« 3 5 A A ‘ Lı a. 2 a - Eu N . . ae - » , a e” Fe PR “ € . r ET 2 ‘ - 13 in N v r r - % 3» 3 - # 4 £ 2 > 1-75 ‘ & N 5 Nr \ ' 3 « P ‘ x f nt MT Ip“, s p : r. — Pri ne ij Zu ee 4 u =... vw Zur. # Beiträge zur Wissenschaftlichen Botanık von Carl Nägeli, Prof. in München. LIBRAR NEW YORKN BOTANICAL GARDEN. Zweites Heft. Die Bewegung im Pflanzenreiche.. — Rechts und Links. — Ortsbewegungen der Pflanzenzellen und ihrer Theile (Strömungen). — Untersuchungen über den Flechten- thallus von Dr. S. Schwendener. — Ueber das angebliche Vorkommen von gelöster oder formloser Stärke bei Ornithogalum. Mit 8 lithographirten Tafeln. — Br — Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1860. MAY 171912 DIN SER SASSE, \ Die Bewegung im Pflanzenreiche. Ein populärer Vortrag vor einem gemischten Publicum. Alles ist in Bewegung und Produkt der Bewegung Ortsbewegung ; Innenbewegung; Kettenbewegung Ortsbewegungen der kleinsten Theilchen Innenbewegung der Zellen . Ortsbewegungen derselben . i . Sheslrer Aus den Bewegungen der Zellen setzt sich das Tele des Oo zusammen . Wachsthum der Organe; Veränderungen in Gestalt und Richtung . Stoffwechsel; Ortsbewegungen der Organe LER 16007 PER Aus den Bewegungen der Organe resultirt das Leben den ganzen Phange: u Aus den Bewegungen der Pflanzenindividuen wird die Art und weiterhin das Reich. Die Betrachtung einer natürlichen Erscheinung ist nur wissenschaftlich, wenn dieselbe als Bewegung aufgefasst wird Br ah eg Bestimmung der Summe von Bewegungen oder Kenftirenger in der Pflanze . Combination der verschiedenen Arbeitsleistungen in verschiedenen Pflanzen Die Grösse der Arbeit entspricht der aufgewendeten Kraft (Licht, Wärme). a® Eine spezifisch organische Kraft, die ausserhalb dem Causalnexus stände, ist in der Bilanzeimicht‘ wirksam. se 08. 2. ee ee Rechts und Links ee Ortsbewegungen der Dilensoneilen: End er Theile (Eiromunpen):. Rotationsströmung der Characeen ee BR pe Ungleiche Geschwindigkeit an verschiedenen Stellen de A lummenıe 5 Achsendrehung der freischwimmenden Theile ar El Beschreibung der Bahn, den ein freischwimmender Theil Sinschlärte regelmässiges Uebertreten von einem Strom in den andern; partielle Rotationssysteme . . . Die bewegende Kraft hat ihren Sitz in den Wandbeleg der Zelle. . ....... Die Geschwindigkeit wird bei Erhöhung der Temperatur in immer Keim Ver- hältnissen vermehrt . ; Das Licht hat keinen Einfluss . . . ER i Steigerung und Abnahme der ende kaltend Er Tebesdader ds Zelle. Glitschbewegung u Der er Vergleichung mit den abligen ONE in der Zeile. SE: Ortsbewegungen von frei schwimmenden Zellen und een ee Pflanzen . —it — Bewegungen der Oscillarien und verwandter Pflanzen. .. .. 2... 22... Hin- und Hergehen nebst Drehen um die Achse . Strahlenförmiges Auseinanderweichen. Vereinigung in Bündel und Membranen . Bewegungen der Schwärmzellen . Regelmässigkeit der Bewegung . Bestimmung der Drehungsrichtung . Einfluss des Lichtes. DR Rn ee Vereinigung der Schwärmzellen in Massen von bestrumter Form . Brklarung vonsbat. VL: 2. in ER: Untersuchungen über den Flechtenthallus von Dr. S. Schwendener. . Usnea. a eek: Struktur der n ballesenden Trennung der Fasern in zwei blanc Mark und Rinde, veranlasst durch das Auftreten der Gonidien in der Thallusspitze . . Die Rinde . ; Der solide Markstrang Die Gonidien. Die Soredien . ; I Das lockere Fasergeflecht { Die Verästlungen des Thallus . . 1. Dichotomie . . Die Adventiväste. 3. Die Soredialäste . Befestigung des Thallus auf der Unterlage Bemerkungen über das Verhalten der verschiedenen RER Be Varietäten Wachsthumstypen der übrigen strauchartigen Flechten Bryopogon.mer „u An Mn. Cornicularia. Cetraria.. Bamalına 11H 2 REITER I ET Me Po Evernia. Hagenia a wa ie an nen een ee neephodus, Roccella. Thamnolia. Cladonia. StHereot@alloN EI EN ET RRRETRTEEE I0R Lichina. ARE, Zusarimenstellint: des Eitlängeh R a A Erklärung der Tafeln T-- N. 2,0 A a ee Ueber das angebliche Vorkommen von gelöster oder fonmloser Stärke bei Orten : Die bewegung im Pflanzenreiche. Ein populärer Vortrag vor einem gemischten Publikum. Nägeli, Beiträge. II. 1 Erster Abend °). Bewegung ist Leben, Ruhe ist Tod, in der materiellen wie in der geisti- gen Welt. 'Todt nennen wir den Stein, den Krystall, den Leichnam, lebendig den in innerer und äusserer Bewegung begriffenen Organismus. Todt ist das Werkzeug, das Kunstwerk, der Buchstabe; der Geist aber ist lebendig. Der Künstler greift einen Moment aus der Bewegung heraus und hält ihn fest. Die lebendige Wirklichkeit entzückt durch Bewegung und Wechsel, die Landschaft durch die wechselnde Beleuchtung, durch bewegtes Wasser und Laubwerk, das menschliche Antlitz durch das Mienenspiel. Das Kunstwerk ent- zieht gleichsam den schönsten Moment dem Wechsel. Aber wenn auch der Laie sagt, »das Bild lebt,« und der Künstler sich an der Technik, an der Art, wie es entstanden ist, freut, so müsste doch das idealste und schönste Bild bald kalt lassen, wenn es nicht bewegend auf den Geist des Beschauers wirkte, wenn es der Künstler nicht verstände, eine Fülle von Gefühlen und Gedanken lebendig zu machen. Den Geist kennen wir überhaupt nur als Bewegung. In der Ruhe existirt er nicht für uns. Aber die geistige Bewegung hinterlässt Spuren ihrer Thätigkeit, innere Spuren, welche als Gedächtniss jeden Augenblick wieder lebendig werden können, äussere Spuren in Schrift- und Kunstwerken, welche uns die geistigen Bewegungen des Verfassers vorführen und in jedem Einzelnen analoge Bewegun- gen, übereinstimmende oder entgegengesetzte, hervorrufen. Wissenschaft und Kunst in ihrer mündlichen und schriftlichen Ueberlieferung sind das Gedächtniss der Menschheit, die Summe aller fixirten geistigen Bewegungen. Die materielle Welt ist von der geistigen darin verschieden, dass wir die *) Der Vortrag wurde an zwei Abenden, den 21. und 23. Mürz 1859 im chemischen Hör- saal in München gehalten und durch Abbildungen erläutert. Dass derselbe in seinem populären Gewande in einer Sammlung wissenschaftlicher Arbeiten erscheint, möge dadurch entschuldigt werden, dass ich einerseits die darin enthaltenen neuen Ideen dem naturwissenschaftlichen Publikum vorlegen, und anderseits verschiedenen, namentlich auch aus der Ferne mir ausge- sprochenen Wünschen, den unveränderten Vortrag drucken zu lassen, entgegenkommen wollte, mich aber zu einer zweiten rein wissenschaftlichen Bearbeitung nicht entschliessen konnte. — Ich sah mich übrigens durch mehrere von der gewöhnlichen Darstellung abweichende thatsäch- liche Aussprüche zu einer besondern Besprechung über Rechts und Links und zu einer Zusam- menstellung meiner bisherigen Beobachtungen über die microscopischen Bewegungen der Pflanzen veranlasst, welche dem Vortrage als besondere Aufsätze folgen. 1 * a ruhende Substanz unmittelbar wahrnehmen und von der in Bewegung begriffenen unterscheiden. Es scheint uns sogar, dass hier die Materie zum grössten Theil in Ruhe befindlich sei, und nur theilweise und zeitweise in Bewegung übergehe. Indess im Grunde ist diese Verschiedenheit gegenüber dem Geiste nur scheinbar. Die ruhende Materie ist immer das Product von vorausgegangener Bewegung. Wie in der geschriebenen mathematischen Formel, in dem Gesetzesparagraphen, in der Strophe des Gedichtes, in der Statue, in dem Chronometer eine Summe von geistigen Bewegungen feste Formen angenommen hat, so sind Berg und Thal das Resultat von materiellen Bewegungen, welche in der Erdrinde stattgefunden haben, — so erkennen wir im Organismus und in seinen Organen nichts anderes als den complizirten Erfolg von zahllosen Bewegungen der kleinsten materiellen Theilchen. Aber wir können in der Vergleichung zwischen geistiger und materieller Welt noch weiter gehen. Auch die letztere ist in allen ihren Theilen in unauf- hörlicher Bewegung. Einerseits bewegen sich alle Weltkörper, jeder seine Bahn durchlaufend, und in vollkommener Ruhe befände sich nur die Centralsonne, wenn sie existirte, wenn sie überdem weder sich drehte, noch hin und her schwankte. Anderseits befinden sich auch die kleinsten Massentheilchen, aus denen Alles zusammengesetzt ist, in beständiger zitternder, schwingender, drehender, fliegender Bewegung. Wie das geistige, so existirt auch das materielle Sein für uns nur, insofern es wirklich in Bewegung ist. Die Lichtstrahlen, die Wärme- strahlen, die elektrischen Strömungen, die Schallwellen, die Gerüche, — die von einem Körper ausgehen und uns seine Existenz anzeigen, — beweisen auch immer, dass seine Substanz in Action, dass seine kleinsten Theilchen nicht in Ruhe sind. Die ganze materielle Welt und alle ihre einzelnen Theile sind also in unauf- hörlicher Bewegung begriffen. Einen absoluten Stillstand giebt es nicht. Was wir Ruhe nennen, ist bloss ein relativer Begriff. Einem Gegenstand, der mit einem zweiten verglichen ruhend erscheint, schreiben wir Bewegung zu, wenn wir ıhn auf einen dritten beziehen. — Der im Laufe oder in gymnastischer Uebung befindliche Körper ist in Bewegung; der stehende, sitzende, liegende, schlafende in Ruhe. Der schlafende Körper aber ist in Bewegung; der todte in Ruhe; in dem letztern hat der Schlag des Herzens, das Athmen der Lungen, die Ernährung aufgehört. Der todte Organismus aber ist bewegt und der Stein ist in Ruhe; denn in jenem sind eine Menge von Zersetzungsprocessen thätig, welche sogleich Veränderungen einleiten und mit Auflösung und Vernichtung enden, indess der Stein unverändert bleibt. Den Stein selbst aber würden wir bald be- wegt, bald ruhend nennen, wenn wir mit hinreichend starker Vergrösserung seine kleinsten Theilchen sehen könnten, — wie die Sonnenstrahlen die Atome des Lichtäthers in seinen oberflächlichen Schichten in Aufruhr und Bewegung setzen, und wie die Nacht sie wieder beruhigt, — wie die kleinsten Theilchen bei einigen hundert Graden über Null in lebhafter Aufregung wimmeln, bei 20 und 30 Grad unter Null in träger Ruhe sich fortschleppen. Ich habe einige Momente aus der mannigfaltigen Welt materieller Erschei- nungen herausgegriffen: den Stein in der Dunkelheit und Kälte, den Stein im Licht und in der Hitze, den todten Organismus, den lebenden schlafenden und den lebenden Organismus in gymnastischer Arbeit. Diese Beispiele zeigen uns, wie wir die gleiche Erscheinung bald bewegt, bald ruhend nennen, je nachdem wir sie mit einer andern mehr oder minder bewegten vergleichen ; sie zeigen uns, dass die Begriffe Bewegung und Ruhe wandelbar sind und bestimmt werden durch den Maassstab, mit dem wir messen , durch den Standpunkt, von dem aus wir urtheilen. — Der Punkt, dem wir Bewegung zuschreiben, verändert seine Lage zu andern Punkten, die wir als ruhend betrachten; die letztern aber können ihrerseits selber in Bewegung sein. So wäre es selbst möglich, dass der von uns als ruhend bezeichnete Gegenstand in Bewegung und der als bewegt betrachtete in relativer Ruhe sich befände. Sie haben alle sich einmal an dem Schäfer er- götzt, welcher vor dem Kaiser den Abt spielt. Nun aber sollst du mir bezeichnen und sagen, Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen ? Und Hans Bendix antwortet: Herr, wenn mit der Sonn’ ihr früh sattelt und reitet, Und stets sie in einerlei Tempo begleitet, So setz’ ich mein Kreuz und mein Käppchen daran, in zwei Mal zwölf Stunden ist Alles gethan. Wer hat nicht bei diesem Vers sich die schwindelnde Schnelligkeit vorgestellt, mit welcher der Kaiser gleichwie auf einem Zauberpferd die Lüfte durchsaust, um in 24 Stunden den Erdball zu umjagen und nach einem Ritt von 3500 geogra- phischen Meilen Morgens um 6 Uhr wieder in seinen Hof einzulenken, von dem er um 6 Uhr des gestrigen Morgens ausgeritten war. In der That aber hat er sich nicht von der Stelle bewegt; er ist gegenüber der aufgehenden Sonne stehen ge- blieben; er hat die Erde unter den Füssen seines flüchtigen Renners sich drehen lassen ; er hat sein Pferd zu Schanden geritten, ohne vom Platze zu kommen. — Wir haben in diesem Beispiele drei Punkte, die Sonne ruhend gedacht, einen fixen und einen beweglichen Punkt der Erdoberfläche; der letztere ist in Ruhe oder er ist in Bewegung, je nachdem wir ihn auf die erstere oder auf den zweiten beziehen. Alle materiellen Bewegungen gehören drei verschiedenen Kategorieen an. Ein Gegenstand verändert seine Stelle im Raum, d. h. seine Lage zu andern Gegenständen. Es ist die Bewegung des abgeschossenen Pfeiles. In ihrer ein- fachsten Form erscheint sie geradlinig; noch sehr einfach ist die Kreislinie, die Schraube, die Ellipse, Parabel, Hyperbel. Gewöhnlich sind die Bewegungen viel complizirter; schon die Bahn der Flintenkugel entzieht sich bis jetzt der mathematischen Darstellung; und denken wir erst an die Theilchen des Luft- meers, des Oceans, der Blutmasse, an die unwillkührlichen Bewegungen der Pflanzen und die launenhafteren des Thieres, so haben wir es mit Bahnen zu thun, zu A welche auf bestimmte Regeln zurückzuführen und genau wiederzugeben ganz un- möglich ist. Aber nicht bloss der Gegenstand, der seine räumliche Lage verändert, be- findet sich in Bewegung. Eine Kugel, die auf dem nämlichen Platze sich um ihre Achse dreht, ist es ebenfalls. Das wogende Meer, die stürmende Atmosphäre nennen wir bewegt, obgleich sie ihre Stelle nicht verlassen. In Bewegung ist der Ameisenhaufen , der Bienenstock, die Blutmasse, der lebende ruhende Organis- ınus, die in chemischer Zersetzung begriffene Substanz, die Fensterscheibe, durch welche das Licht in Ihr Zimmer fällt. Ich will diese Bewegung, um sie von der erstern oder der Ortsbewegung zu unterscheiden, fortan die Innenbewe- gung nennen. Die Innenbewegung kommt nur an dem zusammengesetzten Kör- per vor; sie ist die Summe der Ortsbewegungen seiner Theile, und um so ein- facher, je mehr diese mit einander übereinstimmen, wie das z. B. bei der drehen- den Kugel der Fall ist, — um so complizirter, je mehr die Ortsbewegungen der Theile von einander abweichen, wie in der Pflanze und im Thier. Es giebt noch eine dritte Art von Bewegungen. Denken Sie sich auf einem sehr langen Billard viele Kugeln, die genau in einer geraden Linie in einiger Entfernung von einander aufgestellt sind, und ein geschickter Spieler schiebt den ersten Ball mitten auf den zweiten. Der erste Ball setzt den zweiten in Bewegung, indem er an dessen Stelle stehen bleibt. Der zweite theilt auf gleiche Art seine Bewegung dem dritten, der dritte dem vierten mit, und so weiter. Der Vorgän- ger bleibt nahezu auf dem Platze seines Nachfolgers, der statt seiner den Lauf fortsetzt. So kommen nach und nach alle Kugeln in Bewegung, indem eine die andere ablöst, und alle zusammen führen den Lauf aus, den die erste für sich ausgeführt hätte, wenn sie allein auf dem grünen Plan gewesen wäre. — Wenn aber ein Ball den andern nicht genau in der Mitte trifft, oder mit demselben nicht gleiche Grösse hat, so setzt er ihn nicht bloss in Bewegung, sondern er rollt selbst auch weiter. Und beide Bälle können in gleicher Weise andere anstossen. Alle Kugeln eines Billards rollen am Ende durch einander. Ich will die Bewegung der beiden Beispiele die Kettenbewegung nennen. Sie besteht darin, dass die Ortsveränderung eines Körpers ganz oder theilweise auf einen andern über- tragen wird. Zu ihr gehört die Wellenbewegung, wo ein [heilchen seine Schwin- gungen je dem nächsten mittheilt. Aber nicht bloss die Ortsbewegung, auch die Innenbewegung kann zur Kettenbewegung werden, wie das in der organischen Welt bei der Erzeugung neuer Individuen der Fall ist. Wie der Ball seine Ortsbewegung auf den nächsten Ball überträgt, so geht aus dem Organismus ein Theil seiner Innenbewegung oder seines Lebens in den von ihm erzeugten Keim über, und die Kette der auf ein- ander folgenden Generationen stellt eine Bewegung dar, die im Princip von jener der Billardkugeln nicht abweicht. Die Grundlage und den Anfang aller Bewegung bildet die Ortsbewegung. Sie wird zur Kettenbewegung, indem sie sich von einem Objekt auf das andere fortpflanzt. Viele Ortsbewegungen zusammen stellen als Theile die Innenbewe- gung eines Ganzen dar. Die Innenbewegung selbst, die nicht in ihrem Träger bleibt, sondern durch eine Reihe von Trägern hindurchgeht, in dem je der eine sie auf einen oder mehrere andere überträgt, wird zum Element einer Kettenbewe- gung höherer Ordnung. Ortsbewegung, Innenbewegung und Kettenbewegung setzen in mannigfalti- ger Verschlingung die Erscheinungen im Pflanzenreiche zusammen. Eine Be- trachtung aller Bewegungen schliesst somit eigentlich die ganze wissenschaftliche Botanik in sich. Ich will bloss einige Momente hervorheben und Ihnen zeigen, wie sich die Wissenschaft, von diesem neuen Standpunkte aus betrachtet, aus- nimmt. Ich wende mich zuerst zu den elementarsten Bewegungen, aus denen alle andern sich zusammensetzen und welche der Pflanzensubstanz mit aller Materie gemeinsam sind, zu den Bewegungen der kleinsten 'Theilchen, der Molecüle, der Atome. Wegen ihrer unendlichen Kleinheit sehen wir sie zwar nicht unmittel- bar. Aber wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen die Gesammtwirkungen von Tausenden und Millionen bewegter Molecüle, und schliessen daraus auf das Verhalten des einzelnen. Nach der Vorstellung der Physik bestehen die Körper aus kleinsten Theil- chen, welche sich nicht berühren, sondern in bestimmten Entfernungen von ein- ander in dem leeren Raum schweben, wie die Himmelskörper im Weltenraum, und die sich desswegen einander nähern und von einander entfernen können. Ein Stück Eisen, welches erhitzt wird, dehnt sich aus; in der Kälte zieht es sich zusammen. Im erstern Fall entfernen sich die Eisenatome, im zweiten nähern sie sich gegenseitig. Zwischen diesen kleinsten Theilchen der Materie oder den wägbaren Atomen, wie sie auch genannt werden, befinden sich noch viel kleinere, die unwägbaren oder Aetheratome, so klein und so weit von einander, dass man ihre Masse nicht wägen kann, wenn sie auch einen gegebenen Raum ganz aus- füllen. In dem luftleeren Raum des Barometers, in dem Weltenraum zwischen den Himmelskörpern befinden sich bloss diese unwägbaren Atome. Unaufhörlich in Bewegung transportiren sie Licht und Wärme von einem Himmelskörper und von einem Gegenstand der Erdoberfläche zum andern. Wir kennen die Bewegungen der kleinsten Theilchen fast ausschliesslich aus dem Studium der unorganischen Körper. Sie sind aber in gleicher Weise in den Organismen thätig. Die Pflanzen senden uns Licht- und Wärmestrahlen zu; sie grüssen uns durch die Gerüche, indem sich Atome flüchtiger Verbindungen von ihrer Oberfläche ablösen und in der Luft verbreiten. Aber auch in ihrem Innern sind die kleinsten Theilchen in unaufhörlicher Bewegung, weil fortwäh- rend Veränderungen der Temperatur, elektrische Strömungen , chemische Pro- cesse und Stoffwechsel thätig sind. Manche der moleculären Bewegungen zeigen eine für unsere Begriffe un- fassliche Geschwindigkeit. Die Licht- und Wärmestrahlen durchlaufen 42,000 geogr. Meilen in 1 Secunde. Der elektrische Strom hat oft eine ähnliche Schnel- ligkeit. Die Schallwellen legen in der Luft immer noch 1020 Par. Fuss in 1 Se- cunde zurück, und im Tannenholz, woraus die Resonanzböden gefertigt werden, gehen sie 18 mal geschwinder. Wir dürfen indess nicht übersehen, dass alle diese Bewegungen Wellenbewegungen sind, wobei die Atome nicht merklich von ihrer Stelle sich entfernen, sondern hauptsächlich nur um eine Gleichgewichtslage oscilliren, d. h. hin und her schwingen. Die wirklichen und dauernden Ortsveränderungen der ponderablen Atome geschehen unendlich viel langsamer als diese strahlenden Bewegungen. In festen Körpern finden sie überhaupt nicht statt, und in Flüssigkeiten sind sie äusserst träge. Wenn Sie ein Stück Zucker in Wasser werfen, so löst es sich auf, und die Zuckeratome verbreiten sich im Wasser, demselben einen süssen Geschmack ver- leihend. Ist die Flüssigkeit ganz ruhig und vor Erschütterungen, welche ihre Theilchen in Strömungen versetzen, geschützt, so dauert es sehr lange, bis die Zuckeratome sich gleichmässig darin vertheilt haben. Sie würden selbst nach geraumer Zeit fast reines Wasser zu trinken bekommen, wenn Sie die Mischung den Molecularkräften überlassen wollten; und Sie werden daher zu der wirk- samern Vermittelung des Löffels greifen. Die moleculären Ortsbewegungen setzen die Innenbewegung oder das Leben der Körper zusammen. Den Krystall nennen wir todt; denn von dem Moment an, wo er fertig gebildet ist, finden in seinem Innern gewöhnlich nur diejenigen moleculären Bewegungen statt, welche durch Licht und Wärme, sowie durch andere Erschütterungen verursacht werden, und welche keine dauernden Ver- änderungen herbeiführen. Wie Ihnen ein geistreicher früherer Vortrag*) ausgeführt hat, knüpft das Leben der Pflanze unmittelbar an die unorganische Natur an, während das thie- rische Leben sich auf demjenigen der Pflanze aufbaut. Die einfachsten Bewe- gungen in der Pflanzenwelt beginnen unmittelbar mit den unorganischen Atom- bewegungen. Wasser, Kohlensäure, Ammoniak, Sauerstoff, die Mineralsalze treten in die Pflanze hinein. Sie setzen hier zunächst noch die Bewegungen fort, die sie schon ausserhalb der Pflanze zeigten. Bald indess beginnen sie unter dem Einfluss der neuen und eigenthümlich combinirten Verhältnisse der lebenden Pflanzensubstanz neue moleculäre Bewegungen; sie gehen Zersetzungen ein und schliessen Verbindungen, die der unorganischen Natur fremd sind. Es entstehen die organischen Stoffe, Säuren, Zucker, Stärkemehl, Holz, Fette, ätherische Oele, Wachs, Farbstoffe, eiweissartige Substanzen. Dass die moleculären Bewegungen innerhalb der Pflanze andere, und zwar complizirtere sind, als in der unorganischen Natur, erkennen wir nicht bloss aus den verschiedenen chemischen Produkten, sondern auch aus der verschiedenen Formbildung. Manche der in den Organismen gebildeten Stoffe treten zwar in Tropfen- und Krystallgestalt auf, wie die Produkte der unorganischen Natur; *) Ueber das Verhalten der Ackerkrume von Freiherr von Liebig. ei. ein Fetttropfen und ein Zuckerkrystall sind, was den allgemeinen Character der moleculären Beziehungen betrifft, nicht verschieden von einem Wassertropfen und einem Kochsalzkrystall. Mehrere der organischen Verbindungen aber (und es sind diess gerade diejenigen, aus denen der 'Thier- und Pflanzenleib aufgebaut ist) organisiren sich zu microscopischen Körnern, Fasern, Membranen, Zellen. — Das Wesen der organisirten Substanzen besteht darin, dass sie mit der aller- feinsten Porosität begabt, das Wasser begierig aufnehmen. Wahrscheinlich treten die Atome der organischen Verbindung zu Molecülen oder winzigen krystall- ähnlichen Bildungen zusammen. Im befeuchteten Zustande sind die letztern von einander entfernt, und schweben jedes in der Wasserhülle, welche es umgiebt, wie die Atome der unorganisirten Stoffe im Weltäther, beide gehalten und fest verbunden durch die Molecularkräfte. Wie der Licht- und Wärmeäther zwischen den Atomen der unorganisirten Stoffe, so bewegt sich das Wasser zwischen den Molecülen der organisirten. Es führt gelöste Stoffe, theils gleichartige, theils fremdartige, von aussen herein. Es veranlasst dadurch das Wachsthum der Mole- cüle, die Bildung von neuen, die Veränderung, Zerstörung und Auflösung der schon vorhandenen *). So vermittelt das Wasser, welches die organisirten Stoffe durchdringt, die continuirlichen Veränderungen in denselben, und diese Ver- änderungen bedingen das Leben der Organismen. Ich will die niedrigsten und einfachsten Formen, in denen die organisirten Gebilde auftreten, übergehen und mich gleich zur Zelle wenden. Sie ist das Elementarorgan, aus welchem alle Pflanzentheile bestehen. Gewöhnlich von microscopischer Kleinheit, entzieht sie sich dem unbewaffneten Auge. Das Holz erscheint uns als ziemlich homogene Masse; das Microscop zeigt uns den zelligen Bau. Die Zelle stellt eine kleine Blase dar, deren Membran aus Holzsubstanz besteht. Sie ist mit Wasser gefüllt, in welchem verschiedene unlösliche Stoffe ın organisirter und unorganisirter Form liegen können. Die Zellen sind mit ein- ander verwachsen und zu Geweben vereinigt. Gleichwohl bleiben sie bis auf einen gewissen Grad individuelle Gebilde, und trennen sich zuweilen durch einen natürlichen Process von einander. Sie können meistens auf künstlichem Wege isolirt werden. In den mehligen Früchten ist das Gewebe in die einzelnen Zellen zerfallen; jedes Stäubchen des Pulvers ist eine solche. Die gekochte mehlige Kartoffel verhält sich wie der mehlige Apfel; in dem Erbsenschleim finden wir die einzelnen unversehrten Zellen der Erbsen. Die Zelle, so klein sie ist, und obgleich sie als das Elementarorgan bezeichnet wird, ist doch schon ein sehr complizirter Organismus. Sie besteht aus Theilen, die selbst vielfach zusammengesetzt sind, und ihre Lebensbewegung stuft sich mannigfaltig ab, bis wir bei den moleculären Bewegungen anlangen. Von den- jenigen Bewegungen, welche der Grösse der Objecte wegen dem Microscop zu- gänglich sind, geschehen die meisten so langsam, dass man sie nicht unmittelbar *) Die moleculäre Beschaffenheit der organisirten Substanzen habe ich weitläufiger bespro- chen in meinem Werk über die ‚‚Stärkekörner‘‘, S. 332 ff. Se sehen, sondern nur aus dem Erfolg erschliessen kann. So verhält es sich mit allen Erscheinungen des Wachsthums. Nur wenige Bewegungen, die mit der Ernäh- rung, der Fortpflanzung, der Zersetzung verbunden sind, besitzen eine hin- reichende Geschwindigkeit, um dem bewaffneten Auge zugänglich zu sein. Die flüssigen und festen Stoffe des Zelleninhaltes zeigen verschiedene Strö- mungen. In den Zellen mancher Wasserpflanzen rotirt die Flüssigkeit sammt allen nicht fest der Membran anhaftenden unlöslichen Theilen ; sie bildet einen Strom, welcher fortwährend ringsum geht. Es ist die Bewegung eines Rades, das sich in einer Hülse dreht. Bemerkenswerth an dieser Rotationsströmung ist, dass sie in einer Zelle immer den längsten Weg einschlägt; in einer langen und schmalen Zelle geht sie nicht etwa quer zur Längsaxe, sondern parallel mit derselben. Bemerkenswerth ist ferner, dass die Bewegung an der Oberfläche, d. h. dicht an der Zellmembran am schnellsten ist und nach der Mitte der Zellhöhlung rasch ab- nimmt, so dass die Strömung in der oberflächlichen Flüssigkeitsschicht mehrmals um die Zelle geht, während sie in einer tiefern Schicht einen einzigen Umlauf vollendet. Die natürliche Folge davon ist, dass freischwimmende Körper sich nicht bloss vorwärts bewegen, sondern auch durch Ueberstürzen um ihre Achse drehen, also eine Bewegung ausführen, die in ihrem allgemeinen Charakter mit der Bewegung der Erde um die Sonne übereinstimmt. In den Zellen vieler Landpflanzen beobachtet man fadenförmige Strömungen. Der halbflüssige Schleim bildet Strömchen, welche das Aussehen von Fäden haben, und theils an der innern Fläche der Membran verlaufen, theils frei durch die Höhlung ausgespannt sind. Gewöhnlich haben sie eine radienförmige Anord- nung. Von einem Strömungscentrum, durch eine grössere Inhaltspartie gebildet, gehen stärkere Strömungsfäden aus; sie theilen sich wiederholt, bis sie als feinere Strömchen an den fernsten Punkten der Zelle angelangt, umbiegen, und nach und nach sich wieder vereinigend als stärkere Fäden zum Ausgangspunkt zurück- kehren. In den von dem Strömungscentrum entfernteren Stellen vereinigen sich die Strömchen netzförmig. Selten sind, bei gänzlicher Abwesenheit eines maass- gebenden Centrums alle Strömungsfäden in einer Zelle zu einem Netz vereinigt, in dessen einzelnen Maschen die Bewegung bald nach der einen, bald nach der andern Seite erfolgt. Selten auch zeigt die radienförmige Strömung die Form eines Springbrunnens; ein starker Strom steigt mitten durch die cylindrische oder ovale Zelle empor, und theilt sich, an der Decke der Zelle angelangt, garbenartig in viele schwache Strömchen, welche längs der Seitenfläche nach unten gehen und auf dem Boden der ‚Zelle sich wieder zu dem centralen Strom sammeln. Diese Strömungen sind nicht die einzige Bewegung, welche der Zelleninhalt zeigt. Wenn man eine Zelle zerreisst, und die darin enthaltenen Körnchen ins Wasser heraustreten, so beginnen dieselben zu zittern, hüpfen, tanzen, ohne von der Stelle zu rücken. Man hat diess Molecularbewegung genannt, zu einer Zeit, wo wenigstens die Pflanzenphysiologie noch nicht von den Bewegungen der Mo- lecüle sprach. Jetzt sind Molecularbewegungen wie Molecularkräfte Begriffe, die den kleinsten unsichtbaren Theilchen reservirt werden müssen. Ich will jene Erscheinung einstweilen Tanzbewegung nennen. Sie kommt auch innerhalb der Zellen vor; ist aber hier nie ein Ausdruck des Lebensprocesses, sondern, wie ich glaube, immer ein Beweis, dass der körnige Zelleninhalt in krankhafter Verände- rung, im Absterben , in Zersetzung und Auflösung begriffen ist. Bei einzelligen Pflänzchen findet man zuweilen bestimmte Theile des Inhaltes und diese wohl auch an bestimmten Stellen des Zellraums in tanzender Bewegung. Closterium, aus einer spindelförmigen Zelle bestehend, hat an jedem Ende in dem Schleime einen Hohlraum, in welchem fortwährend einige Körnchen lebhaft herumhüpfen. Eine andere analoge Erscheinung habe ich unlängst Glitschbewegung ge- nannt. Die Körnchen des Inhaltes glitschen auf der innern Fläche der Zellwand oder auch auf der glatten Oberfläche von Schleimmassen hin und her. Dass diese Bewegung in ihrer physiologischen Bedeutung sich der Tanzbewegung nähere, schliesse ich namentlich daraus, weil die nämlichen Körnchen abwechselnd sich auf die eine und die andere Art herumtummeln, je nachdem sie frei in der Flüs- sigkeit schwimmen oder eine Oberfläche berühren. Aus dem vorhin erwähnten Hohlraum in Closterium entschlüpft hin und wieder einer der kleinen Tänzer, um sich unter die zahlreichen Schlittschuhläufer zu mischen, die die innere Fläche der Zellwand bedecken, und hin und wieder kehrt auch wohl einer der Schlittschuhläufer in den engen Tanzsaal zurück. Diese Erscheinungen gehören der Innenbewegung der Zelle an. Der ganze Zelleninhalt oder Partieen desselben zeigen zuweilen, bei der Erzeugung neuer Zellen, dauernde Ortsveränderungen; sie verlassen ihre bisherige Stätte, um an einem andern Orte fortzuleben. Bei den Zygnemaceen, die zu den Wasserfäden gehören , wandert der Inhalt einer Zelle durch einen Canal in die Höhlung einer andern Zelle, und bildet mit dem Inhalte der letztern vereint einen einzelligen Samen. Oder die Inhalte der beiden Zellen setzen sich in Bewegung und begegnen sich auf halbem Wege, wo sie sich zu gleichem Zwecke vereinigen. Die Zellen selbst, wenn sie frei im Wasser schwimmen, besitzen nicht selten Ortsbewegung; und wie die einzelnen Zellen verhalten sich auch einige Gebilde, die aus mehreren mit einander verbundenen Zellen bestehen. Es versteht sich, dass diese Bewegungen ebenfalls nur unter dem Microscop sichtbar sind. Ein- zellige Pflänzchen von ovaler oder spindelförmiger Gestalt (Diatomaceen , Des- midiaceen) schwimmen langsam herum, bald vor- bald rückwärts, ohne sich zu drehen. Fadenförmige, aus einer Reihe von Zellen bestehende Pflänzchen (Oscil- larien) bewegen sich langsam, indem sie sich um ihre Achse drehen. Dabei ist das gebogene Ende bald nach rechts, bald nach links geneigt, und scheint pendel- förmige Schwingungen zu machen, wesswegen diese Pflanzen den Namen Schwing- fäden erhalten haben. Aehnliche Fäden, aber kleiner und korkzieherförmig (Spi- rillum, Spirulina) haben eine gleiche nur viel lebhaftere Bewegung; es ist, als ob eine kleine Schraube sich im Wasser vorwärts bohrte. Viele einzellige Pflänzchen (Palmellaceen) und einzellige Samen von manchen niedern Wasserpflanzen (Was- serfäden), beide von kugeliger, birnförmiger, ovallänglicher Gestalt zeigen, eine Bewegung, die von der eben genannten in nichts verschieden ist. Sie gehen rasch PS: vorwärts und drehen sich, wobei die Drehungsachse mit der Richtung, in der sie schwimmen, zusammentrifft. Auch kugelige und tafelförmige Gruppen von ein- zelligen Pflänzchen tummeln sich in gleicher Weise im Wasser herum. — Man hat diess die Schwärmbewegung genannt; schwärmende Zellen haben die grösste Aehnlichkeit mit Infusorien. Wenn die Zellen grün sind, so bewegen sie sich in der Regel nach dem Lichte hin. In einer Wasserschüssel, die am Fenster steht, sammeln sie sich alle an dem Rande, der dem einfallenden Lichte zugekehrt ist; und wenn man dann die Schüssel umdreht, so ziehen sie alle quer hinüber nach dem entgegengesetzten Rande, — wie sich die Blätter und die Zweige der höhern Pflanzen nach der Sonne kehren. Diess ist auch der Grund, warum die grünen Schwärmzellen alle an die Oberfläche des Wassers kommen und dort bleiben, obgleich sie spezifisch schwerer als Wasser sind und, zur Ruhe gelangt, niedersinken. Ich umwickelte eine senkrechte, gegen 3 Fuss lange mit Wasser und grünen Schwärmzellen ge- füllte Glasröhre mit schwarzem Papier. Die grünen Pflänzchen waren alle an der Oberfläche, wenn das Licht von oben, sie sammelten sich auf dem Grunde, wenn es von unten einfiel. Unter dem Microscop bewegen sie sich nach allen Richtungen, weil sie hier von allen Seiten beschienen sind. — Die farblosen Zellen bewegen sich nie in einer bestimmten Richtung; man findet sie daher überall im Wasser, an der Sonnen- und an der Schattenseite, an der Oberfläche und in der Tiefe. Viele der mit selbständiger Ortsbewegung begabten Zellen haben dünne und lange Wimpern an dem einen Ende, sind wohl auch ganz mit kurzen Wimpern behaart. Man hat diess als die Ruderorgane betrachtet, vermittelst welcher sie herumschwimmen. Das wimpertragende Ende geht immer voran. An andern sich bewegenden Zellen konnte noch nichts von solchen Wimpern oder überhaupt von äussern locomotorischen Werkzeugen beobachtet werden. Man war früher so sehr von der Vorstellung beherrscht, das Thier besitze Ortsveränderung, die Pflanze dagegen nicht, dass man zuerst die kleinen herum- schwimmenden Pflänzchen für Thiere hielt. Dann wurde die Entdeckung ge- macht, dass manche dieser Schwärmzellen Pflanzensamen sind, dass sie von kleinen Wasserpflänzchen hervorgebracht werden, und, nachdem sie einige Zeit herumgeschwommen sind, wieder zu Pflanzen sich entwickeln. Nun sagte man, die Pflanze führe zeitweise ein thierisches Leben, oder sogar, es verwandle sich die Pflanze in ein Infusorium und dieses wieder in eine Pflanze. Die Phantasie that das Ihrige; sie sah an den vermeintlichen Thieren auch thierische Organe. Den Oscillarienfäden wurde am Anfang dieses Jahrhunderts Kopf und Schwanz und noch vor 23 Jahren ein Kopf, mit welchem sie herumtasten, beigelegt. Auch die Art der Bewegung erregte mehrfach Bedenken; selbst im Anfang dieses Jahr- zehents sagte eine bekannte Pflanzenphysiologie, die Bewegungen der Oscillarien hätten etwas Seltsames, sogar Unheimliches, und ihre Stellung im Pflanzenreiche . scheine noch zweifelhaft; und im Jahr 1855 behauptete ein Beobachter abermals, ihre Bewegungen näherten sich den willkührlichen. ae. Ag Die Frage betreffend die selbständigen Ortsbewegungen der einzelligen und wenigzelligen Pllänzchen ist zwar weit entfernt von einem Abschlusse. Sie wird es erst sein, wenn wir die Bewegungsursache kennen. Bis dahin ist auch die Grenze zwischen Thier- und Pflanzenreich, zwischen Infusorien und Schwärm- pflänzchen unsicher. Man sagt gewöhnlich, die Bewegungen des Thieres seien willkührlich, diejenigen der Pflanzen unwillkührlich. Dieser Grundsatz als richtig anerkannt, so stösst doch seine Anwendung auf grosse Schwierigkeiten. Die Pflan- zen, von denen ich gesprochen habe, schwimmen vorwärts, mit oder ohne Drehung um ihre Achse. Ist die Bewegung langsam und ohne Hemmung, so zeigt sie sich vollkommen regelmässig. Sie wird um so unregelmässiger, je mehr sich ihre Geschwindigkeit steigert, je unsymmetrischer die Vertheilung der Masse und die Gestalt ist, je zahlreicher die Hindernisse und Reibungswiderstände, die ihr im Wege stehen. Ich glaube mit Zuversicht, dass alle Unregelmässigkeiten und scheinbaren Willkührlichkeiten der Schwärmbewegung von niedern Pflänzchen sich aus den mannigfaltigen Störungen erklären lassen, welche die stetig wirken- den mechanischen Ursachen nachweisbar erfahren. Aber schwieriger möchte es sein, darzuthun, worin die Willkührlichkeit der niedrigsten und einfachsten Infu- sorien besteht. Der Uebergang vom Pflanzenreich ins Thierreich scheint in diesen microscopischen Regionen jetzt noch so allmälig, dass erst ein neues Licht über dieselben aufgehen und sie erhellen muss, ehe eine Abgrenzung nach feststehen- den Begriffen möglich wird. Die Bewegung der Schwärmzellen wird gewöhnlich als äusserst lebhaft be- schrieben, und es ist die Schnelligkeit, womit sie sich herumtummeln, kein geringer Grund, warum man sie als thierisch bezeichnete. Man hat dabei oft ver- gessen, dass man durch die Brille des Microscops sieht, und dass die Schwärm- zellen in Wirklichkeit viel träger sind, als sie es zu sein scheinen. Wenn wir sie mit einer 300maligen linearen Vergrösserung betrachten, so erscheint uns nicht bloss die Zelle selbst 300 mal grösser, sondern auch die Bewegung 300 mal schneller; denn der Raum, der in einer gegebenen Zeit durchlaufen wird, ist ja unter dem Microscop auch 300 mal länger geworden*). Eine Taschenuhr, unter das Micro- scop gelegt, zeigt schon bei 100 maliger Vergrösserung die Spitze des langen Zei- gers in ziemlich rascher, zitternd - stossweiser Bewegung, die Spitze des kurzen Zeigers in äusserst langsamem kaum wahrnehmbarem Fortrücken. Die langsamste stetige Bewegung des Zelleninhaltes beobachtete ich in Charen bei 1° Wasser- temperatur, die schnellste in der gleichen Pflanze bei einer Wärme des Wassers von 37° Celsius. Die Länge eines Fusses, wenn man die Bewegung auf dieses Maass berechnet, wird dort in 50 Stunden, hier in Y, Stunde durchlaufen. Dia- tomaceen legen bei gewöhnlicher Zimmertemperatur 1 Fuss in 14 bis 21 Stunden zurück; sie gehen also etwa 6 mal langsamer als die Spitze des langen Zeigers *) Das Microscop bringt die Gegenstände unserm Auge gleichsam näher. Eine Bewegung erscheint um so schneller, je weniger entfernt sie ist. Die Geschwindigkeit, mit welcher der nächste Fixstern (die Erde in Ruhe gedacht) am Firmamente dahin eilt, übertrifft das Licht 6000 mal; und dennoch scheint er, wegen seiner ungeheuren Entfernung, stille zu stehen, r ARBEIT einer Taschenuhr. Die Schwärmzellen brauchen meistens etwa eine Stunde, die schnellsten bloss Y, Stunde, um den Weg von 1 Fuss zu durchlaufen. Die flin- kesten kommen in ihrer Bewegung der Spitze des langen Zeigers einer Uhr gleich, deren Zifferblatt 1, Fuss im Durchmesser hat, und bleiben weit hinter der träg- sten Schnecke zurück. Ohne Vergrösserung würde man, auch wenn die Pflänzchen vollkommen deutlich wären, ihre Bewegung wegen der Langsamkeit nicht sehen. — Die Infusorien schwärmen kaum schneller als die Pflanzenzellen. Statt von der lebhaften thierischen Bewegung der letztern, würde man mit grösserm Rechte von der trägen pflanzenähnlichen Bewegung der erstern sprechen. Ob die Bewegung eines Körpers uns geschwind oder langsam erscheine, hängt aber auch von dem Verhältniss seiner Grösse zu dem in einer bestimmten Zeit durchlaufenen Raume ab. Wenn ein Elephant und eine Maus in der näm- lichen Zeit eine gleiche Wegstrecke machen, so nennen wir den erstern langsam, die zweite geschwind. Der Mensch legt im Gehen während 1 Secunde etwas mehr als die Hälfte seiner Länge zurück. Die schnellsten Schwärmzellen durch- laufen in der nämlichen Zeit einen Raum, der 2'% mal so gross als ihr Durch- messer ist; die Diatomaceen nur den 10. Theil ihrer Länge und kurze Oscillarien- fäden bloss den 100. "Theil ihrer Länge, lange noch viel weniger *). Die Bewegungen der kleinsten Theilchen sammeln sich gruppenweise; die Gruppen treten zu höhern Complexen zusammen. Die Totalität aller dieser Be- wegungen ist die Innenbewegung oder das Leben der Zelle, eine einheitliche Erscheinung, welche, wie alles Individuelle, seinen Anfang und sein Ende hat. Eine elastische Kugel kann eine Mehrzahl von elastischen Kugeln nach ein- ander in Bewegung setzen, so dass die Kettenbewegung von der einen auf die andere übertragen wird. In gleicher Weise wird die Zelle Element einer ketten- artig verknüpften Bewegung. Sie trägt ihre Lebensbewegung auf mehrere Tochter- zellen über. Ein einzelliges Plänzchen erzeugt 2 oder viele Zellen, die, von einander getrennt, die Lebensbewegung der Mutterzelle fortsetzen. — Zwischen Kugeln und Zellen besteht eine Verschiedenheit. Die 10 elastischen Bälle, die durch einen einzigen in Bewegung gesetzt wurden, besitzen zusammen bloss die Bewegungskraft dieses Einen. Von den 10 Zellen, die von einer einzigen abstam- men, erlangt jede die dieser Einen an Intensität gleiche Bewegung **). *) Die Erde legt in 1 Secunde etwa 4 geogr. Meilen zurück, also den 420. Theil ihres Durchmessers. **) Diese Verschiedenheit ist kein Grund, die beiden Bewegungen nicht als die nämliche zu betrachten. Beiden liegt die gleiche Erscheinung zu Grunde, dass nämlich die Bewegung eines Körpers sich in einem oder mehreren andern Körpern fortsetzt: beiden ist auch gemein- sam, dass die Uebertragung in bestimmter gesetzmässiger Weise geschieht. Die übertragene Bewegung hat natürlich in dem neuen Körper ursprünglich immer die gleiche Grösse, wie in demjenigen, von dem sie unmittelbar herstammt. Aber sie kann mit der Zeit abnehmen oder zunehmen, je nachdem vorhandene Bewegungselemente zerstört oder neue hinzugefügt werden, BD Ve - ER Bei den einzelligen Pflanzen trennen sich die Schwesterzellen von einander. In den mehrzelligen bleiben sie mit einander verbunden, durch Adhäsion in ein Zellgewebe verwachsen, und stellen eine Summe von Bewegungen dar, welche ungefähr um so vielmal die Summe der Bewegungen der ursprünglichen Zelle übertrifft, als die Zahl der an ihre Stelle getretenen Zellen beträgt. Auf dieser Vereinigung von individuellen Bewegungen beruht das Wesen der Pflanze und ihrer Organe. Jede Pflanze und jedes einzelne Organ beginnt, wenn wir es zurück verfolgen bis auf seinen allerersten Anfang, als einfache Zelle, und seine ganze Entwickelung, ihren Abkömmlingen neue Zellen erzeugt werden. sein ganzes Wachsthum besteht darin, dass von dieser Zelle und Der Vorgang ist fast ohne Ausnahme folgender. Denken Sie sich eine Zelle, mit welcher eine Pflanze oder ein Organ beginnt. Diese Zelle erzeugt 2 Tochter- zellen, oder wie man gewöhnlich sagt, sie theilt sich in 2 Zellen. Dieselben besitzen zusammen die ganze Masse der Mutterzelle, welche natürlich in dem Moment, in welchem die Tochterzellen ins Dasein treten, aufhört zu existiren. Die Gesammtsumme der Lebensbewegungen der Mutterzelle vertheilt sich unter ihre beiden Töchter. Diese wachsen heran ; durch Ernährung vermehrt jede der- selben die Summe ihrer Lebensbewegungen,, ihr Volumen und ihre Masse, bis sie der Mutterzelle ungefähr gleich geworden ist. Dann theilen sich die 'Tochter- zellen, wie es die Mutterzelle that, und die Enkelinnen sowie die spätern Gene- rationen folgen dem Beispiel; jede theilt sich in zwei. Wenn die Theilung in allen Zellen aufgehört hat, und die Zellen der letzten Generation nicht mehr an Volumen zunehmen, so ist das Organ ausgewachsen. Im Allgemeinen steht die Grösse eines Pflanzentheils und die Zahl seiner Zellen in direktem Ver- hältniss zu einander; je grösser der Theil, desto zahlreicher die ihn zusammen- setzenden Zellen. Das Wachsthum des Pflanzenorgans ist somit nichts anderes als eine Ketten- bewegung, in welcher das Leben eines jeden Elementes immer auf 2 andere übertragen wird, die ihm gleich oder ähnlich werden. Und das Leben oder die Innenbewegung des Organs ist nichts anderes als die Summe der Lebensbewegun- gen aller Elemente, welche in jedem Entwickelungsstadium dasselbe zusammen- setzen. Die Zellen, welche während der ganzen Lebensdauer eines Organs oder eines Gewebes auftreten, sind doppelter Art. Es sind erstlich diejenigen, welche sich theilen. Von ziemlich kurzer Dauer, haben sie vorzüglich die Aufgabe, die Bewe- gung, die ihnen von einer frühern Generation mitgetheilt wurde, auf eine spätere zu übertragen, und die Zahl der Zellen zu vermehren. Man nennt sie Mutter- zellen oder Bildungszellen, und ein ganzes Gewebe, das aus ihnen besteht, Bil- dungsgewebe. Es sind zweitens die Zellen der letzten Generation, welche sich nicht weiter theilen, in welchen die Kettenbewegung der Fortpflanzung zur Ruhe gelangt ist, und welche meistens so lange bestehen, als das Organ noch lebt. Sie heissen Dauerzellen. Die Zelle als ein individueller Organismus hat ein in der Zeit begrenztes Dasein. Das Spiel ihrer Innenbewegung findet ein nothwendiges und bestimmtes Ende. Die Bildungszellen haben gewöhnlich eine sehr kurze Existenz, indem ihre Lebensbewegung bald in die der T'ochterzellen übergeht. Die Dauerzellen erfreuen sich eines längern Daseins; aber die Summe ihrer innern Bewegungen nimmt nach und nach ab, und sie sterben an Altersschwäche, die meisten im ersten Jahr, manche nach mehreren Jahren, wenige erst nach einer längern Zeit. Die Organe, deren Bildungszellen nach einer bestimmten Zeit alle in Dauer- zellen übergehen, sterben nothwendig mit ihren Zellen ab, die Blätter in der Regel vor Jahresfrist. Es giebt andere Organe, in denen die Kettenbewegung der Jellenbildung immer nur in den einen Partieen aufhört, in den andern dagegen fortdauert. Solche Organe können äusserst lange leben ; manche Bäume während Jahrtausenden. Sie bestehen aus abgestorbenem Gewebe, aus noch lebensthätigem Dauergewebe und aus zartem Bildungsgewebe. Die Bildungszellen eines Baumes befinden sich an den Spitzen seiner Aeste, Zweige und Wurzeln, und überall zwi- schen Rinde und Holz. Die lebendigen Dauerzellen folgen zunächst nach innen und nach aussen. Aus todten Zellen besteht das Mark, das Kernholz und die trockene äussere Rinde. — In dem Bildungsgewebe der Organe von langer Dauer vermehrt sich fortwährend durch Theilung die Zahl seiner Zellen. In gleichem Maasse geht aber ein Theil derselben in Dauerzellen über; es bilden sich jährlich neue Holz- und Rindenschichten, so dass die äussersten Lagen des Holzes und die innersten der Rinde die jüngsten sind. In gleichem Maasse sterben auch je die äussersten Schichten der lebenskräftigen Rinde und die innersten des lebenskräf- tigen Holzes ab. Alle Organe sind in ihrem frühesten Stadium eine Zelle, sind also einander in gewissem Sinne gleich. Aber diese ursprünglichen Zellen haben ein ungleiches Entwickelungsvermögen; aus der einen wird ein Zweig, aus der andern eine Wurzel, aus dieser ein Laubblatt, aus jener ein Staubfaden, aus einer andern ein Haar. Diese Zelle entwickelt sich zu einem kugeligen, jene zu einem flächen- artigen, jene zu einem fadenförmigen Organe*. Die eben genannten und alle andern Verschiedenheiten in der Gestalt, Grösse und im Bau hängen fast aus- schliesslich von dem Verlaufe der Zellenbildung ab. Welche Zellen sind es, die sich theilen und in welcher Richtung findet die Theilung statt, das sind die *) Man sagt so häufig von den Pflanzen oder den Organen, dass sie ursprünglich, als be- stehend aus einer Zelle von gleicher Grösse, Form und Beschaffenheit, einander gleich seien, und dass die spezifischen Eigenthümlichkeiten erst nach und nach durch Differenzirung sich ausbildeten. Diess ist nicht richtig. Schon in der ursprünglichen rundlichen Zelle liegt vorge- bildet der ganze daraus hervorgehende Organismus; in ihrer Lebensbewegung sind schon voll- ständig die spezifischen Merkmale desselben enthalten. Aber es ist begreiflich, dass eine Be- wegung um so eher ihre eigenthümliche Natur erkennen lässt, je weiter man sie verfolgen kann. Die gerade Linie, der Kreis, die Ellipse, die Schraubenlinie, die Parabel, die Hyperbel u. a. sind auf den ersten Blick verschieden. Ganz kurze Abschnitte, oder was das Nämliche ist, die allerersten und kleinsten Anfänge derselben aber können nicht unterschieden werden, obgleich die spezifischen Eigenthümlichkeiten schon vollständig in ihnen vorhanden sind. Ganz so ver- hält es sich mit den einzelligen Anfängen und den entwickelten Organismen. Je Angeln, um die sich wesentlich die anatomische und morphologische Beschaffen- heit der Pflanzentheile dreht. Ich bedaure, nicht auf einzelne spezielle Fälle eintreten zu können; es zeigt sich nirgends deutlicher die Richtigkeit und die Bedeutsamkeit meiner heutigen Betrachtungsweise. Das Wachsthum ist eine Kettenbewegung, bei welcher an die Stelle einer Zelle immer je zwei Zellen treten. Die Bewegung verläuft zuweilen auf dem nämlichen Platze, indem alle Zellen sich theilen; bald schreitet sie in einer bestimmten Richtung hin fort, indem nur je die eine der beiden Zellen sich wieder in gleicher Weise theilt. Bald ist Längen-, Breiten- und Dickenwachs- thum scharf geschieden, bald sind sie mehr oder weniger verschmolzen. Besonders sind es die niedern Pflanzen, welche sich durch eine grosse Gesetzmässigkeit in der Zellenbildung auszeichnen. Schon ihr Bau, bestehend in Zahl und Anord- nung der Zellen, zeigt viel Regelmässiges. Allein erst die Entwickelungsge- schichte giebt den richtigen und den charakteristischen Ausdruck für die spezi- fischen Eigenthümlichkeiten, und nur wenn die Zellenbildung als Bewegung auf- gefasst wird, kann der Entwickelungsgeschichte die zutreffende und bündige Form gegeben werden. Es ist bereits für manche Organe niederer Pflanzen mög- lich geworden, das vollständige Wachsthum in eine oder einige wenige höchst einfache mathematische Formeln zu bringen. Jede dieser Formeln bezeichnet einen Zellentheilungsprocess, der durch Wände, die unter einem bestimmten Winkel zur Zellenachse geneigt sind, erfolgt, und der entweder stationär bleibt oder in einer bestimmten Richtung vorwärts geht *). *) Ich habe im Jahr 1346 im zweiten Heft meiner Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik für das Wachsthum einer Floridee und einiger Organe von Laub- und Lebermoosen, ferner im Jahr 13147 in meinen Algensystemen für das Wachsthum verschiedener Süsswasser- und Meer- algen gezeigt, dass die Zellenbildung in höchst regelmässiger Weise erfolgt und dass es möglich ist, sie in mathematischer Form auszudrücken. Einige Beispiele mögen diess, namentlich dem nicht botanischen Leser deutlich machen. Es giebt fadenförmige, gegliederte Organe oder ganze Pflanzen von microscopischer Grösse, die aus einer Reihe von gleichwerthigen Gliederzellen bestehen. Jede der letztern theilt sich in zwei, so lange das Wachsthum durch Zellenbildung fortdauert. Heisst die erste Zelle, aus _ welcher ein Organ entspringt, primäre Zelle, so müssen auch alle folgenden Zellen als primäre bezeichnet werden, da sie ihrer Natur nach mit jener übereinstimmen. Das Wachsthum besteht hier also darin, dass eine primäre Zelle der 2'°* Generation sich in 2 primäre Zellen der a-H1!e" Generation theilt. Es beginnt mit 'I : *I+?I, und setzt sich fort durch ”I : *+:I]+”+']. Die Organe sind ungleich nach der Dauer der Zellenbildung, indem » eine verschiedene Höhe erreichen kann. Nimmt nz. B. bloss die Werthe 1, 2, 3 oder 4 an, so besteht das ausgewach- sene Organ aus 2, 4, S oder 16 Gliedern. Zeigt » nach einander die Werthe 1..... 00, so ist das Wachsthum unbegrenzt. Manche andere Organe, die ebenfalls aus einer einfachen Zellenreihe bestehen, wachsen so, dass sich nur die Endzelle oder Scheitelzelle theilt. An die Stelle der ursprünglichen Zelle des ganzen Organs treten zwei neue ungleiche Zellen; die eine ist eine Dauerzelle, und stellt das erste Glied des Fadens dar, die andere eine Bildungszelle oder Scheitelzelle. Die letztere theilt sich in gleicher Weise in eine Gliederzelle und eine neue Scheitelzelle, und so geht die Theilung fort. Heisst die erste Zelle des Organs wieder primäre Zelle, so ist die eine ihrer Toch- terzellen ebenfalls eine primäre, die andere aber, weil ihrer Natur nach verschieden, eine secun- däre Zelle; und das Wachsthum geschieht in der Weise, dass die primäre Zelle des n'°" Grades Nägeli Beiträge. II. 2 - u a Das Wachsthum, von dem ich bis jetzt gesprochen habe, bezieht sich auf die Gestaltung der Dimensionen. Eine andere Seite des Wachsthums giebt dem eine primäre Zelle des n+1'°" Grades und eine »!° secundäre Zelle erzeugt. Es beginnt mit I‘: I’+,Il, und setzt sich fort durch I* : ?*'+n1l. Es giebt Organe, die aus einer einfachen Schicht von Flächenzellen bestehen, und die in folgender Weise wachsen. Zuerst entsteht eine einfache Reihe von Zellen, wie vorhin nach der Formel 1”: 1”*'+n1Il. Die secundären oder Gliederzellen sind Bildungszellen. Sie theilen sich zunächst in eine mittlere, welche eine Dauerzelle oder Flächenzelle ist, und in 2 seitliche, welche ihrer Lage nach Randzellen und ihrer Natur nach Bildungszellen sind. Jede dieser beiden zerfällt in eine innere oder Flächenzelle und in eine äussere oder Randzelle Die näm- liche Zellenbildung wiederholt sich in den Randzellen, und es entsteht somit eine einfache Zell- schicht, an welcher der Rand aus Bildungszellen, die Fläche aus Dauerzellen besteht. Dieser Wachsthumsprocess beginnt also damit, dass jede Gliederzelle oder secundäre Zelle des ersten Grades zunächst vermittelst zweier Theilungen in 2 tertiäre Zellen des ersten Grades und in eine secundäre Zelle des letzten Grades zerfällt, und setzt sich dadurch fort, dass zunächst jede tertiäre Zelle des ersten Grades eine tertiäre Zelle des zweiten Grades und eine erste quartäre Zelle, und dass fernerhin eine tertiäre Zelle des m'*" Grades eine tertiäre Zelle des n+ 1!" Grades und eine »n!® quartäre Zelle erzeugt, nach der Formel III” : 1II*+‘+mIV. Das ganze Organ besteht aus einer axilen Reihe von secundären Zellen, jederseits am Rande aus einer Reihe von tertiären (Bildungs-) Zellen und dazwischen aus quartären Zellen. Andere einschichtige Organe entstehen aus einer einfachen Zellenreihe (deren Wachs- thum ebenfalls durch 1”: 1?*'+nII ausgedrückt wird) dadurch, dass die secundären Zellen sich zuerst durch eine mit der Achsenlinie zusammenfallende Wand halbiren und in 2 tertiäre Zellen zerfallen, dass jede der beiden letztern sich wieder in gleicher Richtung theilt, und dass dieses Zerfallen in 2 gleichwerthige Zellen noch eine Zeit lang in allen Elementen sich wieder- holt. Das Breitenwachsthum geschieht nach der Formel ”IIL:***]II +” *°III, d. h. eine ter- tiäre Zelle der m!“ Generation bildet 2 tertiäre Zellen der m+1t°” Generation. Von den 4 genannten Organen stimmen die beiden erstern im Bau unter einander überein, ebenso die beiden letztern. Ihr Wachsthum wird durch folgende Formeln bezeichnet 1; N]; DEE HAT 2. ET ENT Br Se a it 111” ; 111”! + mIV 7 ER Lima 71 I @TTT ; M+ ur Z + J06H Bei dieser Terminologie, deren ich mich früher bediente, bin ich von dem Prinzip aus- gegangen, die erste Zelle eines Organs und ebenso alle Zellen, welche mit ihr gleiches Thei- lungsvermögen besitzen, als primäre Zellen zu bezeichnen, die erste Differenz als secundäre, die folgende als tertiäre Zellen zu unterscheiden etc. Für den fragmentarischen Anfang einer neuen Lehre mochte dieses Verfahren zweckmässig sein. Bei weiterer Ausdehnung der Unter- suchungen und bei einer vergleichenden Behandlung der Organe der Cryptogamen machte sich das Bedürfniss geltend, die Zellen nach der morphologischen Function, die sie beim Aufbau des Organs ausüben, zu benennen, als Gliederzellen (4), Scheitelzellen (V), Randzellen (M), Flächenzellen (P) u,s. w. Die Formeln wären somit für die genannten Fälle in folgender Weise abzuändern. 1 nA, WFAALRTIA en a All 96 BAVLWIFHHEnA, YET TREE EN! mp . MEADTM FED Diess sind einige Beispiele von sehr einfachen Organen; bedeutende Verschiedenheiten Organ seine Richtung und verändert diese Richtung, giebt also Veranlassung zu Bewegungen der Organe. Krümmung und Streckung, Zusammenfaltung oder Einrollung und Ausbreitung, Drehung und Aufdrehung gehören hieher. Das Blatt der Farren und Cycadeen ist in der Jugend schneckenförmig eingerollt; es streckt sich später zur geraden Richtung. Schr viele Blätter sind im jungen Zu- stande (innerhalb der Knospe) zusammengefaltet und zusammengerollt, sie breiten sich nachher flach aus. Die Ranken von kürbissartigen und andern Gewächsen, wodurch sie sich an fremde Gegenstände anklammern, sind zuerst gerade; sie krümmen sich dann und rollen sich schneckenförmig ein; nachher strecken sie sich und werden zuletzt schraubenförmig. Die Stengel sind zuerst ungedreht, nachher meistens gedreht; bei unsern Bäumen tritt diese Drehung erst im Alter ein. Die eben genannten Gestaltsveränderungen geschehen immer so langsam, dass sie nicht direkt gesehen werden können. Sie erfolgen durch ungleiches Wachsthum, indem die Vermehrung oder die Ausdehnung der Zellen an ge- wissen Stellen stärker oder schwächer ist, als an andern. Ein Organ, das auf einer Seite stärker in die Länge wächst als auf der andern, krümmt sich; ein gekrümmtes wird auf gleiche Weise wieder gerade. Ein flächenförmiges Organ, welches in der mit dem Rande parallelen Richtung stärker in die Fläche wächst als in der zum Rande rechtwinkligen, legt sich längs des Randes in Falten , wie das der Krauskohl thut. Wenn es stellenweise im Innern stärker in die Fläche wächst als in den übrigen Theilen, so wirft es Blasen, die auf der einen Seite als Vertiefungen, auf der andern als Erhabenheiten erscheinen. Diejenigen meiner /uhörerinnen, welche sich selber etwas für das Anfertigen der Kleider interes- siren, wissen recht wohl, wie eine Falte, eine Krümmung, eine glatte Fläche gemacht wird. Die Natur bedient sich der nämlichen mechanischen Regeln wie der Kleiderkünstler; aber sie macht ihre Arbeit gewöhnlich noch etwas besser; statt einzelner grosser, setzt sie zahllose kleine Läppchen ein. Ein cylindrisches Organ, das am Umfange stärker in die Länge wächst als in der Mittellinie, dreht sich um seine Achse. Ein bandförmiger Theil wird unter gleichen Umständen zur Wendeltreppe. Ein Stengel oder eine Ranke, die auf der einen Seite in bestimmten Verhältnissen stärker sich verlängert als auf der andern, wird schraubenzieherförmig oder »windet« sich. Es kommt aber dabei wohl immer noch eine Drehungsursache in den einzelnen Zellen hinzu. Drehende und windende Organe können sich nach zwei Seiten kehren, rechts oder links. Es giebt Rechts- und Linksdrehung, Rechts- und Linkswin- dung. Ich muss, ehe ich einige Beispiele anführe, zuerst eine Bemerkung über in Länge und Breite werden dadurch hervorgebracht, dass m und n sehr ungleiche Werthe annehmen können, wie das für das erste Beispiel angegeben wurde. Der gleiche oder ein ähn- licher Bau (einfache Zellenreihe und einfache Zellschicht) kann noch durch andere Combina- tionen der Zellenbildung hervorgebracht werden. Organe von complizirterer Zusammensetzung wachsen durch andere und zahlreicher eombinirte Zellenbildungsprocesse. Ich hoffe nächstens eine Uebersicht meiner bis jetzt auf diesem Gebiete gewonnenen Thatsachen geben zu können. 2% SORTE, ne die Bedeutung dieser Begriffe machen. Die Mechanik nennt die gewöhnlichen Schrauben rechte, in seltenen Fällen werden auch linke angewendet. Rechte Schrauben sind solche, deren Windungen, von aussen angesehen, von der Linken zur Rechten aufsteigen; bei den linken findet das Umgekehrte statt. Die gleiche Benennung gebraucht die Technik für alle schraubenförmigen Vorrichtungen, auch für die Wendeltreppen, die gewundenen Säulen, die Drähte, Stricke u.s. w. Die Zoologie hat dieselbe Terminologie für die Schneckengehäuse; und die Botanik hatte sie seit Linne’s bis auf die neuere Zeit. Nach dem Vorgange De Candolle’s bedient man sich jetzt allgemein der umgekehrten Bezeichnungsweise. Man sagt, es sei die Pflanze, welche sich drehe, desswegen müsse man sich an ihre Stelle setzen. Allein es scheint mir einleuchtend, dass an einem cylindrischen Stengel und an so manchem andern Pflanzenorgan ein Rechts und Links nicht existirt, dass somit die Bezeichnung rein conventionell ist, und bloss für den Beobachter, der mit Rechts und Links begabt ist, Bedeutung hat. Es wäre aber gewiss zweck- mässiger, wenn man in der Botanik die vom Leben und von andern Wissenschaften sanktionirten Begriffe beibehalten wollte; es wäre bequemer, wenn man den Baum von aussen betrachten würde, statt, wie es jetzt üblich ist, sich in denselben hin- einzudenken und seine Oberfläche von innen aus anzusehen, und eben so comfor- tabel, wenn man die Ranke um sich selber, statt wie man jetzt pflegt, um den Beobachter sich winden liesse. Um noch einige Beispiele anzuführen, so bemerke ich, dass unsere meisten Bäume sich rechts drehen. Der Hopfen windet links, die Bohne und Zaunwinde rechts. Die Ranken setzen gewöhnlich um; d. h. sie winden zuerst in irgend einer Richtung, und dann in der entgegengesetzten. — Die Schraubenlinie kommt im Pflanzenreiche überhaupt sehr häufig vor, in der Zelle, im Organ und am ganzen Pflanzenstock. Die Spiralgefässe sind meistens links gewunden; der Bau der Bastzellen deutet auf eine rechtswendige Bewegung. Das grüne Schrauben- band bei Spirogyra ist immer linksgewunden. Die Drehung der Schwärmzellen erfolgt bei den einen rechts, bei den andern links, die der Oscillarien rechts. — Rechts und Links finden im Pflanzenreiche ungefähr gleich zahlreiche Anhänger; ich habe in der eben gegebenen Aufzählung die rechte und linke Seite des Hauses mit einander vertauscht, und rechts gesetzt, was eben noch links sass, wie das ein Wechsel des Systems nothwendig mit sich bringt. Die Lebensbewegung des Organs ist zusammengesetzt aus den Lebensbewe- gungen aller seiner Zellen. Seine sämmtlichen Funktionen beruhen auf Funk- tionen der Zellen. Diess wird namentlich auch anschaulich bei der Circulation der Nahrungsflüssigkeiten. Jede Zelle ist ein überall geschlossenes Bläschen, und diese Bläschen liegen an der Oberfläche der Organe so dichtgedrängt beisammen, ähnlich gut in einander gefügten Mauersteinen, dass nicht die kleinsten Oeff- nungen zwischen ihnen übrig bleiben. Diese äussersten, zusammenschliessenden Zellen bilden die Epidermis. Das Thier hat auch eine Oberhaut; aber bestimmte Oeffnungen wie die des Mundes, der Nase führen ins Innere. Es nimmt feste Nahrung zu sich. Bei der Pflanze muss Alles, was sie von aussen aufnimmt, durch die Oberhautzellen und ihre durchdringbaren Membranen hindurchgehen. Die Pflanze filtrirt, was sie einsaugt und was sie ausscheidet. Der Chemiker und die Hausfrau filtriren durch Papier. Die Pflanzenzelle macht es viel genauer; ihr Filtrum ist tadellos. Auch die allerwinzigsten Stäubchen, die unter den stärksten Vergrösserungen kaum sichtbar sind, vermögen nicht durch die Membran durch- zudringen. Nur Stoffe, die wirklich gelöst sind, vermögen es; denn sie müssen, da grössere Lücken mangeln, durch die Zwischenräume, welche die Molecüle selbst lassen, sich durchzwängen. — Das [hier isst und trinkt. Die Pflanze trinkt bloss Wasser; sie trinkt für den Durst und für den Hunger. Das Zuckerwasser oder die Limonade, mit der wir uns erfrischen, kommt uns als ein sehr dünnes Getränk vor. Für die Pflanze wäre es ein Excess, der eine unheilbare Indigestion und den sichern Tod in kurzer Zeit herbeiführen würde. Sie übt Grundsätze der allerstrengsten Mässigkeit, und begnügt sich mit Regen-, Fluss- und Quellwasser. Die Flüssigkeit, welche die Pflanze aufnimmt, dringt in die Zellen ein, welche an der Oberfläche sich befinden, und geht dann weiter von Zelle zu Zelle. Das von der Wurzel aufgenommene Wasser muss in einem 80 Fuss hohen Baum wohl durch 30,000 Zellen hindurchgehen, ehe es am Gipfel anlangt; es wird durch eben so viele Wände, die zwischen den Zellen liegen, filtrirt. Wie mühsam operirt nicht die Pflanze, während das Thier mit grosser Leichtigkeit die Flüssigkeit durch besondere Kanäle leitet. Die Wege in der Pflanze gleichen einem undurch- dringlichen, mit Lianen durchflochtenen Urwald, wo der Wanderer mit jedem Schritt sich beschwerlich durchwindet;; im Thier dagegen sind es breite und ebene Kunststrassen, die durch den Wald führen. Das Thier hat den weitern Vortheil, dass es in seinen Kanälen mit der Flüssigkeit auch feste und unlösliche, geformte und ungeformte Bestandtheile fortleiten kann, und dass bei ihm viele Processe in grössern, von Zellen und Fasern umschlossenen Räumen stattfinden. Die Pflanze vollbringt Alles in und durch die Zelle. Eine feste Substanz, die anderswohin transportirt werden soll, muss daher zuerst gelöst werden; im flüssigen Zustande verlässt sie dann die Zelle, und geht von Zelle zu Zelle bis an den Ort ihrer Bestimmung. Das Blatt enthält Stärkekörner; dieselben sollen, ehe es im Herbst abfällt, in den Stamm gebracht werden. Sie lösen sich auf, d. h. zerfallen in die einzelnen Atome, welche mit dem Wasser durch die Zellmembranen filtrirt wer- den, und, in den Zellen ihrer Bestimmung angelangt, sich wieder zu Körnern formen. Ein Regiment steht in geschlossenen Colonnen vor einem Walde ohne Heerstrasse, den es zu passiren hat. Es löst sich auf; jeder Einzelne sucht sich den Weg, so gut er ihn zwischen den Bäumen und dem dornigen Gestrüppe findet; auf dem jenseitigen Plane formiren sich die Reihen wieder. Ich habe vorhin gezeigt, wie das ungleiche Wachsthum, bestehend in Zellen- bildung und Zellenwachsthum, Veränderungen in der Gestalt und in der Rich- tung der Organe bewirkt. Das Nämliche geschieht durch Aufnahme und Abgabe von Flüssigkeit. Wenn die Zellen auf der einen Seite des Organs sich mit Wasser stärker füllen, also sich ausdehnen, oder wenn die Zellen der andern Seite Flüs- sigkeit abgeben , also sich zusammenziehen , so wird sich das Organ biegen , wie ein dünnes Brett sich biegt, wenn man es im trockenen Zustande nur auf der einen Fläche befeuchtet, oder wenn man es im feuchten Zustande nur auf der einen Fläche der Verdunstung aussetzt und austrocknen lässt. Die Wachsthumsbe- wegungen erfolgen langsam; sie werden durch Einlagerungen zugleich von festen und flüssigen Theilen bewirkt. Die Aufnahme und Abgabe von blosser Flüssigkeit bewirkt einen viel rascheren Effekt; besonders dann, wenn die schon in einem Gewebe vorhandene Flüssigkeit sich bloss anders vertheilt, wenn dieselbe von der einen nach der gegenüber liegenden Seite hinströmt, wenn also gleichzeitig dort Zusammenziehung, hier Ausdehnung wirksam sind. Durch diese Bewegun- gen der Flüssigkeiten entstehen periodische Bewegungen der Organe, welche vor- züglich mit dem Wechsel von Tag und Nacht zusammenfallen. Die grünen Blätter vieler Pflanzen, die am Tage mehr oder weniger aus- gebreitet sind, nehmen während der Nacht eine andere Richtung an. Die ein- fachen Blätter und die Blättchen der zusammengesetzten Blätter erheben sich Nachts, und legen sich nach oben an den Stengel und gegen einander an; oder, was indess seltener der Fall ist, sie senken sich und legen sich nach unten an. Die 3 Blättchen des Klees sind während der Nacht aufgerichtet und gegen ein- ander gelehnt; die Blättchen des Sauerklees und der Lupine sind niedergeschlagen und an den Blattstiel angelegt. An den gefiederten Blättern der Wicken steigen die Blättchen empor wie beim Klee; an den gefiederten Blättern der Robinien (falschen Akazien) senken sie sich wie beim Sauerklee. Bei der Sinnpflanze neigt sich das ganze Blatt; die Blättchen aber erheben sich und schliessen an einander. Diese Bewegungen erfolgen mit dem Eintritt der Nacht; die Pflanzen begeben sich zur Ruhe wie das Thier ; der Schlaf ist ein Genuss, der ihnen nicht versagt ist. Nicht alle Pflanzenblätter begeben sich Nachts in den Ruhezustand; sie sind um so schlafsüchtiger, je jünger und weicher sie sind. Sehr zarte und empfind- liche Blätter nehmen auch während einer Sonnenfinsterniss die nächtlichen Stel- lungen ein, und schicken sich dazu an, wenn eine dunkle Wolke vor das leuch- tende Gestirn des Tages tritt. Wenn man die Pflanzen in einen ganz finstern, nur Nachts von Lampen hell erleuchteten Raum bringt, so kehren sie wie die grosse Welt ihre Lebensweise um und schlafen den Tag über. — Wachen und Schlafen sind bei der Pflanze nicht streng geschieden. Am Tage entfernen sie sich bald mehr bald weniger von den nächtlichen Stellungen. Es giebt zarte Blätter, welche fortwährend in langsamer Bewegung begriffen sind. Die heissen und trockenen Stunden des Mittags bringen an ihnen zuweilen einen eigenthüm- lichen Zustand hervor, indem sie sie zur Siesta einladen. Die besonders empfindsamen Pflanzen verändern die Richtungen ihrer Blätter nicht nur bei wechselnder Einwirkung des Lichtes, sondern auch wenn man sie reizt. Man nennt sie Sinnpflanzen. Der Reiz bewirkt immer, dass sie die nächt- lichen Stellungen annehmen. Berührung, Erschütterung, Stich, Schnitt, Bren- nen, chemische Reize, Kälte, elektrische Schläge wirken gleich. Wenn der Reiz schwach ist, so bleibt seine Aktion auf eine kleine Stelle beschränkt; ist er stär-- ker, so pflanzt er sich von Blättchen zu Blättchen, von Blatt zu Blatt und von Zweig zu Zweig fort. Durch grosse Empfindlichkeit zeichnet sich besonders Mimosa pudica aus. In ihrem Vaterlande genügt ein starkes Auftreten auf den Boden, um das Laubwerk einer Pflanze’in den Zustand des Schlafes zu versetzen ; und der Hufschlag eines vorbeisprengenden Pferdes setzt ganze Massen von Mi- mosen in Bewegung. — Die Blätter verharren einige Zeit in der durch den Reiz hervorgebrachten nächtlichen Stellung; dann breiten sie sich wieder aus. Wie der thierische Organismus kann auch der pflanzliche sich an den Reiz gewöhnen. Desfontaines nahm eine Mimosa zu sich in-den Wagen und führte sie auf dem Strassenpflaster spaziren. Sobald der Wagen sich in Bewegung setzte, so legte sie ihre Blätter zusammen. Nach einiger Zeit kehrte sie in den Zustand des Wachens zurück und verblieb darin, obgleich der Wagen immer fortrollte. Hielt er aber an und setzte sich dann wieder in Bewegung, so bewirkte die neu beginnende Erschütterung wieder ein Schliessen der Blätter. Berühmt ist die Bewegung der Fliegenfalle (Dionaea muscipula), einer klei- nen Pflanze aus den Sümpfen Nordcarolinas. Der breite Blattstiel trägt eine vorn tief eingeschnittene und dadurch in 2 ovale Hälften geschiedene Blattfläche, welche bis 3 Zoll lang und 1'% Zoll breit und am Rande mit steifen Wimperzähnen besetzt ist. Nachts faltet sich das Blatt nach der obern Seite zusammen, wobei die Wim- pern des einen und des andern Randes wie die Finger der gefalteten Hände in einander greifen. Die nämliche Bewegung wird durch einen schwachen Reiz auf die Mitte der obern Fläche hervorgebracht; und das Blatt ist im Vaterlande der Pflanze so empfindlich, dass schon ein über dasselbe weglaufendes Insekt von der Grösse einer Fliege ein schnelles Schliessen verursacht, wobei die Fliege gefangen wird. Es gab ältere und selbst neuere Botaniker, welche meinten, die Dionaea fange sich die Fliegen zur Nahrung, und locke sie durch einen süssen Saft an. An die täglichen Bewegungen, welche die Blätter beim Schlafengehen und beim Wiedererwachen zeigen, schliessen sich unmittelbar die Bewegungen der Blüthen und ihrer Theile an. Manche Blumen sind am Tage aufgerichtet, der Sonne und dem blauen Himmel zugekehrt; Nachts biegen sie sich abwärts und blicken nach der Erde. Heben und Senken der Blumen- und Kelchblätter be- wirkt das Schliessen und das Oeffnen der Blüthen. Einige Blumenblätter rollen sich dabei ein und wieder ab; einige falten sich selbst kraus zusammen, als ob sie verwelkt wären, und breiten sich dann wieder aus. Wie die einen Laubblätter beim Eintritt der Nacht sich heben, andere sich senken, so werden auch die Blü- then in verschiedener Weise von dem Lichte angeregt. Die meisten öffnen sich am Tage, einige des Nachts. Die Cistrosen verblühen schon am ersten Tage. Cereus (Cactus) grandiflorus erfreut uns nur während einiger Nachtstunden mit seinen grossen und wohlriechenden Blumen. Gewöhnlich öffnen und schliessen sich die Blüthen mehrere "Tage oder Nächte hinter einander. Und zwar treffen die Bewegungen nicht mit dem Wechsel von Licht und Dunkelheit zu- sammen ; sondern jede Pflanze öffnet und schliesst ihre Blüthen zu einer bestimm- ge RS ten Stunde des Tages oder der Nacht. Zwischen 3 und 4 Uhr Morgens blühen die Zaunwinden (Convolvulus sepium) auf, um 5 Uhr die Schwarzwurzeln (Scor- zonera), um 7 Uhr Seerosen (Nuphar) und Salat (Lactuca), um $ Uhr die Glocken- blumen (Campanula), um 9 Uhr die Ringelblumen (Calendula), um 11 Uhr der Portulak und Ornithogalum umbellatum mit seinen schönen weissen Sternblü- then, welche Pflanze wegen ihres späten Aufstehens dame d’onze heures genannt wurde, um 2 Uhr die Nachmittags- Scilla, zwischen 6 und 7 Uhr Abends die Wunderblume oder falsche Jalappe (Mirabilis Jalappa), um $ Uhr die Königin der Nacht (Cereus grandiflorus), um 10 Uhr Nachts die Purpurwinde (Ipomoea purpurea), von den Gärtnern 'Tagschöne (belle de jour) genannt, weil sie, so früh sie auch aufstehen , die Blumen immer schon offen fanden. — Linne stellte die Pflanzen nach ihrem Aufblühen in ein Register zusammen und nannte es die Uhr der Flora (Blumenuhr); ich will indess nicht behaupten, dass dieser Chronometer schr genau gehe. Wie das Heben und Senken der grünen Blätter, so wird das Oeffnen und Schliessen der Blüthen von der Einwirkung des Lichtes bedingt. Sonnenfinster- niss und bewölkter Himmel veranlassen manche empfindlichen Blumen, sich zu schliessen. In einem am Tage dunkeln und zur Nachtzeit hell erleuchteten Raum ändern sie ihre Gewohnheiten. Die Nachtblumen gehen am Morgen auf, wenn man die Lampen löscht, die Tagblumen am Abend, wenn man sie wieder anzün- det. — Da ein bewölkter Himmel oft Regen anzeigt, so geht das Schliessen man- cher Blüthen dem Regen voraus. Aber mit Unrecht hat man solche Pflanzen, be- sonders die Regenringelblume (Calendula pluvialis) zu Wetterpropheten gemacht. Sie zeigen nur an, was schon da ist, nicht das, was erst noch kommen wird. Es giebt einige wenige Organe, welche sich fortwährend bewegen, ohne dass das Licht den geringsten Einfluss hat. Am ausgezeichnetsten zeigt sich die Er- scheinung bei Desmodium (Hedysarum) gyrans, einer in Bengalen ‚wachsenden Pflanze aus der Verwandtschaft der Erbsen und Bohnen. Ihre Blätter haben, wie der Klee, 3 Blättchen, aber von ungleicher Grösse. Das ovale Endblätt- chen ist 3-4 Zoll lang, die schmalen seitlichen Blättchen 7—8 Linien. Diese beiden kleinen Blättchen sind Tag und Nacht in ununterbrochener Wanderung begriffen. Das eine derselben hebt sich, und legt sich mit seiner innern Fläche an den Blattstiel an. Das andere, welches diese nämliche aufrechte Stellung zeigte, fängt nun an sich zu senken und legt sich mit seiner äussern Fläche ab- wärts an den Blattstiel. Hierauf setzt sich wieder das erste in Bewegung; es steigt herunter und lehnt sich ebenfalls an. Wenn diess geschehen ist, so beginnt das zweite Blättchen von Neuem seine Wanderung nach oben. Die Bewegungen gehen nicht stetig, sondern ruckweise von Statten. Der ganze Weg von unten nach oben oder umgekehrt kann in weniger als 1 Minute zurückgelegt werden. Nicht immer wechseln Hebung und Senkung so regelmässig ab. Zuweilen bewe- gen sich auch beide Blättchen gleichzeitig, sei es gegen einander, sei es in glei- cher Richtung mit einander. Das grosse Endblättchen und der gemeinsame Blatt- stiel zeigen nur die täglichen Bewegungen, Nachts senken sie sich und legen sich er a man an den Stengel an, den sie mantelartig bedecken. Wenn indess die grossen Blättehen schlafen gegangen sind, so bewegen sich die kleinen Balancirblättchen unermüdlich fort; dieselben sollen nach Hufeland sogar mit einem merklichen Geräusche unter den sie bedeckenden grossen Blättchen hervorschnellen. Die Blüthen enthalten innerhalb der Blumenkrone zwei verschiedene Organe. Zunächst kommen die Staubfäden mit den Staubbeuteln, in denen der Blüthen- staub gebildet wird. In der Mitte der Blume befinden sich die Stempel; deren unterer Theil heisst Fruchtknoten und enthält die Anlagen für die Samen; auf dem Fruchtknoten stehen die Griffel, deren Endtheil als Narbe bezeichnet wird. Damit die Samenanlagen zu fruchtbaren Samen und die Fruchtknoten zur Frucht sich entwickeln, muss der Blüthenstaub auf die Narbe gelangen. Die Natur be- dient sich verschiedener Mittel, um diess zu bewerkstelligen. Der Wind und die Blüthen besuchenden Insekten spielen keine unbedeutende Rolle, da wo Staub- gefässe und Stempel nicht in der gleichen Blüthe oder nicht einmal auf der näm- lichen Pflanze vereinigt sind. Wenn diese Organe sich beisammen befinden, nähern sie sich oft einander, indem sie besondere Bewegungen ausführen. Die Staubgefässe biegen sich nach innen, legen sich an die Narben an, ihren Blüthen- staub entleerend, und kehren dann in die frühere Richtung zurück. Gewöhnlich beginnt eines nach dem andern in bestimmter Reihenfolge die Wanderung. Parnassia, die Raute, die Berberitze, die Lilie, der Lauch, die Linde, der Spinat, die Brennnessel und viele andere Gewächse zeigen diese Bewegungen der Staub- fäden. Bei Passionsblumen, Hibiscus, Cactus-Arten und vielen andern krümmen sich die Griffel nach aussen zu den Staubbeuteln, und gehen dann wieder zurück. Endlich giebt es auch Gewächse, wie z. B. die Malven, bei welchen die Staub- fäden und die Griffel sich beide gegen einander und nachher wieder von einander bewegen. Zu der Zeit, wo diese Bewegungen einzutreten pflegen, sind diese Organe oft auch irritabel, so dass die Wanderung schon vor der Zeit auf einen chemischen oder mechanischen Reiz erfolgt. Da ich von den Bewegungen der Blüthentheile spreche, will ich die berühmt gewordene Vallisneria spiralis nicht unerwähnt lassen. Sie wächst im südlichen Europa auf dem Grunde stehender Gewässer ; sie ist häufig in den Gewächshäu- sern und eignet sich für Zimmeraquarien. Die Blüthen der einen Pflanzen ent- halten bloss Stempel, die der andern bloss Staubgefässe. Beide bilden sich auf dem Grunde des Wassers; sie sollen aber in der Luft sich öffnen. Die Knospen der Stempelblüthen werden auf einem langen Stiel an die Oberfläche des Wassers gchoben, um sich daselbst zu entfalten. Die Staubblüthen stehen auf einem kurzen artikulirten Stiel, welcher sich ablöst; die Blüthenknospen steigen, getragen durch die eingeschlossene Luft, ebenfalls an die Oberfläche des Wassers, wo sie sich öffnen und zu Tausenden frei herumschwimmen. Nachdem der Blüthenstaub auf die Narbe gefallen ist, wickelt sich der Stiel der Stempelblüthen spiralig auf und zieht so die Blüthe auf den Grund des Wassers, wo Samen und Frucht reifen, indess die Staubblüthen in Verwesung übergehen. N Alle die erwähnten Bewegungen von Blättern und Blatttheilen, welche mit 26 —— dem Wechsel von Tag und Nacht, auf Reize oder während der Blüthezeit ein- treten, geschehen durch ungleiche Anhäufung der Flüssigkeit in den verschiede- nen Partieen des Gewebes. Zuweilen vertheilt sich die Bewegung auf die ganze Länge; der ganze Staubfaden krümmt sich. Häufiger hat sie ihren Sitz bloss in dem Gelenke, mit welchem das bewegliche Organ eingefügt ist. Das Blatt selbst oder das Blättchen verändert seine Gestalt nicht; es dreht sich bloss um das Bası- largelenk, welches aus einem elastischen Gewebe meist in Form eines Wulstes besteht. Die Turgescenz des Gewebes ist so stark, dass ohne Zerreissung desselben die schlafenden Blätter kaum aus ihrer Lage gebracht werden können. Um zu zeigen, mit welcher Energie die Pflanzen sich in ihren nächtlichen Ruhezustand begeben, hat man solchen Blättern, die sich Nachts aufrichten,, kleine Gewichte angehängt. Sie hoben dieselben in die Höhe und überliessen sich, so belastet, der Ruhe. Eine andere Kategorie von Bewegungen, welche wir als hygroscopische bezeichnen können, wirkt auf die nämliche mechanische Weise. Pflanzentheile, welche austrocknen, oder wenn sie trocken waren, wieder feucht werden, ver- ändern ihre Richtung; sie drehen, krümmen, werfen sich, weil die einen Partieen des Gewebes mehr Wasser verlieren oder mehr aufnehmen als die andern. Die meisten dieser Bewegungen gehören nicht mehr der lebenden Pflanze an, sondern der todten Substanz; zarte Ranken und Grannen werden als Hygrometer benutzt; die Rose von Jericho (die ganze Pflanze von Anastatica hierochuntica) ist im trockenen Zustande geschlossen, und öffnet sich beim Befeuchten. Diese hygro- scopischen Bewegungen kommen zuweilen auch an lebenden Pflanzentheilen vor, welche austrocknen ohne abzusterben ; und in vielen Fällen haben sie eine grosse Bedeutung für das Leben; denn sie sind es, welche die austrocknenden Frucht- kapseln, Staubbeutel, Sporenbehälter öffnen. Dadurch wird den Samen, den Pollenkörnern, den Sporen (einzelligen Samen der Cryptogamen) der Austritt gestattet, oder sie werden auch mit Gewalt fortgeschleudert. Das Leben des Organs ist die Summe der Lebensbewegungen aller seiner Zellen. Sein Wachsthum beruht auf der Kettenbewegung der auf einander fol- genden Generationen von Bildungszellen; seine übrigen Functionen auf den Innenbewegungen aller einzelnen, besonders der Dauerzellen. Wenn die Bewe- gungen in allen oder in vielen Zellen zusammenwirken, so kann der Gesammt- effekt Ortsbewegungen der Organe hervorbringen. ? Das Organ selbst kann wieder Element einer Kettenbewegung werden, wie es die Zelle war, der es seinen Ursprung und sein Bestehen verdankt. Es erzeugt neue Organe, in welche es eine ihm analoge Lebensbewegung überträgt; das Resultat dieses Processes ist der Aufbau der ganzen Pflanze. Wie das Organ als einfache Zelle beginnt und durch Zellenbildung wächst, so beginnt der Pflanzen- stock anfänglich immer als ein einfaches Organ und entwickelt sich durch Erzeu- 12 gung neuer Organe. Die höhern Pflanzen fangen mit dem Stengel an. Wenn derselbe noch winzig klein, dem blossen Auge kaum sichtbar und in dem unreifen Samen eingeschlossen ist, so bildet er schon die ersten seitlichen Organe, die Samenlappen und andere blattartige Theile. Sowie der Stengel grösser wird, so erzeugt er fortwährend neue Blätter; er bringt Aeste und Zweige hervor , die ihrerseits wieder Blätter tragen ; nach unten treibt er Wurzeln, die sich ebenfalls verzweigen können. Aus der Oberfläche der Stammtheile, der Blätter und der Wurzeln wachsen oft haarförmige Bildungen hervor. Beim Aufbau des Organs theilt sich je eine Zelle in zwei, und trägt, indem sie selber zu existiren aufhört, ihre ganze Innenbewegung auf dieselben über. Das entwickelte ausgewachsene Gewebe besteht bloss aus den Zellen der letzten Generation. Anders verhält es sich mit dem Aufbau des Pflanzenstockes. Das Organ erzeugt die neuen Organe ausser oder neben sich, und besteht gleichzeitig mit denselben fort; es trägt dieselben, so der Stengel die Zweige, der Zweig die Blätter; es kann wiederholt, selbst fast in unbegrenzter Folge neue seitliche Theile hervorbringen. Der Pflanzenstock ist zuweilen aus allen Organen zusammenge- setzt, welche während seiner ganzen Entwickelung auf einander gefolgt sind. Meistens fehlen demselben gewisse Organe, welche, wie die Blätter, regelmässig abgeworfen werden. - Die Pflanzenstöcke treten uns in bunter Mannigfaltigkeit entgegen. Ver- gleichen Sie in Gedanken einen Wasserfaden, einen Schimmelpilz, einen Hut- schwamm, eine Flechte, ein Moos, eine Wasserlinse, einen Tannenbaum, ein Gras, eine Lilie, eine tropische Orchidee, eine Palme, einen Cactus, eine Wein- rebe, einen Apfelbaum. Es giebt zwei Quellen für diese Mannigfaltigkeit. Die eine liegt in der ungleichen Gestalt der Organe; die andere in der Zusammen- fügung derselben. Am Cactus ist der Stengel übermässig ausgebildet und die Blätter sind verkümmert; die Schlingpflanze trägt an ihrem langen und fadenför- mig-dünnen Stengel mittelgrosse Blätter; aus dem kurzen, in der Erde verborge- nen Stamm mancher Farrenkräuter erheben sich Blätter von übermässiger Grösse. Die Verschiedenheiten, welche in der Aufeinanderfolge und der gegenseitigen Anordnung der Organe begründet sind, springen weniger in die Augen. Ein Kartoffelknollen hat die gleiche Architektonik wie das Kartoffelkraut, von dem er so verschieden scheint, und eine andere als der Rettig, dem er äusserlich mehr gleicht. — Die Architektonik des Pflanzenstockes oder der Aufbau desselben aus den Organen ist für das Wesen der Pflanze viel wichtiger als die Formbildung der Organe. Nah verwandte Pflanzen stimmen in der erstern immer überein; in der letztern können sie ganz verschieden sein. Es bestätigt diess die Richtigkeit meiner Betrachtungsweise, die ganze Pflanze als eine Bewegung aufzufassen, deren Element das Organ ist. Denn die Pflanze muss ihren Charakter in erster Linie durch die sie unmittelbar erzeugende Bewegung erhalten, also durch die Aufeinanderfolge der Organe, und erst in zweiter Linie durch die den 'Theil auf- bauende Bewegung, die Zellenbildung. Um Ihnen eine Idee zu geben, wie die Pflanze durch die Kettenbewegung der Organbildung construirt wird, müsste ich zuerst versuchen, die Verschieden- heit der Organe selbst zu begründen, und weiterhin zeigen, nach welchen Gesetzen die Erzeugung der verschiedenen Organe stattfindet. Ich kann bloss einige lei- tende Gedanken berühren. Rücksichtlich der Begriffsbestimmung der Organe bietet uns die gegenwärtige Wissenschaft noch ein Chaos dar, in welchem es un- möglich ist, sich zurechtzufinden. Man hat sich damit begnügt, in jeder Gruppe des Pflanzenreiches und selbst in jeder Abtheilung einer Gruppe nach äussern Eigenthümlichkeiten die Organe mit besondern Namen zu belegen. Man spricht von den Fäden der Schimmelpilze, von dem Strunk und Hut der Schwämme, von dem Lager der Flechten, von dem Laub der Lebermoose, von der Borste, welche die Mooskapsel trägt, von den Wedeln der Farrenkräuter, von dem Halm der Gräser u. dergl. Ein vergleichendes morphologisches Studium muss vor Allem aus die Identität und die Differenz der Pflanzenorgane feststellen. Ich glaube nun, dass folgende Betrachtung einiges Licht über diese Verhältnisse zu verbreiten im Stande ist. Wir haben es mit einer Kettenbewegung zu thun, und ich komme auf mein ursprüngliches Beispiel zurück. Wenn durch einen elastischen Ball mehrere in Bewegung gesetzt sind, so wird jeder mit einer bestimmten Kraft nach einer be- stimmten Richtung hinlaufen. Kraft und Richtung der Bewegung bedingen die Verschiedenheit unter den Kugeln; von ihnen hängt die Wirkung ab, die jede hervorbringen kann. Beim Aufbau desOrgans sind verschiedene Zellenbildungen thätig. Jede Zelle trägt ihre Bewegung auf zwei Zellen über; sie thut diess in einer gewissen Richtung (der Länge, Breite, Dicke oder in einer mittlern) und mit einer gewissen Kraft (denn die Produkte sind verschieden); die verschiede- nen Zellenbildungsprocesse charakterisiren sich durch die Stelle, die jede Zelle in dem werdenden Organ einnimmt, und durch ihre Produktionsfähigkeit. Tragen wir diese Regeln auf die Kettenbewegung der Organbildung über. Die Verschiedenheit der Organe muss ebenfalls in der Kraft und der Richtung begründet sein, in welcher sie die empfangene Bewegung fortleiten, oder mit andern Worten in der Stelle, welche jedes bei dem Aufbau des Ganzen einnimmt, und in der Fähigkeit, die es besitzt, neue Organe zu erzeugen*). Auf der unter- sten Stufe des Reiches bringt das Organ, mit welchem die Pflanze beginnt, ent- weder gar keine seitlichen Organe hervor oder nur solche, die ihm selber voll- kommen gleich sind. Die Pflanze besteht also aus einem einzigen, einfachen oder verzweigten Organ. Ich habe es Phytom genannt, gleichsam Pflanzenorgan, weil es das ganze Gewächs darstellt. Ich kenne bloss microscopische Algen und Pilze, welche hieher gehören. — Auf der zweiten Stufe des Pflanzenreiches bringt das erste oder centrale Organ, ausserdem dass es sich selber verzweigen kann, noch seitliche ihm selber ungleiche Organe hervor. Jenes habe ich Thallom (Laub), *) Ich habe die folgenden Ideen als einen Versuch, eine morphologische Unterscheidung der Pflanzenorgane anzubahnen, etwas weiter entwickelt in der ‚‚Systematischen Uebersicht der Erscheinungen im Pflanzenreich, ‘‘ 1853. Pag. 24. diese Trichome (haarförmige Gebilde) genannt. Beide sind bei den niedrigsten Algen fast von gleicher Grösse; bei den höhern Algen, Flechten, Pilzen und eini- gen Lebermoosen erreicht das centrale Organ eine beträchtliche Grösse, indess die seitlichen klein und haarförmig bleiben. — Die dritte Stufe des Reiches zeigt uns drei Organe, ein centrales, den Stengel, seitliche oder Blätter, die an allen Stengeltheilen stehen, und Trichome oder haarförmige Gebilde, welche an dem Stengel und an den Blättern befestigt sein können. Blätter und Stengel in ihrer Vereinigung oder der beblätterte Stengel der Moose ist das Analogon des’Thalloms bei den Flechten und Algen. — Auf der vierten Stufe des Reiches, d. h. bei allen Gefässpflanzen setzen vier Organe den ganzen Bau zusammen: Stengel, Wurzeln, Blätter und Trichome. Ausser denselben und den vorhin für die niedern Pflan- zen erwähnten giebt es überhaupt keine Organe von morphologischer Bedeutung in der Pflanzenwelt. Aber jedes einzelne derselben kann sich wieder in Haupt- . und Nebenstrahlen gliedern. Die Organe, von denen ich eben gesprochen habe, sind morphologische Be- griffe ; sie stellen Bausteine dar, welche bei der Architektonik des Pflanzenstockes eine bestimmte Rolle spielen. Die physiologischen Functionen kommen dabei nicht in Betracht. Verschiedene Organe haben oft gleiche, das nämliche Organ oft verschiedene Verrichtungen. Das Blatt ist bald Ernährungsorgan als grünes Blatt, bald Haftorgan als Ranke, bald Waffe als Stachel, bald Schutz und Decke als Knospendecke, bald Zierde als Blumenblatt, bald dient es zur Vorrathskammer als fleischiges Niederblatt, bald zur Secretion als Honiglippe, bald zur Erzeugung von Keimen für neue Gewächse als Staubgefäss und Stempel, bald ist es verküm- mert und ohne Function. Die Gleichheit oder Ungleichheit der Organe ist es nicht allein, welche die Verschiedenheit im Aufbau des Pflanzenstockes bedingt. Ein zweites Moment liegt in der Zeitfolge, in welcher sie nach einander auftreten, und in ihrer räum- lichen Anordnung. Die Regeln sind oft schon auf den ersten Blick deutlich, so bei der zeiligen Stellung der Seitenwurzeln, bei. der Spiral- und Quirlstellung der Blätter, bei der Verzweigung vieler Blüthenstände. Oft verbergen sie sich unter scheinbar unregelmässigen Verhältnissen, und lassen sich nur durch die Entwicke- lungsgeschichte mühsam feststellen. Wie der Aufbau des Pflanzenstockes auf der Thätigkeit des Organs beruht, so wird auch das Leben der ganzen Pflanze durch die Functionen aller ihrer Organe zusammengesetzt. Bei denjenigen Gewächsen, die aus einem einzigen Organ, aus einem Phytom, bestehen, vereinigt dieses alle Lebenserscheinungen in sich. So wie der Pflanzenkörper in mehrere Organe sich gliedert, so vertheilt er auch die Arbeit. Beiden höchsten und complizirtesten Gewächsen ist die Arbeitstheilung schon sehr ins Detail durchgeführt, und ein Baum mit seinen vielen tausend Organen ist ein wahres Kasten- und Innungsland, in welchem immer eine grös- sere oder kleinere Zahl von Individuen dem gleichen Stande und der gleichen Beschäftigung angehören. Die Wurzeln graben wie Bergleute Schachte in die Erde und holen Erz, Mineralien und klares Wasser; Stämme und Aeste nehmen das Gut ab und tragen es in die Höhe; die grünen Blätter verarbeiten es und scheiden das Brauchbare von der Schlacke, die sie auswerfen ; Stämme und Aeste führen die assimilirte Nahrung wieder nach unten; die unterirdischen Stengel und deren Blätter (Niederblätter) speichern die überflüssige Nahrung zur Sommer- und Herbstzeit in Magazinen auf, um im Frühjahre die übrigen Glieder des Pflan- zenstockes, wenn dieselben aus Mangel an Arbeit oder Arbeitsfähigkeit noch nicht selber für ihren Unterhalt sorgen können, damit zu versehen; die drüsenförmi- gen Organe befreien den Staat von überflüssigen und gefährlichen Gährungs- stoffen ; die Waffen (Stacheln und Dornen) dienen ihm zu einem oft zweifelhaften Schutz; die Ranken und Stützen suchen ihm, wenn er den Unbilden der Zeit nicht aus eigener Kraft zu widerstehen vermag, auswärtige Hülfe zu sichern; die höheren Stände aber, die in und neben den Blüthen ihren Sitz haben, üben theils die wichtigsten Functionen aus, theils verleihen sie dem Ganzen Pracht und Glanz. Das Leben der Organe ist, wie wir geschen haben, nicht stabil; es wandert von Zelle zu Zelle. Aehnlich verhält es sich auch mit dem Leben des Pflanzen- stockes; es geht von Organ zu Organ. Viele Organe sterben im Laufe des Jahres, in welchem sie sich bildeten. Der Baum verliert im Herbste Blätter, Blüthen, Früchte. Diejenigen Organe aber, welche längere Zeit andauern, erzeugen jähr- lich neue Gewebstheile. So ist also die Innenbewegung der Pflanze selbst in einer steten Ortsbewegung oder Wanderung begriffen. Beim Thiere unterscheidet man den jungen unausgewachsenen von dem ausgewachsenen Zustande. Die Pflanzen, mit Ausnahme weniger niedriger und einfacher Gewächse, sind nie ausgewachsen. Sie vergrössern ihre Theile und bilden neue Organe, so lange sie leben. Wenn aber auch die Pflanze immer wächst, so müssen wir doch in ihrem Leben zwei Perioden unterscheiden. Sie hat eine gewisse Zeit nöthig, um alle ihre morphologischen und physiologischen Entwickelungsstadien zu durchlaufen, um alle jene verschiedenen Organformen, deren sie fähig ist, zu verwirklichen. Von da ab bringt sie nichts Neues mehr hervor; sondern sie reproducirt bloss, was sie schon im Jahre vorher producirt hat. Ich will jenes die Periode der Aus- bildung, diess die der Wiederholung nennen. Sobald sie die Periode der Aus- bildung durchlaufen hat, so sind unter den jährlich abgeworfenen Theilen immer einzelne, welche Keime für neue Pflanzen enthalten und die wir Samen nennen. Aus dem Samen erwächst eine Pflanze, welche wieder Samen hervorbringt. So wird also die ganze Pflanze selbst zum Element einer neuen höheren Ketten- bewegung. Doch ich will Ihre Geduld für heute nicht weiter ermüden. Es bleibt mir nur noch übrig, Sie um Entschuldigung zu bitten, dass ich so viel Zeit für mei- nen Gegenstand in Anspruch nahm. Ich wünschte eben, die Anwendung eines allgemeinen Prinzips für alle Gebiete der Pflanzenwelt durchzuführen, und Ihnen zu zeigen, wie hier Alles auf Bewegung beruht und daraus hervorgeht. Und sollte nicht in einer Zeit voll geistiger, politischer, nationaler Bewegungen, wie die a gegenwärtige, auch die Bewegung in der Natur etwas näher an uns herantreten? Aus meiner heutigen Betrachtung ergiebt sich folgendes allgemeine Gesetz. Im Pflanzenreiche sammeln sich immer viele elementare Bewegungen zu einheitlichen Wirkungen ; diese verbinden sich wieder zu höhern Einheiten, und die letztern werden zu Bausteinen für noch vollkommnere Bildungen. So besteht alle Orga- nisation in der Natur in einer Vereinigung von individuellen Theilen zu einem grössern Ganzen, ohne dass desswegen die Eigenthümlichkeit des T'heils und des Theils vom Theile aufgehoben wird. So ist jede Vervollkommnung und jeder Fortschritt ein Zusammentreten von individuellen Bestrebungen zu einer höhern Einheit, ohne dass die freie Bewegung der Theile innerhalb gewisser Grenzen gehemmt ist. Sollte es im Staate und im Staatenverbande anders sein ? Die deutsche Eiche ist der schönste aller Bäume, weil ihre Aeste, was dem Auge des Botanikers besonders bemerkbar ist, am wenigsten sich einer steifen Regel fügen, und sich freier, ungezwungener als andere, ich möchte sagen mit genialer Kühnheit entfalten. Die deutsche Eiche ist der mächtigste und stärkste aller Bäume, weil viele Billionen von individuellen Massentheilchen und Zellen nur in der innigsten Vereinigung ihr Heil finden, weil alle individuellen Bewe- gungen unbedingt und mit grosser Selbstverläugnung nur einem Ziele zustreben. Möge die Nation ihrem Baume gleichen ! Zweiter Abend. Ehe ich meine Betrachtung heute fortsetze, gestatten Sie mir den bisherigen Gedankengang kurz zu resümiren. Alles in der Natur ist in Bewegung, und jede einzelne Erscheinung ist das Resultat von vorausgegangenen Bewegungen. Der Bewegungen sind dreierlei: ein Körper ist in Ortsbewegung begriffen, wenn er seinen Platz im Raume, seine Stellung zu andern Körpern verändert. Er be- findet sich in Innenbewegung, wenn seine "Theile in seinem Innern Ortsver- änderungen machen. Mehrere oder viele Körper zusammen führen eine Ketten- bewegung aus, wenn je der eine seine Ortsbewegung oder seine Innenbe- wegung auf einen andern überträgt. — Die Grundlage aller materiellen Erschei- nungen bilden die Ortsbewegungen der kleinsten Theilchen (Atome, Molecüle). Dieselben gruppiren sich zusammen, und nachdem mehrere Stufen der Vereinigung überschritten sind, stellen sie die microscopisch kleine Pflanzenzelle dar. Das Leben oder die Innenbewegung der Zelle besteht, wenn wir sie analysiren, zu- letzt aus den Ortsbewegungen der kleinsten Theilchen. Einzelne Seiten dieser Innenbewegung können so intensiv werden, dass eine Ortsbewegung der ganzen Jıelle erfolgt, dass dieselbe im Wasser herumschwimmt. — Die Zellen erzeugen neue Zellen, vermehren sich und werden so zum Element oder Träger einer Ket- tenbewegung; und wenn sie mit einander in ein Gewebe verwachsen bleiben, so ist das Resultat dieser Kettenbewegung ein Organ (Blatt, Zweig, Wurzel). Das Leben oder die Innenbewegung des Organs ist die Summe der Lebensbewegungen aller seiner Zellen. Das Leben des Organs hat nicht immer seinen Sitz an dem nämlichen Ort, es wandert mit der Zellenbildung; es bringt Gestaltsveränderungen (Krümmungen, Drehungen) hervor, und wenn cs in einzelnen Momenten sich besonders steigert, so führt es zu Ortsbewegungen (wie die Bewegungen der Blätter beim Wechsel von Tag und Nacht, bei der Fortpflanzung und auf äussere Reize). — Das Organ bildet neue Organe, die ihrerseits ebenfalls Organe hervor- bringen. So entsteht eine neue Kettenbewegung aufeinanderfolgender Genera- tionen von Organen, die alle mit einander zu einem Pflanzenstocke vereinigt bleiben. — Der Pflanzenstock, der seine volle Ausbildung erlangt hat , erzeugt Samen, aus denen neue gleiche Pflanzen sich entwickeln. Die Pflanze wird, in- eh een dem sie sich fortpflanzt, ihrerseits zum Element einer höhern Kettenbewegung, in welcher Generation auf Generation folgt. Die Kettenbewegung der Zellenbildung baut das Organ, diejenige der Or- ganbildung baut den Pflanzenstock auf; denn die Zellen und die Organe bleiben mit einander verbunden. Die Pflanzenstöcke aber leben getrennt von einander. Sie sind die Träger einer Kettenbewegung, deren Resultat nicht ein zusammen- hängender Organismus, sondern eine Anzahl von isolirten Individuen, nicht eine oe, sondern eine abstracte Gemeinschaft ist. Aus einer Pflanze concrete Vereinigung, entstehen wieder nur ganz ähnliche Pflanzen, und alle Generationen, die durch Fortpflanzung aus einander hervorgehen, stellen zusammen eine Art oder Species dar. Es ist diess der Inbegriff aller Gewächse, die, so verschieden sie auch aussehen mögen, in historischer Zeit von einander abstammen und in einander übergehen können. So bilden alle Süsskirschen eine Art, die Sauerkirschen eine zweite, die Pflaumen mit kugeligen und die Zwetschen mit länglichen Früchten eine dritte und vierte, die Aprikosen und die Pfirsiche eine fünfte und sechste. Eine Erscheinung, welche bei dieser Kettenbewegung, die wir Art nennen, vorkommt, verdient einer Erwähnung. Ich habe früher gesagt, dass die verschie- denen Zellenbildungen beim Aufbau der Organe bestimmte Richtungen einhalten. Das Nämliche findet mit der Organbildung beim Aufbau der Pflanze statt; sodass jedes Organ mit Rücksicht auf den erzeugenden Pflanzentheil eine bestimmte Wachsthumsrichtung hat, die wenigstens zunächst sein Verhalten bestimmt. An den Organen aller höhern Pflanzen unterscheidet man eine Basis, mit der sie an- geheftet sind, und eine Spitze. Bei den Stammtheilen ist es die Spitze, welche weiter wächst. Die Knospen, die sich seitlich an den Aesten und Zweigen bilden, sind nach der Spitze derselben gerichtet und wachsen also in der nämlichen Rich- tung; die Terminalknospe aber setzt das Wachsthum des Zweiges selbst fort. Bei der Fortpflanzung findet eine merkwürdige Abweichung statt. In dem Samen ist ein Keim eingeschlossen, welcher ganz den Bau einer Knospe besitzt, und da er in der Mitte des obern Endes sich befindet, gleichsam eine Terminalknospe dar- stellt. Diese Knospe sollte nach der Regel ihre Spitze nach dem Scheitel des Samens, ihre Basis nach dem Grunde desselben richten. Aber sie steht verkehrt in dem Samen ; ihr Wurzelende, das sich später zur Pfahlwurzel der neuen Pflanze entwickelt, schaut nach oben, ihre Stengelspitze nach unten. Die Wachsthumsrichtung schlägt also bei der Samenbildung in ihr Gegen- theil um. Die Tochterpflanze ist in der Mutterpflanze auf den Kopf gestellt. Die neue Generation ist der erzeugenden morphologisch antipod. Die Pflanze erinnert auch hierin an menschliche Dinge. Die Jugend hat das Bestreben sich zu eman- zipiren ; die Negation wird mit ihr geboren. Aber in der Wissenschaft und im Leben hat sie es doch nie zu dem absoluten Gegensatz gebracht, wie er in der Pflanze verwirklicht ist. Freilich bleibt auch hier dieser morphologische oder prinzipielle Widerspruch nur so lange unvermittelt, als er nicht in die Schule der Praxis tritt. Wenn die Samen abfallen und freier selbständiger Entwicklung Nägeli, Beiträge. I. 3 au > überlassen sind, so drehen und wenden sie sich, bis sie wieder gerade so ihre Wurzel nach unten und ihren Stengel nach oben treiben, wie es ihre Vor- fahren thaten. Die Pflanzenart ist eine Kettenbewegung, in welcher die Pflanzenindividuen (die ganzen Gewächse) einander ablösen. Von Arten sind über 200,000 bekannt, und über 400,000 bedecken jetzt die Erdoberfläche. Eine noch viel grössere Zahl hat vor unserer Zeit gelebt, und ist untergegangen mit den allmäligen und den revolutionären Veränderungen, welche die Erdoberfläche erlitten hat. Alle diese jetzt lebenden und vorweltlichen Pflanzen zusammen bilden das ganze Reich. Aeussere Gründe, gegeben durch die Vergleichung von Floren successiver geolo-- gischer Perioden, und innere Gründe, enthalten in physiologischen und morpho- logischen Entwicklungsgesetzen und in der Veränderlichkeit der Art, lassen kaum einen Zweifel darüber, dass auch die Arten aus einander hervorgegangen sind. Das ganze Reich stellt somit selber sich als eine Kettenbewegung dar, deren Bewegungselement die Art ist. Und die Art erscheint als ein der Zelle, dem Or- gan, dem Pflanzenstock analoger Begriff, als eine individuelle Erscheinung, be- stehend in einer Summe von zusammengehörigen Bewegungen, welche einen An- fang, einen gesetzmässigen Verlauf und ein nothwendiges Ende hat, eine indivi- duelle Erscheinung, die aber aus sich neue analoge individuelle Erscheinungen oder Arten ebenfalls in gesetzmässiger Folge hervorbringt. Und wie die Zelle zum Organ, das Organ zum Pflanzenindividuum, das Pflanzenindividuum zur Art, so baut sich die Art zum Reiche auf, immer höher anstrebend und immer vollkommner werdend. Ich suchte Ihnen zu zeigen, dass die ganze Pflanzenwelt ihr Sein und Wesen einer Summe von verketteten Bewegungen verdankt, welche von den unsicht- baren und winzigen Atomen und Molecülen ihren Ausgang nehmen, durch Ver- einigung zu Elementarformen , zu Zellen, zu Organen, zu Pflanzenstöcken, zu Arten immer ansehnlicher und bedeutender werden und zuletzt das ganze Reich in einer einheitlichen Bewegung zusammenfassen. : Das Prinzip bleibt von An- fang bis zu Ende das nämliche. Es treten Bewegungen zu einem gemeinsamen Complex zusammen ; dieser Complex stellt eine einheitliche oder individuelle Er- scheinung dar; er wird als solche Element einer höhern Bewegung, indem er andere gleichartige Bewegungscomplexe erzeugt. Ich ziehe daraus zwei Schlüsse für die Betrachtung der Pflanzenwelt, indem ich als unbestritten voraussetze, dass die wissenschaftliche Behandlung um so wahrer und richtiger ist, je mehr sie sich dem Gange der Natur selbst anschliesst. Der erste Schluss ist, dass wir eine Erscheinung der organischen Natur nur dann wirklich kennen , wenn wir sie als Bewegung erfassen, d. h. wenn wir sie von ihrem ersten Entstehen bis zum endlichen Schlusse in allen ihren Veränderungen verfolgen können. Wir sehen eine Zelle, ein Organ, eine Pflanze; wir studiren PN alle ihre Theile, wir kennen sie nach ihrer anatomischen und chemischen Zu- sammensetzung ganz genau. Aber dieser Zustand, den wir nun erkannt haben, ist bloss ein Moment aus.einer Bewegung. Unmittelbar vorher war die Erscheinung eine etwas andere; unmittelbar nachher wird sie wieder eine etwas andere sein, weil sie in Bewegung und Veränderung sich befindet. Der gleiche anatomische Bau kann auf verschiedene Weise entstanden sein, also eine verschiedene Bedeu- tung haben, und demnach auch in der Folge ungleich sich weiter bilden , auf un- gleiche Art neue Organe oder Organtheile hervorbringen. Wenn der Astronom einen Uometen gesehen hat, so weiss er noch nichts über seinen Lauf. Er muss mehrere genau gemessene Punkte haben, um seine Bahn bestimmen zu können. So verhält es sich mit der Lebensbahn der Organismen; nur dass dieselbe viel verwickelter und, was ihre Gesetzmässigkeit betrifft, noch unendlich viel dunkler ist als der Umlauf eines Cometen. Daher bedarf es auch, um sie construiren zu können, einer viel grössern Zahl von Durchgangspunkten, d. h. von beobachte- ten Entwickelungsstadien ; und namentlich ist dazu auch das allererste und das letzte, der Ausgang und das Ende der ganzen Bewegung nothwendig. — Die Forderung der Entwickelungsgeschichte hat sich in neuerer Zeit fast in allen Ge- bieten der botanischen Wissenschaft geltend gemacht. Dieselbe ist von der thie- rischen und menschlichen Physiologie herübergekommen. Dort versteht man darunter die Zustände, welche dem entwickelten oder ausgewachsenen Zustande vorausgehen. Bei der Pflanze und ihren Theilen , die immerfort sich entwickelt, muss die ganze Lebensgeschichte Aufschluss über ihr Wesen geben. Betrachten wir vollends die individuelle Erscheinung nicht bloss für sich, sondern als Theil eines Ganzen, so müssen wir sie bis auf die allerletzten Zustände verfolgen, um zu erkennen, was aus derselben wird, und um über die Bedeutung Aufschluss zu erhalten, welche sie in dem ganzen Getriebe von Bewegungen hat. Um irgend eine individuelle Erscheinung im Pflanzenreiche zu erkennen, müssen wir sie als Bewegung von ihrem Beginne bis zum Untergange erfassen. Analysiren wir diese Bewegung, so besteht sie nicht aus gleichartigen Theilen ; sie zerfällt in complizirtere und einfachere Bewegungen, und muss aus den näch- sten Bestandtheilen construirt werden. Es ist diess die zweite allgemeine Be- trachtung, die ich an meine ganze Auseinandersetzung knüpfen, und die ich nach zwei Seiten hin geltend machen möchte. Früher betrachtete man jede Erschei- nung für sich, den Baum, ohne sich von der Aufeinanderfolge der Organe, das Organ, ohne sich von der Aufeinanderfolge der Zellen Rechenschaft zu geben. Die Blattstellung z. B. gründet sich jetzt noch auf die Betrachtung des Fertigen ; sie wird eine festere Begründung erhalten, wenn sie auf die microscopischen Ent- wicklungszustände zurückgeht ; aber ihre volle wissenschaftliche Vollendung wird sie erst gewinnen, wenn es möglich ist, die Zellen an dem Stamme zu bezeichnen, aus denen die Blätter entstehen, d. h. wenn die Aufeinanderfolge der Blätter mit der Wachsthumsbewegung des sie erzeugenden Organs in Zusammenhang ge- bracht werden kann. Wenn ich nach dieser Seite hin die Forderung stelle, dass eine Erscheinung 2 %* Oo u wissenschaftlich nur aus der Bewegung ihrer Elemente erforscht werden kann, so möchte ich nach einer andern Seite hin ebenso der Ansicht Anerkennung ver- schaffen, dass diess zu einer wissenschaftlichen Behandlung ausreicht, wenn wir auch das Element der Bewegung nicht in allen seinen Beziehungen kennen. In neuester Zeit hat es oft den Anschein gewinnen wollen, als ob nur die micros- copische Beobachtung Wissenschaft sei, und als ob Alles nur aus der Zelle er- kannt werden könne. Für das Studium des Reiches, der Art, des Pflanzenstockes sollte die Zelle die Grundlage bilden. Es war natürlich, dass das verbesserte Microscop die wissenschaftlichen Kräfte vorzugsweise auf ein neues und unbe- kanntes,, an Erfolgen und an Täuschungen reiches Feld zog, dass über dem neu- entdeckten Amerika die alten Länder vielfach vernachlässigt wurden, und dass man wähnte, nur von dort ächtes Gold und Silber zu beziehen. — Aber die Zelle selber ist nichts Einfaches; sie wird aus chemischen und physikalischen Processen zusammengesetzt ; sie ist das Resultat von Molecularbewegungen. Wenn wir also wirklich auf die einfachsten Elemente als auf die einzige wissenschaftliche Grundlage zurückgehen müssten, so wären es nicht die Zellen, sondern die mole- culären Vorgänge. Es ist auch wohl keinem Zweifel unterworfen, dass nach der microscopischen Periode die chemisch-physikalische kommen wird. Aber wie man zuweilen den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, so ist es auch möglich, vor den Zellen und vor den Atomen nicht die Pflanze zu sehen. Wenn ich auch anerkenne, dass die microscopische Betrachtungsweise jetzt naturgemäss an der Tagesordnung ist und die physikalische bald an die Tagesordnung kommen und dominiren muss, so behält doch das Studium des Organs und der ganzen Pflanze, der Arten und des ganzen Reiches ebenfalls seine Berechtigung, und bleibt immer wissenschaftlich, wenn es sich auf die Kenntniss der constituirenden Elemente stützt, so weit diese unmittelbar bei der Bewegung thätig sind. Die Wissenschaft muss in allen ihren Theilen cultivirt und ausgebaut werden; es ist selbst mit den Molecülen und den Zellen wenig anzufangen, wenn nicht andere Gebiete der Wissenschaft das Ziel, nach dem jene elementärsten Bewegungen hinstreben, auf- zeigen und den Weg dazu ebnen. Die Existenz der Pflanzenwelt beruht auf einer Summe von Bewegungen. Jede Bewegung setzt eine Kraft voraus, von der sie ihren Anstoss empfing. Wir werden also nach den Kräften fragen, welche in der Pflanzenwelt wirksam sind. Wenn wir ihre Erscheinungen, sie mögen noch so mannigfaltig und complizirt sein, in die Bestandtheile zerlegen, so kommen wir zuletzt immer auf die Mole- cularbewegungen, wie die Manöver einer Armee, ihrer verschiedenen Divisionen, ihrer Regimenter, Bataillone, Compagnien schliesslich nur von den einzelnen Soldaten ausgeführt werden. Es müssen daher auch die Kräfte, welche Alles be- wirken, Molecularkräfte sein. Was thut nun die Pflanze, was geht mit den unorganischen Stoffen, mit ee: Erde, Wasser und Luft vor, dass sie zur Pflanze sich organisiren? Kohlensäure, Wasser , Ammoniak , Mineralsalze werden zerlegt, in organische Substanzen um- gewandelt, diese wiederholt in andere Verbindungen übergeführt, dabei über- flüssige Stoffe ausgeschieden , einige der organischen Verbindungen zu Elemen- tarformen und zu Zellen organisirt, ein Theil der organisirten Stoffe wieder auf- gelöst und an andere Stellen hin transportirt. Alles diess sind moleculäre Vor- gänge, von denen wir meistentheils nicht viel mehr wissen, als dass sie existiren. Ueber die Art und Weise, wie sie geschehen, herrscht ein noch wenig erhelltes Dunkel. Auf diesem Wege können wir die Kräfte, welche das lebende Getriebe in der Pflanze in Bewegung setzen, nicht erkennen; denn die genaue Analyse der Vorgänge führt uns überall auf ungelöste Räthsel. Dagegen können wir auf einem andern Wege eine etwelche Einsicht in die Arbeit der Pflanze bekommen und in die Kräfte, welche die Arbeit zu Stande bringen. Es wundert Sie vielleicht, von der Arbeit der Pflanze sprechen zu hören. Man ist gewöhnt, sie als einen Faullenzer zu betrachten, der sein Leben im dolce far niente dahin träumt. Allerdings schläft , wie wir gesehen haben, die Pflanze zu ihrer Zeit; aber sie verdient sich die Ruhe durch vorausgehende Anstrengung. Sie arbeitet wie die Maschine, wie das Thier, wie der Lastträger und der Hand- werker. Die Grösse der Arbeit können wir nach dem Kraftaufwande bemessen, den sie nöthig hatte, um Erde, Wasser und Luft in Holz, Blätter und Wurzeln zu verwandeln. Wir wissen, was die Pflanze von aussen aufnimmt, was sie nach aussen ausscheidet, und was als vegetabilische Substanz zurückbleibt, wir wissen, welche Summe von Bewegung oder welche Kraft in dieser Substanz enthalten ist, — und können somit die Kraftmenge berechnen, welche in der Pflanze thätig war. Ich erinnere Sie an die ausgezeichnete Darstellung, welche vor einem Jahre von dieser Stelle aus Ihnen die Beziehungen der Kräfte unter einander vor- führte*). Mechanische, chemische, elektrische, magnetische Kraft, Wärme, Licht verwandeln sich in einander; die Grösse der Kraft bleibt aber immer dieselbe, sie mag in dieser oder einer andern Form auftreten. Gelten diese Beziehungen, die in der unorganischen Natur gültig sind, auch für die Pflanze, so lässt sich die Arbeit der letztern genau bestimmen. Kohlensäure, Wasser und Ammoniak werden zu organischer Substanz. Durch Verbrennung können wir die organische Substänz wieder in Kohlensäure, Wasser und Ammoniak zurückführen. Dabei wird Wärme frei, welche eine gewisse Summe von Kraft darstellt; denn mit ihr kann Arbeit verrichtet werden wie mit dem fallenden Wasser oder mit der Mus- kelbewegung. Die frei werdende Wärme zeigt uns also ganz genau, wie viel Kraft in der Pflanze nöthig war, um die von aussen aufgenommenen unorgani- schen Stoffe in organische Substanz umzuwandeln. Es handle sich darum, die ganze Arbeit eines 100jährigen Baumes zu be- stimmen. Wir müssen nicht bloss alles Holz sammt den Wurzeln in Asche ver- *) Ueber die Verwandlung der Kräfte von Freiherr v. Liebig. wandeln, sondern ausserdem auch die Verbrennungswärme der ganzen Substanz- menge berechnen, welche er während seines Lebens verloren hat, an jährlich ab- geworfenen Blättern, Blüthen und Früchten, an Zweigen, die durch den Sturm “ eknickt wurden, an Wurzeln, die in Verwesung übergegangen sind, an abge- ;chuppter Rinde, an organischen Stoffen, die in tropfbar flüssigem oder gasför- 7, migem Zustande ausgeschieden wurden. Diese ganze Wärmemenge giebt uns ein Maass für einen Theil der Arbeit des Baumes. Diess ist nicht alle organische Substanz, die von der Pflanze gebildet wurde, sondern nur diejenige, welche unserer direkten Wahrnehmung zugänglich ist, welche möglicher Weise gemessen und gewogen werden kann. Es sind in der Pflanze wohl immerfort langsame Verbrennungsprocesse thätig, welche zwar nicht in Flammen aufschlagen, welche aber doch kohlen- und wasserstoffreiche Ver- bindungen in Kohlensäure und Wasser umwandeln. Sie lassen sich zwar nicht immer nachweisen; ihre Anwesenheit giebt sich aber kund in der Kohlensäure, welche von allen Pflanzentheilen während der Nacht und von den nicht grünen Geweben auch am Tage ausgehaucht wird. In einzelnen Fällen ist die ausge- schiedene Kohlensäuremenge sehr beträchtlich, und es zeigt dann auch der Pflan- zentheil deutlich eine erhöhte Temperatur. Die keimenden Samen und die Blüthen einiger Gewächse zeichnen sich in dieser Beziehung aus. In einem Malzhaufen, der aus keimenden Gerstekörnern besteht, steigt die Wärme, bei 15 Grad Luft- temperatur, auf 27°; bei andern Samen wurden bis 50°C. beobachtet. An Blüthen- kolben von Aroideen nahm man, bei 24° Lufttemperatur, eine Wärme von 55" wahr. — Ein Theil der durch die langsamen Verbrennungsprocesse in der leben- den Pflanze erzeugten Wärmemenge wird ohne Zweifel sogleich wieder zu Assi- milations- und Umbildungsprocessen verwendet, und kommt daher hier nicht in Betracht. Ein anderer Theil aber verlässt die Pflanze; wie viel er betrage, dar- über lässt sich noch keine Vermuthung aufstellen ; in frischen und klaren Näch- ten möchte der Wärmeverlust aber nicht unbeträchtlich sein. — Die Wärme, die von der Pflanze abgegeben wird, bildet einen zweiten Theil .der Arbeit des Baumes. ; Die Pflanze nimmt gewöhnlich eine grosse Menge Wasser auf, die sie nicht zu ihrem Wachsthum bedarf und daher wieder ausscheidet. Sie giebt es aber nicht in tropfbar flüssigem Zustande ab, wie sie es empfangen hat, sondern in Dampfform. Die Verdunstung geschieht im Innern der Blätter *), und erfordert eine grosse Menge von Wärme. Denn um I Pfund Wasser in Dampf zu verwan- deln, bedarf es so viel Wärme, als um 5'%, Pfd. von der Temperatur des Eises *) Das Wasser verdunstet nicht an der Oberfläche des Organs, — denn die Cutieula der Epidermiszellen verhindert den Austritt desselben fast vollständig, — sondern im Innern des Gewebes an der Oberfläche der einzelnen Parenchymzellen, und tritt als Dampf durch die Spaltöffnungen heraus. Die Wärme, welche zur Verdunstung erforderlich ist, wird also dem Gewebe selbst entzogen; und wenn sie auch von aussen kommt, so muss sie doch durch die Pflanzensubstanz hindurchgehen. zum Kochen zu erhitzen, — und ein mit Obstbäumen bepflanzter Morgen ver- dunstet den Sommer über etwa 4 Millionen Pfund Wasser, eine Kohlpflanze während 12 Tagesstunden durchschnittlich 1Y, Pfund. Diess macht einen dritten Theil der Arbeit eines Baumes aus. Die Pflanze nimmt fast alles Wasser und den grössten Theil der übrigen Nahrungsstoffe mit den Wurzeln auf. Sie muss dieses Material empor zu den Blättern führen. Diese Arbeit des Baumes ist die einer Maschine, welche Wasser in die Höhe pumpt, und eines Lastträgers, der Holz auf den Estrich trägt. Um sie zu berechnen, müssen wir das Gewicht des Baumes, die Höhe aller seiner Theile ‚das Gewicht alles dessen, was er durch Verdunstung und auf anderem Wege verloren hat, und die Höhe, in welcher er es verloren hat, kennen. Genau lässt sich die Rechnung nicht ausführen, aber annähernd können wir doch an- geben, wie hoch sich der Transport, dieser vierte "Theil der Arbeit eines Baumes, beläuft. - Damit ist die Arbeit der Pflanze gethan. Wir können sie für einen bestimm- ten Fall berechnen. Wir können, da alle Kräfte sich auf ein gemeinsames Maass zurückführen lassen , sie darstellen als eine Summe von Pferdekräften, von Ge- wicht, das auf eine bestimmte Höhe gehoben wird, von Wärmeeinheiten. Ich will Sie nicht in das Arbeitszimmer des Caleüls führen. Dieser im Arbeitskittel ebenso langweilige und trockene Geselle, als er schmuck und fix mit seinen Pro- dukten aus der Werkstätte heraustritt, möge uns lieber einfachen Rapport über seine gewonnenen Resultate abstatten. Er sagt: die ganze Arbeit, die ein Morgen Hochwald in einem Jahre verrichtet, beträgt etwas mehr als eine Billion Wärime- einheiten. Sie ist gleich der Arbeit, die man mit einer Wärmemenge erzielen könnte, welche 22,170,000 Pfund Eiswasser zum Kochen bringt. Die Wärme, welche zur Verdunstung des überflüssigen Wassers nothwendig ist, erhitzt allein 22 Millionen Pfund. Die übrige Arbeit ist dagegen verschwindend klein. Die Verdunstung nimnt 131 mal mehr Kräfte in Anspruch als die Assimilation, diese S$ mal mehr als der 'Transport. — Die Verdunstung eines Morgens Wald wäh- rend 120 Sommertagen verzehrt eine Kraft, die gleich ist der unausgesetzten Ar- beit von 1460 Pferden während derselben Zeit. Es versteht sich, dass ich ein Pferd nur am Tage arbeiten lasse. Die Assimilation ist gleich der Arbeit von Il Pferden während des ganzen Sommers. Um den Transport zu verrichten, d.h. um das Wasser und die darin gelösten Stoffe bis in die Wipfel der Bäume zu pumpen, müsste ein Pferd täglich nur etwas mehr als eine Stunde arbeiten. — Ein grosser Eichbaum verrichtet im Ganzen täglich ebenso viel Arbeit als 7 Pferde. Die Pflanze arbeitet also. Der Begriff der Arbeit ist für sie der nämliche wie für das Thier und die Maschine. Denn, was sie an Kraft ausgiebt, oder in ge- bundenem, gespanntem Zustande anhäuft, sodass es nachher wieder als lebendige Kraft verwerthet werden kann, habe ich Arbeit genannt. — Wie Thier und Pflanze in so mancher Beziehung einen merkwürdigen Gegensatz bilden, so auch in der Arbeit. Das 'Thier pflegt sich zur Verdauung hinzulegen und nachher Er ist es zu Kraftäusserungen geneigt; Verdauung und Assimilation erfordern bei ihm keine Anstrengung; den Zustand, in welchem sie die einzige Beschäftigung bilden, nennen wir Ruhe. Die Pflanze dagegen arbeitet, indem sie verdaut; bei ihr ist die Verdauung sogar die einzige Arbeit, denn mit der Assimilation ist auch die Verdunstung und der Transport verbunden. Das 'Thier sammelt während der Nachtruhe neue Kräfte, die es am Tage als Arbeit ausgiebt. Die Pflanze häuft durch ihre Tagesarbeit Kraft in F orm von organischen Verbindungen an; indess sie Nachts nichts anderes thut, als dass sie einen geringen Theil derselben wieder durch Verbrennung verliert. Ich habe als Arbeit der Pflanze die Bildung der organischen Substanz, den Transport und die Verdunstung bezeichnet. Von diesen drei Werthen ist der erstere constant; um 1 Pfund Tannenholz zu erzeugen, bedarf es immer der näm- lichen Kraft. Der Transport hängt von der Höhe ab. Die Verdunstungsarbeit aber varüirt. Die gleiche Pflanze verdunstet in trockener, warmer und bewegter Luft eine grosse Menge Wasser, in feuchter, kalter und ruhiger Luft dagegen nur wenig. Die Verdunstung ist für das Pflanzenreich von grosser Wichtigkeit. Die Assimilation und die übrigen Lebensprocesse gehen bei höherer Temperatur leb- hafter von statten als bei niederer. Aber wenn ein Maximum, das für jede Pflan- zenart ein bestimmtes ist, überschritten wird, so treten andere chemische Processe (Zersetzung und Oxydation) ein. Wenn die Julimittagssonne auf ein Brett scheint, so wird dasselbe brennend heiss. Die Pflanzenblätter würden durch eine solche Temperatur sogleich zu Grunde gehen. Aber sie bleiben kühl, weil mit der Steigerung der Hitze auch der Kälte erzeugende Process der Verdunstung sich steigert. Für die Alpen- und die Polarpflanzen ist, ungeachtet der Verdunstung, die Temperatur bei uns zu hoch, für die tropischen Gewächse in Folge derselben zu gering. Beide gedeihen im Freien schlecht. Die Pflanzen der heissen Zone werden in Glashäusern gezogen, in denen eine ruhige und feuchte Luft keine beträchtliche Verdunstungskälte veranlasst. Es kann aber der tropischen Flora in unsern Häusern auch zu warm werden; die Sonne verbrennt die Pflanzen, wie der Gärtner sagt. Man hilft durch Beschatten oder durch Luftgeben. Beides hat die gleiche Wirkung. Das Lüften führt eine Bewegung der Atmosphäre herbei, ersetzt die mit Wasserdampf gesättigte durch trockene Luft, und befördert somit die Verdunstung. Die Verdunstung kann also die Assimilation befördern , wenn sie eine über das spezifische Maximum hinausgehende Wärme vermindert. Sie verlangsamt aber die Assimilation immer, wenn sie die Temperatur zu sehr erniedrigt. Eine Pflanze wird dann unter den günstigsten Bedingungen sich befinden, und am meisten organische Substanz aus unorganischen Verbindungen assimiliren können, wenn sie in einer fast bis zur Sättigung feuchten Atmosphäre und in einer ihrem ERBE) ', 2 spezifischen Maxiınum nahe kommenden "Temperatur dem Einflusse des Lichtes ausgesetzt ist, oder wenn die Verdunstung eine allzugrosse Hitze bis wenig unter dieses Maximum ermässigt*). Es ist eine bekannte Thatsache, dass auf Berggipfeln und überhaupt auf kahlen Höhen die Bäume niedrig und buschig bleiben, und dass in abgeholzten Alpen es fast unmöglich ist, wieder Wald zu pflanzen. Der Wind lasse die jungen Bäume nicht aufkommen, sagt man gewöhnlich. Diess ist richtig; aber die Schuld trägt nicht die mechanische Gewalt der nur zeitweise tobenden Stürme, sondern der fortwährende Luftzug, der den Pflanzen eine grosse Menge Wasser und damit eine grosse Menge Wärme entzieht. Die verkrüppelten Gewächse ar- beiten fortwährend. Aber sie bringen es zu nichts, weil sie ihre Kraft in nutz- loser Anstrengung zu vergeuden gezwungen sind. Wie die Kuh, die als Zug- thier verwendet wird, wenig Milch liefert, so producirt der Strauch, dessen Ar- beitskraft für den Transport und die Verdunstung von Wasser zu sehr in An- spruch genommen wird, wenig Holz. Die Hochebene Münchens hat im Allgemeinen einen spärlichen Pflanzen- wuchs; die Schuld daran trägt namentlich auch der starke Luftzug. Dieser wirkt um so nachtheiliger, als die dünne Schicht Dammerde auf einer trockenen kiesi- *) Es ist eine allgemein verbreitete Ansicht, dass die Menge des von der Pflanze aufge- nommenen Wassers zu dem verdunsteten in einem bestimmten Verhältnisse stehe; und die Be- stimmung dieses Verhältnisses war das Problem verschiedener Forscher. Allein die Verduns- tungsmenge ist eine sehr variable Grösse; in einer mit Wasserdunst fast gesättigten Luft wird sie unendlich gering, und bei den unter Wasser lebenden Gewächsen verschwindet sie ganz. — Die theoretische Begründung jener Annahme meint, dass die Pflanze ‚‚wegen der geringen Löslichkeit mehrerer ihr nothwendiger Substanzen eine grosse Menge Wassers bedürfe‘“; und diese Meinung beruht auf der weitern Theorie, die Aufnahme der löslichen Stoffe und der Transport derselben innerhalb der Pflanze werde durch strömendes Wasser vermittelt. Es ist das eine von der Circulation thierischer Flüssigkeiten herübergekommene Anschauung, die ihre scheinbare Bestätigung in dem T'hränen der Weinrebe erhielt. — Dagegen ist zu bemerken, dass die Bewegung der löslichen Verbindungen durch die Pflanzengewebe eine Diffusionsströ- mung ist. Es kann eine gleichzeitige und gleichlaufende Bewegung der Wassermolecüle hinzu- kommen; allein die letztere ist durchaus nicht nothwendig. Die Wasserpflanze nimmt ihren Bedarf an Salzen auf, ohne dass desswegen ein Atom Wasser mit hineingehen muss. Ebenso verhält es sich mit Landpflanzen, die von einer mit Wassergas gesättigten Luft umgeben sind. Die Leitung der unorganischen Nahrungsstoffe von den Wurzeln zu den Blättern, die Leitung der assimilirten Verbindungen von den letztern zu den erstern kann stattfinden, ohne dass ein Atom Wasser sie begleitet. Circulation der gelösten Stoffe und Strömung des Wassers sind zwei von einander unabhängige Processe, obgleich sie oft zusammen vorkommen. — Wenn man für die Bewegung der Stoffe in der Pflanze die Wege aufsuchte, so müsste nach der bisherigen Vorstellung die Leitung in verschiedener Richtung getrennt sein. Der aufsteigende Saftstrom soll innerhalb des Cambiumringes (im Splint), der absteigende ausserhalb desselben (in der Rinde) seinen Sitz haben. Eine solche Trennung ist aus andern Gründen nicht unwahrschein- lich; allein was die mechanische Fortbewegung betrifft, so giebt es keinen Grund, warum auf- und absteigender Strom nicht zeit- und stellenweise durch die nämlichen Zellen gehen könn- ten, warum nicht durch die gleiche Wassermenge eine Diffusionsströmung von Salzen nach oben, von Zucker, Dextrin und Proteinverbindungen nach unten stattfinden könnte. gen Unterlage ruht. Die Luftströmung entführt dem Boden viel Feuchtigkeit und entzieht der Pflanze durch lebhafte Verdunstung eine grosse Menge der Wärme, welche sie zur Assimilation verwenden sollte. Es müsste von grossem Nutzen sein, wenn unsere Hochebene in bestimmten Distanzen von schmalen Waldstreifen durchzogen wäre. Dadurch würde die Bewegung der Luft unmit- telbar an der Erde gehemmt und in Folge dessen die Bodenfeuchtigkeit vermehrt und die Verdunstungskälte in der Pflanze vermindert. Die grösste Produktion organischer Substanz findet unter den Tropen statt. Was ein Urwald producirt, davon wissen wir. zwar nichts. Aber ein mit Bananen bepflanzter Morgen liefert 988 Centner frischer Früchte und nährt 50 Menschen, während derselbe Raum in Ländern mit Weizencultur durchschnittlich nur 3 Menschen zu sättigen vermag. Dennoch scheint die Vegetation unserer jetzigen heissen Zone weit hinter derjenigen zurückzustehen, welche zur Zeit der Kohlen- periode vor vielleicht 9 Millionen Jahren die Erde bedeckte, und welche die Steinkohlenlager gebildet hat. Sie haben vielleicht schon ideale landschaftliche Darstellungen aus jener längst entschwundenen Zeit gesehen; ein düsterer Wol- kenhimmel hängt über dem von ewigem Platzregen und Sturm gepeitschten üppi- gen Calamiten- und Farrenwald. Ich möchte aber vermuthen, dass das Clima ein freundlicheres und der Vegetation günstigeres war. Die Temperaturverschieden- heiten in der heissen, gemässigten und kalten Zone sind es, welche jetzt den auf- steigenden Strom am Aequator , sein Abfliessen nach den Polen hin, und sein Zurückströmen verursachen, welche die oberen und unteren Passatwinde, die Aequatorial- und Polarströme und daraus alle übrigen Winde erzeugen. Die Luftströmungen, welche wärmere mit Wasserdampf gesättigte Schichten mit kal- ten in Berührung bringen, sind es aber, welche Wolken und Regen hervor- bringen. In der Kohlenperiode herrschte eine hohe mittlere Jahrestemperatur von 26—30° Celsius, welche vorzüglich von der Wärme des Bodens herrührte ; sie war ziemlich die nämliche am’ Aequator und an den Polen , wie auch die Ve- getation beinahe gleich war. Die viel Wasserdampf enthaltende Atmosphäre zeigte fast überall die gleiche Erwärmung und daher nur geringe Bewegung. Der ewig blaue Himmel gewährte der Vegetation eine unverkümmerte Lichtfülle ; reichlicher Thau oder Regen erquickte sie während jeder Nacht, wozu stellen- weise auf der Erdoberfläche noch periodische Regenzeiten kommen mochten; die an Kohlensäure reiche Atmosphäre lieferte Nahrung im Ueberfluss. Die Pflan- zenwelt befand sich unter den günstigsten Verhältnissen; sie konnte ihre ganze Thätigkeit der Produktion organischer Substanz zuwenden, und sie war so eifrig in der Erfüllung ihrer Bestimmung, dass die von ihr erzeugten über einander lie- genden Kohlenlager eine Gesammtmächtigkeit bis auf 190 Fuss erreichen und in vielen Jahrtausenden nicht erschöpft sein werden. In den Beispielen, deren ich erwähnte, ist die Arbeit der Pflanze immer be- deutend ; sie wird aber bald mehr für Verdunstung, bald ausschliesslicher für die Assimilation verwendet. Als Gegensatz erlauben Sie mir noch ein Beispiel an- zuführen , wo die Arbeit auf ein Minimum herabsinkt. Wenn man einen Hoch- BR 7, OEE wald abschlägt,, so erscheint eine neue Vegetation; Pflanzen, welche vielleicht weit und breit nicht vorkommen ‚erscheinen auf einmal und bedecken während mehrerer Jahre den abgeholzten Boden. Sie vermindern sich, sowie der junge Baumwuchs in die Höhe geht, und verschwinden endlich im Waldschatten gänz- lich, um nach 100 oder mehr Jahren, bei einem neuen Holzschlage,, wieder auf- zuerstehen. Die Vegetation des abgehauenen Waldes geht zum Theil aus Samen auf, welche von vermoderndem Laub und Humus bedeckt in dem kühlen Grunde schlummern, bis die Schattendecke schwindet und der erwärmende Sonnenstrahl den Boden wieder trifft. Ein anderer Theil jener Vegetation aber war nicht im Schlafe der Samen versunken, sondern zeigte einige, wenn auch geringe, aktive Lebenserscheinungen. Es sind diess krautartige perennirende Pflanzen, von wel- chen unter normalen Verhältnissen im Herbst die überirdischen Theile, die jedes Jahr gebildet werden, absterben, indess die unterirdischen Theile ausdauern. Wenn nun der aufwachsende Wald dem Boden das Licht und die Wärme ent- zieht, so vermögen diese Gewächse keine Stengel mehr über die Erde zu erheben. Sie bilden nur kurze unterirdische Triebe, und kriechen in dieser Weise langsam und träge fort, bis sie von der Sonne wieder zu freudigerem Wachsthum angeregt werden. Die Arbeit, die sie während der Zeit dieses Scheinlebens verrichten, ist möglichst gering. Sie besteht fast nur darin, dass die schon vorhandene organische Substanz aufgelöst und zur Bildung neuer Triebe verwendet wird; ‚dieselbe er- hält, bei ’der unbedeutenden Einwirkung des Lichtes, jährlich nur einen sehr ge- ringen Zuwachs. Die Assimilation ist also unbedeutend; die Verdunstung mangelt fast ganz, und der Transport in horizontaler Richtung und auf schr kleine Ent- fernungen erfordert nicht die geringste Anstrengung. | Die Pflanze, die eine so grosse Arbeit leistet, dass ein einziger Baum es 7 Pferden gleich thut, muss irgendwoher so viel Kraft empfangen , als sie auf- wendet. Wir kennen mit Sicherheit nur zwei Kraftquellen für die Pflanze, das Licht und die Wärme. Die Assimilation, welche die unorganischen in organische Verbindungen überführt, geschieht unter dem Einiluss des Lichtes; die grünen Gewebe, in welchen die Desoxydation vollzogen wird, absorbiren die nicht grünen "Strahlen des Sonnenlichtes (oder des weissen Lichtes). — Die Pflanze nimmt auch eine grosse Menge von Wärme auf. Jede der drei Arbeitsleistungen der Pflanze (Assimilation, Verdunstung und Transport) erfordert eine gewisse Tem- peratur, und wird bei Steigerung derselben innerhalb bestimmter Grenzen leb- _ hafter. Selbst die Assimilation kann durch das Licht allein nicht vollbracht werden. Die Verdunstung geschieht sicher durch Wärme; wenn auch das Licht durch Herbeiführung eines mechanischen Effectes erst deren volle Wirksamkeit ermöglicht. Die Bildung von organischen Stoffen unter dem Einfluss des Lichtes bewirkt nämlich gewisse Veränderungen in den oberflächlichen Zellen, und dadurch N A NO RE die Oeffnung von vielen kleinen Mündungen, wodurch der im Innern des Ge- webes gebildete Wasserdampf entweichen kann. Der Transport des Wassers und der darin gelösten Stoffe muss ebenfalls auf irgend eine Weise durch die Wärme vermittelt werden, denn der sogenannte Frühlingssaft steigt, sobald die Luft- temperatur einen bestimmten Grad erreicht hat, che Licht und Verdunstung (bei noch gänzlichem Mangel an Blättern) einen Einfluss haben können. Wenn wir das Licht und die Wärme, welche von der Pflanze aufgenommen und vernichtet werden, messen könnten, so müssten sie eine Kraftgrösse dar- stellen, welche der Arbeit der Pflanze gleichkommt. Die letztere verhält sich in dieser Beziehung wie eine Maschine. Sie empfängt von aussen eine gewisse Menge von Kraft, und verändert sie in ihrem Innern auf verschiedenartige Weise. Wir ziehen die Uhr auf, und das fallende Gewicht oder die gespannte Feder setzt das Uhrwerk in Bewegung; die Spannkraft des Dampfes oder das fallende Wasser treibt die Mühle. Die Kraft wird von einem Rad auf das andere, von einem Hebel auf den andern und zuletzt auf irgend ein Object übertragen; sie findet ihr Ziel in der Bewegung der Uhrzeiger, in der Drehung der Spindeln, um die sich der Faden windet, in der Drehung der Steine, zwischen denen das Korn zerdrückt und zerrieben wird, in der Drehung der Räder der Locomotive, in dem Heben des Hammers, welcher die Eisenstange schlägt. Die Arbeit der Maschine besteht nicht bloss in der Ausgabe ihrer letzten Kraft auf ihr Object, wodurch sie ihren Nutzeffect leistet; sondern auch in der Ausgabe aller übrigen Kraft, welche durch Reibung oder auf anderem Wege verloren geht. Ganz so verhält es sich mit der Pflanze. Sie empfängt Licht und Wärme; eine Partie dieser Kraftmenge verliert sie (theils unverändert, theils schon vielfach umgesetzt und in organische Substanz verwandelt) durch Verdunstung, durch Abgabe von Verbrennungswärme und durch Transport; und den Rest verwendet sie auf den Nutzeffect, auf die Bildung bleibender organischer Verbindungen. Die Dampfmaschine verliert '%,, der ganzen Kraft, welche von dem Brenn- material erzeugt wird, durch Reibung und durch Verwandlung von Wasser in Dampf, und verwerthet bloss Yıs als Nutzeffect. Der Baum in unserm Clima macht nicht einmal den 100sten Theil der Wärme und des Lichtes, welche er absorbirt, für die Assimilation nutzbar; viel weniger geht in einer feuchten oder weniger bewegten Atmosphäre verloren. — Das Thier nimmt die Nahrung, welche die Pflanze mit Aufwand von Wärme und Licht bereitete, zu sich. Von der ganzen Menge, welche es zur Ernährung verwendet und als assimilirte Be- standtheile des Körpers einordnet, wird der grössere Theil in den Lungen und überall im Körper verbrannt, der kleinere 'Theil wird beim Mastvieh als Fett angehäuft, bei der Kuh in Milch verwandelt, und beim Zugthier in Bewegung umgesetzt. Ein arbeitendes Pferd verwerthet etwa den fünften Theil des gefresse- nen Heues und Hafers in mechanischen Nutzeflect. Ich habe die Pflanze, gleich einer Maschine, in ihrer Wirksamkeit als Ganzes betrachtet, somit bloss die ersten Ursachen, die von aussen kommen, und die letzten Effecte, die nach aussen gehen, mit einander verglichen. Sie erhält a A ei, Wasser und andere unorganische Stoffe, Wärme und Licht, und verwandelt diess Alles in Wasserdampf, Sauerstoff und organische Verbindungen — wie die Mühle, welcher oben Korn aufgegeben und Wasser auf die Schaufeln des Rades geleitet wird, unten Mehl liefert. Zwischen den Anfang und das Ende fallen eine Menge von Functionen, durch welche die Kräfte umgesetzt werden. Dadurch wird die Arbeit complizirter, die dazu verwendete Kraft nicht grösser. Wenn in einer Ma- schine 10 Räder zu gleicher Zeit und annähernd mit der gleichen Kraft sich drehen, so arbeitet dieselbe deswegen nicht mit der zehnfachen Kraft. Denn es ist die nämliche Kraftmenge, welche von dem einen Rad auf das andere übertragen wird; hält man eines auf, so stehen auch alle andern still. So ist es in der Pflanze. Mit der Aufnahme von unorganischen Stoffen und mit dem Eintritt von Wärme und Licht beginnt eine Kette von Veränderungen und Bewegungen; es sind aber immer die nämlichen Stoffe, welche sich bewegen und die nämlichen Kräfte, welche sie treiben ; nur wechseln sie Form und Richtung. Ich will nur ein Beispiel anführen. In der Bilanz des Pflanzenhaushaltes habe ich einen Posten als Transport aufgeführt, und dafür gerade so viel Kraft angerechnet, als es brauchen würde, um das Wasser in die Höhe zu pumpen oder um es in einem Gefäss bis in die Krone des Baumes zu heben. Die Pflanze giebt in Wirklichkeit eine viel grössere Kraft dafür aus. Denn sie bewegt das Wasser durch die Zellen, also durch die allerengsten Capillarräume; bei einem SO Fuss hohen Baum müssen überdem die Wassertheilchen durch etwa 30,000 Zellwände hindurchgehen ; die zu überwindenden Reibungswiderstände erfordern einen ungeheuren Kraftaufwand. Ich will hier nicht in eine Untersuchung darüber eintreten, durch welche Kräfte die Pflanze den Transport bewirke. Bis jetzt hat die Pilanzenphysiologie dieses Räthsel nicht gelöst; sie hat selbst sehr häufig das als Ursache des Saftsteigens angegeben, was sein grösstes Hemmniss ist, die Capil- larität. Wenn wir im Frühjahre ein Rebschoss abschneiden oder einen Birken- stamm anbohren, so fliesst der Frühlingssaft aus. Er dient dazu, die Knospen zu entwickeln, die Aepfel- und Kirschbäume mit Blüthen, dann mit jungem Laub zu bedecken. Diese Arbeit wird vollbracht, ehe die Assimilation, die Ernährung und die Verdunstung beginnen. Es ist die Arbeit der Pflanze vor dem Früh- stücke. Sie kann nicht von äussern Ursachen hergeleitet werden. Denn das Saft- steigen geschieht des Nachts wie am Tage, und entzieht sich somit der Einwirkung des Lichtes; die Verdunstung durch die Blätter und die dadurch bewirkte Zug- kraft mangelt noch gänzlich; die Temperatur der Luft muss zwar einen bestimmten Grad erreicht haben, ehe die Säfte steigen, sie kann aber nicht unmittelbar die bewirkende Ursache sein. Es ist mir wahrscheinlich, dass unter dem Einfluss der äussern Wärme Substanz vernichtet und auf irgend eine noch unbekannte Weise in Bewegung umgesetzt werde. Das Material dazu liefert die Assimi- lation des vorhergehenden Sommers. Die Pflanze arbeitet im Frühjahre, wie das nüchterne Thier am Morgen, mit dem Kraftvorrathe, den sie früher aufge- speichert hatte. Diess ist nun ein Beispiel, wo im Innern der Pflanze eine Arbeit mit grossem RUN Al.. | RER Kraftaufwande verrichtet wird. Deshalb ändert sich aber nıchts an der Bilanz des Haushaltes. Eine gewisse Menge von Licht, Wärme und unorganischen Verbindungen stellt die Einnahme dar. Der Transport, wie ich ihn als Netto- werth berechnet habe, und der Verlust an Wärme durch die Verdunstung und auf anderm Wege bilden die Ausgabe. Die organische Substanz, die als Product der verschiedenen Processe übrigbleibt, sei es, dass sie den Leib der Pflanze constituirt oder von demselben ausgeschieden und abgeworfen wird, ist gleich dem Ueberschuss der Einnahme über die Ausgabe. Der wirkliche Transport erfordert zwar nun eine viel grössere Kraftsumme als die in Rechnung gebrachte, und gewinnt dieselbe durch Vernichtung von organischer Substanz. Allein eine genau entsprechende Kraftmenge wird der Pflanze theils als Reibungs- wärme, theils in der Form zurückgegeben, dass die Ueberwindung der Reibungs- widerstände eine dauernde Veränderung der Substanz herbeiführt. Diese ganze Betrachtung über die Arbeit der Pflanze stützt sich auf die An- nahme, dass die Kräfte hier in gleicher Weise wirken wie in der unorganischen Natur, dass eine gewisse Kraltmenge immer wieder die gleiche Kraftmenge, weder mehr noch weniger, hervorbringt. Gilt dieses Gesetz der Erhaltung der Kraft auch im Pflanzenreiche? Ich habe es vorausgesetzt, und damit zugleich die Existenz einer spezifischen Lebenskraft geläugnet. Die Erscheinungen in der Pflanze sind vielfach anders als in der unorgani- schen Natur. Dort ist Leben, sagt man, hier ist Tod; und wir können das Leben nicht begreifen, wenn wir nicht eine besondere Kraft dafür annehmen. Man hat früher alles Mögliche in den Organismen durch die Lebenskraft verrichten lassen. Aber sowie die Verrichtungen selbst studirt und erkannt wurden, so zeigte sich, dass sie auf die nämliche Weise geschehen wie analoge Processe ausserhalb des Organismus. Jetzt zweifelt Niemand mehr, dass das Athmen der Thiere ein Ver- brennungs- oder Oxydationsprocess, das Athmen der Pflanzen ein Zersetzungs- oder Desoxydationsprocess ist, dass die Assimlation, die Verdauung, die Cireu- lation der Säfte aus physikalischen und chemischen Processen zusammengesetzt sind. Das Gebiet der Lebenskraft hat mit der fortschreitenden Erkenntniss mehr und mehr an. Umfang verloren. Jede wissenschaftliche Forschung entreisst ihr wieder ein Stück ihrer Herrschaft. Auch ihre eifrigsten Anhänger sind am Ende ihrer Untersuchungen immer nur dahin gelangt zu sagen, welchen Theil die chemischen und physikalischen Kräfte an den Lebenserscheinungen haben, nie aber, welche bestimmte Wirkungen der Lebenskraft angehören. Sie repräsentirt immer das noch Unbekannte. Als die Summe des Unerforschten in der organischen Natur noch gross war, schien die Wirkungsweise dieses Unerforschten einen prinzipiellen Gegensatz zu dem Bekannten zu bilden. Jetzt aber ist es durch eine Menge von That- sachen nahe gelegt, dass die Differenz zwischen Unorganischem und Organischem in der That keine andere sei als die zwischen Einfachem und Zusammengesetztem. Manche wissenschaftliche Anhänger der Lebenskraft ziehen sich deshalb in neue- rer Zeit auf ein sehr begrenztes Feld zurück. Sie soll nur an dem Bildungsprocess, an der Organisation mitwirken; die Function aber soll durch chemisch-physika- lische Kräfte geschehen. Die Organisation ist gerade das dunkelste und der Forschung unzugänglichste Gebiet, weil hier Molecularkräfte immer nur in micro- scopisch-geringen Mengen zusammenwirken. Der directe empirische Nachweis, g einer Zelle nur ob die Bewegungen der kleinsten Theilchen bei der Entstehun die nothwendige Folge von den vorhandenen physikalischen und chemischen Kräften seien oder nicht, wird vielleicht ewig unmöglich bleiben. Mit der Ge- staltung eines Krystalls möchte es sich aber ebenso verhalten. Indessen handelt es sich eigentlich nicht sowohl um die Frage, ob eine Le- benskraft existire oder nicht, sondern vielmehr, welche Eigenschaften sie habe, wenn die bekannten Naturkräfte nicht ausreichen. Es sind zwei Antworten mög- lich. Entweder ist es eine materielle Kraft, welche auf bestimmte gesetzmässige Art wirkt, welche aus andern Kräften entsteht und in dieselben sich umsetzt. Oder es ist eine immaterielle Kraft, die sich dem Causalnexus entzieht, die nach Willkühr in die Aktion tritt und nach Willkühr wieder daraus verschwindet. Im erstern Fall ist die Lebenskraft den physikalischen und chemischen Kräften coor- dinirt und mit denselben dem gleichen allgemeinen Gesetz unterworfen ; sie haftet an eigenthümlichen Kohlen- und Stickstoffverbindungen,, wie der Magne- tisınus am Eisen; sie entsteht in der Pflanze aus Licht, Wärme, Elektrizität und arbeitet an der Ernährung und Organisation. Für das Prinzip im Allgemeinen ist es natürlich gleichgültig, ob wir eine solche Lebenskraft annehmen oder nicht, ob das Leben unmittelbar aus den bekannten Naturkräften hervorgehe,, oder ob in die Kette von Ursache und Wirkung noch ein Glied, eine neue Kralt ein- geschoben werde. Meine Betrachtung über die Arbeit der Pflanze wird dadurch nicht modifizirt. Wenn ich daher von einer spezifischen Lebenskraft spreche und deren Exi- stenz bezweifle, so verstehe ich darunter eine immaterielle Kraft, welche ausser- halb der Naturnothwendigkeit und ausserhalb des Causalnexus steht. Eine Pflanze kann 1000 Samen hervorbringen: aus jedem entwickelt sich unter günstigen Umständen eine neue gleiche Pflanze. Besteht eine spezifische Lebenskraft, so ist auf einmal !000mal mehr davon in Wirksamkeit als vorher. Oder eine Vegetation geht zu Grunde; es ist mit einem Schlage eine Menge Lebenskraft verschwunden. Wir haben ein Wunder; denn ein Wunder nennen wir es Immer, wenn etwas mit den Naturgesetzen im Widerspruch steht. Nach dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft kann aber Kraft weder neu entstehen, noch verloren gehen. Ich muss, um nicht missverstanden zu werden, eine Beinerkung hinzufügen. Man hat Lebenskraft und geistige Kraft gewöhnlich neben einander gestellt. Wer an die Selbständigkeit des Geistes glaubte, behauptete zugleich auch die- jenige einer spezifischen Lebenskraft. Die Gegner verneinten gleichzeitig beides, Aber zwischen beiden Begriffen besteht keine nothwendige Solidarität, sodass das Eine nicht ohne das Andere sein könnte. Wenn ich keinen zwingenden Grund sche für die Annahme einer Lebenskraft, so läugne ich damit noch nicht den Geist. Im Gegentheil scheint es mir, dass die Autonomie des Geistes um so siche- rer wird, je weniger derselbe sein Schicksal an dasjenige einer so unzuverlässigen Gefährtin wie die Lebenskraft kettet. Ich will nicht in den so vielfach unfruchtbaren Streit um Stoff und Kraft mich einlassen, in einen Streit, der von den extremen Richtungen der einen Seite mit fanatischem Zelotismus, von denen der andern Seite mit arroganter Fri- volität geführt wird, — der von dem einen Extrem als der Gegensatz von Glaube und Unglaube, Moralität und Immoralität, Vernunft und Afterweisheit, von dem ndern Extreme als der Gegensatz von Aufklärung und Bornirtheit, von Wissen- chaft und Barbarei, von Vernunft und Aberglaube dargestellt wird. Diese Gegen- sätze werden von dem naturwissenschaftlichen Streitobject kaum berührt; und für den wissenschaftlichen Naturforscher reducirt sich die Meinungsverschieden- heit auf eine einfache Frage. Wenn ich dieselbe hier berühre, so geschieht es bloss um zu zeigen, dass ihre Beantwortung nicht durch die Verneinung der Lebenskraft präjudicirt sei. Sie heisst: Wie weit reicht das Gesetz der Erhaltung der Kraft? Wenn ich die Lebenskraft läugne, so sage ich, dass die materiellen Vorgänge der Gestaltung, der Ernährung, der Fortpflanzung bei den Gewächsen durch die gleichen Kräfte bedingt werden wie die Entstehung eines Krystalls. Ich sehe in Beidem nur die nämliche Formbildung des Stofflichen. Bei der Frage über die Existenz des Geistes handelt es sich um Freiheit oder Nothwendigkeit. Der Ma- terialismus sagt, die Freiheit des Geistes sei eine grobe Täuschung; seine Regun- gen seien eine nothwendige Folge von materiellen Veränderungen im Gehirn; die Gedankenwelt sei nichts Anderes als die Function der aus Fleisch und Bein bestehenden Maschine. Die Atome bewegen sich, und wie sie im Mineralreiche einen Krystall, im Pflanzenreiche ein Stärkekorn oder eine Zelle hervorbringen, so erzeugen sie im menschlichen Gehirn unter Umständen einen Gedanken. Wenn wir meinen aus freiem Willen einen Entschluss zu fassen, so irren wir; der Entschluss ist die nothwendige Function von Bewegungen kleinster Theil- chen, auf die wir keinen Einfluss haben, und die eine eben so nothwendige Folge von materiellen Kräften sind, als der Stein immer zur Erde und nie in den Him- mel fällt. Indem sich diese Bewegungen der Massentheilchen "bewusst werden, glauben sie autonom zu sein und nach Willkühr zu verfahren. So lange wir uns besinnen, ob wir etwas thun wollen oder nicht, zu Hause bleiben oder ausgehen, so finden noch conträre Bewegungen der Atome in unserm Gehirn statt; sobald aber die einen Kräfte die Oberhand gewinnen, und die Strömungen nach einer Seite hin überwiegen, so nehmen wir Hut und Stock, und wir meinen, wir gingen freiwillig spaziren. Wenn das Stäubchen,, das in der Luft herumfliegt, Bewusst- sein hätte, so würde es sich in dem Wahn gefallen, es wolle gerade dahin fliegen, wohin der Wind es treibt; und wenn der Pendel und der Zeiger einer Uhr sich \ u 4° — ihrer selbst bewusst wären, so würde der eine glauben, er schwinge hin und her, weil er es so wolle, und der andere wäre glücklich in dem Glauben, dass seine Neigung im Kreise zu gehen auf kein Hinderniss stosse. Das ist die Meinung des Materialismus über den freien Willen. Indess gehört die Frage, ob die geistige Freiheit wirklich oder nur in unserer Einbildung existire, nicht direct vor das Forum des Naturforschers. Es war mir nur darum zu thun, zu zeigen, dass die Lebenskraft und der Geist wesentlich verschieden seien. Das Prinzip des Geistes ist die Freiheit. Von Freiheit aber, scheint es, könne doch gewiss in der Pflanze keine Rede sein. — Die Frage, ob die Freiheit eine Wahrheit oder eine Täuschung sei, gewinnt aber eine mehr naturwissenschaftliche Form in der .andern Fassung: Ist der Geist das Product der bekannten Naturkräfte oder nicht? Der Materialismus sucht auf verlockende Weise durch Analogie seine Ansicht zu begründen: Die Gesetze der Chemie un Physik haben überall in der ganzen grossen Natur ihre ausschliessliche Geltung, überall herrscht Gesetzmässigkeit; warum nicht auch in jenem kleinen Organ, welches der Sitz der Seele ist, warum hier ein Wunder annehmen ? In der That, wenn damit alles Unbegreifliche aus der Welt genommen wäre, so hätte die mechanische Anschauung den Vortheil einer bis zum Ende gehenden Consequenz, und man könnte in ihr eine grosse naturphilosophische Wahrheit vermuthen. Allein das Unbegreifliche und Wunderbare bleibt uns doch. Die Unendlichkeit in der Ausdehnung und in der Theilbarkeit sowohl des Raumes als der Zeit ist eine Schranke, über die wir nicht hinwegzukommen vermögen. Wann hat die Welt angefangen? wie ist sie entstanden? Welches ist ihr Ende? Wo sind ihre Grenzen? Wo trifft die Analyse auf die letzten untheilbaren Ele- mente der Materie, der Kraft und der Bewegung? Das sind Fragen, die nicht bloss ungelöst, sondern die unlösbar sind, und deren Lösung selbst uns unfassbar ist. Die ewige Dauer, die unendliche Ausdehnung, die nimmer endende Theil- barkeit sind Begriffe, die nicht für unsern Verstand, nicht für unser naturwissen- schaftliches Bewusstsein, sondern nur für unsern Glauben da sind. Die Streitfrage um die Existenz des Geistes lässt sich also auch durch Ana- logie nicht schnell abthun; und sie muss, soweit die Naturforschung sich mit ihr beschäftigt, auf dem langsamen Wege der Induction gefördert werden. Durch das Experiment muss ermittelt werden, wo das wissenschaftlich Fassbare, das durch Wage, Maass und Zahl Bestimmbare aufhört, und wo das Unbegreifliche beginnt. Die Vitalisten oder Biologen sagen: Die grosse Scheidewand besteht zwischen der unorganischen und der organischen Natur, zwischen der leblosen und der belebten Welt. Die Spiritualisten antworten : Alles Materielle folgt dem- selben Gesetz, in ihm wirken unabänderlich Stoss und Zug; die Seele erhebt sich über dasselbe; die Grenze besteht zwischen Materie und Geist, zwischen Noth- wendigkeit und Freiheit. Nein, erwiedert der wissenschaftliche Materialismus, alles Endliche unterliegt Einer Nothwendigkeit, und ist für das Endliche greif- bar; die Welt, soweit sie unsern sinnlichen und geistigen Wahrnehmungen zu- gänglich ist, beugt sich vor unserer Herrschaft; die Grenze besteht nur zwischen Nägeli, Beiträge. 11. 4 a dem Endlichen und Unendlichen. Es tönt noch eine vierte Stimme herein, die des Pantheismus, der auch in der heutigen Naturforschung seine Vertreter findet: Alles Materielle ist belebt und von göttlichem Hauche durchdrungen, Maass und Gewicht reichen so wenig aus, um die unorganische wie die organische Natur zu begreifen; bei der Bildung des Krystalls so gut wie bei der Entstehung der Pfianze und des Thieres waltet eine immaterielle Idee in selbständiger Thätigkeit, und greift ordnend ein in die Bewegungen der kleinsten Theilchen. Man hört oft den Ausspruch, die Erledigung aller dieser Fragen sei auf dem Gebiete der Naturwissenschaft gar nicht möglich. Wenn man damit sagen will, jetzt und lange noch nicht möglich, dann ist es richtig. Aber es wäre ein Irr- thum, wenn man behaupten wollte, es sei prinzipiell unmöglich. Wir haben es mit bestimmten Bewegungen materieller Theile zu thun, und die Möglichkeit ie kann nicht geläugnet werden, dass für den einzelnen Fall durch das Experiment bestimmt werde, ob dieselben von nothwendig wirkenden Kräften hervorgebracht werden oder nicht. Ich habe die Wärmemenge, welche bei der Verbrennung von 1 Pfd. Holz frei wird, als ein Aequivalent betrachtet für die bei dessen Bildung verbrauchten Naturkräfte. Die Richtigkeit dieser Anschauung ist noch nicht bewiesen. Es wird sich aber durch den Versuch einmal ganz genau ermitteln lassen, ob jene Wärmemenge wirklich übereinstimme mit der Quantität von Licht und von Wärme, welche die Pflanze von aussen empfing. Wenn in der Pflanze noch Le- benskräfte mitgewirkt hätten, so könnte die Verbrennungswärme nicht das Maass für die Arbeit der materiellen Kräfte sein; denn die Lebenskräfte hätten noth- wendig die moleculären Bewegungen modificirt, verstärkt, geschwächt, abgelenkt, es müsste die Arbeit der Pfianze eine andere sein, als sie durch die von aussen eintretenden Kräfte gefordert wird; die Substanz müsste bei der Verbrennung entweder mehr oder auch weniger Wärme liefern. — Der thatsächliche Beweis, ob eine spezifische Lebenskraft in der Pflanze wirksam sei oder nicht, wird sich ganz bestimmt einmal führen lassen, wenn auch mit den jetzigen Hülfsmitteln der Versuch noch keine Aussicht auf Gelingen hat. Wenn es sich aber schon rücksichtlich der materiellen Gestaltung der Pflanze bloss um Wahrscheinlichkeit, nicht um Gewissheit handelt, so ist noch viel weniger entschieden, ob das Gesetz der Erhaltung der Kraft für das Seelenleben des thie- rischen und menschlichen Organismus gelte. Die Frage, ob die geistigen Processe auf Bewegungen der Atome beruhen, welche mit Nothwendigkeit aus den mate- riellen Kräften folgen, liegt noch sehr ferne von ihrer empirischen Lösung. Was aber noch unentschieden ist, gehört in das Gebiet des Glaubens. Die naturwis- senschaftliche Ueberzeugung fusst auf strengen mathematischen Beweisen; der Glaube hält sich an Wahrscheinlichkeiten und an individuelle Convenienzen. Wenn der Geist ein immaterielles Agens ist, so kann er jeden Augenblick in Wirksamkeit treten oder den Schauplatz seiner Thätigkeit verlassen, ohne dass desswegen die materiellen Kräfte einen Verlust oder einen Zuwachs erfahren. Er kann, so oft es ihm beliebt, in das Getricbe der materiellen Kräfte eingreifen, a die Bewegungen der kleinsten Theile ändern, Spannkräfte auslösen und in leben- dige Kraft umwandeln, oder auch letztere fixiren und in Spannkräfte bannen, — er kann die Summe der materiellen Kräfte verändern. Wenn aber, wie der Materialismus sagt, der Geist dem Gesetz der Erhaltung der Kraft unterworfen ist, so ist auch jede geistige Thätigkeit eine Arbeit, die durch eine bestimmte Menge materieller Kraft hervorgebracht wird. Die von der Pflanze assimilirte organische Substanz verwandelt sich dann im menschlichen Leib in Geist, und da die organische Substanz ein Product der Wärme, des Lichtes, der Schwere ist, so setzen sich auch diese, mittelbar wenigstens, in geistige Bewe- gungen um; und die geistigen Bewegungen gehen für die materielle Welt nicht verloren, sondern verwandeln sich wieder in Wärme, Elektrizität und Schwere. Für jede geistige Thätigkeit giebt es ein bestimmtes Aequivalent von mechani- scher Kraft, von Wärme, von organischer Substanz. Jede sinnliche Wahrneh- mung, jede Empfindung, jeder Schluss, jede mathematische Operation, jeder Willensact verzehrt eine gewisse Menge von Fleisch, Brod, Gemüse, Wein, Bier, Kaffee; er ist gleich einer bestimmten Zahl von Wärmeeinheiten, oder einer bestimmten Menge Pferdekraft. 2x2 = 4 ist eine Arbeit, die z. B. durch "ooo Loth Fleisch geleistet wird; die Differenzialrechnung erfordert etwas mehr als das Einmaleins; der Mollaccord etwas mehr als der Duraccord; der glatte Reim mehr als der holperige; der gute Witz mehr als der schlechte. Die Odyssee und Faust, der Zeus von Phidias und die Madonnen von Raphael, die Philo- sophie des Aristoteles und die physikalischen Untersuchungen Newton’s sind durch Umsatz aus einem bestimmten Gewicht von Nahrung entstanden. Es versteht sich von selbst, dass nicht alle Nahrung in geistige Kraft ver wandelt werden kann; ein guter Theil geht immer in der Maschine verloren Eine Dampfmaschine giebt nur den 13. Theil der Wärme, welche sie verzehrt, als Arbeit aus. Die Maschinen sind aber ungleich; es giebt solche, in denen mehr, und solche, in denen weniger Kraft durch Reibung verzehrt wird; es kann auch andere geben, in welchen alle Kraft für Reibung verbraucht wird und die daher keinen Nutzeffect liefern. Aehnlich verhält es sich mit den menschlichen Maschinen; die einen thun die nämliche Arbeit leicht, die andern schwer, und manchen gelingt sie gar nicht. In dem einen Gehirn wird die schlechte Nahrung fast ohne Verlust in philosophische Speculation, in mathematische Formeln , in musikalische Gedanken umgewandelt, während ein anderes Gehirn durch die beste Kost nie productiv wird. Das ist die Consequenz des Materialismus. Da es sich hier nicht um Beweis, sondern um individuelle Convenienzen handelt, so will ich Ihnen selbst überlassen, den Grad der Wahrscheinlichkeit zu erwägen. Nach der spiritualistischen Ansicht ist der Geist etwas Selbständiges, ausser- halb der Verkettung der materiellen Kräfte Stehendes; er geniesst der Freiheit, er ist nicht bloss unbegriffen, sondern auch, wie das Ewige selbst, unbegreifbar, er ist für den Naturforscher ein unerforschliches Wunder. Nach der materialisti- 4* ET. ine schen Ansicht dagegen besteht der Geist in materiellen Bewegungen, die nach Nothwendigkeit erfolgen; er unterliegt dem Calcül und dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft; jede Denkarbeit ist gleich einer bestimmten Quantität von Nahrung, von Wärme, Licht, Elektrizität, von mechanischer Kraft. Der Nachruf, den man einem schlechten Schriftsteller wıdmet: Du hättest Deine Arbeit für etwas Besseres verwenden können, ist demgemäss eine buchstäbliche Wahrheit; denn in dem verfehlten Buche liegt nach den Aequivalenten genau so viel nicht gespaltenes Holz oder nicht getragenes Wasser oder nicht gehäm- mertes Eisen. — Möchten Sie nicht finden, dass auch in meiner heutigen Arbeit mechanische Kraft verschwendet sei! Rechts und Links. * Die Verwirrung, welche Rechts und Links in der Botanik verursacht haben, und die Gründe, warum man in neuerer Zeit allgemein eine der frühern ent- gegengesetzte Terminologie angenommen hat, sind hinreichend erörtert. Ich will daher nur kurz den leitenden Gedanken aussprechen. Man glaubte, man müsse die Bezeichnungen Rechts und Links nicht mit Rücksicht auf unsere Anschauung, sondern mit Rücksicht auf die Pflanze oder den Pflanzentheil bestimmen; und es ist keinem Zweifel unterworfen, dass an einem Blatt, welches Rücken- und Bauchfläche besitzt, die rechte und linke Seite naturgemäss diejenigen sind, welche den analogen Seiten des menschlichen und thierischen Körpers entsprechen. Man ist weiter gegangen und hat gesagt: Wenn ich von der geraden Strasse links abweiche, oder wenn ich mich auf der näm- lichen Stelle so drehe, dass die rechte Hand nach vorn geht, oder wenn ich eine Wendeltreppe emporsteige, in welcher meine Linke der Achse zugekehrt ist, so nenne ich das immer Linksdrehung; ich muss die Begriffe für die Pflanze in gleicher Weise anwenden ; ihre Organe drehen und winden rechts oder links, wie sich der Mensch dreht. Dagegen lässt sich vorerst nichts Erhebliches einwenden, wenn auch die Naturgemässheit der Bezeichnung bloss für Organe mit hinten und vorn, rechts und links (Blätter) zugegeben werden kann, während beim Stengel schon eine ganz figürliche Anwendung an deren Stelle tritt. Diese Uebertragung von dem Menschen auf die Pflanze ist also da möglich, wo wir Grund für die Annahme haben, dass ein Körper sich um seine Achse gedreht habe, — aber auch nur da. In allen übrigen Fällen, wo wir von Drehen und Wenden sprechen, — und es sind diess die zahlreicheren — handelt es sich nicht um Achsendrehung, sondern um eine schraubenförmige Bewegung oder um *) Dieser Artikel wurre veranlasst durch einige Bemerkungen in dem vorhergehenden Vortrag (S. 19 f.). ze ER eine schraubenförmige Richtung, die wir nur bezeichnen können, wenn wir sie als Bewegung auffassen. Wenn ich in der nach gewöhnlicher botanischer Bezeich- nung rechts gedrehten Wendeltreppe emporsteige, so drehe ich mich rechts; steige ich hinunter, so drehe ich mich links. Das Spiralgefäss ist rechts gewunden, insofern ich mich in dasselbe hineindenke, und die Spiralfaser von unten nach oben entstehen lasse. Nun kann aber die Spiralfaser auch von oben nach unten entstanden sein oder ihr Dasein einer schraubenförmigen Bewegung verdanken, die von oben nach unten fortschreitet; dann würde nach der botanischen Be- trachtungsweise die Bewegung von der Rechten zur Linken gehen, also linkswendig sein. In der That entsteht die Mehrzahl der Gefässbündel in den Stammtheilen und alle in den Wurzeln von oben nach unten; möglicher und wahrscheinlicher Weise entsteht auch die Faser der einzelnen Gefässe in gleicher Richtung. Wir müssten also, bei abwärts gehender Bewegung in der Wendeltreppe und im Spiralgefäss, um die Bezeichnung rechtswendig auf naturgemässe Weise zu errei- chen, uns auf den Kopf stellen: oder, was das Nämliche wäre, das Spiralgefäss umdrehen, damit die Bewegung, entsprechend unserer aufrechten Lage, von unten nach oben gehe. Das ist nun aber nicht naturgemäss für den Pflanzentheil, den wir betrachten, und den wir doch mit Rücksicht auf ihn selber auf natur- gemässe Weise bezeichnen möchten. Das Spiralgefäss des Stengels hat mit Rück- sicht auf seine Lage im Ganzen und vielleicht noch mit Rücksicht auf viele andere Beziehungen (Saftströmung etc.) ein unteres und ein oberes Ende. Wenn wir es umdrehen, so versetzen wir es in eine unnatürliche Lage. Diess ist ein Beispiel für viele; die Vergleichung von Wurzel und Stengel gibt deren noch eine Menge an die Hand. Auf die Schraube oder die schraubenförmige Bewegung kann die gewöhnliche, botanische Bezeichnung nur dann naturgemäss angewendet werden, wenn die Bewegung von unten nach oben, d. h. von der Basis nach dem Scheitel hin fortschreitet. Geht sie vom Scheitel nach der Basis, was gewiss in vielen Fällen statt hat, so ist die Bezeichnung verkehrt. Ich habe jetzt die schraubenförmige Richtung an und für sich betrachtet. Oft ist es eine Bewegung, die von individuellen 'Theilen an der Oberfläche eines Cylinders ausgeführt wird. Dahin können wir die Blattstellung rechnen. Es bewegen sich zwar nicht die Blätter selber; aber sie bilden eine Schraubenlinie, die am Grunde beginnt und nach oben sich fortsetzt, indem ein Blatt nach dem andern entsteht. Wenn wir diese Spirale uns als eine Bewegung vorstellen, welche von einem einzigen Blatt, das die vordere Fläche dem Stengel zukehrt, ausgeführt würde, so müssten wir naturgemäss von Rechts- und Linkswendung sprechen, je nachdem die rechte oder linke Seite voranginge. Denken wir uns eine von Knoten zu Knoten fortschreitende Blattbildung, oder verbinden wir lediglich die Insertionen durch eine Linie, so hat jedes Blatt eine obere und eine untere Hälfte, und wir müssten naturgemäss die Spirale rechtswendig nennen, wenn die rechte Hälfte die obere ist; denn die letztere geht in aufsteigender Richtung gleichsam voran, und die von unten nach oben fortschreitende Blattspirale bewegt sich an jedem einzelnen Blatt von der Linken zur Rechten. Die jetzige botanische Ter- minologie braucht die umgekehrte Bezeichnung; eine rechtswendige Blattspirale ist eine solche, wo die linken Blatthälften anodisch (oben), die rechten kathodisch (unten) liegen. Mit dieser Auseinandersetzung will ich indess gar nichts anderes beweisen, als dass die jetzige botanische Terminologie nicht, wie man gewöhnlich vorgiebt, durch eine naturgemässe Analogie gefordert werde. Sie ist für wenige Fälle wirklich natürlich, für viele willkürlich übertragen, und für manche geradezu verkehrt. Indessen bringt diess das Object selbst mit, und eine durchgreifende naturgemässe, und der Analogie mit Menschen und 'Thieren entsprechende Terminologie ist gar nicht möglich. Von diesem Standpunct aus wäre daher auch kein Grund, gegen den jetzigen Gebrauch zu polemisiren. Mit Rücksicht auf Terminologie müssen wir immer fester an dem Prinzip festhalten, dass selbst das Bessere nicht das Gute, und das weniger Schlechte nicht das Schlechtere verdrängen darf; sondern dass nur das Unbrauchbare ersetzt werden muss. Ein Wort ist aber unbrauchbar, wenn es schon eine anderweitige Verwendung gefun- den hat, und daher zu Verwechslungen Veranlassung giebt. Man kann in dieser Beziehung zu weit gehen, und in eine lächerliche und unpractische Pedanterie verfallen. Man geht gewiss bis an die Grenze des Vernunftgemässen, wenn man z. B. fordert, dass der nämliche Gattungsname nicht für ein Thier und eine Pflanze gebraucht werden dürfe; denn sicherlich würde es keine Verwirrung geben, wenn man eine Pflanze Elephas, Vespertilio, Pavo, Psittacus, Anas, Para- disea, Testudo, Python, Salamandra, Muraena, Raja, Papilio, Vespa, Musca, Carabus, Asterias etc. etc. nennen wollte. Die Terminologie würde gewiss nichts an ansprechender Fasslichkeit und frischer Unmittelbarkeit verlieren, wenn man in verschiedenen Gebieten mit dem gleichen Namen bezeichnen wollte, was in äusserer Form und Ansehen, oder in Bau und Function oder überhaupt in irgend einer auffallenden Eigenthümlichkeit einige Analogie hat. Indessen das ist nun allgemein angenommene Regel, welche hin und wieder Gelegenheit zu einem neuen Namen gegeben hat, und ich bin nicht Willens, die Abschaffung derselben vorzuschlagen. Allein es hiesse. Mücken seihen und Ele- phanten verschlucken, wenn man einerseits die Strenge für Begriffsbestimmungen bis dahin treibt, dass Thier und Pflanze nicht denselben Namen tragen sollen, und anderseits gestattet, dass man in der Botanik links nennt, was Zoologie und andere Wissenschaften rechts heissen, und rechts, was dort links ist. Eine Drehung um die Achse, eine Schrauben- oder Schneckenlinie, eine spiralige Bewegung muss überall die gleiche Bezeichnung finden; wenigstens darf nicht in den einen Naturwissenschaften die Benennung der übrigen geradezu umgekehrt werden, wenn nicht, sowie diese Wissenschaften in nähern Verkehr kommen, eine endlose Verwirrung entstehen soll. Wir gehen der Zeit entgegen, wo die Behandlung der pflanzenphysiologischen Processe mehr physikalische Form und Ausdruck gewinnen muss, und wo, wie ich hoffe, auch die Physik sich mehr mit der Pflanzenphysiologie beschäftigen wird. Unmöglich kann dann der Uebel- stand fortbestehen, dass gerade für so allgemeine und fundamentale Begriffe, wie au — die Schraube, entgegengesetzte Benennungen das Verständniss verwirren; und es fragt sich bloss, ob die Botanik einerseits, oder die Zoologie, die Physik, die Mechanik und der gewöhnliche Sprachgebrauch anderseits ihre Terminologie ändern sollen. Wir Botaniker hätten vielleicht einiges Recht, zu verlangen, dass unser neuerer Gebrauch an die Stelle des ältern und allgemeinern gesetzt werde, wenn er durchaus naturgemäss, der andere naturwidrig wäre. Das ist nun aber, wie wir gesehen haben, nicht der Fall. Die vom menschlichen Körper hergenommene Analogie ist nur für wenige Fälle passend, für die übrigen will- kürlich oder selbst naturwidrig. Anderseits hat der gewöhnliche Sprachgebrauch ebenfalls eine unbestreitbare Berechtigung, wenn derselbe Rechts und Links im Menschen als gegeben annimmt, und diese Begriffe auf jeden Gegenstand vom Standpunct des Subjects (nicht des Objects) anwendet, wenn derselbe nicht erst in der Schraube und allen übrigen Objecten ein innwohnendes Rechts und Links voraussetzt, und dann dieselben mit Rücksicht auf ihr eigenes Rechts und Links beurtheilt. Die Forderung der Botaniker, dass der Beobach- ter sich in den Gegenstand hineindenke, um dessen räumliche Beziehungen zu bezeichnen, während er ihn von aussen ansieht, könnte doch gewiss mit gleichem Rechte ungereimt heissen, als sie für natürlich gilt. Ich glaube daher, dass die gesammten übrigen Wissenschaften und, der Sprachgebrauch des gewöhnlichen Lebens mit grösserer Berechtigung an der all- gemeinern und ältern Terminologie festhalten, als die Botanik an ihrer Neuerung, und dass wir gezwungen sind, unsere Bezeichnung von Rechts- und Links- drehung früher oder später zu verlassen *). — In einzelnen Gebieten der Mor- phologie wäre das sogar ein entschiedener Vortheil für die Botanik selbst, so z. B. bei der Blattstellung. Zwar ist es, wenn wir die letztere nur für sich betrachten, gleichgültig, ob wir rechts links und links rechts nennen. Fassen wir sie aber, wie das gerade die fortschreitende Wissenschaft verlangt, als eine Beziehung zwischen Blättern und Stamm auf, und berücksichtigen wir die beiden Seiten des Blattes, und die äussere und innere Blattspur,, so kommen wir mit der gewöhn- lichen Bezeichnung immer in Verwirrung. Wir denken uns in den Stamm hin- ein und sehen die Blattspirale z. B. von der Linken zur Rechten aufsteigen ; Blatt und Blattspur aber erscheinen uns von diesem Standpuncte aus verkehrt; wir müssen sie von aussen ansehen, um sie richtig zu benennen. So kommt es, *) Der Vorschlag, in der Botanik zur alten Linne’schen Terminologie zurückzukehren, ist nicht neu. Derselbe wurde vor einigen Jahren auch von Wichura gemacht (Flora 1852. p. 55), welcher dabei von dem Satze Kant’s ausging, das Rechts- und Linksgewundensein der Spiralen sei ein Unterschied, der sich zwar in der Anschauung geben, aber durchaus nicht auf deutliche Begriffe bringen, mithin nicht verständlich machen lasse. Indessen han- delt es sich nicht sowohl darum, zu zeigen, dass ganz allgemein die eine und die andere Be- zeichnung vor der Vernunft ihre gleiche Berechtigung hat, — sondern dass, die eine Termino- logie einmal beim Menschen angenommen, durchaus nicht naturgemäss eine analoge auch für die Pflanze sich ergiebt, und dass wir bei der Uebertragung des Begriffes mit gleichem Rechte die objective wie die subjective Bezeichnungsweise festhalten können. —— 57 dass, was wir an der Blattspirale links, wir am Blatt und der Blattspur selbst rechts heissen, und umgekehrt. In der rechtswendigen Blattfolge, die nach Rechts aufsteigt, ist die linke Seite des Blattes und der Blattspur anodisch (oben). Nach der gewöhnlichen Terminologie der Mechanik aber kommt die linke Hälfte des Blattes und der Blattspur auch in der Blattspirale links zu liegen. Man wende mir nicht ein, dass ich mit dem Vorschlag, die Benennung von Rechts und Links wieder zu vertauschen, einer neuen Verwirrung in der Botanik das Wort rede. Wir müssen gerade aus der Verwirrung herauskommen, und eine grössere Confusion unmöglich machen. Es wirft sich dabei aber von selbst die Frage auf, ob man nicht Rechts- und Linksdrehung durch ein anderes Wort er- setzen könnte; und allerdings liessen sich die räumlichen Richtungen der Drehung und Wendung ebenso gut durch die Himmelsgegenden ausdrücken. Wenn wir von rechten und linken Schrauben sprechen, so stellen wir dieselben immer in Gedanken aufrecht vor uns hin. Wir müssen die Schrauben, um sie nach den Himmelsgegenden zu bezeichnen , ebenfalls senkrecht stellen. Eine Schraube steigt nun entweder von Süd nach Ost, Nord und West auf, oder von Süd nach West, Nord und Ost. Ebenso erfolgt eine Drehung entweder von Süd nach Ost, West und Nord, oder in umgekehrter Richtung. Wir können somit kurzweg von südöstlichen und südwestlichen Schraubenlinien, von südöstlicher und südwest- licher Drehung, Wendung etc. sprechen. Südöstlich ist die rechte Schraube des Mechanikers und die linke der Botanik, südwestlich dagegen die rechtswendige Drehung nach botanischer und die linkswendige nach gewöhnlicher Terminologie. Diese neue Bezeichnung hätte, während sie für jeden Punct der Erdoberfläche gilt, den Vorzug, dass eine südöstliche oder südwestliche Bewegung die nämliche bleibt, ob wir sie von aussen oder von innen ansehen. Ich glaube daher, dass die botanische Terminologie am leichtesten so in die gewöhnliche umgeändert oder wenigstens aus dem Widerspruche mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauche be- freit werden könnte, wenn sie, wenigstens für eine Zeit lang, Rechts- und Links- drehung durch südöstliche und südwestliche ersetzen würde. Es scheint nicht ganz überflüssig, über den Gebrauch der Terminologie be- treffend Drehung und Wendung in einer bestimmten Richtung eine Bemerkung beizufügen. Wenigstens trifft man hin und wieder auf eine unbegreifliche An- wendung, insofern z. B. von Rechts- und Linksdrehung einer Kugel oder über- haupt eines Körpers mit gleichen Enden die Rede ist. Es leuchtet doch ein, dass hier die Richtung eine indifferente ist, weil der um seine horizontale Achse sich drehende Körper zwei Beobachtern, die ihn von Osten und von Westen anschen, dem einen Rechts-, dem andern Linksdrehung zeigt. Nur von einem Körper, der ein unteres und oberes Ende hat, kann man sagen, dass er in einer bestimmten Richtung sich drehe. Ebenso ist eine Kreisbewegung indifferent; sie erhält erst ihre bestimmte Drehungsrichtung, wenn sie, nach der einen oder andern Seite fortschreitend, zur Schraube wird. Wenn man von südwestlicher oder südöstlicher, rechter oder linker Drehung und Wendung spricht, so stellt man sich vor, dass der Körper aufrecht stehe, 200 A re seine Basis unten, seinen Scheitel oben habe, oder dass die Bewegung in der Schraubenlinie von unten nach oben gehe. Ist der sich drehende Gegenstand auf den Kopf gestellt oder schreitet eine Schraubenlinie von oben nach unten hin fort, so wird die Richtung umgekehrt und man muss diess z. B. absteigend- südöstliche oder absteigend-rechte Drehung und Wendung nennen. Es ver- steht sich, dass eine absteigend-südwestliche oder linke Schraubenbewegung eine Linie erzeugt, die man, wenn keine Bewegung daran sichtbar ist, als süd- östliche oder rechte bezeichnet. Ortsbewegungen der Pflanzenzellen und ihrer Theile (Strömungen). * Wenn wir von den Bewegungen der Atome und Molecüle absehen, so können die Ortsbewegungen,, die wir sonst an Pflanzen und ihren grössern und kleinern Theilen, also an festen und flüssigen Massen wahrnehmen, in 2 Kategorien ge- bracht werden. Die einen finden nur einmal statt; sie führen die Massen und Theile an die Stelle und in die Lage, welche sie fortan behaupten sollen. Sie sind vorzüglich der Ausdruck des Wachsthums, häufig auch der Fortpflanzung. Junge Blätter sind oft zusammengefaltet oder zusammengerollt; sie breiten sich nachher aus, indem ihre Theile gewisse Bewegungen ausführen. Die jungen Blät- ter sind an den Stammspitzen gedrängt beisammen. Sie rücken mit dem Wachs- thum der Stengelinternodien aus einander und verändern ihre relativen Stel- lungen. Der Pollenschlauch wächst durch den Griffelcanal in die Fruchtknoten- höhlung und durch den Keimmund bis zum Embryosack. Das Spermatozoon dringt in die Eizelle ein. Eine andere Kategorie von Ortsbewegungen zeichnet sich dadurch aus, dass die Theile nicht bloss einmal einen Weg zurücklegen, sondern dass sie entweder ihre Bewegung wiederholen oder wenigstens die durchlaufene Bahn wieder zu- rückgehen können. Ich will diese Bewegungen, im Gegensatz zu jenen ein- maligen, als wiederholte oder wiederkehrende bezeichnen. Die Blume öffnet und schliesst sich wieder ; sie thut diess einmal oder mehrmals. Das Laub- blatt begiebt sich jeden Abend in die Stellung des Schlafens, jeden Morgen in die Stellung des Wachens. Die Blätter der Sinnpflanze legen sich auf jeden Reiz zusammen. Die Blättchen von Desmodium gyrans sind fortwährend in alterniren- der Bewegung begriffen. Zwischen den einmaligen und den wiederkehrenden Ortsbewegungen findet ausserdem kein durchgreifender Unterschied statt. Die einmaligen Bewegungen *), In dem Vortrage über die Bewegung im Pflanzenreiche wurden betreffend das Verhal- ten der Zellen und des Zelleninhaltes einige Bemerkungen gemacht, die theils neu, theils den herrschenden Ansichten entgegen sind. Diess bestimmte mich, meine bisherigen Beobachtungen über diesen Gegenstand zusammenzustellen und hier zu veröffentlichen. eh sind zwar meistens so langsam, dass sie nicht direkt, selbst von dem bewaff- neten Auge, gesehen werden können, und dass sie nur aus dem Erfolge erschlos- sen werden. Indessen kann man in selteneren Fällen auch das Fortrücken selbst beobachten. Die wiederkehrenden Bewegungen dagegen geschehen häufig schnel- ler, so dass man sie unmittelbar wahrnimmt. Oft aber ist ihre Langsamkeit so gross, dass sie nur durch die stattgehabte Veränderung erkannt werden. In der Pfianzenphysiologie bezeichnet man als Bewegungen gewöhnlich nur die wieder- kehrenden und von den einmaligen diej enigen, welche wegen ihrer grössern Ge- schwindigkeit unmittelbar in die Augen fallen. Die Ortsbewegungen der Zellen und ihrer grössern Massentheile (nicht der Atome und Molecüle) sind ebenfalls einmalige oder wiederkehrende. Die ein- maligen sind vorzüglich Wachsthumsbewegungen,, und finden statt an Membran- theilen und ungelösten Inhaltspartieen. Dieselben führen die Theile dahin, wo sie für die Zukunft liegen bleiben, sie haben die endliche Anordnung zur Folge. Fixe Puncte der Membran wie Warzen, Fasern, Poren rücken aus einander. Das Protoplasma erfüllt die ganze Höhlung junger kleiner Zellen; es trennt sich im Innern durch Hohlräume, und zuletzt bildet es bloss ein dünnes Wandbeleg der gross gewordenen Zelle. Chlorophyllkörner und andere Inhaltstheile rücken aus einander. Andere einmalige Bewegungen finden bei der Fortpflanzung der Zellen statt. Die 2 oder 4 neuen Zellkerne (Letzteres z. B. in den Sporenmutterzellen von Anthoceros) rücken aus einander. Der Primordialschlauch faltet sich, behufs der Zellentheilung, ringförmig ein. Er trennt sich in einigen Fällen der Fort- pflanzung von der Membran los und contrahirt sich, um sogleich eine neue Zelle zu bilden, oder vorher als Schwärmer die alte Membran zu verlassen. Der In- halt wandert bei der Conjugation von einer Zelle in die andere oder in den Ver- bindungscanal. Zu den wiederkehrenden Ortsbewegungen der Zellentheile gehören die Schwingungen der Wimpern an Schwärmzellen, die Expansion und Contraction der Vacuolen von Gonium und Volvox, die Strömungen des Inhaltes und das Tanzen und Glitschen kleiner, unlöslicher Inhaltspartieen. Rotationsströmung der Characeen. Die Rotationsströmung, obgleich seit ihrer Entdeckungim Jahre 1772 durch Corti und 1807 durch 'Treviranus vielfach beobachtet und beschrieben, ist doch nur mangelhaft bekannt, sodass es immer noch an der Zeit ist, die Resultate einer Untersuchung, die ich im Jahre 1849 vorzugsweise an Nitella syncarpa an- stellte, mitzutheilen. Nach der wohl ziemlich allgemeinen Annahme, die namentlich auch durch die Beobachtungen von Göppert und Cohn (Bot. Zeit. 1849, pag. 697) befestigt worden ist, fliesst in den Charenzellen ein Strom von dickflüssigem Protoplasma, welcher Alles, was in demselben eingebettet ist, mit ziemlich gleicher Geschwin- digkeit fortführt, und welcher auch die im Innern befindliche Zellflüssigkeit er ee, sammt den darin schwimmenden Gebilden theilweise in eine langsamere Strömung von ungleicher Geschwindigkeit versetzt. Nach meiner Ansicht ist dadurch das Wesen der Strömung nicht ganz richtig bezeichnet. Verfolgen wir die Zellen von Nitella syncarpa von ihren frühesten Zuständen an, so finden wir dieselben anfänglich ganz mit einem verhältnissmässig grossen Zellenkern und mit Protoplasma gefüllt. Sowie die Zelle grösser wird, treten die bei der Entwicklungsgeschichte des Inhaltes gewöhnlichen Erscheinungen auf, nämlich zuerst die Bildung von Vacuolen, dann von einer mit wässeriger Zell- flüssigkeit gefüllten Höhlung, indem das Protoplasma ein schr dickes Wandbeleg bildet. In diesem Stadium verschwindet der Zellkern. Bald fängt das Proto- plasma an langsam zu rotiren; und es beginnt die Schicht von ruhenden Chloro- phyllkörnern allmälig sichtbar zu werden. Während die Zelle nun sich ver- grössert, nimmt das rotirende Plasmabeleg an Mächtigkeit ab. Seine Masse ver- mehrt sich zwar noch fortwährend, aber nicht in dem Maasse als die Oberfläche der Zelle zunimmt. Das strömende Protoplasma ist anfänglich ziemlich homogen, nachher wird es körnig, und zuletzt werden grössere Kugeln in demselben sichtbar. Diese Kugeln sind es namentlich, welche aus der zusammenhängenden Plasmamasse heraustre- ten und frei in der innern Zellflüssigkeit schwimmen. Die Zunahme des Proto- plasma findet nur in der ersten Hälfte der Lebensdauer statt; sie hört später auf. Dagegen dauert das Zerfallen des homogenen Protoplasma in Körner und Kugeln fort, sodass dasselbe zuletzt ganz verschwunden ist und frei schwimmende Kugeln und Körner an seine Stelle getreten sind. In dem diesem letzten Zustande vor- ausgehenden Stadium sieht man nicht mehr einen ununterbrochenen Plasma- strom, sondern einzelne isolirte, grössere und kleinere, auf der Wandung hin- gleitende Plasmamassen von verschiedener Gestalt neben jenen frei schwimmen- den Körpern. Die durch Zerfallen des Protoplasma entstehenden, in der Zelltlüssigkeit schwimmenden Gebilde sind in normalen Zellen dreierlei Art: 1) die gewöhn- lichen Schleimkörnchen oder Plasmakörnchen , 2) glatte und 3) stachelige Schleim- oder Plasmakügelchen. Die letztern beiden habe ich früher als Schleim- bläschen beschrieben (Zeitschrift für wiss. Bot. 1847, p. 107). Göppert und Cohn nannten die einen derselben Wimperkörperchen (Bot. Zeit. 1849, p. 686). Die andern bezeichneten sie als wasserhelle Bläschen, glaubten, dieselben seien mit wässeriger Flüssigkeit gefüllt, und verwechselten sie mit wirklichen, bloss aus einer soliden Membran bestehenden Blasen, die sich abnormal in den Zellen bilden. Die glatten Plasmakügelchen, die ich als Schleimbläschen beschrieb, und die meist in so grosser Menge in den Charenzellen rotiren, bestehen, wie ich schon 1847 angegeben habe, durch und durch aus Protoplasma, nicht aus wässe- riger Flüssigkeit, was namentlich auch ihre Veränderungen in Wasser darthun ; und meine Ansicht über ihre Bläschennatur gründete sich nur auf die Thatsache, dass unter gewissen Umständen eine äusserste differente Schicht unterschieden werden kann. Ze Ausserdem kommen ausnahmsweise noch andere Protoplasmagebilde in dem strömenden Inhalte vor; und zwar die nämlichen, die man auch künstlich her- vorbringen kann, indem man den normalen Inhalt durch Zerschneiden der Zelle in Wasser austreten lässt: 1) Glänzende weissliche, das Licht stark brechende Körperchen, meist stäbchenförmig und auf verschiedene Art gebogen, seltener stäbchenförmig - gerade oder biscuitförmig; dieselben liegen gewöhnlich jedes in einem zarten kugeligen oder ovalen Bläschen. Die nämlichen Formen ent- stehen aus den Plasmakügelchen durch Einwirkung des Wassers. 2) Aeusserst zarte, wasserhelle, kleine Bläschen von kugeliger bis länglich-ovaler Gestalt, deren Begrenzung man bloss durch die, ihrer Membran anhängenden winzigen Körnchen wahrnimmt. 3) Grössere und kleinere wasserhelle Blasen, welche ein Wimperkügelchen oder ein in der vorhin bezeichneten Weise verändertes Plas- makügelchen, seltener 2 oder gar 3 derselben einschliessen ; letztere sind immer wandständig. 4) Grössere und kleinere Kugeln, welche körniges Protoplasma und wasserhelle Flüssigkeit in verschiedenen Verhältnissen, ausserdem die 3 ebenge- nannten abnormalen, sowie die normalen Plasmagebilde enthalten können. Es ist hier nicht der Ort, auf die Ursachen dieser Erscheinungen einzugehen; ich ver- weise auf eine allgemeine Erörterung über die Veränderung der gelösten und ungelösten Proteinverbindungen durch Wasser, und überhaupt durch differente Flüssigkeiten ausserhalb und innerhalb der Zelle, in den Pflanzenphysiologischen Untersuchungen Heft I. p. 9 ff. Die allgemeinen Verhältnisse der Rotation in den Charenzellen sind bekannt. Die Strömung schlägt immer den längsten Weg in einer Zelle ein. Ist die Zelle scheibenförmig niedergedrückt, so geht sie rings um die Zelle, und die Strö- mungsebene schneidet die kurze Zellenachse unter einem rechten Winkel. Ist die Jıelle röhrenförmig verlängert, so läuft die Strömungsebene parallel mit der Zel- lenachse. Alle Inhaltstheile, die zusammen einen Strom bilden, beschreiben, von aussen geschen, genau parallele Bahnen, wie die Wassertheilchen in einem regel- mässigen Kanal in gerader Richtung und ohne Wirbel dahingleiten. Ausnahmen finden nur selten statt. Bei Nitella syncarpa und andern beobachtet man zuweilen Zellen, deren Membran späterhin stellenweise sich stark verdickt und dadurch zahlreiche Warzen bildet, welche in das Lumen hineinragen. Diese Warzen sind, von der Membranfläche angesehen, rundlich, bis 18 Mik. gross; von der Seite halb- rund oder länglich, geschichtet, bis 24 und 28 Mik. lang. Die an der Oberfläche strömenden Theile des Inhaltes weichen, wo sie auf eine solche vorspringende Warze treffen, rechts und links aus einander, und nähern sich wieder, wenn sie bei derselben vorbeigegangen sind. — Andere Hindernisse der regelmässigen Strömung werden zuweilen durch Anhäufungen des formlosen Inhaltes selbst, oder durch grössere Inhaltskugeln verursacht; es finden Stockungen, auch wohl Theilung der ganzen Rotation in zwei statt. Allein diese Erscheinungen sind immer abnormal und mit krankhaften Veränderungen des Inhaltes verbunden. So lange der Protoplasmainhalt noch ein ununterbrochenes Wandbeleg bil- det, so strömt dieses in seiner ganzen Dicke mit der nämlichen Geschwindigkeit. N Ob die wässrige Zellflüssigkeit im Innern in Ruhe oder in Bewegung sei, lässt sich, weil dieselbe wasserhell ist, nicht entscheiden. Sobald aber sich Plasma- kügelchen aus dem strömenden Wandbeleg aussondern , so dass sie in der Zell- flüssigkeit frei schwimmen, so bewegen sich dieselben auffallend langsamer als der continuirliche Plasmastrom , wie diess schon von Göppert und Cohn ange- geben worden ist. Wenn das Plasmabeleg später unterbrochen wird, und in ein- zelne mit ihrer breiten Fläche dem Chlorophyllbeleg anliegende Massen zerfällt, so zeigt jede derselben in ihrer ganzen Dicke ebenfalls die nämliche Geschwin- digkeit, während sie, mit einander verglichen, sich oft ungleich verhalten , und während namentlich die freischwimmenden Plasmagebilde sich mit sehr verschie- dener Schnelligkeit vorwärts bewegen. Das Verhalten dieser Letztern wird am besten in denjenigen Zellen , in denen das strömende Protoplasma ganz oder we- nigstens zum grössten Theil in Körnchen und Kügelchen zerfallen ist, studirt. Mit Ausnahme einer Flüssigkeitsschicht von bestimmter Mächtigkeit, welche als Indifferenzschicht bezeichnet wird, findet die Bewegung in allen Theilen des Lumens statt. Aber dieselbe ist um so langsamer je näher der Indifferenzschicht, um so schneller je näher der Oberfläche. Diess ist das Gesetz für die ungleiche Geschwindigkeit der freischwinmenden Gebilde in allen Charenzellen. Am leichtesten und sichersten lassen sich diese Verhältnisse in den langen röhrenför- migen Gliederzellen, und zwar an den Seitenflächen,, wo die Körper gerade und bei verschiedenen Abständen von der Oberfläche gleich lange Bahnen durch- laufen, beobachten. Wenn ein an der Oberfläche liegender Körper z. B. ,, Mill. in 3 Secunden zurücklegt, so braucht er in immer tieferen Flüssigkeitsschichten dazu 5, 7, 10, 15, 22 Secunden. Es findet also auf einem Radius des Quer- schnittes mit der Entfernung von der Oberfläche eine Abnahme der Schnelligkeit statt, bis in der Indifferenzschicht die Bewegung ganz aufhört. In nachstehender Figur A ist der Querschnitt einer röhrenförmigen Zelle, in Fig. B ein Theil des Längsschnittes bei 30maliger Vergrösserung dargestellt. m Membran, g Chlorophylibeleg im Profil; g--g’ das Chlorophyllbeleg auf der I; ES == ill Mm m Fe; 7 RR hintern Zellwand, durch einfache Schraffirung angedeutet. 2, i (oder g’—g’) die beiden Indifferenzstreifen, wo das Chlorophylibeleg mangelt. r—r Indifferenz- schicht oder ruhende Flüssigkeitsschicht. a, b, c, d, e, f in Fig. A sind Iso- tachyen, d. h. Linien des Querschnittes, auf denen die Strömung mit gleicher Schnelligkeit statt hat; in Fig. D sieht man sie im Längsschnitt; ‚f entspricht, nach g, der grössten, a der geringsten Geschwindigkeit. Dass die Körper im Inhalte der Charenzellen eine ungleiche Geschwindig- keit besitzen , ist längst schon von andern Beobachtern wahrgenommen worden. Es wird angegeben, die grössern Kügelchen bewegen sich langsamer als die kleinen, und es wird diess mit ihrer beträchtlichern Schwere in Zusammenhang gebracht. Das ist aber unrichtig; ein grosser und ein kleiner Körper strömen mit der gleichen Geschwindigkeit, wenn sie in gleicher Entfernung von der Ober- fläche sich befinden. — Göppert und Cohn glauben, dass in Nitella flexillis immer ein zusammenhängender oberflächlicher Strom von Protoplasma vorhanden sei, welcher die in ihm eingebetteten Körper mit gleicher Geschwindigkeit fortführe, und die innerhalb desselben befindliche Flüssigkeit sammt den darin schwimmen- den Gebilden in eine passive, aussen schnellere, innen langsamere Bewegung ver- setze. Ein solcher continuirlicher Plasmastrom ist indess in den ältern Röhren- zellen der Chara- und Nitella-Arten sicher nicht mehr vorhanden. Wenn man auch der unmittelbaren Beobachtung misstrauen wollte, da das Protoplasma weicher geworden und innerhalb des grünen Wandbeleges nicht mehr von der Zellflüssigkeit zu unterscheiden sein könnte, so giebt es doch andere Beweise. Die in Protoplasma eingebetteten Körper der jüngern Zellen bewegen sich mit gleicher Schnelligkeit und drehen sich nicht um ihre Achse. In den ältern Zel- len zeigen die Körper ungleiche Geschwindigkeit, wenn sie nicht genau in gleicher Entfernung von der Membran sich befinden; und man beobachtet oft sogar, dass von zwei unmittelbar an der Oberfläche befindlichen Körnern das eine das andere auf eine längere Strecke überholt. Man beobachtet ferner, dass ebenfalls die unmittelbar an der Oberfläche befindlichen Körner sich fortwährend überstürzen. Diese zwei Erscheinungen, die in den jüngern Zellen nicht vor- kommen, zeigen unwiderleglich, dass die Körner nicht mehr in Proto :lasma ein- gebettet sind, sondern in einer wässrigen Flüssigkeit frei schwimmen. An der Oberfläche selbst ist in der ganzen Breite der beiden Strömungs- seiten die Schnelligkeit in der Regel ziemlich dieselbe. In der Endzelle eines Quirlzweiges von Nitella syncarpa, die 7,5 Mill. lang und 0,135 Mill. dick war, strömten die unmittelbar an der Oberfläche befindlichen Inhaltstheile in der Mitte des Strömungsbandes mit einer Geschwindigkeit von 4,4 Secunden auf %, Mill. (bei g in Fig. A und DB), und diese Geschwindigkeit der oberflächlichsten Strö- nung blieb die gleiche bis auf einen Raum von 11 Mik. vor dem Indifferenzstrei- fen (g bis vor r'). Am Indifferenzstreifen selbst und jederseits bis auf 8 u. 9 Mik. von demselben mangelte die Bewegung gänzlich (r—r, r’—r’). Auf dem schmalen Längsstreifen von 2 bis 3 Mik. Breite (zwischen 8 und 11 Mik. von dem Indif- ferenzstreifen) fand der rasche Uebergang von der grössten Geschwindigkeit bis er: u une zu vollkommener Ruhe statt (bei r’ in Fig. A. und r in Fig. D). Hier strömen die Inhaltstheile nicht nur langsamer, sondern namentlich auch ungleichmässig. Das nämliche Körnchen geht bald langsamer, bald schneller, bald steht es für einige Zeit ganz still. Die Bewegungen geschehen hier meistens ruckweise. Indessen ist nicht immer die Geschwindigkeit an der ganzen Oberfläche der beiden Strömungsseiten die nämliche ; sie nimmt zuweilen von der Medianlinie (gin Fig. A und B) nach dem Indifferenzstreifen allmälig etwas ab, und hört dann an den Rändern (BD, r und A, r’) ebenfalls plötzlich auf. Dann zeigt also jeder Punct der Oberfläche eines Querschnittes durch die cylindrische Zelle (g bis r in B und g bis r’ in A) eine eigenthümliche Schnelligkeit der Strömung. Diese ist zwar nicht ganz constant, bleibt aber innerhalb bestimmter Grenzen. In einer Zelle von 44, Mill. Länge und % Mill. Durchmesser wurde genau in der Mitte der Strömungsseite (bei g) von den an der Oberfläche befindlichen, frei schwim- menden Inhaltsgebilden Y,, Mill. in 3.5, 4.5 und 6 Secunden durchlaufen. In der nämlichen Zelle wurde zu gleicher Zeit an dem Rande des Stromes und ebenfalls an der Oberfläche (nahe bei r’ in A) Y, Mill. in 9, 11, 13 und 16 Secunden zurück- gelegt. In der Medianlinie war also die peripherische Strömung 2'%mal schneller als nahe den Rändern. — Die Inhaltspartieen, welche die eben angegebene un- gleiche Geschwindigkeit an dem nämlichen Puncte zeigen, scheinen gleich nahe und zwar dicht an dem ruhenden Chlerophylibeleg sich zu befinden. Es bleibt ungewiss, ob die Differenz der Bewegung von einem der Beobachtung nicht zu- gänglichen, ungleichen Abstand von der Oberfläche oder von andern Ursachen herrühre ; Ersteres möchte wahrscheinlicher sein. An dem Rande selbst (zwischen der Indifferenzschicht und dem Circulations- strom) bewegten sich die Körnchen und Kügelchen ebenfalls mit sehr ungleicher Geschwindigkeit. Fixirte man ein einzelnes, so sah man dasselbe seinen Lauf beschleunigen, verlangsamen und zeitweise ganz stillstehen; die Beschleunigung und Verlangsamung der Bewegung fand häufiger ruckweise als allmälig statt. Ich bemerke dabei, dass die in Ruhe befindliche Indifferenzschicht der Flüssigkeit auch hier, wie immer, beträchtlich breiter war, als der farblose Indifferenzstrei- fen. In der ebengenannten, Y, Mill. dicken Zelle hatte der Indifferenzstreifen (€ oder ’—g in Fig. A und B) eine Breite von 7 bis 9 Mik.; die Indifferenz- schicht dagegen (r—r) von 28S—29 Mik. Letztere war 3- bis 4mal so breit als ersterer, und bedeckte jederseits noch 2 bis 3 Reihen von Chlorophyllkörnern. An dem Umfang von 600 Mik. nahm also jede Strömungsseite 271—272 Mik.- ein, oder °%, der ganzen Peripherie, während die ruhende Flüssigkeit jederseits beinahe Y,, der Peripherie occupirte. An dem farblosen Indifferenzstreifen befinden sich in der Regel keine In- haltsgebilde. Den Rändern des Chlorophylibeleges, soweit dieselben der Indif- ferenzschicht angehören (—r in B, g’—r’ in A), hängen bei Nitella syncarpa meistens kleine Oeltröpfchen an. Man sieht dieselben besonders deutlich, wenn ein Indifferenzstreifen genau zugekehrt ist, und man ist anfänglich geneigt anzu- nehmen, dass sie in Folge ihres geringern specifischen Gewichtes sich an die Nägeli, Beiträge. II. 5 ER en ‚ee Decke der Zellen emporgehoben haben, dass selbst vielleicht ihr Anstossen an die Zellwandung die Ursache ihrer Bewegungslosigkeit sei. Indess sieht man erstlich rechts und links davon Oeltröpfchen in gleicher Weise strömen, wie Plasmage- bilde; und ferner findet man neben dem abgekehrten (auf dem Grund der Zelle befindlichen) Indifferenzstreifen gleiche ruhende Oeltröpfchen auf den Rändern des Chlorophyllbeleges. Es scheint mir nicht wahrscheinlich, dass sie da, wo sie an der Wand befestigt sind, entstanden seien. Vielmehr möchte ich glauben, dass der Strom sie hergeführt und abgelagert hat. Man sieht, wie ich schon erwähnte, an der Grenze des letztern Körnchen und Oeltröpfchen,, welche bald stillstehen, bald sich bewegen; ein Beweis, dass die Strömung nicht genau die nämliche Ausdehnung in die Breite innehält, sondern von einem Augenblick auf den an- dern vorrücken und zurückgehen kann. Grössere Schwankungen mögen in län- gern Zeiträumen vor sich gehen, und daher eine Zone von angeschwemnten Körpern, wie an Fluss- und Meeresufern, bilden. Als allgemein gültig für die oberflächliche Strömung kann also ausgesagt werden, dass dieselbe an der ganzen Oberfläche der beiden Strömungsseiten die nämliche Geschwindigkeit besitzt oder nach den Rändern hin nur wenig abnimmt, und dass sie an dem Rande in einiger Entfernung vor dem Indifferenzstreifen ziemlich plötzlich aufhört. Von jedem oberflächlichen Punct der Strömungsseiten nimmt, wie ich vor- hin sagte, die Schnelligkeit der Bewegung auf seinem Radius nach der Indiffe- renzschicht hin ab. Eine natürliche Folge davon ist, dass alle frei schwimmenden Inhaltsgebilde sich um ihre Achse drehen; denn da ihre äussere Hälfte einer Schicht von grösserer Geschwindigkeit angehört als die innere, so muss ein Ueberstürzen erfolgen. Diess ist nun auch bei einiger Aufmerksamkeit leicht an den Wimperkügelchen und überhaupt an allen Inhaltsgebilden zu sehen, welche nicht eine kugelige Gestalt, glatte Oberfläche und homogene Substanz besitzen. In der Endzelle eines Quirlzweiges von Nitella syncarpa sah ich z. B. 14 Kugeln von 20 bis 30 Mik. Durchmesser, welche sich alle deutlich um ihre Achse drehten. Eine 20 Mik. grosse Kugel strömte abwechselnd mit der Geschwindigkeit von 16, 10 und 9 Secunden auf ‘/, Mill., und drehte sich dabei 1mal um ihre Achse, beziehungsweise in 9%, 8%, und 9% Secunden. Eine 29,4 Mik. grosse Kugel durchlief Y,, Mill. in 8 Secunden und machte in 14% Secunden eine Drehung. Einige andere Beobachtungen sind folgende: Durchmesser des Plasmakörpers 14Mik. |13,5Mik.| 9Mik.| 9Mik.| 9Mik. ‘Jo. Mill. wird durchlaufen in 9Sec. | 3,7Sec. |6,7Sec. |3,7Sec. |2,7Sec. Eine Drehung erfolgt in 120 Sec. 72Sec. | 24Sec. | 24Sec. | 96 Sec. Die sich um ihre Achse drehenden Inhaltstheile, von denen ich eben ge- sprochen habe, liegen ganz in dem einen oder andern Strom. Es versteht sich von selbst, dass die Drehung noch eher erfolgt, wenn die eine Seite eines Körpers in die Indifferenzschicht taucht, indess seine übrige Masse in einem Strom sich befindet, oder gar wenn grössere kugelige Inhaltsmassen zugleich von beiden ent- a en gegengesetzten Strömen bespült werden. So beobachtete ich in einer 0,45 Mill. langen und 0,083 Mill. dicken Zelle von Nitella hyalina, in welcher die ober- flächliche Strömung "/, Mill. in 2,1 Secunde zurücklegte und die ganze Umlaufs- zeit 23 Secunden betrug, eine kugelige 0,032 Mill. grosse Blase, welche zwischen beiden Strömen lag und sich in 8 bis 9 Secunden einmal um ihre Achse drehte, wobei sie bald von dem einen bald von dem andern Strome stärker erfasst und abwechselnd langsam vorwärts und rückwärts fortgezogen wurde. Dabei beobachtete ich eine andere Thatsache, die ich mir noch nicht erklären kann. In den beiden Strömen befanden sich viele frei schwimmende Inhalts- gebilde, welche natürlich mit grösserer Schnelligkeit sich vorwärts bewegten, als die eben genannte, zum Theil in der Indifferenzschicht und in dem entgegen- gesetzten Strome befindliche Blase. Wenn nun ein solcher frei schwimmender Körper (Körnchen, Kügelchen oder ein formloser Fetzen von Protoplasma) die Blase einholte und auf dieselbe stiess, so retardirte er, dicht an ihrer Oberfläche angekommen, plötzlich seinen Lauf; ebenso retardirte die Blase gleichzeitig ihre Drehung. Diess dauerte nur einen Augenblick; dann trat eine beschleunigte Be- wegung ein, indem die Blase mit dem nun an ihrer Oberfläche befindlichen Kör- per sich rascher drehte, bis dieser auf der andern Seite angelangt war. Nachher erfolgte wieder ein momentanes Retardiren oder Stillstehen von Blase und Kör- per, worauf letzterer mit seiner ursprünglichen Geschwindigkeit seinen Weg fortsetzte, und erstere fortfuhr, sich wie früher zu drehen. Diese Beobachtung wurde ganz in gleicher Weise öfter wiederholt. Unerklärlich ist mir dabei das zweimalige Anhalten, bei der Begegnung und bei der Trennung. Die Protoplasmagebilde sind spezifisch schwerer als die Zellflüssigkeit, in der sie schwimmen. Sie haben daher das Bestreben, sich an dem tiefsten Punct der Zelle anzulagern, und werden von diesem Bestreben nur durch die Strömung ab- gehalten. Die Schwere übt aber immer auf die Bahnen, welche namentlich die grössern Inhaltsgebilde durchlaufen, einen bedeutenden Einfluss aus und ruft ganz eigenthümliche Verhältnisse hervor. Ich will bloss den Fall behandeln, dass die cylindrische Zelle horizontal liegt, wie man sie gewöhnlich unter dem Micros- cop vor sich hat. Bekanntlich ist dieselbe mehr oder weniger um ihre Achse ge- dreht. Der Strom liegt also bald seitlich, bald an der zugekehrten, bald an der abgekehrten Fläche. Er beschreibt in einer 11—18 Mill. langen Cylinderzelle 1 bis 2 Umläufe. Um die Verhältnisse hier klar zu machen, wird es am zweckmässigsten sein, zuerst theoretisch zu betrachten, welche Erscheinungen in einfacheren Fällen erfolgen müssen. In einer kugeligen Zelle, deren Strömungszirkel senkrecht gestellt ist, werden alle beweglichen Theile des Inhaltes vermöge der Centrifugal- kraft die ganze Bahn in geringern oder grössern Abständen von der Peripherie beschreiben. Diejenigen, welche in die Indifferenzschicht (hier von der Form eines horizontalen Cylinders) gelangen, werden nicht in derselben bleiben, son- dern vermöge ihrer Schwere in den untern Strom fallen, und hier sich so weit senken, bis die zunehmende Schnelligkeit der Bewegung ihre Schwere über- 5* re Ar ee windet und sie mit dem Strom fortführt. Hat der Strömungszirkel einer kuge- ligen Zelle eine horizontale und der Indifferenzcylinder eine verticale Lage, so werden ebenfalls alle beweglichen Theile, welche nicht in der ruhenden Flüssig- keit liegen , vollständige Umläufe ausführen. Die Beobachtung der kurzen Kno- tenzellen in den Characeen bestätigt durchaus diese Voraussetzung. In einer nicht gedrehten cylindrischen Zelle mit abgerundeten Enden ist an der ganzen Seitenfläche die Centrifugalkraft null, weil hier die Bahnen gerade sind. Wenn dieselbe horizontal liegt, so werden daher alle strömenden Theile sich senken, wie die abgeschossene Kugel oder der geworfene Stein. Bei hori- zontaler Lage des Strömungszirkels und verticaler Stellung der Indifferenzschicht müssen nach und nach alle Inhaltstheile einerseits der strömenden, anderseits der ruhenden Flüssigkeit auf den Grund fallen, sodass die obere Seite des Cylin- ders nur Flüssigkeit, die untere nur Plasmakörper, theils in Bewegung, theils in Ruhe, enthält. Ist der Strömungszirkel senkrecht und die Indifferenzschicht ho- rızontal, so müssen bei hinreichender Länge der Zelle alle, aus eiweissartigen Substanzen bestehenden und frei schwimmenden Gebilde nach und nach in die ruhende Flüssigkeit und von da in den unteren Strom fallen, mit welchem sie an das Ende der Zelle zurückkehren. In diesem Zellenende werden alle Inhalts- theile vorbeigehen, während keine derselben an das andere Ende hin gelangen, welches nur Flüssigkeit enthält. Die Geschwindigkeit eines jeden Körpers ändert sich in einer solchen Zelle fortwährend, denn derselbe fällt, da die Strömungs- seiten horizontal liegen, fortwährend in tiefere Flüssigkeitsschichten, und zwar im obern Strome in solche, die weiter von der Oberfläche abstehen, im untern in solche, die mehr peripherisch liegen. Die Bewegung eines Körpers wird daher in dem obern Strom, mit welchem er sich von dem Zellenende entfernt, immer langsamer, bis ein Stillstand erfolgt, dann in dem untern Strom, mit dem er sich dem Ende nähert, immer schneller. Die langen röhrenförmigen Zellen der Characeen sind nun nie ungedreht; es treten daher auch nie oder nur schr selten die Verhältnisse, wie ich sie eben geschildert habe, rein hervor. Aber die nämlichen Wirkungen sind in den Mo- dificationen leicht erkennbar. Wegen der Drehung der Zellen ist die Bahn der sich bewegenden Körper nie gerade, sondern immer mehr oder weniger schrau- benförmig. Es macht sich daher auch bei jeder Lage der Zelle die Centrifugal- kraft geltend, welche bestrebt ist, die Theile an die Oberfläche der Zelle zu führen. Indessen ist dieselbe nicht immer und nicht überall im Stande, die Wir- kungen der Schwere zu überwinden. In der Regel sind es nur die in den ober- flächlichsten Flüssigkeitsschichten befindlichen Theile, welche in dem gleichen geringen Abstand von der Wandung beharren, und desswegen auch fortwährend die nämliche Geschwindigkeit zeigen. In allen übrigen Schichten des obern Stro- mes dagegen wird, da die Drehung der Zellen nur gering ist, und daher die Rich- tung der Strömung von der geraden Linie nicht sehr abweicht, bei horizontaler Lage der Zelle die Centrifugalkraft von der Schwerkraft übertroffen, und es sin- ken die Inhaltsgebilde fortwährend in tiefere Flüssigkeitsschichten und verlang- Er a samen desswegen ihre Bewegung. In dem untern Strom aber bemerkt man um- gekehrt eine Beschleunigung. Diese Erscheinung zeigen in manchen Charenzellen überhaupt alle grösseren Körper, indem nur die kleinern sich unmittelbar an der Oberfläche zu erhalten vermögen. In der horizontal liegenden gedrehten Röhrenzelle sieht man bekannt- lich den gleichen Strom in Folge der Drehung bald links, bald oben, bald rechts, bald unten. Fixirt man einen nicht unmittelbar an der Oberfläche liegenden Kör- per, am besten ein grösseres Kügelchen, so verlangsamt dasselbe, sowie der acro- petale (aufsteigende) Strom von der genau links- seitlichen Lage an die obere Seite der Röhre tritt, seine Bewegung, weil es, vermöge seiner Schwere, sich von der Wandung entfernt. Es geht dann immer langsamer bis der Strom an der rechten Seite der Zelle angelangt ist. Sowie derselbe nun an die untere Seite der Zelle tritt, so wird die Bewegung des Kügelchens wieder schneller, weil es, fortwäh- rend sinkend, sich nun der Wandung nähert; und die Beschleunigung der Bewe- gung dauert so lange, bis der Strom wieder an der linken Seite der Zelle angelangt ist. So hat also das Kügelchen eine stetig sich ändernde, bald schneller, bald langsamer werdende Bewegung. — Da die Zellen normal südöstlich (links im Sinne der Botaniker) gedreht sind, so befindet sich das Maximum der Geschwin- digkeit für solche grössere Körper des acropetalen (aufsteigenden) Stromes an denjenigen Stellen, wo derselbe genau links, das Minimum , wo er genau rechts liegt. Für den basipetalen (absteigenden) Strom hat man das Umgekehrte, näm- lich Minimum an der linken und Maximum an der rechten Seite. Um einige Beispiele zu erwähnen, so durchlief in einer Zelle von Nitella syncarpa, welche 10 Mill. lang und 0,36 Mill. dick und dabei einmal vollständig um ihre Achse gedreht war, ein 29 Mik. grosses Wimperkügelchen als Minimum der Schnelligkeit 10 Mik. in 98 Secunden und als Maximum 10 Mik. in 12'/, Se- cunden. Im acropetalen Strom bewegte dasselbe sich an der rechten Seite fast $mal langsamer als an der linken. Zwischen Maximum und Minimum wurde die Bewegung allmälıig hier beschleunigt, dort verlangsamt, und es wurden nach ein- ander für '),, Mill. Länge folgende Zeitmaasse gefunden: 12%, 15, 18, 22, 28, 36, 46, 59, 71, 81, 90, 98 Secunden. — In einer Stammzelle von Nitella syn- carpa, die 12 Mill. lang und “, Mill. dick war, durchlief ein glattes Plasma- kügelchen von 11,3 Mik. Durchmesser in dem obern (zugekehrten) Strom die unmittelbar auf einander folgenden Räume von Y, Mill. in 25, 19, 15, 12%, 10%, 9 und S Secunden; ein Wimperkügelchen ebenfalls von 11,3 Mik. Grösse in 19, 14%, 11, 8'% Secunden. In dem untern (abgekehrten) Strom der gleichen Zelle zeigte ein Plasmakügelchen von 13,5 Mik. Grösse an 5 gleichweit von einander abstehenden Stellen eine Geschwindigkeit von 7'%, 9, 11, 13, 15% Secunden auf /% Mill. — Ein anderes Stammglied von Nitella syncarpa von 13,5 Mill. Länge und 0,36 Mill. Dicke zeigte an der Oberfläche eine Strömungsgeschwindigkeit von 4 Secunden auf %,, Mill. Ein Wimperkügelchen von 32 Mik. Durchmesser durchlief in dem obern (zugekehrten) Strom die successiven Räume von ,, Mill. in 9, 9.7, 10 7, 12, 13.5, 15, 17, 20, ein anderes Wimperkügelchen von gleicher Grösse in 10, 11, 12, 13, 14.5, 16 Secunden, ein wasserhelles Bläschen von sehr geringem spezifischen Gewicht in 12, 12, 12.3, 12.3, 12.6, 13, 13.5 Secunden. Diess ist nicht die einzige beachtenswerthe Erscheinung. Bei einiger Auf- merksamkeit beobachtet man bald, dass diese grössern Körper, an denen man eine veränderliche Schnelligkeit wahrnimmt, nicht gleichmässig über die ganze Breite der Zellen vertheilt sind; sondern dass sie da, wo in der horizontal liegen- den Zelle die beiden Ströme über einander sich befinden, in dem einen Strom die rechte, in dem andern die linke Seite einnehmen. Da wo die Indifferenzschicht senkrecht steht und die beiden Ströme neben einander gesehen werden, bewegen sie sich alle, wie die verschiedenen Einstellungen des Focus zeigen, auf dem Grunde der Zelle in 2 entgegengesetzten Richtungen; sie mangeln in der obern (zugekehrten) Hälfte der Zelle gänzlich. — Nachstehende Figur giebt eine sche- a | matische Darstellung dieser Verhältnisse. Man sieht die cylindrische, horizontal liegende Röhrenzelle von oben. Die Indifferenzschicht ist schraffirt und als ge- drehte Wand dargestellt; in A, A, h hat sie eine horizontale, inv, v, v eine verticale Lage; der zugekehrte Rand ist hier stärker, der abgekehrte schwächer gehalten. «a ist die Bahn der grössern Körper des acropetalen, 5 des basipetalen Stroms; «a liegt in h, A’, h links, 5 dagegen rechts. In A, A befindet sich « über, b unter der Indifferenzschicht; in A’ ist es umgekehrt. *) — Der Grund dieser Erscheinungen ist einfach; die grössern und langsamer strömenden Körper fal- len, wo der bandförmige Strom eine verticale Lage annimmt (v, v, v), in den untern Theil desselben und bleiben, wenn derselbe zufolge der Drehung der Zelle horizontal wird, an derjenigen Seite, welche die untere war. Eine genauere Beobachtung zeigt aber nicht nur überhaupt, dass die grössern Inhaltskörper in dem zu- und abgekehrten Strom rechts und links liegen, und in jedem bloss un- gefähr die Hälfte der Zelle einnehmen, sondern oft bemerkt man auch deutlich, dass in der Mitte nur sehr wenige derselben sich befinden, und dass sie nach dem (rechten oder linken) Rande hin an Zahl zunehmen. Da die Zellen der Characeen normal südöstlich gedreht sind, so befinden sich in dem acropetalen Strom, da wo derselbe an der obern (dem Beobachter zugekehrten) sowie da wo er an der untern (abgekehrten) Zellseite liegt, die grössern Inhaltskörper immer links, in dem basipetalen Strom dagegen immer rechts. Durch längere Zimmerkultur erhielt ich an Nitella syncarpa hin und wieder Zellen mit südwestlicher Drehung; in denselben hatten die grössern In- *) Um sich diese Verhältnisse ganz klar zu machen, thut man am besten, in eine Glasröhre einen Streifen Papier von gleicher Breite zu bringen, der an beiden Enden etwas herausragt, und hier nach Belieben gedreht wird. Dieser Streifen bildet nun eine schraubenförmige Wand, und stellt die Indifferenzschicht dar, EL ZL TE ee haltskörper ihre rechts- und linksseitliche Lage gewechselt; die nach dem Scheitel der Zelle strömenden befanden sich an der rechten, die nach der Basis gehenden an der linken Seite der Zellen. — Es gelten diese Regeln natürlich nur für die Stellen, wo sie sich in Folge hinreichender Drehung der Zelle wirk- sam machen können. Sie gelten für die ganze Länge mit Ausnahme der bei- den Enden. Wenn hier die Ströme über einander liegen, so befinden sich bei normaler (südöstlicher) Drehung die grössern Inhaltskörper am Scheitel der Zelle, sowohl im obern als im untern Strom, auf der linken, in der Basis aber auf der rechten Seite der Zelle. Der Grund davon ist leicht einzuschen; im Scheitel langen sie mit dem acropetalen Strom in linksseitlicher Lage an, und be- halten bei Umwendung des Stromes diese Lage bei; im Grunde der Zelle dagegen führt der basipetale Strom die grössern Körper mit rechtsseitlicher Lage herbei. Bei der vorhin genannten Erscheinung gehen die grössern Plasmakörper langsamer, als die peripherische Strömung, und verändern zugleich ihre Ge- schwindigkeit, weil sie in der horizontal liegenden Zelle nach Maassgabe der Drehung sich bald von der Wandung entfernen, bald derselben wieder nähern. In andern Zellen, wo die Strömung langsamer, oder die Drehung und daher auch die Centrifugalkraft geringer ist, fallen die grössern Plasmakörper des obern (dem Auge des Beobachters zugekehrten) Stromes so tief, dass sie in die Indifferenzschicht gerathen, und durch diese in den untern Strom sinken. Man sieht solche Gebilde zuerst immer langsamer gehen, dann stille stehen, und nach einiger Zeit wieder sehr langsam, dann allmälig schneller, in entgegengesetzter Richtung fortrücken. So zeigte in einem Stammglied von Nitella syncarpa in dem obern (dem Auge zugekehrten) Strom ein glattes Plasmakügelchen von 9 Mik. Grösse eine successive Geschwindigkeit von 7, 8'%, 11, 15 Secunden auf %, Mill., stand nachher still und kehrte dann mit dem untern Strom zurück. In der nämlichen Zelle durchlief ein 11% Mik. grosses Kügelchen, nachdem es in den untern Strom gefallen war, die auf einander folgenden Räume von Y Mill. Länge in 19, 14, 9, 7, 5%, 4', Secunden. Ein Wimperkügelchen von 10 Mik. Durch- messer hatte in dem obern Strom eine Geschwindigkeit von 13, 15, 18, 22 Se- cunden für die auf einander folgenden Längen von ‘/, Mill., dann stand es 11 Secunden lang still, während welcher Zeit es durch die Indifferenzschicht in den untern Strom sank, und durchlief nun in umgekehrter Richtung die auf ein- ander folgenden Räume von % Mill. in 23, 17, 13, 9 Secunden. Diese Erschei- nung, dass in grössern Charenzellen Inhaltskörper aus dem obern Strom in den untern fallen, kommt sehr häufig vor, und kann fast als allgemein angegeben werden. Die frühere entgegengesetzte Behauptung *) lässt sich wohl nur dadurch *) »Als Gesetz kann man annehmen, dass bei den Charen die Partikelchen des einen Stro- mes nie in die Masse des entgegengesetzt verlaufenden Stromes unmittelbar übertreten, son- dern stets bis zu den Enden der Zellen verlaufen und daselbst umdrehen.« Meyen Pflanzen- physiologie II, 215. Dieser Ausspruch wurde von Andern wiederholt. Bar erklären, dass zwischen den vor dem Beobachter neben einander liegenden Strö- men ein Uebertritt nicht stattfindet, und die über einander verlaufenden Ströme keiner genauern Beobachtung unterworfen wurden. Aus der Thatsache, dass die grössern Inhaltskörper aus dem obern in den untern Strom fallen, folgt die fernere Thatsache, dass dieselben nicht den ganzen Umlauf um die Zelle machen und dessnahen auch nicht gleichmässig in derselben vertheilt sind. In jeder einzelnen Zelle ist aber die Erscheinung eigenthümlich modificirt, je nach der Art der relativen, durch die Drehung gegebenen Lage der Ströme. In einer Zelle z. B., die eine Vierteldrehung macht, und in welcher bei horizontaler Lage an dem einen Ende die beiden Ströme genau neben einander, an dem andern so über einander liegen, dass der obere nach diesem Ende hin geht, findet man immer an dem letztern Ende nur wenige oder auch gar keine grössern Körper. Sie nehmen von da bis zur Mitte an Zahl zu, und behalten dieses Maximum auf allen Punkten der andern Hälfte der Zelle. Denn viele machen bloss den halben Umlauf, und andere gehen mehr oder weniger weiter. — Bewegt sich aber in einer sonst ganz gleich sich verhaltenden Zelle von den beiden über einander liegenden Strömen der obere von dem Zellende weg, so trifft man an diesem Ende die grösste Menge der Körper, indem alle hier vorbei- gehen, während keine oder wenige in dasjenige Ende kommen, wo die beiden Ströme neben einander liegen. — In den beiden genannten Zellen gehen also alle Plasmakörper der Zelle an dem einen Ende vorüber: es strömen aber die grössern nur bis auf eine gewisse Entfernung von demselben weg, und die grössten bleiben oft in dessen Nähe gebannt, indem sie nach kurzer Fahrt mit dem obern Strome sofort immer wieder in den untern fallen und darin zurückkehren. Horizontale, röhrenförmige Zellen, die nicht gedreht sind, und in denen die Ströme über ein- ander liegen, verhalten sich ganz ebenso. Was längere und stärker gedrehte Zellen betrifft, so wiederholen sich an den Enden derselben die eben beschriebenen Erscheinungen. Es mögen die Ströme daselbst neben oder über einander liegen, so langen wenige oder keine der grös- sern Körper an dem Ende der Zellen selbst an, wenn die nach demselben hin- laufende Strömung an der obern (dem Beobachter zugekehrten) Seite der Zellen liegt. Es gehen dagegen, wenn diese Strömung an der untern Zellenseite befind- lich ist, viele der grössern Körper an dem Ende vorbei, und beschreiben hier einen kleinen partiellen Umlauf, indem sie nicht weit sich entfernen, um immer wieder zurückzukehren. Solche partielle Umläufe beobachtet man aber noch an einer oder an meh- reren Stellen der langen stärker gedrehten Zelle. Ueberall, wo zwei Ströme über einander liegen, fallen die grössern Körper aus dem obern in den untern Strom, gehen mit diesem zurück bis da, wo er in Folge der Drehung der obere geworden ist, um wieder in den erstern, hier untern Strom zu fallen. Es scheidet sich dadurch die Zelle in ideale Glieder, von denen abwechselnd das eine keine oder sehr wenige der grössern Körper zeigt, während in dem andern dieselben eine partielle Rotation ausführen. Die Knoten dieser Glieder sind die Stellen, wo die er are beiden Ströme über einander liegen. Die Glieder ohne grössere Inhaltskörper sind diejenigen, nach denen die obern Ströme der beiden angrenzenden Knoten convergiren, die Glieder mit partieller Rotation dagegen diejenigen , von denen die obern Ströme der anliegenden Knoten sich abwenden. Nachstehende schematische Figur zeigt eine horizontale, röhrenförmige Zelle, von der Seite (nicht von oben) angesehen. Die Indifferenzschicht ist als schraf- firte Wand dargestellt, sie macht fast 2% Umläufe, und hat in h, h’ und h”’ eine horizontale, in v, v’ und v” eine verticale Lage. a—b und «—b’ sind 2 partielle Rotationssysteme von grössern Körpern. Der acropetale Strom a und a’ liegt in v hinter, der basipetale Strom b und b’ vor der senkrecht stehenden Indifferenz- schicht. Die Körper fallen in A’ aus dem basipetalen in den acropetalen, in Ah aus dem acropetalen wieder in den basipetalen Strom. v’ sind Stellen, wo die Indifferenzschicht senkrecht steht und wo keine grössern Körper vorbeigehen ; auch an dem Ende v” mangeln dieselben gänzlich. In dem andern Ende bei h” befindet sich dagegen eine kleine partielle Rotation von grössern Körpern. Ich habe früher gesagt, dass die grössern Plasmagebilde, wenn sie den gan- zen Umlauf um die Zelle machen, da, wo die Indifferenzschicht horizontal und die beiden Ströme über einander liegen, nicht in der ganzen Breite der Zelle gefun- den werden, sondern dass in der auf normale Art südöstlich gedrehten Zelle der acropetale Strom dieselben immer links, der basipetale dagegen rechts zeigt. Die gleiche Ursache wirkt auch bei den eben erwähnten partiellen Rotationssystemen. Dieselben haben, wenn man die horizontal liegende Zelle von oben ansieht, alle eine schiefe Stellung; ihr nach der Basis der Zelle gerichtetes Ende, wo die Körper aus dem basipetalen Strom in den acropetalen sinken, liegt auf der rechten Seite, das nach dem Scheitel gekehrte Ende, wo die Körper aus dem acropetalen in den basipetalen Strom fallen, auf der linken Seite der Zelle. Wie ich wiederholt sagte, sind es die grössern Inhaltskörper, an denen man das Hinabsinken in den untern Strom beobachtet. Es ist diess aus zwei Gründen begreiflich. Erstlich ist bei gleicher Dichtigkeit an grössern Körpern der Inhalt im Verhältniss zur Oberfläche beträchtlicher, als an kleinern, also die Schwere ver- hältnissmässig beträchtlicher als der Reibungswiderstand der Zellflüssigkeit; jene nimmt mit der dritten, dieser mit der zweiten Potenz des Durchmessers zu. Ferner kann ein grösserer Körper, auch wenn er dicht an der Oberfläche sich befindet, nie die grösste Geschwindigkeit eines kleineren erreichen , weil nur seine äussere Partie mit der gleichen Kraft, seine innere Partie aber mit einer geringern Kraft bewegt wird, als die ganze Masse des kleinern. Daher wird die Centrifugalkraft dem Sinken des grössern Körpers einen geringern Widerstand entgegensetzen, als dem des kleinern. Man kann oft sehr deutlich sehen, dass von mehrern Kör- ER u pern immer die grössern zuerst in den untern Strom fallen, und dass daher ihre Umlaufsbahnen kleiner sind, als diejenigen der kleinern Körper. In der Endzelle eines Quirlzweiges von Nitella syncarpa befanden sich 17 Kugeln; die kleinsten hatten einen Durchmesser von 23—27 Mik., die grösste von 43 Mik. Alle blieben in dem Scheitelende der Zelle und zwar auf der linken Seite derselben, indem sie in geringer Entfernung vom Scheitel immer wieder aus dem basipetalen in den acropetalen Strom sanken. Die grösste Kugel entfernte sich bald bis auf 0,13, bald bis auf 0,23 Mill., die kleinsten bis auf 0,52 und 0,62 Mill. vom Scheitel, die mittlern auf mittlere Entfernungen. Der ganze Rotationsceyclus der 17 Ku- geln betrug demnach von 0,45 und 0,63 bis 1,2 und 1,4 Mill. und zwar zeigte sich derselbe für jede Kugel um so kleiner, je grösser sie war. Aus den bisher mitgetheilten Thatsachen geht unzweifelhaft hervor, dass die bewegende Ursache in der Wandung der Charenzellen und nicht in den sich bewegenden Inhaltstheilen ihren Sitz hat. Ich habe vor langer Zeit zuerst darauf hingewiesen, dass die eiweissartigen Verbindungen eine besondere Beziehung zu den Bewegungen in der Pflanzenzelle besitzen; und man scheint jetzt ziemlich allgemein geneigt, dieselben als eine dem Protoplasma eigenthümliche Erschei- nung aufzufassen. Wurde ja letzteres selbst mit der thierischen Sarcode paralle- lisirt. Ohne hier unbedingt beizustimmen, möchte ich doch auch nicht unbedingt widersprechen. Aber wir dürfen von den fadenartigen Strömungen, wo uns die Bewegung des Protoplasma als selbstständig erscheint (von dem Beweise sind wir freilich noch weit entfernt), nicht einen Schluss auf die Rotation in den Charen machen. Wir dürfen nicht aus der unvollständiger erkannten und dunkleren Erscheinung die offener daliegende beurtheilen und erklären wollen. Dass in den Charenzellen die strömenden Protoplasmagebilde sich nicht selbstständig be- wegen, ergibt sich aus dem Umstande, dass ihre schnellere oder langsamere Bewegung lediglich durch die Entfernung von der Wandung bedingt wird, und dass sie bei einem Abstande, wo die Wirkung der Wandung aufhört, zur Ruhe gelangen. Ein zweiter Beweis, dass die Bewegungsursache nicht in dem strömen- den Protoplasma ihren Sitz hat, ergibt sich aus der fernern Thatsache, dass frei schwimmende Fetttröpfchen sich vollkommen gleich verhalten wie die Plasma- körner. An der Oberfläche strömen sie mit der gleichen Schnelligkeit wie diese ; sie zeigen namentlich auch an der Grenze zwischen der oberflächlichen Strömung und der Indifferenzschicht jene bald retardirte, bald beschleunigte, unregelmäs- sige und ruckweise Bewegung wie die Plasmagebilde. Beides gestattet nicht etwa die Erklärung, dass die letzteren durch ihre Bewegung die Zellflüssigkeit in Strömung versetzen, und dass diese die Fetttröpfehen mechanisch mit sich fort- führen. Wenn es nun sicher ist, dass die bewegende Kraft ihren Sitz in der Wan- dung hat, so ist eine zweite Frage, ob dieselbe nur auf die ungelösten Inhalts- partieen oder auch in gleicher Weise auf die Zellflüssigkeit selbst wirke. Diese Frage kann natürlich nicht durch directe Beobachtung entschieden werden, weil die Bewegung einer in einer Röhre eingeschlossenen und dieselbe erfüllenden Flüssigkeit nur aus den suspendirten, festen Theilchen sich erschliessen lässt. — Zum Voraus ist sicher, dass der wässerige Zellsaft nicht in Ruhe sich befindet; denn wenn er auch nicht unmittelbar von der Bewegungsursache affızirt werden sollte, so müsste er doch jedenfalls von den strömenden festen Theilchen eben- falls in strömende Bewegung versetzt werden. Wir haben also zwei Möglich- keiten. Entweder wirkt die bewegende Kraft der Wandung in gleicher Weise auf die Wassertheilchen und die gelösten Stoffe, wie auf die in denselben schwim- menden Substanzen, dann haben alle annähernd dieselbe Geschwindigkeit bei gleichem Abstand von der Oberfläche. Oder die Flüssigkeit wird bloss von den festen Substanzen mit fortgezogen, dann muss sie bei gleichem Abstand von der Oberfläche immer langsamer strömen, als die sie bewegenden Körper. Ich glaube nicht, dass diese Frage jetzt schon mit Sicherheit sich entscheiden lässt, obgleich ich das Erstere für viel wahrscheinlicher halte. Wenn das Wasser nicht von der bewegenden Kraft affizirt würde, so liesse sich das nur durch die chemische Be- schaffenheit erklären, und es wäre sogleich plausibel, wenn überhaupt etwa nur eiweissartige Stoffe die Reaction unmittelbar empfänden. Da aber, wie ich vor- hin zeigte, die Fetttröpfchen in dieser Beziehung sich wie die Plasmagebilde ver- halten, so ist nicht denkbar, dass die chemische Verschiedenheit mehr als einen relativen Unterschied bedinge; sondern es muss vielmehr angenommen werden, dass die Bewegungsursache auf alle Verbindungen wirke, nur etwa mit ungleicher Stärke. Die bewegende Kraft der Wandung hat ihren Sitz nicht in der Zellmem- bran, sondern in der ruhenden Wandschicht des Inhaltes (Primordialschlauch und anhängendem Protoplasma). Denn wenn in einer Zelle der Primordial- schlauch durch schwache Zuckerlösung contrahirt und von der Zellmembran ab- gelöst wird, so dauert die Strömung fort, aber sie wird etwas langsamer. Ich habe im Herbst 1849 eine grössere Reihe von Beobachtungen und Messungen über die Strömung in solchen durch Diosmose veränderten Zellen von Nitella syncarpa und N. hyalina gemacht. Allein die Unregelmässigkeit der Gestalt, in welcher die contrahirten Primordialschläuche immer auftreten, erlaubte schliess- lich nicht, den Modificationen, welche die Strömung erfährt, einen genauen ma- thematischen Ausdruck zu geben. Ich kann bloss im Allgemeinen Folgendes aussagen: Wennder Primordialschlauch sich von der Zellmembran losgelöst hat, was an den Quirlzweigen in der Regel am Scheitel beginnt und dann häufig zu- nächst an der äussern Seite sich fortsetzt, so ist die Strömung merklich lang- samer geworden. Indessen ist die Verlangsamung sehr ungleich, bald gering, bald beträchtlich. Es gibt Zellen, wo die oberflächliche Strömung von 3 Secun- den für ‘/,, Mill. bloss auf 4, andere, wo sie von 3 Secunden auf 14 sich verlang- samt. Diess ist indess begreiflich, da die Zellen ungleich grosse Mengen von festem Inhalt und ungleich geformte Inhaltstheile einschliessen, und da die Wir- kung der Exosmose darin besteht, das Lumen der Primordialschläuche beträchtlich zu verkleinern und ihre Gestalt und Oberfläche zu verändern. Die Strömungs- hemmungen müssen sich daher in den verschiedenen Zellen in sehr ungleichem Saba, Maasse steigern. — Eine andere Folge der Verengerung der Zellhöhlung ist die, dass ein Theil des strömenden Inhaltes zur Ruhe gelangt. Dabei theilt sich der ganze Umlauf zuweilen in 2oder 3 Rotationen. Je länger die Wirkung der Exosmose fort- dauert, in desto geringerer Zahl und desto langsamerer Bewegung findet man die frei schwimmenden, strömenden Plasmagebilde. Die übrigen sind mit der ruhen- den Wandschicht zusammengeflossen. Zuletzt hört die Bewegung ganz auf. — Wenn in einem frühern Stadium, nachdem die Exosmose den contrahirten Pri- mordialschlauch zwar ganz freigelegt, aber noch nicht zu grosse Veränderungen in der Formbildung des strömenden Inhaltes verursacht hat, die Zelle von neuem in Wasser gebracht wird, so dehnt sich der Primordialschlauch wieder aus, legt sich an die Zellmembran an, und der Inhalt zeigt oft wieder ganz die nämlichen Strömungsverhältnisse, auch die gleiche Geschwindigkeit, wie ursprünglich. Wie wirkt die bewegende Kraft der Wandung? Es ist diess eine Frage, die sich bloss andeuten, nicht beantworten lässt. Es gibt von vornherein zwei Mög- lichkeiten; entweder sie wirkt (sei es durch Zug, sei es durch Stoss) bloss in der Richtung der Tangente, oder zugleich auch (durch Attraction) in der Richtung des Radius. Im ersteren Falle wäre es allein die Centrifugalkraft, welche die Plasmagebilde an der Decke einer liegenden Zelle erhielte und sie verhinderte, dem Zuge der Schwerkraft zu folgen. Im zweiten Falle würde die Wandung nicht bloss in der Richtung des Stromes bewegend wirken, sondern auch den In- halt anziehen, und zwar das Protoplasma und die Inhaltskörper mehr als die Zell- flüssigkeit. Die ziehende Kraft würde somit nicht in der Richtung der Tangente, sondern im Sinne einer resultirenden unter irgend einem spitzen Winkel gegen die Oberfläche wirksam sein. Es muss schon die genaue Kenntniss der Bewegung hinreichen, um diese Frage zu lösen. Aus der Schnelligkeit der Bewegung, aus dem Krümmungshalbmesser derselben (der wegen der Drehung der röhrenförmi- gen Zellen nie unendlich gross werden kann) und aus der Geschwindigkeit, mit welcher sich ein frei schwimmender Körper von der Wandung entfernt oder der- selben nähert, muss sich ergeben, ob die Centrifugalkraft ausreicht, oder ob noch eine Attraction der Wandung hirzukommen muss. Meine Messungen und Be- rechnungen machen das Erstere wahrscheinlich, doch fehlt ihnen noch die’hin- reichende Genauigkeit, um den Satz mit voller Bestimmtheit aussprechen zu können. Es bieten sich überhaupt noch verschiedene mechanische Probleme, betref- fend die Bewegung in den Charenzellen, dar, die aber alle mit den nämlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, nämlich mit der Schwierigkeit, die Entfer- nung eines Körpers von der Membran (auf seinem Radius gemessen), sein spezi- fisches Gewicht und die Dichtigkeit der Zellflüssigkeit zu bestimmen. Welches ist die Natur der bewegenden Kraft? Diese Frage liegt unserer Einsicht noch ferner, als die nach deren Wirkungsweise, wenn auch über die Reaction verschiedener Agentien manche schätzenswerthe Thatsache bekannt ist. Die Zelle aber ist ein so complicirter Organismus, dass es immer zweifelhaft bleibt, in welcher Weise das Agens auf die bewegende Kraft vermittelt wurde. De re Es ist bekannt, dass die Rotation in der Kälte langsamer, in der Wärme schneller wird. Dutrochet fand bei Nitella flexilis, dass die Beschleunigung nur bis zu 27°C. gehe; eine höhere Temperatur retardire die Bewegung, doch erhole sie sich nach und nach wieder zur gewöhnlichen Schnelligkeit. In einem Wasser von 45° C. werden die Pflanzen augenblicklich getödtet. Das Nämliche bewirke eine Kälte von — 2 bis — 5° C., wie schon Corti beobachtete. Um bezügliche Beobachtungen anstellen zu können, liess ich mir eine Vor- richtung machen, welche es ermöglichte, auf die gleiche Charenzelle unter dem Microscop beliebige Temperaturgrade einwirken zu lassen. Ich theile eine dieser Beobachtungsreihen mit. Die Endzelle eines Blattes von Nitella syncarpa zeigte bei 10°C. eine Schnelligkeit von 8 Secunden auf '/, Mill. Die Temperatur wurde plötzlich auf 1%,° und dann allmälig auf 0 ermässigt. Bei 1%,” wurde der Raum von ',, Mill. von der oberflächlichen Strömung in 53, bei 1° in 62, bei %,,° in 83 Secunden durchlaufen. Gegen 0 stand die Bewegung ganz still. Als nun die Temperatur allmälig gesteigert wurde, so ergaben sich folgende Messun- gen: *,. Mill. wurde von den an der Oberfläche befindlichen Inhaltsgebilden durchlaufen: bei 1° in 60, bei 2° in 47, bei 31," ın 33, bei 5° ın 24, bei 6° in 19, bei 7° in 15, bei 8° in 11,5, bei 9° m 9,5, bei 10° in 8, bei 11° in 7, bei 12° in 6,4, bei 14° in 5,4, bei 15° in 5, bei 16° in 4,6, bei 17° im 4,3, bei 18° in 4, bei 19° in 3,8, bei 20° in 3,6, bei 22° in 3,2, bei 24°in 2,8, bei 26° in 2,4, bei 28° in 2, bei 31° in 1,5, bei 34° im 1, bei 37° in 0,6 Secunden, Sowie die Temperatur etwas höher stieg, hörte die Bewegung plötzlich auf. Als sie wie- der sank, so begann die Rotation erst langsam, wurde aber immer schneller und erreichte bald die, der nunmehrigen Temperatur zukommende Geschwindigkeit. Die mitgetheilten Zahlen sind Durchschnittswerthe aus mehreren Messungen. Sie sollen bloss im Allgemeinen ein Bild der Zunahme der Geschwindigkeit bei Stei- gerung der Temperatur geben, und machen durchaus nicht Anspruch darauf, eine mathematisch richtige Progression darzustellen. Wenn auch die Schwierigkeit der genauen Messung besonders bei schneller Rotation nicht in Anschlag gebracht wird, so ist es doch beinahe unmöglich, jedesmal Inhaltskörper zu beobachten, welche genau die gleiche Entfernung von der Oberfläche zeigen. Wird aber die Bewegung eines Korns gemessen, das nur wenig tiefer liegt, als ein früher beobachtetes, so kann die höhere Temperatur leicht eine langsamere Bewegung, als die frühere niedrigere Temperatur ergeben. Ich unterlasse es daher, andere Messungen mitzutheilen. Es wäre ohne Zweifel von Wichtigkeit, wenn das Ver- hältniss der Geschwindigkeitszunahme für jeden Grad Temperaturerhöhung fest- gestellt werden könnte. Im Allgemeinen lässt sich jetzt schon aussagen, dass von 1%, bis zu 37° die Zunahme der Geschwindigkeit für jeden folgenden Grad einen kleinern Werth darstellt. Aber es ist mir noch zweifelhaft, ob es möglich sei, die hinreichend ’genauen Daten für die Feststellung der mathematischen Progression zu erhalten. Die Wärme kann auf verschiedene Weise zur Beschleunigung einer Bewe- gung wirken. In den Charenzellen geschieht es ohne Zweifel so, dass durch sie der ni ey ehe Lebensprocess gesteigert wird. Nun ist bekannt, dass mit Erhöhung der Tempe-. ratur bis auf einen gewissen Punct die verschiedenen pflanzlichen Verrichtungen lebhafter von statten gehen. Es ergibt sich daher die weitere Frage, welches die Processe in der Pflanze sind, durch deren Steigerung die Rotation beschleunigt wird. Zur Beleuchtung dieser Frage kann das Verhalten des Lichtes einen An- haltspunet geben. Alle chemischen Veränderungen in der Pflanze lassen sich in zwei natürliche Gruppen scheiden, in eine auf- und eine absteigende Reihe; jene, die man auch die oxydirende nennen kann, erzeugt die organischen aus den un- organischen Stoffen und bildet sie zu complicirteren Verbindungen um; sie hat, wenigstens für die eigentlichen Desoxydationsprocesse, die Einwirkung des Lichtes nöthig. Die absteigende Reihe die man auch als die desoxydirende bezeichnen kann, die mit der Rückbildung der complicirten organischen Verbindungen beginnt und mit der gänzlichen Zersetzung endigt, geht in vollständiger Dunkel- heit wie im Lichte vor sich. Ueber den Einfluss des Lichtes sind die verschiedensten Ansichten aus- gesprochen worden. Nach Dutrochet ist derselbe für die Circulation unum- gänglich nöthig; indess Meyen behauptet, er »habe Charenpflanzen mehrere Monate lang in einem dunkeln Raume genau bedeckt stehen lassen, aber bei einer Temperatur von 7—8°R. noch immer ebenso lebhafte Bewegungen be- merkt, als eben dieselben Pflanzen im Sommer und bei einer höhern Temperatur zeigten.« Letzteres erscheint mir unmöglich, und ich stimme mit Dutrochet überein, dass in Charen, welche längere Zeit an einem finstern Orte gehalten wer- den, die Circulation langsamer wird und zuletzt. ganz aufhört. Diess geschieht, weil unter solchen Verhältnissen die Pflanze leidet und abstirbt; es beweist aber durchaus nicht, dass die Bewegung unter dem Einfluss des Lichtes stehe. Man überzeugt sich leicht davon, dass die Bewegung an einer vegetirenden Pflanze in der Dunkelheit vor sich geht wie im Licht. Am besten bringt man ein Präparat unter das Microscop und wartet so lange, bis in der vorliegenden Zelle die Bewegung ihre, der herrschenden Temperatur entsprechende Geschwin- digkeit erlangt hat. Dann bedeckt man das Microscop mit einem dunkeln Ka. sten, lässt es während ,, ', oder einer Stunde bedeckt, und beobachtet dann in dem Moment, in welchem man den Kasten wegnimmt, die Rotation. Oder man lässt ein am Tage gemachtes Präparat bei Eintritt der Nacht unter dem Microscop, und untersucht, nachdem dasselbe einige Stunden im dunkeln Zimmer gestanden hat, die Bewegung bei Lampenbeleuchtung. Solche Untersuchungen zeigen, dass die Geschwindigkeit mit und ohne Licht die nämliche ist, und dass dasselbe somit keinen directen Einfluss auf die Circulation ausübt. Indessen ist es eine häufig zu beobachtende Erscheinung, dass ein eben an- gefertigtes Präparat unter dem Microscop, wo es nun auch einer stärkern Beleuch- tung ausgesetzt ist, eine Zeit lang seine Rotationsbewegung beschleunigt, und dann die erlangte Schnelligkeit beibehält; ferner dass ein schon länger bei diffu- sem Licht unter dem Microscop befindliches Präparat, auf das man directes Son- nenlicht einwirken lässt, ebenfalls seine Rotationsgeschwindigkeit steigert. Man De a u darf hier aber nicht dem ersten Eindruck folgen, und die Beschleunigung für eine Folge des Lichteinflusses halten. Sie lässt sich ebensowohl erklären durch eine Erwärmung, welche die dünne Wasserschicht des frischen Präparates ge- wöhnlich durch die Lufttemperatur, und das ältere Präparat durch die Sonnen- strahlen erfährt. Dass die calorischen Strahlen des Lichtes wie die Wärmestrah- len selbst wirken, ist begreiflich. Ob die chemischen Strahlen des Lichtes eben- falls einen Einfluss ausüben, bleibt dagegen zweifelhaft; jedenfalls kann er nicht bedeutend sein. Es schien mir besonders wichtig, auszumitteln, ob die chemische Thätigkeit des Lichtes, welche sich in der Aushauchung von Sauerstoffgas kundgibt, in irgend einer Beziehung zur Oirculationsbewegung stehe. Es wurden erstlich zu wiederholten Malen gleichzeitig mehrere Präparate von Nitella syncarpa angefer- tigt, und die Strömungsgeschwindigkeit beobachtet; dann die einen unter dem Einflusse des Lichtes gelassen, die andern beschattet. An den erstern zeigte sich oft Ausscheidung von Sauerstoff. Aber ob eine Zelle keinen Sauerstoff aus- hauchte, ob sie davon wenig oder viel austreten liess; die Schnelligkeit der Ro- tation wurde dadurch nicht geändert. — Es wurden ferner gleichzeitig von der nämlichen Pflanze mehrere Zellen, die einen in fettes Oel, die andern in Wasser gelegt. Bei jenen unterblieb die Ausscheidung von Gas immer vollständig; die Strömung zeigte indess keine Verschiedenheit in Vergleichung mit den Präpa- raten in Wasser, es mochten dieselben beschattet oder beleuchtet sein. — Es wurde endlich die gleiche Zelle, welche früher in Wasser gelegen und Sauerstoff ausgeschieden hatte und deren Strömungsgeschwindigkeit bestimmt worden war, unmittelbar nachher in fettes Oel gebracht und die Gasbildung dadurch unter- brochen. Die Circulation zeigte keine Veränderung. Wenn ein Charenzweig in fettes Oel gelegt wird, so ändert sich die Schnel- ligkeit der Strömung zunächst nicht. Sie kann sogar noch während einiger Zeit eine Steigerung zeigen, wenn damit eine Temperaturerhöhung verbunden ist. Indessen tritt früher oder später, oft erst nach einigen Stunden, eine merkliche Verlangsamung und zuletzt vollständiger Stillstand ein. Die Zelle stirbt aber zu- gleich ab. — Die gleiche Beobachtung macht man auch, wenn man Charenzellen in verdünnte Zuckerlösung legt. Die nächste Folge ist oft eine Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit bis zu dem Zeitpunct, wo die Wirkungen der Exos- mose beginnen. Dann tritt Verlangsamung ein und nimmt immer mehr überhand, bis Ruhe und Tod erfolgen. So wurde ein Zweig von Nitella syncarpa in 10pro- zentige Zuckerlösung gebracht. In dem ersten Augenblick wurde der Raum von Y. Mill. in S Secunden durchlaufen, und 7 Minuten später, nachdem sich die Zelle von der mechanischen Erschütterung bei der Präparation erholt, und die Temperatur der Luft angenommen hatte, in 4 Secunden. Von da an wurde die Circulation während 4 Stunden allmälig schneller, was durch eine entsprechende Wärmezunahme sich erklärte, so dass zuletzt, bei 15° C., %, Mill. in 2%, Secun- den zurückgelegt wurde. Nun begann die Wirkung der Exosmose; der Primor- dialschlauch löste sich stellenweise von der Membran ab; und S Minuten nach- BEE REES dem die Strömungsgeschwindigkeit noch 2,5 Secunden auf '/, Mill. betragen, hatte sie schon so sehr abgenommen, dass der gleiche Raum in 5,8 Secunden durchlaufen wurde. Als Resultat lässt sich Folgendes aussprechen: Das Licht hat keinen erheb- lichen directen Einfluss auf die Circulation der Characeen, insofern es nicht durch die calorischen Strahlen eine Temperaturerhöhung bewirkt. Namentlich sind die Assimilations- oder Desoxydationsprocesse, welche durch das Licht be- dingt werden, ganz ohne Beziehung zu der Bewegung. Das Licht und die unter seiner Einwirkung stehende Assimilation hat nur insofern Einfluss auf die Cir- culation, als die Pflanze, die längere Zeit dem Lichte entzogen wird, leidet und zuletzt stirbt. Wenn daher die Wärme durch Steigerung des Lebensprocesses die Bewegung beschleunigt, so kann es nur durch solche Vorgänge geschehen, welche das Licht nicht nothwendig haben, wahrscheinlich durch Processe der Rückbil- dung, vielleicht der Verbrennung. Man hat die bewegende Ursache der Strömung in den Chlorophylikörnern des Wandbeleges zu finden geglaubt, und diese mit den Elementen der galvani- schen Batterie verglichen. Die Unrichtigkeit dieser Ansicht ist längstens durch die Bemerkung widerlegt, dass in Charen und in andern Pflanzen die Circulation auch ohne jenes Chlorophylibeleg statt finden kann. Allein eine innige Beziehung zwischen der Formation desselben und der Strömung ist gleichwohl vorhanden. Die Chlorophylischicht ist bekanntlich in zwei Platten getrennt, welche genau dem acropetalen und basipetalen Strom entsprechen. Mit der Drehung der Zelle und der grünen Platten dreht sich ganz gleichmässig auch die Strömung. Der freie weisse Raum zwischen den grünen Platten (der Indifferenzstreifen) trifft im- mer mitten auf die in Ruhe befindliche Flüssigkeitsschicht zwischen den beiden Strömen (Indifferenzschicht). Die Chlorophylikörner sind in Längsreihen geord- net, und diese Reihen sind mit der Strömungsrichtung parallel. Rotation, Chlo- rophylibildung und Ernährung der Membran (denn von letzterer hängt die Drehung der Zelle ab) stehen also in irgend einem Causalnexus zu einander, sei es dass eine Erscheinung die andere bedinge oder dass alle drei von einer gemein- samen Ursache abhängen. | Folgende Vorstellung möchte einige Wahrscheinlichkeit für sich haben. Zu- erst beginnt die Strömung. Nachher bedeckt sich die ganze innere Fläche des Primordialschlauches mit kleinen Chlorophylikörnern. Dieselben sind anfänglich noch ungeordnet; erst mit der Streckung der Zelle ordnen sie sich in Längs- reihen, was die einfache mechanische Folge des Wachsthumsprocesses zu sein scheint. Mit dem Längenwachsthum des Primordialschlauches dehnen sich auch die demselben anhängenden Chlorophyllkörner in die Länge und zerfallen durch wiederholte Zweitheilung,, sodass aus einem ursprünglichen Korn nach und nach eine ganze Reihe entsteht. — Das Chlorophyllbeleg bedeckt anfänglich die ganze Seitenwandung fast gleichmässig. Dann wird dasselbe an den Stellen, wo die Indifferenzschicht die Wandung berührt, lockerer, indem die Zwischenräume zwischen den Chlorophylikörnern grösser werden. Diesen Zustand zeigen die ei Endzellen der Quirlzweige von Nitella syncarpa, die eine Länge von 0,6 bis 0,8 Mill. haben. Die Chlorophylikörner rücken nun an den betreffenden Stellen immer mehr aus einander, und bilden dadurch den farblosen leeren Indifferenz- streifen. Man könnte das so erklären, dass die Zellmembran und der Primordial- schlauch an der Stelle, wo sie von der Indifferenzschicht berührt werden, lebhafter wachsen. Richtiger aber möchte es wohl sein, wenn man annimmt, dass die Chlorophylikörner nur an der Fläche, wo die Strömung statt hat, in einem dem Wachsthum der Zelle entsprechenden Verhältniss an Zahl zunehmen, dass sie dagegen an den die Indifferenzschicht bedeckenden Stellen sich weniger lebhaft oder gar nicht vermehren, sodass in Folge der Zellenausdehnung hier sich eine Lücke bildet. — Was den Zusammenhang zwischen der spiraligen Drehung der Membran und der Chlorophyliplatten betrifft, so besteht er wohl einfach darin, dass der sich bewegenden Membran, welche durch ungleichmässige Ernährung die Drehung der Zelle veranlasst, der innig adhärirende, überdem weiche und dehnbare Primordialschlauch, sammt dem Chlorophyllbeleg mechanisch nachfolgt. Die Chlorophyliplatten ziehen aber offenbar die Strömung nach sich, und lenken sie von der geraden in die schraubenförmige Bahn ab. So möchte man mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Strömung zunächst die Anordnung der Chlorophylikörner bedingt, und dass die einmal er- folgte Anordnung der letzteren die Strömung festhält und ihren eigenen räum- lichen Veränderungen zu folgen veranlasst. Die Strömungsgeschwindigkeit ist während der Lebensdauer einer Zelle nicht immer die nämliche. Diese Beobachtung wurde auch von Göppert und Cohn gemacht; sie fanden, dass der nämliche Raum in einer 1,8” langen Zelle von Nitella flexilis in der Zeit von 6 Secunden, in sehr jungen, namentlich Knos- penzellen dagegen in 7—S Secunden durchlaufen werde. Diese gefundene Dif- ferenz ist indess beträchtlich geringer, als sie in der Wirklichkeit besteht; der Irrthum rührt offenbar daher, dass in der grössern Zelle Inhaltsgebilde, die einer tiefern Flüssigkeitsschicht angehörten, beobachtet, und mit der oberflächlichen Strömung der jüngern Zellen verglichen wurden. — Da es nicht möglich ist, einen Charenzweig unter dem Microscop wachsen zu lassen, so muss man, um brauchbare Thatsachen zu erlangen, gleichwerthige Zellen der nämlichen Pflanze gleichzeitig beobachten. Ich theile hier, statt mehrerer, 2 solche Beispiele mit. Fünf successive Stammglieder von Nitella syncarpa (A, B, C, D, E) verhielten sich folgendermaassen : Länge Durchmesser | Umfang Umlaufszeit Ao er en in M’\. in Mill. in Mill. in Secunden. | ‚(Wer auen in Secunden. Br 0,3 16 164 | 32,9 3.,2,5 0,33 6 144 2,4 0,9 0,25 2,3 62 2,7 D 0,47 0,23 1,4 46 Be E 0,20 0,15 0,7 49 6 Nägeli, Beiträge. II. 6 Bien) a ae Sieben successive Stammglieder von Nitella hyalina (F, G, H, I, K,L, M) zeigten folgende Verhältnisse: rauen ‚Länge Durchmesser Umfang ‚Umlaufszeit eg in Mill. in Mill. in Mille | in Secunden. ernnlden | 0.27 28,8 28850 | .ı0 G $) 0,3 19 1330 7 m 159 0527 dgl 628 4 1 6 0,24 1256 Bu 65) 2,5 K 3 0,2 6,4 173 DR L 0,8 0,18 2 58 4,4 M 0,3 0,1% 0,94 66 7 In den jüngsten Zellen mangelt die Rotation ganz. Dann beginnt sie sehr langsam, und nimmt mit dem Wachsthum der Zelle an Schnelligkeit zu bis zu einem bestimmten Entwickelungsstadium. Von hier an, obgleich die Zelle noch immer fortwächst, wird die Strömung wieder allmälig langsamer. In dem ersten Beispiel ist die Bewegung in der 2,4 Mill. langen Zelle 2'% mal so geschwind als in der 0,20 Mill. langen. In dem zweiten Beispiel geht die Strömung in der 6 Mill. langen Zelle fast 3mal so schnell als in der 0,3 Mill. langen, während das 14 Mill. lange Glied eine Amal langsamere Bewegung zeigt. Wird dagegen die ganze Umlaufszeit berücksichtigt, so ist dieselbe schon in sehr jungen Zellen kürzer als späterhin; sie wird um so länger, je älter die Zelle wird. Da diess auch für diejenige Zeit der Lebensperiode gilt, wo die Bewegung an Schnellig- keit zunimmt, so liegt darin der Beweis, dass die Wachsthumszunahme in einem stärkeren Verhältniss erfolgt als die Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit. — Ich füge noch die Bemerkung bei, dass ich immer nur die oberflächliche Strö- mung berücksichtigte. Göppert und Cohn sagen, die Abnahme der Geschwindigkeit in jüngern Zellen scheine mit der vermehrten Reibung einer Flüssigkeitssäule von grösserer Tiefe in einem engeren Gefässe zusammenzuhängen. — Hier ist Folgendes zu berücksichtigen. Gesetzt auch, das Protoplasma wäre die Ursache der Bewe- gung, und die Wandung wirkte bloss als Reibungswiderstand, so würde der letz- tere für die Flächeneinheit proportional der Grösse des senkrechten Druckes sein, und er würde zunehmen, wenn der Krümmungshalbmesser der ganzen Rotation kleiner wird. Die Tiefe des Stromes aber müsste im entgegengesetzten Sinne wir- ken, da sie eine grössere Masse und somit eine grössere Summe von bewegender Kraft für die Flächeneinheit ergäbe. Diese Erklärung würde aber nicht mit dem Factum übereinstimmen, und ich habe oben aus andern Gründen nachgewiesen, dass die bewegende Kraft nicht in dem strömenden Protoplasma, sondern in der ruhenden Wandung ihren Sitz hat. Die Beziehungen zwischen den ursächlichen Momenten der zu- und abneh- menden Strömungsgeschwindigkeit und den Entwickelungsstädien der Zellen las- sen sich kaum andeutungsweise behandeln, da weder über die Grösse der Kräfte noch über die Grösse der Widerstände etwas bekannt ist. Es wird diess sogleich klar, sowie man die Verhältnisse zu analysiren beginnt. Um zuerst von den Wi- derständen zu sprechen, so können dieselben nur in der Reibung gefunden wer- den. Diese Reibung ist eine doppelte, 1) an der äussern und 2) an der innern Fläche des Stromes. Die äussere Reibung auf dem ruhenden Wandbeleg ist für die Flächeneinheit um so grösser, je kleiner der Umfang des Strömungszirkels, und um so grösser, je grösser die Attraction des Wandbeleges ist, wenn eine solche überhaupt existirt. Die innere Reibung findet zwischen den entgegen- gesetzten Strömen selbst statt, und vertheilt sich wegen der von aussen nach in- nen abnehmenden Geschwindigkeit auf eine Menge von Flüssigkeitsschichten. Sie ist verhältnissmässig (für eine gleiche Fläche) um so grösser, je grösser der Strömungszirkel, weil derselbe mit der Grössenzunahme von der kreisförmigen in die cylindrische Gestalt übergeht. Alle Reibung (sowohl die äussere als die in- nere) nimmt ferner überhaupt zu mit der Dichtigkeit der strömenden Masse. Nach Diesem glaube ich nicht, dass der bedeutende Unterschied zwischen jüngern und weiter entwickelten Zellen aus ungleichen Reibungswiderständen zu erklären sei. Es scheint mir im Gegentheil entschieden, dass die bewegenden Kräfte in den allerjüngsten Zuständen noch gar nicht wirksam sind, dass sie dann in gerin- gem Maasse beginnen und bis zu einem gewissen Entwickelungsstadium zuneh- men, nachher aber sich wieder vermindern. Es ist übrigens bei Vergleichung von jüngern und ältern Zellen noch ein anderer Punct zu berücksichtigen. In den ältern Zellen bewegen sich die im Wasser frei schwimmenden Inhaltstheile mit ungleicher Geschwindigkeit, die oberflächlichen schneller, die tiefern langsamer. In den jüngern Zellen dagegen strömt eine dicke Lage von Protoplasma, in ihrer äussern und innern Partie mit gleicher Schnelligkeit; die Zähigkeit der dickflüssigen Masse erlaubt keine un- gleiche Bewegung. Es darf daher, wenn man einen Schluss auf die bewegende Kraft machen will, die Strömung des Protoplasma der jüngern Zelle nicht mit der Strömung einer bestimmten Flüssigkeitsschicht der ältern Zelle, sondern nur mit dem Mittel aus allen Schichten, die eine verhältnissmässig gleiche Tiefe ein- nehmen, verglichen werden. — Dadurch erhält man ein Maass für die Strömungs- geschwindigkeit verschiedener Alterszustände, welches ein nicht allzu unrichtiger Ausdruck für die Grösse der bewegenden Kräfte sein möchte. Diesen Anforde- rungen entsprechen die vorhin mitgetheilten Messungen nicht. Man könnte hier zwar einwenden, dass das Dickflüssige, auf der Wandung hinglitschende Protoplasma der jüngern Zelle eine viel grössere Reibung verur- sache, und dessnahen für eine gleiche Geschwindigkeit eine viel grössere Kraft voraussetze, als die wässerige Flüssigkeit der ältern Zelle mit den frei schwimmen- den Inhaltskörpern. In der Theorie ist diess gewiss richtig. Dennoch lässt sich zum Voraus nicht bestimmen, ob die Reibung hier überhaupt eine Verlangsamung der Strömung zur Folge habe. Wenn man eine Zelle mit lauter frei schwimmen- den Inhaltspartien untersucht, so bemerkt man, wie schon oben angegeben wurde, dass dieselben um so schneller sich vorwärts bewegen, je näher sie der Oberfläche 6 * ee. liegen. Und selbst diejenigen , die unmittelbar die Wand berühren und also eine Reibung erfahren, scheinen nicht etwa langsamer, sondern eher schneller zu gehen, als die übrigen. Dessgleichen beobachtet man oft, dass Protoplasmamas- sen, die auf der Wandung hinglitschen , und frei schwimmende ebenfalls an der Oberfläche befindliche Plasmagebilde, wenn sie in der nämlichen Zelle sich be- finden, auch ziemlich die gleiche Geschwindigkeit zeigen , indem bald die einen, bald die andern etwas schneller gehen. An grössern Plasmamassen sieht man oft deutlich, dass sie von frei schwimmenden Körnern, die etwas näher der Ober- fläche liegen, als der innere Theil jener Massen, überholt werden. In einer Glie- derzelle von Nitella hyalina von 0,5 Mill. Länge und 0,086 Mill. Dicke wurde der 1,2 Mill. betragende Umfang von einer grössern Plasmamasse in 23 Secun- den, von einzelnen dunkeln Körnchen dagegen, welche um % der ganzen Tiefe jener Masse von der Membran entfernt waren, in 21 Secunden durchlaufen. Diese Thatsachen, in welchen eine fast gänzliche Wirkungslosigkeit der Reibung sich kundgibt, rühren offenbar von dem Umstande her, dass die bewe- genden Kräfte in der Wandung ihren Sitz haben und somit auf die nächsten Ge- genstände ihre stärkste Wirkung ausüben. Die Protoplasmamolecüle, welche der Wandung adhäriren, werden also voraussichtlich mit der grössten Gewalt fort- gezogen. Es ist möglich, dass die Wirkungen der Reibung ganz oder grössten- theils dadurch verschwinden. Wenn man die Abnahme der Zugkräfte im Ver- hältniss zum Abstand von der Wandung genau kennte, so liesse sich annähernd bestimmen, wie sich adhärirende Plasmamassen und frei schwimmende Plasma- gebilde in ihrer Strömungsgeschwindigkeit verhalten müssen. Aber nicht nur kleine und junge Zellen zeigen eine langsamere Rotation als ältere und längere, sondern wir nehmen ein ähnliches Verhältniss auch wahr zwi- schen kurzen und langen Zellen von gleichem Alter und gleicher Ausbildung, obwohl hier die Differenz lange nicht so gross ist. Wenigstens scheint diess das Resultat einer grössern Reihe von Beobachtungen an Nitella syncarpa zu sein. Es wird hier zwar schwer, eine richtige Basis für die Vergleichung zu finden, weil, abgesehen von den Tremperatureinflüssen auf die zu verschiedener Zeit gemachten Beobachtungen, nicht immer das relative Alter der Theile verschiedener Pflanzen bestimmt, und die Wirkungen der Individualität der Pflanze sowie der Verschie- denartigkeit der Organe bemessen werden kann. Wenn sich demungeachtet ergibt, dass Zellen, die eine beträchtlichere Grösse erreichen, auch zu einer grössern Strömungsgeschwindigkeit sich erheben, so könnte das mit dem Umstande in Beziehung stehen, dass solche Zellen auch, wie die grössere Masse ihrer Substanz beweist, einen energischeren Lebensprocess besitzen. Glitschbewegung. Ich habe eine früher theils unrichtig gedeutete, theils ganz übersehene Kate- gorie von Bewegungen als Glitschbewegung bezeichnet (Pflanzenphys. Un- tersuchungen I. 49) und mich dabei vorzüglich auf Untersuchungen an Conjuga- N u ten (Spirogyra, Olosterium) gestützt. Ueber diese Bewegungen hat kürzlich De Bary seine Beobachtungen mitgetheilt (Untersuchungen über die Familie der Conjugaten p. 39). Was das Thatsächliche betrifft, so bestätigt er meinen Aus- spruch, dass bei Closterium keine Rotation, wie man früher angenommen hatte, sondern ein Hin- und Hergehen von Körnchen in verschiedenen Richtungen stattfinde. Allein er versucht der Erscheinung eine andere Erklärung zu geben, indem er sagt, das ganze Phänomen gehöre ohne Zweifel in die Classe der so überaus verbreiteten selbstständigen Plasmabewegungen. De Bary fügt bei, so wenig wie für diese (selbstständigen Plasmabewegun- gen) sei uns für die in Rede stehenden die Ursache bekannt. Ich möchte, diesem Letztern beistimmend, beifügen: Also wissen wir auch nicht, ob die Bewegungen des Protoplasma, alle oder einzelne, selbstständig sind oder nicht, d. h. ob sie von einer innern oder äussern Ursache abhängen. Es würde somit nichts als der allgemeine Ausspruch übrig bleiben, die Glitschbewegung gehöre zu den Plasmabewegungen; auch damit stimme ich überein; denn wo ich sie am schön- sten beobachtete, war es gerade an einer Masse von Protoplasma, die an einer Scheidewand von Spirogyra hin und her wogte. Ich habe die Glitschbewegung aber nicht desshalb unterschieden, weil die sich bewegende Substanz oder die Bewegungsursache eine andere wäre, sondern weil die Art der Bewegung mir “different erschien. Von sich wiederholenden Bewegungen des Inhaltes unterscheide ich 4: die Rotation, die verzweigte oder fadenförmige Strömung, die Glitsch- und die Tanz- bewegung. Die Rotation geht in einem einzigen in sich zurücklaufenden Strom um die Zelle. Die fadenförmige oder verzweigte Strömung stellt ein in sich zu- rücklaufendes System von Strömchen dar, die sich vereinigen und theilen, und die theils frei, theils wandständig verlaufen. Bei der Glitschbewegung gleiten einzelne Partieen des Inhaltes an einer Oberfläche abwechselnd hin und her. Bei der Tanzbewegung (» Molecularbewegung.«*) hüpfen einzelne, in der Flüssigkeit frei schwimmende Körperchen auf dem nämlichen Platze herum. Diese 4 Arten der Bewegung sind in typischer Ausprägung sehr characteri- stisch. Die beiden erstern (Rotation und verzweigte Strömung) haben das mit einander gemein, dass viele Inhaltstheile, die rechts und links neben, hinter und vor, über und unter einander liegen, in gleicher Richtung sich bewegen, also wirklich den Character der Strömung zeigen. Zwischen Rotation und fadenför- miger Strömung, wenn sie auch in den Charenzellen und in den Haaren von Tra- descantia etc. noch so verschieden sind, gibt es aber keine absolute Grenze. — Die beiden letztern Bewegungen (Glitsch- und Tanzbewegung) stimmen darin überein, dass jede Partikel oder eine kleine Gruppe von solchen für sich eigen- tnümliche Bewegungen ausführt, ohne Rücksicht auf alle übrigen zu nehmen, *) Der Ausdruck Molecularbewegungen ist für diejenigen Körper zu reserviren, welche die neuere Wissenschaft Molecüle nennt. an: ° MEER wobei sie abwechselnd nach verschiedenen Seiten geht und zurückkehrt. Der Character der Strömung mangelt hier. Es gibt eine Erscheinung, die den Uebergang zwischen fadenförmiger Strö- mung und Glitschbewegung zu vermitteln scheint, welche nach der gewöhnlichen Auffassung die erstere wäre, in der That aber die letztere ist. Ich habe in dem erwähnten Aufsatze davon gesprochen. Es sind Körnchen, welche an der Ober- fläche von Plasmafäden in gleicher Weise hin und her glitschen, wie sonst an dem Primordialschlauche oder an einer Plasmaschicht. Bei der wirklichen fadenför- migen Strömung ist die Plasmasubstanz des Fadens selbst in Bewegung, was aber meistens nur durch das Fortrücken der in ihr eingebetteten Körnchen erkannt wird. Bei der eben genannten Erscheinung dagegen ist die Substanz des Plasma- fadens in Ruhe; nur die demselben anhängenden Körnchen bewegen sich. Es mag Fälle geben, wo es schwer zu entscheiden ist, ob das Eine oder das Andere stattfindet. Aber es ist diess kein Grund, um Dinge, die in ihrer vollkommenen Ausbildung verschieden sind, nicht zu unterscheiden. Bei der fadenförmigen Strömung liegen die Körnchen innerhalb des Protoplasma, und alle Körnchen eines Fadens gehen in gleicher Richtung und gewöhnlich mit gleicher Geschwin- digkeit. Bei der Glitschbewegung dagegen gehen die an einem Faden anhän- genden Körnchen in verschiedener Richtung und mit ungleicher Schnelligkeit; einzelne können stillstehen,, zwei neben einander befindliche selbst in entgegen- gesetzter Richtung laufen. Damit will ich nicht behaupten, dass die fadenförmige Strömung nicht in die Glitschbewegung übergehen könne, dass es nicht Erscheinungen gebe, die zwi- schen beiden die Mitte halten. Ein solcher Uebergang ist nicht bloss möglich, er ist sogar nicht unwahrscheinlich. Die Plasmaströmchen wechseln bekanntlich häufig ihre Anordnung; was jetzt noch als breiter Fluss dahinzieht, kann nach einiger Zeit verzweigt, und in mehrere Bäche aufgelöst sein. In dem nämlichen Strömungsfaden kann auch die Richtung der Bewegung wechseln. Wenn nun die Theilung sehr weit geht und der Wechsel in der Richtung häufig sich wiederholt, was nur bei wandständigen Strömen eintreten kann, so ist die Strömung in der That zur Glitschbewegung geworden. Wenn anderseits nicht jede Inhaltspar- tikel eigenthümliche Bewegungen ausführt, und wenn die nämliche Bewegung nicht bloss auf mehrere, sondern auf viele sich ausdehnt, wenn auch noch ver- bindendes Protoplasma mit fortgeführt wird, so geht die Glitschbewegung in die Strömung über. Die von mir in Closterium beobachtete Bewegung gehörte entschieden der Glitschbewegung an; oft sah ich zwei dicht neben oder hinter einander liegende Körnchen in entgegengesetzter Richtung gehen, oder das eine stillstehen, das andere fortrücken. De Bary’s Beschreibung stimmt genau mit meinen Beobach- tungen überein ; er nennt es aber zahlreiche kleine Strömchen. Derselbe sah über- dem noch in Closterium Lunula, dass die Bewegungen der Körnchen auch im Innern des Protoplasma statt hatten, und ferner, dass entsprechend der vorherr- schenden oder ausschliesslichen Richtung in den Bewegungen der Körnchen auch ALIEN ee Sa eine Zu- und Abnahme des Protoplasma in den Zellenden bemerkbar war, ein Beweis, dass auch das Protoplasına sich theilweise in Bewegung befand. Mög- licher Weise wäre hienach der Character der Glitschbewegung so zu erweitern, dass Inhaltspartikeln nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Innern von ruhendem Protoplasma hin und her glitschen können. Es ist ausserdem möglich, dass bei Olosterium die Glitschbewegung zuweilen eine grössere oder geringere Aehnlichkeit mit wirklicher Strömung annimmt. Wenn wir auch über die Ursache der Bewegung nichts wissen, so können wir doch nach den vorliegenden 'Thatsachen über den Sitz und die Anordnung der bewegenden Kräfte eine bestimmte Ansicht aussprechen. Ich habe oben (Pag. 74) gezeigt, dass bei der Rotation die Bewegungsursache in der ruhenden Wandung, nicht in dem strömenden Inhalt gesucht werden muss. Mit der Glitsch- bewegung verhält es sich ohne Zweifel ebenso. Die Verwandtschaft der faden- förmigen Strömung, namentlich mit der Rotation, möchte es wahrscheinlich ma- chen, dass auch mit Rücksicht auf die Bewegungsursache eine Analogie bestehe. Bei der Rotation wirken die bewegenden Kräfte alle in Einer Richtung, und an der ganzen Oberfläche der Zelle, sie sind hier in grösster Menge thätig, und setzen den ganzen reichlichen Zelleninhalt in gleichlaufende Bewegung. Bei der faden- förmigen Strömung sind die bewegenden Kräfte auf einzelne streifenartige Par- tieen der Oberfläche und des Lumens beschränkt, welche unter einander zu einem Netz sich verbinden; sie sind in viel geringerer Menge vorhanden und erhalten eine kleinere Masse von Inhalt in langsamerer Bewegung. Sie haben ihren Sitz ohne Zweifel an der Oberfläche der Plasmaströmchen , sind aber immer noch von solcher Stärke, dass sie die ganze Masse dieser letztern in Strömung zu versetzen vermögen. Bei der Glitschbewegung sind die bewegenden Kräfte in noch viel geringerer Menge in einer Zelle thätig, und in Folge von viel grösserer Zersplit- terung so vertheilt, dass auf jedem kleinsten Raume eigenthümliche Bewegungen auftreten. Sie sind auch hier in der Regel an der Oberfläche von Protoplasma thätig, vermögen aber meistens nur Körper, die demselben lose anhaften, fortzu- schieben. Nur selten sind sie so mächtig, auch Theile des Protoplasma selber mit- zuführen. Ich habe schon früher die Glitschbewegung als das der Tanzbewegung vor- ausgehende Stadium bezeichnet, und gesagt, dieselbe wechsele auch häufig mit dieser letztern ab, so namentlich in der Art, dass die gleichen Körnchen bei Desmidiaceen bald glitschen , bald tanzen. Die Glitschbewegung scheint mir ge- wissermaassen die Mitte zwischen fadenförmiger Strömung und Tanzbewegung zu halten. Bei der letztern ist die Organisation der bewegenden Kräfte zu einem grössern oder kleinern System vollständig verschwunden. Sie sind nur mehr an der Oberfläche der einzelnen Inhaltspartikeln thätig. Die eben versuchte Vergleichung der verschiedenen Bewegungsformen be- trifft nur die Anordnung der Bewegungskräfte in einer Zelle. Ob die Natur der letztern verschieden sei und ob mit Rücksicht darauf neue oder andere Katego- rien der Bewegung aufgestellt werden können, muss die Zukunft lehren. Für —— 883 jetzt ist es mir nicht unwahrscheinlich, dass die 4 Arten der Bewegung auch von analogen Ursachen bedingt werden. Ich habe für die Rotation nachzuweisen ver- sucht, dass dieselbe nicht mit der Assimilation, sondern mit Processen der Rück- bildung im Zusammenhange steht. Der gleiche Nachweis lässt sich für die fadenförmige Strömung führen. Die Glitschbewegung geht meist einem totalen oder partiellen Absterben der Zelle voraus und die Molecularbewegüng ist schon der deutliche Ausdruck der Zersetzung. Alle Bewegungen des Inhaltes stehen somit wohl mit Erscheinungen der absteigenden Reihe chemischer Processe (Rück- bildung und Zersetzung) in Beziehung. Aber sie gehören verschiedenen Stufen derselben an; die Rotation und fadenförmige Strömung der Rückbildung, welche normal immer vorhanden und des Nachts fast ausschliesslich thätig ist, die Tanz- bewegung der Zersetzung nach Aufhören des Lebensprocesses, und die Glitsch- bewegung dem Uebergang von ersterer zu letzterer. Ortsbewegungen von frei schwimmenden Zellen und mieroscopischen mehr- zelligen Pflanzen. Die hiehergehörigen Bewegungen sind dreierlei Art: 1) Hin- und Hergehen ohne Drehung, 2) Hin- und Hergehen mit Drehung, 3) Vorwärtsgehen mit Dre- hung. Die erste Bewegung gehört den Diatomaceen und Desmidiaceen an, welche in der Richtung ihrer Achse in unregelmässiger Abwechselung vorwärts- und zu- rückgehen. — Die zweite ist einigen Oscillarieen (Oscillaria, Phormidium, Spiru- lina etc.) und einigen Organismen, die zu der von mir unterschiedenen Gruppe der Schizomyceten gehören, (Vibrio, Spirillum) eigenthümlich. Diese Pflänzchen bestehen aus einer einfachen Reihe von Zellen (gegliederten Fäden) mit gleich- werthigen Enden ; sie schwimmen bald mit dem einen, bald mit dem andern Ende voran, indem sie unregelmässig abwechseln, und drehen sich gleichzeitig um ihre Achse; die einen bewegen sich äusserst langsam, die andern ziemlich schnell. — Die dritte Bewegung ist das Schwärmen der einzelligen Sporen von Algen und Wasserpilzen , der einzelligen Algen, der mehrzelligen Colonieen einzelliger Al- gen, der zellenähnlichen und fadenförmigen Spermatozoen. Die Zellen und Sper- matozoen haben zwei ungleiche Enden; sie schwimmen in der Regel mit dem Wimperende constant voran und drehen sich dabei um die Achse, in deren Rich- tung sie sich vorwärts bewegen. Diese dritte Bewegung unterscheidet sich von der zweiten in nichts anderem, als dass sie entsprechend einer Differenz zwi- schen den beiden Enden nicht abwechselnd vor- und rückwärts geht. Ihre Schnelligkeit und scheinbare Unregelmässigkeit hat ihr zwar den Namen des Schwärmens verdient; allein, wenn auch Oscillaria und gar Phormidium viel langsamer fortrücken,, so stehen Spirulina und besonders Vibrio. und Spirillum in nichts nach. Ich will von diesen Bewegungen bloss einige verkannte oder weniger beach- tete Puncte berühren. Pe ee Die Oscillarien haben mit ihren scheinbar seltsamen Bewegungen den Pflan- zenphysiologen viel Sorge gemacht. Dennoch verhält sich die Sache sehr ein- fach; und es ist diess auch bereits publicirt*) und von mir wiederholt öffentlich ausgesprochen worden **). Da indess die richtige Deutung bis in die neueste Zeit theils unbeachtet blieb, theils auch widersprochen wurde, so nehme ich hier Ver- anlassung, näher auf die Sache einzugehen. Auf den ersten Blick stellen sich die Bewegungen der Oscillarien so dar, wie sie gewöhnlich beschrieben werden. Die Fäden schwingen pendelartig hin und her, biegen sich in verschiedener Weise, wobei sie selbst Schlingen bilden kön- nen, und zeigen schlangenförmige Bewegungen. Einige Arten lassen mehr die einen, einige mehr die andern Erscheinungen wahrnehmen je nach der Dicke und Biegsamkeit ihrer Fäden und der Beschaffenheit der Scheiden. Da ich an verschiedenen Arten alle Bewegungen, die man überhaupt an Oscillarien beob- achtet, aus der nämlichen Ursache hervorgehen sah, so halte ich mich auch be- rechtigt, diess als für alle gültig auszusprechen. Die Arten, welche genauer un- tersucht wurden, sind folgende. Im August und September 1847, als ich zuerst auf die Drehung der Oscillarien aufmerksam wurde, beobachtete ich O. viridis Kg., ©. Kützingiana Näg., O. Frölichii Kg. und besonders eine noch neue und unbeschriebene Art, die ich damals in meinen Notizen, weil sie mir die Be- wegung zuerst und auch besonders deutlich gezeigt hatte, O. docens nannte. Im Sommer 1852 untersuchten meine damaligen Schüler C. Cramer O. limosa Ag. und L. Fischer O. Frölichii Kg., ich selber in letzter Zeit noch zwei neue Spe- cies, die ich ©. clathrata und OÖ. membranulosa genannt habe ***). An den erwähn- ten Arten wurden die einzelnen Verhältnisse genauer studirt. Ausserdem habe ich die Drehung der Fäden häufig beobachtet. Alle Bewegungen der Oscillarien beruhen nun darauf, dass die Fäden sich drehen und dabei vor- oder rückwärts gehen. Diess kann längere oder kürzere Zeit in einer Richtung fortdauern. Manche Fäden gehen ebensoweit rückwärts, als sie vorwärts gingen, und bleiben somit fortwährend auf der nämlichen Stelle ; andere bewegen sich stets länger in der einen Richtung als in der andern, und das Gesammtresultat ist ein Fortrücken. Es gibt auch Fäden, die ohne Regel bald weiter vorwärts, bald weiter zurück gehen. Dass sie sich dabei um ihre Achse drehen, erkennt man sehr deutlich, wenn man einen gebogenen Endtheil genau beobachtet. Der Scheitel beschreibt in Folge der Krümmung einen Kreis, und der ganze gebogene Endtheil umschreibt einen trichterförmigen Raum. Dess- wegen ist die Spitze des Fadens bald nach links, bald nach rechts gebogen, und scheint pendelförmige Schwingungen zu machen. Diess Alles hat keine Schwie- rigkeit an Fäden, welche frei schwimmen ; dieselben ändern ihre Gestalt nicht, *) Fischer, Beiträge zur Kenntniss der Nostochaceen pag. 16. **) Zuletzt noch auf der Versammlung deutscher’Naturforscher und Aerzte in Wien, wo es jedoch aus Versehen nicht in das Tageblatt aufgenommen wurde. ***) Die Diagnose der neuen Arten verspare ich auf eine andere Gelegenheit. BeRm.: ye und die Bewegungen, sowohl die fortrückende als die drehende, gehen ziemlich stetig von statten. Auch die frei schwimmenden Enden von Fäden, die sonst an-_ dere Gegenstände berühren, verändern ihre Forın nicht im Geringsten. Es ist aber sehr selten, dass man einen längern, wirklich frei schwimmenden Faden zur Beobachtung erhält. Gewöhnlich stossen dieselben mit einem Ende oder mit irgend einer andern Partie an einen fremden Gegenstand an, an den Objectträger, an das Deckglas, an die Oberfläche des Wassers, wenn dasselbe un- bedeckt ist, an andere Oscillarienfäden. Sie legen sich auch in Folge der Adhä- sion auf längere Strecken an diese Gegenstände an. Dadurch wird die freie Be- wegung vielfach gehemmt; sie wird ungleichmässig und ruckweise ausgeführt, und die Fäden zeigen dabei verschiedene Gestaltsveränderungen. Die Drehung des gebogenen Endes wird, wenn dasselbe irgendwo anstösst, momentweise auf- gehalten, dadurch entsteht eine Spannung und dann ein plötzliches Schnellen nach rechts und links. In gleicher Weise wird die Vorwärtsbewegung gehemmt; es tritt ein Stillstand aınd nachher ein Vorwärtsschnellen ein. Wenn der Faden biegsam ist und mit dem vorrückenden Ende irgendwo anstösst, so biegt er sich. Wird durch die Spannung der Widerstand überwunden, so streckt er sich wieder, um sich vielleicht nachher sogleich von neuem zu krümmen. Der Grad der Krümmung hängt von seiner Biegsamkeit, von der Grösse des Widerstandes und von der Kraft der Bewegung ab; die Art der Krümmung von den äussern Ver- hältnissen. Wenn das Hinderniss gross, und der Faden sehr dünn ist, so schliesst sich die Krümmung oft zu einer vollständigen Schlinge. Wenn ein sich krüm- mender Faden nicht bloss mit dem Ende, sondern auch noch mit einer mittleren Stelle anstösst und hier ebenfalls einen Reibungswiderstand erfährt, so biegt er sich S förmig. Bei einiger Aufmerksamkeit wird es meist möglich, die Hinder- nisse der Gleichmässigkeit und Stetigkeit im Fortrücken und in der Achsen- drehung aufzufinden, und daraus die zitternden und ruckweise schnellenden Be- wegungen, sowie die wirklichen Biegungen abzuleiten. Die beiden Bewegungen der Oscillarien (Vorrücken und Achsendrehung) scheinen mir in keinem bestimmten Verhältniss zu stehen, sodass ein schnelleres Vorwärtsgehen mit langsamerem Drehen, und ein langsameres Vorwärtsgehen mit schnellerem Drehen verbunden sein kann. Uebrigens ist es hier schwer in’s Reine zu kommen, weil die beiden Bewegungen ungleich gehemmt sein können. Um eine Vorstellung von der Schnelligkeit zu geben, füge ich bei, dass eine Achsen- drehung bei ©. docens durchschnittlich in 6 Secunden, bei O. limosa in 20 bis 60 Secunden, bei O. membranulosa in 8 bis 40 Secunden (bei 26° C.) erfolgte. Frei liegende kürzere Fäden von O. limosa legten Y,, Mill. in 6—9 Secunden zu- rück. Sie rückten in der Regel während 2 bis 3 Minuten und während 2 bis 6 Umdrehungen nach einer Seite hin vorwärts, dann gingen sie in entgegengesetzter Richtung. — Auch bei Phormidium vulgare bewegen sich die Fäden innerhalb der Scheiden (wie diess bei Oscillaria beobachtet ist), aber langsamer, als wenn sie frei sind. Ein 160 Mik. langes und 5,5 Mik. dickes Fadenstück rückte in seiner Scheide bald vor-, bald rückwärts. 10 Mik. (Yo. Mill.) wurden bei 26°C. a Zu, een durchlaufen in 30, 50, 90, 120, 190 Secunden. Diese höchst ungleiche Ge- schwindigkeit rührte ohne Zweifel von dem ungleichen Reibungswiderstande her. Dass die Scheide ruhig blieb, erkannte man sowohl an den Unebenheiten dersel- ben als an den anhaftenden Körnchen. Ein 250 Mik. langer und ebenfalls 5,5 Mik. dicker frei liegender Faden durchlief zu gleicher Zeit 10 Mik. (Yo. Mill.) in 10 Secunden. Die Oscillarienfäden haben zwei gleiche Enden, dieselben sind etwas ver- dünnt und besitzen immer die Neigung zu einer schraubenzicherartigen Gestalt. Diese Schraube zeigt aber selten einen ganzen, 1", oder selbst 2 Umläufe. Mei- stens ist sie auf einen halben Umlauf beschränkt und erscheint daher einfach gekrümmt. Der hintere Theil des schraubenförmigen Endes streckt sich fortwäh- rend, in dem Maasse, wie dieses selbst durch das Wachsthum sich verlängert. — Abgesehen von dem schraubenzieherförmigen, gekrümmten oder geraden Ende selbst, ist häufig auch der ganze Endtheil des Fadens gebogen, und zeigt dann um so deutlicher die Achsendrehung. — Wenn ein Öscillarienfaden in Stücke zer- bricht, so bilden sich bald an jedem Stück die beiden Enden in der ebengenann- ten Art aus. Das Wachsthum (durch Zellentheilung) ist am lebhaftesten in den Enden, dauert aber jederzeit in allen übrigen Theilen des Fadens. Einige Oscillarien (z. B. O. viridis Kg.) und Phormidien (Ph. vulgare) ha- ben eine Krone von Wimpern an ihrem Ende. Dieselben sind in der Regel auf die Endzelle selbst beschränkt. Sie erreichen bei Phormidium vulgare eine Länge bis 40 Mik., und sind bald gerade, bald gebogen, bald abstehend, bald zusammen- neigend, meistens aber ziemlich gerade nach vorn gestreckt. Gliederung kann auf keine Weise an ihnen deutlich gemacht werden. Jod färbt sie gelblich oder bräunlich. Ohne Zweifel sind es Anhänge des Primordialschlauches, und wahr-- scheinlich zu vergleichen mit den kurzen Härchen, welche in dem innern Theil der Scheide einiger Spirogyren vorkommen *) und mit den Wimpern der Schwärm- zellen. Die Wimpern der Oscillarienfäden sind aber unbeweglich. Es gibt zwei Erscheinungen an Oscillarien, von denen ich nicht weiss, ob sie hieher gehören. Entzweigebrochene Fäden zeigen an der Kante um die Bruch- fläche oft unregelmässige, wimperähnliche Fäserchen ; es schien mir mehrmals, als ob sie durch das Zerreissen der Scheide hervorgebracht wären. — An einer neuen Art von Öscillaria (die ich O. striatula genannt habe) sind die Fäden in der gan- zen Länge behaart, indem auf den Scheidewänden zaite, bis 10 Mik. lange Wım- pern stehen. Bekannt ist das Strahlen der Oscillarienfäden. Wenn man etwas Oscillarien- schleim auf eine feuchte oder benetzte Fläche (Glasplatte, Teller, Papier) bringt, so gehen die Fäden radienförmig aus einander und man erhält jene schönen Her- barienexemplare, die wie Strahlenkränze aussehen. Es ist diess als Wachsthum bezeichnet worden, beruht indess bloss auf der Bewegung der Fäden, wie man schon deutlich aus dem Umstande erkennt, dass je weiteren Umfang der Strahlen- *) Vergl. Pflanzenphysiol. Untersuchungen I, Taf. III, 1, ee Ma en kranz gewinnt, er desto mehr an Intensität der Färbung abnimmt. Man könnte auf den ersten Anblick vermuthen, dass dieses radienförmige Auseinandergehen der Oscillarienfäden durch eine neue besondere Eigenthümlichkeit ihrer Bewe- gung hervorgebracht werde. Ich glaube jedoch, dass es sich vollständig als me- chanische Folge der bekannten Erscheinungen nachweisen lässt. In der Schleimmasse, die man auf eine befeuchtete Fläche bringt, liegen die Fäden nach allen Richtungen durch einander. Die Bewegungen werden also auch in allen Richtungen abwechselnd vor- und rückwärts gehen. Aber sie finden nicht nach allen Seiten hin den nämlichen Widerstand. Die geringsten Hinder- nisse bieten sich immer der Bewegung dar, welche auf den Radien nach aussen geht, die grössten derjenigen, welche auf den Radien nach innen geht. Zwischen diesen beiden Richtungen nehmen die Widerstände ab und zu, sodass also durch- schnittlich ein Faden um so leichter sich bewegen kann, je mehr er von der cen- tripetalen, um so schwerer, je mehr er von der centrifugalen Richtung sich ent- fernt, und dass die mit der Tangente parallelen Bewegungen auf Hindernisse von mittlerer Grösse treffen. Nehmen wir nun an, dass die Fäden durchschnitt- lich eben so lange in der Richtung des einen wie des andern Endes vorwärts gehen, so werden sie in centrifugaler Richtung immer einen viel grössern Weg zurücklegen, als in centripetaler, weil sie dort auf die kleinsten Widerstände stossen ; sie werden häufig in centripetaler Richtung gar nicht fortrücken können. Die nothwendige Folge davon ist ein radienförmiges Auseinandergehen der Fä- den, denn jeder derselben entfernt sich von der ursprünglichen Anhäufung; und die Richtung, in der er es thut, wird, je weiter er gegangen ist, desto mehr als eine genau radiale erscheinen. Ich habe eben angenommen, dass die Oscillarienfäden gleich lange in der Richtung des einen und des andern Endes sich bewegen. Es ist möglich, dass diess zu Gunsten der Strahlung sich ändert. An vollkommen frei liegenden Fäden habe ich mehrmals beobachtet, dass dieselben, wenn sie an einen Gegenstand an- stossen, kurze Zeit stille stehen und dann zurückgehen. Es scheint also, dass ein Widerstand die Umsetzung in der Bewegungsrichtung verursachen kann. Wenn diess richtig ist, so müsste man annehmen, dass die centripetale Bewegung immer weniger lange andaure, als die centrifugale. — Das Licht hat ebenfalls Einfluss auf die Bewegung, und wird in gleicher Weise die centrifugale gegenüber der centripetalen begünstigen. Es strahlen übrigens durchaus nicht alle Oscillarienarten gleich schön und gleich stark. Diess hängt von der Lebhaftigkeit der Bewegung und von der Steif- heit der Fäden ab. Je lebhafter die Fäden sich bewegen, desto schneller haben sie natürlich einen Strahlenkranz von einer bestimmten Grösse gebildet; dess- wegen strahlen auch die Oscillarien besser als die Phormidien. — Je steifer die Fäden sind, und je weniger leicht sie sich biegen, desto mehr bilden .sie eine regelmässige radienförmige Anordnung. Biegsamere Fäden krümmen sich leicht, werden aus ihrer Richtung gebracht und wickeln sich in Folge der Drehung um einander herum und bilden Bündel. Das Zusammenkleben in bündelförmige u Eee Massen hängt auch von der grössern oder geringern Klebrigkeit der Oberfläche ab. Da im Allgemeinen mit der Dicke der Fäden die Steifheit zu-, die Adhäsions- fähigkeit abnimmt, so strahlen die Arten mit dickern Fäden schöner und regel- mässiger, als die dünnern. Es gibt selbst Oscillarien, welche, obgleich mit sehr lebhafter Bewegung begabt, beinahe gar nicht strahlen. Diess Letztere beobach- tete ich in vorzüglichem Grade bei OÖ. membranulosa. Anhäufungen derselben bilden selbst nach längerer Zeit bloss einen schmalen Hof (z. B. nach 5 Tagen von 10 Mill. Breite), und hier haben die Fäden keine radiale, nicht einmal eine vorwiegend radiale Richtung; sondern sie sind nach allen Seiten gekehrt und durch einander geschlungen. Meistens liegen sie nicht einzeln, sondern sind in dichte Bündel vereinigt, und die Bündel bilden ein Netz mit unregelmässigen, bald mehr rundlichen, bald mehr länglichen Maschen. Die Fäden dieser Oscil- laria sind 1,3 bis 2 Mik. (Yz00 bis Yıoo ) dick, sehr biegsam, und sehr leicht an einander festklebend. Daher können sie nur langsam aus dem Lager, oder aus einer Anhäufung frei werden. Wenn dann 2 oder mehrere Fäden, aus der Masse ganz oder theilweise heraustretend, einmal mit einander in Berührung kommen, so machen sie meistens sich nicht wieder von einander los, sondern sie schlingen sich, wegen ihrer fortwährenden Drehung, zu einem strickartigen Bündel zusam- men. Neu herzutretende Fäden vergrössern allmälig dasselbe. Diese Neigung, sich in Bündel aufzuwickeln, findet man auch bei vielen an- dern Oscillarienarten. Allein die Bündel selbst haben dann eine radiale Anord- nung; sie sind ferner viel lockerer geflochten, und jedes einzelne besteht aus einer viel geringern Zahl von Fäden, weil die Vereinigung nicht so leicht erfolgt und weil auch die Fäden sich leichter wieder lostrennen. . Die Oscillarien- und Phormidienfäden haben ferner die Neigung, sich in Membranen zu vereinigen; es ist auch diess eine Adhäsionserscheinung. Die Phormidien sind fester, die Oscillarien lockerer verbunden, was daher rührt, dass jene sehr langsame, diese lebhaftere Bewegungen , jene festere, diese weichere Scheiden haben. Den Process, wie die Fäden sich zu Membranen vereinigen, verfolgt man am besten in Gläsern. Ich goss Wasser, in welchem durch Umrüh- ren Fäden der Oscillaria membranulosa ziemlich gleichmässig vertheilt schienen, in ein Glas. Die Fäden, die anfänglich überall im Wasser frei herum schwammen, sammelten sich nach und nach an der ganzen Peripherie der Wassermasse, und bildeten eine dünne Haut, welche den Grund, die Seitenwandungen des Glases und die freie Oberfläche des Wassers überzog, somit einen überall geschlossenen Sack darstellte. Diese Haut wurde zuletzt so zähe, dass sie unverletzt heraus- genommen werden konnte. Im Wasser wurden keine frei schwimmenden Fäden mehr gefunden. Nicht alle der letztern hatten indess sich an der Peripherie des Wassers angelagert. Schon mit blossem Auge bemerkte man einzelne dickere Fäden, die von der Haut ausgingen und mehr oder weniger weit in das Wasser frei hineinreichten. Bei der microscopischen Untersuchung erwiesen sich diese dickern Fäden als Stränge von Oscillaria, die einen Zygnemafaden zur Unterlage hatten. Die 1,3 bis 2 Mik. dünnen ÖOscillarienfäden umspannen den 25 Mik. a BR (ee dicken Zygnemafaden ringsum, und bedeckten ihn mit einem sehr dichten Filz, wobei der ganze Strang eine Dicke von 50 bis 75 und 100 Mik. erreichte, und die cylindrische Forn ziemlich behielt. In den dickern Strängen war der ein- geschlossene Zygnemafaden abgestorben. Die Oscillarienfäden haben also ausser dem schon früher erwähnten Bestre- ben, sich mit einander zu Strängen zu vereinigen (welche mehr oder weniger einem gedrehten Strick gleichen), auch dasjenige, sich an die Oberfläche fremder Körper anzulegen und daselbst sich in einen hautartigen Ueberzug zu sammeln. Merkwürdig ist dabei, dass alle Seiten bekleidet werden, woraus es scheinen möchte, dass die Oscillarienfäden ziemlich mit gleicher Leichtigkeit nach allen Richtungen des Raumes sich bewegen. Ob indess nicht zwischen den verschie- denen Seiten eine Differenz bestehe und welche, darüber fehlen mir noch hin- reichende Beobachtungen. Wenn ich nicht irre, so ist immer die Lichtseite vor der Schattenseite, und die Oberfläche des Wassers vor dem Grunde begünstigt. Letzteres beweist, dass die Fäden bei ihrer abwechselnden, vor- und rückgängigen Bewegung entweder viel kräftiger oder viel länger nach oben gehen als nach unten, weil sie in jener Richtung auch die Differenz des spezifischen Gewichtes zu überwinden haben. Andere Oscillarien zeigen die gleiche Erscheinung. Auch Phormidium vul- gare Kg. bildete in einem Glase auf die vorhin beschriebene Art einen geschlos- senen Sack. Bei Oscillaria und Phormidium kleidet dieser Sack zuerst genau die ganze innere Oberfläche des Glases aus. Später löst er sich unten ab. Das Ab- lösen beginnt meistens an der untern Kante des cylindrischen Glases, dann folgt entweder bloss der Boden, oder der Boden und die Seitenfläche. Im erstern Falle bleibt der Sack den Seitenwandungen des Glases anliegend; er behält seine ur- sprüngliche Weite, aber er verkürzt sich auf % der anfänglichen Länge. Im zweiten Falle wird der Sack zugleich enger und kürzer; er hat sich überall von dem Glas getrennt und hängt frei im Wasser, bloss noch an die Oberfläche des- selben angeheftet. Es ist offenbar, dass die Wandung des Sackes sich zusammen- ziehen muss. Bei Phormidium vulgare beobachtete ich einen solchen, dessen Volumen von 1 auf '%, die ganze Oberfläche von 1 auf 0,6 sich verkleinerte. Ueber die Ursachen dieser Erscheinung und die mechanischen Veränderungen, welche dieselben begleiten, weiss ich nichts beizufügen. Betreffend Spirulina, Spirillum und Vibrio bemerke ich nur, dass dieselben ebenso starre Formen besitzen wie Oscillaria. Bei den grössern Spirulinaarten ist diess sehr leicht zu sehen. Für die Spirillumarten wird gewöhnlich angenommen, dass sie wie kleine Schlangen sich bewegen. Eine kleine sich lebhaft drehende Schraube gewährt immer den Anschein, als ob sie sich schlängelte; an den lang- samern Spirillumfäden kann man sich aber mit Sicherheit überzeugen, dass sie bloss um ihre Achse sich drehen und dabei vorwärts gehen. Schwieriger ist es, mit der Bewegung von Vibrio in’s Reine zu kommen. Derselbe scheint nicht bloss eine schlängelnde, sondern auch eine eigenthümlich zitternde Bewegung zu haben. Ferner soll er sich strecken und wieder zur schlan- FREE): ERROR genförmigen Gestalt zusammenziehen können. Man kann sich hier aber leicht täuschen. Sicher ist, dass wenn man ein gerades Stäbchen längere Zeit verfolgt, dasselbe immer gerade bleibt, und dass es sich vorwärts und rückwärts bewegt, ohne zu schlängeln. Sicher ist ferner, dass es einzelne Stäbchen mit grössern und weitern Windungen und mit langsamerer Bewegung gibt, welche ebenfalls nie den Anschein gewähren, als ob sie sich schlängelten, sondern an denen man bloss Drehung und Fortrücken wahrnimmt. Sicher ist endlich, dass alle Individuen ohne Ausnahme bei der langsamern Bewegung, mit der sie ihr Schwärmen be- ginnen und endigen, ebenfalls bloss sich drehen, ohne die Gestalt zu ändern. Sie sind nämlich bald in Ruhe, bald in Bewegung. Nachdem sie geruht haben , be- ginnt die Bewegung zuerst langsam; dann wird sie rasch und zeigt den scheinbar schlängelnden und zitternden Charakter; vor der Ruhe wird sie wieder lang- samer. Die Bewegung von Spirulina, Spirillum und Vibrio stimmt auch darin mit Oscillaria überein, dass sie eine Zeit lang in einer Richtung vorwärts, dann in entgegengesetzter Richtung zurückgeht. Alle Pflanzen, denen die besprochene Bewegung (Hin- und Hergehen mit Drehung um die Achse) gemeinsam ist, sind entweder schraubenförmig gewun- den (Spirulina, Spirillum, Vibrio) oder haben eine entfernte Neigung zu schrau- benförmiger Windung (Oscillaria, Phormidium). Die Richtung der Schraube stimmt immer mit der Richtung der drehenden Bewegung überein. Und zwar habe ich bei allen beobachteten Arten südöstliche (nach botanischer Terminologie linke) Drehung und Windung gefunden. Die Spirulinaarten sind deutlich süd- östlich gewunden; auch Kützing zeichnet die meisten Arten so ab. Dagegen zei- gen Sp. subsalsa und Sp. solitaris südwestliche Windung, wenn die Abbildung richtig ist (Kütz. Tab. Phyc. I. Tab. 37). Auch die Spirillumarten erscheinen bei stärkern Vergrösserungen deutlich südöstlich gewunden. Wenn ich nicht irre, so gilt diess auch von Vibrio. Es gibt Oscillarien, von denen man zuweilen einzelne Fäden spiralig ge- wunden in einer engen, dünnwandigen Blase eingeschlossen findet; die Wendung fand ich südöstlich. An den schraubenzieherförmigen Enden von Oscillarien und Phormidien ist die Richtung oft nicht deutlich zu sehen; wo sie es war, fand ich ebenfalls südöstliche Wendung. Sehr leicht kann dagegen immer die Richtung, in welcher die Drehung des gebogenen Endes erfolgt, ermittelt werden. Aber man muss genau beobachten, ob der Faden im Vorwärts- oder im Rückwärtsgehen begriffen ist; denn die Wendung ist natürlich eine entgegengesetzte. Man sieht das nämliche Ende bald südöstlich, bald südwestlich drehen. Bei der südöstlichen Drehung geht der Faden vorwärts, bei der südwestlichen zurück. Es ist nicht immer leicht, über die Richtung, in welcher ein Faden sich von der Stelle be- wegt, klar zu werden, namentlich wenn die Fäden dünn, und mit andern zum Theil verflochten sind; denn sie drehen sich dann oft ohne von der Stelle zu rücken; oder ihre Spitze beschreibt in Folge schiefer Stellung einen geneigten Kreis, und scheint zeitweise in entgegengesetzter Richtung zu gehen; oder der ERSWERO.: > neben beobachtete Faden wird durch die Bewegung anderer Fäden in verkehrter Rich- tung fortgeschoben. Auch der Wechsel in der Drehungsrichtung stört oft. Durch längere Beobachtung des nämlichen Fadens gelingt es aber immer, sich davon zu überzeugen, dass die Drehung nur in südöstlicher Richtung erfolgt, wenn die Vorwärtsbewegung aufsteigend gedacht wird. Die Bewegung der Schwärmzellen besteht bekanntlich in einem Vorrücken mit gleichzeitiger Drehung um die Achse. Sie ist aber, je schneller, desto un- regelmässiger und dem Herumschwärmen der Infusorien ähnlicher. Bei lang- samer Bewegung lassen sich einige regelmässige Verhältnisse unterscheiden. An vielen Schwärmzellen, sie mögen in einer geraden oder etwas gebogenen Linie vorwärtsgehen, bleiben das vordere und das hintere Ende ihrer Achse genau in dieser Bahn; sie schwimmen steif und ohne Schwanken vorwärts. An andern sieht man deutlich, dass sie eine gerade oder etwas gebogene Schraubenlinie be- schreiben, wobei eine Drehung um die Achse immer einem Umlauf der Schraube entspricht (sodass also die nämliche Zellseite stets nach aussen gekehrt ist), und wobei ihre Achse mit der Achse der Schraubenbahn parallel läuft. Endlich gibt es noch andere Schwärmzellen, deren vorderes Ende in einer Schraubenlinie, deren hinteres aber in einer geraden Linie oder in einer Schraube von geringerem Durchmesser vorwärts geht. Die Natur der zweiten und dritten Bewegung erkennt man nur ganz deutlich, wenn sie langsam stattfinden. Sowie sie schneller wer- den, so erkennt man nur ein Schwanken, das besonders bei der letztern einen eigenthümlichen Character hat. Schwärmzellen, die sich in senkrechter Richtung bewegen und dabei an das Deckglas oder an den Objectträger anstossen, zeigen ebenfalls, ehe sie zur Ruhe gelangen, drei verschiedene Bewegungen. Die einen drehen sich auf dem glei- chen Punct um ihre Achse; andere drehen sich und beschreiben einen Kreis, wobei eine Achsendrehung immer auf einen Umlauf des Kreises trifft. Noch andere drehen sich um einen excentrischen,, oft fast peripherischen Punct, sodass eine Seite des Umfanges am schnellsten, die gegenüberliegende am langsamsten sich bewegt. Augenscheinlich ist damit eine etwas schiefe Lage verbunden. Die Stelle, die sich am schnellsten dreht, ist die farblose Wimperstelle; das ruhende Centrum der Drehung ist das Chlorophylikorn (Stärkekörper). Offenbar entspre- chen diese drei Drehungen bei ziemlich verticaler Lage jenen drei fortrückenden Bewegungen bei horizontaler Lage der Achse. Wir haben also mit Rücksicht auf die Drehung der Schwärmzellen (abge- sehen von der Vorwärtsbewegung) drei verschiedene Typen zu unterscheiden : 1) sie drehen sich um ihre eigene Achse, 2) sie drehen sich um eine ideale Achse (die Bahn, in der sie sich vorwärts bewegen), wobei die wirkliche Achse mit der idealen Achse parallel läuft, 3) sie drehen sich um eine ideale Achse (die Bahn der Vorwärtsbewegung) , wobei das vordere Ende der wirklichen Achse weiter von der idealen Achse entfernt ist als das hintere, dessen Abstand möglicher Weise gleich Null wird. — Von diesen verschiedenen Arten der Achsendrehung ist zu unterscheiden die Vorwärtsbewegung, welche in einer geraden, in einer regelmässig - gebogenen oder in einer unregelmässigen Linie erfolgen kann. Die Bewegung der fadenförmigen Spermatozoen stimmt im Wesentlichen genau mit derjenigen der Schwärmsporen überein. Auch bei ihnen kommen die drei verschiedenen Achsendrehungen vor, und die mannigfaltigen Abweichungen von der geraden Bahn der Vorwärtsbewegung. Ich habe schon im Jahre 1844 (Zeitschrift für w. Bot.) diese Verhältnisse auseinandergesetzt. Die Regelmässig- keit der Bewegung wurde später bezweifelt, und kann in der That an lebhaft schwärmenden Fäden nicht erkannt werden. Indessen ist die Sache nicht damit abgethan , dass man die Schwärmfäden sich unter dem Microscop möglichst unre- gelmässig herumtummeln sieht, sie mit Infusorien vergleicht, und ihnen schliess- lich noch das Epitheton » wahrscheinlich oder offenbar willkürlich« beilegt. Die Bewegung muss analysirt werden, und das ist nur möglich, indem man sie durch schwächende Mittel oder Reibungswiderstände verlangsamt oder vor dem norma- len Aufhören beobachtet. Es gelingt dann immer, sich von der relativen Starr- heit der Fäden, sowie von den regelmässigen Modificationen der Achsendrehung und der Vorwärtsbewegung, wie ich sie angegeben habe, zu überzeugen. In Folge dessen ist es mir nicht im geringsten zweifelhaft, dass die Schwärm- zellen und Schwärmfäden bei vollkommen regelmässiger Form, bei symmetrischer Vertheilung der Masse und bei Homogeneität des Mediums in einer geraden Linie dahinschwimmen würden, — und dass alle Abweichungen sowohl rücksichtlich der Achsendrehung als der Fortbewegungsbahn davon herrühren, dass die beweg- lichen Körper nicht symmetrisch gebaut sind, ihren Schwerpunct nicht im Cen- trum haben, und nicht ringsum gleichmässige Reibungswiderstände erfahren. Die Drehung der Schwärmzellen und Schwärmfäden ist gewöhnlich für jede Art, Gattung oder Familie constant. So drehen sich z. B. die Schwärmzellen von Ulothrix speciosa Kg. , Stigeoclonium insigne Näg. , Tetraspora lubrica Kg. süd- westlich (rechts im Sinne der Botaniker), die Schwärmfäden der Farrenantheri- dien gewöhnlich südöstlich (links im Sinne der Botaniker)*). Dagegen gibt es auch Schwärmer, die man als drehungsvage bezeichnen könnte, da sie sich bald südöstlich, bald südwestlich drehen; dahin gehören die Täfelchen von Gonium, bei denen ich die beiden Richtungen fast gleichmässig vertreten, oder die südöst- *), Schacht (Anat. und Physiol. d. Gewächse, II, 264) sagt: »Die Hauptbewegung ist die unabänderliche Drehung des Fadens um seine Achse; diese Drehung erfolgt unter dem Micros- cop von links nach rechts, also in der Wirklichkeit von rechts nach links.« Ich verstehe diesen Satz nicht; denn Schacht kann doch nicht sagen wollen, die unter dem Microscop erscheinende Rechtsdrehung sei in der Wirklichkeit Linksdrehung. Es gehört ja zu den Elementen der Mi- croseopik, dass Schraube und schraubenförmige Bewegung unter dem Microscop die nämlichen bleiben (während sie im Spiegel verkehrt erscheinen), weil allerdings die Rechtsbewegung von dem Compositum in Linksbewegung, aber zugleich auch die aufsteigende Richtung in die ab- steigende verwandelt wird. Wenn nun aber Schacht sagt, die Drehung erfolge unter dem Mi- croscop von links nach rechts, so würden seine Beobachtungen mit den meinigen im Wider- spruch stehen, insofern er sich der Terminologie der Botaniker und nicht etwa der Mechaniker bedient. Nägeli, Beiträge. 11. 7 a ae liche etwas vorherrschend fand, und die kugeligen Familien von Pandorina, wo jedoch die südwestliche Richtung (Rechtsdrehung der Botaniker) überwiegt. Bei den Schwärmzellen ist es oft beinahe unmöglich, sich von der Drehungs- richtung zu überzeugen. Es scheint, als ob die nämliche Zelle bald links bald rechts drehe, und man überzeugt sich sogleich, dass eine optische Täuschung dabei im Spiele ist. Ich theile hier eine Untersuchung mit, die ich im März 1850 an Tetraspora lubrica anstellte. Von den in grosser Menge vorhandenen Schwärm- zellen schien sich die Hälfte südöstlich, die andere Hälfte südwestlich zu drehen, und zwar in der Weise, dass zwei in entgegengesetzter Richtung fortschreitende Zellen auch in entgegengesetzter Richtung drehten. Die nämliche Zelle schien, wenn umbiegend, ihre Drehung zu wechseln. Alle Zellen, die sich von dem Beobachter entfernten, drehten aufsteigend-südwestlich, alle, die sich ihm näher- ten, absteigend - südwestlich, als aufsteigend gedacht demnach südöstlich. Indess war die Richtung, welche die Grenze zwischen der einen und der andern Bewe- 8; gung bildete, nicht die von rechts nach links, sondern von links und innen (un- ten) nach rechts und oben (aussen). Um mich ganz deutlich auszudrücken , so will ich die 4 verschiedenen Seiten des Gesichtsfeldes mit R, L, O und U (rechts, links, obere und untere Seite des Auges) benennen, und die Richtungen nach Art der Windrose bezeichnen. Die Schwärmzellen, die von OOR nach UUL, von O nach U, von OL nach UR, von L nach R und von LLU nach RRO über das Gesichtsfeld gingen, zeigten alle aufsteigend - südöstliche Drehung (links im Sinne der Botaniker); die Schwärmzellen, die in der Richtung von UUL nach OOR, von U nach O, von UR nach OL, von R nach L, von RRO nach LLU sich bewegten, schienen alle absteigend- südöstlich, also aufsteigend - südwestlich (rechts nach botanischer Terminologie) zu drehen. Eine Zelle, die von LLU nach RRO ging, und ihre Richtung änderte, sodass sie nun von LUU nach ROO sich bewegte, änderte an der Umbiegungsstelle ihre aufsteigend - südöstliche in aufsteigend - südwestliche Drehung. Diese Erscheinungen blieben die nämlichen, wenn der Tisch des Microscops umgedreht, wenn der Spiegel in jeder Weise verstellt, und wenn die Röhre des Microscops horizontal gelegt, somit das Gesichtsfeld in die verticale Stellung ge- bracht wurde. Jene scheinbaren Drehungen blieben auch die nämlichen, wenn die Zellen ganz langsam sich bewegten. — Es handelt sich hier um eine optische Täuschung, deren Grund noch räthselhaft ist. Andere Schwärmzellen von gleicher oder geringerer Grösse zeigen ganz die nämlichen scheinbaren Bewegungen. Ihre wirkliche Drehung lässt sich mit Sicherheit nur ermitteln, wenn sie (bei horizontaler Lage des Objectträgers) in senkrechter Richtung (nach oben oder nach unten) vorrücken. Alle Zellen nun, welche bei der ebengenannten Tetraspora lubrica in der Nähe des Objectträgers sich befanden und von da gegen das Deckgläschen (also gegen den Beobachter) sich bewegten, drehten aufsteigend - südwestlich; alle dagegen, die von dem Deckgläschen nach dem Objectträger senkrecht abwärts stiegen, drehten abstei- gend -südöstlich, was also in die aufsteigende Lage gedacht ebenfalls südwestliche a Fe er Drehung gibt. Ich beobachtete wenigstens ein Dutzend Zellen, welche in Folge ihrer langsamen Bewegung diess sehr deutlich sehen liessen, auch solche Zellen, welche von dem Objeetträger nach dem Deckgläschen gingen und wieder zurück- kehrten, immer mit dem gleichen Resultat. Um Täuschungen zu vermeiden, muss man bei Zellen, deren Achse 'senkrecht steht und deren Drehung man daher sehr leicht beurtheilen kann, immer sorgfältig sich überzeugen, ob dieselben nach oben oder nach unten vorrücken oder vor- rücken wollen. So sieht man in der Regel, dass fast alle Schwärmzellen, die an der Fläche des Deckgläschens sich befinden, eine andere Drehung zeigen als diejeni- gen, die auf der Fläche des Objectträgers liegen; denn jene werden durch das Deckgläschen in ihrer Bewegung nach oben, diese durch den Objectträger in ihrer Bewegung nach unten aufgehalten; jene haben ihr vorderes Ende oben, diese unten. Bei Tetraspora lubrica zeigten dem entsprechend die meisten der an das Deckgläschen anstossenden Zellen mit senkrechter Achse südwestliche, die meisten der an den Objectträger anstossenden Zellen südöstliche Drehung. Man- che dieser Zellen kamen nach kurzer Zeit zur Ruhe. Die wenigen, die mit Rück- sicht auf ihre Drehungsrichtung eine Ausnahme machten, entfernten sich bald von der Oberfläche des Glases und zeigten dadurch, dass sie nicht mit dem vor- dern Ende das Glas berührt hatten ; dass also ihre Drehung eine absteigend-süd- östliche war, während die übrigen aufsteigend- südwestlich sich drehten. An den Schwärmsporen von Ulothrix speciosa, welche langsamer oder schnel- ler auf dem Gesichtsfelde sich herum bewegen, lässt sich die Drehungsrichtung ebenfalls nicht unterscheiden. Auch hier muss man solche beobachten, deren Achse senkrecht steht, und die mit ihrem vordern Ende an eine der beiden Glas- platten anstossen, an welcher sie sich einige Zeit herumbohren, ehe sie zur Ruhe gelangen oder durch eine Veränderung in der Bewegung sich wieder los machen. Alle gegen den Objectträger anstossenden (es wurden deren einige Hunderte gesehen) drehen südöstlich, alle an das Deckglas oder auch an die unbedeckte Oberfläche des Wassers anstossenden südwestlich. Die Wendung ist also immer, auf die senkrecht aufsteigende Bewegung bezogen, südwestlich (rechts im botani- schen Sinne). Die genannten Schwärmzellen drehen constant in’ gleicher Richtung, näm- lich aufsteigend- südwestlich, und wenn sie umkehren, absteigend -südöstlich. Indessen bemerkt man an ihnen zuweilen auch eine entgegengesetzte Drehung, ohne dass sie dabei sich umkehren. So beobachtete ich bei Tetraspora lubrica mehrmals, dass Schwärmzellen, die am Objectträger mit senkrecht stehender Achse anstiessen , zuerst südöstlich drehten, dann eine Zeit lang stille standen, nachher südwestlich drehten und zuletzt wieder zur Ruhe kamen. Andere Zellen am Ob- jectträger drehten südöstlich, dann südwestlich und zuletzt wieder südöstlich ; und Zellen, die am Deckglas anstiessen, drehten südwestlich, dann südöstlich und zuletzt wieder südwestlich, wobei, im einen und andern Fall, zwischen zwei ver- schiedenen Drehungen immer ein kurzer Stillstand statt fand und zuletzt vollstän- 7* —— 100 dige Ruhe eintrat. Diese Erscheinung fand ihre Erklärung durch eine anderwei- tige Beobachtung an Ulothrix speciosa. Die Schwärmzellen und Schwärmfäden gehen mit dem vordern (wimpertra- genden) Ende voran. Diess ist indess nicht ohne Ausnahme. Sie können auch kurze Zeit rückwärts gehen; und dann drehen sie sich in entgegengesetzter Rich- tung. Diess war sehr deutlich an den Schwärmsporen von Ulothrix speciosa. Viele derselben schwimmen vertical nach oben oder nach unten, stossen an eine der beiden Glasplatten an, und drehen sich hier nun längere oder kürzere Zeit auf der nämlichen Stelle. Einige stehen zuletzt still; andere aber machen sich wieder los, um in der Flüssigkeit herumzuschwärmen. In der Regel geschieht diess folgendermaassen. Die Zelle unterbricht plötzlich, oder nach kurzer Ruhe, ihre gewöhnliche Drehung durch 1, 2 und 3 Umläufe in entgegengesetzter Rich- tung. Dabei geht sie etwas zurück und entfernt sich somit vom Glas; sie ändert, nun abermals, entweder plötzlich oder nach kurzem Stillstand, ihre Drehung und zugleich die Richtung ihrer Achse, und schwärmt davon mit der gewöhnlichen (südwestlichen) Drehung, und mit dem Wimperende voran. Zellen, die am Deckglas anstossen, drehen, wie schon gesagt, südwestlich, beim Zurückgehen südöstlich; Zellen am Objectträger drehen südwestlich, beim Zurückgehen süd- östlich. Wenn man sich einmal über diese Verhältnisse orientirt hat, gelingt es, die gleiche Erscheinung an Schwärmzellen zu beobachten, welche an Gegenstände, die im Wasser liegen, anstossen. Sie bohren sich an dieselben an, drehen sich eine Zeit lang, stehen still, und gehen dann mit entgegengesetzter Drehung lang- sam rückwärts, um nach einigen Umläufen wieder mit der gewöhnlichen Drehung und der gewöhnlichen Geschwindigkeit in einer etwas veränderten Richtung fortzuschwärmen. — Es kommt auch vor, dass die Zellen, nachdem sie rückwärts gegangen sind, wieder in gerader Richtung vorwärts gehen, und von neuem an das Glas oder an den fremden Gegenstand anstossen, worauf entweder Ruhe oder abermaliges Zurückweichen erfolgt. Wenn ich eben von entgegengesetzter Drehung gesprochen habe, so muss ich eine Bemerkung darüber hinzufügen. Es drückt diese Benennung die Thatsache aus, dass eine Schwärmzelle, die an einen Gegenstand anstösst, abwechselnd süd- östlich und südwestlich drehen kann, ohne die Lage ihres vordern und hintern IEindes zu verändern. Wenn wir also nur auf die Enden Rücksicht nehmen und das wimpertragende als das vordere bezeichnen, so müssen wir von solchen Zellen sagen, dass sie ihre Drehungsrichtung wechseln. — Es findet aber, wie ich be- merkte, gewöhnlich eine langsame Rückwärtsbewegung statt, während die Zelle sich in entgegengesetzter Richtung dreht, und wenn diese Rückwärtsbewegung zuweilen nicht eintritt, so müssen wir doch eine Neigung dazu annehmen, welche wegen mechanischer Hindernisse sich nicht verwirklichen kann. Mit Rücksicht auf dieses Rückwärtsgchen ist die Drehungsrichtung eine absteigend-umgekehrte ; d. h. Zellen, die mit aufsteigend -südwestlicher Drehung an ein Hinderniss an- stossen, drehen sich beim Rückwärtsgehen absteigend - südöstlich. Es ist das die — 11 —— Bewegung einer linken Schraube (im Sinne der Mechaniker), welche zurück- geschraubt wird. — Wir können daher von einer Aenderung in der Drehungs- richtung nur insofern sprechen, als wir das vordere (wimpertragende) Ende als das obere betrachten. Legen wir aber, was offenbar das Natürlichere und so- mit Richtigere ist, das Hauptgewicht auf die Richtung, in welcher die Zelle fort- rückt, und denken wir uns dieselbe immer in die Lage, dass das vorangehende (bei dem Zurückweichen das hintere) Ende sich oben befindet, so haben wir für Ulothrix speciosa und Tetraspora lubrica immer die nämliche (südwestliche) Drehung. Als allgemeines Resultat lässt sich also über die Richtung der Bewegung der Schwärmzellen aussagen : Sie gehen normal mit dem Wimperende voran und drehen sich in einer bestimmten Richtung um ihre Achse. Wenn sie an einen Gegenstand anstossen, und daselbst nicht ablenken oder unmittelbar zurückpral- lend umkehren, so erfolgt häufig ein Zurückweichen,, wobei sie mit dem hintern Ende vorangehen und sich in absteigend - entgegengesetzter Richtung drehen. Diese Rückwärtsbewegung dauert meist nur kurze Zeit und ist immer langsamer; sie wird bald wieder durch die normale Bewegung vertauscht. Ob das Zurück- gehen auch erfolgen kann, ohne dass die Schwärmzellen mit ihrem vordern Ende anstossen, ist mir unbekannt. Nur selten beobachtet man eine Zelle, welche längere Zeit mit ihrem hintern Ende voran herumschwimmt. Ich habe diess bei Ulothrix speciosa einige Male auch in folgender Weise gesehen. Eine Zelle, die an den Objectträger anstiess, legte sich auf die Seite, und beschrieb nun rückwärts- (d. h. mit ihrem hintern Ende voran-) gehend einen Kreis. Ihre Achsendrehung war, aufsteigend gedacht, südwestlich, die Kreisdrehung dagegen südöstlich. Da die Zellen an der Fläche des Objectträgers verharrten, so waren sie offenbar durch denselben in ihrer Be- wegung nach unten gehemmt. Der Kreis, den sie beschrieben , gehörte somit einer absteigenden Schraubenlinie an; die Kreisdrehung war eine absteigend- südöstliche, und stimmte in ihrer Richtung mit dem gewöhnlichen Verhalten überein. Mit Rücksicht auf die Schnelligkeit der Vorwärtsbewegung und der Achsen- drehung will ich nur Weniges beifügen. Beide stehen in einer gewissen Bezie- hung zu einander und werden wahrscheinlich durch eine gemeinsame Ursache bedingt; denn in der Regel steigert und vermindert sich mit der einen auch die andere. Doch sind sie innerhalb gewisser Grenzen oder unter bestimmten Ver- hältnissen unabhängig von einander. Es kann die eine gehemmt werden, wäh- rend die andere fortdauert. Schwärmzellen, die an ein Hinderniss anstossen, bleiben stehen, fahren aber oft noch längere Zeit fort, sich um ihre Achse zu drehen. Ebenso sah ich Zellen in der Nähe des Deckgläschens oder des Object- trägers, die sich langsam vorwärts bewegten, ohne sich zu drehen. Bei Zellen, welche frei im Wasser schwimmen, scheint nie eine der beiden Bewegungen gänzlich mangeln zu können. Dagegen sieht man hier Zellen, die, bei gleich viel Drehungen in der Zeiteinheit, ungleich schnell vorwärts schwimmen, — 112 —— und andere, die bei gleicher Fortbewegungsgeschwindigkeit ungleich oft sich drehen. Die gleichzeitig im Gesichtsfeld befindlichen, also gleichen äussern Bedin- gungen ausgesetzten Schwärmzellen der gleichen Pflanze bewegen sich übrigens mit ziemlich ungleicher Geschwindigkeit. Die Zellen von Tetraspora lubrica z. B. durchlaufen bei etwa 14° C. den Raum von Mill. in 1,2 bis 2,4 Secun- den, und drehen sich, an der obern und untern Glasplatte anstossend , 1mal in 0,3 bis 1,8 Secunden. Die Wärme beschleunigt die Bewegung. Das Licht aber scheint keinen Ein- fluss auf die Schnelligkeit zu haben. Es wirkt nur, insofern es der Bewegung eine bestimmte Richtung gibt. Längst bekannt ist, dass in einer Wasserschüssel die grünen Schwärmzellen sich an dem Rande sammeln, welcher dem Fenster zu- gekehrt ist, und dass, wenn man die Schüssel nun umdreht, sie nach dem gegen- über liegenden Rande hin ziehen. Der Entdecker dieser merkwürdigen Erschei- nung, Treviranus, sagt, dass sich die beweglichen Zellen an der dem Fenster zugekehrten Schattenseite des Wassers anhäufen, und dass, wenn man sie durch Drehung der Schale in das Sonnenlicht bringe, sie sich wieder in den Schatten ziehen (Verm. Schrift. II, 84). Diess ist indess kaum der richtige Ausdruck für das Factum; es kann nicht wohl der Schatten sein, welcher die Richtung der Bewegung bestimmt. Vielmehr fragt es sich, was für einen Einfluss die Licht- strahlen haben. Die grünen Schwärmzellen können dem Lichte entgegen schwim- men oder sie können dasselbe fliehen. Wenn nun dieselben nach dem Fenster hin ziehen, um dort sich am Schattenrande anzusammeln, so müssen sie gegen das Licht gehen, um in’s Dunkel zu kommen. Auf diese Weise können die beweg- lichen Zellen den Schatten nicht aufsuchen wollen. Wir müssen vielmehr sagen, dass sie durch das Licht angezogen werden„und dabei zufällig in den Schatten kommen. In der That, wenn man einen ganz flachen Teller mit Wasser füllt, so zieht die grüne Schwärmzellenmasse doch nach dem Fenster hin, obgleich der dortige Rand ebensogut beschienen ist, als der abgekehrte. Diess ist ohne Zweifel auch der Grund, warum die grünen Schwärmzellen an die Oberfläche des Wassers kommen; denn sie sind spezifisch schwerer als Wasser, und von Natur zur Ruhe gelangt oder getödtet, sinken sie immer schnell auf denGrund. Um übrigens darüber in’s Reine zu kommen, füllte ich eine gegen 3 Fuss lange Glasröhre mit grünem Wasser, das aus schwärmender Tetraspora lubrica bestand, und umwickelte dieselbe mit Ausnahme des untern Endes ganz mit schwarzem Papier. Die Glasröhre wurde senkrecht stehen gelassen; nur der Grund derselben war beleuchtet, und nur von hier drangen die Lichtstrahlen in den übrigen Raum ein. Nach einigen Stunden befanden sich alle Zellen in dem untern Ende, und zwar’alle herumschwärmend , was man im Sonnenlicht schon mit blossem Auge und sehr gut mit einer Lupe beobachtete. Das Wasser oberhalb war farblos. Nun wurde das untere Ende umwickelt, und das obere frei gelassen. Die Schwärmzellen stiegen alsbald empor und sammelten sich an der Oberfläche des Wassers an. N ee - Diese 'Thatsachen beweisen also, dass grüne Schwärmzellen sich nach dem Lichte hin bewegen, dass sie desswegen an die Oberfläche des Wassers kommen und sich hier an demjenigen Rande ansammeln, von woher das Licht einfällt. Indessen ist damit der Einfluss des Lichtes nicht erschöpft; zuweilen scheint der- selbe modificirt zu werden. Neben der häufig zu beobachtenden Thatsache, dass die Schwärmzellen sich an dem Fensterrande der Wasseroberfläche anhäufen, findet man oft Wasserschüsseln, in denen sie die ganze Oberfläche bedecken. An der im März 1850 untersuchten Tetraspora lubrica machte ich folgende Beobachtungen. Die grüne Gallertmasse wurde in eine mit Wasser gefüllte Schüssel gesetzt, auf deren Grunde sie liegen blieb. Bald verliessen einzelne Schwärmzellen die Gallerte, kamen an die Oberfläche und häuften sich an der dem Fenster zugekehrten Seite der Wasserschüssel an; diess dauerte den ganzen ersten Tag fort. Besonders lebhaft musste aber das Schwärmen während der fol- genden Nacht oder mit Tagesanbruch stattfinden; denn am andern Morgen war die ganze Oberfläche des Wassers mit einer dünnen grünen Haut von zur Ruhe gekommenen Schwärmzellen bedeckt. Diese Haut wurde weggenommen. Den Tag über schwärmten nur wenige Zellen, und gingen wie am vorigen Tage an den dem Lichte zugekehrten Rand. In der zweiten Nacht bildete sich wieder eine grüne Haut; und die gleichen Erscheinungen wiederholten sich, bis aus der Gal- lerte alle Zellen ausgeschwärmt waren. Auf dem Grunde der Schüssel und an den Seitenwandungen befanden sich keine oder äusserst wenige Zellen. — Dieser gleiche Versuch wurde mehrmals wiederholt. Er dauerte 4 bis 7 Tage, je nach der Zimmertemperatur. Für die Thatsache, dass die Nachts oder früh Morgens schwärmenden Zellen die ganze Oberfläche des Wassers mit einer Haut überzogen, könnte man zwei Erklärungen geben: 1) der Einfluss der geringen Lichtmenge sei nicht hinrei- chend gewesen, um die Bewegung zu bestimmen; 2) was mir viel wahrschein- licher vorkommt, die Schwärmzellen haben sich, als sie zur Ruhe gelangten, in eine einfache Schicht ausgebreitet, und wegen ihrer grossen Menge die ganze Oberfläche des Wassers eingenommen. Ich werde später noch von der Eigen- thümlichkeit der Schwärmzellen, sich beim Uebergang in den Ruhezustand an die Oberfläche des Wassers zu hängen, sprechen. Dabei bilden sie immer, wenn sie auch noch so gedrängt liegen, eine einfache Schicht. Wenn daher eine Wasser- fläche ganz mit ruhenden Schwärmzellen bedeckt ist, so ist damit nicht gesagt, dass dieselben überall da, wo sie sich befinden, zur Ruhe gelangt seien. Sie sind möglicher Weise nur an einzelnen Stellen an die Oberfläche gekommen, und ha- ben fortwährend diejenigen, welche früher sich daselbst ansetzten, verdrängt. Wenn man die grünen Schwärmzellen unter dem Microscop zur Ruhe kom- nen lässt, so setzen sie sich an dem untern und dem obern Glas fest. An jenem befindet sich aber stets eine viel grössere Zahl als an dem andern. So zählte ich auf dem ganzen Raume des Gesichtsfeldes am Objectträger 110, am Deckglas 10, ferner an jenem 85, an diesem 5, ferner an jenem 235, an diesem 21, endlich an jenem 30, an diesem 3 Zellen von Tetraspora lubrica; im Mittel also 92 Prozent — 104 —— am untern, 8 Prozent am obern Glas. Bei einigen andern Beobachtungen an der nämlichen Pflanze ergab sich immer das Verhältniss 90 bis 93 und 10 bis 7 Pro- zent. — Ganz das gleiche Resultat haben später die Schwärmsporen von Ulothrix speciosa geliefert. Für diese Erscheinung liessen sich zwei Erklärungsgründe denken. Erstlich kann das Licht die Ursache sein. Unter dem Microscop bewegen sich die Zellen nach allen Seiten, rechts, links, nach vorn, nach hinten, nach unten, nach oben, — ohne Zweifel, weil die Lichtstrahlen von allen Seiten her- kommen. Indessen fällt das meiste Licht von unten ein, und in der That sieht man gewöhnlich während des Schwärmens viel mehr Zellen am Objectträger als am Deckgläschen. Es könnte diess der Grund sein, warum zuletzt, wenn die Bewegung aufgehört hat, 9mal mehr Zellen unten als oben liegen. — Indessen wäre es zweitens auch möglich, dass viele im Augenblick, wo sie zur Ruhe kom- men, nicht hinreichend fest an dem obern Glas adhäriren, und desswegen in Folge ihres grössern spezifischen Gewichtes zu Boden sinken. Es wäre möglich, dass sie überhaupt nicht so leicht am Glas sich aufhängen als z. B. an der freien Wasseroberfläche. Ich brachte daher Schwärmzellen von Tetraspora lubrica auf einen Object- träger ohne Deckglas, und liess sie unter dem Microscop zur Ruhe kommen. Das Resultat war hier das nämliche. Sehr wenige Zellen kamen schwärmend an die Oberfläche des Wassers; eine viel grössere Zahl befand sich am Objectträger; und als die Bewegung aufgehört hatte, waren dort wieder 90 Prozent oder mehr, und kaum 10 Prozent an der Oberfläche des Wassers. Ulothrix speciosa verhielt sich ganz gleich. — Da nun die zur Ruhe gelangenden Schwärmzellen sehr leicht an die Oberfläche des Wassers sich anheften, so schien ihr fast vollständiger Mangel an dieser Stelle nur aus der Thatsache sich zu erklären, dass wegen des vorzugs- weise von unten einfallenden Lichtes sie zu jeder Zeit, auch unmittelbar vor dem Aufhören der Bewegung nur in geringer Zahl nach oben gehen. Ich stellte mit Tetraspora lubrica zwei weitere Versuche in folgender Weise an. Ich brachte auf 2 Objectträger Wasser mit Schwärmzellen, ohne dasselbe zu bedecken, und legte beide auf 6 Mill. hohe Unterlagen, den einen aufrecht, den andern verkehrt, so dass dort der Wassertropfen auf dem Glase ruhte, hier durch Adhäsion an seiner untern Fläche hing. Die Unterlagen befanden sich auf einem dunkeln Tisch; die Schwärmzellen erhielten also jedenfalls das meiste Licht von oben. Nach einer Stunde waren alle zur Ruhe gekommen. An beiden Präparaten lagen weitaus die meisten auf dem Grund, beim ersten Präparat auf dem ÖObject- träger, beim zweiten auf der freien untern Oberfläche des hängenden Wasser- tropfens. Nur wenige befanden sich oben, beim ersten Präparat an der Ober- fläche des Wassers, beim zweiten an dem Objectträger. — Ich hatte ein anderes Resultat erwartet. Das stärkere, von oben her wirkende Licht hätte doch wenig- stens die Hälfte aller Schwärmzellen oder mehr nach oben ziehen sollen. Einen andern Versuch machte ich noch mit Ulothrix speciosa. Ein Object- träger mit einem unbedeckten Wassertropfen voll Schwärmsporen wurde auf den mit einem grünen Tuch überzogenen Tisch gelegt. Von den zur Ruhe gekomme- ee. MM —- nen Zellen befand sich die etwas grössere Hälfte an der Oberfläche des Wassers, die etwas kleinere auf dem Objectträger. Auch hier hätte man vermuthen sollen, fast alle oben zu finden. Bei Ulothrix speciosa wurden ferner zwei Beobachtungen gemacht, die eben- falls eine Modification des Lichteinflusses beweisen. Ein Objectträger mit einem unbedeckten Wassertropfen, in welchem sich viele Schwärmzellen befanden, wurde unter das Microscop gebracht. Bald sammelten sich alle an dem innern (dem Fenster ab-, dem Zimmer zugekehrten) Rande an. Der Objectträger wurde umgedreht, so dass die Zellen aın äussern Rande des Wassers sich befanden ; das tesultat war, dass sie wieder alle an den innern gingen. Man konnte sehr schön beobachten, wie die Schwärmzellen mit ziemlich paralleler Richtung von dem Fenster nach dem Zimmer hin eilten. Das Umdrehen wurde noch einige Male wiederholt, bis die Bewegung aufhörte. Der Erfolg war immer derselbe, es mochte Licht vom Spiegel auf den Objectträger fallen oder nicht. Es wurde nun eine Glasplatte, die mit Wasser und Schwärmzellen bedeckt war, ohne Deckglas auf das grüne Tuch des Tisches gelegt und liegen gelassen, bis das Schwärmen vorbei war. Die zur Ruhe gelangten Zellen befanden sich in ihrer grossen Mehrzahl an dem innern (dem Zimmer zugekehrten) Rande des flachen Wassertropfens. Ein kleinerer Theil derselben war über seine Fläche zer- streut, und verminderte sich von innen nach aussen. An dem äussern (dem Fen- ster zugekehrten) Rande des Wassertropfens mangelten die Sporen ganz. Diese Thatsachen beweisen, dass der Satz, die grünen Schwärmzellen bewe- gen sich nach dem Lichte hin, jedenfalls Beschränkungen erfahren muss. Fer- nere passend angestellte Versuche werden darüber Aufklärung geben können. Ich habe wiederholt der Thatsache erwähnt, dass die Schwärmzellen, zur Ruhe gelangend, sich an die Oberfläche des Wassers ansetzen. Ich erlaube mir noch eine Bemerkung über diese höchst interessante Erscheinung. Grössere Pflanzen steigen im Wasser empor, getragen von dem Gas, das in den Lufträumen abge- sondert wird. Microscopische (kugelige oder fadenförmige) Algen erheben in ganzen Massen sich an die Oberfläche, getragen von Sauerstoffblasen, die sie aus- geschieden haben. Den Schwärmzellen hängt kein auch noch so kleines Gas- bläschen an; ihre Schwere wird bloss von der bewegenden Kraft überwunden. Zur Ruhe gelangt, müssen sie auf den Grund fallen, wenn nicht etwas sie an der Oberfläche festhält. Diess ist, um mich dieses Ausdruckes zu bedienen, capillare Abstossung. Die Zellen (sowie die aus ihnen sich entwickelnden Pflänzchen) sind an der obern Seite nicht benetzt, und durch dieses Mittel an der Oberfläche des Wassers aufgehängt. Die Haut, welche durch Zusammentreten zahlloser Schwärmzellen auf dem Wasser gebildet wird, ist an ihrer äussern Fläche trocken. Der Process ist wahrscheinlich folgender. Die zur Ruhe gelangende Schwärm- zelle tritt in Folge ihrer Bewegung unmittelbar an die Oberfläche, vielleicht mit einer Seite etwas über dieselbe. In Folge der Capillaranziehung würde sie aber immer wieder mit Wasser bedeckt und in die Tiefe gezogen, wenn nicht durch eine Veränderung in der nach aussen schauenden Membran, vielleicht durch Aus- — 16 —— scheidung eines wachsartigen Ueberzugs, dieselbe bereits fettig und unbenetzbar geworden wäre, und das Wasser ringsum zurückdrängte. Ich habe bis jetzt über die Bewegung der einzelnen Schwärmzellen gespro- chen. Ich muss noch etwas über das Verhalten ganzer Massen derselben bei- fügen. Die erste Beobachtung darüber machte ich an einer mir unbekannt geblie- benen Pflanze. Im November des Jahres 1848 erhielt ich von A. Braun aus Freiburg ein Fläschchen mit grünem Wasser, und dazu die Bemerkung, es seien » Kugeln von der gewiss falsch bestimmten Coccochloris stagnina.« Die Kugeln waren auf der Reise in die einzelnen Zellen zerfallen, welche lebhaft schwärmten. Ich schüttete das grüne Wasser in einen flachen Teller, wo es sich alsbald klärte, indem die grüne Masse sich an den dem Fenster zugekehrten Rand hin zog (Taf. VIIL, Fig.1). Hier bildete sie eine ziemlich breite Zone (ihre Breite (c—.d) betrug wohl den dritten 'Theil des Tellerdurchmessers). Unmittelbar am Rande befand sich ein intensiv grüner Streifen, welcher in der Mitte fast 4 Mill. breit war, nach rechts und links aber allmälig schmäler wurde (a—5). Innerhalb dieses Streifens war die grüne Zone getupft von kreisrunden Flecken, von denen jeder im Centrum intensiv grün war und ringsum nach der Peripherie hin allmälig heller wurde. Diese Tupfen waren in der Nähe des Randstreifens kleiner und gedrängter, auf der nach der Mitte des Tellers gekehrten Seite grösser und locke- rer; dort betrug der Abstand der Uentren etwa 6 Mill., hier etwa 12. Zwischen den grünen Tupfen war das Wasser nicht farblos, sondern gelblich. Ich wollte eine der grünen Massen mit der Pincette herausnehmen, aber sie zerfloss sogleich ; und wie ich noch zwei- oder dreimal rasch nach einander mit der Pincette an ver- schiedenen Stellen das Wasser berührt hatte, so war die zierliche Anordnung ganz verschwunden, die getupfte Zone war homogen grün geworden. Nach 2 bis 3 Mi- nuten hatte sich indess die frühere Anordnung in Tupfen wieder hergestellt. Das Experiment wurde noch einige Male wiederholt. Sowie das Wasser in Bewegung gesetzt wurde, so verschwanden die Anhäufungen der grünen Masse, die sich, der Ruhe überlassen, immer sofort wieder bildeten. Eine genauere Betrachtung mit der Lupe bestätigte nun, dass jeder der grü- nen Tupfen aus lebhaft bewegten Schwärmzellen bestand, die nach dem Centrum sich enger zusammengedrängt hatten. Ferner zeigte sich, dass jeder derselben mit einem senkrechten, nach unten verschmälerten Fortsatz den Boden des Tel- lers berührte, somit eine verkehrt- kegelförmige Gestalt hatte. Während der Nacht stand der Teller bei stürmischer, regnerischer Witte- rung und bei einer T’emperatur von 5°C. im Freien, jedoch unter Dach. Am andern Morgen bildeten die Zellen einen grünen Bodensatz. In’s Zimmer ge- bracht trat zwar ein grosser Theil derselben , jedoch lange nicht alle, bald an die Oberfläche, schwärmte und sammelte sich wieder zu einer grünen Zone auf der äussern (dem Fenster zugekehrten) Seite (Fig. 2). Unmittelbar an dem Rande zeigte sich wieder ein intensiv grüner Streifen («— 5). An die Mitte desselben (c\ setzte sich eine baumartige Verzweigung von ebenfalls intensiv grünen Streifen an. Der Hauptstamm (e— d) war nach dem Centrum des Tellers (gerade nach 107°—— dem Zimmer) gerichtet; rechts und links gingen Aeste ab; die äussern ziemlich unter einem rechten, die innern (obern) unter spitzen Winkeln. Die äussersten und innersten dieser Aeste waren unverzweigt oder bloss gabelig, die mittlern dagegen mehr oder weniger stark verzweigt und länger. Ausserdem gingen, rechts und links neben dieser baumartigen Verzweigung, noch kurze unverzweigte Streifen von dem Randstreifen in der Richtung von Radien ab (a—e —b). Das Wasser zwischen den baumartig- verbundenen Streifen war hellgrün, nach dem Umfange hin hellgelb. Diese Anordnung blieb nicht die nämliche, sie veränderte sich während des ganzen "Tages unaufhörlich, ohne jedoch den baumartigen Character zu verlieren. Die Verzweigung wurde aber einfacher und die Streifen länger und stärker. Man konnte die einzelnen Zweige und Acste verfolgen, wie die einen sich verkürzten und zuletzt ganz verschwanden, die andern aber an der Spitze sich verlängerten. Eine genauere Beobachtung zeigte auch hier, dass die grünen Streifen nicht bloss oberflächlich waren. Dort hatten sie zwar ihre grösste Stärke ; aber sie reich- ten mehr oder weniger tief in das Wasser hinab. Von den stärkern Aesten gingen vollständige senkrechte Wände und von den Knoten der schwächeren Verzwei- gungen senkrechte Stränge bis auf den Grund. Man überzeugte sich davon so- wohl durch genaue Betrachtung in verschiedenen schiefen Richtungen, als durch eine leichte Bewegung des Wassers, wobei die den Boden berührenden Wände und Stränge selber in eine schiefe Lage gebracht wurden. — Diese Untersuchung konnte nicht fortgesetzt werden. Die weitere Entwickelung der zur Ruhe ge- langten Schwärmzellen schien zu zeigen, dass die Pflanze einer von mir schon früher in meinen Notizen und brieflichen Mittheilungen als Tachygonium unter- schiedenen Gattung beizuzählen sei, zu welcher wahrscheinlich auch Protococeus mucosus Kütz. gehört. Eine ganz ähnliche Beobachtung machte ich im Jahre 1850 an Tetraspora lubrica. Wenn das Wasser dicht mit Schwärmzellen erfüllt und ziemlich grün war, so schieden sich rundliche Gruppen mit intensiv grünem Centrum aus. War dagegen das Wasser hellgrün, so bildeten sich intensiv grüne schmale Strei- fen, die bald baumartig, bald mehr netzartig verbunden, bald auch ziemlich parallel waren, und deren Richtung in überwiegender Menge von dem Fenster nach dem Zimmer ging. Auch hier beschränkten sich die rundlichen Tupfen und die Streifen nicht auf die Oberfläche des Wassers, sondern reichten 5 bis 10. Mill. tief in dasselbe hinab, indem sie nach unten dünner und heller wurden. Ueber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung weiss ich gar nichts beizufügen. Die Bemerkung indess halte ich nicht für überflüssig, dass offenbar nicht etwa Bewegungen und Strömungen im Wasser dieselbe veranlassen, son- dern dass hier noch unbekannte Eigenthümlichkeiten der Schwärmzellen im Spiele sind, deren Wirkungsweise namentlich von der grössern oder geringern Menge derselben abhängt. — 108 —— Erik larwngsr on Tafel VE Tachygonium (?) spec. I, 2 (Natürliche Grösse). Anordnung der Schwärmzellen in Tupfen und in baumartig verzweigte Streifen, in einem mit Wasser gefüllten Teller. «— 5 Rand des Tellers. ce Rich- tung nach dem Fenster. d Richtung nach dem Mittelpuncte des Tellers und nach dem Zimmer. 3 (500). Schwärmende Zellen. 4 (500). Zur Ruhe gelangte Zellen (a), die sich durch Theilung vermehren (b, e, d). b Gruppe von 4 Zellen ohne, e mit Gallerthülle. d Gruppe von 8 Zellen. — Grössere Gruppen sah ich keine, da die 4- und $zähligen schon wieder in die einzelnen Zellen zerfielen. Untersuchungen über den Flechtenthallus von Dr. S, Schwendener. Einige Beobachtungen an verschiedenen Flechtengattungen, durch welche ich mich von der Dürftigkeit der in den Lehrbüchern und systematischen Wer- ken enthaltenen Angaben über die anatomischen Verhältnisse der Flechten über- zeugte, gaben mir Veranlassung, diese in so mancher Hinsicht interessanten Ge- wächse einem genauern Studium zu unterwerfen. Die Untersuchungen, deren Resultate ich hier, soweit sie die strauchartigen Flechten betreffen, dem Publicum vorlege, wurden im Jahre 1857 begonnen und in der Folge auf die Mehrzahl der europäischen Arten ausgedehnt. Ich stellte mir dabei vorzugsweise die Aufgabe, die Typen kennen zu lernen, welche mit Rücksicht auf das Längen- und Dicken- wachsthum des Thallus, die Entwickelung und Vermehrung der Gonidien und die Bildung der Soredien bestehen möchten. Apothecien und Spermogonien blieben vorläufig unberücksichtigt. Zur theilweisen Veröffentlichung der Beobachtungen, die anfänglich nicht in meiner Absicht lag, wurde ich durch den Umstand bestimmt, dass die genauere Kenntniss der anatomischen Verhältnisse, namentlich bei den laubartigen Flech- ten, manche Frage veranlasste, deren Lösung den Abschluss der Untersuchungen noch längere Zeit verzögern dürfte. Ausserdem habe ich, ungeachtet der Erfolg- losigkeit bisheriger Versuche, die Hoffnung noch nicht aufgegeben, auch über die Entwickelung des Thallus aus der Spore einiges Neue mittheilen zu können, und gedenke nun auch über diesen Gegenstand die Beobachtungen und Ver- suche mit etwas mehr Musse wieder aufzunehmen. Bezüglich der Anordnung der Gattungen habe ich mich an kein bestimmtes System gehalten, sondern soviel als möglich die natürliche Verwandtschaft berück- sichtigt, welche in den anatomischen Verhältnissen des 'Thallus, ohne Bezug- nahme auf die Fructificationsorgane, sich ausspricht. Ebenso wurde für die weni- gen Species, über deren Stellung im System die Autoren verschiedener Ansicht —— 10 — sind, stets diejenige Benennung gewählt, welche die Vereinigung derselben mit den zunächst verwandten möglich machte. Cornicularia aculeata findet sich z. B. als Cetraria, Cladonia vermicularis als Thamnolia aufgeführt. Das Material zu den Untersuchungen verdanke ich der Güte meines ver- ehrten Lehrers, Herrn Prof. Nägeli, der mir sein reichhaltiges Herbarium zur Benutzung überliess. — Einzelne seltenere Exemplare, insbesondere. Repräsen- tanten neu aufgestellter Gattungen, wurden mir von Herrn Dr. Hepp mit freundlicher Bereitwilligkeit mitgetheilt, wofür ich ihm hiemit meinen aufrich- tigen Dank ausspreche. Usnea Horrnm. Usnea besitzt einen stielrunden, strauchartig verästelten Thallus mit halb- kugelig abgerundeten , seltener mehr oder weniger spitz zulaufenden Enden. Kocht man diese letzteren in verdünnter Kalılösung, so überzeugt man sich, dass sie aus gegliederten Zellfäden bestehen, die unter sich und mit der Achse des Thallus annähernd parallel laufen und dabei mit ihren Wandungen so fest an ein- ander adhäriren, dass sie auch nach dem Kochen zu einem einheitlichen Ganzen verbunden bleiben. Doch gelingt es bisweilen durch längeres Erhitzen in etwas concentrirterer Kalilauge und bei Anwendung eines wiederholten schwachen Druckes auf das Deckgläschen die einzelnen Zellfäden zunächst der Spitze vollstän- dig von einander zu trennen und sie spreizend aus einander zu legen. Sie erschei- nen dann als ungemein zarte, nur wenig verästelte Fasern von etwa 2—3 Mik. Dicke, zuweilen mit deutlichen, den Scheidewänden ihrer einzelnen Zellen ent- sprechenden Einschnürungen, oft aber auch von durchweg gleichförmiger Dicke, ohne alle äusserlich wahrnehmbare Gliederung. Die Scheidewände treten aber auch in diesem Falle deutlich hervor, wenn man die das Präparat umspülende Kalilösung mit einer Säure neutralisirt und hierauf mit (wässeriger oder alcoholi- scher) Jodlösung versetzt. Der Inhalt der einzelnen Faserzellen färbt sich sodann braunroth (die bekannte Jodreaction), während die Scheidewände, wie überhaupt die Zellmembranen , farblos bleiben. Dieser Umstand macht es möglich, genaue Messungen über die Länge der Zellen anzustellen. Es ergeben sich aus denselben sowohl zwischen den Einzelwerthen für successive Zellen derselben Faser, als auch zwischen den mittleren Zelllängen verschiedener Fasern nicht unbeträcht- liche Differenzen, indem die Länge der Zellen oft kaum ihrer Breite gleichkommt, während sie in anderen Fällen das Zwei- bis Drei- und Mehrfache derselben beträgt. Die Zellfäden der Thallusspitze sind nicht genau gleich lang, d. h. ihre En- den liegen nicht in der nämlichen Ebene. Einzelne Fasern oder Faseräste, so- —— 111 — wohl peripherische als tiefer liegende, bleiben hinter den anderen zurück, die sich dann gleich über ihren Enden zusammenschliessen. Da dieser Vorgang sich öfter wiederholt, so müssen in dem Maasse, als die Zahl der Fasern im Quer- schnitt kleiner wird, die noch übrig bleibenden, besonders die peripherischen, immer stärker convergiren und im Falle sämmtliche Faserenden auf ein kleines Intervall vertheilt sind, endlich bogenförmig zusammenneigen. Von der Art und Weise, wie die Fasern in der Thallusspitze endigen, hängt es überhaupt ab, ob die letztere abgerundet oder mehr oder weniger spitz zulaufend sei. Jeder Zellfaden besitzt sowohl Scheitelwachsthum als intercalares. Ersteres geschieht durch Theilung der Scheitelzelle in cine neue Scheitelzelle und eine Gliederzelle, Dehnung der ersteren in die Länge und hierauf folgende Wieder- holung desselben Processes in derselben u. s. f. Die Bildung von Scheidewänden lässt sich übrigens, wie sich bei den kleinen Dimensionen leicht begreifen lässt, nicht direct beobachten. Man sieht höchstens, dass die Einkerbungen zwischen der Scheitelzelle und der nächstfolgenden Gliederzelle, wenn überhaupt solche vor- kommen, nicht überall gleich deutlich sind und manchmal so schwach, dass sich eine unlängst stattgefundene Theilung mit Wahrschemlichkeit vermuthen lässt. Aber auch ganz abgesehen davon wird die Annahme des erwähnten Scheitel- wachsthums durch folgende Thatsachen gefordert. Einmal sind die Enden der Fasern entschieden die jüngsten Theile derselben; denn die Membran ist hier viel dünner, die Dicke der Fasern beträchtlich geringer, als in grösserer Ent- fernung von der Spitze. Dazu kommt zweitens der Umstand, dass die Längen- dimension der Scheitelzelle eine gewisse Grenze nie überschreitet und in vielen Fällen kaum 4—6 Mik. erreicht. Somit müssen von Zeit zu Zeit Querwände auftreten, durch welche die jedesmalige Scheitelzelle, sobald sie diese Grenze der Ausdehnung erreicht hat, in eine neue Scheitelzelle und eine Gliederzelle ge- theilt wird. Gleichzeitig mit diesen Vorgängen in der Scheitelzelle findet bis auf unbe- stimmte Entfernung von derselben wiederholte Theilung der Gliederzellen durch Querwände statt, wodurch ein lebhaftes intercalares Wachsthum hervorgerufen wird. Es unterliegt keiner Schwierigkeit, sich hiervon durch directe Beobach- tung zu überzeugen. Färbt man nämlich den Zellinhalt mit Jodlösung, um die Dimensionsverhältnisse der Zellen besser übersehen zu können, so erscheinen einzelne derselben beträchtlich länger, als andere, und durch deutliche, oft ziem- lich dicke Scheidewände von einander getrennt; der Inhalt ist in der Mitte nicht selten mehr oder weniger eingeschnürt, und in Folge dessen hier etwas weniger intensiv gefärbt, ohne dass jedoch eine wirkliche Unterbrechung stattfände. Neben diesen längeren Zellen beobachtet man kürzere, oft doppelt so kurze, bei welchen die relativen Abstände zwischen je 2 der gefärbten Inhaltsportionen häufig ganz unverkennbar auf eine paarweise Zusammengehörigkeit deuten. Ja man bemerkt zuweilen zwischen zwei längeren Zellen zwei ungefähr halb so lange, welche zusammengenommen die oben erwähnte in der Mitte eingeschnürte Form des Inhaltes zeigen, nur mit dem Unterschiede, dass hier nicht bloss eine 112°°—— Einschnürung, sondern eine wirkliche, durch eine feine helle Linie angedeutete Unterbrechung wahrgenommen wird. Sowohl jene alternirend grösseren und kleineren Abstände zwischen den zugekehrten Enden des Zellinhaltes successiver Zellen, als besonders auch diese eben erwähnten zarten 'Trennungslinien sprechen entschieden dafür, dass auch bei den Gliederzellen ein Längenwachsthum und eine Theilung durch Querwände vorkommt. Es wird sich übrigens später Gele- genheit bieten, die Richtigkeit dieser Deutung wenigstens für die Rindenfasern auf indirectem Wege ausser Zweifel zu setzen, so wie auch über das Maass des intercalaren Wachsthums einige Schlüsse zu ziehen. Es wurde gleich anfangs erwähnt, dass die Zellfäden, in welche die Thallus- enden sich auflösen, verästelt seien. Die Aeste verlaufen den Fasern parallel; sie entstehen , so weit meine Beobachtungen reichen, nie aus der Scheitelzelle, son- dern ausschliesslich aus Gliederzellen, indem sich an diesen letzteren eine seit- liche Ausstülpung bildet, die sich bald darauf durch eine Scheidewand von der Mutterzelle abschnürt und von nun an dieselben Wachsthumserscheinungen zeigt, wie die Scheitelzelle des Stammes. Der so gebildete Ast kann sich in gleicher Weise wieder verzweigen u. s. f. Da die Fasern der Thallusspitze zu einem dichten Gewebe verbunden sind und fest an einander adhäriren, so ist die Verlängerung eines Astes nur dadurch möglich, dass sich derselbe wie ein Keil zwischen den Fasern hindurchdrängt, indem er die Adhäsion der sich berührenden Membranen überwindet. Dabei las- sen sich zwei Fälle denken. Entweder hält das Längenwachsthum des Astes in seiner ganzen Länge mit der intercalaren Zellentheilung der anliegenden Fasern gleichen Schritt; dann hat der Vorgang mit der Vermehrung der Zellen im Ge- webe höherer Pflanzen insofern einige Achnlichkeit, als die sich berührenden Membranen auch hier ein gleichmässiges Wachsthum zeigen. Oder es findet diese Uebereinstimmung nicht statt, dann ist die nothwendige Folge davon eine Ver- schiebung der neben einander liegenden Zellen in dem Sinne, dass die Flächen- elemente der Zellmembranen zweier sich berührenden Fasern, die in einem gewis- sen Zeitpuncte sich decken, in Folge des Wachsthums an einander vorbei gleiten und sich allmälig immer mehr von einander entfernen. Der letztere Fall kommt entschieden vor, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird; der erstere ist dadurch nicht ausgeschlossen , doch kenne ich keine Erscheinung, durch welche derselbe mit Bestimmtheit nachgewiesen würde. Was hier von Wachsthumsverhältnissen zwischen Fasern und Faserästen gesagt wurde, gilt natürlich auch für das Verhältniss der Fasern zu einander; doch scheint hier, nach der ziemlich constanten Form der Thallusspitze so wie der Thallusenden überhaupt zu schliessen, in der Regel eine ziemliche Ueberein- stimmung oder richtiger eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit sich auszuspre- chen, in Folge welcher die relative Lage der Faserenden in der Thallusspitze keine merklichen Veränderungen erleidet *). *) Wenn ich hier von Faserästen im Gegensatz zu Fasern, also von secundären Sprossen —— 113. —— Unmittelbar unter der Thallusspitze (dem geometrischen Scheitel des Thallus), noch oberhalb der kürzeren Faserenden , beginnt die Bildung der kugelförmigen grünen Zellen oder Gonidien. Ihre Bildungsstätte ist eine ringförmige Zone zwischen der T'hallusaxe und der Peripherie, der ersteren gewöhnlich etwas mehr genähert als der letzteren, zuweilen auch so ziemlich in der Mitte zwischen bei- den. Man überzeugt sich hievon am leichtesten durch successive Querschnitte. Ehe man das Niveau der obersten Gonidien erreicht hat, bestehen dieselben nur aus quergeschnittenen Fasern, welche auch auf dem dünnsten Schnitte fest mit einander verbunden bleiben. Sodann treten, gewöhnlich schon im 2. oder 3. Schnitte, mehrere (beispielsweise 6) kreisförınig gestellte grüne Zellen auf, von allen Seiten dicht von Fasern umschlossen, insofern sie nicht selbst in tan- gentialer Richtung sich berühren (Taf. I. Fig. 1, 2). Oder man beobachtet einige wenige excentrisch gelegene grüne Zellen (zuweilen auch nur eine einzige), welche in gleicher Weise luftdicht zwischen die Fasern eingebettet erscheinen. Der letztere viel seltenere Fall tritt dann ein, wenn die übrigens auch hier auf eine ringförmige Zone beschränkte Bildung der Gonidien auf der einen Seite de: Thallus etwas früher, also in geringerer Entfernung von der Spitze, begonnen hat als auf der anderen, so dass im Querschnitt jene bereits Gonidien zeigt, wenn sie diese noch vollständig entbehrt. Setzen wir die Reihe der Querschnitte noch weiter fort, so erscheinen die grünen Zellen in immer grösserer Zahl, und zwar nicht mehr bloss in tangentialer Richtung neben einander, sondern auch radial hinter einander, zuweilen zu klei- neren Gruppen vereinigt. Gleichzeitig entstehen in ihrer Umgebung luftführende Räume, welche bald so schr überhand nehmen, dass die ganze ringförmige Zone, in welcher die Gonidien vertheilt sind, wegen ihres Luftgehaltes unter dem Mi- croscop schwarz erscheint, und dass nach Verdrängung der Luft durch Erhitzen ein sehr lockeres gonidienführendes Fasergeflecht zurückbleibt. — Hiemit hat der Thallus, was die Differenzirung der Gewebe betrifft, seine vollständige Aus- bildung erreicht. Tiefer geführte Querschnitte zeigen, abgesehen von Dimen- sionsverhältnissen, in dieser Beziehung keine Veränderungen. Durch das Auftreten der Gonidien in kreisförmig gestellten Puncten wird die einheitliche Fasermasse der 'Thallusspitze in einen centralen und einen peri- pherischen Theil geschieden. Der Vorgang erinnert an eine ähnliche Abgrenzung in der Stammspitze der Dicotyledonen durch die Bildung der ersten Cambium- stränge. Man hat auch im einen, wie im anderen Falle dieselben herkömmlichen Benennungen für die beiden so von einander geschiedenen Partien ; die innere im Gegensatz zu primären spreche, so sind diese Benennungen bloss relativ. Es soll damit nicht gesagt sein, dass die in der 'Thallusspitze endigenden Fasern ihrerseits nicht ebenfalls secundär in Beziehung auf andere Fasern sein können, die möglicher Weise neben ihnen liegen oder auch weit hinter ihnen zurückgeblieben sind. Uebrigens ist es gar nicht unmöglich, ja in manchen Fällen sogar wahrscheinlich, dass die meisten jener Fasern wirklich schon in der ersten Anlage des 'Thallus dessen Scheitel gebildet haben, so dass sie also in ihrem ganzen Verlaufe von der Thallusbasis bis zur Spitze als primäre zu bezeichnen wären. Nägeli, Beiträge. II. 8 — 1l4d — heisst bekanntlich Mark, die äussere Rinde. Obschon nun freilich zwischen dem Rinden- und Markgewebe der Dicotyledonen einerseits und beziehungsweise der peripherischen und centralen Fasermasse des hier zu untersuchenden Flechten- thallus andererseits keine weitere Aehnlichkeit besteht, als die der Lage, so trage ich doch kein Bedenken, diese Benennung beizubehalten, gerade weil bei der totalen Verschiedenheit der Gewebe eine Verwirrung der Ideen nicht zu befürch- ten ist. Die ausserhalb der Gonidien liegende Fasermasse heisse also Rinde (Rindenschicht, Corticalschicht), die innerhalb derselben liegende Mark (Mark- schicht, Medullarschicht). *) Sehr schön tritt die Lagerung der Gonidien in der Thallusspitze auch auf Längsschnitten hervor. Bei einiger Sorgfalt gelingt es, durch einen ersten Schnitt parallel der Thallusaxe etwas weniger als die Hälfte der Thallusspitze zu entfernen und sodann durch einen zweiten in gleicher Richtung geführten Schnitt ein dün- nes Mittelstück mit dem Scheitel des I'hallus wegzuschneiden. Wie zu erwarten war, erscheinen hier die Gonidien symmetrisch in zwei Reihen geordnet (Taf. I. Fig. 5). Rechts und links liegen die Fasern der Rinde, in der Mitte, zwischen den beiden Gonidienreihen, die des Markes. Mark- und Rindenfasern endigen in der Thallusspitze; sie legen sich hier unmittelbar an einander an, indem sie oberhalb der Gonidien zu einer einzigen ununterbrochenen Fasermasse verschmelzen. Die obersten 4— 5 Gonidien jeder Reihe sind luftdicht zwischen die Fasern ein- gebettet. Weiter unten wird der Zwischenraum zwischen Mark und Rinde all- mälig breiter; die Zahl der Gonidien nimmt zu, und das lockere Fasergeflecht, welches sich zwischen denselben entwickelt hat, enthält Luft in seinen Maschen. Die Lichenologen unterscheiden bekanntlich ausser der Mark- und Rinden- schicht noch eine besondere Gonimonschicht und verstehen darunter »eine Lage von grünen kugeligen Zellen«, welche unmittelbar unter den Rindenzellen lie- gen. Eine solche in sich zusammenhängende Schicht grüner Zellen existirt übri- gens bei keiner Flechte, am allerwenigsten bei strauchartigen Flechten. Will man diesen Ausdruck beibehalten, so hat er speziell für Usnea nur dann einen Sinn, wenn man damit den gonidienführenden Theil der lockeren, lufthaltigen Faserschicht zwischen Rinde und Markstrang bezeichnet. Die Gonidien sind allerdings stellenweise vorherrschend, können aber an andern Stellen auch gänz- lich fehlen, und ohnehin sind ihre dichtesten Gruppen stets von Fasern durch- flochten. Die 3 Schichten des Thallus zeigen in ihrem fernern Verhalten so bedeu- tende Verschiedenheiten, dass wir jede derselben gesondert einer genauern Be- *) Zur Markschicht gehört auch das lockere Fasergeflecht, welches den centralen Me- dullarstrang mit der Rinde in Verbindung setzt. Da nämlich solide Markstränge auch bei Evernia vorkommen, hier aber unterhalb der Spitze, meist zu mehreren, im lockern Mark- gewebe entstehen, folglich nur als dichtere Partien des letzteren zu betrachten sind; da man ferner bei sämmtlichen strauchartigen Flechten das ganze von der Rinde umschlossene Ge- webe, sei es dicht- oder lockerfilzig, als Mark zu bezeichnen gewohnt ist: so verlangt die Con- sequenz, dass man dieselbe Bezeichnungsweise auch bei Usnea in Anwendung bringe. 115 —— trachtung unterwerfen müssen. Für die Rinden- und Markfasern ergeben sich diese abweichenden Wachsthumserscheinungen aus der Verschiedenheit der Lage; bei den Gonidien stehen sie selbstverständlich mit der eigenthümlichen Natur dieser Organe im Zusammenhang. Die: Ritinidıe: Die Rindenfasern und ihre Verästelungen verlaufen in der Nähe der Spitze, wie bereits erwähnt, mit der Thallusaxe parallel. Ihre einzelnen Zellen theilen sich häufig durch Querwände, wodurch ein lebhaftes intercalares Wachsthum der Thallusenden bedingt wird. Hie und da beobachtet man ganz junge Aeste, die sich zwischen den Fasern hindurch und parallel mit ihnen ihren Weg bahnen. Durch einen senkrecht zur Thallusaxe geführten Schnitt werden die einzelnen Zellfäden, wie sich bei dem longitudinalen Verlaufe derselben nicht anders erwar- ten lässt, ziemlich genau quer geschnitten. Die Conturen der Zellhöhlungen erscheinen auf dem Querschnitt rundlich, oft ziemlich genau kreisförmig, oder in Folge des gegenseitigen Druckes der Fasern mehr oder weniger länglich. Die Zellen sind innig mit einander verwachsen; sie bilden ein fest zusammenhängen- des Gewebe ohne Intercellularräume, oft ohne deutliche Grenze zwischen benach- barten Zellen (Taf. I. Fig. 1—3). Längs- und Querschnitte sind in diesem Stadium durchaus verschieden. Während in letzteren die Zellen ohne bestimmte Ordnung neben einander liegen, weil jede einer anderen Faser angehört, bilden sie in ersteren — entsprechend dem Verlaufe der Zellfäden — mehr oder weniger parallele Reihen (Taf. I. Fig. 7), die man nicht selten auf grösseren Strecken, zuweilen durch das ganze Gesichts- feld, verfolgen kann, bis sie unter anderen verschwinden oder abgeschnitten sind. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse in der älteren Rinde (Taf. I. Fig. 9). In welcher Richtung man hier auch den Schnitt führen mag, er gewährt immer so ziemlich dasselbe Bild. Färbt man den Inhalt der Zellen mit Jodtinctur, um die einzelnen Fasern leichter verfolgen zu können, so sieht man stets eine ge- wisse Anzahl derselben quergeschnitten, während andere in der Ebene des Schnittes oder schief von einer Schnittfläche zur andern verlaufen. Die meisten Fasern, die man eine grössere Strecke weit verfolgen kann, sind verästelt, die Aeste häufig wieder verzweigt. Es geht daraus hervor, dass die ältere Rinde aus vielfach ver- ästelten, nach allen Richtungen des Raumes mit einander verflochtenen Fasern besteht, die übrigens eben so, wie in der Nähe der Spitze, ein vollkommen dichtes Gewebe, ohne alle Interstitien bilden, in welchem die Conturen der Zellmembra- nen oft so sehr verwischt sind, dass die Zelllumina als Höhlungen in einer gleich- förmigen Masse erscheinen *). *) Ein Filzgewebe ohne Intercellularräume ist bei den Flechten, wie wir in der Folge häufig genug sehen werden, keine seltene Erscheinung. Die Angabe Unger’s (Anat. und Phys. der Pflanzen pag. 149), dass im Filzgewebe zwischen den einzelnen Elementartheilen noth- wendig grössere oder kleinere Zwischenräume (Interstitia) entstehen, ist somit unrichtig. SE — 116 — Die Verzweigung der Rindenfasern tritt besonders deutlich hervor, wenn man nicht allzu dünne Schnitte mit Kali erhitzt, und sodann Jodtinctur und be- hufs Neutralisation des Kali eine Säure zusetzt. Das Kali dehnt die Membran- substanz etwas aus; die durch Jod gefärbten Inhaltspartien werden dadurch mehr aus einander gehalten, so dass sich die einzelnen Zellreihen auch auf ziemlich dicken Schnitten leicht verfolgen lassen. Um die Erscheinungen zu verfolgen, durch welche das junge, aus parallelen Zellfäden bestehende Rindengewebe in dieses verworrene Fasergeflecht über- geführt wird, müssen wir abermals zu Längsschnitten oder wenigstens zu Längs- ansichten unsere Zuflucht nehmen. Am einfachsten erhält man dieselben, wenn man mehrere Thallusenden in Kalı kocht und hierauf durch einen ziemlich star- ken Druck auf das Deckgläschen zerquetscht. Neutralisirt man nun das Kali mit einer Säure und setzt Jodlösung zu, so erscheinen in der Regel die einzelnen Rin- denfasern hinlänglich deutlich, um die hier zu erörternden Wachsthumserschei- nungen beobachten zu können. Nöthigenfalls können auch einzelne Rinden- stücke durch Verschieben des Deckgläschens, verbunden mit gleichzeitigem Druck, losgerissen und frei gelegt werden; man erhält auf diese Weise Flächen- ansichten, die in Beziehung auf Klarheit und Deutlichkeit Nichts zu wünschen übrig lassen. Verfolgt man nun das Rindengewebe von der Thallusspitze allmälig weiter nach unten, bis es den Character der älteren Rinde angenommen hat, so über- zeugt man sich, dass die Ursache jener auffallenden Veränderung in der Ver- zweigung der Rindenzellen liegt. In einer gewissen Entfernung von der Spitze, die je nach dem mehr oder minder schlanken Wuchs des Thallus grösser oder kleiner ausfällt, zeigen fast sämmtliche Rindenzellen seitliche Ausstülpungen (Taf. I. Fig. 6, 8), von denen sich einige bereits durch eine Scheidewand abge- schnürt haben und als einzellige Aeste erscheinen. Diese Ausstülpungen bilden sich sowohl am oberen (der Thallusspitze zugekehrten) als am unteren Ende der Zellen, jedoch an ersterem, wie mir scheint, häufiger, als an letzterem. Man beobachtet zuweilen den Fall, dass von zwei successiven Zellen die erste am obe- ren, die zweite am unteren Ende auswächst, so dass die jungen Zweige einander zugekehrt sind. Nicht selten bilden sich an der nämlichen Zelle zwei Ausstül- pungen, die gewöhnlich in gleicher Höhe diametral opponirt stehen. Die junge Astzelle wächst rechtwinkelig zur Längsaxe der Mutterzelle oder ist etwas nach oben oder nach unten geneigt. Durch diese ersten Anfänge der Verästelung wird der Parallelismus der Fa- sern nicht gestört. Die rothbraunen Puncte, welche in der durch Jod hervor- gerufenen Zeichnung den jungen Aesten entsprechen, erscheinen zwischen die ursprünglichen Reihen eingetragen, ohne deren gegenseitige Lage merklich zu ändern. Mit dem fortschreitenden Wachsthum der Aeste, die sich ihrerseits wie- der verzweigen, ändert sich aber nach und nach der Character des Bildes. Die Regelmässigkeit der Reihen erleidet durch das Dazwischentreten der Verzweigun- gen mancherlei Störungen; überdiess wird die Zahl der ursprünglichen Faser- = DM == zellen im Verhältniss zu den neu hinzugekommenen immer kleiner, so dass ihre Anordnung schon desswegen immer weniger deutlich in die Augen fällt. Endlich schwindet auch die letzte Spur paralleler Längsreihen, und die Rinde gewährt uns nur noch das Bild vielfach verästelter Fasern, die sich nach allen Richtungen des Raumes kreuzen und verflechten, ohne dass irgend eine Richtung vorherr- schend vertreten wäre. In Folge der intercalaren Zellbildung und der Verzweigung der Fasern wächst die Rinde fortwährend nach allen 3 Dimensionen des Raums: in longitu- dinaler, radialer und tangentialer Richtung. Das Längenwachsthum lässt sich indessen nicht genau bestimmen, man müsste denn zu Messungen an der vegeti- renden Pflanze seine Zuflucht nehmen ; doch bietet die Streckung der Markzellen, wovon weiter unten die Rede sein wird, einen Anhaltspunct, welcher wenigstens eine approximative Schätzung gestattet. Man gelangt auf diesem Wege zu dem interessanten Schluss, dass während der Thallus zu einer Dicke von etwa 1Mill.M. heranwächst, ein beliebiges Flächenelement der Rinde wenigstens das Sechsfache seiner ursprünglichen Länge erreicht. Das Dickenwachsthum ergibt sich unmittelbar aus der Vergleichung der Querschnitte. Von der Spitze bis in die Nähe der Basis steigt die Dicke der Rinde allmälig von 9, 15, 20 Mik. bis auf 80 und 125 Mik., also mehr als um das Zehnfache. Der Umfang des Thallus, respective die Ausdehnung der Rinde in tangentialer Richtung, vergrössert sich dabei in noch stärkerem Verhältniss, wie aus folgender Zusammenstellung hervorgeht. ua a ges Al En el Pr VE 733766 750) 666 670!1500 Dicke der Rinde | | | | ERRRS in Mik..... j 9j12/11|14/20) 20|---| 83| 58| 50| 66| 60| 100 Diameter des Thallus In der Nähe der Spitze, hier bis zu einer Thallusdicke von 100 Mik., bleibt sich demnach das Verhältniss zwischen den Zahlen der ersten und zweiten Reihe ziemlich gleich. Die Rinde nimmt mit kleinen Abweichungen immer ungefähr den 5. Theil des ganzen Durchmessers ein. Flächen- und Dickenwachsthum hal- ten sich bis hieher das Gleichgewicht. Weiter nach unten bleibt das letztere hinter ersterem zurück, so dass endlich die Dicke der Rinde nur noch den 15. Theil des Thallusdurchmessers bildet. Während die Ziffern der zweiten Reihe von 9 bis 100 steigen, steigen die der ersten von 40 auf 1500. Das Wachsthum der Rinde ist demnach in tangentialer Richtung ungefähr 3mal stärker, als in radialer. Berechnet man nach vorstehenden Angaben den Quadratinhalt des Quer- schnittes durch die Rinde, so ergibt sich, dass derselbe in Folge der Verästelung der Fasern und der Verdickung der Zellmembranen nach und nach um das Drei- bis Fünfhundertfache zunimmt, und selbst von dem Zeitpuncte an, wo jede Spur paralleler Fasern verschwunden ist und die Rinde als ein unregelmässiges, dichtes Filzgewebe erscheint, beispielsweise noch um das Zwanzigfache. Es gibt diess — 118 —— einigermaassen eine Idee davon, welch verwickeltes, unentwirrbares Geflecht am Ende die Rinde bildet. Die Zellen der älteren Rinde besitzen zuweilen so grosse Lumina, dass da- durch das ganze Gewebe eine eigenthümliche Physiognomie erhält. Als Beispiel wurde auf Taf. I. Fig. 14 ein Querschnitt durch ein solches Gewebe dargestellt. Die Membranen sind so innig mit einander verschmolzen, dass der Raum zwi- schen den Zellhöhlungen ziemlich gleichförmig schattirt erscheint. Hie und da sieht man 2-—3 successive Zellen einer Faser, durch dünne Scheidewände von ein- ander getrennt und oft von anderen über oder unter ihnen liegenden Zellen ge- kreuzt. Einzelne Zellreihen verlieren sich in dem zwischen den Gonidien liegen- den Fasergeflecht. In anderen Fällen erscheinen die Zellen regelmässiger geordnet und bilden stellenweise, besonders im peripherischen Theil, ein schönes Parenchym. Eigen- thümlichkeiten im Habitus, die von der stärkeren oder schwächeren Verdickung und Verschmelzung der Zellmembranen, von der Weite der Höhlungen, der Länge der Zellen etc. abhängen, kommen überhaupt im älteren Rindengewebe nicht selten vor; doch sind all’ diese Umstände so unwesentlich, dass es mir über- flüssig erscheint, weiter darauf einzugehen. Besondere Erwähnung verdienen die warzenförmigen oder papillenförmigen Hervorragungen, womit die ältere Rinde bei gewissen Varietäten (z. B. bei U. hirta) bedeckt ist. Dieselben sind entweder ungetheilt, bis 170 Mik. und darüber lang und in ihrer Form jungen Aesten ähnlich. Oder sie sind zwei-, drei- und mehrhöckerig und über der verhältnissmässig schmalen Basis bedeutend erwei- tert; sie nähern sich in diesem Falle der Warzen- oder Schollenform (Taf. I. Fig. 10, 13). Durch beliebige :senkrecht zur Oberfläche des 'Thallus (längs, quer oder schief) geführte Schnitte überzeugt man sich, dass diese verschieden geformten Auswüchse Wucherungen des Rindengewebes sind, welche dadurch entstehen, dass die peripherischen Fasern der Rinde stellenweise in vorherrschend radialer Richtung weiter wachsen, indem sie sich auf ähnliche Weise verzweigen und ver- filzen, wie es beim Wachsthum der Rinde überhaupt der Fall ist. Es entstehen dadurch zunächst hügelartige Erhebungen über die Oberfläche, die sich allmälig höher wölben und endlich — je nachdem das vorherrschende Wachsthum immer in derselben Richtung stattfindet, oder sich in der Folge auf mehrere divergirende Richtungen vertheilt — die oben erwähnte Form einfacher Papillen oder ge- lappter Warzen annehmen. Das Gewebe dieser Auswüchse ist anfänglich, so lange dieselben im Verhältniss zur Dicke der Rinde noch klein erscheinen, durch und durch dicht und erhält durch die Tendenz der Fasern, vorherrschend senkrecht zur Oberfläche zu wachsen, ein eigenthümlich strahliges Aussehen (Taf. I. Fig. 13), das besonders auf Durchschnitten durch warzenförmige Gebilde sehr deutlich aus- geprägt erscheint. Da nämlich die letzteren immer mit mehr oder minder ver- schmälerter Basis aufsitzen, und sich über derselben lappig erweitern ; da sie fer- ner in jedem Höcker einen organischen Scheitel besitzen, nach welchem das —— 119) —— Wachsthum gewisser Fasern gerichtet ist, so tritt die strahlenförmige Anordnung der Zellen auf Durchschnitten nicht bloss in einem der Scheitelregion entspre- chenden Kreissector, wie bei papillenförmigen Auswüchsen, sondern mit Aus- nahme der Basis ringsum nach allen Richtungen des Raumes hervor: die Fasern verlaufen vom centralen Theil der Warze radienförmig nach allen Puncten ihrer Oberfläche. Dabei ist jedoch nicht zu vergessen, dass sowohl im Inneren des Ge- webes, als besonders auch in der Nähe der Oberfläche — hier durch die Vergrös- serung derselben nothwendig bedingt — eine häufig sich wiederholende Veräste- lung stattfindet und dass der öfters abweichende Verlauf der jungen Aeste die Regelmässigkeit des Bildes stets mehr oder weniger beeinträchtigt. Man hat sich also keineswegs eine genau radiale Stellung sämmtlicher Fasern , sondern bloss einen vorherrschend radialen Verlauf derselben zu denken *). Die grösseren Rindenauswüchse dagegen sind in ihrem centralen Theile in der Regel lockerfilzig und lufthaltig. Diese Veränderung hat ihren Grund darin, dass das Flächenwachsthum des Fasergeflechtes in der Nähe der Oberfläche stärker ist, als tiefer im Innern, so dass hier nothwendig eine negative Spannung ein- tritt, in Folge welcher das Gewebe sich allmälig lockert und Interstitien bildet. — Diese lufthaltigen Zwischenräume 'stehen immer mit dem lockeren Markgewebe des Thallus in Verbindung (Taf..I. Fig. 10). Ihre Bildung beginnt nämlich schon auf der inneren Seite der Rinde, indem hier die Fasern in Folge der Ausdehnung des peripherischen Theiles zuerst aus einander treten, und schreitet überhaupt von innen nach aussen fort. Es entsteht auf diese Weise ein bald engerer, bald weiterer Kanal, der die Rinde senkrecht durchsetzt, durch die Basis der Warzen in das Innere derselben eindringt, und sich hier nicht selten zu einer grösseren Höhlung erweitert. Wenn die Rindenauswüchse sich auf breiterer Basis entwickeln, oder wenn mehrere neben einander liegende in der Folge zusammenschmelzen, wodurch in beiden Fällen gleich von Anfang an auf einem verhältnissmässig grösseren Stück der Oberfläche ein aussergewöhnliches Wachsthum hervorgerufen wird, so nimmt der die Rinde durchsetzende Verbindungskanal so grosse Dimensionen an, dass die Erhebungen der Oberfläche auf einer Ausstülpung der Rinde zu beruhen scheinen. Insofern die Wölbung der äusseren Rindenfläche und die entsprechende Vertiefung auf der inneren fast gleichzeitig entstehen und in ihrer weiteren Ent- wickelung ungefähr gleichen Schritt halten, können sie in diesem Falle auch als solche betrachtet werden **). *) Um sich von dem Verlauf und der Verzweigung der Fasern ein klares Bild zu ver- schaffen, ist auch hier die Färbung des Zellinhaltes durch Jodtinctur nach vorhergegangenem Kochen des Präparates in Kali und Neutralisation des letzteren durch eine Säure sehr zu em- pfehlen. Bei Anwendung eines schwachen Druckes können auf diese Weise einzelne Fasern selbst auf dickeren Schnitten leicht verfolgt werden. **) Man könnte versucht sein, diese localen Wucherungen der Rinde als rudimentäre Aeste zu betrachten. Sie unterscheiden sich aber durch drei wesentliche Merkmale von wirklichen Aesten: 1. durch den gänzlichen Mangel von Gonidien ; 2. durch die abweichende Natur ihres -—— 120 —— Wo der Thallus mit den besprochenen Auswüchsen bedeckt ist, zeigen die Rindenfasern auch neben denselben ein vorherrschend radiales Wachsthum, und der peripherische Theil der Rinde ist daher nothwendig der jüngste. Er unter- scheidet sich auch auf Durchschnitten,, besonders wenn sie längere Zeit in Kalı gelegen, durch seine hellere Farbe und deutlichere Zeichnung auffallend von dem grösseren inneren Theil, der wegen mancherlei Trübungen und Schattirungen etc. meist ein sehr verwischtes, unklares Bild gewährt. Kocht man nicht allzu dünne Quer- oder Längsschnitte in Kalilösung und färbt hierauf den Inhalt der Zellen (auf die wiederholt angegebene Weise) mit Jodtinctur, so tritt der radiale Ver- lauf der Fasern im peripherischen Theil der Rinde sehr schön hervor, und es können dann die einzelnen Fasern mit ihren Verästelungen leicht verfolgt wer- den. Auf Taf. I. Fig.11” sind einige derselben dargestellt. Der innere Theil des Rindengewebes erscheint auch nach dieser Behandlung bei weitem nicht so deut- lich, als der äussere (Taf. I. Fig. 11). Die Zellen sind hier weniger intensiv gefärbt und die Durchsichtigkeit der Membransubstanz scheint durch eigenthüm- liche punctförmige Schattirungen getrübt. Bei genauerer Beobachtung stellt sich heraus, dass diese letzteren durch farblos gebliebene Zellen oder Zellreihen her- vorgerufen werden, deren Inhalt sich auch durch Jodtinetur unter keinen Um- ständen mehr färben lässt, daher nur noch durch sein abweichendes Lichtbre- chungsvermögen microscopisch wahrnehmbar bleibt. Dieses Verhalten des inneren Theiles der Rinde führt zu dem Schluss, dass die Lebensthätigkeit der Fasern hier allgemein im Abnehmen begriffen und in einzelnen Zellen schon total erloschen ist. Die peripherischen Theile dagegen sind der Heerd einer kräftigen Vegetation geworden, welche wegen der vorherr- schend radialen Richtung der Fasern vorzugsweise die Dickenzunahme der Rinde bedingt und welcher auch die besprochenen localen Wucherungen des Rinden- gewebes ihre Entstehung verdanken. Um einen richtigen Begriff von der Grösse der Zellhöhlungen und der Dicke der Membran zu geben, und zugleich zur Bestätigung der Angabe, dass die peri- pherischen Rindenfasern vorherrschend radial verlaufen, wurde auf Taf. I. Fig. 12 ein Stück eines tangentialen Längsschnittes durch den peripherischen Theil der Rinde dargestellt. Die meisten Fasern sind ziemlich genau quergeschnitten, ihre Conturen daher annähernd kreisförmig. Nur wenige verlaufen in der Ebene des Schnittes. Dersolide Markstrang, Der centrale Faserstrang, welcher den Hauptbestandtheil des Markes bildet, besteht in seiner ganzen Länge aus einem vollkommen dichten (interstitienlosen) Gewebe, welches sich sowohl durch seine weit dünneren und zarteren Fasern, als durch den vorherrschend longitudinalen Verlauf derselben wesentlich vom Rindengewebe unterscheidet. Während die Fasern des letzteren eine Dicke von Gewebes, das selbst in der Nähe der Spitze nie aus parallelen Fasern besteht und 3. durch die Abwesenheit eines centralen Medullarstranges. a u a 10-12 Mik. erreichen, steigt der mittlere Durchmesser der Markfasern wohl nie über 4 Mik. und ist in den dicksten Stämmen nur unbedeutend grösser, als in der Nähe der Spitze. Der Verlauf der Markfasern ist in den Thallusenden ein ausschliesslich lon- gitudinaler; sie werden daher durch einen senkrecht zur Thallusaxe geführten Schnitt ziemlich genau quergeschnitten. Die Zellhöhlungen erscheinen auf sol- chen Durchschnitten als dunkle Puncte, die ohne bestimmte Ordnung auf dem helleren, von der Membransubstanz gebildeten Grunde zerstreut sind. Im älteren Mark kommen neben den längs verlaufenden Fasern auch quer und schief verlaufende vor. Auf Querschnitten, wo solche Abweichungen gleich in die Augen fallen, erhält in Folge dessen das Gewebe ein ganz anderes Aus- sehen, da die Zahl der Fasern, die in der Ebene des Schnittes oder schief von einer Schnittfläche zur anderen verlaufen, im Verhältniss zu den quer geschnitte- nen so gross erscheint, dass man leicht zu der irrigen Annahme geführt wird, das Mark bestehe hier aus einem höchst verworrenen Filzgewebe, in dem sich die Fasern nach allen Richtungen kreuzen und verflechten. Man überzeugt sich jedoch durch den ersten besten Längsschnitt, dass die longitudinale Richtung auch in diesem Falle die weitaus vorherrschende ist. Die gewöhnliche Form des Markstranges ist die cylindrische oder eigentlich schwach kegelförmige ; doch kommen Abweichungen, in Folge welcher der Quer- schnitt oval oder auch unregelmässig polygonal erscheint, keineswegs selten vor. — Auch ist seine Lage nicht immer genau central, sondern wird zuweilen durch ungleichförmige Entwickelung des lockern Markgewebes mehr oder weniger ex- centrisch. Das Mark wächst sowohl in die Länge als in die Dicke. Unter Längen- wachsthum verstehe ich auch hier, wie bei der Rinde, nicht die durch das Scheitelwachsthum der Thallusenden nothwendig bedingte Längenzunahme, son- dern die im Innern des Markes selbst stattfindenden Wachsthumserscheinungen, in Folge welcher z. B. zwei in der Längsrichtung beliebig von einander abste- hende Puncte der Oberfläche sich allmälig weiter von einander entfernen. Ein Längenwachsthum in diesem Sinne lässt sich nun sehr leicht nachweisen; es beruht aber nicht, wie bei der Rinde, auf der intercalaren Theilung der Zellen, sondern auf der Dehnung derselben in die Länge. Schon in unmittelbarer Nähe der Spitze, etwa 100—200 Mik. von derselben entfernt, beträgt die Länge der Markfaserzellen durchschnittlich 30—40 Mik., während die hier noch 'parallel verlaufenden Rindenfasern, sowie sämmtliche gegen den Scheitel convergirende Faserenden äusserst kurzzellig sind. Diese Thatsache führt zu dem Schluss, dass die in einem bestimmten Zeitpunct den Scheitelzellen zunächst gelegenen Glie- derzellen der Rindenfasern sich wenigstens 3—4 Mal theilen müssen, bis sie um die angegebene Grösse von dem unterdessen weiter wachsenden Faserende ab- stehen, oder mit andern Worten, dass die Rindenzellen in einer Entfernung von 100—200 Mik. vom Scheitel bereits Gliederzellen der 2. oder 3. Generation sind. Weiter nach unten nimmt die Länge der Markfaserzellen in etwas schwäche- — 12 —— rem Verhältniss zu. Sie steigt in der Nähe der Basis grösserer Exemplare auf 180-200 Mik., wobei indessen zu bemerken ist, dass neben diesen langen Zel- len auch viele kürzere vorkommen, welche später entstandenen Verästlungen an- gehören. 5 Die Streckung der Markzellen hat schon sehr früh eine Unterbrechung des Inhaltes zur Folge. Der letztere vertheilt sich gewöhnlich zu ungefähr gleichen Theilen auf die etwas erweiterten Enden der Zelle, doch ist auch der Fall, dass kleinere Inhaltsportionen im mittleren Theil der Zelle isolirt sind, keineswegs selten. Die mit Inhalt gefüllten Enden zeigen häufig eigenthümliche Wachs- thumserscheinungen. Sie stülpen sich in der auf Taf. II. Fig. 22 ce, d dargestell- ten Weise aus und veranlassen dadurch die Bildung zweier Gabeläste, welche mit denjenigen der anstossenden Zelle in Verbindung bleiben, während die ursprüng- lichen Berührungsflächen sich allmälig weiter von einander entfernen. Diese Gabeläste werden zuweilen durch Scheidewände von der Mutterzelle abgeschnit- ten, so dass die geschlossenen Figuren, welche sie bilden, aus 3—4 Zellen be- stehen. Von ihnen gehen dann auch die Verästlungen aus, welche ursprünglich am einen oder anderen Zellende entstanden waren. (Vgl. Taf. III. Fig. 23 u. 24). Versuchen wir es, aus der Streckung der Markzellen das Verhältniss zu be- stimmen, in welchem intercalares und Scheitelwachsthum zu einander stehen. Das Problem lässt sich etwa folgendermaassen formuliren : In einer steigenden Reihe von n Grössen, welche den Dimensionen der successiven Zellen primärer Markfasern entsprechen, ist das erste Glied a, das letzte Glied z und die Summe s sämmtlicher Glieder (die Thalluslänge) gegeben ; wie verhält sich na : s — na? Setzt man « = 30, z = 180 Mik. = 6a und nimmt man ferner an, die Reihe sei eine geometrische Progression, so ergibt sich, wenn man für » einen beliebi- gen hohen Werth, z. B. 500 oder 1000 substituirt, folgende Proportion : I ÜES a | In Worten ausgedrückt heisst das: die in der Spitze stattfindenden Wachs- thumserscheinungen bedingen nur ungefähr den dritten Theil der ganzen Längen- zunahme des 'Thallus. Das Scheitelwachsthum des letzteren verhält sich demnach zum intercalaren wie 1:2. — Noch überraschender ist das Ergebniss, wenn man als Scheitelwachsthum bloss die Verlängerung der Scheitelzellen betrachtet. In diesem Falle muss « = 4 gesetzt werden, daher z = 45a, und man erhält: a2 3:=,.0,0864 ...... 1320 = ae *) In diesem letzteren Falle fällt allerdings das Resultat sehr verschieden aus, wenn man statt einer geometrischen eine arithmetische Progression voraussetzt; man erhält na = "3 5. Auch im vorhergehenden Falle ergibt sich bei dieser Voraussetzung für na ein etwas geringerer Werth = %, s. In der Natur ist natürlich weder die eine noch die andere Reihe begründet; es entspricht schon a priori keine von beiden der Vorstellung, die man sich nach dem Vor- hergehenden von der Wachsthumsweise der Markzellen machen muss. Dessenungeachtet dürften die oben gefundenen Verhältnisse wenigstens annähernd mit der Wirklichkeit überein- stimmen. — 123 —— Uebrigens braucht wohl nicht bemerkt zu werden, dass das besprochene Ver- hältniss hier eben so wenig als bei höheren Pflanzen ein constantes ist, indem die Streckung der Zellen bald in höherem, bald in geringerem Grade stattfindet. So ist es z. B. auffallend, dass die Markfaserzellen von Usnea longissima, trotz des ungemein schlanken Wuchses dieser Flechte, nicht über 50—60 Mik., diejenigen von Usnea hirta, florida u. a. dagegen bis 210 Mik. Länge erreichen. Das Dickenwachsthum des Markstranges stimmt mit dem des Thallus nicht immer überein, d. h. der Durchmesser des ersteren steht in keinem bestimmten Verhältniss zur Thallusdicke. Der Zwischenraum zwischen Markstrang und Rinde ist daher bald grösser, bald kleiner. Er erreicht in manchen Fällen eine so auf- fallende Dimension, dass er auf Querschnitten den weitaus grössten Theil der Fläche einnimmt. — Einige genauere Angaben über diese Wachsthumsverhält- nisse, auf Messungen an verschiedenen Exemplaren beruhend, finden sich in fol- gender Uebersicht zusammengestellt. Die Ziffern geben die Dicke des Thallus und des Medullarstranges in Mik. an. Thallus. . . . . 150|52|68|90]100|280 |660 | 670|750 | 1080 | 1200 | 1360 Medullarstrang | 12) 12/24/30) 26, 140,200 ,300|415| 310| 435, 370 Es genügt übrigens schon ein Blick auf die Figuren 3—5 auf Taf. I und 16-— 21 auf Taf. II, um sich zu überzeugen, dass die relative Dicke des Mark- stranges beträchtliche Schwankungen zeigt. Da die einzelnen Markfasern sich nur wenig verdicken, so liegt der Grund der Dickenzunahme des Markes vorzugsweise in der Verästlung derselben. Die Aeste verlaufen, wie schon erwähnt, mit der Axe des Thhallus annähernd parallel ; sie wachsen übrigens sowohl nach unten als nach oben, indem sie sich zwischen den schon vorhandenen Fasern hindurchdrängen, und verzweigen sich in der Folge wieder. Findet dieser letztere Vorgang in der Nähe der Basis statt, und ist die Wachsthumsrichtung des Zweiges derjenigen des Astes entgegengesetzt, so entstehen H förmige Figuren, wie man sie im älteren Marke häufig beobachtet. Die Art und Weise der Verzweigung lässt es übrigens meist unentschieden, ob eine bestimmte Faser in Beziehung auf eine andere primär oder secundär (Faser oder Faserast, Ast oder Zweig) sei und ob das Wachsthum nach der einen oder anderen Seite hin, also beispielsweise nach unten oder nach oben, stattgefunden hat. Zwar sprechen mehrere sichere Beobachtungen dafür, dass eine am oberen Ende einer Faserzelle entstandene Ausstülpung nach oben, eine am unteren Ende entstandene nach unten wächst, gleichviel ob das Wachsthum der Faser in der einen oder anderen Richtung fortschreite; allein gerade der letztere Umstand macht es bei der Ungewissheit der Entstehungsfolge der Fasern unmöglich, die Wachsthumsrichtung irgend einer einzelnen Faser zu bestimmen, wenn sich die- selbe nicht bis zu ihrem Ende verfolgen lässt. Die Behauptung, dass die Markfasern sowohl nach unten, als nach oben wachsen, stützt sich indessen nicht bloss auf die Beobachtung ihrer Verzweigun- gen, sondern erhält besonders auch durch das Verhalten des Markes an den Ver- — 124 —— zweigungsstellen des Thallus, worüber weiter unten Näheres mitgetheilt werden soll, ihre Bestätigung. Die Verästlung der Fasern findet gleichförmig in der ganzen Dicke des Mar- kes statt, im Centrum, wie an der Oberfläche. Den Beweis dafür liefert die That- sache, dass die oben erwähnten, durch Verästlung entstehenden Störungen im Markgewebe, die auf Querschnitten so augenfällig sind, sich ohne Unterschied auf die ganze Fläche des Schnittes erstrecken. Von der Verästlung wohl zu unterscheiden ist die Copulation. Ich verstehe darunter das seitliche Auswachsen der Faserzellen behufs Herstellung einer inni- geren Verbindung mit benachbarten Fasern. Der Vorgang findet gewöhnlich in der Weise statt, dass die Spitze einer Ausstülpung mit der Membran einer nahe liegenden Faser, welcher sie begegnet, verwächst, und dadurch auch bei letzterer die Bildung eines kleinen Auswuchses veranlasst. Wenn sich die Fasern beinahe berühren, so erscheinen die Ausstülpungen beiderseits ungefähr gleich stark; sind sie dagegen etwas weiter von einander entfernt, so ist die eine um so viel länger, als die andere. Im Uebrigen ist ihre Bildung an keine bestimmte Regel gebun- den. Bald sieht man sie von dem Ende der Zelle, bald von einem beliebigen an- deren Puncte derselben ausgehen; zuweilen beobachtet man auch deren 2 an der nämlichen Zelle. Eine Resorption der Scheidewand im Verbindungsast habe ich nie beobachtet. (Hiezu Taf. II. Fig, 22 ec; vgl. Taf. III. Fig. 11, 12, 27, 28). Die Copulation ist übrigens nicht bloss auf das Markgewebe beschränkt; ich habe sie später zu wiederholten Malen auch in der Rinde beobachtet. Es ist diess überhaupt eine im Flechtengewebe häufig vorkommende Erscheinung, durch wel- che offenbar der Säfteaustausch zwischen benachbarten Fasern erleichtert wird. Die Lebensthätigkeit der Markfasern erlischt im centralen Theile des Mark- stranges stets früher als im peripherischen. In dem letzteren vegetiren dieselben während der ganzen Lebensdauer des T'hallus fort; in ersterem zeigen sie dagegen nicht selten, besonders in der Nähe der Basis etwas dicker Exemplare, deut- liche Spuren einer beginnenden Zersetzung und erscheinen auf dem Querschnitt dunkler gefärbt. Mark und Rinde stimmen also darin überein, dass in beiden das Leben der Zelle im innern Theil früher aufhört als im äussern, vorausgesetzt, dass überhaupt ein Unterschied zwischen innen und aussen sich geltend mache*). *) Speerschneider (Bot. Ztg. 1854, pag. 199) kam durch seine Untersuchungen zu dem Resultate, dass die Fasern der »centralen Gewebslage« (die übrigens, beiläufig gesagt, keines- wegs die »innere Rindenschicht« der Autoren ist), von der Basis bis zur Spitze sämmtlich unter sich parallel und gerade verlaufen, dass nicht eine einzige in natürlicher Läge sich quer ein- flechte. Er gibt ferner an, dass »einzelne Zellen oder ganze Bündel derselben oft auf eine kleine Strecke aus einander treten, wodurch in dem Gewebe eine Menge kleiner ritzenförmiger Höhlungen entstehen, die von Luft erfüllt auf Querschnitten , bei schwächerer Vergrösserung, kurze in mannigfachen Windungen gebogene Linien und dunkle Puniete darstellen.« Diese Angaben beruhen auf Täuschung. Der erste beste Querschnitt durch das ältere Mark zeigt deutlich, dass hier der Faserverlauf, obgleich vorherrschend longitudinal, doch ziemlich un- regelmässig ist. Jene kurzen, in mannigfachen Windungen gebogenen Linien sind nichts ande- res, als die Lumina schief und quer verlaufender Fasern; die dunklen Puncte dagegen ent- — 125 —— Die Gonidien. Die grünen Zellen oder Gonidien sind bekanntlich seitliche Bildungen der Fasern und als solche den Aesten zu vergleichen. Sie werden wie diese stets nur von Gliederzellen, nie von Scheitelzellen erzeugt und sind überhaupt in den er- sten Entwickelungsstadien nicht von denselben zu unterscheiden. Der Gegensatz zwischen den beiden Sprossen tritt jedoch bald deutlich hervor. Während der Ast durch wiederholte Theilung der Zellen unbegrenzt in die Länge wächst, findet bei der Gonidienbildung in der Regel bloss eine einmalige Theilung der ersten Zelle (Basal- und Scheitelzelle zugleich) statt, so dass der Spross bloss zweizellig wird. Die Scheitelzelle schwillt hierauf kugelig an und wird zum Gonidium, während die Basalzelle sich nicht weiter verändert und einen bald längeren, bald kürzeren Stiel bildet*). (Taf. I. Fig. 18; vgl. Taf. V. Fig. 6). Die Gonidien erreichen eine sehr verschiedene Grösse, die grössten 12— 18 Mik. im Durchmesser. Aus dem Inhalte scheiden sich häufig ölartige Tropfen aus, von denen zuweilen 1—2 solche Dimensionen erreichen, dass sie einen gros- sen Theil des ganzen Lumens einnehmen. Setzt man weingeistige Jodlösung und nöthigenfalls noch irgend eine Säure zu, um eine Färbung und zugleich eine Zu- sammenziehung des Inhaltes zu bewirken, so treten die farblos bleibenden Tro- pfen als halbkugelige oder papillenförmige Erhebungen über die Oberfläche der- selben hervor, und scheinen der letzteren mit flacher Basis fest aufzusitzen (Taf. I. Fig. 15 und 16). Ob dieses Verhalten durch die Gegenwart eines Primordial- schlauches bedingt wird, welcher sich um die Tropfen herumzieht und dieselben an das Plasma andrückt, oder ob es bloss auf Adhäsionsverhältnissen beruht, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden; doch ist das Erstere sehr wahr- scheinlich **). sprechen den Höhlungen solcher, welche genau quergeschnitten sind. Luftführende Interstitien kommen im Marke von Usnea nicht, oder doch nur als seltene Ausnahme vor. Dagegen ist das Lumen der Mark- und Rindenzellen, soweit dasselbe nicht vom Protoplasma eingenommen wird, im ausgetrockneten Zustande mit Luft gefüllt. *) Dass die Gonidien von den Faserzellen erzeugt werden, ist eine schon von Bayr- hoffer entdeckte und von Speerschneider u. A. bestätigte Thatsache. Es unterliegt auch keiner Schwierigkeit, sich durch eigene Anschauung zu überzeugen, dass sie vermittelst kurzer Stiele mit den Fasern in Verbindung stehen. Man hat zu diesem Behufe nur nöthig, beliebige Quer- oder Längsschnitte durch starken Druck auf das Deckgläschen zu zerreiben, und dadurch möglichst viele Fasern und Faserstücke zu isoliren. Die meisten Gonidien werden freilich auf diese Weise gewaltsam losgerissen, doch finden sich immerhin hie und da solche, die noch in ihrem ursprünglichen Zusammenhange mit den Fasern stehen. — Schwieriger ist die Entwickelung der Gonidien zu verfolgen. So lange sie noch als kleine Ausstülpungen der Gliederzellen erscheinen, lassen sie sich um so weniger von jungen Aesten unterscheiden, als auch diese zuweilen etwas aufgeblasen sind. Andererseits sind die kleinsten grünen Zellen so klein, dass das junge Gonidium diese Grösse bald erreicht hat. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, dass man nur selten Gonidien sieht, die noch nicht grün gefärbt und doch deut- lich als solche zu erkennen sind. *) Speerschneider hielt diese ölartigen Tropfen für Zellkerne, und glaubte, die Vermeh- — 126 —— Von besonderer Bedeutung für die Pflanze ist die Vermehrung der Gonidien. Dieselbe geschieht durch Theilung. Die erste Scheidewand, durch welche die kugelige Zelle in zwei halbkugelige getheilt wird, liegt in einer durch den An- heftungspunct und das Centrum der grünen Zelle gelegten Ebene (Taf. I. Fig. 17 u. 18), so dass die Stielzelle mit den beiden 'Tochterzellen in Verbindung steht. Diese letzteren theilen sich hierauf wieder je in 2 Zellen. Die dabei auftreten- den Scheidewände haben eine solche Lage, dass sie sowohl unter sich, als mit der ersten Scheidewand einen rechten Winkel bilden, und dass zudem die eine von beiden durch den Anheftungspunct der Stielzelle geht. Demzufolge sind die 4 Theilzellen tetraedrisch gestellt: drei davon stehen mit der Stielzelle in unmit- telbarer Berührung; die vierte ist abgekehrt. Die Durchschnitte der Scheidewände mit der kugelförmigen Oberfläche des Gonidiums bilden ursprünglich einen grössten Kreis und zwei grösste Halb- kreise, von denen je einer die durch die beiden anderen gelegten Ebenen recht- winklig schneidet. Durch das Wachsthum der Theilzellen, welche in Form und Grösse nach Gleichgewicht streben, erleidet indess die gegenseitige Lage der Scheidewände sehr bald eine Veränderung in dem Sinne, dass später überall, wo 3 Zellen zusammenstossen, die sie trennenden Scheidewände nirgends rechte, sondern unter sich gleiche Winkel bilden. Die Kugelfläche erscheint dann in 4 gleich grosse sphärische Dreiecke getheilt, welche die bereits bezeichnete Lage zur Stielzelle haben. (Taf. I. Fig. 19). Gewöhnlich folgen die 3 Scheidewände sehr schnell auf einander. Es geht diess schon aus dem Umstande hervor, dass man tetraedrisch getheilte Gonidien sehr häufig, zweigetheilte dagegen verhältnissmässig selten beobachtet. Dafür spricht ferner auch die Thatsache, dass manche getheilte Gonidien nicht grösser oder nicht einmal so gross sind, als die grösseren ungetheilten, und dass die Ober- fläche bei ersteren, wie bei letzteren, in den meisten Fällen ziemlich genau ku- gelförmig ist. Bei einer langsamen Aufeinanderfolge der Scheidewände müsste nämlich wegen des Bestrebens der Theilzellen sich abzurunden der ältesten Scheidewand eine grössere oder kleinere Einschnürung entsprechen , die in selte- nen Fällen auch wirklich vorkommt. Wenn nach der Theilung in 4 Zellen keine neuen Scheidewände auftreten, so macht sich dieses Streben nach Abrundung und Ausdehnung unverzüglich geltend. Jeder einzelnen Theilzelle entspricht in Folge dessen eine stärkere Wöl- bung der Oberfläche, die allmälig einen solchen Grad erreicht, dass die Zellen halbkugelig nach aussen vorspringen und die Form des Gonidiums sich dem Te- traeder nähert (Taf. I. Fig. 21). Endlich überwindet die aus derselben Ursache eintretende Spannung in den Scheidewänden die Adhäsion der Membranen und rung der Gonidien bestehe »in der Hervorbildung von 4 (Tochter-) Zellen aus Kernen, deren Wandungen sich bei dem späteren Wachsthum dicht an einander legen.« Schon der Umstand, dass die vermeintlichen Kerne nach Zusatz von Jod farblos bleiben, beweist zur Genüge, dass diese Ansicht eine irrthümliche ist. — Auch die weitere Angabe, dass die gonimische Zelle auch terminal vorkomme, muss ich für unrichtig erklären. —— 127 ° — die Theilzellen trennen sich von einander. Wie sie sich nach ihrer Trennung verhalten, ob sie, nachdem sie die gewöhnliche Grösse der Gonidien erreicht ha- ben, sich wieder theilen, und ob vielleicht dieses Theilungsvermögen auch allen folgenden Generationen zukommt, lässt sich durch directe Beobachtung kaum entscheiden, da das einzige Merkmal, welches zuweilen primäre Gonidien sicher als solche erkennen lässt: das Vorhandensein eines kleinen Anhängsels an der Anheftungsstelle des Stieles, oft selbst bei solchen vermisst wird, welche unter dem eigenen Auge durch Druck, Verschieben ete. von ihren Stielen losgerissen wurden. Dagegen machen es allerdings andere Gründe wahrscheinlich, dass der nämliche Theilungsprocess sich unter Umständen nach der Trennung der Theil- zellen in jeder derselben wiederholt. Diese Frage soll weiter unten noch näher erörtert werden. In der Mehrzahl der Fälle geht die Theilung noch um eine Stufe weiter, in- dem jede der 4 Zellen sich wieder theilt. Es entstehen dadurch Gruppen von 8 Zellen, welche anfänglich die Kugelforn der ungetheilten Gonidien beibehalten und dieselben auch an Grösse entweder nicht oder nur unbedeutend übertreffen. Ihr Durchmesser beträgt bloss 12—16, seltener 18—20 Mik. Die Scheidewände sind in der Regel sämmtlich sehr zart, so dass ein Unterschied in der Dicke nicht wahrgenommen wird. Dabei hat die ursprüngliche Form und Lage der Theil- zellen meistens schon so grosse Veränderungen erlitten, dass ein Schluss auf die Entstehungsfolge der Wände nach vollendeter Theilung nicht mehr möglich ist *). Nur wenn man den Inhalt der Zellen etwas contrahirt und dadurch auch das In- nere der Gruppen der Beobachtung einigermaassen zugänglich macht, lassen sich einzelne ältere Scheidewände zuweilen daran erkennen, dass sie, weil ursprüng- lich in der Ebene eines grössten Kreises liegend, in einer Medianlinie der zuge- kehrten Fläche als tief gegen das Centrum eindringende, mehr oder weniger klaf- fende Spalten erscheinen, während die später (nach der tetraedrischen Theilung) auftretenden Wände, weil sie stets einen grösseren oder kleineren Winkel mit dem Radius bilden, nur dann als helle Linien oder Spalten gesehen werden, wenn sie auf der zugekehrten Seite des Gonidiums eine ganz bestimmte randständige Lage haben. Sind die Gonidien noch mit den Fasern in Verbindung, so ist zwar mit der Lage der Stielzelle ein fixer Punct gegeben, in welchem jedenfalls 3 ältere *) Bei der Erwägung solcher Thatsachen kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, es könnten möglicher Weise sämmtliche Scheidewände gleichzeitig entstanden sein. Diese An- nahme würde dann auch die weitere in sich schliessen, dass diejenigen Gonidien, bei welchen wir eine Theilung in 2 oder 4 Zellen beobachten, sich später nicht mehr theilen oder nicht mehr getheilt haben würden, dass vielmehr die Zahl der Tochterzellen stets derjenigen der gleich- zeitig entstandenen Scheidewände entspreche. Ob ein solcher Theilungsvorgang in einzelnen Fällen stattfindet, oder nicht, kann ich allerdings nicht entscheiden; dagegen scheint mir der Umstand, dass man zuweilen in Tochterzellen, welche noch genau tetraedrisch gestellt sind, schief verlaufende, ungemein zarte Scheidewände bemerkt, die allem Anschein nach jüngeren Ursprunges sind (Taf. Il. Fig. 9 a, 10 a), und dass ferner bei Gruppen von $ Zellen nicht selten gerade die Scheidewände besonders deutlich hervortreten, welche in entsprechender Lage auch eine Gruppe von 4 Zellen zukehren würde, das Vorkommen einer Theilung durch successi- ves Auftreten der Scheidewände ausser Zweifel zu setzen. — 1283 — Scheidewände zusammenstossen ; allein da in diesem Falle eine Drehung weniger leicht oder fast gar nicht möglich ist, so wird jener Vortheil durch diesen Uebel- stand wieder aufgewogen. — Unter diesen Umständen ist es unerlässlich, vor Allem die Anordnung sämmtlicher Theilzellen auf der Oberfläche genau kennen zu lernen, und sich dabei zugleich zu versichern, dass die vorliegende Gruppe aus der normalen Zahl von S Zellen besteht. Wenn man ein in 8 Zellen getheiltes Gonidium in verschiedenen Lagen be- obachtet, so fällt sogleich die mit der Lage sich ändernde Gruppirung der eben zugekehrten Theilzellen auf. Bald beobachtet man z. B. eine centrale Zelle um- geben von 5 anderen (Taf. I. Fig. 23 «), bald bloss 5 Zellen in der in Fig. 23 d gezeichneten Lage, bald auch Gruppirungen, wie sie in Fig. 23 e und auf Taf. II. Fig. 9, 10, 13 dargestellt sind. Durch vorsichtiges Drehen des Gonidiums wird es möglich, sich von der Lage sämmtlicher Theilzellen ein klares Bild zu ver- schaffen und bestimmte Zellen in den verschiedensten Lagen wieder zu erkennen. Fig. 15 auf Taf. II stellt ein auf eine Kugelfläche gezeichnetes Netz dar, welches zwar zunächst nur für einen bestimmten Fall die Lage der Theilzellen auf der Oberfläche veranschaulicht, jedoch mit Rücksicht auf alle wesentlichen Puncte — also abgesehen von Grössenverhältnissen - auch für alle übrigen normalen Fälle Geltung hat. Eine aufmerksame Betrachtung dieses Netzes zeigt, dass dasselbe aus 4 unregelmässigen Vierecken und aus eben so vielen Fünfecken besteht, in deren Winkelpuncten nie mehr als 3 Seiten zusammentreffen. Die Fünfecke bilden eine ununterbrochene Zone auf der Kugeloberfläche; eines derselben liegt auf der abgekehrten Seite, ein zweites in der Mitte der zugekehrten, die beiden übrigen symmetrisch rechts und links, etwas nach oben. Die Vierecke dagegen liegen zu beiden Seiten dieser Zone (oben und unten) paarweise beisammen. Diese Anordnung der Figuren führt zu dem Schluss, dass das Gonidium in 4 verschic- denen Lagen, so oft nämlich eine pentagonale Zelle genau zugekehrt ist, die auf Taf. I. Fig. 23 « dargestellte Gruppirung zeigt, in jeder anderen Lage dagegen eine abweichende Ansicht gewährt (Fig. 235, ec); dass ferner die 4 letzten Scheide- wände, welche nach stattgefundener 'Theilung in 4 Zellen noch auftreten, sich auf den beiden Seiten der schon vorhandenen Wände stets an verschiedenen, ein- ander nicht entsprechenden Puncten ansetzen, also nie ein Kreuz mit denselben bilden. Bezüglich der ersteren Folgerung niuss noch hinzugefügt werden, dass man trotz der gleich grossen Zahl der Vier- und Fünfecke den Fall, dass von 5 zu- gekehrten Theilzellen sich 4 peripherische um eine centrale gruppiren, auffallend selten beobachtet und sich nur durch Drehen von der Richtigkeit obiger Darstel- lung überzeugt. Es kann diess nur daher rühren, dass die den unregelmässigen Vierecken entsprechenden Scheidewände wegen ungünstiger Neigungsverhältnisse in der Regel nicht gleichzeitig als deutliche helle Linien gesehen werden. Es lässt sich übrigens beweisen, dass wenn 8 Vier- und Fünfecke — und andere Figuren kommen hier nicht vor — auf einer Kugeloberfläche unter den gegebenen Bedingungen zu einem geschlossenen Netz verbunden sind, dieselben nothwendig in gleicher Zahl vorhanden sein müssen. Noch mehr, die gegen- — 129 —— seitige Lage derselben kann nur eine solche sein, dass in demselben Puncte ent- weder 2 Fünfecke und 1 Viereck, oder'umgekehrt 2 Vierecke und ein Fünfeck, nie aber 3 gleichnamige Figuren zusammenstossen. Dieser Bedingung wird Ge- müge geleistet, wenn jeder der 4 tetraedrisch gestellten Mutterzellen ein Viereck und ein Fünfeck entspricht; sie wird aber auch dann noch erfüllt, wenn eine oder zwei derselben je in zwei Fünfecke und dafür I—2 andere je in 2 Vierecke getheilt erscheinen. — Hiemit sind die letzten Theilungsvorgänge in so weit be- stimmt, als sie überhaupt in normalen Fällen an constante Gesetze gebunden sind *). Wenn eine oder mehrere der 8 Zellen sich wieder theilen, was übrigens nicht häufig vorkommt, so entstehen Gruppen von 9, 10 und mehr Zellen, die man beim Drehen in der Regel leicht daran erkennt, dass in bestimmten Lagen 6 Zellen um eine centrale gruppirt sind (Taf. II. Fig. 13 5). Ganz sicher ist jedoch dieses Merkmal nicht, da zuweilen auch Gonidien mit der normalen Zahl von Theilzellen, wenn sie etwas platt gedrückt sind, ein ganz ähnliches Bild geben. — Ist die Zahl der Theilzellen sehr gross (Taf. II. Fig. 12), so lässt sich ihre An- ordnung auf der Oberfläche nicht mehr bestimmen. Nach beendigter Theilung streben die einzelnen Theilzellen nach der Kugel- form. Sie dehnen sich beträchtlich aus, springen nach aussen vor und geben dadurch der Gruppe ein maulbeerförmiges Aussehen. Bald treten hie und da Interstitien auf, durch deren Vergrösserung allmälig eine Trennung der $ Zellen in kleinere Gruppen von 2—4 Zellen herbeigeführt wird, die sich aber später selbst wieder in ihre einzelnen Bestandtheile auflösen. Zuweilen geschieht die Trennung in solcher Weise, dass sämmtliche Theilzellen sich in eine Ebene legen lassen, oder von selbst diese Lage annehmen, und dabei doch in tangentialer Richtung verbunden bleiben. (Vgl. Taf. III. Fig. 4—6). Dieser Auseinandersetzung der Theilungsvorgänge mögen noch einige Be- merkungen über die Methode der Untersuchung folgen. Es handelt sich in erster Linie darum, die normale Zahl der Theilzellen festzustellen. Zu diesem Behufe hat man nur nöthig, beliebige Thallusstücke, in welchen getheilte Gonidien in grosser Zahl vorkommen, (es ist diess nicht immer der Fall) in Kalı zu kochen und zu zerdrücken und hierauf so viel Säure (mit oder ohne Jodlösung) zuzu- setzen, dass sich der Inhalt der Zellen stark contrahirt. Diese Behandlungsweise macht es möglich, bei günstiger Lage des Gonidiums vermöge der Durchsichtig- keit der Membranen sämmtliche Theilzellen gleichzeitig zu übersehen und sie *) Die bloss mathematische Betrachtung der Sache führt allerdings zu einer grösseren Zahl von Combinationen. Es lässt sich eine Lage der Scheidewände denken, bei welcher das auf der Oberfläche gebildete Netz nicht bloss aus Vier- und Fünfecken, sondern auch aus Drei- und Sechsecken besteht. Zwei der tetraedrisch gestellten Zellen können z. B. jein ein Viereck und ein Sechseck , die 2 anderen je in 2 Vierecke getheilt sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine solche Theilung hie und da stattfindet; doch ist sie jedenfalls als Ausnahme zu be- trachten. Das Vorkommen von sechseckigen Zellen ist nicht entscheidend, da möglicher Weise auch mehr als $ Zellen vorhanden sein können. Nägeli, Beiträge. II. I — 150 —— ohne Weiteres abzuzählen. Es stellt sich dabei 8 als die normale Zahl derselben heraus; zugleich überzeugt man sich, dass im Innern der Gruppe keine Zellen vorkommen, welche die Oberfläche nicht berühren. In zweiter Linie ist die Anordnung der Theilzellen auf der Oberfläche zu bestimmen. Da das oben erwähnte Verfahren für diesen Zweck nicht mehr ge- nügt, obschon es eine vorläufige Orientirung gestattet, so muss man zum Drehen der Gonidien seine Zuflucht nehmen. Zur Erleichterung dieser Manipulation ist es rathsam, zwischen Deckgläschen und Objectträger Papierstreifen zu legen, um beide in constanter Entfernung zu erhalten. Es gelingt dann, durch Verschieben des Deckgläschens oder durch einen schwachen Druck auf dasselbe bestimmte Gonidien langsam und nach Willkür zu drehen und sie in jeder beliebigen Stel- lung hinreichend lange zu erhalten. Die Soredıen. Während der Theilung der Gonidien bleibt die Stielzelle häufig unverändert oder theilt sich höchstens in 2 oder 3 Zellen, — ein Vorgang, der keine weitere Bedeutung hat, als dass der Stiel mehrzellig wird. In anderen Fällen dagegen zeigt dieselbe höchst eigenthümliche Wachsthums- erscheinungen , welche die Bildung besonderer Organe für die ungeschlechtige Vermehrung vermitteln. Es bilden sich nämlich an der Stelle, wo der Stiel sich an das Gonidium ansetzt, 1—2 Ausstülpungen, welche zwischen den Theilzellen in das Innere der Gruppe eindringen und sich daselbst vielfach verzweigen (Taf. II. Fig. 1, 2; vgl. Taf. III. Fig. 18—21). Nach dem, was oben über die Verästlung der Rindenzellen gesagt wurde, kann es nicht auffallen, dass auch diese Verzweigung nicht nach bestimmten Gesetzen vor sich geht, sondern dass eben jede Zelle unter günstigen Umständen einen oder zwei Aeste bildet, die sich zwischen den Membranen der Theilzellen hindurch einen Weg bahnen und sich dabei wieder verzweigen. Je nachdem die Stielzelle, oder wenn deren mehrere sind, die mit dem Gonidium in Verbindung stehende Zelle eine oder zwei Aus- stülpungen bildet, scheint der Stiel sich direct in das Innere der Gruppe fortzu- setzen, da die Astzelle in der Richtung der Stammzelle weiter wächst, oder an der Eintrittsstelle sich dichotomisch zu verzweigen. Im letzteren Falle steht die Ebene der beiden Zweige, nach mehreren sicheren Beobachtungen an zwei- getheilten und tetraedrisch getheilten Gonidien zu schliessen, senkrecht zur ersten Scheidewand. Wenn die im Innern der Zellgruppe entstandenen Verästlungen die Ober- fläche erreicht haben , so wachsen sie in der Regel auf dieser letzteren, sich dicht an sie anschmiegend, weiter. Sie verästeln sich hier wie im Innern, können auch, bei einer anderen Scheidewand angelangt, sich wieder dem Centrum zu- wenden oder wenigstens einen Ast absenden, der diese Richtung einschlägt. Auf diese Weise wird nach und nach jede einzelne 'Theilzelle von einem förm- lichen Netz von Fasern umschlossen, welches durch die fortdauernde Verästlung —— 131 —— immer engmaschiger wird und endlich eine ringsum dicht geschlossene Hülle bildet (Taf. II. Fig. 6). Einzelne wenige Fasern wachsen in radialer Richtung weiter oder verlassen wenigstens die Oberfläche der Gonidien und verlieren sich in dem lockeren Fasergeflecht, welches den Raum zwischen Rinde und Markstrang einnimmt. Da die Theilzellen durch die Bildung der Faserhülle etwas von einander entfernt werden, so lassen sie sich vermöge der Durchsichtigkeit der letzteren, besonders wenn das Präparat in Kali liegt, sämmtlich gleichzeitig überschen. Im Uebrigen behalten sie anfänglich noch ihre ursprüngliche Lage bei und sind auch später, nachdem sie durch das fortschreitende Wachsthum und die Veräst- lung der Fasern mehr oder weniger verschoben worden, noch längere Zeit als zusammengehörig zu erkennen. Die Entwickelung der Theilzellen scheint durch die Gegenwart der Faser- hülle wesentlich beschleunigt zu werden. Sie dehnen sich rasch aus, erreichen bald die gewöhnliche Grösse der Gonidien und theilen sich hierauf wieder. So- bald die neuen Theilzellen in ein etwas vorgerückteres Stadium getreten sind und sich abzurunden beginnen , werden sie durch Faseräste,, welche aus der um- gebenden Hülle zwischen dieselben eindringen, auf die nämliche Weise getrennt und umflochten, wie es bei der primären Gruppe in Folge der Verästlung des Stieles der Fall war (Taf. II. Fig. S). Indem dieser Process sich ohne bestimmte Grenze wiederholt, häufen sich allmälig die von ihren Faserhüllen umgebenen und durch dieselben zusammengehaltenen Gonidien an den betreffenden Stellen der lockeren Faserschicht so sehr an, dass sie einen bedeutenden mechanischen Druck auf die Rinde ausüben und dieselbe endlich als sogenannte »Soredien « durchbrechen. Zufolge ihrer Entstehungsweise besteht die ganze Soredienmasse aus einem in sich zusammenhängenden Fasergeflecht, in welches die Gonidien eingebettet sind. Da jedoch die Fasern vorherrschend mit der Oberfläche der letzteren parallel laufen und sich möglichst dicht an dieselbe anlegen, so findet leicht eine Tren- nung in solcher Weise statt, dass die Faserwand zwischen benachbarten Gonidien sich gleichsam spaltet und jedes einzelne Gonidium seine eigene Hülle behält (Taf. II. Fig. 6). Es genügt, die Soredien mit dem Deckgläschen zu zerreiben, um solche Gonidien mit Faserhüllen in grosser Zahl zu isoliren. Wenn man mit dem Worte Soredien die Gesammtmasse der grünen Zellen und des sie umgebenden Fasergeflechtes bezeichnet, so kann eine einzelne Zelle mit ihrer Hülle consequent ein Soredium genannt werden. Jedes Soredium hat das Vermögen, sich unter günstigen Umständen zu einer neuen Pflanze zu ent- wickeln und muss daher als ein Organ der ungeschlechtigen Vermehrung be- trachtet werden. Die Entwickelung findet merkwürdiger Weise nicht bloss auf geeigneter fremder Unterlage, sondern sehr häufig auf der Mutterpflanze selbst statt, und führt im letzteren Falle zur Bildung jener horizontal abstehenden Aeste, wie sie bei Usnea hirta, dasypoga, longissima u. a. so häufig vorkommen und wel- che im folgenden Abschnitt als Soredialäste näher besprochen werden sollen. 9 * —— 132 Die Erscheinungen, in Folge welcher im keimenden Soredium allmälig ein Gegensatz zwischen Scheitel und Basis hervortritt, sind folgende. Auf der dem Lichte zugekehrten (der Unterlage abgewendeten) Seite der Faserhülle bilden sich in bekannter Weise Aeste, welche in derselben Richtung, sich dicht an ein- ander anschliessend, weiter wachsen und in ihrem ganzen Verhalten genau mit den Fasern der Thallusspitze übereinstimmen. Sie neigen mit ihren Enden in gleicher Weise zusammen; sie verzweigen sich, erzeugen Gonidien, werden da- durch in Rinde und Mark geschieden u. s. f.; kurz sie bilden einen jungen Thallus, in welchem alle Vorgänge sich wiederholen, welche bisher Gegenstand der Betrachtung gewesen (Taf. II. Fig. 23, 24). Auf der dem Lichte abgekehrten Seite bilden sich dagegen nur spärliche Fasern, welche sich in beliebiger Rich- tung auf der Unterlage ausbreiten oder in dieselbe eindringen und zur Befestigung des jungen Pflänzchens dienen. — Während dieser Processe theilt sich die von der Faserhülle umschlossene grüne Zelle gewöhnlich in 4 oder 8, selten in eine grössere Zahl von Theilzellen, welche nach ihrer vollständigen Ausbildung und Trennung von den neu gebildeten Gonidien bald nicht mehr zu unterscheiden sind. Sie kann auch möglicher Weise sich nicht weiter verändern; doch weiss ich hierüber sicher nur so viel, dass sie zuweilen nach der Bildung eines deut- lichen Scheitels noch ungetheilt ist. Das häufige Vorkommen von Soredien auf der Oberfläche des Thallus gibt derselben ein eigenthümliches warzig - staubiges Aussehen (Thallus verrucoso- pulverulentus). Die Soredienhäufchen sind jedoch nicht zu verwechseln mit den oben besprochenen warzenförmigen Auswüchsen, mit denen sie zuweilen gemein- sam die Rinde bedecken. Wo letztere allein auftreten, wie dieses auf der älteren Rinde häufig der Fall ist, kann der Thallus eigentlich bloss warzig, nicht warzig- staubig genannt werden. Die Vermehrung der grünen Zellen bei der Soredienbildung liefert den Be- weis, dass auch die durch Theilung entstandenen Gonidien, welche durch keine Stielzelle mit den Fasern in’ Verbindung stehen, sich wieder theilen. Zwar lässt sich gegen die allgemeine Geltung dieses Satzes einwenden, dass die Theilung bei der Soredienbildung unter ganz eigenthümlichen Verhältnissen stattfinde, indem das die Gonidien umgebende Fasernetz jedenfalls von wesentlichem Einfluss sein müsse; allein es darf nicht übersehen werden, dass, da dieser allerdings unbe- streitbare Einfluss sich nicht anders, als durch die Beförderung des Säfteaustäu- sches zwischen Gonidien und Faserhüllen kund geben kann, gerade dadurch die Thatsache festgestellt wird, dass ein mit Fasern in Berührung stehendes Goni- dium denselben die zu seiner Entwickelung und Theilung nöthigen Säfte zu ent- ziehen vermag. Nun ist sicher, dass die bei der gewöhnlichen Theilung entstehen- den Theilzellen nach ihrer Trennung in den Maschen des lockeren Fasergeflechtes liegen bleiben und hier jedenfalls an mehreren Puncten mit den Fasern in Be- rührung kommen. Es geht ferner aus der Art und Weise, wie sich die Fasern bei der Soredienbildung verhalten, unzweifelhaft hervor, dass Faseräste, die bei ihrer Entstehung die Oberfläche der Gonidien berühren, eine besondere Neigung ha- ben, auf derselben fortzuwachsen und sich dicht an sie anzulegen. Bei der häufig vorkommenden Verästlung der Faserzellen ist es daher sehr wahrscheinlich, dass viele der isolirten Gonidien, wenn auch nicht alle, bald auf einer hinreichend grossen Fläche mit Fasern in Berührung stehen, um die zu ihrer Entwickelung und Theilung nöthigen Säfte beziehen zu können. Aber auch ganz abgesehen davon berechtigt schon die Thatsache, dass die Theilzellen nach ihrer Trennung in kleinere Gruppen, wie directe Messungen an letzteren beweisen, sich jeden- falls noch beträchtlich ausdehnen, zu dem Schlusse, dass, wo Wachsthum statt- findet, auch eine Theilung möglich ist. Das-lockere Fasergefleecht Die Natur des Fasergeflechtes in der Thallusspitze und die Art und Weise, wie dasselbe durch die Entwickelung der Gonidien in Mark und Rinde geschie- den wird, bringen es mit sich, dass diese letzteren durch quer und schief verlau- fende Fasern mit einander in Verbindung bleiben. Treten z. B. zwischen 2 Fa- sern, von denen die eine durch Verästlung der andern entstanden ist, Gonidien auf, so bilden sie fortan beziehungsweise Bestandtheile der Rinde und des Mar- kes, sie bleiben aber an der Verzweigungsstelle mit einander verbunden. Mög- licher Weise kann auch die nämliche Faser in einer gewissen Entfernung vom Scheitel zur Rinde, in einer anderen zum Marke gehören; sie muss daher noth- wendig irgendwo von der einen zum anderen übergehen. Indem diese ursprüng- lichen Verbindungsfasern in dem Maasse, als der Zwischenraum zwischen Mark und Rinde durch das überwiegende Flächenwachsthum der letzteren grösser wird, sich durch Streckung der Zellen verlängern und überdiess vielfach verzweigen, bilden sie die Grundlage des lockeren Fasergeflechtes, zu dessen weiterer Ent- wickelung in der Folge auch die mit der Soredienbildung zusammenhängenden Wachsthumserscheinungen, so wie die Verästlungen der peripherischen Fasern des Markstranges das Ihrige beitragen. Je nachdem diese beiden letzteren Vor- gänge in höherem oder geringerem Grade mitwirken, und entsprechend der stär- keren oder schwächeren Verästlung der Fasern, erscheint das Gewebe bald dich- ter, bald lockerer geflochten. Es ist zuweilen so locker, dass man auf dünnen Querschnitten kaum eine Spur davon sieht und die Markscheibe aus dem von der Rinde gebildeten Ringe herausfällt; in anderen Fällen so dicht, dass es im ur- sprünglichen Sinne des Wortes ein Filzgewebe darstellt. So lange Markstrang und Rinde nur wenig von einander abstehen, die lockere Faserschicht daher nur eine geringe Mächtigkeit besitzt, sind die Goni- dien in der ganzen Dicke derselben zerstreut. Später, nachdem der Abstand grösser geworden, finden sie sich ausschliesslich im peripherischen Theile, unmit- telbar unter der Rinde. Sie bilden hier, bei schwacher Vergrösserung betrachtet, eine intensiv grüne jedoch nicht ununterbrochene Zone, welche nach aussen vom Innenrande der Rinde begrenzt wird, während sie nach innen in unregelmässigen Zacken in das luftführende Filzgewebe vorspringt. — 134 —— Diese Lagerungsverhältnisse führen zu dem Schluss, dass die Gonidien auch in der Nähe der Spitze, wo sie noch dicht zwischen Rinde und Mark eingekeilt sind, nicht dem Marke, sondern der Rinde aufsitzen; denn nur durch diese An- nahme lässt sich das allmälige Grösserwerden des Abstandes derselben vom Mark- strang auf eine befriedigende Weise erklären. Das lockere Markgeflecht stellt eine directe Verbindung zwischen Markstrang und Rinde her. Einzelne Fasern lassen sich häufig von der Oberfläche des ersteren bis zum Innenrand der letzteren verfolgen. Die Faserzellen sind kürzer als die- jenigen des Markstranges, doch immerhin so lang, dass sich der Inhalt auf die beiden Enden vertheilt. Der mittlere Theil des Lumens ist im trockenen Zu- stande mit Luft gefüllt. Die Verästlungen des Thallus. 1. Diehotomie. Wenn die Fasern der Thallusspitze ihre Wachsthumsrichtungen dergestalt ändern, dass sie nicht mehr nach dem nämlichen Puncte, sondern nach 2 ver- schiedenen Puncten convergiren, und folglich auch in 2 verschiedenen Richtungen weiter wachsen, so entsteht eine wahre Dichotomie. Diese Art der Verzweigung, die übrigens nicht gerade häufig vorkommt, ist somit in Beziehung auf den Ver- lauf der Fasern dadurch characterisirt, dass dieselben direct in die beiden Gabel- äste übergehen, als ob die Spitze durch eine durch die Axe gelegte Ebene halbirt worden wäre. Zu diesem anatomischen Merkmal kommt noch das weitere mor- phologische, dass die beiden Zweige zwar einen veränderlichen, gewöhnlich jedoch ziemlich spitzen Winkel mit einander bilden (Taf. II. Fig. 16), während die in den folgenden Abschnitten zu besprechenden Adventiv- und Soredialäste ent- weder senkrecht, oder doch annähernd senkrecht zur Stammaxe stehen. (Fig. 17, 19, 20). Von dem Augenblicke an, da die Fasern der Thallusspitze sich in zwei deut- liche Scheitel gesammelt haben, schreitet die Entwickelung in jedem derselben in gleicher Weise fort, wie es im Vorhergehenden für den Thallus im Allgemei- nen angegeben wurde. Besondere Erwähnung verdient nur das Verhalten des Markes an der Verzweigungsstelle. Da dasselbe erst durch das Auftreten der Gonidien von der Rinde geschieden wird und die Scheidelinie den Umrissen des Thallus, wie sie sich in der Spitze zum Voraus gestalten, in ziemlich constanter Entfernung folgt, so lässt sich erwarten, dass der Medullarstrang in ähnlicher Weise gabelig getheilt erscheine, wie der ganze Thallus. Diess ist auch wirklich der Fall. Und zwar treten die Markfasern, so lange die Gabelzweige noch jung sind, so aus einander, dass die ganze eine Hälfte des sich theilenden Markes den einen Zweig, die andere Hälfte seinen Bruderzweig durchzieht, folglich eine Kreuzung der Fasern nicht stattfindet. Wenn wir von oben nach unten fort- schreiten, können wir auch sagen, die Markstränge der beiden Gabeläste seien ENG ER unterhalb der Verzweigungsstelle so mit einander verschmolzen, als ob sie mit ihren zugekehrten Flächen sich dicht an einander angelegt hätten. Anders gestalten sich die Verhältnisse im älteren Marke. Wenn der Winkel, den die beiden Zweige einer Dichotomie mit einander bilden, nicht allzu klein ist, so erscheinen die peripherischen Fasern der beiden Stränge an der Verzwei- gungsstelle gekreuzt, und zwar sieht man deutlich, wie die Fasern des einen mehr oder weniger tief im Innern des andern endigen (Taf. Il. Fig. 16). Es geht aus dieser Thatsache unzweifelhaft hervor, dass die sich kreuzenden Fasern von oben nach unten wachsen und die Richtung des Zweiges, dem sie angehören, auch im Marke des anderen beibehalten. — Bilden dagegen die beiden Zweige einen sehr kleinen Winkel, so ist die eben erwähnte Kreuzung entweder gar nicht bemerk- bar, oder doch lange nicht so augenfällig. Die nach unten wachsenden Fasern eines Stranges scheinen in diesem Falle, sobald sie mit denen des anderen Stran- ges zusammentreffen,, von ihrer Richtung mehr oder weniger abgelenkt zu wer- den, so dass sie sich nur in geringem Grade gegenseitig durchdringen. Uebrigens muss bemerkt werden, dass auch unter den günstigsten Umständen die Zahl der Fasern, welche sich an der Verzweigungsstelle kreuzen, im Verhält- niss zur Dicke des Markes so auffallend klein ist, dass man an dem häufigen Vor- kommen nach unten wachsender Fasern zu zweifeln versucht wird. Wenn man aber erwägt, dass von allen diese Richtung einschlagenden Fasern nur diejenigen, welche auf der Oberfläche der beiden Markstränge liegen, und auch von diesen nur die einander zugekehrten eine Kreuzung eingehen, während alle im Innern des Markes entstehenden in der Richtung der sie umgebenden Fasern weiter wachsen, so erscheint es ganz natürlich, dass die sich kreuzenden Fasern nur einen kleinen Bruchtheil der sämmtlichen Verästlungen darstellen, auf welchen das Dickenwachsthum des Markes beruht. Betreffend das Verhalten der Rinde bemerke ich nur, dass sie in Folge ihres fortschreitenden Flächenwachsthums in dem von den zugekehrten Seiten der Gabeläste gebildeten Winkel mehr oder weniger runzelig wird und dann etwas weiter als sonst von der entsprechenden Stelle des Markes absteht (Taf. II. Fig. 16). — Eine Kreuzung der Fasern ist aus dem einfachen Grunde nicht bemerkbar, weil die Rinde sehr bald sich zu einem verworrenen Filzgewebe entwickelt. 2. Die Adventiväste. Mit diesem Namen bezeichne ich diejenigen Verzweigungen des Thallus, welche in beliebiger Entfernung von der Spitze aus der Rinde entspringen (Taf. II. Fig. 17). Sie verdanken ihren Ursprung der Verästlung peripherischer Rinden- fasern und unterscheiden sich von den oben besprochenen warzenförmigen Aus- wüchsen, welche auf ähnliche Weise entstehen, schon in den jüngsten Stadien durch die grössere Feinheit und den Parallelismus der Fasern, Beides Merkmale, auf welchen vorzugsweise die Physiognomie der Thallusenden beruht. Sobald die erste Anlage eines Adventivastes gebildet ist, legen sich die in derselben Verti- cale und in der Nähe der Oberfläche von unten nachwachsenden oder von oben — 136 —— heruntersteigenden Faseräste an dieselbe an und wachsen in der Richtung des jungen Astes weiter. Der letztere erhält dadurch eine etwas eigenthümliche Form : er sitzt der Oberfläche der Rinde mit breiter Basis auf und erscheint gegen den Scheitel mehr oder weniger kegelförmig zugespitzt. Diese Verstärkung der Ast- anlage durch nachwachsende Rindenfasern findet übrigens nur so lange statt, als die sämmtlichen Verästlungen der letzteren in longitudinaler Richtung verlaufen ; sie unterbleibt vollständig, wenn der Adventivast in einer Entfernung von der T'hallusspitze entsteht, wo die Rinde bereits den Character eines verworrenen Filzgewebes angenommen hat. Der junge Ast ist in diesem Falle deutlicher von der Thallusoberfläche abgegrenzt, erscheint aber dessenungeachtet wegen der vie- len Fasern, welche unterhalb des Scheitels in sehr verschiedener Höhe endigen, nicht selten in gleicher Weise kegelförmig zugespitzt und erhält erst nach und nach die gewöhnliche Form der Thallusenden. Da sich bei der Bildung der Adventiväste bloss die peripherischen Rinden- fasern betheiligen, so erscheint die Rinde auf Längsschnitten, welche in radialer Richtung durch die Mitte einer eben entstandenen Astanlage geführt werden, in ihrem inneren Theile vollständig unverändert. Die weitere Entwickelung des Adventivastes, dessen Basaltheil in den oberflächlichen Theil der Rinde ein- greift, verursacht jedoch bald eine überwiegende Ausdehnung dieses letzteren und in Folge dessen eine Lockerung und Trennung der tiefer liegenden Rinden- fasern. Es entstehen auf diese Weise ähnliche Vertiefungen auf der Innenfläche der Rinde, wie bei der Bildung der warzenförmigen Wucherungen : das Gewebe öffnet sich, um den Basaltheil des Adventivastes nach innen bloss zu legen. Mittlerweile hat in diesem letzteren die Entwickelung der Gonidien begon- nen. Sie ist anfänglich auf einige wenige, oft ziemlich weit von einander abste- hende Puncte beschränkt und schreitet von diesen in verschiedenen tangentialen Richtungen fort, bis sich ein zusammenhängendes lockeres Fasergeflecht gebildet hat, welches das Gewebe des Astes in Mark und Rinde scheidet. Während nun der Adventivast sich in bekannter Weise weiter entwickelt, dringen die in entgegengesetzter Richtung fortwachsenden Markfasern allmälig tiefer in das lockere Markgeflecht des Thallus ein und setzen, nachdem sie beim Medullarstrang angekommen, ihren Weg sogar mitten durch das dichte Gewebe desselben fort. Das Mark des Adventivastes tritt auf diese Weise in unmittelbare Verbindung mit dem Marke des Thallus. Auf Längsschnitten durch das letztere, parallel der Verzweigungsebene geführt, sieht man sehr schön, wie die Mark- fasern des Adventivastes bei ihrem Eintritt in dasselbe spreizend aus einander gehen, sich im Innern des dichten Fasergeflechtes verzweigen und oft erst in der Nähe des gegenüberliegenden Markrandes endigen (Taf. II. Fig. 19)*. Hin- wiederum dringen auch die peripherischen Fasern des primären Markes, wenn sie von oben oder unten auf den Medullarstrang des Adventivastes stossen, nach *) Die Figur stellt einen Längsschnitt durch den Thallus und die Basis eines Soredialastes dar. Der Verlauf der Markfasern ist indess bei Adventivästen genau derselbe. —— 1317 — und nach immer tiefer in denselben ein, wobei sie gewöhnlich mehr oder weniger nach aussen abgelenkt werden. Die Basis des Adventivastes wird durch diese Vorgänge etwas breiter; sie geht in Folge dessen allmälig in die Oberfläche des primären Markes über, so dass viele Fasern, welche auf der letztern gegen die Verzweigungsstelle der beiden Markstränge zu wachsen, der sanften Krümmung der Oberfläche folgen und sich dem Marke des Adventivastes anschliessen , statt in dasselbe einzudringen, und umgekehrt. Dieser Verlauf der Fasern kommt je nach der Grösse des Winkels, welchen der Ast mit der Stammaxe bildet, häufiger oder seltener vor. Wir begegnen ihm vorzugsweise auf der der 'Thallusbasis zu- gekehrten Seite älterer Adventiväste, nachdem dieselben, obgleich anfangs nahezu horizontal abstehend,, sich in der Folge etwas mehr scheitelwärts geneigt haben, folglich mit dem Basaltheil der Stammaxe einen stumpfen Winkel bilden. In diesem Falle kann die Faserschicht, welche von dem einen Medullarstrang direct in den anderen übergeht, so mächtig werden, dass die Unterscheidung eines Adventivastes von einem durch Gabelung entstandenen Zweig, trotz des ursprünglich so verschiedenen Faserverlaufes, unmöglich oder doch mindestens unsicher wird (Taf. II. Fig. 18). Es kann diess um so weniger auffallen, als der Adventivast nicht selten die directe Fortsetzung des Thallus an Länge und Dicke übertrifft und mit derselben in Hinsicht auf Dimensions- und Neigungsverhält- nisse möglicherweise schon sehr früh eine Pseudodichotomie darstellt, welche in ihrem ferneren Verhalten, wenigstens was den Verlauf der oberflächlichen von den neu hinzukommenden Fasern betrifft, mit der wahren Dichotomie vollkom- men übereinstimmt. Bleibt dagegen der Basaltheil des Adventivastes zeitlebens horizontal abste- hend, was vorzugsweise dann der Fall zu sein scheint, wenn die erste Anlage ziemlich weit unterhalb der Spitze gebildet wurde, so dringt die grosse Mehrzahl der Markfasern in den primären Markstrang ein und der Adventivast ist auf den ersten Blick als solcher zu erkennen, gleichviel ob die directe Fortsetzung des Thallus in der Entwickelung weiter fortgeschritten oder hinter ihm zurückgeblie- ben sei. In der Nähe der Basis älterer Exemplare kommen nicht selten Verzwei- gungen vor, welche I Millim. Dicke und darüber erreicht haben, und die sich dessenungeachtet durch den characteristischen Verlauf der Markfasern deutlich als Adventiväste kennzeichnen. 3. Die Soredialäste. Unter den Soredien, welche die Oberfläche der Rinde durchbrochen haben und über der Durchbruchsstelle in grösserer oder kleinerer Zahl im Fasergeflecht hängen geblieben sind, beobachtet man häufig solche, die bereits einen deutlichen Scheitel besitzen und daher als junge Thallusindividuen zu betrachten sind (Taf. II. Fig. 23 u. 24). Eines derselben entwickelt sich gewöhnlich rascher und erscheint bald als ein schon mit blossem Auge sichtbarer, horizontal abstehender Ast, des- sen Basaltheil die ganze Breite der durch den Durchbruch der Soredien entstan- —— 135 —— denen Oeffnung einnimmt und dieselbe pfropfartig schliesst (Taf. II. Fig. 16, 18— 20). Die übrigen Soredien werden durch die vorwiegende Entwickelung dieses einen allmälig auf die Seite gedrängt und fallen, nachdem sie von der Ver- bindung mit dem lockern Markgewebe des Thallus abgeschnitten worden, ent- weder ab oder bleiben wenigstens sehr klein. Man überzeugt sich hievon am leichtesten, wenn man ganze Thallusstücke mit einer staubigen Rinde bei geeig- neter Vergrösserung untersucht. In einer gewissen Entfernung von der Spitze erscheinen alsdann die Soredien noch als Häufchen grüner Zellen mit den be- kannten Faserhüllen, von denen jedoch einzelne bereits je einen deutlichen Scheitel besitzen. Etwas weiter nach unten begegnen wir schon grösseren Sore- dialästen, die beispielsweise 1 Millm. Länge und darüber erreicht haben und deren Basis nicht selten von 2, 3 oder auch von mehreren mit einem deutlichen Scheitel versehenen Soredien umgeben ist. Gehen wir noch einen Schritt weiter, so ist dieser junge Nachwuchs in der Regel vollständig verschwunden und wir treffen an der nämlichen Durchbruchsstelle der Soredien bloss noch einen einzi- gen grossen Soredialast, der — wie bereits erwähnt — die ganze Oeffnung meist vollständig ausfüllt und wie ein Pfropf in dieselbe eingefügt erscheint (Fig. 19, 20). Nur selten kommt noch ein zweiter kleinerer hinzu, der möglicherweise gleichzeitig mit jenem entstanden sein kann, vielleicht aber auch einem später gebildeten Soredium seinen Ursprung verdankt. Durch diese stufenweise Entwickelung der Soredialäste, die man im Allge- meinen beim Fortschreiten von oben nach unten beobachtet, ist natürlich das Vorkommen von Soredien auf der älteren Rinde keineswegs ausgeschlossen. Es ist im Gegentheil eine bekannte Thatsache, dass dieselbe auch bei den dicksten Stämmen und zwischen eben so dicken Soredialästen nicht selten in zahlreichen scheibenförmigen Anhäufungen die Oberfläche bedecken. Untersucht man die letzteren genauer, so findet man unter den vielen, oft schon ziemlich entwickelten Astanlagen (Soredien mit Scheiteln), aus welchen sie zum grössten Theil beste- hen, zuweilen auch solche, deren Fasern eben so stark wie in der alten Rinde verdickt sind und die in Folge dessen ein ganz abweichendes Aussehen haben. Offenbar sind solche Anlagen schon früher gebildet und durch irgend eine Ur- sache, wahrscheinlich weil sie von anderen Soredien überwuchert und umschlossen wurden, an ihrer Weiterentwickelung gehemmt worden. Der Umstand, dass die Rinde des Soredialastes nicht ununterbrochen in die- jenige des Thallus übergeht, sondern sich bloss an dieselbe anlegt und daher schon unter der Loupe deutlich abgegliedert erscheint, gibt uns ein sicheres Mittel an die Hand, Soredial- und Adventiväste von einander zu unterscheiden, voraus- gesetzt, dass nicht Unterbrechungen anderer Art: Risse, Furchen etc., wie sie namentlich auf der älteren Rinde häufig vorkommen, die Zuverlässigkeit des Merkmals beeinträchtigen. Was das Verhalten des Markes betrifft, so stimmen die Soredialäste voll- kommen mit den Adventivästen überein. Die Markfasern des Astes dringen in gleicher Weise in den Medullarstrang des Stammes ein, und es kann auch hier — 139 —— der Fall eintreten, dass die beiden Stränge nach und nach eine Pseudodichotomie darstellen, die sich von der wahren endlich nicht mehr unterscheiden lässt. Anfänglich stehen alle Soredialäste ziemlich genau rechtwinkelig ab. Wir finden sie in diesem Stadium in grosser Zahl bei U. florida, hirta, dasypoga, lon- gissima, wo sie dem Thallus die Eigenschaft »ramosissimus« verleihen. Erst nachdem sie eine gewisse Grösse erreicht haben, krümmen sie sich zuweilen mit ihrer Spitze nach oben und wachsen von nun an in dieser Richtung weiter; sie können auch, wenn ihre Entwickelung rasch vorwärts schreitet, die directe Fort- setzung des Thallus mehr oder weniger auf die Seite drängen und mit derselben eine sogenannte subdichotomische Verzweigung darstellen. Die Soredialäste sind im vollsten Sinne des Wortes Individuen. Sie erschei- nen nur desswegen als Verzweigungen des Thallus, weil sie sich auf der Mutter- pflanze, statt auf einer anderen geeigneten Unterlage entwickeln und durch ihre Markfasern aufs Innigste mit derselben verbunden sind. Was man bisher schlecht- hin als Thallus zu betrachten gewohnt war, besteht somit aus einer Vielheit von Individuen, von denen eines der Träger aller übrigen ist. Befestigung des Thallus auf der Unterlage. Findet die Entwickelung des Thallus auf einer geeigneten fremden Unter- lage statt, so sind es wieder die Markfasern, welche, wie bei den Soredialästen, die Rolle von Haftorganen übernehmen. Sie breiten sich, da ihrem Wachsthum nach unten zu grosse Hindernisse im Wege stehen , in strahlenförmig verlaufen- den Bündeln auf der Unterlage aus und dringen hie und da, wo sich gerade Gele- genheit bietet, in dieselbe ein. Man beobachtet z. B. nicht selten, dass einzelne Büschel am Rande einer Borkenschuppe umbiegen und zwischen dieselbe und die tiefer liegende Rinde eindringen, während andere eine oberflächliche Schicht von Korkzellen durchbohren und in der darunter liegenden Borke endigen u. s. w. Gras. IE) Pie. 21). Die peripherischen Fasern der einzelnen Bündel erscheinen häufig dunkler gefärbt und bilden eine Art Rinde; alle übrigen dagegen sind farblos und haben überhaupt das gewöhnliche Aussehen der Markfasern. Durch die Entwickelung der Haftorgane und die fortdauernde Verzweigung der Fasern wird der Thallus mehr oder weniger in die Höhe gehoben. Daher rührt es, dass die eigentliche Rinde die Oberfläche des Substrates später nicht mehr berührt, sondern erst über derselben, bald in grösserer bald in kleinerer Entfernung, zum Vorschein kommt. Die verschiedenen Varietäten von Usnea barbata, die von manchen Autoren als besondere Arten beschrieben werden, verhalten sich im Wesentlichen voll- kommen gleich. Eben so U. articulata. Usnea longissima zeichnet sich dadurch aus, dass der Parallelismus der Rin- denfasern bis auf eine weit grössere Entfernung von der Spitze erhalten bleibt, — 140 —— obschon der ältere Thallus vollkommen mit den übrigen Arten übereinstimmt; dass ferner der Verlauf dieser unter sich parallelen Rindenfasern in Folge der raschen intercalaren Theilung ihrer Zellen und des dadurch herbeigeführten vor- wiegenden Längenwachsthums der Rinde nach und nach ein spiraliger wird, so dass die Fäden gedreht erscheinen. Die Drehung ist zuweilen so stark, dass die Richtung der Fasern einen Winkel von circa 30° mit der Verticalen bildet. In sämmtlichen von mir untersuchten Fällen (bei 10—12 Soredialästen des näm- lichen Exemplars) war es Rechtsdrehung. Von den übrigen strauchartigen Flechten stimmen hinsichtlich ihrer Wachs- thumsweise nur wenige insofern mit Usnea überein, als die Thallusenden eben- falls aus parallelen Fasern bestehen, welche in gleicher Weise in der Richtung der Thallusaxe unbegrenzt weiter wachsen. Die Mehrzahl der Gattungen da- gegen gehört zu einem anderen Typus, bei welchem die Faserenden in der Krüm- mung des Scheitels, so wie überhaupt im peripherischen Theil des Thallus, an- nähernd senkrecht zur Oberfläche verlaufen. Ausser den eigentlichen Repräsen- tanten dieser beiden Typen, wozu einerseits Usnea, Bryopogon und Cornicularia, andererseits Roccella, Sphaerophorus, Lichina u.a. zu zählen sind, kommen aber auch zahlreiche Uebergänge vor (besonders bei der Gattung Cetraria und den Cladoniaceen), von denen sich kaum sagen lässt, ob sie dem einen oder dem anderen näher verwandt sind. Es mag hier genügen, das Wachsthum durch senkrecht gegen die Oberfläche verlaufende Fasern, unter Weglassung der Uebergänge, einer genaueren Betrach- tung zu unterwerfen, nachdem der parallelfaserige Typus bereits durch die Wachs- thumsgeschichte von Usnea hinreichend characterisirt worden. Der Einfachheit wegen mag die Annahme erlaubt sein, die T'hallusenden seien genau halbkugelig zugerundet, daher im Längsschnitt halbkreisförmig begrenzt , was mit der Wirk- lichkeit so ziemlich übereinstimmt. (Vergl. Taf. V. Fig. 5. Taf. VI. Fig. 1,2, 21). Unter dieser Voraussetzung wird der Weg, den eine in der Krümmung des Schei- tels liegende Faser in Folge des Wachsthums der Thallusenden allmälig zurück- legt, offenbar durch eine Curve dargestellt, welche den Halbkreis während seines Vorrückens in der Richtung der Thallusaxe in allen möglichen Lagen recht- winkelig schneidet, bis sie die Seitenlinie x» oder zy (Taf. VII. Fig. 15) erreicht hat. Eine solche Curve heisst in der Mathematik eine orthogonale Trajecto- rie. Construirt man dieselbe für verschiedene Entfernungen von der Axe, z. B. für die Puncte abed....... ‚„ welche um die mittlere Dicke einer Faser von ein- ander abstehen, so erhält man ein Bild, welches den Verlauf sämmtlicher Faser- enden, die in einem gewissen Zeitpuncte im Halbkreis zaz liegen , übersichtlich darstellt. Man sieht auf den ersten Blick, dass der Weg, den das Ende einer er en Faser zurücklegt, bis es zu wachsen aufhört, um so grösser ausfällt, je kleiner der Abstand von der Axe und dass in der Nähe der letzteren auch die Entfernung zwi- schen je zwei Curven in stärkerem Verhältniss zunimmt. Es ist a9 >bp>co> dn>em etc.; und eben so pg>po>on>nm etc. Vergleicht man diese beiden Reihen von Grössen etwas genauer, so ergibt sich ferner, dass letztere stärker convergirt, als erstere, so dass, wenn die Längen ag, bp, co... auf eine Gerade als Abscisse, die Abstände 2g, 20, on.... in den entsprechenden Puncten als Ordi- naten aufgetragen werden, die convexe Seite der Curve, welche die Endpuncte der Ordinaten mit einander verbindet, der Abscissenaxe zugekehrt ist. Mit an- deren Worten: die Abstände zwischen je 2 trajectorischen Curven nehmen gegen die Mitte in stärkerem Verhältnisse zu, als ihre Längen. Gestützt auf diese Thatsachen lassen sich für das Wachsthum der Thallus- enden folgende Regeln angeben : 1. Das Längenwachsthum der Fasern ist in der Nähe der Axe am stärksten und nimmt mit zunehmender Entfernung von derselben im nämlichen Verhält- nisse ab, in welchem die Breite einer zwischen 2 Halbkreisen eingeschlossenen sichelförmigen Fläche, z. der schmalen Mondsichel, gegen die beiden Hörner zu abnimmt. 2. Da die einzelnen Faserenden einen divergirenden Verlauf zeigen ‚ aber dessenungeachtet fortwährend zu einem dichten Gewebe verbunden erscheinen, so müssen sie sich nothwendig verästeln. Die Verästlung wird zufolge des Ver- hältnisses der Curvenlängen zu ihren gegenseitigen Abständen auf der Ober- fläche um so häufiger vorkommen, je geringer die Entfernung von der Axe, d.h. ein Faserstück. von bestimmter Länge wird im mittleren Theil der Thallusspitze eine grössere Zahl von Verästlungen zeigen, als in den seitlichen, wobei jedoch nicht zu übersehen ist, dass die Gliederzellen immer da am kürzesten sind, wo das lebhafteste Wachsthum stattfindet. Nicht zu verwechseln mit dem Weg, den die Faserenden in Folge ihres Scheitelwachsthums zurücklegen, ist der Faserverlauf, den man auf Längs- schnitten durch die Mitte der Thallusenden beobachtet. Eine Uebereinstimmung zwischen beiden könnte offenbar nur dann stattfinden, wenn die durch Theilung der Scheitelzelle entstandenen Gliederzellen sich nicht weiter verändern würden. Dieser Fall kommt jedoch bei keiner einzigen Flechte vor. Die Gliederzellen erleiden im Gegentheil bei sämmtlichen Gattungen eine mehr oder weniger be- trächtliche Streckung und in der Nähe der halbkugeligen Oberfläche des Scheitels (jedenfalls in der ganzen Dicke der Rinde) auch eine wiederholte Theilung durch Querwände. Zu diesen beiden Vorgängen, welche schon für sich allein die ur- sprüngliche Krümmung der Fasern modificiren müssten, kommt sodann häufig noch ein dritter hinzu, welcher die Regelmässigkeit des Faserverlaufes in noch höherem Grade beeinträchtigt. Gewöhnlich findet nämlich in der Krümmung des Schei- tels eine lebhaftere Verästlung statt, als es die Divergenz der trajectorischen Cur- ven nothwendig erfordern würde. Das Flächenwachsthum, welches dadurch bis auf eine gewisse Entfernung von der Oberfläche hervorgerufen wird, hat nicht — 142 —— bloss eine Lockerung des tiefer liegenden Gewebes zur Folge, in welchem fortan - die jüngeren Faseräste um so unregelmässiger verlaufen, je grösser die Intersti- tien, sondern veranlasst auch Vorschiebungen der peripherischen Faserenden in tangentialer Richtung, wenn es gegen den Endpunct der Axe nicht genau in dem- selben Verhältniss zunimmt, wie die gegenseitigen Abstände der Trajectorien. Es ist einleuchtend,, dass dieses Flächenwachsthum schon für sich allein ein Vorrücken des Scheitels, also ein Scheitelwachsthum des Thallus zur Folge haben muss, wie ja auch das Flächenwachsthum der Zellmembran in der Scheitelregion einer beliebigen Endzelle das Scheitelwachsthum der letzteren bedingt. Das Ver- hältniss, in welchem die Ausdehnung in die Fläche und die damit zusammen- hängende Verlängerung der Axe zu einander stehen, lässt sich leicht durch fol- gende Betrachtung ermitteln. Wenn die im Halbkreis zaz liegenden Faserenden während einer gewissen Zeit in der Richtung der trajectorischen Curven bis zum Halbkreis ygr vorrücken, wobei die Thallusaxe sich um aq=% verlängert, so geht die Verbindungslinie zaz sämmtlicher Faserenden in zy + yqn + nz über, erhält also einen Zuwachs von zy+nz2=?2h. Somit ist die durch das Scheitel- wachsthum der Fasern hervorgerufene Ausdehnung der Scheiteloberfläche in der Richtung eines Meridians (den Scheitelpunct als Pol betrachtet) gerade doppelt so gross, als die durch dieselbe Ursache bedingte Längenzunahme der Axe. Um- gekehrt wird daher auch ein Flächenwachsthum im halbkugeligen Scheiteltheil, welches einer Ausdehnung von 2% in meridianer Richtung entspricht, eine Ver- . längerung der Thallusaxe um die Grösse A zur Folge haben , und es wird ferner, wenn diese Ausdehnung mit der Entfernung von der Axe in demselben Verhält- nisse abnimmt, wie die gegenseitigen Abstände der Trajectorien, der Weg, den die Faserenden dabei zurücklegen, mit der Richtung der Curven genau überein- stimmen. — Mit Rücksicht auf den Verlauf der Faserenden ist es daher ziemlich gleichgültig, ob die Verästlung der Fasern einen grössern oder kleinern Antheil am Vorrücken des Scheitels habe. Dagegen erreicht die Streckung der Zellen selbstverständlich einen höhern Grad, wenn zu dem nach unten gerichteten, durch die Verästlung der ältern Rindenfasern hervorgerufenen Zug noch ein zweiter in entgegengesetzter Richtung hinzukommt, der durch ein vorwiegendes Flächenwachsthum im Scheiteltheil bewirkt wird. Ausserdem ist der oberfläch- liche, dichtfilzige Theil der Thallusspitze (die Rinde) um so schroffer von dem tiefer liegenden lockerfilzigen Gewebe (dem Mark) abgegrenzt, je mehr das Schei- telwachsthum der Fasern gegen die Verästlung derselben zurücktritt. Bezüglich des Faserverlaufes nach stattgefundener Lockerung des Gewebes ist wohl zu beachten, dass die häufigen Copulationen zwischen benachbarten Fa- sern der Thallusspitze Verbindungen in tangentialer Richtung herstellen, welche bei der später erfolgenden Streckung der Zellen die mannigfachsten Abweichun- gen vom ursprünglich regelmässigen Verlaufe erzeugen müssen. Hiezu kommen dann noch die zahlreichen Verästlungen der Markfasern, welche in beliebiger Richtung durch die Maschen des lockern Geflechtes verlaufen. Unter diesen Umständen kann es nicht auffallen, dass die Regelmässigkeit —— 13 —— des Faserverlaufes in manchen Fällen auf die zu einem dichten Gewebe verbun- denen Faserenden, d. h. auf die Dicke der Rinde beschränkt ist, während der ganze innere Theil oder das Markgeflecht ziemlich unregelmässig, zuweilen sogar äusserst verworren aussieht. Die Abstufungen, die man in dieser Beziehung wahrnimmt, beruhen zum Theil auf der grösseren oder kleineren Intensität des Scheitelwachsthums,, indem kräftig vegetirende Enden stets geringere Abweichungen zeigen, als solche, die nur sehr langsam fortwachsen oder bereits zu wachsen aufgehört haben. Anderen Theils sind sie jedoch in der Natur der verschiedenen Gattungen und Arten be- gründet, indem die Lockerung der Markschicht, die Streckung und Verästlung der Markzellen,, so wie das Flächenwachsthum der Rinde bei den einen constant einen höheren Grad erreicht, als bei den anderen. Die grösste Annäherung an die mathematische Regelmässigkeit zeigt Lichina (Taf. VII. Fig. 12), bei welcher Gattung die Markfasern, ein dichtes Gewebe bildend, auch im älteren 'Thallus bogenförmig nach aussen divergiren, besonders aber in der Nähe der Spitze einen auffallend regelmässigen Verlauf zeigen. Ein ähnliches, wenn auch nicht so deut- liches Bild geben zuweilen auch die Thallusenden von Sphaerophorus (Taf. VI. Fig. 1); hier wird jedoch die ursprüngliche Richtung der Fasern in Folge inter- calarer Wachsthumserscheinungen sehr bald verändert. Bei den übrigen Gattun- gen verlaufen die Fasern bloss in der jüngeren Rinde (nur bei Roccella auch in der älteren) vorherrschend senkrecht zur Oberfläche, während die Markschicht aus unregelmässig verflochtenen oder vorherrschend longitudinal verlaufenden Fasern besteht. Näheres über das Verhalten der Thallusschichten soll bei den einzelnen Gattungen mitgetheilt werden. Die Gonidien werden mit Ausnahme der Cladoniaceen (die übrigens der Mehrzahl nach nicht als Repräsentanten dieses Typus zu betrachten sind) in ziem- lich constanter Entfernung von der Oberfläche erzeugt. Sie entstehen auch hier, wie bei Usnea, durch seitliches Auswachsen der Gliederzellen (z. B. der 6., 7., 10. etc. unterhalb der Scheitelzelle) und darauf folgende Abschnürung des gebil- deten Fortsatzes durch eine Scheidewand etc. Die Stiele, auf welchen sie sitzen, werden gewöhnlich von einer einzigen Zelle, in seltenen Fällen (z. B. bei Roc- cella) auch nur von einer Ausstülpung der Faserzelle gebildet (Taf. VI. Fig.7, 9); sie können sich aber ausnahmsweise auch in zwei oder mehr Zellen theilen. — Die Vermehrung findet bei Roccella und Lichina in eigenthümlicher Weise statt, worüber ich bei der Beschreibung dieser Gattungen das Nähere mittheilen werde; die übrigen Genera stimmen auch hierin im Wesentlichen mit Usnea überein. Beginnt die Bildung der Gonidien schon in der Krümmung des Scheitel- theils, so behalten dieselben, abgesehen von den grösseren oder kleineren Stö- rungen, welche die Streckung der Zellen verursacht, ihre ursprüngliche Lage zur Axe bei, während die Faserenden in Folge ihres Scheitelwachsthums sich allmälig weiter von ihr entfernen. In diesem Falle, der indess bloss bei Lichina vorkommt, ist daher auch der centrale Theil des Markes gonidienführend (Taf. VII. Fig. 12). Entstehen dagegen die ersten Gonidien etwa in der Nähe des Punctes Se (Taf. VII. Fig. 15), nachdem die Faserenden bereits ihren normalen Abstand von der Axe erreicht haben, so bleiben sie während der ganzen Lebensdauer des Thallus auf den peripherischen Theil der Markschicht beschränkt, da im Innern der letzteren eine Neubildung nicht stattfindet. Umgekehrt kann aus der Lage der Gonidien im älteren Thallus auf ihre Bildungsstätte in der Thallusspitze ge- schlossen werden. Eine scheinbare Ausnahme von dieser Regel bilden nur solche Enden, welche bereits zu wachsen aufgehört hatten, und bei denen nachträglich auch die Fasern des Scheiteltheiles grüne Zellen erzeugten. - Die Verzweigung des T'hallus geschieht entweder durch Gabelung oder durch Bildung von Adventivästen; Soredialäste habe ich keine beobachtet. Eine Ga- belung erfolgt, wenn das Scheitelwachsthum der Fasern in der Nähe der Axe aufhört und dafür in zwei symmetrisch gelegenen Puncten zu beiden Seiten der- selben ein Maximum erreicht. Einmal angelegt, wachsen die Gabeläste in der- selben Weise fort, wie es im Vorhergehenden für die Thallusenden im Allgemei- nen angegeben wurde. Die Adventiväste entstehen, wie die warzenförmigen Auswüchse von Usnea, durch Verästlung oder directe Fortentwickelung der Rindenfasern. Sie verhalten sich übrigens genau wie die Gabeläste. Bryopogon Link. Beobachtet man ganze Thallusenden von Bryopogon in Wasser oder Kali, so scheinen dieselben bei den meisten Arten mit denen von Usnea vollkommen übereinzustimmen. Sie besitzen in der Regel genau dieselbe Form und dieselbe Farbe, zeigen eine ähnliche Lagerung der grünen Zellen, lösen sich beim Kochen in Kali in gleicher Weise in einzelne Fasern auf: kurz Alles, was oben über die Natur und das Wachsthum der Thallusspitze von Usnea gesagt wurde, hat auch für Bryopogon meist unbedingte Geltung. Untersucht man .aber die Enden ge- nauer vermittelst successiver Querschnitte, so wird man sogleich auf ein eigen- thümliches Verhalten aufmerksam, wodurch diese Gattung sich wesentlich von Usnea unterscheidet. Die Bildung der Gonidien findet nämlich nicht, wie bei dieser, in einer kreisföormigen Zone zwischen Centrum und Peripherie, sondern im centralen Theil des Thallus selbst statt (Taf. III. Fig. 1), so dass dieser Process bloss ein Auseinandertreten der Fasern, deren Gesammtmasse fortan die Rinde bildet, nicht aber eine Scheidung in zwei getrennte Complexe zur Folge hat. Daher kommt es, dass ein centraler Markstrang bei Bryopogon-fehlt, und’ dass der mittlere Theil des Thallus von einem lockeren Fasergeflecht gebildet wird, entsprechend demjenigen ‚ welches bei Usnea den peripherischen Theil des Mar- kes bildet (Taf. III. Fig. 2). —— - MB u Die Rinde besteht aus verästelten,, zeitlebens vorherrschend longitudinal verlaufenden Fasern, welche unter sich zu einem dichten (interstitienlosen) Ge- webe verbunden sind, das in mancher Beziehung an den Medullarstrang von Usnea erinnert. Die einzelnen Zellen dehnen sich ebenfalls beträchtlich in die Länge, bilden durch Gabelung ihrer Enden ähnliche geschlossene Figuren und zeigen dieselbe Vertheilung des Inhaltes (Taf. III. Fig, 11, 12). Nur die ganz oberflächlich gelegenen Fasern sind in der Regel kurzzellig, weil hier eine wiederholte Theilung der Gliederzellen durch Querwände stattfindet (Taf. III. 513): Demzufolge beruht das Längenwachsthum der Rinde fast ausschliesslich auf der Streckung der Zellen, welche letztere im älteren Thallus 40—60, in seltene- ren Fällen 70-80 Mik. Länge erreichen. Es ergibt sich hieraus ohne alle Be- rechnung, dass die Längenzunahme des Thallus auch hier grossentheils durch intercalare Wachsthumserscheinungen bedingt wird. Betreffend das Dickenwachsthum und die Vergrösserung des Umfanges, be- schränke ich mich auf folgende Angaben, die sich alle auf B. jubatus beziehen. Diameter des Thallus: 52 | 52 | 54/290 360/530 Mik. Dicke der Rinde: 14/23/16| 60) 90| 80 ,, Der Durchmesser des Thallus beträgt also in der Nähe des Scheitels ungefähr Y/,, eines Millimeters und erreicht in der Folge das 6—10fache seiner ursprüng- lichen Grösse. Die Dicke der Rinde steigt unterdessen von 15 bis auf 60 und 90 Mik., nimmt also um das 4- bis 6fache, folglich in einem etwas geringeren Verhältniss zu. Die Gonidien liegen in zerstreuten Gruppen unmittelbar unter der Rinde. Sie entstehen genau in derselben Weise wie bei Usnea, und sind auch hier an- fänglich dicht zwischen die Fasern eingekeilt. Auf Querschnitten durch die Spitze sah ich mehrere Male eine einzige grüne Zelle im Centrum, ringsum dicht von Fasern umschlossen oder doch nur auf der einen Seite an ein kleines Interstitium grenzend. Andere Male waren es mehrere eckige, offenbar durch Theilung ent- standene Zellen, welche dicht gedrängt die centrale Höhlung ausfüllten. Einmal getrennt, treten die Fasern sehr rasch weiter aus einander, und schon einige Mik. unterhalb der ersten Gonidien hat der centrale Hohlraum eine Di- mension erreicht, welche der Dicke der Rinde gleichkommt oder sie sogar über- trifft. Dieser Hohlraum wird -zufolge der Entstehung der Gonidien zwischen verästelten Fasern schon von Anfang an von einzelnen quer oder schief verlau- fenden Fasern durchzogen, die die Grundlage des lockeren Markgeflechtes bilden, welches später denselben ausfüllt. Die Theilung der Gonidien erfolgt nach demselben Gesetze, wie bei Usnea. Gruppen von 4 oder 8 Zellen in den verschiedensten Entwickelungsstadien sieht man sehr häufig; auch solche von 9— 10 oder einer noch grösseren Zahl von Zellen habe ich mehrere Male beobachtet. Auch die Soredienbildung beruht auf den nämlichen Wachsthumserscheinungen; nur findet die Verästlung der Fasern Nägeli, Beiträge. 11, 10 — 146 -—— im Verhältniss zur Vermehrung der Gonidien nicht lebhaft genug statt, um eine geschlossene Hülle um die einzelnen grünen Zellen zu bilden, wie diess bei Usnea der Fall ist. Die Soredien erscheinen daher bloss als grössere oder kleinere Grup- pen grüner Zellen, die durch ein weitmaschiges Netz von Fasern zusammengehal- ten werden (hiezu Taf. III. Fig. 3—10). Was die Verzweigungen des 'Thallus betrifft, so kommen auch hier sowohl Gabel- als Adventiväste, dagegen keine Soredialäste vor. Bei B. ochroleucus beobachtet man ausserdem hie und da unregelmässig gelappte, zuweilen sogar fussförmig getheilte Thallusenden, die sich aber wahrscheinlich nicht mehr weiter entwickeln. Die Gabelung lässt sich nur in den jüngeren Stadien der Entwickelung, also in der Nähe der 'Thallusspitze, von der häufig vorkommenden, durch rasches Wachsthum der Adventiväste entstehenden Pseudodichotomie mit Sicherheit un- terscheiden. Der Winkel, unter welchem die dichotomische Verzweigung eintritt, ist in der Regel ziemlich stumpf, bei B. jubatus meist sehr stumpf, und die ein- ander zugekehrten Seiten der Gabeläste stossen nur anfangs in einer mehr oder minder scharfen Kante zusammen und gehen später durch eine sanfte Krümmung in einander über (Taf. III. Fig. 14, 15). Es rührt diess daher, dass an der Ver- zweigungsstelle, ähnlich wie im Marke von Usnea, eine Kreuzung der nach unten wachsenden Fasern stattfindet, die um so deutlicher hervortritt, je mehr sich der Verzweigungswinkel einem rechten nähert, und die in allen Fällen ein allmäliges Ineinanderübergehen der zusammenstossenden Flächen vermittelt. Bei sehr stum- pfen Winkeln kann sogar der Fall vorkommen, dass nach unten wachsende Fa- sern des einen Zweiges, nachdem sie an der Verzweigungsstelle angekommen, der Krümmung der Oberfläche folgen und in der Rinde des andern nach oben wach- sen, während andere, wie diess namentlich bei weniger stumpfen Winkeln sehr häufig vorkommt, durch dieselbe in das lockere Markgeflecht eindringen und sich daselbst verzweigen. Die Adventiväste entstehen wie bei Usnea durch die Verästlung der Rinden- fasern, bilden anfänglich ebenfalls annähernd rechte Winkel mit der Oberfläche und neigen sich erst später mehr oder weniger scheitelwärts. Wird dabei die directe Fortsetzung des Thallus auf die Seite gedrängt, so entsteht die sogenannte scheinbare oder Pseudodichotomie. — Mit der Entwickelung der Gonidien im jungen Adventivast beginnt auch die Trennung der Rindenfasern an seiner Basis, so dass das lockere Fasergeflecht des Astes schon von Anfang an mit demjenigen des Thallus in Verbindung steht. Man überzeugt sich hievon schon durch die Längsansicht ganzer Thallusstücke mit jungen Adventivästen, indem die Umrisse des Fasergeflechtes wegen seines grossen Luftgehaltes ohne alle Präparation deut- lich hervortreten. Sämmtliche nach unten wachsende Rindenfasern des Astes kreuzen sich an- fänglich mit denen des Stammes. Auf der der Unterlage zugekehrten Seite wie- derholt sich jedoch diese Kreuzung nur so lange, als der Adventivast seine ursprüngliche Richtung beibehält, d. h. mit der Thallusaxe einen rechten Winkel en bildet. Sowie er die Neigung eines Gabelastes angenommen und mit dem auf die Seite gedrängten Stammtheil eine Pseudodichotomie darstellt, zeigen die nach- wachsenden Rindenfasern dasselbe Verhalten , wie bei einer ächten Dichotomie: sie verlaufen parallel der Oberfläche won der Rinde des Astes in die des Stammes und umgekehrt. In diesem Nachwuchs vertheilen sich allmälig die ursprüng- lichen Fasern so sehr, dass die Kreuzung endlich gar nicht mehr in die Augen fällt, somit ein Unterschied zwischen wahrer und Pseudodichotomie nicht mehr bemerkbar ist. An den Verzweigungsstellen ist der Thallus bekanntlich mehr oder weniger zusammengedrückt und bildet mit der Basis des Adventivastes oder der beiden Gabeläste eine Vförmige Fläche, deren centraler "Theil nicht selten etwas vertieft oder eingefallen erscheint, indem die Hauptmasse der Fasern sich auf die drei Seiten des Deltas vertheilt. Findet nun hier ein vorwiegendes intercalares Wachs- thum statt, so erfolgt im Centrum eine vollständige Unterbrechung des Gewebes in der Art, dass die Axille eine geschlossene Vförmige Figur darstellt, deren 3 Seiten im Querschnitt wie cylindrische Thallusstücke ausschen (Taf. III. Fig. 26)*). Es kann sogar der Fall vorkommen, dass sich an den Seiten eines solchen Dreieckes Adventiväste entwickeln, welche in den von demselben um- schlossenen Raum hineinwachsen (Taf. III. Fig. 29). — Aehnliche Figuren kom- men übrigens auch an Stellen vor, wo keine Verzweigung stattgefunden hat. Bryopogon jubatus L. var. bicolor. Die graulichen Thallusenden bestehen aus farblosen (nur an der Oberfläche gelblich gefärbten) Fasern. Im älteren Thallus dagegen ist die Membran in der ganzen Dicke der Rinde braun gefärbt. Die Färbung beginnt an der Peripherie und schreitet nach innen fort. Das Mark bleibt ungefärbt. — Die Varietäten chalybeiformis und pro- lixus sind stets nur an der Oberfläche gefärbt; der weitaus grössere Theil der Rinde ist farblos **). B. sarmentosus AcH. Die Rinde erscheint auf dünneren Schnitten ganz farblos, auf dickeren bis gegen die Mitte schwach gelblich gefärbt. Die einzelnen Zellen, deren Membran im älteren Thallus fast bis zum Verschwinden des Lu- mens verdickt ist, sind häufig durch Copulation mit einander verbunden. Ge- schlossene Vförmige Figuren in den Axillen kommen hier ziemlich häufig vor (Taf. III. Fig. 26—28). *) Die hier angegebene Entstehungsweise der geschlossenen Figuren ist in den meisten Fällen die einzig denkbare. Ich bemerke jedoch, dass ich dasjenige Stadium der Entwickelung, wo die Unterbrechung des Gewebes noch nicht ganz vollständig erfolgt war, oder so eben statt- gefunden hatte, nicht beobachtet habe. — Bei grösseren Figuren ist man allerdings versucht, die Erscheinung a priori durch Copulation zu erklären; allein auf Längsschnitten durch die Winkelpuncte habe ich Nichts beobachtet, wodurch eine solche Annahme gerechtfertigt oder auch nur wahrscheinlich gemacht würde. *) Ein einziges von Schärer (wahrscheinlich unrichtig) bestimmtes Exemplar von B. chalybeiformis zeigte ein abweichendes Verhalten. Es waren hier ebenfalls sämmtliche Rinden- fasern braun gefärbt. 10 * — 148 —— B. crınalis, B. usneoides (Alectoria usneoides Acm.). Verhalten sich eben so. B. arenarius Fr. Die Rinde ist bis gegen die Mitte durch staubartig feine Körperchen gelblich gefärbt. Einzelne derselben kommen auch im inneren Theil vor. Im Uebrigen wie die vorhergehenden Arten. B. divergens (Cornicularia divergens Acn.). Ein Exemplar vom Kotze- buesund (mis. Eschscholz) mit gelblicher und ein anderes von Neufundland (dedit Lenormand) mit brauner 'Thallusoberfläche verhielten sich nicht ganz gleich. Bei ersterem war der peripherische Theil der Rinde (etwa , — Y, der ganzen Dicke) mit Ausnahme des gelblichen Randes farblos und in Folge der starken Verdickung der Fasern scheinbar structurlos; der immere, deutlich parallel - faserige Theil dagegen war durch eingelagerte kleine Körperchen gelblich gefärbt. — Bei dem letzteren Exemplar beschränkte sich die Färbung auf die Membran der peripheri- schen Rindenfasern, der übrige Theil der Rinde war farblos, ohne eingelagerte Körperchen. Die Faserzellen erreichten in der älteren Rinde eine Länge von 60—70 Mik.; die meisten derselben waren indess bloss 30—40 Mik. lang. Zu- nächst der Oberfläche sind sie bedeutend kürzer, oft sehr kurz. B. ochroleucus EnurH. Die Thallusenden erhalten durch die stärkere Verästlung der Fasern, und weil viele der letzteren unterhalb der Spitze auf der Oberfläche endigen, eine etwas abweichende Physiognomie, stimmen jedoch in allen wesentlichen Puncten , sowohl in Hinsicht auf die centrale Lage der ersten Gonidien, als auf den vorherrschend longitudinalen Verlauf der Rindenfasern mit B. jubatus und den übrigen Arten überein. Die Membranen der Rindenfasern erreichen sehr bald eine beträchtliche Dicke und verschmelzen im älteren Thallus oft so innig mit einander, dass die Zelllumina nur noch als Höhlungen in einer gleichförmigen Masse erscheinen. Die einzelnen Zellen werden 40 — 60 Mik. lang, bilden durch Gabelung ihrer Enden die oben erwähnten geschlossenen Fi- guren (Taf. III. Fig. 23, 24) und treten häufig durch Copulation mit benachbarten Zellen in Verbindung. Zwischen die Rindenfasern sind kleine Körnchen eines gelblichen, in Kali leicht löslichen Farbstoffes eingelagert, welche auf dickeren Querschnitten, beson- ders aber auf Längsschnitten zu unregelmässigen Gruppen und Streifen zusam- mengedrängt erscheinen und namentlich in der Nähe der Oberfläche eine ununter- brochene Schicht bilden (Taf. III. Fig. 22, 25). Diese Körnchen sind es, welche der Rinde jene ockergelbe Färbung verleihen, wodurch sich diese Species vor den übrigen auszeichnet. Die Gonidien sitzen ursprünglich auf einzelligen Stielen, deren Verästlung sich hier sehr leicht verfolgen lässt, und bilden durch wiederholte Theilung Grup- pen von $, 16 oder einer noch grösseren Zahl von Theilzellen. Auf Taf. III. Fig. 15, 19 sind zwei Gruppen von je 8 Gonidien abgebildet, die bereits Kugel- form angenommen und sich theilweise schon getrennt haben, während die Ver- zweigung der Stielzelle kaum begonnen hat. Fig. 20 stellt eine grössere Gruppe von 16 durch Theilung entstandenen Zellen dar, welche durch ein weitmaschiges, — 149 —— durch Verästlung der Stielzelle gebildetes Fasergeflecht zusammengehalten wer- den und daher als Soredien zu betrachten sind. Achnliche Gruppen, wenn auch nicht immer so deutlich abgegrenzt, beobachtet man häufig; ihre Entstehung scheint nach der Anordnung der Theilzellen, welche oft deutlich zu je 4, nie aber zu je 2 gruppirt sind, dadurch bedingt zu sein, dass schon nach der Thei- lung in 4 Zellen eine Trennung der Theilzellen stattfindet und dass hierauf jede der letzteren sich abermals in 4 theilt. Dafür spricht auch die Thatsache, dass Gruppen von 16 Zellen ohne jenes soredienbildende Fasernetz nicht vorkommen. Nicht selten beobachtet man auch Complexe von 20 bis 30 und mehr Goni- dien, über deren Entstehung (aus einer oder mehreren Mutterzellen?) sich jedoch nichts Bestimmtes mehr sagen lässt, obschon sie in ein gemeinsames Fasernetz eingebettet erscheinen. Das Markgeflecht ist in der Regel sehr locker und auf dünnen Querschnitten oft bloss durch einige wenige, vom Innenrand der Rinde ausgehende Faserstücke angedeutet, füllt jedoch auf dickeren Schnitten meist den ganzen Hohlraum aus. B. luteolus (Ceratoclada luteola Derıse). Mit der vorhergehenden Art ziemlich übereinstimmend. Zwischen die Rindenfasern sind ebenfalls rundliche oder längliche gelbe Körperchen eingelagert, die nach Zusatz von Kali sogleich verschwinden. Cornicularia Acn. Die Thallusenden bestehen , wie bei der vorhergehenden Gattung, aus vor- herrschend longitudinal verlaufenden Fasern, welche beim Erhitzen in Kali sich zuweilen, so weit es die Verfilzung gestattet, von einander trennen. Ihre Phy- siognomie erinnertan die braun gefärbten Varietäten von Bryopogon jubatus, von denen sie sich in der Längsansicht oft kaum unterscheiden lassen. Die ersten Gonidien treten unmittelbar unter der Spitze im mittleren Theil des Thallus (Taf. III. Fig. 30) oder auf mehreren excentrischen Puncten zugleich auf (Taf. III. Fig. 31). Im beiden Fällen hat ihr Auftreten ein Auseinander- weichen der Fasern und daher die Bildung einer centralen, von lockerem Faser- geflecht ausgefüllten Höhlung zur Folge, welche den Thallus in seiner ganzen Länge durchzieht; der Unterschied ist nur der, dass diese Höhlung im einen Fall sich gegen die Spitze pfriemenförmig verengert, während sie im anderen in mehrere Zacken ausläuft. Die Umrisse derselben im Querschnitt stimmen indess mit der Form des Thallus gewöhnlich nicht überein, sondern springen hie und da bis gegen die Oberfläche vor und stehen an anderen Stellen weit von derselben ab, so dass die Rinde eine sehr ungleichmässige Dicke erhält. Sehr häufig beob- achtet man z. B. den Fall, dass dieselbe förmlich in 2 Hälften getheilt erscheint, indem die Lockerung des Gewebes sich auf zwei diametral gegenüber liegenden Puncten bis auf den äussersten, von dunkel gefärbten Fasern gebildeten Rand erstreckt (Taf. III. Fig. 33). zu MR Durch die Verästlungen der Rindenfasern, worauf das Dickenwachsthum des Thallus beruht, wird der ursprünglich longitudinale Verlauf derselben all- mälig gestört. Je weiter wir von der Spitze nach unten vorrücken, desto unregel- mässiger erscheint das Gewebe, desto grösser die Zahl der Fasern, die sich in den verschiedensten Richtungen kreuzen und verfilzen. Man beobachtet endlich auch auf Längsschnitten zahlreiche quer und schief geschnittene Fasern, so wie auf Querschnitten solche, welche in beliebiger Richtung in der Ebene des Schnittes verlaufen. Die Verfilzung geht jedoch nie so weit, dass die longitudinale Rich- tung nicht immer noch vorwiegend vertreten wäre. Abweichend verhalten sich nur die peripherischen Verästlungen der Rindenfasern, welche wie bei Usnea in vorherrschend radialer Richtung weiter wachsen und im älteren Thallus die ober- flächliche circa 15—20 Mik. dicke Schicht der Rinde bilden (während die ganze Rinde 100-170 Mik. Dicke und darüber erreicht)*). Hiezu Taf. IV. Fig. 7. Die Rindenzellen sind durchschnittlich nicht über 24—30 Mik., die läng- sten etwa 40—50 Mik. lang. Der Inhalt ist, wie gewöhnlich, auf die beiden etwas erweiterten Enden vertheilt. Kurzzellig sind nur die peripherischen, vorherr- schend senkrecht zur Oberfläche verlaufenden Rindenfasern, so wie die Fasern der Thallusspitze. Die Gonidien liegen in zerstreuten Gruppen unmittelbar unter der Rinde, bald ohne Regel auf beliebige Puncte des Umfanges vertheilt, bald nur auf der einen und zwar auf der dem Licht zugewendeten Seite. Sie sitzen auf kurzen einzelligen Stielen und verhalten sich in Beziehung auf Theilung und Soredien- bildung (Verästlung der Stielzelle) wie bei vorhergehender Gattung. Die Verzweigung des Thallus beruht entweder auf Gabelung oder auf der Bildung von Adventivästen. Soredialäste kommen nicht vor. Ich zähle hieher bloss Cornicularia tristis We». und Parmelia fah- lunensis y tristis SCHAER. Die strauchartigen Verzweigungen der letzteren verhalten sich genau wie bei ersterer der 'Thallus überhaupt. Das Aussehen der Thallusspitze, die Structur der Rinde in den verschiedenen Entwickelungsstadien, die Umrisse der lockeren Faserschicht (Markschicht), die Vertheilung der Goni- dien (Taf. IV. Fig. 1—3, 5), — kurz alle microscopischen Charactere sind so ganz und gar dieselben, dass man keinen Augenblick im Zweifel sein kann, man habe es hier mit einer und derselben Pflanze zu thun. Die Uebereinstimmung geht so weit, dass sich Quer- oder Längsschnitte durch diese beiden vermeintlich ver- schiedenen Pflanzen, insofern sie die nämliche Entwickelungsstufe darstellen, nicht von einander unterscheiden lassen, es sei denn, dass gewisse zufällige Merk- male die einen oder anderen kennzeichnen. *) Dieser oberflächliche Theil der Rindenschicht unterscheidet sich auch durch sein Ver- halten gegen Jod von dem tiefer liegenden Filzgewebe. In letzterem färbt sich die Zellmem- bran nach Kochen des Präparates in Wasser und Zusatz von Jodtinetur schmutzig oder schwach blau, während der Inhalt eine braunrothe Färbung annimmt; in ersterem bleibt sie dagegen zwischen den dicht gedrängten Inhaltsportionen ungefärbt. Diese Reaction tritt zuweilen, wenigstens stellenweise, auch ohne vorhergegangenes Kochen ein. Auch die laubartigen Ausbreitungen zeigen keinen anderen Unterschied als den der Form. Selbst die einseitige Lagerung der Gonidien, die hier bekannt- lich Regel ist, lässt sich keineswegs als ein scharf trennendes Merkmal betrach- ten, indem dieselbe auch bei vollkommen cylindrischen Verzweigungen nicht selten vorkommt, während hinwiederum Uebergangsformen, wie Fig. 1 auf Taf. IV, zuweilen auch auf der unteren Seite spärliche Gonidiengruppen be- sitzen. — Das parenchymatische Aussehen des oberflächlichen '[heils der Rinde, das man an Durchschnitten durch ältere lJaubartige Ausbreitungen (Taf. IV. Fig. 6) in der Regel beobachtet, beruht bloss auf einer durch das Alter hervorgerufenen Modification des ursprünglichen Fasergeflechtes, wobei das Lumen der Zellen sich vergrössert, während der Inhalt sich auf die Wandungen vertheilt und oft gänzlich verschwindet. In der jüngeren Rinde, z. B. in der Nähe eines lebhaft vegetirenden Randes, beobachtet man diese Veränderung nie, während sie ande- rerseits in manchen älteren nicht bloss auf den ganz oberflächlichen Theil be- schränkt bleibt, sondern oft ziemlich tief nach innen vordringt. Auf Radial- schnitten durch den Thallusrand , welche weit genug gegen das Centrum verlän- gert werden, sicht man häufig alle möglichen Uebergänge von dem einen Zustand in den andern. — Die Dicke der Rinde schwankt zwischen 20—60 Mik.; der oberflächliche Theil des braunen Randes ist häufig bis auf eine Tiefe von 2—5 Mik. ausgebleicht und lässt dann keine bestimmte Structur mehr erkennen (Taf. IV. Fig. 4). — Die randständigen Cilien, welche man hie und da an laubartigen Thalluslappen beobachtet, sind im Querschnitt rundlich oder unregelmässig läng- lich und bestehen aus einem durch und durch soliden, dem Rindengewebe ähn- lichen Fasergeflecht mit schwarzbraunem Rande. Getraria Ach. Sowohl die cylindrischen als die breitlappigen Thallusenden sämmtlicher von mir untersuchten Cetrarien bestehen aus vielfach verästelten und verworren ver- filzten Fasern, die sich zwar beim Kochen in Kalı oder in Säuren nicht von ein- ander trennen, deren Endigungen (Scheitelzellen) aber dessenungeachtet, na- mentlich auf dünneren Schnitten durch die Spitze und bei Anwendung eines schwachen Druckes, meist deutlich hervortreten. Ihre vorherrschende Wachs- thumsrichtung kann insofern eine trajectorische genannt werden, als jedenfalls die meisten derselben unter grösserem oder kleinerem Winkel gegen die Ober- fläche wachsen, so dass nach Verfluss einer gewissen Zeit der ganze Scheiteltheil des Thallus aus Fasern einer anderen Generation besteht. Einen mehr longitudi- nalen Verlauf der Fasern zeigen nur die schlankeren Formen von Üetraria islan- dica, und zwar besonders schön in den farblosen Spitzen , in welche der Thallus zuweilen ausläuft (Taf. IV. Fig. 11). Die cylindrischen und die breitlappigen Formen verhalten sich übrigens in u a Beziehung auf die Bildung eines centralen, von lockerem Fasergeflecht ausgefüll- ten Hohlraumes nicht ganz gleich. Bei ersteren weichen die Fasern unterhalb des Scheitels, bald in grösserer bald in kleinerer Entfernung von demselben, in der Mitte des Thallus ganz allmälig aus einander, so dass die obersten Gonidien noch dicht zwischen die Fasern eingekeilt erscheinen und der Gegensatz zwischen Mark und Rinde erst etwas weiter unten deutlich hervortritt. Bei letzteren dagegen, wie überhaupt bei der Mehrzahl der laubartigen Flechten, zieht sich die Rinde in gleichmässiger Dicke rund um den Scheitel herum, geht auf Radialschnitten durch den Rand in halbkreisförmigem Bogen von der oberen Fläche zur unteren über und ist eben so deutlich wie im älteren Thallus von dem darunter liegenden Marke abgegrenzt. Dieses eigenthümliche Verhalten hat seinen Grund darin, dass die Vergrösserung der Fläche bei laubartigen Ausbreitungen grossentheils auf intercalarem Wachsthum, d. h. auf der Verästlung der Rindenfasern inner- halb des Randes beruht, und dass das Scheitel- oder Marginalwachsthum, wel- ches durch directe Verlängerung und Verästlung der Fasern in der Krümmung des Randes hervorgerufen wird, so ungemein langsam von statten geht, dass, während der oberflächliche Theil der Rinde etwas vorrückt, ein entsprechender innerer Theil die nöthige Zeit gewinnt, sich durch Streckung der Zellen und Bil- dung von Gonidien in lockeres Markgewebe umzuwandeln. Dieses Vermögen der Rindenfasern, strauchartig und vorherrschend senkrecht zur Oberfläche weiter zu wachsen, ist meist ausschliesslich auf die Krümmung des Randes beschränkt oder kommt wenigstens innerhalb desselben nur in sehr untergeordnetem Grade vor; denn sowohl der ganze Thallus, als die Rinde zeigen mit zunehmender Entfer- nung vom Rande eine höchst unbedeutende oder auch gar keine Dickenzunahme. Die ältere Rinde der Oetrarien zeichnet sich häufig, besonders im mittleren oder inneren Theil, durch die auffallende Grösse der Zellhöhlungen aus (Taf. IV. Fig. 9, 12), in welchen man gewöhnlich 1 bis 3 oder auch mehrere Körnchen bemerkt, die zu mancherlei Täuschungen Anlass geben können. Nach Zusatz von Jodtinctur sieht man dieselben zuweilen in eine schraubenförmig gewundene Linie geordnet, als ob eine Faser an der Wandung der Höhle verliefe; andere Male bilden sie eine halbkreisförmige Figur, die sich auf der einen Seite an eine Reihe von Zellen anschliesst u. s. w. Durch genauere Prüfung überzeugt man sich in- dess, dass man es bloss mit an der Zellwand adhärirenden Inhaltsportionen zu thun hat, welche nur zufällig irgend eine bestimmte Gruppirung zeigen. Das Mark bleibt zeitlebens lockerfilzig und ohne solide Stränge (Taf. IV. Fig. 8). In seinem peripherischen Theil liegen in zerstreuten Gruppen die Go- nidien, welche hinsichtlich ihrer Entstehung und Theilung mit denen der vor- hergehenden Gattungen übereinstimmen. Cetraria aculeata EurH. Ich zähle diese Flechte mit Fries zu den Cetrarien, weil sie in allen microscopischen Merkmalen die grösste Uebereinstim- mung mit den letzteren zeigt, von Cornicularia tristis dagegen wesentlich diffe- rirt. Die Thallusenden bestehen stets aus vielfach verästelten und verfilzten Fa- sern, welche zwar in der Nähe der Axe in vorherrschend longitudinaler Richtung — 153 — verlaufen, im peripherischen Theil dagegen mehr oder weniger nach aussen diver- giren, so dass ihre Endigungen annähernd senkrecht zur Oberfläche stehen. Demzufolge ist schon in der jüngeren Rinde nur der innere Theil parallelfaserig, mit verlängerten Zellen; der äussere, Y, —”/, der ganzen Schicht bildende Theil dagegen besteht aus kurzzelligen,, verfilzten, vorherrschend radial (horizontal) verlaufenden Fasern, deren Membran in der Nähe der Oberfläche gelblich oder braun gefärbt ist. Die ältere Rinde verhält sich eben so; nur haben sich die tiefer liegenden Zellen der peripherischen Hälfte bedeutend erweitert und bilden nun die oben erwähnten, oft auffallend grossen Höhlungen (Taf. IV. Fig. 8, 9). Die Gonidien finden sich ringsum im peripherischen Theil des Markes und oft tief im Innern desselben, in ganz jungen Aesten (bis zu 160 Mik. Dicke) auch im Centrum. Auf Querschnitten sieht man sie häufig isolirt oder kleine Gruppen bildend im lockeren Markgewebe zerstreut. C. islandica L. Ein Thallusende mit farbloser Spitze wurde zur Ver- anschaulichung des vorherrschend longitudinalen Faserverlaufes auf Taf. IV. Fig. 11 dargestellt. Diesem Verlaufe entsprechend sieht man auf horizontal ge- führten Durchschnitten durch die Spitze auch die Mehrzahl der einzelnen Fasern im Querschnitt. Dieselben bilden anfänglich, unmittelbar unter dem Scheitel, ein durch und durch dichtfilziges (interstitienloses) Gewebe, welches jedoch nach der Entstehung der Gonidien stellenweise durch lockeres Fasergeflecht unter- brochen und endlich auf den peripherischen Theil oder die Rinde beschränkt wird, welche die lockerfilzige Markschicht umschliesst (Taf. IV. Fig. 10). Die ersten Gonidien entstehen bald im Centrum, bald auf mehreren excentrischen Puncten zugleich, bald auch in einer kreisförmigen Zone zwischen Centrum und Peripherie. In den beiden letzteren Fällen löst sich die innerhalb der Gonidien liegende Fasermasse, welche zuweilen noch vollkommen dichtfilzig erscheint, etwas weiter unten ebenfalls in ein lockeres Fasergeflecht auf. C. cucullata BerLarv. Der laubartige, cylindrisch aufgerollte Thallus mit zusammenstossenden oder über einander greifenden Rändern hatte in den zur Untersuchung gewählten Exemplaren eine Dicke von 120 — 150 Mik., wovon 16 —20 Mik. auf die obere und eben so viel auf die untere Rinde kommen. Die Gonidien finden sich isolirt oder zu kleinen Gruppen vereinigt in der ganzen Dicke der Markschicht, in grösserer Zahl jedoch stets auf der oberen Seite. C. odontella Acn. Die jüngere Rinde ist, wie gewöhnlich, feinfilzig; die ältere zeigt die erwähnten grossen Zellhöhlungen. Gonidien ausschliesslich oder doch vorherrschend auf der oberen Seite. (Nach Kochen in .Wasser färbt sich die Fasermembran. mit Jodtinctur bläulich). C. glauca % fallax ScHuaer. Die verlängerten krausen Thalluslappen be- sitzen nicht selten, besonders in der Nähe des Scheitels, eine annähernd cylindrische Form (z. B. bei einem Diameter von 100—140 Mik.) und zeigen in diesem Falle mit Rücksicht auf die Vertheilung der Gonidien keinen Unterschied zwischen oben und unten. Das Wachsthum in die Länge geschieht dessenungeachtet stets nach zer >= dem Typus der laubartigen Formen : die Rinde zieht sich in gleichmässiger Dicke von 16—21 Mik. und scharf getrennt von dem darunter liegenden Marke auch um den Scheitel herum. Nach Zusatz von Jod lassen sich einzelne Fasern dersel- ben und ihre Verästlungen, soweit sie innerhalb der Schnittflächen liegen, ver- folgen ; sie erscheinen schon in der Krümmung des Randes vielfach verästelt und verfilzt, wachsen aber dessenungeachtet vorherrschend senkrecht zur Oberfläche, gleichsam rasenartig weiter. Die Fasermembran verdickt sich mit zunehmender Entfernung vom Rande bedeutend, so dass das ältere Rindengeflecht, da die Zell- höhlungen (wenigstens in den krausen Thalluslappen) klein bleiben, ungemein dicht und bei etwas schwächerer Vergrösserung fast homogen erscheint. Ö©. saepincola EurnH. Der laubartige Thallus besitzt eine 16—20 Mik. dicke, dichtfilzige Rinde mit kleinen oder nur wenig erweiterten Zellhöhlungen und stark verdickter Membran, ein sehr lockeres Mark und einseitig gelagerte Gonidien. C. juniperina L. Zwischen den Fasern der Rindenschicht, die sich übri- gens wie bei vorhergehenden Arten verhält, finden sich kleine Körperchen eines gelblichen Farbstoffes eingelagert. — Gonidien zerstreut im Markgeflecht, bald ziemlich gleichförmig vertheilt, bald vorherrschend auf der oberen Seite. C. bavarica Krempern. Rinde circa 40 Mik. dick, mit grossen 8—10 Mik. im Diameter haltenden Zellhöhlungen. Der gelbe Farbstoff ist auf der oberen Seite in kleinen Körnchen in dem peripherischen Theil eingelagert; auf der un- teren dagegen ist die Membran der oberflächlichen Zellen (gleichförmig) gefärbt. Gonidien nur auf der oberen Seite. C. straminea KrEumrerH. Thallus beispielsweise 120 Mik., Rinde durch- schnittlich 32-40 Mik. dick, im entwickelten Zustande wie bei vorhergehender Art mit grossen rundlichen oder rundlich - eckigen Zelllumina, die besonders im inneren "Theil sehr scharf conturirt sind und hier einen Durchmesser von 8—10 Mik. erreichen (Taf. IV. Fig. 12). Der peripherische Theil der oberen Rinde ist durch eingelagerte gelbe Körperchen gefärbt, welche auf dünnen Durchschnitten in vorherrschend senkrecht zur Oberfläche verlaufende Reihen geordnet erschei- nen. Der alleräusserste Rand ist gewöhnlich bis auf eine Tiefe von circa 5—8 Mik. ausgebleicht und scheinbar structurlos. Die untere Rinde scheint auf zarten Durch- schnitten vollkommen farblos zu sein; auf etwas dickeren zeigt die Membran der oberflächlichen Zellen eine schwach gelbliche Färbung. — Gonidien nur auf der oberen Seite. C. Richardsonii Hoor. Thallus 0,7 Millim. dick und darüber; obere Rinde circa 200—220 Mik., untere bloss 60 Mik. Das Fasergeflecht der oberen Rinde verhält sich im Wesentlichen wie bei den vorhergehenden Arten, gibt jedoch im Durchschnitt ein etwas abweichendes Bild. Es besteht aus diekwandi- gen, dabei aber doch ziemlich dünnen Fasern mit sehr kleinen Höhlungen , die sich nach allen Richtungen kreuzen und verfilzen und sich nach Zusatz von Jod oft ziemlich weit verfolgen lassen. Die untere Rinde zeigt hie und da die erwähn- — 155 ° —— ten grossen Zelllumina und im peripherischen Theil vorherrschend senkrecht zur Oberfläche verlaufende Fasern. — Die Gonidien finden sich nur auf der oberen Seite. Ramalina Acn. Diese Gattung bildet den Uebergang von der vorhergehenden zu der nächst- folgenden; sie ist in gewisser Beziehung mit jener, in anderer mit dieser näher verwandt. Die T'hallusspitze besteht aus stark verästelten und verfilzten , jedoch vorherrschend senkrecht zur Oberfläche verlaufenden Fasern, deren Enden sich namentlich auf zarten Längsschnitten deutlich erkennen lassen. Im älteren Thal- lus erscheint der innere Theil der Rindenschicht vorwiegend parallelfaserig, mit verlängerten Zellen (Taf. V. Fig. 8, 11), der peripherische dagegen als ein ver- worrenes kurzzelliges Filzgewebe, das zunächst der Oberfläche gelblich gefärbt ist. Eine Vergrösserung der Zellhöhlungen, wie bei den Cetrarien, findet nicht statt. — Das Markgewebe ist in den 'Thallusenden durchgehends lockerfilzig (Taf. V. Fig. 9, 10); weiter unten treten in der Regel einzelne solide Mark- stränge auf, welche fast ohne Ausnahme mit der Rinde verschmolzen und im Querschnitt als Vorsprünge derselben nach innen erscheinen (Taf. V. Fig. 7). Sie bestehen, wie der Medullarstrang von Usnea, aus longitudinal verlaufenden lang- zelligen Fasern , und sind daher von dem inneren, ebenfalls vorwiegend parallel- faserigen Theil der Rindenschicht gewöhnlich in keiner Weise abgegrenzt. Die Gonidien verhalten sich wie bei den vorhergehenden Gattungen. Die Soredien besitzen (wenigstens bei R. farinacea) ziemlich dichtfilzige Faserhüllen. R. calicaris (R. fraxinea y calicaris Scn.). Der orthogonaltrajecto- rische Faserverlauf tritt auf Längsschnitten durch die Thallusenden nicht immer deutlich hervor und zwar erscheint derselbe in um so höherem Grade gestört, je langsamer das Scheitelwachsthum von statten geht. Ich habe Fälle beobachtet, wo die Verfilzung selbst in der Nähe des Scheitels bereits einen solchen Grad erreicht hatte, dass von einer vorherrschend vertretenen Richtung kaum die Rede sein konnte, während in andern die grosse Mehrzahl der Fasern annähernd senk- recht zur Oberfläche verlief. Mit zunehmender Entfernung von der Spitze findet im peripherischen Theil der Rinde allmälig eine stärkere Verfilzung statt, in Folge deren das Gewebe auf Längs- und Querschnitten annähernd dasselbe Aus- sehen erhält, während im inneren Theil, ähnlich wie bei manchen Cetrarien, die longitudinale Richtung der Fasern merklich vorwiegend wird, so zwar, dass die- selbe stellenweise fast ausschliesslich vertreten ist (Taf. V. Fig. 11), an anderen Stellen dagegen beträchtliche Störungen erleidet. R. fraxinea «@ ampliata Sch. Die Thallusenden verhalten sich eben so. In der älteren Rinde und den damit verschmolzenen Marksträngen wird die vor- herrschende Richtung der tiefer liegenden Fasern vom Verlaufe der netzartig ana- stomosirenden Rippen auf der Oberfläche bedingt und man beobachtet z. B. sehr REDE = (EU häufig, dass Längsschnitte (parallel der Thallusaxe) im inneren Theil der Rinden- 8’ schicht stellenweise einen vorherrschend longitudinalen Faserverlauf zeigen, wäh- rend an anderen Stellen, die den horizontal verlaufenden Rippen entsprechen, fast sämmtliche Fasern quer geschnitten sind. R. fraxinea £ fastigiata Sch. verhält sich im Wesentlichen eben so; nur ist der Parallelismus der Fasern im innern Theil der Rindenschicht und den damit verschmolzenen Marksträngen hier nicht so häufig gestört. R. farinacea L. Ein Querschnitt durch den Thallus mit zahlreichen Me- dullarsträngen, welche als Vorsprünge der Rindenschicht erscheinen, ist auf Taf. V. Fig. 7 dargestellt. In diesen Strängen und im nicht schattirten Theil der Rinde ist auch hier der Faserverlauf vorherrschend longitudinal. R. pollinaria Acn. verhält sich im Wesentlichen eben so. Anmerkung 1. Die im Vorhergehenden ausgesprochene Ansicht, dass die Vor- sprünge der Rindenschicht nach innen als solide Markstränge zu betrachten seien, stützt sich auf folgende Thatsachen. Der Innenrand der Rinde springt nicht selten so plötzlich und weit in das lockere Markgewebe vor, dass die Voraussetzung eines ungleichmäs- sigen Wachsthums bei einer solchen Dickenzunahme ungenügend erscheint. Zuweilen beobachtet man auch Fortsätze, welche der Rinde im Querschnitt mit verschmälerter Basis aufsitzen, in selteneren Fällen sogar Stränge, welche vollkommen isolirt zwischen beiden Rindenlamellen liegen, etwas höher oder tiefer sich aber ebenfalls an die eine oder andere anlegen. Es unterliegt somit keinem Zweifel, dass solide Markstränge vor- kommen und mit der Rinde verschmelzen ; ob aber ausserdem noch ein ungleichmässiges Dickenwachsthum der Rindenschicht stattfindet, welches für sich allein die Bildung kleinerer Vorsprünge verursachen könnte, habe ich nicht genauer untersucht. Nach Querschnitten durch den Thallus von R. pollinaria und R. farinacea, in welchen die Rinde stellenweise bloss aus dem oben erwähnten peripherischen Theil besteht, wäre man jedoch eher versucht, in entgegengesetzter Richtung einen Schritt weiter zu gehen, und bloss diesen Theil, der eine ziemlich gleichmässige Dicke von eirca 16— 20 Mik. erreicht, als die eigentliche Rindenschicht, das innerhalb desselben liegende parallelfaserige Ge- webe dagegen als zum Marke gehörig zu betrachten. Allein gegenüber der Thatsache, dass bei R. calicaris und R. fraxinea ampliata der innere Theil der Rindenschicht schon in der Nähe der Spitze, wo jene Fortsätze nach innen noch gar nicht zur Entwickelung gekommen sind, parallelfaserig erscheint, müsste eine solche Anschauungsweise oder wenigstens deren Ausdehnung auf sämmtliche Arten höchst willkürlich erscheinen. Anmerkung 2. Die anatomischen Verhältnisse dieser Gattung wurden bereits von Speerschneider (Microscopisch -anatomische Untersuchung über Ramalina calicaris Fr. und deren Varietäten fraxinea, fastigiata, canaliculata und farinacea, Bot. Zeitg. 1355, p. 345) ziemlich ausführlich besprochen. Die von ihm gemachten An- gaben über die Structur der Thallusschichten und die Entwickelung der Gonidien stehen jedoch mit den Thäatsachen grossentheils im Widerspruch. Es ist unrichtig, dass die Fasern der Rinde durch eine reichlich vorhandene Intercellularsubstanz, »eine helle farblose Masse, die wohl nur ein Absonderungsproduct der Zellenwand selbst ist, fest an einander gekittet« sind; die einzelnen Faserzellen berühren sich im Gegentheil, wie bei sämmtlichen übrigen Flechten, unmittelbar mit ihren Membranen, und es ist bloss eine Folge der ungleichen Dichtigkeit der verschiedenen Schichten, dass die Membran- substanz auf Durchschnitten nicht überall gleich hell erscheint. Nach der weiteren Angabe, dass die Fadenzelle auf Zusatz von Schwefelsäure und Jodlösung eine intensiv braune, die Zwischenzellenmasse eine gelbliche Färbung annehme, vermuthe ich, dass Speerschneider den Zellinhalt für die Fadenzellen, und die Membran für die Intercellu- larmasse angesehen hat. Zufolge der nämlichen Täuschung wird die Markfaser als eine er. Mh ee dünne, scheidewandlose Röhre, umgeben von einer dicken Hülle »von gelblichem An- sehen und offenbar anderer Natur« beschrieben und abgebildet und dann weiter hinzu- gefügt, diese Umhüllung könne zuweilen auch fehlen, sie sei in Aetzkali löslich und die wirkliche Markzelle werde durch Jod und Schwefelsäure tief braun gefärbt! Hin- sichtlich der Entwickelung der Gonidien glaubt Speerschneider deutlich Folgendes gesehen zu haben. »Ein jüngeres Aestchen der Markzelle treibt sich an einer oder mehreren Stellen etwas auf, und es erscheint daselbst ein getrübter, granulirter, grün- licher Inhalt, der sich entweder bloss zu einer einzigen Kugel zusammenzieht oder sich theilt und mehrere solcher Kugeln bildet. In beiden Fällen treiben diese neu entstan- denen Zellen die Wand der Mutterzelle auf einer Seite nach aussen, diese Austreibung schnürt sich endlich von der Mutterzelle ab und das Gonidium wird dadurch frei. Oft wird die Mutterzelle, namentlich wenn viele jener Zellen sich zu gleicher Zeit abson- dern, sehr verbogen.« Diese ganze Darstellung beruht durchaus auf oberflächlicher Untersuchung. Die Gonidien entstehen keineswegs im Innern der Faserzellen, sondern sind, wie bei Usnea, die Endzellen kleiner Aeste, welche sich anfangs von den übrigen Verästlungen nicht unterscheiden lassen. Evernia Acn. In der Art und Weise des Wachsthums, zum Theil auch im anatomischen Verhalten der Thallusschichten, stimmt Evernia mit Ramalına überein. Die En- den bestehen aus kurzzelligen, mehr eder weniger verästelten Fasern, welche bei den schlankern Formen, z. B. beı Evernia flavicans und zum Theil auch bei E. vulpina in vorherrschend longitudinaler Richtung verlaufen und sich beim Er- hitzen in Kali nicht selten von einander trennen, bei den breitlappigen und stumpf abgerundeten dagegen in ähnlicher Weise wie bei Ramalina und der Mehrzahl der Cetrarien verworren durch einander gefilzt sind und dabei in vorherrschend trajectorischer Richtung weiter wachsen. Im ersteren Fall löst sich der centrale Theil allmälig und in verschiedener Entfernung von der Spitze in ein lockeres Markgefiecht auf, so dass die ersten Gonidien noch dicht von Fasern umschlossen werden; im letzteren dagegen ist der Uebergang ein plötzlicher oder wenigstens ein viel rascherer und die Oberfläche der Markschicht den äusseren Umrissen der Thallusspitze entsprechend, indem die Rinde in ziemlich gleichmässiger Dicke der Krümmung des Scheitels folgt*). (Taf. V. Fig. 4). *) In dieser Hinsicht verhalten sich übrigens die verschiedenen Arten und Individuen und die verschiedenen Enden desselben Individuums nicht ganz gleich. Für die einen, welche viel- leicht schon aufgehört hatten zu wachsen, hat obige Angabe unbedingte Geltung; für die an- deren, welche allem Anschein nach in lebhafter Vegetation begriffen waren, nur insofern, als das Markgeflecht wegen seines Luftgehaltes allerdings in der angegebenen Weise von der dicht- filzigen, interstitienlosen Rinde abgegrenzt erscheint, nicht aber in dem Sinne, dass das luft- haltige Fasergeflecht unmittelbar unter dem Scheitel in Beziehung auf Dichtigkeit und Länge der Zellen den Character des älteren Markes besitze und von der Rinde auffallend absteche. Der Uebergang erscheint im Gegentheil, wenn man die Luft durch Kochen im Wasser ver- drängt, ein allmäliger, bedingt durch die langsam erfolgende Streckung der jeweiligen innersten Rindenzellen und die damit zusammenhängende Lockerung des Gewebes. (Taf. V. Fig. 5). 158 —— Die ältere Rinde besteht mit Ausnahme von E. flavicans (s. d.) aus einem dichten Fasergeflecht, das auf Längs- und Querschnitten entweder vollkommen oder doch annähernd gleich aussieht und wie bei Ramalina zeitlebens kleine Zell- höhlungen besitzt (Taf. IV. Fig. 14). — Das Mark ist entweder durch und durch lockerfilzig, so bei E. prunastri, divaricata, furfuracea (Taf. V. Fig. 4); oder es kommen in demselben einzelne solide, aus longitudinal verlaufenden Fasern be- stehende Markstränge vor, welche bald rings von lockerem Fasergeflecht umgeben (Taf. IV. Fig. 13, 15), bald auf der einen Seite mit der Rinde in Berührung sind (Taf. IV. Fig. 16, 17) und deren Zahl, Form und Gruppirung mit der Höhe wechseln (E. flavicans, vulpina). — Die Gonidien liegen in zerstreuten Gruppen unmittelbar unter der Rinde und verhalten sich hinsichtlich ihrer Entstehung und Theilung wie bei den vorhergehenden Gattungen. Bei der Soredienbildung ist bei den einen die Verästlung der Fasern, bei den anderen die Theilung der Gonidien vorwiegend. Jene erzeugen Soredien mit geschlossenen Faserhüllen, welche denen von Usnea täuschend ähnlich sind (E. prunastri); diese stimmen mit Bryopogon und allen denjenigen Flechten überein, wo die grünen Zellen bloss durch ein weitmaschiges Fasernetz zusammengehalten werden. Evernia flavicans Swartz. Die anatomischen Verhältnisse dieser Flechte sind der Art, dass sich dieselbe ungezwungen weder mit den Evernien noch mit Cornicularia vereinigen lässt, vielmehr als Repräsentant eines besonderen Typus betrachtet werden muss, der in mancher Beziehung der ersteren, in anderer der letzteren dieser beiden Gattungen näher steht. Ich führe sie hier bloss desswegen als Evernia auf, weil ich die Würdigung der Wuchsverhältnisse bei der Abgren- zung der Gattungen den Lichenologen vom Fach überlassen will. Die Thallusenden, deren äusserste Spitze gewöhnlich farblos ist, bestehen, wie bei Bryopogon und Cornicularia, aus verästelten longitudinal verlaufenden Fasern, die sich beim Erhitzen in Kali theilweise von einander trennen. Im Querschnitt sind sie annähernd kreisförmig und da die Gonidien erst weit unter- halb der Spitze auftreten, durch und durch solid; sie stimmen, was die Physio- gnomie des Gewebes betrifft, mit dem Medullarstrang von Usnea überein. Mit zunehmender Entfernung vom Scheitel verästeln und verfilzen sich die Fasern allmälig stärker, wie diess bei sämmtlichen parallelfaserigen Flechten der Fall ist, doch bleibt die longitudinale Richtung auch im älteren Thallus stets vorwiegend vertreten. — Die Lockerung des Gewebes, welche wie gewöhnlich eine Schei- dung in Mark und Rinde herbeiführt, findet in schr unregelmässiger Weise statt. Während das Markgeflecht sich hie und da bis zur Oberfläche erstreckt, springt in anderen Stellen die Rinde weit gegen das Oentrum vor und setzt sich häufig mit einzelnen soliden Marksträngen,, welche constant in grösserer oder kleinerer An- zahl vorhanden sind, in Verbindung. Eben so richtig könnte man übrigens auch sagen, Mark und Rinde seien hier gar nicht von einander geschieden, es finde bloss eine stellenweise Lockerung in einem durch und durch gleichförmigen Fa- sergeflecht statt, dessen dichtere Partien nach wie vor überall dieselbe Structur besitzen. — Die Faserzellen sind verlängert, mit unterbrochenem Inhalt; die —— 159 —— Wandungen, wie gewöhnlich, ziemlich stark verdickt, zunächst der Oberfläche gelblich gefärbt (jedoch nur bis zu einer Tiefe von circa 6—8 Mik.). — Die Go- nidien liegen unmittelbar unter der Rinde (den dichtfilzigen peripherischen Gewebs- partien) in zerstreuten, oft ziemlich weit von einander abstehenden Gruppen. Evernia flavicans hat also mit Cornicularia tristis den vorherrschend longi- tudinalen Faserverlauf und die unregelmässige Begrenzung der Rinde gemein, während sie andererseits durch die Form des ältern Thallus und die soliden Stränge der Markschicht sich mehr den Evernien nähert. E. vulpina L. Die verschieden geformten, bald halbkugelig abgerunde- ten, bald einseitig zugespitzten, zuweilen auch breitgedrückt -lappigen Thallus- enden zeigen zwar ebenfalls einen vorherrschend longitudinalen Faserverlauf, weichen jedoch darin von der vorhergehenden Art ab, dass der peripherische Theil derselben von deutlich gegliederten, schnurförmigen Faserenden gebildet wird, welche annähernd senkrecht zur Oberfläche, also auf Querschnitten in radialer Richtung verlaufen (Taf. V. Fig. 1). Diese Faserenden sind es, welche nach statt- gefundener Differenzirung der 'Thallusschichten die Rinde bilden, während der ganze innere Theil sich in ein lockeres, lufthaltiges Markgeflecht auflöst, in wel- chem erst später einzelne solide Stränge entstehen. Die Rinde ist in der Nähe der Spitze meist dünn und von dem darunter liegenden Fasergeflecht undeutlich abgegrenzt. Bei sehr üppiger (wahrscheinlich krankhafter) Gonidienbildung kann sie auch vollkommen fehlen, so dass die äussersten grünen Zellen unmittelbar an der Oberfläche liegen. Querschnitte durch den Thallus haben in diesem Falle genau das Aussehen einer Sorediengruppe, man sieht Nichts als einen Haufen von Gonidien, von spärlichen Fasern durchflochten. Etwas weiter unten dringen jedoch auch in diesem Falle die Verästlungen der oberflächlich gelegenen Fasern über das Niveau der Gonidien hervor und bilden eine continuirliche Rinden- schicht, die mit zunehmender Entfernung vom Scheitel allmälig dicker wird. Die fortschreitende Verästlung der Rindenfasern hat zur Folge, dass dieselben in um so höherem Grade durch einander gefilzt sind, je grösser der Abstand vom Scheitel, und dass sie endlich ein auf Längs- und Querschnitten ungefähr gleich aussehen- des Gewebe bilden, wie es auf Taf. IV. Fig. 14 dargestellt ist. — Der gelbe Farb- stoff der Rinde ist in die Membran der oberflächlichen Zellen eingelagert; das tiefer liegende Gewebe ist farblos. Eben so beruht auch die braune Färbung der Spitze, die übrigens keineswegs constant ist, auf der Einlagerung des Farbstoftes in die Membran. Die soliden Medullarstränge (Taf. IV. Fig. 13, 15) zeigen mit Rücksicht auf Grösse und Zahl beträchtliche Abstufungen. Sie sind zuweilen sehr dünn, so dass sie, selbst wenn sie in grösserer Zahl (10—12) vorhanden sind, dem Volu- men nach nur einen kleinen Theil des ganzen Markgewebes ausmachen; in ande- ren Fällen dagegen, jedoch nur in der Nähe der Basis, so massenhaft, dass sie, in einen einzigen grossen Strang verschmolzen , fast den ganzen von der Rinde um- schlossenen Hohlraum ausfüllen. Die nach unten wachsenden Fasern des Basal- — 160 —— theils vermitteln in ähnlicher Weise, wie bei Usnea, die Befestigung des Thallus auf der Unterlage. Die Gonidien theilen sich zuweilen nicht bloss in 8— 10, sondern in 20— 30 Zellen und darüber. Ich habe zu wiederholten Malen Gruppen von 16 Mik. Durchmesser beobachtet, welche noch durch den Stiel der Mutterzelle mit einer Faser in Verbindung waren und bei denen man auf der zugekehrten Fläche 15— 18 Zellen zählen konnte. Die Soredien entwickeln sich gewöhnlich in grosser Zahl; sie durchbrechen an beliebigen Stellen die Rinde und geben der- selben durch ihre Anlagerung auf der Oberfläche ein höckeriges, warziges Aus- sehen. E. divarıcata L. Von den beiden vorhergehenden Arten dadurch ver- schieden, dass Mark und Rinde bis zur Spitze scharf von einander getrennt sind, indem sich die letztere in ziemlich gleichmässiger Dicke auch um den Scheitel herumzieht. Die Rindenfasern sind schon ursprünglich vielfach verästelt und verfilzt, wachsen jedoch vorherrschend senkrecht zur Oberfläche. Das ältere Rindengewebe stimmt mit dem der vorhergehenden Art überein. — Das Mark ist lockerfilzig und ohne solide Stränge; seine Fasern verlaufen, wenigstens in den jüngeren Enden, vorherrschend longitudinal. — Die Gonidien sind in der Regel auf den peripherischen Theil des Markes beschränkt; nur in der Nähe der Spitze kommen sie zuweilen auch im Centrum vor. E. prunastri L. Verhält sich im Wesentlichen eben so; nur besitzen die Soredien, wie bei Usnea, geschlossene Faserhüllen. E. furfuraceaL. Stimmt im Allgemeinen mit den beiden vorhergehenden Arten überein. Die Rinde ist in der Regel sehr dünn, selten über 12—16 Mik. dick, aus stark verdickten und verfilzten Fasern bestehend, deren oberflächliche Zellen eine braungelbe Membran besitzen, auf der oberen und unteren Seite bloss durch die Intensität der Färbung und allfällig auch dadurch verschieden, dass erstere zuweilen mehr oder weniger ausgebleicht ist. — Das Mark ist lockerfilzig, ohne solide Stränge, und nur auf der oberen Seite gonidienführend. Besondere Erwähnung verdienen die so häufig vorkommenden Prolificationen der oberen Rinde. Sie erscheinen bald als kleine papillenförmige oder keulen- förmige Erhebungen über die Oberfläche, bald als grössere halbkugelige oder kugelige Ausstülpungen (Taf. V. Fig. 3), bald auch als strauchartig verzweigte Anhängsel, die zuweilen selbst wieder mit kleineren Vorsprüngen bedeckt sind. In allen Fällen sind diese Bildungen locale Wucherungen der Rindenfasern, welche in gewisser Beziehung an die warzenförmigen Hervorragungen bei Usnea, in anderer an die Adventiväste dieser Pflanze erinnern. Mit jenen stimmen sie mit Rücksicht auf die Form, die Entstehung und den strahligen, vorherrschend senkrecht gegen die Oberfläche gerichteten Faserverlauf, mit diesen durch die übereinstimmende Natur der Fasern und die Fähigkeit, Gonidien zu bilden, über- ein. Letztere werden gewöhnlich in grosser Zahl erzeugt; sie füllen sowohl in den strauchartigen Anhängseln, als auch in den kleineren, papillenförmigen Aus- wüchsen das ganze Innere dicht gedrängt aus und bilden im Vergleich mit den — 161 —— spärlich dazwischen verlaufenden Fasern die weitaus grössere Masse. In verhält- nissmässig geringerer Zahl finden sie sich in den grösseren Ausstülpungen, deren ganze Physiognomie überhaupt einen vorgerückteren Grad der Entwickelung, resp. eine ältere Bildung verräth. Sämmtliche Prolificationen zeigen übrigens in Allem, was nicht unmittelbar mit den Dimensionsverhältnissen und mit ihrer lebhaften Vegetation im Zusammenhang steht, genau das Verhalten der Mutter- pflanze. Sie wachsen in derselben Weise weiter, besitzen eine aus kurzzelligen, vorherrschend senkrecht zur Oberfläche verlaufenden Fasern bestehende, circa $S Mik. dicke Rinde, ein lockerfilziges, lufthaltiges Markgeflecht mit verlängerten Zellen (30—40 Mik.), und was die strauchartigen betrifft, zuweilen sogar eine übereinstimmende Form. Hagenia Eschw. Unter sämmtlichen strauchartigen Flechten ist diess die einzige, bei welcher die Rindenschicht, wie bereits Speerschneider und Körber angegeben, con- stant nur die obere oder Lichtseite des '[hallus bildet, auf der unteren dagegen in grösserer oder kleinerer Entfernung von der Medianlinie plötzlich endigt, so dass im mittleren Theil dieser Seite das lockere Markgewebe, bald mit, bald ohne so- lide Stränge, zu Tage tritt (Taf. V. Fig. 12). — Der Verlauf der Rindenfasern ist vorherrschend longitudinal, dabei aber doch ziemlich unregelmässig, krummlinig und verworren (Taf. V. Fig. 13), bei den schlankeren Formen in etwas geringe- rem Grade, als bei den breiteren laubartigen (bei H. leucomelas etwa wie bei Bryopogon). Die Lumina der einzelnen Zellen bleiben zeitlebens klein; die Mem- bran ist stark verdickt und zunächst der Oberfläche, wie gewöhnlich, bräunlich gefärbt. — Die Gonidien liegen, kleinere oder grössere Gruppen bildend, unmit- telbar unter der Rinde und zwar, so weit die letztere reicht, sowohl auf der untern als auf der obern Seite. Ihre Vermehrung geschieht in derselben Weise wie bei den vorhergehenden Gattungen. Durch Auswachsen einzelner Rindenfasern am Rande oder auf der obern oder untern Fläche des Thallus entstehen verschiedene morphologisch gleichwer- thige Adventivbildungen, welche bei H. ciliaris und leucomelas als Wimpern, bei H. villosa als Zotten, bei H. speciosa als Haftfasern erscheinen. Sie bestehen sämmtlich aus vorherrschend in der Längsrichtung verlaufenden Fasern, die zu einem dichten, durch und durch soliden Gewebe verbunden sind und nie Go- nidien bilden. H. ciliarıs L. Die Oberfläche der Rinde ist mit zahlreichen, zum Theil isolirten, zum Theil auch mit einander verbundenen und verflochtenen Faserästen besetzt, welche derselben das bekannte sammetartige Aussehen verleihen. Die Markschicht ist zuweilen fast auf der ganzen untern Fläche, in andern Fällen nur in einem schmalen mittleren Streifen unbedeckt. H. leucomelas L. Stimmt im Querschnitt sowohl in Bezug auf die un- Nägeli, Beiträge. II. Fi — 112 —— vollständige Umrindung des Thallus, als auch auf die relative Mächtigkeit und die unregelmässige Begrenzung der Rindenschicht vollkommen mit der vorher- gehenden Art überein. Der Längsschnitt durch die Rinde zeigt einen vorherr- schend longitudinalen Faserverlauf und langgestreckte Rindenzellen (wie bei Bryopogon). H. villosa (Physcia villosa ScHAer.). Im Querschnitt wie die vorher- gehenden Arten. Faserverlauf wie bei H. ciliaris. H. speciosa (Parmelia speciosa AcH.) Stimmt im Quer- und Längsschnitt mit den vorhergehenden Arten überein. Zahlreiche solide Markstränge bilden zuweilen auf der untern Fläche des Thallus ein ziemlich dichtfilziges, jedoch nie interstitienloses Gewebe, das weder vom tiefer liegenden lockern Markgeflecht, noch von der in der Nähe des Randes endigenden Rindenschicht deutlich abge- grenzt ist. Die Haftfasern, mittelst welcher der laubartige Thallus sich lose mit dem Substrat verbindet, sind randständig und hinsichtlich ihrer Structur von den Wimpern der beiden erstgenännten Arten nicht verschieden. Anmerkung. Speerschneider (Anat. der H. ciliaris, Bot. Zeit. 1854. p- 593) beschreibt die Rindenschicht als ein Gewebe, »das aus fadenförmigen, in der Längenaxe des Thallus über, unter und neben einander verlaufenden, theils sich gegen- seitig an einander legenden, theils sich von einander entfernenden, aber durch Zweige verfilzten Zellen besteht, die also von überall mit einander auf das mannigfachste com- municirenden Höhlungen umgeben sind ‚« in welche sich wahrscheinlich wie zwischen die Zellen »eine amorphe Masse (Schleim ?)« von den Fadenzellen aus ablagere. Auf der Oberfläche, zwischen und auf den Fortsätzen der peripherischen Rindenzellen, be- finde sich eine dünne Schicht kleiner kugeliger Körnchen, die der Flechte zum grössten Theil ihre aschgraue Färbung verleihen. Diese Angaben sind unrichtig. Jene commu- nieirenden Höhlungen existiren in der Wirklichkeit nicht, indem die Rindenschicht sowohl bei Hagenia, als bei allen übrigen mir bekannten Flechten aus einem intersti- tienlosen Gewebe besteht, dessen einzelne Fasern sich unmittelbar mit ihren Membranen berühren. Die vermeintlichen Körnchen auf der Oberfläche sind wahrscheinlich nichts Anderes als quer geschnittene, bis zum Verschwinden des Lumens verdickte Faserfort- sätze oder aber Bildungen, die nicht zur Pflanze gehören. — Einige andere Behaup- tungen: dass das Gonidium von einer doppelten, farblosen Membran umschlossen sei (denn die Zellen erscheinen mit doppelten Conturen umschrieben) und im Innern eine etwas kleinere Zelle einschliesse, die einen grünlichen, anfangs homogenen Inhalt besitze, in welchem sich nach und nach Körnchen, endlich wirkliche Zellen hervorbil- den; dass die Rindensubstanz durch Jod und Schwefelsäure braun gefärbt werde etc., bedürfen bei dem heutigen Stande der Wissenschaft keiner Widerlegung. Körber (S. L. G. pag. 49) macht bezüglich der Wimpern am Rande und auf der obern Fläche des Thallus irrthümlicher Weise die Bemerkung, es sei an eine nähere Analogie zwischen denselben und den Haftfasern der laubartigen Flechten nicht zu denken, weil erstere lediglich Fortsätze der Rindenschicht seien, während die letzteren (wie an anderen Stellen angegeben wird) aus Markzellen (Röhrenzellen) bestehen. Die Wahrheit ist die, dass wo die Rindenschicht die obere und untere Seite des Thallus bil- det, denselben also allseitig umschliesst (wie diess z. B. bei Imbricaria, Parmelia, Sticta, Nephroma u. a. der Fall ist), die Haftfasern in gleicher Weise wie die Wimpern durch Auswachsen der Rindenzellen entstehen, folglich allerdings als analoge Bildungen zu betrachten sind. Näheres hierüber soll später, wenn von den anatomischen Verhält- nissen der laubartigen Flechten die Rede sein wird, mitgetheilt werden. sr in Sphaerophorus Pers. Die cylindrischen, meist halbkugelig zugerundeten Thallusenden bestehen aus vielfach verästelten und verfilzten Fasorn, welche von der Nähe der Axe, wo sie einen vorherrschend longitudinalen Verlauf zeigen, bogenförmig nach aussen divergiren, so dass sie im peripherischen Theil annähernd senkrecht zur Oberfläche verlaufen (Taf. VI, Fig. 1). Demzufolge beruht das Längenwachs- thum der Pflanze auf denselben Erscheinungen, wie bei Evernia und Ramalina : die in der Krümmung des Scheitels liegenden Faserenden rücken in Folge ihres intercalaren und Scheitelwachsthums, sich fortwährend verästelnd,, immer weiter vor, bis sie die normale Entfernung von der Axe erreicht haben. Dabei bleibt der oberflächliche Theil des Gewebes bis auf eine ziemlich constante Tiefe dicht- filzig oder interstitienlos und bildet die Rinde, während der tiefer liegende Theil zufolge der Streckung der Zellen, zuweilen vielleicht auch wegen vorwiegender Verästelung der Rindenfasern, sich lockert und lufthaltig wird. Die Grenze zwischen beiden erscheint übrigens bei kräftig vegetirenden Enden nur wegen der auch in die kleinsten Interstitien vordringenden Luft deutlich gezeichnet; in Be- ziehung auf Dichtigkeit des Gewebes und Länge der Zellen findet ein allmäliger Uebergang statt. Die Verästlung und das intercalare Wachsthum der Rindenfasern, worauf die Ausdehnung der Rinde in die Fläche und Dicke beruht, führt hier zu einem sehr complicirten, weitmaschigen Fasergeflecht, das sich sowohl auf Quer- als auf Längsschnitten durch dicke Stämme oft weithin verfolgen und construiren lässt (Taf. V, Fig. 16). Einzelne Fasern sieht man in radialer Richtung vom Innen- rand der Rinde bis zur Oberfläche und in tangentialer Richtung 150—200 Mik. weit und darüber verlaufen. Hie und da beobachtet man auch junge Faseräste in verschiedenen Stadien der Entwicklung. Dieser hohe Grad von Verfilzung setzt jedoch schon eine bedeutende Dicke des Thallus voraus. Bei einem Durchmesser von 189—200 Mik. und einer Rindendicke von 20—28 Mik. sind die Veräst- lungen noch verhältnissmässig selten und wo sie vorkommen, sehr einfach; die grosse Mehrzahl der übrigens hier schon stark verdickten Rindenfasern verläuft senkrecht zur Oberfläche. Auch auf Querschnitten von 0,66 — 0,77 Millm. im Durchmesser mit einer 60—70 Mik. dicken Rinde erscheinen nach Zusatz von Jod die radialen Reihen noch weitaus vorherrschend und bilden mit den vorkom- menden Verzweigungen höchstens H förmige oder andere wenig complicirte Fi- guren (Taf. V, Fig. 14). Der eigenthümliche Character der älteren Rinde tritt erst bei einer Thallusdicke von c. 1. Millm. deutlich hervor und zeigt sich in der auf Taf. V. Fig. 16 dargestellten Weise nur bei den allerdicksten Stämmen (von etwa 1,2—1,5 Millm. im Durchmesser) ausgeprägt. Für die Berechtigung obiger Annahme, dass die Rindenfasern ein intercalares Wachsthum besitzen , spricht — abgesehen von der sehr ungleichen Länge suc- cessiver Zellen, welche bei Usnea mit derselben Erscheinung im Zusammenhange 55 Kon BEN .; ne steht — insbesondere auch die mit der Entfernung vom Scheitel wachsende Zahl der Gliederzellen, welche man in einzelnen Fällen zwischen zwei auf einander folgenden Verästlungen beobachtet (wenn nämlich nicht Zweige späteren Ur- sprunges zwischen früher gebildeten vorkommen). Die Zelllumina der Rindenfasern bleiben gewöhnlich zeitlebens klein, wäh- rend die Membran sich bedeutend verdickt (Taf. V, Fig. 15). Nur ausnahmsweise beobachtet man in der älteren Rinde hie und da einzelne Zellen mit erweiterter Höhlung, an deren Wandung die punctförmigen, beliebig vertheilten Inhalts- portionen adhäriren. Die Länge der Rindenzellen steigt nicht über 10—12Mik. ; viele sind kürzer, dennoch füllt der Inhalt das Lumen der Zelle nur selten gleichförmig aus, sondern ist gewöhnlich zu ungefähr gleichen Theilen auf die beiden etwas erweiterten Enden vertheilt. Das Markgeflecht ist viel dichter als bei Evernia oder Bryopogon und daher auch schon als solid bezeichnet worden (Thallus intus solidus). Es ist aber nichts desto weniger in seiner ganzen Dicke lufthaltig und enthält keine Fasern, welche fest mit einander verwachsen und zu einem soliden Strange verbunden wären. Die Länge der Markfaserzellen nimmt von der Spitze gegen die Basis zu. Etwa 0,5 Millm. vom Scheitel entfernt beträgt dieselbe 20—30 Mik. ; sie steigt in der Nähe der Basis grösserer Exemplare bis auf 120—160 Mik. Es versteht sich in- dess von selbst, dass neben diesen längsten der gemessenen Markzellen, die sich ungefähr um das Sechsfache ihrer ursprünglichen Länge ausgedehnt haben, auch viele kürzere vorkommen, welche später entstandenen Verästlungen angehören. Man beobachtet z. B. häufig solche von nur 60—80 Mik. Länge. Der Inhalt der verlängerten Markfaserzellen ist häufig nicht bloss in 2, sondern in 3, 4 und mehr Portionen getheilt, wovon die zwei grössten gewöhnlich die beiden erweiterten Enden, die kleineren in linienförmiger Anordnung den mittleren Theil des Lu- mens einnehmen. Nach der Streckung der Markzellen zu schliessen, beruht die Verlängerung des 'Thallus, resp. der Rinde, zum grösseren Theil auf intercalarem, zum kleineren auf Scheitelwachsthum. Wenn man auch ganz davon absieht, dass schon die obersten Markzellen durch eine nicht unbeträchtliche Dehnung in die Länge aus den in der Krümmung des Scheitels liegenden Rindenzellen entstehen, sondern bloss die 'Thatsache berücksichtigt, dass die ursprünglich annähernd gleich grossen, etwa 20 Mik. langen Zellen einer den ganzen Thallus durch- ziehenden (primären) Markfaser in der Nähe der Basis das Sechsfache dieser Länge erreichen, und dass natürlich auch die Rinde sich in demselben Verhältniss ausgedehnt hat, so kommt man auch hier, wie bei Usnea, zu dem Schluss, dass von der Gesammtlänge eines grössern Exemplars nicht weniger als % auf Rech- nung des intercalaren Wachsthums fallen. Die Gonidien liegen in zerstreuten Gruppen im peripherischen Theil des Markes. Sphaerophorus coralloides, fragilis, compressus. Alle 3 Arten stimmen im Wesentlichen vollkommen mit einander überein und zeigen keine be- sonderen Eigenthümlichkeiten. — 165 —— Roccella D C. Schon ein flüchtiger Blick auf einen durch die Spitze geführten Längsschnitt (Taf. VI. Fig. 2) genügt, um sich zu überzeugen, dass das Wachsthum der Thallus- enden in derselben Weise vor sich geht, wie bei Sphaerophorus, Evernia und den übrigen Flechten mit orthogonal - trajectorischem Faserverlauf. Und zwar gehört es zu den mancherlei Eigenthümlichkeiten dieser Gattung, dass die Rindenfasern nicht bloss in der Nähe des Scheitels, sondern auch in den dicksten Stämmen so genau senkrecht zur Oberfläche verlaufen, als es bei der häufig stattfindenden Verästlung nur irgend denkbar ist; sie stechen gleichsam pallisadenartig aus dem lockerfilzigen Markgewebe hervor. Auch die Dicke der Rinde bleibt zeitlebens so ziemlich dieselbe, sie beträgt 16—20, höchstens 25—30 Mik. Die einzige Ver- änderung, welche sie mit zunehmender Entfernung vom Scheitel erleidet, besteht in der allmäligen Verdickung der Fasermembran und der dadurch bedingten Ver- kleinerung der Zellhöhlungen. — Um die Verästlung der Rindenfasern genau zu verfolgen, ist es hinreichend, dieselben durch Zerdrücken von Quer- oder Längsschnitten zu isoliren und das Präparat, um auch die Scheidewände der Zellen deutlich zu machen, mit Jodtinctur zu behandeln. Man sieht alsdann, dass die Rinde aus büschelig- gleichlangen Fasern besteht, von denen oft S—10 und darüber im peripherischen Theil des Markes mit der nämlichen Faser, durch deren wiederholte Verästlung sie entstanden sind, in Verbindung stehen (Taf. VI. Fig. 3—6). Ihre einzelnen Zellen sind kurz und scheinen sich, nach den häufig vorkommenden Einschnürungen und der Verschiedenheit der Länge zu schliessen, durch intercalare Theilung zu vermehren. Die Membran derselben ist besonders in der Nähe des Randes bräunlich gefärbt. Das Mark besteht aus einem lockeren, lufthaltigen Filzgewebe, welches schon unmittelbar unter dem Scheitel so verworren aussieht, dass von einer vor- herrschend vertretenen Richtung der Fasern kaum die Rede sein kann (Taf. VI. Fig. 2). Diese Thatsache muss im Hinblicke auf die Regelmässigkeit im Verlauf der Rindenfasern, welche in so hohem Grade bei keiner anderen Flechte wahr- genommen wird, um so eher auffallen, als sich a priori gerade das Gegentheil hätte erwarten lassen. Ist ja doch das Markgewebe, dessen Zuwachs in der Krüm- mung des Scheitels auf der Streckung der inneren Rindenzellen beruht, in seiner Grundlage nichts anderes, als das aus einander gezogene Rindengeflecht. Wenn man aber bedenkt, dass die häufigen Verästlungen der Faserenden nothwendig ein lebhaftes Flächenwachsthum veranlassen müssen, welches seinerseits eine rasche Vergrösserung der Verzweigungswinkel älterer Faseräste — weil jüngere zwischen denselben auftreten — zur Folge hat und daher auch die Verästlung der Markfasern in jeder beliebigen Richtung begünstigt ; wenn man ferner erwägt, dass die häufig vorkommende Copulation zwischen benachbarten Rindenfasern mancherlei Unregelmässigkeiten hervorrufen muss, welche um so deutlicher her- vortreten, je grösser die Streckung der Zellen: so erscheint es ganz natürlich, — 166 —— dass das Markgewebe schon von Anfang an aus sehr unregelmässig verflochtenen Fasern besteht, deren ursprüngliche Wachsthumsrichtung nach so vielfachen Störungen sich meist nicht mehr erkennen lässt. Die Wandung der Markfaserzellen ist fast bis zum Verschwinden des Lumens verdickt, so dass die Scheidewände auch nach Zusatz von Jod nur selten deutlich erkannt, und folglich die Längenbestimmungen unsicher werden. Sicher ist nur, dass die Markfaserzellen jedenfalls eine sehr beträchtliche Streckung erleiden. Die Gonidien liegen zerstreut im peripherischen Theile desMarkes. Sie stehen mit den Fasern meist bloss durch eine seitliche Ausstülpung (Taf. VI. Fig. 7, 9), seltener durch eine besondere Stielzelle (Fig. 8) in Verbindung. Da die Stiele sehr dick sind, so erfolgt eine Trennung nicht so leicht, als bei den meisten übri- gen Flechten; man sieht daher viele Gonidien auch nach dem Zerdrücken des Präparates noch in ihrer ursprünglichen Lage. Die Vermehrung der Gonidien findet in eigenthümlicher Weise statt. Wäh- rend sie bei sämmtlichen bisher betrachteten Flechtengattungen auf dem bekann- ten Theilungsprocess beruht, begegnen wir hier ausnahmsweise einem Vorgang, welcher an die Vermehrung des Gährungspilzes erinnert. Die Mutterzelle treibt nämlich an einer beliebigen Stelle, vom Anheftungspuncte aus gesehen gewöhn- lich seitwärts, eine Ausstülpung hervor, welche Anfangs durch eine schwache Einschnürung, später durch eine Scheidewand abgegrenzt erscheint. Indem sich derselbe Process auf einem andern Puncte der nämlichen Zelle oder auch in der neugebildeten Tochterzelle wiederholt, entstehen Gruppirungen, wie sie auf Taf. VI. Fig. 10—16 dargestellt sind. Die tiefen Einschnürungen, welche man häufig zwischen ausgewachsenen Zellen einer Gruppe beobachtet, machen es wahrscheinlich, dass sich dieselben endlich von einander trennen, um möglicher Weise den nämlichen Vorgang von Neuem einzuleiten. Die Soredienanhäufungen auf der Oberfläche des Thallus bestehen aus einem lockeren, lufthaltigen Geflecht vielfach verästelter Fasern mit Tausenden von zarten Enden und zahlreichen Gonidien, welche die eben erwähnten Ausstülpun- gen zeigen. Eine Verzweigung der Stielzelle, wie sie bei den vorhergehenden Gattungen vorkommt, habe ich hier nicht beobachtet. Die Bildung der Soredien- häufchen scheint im Gegentheil auf localen Wucherungen der peripherischen Markfasern und auf der Neubildung von Gonidien (nicht auf Theilung schon vorhandener) zu beruhen. Wenigstens habe ich mich zu wiederholten Malen über- zeugt, dass die meisten der in das Fasergeflecht der Soredien eingebetteten Goni- dien auf Stielen sitzen, woraus hervorgeht, dass der besprochene Vermehrungs- process vorzugsweise auf die Bildung zusammenhängender Gruppen beschränkt sein muss. Die 3 Arten dieser Gattung: R. tinctoria, fuciformis, phycopsis verhalten sich gleich. — 16717 —— Thamnolia Acı. Bekanntlich wird diese von Acharius aufgestellte Gattung von den meisten ältern und neuern Autoren bei den Cladonien untergebracht, und zwar nicht einmal als eine eigene Species, sondern als Varietät oder Monstrosität von Cla- donia gracilis oder C. amaurocraea. Es unterliegt auch gar keinem Zweifel, dass diese Pflanze sowohl durch ihre äussere Form, als durch das dichtfilzige (solide), einen Hohlcylinder bildende Markgewebe eine nicht zu verkennende Verwandt- schaft mit den Cladonien beurkundet und dass sie besonders den beiden ange- führten Arten habituell sehr nahe steht; allein auf der andern Seite spricht nicht bloss das constante Fehlen eines Protothallus, sondern namentlich auch das ab- ‚weichende Verhalten der Thallusenden entschieden dafür, dass Thamnolia als ein besonderes Genus und nicht als eine Varietät irgend einer Spezies von Cladonia, am allerwenigsten als eine krankhafte Bildung zu betrachten sei. Es ist nämlich durchaus unrichtig, »dass der Thallus nur aus der blossgelegten faserigen Mark- schicht besteht« (Kbr. S. L. G. pag. 27); er unterscheidet sich im Gegentheil gerade dadurch von dem Säulchen der Cladonien (s. d.), dass er eine continuir- liche, auch im Scheitel entwickelte Rindenschicht besitzt (Taf. VI. Fig. 21, 22), während sich jenes durch das peripkerische Auftreten der Gonidien und die erst später erfolgende Berindung characterisirt. Die Rindenfasern sind kurzzellig, meist deutlich gegliedert; sie verlaufen, obgleich ziemlich stark verästelt und verfilzt, doch vorherrschend senkrecht zur Oberfläche. Die Dicke der ganzen Schicht beträgt in der Nähe des Scheitels 30—40 Mik., weiter unten — wahrscheinlich in Folge der Verwitterung — bloss 16—24 Mik. Die Zelllumina bleiben zeitlebens sehr klein, während die Mem- bran sich beträchtlich verdickt. Das Mark besteht aus einem dichten Filzgewebe, dessen einzelne Fasern in vorherrschend longitudinaler Richtung verlaufen und zwischen den Gonidien hindurch bogenförmig gegen die Rinde ausbiegen. Die Faserzellen sind wie ge- wöhnlich beträchtlich in die Länge gezogen, so dass sich der Inhalt auf die beiden etwas erweiterten Enden vertheilt. In der Nähe der Spitze erscheint das Markgewebe als solider Cylinder, weiter nach unten, nachdem sich in der Mitte zufolge der vorwiegenden Entwickelung des peripherischen Theils eine Höhlung gebildet hat, als Cylindermantel (Taf. IV. Fig. 22). Die Gonidien liegen unmittelbar unter der Rinde und vermehren sich durch Theilung in 2, 4, 8 und mehr Zellen. In selteneren Fällen sieht man deren 12--15 noch von gemeinsamer Membran umgeben. Eigentliche Soredien, d.h. grössere von Fasern durchflochtene Anhäufungen grüner Zellen, habe ich nie beobachtet, einzelne Gruppen dagegen mit beginnender Verästlung der Stielzelle ziemlich häufig. Der Umstand, dass die Gonidien auch in der Krümmung des Scheiteltheils, —— 168 °—— wenn auch in geringerer Zahl, vorkommen, wovon ich mich durch mehrere gelun- gene Längsschnitte überzeugte, und dass sie nichtsdestoweniger im älteren Marke durchaus fehlen, macht es mir wahrscheinlich, dass die zur Untersuchung ge- wählten Thallusenden schon aufgehört hatten zu wachsen; denn ohne diese Vor- aussetzung wäre es geradezu unerklärlich, wie die an den Fasern fest sitzenden Gonidien, ungeachtet sich jene durch Scheitelwachsthum allmälig verlängern, fortwährend in derselben Entfernung vom Rande verharren, man müsste denn annehmen, die Schnitte seien nicht genau durch die Mitte geführt und das Wachsthum finde nur in der allernächsten Umgebung der Axe statt, was weder mit dem Faserverlauf, noch mit der Krümmung des Scheiteltheils übereinstimmt. Thamnolia vermicularis Sw. Die Varietäten &« subuliformis und Ataurica SCH. stimmen in allen wesentlichen Merkmalen mit einander überein. Cladonia Horrn. 1. Der Protothallus. Wenn ich mit Körber die laubartigen oder krustenartigen Ausbreitungen und die aus denselben hervorgehenden strauchartigen » Podetien« beziehungs- weise als Protothallus und Thallus bezeichne, so geschieht diess nur, um für die beiden Generationen, an welche nun einmal die vollständige Ausbildung der Cla- donien gebunden ist, passende Benennungen zu haben, durch welche zugleich die Entwickelungsfolge und die thallodische Natur der beiden Gebilde angedeutet wird. Uebrigens bin ich der Ansicht, dass eine richtige Deutung der Podetien und damit auch die Lösung der Frage, ob zwischen denselben und dem Excipu- lum proprium (das bekanntlich bei einigen Gattungen ebenfalls nach unten ver- längert ist) eine nähere Analogie bestehe, nur durch genaue Untersuchungen über die Entwickelung beider Organe gewonnen werden kann. Der Protothallus ist stets nur auf der obern Seite -berindet. Die Rinde er- scheint, wie gewöhnlich, als ein vollkommen dichtes Geflecht stark verästelter, kurzzelliger Fasern und bildet eine ‚verhältnissmässig dünne schützende Decke über das lockere, gonidienführende Filzgewebe, aus welchem der ganze übrige Theil der Protothallusschüppchen besteht. Dieses dem Marke der strauchartigen Flechten entsprechende Gewebe, welches eine Mächtigkeit von 200 Mik. und darüber erreicht, erscheint wegen seines grossen Luftgehaltes bei auffallendem Lichte rein weiss (die Farbe der untern Fläche), bei durchfallendem dagegen schwarz. Es enthält in seinem obern Theile, unmittelbar unter der Rinde, die Gonidien, welche hier eine ziemlich zusammenhängende, nach unten unregel- mässig vorspringende grüne Zone bilden und sich durch den bekannten Thei- lungsprocess vermehren. Die Rindenschicht biegt sich am Rande gewöhnlich etwas nach unten; sie erhält hier sowohl durch die Verästlung ihrer eigenen Fasern als durch den An- — 169 —— schluss der nach aussen und oben wachsenden Verzweigungen der lockeren Faser- schicht einen schwachen Zuwachs, in Folge dessen das Protothallusschüppchen sich allmälig vergrössert. In welchem Verhältniss aber diese Vergrösserung zu der auf intercalarem Wachsthum beruhenden Ausdehnung stehe, lässt sich bei der Unregelmässigkeit des lockern Fasergeflechtes nicht ermitteln. Sicher ist nur, dass ein Flächenwachsthum der ältern Rinde stattfindet. 2. Der Thallus (das Podetium). Wie im Protothallusschüppchen die erste Anlage zum Säulchen entsteht, konnte ich bis jetzt nicht mit Sicherheit ermitteln, da sämmtliche Entwickelungs- stadien, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte, schon zu weit vorgerückt waren, als dass eine Lösung der hier in erster Linie sich aufdrängenden Fragen noch möglich gewesen wäre. Es scheint mir jedoch, dass dieselben nicht als eine aussergewöhnlich entwickelte Prolification der Protothallusschuppe, d. h. nicht als das Product einer localen Wucherung der Rindenfasern zu betrachten seien ; dass sie vielmehr aus dem unter der Rinde liegenden lockern Markgeflecht her- vorbrechen, wie sie denn auch später nur mit diesem, nicht mit der Rinde in directer Verbindung stehen (Taf. VII. Fig. 6). Die Ernährung des jungen Lagersäulchens geschieht anfänglich durch Ver- mittelung ‚des Protothallus. Später, nachdem seine Markfasern in Folge ihres Wachsthums nach unten das Substrat erreicht haben, auf dem sie sich in strahlen- förmigen Bündeln ausbreiten, gelangt es auch physiologisch zu vollständiger Unabhängigkeit. Bekanntlich kommt auch nicht selten der Fall vor, dass vom Protothallus später keine Spur mehr vorhanden ist. Stehen die Cladonien (und das damit verwandte Genus Stereocaulon) schon durch diese eigenthümliche Entwickelungsweise, die sich als einen förmlichen Generationswechsel herausstellt, im System vereinzelt da, indem ein Protothallus in diesem Sinne bei keiner andern Flechte vorkommt, so ist diess nicht weniger durch das abweichende Verhalten des Thallus (des Podetiums), namentlich in Beziehung auf das Auftreten der Gonidien und die Bildung der Rinde der Fall. Betrachten wir zunächst die Formen mit pfriemenförmigen Thallusenden, so erinnert zwar die Physiognomie der letztern auf den ersten Blick an manche der bereits besprochenen Flechtenarten, indem die Fasern bald vorherrschend longitudinal, bald schwach divergirend gegen die Oberfläche verlaufen und hier wie gewöhnlich etwas kurzzelliger und stärker verästelt sind. Allein bei einer genauern Prüfung durch Längs- oder successive Querschnitte muss es sogleich auffallen, dass die Gonidien nicht, wie gewöhnlich, innerhalb einer dichtfilzigen Rindenschicht, sondern unmittelbar an der Oberfläche von den locker verfilzten Verästlungen peripherischer Fasern erzeugt werden (Taf. VI. Fig. 24, 25; Taf. VII. Fig. 1, 8). Dieselben treten übrigens in der Nähe der Spitze meist sehr spärlich auf und bilden erst weiter unten, nachdem sie sich durch Theilung vermehrt ha- ben, grössere Gruppen oder Nester. Ihre Gegenwart scheint das Wachsthum und Era, die Verästlung der Fasern, aus denen sie entstanden, wesentlich zu begünstigen. Diese letzteren vegetiren kräftig fort, schliessen die Gonidien immer dichter in ihr Geflecht ein und vereinigen sich endlich über denselben zu einem interstitien- losen Rindengewebe, welches sich indess bloss über die mit Gonidien versehenen Stellen ausdehnt und dann plötzlich oder allmälig aufhört (Taf. VII. Fig. |, 3, 4). Indem diese kleinen Rindenfragmente, welche man schon bei auffallendem Lichte als glatte, gelbliche Erhabenheiten auf hellerem, staubigem Grunde erkennt, mit zunehmender Entfernung vom Scheitel — entsprechend der Vermehrung der Gonidien — sich ausdehnen und hie und da mit einander verschmelzen, bilden sie möglicher Weise auf grössern Strecken eine zusammenhängende Schicht, so dass der ältere Thallus stellenweise vollkommen umrindet erscheint, so bei 0. furcata. Als Gegenstück zu diesem letzteren Beispiel kann aber auch der Fall vor- kommen, dass die Rindenbildung vollständig unterbleibt und die Gonidien zeit- lebens in ein lockeres peripherisches Fasergeflecht eingebettet erscheinen. So verhält sich z. B. C. rangiferina, wo der Thallus von oben bis unten mit zahl- losen, meist Soredien bildenden Gonidien bedeckt ist, welche demselben das bekannte feinfilzig-staubige Aussehen verleihen (Taf. VII. Fig. 9, Stück eines Querschnittes durch den Thallus). Wir begegnen derselben Erscheinung auch bei den Arten mit becherförmigen Enden, deren eigenthümlicher Habitus überhaupt einzig und allein auf der ausser- gewöhnlichen Verzweigungsweise beruht. Während nämlich bei den cylindri- schen Formen die Fasern der 'Thallusspitze in der Regel nur nach zwei, selten nach mehreren Richtungen aus einander treten und dadurch eben so viele von einander getrennte Zweige bilden, divergiren sie hier strahlenförmig wie die Seitenlinien eines umgekehrten Kegels, ohne in tangentialer Richtung sich von einander zu trennen. Längsschnitte durch die auf diese Weise entstehenden trichterförmigen Gebilde sehen gerade so aus, als ob der Schnitt durch die beiden Zweige einer Dichotomie geführt worden wäre (Taf. VII. Fig. 7). Die Spitzen bestehen aus verästelten, gewöhnlich etwas gelblich gefärbten, bogenförmig gegen die Oberfläche verlaufenden Fasern, deren peripherische Verästlungen in sehr geringer Entfernung vom Scheitel die Gonidien erzeugen. Eine Rindenschicht kommt, stellenweise entwickelt, bei C. squamosa vor (Taf. VII. Fig. 4); sie fehlt dagegen vollständig (wenigstens an den untersuchten Exemplaren) bei C. bra- chiata Fr. Die blattartigen Schuppen, womit der Thallus einiger Arten gewöhnlich be- kleidet,ist, und welche bekanntlich in Hinsicht auf Grösse, Form und Neigungs- verhältnisse die grösste Mannigfaltigkeit zeigen, entstehen nach meinen bisheri- gen Untersuchungen, die indess über diesen Gegenstand noch lückenhaft sind, nicht immer auf dieselbe Weise. Bei C. squamosa sind es z. B. die kleinen Rindenschüppchen, welche sich auf der der Basis zugekehrten Seite vom lockern Fasergeflecht ablösen und, indem sie sich wie ein Ventil um ihr oberes Ende drehen, allmälig eine horizontale Lage annehmen (Taf. VII. Fig. 5, 2), wobei natürlich die Ursache dieser Bewegung in der vorwiegenden Entwickelung der NER Ren lockern Faserschicht unterhalb der Anheftungsstelle zu suchen ist. In andern Fällen, wenn nämlich der Thallus stellenweise mit einer zusammenhängenden Rindenschicht bekleidet ist, sind es kleinere Stücke dieser letztern, welche sich in Ähnlicher Weise abheben und aufrichten, indem sie mit ihrem einen Ende mit der Rinde im Zusammenhang bleiben (Taf. VI. Fig. 19). Die Stellen auf der Thallusoberfläche, welche durch diesen Vorgang entblösst wurden, besitzen na- türlich Anfangs dieselbe Grösse, wie die zugehörigen Schüppchen. Vielleicht sind drittens auch die kleinen Erhabenheiten, welche man hie und da auf der Oberfläche wahrnimmt und über welche sich die Rinde ununterbrochen hinwegzieht, als erste Entwickelungsstadien blattartiger Schüppchen anzusehen. Man müsste in diesem Falle annehmen, das Aufreissen der Rinde geschehe erst später, nachdem diese Hervorragungen eine gewisse Grösse erreicht haben, und zwar am wahrscheinlichsten an der Spitze derselben. Dass wirklich ein ähnlicher Vorgang zuweilen statt hat, ist nach Querschnitten durch grössere blattartige Auswüchse, deren Basis auf beiden Seiten berindet ist (Taf. VI. Fig. 20), in hohem Grade wahrscheinlich; es fehlt bloss an Uebergangsstadien, um hierüber vollkommene Gewissheit zu erlangen. Die blattartigen Schuppen stimmen übrigens, welches auch der Ursprung derselben sei, hinsichtlich ihrer Structur vollkommen mit einander überein. Sie wachsen in gleicher Weise, wie der Protothallus, in die Fläche und bestehen ebenfalls aus einer dem Lichte zugekehrten Rindenschicht und einem lockern, gonidienführenden Fasergeflecht, in welchem zuweilen einzelne solide Knäuel vorkommen. Dagegen geht ihnen das Vermögen, Podetien zu entwickeln, ab. Die Markschicht des Thallus, d. h. das innerhalb der Gonidien liegende, interstitienlose Fasergeflecht, bildet, wie bei Thamnolia, einen hohlen, gegen den Scheitel kegelförmig zugespitzten Cylinder und besteht aus vorherrschend longi- tudinal verlaufenden Fasern mit verlängerten Zellen, deren Membran beträchtlich verdickt und deren Lumen, wie gewöhnlich, sehr klein ist. Der zunächst dem Innenrand gelegene Theil des Gewebes erscheint unter dem Microscop meist etwas heller, weil hier eine stärkere Verdickung der Fasern und eine sehr innige Verschmelzung derselben stattfindet. Im älteren Marke macht man zuweilen die Beobachtung, dass nur dieser innere Theil noch lebensfrisch erhalten ist, wäh- rend der ganze übrige Spuren der Zersetzung zeigt. Die Bildung der blattähnlichen Schuppen bleibt in der Regel ohne allen Einfluss auf das Mark. In einzelnen Fällen jedoch — wahrscheinlich dann, wenn jene aus den oben erwähnten, allseitig berindeten Hervorragungen entstehen — sendet die solide Markröhre einen kleineren oder grösseren Fortsatz in den Basal- theil der Prolification, wie diess z. B. in dem auf Taf. VI. Fig. 20 dargestellten Querschnitt der Fall ist. An den Verzweigungsstellen beobachtet man eine ähnliche Kreuzung der Fasern, wie im Marke von Usnea oder in der Rinde von Bryopogon. Cladonia furcata ScHREB. Die pfriemenförmigen Thallusenden stimmen in Bezug auf den Faserverlauf, die Lagerung der Gonidien und die Entwickelung — 12 —— der Rindenschicht mit denen von C. stellata uncialis (Taf. VI. Fig. 23 — 25) überein. In der Nähe der Spitze fehlt die Rinde entweder vollständig oder ist doch bloss auf einzelne Stellen der Oberfläche beschränkt. Weiter unten dagegen bildet sie nicht selten auf grössere Strecken eine zusammenhängende, circa 8—20 Mik. dicke Schicht, die sich bei gewissen Varietäten häufig stellenweise ablöst und die bekannten Prolificationen bildet oder auch ganz wegfällt. Bezüglich der letzteren verweise ich auf das bereits Gesagte und auf die Fig. 18—20 auf Taf. VI. C. stellata Scmaer. var. uncialis. Auf Längsschnitten durch die Thal- lusenden (Taf. VI. Fig. 25) treten die grünen Zellen oft erst in beträchtlicher Ent- fernung von der Spitze auf. Man überzeugt sich indessen durch successive Quer- schnitte (Taf. VI. Fig. 23, 24) oder durch Längsansichten ganzer Enden (in Kalı), dass ihre obersten Gruppen, die freilich sehr sparsam auf der Oberfläche zerstreut sind, durchschnittlich nicht über 80—90 Mik. vom Scheitel abstehen. Eine Rın- denschicht kommt erst weiter unten zur Entwickelung; sie erreicht im alten Thallus eine Dicke von 10-—-30 Mik., zeigt übrigens auch hier häufige Unterbre- chungen. (Hiezu Taf. VI. Fig. 26, Längsschnitt durch die Rinde und das Mark). C. turgida EnrnH. Verhält sich im Allgemeinen wie die vorhergehenden. Die stellenweis entwickelte Rindenschicht, die indess erst in einiger Entfernung von der Spitze zum Vorschein kommt (Taf. VII. Fig. 1), gibt der Oberfläche des Thallus ein getüpfeltes Aussehen, indem die gelblichen Rindenschüppchen sich deutlich vom weissen Grunde abzeichnen. C. gracilis L. var. chordalis. Verhält sich im Wesentlichen ebenso. Die Rindenschüppchen treten schon unmittelbar unter der Spitze auf. Eine voll- ständige Umrindung des Thallus habe ich nirgends beobachtet. (Hiezu Taf. VI. Fig. 27, Querschnitt durch den Thallus). C. squamosa Horrm. Ausgezeichnet durch die grosse Zahl der kleinen Schüppchen, womit die jungen 'Thallusenden bekleidet sind (Taf. VII. Fig. 4). Manche derselben sind mehr oder weniger abstehend (Fig. 5, 2), andere den Go- nidiengruppen mützenförmig aufgesetzt. Eine zusammenhängende Rindenschicht kommt nirgends vor. C. rangiferina L. Die Thallusenden zeigen sehr verschiedene Formen. Normal sind sie abgerundet, wie bei den übrigen Cladonien, in nicht gar seltenen Fällen dagegen in eine lange, parallelfaserige Spitze ausgezogen, zuweilen auch breitgedrückt, unregelmässig lappig etc. Die Rindenbildung unterbleibt hier, wie bereits erwähnt, vollständig. Die Gonidien liegen unmittelbar an der Ober- fläche, eingebettet in ein lockeres, lufthaltiges Fasergeflecht, welches durch Ver- ästlung der peripherischen Markfasern entsteht (Taf. VII. Fig. 9, Stück eines Querschnittes durch den Thallus). C. pyxidataL. Ebenfalls durch das vollständige Fehlen einer Rinden- schicht characterisirt. Die 'Thallusoberfläche ist bis an den Rand der Becherchen mit Gonidien und Soredien bedeckt, welche, wie bei vorhergehender Art, in ein lufthaltiges Filzgewebe eingebettet sind. Der Rand selbst besteht aus bogenförmig gegen die Oberfläche verlaufenden, gelblich gefärbten Fasern. Die Soredien be- a sitzen ziemlich dichtfilzige Faserhüllen. (Hiezu Taf. VII. Fig. 7, 8, Längsschnitt durch das Becherchen). C. brachiata Fr. Stimmt mit der vorhergehenden überein. Stereocaulon ScHree. Aus dem körnig schuppigen, aus gonidienführenden Faserknäueln bestehen- den Protothallus erheben sich die strauchartig verzweigten, thallodischen Stiele (Podetien).. Auf Durchschnitten durch die letzteren, besonders deutlich auf Längsschnitten, springt sogleich der Unterschied zwischen dem centralen und dem peripherischen Theil in die Augen. Dieser erscheint als ein verworrenes Geflecht kurzzelliger Fasern, welche in Folge der starken Verdickung ihrer Mem- branen $S—12 Mik. im Durchmesser erreichen; er kann indess nicht als eine eigent- liche Rindenschicht, sondern bloss als eine dem peripherischen Fasergeflecht mancher Cladonien (z. B. C. rangiferina) analoge Bildung betrachtet werden, indem das Gewebe, obgleich ziemlich dichtfilzig, doch durchgehends lufthaltig ist und sowohl in der Nähe der Oberfläche als tiefer im Innern Gonidien enthält. Der centrale Theil dagegen oder das Mark besteht aus vorherrschend longitudinal ver- laufenden, nicht über 2—3 Mik. dicken Fasern, die übrigens ebenfalls ein luft- haltiges, jedoch ziemlich dichtfilziges Gewebe darstellen. Die einzelnen Zellen sind mehr oder weniger langgestreckt; der Inhalt ist daher häufig unterbrochen und vorzugsweise auf die etwas erweiterten Zellenden vertheilt. Wie der Stamm, so verhalten sich auch die Aeste. An der Verzweigungs- stelle beobachtet man häufig, so oft nämlich die Verästlung unterhalb der Spitze stattgefunden hat, eine deutliche Kreuzung der Markfasern,, welche in gleicher Weise, wie bei Usnea, durch die nach unten wachsenden Markfasern des Astes hervorgerufen wird (Taf. VII. Fig. 10.11). Beruht dagegen die Verzweigung auf der Gabelung der Stammspitze, so erscheint auch die Fasermasse des Markes dichotomisch getheilt, und eine Kreuzung findet entweder gar nicht, oder doch nur in der Achsel der Gabelzweige und in weit geringerem Grade statt. Die Gonidien verhalten sich wie bei den meisten vorhergehenden Gattun- gen. Sie finden sich nur im peripherischen Fasergeflecht und bilden hier kleinere oder grössere Gruppen oder Nester, in deren Umgebung das Wachsthum und die Verästlung der Fasern besonders lebhaft zu sein scheint. Ihre Vermehrung be- ruht auf Theilung. Ich habe im Vorhergehenden bloss die anatomischen Verhältnisse berück- sichtigt, um nachträglich die Art und Weise des Wachsthums noch besonders zu betrachten. Die Thallusspitze besteht aus einem äusserst verworrenen Faser- geflecht, das sich vom peripherischen Theil des ältern Thallus nur dadurch unter- scheidet, dass die Fasern hier noch sehr zarte Wandungen besitzen. Im Innern —— 1714 — dieses Faserknäuels, sowohl im mittleren Theil als in der Nähe der Oberfläche, bilden sich zahlreiche Gonidien, zwischen welchen sich die Fasern des Mark- stranges, welcher etwas weiter nach unten deutlich hervortritt, in verschiedenen Richtungen verlieren (Taf. VII. Fig. 10.11). Wie kommt es nun, dass der ältere Thallus bloss im peripherischen Theil Gonidien enthält, während dieselben in der Thallusspitze auch in der Mitte vorkommen? Oder mit andern Worten: wie entsteht im gonidienführenden Fasergeflecht des Scheiteltheils der gonidienlose Markstrang? Nach Allem, was ich hierüber beobachten konnte, bleibt mir nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die im centralen Theil der Thallusspitze, in einer gewissen Entfernung vom Scheitel und von der Oberfläche entstehenden Faseräste sich nicht wie die übrigen in den verschiedensten Richtungen kreuzen und verfilzen, sondern annähernd parallel nach unten verlaufen und zwischen den Fasern des Markstranges endigen; dass hinwiederum diese letztern in entgegen- gesetzter Richtung weiter wachsen und in den terminalen Faserknäuel eindrin- gen. Es entsteht auf diese Weise ein Bündel paralleler Fasern, welches als Fort- setzung des Markstranges nach oben die Gonidien allmälig aus dem mittlern Theil der Thallusenden verdrängt und welches später in Folge seines überwiegenden Dickenwachsthums die Hauptmasse des Thallus bildet. Wenn das Punctum vegetationis des terminalen Faserknäuels sich in zwei theilt, so findet in Folge dessen auch der eben beschriebene Vorgang im Innern desselben in zwei entsprechenden Puncten statt, und es entsteht eine Dichotomie. Der eine der beiden Zweige bleibt indess in seiner Entwickelung meist hinter dem andern zurück. Zu Gunsten dieser Annahme spricht namentlich auch das Verhalten der Ad- ventiväste. Dieselben erscheinen anfänglich als durch und durch verworren-filzige Faserknäuel, die nur unbedeutend nach aussen vorspringen. Erst später ent- stehen im mittleren Theile einzelne parallele Fasern, deren Wachsthumsrichtung wit der Thallusaxe einen rechten Winkel bildet und welche offenbar als die erste Anlage des Markstranges zu betrachten sind. In einem etwas vorgerückteren Stadium ist der letztere, obgleich im Verhältniss zur Dicke des jungen Astes noch sehr dünn, schon deutlich abgegrenzt (Taf. VII. Fig. 10). Diese Fasern und ihre Verästlungen wachsen sowohl nach unten als nach oben; sie erreichen im ersteren Falle bald die Markschicht des Stammes und dringen oft tief in dieselbe ein, so dass man einzelne Faserenden selbst in der Nähe der gegenüberliegenden Seite des Markes bemerkt. Im zweiten Falle dagegen verlieren sie sich im Faser- geflecht des Scheiteltheils und verhalten sich ganz wie die Fasern der Stamm- spitze. Die weitere Entwickelung des Adventivastes stimmt überhaupt mit der des Stammes vollkommen überein. Die Bildung des Markstranges ist jedoch trotz dieser Thatsachen, auf welche sich die gegebene Darstellung stützt, nicht ganz genügend erklärt. Wenn es sich nämlich bestätigt, dass im Wachsthum begriffene Thallusspitzen in der Regel auch in der Mitte Gonidien enthalten, so bleibt es immerhin auffallend, dass keine derselben bei der Entstehung der parallelen Markfasern von diesen letzte- — 175 —— ren eingeschlossen werden und daher ins Innere des Markstranges zu liegen kom- men; dass sie vielmehr ausschliesslich im peripherischen Fasergeflecht sich vor- finden. Um hierüber ganz ins Klare zu kommen, müssen weitere Untersuchun- gen angestellt werden. Die von mir untersuchten Arten St. tomentosum, corallinum und alpinum stimmen in allen wesentlichen Puncten mit einander überein. Lichina Ac. Es lässt sich erwarten, dass diese Gattung, deren Repräsentanten schon durch ihren Standort in der ganzen Classe vereinzelt dastehen, auch in Beziehung auf anatomische Verhältnisse durch mancherlei Eigenthümlichkeiten sich aus- zeichne. Diess ist auch in der That der Fall. Der Thallus besteht in seiner ganzen Dicke — was sonst nur bei den Collemaceen vorkommt — aus einem interstitien- losen Gewebe, das bloss durch die Lagerung der Gonidien und den abweichenden Verlauf der Fasern in einen centralen und einen peripherischen Theil, in Mark und Rinde, geschieden wird (Taf. VII. Fig. 12). Letztere zieht sich in ziemlich gleich- mässiger Dicke rund um den Scheitel herum und erscheint auch hier, wie im ältern Thallus, als ein verworrenes, äusserst kleinzelliges Fasergeflecht, das jedoch zuweilen, wenn nämlich die Zellen sich in tangentiale Reihen ordnen, ein paren- chymatisches Aussehen erhält. Die Markschicht zeigt auf Längsschnitten durch die Enden einen auffallend regelmässigen, orthogonal- trajectorischen Faserver- lauf, der zwar mit zunehmender Entfernung von der Spitze zufolge der Streckung der Zellen beträchtlich gestört, wegen der Dichtigkeit des Gewebes jedoch nie ganz verwischt wird. Im mittleren Theile des Markes, wo die einzelnen Zellen eine Länge von circa 12—15 Mik. erreichen, besteht diese Störung in der An- näherung zum Parallelismus der Fasern, im peripherischen, wo die Streckung in etwas geringerem Grade stattfindet, in der unregelmässigeren Krümmung dersel- ben (Taf. VII. Fig. 14). Die Verschmelzung der Fasern ist eine sehr innige, die Grösse der Zellhöhlungen durchschnittlich beträchtlicher, die Verdickung der Membran geringer als bei den vorhergehenden Gattungen. Die Gonidien entstehen, wie gewöhnlich, unmittelbar unter der Rinde und erscheinen bei schwacher Vergrösserung als eine zusammenhängende blaugrüne Zone; da indess ihre Bildung meist schon in der Krümmung des Scheitels be- ginnt, so bleiben auch im mittleren Theil des Markes einzelne derselben, nämlich die der Thallusaxe zunächst gelegenen, beim Vorrücken des Randes zurück, zu- weilen freilich in sehr geringer Menge und vorzugsweise in der Nähe der eigent- lichen Gonidienzone. e Die Vermehrung der Gonidien geschieht durch Theilung. Ob die erste Scheidewand, durch welche die Mutterzelle in zwei Tochterzellen getheilt wird, in einer durch das Centrum und den Anheftungspunct gelegten Ebene liege, un. en oder ob sie zur Richtung des Stieles rechtwinkelig stehe, konnte ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden, doch glaube ich den ersteren Fall mehrere Male beob- achtet zu haben. Jede der beiden Tochterzellen theilt sich hierauf wieder durch eine Wand, welche mit der zuerst gebildeten annähernd parallel läuft. Indem dieser Process sich öfter wiederholt, entstehen kleinere oder grössere Reihen von Zellen, welche je nach der Richtung der umgebenden Fasern und den Hinder- nissen, die ihrer Verlängerung im Wege stehen, ziemlich geradlinig oder mannig- fach gekrümmt erscheinen (Taf. VII. Fig. 13, 14). Das Letztere ist besonders in der Nähe der Rinde der Fall, wo der Faserverlauf wegen der überwiegenden Masse der Gonidien ziemlich unregelmässig und die Streckung der einzelnen Zel- len nur gering ist. Mit der Bildung der Gonidienketten ist indess der Theilungsprocess noch nicht ganz beendigt. Es treten in den einzelnen Gliedern derselben, nachdem sie sich beträchtlich in die Breite ausgedehnt haben, nicht selten längs oder schief verlaufende Wände auf, wodurch dieselben in 2—3 neben einander liegende Zel- len getheilt werden (Fig. 13 d, f). Die ursprünglichen Glieder der Kette trennen sich sodann häufig in der Weise von einander, dass je zwei auf einander folgende alternirend auf der rechten oder linken Seite sich vollständig von einander ab- lösen, auf der jedesmal gegenüber liegenden aber noch mit einander verbunden bleiben, so dass ihre Theilzellen in eine Zickzacklinie geordnet erscheinen (Fig. 13 c, e). Die Theilung der Gonidien geht im Verhältniss zum Scheitelwachsthum des Thallus sehr rasch von statten. Schon im mittleren Theil der 'Thallusspitze beobachtet man Gonidienketten, die mit ihrem obern Ende den Innenrand der Rinde berühren und doch bereits 10—15 oder selbst eine noch grössere Zahl von Gliedern besitzen, von denen häufig einzelne Paare, die sich durch eine schwä- chere Einschnürung und eine zartere Scheidewand auszeichnen, auf eine eben stattgefundene Theilung schliessen lassen. In der Nähe der Spitze treten übri- gens in sämmtlichen Gonidienketten bloss Querwände auf; ein beträchtlicheres Wachsthum in die Dicke und darauf folgende Längstheilung findet erst im ältern Thallus statt. L. pygmaea und L. confinis stimmen im Wesentlichen, d. h. in Be- ziehung auf die Structur der Thallusschichten und das Verhalten der Gonidien mit einander überein. Die mir zu Gebote stehenden Exemplare der letztern Art waren indess zur Untersuchung weniger geeignet, daher die vorstehenden Mit- theilungen sich vorzugsweise auf L. pygmaea beziehen. Zusammenstellung der Gattungen. Die strauchartigen Flechten sind mit Ausnahme von Hagenia und der Clado. niaceen sämmtlich vollständig umrindet. Die Rinde besteht durchgehends aus einem interstitienlosen Faser geflecht , dessen einzelne Zellen bei stärkerer Verfil- zung der Fasern v erhältnissmässig En z, bei vorherrschend longitudinalem Verlaufe der selben dagegen langgestreckt sind. Das von der Rinde ehren und durch die Lagerung der Gänidien meist deutlich abgegrenzte Markgewebe ist nur bei Lichina ; in seiner ganzen Dicke ee bei allen übrigen Gattungen dagegen wenigstens iheilweise oder auch ganz lockerfilzig. Die Gonidien sind die Endzellen kleiner (meist zweizelliger) Seitensprosse, welche durch Auswachsen der Gliederzellen (nicht der Scheitelzellen) entstehen ; sie vermehren sich durch Theilung in 2, 4, 8 und mehr Zellen, nur bei Roccella durch Ausstülpung. Das Product der Theilung ist bei Lichina eine vielgliederige Gonidienkette, bei allen übrigen Gattungen eine annähernd kugelförmige Gonidiengruppe. Die Gonidien als solche sind keine Fortpflanzungsorgane, sie wachsen nie in Fasern aus; auch in den Soredien kommt das Vermögen zu keimen nicht ihnen, sondern bloss den Fasern zu, welche dieselben umgeben. Gattungen. A. Fasern der Thallusenden unter sich und mit der Thallusaxe parallel. Usneaceae. Usnea. Thallus stielrund. Rinde in der Nähe der Spitze parallelfaserig, weiter unten ein unregelmässiges, verworrenes Filzgewebe. Mark aus einem cen- tralen dichtfilzigen Medullarstrang mit vorherrschend longitudinalem Faser- verlauf und einem peripherischen lockerfilzigen Faser geflecht bestehend. Mit Soredialästen. Bryopogon. Thallus stielrund. Rinde durchgehends parallelfaserig, von ziem- "lich gleichmässiger Dicke. Mark lockerfilzig. Cornieularia. Thallus stielrund. Rinde von sehr ungleichmässiger Dicke, aus vorherrschend longitudinal verlaufenden, in grösserer Entfernung von der Spitze jedoch ziemlich stark verflochtenen Fasern bestehend. Mark locker- filzig, hie und da bis zur Oberfläche vorspringend. B. Fasern der Thallusenden zu einem verworrenen Filzgewebe verflochten oder in vorherrschend orthogonal-trajectorischer Richtung gegen die Oberfläche verlaufend. Ramalineae. Cetraria. Thallus kantig-rundlich oder laubartig. Rinde ein unregelmässiges Filzgewebe, nur die innere Hälfte zuweilen mit vorherrschend longitudina- lem "F aserverlauf und verlängerten Zellen, das kurzzellige Rindengeflecht häufig mit auffallend grossen Zellhöhlungen. Mark lockerfilzig. Nägeli, Beiträge. 1. 12 — 118 0 — Ramalina. Thallus plattgedrückt. Rinde ein verworrenes Filzgewebe, zuweilen mit vorherrschend longitudinalem Faserverlauf, zeitlebens kleinzellig. Mark lockerfilzig, mit zahlreichen, meist mit der Rinde verschmolzenen soliden Strängen. Evernia. Thallus kantig-rundlich oder plattgedrückt. Rinde ein verworrenes, kleinzelliges Fasergeflecht (nur bei E. flavicans parallelfaserig). Mark locker- filzig, mit oder ohne solide Stränge. Hagenia. Thallus blattartig, nur auf der obern Seite und an den Rändern berindet. Rinde von beträchtlicher, aber ungleichmässiger Dicke, aus ver- worren verfilzten Fasern bestehend. Mark lockerfilzig, mit oder ohne solide Stränge. Sphaerophoreae. Sphaerophorus. Thallus stielrund. Jüngere Rinde aus vorherrschend senk- recht gegen die Oberfläche verlaufenden, ältere aus vielfach verästelten, eigenthümlich verfilzten Fasern bestehend. Mark ziemlich dichtfilzig, jedoch ohne solide Stränge, mit vorherrschend longitudinalem Faserverlauf. * * * Roccella. Thallus stielrund. Rinde aus senkrecht gegen die Oberfläche verlau- fenden, büschelig verzweigten Fasern bestehend. Mark ein verworrenes, lockeres Fasergeflecht. — Vermehrung der Gonidien durch Ausstülpung. * “ %* Thamnolia. Thallus walzig- pfriemenförmig. Rinde aus sehr kleinzelligen, vor- herrschend senkrecht gegen die Oberfläche verlaufenden Fasern bestehend. Mark ein solider Hohleylinder mit vorherrschend longitudinalem Faser- verlauf. Cladoniaceae. Cladonia. Zwei Generationen: Thallus und Podetium (Protothallus und Thal- lus); ersterer blattartig oder krustenartig, nur auf der obern Seite berindet, mit lockerfilzigem Marke; letzteres verschiedengestaltig, hohl, mit periphe- rischer Gonidienbildung und bloss stellenweise vorhandener Rindenschicht. Rinde ein verworrenes Filzgewebe, unterhalb der Spitze aus den die Goni- dien überwuchernden Fasern entstehend. Mark solid, mit vorherrschend longitudinalem Faserverlauf. Stereocaulon. Thallus krustenartig, häufig fehlend. Podetium aus einem cen- tralen, ziemlich dichtfilzigen, jedoch nicht soliden Markcylinder bestehend, umgeben von peripherischen Faserknäueln, in welchen die Gonidien liegen. Ohne eigentliche Rinde. * * 2 * Lichina. Thallus stielrund, solid. Rinde ein verworrenes Fasergeflecht, zuweilen von parenchymatischem Aussehen. Mark interstitienlos, mit orthogonal- trajectorischem Faserverlauf. — Mit Gonidienketten. a u Erklärung der Tafeln. Die Figuren wurden mit wenigen Ausnahmen, worunter die Mehrzahl der Gonidiengrup- pen, mittelst der Camera lucida oder dem Sömmering’schen Spiegelchen entworfen und sodann von freier Hand, nöthigenfalls bei stärkerer Vergrösserung, sorgfältig ausgeführt. Die Angabe der Vergrösserung wurde auf den Tafeln weggelassen ; sie ist dafür in der Erklärung den Num- ınern der Figuren in () beigesetzt. Taf. I. Fig. 1—23. Usnea barbata. 1 (515) Querschnitt durch ein Thallusende, ganz nahe der Spitze. Die 6 grünen Zellen sind dicht zwischen die Fasern eingebettet. 2 (258) Ein ähnlicher Querschnitt, ebenfalls mit 6 paarweise zwischen den Fasern liegenden grünen Zellen. Die Lumina der quergeschnittenen Fasern sind hier dunkel gezeichnet, die Wandungen hell gelassen. 3 (515) Stück eines Querschnittes durch ein Thallusende von eirca 100 Mik. Dicke. Die Rinden- fasern verlaufen hier noch mit der Thallusaxe parallel, sind daher sämmtlich quer- geschnitten ; ihre Wandungen sind jedoch bereits stark verdickt. Der Medullarstrang besteht aus circa 70 Fasern. 4 (258) Querschnitt durch ein Thallusende, nicht weit unterhalb der Spitze. Der Raum zwi- schen Medullarstrang und Rinde wird vom lockeren Markgeflecht ausgefüllt, in wel- chem die Gonidien liegen. 5 (515) Längsschnitt durch die Mitte der Thallusspitze. Die Zeichnung wurde mit der Camera lueida entworfen und hierauf nach Zusatz von Kali ausgeführt. Die obersten Gonidien, 7 auf der rechten, 5 auf der linken Seite, waren luftdicht zwischen die Fasern ein- gebettet. Mark- und Rindenfasern schliessen sich über denselben zusammen. 6 (515) Ein Stück Rinde in der Nähe der Spitze, von der Fläche gesehen, nach Zusatz von Jod- tinetur. Der longidutinale Verlauf der Rindenfasern tritt zwar noch deutlich hervor; ihre einzelnen Zellen sind indess bereits in lebhafter Verästlung begriffen. 7 (515) Drei Rindenfasern zunächst der Spitze, nach Zusatz von Jodtinctur. Die Verästlung der einzelnen Zellen hat noch nicht begonnen. $ (e.900) Zwei Rindenfasern, deren Zellen sich zu verästeln beginnen, in Jodlösung. Es wurde bloss der gefärbte Inhalt gezeichnet. 9 (515) Querschnitt durch die ältere Rinde, mit Jodtinctur behandelt. Die vielfach verästelten Rindenfasern bilden ein verworrenes Filzgewebe. Einzelne Fasern lassen sich vor- zugsweise in radialer Richtung eine Strecke weit verfolgen. 10 (50) Querschnitt durch die Rinde eines dicken Stammes mit zahlreichen warzenförmigen Auswüchsen. 11 (370) Querschnitt durch die Rinde des nämlichen Stammes, mit Jodtinetur behandelt. Der peripherische Theil sticht von dem tieferliegenden, wo die Lebensthätigkeit in man- chen Fasern bereits erloschen ist, auffallend ab und zeigt einen vorherrschend radialen Faserverlauf (zuweilen in noch höherem Grade, als es in der Zeichnung dargestellt ist). 11b (c.500) Einzelne Fasern des peripherischen Theils, zunächst der Oberfläche. 2” nn 12 (515) Tangentialschnitt durch den peripherischen Theil der Rinde des nämlichen Stammes. Die meisten Fasern sind quergeschnitten. 13 (185) Querschnitt durch die Rinde und zwei papillenförmige Auswüchse derselben. In Kali. 14 (255) Querschnitt durch die Rinde eines circa 2 Millm. dicken Stammes, mit auffallend grossen Zellhöhlungen. Hie und da beobachtet man einzelne successive Zellen einer Faser, durch eine dünne Scheidewand von einander getrennt. Um die Contur des Zell- lumens zieht sich constant ein heller Ring, welcher der innersten Schicht der Zell- membran entspricht. 15—16 (600) Zwei Gonidien mit ölartigen Tropfen im Inhalt, nach Zusatz von Salpetersäure und Jodtinetur. Der Inhalt hat sich stark zusammengezogen und die Tropfen springen halbkugelig nach aussen vor. 17 (700) Ein isolirtes Gonidium, durch eine zarte Scheidewand in zwei Zellen getheilt. 18 (700) Ein zweigetheiltes Gonidium, noch am Stiele befestigt. In a liegen die beiden Theil- zellen neben einander, in 5 über einander. 19 (700) Ein isolirtes Gonidium, das sich in 4 tetraedrisch gestellte Zellen getheilt hat, in zwei verschiedenen Lagen. a Drei Zellen sind zugekehrt, die vierte ist abgekehrt. 5 Alle 4 Zellen sind wenigstens zum Theil sichtbar; die beiden rechts und links liegenden stossen in der Mitte der abgekehrten Fläche zusammen. 00) Ein ähnliches Gonidium, mit Jodtinctur behandelt. 00) Ein ähnliches Gonidium, mit halbkugelig nach aussen vorspringenden Theilzellen, wovon 3 zugekehrt, die 4. abgekehrt. 22 (700) Eine Gruppe von $ Theilzellen in 4 verschiedenen Lagen, mit Jodtinetur behandelt. a Eine pentagonale Zelle, umgeben von 5 andern, ist genau zugekehrt; die zwei übri- gen liegen auf der abgekehrten Seite. 5 Etwas gedreht, sodass sämmtliche $ Zellen gleichzeitig gesehen werden. ce Noch mehr gedreht. Unter jeder der 3 grössern, ein Dreieck bildenden Zellen liegt eine andere. d Eine Lage, in welcher man ebenfalls, wie in 5, alle S Zellen gleichzeitig sieht. 23 (700) Eine ähnliche Gruppe in 3 verschiedenen Lagen. a und 5 zeigen die nämliche Anord- nung, wie a und e in vorhergehender Figur. e Eine Lage, welche der in Fig. 19, b dar- gestellten entspricht. Andere Scheidewände waren hier, weil zu schief stehend, nicht sichtbar. Taf. I. Fig. 1—25. Usnea barbata. 1 (ce. 600) Eine Gonidiengruppe von 8 Zellen in 3 verschiedenen Lagen, nach Zusatz von Jod- tinctur. Die Stielzelle hat sich bereits zu verzweigen angefangen. 2 (c. 700) Eine ähnliche Gruppe mit weiter vorgeschrittener Verzweigung der Stielzelle. Die zwei Zellen rechts waren ursprünglich nach unten umgeschlagen und mit den 3 Zellen links in Berührung. 3 (c. 700) Eine Gruppe von Zellen, theilweise schon getrennt. Ein kleines Anhängsel in der Mitte bezeichnet die Anheftungsstelle des Stieles. 4 (c. 600) Eine Gruppe von 5 in einer Ebene liegenden Gonidien, wie man sie häufig beob- achtet. Sie gehen aus 8- (oder mehr-) zelligen Gruppen durch theilweise Trennung der Theilzellen hervor. 5 (c. 500) Eine Gruppe von 6 sphärischen in einer Ebene liegenden Zellen, auf dieselbe Weise entstanden. 6 (c. 600) Ein Soredium bei mittlerer Einstellung. Die grüne Zelle wird von einer dichtfilzigen Faserhülle umschlossen. 7 (600) Ein Soredium, dessen grüne Zelle sich wieder getheilt hat. 8 (600) Eine Sorediengruppe, aus einem einfachen Soredium (Fig. 7) dadurch entstanden, dass die Verästlungen der umhüllenden Fasermasse zwischen die $ Theilzellen eindrangen., 9 (500) Ein in $ Zellen getheiltes Gonidium in zwei verschiedenen Lagen. In a erscheinen von den sichtbaren Scheidewänden 3 als gerade Linien, die unter ungefähr gleichen Re Winkeln von einem mittleren Puncte ausgehen (vgl. Taf. I. Fig. 19 a) ; die übrigen 3, sehr wahrscheinlich die später gebildeten, sind wegen der etwas schiefen Lage weniger deutlich und verlaufen von einem Puncte der erstern scheinbar bogenförmig gegen die Peripherie. In 5 ist eine pentagonale Zelle, umgeben von 5 anderen, zugekehrt. 10 (800) Ein ähnliches Gonidium in zwei entsprechenden Lagen a und 5. In a sind ausser den 3 ältern Scheidewänden , welche in der Mitte der zugekehrten Seite zusammenstossen, bloss noch 2 andere sichtbar. Die dritte war entweder noch gar nicht gebildet oder hatte eine andere Lage, als in Fig. 9 «a. 11 (700) Ein Gonidium, das sich ausnahmsweise bloss in 6 Zellen, 3 grössere und 3 kleinere getheilt hat, mit Jodtinetur behandelt. 12 (700) Ein Gonidium, das sich ausnahmsweise in viele Zellen getheilt hat, mit Jodtinctur behandelt. 13 (700) Ein Gonidium, das sich in 9 Zellen getheilt hat, etwas platt gedrückt. a von der Seite, b von der Fläche gesehen. In 5 sind 6 Zellen um eine centrale gelagert. 14 (700) Ein Gonidium, bei welchem die Theilung in 4 Zellen ausnahmsweise durch rechtwin- kelig sich kreuzende Scheidewände erfolgte. « Seitenansicht, D Flächenansicht. Ein einziges Mal beobachtet. 15 Schematische Darstellung des normalen Verlaufes der Scheidewände auf der Oberfläche eines in 8 Zellen getheilten Gonidiums. Das gebildete Netz — auf der abgekehrten Seite durch punctirte Linien angedeutet — besteht aus 4 Fünfecken und 4 Vierecken; ein Fünfeck liegt auf der abgekehrten Seite, ein zweites in der Mitte der zugekehrten, die beiden übrigen symmetrisch rechts und links, etwas nach oben. Die Fünfecke bilden hier eine zusammenhängende Zone auf der Kugeloberfläche; zu beiden Seiten der- selben (oben und unten) liegen paarweise beisammen die Vierecke. 16 (20) Längsschnitt durch einen dichotomisch verzweigten Thallus. An der Verzweigungsstelle findet nur eine sehr schwache, kaum bemerkliche Kreuzung der Markfasern statt. Auf der rechten Seite befindet sich ein junger Soredialast, der mit dem Medullarstrang des Stammes noch nicht in Verbindung steht. 17 (100) Längsschnitt durch den Thallus und einen jungen Adventivast. In letzterem haben sich bereits Gonidien gebildet. 18 (20) Längsschnitt durch den Thallus und den Basaltheil eines ältern Adventivastes. Der Markstrang des letztern hat sich mit dem des Stammes in Verbindung gesetzt. Eine Kreuzung der Fasern findet hier, weil der Verzweigungswinkel ein spitzer ist, in ge- ringerem Grade statt, als bei horizontal abstehenden Aesten. — Auf der rechten Seite liegt ein ganz junger Soredialast zwischen den beiden Schnittflächen. 19 (40) Längsschnitt durch den Thallus und die Basis eines ältern Soredialastes. Der Medullar- strang des letztern hat sich in der angedeuteten Weise mit dem des Stammes in Ver- bindung gesetzt. 20 (40) Ein ähnlicher Längsschnitt durch die Basis eines etwas jüngern Soredialastes, dessen Medullarstrang denjenigen des Stammes noch nicht erreicht hat. 21 (15) Längsschnitt durch den Basaltheil des Stammes und die Unterlage. Der Medullar- strang theilt sich in eine grosse Zahl kleiner Faserbündel, welche sich auf der Unter- lage (hier auf einer Borkenschuppe) ausbreiten und von denen eines auf der rechten Seite durch eine Schicht von Korkzellen in das darunter liegende Rindenparenchym eingedrungen ist. . 22 (500) Einzelne Faserzellen aus dem Medullarstrang, mit Jod behandelt: ain der Nähe der Spitze, bed nach stattgefundener Streckung in Folge des Längenwachsthums. In ce sind die einander zugekehrten Enden der Zellen durch Copulation mit einer benach- barten Faser verbunden. In d trägt eine der Zellen ein Stück eines Astes. 23 (500) Ein Soredium, welches bereits einen deutlichen Scheitel gebildet hat. 24 (500) Ein etwas weiter entwickeltes Soredium mit zahlreichen Gonidien. 25 (30) Längsschnitt durch einen mehrfach verzweigten Thallus. Die eigentliche Spitze ist nach links gebogen und die scheinbar direete Fortsetzung des Thallus erweist sich — 12 —— zufolge des Faserverlaufes als ein Adventivast, der sich nicht weit über; der Basis in zwei Gabeläste theilt, von denen der eine in gleicher Höhe zwei Adventiväste trägt. Taf. Iil. Fig. 1— 15. Bryopogon jubatus L. 1 (255) Querschnitt durch ein Thallusende, ganz nahe der Spitze. 2 (50) Querschnitt durch den ältern Thallus. 3 (700) Ein in 9 Zellen getheiltes Gonidium in 4 verschiedenen Lagen. In a und 5 sieht man die nämlichen 7 Zellen: in e wird die unterste der mittleren Reihe von der centralen in a bedeckt. deine Lage, welche wahrscheinlich der auf Taf. II. Fig. 195 dargestellten entspricht und nur die ältern Scheidewände deutlich zeigt. 4—6 (500) Gruppen von je 8 grünen Zellen, durch Theilung aus einem einzigen Gonidium ent- standen, Die Theilzellen haben sich entweder von selbst oder in Folge äusserer Ein- wirkung in eine Ebene gelegt. 7 (700) Ein in 4 Zellen getheiltes Gonidium mit der Anheftungsstelle des Stieles. 8 (700) Ein in 4 Zellen getheiltes Gonidium, noch am Stiele befestigt, der hier ausnahmsweise zweizellig ist. Die Zellen links decken einander. 9 (700) Eine Gruppe von 5 grünen Zellen (die übrigen sind weggefallen), mit verästelter Stiel- zelle. (Mit Jodtinctur behandelt und wieder entfärbt). 10 (700) Eine ähnliche Gruppe von 8 Zellen. Die Verästlung der Stielzelle hat kaum begonnen. 11—12 (c. 700) Faserzellen aus der Rinde, durch Copulation mit einander verbunden, nach Zu- satz von Jodtinctur. Es wurde bloss der gefärbte Inhalt gezeichnet. 13 (500) Zwei verästelte Fasern aus dem oberflächlichen (kurzzelligen) Theil der Rinde, mit Jodtinctur behandelt. Die Umrisse der Membran sind auch hier weggelassen. 14 (80) Längsschnitt durch eine Verzweigungsstelle. Auf der linken Seite geht der Schnitt bloss durch die Rindenschicht: man sieht die Gonidien durchschimmern. In der Achsel findet eine Kreuzung der Fasern statt. 15 (80) Längsschnitt durch die Rinde in der Achsel zweier Gabeläste. Der Verzweigungs- winkel ist hier noch stumpfer als in Fig. 14, die Kreuzung der Fasern daher weniger bemerkbar. Fig. 16— 25. Bryopogon ochroleucus EHrn. 16 (50) Querschnitt durch ein Thallusende, in der Nähe der Spitze. 17 (21) Querschnitt durch den ältern Thallus. 18 (600) Ein in $ Zellen (wovon 7 sichtbar) getheiltes Gonidium, mit Jodtinetur behandelt. Die Verästlung der Stielzelle hat begonnen; man sieht zwei Faserenden zwischen der Zelle links und der centralen. 19 (600) Eine ähnliche Gruppe von 8 Zellen (wovon 7 sichtbar) , mit etwas stärker verästelter Stielzelle, in zwei verschiedenen Lagen « und 5. Die tiefer liegenden Zellen sind dunkler gezeichnet. 20 (515) Eine Gonidiengruppe von 16 Zellen, von zahlreichen, durch Verästlung der Stielzelle entstandenen Fasern durchflochten, mit Jodtinctur behandelt. 21 (600) Eine Gonidiengruppe von 6 Zellen (zwei sind weggefallen), mit verästelter Stielzelle, nach Zusatz von Jodtinctur. 22 (370) Längsschnitt durch die Rinde, mit Jodtinetur behandelt. Die gelben Körperchen sind in grössern oder kleinern Gruppen im Gewebe zerstreut. 23—24 (500) Zwei Faserstücke aus der ältern Rinde, von denen jedes einen Ast trägt. Die En- den der Zellen sind gabelig getheilt und bilden kleine geschlossene Figuren. In Fig. 23 ist das asttragende Ende des Gabelzweigs durch eine Scheidewand von der Mutterzelle getrennt. 25 (515) Querschnitt durch die Rinde. Die gelben Körperchen bilden auf dickern Schnitten ebenfalls grössere oder kleinere Anhäufungen; auf dünneren, wie der gezeichnete, um- geben sie stellenweise die einzelnen Fasern, deren Producte sie sind. ei Fig. 26—28. Bryopogon sarmentosus Ach. 26 (2) Ein Stück des Thallus mit in der Mitte durchbrochener Verzweigungsstelle. 27—28 (500) Faserzellen aus der ältern Rinde, durch Copulation mit einander verbunden, nach Zusatz von Jodtinctur. Die Conturen der Membran wurden nicht gezeichnet. Fig. 29. Bryopogon luteolus (Ceratoclada luteola DELISE). 29 (2) Ein eigenthümlich verästeltes Thallusstück. Die beiden nach unten gekehrten Aeste sind durch einen kleineren quer verlaufenden dritten, der selbst wieder verästelt ist, mit einander verbunden. Fig. 30— 33. Cornicularia tristis We». 30 (100) Querschnitt durch ein Thallusende, ganz nahe der Spitze, mit 2—3 im Centrum lie- genden, dicht zwischen die Fasern eingebetteten Gonidien. 31 (150) Querschnitt durch ein anderes Thallusende. Die Gonidien erscheinen hier in 3 Punc- ten; sie sind ebenfalls dicht zwischen die Fasern eingebettet. 32 (100) Querschnitt durch ein anderes Thallusende, mit lockerfilzigem Markgewebe. 33 (100) Querschnitt durch den alten Thallus. Das lockere Markgewebe springt in zwei Puncten fast bis zur Oberfläche vor. Taf. IV. Fig. 1—6. Parmelia fahlunensis y tristis ScHAER. 1 (100) Querschnitt durch den strauchartigen Thallus. Die Gonidien liegen auf der Lichtseite, wie bei laubartigen Formen. 2 (100) Querschnitt durch einen stielrunden Thalluszweig, ebenfalls mit einseitiger Lagerung der Gonidien. 3 (60) Querschnitt durch einen andern stielrunden Thalluszweig. Das lockerfilzige Mark- gewebe zeigt sehr unregelmässige Conturen. 4 (515) Durchschnitt durch die obere Rinde eines laubartigen Lagers, nach Zusatz von Jod- tinctur. Der ganz oberflächliche Theil ist ausgebleicht. 5 (60) Querschnitt durch ein strauchartiges Lager, dessen lockeres, gonidienführendes Mark- geflecht an drei Stellen bis zur Oberfläche vorspringt. 6 (70) Querschnitt durch den laubartigen Thallus. Gonidien nur auf der obern Seite. Fig. 7. Cornicularia tristis WE». 7 (370) Längsschnitt durch die Rinde, nach Zusatz von Jodtinctur. Fig. 8— 9. Cetraria aculeata EnHkn. 8 (30) Querschnitt durch den Thallus. Der innere, parallelfaserige Theil der Rindenschicht erscheint etwas dunkler, als der äussere. : 9 (515) Längsschnitt durch die Rinde, mit Jodtinetur behandelt. In der innern Hälfte des peripherischen Theils sind die Zellhöhlungen auffallend erweitert. Fig. 10 —11. Cetraria islandica L. 10 (258) Querschnitt durch ein Thallusende, nicht weit von der Spitze. 11 (500) Ein Thallusende, das in eine farblose, ziemlich parallelfaserige Spitze ausläuft, nach Zusatz von Kalilösung. Fig. 12. Cetraria straminea KrEuPrELH. 12 (515) Querschnitt durch die obere Rinde. Der ganz oberflächliche Theil ist ausgebleicht und scheinbar structurlos. Unter demselben liegt ein kleinzelliges Gewebe mit ein- gebetteten gelben Körperchen, die auf dickeren Schnitten als ein gelbes Band erschei- ee nen. Zunächst dem Marke endlich finden sich die grossen Zellen, welche in der ältern Rinde constant vorkommen. Fig. 13—15. Evernia vulpina L. i3 (30) Querschnitt durch einen Thallus mit mehreren soliden Marksträngen. 14 (370) Längsschnitt durch die Rinde und einen damit verschmolzenen Markstrang. Der Mark- strang ist parallelfaserig, die Rinde ein verworrenes Filzgewebe. 15 (30) Querschnitt durch einen Thallus mit einem einzigen soliden Markstrang. Fig. 16— 17. Evernia flavicans Sw. 16—17 (50) Querschnitte durch den ältern Thallus. Taf. V. Fig. 1. Evernia vulpina L. 1 (370) Längsschnitt durch die Thallusspitze, in Kalilösung erhitzt. Der Schnitt geht nicht genau durch die Mitte, daher sieht man den Scheiteltheil von aussen. Fig. 2—5. Evernia furfuracea L. 2 (500) Durchschnitt durch die untere Rinde. 3 (180) Durchschnitt durch zwei Prolificationen der obern Rinde. Die Fasern verlaufen senk- recht gegen die Oberfläche. 4 (80) Durchschnitt durch den Thallusrand. Gonidien nur auf der obern Seite. 5 (300) Scheiteltheil der vorhergehenden Figur, stärker vergrössert. Fig. 6. Evernia divaricata L. 6 (600) Gonidiengruppe mit verästeltem Stiel, mit Jodtinctur behandelt. Die nämliche Faser trägt ausserdem ein ungetheiltes Gonidium mit einzelligem Stiel. Fig. 7—5S. Ramalina farinacea L. 7 (36) Querschnitt durch den Thallus. Die soliden Markstränge sind mit der Rinde ver- schmolzen. 8 (100) Längsschnitt durch die Rinde und einen damit verschmolzenen Markstrang. Fig. 9— 11. Ramalina calicaris L. 9 (70) Querschnitt durch den Thallus in der Nähe der Spitze. Das Mark ist durchgehends lockerfilzig. 10 (100) Längsschnitt durch die Thallusspitze, senkrecht zum grössern Querdurchmesser geführt. 11 (515) Längsschnitt durch die Rinde, nach Zusatz von Jodtinctur. Fig. 12—13. Hagenia ciliaris L. 12 (50) Querschnitt durch den Thallus. 13 (150) Längsschnitt durch die Thallusspitze, parallel mit der Oberfläche geführt. Der Schnitt geht durch die dichtfilzige Rindenschicht und streift in der Mitte das gonidienführende Markgewebe. Fig. 14. Sphaerophorus fragilis L. 14 (300) Längsschnitt durch die jüngere Rinde und den peripherischen Theil des Markes, mit Jodtinctur behandelt. Fig. 15— 16. Sphaerophorus coralloides Pers. 15 (260) Tangentialschnitt durch die ältere Rinde, nach Zusatz von Jodtincetur. Die meisten Fasern sind quer geschnitten, nur wenige verlaufen in der Ebene des Schnittes. 16 (180) Längsschnitt (Radialschnitt) durch die Rinde eines circa 1 Millm. dicken Stammes, die Verzweigung der Rindenfasern darstellend, nach Zusatz von Jodtinctur. Kleinere — 185 —— Faserstücke sind in der Zeichnung weggelassen. Wo eine Kreuzung der Fasern statt- findet, liegt selbstverständlich die eine höher, die andere tiefer. Taf. VI. Fig. 1. Sphaerophorus fragilis L. 1 (140) Längsschnitt durch ein pseudodichotomisch verzweigtes Thallusende. Fig. 2— 17. Roccella tinctoria DC. 2 (370) Längsschnitt durch die Mitte der Thallusspitze. 3—5 (500) Einzelne verästelte Rindenfasern, durch Zerdrücken der Rinde isolirt, in Fig. 3 und 5 mit Gonidien. In Fig. 4 sind zwei neben einander liegende Faseräste durch Copulation mit einander verbunden. AR 6 (500) Eine verästelte Rindenfaser nach Zusatz von Jodtinetur. 7—9 (600) Einzelne noch am Stiele befestigte Gonidien, mit Jodtinetur behandelt. In Fig. $ ist der Stiel einzellig; gewöhnlich wird er, wie in Fig. 7 und 9, von einer Ausstülpung der Faserzelle gebildet. 10—16 (600) Einzelne Gonidien, die sich durch Ausstülpung vermehrt haben. Die Tochter- zellen bilden mit der Mutterzelle verschieden gestaltete Gruppen. 17 (30) Längsschnitt durch ein Thallusende. Fig. 18— 20. Cladonia furcata. 18 (50) Querschnitt durch das Podetium und eine allseitig umrindete Prolification. Das Gewebe im Innern dieser letztern ist lockerfilzig. 19 (30) Querschnitt durch das Podetium und ein vertical stehendes Schüppchen. Letzteres ist durch Ablösung der Rinde entstanden. 20 (30) Querschnitt durch eine auf beiden Seiten berindete Prolification und den entsprechen- den Theil des Podetiums. Fig. 21. 22. Thamnolia vermicularis Acn. 21 (170) Längsschnitt durch die Thallusspitze. Die Rindenfasern verlaufen vorherrschend senk- recht zur Oberfläche. 22 (50) Längsschnitt durch ein Thallusende. Fig. 23— 26. Cladonia stellata uncialis Sch. 23 (80) Querschnitt durch das Podetium, nicht weit von der Spitze. Das Gewebe ist durch und durch dicht und gonidienlos. 24 (100) Ein ähnlicher Querschnitt mit 3 kleinen Gonidiengruppen, welche in ein lockerfilziges peripherisches Fasergeflecht eingebettet sind. 25 (180) Längsschnitt durch die Spitze eines Podetiums. Auf der rechten Seite bemerkt man kleine Gonidiengruppen im peripherischen Fasergeflecht. 26 (300) Längsschnitt durch die Rinde und das Mark, mit Jodtinctur behandelt. Fig. 27. Cladonia gracilis L. var. chordalis. 27 (50) Querschnitt durch das Podetium. Der Schnitt geht durch drei Rindenschüppchen, unter welchen die Gonidien liegen. Taf. VI. Fig. 1. Cladonia turgida Enkn. 1 (50) Längsschnitt durch die Spitze des Podetiums. Der Scheiteltheil ist rindenlos und ohne Gonidien. Fig. 2—5. Cladonia squamosa Horrm. 2 (80) Durchschnitt durch ein horizontal abstehendes Blättchen und den entsprechenden Theil des Podetiums. — 186 —— 3 (180) Durchschnitt durch ein junges Rindenschüppchen, das dem peripherischen Fasergeflecht aufsitzt. Unter demselben liegen zahlreiche Gonidien. 4 (80) Durchschnitt durch die Spitze des Podetiums, mit zahlreichen Rindenschüppchen. 5 (50) Durchschnitt durch zwei Rindenschüppchen und den entsprechenden Theil des Pode- tiums. Die Schüppchen beginnen sich aufzurichten. Fig. 6. Cladonia furcata. 6 (25) Durchschnitt durch den Protothallus (Thallus) und den Basaltheil des Podetiums. Letz- teres steht mit der Unterlage in unmittelbarer Verbindung. Fig. 7 — 58. Cladonia pyxidata L. 7 (30) Längsschnitt durch das Becherchen. 5 (100) Eines der beiden Hörner des vorhergehenden Längsschnittes stärker vergrössert. Fig. 9. Cladonia rangiferina L. 9 (270) Stück eines Querschnittes durch das Podetium. Die Gonidien sind in das peripheri- sche Fasergeflecht eingebettet. Fig. 10 — 11. Stereocaulon tomentosum Fr. 10 (60) Längsschnitt durch den Thallus und einen jungen Adventivast. Die Markfasern des Astes kreuzen sich mit denen des Stammes. * 11 (50) Längsschnitt durch den Thallus und einen etwas weiter entwickelten Adventivast. Fig. 12—14. Lichina pygmaea. 12 (100) Längsschnitt durch ein Thallusende. Die Markfasern verlaufen bogenförmig nach aussen. Einzelne Gonidienketten kommen auch im mittlern Theile des Markes vor. 13 (500) Isolirte Gonidienketten in verschiedenen Stadien der Entwickelung. a, d einfache Ket- ten; f Kette mit einer längs getheilten Gliederzelle; c, d, e Gonidienketten, bei wel- chen einzelne Glieder durch Längswände in 2—3 Zellen getheilt erscheinen. 14 (250) Längsschnitt durch die Rinde und einen Theil des Markes. 15 Schematische Darstellung des orthogonal-trajectorischen Faserverlaufes. Die Curven haben die Eigenschaft, dass sie einen Halbkreis zax, welcher in der angedeuteten Weise allmälig vorrückt, bis der Punct a mit dem Punct g zusammenfällt, in jeder beliebigen Lage rechtwinkelig schneiden. Ueber das angebliche Vorkommen von gelöster oder formloser Stärke bei Ornithogalum. Im Jahre 1857 (Bot. Zeit. pag. 420) machte Sanio bekannt, er habe in den Epidermiszellen von Gagea Stärke als Lösung gefunden. Denn in dem homoge- nen Inhalte bewirkte Jodlösung einen fein flockigen sich blau färbenden Nieder- schlag, dessen Ton vom reinsten Blau bis zu Violett schwankte. Gagea pratensis zeigte diese Erscheinung nicht, wohl aber einmal Ficaria ranunculoides. Schenk, durch diese Mittheilung veranlasst, gab eine Notiz über seine im Jahre 1851 in gleicher Richtung gemachten Beobachtungen (Bot. Zeit. 1857, pag. 497). Er hatte das Vorkommen von Stärkelösung in den Epidermiszellen des Stengels, der Blätter, Bracteen, Perigonblätter und des Fruchtknotens von Ornithogalum nutans constatirt. Jodtinctur färbte den dickflüssigen, homogenen Inhalt zuerst weinroth, dann violett, endlich schön indigoblau, wobei derselbe feinkörnig und flockig wurde. Später beobachtete er die gleiche Erscheinung an O. longebracteatum, nicht aber an einigen andern Arten. Im gleichen Jahr (Bot. Zeit. 1857, pag. 555) gab Schenk eine theilweise Berichtigung. Er sah eine blaue und violette Färbung auch bei mehreren andern Ornithogalumarten nach längerer Dauer der Einwirkung eintreten, hielt aber die gefärbte Substanz nicht mehr für Stärke, sondern für einen derselben zunächst verwandten Körper der Stärkereihe. Den Grund hiefür fand er in dem Umstand, dass die blaue Färbung durch Wasser vollständig entfärbt werde. Die Jodver- bindung der Stärke soll nach Schenk in Wasser ihre Farbe nicht verlieren, wie er sich neuerdings durch eine Reihe von Versuchen überzeugt habe. — Diess ist unrichtig. Jede Form von Stärke (Körner, Kleister und die sogenannte Lösung) wird durch Wasser vollständig entfärbt. Da aber die Stärke viel Jod einzulagern vermag, so dauert es oft sehr lange, bis die Wirkung erreicht ist. „ Für schwarz- blaue Stärkekörner braucht es Tage, für hellblaue nur %, bis 1%, Stunden. Uebri- gens hängt es nicht bloss von der Menge des eingelagerten Jod, sondern auch von der Menge des Wassers, die man anwendet, und von der Grösse der freien Wasser- oberfläche ab. Wie es scheint, geht das Jod fast ausschliesslich durch Verdun- —— 188° —— stung verloren. Das Wasser vermag der Jodstärke eine äusserst geringe Menge von Jod zu entziehen, nicht aber dieselbe gegenüber der Verdunstung festzuhal- ten; und so wird nach und nach der ganze Jodgehalt ausgezogen. Der Umstand, dass der blau oder violett gewordene Inhalt der Epidermiszellen durch Wasser wieder entfärbt wurde, konnte also nicht beweisen , dass nicht Stärke sondern ein anderer verwandter Stoff der Stärkereihe vorhanden sei. Im Jahre 1858 bestätigte Trecul die Anwesenheit von amorphem Amylum in den Epidermiszellen der Frucht von Ornithogalum pyrenaicum vor der vollstän- digen Reife (Bulletin de la societe botanique de France 1858, p. 711). Von diesen Thatsachen hatte ich während des Druckes meines Werkes über die Stärkekörner noch keine Kenntniss. Ich habe dort angegeben, dass der durch Jod und Wasser sich bläuende Stoff, den ich Granulose nannte, nur in den Stärkekörnern und in den Zellmembranen vorkomme, und zwar an beiden Orten gemischt mit Cellulose. Eine Ausnahme schienen jedoch mehrere Samen zu ma- chen, welche in Wasser zerdrückt einen löslichen oder äusserst fein zertheilbaren Stoff an dasselbe abgaben, der mit Jod eine blaue, violette oder rothe Flüssigkeit lieferte. Andere Angaben über sogenannte formlose Stärke hatten sich als un- richtig oder im höchsten Grade zweifelhaft erwiesen. Die Mittheilungen von Schenk und Sanio veranlassten mich um so eher zu einer Wiederholung ihrer Beobachtungen , weil ich auch über die Frage, ob die Stärke als solche löslich oder nur im äussersten Grade vertheilbar sei, nicht zu einem sichern Abschluss hatte kommen können. Zur Untersuchung standen mir nur Ornithogalum umbellatum Lin., O. comosum Lin. und O. sulphureum Röm. et ScHULT. zu Gebot. Davon zeigte sich bloss die erste Art geeignet; die zweite gab mit Jod keine blaue oder violette Färbung; die dritte zeigte zwar diese Reaction, aber höchst unbeständig und unsicher. Es wurden daher für die Untersuchung fast ausschliesslich die Epidermis- zellen der jungen noch grünen Samenkapseln von O. umbellatum benutzt. Die- selben enthalten einen zarten Zellenkern, einen körnigen dunkeln Ballen von rundlicher oder ovaler Form und eine geringe Menge von Protoplasma, welches vorzüglich als Fäden in dem Zellenlumen vertheilt ist. Der übrige Inhalt ist ho- mogen oder zart- und feinkörnig. In den grossen Spaltöffnungszellen befinden sich Amylumkörner und etwas Protoplasma. Die Beobachtung gab folgende Resultate. 1. Wässerige Jodlösung und Jod in Jodkalium färben den flüssigen Zellen- inhalt blau - violett oder schmutzig- blau. Jodtinctur bringt diese Wirkung nicht hervor. Ein Präparat, das mit Jodtinctur behandelt worden, erhält auch durch Jodkaliumjod jene Färbung nicht mehr. Ein Präparat, das ganz kurze Zeit in Alcohol gelegen hat, und unmittelbar oder erst nach dem Auswaschen in wäs- serige Jodlösung oder in Jodkaliumjod gebracht wird, färbt sich ebenfalls nicht blau oder violett. — Daraus scheint hervorzugehen, dass Weingeist die Substanz verändert. Indessen stimmen mit meinen Beobachtungen weder diejenigen von Sanio noch von Schenk überein. Ersterer sah die Epidermiszellen schön violett * — 189 0 —— werden, nachdem er sie mit Alcohol, dann mit Chlorzinkjod behandelt hatte; letzterer brachte die Färbung durch Jodtinctur hervor. 2. Die Fähigkeit, sich mit Jod blau oder violett zu färben, geht für die Epi- dermiszellen auch verloren, wenn dieselben bis zur Siedhitze oder zu einer Tem- peratur, welche die Stärkekörner der Spaltöffnungszellen in Kleister verwandelt, erwärmt werden. 3. Den gleichen Effect wie Weingeist und erhöhte Temperatur hat auch die Salpetersäure, und zwar schon in einer Verdünnung, welche die Stärkekörner in den Spaltöffnungszellen noch nicht zu Kleister aufquellen macht. Wenn die Einwirkung der genannten Mittel schwächer ist, so sieht man oft noch sehr schwache Andeutungen von violetter Färbung. 4. An einem Stück abgelöster Epidermis werden immer die unverletzten Zellen blau oder violett gefärbt. Alle diejenigen aber, welche verletzt oder ent- zweigeschnitten wurden, bleiben farblos, man mag das Präparat zuvor in Wasser legen oder unmittelbar mit verdünnter wässeriger oder Jodkaliumjodlösung über- giessen. Man könnte diese Thatsache so erklären wollen, es werde der gelöste Stoff von Wasser ausgezogen oder schon beim Zerschneiden entleert. Allein es ist nicht anzunehmen, dass alle Zelltlüssigkeit aus Zellen entleert werde, die nur in geringem Maasse verletzt sind. Jodlösung kann die Substanz auch nicht aus- ziehen, da sie mit ihr eine unlösliche Verbindung bildet. Da nun auch bei un- mittelbarer Anwendung von Jodlösung nie irgend eine Färbung in den verletzten Zellen beobachtet wurde, so mag es wahrscheinlich sein , dass die Fähigkeit, auf Jod zu reagiren, schon durch das Zerschneiden der Zellen verloren gehe, wobei entweder das Absterben des Inhaltes, oder die Einwirkung des Sauerstoffs der Luft maassgebend sein könnte. 5. Unverletzte Epidermiszellen, die längere Zeit in Wasser gelegen haben, färben sich nicht mehr blau oder violett. 6. Unverletzte Epidermiszellen, welche man eintrocknen lässt, verlieren ebenfalls die Fähigkeit, auf Jod zu reagiren. Blau - violett gefärbte Präparate blei- ben beim Eintrocknen schön roth - violett. Entzieht man ihnen durch Wasser das Jod und damit auch die Farbe, und setzt dann wieder Jodkaliumjodlösung zu, so nimmt der Zelleninhalt eine braune Farbe an, ohne eine Spur von violett oder blau. — Nach Schenk nehmen Schnitte, welche durch Wasser entfärbt wurden, beim Eintrocknen wieder die Färbung an; aber sie werden schmutzig violett oder weniger intensiv blau. 7. Ob die in der Zellflüssigkeit enthaltene Substanz, welche durch Jod eine blauviolette Färbung annimmt, gelöst oder bloss fein vertheilt enthalten sei, kann ich nicht entscheiden. Schenk und Sanio halten es für eine Lösung, weil der Zelleninhalt homogen erscheine. Das reicht aber bei organischen Substanzen nicht aus. Ernsthafte Bedenken gegen diese Annahme scheinen mir in dem Um- stande zu liegen, dass die blauviolette Färbung, welche Jod hervorbringt, sehr oft nicht das ganze Zellenlumen erfüllt, indem ein Theil farblos bleibt. Eine Lösung sollte doch in der ganzen Höhlung gleichmässig vertheilt sein, und also u. u auch eine gleichmässige Färbung veranlassen. — Die Jodverbindung dagegen ist, wie die beiden genannten Forscher es angegeben haben, bestimmt unlöslich. Zwar ist dieselbe durchaus nicht immer flockig und feinkörnig, sondern sehr oft durchaus homogen, sodass man sie auf den ersten Blick für eine vollkommene Lösung halten möchte. Dass es aber wirklich ein nicht gelöster Zustand sei, ergibt sich ganz sicher aus verschiedenen Thatsachen. Zellen, welche nur auf einer Seite gefärbt sind, bleiben Stunden lang in diesem halbgefärbten Zustand, es findet also keine Diffusion statt. Wenn man gefärbte Zellen durchschneidet, so tritt die blauviolette, homogene Substanz wolkenartig heraus, ohne sich im Wasser zu vertheilen. Lässt man mit Jod behandelte Zellen einige Zeit stehen, so wird die anfänglich homogene Färbung ungleich und zuletzt deutlich kör- nig, indem die blauviolette Substanz sich in Flocken und zum Theil in Körner zusammenballt oder auch auf schon vorhandene Körner sich niederschlägt, sodass nun deutlich die Flüssigkeit in den Zellen farblos und bloss der flockige Nieder- schlag gefärbt erscheint. 8. Was die Verwandtschaft zu Jod betrifft, so verhält sich die fragliche Sub- stanz im Vergleich mit Stärke und mit Protoplasma folgendermaassen. Jodtinc- tur, Jodlösung in Jodkalium und solche in Wasser färben zuerst die Stärkekörner in den Spaltöffnungszellen violett, schmutzig - blau oder indigoblau. Etwas später wird das Protoplasma der nämlichen Zellen braungelb und gleichzeitig werden auch der Zellenkern, der körnige Schleimballen und das übrige Protoplasma in den Epidermiszellen gefärbt. Erst einige Zeit nachher bringt die wässerige und . Jodkaliumjodlösung die violette Reaction in der Zellfiüssigkeit hervor. Also hat die Stärke eine grössere Verwandtschaft zu Jod als Protoplasma, Protoplasma eine grössere als die fragliche Substanz. — Die Jodverbindung bleibt unverändert, wenn das Jod nicht ausgezogen wird. Das ist der Fall, wenn das Präparat ein- trocknet, ebenso, wenn es in Zuckerlösung liegt. Epidermiszellen, in denen der Primordialschlauch durch Zucker contrahirt und durch Jodkaliumjod violett ge- färbt war, zeigten sich nach 8 Tagen beinahe unverändert; nur war der Zellen- inhalt meist etwas flockig und die Färbung an verschiedenen Stellen ungleich intensiv geworden. Die Membranen vieler Zellen hatten durch die Einwirkung des Jodkaliumjod ebenfalls einen violetten Ton angenommen; dieselben waren aber schmutzig blauviolett, der Inhalt mehr rothviolett. — Wenn Wasser das Jod auszieht, so halten die verschiedenen Substanzen dasselbe mit ungleicher Kraft zurück. Zuerst wird der violette Inhalt, dann das Protoplasma entfärbt; die Stärkekörner in den Spaltöffnungszellen behalten am längsten ihre Farbe. Sie sind, nachdem alles Uebrige farblos geworden, blauviolett, dann werden sie vio- lett, und zeigen zuletzt noch einen blassen rothvioletten Ton. Diesen Beobachtungen an Ornithogalum füge ich einige verwandte an Zyg- nema und Spirogyra bei. 9. Bei Zygnema stellinum Ac. färbt Jodkaliumjodlösung den Inhalt des Kerns oft rosenroth oder rothviolett, während der Zelleninhalt nicht oder nur blass tingirt erscheint. In einzelnen Fäden oder in einzelnen Zellen mancher —— 191 °—— Fäden nimmt der Inhalt eine Farbe an, die sich von derjenigen des Kerns in Intensität und Nüance nicht unterscheidet. Nur selten ist der Ton im Kern und im Inhalt blauviolett. Wie bei Ornithogalum, reagirt gewöhnlich die ganze Flüs- sigkeit im Zellenlumen; zuweilen indessen zeigt sich die Färbung nur an dem einen Zellenende und verliert sich von da aus allmälig, weil hier die Jodlösung eingedrungen ist, aber sich nicht durch das ganze Lumen verbreitet hat. Nur lebenskräftige Zellen zeigen die Reaction ; an abgestorbenen oder krankhaft ver- änderten Gliedern des gleichen Fadens bemerkt man keine Spur davon. — Was die Reihenfolge der Jodreaction betrifft, so sind es zuerst die Stärkekörner einer Zelle, welche blau werden. Dann wird die Flüssigkeit des Kerns oder der Zelle weinroth oder violett; indess das Protoplasma (auch die Wandung des Kerns) noch farblos ist. Erst etwas später tritt hier die braungelbe Färbung ein. 10. Eine neue Art von Spirogyra *) zeigte folgende Erscheinungen. Jod- kaliumjodlösung färbt die Zellflüssigkeit violett, rothviolett, weinroth, kupfer- roth, braunroth bis goldgelb; der Farbenton wechselt in den verschiedenen Fäden. Wenn man die Zellen, nachdem sie gefärbt wurden, entzwei schneidet (durch Wiegen mit dem Rasiermesser. auf dem Nagel), so behalten sie die Farbe, die Jodverbindung ist also in Wasser unlöslich. Werden die unveränderten Fäden zerschnitten, und dann erst mit Jodkaliumjod gefärbt, so bleibt die Reaction in allen verletzten Gliedern aus; was beweist, dass die fragliche Substanz durch den Schnitt verändert, entleert oder von Wasser ausgezogen wird. — Jodtinctur bringt die gleiche Färbung hervor wie Jodkaliumjodlösung. Die letztere erzeugt an Fä- den, die mit Weingeist behandelt waren, die gleiche Wirkung, wie an frischen Pflanzen. — Die Behandlung mit Säuren und mit Siedhitze gibt hier kein siche- res Resultat, weil die zahlreichen Stärkekörner sich in Kleister verwandeln und das ganze Lumen ausfüllen. 1. Bei Spirogyra orthospira NAc. wird die Zellflüssigkeit mancher Fäden durch Jodtinctur schön rosenroth bis violett. Wenn der Primordialschlauch sich von der Membran ablöst und contrahirt, so bleibt der Raum zwischen beiden farblos. Wässerige Jodlösung färbt den Inhalt mancher Fäden violett bis fast indigoblau, meistens blauviolett, je nach der Einwirkung blass oder intensiv. — Zuerst sind es immer die Stärkekörner, welche die Reaction auf Jod zeigen. Wenn sie ziemlich intensiv blau, aber noch nicht dunkelblau geworden, so be- ginnt die Färbung der Zellflüssigkeit. Erst etwas später folgt diejenige des Pro- toplasma. — Fäden, welche mit Essigsäure oder mit Alcohol behandelt, dann nach Auswaschen mit Wasser oder sogleich, mit wässeriger oder weingeistiger *) Sp. eryptoptycha zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Scheidewände nur selten und ganz schwache Einfaltungen zeigen, gewöhnlich aber bloss etwas uneben sind, während die- selben überall, wo die Zellen sich von einander trennen, auf die nämliche Weise, wie bei den gefalteten Spirogyren, sich ausstülpen. Die Fäden sind ss — Yo (17— 25 Mik. ) dick, die sterilen Glieder 5---14, die fertilen, etwas angeschwollenen Glieder 2— 4mal so lang als breit. Die elliptisch-ovalen Samen haben eine dicke braune Samenhaut, meistens eine Länge von Y,—'/as (55 — 60 Mik.), und sind 1*/, bis wohl doppelt so lang de breit. — 1132 _ —— Jodlösung übergossen worden waren, zeigten bei wiederholten Versuchen keine blauen, violetten und rothen, sondern braungelbe, braune und höchstens röthlich- braune oder schmutzig violettbraune Färbungen. In gleicher Weise verhielten sich getrocknete Fäden. Doch kann ich auf diese Beobachtungen keinen allzu- grossen Werth legen, da bei Behandlung der unveränderten Fäden mit Jod die characteristische Reaction immer nur an einem Theil derselben und zuweilen auch an ganzen Präparaten gar nicht eingetreten war. Aus vorstehenden Thatsachen ergibt sich, dass in verschiedenen Pflanzen ein Stoff vorkommt, welcher durch Jod blaue, violette und rothe Färbungen an- nimmt, und dass dieser Stoff in der Zellflüssigkeit sich befindet entweder in gelö- stem oder sehr fein vertheiltem Zustande, während die Jodverbindung sicher unlöslich ist. Sein Vorkommen zeigt eine sehr geringe Constanz; die einen Epi- dermiszellen und Algenfäden enthalten ihn, andere daneben liegende nicht; in den einen Zygnemafäden wird die Zellflüssigkeit und der Kern, in andern nur der Kern, in andern endlich gar nichts gefärbt. Auch der Farbenton variirt zwi- schen ziemlich weiten Grenzen (von schmutzig-roth bis zu schön violett und blau). Die Fähigkeit, mit Jod eine gefärbte Verbindung einzugehen, ist nicht immer dieselbe; sie wird oft durch sehr schwache Einwirkungen (Alcohol, Säu- ren, Hitze, Eintrocknen, Wasser) vernichtet, während sie in andern Fällen eine grössere Beständigkeit zeigt. Dass die in Frage stehende Substanz Stärke oder ein anderer der Stärkereihe angehöriger Stoff sei, halte ich wegen der mitgetheilten Thatsachen für unmög- lich. Die Kohlenhydrate sind alle viel beständiger. Was für eine Verbindung es sein könnte, bleibt vorerst der Vermuthung anheim gestellt. Ich spreche frage- weise den Gedanken aus, ob sie nicht zu den eiweissartigen Stoffen gehören möchte? Mit denselben hat sie wenigstens die leichte Veränderlichkeit (durch Wärme, Alcohol, Mineralsäuren etc.) gemein. — Ob das verschiedene Verhalten durch Anwesenheit fremder Substanzen bedingt werde, oder ob es auf das Vor- handensein zweier Modificationen derselben Verbindung hindeute, bleibt eben- falls zweifelhaft. Bemerkenswerth ist, dass diejenige Modification, welche ihre Fähigkeit auf Jod zu reagiren leicht verliert, zu Jod eine geringere Verwandt- schaft besitzt und sich desswegen später färbt als Protoplasma ; dass dagegen die beständigere Modification eine grössere Affinität zeigt und dem Wasser das Jod schneller entzieht. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. = U i ’ N i PN Be >... Ve .. u erereyu—u— - a ao mom. — a ap ee ed 5x u" = Ä Schwendaner del. r ‚snea ik a ner >>—G4/ a — Lith_Anst:v J.6.Bach, Leipzig. 1-29 Brvopogon.30-55 lornienlaria. » i 1 y ' ' . ’ * v . D B ’ rg N) ua P: 1 P s ” Ds ‚es W = © « u." de we, j Pa [4 ‚Kan Ai has \ h >. ) ir er Din 3 % \ h j. R Yı 5 I b DL a% . 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