merken, daß es nicht so als in gehcji lautet?' ebda. s. 8; 'Wie Avollte mau die Buchstaben und Wörter, die in der Aussprache einerley Laut haben, aber doch im Schreiben zu unterscheiden sind, als Held, er hält, die Kelter, und kälter, bis und biß etc. von einander unterscheiden?" Stockhausens Grundsätze 1773, s. 424.

Hemmer, Vertheid. s. Abhandlung 1771, s. 244 f. verteidigt die Schreibung bässei- gegen die einwürfe seines gegners:

' »Dieses Wort, saget er, läuft wider die Aussprache. Ich berufe mich auf das Gehör des ganzen Deutschlandes, ob der Selbstlauter in besser einen solchen Ton habe, Avie z.B. in Geicässer, Fässer u.d.gl.« Ja, wenn mein büsser der allgemeinen Aussprache offenbar zuAvider wäre: so wollte ich es noch wirklich abschaffen. . . . Dieser Einwurf ist mir bey Niederschreibuug des bässer selbsten eingefallen. Ich habe ihn wohl überdacht, aber dabey auch Wörter genug gefunden, in welchen das ä nicht anders als ein ein- faches e klingt. Dahin gehören zählen, tcählen, schälen, quälen, hägen, säen, näher, Bäder, Zähren, Hälfte und noch liundert andere. Hat das ä dieser Wörter eben solchen Ton, wie in Geicässer, Fässer, häßlich, ärgern, Bär u.d.gl.? Lautet es nicht vielmehr wie das einfache e in gehen, sehen, Keller, Seele u.a.m.? Aber auch umgekehret klingt das c bisweilen uicht anders, als ein ä. Die Wörter leben, geben, fehlen, Leder, Nebel uiul un- zählbare andere bezeugen es.'

klinget seinem eigentlichen Laute nach, wie in häßlich, Säge, Ver- mächtnis. In hundert andern Wörtern aber, z. B. in gefällt, nähen, Majestät U.S.W, klinget es wie das e in geht u.a.dgl.' Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 13; 'Die Aussprache der Wörter icer, her, u.s.w. zeiget, daß der Laut des offenen e mit dem oben erklärten eigentlichen Laute des ä übereiu komme. In welchen Wörtern das c aber geschlossen oder offen sei, darin ist Deutschland nicht ganz einig. Z. B. in schnell, Feld, Knecht ist das e liier zu Lande offen, bei den Brandenburgern geschlossen u.s.w.' ebda. s. 14; ' In den ei'sten Silben der Wörter leben, geben, streben, beten (zu Got), betein, erben, Erde, gegen, feien, stelen, heftig, kerben, kneten, lernen, melken,

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 403

Stecken (der), Bedien; ferner in rfercl, Herd, Wert, her, teer, der, Herz, Schmerz, Herbst; desgleichen in den Forsezsilben er, fer, zer, und in andern mer, höret man ein ofenes e; ein geschlosenes hingegen in Blater, hräm- lich, gänen, häyen, hüte, niiien, säen, kivälen, wäre (fou icar), schäzen iind ongefähr noch in 200 andern' Domitor (Hemmer) Grundris 1770, s. 6-i; 'Wir sind bisher durch kein Schriftzeichen ermanet worden, das das e in dem Zeitworte stehen, wen es tätig ist, geschlosen, wen es fon der mitlern Gatnng ist, ofen sei ' ebda. s. 67.

'Nur noch ein Wort vom offenen und geschlossenen, tilleicht teutscher vom nideru und hohen e, oder ö), worinn die Aussprache Teutschlands niemal einig werden wird, und nie keine Provinz mit sich selbst iemals einig ist. Wir Schwaben schreiben z. ß. auch Blätter, und sprechen Blötter. Aber wir schreiben und sprechen: 7näen, säen, wäre, hvälen, schäzen' Fulda, Schwäbische Antwort auf Domitor.s Grundriss, in Nasts Sprachforscher 1777, s. 145; 'Der hohe und der nidere Ton teilen das c, das regirende und das dienende, unter sich zu gleichen Teilen. In ieder Classe machen die gedehnte Silben ein Drittel '

'Selbst bei uns nach verschiedenen Gegenden werden nachstehende Wörter, hier hoch, dort nider ausgesprochen: Ep in Epheu. erst. es. Ehe. Esse, ustrina. gehen, stehen. Gefärt. Hechel, Schmergel. Mergel, schwelgen, heluari. Segel, weh. Zehen, digitus. ehern, aeneus. Träne. Esch, campus, wird auch Ocsch geschrieben und gesprochen.' ' Unsere lateinische Wörter haben gemeiniglich ein hohes e: Peter, Ferien, regireu, Begel, Begaster, predigen, Melone Besonders die unteutsche Dehnungen der zufälligen Silben: Planet, Kamel , Gravität, Zibet . Hebräer, Sadducäer . Und andere Fremde : Allee, Coffe .' 'Also kämen die Wörter vom nidern Ton, die wir mit den Lateinern gemein haben, nicht vom Lateinischen : der Best nicht von rcsü/(umu); es wäre ein teutsches Wort von: Biss, Biz, ruptum.

Der Eber käme nicht von aper Die Vettel käme nicht von vetiila

.... Doch sprechen wir auch lateinische Wörter im nidern Ton: Persicits

(ä), wir sagen hingegen : Pfersich (hoch), pressiren {ä) ' Fulda in Nast,

Sprachforscher 1777, s. 2-10.

Ebda. s. 212: 'Abwärts dehnen die Schlesier: Edel, nehren. Mäzke erklärt aber die Aussprache seiner Landsleute; Vägel, flieh, Päbel, schwären (schivören), geicänlich, heben, Hebel, Hefen p. 230 selbst für falsch; hingegen sagt er, »man spreche: belcicäm, allgemein: einige sprechen: Elend und Ekel unterwärts gedehnt, und einige gar ungedehnt, (das ist, scharf.« Er spricht für das nidere p. 231 und behauptet: >yGegen und Gegend sprechen die meisten oberwärts, und dennoch: begegnen, alle uider- wärts aus«. Herr Mäzke dehnt p. 232 niderwärts: die Beere (one Zweifel bacca), bescheeren (man weist nicht, soll es largiri oder secare sein?), be- wegen, die Breme, Bremen. Er macht zur Regel: der, dem, den , müseu auch als Artikel laug ausgesprochen, und niderwärts ausgesprochen werden, p. 233. In Schwaben lacht man den sicherlich aus, der den Artikel und das Pronomen durch den Accent nicht voneinander unterscheiden kan: der Mann, 6 homo, der Mann, ille homo. Herr Mäzke dehnt ferner niderwärts: dehnen. Ehen, aequus. Ege, Egel, Ehern, aeneus, Erz. Esel. Flegel, heben.

404 TRITSCHLEK

Hederich; das Heer, Herh'ng. KeficJi. Keyel. Knebel, lerjen, ledig, lehnen, recliiiare. kehren (vertere oder verrere?) 3Ieer (mare). Kernen, predigen, (Es ist ia wider die Eegel, nr. 68. die er allgemein macht, praedicare). Beden, Bekel. Schedel, Scheemen, Schlesier (Silesia »der Lateiner dehnt sein e stets oberwärts«, p. 239). Bei: Segel, ist er ungewis. sehnen (villeicht weil es von seÄen kommen soll? Seinisch. Speer. Teer. Treber. Wehdel. tcem. tuen. Währ iind Waffen, sich ivähren, zehen, decem. zehlen, zeren.'

'Adelung schreibt Härbst. Heyuatz erklärt das oberwärts gedehnte: erst, für falsch.'

'Aufwärts dehnen die Sachsen: sehen, Sele, selig (söhen, Sole) Die Schlesier: Ehre. Feh. mehr (magis, grad umgekehrt mit: iJ/ee;-, mare). Eeh, (caprea oder enervatus?). seJir. Sele. verhelen. In: Fehde, und Zehe, digitus, ist Herr Mäzke ungewis. Er dehnt: jener, abwärts, und gleich wol: je, jeder, ieniand, p. 235 oberwärts.'

Fulda spricht ö, den unilaut des o, als geschlossenes e und zählt nun s. 243 f. eine reihe von Wörtern auf, die geschlossenes e haben und 'wirklich mit ö geschrieben' werden. Doch ge- hören diese nicht hierher. Weiter sagt er s. 245:

'Viele nidere e werden wirklich mit ü geschrieben: bähen, bachen.

Bare, feretrum, Bar. Aegerst, pica Die Aehre, ar, spica. Die Aesche,

ustrina, Asche. Das nidersächsische üspern, vexare, angere (asper), die Aeze, cibetio, As. Gebärde, bar. Bäz, pistillus (Petschaft), batsch, ictus.

prägen ...prägein, assare ... Wildbrät, Gebrät, der Braten, trag

Träne Fül, Fal. fraus. Gefär, far. fäzen altercari gab, von gav,

cito. Gagen, praeceps dirigere, gäh, von gach, praeceps. Gaze, fitulus

Die Gräze . . . jätten, colligere. Käs, caseus. Lag, lag, obliquus. Die Lägel, gloss. monseense lahul, pelvis. ras, acer. Die Säge ... -ivärts . . .'

'Aber viel mehrere haben zwar kein ä, aber es gehörte ihnen mit

gleichem Recht, weil sie eben so gut von a kommen ' Ferner:

'Und nun umgekehrt. Viele werden so gar mit ä geschrieben, und doch, von uns Schwaben, hoch ausgesprochen: dämpfen, .. kämpfen, .. Gefäll, (refärt, Gefäff. Gang. Käste, castanea. nähren zäle)i, numerare. er- wälen : das Gesang. Und das durch alle grammatische Abäuderungs- arten hindurch: die Aepfel, die Hammel, die Händel, die Mängel, die Mäntel, die Nägel, die Hände, die Stände, die Bünde, die Dämme, die Späne, die Stämme, die Zähne, die Bänke, die Gänse, die Kräfte, die Stätte, die Wände, die Bänder, die Länder, die Fässer, die Gräber, die Kälber, die Lämmer, die Bäder, die Täler. Länger, schwächer, schwärzer, stärker, gräder, sänfter. schärfer, härter. Er fällt,, hält, läfft. Er fährt, schlägt, trägt (schlücht, tröcht), wächst, gefänglich, Empfängnis, unaiis- ständlich, schändlich Jedoch so, daff wir es immer von: Vögel, Gräfe, gröfer, gröber, er hört, unaufhörlich noch in der Aussprache unter- scheiden, ohne dalT wir ein sächsisches ä: Gräber, Gebäth oder ö: Sole (Sele) von uns hören lassen' ebda. s. 250; 'In Schwaben irrt kein

ZUR AUSSPRACEE DES NUD. IM 18. JAHRHUNDERT. 405

unverfälschter Eingebohrner, durch das hohe und uidere seines Tons 1) einen andern Wortverstand zu geben: fest, firmus, das Fest, festum. kehren, verrere, kehren, vettere, verlesen, laedere, verlezen, perverse agere. bescheren, largire, bescheren, secare. Eeh, caprea, r^Ji, enervatus. beicegeii, movere, erwegen, ponderare. 2) Und ein Activum vom Neutrum zu unter- scheiden: verderben, perdere, verderben, perdi. schmelzen, liquefacere, cou- dire, schmelzen, liquefieri. erschrckcn, terrere, erschrelcen, terreri. stehen, figere, steJcen, haerere. schwellen, tumere, schicdlen, tumere...' ebda, s. 251f.; 'Selbst das kurze unbetonte e der Partikeln wechselt in der Nidere und der Höhe: der, ist nider, hoch sind hingegen: des, dem, den; deren, ist nider, gegen: dessen, denen . so tver, gegen loe^n, loen, wessen, welch (we-lich) . Etwas ist nider, Etlich ist hoch. Es ist nider in: er, ver, zer- Es ist hoch in: he- ge-, ent-, emj)-, gen, je, ' ebda. s. 252. Unter den ee unterscheidet Fulda 'Fünf hohe: Beer, Heer, Meer, Speer, und Teer, und zwei nidere: leer und MeeV ebda. s. 265.

Ich lasse nun das Wortverzeichnis folgen, worin Fulda die Wörter mit hohem (geschlossenem) und niederem (offenem) e angibt, so wie sie in Schwaben gesprochen werden; danach haben geschlossenes e:

'Enkel, nepos, talus. Eni, änlich. Ehmel. Eben, aequus. Edel. Ege, occa. Eh, ante. Ehe, matrimon. Ehern, aeneus, ambulacrum in domo. Ek Ele Elend Emmel, curculio. Emmeriz ent-, emp-. emsig End eng Ente Enz Ep- in Ep-heu Erb, Erle erst Erz es Esel Essich eicig Gel Oemd Oehr, tubulatum. Begeln Beken Feh Benne Beer, bacca Bersich besser Beet (tributum, areola) Bett Pfenne Pfenning Pferch Pfersich bleken plempern blenken blöd blöken plerr Plöz, Weisfisch. plözUch Pöbel Pödder, Lockspeise. Bökeln, sale inducere Bolle, cepa Böller empören börd, fertilis Bors bös haschen prellen Breme, Bremse, brennen Brente Brenz bröseln Deke dem, den Demut Demer dcmmcn dehnen dengeln denken "Tenne Tepich Teer verderben, activ. des, desto Töle, cerva Bölpel dösig döte Treber Tremel trempeln, guttare trennen, Trense trensen, haesitare Trester Trendel, consuetudo trödeln Gefall Gefäff Gefärt Fe, spectrum Fels Femmel Fenchel Fenster Ferte, trames fertig ferg, uauta fest, firmus Fessel Veiter Flegel Flöte fördern Foren, picea fremd gäng gähnen ge-, gegen gehen Gelte, vas. Gemmel Gems gen Gerte gestern Glef, Gier, quiris gölt, vacuus gönnen Göz Gren, rixa Grengel, repagulum. Grenze Gret, flectus. grezen, currere heben Hechel Hecht Hefe Heft hegen hehr, vene- rabilis Heke Heken Held hellig Hölle Hemd hemmen Hemmerling behend henken Hengst Henne Heer verlieren Herling Herbst hezen hören je, ieder iezt Kaste Kefch Kegel Kelch Kelle Kemat Kengel kehren, verrere Kerze Kessel Köter Kette Kle kieken, sufficere klemm Knebel König Körbel Körper Krempe Krötte Krös Kröspel ledig legen Lehen, lehnen Lehne Lende Gelend lenken Lenz Lerche Leze, Iezt verlezen Löffel lök, mugitus Lör, ploratus löschen Low Melone Memmelein 3Ienin, minium. Menge Mensch Meer merken Mergel Mertel Merz Meve mezein Möff nemmen nennen ernähren Nessel Nestel Nez bequem Bede Bhede reg Kegel Register

Beiti-äge zur geschichte der deutschen spräche. XXXV 111. -'

406 TKITSCHLER

Bell, caprea rekoi, rigere. rellen, terere rennen retten röcheln Sebel Scheffel Schelfe Schelm Schemmel Schemen Schenke SchenJcel beschehren Schle Schlemmen schlems schlendern schlenTcern Schlepe schmelzen, activ. Schmergel Sehne schnellen, crepare schön Schöp schöpfen erschreken, activ. schrenken schwegeln, sonare schtcelgen Schwelle, schwellen, activ. schlemmen schicenden Schivenk Schivester Se sechs Segel Sekel seilen, tradere. seil ig Gesell semisch, villosns Semmel Sehne sich sehnen senden Senf sengen Senkel senken Sennerei, grex. versehren sezen, Gesez spenden Spenst Speer tSense. Sperre sprengen sprengen stehen steken, activ Stelle stemmen Stempel stehnen stettig Streke streng Wedel weder bewegen weh Wek weken trelch u-em, icen wenig erwehnen Wende wenden Wentel, cimex Wehr, telum Wermut Wersich Wette wezen wölb zehen, clecem Wert, interamuiura. erzelen sennen, flere Zent zerren Zehren Zettel, tela zwölf.

Offenes e stellt in

'Äegerst, pica acetnm Ähre, spica Aesche, ustrina, thyraallus, fraxiniis. Aeze, cibatio, Ebb eben, iam Eber echt EM Elbsch, cicouia Elb. Elch, alce elf Elp, elephas er, er- Ehre Erbse Erde Erker Ernde Ernst Err, ira Esch, campus Escher, ligo Esse, nstriua essen Estrich bähen, torrere Bär Bahre, feretrura ge-, enibären Gebärde Bäze, pistillns Bez, iirsus Fech Becher beffen beken, tussire bellen Perle Berg, bergen Bernstein bersten -bert Besen Bettel betten, precari, gebetten Pfeffer Pfeile Pferd pfezen pflegen Blech blehen bleff Bletsche, foliura magnum Plez basteln prägen prügeln Wildbrät Preze, placenta. -brecht Breg, cerebrnm Preff tändeln därfen Degen Teller der derb verderben, neutr. dettcln trag trechen dreJten treffen Drek Träne Trepe dreschen Trespe tretten Fäl, frans Befel Gefär fäzen, altercari fechten Felul Feder feh, multicolor fegen fekeln, furari Felbe Feld, feien. Felge Fell ver- fern, fernd Ferk, porcellus Ferse, calx Fest, festum fett Vettel Fez Flecht Fleder flehen Flek Flerr, fissura. Frefel freiten, allicere. gab gägen, iuclinare. gäh, declivis Gär, ferraentum Gaze, situla Gek Gekser, singultus gelb gellen Gelt begehren Gerhaber gerben gern Gerste vergessen Gräze Gre/f, olus Hechs heftig Hehr, gracu- lus. hei Helfenbein hell Hellepart Heller Helm her herb Herd, focus, grex. Hermelin Herr Herz Heze, pica jäst jätten Käfer Käs Kebsweib kek Kele Kelter kehren, dirigere Kerbe Kerl Kerker Kern kezern kleben Klette, kieken, maculare Knecht knetten Krebc Krebs krechzen, krähen. Krähe, coruix. Krehe, creniium krepseln Kresche, creniium Krette, corbis lag, obli- quus Lägel leben Leber lech, lelc Leder Lefze gelegen leer Lehre Lerm lernen lesen Lette lez, perversus mäkeln Meel Merle, merula Merre merzen, sciudere Meff Messer Met Mez neben Nebel nehen, snere. die Nehe, scapha. melden melken 3Ielte, olus. mehr. Mähre, fabiüa neken Neper genesen Xest nett Quek Quelle Qiiele Querr Quem, mola. quetschen, terere ras, acer raten, cribrare ratschen Bebe Beche rechnen recht Beff Begen reh, ener- vatus Bephun Best Bettich rezen, irritare Säge, serra Säker schäkern Scliedel beschälen Schafe, cortex geschehen Schek scliel scMten Schelle scheren Scherb Sdierg Scherz scheitern schlecht schleken Schmelle .schmelzen, uent. Schmer Schmerz schmettern Schneke schnell Schney Schnepf Sclieps

ZUR AUSSPRACHE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT. 407

Schreie, schrehen, ueut. Heuschrek whreiii , declivis scJirepfeu Schwär schiveben Schwefel Schweher schwelle)! , ueut. Schwepe, flagellura schwer ScJw^ert Segen Segese, falx sehen Sele selb selig selten sehr Sessel späen Spek Spelt Sperber, Specht Spessart stechen Steft Steg Steh stehen, neiit. Stelen Stelze steppen sterben Stern stet streben Welle währen, durare -u-ärts weben Wechsel Weg, via u-egen er^cegen venregen iveger, raelior wehen ivelh Welt wer. Wehr, arctura fluvii werben werden Werk irerffen Werre Wert, pvetium, dignus Wesen Wespe West Wetter zäh Zech Zähen, digitns Zeh Zelle Zelt zer- Zetter, Zettel, schedula Zweh Zirele Zwerg Zirerch Zwetschge'' Fulda in Nasts Sprachforscher 1777, s. 230 ff.

Nichts neues bietet Fulda in seinen Grundregeln 1778, s. 43 f. Er möclite dort nur eine mögliclikeit haben, das geschlos- sene e vom offenen auch in der schrift zu unterscheiden.

Klopstock will die laute e und ä streng auseinander halten. Man dürfe nicht ä für e schreiben, und umgekehrt, also: Beclie nicht Bäche-, Bähen nicht Behen Über Sprache und Dichtkunst, Hamburg 1779, s.202;

'Er ist mir gar nicht unbekaut, daß, nach der waren Ableitungf- regel, der Konjunktif fon nmn, noue; und dar def nimt näiiir geschriben wärden muf; dif lezte, weil el nämen hil' ebda. s. 218: 'Wohär mögen wol dijenigen, di Leben, schweben. Beben u.s.w. schreiben, ob si gleich Laben, Schwaben, Haben aufsprechen, ir geschribenef e ableiten?' ebda. S.222; 'Dort war el" offenbar, daß z. E. auf Bach, fand, nicht Bäche, fände wärden konte, sondern daß Beche, fende darauf wärden muste ...' ebda, s.223;

Mantzel an Klopstock 1779, s. 11 schreibt:

'Diese einige Ausnahmen, deucht mich, wären folgende: a in ä um- zuändern, als Mann, Männer, Fall, Falle, Hauptsache, hauptsächlicJi, Schranken, einschränken, wenn gleich di Aussprache es verbietet".

'Wir schreiben Meer, Heer, Speer, Beere und doch sprechen viele diese Wörter, als ob sie mit einem ä geschrieben wären, da man doch billig ein sehr langes e sollte hören laßen, wie in See, Klee' Stosch, Beiträge 1780, 2,158; 'Und so ist auch das, was Hr. Klopatokk s. 34 von seinem Unterschide unter näme und neme sagt, gahr nicht Hoch- deutsche Aussprache, sondern aus einem gewissen Winkel der Aussprecherei, den wir andern Deutschen niclit kennen, auch nicht kennen mögen. Nehme und nähme klingt bei uns völlig einerlei, in beiden Fällen nider- gedehnt. Jenes vihlleicht bei einigen obergedehnt; aber nähme ober- gedehnt ist ganz ausgemacht falsch' Mäzke, Würterfamilien 1780, s. 75; 'Die Obersachsen dehnen mehr, Lehre, ehren etc hoch; die Oberdeutschen dehnen es nider: Also müssen sie nach Klopstokk: mär, lären, ären schreiben? Die Oberdeutschen dehnen es hoch in Esel, edel, Teer, dehnen, Flegel, Kegel, heben etc. wir Schlesier da nider: Also müssen wir Äsel, ädel, Tälir, dähiieii., Flägel, Kägel, haben schreiben?' ebda. s. 77; 'Der

27*

408 TRirSCHLER

Schwabe schpriclit dän Selbstlaut in däu Grandsylben dar folgeuden Wörter e (hoch, geschlossen, scharf, e), wir hingegen, wi ich es schreibe, (V (nider, oifeu, als ein e ouvert) aus: Änlicli, ähen, üdel, Äge, Ale (pöbel- haft, schtat Elle) Älenä, Ärz, Äsel, Bare bacca, Bat areola, bläken (di gewouliche Schreibnngsärt schtelt blöken hin), bükein {bökeln sale indu- cere), Bräme, Brümse, dum, dän, dünen {dehnen), Täpich (Teppich), Tür, Trüber, Trümel, Gefäii, Gefürt, Fürte trames, Flügel, günen, hüben, Hufe, hügen, Hür exercitus, rerhüren, Hürling, Küfich, Kugel, küren, Knübel, Krüte (gewönlich Kröte, Schwab. Krötte), ladig, lägen, Lüne. Mar mare, Mürtel, nümen (Schw. nemmen), nüren, bekiväm, Bade, rüge. Schämen (Bügister?), Säbel, beschüren donare, Sügel, sämisch Lüder, Säne, sich sänen, versären, Schpär, Wädel, beifügen, n-ä)», 7cün, encünen, War telura, zäen, erzälen, zären, Zaren'' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 90; 'Dar SchAvabe schpricht dän Selbstlaut dar Grundsj'lbe ü, wir hingegen e aus in Ekel, Ere, Fcde, Fe oder Fi-ch, Heer (graculus), l^ere doctrina, mer,

Sele, ser, Zeen digiti pedum Hingegen schprechen wir Aze cibatio,

Arde, Kübsweih, Krühs, mäkeln, schäkern, irären durare' ebda. s. 92; 'In fremden Wörtern haben wir bald e, bald ä, zwar Peter, Ferien, Melone, Regel, Planet, Hcbreer , Alle: aber auch rügiren, Bägister, prädigen, Graritüf ebda. s. 93; 'vertere oder verrere, beides ist küren. Schlesien müste dar Ausschprache nach ein ü haben, Schläsien; war hat unsere Lerer uns Silesia sclitat Silaesia vor schprechen heissen? Der Buchstabe e ist aus däm Polnischen hür gebliben. Jener schtat jüner klingt mir fremd; ein eigentliches e aber haben freilich Fede, Zee, je. Jeder, Jemand, wofür auch im and bei uns gebräuchlich ist ... ' ebda. s. 95; 'Dar Schwabe unterscheidet ätwas und etlich; so wenigstens verschte ich dän T. Spräch- forscher: wir schprechen etwas und etlich, wi ent-, em- oder emp-, er-, ver-, zer- und gen-' ebda. s. 96; 'Bure, Hür, Mär, Schpär, Tür schprechen wir so Avol, als lür. Mal; wen wir gleich im Dinst des Herrn Usus Beere etc schreiben ' ebda. s. 99 ;

'E hat einen zweifachen Laut Beispiele von dem offenen sind:

Nebel, leben, gehen, schweben, mehr, sehr, wo es in der ersten Silbe bei- nahe wie ä lautet. Beispiele von dem geschlossenen: andere. Jedoch' Weisenstein, Kegeln u. Bemerk, ü. d. Lesen und Schreiben 1782, 8.53; 'Schirerlich hat ein langes und sehr offenes e, wie schwer' ebda. s. 57; 'Das lange (V ist in allen Fällen offen, vor dem /• aber sehr offen; nur sind die lateinischen Wörter ausgenommen, in welchen man ä gemeiniglich wie ein langes e ausspricht; z.B. Cäsar wie Cesar, Diät wie Diet; Ein gleiches gilt von den Wörtern Majestät, Bignität, u. s. w.' ebda. s. 58 (vgl. Heynatz, den Weisenstein abschreibt).

'... so hat unser heutiges e einen doppelten Laut: 1. einen niederen oder tiefern, welchen andere auf eine nicht so bestimmte Art den offenen oder dunkelen nennen, genau, wie das «: geben, Schwert, Herd, Krebs, Weg, Predigt, fliehen, stöhnen; und 2. einen höhern, (bey andern einen scharfen, hellen,) wie das Lateinische e in heri, merito; dahin die erste Sylbe in stehen, gehen, sehen, Gewühl, Gesicht, die letzte in Freude, Gabe, Liebe, und die beyden ersten in geschehen, gestehen u. s. f. Eben das gilt

ZUR AUSSPRACHE DES KÜD. IM 18. JAHRHUNDERT. 409

auch vou dem ce, welches nieder lautet iu Meer, Heer, scheel, (schel); hoch aher iu See, Seele, Beet, Klee' Adelung, Lehrgebäude 1782, 1,137; ferner ebda. s. 262: 'Da sich in Ansehung des gedoppelten e in der Aus- sprache der Provinzen so viele Abweichungen zeigen, so wird es nicht undienlich seyn, die vornehmsten streitigen Wörter mit der im Hoch- deutscheu üblichen Aussprache hierher zu setzen:

Tiefes e wie /(. Gedehnt: Lehen. Beere. Befehl. Begegnen. Begehren. Behen (besser halten). Bequem. Bescheren. Besen. Betlien. Geheth. Be- vegen. Breme. Brei. Brettel. Degen. Dehnen, der, dem, den, denen, derer. Drehen. Ehen. Eher. Edel. EM. Elend. Enthehren. Erde. Erst. Erz, aes. Esel. Feder. Fegen. Fehde. Fehlen. Fleder. Flegel. Frefel. Gehen. Gegen. Gegend. Genesen. Der Geren. Hehel. Heben. Hederich. Hedwig. Heer. Hefen. Hegen. Hohl. Helden. Her. Herd. Herde. Hering (besser Häring). Herlinge. Kebs. Kefig. Kegel. Kehle. Kleben. Knebel. Kneten. Krebs. Leben. Leber. Leder. Ledig. Leget. Legen. Lehnen, inclinare. Lesen. Meer. Mehl. Meth. Neben. Nebst. Nebel. Nehmen. Nest. Pferd. Pflegen. Predigen, i^aele. Queke (al. QuecJce). Quer. Bebe. Rede. Eegen. Regnen. Rekel. Schedel, (Schädel). Schel. Schemel, (Schemel). Schemen, Schatten. Schere. Scheren. Schlegel (Schlägel). Schmer. Schweben. Schwefel. Schweher, (Schwäher). Schwer. Schwert. Segel. Segen. Segnen. Sehne. Sehnen. Ver- sehren. Selig. Speer. Steg. Stehlen. Stet. Stetig (stätig). Stets. Streben. Ttieer. Treher, (Traber). Trester. Treten. Verweser. Feldwebel. Weben. Wedel. Weder. Weg. Bewegen. Verwegen. Wegern, (weigern). Wegerich. Wehen. Wehren. Wenn, wen. Wer. Werden. Werth. Wesen. Zehen, decem. Zehren.'

'Hohes e. Gedehnt: Beet, arca. Bethe, eine Pflanze. Ceder. Giere. Demiith. Eden. Ege. Ehr, eJier. Die Ehe. Ehern. Ele (besser Ehle). Ehre. Epheii. Ewig. Die Fee. Felie, Rauchwerk. Die Fehm. Flehen. Gellen. Gesdiehen. Herold. Je. Jeder. Jemahls. Jemand. Jener. Jrene. Kaffee. Kamehl. Katheder. Kehren (al. tief). Klee. Lamprete. Leer. Das Lehen, Durlehn. Lehnen, borgen. Lehren. Magnet. Meder. Mehr. Mere. Muskete. Pastete. Peter. Poet. Regel. Regierer. Reh. Rliede (besser Rehde oder Reede). Scene. Schlehe. Schlesien. Schnee. Schweden. See. Seele. Sehen. Sehr. Sirene. Spree, der Fluß. Sprehe, ein Vogel. Stehen. Tapete. Thee. Trompete. Wehe, vae. Wenig. Die Zehe. Zeter. Zween, welches doch nicht üblich ist.'

'Eben dieses gilt auch von ihren Ableitungen. Das geschärft be- tonte e ist allemahl tief: Becher, hekken, besser, erz, die Vorsylbe, u. s. f. Das unbetonte e in den Ableitungs- und Biegungssylben ist hoch, wenn es für sich allein, oder auch am Ende der Sylbe stehet, Lieh-e, Be-schwer-de, ge-liebt, he-feh-len; aber tief, wenn noch ein Hauptlaut darauf folget: Gott-es, ver-geb-en, er-zähl-en, ent-steh-en, Rätli-seV (vgl. Adelung, Ortho- graphie 1788, s. 135 f.).

Richter, Kritische Anmerkungen bemerkt dazu s. 34:

'Das e der ersten Silbe in sehen und das der zweiten in geschehen lauten richtiger und algemeiuer wie ä oder doch mehr wie ä als e.'

410 TRITSCHLER

'Was aber uiin uoch die eigentliclie Aussprache des c aubetrift, wo mau es wie ä oder wie e leseu soll, so ist freilich der herrschende Ge- brauch hierinn sehr schwankend und unbestimmt. Doch scheinet es immer, als wenn das zarte e dem Ohre weit besser klingt, als das blökende ä: die Aussprache der Niedersachsen ist dem ä so gram, daß sie es oft selbst da nicht einmal hören läßt, wo es wirklich steht, indem nach dieser Mundart icli icüre, wie ich icerc, gelesen wird. Die Wörter Jlcer, sehen, reden, werden in Niedersachseu nicht wie JläJn; sähi'n, räden ausge- sprochen, wie es sonst im Hochdeutschen sehr häufig geschiehet. Allein vor b, (j, l, m, s und t wird demohngeachtet auch in Niedersachsen das c größtentheils wie ü gelesen, als in den Wörtern heben, lecjen, fehlen, nehmen, lesen, beten; vor (/, /; n und r hingegen, wird es wie eli gelesen, als in den Wörtern reden, sehen, lehren, ehren. ' Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 18; 'Das ü lautet im teutschen völlig wie e, wenn es kurz ist z. B. Blätter wie Wetter. Also ist der Unterschied des offenen und ge- schlossenen e, wo es kurz ist, vergebens und unmerklich. Ich sehe nicht, nach was für Gründen Herr Adelung es in den Vorsylben be, ge und der Endung auf e geschlossen , wo aber ein Mitlaut zur letzten kommt oder die Sylbe worin es stehet den Ton hat, offen ausgesprochen wissen will. Ich wenigstens mag Mund und Ohren dähnen oder schärfen wie ich will, so finde ich in bedecke, verdecken u. d. g. durchgängig nur eiuerley e, das weder offen noch geschlossen ist, well es überall kurz ist. Nur das ge- dähnte e ist bald oö'en bald geschlossen, und wo es jedes seyn müsse, das ist nicht bloß grammatische Speculation sondern von augenscheinlichem

Einfluß auf die Sprache Ich halte das e für geschlossen in Beere, he-

(lehren, bescheren, drehen, edel, ekel, elend, entbehren, erste, Erz, Esel, heben, Hebel und Hefen, Hederich, Hedwig, Heer, hehl und hehlen, Kegel, Kleben, Knebel, leben, ledig, legen, Lehne, Meer, Meih, Nebel, predigen, Quehle, reden, scheel, Schere, Schmeer, schicer, Segel, Seltne, sehnoi, ver- sehren, seelig, Speer, Wedel, iveder, bewegen, verwegen, Wegerich, wegern, wehen, ivehren. Einige andere können hier gar nicht in Frage kommen, weil ihr e kurz ist, nämlich Nest, Quecke, Trester und wenn. Endlich aber hat auch Herr Adelung manche darunter gestellet, die, wie er zum Theil selbst bemerkt, von andern richtiger mit einem ä geschrieben werden. Dahin gehören meines Erachtens, bähen, Bräme, Präzel, Hähnen, Flügel, Häring, Käfig, Lägel, Quäke, Bäkel, Schädel, Schümel, Schlägel, Schwäher,

stät und stätig, Traber und zühren Viele Obersachsen sprechen

sogar in nähren und zülden, nälune, kiune, wäre, träge, Thräne, gälnien, Gebärde, Säge ein geschlossenes e a\is, da doch in ganz Teutschland und

von ihnen selbst ein ä geschrieben wird Am besten würde es seyn,

Avenn man den Unterschied des offenen und geschlossenen e ganz aufheben

und jenes immer durch ä ausdrücken könnte Es wäre alsdeuu

das sähen und geschähen der Schläsier, das fähr, mähr, lär und lähren der Westphalen, das drähen und räden der Obersachseu leichter zu ver- meiden, aber man müßte denn auch umgekehrt lenger, Demon, Majestet u. d. g. schreiben' Rüdiger, Zuwachs der Sprachkunde 1784, 3, 41 ff.; vgl. ebda. 1783, 2, 13G; 'Aber der Etymologie zu Gefallen darf man von dem

ZUR AUSSPRACHE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT. 411

Schreibgebraucli nud der Aussprache, die ich beyde für übereiustimmig

annehme, nicht abgehen Wer kann z. E. hässer, ädel, Votier, Hanne,

Aesel, röUen (für füllen). Bächer, ahern (von aeneus, metallen) Ar::, Mützijer (unrichtig von mactare), Jli'tssen, (jeniisseu (unrichtig von Fluß und Genuß), ausstehen?' Klügel, Enzyclopädie 178i, 3,563.

III. Deliuuiii? kurzer vocale.

A) Haupttonige vocale.

Um die ändeningen iu der qiiantität, die sich seit niittel- hoclideutsclier zeit Tollzogen haben und heute in der Schrift- sprache ziemlich sicher anerkannt sind, wogt im 18. Jahrhundert noch ein harter kämpf. Die mundarten wollen ihr wort bei der festsetzung- der quantität mitsprechen, die grammatiker streiten hin und her, es zeigt sich ein allgemeines schwanken, bei dem man erst gegen ende des Jahrhunderts einige Sicher- heit entstehen sieht. Als grundsatz bei der dehnung mittel- hochdeutscher kürze steht fest: vor leichter consonanz tritt die dehnung ein, vor schwerer consonanz bleibt die kürze er- halten. 'Der regulierende Faktor Avar offenbar die Silben- scheide: in offner Silbe trat die Dehnung ein, in geschlossene drang sie nur durch Systemzwang und durch Formenübertraguug. Fälle, wo diese Erklärung versagt, sind im Xhd. im allgemeinen selten; häufiger nur vor r' (Wilmanns). Sonst unterbleibt die dehnung auch oft vor den nachsilben -er, -el, -en.

So wird es im großen und ganzen schon von den gram- matikern des 18. jh.'s gelehrt:

'Alle Xameu oder Wurzehvörter sind gedehnt, die sich mit einem ein- fachen, und wo es Grade gibt, mit einem sanften Mitlauter endigen. Und umgekehrt, (so sicher ist der Sprachgebrauch!) alle Wörter, die mit einem einfachen, und wo es Grade gibt, mit einem sanften Mitlauter, oder genau gesagt, mit h und g, am Ende geschrieben werden, müssen auch gedehnt ausgesprochen werden' Xast, Sprachforscher 1777, s. 165.

'Alle Namen oder Wurzelwörter haben den scharfen Ton, die sich mit einem doppelten eigentlichen Mitlaut, und wo es Grade gibt, mit einem scharfen oder harten Mitlaut endigen, wie besonders ch und k von h und (j nur Grade sind" ebda. s. 167.

'Der Accent ist zweierlei, gedehnt (circumfiectirt), und scharf (acuirt). Der einfache Endkonsonant zeigt die Dehnung des Worts, der doppelte End- konsonant zeigt die Schärfe des Worts au. Fol, Fall, kam, Kamm . Nartuuj, Narr . Diss ist nicht nur eine uralte und allgemeine Sprach- gewohnheit, sondern sie hat auch Grund in der teutschen Sprache selbst.

412 TRITSCHLER

Alle Wörter, (gar sehr wenige ausgeuommeu) , die mit ungleich doppelten Endconsonanten endigen, sind geschärft; und diese doppelte Endconsonanten Averden dadurch zum Merkmal der Schärfe des Worts. Warum sollten gleich doppelte Endconsonanten nicht ehen dieses thun? Fall wie Welt, Held, kalt. Kanne wie Kante, Sand, Stand' Fulda, Grundregeln 1778, s. 36. 'Den geschärften Ton einer Sylbe erkennet man yornehmlich an den gedoppelten Cousonannten am Ende derselben, sie seyen nun von einer Art oder von verschiedenen" Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 261.

Auch Gottsclieds wirre regeln deuten hierauf hin: Gott- sched, Sprachkunst ^' 1762, s. 42 ff. Ebenso Bob, nöth. Grund- sätze 1771, s. 6 und s. 54; Braun, Dicht- und Terskunst 1772, s. 22. Nast zählt im Schwab. Magazin 1777, s. 171 die aus- nahmen von dieser regel auf, die ich im folgenden behandle.

Adelung sagt zu der delmung noch:

'Im ganzen genommen herrscht die Dehnung hey den Oberdeutschen, die Schärfung aber hey den Niederdeutschen und Schlesien! ; aber in ein- zelnen Fällen durchkreuzen sich die Eigenheiten wieder, und der Nieder- sachse dehnt, was der Oberdeutsche schärft' Orth. 1788, s. 215.

§ 1. Dehnung in offener silbe.

1. Die Avörtchen, die auf einen vocal ausgehen, haben, Avenn sie einen ton tragen, langen vocal; unbetont Averden sie verkürzt.

'Lang sind die Vocalen, wenn sie in einsyllbigten Wörtern ganz am Ende stehen; als: in ja, da, he, so, du, zu, u.d.gl. Dahin auch gehöret, Avenn ein bloßes h darauf folget, als: S((h, weh, geh, roh, froh, Schuh, aus- genommen, in Ha, ha! Sa, sa! wo die erstem Wörter allemal kurz klingen' Gottsched, Sprachkunst' 1762, s. 43.

'Lang sind die Selbstlauter, auf denen der Ton der Aussprache etwas ruhet, dieß geschieht: In einsylbigcn Wörtern am Ende, z. B. so, <t((, u.d.gl.' Bob, Anfangsgründe 1802, 8.6;

'Der gedehnte Ton einer Sylbe wird daher erkannt: An dem Ilülfs- und Doppellaute am Ende; jede Sylbe, welche sich auf einen solchen Laut endigt, ist, wenn sie anders des Tones fähig ist, gedehnt, daher diese Regel die tonlosen Biegungs- und Ableitungssylben nichts angehet: Blau, firau, rfaii. Auch die einsylbigeu Bestimmungswörter haben in diesem Falle nur einen halben gedehnten Ton: du, da, die, so, ja, ha! je; daher sie in der Poesie sowohl lang als kurz gebraucht werden können' Adelung, Lehr- gebäude 1782, 1, 258.

Dagegen wendet sich jedoch Richter in seinen kritischen Anmerkungen zu des Herrn Rath Adelung Deutscher Sprach- lehre 1784, s. 50:

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM IS. JAHRHUNDERT. 413

'Der scliließeude Vocal taugt zu keinem Keuuzeieheu des gedehuten Tons, weil auch er kurz lauten kann, wie er das thut in ha, nä, ohö.^

Und in seiner Reclitsclireibnng 1780. s. 43 führt Eicliter aus:

'*Eine neue Orthographie einzuführen ist unmöglich«

üJiö! »Eine neue Orthographie läßt sich hald einführen«

oJib! Das geht sogleich nicht!'

'In diesem für einen Verbeßrer der deutschen Rechtschreibung nicht eben tröstlichen Dialog wird man den unterschied des langen und kurzen Vocals und also auch des doppelten offnen Tons in dem oho und ohb merklich wahrgenommen haben. Auch in der Interjektion nd, die nicht so lautet wie das Wort nah, ist der Selbstlaut kurz und der Sylbenton ein schneller offner.'

Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 22 gibt zum (für zn dem) als kurz an. 'So ist auch zun bei denen, Avelche es für zu den gebrauchen, kurz.' Doch sagt Heynatz. in einigen mund- arten herrsche gedehnte ausspräche.

Ob wird zu üb, wenn in der Zusammensetzung das b zur folgenden silbe gezogen wird:

'In üh wird der Selbstlaut durch die Zusammensetzung lang in Olxicld, und beobachten und umgekehrt wieder die Abstammung kurz durch die Ab- kürzung von oben z.B. obgcdachV Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,40.

2. Stämme, die auf einen consonanten ausgehen, zeigen die dehnung zunächst in den obliquen casus. Doch gerade hier widerstreben die gegenden, deren mundart alte kürze bewahrt hat. Wenn in der heutigen Schriftsprache bald die dehnung, bald die kürze des vocals gilt, so ist dies nicht zum wenigsten auf den einfluß der mundarten zurückzuführen. Fast für jedes wort läßt sich im 18. jh. noch der kämpf um die quantität dieser vocale verfolgen:

Vor labialen.

'Es wollen zwar manche für Riebe auch schreiben Bibbe; allein es ist unrecht, Aveil ich ja sonst im Derivato auch sagen müßte das Gen'bbe, 80 aber nicht geschieht, sondern ich sage: Gerippe. Daß &bev Hiebe recht, und hingegen liibbe unrecht, ist auch zu erkennen aus dem alten Liede:

"Wie schön leuchtet der Morgenstern etc denn wenn Eibbe recht wäre,

hätte es nicht mit dem Worte Liebe sich gereimet' TöUner, Orth. 1718, s. 93.

Ahnlich verlangt Heynatz in seiner Sprachlehre 1772, s. 58

414 TRITSCHI.ER

Krüppel (lüclit Kricpd), llüpcl (nicht Bicpcl), wodurcli also die ausspräche mit langem vocal bezeugt ist.

'So wird verdoppelt: h nur in diesen einfachen Wörtern Ahha, Ab- hreviatur, Ebbe, Krabbe, llibbe, Sabbat, Zubber etc. und in zusammen- gesetzten, als: abbrecheil, ohbesclirieben etc.

Habber Zicibbeln etc. wird nach einer guten Mundart Haber Zwiebel geschrieben und ausgesprochen.' Salander, Schreibkuust 1757, s. 43.

'.SW(ro/(e/i/ bedeutet rauh von Felsen. Frisch schreibet im W. Schrufe so: ein Wort, so in den Gegenden, avo keine Felsen sind, Aveuig bekannt

ist Hr. Gottsched wird auf seiner Reise durch die Oberpfalz mehr

Schrofen haben kennen gelernt, als ihm lieb war." Popowitsch, rntersuchuug vom Meere 1750, s. 425.

'Auch ist das eine Wort in dieser Gegend gedehnt, in jener scharf: Ife/'e, Ileff'e, faex.' Nast, Sprachforscher 1772, s. 240.

Stuhle für Stiihc bezeugt Rüdiger, Zuwachs 2, 1783, s. 186. hahhen für haben bezeugt Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 42. Fappa für Vapa bezeugt Rüdiger, Zuwachs 2, 1783, s. 136 (s. unten s. 416).

Vor dentalen.

'Hieraus ist auch zu erkennen, daß es wieder die teutsche Orthographie ist, wenn man schreibet: der Widder, &ne^, der Iladder, der Zeddel, lientiii- fladdent, davon ein Fladder-Geist kömmt. Sol es aber recht seyn, so muß mau schreiben: der Wieder, der Hader, der Zettel, lierumflattern, ein, Flatter- Geiat: TöUuer, Orth. 1718, s. 104.

'Was das Wort Widder, Arie?, anlanget, so ist es also gar nicht recht

geschrieben daher muß ich schreiben, wenn es recht seyn soll, der

Wieder, Aries. AVie solches auch unter andern zu erkennen ist aus dem Lied: Wach auf, mein Herz, und singe etc. Da es v. 6 heist: Mein Weili- rauch, Farr und Wieder etc. oder Mein Weilirauch und mein Wieder, sind mein Gebet und Lieder. Denn sollte es recht seyn zu schreiben Widder, so wäre der Reim nicht richtig; Wenn ich aber schreibe, wie es recht ist. Wieder, so ist der Reim herrlich und gut." ebda. s. 82.

^1) wird fast niemals verdoppelt, außer in Widder, l{idda(jshaui<eii, und steht also auch immer nach einem langen Yocal; als Faden, Boden, reden: daher denn die Aussprache des hiesigen Pöbels falsch ist, welcher Boden und Faden, oft wie Bodden und Fadden hören läßt' Gottsched, Sprachkunst ^ 1762, s. 52.

'Einige sagen für Haber, Habber, für Boden, Bodden, für Kohlen,

Kollen, für haben, hann; wie die Franken für Vater, Vutter sagen'

ebda. s. 17;

' So wird verdoppelt d nur in Widder, nicht wohl in Hadder,

am wenigsten in Brädder, aber in Widddistel u. dergleichen' Salander, Brief- steller 1757, 8. 43.

Die Schreibung Iladdcr u.s.w. kommt noch oft vor und

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 415

wird in manchen ortliograpliisclien Wörterbüchern verlangt, z. b. bei Seume, Lexikon 1733, s. 90: 'der Haddcr, als ein "Werk des Fleisches, heisst anch Zank'.

'Das d aber wird gar nicht in einer Syllbe verdoppelt: hingegen kann es in zwej^en Sj^llben gleich aufeinander folgen, z. E. in fladdern, Haddcr und sclinaddern' Pohl, Orthographie 1735, s. 142.

Statt foddcrn, wie Luther noch schreibt, verlangt Heynatz, Briefe 1774, s. 14G fodeni und fordern. Und Placius, Briefbuch 1749, s. 26 berichtet: 'So spricht z. E. ein Thüringer Letter für Lcder, Fetter für Feder\ Ebenso Rüdiger, Zuwachs 1783, 2, 136.

'C'est pourquoi le commun peuple prononce mal: Fadden, Bodden, redden' Maitre de la langue 1782, 9. ausgäbe s. 16.

Rüdiger, Zuwachs 2, 1788, s. 136 loezeugi Nattehi tnv Nadeln (s. unten s.416). Pohl bezeugt Fiddel (für L'iedel) Orth. 1735, s. 143; s. unten s. 416.

Vor (j. Für Eyye bezeugen dehnung: Heynatz, Sprachlelu'e 1772, s. 41 (s. unten s. 419); Rüdiger, ZuAvachs 1784, 3,36 (s. unten s. 419); Lignet, Grammatikalien 1780, s. 90. Ferner:

'So wird verdoppelt: (j nur iu diesen einfachen Wörteni: lJo(j<i<; Bri'Kjijc, Hayijai, Flagcje und E(j(je. "Wiewohl eine bessere Mundart lieber E(jc spricht und schreibt' Salauder, Schreibkunst 1757, 8.43.

'II ne faut pas neanmoius imiter ceus qui mauquent en ... confou- dant par exemple ces mots legen coucher, lecken lecher' Nouvelle luethode, Berne 1742, s. 21.

'Was ist gewöhnlicher, als daß man in Dreßden, und vielleichte auch in andern benachbarten Orten, länte, mir, Bodden, Kollen, Voijgel, Jeisus, Mause» sprechen höret, iür licvde, tn'r, Boden, Kolen, Vogel, Jesus, Moses' Orthographie, Eegeusburg 1737, s. 15.

'placJcen ist Avohl nichts anders, als das frequentativum von plagen' Heinze, Anmerkungen 1759, s. 53.

Vor l.

'Darnach muß mau die Ohreu auch zu Käthe ziehen, wie manches Wort von unterschiedenen Lands-Leuten unterschiedlich ausgesprochen Avird. Ich weiß, daß ich vor etlich zwantzig Jahren dieses in Leipzig machte:

Das war gewünschte Ruh,

Wir trunken aus den Collen,

und satzten bey den Kohlen

die Lerchen selber zu.

416 TRITSCHLER

Doch wer iu Sclilesieu und anderswo mit dem Reime bestellen wolte, der müste sicli zuvor der Prouunciatiou wegen vergleichen' Weise, Curiöse Ge- danken 1702, s. 8.

'Wenn man aber der Aussprache des gemeinen Mannes folgen wollte, so müste man z. E. schreiben: der Bodden, die Fiddel, gestoUen, Kollen, Valier, Vochd u.d. g. für Boden, Fidel, gestohlen, Kohlen, Vater, Vogel u.s.f.' Pohl, Orth. 1735, s. 143.

'Hier spricht man in Zw Hing das erste / lang. Vieleicht geschieht dieses gar billig. Denn Avas ist ein Ziriling anders, als ein Zweyling gemini? Mir scheint demnach das doppelte II überflüssig zu sein' Reichs- siegel, Rechtschreibung Augsburg 1761, s. 196.

'Ele (eigentlich Ale) ist niedrige, Elle bessere Ausspräche.' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 28.

Auch Rüdiger, Zuwachs 1781, 3, 3G bezeugt Ekle für Elle.

'Wenn aber das /, in, n und ;• die Sillbe endigt, so schreiben freilich

diejenigen, die das Wort scharff aussprechen mit verdoppeltem / ni etc

Mir fällt von diesem Fall nur ... hefichellen ... ein; and're sagen gedehnt ... bescheiden.' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 109.

'Höret man in Sachsen jemanden Kollen, laitt, Blutt, sprechen, und mau weiß nicht, daß er ein geborner Sclilesier ist, so wird er dagegen von den meisten Kohlen, gut, Blut hören, und er kann dann sicher schließen, daß das die beste und richtigste Aussprache ist" Adelung, Orth. 1788, s. 57.

'Die Schlesische und Niedersächsische Mundarten schärfen immer gern, wo die wahre Hochdeutsche dehnt: gi'tttig, Gemntt, demätiig, hollen, (holen,) Bodden ' ebda. s. 60.

'Von eben dieser schwankenden Ungewißheit der Aussprache iu Ober- sachsen scheinet es herzurühren, daß oft die Selbstlauter wie im Reich un- richtig gedähnt oder nach niedersächsischer Art verkürzt, und die Mitlauter verdoppelt werden z. B. ahn statt an, nuhch statt nach, gehrn statt gern, Bret statt Brett, Intlcen statt hucken, Masche mit langem a, Tohal- statt Tohaclc, Bodden statt Boden, Stuhhe statt Stube, Feddcr statt Feder, gestollen statt gestohlen, Natteln statt Nadeln, l'appa statt l'apu, Distel statt Biestel, dirr statt dir' Rüdiger, Zuwachs 1783, 2, 136.

' herzuhollen' wird auch im Parnassus Boicus 1722, s. 33 geschrieben. Fahl für Fall gibt Adelung an, Orth. 1788, s. 215 (s. unten s. 419).

'Lilje, Feter silje u.d. g. haben in der nächsten Sylbe vor dem aus i entstandenen ,j hei vielen unrichtig einen kurzen Vokal, da er doch vor der Verwandlung des / lang war' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 17.

Vor n. 'Hingegen würden auch die Herren Leipziger mit diesem Verse nicht zufrieden seyn: ^aß doch die Herren grüssen,

Wenn sie nach Leipzig ziehn, Dieweil sie den Gewinn Uns zu erhalten wissen' Weise, Curiöse Gedaukcu 1702, s. 8; 'Es wäre aber unrecht, wenn ich das

ZUR AUSSPHACHE DES NHD. IM 18. JÄHKIIUNDERT. 417

Substantivum schreiben wollte Zi'.ni, weil das Adjectivum zinnern hiese weil Ja jenes {das Zicn) iiicht von diesem, sondern zinnern gar ordentlich ... vom Zie)( herkömmt" Töllner, Orth. 1718, s. 19; 'Der Schwab dehnt: Zin, stannnni, und hat das niderstächsische tin znr Seite, wider das ober- sächsische geschärfte: Zinn. Kin, maxilla, mentum wird one Zweifel

von den Obersachsen nur desswegen, mit: Zinn, geschärft und: Kinn ge- schrieben, damit man das ie drinn vermeiden möge' Nast, Sprachforscher 1777, s. 283; 'Fälschlich schreiben manche Zin (und sprechen das i lang) für Zinn^ Heynatz, Sprachlehre 2, 1772, anm. s. 29; 'Gröblich fehlen, welche sagen: z. E. Bohnen, Fesehi, Haien, anstatt Bonnen, Fesseln, Bauen' Do- natus, Begriff 1763, s. 12 ; 'Sonst ist der verdoppelte Konsonant auch theils unuöthig, theils falsch in ... ijrawiii hinn ... Kainüel, Krannich ... Bominacle ... Senne (inr SeJnie) Vatfer, Tr«|)j;eH' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 88; 'Sänne wird bei uns nicht gehört, aber Sane' Lignet, Gram- matikalien 1780, s. 28; nach Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 9 ist das a in Kra)iicli lang; Adelung, Orth. 1788, s. 215 bezeugt donern mit langem 0 für (Jonnern. (s. unten s. 419); ebenso Braun, Redekunst 1772, s. 121 pelinen für jlennea 'weinen'; aus einem reim ergibt sich kurzer vocal in Biene: 'Such überall den besten Sinn, Machs wie die Binn, nit wie die Spinn^ Parnassus Boicus 1722, 1, 7; im allgemeinen jedoch gilt entsprechend unserer heutigen aiissprache dehnung, z. b. in majinen. Lehne, Sohn, seh)ien u.s.w.; vgl. Bödiker, Grundsätze 1746, s. 39.

Vor m. ^Am wird in Nieder- Sachsen kürzer, als anderwärts, ausgesprochen und drücken wir selbiges immer durch ein schnelles u aus, es sey denn, daß ein h dazwischen stehe; ausgenommen in zwey Wörtern der Gram und die Scham, worin das o einen deutlichen Klang hat. Und dennoch spricht man: er ist ihm (jram, er ätoh veniebat, wieder mit einem verkürzten a aus. Hierin müsten wir nun eine Änderung machen, und die oben an- geführte Regel nach dem Exempel der Ober- Sachsen beobachten, folglich alle diese Wörter, die mit einem ;// geschrieben werden, heller und deut- licher aussprechen; die andern aber, die ein mehr verstecktes « haben, zum Unterschiede mit einem doppelten m schreiben, zum Exempel der Schlamm, der Damm, das Lamm, der Stamiir Brockes, Reimendungen 1725, s. 14; 'Der Gra[h]m heisst Kummer, Harm, wenn man sich grämt, betrübet; Gramm ist man, dem man feind, den man auß Haß nicht liebet' Seume, Lexikon 1733, s. 84; 'Die Herren Schlesier sprechen zwar uihm, und meynen, es müßte so seyn, weil es von nehmen kömmt. Allein wenn dieser Grund gilt: so müßten sie auch sagen, genohmen; nicht aber genommen. Die Bayern sagen, ich )iimm, du nimmst Wer hat nun recht?' Gott- sched, Sprachkunst =* 1762, s. 53. 'Wen die Sachsen das Participium: ge- nommen, dehneten, welches aber, nach Gottscheden, nicht geschieht: so wäre wider ihr: nehmen', ich nehme, nichts einzuwenden. Da sie es aber schärfen, wie Avir: so sollten sie auch: nonmen, ich ucmme. schärfen' Nast,

418 TRITSCHLER

Sprachforscher 1777, s. 198; 'Es steckt ein neuer Irrtum dahincler. Mau meint, der Infinitiv sei der Grund der Wortbihiung, aus ihm will mau das Imperfekt und die Wurzel selbst herleiten, und ihren Grundbuchstaben

liildeu. Von nemmen genommen bildet man sich, er numm Aber

der Grund ist falsch' Fulda, Grundregeln 1778, s. 37; 'Auch ist das eine AVort in dieser Gegend gedehnt, in jener scharf: ... Kemat, Kemmat, caminus. Schemel, Schemmel' Nast, Sprachforscher 1777, s. 24:0; 'Wenn aber das /. m, n und r die Silbe endigt, so schreiben freilich diejenigen, die das Wort scharif aussprechen, mit verdoppeltem /,, m etc. . . . Mir fällt von diesem Fall nur ... Schämmel und heschellen, Schellhenfist ein; and're sagen gedehnt Schähmel und lescheJilen, Beschehler' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 109; 'Schlam schprechen unsere Bauern, ScJtlam die Herren' Liguet, Grammatikalien 1780, s. 8; nach Moritz, Bechtschreibuug 1784, s. 12 ist das V in Krume lang.

Vor t Hier zeigt es sich, daß die wenigen worte, bei denen die heutige schriftspraclie dehnung diii'chführt. im 18. jh. schwanken. So findet sich die Schreibung betten, Gebett Eeichssiegel, Recht- schreibung 1761, s. 141 und Weisenstein, Lesen und Schreiben 1781, s. 103; H.B. (Braun), Wörterbuch s. 2 verlangt «/>/>e//<ew., nicht ahbetten; und Reichssiegel a.a.O. s. 138 schreibt gerade im gegensatz zu seinem Gebett: 'zu Bethe gehen'. Ferner:

'An Statt Beet (ein Gartenfeldchen) sprechen wir mit andern Land- schaften Beft, und richten auch die Schrift nach dieser Aussprache ein. Dieses Wort hat mit dem Bette im Schlafzimmer einerley Ursprung' Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 71; 'Schtat . . . betten precari, . . treuen, jätten, hielten . . . ritten cribare . . . schprechen wir . . . bäten . . träten, hiutcn ... rentern'' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 92 und ebda. s. 43: '■hitten gibt mir (jebuten, nicht rjehetten'; 'Gebot schprechen wir nicht, sondern Gebot' ebda. s. 10; dagegen: 'Was die Verba bieten und gebieten anlanget, so sihet man aus schon angeführtem, daß in Praeteritis das t nothwendig muß verdoppelt werden, Aveil aus dem Diphthongen ie der Vocalis 0 wird, daß ich recht sage und schreibe: ich botte, ich gebotfe, ich habe geboücn, gleichwie ich recht schreibe von sieden: ich satte, ich habe gesotten. Daher auch die Nomina das Gebott praeceptum und der Botte nuncius Ich habe auch in acht genommen, daß man im Reich ins- gemein so schreibet und pronuncieret. Also ist unrecht, wenn man, Avie die meisten es bey uns bishero gewohnet gewesen, mit einem t schreibet . . . ' Töllner, Orth. 1718, s. 15; IG. Bra\;n, Sprachkunst 1775, s. 546 schreibt: 'Botlt, der Briefe bringt, nicht Bott:

Auch Worte, die im heutigen Schriftdeutsch mit kürze er- scheinen, erfahren im 18. jh. dehnung:

'Was hochteutsch sey, muß hierin Gebrauch und Ähnlichkeit bestimmen, nach welchen ich z.B. der Ableitung Avegen Bret für richtiger halte als

ZUR AUSSPRACHE DES NIID. IM 18 JAIIUIIUNDERT. 419

Brcff, hingegen Blatt, Er/ge und Elle für riclitiger als Bh(t, Ege und Elüc'' Rüdig-er, Zuwachs 178i, 3, 38 ; Adelung schreibt ' Brett, (besser Bret, weil das t auch im Plural einfach lautet, Breier), Blatt (besser Blatt, y Lehr- gebäude 1782, 1,257. Dem widerspricht sein gegner: 'Bret, nicht JB>r«. Das ist sehr wilkürlich, und läßt sich kein Grund angeben, warum jenes beßer gesagt sei als dieses. Auch ist das leztre gewünlicher; wenigstens spricht kein Märker hret sondern bret' Richter, Krit. Anni. 1781, s. 172; 'Elle, Egge, Breit werden oft falsch wie Äle, Äge, Brät, und Blattes wie Blades ausgesprochen. Hingegen Avird nicht nur von den meisten State ausgesprochen, sondern auch jetzt schon von vielen so geschrieben, ob es gleich von statt herkömmt' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 41; dazu bemerkt sein geguer Denst: 'In Städte spricht jedermann das d lang, der auch das a in Stadt kurz spricht; denn sehr oft habe ich es den gemeinen Mann wie Staat aussprechen hören' Zweiter Teil der Heynatzischen Sprachlehre oder Anmerkungen über dieselbe, Liegnitz 1773, s. 8; 'nach dieser An- merkung wird am richtigsten geschrieben die Stad, das Bro'l, welche beyden Wörter von vielen geschrieben werden die Stadt und das BrodV Volck von Wertheim, Orth. 1711, s. 177; 'diese einige Ausnahmen, deucht mich, wären folgende: dt gelten zu lassen, avo das d in der Umendung wirklich gehört wird, als: Brodt, Brodfes, todt, Todfeir Mantzel au Klop- stock 1779, s. 11: 'dt ist am Ende in Brodt, Stadt, Seincerdt, Todt, bekaudt unnötig, man stöst auch mit der Zunge nicht beyde Buchstaben au; einer von beyden mus wegbleiben: Wächst das Wort aber und man hört beyde, so schreibt man sie, als Städte, Todten, Verwandte. Hingegen sage ich: die Brote, Schwerter, Belaiude, folglich schreibt man Brot, Sehicert, beJcaiif, Herd u.d.g;.' Anweisung zum Briefschreiben, Preuzlau u. Leipzig 1751,

s. 32; 'Sehn-erdt, Erndte, und Brodt wenlen richtiger SeJiwert, Ende,

Brot geschrieben; Brod, die Brode ist bloß Niederdeutsch' Adelung, Orth. 1788, s. 165; 'Hingegen erscheinen itzt in vielen Büchern, die eben nicht die besten sind, verschiedene Mißgeburten, als Gaathin, die Schaafe, der Hauber, der Laax u.d.g. da mau doch die Gattin, die Schafe, der Haber, der Lachs schreiben soll' Braun, Sprachknnst 1755, s. 54; 'So spricht der Schlesier, wenigstens in manchen Gegenden, Gott so gedehnt, als wenn es Goot geschrieben wäre, Fahl für Fall, donern für donnern, und der Nieder- sachse Kalire und hahren für Karre, Keerl für Kerl u.s.f. welches denn auch seinen Einfluß hat, wenn sie Hochdeutsch sprechen und schreiben wollen' Adelung, Orth. 1788, s. 215; 'Daß Herr Nast gelidten, geschnidten, gesodten geschriben haben wil, ist zu bemerken. Der gemeine Schlesier schpricht gcliden, geschniten, gesoten'' Lignet, Grammatikalieu 1780, s. 42; im Parnassus Boicus 1722, s. 73 ist Knotten geschrieben; um die worte Titel und Vater dreht sich eine eifrige Verhandlung : Brockes sagt von den Obersachsen: 'Sonst reimen sie auch d((s Mittel, und der Titel, titulus; welches letzte Wort billig nur mit einem t geschrieben, und folglich das /, da wir beydes im Lateinischen so finden, seinen freyen und unverkürzten Klang haben sollte. Viel eher würde Mittel mvd T'nttel, punctum angehen' Reimendungen s. 26 ; ' Sollte Tutel zu sprechen und zu schreiben wirklich falsch sein? Freilich lassen wir in tiialus ein langes / und nicht mehr

420 TRITSCRLER

als ein / liüren. Aber formt der DentscLe nicht eine Menge fremde Wörter anders, als sie in der Sprache lauten, ans welcher er sie her nimmt?' so schreibt Heynatz' gegner Denst in dem zweiten Teil der Heynatziscbeu deutschen Sprachlehre s. 19, während Heynatz, Sprachlehre 1772. 8.42 die Schreibung Tittcl getadelt hatte: 'Viele macheu oft unrichtig einen Yocal, worauf ein einzelner Mitlauter folgt, dadurch lang, daß sie den Mitlauter verdoppeln, und sagen daher z. E. BodtJen. GiUte, hahbcu, Bolleu, schöinwr, Titlel t\\Y Boden etc.". Moritz, Sprachlehre für Damen 1782, s. 485 gibt an, daß Tiiel ein gedehntes / hat. Dagegen Liguet: '■THel Kapitel ist höchst selten hir zu hören; wir scherffeu TiüeJ, Kapiüel etc., wie MiüeV Gram- matikalien 1780, s. 17. 'Soll man schreiben Vidier oder Viüerl Der, so Vater schreibt, folgt zwar seiner Mundart, welche das (t dehnet, und denen zugleich nahe ist, die Vader sagen, und endlich das d gar auslaßen, und Var darausmachen, wie aus Mutter Moder und Mor in solchen lamen

Eeden Allein es hat das tt mehr Grund wegen des Derivati und

Compositi, in dem es noch bleibet, als: man sagt Vetler, nicht Veter, Ge- rafter, nicht Gerater' Bödiker, Grundsätze 1746, s. 49. Hemmer schreibt Vatfer, setzt aber hinzu: 'Die ('bereiustimmung der Gelehrten entscheidt einmal in diesem Stücke nichts: denn es giebt noch immer einige unter ihnen, auch sogar unter den Sprachlehrern, welche nach der Mundart sehr vieler Provinzen Deutschlandes V((tter sprechen und schreiben" Vertheid. s. Abhandl. 1771, s. 241; 'Dem Worte Vater gehöret kein doppeltes tt, wie- wohl es in der Aussprache fast so lautet, wie Mutter; denn durch das ein- fache t wird es von dem Worte Vätter, des Vaters Bruder, u.d.gl. in der vielfachen Zahl unterschieden. Die Väter, und der Vätter; Veiter und Vöfter ist falsch" Braun, Sprachkunst 1775, s. 113; 'Dem Worte Vater gehört kein doppeltes //, Aviewobl es in der Aussprache fast so lautet wie Mutter: denn

U.S. w.' wird wiirtlich abgeschrieben in einem büchleiu: Kegeln vom

Schreiben, Eeden und Versmachen, Bamberg 1785, s. 23; 'Was hinderts, dass wir nicht V((tter schreiben därften, da wir jetzt so sprechen, und die Sachsen im Plural selher Vätter schreiben?" Fulda, Grundregeln 1778, s. 56; Vätter, Dotter schprechen wir nun schon nicht mit, sondern Vater, Boter'' Lignet, Grammatikalien 1780, 8.18; den Italienern wird gelehrt: 'Vätter . . . leggi Futter' Kirchmayr, Grammatik der Teutsch -Welschen Sprache. Gegen das schwäbische Kräfte sagt Lignet: 'Schtat Krotte ... schprechen wir Kräte (wenn wir gleich Kröte mit schreiben)' Grammatikalien 1780, s. 18. Für auareuten gibt Seume an: 'ausroden und ausrotten heisst eben so viel' Lexikon 1733, s. 182. 'Schtat Zetter haben Avir Zeter; schprechen hingegen, das Fleisch ist mir zu setterisch' Lignet, Grammatikalieu 17H0, s.92.

Die eudung -er bestimmt die kürze des vocals: 'AUhier wird aus- genommen das Wort Blat, folinm, welches in Singulari zwar nur ein ein- faches / hat indem ich sage: des Bhites, dem Blate, in Plurali aber ein doppeltes / ob Euphoniam bekömmt, wenn es heist: die Blätter, folia' Töllner, Orth. 1718, s. 31.

Alte kürze ist bewahrt in hotten: 'sie Z/w/?c/(, licitabantur, yom bieten, mit einem gedopelten harten //. Matth. '26, und sie 6o/^nMbm 30Silberling' Volck von Wertheim 1711, s. 277.

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 421

Vor p und h.

'Das TFäjje/;., insigne armaturae, \m(\. ([\q ScJmpe, squania, sind die ein- zigen Ausnamen von Würtern, die sich dehnen, und doch ein j> am Ende haben. Siuds keine Provinzialismen, wie unser: Hope, Hiipe, Hape, wie wir die H/pe nennen; die Tope, Tavpc, wie wir die Tape oder Taze aus- sprechen— ; und wie das Schlesische Stapel (Mäzke p. 117); nun so zeichne man sie denn, als Sonderlinge mit dem Adelungisclien Hütchen, wenn mau sie nicht im Gedächtnis als Ausnamen behalten kann, oder für Fremdlinge und Schüler bezeichnen mus' Nast, Sprachforscher 1777, s. 158; 'p wird nach kurzen Selbstlautern oft verdoppelt, als: Bappcn, Treppen. Ein- fach kommt es selten, z. E. in Grapen und Wapeii, und mehrenteils in fremden Wörtern vor, als: Apotheke, EpisteV Regeln vom Schreiben, Reden und Versmachen, Bamberg 1785, s. 21; 'Schtat Trepe, Neper . . . schprechen

wir Treppe, Näher'' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 92 und 'Uns sehtet

weder Joppje, noch Juppe, sondern nur Jupe an' ebda. s. 2G.

'Das ch, p, k, t und z stehen im Hochdeutschen so häufig nach ge- dehnten Hülfslauten, und in den Mundarten, die denn auch immer deutsch sind, noch häufiger, daß diese Regel mehr Verwirrung als Nutzen stiftet:

fluchen, mchen, Stapel, hapern, Kaper Ekel, Haken, Laken, Bake,

Wieke, Wake, er buk, spuken, Luke, Schnake, takeln, erschrak, Pauke, mäkeln, Mäkler, Takelwerk, Mauke, Rauke, schaukeln, gauJceln, sind nur ein Paar Beyspiele unter so vielen, wo der harte Hauptlaut eine gedehnte Sylbe schließt' Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 2G1; 'Mit dem Äcke hat es dieselbe Beschaffenheit, und wird ein l'olacke, ich (juacke, die Baraclce, der Cosacke, der Dessacke, ich schnacke im Nieder- Sächsischen eben, wie alle die übrigen Wörter e. g. die Hacke, der Kacke, durch ein verkürztes (I ausgesprochen, nur die zwey ausgenommen, der Hacke, die Sclinacke, welche beyde wir daher nothwendig zum Unterschiede und zur Vermeidung des Gleichlauts mit einem k allein schreiben müssen' Brockes, Reimenduugen 1725,8.11; 'Man sagt .... nicht erschrack, sondern erscJirak' Heyuatz, Briefe 1771, s. 103; 'Am ungereimtesten ist diese Gewohnheit nach laugen Vokalen, die durch den verdoppelten Konsonanten schlechterdings kurz werden. Man hüte sich daher noch in folgenden Wörtern vor dem doppelten Mitlauter: abtakeln, Artikel, Bakel, bläken, Ekel, Haken, Hof, Kloak, Knute, Laken, Lülcertuch, liäsel, Scharteke, schlief, schuf, Schnake, schna- kisch, Sekel (eine Münze oder ein Gewicht), Spik, spuken oder spuken, Staken, imgleicheu Physik u.dgl.' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 87; 'Und nun, so zeichne mau denn die bunte Schafe, wenn die ganze Herde ein- förmig ist: Häk, uncus, und Schnük', als gedehnte Sonderlinge. Herr Mäzke hält dergleichen wenige Wörter, p. 117, worzu er auch: ekel, bläk, abtakeln, spälcen, Laken, zält, die bei ihm sich dehnen, für Provinzialismen' Nast, Sprachforscher 1777, s. 164/165. Nast zählt ebda. s. 164 eine anzahl Worte auf ck auf und fügt hinzu: 'Fremdlinge: Bibliothek, Musik, die Pike sollen nach ihren Landesgesezen gerichtet werden, und unsre teutsche Sprachregeln nicht stören." Fulda erklärt ch und k als zeichen der geschärften silbe. Als ausnahmen gegen viele hundert nennt er Haken

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 28

422 TRITSCHLER

und Schnake, genau wie Nast; s. Fulda, Gniudregeln 1778, s. 55. 'In eM, bläJcen, schpüken und schpuken schprechen nicht nur die Schlesier, sondern alle unsere deutsche Nachbarn däu Selbstlaut dar Grundsylbe lang-. Für ficlqmken ist mir auch scJqmkken zu Ören gekommen. Abtakeln, Laken haben wir von Fremden gelernt' Liguet, Grammatikalien 1780, s. 74.

Vor eh.

Heynatz, Sprachlehre 1772. s.46 lehrt langen vocal in Lache (ein sumpf, pfuhl) und Nachen (ein kahn).

'Aus (///;• Bach rivus macht eine besondere Gegend di Bäclie'' Lignet,

Grammatikalien 1780, s. 73; 'Auch ist der Vocal vor ch noch in ....

Gemach, gemach .. lang' Heynatz, Sprachlehre 1772, zweiter teil anm. s. 25; 'Gemach und gemach haben vileicht bei dän meisten, so gär im Endwaks- türa, ein langes a, schwach, Geschmak nur in einer besondern Gegend, so vil ich izt weis' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 73. Auch Müzke, "Wörter- farailien 1779, s. 51 schreibt gemach.

Die dehnung- in stach (Brockes, Reimendungen 1725, s. 11), sprach u.s.w. gehört nicht hierher, da sie angleichung an den plural ist und also nicht auf diesen hier behandelten gesetzen beruht.

Vor 6\

'Endlich gibt es Wörter, welche lediglich durch die angenommene Redens-Art, und Laudes-Gebrauch in langer Zeitweile ausgesprochen werden, als z. E. in Sachen, lesen, gehen, die erste Sylbe ist' Donatus, Begriff 1763, s. 15; diese stelle scheint mir dafür beweisend zu sein, daß der Verfasser selbst kurzen vocal gesprochen oder wenigsten sprechen gehört hat. 'Wi vile Scltniül seh tat Schmal schprechen, so hingegen S])ts und doch Spisses, S2)/sse' und 'Trös schtat Tros lixae schprechen Avir nicht aus' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 9; * I\is (auch B/s. ein Papirmäs)' ebda. s. 11.

Vor seh. 'Der eigentliche Schlesier ... schpricht ... Busch (so lange dieses einsylbig ist.)' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 77; 'Busche, eine kleinere Tiefe voll Wasser' ebda. s. 57.

Vor r.

Lignet, Grammatikalien 1780, s. 27 wendet sich gegen die Schreibung Merre: 'Märe wol, nimäls aber Merre hör icli vom Pferde gebrauchen.'

§ 2. Dehnung in geschlossener silbe. 1. Dehnung durch systemzwang. a) Beim nomen zeigt sich viel entschiedener als heute die erlialtung der kürze in den unHectierten formen. Doch

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 423

dringt die debnung schon vor; worte wie Meer, KoJd, Mehl n.s.w. sind stets gedehnt (Gottsched, Sprachkunst ^ 1762, s. 43; Bob, Auszug aus d. nöth. Grunds. 1774, s. 6). In Süddeutsch- land gilt dehnung mehr als im norden. Ich ordne die belege chronologisch:

'Bei der Ungewißheit, wie man eiu Nomeu schreibet, erhohle man sich Kaths aus seinem Geuitivo oder aus dem Numero Plurali, denn wie dieser geschrieben wird, so schreibet man auch das Wort, Glas, und nicht Glaß. Denn ich sage: die Gläser, und nicht Glässer' Talander, Briefe 1700, s. 83; 'Ob am Ende des Worts das f dürfe verdoppelt werden, siebet man gar leicht, wenn die Endungen es, e)t u. d. g. hinzu gefüget werden, als Hof, nicht Hoff', denn man spricht: des Hofes, nicht Hoff'es^ Gründ- liche Anleitung, Dresden 1706, s. 24; 'der Schmied wird ausgesprochen als hies es der Schmid oder SduniV Töllner, Orth. 1718, s. 78; 'Die Wörter aber: der Graf, der Schlaf, das Glas, vitrum, und die Stat, urbs, die Th(d haben nur ein einfaches a, weil sie keinen langen, sondern etwas harten Toon haben. Die Adjectiva dar und rar, davon ich sage, ein clarer Schein, ein rares Biwj, kommen aus dem Lateinischen her, und haben einen kurzen, scharfen Toon ..." ebda. s. 85; 'Man hat zwar bis- hero insgemein geschrieben die Stad oder Stadt, wenn es so viel heisen soll als urhs; hingegen aber Stat geschrieben, wenn es einen locum oder gewissen Ort angedeutet; allein weil beyde Wörter hart ausgesprochen werden, so ist ganz nicht nöthig, im schreiben sie zu unterscheiden, sondern man schreibet sie beyde recht mit einem t' ebda. s. 100;

^ab hat gleichfalls wenig Unterschied. Nur sprechen die Herren Ober-Sachsen das a hier etwas heller aus, dehnen und verlängern einiger- massen dessen Ton .... Also sprechen Avir das a in Stab, Grab etc. als ein kurzes a aus, da es doch eines Theils in Ober-Sachsen als ein lautes a vorgebracht wird; andern Theils auch der Genetivus, des Stabes, des Grabes, einen unumstöfflichen Beweis giebt, daß sie mit Recht also sprechen Wenn aber ein Laut -Buchstab von einem harten mit- lautenden oder auch gedoppelten weichen Buchstaben begleitet wird: sollte mau selbiges in der Aussprache gleich hören lassen, und einen großen Unterschied machen unter e. g. er gab, und ein Kaj^^j' Brockes, Reimeudungen 1727, s. 9/10; '«rZ wird in den meisten Wörtern an beyden Orten gleich ausgesprochen, ausgenommen das Bad, ein Bad, der Pfad, welches im Nieder-Sächsischen kürzer ist als droben' ebda. s. 12; von den Obersachsen berichtet Brockes ebda. s. 26: 'Hingegen haben das Glied, niin, Cherubim, bey ihnen einen helleren Klang, als bey uns'; ferner: 'ob. Die zwey Wörter: das Lob und grob, haben bey uns ein kurzes o; werden also mit den übrigen in ob, wegen des verlängerten o, nicht ge- reimt, welches doch droben in beyden Worten geschieht. Denn erstlich folget dem o eiu weicher Buchstab. Fürs andere verändern sie auch bey uns ihr o in casibus obliquis; daher wir in diesem Stücke allerdings auf eine Änderung zu denken haben" ebda. s. 27; 'og. Der Trog vxnd Gog

424 TRITSCHLER

werden bey uns durch ein halb verschlucktes o. die andern alle aber, wie droben, durch ein verlängertes ausgesprochen' ebda. s. 27; 'ug hat gleich- falls einige Wörter, die bey uns ein ziemlich verstecktes u haben e. g. der Trug (anders er trug), der Zug, der Verzug; die übrigen alle ziehen ihr u in die Länge' ebda. s. 29; 'die meisten sprechen kurz: der Zug, ob man gleich sagt: gezogen, des Zuges, die Züege. Man kann es aber auch aus diesen Ursachen keinem Ausländer übel nehmen, wenn er mit einigen spricht: der Zug. Hieher gehört aucli geiniegen, u. s. f. von genug, und bey den Meißnern, Stäedte, von Stadt, Stäette von Statt' Gottsched, Beytr. z. Grit. Hist. 1739, 22,201; 'dieß von d/eses, und jetzt sind kurz' ebda. s. 202; 'Man muß nicht gleich zwei a oder e schreiben, wann eine Sylbe gleich in einem Dialecto lang ist, als: etliche sprechen liad so lang aus als Eaad, andere machen es kurz, daher behält mau besser nur ein a ; so auch rar, elar etc' Bödiker, Grundsätze 1746, s. 39; 'Also wird in den crit. Beytr. 6 Bd. 240. S. angezeigt, daß grob in Meissen kurz (geschärfft sollte es heissen) laute, welches unrecht und anderwärts nicht so ist'

Aichinger, Sprachlehre 1754, s. 112; 'Man sieht zu , daß man in

dieß nur ein kurzes / hören lasse' Heynatz. Briefe 1771, s. 102; 'Wenn man in einem Worte nach seiner Vermehrung einen Vokal nothwendig lang aussprechen muß, so muß er auch schon vor der Vermehrung lang ausgesprochen werden. Exempel: das a in Pfad und bnn muß lang sein, weil man es in dem Pfade und xcir kamen unmöglich anders als lang aus- sprechen kann. Das e in sclwer und das o in Kleinod muß lang sein, weil e in schwerer und o in Kleinode lang" ist. Das o in sclioh und u in trug muß lang sein, weil man sagt sie schoben, sie trugen. Gegen diese Regel fehlt beinahe ein jeder Deutscher, nur einer mehr, und der andere weniger. Viele sprechen z. E. Tag, Weg, Lob, Hof, Trug mit einem

kurzen Vokal grob z. E., welches eigentlich wie grohp lauten

sollte, wird fast in ganz Deutschland wie gropp ausgesprochen. Eben so ist das 0 in Herzog und das u in genug fast allenthalben kurz, ob sie gleich in Herzoge und Genüge lang Averden' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 14; 'Schmitt für Schmied ist auch sehr gewöhnlicl»; a.her (HUt {ür (Hied und vill für viel ganz falsch' ebda. s. 10; 'zu den Wörtern, in welchen der Vocal vor der Vermehrung falsch gesprochen wird, gehört auch Gras, welches man sehr oft Graß höret' (Denst) Zweiter teil der Heynatzischeu Sprachlehre s. 6; 'Nocli sind Provinzen, in welchen der Pöbel das o in grob analogisch lang spricht. Wer sich zu diesem nicht will rechnen lassen, spricht gropp, ob er gleich nicht sagt, die groppen, sondern die grohben Leute' ebda. s. 6; 'Man fraget z.B. ob Gestatt oder Gestade besser sey. Für dieses und jenes stehen einige deutsche Provinzen' Weiteuauer, Zweifel 1772, s.21; 'Der Schlesier dehnt: Stat, urbs (Mäzke p. 270. 406.)' Nast, Sprachforscher 1777, s. IGO; 'g ist immerhin ein Merkmal der Dehnung des Vocals: die Lag', der Krag'. Schlag. Schräg. Tag. Mag', die Klag', der Vertrag, die Frag'. Zag. der Steg. Weg. der Kr ig. Sig. die Wig'. Zieg'. der Gog. Trog, der Bug. Flug. Jdug. der Krug, die Lug', genug. Pflug. Trug. Zug. So dehnen wir Scliwaben' Nast, Sprachforsclier 1777, s. 162/163; 'iceg, se-, apage, sclireibt sicli zwar mit dem einfachen

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 425

Encl (j, dem Zeichen der Dehnuugf, von seinem Hauptwort Weg, via, motus, ist aber nicht mehr gedehnt, und one Ton" Nast, Sprachforscher 1778, 2,13; ebenso erklärt Fulda, Grundregeln 1778, s. 39, daß ireg, flugs (oder f.ucks) als Partikeln keinen Ton, folglich auch keinen gedehnten Yokal haben; 'Daher widerhohl ich auch, daß Idug, grob, Schmkl etc. gib etc. Jagd, Magd etc. scJdägf , trägt etc. scharif auszusprechen falsch sei' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 130; 'Stroh klingt in StroJinirf nicht mer, wi ef in Strohm klang' Klopstock, Fragmente 1779, s. 211;

'Nur di jänigen Schlesier dänen dän Selbstlaut in Stat urbs in dar Einheit, di auch Göf, sät, Schutt, Schrif etc. schtat Got, sat, Schnit, Schrit etc. schprechen. In dar Merheit State lassen wir alle ein offenes ü hören' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 70; 'Wir (Märker) sprechen mehrentheils die Wörter der Hof, das Loh, das Gras und einige andere dergleichen, kurz oder geschärft aus, da sie doch eigentlich lang, oder gedehnt sind, weil sie einen einfachen Mitlaut er am Ende haben. In den übrigen Endungen dehnen wir sie richtig, und sagen des Hofes, dem Hofe, des Lobes, des Grases: warum sollten sie denn in der ersten Endung- kurz seyn? Wir können in der Tat keinen Grund davon angeben. So sagen wir auch gemeiniglich das Bad, mit einem kurzen Vocal; unser Bauer spricht richtiger und macht ihn lang' Stosch, Beiträge 1780, 2,157; 'Die Aussprache von Hof, Lob, Gras, grob, Schmid, Zag, größter, scliöHster u. d. mit dem schnellen, oder wie Klopstock ihn nennt: ab- gebrochenen Ton .... mag leicht die allgemeinere seyn , aber sie ist der Umendung und Ableitung zufolge fehlerhaft, und wird also als gute Aus- sprache nicht geschrieben' Richter, Rechtschreibung 1780, s. 7; 'Zwar fehlen die Ober- und noch mehr die Niedersachsen im gemeinen Leben gar oft hiewieder und sprechen z. B. genug, grob, Schmied, Lob, Hof, Grab, Trug, Lug, Glied kurz aus" Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,35; 'an dem einfachen Hauptlaute am Ende der Sylbe erkent man, daß der Ton gar nicht bezeichnet ist, und die Silbe nach Belieben lang oder kurz ausgesprochen werden mag. Imgleichen, er hat, gib, grob etc. Der Ton dieser Wörter wird zwar gewönlich korripirt, er ist aber vielmehr zu- folge der Umendung, Umbildung und Ableitung, auch allenfalls des Wol- klangs, lang oder gedehnt. Es heißt je von grob, Lob, Schmid, gib, hat etc. nicht gröber, löbes, schmides, gibest, haben sondern gröber, Ibbes etc.' Richter, krit. Anm. zu Adelung 1781, s. 51; vgl. dazu Adelung, Lehr- gebäude 1782, s. 258: 'der gedehnte Ton einer Sj'lbe wird daher erkannt an dem einfachen Hauptlaute am Ende der Sylben Wahre Aus- nahmen sind hingegen ... er hat, gib, grob, genüg, der Schmid, bey vielen auch das Loh ..."; Adelung selbst sagt hierzu noch in seiner Orth. 1788, s. 223: 'Eine Ausnahme, wenn es anders eine ist, machen nur die wenigen Fälle, wenn sich ein Wort auf einen Aveichen Consouauteu endigt, und der Yocal im Nominativ geschärft, in den übrigen Endungen aber gedehnt wird, da denn das Gesetz der nächsten Abstammung die Verdoppelung verbiethet. Grob und der Schmid lauten im Hochdeutschen geschärft; aber b und d dürfen dennoch nicht verdoppelt werden, weil bey grob schon im Genitive des groben, bey Schmid aber im Plural die Dehnung

426 TRITSCHLER

wieder kommt, die Schmiede. Doch Fälle dieser Art sind selten'

'Man schärft auch iu . . . dieß, Schmied, aher wohl unrichtig. Schmied hat im Plnrali Schmiede' Klügel, Enzyclopädie 1784, 3,403: 'In dem einzigen Wörtchen dies oder dieß wird ie geschärft ausgesprochen' Simon, Versuch 1787, s. 10 ; vgl. noch Menantes, Briefe 1722, s. 12; Nast, Sprach- forscher 1777, s. 154 ff.; Adelung, Lehrgebä\i4e s. 25G ff.

b) Im schwachen verbum zeigt sich vielfach noch kürze des stammvocals, natürlich überall da, wo die mundart die kürze überhaupt bewahrt hat. Aber auch Verkürzung eines langen vocals (diphtliongen) vor der mehrfachen endconsonanz tritt ein, z. b. in Iriegcn; so gibt Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 10 an, daß in 'du J:r legst, er kriegt, Jcriegte, gekriegt anstatt des diphthongen ie ein kurzes ? ausgesprochen' wird. Meistens jedoch gilt dehnung:

'Unter den langen Syllben werden gedehnet, welche ... aus zwo Syllben zusammen gezogen sind, deren erstere auf einen selbstlautenden ausgehet, als: freut, freitet; hört, höret; haut, bauet. Hieher gehöret auch thuu, thust, thiiV Aichinger, Sprachlehre 1754, s. 111; 'Die Namenbildung schärft das Wort, wenn es sich mit verschidnen Mitlautern endiget, auch

wenn die Wurzel gedehnt sein sollte Das thut die grammatische

Abänderung niemal, und darfs nicht thun. Sie nimmt das Wort, wie es gebildet und accentuirt, lang oder scharf : wie es der zweiten oder dritten Ordnung ist, ohne etwas an dessen Aussprache zu ändern, und fügt ihm bloß die Silben oder Buchstaben der Fälle, der Grade, und der Zeiten an, oder declinirt, comparirt und conjugirt: Loh, des Luhes, ich lohe, er lohet, loht ..." Nast, Sprachforscher 1777, s. 192; 'Wenn ein Wort durch die Auswerfuug des e zusammen gezogen wird, so ist der Vocal voll, als in llafjt, hebt, tobt, fühlt' Klügel, Enzyclopädie 1784, 3,403; 'at wird bey beyden gleich ausgesprochen. Nur findet sich einiger Unterschied zwischen uns in den Dreyen: er hat, es schad't, geschad't; welche wir, und zwar nicht ohne Grund, verlängern. Weil aber die Herren Ober -Sachsen für sich gleichfalls einige Gründe anziehen können; müsten wir ihnen, nach unserm einmal bestättigten Satze, billig nachgeben, wenn gleich die unsrigen von eben derselben Stärke wären. Ich glaube aber, daß unsere Beweisthümer jene fast überwiegen sollen' Brockes, Reimendungen 1725, s. 18; 'Ich weiß wobl, daß einige das hat so lang aussprechen, als ob es haat hieße; aber znm Unglücke sprechen eben dieselben das mit so kurz und scharf, als mitt, ja wohl gar mitte aus. Ihr Provinzialton ist also keine Regel ..' Gottsched, Sprachkuust"' 1762, s. 58; 'hat und ist haben bei den meisten einen laugen Vocal, wie hast und bist einen kurzen' Heynatz, Sprachlehre 1772, zweiter Teil Anm. s. 10; ^gehabt mit einem kurzen « hat einen sehr starken Gebrauch für sich' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 128; 'In geliabt das a, in Jenseits, Jterab, herunter etc. das ('kurz zu sprechen, ist wohl nur gewissen Landschaften eigen' sagt Heynatzens

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 427

g-eg-ner Deust dazu im zweiten teil s. 8; 'Wenn sich eine zeitwörtliche Abwandlung dergestalt znsamenzieht, daff ihre Zweisilbigkeit gar nicht üblich ist: so nimmt sie die Natur der Wurzelwörter an, die sich mit zweierlei Mitlautern endigen: er sarjt, (jesayt, gedacht, gehabt, vornehm- lich die dritte und zweite Person der Zeitwörter der dritten Classe, die das e in / verwandeln: gibt, l/'gt' Nast, Sprachforscher 1777, s. 199; 'In hat und ist dänen ser vile däu Selbstlaut, selbst wen es so genante Hülfs- zeitwörter sind' Lignet, Grammalikalien 1780, s. 78; 'ag. ... Nur ist noch zu merken, daß die Ober -Sachsen selbst keine Gewißheit hierin be- obachten. Denn, so viel mir wissend, so sprechen sie anders aus der Tag, und anders betagt, oder geplagt' Brockes, Reimendungen 1725, s. 13; ^idd, idt. Die AVörter dieser Endung haben be\' uns ein abgekürztes u; gebuVt aber nicht. Die Ursache dieser Ungleichheit ist das verschluckte e' ebda. s. 30; 'o ... lang ist es in ... rerJobt' Freyer, Orthographie 1746, s. 36; '■e ... lang ist es in ... er pjlegt' ebda. s. 35; 'Ausnahmen machen hier besonders diejenigen Fälle, wo die Ableitung oder Biegung zwey Hauptlaute hinter einer gedehnten Sylbe zusamen bringt: du liebst, er fühlt . . .; besonders, wenn ein e ausgeAvorfen ist ... da redxf, er (lucht ..." Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 255/256; 'Die Biegung ändert an dem Vocal nichts: du liehst, geliebt, bleibt gedehnt, wenn sich gleich die Con- sonanten am Ende häufen' ebda. s. '257; 'Die gedehnten Sillben bezeichnen sich . . . durch den einfachen weichen Begleiter: Fahst, Vogt, Magd, schlügt, gibst etc. falsch geschärfft wie JlaJd, scMächt etc. Doch macht dst und dt (ohne zwischen gesetztes Häkchen) stets geschärffte Sillbe: du redst, er redt, beredt etc. man muffte denn redest, redet etc. sagen, uud wer wird gedehnt red't etc. sagen?" Mäzke, Wörterfamilien 1780, s. 60,61; ^ Beredisa mheit schreib ich mit dt, weil die Grundsillbe geschärft ist, so wie ich glaube, daff sie allenthalben so ausgesprochen wird' ebda. s. 104;

Adelung spricht dagegen beredt gedehnt: 'Daher man auch beredt

und so viele andere dehnet, Avenn gleich durch die Ableitung der End- Consonant verdoppelt Avorden' Adelung, Orth. 1788, s. 75.

c) Im starken verbum schwankt die quantität der ge- schlossenen Silben ebenfalls: Brockes sagt von den Obersachsen: ^Ihr blies' t und ihr S2)iesst klingt als ein blist und spist' Reim- endungen 1725, s. 26. Also auch hier ist Verkürzung des di- phthongen eingetreten. Häufig ist diese Verkürzung im im- perfectum ging, fing, hing u.s.w. (siehe darüber das capitel vocalverkürzung). In die 2. und 3. pers. sg. praes. ist die deh- nung bald eingedrungen, bald nicht:

'■Ich nehme, du niehmst, vel nimmst, er niehmt, vel ■ninnnt'' Kramer, fuudameuta ling. Germ. 1733, s. 734; 'Also verlange ich den folgenden Vers keines Aveges zu loben, ob mau gleich an den Reimen nichts möchte zu tadeln finden: g^ ^^^j^ ^^^ .^^^^^^^. ^^q^^^^i am Morgen, Aus seinem Bette kommen ist.

428 TRITSCHLER

So soll er erstlich davor sorgen,

Daß er den Morgen-Segen h'^t.' Hübner, Handbuch 1743, s. 11; 'In ward laß ich das a lang, in icerden das erste e offen lang hören, wie in trat, treten, obgleich die zweiten nnd dritten Personen der gegenwärtigen Zeit {icirst, ivird, trittst, tritt) kurze Yocale haben; eben wie scJdäfst, schläft, hilfst, hilft etc. Vocale haben, die eine kleinere Öffnung des Mundes als die Yocale in schlief, schlafen, half, helfen etc. erfordern" Heynatz, Sprachlehre 1772, zweiter teil Anm. s. 10; 'Aus dem e der ersten Person viler Zeitwörter der dritten, vierten und fünften Conjugation entstehet in der zweiten und dritten Person auch ein reines i, und wenn das e gedehnt ist, auch ein gedehntes reines i, sehen, siht, gesclielien , geschieht, lesen, list. Befeien, hefilt, sielen, stilt, scheren, schirt, iceben, irihV Fulda, Grundregeln 1778, s. 50; 'Eben so falsch ist: schlägst, trägst, ligst, gibst; er schlägt etc. geschärfft ausgesprochen, wie der Sprachforscher Theil II S. 97 behaubtet' 3Iäzke, 'Würterfamilien 1779, 8.109; Dort bei Nast heißt es: 'Doch gibts bei disen zusaniengezogenen eine kleine Ausname. Wenn iiämlich bei der Zusamenziehung der Vokal sich zugleich biegt, so verwandeln einige Verba 2. Conjug. den gedenten Ton im Praesenti Indic. in den scharfen: ich schlage, schlägst, schlägt; trage, trägst, trägt; lige, ligst, ligf; gehe, gibst, gibt; Und diese werden es alle sein'. 'Wenn in einem nackten Wurzelworte mit einem gedehnten Hülfslaute durch die Ausbildung und Ableitung zwey Consonanten hinter den gedehnten Vocal zu stehen kommen, so gehet derselbe gemeiniglich in einen geschärften über: sehen, sieht . .^ Adelung, Lehrgebäude 1782, 8.525. Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 130 wiederholt nochmals, daß '... gib ... schlägt, trägt etc. scharff auszusprechen falsch sei". Dagegen lehrt Adelung gib mit kurzem Vokal Lehrgebäude 1782, s. 248. Ferner: 'So wird das e bey langer Aussprache in ein lang / [verwandelt] .. z. E. geben, er giebV Wolf, Rechtschreibung 1749, s. 17; 'Es ist keines Weges erlaubt, das stumme e hinter ein kurzes / zu setzen. Man muß daher, da gibst, ergibt, ich fing, ging, hing, nicht ^/W^.sf, (7/W>f, /(>/*r/ u. s.w. schreiben' Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 73; 'es pflegt auch wol in gieb giebst und giebt, lies und liest das ie, selbst von solchen, die in diesen Wörtern nicht d für ie schreiben, so verkürzt zu werden' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 10; 'So spricht z.B. kein Hochdeutscher giebst, giebt, gieb, hieng, gieng, fieng, gedehnt, sondern geschärft, gibst, gibt, gib, hing, ging, fing, daher man sie billig auch so schreibt, indem die ersteren Schreibarten bloße tlberbleibsel der ehemahligen Oberdeutschen Aussprache sind" Adelung, Lehrgebäude 1782, 2,721; 'Aber der Gutdentsche spricht die Wörter giebst, giebt, gieb regelmäßiger lang aus" Richter, krit. Anm. zu Adelung, 1784, s. 169; Adelung Aviederholt sich Orth. 1788, s.96: 'Die Hoch- deutsche Aussprache spricht einstimmig geschärft da gibst, er gibt, gib, hing, ging, fing\

'Ligt ist sicher besser, als ligt ; und nicht etwa nach Schlesischem Ör nur' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 85.

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. TM 18. JAHRHUNDERT. 429

tl) In zusammensetzung-en gilt bald delinniig. bald kürze:

'Gelühde kommt vou geloheu, imd hat also richtiger ein langes, als ein kurzes ä, obgleich die letztere Art zu sprechen häufiger ist. Labsal

ist von Iahen, und hat folglich in der ersten Sylbe besser ein langes ((

So sollte ö in fjröhlicJi eben so "wol lang sein, als o in groh' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. IG; noch ein jalir vorher hatte Heynatz gesagt: 'Sie sagen: »Wenn ich gröUicli dehnen muß, so muß ich solches in GeJnbdr auch noch viel mehr thun«. Ich sehe nicht, warum man es noch viel- mehr thun sollte; allein ich erinnere mich nicht, je ein langes ü darin gehört zu haben' Briefe 1771, s. 124; Deust im zweiten teil der Hey- natzischen Sprachlehre s. 8 gibt an, daß gröblich mit langem ö gesprochen wird. Adelung zählt als ausnahmen auf, 'wo die Ableitung oder Bie- gung zwey Hauptlaute hinter einer gedehnten Sylbe zusammen bringt:

Begierde, Behörde, Beschirerde, Geherde, Ge'iiu'ihlde, Labsal, ...

Linbsen, für Bäbsamen ... Zierde' Lehrgebäude s. 255'25G: 'hingegen werden Gelübde . . . und andere im Hochdeutschen geschärft, ob man sie gleich in manchen Provinzen zu dehnen pflegt" Adelung, Orth. 1788, s. 256; Nast, Sprachforscher 1777, s. 172 gibt Gelübd als scharf (kurz) an; dagegen Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 65 meint, es bedürfe in dem Wort Gelilbde keines Dehnungszeichens, da schon der weiche Konsonant die Dehnung zugleich anzeige; 'Wir schprechen Gelübde, wen wir auch gar nicht an Geloben besonders gedenken' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 78; 'Der Vocal ist voll . . . auch in andern bey der Ableitung zusammen ge- zogenen Wörtern, als LahsaV Klügel, Enzyclopädie 1784, 3,403; 'es reimen die Herren Ober-Sachsen: zw Felde und das Gemähide, welches wir nicht für rein halten' Brockes, Reimendungen 1725, s. 22; ^dns Ge- nulhlde Es ist dis Wort eines von den wehnigen, deren GrundSillbe sich auf zweih Mitlaute endiget, und doch einen gedehnten Ton habt' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 25; ebenso dehnt Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 76 Gemälde; nach Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 9 ist das a in Marschall lang; 'In einem Laude hat man sich noch niclit entwöhnt zu schreiben ... hoff lieh für höflich' Grundsätze 1768 (Bodmer), s. 117; '^. lang ist es in beireglich' Frey er, Orthographie 1746, s. 35; 'Zum Be- weise, daß Voricerlc bei vielen wirklich ein kurzes o habe, führe ich an, daß Schmotther sogar Forwerk schreibt, indessen halte ich nun die Aus- sprache mit dem langen o für besser' Heynatz, Briefe 1771, s. 128; 'Das 0 in Vortheil ist kurz, ob es gleich iu vor iind den übrigen zusammen- gesetzten (auch in coru-ärfs und Voricerk, die einige falsch mit kurzem o aussprechen) laug ist' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 17; 'Doch hat auch hier die Nachlässigkeit des Gebrauchs einige Ausnahmen eingeführet. Dahin gehört herab, heran, herheij u. d. g. Herzog, LIerherge ... Vortheil, da der erste Selbstlaut durch die Zusammensetzung kurz wird. Herr Heynatz bringt dazu auch Vorirerl; und die Aussprache mancher Ober- sachsen ehrbar, aber beydes halte ich für Fehler der Mundart' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,40; 'Herzog und jenseits haben ein kurzes e, und kommen doch von Jene und her, wo e lang ist' Heynatz, Sprachlehre

430 TRITSCHLER

1772, s. 17: dazu bemerkt Denst: 'In ... jenseits das c kurz zu

sprechen, ist wohl nur gewissen Landschaften eigen' zweiter teil der Hevnatzischen Sprachlehre s. 8; 'iu dem Worte nemlicli ist das e offen und laug, weil es für whiilich steht und von Name herkömmt. Einige sprechen unrichtig nemmlich' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 16; Klopstock schreibt nämlich, spricht es also, wie jedes seiner ä, gedehnt (vgl. Frag- mente 1779, s. 209); 'Wenn die Schlesier z.B. unser: (jenufi, m\i je(jlicJi, schärfen: so thut es ia das einfache /.• schou. Was haben sie der Ver- doplung desselben nötig: ßcnulk-, Jelldich?' Nast, Sprachforscher 1777, s.165; 'Indessen duldet mau /; noch iu Fohlen, Avovon man aber auch Pohhiisch schreiben sollte" Ileynatz. Sprachlehre 1772, s. 72; 'irol ist besser kurz; andre sprechen irohl, und viele schreiben auch so. Unter diesen aber fiuden sich wieder einige, die nicht Wohllust, sondern Wollust schreiben und aus- sprechen' ebda. s. 23; Braun, Wörterbuch s. 260 schreibt ' Wohl f a rt, (mcht Wollfarihy : 'Wir sagen: Beschälen, ein Schälhengst. Der Schlesier: beschallen, Schällhenfjsf^ Nast, Sprachforscher 1777, s. 155 ; 'Wenn aber das /, m, n und r die Sillbe endigt, so schreiben freilich diejenigen, die das Wort scharff aussprechen mit verdoppeltem /, m etc. und weil es der Schleiifuug wegen geliöhrt wird; und mit eben dem Eecht die, die es dehnen mit /(. Mir fällt von diesem Fall nur Schännnel, und beschellen, Schdlhemjst ein; aud're sagen gedehnt Schah mel und heschehlen, Beschehler' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 109; Heynatz sagt, daß man 'doch in Icolschwan das o eher kurz lesen würde als in Kol' Briefe 1771, s. 123; ['Wahrlich wird im Hochdeutschen gemeiniglich geschärft aus gesprochen, Avie wärlich' Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 258;7 Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 51 schreibt '(jeniachlich'.

e) Die worte Jagd, Magd, Vogt, Kreis, Obst, bei denen die Synkope jünger ist als die dehnung- und die infolgedessen in der heutigen schriftspraclie nach Wilmanns langen vocal aufweisen, spreche ich als Südbadener sämtlich kurz. Im 18. jh. liegen die Verhältnisse so, daß sich etwa ebensoviel belege für die kurze ausspräche finden wie für die dehnung:

'arfd. Diese Endung verlängert ihr a durchgehends. Nur nehmen die Nieder-Sachsen, ich weiß nicht warum, die zwey Wörter aus: Smaragd, und Jagd, welche sie kürzer aussprechen" Brockes, Reimendungen 1725, s. 14; Nast gibt Krehs Jagd Magd Vogd als kurz an, Sprachforscher 1777, s. 172,173; dagegen Obst als gedehnt: -Warum dehnt der Schwab das obsV ebda. s. 172; 'di 3Iagd ... Obgleich dises Wort eines von denen wehnigen ist, di bei der Endung auf zwei Mitlaute den gedehnten Akzent

haben: So braucht es doch hir keines Dehnungszeichens , weil schou

der weiche Mitlauter ... die Dehnung zugleich bezeichnen kann

Eben so auch Krebs (Kräbs von Ira'bchi) : Jagd von jagen, Gelübde von geloben, näbst von neben : Obst vom alten Obes oder Obis, Jlaubt vom alten Haubide, Haubit und Houbet. Ja selbst auch Fogt, (Vogt), l'abst und Probst ' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 65 ; ' wenn aber die Schwaben

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 431

Magd, Krähs, nehst, Probst, und mit den Märkern auch Jtigil etc. schärifen: So ist das sicher falsch, und wehnigstens wider die bisherige Hochdeutsche Orthographie. Noch niemand hat Mcdi, Kreps etc. ge- schriben' ebda. s. 109; 'Das Jagd besser sei, als Jagd, könte man auch daraus folgern, das man nimals Jagdr hört, wi dagegen Begirde, Zirde, Gelübde'' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 78; '■Gelübde, schprechen wir, iTnd KrfdjA, (ihst .... di meisten Schlesier schprechen dän Selbstlaut in Jagd lang, alle aber in Magd. Vogt, Tächf (oder Tdclit) und lIVfAs. Freilich hab ich Jagd auch gehöret' ebda. s. 76/77; Adelung bezeichnet Orth. 1788, s. 232 und 250 als gedehnt: Jagd, Kebsehe, Kebsireib, Krebs, Magd, Übst, Krübs das Kerngehäuse im Obste, Vogt; im Niederdeutschen sei Jagd kurz: 'Nach eben dieser Analogie schreiben die Niedersachsen Jacht, eine Art geschwinder Schifte, von jagen, weil sie das ^f geschärft sprechen, dagegen es in dem Hochdeutschen Jagd gedehnt bleibt, und daher zum Zeichen der Dehnung auch lauter weiche Cunsouanten hat' ebda. s. 68; Eichter in den Krit. Anm. zu Adelung 1784, s. 50 schreibt: 'die vom Verfasser in die Ausname gesetzten Wörter Jagd, Xesf, Oxteu, Wust haben algemeiner den schnellen (geschärften) Ton'; Heynatz dehnt: Vogt Sprachlehre 1772, s. 5, Magd ebda. s. 17, Obst ebda. s. 18; dagegen erklärt er, unrichtig sei die Dehnung in dadd (oder Jagd) ebda. s. 22; 'Nur Magd und Jagd wird jedoch gedehnt, ob gleich auf den Selbstlaut ein zweyfacher Mitlaut folget' Hempel, Sprachlehre 1754, s. 115. Rüdiger, Zuwachs 1784, 8,37 sagt: Kebs, Krebs Magd, Obst, Vogt 'werden wohl unstreitig überall lange Selbstlaute haben'. Jagd 'spricht man zwar in Ober- und Niedersachsen oft kurz aus, es ist aber wieder die Ähnlichkeit'.

Ebenfalls durch synkope des mittelvocals entstanden noch einige andere werte:

'daß Adler von Adel komme, und eigentlich Adriaar heißen sollte, wüste ich; allein ich setzte Adler doch lieber zu den besonders zu merkenden Wörtern , . . . Aveil ich wirklich Addier habe sprechen hören " Heynatz, Briefe 1771, s. 124; Unter den kurzen vokalen verzeichnet Nast, Sprachforscher 1777, s. 172: 'Ibsch, ibex. hübsch, holländisch: hnpsch, hups. Königshofen schreibt der häbeste, pulcherrimus . .'. Lignet schreibt darüber: 'Hübsch ist wol eine Zusammenziehuug des hübisch und Ibisch ibex (die KAvantität des Selbstlauts vermut ich nur)" Grammatikalien 1780, s. 76.

Held und Fels erscheinen nirgends mit dehnung. Nast, Sprach- forscher 1777, 3. 175 zählt die beiden worte unter den kurzen vokalen auf. Ebenso Hirsch ebda. s. 178. Adelung, Lehrgebäude gibt: begegnen, regnen, segnen als gedehnt an. Dazu: 'e. lang ist es in ... regnen' Freyer, Orthographie 1746, s. 35: 'Der Vocal ist voll ... auch in andern bey der Ableitung zusammen gezogenen Wörtern, als ... segnen' Klügel, Enzyclo- pädie 1784, 3,403; 'In .. iciedmen ... muß ie ebenfalls mit i ... ver- tauscht werden' Hej-natz, Sprachlehre 1772, s. 71.

432 TRITSCHLEK

2. Spontane delinung".

a) Wohl hat in der heutigen Schriftsprache langen vocal. Auch in der Zusammensetzung Wohlfahrt; dagegen Wollust. Omeis, Anleitung 1712. s. 86 tadelt den reim soll : ivol. Braun, Wörterbuch s. 260 wendet sich gegen Wollfahrt und verlangt Wohlfahrt. Auch Menantes, Briefe 1722, s. 12 verlangt ^ivohl und nicht ivolV. Ferner: "Ich würde noch die Wörter tvohl und ivieu'ohl hinzusetzen, in welchem ich das h ausstreiche, und das o kurz ausspreche' Heynatz, Briefe 1771, s. 103; Wol ist besser kurz, andre sprechen nohl, und viele schreiben auch so. Unter diesen aber finden sich wieder einige, die nicht Wohliist, sondern Wollust schreiben und aussprechen' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 25.

Die dehnung der pronomina kann durch ursprüngliche zweisilbigkeit erklärt werden. Daß starke betonung mitwirken konnte, beweist die dehnung von ick.

Heinze, Anmerkungen über Gottscheds Sprachlehre 1759, s. 16 schreibt: 'Daß U.2. das ich unter die Exempel des langen Selbstlanters gekommen, ist vielleicht der Mühe nicht werth anzumerken'.

In unbetonter Stellung unterbleibt die dehnung.

^Ihm, ihn, ihr sind am hartnäckigsten, ihr Dehnungs-/* abzulegen; und sind doch Partikeln, die keine Dehnung haben' Fulda, Grundregeln 1778, s. 42; 'Eben so gibt es nun auch vihle Eiusillbige kleine Redeteile \iud Partikeln, die (eben so Avehnig) vor dem /, m, ii und ;• billig kein h leiden, (als sie auch keine Verdoppelung des Mitlauts leiden, mit einem Worte kein entscheidendes Kennzeichen einer gedehnten oder geschärfften Sillbe) Aveil sie einen sehr unentschid"uen Akzent haben, teils wegen ihres kurzen Tohns, den sie mehrenteils wegen ihrer Stelle haben, auch deß- wegen haben, weil sie eine Endsillbe bekommen. Nähmlich folgende Um- standswörter: an, für, in, im, vom, vor, (voraus etc.), um, un, su'm, zu'r; folgende uhrsprüngliche Beiwörter oder Adverbc; dar (darum, daraus etc.) her, (Jwrein, herab etc.), hier (hur), hin (hinaus, hinan), ivorin, woraus, worinn, tvoran etc. mm, nur, schon etc. Conjunktion: zwar etc. Folgende Artikel: der, dem, den etc. Folgende Pronome: er, mir, dir, wir, man, wer, wem, wen; wozu noch ans dem vorigen 1) noch ich hin hinzugesezt werden kann. Richtig weder: ahn, führ, ihn etc. dahr, hehr, dehr etc. mikr, dihr, mahn, wehm, wehn etc. Noch auch: ann, fürr, inn, darr etc. derr, mirr etc. mann, icemm, icenn. Einige sprechen sie daher gedehnt aus, wie die Schlesier ahn, hihn etc. etc. einige uugedehut: ann, liinn' Mäzke, Wörterfaniilien 1779, s. 109; 'Kurz sind sie (die Selbstlauter) ge- meiniglich in folgenden Fällen: In einsilbigen Wörtern, die niemals wachsen. Alle eigentliche Partikeln, Vor- und Nachsilben, sind kurz'

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT, 433

Weiseustein, Lesen und Schreiben s. 55; 'Also schreibet mau der Mn>ui, und nicht der Man\ item irenn (quando), und nicht icen. Doch schreibet man auch in, hin, kan u. d. g. mit einem n, obwohl solche Wörter eben so kurz als 3Ia)ui ausgesprochen werden' Hederieh, Anleitung 1713, s. 81; 'du und anu. Hier richten sich die Nieder -Sachsen fast durchgehends nach dieser Regel: 1) haben alle decliuabilia, die in an ausgehen 2) alle Wörter dieser Endung, die in casibus obliquis ein doppelt n bekommen, ein verkürztes a, z. E. an, hindan, dran, er ist jun, hinan, er rann, er l-ann, ein Gespann, welche letzteren man daher notwendig mit einem ge- doppelten n schreiben muß die andern aber haben alle bey uns, Avie

droben ein veiläugertes a. Wiewohl ich noch hiebey erinnern muß, daß die Herren Ober-Sachsen, wenn das an ihren Wörtern vorgesetzet wird, als in anMagen, solches kurz; wann es aber nachstehet, als er Idaget an, es sodann erst lang aussprechen. Und eben so ist es auch mit ihren Wörtern, die aus ah zusammen gesetzt werden' Brockes, Reimendungen 1725, s. 15; 'Einige sprechen an kurz aus und reimen es mit /.yu;/;, andere sprechen es lang aus und reimen es mit geihan' Bödiker, Grundsätze 1746, s. 573; 'Kurz hergegen, sind die Selbstlauter in der Aussprache: .. In den einsyllbigten Wörtern, die niemals am Ende wachsen, und doch nur einen Mitlauter daselbst haben; als an, iras, das, des, hin : i), hin, his, mit, von, um, ausgenommen nur, nun, tJtun. f) Wenn gleich einige Land- schaften das an und bi)i, so lang ziehen, als ob ahn oder hihn, dastünde; wie in Schlesien' Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s. 44; 'In Sachsen reimt man sehn gehn, Bahn an, u-uhl Kohl; in Preußen eigentlich sihn drchn, Bahn Hahn, wÖhl sölV Lindner, Lehrbuch 1768, 2; 'In nach lautet bei den Märkern das a kurz, und folglich, wie natürlich ist, das ch wie doppelt. Eben so verhält es sich mit a)i. Die Sachsen sprechen in beiden Wörtern das a lang . . . Für unsre Aussprache streitet, daß der Vokal iu allen andern Vorwörtern (außer in rar und ßr) kurz ist. Ja in Ansehung des au finde ich sogar, daß Gottsched (Sprachkunst s. 44) diejenigen aus- drücklich tadelt, welche es so lang ziehen, als wenn ahn da stände' Heynatz, Briefe 1771, s. 24; 'Einige deutsche Mundarten ziehen über- haupt die Vokale zu sehr. Man kann also von den Wörtern, die man oft unrichtig mit einem laugen Vokal ausspricht, folgende merken: ah, an (in der Zusammensetzung anklagt, er klagt an)^ Hej'uatz, Sprachlehre 1772, s. 22; 'Die Wörter an, hin, ■dort, fori, Lust haben bey den besten Deutschen einen kurzen Vokal, ob sie gleich von andern auch mit einem langen ausgesprochen werden' Hej'natz, Handbuch 1775, s. 47; 'Kurze Selbstlauter sind diejenigen, auf denen der Ton der Aussprache nicht ruhet. Dieses ereignet sich ... In einsilbigen Wörtern, die keines Wachstums fähig sind, z.B. hin, an, um, hin, von u. d. g.' Bob, Auszug aus den nöth. Grunds. 1774, s. 6 ; Klopstock unterscheidet zwischen halber und voller dehuuug: 'Auch einige zweizeitige Wörter und Silben haben den Ton der Denung, aber nur der erwänten halben, da nämlich, wo si kurz gebraucht wärden. Eilten im zu. ging är hinah. denn so bald si lang sind, be- kommen si di foUe Denung' Fragmente 1679, s. 210. 'Hingegen wird dieser (der Schlesier) ich hin, mit Ziehn reimen; icJt u-ill, mit Ziel: welches dem

434 TRITSCHLER

HeiTU Professor nicht anstebeu möchte" Gottsched, Beytr. z. Grit. Hist. 1733, 6,222. Also auch '?(•//?' erscheint mit langem Vokal: Gottsched, Sprach- kunst^ 1762, s. 626 bemerkt dazu: 'So reimte z.B. Opitz nicht genau, wenn er schrieb: Das /st mein Lobes Ziel, daß ich stets mehr Jemen will. Denn ein hiuges und ein scharfes i, klingen bey uns nicht gleich: ob man gleich in Schlesien das irill, etwa so laug dehnen mag, als ob wiel da stünde".

Ahnden ist nach Wilmanns analogie an ahnen; Adelung, Orth. 1788, s. 232 bezeugt dehnung für ahnden.

Dehnung vor z.

'An sehr vielen Orten wird ätzen (oder etzen) in Erz, ich weiß nicht, ob mit Eecht, mit einem kurzen ä, ätzen oder zu essen geben, aber mit einem langen gesprochen" Zweiter teil der Heynatzischen Sprachlehre s. 26; Braun, Wörterbuch s. 2 verlangt 'abätzen, wicht abäzen'; Adelung, Orth. 1788, s. 232 spricht gedehnt : Flötz (ebenso Lehrgebäude 1782, s. 257). Ebenso Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,37; 'Es triift ferner nicht zu, daß das tz allezeit kurze Selbstlauter vor sich habe; denn in fetzen, zerfetzen, lietzen etc. ist das e vor dem tz lang' Popowitsch, Anfangsgründe 1754, Vorrede, s. 15; Lignet verlangt 'r/i Fraise, nicht dar jFra^' Gramma- tikalien 1780, s. 23; 'Koze schpricht unser Landman Ivize aus, z. E. Wez- lize (ein kleines hölzernes Gefäs mit Wasser, das dar Mäder an sich hängen hat, um dän Wezschtein nas darin zu tragen)' ebda. s. 27; 'Im Heßischen, nennet man eine Kiepe, oder Kober, eine Keze' Stosch, Beiträge 1778, 1,42; 'Popowitsch: In seinem Versuch einer Vereinigung d. Mund- arten z. e. Wörterbuche, nennet er Rückenkorb... Er bemerket, daß dieser Korb im Hoheulolischen Keze oder Kieze, ... in Schwaben der Krüzen, in der Schweiz die Kreze .. genannt wird ... In allen diesen Wörtern, in welchen der Vokal lang muß ausgesprochen werden, würde sich ... das tz nicht gut schicken' Stosch, Beiträge 1782, 3,173; 'An einigen Orten, nennet man Krüze (die erste Syllbe lang) ein von Stäben oder Ruthen gemachtes Behältnis, worin die jungen Hühner gefuttert werden. Krätze ist die Benennung einer Krankheit in der Haut' ebda. 1778, 1,41; 'Imgleichen sagt man von einem Kinde: das Kind fängt schon an zu krazen, Avenn es anfängt einige Töne aus dem Halse hervor- zubringen, und dadurch seine Zufriedenheit zu erkennen gibt' [also Iraze» mit gedehntem a, nicht lratzcu\ ebda. 1778, 1,41; 'Die Jäger sagen: Einen Hasen räzen, ihn durch Nachahmung seiner Stimme locken' ebda, s. 42; Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 257 zählt unter den gedehnten vokalen auf: 'Schmutz (bey audeiu Schmidzy ebenso: 'In Schmutz, schmnzen hingegen ist uns der Selbstlaut lang' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 9; 'Schmutz ... spricht mau zwar in Ober- und Niedersachseu oft kurz aus, es ist aber wieder die Aehulichkeit' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,37; 'der eigentliche Schlesier, wi är unkorrigirt und zu Weilen auch zu gleich un verderbt ist, schpricht Späz, präz (ein Ausrufs wort, wen etwas hartes feit), Schmäz ..." Lignet, Grammatikalien 1780, s. 77; 'Man

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 435

neiniet in einigen Gegenden Tric.:e eine Rolle, vermittelst welcher man eine Last mit mehrerer Bequemlichkeit in die Höhe ziehen kann, und braucht auch davon das Zeitwort triezen' Stosch, Beiträge 1782, 3,173; vgl. noch Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s. 59.

Dehnung- vor chs-. Braun, Sprachkunst 1775, s. 54 bezeugt Laax (Lachs); er selbst ver- laugt Lachs (s. oben s. 419).

Dehnung vor st.

Adelung gibt Orth. 1788, s. 232 an: 'Gedehnt . . Nest (in Niedersachsen geschärft)'. Lehrgebäude 1782, s. 257 hatte er bloß die delimmg in Nest verzeichnet, Avogegen sich Eichter in seinen Krit. Anm. 1784, s. 50 wehrte (s. oben s. 431). Auch Denst schreibt im zweiten teil der Heyuatzischen Sprachlehre s. 10,11: Tür kurz halt ich auch das e in Nest'. Dehnung in Last bezeugt Heynatz, Handbuch 1775, s. 47: 'Die Wörter an, hin, dort, fort, Lust haben bey den besten Deutschen einen kurzen Vokal, ob sie gleich von andern auch mit einem langen ausgesprochen werden'.

Dehnung vor tsch.

Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 256 gibt latschen, hätscheln, quitschen, grätschen, Bratsche als gedehnt an. Langes a in Bratsche fordert Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 17, dagegen kurzes a Rüdiger, Zuwachs 1784, 3, 37 ; und Mäzke schreibt: 'Bratsche geh' ich gern den Schwaben als scharff zu" Wörterfamilieu 1779, s. 66. Rüdiger a.a.O. s. 37 meint, (jräf scheu, luitschdu, latschen, quietscJicn 'werden Avohl unstreitig überall lange Selbstlaute haben'.

Distel soll nach Rüdiger gedehnt werden: •Biestel spricht mau

zwar in Ober- und Niedersachsen oft kurz aus, es ist aber wieder die Aehn- lichkeit' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,37. Dagegen: 'Distel hat besser ein kurzes /' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 45.

Zu bemerken ist die dehnung bei allen präteritalformen des starken verbums in Oberdeutschland (vgl. dazu unten s. 439).

'In Schwaben dehnt man die Iraperfecte: .. one alle Ausnam: fiel, lud, gab, barg, bog, schund' u.s.w. Nast, Sprachforscher 1777, s. 193; 'Wenn auch das Wurzelwort oder der Name scharf ausgesprochen Avird, so bleibt doch das Imperfect gedehnt. Ein Beweis, daff demselben der Circumflex wesentlich und notwendig sei' ebda. s. 195. Also, um einige Beispiele heraus- zugreifen 'i/ps momordit, pfief, ries, r/e< equitavit, sfriech' n.s.w. Dagegen 'der Biff, der Pfiff, der liiff, der Bitt, der Strich'. Dasselbe bezeugt Bob, Sprachkunst 1771, s. 32 und Nast, Schwab. Magazin 1777, s. 171. Ebenso: 'Im Oberdeutschen spricht mau die Imperfekte der irregulären Zeitwörter insgesammt gedehnt aus, wenu gleich die Wurzel den geschärften Ton hat : fechten, focht, gelten, galt, binden, band. Die hochdeutsche Mundart kennet diese Ungleichheit nicht, sondern folget der allgemeinern Regel, und spricht diejenigen gedehnt, welche nur einen, diejenigen aber geschärft, welche zwey Consonanten haben: gedehnt, fei, lad' gab, bog, lag, geschah, befahl,

436 TRITSCHLER

las, ließ, nahm, sehlug, trug, hob, flog, schwor, hlieh, blies, mied, schrieb, stieg; geschärft, hing, fing, ging, biß, griff, pfiff, riß, ritt, schnitt, schritt, stand, galt, spann, gewann, warf, goß, schloß, floß, wohiu auch das an sich gleicbgültige ch gehöret glich, u-ich, schlich. Hielt ist vielleicht das einige, welches gedehnt lautet" Adelung, Lehrgehäude 1782, s. 262; 'Mit dar Schwäbischen Kwautität des Selbstlaiits in dän Imperfekten dar zweiten (insgemein der unregelmässigen) Konjugäzion wärden di wenigsten zufriden sein. Schprechen den selbst die Herren Schprächforscher wirklich focht von fechten? Jlancher gemeine Schlesier schpricht zwar auch geirän (NB. das <i ist ungefär oaii als w v^ ser geschwind hinter einander lautend), grif, Schwelm schtvöl (oder schiväl; a oder o ist dar nämliche Laut oaii oder ä) von schwellen, beflis. Aber 1) dagegen schpricht är auch: si gewannen oier gewannen, du griffst, si griffen, icir schwammen, si geschwollen oder ge- schwidlen; und unterscheidet 2) äben nicht di Imperfekte, wi är si aus- schpricht, und di verwanten Substantive, sondern hat zu rif dar Ruf, zu grif dar Grif, des Griffes, zu sehr/t dar Schrit, des Schrits, vir Schrite, zu bis dar Bis, des Bisses, zu r/s dar Bis, des Bisses. Was aber di nidrige Ausschpräche tut, tut 3) nicht die bessere zugleich' Lignet, Gram- matikalien 1780, s. 4L 42.

b) Delinuiig vor r.

Vor eiufacliem r herrscht die delinuiig, sowolil im nomeii Heer, Meer, Speer (über Herzog s. oben s. 429) , wie im pro- nomen mir, tver u.s.w. und in den particeln für, vor (über Vor- teil ii.s.w. s. oben s. 429).

'(?. laug ist es in . . . her' Freyer, Orthographie 1746, s. 35; '■B

bleibt .. einfach nach langen Selbstlautern; als: in gar, her, mir, dir, vor, nur; imgleichen nach doppelten Vocalen, und Doppellauten; wie auch nach dem h, Avelches manche Vocalen verlängert: Haar, Heer, Meer ...' Gott- sched, Sprachkunst^ 1762, s. 55; 'Auch sind viele Wörter, die, olme daß ein Zeichen davon da ist, gezogen werden; als Bort, mir, dir' Basedow, T. Gram. 1775, s. 6; Hemmer, Rechtschreibung 1775, s. 76 bezeugt dehnung in f'iir, dir, rur; 'von eben dieser schwankenden Ungewißheit der Aus- sprache in Obersachsen scheinet es herzurühren, daß oft die Selbstlauter wie im Reich unrichtig gedähnt, oder nach niedersächsischer Art verkürzt, und die Mitlauter verdoppelt werden z. B. dirr statt dir' Rüdiger, Zuwachs 1783, 2,136; 'Die Präposition für gehört mit zu den kleinen Wörtern, worinn die Dehnung des Vocals niemals angezeigt wird' Moritz, Recht- schreibung 1784, s. 17; nach Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 18 ist das o in ■wornach gedehnt.

Die Vorsilbe ur- ist gedehnt. Heynatz. Sprachlehre 1772, s. 18 verlangt langes u in 'Ur- in der Zusammensetzung, außer in UrteiV.

Vor ;■ + cons. herrscht große Unsicherheit über die quan- tität des vocals. Ich ordne die belege chronologisch:

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 437

'In Obersachseii werdeu die Wörter, die auf ort ausg-eheu, fast alle durch ein abgekürztes o ausgesprochen. Wir hingegen gebrauchen bey den meisten ein langes, z. E. der Fort, der Hort, fort (zum Unterschiede von dem Worte: ein Fort), an Bord, ihr gefroff Brockes, Keimeudungen 1725, s. 28; 'Für Wort sagen viel Woort, für Worte Woorte' Bödiker, Grimdsätze 174:6, s. 77; 'Einen geschärften Ton, oder Accent, haben dargegen diejenigen langen Syllben, auf deren Selbstlauter, oder Doppellauter, ein zweyf acher Mitlauter folget; es mögen beyde in eben dieselbe, oder einer davon in die

folgende Syllbe gehören ... z. E. Haß, hart, nicht, Zorn Wi'irde, Bürde,

Herr, scharf, ivarten, Gcüieti, Hirt, Bim, Born, Mord, Mörder . . . ' Hempel, Sprachlehre 1754, s. 115; 'Bisweilen pfleget mau auch an einen Selbstlauter, wenn er lang ausgesprochen wird, ein h zu setzen, oder solches an ein vorhergehendes oder nächstfolgendes t zu hengen . . . : Fürth' Salander, Schreibkunst 1757, s. 22; 'Das Th scheinet nicht ohne Grund eiugeführet zu seyn, wie schon von mehr Gelehrten angeraerket ist, daher es nichts als eine Neuerung zum Grunde hat, wenn es sich nicht an das /. sondern an den langen Selbstlauter beugen soll, als tuhn, Trohn,WilirV ebda. s. '22/23; 'Kurz hergegen, sind die Selbstlauter in der Aussprache: Vor einem dop- pelten, oder vor vielen jMitlautern . . . Doch werden hier die meisten aus- genommen, darinnen gleich nach dem Vocal ein einfaches /• folget; als: Art, Bart, zart, Erde, werden, Pferd, Schwert, Boti, mir, dir u.s.w.' Gott- sched, Sprachkuust^ 1762, 8.44; 'Man saget mit Fleiß »die meisten« denn es giebt auch etliche, die mau dessen ungeachtet, nach der obigen vierten Eegel, scharf spricht; als: Garten, warten, scharf, Herr, Bim, Hirt, wird, Born, Mord, Zorn, Gurt, Bürde, Würde u.a.m., die ein Fremder aus dem Umgange lernen muß' ebda. s. 45; 'Da sind Wörter, theils mit einem schlechten i, theils mit ie zu schreiben, z. E. die Birne . . . nicht die Bieme' Vorlesungen der Rechtschreibekunst, Glogau und Leipzig 1764, s. 79; 'Das e in werden werde ich mich schwerlich entschließen lang auszusprechen, wie in Erden' Heynatz, Briefe 1771, s. 128; 'Brockes sagt ... fort habe ein kurzes o, um es von dem Worte Fort zu unterscheiden. Ich spreche beide kurz, andre beide lang" Heynatz, Briefe 1772, 3, 106; 'Einige deutsche. Mundarten ziehen überhaupt die Vocale zu sehr. Man kann also von den Wörtern, die man oft unrichtig mit einem laugen Yocal ausspricht, folgende merken: Arzt, Garten .. Karle .. ward, Warte, warten. Werden, Werder, gern, Vers, werth . . . Ort (doch ist in OrthsthaJer das o lang), Borten, dort, fort, Hort, Mord, Fort ... WorV Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 22; Dazu erklärt sein gegner im zweiten teil der Heynatzischen Sprachlehre s. 10,11: 'In Ort, Oerter ist mir der Vocal so lang als in Ortsthaler. 'In dem Ver- zeichnisse der Wörter mit langen Vocalen, welche man nicht nach den vorher gegangenen Regeln erkennen kann, fehlen (außer andern) Arzt (Hr. Heynatz spricht das a in Arzt kurz) . . . die Bartsch (im Wasser) . . . die Schivarthe ... werth etc.' ebda. s. 8; 'In Arzt, hat, nach, ivard halt ich

das a für lang In ivard laß ich das a lang, in iverden das erste e

offen lang hören, wie in trat, treten, obgleich die zweiten und dritten Per- sonen der gegenwärtigen Zeit (tvirst, wird, trittst, tritt) kurze Vocale haben . . .' ebda. s. 10; Bob schreibt wahmen (Sprachkunst 2, Vorr. s. 3); Fulda in Nasts

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 29

438 TRITSCHLER

Sprachforscher 1777, s. 177 gibt jeden vocal vor r + cons. als kurz an ; also z. b. auch Gebärd', Gefärt u. s.w. Nur ^die Färt, der Gärt, ist bei uns eine Provinzialausspracbe' ebda. s. 178; Doch in einigen Wörtern herrscht deh- nung: 'Hier ist ein Nest: die Art, hat keine alttentsche Autorität. Vielleicht kömmts mit Arzt, artista, aus einer Quelle. Der Bart ist auch nicht alt- teutsch. Zart auch nicht; der Holländer hat sein teer, tener, aus teder zu- sammengezogen. Ber Hart und Harz, iugum montis, das Harz, resina. Der Arsch. Der Herd, focus, Pferd, verth, dignus, der Wert interamuius. Das erz, der Fersen. Der Bord und Börz. Der Dürscli. Der Vers. Die Zierd', Beschwerde, Quarz. Aber sie sinds auch alle 22, und was soll das unter so vile? Man gebe ihnen Zeichen, wenn sie für Fremde und Lehr- linge derselben bedürfen' ebda. s. 178; dieselben worte zählt Nast im Schwab. Magazin 1777, s. 172 nochmals auf, und fügt noch Behörde und Gefärde bei. 'Und wir denken, die hochteutsche Sprache entscheide, ob man: Erde, Warze, Sclmert, Mond, mit den Schwaben scharf , oder mit andern gedent aussprechen, und im letzten Fall die Ausnameu meren solle?' Nast, Sprachforscher 1777, s. 142; 'Allso sint auch einige Wörter, die sich auf zwei verschid'ue Mitlaute endigen, in Absicht ihres gedehnten

oder scharffen Akzents unter den Provinzen streitig Man schreibe also

n-erden, Erde, Arzt etc. Das ist nicht wider die Aussprache der Schwaben und Märker, und die Schlesier werden es denn doch gedehnt lesen. Des- gleichen: Börse, Borste, Dienst (Di'otst von diihnen), Herde, Fart, Gehurt (welches auch die Schlesier schärifen); Mond, Schwarte, Schwert, der vierte {vürte von vühr, rühre), Hirse, Girs, der und das Ort, das Wort, weil Hr. Fulda im Sprachf. I, S. 179. die Schärffe dieser Sillben in seiner Provinz behaubtet. Auch tuht er 's wohl von Begirde, Zirde (Zührde), Beschwerde, Behörde, Gefärde und Gebärde: Aber Hr. M. Nast behaubtet ja Sprachf. H,

S. 96. die Dehnung der selben ; Hingegen behauptet Hr. F. S. 178.

die Dehnung in: Art, Arzt, Bart, zart, der Hart oder Jlarz, das Harz, der Arsch, Herd, Bferd (I'fährd von fahren), wert, der Wert, das Erz, die Färse, der Bord, Borz, der Dorsch, Vers, Zierde, Beschwerde (welch ein

Widerspruch mit S. 179!) und Quarz Arzt schärften die Märker, wie

Hr. Heynatz versichert; und Vers die Schlesier; so wie wir auch der Schwaben Börz scharffen in unserm Börz und BürzeV Mäzke, Wörter- familien 1779, s. 108/109; 'Garn schtat gern ist noch nidrige Ausschpräche einer gewissen Gegend, di auch tcurten, warnen an zu hören gibt' Lignet, Grauimatikalieu 1780, s. 78; 'An den raehresten Orten dehnet man das e in Bferd, oder spricht es lang aus, der Schweizer hingegen schärfet es, oder spricht es kurz' Stosch, Beiträge 1782, 3,175; 'Arsch und Barsch, welches richtiger ist als B((rs, Art und Bart, Börse, Düster, Erde, Harz, Herd, Herde, Kebs, Krebs, Magd, Mond, Obst, Ostern, Bferd, Biester, Büster, Schwarte, Schwert, stets, Trost, Vogt, tcerth und zart, werden wohl unstreitig überall lange Selbstlaute haben' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,37; ^Erz ... Marschland, Quarz .. werden, ... spricht man zwar in Ober- und Niedersachsen oft kurz aus, es ist aber wieder die Aehnlichkeit Hin- gegen . . Arzt sowohl als Arzeney, Bord, Borte Dorsch . . Fort, Hirse

, . Vers . . sind meines Erachtens der Ableitung und Aehnlichkeit nach

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 439

kurz auszusin-echen ' ebda. s. 37/38; 'So haben .. Fahrt, Führte, Gefährte und Gehurt den Selbstlaut eben so lang als ... fahren und gebähren' ebda. S.39; Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 19 gibt Thurin, Thnrnier mit ge- dehntem Tocal an; ^B ... doch steht es auch nach kurzen Selbstlautern einfach, wenn noch ein Mitlauter gleich darauf folget, z. E. Garn, Hirt, GurV Regeln, Bamberg, 1785, s.21; Adelung, Orth. 1788, s. 232 fordert dehnung in 'Arsch, Art, (Arzt, in einigen Gegenden, im hd. wird es ge- schärft wie in Arzeney), Bars ein Fisch, Bart, Borde Bort Borte . . . Erde, erst; in einigen Gegenden das Erz (aber erz, die Vorsylbe, ist geschärft), die Farth, die Fartlie . . {die Ferse nur in einigen Gegenden; im hd. lautet es geschärft) . . . Gehurt, Gefährte, . . . der oder das Harz, Herd, Herde . . . der Karst . . . Pferd, Quarz . . . Schivarte, Schwert, Warze, icerden,

Wörth eine Flußinsel, . . . Scharte (oft aber auch geschärft) und zart

Imgleicheu einige Wörter fremden Ursprunges: Börse... Andere, welche man auch hierher zu rechnen pflegt, als Dorsch . . Hirse, Vers, werden im Hochdeutschen jederzeit geschärft'; 'Unter den Wörtern, welche ein th hergebracht haben, befinden sich zwej', welche im Hochdeutschen geschärft werden, Thurm und Wirth] allein im Oberdeutschen dehnet man sie, und das ist die Ursache, warum die Dehnung auch in der Schrift ist beybehalten worden' ebda. s. 259; sechs Jahre vorher, Lehrgebäude 1782, s. 256, hatte Adelung Arzt und Erz als durchgängig kurz angenommen ; ebda. s. 255 rechnet er noch zu den langen vocalen: Begierde, Behörde, Beschwerde, Geberde, Zierde. Richter sagt zu Arznei/: 'Dagegen hat das von der Aus- name ausgenommene Arzenei den langsamen (gedehnten) Wortton' Krit. Anm. zu Adelung 1784, s. 50.

c) Die dem oberdeutsclien eigene dehnung in geschlossener Silbe (s. Wilmanns, Gramm. 1, § 247, anm.) ist auch im 18. jh. bezeugt:

'Dagegen die Oberdeutsche [Mundart] wieder viele unnöthige Dehnungen hat: ... Muhnd (Mund), Looch (Loch), Koopf (Ko-pi), WoJtrt (Wort)' Adelung, Orth. 1788, s. 60; 'Der Rheinische Pfälzer schreibt nicht bloß Kopf, sondern sogar Kopff mit drey Consonanten, und spricht dennoch gedehnt Koopf ebda. s. 218; 'Unser Pöbel sagt auch: Knecht, Schmöz gedehnt' Nast, Sprachforscher s. 174 ; Hierher gehört auch die dehnung der Praeterita im Oberdeutschen (siehe oben s. 435); 'Etliche sind in der Aussprache unterschieden, da sie doch auf einerley Art geschrieben werden, als: Band, gedehnt, Land, geschärff't. Maß, gedehnt, Haß, geschärfft; Schlaff, gedehnt, Pfaff, geschärfft' Aichinger, Sprachlehre 1754, s. 112; 'Hingegen sind die Wörter all, Blatt und dergleichen in der guten Aussprache kurz, einige Mundarten aber dehnen sie lang' Stosch, Beiträge 1,61. Adelung dehnt das a in überall , Lehrgebäude 1782, s. 256. Dazu sagt Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,40: 'Herr Heynatz bringt dazu auch Vorwerli und die Aussprache mancher Obersachsen ehrbar, aber beydes halte ich für Fehler der Mundart, so wie auch Herren Adelungs Dähnung des letzten Selbst- lauts in Überair.

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440 TRITSCHLER

§ 3. Verkürzung langer vocale. Lange vocale, die nach der zweiten lautverscliiebung vor die doppelspiranten ff, zz, hh zu stehen kamen, konnten Ver- kürzung erleiden. Dabei haben die ableitungssilben -e«, -er, -el eine rolle gespielt. Im 18. jh. wechselt die ausspräche zwischen kürze und dehnung viel mehr als heute:

'Etliche sind in der Aussprache unterschieden, da sie doch auf einerley Art geschrieben werden, als: ... Sclüaff, gedehnt, Pf äff, geschärfft. Aber, da die erstem und ihres gleichen, so sie hinten wachsen, doch auch ge- schürift werden, als : . . schlaffen : so ist auch diese Unrichtigkeit der nicht üherall gleichen Mundart zuzuschreiben" Aichinger, Sprachlehre 1754, 3.112. Ebda. s. 35 hemerkt Aichinger, daß die Meißner den vocal in schlafen dehnen, aber es müsse den übrigen Deutschen erlatibt sein, in solchen einzelneu Wörtern sich nach ihrer eigenen ausspräche zu richten. 'Die Wörter . .. der Schlaf . . ., die Thal haben nur ein einfaches a, weil sie keinen langen, sondern etwas harten Toon haben. Die Adjectiva dar und rar, davon ich sage, ein clarer Schein, ein rares Ding, kommen aus dem Lateinischen her, und haben einen kurzen scharfen Toon' TöUner, Orth. 1718, s. 85; 'In Nieder-Sachsen tmterscheiden wir abermals der Huf und der Ruf und er schiff von dem Worte Faff etc., wovon die ersten allezeit ein gedehntes und helles, das letztere aber ein halb verbissenes und kurzes ii haben. Droben hingegen werden sie durchgehends, wo ich nicht irre, durch ein verkürztes u ausgesprochen, und ohne Unterschied mit einander gereimt ...' Brockes, Eeimendungen 1725, s. 29; Töllner, Orth. 1718, s. 31 verlangt die Schreibung 'Bcrttff .... weil ich sage des Beruffes\ In Gottscheds Beytr. zur Grit. Hist. 1733, 6,223 wird berichtet: 'dieser (der Niedersachse) hingegen reimet sicher Gruft und wiederrufft; welches kein Meißner leiden mag'. Ebenso: 'Imgleichen spricht man hier Stufen, rufen, lang, und schreibt es also billig nur mit einem f; un- geachtet andere es verdoppeln und kurz sprechen' Gottsched, Sprachkunst '^ 1762, s. 89; 'Von den Beyspielen, daß ein Vokal, welcher in einem Worte ein Mahl lang gewesen ist, auch nach der Zusammenziehung etc. immer lang bleibe, möchten manche ruft ausnehmen, weil sie nicht rufet, sondern ruifel (richtiger) sagen. Wären aber ja rujfen und die ihm ähnliclien falsch, welche doch die grössere Hälfte der Deutscheu spricht, so dürfte ein Verzeichnis derselben nicht undienlich sein' zweiter teil der Heynatzischen Sprachlehre, s. 7; 'Nach einem kurzen Vokal aber muß man das doppelte /' setzen, z. E. ... die Stuffen bey einem Throne, nicht ... die Stufen' Braun, Sprachkunst 1775, s. 84; Fulda, Grundregeln 1778, s. 55 wehrt sich gegen die sächsischen imperfekta mit kurzem vokal und nennt sie, und unter ihnen schuff, sprachwidrigkeiten, die sich verbreiten und die oberhand zu gewinnen drohen. 'i>/ Stüjfe hört man vil seltner bei uns als Stuffe' Lignet, Graramatikalien s. 28; ' Schtat 7v /(/> schprechen ser vile, wo nicht die meisten, Kuffe' ebda. s. 27; '/" se redouble fort souvent, mais cela ne se fait que quand il est precede par des voyellea

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 411

breves p. ex. .. die Sfuffcn, les degres' Jlaltre de la langue All. 1782, s. 17; Drollinger, Gedichte 1745, 20 reimt schlafen : Waffen, wozu sein Basler herausgeber Spreng bemerkt, es müsse jedem erlaubt sein, nach seiner mundart zu reimen (s. DWb. 13, sp. 253).

Viel häufiger als vor ff' ist die vokalkürzuug vor ß: '«s und aß: Alle "Wörter, so diese Endung haben, werden in Xieder- Sachsen mit einem ab- gekürzten a ausgesprochen, ausgenommen daß einzige: 3Iaß, mensura, denn von Aas ist hier die Frage nicht, wegen des gedoppelten a. Die Ober-Sachsen aber, ohnerachtet sie die meisten mit uns gleich aussprechen, nemeu dennoch sehr viele davon aus , und verlängern das a darin , e. g. er aß. er fraß, er maß, er saß, er rercjaß etc .." Brockes, Eeimendungeu 1725, s. 16; 'Das einzige Wort: der Baß wird von uns nicht gedehnet, oder lang a\;sgesprochen, welches doch auch billig geschehen sollte" ebda, s. 30; 'Bekömmt z. E. ein AiTsländer einen Schlesier zum Lehrer, so wird er ihm Schhiß und )i)ttß lang aussprechen lehren' Anweis. z. Briefschreiben, Prenzlau u. Leipzig 1751, s. 41; Popowitsch spricht die vokale vor ß lang, vgl. seine Anfangsgründe 1754, s. 462; 'Grossen lautet bey uns, wie verdrossen, stisse wie Schlüsse' Aichinger, Sprachlehre 1754, s. 15; 'Darum reimen sich Schluß und Ft<ß nicht, weil in diesem der Ton ge- zogen Avird, und in jenem nicht. Aber Schluß und Kuß reimen sich' Ger- lach, Sprachlehre 1758, s. 131; ebenso s. 153; 'das i und // soll nicht so träge, und lang wie das i'i, z. B. in biissen, Fasse, Güsse, Schlüsse u. d. . . . klingen' Reichssiegel, Rechtschreibung 1761, s. 135; 'Denn wer kann in solchen Wörtern eine allgemeine Regel geben, deren Kürze oder Länge sich meigtentheils nur auf die Aussprache und Redensart zerschiedener Land- schaften gründet? Ich will nur z. E. Fluß und Schluß, Gruß und Fuß hieher setzen. Die ersteren zwey sprechen die Herren Schlesier, die letz- teren zwey alle Obersachsen, oder doch die Herren Meißner lang; als

wie Fluuß, Schluuß, Grnuß, Fuuß, u. d die Niedersachsen hingegen

sprechen diese und andere dergleichen Wörter kurz weg Fluß, Schluß, Gruß, Fuß U.S. f. Hier aber zu Land, wo ich dieses schreibe, machen wir aus dem kurzen u einen laugen Doppellaut, und sagen: Grues, Fues\ aber Fluß und Schluß bleiben noch heut zu Tag in ihrer Unschuld unangefochten' ebda. s. 148; 'Der Unterschied aber, welchen H. Gottsched zwischen müssen und bü-ßen; Schlüssen und Fü-ßen; rersto-ßen und verdrossoi u. d. g. machet, scheint mir für das Gehör junger und gemeiner Leute allzu scharf- sinnig; denn hier bey uns klingt hü-ßen wie müssen, versto-ßen wie ver- drossen' ebda. s. 158; 'Bey den Meißnern ist Spaß lang; ingleicheu

bey einigen Schlesieru Kuß, Schluß und muß, ob sie gleich selbst kurz aussprechen küssen, geschlossen, müssen' Gottsched, Beitr. z. Grit. Hist. 22, 1739, s. 207; ^Fassen und lassen scheinen auch gut zu klappen, doch höret man einen Thüringer, so spricht er das letzte wie laaßen, d.i. mit einem gezogenen Tone, Avie maßen, saßen' Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s. 628; 'Indessen sprechen die Obersachsen, oder doch die Meißner in Gruß, Fuß

das u ebenfalls lang aus: ob sie recht daran thun, Avill ich nicht sagen

Bey groß, Stoß, indessen, ist es durch eine allgemeine Übereinstimmung wahr, daß man ein laug o vor dem ß höret, gleichsam als grooß, Stooß'

442 TRITSCHLER

ebda. s. 89; 'Wörter, die sich auf s enden, und vor dem s einen kurzen Selbstlauter haben, statt daß man das s verdoppeln müßte, werden mit ß

geschrieben, z. B. ... der Fuß, groß Auch wird ß nach einem

langen Selbstlauter ... gesetzet, da nämlich, wo die stärkere Aussprache dieses Verstärkungs/J ausdrücklich federt, z.B. in ...größer, Füße, mäßen

' Bob, Sprachkunst 1771, s. 32; ebenso s. ölff.; 'Man sagt nicht

größer und vergrößert, sondern grösser, rergrössert' Hejmatz, Briefe 1771, s. 103; ' . . . so muß man vornemlich folgende Wörter merken, worinn einige ein ß, andre ein ss hören lassen: Boßel, Buße, erhoßen, die Füße {\\\\A der Fuß), der große (und so auch groß, da hingegen grösser und die Grösse besser ein doppeltes s haben) grüßen (imgieichen der Gruß) die Klöße (und der Kloß) Muße, müßig, Xößel, spaßen (und der Spaß) stoßen, avozu auch die Imperfekta der Zeitwörter in essen kommen, in welchen man ein ß und kein s.s hören muß, z. E. aß, wie auch saß von sitzen; ferner einflößen, sie ßossen (imgieichen Floßholz, Floßfeder) lassen, müssen. Schlössen (Hage) zuverlaßig u.a.m. Für verdrüssen sagt man lieber verdrießen; verdrossen aber hat, so wie Verdruß, ein ss, imgieichen Kuß, Muß und Schluß, weil man küssen, müssen, geschlossen sagt' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 39/40; 'Übrigens läßt es sich schwer ausmachen, wer der Bestsprechende sei, der in Buße, Fuße, Muße, müßig, spaßen ein lang u, ü und a, und in ein- flössen, zuverlaßig ein kurz ö und ii hören läßt, oder der das Gegenteil tut. In grösser und Grösse das ö kurz zu sprechen, wie Hr. Heynatz will, ist eben so unrecht, als in grüssen das ü und in Gruß das u nicht lang hören zu lassen' zweiter teil der Heynatzischen Sprachlehre s. 18. 'Das ss . . . macht den vorhergehenden Yocal schlechterdings kurz, z. E. Landsassen^ Heynatz, Handbuch 1775, s. 47/48; ebenso Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 22; statt gefliessentlich verlangt Heyuatz, Sprachlehre 1777, s. 70 geflissent- lich. 'Wi vile Schmid schtat Schinid schprecheu, so hingegen Spis und doch Spisses, Spisse' Lignet, Graramatikalien 1780, s. 9; 'In Schlesien wird ich muß gedehnt und Füsse kurz, in der Mark ich laße gedehnt und Grösse kurz ... ausgesprochen" Rüdiger, Zuwachs 1783, 2,200; 'Selbst im Hochdeutschen würden viele wenigstens auch in Amboß, Holzfloß und Floß- feder das 0 kurz aussprechen' ebda.; 'Von den Schlesiern hingegen ist be- kannt, daß sie die hochdeutschen gedehnten Vokale so gern schärfen, und daher auch anstatt des ß immer .s.s hören lassen: süsse, Füsse, flissen, schissen, Busse, Siuisse, für süße, Füße, fließen, schießen, Buße, Spaße'' Adelung, Orth. 1788, s. 181. Darauf deutet auch der streit hin , ob man ß oder ss schreiben solle; vgl. Adelung, Lehrgebäude 1782, s. 255; Anleitung zur Orth. Dresden 1706 s. 33 und s. 36; Douatus, Begriff 1763, s. 151; Braun, Sprach- kunst 1775, s. 38; Dunkelberg, Schulzeiger 1701, s. 19; Faber, Schöne Wissen- schaften 1767, s.99; Gottsched, Sprachkunst-' 1762, s.44; Nouvelle grammaire 1792, s. 136; Heynatz, Handbuch 1775, s. 78; Klopstock, Fragmente 1779, s. 194 ; Nast, Sprachforscher 1777, s. 161 ; Nast, Schwab. Magazin 1777, s. 176 ; Orth. Regeusburg 1737, s. 89 und s. 71; Popowitsch, Anfangsgründe Vorrede 1754, S.38; Wolf, Rechtschreibung 1749, s.2122.

Auch vor ch zeigt sich in einigen fällen Verkürzung. Allerdings ge- hört es nicht hierher, wenn Brockes berichtet, daß die Niedersachseu in

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 4 i3

dach, sprach das a kurz sprechen, soudern hier iu sprach liegt alte kürze vor, die im nhd. aualogische dehuung erfahren hat. Über die Verkürzung in F Wiche ist zu bemerken: 'Nur verstecken und verkürzen die Ober-Sachsen das ü in einigen Wörtern mehr, als wir. So reimen sie: die Flüche und die Küclw, die Bäche und die Sprüche etc., worin wir . . . eine Veränderung machen, und nur: die Küche und die Sprüche; die Buche und die Flüche reimen' Brockes, Reimendungen 1725, s. 26; hoch spricht Brockes mit langem vocal, alle andern Wörter auf -och mit kurzem, ebda. s. 27; 'Durch ein frej'es oder verlängertes u werden bey uns ausgesprochen: ihr buch't, er flucht, verrucht, er such'V ebda. s. 29; Heynatz verlangt langen vocal in: '■SHclien, fluchen, nebst Fluch, Gesuch, Buch, die Buche, das Bruch (denn der Bruch von brechen hat ein kurzes u) . . . hoch und der höchste, Kuchen, Küchlein. Lache (ein Sumpf, Pfui), Xachen (ein Kahn) Schmach, Sprache, Tuch, verrucht' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 46; dazu schreibt sein gegner im zweiten teil der Heyuatzischeu Sprachlehre s. 25 : ' Suchen, fluchen etc. sprechen sehr viele, wo nicht die meisten mit einem kurzen u, Bruch von brechen hingegen mit einem laugen u, vom langen a in brach'. Nasts Sprach- forscher 1777, s. 163 bezeichnet ch als ' ein sicheres Zeichen der Schärfe seines Vocals . . . Und nachstehende gedehnte Aussprachen erfordern eine besondere Auszeichnung: der Koch und der Kuchen, das Buch, die Buche,

der Fluch, der Be- Versuch, das Tuch Die Schlesier sprechen: die

Bäclie, das Tiich, der Fluch, nach Mäzken p. 191 scharf, und sie haben recht'. Im Schwab. Magazin 1777, s. 165 ebenso: 'man schreibe gedent: Koch, Kuchen, Buch, Buche, hoch, Schmach, Fluch, Besuch, Sprache, Brach, Tuch Bosch sartago" und s. 94 ist noch hinzugefügt: 'Hache, wich'. Auch in Fulda, Grundregeln s. 55 ist Bache als gedehnt bezeichnet. Dazu sagt Liguet: 'DieBäcJie ken ich nicht; mit einem kurzen a Bache, ist es ultio, vindicta" Grammatikalien 1780, s. 28; 'In Bache, Bachen, Buche oder Büclu' schpricht meines Wissens kein Schlesier dän Selbstlaut lang, hingegen alle in Schpräclie, Brache' ebda. s. 73; ^di Bettziclie hat in unserer Aus- schpräche ein kurzes i, nicht Zielte' ebda. s. 30; 'Die Unbezeichnung des schnellen und langsamen Tons läßt den Schlesier flüclien (fluchchen) und den Märker fVuclien (fluhcheny Eichter, Rechtschreibimg 1780, s. 8; 'es ist diese kurze Aussprache der Selbstlaute vor ch und seh fast allgemein, so daß man sie für die Regel annehmen und nur die wenigem Fälle, wo er gedähnet wird, als Ausnahmen merken kann. Dahin gehören mit dem ch Buch, Buche, Fluch, hoch, Schmach, suchot, Tuch, verrucht, Kuchen, Küclüein, Spraclie, brach, Bruch für Sumpf, Lache für See und Gelüch' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3, 36.

Vor consonantenverbindungen bleibt die länge meist be- wahrt; doch kommen zahlreiche Verkürzungen vor:

'Das e wird ganz unnötig in etliche Wörter eingerucket, als: . . LiechV Eisler, Orth. 1718, s.25; 'Erboss't, der Ost, ihr stoss't, der Trost haben bey uns ein natürliches uuabgekürztes o; alle übrige Wörter aber richten sich nach der Ober-Sächsischen mehr zusammen gezogenen und eines Theils ver- schluckten Aussprache" Brockes, Reimendungen 1725, s.28; 'Du thust wird

444 TRITSCHLER

von mis ganz anders ausgesprochen als die Brust, der Wust. Das erste circumflektiren wir; die beydeu letzteren aber nicht' ebda. s. 30; 'Das u in dem Worte Schuster wird von uns in der Aussprache weit mehr ver- längert, als droben' ebda. s. 30; 'so wird ... das e bey lauger Aussprache in ein lang / verAvandelt ... z. E. gehen, Ich (jien(f "Wolf, Rechtschreibuiig 1749, s. 17; 'u. In Husten .. ist es kurz' Hempel, Sprachlehre 1754, s. 41; ^groß ist ganz unordentlich, denn groß, der große, die Größe sind lang; grösser und der gröste, kurz; vergrößern, Vergrößerung, Vergrößerungs- Glas bald laug, bald kurz. Bey den letzten kann es also ein Ausländer in der Aussprache sicher halten, wie er will' Gottsched, Beytr. z. Grit. Hist. 1739, 22, '207; 'Die Schlesier sagen für .. rriester .. Prister'' Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s. 17; 'So reimen sich ... Vriester land Begister ganz und gar nicht' ebda. s. 631; 'Ich ward, und ich wusch, werden bald lang, bald kurz ausgesprochen' Gottsched, Beytr. z. Grit. Eist. 1739, 22, 206; 'Le mot ei/f, onze, sonne elf; ou u"y fait pas sentir 1'/' Junker, Grammaire 1768, s. 21; dagegen Braun, Sprachkunst 1775, s. 536 verlaugt: 'eilf. der eilfte; nicht elf, noch weniger ölf. Heynatz mahnt, beim Unterricht zuzu- sehen, daß aus grösser mit einem kurzen ö, nicht größer mit einem langen ö werde' Briefe 1771, s. 102; '3Ian sagt daher nicht gieng, giengen, fieng, sondern ging, gingen, fing' ebda. s. 103; In seiner Sprachlehre 1772, s. 10 verlaugt Heynatz auch die Schreibung, nicht bloß die ausspräche ging, ßng. 'In folgenden Wörtern ist der Vokal vor dem st lang: drost, duster oder düster, gast, Husten, Kloster, Osten, Ostereicher, jausten (für blasen), Piist-

rich, Muster oder liustbaum, Schuster, Trost, trösten JVüste In gröste,

liöste, Kruste u. a. ist es falsch, den Vokal laug zu sprechen ... In Wust ist das u auch bei vielen kurz, obgleich n-uste davon herkömmt. Für husten sagen andre hus-ten' ebda. s. 45. Sein gegner bemerkt dazu im zweiten teil der Heyuatzischen Sprachlehre s. 20: 'Daß der Vokal vor dem sl in manchen der angeführten Wörter {Osten, lUisier etc.) laug sei, werden auch die wenigsten auf Hr. Heynatzens blosse Versiclierung annehmen. Von husten führt Er doch die kurze Aussprache des u an. In gröste (größte), liöste ist das ö lang, in Kruste das ti kurz. Die das u in Wust kurz hören lassen,

sprechen auch das n in wüst nicht lang'. ^Der Wuchs eine widrige

Ausuame' Nasts Sprachforscher 1777, s. 173; Fulda spricht alle Wörter auf -st kurz, also: Ost, düsler u.s.w., ebda. s. 174; 'So zeichne man denn aus: Bast oder Bosch, sartago, der Trost, der Hüst', der Wüst und wüst, Schuster, stets. Das Kloster und (7er Prister haben bei uns ihren lateinischen Ton behalten' ebda. s. 174; 'Mond .. Dinst .. geschärft (Dienst, Wfinst, Gans, das n durch die Nase gesprochen, ist bei uns pöbelhaft)' ebda. s. 176. Im Schwab. Magazin 1777, s. 171 f. wird alles genau so berichtet wie im Sprach- forscher. 'Prister hat bei uns ein kurzes i oder den abgebrochenen Ton . . . ; freilich lesen und schprechen einige, wi si es itst gedruckt finden (Priester) Prister^ Lignet, Grammatikalien 1780, s. 18; 'Der eigentliche Schlesier .. schpricht . . . den Flachs rösten, Klöster, Brätsei : hingegen Hust', Jescht, Wust, umste; die meisten auch Schuster, Prister, wenn si nicht durch die Schreibung Priester zu Prister verwönt sind ' ebda. s. 77 ; Stosch wendet sich gegen die kurze ausspräche des u in Schuster, Beiträge 1778, 1,30;

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 445

'Einige Mundarten sprechen das e in Prezel, oder Brezel lang ai;s

Andere, welche es kurz aussprechen, müssen das tz gebrauchen' ebda. s.41; 'Wenn aber die Schwaben . . . Frohst . . . schärifen: so ist das sicher falsch' Mäzke, Würterfamilieu 1779, s. 109; 'der einzige Fall, wo x eine gedehnte Sillbe endigt, ist das Wort ivux' ebda. 1780, s. 60; 'Düster ... 3Iond ... Ostern . . . Riester, Raster . . . Trost werden wohl unstreitig überall lange Selbstlaute haben. Auch glaube ich . . . Kloster . . . Pahst, Präzel, Priester, Probst . . . mit eben dem Rechte dahin zu rechnen. Diestel . . Husten . . . Schuster . . . und Wust spricht man zwar in Ober- uud Kiedersachsen oft kurz aus, es ist aber wieder die Aehnlichkeit. . . . Hingegen Osten, rösten . . . uud Wuchs sind meines Erachteus der Ableitung und Aehnlichkeit nach

kurz auszusprechen' Rüdiger, Zuwachs 178-1, 3,37; 'So haben Dienst

den Selbstlaut ebenso laug als dienen' ebda. s. 39; 'Es ist also fehlerhaft, daß manche Obersachseu, z.B. höchste, schönste, erste kurz aussprechen' ebda. s. 39 ; ' Von eben dieser schwankenden Ungewißheit der Aussprache in Obersachsen scheinet es herzurühren, daß oft die Selbstlauter wie im Reich unrichtig gedähut oder nach niedersächsischer Art verkürzt, und die Mitlauter verdoppelt werden z.B. ... Musche mit langem o' ebda, 1783, 2,136; 'Daher haben wir mehrere Wörter, in Avelchen der ursprünglich

gedehnte Vocal seine Dehnung behalten hat. Die vornehmsten davon

sind . . . Dienst, Düster, Feind, Freund, Husten . . . Mond, nebst . . Osten. Ostern .. rösten, Schuster ... Trost... Wuchs {hei andern Wuchs) ..Wust Qyei andern Wüst) unist, die Wüste . . . Wohin auch folgende fremden T'r- sprungs gehören: Bretzcl, Kloster, Pahst, Probst' Adelung, Lehrgebäude 1782, S.256 und Orth. 1788, s.232; dagegen sagt Richter: 'die vom Ver- fasser in die Ausname gesezten Wörter . . . Osten, Wust haben allgemeiner den schnellen (geschärften) Ton' Krit. Anm. 1784, s. 50; Moritz, Recht- schreibung 1784, s. 12 spricht 3Iond mit langem o; kurzes / in ging, fing, hing verlangen auch Adelung, Orth. 1788, s. 37 und Klügel, Enzj'klopädie 1784, S.402.

In Zusammensetzungen erfahren lange vocale öfters Ver- kürzung. Heinr. Schmidt erzählt über Schiller: 'So machte besonders die Aussprache des in diesem Stücke oft einfließenden "Wortes Mädchen, das er nicht Mäd-chcn, sondern 3Iädd-chen aussprach, einen üblen Effekt' Schillers Gespräche (Insel- verlag) s. 311.

Nast, Sprachforscher 1778, 2,96 gibt tm Zierde dehnung an; 'In den Wörtern dieß, Dienstag, Viertel, vierzehn, vierzig, bleibt das ie, ihrer Ab- stammung wegen, mit sehr gutem Grunde stehen, ob mau es gleich nach einer fast allgemeineu Gewohnheit kurz ausspricht'. Ebenso schreibt Klügel, Enzyklopädie 1784, 4,403; dagegen: 'Ich nehme die Wörter Dienstag, vier, uud die von diesen abstammenden von dieser Regel nicht aus, weil in mehreren Provinzen Deutschlands das ie in diesen Wörtern gedehnt ausgesprochen wird, obschon die Sachseu ^las ie mit Unrecht hier schärfen' Simon, Versuch 1787, s. 10; 'In den Wörtern vierzehn, vierzig, Viertel und

446 TRITSCIILER

dies (wofür andere gleich äi$ sclireibeu) wird von den meisten anstatt des Diphthongen ie ein kurzes ;; ausgesprochen. Seltener und unrichtiger ge- schiehet dieses in Dienstag, und folgenden Endungen des Zeitworts h-iegen (für bekommen): da kriegst, er kriegt, kriegte, gekriegt' Heyuatz, Sprach- lehre 1772, 8.10; 'Doch hat auch hier die Nachlässigkeit des Gebrauchs einige Ausnahmen allgemein eiugeführet. Dahin gehört . . . vierzehn, viel- leicht, Hochzeit, da der erste Selbstlaut durch die Zusammensetzung kurz wird. Herr Heynatz bringt dazu auch . . . die Aussprache mancher Ober- sachseu ehrbar ...' Rüdiger, Zuwachs 1784-, 3,40; 'Umgekehrt ist oft ein Vocal von Rechtswegen lang, und einige machen ihn wiederrechtlich kurz, wenn sie z. E. errhar \\ni\. scliönner im elirhar unA. schijner i^g^n' Hejnatz, Handbuch 1775, s. 47 ; ' Eine wahre Ausnahme ist es, wenn der Ton in den geschärften übergehet, und das Abgeleitete dennoch wie das gedehnte Stammwort geschrieben wird, dergleichen Fälle aber doch nur wenig sind : z. B. wahrlich von icähr, der vierte, das Viertel, . ..' Adelung, Lehrgebäude 1782, 2,095; ebenso Lehrgebäude 1, '258; 'Von icahr sollte wahrlich mit einem langen a kommen; aber viele pflegen warlich zu schreiben, und war rl ich auszusprechen' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 17; Im zweiten teil der Heynatzischen Sprachlehre wird Lorbeer mit kurzem o verzeichnet.

Vor den eudsilben er, en, el zeigen einige Wörter kürzimg:

'Die eine Provinz spricht 3/» <to-, die andere Mnetter, die dritte Mater . .* Adelung, Orth. 1788, s. 38; *In einem Lande hat man sich noch nicht ent- wöhnt zu schreiben ... Muter iüT Matter' Grundsätze (Bodraer) 1768, s. 117; 'Etliche einsylbige werden gedehnt ausgesprochen, die doch, so sie in zwo Sylben gehen, wieder scharf lauten, als: .. 'fach, Tücher'' Aichiuger, Sprach- lehre 1754, 8.112; 'Brach, Hucli, Schpruch, Geruch ... schallen auch avoI von dän Kanzeln mit einem laugen a, Bruches aber. Bräche, Baches etc. mit einem kurzen u und it. Di korrigirte Ausschpräche kürzt in Tuch, Flach etc. zwar dän Selbstlaut, di gemeine Schlesische aber behandelt si wie Brach' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 73; hierher gehört wohl auch die kurze ausspräche der Wörter gut. Mal u.s.w., die von den obliquen kasus aus in den nominativ gedrungen sein kann: 'So ist auch das einfache t mit dem doppelten nicht zu verwechseln, als ich sage Spott, Gott, Blut, Gut; und nicht, wie etliche schreiben, Got, Gatt, MutV Omeis, Anleitung 1712, s. 318. 'Wir sagen und schreiben im Blute, das Gute, die Stute. Einige der Herren Ober-Sachsen aber, zumal die Schlesier, verdoppeln das /, und schreiben im Blatte, das Gatte, die Statte, sprechen es auch also aus, und reimen es mit der Balte, die Klostcrkutte, dem Suttc' Brockes, Reim- endungen 1725, s. 31; 'Da spricht nun unter andern der Breßlauische Ge- lehrte gatt, ganz kurz aus; und schreibt es nach seiner Aussprache mit einem doppelten t: der Leipziger aber sagt gut, und dehnt das u laug aus . . . ' Pohl, Orth. 1735, vorbericht s. 5 ; diese letzte stelle wird nochmals wörtlich abgeschrieben Orthographie Regensburg 1737, s. 13 ; ' Die Schlesier sprechen auch Blutt, Gutt, Matt und in der Verlängerung des Bluttes, Gattes, Mattes, wie in der mehrern Zahl Gütler, Gemiitter: ob sie gleich nicht allezeit so schreiben. Doch keine andere Landschaft thut es ihnen

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 447

nach Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s.58; ehenso Gottsched, Beytr. z. Crit Hist. 1736, 15, 432; Hempel, Sprachlehre 1754, s. 26; 'Es haben wohl einige . . . Gnht, Blüht anstatt . . Gut nnd Blut geschrieben. Da man aber bey der Aussprache dieser Wörter gar keine Dehnung verspüret, so hat man auch keine Ursache, ein h hinzu zu flicken' Braun, Sprachkuust 1775, s. 87; 'Für Bnte schprechen di meisten Schlesier Butte, wen si auch Bathe hin schreiben, oder geschriben vor sich haben. Di Stuff'e hört man vil seltner bei uns, als Stnffe. Stuite ist äbenfalls gewönlicher, als Stute' Lignet, Grammatikalien 1780, s. 28; ebenso: 'Viele schreiben Buhten und sprechen doch Butten' Bödiker, Grundsätze 1746, 8.19; auch für töten und der Tod bezeugen einige grammatiker kurze ausspräche: 'Auf einen Vocal, der schnell vom Munde lauft, und folglich der Aussprache nach kurz ist, folgen jeder- zeit zween Consonanten, oder ein doppelter . . . folglich schreibt man auch

tödtca ...; nicht aber töden'' Braun, Sprachkunst 1775, s. 48; 'weil

man aber nicht . . . des Todtes schreibt, so schreibt man auch nicht . . . der Todt, sondern .. der Tod' ebda.; Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,37 verlangt für todt die Schreibung tot und spricht laugen vocal; 'Das d ist gelinder

als t, oder th Seine Geliudigkeit kann weniger merklich seyn, wenn

ein geschärfter Selbstlauter oder ein Mitlauter vorhergehet, wie in Tod . . . ' Simon, Versuch 1787, s. 18; 'Daf Denungfzeichen h, daf man in uxdir gehört hatte, wird in wahren, wo keine Denung m^r ist, fälerhaft fort- gebraucht' Klopstock, Fragmente 1779, s. 231; 'Ich sage z. E. der Bussel und spreche das ti Avie ein lang i aus, als wenn es hiese BieseV Pohl, Orth. 1735, s. 6; dagegen: 'dar Büsel ... kennen wir nicht; dar Bussel wol' Lignet, Grammatikalien 1780, s.l7; über Wuß'e oder Waffe s. oben s.441.

Durch schwache betonung erklärt sich die Verkürzung des langen vocals in folgenden fällen:

't wird oft verdoppelt, als in hatten : aber allemal nach einem

kurzen oder scharfen Selbstlauter' Gottsched, Sprachkunst^ 1762, s. 57; 'Selbst im Hochdeutschen würden viele wenigstens auch in Autboß ... das 0 kurz aussprechen' Rüdiger, Zuwachs 1783, 2,200; 'Das o ist kurz in ... lIerso(f Anweisung z. Briefschreiben, Prenzlau u. Leipzig 1751, s. 18; dagegen beharrte die dehnung in Herzog bei Freyer, Orthographie 1746, s. 36 ; ebenso dehnung in Vielfraß ebda. s. 35, und in Diehstal Nast, Sprach- forscher 1777, s. 153; 'Einige deutsche Mundarten ziehen überhaupt die Vocale zu sehr. Man kann also von den Wörtern, die man oft unrichtig mit einem laugen Vocal ausspricht, folgende merken: ... naeh' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 22; dazu schreibt sein gegner im zweitenteil der Hey- uatzischen Sprachlehre s. 10: 'Vergleich ich nach mit noch, näher, der Xächste (welches letztere doch nicht Avie sechste klingt, so gewiß als das ö in Höchster von hoch laug bleibt), so kann ich das a in demselben nicht für kurz halten'. Auch Rüdiger, Zuwachs 1783, 2,136 meint, die vocale würden oft unrichtig gedehnt: '■ nahcli statt nach'' (den beleg s. oben s. 416). 'Wir haben: brechen, gebrochen, sprechen, gesprochen. Also sind auch aus diesem Grund die Dehnungen der Namen oder Wurzelwörter: die Brach, die Sprache, die Bache, entweder Provinzialismen oder Ausuamen im Sprach-

448 TKITSCHLER

schätz selbst' Nast, Sprachforscher 1777, s. 198; kurzen vocal in Bache be- zeugt Bödiker, Grundsätze 17i6, s. 26; 'Wenn die Schlesier z.B. unser gemtg und jeglich schärfen, so thut es ia das einfache k schon. Was haben sie der Verdoplung desselben nötig: (jenu'kkl'' Nast, Sprachforscher 1777, s. 165; 'gemtf) ... dehnen wir Schwaben' ebda. s. 162; 'In getiufj lautet uns das u kurz" Lignet, Grammatikalien 1780, s. 73; kurz wird das u in genug auch angegeben bei Gottsched, Beytr. z. Grit. Hist. 1739, 22,201. 'Die Sddooßeit schröcken uns, wenn's hagelt, donnert, blitzet' schreibt Seume, Lexikon 1733, s. 207; dagegen meint Heynatz 'das oo ist ... un- richtig in ... Scidooßen für ScJdota^en ' Sprachlehre 1772, s. 62; 'für ScJdose hört man in Schlesien gewönlich Schlönne, Schlössen, seltner Schlössen^ Lignet, Grammatikalien 1780, s. 28.

B) Nebentonige vocale.

§ 4. Auch in nebensilben ändert sicli die quantität der vocale; und zwar kommt sowohl die dehnung kurzer vocale vor, als auch die kürzung langer vocale. Hier sind auch die schon oben behandelten fälle: Amluß, Herzog nochmals zu er- wähnen. Vor allem aber handelt es sich hier um die ab- leituiigssilben -sam, -bar, -sal, -tum u.s.av., die sehr oft als -sahm, -bahr, -saht geschrieben erscheinen. Diese suffixe trugen eine gravisbetonung und unterlagen dadurch, soweit sie nicht schon von anfang an langen vocal hatten wie -bar, leicht der dehnuug.

Bödiker, Grundsätze 1746, s. 39 will sie ohne /( schreiben , da dieses verlängerungs-/; nicht durchgehends angenommen werde; einer spreche sie laug aus, der andere kurz. Ebenso schreibt Freyer, Orth. 1746, s. 38 -nud, •sani, -har, -dar ohne /(; ebenso Salander, Scbreibkunst 1757, s. 23; Gott- sched sagt: 'Das s(d in ].ahs(d, Tri'ibs(d, ScJteusal, ist unstreitig eine kurze Syllbe, und brauchet also kein doppelt «' Sprachkunst'' 1762, s. 46; 'In- dessen nennen wir lange Vokalen diejenigen, worauf der Ton der Aussprache etwas ruhet, das ist: welche etwas langsamer ausgezogen lauten. Nach diesen Vokalen also kann man die Konsonanten niemals verdoppeln. So schreibt man: ... langsam, und alle die sich auf die Eudsylbe sam enden' Bob, Nöth. Grundsätze 1771, s. 51; 'Also auch das Wort Leichnam hat im Singulari nur ein einfaches m, im Plurali aber wird es ob Euphoniam ver- doppelt, indem ich recht sage und schreibe: die Leichnamme'' Töllner, Orth. 1718, 8.32; 'Einige sprechen sie gedehnt, wie die Schlesier rJi«, /t///H etc., einge ungedebnt: (fnn, hinn. Wohin auch die Ableitungssillben (an, nam: in Jirosam, Leicltnam (so wie ai h\ Monat; ig, ij, nicht ///, in feißig) ge- höhren; denn diese sprechen einige wohl gedehnt und lang: wie hroxahmen, Leichnahme; and're aber, als die Schlesier, scharf und kurz aus'; wie Jiro- same, Leichname etc.' Mäzke, Wörterfamilien 1779, s. 110; 'Ferner haben die Endungen in er ig lieh isch vor ihrer Vermehrung einen kurzen Vokal,

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 449

weil derselbe, ob er gleich nach der Vermehrung gemeiniglich lang wird, dennoch in einer kurzen Sylbe steht" Heyuatz, Sprachlehre 1772, s. 14; Für Königin kommt auch Könifjein vor, wo ei auf langes i zurückzuführen sein kann. 'Aber die Meisner, die Merker etc., wir es müsten den Leute nicht fertig läsen gelernt haben schprechen äben so wenig Äbtisincu, Frinzesinen, Königinen (NB. in dar vorletzten Sylbe ein langes /)) als ich glauben wil, das es di Süddeutschen tun. Tun si es aber wirklich, so schprechen si hir weder Niderdeütsch, noch Hoch-, oder gut Deutsch, sondern auf ire eigene Art aus, di man bis här Oberdeutsch nante' Lignet, Gram- matikalien 1780, s. 25. Vgl. oben s. 380 f.

Vielleicht in der rufform ist die endsilbe in Barbara ge- dehnt: 'Bisweilen kan auch die letzte Sjlhe lang- gebraucht werden, als: Barbara uM Barbara' Lindner, Sprachlehre 1772, s. 67. Umgekehrt zeigt sich kürzung in Sophie:

'Kurz hergegen, sind die Selbstlauter in der Aussprache: Wenn sie am Ende vielsyllbigter "Wörter ganz bloß stehen; als: in Ahba, Bassd ... .1//, SopJii, dero, Uhu, u.s.w.' Gottsched, Sprachkuust ^ 1762, s. -44.

Ferner: 'Vielen meiner Landsleute in Niedersachsen aber muß ich hiebey noch die Erinnerung machen, daß es unrichtig und fast holländisch ist, wenn sie die Endung männlicher Hauptwörter auf er nach doppelten Mitläufern, wie in Satiler, Büttner lang und wie är aussprechen' Rüdiger, Zuwachs 1784, 3,38. 'Ja eben darum, weil der Vokal in diesen Wörtern kurz ist, so müssen gemäß der IV Hegel zween Consonanten folgen: so schreiben wir ÄrmiitJi, Wehcmnih etc. mit einem ili, weil das u kurz ist: hingegen schreiben wir Soldat, Salat nur mit einem t, weil das a laug ausgesprochen wird' Braun, Sprachkunst 1775, s. 98; 'der Mohn-ai. Vom alten und pro- vinzialischen Mohn, mit der Ableitungssilbe at, wie in Ziihrat, Heurat, Heimat etc. Doch macht si sonst weibliche Haubtnennwörter, da dock dises männlich, und im Oberdeutschen so gar neuter ist. Si wirdt aber auch in disem Worte in Schlesien mit einem halb scharffeu Akzente aus- gesprochen; daher das t in J/ü/i>«r(/t? verdoppelt geschleifft wirdt: MoJinatte; da wir hingegen mit allen andern Provinzen di selbe gedehnt aussprechen : Heuraten, Zihraten etc.' Mäzke, Wörterfamilieu 1779, s. 85. Rüdiger, Zu- wachs 1784, 3, 38 gibt an, daß Wermath und Armuth, Heimath und Brosame gedehnten vocal haben. Ebenso Adelung, Orth. 1788, s. 258: 'gedehnt vor th: Zierath, Monath, Heurath, Heimath\

C) Fremdwörter.

§ 5. Die fremdwörter stimmen meist zu unserer heutigen ausspräche:

'In Grammatik, Logik u.d.g. pflegt man das i kurz zumachen, weil die letzte Sylbe den Ton nicht hat; in Fhi/sik und Bletaphysik hat sie ihn,

450 TRITSCHLEK

und da pflegt das / laug ansgesproclieii zu •werden' Heyuatz, Sprachlehre 1772, s. 14; 'die in // hahen der guten Aussprache nach alle ein langes i, z. E. Profit' ebda. s. 18; '/: Lang ist es in ... Berlin, Camin, Urin, Ma- gazin, Paris, Credit' Frey er, Orth. 1746, s. 36; V: lang ist es in

Alphabet, MagneV ebda. s. 35; dagegen schreibt Mayer, Anfangsgründe 1771, s. 21: Pastetten. Moritz, Rechtschreibung 1784, s. 15 schreibt Anies. '3Iine und Miene unterscheiden viele ohne Not, da beide als fremde Wörter das e wol entbehren können. Aus eben der Ursache schreibt man in Anis, Biber uni Paradis lieber ein /, als ein ie' Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 70; 'Droben spricht man die Wörter Zebaoth, Behemoth, Banquerott, ziemlich lang; darin wir aber, was die beyden ersten Wörter betrifft, ohne Grund von ihnen abgehen' Brockes, Eeimendungen 1725, s. 28; Heynatz, Sprach- lehre 1772, s. 17 sagt, Ziehetkatze habe ein langes e. 'ac imd ack hat in Ober- und jSieder- Sachsen einerley Klang. Nur nehmen wir die zwey Wörter Thiriac, und Cloac hievou aus, worin bey uns das a etwas mehr verlängert wird' Brockes, Reimendungen 1775, s. 11. Rüdiger gibt als unrichtige deh- nung an: ' Jü6^//j statt Tohaclc' Zuwachs 1783, 2,136; 'Einige deutsche Mundarten ziehen überhaupt die Vocale zu sehr. Man kann also von den W^örtern, die man oft unrichtig mit einem langen Yokal ausspricht, fol- gende merken: ... Israel, Gabriel, Daniel, Bethlehem, Jenisalem u.d.g. ... Lysimon, Dämon, Orgon u.d.g., ferner Zabaoth, Behemoth (obgleich die übrigen Hebräischen Plurale in oth das o lang ziehen z. E. Sejjhirothy Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 22; Dazu sagt sein gegner im zweiten teil der Heynatzischeu Sprachlehre s. 10/11: 'Israeli (für Israel mit einem scharfen e) ist provinziell oder geziert'. Wir hingegen reimen das Bitndel, ein Camel, als welche zwey wir davon ausnehmen, alle übrigen aber z. E. Israel, Ga- briel etc. sprechen wir durch ein kurzes e aus, als wenn zwei V daselbst stünden' Brockes, Reimendungen 1775, s. 22; Heynatz, Sprachlehre 1772, s. 17 will langes i in Cherubim, Seraphim. 'Fast alle Namen in on haben bey uns ein kurzes o, e.g. Simeon, Absolon, Salomon, Aaro)i etc., wie auch die Praepos. von' Brockes, Reiraendungen 1725, s. 28; 'isV grub und Beelzebub würde, nach unserer Mnnd-Ahrt, keinen untadelhaften Reim ab- geben' ebda. s. 29: 'Kurz hergegen, sind die Selbstlauter in der Aussprache: Am Ende vielsyllbigter Wörter, deren erste Syllben lang sind; ob sie gleich mit einem Mitlauter schließen, als: Daran, Japan, ... Emir, Salonion, . .' Gottsched, Sprachkunst ^ 1762, s. 44; Ebenso Weisenstein, Lesen und Schreiben 1782, s. 5556. Heynatz dehnt das i in predigen: 'Man muß das Langaus- sprechen oder Kurzaussprechen einer Sylbe, welches in die Prosodie gehört, nicht mit dem Lang- oder Kurzanssprechen eines in der Sylbe vorkom- menden Vokals oder Diphthongen verwechseln. Die Sylben di und hm z. E. sind in den Wörtern predigen und ablaufen kurz, obgleich das i und au, wenn man die Sylben einzeln ausspricht, lang gehöret wird. Hingegen ist die Sylbe fn in dem Worte befinden zwar lang, aber das darinn stehende / ist kurz' Heynatz, Sprachlehre 1772, s.9; Etwas unverständlich klingt daneben seine Angabe in den Briefen HL teil, vorrede 8.12: 'Es ist eine ungerechte Beschuldigung, als wollte ich die Sylbe di in predigen lang aus- gesprochen wissen. Wenigstens viermal habe ich es mit dürren Worten

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 451

gesagt: die Sylbe dl in predif/en ist kurz. Es ist -R-alir, daß ich s. 157 predigen auf kriegen zu reimen erlaubte; aber das war nichts weiter als ein Druckfehler'. Lignet schreibt über das wort predigen: 'Hoffentlich können doch di Süddeutschen dän Selbstlaut einer prosodisch kurzen, ganz tonlosen oder akzentlosen Sylbe, z. E. das i in prädigen _v^w, doch lang oder offen ausschprechen, oue dar Kürze dar Sylbe damit zu schaden, one aus prddige ein prcdV/che von dar nämlichen prosodischen Kwantität ^^ ^ , oder gar von dar Kwantität des "Worts Beiziche r<, ^, zu machen. War in dän Daktylen Beüigen, Fiitigen wi vile schreiben, das g entweder als g, oder als j ausschpricht, und di Grundsylbe akzeutuirt, schpricht das i dar zweiten Sylbe lang oder offen aus, so ser är di Sylbe selbst kürzen mag. Auch wen Eetlichen, Fittichen geschribeu wird, tun es manche {Betticlien, Fittichen), und mit Leichtigkeit. Spricht nun dar Schwabe dises / durchaus kurz, so als di Schreibung Bettichchen, Fittichchen es im anzeigen kan?' G-rammatikalieu 1780, s. 81. Salander, Schreibkunst 1757, s. 24 schreibt Ziegeimer.

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ordinarii. Breslau 174-1.

1) Die in klammern beigefügten Ortsangaben bedeuten die heimat oder den aufenthaltsort des betreffenden grammatikers. Ich gebe den vollstän- digen titel des Verfassers nur dann wieder, wenn er zur bestimmung des dialektes brauchbar ist.

452 TRTTSCHLEE

Anleitung zur Schreibart in Briefen und einigen andern Aufsätzen zum Gebrauche für Schüler der deutscheu Schulen iu den kaiserlich könig- lichen Erblanden. Wien und Freiburg i. B. 1777.

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Antesperg, Die Kayserliche deutsche Grammatik, Oder Kunst, die deutsche Sprache recht zu reden, Und ohne Fehler zu schreiben, In Vier

Theilen Mit einem Examine und zulänglichen Vor- und Anmerkungen

Mit sonderbarem Fleiß deutlich und vollkommen In otio Viennensi Aus- gearbeitet Von Johann Balthasar von Autesperg, verschiedener des H. R. R. Fürsten und Stände Rath, Redner und Agenten am Kayserl. Hofe. Zweyte und verbesserte Edition samt einem Register. (1750, Wien).

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Auszug der nöthigsten Grundsätze der deutschen Sprachkunst. Frey- burg 1774.

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ZUR AUSSPRACHE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT. 453

uasio . . . Herr Frisch mehrte sein Lob iu dem Berlinischen . . . Ich bin an dem Friedrichstätschen . . . geschäftig- gewesen).

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Chloreni Germani neu verbesserte Teutsche Orthographie oder Gründ- liche Anweisung, recht und nach der unter den heutigen Gelehrten üblichen Art zu schreiben. Frankfurt und Leipzig 1735.

Crispin, Johann, Gründliche Anweisung, wie einer . . . lernen könne,

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Kern der deutschen Sprachkunst und Rechtschreibung, aus des kur- pfälzischeu geistlichen rates, herrn Hemmer, grösern werken fon im selbst heraus gezogen. Mannheim 1780.

Hempel, D. Christian Friedrich Herapels Erleichterte Hoch-Teutsche Sprach-Lehre, worinnen gründlich und auf die leichteste Art gewiesen wird, wie mau diese Sprache nicht nur recht uud zierlich reden, sondei'u auch richtig schreiben solle Frankfurt & Leipzig 1754 (Halle).

ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 455

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30*

456 TRITSCHLER

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Popowitach, Untersuchungen vom Meere, die auf Veranlassung einer Schrift, De Columnis Herculis, welche der hochberühmte Professor in Altorf, Herr Christ. Gottl. Schwarz, herausgegeben, nebst andern zu derselben ge- hörigen Anmerkungen, von einem Liebhaber der Naturlehre und der Phi- lologie, vorgetragen werden. Frankfurt und Leipzig 1750.

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Die nothwendigsten Anfangsgründe der Teutschen Sprachkunst zum Gebrauche der Österreichischen Schulen auf allerhöchsten Befehl aus- gefertiget von Joh. Siegm. Val. Popowitsch Wien 1754.

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ZUR AUSSPRACHE DES NHD. IM 18. JAHRHUNDERT. 457

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Tralles, Über die deutsche Sprache und Litteratur. Berlin 1781.

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458 TRITSCHLER. ZUR AUSSPRACHE DES NIID. IM 18. JAHRHUNDERT.

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Weise, Christian Weisens Curiöse Gedanken Von deutscheu Versen

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LÖRRACH. ARTUR TRITSCHLER.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH.

I. Zur ziisammensetzuug der hantlschrift.

Als umfänglicliste unter den ältesten isländischen liand- scliriften gehört das Stockholmer Homilienbuch zu den wich- tigsten nordischen Sprachdenkmälern. Doch herrscht bis heute keine klarheit über den eigentlichen wert und die richtige benutzung dieser quelle. Seit der herausgäbe durch Wisen und den Untersuchungen von Larsson ist es offenkundig, daß wir es keineswegs mit einem sprachlich einheitlichen text zu tun haben. Wisen wollte dies auf die benutzung ungleicher vorlagen zurückführen. Larsson dachte an ungleiches alter der einzelnen teile. Keinem von beiden ist es gelungen, die richtigkeit seiner ansieht zu beweisen. Da Larsson sich auf sorgfältige Untersuchungen des schreibgebrauchs und der spräche stützte, so hat er vermutlich das vertrauen ferner stehender in höherem grade gewonnen als sein gegner (vgl. Anz. fda. 14, 268 ff.). Aber der verdacht mindestens ist doch W'Ohl be- stehen geblieben, daß das material falsch gedeutet sei. Wisens 'receptaculum' ist durch jene polemik nicht aus der weit ge- schafft (vgl. Arkiv 22, 32).

Bemüht um die gewinnung einer grundlage für die sprach- liche gestaltung des Eddatextes, habe ich auch das Hom. auf seinen w^ert als sprachquelle untersucht. Dabei bin ich zu auffassungen gekommen, die von den früher ausgesprochenen teilweise verschieden sind. Man macht sich herkömmlicher- w^eise den Schluß von dem alter einer handschrift auf das alter der in ihr vertretenen Spracherscheinungen und umgekehrt etwas zu leicht. Die zufällig erhaltenen Codices können nicht dafür gelten, daß sie die Chronologie der Sprachveränderungen unmittelbar abspiegeln. Dieser fehlschluß, den Hoffory u. a.

460 NECKEL

gezogen haben, liegt Larssons ganzer arbeit ziigrimcle (vgl. besonders Studier 16, SvarSf.): weil die einzelnen teile des Hom. sprachlich verschieden sind, müssen sie zu verschiedener zeit geschrieben sein. Anfangs hatte Larsson im anschluß an Avisen diesen schluß nur für die quellen gezogen (Isländska handskriften 645, Lmid 1885, lxxxiii). Als er aber dann die handschrift im original untersuchte, ihre schriftzüge und ihre äußere Zusammensetzung, und bemerkte, daß sie auch in diesen äußeren dingen uneinheitlich war, kam er dazu, sie selbst in einem längeren Zeitraum allmählich entstanden sein zu lassen. Dies bot deutlich den vorteil, daß man mit den Sprachübergängen mehr in der zeitlichen nähe von Reykiaholts Mäldagi blieb, dem festen pfeiler der ältesten isländischen hand- schriftenkunde und Sprachchronologie. Doch ist es Larsson aufgefallen, daß an einer stelle die sprachform eine andere wird, ohne daß auch der Schreiber wechselt: 'nagot som ju tyder pä, att olikheten i handskriftens ortografi delvis ätmin- stone beror pä, att den är avskriven äfter olika original' (Stud. 12). Dieses 'delvis ätminstone' bedeutet eine frage, der Larsson nicht nähertritt und die auch Wisen nur mit einem 'nein' ohne begründung beantwortet hat: beruht jene Ungleich- heit überhaupt auf der Verschiedenheit der bände?

Klarheit läßt sich nur gewinnen, indem wir die Unter- suchung etwas vielseitiger gestalten. Es genügt nicht, den linguistischen gedankengang paläographisch - bibliothekarisch zu stützen; vor allem ist philologische Vorarbeit vonnöten.

Überall, wo Larsson und, ihm folgend, Gödel (Katalog öfver kongl. bibliotekets fornisländska och fornnorska hand- skrifter I, Stockholm 1897, s. 55) einen Wechsel der bände annehmen, beginnt ein neues Inhal tsstück. Da jedesmal gleich- zeilig die spräche sich ändert, so sind von vornherein ver- schiedene causalzusammenhänge denkbar. Alle Schreiber haben zweifelsohne nach vorlagen abgeschrieben; also hängt der Wechsel der Schreiber sicher unmittelbar mit dem Inhalt zu- sammen. Der Sprachwechsel hingegen kann ebensogut vom Inhalt, d. li. also von der beschaffenheit der quellen, herrühren wie von den Schreibern.

Nehmen wir einmal mit Larsson und Gödel an, letzteres sei der fall. Da muß uns schon, ehe wir uns weiter umsehen,

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 461

einiges stutzig- machen. Die predigt Die annunciationis beate Marie . . . , Wisen 134, 28 137, 38, soll von derselben ältesten band (A) geschrieben sein, die zuletzt 111,20 aufgehört hat. Das unmittelbar vorangehende stück dagegen (Nativitas sancte Marie, 127,11 134,27) wird einem jüngeren Schreiber (D) zugeteilt. Aber der 'ältere' Schreiber bricht am ende mit einem unvollständigen satze ab: Oc Jm hon siölf sancta uirgo Maria. Dies glaubte er sich docli wohl deshalb erlauben zu können, weil der Schluß der vorangehenden predigt die angeblich von jüngerer band herrührt mit denselben worten beginnt (Oc l)a hon siölf uirgo sancta Maria . . . ). Die beiden predigten hatten also gleichlautenden schluß, oder die zweite sollte denselben schluß bekommen wie die erste. Weil aber die formel ziemlich lang war (134,22 27), so wurde sie an der zweiten stelle abgekürzt. Ebenso schenkt sich derselbe Schreiber 70, 18 den vollen schluß der predigt Passio domini, weil die Schlußformel schon vorher vorgekommen ist (zuletzt 64, 16). Wer nicht voreingenommen ist, wird folgern, daß jene beiden Marienpredigten in der reihenfolge geschrieben sind, in der wir sie lesen.

Dies bestätigt auch der paralleltext in AM 686 B (hsg. von l)orvaldur Bjarnarson, Leifar 175 179, und Larsson, Stud. 58 f.). Er enthält fragmente von Nativitas (Hom. 127 ff.) und einer Marienpredigt, die im Hom. auf jene verstümmelte predigt folgt (Wisen 138, 1 ff.), und zwar schließen diese beiden stücke unmittelbar aneinander (Leifar 178, 31). Daß diese reihenfolge ursprünglicher ist als die im Hom., geht aus diesem letzteren hervor. Das Zwischenstück 134 137 ist nämlich inhaltlich ein doppelgänger des folgenden; beide sind berechnet für den tag Maria Verkündigung (solche dubletten finden sich auch sonst im Hom., s. darüber unten). Und es weicht sprachlich ab vom vorangehenden und folgenden, die ihrerseits unter sich annähernd gleichartig sind (sie mischen in den endungen e und /, in etwas wechselndem Verhältnis, während das Zwischen- stück nur einzelne / nach palatalen vocalen hat, wie sie fast überall vorkommen). Dieser selbe sprachliche typus herrscht auch in AM 686 B; auch hier gemischte endungsvocale, größeren- teils wort für wort mit Hom. stimmend. Nun ist das Verhältnis der handschriften i. ü. so, daß an unmittelbaren Zusammenhang

462 NECKEL

nicht zu denken ist;i) sie schöpfen vielmehr, clirect oder in- direct, aus einer geraeinsamen vorläge. Diese vorläge hatte also die reihenfolge und den sprachtypus der Kopenhagener fragmente. Das Hom. (oder schon eine abschrift, die zwischen ihm und der gemeinsamen quelle liegt) hat die reihenfolge unterbrochen durch einfügung einer dublette; dagegen hat es den sprachtypus im wesentlichen, wenn nicht durchaus, unver- ändert übernommen.-)

Stammen aber das, was vor, und das, was hinter dem an- geblich ältesten stücke steht, aus einer zusammenhängenden quelle, so ist es nahezu undenkbar, daß dieser Zusammenhang secundär vor und hinter jenes stück so sollte verteilt worden sein, daß die beiden zusammengehörigen predigten gerade an ihrer grenze getrennt wurden. Dies wird auch dadurch nicht glaubhafter, daß, wie Larsson, Stud. 11 angibt, vor der mitt- leren predigt die letzten 8 zeilen der nächst vorhergehenden Seite frei geblieben sind. AVir gelangen also wiederum zu dem Schluß: Nativitas (s. 127 ff.) ist vor Annunciatio (s. 134 ff.) geschrieben. Die sprachliche beschaffenheit der drei stücke ist von der reihenfolge ihrer niederschrift und von den Schreibern unabhängig. Stellen wir uns auf den boden der üblichen auf- fassung von der Chronologie der aisl. endungsvocale, so erhalten wir die zeitliche folge 'jünger' 'älter' 'jünger'.

Gleichzeitig hat uns die Schwesterhandschrift veranschau- licht, wie eng der anschluß an die vorlage(n) in dieser partie gewesen ist.

Da auch andere handschriften entsprechungen zu teilen des Hom. liefern (vgl. Larsson, Stud. 55). so untersuchen wir nun zunächst, ob nicht auch diese etwas für unsere frage ab- werfen. Es steht klärlich so, daß sprachliche differenzen für

') Es findeu sich fehler und liicken sowohl in 686 wie im Hom., vgl. für letzteres otßcga 142, 30: optlicju Leif. 177, 14; monu 141, 19: muno Leif. 175,26; en sgmo Leif. 176,16 fehlt im Hora.

3) Die kurzen formen per ö (d.i. peir ero) Leif. 176,11, hryggver 6 Leif. 176,31 ^ peir ö Hom. 141,36, hryggver ö Hom. 142,14; öheiÖuU heii. 176, 27 = o6e?/)M// Hom. 142,11 steht isoliert inmitten lauter endungs-o. Kleine abweichungen entstehen z. t. dadurch, daß 686 conseqnenter ist. So schreibt diese handschrift in dem stücke Leif. 177, 15 178, 31 immer skißdi, Icyni, andi, mildi (mit 0 und regelmäßig i nach nebentonigem a : faf^tnandi, siiiandi, svarapi.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 463

das verfahren unserer Schreiber nicht beweisend sind, da die parallele keinen Schluß erlaubt auf die unmittelbare vorläge; wohl aber sprachlich-orthographische Übereinstimmungen.

Die lange predigt Resurrectio domiui (71—79) steht bruch- stückweise auch in den fragmenten von AM 686 C (Gislason, Frumpartar c— cm = Hom. 74, 8 75, 27; Leifar 179,9—19 = Hom. 77, 23- 35 ; Leifar 1 79, 20—27 = Hom. 78, 24—26. 79, 3—8). Die nur indirecte Verwandtschaft wird veranschaulicht durch abweichungen wie bei Hom. 74, 33 {dröttens nott : 'dni noW frg.) verglichen mit Hom. 74,16 {'böctale' : hohndle frg.); vgl. auch 74, 34 {posiolom d hidta dröttens dcege. pnt segia oc at cnn helge annde kom . . . : j)ostolom. pat er sagt, at enn liclge annde q^me frg.) und 77, 34 {raunhött ganga : mihi vera frg.). Hom. schreibt Siciit sdlma sJaildet mcelte (75,18); frg. Svd sem Dem im Hom. nicht seltenen für ä steht in den frg. p gegenüber, dem durchgehenden J) oft im auslaut, bis- weilen auch im inlaut cT. Mehr vereinzelte graphische ab- weichungen sind eigiptaland (Hom.) : aegipta-, egipta- (frg.); liiminrikiss (Hom. 74, 12) : liiminrikess; umgekehrt elge (Hom. 77, 33) i eigi (dagegen beide Jipi Hom. 74, 25). Daß / nur nach Palatalen (/, ei) vorkommt, ist eine Übereinstimmung. In beiden texten herrscht i. ü. e o, und zwar e facultativ auch in der endung -ing {fyUeng, s. unten). Ein durchgehender sprachlicher unterschied ist das er, var der frg. gegenüber es, vas im Hom. Hier muß einmal eine consequente Umsetzung stattgefunden haben. Dagegen herrscht Übereinstimmung sogar in dem wechselnden gebrauch von miin : mon. Beide texte beginnen mit mun. Hom. schreibt das letzte miin 75, 13, dann nur noch mon (zuerst 75, 26). Die frg. setzen mon schon an der 75, 13 entsprechenden stelle. Sonst verfahren sie ebenso. Eine ähnliche inconseriuenz der gemeinsamen vorläge ist treu bewahrt in dem satze fyUeng tungls . . . merJcer fylling heüagrar cristne Hom. 75, 11; derselbe Wechsel Frumpartar cii (z. 4. 3 von unten). Sogar eine interlinearglosse kehrt identisch wieder: über leviajjan {leviaihan frg.) steht in beiden texten von der band des Schreibers tui])garJ)Sormr {Mipgarsormr frg.), Hom. 75, 26. Frump. cm.

Diese Übereinstimmungen geben einen starken eindruck von der abhängigkeit unseres Schreibers von seiner vorläge.

464 NECKEL

Die abweiclmngen kommen dagegen nicht auf, denn sie müssen mindestens in ihrer großen mehrzahl dafür gelten, daß sie der andern seite zur last fallen. Für den hauptfall (es : er) geht dies daraus hervor, daß das Hom., und zwar derselbe Schreiber, in andern stücken er keineswegs meidet (z.b. 45, 32 ff., s. unten). Die durchgreifende änderung dieser formen in den fragmenten wird damit zusammenhängen, daß der consonanten- unterschied besonders scharf ins ohr fiel.

Es ist von wert, daß dieser fall sich auf einen andern Schreiber nach der Larsson-Gödelschen teilung bezieht als der vorhin besprochene. Dort handelte es sich um 'D' und 'E'; hier um 'A', den hauptschreiber. Alle drei erweisen sich als gleich conservativ, und wir gewinnen eine allgemeine richtschnur. AVas A angeht, so finden wir sie gleich noch einmal an einem umfänglicheren stück bestätigt. Kirkiodagsmäl s. 98— 104 steht großenteils auch in den homilienbruchstücken von AM 237 (Leifar 162 165,5 = Hom. 100,7 102,21). Auch hier begegnen einzelne abweichungen im Wortlaut. Leif. 162,6 linder fotom tropner : fijr allre atrojja] Leif. 163,1 vi]) elom oc scürom : vij) regne\ Leif. 163, 26 salma sl'aldet : äavid\ Leif. 164,3 ver : pau (!); 165,1 af gnd vdrre : af Qndoni örum\ 164, 31 (= 167, 20) gö}) systken : goper hreopr; Leif. 163, 7—8 ist in Hom. verkürzt; Leif. 163, 31— 33. 164,4—5 fehlen in Hom. Leif. hat tvinn, Hom. tuinn. Leif. schreibt haua, Imö, eruepe, sidluer, Hom. dafür f (aber anderswo, schon 103, 8. 38, u, v). Leif. hat stets ft in skiftesk, efterglikingar und dergl., Hom. setzt dafür einige male pt : skqjtesc. Für svd at schreibt Hom. svdt, für sctt Jni: settü, für hötipar: hötipar. Dagegen herrscht in beiden eo für ö, und viele einzelne wortbilder sind identisch. Beide haben es (Hom. daneben 4 er). Beide haben in den endungen e/o mit vereinzelten -mn: in Leif. zweimal durum ( : durom Hom.), in Hom. einmal orum ( : vdrre Leif., s. oben), vgl. kurz vorher (99, 30) f{)rum. 237 hat einige lautlich begründete i: 2 eigi neben 1 eigc, während Hom. nur eige schreibt, ebenso in Hom. stilleng für stilling von 237 neben sonstigem -ing, z. b. Iceging, vgl. aber vorher (99, 12) systkin, dem wiederum in 237 (Leif. 164, 31) systkeu gegenübersteht. Hom. hat sogar 2 ofvepre (einmal aus -ipre gebessert, Larsson, Stud. 26) gegenüber ofvipre in 237. Einzeldifferenzen sind

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBüCH. 4G5

nocli ekhe (237) : e^-e (Hom.); /m'M (Leif. 164,9) : /««'Z/; (Hom. 101,31). Der sprachliche t5^pus ist wesentlich derselbe: e/ö mit facultativen -i und -um; es. Daß die abweichungen im einzelnen nicht auf neuerungen des Hom. beruhen, darauf weist die eben erwähnte besserung: ofvipre war dem Schreiber gegen die vorläge entschlüpft, hiiilp wechselt in Hom. mit hiuld, vermutlich je nach den vorlagen. Im ganzen scheint cod. 237 dem archetj'pus näher zu stehen; er ist sprachlich- orthographisch folgerichtiger und inhaltlich vollständiger.

Zu dem stücke De sancto Michaele et omnium angelorum (88-92) gibt es eine parallele in AM 677 (Leif. 60,27 65,27), die sprachlich stark abweicht: ijo gegen e/o in Hom., artikel enn für hinn, d valt für of valt. Wir können sicher sein, daß die radicale Umsetzung, die stattgefunden haben muß, nicht 'A's werk ist. Seine vorläge hatte e,o, einschließlich fylkng, auch ofualt und den artikel hinn. Für letzteren folgt es schon daraus, daß die in Hom. angrenzenden stücke ihn nicht kennen (dagegen kennen ihn andere, die sich dadurch ebenfalls von ihrer Umgebung unterscheiden).

Die sprachliche grenze wird am klarsten da als quellen- grenze erwiesen, wo aus inhaltlichen gründen quellenverschieden- heit mit notwendigkeit anzunehmen ist. Dies ist der fall bei den dubletten.

In der rund 50 stücke umfassenden Sammlung kommt es nicht selten vor, daß ein thema, gewöhnlich das thema eines bestimmten festtages, mehrfach behandelt wird. Ein solcher fall, Maria Verkündigung betreffend, wurde schon hervorgehoben. Nicht immer stehen, wie dort, die parallelen unmittelbar neben- einander. Einige kündigen sich schon durch gleiche Über- schriften an.

1. Auf deu verstümmelteu eingang der bs. folgen 2 predigten am tage Maria bimmelfalirt, s. 2, 27 4, 2 und s. 4, 21 10, 24, die IL überschrieben assumptio sancte marie. I hat 15 er, 2 es (Larsson a. a. o.), 11 31 er, 80 es. I schreibt o (beer, repa, ßran, ess). II eo {deÖ7ne, reoddom, feötslo, georpe, eongo).

2. S.28— 32 und wieder s. 33— 35 treffen wir eine predigt über das pateruoster; eine III. solche steht s. 195—200. Die sprachlichen unterschiede sind hier gering, aber sie sind vorbanden. I hat neben e viele i {hipit, vili, lift, skilit, sinni, riki; einskis; systkin); neben es manche (minde-

466 NECKEL

stens IG) er. II hat beides sei teuer (<v7/34, 39; 5 er); es zeichnet sich aus durch y^f/sa o-l, 29 und lose artikel: gud en, hun enne, dagegen in I möperen; in III fgpor ens 196,16 neben gstena 196,12, wie III auch an 'als' neben en, mon neben mun gebraucht.

3. Postola mal, s. 15—19, entspricht dem stücke s. 180—182, das sich als Johannispredigt zu erkennen gibt (180, 11). Daß auch Postola mal als solche gedacht ist, läßt die nachbarschaft mit Nativitas saucti Johannis baptiste (s. 10—15) vermuten, obgleich 19, 5 die Wendung ist 180, 11 sehr ähnlich der name des tagesheiligen zu ergänzen gelassen ist. Die spräche würde dazu stimmen. I hat überwiegend es (allein er in den 9 zeilen 17, 3—12); II hat er (sehr wenige es).

4. Die allerheiligenpredigt Oinnium sanctoritm, s. 39 45, hat ein gegenstück s. 151—161 unter der (jüngeren) Überschrift Ä dllra heilagra messu dag sermon. Hier ist die sprachliche difiereuz so groß wie möglich.

1 hat e,o (daneben himinrikis, höJcim); es; of vallt (einmal o vcdll). 11 hat Ho (wenige -«, etwas mehr -e); er häufiger als es; ü vaUt; an 'als' (1 en;

2 an 'aber').

5. Ähnlich verhalten sich Nativitas domini, s. 45— 49, und Alia ser- monis, s. 50—53, zu s. 151—161; s. 219—220 steht eine IV. weihnachtspredigt. I. II haben e/o (daneben riki, herßnginn) und er (selten es). III hat ijo (selten e, ?<), er viel öfter als es, an neben en. IV hat e'o (daneben Jdiß in, himinrikis, heilin) und es.

6. Dem dreikönigstag gelten 2 vollständige predigten (Apparicio do- mini, s. 56-60; Epiphania domini, s. 79— 82) und 1 fragment (s. 186f.). Alle drei stücke haben e o. Aber während I er viel häufiger gebraucht als es, hat II nur einzelne er neben herrschendem es; III hat 6 er neben 10 es und nach dem comparativ an (dreimal). (Auf III komme ich unten zurück).

7. Es finden sich 3 fastenpredigteu, die erste (In capite ieiunii) s. 61 —64, die andern beiden s. 101— 111 und s. 111— 121.') I und II haben e, je einige i von der üblichen art (qvi/ii, veitti, syni, virpim), neben er selten es, 61, 8 a vallt. III hat jene i, abgesehen von der bilduugssilbe -ing, nur in den formen des adj. inikill und in einem unregelmäßigen und vielleicht verschriebenen ImgqvcEmi 116, 24 (vgl. das vereinzelte mun 117, 21), neben es, ras nur ganz selten er, of vallt, stets (oft) an 'quam', 113,16 sogar an 'aber', das sonst hier en lautet (also wohl Irrtum des Schreibers), außerdem orthographische und syntaktische besonderheiten, die auf hohes alter weisen.

8. Die predigt am beschneidungstage, Circtimcisio domini oder (von jüngerer band) Attadagr überschrieben (s. 54—56), wiederholt sich in anderer fassung s. 185— 186 mit der durchstrichenen Überschrift enn äita dag, hier

0 Vgl. die identischen eingäuge und den ebenfalls gleichlautenden anfang des sermo In capite ieiunij Norw. Hom. 106 ff., der auch sonst nahe anklingt. Vgl. ferner fusto pessar 111,9, langa fgsto tip 111,23. Über eine IV. fastenpredigt s. unten.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBÜCH. 467

vorue verstümmelt (s. weiter unten). I hat meist er; II hat meist es, an 'quam' neben en, unregelmäßige i in dröttins, muimi.

9. Die passion wird dreimal behandelt: I. Passio domini s. G6 70; II. In passione domini s. 86—88; III. großes bruchstück der leidensgeschichte s. 170—175. I hat es (er dazwischen meist in kleinen grui)pen), einige /, darunter stol}}/'. II hat er, mit manchen es untermischt. In III herrscht es, aH 'quam' (171,5), adjectivartikel /tm« (172,27. 174,4). (III ist außer- dem charakterisiert durch auffallend viele lat. elemente ; manche Sätze sind mischprosa zu nennen).

10. Dem Kirkiodagsmäl s. 98— 104 geht s. 92-98 eine andere kirch- "Aveihpredigt (I) voran.*) I zeigt z;o, mit manchen e und wenigen -nm untermischt, und es; II ejo mit wenigen -tun, neben es bisweilen er.

11. In dem schon erwähnten fall der beiden annunciationspredigten (8.134—137. 138—143) hat I ejo, er gemischt mit es, en 'quam'; II ijo mit manchen e und einigen -u gemischt, es gemischt mit er, an neben en 'quam'.

Es zeigt sich, daß in der mehrzahl der dubletten sprach- liche verschiedenlieit besteht. Am deutlichsten sprechen die fälle 4) I : II, 5) I. II : III : IV, 7) I. II : III, 9) I : II, 10) I : II, 11) I : IL Als sprachlich homogen sind nur zwei paare zu bezeichnen: 5) I : II und 7) I : IL

Da von vornherein anzunehmen ist, daß zwei oder mehr predigten oder lesungen über den gleichen gegenständ meist erst secundär in eine hs. zusammengeraten sind, so müssen sprachliche unterschiede zwischen den dubletten älter sein als ihre Vereinigung. Das Hom. hat also diese unterschiede aus seinen (directen oder indirecten) quellen übernommen. Wahr- scheinlich ist der größere teil der dubletten als solcher erst entstanden bei der herstellung unseres codex. Man erklärt nämlich den umstand, daß die dubletten mehrfach nicht bloß sprachlich, sondern, nach Larsson und Gödel, auch graphisch ein verschiedenes gesicht zeigen, am besten so, daß ein neues buch zum copieren vorgenommen wurde und dies anlaß gab zu einer kürzeren oder längeren pause, sei es daß nach der pause dieselbe hand fortfuhr oder eine andere.

Unser bisheriges ergebnis läßt sich so formulieren: Von einem guten teil der im Hom. enthaltenen stücke steht fest, daß ihre sprachlichen differenzen im wesentlichen

') Vgl. den anfang Hvegi Ojpt es ver hgldom kirkio helgi mit 99, 12.

468 NECKEL

aus den vorlagen stammen und nicht etwa auf dem verschie- denen dialekt oder der verschiedenen schreibgewohnheit der einzelnen Schreiber unserer Sammlung beruhen.

Daß dies von den sprachlich-orthographischen differenzen im Hom. überhaupt gilt, lehrt eine einfache Überlegung. Man hat zwar einen Wechsel der bände nur an solchen stellen angenommen, wo die spräche eine andere wird. Aber es gibt eine große anzahl sprachlicher grenzen, denen man keinen Schreiberwechsel beigeordnet hat. Das zusammenhängende werk des Schreibers 'A' ist sprachlich keineswegs einheitlich (s. darüber besonders das folgende). Dem Schreiber 'G' werden nicht nur die selten 92—98 beigelegt, mit überwiegendem i in den endungen, sondern auch alles von 175,25 bis zum Schluß, wo vielmehr e herrscht. Die 'jüngste hand', 'C, soll s. 121,26 127,5 einen ziemlich reinen e-text, s. 151, 10 170,6 einen ^'-text geschrieben haben. Die orthographischen Verschiedenheiten, die Larsson, Isl. handskr. 645, lxxxiii f. be- obachtet hat, stehen guten teils außer beziehung zu den später von ihm unterschiedenen bänden. Eine vermeintliche Ursache, die in so schiefem Verhältnis zu den folgen steht, hat berech- tigten anspruch darauf, ihres dienstes enthoben zu werden.

Man muß sogar mit der möglichkeit rechnen, daß auch manches von dem, wonach man verschiedene bände hat unter- scheiden wollen, nur reliex der vorläge ist. Wenn z. b. die Michaelispredigt (88 92) nur das gewöhnliche v gebraucht, nie ags. v, das sonst bei 'A' nicht selten ist, und dasselbe von dem abgeschlossenen inhaltsganzen s. 4 10 gilt (Larsson, Stud. 3), so ist es dringend wahrscheinlich, daß auch diese, rein graphische erscheinung aus der quelle stammt. Vgl. auch o : CO oben unter 2. Für die kirclnwihpredigt s. 92 98 hat man auf grund derartiger beobachtungen einen besondern Schreiber angenommen und so die sprachliche Sonderstellung dieses Stückes erklären wollen. AVenn aber wirklich das 'all- gemeine aussehen der hs.' nur ganz wenig verschieden ist (Larsson s. 4) oder nach Wiseu, Arkiv 4, 197 gar nicht. so ist ein triftiger grund für diese annähme nicht mehr vor- handen. Denn die spräche gibt keinen her.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 469

Xaclidem wir über die allgemeine bedeutung der sprach- lichen unterschiede ins klare gekommen sind, ist der versuch erlaubt, sie für die frage nach der handschriftlichen Vor- geschichte des Hom. zu verwerten.

Wir fassen zuerst den inhaltlichen aufbau der Sammlung ins äuge.

Das isländische Homilienbuch steht als composition weit zurück hinter dem norwegischen, dessen hauptteil deutlich 'eine art perikopenbuch' (Mogk) bildet. In unserm denkmal herrscht eine solche anordnung nur streckenweise.

Die längste perikopische folge von allerheil igen bis Ostern steht s. 39 79: Omnium sanctorum, Nativitas domini (zweimal), Circumcisio domini, Apparicio domini, In capite ieiunii. In cena domini, Passio domini, (Oratio, passio domini.) Resurrectio domini.

Auf das fragment der leidensgeschichte, das hinter einer lücke mit blatt 78 einsetzt, folgt s. 175 ff. noch einmal ein aus- schnitt aus demselben teil des kirchenjahrs. mit dem tage nach Weihnachten (176, 32) beginnend: Stephanus (erst geschichte, die s. 201—207 fortgesetzt wird, dann predigt), s. 180 Johannes, s. 183 unschuldige kindlein, s. 185 beschneidung, s. 186 drei- könige, s. 187 sonntag nach epiphanias (187, 26).

An jene erste folge schließen sich an (s. 79 104): epi- phanias, Maria reinigung, passion, michaelis, kirchweih (dies zweimal).

Die folge allerheiligen Weihnachten wiederholt sich s. 151—170.

Die beiden letzten stücke der Sammlung sind eine advents- (218,25; s. unten) und eine weilmachtspredigt.

Pfingsten schließt sich an himmelfahrt s. 20— 25.

Die dann folgenden vier stücke scheinen ebenfalls als gruppe gedacht; sie sind berechnet für periodisch innerhalb des kirchen- jahrs wiederkehrende gelegenheiten: sonntagspredigt, 2 pater- noster, quatemberpredigt.

Die anschließende betrachtung über das kreuz scheint ein ausschnitt aus einer kreuzerfindungspredigt (vgl. Norw. Hom. 140 ff.) und könnte also zu dem cj'klus gehören, der unmittelbar hinter ihi' mit allerheiligen beginnt.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 31

470 NECKEL

Die zweite und dritte fastenpredigt (s. 104 ff. 111 ff.), ebenso die drei Marienpredigten s. 127 ff. 134 ff. 138 ff. stehen offenbar nur wegen ihrer stofflichen Verwandtschaft beieinander, und dasselbe gilt von glaube und beichte s. 145 ff., den gebeten s. 194 f. Alle diese kleinen gruppen und einige isolierte stücke wie die erklärung der messe s. 121 ff. scheinen nur um ihrer selbst willen da zu sein und ihre stelle innerhalb des ganzen dem Zufall zu verdanken.

Auf den ersten blick dürfte es deutlich sein, daß diese Unordnung eine mehrheit von vorlagen widerspiegelt. Sie ist entstanden durch zusammenfügen verschiedener quellen, die wenigstens teilweise geordnete ganze waren. Die bezeichneten größeren gruppen stammen als solche aus diesen (luellen. Daß sie ihre Ordnung nicht erst beim einfügen in die vorliegende Sammlung erfahren haben, geht schon aus der Unordnung und inconsequenz hervor, die hier im übrigen und im großen herrscht. Besonders deutlich wird es durch die parallelen folgen: allerheiligen und Weihnachten folgen zweimal auf- einander; die drei epiphaniaspredigten stehen in drei ver- schiedenen cyklen. Dabei besteht die möglichkeit, ja wahr- scheinliclikeit, daß schon die vorlagen zum teil inconsequent verfuhren. Wir dürfen also nicht anfang und ende der cyklen mit den grenzen der vorlagen gleichsetzen. Bestimmtere er- gebnisse lassen sich nur gewinnen bei berücksichtigung der spräche und vergleichung anderer Sammlungen, zumal des norwegischen Homilienbuches.

Wir wissen, daß es predigtsammlungen gegeben hat, die im gegensatz zu der unsrigen als ganzem sprachlich einheitlich waren. Wo wir also in unserm Hom. inhaltliche zusammen- hänge von einheitlichem sprachtypus finden, da dürfen wir schließen, daß sie direct oder indirect auf solche Sammlungen zurückgehen. Es dient zur bekräftigung dieses Schlusses, daß bei fehlendem cyklischem Zusammenhang die sprachliche ein- heit öfters ausbleibt. Daraus folgt aber noch ein weiteres: wo die spräche dem inhaltlichen Zusammenhang widerspricht, da erweist sie ihn als secundär.

Mustern wir daraufhin den ersten cyklus (s.o9 bez. 37 79), so zeigt sich: die sechs inneren glieder, von Nativitas T bis Cena einschließlich (s. 45— GG), eingeschlossen auch das gebet s. 70 f.,

ZUM STOCKHOLMER HOMILTENBUCII. 471

geliören spraclilicli zusammen. iSie liaben neben lierrsclienclem c verhältnismäßig viele i nach i, i, ei, y {syni 64, 15, systJcin 64, 21, ctJci 65, 33), und zwar sind diese i im ersten stücke am häufigsten und nelimen dann allmählich ab. Ferner gebrauchen sie überwiegend er, nur einzelne es, und zwar letztere meist für die verbalform 'ist' (vgl. 56, 22— 23). Das oft vorkom- mende hilfsverbnm mono hat stets o (noch 45, 19. 27 nmn, muno). 'Immer' heißt stets (ziemlich oft) d vcdlt.

Die umrahmenden stücke weichen ab. Omnium sanctorum (s. obenno. 4) hat es, of vallt (einmal d valU), neben mou zweimal nmn{o). De sancta cruce sieht wieder anders aus: zwar of valt, aber meist er (neben manchen es), an 'aber' 37, 10. Auf der andern seite herrscht wiederum es. Es be- ginnt bei Passio domini (s. 66, s. oben no. 9) und reicht über das ende des cyklus hinaus bis Purificatio sancte Marie einschl. (d. h. bis s. 86), ausgenommen das gebet s. 70 f., das aber sehr kurz ist. Diese partie hat außerdem mun neben mon (s. oben s. 463 über die osterpredigt s. 71—79; mun auch 85,29. 30. 31).

Daß der cyklus ursprünglich mit Weihnachten begonnen hat, bestätigt die anordnung des norwegischen Homilienbuches (ed. Unger s. 60 ft\). Hier bildet allerheiligen vielmehr den Schluß des Jahres (Unger s. 184—188), was mit der mittel- alterlichen Jahresbegrenzung übereinstimmt. Andererseits be- stätigt diese parallele die ältere Zugehörigkeit der zweiten w^eihnachtspredigt (s. 50— 53),>) indem auch sie eine doppelte weihnachtspredigt (und übrigens auch je zwei epiphanias- und kirchweihpredigten nebeneinander) bringt.

Der sprachliche bruch vor der passionspredigt war schon in der unmittelbaren vorläge des Hom. vorhanden (von schreiber- wechsel verlautet hier so wenig etwas wie an der oberen grenze). Er war hier oder in einer weiter zurückliegenden abschrift so entstanden, daß zwei unabhängige predigtreihen aneinander geflickt worden waren, wahrscheinlich um eine defecte hand-

1) Larsson, Isl. haudskr. 6-15, lxxxv rechnet dieses stück zu den jüngereu, ohne gründe anzugeben. Die vorlier von ihm besprochenen merkmale deren brauchbarkeit zur altersbestimmung ich bezweifle treffen hier teils nicht zu (z. b. findet sich eo = e, gialda, hald mit einfachem l), teils finden sie sich ebenso in den angrenzenden stücken. Hat L. sich von der beob- achtung leiten lassen, daß das stück eine duldette ist?

31^

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Schrift zu ergänzen. Die zweite dieser reihen war nicht cy- klisch geordnet, denn sie ließ auf passion und pfingsten drei- könige und Maria reinigung folgen. Vermutlich war also auch sie durch Verschmelzung von stücken zweier cyklen entstanden. Diese Verschmelzung war aber entweder mit sprachlicher uni- formierung hand in liand gegangen, oder die verschmolzenen teile waren sprachlich homogen gewesen. Epiphania und Purificatio beginnen mit derselben formel {Hötip sii es vor hgldom i dag, goper hreper . . . ) und erweisen sich auch dadurch als ursprünglich zusammengehörig.

Die folgende predigt, In passione domini (s. 86 88), würde in dieser zweiten reihe eine wiedei'holung darstellen. Daß sie nicht dazu gehört hat, zeigt die spräche: er, mit vielen es untermischt; mon (86, 14. 20. 22. 88, 17). Sie ähnelt also sprach- lich dem stück vom kreuze (s. 37—39). Dagegen unterscheidet sie sich auch von den folgenden stücken. Die michaelispredigt hat es, ebenso die beiden kirch weihpredigten (s. oben no. 10), von denen die zweite der michaelispredigt so nahe steht, daß sie mit ihr ursprünglich zusammenzugehören scheint; auch das fragment AM 237 vereinigt eine michaelis- mit einer kirch- weihpredigt. Diese beiden stücke sind in der tat perikopisch viel näher benachbart als die nächst vorangehenden unter sich und mit ihnen. Einschiebung der dublette vor dem zugehörigen stücke findet sich auch sonst im Hom. (s. oben s. 461 f. über In die annunciationis).

Der erste cyklus des Hom. ist also in seinem kern (s. 45 —66) alt. Die stücke s. 66—86 und wahrscheinlich s. 39—45 sind aber auch schon in der vorläge mit ihm verbunden ge- wesen. Die spräche des kernstückes ist charakterisiert durch e/o, mit facultativen i nach /, ey, y, und er.

Der zweite cyklus ist mit dem bewußtsein geschrieben worden, daß er dem ersten parallel läuft und ihn ergänzt. Das zeigen die verweise am rande s. 85 b und 86 b der hs. (Wisen s. 185. 186 f., vgl. s. 79). Die betr. stücke sind nur ergänzungen zu den entsprechenden nummern des ersten cyklus (beschneid ung und dreikönige). Das Verhältnis ist nicht so zu verstehen, als würde hier etwas nachgetragen, was dort ver- gessen war, wie das Wisen (s. 86n.) für die dreikönigspredigt annahm. Hält man das entsprechende Verhältnis bei den

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besclineidungspredigten daneben, so ergibt sich etwas anderes. Das erste stück über dieses tliema (s. 54— 56) ist ein ab- geschlossenes ganzes mit logisch anknüpfender schlnßformel. Gleichwohl kann man nicht bezweifeln, daß das verweisungs- zeichen am köpfe des fragments s. 185 f. eben auf diese predigt bezug hat. Denn das thema ist dasselbe; das fragment stellt den zweiten teil einer predigt dar, und sein gedankengang liegt mit dem des ersten Stückes in einer linie. Wir vermuten, daß es sich hier um eine vollständigere fassung des be- schneidungstextes handelt, von der nur die hintere hälfte mit- geteilt wird, weil die vordere sich mit jenem ersten stück deckte. Dies bestätigt schlagend das norwegische Hom., dessen anordnung von s. 73 an unserm cj-klus sehr nahesteht. Es bringt s. 84—88 eine wohlgerundete predigt In circumcisione. Der erste teil (84, 15 86, 15) fällt inhaltlich zusammen mit St. Hom. 54—56 (vgl. Larsson, Stud. 54 n. 1); das folgende bis zum Schluß stimmt wörtlich überein mit St. Hom. 185 f.; den Übergang bildet der satz: Itessa ena andlega slcüröarshirn syndi spdmaör guös, pd er Jiann mcdti: Smdi per u.s.w. Diese pre- digt hat also dem Schreiber unseres zweiten cyklus vorgelegen. Er hat sie aus dem genannten gründe verkürzt.

Wesentlich ebenso liegt der andere fall. Auch hier lesen wir den vollständigen text im norw. Hom. (88 93). Er stimmt in seinem mittelstück (89,16 90,14) genau zu St. Hom. 186 f., im anfang und ende genau zu St. Hom. 79 82 (die grenze liegt hier bei 79,28). Weil hier das Verhältnis etwas ver- Avickelter war, nicht bloß ein anhängen, sondern ein einfügen verlangt wurde, so hat der Schreiber doppelte verweisungs- zeichen gesetzt und an der entsprechenden stelle vorn die zeile bezeichnet. Der Zusammenhang der ersten predigt ist auch hier ohne anstoß lesbar und verlangt an sich keine ergänzung. Offenbar sollten die nachtrage nur das material liefern, um die predigten zuweilen zu verlängern und zu variieren.

Entsprechendes gilt von dem zweiten cyklus als ganzem: er dient zur bereicherung des ersten. Die festtage, die dort fehlen, werden hier nachgetragen: Stephanus, Johannes, un- schuldige kindlein. Auf das epiphaniasbruchstück folgt eine predigt, die beginnt: Fyrra dag sogpom vir necquat frd tuinnom reJcom höttpar Jjcirrar es ver hgldom of stund . . . ; en allz ver

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lirjldom i dag enn dtta dag frd enom Xlllda, JkI scoloin vor necquat röpa of en p-ijno reh hoUpar ennar. Die zwei be- gebenheiten sind die huldigung der drei köiiige und die taufe im Jordan; die dritte ist das wunder zu Kana, das im folgenden behandelt Avird. Daß jene beiden in der tat der gegenständ der epiplianiaspredigt gewesen waren, bezeugen sowohl der kürzere als der längere vollständige text (St. Hom. 79 ff., norw. Hom. 88 ff.). Beide texte beginnen mit dem hinweis auf die gleichzeitigkeit aller drei begebenheiten (vgl. auch Apparicio St. Hom. 60), beschäftigen sich dann aber nur mit den beiden ersten. Darauf zielt die predigt des folgenden sonntags mit ihren tuinnojn roJcoin. Sie ist also ursprünglich als glied dieser reihe gedacht ein neuer beweis dafür, daß St. Hom. 186 f. in der tat ein bruchstück ist aus Tu epiphania domini norw. Hom. 88 f.

AVie gesagt, ist das norw. Hom. in dieser partie nahe ver- wandt. Auch hier folgen einander Sermo de sancto Stephane (= St. Hom. 176—180), Sermo de evangelistis in die sancti Johannis (= St. Hom. 180 182), In die sanctorum innocentium (= St. Hom. 183 184), In circumcisione (teilweise = St. Hom. 185—186, s. oben). In epiphania (teilweise = St. Hom. 186—187, s. oben). Bis hierher ist auf beiden selten dieselbe Sammlung copiert. Die nächst folgenden stücke gehören zwar dem gleichen festtag (dem 8. tag nach epiphanias oder Hilariustag [122, 25], vgl. St. Hom. 187, 25 mit norw. Hom. 06, 11), aber sie sind nicht nur textlich, sondern auch inhaltlich verschieden. Das norw. Hom. behandelt nämlich hier noch einmal die huldigung der könige und Christi taufe, mit kurzem schlußiiinweis auf das wunder zu Kana. Wie schon die Überschrift andeutet (Secundum Matthaeum in epiphania), haben wir es mit einer dublette zur vorangehenden dreikönigspredigt zu tun, die nur notdürftig als predigt 'am 8. tage nach dem 13.' redigiert ist.')

Anschließend hat das norw. Hom. eine Ammonitio bona (97 99), ein stück von dem allgemeinen Charakter des Sermo ad populum (s. 64— 67) und 'Sermo necessaria' (s. 122— 124). Auch das Stockh. Hom. kennt derartige ermahnungen 'für das

') Mau muß (lenmaeh anuelimen, »laß die Stockliolmer lis. der ursaniui- lung näher gebliebeu ist.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBÜCH. 475

Volk.' Eine solche steht s. 143 145. 150—151, eine andere s. 191 f. Diese zweite entspricht also der norw. Ammonitio. AVir folgern, daß schon die ursammlung- ein derartiges stück an dieser stelle enthielt.

Hierin bestärkt uns das Verhältnis bei den folgenden nummern: Purificatio sancte Marie, norw. Hom. 99—102 ent- spricht wörtlich dem ebenso betitelten texte St. Hom. 82—86, nur daß dieser letztere reicher ist; 84,7 {pat byriar...) 85, 83 ( . . . map (/J)c) hat kein gegenstück im norw. Hom. (es w^äre dort bei 101, 25 einzuschieben). Berücksichtigen wir, was oben über zwei andere predigten dieses C3^klus ermittelt wurde, so ist klar: die vorläge unseres zweiten C3^klus hat eine Maria -reinigung- predigt enthalten, diese wurde aber ausgelassen, weil sie in vollständigerer fassung weiter vorne stand.

Im norw. Hom. folgt nun zunächst (s. 102 f.) das gleichnis vom säemann, ohne gegenstück im St., dann wieder ein sermo ad populum (s. 103 lOG), und diesem entspricht sichtlich St. Hom. 193 f. Beide ermahnungen benutzen motive, die an eine kirchweihpredigt erinnern. So beginnt der norw. sermo mit einer allegorischen deutung der glocken (vgl. norw. Hom. 133, 26. 135, 7. St. Hom. 101, 2. 102, 3), der isl. mit dem ver- gleich 'ihr seid ein tempel gottes' (vgl. St. Hom. 93, 3 f.).

Das noi'w. Hom. fährt fort mit In capite ieiunij sermo (s. 106 111). Das isl. bringt in bunter folge zwei gebete, eine erklärung des paternoster, einige notizen über die familie der Maria, dann das hauptstück der Stephanussaga, das mitten im Satze an den s. 176 abgebrochenen text anschließt. Von diesen abschnitten hat nur die erklärung des paternoster im norwegischen ein gegenstück; es steht dort außerhalb des cyklus am Schluß. Gleichwohl ist ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen, denn daß der isl. text stark in Unordnung ist, zeigt schon die Zerreißung der Stephanusgeschichte und zeigt auch der Schluß des cyklus (worüber gleich unten). Es folgt

(s. 208 215) ein langes stück, Ande lieüagr , und dies ist

offenbar die gesuchte fastenpredigt: vgl. 215, 7 sid Up es Pce- geleg til ipronar oc es dtujr Prifsamlegr; 213, 32 ~ norw. Hom. 109,11; glaube, hoffuung, liebe 209 f. - St. Hom. 61, 1 ff. Immerhin unterscheidet sich dieser text so erheblich von den

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weiter vorn mitgeteilten drei f astenpredigten , daß seine auf- nähme auch nach diesen ganz begreiflich ist.

Dominica palmarum norw. Hom. 111—115 findet sich wört- lich wieder St. Hom. 66—70. Also kann dieses stück wiederum im zweiten cyklus ausgelassen sein. Dafür spricht das gebet an den leidenden erlöser St. Hom. 194. Die palmsonntags- predigt St. Hom. 66—70 hat ebenfalls ein gebet nach sich, das überschrieben ist 'Oratio, passio domini'.

Die folgenden norwegischen stücke haben größtenteils inhaltliche oder w()rtliche entsprechungen in früheren teilen der isl. Sammlung: In ascensione domini (124—127) ~ St, 20 —22; In die pentecosten (127—131) ~ St. 22-25; In dedica- tione templi (131—136) = St. 98—103; In dedicatione ecclesie (136—138) -> St. 92—98; In iuventione crucis (139—143) von 140, 5 an = St. 37—39; In die Johannis baptiste (142—145) ~ St. 10—15; Sermo de sancta Maria (168—174) = St. 4 —8,32. 10,13—17 (also wiederum der isl. text reicher); Ad- monitio in die sancti Michaelis (175 184) -^ St, 88—92 (176, 23 ff. ^ St. 89, 12 ff.); In die omnium sanctorum (184 188) - St. 39— 43 ~ St. 151-161. Um anzunehmen, all dies sei von dem isl. Schreiber ausgelassen, muß man aller- dings voraussetzen, daß er in seiner vorläge lauter stücke las, die den schon vorliegenden isl, parallelen ungefähr so nahe standen wie die soeben mit = versehenen oder doch wie die beschneidungspredigt (s.oben s.472f.). Aber diese annähme darf gewagt Averden angesichts der differenzen zwischen entsprechen- den stücken beider cTklen, die wir gerade in diesem ihrem zweiten teil schon beobachteten.')

Was die norw. Sammlung außerdem bietet, besonders predigt und legenden von Olaf s. 146—168, ist ausnahmslos solcher art, daß entweder sein fehlen in der ursammlung oder seine übergehung in dem isl. cyklus anstandslos anzunehmen wäre. Daß das St. Hom. auf seinen letzten blättern keiner andern vorläge folgt als von bl. 80b (s. 175) an, darauf weist der Inhalt dieser blätter selbst hin. Das vorletzte stück ist

>) Größere g-ewißlieit künute sich vielleicht ergeben aus einer mehr ins innere der einzelnen predigt dringenden stilistischen und quellenunter- suchung.

ZUM STOCKHOLMER HOMILTENBUCH. 477

eine adventpredigt (vgl. 218, 25 und s. unten). Das letzte stück, die weilinachtspredigt, schließt den ring des kirclienjalires, der s. 175 mit dem Steplianustage begann. Allerdings ist die reihen- folge nicht ursprünglich. Die Stephanuspredigt weist in ihrem kunstvoll rhetorischen eingang- (s. 176f.) nachdrücklich zurück auf das weihnachtsfest. Es scheint danach, daß auch dieser cyklus, wie der erste und wie das norw. Hom., von hause aus mit der weihnachtspredigt begonnen hat. Die änderung der reihenfolge mag mit der einfügung der Stephanussaga zusammen- hängen. Wie es sich auch mit dieser Verschiebung verhalte, jedenfalls haben Avir allen grund, den gesamten Inhalt des Hom. von s. 175 bis zum Schluß aus einer quelle herzuleiten.

Mit diesem ergebnis stimmen die sprachlichen Verhältnisse überein. Die hauptmerkmale sind e o und es. Daneben stehen vereinzelte (im epiphaniasfragment s. 186 f. etwas reichlichere) er. Neben den normalen i {himinriJci, Icyrül, systUn, shjrpi, lyfji, hyrgisqvenna, styjjisc u. a.) stehen vereinzelt meist in kleinen gruppen unregelmäßige i: hoJ)i, velldit, dröttins (173,38.39. 174,2), munni 18Q, 19, Jduti 192, IQ, musteris 193,20, litellcetis 193,22. Auch unregelmäßige -u finden sich sporadisch {tigidect 196,6). 'Als' heißt oft an. Neben herr- schendem mon kommen von s. 190 an eine anzahl imm vor, die streckenweise das übergewicht gewinnen. Inconsequent wird auch der adjectivartikel behandelt: das gewöhnliche ist enn (enom fyrsta manne u.dgl.), mehrmals aber steht Jiinn Qbins helga anda 175, 25, hin sania cristne 183, 37, hinn sänne smipr 187, 20, hincr fyrsto froendr 209, 3). Rein graphisch ist das schwanken zwischen co : e. Die einzelnen stücke zeigen ein etwas verschiedenes häufigkeits Verhältnis der beiden Schrei- bungen. Gegen ende (von 208 an) überAviegt ß. Die advents- homilie hat die besonderheit, daß für ia, io nicht selten ea, eo geschrieben wird (d sea, leoseno, sealfa, hygyea), was auch in der fastenpredigt s. 111 ff. beliebt ist. Diese kleinen in- consequenzen werden z. t. dem Schreiber zufallen. Teilweise aber mögen sie älter sein als die ursammlung. Die sporadischen hinn finden sich im norw. Hom. wieder {sid hin sama cristni norw. Hom. 82,28; hinn sänne smidr 90, 11).

Nahe verwandt ist die vorangehende leidensgeschichte (s. 170—175). Auch hier e/o, es, hinn (s. oben s. 467). Da dieser

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rein erzählende absclinitt als solcher gleichartig ist mit der unmittelbar dahinter beginnenden Stephanussaga. so empfiehlt sich die annähme eines älteren Zusammenhangs auch inhaltlich.

Nach Larsson und Gödel ist alles von 175, 25 an von der gleichen band geschrieben. Die passionsgeschichte teilen sie einem besonderen Schreiber ('F') zu. Selbst wenn dies richtig istj entscheidet es natürlich nicht gegen unsere annähme. Sehen wir aber von *F' ab, so würde der einheitliche Schreiber die einheit unseres zAveiten cyklus stützen.

Wir bemerkten mehrere wörtliche Übereinstimmungen zwischen stücken des norw. cyklus und vorderen teilen des St. Hom. (vor dem zweiten cyklus). Sie seien liier im zu- sammenhange wiederholt.

1. In epiphauia. norw. Hom. 88, 20 St), 1(5. 90, 15 93, 5 = isl. Hom.

79, 10 82, 2.

2. Piirificatio s. Marie, norw. Hom. 99—102 = isl. Hom. 82, 4 84, 7.

85, 33 86, 10.

3. Dominica palmarnm, norw. Hom. 111 115 = isl. Hom. 66 70.

4. In dedicatione templi, norw. Hom. 131—136 = isl. Hom. 98—103.

5. In inventione crncis, norw. Hom. 140,5 = 142 = isl. Hom. 37—39.

6. Sermo de sancta Maria, norw. Ilom. 168—174 = isl. Hom. 4—8, 32.

10, 13-17.

7. 1)1 die oinuinm sauctornm, r.orw. Hom. 184—188 = isl. Hom. 39—43.

Im gegensatz zu den beziehungen des norw. Plom. zum zweiten isl. cyklus, wo eine vielgliedrige reihe als gemeinsame vorläge ans licht ti'at, decken sich hier jeweils nur kurze strecken. Dreimal handelt es sich um eine einzelne predigt (3. 5. 7), zweimal um predigtpaare. Bei keinem der beiden paare liegt vollständig parallele Überlieferung vor. Dreikönige und Maria reinigung, kreuzerfindung und allerheiligen folgen nur im isl. unmittelbar aufeinander, im norw. schieben sich zwischen jene eine zweite ejiiphaniaspredigt und eine Ammo- nitio bona, zwischen diese Johannes der täufer und Olaf. Unter diesen umständen ist es schwer. Schlüsse zu ziehen. Wir machen gleichwohl den versuch.

Beim ersten paar spricht alles dafür, daß das St. Hom., was die epiphaniasdublette angeht, das ältere hat. Denn wir haben es eben mit einer dublette zu tun. Das norw. Hom. zwingt uns nicht, das sprachlich einheitliche bruchstück eines cyklus St. Hom. 79 86 für im Innern verstümmelt zu halten.

ZUM STOCKHOLMER IIOMILIKNHUCH. 470

Anders beim zweiten paar. Die folg"e De sancta cruce Omnium sanctornm erweisen spracliliclie gründe als nicht ursprünglich. Es kommt hinzu, daß das St. Hom. selbst an anderer stelle (s. 10 15) Johannes des täufers gedenkt. Diese Johannispredigt ist nicht perikopisch verankert, und ihre spräche weicht von der der nächsten nachbarn ab (er mit sehr wenigen es; bis auf 13, 28 immer mon während Assuraptio, s. 4 10, CS mit er mischt, Postola mal, s. 15—19, fast nur es kennt). Wir dürfen also schließen, daß sie ursprünglich nicht mit diesen zusammengehört. Stand sie vielmehr einmal an der cyklischen stelle, wo das norw. Hom. seine täuferpredigt hat, also zwischen kreuz- und allerheilig'enpredigt?

Die beantwortung wird dadurch erschwert, daß nach aus- weis der spräche allerlieiligen (s. 39—45) weder mit dem voran- gehenden stück noch mit den folgenden zusammengehört, der cj'klus also an dieser stelle secundär ist. Beachten wir jedoch, daß die Johannispredigt mit dem kern des ersten C3'klus (von Weihnachten an) sprachlich (er, mon) übereinstimmt und daß es etwas für sich hat, den inhalt unseres receptaculum aus möglichst Avenig-en quellen abzuleiten, so dürfen wir die frage mit dem ja der Wahrscheinlichkeit beantworten.

Die Johannispredigt ist aber spraclilich verwandt mit der himmelfahrts- und der pfingstpredigt, die als zweites und drittes stück auf sie folgen (s. 20—25). Auch diese beiden füllen eine lücke in dem ursprünglichen cjivlus J; es darf also vermutet werden, daß auch sie ihm einst angehörten.

Die kreuzpredigt weicht zwar sprachlich ab. Aber da das norwegische Hom. dafür spricht, daß ihre nachbarschaft mit der allerheiligenpredigt alt ist, da ebenso wie diese auch andere sprachlich differierende stücke dem cyklus schon früh angehört haben können, da endlich denselben sprachlichen tj'pus wie die kreuzpredigt auch die zweite passionspredigt (s. 86 88) zeigt, ein stück, das nach vier den perikopischen Zusammenhang unterbrechenden, sprachlich zusammengehörigen stücken jenen Zusammenhang wieder aufzunehmen scheint: so vermuten wir für die kreuz- wie für die zweite passionspredigt ebenfalls ältere Zugehörigkeit zum cyklus I.

Diese Operationen ergeben folgenden Zusammenhang: an den 'kern', Nativitas bis Cena, würden sich anschließen In

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passione (s. 86— 88), dann 'auffahrt' (s. 20— 22) und pfingsten (s. 22—25), kreuzerfindung (s. 37—39), Johannes der tauf er (s. 10— 15) und allerheiligen (s. 39— 45). Man beachte dabei die ähnlichkeit der nach dieser hj-pothese unmittelbar benach- barten lat. Überschriften: In capite ieiunij, In cena domini, In passione domini (aber dazwischen Passio, Resurrectio, Epiphania, Piirificatio); De sancto spiritu, De sancta cruce. Nahe liegt es, hiermit auch die Überschrift der michaelispredigt (s. 88— 92) in A-erbinduug zu bringen: De sancto Michaele et omnium angelorum (vgl. 'Omnium sanctorunr). Daß die Über- schriften älter sind als unsere lis., das bezeugt ihr fehlen bei manchen stücken, zumal bei dubletten (I. kirchweih-, II. und IV. fasten-, IL allerheiligen-, 11. und III. weihnachtspredigt). Der ganze IL cyklus hatte in der vorläge keine Überschriften. Und es sieht so aus, als begönne schon mit der I. kirchweih- predigt (s. 92) eine quelle ohne Überschriften.

Das paar allerheiligen Weihnachten s. 151 ff. ist sprach- lich so einheitlich, wie man nur wünschen kann. Der einzige unterschied, den ich beobachte, besteht darin, daß in der weihnachtspredigt das herrschende «/o-system reiner Avird und er gegenübei- es zunimmt, eine allmähliche umfärbung, wie wir sie auch an dem kern des ersten cyklus und an den Marienpredigten s. 127 ff. 138 ff. beobachtet haben. Von der Umgebung zu beiden selten unterscheidet sich das paar scharf und deutlich (dahinter ist eine lücke). AVir erblicken also hier eine (luelle mit der secundären Ordnung allerheiligen- weilinachten, die schon weiter vorn auftrat, dort schon durch die Sprache als secundär gekennzeichnet.

Der durch AM 68G gestützte Zusammenhang der beiden Marien predigten s. 127 ff. 138 fl. läßt sich vielleicht nach vorne noch erweitern. Zwischen blatt 56 und 57 (Wisen 127, 7) fehlt etwas. Am köpfe von blatt 57 lesen wir den Schluß der im übrigen verlorenen predigt. Der Wortlaut spricht dafür, daß es eine Marienpredigt war {til chjrpar alnwtkom gii])e oc sancta mariam drotningo). Daß diese Marienpredigt und die beiden folgenden ;Marienstücke mit der s. 121, 26 anhebenden meß- erklärung zusammengehören, dafür si)richt die spräche. Den gemischten typus von 127 ff. 138 ff. (s. oben) sehen wir in 121 ff. gleichsam entstehen: schon herrscht der regellose Wechsel von

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 481

Überwiegendem er mit es, und es finden sich unregelmäßig-e i {borinn, sungin, simgit, Jieijnnn, verit, gt(J)i, sagpi). Auch hier scheint also eine einzelquelle durchzublicken, i)

In keinem einzigen falle können wir entscheiden, ob die einzelquellen, die wir auf grund des Inhalts und der spräche erschließen, dem Schreiber (oder den Schreibern) nicht schon in secundären Verbindungen vorgelegen haben. Die möglich- keit besteht, daß ein sprachtypus nicht bloß um eine abschrift, sondern um mehrere älter ist als unser codex. Es ist somit möglich, daß wir in einzelnen fällen die sprachlich -ortho- graphische form der ersten aufzeichnung ziemlich intact vor uns haben. Mit dieser frage eng zusammen hängt die nach dem alter und der heimat der einzelnen texte, und hiervon ist wiederum die quellenfrage 2) nicht zu trennen. Nach allen diesen richtungen sehen wir noch wenig klar. Gleichwohl darf die er Wartung ausgesprochen werden, daß es schwerlich gelingen wird, für die hauptzüge der sogen, 'jüngeren' form des aisl. (endungs-?', er) eine obere zeitgrenze nachzuweisen.

II. Zur quellenfrage.

1. Nativitas sancte Marie. Das stück Nativitas sancte Marie s. 127—134 ist schadhaft überliefert. Die erzählung, die von Mariens geburt bis zur reise nach Bethlehem reicht eine Vorgeschichte des evan- geliums mit predigtschluß (134, 22—27) ist im Innern in Unordnung. 129, 17 steht ein ver Weisungszeichen und am rande der buchstabe B; ebenso 131,30 der buchstabe A. Man wird dies auf den ersten blick so deuten, daß das stück zwischen B und A und das stück hinter A (bis 138,4, wo in der hs. eine seite endet) den platz tauschen sollen. Der Schreiber ist bei B abgeirrt auf die gleichlautende und inhaltlich ent- sprechende stelle"" bei A (beide male sieht Anna den engel

0 Ist es Zufall, daß das Nativitas -stück 130, 27 f. die Stufenpsalmen erklärt (s. unten II, 1 unter no. 11), die in der meßerklärung 123, 12 vor- kommen ?

2) M. Hsegstad hat für den noch ausstehenden teil seiner Vestnorske Maalfare fyre 1350 eine Untersuchung darüber in aussieht gestellt, wie sich die norwegisch und isländisch überlieferten homilien zu ihren lat. originalen verhalten (Kristiania Yidenskabs-selskabets skrifter 1907, no. 1, s. 7G).

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gottes erscheinen). Diese auffassung- scheint jedoch auf zwei Schwierigkeiten zu stoßen. Erstens fügt sich das B- stück nicht lückenlos an den Schluß des A-stückes; die worte Icoma tu sin enycl drottens setzen unvermittelt ein, ohne daß von einer neuen vision der Anna die rede gewesen wäre. Zweitens mutet die doppelte vision der Anna inhaltlich befremdlich an. Der allgemeine gang der erzählung stimmt überein mit Mariu sag-a ed. Unger 1, 1—26. 339—366. Dort besucht aber der engel jeden der ehegatten nur einmal, nicht, wie der geordnete text des Hom. voraussetzen würde, erst Anna, dann Joachim, endlich Anna noch einmal, und jener einfachere hergang findet sich auch in der lat. grundlage der Mariu saga, dem Evangelium de nativitate Mariae (Tischendorf, Evangelia apocrypha 106 ff.).

Der herausgeber Wisen erklärte das B-stück und das stück von A bis zum Schluß für zwei unabhängige fortsetzungen, und er hielt hieran auch gegenüber Larssons Widerspruch (Studier 77 f.) fest (Arkiv 4, 233). In der tat konnte Larsson die lücke vor B nicht erklären ('hau har emellertid räkat glömma att ändra början tili 129,17 131,29'). Aber seine hinweise auf den paralleltext in AM 686 und auf den Zusammenhang der erzählung- (Svar 65) w^ogen immerhin schwerer als dieses be- denken. Die Mariusaga und ihre quelle hat keiner der gegner herbeigezogen. Überhaupt scheint keiner von ihnen auf den gedanken gekommen zu sein, die frage durch die quelle zu entscheiden.

Ehe ich hierzu übergehe, sei darauf hingewiesen, daß die lis. selbst uns das mittel liefert, den anstoß bei B aus dem wege zu räumen. Der Schreiber w^ar bis auf die rückseite des nächsten blattes (59b) und zu einem abschnitt der erzählung gelangt, als er seinen Irrtum bemerkte. Er ließ den rest der Seite und die ganze Vorderseite des nächsten blattes (60) frei und führte zunächst auf 60b und 61a den text zu ende. Als er dann das ausgelassene nachtrug, stellte sich heraus, daß der räum nicht ganz reichte. Er kam nur bis dahin, wo Joachim nach der vision sich mit den hirten auf den heimweg macht. Die dann folgende einleitung der vision der Anna blieb weg. Ob der Schreiber sie anderswo untei-gebracht hat, ist nicht ersichtlich. Vielleicht glaubte er sie sich sparen zu können, weil die letzten worte vor der stelle B etwa dasselbe besagten.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 483

Was nun die quelle betrifft, so ist sie siclitlicli nahe ver- wandt gewesen mit dem Evangelium de nativitate Mariae, aber nicht mit ihm identisch. Letzteres zeigen außer der er- wähnten abweichung des grundrisses manche differenzen im einzelnen. Z. b. ist nach dem Marienevangelium Joachim ali- qtiamdiu in der wüste gewesen, als der engel ihm erscheint; nach Hom. 5 monate. Das Evangelium nennt den priester, der Joachim wegen seiner kinderlosigkeit tadelt, Ysachar; im Hom. heißt er Rüben. Diese züge müssen anderswoher stammen.

Das Evang. de nat. steht in der christlichen Überlieferung nicht allein. Ungefähr gleichen Inhalt bieten einerseits das griechische Protevangelium des Jacobus (Tischendorf 1 49, vgl. A. Meyer bei Hennecke, Neutestamentliche apokryphen, 1904, s. 47 ff.), andererseits eine gruppe lat. texte, deren einer von Tischendorf als Evangelium des Pseudo-Matthaeus heraus- gegeben ist (a.a.O. 50 105). Die lat. texte verteilen sich auf eine kürzere und eine längere redaction. Jene findet sich, soweit ich habe feststellen können, in einem Stuttgarter codex (hsg. 1869 als Liber de infantia Mariae et Christi salvatoris von 0. Schade, der die hs. in das ende des 11. jh.'s setzt) und in einem Pariser codex des 14. jli.'s (hsg. von Thilo als Historia de nativitate Mariae et de infantia Salvatoris, Codex apocry- phus novi testamenti, Lipsiae 1832, s. 337 400). Die längere redaction bieten Tischendorfs zwei italienische hs. (Tischen- dorf XXVIII) und ein von Thilo benutzter Pariser codex des 15. jh.'s (Thilo CVIII). Von der Verlängerung abgesehen (bei Tischendorf capitel 25 42), stimmen alle diese texte inhaltlich überein. Gegenüber dem Evangelium de nat. (und noch mehr gegenüber dem Protevangelium) bestehen gewisse abweichungen, und es zeigt sich, daß es dieselben sind wie die des Hom. Auch in der gruppe des Pseudo-Matthaeus erscheint der engel dreimal, der Anna, dem Joachim und wieder der Anna; fünf monate lang hört Anna nichts von ihrem in die wüste geflüchteten gatten (Tischendorf cap.2, § 1); der tadelnde priester heißt Rüben, nicht Ysachar (ebda.).

Aber auch Pseudo-Matthaeus kann nicht die quelle sein. Das zeigt schon die begrenzung des inhalts, die in beiden redactionen eine andere ist als im Hom. Vielmehr stimmt das Hom. in diesem punkte genau zum Evang. de nat. Anfang

484 NECKEL

und Schluß der beiden letztgenannten stücke decken sich großenteils wörtlich, während Ps.-Mt. abweicht. Dafür finden sich im innern wörtliche Übereinstimmungen zwischen Hom. und Ps.-Mt.

Im folgenden stelle ich die isl. homilie stückweise den am genauesten entsprechenden teilen der beiden lat. denkmäler gegenüber. Pseudo-Matthaeus wird dabei durch Tischendorfs text vertreten.

1. Hom. 127, 12 128, 12 f^ Nat. c. 1. Die benifuiig auf den presbyter Hieroiiymus zu anfang findet sich nicht in Nat., aber auch am anfang der Mariusaga, vgl. die dem Ps.-Mt. vorangestellten briefe.

2. Hom. 128, 12—31 ~ Nat. c. 2 § 1 (ohne die letzten worte). De- spe.rit cum et mtinera eins sprevit interrogans, cur praesumeret = fyrir- leit kann toakim ... ok svä förner hans oc spnrpe hann t'i ]ki Imicl: hvi sfter pat ... er porer . . .

3. Hom. 128,31 129,10 ~ Ps.-Mt. c.2 §1. Hier auch der name Ruhen, der im Hom. schon 128, 31 auftritt. Non tibi licet . . . consistere, quid non te henedixit deus ut daret tibi germcn in Israel = Nu er per eigi lei/ft af almöikom gupe at rera vip sigddom ... af ptd at pit hever eigi bletson hlotet af almöikom gupe at gup gcefeper erfmgia sein gprom mgnnom i kyni Israels. Passus igitur verecundiam in conspeclu populi abscessit de iemplo domini plorans = scammapesk ioakim er hann varp fyr ätglom biscops i augliti allra manna oc för ä braut frä hätip yr temphon domini oc or iorsglom gräiandi. Auch der folgende satz klingt wörtlich an.

4. Hom. 129, 10— 17. 181,30-36 ~ Ps.-Mt. c.2 §2. 3. Doch ist im Hom. der hergang selbst einfacher: gebet Annas um rückkunft des gatten, Verkündigung des engeis. Bei Ps.-Mt.: gebet Annas um sühne und rück- kehr des gatten, neues gebet im garten mit anblick des sperlingsnestes und gelübde, Verkündigung des engeis, angst und fortgesetztes gehet der Anna (in § 4 ein für sie demütigender auftritt mit der magd). Dagegen hat die Verkündigung im Hom. größere fülle (s. unten). NoU timere, Anna, quoniam in consilio dei est germen tuum = hirp eigi at hrapask, anna, puiat pu munt at räpe gups geta barn oc biiande pinn.

5. Hom. 131, 36 132, 5 '^ Nat. c. 4 § 1 bis 109, 5. Ke timeas, Anna, neque phantasma esse piites quod vides; ego enim stan angelus ... = Eigi scall pü, anna, mic hrcepasc ne pat atla at ec siä skrimsl er per vitromc; ec emk engell gups. Überschüssig im Hom.: hvarf hann til himins tipp frä fundi hennar.

6. Hom. 132, 5—21 ~ Ps.-Mt. c. 3 §1.2 teilweise. Im Hom. hält der Jüngling nur eine anrede an Joachim, bei Ps.-Mt. frage und antwort: 'warum kehrst du nicht zu deiner frau zurück?' 'Ich habe sie 20 jähre gehabt, und gott hat mir duich sie keine söhne schenken wollen.' Dann erst Ego sum

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 485

angelus dei, q^ui apparul hodie itrori tuae flenti et oranti, et consolatus sum eam, quam scias ex semine tuo concepisse fdiam, et tu nesciens reliquisti eam = Ec emc angelus domini er serpü, oc ec vitropomc gmio coiio /jinni peiri er lengi hever grätet pat er ert äbraut horfenn frä forvisto heniiar räpahags, oc er hon gret ü hon sinni, pa Jiuggapa ec huna. pat scaltu vita at hon hever getet af yckrum samforom döitor svä at vissir eigi er /)u fort heiman frä hennar fundi. Daß Anna geweint über das feruseiu des gatteu, fehlt in Ps.-Mt. in Übereinstimmung mit c. 2, wo Anna vor allem über ihre kinderlosigkeit klagt (oben no. 4). Was folgt, enthält bei Ps.-Mt. einen gedankeu mehr: in templo dei erit, et Spiritus sanctus requiescet in ea, et heatitudo eins erit super omnes sanctas feminas, \ ita ut nidlus possit dicere aliqaam ante eam similem ei fuisse, nee post eam futurum in hoc seculo. Nur das letzte hat eine genaue entsprechung: at eigi mon ne einn mapr pat at sQnno mega vätta at ne ein Icona hafe pu/I/c epa meiri {t/par) i penna heim komet epa mene boren vera of aldr.

7. Hom. 182, 21—33 f^ Nat. c. 3 § 3. 4. Proinde Anna uxor tua pariet tibi filiam, et vocabis nomen eius Mariam = Nii er siä vicer er alen, scallpii hana mario heita lata. Auch was folgt, entspricht fast wörtlich, nur daß im Hom. ein satz über Mariens lebensweise im tempel fehlt {omne immundttm neque manducabit neque bihet . . .).

8. Hom. 132, 33—37 ~ Ps.-Mt. c. 3 § 2 (fortsetzung des letzt benutzten abschnitts), im Hom. etwas kürzer, wie es dem zusammenhange entspricht.

9. Hom. 132, 37 133, 4 (Joachim macht sich auf den heimweg) -^ Ps.-Mt. c. 3 § 4, wo aber noch eine weitere traumerscheinung und beratung Joachims mit den hirten folgt.

10. Hom. 129, 17 130, 5 ~ Ps.-Mt. c. 3 § 5. Die XXX dies fallen in die lücke des Hom. Vade at portam qiiae diciiur porta aurea, et occurre viro tue in via, quia hodie ad te veniet = farpü nü, anno,, til borgar Mips pess es aurea es Icallat i iorsala borg . . . skalltü renna ä möt honom af pui at hann mun pangat coma i dag til fundar vip pic. Der abschied des engeis wieder nur im Hom. ausdrücklich hervorgehoben. Das gebet Annas bei der ankuuft an der porta aurea im Hom. ausführlicher betont, ebenso dann das gemeinsame gebet beider und die allgemeine freude zum Schluß.

11. Hom.130, 5— 37 r^ Ps.-Mt. c. 4. Veloci cursu ascendit = hon rann mep däsamlegom hcette svä skioit . . . ; ut penitus retrorsum non re- spiceret = oc hön eigi aptr. Hom. ist ausführlicher, läßt die erzählung würdiger dahinschreiten, betont selbständig die uuwegsamkeit der 15 stufen und erwähnt selbständig die stufenpsalmen.

12. Hom. 130, 37 131, 2 ~ Ps.-Mt. c. 6 in § 1, zeile 1—3 auf s. 62. Der zug (leuchten des antlitzes) steht hier in anderm Zusammenhang.

13. Hom. 131, 2—8 ~ Nat. c. G § 3 und erster satz von c. 7.

14. Hom. 131, 8—37 ~ Ps.-Mt. c. G § 2. 3, doch ist der lat. text wiederum stofflich reicher. Ab oratione non recedebat usque dum Uli angelus dei appareret, de cuius manu escam accipiebat = oc hvarf hon eigi frä

Beitrage zur gcschichte der deutschen Sjirache. XXX VIII. 32

486 NECKEL

bäninni fyrr en engeil gups Tcom til fundar vip liana oc vitrapesc lienni; hann ferpe Jienni fetslo [oc toc hon ör hans hgndom hvernäag hmnesca fätslo er hon neijtti til pess,] at hon pröapesc hetr oc heir at crgftmn helgom oc i gst gups. Das eingeklammerte fehlt im lat., das folgende lantet gleichwohl : et ita maius et melius in opere dei proficiebat. Die andere hs. (B) hat jedoch: et totum quod in templo dahat ur pat(peribus mini- strabat, et sie ..., ein gedanke, der im Eom. immittelbar folgt (z. 18— 12), in der von Tischeudorf zugrunde gelegten hs. erst nach einer längeren lob- preisung von Mariens tugenden. Was im Hom. hierauf folgt (Oft vüro sener mcela vip huna englar gups .■■), entspricht genau bis auf das plus: sem ener koersto viner. Das dann folgende ist wiederum im Hom. ausführ- licher und reicher um den satz: oc svä et savia grödder andlega af s^tom kenningom (z. 26—27), der gut stimmt zu dem vorher (z. 16. 17) über him- nesca fetslo erzählten.

Hom. 131, 27—29. 133, 4 131, 22 ^' Nat. c. 7—10. Im einzelnen: 15. Hom. 131,27— 29 ~ Nat. c.7 § 1 teilweise. {Quotidie ab angelis frequentabatur,) cotidie divina visione fruebatur, quae cam a malis Om- nibus custodiebat et bonis Omnibus redundare faciebat = näpe hverndag at siü goplegar sioner pcer er hana varpveiüo frä ollo illo, en par gntigpo hana at gllo göpo.

16. 133, 4—17 = Nat. c. 7 § 2, großenteils wörtlich. Doch findet sich der name des 'bischofs", Abiathar, nur bei Ps.-Mt. c. 7 anfang (wo aber seine rolle eine andere ist). Eine mißverständliche textabweichuug bezeugt nä- Icegiom stgpom enom meirom (z. 16f.): (omnes ex Hierosolymis et) vicinis locis primorcs (adessent), s. 111, 9.

17. 133, 17—24 == Nat. c. 7 § 3, großenteils wörtlich. Mißverständnis des Übersetzers könnte es sein, wenn vox facta est, secmuhrm Esaiae rati- cinium requircndum esse cui virgo illa commendari . . . deberet. Liquet enim Esaiam dicere: Egredietur virga . . . zusammengezogen erscheint zu heyrpisc rgdd ysaias egredietur virga . . .

18. 133, 24—27 = Nat. c. 7 § 4. Auf einen andern lat. Wortlaut als die letzten worte des capitels scheint zu weisen litisc sd vera ser fastnandi meyna. Auch Ps.-Mt. c. 8 § 2 hat nichts genau entsprechendes.

19. 133, 28—36 = Nat. c. 8 § 1. Die angäbe des Hom., daß Joseph Witwer war und söhne hatte, fehlt in Nat., findet sich aber bei Ps.-Mt. c. 8 § 4 {'Senex sum et filios habeo'; in Nat. mir grandaevus). Hom. sagt aus- drücklich säsc blomi ä vendi hans (z. 34), während Nat. nur die taube er- wähnt. Eine kleine Wortabweichung liegt in aupsoeit hverr meyna skyldi ser fastna ...: patuit ei virginem desponsandam fore (vgl. aber Ps.-Mt. c. 8 §4, wo Joseph sagt : cognoscam, quis possit eam habere ex filiis meis coniugem).

20. 133, 36 134, 3 = Nat. c. 8 § 2.

21. 134,3—10 t^ Nat. c. 9. Hom. ist viel kürzer, geht directer aufs ziel los und hat nur zwei repliken, deren zweite nur lautet: Verpi vier epter orpom pinom. Nat. hat eine weitläufige einleitung {qui . . . narrnret)

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 487

lind einen mit reflexiou gesättigten dialog ans fünf repliken. Der wort lant des Hom. findet sich in Nat. § 1, § 2 ende, § 4. Das plus der Nat. berührt sich enger als Q mit Lukas 1, 28 ff. und betont stärker und wort- reicher Mariens keuschheit.

134, 10—22 ~ Nat. c. 10; durchweg ist Hom. kürzer.

22. 134, 10 12 f^ Nat. c. 10 § 1. Die begrüudung von Josephs ver- halten fehlt im Hom.

23. 134, 13—16 ~ Nat. c. 10 § 2, vgl. Ps.-Mt. c. 11. Die rede des engeis

ist im Hom. kürzer und ohne den pikanten gegeusatz non hominis sed

Im Hom. sagt der engel: hrcepsc eigi pu at varßveita cost cono pinnar marie, Avas Mtth. 1, 20 entspricht: noli tiinere accipere Mariam coniugem tuam. In N wird das noli timere besonders erklärt: hoc est, ne velis forni- cationis suspicionem in virgine habere, und dann fortgefahren neque timeas eam in uxorem ducere.

24. 134, 10 22 '^ Nat. c. 10 § 3. Nee tarnen cognovit eam, sed caste procurans eiistodivit = oc eigi saurgapi kann hana, heldr hreinlega fyrer- hyggiande varpveitti hana.

Unser überblick zeigt zunäclist, daß die quelle (Q) eine mittelstellung- einnahm zwischen Xativitas (N) und Pseudo- Mattliaeus (M). Sie hatte den rahmen mit N, sonst aber den g-rundriß mit M g-emeinsam und teilte mit beiden streckenweise den Wortlaut.

Q hatte aber auch selbständige eigenschaften, u. a. die, daß es knapper und motivärmer war als die Lateiner, beson- ders M.

Der frage, wie das eigentümliche Verhältnis der drei texte zu deuten ist, möchte ich nicht ganz aus dem wege gehen, schon deswegen nicht, weil sie vielleicht für die frage nach der herkunft unserer norwegisch - isländischen predigtsamm- lungen bedeutung gewinnen kann, aber auch um ihrer selbst willen nicht; denn anscheinend ist Q geeignet, auf die text- geschichte dieser apokryphengruppe einiges licht zu werfen.

Einem doppelten Sachverhalt müssen wir gerecht werden. Q ist teilweise deutlich eine compilation aus M und N, teil- weise enthält es bedeutend weniger als jene beiden.

Der secundäre Charakter des Q-textes zeigt sich au ge- wissen Wiederholungen. In M spricht der engel: 'Sei ohne sorge {Noli timere), Anna, denn in gottes ratschluß liegt ein kind für dich'; in N: 'Fürchte dich nicht {Ne timeas), Anna, und halte, was du siehst, für kein gespenst, denn ich bin ein

488 NECKEL

engel, der . . . ' . Trotz des wörtlichen anklaiigs haben beide anreden verschiedenen sinn. In M ist unmittelbar vorher Annas kummer und heißes flehen um ein kind ausgemalt worden: da kommt der engel sie zu beruhigen. In N wendet sich die erzählung von Joachims vision sogleich zu der Annas, ohne deren läge und Stimmung auch nur mit einem worte zu streifen; das 'fürchte dich nicht' bezieht sich hier auf den eindruck der erscheinung selbst. Jeder der beiden texte deutet das in) ffoßor der Verkündigung Luk. 1, 30 auf seine weise.') In Q treffen wir beide Versionen hintereinander (Hom. 131,31 = 131, 36 f.; 131, 33 f. = 132, 2 f., vgl. oben 4 und 5). Etwas ähnliches bei der kleinen Maria im tempel: 131, 6 f. ok öx hon livern dag frei gJ)rom at gllom helgom crgflom ok tnamid^pom hcepi fyr guJ)S augliti oh svd allra gopra manna; 131, 18 hon Pr6al)csk hetr ok hetr at crgfiom helgom ok i gst gups. Der erste satz entspricht N c. 7 anfang: . . . virtutihiis proficiehat (oben 13) der zweite am genauesten M bei Thilo s. 353: melius atque melius in dei amorc proficcret (Tischendorf: in opere dci, Schade: laudibtis). Jener gehört zu einer kurzen, allgemein gehaltenen Schilderung; dieser in den Zusammenhang einer genauen rechenschaft über Mariens tageslauf. Im Hom. setzt mit den Worten £)>^e/- J)essa hluti 131, 8 deutlich dieser neue Zusammenhang ein. Vergleicht man die lange anrede des eugels an Joachim Hom, 132 f. mit den entsprechenden stücken in M und N (oben 6—8), so kann man kaum zweifeln, daß der Zusammenhang in M ursprünglicher ist als im Hom., wo (132, 21 33) ein stück aus X ihn unterbricht. Dieses stück knüpft an den namen ^laria lobsprüche, die man nach z, 16f. nicht mehr erwartet; und in ähnlich schiefem Verhältnis steht der folgende hinweis auf die begegnung der gatten (z. 35 f.) zu der erwähnung der porta aurea. Wir kleiden das Ver- hältnis an diesen stellen in die formel Q = M + N.

Als solche summen erscheinen auch M und N selbst. Für M gilt teilweise die formal M = Q + x. So bei der Schilde- rung von Mariens leben im tempel c. 6. Diese Schilderung durchschneiden zwei nähte: der betenden erscheint ein engel

») Eine andere reflexion knüpft N (cap. 9) an diese stelle: Ne timeas, inquit, Maria, quasi aliquid conlrarium titae castitati hac salntationc praetexam.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 480

und speist sie; darauf folgen (Tiscliendorf 62, 11) reicliliclie einzelheiten über Mariens gottg-efälligen wandel, die mit der angeloplianie nicht zusammenliängen, bis plötzlich (Tisch. 63, 8) speise und engel wieder auftauchen und im anschluß daran von sonstigen häufigen besuchen der engel berichtet wird. In Q fehlt das störende Zwischenstück (Hom. 131, 15 ff., oben 14). Joachims benachrichtigung durch den engel erzählt M c. 3 sehr weitläufig. Die erste vision in § 2. 3 genügt nicht: trotz der mahnungen der gefährten schwankt Joachim noch, ob er heimkehren soll oder nicht, so daß der engel ihm noch einmal im träum erscheinen und seine eröffnung wiederholen muß 4). Bei der zweiten Verkündigung kehren z. t. dieselben Worte wieder: Ego sum angelus dei . . . Propterea descetide de moniibus et revertere ad connigem iuam Ego sum angdns, qui a deo custos tibi datus sum; descende sccunis et revertere ad Annam; dazu an beiden stellen hin weis auf die herrlichkeit Marias. Q hat nur eine vision, die erste, und kennt auch das beiwerk mit den hirten und dem opfer nicht (Hom. 132. 5

133,4, vgl. oben 6). In M sind die näheren umstände der ersten erscheinung ausgemalt nach dem vorbilde der Ver- kündigung Simsons Richter 13 (Rud. Hoffmann, Das leben Jesu nach den apocryphen, Leipzig 1851, s. 23). Bei der ersten vision der Anna steht es ähnlich (oben 4). Q läßt nur Joachim

infolge des auftritts im tempel unter der kinderlosig- keit leiden, nicht Anna, die nur die rückkehr des gatten er- fleht, und zwar nach dem plan der erzählung nur damit der engel ihr erscheint, Avie auch Marias tägliche engelsvision im tempel eine folge des gebets ist. Im einklang damit fehlen in Q die genrehaften züge, die mitleid mit Anna erregen sollen. In M (und im Protevang.) sieht es fast so aus, als würde Maria angekündigt und geboren, weil ihre mutter unglücklich ist. In Q (und N) ruht vielmehr der nachdruck darauf, daß der >ville der Vorsehung geschieht.

Entsprechende beobachtungen lassen sich am texte N machen. Die Verkündigung Christi in c. 9 mit der starken betonung von Marias keuschheit ist viel breiter als Hom. 134, 3 10 (oben 21). Vgl. ferner oben 7. Hier gilt die formel N = Q -}- X.

Die formein für M und N sind nicht so eindeutig wie

490 NECKEL

die für Q, Denn sie enthalten ein x. Um zu begründen, daß das plus von M und X gegenüber Q ebenso secundär ist wie das von Q gegenüber M und X, sind wir auf innere kriterien angewiesen. Diese kriterien sind aber bestechend. Besonders gilt das von der Unterbrechung des Zusammenhangs in ]\I c. 6 und den Wiederholungen M c. 3. Das plus von M bei der ersten Vision der Anna könnte auf einfluß einer ursprünglich ver- schiedenen Version beruhen, der version des Protevangeliums. Ebenso könnte das plus in X c. 9 secundär aus Lukas herein- gekommen sein, vgl. die Avörtlichen anklänge zwischen § 3 und Tatian (bei Grein, Die quellen des Heliand) c. 3. X gibt hier eine ausführliche paraphrase des evangelischen berichts, zwischen dessen einzelne Stückchen ausführende und erklärende Zwischensätze eingeschoben werden (vgl. oben 28). Doch sind diese Übereinstimmungen nicht derart, um das x in eine be- kannte grüße ZU verwandeln. Für ganz ausgeschlossen können Avir es nicht ei'klären, daß die kna])pere fassung von Q viel- mehr auf Avillkürlicher, planmäßiger verküizung beruht. Unter- suchen wir, ob umstände vorhanden sind, die eine solche annähme begünstigen !

Die unterschiede zwischen Q und den lat. hs. sind damit nur mangelhaft bezeichnet, daß Q motivärmer ist. Es hat zugleich ein anderes ethos. Wie schon bemerkt, geht bei Annas erster vision die abwesenheit der genrehaften züge zu- sammen mit abwesenheit des menschlichen mitgefühls für die unfruchtbare mutter. Die scenen in M (und im Protevang.) tragen ein ausgesprochen weltliches gepräge. wie das werk eines profanen dichters, der nichts will als die herzen ästhetisch rühren. Die erweiterte Joachimscene hat ebenfalls eine starke fabulistische ader. Zwar arbeitet sie mit motiven der religiösen (alttestamentlichenl Überlieferung, aber sie ist nicht in dem sinne fromm wie die einfachere scene in Q; läßt sie doch ihren lielden schwanken, ob er gehorchen soll oder nicht. Das mittel- stück des berichts über ]\[ariens leben im tempel legt dem 'in (heiligen kräften und in) der liebe gottes zunehmen', woran es anzuknüpfen scheint, einen ziemlich auf Verliehen sinn unter: zu Mariens frommem gebahren geliören die grußformeln, das nicht zu laute sprechen oder lachen, die Schönheit des i)salnien- singens {in carmiuibi(.'i daviticis chyantior); für amorc äei hat

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 491

der Stuttgarter codex dci laudibus. Bei Schade und bei Thilo wird deutlich gesagt, die erwähnten fortschritte Mariens seien ihrer gelehrigkeit in nachahmung der älteren Jungfrauen zu verdanken gewesen. Wenn es in Schades codex heißt et erat sollicita circa socias siias, ne aliqua ex eis vel in imo sermone peccaret nee aliqua in visu exaltaret sonum simm nee aJiqua in iniuriis aut superhia circa parem suam existeret (s. 16), so sieht das aus wie ein weltliches pendant zu Q's 'und alle gingen froh von ilir. gesund und auch geistlich geheilt durch ihre liebliche lehre" (Hom. 131, 25 f.. vgl. oben 14). Gegenüber N besteht ein ähnliches Verhältnis, vgl. besonders oben no. 23. In Q stört nichts den ton andächtiger, mj^stischer frömmigkeit. Die Personen- und motivarmut der geschichte zeigt, daß dem erzähler die heiligen personen und die wunderbaren ratschlüsse gottes genug sind. Mit andern worten: seine schriftstellerische Schlichtheit gehört zu seinem wesen.

Dies Avird noch klarer durch einen blick auf den spraehstil. Der Vortrag der Lateiner ist kurzgeschürzt, lebhaft bewegt, gelegentlich leichtfertig anmutend. Hom. vergißt nie die heilig- keit des gegenständes und bringt ihn zum ausdruck durch un- ermüdliche epitheta und würdige fülle mit neigung zu eindring- licher Wiederholung und Variation. So ist gott oft nicht einfach deus wie im lat., sondern almdttegr gup (vgl. z. b. oben 3). Die heiligkeit des tempels und des gottesdienstes wird betont {i svd helgan stap sern her es ... . vi2> svd dyrlega pionosto oc hcilog Oimbc^ttc gujjs, sem nu er her framep, Hom. 128, 29. 32 f.). Es ist von Joachims hoher würde die rede, die Kuben kränkt (128, 35 f.). Hierher gehört es auch, wenn keiner der über- natürlichen Vorgänge dem leser zu ergänzen gelassen wird, so, daß die engel sich himmelwärts entfernen, daß Josephs stab tatsächlich eine blume sprossen läßt.

Auch diese tatsachen sind wohl im ganzen mehrdeutig. Die weltlichen elemente, die in Q fehlen, z. b. die scene mit dem Sperlingsnest und mit der puella, waren es vermutlich in erster reihe, die eine apocr3^phe legende wie die uusrige in der Wertschätzung der frommen herabsetzten. Es wäre also an sich kaum zu verwundern, wenn jemand diese elemente weg- geschnitten hätte. Kr konnte dabei das bedürfnis der erbauung im äuge haben, und daraus würde sich auch die besonderheit

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des Stils erklären. Die aufnähme des textes in das Hom. be- zeugt, wie es scheint, daß er verlesen worden ist, sei es in der kirche, sei es im kloster, ') und dieses zeugnis stände nicht ganz allein. 2) Andererseits leuchtet ein, daß der frömmere, schlichtere Charakter von Q gut zu der annähme paßt, daß wir hier ein zeugnis für ältere formen von M und N vor uns haben. Eine allmähliche fabulistische bereicherung dieser Urformen bei gleichzeitiger Verarmung des stils und des reli- giösen gehalts dürfte an sich mindestens ebenso plausibel sein wie der umgekehrte Vorgang als bewußter act eines einzelnen. Jedenfalls wäre dieser einzelne act ein weit feineres stück geistiger arbeit und eine unzweifelhaft seltenere leistung. Wollte jemand sagen, es sei wahrscheinlich, daß die (sichtlich erbaulichen zwecken dienende) addierung von M und N von demselben manne vorgenommen sei, der ]\r (und N) in erbau- lichem sinne kürzte, so würde diese Wahrscheinlichkeit ungefähr dadurch aufgewogen, daß die entstehung eines Werkes wie Q aus einem guß (mit wöitlichem ausschreiben vorhandener texte) eher anzunehmen ist als seine saubere herausredigierung aus zwei größeren ganzen.

Vielleicht ist es möglich, daß von theologischer seite die gründe pro oder contra verstärkt werden. 3) Die philologische betrachtung hat bisher eine erhebliche Avahrscheinlichkeit für die Urformen ergeben, kaum einen grund für die Verkürzung.

Von den erörterten und angedeuteten beweispunkten ver- dient einer noch eine näheie beleuchtung.

Der gedankengang Hom. 13G, 16 11'. ist im lat. gestört, wird dort aber vorausgesetzt (vgl. oben 14). Einige hs. behalten

die consecutive anknüpf ung bei: tit melius alquc melius

proficerd, Thilo; et ita . . . proficiehat, Tischendorf. Das ist unlogisch oder mindestens unklar, wenn der satz nind sie empfing täglich aus seinen bänden geistliche nahrung', der im Hom. vorangeht, ausgelassen wii'd. Daß zunächst leibliche

*) Nicht der ganze iulialt des ]Iom. wendet sicli an die gemeinde. Die erörterung über das stiindengebet 10!», (i ff. kann sich nur an niönche wenden.

^) Vgl. Thilo s. xcvjn.

') Ich bin prof. D. Bauer fiir gütige, uiieiniüdlielie au^kunft aus dem theologit-chen grenzgebiet zu großem dank verpflichtet.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 493

Speise g-emeint ist, zeigt das folgende: Esca quam quotidie de manu anyeli accipkhat ipsa tanium se reficiehat; cscam vcro quam a pontificibus conscquehatur pauperihus dividebat. Des- halb schreibt der Stuttgarter codex nur et (und setzt gleich- zeitig- für umorc das deutlichere landüms ein). Tischendorfs B nimmt die angäbe et totum quod in tcmplo ei dalxitur pati- perihus ministrabat voraus, so daß er mit neuer begriindung-

fortfahren kann: et sie Nun ist Jener fehlende satz einer

der für stil und ethos von Q besonders bezeichnenden. Wenn er ursprünglich ist, wei'den es auch die andern elemente dieser art sein, so gleich im folgenden 'geistlich geheilt durch lieb- liche lehren' (Hom. 131, 26 f.). Die weltlichen einzelheiten, die M statt solcher mj^stik bietet, sind also secundär. Besonders deutlich liegt das Verhältnis im Stuttg. codex zutage (s. oben). Da gleichzeitig, Avie oben gezeigt, das plus von M in diesem capitel auch ohne textvergleichung starken verdacht der un- ursprünglichkeit erregt, so ist der Schluß geboten, daß wir Mariens leben im tempel in Q in ursprünglicherei- form be- sitzen als in M.

Damit wächst auch die entsprechende Wahrscheinlichkeit für die anderen plusstücke von M.

An einzelnen stellen kann die Überlieferung von (^ nach den ausführlicheren texten berichtigt Averden (vgl. oben 16. 17). Die meisten übrigen abweichuugen im Wortlaut sind neutral und damit von derselben art wie die der einzelnen lat. hs. unter sich. Eine systematische vergleichung aller lesarten habe ich nicht vorgenommen. Ich habe aber ein oder zweimal beobachtet, daß Q dem Stuttgarter text zur seite tritt, der von den lateinischen der kürzeste ist und an einer reihe von stellen (wenn auch nicht an allen von Schade s. 8 d auf- geführten) bessere lesarten bietet als Tischendorf und Thilo.

Zu diesen stellen gehört auch die Weissagung an Joachim (Schade s. 13): Hec erit templum dei et Spiritus sanctus rc- quiescet in ea. Die bildliche ausdrucksweise ist in den anderen hs. mißverstanden: haec in templo dei erit. Dies ist zwar an sich deutlicher N bespricht an dieser stelle Mariens leben im tempel ziemlich ausführlich ■, aber es unterbricht den Zusammenhang in störendster weise. Die Stuttgarter lesart ist auch stilistiscli bemerkenswert: sie drückt denselben

404 NECREL

gedanken doppelt aus (tempel gottes ruhestätte des heiligen geistes) und ist von mystischer frömmigkeit durchtränkt, beides in Übereinstimmung mit Q allerdings nicht an dieser stelle, wo Q nichts genau entsprechendes hat, wohl wegen des gleich folgenden einschubs aus X (oben 6). Trotzdem dürfen Avir sagen, daß Stuttg. und Q einander hier unterstützen.

Dasselbe gilt ganz concret von dem oben (14) festgestellten plus des Hom. gegenüber Tischendorf: {oft vöro sencr mcela vi]) hana cngJar (juJ)S, oc roro J)eir Jtenne lih'ilmcr) sem ener Iccersto viner. Es findet sich wieder bei Schade s. 17: et quasi Jcarissimi eins ohtempcrahant ci. Hieraus ist in den anderen hs. quasi carissimc und diligeniissime geworden. Diese besse- rungen scheinen veranlaßt durch das fehlen von amici neben carissimi, das Q uns ergänzen läßt.

Es ist nämlich auch sonst zu beobachten, daß Stuttg. eine stark kürzende recension darstellt und insofern schlechter ist als Tiscliendorfs Vaticanus mit seiner stilistischen fülle (vgl. etwa Schades noten 125 und 153). Dies findet auch an- wendung auf den ersten teil des oben citierten satzes. Hier hat nur Tischendorf eine genaue entsprechung zum isl.: Frc- quentcr vidchantur cum ea angcli dei loqui. Thilo läßt dei aus, Stuttg. auch -w von vidchantur, was dann zwingt aiujelos zu schreiben.

Im ganzen gesehen, stellt unser isl. text nach aus- scheidung der N-stücke sicli dar als die schlicliteste und .sorgfältigste darstellung der fabel des Pseudo-Matthaeus (inner- halb der grenzen der Nativitas), die zur zeit bekannt ist. Daß diese darstellung die genetisch älteste ist, hat sich uns als das wahrscheinlichste ergeben.

AVas nun die zusammenarbeitung von M und N angeht, so ist zu beachten, daß die beiden stofflich so nah verwandten werke auch sonst einander attrahiert haben. Sehr deutlich ist dies bei Tischendorfs Laurentianus (B). Diese hs., die auch sonst eine Sonderstellung einnimmt (s. Tischendorfs note zu M c. 7), geht am ausgang von c. 1 und im ersten teil von c. 2 ganz zu N über (s. Tischendorfs apparat zu N c. 1 und 2 und vgl. seine Prolegomena s. xxxiv). Die abweichungen von N sind gering, genügen aber, um zu zeigen, daß Q dieser recension nähei' gestanden hat als dmi texte N selbst. A^gl.

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBUCH. 405

cn CS J/'Jmcr voro XX vetr papan frei er pau Jigfpo saman ginget (Hom. 128, 1) ~ cumque moraii fuissent simul per annos viginti B (per annos circitcr viginti castum donii connigium ... cxercchcmt N); pau liiosc giipi retlöt cn monnom mild (Hom. 128, 3) ~ doniino iustus et liominihus pius vidchatur B {isti deo cari, hominihiis pH N); er Icennemapr enn leit hann ioakim . . . pa fyr leit hann ioaMm standanda hid ser oc svd forner Jians (Hom. 128, 23) '--^ qiii cum . . . Joachim . . . viderct anstantem, despexit cum et eins munera sprevit {'an- staniem' fehlt X).

Die beiden contamiiiatiousformen stehen insofern auf ver- schiedener stufe, als der N-einschlag in B geringer ist als in Q: er ist weniger umfangreich, und er führt nicht zu jenen Wiederholungen, die für Q den verdacht der contamination erregen würden, auch Avenn ]\[ und X nicht daneben lägen. In dem eben besprochenen Zusammenhang geht Q mit den Worten Nil er per eige leyft 128, 31 zu M über (oben 3). Das macht B nicht mit. B ersetzt einzelne stücke durch ent- sprechende stücke von X; Q fügt, avo es angeht, M und X zusammen. B Avählt X nur, weil X's darstelluug besser scheint: die dreiteilung von Joachims gut in X (tempel, arme, eignes haus) ist klai-er als in M (arme, colentes deum, eignes haus); die scene im tempel wird in N besser vorbereitet und Aveniger kraß gemalt, zugleich etwas ausführlicher gegeben. Q dagegen ist vor allem darauf bedacht, nichts zu über- gehen, Avas aus heiligem munde gekommen ist oder sonst für den frommen bedeutung hat. Die fälle von contamina- tion in Q betreffen überAviegend directe reden, für die sicht- liche Vorliebe besteht.') So auch an- unserer stelle. Q und B haben verAvandte hs. von X benutzt, die von den erhaltenen Avenigstens streckeuAveise stärker abAvichen als diese unter sich. 2) Dagegen haben sie sehr verschiedene fassungen von M benutzt.

Allgemeine culturhistorische gründe sprechen dafür, daß

') Übrigens größtenteils dieselben sceneu, die an andern punkten und in anderer tendenz auch in M erweitert worden sind (Annas erste Vision, Joachims vision, lAIaria im tempel). Diese scenen waren brennpunkte des interesses.

-) Die lat. hs. von N gehen, wie es scheint, durchweg fast wörtlich

49G NECKEL

dem norröneii Übersetzer seine vorläge aus England und viel- leicht weiterhin aus Frankreich zugekommen ist. Der 1028 gestorbene bischof Fulbert von Chartres scheint es hauptsäch- lich gewesen zu sein, der das fest Maria geburt in Frankreich eingeführt hat (Kellner, Heortologie, Freiburg 1906, s. 168 f.). Er citiert in seiner fünften predigt (Migne, Patrologia latina 141,324) wörtlich ein stück aus dem anfange von X und er- zählt ebendort den inhalt der legende im großen nach N (missus est an(]dus Domini priits ad Joachim, demum ad Ännam). Er hat aber auch M gekannt. Dies läßt schon die eben angeführte stelle vermuten, die die reiheufolge der engelsbesuche so auffallend betont. Deutlich geht es hervor aus wörtlichen anklängen: Mariam, cid similis sanctitate nee antca nata fuerit ncc postca nasceretur, vgl. M c, 3 § 2 (Tischendorf s. 57, Schade s. 13); in der vierten predigt: nullo rirhdnm gencrc vacalat (322 C) ~ mala in omni viriuie jier- fecfior Tisch, s. 62; die erwähnung des betens bei tag und bei nacht in der fünften predigt hat ein gegenstück nur in yi c. 6. In seiner sechsten predigt verweist Fulbert auf eine non nsi- tafa rclatio, quac clarissimi intcrprctis Hicromjmi praenotainr nomine, refcrcns heotum Maühacum post edititm Evangelium ortum praefatae Virginis atque initiaminia pnerilia Jesu Christi . . . ohscuris manu propria obsignasse liiteris Ilehraicis (327 B, C). Die Inhaltsangabe zeigt, daß es sich um die längere redaction von M handelt.') Fulbert hat sich viel mit diesen legenden beschäftigt. Seine erste und dritte Nativitaspredigt gehen großenteils darauf aus, ihren wesentlichen gehalt als plausibel zu rechtfertigen (320 C, 322 A, 325 C, 326 C,D, 327 A, C, D). Fiilberts citate und angaben sind jedoch nicht

zusammen, wiihreiul die von M ziemlich stark differieren. Q und B be- zeugen aber für N äliuliLlie differeuzeu.

') Tischendorf xxxii ist dem Widerspruch zwischen dieser iuhaltsangabe Fulberts und seinem cilat in Sermo V nicht gerecht geworden. Man könnte an eine )nischredactiün denken, aber dazu fehlt es an auhaltspuukten. Daß Fulbert .sowohl N wie M gekannt hat, geht auch daraus hervor, dtiß er beiden gefälschten Ilieronymusbriefen apologetisches material entnimmt, nicht bloß dem vor M überlieferton, den er an der oben ausgezogenen stelle erwähnt, sondern auch dem vor ]\' überlieferten (bei Tischendorf 52 n.), den er in der 4. predigt benutzt (320 C; ähnlich später Eadmer, De excelleutia virginis Mariac, s. Thilo 8. c).

ZUM STOCKHOLMER HOMILIENBüCH. 497

umfassend genug, um einen scliluß auf die genauere bescdiaffen- heit seiner texte zu ermöglichen. Sie schließen nicht aus, daß diese so kurz gewesen sein können wie die von uns ver- muteten Urformen von M und N, die in Q eingegangen sind. Es kann sich aber natürlich auch um nahe verwandte der lat. hs. handeln. Obgleich wir also in diesem punkte nicht klar sehen, ist die vei-mutung doch berechtigt, daß Q aus dem einflußkreise des eifrigen Marienverehrers von Chartres nach England und weiter nach dem norden gekommen ist. Denn Fulbert stand in Verbindung mit Knut dem großen, der für die Marienkirche in Chartres eine Stiftung gemacht hat (s. Fulberts brief Nohilissimo rcgi Danomarchiae Cnido, Migne 255).

2. Die adventshomilie.

Das vorletzte stück unserer Sammlung hat uns als advents- predigt gegolten. Daß dies richtig war, bestätigt die lat. quelle. Der größte teil des isl. textes ist übersetzt aus einer der dem Augustin zugeschriebenen predigten, die die Über- schrift trägt De adventu domini (Augustini Opera omnia, opere ;et studio monachorum ordinis S. Benedict! e congrega- tione S. Mauri, t.V, Parisiis 1837, p. 2644 ff., Sermo 116).

Die anfange (Hom. 215, 18 216, 19) weichen voneinander ab. Daß die fassung des Hom. nicht ursprünglich ist, zeigt die ermahnung zur keuschheit 216, 15 ff.; sie kelirt im folgenden noch zweimal wieder (217, 18 ff. und, recapitulierend, 218,29, an der ersten stelle mit wörtlichem anklang an 216, 16 ff.).

Die Übereinstimmung beginnt mit den w^orten pumt JxjU cristr drottenn vdrr liafe ej}ter pisl sina riset u^p . . . = nam licet Christus dominus noster post passionem siiam resurrexerit

Mit Ä hitr])ar tij) 217, 1 beginnt § 2; bei 218, 18 § 3;

217,25 § 4; 218,8 § 5; 218,22 § 6. Die Übereinstimmung reicht bis zum Schluß.

Wisen, der in seiner ausgäbe s. xvii auf einige (luelleu- stellen aufmerksam gemacht hat (vgl. auch Larsson, Stud. 56 n., Heinzel, Anz. fda. 14, 268), bemerkt, der lat. text sei oft weit- läufiger und mehr paraphrasiert als der isl. Diese beobachtung gilt auch für unsern fall. Die abweichungen, die die wörtliche

498 NECKEL

eiitsprecliung imteibreclieu. bedeuten größerenteils ein plus auf der lat. seite.

iustitiae vel misericordiae margaritis ornatum : scrypdan miscunnar gimsteinom 216, 26.

Dominus ipse dixit : drötienn mwite 216, 31.

217. 10 fehlt ein (entbelirliclier) satz von 41.2 lat. colmnnen- zeilen.

217.11 fehlen zwei (entbehrliche) sätze von 4 columnen- zeilen.

vitiormn pannus veierihus : i fornom totrom 217. 16. 217,26 fehlt secundum vires nostras. 218,9 fehlt scd rar ins rogandi sunt. 218, 16 wird henedicfi Patris mei wiedergegeben mit ener hletsopo tuen (parallel mit ener Ighopo men z. 14).

218,25 fehlt per Christi adiutorium (doch vgl. 218,37. venenum diaboli : eitr 218,20. [219,2).

218,30 fehlt frequentius.

Diese fälle sind aufzufassen als kürzungen des Übersetzers oder ausnahmsweise eines abschreibers (so wohl 217, 16). Denn derartiges ist für die norröne Übersetzungsliteratur tj'pisch (s. oben s. 497 und vgl. Meißner, Strengleikar, Halle 1902, s. 262 ff., Komveriasaga, Berlin 1910, s. 219 ff.). An einigen stellen ist als grund der kürzung eine bewußte rücksicht erkennbar, die auf die nordische Sphäre weist. Hierher gehört wohl schon die stilistische änderung 218, 16. 218,9 wagt der prestr zwar den einleuchtenden rat 'tischt nicht allzu üppig auf, aber 'ladet eure verwandten seltener zu gast' läßt er weg, weil es auf die landesüblichen veizlor kaum anwendbar war.

Aus ähnlichen sachlichen gründen ändert er auch sonst ein paar mal. Alelsagend sind einige stellen, die vom kirchen- besuch handeln. In dem satze comct snemma til Jcirhio fyr Iwtiper 00 fi{>lmenne]) mioh 218,31 sind die letzten worte ein Zusatz; und kurz vorher wird, ohne rechte rücksicht auf den Zusammenhang, eingeschoben verej) eige inniger i hirlcio! Mißverständnissen scheint der Übersetzer vorzubeugen, wenn er 218,25 selbständig hinzufügt of alla iöla fgstona, 218,20 super pauca fidelis wiedergibt mit tryggr of pessa ena läute, 218, 1 für das halb bildliche acciperc reliquias ciborum

ZUM STOCKHOLMER HOMTLIENBUCH. 409

tuorum einsetzt at neyta crdsa pinna mep per, 217, 30 et nos et omnis populus \^\'A&wi\\c\\i: hcepe vcr oc allr cristenn h/pr, 217,22 (im- eleemosijnam et poetiitetitiam) den ablaß ausdrück- lich erwähnt, 217, 12 non invenitur cibus hominum, sed panis ponitur angelorum ändert zu eige at eins {es) manna feda er d hören, heldr hcepe oc heilagra engla hranp.

Der Zusatz heilagra an der letzten steile ist ebensowohl stilistisch wie didaktisch begründet. Der stilistischen ände- rungen sind nicht wenige. Unmöglich genau wiederzugeben w^ar ein satz wie: Quod solchat vanitas per gulam perdere, incipiat iiistüia per misericordiam pauperihus erogare; (piod luxuria vel gula dissipavit in munda, pietas reponat in coelo. Er wird gekürzt und bekommt ein concretes subject: Sa es Jiingat til eydde i drykkio oc i die feno, kann taJce ml at gefa aumom mgnnom 217, 23,

Ein teil der stilistischen änderungen läßt sich in gruppen ordnen:

1. Aufzählungen werden paarweise gegliedert: sine avaritia, sine ira, sine superhia atque luxuria : frd dgirne oc reipe, frd ofmetnape oc lostascme (also auf kosten der anapher); adul- terum, ebriosum, cupidum et superhum : {ef kann ser) manz- cono mispyrmt liafa epa ofdryJdcioniann, dgiarnan epa ofmet- naparmann.

2. Gleichgeordnete nomina werden durch über- oder unter- geordnete elemente getrennt: corpus et sanguincm suum : hold sitt oc hlöp; serve hone et fidelis : enn göpe prcvll oc enn tryggve.

3. Auf Wechsel im ausdruck wird verzichtet: simili exitu migraturi sunms : monum glicom slcilnape vip heimenn shliasJc; cupiat ... accepiurus sit : taha ... taJca 217,341; anders 218,9: amicos aut parentes ... parentes et vicini : vinom ne frcendom . . . Perm; ähnlich 217, 12 {invenitur . . . ponitur, siehe oben). 218, 7 erscheint retrihuetur tibi in retrihutione iusto- rum als Per verpr launat i upriso rettldtra manna, Avolil der deutlichkeit halber.

Einige abweichungen mögen darauf beruhen, daß dem Übersetzer ein abweichender text vorlag. So erscheint 218, 11 ein überschüssiges oc sämelega, das übrigens den gedanken-

500 BEHAGHEL, ZUR ETYsIOLOGIE VON SCHWANEN.

garig niclit ändert. "Was oben als verdeutlicliung-en aufgefaßt wurde, kann z. t. hierlier gehören.

Ein miß Verständnis scheint 218, 14 vorzuliegen, wo {nunc) falsch bezogen ist. Das lat. hat andere satzstellung. In z. 16 wird selbständig wiederholt.

217, 29 liegt ein abschreiberfehler voi-. In lioimlo chri- stiano ad unum Dominum perünente erscheint als ^ cristnom lyp peim es aller ceüa ser til eins gops at coma. Für g6J)S ist also goJ)s zu lesen.

HEIDELBERG. GUSTAV NECKEL.

ZUR ETYMOLOGIE VON SCHWÄNEN.

Der Vorschlag Lindqvists (oben Beitr, 38, 329), sclmanen mit mild, ivänen zusammenzubringen, leidet an mehreren schweren gebrechen.

1. In den weiten mundartlichen gebieten, die mhd. u zu ö werden lassen, müßte das wort als schwönen erscheinen. Das ist jedoch keineswegs der fall, vgl. die Verweisungen des Deutschen Wörterbuchs 9, 2209.

2. Lindqvists erklärnng setzt voraus, daß es ein unpersön- liches verbum mhd. mir icänet gegeben hat. Der versuch, dessen vorkommen zu beweisen, ist gänzlich mißglückt. Wie man Grobianus 936 als beleg anführen kann, ist mir schwer verständlich, denn er icent ist doch nicht unpersönlich. Es liegt keinerlei grund vor, die stelle aus dem Stricker nicht ebenfalls persönlich zu fassen. Die möglichkeit der un- persönlichen auffassung wäre nur dann gegeben, wenn be- wiesen wäre, daß sin herze brechen bei Stricker als acc. mit inf. gefaßt werden könnte. L. hat nicht einmal den versuch gemacht, diesen beweis zu führen.

3. L. hätte sich mit der anschauang auseinandersetzen müssen, daß jüngeres siv, nv zu w werde, vgl. meine Geschichte der deutschen spräche'^ s. 218.

GIESSEN, 28. dez. 1912. 0. BEHAGHEL.

TEXTKRITISCHES

UND METRISCHES ZU DEN DICHTUNGEN

KONRADS VON WÜRZBURG. 0

III. Nachträge zum Eugelhard, beitrüge zum Silvester und zum Scliwanritter.

In den Nachrichten der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen (philologisch -historische classe, 1911) hat Edw. Schröder Studien zu Konrad von AVürzburg I— III veröffent- licht, unmittelbar veranlaßt durch meine vorschlage zum text des Engelhard, die ich in dem ersten dieser aufsätze gemacht habe. Seine langjährige und vielseitige beschäftigung mit Konrads werken, aus der seine schaler fruchtbare anregung zu eigenen arbeiten geschöpft haben, verleiht seinen aus- führungen doppeltes gewicht. Die vorliegenden Studien be- treffen den Silvester, Engelhard und Schwanritter.

1. Von allergrößter bedeutung ist die bestimmte fest- stellung, daß die Trierer handsclirift des Silvester eine 'fast ideale Überlieferung Konrads' bietet; sie tritt damit neben, ja sogar über die junge Wiener papierhs. des Pantaleon, auf deren Zuverlässigkeit Laudan hingewiesen hat. Eine neue gründliche collation, deren ergebnisse Schröder auf s. 13 20 vorlegt, hat ihm die lang gehegte Überzeugung gefestigt, daß der mittel- deutsche Verfasser der hs. diese womöglich noch zu lebzeiten Konrads aus einem codex abgeschrieben hat, 'der des autors Orthographie und seinen sprachlichen, prosodischen und metri- schen Intentionen gerecht wurde, der mit dem original bez. der editio princeps sogar identisch gewesen sein kann'. Der abschreiber verfuhr mit größter treue, bewahrte den aleman-

') Vgl. Beitr. 37, 213 ff. 432 ff.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XX.XVI1I. ij3

502 GEREKE

nisclien Charakter seiner vorläge und erhielt ihre vortrefflich- keit im allgemeinen so rein, daß sie geradezu als führer dienen kann in fällen von reimgebrauch und prosodie des dichters, wo sonst vielfach noch zweifei herrschen. Sie bringt die ge- w^ähr, daß Konrad schon frühzeitig die einsilbigkeit von hebung und Senkung anstrebte; sie warnt vor einer zuweitgehenden Verminderung der auftactlosen verse wenigstens in dieser zeit von Konrads dichtung') , beweist die richtigkeit von Haupts feststellungen über die sj^nkope des ge- und von Laudans beobachtungen über die Verwendung von unde im verseingang.

Zu den kiitischen bemerkungen nun, die Schröder den er- gebnissen seiner collation der hs. einfügt, sei es mir erlaubt, einige vorschlage zu machen.

V. 42 hs. leitsterne, dafür richtiger leitesterne, wie es überall heißt (vgl. \\'olff zur H.B. 155, ebenso leitesiap). v. 268 er hiez den martercvre begraben, richtiger niarterer."^) v. 301 1. dis (hs. dise) argen tvort, wie sich findet im nom. dis aventhire; zu dieser elision eines iu vor vocalisch anlautender hebung vgl. Haupt z. E. 191 (dazu ist nachzutragen dis aventiure Schw. 1352. Part. 2996. 13619 [wo Sprenger, Zs. fda. 36, 158 mit un- recht diu aventiure schreiben will], dis ere Tr. 4287. 14462. Part. 389. 19172, dis ungescliiht Tr. 12712, vielleicht auch dis erde mit der hs. Silv. 2177, min, din, sin ougen Silv. 4830. AI. 457. 605. Part. 56. 602. 5366. 8604. 9388. 9725. 12044. 19826 und sehr oft in Tr., sin örcn Silv. 2462. AI. 56. Part. 13000. 20905, unser ören Tr. 16519. 25941. 27918, sin edeln Jclären ougen Silv. 5057, dis egebceren Hute Tr. 25015=^); daß man schon zu Konrads zeit anfing, die Unterscheidung der endungen iu und e zu vernachlässigen (Grrimm in der einleitung zum Silv. xi), beweist besonders Schwanr. 1146 so man fraget unser (plural!) Jcint. v. 458 f. Schröders Umstellung daz

1) Vgl. dazu auch Beitr. 37, 432 if.

'') Vgl. dazu Beitr. 37, 235; ferner Silv. 341 kerker (E. 1929 f. kerkcr : sterker) neben 391 f. kerkrere : rihtccre.

') Zu dem von Haupt citierten vers Silv. 1858 blanc vncle wiziu kleider, was Kochendörffer, Zs. fdph. 24, 129 so erklärt, daß das beiden adjectiven gemeinsame, also die endung, nur einmal gesetzt ist, vgl. noch Part. 13048 hJiDic und icher varive (Parz. 57, 18 ivtz und sivarzer varwe). Danach lese ich auch v. 1730 si'tez unde uus/u (hs. wise) lere.

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. 503

er drüic jäy iras alt in ganzer iuyent ivorden ist einleuchtend ; danach muß es also auch Tr. 19248 heißen der ivol hundert jär tvart (so die hh.!) alt. v. 520 angesihte ist richtig, auch das einfache gesihte findet sich Part. 7002 als neutrum. V. 677 1. ivären soubercere gnuoge (st. gennoc) in deme lande. V. 791 f. einlcdcn (so Sehr.!) michcl ivnde gros tverde mit in getragen bietet die hs.; Haupt z. E. 366 vermutet ausfall von m vor in, richtiger ist mit dar in nach 691, vgl. 2019 {dar konnte hier leicht ausfallen, da es mehrfach in den benachbarten versen vorkommt). v. 1063 will Sehr, lesen sol ich iif diser erde st. der nach 1215. 1318. 1520; aber in den angeführten parallelstellen handelt es sich um himmlische personen, die auf diese erde gekommen sind; im Vordersatz der hj-pothese steht sehr häufig kein auftact (vgl. Beitr. 37, 461), also ist sehr wohl mit hs. möglich sol ich üf der erde. v. 1122 muß es mit hs. heißen und reiner siten (st. site) lere, siten ist gen. pl. vom stm. site. v. 1148 1. die (st. de7i) sigcnuft (von Roth auch Schw\ 583 geändert); sigcnuft ist bei Konrad immer stf., auch im Silv. (1388. 2790. 3625. 3815. 3996). v. 1343 hält Sehr, mit unrecht enpflegcn für falsch, er w'ill pflegen; en- ist hier aber nicht negation, vgl. 2234. v. 1378 schlägt Haupt vor do stiiont er üfe (st. üf) gegen inie; vielmehr nach 2809 iif engegen (vgl. Tr. 3107 der stuont im (if cngcgcn dö). V. 1384 1. lüis (st. sist) ivüleJwnien Mute mir, vgl. E. 4319. Part. 17756. v. 1418 Jcein ander {got) geivaltic ist; das feh- lende got ward vom sinn in der antwort auf das vorhergehende erfordert (so schon Haupt, Zs. 2, 377; vgl. 1626. 2520). V. 1442 ff. lauten nach hs. hiez si beide üf erden sine apostel iverden und hies si leeren in diu lant; statt hiez wird einmal, wahrscheinlich an erster stelle, lies zu lesen sein; umgekehrt muß es 2409 hiez statt licz heißen, das 2412 wiederkehrt. V. 1450 wall Sehr, mit hs. lesen ^em erst ir anegcnge nam. Die form erscheint bedenklich; sem ersten steht 1437 und ist 595 im reim belegt; es könnte also höchstens heißen zem ersten anegenge nam. v. 1483 nach Sehr, richtig ergraben, vgl. Part. ^855 f. Tr. 1466. 17521. 17633. 31850. v. 1532 ff. ist mit hs. zu lesen gereinet von den Sünden (Grimm der Sünde) und er des toufes ilnden (Gr. ünde) uns allen (Sehr.) müeste zeigen (vgl. denselben reim 18041); ünde ist gewöhnlich

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504 GEREKE

stf., kommt aber auch E. 4802 (nom. pl. im reim auf fänden) als swf. vor. v. 1543 f. 1. mi tuo mit ivillen iine) das ich dir sage nach 1891. 2221 (Sehr, wollte mit Haupt daz ich dir gesage oder al daz ich sage). v. 1621 1. sus wart von in geleret ich statt im, nämlich von den beiden aposteln (v. 1013 f.). V. 1785 muß das hsl. als er willen het (Grimm wollte den ivillen) gehalten werden nach 5056. y. 1789 1. mangen (st. manic) lip, so auch Sehr. 1960. y. 1897 Beneckes yor- schlag- dräne wird gestützt durch Tr. 16057. 19291. 19311. V. 1978 schließt sich Sclir. an Haupt an, der statt sin cleit vil rieh unde ivert lesen will rilich unde ivert\ ich glaube, daß man vielmehr in derartigen Verbindungen ausfall der Senkung an- nehmen muß,i) vgl. Silv. 4952 das er tot unde leben, 5154 si huste hend unde lider, W.L. 120 durch die du sei unde lip, 0. 354 daz ich iu lip unde leben, AI. 984 nach AJ die ivolten brief unde schrift, E. 813 daz si da liep unde leit, 5150 im wurden här unde hart, Part. 482 daz ivart im leit unde zorn, 10025 beide naht unde tac, 12773 begienc er mort unde mein, ähnlich 17702, 18355 gic beide verch unde smalz, 17383 ivart beide rot unde bleich, T. 388 von in [so Jos.!] da stäup unde melm, Tr. 11071 ir vater junc unde vrö, 13148 beidiu Hut unde lant, 3717 daz si was lind unde tveich; also auch Silv. 2228 müez eren spät unde vriio [Sehr, wollte erew m. sp. u. vruo], spät unde vruo ebenso W.L. 5. AI. 630. 702. E. 1526. 2) Anders liegt die sache v. 4408. Man wird Schröders conjectur er lertes unde mante gern annehmen, und danach vielleicht auch lesen v. 4950 er slahes unde heile ivol (Haupts Vermutung er slahe {mint) und heile wol ist abzulehnen; denn slahen steht hier ganz offenbar sj^nonym mit toctcn v. 4948 und findet sich, was Haupt bestreitet, sehr wohl in der bedeutung 'erschlagen'). V. 4948 ist vielleicht zu bessern er tocte (eht) unde mache (lebende alle Sache); vgl. diese Verwendung von cht Tr. 7706. 19834. 22880. Part. 7210. v. 2267 und 2328 besteht meiner ansieht nach kein grund, das tcoire der hs. mit Sehr, in gewahre zu ändern, zumal da es 850 und 4113 der wcere got und 331 und 4437 der wcere Crist heißt, v. 2369 ist Grimms Vorschlag die cristcn

0 So in einigen fällen auch Haupt z. E. 362 und Joseph z. E. 716. ^) Dagegen dürfte nüt Haupt zu lesen sein Silv. 4873 f. /;• herren algc- liche, heidiu arme und riche.

zu KONKAD VON WÜRZBÜKG. III. 505

nnd die Jicidcn st. von den licidcii nicht zu billigen; es kann nur heißen: diejenigen, die unter den heiden Christen waren. V. 2438 1. disiu ivort {diu) icdren dran . . . geschrihen (Haupt schlug vor da statt diu). v. 2680 f. will Sehr, lesen ich ivü {oucli) cd der tuerlde leint laden; ich stelle zur erwägung ja ivil ich U.S.W.; vgl. Part. 1028. 1548. E.6074. 6100, danach auch 2940.

V. 2711 billigt Sehr, den Vorschlag Grimms hiccltisch und latine wol (hs. hat latin)] aber hier wird doch wohl das adjectiv erfordert (das subst. latine könnte kaum des artikels entraten), daher vielleicht besser und laiin {vil) ivol. v. 2759 ist mir zweifelhaft, ob das alemann, ahtode der hs. beizubehalten ist (2279 und 3920 steht ohie); denn man darf nicht betonen Archil der ahtode hies, da immer (3922 und 3963) betont wird Ärchk (möglicherAveise Arohel, vgl. Haupt, Zs. 2, 377). v. 2840 wird vielleicht besser gelesen des enniac niht shi (Sehr, wollte des mac niht gesin), vgl. Part, 1950. 2114. v. 2865 kann mit hs. gelesen werden sms rehtcn (st. rehtes) nnd der cren nach Schw. 63. Tr. 2588. 2610. v. 3066 ist da;s nach nnd einzuschieben, wie sich aus dem satzbau der ganzen stelle er- gibt. — V. 3223 1. geh'in^et und gehunden st. gehriusigct. V. 3559 Schröder wird recht haben, wenn er antwurt statt antwürte einstellen will; Konrad betont immer dntivürte oder anitvurte und dntivurt oder anttvurt, aber nicht dniirärt{e).

V. 3725 ff. hat hs. so ivoire Ädämes verlust (dafür hat Grimm das uninr)gliche vlust, Lachmann schlug vor muot- gelust, aber 1. ist verlust geschützt durch Part. 9316 f. Adam verlos niht also vil an stner missctät ivan ich, 2. reimt bei Konrad dhist [v. 3726] 8 mal auf verlust, nur 3 mal auf hrust) . . . menschlicher diet 2e schaden Icomen, das ergäbe die unzulässige betonung so v^cere Adämes verliist, da K. außer Silv. 3451 (Ädfint) immer Addni betont; so wird vielleicht zu lesen sein so wterc Addmes {groz) verlust (vgl. Part. 8889 so rehte manicvalt verlust und 18941 da mac groz verlust geschehen, wo Bartsch gegen die hs. schreibt manicvaliiu, bez. grösiu vlust). V. 3742 f. Sehr, nennt die lesart der hs. stver niht in dein ioufe Mär schöne tvider gehören ifirt eine entgleisung in die prosaische Wortfolge und will daher umstellen gehören schöne wider trirt, aber es liegt doch deutlich eine beziehung vor zu 3737 Ü". der Vq) von sunilicher arf in dem reinen toufe

506 GEREKE

tvart cristenlichen tvider gehorn; an beiden stellen muß es viel- mehr ividerborn, bez. ividerhoren heißen nach 4440. v. 4016 Avill Sehr, statt des hsl. des edles ivir gevraget haben lesen daz alles-, das ist unnötig, denn 2869 heißt es des ich {dich) vräge.

V, 4049 erscheint mir Schröders Vorschlag oiich sj^rach ze mhn (!) hern Davit bedenklich; man kann doch lesen öuch sprach zi'io hern Därit (betonung wie 3480. 4502) und dann weiter got do oder auch mit Sehr, wilcn in der alten zit. V. 4169 bietet hs. Johal, so gedinge ich, wofür Sehr. J., so ge- dinge <ouch- ich oder so gedinge, J., ich; Konrad betont aber im anfang der zeile (4141. 4024. 2761) Johdl (3989 und 4083 am Schluß Jöbäl, übrigens mit kurzem a), danach also eher Jobal, so wil gedingen ich (vgl. 4175. 4183. 4206; ich teil gcd. Tr. 2051. 28726). v. 4198 kann nicht, wie Grimm in der anmerkung will, dadurch gebessert werden, daß dise statt die geschrieben Avird (dagegen spricht v. 4278); aber auch das an- sprechende eine statt die (vgl. v. 4268, E. 1233) scheidet wegen des hiatus aus; es bleibt nur übrig zu lesen da leit diu icoUe {da) die not. v. 4286 will Sehr, statt scr, das aus 4288 vorausgenommen ist, smerze einsetzen; richtiger ist sivoire nach 4201. v. 4288 scr ist bei Konrad neutrum (Silv. 2163. Tr. 12169. 17219. 18639); deshalb 1. marterlichez ser. V. 4296 f. ist vielleicht das hsl. heiser beizubehalten und da- nach ein zu streichen, also ivolte deme (oder discm) stritc der heiser ende hän gegeben (vgl. 3043). v. 4411 1. zeim opher statt ze opher nach 4426. 4436. 4475. v. 4489 1. gc- bierc st. geivcere (dieselbe Verwechslung übrigens Pant. 494).

V. 4666 1. sivem (hs. sivenne) Joch ich des nanien vergihc.

V. 4674 1. nein, sprach der gar unlobesame\ denn gar trägt in solcher Verbindung im versinnern den ton, und dann heißt es bei Konrad stets lobesam (Haupt z. E. 1185). v. 4848 schreibt man wohl am besten und einfachsten oitch wären sume- liche hie (vgl. 0. 632), crisicn erscheint als entbehrlicher Zu- satz; ein bei Konrad nicht vorkommendes seine statt des hsl. sume einzuführen, wie Sehr, will, ist bedenklich. v. 4981 dürfte Haupts Vorschlag (z. E. 366) den pharren, [sö) daz er geniset wegen v. 5046 dem Schröders daz er {ivol) geniset voi-zuziehen sein. v. 512() 1. nu {daz) diz wunder da ge- schach.

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. 507

2. Schröders ausführungen zum Engelhard sind mir leider erst während des druckes meiner ausgäbe bekannt ge- worden und konnten daher nicht mehr voll ausgenutzt Averden. Es war mir jedoch eine große genugtuung-, daß ich mich in vieler beziehung mit Schröder in Übereinstimmung fand.

Den wichtigsten Vorwurf, den er auf grund genauer beob- aclitung- des Verfahrens des druckers gegen Haupt erhebt, ist der eines 'unrichtigen conservatismus' in Wortschatz, sprach- formen und flexion, und man wird ihm im allgemeinen recht geben müssen. Ich gestehe, daß ich in der behandlung der 2. p. pl. ind. praes., soweit die formen Mut und hat in betracht kommen, nicht consequent verfahren bin und mich zu sehr an Haupt gehalten habe. Trefflich sind Schröders bemerkungen über die ersetzung eines alten, nicht mehr verstandenen tougcn (oder tomjcnlicli) durch tugent oder heimlich. Daß Konrad tougcn und heimlich ganz synonym gebraucht, beweisen außer dem von Sehr, angeführten vers E. G251 stellen wie Pant. 485 vil tougen und vil stille neben Tr. 16494 heimlichen unde stille, Pant. 1868 heinltche wurden si ze grabe gefüeret (d. h. vor aller weit geheim, also eigentlich totigen). Xicht gefolgt bin ich Sehr, außer 1751, wo er hinter leit des druckes auch tongen vermutet, noch 1887, wo ich an dem tiefe des druckes fest- halte wegen 1923. 2142 und Tr. 4783. Was seine bemerkungen über die Verwendung der ausdrücke für 'klein' und 'groß' an- betrifft, so stimme ich ihm zunächst darin unbedingt zu, daß lützel und Ideine mehrfach durch tvenic verdrängt sind. Trotz- dem wage ich von den 15 belegen für ivenic im Engelhard mit Sicherheit doch nur 5 für die andern Wörter in anspruch zu nehmen, nämlich außer 1693 (vgl. dazu auch Tr. 82239; 22321. 27726. 29311, obwohl merkwürdigerweise bei ahten üf nur das hier wegen des hiatus unmögliche Heine steht: E. 4755. Pant. 943. Part. 77. 8213. Tr. 2323. 2867. 27205. 28519. 20271) und 3817 (nach Schw. 14 und Tr. 7149. 9697) noch 4017 (nach E. 2050. 3817. Part. 9601. Schw. 14), 5278 (nach Schw. 849) und 5499 (nach Pant. 817); an den übrigen zehn stellen steht ein ivenic (im Pant. 444. 528. 890!).

Dagegen muß ich jetzt, nachdem ich Schröders beobach- tungen über die Verwendung von michel und gröz im Silvester, Schwanritter und Pantaleon weiter verfolgt habe, zugestehen,

508 GEREKE

daß ich nach seinen vorschlagen die beispiele für (jroz im Engelhard bedeutend hätte vermindern müssen. Ich trug be- denken so ohne weiteres michel überall da für gröz einzusetzen, "WO es metrisch möglich ist; ich glaubte, man dürfe im Engel- hard nicht mehr fast ein drittel der belege für michel in an- spruch nehmen (nach Schröder kommen auf 28 gröz 17 micJicT), da im gegensatz zum Silvester, in dem fast die liälfte der belege dem älteren worte zufällt, die dem Engelhard zeitlich näherstehenden Schwanritter und Pantaleon nur in einem sechstel der fälle michel haben. Aber ich habe festgestellt, daß der Otte auf 4 gröz 3 michel, der Alexius auf 9 gros 3 michel und der Trojanerkrieg in 2000 beliebig herausgenom- menen versen (33305—35305) auf 20 gröz 9 michel hat, daß also im Otte fast die hälfte, im Alexius ein viertel und im Trojanerkrieg ein drittel der belege michel zufällt; und sicher ist die Überlieferung hier überall in Ordnung, da sich außer 0.237 und Tr. 35069 kein groz durch michel ersetzen läßt.') Als sehr charakteristisch für diese Verwendung von michel und gröz sind mir u. a. aufgefallen Tr. 12956 si trihen gröseri nn- gefiioc Tr. 21884 e.~ Kcere ein michel wigefttoc (ebenso Part. 1794 Part. 6242).

Im einzelnen mache ich zu Schröders und zu meinen vor- schlagen in den Beiträgen 37, 213 ff. noch folgende nachtrage: V. 66 habe ich vorgezogen zu schreiben si zieret wicret (statt Grimms stiurct tiioet; die beiden worte reimen schon v. 26) nach L. 18,1 milic zieret edcln muot und den reimen AI. 899 f., Turn. 605 f. v. 1446 mit Umstellung und zufügung von -cn: der unyedunket niht enlät, weil stets so betont 378 ff. 496 ff. 3430 ff. 5924 ff. (derselbe versschluß Tr. 8917). v. 1940 und gienc er (druck gmig und, Haupt gar und, Jos. gnuogc) gar venvildet, vgl. 2180. 3450 ff. v. 2057 alsam ein eigenlicher

') Schröder ist allerdings im irrtum, wenn er (s. 21) meint, nur in vier füllen (SOG. 1073. 1914. 2541) könnte im Silv. für überliefertes (jydze auch michel eingesetzt werden. Zunäcbst ist es in v. 306 nicht angängig, weil im folgenden vers michel steht, griize also hier wegen des wechseis gerade erfordert wird ; aber möglich wäre es noch 395. G14. 3669. Es bleiben also immer noch sechs fälle für tilgbares gröze übrig, bei der guten Überlieferung des Silv. doch eine beträchtliche zahl, die darauf scblielien lälit, daß Konrad wohl nicht consequent in der Verwendung von michel und grö: verfahren ist.

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. 509

(dr. iegeliclier, Sclir. tegelklier) nach Tr. 2748 f. v.2370: das auch von Sehr, eingeschobene frmnt ^Yird besonders bestätigt durch 5904, steht in der anrede außer 2375 noch 2554. \. 2488 hält Sehr, wie in v. 2310 gar haJde für verdächtig, offenbar weil halde hier fast temporale bedeutung hat [es unterscheidet sich kaum von der bedeutung, die es hat 1193. 1349. 1800. 4806. 48401; Konrad gebraucht halde wirklich = schiere, vgl. z. b. Schw. 283 schier unde halde, 1286 er fuorfc in halde üf sine vart (ähnlich 246 f.) offenbar nicht anders als 1281 tvan er Ute schiere dan (vgl. noch Wolf f z. H.B. 234); daß also E. 2310 halde etwa durch schiere ersetzt werden müßte, ist schon deshalb kaum anzunehmen, weil dann nicht einzu- sehen wäre, warum im druck nicht öfter holde für schiere eingesetzt ist. v. 2519 f. vermag ich Sehr, nicht zuzustimmen {diu gäheji oucli den seihen schin der nidcn an dem schilte sttiont), weil ich glaube, daß der waffenrock des ritters Benivel zweifarbig ist wie sein schild; vgl. die Schilderung von Engel- hards waffenrock 2530 ff. (vgl. auch Turn. 338 ff.). v. 2573 ist an der lesart des druckes gmwc nnde vil festzuhalten (Sehr, wollte vil Wide gnuoc), wie es auch 5341 im reime (!) heißt; daß gnuoc im auftact, also ohne ton steht, daran ist kein an- stoß zu nehmen, vgl. Pant. 1518 du woltest niht gnuoc hän da mite. V. 2647 ist es unnötig statt des überlieferten uz dem heiligen imradis mit Sehr, nach einigen stellen des Silv. üz dem fronen paradls zu lesen; an der betonung ist kein anstoß zu nehmen, vgl. z. b. Silv. 543. 1438. Part. 1170. 9551. v. 2940 ja ivil ich (dr. ich teil ohne ja) nach 6160 (auch 6074). V. 2972 daz gar liutsceleclichen schein nach Tr. 6016. 19987 (vgl. zu den Beitr. 37, 229 z. v. 1855 citierten stellen noch Tr. 692 f.; luterlichen, das der druck bietet, wird fast nur von abstracten gesagt), danach auch mit der Wortstellung des druckes 5157 liutsceleclich ivas (die neigung zur suffixhäufung in den adjectivbildungen hat Konrad seit dem Engelhard, vgl. Laudan, Die Chronologie der werke des Konrad von Würzburg s. 60). V. 3144 wollte Sehr, das sicher des druckes durch henamen ersetzen, was sonst nie der fall ist; vielmehr erscheint mir nach v. 3467 ff. die stelle mit Sicherheit gelautet zu haben fva^id in ir sinne Iclehete din zuchersüeze minne. v. 4184 f. halte ich am druck fest daz ich die sehs woclten da hclihc und

510 GEREKE

(Sehr, un^) ich geriuive, vgl. 1180 ff. (vgl. C. Kraus. Die mittel- hochdeutsclie conjunction tinde Zs. fda. 44, 149 ff.). v. 4694 erscheint mir dran in der Senkung nicht mehr bedenklich, vgl. 206. 2687. v. 4882: meine besserung dieses verses wird noch gesichert durch Schwanr. 1016 f. Tr. 30751; zum plus- quamperfectum vgl. 5494. v. 5081 vermutet Sehr., daß es statt der Idincc reine heißen müsse der h'inec Fruote: vgl. aber 3474. 4976. 5005, besonders 3688. v. 5260 ist nach 5770 gebessert ivtp, friunde, mäge, dienestman mit auftact (Schröder ohne ?t'l/;). v. 5563 in der vil heizen senden gluot (druck siimiengluot); sendiu not, sivcere, Jclage u. a. ist sehr häufig (z.b. 1742. 1796. 1945. 2039. 2192. 2238). v. 5849 ist mit dem druck an arzenie (Sehr, arzät ie) festzuhalten, denn Diet- rich antwortet 5869 hcct arzenie iht für getragen mich. V. 6370: an dem adverb. snelle, für das Sehr. drCde schreiben wollte, ist kein anstoß zu nehmen; es steht 4546, Pant. 1693 und Tr. 32873 im reim (Sehr, vermißt drdte im Engelhard im versinnern es steht 2836 , es findet sieh jedoch im Pant. nur im reim 461. 503. 657. 1031).

3. Den selireiber der handsehrift des Schwanritters hält Schröder mit Grimm zweifellos mit recht für einen besseren seiner zeit und weist nach, daß er jedenfalls mit beAVußter absieht den text nicht ändert. Aus Unaufmerksam- keit — der Schreiber hielt nur den wortklang fest erklärt Sehr, die Verderbnis des verses 874 und ivas sin Icopf gar tiurc gehriien. Weil Sehr, in der Wiederherstellung Haupts und ivas sin covertiure gehriten eine für die abfassungszeit des Schwanritters unmögliche ' verschleif ung von wort zu Avort' findet, schlägt er vor sin covertiure was gehriten. Aber soweit wich der Schreiber gar nicht vom texte ab, der jedenfalls ge- lautet hat und ivas sin covertiure gehriten: 1. ist diese inversion nach und im stile Konrads (vgl. nur 878. 885), 2. reimt Konrad in seiner späteren zeit unbedenklich covertiur : fiur (Tr. 30033 f. 334391); : Sornagiur (Part. 5201) wie auch dventiur : fiur (Tr. 28579 f. 37109 f.) u.a. (vgl. Laudan, Die Chronologie u.s.w. s.l26); daher kann v. 199 sehr wohl, wie Roth sehreibt, lauten noch dventiur geruochten (vgl. Otte 50 [P] nii ivas durch dventiur gesant). Ich glaube auch, daß man v. 32 ff. dem Schreiber mehr trauen darf; es ist nicht nötig in v. 35 mit Sehr, hcrre

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. 511

statt fürsfe einzusetzen, sondern man kann der lis. folgen, wenn man fürsten in v. 32 als überflüssigen zusatz ansieht: gein deme si enhinden (jnrlingen noch gestriten (vgl. Eotlis an- merkung), da von ir zallen stten der furste vil zc leide tele.

Im übrigen aber bin ich unbedingt der ansieht, daß man in der beseitigiing auftactloser verse im Schwanritter viel weiter gehen muß als Roth; gerade wenn, wie Schröder zeigt, der Schreiber nicht wort für wort abgeschrieben hat, sondern gleich ganze verse niederschrieb, die er sich durch überlesen einprägte, konnte ihm Verlust von solchen kleinen Wörtern, wie Partikeln, Vorsilben u. a., die oft den auftact bewirken, leicht passieren.

Als auftactlos anzuerkennen sind zunächst zahlreiche verse, die (durch enjambement) mit dem vorhergehenden eng ver- bunden sind, sei es nun daß zwei zusammengehörige worte durch den versausgang getrennt sind (a), sei es daß das verbum finitum (b) oder ein präpositioneller ausdruck (c) oder ein nomen oder adverbium (d) den zweiten vers einleitet.

a) Auftactlose verse: 115. 721; 145. 213. 766. 843. 1097; 580, 1315. Auftact ist einzuführen: 12381 sivk vaste ir angest bitter {da) ivürde und ir hesivcerde (vgl. Pant. 1572 f. durch das shi angest sterker da würde und al sin arbeit), möglicherweise, wenn auch nicht gerade nötig, 466 f. gevangen noch gebunden {en)was der helt des mäles niht.

b) Auftactlose verse, jedoch leicht mit auftact zu versehen: 188 f. die bi dem Minege reine {dö) tvären i\f dem tviten sal, 276 ff. von fleische noch von beine {en)tvart ein leint als üz- erhorn in Brabanden nie geborn. Einführung des artikels, der ein vorhergehendes Substantiv wieder aufnimmt, hat Roth mit recht zur Wiederherstellung des auftactes in den an- merkungen vorgeschlagen bei 133. 137. 261. 951; v. 460 ff. hat Haupt, Zs. fda. 15, 253 gebessert. Ferner ist zu lesen 740 f. der von dem sivanen in daz lant {her) tvas gefüeret unde bräht (nach 177. 798. 806). Auftactlos sind 1067 und 1130 (in die directe rede eingeschoben: sprach . . . ).

c) Auftactlose verse: 5. 295. 617 (parallelismus der glieder); 20. 67. 363. 8151); 87 {von in beiden muß gegen Sehr, bei-

') Schröder liiilt die verse 814 f. für verderbt. Aber wenn man Tr.

512 GEREKE

behalten werden nach 757. E. 974. 3293 ii. a.). 873. 901. 955; 513; 646; 757; 153. 927; 853; 278. 829; 407. Auftact ist Aviederherzustellen 51 und 151 (nach Schrödei" mit [al) der hovediete und mit mir {al)zuo des mcrcs stadc), 233 mit im {von) danncn iif das 1ms {von ist gegen Eoth nach 249 bei- zubehalten), 701 mit {al)sö höher fugende iccr, 907 von ziveier (Eoth sivein) rarivc siüeken = Turn. 399 nach Bartsch (vgl. T. 339. 304. Tr. 3750), 925 (nach Eoth {<f der plante hären), 937 (nach Sehr, {(f der pJänw griiene), 1054 (nach Sehr, von dem (vil) herten hinsehe).

d) Auftactlose verse: 215. 52G. 543. 725; 219. 259. Mit auftact sind zu lesen: 550 mich nzer (hs. üz) mtnem rehie ivegcn (nach E. 179), 787 wahrscheinlich zu betonen min dltveter (Schröder, Zs. fda. 44, 222 liest alte veter) hdnt vertan, von Eoth bereits geändert 565, 889 (gesuinde, bei Konrad an sich un- gleich häufiger als sn-inde, wird zu beginn des verses zweifellos bevorzugt, vgl. z. b. 0.261. 277. Part. 5297. 8967. 20431, Tr. 6901. 9905), 981, 1203.

nnd steht betont am eingang folgender verse: 85 (mög- lich ist und {ouch) ir iohter nach 415 und 1052; aber vgl. Pant. 1858 f.). 217. 375. 759 (wohl mit hs. und ze Immpfe, vgl. 589. 664. 785). 983. 1017. 1153. 1303 (darf mit Sehr, al ein- geschoben werden, obAvohl es im vorhergehenden verse, außer- dem V. 1299, steht?). Zu ändern sind: 197 und {al)sö hreit (nach Eoth), 973 und ir {vil) ellcnthaftcr sin (vgl. E. 4127), 1138 und hergent {ir vor) mir iedoeh {hergen wird fast nur mit vor verbunden, z. b. 0. 522 f. Pant. 164. AI. 374. Part. 11379), 1213 imd {ieh) iuch trürec müeste sehen (Eoth). unde darf niemals den ersten tact füllen; deshalb ist zu lesen 1113 und sprächen beide {sament) (vgl. E. 987. 1645. Tr. 33803. Silv. 1452. E. 680. 783. 4117; der vers braucht also durchaus nicht mit dem folgenden, wie Schröder will, als unecht an- gesehen zu werden).

Die conjunction daz steht im Schwanritter 83 mal im auf- tact, und wenn man mit Schröder 490 daz man iu ^hie) ge- rihtes scldn . . . tuot, mit Eoth 992 daz man {en)tveder c noch

4620 f. 18928 f. verglciclit, wird luaii doch wohl keiuen aiistoß an ihnen nelnnen. 815 ist iibrigens walivsclieinlioli zu lesen mit änziihic)) imccr Jq).

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. 513

sU und ferner 793 claz ich {hie) stntes welle cnhern (vgl. 824 und 826) liest, bleibt ohne auftact nur übrig der einzige vers 42 das der Minec Karle da. Tritt ein nuancierendes bei- wort hinzu, so trägt das als zweites wort den ton, so daß der vers auftact hat (so z. b. so ddz 4 mal, das 1 mal, e das 3 mal, sit das 6 mal, durch das 4 mal, ivan das 3 mal); demnach muß gelesen werden 660 durch das ir {dö) geholfen hete (nach 666; wenn der vers, der unten auf der seite nach- getragen ist, überhaupt richtig ist, vgl. E. 4674), 431 ivan das uns {hie das) reht geschehe (nach 478. 510; Roth schrieb {unser) reht).

Andere conjunctionen stehen immer im auftact, z. b. oh 7 mal, Sit 7 mal, c 1 mal, wan 15 mal. Eine ausnähme machen folgende mit tvan eingeleitete verse: 590. 1022. 1281; zu ändern sind 831 durch einschiebung von das (Roth), 194 ivan {cht) die fromven ungemuot (besser als ivan dise, was Schröder daneben vorschlug, vgl. Silv. 3375. Pant. 749. Tr. 15454. 15966. 28166. Part. 6548. 12685. 19849), 1005 ivan si {dö) vähten umh das leben {dö hat die hs. fälschlich im vorhergehenden verse). Ferner ist zu lesen 48 als{am) (oder reht als) noch hinte und alle tage, 665 {nü) als ir tohter das ersach (nach 0. 427. E. 3566; Roth wollte {und) als, was auch möglich wäre, vgl. 144).

Von relativsätzen finde ich nur drei sicher ohne auftact (173. 349. 622), dazu w^ahrscheinlich noch 348 ff. das von mines herren hant . . . uns offenlich gemachet tvart (die hs. schiebt uns hinter das ein, Roth streicht es \oy offenlich; vielleicht ist hinter das einzuschieben); 485 und 656 hat Roth gebessert (bei 656 bin ich zweifelhaft, ob nicht die lesart der hs. das nach der nariuige sin doch richtig ist; narunge steht ebenso betont Part. 18247, vgl. auch E. 5265), 585 muß wahrscheinlich mit Schröder gelesen werden das da Brähanden heiset, 547 lautet jedenfalls mit hs. das iife mich gevallen ist (st. tif, vgl. E. 1417. 5376), 1283 f. der in {e) hete gar gesogen, der harn {sit) aber (oder besser vielleicht da) geflogen (nach 1288 f.). Ich schlage weiter vor 1301 {sich) von in der herre schiet (nach 1234; vgl. E. 432. 440) und halte an Roths besserungen fest 380 da von {so) heise ich wie auch 425 da von {so) mügen wir niht urlogen (Schröder stellt um du von wir milgen niht

514 GEREKE

nrlogen [was ja möglich ist. vg-l. v. 474]; er scheint mir aber zu ängstlich zu sein in der Zulassung der 'verschleifung von wort zu wort', die doch, wenn die erste silbe einen kurzen vocal enthält, nicht bedenklich ist und auch gar nicht ohne gewaltsamkeiten überall beseitigt werden kanni)). Die ver- allgemeinernden relativsätze haben sämtlich auftact; v. 60 ist im engen anschluß an hs. mit Umstellung zu lesen su-er hcete vor im iht ze Idagen (Roth siver vor im iht tcolde Mayen, Sehr. stver vor im luvt iht se Idayen).

Es bleiben nun noch wenige auftactlose verse übrig: 76 yräven unde ouch dienestman (parallelismus der glieder); 613 froiiwe, ir hänt yehoßret tvol, 1129 hcrre, ich mac icol trürec sin (anrede!), 1210 hat Roth geändert herr, ich {en) wände niht daz ir; 628 nein, sprach er, ich hun den sin, 1274 ah zöch er sin (nicht ein, vgl. \Vig,692) rieh yeivant ('rhetorischer accent'!). Zu billigen sind Roths Wiederherstellungen des auftactes z. 246. 336 {{seht) oder alsiis), 272 stuont {eht} aber {üf) iesä (außer den von R. in der anm. citierten stellen vgl. noch Silv. 1319. Turn. 904. 1006. Tr. 8848. 20888. 27589. 32762. 33590. Part. 3622. 7210. 7304; möglich wäre auch {seht) stuont aber {■üf) iesä), 58 er bat \dä) künden unde hiez; Joseph (z. E. 366) wird man folgen 39 des iet er {ir) vil unde gnuoc (so schon Sprenger, Germ. 21, 419). Endlich ist zu lesen 272 stuont er üf {zehant) und sprach (nach 739; danach auch Part. 1 1568 der stuont üf {zehant) und sprach, 5488 daz huob er üf {zehant) und sluoc\ auch geswinde läßt sich ergänzen nach Tr. 18647), 556 tvell icman {stritcs) mich bestän (nach 419, Tr. 12458, vgl. auch 601).

So bleiben nach meiner Zählung nur 58 auftactlose verse übrig, d. h. 4,2 procent, und damit würde sich der Schwanritter vortrefflich in die zeit des Trojanerkrieges und des Turniers einreihen, für die Laudan 5 bezw. 4,2 proc. berechnet.

Ich lasse nunmehr noch einige andere vorschlage für textes- äuderungen folgen, die ich für notwendig erachte. v. 104: gegen Schröders Vermutung fouyenbwre statt tugentbcere si)richt.

') Im Scbwainitter bleiben folgende verscbleifuugeu besteben: 584. 708. 1168. 1219 und, wenn man nicht etwa die form leime schreiben will, 89. 105. 2G0. 47G.

zu KONRAD VON WÜRZBURG. III. SIT)

daß dieses wort bei Konrad nicht vorkommt. v. 118 lautet nach der hs. dar über ein skalier ums hcldeit; hcJdeit ist nicht beleg-t, ich vermute dar üf ein sp. tvas gespreit (so schon Haupt Zs. fda. 15, 253, oder hespreii), vgl. Tr. 22784 dar üf ein purpur was gespreit, ferner Tr. 32632. 39226. 39820 (das verbum spreiten kommt häufig erst in Konrads letzten werken vor, noch Tr. 11630. 14797. 20265. 38697, Part. 15001, das participium in der form gespreitet 0. 460, Tr. 17563 [hh. ace]. 30356 [über si gespr.]. 37765, Part. 18779, bespreitet Tr. 29006, überspreit T. 517, Tr. 31679 [vielleicht G.S. 1925], überspreitet T\\2^^1h). V. 293 1. und angestlichcn smerzen (hs. angesckriben, Roth angest- bceren; Haupt, Zs. fda. 15,253 wollte im anschluß an Hartmann A.H. 1400 ungeschribcn, was nach meiner meinung- in diesem Zusammenhang kaum verständlich ist). v. 286 1. mit Umstel- lung und der sehr beliebten Inversion und tcas hermin das underjsoc (gegen Roths und Schröders lesart spricht, daß betont wird hermin, vgl. Seh. 913. E. 3102. T. 405. Tr. 25490. 31527. 31669. 32739). v. 306 ist gegen Schröder (rechet) an hs. fest- zuhalten rihtet nach Kl. 18, 7 so rihte du diz herzeleit. v. 322 1. des (so schon Bartsch st. daz) tvil mit frevelicher hant ver- stoßen uns (nach Tr. 20062 f.). -- v. 408 sagt der Sachsen- herzog den hiec, den ich geleisten mac, den muoz er immer liden, und die herzogin antwortet 414 ze kriege ivcere ich iu ze sivach. Das kann nicht richtig sein, h-iee bedeutet im Schwanritter und bei Konrad überhaupt immer ganz allgemein 'zwist', 'streit', insbesondere 'rechtsstreit', niemals 'waffen- kampf, im gegensatz zu strit, das durchaus gleichbedeutend mit kämpf ist. Das wird am deutlichsten aus stellen wie Tr. 1272 f. die si mit h'iege so vencar daz si ze strite hlmen und 1282 f. tind einen hiec da machte, von dem sich hüebe ein michel strit. Dazu stimmen die bezeichnungen im Schwanritter: hriec steht so 2. 523. 551. 555. 569. 579 {daz dirre hiec gescheiden tverde von uns beiden, also daz ivir hie striten). 589 [daz sich der hiec ze kämpfe zöch). 625. 1221, strit und kämpf 7. 419. 554. 556. 558. 589. 630. 637. 664. 749. 758 f. 764. 785. 793 f. 824. 835. 849. 868. 896; nur einmal steht zweifellos strit = Jcriec: 534 gescheiden iuwer beider strit, wie es Konrad früher öfter gebraucht (vgl. Silv. 716 f. 2728 f.). An den oben ge- nannten stellen kann aber nach dem Zusammenhang nur von

516 GEREKE

waffeukampf die rede sein; einen h-iec hat die herzogin ja mit dem Sachsen sie kann also nicht sagen ze h-iege wcere ich iu ze sivach , aber für die waffenentscheidung ist sie zu schwach, daher 419 hestüenden tvir iiich strites und 422 f. (von Koth mit recht geändert) daz in getörste widerstän mit ur- liug unser zweier Up. Mir ist nicht zweifelhaft, daß 408 und 414 Immpf eingesetzt werden muß (in abwechslung mit strit V. 419; vgl. Tiampf leisten Parz. 350, 9. 684,23, strit leisten Iwein 522). Setzt also hier die hs. hriec für kämpf, so ge- schieht V. 614 das umgekehrte; ich lese daz dirre Jcriec ge- sclieiden sol mit strite werden Jiiute (vgl. besonders 523. 554 f. 579 ff. 589. 624 f. und die beiden oben genannten stellen aus Tr.; Schröder wollte einfach hampf und strit in den beiden versen vertauschen, aber strit kommt wie gesagt nur einmal = h-iec vor [534] und wird hier schwerlich geradezu als gegensatz zu hampf gesetzt sein). Nicht nötig erscheint jeden- falls, V. 586 das hsl. Icrivye, das hier durchaus am platze ist, durch strite zu ersetzen, wie Roth in der anmerkung vor- schlägt. — V. 521 1. dem {herzog) iizer Sahsen laut (nach 3. 71. 351. 777; Roth wollte dem {ficrsfeti), aber außer 897 findet sich [17. 536] nur die bezeichnung der fürste rieh von Sahsen).

V. 634 f. muß lauten der ivizze, duz ich nimmer ahe mich stöze von dem dinge, d.h. 'daß ich niemals auf das land ver- zichte' (hs. ich stozzen yme d., Roth nach (irimm daz gesta'ze im dinge [gestoeze kommt Tr. 40061 in der bedeutung 'hand- gemenge vor']; vgl. g. Gerh. 6144 er sticz von mtncm lande sich, vgl. auch Schw. 322 f.). v. 640 1. mit hs. als noch die iviscn alle tuont (vgl. Tr. 1318. 14936. T. 183 hs. und Roths anmerkung).

V.676 ist zu lesen nieman ivolte enhinden si uz ir strengem Ungemach (vgl. E. 3612 f. 4472 f. 4050 f. 49801 52921 55141 58821 5901. 6127. 6194. Silv. 4061 Part. 6577. 14751. Tr. 783 u.a.); Sprenger, Germ. 21, 419 wollte das umbe der hs. retten und liest daher si nieman enhinden ivolt umbe ir strengez ungcmach. v. 780 1 ist an hs. festzuhalten her gast, daz ir min ungemach {so) gewaltcclichen duldet, wozu paßt 784. 789, vgl. auch 1065. v. 949 ziehe ich gegen Schröder vor mit Haupt zu lesen den Immpf {vil) gerne schoiiwen da, obgleich auch gegen Roths lesart den Je. gerne seh. da (engerer an- schluß an hs.I) sich nichts einwenden läßt; jedenfalls kommt

zu KONRAD VON WL'HZBURG. III. 517

es dem könig auf die beöLaclitmig des kampfes, nicht der Streiter an. v. 955 ist an lis. festzulialten von der snellen rosse louf (E. hat durcli, bietet aber in der anm. selbst mehrere beispiele für von, dazn L. 7, 29). v. 960 ist besser als (statt sam) oh si tvceren flücJce (vgl. besonders Tr. 39979). v. 977 muß es nach den von R. selbst angeführten stellen Ü3 (statt von) dem satcle heißen. v. 1079 f. wahrscheinlich er liet üf einen slac gcdent mit alle (vgl. 0. 9. Part. 3619. 9334. 11217. 21483. T. 597, meist allerdings hetalle; Roth schreibt wie hs. mit alles) sines herzen kraß (denen findet sich intrans., so viel ich sehe, nur Tr. 216). v. 1118 1. mit hs. hat erlöst (Roths tuot ist unnötig, vgl. 0. 618). v. 1126 richtiger nach dem sinn waz (hs. daz) iu ivon ungemüetes (hs. von ungemudez) M; denn daß sie knmmer hat. weiß er, er fragt 1124 icaz iv irret iu? (vgl. übrigens Part. 12021). v. 1140 1. wie 798 in des (st. dis) landes rinc. v. 1289 erscheint Rotlis besserung daz tvart in tragend (hs. tragen) aber sit trotz Part. 752 (wo also wahrscheinlich zu ändern ist) und Tr. 22204 f. (wo Keller geändert hat) gesichert u.a. durch Silv. 2763 f. 3514 f. 3554 f. 4530 f. 5061 f. 5068 f. Pant. 547. 670. 781. 1168. AI. 1340 f. K 6378 f. Part. 13261 f. Tr.4573. 18505. 18590. 18962. 25505 f.; mit unrecht aber verweist Sprenger, Zs. dfa. 36, 161 zur rettung der hsl. lesart auf Tr. 4191 {er tvart üf springen niht ze las), denn diese stelle ist ganz anders zu verstehen ("er wurde auf das springen nicht zu träge'). v. 1308 ist an der hsl. lesart festzuhalten noch harn her icider (Roths änderung er wider erscheint unnötig; vgl. v. 245) nimmer sit ze Jdnde noch ze tvibe. v. 1334 stelle ich zur ausfüllung der lücke in der hs. zur erwägung durch siniu starlen lide (nach P]. 5734) oder vielleicht besser durch stner hende lide (nach Pant. 1257).

Daß der Schwanritter eine der letzten dichtungen Konrads ist, steht jetzt hinreichend fest. Schröder spricht die Vermutung aus, er sei vielleicht ähnlich wie der zweifellos noch jüngere Turnei als gj'mnastische erholung in einer allerdings früheren pause der beschäftigung mit dem Trojanerkrieg entstanden; der von Laudan stammende ausdruck 'gymnastische erholung' würde ja freilich wegen des anders gearteten stoft'es besser auf den Schwanritter als auf den Turnei passen. Für die sehr späte entstehungszeit des Schwanritters scheinen mir nun

Beitrüge zur gescliichte der deutschen spräche. XXXVllI. 3^

518 GEREKE

noch gewisse walirnelimuug-en zu sprechen, die auf eine all- mählicli eintretende erlahmuug- der dichterischen kraft Konrads schließen lassen. Mir ist es im Schwanritter wie im Turnei und in manchen partien des Trojanerkrieges aufgefallen, daß die doch sonst in Konrads besten werken zu beobachtende 'neigung, in ausdruck und Wortwahl abzuwechseln' (Schröder s, 37), abzunehmen scheint. Diesen mangel durchweg auf nachlässigkeit der Schreiber zuiückzuführen, ist bei der fülle der beispiele nicht angängig. Es handelt sich dabei durchaus nicht nur, wenn ich so sagen darf, um 'technische' ausdrücke in kämpf- und turnierschilierungen oder dergleichen, wo etwa andere Wörter zur abwechsluug nicht zu geböte standen. Im Schwanritter wiederholen sich z. b. die verse 671—675 wört- lich 1191 1195 und fast genau so 733—735, der reim zudem noch 767 f., v. 132 = 160, v. 765 f. vgl. mit v. 1093, v. 798 f. mit V. 1140 f., V. 45 f. mit 269 f., v. 72 mit v. 266; ferner finde ich gerihtc 62. 69. 81, suoclite 69 suochten 73, Magen 83 geldcKjtt 86, icitndcr 101 wtmderlich 103, fuorte 133. 138, dort her dein 108. 137. 153, ivildc 178. 185, tvurden 226. 229, zehant (im reim!) 226. 230. mit im von danncn 233. 249, halde II f sine vart 247. 1286, ritterlichen 256. 259, gerihie 262. 267 rihten 269, vcrtrlhen 338. 341, gcivaltec 359. 369. 385. 393. 406. 418, hnmpf 408. 414, urliuge 423 urlogen 425, frte haut 445. 459, dannoch 459. 470, hie 478. 480, rnochen 495. 504, schedelicher 525 schade 526, hriec 551. 555. 569. 579. 586. 589. 614. 625, Icampf 554. 558. 578. 589. 605. 620. 637. 641, leide 644. 647, diu schoene 645. 674. 678, ze helfe komen 683. 703, stuont T61. 739, schirmen 764. 777, in des landes rinc 798. 1140, enthalten slnem druclcc 851. 859, lühte 878. 881, hlanc 873. 880. 884, zctal 963. 969, slac gemezzen 1025. 1085, spielt enzivei 1028. 1042, zins 1095. 1100, vil sere Uli. 1177. Andere Wiederholungen kommen allerdings, wie sich aus dem Inhalt oder aus bestimmten kriterien ergibt, auf das conto des Schreibers, ja man wird auch von den angeführten wohl noch einige ihm zuzurechnen geneigt sein.^ Aber an der

») So möchte ich glaulien, daß mindestens in einem der 3 verse 873. 830. 884 hlanc getilgt werden muß; mau kanu lesen 873 ro» /te/m/zie msc/t (/esniten (vgl. Tr. 32738 f.) oder 880 but einen Helden glänzen schhi (vgl. Schw. 924. T. 41ü).

zu KONRAD VON WÜRZBURG. IV. 519

tatsaclie, daß liier doch ein nachlassen der soigfalt des dichters zu erkennen ist, kann man nicht vorbei, zumal da sich wie gesagt ähnliche beobachtungen am Turnei, der seinerseits ja in manchen partien mit dem Schwanritter wörtlich überein- stimmt, diese doch also nur aus bequemlichkeit daraus ent- nommen haben kann, und am Trojanerkrieg machen lassen. Mau muß jedenfalls mit dieser schwäche rechnen, und ich glaube daher, daß Bartsch im Turnei öfter mit unrecht von der hsl. lesart abgewichen ist, um solche Wiederholungen zu beseitigen. ')

IT. Zum text des Alexius imd des Pantaleon. 1.

Schon Schröder hat in seiner besprechung von Henczynskis ausgäbe des Alexius (Anz. fda. 25, 369 f.) darauf hingewiesen, daß die einseitige bevorzugung der hs. A vor JS durch nichts gerechtfertigt ist. Dann hat besonders Janson^) dieses urteil bestätigt und einen Stammbaum der hh. aufgestellt, der trotz Henczj-nski die nähere Verwandtschaft von J und S gegenüber A mit recht festlegt; 3) er zeigt u. a., daß J sich viermal gegen A in Übereinstimmung mit der von Konrad sehr getreu be- nutzten lateinischen quelle befindet (v. 373. 776. 897. 988 f.). Ich hoffe im folgenden weitere überzeugende beitrage hierzu zu bringen und damit mehrfach Haupts text zu stützen.

V. 43 ist allerdings gegen Schrödei-, der für J eintritt (da^ ich iu sage von einem man), wegen der nahen Übereinstimmung mit Silv. 32 f. an A festzuhalten da;? ich gesage von einem man. V. 52 lies mit auftact tvie der {vil) lausche jungelinc nach V. 754. V. 81 lautet mit JS des er U den eifen wielt (A da hi der Site). v. 91 ist vielleicht J üf milteti und iif reinen (A höhen) muot vorzuziehen, worauf auch die lesart von S in der folgenden zeile hinweist; die gattin Agleis, die selbst nach

') Schon Spreuger bemerkte Zs. fda. 36, 157 zn Tum. 520, daß Kourad wiederholuugeu durchaus nicht meidet.

2) Studien über die legeudeudichtungen Kourads von Würzburg. Diss. Marburg 1902.

3) Daraus folgt, daß mau in der regel da, wo A mit einer der beiden hli., J oder S, gegeu die andere steht, die richtige lesart vor sich hat.

3i*

520 GEREKE

94 ff. ir tage . . . versliszen liet in ganzer reinelceit, wände ir licrze ivas geleit an got vil harte sere, fördert die eig-enscliaften ihres mannes, von dem es heißt, daß sin liüs er miltecliclic hielt (82) und die ivären gotes minne truoc sin tugentricher lip (80 f.).

V. 100 ist die lesart von JS wegen der allein richtigen betonung iedöch nötig: iedoch het in daz (fehlt in A) vröude erivcrt, daz si ivären äne leint. v. 153 und v. 167 1. mit JS üzer mäzen (A iizer mäze). v. 128 möchte ich lesen er tvas (S) ein scelic jiingelinc und v. 138 er tvas (J; S fehlt) ein sj^iegel richer tugent in anlehnung an Silv. 110. 115 und Pant. 122 (Part. 11500 f.); überall mit A tvart zu schreiben ist unberech- tigt, weil es hier gar nicht darauf ankommt zu sagen, da(5 er erst so wurde, vgl. v. 137. 146. 148. 156 f. (die auch sonst nicht seltene vertauschung von was und ivart ist in unseren lih. ebenfalls häufig, vgl. 948. 1147. 1329. 1338. 1359). v. 187 1. mit auftact hiez in {dö) tninneclichen gän nach v. 301. V. 192 1. ganc nnde schomve, ebenso v. 496 ganc nnde heiz. V. 207 mit JS gehläemet ivol (A gar) mit eren saz, gar steht erst V. 204; vgl. dazu Tr. 1700. 37978 (so Haupt!). v. 261 mit auftact nach A daz er hin (fehlt JS) kerte zeiner stift, vgl. E. 4476. V. 262 lautet riclitig nach JS diu ist (A ivirf) geheizen an der sehr iß, vgl. G.S. 1087. v. 268 ist wohl trotz Schröder an AS festzuhalten gar itel arges (J karges) listes; die Wendung an argen list ist Konrad geläufig: Silv. 4438. Part. 3132. v. 270 hat S richtig ouch stuont ein nmnster vil (st. wol, fehlt in AJ) geslahl, denn an der Wiederholung von vil V. 271 und 273 ist kein anstoß zu nehmen; unter 14 von Wolff zu H.B. 322 genannten beispielen lauten nur 3 ivol gcslaht, 11 vil geslaht (ivol ist sonst in S richtig überliefert).

V. 278 sucht Schröder wohl mit unrecht die lesarten von J und S zu retten; für die richtigkeit von A qndte spricht Silv. 1289 f. (vgl. auch Part. 749. 20222; qiieln ist bei Konrad häufig); in V. 419 und 420 weist bc4demal das hielt von S auf das richtige quelle von A (so hat J auch 419) liin. v. 286 bietet S das richtige (J ist verderbt) daz gap enicec der siieze dar (vgl. 393. 420), die lesart von A guote ist nur wiederliolung desselben Wortes aus dem vorliergehenden verse; ebenso muß es mit JS v. 700 heißen man schalt den süezen (Haupt!), auch hier steht guote in der nachbarschaft v. 704. v. 299 1.

zu KONRAÜ VON WÜRZBURG. IV. 521

mit JS (Haupt!) durch sine leiden (A leide) liinevurt, wie auch die lis. Silv. 1370 hat, also so auch v. 1141 (wo auch J leide hat, S fehlt) und Tr. 9443 (gegen die hh. Aabde, vgl. Tr. 38339 die leiden gift). v. 308 f. lauten des (AS, do J) gäbens im ze siinre (.1, Haupt; ir siiurc A) ir ahnuosen zeliemt, vgl. E. 2469 f. V. 390 f. haben alle hh. ich muoz vil strengen smerzcii Helen unz ich hosre jehen, im Pant. hat in den ähnlichen versen 1860 f. der zweite auftact die muosten angesthceren pin da liden vil gemeine; doch ist es zweifelhaft, ob Konrad im Alexius auch schon so geschrieben hat, obwohl z. b. v. 4941, wie v. 450f. beweisen, nach JS lauten müssen der aller ncehest U der tür da (fehlt in A, steht in .TS nach sitzet) sitzet, nu (fehlt JS) sieh, daz ist er (dagegen lautet v. 493 [)mn] sin ivar her wieler [Haupt! her fehlt in JS, A hat nu] unde für). v. 530 1. mit 8 nu daz tr saz (A J lann) in einen Iciel nach v. 253; Icam kehrt schon V. 532 wieder. v. 533 lautet jedenfalls mit JS (Haupt!) der grorste der ie ivart hclmnt trotz Part. 13004; A hat fälsch- lich auch V. 1003 erlcant, wo es auch Henczynski verwirft (vgl. Silv. 1508. 3110. Part. 14737; dagegen Pant. 367 zur Ver- meidung der verchleifung tet mit rede erkant). v. 543 ist aus J und A zu combinieren (S fehlt) und des hegimde rehte ivarn, v. 544 duz er gen (JS, ze A) Bome ivas gevarn (Haupt, der nur J vor äugen hat, ändert); vgl. Part. 9004 imd do si hegundcn icarn, 16580 dar nach hegundc er denne ivarn. V. 549 ist wegen der betonung (auftact!) mit Haupt an J fest- zuhalten hillicher nu (fehlt AS) dann andersuar. v. 557 haben alle hh. ganz richtig daz alle mine vriunde sint, was durchaus dem sinn dei- stelle entspricht {alle ist subject, nunc vriunde prädicatsnomen!), wie es ja weiter heißt und ich Eufc- niänes leint ... hin\ weil JS hie vor sint einschalten, aus alle ein alhie zu machen geht schon wegen der dann erforderlichen betonung dlhie nicht an. v. 571 1. hegegcnt im eht (reht A, fehlt JS) üf der vart nach Part. 20381 hegegent im cht üf dem ivege (die hs. des Part, hat immer reht st. eht). v. 579 ist wegen des auftactes an der Wortstellung von J (Haupt!) fest- zuhalten dö in sin ouge hcete ersehen. v. 581 1. mit J {daz S, 60 Haupt, der vers fehlt in A) sprach er ivider in also. V. 586 1. mit A J (S fehlt) und hilf mir armen hilgerin. V. 646 1. mit JS (Haupt!) ein bette schöne {schiere A) machen

522 GEREKE

nach Y. 623. v. 674 ist wahrscheinlich im anschluß an AS zu lesen ah dem so (fehlt S) wart der gotes deyen {mit labe) alsus gefüoret hie (Henczj^nski hält sich mit Haupt an J ah dem der iverde gotes degen ivart alsus gefüoret hie); vgl. v. 706 der gotes Jcempfe, v. 714 der gotes ritter (beidemal ohne adjectiv- attribut!) und Silv. 1637, mit Iahe ergänze ich nach v. 1215 (vgl. V. 687, auch G.S. 1533). v. 719 lautet jedenfalls nach J (S fehlt) und er zir nie ein wort gesprach (Haupt streicht ohne grund ein). v. 743 vermute ich zur Vermeidung des hiatus dich neige und {dich) ein lütsel hiiic. v. 745 liest Haupt richtig mit J ze hrieve st. ze hrieven. v. 758 wird man mit JS lesen vil strengen und vil (fehlt A) swfcren pin, ebenso v. 880 gar seUsien und gar (fehlt A) n-ilde (so auch Haupt!), Henczynski bringt selbst in der anmerkung beispiele für die Wiederholung; v. 204 dagegen wird man vielleicht A vorziehen si was gar edel nnde vin. v. 771 1. mit S der im gehoten was aldä, an schimpf anzulehnen (Haupt ändert, weil J diu bietet, gehoten tvären dar). v. 772 1. das ivart he- scheidenlichen sd (JS da, Haupt gar); Hencz. schreibt mit A hescheidenliche cdsa, aber alsä ist bei Konrad nicht zu belegen, und deswegen müssen die reime v. 985 f. auch mit JS lauten : also (wie z. b. v. 581 f. 1005 f.). v. 795 vermute ich, um die nicht übliche betonung von ivol zu vermeiden und zu- gleich den auftact wiederherzustellen, wol \uf), her zuo mir alle, vgl. Schw. 158. v. 829 1. mit JS der mcere (Haupt!) 7vurden alle vro, A hat hier fälschlich den sing, des mwres, wie auch v. 937 dem mcere und v. 1079 diz iiiwrc (statt diu m(erc), offenbar weil der Schreiber die formen von JS für den sing. fem. hielt. v. 888 hat S richtig , wie auch Haupt schreibt mit den hurgcercn (J hurgen, A burgern) allen. V. 896 f. hat Jansen aus der vergleichung mit der lateinischen quelle die lesart von J als richtig erwiesen Eiif^miän sunder ttcdl mit sinen hiehten Ute vür. In den lesarten von AS sine knchte sante er rar ist schon die wiederaufnähme des subjects durch das allerdings leicht zu streichende pron. personale an dieser stelle verdächtig. Das umgekehrte, eine voranstellung des pron. personale, so daß das eigentliche substantivsubject als apposition folgt, kommt allerdings vor, vgl. Silv. 1491 f. 1637 f. Part. 5016 f. Turn. 244 f. und danach auch mit der hs.

zu KONRAD VON WÜRZBURG. IV. 523

62 f. {yiUche er die gewer tr, der h'/nic vil bescheiden) und 513 f. (^ogt er üf die pläniure, von Clcven der geJmire). Deshalb lese ich auch v. 244 f. der süeze und der getrimve ein teil (J, er A, fehlt S) sines giiotes nam (vgl. v. 710 ff.) und v. 644 f. der heileg und der guote man da inne (ohne er) sich (S) nider lies. v. 919 1. nach J mit Wiederherstellung des auf- tactes den ir da (fehlt A) stiochent. v. 946 haben JS (Haupt!) richtig das tuoch das (A!) Imol) er iif {im A) enbor, wie Part. 20758. Tr. 5911 beweisen. v. 951 die lesarten AJ ergeben ausfall der Senkung in dem ein lieht ist enzunt (S weist auf dieselbe lesart), Haupt schiebt da hinter dem ein; richtiger erscheint mir nach Pant. 256 zu lesen in dem ein lieht ist {scliöne) enzunt. v. 960 f. machen JS wahrschein- lich seht enmohtc er im in niht gebrechen lU der hende sin. V. 984 lese ich mit auslassung der Senkung vor tinde im anschluß an AJ die ivolten bricf unde schrift. v. 987 ver- mute ich swie {gar) wir sünder sin genant] gar fehlt in AJ, S hat dafür ivol, doch vgl. E. 1708. 3373. 3676. v. 1017 1. mit S hescheidenltche unz (fehlt A, der ganze vers fehlt J) üf ein ort; biz üf ein ort steht E. 5663. 5797. Part. 4410. 13951. Tr. 1764. V. 1022 ist der sg. zu setzen vil angestbceren (S) smerzen (auch J hat den sg., allerdings jcemerlichen). V. 1034 f. die lesart von JS (Haupt!) bi sime schcenen bartc rauft (reiz A) er sich (alle hh.!) selben (A, selber JS) wird bestätigt durch 0. 294 {und rouft in sere emvidcrstrit U [V!] sincm langen barte) und Part. 10451 (er roufte bi dem härc sich). V. 1039 muß lauten (vil) oder (.so) gar mit grözem jämer wiel, vgl. v. 825. 1255 (J hat so vaste, in S fehlt der vers). V. 1045 die Wortstellung von J weist auf Haupts lesart (auftact!) den ich hie töten fanden hän, vgl. v. 943. V. 1049 haben JS (Haupt!) richtig hin {gar A) ze gründe = Part. 3209. v. 1061 ist entweder zu lesen und ich {ge)ha'ren solle dich oder und {duz) ich hceren solle dich. v. 1064 wird die von Haupt festgehaltene lesart J und du {nu A, steht erst V. 1062) vor mtncn ougen Itst durch S bestätigt. v. 1086 wird die richtigkeit der lesart das netze brichet, auf die schließ- lich alle hh. weisen, durch Tr. 28494 (so brichet er die bant) gesichert. v. 1094 erscheint die entscheidung zwischen sidenvanvcz (J) und stdenvahvez (AS) här zunächst nicht leicht;

524 GEREKE

für jenes sprechen zwar die bei Konrad sehr zalilreiclien composita von {ge)var (vgl. Laudans dissertation s. 1-46), für dieses aber außer der Übereinstimmung von A und S beson- ders Silv. 970 valivez lidr an einer stelle, die die allergrößte ähnlichkeit mit der vorliegenden hat (sidcval steht übrigens Lanz. 4755. worauf schon Pfeiffer, Germ. 12. 43 hiuAvies). V. 10981 scheint mir doch die lesart von JS (Haupt!) daz ir mähte enzwei das: herze sin zerspalten gegen die von A ge- spalten, das besser zu enzivei paßt, zurücktreten zu müssen; in der ähnlichen stelle Tr. 350141 owe, daz mir zerspalicn daz herze nilit von leide Jean fehlt enzwei. v. 1128 ist an J (Haupt!) festzuhalten si stalte {tete A) jcemerlichiii dinc\ jämcr stellen findet sich E. 1394. Tr. 24312. v. 1104 weicht Henczj^nski mit unrecht (zugunsten von A) von Haupt ab, der, wie JS haben, schreibt und (fehlt A) dös ir rünics (A) niht envant, und weiter v. IIOG muß nach J lauten daz si niht (fehlt AS) mohtc Icomen dar. v. 1140 nimmt Henczynski mit unrecht herzen aus A, das in dei' vorhergehenden zeile steht, auf; Haupt ergänzte die lücke von J schon richtig wir guzzen mangen (heizen) trahen (vgl. v. 1026). v. 1152 hat Haupt ebenso richtig aus J gebessert daz (du J, ril A) gedultccUche leü; desgleichen ist Henczynski v. 1154 in seiner unbegründeten bevorzugung von A fälschlich von J (Haupt!) abgewichen ach und owe {we A), wie v. 1246 und 1278 be- weisen. — V. 1160 bietet J (Haupt!) auftact hie (fehlt A) hr<'ihtc zcime spotte gar. v. 1185 1. mit .1 (Haui)t!) an siniu tvnnnecUchen {-liehe AS) lider. v. 1201 1. mit JS (Haupt!) diz {daz A) wunderliche ivunder, ebenso v. 1207 geliten {er- nten A). V. 1212 ist Haupts conjectur ddsuo {so) ivart er von Henczynski zu voreilig aufgegeben. v. 12351 ist zu lesen nii (A, auch in S) disiu klage ein ende nam, geslichcn (JS, (/« A) din schaue ];am, vgl. 781 fl 10011 - v. 12841 wird J, das vnn 1265—1286 eine große lücke hat, sehr ver- mißt; aber daß Hencz. einfach liehes einsetzt für das von A und S gebotene leid{es). erscheint doch sehr gewagt, zumal da hierdurch der sinn keineswegs ganz klar wird. Wenn man zur vergleichung stellen heranzieht wie E. 2131 ff. {entriuiven, ez turnochef mich ... .s/raz ahcy drumhe dir geschiht). so kommt man etwa auf eine lesart wan ich ril arme enriioche niht, sivaz

zu KONKAD VON WUKZBURG. IV. Ö^O

mir leides ist gescheiten (d.h. wie großes leid mir auch ge- schehen sein mag, es ist mir gleichgültig, daß ich in zukunft nur kummer haben werde), mul sol mich nieman vrö gesehen oder man sol mich niemcr vrö gesellen, slt doz (JS) ich hän min liep verlorn. v. 1303 f. 1. mit JS das man den menschen vunden heete (het nu A) bt den (disen J, Haupt) stunden., V. 1363 1. mit JS (Haupt!) mit höhen (großen A) eren, vgl. z. b. Silv. 261. 752; 1190. 1439. v. 1378 1. mit JS (Haupt!) siccr in üf erden eret hie, vgl. Silv. 5188; crtrich (A) gebraucht Konrad überall mit zwei accenten (Silv. 3121. 3150. 3746. 4010. 4101. E. 6078. G.S. 917. Pant. 1812. 1825. AI. 796. Part. 8336. 9753. Hill. 17156. 17927), erst im Tr. 2082. 25182 be- tont er mit einem accent crtrich. v. 1409—1412 halte ich trotz Schröder für echt. Würde das gedieht mit v. 1408 schließen, so ergäbe sich im Schlußsatz die immerhin auf- fallende construction got gehe in stceter vröudcn hört und eiviclicher umnnen rät und das ich armer Kuonrät von Wirze- hure gclebe also das mir diu sele werde vrö, d. h. also von gehe wäre 1. ein accusativobject und 2. ein das -ssitz abhängig. Mir erscheint natürlicher den das -s&tz zum folgenden zu ziehen (y. 1409) des helfe mir der süese Krist der got hi sime vater ist hi stner zcsiven siten an ende sallen sitcn; dazu vgl. besonders Silv. 2486 f)". tvan du tvcenen tvilt das Crist gotes sun von himelc si, und das er stner scswen hi sitzen miiezc an cndcs zil {sesive, an dem Schröder als bei Konrad nicht belegt anstoß nahm, findet sich ferner Silv. 1632. 2488. 2938. 3127. 4510. Pant. 1590. G.S. 82. Part. 5195. 19485. 20741. Tr. 25983). Was nun die zahl der auftactlosen verse anbetrifft, die Laudan nach dem Hauptschen texte bei 1384 versen auf 215 = 15,5 procent angibt, so erfährt sie keine Avesentliche Ver- minderung; ich zähle auf 1412 verse 194—196 auftactlose verse, d.h. 13,2 procent, und damit behält der Alexius seine Stellung nach dem Silvester.

Pant. 86 f. kann nur lauten durch das er si niht hiezc treten gewaltecliche {in) sinen zorn, vgl. AI. 1254 ich hin getreten linde homen vil gar in leides orden (Müller-Zarncke citiert Wb. 3, 96 aus Theophil. 243 das sin sorn erivinde, in den ich verre

526 GEREKE

hin getreten). v. 161 1. entweder dann in der iverlt deheinen oder tverlte lachten man. v. 188 ff. lauten jedenfalls nach Konrads im Pantaleon streng durcligefülirtem stil der priester wol geUret, yeheizcn Ermoläus, (der) sprach sc deme linde aJsiis. y. 206 ergänzt Haupt offenbar aus v. 213 ich {ger) der höhen Jdinste pflegen; aber gern mit dem Infinitiv erinnere ich mich sonst nicht bei Konrad gefunden zu haben, also ist vielleicht sol oder ivil zu conjicieren. v. 418 f. 1. daz ah der stete niht getreten mac einen fuoz noch einen schrit (die hs. hat mac hinter niht), wodurch die verschleifung im ersten vers vermieden und der auftact im zAveiten hergestellt wird. v. 437 lautet nach der natürlichen betonung der vater iinde tet im kunt; Haupt schreibt offenbar seiner theorie von der letzten Senkung zuliebe der vater und tet ime Jainf, obwohl er zu E. 809 im an dieser stelle zuläßt (vgl. v. 294 des hindes marter ivas im leit). V. 493 f. ist zu bessern FantaUön der tccerc ein arzät so gehcere (st. getvcere), derselbe reim Avie Part. 969 f. 11621 f. Tr. 1649f. (gehcere heißt 'geziemend, gebührend'; gewcere paßt auch dem sinn nach nicht, Konrad setzt es als attribut zu got, Cr ist, mccre). v. 556 f. möchte ich lesen durch daz du läzest mir gezcmen die (hs. dine, von Haupt gestrichen) helfe und dinc stiure nach v. 614 (Wolff, Anz. fda. 13, 238 wollte din helfe mit beruf ung auf Part. 15574; aber im Part, handelt es sich um den nominativ, hier um den accusativ!). v. 592 1. Fantalcon {der) sprach also nach v. 270 (Schröder vermutete P. sprach ahcr dö). v. 708 muß wahrscheinlich lauten ir muot hegnndc er sterhen (hs. hegunde er sich, Haupt hegan sich), was sich an V. 704 ff. sehr gut anschließt (kein subjectswechsel!). v. 860 1. und als er zc hove kam (Haupt xmd cdsö er ze h. k.), vgl. V. 2084. v. 1064 f. vermute ich auch hörte man genuoye hiten ÄscUpium der helfe (st. bete) sin; bete scheint aus v. 1063 eingedrungen zu sein, kehrt v. 1071 wieder (könnte nur sehr gezwungen bedeuten: sie baten ihn mit einer ihm zukommenden bitte, sie richteten an ilin eine ihm zukommende bitte!). V. 1154 kann man die Wortstellung der hs. beibehalten, wenn man schreibt geruoche ein (lis. din) op)fer bringen (Haupt din opfer raoche)\ das pron. possess. steht zwar v. 1783. 1791. 1797, aber der versanfang ist derselbe wie v. 1225. 1306. 2018. V. 1265 1. enhiinde st. enhinde. v. 1357 1. daz raten (statt

zu KONRAD VON WÜRZBURG. IV. 527

rätent) cd die nitne; der conjunctiv ist nötig, weil es weiter heißt und rinden im die innc. v. 1364 muß docli wolil lieißen ir (st. sin) rät der lerte in; der kaiser liat ja seine leute um rat gefragt, vgl. auch v. 1536. v. 1416. Wolff, Anz. fda. 13, 240 will mit beibehaltuiig der hsl. lesart und Streichung von der lesen Jean ouch gehieten deme mer, um die form dem in der letzten Senkung zu vermeiden. Das erscheint schon deswegen untunlich, weil die wiederaufnähme des subjects aus V. 1414 der getriuive Crist, an das sich ein relativsatz an- schließt dem ich da diene sunder tver, durch das demonstrativ- pronomen nach Konrads stil unumgänglich nötig ist (vgl. Beitr. o7, 446).i) v. 1588 1. sit (da/; ich arm und diirftec bin, wie

1) Haupts theorie von der letzten seiiknng- (z. E. 43), angelehnt an Lachmanns bemevkungen zu Nib. 370, 1 und 856, 1 ersclieint wenigstens für Konrad liinfällig:

a) Was den dativ des artikels dem angeht. Nach Haupt darf dem (außer vor »0 in der letzten Senkung nur nach präpositionen stehen und mit diesen verschmelzen.

Zunächst steht fest, daß Kourad neben der unverkürzten form deme, die im Innern des verses von den hh. überliefert ist und an zahlreichen stellen vom metrum gefordert wird, im reime (z. b. Pant. t797 f. 2151 f. AI. 1381 f.) auch die verkürzte form dem hat: Haupt nennt Tr. 38233, AYolff, Anz. fda. 19, 153 fügt hinzu Tr. 27042. 27104. 27214. 31550. Mindestens also für den Trojanerkrieg sind alle äuderuugen der hh. der theorie zuliebe un- angebracht, und auch für die übrigen werke folgt daraus, daß Konrad unmög- lich eine theorie wie die Haupts in solcher strenge und conseriuenz durch- führen konnte.

Dazu kommt nun, daß die hh., wenn sie auch an wenigen stellen leichte Verschmelzungen wie am und im bieten (Haupt führt an Silv. 4287 [hs. an dem] und G.S. 859 [ACgJ, wo beide formen durch die Stellung in der Senkung gesichert sind; ich füge hinzu Silv. 898. 1840), häufiger zemc, zem {zen, zer), doch an keiner stelle solche harten Verschmelzungen wie aheme, näcJime, dfme, uzmc überliefern. Es erscheint auch auffällig, daß Haupt, der schon gegen inz, aiiz und ähnliche leichte inclinationen des artikels daz an präpositionen bedenken hat, diese zuläßt.

Trotzdem bleiben nun noch einige stellen übrig, wo dem nicht nach präpositionen in der letzten Senkung steht, also keine Verschmelzung ein- treten kann. Diese stellen, außer Pant. 1418 noch Part. 10747 und Tr. 3334, können nur durch gewaltsame ändern ng der theorie angepaßt werden (Part. 10747 schreibt Wolff ist tvorden daz wir deme sper statt worden ist daz wir dem sper, Tr. 3334 Haupt da von si rieten deme gote statt da von rieten si dem gote). Dagegen dürften die änderungen Josephs zu Tr. 11745 {hi den schiffen an, dem mer statt und dem mer, vgl. Tr. 12301. 12305) und

528 GEREKE

es der natürlichen belonung entspiiclit. v. 1601 ]. nart (statt tvas) er bi den sinnden . . . gehiinden, vgl. v. 1605. V. 1653 ff. hat Haupt nach der hs. spracli der heiden icider in 'sag an, wer hat die Idinste dm nnd discn list gcUrct dich.' Das kann wegen des reimes n?. : dtn nicht richtig sein;') ent- weder ist heiden als überflüssig (der Vordersatz v. 1650 heißt der J:eiser hcte ersehen, vgl. allerdings v. 1965 ff.) zu streichen und also etwa lesen sprach er uider in also (= v. 1684) 'sag an, wer hat die Idinste dö' u.s.w., oder ividcr ist falsch und der vers lautet etwa sprach der heiden zimc also (vgl. V. 1817 f.) U.S.W.. möglich wäre auch tvider : h'inste also.

Wolffs zu Tr. 25392 {ztcischen Troiceren unde iner statt und dem Jiicr; Troiareu steht auch ohne artikel!), avo Haupt dew vor vt bestehen läßt, berechtigt sein.

b) Was die dative masc. von adjectiven und pronouünen angeht.

Die vier von Haupt aufgezählten seiner theorie widersprechenden stellen (G.S. 9-t i'if grüenem kle, 345 an meisterlichem lobe, Tr. 7508 üz grüenem kle, 25210 manegem we) lassen sich schwerlich ändern. Zwar bieten G.S. 94 einige hh. grüenen, aber an den übrigen stellen stimmen sämtliche hh. im dativ auf -em überein. Ich füge hinzu Tr. 11366 nach lobclichem site, 17378 oh icgelichem ior, und auch gegen die in der angäbe der endungeu sehr ungenaue hs. Part. 4086 an hohem lohe, 12089 vvt grundelöscm schaden. Dieses -en statt -em ist übrigens gar nicht selten in den hh. der Konradischeu werke und erklärt sich als ein nachgeben <ler ausspräche, nach \V. Griuim zu Vrid. 165,16 fast nur vor labialen con- soiianten wie vi und iv, so konnte Konrad auch E. 43 reimen erden : icerden (d. sg. niasc). E. 5991 ist zu schreiben vor solhan schaden (Haupt mit druck solhen), Part. 6056 an disem tage, Si'69 t'if discm sal nach Tr. 26520 ö/ J/scm tage, 31104 nf disetn ival (nur e hat diseit). Bei formen wie minem, dinem, sinem, einem hilft sich Haupt überall mit den ja allerdings (auch z. t. durch den reim!) gesicherten formen vihiie, dime, s/me, eime; im läßt er (z. E. 809) wie andere verkürzte formen gelten.

Richtig schreibt zwar Haupt L. 32, 180 alsam der herre tet den hunt und Tr. 25290 also diu sencwc liiot den pfil , weil an beiden stellen tuon, wie aus den vorhergehenden zeilen zu ersehen ist, transitive verba ver- tritt; zum mindesten von zweifelhafter richtigkeit aber ist es, wenn er L. 14, 24 f. in iihel keret si daz gnot, daz si ze liehe manegem iuot {hs.mange) ändert in manegen iuot, wo dann titon mit dem doppelten accusativ ver- bunden sein müßte (es könnte ja freilich auch dat. plur. sein), vgl. Tr. 8128 f. da u-ont ir ivildez icunder hi, daz den tot vil mangem (A menige, e m anigen) tuot.

') nider in reimt überall auf hin, vgl. v. 779 f. 1269 f. 1717 f. 1747 f. 1873 f.

LEITZMANN, ELISABET UND ERLÖSUNG. 529

V. 1868 f. muß jedenfalls lauten heimliche uanle/i sl ze grabe gefiieret vor (st. von) den cristcn, d. li. heimlich vor den Christen wurden sie von den heiden begraben; v. 18701 heißt es darum weiter die (nämlich die Christen!) stälen si mit listen und hiezen si hestaten sider. v. 1885 1. und Mre zuo dem (st. den) lehe- tagen. v. 1894 ist an der hsl. lesart joc/i (Haupt ja) volgent si mir edle dri festzuhalten; joch ist nicht selten bei Konrad, z.b. Schwanr. 386. 746. Tr. 6418. 12723. 14130. 17159 und im Part, (von Bartsch eingesetzt). v. 1986 1. dem marterer Iciusch unde gröz, wie die hs. hat (Haupt dem kiuschcn martenere gröz). vgl. Beitr. 37, 235. v. 2015 f. 1. got, aller scelden ohedach (st. oherdach; ohedach immer so, vgl. besonders Part. 12936. 20851. 21602) tmd aller tugend Überhort (ohne ein; vgl. Part. 17603. Tr. 1989. 23417. 28005. Schw. 297 nach Eoths besserung). V. 2030 1. mit hs. über alle, die mich ruofen an, vgl. Beitr. 37, 466. V. 2034 f. ändert Haupt die hsl. lesart got herre, dem erschine gencedic unde milte ohne grund in genosdeclichiu milte; der Wechsel des subjects wirkt störend.

FRIEDENAU-BERLIN. PAUL GEREKE.

ELISABET UND ER LOSUNG.

1. Zur verfasserfrage.

Schmidts vor nicht allzulanger zeit erschienene dissertation 'Studien zur textkritik der Erlösung' (Marburg 1911) hat nicht nur das verdienst, auf die bisher, obwohl man seit langem von ihrer existenz wußte, gänzlich unbeachtet gebliebene Trierer handschrift der dichtung energisch hingewiesen zu haben, aus der u. a. zwei in der von Bartsch abgedruckten Nürnberger überlieferuug fehlende blätter fast vollständig gewonnen werden können, sondern auch noch ein ungleich größeres: an der bisher durchweg angenommenen Verfassereinheit von Ellsabet und

530 LEITZMANN

Erlösung-, wenn auch nur im yorbeigelien, zweifei geäußert zu haben (s.33). Seit Bartsch 1861 in seinem aufsatze 'Der dichter der Erlösung' (Germ. 7, 1) den beweis geführt zu haben glaubte, ein und derselbe hessische dichter habe in seiner Jugend die Erlösung und später nach längerer pause das leben der Elisabet verfaßt, dann Rieger 1868 seiner ausgäbe des letzteren schon auf dem titel den zusatz gab 'vom Verfasser der Erlösung' und jenen beweis (s. 11) für 'so genügend erbracht' erklärte, daß nichts mehr hinzuzufügen sei, gehörte dieser so merkwürdige Januskopf eines dichters zu den feststehenden portraits unserer mittelalterlichen literaturgeschichte (vgl. z. b. Gervinus^^ 2, 87; Koberstein- Bartsch 1'' 196; Wackernagel-Martin 12,200. 208; Scherer s. 193). Einzig Vogt, soviel ich sehe, registriert Bartschs tliese mit einem gelinde zweifelnden 'wohl' (Grund r. d. germ. phil.^ 2, 1, 227).

Zwierzina mußte naturgemäß im verfolg seiner glänzenden, für die mhd. grammatik überall so ergebnisreichen leimunter- suchungen, da er beide gedichte in den kreis seiner material- sammlung einbezog, auf reimtechnische und sprachliche unter- schiede zwischen Elisabet und Erlösung geführt werden, die jedem aufmerksameren leser auffallen und die Bartsch, wie alle Verschiedenheiten irgendwelcher art zwischen den stilarten beider werke, als seiner hypothese ungünstig entweder unter- schätzte oder ganz überging. So notiert Zwierzina, daß die reime sun : tuo7i und die apokopierten adverbia mit kurzem -lieh nur der Erlösung, nicht aber der Elisabet eigen sind (Zs. fda. 44, 403 anm. 45, 94 anm. 5), die reime mit sint und die mit gedehntem -säme, -sänien umgekehrt nur der Elisabet, nicht aber der Erlösung (45,97.99), daß die ä- und e-formen von gun und stän eine bemerkenswerte Verschiedenheit des ge- brauchs aufweisen (45,63). Aber an der einheitlichkeit des Verfassers kommt auch ihm nicht der leiseste zweifei, viel- mehr sucht er sich diese erscheinungen aus einem Wechsel in der poetischen technik des dichters zu erklären, der in seinem älteren werke, der Erlösung, sich einer großen anzahl literarischer, d. h. oberdeutscher reime bedient habe, diese aber in der späteren dichtung, der Elisabet, vermeide und dafür in größerem Selbstvertrauen reime des eigenen dialekts zulasse (44,353; ähnlich auch 45,64.97); ja er scheut vor einer doch

ELISABET UND ERLÖSUNG. 531

recht schwer glauhliclien annähme nicht zurück, es sei dem dichter speciell in dem mittelteil der Elisabetlegende, der den höhepunkt seiner technik darstelle, darauf angekommen, mit seinen eigenen formen im reim sein auslangen zu finden (45, 77 anm.).

Ich glaube, daß die lösung des rätseis anderswo zu suchen ist, und bin seit langem der ansieht, daß wir Elisabet und Erlösung verschiedenen Verfassern zuzuschreiben haben. Für diesmal gedenke ich jedoch das problem nicht von allen selten her anzugreifen, sondern mich auf eine betrachtung des Wort- schatzes zu beschränken. Mit der lautlichen analj'se der reime wird man in der frage der localisierung leider niclit viel ge- winnen können, wie Schmidt (a.a.O.) mit lecht hervorhebt. Fest steht nur, daß die Erlösung ins rheinfränkische gebiet gehört, da sie germ. d nach r verschoben zeigt {vorJäe : wortc 6372) und andererseits die pronominalen neutra mit s kennt (belege bei Schmidt s. 32), wie ihr auch sonst mfrk. eigentüm- lichkeiten abgehen: in den westlichen teil des rheinfränkischen gebiets, ohne freilich allzuweit nach norden zu gehen, weist der reim galp : halp 3048 mit seinem unverschobenen p (ebda s. 33). Für die Elisabet hat Bartsch (Germ. 7, 35) Marburg, Rieger dagegen (in seiner ausgäbe s. 59) das kloster Altenberg westlich von Wetzlar als heimat in anspruch genommen, ohne daß durchschlagende gründe für eine von beiden ansichten beigebracht worden wären: daß der dichter ein Hesse war, ist wohl unbestreitbar.

Den Wortschatz der beiden dichtungen hatte schon Bartsch (Germ. 7, 14) einer erörterung unterzogen: da er jedoch die einheit des Verfassers beweisen wollte, so enthält sein Wort- verzeichnis nur die übereinstimmenden demente des wortvor- rats; allerdings lehrt schon die Üüchtigste durchsieht, was ich hier nicht genauer ausführen will, daß dort mindestens 75 proc. der aufgeführten worte zu unrecht paradieren, da sie noch bei vielen anderen md. dichtem gebraucht werden und also für unsern dichter in keiner weise charakteristisch sind. Dieser teil des beweises dürfte völlig mißlungen sein. Daß diesen Übereinstimmungen im wortvorrat, die wir also größtenteils als allgemein md. eigentümlichkeiten auffassen müssen, auch zahlreiche Verschiedenheiten gegenüberstehen, ist auch Bartsch

i32

LEITZMANN

niclit verborgen geblieben, aber von ihm durchaus falsch (a.a.O.) im sinne seiner hypotliese damit erklärt worden, daß die Elisabet- legende -ihrem Stoffe nach einen viel größeren kreis des mittel- alterlichen lebens, also auch der spräche' umfasse und 'eine menge ausdrücke aus dem täglichen leben' enthalte, zu deren anwendung in der Erlösung keine gelegenheit gewesen sei. Die folgende Zusammenstellung von Idiotismen beider gedichte, von der ich nach möglichkeit alles ausgeschlossen habe, was unter die soeben citierte er wägung ßartschs zu fallen geeignet ist, dürfte es zur evidenz erweisen, daß wir es mit zwei ver- schiedenen dichtem zu tun haben.

a) Worte, die in der Elisa vorkommen:

after 3086; afterspräche 102i: after- icert 1017; danebeu auch hinder- kosen 6348, hinderrede 1017. 1782. 6629. 6736 \\\\i\hindersprechen\^2\.

umpäre: zu ßiegers belegen (s. 362) kommt noch 245. In der Er). schouive 1866. 3174, das auch Elis. kennt (ßieger s. 402).

anlichen 3148.

anst, ensteclich, ensteliche (9610), en- stekeit: belege bei Rieger 362. 370, wo für das erste adjectiv 7887. 8506. 8552. 8944. 9070. 9123. 9140 hin- zuzufügen sind.

bcdden 462. In der Erl. gähen 27. 1349. 1600. 3015. 3166. 3334. 3574. 4083. 4390. 6063. 6106.

hedinnen: belege bei liieger s. 365. Das wort begegnet auch in dem St. Pauler evangeliar, einer dich- tung, für die Schöubach wegen ihrer engen sprachlichen bezich- ungen zu Elis. und Erl. vorüber- gehend Identität des Verfassers er- wogen hat (Mitt. aus altd. hand- schr. 6,79). In der Erl., die sonst eine Vorliebe für lateinische fremd- worte hat, die sie wie ungeformte blocke zwischen die deutschen wirft, fehlt das wort. Hier sei

bet, nicht aber in der Erlösung

gleich mit crwilhnt, daß den 60 lateinischen bibelcitaten der Er- lösung nur ein einziges in der Elisabet (15) gegenübersteht.

hegir: belege bei Rieger s. 364.

brhagel 9354. In der Erl. behege- lich 1663. 2565, 167 (Schmidt s. 10) und behcgelicheit 3958 (allerdings nur in N); das adjectiv kennt auch die Elis. 3268.

beheften: belege bei Rieger s. 364.

behende 3198. 6783. 7651; behende- keit 8019.

beklummen 4204.

belangen: belege bei Rieger s. 388.

benutzen 8116.

berc 8430.

berüegen 7946.

besehen 5172 (das geläufigere entsehen kennen beide dichtungen). Das wort begegnet aucli im St. Fauler evangeliar (Schönbach s. 78).

besufcn 10519.

betragen 5291 (das stv. hat hier die bedeutung- des gleichlautenden swv.). Für betragen Erl. 2877, das Bartsch in der anmerkung ohne begründung als 'überladen, voll' erklärt, bietet die Trierer hs. wohl riclitiger bedränget (Schmidt s. 77)-

ELiSABET UND ERLOSUNG.

533

bevüre 6229.

bewickeln 7549. In der Erl. winden 2905. 3090. 3637.

beziehen 5533.

bhvar (die länge setzt Rieger ohne zwingenden grund an): belege bei Rieger s. 306.

bral 4719.

bröde, brodekeit, brodelich, brödec- lich: belege bei Rieger s. 367. In der Erl. blcedekeit 3830.

brücken 6932: gebruchen 20id. 5817.

dami) 8522. 8534.

degen, gedegen: belege bei Rieger s. 368.

denken in der Verbindung sich leide denken 4509. 5432.

despen in bedespen 9960 und vcr- despen 2327. 3049. Unsere Wörter- bücher geben keine etymologie des Wortes : als directe fortsetzung des ahd. thuesben hat es Braune (Ahd. gramm. § 133 anni. 2) richtig er- kannt.

dierne 1031. 1674. 2063. 2413. 6298. 7716. 8901. 9711.

dinsen 4271. Das wort begegnet auch im St. Pauler evangeliar (Schön- bach s. 83).

diu instr. vor comparativen : belege bei Rieger s. 368.

drcejen in bedntt, unbedrüt, überdrät: belege bei Rieger s. 363. 412. 410.

eislich 9385; eissam 2307. 2902. In der Erl. vreissam 4714, das auch Elis. 309 sich findet.

ellenthaft, ellenthafte, ellentlich: be- lege bei Rieger s. 370.

engesten 237.

entrümen 8219.

entzünen (Rieger vergleicht ags. on- tynan) 4484. 0584.

erne 3738.

erschözen 563. 7214.

ersmecken 'duften' 10016. 10152. 10358. In der Erl. riechen 4415, 37 (Germ. 3, 471). 5721; smacken

Beiträge zur geschichte der deutschen spi

begegnet dort 0502 in der bedeu- tuug 'schmecken'.

garliche 178.

gebesniz 7930.

gebürn 6528.

gediute: belege bei Rieger s. 373.

gehügen 10354; gehügde 8i2; cehug- nisse 6572.

gekleide 541. 2017. 3804. In der Erl. geivat 1315 (T). 1335. 2606 (T).

gelceme 3229.

gelceze 787. In der Erl. gebaren 140.

gemuoten 8254.

genge 3994.

geringe 5476.

gescheine 3159. 9251. Das wort be- gegnet auch im St. Pauler evange- liar (Schönbach s. 102).

gestanc 3548.

gestelle 6805.

geswase 5206. 6608. In der Erl. toiigen 1317. 3055, das auch Elis. 2322 vorkommt.

getonmcn 10397.

gevnorlich 258.

geicande, wigeicande: belege bei Rie- ger s. 370! 413.

geziere: belege bei Rieger ebda. In der Erl. zierde 432. 2066, das auch in der Elis. begegnet (Rieger s. 428).

glänz: belege bei Rieger s.378, denen noch 1988. 7817 hinzuzufügen ist. In der Erl. glast ATt. 2565, 150 (Schmidt s. 10). 3004. 3022, das auch Elis. 2801 begegnet.

goude: den belegen bei Rieger s. 379 ist 5552 hinzuzufügen.

hceline 5288. In der Erl. heimli- cheit 1809.

halz 7018. 9695. 10505. In der Erl. lam 4204. 4238. 4983. 5544, das auch Elis. 10101 vorkommt.

handeln: belege bei Rieger s. 380.

härm 10301.

hezze 2686; hezzelich 8096.

hogelich 3407.

ache. XXXVIll. 35

534

LETTZMANI

hör: belege bei Rieger s. 382.

ielanc: belege bei Rieger 3.383.

ile 3620. 5236.

inane 708. 10047.

indceUe 6i84. 7428. 7578; indenle

6112. 9143; andceJitec 6368. 7972. innerlich 2480. 2609. 2769. 2823.

2842. 2857. 5202. 7319. 7875. 8393.

9667; innerliche 45. 833. 969. 1102.

2874. 3422. 6959. 8420. 8777. 9078. irdenschlich 6686. 6698. 7479. 10131.

10280. In der Ell. irdenisch 2G66. itel 1753; Hell f che 7239; Helkeit 793.

871. 2028. 2038. 2055. 3773. 6456.

6797. 8456. kindesch 1543; kindeschlich 6910. klar ist in der Elis. als epithetou

ornans besouders beliebt (Rieger

s. 386 gibt nur ein paar der sebr

zalilreicben belege). In der Erl.

nur kh'trheit 2554. klidcr 8672. koherunge 10414. koie 7458.

kranc 7596 (vgl. Becb, Genn. 5. 241). kresen 6634; das wort begegnet aucb

im St. Pauler evangeliar (Scliön-

bach s. 119). In der Erl. kriechen

6220. kumbersol 6416. 6930. 8393. labe 6970. 7284; labesal 8276. lebezuht 5893. 6975. lecken 10015. 10151. 10357. In der

Erl. riechen 4415, 37 (Genn. 3. 471).

5721. leide 1050. 2528. 2990. 2998. 3325.

4649. 4711. 5526. 5756. 5764. 5794.

6010. 6139. 6175. 6432. leiten = liden 4444. leitcstap tö32; letteslerre im2. 4724. leitsam: belege bei Rieger s. 389. linde 422.

lustec 1800; nnlnstec 22{)S.3öd6; lust- sam 3174. In der Erl. lustelich

4174 (so in P ; in N lusteclich, das

aucb Elis. 2335. 3157. 6311. 6967.

7799. 7841 stebt).

ma-ec 1851: mcezekeit 8111; mcezegen 1562. 8139. In der Erl. mcizen 819. 3599 (so in P; N liest fälsch- licb mästen).

mane: den belegen bei Rieger s. 392 ist noch 4207 hinzuzufügen (vgl. Becb, Germ. 5, 491).

mänt im reim 4696. 6042; auch das versinnere verlangt überall ein- silbige form (3847. 4355. 6041. 8282. 9499). In der Erl. vifinät im reim 2643. Die Wörterbücher geben für diese unserer nhd. form zu- grunde liegende gestalt des wortes keine belege.

massen/e in übertragenem sinne 4735. 10420 (vgl. sonst 5571. 5636).

meienzicic: belege bei Rieger s. 392.

meine: belege bei Rieger ebda.

minnesam 47. 1949. 2170. 2809. 3269. 4231. 4386. 4627. 7164. 7231. 7597. 7615. 7991. 8054; minnesanikeit 7855. 8634. In der Erl. begegnet keine Zusammensetzung mit minne.

miselsühtec 7382; daneben uzsetzel 8052. In der Erl. sundersiech 4208.

missegelouben 8686.

misseivarn 9643.

mist : belege bei Rieger s. 394.

mitewist 3928. 8202.

müge, miigent: belege bei Rieger s. 394; beide worte begegnen auch im St. Pauler evangeliar (Schön- bacb 9. 127).

mimst, unmunst: belege bei Rieger s. 394. 413.

namelich: den belegen bei Rieger S.394 ist noch 10344. 10378 hin- zuzufügen.

nar: belege bei Rieger ebda.

nitlich 6342; nUliche 1189.

niinft 1274.

2)dr 9839.

plage 10520.

pompe 6587.

predigät 9099.

ELISA BET UND EliLOSUNG.

585

qnU 6790. 9283.

räm, rümen: belege bei Eieger s. 399.

respen 6845; berespen 2328. 3050.

rienen 4469.

-sam als adjectiveudung (vgl. Haupts Sammlungen zu Engelh. 1185): während die Elisabet für diese bildungen eine besondere Vorliebe hat (die einzelnen worte verzeich- net Rieger s. 401), finden sich in der Erlösung außer gehö)-sam(i03ö. 4281. 4282) und nmiehörsam (846) nur heilsam (4068. 6061), lohesam (20 mal gegenüber 95 belegen in der Elis.), varhfesam (1671) und vreissam (4714).

schamesam 1424. In der Erl. vn- schemlich 330; schemlich 4915.

sch/nliche 7320.

schranz 3633.

seigen 10145. In der Erl. neigen 1797. 2685. 4006. 4036. 5762; sen- ken 877. 2711.29 (Schmidt s. 11). 6186.

sengen 2404.

sich bei genant sin 4558. 5512.

sigen: dem beleg bei Eieger s. 404 ist noch 9279. 9754 hinzuzufügen.

sinne 4219. 4676.

smcehelinc 1997. 2274.

smeln 3051.

smücl-en 1926. 9960. In der Erl. zieren 86. 127.

smnnzen 267. 2568. In der Erl. gesmieren 85.

snahen 3444.

spende : den belegen bei Eieger s. 405 ist noch 5986. 7785. 7810. 7895 hinzuzufügen.

spünne 511. In der Erl. brüste 2565, 24 (Schmidt s. 7). 4137. 5675. 5783.

stige 9406. In der Erl. stal 1433.

stimmen 9992.

stouwen 7936.

stiochebcere 9968.

sweimen 388.

sicinde: den belegen bei Eieger s. 408 ist noch 7166 hinzuzufügen.

teilhaft: den belegen bei Rieger ebda ist noch 3115. 3120. 4897. 9086 hinzuzufügen.

liehen 6851. 8979.

tobeheit 10112.

trecl-en 1615. 1622. 1630.

trüebesal 6892. In der Erl. trüebe- nisse 1571 (P).

trügesam 5013.

tür hän 7732 (ich finde diese Wen- dung, die die Wörterbücher sonst nirgends belegen, im himmlischen gastmahl 196, das als anhang zur lilie gedruckt ist).

überdihen 2042.

übergnz 8557. 10070.

ücben 1021. 2596. 3279; iiebwige 5721. 5973. 6552. 8668.

umberere 3646.

nnbetcollen 1768. 2147.

tmdmc 663.

ungcebe 7245.

ungeval: belege l)ei Eieger s. 413.

tmgevar 8670.

wikust, unki'tstec: belege bei Eieger s. 413.

wistaie 991. 1725.

unvergezzen: den belegen bei Eieger s. 414 ist noch 6366 hinzuzufügen.

unvlät 2383. 2958. 3571. 6838. 7384. 7451. 7473. 9597.

umveiger 374. 635. 7084.

imwol 4433.

iip2Je 6788. 7888.

urba;rekeit 5659, wenn nicht crbcere- keit mit Da zu lesen ist, die quelle hat 'reverentia'; das adj. erbcere begegnet 6106. 7666. 9386.

vaterlant 6070. 9069.

vergrifen 1622.

verleiden 1418.

verlouben 934. 2446. 7408.

vermachen 5588.

vernihten 1965.

versmcehekeit 1175. 6738. 6751. 35*

536

LBITZMANN

verstellede 5501.

verstophen 1354.

venvalteren 3028.

venoinden 8376. 10118. 10137.

verzic 6602.

vesienwige 5332.

vollene 891. 10203. In der Erl.

volle 1914. 1948, das auch die Elis.

kennt (Rieger s. 419). vorspil 627.

vrech 1216. 5092. 5097. 5105. 7845. vrönen 10167. vruhtbrcehtec 2168. vruot, unvriwt, unvrüeie: belege bei

Rieger s. 421. 414. vüelen 1946. 3435. 9256. iccege, univcege: belege bei Rieger

s. 423. 414. wcehe, unwoehe, icncheii: belege bei

Rieger ebda und s. 422; beim

ersten adjectiv ist noch 4844.

10165. 10371, beim zweiten 9446

hinzuzufügen. ivage 4472.

wandehmge: belege bei Rieger s. 422. iväre, M 8865. wegevart: den belegen bei Rieger

S.423 ist noch 5674. 5698 hinzu- zufügen. iveine, ivcinlich: belege bei Rieger

ebda. In der Erl. weinen 3752.

5291. 5360. icerre: den belegen bei Rieger s. 424

ist noch 944. 2418. 3389. 3398.

3434. 4149. 4602. 4634. 5293. 5863.

5876. 6024. 6049. 6087. 6203. 6136. 9554. 9606. 9661. 10294 hinzuzu- fügen.

tvertsam 2810.

wiclcc 1236; ähnlich ei 8512. In der Erl. fehlt jeder bildliche nega- tive ausdruck.

tviderahten 1379. 6533.

widerdriezen 7187; tviderdröz 7223. In der Erl. üherdröz 2376.

ivideren 1397.

u'idenmwt 5117. 6177. 6432; icider- müete 1058. 1209. 6451 (Rieger 8. 425 scheidet beide worte nicht).

tviderwohtel-eit 8800.

2vilde 4322.

u-inminge 880.

ivist 3114.

ivollKst 1500. 1853. 2136; tvollustec 2199. 3159.

icunnesamkeit 8761.

zam mit gen. 8042.

zenüwen 4710.

zerie: belege bei Rieger s. 428.

ziere: belege bei Rieger ebda. In der Erl. zierde 432. 2066, das auch in der Elis. begegnet (Rieger ebda).

ziugen 2345. 9476. 10309.

zühtec 1424. 3831. 7381.

zunft 7055. In der Erl. gezunfte 3164. 3382, das auch Elis. 1273. 5513 sich findet.

zweie 2004.

zividesal 3639.

zivtcchmge 3098. 9179.

b) Worte, die in der Erlösung, nicht aber in der Elisabet vorkommen:

ahte 1185.

albetalle 1819 (so in P; N ändert gegen den reim in cdlenthalben, das sonst noch im reim 5251. 5375, im inneren vers 1885. 3778 steht, immer ohne Varianten).

cmheginneTil. 1001. 1047. 1507 (P). 2934. 6550 (vgl. Bartsch, Germ.

7, 15).

In der Elis. aneginne

harke 914.

harmlich 766. 861. In der Elis. barmeclich 2598.

harn masc. 3570 (so in N ; in P neutr.). Der masculine gebrauch ist nicht so 'vereinzelt', wie Bartsch iu der

ELISABKT UND ERLOSUNG.

537

aumerkvmg meint: zu den belegen im Mhd. wb. 1, 143 a kommen noch Diemer 19, 18; Job. v. Micbelsb. 74; Milst. gen. 71, 21 ; Wilh. v. Österr. 18401.

hecken 443G.

bedrängen 2877 (so in T; N bat fälsch- lich betragen, das Bartsch ohne be- gründung mit 'überladen, voll' er- klärt) ; vgl. Bech, Germ.6, 275. 9, 175.

behagen nach 5764.

beUiben 76.

bencmen 3461.

betagen 71. 2545 d (Schmidt s. 76). 5735.

bevallen 3958 (so in P; T hat be- hagen, N ändert i:nraetrisch in hehegelikeit htm). Zu den belegen der Wörterbücher kommen noch Zs. fda. 3, 221 ; lilie 54, 28.

blcejen Soll (so in P ; N hat ivdjen).

blcedekeit 3830. In der Elis. bröde- keit 1502. 9576.

Uiiost 2559.

böz 5440. 6208.

braht 3196. 5050. In der Elis. be- gegnet überbrüht 6613. 7628.

brechen reflexiv 2855 a (Schmidt s. 77); uf brechen 2997.

bresten 3816. 3822.

brimoen 3550. 4415, 122 (Germ. 3, 472). 4990.

bimder 19; vgl. Bech, Germ. 3, 328.

burn mit üf 3564. 3703; auch 3017 ist wohl so zu lesen (vgl. unten).

dachen 6403.

de binie (3232) sagt Herodes zu den heiligen drei königen und be- schwört sie (3240) bei ihrer kor- iesie. In der Elis. fehlen fran- zösische sprachbrockeu durchaus.

dienertn 2649. 2959. In der Elis. dienstmaget 1192.

dinster 459.

diuten reflexiv 4892 (so in PT; N hat fälschlich ladet); diuteUch 5987.

doz 149. 5441. 6123.

ddren 2260.

durnchteclich 5462.

einegen 5601.

einlich 382. 1138. 2994. 5567. 5587.

5600. 5607. eimeline 2288.

eisen 6169 (= Zs. fda. 2, 1 55 bei Lexer). Zu den belegen der Avörterbücher kommen noch Wernh. v. Nieder- rh. 31,32; J. Grimm, Klein, sehr. 7, 510. eWich 2395.

emphän 'entzünden, sich entzünden' 5171 (deutlicher, Avenn man mit PT daz, als wenn man mit N der liest). Die Wörterbücher verzeichnen diese bedeutung nicht: vgl. aber Demau- tin 1472. 2011. 4660. 6598, Wilh. V. Österr. 1764. 8735. 17790 und Bech, Germ. 18, 272. In der Elis. enzünden 8561.

cndelich 669. 2540. 4251; endcllche 199. 251. 4415, 28 (Germ. 3, 471). 6054.

entdecken 4437.

entheben 1423 (so in P; in N dafür erheben). Die hier geforderte be- deutung fehlt in den Wörter- büchern; vgl. aber auch Summa theol. 16,10.

entladen 990. 6331.

entrinnen 2227.

entsUfen 1050.

entwecken 500 (das wort kann un- möglich, wie Bartsch in der an- merkuug will, von tvec abgeleitet werden, muß vielmehr von ivach kommen und in stark bildlicher Verwendung stehen).

erdiezen 1798. 3955. 4748.

ergenen 1822 (N hat envegen, P er- geren; Bartsch hat Germ. 7, 39 das richtige hergestellt).

ergründen 2518. In der Elis. volle- granden 980.

ertgeniste 5197. 6211.

erviiüüen 1194.

538

LEITZMANN

ervürlüen reflexiv l-lil.

cnoinncn 970. 2328. 4310. 4935 (so in PT ; N ändert das ihm im reim iiiclit geläufige erwan fälschlich in erwarp cdzan).

czzen mit an 296. 304.

(jadem 3542 (wenn diese lesart von X richtig ist; P liest guoten).

fialp 8049.

fjcbrehte 2755. In der Elis. gc- schelle 4716.

gemerren 903 (vgl. unten).

gcphunde 874.

garen 144; das Avort ist sonst nicht helegt.

geschöz 4331.

getrebe 4273.

gevarn 4599.

gevriunde 4737.

geicaltegcEre 5032.

'gewei- 1014. 1376. 1532. 1793. 4758. 5427.

gewerden läzen 4157. 6038. t'ber diese wendung vgl. Grimm. DWb. 4, 1, 4851.

gcn-ihtc 1017. 3884.

geziln 2443 (so richtig in T ; N schreibt fälschlich geziehen). 2644.

gczimber 6204.

glimmen in englimmen 3008 und er- glimmen 3036. In der Elis. en- glimen 9070, dessen simplex auch Erl. 3583 vorkommt.

gram 4415, 8 (Germ. 3, 471).

grut 233.

grien 925. lu der Elis. sunt 4577. 4616, daneben griez 4611, das auch Erl. 896 vorkommt.

gris 2228. 2731.

grohelich 3967. In der Elis. grop 2041. 7979. Dies adjectiv wird in der Erl. 3603 nur von P, das ad- verbium grobe 6040 nur von T überliefert, während X beide male ändert. grasen 4273 (die lesart ist dem sinne nach nicht einwandfrei, weshalb

Bech, Germ. 3,336 in gcrüfe ändern möchte, dem Bartsch ebda 7, 42 bei- stimmt).

habe 4789. 6037.

haben in den Wendungen mich hat unbillich 2055, mich hat unmiigc- lich 584, mich hat icxuiderlich 3788. Die Wörterbücher verzeichnen keine belege: auch mir ist nur die ähn- liche mich nimt unbillich Wilh. v. Österr. 17874 bekannt.

'halp in veldeshalp 3048.

hefte 934.

haschen 5993.

herte 6073. Die Wörterbücher ver- zeichnen diese zweisilbige neben- form nicht (vgl. aber Grimm, DWb. 4, 2, 1077): ich finde sie auch Krane 1588.

himelhcrre 350. 5733; himelkindelin 1037; himelkint 1179; himelvürstc 356.

hinl-e 4206 (Bechs bemerkungeu Germ. 3, 355 scheinen mir die rich- tigkeit der lesart nicht ernstlich in frage zu stellen).

höchgebet 2565, 93 (Schmidt s. 8). 8990 ; hdchgeivaltec268-i. 3791. 6252 ; höchgewihteSlö ; höchprophcteiblb. 1637 (vgl. Bartsch, Germ. 7, 20).

hört fem. 395. 946.

houive 1510.

hovelich 3186. 60(^8. 6339.

j am er not -iSid (Bartsch wollte herzen streichen; P gibt die richtige les- art). 5917; jämertac 985. 1801. 6270; jämerzeichcn 6165 (Lexers beleg Zs. fda. 2, 155 ist unsere stelle).

jürlanc 2739.

jungestlich 6108.

hnden 2446. 2447.

klatfen 4847.

hmtelieren 4712 (so in P ; N .schreibt fälschlich Icunlcelicrcn).

kriegel 816.

knift 1020.

ELISABET UND ERLOSUNG.

539

Icruoc 3834. lu der Elis. kannc

7422. Mnden 926. 1196. 1417. 1643. 3066.

3548. 3941. 4077. lache 1539. Um 4204. 4238. 4983. 5544. In

der Elis. holz 7618. 9695. 10505. läzen mit adjectiven ohne sin 3549

(nach P; N setzt uuinetrisch den

infinitiv hinzu). 4249. ledegen 4244. 5552. leit(ere 1250. In der Elis. geleite

4728. lesen = 'sagen, erzählen' 232. 404.

1065. 1493. 1501. 1702. 1985. 2037.

2057. 2095. 2105. 2915. 8045. 3181.

3287. 3511. 3659. 3817. 3943. 4131.

4458. 4575. 4693. 4904. 5041. 5119.

5401. 6018. 6119. mtekeit 269. 2324. 3482. limmen 4666.

lobeUn 2565, 45 (Schmidt s. 7). lohetanz 4167. Icescere 4189. 5850. machen mit adjectiven 479. 750. 898.

1387. 1059. 2090. 2148. 2429. 2773.

2961. 3294. 3913. 4208. 4212. 4242.

4349. 4972. 5548. 5578. 5759. magenlich 2398. maget neutr. 2618. mCa 2816. maleclien 6537. melm 1006. mengen 4882 (so in T; Is hat dafür

mischen), missehuote 510. mittela^re 3978. munt 2565, 33 (Schmidt s. 7). neben 374. 4799. nös 4352 ; eselnöz 4330. Das simplex

begegnet auch im St. Pauler evau-

geliar (Schönbach s. 129). Ol 1617. Diese in den Wörterbüchern

nicht belegte interjection begegnet

noch Anno 449; Bari. 156, 11. phennincsac 4415, 57 (Germ. 3, 471). phriemc 4291; phriemen 1542.

rätman 385. 667.

rieten 5807.

rife 5339.

vis 146. 282. 328. 3973; mandelris

797. 2531; palmenris 2565, 1

(Schmidt s. 6). rizen 4865. rodel 3282. röselin 38. 5708. rötvar 38 (Lexers beleg Zs. fda. 2, 131

ist unsere stelle). mch 3616. sage 2846. schCich 3603. scMclibanden 1854 (Bcchs besseruug

der lesart von N schafbandenG^xm.

3,333 ist durch P bestätigt worden). scharhaft 4366. 5941. schtben 2677. schieme 3877. schmhcere 3264. schcene 227. In der Elis. Schönheit

(belege bei Rieger s. 402). scharen 1660. se 905. In der Elis. mer 4127. 4718.

4758. 5575. 5797. sehen, liebe 6521. sidel 471. sigemmft 1829. slange als bezeichuuug des teufeis

6356. sitzen 4864. smackoi 6502. snuor 94. 6254. spate 5301 (so in PT; N hat dafür

schufel). imrfschäfel begegnet auch

im St. Pauler evangeliar (Schönbach

s. 157). sprechen mit an 502. spriezen 484. Stäben 1983.

stän 'kosten' 4415, 40 (Germ. 3, 471). stecke 4480. 4714. sumerlate 2063. sundersiech 4208. In der Elis.

miselsuhtec 7382. sunnensterre 1334. 5115.

540

LEITZMANN

tal masc. in hcUetal 1025.

tasten G489. 6490. 6501 (vgl. Bartsch,

Germ. 7, 25). teller 4178. tiuvelisch 940. 5812. 6022; tkivellich

5971. tot sterben 199. 251. tragende 2872. In der Elis. yrdz

8264. treffen mit an 738. trehtec 2711, 5 (Schmidt s. 11). trehthi 172. 2129. 2203. 5287. 5319.

Daß dieses Avort iu der Elisahet

nicht vorkommt, hat schon Zwier-

ziua, Zs. fda. 45, 79 aum. 2 gesehen. triben mit an 5972. 6213; mit »/■2939. trimceliche 4101. 4129. 4839 (P). 5119. truf 1358. trurlich 6267. überlesen 1284. dberphliht 64.

überrennen 5810 (so iu T : N hat da- für verbrennen), überschmen 119. {(ferstcnde 5193. Den belegen «1er

Wörterbücher hat Roediger, Zs.

fda. 19, 253 weitere hinzugefügt. ünde 3888.

underphani 6175 b (Schmidt s. 101). undcrweben 5607. iinderwinden 195. 837. In der Elis.

undersien 2338. 8713, das auch Erl.

3563 begegnet. nnkentiich 4690. unkiuschcere 6322 (Bartsch hat das

wort verkannt und durch conjectur

zu beseitigen versucht). unsagebcere 462. imsUjehaft 5793. untougen 6483. Das wort begegnet

auch im St. Pauler evangeliar

(Schönbach s. 146). unverdagen 5412. nnvridebcere 664. unziciveUich 1325. ursprinc 151. vähen nach 5825.

ralgenös 214.

rar tcol als abschiedsgruß 2854. Grimm (DWb.3, 1253) kennt keinen beleg vor dem 18. Jh.; in den mhd. Wörterbüchern fehlt die weudung.

verbrechen 3227 (wenn Bechs besse- rung des unmöglichen reims Germ. 3, 334, der Bartsch ebda 7, 41 zu- stimmt, das richtige trifft). 6470.

verdagen 1188. 5620. In der Elis. nur das simplex dagen 320. 358.

verdrücken 3595.

vereinegen 2565, 28 (Schmidt s. 7, zweifelhaft). 4415, 36 (Germ. 3, 471).

verkiesen üf 3966 (so iu PT; N liest fälschlich verbern).

vermezzen, sic.'i 249. 605. 839 (so ist wol zu bessern).

versptwen 4601. 4603. 6070.

versprechen 4314.

verstanden 2565, 11 (Schmidt s. 6).

verstendekcit 6412; verstentnisse 4875.

cersivern 6429.

vertilgen 2160. 4292.

vervachen 4250.

ververren 1292.

verwenden 'verwenden' 4415, 48 (Germ. 3, 471); 'zerstören" 1788.

verseht 1292.

verzogen 1106 (wenn Bechs conjectur Germ. 3, 330 richtig ist). 4139.

videren 5939.

vieren 87.

vinsterkeit 1021. 2889. 4196. 5117. 5130. 5140. 5147. 6142; vinsterlich 121. 2300. 2317. 2815.

viuren 1661.

vlamme 1813. 1852 (in NT hier als masc). 6131. 6196. 6241.

voget 1105. 1136. 1805 (Bechs besse- ruug des in N überlieferten ddt Germ. 3, 332 ist durch P bestätigt worden). 2359. 3255. 3292. 3353. 4706. Während an der ersten stelle ein reim vaget : versaget überliefert ist (wofür Bech ebda

ELISABET UND ERLOSUNG.

541

8.330 voget : cerzogct eiusetzen will), fordern alle übrigen stellen mit 'ausnähme von 3292, wo das Avort im versinneren steht, eine form vot, die auf got und spot reimt: weder Wörterbücher noch grammatiken wissen etwas von einer solchen form.

von daz 2282.

vorhtesam 1672.

vruge hau 2742. 2834.

vmgebcere 1732. 2290.

wegen (Bartsch druckt überall vregen) 2360. 3910. 4325.

vreudebcere 2827.

vreveln 4849.

vnen 1684. 2210. 2796.

iTtst nemcn 3433.

vristen 1460. 6041. 6109.

vunke 5467.

vuoz, über 1953. 2602 (Bartschs bes- seruug wird durch T bestätigt). 4329. Die Avenduug begegnet auch im St. Pauler evaugeliar (Schöu- bach s. 153).

icaten 4765. 6577.

imzzerbat 2962.

wenden 'verwandeln" 6113. In der Elis. verwandeln 5178.

teert iu darwert 4447; heimicert 3125 ; herwert 4829 ; widerwert 1676. 5660. In der Elis. linden sich nur afterwert 1017, inwert 1011, iizicert 3409 und hinwert 4830, welches letztere auch Erl. 5253 steht.

wesen mit haben flectiert 5123.

icicken 4169 (so in P; in N steht da- für tvihern).

widergift 4572.

ividerhaft 911.

tciderriiste 915.

ividerschtn 1038.

loirbel 3962 (so in P; N hat dafür

wolveile 2387. [scheitel).

wäesteitheit 2430. 3861. 3938. 4002.

tcüestenunge 6130.

lounderbcere 2719.

ivunderruof 1436.

ivundersum 3189. Die Wörterbücher geben keinen einzigen beleg.

icundersanc 5727.

tvimdervreise masc. 6168.

lounderzeiehen 4235.

tcunnegarte 187.

tcunnenbcere 1298.

zagel 'ende' 2335.

zale 860 (Bartsch ändert ohne ver- anlassung in twalc; vgl. unten).

zanbizen 1815 (so in N ; P hat zende- hizen). Das wort begegnet auch im St. Pauler evaugeliar (Schön- bach s. 157).

zannen 6537.

zebresten 4587. 6040. 6044.

zegelich 291.

zelüzen 5634.

zeichenba;re 1837. 2972. 2992; zei- chencere 4728. Für beide worte fehlen in den Avörterbücliern alle sonstigen belege. In der Elis. zeichenlich, zeichenliche 2716. 8547. 10130. 10189, das auch Erl. 41. 1835 steht.

zeriben 2084.

zestrichen 4686.

zinsbcere 2863.

zitöle 1085.

zäunen 4032 (so iu P; N hat dafür zeigen).

ziio 'geschlossen' 2197. Das Mhd. wb. 3, 857 a gibt ein beispiel dieses gebranchs aus Hermann von Fritz- lar; vgl. auch noch Rittersp. 1253.

zwicken 5230. 5352.

Ich brauclie diesen die beredteste spräche redenden Avort- listen wohl nichts weiter liinzuzufügen: die divergenz der ausdrucks weise scheint mir so groß, daß die angenommene

542 LEITZMANN

verfassereiiiheit ausgeschlossen sein dürfte, zumal sie sich auch mit der annähme einer sich entwickelnden technik unmöglich vereinbaren läßt. Die literaturgeschichte wird also künftig die enge verkoppelung der beiden ungleichartigen dichtuugen wieder zu trennen haben.

2. Bemerkuugen zur Elisabet.

524 Vil manegen heren hurzebolt, pellel unde guot samit, vil manegen wehen hirsit, die von golde strebeten. die vögele, alse si lebeten, die letven, als si gicngen, daz vletze da heviengen. Daß hirzeJjoU nicht, wie Rieger s. 388 und auch das Mhd. wb. 1,221b erklären, 'Schmucksache', sondern ein kurzes ober- gewand bedeutet, hat Jänicke in seiner besprechung von LMegers ausgäbe (Zs. fdpli. 1, 378) betont: aber schon Jakob Grimm Avußte das richtige (Deutsche myth.-« s. 372 anm. 2). Schwierigkeiten macht dann die zeile die von golde strebeten, Avenn man sie mit Eieger zum vorhergehenden zieht: Haupts erklärung (zu Engelh. 3046), streben bedeute hier 'starren, strotzen', ist kaum annehmbar und das Mhd. wb. 2, 2, 678b er- klärt die stelle daher mit recht als verdorben. Ich setze punkt nach hirsit, stelle dann die beiden folgenden verse um und schreibe die vögele, alse si lebeten, da von dem golde strebeten.

1552 der ivar ir seien malicl ist: gemeint ist doch wohl ivärir seien mahel 'der wahre seelenbräutigam'.

1579 soliche liebe ivas in zivein, daz si beide sich von ein verdolten heine teile. Eieger bucht die stelle (s. 417) unter verdoln 'ertragen', was aber reflexiv nicht vorkommt. Ich möchte vcrtivelten lesen, wenn wir nicht überhaupt verdolten als lautliche Weiterentwicklung dieser form aufzufassen haben: das wort kommt reflexiv in dem hier notwendigen sinne von 'sich aufhalten' noch PjTamus 214 vor.

2975. iinvruot, das Rieger s. 424 als 'ungesund' erklärt, heißt an den häufigen stellen, wo es von aussätzigen oder sonst mit ekelhaften krankheiten behafteten gebraucht wird, wohl direct 'unreinlich', wie das gegenteil vriiot 'reinlich'. Sehr deutlich tritt diese bedeutung besonders 9593 zutage, wo es heißt: same ein wol get tragen swin, daz nii vrüde enlian gesln, daz wider vellet in daz kor.

ELISABET UND ERLÖSUNG. 543

4095 ist natürlich lobesam zu lesen.

4299 Biiringe imde Sassen tvären dar gcivassen; ähnlich

4534 er ivas iezu geivassen ( : Sassen) durch got inz en-

Icnde. Rieger s. 422 erklärt richtig- tuassen als 'sich wohin begeben', identiiiciert es mit ivalisen und bemerkt: 'man sagt noch etwas her wachsen lassen = es reichen'. Mir scheint diese deutung sehr unwahrscheinlich. Ich halte vielmehr ivassen für tvasclien, ein Avort, das dieselbe bedeutung wie das vielleicht damit im ablauts Verhältnis stehende wischen 'sich hin und her bewegen' gehabt haben muß und sonst, soviel ich sehe, nur noch in der Vorauer genesis (Diemer 13, 7) be- legt ist: begiinder (der aus der arche Noah entsandte rabe) umhe ivaschen durch sin selbes genaslx (Münschers Marburger dissertation s. 72 bespricht das seltene wort nicht). Zum reim SS : seh vgl. den ähnlichen dische : geivisse 1717. 2923 und Eieger s. 36.

5580 ir herrcn si enthelieti; 10006 icart daz grap iesä zuhant endelit unde oiich üf gedän. Rieger nimmt für diese beiden stellen zwei verba an, für die erste entheln 'aus der Verborgenheit nehmen' (s. 371), für die zAveite endeten für endelhen 'aufdecken, aufgraben' (s. 370); Lexer schließt sich ihm darin an. Ich glaube, daß nur ein einziges wort an beiden stellen anzunehmen ist und zwar endelhen; entheln, das zudem hier auftalligerweise schwache flexion zeigen würde, existiert nicht.

5903 mit driuven ivol gerende ( : hende). Dasselbe adj. und adv. gcrende begegnet noch 6784. 7652. 10268, überall in dem sinne von 'bereitwillig, schnell'. Lexer 1, 885 sieht darin das part. praes. von gern, was schon der betonung wegen unmög- lich ist; Rieger verzeichnet das wort (s. 375) unter den Zu- sammensetzungen mit ge-, hat sich also des gleichen Irrtums nicht schuldig gemacht, fügt jedoch zur erklärung nichts hinzu. Es handelt sich zAveifellos um dasselbe wort, das im Athis C* 90 sivilch ir da ivas gerandir und snellir dan die andirn und Nik. v. Jeroschin 22962 daz (das ungewitter) üf si mit vläge döz i grandir und i grandir (vgl. Pfeiffer, Jeroschin s. 167) in der bedeutung 'rasch, ungestüm' belegt ist. Wilhelm Grimms annähme (Athis s. 67 = Klein, sehr. 3,293), es handle sich hier um den comparativ des part. gerant von rennen, das

544 LEITZMANN

adjectiviscli gebraucht sei, ist nach uusern stellen irrig, die einen nomiuativ gerende aufweisen. Eine etymologie vermag ich nicht zu geben.

5959 die alle jämer sähen. Für diese seltene Wendung, die auch Erl. 4793 begegnet, oder vielmehr für die identische jämer schomvcn hat Bech, Germ. 19, 51 noch zwei belege aus der Eabenschlacht und Muskatblut beigebracht: ich füge für jene noch Maria D 189, 1 hinzu, wo A 2898 in vreise ändert; diese steht auch Erl. 6205.

7240. Die lesart von A iingusl für das Ungunst des textes Aveist vielleicht auf unJcust, das in unserm gedieht auch sonst (1385. 1833. 4982. 9660) vorkommt.

7555. Daß Rieger s. 428 das wort cippelerin richtig von 'discipula' hergeleitet liat und die identificierung des Wortes mit ziphelce rinne, das 'Verwalterin' bedeutet haben könne, im Mhd. wb. 3, 901 b irrig ist, beweist das zugehörige masculinum cippelcBre 'discipulus' im St. Pauler evangeliar (Schönbach s. 159).

7649 nCi was ein deil persona zu deme dienste schone

gcsezzet nach der räde. daz dinc icol vüge häde. Eieger be- merkt s. 398 unter räde fem.: 'die rede ist von dem personal, das bei Elisabets großer spende die polizei zu üben hatte, und der sinn des Wortes scheint: absieht. Der dativ von die rät würde rede lauten: ist ein fem. rata neben rät anzunehmen?' Sicherlich niclit. Durcli eine kleine interpunctionsänderung kann alles rascli in Ordnung gebraclit werden: gesezzet, nach der räde (durch deren anordnung) daz dinc ivol vage häde.

7731. Der ausdruck eiji quecJcez viiir (vgl. Grimm, Deutsche gramm. 3, 353) begegnet auch Parz. 71, 13.

10513 tvä ieman wazzerstihtec tvas, von ir helfe der genas. Die lesart helse in A {von irem helsen a) könnte das richtige enthalten, 'durch ilire umarmung'.

3. IJemerkuugen zur Erlösung.

330 daz ez mohte unscheinlich vor sincm gemehte tcandcrn. Statt unscheinlich ist natürlich unschemlich zu lesen, wie schon Müller im Mhd. wb. 2, 2, 147 a richtig erkannt hat und neuer- dings durch die lesart von T bestätigt worden ist (Schmidt s. 62).

733. 34 möchte ich für stec : tbcmvec einsetzen stic : cbemvic.

ELTSABET UND ERLÖSUNG. 545

Das letztere wort, das ich in der bedeutung- von 'gleichmäßig-er, gemeinsamer kämpf, Zweikampf fassen möchte, ist allerdings nirgends sonst belegt, aber das überlieferte ebemvec gibt keinen sinn. Die Wörterbücher erklären es, Müller mit, Lexer ohne f ragezeichen, als 'ebener, gerader weg': aber ein weg kann doch nicht zergehen. Mit ibemvic wäre dann dasselbe gemeint, was vorher (717) der strit zusehen dem menschen unde dir (gott) genannt wird.

860 öive der langen zale. Bartsch hat ganz ohne grund in hcäle geändert: die Überlieferung gibt einen völlig befrie- digenden sinn und wir gewinnen für das seltene wort zäle einen neuen beleg (vgl. Mhd. wb. 3, 848a; Lexer 3, 1024).

903 tvie ich gemcre den enJcer abe. Auch hier ist die Über- lieferung gänzlich in Ordnung und Bartschs änderung von geniere in geneme überflüssig: über merren "befestigen, anbinden', wo- von das Mhd. wb. 2, 1, 63a und Lexer 1, 2115 genügende belege geben, handelt auch Bech, Germ. 8, 480. Die gründlichste be- handlung erfährt das auch heute noch in rheinischen gegenden geläufige wort 'mehren' und seine ableitungen bei Kluge, See- mannssprache s. 577.

1423 könnte das in P für erhebe überlieferte infheve das ursprüngliche sein; vgl. oben s. 537.

1540 ist mit mit P in niht zu bessern, da es sich um eine Übersetzung von Zacharia 9, 11 'tu quoque in sanguine testa- menti tui emisisti vinctos tuos de lacu, in quo non est aqua' handelt; vgl. auch Schmidt s. 67, in dessen anmerkungen zu dem Varianten Verzeichnis die bibelcitate des gedichts sehr sorgfältig nachgewiesen sind.

1603 ist mit P slehit zu lesen: vgl. die von Bartsch selbst in der anmerkung citierte quelle Osea 6, 2 'percutiet et cu- rabit nos'.

1647 ist mit P senden statt sehen zu lesen: vgl. Malachia 3, 1 'ego mittam angelum meum'.

2699 er erJcante niht das höhe guot. Als lesart gibt Bartsch an 'e>- fehlt': es ist also er Jcanie zu lesen, zumal das simplex Icennen auch noch 1200. 2920 vorkommt.

3005 das er tveder tac noch naht verlast (■.glast). Bartsch in der anmerkung hält verlast für eine nebenform von verlasch: das richtige hat schon Rieger in der Elis. s. 36 anm. gesehen,

546 LEITZMANN

der ircder in 7cart ändern will auf grund des genau gleichen reims Elis. 2861.

3017 si heriten unde hiinden soumer imde sefel tif: es ist wohl hiriten zu lesen nach maßgabe der ähnlichen stellen 3564. 3703; vgl. oben s. 537.

3121 ändert Bartsch die lüte ndmen tviinder ohne grund in nam, ähnlich 6043 in derselben Wendung ncment in nimt: beide constructionen kommen vor (vgl. auch Elis. 8759).

3157 das ez sin kintheit mir vertrage heißt nicht, wie Bartsch in der anmerkung will, 'daß er mir verzeihe, wenn ich seine kindheit so kurz beschrieben habe', sondern 'daß es mir seine kindheit, seine kindschaft (der umstand, daß er ein so herrliches und bedeutendes kind gewesen ist) verzeihe, daß ich vieles übergangen habe'.

3313 den Jconec, der gehorn ist: besser liest man wohl nngchorn 'neugeboren'; vgl. auch 2746. 3218. 3260 und Elis. 9240.

3599 ist Bechs Vorschlag (Germ. 3, 335), mästen durch mäzen zu ersetzen, inzwischen durch P und T bestätigt worden.

3664 ez ist gehört ein stimme schal hoch in den wölken über al, räche lide schriende. räche hat Bartsch für das hand- schriftlich in N und auch in P überlieferte rachel eingesetzt, was ihm nicht hätte begegnen dürfen, da er in der anmerkung die quelle Jeremias 31, 15 selbst citiert, wo es heißt 'vox in excelso audita est lamentationis, luctus et fletus Rachel, plo- rantis filios suos et nolentis consolari super eis, quia non sunt' (vgl. Schmidt s. 81).

3816 und 3822 ist wohl gehrosten für gcbresten zu lesen, wie an der zweiten stelle in P schon steht.

3867 heißt es von Johannes dem täufer keinen win der herre dranc, hier noch ouch keinen mete und sivaz ienian ie gedete: statt des unverständlichen icman ic, über das Bartsch in der anmerkung mit stillschweigen hinweggeht, hat P zweifellos richtiger gcriven, das Bech, Germ. 19, 50 eingehender behandelt und als 'gähren, aufregen, berauschen' gedeutet und mehrfach belegt hat.

4291. Die handschriftliche Überlieferung mit dornen priemen möchte ich nicht mit Bartsch in mit dornen und mit priemen ändern, sondern lieber als mit dorninen priemen auffassen.

4497 heißt es bei Jesu gefangennähme si vielen nider

EIJSABET UND ERLOSUNG. 547

zustede von sclircclcen in ein iingemach: daz sclhc dri ivcrp gescliacli. Für drt iverp hat P zivirint, T anderwerhe und das ist nach der eA-angelienquelle (Joh.18,4. 7) das richtige. Zweifel- haft ist mir, ob für ungemach nicht vielleicht umnäht zu lesen ist.

4868 die greber sich vf däden nach dirre ungenäden, die dem herren da geschach: statt nach ist sicher ach zu lesen (PT liaben auch) und vorher eine stärkere interpunction zu setzen.

5026 liegt kein grund vor das überlieferte si riefen alle gare ja mit Bartsch in alle: jaräjä zu ändern, wenn auch der letztere ausruf 5035 vorkommt.

5397 er düt {ich edlen guten schin: besser liest man alle gute.

5565 kann das handschriftliche joch beibehalten werden und die änderung Bartschs in noch ist unnötig; vgl. die ähn- lichen beispiele aus der Elisabet bei Eieger s. 385.

5683 dm munt mit soiime vlüzet: ich lese seime.

6123 ein döz des herhornes: nach der biblischen quelle, die Bartsch in der anmerkung selbst anführt, Sophonia 1, 16 'dies tubae' muß wohl ein tac gelesen werden (vgl. aber Schmidt s. 103).

JENA. 22. Januar 1913. ALBERT LEITZMANN.

548 PFANNMÜLLER

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS.

Zu dem bekannten bericlit des ÄFatthias von Neuenburg über Frauenlobs grableg-ung im Difainzer dom durch die frauen von Mainz haben geschichtschreiber wie literarhistoriker bisher noch keine andere Stellung zu gewinnen gewußt, als ihn ent- weder gläubig oder gleichgültig weiterzugeben oder, sofern ja kritik geübt wurde, ihn als leere fabelei zu verwerfen, i) Es wird im folgenden zu zeigen versucht, wie das dilemma: historische Wahrheit oder freie erfindung durch eine vorsich- tige combination historischer und philologischer kriterien um- gangen und ein befriedigenderes resultat erreicht werden kann. Um unsern ausgangspunkt, das zeugnis des Matthias, sicher festzulegen, empfiehlt sich zunächst eine kurze Orientierung über

1. Die Überlieferung der chronik des Matthias

von Neuenburg. 2) Es sind im wesentlichen vier recensionen zu unterscheiden:

1. 1. IJ(ern), älteste, unter den äugen des autors ent- standene fassung, worin die ereignisse bis zum jähre 1350 er- zählt werden.^)

IL Die recension X<), eine stark gekürzte bearbeitung von B; hinter cap. 24B sind die sieben sog. Hohenberger capitel (24a-g) eingeschoben; cap. 24g berichtet von Frauen- lobs begräbnis.

2. y(aticana), fragment, reicht nur bis cap. 55.^)

') Das ältere uiateiial bei v.d. Hagen, MS.4, 738f.; ablehnend ver- halten sich K. A.Schaab, Gesch. d. Stadt Mainz 2 (1844), 134 und Hennes, Die erzbischöfe von Mainz (1879) s. 192.

-) Ausgaben von Studer, Matthije Neoburgensis chronicon, Bern 1866, und Hub er in Bühmcrs Fontes 4, 149; Übersetzung in den geschichtscbreibern der deutsch, vorzeit 2. aufl. bd. 84 von Grandaur mit vorrede von Wei- land (eitiert als 'einleituug').

ä) Studer s. i und bes. E. Schröder, Die Berner hs. des Matth. von Neuenbürg in den Nachr. d. Gott. ges. d. wiss. 1899, s. 49.

*) Nach Weiland, einleitung s. viii.

•"■) Hsg. von Weiland in den Abh. der Gütt. ges. d. wiss. bd. 38.

PRAUENL0B8 BEGRÄBNIS. 549

3. C, der aus dem nachlasse des Wiener humanisten Cus- pinian als anliang zu dessen werk De consulihiis Bomanorum commentarii (Basel 1552) s. 677 ff. veröffentlichte text. Im gegensatz zu BV, die als Verfasser der chronik richtig Mat- thias von Neuenbürg angeben, schreibt sie C dem Albrecht von Straßburg zu.i)

III. Die fassung *A, eine neubearbeitung von B, teils kürzend, teils erweiternd; sie enthält fortsetzungen über das jähr 1350 hinaus (1350-56, 1365—74 in der hs. A, die als hauptvertreterin der classe zu gelten hat). Es fehlt der name des autors.

4. A(rgentoratum), von Studer und Huber textkritisch ver- wertet, 1870 verbrannt. 2)

5. AV(ien), der vorhergehenden hs. nahestehend, s)

IV. 6. U, die ausgäbe des ürstisius im 2. bd. seiner Historici Germanice (Basel 1585) s.95 ff\ Er edierte die chronik nach zwei hs., die nach seiner beschreibung zur classe *A ge- hörten ;^) doch hatten sie vor A noch eine weitere fortsetzung bis zum jähre 1378 voraus. Diesen text zugrunde legend, nahm er daneben aus Cuspinian alles auf, was nicht schon in seinen beiden hs. stand, u.a. wiederum die sieben Hohen- berger capitel. Da die recension *A anonym ist, übernahm er auch den verkehrten autornamen aus C. Die capitel von B, die (zufällig) gemeinsam in YC wie in AW fehlen,'-) finden sich natürlich auch bei Ürstisius nicht. ^)

>) Studer s. xvi; dazu Aukwicz in den Mitt. d. östr. inst. 32,275.

*) Studer s. vii.

=>) Hsg. von Weiland in den Abh. der Gott. ges. der wiss. bd. 37.

*) Vorrede des Ürstisius (z. t. abgedruckt bei Studer s. xxix; ein vor- hergehender abschnitt beschäftigt sich mit Cuspinian) und Studer s. xxviii.

5) Zu unrecht erklärt Studer xxvii für auffallend, daß der Cuspinia- nische text einige abschnitte von B habe, die dem codex A fehlen; 'auf- fallend' wäre vielmehr, Avenn sich bei der verschiedenartigen tendenz der kürzungen von X und *A nicht auch einigemal ein plus auf seite von C gegenüber A ergeben hätte.

«) Mißverständlich ist, wenn Weiland, einleitung s. vii von einer mit A verwandten handschrift U redet, nach der Ürstisius die chronik ediert habe und die ' nicht mehr erhalten ' sei. So wie Ürstisius die chronik ediert hat, stand sie doch in keiner handschrift; und die 'handschrift' U ist nichts weiter als das druckmanuscript des Ürstisius, mag er als solches

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVllI.

550 PFANNMÜLLER

Nach dem gesagten veranscliauliclien wir uns die Über- lieferung der clironik durch folgendes stemma, das absichtlich skizzenhaft gehalten ist, da es uns vor allem auf die Hohen- berger capitel ankommt. i)

2. Das siebente der Hohenberger capitel. 2)

Der bericht über Frauenlobs begräbnis steht, wie s. 548 angegeben, in cap. 24g und hat folgenden Wortlaut 3):

De morte et sepultura Hcnrici dicti Frawenloh, magni

didatoris. *

Anno ^ Domini MCCCXVII, in vigilia sancti Ändree *=

sejmltus est Henricus '^ dictns ^ Frowcnloh in Maguntia in

anibitu majoris ccciesie juxta scolas *" honorificc valde. Qui

immerhin, nach der Unsitte seiner zeit, eine von seineu beiden hand- schriften, mit den nachtrügen aus C als marginalien, in die druckerei ge- sandt haben.

^) Mit der chiffre *B will ich nicht B eine 'vorläge' geben, sondern führe sie in hinblick auf die unterhalb liegenden hs. ein.

-) Studer s. 180 ff.

3) Die auswahl der lesarteu beruht lediglich auf gründen der Oppor- tunität, ohne philologische prätensionen; dazu ist das Vergleichsmaterial (lediglich die Hohenberger capitel oder, falls Matthias stilisierend eingriff, die ganze chronik?) zu ungünstig. Daß, am schluß des capitels, der cursns kein kriterium abgibt, lehrt sepiilcrum smon.

Lesarten: ^ Überschrift fehlt V. '■ Hon annoY. ^ = 29. november. '^ lleinriciisX. <= fehlt V. ^ sculasCV-. s. abschnitt 4!

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS. 551

deportaius fiiit a mulierihus ah hospitio usque ad ^' locum sepulturc, et lamentationes et querele maxime audite fuerunt ah eis propter laudes inßnitimas, quas imposuit omni generi^ femineo in dictaminihus suis. Tania etiam ibi fiiit copia ' vini ftisa in sexmlcruni suum, quod circumfluehat per totum amhitum ecclesie. Cantica canticorutn didavit Teutonice vulga- riter ^ Unser frowen laich ' multaque alia. ""

Auf den ersten blick erscheint die Überlieferung- der Hohen- berger capitel nicht sonderlich altertümlich: neben zwei drucken des 16. jh.'s eine einzige papier- Sammelhandschrift des 14, (?) oder 15. jh.'s. i) Indessen ist ihr inhalt derartig, daß ihre ent- stehung in den fünfziger jähren des 14. jh.'s nicht bezweifelt werden kann. 2) Es gilt als ausgemacht, daß sie daher ihr name von Albrecht V. von Hohenberg (d.i. Albrecht von Straßburg bei Cuspinian) stammen, der, nach kenntnis- nahme der fassung B, sie dem autor zur Verfügung stellte als material für eine neue ausgäbe. 3) In der fassung X ist von dieser Zuwendung gebrauch gemacht.^)

Eins fällt bei musterung unserer sieben capitel unvermeid- lich auf: die andersartigkeit des siebenten, eben unseres Frauen- lobcapitels, neben den sechs vorhergehenden. Diese enthalten

1. die 'genealogie der frau Anna', gemahlin Rudolfs von Habsburg und Schwester Albrechts IL, des großvaters unseres Albrechts V. von Hohenberg (24 a),

2. einen bericht über Albrecht IL und seine söhne (24 b),

3. einen bericht Albrechts V. über sich selbst und seine brüder (24 c),

4. schwanke über einen notar Albrechts (24 d. e) und er-

Lesarten: g in V. h genere V. ' copia fuit CU. ^ q^g vidgariier di- cuntur CU. 1 laidt C, Lied U. "' et nudta alia bona CU.

0 Weiland, Abb. der Gott. ges. der wiss. 38, 1.

-) Unter mehreren ähulicben angaben sei besonders auf die datieruug E. Schröders (a.a.O. 68) hingewiesen: nach dem 26. mai 1354.

3) E. Schröder a. a. 0. 71.

^) In den Abb. d. Gütt. ges. der wiss. 38, 7 erklärt es Weiland für völlig ausgeschlossen, daß autor der chrouik und redactor der verstümmelten fassung X identisch seien. In der einleitung s. xiv ist er für diese ansiclit schon eher zu haben. Sie setzt bei Matthias freilich eine hohe fähigkeit zur Selbstentäußerung voraus.

36*

552 PFANNMÜLLER

Zählung von einem Züricher ritter, der mit Rudolf von Habs- burg- verfeindet war (24 f).

Das alles sind gegenstände, über die Albrecht fast aus- nahmslos aus nächster nähe zu berichten imstande war; es handelt sich stets um ihn selbst oder um verwandte von ihm. Die erzählung von Frauenlobs begräbnis in Mainz aber wirkt daneben inhaltlich (wie geographisch) fremdartig.

3. Zurückleitung der nachricht nach Mainz.

Aufklärung dieses rätseis und zugleich weitere erkennt- nisse ergeben sich aus der betrachtung eines etAvas früheren Zeitraumes in Albrechts leben. Das Jahrfünft vor dem ersten erscheinen der chronik des Matthias (1345 50) war für Al- brecht in fruchtlosen bemühungen um den bischofsstuhl von '\\^ürzburg verlaufen, für den er nach dem tode des bischofs Otto IL (1345) vom papste providiert worden. In den jaliren 1349 f. trat Albrecht, der seinen anspruch auf den vom dom- capitel selbst längst anderweitig besetzten posten noch immer nicht aufgegeben hatte, in langwierige persönliche Verhand- lungen mit Michael de Leone als dem protonotarius des "Würzburger hoclistiftes, ohne indessen eine änderung zu seinen gunsten erreichen zu können, i) Trotz ihrer politischen gegen- sätze fanden sich die beiden männer in ihren gemeinsamen iuteressen für die deutsche dicJitung;-) Albrecht übermittelte dem Michael die beiden gedichte seines küchenmeisters Heinzelin von Konstanz als beitrag für seine große sammelhandschrift die sog. Würzburger liederhandschrift K^) , die ihrem ab- schlusse bereits nahe war.")

') Hierüber die eigenen berichte Albrechts in dem eben besprochenen capitel 24c und Michaels in den bei Böhmer, Fontes 1,465 abgedruckten aufzeichnungen; vgl. ferner Lorenz Fries, Historie der gewesenen Bi- schoffeu zu Wirtzburg 1544 (in J. P. Ludewig, Geschichtschi eiber von dem Bischoffthum Wirtzburg 1713) s. G30ff.; L. Schmid, Gesch. der grafen von Zollern-Hohenberg 1,214.

«) E. Schröder, Zs. fda. 53, 398.

^) Ruland im Arch. d. bist. ver. v. Unterfranken 11.

*) Datum der eintragung von Heinzelins gedichten in die hs. bei E. Schröder, Die gedichte des königs vom Odenwald (Arch. f. hess. gesch. KF. 3, 1 ff.) 3. <J.

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS. 553

Diese selbe hs. aber enthält auch den großen Marienieich Frauenlobs, 0 mit folgender Überschrift (blatt 209r): Hie hebt sich an cantica canticoy MeisV H'richs missen des framve lobs. cV ze Mencze ist begraben' und es kann nun keine frage mehr sein, woher Albrecht die an Matthias weitergegebene nachricht hat. Der leich Frauen- lobs, den Albrecht in Michaels hs. sah, wird bei Matthias mit auszeichnung genannt und mit den Worten der hs. E als Frauenlobs cantica canticorum betitelt. Seine weitern kennt- nisse von Frauenlobs dichten {midtaque alia) sind gerade so gering wie der sonstige Frauenlobbestand in E; es folgt dort auf den Marienieich auf bl. 213v gerade noch ein Frauenlob- scher spruch (Ettm. 141). Überschrift:

MeisV heinrich mische.d' frauwe lob genant, wozu wiederum das clictus Froivenlob der chronik paßt,

Michael de Leone aber war der söhn des bey leben (= re- gierungszeit?) bischofs Otto II. 2) von Würzburg (1335—1345) zugezogenen Conradt Jude, dem Mainzer patriciergeschlecht der Jude angehörig. So führt von ]\Iatthias durch verschiedene mittelglieder ein gleichsam persönlicher Zusammenhang auf das älteste und wichtigste zeugnis für Frauenlobs begräbnis, nämlich

4. das grabmal Frauenlobs im Mainzer dom.3) Freilich ist der grabstein, der heute dem besucher des doms gezeigt wird, nur die ungenaue nachbildung eines im jähre 1774 zertrümmerten Originals, <) das zudem an anderer stelle stand. Indessen ermöglicht uns die beschreibung des alten Steines durch Gudenus,^) jenes in unserer phantasie einigermaßen zu restituieren.

^) Über diesen leich werde ich den fachgeuosseu in bälde eine ein- gehende monographie vorlegen.

^) Es ergeben sich in den verschiedenen berichten einige kleine chro- nologische Unstimmigkeiten, worauf hier aber nicht verweilt werden soll; vgl. Lorenz Fries a. a. 0. 562 tf., Böhmers Fontes 1, xxxiv, Rulaud a. a. 0. 4:2 ff.

«) Alles notwendige ist bereits bei v. d. Hagen, MS. 4, 738 f. zusammen- getragen.

*) Fr. Werner, Der Mainzer dorn und seine deukmäler 1,338; K. A. Schaab, Gesch. der Stadt Mainz 2,134. ^) Codex diplomaticus 2,896.

554 PFANNMÜLLER

Die aussage des Gudenus:

Jiixta portam scholce erectus ad mumm lapis magnus, conspicienchim prcebens caput serto cinctum, sparsis in periplieria colli fioribus: Anno Domini 3ICCCXVIII ohiit Henricus Frotvenlop in vigilia Beati Ändree Apostoli ist in zwei punkten für die nacliriclit des Matthias maßgebend: sie sichert gegenüber scalas CU die lesart von V scolas (von V. d. Hagen schon durch conjectur geAvonnen) und corrigiert die fehlerhafte Jahreszahl. Der ersatz des alten ohiit durch sepultus est bei Matthias aber hat, wenn das in abschnitt 5 gesagte richtig ist. sj-mptomatische bedeutung.

Ferner erfahren wir, daß unter dem porträt des dichters in reliefartiger darstellung zu ei-blicken war, wie der sarg Frauenlobs von acht trauen mit fliegenden haaren zu grabe getragen wird. ') Der renovierte grabstein läßt davon nicht melir viel erkennen.

Die erklärung für die beerdigung des dichters im dorn und seinen pompösen leichenstein ist am ehesten in engen be- ziehungen Frauenlobs zum damaligen erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt (1306—20), zu suchen, auf dessen bestel- lung der stein möglicherweise zurückgeht. Man darf vermuten, daß diese bezielmngen nicht erst in den letzten lebensjahren des dichters angeknüpft wurden. Peter 2) war seit 1289 notar der böhmischen kanzlei, seit 1296 kanzler des Böhmenkönigs Wenzel II. (1283—1305) gewesen, desselben Wenzel, dessen schwertleite Frauenlob beigewolint (Ettm., Spruch 135) und dessen tod er laut bericht von Ottokars östr. reimchronik (v. 86556) in einem klagelied l)etrauert hat. Demnach darf man die erste bekanntschaft zwischen Peter und Frauenlob wohl an den Pi-ager hof verlegen und für ihre beziehungen eine beträchtliche Zeitdauer annehmen, was die große ehrung des verstorbenen dichters leichter verständlicli macht. 3) » - - -

') Schunk, Beitr. z. Mainz, gesell. (t789) '2,135.

2) .1. Heideraanu, Peter von Aspelt (Bln. 1875); s. 8— 10 über dessen hohe geistige cultnr.

^) Man wird verstehen, daß ich versnchsweise lieber mit einer histo- risch sicheren doppel-contiguität als mit der ganz spät bezeugten, angeblich

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS. 555

5. Versuch einer ätiologischen erklärung für die 'fabel' des Matthias.

Mit ausnähme einiger gedankenlosen leute, die die nach- richt der chronik als eitel fabelei verwarfen, ohne dabei auch an den grabstein zu denken, haben die literarhistoriker wie die Mainzer localhistoriker natürlich niemals versäumt, jene mit diesem in Verbindung zu setzen. Unsere ausführungen haben uns belehrt, daß wir nun auch jenen nicht beizustimmen brauchen, die das ereignis durch chronik und denkmal als durch zwei gleichwertige und unabhängige quellen bezeugt glauben. Wir dürfen uns vielmehr für berechtigt halten, die erklärung für die nachricht der chronik von dem stein abzulesen, der für uns als das einzige übergeordnete zeagnis übrig bleibt.

Diesem einzigen zeugnis gegenüber hat also die Inter- pretation zweifellos einen gewissen Spielraum. Und ich denke, man gewinnt nur dabei, wenn man die dort vorgeführte grablegung des dichters durch die frauen überhaupt nicht als Wiedergabe einer historischen begebenheit auffaßt, sondern vielmehr als eine allegorie, bei der ein bekanntes poetisches motiv bildnerisch verwertet ist: der nachlebende dank der frauen an den verstorbenen sänger, der bei lebzeiten zu ihrem preise gesungen hat. Dieser poetische gedanke ist jedem leser aus Walther 82, 32 ff. gegenwärtig. War aber ein solches motiv einmal in der angegebenen form bildlich fixiert, dann konnte die auffassung, hier habe man es mit darstellung eines wirklichen geschehnisses zu tun, gar nicht ausbleiben; es braucht also gar nicht angenommen zu werden, Albrecht von Hohenberg oder Michael de Leone seinerseits sei das leicht- gläubige opfer eines mj'stificanten geworden. Diese allegorie mußte von selbst zum leben erwachen; und schon hat sich ein neuer zug eingefunden, der natürlich auch noch aus Mainz stammt: der ungeheure weinguß an Frauenlobs grab im dom- gang, was allein genügt, um jedes eintreten für die authenti- cität unserer nachricht als unsinnig- erscheinen zu lassen.

vou Frl. gestifteten Mainzer meistersiugerschule (als stifterin des denkmals) operiere, da diese selbst für mich wiederum unter den folgen ätiologischen Verdachts fällt.

556 PFANNMÜLLER

Der gewichtigste einwand, den der keuner Frauenlobscher dichtung gegen diese ausdeutung machen könnte, wäre: bei Frauenlob war jenes poetische motiy, auf das wir die allego- rische darstelluug zurückführen wollten, ja völlig deplaciert! Denn womit sollte sich dieser dichter mit seiner dunklen pseudo-gelehrsamkeit, bei dem kaum mehr ein naiver und zum herzen dringender ton zu hören ist, den dank der damenweit verdient haben? Nun, um so unbegründeter wäre ein eintreten für die glaubhaftigkeit der Matthiasschen meidung und für die historische tatsächlichkeit einer solchen huldigung mit allen ihren wunderlichen nebenumständen. Damit aber kommt man endlich zu dem eigentlichen lebensnerv seines ruhms bei Zeit- genossen und bei den späteren bis in unsere heutige zeit hinein, und das ist sein spielmannsname. Ohne der Frauenlob zu sein würde Heinrich von Meißen schwerlich einen grabstein mit weiblichem leichenconduct, der ganz den eindruck einer wohlüberlegten gelehrten ausbeutung seines beinamens macht, ^ erhalten haben; und wer wüßte dann heute von ihm außer dem fachgelehrten ?

Die nachricht des Matthias von Neuenburg hat aufnähme gefunden in W. L. Hertslets buch Der treppenwitz der Weltgeschichte;^) der große anecdotenjäger hat im ver- trauen auf einen wenig kundigen gewährsmann hierbei sehr ungeschicktes gesagt; gleichwohl belassen wir dieses zeugnis unter seinem buchtitel, wenn wir uns Frauenlobs intensives nachleben, zumal in der Stadt, die seine gebeine bewahrt, vergegenwärtigen dank seinem namen.

6. Anhang.

Nur als illustration zu den letzten Sätzen stelle ich, ohne irgendwelche bemühung um Vollständigkeit, hier einige materia- lien zum fortleben Frauenlobs in der deutschen literatur und zum Mainzer Frauenlobcult ziemlich ungeordnet zu-

') Der leser möge sich hierbei, als einer 'parallele', der sage von Walthers v. der Vofjel weide grab sowie seines epitaphimns entsinnen, dessen kenntnis gleichfalls dem Michael de Leone verdankt wird. (Sein interesse für grabmaler nnd -inschriften ließe sich auch noch anderweitig belegen).

2) 5. auf 1. (Bln. 99) s. 222.

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS. 557

sammen. Dabei soll nur auf die nacliwirkungen der nachricht des Matthias von Neuenburg geachtet werden, so daß wir die meistersingerische tradition von den zwölf meistern ganz bei- seite lassen und die ingrimmige Verwendung des namens Frauenlob als appellativum bei Konrad von Megenberg, Buch der Natur 197, 10 als interessantes indirectes zeugnis und die ganz selbständige und in ihrer art schönste und ehrenvollste erwähnung des dichters im humanistenbrief (Zs. fda. 6, 27 und Friedjung, Kaiser Karl IV. s. 325 f.) nur eben eitleren. Mit den traditionen der meistersinger verquickt ist unser Zeugnis bei Cyriacus Span gen b erg. Von der Musica und den Meistersängern (1598), wo Frauenlob zum Doctor Theo- logise promoviert ist und die nachricht von der großen libation an seinem grabe sich um einen weitern kleinen zug vermehrt hat: tvie sie Ihme dann Auch offtmal noch hey seinem Lehen den Weyn verehret (L.V. 62, 131); dieser ableger hat bei späteren Frauenlobschwärmern denn auch gute fruchte getragen. Als gewährsmann wird, wie in allen späteren com- pendien, literarhistorischen überblicken u.s.w. Albertus von Straßburg angegeben, aus den s. 549 auseinandergesetzten gründen. [Wagenseil (Von der Meister - Singer Holdseligen Kunst 1697, s. 508f.) kannte Spangenbergs buch nur nach einem auszug.] Späthumanismus: epigramm des Friedrich Calenus {= Friedrich Cahlen 1613—63; vgl. Goed. 3^, 78), mitgeteilt in Paullinis Teutschem Frauenzimmer 1712, s. 8:

Frauenlohius quondam, diictus cognomine, fcrtur Foemineum eximia laude iulisse chorum. Hinc et cum rursus multo hie mactavit honore, Defunctumque humeris ad sua busta tulit.

[Ein närrischer zufall fügte es, daß ich auf dieses product schal gewordenen humanistenwitzes durch ein handschriftliches marginale in einem exemplar des Baylischen dictionaires auf der hiesigen bibliothek geführt wurde.] Epigrammatik des 18. jh.'s: Göttinger poet. blumeniese von 1785, citat bei Jördens 1, 565. Der wiedergewinn Frauenlobs für Mainz: bemerkenswert ist, daß die gelehrte localhistorie von Mainz im 17. und 18. jh. kein Interesse für Frauenlob zeigt. Er ist Aveder bei Serarius (1604), der sonst reichlich

558 PFANNMÜLLER

aus Cuspinian schöpft, noch bei seinem ernenerer Joannis (1722) erwähnt. Über Gudenus (1743 ff.) s. oben. Wenn man satirisch aufgelegt wäre, würde man als das geburtsjahr des Mainzer Frauenlobcults das jähr 1774 ansetzen, in dem sein alter grabstein zertrümmert wurde, worüber sich sicher mit einem schlag männiglich entrüstet hat. Erneuerung des Steins 1783 durch den domdechant von Fechenbach. 1790 Hutter im Hist. taschenbuch für das vatei'land (= Mainz), s. 241 ff. 1792 Drama Heinrich Frauenlob von Nikolaus Vogt in Mainz; s. Jördens 1,565.^) Als der eigentliche wiedei-eroberer Frauenlobs für Mainz darf wohl G. C. Braun gelten, der im anschluß an die forschungen J. Grimms (1811) und Gorres (1817; seinen altdeutschen volks- und meisterliedern ist eine ganz unwahrscheinliche abbildung des Frauenlobsteins vorgesetzt) vielfach um unseren dichter bemüht war; hierüber Ettmüller in seiner vorrede und HMS. a.a.O., woselbst einige weitere angaben. Acht jähre nach Brauns tod errichtung des neuen Frauenlobdenkmals (1842) von SchAvanthaler; im anschluß daran im folgejahr eine modernisierung des Fraueu- lobschen Marienieichs durch Kehrein, den Verehrern und ver- elirerinnen des dichters geAvidmet. Beteiligung der 'gold- schnittliteratur': Gedichte von Müller von Königswinter in der Lorelei 1851, von Roquette in Waldmeisters brautfahrt 1851, stück 8 und von Baumbach in den Liedern eines fahren- den gesellen 1878, dazu gewiß vieler anderer. Das drolligste machwerk von der weit ist die handschriftlich auf der Mainzer Stadtbibliothek ruhende fälschung von Nikolaus Müller (1770—1851; vgl. Scriba, Biogr.-lit. lex. der schriftsteiler des großherzogtums Hessen, Darmstadt 1831; ADB. 22, 655), die Alfred Boerckel ans licht gezogen und in gestalt einer epopöe vorgelegt hat (Frauenlob 2. auf!., Mainz 1881). Die Müllerschen aufzeiclmungen sollen auf mittelalterlichen (|uellen beruhen, die durch den sechsten Mainzer dombrand (nacht vom 28. auf den 29. juni 1793) vernichtet worden seien. Aus den Müllerschen papieren selbst ist zu ersehen, daß sie Brauns

') Ebenda citiert Jördeus: Neubeck, Der neue Frauenlob in zwei ge- sängen 1792; mir ist das buch nicht zugänglich; wenn 'Der neue Frauen- lob' im Neuen teutschen Merkur 1791, 3, 332 ff. eine probe daraus sein sollte, würde Neubecks werk schAverlich hierher geliüren.

FRAUENLOBS BEGRÄBNIS. 559

arbeiten und Ettmüllers aiisg-abe bereits voraussetzen, die Müllers angebot zur mitarbeit beide dankend abgelehnt hatten. Sonach hat es anscheinend recht lange gedauert, bis sich der frühreife excerptor vernichteter hs. auf seine schätze besann. Müller weiß z. b. von seinem Mainzer patriciersolm Henricus ad Paruni (zur Meise!) zu berichten, daß seine amme die bäuerin Monica von Bretzenheim war, und ferner: 'Er war ein guter Christ, aber er vertrug sich auch mit heimlichen Arianern.' Näherer bericht über die Müllerschen enthül- lungen in der Monatsschrift für d. gesch. Westdeutschlands 7, 76 (unbegreiflich kritiklos); scharfe Zurückweisung durch K. Zangemeister, Die wappen ... der großen Heidelberger liederhandschr. s. 23. Die geistlosigkeit der Müllerschen Offen- barungen hat auch störend auf Boerckels epos eingewirkt, indem der dichter durch das ganze büchlein hindurch genötigt ist zu besingen, daß irgendwer stirbt; in der tat ist es er- staunlich, wie viel leute in Müllers verhältnismäßig kurzem manuscript successive sterben. Auf Müllers material beruht endlich noch ein historischer roman 'Frauenlob' von Gerhard von Amyntor (1885). i)

*) Für mancherlei winke, die ich in diesem 6. abschnitt verwertet habe, sei herrn hofrat A.Boerckel, der sich selbst kein geringes verdienst nni die pflege der Franeulobtradition in seiner Vaterstadt zuschreiben darf, und herrn dr. Heidenheimer zu Mainz auch an dieser stelle aufrichtigst gedankt.

STRASSE UEG, im februar 1913.

LUDWIG PFANNMÜLLEE.

560 GUTMACHER

etymologip:n.

1. Huiizeu, verhiiiizeu.

Imnzen wird von Grimm, DWb. 4, 1953, Heyne, "Wb. s. 214, Kluge, Etym. Avb." s. 216 zu hund gestellt. Dagegen äußert sich Franck, Xed. Etym. Woordb. s. 378 und stellt es zu ndl. liomp 'afgesneden stuk'. ') Ich will zu zeigen versuchen, daß Francks auffassung irrig ist und die Grimms, Heynes und Kluges zu recht besteht.

Betrachten Avir zunächst einmal den gebrauch von hunzcn, verhunzen.

Am häufigsten finden wir es in der bedeutung 'schelten, verunehren '.

Adam: Mir träumt, es liätt ein klüger mich ergriffen und schleppte vor den Richtstiihl mich iiud ich, ich säße gleichwohl auf dem Eichtstuhl dort und schalt und hunzt und schlingclt mich herunter und judiciert den Hals ins Eisen mir.

H. von Kleist, Der zerhr. krug, 3. sc.

Grimm, DWb. 4^,1189. Indem er Herr Heinzcn aus- himzt, Icommcn ihm auch die Verfasser der Götüngenschen ge- lehrten Zeitung in den Weg Lessing 6. 182, Wofür man von den moralischen Versoncn rechtschaffen ausgehunzt wurde 'JMeck 5,30, Grimm a.a.O. 1,889. In der bedeutung 'verunstalten' bezeugt Lessing verhunzen Nath. d. w. 5,5:

Welch einen Engel hattet Ihr gebildet,

den Euch nun andre so verhunzen werden.

Als synonym von 'beschimpfen, verunehren' findet es sich bei C. F. Meyer, Nov. 2, 112 die Närrin, die ihr die Eltern verhunzte. Heyne 3, 1200.

hnndsen 'einen wie einen hund beliandeln' bezeugt aus dem schwäbischen Schmid. ScliAväb. wb. s. 291. Kr kennt auch noch vollere formen, die ich etymologisch nicht völlig deuten kann; das erste died scheint deutlich mit 'hund' identisch zu

') Auf die gleiche wurzcl hionp führt auch 0. Weise, Zs. fdwortf. 3, 243 verhunzen" zurück, indem er es aus ^verlnmpezen entstanden sehen will.

ETYMOLOaiEN. 561

sein: hiindaasen (gespr. hundäsen), liundausen 'auf das schmäh- lichste schimpfen, eigentlich jemanden einen gefallenen hund schelten' ibid.

Zu dieser erklärung stimmt genau bildung und gebrauch von di\)\\\g. pi.sovati 'vituperare', neuslov. ijsom^i 'beschimpfen, schmähen, lästern', hoga p. *gott lästern'. Dazu psost 'be- schimpfung, schmährede, spott', psovac 'Schimpfer, schmäher', vsovalen 'beschimpfend, schimpf-, schmäh-, jworai'ec 'beschimpfer, lästerer', psovavka ' beschimpf erin', psovl^a schmähwort, Schimpf- wort, serb. psovati 'schimpfen, schelten', psovanjc 'schimpfen, schelten', psovac 'schimpfer', psovacica 'schimpferin', psovJca 'schimpf, russ. (prov.) psovat', psit' 1. 'nach hunden riechen', 2. 'verderben, ausrotten', 3. 'verleumden, klatschen'. Alle die genannten worte sind von aslav. pisz, slov. pes, serb. pas, poln. pies 'hund' abgeleitet.

Man hat sich vielleicht die bedeutungsentwicklung so zu denken: 1. jemanden hund schelten, so wird Joseph bei Notker hunt genannt Graft 4, 976. Oder es heißt in der Kaiserchronik D 378, 26 des mortes frönte sich do der hunt. Ebenda 384, 20 lesen wir iva^ tvi^^c du mir hunt. Einmal werden die bösen Juden als hunde bezeichnet: do (jcnas er von den hunden Wernhers Maria (ed. Fundgruben 2, 145— 212) 189,31, ein anderes mal die beiden in des Strickers Karl (ed. Bartsch) 10086. der heidnisch hunt lesen wir Salom. und Morolt 1, 418, s. auch Lexer 1, 1387. In einer alten Ulmer polizeiordnung finden wir: Wer den andern einen Seelenhund^) schilt, soll 2 f. Strafe gehen (Schmid, Schwab, wb. s. 491).^)

Die ags. Judith bezeichnet Holofernes als öone häeäenan hund (ed. Thwaites Heptateuch. 23, 7).

Bei Homer wird y.vcov mehrmals als Schimpfwort gebraucht, so von Helena Z 344. 356. Iris nennt Athene so S 423. Hera die Artemis </> 481. Die mägde in Odysseus' hause werden ob ihrer pflichtvergessenheit 'hündinnen' genannt:

»/ xüya T7]).ei.iä/_u> tQtw, xvov o'i ' ayoQSveii o 338.

Achilles bezeichnet Hektor als xvov X 345. Weitere belege

') Über den ' seeleuliund ' soll an anderer stelle ausführlich gehandelt werden.

') Vgl. auch unsere schimpfworte kruinmer hund, himpenhund etc.

5G2 GUTMACHER

s. Ebeling, Lex. Homer. 956. Auch den Eömern ist es geläufig, den 'liund' als Scheltwort zu verwenden; so bei Plautus: iixorem snam esse aiehat rabiosam canem Menaechm. 933 oder bei Terenz: ain vero, canis? Eun. 803 (dazu bemerkt der com- mentator Donatus: lioc verho imptidenühus inimicis convicium f'icri solet. nam müitare dictum est in hostem ... et apud Ho- merum pro gravi contumelia in adversarium dicitur). "Weitere belege aus der späteren zeit findet man Thesaur. ling. Lat. 3, 258. Auch im Orient kennt man gleiche Verwendung des hunde- namens; ich verweise auf 1. Samuel 24, 15 und die sonstigen belege für {liM) rV^ Gesenii Thes. ling. Hebraic.^ 2, 685.

2. Jemand wie einen liund behandeln, ein hundeleben führen lassen: 'es möcht' kein hund so länger leben' Goethe, Faust act 1, sc. 1. Interessant ist, daß die bezeichnung 'hundeleben' für ein elendes leben schon im alten Indien belegt ist: suajlviJiä f. hundeleben zur bezeichnung des dienstes Hemacandras Abhi- dhänacintamani 866 und svavrtti f. hundeleben zur bezeichnung des dienstes Amarakosa 2, 9. 2 u.a. Büthlingk-Eoth. Sanskrit- wörterbuch 7,410. 411.

3. Unehrbietig behandeln, anschreien, schelten, verunehren, verunstalten, durch beschnuitzung oder durch schlag, sodann verstümmeln.

2. Gepritscht.

gepritscht adj. und adv. 'töricht, halb verrückt, närrisch' steht Unger, Steyr. Wortschatz s. 271a.

pritsclien ist sonst bekannt und belegt: 1. 'mit der pritsche schlagen', übertragen in der Verbindung gepritscht sein in seinen hoffmingcn, 2. 'davonjagen, fliehen', 3. i)ritsch-fort, verschwun- den': so tvar mich die hoffnnng pritsch, ein Offizier zu werden Simpl. 3, 226. Grimm, DWb. 7, 235/36. Heyne, DWb. 2, 120203. Somit können wir für pritschcn die bedeutung 'schlagen' fest- stellen; gepritscht würde also so viel sein wie 'geschlagen'. Denkt man nun an den von Havers, IF. 25, 375 ff. IF.28, 189. KZ. 43, 225 gelieferten naclnveis, daß viele ausdrücke für 'wahn- sinnig, dumm, töricht' ebenso wie die für 'zaubern' von dem begriffe des 'schlagens' oder 'geschlageuseins' ausgehen, so kann man in gepritscht dieser kette ein neues glied anfügen.

Ähnlich scheint es zu stehen mit geschützt part. adj. und

ETYMOLOGIEN. 563

adv. 'sclnvaclisinnig-, lialbverrückt, lialbiiärriscli ' Unger s. 286. Schützen = 'hin und her bewegen, schaukeln' Unger s. 558b. Grimm gibt als bedeutungen u.a. an: 1. transitiv 'mit plötz- lichem stoße schwingen, scharf stoßen, in die höhe werfen, prellen, schaukeln', 2. = schützen in derselben bedeutung. Vgl. Hans Sachs 3,2.232 a:

secht wie sie vou des berges spitzen die grösten stein auf uns rab schützen.

Grimm, DWb.r-, 2128. 2130.

Aus der Verbindung schützen und schirmen ist uns schütten in der bedeutung 'abschlagen, abwehren' bekannt. Zur ur- sprünglichen bedeutung von 'schirm' vgl. man ital. schermo 'fechten'.

Nimmt man schützen = 'schlagen", so gehört (jcschiitzt in die oben erwähnte kategorie. Zieht man aber die steirische bedeutung als grundlage vor: 'hin und her bewegen, schaukeln', so stellt man unser wort lieber zu ausdrücken wie verrucht, verdreht, verbohrt etc., in denen dieselbe Vorstellung zugrunde liegt wie in lat. delirare Walde- s. 227. 435.

BERLIN. ERICH GUT.VIACHER.

564

ZUR ERKLÄRUNG DES ULFILAS- STEMPELS.

In der Zeitschrift für deutsches altertum') haben Rudolf Henning und Bruno Keil einen von dem französischen alter- tumsforscher Gustave Schlumberger im jähre 1875 in Korfu erworbenen broncestempel des vierten nachchristlichen Jahr- hunderts, der die mit einem kreuz versehene aufschrift: OYP<PLLV^ OPIITIKOV trägt und dessen handgriff einen jungen wolf darstellt, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf den bekannten gotenbischof Ulfllas bezogen. Nur mit Hen- nings deutung des beinamens 'OQt/Tixoc, den Ulfilas auf dem Stempel führt, kann ich mich niclit einverstanden erklären. 'OQt/Tixog oder vielmehr oqhtix(k ist, wie Keil (s. 152) richtig bemerkt, einer, der zu den oqhtcci, den bergbewohnern, gehört. Nun befand sich im westlichen Niedermoesien bei dem heutigen bulgarischen orte Kutlovica am Ogost ein durch die Inschrift CJL III 12376^) (aus dem jähre 256 n. Chr.) bekannt gewor- denes römisches Municipium der Montanenses, dessen gebiet CJL III 12385 zufolge sich nordöstlich noch 30 kilometer weit bis nach Gromsin erstreckte. Dieser umstand veranlaßt Hen- ning (s. 153) zu der annähme, Ulfilas und die Goten, welche ihm anhingen, seien bei ihrem übertritt auf römisches gebiet nach dem westlichen Niedermoesien ausgewandert, wo sie im gebiete der Montanenses eine neue heimat gefunden hätten; als nunmehriger bewohner der regio Montanensis aber nenne sich Ulfllas V<jfjTix(k d. i. Montanensis.

Gegen die an und für sich recht ansprechende Vermutung wäre nichts einzuwenden, wenn dieselbe nicht mit dem aus- drücklichen, von Henning bewußt nicht berücksichtigten Zeug- nisse des Jordanes (Getica LI 267) im Widerspruch stünde, dem

«) Bd. 49, NF. 37, 1908, s. 146—154.

2) (Jv(j(pi).üq ist die vulgürgriGchische, bei Philostorgios (Hist. eccles. 2,5) wiederkehrende namensform von Ovhfü.aq. Zu dem genetiv Or(><//A« ist otpQir/iq oder afjiiüov zu ergänzen.

ä) Henning citiert nocli nach dem in den Neuen Heidelberger jabr- bücbern 3, 1893, s. 195 f. erschienenen aufsatze von Domaszewskis.

ULFILASSTEMPEL. 565

zufolge die mit Ulfilas ausgewanderten Goten in der gegend von Nicopolis neue wolmsitze angewiesen erhielten. Dieses Nicopolis, das heutige Stari Nikup') an der Rusica, einem linken nebenflusse des oberhalb Sistowo, dem alten Novae, in die Donau mündenden Jantra, hieß zum unterschied von den anderen siegesstädten wegen seiner läge an den nördlichen vorbergeu des Balkangebirges /) jt^qI Ait/or (vgl. Ptolem. III 11, 7) oder noch treffender, wie Jordanes (a. a. o.) sich aus- drückt, ad pedes Emimonti. Hier also war, wenn anders die angäbe des Jordanes glauben verdient, Ulfilas während der zweiten hälfte seines lebens als Gotenbischof tätig. In dem berglande am Balkan, oder, wie es bei Auxentius^) heißt, in montibus lebte und wirkte der fromme mann länger als dreißig jähre unter den mit ihm fortgezogeuen Volksgenossen, 3) die gleich ihm aus bewohnern des Donautieflandes'») zu berg- bewohnern geworden waren, und nannte sich seitdem oq/jtixoc. Wie mir scheint, haben wir also nicht nötig, den boden der Überlieferung zu verlassen, um nach einer befriedigenden erklärung des von Ulfilas geführten beinamens 'montanus' zu suchen.

») Vgl. Mommsen, CJL. 3, p. 141.

*) S. 23, 3 der ausgäbe tou Kauffmann iu bd. 1 der Texte und Unter- suchungen zur altgernianischeu religiousgescbichte.

3) In diesem sinne faßt auch F. Vogt (Anz. fda. 28, 1902, s. 213) die Worte des Auxentius : ' deus confessores sancti filii suiunigeniti . . . per Da- nubium transire fecit et in montibus secundum sanctorum imitationein sibiservire' auf.

■•) Ulfilas alte heimat im Gotenlande haben wir in der heutigen Walachei und zwar in der gegend des alten Musaeusflusse?, des heutigen Buzeu, der bei Galatz in den Sereth mündet, zu suchen, vgl. Ludwig Schmidt, Geschichte der deutschen stamme bis zum ausgauge der Völker- wanderung 1, 473.

DRESDEN. OTTO FIEBIGER.

Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. XXXVIII. 37

566 JELLINEK

ZUM SPERVOGEL.

MF. 22, 17 ff. So wol dir, wirt, wie wol du doch dem bftse zimest I au dem worte niemer me di'i abe geuimest. swie kleine mau gebresteu bat, wol doch der wirt dem hfise stät. der wirt der kau des hüses reht

wol mezzeu uacb der suüere. waz solde eiu wiselösez her,

daz äue meister füere?

Wie J. Meier in diesen Beiträgen 15, 320 mitteilte, bat Sievers erkannt, daß diese Strophe mit den Worten ivirt, hüs, man spielt. '0 wie so gut stimmen doch die namen »wirt« und »haus«. Wie wenig fehler auch das wort »mann« hat, so passen doch »wirt« und »haus« zusammen.'

Ich möchte Sievers' glänzenden gedanken etwas weiter verfolgen. Der witz der Strophe beruht auf dem fortwährenden Wechsel im gebrauch der Wörter: bald werden sie, um aus- drücke der mittelalterlichen grammatik anzuwenden, materia- liter gesetzt, bald significative.

'Heil, wirt! Gut paßt du (das wort tvirt) zum (worte) haus.' D. h. das compositum hüsivirt hat einen guten klang. 'Durch dieses wort erleidest du keine minderung.' D. h. durch die Zu- sammensetzung mit hns wird die bedeutung von wirt nicht zum schlechteren geändert: hüsivirt ist ja so viel wie tvirt. Nicht von jeder Zusammensetzung mit hüs läßt sich gleiches sagen. 'Wenn (das wort) mann auch (an sich) untadelig ist, mit dem (worte) haus zusammen nimmt sich doch (nur das wort) tvirt gut aus.' Das wort man nämlich nimet tatsächlich an dem tvorte (htts) ahe: während der man an sich nicht schlechter ist als der tvirt, so steht doch der hüsman hinter dem hüsivirt zurück. Denn, wie die letzten Zeilen ausführen, nur der wirt weiß genau, was dem hause frommt; ohne wirt wären die hüsliute eine führerlose schar, die zu nichts taugte.

Nach den Avörterbüchern kommen hüstvirt und hüsman nicht eben häufig vor. Doch ist hüsivirt 'pater familias' durch

ZUM SPERVOGEL. ZYLMANN 567

Alid. gl. 3, 413, 09 auch für die ältere zeit genügend gesichert. Der von Graff für liüsman beigebrachte beleg, Ahd. gl. 3, 636, 1, ist leider eine glosse zu dem entstellten lemma Palones; siehe Steinmeyer zur stelle. Aber es scheint mir nicht zu kühn, die bedeutung 'hausgenosse' auch für das 12. jh. vorauszusetzen.

WIEN, 12. Januar 1913. M. H. JELLINEK.

ZU MURNERS NARRENBESCHWORUNG UND SCHELMENZUNFT.

Die treffliche arbeit M. Spaniers i) über Thomas Murners NB und SZ hat die eigenart dieses merkwürdigen schelmen- poeten erst ins rechte licht gestellt. Sie hat die Murner so ungünstigen urteile Zarnckes in seiner für die gesamte forschung der narrenliteratur des 15. und 16. jh.'s grundlegend gewordenen ausgäbe des Braut sehen Narrenschiffes berichtigt. Zarncke nennt Murner einen sklavischen nachahmer und abschreiber Brants. Spanier spricht aber nur von einem 'einfluß' Brants auf Murner. Ich glaube, daß Spanier hier in dem bestreben, Zarnckes urteil zu widerlegen, etwas zu weit geht. Die von Spanier selber sehr übersichtlich dargelegten innigen be- ziehungen Murners zu Brant lassen mehr als einen bloßen einfluß Brants erkennen. Eine sehr starke stoffliche ab- häng igkeit Murners muß doch wohl zugegeben werden. Dagegen steht er in der künstlerischen Verarbeitung des Stoffes durchaus selbständig da; gegen seinen glänzenden witz vermag der etwas steife Brant nicht aufzukommen. Wo dieser zur erläuterung einer narretei uns eine endlose langweilige reihe geschichtlicher persönlichkeiten vorführt, greift Murner mit kecker band ins volle leben seiner zeit hinein, und gibt uns

') Beitr. 18,1-71.

gyn

568 ZYLMANN

realistische genrebildchen, die noch heute künstlerisch und culturhistorisch wertvoll sind.

Zarncke nennt Murner frivol, bissig, unzart, schmutzig. Auch dagegen wendet sich Spanier (s. 35): 'dabei steht auch Murner der starke ton sittlicher entrüstung zu geböte, und man beschuldigt ihn ungerecht, wenn man ihn frivoler darstellung zeiht', und 'er gehört zu den naturen, die derb zugreifen, und das wort nicht stets vorsichtig wägen; Spanier vergleicht Murners derbheit mit der Luthers. Ich glaube, er wird hier ebenfalls durch das zu weitgehende und scharfe urteil Zarnckes verleitet. Murner weißer zu waschen als er in der tat ist; die Wahrheit liegt in der mitte. Gewiß, in jenen Zeiten waren die grenzen des anstandes weiter gesteckt als heute; niemand vnrd den professor Lauremberg wegen seiner Scherzgedichte, deren derbheiten der NB und SZ nichts nachgeben, der ge- meinen oder schmutzigen gesinnung bezichtigen. Aber man kann unmöglich z. b. die umdeutuug des holzschnittes NS 39 und den dazugehörigen text NB 14, oder des holzschnittes NS 58 zu NB (58 anders als unzart nennen. Er ist zwar nicht frivol, hat aber doch eher eine heimliche freude an den mensch- lichen torheiten, als tiefe sittliche entrüstung. Seine derbheit gar mit der Luthers in eine linie zu stellen, geht niclit an. Dafür ist doch Murners persönlichkeit zu unbedeutend und seine eigene sittliche grundlage zu fragwürdig, wie er uns selbst mit einem gewissen cynismus zeigt (z. b. NB 26, 1 ff.). Mit diesen kleinen einschränkungen kann man Spaniers ergeb- nisse durchaus sich zu eigen machen.

Spanier untersucht eingehend das Verhältnis der NB zur SZ. Schmidt, Kawerau und Balke halten die SZ für älter als die NB; entgegengesetzter meinung sind Goedeke und Rieß (literatur bei Spanier a.a.o. s. 1). Meistens stützen sie sich auf Selbstzeugnisse Murners, vor allem auf solche in der Gäuchmatt. Spanier vervollständigt diese selbstzeugnisse, die beiden ansicliten zur stütze dienen können, und zeigt ganz richtig, daß sie für die beurteilung des altersverhältnisses überhaupt keinen wert besitzen. Er geht bei seinem eigenen versuche, diese frage zu beantworten, von dem richtigen ge- danken aus, daß dasjenige von beiden werken, welches die größte inhaltliche Übereinstimmung mit dem Brant sehen

zu MURNERS NARRENBESCHWÖRUNG UND SCHELMENZUNFT. 560

NS zeige, diesem auch wohl zeitlich am nächsten stehe. Da nun die NB mit dem NS die ungleiche capitellänge gemein hat, die capitel der SZ aber gleichen umfangs sind, ferner da die SZ ausschließlich eigene bilder verwendet, die NB aber große anleihen beim NS macht, so erblickt Spanier darin einen beweis für das hfUiere alter der NB. Diesem fügt er aber noch ein anderes argument hinzu. Er zeigt, daß einzelne capitel der SZ in demselben abbängigkeitsverhältnis zur NB stehen, wie teile dieser zum NS. So ist z. b. nach Spanier SZ 2 auf NB 21 und 29 zurückzuführen, die ihrerseits wieder von NS 71. 79 abhängig sind. Dieses abbängigkeitsverhältnis läßt sich aber nur selten klar zeigen. Ich halte den schluß Spaniers für durchaus berechtigt, daß einzelnen derartigen capiteln der NB die zeitliche Priorität zuzuerkennen ist. Diese aber auf die gesamte NB zu übertragen, ist ohne andere stützende argumente nicht zulässig.

Daß aber die SZ nicht als ein bloßer entwurf zur NB angesehen werden darf, wie Kawerau meinte, zeigt Spanier an zahlreichen capiteln, die mit der NB nicht das geringste gemein haben. Ihre dialogische form, die der NB fehlt, ihre prägnantere ausdrucksweise scheinen einen technischen und künstlerischen fortschritt gegen die weitläufige NB zu bedeuten. Was nun Murner bewogen haben kann, neben der umfang- reicheren NB eine kurze satire ähnlichen Inhalts zu verfassen, ob er seinem bruder Beatus damit aufhelfen (Goedeke) oder dem öffentlichen bedürfnis nach einer kürzer gefaßten satire auf die schaden jener zeit entgegenkommen wollte, darüber lassen sich nur vage Vermutungen aufstellen. Beweisen läßt sich da nichts.

Ist nun die SZ nach der NB entstanden, wie Spanier annimmt? Folgende bedenken lassen sich dagegen erheben:

1. Spanier meint (s. 54 anm.), daß einzelne teile der SZ ursprünglich vielleicht in der NB gestanden haben, wegen ihrer derbheit aber in die SZ versetzt worden seien. Das ist möglich, natürlich aber nicht zu beweisen. Jedenfalls setzt diese annähme voraus, daß Murner bereits an der SZ arbeitete, als die endgültige redaction der NB noch nicht er- folgt war.

2. Es finden sich zahlreiche selbstzeugnisse Murners in

570 ZYLMANN, ZU MURNERS NARRENBESCHWÖR. U. SCHELMENZUNFT.

seinen werken, die sowohl für die zeitliche priorität der NB als der SZ sprechen. Die einfachste lösung dieses Wider- spruchs ist, die gleichzeitige entstehung beider werke an- zunehmen.

3. Die NB ist zweifellos für das Straßburger publicum berechnet (siehe NB 15, 36 f. 34.116. 37 cd. 77,501 91,21-23. 94, 59-63. 95, 74 und Spanier s. 29) und wohl auch zum größten teile in Straßburg verfaßt, wenn Murner die letzte hand auch erst in Frankfurt am Main an sie legte (Spanier s. 68). Die SZ ist aber in erster linie für die Frankfurter lesei bestimmt (SZ vorrede v. 26. 38. XIV, 13. XXV, 10; Entsch. 11 u. 23). Nun citiert aber Murner auch in SZ zwei elscässische örtlichkeiten:

XXXI, 15 ff. 3cÖ tvoU in fraflcn, irie irci)t mere ^iDifc^cn fd)ner)'i^ei)m gon fevreve Unb tiiibcriim süm foc^crSporg. Kochersberg erwähnt Murner auch in der NB 34, 116 und 95,74, und den Straßburgern wird die sprichwörtliche grobheit der nur zwei stunden von ihnen entfernt wohnenden Kochersberger wohl bekannt gewesen sein. Es ist aber doch nicht anzu- nehmen, daß Murner bei den Frankfurtern die kenntnis eines solchen local begrenzten Sprichwortes voraussetzte. Ob das betreffende capitel der SZ nun zuerst für die NB bestimmt gewesen ist oder nicht, bleibe dahingestellt; jedenfalls läßt sich zwangslos annehmen, dal) Murner es in Straßburg ver- faßt hat, wo er nachweislich noch an der NB arbeitete.

Ich möchte deshalb die ansieht Spaniers ablehnen, daß die SZ nach der Vollendung der NB entstanden sei, und da- gegen für gleichzeitige abfassung beider werke eintreten. Es würden dann der größte teil der NB und die anfange der SZ in die Straßburger zeit zu setzen sein, während Murner in Frankfurt die letzte hand an die NB legte, und den haupt- teil der SZ dichtete. Welches werk nun zuerst abgeschlossen Avurde. läßt sich natürlich nicht bestimmen, sie sind im selben jähre veröffentlicht worden.

ANTWERPEN. PETER ZYLMANN.

LITERATUR. 571

LITERATUR.

(Verzeichnis bei der redaction eiug-egangener Schriften.)

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Bericlitignngcu.

S. 48 z. 1 V. unten sind die zahlen des 'latus" nach 'transporf auf s. 49 zu verbessern. S. 359 z. 15 v. oben statt 'beschirmidi" lies bischirraidi. S. 363 z. 3 V. unten statt 'geiste 4' lies geiste 6. S. 365 z. 18 v. oben statt 'gedanken' lies gedanchen. S. 309 z. 19 v. oben statt 'andrem' lies andren. S. 368 z. 5 v. unten statt '73' lies 78.

Druck von l'.Urhaiiit Karras, U.-\llc a. ä.

PF Beitrage zur Geschichte der 3003 deutschen Sprache und

B5 Literatur

Bd. 38

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