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(92,6 Fibrarp of the Museum er COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.

Founded by private subscription, in 1861.

The gift of LOUIS AGASSIZ.

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as.

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BERICHT

ÜBER DIE

VERHANDLUNGEN

NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT

IN BASEL vom August 1840 bis Juli 1842.

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BASEL,

gedruckt bei Wırurrm Haas.

"1843.

I. PHYSIK un CHEMIE.

D. 2. Dec. 1840. Herr Prof. Scuönsem stellt alle Beobachtungen zusammen, welche bis jetzt über die Elec- trieitätserregung durch Dampfbildung angestellt worden sind und nimmt hiebei sanz besonders auf die in neuester von englischen Physikern und namentlich von ArnstrAnG gemachten Erfahrungen Rücksicht. Der Referent ist ge- neigt mit einigen andern Naturforschern die besprochenen Erscheinungen eher der Ausdehnung des stark gespannten Dampfes, als der Verdichtung des letztern zu flüssigem Wasser zuzuschreiben; ob er es gleich für wahrschein- lich hält, dass auch beim Uebergang des dampfförmigen Zustandes eines Körpers in den flüssigen Electricität ent- bunden werde. In dieser Beziehung macht er auf den Um- stand aufmerksam, dass während eines Gewitters sehr häu- fig nach stattgefundenem Blitze der Regen reichlicher fällt, ‚als er es vorher gethan; und meint, dass diese Thatsache genügend durch die Annahme sich erkläre: es werde in Folge einer raschen Verdichtung von Wasserdampf in der Atmosphäre Rlectrieität entbunden.

Herr Prof. Scuöngem theilt den Inhalt eines Briefes des Herrn Grove aus London mit, in welchem dieser Phy- siker seine neuesten Untersuchungen und Beobachtungen über den sogenannten voltaischen Lichtbogen bespricht und woraus erhellt, dass dieses Phänomen sehr wesentlich be- dingt wird, erstens durch die Natur des positiven Poles

A

einer Säule und zweitens durch das Medium , welches der fragliche Lichtbogen durchschlägt. Je flüchtiger und oxidir- barer besagter Pol ist und je grösser dessen Affinität zu dem umgebenden Medium, um so glänzender ist das in Rede stehende Phänomen. Ebenso glaubt Herr Grove aus einer grossen Anzahl von Versuchen den Schluss ziehen zu dürfen, dass der positive Pol, wenn z.B. aus Zink beste- hend, mit eben so viel Sauerstoff sich vereinige, als in der gleichen Zeit Sauerstoff in einem in die Säule eingeschal- teten Voltameter sich entbindet. Der Referent ist nicht der Ansicht, dass ın dem fraglichen Falle der Uebergang des Stromes von einem Pole zum andern ebenso vermittelt werde, wie diess geschieht bei der gewöhnlichen Electro- Iyse, d. h. durch eine Reihe von chemischen Zerlegungen und Wiederzusammensetzungen, indem die Umstände, un- ter welchen der volta’sche Lichtbogen entsteht, eine solche Ansicht nicht gestatten; es dürften jedoch nach Herrn Prof. Scuöxgsin die Grove’schen Resultate der Vermuthung Raum geben, dass der durch die Oxidation eines Equivalentes von Zink in jeder der Erregungszellen der Säule erregte Strom auch an dem positiven Zinkpole ein Equivalent die- ses Metalles auflokert und nach dem negativen Pole führt. Dem Urtheil des Referenten zufolge liegen aber noch nicht genug Thatsachen vor, um eine solche Folgerung aus den- selben mit völliger Sicherheit ziehen zu können.

D. 9. Jun. 1841. Herr Prof. Scwönseın theilt eine No- tiz mit, gemäss welcher die zinnernen Pfeifen einer vor etwa acht Jahren im Entlibuch gebauten Kirchenorgel jetzt an manchen Stellen durchlöchert sind; ohne dass hiezu ir- gend eine mechanische Ursache das Geringste beigetragen hätte. Zuerst sind die zerfressenen Stellen ganz klein, sie werden aber schnell grösser, haben nahezu die Form ei- nesKreises und zeigen an ihrem Rande zakige Erhöhungen

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und Vertiefungen. Ein einer solchen Pfeife entnommenes Zinnstück von etwa 9 Zoll im Gevierte hat vier solcher eingefressener oder ausgefallener Oeffnungen, von welchen die grösste einen Durchmesser von einem Zolle, die klein- ste einen von etwa drei Linien hat, Das Zion der besag- ien Orgelpfeifen wird für englisches ausgegeben. Hr. Prof. Scuöxzein hält dafür, dass mit diesem Zinne kleine Theil- chen eines minder oxidirbaren Metalles mechanisch ver- mengt seyen, welche mit jener Substanz und der Feuch- tigkeit der Luft geschlossene volta’scheKreise bildeten und und hiedurch das Zinn durch den Sauerstoff des zersetz- ten Wassers oxidirt werde.

D. 18. Zug. Herr Prof. Schönseın weist durch eine Reihe von Versuchen nach, dass die GChromsäure in ihrem volta’schen Verhalten eine grosse Uebereinstimmung zeigt mit Chlor, Brom und Jod, wie auch mit den Hyperoxiden des Margons, des Bleies und des Silbers. Wasser z. B. in welchem Chromsäure gelöst ist, verhält sich zu reinem Wasser, wie wässriges Chlor zu reinem Wasser. Wird wässrige Chromsäure durch eine porose Scheidwand von reinem Wasser getrennt und verbindet man beide Flüssig- keiten durch einen Platindraht, so scheidet sich bald Chrom- oxid aus der wässrigen Chromsäure ab.

Elektrochemische Untersuchungen. Erste Abtheilung.

D. 19. Jan. 1842. Herr Prof. Scuönseım, über die volta’sche Polarisation fester und flüssiger Körper. Schon vor einigen Jahren erwähnte ich in ei- ner meiner Arbeiten über die sogenannte Polarisation fe- ster und flüssiger Leiter der Thatisache, dass Wasser ,

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durch welches der Strom einer Säule gegangen, nur dann polarisirt erscheine, wenn dasselbe durch Platin zur Kette geschlossen werde. In neuester Zeit habe ich diese in- teressante Erscheinung zum Gegenstande weiterer Unter- suchungen gemacht, und bin hiebei zu einigen Ergebnissen gelangt, welche mir der Mittheilung nicht ganz unwertlı zu

seyn scheinen.

Um möglichst zuverlässige Resultate zu erhalten und alle störenden Einflüsse auszuschliessen, bediente ich mich bei meinen Versuchen des destillirien Wassers, das einen Grad chemischer Reinheit hatte, wie derselbe nur immer erreichbar ist. Das Galvanometer, das ich zu meinen Strombeobachtungen benutzte, hatte 2000 Drahtwindungen, und war somit schon für sehr schwache hydroelektrische Ströme empfindlich. Die gebrauchten Elektroden hatten zwei Zoll Länge, fünf Linien Breite, wurden immer vor Anstellung des Versuches mit grösster Sorgfalt gereinigt, und nie trocken, sondern immer mit chemisch reinem Was- ser ‚benetzt, in die zu untersuchende Flüssigkeit einge- taucht.

Zwei kleine, mit Wasser gefüllte Glasgefässe, deren flüssiger Inhalt durch eine thierische Membran von einan- der geschieden war, wurden einige Secunden lang mit den Polen einer kräftigen Säule in leitende Verbindung gesetzt, unter welchen Umständen eine schwache, aber doch noch wahrnehmbare Wasserzersetzung eintrat. Wurden hierauf Goldstreifen in die Flüssigkeiten beider Gefässe getaucht, und brachte man jene in Verbindung mit dem Galvanome- ter, so zeigte bei wenigstens fünfzig Versuchen die Magnet- nadel dieses Instrumentes auch nicht die geringste Ablen- kung. Ein gleich negatives Resultat ergab sich auch, wenn, anstatt des Goldes, Silber- oder Kupferstreifen in Anwen- dung gebracht wurden. Tauchte man dagegen in die frag-

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lichen Flüssigkeiten Platinstreifen ein, so trat ein sehr merklicher Strom auf, von einer Richtung entgegengesetzt derjenigen, in welcher der Strom der Säule durch das Wasser der beiden Gefässe gegangen war. Es verhielt sich somit der Theil des Wassers, welcher mit dem positiven Pol der Säule in Berührung gestanden hatte, negativ ge- gen den Theil des Wassers, in welches der negative Pol eingetaucht gewesen. Stellte ich in dasjenige Glas, dessen Flüssigkeit mit dem positiven Pol der Säule communicirt hatte, einen Platinstreifen, in das andere Gefäss einen 'Goldstreifen, so vermochte eine derartige Vorrichtung, mit dem Galvanometer verbunden, die Magnetnadel auf keine merkliche Weise abzulenken. Verwechselte ich aber diese Streifen, so erhielt ich sofort einen Strom von einer Rich- tung, übereinstimmend mit derjenigen, welche die mit zwei Platinstreifen erhaltene Strömung zeigte.

Hatte die Elektrolyse des Wassers in den Gefässen ei- nige Zeit gedauert und in ziemlich merklichem Grade statt- gefunden, so entstand ein secundärer Strom von der an- gegebenen Richtung, selbst in dem Falle, wo in das mit dem positiven Pol in Verbindung gestandene Gefäss, an- statt eines Goldstreifens, einer von Silber oder Kupfer oder selbst von Eisen gebracht wurde, während in dem andern Gefäss ein Platinstreifen stand.

Dieses Resultat muss um sa auffallender erscheinen, als selbst in destillirtem Wasser das Silber, Kupfer und Eisen positiv gegen das Platin sich verhalten.

Es lag mir nun zunächst daran auszumitteln: ob der Sitz des beobachteten secundären Stromes nur in dem Theile des Wassers liege, welcher mit dem negativen Theile der Säule communicirt hatte, oder ob vielleicht auch das Wasser des andern Gefässes, in welchem der positive Pol gestanden, zu dem fraglichen Stromphänomen etwas bei- trage.

Zu diesem Behufe wurden die beiden Gefässe von ein- ander getrennt, nachdem der Strom der Säule einige Zeit ' durch ihren flüssigen Inhalt gegangen war, und stellte man das Gefäss, in welchem während der Elektrolyse Wasser- stoff sich entbunden hatte, in ein Glas, das gewöhnliches chemisch reines Wasser enthielt. Es ist kaum nöthig zu sagen, dass beide Flüssigkeiten auch wieder durch ein Membran von einander getrennt waren. Bei Verbindung dieser letzteren mit dem Galvanometer erhielt ich vollkom- men dieselben Resultate, welche mir früher die ungetrenn- ten Gefässe geliefert hatten. Es verhielt sich nämlich die mit dem negativen Pole verbunden gewesene Flüssigkeit positiv gegen das gewöhnliche chemisch reine Wasser, falls ich in jene einen Platinsireifen eintauchte, in volta’scher Hinsicht aber gänzlich indifferent, wenn andere Metalle an die Stelle des Platins gesetzt wurden.

Brachte man den Theil der Flüssigkeit, welcher mit dem positiven Pol der Säule in Berührung gestanden hatte, in leitende Verbindung (vermittelst einer Membran) mit ge- wöhnlich chemisch reinem Wasser, so lieferten weder Pla- ün-, noch Gold-, noch Silber- oder Kupferstreifen einen Strom.

Diese 'Thatsachen scheinen nun zu dem Schlusse zu berechtigen, dass nur dasjenige Wasser , welches mit dem negativen Pol communicirt hat, den Grund der secundären Stromerscheinung enthält; der Theil des Wassers aber, in welchem der positive Pol getaucht, nichts zu dem fragli- chen Phänomen beiträgt.

Vermuthend, dass bei dieser Stromerscheinung der durch die Elektrolyse entbundene Wasserstoff die Haupt- rolle spiele, schüttelte ich chemisch reines Wasser mit Wasserstoffgas, das auf chemischem Wege dargestellt wor- den war, und combinirte Volta’sch diese Lösung mit rei-

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nem Wasser. Verband ich nun beide Flüssigkeiten ver- mittelst Platinstreifen mit dem Galvanometer, so trat eine starke Ablenkung der Nadel im Sinne der Wasserstoftlö- sung ein, d.h. letztere war positiv gegen das gewöhnliche Wasser. Liess ich einen Platinstreifen in besagter Lösung stehen, und brachte ich in das reine Wasser einen Strei. fen von Gold oder von Silber, oder von Kupfer oder Ei- sen, so ging auch unter diesen Umständen noch ein Strom vom wasserstoffhaltigen zum ‘reinen Wasser, wobei es sich jedoch von selbst versteht, dass bei Anwendung von Gold- oder Silberstreifen ein stärkerer Strom erhalten wurde, als der war, welchen Kupfer- oder Eisenstreifen lieferten.

Setzte man die letzt erwähnien Flüssigkeiten durch gleichartige Metallstreifen, z. B. durch goldene, silberne, kupferne, in leitende Verbindung mit dem Galvanometer,

so wurde dieses nicht merklich affhıeirt.

Da aus den voranstehenden Angaben erhellt, dass Was- ser, welches in Verbindung mit dem negativen Pole einer Säule gestanden, in volta’scher Hinsicht genau so sich ver- hält, wie eine künstlich gemachte. Wasserstofflösung, so dürfte auch wohl gefolgert werden, dass in beiden Flüs- sigkeiten es der Wasserstoff sey, welcher die nächste Ur- sache der in Rede stehenden Stromerscheinuns: enthält.

Wenn es nun scheint, als ob die Berührung zwischen einer Wasserstofflösung und gewöhnlichem Wasser "eine elektrische Spannung zur Folge habe, d.h. als ob jene Lö- sung positiv, das blosse Wasser negativ werde bei ihrem Contact, so lässt sich aus einigen der angeführten That- sachen deutlich abnehmen ,' dass dem doch nicht so sey.

Würden nämlich beide Flüssigkeiten es vermögen, für sich allein schon in entgegengesetzte elektrische Zustände zu treten, so müssten jene nothwendig einen Strom lie- fern, mit welchem Metalle man sie auch zur Kette schlösse.

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Nach den vorhin erwähnten Erfahrungen entsteht aber bei Anwendung von Gold, Silber, Kupfer etc. als Schliessungs- mittel kein Strom; was zeigt, dass die Wasserstofflösung und Wasser keinerlei Art von elektromotorischer Wirkung auf einander ausüben.

Um mit den erwähnten Flüssigkeiten Ströme zu erhal- ten, ist es eine unerlässliche Bedingung, dass Platin in die Wasserstofflösung eintauche; woraus erhellt, dass dieses Metall, der Wasserstoff und das Wasser in einer eigen- thümlichen , ausnahmsweisen volta’schen Beziehung zu ein- ander stehen, und Platin in dieser Hinsicht von Gold, Sil- ber, Kupfer, Eisen und wahrscheinlich von allen übrigen metallischen Körpern sich unterscheidet. Ob einige der sogenannten Platinmetalle, z. B. das Iridium, unter den oben erwähnten Umständen ähnlich dem Platin wirken, habe ich noch nicht ausgemittelt, vom Palladium jedoch weiss ich, dass es sich wie Gold, Silber etc. verhält.

Von der Ansicht ausgehend, dass der in hydro-elek- trischen Ketten auftretende Strom nicht aus dem blossen Contact heterogener Materien, unabhängig von Stoffsverän- derung, sondern aus einer chemischen Thätigkeit entsprin- ge, kann ich auch nicht umhin, den durch Platin, Was- serstoff und Wasser erzeugten Strom von einer chemischen Ursache abzuleiten.

Aber welche chemische Thätigkeit soll denn wohl statt- finden, wenn die drei letztgenannten Materien in gegensei- tiger Berührung stehen? Der dermalige Stand des chemi- schen Wissens lässt uns in der That nicht einsehen, wel- che Art von Wechselwirkung unter den angegebenen Um- ständen Platz greifen sollte, und wir müssen sagen, dass die erwähnten Stoffe völlig unwirksam in chemischer Be- ziehung zu einander sich verhalten.

Man könnte vielleicht aber annehmen, dass die kleine ‚Menge des im Wasser gelösten Sauerstoffs unter dem Ein-

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fluss des Platins mit dem Wasserstoff, der in der gleichen Flüssigkeit enthalten ist, zu Wasser sich vereinigt und dass in dieser chemischen Thätigkeit die Quelle des beobachte- ten Stromes läge. Ich selbst hegte früher diese Meinung, bin aber davon aus mehr als einem Grunde zurückgekom- men.

Mir ist keine einzige Thatsache bekannt, welche den Beweis lieferte, dass in Folge der Vereinigung freien Sauerstoffs mit freiem Wasserstoff, oder irgend eines iso- lirten Elementes mit einem andern isolirten einfachen Stoff eine volta’sche Strömung einträte. Und dann machen es die Untersuchungen FAranAay’s und diejenigen einiger an- dern Physiker im hohen Grade wahrscheinlich, dass in den sogenannten hydro-elektrischen Ketten nur dann ein volta’scher Strom entsteht, wenn in denselben ein elektro- Iytischer Körper eine chemische Zersetzung erleidet, wenn also z. B. das Wasser seinen Sauerstoff oder die Salzsäure ihr Chlor an ein Metall der Kette abtritt.

Mag dem aber seyn wie ihm wolle, so liegt eine That- sache vor, die auf das Ueberzeugendste darthut, dass in dem vorliegenden Falle der beobachtete Strom seinen Ur- sprung nicht in einer directen Oxydation des Wasserstoffs nimmt. Kocht man nämlich das Wasser, ehe man in ihm Wasserstoffgas auflöst, sorgfältigst aus, und entfernt man ebenfalls vor dem Versuche alle Luft von den Platinstrei- fen; ist also weder in der Wasserstofflösung, noch an den Platinelektroden freier Sauerstoff vorhanden, so geht nichts destoweniger von der letztgenannten Flüssigkeit zum rei- nen Wasser ein Strom, dessen Stärke um Nichts vermehrt wird, wenn man auch in die. Wasserstofflösung atmosphä- rische Luft oder reines Sauerstoffgas einführt. Da die An- oder Abwesenheit von Sauerstoff in der besagten Wasser- stofflösung keinen Einfluss auf das erhaltene Resultat aus- übt, so sind wir wohl auch berechtigt zu schliessen, dass

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der auftretende Strom seine Entstehung nicht der Verbin- dung des Wasserstoffs mit freiem Sauerstoff verdankt.

Sollte vielleieht die in Rede stehende Stromerschei- nung aber doch nicht in irgend einem Zusammenhange stehen mit dem so merkwürdigen Vermögen des Platins: schon bei gewöhnlicher Temperatur die Afünität zwischen Sauerstoff und Wasserstoff zu erregen und deren chemi- sche Verbindung einzuleiten ?

Die Chemiker haben uns bis jetzt nur zwei Verbin- dungen dieser Elemente kennen gelehrt: das Wasserstoff- superoxyd und das Wasser. Es ist nun aber nichts we-

niger als eine chemische Unmög

andere Oxydationsstufen des Wasserstoffes gebe, und na-

lichkeit, dass es auch noch

mentlich auch eine solche, in der sich weniger Sauerstoff als isn Wasser finde, also ein sogenanntes Wasserstoff- suboxyd. Es wäre ferner möglich, dass der im Wasser gelöste Wasserstoff durch die Anwesenheit des Platins be- stimmt würde, mit einem Theile jener Flüssigkeit sich zu verbinden und damit ein Suboxyd zu bilden.

Wenn es nun eine bekannte Thatsache ist, dass in der Regel das Suboxyd eines Radicals zu einer höheren Oxy- dationsstufe des letzteren positiv sich verhält, so kann die Vermuthung nicht sehr gewagt genannt werden, dass auch das vermuthete Wasserstoffsuboxyd zum Wasser in der ge- nannten volta’schen Beziehung stehe.

Nehmen wir aber an: das Platin, in Folge seiner ei- genthümlichen Wirkung auf den Wasserstoff, bewerkstelli- ge in dem Wasser, welches jenes Element gelöst enthält, die Bildung eines solchen Suboxyds, so würde sich die oben besprochene Stromerscheinung ganz einfach aus die- ser Hypothese erklären, und würden wir durch letztere namentlich auch die Thatsache begreifen, dass Gold, Sil- ber und Kupfer in der erwähnten Wasserstoffkette keinen

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Strom zu verursachen im Stande sind, weil eben diesen Metallen das (katalytische) Vermögen abgeht, aus Wasser- stoff und Wasser ein Suboxyd zu. erzeugen.

Ich kann nicht umhin, an diesem Orte eine Thatsache zu besprechen, welche nach meinem Erachten einen Zu- sammenhang mit dem eben jetzt in Rede stehenden Gegen- stand zu haben scheint, Gold, Silber und Kupfer zeigen, nachdem sie in reinem Wasser als negative Elektroden ge- dient haben, positive Polarität. Die Ursache dieses Zu- standes kann nun wohl nicht in einer an diesen Metallen haftenden Wasserstoifschicht liegen; denn wenn dieselben in eine Atmosphäre von Wasserstoffgas gehalten oder auf irgend eine andere Weise mit diesem Elemente in Berüh- rung gesetzt werden, so verändern sie unter solchen Um- ständen ihren volta’schen Charakter durchaus richt, wäh- rend, wie diess meine früheren Versuche gezeigt haben, das Platin unter diesen Verhältnissen beinahe augenblick- lich die positive Polarität erlangt.

Wenn nun aber der Wasserstoff das Gold, Silber und Kupfer nieht positiv zu polarisiren vermag, wie kommt es denn, dass diese Metalle als negative Elektroden bei der Elektrolyse des reinen Wassers dennoch positiv werden? Letztere Substanz kann bei ihrer Zerlegung anscheinend nichts anderes am negativen Pole absetzen als Wasserstoff, und da dieses Element keinen volta’schen Einfluss auf die genannten Metalle ausübt, sollte denn der blosse Durch- gang des Stromes durch dieselben verändernd auf ihren elektromotorischen Charakter einwirken?

Dass dem nicht so ist, habe ich früher durch Versu- che nachgewiesen, erhellt aber schon aus dem einfachen Umstande, dass Platin, wie Gold, Silber und Kupfer als negative Elektroden nur dann positive Polarität erlangen, wenn sie in eine elektrolytische Flüssigkeit eintauchen. Es

JA

muss also diese Polarität von irgend einer auf die negative Elektrode abgelagerten Materie herrühren.

Es ist eine wohlbekannte Sache, dass bei der Elektro- lyse häufig secundäre chemische Producte sich bilden, und es sind in der That die meisten Verbindungen, welche der sinnreiche BEcquEreL auf volta’schem Wege dargestellt hat, derartige Erzeugnisse. Ich halte es sogar für sehr wahr- scheinlich, dass bei jeder Elektrolyse solche secundäre Pro- ducte entstehen. & |

Indem nun das reine Wasser durch einen Strom zer- legt wird und Wasserstoff an der negativen Elektrode auf- tritt, könnte es gar wohl geschehen, dass ein Theil dieses Elementes mit Wasser zu Wasserstoffsuboxyd sich verbän- de, ganz in derselben Weise, wie z. B. der am positiven Pole ausgeschiedene Sauerstoff mit dem Oxyd eines in der Zersetzungszelle vorhandenen Bleisalzes zu Hyperoxyd sich verbindet.

Da der Wasserstoff im Augenblick, wo er den Sauer- stoff des Wassers verlässt, im nascirenden Zustande sich befindet, so ist er auch in dieser Beschaffenheit fähig, che- mische Verbindungen einzugehen, in welche derselbe als gasförmiger Körper nicht einzutreten vermöchte. Nehmen wir nun an, dass bei der Elektrolyse des Wassers auf der negativen Elektrode Wasserstoffsuboxyd sich bilde, so wird es begreiflich, warum Gold, Silber und Kupfer, als nega- tive Pole in Wasser functionirend, eben so gut positiv po- lar werden als das Platin.

Vorausgesetzt es entstehe wirklich unter den angeführ- ten Umständen ein solches Suboxyd, so fragt es sich, wel- che chemische Wirkung dasselbe auf reines Wasser aus- übe, um mit diesem einen Strom erzeugen zu können.

In dem Augusthefte des Philosophical Magazine von 1839 habe ich mich umständlich über eine Kette ausge- sprochen, in welcher die elektromotorischen Elemente rei-

. | 28 nes Wasser und Blei- oder irgend ein anderes Metallsu- peroxyd sind, Substanzen also, welche nach der Annahme der Chemiker für sich allein durchaus nicht auf einander zu wirken vermögen, und dennoch, wenn zur Kette ge- schlossen, einen Strom erregen. Da eine Kette aus Wasser und Wasserstoffsuboxyd gebildet genau entgegen- gesetzt wäre derjenigen, welche aus Wasser und Bleihy- peroxyd besteht, so beziehe ich mich hier auf die fragliche Abhandlung, und bemerke nur noch, dass nach meinem Dafürhalten ein Theil des im Suboxyde enthaltenen Was- serstoffs dieselbe Beziehung zum Sauerstoff des reinen Was- sers hat, in welcher ein Theil des im Bleihyperoxyd ent- haltenen Sauerstoffs zum Wasserstoff des gewöhnlichen Wassers steht.

Es ist weiter oben bemerkt worden, dass Wasser , welches mit dem positiven Pol einer Säule in Berührung gestanden, in welchem also Sauerstoff entbunden worden ist, gegen gewöhnliches Wasser in volta’scher Hinsicht voll- kommen indifferent sich verhalte, selbst in dem Falle, wo beide Flüssigkeiten durch Platin zur Kette geschlossen - werden.

Nach meinen Erfahrungen sind aber Platin und Gold, nachdem sie im reinsten Wasser als positive Elektroden gedient haben, in einem auffallenden Grade negativ polar gegen gewöhnliches Gold und Platin. Worin hat nun die- ser Zustand der fraglichen Metalle seinen Grund? Muar- rEuccı giebt zwar an, dass Platin, welches einige Zeit in einer Atmosphäre von Sauerstoffgas sich befunden habe, eine negative Polarität zeige; mir ist es aber noch nicht gelungen, ein solches Verhalten zu beobachten, obgleich ich schon oft das letztgenannte Metall, wie auch das Gold in chemisch reinen Sauerstoff brachte. Ich kann daher wohl kaum die negative Polarität, welche die erwähnten Metalle als positive Elektroden in reinem Wasser erlangen,

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jenem Elemente zuschreiben, und muss die Ursache des fraglichen Zustandes in einer andern Materie suchen.

Es könnte sich nun allerdings als secundäres Product auf dem positiven Pol während der Elektrolyse des Wassers etwas Wasserstoffsuperoxyd bilden, indem nämlich ein Theil des an diesem Pole freiwerdenden Sauerstoffs mit dem ihn um- gebenden Wasser in Verbindung träte. Wie aber Becaue- reL schon gezeigt hat, verhält sich das genannte Hyper- oxyd zum Wasser abnorm, d. h. nicht negativ, wie diess die Mehrzahl der Hyperoxyde thut, sondern positiv. Ei- nige Versuche, die ich selbst mit dem oxydirten Wasser angestellt, haben mir die Angaben des französischen Phy- sikers vollkommen bestätigt, und es kann somit das Was- serstoffsuperoxyd nicht wohl die Ursache der beobachteten negativen Polarität der positiven Gold- und Platinelektro-

den seyn.

Da die Chemiker annehmen, dass das Gold und Platin direct nicht oxydirbar seyen, und der an ihnen während der Elektrolyse des Wassers an ihnen ausgeschiedene Sauer- stoff nicht einmal spurenweise mit denselben sich verbin- de, so würde bei Voraussetzung der Richtigkeit dieser An- nahme, die in Rede stehende Polarität auch nicht von den Oxyden dieser Metalle abgeleitet werden dürfen. DerARıve ist allerdings anderer Meinung, und behauptet geradezu, . dass Gold und Platin, als positive Pole einer Säule die- nend, sich zu oxydiren vermöchten. Wir werden weiter unten die Angaben des verdienten Genfer Physikers ge- nauer prüfen, und hier nur bemerken, dass wir bis jetzt noch nicht dessen Ansicht theilen können.

Aus meinen frühern Untersuchungen über die Natur des elektrischen Geruchs hat sich ergeben, dass während der Elektrolyse des Wassers, am positiven Pole eine gas-

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formige Substanz sich entbinde, welche das Vermögen be- sitzt: ım Golde und im Platin augenblicklich eine starke negative Polarität hervorzurufen, ganz in derselben Weise, wie diess Chlor und Brom zu thun im Stande sind.

Von welcher chemischen Natur nun auch jene riechen- de Materie seyn mag, so scheint mir kaum ein Zweifel darüber obzuwalten, dass sie es eben ist, welche das aus- serordentliche elektromotorische Vermögen dem Gold und Platin ertheilt, während diese Metalle als negative Elektro- den innerhalb des Wassers functioniren.

Ehe ich den Gegenstand der volta’schen Polarisation verlasse, kann ich nicht umhin, noch auf einen merkwür- digen Unterschied aufmerksam zu machen, welcher zwi- schen sauerstoffhaltigen und halogenhaltigen Elektrolyten stattfindet,

Lässt man durch zwei Gefässe, welche z. B. mit Chlor- oder Bromwasserstoffsäure gefüllt sind und durch eine thierischeMembran unter einander in leitender Verbindung stehen, auch nur einen Augenblick den Strom einer Säule gehen, so werden dieselben, wie ich diess schon ander- wärts bemerkt habe, einen secundären Strom liefern, d.h. sich polarisirt zeigen, mit welchen Metallen sie auch zur Kette geschlossen werden mögen. Trennt man die besag- ten Gefässe, nachdem sie längere oder kürzere Zeit mit der Säule in Verbindung gestanden, von einander ab, und bringt dasjenige derselben, welches mit dem positiven Pol communieirt ‚hatte, in volta’sche Gombination (vermittelst einer thierischen Membran) mit gewöhnlicher Salzsäure . oder Bromwasserstoffsäure, so erhält man beim Schliessen einer so beschaffenen Kette einen Strom, der von der ge- wöhnlichen Salzsäure zu der andern Flüssigkeit geht. Ob Platin, ob Gold, Silber oder Kupfer benutzt wird, um be- sagte Flüssigkeiten mit dem Galvanometer zu verbinden, ist

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gleichgültig; man erhält immer das gleiche Stromresultat. Wird das Gefäss, in welchem der negative Pol gestanden hatte, mit gewöhnlicher Salzsäure Volta’sch verbunden, so erhält man von dieser Kette nur in dem Falle einen Strom, wo dieselbe durch Platin geschlossen wird, und dieser se- cundäre Strom geht‘ von der mit dem negativen Pol in Verbindung gestandenen Salzsäure zu der gewöhnlichen Salzsäure. Es ist jene gegen diese positiv.

Aus den zuletzt angeführten 'Thatsachen erhellt, dass der Zustand, welchen ein Strom in reinem Wasser oder in einer wässrigen Lösung eines Oxyelektrolyten hervor- ruft, verschieden ist von demjenigen Zustand, in welchen die Salzsäure oder die wässrige Lösung eines halogenhalti- gen elektrolytischen Körpers durch einen Strom versetzt wird. In der ersten Art von Flüssigkeiten trägt nur der- jenige Theil zur Erzeugung des secundären Stromes bei, welcher mit dem negativen Pole der Säule communieirt hat; während bei der zweiten Art von Elektrolyten auch der Theil derselben noch elektromotorisch wirkt, der mit dem positiven Pol in Berührung gestanden.

Wie ich mich durch eine grosse Anzahl von Versu- chen überzeugt habe, liegen die hervorgehobenen Verschie- denheiten des Verhaltens -beider Arten von Flüssigkeiten einzig und allein in dem Umstande begründet, dass Chlor und Brom gegen gewöhnliches Wasser in einem ausgezeich- neten Grade negativ sich verhalten und diese Elemente am positiven Pole auftreten, wenn die elektrolytische Flüssig- keit Chlor-, Brom- oder Fluorwasserstoffsäure oder die wässrige Lösung eines Haloidsalzes ist.

Haben wir es mit reinem Wasser oder mit der wäss- rigen Lösung einer Sauerstoffsäure zu thun, so erscheint an dem positiven Pole nur Sauerstoff, und dieser verhält sich gegen Wasser in volta’scher Hinsicht völlig indifferent.

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Es kann daher auch eine wässrige Lösung desselben mit reinem Wasser keine wirksame Kette bilden.

Nun entwickelt sich aber, wie diess in meiner Ab- handlung über den elektrischen Geruch angegeben ist, an der positiven Elektrode während der Elektrolyse des Was- sers ausser dem Sauerstoffe noch eine gasförmige Materie (das Ozon) welche in ihren elektromotorischen Eigenschaf- ten die grösste Aehnlichkeit mit den Salzbildnern besitzt, d. h. welche nach der Sprache der Elektrochemiker emi- nent elektro-negativ ist. Wie kommt es nun, dass das reine Wasser, welches mit dem positiven Pol einer Säule in Berührung gestanden hat, nicht negativ polarisirt wird, wie diess mit der Salzsäure unter den gleichen Umständen der Fall ist? Es sollte jene Flüssigsigkeit freies Ozon ent- halten, wie die letztgenannte Säure freies Chlor enthält, und also auch gegen gewöhnliches Wasser negativ sich ver- halten. Hierauf ist zu sagen, dass das riechende elektro- negative Princip in äusserst geringer Menge in Wasser vorhanden, und in freiem Zustande in dieser Flüssigkeit schwerer löslich ist, als es Chlor und Brom z. B. sind. Es kann daher der Theil des Wassers, in welchen die po- sitive Elektrode getaucht hat, auch nur sehr schwache Spu- ren der fraglichen Materie aufgelöst enthalten, und somit nur äusserst schwach elektro -motorisch wirken.

‚Dass die gegebene Erklärung die richtige seyn dürfte, scheint aus folgendem Umstande zu erhellen. Wird in eine verhältnissmässig grosse Flasche, gefüllt mit dem am positiven Pole sich entwickelnden riechenden Princip, eine kleine Menge reinen Wassers gegossen und dieses längere Zeit mit dem Inhalte des Gefässes geschüttelt, so erhält man eine Flüssigkeit, die sich gegen reines Wasser gerade so in volta’scher Hinsicht verhält, wie eine wässrige Chlor- lösung gegen Wasser. Da nun eine wässrige Sauerstofflö- sung gegen reines Wasser Volta’sch indifferent ist, so kann

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jene Lösung ihren elektromotorischen Charakter einzig dem in ihr aufgelösten elektro-negativen Princip (dem Ozon) verdanken, und besitzt sie ein merkliches elektromotori- sches Vermögen deshalb, weil unter den angeführten Um- ständen das Wasser so viel Ozon aufnimmt, als es nur im- mer aufnehmen kann. Ich muss indessen bemerken, dass reines Wasser, wie lange man es auch mit der riechenden gasförmigen Materie schütteln mag, doch immer nur eine schwache negative Polarität erlangt.

Fassen wir nun das bisher Besprochene kurz zusam- men, so können wir es in folgenden Sätzen aussprechen:

4) Eine Wasserstofflösung bildet mit reinem Wasser nur dann eine wirksame Kette, wenn dieselbe mit Platin geschlossen wird. Mit andern Metallen, z. B. mit Gold, Silber, Kupfer, Eisen etc. liefert sie keinen Strom.

2) Reines Wasser oder mit einer Sauerstoffsäure ver- setztes Wasser, durch welches der Strom einer Säule ge. gangen, erscheint nur dann polarisirt oder liefert einen se- cundären Strom, wenn die beiden Portionen dieser Flüs- sigkeit, welche mit den Polen in Berührung gestanden, durch Platin leitend verbunden werden. Mit andern Me- tallen erhält man keinen Strom.

3) In dem letzteren Falle trägt nur derjenige Theil der elektrolytischen Flüssigkeit zur Stromerregung bei, welcher mit dem negativen Pol communicirt hat.

4) Unter den angeführten Umständen geht der Strom von der Wasserstofflösung zum reinen Wasser, von dem Theil der Flüssigkeit, in welchen die negative Elektrode getaucht hat, zu demjenigen, in welchem die positive Elek- trode gestanden.

5) Der fragliche Strom hat seinen Grund wahrschein- lich in Wasserstoffsuboxyd, welches sich aus Wasser und Wasserstoff unter dem Einiluss des Platins bildet.

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6) Die negativen Metallelektroden, welche in die ge- nannten oxyelektrolytischen Flüssigkeiten eingetaucht ha- ben, verdanken den unter diesen Umständen erlangten po- sitiven polaren Zustand wahrscheinlich einer sie umgeben-

den Hülle von Wasserstoifsuboxyd.

7) Die negative Polarität, welche die positiven Elek- troden (Gold und Platin) in den gleichen Flüssigkeiten er-

langen, scheint von einer Hülle Ozones herzurühren.

8) Die negative Polarität, welche ein Strom in Salz- säure, Bromwasserstoffsäure oder in der wässrigen Lösung irgend eines halogenhaltigen Elektrolyten hervorruft, rührt von freigewordenem Chlor, Brom,’ oder irgend einem an- dern Salzbildner her.

9) Die negative Polarität, welche Gold oder Platin als positiver Pol in den elektrolytischen Flüssigkeiten der letzt- genannten Art annimmt, hat ihren Grund ebenfalls in ei- ner Hülle von freiem Chlor, Brom oder irgend einem Salz-

bildner.

.D.2. Febr. Herr Prof. Scuönsew, über die di- reete Oxydirbarkeit des Platins und des Gol- des. Herr ve LA Rıvz hat schon vor einigen Jahren und erst neulich wieder in einer eigenen Abhandlung (siehe N®. 1. Archives de l’Electricite) es wahrscheinlich zu ma- chen gesucht, dass Gold und Platin mit dem Sauerstoff auf eine unmittelbare Weise in chemische Verbindung tre- ten könne. Aus der directen Oxydirbarkeit dieser Metalle sucht der verdiente Genfer Physiker eine Reihe von Er- scheinungen zu erklären, wie z.B. dasDöbereiner’sche Phänomen, den elektrischen Geruch, welcher sich bei der Elektrolyse des Wassers am positiven Gold- oder Platin- pol entwickelt, wie auch die negative Polarität, welche

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diese Metalle als positive Elektroden in elektrolytischen Flüssigkeiten erlangen. Da der in Rede stehende Gegen- stand eine nicht ganz gewöhnliche Wichtigkeit für die Che- mie hat, und die erwähnte Annahme pe ıA Rıve’s im Wider- spruche mit den bisherigen Ansichten der Naturforscher steht, so dürfte eine genaue Erörterung derselben eine nicht ganz unzeitige und verdienstlose Arbeit seyn.

Die wichtigsten und wesentlichsten Gründe, welche der Genfer Physiker für die directe Oxydirbarkeit des Gol- des und des Platins anführt, sind folgende:

4) Dient bei der Elektrolyse des Wassers ein Platinblech als positive Elektrode, und Platindraht als negative, so erhält man auf zwei Raumtheile entbundenen Was- serstoffs merklich weniger als ein Volumen Sauer-

stoff, und zwar um so weniger Sauerstoff, je grösser

der Unterschied der Oberfläche beider Elektroden ist.

2) Gold und Platin, nachdem sie längere Zeit abwechselnd als positive und negative Elektroden in einer elektroly- tischen Flüssigkeit functionirt haben, verlieren an ih- rer Oberfläche den Zusammenhang und es lagert sich an derselben ein metallisches Pulver ab.

Was nun den ersten Beweis für die fragliche Oxydir- barkeit betrifft, so will ich zunächst bemerken, dass mir keine Erfahrung bekannt ist, welcher gemäss bei Anwen- dung von Goldelektroden, welches auch das Verhältniss ihrer Oberfläche zu einander seyn mag, auf ein Volumen entbundenen Sauerstoffs nicht merklich genau zwei Raum- theiles Wasserstoffe erhalten würden. Wenn es aber als eine ausgemachte Sache angesehen werden darf, dass das Gold als positive Elektrode keine merkliche Menge Sauerstoff zu- rückhält, so kann der unter I. angeführte Grund für die directe Oxydirbarkeit des genannten Metalles wohl kaum geltend gemacht werden.

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Was ist aber aus dem Sauerstoff geworden, der an der positiven Platinelektrode mangelt? Hat er sich wirk- lich chemisch mit dem Platin verbunden, oder haftet er, nach Farapay’s Ansicht, nur auf eine physikalische Weise an der Oberfläche des Metalls ?

De ra Rıye führt in seiner neuesten Abhandlung einen Versuch an, in welchem ein verhältnissmässig kleines Pla- tinblech, als positive Elektrode dienend, nicht weniger als 4 Kubikcentimeter Sauerstoff zurückhielt. Es erschienen nämlich an der negativen Elektrode 20 Kbkc. Wasserstoff- . gas, während an der positiven Elektrode nur 6 anstatt 10 Kbkc. Sauerstoff entbunden wurden. Liess man dieses Blech bei einem zweiten Versuche als negative Elektrode functioniren, so wurden ungefähr 8 Kbkc. Wasserstoff we- niger frei, als man nach der Menge des am positiven Pole entwickelten Sauerstoffs hätte erhalten sollen.

Aus diesen Thatsachen erhellt nun allerdings, dass 4 Kbke. Sauerstoff auf der Oberfläche des besagten Platin- bleches hafteten, nicht aber, dass jenes Element mit dem Metalle eine chemische Verbindung eingegangen.

Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass die Ober- fläche des Platinblechs, in welcher Menge dasselbe auch Sauerstoff verschluckt und wie lange es als positive Elek- trode gedient haben mag, durchaus metallisch bleibt, und hiedurch auch nicht die allergeringste Verminderung sei- nes metallischen Glanzes verursacht wird. Nun wissen wir aber, dass die Beschaffenheit der Oberfläche eines Metalls durch die allergeringfügigste Oxydation auf eine sehr wahr- nehmbare Weise sich verändert. Erhitzen wir z. B. ein Stückchen Palladiumblech, so bedeckt sich dessen Ober- fläche mit einer tiefblauen Oxydschicht, und der Metall- glanz geht verloren; die empfindlichste Wage ist aber nicht im Stande, eine Gewichtszunahme des Metalls bemerklich

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zu machen. Auf eine ähnliche Weise verhält sich das Ei- sen und noch manches andere Metall.

Wenn nun 4 Kbke. Sauerstoff, eine Menge, die wäg- bar ist, chemisch sich verbindet mit der Oberfläche eines verhältnissmässig kleinen Platinblechs: sollte diese Ober- fläche nicht merklich verändert werden durch die sich bil- dende Oxydhülle? Von welcher physikalischen Beschaffen- heit auch dieses Oxyd seyn mag, mit Gewissheit lässt sich doch annehmen, dass dieselbe verschieden sey von derje- nigen des Platins, und eben deshalb sollte die Oberfläche dieses Körpers sich verändern, sobald auf ihr auch nur die allerschwächste Oxydation stattgefunden. Da diess aber durchaus nicht geschieht, so sind wir auch geneigt anzunehmen, dass der Sauerstoff unter den erwähnten Um- ständen an dem Metalle nur mechanisch hafte und nicht mit diesem chemisch verbunden sey.

Der berühmte Genfer Physiker führt zwar an, dass selbst unter dem besten Mikroskop nicht das geringste Gas- bläschen am Platin wahrgenommen werde, das als positi- ve Elektrode gedient habe, und dass man den anhaftenden Sauerstoff auch nicht durch Reiben, vom Metalle zu entfer- nen vermöge. Allein diese Thatsachen scheinen mir kein Beweis für den chemisch gebundenen Zustand des Sauer- stoffs zu seyn; denn an der Holzkohle z.B., die ihr neun- zigfaches Volumen Ammoniakgas verschluckt hat, nimmt man, so viel ich weiss, auch keine Luftbläschen wahr, und lässt sich das eingezogene Ammoniak auch nicht durch Rei- ben wegschaffen, ohne dass aber deshalb hieraus bis jetzt der Schluss gezogen worden wäre: das verschluckte Gas sey mit der Kohle chemisch verbunden.

Aus den angeführten Gründen will es mir daher schei- nen, als ob die unter I. angeführte Thatsache nicht als Be- weis dienen könne für die Richtigkeit der Behaupturg: dass

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das Platin theilweise mit dem an ihm durch den Strom aus- geschiedenen Sauerstoff sich chemisch verbinde.

Was die zweite Thatsache betrifft, durch welche Herr DE LA RıvE die directe Oxydirbarkeit des Goldes und des Platins darzuthun sich bemüht, so scheint dieselbe aller- dings etwas mehr Beweiskraft zu besitzen, als diejenige, die wir eben besprochen haben. Haben Gold- oder Pla- tinbleche eine Zeit lang in einer oxy -elektrolytischen Flüs- sigkeit abwechselnd als positive und negative Elektroden gedient, so erscheint an ihrer Oberfläche ein Metallpulver, wie diess geschieht, wenn man Kupfer oder irgend ein an- deres direct oxydirbares Metall denselben Dienst hat ver-

richten lassen.

Es ist wohl ausser Zweifel, dass im letztern Falle das Metall abwechselnd oxydirt und desoxydirt. wird, und ein- leuchtend genug, schreibt man die hiebei stattfindende Auf- lockerung der Metalloberfläche diesen chemischen Actionen zu. Gesetzt nun, für das Kupfer und andere leicht oxy- dirbare Metalle sey diese Erklärung die richtige; folgt denn hieraus wohl mit Nothwendigkeit, dass der Zusam- menhang des Goldes und des Platins auch durch abwech- selnde Oxydationen und Reductionen bewerkstelligt werde?

Würde die directe Oxydirbarkeit dieser Metalle auf anderweitige Weise schon dargethan seyn, so liesse sich die Auflockerung, welche dieselben unter dem Einflusse hin- und hergehender Ströme erleiden, wohl auf die er- wähnte Art deuten, und man könnte sich, mit einer sol- chen Erklärung begnügen. Allein wenn diese Auflockerung selbst als Hauptargument für die fragliche Oxydirbarkeit geltend gemacht und letztere nur aus einer Analogie ge- folgert wird; dann darf man wohl verlangen, dass der Be- weis geliefert werde: es könne der Zusammenhang des Pla- tins und des Goldes durch nichts Anderes als durch die

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angenommenen Oxydationen und Reductionen bewerkstel- ligt werden.

Ist es denn unmöglich, dass z. B. der einfache Strom- übergang schon einen desaggregirenden Einfluss auf den Zusammenhangszustand der fraglichen edlen Metalle aus- übe? Nach den Versuchen Gxrovz’s, Gassıor’s, DAnıEnL’s und oe ra Rıve’s selbst werden von dem positiven Pole ei- ner sehr kräftigen Säule, aus welcher festen Materie der- selbe auch bestehen mag, Theile losgelöst, und diese nach dem negativen Pole hinübergeführt, in dem Falle nämlich, wo nach vorangegangener Schliessung der Säule die beiden Pole wenig von einander entfernt werden.

Dieses merkwürdige Phänomen, das man namentlich auch am Platin schön beobachten kann, ist offenbar von chemischen Thätigkeiten vollkommen unabhängig, und muss als eine rein physikalische Wirkung des Stromes angesehen werden, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil das- selbe auch im luftleeren Raume oder in einem Medium stattfindet, welches auf die Substanz der Pole nicht die mindeste chemische Wirkung auszuüben im Stande ist. Wie räthselhaft und unerklärlich für uns die fragliche Thatsa- che noch erscheinen muss, so liefert sie doch den Beweis, dass auch ohne die Vermittlung von Oxydationen und Re- ductionen oder anderweitiger chemischen Vorgänge der Zu- sammenhang der Theilchen eines Poles aufgehoben werden kann. Wenn dem aber so ist, warum sollte es nicht ge- schehen können, dass z. B. von der positiven Platinelek- trode Theilchen sich ablösten und dieselben durch die elek- trolytische Flüssigkeit hindurch nach dem negativen Pole geführt würden? Tauchen z. B. zwei Platin- oder Gold- bleche in eine elektrolytische Flüssigkeit ein, und dienen dieselben abwechselnd als positive und negative Elektroden, wie diess bei einigen der ve za Rıve’schen Versuche der Fall war, so lässt sich wohl einsehen, warum mit der Zeit

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an beiden Blechen ein Metallpulver in merklicher Menge sich abgelagert findet.

Wenn nun die oxydirbareren Metalle das Phänomen der Auflockerung in einem ausgezeichneteren Grade als Gold und Platin zeigen, so könnte diese Eigenthümlichkeit davon herrühren, dass bei jenen zwei Ursachen eine phy- sikalische und chemische, bei diesen aber nur die erste der genannten Ursachen wirksam wären.

Es ist auch nicht unmöglich, dass der an den edlen Metallen stattfindende Wasserbildungsprocess auf irgend eine Weise mechanisch irennend auf die Theilchen dersel- ben wirkte.

In sofern also die Möglichkeit gedacht werden kann, - dass die fragliche Auflockerung des Platins und des Goldes durch rein physikalische Thätigkeiten des Stroms verur- sacht werde, so möchten wir aus blossen Gründen der Analogie, dem Verhalten der oxydirbaren Metalle entnom- men, das in Rede stehende Phänomen noch nicht unbe- dingt einer chemischen Ursache beimessen, und erst dann die Richtigkeit der Erklärung pe ıA Rıyr’s anerkennen, wenn die directe Oxydirbarkeit des Platins und des Goldes auch noch durch andere Thatsachen ausser Zweifel gestellt seyn wird.

Der ausgezeichnete Genfer Physiker unterscheidet in der schon mehrmals angeführten Abhandlung die oberfläch- liche Oxydation von derjenigen, welche sich von der Ober- fläche eines Körpers aus mehr oder weniger tief in dessen Inneres erstreckt durch eine Art von Cämentation, und sagt, dass jene Art von Oxydation den edlen Metallen, diese aber den oxydirbareren eigenthümlich sey, und in dem Umstande, dass die Chemiker diese beiden Oxydati- onsweisen nicht gehörig von einander unterschieden hät- ten, findet ve 1A Rıve den Grund, weshalb man kisher die

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direete Oxydirbarkeit des Goldes und des Platins nicht er- kannt habe.

Wir haben bis jetzt geglaubt, die Oxydation eines Me- talls von Aussen nach Innen erfolge ganz einfach so, dass das auf seiner Oberfläche sich bildende Oxyd den Zusam- menhang mit der noch nicht oxydirten Masse des Körpers verliere und hiedurch neue Metalltheile der Einwirkung des Sauerstofls bloss gelegt werden, die, nachdem sie oxy- dirt worden, abermals vom Metall sich losreissen, um wie-

der neue Theile des Metalls zu entblössen u. s. w.

Wenn nun dieses der wahre Vorgang der Sache ist, und der Unterschied wirklich besteht, den ve LA Rıve an- ‚nimmt, so würde hieraus folgen, dass die Hülle des Oxy- des, welche sich z. B. in einer Sauerstoffatmosphäre um Platin bildet, so zusammenhängend und so innig mit dem Metalle verbunden sey, dass der Sauerstoff jene Hülle nicht zu durchdringen, und daher nur die äusserste Ober- fläche des fraglichen metallischen Körpers zu oxydiren ver- möchte.

Wollen wir zugeben, dass das Platinoxyd zu seinem Metalle in dieser so unwahrscheinlichen Beziehung stehe. Da in manchen Säuren, namentlich in Schwefelsäure und Salpetersäure, das Platinoxyd etwas löslich ist, so kann durch dieselben, nach ve LA Rıve, selbst das auf directem Wege gebildete Oxyd vom Platin weggeschafft werden. Würde man nun dieses Metall zu wiederholten Malen der Einwirkung des Sauerstoffs und einer der genannten Säu- ren aussetzen, und operirte man hiebei auf etwas beträcht- liche Oberflächen des Platins, so müsste nothwendig das Gewicht des letzteren vermindert und endlich eine merk- liche Menge des Oxyds in der Säure angetroffen werden. Diesen directesten aller Beweise für die unmittelbare Oxy- dirbarkeit des fraglichen Metalls vermissen wir in der

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DE La Rıve’schen Arbeit, und deshalb haben wir uns auch bemüht die bedeutende Lücke auszufüllen.

Ein Platinblech von zehn Quadratzollen Oberfläche und einem Gewichte von 9280 Milligrin., das vorher auf die sorgfältigste Weise durch Kochen in Salpetersäure u. s. w. gereinigt worden war, verband ich mit dem positiven Pol einer äusserst kräftigen Grove’schen Säule, liess dasselbe in verdünnte Schwefelsäure eintauchen und an ihm wäh- rend 15 Minuten eine schr lebhafte Sauerstoffgasentwick- lung stattfinden. Hierauf wurde das Blech weggenommen, in destillirtem Wasser abgespült, eine Viertelstunde lang in kochende chemisch reine Salpetersäure von 1,45 spec. Gew. gelegt, dann abermals in reinem Wasser abgewaschen, zum Glühen erhitzt und hierauf gewogen. Es konnte nicht der geringste Gewichtsverlust am Platin bemerkt werden. Ich wiederholte die eben erwähnten Operationen ein Dutzend Male, und nach Beendigung derselben wog das Platinblech gerade so viel, als vor Anfang der Versuche, denn ich betrachte einige Milligramme, die endlich fehlten, nicht als einen Gewichtsverlust, da durch die verschiedenen Mani- pulationen, die mit dem Bleche vorgenommen wurden, von letzterem leicht eine so unbedeutende Menge Metalls auf mechanischem Wege abgelöst werden konnte. Hätte sich nun bei jedem Versuch auch nur ein Zehntel Milligrm. Sauerstoffs mit dem Platinblech chemisch verbunden, so müssten sich bei den zwölf Operationen 1,2 Millisrm. die- ses Elementes mit dem Metalle vereinigt haben, und wür- den hiedurch etwa 14 Millisrm. Platin oxydirt worden seyn, also eineMenge, die durch eine gute Wage schon bestimm- bar ist. Wie schon oben erwähnt worden ist, fehlten DE LA Rıve bei cinem seiner Versuche 4 Kbkc. Sauerstoff; diese wiegen, wenn ich mich nicht täusche, 5 Milligrm., und hätten sich dieselben nun mit Platin verbunden, so müsste das Blech, nachdem es mit Säure behandelt und

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geglüht worden, einen Gewichtsverlust von 60 Milligrm. gezeigt haben, was aber, meinen Versuchen zufolge, nicht der Fall gewesen seyn würde, wäre auch der Versuch von DE LA RıvE angestellt worden.

Wir glauben daher berechtigt zu seyn, aus den eben angeführten Thatsachen den Schluss zu ziehen, dass der in dem pe LA Rıye’schen Versuch am positiven Pole fehlen- de Sauerstoff nicht mit dem Metalle chemisch verbunden sey, sondern nur mechanisch am Platin hafte.

Der Genfer Physiker nimmt, wenn ich mich nicht sehr täusche , ferner an, dass Salpetersäure oder Schwefelsäure fähig seyen, das Platin zu oxydiren, und es wird diese Annahme auf die Thatsache gestützt, dass das durch Ab- kochen in einer der genannten Säuren gereinigte Metall mit gewöhnlichem (in Luft gelegenem) Platin Volta’sch combinirt und in eine gesäuerte Flüssigkeit eingeführt, ei- nen Strom erregt, welcher vom gereinigten Metalle zum gewöhnlichen geht. Herr ne LA Rıv meint nämlich, dass unter diesen Umständen das gereinigte Platin von der sau- ren Flüssigkeit chemisch angegriffen werde, während diese letztere das gewöhnliche Metall (bereits mit einer Oxyd- hülle umgeben) entweder gar nicht oder doch weniger sich oxydire, als jenes (das gereinigte Platin).

Da nun nach pe ıA Rıve selbst das’ Platinoxyd sich in Salpetersäure auflöst, und er gerade hiedurch das gewöhn- liche Platin in dieser Flüssigkeit positiv werden lässt, so müsste, scheint es mir, liesse das fragliche Metall wirklich durch Salpetersäure sich oxydiren, dasselbe beim Kochen in Salpetersäure sich auflösen. Unter diesen Umständen würde nämlich das Platin der Säure immer eine reine me- tallische Fläche darbieten, in sofern das Oxyd in dem Au- genblicke seiner Bildung von der sauren Flüssigkeit aufge- nommen werden müsste, und die Eigenthümlichkeit des Platins nicht durch Cämentation, sondern nur oberflächlich

si sich oxydiren zu können, keinen Einfluss ausüben dürfte. Es müsste also, wäre die Annahme pe LA Rıyr’s richtig, ' Platin lange genug und mit einer hinreichenden Menge Sal- petersäure behandelt, gänzlich aufgelöst werden; die bis- herigen Erfahrungen der Chemiker zeigen aber, dass rei- nes Platin, auch noch so lange mit kochender reiner Sal- petersäure oder Schwefelsäure in Berührung gelassen, nichts von seinem Gewichte verliert. Dürfen wir nun nicht aus dieser Thatsache schliessen, dass dieses Metall auch nicht einmal spurenweise von den. genannten Säuren oxydirt werde?

Können wir aber die directe Oxydirbarkeit des Platins und des Goldes weder im Sauerstoffgase noch in Salpeter- säure und Schwefelsäure als bewiesen ansehen; müssen wir diese Oxydirbarkeit vielmehr als gegen Thatsachen streitend betrachten, so vermögen wir auch nicht der An- sicht beizutreten, welche ve LA Rıve in seiner Abhandlung über die Ursache der von den Platin- oder Goldelektroden erlangten volta’schen Polarität geäussert hat. Nach dieser Ansicht nämlich würde die positive Polarität, welche die negative Elektrode während des Stromdurchganges erlangt, davon herrühren, dass der an ihr während der Wasser- elektrolyse auftretende Wasserstoff die Oxydhülle reducir- te, welche das Gold oder das Platin im natürlichen Zu- stand immer umgebe. Der Wasserstoff diente also bloss dazu, der negativen Elektrode eine rein metallische Ober- fläche zu geben. Die negätive Polarität der positiven Blek- trode lässt pe LA Rıve umgekehrt auf einer an letzterer sich bildenden Oxydhülle beruhen. Tauche man nun, sagt der 'berühmte Genfer Physiker, die beiden Elektroden nach- dem sie einige Zeit functionirt haben, in Salpetersäure oder Schwefelsäure ein, so werde die Elektrode von rei- ner metallischer Oberfläche‘ von der sauren Flüssigkeit stärker angegriffen, als’ die mit einer Ozydhülle behaftete ,

32 und eben deshalb verhalte sich die negative Elektrode po- sitiv gegen die positive Elektrode.

Lässt man zwei Platinstreifen, welche kürzere oder längere Zeit in reinem Wasser als Elektroden gedient ha- ben, in chemisch reines und von aller Luft befreites Was- ser eintauchen, und verbindet man dieselben mit einem etwas empfindlichen Galvanometer, so tritt unter diesen Umständen eine sehr merkliche Ablenkung der Nadel ein, welche Abweichung zeigt, dass die negative Elektrode po- sitiv, die positive Elektrode negativ ist. Welche chemische Wirkung soll aber das chemisch reine Wasser auf die (nach pe LA RıvE) rein metallische Oberfläche der negativen Elek- trode ausüben? Wird das Wasser etwa durch das Platin, und zwar schon bei gewöhnlicher Temperatur, zersetzt, und letzteres auf Kosten des erstern sich oxydiren? Um den secundären Strom, der unter den erwähnten Umstän- den auftritt, muss, wie mir scheint, ve 1A Rıve die ge- stellte Frage bejahend beantworten; ich zweille aber recht sehr, dass die Chemiker eine derartige Wasserzerlegung für wahrscheinlich halten werden.

Combinirt man einen Platinstreifen, der sich längere Zeit in einer Sauerstoffatmosphäre befunden, mit einem andern Streifen desselben Metalls, welcher in Wasser als positive Elektrode functionirt hat, so erregt auch dieses Metallpaar beim Eintauchen in luftfreies Wasser einen Strom, dessen Richtung zeigt, dass die positive Elektrode negativ zum Platinstreifen sich verhält, welcher sich in der Sauerstoffatmosphäre befunden. Nach ve La Rıve’s Ansicht sollten beide Streifen in elektromotorischer Hinsicht voll- kommen indifferent gegen einander seyn, gar keinen Strom erregen, selbst bei der unwahrscheinlichen Annahme, dass blosses Wasser auf Platin chemisch: zu wirken vermöge; denn beide Metallstreifen müssen ja, nach ve ra Rıve, mit

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einer Oxydhülle umgeben, folglich auch beide gegen die chemische Einwirkung des Wassers geschützt seyn.

Combinirt man Volta’sch eine wässrige Sauerstofilö- sung mit einer wässrigen Wasserstofflösung, und taucht man in jede dieser Flüssigkeiten einen Platinstreifen ein, dessen Oberfläche durch die von FarApar angegebenen chemischen Mittel vorher gereinigt worden ist, so sollte man gemäss der Theorie des Genfer Physikers erwarten, dass unter diesen Umständen ein Strom entstände, von der Sauerstofflösung zu der Wasserstofflösung gehend; weil, nach oe ıA Rıve’s Annahmen, auch durch die Ver- bindung eines Metalles mit freiem Sauerstoff das elektri- sche Gleichgewicht gestört wird, und das Platin fähig ist, schon bei gewöhnlicher Temperatur auf eine directe Weise sich zu oxydiren. Nun 'taucht in dem fraglichen Versuche ein Platinstreifen mit reiner Oberfläche in ein leitendes Me- dium ein, das freien Sauerstoff enthält, und es befindet sich ein Metallstreifen von gleicher Beschaffenheit in einer wässrigen Wasserstofilösung; es sollte sich daher der Strei- fen in ersterer Flüssigkeit jedenfalls leichter oxydiren , als diess der Streifen in der Wasserstofllösung zu thun ver- mag. Nichts destoweniger verhält sich aber das Platin in der letztgenannten Flüssigkeit positiv zu dem Platin, das in die Sauerstofflösung taucht.

Aus den so eben angeführten, wie auch aus den wei- ter oben auseinandergesetzten Gründen kann ich die An- sichten DE ıA Rıve’s über die Ursache der von den Elek- troden, unter dem Einfluss eines Stroms erlangten Polari- täten nicht für richtig halten.

Durch die Hypothese der direeten Oxydirbarkeit des Platins bei gewöhnlicher Temperatur sucht der Genfer Phy- siker auch das Davr-Dösereiner’sche Phänomen zu erklä- ren, das heisst, dasselbe aus einem Wechsel von Oxyda- tionen und Desoxydationen des genannten Metalles abzulei-

2 {9}

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ten, und es wird die Thatsache, dass ein Platindraht, wel- cher bei einer Davy’schen Glühlampe einige Zeit gebraucht worden ist, eine rauhe und zertheilte Oberfläche annimmt, als Hauptbeweis für die Richtigkeit der fraglichen Hypo- these angeführt. Die prLaRıve’sche Erklärung des in Rede stehenden Phänomens beruht auf zwei Hauptvoraussetzun- gen: einmal auf derjenigen, dass das Platin bei gewöhnli- cher Temperatur sich in atmosphärischer Luft oxydire, und dann auf der Annahme, dass Platinoxyd bei gewöhnlicher Temperatur durch Wasserstoffgas, oder Weingeist- und Aetherdampf reducirt werde. In Folge dieser mit einander abwechselnden Oxydationen und Reductionen lässt ve LA Rıve Wärme entstehen, welche, nach und nach das Platin bis zum Erglühen erhitzend, den Wasserstoff endlich ent- zündet.

Was nun die ersten dieser Voraussetzungen betrifft, so ist bereits in dem Vorhergehenden versucht worden de- ren Unzulänglichkeit darzuthun. Es springt aber in die Augen, dass die fragliche Hypothese zusammenfällt, wenn diese erste Annahme unrichüg ist.

Nehmen wir indessen an, das Platin oxydire sich selbst bei den allergrössten Kältegraden in einer Sauerstoffatmo- sphäre: wird dann wohl das Platinoxyd auch bei eben so niedrigen Temperaturen durch Wasserstoff reducirt? Das auf dem gewöhnlich chemischen Wege bereitete Oxyd zeigt eine solche leichte Reducirbarkeit nicht, und muss, nach den Erfahrungen der Chemiker, immer etwas erwärmt wer- den, wenn es durch freien Wasserstoff in den metallischen Zustand zurückgeführt werden soll.

Meines Wissens giebt es überhaupt kein einziges Me- talloxyd, welches durch freien Wasserstoff in der Kälte reducirbar wäre. Das LA Rıve’sche Platinoxyd, d.h. das auf directem Wege gebildete, müsste daher eine grosse

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Ausnahme von der Regel machen und ein Oxyd sui gene- ris seyn.

Würde aber diese Verbindung ein so eigenthümliches Verhalten zeigen, müsste dann nicht angenommen werden, dass der Sauerstoff darin auch in einer ganz eigenihümlichen Beziehung zu dem freien Wasserstoff stände, und in einem Zustande sich befände, in dem wir ihn (den Sauerstoff) weder im Gold-, noch irgend einem andern Oxyde antref- fen. Wenn man aber eine solche Annahme machte, würde dieselbe dann nicht, anstatt die Berzeuius’sche Ansicht zu widerlegen, im Grunde mit ihr geradezu übereinstimmen’? Würde, mit andern Worten, die fragliche Annahme nicht auch die andere enthalten, dass Platin einen specifisch che- mischen Einfluss auf Sauerstoff und Wasserstoff ausübe, und die Affinität dieser Elemente zu einander steigere, in ähnlicher Weise, wie diess die Wärme thut?

Geben wir indessen auch die beiden Voraussetzungen zu; nehmen wir an: das Platin oxydire sich bei gewöhnli- cher Temperatur, und das unter diesen Umständen gebil- dete Oxyd werde in der Kälte durch Wasserstoffgas redu- eirt, so bedünkt es mich, dass aus diesen Annahmen das Döseremer’sche Phänomen doch nicht genügend erklärt werden könne, wenn man nicht weitere, äusserst unwahr- scheinliche Voraussetzungen zu Hülfe ruft.

Setzen wir den Fall: Platin von reiner Oberfläche werde in ein Gemneng von Sauerstoff- und Wasserstoffgas gebracht. Nach ve LA Rıvz findet unter diesen Umständen sofort eine Oxydation der Oberfläche des Metalles statt, und unmittelbar nachher wird die gebildete Oxydhülle durch das anwesende Wasserstoffgas redueirt. Ist die Flä- che hiedurch wieder metallisch geworden, so erneuert sich an derselben der Oxydationsact, eine zweite Reduction er- folgt, und geht es so fort, bis endlich aller Sauerstoff mit Wasserstoff chemisch verbunden ist. Indem man den Vor-

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gang auf diese Weise stattfinden lässt, nimmt man .an, dass auf einige Zeit nur zwischen dem Platin und dem Sauer- stoff eine chemische Anziehung sich äussere, und der Was- serstoff während dieses Actes vollkommen unthätig sich verhalte; dass der letztere, um mich bildlich auszudrü- cken, dem Metalle ruhig zusieht, bis es eine gewisse Menge von Sauerstoff ergriffen und verschluckt hat. Erst wenn diess geschehen ist, erwacht, um im Bilde fortzufahren, im Wasserstoff die Lust, sich auch mit Sauerstoff zu ver- binden, und zway nicht mit dem freien, sondern mit dem- jenigen, den sich das Platin angeeignet hat.

Dem Wasserstoff solche Anwandlungen zuzuschreiben, dürfte wohl schwerlich einem Naturforscher in den Sinn kommen, und am allerwenigstens wird der ausgezeichnete Genfer Physiker eine derartige Annahme für zulässig hal- ten. Dennoch aber enthält, wie mir scheint, dessen Hy- pothese implicite eine solche Voraussetzung; denn jene muss durchaus den Act der Oxydation der Oberfläche des Platins als gänzlich vollzogen ansehen, bevor sie die de- soxydirende Wirkung des Wasserstoffs eintreten lassen kann.

Will man dieser sonderbaren CGonsequenz der Hypo- these ausweichen, so muss man annehmen, dass die Acte der Oxydation und Reduction in demselben ungetheilten Zeitmomente stattfinden; eine Voraussetzung, die noch viel unzulässiger ist als die erste. Es scheint mir daher viel wahrscheinlicher zu seyn, dass bei Anwesenheit von Platin, Wasserstoff und Sauerstoff unmittelbar sich verbin- den, und die Wasserbildung nicht durch eine vorangehen- de Oxydation des Metalls vermittelt werde.

Ausser den bereits angeführten thatsächlichen Grün- den giebt es noch einige andere Umstände, welche nicht gut mit den theoretischen Ansichten pE LA RıvE’s zusam- menstimmen. Bekanntlich zersetzt sich das Platinoxyd

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schon bei einer Temperatur, welche der Rothgluth noch nicht gleich kommt; auch wissen wir, dass durch die lang- same Verbrennung des Wasserstoffgases, des Weingeist- oder Aetherdampfes Platin für unbestimmte Zeit glühend erhalten werden kann, ohne dass hiedurch weder die eine noch die andere dieser brennbaren Materien entflammt würde. Die Davv’sche Glühlampe giebt hievon das schla- gendste Beispiel. Lässt es sich nun wohl als möglich den- ken, dass Platin bei derjenigen Temperatur sich oxydire, bei welcher die Oxyde dieses Metalles reducirt werden? Alle Chemiker , denke ich, werden auf diese Frage mit Nein antworten.

Ich habe vor einiger Zeit gezeigt, dass schwammför- miges Platin als positive Elektrode in ein Gemisch von Schwefelsäure, Weingeist und Wasser eintauchend, keinen Sauerstoff während der Wasserelektrolyse an sich auftreten lässt, und dieses Metali das letztere Element bestimmt auf einen Theil des Wasserstoffs des Weingeistes sich zuwerfen lässt, um diesen hiedurch in Acetal, Aldehyd u. s. w. um- zuwandeln. Ich habe ferner dargethan, dass wenn Eisen als positiver Pol in dem gleichen Gemisch dient, der durch den Strom entbundene Sauerstoff nicht auf den anwesen- den Weingeist reagirt.

Aus diesen und ähnlichen Thatsachen glaubte ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass Sauerstoff, selbst wenn er auch im nascirenden Zustande sich befindet, doch nicht im Stande ist dem Weingeist in merklicher Menge Wasserstoff zu entziehen, und dass unter den erwähnten Umständen noch die specifische Einwirkung des Platins erfordert wird, um die chemische Action zwischen Sauerstoff und Wasser- stoff einzuleiten. Auch folgerte ich aus dieser Thatsache, dass die so sinnreiche, von Farınar gegebene Erklärung des Döserzien’schen Phänomens nicht wohl die richtige seyn, d. h. dass letzteres nicht von einer durch das Platin

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bewerkstelligten Verdichtung des Sauerstoffgases abhangen könne.

Sollte nun die von mir gemachte Beobachtung in der Hypothese des Genfer Physikers ihre genügende Erklärung finden? Der fraglichen Hypothese zufolge müsste der auf elektrolytischeın Wege am positiven Platin ausgeschiedene Sauerstoff erst mit diesem Metalle sich verbinden ; hierauf würde das Platinoxyd durch den vorhandenen Weingeist reducirt werden, und fände während des Stromdurchganges ebenfalls ein Wechsel von Oxydationen und Reductionen an der positiven Platinelektrode statt, wie z. B. bei der Davv’schen Glühlampe.

Aus der einfachen Thatsache, dass Platinoxyd bei ge- wöhnlicher Temperatur nicht die Wirkung auf den Wein- geist zeigt, welche die schwammförmige positive Platinelek- trode auf diese Flüssigkeit ausübt, scheint mir die Unzu- lässigkeit der Erklärungsweise ve LA Rıve’s hervorzugehen; denn warum sollte Platinoxyd, auf dem gewöhnlichen che- mischen Wege dargestellt, anders wirken , als dasjenige, welche sich nach diesem Chemiker während der Blektro- Iyse des Wassers bildet? Oder ist letzteres wieder eine Verbindung sui generis?

Aus der vorangegangenen Erörterung scheint sich nun als Hauptresultat zu ergeben, dass die Hypothese ve A Rıyr’s, das Dögerseiner’sche Phänomen nicht zu erklären im Stande ist, ohne dass man genöthiget wäre, wieder zu neuen Vor- aussetzungen seine Zuflucht zu nehmen, und mit bekannten Thatsachen in Widerspruch zu treten.

D.16. Merz. Herr Prof. Scnöneem, Beobachtungen über einige elektrolysirende Wirkungen der einfachen Kette. Es ist eine bekannte Sache, dass die kräftigste einfache Kette nur ein sehr schwaches chemisches Zersetzungsvermögen äussert, wenn dieselbe durch reines

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Wasser geschlossen wird und man sich hierbei des Platins oder des Goldes als Elektroden bedient. Selbst dadurch, dass man das Leitungsvermögen des Wassers durch Zusatz von etwas Schwefelsäure oder Salpetersäure vermehrt, kann keine merkliche Zerlegung des erwähnten Elektrolyten be- werkstelligt werden, obwohl der polare Zustand, den die Gold- oder Piatinelektroden annehmen, den Beweis liefert, dass unter diesen Umständen eine Wasserzersetzung statt- findet. Meines Wissens hat der sinnreiche GrovE zuerst auf den wichtigen Umstand aufmerksam gemacht, dass die Anwesenheit von freiem Sauerstoff oder Wasserstoff in dem Wasser der Zersetzungszelle oder Kette einen merklichen Einfluss auf die Stärke des Stromes. der Vorrichtung aus- übt, oder was dasselbe sagen will, die Elektrolyse des Wassers befördert. Epmunp BEcqQuEREL wies später durch eine Reihe von Versuchen nach,: dass auch noch andere Materien, dem Wasser der Zersetzungszelle beigemischt, die Zerlegung dieser Flüssigkeit begünstigen, dass nament.-. lich Chlor und Brom diese Wirkung ausüben, überhaupt aber ein solches Vermögen alle die Substanzen zeigen, wel- che eine starke Affinität entweder zum Sauerstoff oder zum Wasserstoff des Wassers haben.

Da diese Thatsachen in einer unmittelbaren Beziehung zu stehen scheinen zu der Theorie über die Quelle der volta’schen Elektricität und geeignet seyn möchten, ein neues Licht zu werfen auf den Zusammenhang, welcher zwischen chemischen und elektrischen Thätigkeiten stattfin- det, so habe ich geglaubt Etwas zur Schlichtung des im- mer noch fortdauernden Streites über die Ursache der hy- droelektrischen Ströme dadurch beitragen zu können, dass ich den Kreis der erwähnten Thatsachen erweiterte und die Bedingungen genauer, als bisher geschehen, ermittelte, unter welchen die elektrolysirenden Wirkungen der einfa- chen Kette vermehrt werden.

AO

Ob es meinen Bemühungen gelungen ist, diesen Zweck zu erreichen, diess wird am besten der Inhalt der nach- stehenden Arbeit zeigen, und will ich dem Urtheile der unpartheiischen Männer der Wissenschaft zu unterscheiden überlassen.

Ehe ich zur Beschreibung meiner Versuche übergehe, will ich einmal für allemal bemerken, dass die Kette, wel- ‚che ich zur Anstellung derselben gebraucht, aus Gusseisen und Zink bestand, ersteres Metall in concentrirte Salpeter- säure, letzteres in verdünnte Schwefelsäure tauchte, und beide Flüssigkeiten durch eine poröse Thonzelle von ein- ander getrennt waren. Die Grösse der elektromotorischen Kraft. dieser Vorrichtung war so, dass der Anker eines Elektromagneten, durch dessen Spirale der Strom der Kette ging, mit einem Gewichte von dreihundert Pfunden beiastet werden konnte, ohne dass der Anker von dem Hufeisen hierdurch abgerissen worden wäre.

Die von mir mit diesem Apparate angestellten Versuche und erhaltenen Resultate waren folgende:

1) Zwei Platinstreifen wurden auf die bekannte (elek- trochemische) Weise mit Bleihyperoxyd oder Silberhyper- oxyd überzogen und auf das Sorgfältigste mit reinem Was- ser abgespült. Liess ich nun dieselben als Elektroden der fraglichen Kette in reines Wasser eintauchen, so trat an der positiven Elektrode eine sehr merkliche Entwicklung von Sauerstoffgas ein. Wurde das Wasser mit einigen Tro- pfen Salpetersäure versetzt, so fiel die Gasentwicklung an der positiven Elektrode noch viel lebhafter aus und dauer- te dieselbe so lange an, bis jede Spur des Hyperoxydes an der negativen Elektrode verschwunden war. Mit dem dem Verschwinden des letzten 'Theilchens jener Substanz hörte auch die wahrnehmbare Zersetzung des Wassers auf. Es ist kaum nöthig anzuführen, dass die Elektrolyse dieser Flüssigkeit ganz unmerklich ausfällt, wenn reine Platinelek-

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troden in das reine oder gesäuerte Wasser eintauchen, ‘oder wenn nur die positive Elektrode eine Hülle von Hyperoxyd hat. Ob beide Platinelektroden mit Hyperoxyd überzogen waren, oder nur die negative allein, schien auf die Leb- hafuigkeit der Wasserzersetzung keinen merklichen Einiluss auszuüben.

2) Wurden Streifen von Kupfer, Eisen, Palladium, Blei etc. erst bis zum Anlaufen erhitzt, dann als negative Elektrode in reines oder schwach (mit Schwefelsäure oder Salpetersäure) gesäuertes Wasser eingeführt und als posi- tive Elektrode Gold oder Platin gebraucht, so fand an letz- terer eine sichtliche Entwicklung von Sauerstoffgas statt, die auch wieder nur so lange dauerte, bis die Oxydhülle der negativen Elektrode gänzlich reducirt war.

3) Wurden Platinstreifen mit leicht redueirbaren Me- talloxyden, z. B. mit denen des Kupfers, des Zinnes, des Bleies überzogen und als negative Elektrode der Kette in schwach gesäuertes Wasser eingeführt, so erhielt ich ein Resultat, ganz übereinstimmend mit dem vorhergehenden.

4) Tauchte ich zwei Platinstreifen in eine starke Auf- lösung von Chromsäure oder chromsaurem Kali, oder in concentrirte Schwefelsäure, oder in starke Salpetersäure ein, und liess ich dann dieselben in reinem oder schwach gesäuertem Wasser als Elektroden der Kette functioniren; so-fand an der positiven Elektrode eine ziemlich lebhafte Sauerstoffgasentwicklung statt, die jedoch nur kurze Zeit andauerte, d. h. auch nur so lange, als an der negativen Elektrode noch etwas von den vorhin genannten Substan- zen haftete. Das gleiche Resultat wurde erhalten, wenn man nur die negative Elektrode in Chromsäure, Salzsäure etc. eintauchte. Benetzte ich dagegen mit den erwähnten Säuren die positive Elektrode, nicht aber auch die negati- ve, so war die Wasserzersetzung eben so unmerklich, als hätten die reinen Platinbleche in diess Wasser eingetaucht.

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Hüllen von schwefelsaurem Kupferoxyd, salpetersaurem Sil- beroxyd, um die negative Platinelektrode gezogen, wirkten ähnlich den Schichten von Chromsäure, Salpetersäure etc.

5) Tauchen Platin- oder Goldstreifen als Elektroden der Kette in concentrirte Salpetersäure ein, so findet eine lebhafte und stetige Sauerstoffgasentwicklung an der posi- tiven Elektrode statt, und wird die Säure an dem negati- ven Streifen rasch in salpetrichte Säure umgewandelt. Wird aber die Salpetersäure mit so viel Wasser verdünnt, dass man ein Gemisch erhält, aus welchem der Strom einer Säule die beiden Elemente des Wassers entwickelt, ver- dünnt man nämlich die besagte Säure bis zu dem Grade, bei welchem der an der negativen Elektrode durch den Strom ausgeschiedene Wasserstoff nicht mehr von der Säure verschluckt wird, so vermag der Strom der Kette das Wasser auch nicht mehr auf eine wahrnehmbare Weise zu zerlegen. In einer so verdünnten Säure kann aber der unter 4) enthaltenen Angabe zufolge die Sauerstoffgasent- wickelung an der positiven Elektrode wieder veranlasst werden dadurch, dass man die negative Elektrode mit con- eentrirter Salpetersäure benetzt.

In concentrirter Schwefelsäure, oder in einer wässri- gen Lösungen von Ghromsäure, chromsaurem Kali, man- gansaurem Kali, schwefelsaurem Kupferoxyd, salpetersau- rem Blei- oder Silberoxyd, findet ebenfalls eine merkliche und stetige Sauerstoffgasentwicklung an der positiven Elek- trode statt, wenn Platin- oder Goldbleche als Elektroden in die genannten Flüssigkeiten eintauchen.

6) Wird gut leitende Kohle als negative Elektrode ge- braucht, Gold- oder Platinblech als positive, und ist die Zersetzungsflüssigkeit reines oder gesäuertes Wasser, so findet eine merkliche Entwicklung von Sauerstoff an der positiven Elektrode statt. Dient die Kohle als positive Elek- trode, Gold oder Platin als negative, so bemerkt man an

AS letzterer eine ziemlich lebhafte Entbindung, von Wasser- " stoffgas. i

7) Haben frisch geglühte Platinbleche einige Zeit in einer Atmosphäre von Wasserstoffgas sich befunden, und lässt man dieselben dann als Elektroden in reines oder schwach gesäuertes Wasser treten, so tritt an der negati- ven Elektrode auf einige Augenblick eine Wasserstoffgas- entibindung ein, die etwas merklicher ist als diejenige, wel- che man mit gewöhnlichen Platinblechen erhält. Das gleiche Resultat wird gewonnen, wenn man nur die positive Elek- trode in Wasserstoffgas getaucht hat.

3) Macht man Platinschwamm oder auch Platinblech, nachdem der eine oder das andere einige Zeit als negative Elektrode in gesäuerteim Wasser gedient hat, zur positiven Elektrode unserer Kette, so findet an der negativen Elek- trode eine noch lebhaftere Wasserstoffgasentwicklung statt, als diese unter den bei 7) angegebenen Umständen der Fall ist.

9) Wird Platinschwamm oder Platinblech, nachdem sie einige Zeil in einer Atmosphäre von Sauerstoffgas sich be- funden oder besser als positive Elektroden in gesäuertem Wasser gedient haben, als negative Elektrode gebraucht, so entwickelt sich an der positiven Elektrode merklich mehr Sauerstoff, als sich davon entbinden würde, wäre diese Elektrode gewöhnliches Platin.

10) Hält man Gold- oder Platinbleche für einige Au- genblicke in Chlor- oder Bromgas, und lässt man diese Streifen dann in gesäuertem Wasser als Elektroden der Kette functioniren, so findet eine viel lebhaftere Sauerstoff- gasentwicklung an der positiven Elektrode statt, als die ist, welche man bei Anwendung der gewöhnlichen Bleche dieser Metalle erhält. Natürlich dauert unter diesen Um- ständen die Entbindung des Sauerstoffes nur sehr kurze Zeit; auch bedarf es kaum der Erwähnung, dass man das

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gleiche Resultat erhält, wenn nur die negative Elektrode mit Chlor oder Brom in Berührung gesetzt worden ist.

11) Tauchen gewöhnliche Gold- oder Platinstreifen als Elektroden der Ketie in schwach gesäuertes Chlor- oder Bromwasser ein, so findet an der positiven Elektrode eine stetige und ziemlich lebhafte Sauerstoffgasentwicklung statt. Diese Gasentbindung ist selbst dann schon sehr merklich, wenn das Chlor- oder Bremwasser auch keinen Zusatz von Säure erhalten hat.

12) Bedient man sich des reinen oder schwach ge- säuerten Wassers als Zersetzungsflüssigkeit, und führt man in die letztere Gold- oder Platinstreifen ein, die man vor- her in gewöhnliche Salzsäure getaucht hatte, so findet für einige Augenblicke eine lebhafte Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode statt.

13) Wird gewöhnliche Salzsäure als Zersetzungsflüs- sigkeit gebraucht und werden Gold- oder Platinstreifen als Elektroden der Kette in diese Säure eingeführt, so tritt eine stetige und sehr lebhafte Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode ein, während das Gold oder. das Platin der positiven Elektrode rasch in der Zersetzungs- flüssigkeit sich auflöst.

14) Wird entweder reines oder schwach (durch Schwe. felsäure) gesäuertes Wasser als Zersetzungsflüssigkeit in Anwendung gebracht, und lässt man als Elektroden der Kette Streifen von amalgamirtem Zink oder von Kupfer, oder von irgend einem leicht oxydirbaren Metalle in diese Flüssigkeit treten, so findet an der negativen Elektrode eine Wasserstoffgasentwicklung statt, welche um so lebhaf- ter ausfällt, je oxydirbarer das Metall der Elektroden ist. Bestehen die Elektroden aus Eisen, so treten ganz eigen- thümliche Erscheinungen ein, welche in der nachfolgenden

Abhandlung umständlicher besprochen werden sollen.

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Aus allen voranstehenden Angaben, denen ich noch viele ähnliche beifügen könnte, erhellt deutlich, dass die in der Zersetzungszelle befindlichen Materien einen ent- schiedenen Einfluss auf die chemische Wirksamkeit der Kette, oder was auf das Gleiche hinauskommt, auf die Stärke des Stroms der Kette ausüben. Untersuchen wir diesen Einfluss näher, so zeigt es sich, dass derselbe ein- zig und allein bedingt wird und abhängig ist von der chemischen Natur der in der Zersetzungszelle anwesenden Substanzen.

Ist die Zersetzungsflüssigkeit z. B. Wasser, und tau- chen in dasselbe Gold- oder Platinelektroden ein, SO ver- mag unter diesen Umständen der Strom der Kette keine wahrnehmbare Elektrolyse des Wassers zu bewerkstelligen.

Umgeben wir aber die negative Elektrode mit einem Stoffe, welcher zu dem Wasserstoffe eine grosse chemische Verwandtschaft besitzt, so wird das Wasser merklich zer- legt, wie der an der positiven Elektrode sich entbindende Sauerstoff beweist.

Der Sauerstoff des Blei- oder Silberhyperoxydes, der Sauerstoff der Salpetersäure, der Chromsäure, der Magan- säure, der coneentrirten Schwefelsäure; der Sauerstoff der leicht reduceirbaren Metalloxyde, der an der negativen Pla- tinelektrode haftende freie Sauerstoff, das Chlor und das Brom, alle diese Körper sind mit einer grossen Verwandt- schaft zum Wasserstoff des Wassers begabt und es ist eben die Anwesenheit dieser Materien in dem Wasser, oder vielmehr an der negativen Elektrode, welche die Elektrolyse dieser Flüssigkeit begünstigt oder eigentlich verursacht.

Schlagen wir ein umgekehrtes Verfahren ein, d. h. umgeben wir die positive Elektrode mit einem Körper, der zum Sauerstoffe des Wassers eine grosse Affinität besitzt, so wird auch hiedurch die Elektrolyse des Wassers beför- dert. Ist also die positive Platinelektrode mit: einer Hülle

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von Wasserstoff umzogen, oder ist das Metall dieser Elek- trode selbst eine leicht oxydirbare Substanz, so tritt, wie wir gesehen haben, eine lebhafte Wasserstoffentwicklung an der negativen Elektrode ein.

Wie sehr das Stromresultat der Kette oder die Elek- trolyse des Wassers von den Verwandtschaftsverhältnissen der Stoffe abhängig ist, die sich in der Zersetzungszelle befinden, zeigen auf die schönste Weise die unter 5) an- geführten Thatsachen. Es ist bekannt, dass Wasserstoff im nascirenden Zustande der Salpetersäure dargeboten, letztere zu salpetrichter Säure reducirt, vorausgesetzt, die Salpetersäure besitze einen gewissen Concentrationsgrad. Verdünnt man dieselbe mit einer hinreichenden Menge Was- sers, so wirkt der nascirende Wasserstoff nicht mehr merk- lich auf diese Säure ein. Dieses Verhalten zeigt sich be- kanntermaassen am deutlichsten, wenn man den Strom ei- ner Säule das eine Mal durch concentrirte, das andere Mal durch verdünnte Salpetersäure gehen lässt. Im ersteren Falle entwickelt sich kein Wasserstoff an der negativen Elektrode; ım letzieren Falle entbinden sich Wasserstoff und Sauerstoff in den bekannten Raumesverhältnissen. Be- findet sich nun concentrirte Salpetersäure in der Zersetz- ungszelle unserer Kette und tauchen Gold- oder Platin- elektroden in dieseFlüssigkeit ein, so ist unter diesen Um- ständen die negative Elektrode fortdauernd mit einer Ma- terie umgeben, welche eine starke Verwandtschaft gegen den Wasserstoff ausübt; woher es nun eben auch kommt, dass unter solchen Verhältnissen der Strom der Kette das Wasser lebhaft zersetzt, während dieselbe Kette so gut als wirkungslos ist, wenn verdünnte Salpetersäure als Zer- setzungsflüssigkeit dient.

Die gewöhnliche Schwefelsäure des Handels im unver- dünnten Zustande zeigt, obwohl in schwächerem Grade, gegen den nascirenden Wasserstoff ein Verhalten, ähnlich

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demjenignn der Salpetersäure, und diess ist der Grund, warum an der positiven Elektrode einer einfachen Kette sich Sauerstoff entbindet, wenn jene Säure als Zersetzungs- flüssigkeit dient, während diess in einer mit Wasser stark verdünnten Säure nicht geschieht.

Nach obigen Angaben zersetzt der Strom einer Kette die Salzsäure sehr lebhaft, selbst in dem Falle, wo die Elektroden Gold oder Platin sind. Säuert man Wasser schwach, in einem Falle mit Salzsäure, im andern Falle mit Schwefelsäure oder Salpetersäure und lässt man Gold- oder Platinstreifen als Elektroden der Kette in der einen und der andern dieser Flüssigkeiten functioniren; so wird man an der negativen Elektrode, die in das salzsäurehalti- ge Wasser taucht, eine merkliche Gasentwicklung bemerken, während man an der gleichen Elektrode, welche in das schwefelsäurehaltige Wasser taucht, kaum ein Bläschen Wasserstoff aufsteigen sieht. Diese Thatsachen finden ihre Erklärung in der Verschiedenheit des chemischen Verhal- tens des Sauerstoffs und des Chlors zum Platin und zum Golde. Bekanntlich können sich diese Metalle schon auf directem Wege mit Chlor verbinden, während sie sich nicht

auf die gleiche Weise mit dem Sauerstoffe zu vereinigen

vermögen. Hieraus wird von den CGhemikern der Schluss gezogen, dass die Verwandtschaft des Chlors zum Golde und zum Platin grösser sey, als diejenige des Sauerstoffes zu den gleichen Metallen. Indem nun die positive Gold- elektrode der Kette eine grössere chemische Anziehung gegen das Chlor der Salzsäure ausübt, als die Anziehung ist, welche dieselbe Elektrode gegen den Sauerstoff des Wassers äussert, ist auch die Elektrolyse, die im salzsäu- rehaltigen Wasser stattfindet, ungleich lebhafter, als es die- jenige ist, die wir im schwefelsäurehaltigen Wasser wahr- nehmen.

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' Dient letzteres als Zersetzungsflüssigkeit und nehmen wir anstatt Gold- oder Platinbleche, Streifen von Kupfer oder Zink, als Elektroden, so wird in diesem Falle eine eben so lebhafte Wasserstoffentwicklung an der negativen Elektrode stattfinden, als die ist, welche man erhält, wenn Goldelektroden in salzsäurehaltiges Wasser eintauchen. Nach den bereits gemachten Bemerkungen ist es kaum nöthig, über die erwähnte Thatsache eine weitere Erklärung zu geben. Im fraglichen Falle steht die positive Kupfer - oder Zinkelektrode in einer chemischen Beziehung zu dem Sauerstoffe des Wassers, ähnlich derjenigen, welche die positive Gold- oder Platinelektrode zum Chlor der Salz- säure hat. Die Aehnlichkeit dieser Beziehungen, welche in den beiden Fällen stattfindet, hat auch eine Aehnlichkeit des Stromresultates zur Folge.

Eine wichtige Frage, die wir nun zu beantworten ha- ben, ist die: in welcher Weise wirken die Substanzen, von welchen die Elektroden umgeben sind, begünstigend auf die Elektrolyse des Wassers ein ?

Wenn z, B. die negative Elektrode mit Chlor, mit Brom, mit freiem Sauerstoff, oder mit Sauerstoff locker gebunden an andere Substanzen, umhüllt ist, bewirkt die- ses Chlor, dieses Brom, dieser Sauerstoff eine Trennung der Wassereiemente dadurch, dass die vorhin genannten Körper eine chemische Anziehung ausüben gegen den noch gebundenen Wasserstoff des Wassers der Zersetzungszelle, und dass diese chemische Anziehung sich addirend zu der in’ gleicher Richtung wirkenden Zersetzungskraft des Stro- mes der Kette, dasjenige bewerkstelligt, was letzterer für sich allein nicht zu thun vermöchte ?

Wie es scheint smd Grov: und Becovzr£L dieser Mei- nung. ‘Wir werden später auf diese Ansicht zurükkommen.

Diejenigen, welche von den Grundsätzen der Con- tactshypothese ausgehen, könnten vielleicht die fragliche

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Wasserzersetzung so erklären wollen, dass sie sagen: man führe durch die genannten (an der negativen Elektrode haftenden) Substanzen eine neue elektromotorische Kraft in die Keite ein, die einen Strom in Bewegung setze, wel- cher mit dem Strome der Kette einerlei Richtung habe. Diese Ansicht kann aber aus dem einfachen Grunde nicht geltend gemacht werden, weil die Wasserzersetzung auch noch dann erfolgt, wenn beide Elektroden mit der gleichen Substanz umgeben sind. Nach der Gontactshypothese müs. sen sich in diesem Falle die elektromotorischen Wirkungen der in die Flüssigkeit der Zersetzungszelle eintauchenden Elektroden gegenseitig aufheben, und es kann somit durch jene die Intensität des Stroms der Kette nicht vermehrt werden.

Ist die Flüssigkeit der Zersetzungszelle z. B. concen- trirte Salpetersäure oder Chromsäure, und sind die bei- den Elektroden Gold oder Platin, so entwickelt sich , obi- gen Angaben zufolge, Sauerstoffgas sehr lebhaft an der positiven Elektrode, während der elektrolytisch ausgeschie- dene Wasserstoff an der negativen Elektrode die daselbst vorhandenen Säuren desoxydirt. Welche elektromotorische Thätigkeit nun auch bei der Berührung zwischen Salpeter- säure und Platin stattfinden mag, so ist klar, dass in dem vorliegenden Falle diese Thätigkeit keinen Einfluss auf das Stromresultat ausüben kann, da die beiden aus dem glei- chen Metalle bestehenden Elektroden in eine gleiche Säure eintauchen.

Da nach dem Onum’schen Gesetze die Grösse des Stro- mes einer Kette gleich ist ihrer elektromotorischen Kraft, getheilt durch den Gesammtwiderstand der Kette, so dürfte man geneigt seyn, die Vermehrung der Intensität des Stro- mes oder, was dasselbe ist, die Steigerung der elektroly- sirenden Kraft der Kette, welche durch die Einführung ge- wisser Substanzen in die Zersetzungszelle bewerkstelligt

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wird, zunächst in einer Verminderung des fraglichen Wi- derstandes zu suchen. Der in der Zersetzungszelle aus- geübte Widerstand setzt sich nach der-Absicht vieler Phy- siker zusammen: erstens aus dem Leitungswiderstande der zwischen den Elektroden befindlichen elektrolytischen Flüs- sigkeit und zweitens aus dem Widerstande, der da statt- findet, wo die Elektroden und der Elektrolyt sich begrän- zen und Uebergangswiderstand genannt wird. Was nun den Leitungswiderstand der Flüssigkeit betrifft, so kann nicht angenommen werden, dass derselbe bei den in die- ser Abhandlung besprochenen Erscheinungen eine merklich einflussreiche Rolle spiele. Denn wenn wir zwei Platin- bleche z.B. mit concentrirter Salpetersäure befeuchten und dieselben als Elektroden der Kette in reines Wasser ein- führen, so darf man die unter diesen Umständen an der positiven Elektrode stattfindende Sauerstoffgasentwicklung nicht. der Verminderung des Leitungswiderstandes der in der Zerseizungszelle befindlichen Flüssigkeit zuschreiben, da die in diese letztere gebrachte Menge von Säure zu un- bedeutend ist, als dass dadurch die bestehenden Leitungs- verhältnisse merklich verändert werden könnten.

Dass übrigens das erhaltene Resultat nicht von der Verminderung des Leitungswiderstandes abhängt, geht auf das Genügendste aus dem Umstande hervor, dass in einem Falle der Leitungswiderstand der Flüssigkeit in der Zer- setzungszelle vielmal grösser seyn kann, als er es in einem andern Falle ist und im erstern dennoch eine merkliche Wasserzersetzung stattfindet, während diess im letztern Falle nicht geschieht. Tauchen z.B. die beiden Platinelek- troden einer Kette in concentrirte Salpetersäure, die in porösen Zellen sich befindet, und sind die letztern durch eine Zoll dicke .Wasserschicht von einander getrennt, so wird unter diesen Umständen noch eine merkliche Sauer- stoffgasentwicklung an der positiven Elektrode stattfinden.

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Lässt man die beiden Elektroden der gleichen Kette in rei- nes Wasser treten und stehen dieselben nur eine Linie von einander ab, so erfolgt keine wahrnehmbare Wasserzer- setzung. Es ist aber offenbar, dass in dem erstern Falle der Leitungswiderstand, den die Flüssigkeit der Zersetz- ungszelle ausübt, viele Male grösser ist, als der Wider- stand, den die Flüssigkeit im zweiten Falle äussert; denn nicht nur sind dort die Elektroden durch eine bedeuten- dere Wassermasse von einander getrennt, sondern es hat überdiess der Strom der Kette auch noch den Widerstand der beiden Salpetersäureschichten zu überwinden.

Es kann daher hier einzig der sogenannte Uebergangs- widerstand in Betracht kommen. ‘Nach unserer Ansicht giebt es einen solchen zwar nicht, und wir sind immer noch der Meinung, dass dasjenige, was Uebergangswider- stand genannt wird, seinen Grund allein in secundären Gegenströmen oder in der sogenannten Polarisation der Elektroden habe. Erfahrungsgemäss findet ein Uebergangs- widerstand nicht statt, falls ein Strom aus einem Metalle in ein anderes, überhaupt aus einem festen Leiter in einen andern festen Leiter tritt; ja selbst'in dem Falle wird kein Uebergangswiderstand bemerkt, wo der Strom aus einem festen Leiter in einen unzersetzbaren flüssigen, z. B. in Quecksilber tritt, oder umgekehrt.

Damit der. sogenannte Uebergangswiderstand sich zei- ge, ist nach unsern bisherigen Erfahrungen durchaus noth- wendig, dass zwischen die Elektroden ein durch den Strom zersetzbarer Körper, eine elektrolytische Flüssigkeit ge- stellt, sey. Es ist ferner bekannt, dass die Grösse des unter diesen Umständen entwickelten Uebergangswiderstan- des wesentlich bedingt wird durch die chemische Natur, sowohl der Elektroden als der elektrolytischen Flüssigkeit, oder, um noch genauer zu reden, durch das chemische Verhältniss, in welchem die Bestandtheile des Elektrolyten

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zu der Materie der Elektroden stehen. Verbinden sich die durch den Strom. ausgeschiedenen Jone des Elektrolyten mit der Substanz. der Elektroden und werden überdiess die hiedurch erzeugten chemischen Verbindungen durch die elektrolytische Flüssigkeit oder auf eine andere Weise von der Oberfläche der Elektroden fortwährend entfernt, so wird unter solchen Umständen kein merklicher Ueber- gangswiderstand wahrgenommen. Ein gleiches Resultat wird auch erhalten werden, wenn man die ausgeschiedenen Jone sofort in chemische Verbindung treten lässt mit Materien, welche die Elektroden umgeben. Treten dagegen die Jone frei an den Elektroden auf, so wird der Uebergangswider- stand immer bedeutend seyn. Ist die elektrolytische Flüs- sigkeit reines oder mit Schwefelsäure oder Salpetersäure gesäuertes Wasser und sind die Elektroden der Kette Gold- oder Platinstreifen, so tritt an dieser der Sauerstoff und Wasserstoff frei auf und der unter diesen Umständen sich zeigende Uebergangswiderstand erscheint bedeutend gross. ‚Wählt man zu Elektroden ein Metall, das sich mit dem Sauerstoffe direct verbinden kann, z. B. Zink, so wird der Uebergangswiderstand schon bedeutend schwächer aus- fallen, weil der an der positiven Elektrode ausgeschiedene Sauerstoff sich sofort mit dem Zink vereinigt. Entfernt man auf eine geeignete Weise auch den an der negativen Elektrode auftretenden Wasserstoff, so wird der Ueber- gangswiderstand gleich Null seyn.

Diente Salzsäure als Elektrolyt und Gold oder Platin als Elektroden, so ist in diesem Falle der Uebergangswi- derstand ebenfalls unbedeütender, als derjenige, welcher bei Anwendung von denselben Elektroden und schwefel- säurehaltigem Wasser sich zeigt; weil in ersterm Falle das Chlor mit dem Golde oder Platin sich chemisch verbindet und das Chlorid sofort von der elektrolytischen Flüssigkeit aufgenommen wird. Noch geringer fällt dieser Widerstand

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aus, wenn man die positive Goldelektrode in Salzsäure, die aus demselben Metalle bestehende negative Elektrode in concentrirte Salpetersäure eintauchen lässt, während beide Flüssigkeiten durch eine poröse Zwischenwand mit einan- der in leitender Verbindung stehen. Unter diesen Umstän- den wird ‚auch der Wasserstoff in dem Augenblicke von der Salpetersäure gebunden, wo jenes Element an der ne- gativen Elektrode sich ausscheidet.

Da man überhaupt in allen Fällen, in welchen die Po- larisation der Elektroden geschwächt oder völlig verhindert wird, auch den Uebergangswiderstand vermindert oder auf- hebt, so darf hieraus wohl der Schluss gezogen werden, dass dieser Uebergangswiderstand seine Ursache in der be- sagten Polarisation habe, welche letztere selbst, wie wir diess jetzt mit, Bestimmtheit wissen, veranlasst wird durch die Ablagerung der Jone des Blektrolyten auf die Elektro- den, oder der secundären Produkte, welche diese Jone mit dem Elektrolyten oder mit der Materie der Elektroden bilden.

Es darf jetzt ebenfalls als eine ausgemachte Sache an- gesehen werden, dass die Leitung eines Stromes durch ei- nen Elektrolyten wesentlich abhängig oder eigentlich. be- dingt ist durch eine Zerlegung des letztern Körpers, und dass daher auch nicht der allerschwächste Strom durch eine elektrolytische Flüssigkeit gehen kann, ohne von die- ser eine gewisse Menge zu zerlegen. Den sichern Beweis dafür, dass eine Elektrolyse stattgefunden, haben wir im- mer in der Polarität der Elektroden.

Setzen wir nun den Fall, dass in der Zersetzungszelle einer einfachen Kette sich reines Wasser befinde und die in diese Flüssigkeit eintauchenden Elektroden Platin- oder Goldstreifen seyen. Im allerersten Augenblicke schon, wo der Strom der Kette durch die Zersetzungszelle geht, wird eine gewisse Menge Wassers zersetzt, und der daraus ab-

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geschiedene Sauerstoff auf die positive Elektrode, der Was- serstoff auf die negative Elektrode abgesetzt werden. Die unmittelbare Folge hievon wird seyn, dass jene Elektrode negative Polarität, diese positive Polarität erlangt und zwar wird der Grad dieser Polaritäten im Verhältniss stehen zu der Menge des im ersten Augenblicke der Strömung zer- setzten Wassers oder zu der Grösse des anfänglichen Stro- mes. Im zweiten Augenblicke sucht die Kette einen Strom durch die Zersetzungszelle zu schicken, eben so gross, als derjenige war, welcher im ersten Augenblicke durch das Wasser ging. Allein dieser Strom, im zweiten Augenblicke erzeugt, wird nicht so gross seyn können, als es der Strom des ersten Augenblicks war; denn die Polarität der Elektroden ruft im zweiten Moment einen secundären Strom hervor, der dem von der Kette gleichzeitig erregten ent- gegen gesetzt ist. Es muss daher der letztere um die Grösse des secundären Stromes vermindert werden. Würde nun diese Grösse gleich seyn der Grösse des Stromes, wel- chen die Kette im zweiten Augenblicke hervorruft, so könnte in diesem zweiten Momente gar keine Elektrolyse mehr stattfinden, d. h. müsste der secundäre Strom den primi- tiven im Gleichgewicht halten. Gestatteten es nun die Um- stände, dass das ganze Quantum der im ersten Augenbli- cke der Strömung der Kette ausgeschiedenen Jone des Was- sers an den Elektroden haftete, so würde vielleicht der durch die Polarisation im zweiten Augenblicke hervorgeru- fene secundäre Strom die Stärke des in derselben Zeit durch die Kette erregten primitiven Stromes erreichen. Da aber das die Elektroden umgebende Wasser durch sein Auflö- sungsvermögen einen Theil der Jone von den Elektroden sofort entfernt, so kann ein solches Stromgleichgewicht nicht eintreten und muss der Strom der Kette in den er- sten Momenten ihrer Thätigkeit den durch die Elektroden erregten Gegenstrom überwinden. Dieses Uebergewicht

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wird aber so unbedeutend seyn, dass dadurch keine wahr- nehmbare Elektrolyse des Wassers wird bewerkstelligt wer- den können.

Umhüllen wir nun aber die negative Elektrode mit ei- ner Materie, die sich mit dem nascirenden Wasserstoffe chemisch verbindet, d. h. schaffen wir den Wasserstoff, der in Folge der Stromthätigkeit an der negativen Elek- trode auftritt, in dem Augenblicke seines Auftretens da- selbst fort, so wird hiedurch die positive Polarisation die- ser Elektrode verhindert, somit die Grösse des secundären Stromes vermindert, damit aber auch die Intensität des primitiven Stromes gesteigert und eben dadurch die Elek- trolyse des Wassers befördert. Aus vorangegangenen Be- merkungen erhellt auch, dass ein gleiches-Resultat erhalten werden muss, wenn man den Sauerstoff von der positiven Elektrode entfernt, in dem Augenblicke, wo jenes Element an derselben ausgeschieden wird. Werden durch geeignete Mittel die an den Elektroden ausgeschiedenen Jone des Wassers oder irgend eines andern Elektrolyten gleichzeitig und vollständig von ihren respectiven Ablagerungsorten entfernt, wird mit andern Worten die Polarisation beider Elektroden gleichzeitig und vollständig verhindert, so muss der unter solchen Umständen von der Kette erzeugte Strom stärker ausfallen, als in dem Falle geschieht, wo ‚die Pola- risation von nur einer Elektrode verhindert wird.

Nach den voranstehenden Bemerkungen dürfte es nun nicht mehr schwierig seyn, alle die weiter oben angeführ- ten Thatsachen genügend zu erklären und eine richtige Vorstellung sich zu bilden von der Art und Weise, wie die in die Zersetzungszelle eingeführten oder die dieElek- troden umhüllenden Substanzen den Strom der einfachen Kette oder die Elektrolyse der Zersetzungsflüssigkeit be- günstigen. Es geschieht diess, gemäss dem vorhin Gesag- ten, ganz einfach durch die depolarisirenden Wirkungen,

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Y welche die fraglichen Materien auf die Elektroden ausüben, in manchen Fällen auch dadurch, dass die Jone der Elek- trolyten mit der Materie der Elektroden chemisch sich ver- binden und .die hieraus entstandenen Gebilde von der um- gebenden Zersetzungsflüssigkeit aufgenommen werden. Streng genommen beruht auch in dem letztern Falle die Verstärkung des Stromes der Kette auf einer depolarisiren- den Wirkung.

Nicht selten geschieht es, dass die in der Zersetzungs- zelle entstandenen chemischen Verbindungen selbst wieder depolarisirend auf die eine oder die andere der Elektroden wirken. Ein solcher Fall tritt ein, wenn z. B. die Elek- troden Kupferstreifen, die Zersetzungsflüssigkeit verdünnte Schwefelsäure ist. Es entsteht unter diesen Umständen schwefelsaures Kupferoxyd, dessen Anwesenheit in der Zer- setzungsflüssigkeit, gemäss den oben angeführten Thatsa- chen, den Strom der Kette verstärkt, in sofern es den Wasserstoff der negativen Elektrode aufnimmt. Ist die Zer- setzungsflüssigkeit Salzsäure und sind die Elektroden Gold, so wirkt das entstehende Chlorgold in gleicher Weise de- ‚polarisirend auf die negative Elektrode. Aus dem Gesagten erklären sich auch manche andere Thatsachen, die bisher sehr anomal erscheinen mussten.

Bekanntlich leitet wasserfreies flüssiges Chlor oder Brom den volta’schen Strom ganz und gar nicht; vom rei- nen Wasser sagt man nicht mit Unrecht, dass dessen Lei- tungsvermögen sehr unbedeutend sey und jeder Physiker weiss, dass wasserhaltiges Brom oder Chlor viel besser leitet, als reines Wasser. Nach meiner Ansicht vermehrt nun das Chlor etc. die Leitungsfähigkeit des Wassers an und für sich ganz und gar nicht, und beschränkt sich die Wirkung jenes Körpers darauf, dass er den an der ne- gativen Elektrode auftretenden Wasserstoff aufnimmt, hie- durch die positive Polarisation dieser Elektrode verhindert,

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somit indirect den primitiven Strom der Kette verstärkt, scheinbar also die Leitungsfähigkeit des Wassers erhöht. Die Thatsache, dass Salpetersäure von einer gewissen Stärke besser leitet, als die mit Wasser verdünnte, erklärt sich auf die gleiche Weise. Auch das verhältnissmässig be- deutende elektrolysirende Vermögen der Becquzrer’schen Kette, welche bekanntlich aus einer concentrirten Kalılö-

sung und starker Salpetersäure gebildet wird, ist nunmehr

leichter begreiflich. Werden die beiden genannten Flüssig- keiten (durch eine poröse Scheidewand mit einander in Be- rührung stehend) vermittelst Platinstreifen leitend verbun- den, so entwickelt sich in merklicher Menge Sauerstoff an der Elektrode, die in die Kalilösung- taucht, und wird die Salpetersäure an der negativen Elektrode in salpetrichte Säure verwandelt. In Folge der chemischen Reaction, die an den Berührungsflächen der beiden Flüssigkeiten statt- findet, entsteht ein Strom, der von dem Kalı zur Säure geht. Dieser Strom scheidet Sauerstoff an der im wässri- gen Kalı stehenden Elektrode, und Wasserstoff an dem in die Salpetersäure tauchenden Platinstreifen aus. Der, Was- serstoff verbindet sich aber im Augenblicke seines Freiwer- dens mit einem Theile des Sauerstoffes der Salpetersäure, wodurch die positive Polarisation der negativen Elektrode verhindert und also indirecet der primitive Strom der Kette verstärkt wird.

Die Thatsache, dass eine Kette, aus verdünnter Sal- petersäure und Kalilösung gebildet, keinen Strom erzeugt, der kräftig genug wäre, das Wasser in merklicher Menge zu zerlegen, scheint mir ein weiterer Beweis für die Rich- tigkeit der so eben gegebenen Erklärung zu seyn; denn Salpetersäure von einem gewissen Wassergehalt besitzt nicht mehr das Vermögen, nascirenden Wasserstoff zu ver- ‚schlucken, d. h. die negative Elektrode zu depolarisiren.

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Wenn nun kaum in Abrede gestellt werden kann, dass in den bisher besprochenen Fällen die Erhöhung des elek- trolysirenden Vermögens oder die Verstärkung des Stromes einer einfachen Kette von depolarisirenden Wirkungen ab- hängt, welche von den in der Zersetzungszelle befindlichen Substanzen auf die Elektroden ausgeübt werden, so fragt es sich doch noch, ob die beobachtete Steigerung der vol- ta’schen T'hätigkeit einer solchen Kette einzig und allein der bezeichneten Ursache ‚(der Depolarisation) zugeschrieben werden darf.

Nach den Annahmen mancher Physiker verursacht jede chemische Thätigkeit eine Störung des elektrischen Gleich- gewichts und findet letztere namentlich bei der chemischen Verbindung der Stoffe untereinander statt, z. B. also bei der Vereinigung des freien Sauerstoffes mit irgend einem Metalle.

Dieser Ansicht zufolge müsste nun z. B. die Verbin- dung des an der negativen Elektrode ausgeschiedenen Was- serstoffes mit Sauerstoff, Chlor, Brom u. s. w., und die Vereinigung des an der positiven Elektrode auftretenden Sauerstoffes mit Wasserstoff oder mit irgend einem andern oxydirbaren Körper volta’sche Ströme veranlassen. Was die Richtung betrifft, welche die in den eben erwähnten Fällen erzeugten Ströme nehmen, so müsste dieselbe, täu- sche ich mich anders nicht, nach den Grundsätzen pe 1A Rıve’s z. B. gerade entgegen gesetzt seyn der Richtung, in wel- cher der primitive Strom der Kette kreist. Es müsste dem- nach der secundäre Strom, hervorgegangen aus der an den Elektroden stattfindenden chemischen Actionen, anstatt verstärkend, schwächend auf den Strom der Kette wirken. Würde nun aber diesen Thätigkeiten wirklich das ihnen zugeschriebene elektromotorische Vermögen zukommen, so müsste dasselbe merklich kleiner seyn, als dasjenige der polarisirten Elektroden, weil sonst die Depolarisation der

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letztern keine Verstärkung des Stromes der Kette verursa-- chen könnte. Jedenfalls erhellt aus dem eben Gesagten, dass die chemischen Vorgänge, welche an den Elektroden stattinden, gemäss DE LA Rıve’s Theorie, nichts zur Erhö- hung der volta’schen Thätigkeit der Kette beizutragen ver- mögen. |

Um auf eine genügende Weise die Frage beantworten zu können, ob die in Rede stehende Verstärkung des Stro- mes der Kette allein von. der Depolarisation der Elektro- den herrühre, müsste man, meinem Ermessen nach, genau das Verhältniss kennen, in welchem die Stärke des initia- len Stromes der Kette steht zu der Stärke der von ihm hervorgerufenen Polarität der Elektroden; oder was das- selbe ist, es müsste das Verhältniss bekannt seyn, welches die Intensität des primitiven Stromes der Kette zu der In- tensität des secundären Stromes der Elektroden hat. Mei- nes Wissens kennen wir aber dieses Verhältniss noch nicht; auch will es mir scheinen, als ob die directe Ausmittelung desselben eine äusserst schwierige, wo nicht unmögliche Sache sey. Denn in demselben Augenblicke, wo der Strom der Kette durch die Zersetzungszelle geht, findet auch schon die Polarisation der daselbst befindlichen Metallelek- troden und somit auch dieRückwirkung ihrer Polaritäten auf den primitiven Strom der Kette statt. Die Stärke des Stromes der Kette, in welchem Momerte wir jene auch messen mögen, wie auch. der Grad der Polarisation der Elektroden, ist daher immer nur die Resultante von Gegen- strömen oder von elektromotorischen Kräften, die in ent- gegengesetzten Richtungen wirken:

Setzen wir nun aber den Fall, das fragliche Verhält- niss wäre bekanzt und es ergäbe sich aus demselben, dass der durch die Polarisation der Eletkroden hervorgerufene Gegenstirom z. B. nur ein Viertel so stark sey, als der primitive Strom, der diese Polarisation erregte, so müsste

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offenbar, im Falle die letztere durch irgend ein Mittel gänz- lich verhindert würde, der beobachtete Strom der Kette gerade um ein Viertel stärker ausfallen, als der Strom ei- ner gleichen volta’schen Vorrichtung, deren Elektroden gar nicht depolarisirt worden wären. Würde aber die Stärke des Stromes der erstern Kette um mehr als um ein Viertel grösser seyn, so erhellte aus ‚einer solchen Thatsache, dass ausser der Depolarisation der Elektroden noch ein anderer Umstand verstärkend auf den Strom eingewirkt hätte.

Es giebt einige Thatsachen, welche der Vermuthung Raum zu geben scheinen, dass der Strom der Kette in ei- nem grössern Verhältniss verstärkt werde, als diess in Folge der Depolarisation der Elektroden gescheben sollte.

Thatsachen solcher Art scheinen mir die verhältniss- mässie bedeutende voita’sche Wirksamkeit der BeEcquvErer’ schen Kette und die erstaunlichen Wirkungen der Grovr’ schen Säule zu seyn. Die elektromotorische Ueberlegen- heit dieser beiden Vorrichtungen über andere ihnen ähn- liche Ketten ist in der That so gross, dass wir kaum an- nehmen können, dieselbe rühre einzig von dem depolarisi- renden Einflusse her, welchen die concentrirte Salpeter- säure an der negativen Platinelektrode dieser Ketten ausübt.

Sollte aber die fragliche Depolarisation nicht die ein- zige Ursache der Stromverstärkung seyn, wo haben wir denn noch eine weitere, und zwar eine directe Stromquelle zu suchen? Dass z. B.in der Grove’schen Kette eine sol- che Quelle nicht in der Reaction der Salpetersäure und verdünnten Schwefelsäure liege, ist meines Wissens von JAcosı gezeigt worden.

Das getrennte Auftreten der Bestandtheile des Wassers an den Elektroden lässt verinuthen oder zwingt vielmehr zu der Annahme, dass die erste Wirkung, welche eine vol- ta’sche Vorrichtung auf die Molecüle des genannten Elek- trolyten in der Zersetzungszelle ausübt, darin besteht:

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dass diese Molecüle in eine bestimmte Lage in Bezug auf die Elektroden gebracht, d. h. die Wasserstofiseiten der Wassertheilchen gegen die .negative Elektrode, die Sauer- stoffseiten aber gegen die positive Elektrode gerichtet wer- den. Diese Wirkung muss nothwendiger Weise der wirk- lichen Elektrolyse des Wassers oder dem Eintritte des Stro- mes vorausgehen, weil wir sonst nicht begreifen könnten, wie z. B. der Wasserstoff des Wassertheilchens, welches an die positive Elektrode gränzt,:mit dem Sauerstoffe des jenen zunächst liegenden Wassermolecüles, wie überhaupt der Wasserstoff des vorangehenden Wassertheilchens mit dem Sauerstoffe des unmittelbar folgenden Wassermolecüles sich vereinigen könnte.

Denken wir uns nun die Molecüle des Wassers in der Zersetzungszelle auf die angegebene Weise geordnet und nehmen wir an, es sey die negative Elektrode dieser Zelle unmittelbar mit einer Substanz umgeben, welche zum Was- serstoffe eine grosse Verwandtschaft besitzt (z. B. mit Sauer- stoff, Chlor, Brom u. s. w.) so muss unter den angeführ- ten Umständen eine derartige Materie gegen den Wasser- stoff des ihr benachbarten Wassermolecüles eine chemische Anziehung ausüben. Diese Anziehung ändert nothwendig das chemische Verhältniss ab, in welchem der Sauerstoff und Wasserstoff des fraglichen Wassermoleeüles zu einan- der stehen, d. h. vermindert die Stärke der Affinität die- ser Elemente zu einander und gestattet eben desshalb dem Sauerstoffe des ersten (mit der negativen Elektrode in un- mittelbarer Berührung stehenden) Wassertheilchens, dass er eine grössere chemische Anziehungskraft ausübt gegen das ihm (dem Sauerstoffe) zugekehrte Wasserstoffatom des zweiten Wassermolecüles. Hiedurch wird in diesem letz- tern Molecül ebenfalls eine Schwächung der Affinität seiner Bestandtheile verursacht und die Affinität des Sauerstoffes zu dem Wasserstoffatome des dritten Wassermolecüles ge-

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steigert. Der veränderte chemische Zustand des dritten Molecüles führt nothwendig eine ähnliche Veränderung im vierten Molecüle herbei u. s. w. Die Elemente aller Was- sermolecüle, welche. sich zwischen den Elektroden befin- den, erleiden somit in ihrem chemischen Verhältnisse zu einander die nämliche Veränderung, welche in den Bestand- theilen des ersten Wassermolecüles verursacht wird durch den Einfluss der wasserstoffanziehenden Substanz, von der die negative Elektrode umgeben ist. Alle Wasserstoffatome der zwischen den Elektroden liegenden Wassermolecüle er- halten daher unter den obwaltenden Umständen das Bestre- ben, gegen die negative Elektrode der Kette hin sich zu bewegen und da der Strom der letztern dieselben Wasser- stoffatome in der gleichen Richtung zu bewegen sucht, so lässt sich leicht begreifen, wie beide Impulse, gleichzeitig wirkend, eine grössere Wirkung hervorbringen, als die ist, welche nur einer dieser Impulse zu verursachen vermag.

Wenn man die positive Elektrode mit einer Materie umhüllt, die den Sauerstoff begierig aufnimmt, so sieht man nach den voranstehenden Bemerkungen unschwer ein, dass auch hiedurch die Elektrolyse des Wassers eben so gut befördert werden muss, als dadurch, dass man die ne- gative Elektrode in Berührung setzt mit einer Substanz, die den Wasserstoff stark anzieht. Auch ist klar, dass die Stromeffekte noch stärker ausfallen müssen, wenn die bei- den Elektroden gleichzeitig, die positive mit einer den Sauerstoff anziehenden Substanz, die negative Elektrode mit einer den Wasserstoff anziehenden Materie, in Berüh- rung stehen.

Möge nun die besprochene Stromverstärkung in.depo- larisirenden Wirkungen auf die Elektroden allein, möge sie auch noch in andern Ursachen und namentlich in dem von mir zuletzt bezeichneten Umstande ihren Grund haben: so viel ist jedenfalls gewiss, dass dieselbe in dem innigsten

63 Zusammenhange steht mit chemischen Thätigkeiten, die an den Elektroden der Kette stattfinden. Denn lässt man sich bei der Wahl der Substanzen, mit denen man entweder die Elektroden umhüllt, oder die man in die Zersetzungs- flüssigkeit einführt, ich sage, lässt man sich hiebei einzig und allein von chemischen Rücksichten leiten, d. h. von den gewöhnlichen chemischen Beziehungen, in welchen die fraglichen Substanzen zu den an den Elektroden ausgeschie- denen Jonen des Elektrolyten stehen, so lässt sich immer das eintretende volta’sche Resultat mit Sicherheit voraussa- gen. Dieser Umstand scheint mir nicht ohne Bedeutung für die Theorie des Voltaismus zu seyn und stark zu Gun- sten der Ansicht zu sprechen, welcher gemäss die hydro- elektrischen Ströme aus chemischen Thätigkeiten entspringen.

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Nachtrag.

Es war Voranstehendes bereits geschrieben, als ich noch einige neuere Thatsachen ermittelte , welche sich ge- nau an die weiter oben beschriebenen Phänomene anreihen und die ich desshalb noch mittheilen will.

Dient frischgeglühtes schwammförmiges Platin als po- sitive Elektrode der Kette, Platindraht als negative und ge- wöhnliches Wasser als Zersetzungsflüssigkeit, so findet un- ter diesen Umständen eine noch wahrnehmbare Elektrolyse des Wassers statt, wie die an der negativen Elektrode auf- steigenden Gasbläschen darthun. Wird frisch geglühter Platinschwamm als negative Elektrode, Platindraht als po- sitive gebraucht, so bemerkt man kaum eine Gasentwick- lung mehr. Versetzt man das Wasser mit einigen Tropfen Schwefelsäure oder Salpetersäure, so fällt die Wasserstoff- entbindung an der negativen Elektrode ziemlich lebhaft aus und dauert dieselbe längere Zeit mit scheinbar gleichblei-

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bender Stärke an, falls nämlich die negative Elektrode aus einem Platindraht und die positive aus Platinschwamm be- steht. An letzterem sieht man unter den erwähnten Um- ständen zwar auch Bläschen aufsteigen; es scheint jedoch die Menge derselben bei weitem nicht dem an der negati- ven Elektrode entbundenen Wasserstoffquantum zu ent- sprechen.

Macht man den Platinschwamm zur negativen Elektro- de, den Platindraht zur positiven, so findet zwar an letz- terem eine merkliche Sauerstoffentwicklung statt; es hört aber dieselbe, wie auch die Entbindung des Wasserstoffes an dem negativen Platinschwamme schon nach wenigen Au- genblicken beinahe gänzlich auf.

' Wird. der ‚geglühte und zur positiven Elektrode be- stimmte Platinschwamm mit Ameisensäure benetzt, bevor man ihn in das schwach gesäuerte Wasser der Zersetzungs- zelle eintaucht, so findet an: der negativen Platindrahtelek- trode eine Wasserstoffgasentwicklung statt, welche merk- lich lebhafter ist, als diejenige, die man in dem Falle er- hält, wo reiner Platiinschwamm als positive Elektrode func- tionirt.. Lässt man frischgeglühten Platinschwamm, eben- falls mit Ameisensäure benetzt, als negative Elektrode in schwach gesäuertes Wasser tauchen, und dient als: positive Elektrode ein Piatindraht, so ist die unter solchen Umstän- den stattfindende Wasserelektrolyse nicht lebhafter, als: die- jenige, welche Platinschwamm für sich allein verursacht.

Wird wässrige Ameisensäure als Zersetzungsflüssigkeit, Platinschwamm als positive, und Plaiindraht als negative Elektrode angewendet, so findet an letzterer eine lebhafte Wasserstoffgasentwicklung statt. Verwechselt man die ge- nannten Elektroden, nachdem sie vorher geglüht worden, so ist an der schwammförmigen negativen Elektrode kaum ein Bläschen von Wasserstoffgas wahrzunehmen.

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Wird frisch geglühter Platinschwamm mit Aether be- netzt und als positive Elektrode in schwach (mit Schwefel- - säure) gesäuertes Wasser eingeführt, und dient ein Pla- tindraht als negative Elektrode, so entwickelt sich an letz- terer merklich mehr Wasserstoff, als sich daran in dem Falle enibindet, wo Platinschwamm ohne Aether als posi- tive Elektrode functionirt. Lässt man mit Aether benetzten Platinschwamm als negative Elektrode in die Zersetzungs. flüssigkeit eintauchen, und einen Platindraht als positive Elektrode functioniren, so fällt die Elektrolyse des Wassers nicht lebhafter aus, als diess der Fall ist, wenn der nega- tive Platinschwamm ohne Aetherhülle angewendet wird. Versetzt man das gesäuerte Wasser mit etwas Aether und functionirt Platinschwamm als positive Elektrode, so ent- wickelt sich an der negativen Elektrode mehr Wasserstoff, als sich davon entbindet in dem Falle, wo die Zersetzungs- flüssigkeit keinen Aether enthält. Spielt der Plauinschwamm die Rolle der negativen Elektrode, so übt die Anwesenheit des Aethers in der Zersetzungsflüssigkeit keinen merklichen Einfluss auf die stattfindende Elektrolyse des Wassers aus. Weingeist wirkt in den vorhin angeführten Fällen wie Ae- ther, jedoch, wie es mir schien, in etwas schwächerm Grade. Noch verdient bemerkt zu werden, dass an dem Platinschwamme, der mit Aether oder Weingeist benetzt wird, bevor er als positive Rlektrode dient, kein Sauerstoff sich entbindet, wenn die Wasserstoffentwicklung an dem negativen Platindrahte auch noch so lebhaft ist. Diese Thatsache begreift sich sehr leicht. Der an dem positiven Platinschwamme auf elektrolytischem Wege ausgeschiedene Sauerstoff vereinigt sich mit einem Theil des Wasserstof- fes, enthalten im Aether oderWeingeist, und wandelt diese Substanzen in Aldehyd u. s. w. um.

Was die Ameisensäure betrifft, die sich am positiven Platinschwamme befindet, so ist von ihr bekannt, dass sie

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unter geeigneten Umständen durch den Sauerstoff sehr leicht in Kohlensäure und Wasser verwändelt wird. Der an der positiven Elektrode ausgeschiedene Sauerstoff wirft sich im fraglichen Falle auf den Kohlenstoff und Wasser- stoff der Ameisensäure und verursacht die eben erwähnte Zersetzung dieser Säure. Desshalb bemerkt man auch in dem Augenblicke, wo der mit Ameisensäure behaftete Pla- tinschwamm als positive Elektrode in die Zersetzungsflüs- sigkeit eintaucht, an ihm (dem Platinschwamme) Bläschen aufsteigen, die höchst wahrscheinlich aus Kohlensäure be- stehen.

Es ist kaum nothwendig über die so eben mitgetheil- ten T'hatsachen noch weitere Bemerkungen zu machen; denn es ist offenbar, dass Aether, Weingeist und Ameisensäure an der positiven Elektrode gerade so wirken, wie eine Hülle von Wasserstoff oder von irgend einem andern leicht oxydirbaren Körper.

Dass das schwammförmige Platin als positive Elektrode und umgeben von Aether u. s. w. eine Steigerung der Wasserelektrolyse verursacht, hat seinen Grund ohne Zwei- fel in dem merkwürdigen Vermögen dieses Metalles, die Aftinität des Sauerstoffes zum Wasserstoffe zu erhöhen.

Auffallend ist die Thatsache, dass die volta’sche Zer- setzung des Wassers lebhafter ausfällt, wenn in reinen oder mit Schwefelsäure gesäuertem Wasser Platinschwamm als positive Elektrode dient, als diess geschieht, falls der- selbe als negative Elektrode und Platindraht als die positive functionirt.

ich gestehe aufrichtig, dass es mir unmöglich ist, ir- gend einen Grund für den fraglichen Wirkungsunterschied anzugeben; denn unsern bisherigen Theorien nach sollte es in Bezug auf das Resultat der Elektrolyse ganz einerlei seyn, ob Platinschwamm die Rolle der positiven oder die der negativen Elektrode spielt. Da dem nun nicht so ist,

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'so muss an besagtem Schwamme, als positiver Elektrode, irgend ein Vorgang stattfinden, der entweder auf mittelbare oder direkte Weise die Stärke des Stromes der Kette ver- mehrt. Sollte sich vielleicht als secundäres Produkt um den positiven Platinschwamm Wasserstoffhyperoxyd bilden und in Folge der unter dem Einflusse des Platins sofort wieder eintretenden Zersetzung dieser Verbindung ein Strom entstehen, der mit dem Strome der Kette einerlei Richtung . hat? Nach BEcauzrer’s und meinen eigenen Versuchen ver- hält sich in oxydirtem Wasser das schwammförmige Platin positiv zu dem dichten Metalle.

DeıARıvE wird vielleicht die Ursache der in Rede ste- henden Erscheinung in der von ihm angenommenen Oxy- dirbarkeit des Platins und in der schwammförmigen Be- schaffenheit, welche die directe Vereinigung des Sauerstof- fes mit diesem Metalle begünstigen musste, zu suchen ge- neigt seyn. Aus Gründen, die in einer eigenen, bald er- scheinenden Abhandlung entwickelt sind, kann ich die di- recte Oxydirbarkeit des Platins nicht zugeben und desshalb auch die fragliche Erscheinung nicht aus einer Oxydation des positiven Platinschwammes ableiten.

D. 13. Apr. Herr Prof. Scnönsem, Beobachtungen über einen eigenthümlichen Zustand des Ei- sens. Es ist in der voranstehenden Abhandlung bemerkt worden, dass das Wasser in der Zersetzungszelle lebhaft elektrolysirt werde, wenn ein leicht oxydirbares Metall dem Strome einer Kette als positive Elektrode diene, dass aber hievon das Eisen, das doch mit einer so bedeutenden Af- finität zum Sauerstoffe begabt ist, unter gegebenen Um- ständen eine auffallende Ausnahme von der Regel mache. Da die Beobachtungen und Versuche, welche ich über das eigenthümliche Verhalten dieses Metalles gemacht habe, ei-

niges wissenschaftliche Interesse gewähren dürften, so will

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ich es versuchen, dieselben in möglichst gedrängter Kürze zu beschreiben und daraus einige theoretische Folgerungen zu ziehen.

Lässt man jeden der Zuleitungsdrähte einer kräftigen einfachen Kette in ein mit Quecksilber gefülltes Näpfchen treten, verbindet man dann das Näpfchen, in welches der negative Leitungsdraht taucht, durch einen Platinstreifen mit der Flüssigkeit (stark verdünnte Schwefelsäure) der Zer- setzungszelle, und taucht man hierauf das eine Ende eines gewöhnlichen Eisendrahtes in das positive Quecksilbernäpf- chen und dann das andere Ende desselben Drahtes in das gesäuerte Wasser der Zersetzungszelle ein, so entwickelt sich an der negativen Platinelektrode kein Wasserstoffgas, findet also unter diesen Umständen die Elektrolyse des Was- sers in keinem merklichen Grade statt. Befindet sich die ganze Vorrichtung in dem eben beschriebenen Zustande der Unthätigkeit, so kann derselbe aufgehoben, d. h, eine lebhafte Elektrölyse des Wassers veranlasst werden:

1) Dadurch, dass man innerhalb der Zersetzungsflüs- sigkeit die negative Platinelektrode einen Augenblick in Be- rührung setzt mit der positiven Eisenelektrode. Sobald man beide Elektroden von einander entfernt hat, tritt leb- hafte Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode ein, die jedoch bald abnimmt und nach einigen Secunden ganz aufhört.

2) Dadurch, dass man auf einige Augenblicke den Kreis der Kette an einem beliebigen Orte und in beliebiger Weise öffnet. Beim Wiederschliessen der Kette findet eine leb- hafte Gasentbindung an der negativen Elektrode statt, der aber wieder schnell der Zustand der Unthätigkeit folgt.

3) Dadurch, dass man die positive Eisenelektrode in- nerhalb der Zersetzungsflüssigkeit mit einem oxydirbaren Metalle, z. B. mit Zink, Zinn, Eisen, Kupfer oder selbst mit Silber berührt. Die, unter diesen Umständen eintre-

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tende Gasentwicklung an der negativen Elektrode dauert aber auch wieder nur einige Secunden.

4) Dadurch, dass man die beiden Quecksilbernäpfchen mittelst eines gut leitenden Kupferdrahtes von etwa. drei Zoll Länge und einer halben Linie Dicke auf einige Augen- blicke unter einander verbindet und dann den Kupferdraht wieder entfernt. Im Augenblicke, wo letzteres geschieht, tritt eine lebhafte Wasserstoffgasentbindung an der negati- ven Elektrode ein, die ebenfalls nur wenige Secunden an- dauert.

5) Dadurch, dass man den Theil des positiven Eisen- drahts, der in die Zersetzungsflüssigkeit eintaucht, lebhaft bewegt, ohne aber hiedurch den Kreis der Kette zu öffnen.

Es verdienen auch noch folgende Thatsachen hier er- wähnt zu werden. Wird das Ende eines Eisendrahts, dazu bestimmt, als positive Elektrode in der Zersetzungsflüssig- keit zu dienen, mit irgend einer Säure in Berührung ge- setzt, welche auf das Metall chemisch einwirkt, so entbin- det sich beim Schliessen der Kette Wasserstoffgas an der negativen Elektrode. Dasselbe Resultat wird auch erhalten in dem Fall, wo besagter Eisendraht in die Zersetzungs- flüssigkeit eintaucht, bevor die Kette geschlossen ist.

Schliesst man letztere z. B. in der Weise, dass zuerst das eine Ende des positiven Eisendrahts in die Zersetzungs- flüssigkeit, und hierauf dessen anderes Ende in das posi- tive Quecksilbernäpfchen gebracht wird, so findet im Au- genblick des Schliessens der Kette eine lebhafte Gasent- wicklung an der negativen Elektrode statt, die jedoch, wie in den zuletzt und vorhin angeführten Fällen, bald aufhört. _

Ehe wir unsere Bemerkungen über die mitgetheilten Thatsachen machen, wollen wir vorher noch einiger an- dern, mit ihnen im Zusammenhange stehender Erscheinun-

gen erwähnen. '

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Ist der, positive Eisendraht in der Zersetzungszelle un: “thätig, das heist, entwickelt sich ‘an der negativen Elek- trode der gleichen Zelle kein Wasserstoffgas, und verbin- det man nun die beiden vorhin erwähnten Quecksilbernäpf- chen durch einen Kupferdraht von drei Zoll Länge und einer halben Linie Dicke, so bemerkt man während der Dauer dieser Verbindung an der negativen Elektrode keine merkliche Gasentwicklung. Giebt man aber dem kupfernen Verbindungsdraht eine Länge von sechs Zollen, so macht sich schon eine Gasentwicklung an der negativen Elektrode bemerklich. : Ein Fuss langer Draht derselben Art verur- sacht eine: stärkere, ein zwei Fuss langer Draht eine noch lebhaftere. Gasentwicklung an der gleichen Elektrode. In- dem, man den Draht bis zu einer Länge von etwa sechszehn Fussen ‚verlängert, vermehrt man auch immer mehr die Wasserstoffgasentbindung an der negativen Elektrode der Zersetzum®szelle; überschreitet man diese Länge noch um einige Fuss mehr, so wird dieser Kupferdraht nicht mehr im Stande seyn, unmittelbar in dem Augenblicke, wo der- selbe die Näpfchen. verbindet, die Wasserstoffgasentbindung an der negativen Elektrode hervorzurufen. Hat aber die Verbindung der Näpfchen durch den zuletzt erwähnten Ku- pferdraht einige Secunden lang gedauert, so beginnt die Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode, und zwar ist diese Gasentwicklung lebhafter, als diejenige, wel- che durch kürzere Verbindungsdrähte veranlasst wird. Es dauert aber eine solche Gasentbindung nur einige Secun- den an, und folgt .ihr ein Zustand der Ruhe. Nach einiger Zeit begimnt die Gasentwicklung wieder auf's Neue, es folgt derselben ein abermaliger Stillstand der Elektrolyse in der Zersetzungszelle, und so findet längere Zeit hindurch ein Wechsel von elektrolytischer Ruhe und Thätigkeit statt, bis endlich der positive Eisendraht in den Zustand dauernder Unthätigkeit zurückfällt.

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Verbindet ein Kupferdraht von 40 Fuss Länge und einer halben Linie Dicke die beiden Näpfchen, so übt der- selbe keinen merklichen Einfluss auf den Zustand der Blek- troden aus; öffnet man aber die Kette, während besagter Draht die Näpichen verbindet, so dauert die Gasentwick- lung an der negativen Elektrode nach Wiederschliessung der Kette etwas länger an, als diess geschehen würde, wern die Näpfchen gar nicht leitend verbunden wären.

Ist- der die Näpfehen verbindende Kupferdraht mehrere hundert Fuss lang und von vorhin genannter Dicke, so treten alle Erscheinungen so ein, als ständen die Näpfchen ausser aller leitenden Verbindung.

Sind die Näpfehen durch einen Kupferdraht verbun- den, dessen Dicke eine halbe Linie: beträgt, und dessen Länge so ist, dass sie eine stetige Wasserstoffgasentwick- lung an der negativen Elektrode gestattet, beträgt also die Drahtlänge zwischen einem halben und sechszehn Fuss, so tritt in dem Augenblicke, wo ein solcher Draht aus den Näpfehen entfernt wird, eine Gasentbindung an der nega- tiven Elektrode ein, welche viel lebhafter ist als diejenige, die stattfindet, während der besagte Draht die Näpfchen verbindet. Es dauert aber diese lebhaftere Gasentwicklung nur kurze Zeit an, und schon nach einigen Secunden tritt ein Zustand von Unthätigkeit in der Zersetzungszelle ein.

Wendet man zur Verbindung der Näpfchen Kupfer- @rähte an, welche dicker als eine halbe Linie sind, so müs- sen dieselben, um mit ihnen all die vorhin erwähnten Er- scheinungen zu veranlassen, länger seyn, als die dünnern Drähte. Dient zur Verbindung der Näpfchen ein anderer als Kupferdraht, so lehrt die Erfahrung, dass der Erfolg in der Zersetzungszelle im Allgemeinen nach dem Leitungs- vermögen des angewendeten Metalis sich richtet. Wendet man z. B. Platindraht zu dem genannten Zwecke an, und

ist derselbe eine halbe Linie dick, so muss er gegen acht

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Mal kürzer seyn als der Kupferdraht, um Resultate zu er- halten, gleich denen, welche der Kupferdraht liefert.

Eisendrähte müssen etwas länger als Platindrähte, Mes- singdrähte länger als Eisendrähte, Golddrähte länger als Messingdrähte seyn, falls alle Drähte die gleiche Dicke ha- ben und die gleiche Wirkung in der Zersetzungszelle her- vorbringen sollen.

Werden Drähte von demselben Metall, aber verschie- dener Dicke, zur Verbindung der Näpfchen angewendet, und will man das gleiche Resultat in der Zersetzungszelle erhalten, :so ist nothwendig, dass der dickere Draht in eben demselben Verhältniss länger sey als der dünnere, in welchem der Querschnitt des erstern Drahtes grösser ist als der Querschnitt des zweiten. Ich muss indessen be- merken, dass ich die unter den erwähnten Umständen sich ‚zeigenden numerischen Verhältnisse noch nicht genauer ausgemittelt habe. So viel ist aber durch vielfältige Ver- suche von mir ausser Zweifel gestellt worden, dass die Grösse des Leitungswiderstandes, welchen der die Näpf- chen verbindende Metalldraht ausübt, einen entscheidenden Einfluss auf die Vorgänge in der Zersetzungszelle, d. h. auf die Thätigkeit der Elektroden, ausübt.

Es ist gleich im Anfange dieser Abhandlung bemerkt worden, dass so gut als gar keine Elektrolyse in der Zer- setzungszelle stattfindet, wenn das Eisen als positive Elek- trode auf eine bestimmte Weise in die verdünnte Schwefel- säure eingeführt, das heisst: wenn mit diesem Eisen die Kette geschlossen wird. Setzt man aber die besagten Näpf- chen in leitende Verbindung durch einen Kupferdraht, z.B. von 5Fuss Länge und einer halben Linie Dicke; verbindet man dann das Näpfchen, in welches der negative Zulei- tungsdraht der Kette ausmündet, mit der verdünnten Schwe- felsäure der Zersetzungszelle durch einen Platindraht; taucht hierauf das eine Ende eines gewöhnlichen Eisendrahtes in

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das positive Quecksilbernäpfehen, und dann das andere Ende des gleichen Eisendrahtes in die Zersetzungsflüssig- keit ein: so beginnt unter diesen Umständen sofort die Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode, und dauert dieselbe so lange fort, als an der ganzen Vorrich- tung nichts geändert wird. Das gleiche Resultat erhält man immer in dem Falle, wo die beiden Näpfchen durch einen Metalldraht verbunden sind, der das Vermögen besitzt, die in die Zersetzungsflüssigkeit eintauchenden Elektroden aus dem Zustande der Unthätigkeit in den Zustand dauernder Thätigkeit überzuführen.

Wird in die Zersetzungszelle Salzsäure, Brom-, Jod-, Fluorwasserstoffsäure, oder die Lösung von Kochsalz, Brom- kalium, Jodkalium oder von irgend einem Haloidsalze ge- bracht, so treten die vorhin beschriebenen eigenthümlichen Erscheinungen nicht ein, wenigstens nicht in einem wahr- nehmbaren Grade. Dagegen verhält sich das Eisen in ver- dünnter Salpetersäure und Phosphorsäure im Allgemeinen so, wie in der wässrigen Schwefelsäure; es kommen jedoch bei Anwendung der erstern Säure einige Eigenthümlichkei- ten vor, die ich bei einer andern Gelegenheit besprechen werde. !

Werden bei den vorhin beschriebenen Versuchen als positive Elektrode andere Metalle als das Eisen in Anwen- dung gebracht, so zeigt, nach meimen bisherigen Erfahrun- gen, nur das Kupfer einige Analogie mit jenem Metalle. Hiemit soil jedoch nicht gesagt seyn, dass ausser dem Kup- fer es kein anderes Metall gebe, das die Eigenthümlich- keit des Eisens besitzt. Es ist sogar wahrscheinlich, dass in einem gewissen Grade alle oxydirbareren Metalle in dem Eisen ähnliches Verhalten zeigen, dasselbe aber in Folge des Stattfindens anderweitiger Thätigkeiten für uns noch verdeckt sey.

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Was nun das Kupfer betrifft, das als positive Elek- trode in verdünnter Schwefelsäure functionirt, so haben meine Versuche gezeigt, dass die Wasserstoffgasentwick- lung, die an der negativen Elektrode stattfindet, nach Schlies- sung der Kette einige Minuten lang mit ziemlicher Lebhaf- tigkeit andauert. Nach Verfluss dieser Zeit tritt eine merk- liche Verlangsamung der Elektrolyse ein, und wird diese endlich so unbedeutend, dass an der negativen Elektrode nur noch wenige Gasblasen erscheinen. Ist nun dieser Zu- stand relativer Unthätigkeit in der Zersetzungszelle einge- treten, so kann durch Anwendung der weiter oben für das Eisen angegebenen Mittel die beinahe gänzlich gehemm- te Wasserelektrolyse wieder bis zur anfänglichen Lebhaf- tigkeit gesteigert werden. Oeffnet man also auf: irgend eine Weise für einige Augenblicke die Kette, so tritt beim Wiederschliessen derselben an der negativen Elektrode eine Gasentwicklung ein, die so lebhaft ist, als sie es im An- fange des Versuches war. Dasselbe Resultat wird auch erhalten dadurch, dass man die beiden Näpfchen vermit- telst eines kurzen Kupferdrahts einige Augenblicke lang in Verbindung bringt. Bei der Entfernung dieses Drahtes aus den Näpfchen tritt an der negativen Elektrode eine sehr lebhafte Entbindung von Wasserstoffgas ein, die sich na- türlich auch bald wieder mässigt. Eben so wird die ge- hemmte Elektrolyse des Wassers wieder gesteigert und stetig erhalten, wenn man die Näpfchen durch einen Me- talldraht von geeigneter Länge und Dicke mit einander ver- bindet, z. B. durch einen Kupferdraht von sechs Fuss Länge und einer halben Linie Dicke.

Das Kupfer unterscheidet sich somit wesentlich nur dadurch vom Eisen, dass jenes Metall als positive Elektrode etwas schwieriger äls dieses in den Zustand der Unthätig- keit tritt, dass es also nicht, wie das Eisen, in dem Au-

genblick, wo es als positive Elektrode in die Zersetzungs-

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flüssigkeit eintaucht, die Elektrolyse des Wassers hemmt. Dieses abweichende Verhalten ist aber offenbar nur ein Unterschied dem Grade und nicht der Art nach.

Nach Darlegung dieser nicht ganz uninteressanten That- sachen wird es wohl am Orte seyn, dieselben einer theo- retischen Erörterung zu unterwerfen und einige Schlüsse aus ihnen zu ziehen, und indem wir diess thun, werden wir ımmer das Eisen im Sinne haben.

Ich habe schon vor mehrern Jahren .die Beobachtung gemacht, dass das Eisen den Sauerstoff frei an sich auftre- ten lässt, wenn dasselbe als der positive Pol einer Säule in mit Wasser verdünnte Sauerstoffsäuren eingeführt und hiedurch der volta’sche Kreis geschlossen wird, Ich habe mit andern Worten dargethan, dass unter den erwähnten Umständen das Eisen seine Affinität gegen den Sauerstoff ganz oder zum grössern Theil zu - verlieren scheint, und vorübergehend die Eigenschaften eines edlen Metalles er- langt. Es ist von mir gleichfalls‘ gezeigt worden, dass bei Anwendung einer etwas kräftigen Säule die Sauerstoffent- wicklung am positiven Eisenpole selbst dann eintritt, wenn letzterer von der negativen Elektrode in die saure Flüssig- keit der Zersetzungszelle eingeführt wird. Ueberdiess machte ich damals schon die Beobachtung, dass der Zu- stand der chemischen Unthätigkeit, in welchem sich die positive Eisenelektrode befindet, aufgehoben werden. kann, 1) durch eine augenblickliche Berührung der Elektroden innerhalb der Zersetzungszelle, 2) durch Berührung der unthätigen Eisenelektrode mit einem oxydirbaren Metall in- nerhalb der Zersetzungsflüssigkeit, 3) durch Oeffnen des volta’schen Kreises u. s. w. Diese und noch. andere zu seiner Zeit von mir veröffentlichten Thatsachen stehen of- fenbar in einem genauen Zusammenhange mit den Phäno- menen, die den Gegenstand dieser Abhandlung: bilden.

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Beide Reihen von Thatsachen gehören in die Klasse der Passivitätserscheinungen.

Es ist oben gesagt worden, dass an der negativen Elektrode keine merkliche Gasentwicklung stattfinde, falls die Kette mit dem Eisen als positive Elektrode geschlossen werde. Dieses auffallende Verhalten hat ohne Zweifel sei- nen Grund zunächst in dem Umstande, dass das Eisen, ob- wohl an und für sich ein sehr oxydirbares Metall, unter den angegebenen Verhältnissen in den passiven Zustand tritt, das heisst, gegen den Sauerstoff, den der Strom an dem Metalle auszuscheiden sich bestrebt, seine Affinität verliert. Nach den Angaben, die in der vorhergehenden Abhandlung gemacht wurden, fällt aber der Strom einer Ketie immer so schwach aus, dass derselbe das Wasser nicht mehr in merklicher Menge elektrolysirt, falls nämlich die angewendeten Elektroden keine bedeutende chemische Anziehungskraft ausüben gegen die Bestandttheile der elek- trolytischen Zersetzungsflüssigkeite Dass es die besagte Veränderung des chemischen Zustandes, d. h. die Passivi- tät des Eisens ist, welche die Elektrolyse des Wassers in dem vorliegenden Falle verhindert, erhellt übrigens schon aus dem einfachen Umstande, dass dasselbe negative Re- sultat erhalten wird, wenn man anstatt Eisen das Gold oder das Platin als positive Elektrode anwendet, und um- gekehrt eine lebhafte Entwicklung von Wasserstoffgas an der negativen Elektrode stattfindet, wenn ein leicht oxy- dirbares Metall als positive Elektrode functionirt. Zu ei- ner gleichen Folgerung führt auch die Thatsache, dass die Elektrolyse in dem Augenblicke beginnt, wo die passive Eisenelektrode in Berührung gesetzt wird mit einem Me- talle, das die Passivität des Eisens aufzuheben vermag, z.B. also in Berührung gebracht wird mit Zink, Kupfer oder gewöhnlichem Eisen. Es zeigt sich überhaupt, dass jedes Mittel, welches die Oxydirbarkeit im passiven Eisen wieder

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hervorruft, auch die unterbrochene Elektrolyse des Was- sers in der Zersetzungszelle wieder einleitet oder die Stärke des Stromes der Kette steigert.

Ich will mich hier über die Ursache der chemischen Unthätigkeit des Eisens, welche unter den obenerwähnten Umständen eintritt, noch nicht näher aussprechen; so viel scheint jedoch aus den vorliegenden Thatsachen zu erhel- len, dass die Erregung dieses ausserordentlichen Zustan- des, wie auch die Fortdauer desselben durch irgend eine elektrische Thätigkeit vermittelt wird. Denn functionirt das Eisen nicht als die positive Elektrode in der verdünnten Schwefelsäure, so wird die Passivität im Metalle gar nicht hervorgerufen, auch hört der chemisch -unthätige Zustand des Eisens auf, sobald das Metall nicht mehr die Rolle der positiven Elektrode spielt, oder, um mich noch vorsichti- ger auszudrücken, sobald das Metall sich nicht mehr unter Umständen befindet, unter welchen es die Rolle der posi- tiven Elektrode spielen könnte. | Man dürfte vielleicht geneigt seyn, die Passivität des Eisens als die Wirkung eines wirklichen Stromes zu be- trachten, und ist berechtigt anzunehmen, dass die ver- dünnte Schwefelsäure, wenn in Berührung mit passivem Eisen stehend, fortwährend sich bestrebt, die unter dem Einflusse einer elektrischen Thätigkeit hervorgerufene Pas- sivität dieses Metalls aufzuheben.

Indem wir von diesen Voraussetzungen ausgehen, er- klärt sich zunächst die Thätsache, dass durch Oeffnen und Wiederschliessen der Kette die in der Zersetzungszelle un- terbrochene Wasserelektrolyse wieder eingeleitet wird. Wäh- rend des Geöffnetseyns der Kette verliert nämlich die po- sitive Eisenelektrode ihre Passivität in Folge der vorhin bezeichneten Einwirkung der in der Zersetzungszelle vor- handenen verdünnten Schwefelsäure. Wird nun die Kette geschlossen, so befindet sich in dem Augenblicke, wo diess

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geschieht, die positive Eisenelektrode im normalen, d. h. im oxydirbaren Zustande; der Sauerstoff, den der Strom der Kette an diesem Eisen auszuscheiden strebt, kann sich daher mit letzterm verbinden Es wird, indem diess statt- findet, gemäss den in der vorhergehenden Abhandlung mit- getheilten Thatsachen, der Strom der Kette vermehrt, hie- durch aber auch die Elektrolyse des Wassers befördert. Betrachten wir die Passivität des Eisens als eine Stromwir- kung, so folgt aus dieser Ansicht, dass der nämliche Strom, der eine lebhafte Elektrolyse des Wassers verursacht, auch streben muss, die chemisch-thätig gewordene Eisenelek- trode wieder in den passiven Zustand zu versetzen. Und ist die von besagtem Strom auf das Eisen ausgeübte passi- virende Wirkung grösser, als die der Passivirung dieses Metalls entgegenwirkende Thätigkeit der Zersetzungsflüssig- keit, so muss unter solchen Umständen nothwendig die Passivität des Eisens wieder eintreten, und mit dem Ein- tritt dieses ausserordentlichen Zustandes auch der Strom der Kette und mithin die Lebhaftigkeit der Elektrolyse sehr bedeutend vermindert werden.

Nach den gemachten Bemerkungen begreift sich auch sehr leicht die Wirkung, weiche ein sehr kurzer, d.h. ein wenig Widerstand leitender Draht ausübt, wenn man mit demselben erst die Quecksilbernäpfchen in leitende Verbin- dung setzt und dann diese Verbindung wieder aufhebt. So lange besagter Draht die Näpfchen vereinigt, geht durch ihn vorzugsweise der Strom der Kette, und nur ein sehr geringer Theil durch die Elektroden und die Zersetzungs- flüssigkeit. Die positive Eisenelektrode befindet sich somit ungefähr in demselben Zustande, in welchem sie während des Geöffnetseyns der Kette ist. Die der Passivität des Eisens entgegenwirkende Thätigkeit der Zersetzungsflüssig- keit wird desswegen bald die passivirende Wirkung des schwachen Stroms überwiegen und das Metall schnell in

79

den chemisch -thätigen Zustand zurückführen. Ist dieser Zustand eingetreten und nimmt man den Verbindungsdraht aus den Näpfchen weg, so muss nun ein Strom durch die Kette gehen, von grösserer Stärke als sie der Strom hatte, welcher dieselbe Kette durchkreiste, bevor man die Näpf- chen durch den erwähnten Draht verbunden hatte. Aber eben diese grössere Stromstärke muss nun, wie in dem früher angeführten Falle, das Eisen wieder chemisch-un- thätig machen; die hervorgerufene Passivität hat Schwä- chung des Stroms der Kette, also auch Schwächung der Wasserelektrolyse in der Zersetzungszelle zur Folge.

Verlängert man den Draht, welcher die‘ Quecksilber- näpfchen zu verbinden hat, so vermehrt man hiedurch des-. sen Leitungswiderstand, und es geht durch einen solchen Draht eine Strommenge, die kleiner ist, als diejenige, wel- che durch einen kürzern Draht ginge. Der Strom, der bei Anwendung eines längern Verbindungsdrahtes durch die Zersetzungsflüssigkeit geht, wird also grösser seyn als der Strom, welcher dieselbe Flüssigkeit durchläuft, in dem Falle, wo ein kürzerer Draht die Näpfchen verbindet.

Wird nun durch den Draht, welcher die Näpfchen in leitende Verbindung setzt, der durch die Zersetzungszelle gehende Strom bis zu dem Grade geschwächt, dass dessen passivirende Wirkung auf das Eisen nicht grösser Ist als die entgegengesetzte Wirkung, welche die Zerssiingcnge sigkeit auf das gleiche Metall ausübt, so muss, bei der Ab- hängigkeit, in der die Stärke des durch die Zersetzungs- flüssigkeit- gehenden Stromes von der Oxydirbarkeit der positiven Elektrode steht, unter den so eben angegebenen Umständen die positive Eisenelektrode denjenigen Grad von Oxydirbarkeit erhalten und behalten, welcher nothwendig ist, damit die Elektrolyse in der Zersetzungszelle mit gleich- bleibender Lebhaftigkeit stattfinde.

so

Folgende Bemerkungen dienen vielleicht dazu, das eben Gesagte noch klarer zu machen. Unmittelbar vor dem Au- genblicke, wo die Näpfchen durch den besagten längern Draht vereinigt werden, besitzt die positive Eisenelektrode einen solchen Grad von Passivität, dass letztere den Strom der Kette bis zur Unmerklichkeit schwächt, das heisst, die Elektrolyse in der Zersetzungszelle so gut als gänzlich verhindert.

Ist die fragliche Verbindung zwischen den Näpfchen hergestellt, so wird der Einfluss, den die Kette auf die positive Eisenelektrode ausübt, in eben dem Grade ge- schwächt, in welchem der Verbindungsdraht der Näpfchen gut leitet. Es muss daher der Grad der Passivität der po- sitiiven Elektrode in Folge der fortdauernden Einwirkung der Zersetzungsflüssigkeit auf das Eisen sofort sich ver- mindern, oder die Oxydirbarkeit des Metalls sich steigern; es muss daher auch der Strom, der jetzt durch die Zer- seizungszelle geht, grösser seyn als der Strom, der durch dieselbe Zelle ging unmittelbar vor dem Moraent, wo beide Näpfchen durch den längern Draht verbunden wurden, und es muss die Stärke jenes Stromes so lange wachsen, bis seine passivirende Rückwirkung auf das Eisen gerade so gross geworden ist als der entgegengesetzte Einfluss, den die Zersetzungsflüssigkeit auf das gleiche Metall ausübt. Ist dieser Zustand der Gleichheit der entgegesetzien Wirkun- gen von Strom und Säure eingetreten, so findet eine gleich- förmige Elektrolyse des Wassers statt, oder es wird die Stärke des Stroms, der durch die Zersetzungsflüssigkeit geht, merklich constant seyn.

Findet ein solcher Zustand statt, und setzt man nun die Näpfchen ausser Verbindung, so tritt, obigen Angaben zufolge, in dem Augenblick, wo dieses geschieht, eine leb- haftere Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elek- trode ein, als die Gasentwicklung war, welche statiland,

ol

so lange die Näpfchen durch den längeren Draht mit- einander communicirten. Es fällt aber auch die positive Bisenelektrode sofort, wieder in den Zustand chemischer Unthätigkeit zurück, und wird die Elektrolyse des Wassers bis zum Grade der Unmerklichkeit vermindert.

Diese Thatsache erklärt sich leicht aus den bereits gemachten Bemerkungen. In dem Augenblick, wo der Draht aus den Näpfchen entfernt wird, muss aus leicht einsehbaren Gründen durch die Zersetzungszelle ein Strom gehen, stärker als derjenige, welcher unmittelbar vorher durch dieselbe (Zelle) gegangen ; hiedurch wird aber das vorhin bestandene Gleichgewicht zwischen der passivirenden Wirkung des Stroms und der depassivirenden Wirkung der Zersetzungsflüssigkeit auf die positive Eisenelektrode gestört, und zwar zu Gunsten der ersteren Wirkung, was das Hervorrufen der Passivität des Eisens zur Folge haben muss.

Unschwer wird es nun auch seyn, die Wirkung zu begreifen, ausgeübt von einem Verbindungsdrahte, dessen Länge etwas beträchtlicher ist als die Länge des Drahtes, von dem so eben die Rede war. Bei Anwendung eines solchen längeren Drahtes tritt, obigen Angaben zufolge, die interessante Erscheinung ein, dass während der Dauer der Verbindung dieses Drahtes mit den Näpfchen in ge- wissen Zeitintervallen eine lebhafte Gasentwicklung an der negativen Elektrode mit einem Stillstande der Elektrolyse in der Zersetzungszelle abwechselt.

Der in Rede stehende längere Draht schwächt noth- wendig den Einfluss, welchen die Kette auf die positive Elektrode ausübt, in einem stärkeren’ Grade als dies ein sonst gleicher, aber kürzerer Draht thut; die Passivität der positiven Elektrode muss daher bei Anwendung des länge- ren Drahtes rascher und stärker vermindert werden, als sie (die Passivität) es durch einen kürzeren Verbindungsdraht

6

32

wird. Unter solchen Umständen steigert man daher die Oxydirbarkeit des Eisens zu einem höheren Grade als diess bei Anwendung eines kürzeren Drahtes möglich ist. Dieser höhere Grad der Oxydirbarkeit des Metalles hat aber zur nothwendigen Folge, dass ein Strom durch die Zersetzungzelle geht, der stärker ist als derjenige Strom, welchen man bei einem schwächeren Grade der Oxydir- barkeit des Eisens erhält. Dieser stärkere Strom muss aber die positive Elektrode zur chemischen Unthätigkeit bestimmen und die Unterbrechung der Elektrolyse zur endlichen Wirkung haben. Ist in der Zersetzungszelle dieser Zustand der Ruhe eingetreten, so wird der Einfluss, den die Zersetzungsflüssigkeit auf die positive Elektrode daselbst ausübt, wieder grösser sein als derjenige, den die Kette auf diese Elektrode äussert; die Oxydirbarkeit des Eisens wird sich daher abermals bis zu dem Grade vermehren, bei welchem ein starker Strom durch die Zer- setzungszelle gehen kann. Kurz nach dem Eintritt dieses Stromes wird die Passivität des genannten Metalls aufs Neue hervorgerufen, in Folge hievon die Entwicklung des Wasserstoffgases an der negativen Elektrode abermals unter- brochen; es wird die Passivität der positiven Elektrode nach einiger Zeit wieder aufgehoben, und so wechseln diese ent- gegengesetzten Zustände längere Zeit hindurch mit einander ab, bis endlich der Zustand der Ruhe ein dauernder wird.

Wüsste man nun fortwährend die Bedingungen genau zu erfüllen, unter welchen die Wirkung des Verbindungs- Drahtes zu der Wirkung der Zersetzungsflüssigkeit auf die positive Eisenelektrode in einem bestimmten Verhältnisse stände, so könnte man den activen und passiven Zustand dieser Elektrode, oder, was dasselbe ist, die elektrolysi- rende Thätigkeit und Ruhe in der Zersetzungszelle auf die regelmässigste Weise mit einander abwechseln lassen.

83

Es machen sich aber unsnoch unbekannte Einflüsse geltend, welche dahin gehen, nach einiger Zeit diesen Wechsel von entgegengesetzten Zuständen aufzuheben und die positive Elektrode in dauernde Unthätigkeit zu versetzen.

Die Thatsache endlich, dass ein sehr langer Verbin- dungsdraht keine merkliche Wirkung auf die Vorgänge ausübt, die in der Zersetzungszelle stattfinden, bedarf nach den vorausgegangenen Erörterungen kaum einer wei- teren Erklärung. In dem fraglichen Falle nämlich wird der Einfluss der Kette auf die positive Eisenelektrode ver- ‚hältnissmässig nur wenig vermindert, d. h. die Grösse des Uebergewichts dieses Einflusses über den Einfluss, den die Zersetzungsflüssigkeit auf das Eisen ausübt, wenn auch etwas verkleinert, doch nicht aufgehoben. Es muss somit unter diesen Umständen die Passivität der positiven Elektrode fortbestehen, wie dies geschieht, wenn der lange Draht die Quecksilbernäpfchen gar nicht verbindet. Oeffnet man die Kette, während die Näpfehen durch den besagten. Draht verbunden sind, und schliesst man dieselbe nach einigen Augenblicken wieder, so muss die Gasentwicklung an der negativen Elektrode oder die Oxydirbarkeit der positiven Elektrode etwas länger dauern, als diess in dem Falle geschieht, wo von dem Verbindungsdraht gar kein Gebrauch gemacht wird. Denn in ersterem Falle muss der beim Schliessen der Kette durch die Zersetzungsflüs- sigkeit gehende Strom schwächer seyn als es der Strom ist, der im zweiten Fall durch dieselbe Flüssigkeit geht. Jener schwächere Strom wird daher auch längere Zeit bedürfen, um die positive Elektrode wieder passiv zu machen, als die Zeit nothwendig ist für den stärkeren Strom, um die gleiche Wirkung hervorzubringen.

Es bleibt mir noch übrig, eine Thatsache in nähere Erörterung zu ziehen, welche, nach meinem Dafürhalten, ein nicht kleines theoretisches Interesse besitzt und zu

84

einer ziemlich wichtigen Folgerung führt. Es ist weiter oben erwähnt worden, dass keine merkliche Entwicklung von Wasserstoffgas an der negativen Elektrode stattfindet, falls man gewöhnliches Eisen zur positiven Elektrode’ macht und mit demselben die Kette schliesst. Die unter diesen Umständen in der Zersetzungszelle stattfindende Elektrolyse ist beinahe eben so unmerklich als sie es seyn würde, wenn Platin oder Gold als positive Elektrode functionirte. Wie bereits bemerkt worden , tritt das Eisen unter den angegebenen Umständen in den chemisch-unthä- tigen Zustand, wird passiv in dem Augenblick, wo es in die verdünnte Schwefelsäure taucht, und es liegt, wie wir gesehen haben, eben in diesem eigenthümlichen Zustand des genannten Metalls der nächste Grund, weshalb kein Strom durch die Kette kreist, hinreichend stark, um selbst im Augenblick des Schliessens derselben eine wahr- nehmbare Wasserelektrolyse zu verursachen. So lange nun die positive Eisenelektrode unter dem ganzen Einflusse der Kette steht, so lange dauert auch die Passivität des Eisens fort, und eben so lange tritt keine merkliche Elek- trolyse in der Zersetzungszelle ein. Verbindet man aber die Zuleitungsdrähte der Kette, oder, was dasselbe ist, die so oft erwähnten Quecksilbernäpfchen durch einen gehörig langen Draht, so tritt eine wahrnehmbare und ziemlich stetig bleibende Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode ein, es wird das positive Eisen. oxydirbarer und geht somit ein Strom durch die Zersetz- ungszelle, stärker als derjenige, welcher die gleiche Zelle durchlief, während die Näpfchen ausser Verbindung standen. Wenn nun bisher die Passivität als die Wirkung eines Stromes betrachtet wurde, so scheint mir aus den so eben besprochenen Thatsachen hervorzugehen , dass eine solche Ansicht nicht zulässig ist, und die chemische Unthätigkeit der positiven Eisenelektrode einer anderen

85 Ursache als einem wirklichen Strome von bestimmter In- tensität zugeschrieben werden muss; denn sonst wäre es unmöglich die paradoxe Folserung zu vermeiden, dass ein schwächerer Strom eine grössere Wirkung verursachte als diess ein stärkerer zu ihun vermöchte. Wäre nämlich die fragliche Passivität wirklich der Effect eines Stromes, dessen Intensität nicht unterhalb eines gewissen Grades fallen dürfte, und würde die Stetigkeit dieser Passivität abhängig seyn von der Fortdauer eines Stromes von der eben erwähnten Beschaffenheit, so ist klar, dass unter den angegebenen Umständen die positive Eisenelek- trode weder in den passiven Zustand treten, noch einmal denselben besitzend, darin zu verharren vermöchte. Eine weiter oben angeführte Thatsache stellt die Richtigkeit dieser Folgerung ausser allen Zweifel. Sind nämlich die Quecksilbernäpfehen durch einen Kupferdraht, z. B. von sechs Fuss Länge und einer halben Linie Dicke, verbunden, und geht vom negativen Näpfchen aus ein Platindraht in die Zersetzungsflüssigkeit, so wird ein Eisendraht, dessen eines Ende man erst in das povitive Näpfchen, und dessen anderes Ende man hierauf in die erwähnte Flüssigkeit taucht, nicht passiv; es findet unter diesen Umständen eine merkliche Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Platinelektrode statt, und geht durch die Zersetzungszelle ein. Strom, stärker als derjenige, welcher letztere durch- läuft, im Falle die Näpfchen unverbunden sind. Wenn es nun aus thatsächlichen Gründen kaum mehr bezweifelt werden dürfte, dass die nächste Ursache der

Erregung und der Erhaltung der Passivität des Eisens

‚nicht in einer wirklichen Volta’schen Strömung liegt, so

fragt es sich, worin dann jene‘ Ursache zu suchen sey? Bei dem jetzigen Zustand unseres Wissens ist es vielleicht noch nicht möglich eine genügende Antwort auf

die gestellten Fragen zu geben, indess scheinen mir doch

\

36

die bisher besprochenen Thatsachen einigen Aufschluss über den in Rede stehenden Gegenstand zu geben.

Die elektromotorische Beschaffenheit der Kette, mit der meine Versuche angestellt wurden, war so, dass sie einen äusserst bedeutenden Strom in Circulation setzte, sobald das Metallpaar durch einMedium verbunden wurde, das verhältnissmässig einen nur geringen Leitungswider- stand darbot. Wurden die Metalle der fraglichen Kette z.B. durch einen mehrere Zoll langen und eine halbe Linie dicken Platindraht verbunden, so gerieth dieser beinahe augenblicklich in lebhaftes Glühen. Bewerkstelligte ich die Schliessung der Kette durch die Spirale eines Elektromag- neten, so wurde der Anker des letzteren durch eine Be- lastung von drei Centnern noch nicht abgerissen u. s. w.

Befindet sich nun zwischen den Elektroden einer so beschaffenen Kette selbst nur die allerdünnste Schicht von wässriger Schwefelsäure, so wird hierdurch ein so grosser Widerstand veranlasst, dass trotz des grossen elektromo- torischen Vermögens der Kette nur ein äusserst schwacher Strom zur Circulation gelangen kann. Wie schwach nun aber auch der unter solchen Umständen eintretende Strom seyn mag, so besteht doch fortwährend an denElektroden der Kette die Tendenz, einen starken Strom durch die Zersetzungszelle zu schicken; denn die Stärke des Stromes vermehrt sich, sobald der zwischen den Elektroden wir- kende Widerstand auf irgend eine Weise vermindert wird.

Je nach der Stärke der elektromotorischen Kraft ei- ner Kette und je nach der Grösse des in der Kette statt- findenden Widerstands muss also auch in den Elektroden eine bestimmte Tendenz zur Stromerzeugung vorhanden seyn. Nennen wir nun den Zustand der Elektroden, in welchem sie einen Strom hervorzurufen streben, einen solchen aber inFolge der auf sie einwirkenden Widerstände nicht zu Stande zu bringen vermögen, „Spannung,” so

87

werden die Elektroden verschiedener Ketten auch verschie- dene Grade von Spannung haben müssen. Die oben an.. geführten Thatsachen scheinen mir nun der Vermuthung Raum zu geben, dass die Passivität, welche das Eisen als positive Elektrode einer Kette in verdünnter Schwefelsäure erlangt, vielmehr die Wirkung einer solchen Spannung von bestimmtem Grade, als der Effect eines zur Wirklich- keit gekommenen Stromes sey.

Diese Ansicht erklärt nach meinem Dafürhalten ziem- lich genügend die Thatsache, dass die bestehende Passi- vität der positiven Eisenelektrode aufgehoben wird, wenn man die Quecksilbernäpfehen durch einen Kupferdraht von bestimmter Länge und Dicke unter einander verbindet. In diesem Falle muss offenbar die erwähnte Spannung des positiven Eisens geschwächt werden, da der fragliche Ver- bindungsdraht seines geringen Leitungswiderstandes halber es gestattet, dass ein bedeutender Theil der elektromoto- rischen Kräfte der Kette zur Thätigkeit, oder dass ein starker Strom zur wirklichen Circulation gelangt.

Ist aber ein bestimmter Grad von besagter Spannung erforderlich, damit die Oxydirbarkeit der positiven Eisen- elektrode bis auf einen gewissen Grad vermindert oder das Metall passiv werde, so ist klar, dass sich dieser Passivitätsgrad vermindern muss, sobald man durch irgend ein Mittel jene Spannung verkleinert. Diese Schwächung wird nun eben bewerkstelligt durch den Draht, der die - Quecksilbernäpfchen verbindet. Hat aber die positive Bi- senelektrode einen bestimmten Grad von Oxydirbarkeit wieder erlangt, so kann und muss dann, gemäss den wei- ter oben angeführten Thatsachen, ein Strom durch die Zersetzungszelle gehen, stärker als der Strom, welcher durch die positive Eisenelektrode ging, bevor die Näpfchen durch den Draht verbunden waren.

83

Es ist unschwer einzusehen , dass nicht nur die eben besprochene Thatsache, sondern auch alle die oben er- wähnten Erscheinungen sich leicht aus der zuletzt ent- wickelten Hypothese erklären lassen. Befindet sich z. B. die positive Eisenelektrode im passiven Zustande und wird derselbe durch das Oeffnen der Kette aufgehoben, so hat, meiner Hypothese gemäss, diese Zustandsveränderung ihren nächsten Grund darin, dass die besagte Elektrode die Spannung, welche die Passivität bedingt, in dem Augen- blick verliert, wo die Kette geöffnet wird. Schliesst man letztere wieder, so wird auch der eigenthümliche Span- hungszustand wieder in der Elektrode erregt, und tritt mit ihm die frühere chemische Unthätigkeit des Eisens wieder ein. Letzteres geschieht allerdings, vielleicht in Folge einer Art von Trägheit, nicht im Moment des Schliessens der Kette selbst, sondern kurze Zeit nachher; woher es kommt, dass die Wasserstoffgasentwicklung an der negativen Elektrode noch einige Augenblicke nach er- folgter Schliessung des Volta’schen Kreises fortdauert.

Setzt man üherhaupt in den gegebenen Erklärungen anstatt Strom, Spannung, so sind dieselben ganz meiner Hypothese gemäss.

Es ist nun allerdings Thatsache, dass die chemische Unthätigkeit des Eisens selbst auch dann noch fortbesteht, wenn durch dieses Metall, als positive Elektrode functioni- rend, ein Strom geht, der stark genug ist, um eine sehr lebhafte Elektrolyse in der Zersetzungszelle zu bewerk- stelligen. Es tritt, wie dies meine früheren Versuche zur Genüge gezeigt haben, ein solcher Fall ein, wenn das Eisen einer kräftigen Säule als positive Elektrode dient, und als solche in eine wasserhaltige Sauerstoffsäure ein- taucht. Wie mir scheint, steht aber diese Thatsache in keinem Widerspruche mit der Annahme, dass die Passivi- tät der positiven Eisenelektrode die Wirkung eines eigen-

83

thümlichen Spannungszustandes des Metalls sey. Denn wenn auch in einer solchen Säule der eirculirende Strom sehr stark ist, so ist doch, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Zustand der fraglichen Spannung, in welchem sich die Elektroden der Säule befinden, nur zum kleineren Theil aufgehoben; weil die in ihr (der Säule) vorhandenen Leitungswiderstände im Verhältniss zu den verhandenen elektromotorischen Kräften dieser Säule immer noch sehr gross sind, wie gut auch sonst das Leitungsvermögen des Elektrolyten ist, welcher sich zwischen den Elektroden be- findet. Die nämliche Ursache, die nach unserer Meinung die Passivität des Eisens in der einfachen Kette hervorruft, ist es also auch, die in der Säule wirksam ist, und welche die chemische Unthätigkeit des Metalls vesanlasst.-

Dass übrigens in manchen Fällen die Erregung und Fortdauer der Passivität des Eisens nicht von einer wirk- lichen Volta’schen Strömung herrührt, erhellt deutlich aus der Thatsache, dass Eisen passiv wird, und passiv hleibt in sehr concentrirter Salpetersäure, und dass dieses Metall, einmal durch irgend ein beliebiges Mittel passiv geworden, in seinem eigenthümlichen Zustand verharrt, wenn es in Salpetersäure gebracht wird, in der sich gewöhnliches Ei- sen mit Lebhaftigkeit auflösen würde.

Ich behalte mir vor, in einer späteren Abhandlung die Resultate meiner neuesten Untersuchungen über die Passivität des Eisens mitzutheilen, und bei diesem Anlasse dann in die nähere Erörterung der Frage einzutreten: ob der passive Zustand des Eisens in allen Fällen, wo wir ihn beobachten, von einer und eben derselben Ursache herrühre? Für jetzt genügt es mir, die Aufmerksamkeit der Physiker auf eine Anzahl neuer Erscheinungen hinge- lenkt zu haben, welchen, nach meinem Urtheile, eine nicht ganz geringe theoretische Wichtigkeit zukommt.

0.

D.15. Jun. Herr Prof. Scuöngeın zeigt eine galvanische Kette nach eigener Construction vor, in welcher nur Guss- eisen zur Anwendung kommt und die eine bedeutende elektromotorische Kraft entwickelt. Sie besteht aus einem hohlen Cylinder von Gusseisen, der eine Höhe von 10// und einen Queerschnitt im Lichten von etwa 3%,‘// hat; in diesen Cylinder ist eine ebenfalls cylinderförmige und poröse Thonzelle gestellt, die bis an den Rand des Eisen- gefässes reicht und von der innern Wandung dieses Cylin- ders etwa drei Linien weit absteht. Die Thonzelle nimmt einen zweiten entweder hohlen oder dichten gusseisernen Cylinder auf, der etwa 9// 5// lang ist und einen Queer- schnitt von ungefähr 3 hat.

Soll die Kette geladen werden, so giesst man in die Thonzelle verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure, in den zwischen diesem Gefäss und dem äusseren Cylinder vor- handenen Raum möglichst concentrirte Salpetersäure. Letzt- genannte Säure macht nach den frühern Beobachtungen des Vortragenden durch blosse Berührung das Eisen pas- siv oder chemisch -unthätig und gibt diesem Metalle in Volta’scher Hinsicht dem Platin ähnliche Eigenschaften ; so dass das passive Eisen gegen actives stark elektro -negativ sich verhält.

Da nun in der erwähnten Kette der äussere Cylinder fortwährend mit concentrirter Salpetersäure, der innere Eisencylinder mit verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure in Berührung steht, jener Cylinder also in chemischer Un- thätigkeit sich befindet, während dieser von der sauren Flüssigkeit angegriffen wird, so müssen auch die beiden Cylinder, gemäss der chemischen Theorie des Galvanismus, in entgegengesetzten elektrischen Zuständen sich befinden und während der Dauer dieses Gegensatzes auch einen Strom erzeugen, falls dieselben unter einander leitend verbunden sind. Da nun, wie in der Grove’schen Kette,

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der an dem passiven Eisen auf elektrolytischem Wege sich ausscheidende Wasserstoff mit einem Theil des Sauerstoffes der daselbst sich befindenden Salpetersäure zu Wasser sich vereiniget, so muss diese Säure nach und nach in salpet- richte Säure sich umwandeln und deren Wassergehalt sich vermehren. Insofern aber nur in einer Säure von bestimmtem Concentrationsgrade das Eisen sich passiv er- halten kann, muss der äussere Cylinder der oben beschrie- benen Kette angegriffen werden , nachdem der Strom dersel- ben einige Zeit durch die besagte Salpetersäure gegangen ist; weil nämlich letztere unter den angeführten Umständen immer wasserhaltiger wird. Ist aber einmal der Verdün- nungszustand der Säure eingetreten, bei welchem sie auf das Eisen chemisch einwirkt, so hört natürlich die Wirk- samkeit der Kette auf und muss die schwächere Säure wieder durch stärkere ersetzt werden.

Nach den Erfahrungen des Herrn Prof. ScuöngEın kann selbst eine stark gewässerte Salpetersäure z. B. eine von 1,3 spec. Gewicht das Eisen passiv machen, falls man derselben eine hinreichende Menge von gewöhnlicher Schwe- felsäure beimischt; drei Maastheile von letzterer Säure mit einem Maastheil der ersteren liefert ein solches Ge- misch. Hieraus folgt nun, dass man dasselbe in der be- schriebenen Kette anstatt der concentrirten Salpetersäure anwenden kann; auch erhellt aus diesem Umstande , dass man gut thut, wenn man selbst die concentrirte Salpeter- säure mit Vitriolöl vermischt anwendet, weil in einem solchen Fall der Zeitpunkt später eintritt, wo das Metall des äusseren Oylinders angegriffen wird. Wegen der Wohl- feilheit der metallischen Substanz , welche zur Construction der Eisenkette erforderlich ist und wegen der bedeutenden elektromotorischen Kraft, welche letztere besitzt, kann dieselbe die Grove’sche Vorrichtung mit Vortheil ersetzen;

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aber abgesehen hievon bietet jener Apparat noch ein eigen- thümliches wissenschaftliches Interesse dar.

Er zeigt nämlich auf eine augenfällige Weise den inni- gen Zusammenhang, welcher zwischen der in einer Kette stattfindenden chemischen Thätigkeit und dem von ihr er- zeugten Strom besteht und kann als schöner Beweis für die Richtigkeit der chemischen Theorie des Galvanismus be- nützt werden.

Der Vortragende hat nie sehr glänzende Hoffnungen gehegt, hinsichtlich der praktischen Anwendungen des Elektro-Magnetismus als Bewegkraft; wenn indessen eines Tages dieses Ziel erreicht werden sollte, so glaubt er, dass die Eisensäule demselben um einen Schritt näher führe; denn nicht allein sey sie die wohlfeilste aller bis ‚jetzt bekannt gewordenen kräftigen Volta’schen Vor- richtungen, sondern es liefere dieselbe auch als Neben- product ein Eisensalz, das eine ausgedehnte Anwendung in den Künsten und Gewerben finde, was von dem Zink- salze in unsern bisherigen Säulen erzeugt, nicht gesagt werden könne.

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IL. METEOROLOGIE

Herr Rathsherr Pürer Merıan. Meteorologische Uebersicht des Jahres 1840.

Die Mitteltemperatur der einzelnen Monate, nach den höchsten und niedrigsten täglichen Thermometerständen berechnet , waren:

Jan. + 10%, 5 R.

Febr. 0,8

März 0,8

April 8,8

Mai... 115.2

Juni 13,

Juli ..13.,

Aug. ls,

Sept. 11 ,

ce. 515

Nov: 5.3

Dec. —-4,0 Jahres Mittel 7°, O

Der Januar war folglich verhältnissmässig warm. Hin-

a DD" wo

gegen liegt die Temperatur der Monate März, Juli, Octo- ber und December beträchtlich unter dem allgemeinen Mittel, so dass die allgemeine Jahrestemperatur ziemlich niedrig ausfällt. Die Temperatur-Extreme wurden beobachtet den 15 Juni mit + 23°, 2, und den 16 December mit 15°, 0.

Die Anzahl der Regentage betrug 114; die der Schnee- tage 12; an 2 Tagen fielen Regen und Schnee zugleich; der Tage, an welchen atmosphärische Niederschläge sich

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ereigneten, waren demnach 124, also eher eine geringe Zahl. Fast ganz bedeckte Tage fanden nur 83 statt, also besonders wenige. Hingegen ist die Regenmenge im Ver- hältniss zu den vorhergehenden Jahren sehr bedeutend 31,58 Pariser Zoll. Gefrorner Regen ereignete sich an 1 Tag, Riesel an 2, Hagel an 2, Gewitter an 20 Tagen.

Die mittlere Rheinhöhe am Pegel der Rheinbrücke be- trug 6,29 Schweizer Fuss. Der höchste Wasserstand am 15 Juli und 18 Nov. 12/ „0 der niedrigste vom 30 März bis 1 April /,4

Der mittlere Barometerstand um Mittag auf R. und

auf denselben Standpunct reducirt wie in den früheren Jahren ist 27 3//, 81, folglich dem Mittel der früheren Jahre nahekommend. Höchster Barometerstand d.27Dec. um 9 Uhr Morg.27//11/4/,23 »..r1de2,Bebr. um 412Uhr #26, I 277 Mittlerer Unterschied des Barometers von 9 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags 0/// , 43.

Tiefster gi

Um Mittag stand die Windfahne auf N an 16 Tagen

NO 135 o 2 So. 21 S 18 SW 84 W 35 NW 36

95 Herr Rathsherr Peter Merian. Meteorologische Uebersicht des Jahres 1841.

Mitteltemperatur der einzelnen Monate: Jan. 10, 2R.

Febr. 0,1 März +6,0 April 7,6 Mai 13,9 Juni 12,5 Juli Bas Aus ar Sept. 13,2 Oct. BR: Nov AA Dec. 3u.13

Jahres Mittel 7°, 9

Also ziemlich mittlere Verhältnisse. Die Monate Fe- bruar, Juli verhältnissmässig kalt; März, Mai, September und besonders December warm. Höchster 'Thermometerstand schon den 27 Mai mit 230, 5 5 den 10 Jan. mit 10% ,6

Anzahl der Regentage 142, der Schneetage 27, der Tage, an welchen überhaupt Niederschläge gefallen sind, 161; beträchtlich mehr als das gewöhnliche Mittel. Fast ganz 'bedeckter Himmel an 121 Tagen. Gefrorner Regen an 1 Tag, Riesel an2, Hagelan 3, Gewitter an 29 Tagen , folglich ein sehr gewitterreiches Jahr. Regenmenge 23,87 Par. Zoll. Mittlerer Rheinstand 6 , 68 Schweizer Fuss Höchster d. 11 Juli 13°, 0 Tiefster d. 10 Jan. 3, 0 MittlererBarometerstand umMittag aufO°R.reducirt 27// 31,0 Höchster Barom.St. d. 12 März um 9 Uhr Morg. 27// 10/15 Tiefteer d.4Jan. um 71, Uhr Nachm. 26// 5/11,38 Mittlerer Unterschied d. Barometersv.9 U.M.u. 3U.N. 0,36.

Niedrigster 5

96

Um Mittag stand die Windfahne ' auf N an 14 Tagen

One o 21 so 26 Ss 9 SW 108 W 31 NW 19

365

D. 12 Mai 1841. Herr Rathsherr Perer MerıaAn, über das meteorologische Verhalten des Winters von 4840 41. Dieser Winter zeichnete sich nicht sowohl durch ein sehr grosses Kälte-Extrem als durch eine sehr anhaltende Kälte aus. Die Mitteltempera- turen für die einzelnen Monate sind nämlich folgende:

Dec. 1840 42, 0R.

Tan. AN un MD

Febr. 1841 —0 ,1 Mitteltemperatur des Winters , 8

Niedrigster beobachteter Thermometerstand den 16 De- cember 1840 15°, OR.

Nach den Beobachtungen der 11 vorhergehenden Jahre ist die Mitteltemperatur der einzelnen Jahreszeiten: - Winter (Dec. Jan. Febr) +0°,5R Frühling (März, April, Mai) 7 Ab Sommer (Juni, Juli, Aug.) 44:,,7 Herbst (Sept, Oct. Nov. 14,8 Jahresmittel a

; 97

Die Winterkälte von 1840—41 wurde in den letzten 12 Jahren bloss übertroffen von dem kalten Winter von 1829—30, wo die Mitteltemperaturen waren:

Beck. 182941. 2.30.,:3 Jan. 1830 —6 ,,5 Bebrs.18304 .,014,.7 Winter EEE

Einen kältern Monat Januar haben wir in dem er- wähnten Zeitraum schon öfter gehabt; einen kältern Feb- ruar schon einige Mal; niemals aber einen so kalten December.

Herr Rathsherr Prrer Merian. -Mittlere tägliche Aenderung der Luftwärme in Basel. Vermitelst der Beobachtungen des Thermometrographen lässt sich die mittlere Aenderung bestimmen, die in jedem Monate in der Wärme derLuft täglich einzutreten pflegt, ein Element, welches für die Würdigung der meteorologischen Verhält- nisse nicht ganz unwichtig ist. Die Unterschiede zwischen dem höchsten und niedrigsten täglichen Thermometerstand sind nach einem Mittel der 14 Jahre 1829—1842 folgende :

Jan. 40, AR.

Febr. März April Mai

Juni Juli

Aug. Sept.

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Ar}

ol FA nr m m wm oa ww olun ww vo wo I 90 0 -T w

_

93

Das Mittel des Decembers ist folglich 21% Mal kleiner, als das Mittel der Monate Mai, Juni oder Juli. An einzel- nen Tagen kommen natürlicherweise viel grössere Aende- rungen vor. Am beträchtlichsten sind die Unterschiede an hellen Tagen, namentlich an hellen Sommertagen, weil die erwärmenden und erkältenden Einflüsse am stärksten wir- ken. Aus den entgegengesetzten Ursachen sind sie am kleinsten an bedeckten Wintertagen.

Der grösste tägliche thermometrische Unterschied, wel- cher in den obigen 14 Jahren in Basel beobachtet worden ist, beträgt 160 , 5, und kam im Mai 1841 vor.

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III. MINERALOGIE, GEOLOGIE unn PETREFACTENKUNDE.

D.6. Jan. 1841. Herr Rathsherr Peter MerıAn, über dieGeologie der afrikanischen Goldküste, nach einer kleinen Sammlung von Gebirgsarten, welche Missio- nar Russ mitgebracht hat. An der Küste bei Christians- burg steht ein feinkörniger und feinflasriger Gneiss an, mit kleinen Blättchen von tombackbraunem Glimmer er- füllt. Vielleicht kommt auch Hornblende mit darin vor. Ferner zeigt sich daselbst, obgleich weniger verbreitet, ein ziemlich grobkörniger Granit, mit weissem Feldspath und Quarz und tombackbraunem Glimmer. Leicht möglich wäre es, dass dieser den Gneiss gangförmig durchsetzte, worüber die Handstücke freilich keine Auskunft geben. Die ver- breitetste Gebirgsart der Gegend, in die vielleicht der Gneiss der Küste übergeht, ist ein Hornblendeschiefer, aus vielem weissem Feldspath, weniger jedoch schieferig zertheilter, schwarzer Hornblende, und meist kleinen Körnern edeln rothen Granats bestehend. In einem der Handstücke wa- ren diese Körner grösser, bis zu Erbsengrösse. Unter den mitgebrachten Stücken fand sich diese Gebirgsart von Akrepong, vom Rio Wolta, sie ist ferner, nach Herrn Russ’s Versicherung, in dem Lande der Aschantees die allgemein herrschende. Es ist merkwürdig, dass auch in diesem Erdstriche, wie am Ural, und in andern Gegenden, das Gold vorzugsweise in dem Gebiete Hornblendeführen- der, krystallischer Gebirgsarten sich zu finden scheint. In Aquapim, wo Herr Rıs gewohnt hat, wird kein Gold

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gewonnen, wohl aber inAkim, und imLande der Aschan- tees, wo es aus einem aufgeschwemmten Thon ausgewa- schen wird. Die Aschantees bereiten aus diesem Golde sehr zierlich gearbeitete Gusswaaren.

Nebst diesen krystallinischen Gebirgsmassen, welche, den vorstehenden Angaben zufolge, die Hauptbestandtheile der Gebirge der Goldküste bilden, kommt an der Küste westlich von Christiansburg, beim holländischen Fort El- mina, ein feinkörniger rother und grauer Thonsandstein vor, in Schichten, die unter ziemlich starken Winkeln ein- fallen sollen. Dieser Sandstein gleicht in Handstücken voll- kommen dem bunten Bausandstein der Umgebungen von Basel. Ob derselbe aber wirklich der Formation des bun- ten Sandsteins angehört, kann nicht entschieden werden, denn ähniiche bunte Gebirgsarten erscheinen in verschie- denen Gegenden der Erde, in einem sehr verschiedenen geologischen Horizont, und ihre vorschnelle Einordnung hat schon häufig zu Missgriffen verleitet. Wir müssen dem- nach vor der Hand noch weitere Erfahrungen gewärtigen. Einstweilen finden wir in den wenigen mitgetheilten That- sachen einen neuen Beleg zu dem Satz, dass die Bestand- masse der festen Erdrinde in allen Klimaten eine grosse Gleichförmigkeit zeigt, die den vollkommensten Gegensatz bildet, gegen die gänzliche Verschiedenheit der belebten Natur. (S. Leonhard und Bronns Jahrbuch 1841. S. 488).

D.16. Dec. 1540. Herr Rathsherr Prrer Merrn theilt in Bezug auf die durch Eurengergs Untersuchungen wieder zur Sprache gebrachten ältern Nachrichten über essbare Erden, folgende Notiz mit, aus der auf der hiesigen Univer- sitätsbibliothek befindlichen handschriftlichen Chronik des Pfarrers Bromsacn: „Wundermehl 1623. Zwölf Wochen „lange Trockniss bis Anfangs Sept., woraus grosse 'Theu- „rung entstand. In dieser Zeit ward bei dem Städtlein

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„Oberburckbernheim im Elsass im freien Feld eine „grosse Menge Mehl aus der Erden herfür gequollen, wel- „ches aufgefasst und gebacken, hat ein recht liebliches „wohlgeschmacktes Brod, fast dem Eierbrod gleich gege- „ben. ‚Ich hab selber das Mehl und Brod gesehen, und „versucht.” Dieselbe Nachricht steht im T’heatr. europ. Ir. Bd. Frankf. 1662. S. 786. Auch GrArFFENAuUER erwähnt sie, jedoch ohne deutliche Angabe des Fundorts in seiner Mineralogie alsacienne 1306. S. 45 u. 46.

D. 13. Mai 1842. Herr Rathsherr Prrer Merian, Uebersicht der Acephalen unserer öffentli- chen Sammlung mit Anfang des‘ Jahrs 1842. Referent hat sich im Laufe des Jahrs mit der Anordnung und Be- stimmung der zweischaligen Conchylien unserer Sammlung, der lebenden sowohl, als der fossilen beschäftigt. Bei die- ser Arbeit wurde das System von Desnaygs zum Grunde gelegt. Die Anordnung ist rein zoologisch, so dass die Petrefacten bei den betreffenden lebenden Gattungen ein- gereiht sind, und zwar nach 5 geologischen Hauptabthei- lungen. Auf die lebenden Arten jeder Gattung folgen näm- lich, so weit sie vorhanden sind, die Arten der Tertiär- formation, der Kreide, des Jura, der Trias und der ältern Formationen. Bei den Fossilien mussten viele noch nicht beschriebene Arten neu benannt werden. Die Brachiopo- den, die besser als besondere von den eigentlichen Ace- phalen gesonderte Ordnung der Weichthiere zu betrachten sind, wurden nicht in die Anordnung mit aufgenommen.

Die Zählung der geordneten Bivalven unserer Samm- lung ergab zu Anfang des Jahrs 1842 folgendes Resultat: lebende Gonchylien 306 Arten in 1236 Exemplaren petrifizirte OR... N ,:3052 N MN Dabei ist zu bemerken, dass unter den Petrefacten nur diejenigen als besondere Arten sind aufgeführt worden, die

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in einem hinlänglichen Zustande erhalten sind, um eine Bestimmung zuzulassen. Viele blosse Steinkerne, und dar- unter ganze Familien, die nur in diesem Zustande in den ältern Formationen vorzukommen pflegen, sind daher einst- weilen ausgelassen worden, und das um so mehr, da Acassız sich gegenwärtig mit der Bearbeitung verschiede- ner dieser Familien sich beschäftigt, deren Bekanntmachung vor der Anordnung der entsprechenden Abtheilungen un- serer Sammlung abgewartet wurde.

Lamarck hat die Bivalven in zwei Hauptordnungen ab- getheilt, in die Dimyarier und Monomyarier. Desuaves hat diese Abtheilung beibehalten, nur hat er zwei Fami- lien, die Tridacneen und die Mpytilaceen zu den Dimya- riern herübergezogen. Nach ihm erscheint die Ordnung der Dimyarier in 21, die der Monomyarier in 4 Familien abgetheilt. Diese Abıheilung scheint, wenigstens was die Stellung der Mytilaceen anbetrifft, weniger naturgemäss als die LamArcr’sche. Die Mytilaceen besitzen nämlich mit der von DesnAyzs in der Ordnung der Monomyarier belassenen Familie der Malleaceen eine so grosse Verwandtschaft, dass sie nicht mit Recht in eine von denselben verschiedene Ordnung gestellt werden können. Lassen wir daher mit DesuAyzs die Tridacneen, von denen übrigens unsere Samm- lung nur lebende Arten besitzt, bei den Dimyariern, zie- hen aber die Mytilaceen zu den Monomyariern herüber, so ergibt sich folgende Vertheilung der in unserer Sammlung vorhandenen Arten:

Dimyaria. Monomyaria. Summe d.Arten.

lebende .----- AHLEN 217 s9 306 aus Tertiärformationen 140 13 213 „Kreide (arena 46 75 121 Jura ug zeig 132 223 3 AD nase u 14 31

älternFormationen 9 10 49

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Unter den tertiären Arten stimmen 25 mit vorhandenen lebenden Muscheln überein. Freilich ist diese Ueberein- stimmung zum Theil noch zweifelhaft, und kann in der Folge, wenn vollkommener erhaltene petrifizirte Exemplare zu Gebote stehen, bei fortgesetzter sorgfältiger Verglei- chung, sich noch modifiziren. Immerhin steht fest, dass die obern Tertiärformationen in dem Charakter ihrer Bi- valven schr genau an die lebende Schöpfung sich anschlies- sen. In den übrigen geologischen Hauptabtheilungen ist keine Art von zweischaligen Muscheln vorhanden, die von der einen in die andere übergienge. Die Trennung ist folglich schärfer, als die zwischen den Muscheln der Ter- tiärzeit und der lebenden Schöpfung.

Ohne in spezielle Bemerkungen über die einzelnen Fa- milien einzutreten, dürfte die obige Aufzählung zur Ablei- tung einiger allgemeiner Resultate über die Vergleichung dieses Theiles der organischen Wesen, in den Schöpfungen der verschiedenen geologischen Epochen berechtigen.

Die Vergleichung der Gesammtzahlen der Arten an sich, darf nur mit grosser Vorsicht benutzt werden, um über den verhältnissmässigen Artenreichthum der Schöpf- ungen, die auf einander gefolgt sind, zu entscheiden; denn offenbar sind die Ergebnisse, die sich darstellen, in man- cherlei Beziehungen höchst zufällige, zum Theil abhängig von den Umständen, wie die vorhandene Sammlung zusam- mengekommen ist. Die Tertiärformationen sind in unsern nächsten Umgebungen sehr unvollkommen entwickelt; na- mentlich sind die Abtheilungen, die bei uns, und überhaupt in der Schweiz vorkommen, verhältnissmässig arm an wohl erhaltenen Petrefacten. Der grösste Theil der vorhande- nen Arten gehört daher fremden Localitäten an. Ganz das- selbe gilt für die Exemplare aus der Kreideformation, die unsern Umgebungen gänzlich fehlt, und zunächst erst in dem südlichen Jura und in den Alpen erscheint. - Verhält-

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nissmässig am besten bedacht ist unsere Sammlung an Ju- rapetrefacten, die in unserer Umgegend häufig vorkommen, und seit längerer Zeit sorgfältig gesammelt worden sind.

Zwischen der lebenden Schöpfung, und den aus ver- schiedenen geologischen Epochen erhaltenen Bivalven ist es äusserst schwierig in Beziehung auf die Zahl der Arten eine Vergleichung anzustellen, auch wenn wir von den 306 lebenden Arten, die zufällig in unserer Sammlung sich be- finden, ganz absehen, und die Anzahl der bekannten le- benden Arten mit den bekannten fossilen zusammenstellen wollen. Einerseits darf nicht vergessen werden, dass die Erhaltung der fossilen Arten öfter sehr unvollkommen, und ihre Bestimmung und Unterscheidung fast immer weit schwieriger ist, als die der lebenden. Die Sammlungen der lebenden Conchylien enthalten ferner Arten aus sehr verschiedenen Gegenden der Erde; die Fossilien sind bis jetzt nur aus Europa in einem gewissen Umfange bekannt. ÄAndrerseits ist in den Fossilien einer von uns angenomme- nen geologischen Hauptepoche eine Folge von Schöpfungen ‘enthalten, die nicht gleichzeitig, sondern eine nach der andern gelebt haben. In der Abtheilung z. B. die wir als Juraformation aufgeführt haben sind enthalten der untere Lias, der obere Lias, der untere Rogenstein, die Bildun- gen über dem Hauptrogenstein, der Oxfordthon, Terrain a Chailles und Corallenkalk, der Portlandkalk, deren auf einander folgende Schöpfungen jedenfalls nur äusserst we- nige Arten miteinander gemein haben. Eine unmittelbare Vergleichung eines solchen Komplexes von Schöpfungen mit der gegenwärtig lebenden, ist daher hinsichtlich der Arten- zahl nicht zulässig.

Wenn wir jedoch, in Beachtung des verhältnissmässi- gen Grades von Vollständigkeit unserer Sammlung für die verschiedenen geologischen Hauptepochen einen Blick wer- fen auf die 223 jurassischen Arten von Bivalven, verglichen

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mit unsern 121 Arten aus den Abtheilungen der Kreide- formation und den 213 des Tertiärgebirges, so scheint, trotz aller Zufälligkeiten, eine Vermehrung der Artenzahl in den jüngern geologischen Gebilden sich herauszustellen.

Die Formation der Trias ist in unsern Umgebungen gut entwickelt; auch von fremden Localitäten besitzt unsere Sammlung Verschiedenes. Es sind die Bivalven dieser For- mation verhältnissmässig so gut repräsentirt wie die des Jura. Doch zählen wir nur 31 Arten, gegen die 223 Ar- ten der Juraformation. Also offenbar eine verhältniss- mässige Armuth an Arten. Freilich umschliesst die Trias nur eine einzige Schöpfung, unsere Juraformation hingegen eine ganze Folge derselben. Aber ‘auch diese eine Schö- pfung steht an Artenreichthum zurück gegen die des un- tern oder des obern Lias, des untern Rogensteins, oder des Terrain a Chailles in der Juraformation.

Aus ältern Formationen besitzen wir nur 19 Arten von Bivalven, ungeachtet hier wieder eine Folge von Schöpfun- gen begriffen ist. Freilich sind unsere Exemplare sämmt- lich aus fremden Localitäten, und die Sammlung ist. über- haupt für diese geologische Epoche ärmlich ausgestattet; auch die Erhaltung der Petrefaeten ist in diesen alten For- mationen in der Regel unvollkommener, als in den neuern. In neuerer Zeit sind durch Gorpruss, MurcHmson u. A. viele Arten aus diesen ältern Formationen bekannt gewor- den, welche die früher vermuthete Dürftigkeit an Arten etwas ausgleichen. Im Allgemeinen scheinen aber doch die eigentlichen Acephalen in verhältnissmässig geringer Arten- zahl hier aufzutreten, was gegen den vorhandenen Reich- thum an Brachiopoden und CGephalopoden einen: augen- scheinlichen Gegensatz bildet.

Zuverlässiger als diese Zusammenstellung der Arten- zahl sind die Ergebnisse über den allgemeinen Character der Fauna der Bivalven in verschiedenen geologischen Epo-

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chen. Vergleichen wir z. B. in der oben gegebenen Auf- zählung das Verhältniss der Monomyarier zu den Dimya- riern der Juraformation, so walten die erstern bedeutend vor, da hingegen in der lebenden Schöpfung gerade das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Das unmittelbare Er- gebniss der Zahl nach ist freilich wenig bedeutend, weil die vorläufig in die Anordnung noch nicht aufgenommenen Steinkerne der Juraformation gerade den Dimyariern ange- hören. Hingegen so viel steht fest, dass gerade wegen der besser gelungenen Vergleichung die Formen der Mo- nomyarier der Juraformatien, mit denjenigen der lebenden Schöpfung weit mehr Uebereinstimmung zeigen, als die der Dimyarier. Noch mehr zeigt das die nähere Vergleichung der einzelnen Gattungen. Neben einer Anzahl unterge- gangener Gattungen haben wir bei den Monomyariern der Juraformation eine ganze Reihe, welche fast ganz dieselbe Beschaffenheit zeigen, wie die entsprechenden lebenden. So namentlich unter den Mytilaceen die Gattungen Mytilus (nebst Modiola) und Pinna; unter den Malleaceen Perna; unter den Pectinideen Lima, Pecten, Hinnites, Spondy- lus (nebst Plicatula); unter den Ostraceen Ostrea. Dar- unter sind z. B. Mytillus, Pecten, Ostrea sehr zahlreich an Arten in der lebenden Schöpfung wie in der Jurafor- mation. Ungleich weniger Gattungen mit unverändertem Charakter treffen wir bei den Dimyariern. Die lebenden Monomyarier sind also viel gleichartiger mit denen des Jura, als die Dimyarier, oder in der Folge der Schöpfun- gen hat sich der Charakter derselben früher entwickelt, als derjenige der Dimyarier. Ein ähnliches Verhalten findet noch bei den Bivalven der Kreide statt, da hingegen die Tertiärformationen in dieser Beziehung mit der lebenden Schöpfung übereinstimmen.

Hinsichtlich der Grösse, zu welcher einzelne Arten gelangen, finden wir bekanntlich bei den Wirbelthieren und

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bei den Cephalopoden in den frühern geologischen Epo- chen viele Geschöpfe, die ungleich grösser sind, als die ihnen zunächst verwandten lebenden. Bei den Bivalven zeigt sich dieses Verhalten nicht. Die lebende Tridacna Gigas wird von keiner fossilen Muschel an Grösse erreicht. Die Pinnen der europäischen Meere sind grösser als alle bis jetzt bekannten fossilen. Nur die Pinnigena des Jura kann ihnen an die Seite gestellt werden. Die Osirea Col- linii M (O. callifera Auctt.) unseres Tertiärgebirges wird grösser als alle bekannten lebenden Austern, und alle Au- stern älterer Formationen.

D 3.Febr.1841. Herr Rathsherr Perer Merın, über einige angeblich fossile Wallfischknochen, die im Schuttlande des Rheinthals gefunden wor- den sind. Vor einem Jahr (s. Ar. Bericht S. 81) legte ich der Gesellschaft ein Bruchstück eines sehr grossen Kno- chens vor, welches von Herrn Horsterrer bei Neudorf im Rheine gefunden, und unserer Sammlung zum Geschenk gemacht worden ist. Grösse und Gefüge desselben lassen, ungeachtet seines verstümmelten Zustandes, schliessen, dass es ein Wallfischknochen, wahrscheinlich ein Bruchstück ei- ner Wallfischkinnlade ist. Andrerseits ist die gute Erhal- tung der Knochensubstanz ganz verschieden, von dem Zu- stande, in welchen die fossilen Knochen in unserm Dilu- vium angetroffen zu werden pflegen, so dass das Bruch- stück zufällig durch Schiffer von der See herauf, in unsere Gegend scheint gebracht worden zu seyn. Es steht dieser Fund durchaus nicht vereinzelt da, sondern ähnliche Kno- chen sind in verschiedenen Gegenden des Rheinthals ge- funden, und zum Theil als eigentliche Fossilien beschrieben worden *). ;

*) Seit der Zeit der Mittheilung dieser Notiz hat Hr. Horsterrer an derselben Stelle ein zweites ansehnliches Knochenbruch-

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Iın Museum zu Mannheim liegt. die vollständige linke Hälfte einer Wallfischkinnlade, die von Corrını im 5ten Bde. der Acten der Pfälzer Akademie S. 99, als gigantische Wall- fischrippe beschrieben und tab. 4. fig. 4, auf freilich etwas mangelhafte Weise, abgebildel worden ist. Sie hat 17 Fuss Länge, wiegt 486 Pfund, und soll im Jahr 1720, als die churfürstliche Residenz von Heidelberg nach Mannheim ver- legt wurde, bei Nachgrabungen. gefunden worden seyn, die man, zur Anlesung neuer Gebäude, zwischen der damali- gen Stadt und der Citadelle unternommen hatte. Zu Cor- uını's Zeiten (um 1780) wurde sie, an Ketten aufgehangen, unter den Arkaden des Mannheimer Kaufhauses aufbewahrt‘). In demselben Museum finden sich ferner einige zersägte Bruchstücke von Wallfischkinnladen, die früher in der Ge- gend als Abweissteine gedient haben. Die Beschaffenheit aller dieser Knochen ist sehr frisch, und durchaus abwei- chend von derjenigen der Ueberreste von Diluvialthieren, welche auch bei Mannheim häufig gefunden werden. Dazu kommt dass im Diluvialschutt der dortigen Gegenden, wie bei uns sonst bloss Knochen von Landthieren gefunden wer- den; Seemuscheln fehlen gänzlich. Alles das spricht sehr dafür, dass die erwähnten Wallfischreste von der See her, in historischer Zeit den Rhein herauf gebracht worden sind, und lassen die Nachricht des angeblichen Ausgrabens an Ort und Stelle als eine sehr problematische erscheinen. Zu Coruınr’s Zeiten, in welchen man Diluvialland von dem

stück ähnlicher Art aufgefunden, welches durch Hrn. Dr. EmAn. MEyER ebenfalls unserer Sammlung geschenkt worden ist. Es scheint ein Theil eines Wallfischschädels zu seyn.

*) Jüngsthin ist diese Kinnladenhälfte nebst einem im Jahr 1760 am Mainufer bei Rüsselheim im Darmstädtischen gefundenen Wallfischwirbel von Prof. Kırıan im $ten Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde wieder näher beschrie- ben und abgebildet worden.

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in der Rheinpfalz vorkommenden, mit wohlerhaltenen Mee- resmuscheln erfüllten Tertiärgebirge, noch nicht geogno- stisch unterschied, konnte das Vorkommen fossiler Wall- fischknochen weniger auffallend erscheinen als jetzt.

Auch im Mainzer Museum befinden sich mehrere in der dortigen Umgegend gefundene Ueberreste von Wall- fischen, unter Anderm ein Bruchstück einer Wallfischrippe, in welcher ein bronzener Ring, anscheinend römischen Ur- sprungs, befestigt war; wohl eine Stütze mehr, zu der Annahme des bloss zufälligen Vorkommens der erwähnten Wallfischknochen an ihren Fundorten. Es scheint demnach zu Römerzeiten schon, und wahrscheinlich noch später im Mit- telalter, Sitte gewesen zu seyn, dass die Schiffer als Merk- würdigkeit von dem Meere her Wallfisch - Ueberreste her- aufbrachten. In Holland und in den nordischen Seestädten werden die Wallfischknochen bekanntlich zu mancherlei Verwendungen benutzt. Dass alle bis jetzt bekannt gewor- denen Ueberreste dieser Art, immer nur in der unmittel- baren Nähe, des in die See ausmündenden Stromes sich gefunden haben, unterstützt diese Annahme nicht wenig.

Cuvier beschreibt (Ossem. foss. 2e. Ed. T. 5. P. 1. S. 393. u.tab. 27. fig. 16) den Schädelknochen eines Wall- fisches, welcher im Jahr 1779 bei Grabung eines Kellers in der rue Dauphine zu Paris gefunden worden ist, und gegenwärtig in dem Teyler’schen Museum zu Harlem sich befindet. Er hat mit dem entsprechenden Knochen des gemeinen Wallfisches (Balaena Mysticetus) grosse Achn- lichkeit. Guvıer wirft sich selbst die Frage auf, ob der- selbe nicht durch Menschenhände könnte hergebracht wor- den seyn, und ungeachtet er diese Meinung, als wenig wahrscheinlich, von der Hand weist, so möchte sie, wenn man den Ursprung der rheinischen Wallfischüberreste be- rüchsichtigt, dennoch begründet erscheinen. -

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Herr Rathsherr Perer Merian. Ueber die Theorie der Gletscher*). Die genauere Untersuchung der Glet- scher, die verschiedenen Erscheinungen, welche an ihnen sich wahrnehmen lassen, und die Erforschung der Ursachen, denen sie ihre Entstehung verdanken, hat in den letzten Jahren auf's Neue das lebhafte Interesse der Naturforscher in Anspruch genommen. Venerz und Jos. von CHARPENTIER stellten bekanntlich die Behauptung auf, die grossen Blöcke alpinischer Felsarten, welche wir in der sogenannten ebenen, zwischen den Alpen und dem Jura sich erstreckenden Schweiz, und auf dem südlichen Abhang des Juragebirges zerstreut finden, seyen einst durch Gletscher, welche von den Alpen bis zum Juragebirge herausreichten, an Ort und Stelle gebracht worden. Acassız verfolgte die Idee noch weiter, und gelangte zu der Ansicht, der geo- logischen Epoche, in welcher wir gegenwärtig leben, sey unmittelbar vorher eine sogenannte Eiszeit vorausgegangen, während welcher nicht nur die Schweiz, sondern der grösste Theil der gemässigten Zone unserer Erde in Schnce und Eis eingehüllt gewesen sey, und alles frühere organisch. Leben aufgehört habe. Diese Theorieen stellen folglich

*) Referent suchte in einem ausführlichen Vortrage, welcher der Gesellschaft in den Sitzungen vom 12 Mai, 9 Juni und 7 Juli 1841 vorgelegt worden ist, die Gesammtheit der bis dahin bekannt gewordenen Thatsachen über die Gletscher auf möglichst vollständige Weise zusammenzustellen. Seit dieser Zeit sind verschiedene wichtige Beiträge über diesen Gegenstand erschienen, namentlich das Werk von CHARPEN- TIER, und die Berichte über die seitherigen Arbeiten von Acassız und Forges. Bei dem Abdrucke des auf die Glet- schertheorie bezüglichen Theils jenes Vortrages ist daher zweckmässig erachtet worden, das Wesentliche aus den Mit- theilungen mit aufzunehmen, welche Referent nach einem bei Acassız auf dem Aarglescher gemachten Besuche der Gesellschaft in der Sitzung vom 419 October 1842 gegeben hat.

ım

die Gletscher dar, als ein mächtiges geologisches Agens, in dem Zeitraume, welcher dem jetzigen Zustande der Dinge auf der Erde vorhergegangen ist. Die Urheber der Hypo- thesen haben sich nicht damit begnügt, eine Reihe von Erscheinungen von den Gletschern herzuleiten; sie ha- ben auf eine Jobenswerthe Weise die Gletscher selbst, wie sie jetzt noch in den Alpen sich darstellen, einer genauen Beobachtung unterworfen, und sind zum Theil zu einer Erklärungsweise der beobachteten Erscheinungen gelangt, die wesentlich abweicht von derjenigen, welche vor ihnen gründliche Naturforscher, und namentlich SAaussurr, auf- gestellt haben.

Um sich Begriffe zu bilden über die Wirkungen, welche in früheren geologischen Epochen den Gletschern zugeschrieben werden können, ist es vor Allem nothwen- dig, über die Ursachen in’s Klare zu. kommen, welche gegenwärtig die Erscheinungen, die wir an den Gletschern beobachten, bedingen. Es mag daher der Mühe lohnen, die Hauptzüge der bestrittenen Saussure’schen Erklärungs- weise einer genauern Prüfung zu unterwerfen, und sie zu- sammenzuhalten mit den Theorieen, welche man statt ihrer aufzustellen versucht hat. Es soll das der Zweck der gegenwärtigen Abhandlung seyn, in welcher ich mich aus- schliesslich auf die Betrachtung der jetzt existirenden Glet- scher, und zwar vorzugsweise der schweizerischen Gletscher, beschränke, und die Erörterungen einstweilen unberührt lasse, mittelst welcher man eine vormalige weit grössere Ausdehnung der Gletscher nachzuweisen versucht hat.

1. Das ewige Eis der Höhen.

Die abnehmende Temperatur mit zunehmender Erhe- bung ‘bewirkt, dass auf Bergen, die eine gewisse Höhe übersteigen, der Schnee das ganze Jahr hindurch sich er-

hält, an allen Stellen wenigstens, wo eine nicht zu grosse

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Steilheit der Abhänge die Ablagerung von Schnee gestattet. Die Linie, welche den ewigen Schnee der Höhen von den tiefern Gegenden sondert, nennen wir die Schneelinie, die Berge, welche diese Höhe übersteigen, Schneeberge.

Die Lage .der Schneelinie, in einer gegebenen Gegend, ist zunächst abhängig von der mittlern Jahreswärme, die in derselben Gegend in der Tiefe statt findet. Je höher diese Jahrestemperatur ist, desto höher wird, unter übri- gens gleichbleibenden Bedingungen, die Schneelinie auf den Bergen angetroffen werden. In einem warmen Jahre, oder nach einer Folge von warmen Jahren, wird in der Regel die Schneelinie sich höher hinaufziehen; sie wird um- gekehrt in kalten Jahren sich heruntersenken.

Die mittlere Jahrestemperatur ist aber nicht das ein- zige Element, welches die Lage der Schneelinie bedingt. Auch die verschiedene Vertheilung der Wärme in den ver- schiedenen Jahreszeiten, und namentlich die Masse des im Winter sich ansammelnden Schnees, übt einen wesentlichen Einfluss aus. Fällt im Winter sehr viel Schnee, so wird er in dem darauf folgenden Sommer sich theilweise an Stellen erhalten, wo er bei gleicher Sommerwärme in ei- nem andern Jahre verschwunden ist, dessen Winter keine so grosse Schneemasse gebracht hat. Aus diesem Grunde liegt die Schneelinie im Innern des Festlandes unter den- selben Breitengraden merklich höher, als in der Nähe der Meeresküsten. Denn einerseits ist an der Meeresküste die Menge des im Jahre, und vorzüglich im Witer, herabfal- lenden atmosphärischen Wassers weit grösser, als in einem Continentalklima; es häuft sich also auf den Höhen eine ungleich grössere Menge von Schnee an. Andrerseits ist der Unterschied der Wärme der Jahreszeiten . nicht so gross; der kühlere Sommer des Küstenklimas wirkt also zur Verminderung der im Winter angesammelten Schnee- masse nicht so kräfüg ein, als der heissere Sommer im

i 113

Innern des Festlandes. So fanden z. B. WAHLEnBERG, Scuouw und Snıtu die Grenze des ewigen Schnees auf der Ostseite des skandinavischen Gebirges um mehr als 100 Toisen höher, als auf der norwegischen Seite, ungeachtet die jährliche Mitteltemperatur in gleicher Meereshöhe und unter demselben Breitengrade auf der norwegischen Seite ‚beträchtlicher ist. Die Schneelinie am Kaukasus steht nach Kurrer und PArror um volle 300 Toisen höher, als an den unter gleichem Bzeitengrade liegenden Pyrenäen, wo sie in ungefähr 1400 Toisen über dem Meere angetroffen wird. Am Kaukasus zeigt sich aber in gleicher Meereshöhe eine merklich geringere mittlere Jahrestemperatur als in den Pyrenäen.

Einen fernern wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Schneelinie hat die eigenthümliche Lage eines Orts. Unter denselben Umständen wird auf einem der Sonne zugekehr- ten Abhange der Schnee eher wegschmeizen, als in einem gleich hoch liegenden engen schattigen Thale; und zwar abgesehen davon, dass Winde und Lawinen einen Theil des aus der Atmosphäre herabfallenden Schnees von höher gelegenen Orten in die liefern herabführen, und auf mit- telbare Weise die Schneemasse daselbst vermehren. Auch die auf die Umgebungen sich erstreckende erkältende Ein- wirkung grösserer vorhandener Schneeanhäufungen ist von Einfluss. Auf Bergen, die vereinzelt in die Region des ewigen Schnees sich erheben, wird aus dieser Ursache die Schneelinie höher liegen, als auf solchen, die mit einer ausgedehnten Kette von Schneegebirgen im Zusammenhange stehen.

Es folgt aus diesen Erörterungen, dass die Lage der Schneelinie auch in ein und derselben Gegend ziemlichen Verschiedenheiten unterworfen ist, und das um so mehr, je veränderlicher in einem gegebenen Klima die Umstände sind, welche eine Einwirkung ausüben. Unter den bestän-

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digen Witterungsverhältnissen der heissen Zone ist diese Linie schärfer bezeichnet, und ihre Lage daher auch leich- ter zu bestimmen, als unter unserm Himmelsstriche, wo deren Fixirung genauere Erwägung der einwirkenden Ver- hältnisse, und Vergleichung einer grössern Anzahl von Beobachtungen erfordert. Saussune (Yoy..$. 942 u. 943) nimmt die Höhe der Schneelinie in den Alpen auf zusam- menhängenden Schneegebirgen zu 1500 Toisen, auf ver- einzelten Bergspitzen zu 1400 Toisen über der Meeres- fläche an. Als Mittelzahl können wir folglich 1350 Toisen oder 8100 Par. Fuss setzen, müssen aber niemals die Ver- änderungen aus dem Auge verlieren, denen diese Annahme nach den Localverhältnissen ausgesetzt ist.

Die mittlere jährliche Lufttemperatur unter der Schnee- linie fällt bloss in den Aequatorialgegenden ziemlich nahe mit dem Eispunkte zusammen. In den Alpen steht sie be- trächtlich niedriger. Nach Bıscnors (Wärmelehre des In- nern unseres Erdkörpers S. 224) Ausmittlung, welcher in den Schweizeralpen die mittlere Lufttemperatur vonO°R. in 6165 / Meereshöhe setzt, und eine Abnahme von R. für 677 Erhebung annimmt, würde in 8100 / die mittlere Luft- wärme ungefähr 30 R. betragen, was mit Pıcrer’s Schätzung (Gilb. Ann. 25. S. 318) gut zusammenstimmt. In höhern Breiten, und mehr im Innern des Festlandes, liegt sie noch beträchtlich tiefer, aus Gründen, die sich aus den vorhin gegebenen Erörterungen ableiten lassen, in die. wir jedoch hier nicht eintreten wollen.

Das ewige Eis ist indess nicht auf die Gebirgshöhen beschränkt, die oberhalb der Schneelinie liegen. In den Thalgründen, welche von den beständig beschneiten Regio- -nen der Höhen herunterreichen, werden Eismassen gegen die Niederungen hervorgeschoben, und erhalten sich nur durch das immerwährende Nachrücken des Eises von oben herab, inUUmgebungen, wo ewiger Schnee längst nicht mehr

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selbstständig zu bestehen vermag. Diese Eismassen, die folglich nicht gebildet sind aus dem Schnee, der aus der Atmosphäre an Ort und Stelle herunterfällt, sondern die unterhalten werden aus dem oberhalb der Schneelinie ur- sprünglich abgelagerten, und in die vorliegenden tiefern und wärmern Thäler sich hervordrängenden ns sind die eigentlichen Gletscher.

Die Gletscher reichen bis zu den Stellen herab, wo das in der wärmern Lufttemperatur der Tiefen zusammen- schmelzende Eis durch das Nachschieben von oben ersetzt zu werden vermag, was für die einzelnen Gletscher, je nach den eigenthümlichen Verhältnissen eines jeglichen, in verschiedenen Höhen stattfindet. In der Alpenkette giebt es Gletscher, die bis zu 3000 Fuss Meereshöhe herabkom- men. So liegt z. B. das Ende des untern Grindel- wald-Gletschers nach Bıscuor’s barometrischen Mes- sungen in einer Höhe von 2989 Fuss, in Umgebungen, de- ren mittlere Lufttemperatur ungefähr zu + R. angenom- men werden kann,(Wärmelehre S. 113). Der auffallende Gegensatz zwischen dem starren ewigen Eis des Gletschers, und der üppigen Vegetation, die unter solchen atmosphä- rischen Verhältnissen unmittelbar daneben gedeiht, hat von jeher die Aufmerksamkeit der Alpenbesucher auf die Glet- scher hingezogen. Der Endpunkt eines Gletschers ist in- dess eben so wenig ein Axer Punkt, als die Lage der Schneelinie. Tritt eine Reihe von kalten Sommern ein, wo die Gletscher weniger abschmelzen, oder rücken mächtigere ‚Eismassen, als die gewöhnlichen, von oben nach, so rückt das Gletscherende vor; in warmen Sommern, oder wenn der Nachdrang von oben sich vermindert, zieht es sich zurück.

Die Grenzlinie, über welcher der auf dem Gletscher herabfallende atmosphärische Schnee das Jahr hindurch nicht mehr abschmilzt, oder mit andern Worten die Schnee-

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linie auf dem Gletscher, nennt Hucı (Alpenreise S. 332) Firnlinie. Er behauptet, dieselbe sey viel schärfer und bestimmter abgegrenzt, als das was man gewöhnlich Schnee- linie zu nennen pflegt; und es erscheint diese Behauptung begründet, denn wenigstens ein auf die Lage der Schnee- linie mächtig einwirkendes modifizirendes Element, der er- wärmende Einfluss des Erdbodens, namentlich wenn der- selbe theilweise entblösst von der Sonne beschienen wird, fällt hier weg, da die Unterlage immer Eis ist. In denEis- gebirgen des Berner Oberlandes und der nördlichen Kette des Wallis hat Hucı nach seinen Beobachtungen die Firn- linie beständig zwischen 7600 und 7700 Fuss Meereshöhe angetroffen. Sie liegt im Allgemeinen etwas tiefer als die Schneelinie am Abhange der Berge, eines Theils wegen der erwähnten eisigen Unterlage, andrerseits weil die Gletscher die dem Einfluss der Sonne im Ganzen weniger ausgesetz- ten Thäler erfüllen. Bei Verschiedenheit der Lage, und der klimatischen Beschaffenheit der einzelnen Jahrgänge ist jedoch auch diese Linie grössern Veränderungen unterwor- fen, als Hucı anzunehmen geneigt scheint.

Ich enthalte mich hier auseinanderzusetzen, wie der lockere nur theilweise zusammengesinterte Schnee oberhalb der Firnlinie, der Firn, wie man ihn in den Alpen nennt, durch Einsickern des an der Oberfiäche abschmelzenden Schneewassers, und nachheriges Gefrieren, zum festen Gleischereis wird, und wie dasselbe durch Herunterrücken in die tiefern Regionen an Konsistenz zunimmt, da im We- sentlichen Saussure mit den neuern Beobachtern den Her- gang übereinstimmend beschreibt, und das kein streitiger Punkt der Theorie ist. Die Trennung von Gletscher und Firn ist übrigens keine scharfe, denn der letztere besteht in der Tiefe ebenfalls aus Gletschereis (CuArreEntier $. 3), und nimmt bis zu einer, freilich noch nicht genau ausge-

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mittelten Höhe an derselben abwärts gerichteten Fortbewe- gung der ganzen Masse Theil.

2. Geschichtliche Nachweisungen.

Die ersten Nachrichten von den Gletschern finden wir bei Josıas Smuer (Vallesiae et Alpium descriptio 1574) und Rouporr Resmann (Naturae Magnalia 1605). Die Schil- derung des letztern wiederholt Marruäus Merian fast wört- lich in der Erläuterung zur Abbildung des untern Grindel- waldgletschers, die er in seiner helvetischen Topographie mittheilt (1642). Mehr von dem Standpunkt des Naturfor- schers aus, fasst J. Hzınr. Hottinser (Ephem. Nat. Curios. 1706) die Erscheinungen auf. Er erwähnt bereits die deut- liche Schichtung, die im Eise einiger Gletscher bemerkbar ist. J. J. Scueucuzen beschäftigt sich mit der Betrachtung der Gletscher in seiner vierten, im Jahr 1723 zuerst im Druck erschienen Alpenreise. Er fügt den Wahrnehmun- gen seiner Vorgänger wenig Neues bei, sucht hingegen die Bewegung des Gletschereises und das angebliche Ausstos- sen fremder Körper durch das Wasser zu erklären, wel- ches sich in den Spalten und andern im Eise sich vorfin- denden Zwischenräumen ansammelt, daselbst gefriert, und weil es nach dem Gefrieren einen grössern Raum einnimmt als vorher, nach allen Seiten einen Druck ausübt und den Gletscher thalabwärts drängt.

Jou. GEorG ALTMAnn, in seinem Versuch einer histo- rischen und physischen Beschreibung der helvetischen Eis- berge vom Jahr 1751, theilt manche schätzbare Beobach-_ tungen über den Grindelwaldgletscher mit, den er selbst genau untersucht hat. In Beziehung auf die Theorie der Gletscher sucht er darzuthun, „dass der ganze Gletscher, wie ein Gewölb, gleichsam auf Säulen ruhe, und nur an etwelchen Orten auf der Erde fest stehe.” Das Fortrücken werde bewirkt durch das von oben hervorgestossene Eis,

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„dadurch denn der an dem Berg liegende und gleichsam hangende Gletscher von oben her gedrucket wird, und auf diese Weise geschiehet es, dass durch dieses grosse, von oben herkommende Gewicht der ganze Gletscher weiter gegen das Thal hinuntergeschoben wird.” (S. 44 u. 45). Freilich ist er mit seinen theoretischen Ideen nicht immer glücklich, namentlich nicht mit der Annahme eines soge- nannten helvetischen Eismeeres, welches die Thalgründe zwischen den höchsten Eisgebirgen erfüllen, in der Tiefe flüssig, und nur an der Oberfläche mit Eis bedeckt seyn soll.

Ausführlich werden die Gletscher beschrieben in dem im Jahr 1760 gedruckten Werke: die Eisgebirge des Schwei- zerlandes von GoTTLIiEß Sıegmunp Gruner. Die beiden er- sten Bände dieses Buchs enthalten Beschreibungen und Ab- bildungen der vorzüglichsten Gletscher der Schweiz. Der dritte Band ist den physikalischen Betrachtungen über die Eisgebirge gewidmet, und beschäftigt sich namentlich auch mit der Beschreibung der Erscheinungen an den Gletschern und mit deren Erklärung. Saussure gibt dieser Arbeit das Zeugniss: „Dans ce traiteE Tauteur a epuise son sujet, autant du moins qu’un sujet de physique est susceptible de lötre; et bien qu’un physicien ne füt peut-ötre pas de son avis en tout, il serait cependant dificile de don= ner en general de meilleures explications des differents phenomtnes que presentent ces amas de glace.” (Voy. $, 519). Bei Durchlesung des Werkes muss man indess „gestehen, dass SAussure ein zu wohlwollendes Urtheil über die Arbeit seines unmittelbaren Vorgängers fällt, und dass, abgesehen von mancherlei physikalischen Verstössen, die Sıussune nur leise rügt, die Gruner’schen Erklärungen in Hinsicht der Schärfe und Bestimmtheit mit denjenigen von Sıussure den Vergleich nich aushalten. GruNER nimmt an, dass die Gletscher bei dem fortwährenden Abschmelzen

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durch ihre eigene Schwere auf abhängigem Grunde thalab- wärts vorrücken können; er stellt aber nicht mit dersel- ben Bestiinmtheit, wie Aurmann, die Behauptung auf, dass das ganze Hervordringen ‘der Gletschermasse auf diese Weise geschehe. (S. 135 u. 156).

Am umfassendsten und gründlichsten ist die Theorie der Gletscherbildung von Horacz Bexepict De Saussure be- handelt worden. Derselbe hat, wie er selbst berichtet, die Grundzüge seiner Theorie bereits im Jahr 1764 in ei- nem akademischen Vortrage entwickelt, als er das Gruner’ sche Werk noch gar nicht kannte. Durch den Druck hat er sie jedoch erst im Jahr 1779 im ersten Bande der Quart- ausgabe der Alpenreisen bekannt gemacht.

Ganz mit den Saussurü’schen ‘Ansichten übereinstim. mend, und auf gründlichen eigenen Wahrnehmungen be- “ruhend, ist der im ersten Bande des Hörrner’schen Maga- zins für die Naturkunde Helvetiens (1787) abgedruckte Auf- satz, über den Mechanismus der Gletscher von BernuArD Frıeopr. Kuun. (Dazu der Nachtrag B. II. S.427.) Er gibt unter Anderm die richtige Erklärung der Guferlinien auf der Mitte der Gletscher. Derselbe Band enthält einen Brief von Prof. Stuper dem Vater, in welchem die Gletscher- tische, die mit Erde bedeckten Eishügel, und die engen, tiefen, mit Wasser gefüllten Löcher des vordern Aarglet- schers näher beschrieben werden.

Die Beiträge zur nähern Kenntniss der schweizerischen

Gletscher aus spätern Zeiten halte ich für überflüssig hier aufzuzählen.

3. Theorie der Bewegung der Gletscher durch die Ausdehnung des sefrierenden WVassers.

Wie wir gesehen haben, hat Scurucnzer den Wachs- thum und die abwärts gerichtete Bewegung des Gletscher- eises durch die Ausdehnung zu erklären versucht, die das

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in den Spalten sich ansammelnde Wasser beim Gefrieren erleidet. Die Erfahrung hat gelehrt, dass das Eis der Glet- scher, wenigstens in den Sommermonaten, in kontinuir- licher fortschreitender Bewegung ist. Zu dieser Zeit sind aber die Gletscherspalten nur ausnahmsweise mit Wasser gefüllt. Gefriert dieses Wasser bei kalten Nächten, so ge- schieht das nur an der Oberfläche. Diese Erklärungsweise der Erscheinungen, die in neuern Zeiten wieder von Tous- SAINT VON CHARPENTIER (Gilb. Ann. 63. S. 388) und Bıszrx (Gilb. Ann. 63. S. 192) versucht worden ist, ist daher all- gemein als. unzureichend anerkannt worden.

Hingegen ist sie, unter Beibehaltung der Grundidee, von VENETZ, J. v. ÜHARPENTIER und Acassız auf eine ei- genthümliche Weise modifizirt worden. Das an Sommer- tagen durch Abschmelzen des Eises der Oberfläche entste- hende Wasser, oder auch dasjenige, welches als Regen auf den Gletscher herabfällt, zieht sich nach dieser An- sicht in alle feinen Haarspalten des Gletschereises hinein, und tränkt dasselbe wie einen Schwamm. „Nothwendiger Weise besitzt dieses Wasser eine Temperatur, die nur sehr wenig den Eispunkt übersteigen kann, und wird im flüssi- gen Zustande nur durch die geringe Wärme erhalten, wel- che ihm das von der Oberfläche oder der umgebenden Luft nachströmende Wasser zugeführt wird. Das absorbirte Wasser muss folglich gefrieren, sobald diese einzige Wär- mequelle ihm entzogen wird. Das muss aber jederzeit ge- schehen, sobald bei eintretender Erkaltung der Atmosphäre das Abschmelzen des Gletschers an der Oberfläche aufhört. Eine solche Erkaltung wird aber in der Regel in allen Som- mernächten eintreten. Die Gletscher werden folglich wäh- rend der Sommertage mit Wasser getränkt, und dieses ge- friert während der Nächte.” (CuArrentTier, essai sur les glaciers 1841. $ 6). Beim Gefrieren dehnt das Wasser

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sich aus, und diese ausdehnende Gewalt treibt den Glet- scher abwärts.

Da im festen Erdboden die täglichen Wärmeänderungen der angrenzenden Atmosphäre nur bis auf eine sehr ge- ringe Tiefe fühlbar sind, so ist wohl an sich klar, dass die Erkältung der Nacht nur bis in eine sehr geringe Tiefe in das Eis des Gletschers herabreichen kann; dass daher auch das in den Zwischenräumen des Gleischer- eises enthaltene Wasser flüssig bleiben muss, wenn die Oberfläche des Gletschers überfriert. Zum Ueberfluss führt Forszs (Bibl. univ. de Gentve 42. S. 363) die Erfahrung an, dass auf einem bei eingetretener kalter Witterung schon mehrere Tage lang überfrornen Gletscher, überall, in der Tiefe von weniger als einem Fuss, nasses Eis anzutreffen war. Die unmittelbare Mittheilung der täglichen Wärme- änderungen der Atmosphäre bis in grössere Tiefen des Gletschers wird auch nicht angenommen, sondern der Vor- gang wird dargestellt, wie wir es oben, möglichst mit den eigenen Worten von CHZRPENTIER, zu geben versucht haben. Offenbar ist aber eine solche Darstellung unzulässig. Das in die Haarspalten des Gletschereises eindringende Schmelz- wasser kann nur gefrieren, wenn das Eis eine niedrigere Temperatur besitzt als 0%, sonst muss es flüssig bleiben. Dann muss es aber, wenn es in die feinen Zwischenräume des Eises eindringt, im Augenblick des Eindringens gefrie- ren. Es ist also gar kein Grund vorhanden, dass das Gletschereis bloss am Tage mit flüssigem Wasser sich trän- ken, und das eingedrungene Wasser bloss in der Nacht gefrieren soll. Die einzige zulässige Art zu einem Wachs- thum des Gletschers von innen heraus, und einer Ausdeh- nung durch das in seinem Innern gefrierende Wasser zu gelangen ist folglich die, ein Kältemagazin in seinem Innern anzunehmen, welches bewirkt, dass das täglich einsickern- de Wasser sofort gefriert, wenn es in die unter stehen-

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den Theile des Gletschers gelangt. Es ist das auch die Vorstellungsweise, welcher gegenwärtig Acassız zugethan scheint. Es scheint mir, dass wenn solche angebliche kalte Massen im Innern des Gletschers wirklich existirten, das Einfhltriren des von oben hindurchsickernden Wassers nur an den äussern Umgebungen der erkalteten Masse stattfin- den könnte. Durch das erfolgende Gefrieren des eindrin- genden Wassers an allen Stellen, .wo das Eis unter zu stehen anfängt, würde der fernere Zutritt in die feinern Zwischenräume des erkalteten Eises verstopft. Erst wenn die Erkaltung dieser fest gefrornen äussern Hülle des käl- tern Gletschertheils durch allmählige Wärmemittheilung aus den Umgebungen abgenommen hätte, wäre ein ferneres Vordringen des einsickernden Wassers gegen das Innere des kalten Gletschertheiles möglich. Die Art und Weise, wie nach dem Winter, wo allerdings eine solche Erkaltung der äussern Kruste des Gletschers stattgefunden hat, das Wasser an der Oberfläche der Gletscher in vielen Spalten und Vertiefungen längere Zeit angesammelt bleibt, bis es den Zutritt in das zerklüftete Innere des Gletschereises findet, scheint mir einen directen Beweis für diese Ansicht darzubieten. Das fortwährende Gefrieren des .täglich ein- dringenden Wassers, und die mit demselben in Verbindung stehende Ausdehnung des Eises, könnte folglich, unter solchen Voraussetzungen, bloss an der äussern Hülle des unter 09 erkalteten Theiles der Gletschermasse stattfinden, und so unregelmässig auch die Gestaltung dieser Hülle seyn möchte, so wäre eine Ausdehnung die bloss an der- selben erfolgt, offenbar unzureichend um die Thatsache des täglichen Vorrückens der ganzen mächtigen Eismasse des Gletschers zu erklären.

Doch wir wollen von diesem Einwurfe einstweilen ab- strahiren, und die Gründe untersuchen, die zur Annahme des angeblichen Kältenmagazins im Innern des Gletschers

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berechtigen sollen. Es müsste dieses Kältemagazin ein sehr bedeutendes seyn, wenn es zur Erklärung der Er- scheinungen 'zureichen sollte, weil es durch das beständig vor sich gehende Gefrieren des einsickernden Wassers, durch welches die beständig fortschreitende Bewegung des Gletschers erklärt zu werden versucht wird, eine fortwäh- rende Verminderung erlitte.. Nehmen wir eine Eismasse im Innern des Gletschers von R. Temperatur an, so wird bekanntlich jedes Pfund Wasser auf 00%, welches sie zum Gefrieren bringt, mehr als 60 Pfund dieser Eismasse durch die beim Gefrieren entwickelte latente Wärme bis zum Eispunkt zu erwärmen vermögen; denn die beim Ge- frieren frei werdende Wärme könnte bekanntlich die Tem- peratur von 60 Pfund Wasser um einen Grad erhöhen, und die spezifische Wärme des Eises ist geringer, als die ‘des flüssigen Wassers. Noch am untersten Ende des Gletschers, während der langen Reihe von Jahren, die das Gletschereis braucht, um von der Firnregion bis dahin zu gelangen, müssten aber noch Ueberreste dieses Kältemagazins vor- handen seyn, denn die fortschreitende Bewegung, welche durch dasselbe erklärt werden soll, zeigt sich auch da noch immer; und das trotz der beständigen Abnahme, wel- che dasselbe erlitten hat, ohne dass ein zureichender Er- satz für diese beständig vor sich gehende Abnahme sich darbietet. Ein Ersatz wäre zunächst denkbar, durch die Kälte, welche während des Winters, vorzüglich in den kalten obern Regionen, in das Gletschereis eindringt. Auch dieses Eindringen kann aber, zufolge der Erfahrungen die wir über die Mittheilung der jährlichen Wärmeänderungen in das Innere der festen Erdrinde besitzen, sich nur bis in eine mässige Tiefe erstrecken, und muss folglich durch das bei eintretender warmer Jahreszeit wieder stattfindende Einsickern des Schmelzwassers von der Oberfläche bald beseitigt seyn. Durch direeten Versuch fand Acassız,

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dass ein, während des Winters von 1841 auf 42, 24 Fuss tief in das Eis des Aargletschers beim Aötel des Neucha= telois, also in ungefähr 7500 Fuss Meereshöhe, eingesenk- ter Thermometrograph keine tiefere Winterkälte als 0°, 3 C zeigte. (Comptes rendus 15. S. 736). Dasselbe beweisen die verschiedenen Gletscherseen, die in durch Gletscher abgesperrten Vertiefungen sich bilden, deren Ausgänge im Spätjahr durch die Einwirkung der eindringenden kalten Luft und durch das erfolgende Gefrieren gesperrt werden. Das Wasser, welches den Sommer hindurch unter dem Gletscher seinen Abfluss gefunden hat, häuft sich dann an und füllt endlich das Becken aus. Im Winter gefrieren diese Seen, jedoch nur an der Oberfläche, in der Tiefe bleibt das Wasser flüssig. Sie erhalten sich bis in den Sommer, wo dann durch den Einfluss des den Gletscher durchsickernden Wassers , oder durch die Bewegung, wel- che bei zunehmender Wärme im Gletscher merkbarer wird und Spalten erzeugt, die Ausgänge wieder eröffnet werden, und der ganze See, oft in wenigen Stunden, unter dem Gletscher hindurch abfliesst. S. z. B. die Beschreibung, welche Saussure (Joy. $.1013) von einem dieser Seen, der Gouille & Vassu im Entremontthale gibt, dessen Rand un- gefähr 7700 Fuss über dem Meere liegt. Es beweisen diese Erscheinungen, dass, selbst in einer so beträchtlichen Höhe, die Winterkälte nicht zureicht mehr als die Oberfläche des eiskalten Wassers dieser Seen zum Gefrieren zu bringen; dass. das eben so wenig durch Kältemittheilung aus dem umgebenden Erdboden bewirkt wird, die einzige Erkältungs- quelle, die nebst dem Einfluss der Winterkälte der Atmo- sphäre, noch zu Hülfe gezogen werden könnte.

Es lässt sich in der That kein geeigneterer Apparat denken um die Temperatur von zu bewahren, als ge- rade der Gletscher es ist. Erkältungen von der Oberfläche aus können, wie wir eben gesehen haben, nur auf eine

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geringe Tiefe sich erstrecken. Eine Erwärmung über ist vollends unmöglich. Der erwärmende Einfluss der Som- merzeit bleibt daher nicht, wie im Erdboden, in der äus- sersten Kruste haften, um durch den entgegesetzten Ein- fluss der kalten Jahrszeit wiederum beseitigt zu werden. Er äussert sich bloss dadurch, dass er Eis von im Was- ser von eben derselben, oder nur ausnahmsweise von et- ‚was darüber erhöhter Temperatur verwandelt, was sofort durch die ganze zerklüftete Masse hinuntersickert. Ist das Gletschereis mit der Wassermenge gesättigt, mit welcher es, in Folge seiner Porosität, getränkt bleiben kann, so wird das hinuntersickernde Wasser auf seinem Wege bis zum Gletscherboden nirgends haften bleiben; es sey denn es träfe Eis an, welches unter erkältet ist, und welches sein Gefrieren bewirken müsste. Durch die bei Gefrieren frei werdende latente Wärme würde aber dieses kältere Eis sofort erwärmt, bis es ebenfalls die Temperatur von besässe, und sich verhielte wie die übrige mit Wasser ge- tränkte Eismasse. Alles wirkt folglich darauf hin die Tem- peratur von im Innern des Gletschers zu erhalten, und sie wiederherzustellen, wenn sie durch eine zufällige Ur- sache in irgend einem Theil sich verändert haben sollte. Das Innere eines Gletschers besteht folglich aus Eis auf 0°, dessen Zwischenräume mit Wasser von ebenfalls benetzt sind. Die Kälte der äussern Umgebungen kann nur bis auf eine mässige Tiefe eindringen, und das be- netzende Wasser zum Gefrieren bringen. Nur ausnahms- weise wird die kalte Winterluft, wenn durch Ungleichheit des Luftdrucks ein Luftzug erzeugt wird, in die weitern Zwischenräume des Gletschers gelangen, und eine Erkal- tung unter auf ihrem Wege bewirken können. Zu den feinern Zwischenräumen des Eises wird sie sich selbst so- fort den Zugang verstopfen, indem sie das aus denselben nachsickernde Wasser zum Gefrieren bringt. Alle bisheri-

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gen Erfahrungen weisen darauf hin, dass es sich im In- nern des Gletschers wirklich auf die angegebene Weise verhält, so weit man hat eindringen können. Bei seinen Bohrversuchen im Jahr 1842 auf dem Aargletscher fand Acassız die Temperatur immer auf 0°, bis in 200 Fuss Tiefe. (Comptes rendus 15. S. 204). Ein Kältemagazin im innern unzugänglichen Theil ist folglich eine jeder Wahr- scheinlichkeit widersprechende Annahme, die jeder Begrün- dung durch Thatsachen ermangelt.

Ist aber die Beschaffenheit der Gletscher die angege- bene, so folgt von selbst, dass kein Wachsthum des Glet- schereises von innen heraus stattfindet, dass überhaupt, auch in Folge der Winterkälte, die Eisbildung durch Ge- frieren des im Gleischereise enthaltenen Wassers, nur in einer mässigen Entfernung von der Aussenfläche eintreten kann. Die Erklärung des Fortschiebens der ganzen Glet- schermasse, durch die Ausdehnung des gefrierenden Was- -sers, falle dadurch von selbst.

Es folgt daraus ferner, dass die Temperatur des Erd- bodens unter dem Gletscher das ganze Jahr hindurch auf sich erhalten wird, diejenigen Stellen ausgenommen, wo ein durch Höhlungen sich hindurchziehender Luftstrom auf eine etwas bleibende Weise erkältend oder erwärmend wirkt. Derselbe Grund, welcher bewirkt, dass die äus- serste Erdhülle an jedem Orte eine Mitteltemperatur an- nimmt, Jie der Mitteltemperatur der umgebenden Luft un- gefähr gleich ist, muss bewirken, dass die Erdoberfläche, ‘unter den Gletschern, die seit undenklichen Zeiten mit Eis auf in Berührung ist, dieselbe Temperatur muss ange- nommen haben. Ihrer eigenthümlichen Verhältnisse zufolge sind also Gletscher Apparate, welche einerseits die Tem- peratur des Bodens, den sie bedecken, auf erhalten, in Umgebungen, deren mittlere Lufttemperatur beträchtlich über 00 steigt; auf + R. z. B. am Ende des untern

; 127 Grindelwaldgletschers, wie oben ist angeführt worden; an- drerseits aber auch, in den obern Gletscherregionen, in Umgebungen, deren mittlere Lufttemperatur bedeutend un- ter sinkt. Wie weit aufwärts dieser eigenthümliche Ein- fluss der Gletscher stattfindet, muss noch genauer ermit- telt werden. Wahrscheinlich erstreckt er sich so weit noch eine fortschreitende Bewegung im ewigen Eise der Höhen bemerkbar ist, also noch weit in die Firnregion hinauf.

Wir wollen nunmehr untersuchen, wie die Theorie, wodurch man die Sıssure’sche zu verdrängen versucht, von der 'Thatsache Rechenschaft gibt, dass das Gletschereis nur thalabwärts vorrückt. Wir legen hier wieder CHArpEnTier’s Darstellung zum Grunde. ($. 11.) „Wenn” so sagt er, „das in allen feinen Zwischenräumen des Gletschereises enthal- tene Wasser zum Gefrieren kömmt, so nimmt es an Raum zu, und theilt eine Art von Ausdehnung der ganzen Masse mit. Diese Ausdehnung muss vorzüglich nach der Richtung sich äussern, wo -sie am wenigsten Widerstand findet; also einerseits in der Richtung des Abhanges, oder der Länge des Gletschers; andrerseits nach der Richtung der Dicke des Eises, von der untern Fläche des Gletschers ge- gen oben; denn nach den andern Richtungen findet sie Wi- derstand, sowohl von dem Berge, von welchem der Glet- scher herabkömmt, als von den Thalwänden die ihn der Länge nach, zu beiden Seiten einschliessen.” Bei einem bleibenden Zustande des Gletschers wird durch das erfol- gende Abschmelzen an der Oberfläche und am Ende des Gletschers die nach beiden Richtungen erfolgende Ausdeh- nung der Eismasse beseitigt, dem ganzen Gletscher ent- lang bleibt aber die thalabwärts gehende Bewegung des Ei- ses bemerkbar. |

Wäre eine solche Erklärung die richtige, so müsste man allervorderst am obern Ende des Gletschers, und an

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den ihn einschliessenden 'Thalwänden, Spuren der nach diesen Richtungen sich äussernden ausdehnenden Kraft des Eises finden; denn der hier erfolgende Widerstand soll es ja seyn, und nicht das eigene Gewicht des Eises, welcher den Gletscher thalabwärts drängt. Nun lesen wir aber bei CuArrEntier selbst (S. 81), dass wenn ein Gletscher an .seinem obern Ende an einer Felswand endigt, das Zusam- mensinken (tassement) des Eises die unmittelbare Berüh- rung hindert, und eine weite Kluft zwischen der Felswand und dem Gletschereise erzeugt. Also gerade das Gegen- theil von einem Anstemmen des Eises gegen das hinterlie- gende Gebirge, und eine Erklärung des Ablösens durch das eigene Gewicht des Eises nach Saussure’schen Grund- sätzen. Ueberhaupt müsste eine in der ganzen Eismasse vor sich gehende, nach allen Richtungen sich äussernde Ausdehnung alle Spalten, leere Zwischenräume und Klüf- te, die den Gletscher durchziehen, und ihn von den ein- schliessenden Felswänden trennen, vollständig schliessen, ehe sie eine mehrere Stunden lange Eismasse, auf öfter wenig geneigter Unterlage, abwärts zu schieben vermöchte. Von diesem Allem bemerkt man aber nichts. Die Reibung die beim Vorwärtsschieben einer so ungeheuern Eismasse zu überwinden ist, liesse schlechterdings keine andere Aus- dehnung zu, als ein Aufquellen der ganzen Eismasse nach der Dicke, auch ohne die Annahme, die CuArrENTIER aus- serdem noch vertheidigt, dass der ganze Gletscher an sei- ner Grundfläche angefroren sey.

Es hat CuArrentier das Gewicht dieses Einwurfes, der ihm 1838, bei der Versammlung der schweizerischen Na- turforscher in Basel, bereits gemacht worden ist, gar wohl gefühlt. Er gibt zu (S. 105), dass wenn die Ausdehnung nur an einer einzelnen Stelle des Gletschers sich äussern würde, auch nur ein solches Aufquellen der Gletscher- masse an der entsprechenden Stelle eintreten könnte; allein

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da die Ausdehnung dem ganzen Gletscher entlang erfolge so könne das nicht eintreten. Es will mir jedoch schei- nen, dass wenn man das Aufquellen an einer Stelle für zulässig findet, dass bei einer Ausdehnung, die in der gan- zen Gletschermasse sich kund gibt, eben ein Aufquellen an allen Stellen, und kein Vorwärtsschieben des Gletschers stattfinden müsste.

Die Annahme des Angefrorenseyns des Gletschereises an dem Boden scheint mir vollends schlechterdings unver- einbar mit der Thatsache des Vorrückens der Gletscher, sie mag nun hergeleitet werden von welcher Theorie man will. Wenn das Gletschereis zu jeder Stunde des Tages im Vorrücken begriffen ist, wenn durch die zwischen Eis und dem unterliegenden Felsboden eingepressten Gesteins- trümmer bei diesem Vorrücken Ritzen auf dem Felsboden entstehen, und das sind Thatsachen, die CnArr£nTier und Acassız lebhaft vertheidigen, so können doch unmöglich Eis und Erdboden zusammenhaften. (Vergl. auch Forses Ann. de Ch. et de Ph. 3e. Ser. 6. S. 251).

CHARPENTIER führt nun freilich eine Thatsache an, wel. che das Angefrorenseyn der Gletscher an ihrer Grundfläche darthun soll ($. 34). Von dem über eine Felswand herab- hängenden Gietrozgletscher ım Bagnethal lösen im Sommer tagtäglich Eismassen sich ab, die unten im Thale eine Eisanhäufung bilden, den sogenannten untern Gietroz- gletscher. Häuft diesesEis sich sehr an, so sperrt es den Abfluss derDrance, welche dann zu einem See anschwillt, dessen Abfluss beim Durchbrechen des Eisdamms schon mehrmals bedeutende Verheerungen angerichtet hat; so na- mentlich im Jahr 1818. Um das zu verhindern hat die Regierung von Wallis im Jahr 1821 einen Stollen durch den Eisdamm anlegen lassen, durch welchen der Abfluss der’Drance offen erhalten wird. Alljährlich wird dieser Stollen aufgeräumt. Jedes Jahr, und zwar vom Juni bis

g

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in den Oktober, hat man nun nach CuArrentier bei diesen Arbeiten den Boden des Gletschers gefroren gefunden, mit Ausnahme eines Streifens von etwa 10 Fuss Breite, über welchen die Drance unmittelbar wegfliesst. Die Stelle liegt etwa 5500 Fuss über dem Meere. Wenn die Thatsache richtig ist, und ich habe keine Ursache an CuArrENTIER’S Angabe zu zweifeln, so wird eine nähere Untersuchung wohl lehren, dass an einer solchen Stelle kein Vorrücken des Gletschereises über den unterliegenden Boden stattfin- det. Die Frage würde, gerade weil alljährlich, Arbeiten vorgenommen werden, leicht zu entscheiden seyn. Jeden- falls ist das eine sehr vereinzelte Thatsache, denn überall sonst wo man unter einen wirklich in Bewegung begriffe- nen Gletscher eingedrungen ist, hat sich das am Boden aufliegende Eis im Zustande des Abschmelzens gezeigt.

Eine zweite Thatsache die nach CuArrentier das Ange- frorenseyn der Gletscher an dem Boden, und folglich eine Temperatur unter beweisen soll ist die, dass Wurzeln perennirender Alpenpflanzen die im Jahr 1818 beim Vor- rücken des Gletschers du Tour im Chamounithale in 4700/ Meereshöhe von demselben bedeckt worden sind, noch Triebkraft genug zeigten, um wieder ausschlagen zu kön- nen, als 4 Jahre später der Gletscher sich wieder zurück- zog. Diese Wurzeln hätten, nach seiner Ansicht, während dieses langen Zeitraums faulen, und gänzlich absterben müssen, wenn sie nicht in einer niedrigern Temperatur als verweilt hätten. Ich sollte indess meinen, dass solche _ Wurzeln in einem gewöhnlichen Eiskeller, in welchem das aufbewahrte Eis ebenfalls immer auf bleibt, ihre Le- benskraft ohne zu faulen würden erhalten haben.

Ich komme nunmehr zu der Erklärungsweise der an- geblichen Säuberung des Gletschers, und des Ausstossens von fremden Körpern, die man auch als Stütze der Ge- frierungstheorie, und eines Wachsthums des Eises von in-

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nen nach aussen geltend gemacht hat. Die meisten Glet- scher zeigen nämlich auf ihrer Oberfläche an gewissen Stel- len, den sogenannten Guferlinien, Anhäufungen von Steinblöcken und Felstrümmern , von denen in der Regel das Innere des Gletschereises frei bleibt. Doch ist der Fall so selten nicht, als man öfter behauptet, dass Schich- ten des Gletschereises durch Zwischenlagen von Sand, Kies und grössern Steinen unterschieden sind, wie das z.B. Kunn bezeugt, der längere Zeit Grindelwald bewohnt hat, (Hörrners Magazin I. S. 120) und neuerlich ArnoLn Escuer (Pogg. Ann. 56. S. 611). Dass alle Steintrümmer, die von den umgebenden Felswänden auf den eigentlichen Gletscher her- unterfallen, auf seiner Oberfläche müssen liegen bleiben, ist an sich klar, denn der im Winter niederfallende Schnee schmilzt hier in der warmen Jahrszeit vollständig wieder ab. Nur in der Firnregion, wo aus der jährlich herabfal- lenden Schneemasse eine neue Schicht von Gletschereis sich bildet, welche durch die abwärts schreitende Bewe- gung nach Jahren in die untern Gletscherregionen vorge- schoben wird, können Steintrümmer in das Innere des Gletschereises gelangen. Auch diese erscheinen allmählig an der Oberfläche, was SAussure aus der immer vor sich gehenden Abschmelzung des der Atmosphäre zugekehrten Theils des Gletschers erklärt, wodurch die im Innern be- grabenen fremden Körper allmählig zum Vorschein kommen, auf dem Gletscher liegen bleiben, und mit demselben thal- abwärts vorrücken. Wenn das der Hergang der Sache ist, so wird behauptet, es müsste das Gletschereis, was aus Firnregionen herkömmt, zum Theil das Aussehen einer durch Eis verbundenen Trümmerbreccie darbieten. (CuAr- PENTIER S. 17). |

Wir wollen uns hier nicht mit den Erklärungsweisen befassen, die nach Art der Aelpler ein wirkliches Aufwärts- bewegen der im Innern begrabenen fremden Körper, durch

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das umgebende Eis hindurch, annehmen. CuArrpentier hat in seiner Schrift deren Ungrund hinlänglich dargelegt ($. 25). Er selbst erklärt sich den Vorgang auf folgende Weise: Durch das Gefrieren des in die Zwischenräume des Glet- schereises eingesickerten Wassers, und die damit verbun- dene Ausdehnung, gelangt eine jede Schicht des Innern des Gletschers nach und nach in eine immer grössere Ent- fernung von dem Boden. An der Oberfläche findet aber durch Abschmelzen eine fortdauernde Verminderung des Eises statt, die eben durch jenen angeblichen Wachsthum von innen heraus ersetzt wird. Jede mit Unreinigkeiten erfüllte Eisschicht die aus der Firnregion heruntergescho- ben worden ist, gelangt daher endlich an die Oberfläche, wo dann die Unreinigkeiten, nach stattgefundenem Ab- schmelzen des umgebenden Eises, liegen bleiben. Cnuar- vENTIER hält es sogar für möglich, dass auf diese Weise Steinblöcke, die bis an den Boden des Gletschers herun- tergefallen sind, auf die angegebene Weise an die Ober- fläche gelangen können, wenn sie sich in einer solchen Lage befinden, dass die Eisbildung unter ihnen vor sich gehen kann. Wenn ich diese Erklärungsweise recht verstehe, so wäre nach derselben in den untern Regionen der Gletscher alles aus der Firnregion herabgeschobene Eis vollständig abgeschmolzen; der Gletscher bestünde hier nur aus dem durch Gefrieren des einfiltrirten Wassers allmählig gebilde- ten Eise, und zeigte eben aus diesem Grunde die grosse Reinheit. Abgesehen von den Einwendungen, welche oben gegen den Wachsthum des Gletschereises von innen heraus über- haupt geltend gemacht worden sind, streitet die Erklärungs- weise gegen die schönen im letzten Jahre von Acassız ge- machten Beobachtungen über die Schichtung des Gletscher- eises, von deren Richtigkeit ich mich meines Orts, unter dessen Führung auf dem Aargletscher, vollkommen

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überzeugt habe. Einen kurzen Abriss dieser Beobachtun- -

gen hat derselbe bereits im Jahrbuch von LeonuArp und Bronw mitgetheilt (1843. S. 84 u. 86). In der Firnregion, am Lauteraarfirn z. B. ist die Eismasse in horizontal lie-

gende Schichten abgetheilt, die wahrscheinlich aus den

Schneeablagerungen der einzelnen Winter entstehen, und deren Absonderungen durch den Staub und Sand, welche zur Sommerzeit von den entblössten Felswänden durch die Winde hergeweht werden, bezeichnet sind. Jede Schicht deutet folglich einen Jahrgang an. Bereits HoTTinGEr (Ephem.\nat. car. 1706 S. 41) und nach ihm Saussure (Y5y. $.514 u. 2015) und Andere haben auf diese Schich- tung des Firns aufmerksam gemacht. So wie der Firn thalabwärts in die eigentliche Gletscherregion gelangt, bie- gen sich die anfänglich horizontalen Schichten, indem sie sich von beiden Rändern gegen die Mitte einsenken. Das Ausgehende auf dem Gletscher bildet daher nicht mehr eine gerade Linie, sondern einen Bogen, dessen Konvexität thalabwärts gerichtet ist. Weiter unten nimmt die Einsen- kung der Mitte zu, das Ausgehende der Schichten auf der Gletscheroberfläche zeigt eine mehrfach eingeknickte Zick- zacklinie, deren allgemeine Konvexität immer noch abwärts gerichtet ist. In den Umgebungen des Hötel des Neucha= ielois, wo der Lauteraargletscher, durch den grossen Gu- ferwall getrennt, mit dem von der andern Seite des Ab- schwungs herabkommenden Finsteraargletscher zusammen- gestossen ist, hat die Einbiegung der Schichten dermassen zugenommen, dass sie an den beiden Rändern unter stei- len Winkeln gegen die Mitte einfallen, und auf der Mitte des Gletschers selbst theilweise senkrecht stehen, nach der Längenerstreckung des Gletschers fortstreichend. Ein ähn- liches Verhalten zeigt der Finsteraargletscher, auf der rech- ten Seite des Guferwalls. Wo ein kleinerer Seitengletscher mit dem grossen Haupigletscher zusammenstösst, wird sehr

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bald seine ganze Masse so aufgerichtet, dass seine Schich- ten steil vom Hauptgletscher gegen den Rand zu einfallen. Die einzelnen Schichten lassen sich deutlich erkennen durch die gewöhnlich etwas abweichende Beschaffenheit ihres Ei- ses, und durch den Sand, welchen sie vorzüglich an der ursprünglich nach oben gerichteten Oberfläche einschlies- sen, und der zuweilen nahe liegenden Schichten eine et- was verschiedene Färbung mittheilt. Bei der vor sich ge- henden Abschmelzung wird dieser Sand nicht sofort von den Gletscherbächen vollständig weggespült, sondern er bleibt theilweise an der Stelle der Abschmelzung liegen, was zu einer deutlichen Bezeichnung der Linien des Aus- gehenden, wenn man den ganzen Gletscher überblickt, we- sentlich beiträgt. Es kann wohl kein unmittelbarerer Be- weis des beim Vorschieben des Gletschers erfolgenden Ein- keilens und Zusammendrängens der ganzen Eismasse gege- ben werden, als eben diese Structur.

Nebst dieser Schichtenabtheilung wird das poröse Glet- schereis durchzogen von blauen Bändern dichtern Eises, die offenbar entstanden sind durch das Gefrieren des das Gletschereis tränkenden Wassers, während der kalten Jah- reszeit, so weit die Winterkälte in das Innere der Glet- scher- oder Firnmasse einzudringen vermag. Es hat näm- lich dieses Eis eine ganz übereinstimmende Beschaffenheit mit demjenigen, welches sich in künstlich gemachten und mit Wasser angefüllten Vertiefungen im Winter auf dem Gletscher bildet. Die blauenBänder existiren schon in der Firnregion. Zuusteın (v. Werpen, der Monte Rosa 1824 S. 152), welcher bei seiner ersten Besteigung des Monte Rosa, im August 1820, in einer Firnspalte in 13128 Fuss Meereshöhe die Nacht zubrachte, gibt davon eine sehr an- schauliche Beschreibung. Später haben sie bekanntlich die Aufmerksamkeit von Fonges auf sich gezogen. (Edinb. new. phil. Journ. Jan. 1842). Sie laufen, auf dem eigentlichen

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Gletscher wenigstens, im Allgemeinen parallel mit der Schich- tung, stehen daher senkrecht, oder fallen steil ein, wo die Schichten eine entsprechende Stellung haben. Der Pa- rallelismus ist jedoch nicht immer vollständig, sie laufen den Schichtungsabsonderungen zuweilen unter spitzen Win- keln zu. Wir haben deren nähere Beschreibung, und die Darstellung ihres Verhaltens in den verschiedenen Regio- nen des Gletschers von Acassız zu gewärtigen. Forges scheint anzunehmen (Bibl. univ. de Gen£eve 42. S. 352) es entstünden diese Bänder aus Spalten, die sich durch die ungleichförmige Bewegung der verschiedenen Theile des Gletschers nach der Richtung der Bänder, auf dem mitt- lern Theil des Aargletschers also seiner Längenerstreckung nach, bildeten, später sich mit Wasser füllten, was im Winter gefriere. Die Unstatthaftigkeit dieser Erklärung er- gibt sich wohl daraus, dass solche Längenspalten, die doch bei der stärksten Bewegung des Gletschers während des Sommers in dieser Jahrszeit vorzugsweise beobachtet wer- den müssten, auf dem Aargletscher gar nicht existiren. Alle Spalten laufen in der Regel queer über den Gletscher.

In den tiefern, vom Hötel des Neuchatelois weiter ab- wärts liegenden Theilen des Aargletschers wird die Schich- tenstellung wieder verändert, auf eine Art und Weise, in die wir hier nicht eintreten wollen. Im Allgemeinen wird sie verworrener, blaue Bänder und wahre Schichtungsab- sonderungen lassen sich kaum mehr von einander unter- scheiden. Das Daseyn einer Schichtung wird indess leicht erkannt, wenn man sich einmal von der Thatsache an den- jenigen Stellen des Gletschers überzeugt hat, wo sie we- gen grösserer Regelmässigkeit anschaulicher hervortritt.

Das Vorhandenseyn einer Schichtung im Gletschereise spricht nun ganz gegen eine Entstehungsweise des Eises in den untern Regionen der Gletscher , wie CHARPENTIER sich dieselbe vorstellt. Eine bloss aus gefrorenem Wasser

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entstandene klare Eismasse könnte keine Schichtung zeigen. CuArpenTier behauptet auch die geschichtete Structur des Firns gehe verloren, wenn er sich zum Gletscher um- wandelt (S. 18). Es ist überhaupt merkwürdig wie lange die Structurverhältnisse der Gletscher auch von emsigen Beobachtern übersehen worden sind, Es erklärt sich das zunächst daraus, dass die Gletscher gewöhnlich nur bei schöner Witterung besucht werden. Dann ist aber durch die vor sich gehende Abschmelzung die äussere Oberfläche des Gletschereises aufgelockert; Schichtung und blaue Bän- der sind kaum bemerkbar, so deutlich sie bei Regenzeit sich darstellen. Ist man aber einmal durch genauere Beobachtung auf die Sache aufmerksam geworden, so wird man überall die Schichtung erkennen.

Dass man im Innern des Gletschereises selten gröbere Gesteinstrümmer antrifft, erklärt sich wohl genügend dar- aus, dass erstlich die Stellen, wo durch Herabfallen von Schutt derselbe in die Firnmasse begraben werden kann, im Vergleich zu denjenigen, wo kein Schutt auf den Firn gelangt, nur von unendlich kleiner Ausdehnung sind. Dann liegen diese Stellen am Rande des sich bildenden Glet- schers. Beim Herabschieben gegen die Tiefe zu erleidet aber das am Rande liegende Eis gewöhnlich eine besonders starke Abschmelzung, wie die Vertiefungen beweisen, wel- che die Oberfläche des Gletschers häufig von den das Thal einschliessenden Felswänden trennen, namentlich wenn die Thalwand der Erwärmung durch die bescheinende Sonne ausgesetzt ist. Die im Eise des Randes eingeschlossenen Felstrümmer werden also bald entblösst und gelangen in die Gandecke des Gletschers. Oder der Gletscher verei- nigt sich mit einem andern, wo dann, wie wir bei der Darstellung der Schichtungsverhältnisse gesehen haben, der Rand in der Höhe bleibt, die Schichten in der Mitte sich einbiegen und einknicken und zusammengedrängt werden.

i 137 :

Auch hier bleiben also wieder die Theile des frühern Ran- des in der Höhe, dem Abschmelzen durch den Einfluss der warmen Atmosphäre vorzugsweise ausgesetzt; die her- ausschmelzenden Steintrümmer gelangen in die auf dem zusammengesetzten Gletscher sich hinziehende Guferlinie ; die theilweise aufgerichteten und zusammengepressten Schich- ten des mittlern Theils des frühern Gletschers schmelzen hingegen nur an den der Atmosphäre zugekehrten Kanten ab. Alles trägt folglich dazu bei, dass diejenigen Theile des Firns, welche gröbere Steintrümmer enthalten können, zusammenschmelzen, ehe sie in den untern Theil des Glet- schers gelangen, und es ist sich daher kaum zu verwun- dern, dass man solche selten im Innern des letztern wahr- nimmt.

So absolut rein, wie man gewöhnlich anzunehmen pflegt, ist indess das Gletschereis durchaus nicht. Der Sand, den die Winde auf die Mitte des Firns treiben, und der zur deutlichern Bezeichnung von dessen Schichtungs- absonderung beiträgt, bleibt in den Schichten des Glet- schereises und theilt ihm selbst eine schwache Färbung mit, wie wir oben gesehen haben. Es findet das nicht nur an der Oberfläche statt, wo dieser Sand allerdings beim Ab- schmelzen den Trennungslinien der Schichten entlang sich anhäuft. An allen Spalten auf dem Gletscher bemerkt man, wie die durch Sand verschiedentlich schwach gefärbten Eis- schichten sich in die Tiefe hinunterziehen. Durch Schmel- zen des aus einem Bohrloche von 20 Fuss Tiefe heraufgeför- derten Eises hat Acassız das Vorhandenseyn des enthalte- nen Sandes direet nachgewiesen (Comptes rendus. 15.8. 435). Und doch müssten diese feinern Unreinigkeiten, die im Firneis mit herunterkommen, eben sowohl im Gletschereise verschwinden, wenn CuArrenrier’s Darstellung begründet wäre.

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4. Die Sıussure’sche Theorie der Gletscher.

Das Vorrücken der Gletscher geschieht nach der von Aurmann zuerst aufgestellten und von Saussurz näher ent- wickelten Theorie durch ihr eigenes Gewicht. Wenn die Stellen, an welchen der Gletscher auf der abschüssigen Unterlage aufliegt, allmählig abschmelzen, so bewirkt die von oben aufdrückende Last ein Vorrücken thalabwärts. Die Ungleichheiten der Unterlage, worüber der Gletscher weggleitet, oder auch die unregelmässige Gestaltung der Seitenwände, neben welchen der Gletscher vorgeschoben wird, bewirken die Entstehung von den Spalten, die den Gletscher durchziehen. Die Spalten ganz oder theilweise abzuleiten von einer Spannung der Masse, die durch un- gleichmässige Vertheilung der Temperatur in ihrem Innern entstehen soll, ist unstatthaft, weil, wie oben näher ent- wickelt worden ist, Alles darauf hinweist, dass der ganze Gletscher in seinem Innern die gleichmässige Temperatur von besitzt.

Dass die Gletscher an ihrer Auflagerungsfläche im Ab- schmelzen begriffen sind, beweist die unmittelbare Erfah- rung an allen Stellen, wo man unter den Gletscher hat eindringen können. Unter vielen Gletschern ziehen sich zwischen dem Boden und dem Eise Höhlungen hindurch, als unmittelbarer Beweis der hier vor sich gehenden Ab- schmelzung. Die Eisgewölbe, unter welchen die Gletscher- bäche am untern Ende vieler Gletscher hervorkommen, sind allgemein bekannt, so z. B. die des Glacier des Bois im Chamounithal, des Rhonegletschers, des Zermattgletschers, welches letztere Acassız (Etudes sur les Glaciers Taf. 6) abbildet u.a. m. Es ziehen sich diese Gewölbe öfter weit unter die Gletscher hinein, und verzweigen sich auf man- nigfache Weise. Ein Beweis davon liefert das bekannte Abentheuer des Wirths Curıstıan Bouren, welcher im Juli

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1787 auf dem obern Grindelwaldgletscher in eine 64 / tiefe Spalte stürzte, und trotz seines gebrochenen Arms glück- lich einen Ausweg fand, indem er in dem Bette des Bachs unter dem Gletscher heraufkroch (Wyss, Reise ins Berner Oberland S. 653). Hucı beschreibt (Alpenreise S. 261) die Gewölbe unter dem Urazgletscher, am Fusse des Tit- lis, in welchen er während 1% Stunden herumgekrochen ist. Die ganze Gletschermasse ruhte hier auf einer unzäh- ligenMenge kleinerer und grösserer unregelmässig vertheil- ter Pfeiler, wie Aurmann sich die Sache vorgestellt hat. Ganz übereinstimmende Wahrnehmungen machte er am Oberaar-, Viescher- und Gasterngletscher, wo es ihm ebenfalls gelang ziemlich weit unter die Eismasse vorzudringen. Die Endpunkte dieser Gletscher liegen nach seinen Beobachtungen in 7000, 4154 und 5341 Fuss Mee- reshöhe (S.350 u. 339). Auch Ensemoser konnte im Bette des Baches, der aus dem Pfelderer Gletscher im Ty- rol hervorkömmt, sehr weit aufwärts gelangen, und sah noch immer das Eisgewölbe sich fortziehen (Bıscuor Wär- melehre S. 111). Es nehmen diese Höhlungen wahrschein- lich an Umfang ab, je höher der Gletscher ansteigt; dass sie aber auch an hoch gelegenen Punkten noch existiren müssen, beweisen die starken Gletscherbäche, die auch dort noch durch Spalten in die Tiefe stürzen und unge- hindert abfliessen. Sehr oft kann man durch die Spalten das Rauschen der unter dem Eise fortströmenden Bäche vernehmen. Am augenscheinlichsten wird das Vorhanden- seyn von zusammenhängenden Höhlungen, die unter dem ganzen Gletscher sich fortziehen, durch jene oben erwähn- ten, oft hoch am Gletscher liegenden Gletscherseen bewie- sen, die gewöhnlich in kurzer Zeit sich leeren, und dann plötzlich die am Ende der Gletscher abfliessenden Bäche beträchtlich anschwellen.

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Die Ursachen, welche das Abschmelzen an der untern Fläche der Gletscher bewirken, sind: das von aussen in die Klüfte des Gletschers eindringende Wasser, die ein- dringende warme Luft, die Wärme des Erdbodens, und endlich die Quellen, die unter dem Gletscher entspringen.

Unter diesen Ursachen ist wohl die wirksamste das Abschmelzen durch die an den Boden des Gletschers ge- langenden Wasser. Acassız (Etudes S. 206) fand die Tem- peratur der kleinen Wasserrinnen und Bäche auf der Ober- fläche der Gletscher immer sehr genau auf 0°, so lange sie auf reinem Eis flossen, welches auch die Wärme der umgebenden Luft seyn mochte; sobald sie aber auf der Oberfläche des Gletschers über Sand und Kies rieselten stieg ihre Temperatur höher, bis zu + 0°, 6 R. Ebenso verhielt es sich mit dem in den oberflächlichen Vertiefun- gen des Gletschereises sich ansammelnden Wasser. Bestan- den deren Wände aus reinem Eis, so war das Wasser im- mer auf 0°, sie mochten klein, oder sehr weit und tief seyn; sobald aber der Boden mit Schlamm, Sand oder Kies bedeckt war, stieg die Temperatur des Wassers bei war- mer Lufttemperatur höher, bis zu + 10, 2R Das aus dem Abschmelzen des oberflächlichen Eises entstandene Wasser wird folglich, wenn es durch die Klüfte des Glet- schers abfliesst, zum Abschmelzen des Eises im Innern sei- ner Masse und auf dem Boden beitragen. In viel höherm Maasse wird das bei dem Wasser der Fall seyn, welches über die von Schnee entblössten, den Gletscher einschlies- senden Thalwände demselben zuströmmt, und unter seine Masse sich versenkt. Das auf die Oberfläche des Gletschers herabfallende und von den Seiten ihm zufliessende Regen- wasser wirkt auf ähnliche Weise.

Ferner wirkt abschmelzend die Luft, welche unter den Gletscher eindringt. Die in den Zwischenräumen des Glet- schers enthaltene auf stehende Luft wird mit der äus-

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sern, zur Sommerszeit stärker erwärmten Luft sich ins Gleichgewicht zu setzen suchen. Sie wird, wie die Luft in den Bergwerken, in den abwärts geneigten Kanälen in die Tiefe sinken, zu den unten liegenden Oeffnungen aus- strömen, während die wärmere äussere Luft durch die höher liegenden Oeffnungen eingesogen wird, und, indem sie durch die Höhlungen des Eises dringt, zu deren Er- _ weiterung durch Abschmelzung beiträgt. Wie bei den Luftzügen der Bergwerke ist dieser Luftwechsel in den hohlen Räumen unter dem Gletscher, und der an gewissen Stellen ausströmende Gletscherwind um so stärker, je grösser der Temperaturunterschied zwischen der äussern und innern Luft ist. Er nimmt an Stärke zu bei sehr war- men Tagen, ist häufig unmerklich des Morgens und wächst gegen den Mittag. Im Uebrigen sind diese Luftzüge natür- licher Weise sehr abhängig von der Gestaltung der unter dem Gletscher sich durchziehenden Höhlungen. Sinkt die Temperatur der äussern Luft merklich unter den Eispunkt, so kann die Richtung der Luftströmungen auch im entge- gengesetzten Sinne eintreten, und erkältend im Innern des Gletschers einwirken, wie wir bereits oben bemerkt haben. Diese Einwirkung ist aber ungleich beschränkter, weil durch das eintretende Gefrieren des durchsickernden Was- sers die kalte Luft den fernern Zugang in das Innere des Gletschers sich bald selbst verstopft. Im Winter kommt noch dazu die bedeckende äussere Schneehülle, welche die Zugänge zu den Höhlungen des Gletschers von aussen ebenfalls verschliesst.

Die Wärme des Erdbodens muss ebenfalls zum Ab- schmelzen an der untern Fläche der Gletscher beitragen, wenn auch nicht in dem Maasse, wie Saussure es sich scheint vorgestellt zu haben, zu einer Zeit, wo man über die Vertheilung der Wärme im Innern des Erdkörpers noch wenig bestimmte Erfahrungen besass. Diese Ursache ist

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aber von Einfluss, weil sie an allen Punkten, wo das Glet- schereis aufliegt, und zu jeder Jahreszeit, ungefähr gleich- mässig sich äussern muss. Die Thatsache, dass die Wär- me des Erdkörpers zunimmt, so wie man in sein Inneres eindringt, bringt als nothwendige Folge mit sich, dass an allen Punkten der Erdoberfläche Wärme ausströmt, bei dem stattfindenden Vertheilungszustande freilich in so ge- ringer Menge, dass sie die mittlere Lufttemperatur eines Ortes nicht merkbar zu erhöhen vermag. Eis pe BeAv- mont (Leonh. u.Bronn Jahrbuch, 1842. S. 855) berechnet, dass die Wärmeausströmung für Paris jährlich eine 6 % Millimeter dicke Eisrinde zu schmelzen vermag. Es nimmt diese Grösse zu, wenn die Zunahme der Wärme gegen das Erdinnere, oder wenn die Wärmeleitungsfähigkeit des Erd- bodens wächst; die Veränderungen dieser Grössen können aber nach Erıe pe Beaumont’s Ansicht nicht gar beträcht- lich seyn. Demzufolge würde man, wenigstens näherungs- weise, annehmen können, dass die Wärmeausströmung des Erdbodens unter dem Gletscher ungefähr dieselbe ist. Sie trifft hier, wie wir gesehen haben, eine beständige Tem- peratur von an, sie wird also vollständig zur Schmel- zung des aufliegenden Eises verwendet. Nach diesen An- gaben würde sie demnach jährlich 6 Y, Millimeter Eis an der Grundfläche des Gletschers schmelzen, oder monatlich etwa Y, Millim,, also im Zeitraum eines Monats nicht mehr Wasser liefern, als ein ganz unbedeutender Regenschauer. Die Annahme, dass eine der Grössen, von welcher die jährliche Wärmeausströmung abhängig ist, nämlich die Zu- nahme der Wärme des Bodens, wenn man in denselben eindringt, unter dem Gletscher nicht wesentlich abweichen kann, von dem was an andern Orten beobachtet wird, scheint mir, wenigstens für die untern Gletscherregionen, sehr unwahrscheinlich. Am Gletscherboden wird ausnahms- weise eine beständige Temperatur von erhalten, wäh-

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rend in den Umgebungen die mittlere Bodenwärme eine viel höhere seyn kann. Am Ende des untern Grindelwald- gletschers herrscht z. B. wie wir angeführt haben, eine mittlere Lufttemperatur von + R.; die mittlere Boden- temperatur ist wahrscheinlich noch höher. Die Vertheilung der Wärme nach dem Erdinnern wird aber hauptsächlich abhängig seyn von der- Temperatur, die an der weit aus- gedehntern, vom Gletscher nicht bedeckten Bodenfläche herrscht. Auf dem verhältnissmässig sehr geringen Flä- chenraum, der vom Gletschereis bedeckt wird, muss daher in der äussersten Erdhülle ausnahmsweise eine stärkere Temperaturzunahme nach innen eintreten. In gleichem Verhältnisse nimmt aber die Wärmeausströmung zu. Neh- men wir aber auch eine beträchtliche Vervielfachung der von ErLiE ns BeAumont berechneten Grösse an, der Satz, wozu er gelangt, bleibt richtig, dass die Abschmelzung, welche in Folge der Wärmeausströmung des Erdkörpers unter dem Gletscher erfolgt, nur einen verhältnissmässig sehr kleinen Beitrag liefert, zu der Wassermasse der Bäche, die aus den Gletschern abfliessen.

Auf eine mehr mittelbare Weise kann die Erdwärme abschmelzend auf die untere Fläche der Gletscher einwir- ken, durch die Quellen, die unter dem Gletscher selbst entspringen, und welche, wenn sie aus einer etwas be- trächtlichen Tiefe kommen, die wärmere Temperatur der tiefern Erdschichten mit sich bringen. Diese Ursache der Abschmelzung ist eine durchaus örtliche, der Umfang ihres Einflusses kann daher nur sehr schwer beurtheilt werden. Wo die Mitteltemperatur der Oberfläche des Bodens unter sinkt, derselbe folglich in einer gewissen Tiefe fortwäh- rend gefroren bleibt, die atmosphärischen Wasser also nicht mehr eindringen können, müssen auch alle Quellen verschwinden. Nach den Erfahrungen, die man im Nor- den von Europa gemacht hat, steht in Gegenden, welche

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einen beträchtlichen Theil vom Jahr mit einer Schneehülle bedeckt sind, die Mitteltemperatur der äussersten Schicht des Erdbodens immer höher als die Mitteltemperatur der umgebenden Luft, weil der entblösste Erdboden die Som- merwärme aufnimmt, im Winter hingegen die Schneebe- deckung das Eindringen der Kälte hemmt, und überdiess wenn der Boden gefroren ist, das Einsickern von Wasser aufhört. In den Alpen, wo ähnliche Verkältnisse obwal- ten, wird daher die mittlere Bodentemperatur von 0°, sich höher hinaufziehen, als die mittlere Lufttemperatur von 0°, welche, wie angeführt worden, nach Bıscaor in einer Mee- reshöhe von 6165 Fuss anzutreffen ist. Ueber die Höhe, in welcher in den Alpen die Mitteltemperatur des Bodens unter sinkt, fehlen noch genauere Beobachtungen. Je- denfalls muss daselbst jeder Einfluss der Quellen aufhören.

Die unter den Gletscher gelangenden Wasser geben nicht einmal unter allen Umständen ihren Temperaturüber- schuss über vollständig ab, bis sie am Ende des Glet- schers wieder zu Tage kommen. Bıscnor (Wärmelehre S. 109) fand den Gletscherbach des untern Grindelwald- gletschers an seinem Ausflusse auf + 0°, 4 R., am obern Grindelwaldgletscher auf + 0°, 6, und am Lämmerngletscher auf der Gemmi auf + 0°, 2, un- geachtet die beiden letztern keine Eisgewölbe an ihrem Ende hatten, und das Wasser unmittelbar unter dem Eise her- vorkam. Es ist das ein Beweis, dass ein Wasserstrahl von einiger Stärke den Ueberschuss von Wärme an das Eis, mit welchem er in Berührung kömmt, nur allmählıg ab- gibt, dass er daher noch in beträchtlichen Entfernungen von den Punkten, wo er unter den Gletscher eintritt, Ab- schmelzungen an dessen Grundfläche bewirken kann. Ex- neMmoser (Bischof a. a. ©.) beobachtete bei 6 Tyroler Glet- schern die Temperatur der abfliessenden Bäche sogar auf +1°R., am Pfelderergletscher auf +1°, 7. Acassız

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(Etudes S. 215) fand die Temperatur der Visp, beim Aus- flusse aus dem Zermattgletscher des Morgens immer fast genau 0°; während des Tags erhob sie sich aber bis auf + 10, 2R. Eine ganz ähnliche Wahrnehmung machte er amBache des Zmuttgletschers. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die höhere Temperatur bei den Bä- chen dieser beiden Gletscher hauptsächlich herkommen mag von der grössern Wärme, welche die von der Seite zu- strömenden, unter die Gletscher sich versenkenden Bäche mitbringen, und beim Durchfluss durch die Gletscherge- wölbe nicht ganz verlieren, da sie diese höhere Tempera- tur nur während des Tages besitzen. Die unter den Glet- scher hauptsächlich während des Tages, einströmende war- me Luft kann jedoch auch von Einfluss seyn. Die Aar, beim Austritt aus dem Unteraargletscher, zeigte nach Acassız während des Tags gewöhnlich + 0%, 8 R.

Die Eisschicht, welche an der Bodenfläche eines Glet- schers abschmilzt, muss an denjenigen Stellen, wo haupt- sächlich nur das eindringende Schmelzwasser wirkt, sehr unbeträchtlich seyn, im Verhältniss zu der Abnahme, die der Gletscher durch das Abschmelzen an seiner Oberfläche erleidet; denn die Schmelzwasser können im günstigsten Falle nur mit einem geringen Temperaturüberschuss über an den Boden des Gletschers gelangen. Die Totalein- wirkung der ausströmenden Erdwärme ist, wie wir gese- hen haben, ebenfalls nur gering. Unter günstigen Ver- hältnissen, namentlich wenn der Zutritt der äussern war- men Luft lebhaft stattfindet, kann hingegen das Abschmel- zen am Boden sehr bedeutend werden. Vom 26. Juni bis zum 10. September 1842 beobachtete Forzes, (Bibl. univ. de Geneve 42. S. 364) nahe beim Rande des Eismeers ım Ghamounithal, ein Einsinken der Oberfläche des Glet- schers von 25 engl. Fuss und 11% Zoll. In der Mitte des Gletschers war das Einsinken noch bedeutender. Er hat

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sich überzeugt, dass dasselbe bei weitem zum grössten Theil vom Abschmelzen des Eises an der Bodenfläche her- rührte (S. 356).

5. Würdigung einiger gegen die Saussurr’sche Theorie erhobenen Einwürfe.

Ein Einwurf gegen die Theorie des Herabgleitens der Gletscher auf geneigter Grundfläche in Folge ihres eigenen Gewichts, welchen man oft geltend gemacht hat, ist fol- gender: (s. z. B. CuAnrenrier $ 14). Viele Gletscher ru- hen auf einer so stark geneigten Grundfläche, dass nicht abzusehen sey, warum, wenn sie einmal ins Gleiten kom. men, dasselbe nicht fortdauere, und die ganze Gletscher- masse in die Tiefe stürze. Der Einwurf wäre begründet, wenn ein Gletscher aus einer starren, fest zusammenhän- genden Masse bestünde, wie z. B. eine Scheibe von Glas, oder ein Felsblock. Ein Körper von dieser Beschaffenheit würde allerdings fortgleiten, wenn sein Gewicht einmal die Reibung am Boden, welche ihn auf einer gleichmässig ge- neigten Grundfläche festhält, überwunden hat; denn die Reibung auf der Grundfläche bleibt beim Fortbewegen eines solchen Körpers ungefähr dieselbe; zu dem Druck von oben, der einmal diese Reibung überwunden hat, kommt die Gewalt der Bewegung selbst, es ist folglich keine Ur- sache da, welche die einmal eingeleitete Bewegung hemmt, und die ganze Masse stürzt mit beschleunigter Geschwin- digkeit in die Tiefe. Die angegebene Beschaffenheit ist aber durchaus nicht diejenige eines Gletschers. Er besteht im Gegentheil aus einer vielfach zerklüfteten dem Drucke nachgebenden Masse, kann also besser verglichen werden mit einer Anhäufung von Schutt, welcher auf einer geneig- ten Grundfläche aufliegt, als mit einem zusammenhängen- den Felsblock. Der wesentliche Unterschied zwischen ei-

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ner Schuttmasse aus Felstrümmern, und einer Trümmer- masse von Eis, wie wir uns den Gletscher denken müssen, ist derjenige, dass die erstere unverändert dieselbe bleibt, dass folglich Felsschutt auf geneigter Grundfläche liegen bleibt, wo er einmal sich abgelagert hat, es sey denn, dass nachfallende Massen den Druck von oben vermehren, oder dass einsickernde Wasser die Beweglichkeit der ein- zelnen Theile erhöhen. Eisschutt auf geneigter Grundflä- che erleidet aber eine beständige Veränderung durch die fortdauernde Abschmelzung, die an der Auflagerungsfläche vor sich geht. Es löst sich dadurch der Zusammenhang an allen Stellen, wo die Masse auf der Grundlage aufsitzt, und es muss folglich ein Zeitpunkt eintreten, wo der Druck von oben den Widerstand an der Grundfläche überwindet, und die Masse weiter gleitet. So wie aber das Gleiten ein- tritt, vermehren sich durch Nachgiebigkeit der ganzen Masse die Berührungsstellen, der Gletscher greift wieder voll- ständiger ein in die Unebenheiten der Unterlage, der Zu- sammenhang mit derselben nimmt ‚zu bis er durch die im- mer fortschreitende Abschmelzung wieder geschwächt wird. Der Gletscher, bei seiner Fortbewegung, erlangt also nie- mals ein starkes Bewegungsmoment; die durch das fort- währende Abschmelzen an der Grundfläche eingeleitete Be- wegung wird eben so allmählig durch die mit der Bewe- gung selbst wieder zunehmende Reibung gehemmt, und diese wieder eben so allmählig vermindert; der Gletscher muss sich folglich mit gleichmässiger langsamer Bewegung fortschieben, so lange das Abschmelzen an der Bodenfläche in gleichem Maasse vor sich geht, und derDruck von oben auf der geneigten Grundfläche derselbe bleibt.

Erlitte die Reibung am Boden nicht auf die angege- bene Weise eine beständige Verminderung, so wäre auch kaum zu begreifen, warum bei einem nur etwas mächtigen Gletscher, der auf abschüssiger Unterlage weiter gleitet,

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die Fortbewegung in der Regel immer in der ganzen Eis- masse, vom Boden bis zur Oberfläche gleichmässig, statt- findet, und nicht ein oberer Theil des Gletschereises häu- fig über den untern weiter gleitet; denn der zu überwin- dende Zusammenhang im Innern des Gletschereises selbst könnte kaum grösser seyn, als die zwischen dem Gletscher und seiner Grundfläche. Am allerwenigstens ıst ein Unter- schied denkbar, wenn nach CuArrentier’s Behauptung die Gletscher am Boden festgefroren wären.

Wir wollen hier die zum 'Theil höchst unglücklichen Erklärungsweisen nicht berühren, die eine verschiedene Geschwindigkeit in der Bewegung verschiedener über ein- ander liegender Schichten des Gletschereises darzulegen versuchen; überall, wo man den Gletschern durch directe Beobachtung hat beikommen können, hat sich die gleich- mässige Fortbewegung in der ganzen Mächtigkeit des Glet- schers als Thatsache erwiesen; die angebliche Ungleich- mässigkeit der Bewegung unter solchen Verhältnissen bloss in diejenigen Stellen zu verlegen, die der directen Beob- achtung unzugänglich sind, ist bei physikalischen Erklärun- gen ein höchst missliches Unternehmen. DBewegt sich aber das Gletschereis in der Regel immer seiner ganzen Mäch- tigkeit nach gleichmässig, so ist das einer der directesten Beweise, dass die Lösung des Widerstandes fortwährend an der Bodenfläche stattfindet, und dass das eigene Gewicht der Gletschermasse die Ursache ihrer Bewegung ist.

Dass es übrigens viele Gletscher gebe, die, wie CuAr- PENTIER behauptet, auf einer mehr als 45° geneigten Grund- fläche liegen, bedarf noch der Nachweisung durch genauere Messungen, da bei einer blossen Schätzung nach dem Au- genmasse in der Beurtheilung der Bergabhänge bekanntlich leicht Irrthümer unterlaufen.

Ein zweiter Einwurf ist dem vorigen gerade entgegen- gesetzt. Viele Gletscher sollen eine so geringe Neigung

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der Oberfläche zeigen, dass bei einem so schwachen Ge- fälle ein Vorwärtsschieben durch ihr eigenes Gewicht nicht denkbar ist. Auch dieser Einwurf scheint nicht von Er- heblichkeit. Es ist noch kein Beispiel eines in Bewegung begriffenen Gletschers nachgewiesen worden, dessen Ober- fläche nur in einiger Erstreckung völlig horizontal läge. Der Unteraargletscher wird als ein Beispiel eines sehr we- nig geneigten Gletschers angeführt, und doch zeigt seine Oberfläche einen Abfall von 3 und 49%. Erie ne BeAumonT, welcher sich mit Ausmittlung der Neigung der Gletscher speziell beschäftigt hat, bemerkt ausdrücklich, er kenne in den Alpen keinen Gletscher, der sich in einiger Ausdeh- nung, z. B. von einer Stunde, auf einer erheblich gerin- gern Neigung als von 30 bewegte (Leonu. u. Bronx Jahrb. 1842. S. 858). Ein Wasserstrom von der Mächtigkeit des Gletschereises, mit einer solchen Neigung seiner Ober- fläche, würde eine ganz ungeheure Geschwindigkeit be- sitzen, und das ja auch nur in Folge des eigenen Gewichts seiner Wassermasse.. Auch auf wenig geneigter Fläche muss folglich das Eis gegen die Tiefe geschoben werden, wenn die Stellen, wo es auf dem Boden aufliegt, zusam- menschmelzen. Es sind überhaupt zwei Elemente, welche das Fortrücken eines Gletschers hauptsächlich bedingen: der abwärts wirkende Druck, der wiederum abhängig ist von der Neigung der Bodenfläche und vom Gewicht der aufliegenden Eismasse, und die Grösse des an dem Boden stattfindenden Abschmelzens. In Folge des Druckes allein bewegt sich der Gletscher so wenig vorwärts, als eine auf geneigter Fläche abgelagerte Schuttmasse, die Abschmel- zung am Boden muss dazu kommen. Ist diese sehr ge-- ring, so kann auf sehr geneigter Grundfläche ein Gletscher langsamer vorrücken, als einer von demselben Gewicht, der auf einer viel weniger geneigten Bodenfläche ruht, auf wel- cher aber das Abschmelzen viel rascher vor sich geht; ist

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das Abschmelzen aber gleich, so muss unter denselben Um- ständen das Vorrücken auf einer geneigten Unterlage aller- dings schneller vor gich gehen. Der Einfluss jedes der Elemente , in einem gegebenen Fall, ist freilich schwer zu bestimmen. Wenn Acassız im Sommer 1842 die mittlere tägliche Bewegung auf dem Aaargletscher etwa 3 Y; Schwei- zer Zoll gefunden hat, (Comptes rendus 15. S. 736), an einem Punkte freilich, der noch nicht fern vom Rande lag, und wo daher der Gletscher nicht die schnellste Bewegung hatte, Forses hingegen ungefähr zu derselben Zeit diese tägliche Bewegung am Eismeer im Chamounithale von 15 bis 171% engl. Zoll, gegenüber dem Montanvert sogar von 27 Zoll gefunden hat, (Bibl. univ. de Gen. 42. p. 340 u. 345), so können wir bloss abnehmen, dass die Geschwin- digkeit des Fortschiebens an verschiedenen Gletschern eine sehr verschiedene ist, es mangeln uns aber noch alle That- sachen um auszumitteln, welchen Antheil an dem so un- gleich stärkern Fortschreiten, was Forses beobachtet hat, die stärkere Neigung des Eismeers, und welchen die stär- kere Abschmelzung am Boden gehabt hat.

Rückt ein Gletscher in verschiedenen Abständen von seinem untern Ende, aus irgend einer Ursache, mit ver- schiedener Geschwindigkeit vor, so sind zwei Fälle denk- bar. Ein weiter thalabwärts liegender Theil schreitet ‚schneller vor; dann werden, weil die hinterliegenden Theile nicht nachkommen, eine Menge von Spalten entstehen und die Längenausdehnung des Gletschers wird in Folge der vielen entstehenden und sich erweiternden leeren Räume zunehmen, während die Gesammtheit der vorhandenen Eis- masse dennoch in stetem Abnehmen begriffen ist. Oder ein thalaufwärts liegender Theil des Gletschers bewegt sich schneller, als ein ihm vorliegender. Es wird in diesem Falle einDruck der hinterliegenden Massen gegen die vor- liegenden enstehen, deren erster Effekt seyn wird die vor-

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handenen Spalten zu schliessen. Nur bis in eine mässige Entfernung wird aber der Druck der hinterliegenden Theile gegen die vorliegenden fühlbar seyn können, und die Ge- schwindigkeit vermehren, welche diese letztern für sich annehmen würden; denn die beim Vorrücken über die Grundfläche zu überwindende Reibung wird bald zu gross werden. Durch den von hinten wirkenden Druck, und den weiter abwärts stattfindenden Widerstand, wird dann die ganze Gletschermasse sich aufstauen; die Dicke des Gletschers wird an solchen Stellen zunehmen, bis das meh- rere Nachrücken von hinten mit dem vorliegenden Wider- stande sich ins Gleichgewicht gesetzt hat. Diese Erschei- nung wird vorzüglich eintreten, wo das Bett des Gletschers von einer starken Neigung plötzlich zu einer weit geringern übergeht. An solchen Stellen wird daher die Dicke des Gletschers in der Regel bedeutend zunehmen. Auf dem Aargletscher ist die Gegend beim Abschwung eine Stelle, an welcher wir durch das Einsinken und Einknicken des mittlern Theils der Gletscherschichten einen unmittelbaren Beweis von dem erfolgenden Zusammendrängen und Auf- quellen der ganzen Masse vor uns haben, und das Alles durch das erfolgende Nachrücken, ohne irgend ein Anwach- sen des Gletschereises von innen heraus.

Es erleiden diese Vorgänge noch einige Modification durch das Abschmelzen, welches im Gletschereise nicht nur an der Oberfläche und am Boden, sondern in seiner gan- zen Masse stattfinden muss. Namentlich muss das eintreten durch die Einwirkung der warmen Luft, wenn sie durch die stark zerklüftete Masse eines Gletschers Zutritt findet; ferner durch die von der Oberfläche abfliessenden Schmelz- wasser, und noch in stärkerm Maasse durch die herabfal- lenden wärmern Regenwasser, die allerorts durch die Klüfte des Gletschers eindringen. Bei dem oben erwähnten durch Forses vom 26. Juni bis zum 10. Sept. 1942 beobachteten

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so bedeutenden Zusammensinken des Gletschereises am Eis- meere des Chamounithals, hat unstreitig diese allseitige Ab- schmelzung des Eises mächtig mitgewirkt. Es lassen sich demzufolge Stellen an einem Gletscher denken, wo in Folge einer stärkern Bewegung der thalaufwärts liegenden Theile, die Entfernung zwischen zwei gegebenen Punkten der Ober- fläche abnimmt, ohne eine damit verbundene Zunahme der Mächtigkeit des Gletschers, indem bloss die durch das all- seitige* Abschmelzen erfolgende Erweiterung aller Klüfte, durch das schnellere Nachrücken von oben ganz oder theil- weise ersetzt wird.

Aus diesen Erörterungen geht hervor, dass auch der Beweis eines Ersatzes des Eises von innen heraus, den Acassız aus der geringen Abnahme der Mächtigkeit eines Gletschers an seinen thalabwärts liegenden Theilen abzu- leiten versucht, ohne Gewicht ist. Er führt das Beispiel eines 4000 Fuss langen Gletschers an, der an seinem Ur- sprung 50 Fuss Mächtigkeit besitzt, und fast dieselbe Mäch- tigkeit noch an seinem Ende zeigt. (Comptes rendus 15. S. 284). Es scheint ihm das unvereinbar mit einem fort- dauernden Abschmelzen an der obern und untern Fläche, während des langen Zeitraums, den die Eismasse bedarf, um vom obern Ende des Gletschers bis zum untern vor- zurücken, wenn nicht ein Ersatz durch Anwachsen der Eismasse von innen heraus stattfände. Das bei thalabwärts stattfindender Abnahme der Geschwindigkeit des Vorrü- ckens erfolgende Aufquellen durch den Druck des hinter- wärts liegenden Theils des Gletschers, kann aber die durch das Abschmelzen erfolgende Abnahme der Mächtigkeit hin- reichend ersetzen. In der Regel scheint jedoch die Mäch- tigkeit der meisten Gletscher gegen den Punkt hin, wo sie ausmünden, allerdings abzunehmen.

Die genauen, von Acassız und Forses im Sommer 1842 ausgeführten Messungen haben gezeigt, dass die Gletscher

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kontinuirlich zu allen Stunden des Tages und.der Nacht im Vorrücken begriffen sind; und dass die Mitte des Glet- schers schneller vorrückt, als seineRänder. Ob zu keiner Zeit ein ruckweises Vorschreiten eintrete, bleibt noch zu erörlern, denn nach einigen ältern, schwer zu bezweifelnden Angaben ist ein solches bestimmt beobachtet worden. Der Pfarrer von Grindelwald Frıeprıcn Leumann gibt (Wess, Reise ins Berner Oberland S. 659) folgende Beschreibung eines Ereignisses auf dem untern Grindelwaldglet- scher: „Das Ziel unserer Tagereise, die Hütten am Ze- senberge ruhten schon sichtbar vor unsern Augen, und eine Viertelstunde davon lagerten wir uns, um eine Pfeife anzuzünden, ganz sorgenlos auf dem Eis. Kaum aber sass ich, so hatte das wundersame Ereigniss des Gletscherwach- sens statt. Ein unvergleichbar schreckliches Getöse, ein betäubender Donner liess sich hören. Um uns her fieng Alles an sich zu regen. Flinten, Bergbickel, Waidsäcke, die wir auf den Boden gelegt, schienen lebendig zu wer- den. Felsenstücke, ruhig zuvor auf dem Gletscher haf- tend, rollten behend übereinander. Schründe verschlossen sich mit einem Knalle, dem Schuss einer Kanone gleich, und spritzten das Wasser, das gewöhnlich in ihnen sich befindet, bis zu Hauseshöhe, wobei wir tüchtig beregnet wurden. Neue 10 bis 12 Schuh breite Spalten öffneten sich mit einem ganz unbeschreiblich widerwärtigen Getöse. Die gesammte Gletschermasse rückte vielleicht um einige Schritte vorwärts. Eine schreckliche Umwälzung schien sich zu bereiten; aber in wenigen Sekunden war Alles wie- der still, und nur das Pfeifen einiger Murmelthiere unter- brach das bängliche Todesschweigen.” Fast ganz überein- stimmende Beobachtungen, ebenfalls vom untern Grindel- waldgletscher, theilen Arrwmann (S 47) und Kuux (a. a. O. S. 129) mit. Es mag sich indess mit der Richtigkeit die- ser Beobachtungen verhalten, wie man will, die Thatsache

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steht fest, dass das kontinuirliche Vorrücken der Gletscher Regel, das ruckweise jedenfalls nur seltene Ausnahme ist.

Auf den ersten Blick könnte man allerdings glauben, nach der Saussure’schen Theorie müsste ein ruckweises Fortgleiten des Gletschers beobachtet werden. Die konti- nuirliche Fortbewegung ist auch noch von Forsgzs als Haupt- einwurf gegen diese Theorie geltend gemacht worden, nach- dem er die Unstatthaftigkeit der Cuarpentier’schen ausführ- lich nachgewiesen hat. (Bibl. univ. de Gentve 42. S. 362). Eine genauere Betrachtung der Sache, wie sie oben gege- ben worden ist, führt aber zum Ergebniss, dass in der Regel ein allmähliges, langsames Fortschreiten der Glet- scher stattfinden muss; eine ruckweise Bewegung kann fast nur beim Einstürzen grösserer am Boden des Gletschers entstandener Gewölbe beobachtet werden. Es müsste näm- lich eine ruckweise Bewegung eintreten, wenn der Glet- scher, wie ein fester Fels, nur an wenigen Punkten auf seiner Unterlage aufläige. Würde dann der Gletscher an seinen Auflagerungspunkten abschmelzen, so würde er fort- gleiten, bis die vermehrte Reibung am Boden ihn wieder zur Ruhe brächte.. Da aber das Aufliegen der ihrem Ge- wichte nachgebenden Gletschermasse an sehr vielen Punk- ten stattfindet, die Bewegung jeder einzelnen Parthie des Gletschers bedingt wird, durch den Widerstand, den die vorliegenden Parthien darbieten, und den Druck, den die hinterliegenden ausüben, so kann, wenn das Abschmelzen am Boden ein allmähliges ist, die fortschreitende Bewegung auch nur eine allmählige kontinuirliche seyn. Die ruck- weise unregelmässige Bewegung, welche die einzelnen Theile für sich annehmen würden, gleicht sich, wie bei allen Vor- gängen ähnlicher Art, zu einer mittlern allgemeinen Bewe- gung der ganzen Masse aus.

Aus einer ähnlichen Ursache bemerkt man wohl auch einen so geringen Unterschied in der Geschwindigkeit des

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Gletschers während des Tags und der Nacht. Die den Tag über, namentlich in der letztern Hälfte des Trages, in den Gletscher sich versenkenden Wasser sind stärker und wär- mer, als des Nachts, sie müssen folglich kräftiger das Ab. schmelzen befördern. Bis sie aber an den Boden gelangen, und auf die Ablösung der Auflagerungspunkte ihren vollen Effekt ausüben, vergeht eine beträchtliche, schwer a priori zu bestimmende Zeit. Aehnliches gilt von der Einwirkung der eindringenden wärmern Tagesluft. Wenn daher der Gesammteffekt während einer Reihe auf einander folgender Tage derselbe bleibt, so wird man einen geringen Unter- schied in der Bewegung des Gletschers während der ein- zelnen Tagesstunden wahrnehmen können, der noch über- diess von den eigenthümlichen Verhältnissen eines gegebe- nen Gletschers abhängig seyn muss. In der That fand Acassız im Sommer 1842 die Bewegung des Aargletschers während der Nacht von 7 Uhr Abends bis 7 Uhr Morgens etwas weniges stärker, als während der 12 übrigen Stun- den, im Mittel von 23 Beobachtungstagen 19 Linien des Nachts, 16 %, Linien des Tags (Comptes rendus 15. 8.736). Forges hingegen beobachtete am Eismeer im Chamouni- thal in den letzten Tagen des Juni 1842, von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, ein Fortschreiten von 8 oder S 5 Zoll; während der 12 Tagesstunden von ungefähr Y%, Zoll mehr (Bibl. univ. de Geneve 42. S. 340). Nahm hingegen wäh- rend mehrerer auf einander folgender kalter Tage die Menge sowohl, als die Wärme der in den Gletscher ein- dringenden Wasser bedeutend ab, so verminderte sich al- lerdings auch die fortschreitende Bewegung des Gletschers auf eine sehr entschiedene Weise (Forzes S. 364).

Der stärkere Druck der in der Mitte des Gletschers mächtigern Eismassen und die grössere Menge der ein- dringenden Wasser, welche in Folge der Neigung des Bo- dens, daselbst zusammenfliessen, und eine stärkere Ab-

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schmelzung bewirken, sind wahrscheinlich die Ursachen der von Acassız sowohl als von Forzes ausgemittelten That- sache, dass die Bewegung des Gletschers in der Mitte be- trächtlich grösser ist, als an den beiden Seitenrändern. Mit dieser ungleichmässigen Bewegung muss nothwendiger Weise ein Verschieben der gegenseitigen Lage zweier un- gleich vom Rande entfernter Punkte auf dem Gletscher ver- bunden seyn. Längenspalten können aber dadurch keine entstehen, denn die in der Mitte -schneller nackrückende Masse füllt alle entstehenden Zwischenräume sofort wieder aus, oder lässt sie vielmehr nicht zum Entstehen kommen, auf ähnliche Weise, wie die Queerspalten in einem Glet- scher sich schliessen, wenn die Bewegung des Gletscher- eises oberhalb stärker ist, als mehr thalabwärts. In der That werden auch auf einem in die Länge sich erstrecken- den, in einem regelmässigen Thale eingeschlossenen Glet- scher, wie z. B. auf dem Aaargletscher, keine Längenspal- ten beobachtet, so häufig auch die aus der schnellern Be- wegung des thalabwärts liegenden Eises, entstehenden Queer- spalten sind. Hingegen zeigen sich auf dem Aaargletscher an denjenigen Stellen des Randes, wo die den Gletscher einschliessende Thalwand Felsenvorsprünge zeigt, sternför- mig sich verbreitende, von diesen Vorsprüngen schief auf- wärts laufende Spalten. Der Grund ihrer Entstehung liegt am Tage, in der Verzögerung der Bewegung in dem thal- aufwärts liegenden Eise, welche der Felsenvorsprung ver- anlasst, während das thalabwärts liegende Eis ungehemmt vorrückt. In einiger Entfernung abwärts vom Vorsprung sind aber diese Spalten vollständig wieder geschlossen, so wie die Verzögerung der Bewegung, welche der Vorsprung veranlasst hat, wieder ausgeglichen ist. Wie man aber zwei Stücke Gletschereis, die man aneinander drückt, zu- sammenhaften sieht, so bildet die Gletschermasse, wenn

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Spalten durch den Druck sich wieder geschlossen haben, auch wieder eine ununterbrochene Masse.

Schliesslich ist noch der Einwurf zu berühren, welcher gegen die Saussure’sche Theorie, aus der angeblichen Un- beweglichkeit der Gletscher im Winter, hergeleitet worden ist. Ob diese Unbeweglichkeit im Winter wirklich statt- finde oder nicht, ist noch ein Gegenstand des Streites, der nur durch bestimmtere Beobachtungen. erledigt werden kann. Aus dem Zustande der Schneedecke, welche den Aargletscher im März 1841 gleichmässig überdeckte, als Acassız denselben besuchte, leitet er den Schluss ab, dass der Gletscher zu dieser Jahreszeit sich nicht bewegen könne. (Bibl. univ. de Gen. Avril 1842). Hucı hingegen führt das bestimmte Zeugniss des Pfarrers ZıEsLEr in Grin- delwald an, dass die dortigen Gletscher ein sehr deutliches Vorrücken zur Winterszeit zeigen (die Gletscher und die erratischen Blocke S. 33). Diese letztere Meinung scheint mir die wahrscheinlichere, schon wegen der allgemein be- obachteten Thatsache, dass die Gletscher im Frühsommer weit weniger Spalten zeigen, als im Spätjahr, was auf ein 'Zusammenrücken der ganzen Gletschermasse während des Winters hinweist. Jedenfalls ıst die fortschreitende Bewe- gung viel geringer, als im Sommer, was übrigens ganz im Einklange ist mit den oben gegebenen Entwicklungen. Im Winter können nur die Erdwärme, und die ganz lokal wir- kenden unter dem Gletscher entspringenden Quellen eine Abschmelzung an dessen Grundfläche hervorbringen. Wie gering aber der Effekt der Erdwärme gegen die der übrigen im Sommer einwirkenden Ursachen seyn muss, haben wir genugsam dargethan. Da die Erdwärme an allen Stellen des Gletscherbetts viel gleichmässiger wirkt, als die ein- dringenden Wasser und die warme Luft, die zur Sommers- zeit in den untern Theilen des Gletschers eine ungleich grössere Abschmelzung zu Stande bringen müssen als in

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den höher liegenden, so lässt sich vermuthen, dass zur Winterszeit die Bewegung des Gletschers in den tiefern Gegenden verhältnissmässig sich mehr verzögert, und dass eben deshalb durch das Nachdrängen der weniger Verzö- gerung erleidenden obern Massen, die Spalten zur Win- terszeit sich schliessen, und der ganze Gletscher unten an Mächtigkeit zunimmt. Auch das Festfrieren des Gletschers, was im Winter um seinen Rand herum durch Eindringen der Kälte eintreten kann, wenn die deckende Schneehülle nicht genugsam schützt, muss die Bewegung am Ausgehen- den des Gletschers hemmen, und das Nachrücken der obern Eismassen befördern.

Die von den Gletschern abfliessende Wassermasse ist im Winter sehr gering, was in dem eben Gesagten seine Erklärung findet. Aus der Klarheit dieses Wassers den Schluss abzuleiten, dass dasselbe bloss von unter dem Gletscher entspringenden Quellen herrühren könne, scheint mir etwas gewagt; denn das spärlicher, und folglich lang- samer fliessende Wasser muss weniger fremde Theile mit sich führen, als die stärkern Gletscherbäche im Sommer, deren Wasser beständig eine gewisse Trübung besitzt. Als Saussure im Winter 1764 das Chamounithal besuchte, wo eine tiefe Schneedecke das ganze Thal bedeckte, sah er noch sehr beträchtliche Bäche unter allen Gletschern her- vorkommen. Bei einigen Gletschern versiegen indess die Bäche ganz. Nach den von Bıscnor (Wärmelehre S. 104) eingezogenen Erkundigungen scheint das beim Lämmern- gletscher auf der Gemmi einzutreten. Es ist das frei- lich ein kleiner, auch im Sommer nur wenig Wasser lie- fernder Gletscher, dessen unteres Ende 7000 Fuss über dem Meere liegt. Nach den Beobachtungen des Pfarrers Zıesrer (Bıscnor S. 116) liefert der sehr tief ins Thal sich herunterziehende untere Grindelwaldgletscher im Winter ebenfalls kein Wasser, während der Bach des höher

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liegenden obern Grindelwaldgletschers beständig fortfliesst. Es ist sehr möglich, dass in diesen Fällen die Ausgänge an der äussern, der Einwirkung der kalten Luft ausgesetzten Seite des Gletschers zufrieren, und das im Innern sehr langsam abschmelzende Wasser hinter dem Eis- damme, der ihm den Ausweg verschliesst, sich ansammelt, und im Frühjahr wieder durchbricht. Nach der Beschrei- bung des Pfarrers ZıesLer ist das der Vorgang am untern Grindelwaldgletscher.

In neuester Zeit hat Forszs (a.a. O.) die Erscheinun- gen an den Gletschern abzuleiten versucht von einer Pla- stizität oder Halbflüssigkeit ihrer Masse. Seinen Erklärun- gen mangelt aber die nöthige Bestimmtheit und Klarheit. In Bewegung begriffene Schuttmassen,, wie wir uns die Gletscher denken können, zeigen allerdings, in Folge der Verschiebbarkeit und Nachgiebigkeit ihrer Bestandmasse, gewisse Erscheinungen, welche sie den flüssigen Körpern nähern. Das abschmelzende Eis auf Temperatur, wie wir es zur Sommerszeit überall auf dem Gletscher antref- fen, und wie es im Innern das ganze Jahr hindurch be- steht, ist aber ein fester, keineswegs ein halbflüssiger Kör- per. Es muss daher auch, wenn es sich in Bewegung setzt, ein verschiedenes Verhalten von einem zähen Schlamm- strome zeigen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Bewegung nur durch die an der Auflagerungsfläche stattfindenden Abschmelzung möglich wird, dass daher die einzelnen Parthien eines Gletschers in ihrer ganzen Mäch- tigkeit vom Boden bis zur Oberfläche gleichmässig vorrü- cken, während die Theile eines Schlammstroms übereinan- der sich wegschieben.

Das Vorrücken durch das eigene Gewicht auf geneig- ter Grundfläche, in Folge der daselbst vorgehenden Ab- schmelzung, und der so zu sagen ausschliessliche Ersatz der abschmelzenden Masse durch Nachschieben von oben

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herab, sind die Grundlagen der SAussure’schen Gletscher- theorie. Weit entfernt, durch die neuern Erfahrungen ge- schwächt worden zu seyn, sind sie durch dieselben nur klarer und vollständiger bewiesen worden. Gletscher, die über eine ausgedehnte Ebene vorrücken, wie man solche zur Erklärung gewisser geologischer Erscheinungen hat an- nehmen wollen, sind eine physikalische Unmöglichkeit. Ueberhaupt gibt sich der Ungrund der Erklärungsweisen, die man an die Stelle der Saussure’schen hat setzen wol- len, überall kund, sobald man sie einer genauern Prüfung unterwirft.

D. 13. Apr. 1842. Herr Rathsherr Prrer MerıAn be- richtet, dass mitten in der Nacht vom 29. auf den 30. März von mehrern Personen in Basel ein Erdstoss verspürt worden ist, der von unten nach oben zu gehen schien. Den 29sten um 9 Uhr Abends stand das Barometer (bei 100 R.) auf 27 5 4, 54, das Thermometer in freier Luft auf + 8%, 2 R., also für die Jahrszeit ziemlich hoch. Der Himmel war bedeckt. Den 30sten um 7 Uhr Morgens, Barom. (ebenfalls bei 100) auf 27 5/4, 66, Therm. + 40,7, Himmel bewölkt bei schwachem SW Wind. Nach den Zei- tungen ist dieser Stoss mit ziemlicher Heftigkeit den 30sten des Morgens um 1%, Uhr ın Bex wahrgenommen worden. Er war daselbst von einem dumpfen Getöse begleitet.

D. 20. Oct. 1841. Herr Rathsherr Prrer Merın gibt einige Mittheilungen über den artesischen Brunnen des Schlachthauses Za Grenelle bei Paris, mit welchem man in 538 Meter Tiefe springendes Wasser er- reicht hat. Bei einer Tiefe des Bohrloches von 505 Meter hatten die Herren Arıco und Warrernın eine Erdwärme von 26°, 43 C. gefunden. Nimmt man die Mitteltemperatur von Paris von 100%, 6 GC als Grundlage an, so ergibt sich

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eine Wärmezunahme von G für 31 , 9 Meter Vertiefung. Geht man hingegen von der konstanten Kellerwärme unter der Pariser Sternwarte aus, die in 28 Meter unter der Oberfläche 11°, J GC beträgt, so erhält man für G Wär- mezunahme, eine Vertiefung von 32,4 Meter. Die im Jahr 1838 in dem über 400 / tiefen Bohrloche der Saline Schweizerhall angestellten, und in den Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft von 1838 S. 72 u. ff. veröffentlichten Beobachtungen, geben, wenn man von der mittlern Lufttemperatur in Basel ausgeht, 1°G Wärmezunahme bei je 31 Meter Vertiefung, was mit den Pariser Beobachtungen nahe übereinstimmt.

D. 10. Nov. 1841. Herr Oswarn-Horrmann übergibt der Gesellschaft als Geschenk eine schöne vollständige Rip- pe von Nothosaurus, welche im Steinbruch beim Rothen- haus gefunden worden ist; ferner mehrere Zähne eines an der brasilianischen Küste gestrandeten Cetaceen.

D 3. Febr. 1841. Herr Dr. C. Srtreckzisen referirt über einen von Acassız in der naturforschenden Gesell- schaft von Neuenburg gehaltenen Vortrag über die ehema- lige Verbreitung der Gletscher, insbesondere über Spuren früherer Gletscher in Schottland. Vergleiche die Verhand- lungen der schweizerischen Gesellschaft für Naturkunde bei ihrer Versammlung in Zürich 1841 pag. 68.

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14%.B © TANK:

D. 4. Nov 1840. Herr Prof. Meısser, Bemerkungen über die Familie der Cacteen, nebst Erläuterungen ihrer Morphologie mittelst Vorzeigung lebender Exemplare aus dem hiesigen botanischen Garten, welche alle Gattun- gen und Formen der Familie repräsentiren und worunter sich besonders die von Herrn Consul WoerrrLın in Mexiko empfangenen schönen Individuen mehrere Echinocacti, des Cactus senilis u. a. auszeichnen.

Derselbe gibt eine Uebersicht der seltenen Ge- wächse, welche im Jahr 1840 im hiesigen bota- nischen Garten geblüht haben, nämlich: Angelo- nia floribunda, Arthropodium pendulum, Bartonia au= rea, Begonia incarnata, Beg. Dregei, Cajophora lateri- tia, Cyperus papyrus, Clianthus puniceus, Clitoria Ter-= natea fl. alb., Erythrina crista galli, Dracaena pani- culata, Erysimum Perofskianum, Fabiana imbricata, Gompholobium lanatum, Guizotia oleifera, Gladiolus psittacinus, Gloriosa superba, Hedychium Gardnerianum, Helicteres hirsuta, Justicia paniculata, Lagunea lobata, Lasiandra Sellowü, Leycesteria formosa, Moraea Nor= thiana, Passiflora kermesina, longifolia, coeruleo=ra= mosa, biflora, capsularis, Philibertia gracilis, Physian= thus albens, Plumbago micrantha, Podolepis gracilis, Rhodanthe Manglesiü, Salvia patens, Solanum amazoni-= cum, Strelitzia humilis, Saracha viscosa, Tropaeolum pentaphyllum, T. tuberosum u. a. m.

D.6. Jan. 1841. Herr Prof. Mrısner,, über die ost- indischen Thymeläen. Diese Abhandlung, die Be- schreibung der von WaArricn mitgebrachten neuen Arten und die Aufstellung der neuen Gattung Edgeworthia ent- haltend, erschien seither gedruckt in den „Denkschriften

163 der königl. baier. botan. Gesellschaft zu Regensburg” Bd. II, p. 271, mit 2 lith. Tafeln.

D. 17. u. 31. März 1841. Derselbe: Pflanzengeo- graphische Schilderung der Südspitze Afrika’s und Geschichte der seit Entdeckung derselben bis auf die jüngste Zeit daselbst geschehenen botanischen Forschungen. Besonders erwähnt der Verfasser der von Dr. Fern. Krauss aus Stuttgart von 1839—41 in der Umgebung des Caps und von Port Natal gemachten naturhistorischen Reisen und der verhältnissmässig zahlreichen von ihm entdeckten neuen Pflanzenarten. (M. s. die Beschreibung derselben von Dr. Meisner in Sir W. J. Hooker’s London Journ. of Botany Vol. I. u. 11.)

D. 5. Febr. 1841 legt Herr Prof. Meısner der Gesell- schaft seine in der Linnaea Bd. 14, p. 385—502 erschie- nene „Synopsis Polygonearum, Thymelaearum & Bego= niarum Africae australis” vor.

D. 16. Sept. 1841 hält Herr Candidat Preıswere einen Vortrag über die Familie der Algen, worin derselbe das Wesentlichste über deren Anatomie und Physiologie und eine Uebersicht ihrer systematischen Eintheilung nach Acarpn mittheilt.

D.2. März 1342 gibt ebenderselbe eine übersichtliche Darstellung der Familie der Flechten in Beziehung auf ihre Structur, Lebensweise, Verbreitung und Classification.

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».. ZOO. LOBTE.

D.10. Sept.1840. Herr Dr. Imnorr erstattet Bericht über eine dem öffentlichen Museum vom Herrn Missionär Rus ge- schenkte Sammlung Guineensischer Käfer. Es sind ungefähr 200 Arten Goleoptern, manche in zahlreichen Doubletten vorhanden, welche einen grossen Theil der von Herrn Rırss an Guine’as Goldküste und zwar im Berglande Aquapim, wo er einen mehrjährigen Aufenthalt gemacht hat, zusammengebrachten Sammlung bilden. Aus den vorhan- denen Arten einen Schluss auf die Weise, in welcher die verschiedenen Familien dieser Insektenklasse in dortiger Gegend vertreten sind zu ziehen, wird wie überhaupt für aus fernen Gegenden unserm Welttheile zugeführte Natur- körper, aus dem Grunde für unstatthaft erklärt, weil leicht besondere Umstände die Aufmerksamkeit einer Familie mehr als der andern zuwenden können und somit beim Sammeln von Einfluss sind. Indessen ist so viel gewiss, dass beinahe aus jeder der grössern Coleopternfamilien Repräsen- tanten sich vorfinden, wovon die bemerkenswerthesten hier hervorgehoben werden sollen. Die Familie der Carabiei bot vorzüglich den Carab. (Tefflus Leach, Dj.) Me- gerlei F. dar, an welchen der Augenschein bald lehrte, dass die Bemerkung DeseAn’s, nach welcher an den vor- dersten Tarsen die .2 ersten Glieder bei den Männchen nur sehr leicht erweitert sind, unrichtig sey, insofern in der That eine sehr merkliche Erweiterung dieser Theile bei diesem Gesehlechte vorkommt; es ist nämlich sowohl das zweite Glied als auch das erste in seiner zweiten Hälfte viereckig ausgebreitet und auf der untern Fläche mit einem dichten Haarfilze bekleidet. Interessant ist es sodann, dass auch diese Gegend aus der Gattung Calosoma, für welche die verschiedensten Punkte der Erde einzelne Arten lie- fern, einen Repräsentanten in einer, wie es scheint ihr

165 ausschliesslich zukommenden, neuen Art, Cal. guineense aufzuweisen hat: Tarsis subtus fulvo=tomentosis, elytris obscure cupreis, margine laterali viridescente, striatis, insterstitiis transversim striolatis punctis minus conspi= cuis triplici serie; 11 Ys lin. long. Das vorliegende Exem- plar ist ein Weibchen, tarsis intermedüs nonnihil cur-= vatis. Kopf erzgrün, schwach ins Kupfrige schim- mernd, Fühler und Mundtheile schwarz, Mandibeln mit Queerfurchen auf der Oberseite. Mittelleibsschild erz- grün, etwas ins Kupferfarbe spielend, an den Seiten stark ausgedehnt, ziemlich gerundet, doch hinter der Mitte fast winklig vorragend, dann plötzlich schräg einwärts lau- fend, so dass der Hinterrand schmäler als der Vorderrand ist; die Fläche feinqueerrunzelig, vor den Hinterwinkeln ein Eindruck. Brust und Schenkel aller Beine reingrün, Schiene und Fuss schwarz, dieser unten an allen Gliedern, - das letzte ausgenommen, mit braungelbglänzendem Filze. Flügeldecken dunkelkupferfarbig, vorn und am Seitenrand grünlich, die Zwischenräume der Striche mit feinen Queer- strichelchen, der Ate, Ste und 12te ausserdem mit wenig deutlichen, nach vorn fast verschwindenden Punkten ein- gedrückt. Hinterleib schwärzlich, an den Seiten grün.

Die Gattung Catascopus ist durch 3 Arten vertreten, welche in Colorit und Habitus im Allgemeinen mit denen anderer Erdgegenden übereinstimmen, doch namenilich vom Javanischen Cat. facialis durch den Ausschnitt hinten am Flügeldeckenrande verschieden sind, indem dieser näm- lich in der genannten Art sehr markiert in solcher Weise sich darstellt, dass, wo er beginnt, der Rand der Flügel- decken in einen Zahn vorspringt, bei den Guineensern da- gegen der Rand hier nur gerundet erscheint und der Ueber- gang in den Ausschnitt sanft und allmählig geschieht; es sind daher dort e/ytra postice emarginatd, hier nur si= nuata.

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Die Arten selbst nun sind: C. femoralis: 5 Vy—6 lin. long. Supra viridis, elytris interdum obscurioribus aut in cyaneum vergentibus, margine ante apicem sinua= to, striatis, strüs interioribus subtilius , reliquis fortius punclatis, femoribus rufo=piceis. Vielleicht ist diese Art C. Westermannı des DeseAn’schen Gataloges. Kopf oben grün bis zu Mandibeln und Oberlippe, welche schwarz sind; Palpen und erste Fühlerglieder rothbraun, der übrige Fühler schwärzlich mit bräunlichem Filze, 2 Kiele neben jedem Auge, der innere mehr nach vorn hat nach innen seiner Länge nach eine Grube neben sich. Mittelleibsschild grün, Hinterecken mit schwärzlicher Spitze, die Längs- furche vorn und hinten in ein Grübchen erweitert. Beine schwarz, Schenkel und zuweilen auch die Trochantern braunroth. Flügeldecken grün, mehr oder wenig ins Blaue spielend, am Aussenrand gewöhnlich ein schwärzlicher Wisch, selten sind sie blauschwarz und nur in einem Strei- fen grün; Striche und Zwischenräume unter einander un- gleich; die 3 ersten Striche fein, gegen der Wurzel hin stärker, an der Wurzel selbst wieder schwächer punktirt, die folgenden, am meisten der siebente, stärker punktirt, ebenfalls mehr gegen die Wurzel hin als in der übrigen Strecke, die stärkern Punkte in die Queere ausgedehnt; die 4 ersten Zwischenräume unter sich ziemlich gleich, breit, etwas flach gewölbt, der dritte mit 3 Punkten, un- ter den folgenden der fünfte und siebente schmäler als die andern und rippenartig erhoben. Unterseite des Körpers schwarz, die der vordern 'Theile ins Grüne oder Blaue ziehend. C.rigripes: 5lin. long. Supra viridis, thoracis margine sub-angulato, elytris deplanatis, cyaneo=viri= dibus, margine ante apicem sinuato, punctato =striatis, strüs versus apicem angustioribus, pedibus nigris. Ist

möglicherweise Varietät des C. senegalensis Dj. Kopf wie

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beim vorigen, aber die Fühlerwurzel schwarz. Mittelleibs- schild in seinem ersten Drittheil mit geraden parallel oder etwas auseinander laufendem Seitenrande, der in einer fei- nen scharfen Ecke etwas vorspringt, im Uebrigen ungefähr wie bei femoralis. Beine schwarz. Flügeldecken grün, vorzüglich am Aussenrande, hier selbst gewöhnlich mit goldglänzendem Streifen, auf der übrigen Fläche ins Blaue überspielend; die Striche untereinander etwas ungleich, die innern seichter als die äussern, auch die darin stehenden Punkte bei jenen feiner als bei diesen, übrigens alle Striche und Punkte gegen die Wurzel hin verstärkt, die stärkern Punkte in die Queere ausgedehnt; die innern Zwischen- räume etwas breiter als die übrigen, der dritte mit 3, 4 oder 5Punkten, der siebente an seiner innern Seite kielar- tig erhoben. C. specularis: 4 lin. long. Supra viri- dis, elytris ad basin fortius, versus apicem subtilius punctato=striatis, plaga suturali nitidiore aurichalceo resplendente. Kopf oben grün, punktirt und gestrichelt, Oberlippe und Mandibeln schwärzlich; die 4 ersten Fühler- glieder hellrothbraun, die übrigen dunkler. Mittelleibsschild grün, deutlicher queerrunzelig als bei den vorhergehen- den, mit einer breitern Längsfurche, die an beiden Enden nicht so stark zu einer Grube erweitert ist. Beine mit hellrothbraunem Schenkel, in den übrigen Theilen dunkler. Flügeldecken grün, mit einem messingglänzenden Nahtfel- de; dieses beginnt in einiger Entfernung von der Wurzel, dehnt sich von der Naht bis zum dritten Strich in die Breite, und bis zum letzten Vierttheil der Flügeldecken in die Länge aus, hat also in dieser Erstreckung die Ge- stalt eines länglichen Viereckes; es setzt sich dann noch als viel schmälerer blos auf den Zwischenraum an der Naht beschränkter Streif bis ans Ende fort; die Striche sind am Ende fein, mit kleinen Pünktchen eingestochen, gegen die Wurzel aber breiter, tiefer und mit grössern Punkten, von

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denen die meisten in die Queere gezogen sind, besetzt; die Zwischenräume alle sind ziemlich flach, die innern et- was breiter, als die äussern. Unterseite des Körpers schwärzlich.

Von Panagaeus finden sich 2 neue, ausgezeichnete Arten vor: P. grandis, 101% lin. long. Thorace late= ribus marginatis, medio rotundato=-dilatalis, margine pone medium latiore, elevatiore, ater, elytris subtilius punctulatis,, sulcatis, maculis duabus externis fulvis. Dem Cychrus reflexus F. nahe verwandt. Hauptfarbe des Körpers schwarz, die verschiedenen "Theile mit mehr oder weniger deutlichem Haarflaum bekleidet. Kopf oben fein- runzelig, mit einer Längsvertiefung jederseits nach vorn von den Augen, vorn glatt, drittes Fühlerglied so lang als das erste und zweite zusammengenommen. Mittelleibsschild so lang als seine grösste Breite beträgt, oben mit kleinen, zum Theil ineinander fliessenden Punkten besetzt, auf der Mitte etwas gewölbt, mit einer Längsfurche und einen hin- tern nicht sehr deutlichen Längseindruck jederseits; nach vorn und hinten verschmälert, vorn etwas ausgerandet, in der Mitte rundlich erweitert, längs den Seiten in einen scharfen Rand ausgeflacht, der vorn schmäler, nach hinten breiter, dort weniger, hier mehr aufgeworfen ist; Vor- derecken etwas abwärts gekehrt, stumpf gerundet, Hinter- ecken etwas aufwärts stehend, mit einem feinen Einschnitt vor der Spitze; Hinterrand ziemlich gerade abgestutzt, nur mit einem wenig vorspringenden stumpfen Spitzchen je- derseits zwischen der Mitte und der Hinterecke. Flügelde- cken fein punktirt, gefurcht, auf jeder 2 rothgelbe Flecke, der erste nahe am Schulterwinkel, von der vierten Furche bis zur achten, also über 4 Zwischenräume sich ausdeh- nend, der hintere am Anfang des letzten Vierttheils der Flügeldecken, dehnt sich noch etwas mehr nach innen, nämlich noch über einen Zwischenraum aus, nimmt jedoch

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eine nur sehr kleine Strecke von diesem ein. P. sca= bricollis: 8 lin.long. Thorace supra punctato=scabro, antice recte truncato, basi utrinque latius rectangulari= ter exciso, ater, elytris confertim punctatis, sulcatis, fascüs duabus interne abbreviatis fulvis, tarsis subtus Julvo tomentosis. Allgemeine Körperfarbe schwarz. Kopf oben vorn glatt, die übrige grössere Strecke durch grobe, zum Theil ineinander fliessende Punkte rauh, mit einem Längseindruck jederseits, der sich von vorn nach hinten bis zwischen die Augen erstreckt; drittes Fühlerglied wie bei voriger Art. Mittelleibsschild durch grobe, unregel- mässig zerstreute, theils ineinander geflossene Punkte rauh, breiter als lang, der Vorderrand gerade abgeschnitten, schmäler als der Hinterrand , dieser beiderseits mit einem weit gegen die Mitte hin sich erstreckenden, rechtwinkli- gen Ausschnitt, der Seitenrand wie bei der vorigen Art, gegen hinten jedoch weniger stark aufwärts geschlagen, und mit scharfer stumpfwinkliger Hinterecke. An allen Beinen der Fuss unten mit braunem, seidenglänzenden Haar- filze. Flügeldecken überall, auch in den Furchen dicht punktirt, jede mit 2 rothgelben kurzen, innen abgebroche- nen Binden, die erste am Ende des ersten, die zweite am Anfang des letzten Drittheils ihrer Länge, jede über den $ten, Tten, 6ten und 5ten Zwischenraum sich ausbreitend, jedoch die zwischen innen liegenden Furchen nicht ausfül- lend, daher gleichsam aus 4 nebeneinander liegenden Stri- chen gebildet, diese Striche etwas erhaben, an der ersten Binde ziemlich gleich ausgedehnt, an der zweiten aber die äussern etwas mehr nach hinten gestellt als die innern. Sodann ist einer neuen Epomis zu gedenken. Ep. alter- nans: 6%, lin. long. Elytris obscure aeneis, viridi= marginalis, striatis, interstitiis seriatim punctulatis, al= ternis cupreis, subcostatis, pedibus antennarumque basi rufis. Kopf oben grüngolden, sparsam mit Pünktchen be-

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streut, Mundtheile und 3 erste Fühlerglieder röthlich, der übrige Fühler schwärzlich. Mittelleibsschild ziemlich vier- eckig, mit etwas gerundeten Seiten, dicht punktirt, hinten mit tiefer länglicher Grube jederseits, an den Seiten grün, in der Mitte dunkler, bis fast ins Schwärzliche. Beine rothgelb. Flügeldecken mit schön grünem Aussenrande, sonst dunkel, fast schwärzlich mit mehrern kupferfarbenen Längsstreifen; es sind nämlich der 1ste, 3te, 5te und Tte Zwischenraum, am deutlichsten und lebhaftesten der letz- tere, kupfrig angelaufen, zugleich sind sie auch gewölbter als die andern Zwischenräume und scheinen sich daher etwas rippenartig zu erheben; auf allen stehen übrigens in 2 Reihen sehr feine Punkte und solche auch in den Strichen, eine Reihe grösserer fast dreieckiger Punkte fin- det sich am Aussenrande. Die Unterseite des Körpers ist schwärzlich.

Endlich findet sich auch eine neue Art der Gattung Morio vor, welche mit Mor. orientalis sehr überein- kommt, aber breiter und länger als diese ist und eine dunklere Färbung der Fühler und Beine zeigt; auch sind die Striche der Flügeldecken in Stärke einander gleich, während bei M. orientalis die 3 innern merklich feiner sind, als die übrigen. Mor. guineensis: 6 Va—1 Y; lin. long. Subdepressus nitidus, niger antennis pedibusque nigropiceis, ‚elytris strialis, stris laevibus, aequalibus.

Unter den Serricornien. scheint uns erwähnungswerth die Bupr. canaliculata F. und eine ihr nahe verwandte Art. Wenn jene der ganzen Körpergestalt nach, vorzüg- lich aber wegen Bildung des Schildchens und des Hinter- leibes zunächst mit der Bupr. scutellaris F. zusammenzu- stellen und unter die gleiche (Belionota genannte) Gattung zu bringen ist, so ist, trotz dem, dass ein scutellum su= dulatum ihr nicht zukommt, unsere neue Art dennoch der gleichen Gattung einzuverleiben. Zu ihrer genauern Unter-

171 scheidung von canaliculata geben wir übrigens in Folgen- dem von beiden die Diagnose: Bel. canaliculata: obscure aenea, thorace utrinque lunula ümpresso, mesoster- lobis antnicis duobus divergentibus, prosterno postice trilobo, scutello subulato, ano quadridentato. Bel. ne= glecta: Subtus viridi-aenea, supra obscurior , scutello nitidiore acuminato, thorace utrinque & elytrorum basi Jovea transversa impressis, mesosterni lobis anticis duo= bus dentiformibus, subparallelis, prosterno pone basin in processum angustum elongato, ano bidentato. Diese Art ist obenauf dunkelerzfarben, das Schildchen aber, sowie Unterseite und Beine sind metallischgrün, die mittlere Brust- platte hat in ihrem vordern, zwischen den mittlern Beinen gelegenen Theile einen rundlichen Ausschnitt, dessen Sei- ten in 2 ziemlich parallel miteinander verlaufende Zähne verlängert sind; in diesen Ausschnitt passt das Ende der nach hinten in einen schmalen Fortsatz auslaufenden Vor- derbrustplatte ; das Schildchen ist wohl 4mal kleiner als bei B. canaliculata, seine Wurzel hat nur den Achttheil der Breite des hintern Thoraxrandes, und seine Länge verhält sich zu dieser Breite wie 3 zu 2; die Längsrinne auf der Unterseite des Hinterleibes ist ziemlich seicht, seit- lich nicht scharf begrenzt und ungefähr von gleicher Weite in ihrer ganzen Erstreckung; das Aftersegment hat nur jederseits eine feine Zahnspitze, ist am Ende gerundet mit einer schwachen Ausrandung in der Mitte.

Aus der Familie der Lamellicornien lieferte die Samm- lung 3 Arten der Gattung Passalus, die eine der Pass. barbatus F., die andern beiden neu, nämlich: P. para-= stictus 9Ya—10 lin. long. Antennarum clava triphyl= la, ater, subtus piceus, capite supra tuberculis, carinis foveisque inaequale, margine antico quadri-dentato, ely- trorum sulcis interioribus subtilius punctatis, exteriori=

bus latioribus transversim striatis, thorace subtus ad an-

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gulos posticos, elytris margine antico, tibisque interme= dis rufohirtis. Diese Art zeigt die grösste Verwandtschaft mit barbatus, doch schwankt sie nicht so in der Grösse wie diese, von der wir Individuen vor uns haben von nur 7%: Linien bis 1 Zoll Länge. Der Kopf hat am Vorder- rande 4 in gleichem Abstande von einander befindliche Zähne, von denen die innern gerade nach vorn, die äus- sern etwas auswärts gerichtet sind; auf dem Scheitel ste- hen nahe aneinander 3 spitze Höckerchen, von denen der mittlere etwas höher und nach -vorn verlängert ist, von ihm entspringen 2 auseinander laufende Kiele, deren jeder mit einem andern zusammenstosst, welcher gerade nach dem Vorderrande läuft und sich in je einer der mittlern Zähne des Vorderrandes fortsetzt. Die Fühlerkeule ist mit einem braunen Filze bekleidet, ihre 3 Blätter sind sich an Länge gleich. Der Mittelleibsschild ist ziemlich viereckig, breiter als lang, nach vorn etwas verschmälert, mit etwas vorragenden scharfen Vorderecken, wenig gewölbt, glatt, mit ganz durchziehender Längsfurche, an den Seiten, be- sonders nach vorn in ziemlicher Breite, dicht punktirt, in den Punkten nach hinten eine Grube, ferner eine von je- der Vorderecke bis zur Mitte zwischen dieser und der Längsfurche längs dem Vorderrande sich hinziehende punk- tirte Furche. Schiene der vordersten Beine auswärts 4zah- nig. Flügeldecken auf dem Rücken flachgedrückt, die Rü- ckenfurchen fein punktirt, die seitlichen tiefer, breiter, jede mit einer Reihe queereingedrückter, starker Punkte. Mittelleibsschild unten an den Hinterwinkeln, Flügeldecken am Vorderrande bis zur Schulterecke, die Schiene aller Beine auswärts, doch am dichtesten die der mittlern, mit fuchsrothen Haaren bewimpert. P.dasypleurus: 19 lin. long. Antennarum clava triphylla, piceoniger, capite supra inaequali, tuberculato, tuberculis duobus majori= bus ad marginem anticum, elytrorum strüs dorsalibus

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laevibus, reliquis punctulatis, thorace subtus ad angulos posticos, elytrorum latere baseos, pectore utrinque fulvo- tibiisgue mediis rufo=villosis. DerKopf mit gerade abge- stutztem Vorderrande, der jederseits ein feines Zähnchen hat, auf seiner Oberseite stehen die wenig deutlichen Sei- tenhöcker der mittlern Erhöhung etwas weit nach den Sei- ten und nach hinten von dem mittlern Höcker entfernt; von diesem gehen nach vorn divergierend 2 Kiele aus, von denen jeder an seinem Ende mit einem aus 2 vordern Höckern entspringenden, in gerader Richtung nach hinten gerichteten Kiele, in stumpfem Winkel zusammentrifft. Jene 2 vordern Höcker sind von den übrigen des Kopfes die stärksten und stehen zunächst hinter dem Vorderrande. Die 3 Blätter der Fühlerkeule, sowie der zahnartige Vor- sprung der ihnen vorhergehenden Fühlerglieder sind braun- behaart. .Mittelleibsschild ziemlich viereckig, etwas breiter als lang, mässig gewölbt, mit gerundeten Ecken. Der Rand- strich zieht sich am Vorderwinkel hin und endigt als tie- fere Furche etwas vom Vorderrande sich entfernend; die mittlere Längsfurche erreicht den Vorderrand nicht völlig; am Seitenrande nach hinten steht eine rundliche Grube; der untergeschlagene Rand des Mittelleibsschildes ist an seiner hintern Hälfte mit braungelben Haaren dicht besetzt. An den vordersten Schienen ist die Aussenkante 7zahnig, und der innere Endwinkel des Innendorns springt zahnar- tig vor; mittlere und hinterste Schienen sind auswärts, jene dicht, diese sparsamer rothbraun behaart. Die Flügelde- cken haben völlig glatte Rücken-, aber feinpunktierte Sei- tenstriche, der Seitenrand ist in seinem ersten Vierttheil dicht mit braungelben Haaren besetzt und ebenso jedoch in.noch weiterer Ausdehnung nach hinten sind die an diese Stelle angrenzenden Brustseiten; auch der After ist braun- gelb bewimpert.

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Aus der Familie der Heteromeren bot die Samm- lung 3 Iphthinusarten dar, wovon eine neu ist, die an- dern zwei sind der Helops sinuatus und punctatus des Furrıcıws. Es ist zu bemerken, dass die Ausbuchtung am Rande der Flügeldecken vor der Spitze, welche Farrıcıus als einen der Charaktere des sinuatus hervorhebt, auch seinem punctatus, sowie noch unserer neuen Art zukommt; der Hauptunterschied jener beiden Arten ist ausser der abweichenden Färbung des Mittelleibsschildes die Punktie- rung der Flügeldecken; es sind nämlich die in Längsreihen geordneten Punkte daselbst viel feiner bei sinuatus als bei punctatus. Die neue Art nennen wir: Iphth. crenato-= striatus: Ater, thorace latiore quam longiore, con= fertissime punctulato, elytris crenato-strialis, margine ante apicem sinuato. Der Mittelleibsschild ist kürzer als bei den zwei andern Arten, dicht mit feinen Punkten be- setzt und hat in der Mitte jederseits die sehr schwache Spur eines Eindrucks. Die Zwischenräume der Flügelde- ckenstriche sind mit zerstreuten sehr feinen nur durch die Loupe erkennbaren Pünktchen versehen.

Auch die Gattung Tezedrioim engernSinne kammit einer neuen Art vor: T. guincensis:S lin. long. Su= pra ater, subtilissime alutaceus, antennis subserratis, apicem versus dilatatis, elyiris subtilius punctulato = stria= is, interstitüs hinc inde punctis nonnullis sparsim im= pressis. Dem T. obscurus ziemlich ähnlich, aber ansehn- lich breiter. Tiefschwarz, Beine und Unterseite jedoch ins Pechbraune übergehend. Die ganze obere Körperfläche sehr fein chagriniert. Fühler zurückgelegt bis an den An- fang der Flügeldecken reichend, Ates und folgende Glieder allmählig breiter werdend, jedes an der Basis schmäler als am Ende, hier der Innenwinkel etwas vorgezogen, wo- durch der Fühler schwachsägezähnig erscheint, das letzte Glied schräg abgestutzt. Mittelleibsschild breiter als lang,

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vorn etwas enger als hinten, an den Seiten mässig gerun- det, hinterer Rand jederseits eingebuchtet. Beine einfach, unter sich gleich. Flügeldecken am Vorderrande zwischen Schildchen und Schulterbeule mit vorspringender stumpfer Ecke, die sehr seichten Längsstriche mit sehr gedrängt stehenden Pünktchen besetzt, auf mehrern Zwischenräumen einige grössere Pünktchen unregelmässig zerstreut. Diese Art verbindet durch ihre Fühler die Gattung Tenedrio mit Iphthinus. Sodann sind 2 ausgezeichnet schöne Arten der Gattung Stenochia erwähnungswerth: St.cribripennis: 8%» lin. long. Viridi=-aenea, elytris violaceo-cupreis, longitudinaliter seriatim foveatis,, foveis medis profun= dioribus, oblongis. Kopf grün, seitlich hinter den Augen verengt, Augen gross, vorgequollen, vorn nur durch ei- nen schmalen Zwischenraum von einander getrennt, A erste Fühlerglieder metallisch glänzend, die folgenden schwärz- lich. Mittelleibsschild dieht punktiert, mit parallelen Sei- ten, grün, wie auch das Schildchen. Beine grün, Ende des Schenkels und der Schiene und der Fuss blau. Flügel- decken violet-kupfrig, am äussersten Seitenrande grün, mit Grübchen in 9 ganzen Längsreihen und einer 10ten an der Naht abgebrochenen, die Grübchen an der Basis und am Seitenrande punktförmig, die übrigen, besonders in der Mitte gröber, länglicher,, einzelne davon ineinander fliessend; St. cupripes: 10 lin. long.: viridiaenea, scutello pedibusque cupreis, elytris punctato striatis, strüs cyaneis. Metallisch glänzend, Kopf grün, vorn kupfrig, Augen vorn nahe aneinander stossend, die 4 ersten Fühlerglieder glänzend, die folgenden mattschwarz; Mittelleibsschild grün, dicht punktiert, vorn ein durch eine Furche abgegrenzter queerdreieckiger Raum kupfrig; Beine kupfrig, Ende des Klauengliedes und Klauen schwärzlich. Flügeldecken grün, in den Strichen blau, die Striche punktiert. Die Gattung Hybonotus Dj., deren wenige Arten nur auf Madagaskar

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beschränkt schienen , weis’t eine neue Guineensische auf: H. femoralis: 5 lin. long. Nitidus, ater, femoribus basi excepta rufis, tibiis apice tarsisque subtus fulvo = tomentosis, elytris crenulato-=strialis. Grösstentheils glän- zend tiefschwarz. Fühler, besonders gegen das Ende, et- was braunhaarig, die ersten zwei Glieder pechbraun. Mit- telleibsschild völlig glatt, mit einem rundlichen mittlern Grübchen vor dem Hinterrande. Alle Schenkel rothbraun, bis auf den ersten Drittheil, welcher schwarz, wie das übrige Bein ist. Unten sind die Füsse, das Klauenglied ausgenommen und das Ende der Schiene rothgelbfilzig. Die Flügeldeckenstriche sind mit seitlich etwas übergreifenden Punkten eingedrückt,

Unter den Xylophagen hat die Gattung Apate 3 neue Arten dargeboten: Ap. producta, elytris apice, femi- nae longius, productis, thorace antice muricato, utrin= que in cornu protenso, cornubus feminae magis distan= tibus, validioribus, porrectis, maris subnutantibus. Fem. 9—10 lin. long. Mas 8 1a—9 lin. long. Gehörtzu den grös- sern Arten der Gattung. Körperfarbe schwarz. Kopf hin- ter den Augen eingeschnürt; Vorderrand beiderseits mit einem Zahn; Fühlerkeule pechbraun. Mittelleibsschild vorn abgestutzt, etwas eingedrückt, jederseits in einen Fortsatz ausgezogen, vielhöckerig, Fortsätze «les Männchens durch einen rundlichen schmälern Ausschnitt von einander ge- getrennt, daher einander näher, schräg abwärts geneigt; die des Weibchens durch den geraden breitern Ausschnitt des Vorderrandes weiter von einander entfernt, ziemlich gerade vorstehend, etwas gegen einander gerichtet; die Höcker im Allgemeinen stärker ausgebildet beim Weibchen als beim Männchen, zugleich nach den Seiten grösser, doch beim Weibchen auch einige solche auf der Abdachung des Mittelleibsschildes, und einer an der innern Seite der Fortsätze und noch einer zu jeder Seite des Ausschnittes.

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Der Mittelleibsschild auf seiner übrigen Fläche feingekör- nelt, mit seichter Längsfurche. Schiene der vordern Beine auswärts gezähnelt. Flügeldecken dicht mit in Längsreihen stehenden groben Punkten besetzt, mit schwacher Andeutung von 2 erhabenen Längslinien, nach hinten allmählig abfal- lend, das Nahtende beim Männchen in eine stumpfe Ecke, beim Weibchen in einen länglichen Höcker vorgezogen. Ap. tonsa: Mas. 46% lin. long., fem. 5—1 lin. long. Elytris postlice retusis, interrupte marginalis , thorace antice muricato, feminae utringue in dentem hamatum, nutantem producto. Körperfarbe schwarz. Kopf hinter den Augen aufgequollen, mit dichtgedrängten parallelen feinen Längskielen: beim Weibchen zwischen den Augen und dahinter ein mittlerer gelblicher Filzfleck; Fühler pech- braun. Mittelleibsschild vorn bucklig und mit mittlern Körnchen und seitlichen Höckerchen besetzt, zunächst über dem Kopfe mit einem gelblichen Filze bekleidet, beim Weib- chen beiderseits in einen über den halben Kopf herabhän- genden, mit spitzen Höckerchen besetzten, am Ende ha. ckenartig aufgekrümmten Zahn ausgezogen. Schiene der Vorderbeine auswärts gezähnelt, Flügeldecken mit zahl- reichen in Längsreihen stehenden Punkten, hinten gröss- tentheils gröbere, am Ende selbst keine; die abgestutzte hintere Fläche mit einer Leiste umgeben, die am Nahtende anfängt, längs den Seiten jener Fläche hinaufläuft, dann aber durch eine Lücke von einem freistehenden Höcker- chen getrennt ist und oben ganz aufhört. Hinterleib dun- kelrothbraun: Ap. crinitarsis, 31; lin. long. Elytris postice oblique truncatis, tridentatis, dentibus duobus acutis, tertio obtuso, minore, thorace. anlice muricato, tarsis posticis crinitis: rufo-picea, elytris versus api= rem obscurioribus. _ Grundfarbe pechbraunröthlich, Beine, Fühler und Palpen. jedoch heller, die Flügeldecken nach hinten und vorderer Theil des Kopfes dunkler. Mittelleibs- 12

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schild in der grössern Vorderhälfte dieht mit Körnchen oder Höckerchen besetzt, welche seitlich durch grössere, rückwärts gekrümmte, zugespitzte Zähnchen begrenzt sind, von diesen liegt das grösste zuvorder:t und springt frei ‚vor. Schienen auswärts feingezähnelt. Fuss der hinter- sten Beine einwärts mit sparsamen langen Haaren bekleidet. Flügeldecken hinten mit gröbern, vorn mit kleinern Punk- ten, am Ende schräg abgestutzt, und mit 3 Zähnen be- wehrt, oberster und mittlerer Zahn spitz, unterster stumpf und weniger deutlich, der mittlere etwas nach innen ge- rückt.

Unter den Longicornien gedenken wir nur einer La=- mia, welche, wie uns Kıvc belehrt hat, ZLamia leprosa F. ist; das von Fasrıcıwus angegebene Vaterland (America) würde nicht auf diese Art schliessen lassen, allein Diagnose und Beschreibung dieses Autors lassen keinen Zweifel übrig, dass er den Guineensischen Käfer vor sich gehabt habe. Die Fühler sind beim Weibchen von Körperlänge, und vom dritten Glied an mit bräunlichem Filz, wie die meisten übrigen Körpertheile bedeckt, beim Männchen sind sie an- derthalbmal so lang als der Körper und nackt, bei diesem sind ferner die vordersten Beine verlängert, der Schenkel ist längs der äussern Kante gezähnelt, die 3 ersten Fuss- glieder sind ansehnlich erweitert und auswärts befranzt. Es gehört diese Art der Gattung PAhryneta des Drszan’schen Cataloges an. ;

Unter denChrysomelinen haben wir in einer Art, welche uns als die Deloyala. Westermanni Dj. bezeichnet worden ist, die Cassida chlorotica Ol. zu erkennen geglaubt. Mittelleibsschild und Flügeldecken haben im Le- ben einen schönen Messingglanz, wenigstens zeigten diese Farbe alle Stücke in der Flüssigkeit, in welcher sie anka- men, und sie hat sich bei manchen auch im trockenem Zustande, freilich weniger lebhaft, erhalten. Durch die

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erweiterten Mittelleibs- und Flügeldeckränder erhält das Männchen einen beinahe kreisrunden Umfang, das Weib- chen einen eiförmigen; dieses ist 7% Linien lang, und misst in seiner grössten Breite 6 Y3 Linien; jenes hat 6 Li- nien Länge und misst in seiner grössten Breite 53 Linien. Der Kopf ist schwarz, die Augen auch im Tode messing- gelbglänzend, Palpen, ein Fleck zwischen den Augen, die 6 ersten Glieder und die Spitze des Fühlers rothbraungelb, der übrige Fühler schwarz. Brust schwarz, an den Seiten rothgelbbraun, zuweilen nimmt diese Farbe auch die Mitte ein, oder mischt sich dem Schwarzen bei. Am Hinterleibe unten herrscht entweder die schwarze oder rothbraungelbe Farbe vor, immer nimmt diese die Seiten ein, zieht sich aber auch, besonders beim Weibchen, über einzelne oder alle Segmente theilweise oder ganz hin. An den Beinen sind Fuss und Schiene ganz braungelb, der Schenkel ist es am Ende, selten auch am Anfang, in der übrigen Strecke ist er schwarz, welcher Farbe sich zuweilen eine etwas röthliche beimischt. Die Flügeldecken sind da, wo sie dem Körper aufliegen mit zerstreuten feinen Pünktchen versehen, und in den Stücken, in denen sie messingglänzend erschei- nen, ziehen sich 4 undeutliche, blässere Längslinien durch sie hin, die breiteste derselben an der Naht durch eine Reihe Pünktchen auswärts begrenzt, sie sind ferner am Ende in der Naht und vorn, wo sie an den Hinterrand des Mittelleibsschildes anstossen, sammt diesem Hinterrande schwarz. Wir geben somit folgende Diagnose: Cass. chlo= rotica: Thorace elytrisque aurichalceis, subtus rufotesta= ceo-nigroque varia, mas suborbicularis, femina ovata. Aus der grossen Abtheilung der Curculioniden haben uns die Familien der Brenthiden und der Anthribiden manches Neue dargeboten, welches wir um so eher zu würdigen vermochten, als wir uns seit geraumer Zeit dem Studium dieser Käfer mit Vorliebe zuwenden. Von Bren=

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thiden erwähnen wir des Brenthus (Ceocephalus Schh.) depressus F. und unsers Ceocephalus Rüsi, einer durch bedeutende Schlankheit ausgezeichneten Form. Aker die Anthribiden sind es vorzüglich, welche uns neue, bisher nicht bekannte Formen dargeboten haben und die Aufstel- lung neuer Gattungen veranlassten, wie man sie im ersten Bändchen unserer Ger. Curcul. vorfinden wird. Die Gat- tungen Deuterocrates und Anacerastes, und der Decata-= phanes gracilis zeichnen sich durch sehr langgezogene Fühler aus, Fühler, welche selbst im weiblichen Geschlechte Körperlänge haben, im männlichen aber den Körper mehr- fach in Länge übertreffen. Bei Deuterocrates ist von ir- gend einer Verdickung am Ende der Fühler keine Spur vorhanden; auch ist in beiden Geschlechtern das zweite Glied mehrfach länger als das erste, ein Verhältniss, wel- ches weiter nicht eine einzige der zahlreichen Anthribiden- gattungen zeigt. Von Polycorynus compressicornis, wel- cher bisher nur nach dem weiblichen Geschlechte bekannt war, lernten wir auch das männliche Geschlecht und aus- serdem eine fernere Art, P. pantherinus kennen, auf welche hin wir uns ermächtigt fanden, die Gattung in ei- nem weitern Umfang und nach etwas andern Merkmalen als Schönueer aufzustellen. Die Gattung Mecocerus stellte in unserm disparipes einen merkwürdigen, durch ausneh- mend lange Beine des männlichen Geschlechts ausgezeich- neten Repräsentanten dar. Im Ganzen enthielt die Samm- lung nicht weniger als etwa 12 Arten Anthribiden, und diese Thatsache nahmen wir als Beweis dafür, dass die Gegend, aus welcher die Käfer stammen, als die Wald- und Gebirgsregion von Guinea anzusehen sey, und bemerkten weiter, dass wenn mit irgend je einer andern ihre Käfer- fauna verglichen werden könne, diess die tropische Region der östlichen Hemisphäre, also Indien und seine Inselwelt; namentlich Java sey.

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. D. 20. Oct. 1841. Herr Dr. Immorr, über grosse Ameisenschwärme, welche sich in Basel zeig- ten. Am 17. Juli 1841 Nachmittags wurden mächtige über einen grossen Theil der Stadt verbreitete Schwärme einer Ameise, in welcher Herr Dr. Inuorr die Formica ni= gra Latr. erkannte, beobachtet. Nach statt gefundenem Schwärmen krochen die Thiere , vorzüglich die Weibchen, auf verschiedenen freien Plätzen und in mancher Strasse so zahlreich auf dem Boden hin, dass man kaum einen Fuss aufsetzen konnte, ohne auf welche zu treten. Diese Erscheinung schien Manchem wunderbar, man nahm an, dass die Ameisen von weither zu uns geführt worden seyen, und brachte sie sogar mit dem berühmten, weit verbreite- ten Orkan in Verbindung, der doch erst den Tag nachher (am 18. Juli) stattfand. Nun erinnerte aber. der Vortra- gende, dass diese Ameisenart inmitten unserer Stadt lebe, dass er sie schon eine ziemlich lange Zeit alljährlich an bestimmten Orten getroffen habe, die Weibchen, in frei- lich geringerer Zahl, ungefähr in den gleichen Sommerta- gen, auf dem Boden hinkriechend, die Arbeiterinnen in früherer Jahreszeit, fast überall vorhanden, selbst in die Häuser dringend. Das Auffallende bleibt daher nur die äusserst grosse Zahl, in welcher diese Insekten diessmal auftraten. Es kann aber diese in zwei Thatsachen ihre Er- klärung finden: 1) in der allgemeinen Wahrnehmung, dass die Vermehrung gewisser Thiere,, vorzüglich gewisser’ In- sekten durch besondere Umstände sehr begünstigt werden kann. Beispiele, namentlich aus der Insektenklasse, liegen hievon so viele vor, dass es unnöthig wäre, deren anzu- führen; doch einer Erscheinung dieser Art wollen wir ge- denken, welche sich uns im schönen und herrlichen Mai- monat eben dieses Jahrs in der Schaumcecicade, Cicada (Aphrophora Germ,) spumaria L. dargeboten hat. Be- kanntlich lebt dieses Insekt vor seiner völligen Entwicklung,

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in einer schaumartigen Flüssigkeit, dem sogenannten Ku- kuksspeichel, von ihm selbst durch das Einstechen seines Schnabels in verschiedene Pflanzen veranlasst. Nun fanden sich von diesen Schaumklümpchen, besonders auf Weiden, eine solche Menge, dass sie in grössere Massen zusammen- flossen und diese von den Zweigen und Blättern herab auf die Erde gelangten, welches nicht anders erschien, als wenn zahlreiche Regentropfen aus einer Wolke herabfallen. In ähnlicher Weise wie diese Insektenart konnte auch un- sere Ameise durch begünstigende Verhältnisse, über welche wir wohl Vermuthungen aufzustellen, aber keine Gewissheit beizubringen vermöchten, eine bedeutende Vermehrung er- fahren haben.

Es lässt sich aber die Erklärung 2)in noch etwas an- derm suchen. Dem 17. Juli gingen eine ganze Woche lang rauhe Tage voran. In dieser Zeit mochten sich in den verschiedenen Ameisenhaufen schon ausgebildete Männchen und Weibchen, also zum Schwärmen fähige und bereite Individuen befunden haben, allein die Witterung hielt sie in ihren Wohnungen zurück. Nun erschien endlich ein warmer, milder Tag, und mit einem Male geschah nun, was sich in andern Jahren auf eine Reihe von Tagen ver- theilen mochte, die verschiedenen Schwärme vereinigten sich zu jenen grossen Schaaren, die an diesem Tage beob-

achtet wurden.

Was sich in unserer Stadt ereignete, wurde am glei- chen Tage auch in einigen benachbarten Dörfern beobach- tet. Es ist uns aber nicht bekannt geworden, ob auch in weitern Entfernungen Aehnliches wahrgenommen wurde.

Einige Wochen später befand sich der Vortragende in Zürich, er traf hier auch in einer Strasse weibliche Amei- sen in ziemlicher Zahl auf dem Boden hinkriechend an,

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es war jedoch nicht Forsn. nigra, sondern ihre nächste Anverwandte die Formica flava Latr. Er glaubt nicht zu irren, wenn er annimmt, dass auch diese Ameise in der Stadt Zürich selbst, wie jene in Basel ihren Wohn- sitz habe.

D. 3. Fedr. 1841. Mittheilungen von Herrn Prof. Miescner über Acari im Innern lebender Thiere.

Die Thiere, welche auf andern Thieren leben als auf ihrem eigenen, von der Natur ihnen angewiesenen Grund. und Boden, aus welchem sie ihre Nahrung schöpfen, ohne den sie nicht existiren können, der ihre eigentliche Welt ist,diewahren beständigenParasiten nämlich, schei- den sich in 2 natürliche grosse Abtheilungen, je nachdem bei ihnen einAthmungsbedürfniss vorhanden ist oder fehlt.

Hienach ist auch im Allgemeinen die Stätte verschie- den, welche ihnen bei den Thieren zur Wohnung angewie- sen ist. Die einen leben im Innern derselben, in natür- lichen oder krankhaften Höhlen, oder im Parenchym der Organe und werden daher Entozoen genannt. Die an- dern dagegen wohnen an der äussern Oberfläche der Thie- re, also in unmittelbarer Berührung mit dem Elemente, welches diese athmen , und heissen Epizoen.

'Es ist wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob die Entozoen athmen oder nicht. Nach dem gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnisse über diese Klasse von Thie- ren können wir hierauf nur verneinend antworten. Denn weder ist durch die sorgfältigste anatomische Untersuchung in irgend einem, im Uebrigen noch so vollkommen organisir- ten Entozoon je ein Respirationsorgan nachgewiesen wor- den, noch finden sich in der Regel diese Thiere unter Ver- hältnissen, unter denen derjenige Vorgang, den wir in der Physiologie Athmung nennen, möglich ist. Die Epizoen

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dagegen, sobald sie eine etwas ausgebildetere Orgänisation besitzen, lassen auch besondere Respirationsapparate er- kennen, kiemenartige Organe bei den Wasserthieren, ver- zweigte Luftröhren bei den in der Luft lebenden Thieren, und wenn wir auch bei einzelnen von einlacherer Struktur keine besondern Athmungswerkzeuge erblicken, so dürfen wir doch p. analogiam schliessen, dass diesen darum die Athmung doch nicht abgeht, dass vielmehr die allgemeinen äussern Bedeckungen dieser Funktion vorstehen.

Das Fehlen oder Vorhandenseyn einer Athmung ist aber auch der einzige durchgreifende Unterschied zwischen diesen beiden Abtheilungen der Parasiten ; die Unmterschei- dung nach der Wohnstätte, von wo zwar die Benennungen hergenommen sind, ist, wenn auch in der Mehrzahl der Fälle richtig, doch in vielen unstatthaft. Es ist gar nicht selten, dass Entozoen an der äussern Oberfläche von Thie- ren, oder wenigstens in sehr zu Tage liegenden Organen vorkommen; die Kiemen der Fische z. B. bieten eine eben so reiche Erndte an Entozoen wie an crustaceenartigen Epi- zoen; so lebt der Gyrodactylus an der freien Obertläche von Fischen und das Monostoma Faba (bijugum m.) in den Federbälgen von Vögeln. Viel seltener ist das Umge- kehrte beobachtet worden, nämlich das Vorkommen von Epizoen in innern Organen. Hieher gehören z. B. die Mil- ben, welche sich in den Lungenhöhlen der Schnecken häu- fig in grosser Anzahl aufhalten und durch das Luftloch frei aus- und eingehen; ich habe solche bei mehrern der grössern Landschnecken, bei nackten und beschaalten beob- tet, und selbst die im Wasser lebenden Lungenschnecken sind davon nicht frei. Bei den Vögeln und Säugethieren leben die parasitischen Milben mit wenigen Ausnahmen frei auf der äussern Haut, zwischen den Federn und Haaren; sie nähren sich meistens von abfallenden Epidermis - Schüpp-

chen und verhältnissmässig nur wenige saugen mittelst ei-

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nes Saugrüssels, den sie in dieHaut einsenken, die Säfte des Thiers, auf dem sie wohnen, wobei sie sich, wie z.B. Ixodes, zuweilen mit dem ganzen Vorderleib in der Haut vergra- ben; andere bohren sich unter die Oberhaut, bilden zwi- schen ihr und der Lederhaut Gänge, setzen dort ihre Eier ab, erregen Entzündung und nähren sich wahrscheinlich von den durch die entzündete Haut ausgeschwitzten Säften, wie dieses bei den verschiedenen Krätzmilben der Fall ist. Sarcoptes nidulans Nitzsch dringt sogar durch das Fell hindurch und legt seine Eier in das Unterhautzellgewebe ; Nitzsch beobachtete dergleichen Nester, aus Eiern ‘und Jungen bestehend, bei Fringilla Chloris, wo sie grosse gelbe, durch das Fell durchscheinende Knollen bildeten, welche durch eine weder blutende noch eiternde Wunde nach aussen hin geöffnet waren (v. Erscn und Gruser’s En- eyclopädie I. Artikel Acarus.) Achnliches habe ich wieder- holt bei unserer gewöhnlichen Hausmaus, Mus Musculus, beobachtet, wo ich mehrmals an der innern Fläche des abgezogenen Fells kleine milchweisse Knötchen von der Grösse eines Stecknadelknopfes und grösser antraf, welche nichts anderes waren als dergleichen Nester von Milben. Wenn man ein solches Knötchen etwas comprimirt unter das Mikroscop, so erkennt man 20—-30 kleine Milben, wel- che in einem gemeinschaftlichen dünnhäutigen Balge liegen. Der Balg steht aber nicht wie bei Sacroptes nidulans Nitzch mittelst eines durch das Fell dringenden Loches offen und mit der athmosphärischen Luft in Berührung; er ist vielmehr allseitig geschlossen und nur lose mit der innern Oberfläche des Fells verwachsen ; seine Höhle ist nicht mit Luft gefüllt, sondern enthält eine zähe durch- sichtige Flüssigkeit, welche die Milben umgibt. Ich über- lasse es Sachkundigern zu entscheiden, ob ‘diese Milbe iden- tisch ist mit derjenigen, welche an der äussern Fläche des Fells zwischen den Haaren der Maus. lebt. und ob: sie einen

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jugendlichen Zustand derselben darstellt; ich mache nur auf den wesentlichen Unterschied aufmerksam, dass letztere Borsten trägt, erstere aber vollkommen nackt ist.

Auch beim Fuchs habe ich einmal im Zellgewebe un- ter der Haut einige Individuen eines grössern zäckenartigen Parasiten angetroffen, dessen Leib platt war, ungefähr 1 lang bei % /“ Breite und deutlich in ein Vorder- und Hinterstück getheilt; das Vorderstück trug 4 Fusspaare und aus dem Kopf ragte ein langer horniger gezähnelter Rüssel hervor; die äussern Bedeckungen waren bräunlich, hart, hornig. Leider verhinderten damals die Umstände eine ge-

nauere Untersuchung, und seither bot sich die Gelegenheit

Do) nicht wieder dar, das Versäumte nachzuholen.

Weniger auffallend erscheint das Vorkommen von Mil- ben in den Respirationswerkzeugen, obgleich dasselbe nicht häufig beobachtet worden zu sein scheint, indem ich nur eine einzige hieher gehörige Beobachtung von Nırzscn habe auffinden können. Dieser fand bei einem schottischen Töl- pel (Dysporus bassanus Illig.) in dem Luftraume, welcher sich unter der Haut über die ganze Brust verbreitet, eine Milbenart, welche er Sarcoptes subcutaneus nannte und die in grosser Menge dort angehäuft war (v. Jahrbuch der Chem. & Phys. von ScuwEiscEer, Bd. 16. 1826. p. 435). Wahrscheinlich jedoch hat Nırzscu Aehnliches auch bei an- dern Vögeln angetroffen, indem er in dem o. a. Artikel Acarus der Encyclopädie von Ersch und GrusEr p. 247 sagt: „Manche dringen selbst in innere Höhlen der Thiere, als in die Nasenhöhlen und in die Luftzellen des Rumpfes der Vögel,” ohne indessen spezielle weitere Thatsachen hiezu anzuführen. Es mag daher die Mittheilung einiger neuen Beobachtungen von Milben in den Athmungsorganen von Vögeln nicht ganz ohne Interesse sein.

Im Anfang des Juli 1839 fand ich zuerst bei einem eben getödeten erwachsenen männlichen Individuum von

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Cypselus apus ziemlich zahlreiche, sehr kleine Milben in den Luftzellen der Bauchhöhle. _ Sie sassen, in kleinen Häufchen zusammenliegend, an der innern Fläche der zar- ten Membran auf und erzeugten das Aussehen, als ob die- selbe mit feinen Sandkörnern bestreut wären. In denLun- gen suchte ich sie vergebens auf, will aber daraus keines- wegs schliessen, dass sie dort fehlten, da vielmehr das Ge- gentheil wahrscheinlich ist; die Blutüberfüllung’ des Organs machte eine entscheidende Untersuchung unmöglich; dage- gen fand ich sie wiederum in den Bronchien und in der Luftröhre. Einige Tage später untersuchte ich ein anderes Exemplar desselben Vogels und fand auch bei diesem die Milben, nur in geringerer Menge. ‘Im folgenden Jahr um dieselbe Zeit fand ich die Milben bei 2 Individuen wieder, während sie bei einem dritten ganz fehlten. Der Leib dieser Milben ist vollkommen nackt, ohne eine Spur von Haaren oder Borsten und bildet ein ziemlich regelmässiges Oval von durchschnittlich 14, // Länge auf 45 —Y\3 Breite. Der Rücken ist gewölbt und durch Furchungen in mehrere Wülste oder Abschnitte abgetheilt. Eine mit der Convexi- tät nach hinten gerichtete halbkreisförmige queere Furche trennt zunächst ein rundliches Kopfstück ab, aus dessen vorderm Rande ein kurzer kegelförmiger, hackenförmig nach abwärts gekrummter Rüssel hervorsteht. Zwei den Seitenrändern parallel verlaufende Längsfurchen bilden ei- nen mittlern Rückenwulst und zwei schmale Rand- wülste, welche nach hinten untereinander verschmelzen und sich gleichförmig gegen die Aftergegend hin abdachen. Aus der Mitte der letztern ragt bei vielen Individuen ein kurzer, cylindrischer, am Ende deutlich perforirter An- hang hervor, von welchem ich ungewiss bin, ob er als After oder als Oeffnung der Geschlechtsorgane zu betrach- ten ist. Die untere oder Bauchseite ist mehr flach und trägt 4 Paar nackte, weder mit Borsten noch mit Hacken bewaff-

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nete Füsse; die beiden ersten sind schief nach vorn gerich- tet und bestehen aus 5 beweglichen Gelenken; die letzten stehen schief nach hinten und zeigen bloss 4 Gelenke; an allen 4 Fusspaaren trägt das letzte Gelenk ausserdem noch ein Haftblatt. Die Füsse des ersten Paares liegen dicht zu beiden Seiten des Rüssels, ihr erstes Gelenk zeichnet sich vor allen andern durch Grösse aus und ist in seiner hintern Hälfte mit dem der andern Seite verschmolzen. Dicht hinter ihnen etwas nach aussen steht das zweite Fuss- paar; in gleichmässigen Zwischenräumen, noch mehr am Rande, sitzen das dritte und vierte, deren erste Glieder durch einen eigenthümlichen, wie eine Springfeder gestalte- ten Apparat untereinander verbunden sind. Zwischen den beiden letzten Füssen bemerkt man nämlich einen in einem Bogen verlaufenden schmalen, von zwei scharf gezeichneten Säumen eingefassten Gürtel von harter, wahrscheinlich hor- niger Substanz , der vom ersten Glied des dritten Fusses zu dem des vierten herüber gespannt ist, die Convexität nach innen gerichtet; jedes Ende desselben theilt sich in zwei Schenkel und umfasst damit das erste Glied der bei- den letzten Füsse.

Der Rüssel ist ein einfacher Sipho, an welchem keine verschiedenen zusammensetzenden Bestandtheile erkennbar sind; in seinem Innern verläuft ein spindelförmiger Canal, der an der Spitze eng beginnt, in der Mitte sich erweitert und an der Basis des Rüssels wieder sich verschmälert; an demselben bemerkte ich von Zeit zu Zeit Zusammen- ziehungen und darauf folgende Erweiterungen, also wahre Saugbewegungen.

Ueber die weitere innere Organisation lässt sich wenig beifügen, indem ich von eigentlichen sogenannten Einge- weiden nichts zu erkennen im Stande war; die Leibeshöhle schien nichts zu enthalten als eine durchsichtige Flüssig- keit mit zahlreichen runden, scharf umschriebenen Bläs-

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chen, welche bei jeder Leibesbewegung hin und her ge- schoben wurden; diese Bläschen drangen auch in das In- nere der demnach hohlen ersten Gelenke der Füsse und rückten darin vorwärts, so wie der Fuss ausgestreckt wur- de und umgekehrt. Das einzige bemerkliche Organ war eine grosse körnige Kugel, welche im Hinterleib auf der rechten Seite sass, und die man am wahrscheinlichsten für einen Eierstock halten könnte.

Obgleich ich diese Thierchen mehrere Stunden anhal- tend beobachtete, sah ich doch nie etwas durch eine na- türliche Oeffnung heraustreten; dagegen platzten nicht sel- ten einzelne Individuen, namentlich wenn ich sie im Was- ser einer gelinden Compression, die sie anfangs ganz gut vertrugen, eine Weile ausgesetzt halte, und entleerten da- bei namentlich die erwähnte Kugel, welche dann sehr bald zerfiel. Einige von diesen Milben fand ich nach 24stündi- gem Aufenthalt im Wasser noch lebendig.

Im December 1840 fand ich wiederum Milben in den Athmungswerkzeugen eines gemeinen Würgers, Lanius excubitor , ın den grossen Luftsäcken des Bauchs und der Brust, in den Lungen und der Luftröhre; im untern Theile der Luftröhre und in den Bronchien waren sie in solcher Anzahl vorhanden, dass sie das Zumen desselben eigent- lich ausfüllten. Da der Vogel schon mehrere Tage todt in der Kälte gelegen hatte, so waren auch die Milben starr und regungslos, übrigens aber wohl erhalten; einige ver- riethen sogar noch Spuren von Leben, nachdem ich sie etwas erwärmt hatte. Diese Milben stimmen im Allgemei- nen ınit denen aus Cypselus apus überein, mit mehr un- tergeordneten Abweichungen, die indessen hinreichen, um sie. als besondere Art zu unterscheiden. Der Leib ist ebenfalls vollkommen nackt, ohne Haare und Borsten, von einer lederartigen Haut oder Panzer eingeschlossen; der Rücken gleichförmig gewölbt, aber ohne die bei der vorigen

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Art erwähnten Furchungen und Abtheilungen; der Bauch flach. Der vordere Rand des Leibes ist mehr abgestutzt und breiter als der hintere; die 4 Vorderfüsse sind gleich- sam in den vordern Leibesrand eingesetzt und ragen we- niger gegen die Bauchseite hervor, so dass die ersten Ge- lenke derselben wie vier in einer schwach gebogenenLinie stehende Papillen auf dem vordern Rande des Leibes auf- sitzen; zwischen den beiden mittlern steht der schwach nach abwärts gebogene, in eine abgerundete Spitze zulau- fende einfache Rüssel; neben ihm auf jeder Seite bemerkt man einen kurzen ungegliederten schmächtigen Fortsatz, welcher am innern Rande des ersten Gelenkes des ersten Fusspaares ansitzt und den ich für eine rudimentäre Palpe halten möchte. Von den 4 Fusspaaren bestehen dıe beiden ersten aus 5, die 2 letzten aus 4 Gliedern, ohne Hacken und Borsten; auch Hafıblasen waren an ihnen nicht be- merklich, obgleich ich nicht behaupten möchte, dass sie nicht vorhanden sind, indem sie eingezogen seyn können; ein ähnlicher gebogener Gürtel von Hornsubstanz, wie der oben beschriebene, verbindet die beiden hintern Fusspaare, Kein Anhang am hintern Leibesende und, wie kei der Milbe aus Cypselus apus, keine Spur von Augenpunkten. Im In- nern des Leibes sah ich nichts als Körner in einer farblo- sen Flüssigkeit, kleinere mit Molecularbewegung bis zu grossen, wie Fettblasen aussehende Kugeln. Als Ver- dauungshöhle erschien ein weiter, den mittlern Theil des Leibes ganz ausfüllender, von seinem Inhalt gelblich oder bräunlich gefärbter Raum, in welchen ein feiner aus dem Rüssel entspringender Canal (Speiseröhre) führt; einen Ausführungsgang aus diesem Magen konnte ich ebensowe- nig als eine Afteröffnung und Geschlechtswerkzeuge wahr- nehmen.

191 D. 2. März 1842. Mittheilungen von Herrn Prof. Miescher über einen neuen Parasiten der menschlichen Haut. Im December des vorigen Jabes (1841) brachte zuerst der in Zürich erscheinende öffent- liche Beobachter in einer Relation über eine Sitzung der dortigen naturforschenden Gesellschaft die Nachricht, dass Herr Prof Hexte in der Haut des äussern Gehörganges bei menschlichen Leichen einen bisher unbeachtet geblie- benen Schmarotzer entdeckt habe. Zu Ende desselben Mo- nats kam Herr Prof. Henız nach Basel und zeigte uns bei dieser Gelegenheit das neue, in den Haarbälgen sitzende Thier vor. Ueber die Stellung desselben im Systeme hatte er sich selbst noch nicht entschieden und behielt sich darüber eine nähere Untersuchung vor; er war indessen geneigt, das Thier für einen dem Octobdothrium verwand- ten Helmisthen zu halten. Diese neue Entdeckung nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und mein Inte- resse daran wurde durch das noch obschwebende Räthsel über die eigentliche Natur des Parasiten wesentlich erhöht; ich versäumte daher keine Gelegenheit, mich mit demselben näher bekannt zu machen und das Resultat dieser Unter- suchung bildete den Gegenstand eines Vortrags in der na- turforschenden Gesellschaft. Kurze Zeit nachher erschien in Mürrer’s Archiv 1842. p. 218 cine weitläufige Beschrei- bung dieses Thiers von Dr. Gustav Sımon, welcher das- selbe unabhängig von Hextre in den Haarbälgen der Haut der menschlichen Nase gefunden hatte. Da meine Unter- suchungen in den wesentlichen Punkten damit übereinstim- men, so enthalte ich mich hier einer ausführlichen Beschrei- bung und beschränke mich auf einige Momente, worin ich mehr oder weniger von Herrn Dr. Sımon abweiche. Dass der Parasit ein milbenartiges Thier sei, davon überzeugte ich mich sehr bald, indem es mir gelang, ein lebendes Individuum, obgleich aus einer schon 2 Tage alten

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Leiche, zu erhalten; in den 4 Paar Randwülsten, welche Hexte für Haftorgane ähnlich denen der Polystomen gehal- ten, erkannte ich gegliederte Füsse, und in dem unpaa- ren Endwulst einen zusammengesetzten Fressapparat. Die Gestalt des Thiers ist von Sımox richtig angegeben worden. Dasselbe ist in der Regel 5—6mal so lang als breit und besteht aus zwei deutlich von einander geschiedenen Ab- theilungen, einem Vorderleib und einem Hinterleib. Der Vorderleib ist platt und von ovaler Gestalt, am breite- sten zwischen den beiden mittlern Fusspaaren; das vordere schmälere Ende trägt die Fresswerkzeuge ohne abgetrenn- tes Kopfstück; das hintere ist breiter und geht ununterbro- chen in den langen, mehr cylindrischen und in eine stumpfe Spitze zulaufenden Hinterleib über. Die obere oder Rü- ckenseite des Vorderleibes ist vorn platt, bildet aber in der Gegend der beiden hintern Fusspaare eine starke Wöl- bung und an dieser Stelle ist die grösste Dicke des Thiers; sie beträgt ungefähr die Hälfte der grössten Breite Die Bauchseite ist flach und wird durch ein eigenthümliches Gerüste in 8 gleiche Felder eingetheilt. Dieses Gerüste kann am besten einem Brustbein verglichen werden; es besteht aus einem Mittelstück oder Körper, welcher als schmaler von zwei Rändern eingefasster bräunlicher Strei- fen zwischen dem ersten Fusspaare entspringt und sich in gerader Linie nach hinten bis zwischen das letzte Fusspaar erstreckt, und aus 5 rippenarligen symmetrischen Fortsätzen, wovon je 4 auf jeder Seite von dem Mittel- stück nach dem Seitenrande des Thiers verlaufen; die erste Rippe geht in schwacher Bogenlinie nach vorn und aussen, die dritte ziemlich queer, die letzte etwas schief nach hin- ten. Die Rippen liegen vertieft oder in Furchen und zwi- schen ihnen treten 8 deutlich erhabene länglich viereckige und in der Queere liegende Wülste hervor, die ich als: das erste oder Wurzelglied der Füsse betrachte; jedem

193 _Wulste gehört eine Rippe an, welche an dessen vorderm Rande verläuft; es erscheinen daher die 3 vordern Wülste von 2 Rippen eingefasst, während der letzte nur an sei- nem vordern Rande von einer solchen begleitet wird. Jede Rippe spaltet sich an ihrem Ende in 2 gebogene Aeste, welche sich um den vordern Theil des äussern Endes des Wurzelgliedes anlegen. Dieses Gerüste ist das festeste Ge- bilde des ganzen Thieres und bleibt nach dem Eintrocknen desselben noch deutlich sichtbar, namentlich die Rippen, welche auch dunkler braun gefärbt erscheinen; wahrschein- lich bestehen sie aus Hornsubstanz. Sımon hat die Beschaf- fenneit dieser Theile nur ungenau angegeben, so wie über- haupt die Bildung der Füsse unrichtig beschrieben und abgebildet. In Beziehung auf letztere nimmt er zwar nit Recht an, dass sie aus drei Gliedern bestehen; rechnet aber den Wulst, den ich als erstes Glied betrachte, nicht dazu; ausser diesem letztern aber hat jeder Fuss nur noch zwei Glieder, wie ich mich diesen Augenblick noch an ei- nem schönen lebenden Exemplar, das unter meinem Scuiek- schen Instrumente liegt, mit Bestimmtheit überzeuge. Das zweite Fussglied ist breiter als lang, wenn wir nämlich die Dimension, die in der Axe des Fusses liegt als Länge be- trachten; es hat die Gestalt eines spitzwinklichen Drei- eckes, dessen Basis nach vorn, die abgerundete Spitze nach hinten gerichtet ist, die eine Seite ist an den Rand des ersten Gliedes angefügt, die andere ist grösstentheils frei, indem sie nur an ihrem hintern Ende mit dem drit- ten Gliede beweglich verbunden ist. Das dritte oder End- glied ist platt, spathenförmig und erinnert mich mit seiner unbeweglichen am Rande stehenden Klauen immer unwill- kührlich an eine Maulwurfstatze; es ist nur mit seinem schmälern Ende befestigt und in der Ruhe ganz nach vorn gerichtet und an. das zweite Glied angezogen; der Rand ist mit klauenartigen, wenig oder gar nicht gebogenen Fort- 13

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sätzen besetzt, und zwar finde ich deren constant an den beiden Hinterfüssen 5, wovon 2 kleinere den Seitenrän- dern, 3 stärkere dem wie abgeschnittenen breiten End- rande angehören; an den beiden Vorderfüssen dagegen be- merke ich nur 4 Klauen, nämlich nur 2 starke und ge- wöhnlich etwas zangenförmig zusammengebogene am End- rande. Bei der Bewegung entfernen sich diese Tatzen vom zweiten Gliede und werden wie Ruder nach auswärts und rückwärts abgezogen, während zugleich das zweite Glied sich mit seinem hintern Theile in das starke Wurzelglied einschiebt. Auf diese Weise kann sich das Thierchen vor- wärts schieben, was indessen nur mit der äussersten Lang- samkeit geschieht, so wie überhaupt dasselbe sich durch grosse Trägheit auszeichnet; am raschesten sah ich es an einem Haar fortkriechen, wobei es mit seinen Tatzen das Haar umklammerte. Am Wurzelgliede sah ich nie eine Be- wegung und man könnte daraus schliessen, dass es nicht eigentlich zum Fuss gehöre, wie es auch Sımox nicht dazu rechnet; allein dann hätte jeder Fuss bestimmt nur 2 Glie- der; übrigens sehe ich auch bei andern Milben, dass sich das grosse Wurzelglied in der Regel gar nicht oder doch nur sehr unmerklich bewegt.

Die Mundtheile sind im Allgemeinen von Sımon richtig beschrieben worden; sie bestehen aus den beiden Palpen und einem zusammengesetzten Rüssel. Die Palpen sind verhältnissmässig gross und bestehen aus 2 Gliedern, aus einem hintern längern, auf welchem das vordere wie ein rundes Köpfchen aufsitzt; an letzterm befinden sich 2 nach abwärts gekrümmte Hacken und zuweilen liess sich noch ein dritter kleinerer bemerken. Die Palpen sind ziemlich beweglich, hauptsächlich ‘das vordere kleinere Glied des- selben, welches sich nach allen Seiten hin drehen kann. Zwischen den Palpen sitzt der Rüssel in Gestalt eines läng- lichen Kegels mit abgestumpfter Spitze; er ist in der Regel

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kürzer als die Palpen und nur selten sah ich ihn von glei- cher Länge; niemals länger, wie ıhn Sımon fast überall zeichnet. Er besteht aus zwei dreieckigen übereinander verschiebbaren Mandibeln und aus einer myrthenblattför- migen Unterlippe:

Von Augen oder Augenpunkten ıst keine Spur wahr- zunehmen.

Der Hinterleib ist eine unmittelbare Fortsetzung des Vorderleibs und durch keine bestimmte Grenze von ihm geschieden; er ist gewöhnlich zwei bis drei Mal so lang als der Vorderleib und läuft, nach hinten allmählıg dünner werdend, in eine stumpfe Spitze zu: Er ist zu- weilen eylindrisch;, gewöhnlich aber mehr oder weniger abgeplattet und zwar auf verschiedene Weise; am gewöhn- lichsten erscheint er, in gleicher Weise wie der Vorder- leib, von oben nach unten zusammengedrückt; in einigen Fällen sah ich ihn seitlich zusammengedrückt, wo dann das Thierchen in Gestalt einer Kaulquappe ähnlich sah. Die Haut des Hinterleibs erscheint sehr fein geringelt, wenn nämlich derselbe abgeplattet ist; ist er aber eylindrisch und mehr aufgequollen, so erscheint die Haut ganz glatt; sie besteht daher nicht &ü3 wirklichen Ringen und erhält ihr geringeltes Ansehen, wie die Nematoiden, nur durch ringförmige Furchen. Die Länge des Hinterleibs variirt sehr, während die Grösse des Vorderleibs ziemlich con- stant dieselbe ist; eine so verkürzte Form, wie sie Simon fig. 4. abbildet, ist mir jedoch nie vorgekommen, ebenso wenig habe ich unter den zahlreichen Individuen, die ich untersucht habe, je eines mit nur 3 Fusspaaren angetrof- fen; es ist mir daher auch nicht wahrscheinlich, dass wir in den kürzern und längern Formen verschiedene Entwick- lungsstufen zu sehen haben, besonders da keine gleich- zeitigen Verschiedenheiten in andern Körpertheilen wahr- zunehmen sind.

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Ueber die innere Organisation lässt sich nur wenig sagen, indem sich von eigentlichen Organen nichts erken- nen lässt. Vorder- und Hinterleib schliessen eine gemein- schaftliche ununterbrochene Höhle ein, deren Inhalt aus einer farblosen Flüssigkeit und aus Körnern besteht; die Körner sind punktförmig bis zu grössern, die wie Fettkü- gelchen aussehen, und bewegen sich nur, wenn die Füsse bewegt werden, wobei sie vorwärts und rückwärts fluctui- ren. Dieses Contentum geht ohne Unterbrechung aus dem Vorderleib in den Hinterleib über und erstreckt sich in letzterm bald bis zu seinem Ende, oft nur bis zur Mitte, wobei dann das Ende leer und glashell durchsichtig er- scheint. Dieser letztere Umstand deutet darauf hin, dass der ganze körnige Inhalt einen innern Zusammenhang hat, vielleicht von einer besondern Membran eingeschlossen ist. In der Regel, jedoch nicht immer, zeichnen sich in dem feinkörnigen Inhalt des Hinterleibs mehrere weisse oder farblose, kugelige oder eiförmige Massen aus, die vielleicht eine Beziehung zur Fortpflanzung haben, was sich nicht mit Gewissheit bestimmen lässt. Einige Mal sah ich an der Bauchseite dicht hinter dem letzten Fusspaare eine kurze Längsspalte, die ich für After oder Geschlechtsöffnung halten möchte; allein bei der weitaus grössern Zahl der untersuchten Exemplare konnte ich sie nicht wieder erken- nen und ich muss es daher unentschieden lassen, ob ich mich in jenen Fällen getäuscht habe, oder ob eine After- spalte wirklich existirt, aber bei vollkommener Schliessung sich dem Auge entzieht.

Diese parasitische Milbe erscheint nach den bis jetzt angestellten Untersuchungen als ein sehr treuer Begleiter des Menschen. Gleich nachdem mir Hexre’s Entdeckung bekannt geworden, untersuchte ich die Haut des äussern Gehörgangs bei allen im Spital Verstorbenen, nach der von ihm angegebenen Methode, indem ich feine senkrechte

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Abschnitte unter das Mikroscop brachte. Unter den 7 er- sten Leichen, welche ich auf diese Weise untersucht habe, vermisste ich den Parasiten nur bei einer einzigen. Auch später suchte ich ihn häufig gelegentlich auf und fast nie vergebens, besonders seitdem mir durch Sınon dessen An- wesenheit auch in der Haut der Nase bekannt geworden ist; finde ich ihn an dem einen Ort nicht, so kann ich fast sicher darauf zählen, dass er am andern vorhanden ist; meistens findet er sich an beiden zu gleicher Zeit. Er sitzt immer in den Haarbälgen den Vorderleib nach dem Grunde desselben hingerichtet, gewöhnlich, besonders im Ohre, so, dass das Ende des Hinterleibs in der Oeffnung des Haarbalgs liest und als ein kurzer stumpfer Stachel neben dem Haarschafi sichtbar wird. Am häufigsten fand ich nur einen in einem Haarbalge, zuweilen zwei, selten mehrere, Sımon sogar einmal 13 in einem und demselben, freilich krankhaft erweiterten Balge. Es ist nicht schwer, ihn auch aus lebenden Menschen zu erhalten, indem man mittelst des zugeschärften Endes eines Scalpelheftes den Inhalt der Haarbälge an den Seiten der Nasenflügel oder auch im Eingange des äussern Gehörganges herausdrückt. Auf den Haarbalg scheint die Milbe keinen nachtheiligen Einfluss auszuüben und wenn sie auch in den sogenannten CGomedonen angetroffen wird, so ist dieses keineswegs die Regel; ich habe sie im Gegentheil nur ausnahmsweise in wirklichen Comedonen gefunden, gewöhnlich in ganz ge- .sunden Haarbälgen. Ob sie auch an andern Körperstellen als gerade an der Nase und im Gehörgang vorkömmt, kann ich noch nicht entscheiden ; ich habe wiederholt die Haut von verschiedenen Körpergegenden, von sogenannten nack- ten und von stark behaarten untersucht, und zwar bei Leichen, bei denen ich den Parasiten im Ohr oder an der

Nase aufgefunden hatte, ohne je denselben anzutreffen,

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Sımox hat dem Thierchen vorläufig den Namen Acarus follieulorum gegeben, den es indessen nicht behalten kann; es gehört zwar ohne Zweifel in die Familie Acarina, aber keineswegs zum genus Acarus, wie es Nırzsch eingegränzt hat; überhaupt lässt es sich in keinem der bisher aufge- stellten gezera unterbringen; ich erlaube mir daher für das- selbe, in Berücksichtigung seiner hervorstechenden Eigen- thümlichkeiten, den Namen Macrogaster platypus vorzu- schlagen (Maxeos longus, vaoınp abdomen, zAarVs latus, zoÜs pes). ?

D. 16. März. Herr Prof. Mieschrr, über eigen- thümliche Schläuche in den Muskeln einer Hausmaus.

Bei der Untersuehung dieser Maus, welche in meiner Wohnung gefangen worden war, fiel mir gleich beim Ab- ziehen des Fells ein sonderbares gestreiftes Aussehen der Muskeln, die etwas blässer waren, als gewöhnlich, in die Augen. Dasselbe rührte von milchweissen ziemlich starken Fäden her, welche: in kleinern oder grössern, nicht regel- mässigen Zwischenräumen zwischen den Muskelbündeln ver- liefen. Sämmtliche Muskeln des Rumpfes, der Extremitä- ten, des Halses und Gesichtes, die Augenmuskeln so wie auch das Zwerchfell zeigten diese Beschaffenheit; die Mus- keln der Zunge dagegen, so wie diejenigen des Kehlkopfes und des Schlundes und alle unwillkührlichen Muskeln, näm- lich die des Herzens, der Speiseröhre und des Darmcanals verhielten sich normal.

So viele Mäuse ich auch vorher schon zu verschiede- nen Zwecken secirt hatte, war mir doch nie etwas Aehn- liches vorgekommen und auch nachher suchte ich bei ei- ner grossen Anzahl vergebens darnach. Ich muss mich daher in dieser Mittheilung lediglich auf das beschränken, was mich die genauere Untersuchung dieses einzigen Falles

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gelehrt hat; wobei ich zum Voraus bekenne, dass es mir nicht gelungen ist, die Natur der fraglichen Muskelkrank- heit vollkommen zu enträthseln.

Die milchweissen Fäden, welche den Muskeln das ge- streifte Ansehen ertheilen, finden sich sowohl an der Ober- fläche, wie im Innern der Muskeln und laufen beständig den Muskelfasern parallel; an den Bauchwandungen bilden sie, indem sie sich in drei verschiedenen Richtungen kreu- zen, ein schönes Gitterwerk und zeigen sehr deutlich den Verlauf der Fasern in den drei platten Bauchmuskeln an. Auch ihre Länge wird bestimmt durch die Länge der Mus- kelfasern und ist daher sehr verschieden ; jeder einzelne Faden ist genau so lang als die Muskelparthie in welcher er liegt; niemals geht ein Faden von einem Muskel auf den andern über, und wo das Muskelfleisch durch inscrip= tiones tendine® in mehrere Bäuche getheilt wird, ist auch der Verlauf der weissen Fäden unterbrochen.

Unter dem Mikroscop stellt sich nun jeder einzelne Fa- den als einen cylindrischen, an beiden Enden sich ver- schmächtigenden und in eine stumpfe Spitze zulaufenden Schlauch dar, welcher von einem körnigen Inhalt strotzend angefüllt ist nnd in seiner äussern Gestaltung am meisten an den Leib einer filaria erinnert, eine Aehnlichkeit, die noch dadurch vermehrt wird, dass der Schlauch in unre- gelmässigen Zwischenräumen leichte Einschnürungen zeigt und nicht so gestreckt verlauft wie die Muskelfasern, son- dern hier und da wellenförmige Biegungen beschreibt. Die Dieke der Schläuche beträgt ungefähr das 4—Ö6fache des Durchmessers der Muskelbündel; er variirt nämlich von 4ı—Vs3 Par. Linie. Eine einfache durchaus structurlose Membran bildet die Wandungen der Schläuche; aus dicht- gedrängten und wie untereinander zusammengebackenen Körnern besteht der Inhalt derselben. Die Körner haben einen bestimmten eigenthümlichen Charakter und lassen

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sich nicht leicht mit andern bekannten Gebilden verglei- chen ; weitaus die meisten sind länglich und nierenförmig gebogen ; ihre Länge beträgt 0,0034—0,0054 Par. bei einer Dicke von 0,0014—0,0024, und zwar ist dabei zu bemerken, dass je grösser die Länge eines Körperchens, um so geringer die Dicke desselben; andere in kleinerer Anzahl sind sphärisch und von ziemlich gleichbleibender Grösse; ihr Durchmesser variirt von 0,0027 —0,0031. Zwi- schen diesen beiden Formen finden sich die mannigfaltig- sten Uebergänge, welche nicht zweifeln lassen, dass die einen, nämlich die nierenförmigen, eine höhere Ausbildung der andern sind, Ueber die Natur dieser Körperchen lässt sich bei ihrer Kleinheit nicht viel erkennen; jedoch kann man sich mit Bestimmtheit überzeugen, dass sie keine ein- fachen Zellen sind; ihr Inneres besteht aus Körnchen oder ganz kleinen, nicht messbaren Bläschen, die warscheinlich von einer einfachen Membran umschlossen und zusammen gehalten werden.

Was sind nun diese Schläuche, was die darin in so ungeheurer Anzahl vorhandenen eigenthümlich gestalteten Körperchen? Die Antwort auf diese Frage muss ich vor der Hand schuldig bleiben. Es bieten sich zwei mögliche: Erklärungen der beschriebenen Erscheinungen dar. Ent- weder nämlich haben wir darin einen eigenthümlichen Krankheitszustand der Muskeln zu erblicken, welcher sich nur auf einzelne Muskelbündel beschränkt und hauptsäch- lich darin besteht, dass statt der Muskelfibrillen sich jene Körperchen in der structurlosen Hülle des Muskelbündels erzeugen, sich anhäufen, die Hülle ausdehnen und in jene Schläuche umwandeln. Oder aber, was eine grössere Wahr- scheinlichkeit für sich hat, wir haben es mit einer eigen- thümlichen parasitischen Bildung zu thun, welche sich die Hülle der Muskelbündel zur Wohnstätte auserwählt und daraus die eigentliche Muskelsubstanz verdrängt. Hiefür

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spricht namentlich das Verhalten der um die Schläuche an- liegenden Gewebe, welche in keiner Weise krankhaft ver- ändert erscheinen, wie es bei den uns bekannten patholo- gischen Processen sonst immer der Fall ist; während wir häufig zu sehen Gelegenheit haben, dass Parasiten in und zwischen den Geweben sich aufhalten, ohne irgend eine entzündliche Reaktion in denselben hervorzurufen. Dass die Membran der Schläuche identisch ist mit der Hülle der Primitiv-Muskelbündel, davon glaube ich mich bestimmt überzeugt zu haben, indem ich hier und da Schläuche fand, an deren einem Ende noch ein Stück eines unverän- derten Muskelbündels als unmittelbare Fortsetzung aufsass. Die in den Schläuchen angehäuften Körperchen wären so- mit der eigentliche Parasit; ob derselbe vegetabilischer oder thierischer Natur sei, darüber mögen fernere Unter- suchungen entscheiden.

Zum Schlusse erlaube ich mir noch, an eine Beobach- tung von Bownmann zu erinnern, welche einiges Licht auf die beschriebene Beschaffenheit der Muskeln der Hausmaus werfen kann. Bowmann nämlich fand unter den Muskel. bündeln eines sonst gesunden Aales einen Primitivmuskel- bündel, der einer durchsichtigen Röhre glich, und eine Menge (über 100) kleinere, nach Art der Trichina spiralis zusammengerollter, schmarotzender Würmer enthielt. Die Scheide der primitiven Muskelbündel, welche diese Röhre bildete, war unversehrt, und liess in ihrem Innern auch keine Spur von primitiven Fasern erkennen, indem diese wahrscheinlich den Würmern zum Futter gedient hatten. Aus den nachher an beiden Enden angerissenen Röhren schlüpften mehrere Würmchen hervor und bewegten sich auf mannigfache Weise. Sie hatten eine Länge von Yas ”, waren an dem einen Ende stumpf abgerundet, an dem an- dern dagegen stark verschmächtigt. In ihrem Innern ent- hielten sie blasig-körnige Masse ohne irgend eine auffal-

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lende Struktur; nirgends war an’ der Oberfläche der Thiere eine Oeffnung zu entdecken. Zwischen diesen Würmern befanden sich in jener Röhre ovale Körperchen, welche in Grösse den zusammengerollten Würmern gleichkamen; bei näherer Untersuchung stellten die ovalen,Körper eine Cyste vor, welche blasig-körnige Masse enthielt und unentwickelte Würmer darzustellen schien. Kein anderer Muskelbündel des Aals zeigte ein ähnliches Verhalten; freilich wurde aus Mangel an Zeit in dem Aale nicht ganz genau darnach ge- sucht, Diese Würmer erinnerten Bownmann zwar an Tri- china spiralis; doch unterscheiden sie sich von diesem Parasiten bestimmt dadurch, dass Trichina spiralis immer ausserhalb der Muskelbündel-Scheiden in einer Oyste für sich wohnt, während jene Würmer gesellig in einer röh- renförmigen Scheide leben. (cf. Bownann, or the minute structure and movement of voluntary muscle, in Philos. Transact. 1840. T. I p. 480, daraus im Auszug in Wıec- manx’s Archiv 1841. Jahresbericht p, 296).

D. 31. März 1841. Herr Prof. VArentın aus Bern, als Gast anwesend, legt der Gesellschaft ein schönes Exem- plar von Siren lacertina vor und knüpft daran einige all- gemeine Bemerkungen über die Familie der Reptilien, wel-

che den Uebergang zu den Fischen bilden.

D. 10. Nov. 1841 zeigt Herr Seur ein Exemplar der hier selten vorkommenden Scutigera araneoides vor.

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v1. ANTHROPOTOMIE, ZOOTOMIE UND PHYSIOLOGIE.

D. 10. u. 24. Nov. 1841 gibt Herr Dr. E. Hıcensach eine nähere Beschreibung von einzelnen Organen des Cro= codilus lucius, wie sie ihm bald nach der Sektion des noch im frischen Zustande befindlichen Thieres von Herrn Prof. Mıec zur genauern Untersuchung überlassen wurden: näm- lich der Zunge, des Kehlkopfs, der Lungen, des Herzens und der Augen.

Der Verfasser beginnt mit der Beschreibung der Zunge, welche sich als einen länglichten, plattgedrückten , nach vorn zugespitzten fleischigen Körper darbietet, der von al- len Seiten an den Boden des Mundes fest angedrückt ist. Sie ist vorn am dünnsten und nimmtgegen die Basis merk- lich an Dicke zu, wo sie einen konkav gestalteten Rand zeigt. An diesen Rand legt sich der hervorspringende obere Theil des Zungenbeins, welcher hier einigermassen die Stelle einer Epiglottis vertritt, Die Haut, womit die Zunge an den Boden der Mundhöhle befestigt ist, bietet eine rauhe, feilenartige Oberfläche dar, welche bei genaue- rer Untersuchung eine Menge von einzelnen, in linienarti- gen Reihen verlaufenden, harten Schüppchen zeigt, die mit einem fein ausgezackten Rande versehen sind. Da, wo sie den vordern Theil der Zunge überzieht, behält sie eben- falls diese rauhe Beschaffenheit, nur mit dem Unterschiede, dass hier keine Schüppchen mehr, sondern Körnchen zu bemerken sind, welche sich in spiralförmig gewundenen Linien um jede einzelne Geschmackswarze herumlegen. Gegen den hintern Theil der Mundhöhle geht der rauhe körnige Theil auf einmal, durch eine Queerlinie abgegrenzt, in den

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schleimhäutigen Theil über, welcher nun auch den übri- gen Theil der Zunge überzieht. Deutliche Geschmacks- warzen konnte der Verfasser nur an dem vordern Theile der Zunge beobachten, an dem übrigen Theile bemerkte er nur einzelne kleinere Grübchen, welche ihm Ausmün- dungen von Schleimdrüschen zu seyn schienen. Die Sub- stanz der Zunge besteht grösstentheils aus einer fettarti- gen Masse, welche nach unten, wo sie unbedeckt da liegt, ein drüsenartiges Aussehen darbietet. Eine wirkliche Un- terkieferdrüse, wie sie Mayer in Bonn (Analekten für ver- gleichende Anatomie, erster Theil) annimmt und beschreibt, konnte der Verfasser nicht unterscheiden.

Aus dem Mitgetheilten geht ziemlich einleuchtend her- vor, dass die Zunge des Krokodils nicht nur als Geschmacks- organ, sondern auch als Bewegungsorgan auf einer niedern Stufe steht. Die wichtigste Funktion scheint sie dem Ver- fasser als Schlingorgan zu verrichten, da sie bei gleichzei- tig gehobenem Zungenbeine die Speisen gegen den Rachen andrückt und somit das Hinuntergleiten derselben befördert.

Hinter der Zunge befindet sich nun eine grosse rund- liche Vertiefung, welche in ihrem ganzen Umfang von ei- ner Schleimhaut, (die als die Fortsetzung der Mundschleim- haut zu betrachten ist) überzogen ist. Man könnte sie als den isthmus faucium bezeichnen. Sie wird nach vorn und zum Theil seitlich durch einen fast senkrecht in die Höhe stehenden, starken knorplichten Körper, welcher bei geöff- netem Rachen sogleich in die Augen fällt, nach hinten aber durch einen wulstartig hervorragenden Rand der Schleim- haut des Rachens gebildet, den man als ein Rudiment des velum palatinum betrachten könnte. Jener knorplichte Körper ist der obere freistehende Theil des sehr stark ent- wiekelten Zungenbeins, welcher hier als eine Art von Kehl- deckel zu funktioniren scheint. Aus der Mitte der genann-

ten Vertiefung erhebt sich, ebenfalls von derselben Schleim-

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haut bedeckt, als ein konvex gestalteter, sanft abgerunde- ter Körper der Kehlkopf, von welchem später die Rede seyn wird.

Das Zungenbein, dessen Beschreibung sich am füg- lichsten an die der Zunge anschliessen lässt, zeigt bei’m Krokodil eine ganz eigenthümliche Bildung. Es stellt das- selbe einen grösstentheils aus Knorpelmasse bestehenden, von einer starken fibrösen Haut überzogenen Körper dar, dessen Gestalt am besten mit einem Wappenschilde vergli- chen wird. Es ist nämlich fast viereckig gestaltet, oben etwas breiter als unten und hat nach aussen eine gleich- mässig konvexe, nach innen eine konkave Fläche, und läuft nach oben in den schon früher erwähnten kehldeckelarti- gen Rand aus. Der untere Rand des Zungenbeins ist ein- wärts geschweift und läuft zu beiden Seiten in eine stum- pfeEcke aus. An den beiden Seitenrändern, wo der Knor- pel am dicksten und härtesten ist, indem er hier in wirk- liche Knochenmasse übergeht, befindet sich, ungefähr in der Mitte, ein rundlicher Einschnitt. Diesen füllt ein an- sehnlicher Knochenfortsatz, das sogenannte Zungenbeinhorn aus, welches daselbst nach Art eines Gelenkes beweglich eingefügt ist und durch ein besonderes fibröses Band fest- gehalten wird. Die Zungenbeinhörner bilden zwei längliche Schenkel, welche zuerst rundlich gestaltet sind, und dann, nachdem sie sich unter einem stuinpfen Winkel einwärts gebogen haben, in ein plattes fast dreieckig gestaltetes knorplichtes Ende auslaufen. An diese Hörner setzen sich die meisten Muskeln fest, welche zur Bewegung des Zun- genbeins dienen. Von der innern Fläche des Zungenbeins, den mittlern Raum einnehmend, erhebt sich der Kehlkopf, welcher durch bloses Zellgewebe an jene befestigt ist.

Unter den beiden Muskeln, welche die Zunge. bewe- gen und sich mit der Substanz derselben vermengen, wo- von der eine der Vorwärtszieher, der andere der Rück-

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wärtszieher genannt wird, verdient der letztere wegen: sei- ner eigenthümlichen Beschaffenheit eine besondere Berück- ‚sichtigung. Es spaltet sich nämlich dieser ansehnliche, fleischige Muskel, den man als musc. hyoglossus oder ce- rato-glossus bezeichnet, bald nach seinem Ursprunge vom mittlern Theile des Zungenbeinhorns in S bis 9 einzelne Bündel, welche sich gegenseitig durchkreuzen, wodurch der ganze Muskel die Gestalt einer plattgedrückten Aehre annımmt. Die sich so durchflechtenden Faserbündel sen- ken sich in die Fettmasse der Zunge und erstrecken sich, diese durchdringend, theils an den seitlichen Rand, theils an die vorderste Spitze derselben, wo sie sich häufig mit den Fasern des Vorwärtsziehers der Zunge, oder dem musc. genioglossus vermengen. Was nun diesen letztern Muskel betriift, so. besteht er ganz vorn an der Spitze der Zunge, wo er an den innern Winkel des Unterkiefers be- festigt war, aus zwei starken Muskelbündeln. Diese wer- den bald nach ihrem Ursprunge allmählig dünner und lö- sen sich, so wie sie den beiden Seitenrändern der Zunge näher rücken in lang gezogene Fasern aus, welche fast pa- rallel aneinander gereiht, die Gestalt. einer Membran an- nehmen.

Der Verfasser erwähnt noch eines zweiten, kleinern musc. genioglossus, den Becker und Cuvier beschreiben, den er selbst aber an seinem Exemplare nicht auffinden konnte.

In die Beschreibung der übrigen ziemlich zahlreichen und zum Theil sehr ansehnlichen Muskeln des Zungenbeins kann der Verfasser nicht mit Genauigkeit eintreten, da die- selben von ihrem respektiven Ansatzpunkte abgeschnitten und somit nur vermuthungsweise definirt werden konnten.

Der Kehlkopf nimmt, wie schon oben bemerkt wor- den, den mittlern konkaven Raum des Zungenbeins ein. Er ist äusserlich von derselben Schleimhaut bekleidet, welche

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den obern Theil des Schlundes überzieht, doch hat die- selbe hier eine zärtere, fast sammtartige Beschaffenheit und ist faltenlos. In der Mitte öffnet sich als eine ungefähr einen Zoll lange Spalte die Stimmritze, welche zu beiden Seiten von einem stark aufgewulsteten Rande begrenzt ist. Er besteht aus zwei Knorpeln, einem Ringknorpel (carti- lago cricoidea) und einem paarig vorhandenen giesskannen- förmigen Knorpel (cartilago arytenoidea). Der Ringknor- pel, dessen hintere Fläche eine breite Wand bildet, wäh- rend die vordere um mehr als 2 Drittheile schmäler ist, scheint seiner Lage und Construction zufolge den Schild- knorpel zu ersetzen, welcher hier gänzlich fehlt. Die ‚Giesskannenknorpel stellen zwei einzelne Bögen dar, des- sen beide Schenkel nach oben in einem fast spitzen Winkel zusammenlaufen. Der vordere dieser Bogenschenkel setzt sich mitten auf den vordern, der hintere mitten auf den hintern Rand des Schildknorpels fest. Der Zwischenraum zwischen beiden Schenkeln wird durch eine feine seröse Haut ausgefüllt.

An diese beiden Knorpel sind nun äusserlich mehrere Muskeln befestigt, welche vorzüglich zur Erweiterung und Verengerung der Stimmritze dienen. Der Erweiterer der Stimmritze entspringt mit einem schmälern Theile vom ‚Zungenbeine, mit einem breitern vom Seitenrande des Ring- knorpels und setzt sich an den wulstigen Rand der Stimm- ritze. Zieht sich der Muskel zusammen, so entfernt er die beiden Schenkel der Giesskannenknorpel, (welche auf ihrer Unterlage beweglich eingefügt sind), von einander und erweitert somit die Oeffnung der Stimmritze. Der andere Muskel, welcher die Stimmritze verengt, und zu- gleich geeignet ist, den Ringknorpel etwas zusammenzu- ‚drücken, überzieht fast den ganzen Kehlkopf und setzt sich mit einer gemeinschaftlichen Sehne an die Giesskannen- 'knorpel fest. Die Wirkung dieses Muskels wird noch durch

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einen viel kleinern unterstüzt, welcher vom obern Rande des Ringknorpels entspringt und sich an den innern Rand des vordern Schenkels des Giesskannenknorpels ansetzt.

Die Luftröhre stellt einen 14%, Zoll langen, von vorn nach hinten etwas zusammengedrückten Cylinder dar, der von oben nach unten allmählig schmäler zulaufend, sich in 2 Aeste theilt, wovon jeder in die Lunge der ent- sprechenden Seite (von hinten) eindringt. Von den 66 Knor- pelringen , welche die Luftröhre zusammensetzen, sind 53 vollkommen geschlossen, die 13 obersten hingegen bieten nach vorn eine Lücke dar, welche durch die fibröse Haut ausgefüllt wird, die die Zwischenräume zwischen den ein- zelnen Knorpeln überzieht. Die Zahl dieser unterbroche- nen Knorpel scheint übrigens nicht konstant zu seyn, da HumsoLp ihrer nur 9, WGeorrroy St. Hıraıre 10, Duvernay 16, und andere Schriftsteller noch mehr angeben. Der linke Luftröhrenast ist etwas länger als der rechte, der rechte dagegen etwas breiter und stärker als jener. Die einzelnen Knorpelringe zeigen hier nicht mehr die regel- mässige, gleichförmige Construktion wie an der Luftröhre; öfter sind zwei miteinander verwachsen.

Die Lungen stellen zwei längliche, nach oben und un- ten etwas zugespitzte Säcke dar, welche im unaufgeblase- nen Zustande eine rundliche und faltige Oberfläche haben. Werden sie aufgeblasen, so nehmen sie bedeutend an Um- fang zu und es erhebt sich dann die ganze Oberfläche zu einer Menge dicht aneinander gereihter, grösserer oder kleinerer Bläschen. Die äussere Haut der Lungen, welche sehr zart und halb durchsichtig ist, wird in ihrem ganzen Umfange. von der pleura überzogen, und zwar so, dass die letztere überall durch Zellgewebe innig an dieselbe be- festigt ist. Es erfordert daher eine besondere Vorsicht, diese beiden Häute von einander zu trennen; nur allzu- leicht verletzt man bei dieser Arbeit die zarte Membran

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des Lungensackes und verliert somit den Vortheil, die Lunge in ihrem ganzen Umfange aufzublasen.

Bei einer sorgfältigern Untersuchung erkennt man bald, dass in jeder Lunge verschiedene von einander abgeson- derte Räume oder Höhlen vorhanden sind, welche durch ein eigenthümliches Geflecht von maschen- oder netzartig gebauten Faserbündeln gebildet werden, und in deren jede ein Theil der Luftröhre mit freier Oeffnung einmündet. Der Verfasser unterschied 4 grössere solcher Höhlen, wo- von 2 in dem obern, und 2 in dem untern Theile der Lunge sich ausbreiteten, und 4 bei weitem kleinere, wel- che den mittlern Theil derselben einnahmen. Bemerkens- werth ist es, dass in jeder der grössern Höhlen die be- zeichneten Maschen oder Netze (welche im Ganzen genom- men am besten mit den trabeculis carneis der Herzkam- mern verglichen werden können), auf eine besondere Weise angeordnet sind, wodurch sich jede, abgesehen von dem Umfang und der Form, merklich von der andern unter- scheidet. Der Verfasser glaubt übrigens, dass der Bau der, Krokodil- Lungen im Ganzen noch lange nicht hinläng- lich untersucht und bekannt sey.

Als etwas Eigenthümliches muss endlich die Art und Weise bezeichnet werden, wie die Luftröhre sich in den einzelnen Lungenhöhlen endigt. Es geschieht diess näm- lich nicht auf die Weise, dass die den beiden Lungen ent- sprechenden Luftröhrenäste sich immer mehr verästeln und vertheilen, und in Verbindung mit den verschiedenen Lun- gengefässen sich allmählig in die Substanz dieses Organs gewissermassen auflösen, sondern die beiden Luftröhren- äste hören wie mit einem Male auf, indem sie in mehrere, theils grössere , theils kleinere Oeffnungen auslaufen, wel- che unmittelbar in die oben bezeichneten Höhlen einmün- den. Gewöhnlich zeigen die Ränder der grössern Aus- gänge mehrere hervorspringende Zacken oder Spitzen, an

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welche sich, ähnlich wie bei den Valveln des Herzens, die srössern Trabekein des Maschennetzes ansetzen, und in- dem sie an dieser Stelle eine viel solidere (fibrös -kartila- ginöse) Beschaffenheit annehmen, zum Stützpunkte dersel- ben dienen.

Das Herz des Krokodils ist wie bei den Säugethieren in einen Herzbeutel eingeschlossen, doch besteht er nicht, wie bei jenen, aus einer serösen, sondern aus einer fi- brösen Membran, welche ein sehr starkes, fast lederar- üges Aussehen hat.. Es hängt diese Haut unmittelbar mit der Sehnenhaut des Zwerchmuskels zusammen, mit wel- cher sie in ihrer Consistenz und übrigen Beschaffenheit ziemlich übereinstimmt.

Das Herz selbst besteht nach den genauesten und rich- ügsten Untersuchungen, wie bei den Säugethieren und Vö- geln aus 4 von einander vollständig abgegrenzten Höhlen, 2 Vorkammern nämlich und 2 Herzkammern. Die Grösse desselben ist im Vergleiche mit derjenigen des ganzen Kör- pers keineswegs beträchtlich; es mag dasselbe ungefähr so gross seyn wie das Herz eines 6 oder Sjährigen Kindes. Die Form des eigentlichen Herzens oder der beiden Herz- kammern hat so ziemlich Aehnlichkeit mit dem menschli- chen Herzen, indem es ebenfalls konisch gestaltet ist. Als etwas Eigenthümliches muss bei der Beschreibung der äus- .sern Konformation des Herzens erwähnt werden, dass alle von den beiden Herzkammern abgehenden Gefässstämme in einen gemeinschaftlichen Sack von sehr ansehnlicher Aus- dehnung (cozus s. bulbus arteriosus) sich vereinigen. In ihn münden sich die beiden Haupt - Aortenstämme sowohl als die Lungenarterie, doch ist jedes dieser Gefässe durch eine Zwischenwand von dem andern getrennt. Bemerkens- werth ist noch, dass das Herz an seiner Spitze durch ei- nen starken, sehnichten Fortsatz an den Herzbeutel gehef- tet ist. Was nun die einzelnen Theile des Herzens betrifft,

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so hebt der Verfasser folgende Punkte hervor. Die rech- teVorkammer ist sehr geräumig und besteht aus einem häutigen Sacke mit faltiger Oberfläche, welcher sich im Ganzen der dreieckigen Form annähert. Den nach innen befindlichen Vorsprung oder Anhang kann man als Herz- ohr bezeichnen. Es münden sich in dieselbe drei ganz dünnhäutige Venen, die ven& cav@, zwei obere, eine rechte und eine linke, und eine untere. Ehe diese Venen die Kammer erreichen, vereinigen sie sich in einem häuti- gen Sacke oder Sinus, der vollkommen gleich beschaffen ist wie die Venen selbst. Die Wände der Kammer sind mit einer dünnen Schicht von ästig verlaufenden Muskel- fasern (sogenannten trabeculis carneis) überzogen.

Die rechte Vorkammer mündet mit einer ziemlich an- 'sehnlichen Oeffnung in die rechteHerzkammer. Diese Oeffnung ist von zwei deutlichen Klappen oder Valveln be- grenzt, wovon die äussere stärkere muskulös, die innere aber nur häutig ist. Die Wände dieser Kammer sind ziem- lich dünne, doch erstrecken sich über dieselbe in verschie- dener Richtung ansehnliche Muskelbündel. Nach oben, un- gefähr da, wo im menschlichen Herzen die Vorkammer sich einmündet, befindet sich der Eingang in die linke her- absteigende Jorta und an dieser Stelle bemerkt man zwei starke halbmondförmige Klappen. Gleich hinter diesen Klappen, noch mehr nach oben und links befindet sich eine Art von Sinus, welcher sich in die für die Arteria pulmonalis bestimmte Abtheilung des conus arteriosus hin- ein erstreckt. Diese letztere Abtheilung, welche sich wei- terhin in zwei Hauptäste, einen rechten und einen linken Lungenast spaltet, nimmt unter den drei Hauptstämmen, welche den conus arteriosus zusammensetzen, bei weitem den grössten Raum ein. Wenn man die innere der vorhin erwähnten Klappen, welche den Eingang zur linken Aorta begrenzen, einschneidet, so stösst man auf einen ansehn-

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liehen Knorpel von fast knöcherner Consistenz, welcher wahrscheinlich zum Stützpunkte der Klappen dient. In der Mitte desselben befindet sich eine rundliche Oeffnung, wel- che für die Bedeutung des Kreislaufs von besonderer Wich- tigkeit ist, (wie sich später zeigen wird).

In die linke Vorkammer münden, ebenfalls durch Vermittlung eines besondern Sizus die beiden Yen pulmo= nales. Sie ist bei weitem (wohl um das Afache) kleiner als die rechte und hat eine unregelmässige, längliche Gestalt und zeigt an ihrer Oberfläche mehrere starke Einschnitte und Vertiefungen. ImInnern ist sie mit einem feinen, fast netzartigen Geflechte von Fleischfasern besetzt. Der Eingang in die linke Herzkammer ist durch zwei ansehnliche Klappen begrenzt, welche beide eine häutige Beschaffenheit haben. Die linke Herzkammer ist eiwas plattgedrückt und zeigt an ihrer Oberfläche deutliche Muskelfasern, welche von der Basis gegen die Spitze hin in concentrischen Krei- sen zusammenlaufen. Sie hat sehr dicke Wandungen, im Verhältniss noch dickere als bei’'m menschlichen Herzen, welche inwendig mit starken, vielfach sich durchkreuzen- den Fleischfasern besetzt sind. Demzufolge ist der innere Raum dieser Kammer sehr klein. Nach oben und etwas nach rechts vom oben bezeichneten Ostium venosum be- findet sich der Eingang in die rechte herabsteigende Jorta und in die für den Kopf und die obern Extremitäten be- stimmten Gefässe. Die erstere ist nur durch eine unvoll- ständige Scheidewand von der letztern getrennt. Diese bestehen aus zwei einzelnen Stämmen, einem schwächern, mehr nach rechts gelegenen, und einem stärkern mehr nach links laufenden Aste, welcher sich bald wieder in zwei Aeste theilt. Durch diese Gefässe werden der Kopf und Hals, so wie die obern Extremitäten mit Blut versorgt.

Der Kreislauf ist nun, der angegebenen Beschreibung zufolge, bei’'m Krokodile folgender: Aus der rechten Vor-

213 kammer, welcher die ven® cava das Blut zugeführt haben, fliesst dasselbe in die rechte Herzkammer, aus dieser gleich- zeitig in die linke herabsteigende Aorta und in die Lun- genarterie; aus den Lungen ergiesst sich das gereinigte oxydirte Blut durch die Lungenvenen in die linke Vorkam- mer, aus dieser durch das ostium venosum in den linken Ventrikel, und von da aus theils in die rechte herabstei- gende Aorta, theils in die für den Kopf und die obern Extremitäten bestimmten Gefässe. So vollständig dieser Kreislauf (wenigstens im Vergleich mit den übrigen Fami- lien der Amphibien) auf den ersten Blick erscheint, so ergeben sich doch bei einer genauern Erwägung der Ver- hältnisse mehrere Unvollkommenheiten, die hier in Kurzem angeführt werden sollen. Erstens geht ein Haupt- Arterien- stamm, die linke herabsteigende Aorta (welche die Unter- leibseingeweide mit Blut versorgt) von der rechten Herz- kammer ab, und es bleibt somit das in diesem Arterien- stamme enthaltene Blut vom Kreislauf durch die Lungen ausgeschlossen, und enthält blos venöses Blut. Zweitens befindet sich an der Basis der beiden Aorten-Klappen eine schon oben erwähnte Oeffnung, wodurch die Räume des rechten und linken Aorten- Stammes mit einander kommu- niziren, und somit das gereinigle arterielle Blut des rech- ten Aorten- Stammes mit dem venösen des linken vermischt wird. Endlich drittens befindet sich ein Verbindungsgefäss zwischen den beiden herabsteigenden Aorten -Stämmen, wo- durch ebenfalls eine Vermischung beider Blutströme her- beigeführt wird.

Der Verfasser bemerkt, dass seine eigenen Untersu- chungen mehr mit den Angaben Mecxer’s übereinstimmen als mit denjenigen Cuvıer’s, welcher bekanntlich die bei- den Herzkammern desKrokodils als eine gemeinschaftliche, aus drei Abtheilungen bestehende Herzkammer betrachtet. Uebrigens glaubt er, dass die Bildung und innere Einrich-

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tung des Herzens je nach den einzelnen Species merkliche Abweichungen darbieten mag. Als eine sehr willkommene Anleitung benützte er die sehr gründliche Beschreibung des Herzens von Crocodilus lucius, welche Bıscuorr in Mürter’s Archiv (Jahrgang 36. p. 1. und folgende) mitge- theilt hat.

Schliesslich theilt der Verfasser noch die wichtigsten Punkte über die Augen des Krokodils mit. Der Aug- apfel ist nicht rundlich wie bei’m Menschen und den mei- sten Säugethieren, sondern plattgedrückt und zwar in der Richtung von vorn nach hinten, so dass er mit einer Zwie- bel verglichen werden kann. Die Grösse desselben mag ungefähr derjenigen des Kalbsauges gleichkommen. Die vordere Fläche nimmt die Hornhaut ein, welche einen ovalen Umkreis bildet. Sie befindet sich, wenn man den Augapfel von vorn betrachtet, nicht ganz in dessen Mitte, sondern etwas über derselben. Die Sclerotica hat ıhrem Aeus- seren nach viele Aehnlichkeit mit derjenigen des Säugthier- Auges, indem sie ebenfalls, wie die meisten fibrösen Häute, ein matt silberglänzendes Aussehen darbietet; doch unter- scheidet sie sich von jenem wesentlich dadurch, dass sie in ihrem grössten Umfange eine knorplichte Konsistenz zeigt, so dass dadurch das innere Auge wie von einer Kapsel umschlossen wird. Die Choroidea ist von einem schwarzen Pigment überzogen und zeigt einen grossen Reichthum an deutlich sichtbaren Gefässen. Letztere sind in 5 oder 6 Bündeln an dem vordern Rande angehäuft, von wo.aus sie sich in divergirender Richtung über die ganze Oberfläche verbreiten. An der inneren Fläche die- ser Haut, welche die äussere Fläche der Netzhaut berührt, bemerkte der Verfasser eine weissliche, schwach silber- glänzende Masse, welche mit dem Messer als ein feuchtes, gleichsam kaleinirtes Pulver, abgetragen werden konnte. Ob hier eine Art von Tapetum, wie es im Auge vieler Säuge-

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thiere so schön beobachtet wird, oder eine wirkliche, selbst- ständige Membran vorkomme, wagte derselbe, da das Auge schon viel von seiner Frische verloren hatte, nicht zu ent. scheiden. Was den Sehnerven betrifft (die Nervenhaut selbst konnte nicht mehr im unversehrten Zustande beobach- tet werden) so war derselbe in einer besonderen fibrösen Scheide eingeschlossen und verhältnissmässig sehr dünn: auch zeigte er sich nicht ganz rundlich, wie er bei den höheren Thieren zu sein pflegt, sondern etwas plattgedrückt. Unter den übrigen Gebilden des Auges boten die Iris und das corpus ceiliare nicht uninteressante Abweichungen dar. Die Iris stellt eine gelblich-grüne Membran dar, welche in der Mitte durch eine länglichoväle, vertical gestellte Spalte, die Pupille, unterbrochen wird. Sie hat ferner das Eigenthümliche, dass sie keine Faserbildung zeigt, sondern eher ein fein granulirtes, körnichtes Aussehen hat. Die vordere Fläche derselben zeichnet sich durch ein sonder- bares Konvolut von schwarzen Gefässen aus, welche in traubenförmigen Bündeln an dem Giliarrande befestigt sind, und sich von da gegen die Pupille hin in vielfachen Win- dungen herabschlängeln. An der hinteren Fläche haben diese Gefässe keine so deutliche Zeichnung, sondern bieten mehr den Anblick einer Menge schwarzer, in einzelnen Gruppen bei einander stehender Punkte dar. Welchem Systeme die genannten Gefässe angehören, lässt der Ver- fasser dahin gestellt, am meisten Aehnlichkeit scheinen sie ihm, ihrer ganzen Anordnung nach, mit Saugadern zu be- sitzen. Die Iris setzt sich, wie bei den höheren Thieren, an das corpus ciliare oder den Strahlenkörper fest. Die- ser ist hier verhältnissmässig sehr breit, wohl ebenso breit als bei’ m Ochsenauge und im Ganzen viek vollkommener ausgebildet als bei den meisten übrigen Amphibien. Unter den durchsichtigen Gebilden des Auges konnte der Ver- fasser blos die Krystallinse einer genaueren Untersuchung

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unterwerfen, da das Auge nicht mehr frisch genug war, um den humor aqueus und den Glaskörper rücksichtlich seiner physikalischen Eigenschaften mit gehöriger Genauig- keit zu erforschen. Die Linse war ziemlich stark ent- wickelt, sphärisch gestaltet, doch an der vordern Fläche etwas abgeplattet. Sie mochte ungefähr so gross sein wie die Linse des Ochsenauges; im Inneren enthielt sie einen rundlichen, harten Kern, von der Grösse einer stärkern Erbse. Sie war in einer besondern, sehr zarten Haut ein- geschlossen, die man bekanntlich als membrana capsulo= lenticularis bezeichnet. Sehr deutlich erkannte der Ver- fasser die membrana ciliaris oder Zonula Zinnü, welche sich an die vordere Fläche der Linse rings um den äussern Band ansetzt, so wie es ihm auch gelang, den Petit’schen Kanal durch Aufblasen darzustellen.

Der Verfasser erläutert seinen Vortrag durch eine Reihe von Abbildungen, welche die einzelnen Gegenstände in ihrer natürlichen Grösse darstellen.

D. 22. Dec. 1841 trägt Herr Dr. u. Prosector Nusser eine Abhandlung über die Schädelbildung des Krocodils vor, unter Vorweisung von Präparaten und erläuternden Zeichnungen. Gegenstand dieser Abhandlung ist

die von HerovoT, ArıstoteLes, Privivs und unter den Neuern von Vesar. und Georrror St. HıLaıre, von letz- term besonders gegen PerrAuLr und Dvverney vertheidigte Behauptung, dass das Krocodil seinen Oberkiefer auf der untern Kinnlade bewege, während diese ruhig bleibe.

Deutung der auf beiden Seiten des Craniums hin- ter den Augenhöhlen. befindlichen Löcher.

30 die Felsenbeine.

die Bulle ossew.

5% die choan«.

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In der Einleitung wird gezeigt, dass das Os transver- sum Cuv. pars pterygoidea s. pyramidalis des Gaumen- beins sei. Dieses Knochenstück liegt zwischen Flügelbein, Oberkiefer und Gaumenbein. Guvier hält es für ein demembrement des Keilbeins, gleich denjenigen Stücken, welche er frontal anterieur und posterieur nennt. GEOFFROY St. Hıraıre erklärt es für einen Theil des Gaumenbeins, von dem er vermuthet, dass es sich aus zwei verticalen Knochenkernen entwickle, und nennt es adgustal. Vid. Annales des sciences naturelles Tom. III. 1824 pag. 491.

In der zweiten Ausgabe von Cuyıer’s Anatomie com= parde findet man pag. 519 in einer Note Folgendes über dieses Knochenstück: |

„Beim Lamantin und Dugong bleibt die pars pterygoidea des Gaumenbeins lange vom @Gaumentheil getrennt, und kann als Analogon des Os transversum betrachtet wer- den, wenn man nicht lieber einen neuen Knochen in dem- selben erblicken will.”

Demnach entspricht dieses Os transversum der pars pyramidalis des Gaumenbeins beim Menschen, wo die- selbe den Ausschnitt zwischen den beiden Platten des Flügelfortsatzes ausfüllt. Die grosse Lücke zwischen die- sen Knochen, dem Oberkiefer und dem horizontalen Theil des Gaumenbeins entspräche sodann dem Canalis pterygo- palatinus anterior, oder eigentlich der ganzen Fossa pterygo= palatina.

Mechanismus der Kinnladen.

Gründe Georrroy St. Hıraıre’s für die Behauptung, dass der Oberschädel allein sich bewege, während der Unterkiefer fast gar keine oder nur sehr geringe Beweg- lichkeit besitze.*) Der Halstheil der Wirbelsäule ist aus 7

1 *) GeorrroY berichtigt die von Hzropor angegebene Thatsache dahin, dass nicht der Oberkiefer allein, sondern der ganze

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Halswirbeln zusammengesetzt, welche zwar vollkommen ge- trennt, aber nicht untereinander beweglich sind. Die Fort- sätze dieser Wirbel sind dergestalt vervielfältigt, so lang und aneinander gerükt, dass das Thier seinen Hals nicht bewegen kann, und der Halstheil der Wirbelsäule in Be- ziehung auf seine Function als ein einziger Knochen be- trachtet werden kann.

Die geraden und schiefen Kopfmuskeln, welche sich dort anheften, und ihren zweiten Insertionspunkt am Hin- terhauptsbein haben, erheben den Schädel über den Hals in ein:m Kreis von 45°.

Die Haut ist hinter der Hinterhauptsschuppe dünn, und lässt folglich alle Bewegungen zu, die dem Schädel mitge- theilt werden. Der Unterkiefer stekt im Gegentheil in ei- ner hökerigen, wenig beweglichen Haut, wie in einer Scheide. Setzt man eine hinlänglich grosse Muskelkraft voraus, um denselben herabzuziehen, so wäre er durch seine Umhül- lung daran verhindert. Er ist ferner durch sein hinteres Ende gefesselt. Denn der lange Fortsatz, welcher hinter der Gelenkfläche sich befindet, nähert sich, indem er einen Bogen macht, gerade der Stelle der Haut, wo dieselbe mit einer langen Schaale bewaffnet ist. Diese leistet einen beinahe unüberwindlichen Widerstand beim Heben des Condylus und folglich auch beim Senken des Unterkiefers. Dennoch ist derselbe nicht ganz unbeweglich, indem 2 lange dünne Muskeln demselben eine leichte Bewegung mitzutheilen im Stande sind.

Da Georrroy von einem Nilkrocodil spricht, dessen Unterkiefer um ein Sechstel länger als der Schädel sein

Hirnschädel auf dem Unterkiefer sich bewege. MARrMoLs Behauptung aber, dass der Unterkiefer desswegen unbeweg- lich sei, weil er mit dem Zungenbein verwachse, beruhe auf einem Irrthum.

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soll, und wir einen Kaiman vor uns haben, so ist schwer hierüber zu entscheiden. Indessen ist der Beschreibung der Artikulation der Kinnladen und der übrigen Schädel- theile, so wie den Abbildungen nach zu urtheilen, keine so grosse Verschiedenheit in dem Bau des Schädels zwischen Alligator und Nilkrocodil, welche bei letzterm einen so eigenthümlichen Mechanismus der Maxillen bedingen könnte.

Mein Hauptaugenmerk war bei der Section unseres Kaimans auf diesen Umstand gerichtet, und ich versichere, dass ich (den Unterkiefer ebenso beweglich wie bei andern Thieren gefunden habe. Auch lassen sich Georrrov’s Gründe für die Unbeweglichkeit des Unterkiefers leicht widerlegen. Was nämlich 1% die Unbeweglichkeit der Halswirbel, und die starken, den Schädel bewegenden Kopfmuskeln betrifft, so beweisen diese nur, dass überhaupt eine ziemlich grosse Kraft erforderlich sei, um den Kopf nach rückwärts zu ziehen. Auf keine Weise ist aber dadurch die Unbeweg- lihkeit des Unterkiefers bedingt.

Dass 20 der Unterkiefer in einer hökerigen unbeweg- lichen Haut wie in einer Scheide feststecke, beruht offenbar auf einem Irrthum. Ich fand die Haut am Halse weder straf- fer noch dicker, vielmehr war sie hier gerade am lockersten. Es scheint zwar der Unterkiefer mit seinen hintern Enden in 2 dicken Wülsten festzustecken; aber diese letztern rühren von den hier unter der Haut liegenden ungeheuren Kaumuskeln her, welche gerade zu der kräftigsten Bewe- gung des Unterkiefers gegen den Oberkiefer bestimmt sind. Freilich soll der Unterkiefer durch seinen langen Fortsatz hinter der Gelenkfläche an seiner Beweglichkeit gehindert sein, indem er einen Bogen beschreibend, gegen eine lange Schaale im Rücken anstossen soll. Von der Unrichtigkeit dieser Behauptung kann man sich indessen leicht überzeu- gen. Je mehr man nämlich den Unterkiefer senkt, desto näher rücken die genannten Fortsätze ins Hinterhaupt;

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sie gelangen also gerade an die Stelle des Nackens, dicht am Schädel, wo nach Georrroy die Dünne und Beweglichkeit der Haut die Bewegungen des Oberschädels begünstigen soll. Werfen wir noch einen Blick auf die Kieferbewegungen im Allgemeinen, so lehrt uns die Beobachtung folgendes: Der Unterkiefer bewegt sich allein, wenn sich der Mund nur mässig öffnet, soll er sich dagegen weit öffnen, so wird der Oberkiefer zugleich in die Höhe gehoben, d. h. der Kopf beugt sich leicht nach hinten gegen die Wirbel- säule. Doch sind die Bewegungen des Unterkiefers immer die ausgezeichnetsten, wenn nicht ein physisches Hinder- niss sein Herabziehen verhindert. Diese Bewegung wird durch die Contraction der Muskeln bewirkt. Der Unter- kiefer stellt hier einen Hebel der dritten Ordnung dar, dessen Kraft an der Insertionsstelle des Hebemuskels, der Stützpunkt im Gelenke des Unterkiefers mit dem Schläfen- bein, die Last aber in der Substanz, auf welche die Zähne wirken, befindlich ist. Die Grösse der Kraft der Kinn- muskeln wird nun von dem Winkel abhangen, welchen die- selben zu dem Unterkiefer bilden. Je mehr dieser Win- kel einem rechten sich nähert, desto grösser wird auch die Kraft der Muskeln sein, je spitzer dagegen derselbe ist, desto mehr wird von Muskelkraft verloren gehen.

Je grösser nämlich der Körper ist, desto mehr muss der Mund geöffnet werden, in desto schieferer Richtung gelangen sodann die Kinnmuskeln in den Unterkiefer. Da- her geht der grösste Theil der Kraft, welche sie bei ihrer Zusammenziehung äussern, verloren.

Wenden wir das oben Angeführte auf unser Krocodil an, so erklärt sich meines Erachtens hieraus die ungeheure Grösse der Kaumuskeln, welche in der That das Staunen eines jeden, der sie sah, erregten. Jeder dieser Muskel wog ein und drei Viertel Pfund. Seine Zirkumferenz be- trug ungefähr einen Fuss und sieben Zoll Pariser Maas. Der

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Querdurchmesser betrug acht Zoll und seine Dicke näherte sich einer Halbkugel.

- Betrachtet man einen Löwenschädel, so sieht man auf den ersten Blick, dass die Oberfläche, welche die Schläfen- grube, die Flügelgrube und die starke Aushöhlung am Unterkiefer für den Masseter mit eingerechnet, darbietet, kaum den halben Flügelmuskel des Krocodils aufnehmen könnte, obschon man zugeben wird, dass dem Krocodil ver- möge seiner Körpermasse verglichen mit der des Löwen, zu seiner Existenz keine grössere Kraft der Kaumuskeln als dem Löwen nöthig ist. Warum sind aber die Flügel- muskeln des Krocodils dennoch von so enormer Grösse? Diese Frage bedingt eine andere, nämlich die, warum ge- rade die Flügelmuskeln hier zu dieser bedeutenden Ent- wicklung gelangt seien, da doch bei den übrigen 'Thieren die Flügelmuskeln den andern Kaumuskeln, nämlich dem temporalis und masseter an Grösse bedeutend nachstehen. Die Lösung dieser Frage hat keine Schwierigkeit, wenn wir nur einen Blick auf das so sehr verengerte Cranium werfen, das einem hinlänglich starken termporalis keinen Insertionspunkt gewähren kann. Es füllt dieser Muskel nur das enge Loch oben auf dem Cranium aus. Ein masseter fehlt gänzlich, und zwar wohl einfach desswegen, weil an dem verkümmerten Jochbogen kein Insertionspunkt vorhanden ist; ferner, weil dasjenige, was man auf den ersten Blick für Jochbogen ansieht, nicht dieser ist, son- dern wie nachher gezeigt werden soll, eine andere Deu- tung erlangen muss.

Um nun die genannten Muskeln (termporal. und masset.) zu ersetzen, mussten die Flügelmuskeln eine verhältniss- mässige. Stärke erlangen. Dass diese sich hiezu weniger eigneten, als temporal. und masset., geht aus ihrer schie- fen Richtung gegen. den Unterkiefer hervor, wodurch. bei der Wirkung ein grosser Theil ihrer Kraft verloren ‚gehen

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muss. Was dieselben nun durch ihren ungünstigen Inser- tionspunkt an Kraft verlieren, musste an Masse ersetzt werden, und hieraus erklärt sich wohl genügend ihre un- geheure Grösse.

Die auf beidenSeiten des erarniumshinter den

Augenhöhlen befindlichen Löcher.

Sie scheinen nach Cuvıer’s Beschreibungen von etlichen Alligatoren zu schliessen, nicht allen Unterarten zuzukom- men. Es beschreibt derselbe unter Ze caiman a paupieres osseuses (crocodilus palpebrosus) eine Unterart, von der er vermuthet, dass BrumengAch sie vor Augen gehabt habe, als er die Worte schrieb: „Lacerta crocodilus scuto su= praorbitali 05seo, testa calvari® integra.” Also eine Art mit knöchernen Augenliedern, oder vielmehr mit einem Knochen im obern Augenlied, aber ohne die genannten Löcher im Schädel. Von einer dieser obengenannten sehr ähnli- chen Art sagt Cuvırr folgendes: „die Schnauze ist um ein weniges kürzer als bei dem vorhergehenden, sie ist weni- ger zusammengedrückt; die Oberfläche ist ebenso wurm- stichig (vermicule); die Dicke des obern Augenlieds ist ganz ausgefüllt mit einer Knochenlamelle, die durch Suturen in 3 Stücke getheilt ist. Bei allen übrigen Kaiman und Crocodi!en findet man nur gegen den vordern Winkel ei- nen kleinen Knochenkern, das cranium ist gar nicht durch- löchert, man bemerkt in keinem Alter ein Loch.”

Dagegen eitirt SchnEiper unter dem Namen Crocodilus trigonatus ein von Seba abgebildetes Crocodil von Ceylon, von dem Guvırr sogar glaubt, dass das Original von dem- selben in der Pariser Sammlung sich befinde; er behauptet aber, Scmneiper’s Bestimmung „foveam cranü_ ellipticam utringue carne musculari replelam reperiri” passe nicht auf dasselbe.

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Da nun Cwvırr den beiden von ihm beschriebenen Exemplaren, so wie Scuneiver’s Orocodil die Löcher im cranium auf das bestimmteste abspricht, so musste angenom- men werden, dass demselben unser Kaiman unbekannt ge- wesen sei, und dass ferner die genannten Löcher nicht allen Unterarten zukommen.

Cvvier ist hier in Beziehung auf die Angabe von Blu- menbach im Irrthum, wie aus des letztern Beschreibung in seinem Handbuch deutlich hervorgeht.

„Le crocodile (du Nil), mandibules 'elliptigues, boucliers osseux au=dessus des orbites, töt du cräne entier.”

„LeCaiman, mandibules elliptiques,tegument coriacd au-dessus des orbites, tet du. cräne bifenestre.”

„On peut reconnaitre aisement les deux trous du cräne, caractere specifigue que je lui donne, et au quel M. le professeur Schneider m’a fait faire attention, non seulement au cräne nu, mais encore A toute la tete re- vetue möme de sa peau.” Blumenbach, manuel pag. 299.)

Cuvier scheint später von seinem Irrthum zurückge- kommen zu sein, indem er nur dem Caiman &a paupieres osseuses diese Löcher im cranium abspricht. Vid. Annales du museum etc. Tom. XII. pag. 8.

Georrrov erklärt diese Löcher für den wahren Joch- bogen, während er dem bis jetzt dafür gehaltenen eine ganz andere Deutung gibt. Er sagt vom frontal posterieur:. „Ich finde an demselben alle Eigenschaften des Jochbeins. Es trägt zur Bildung der Augenhöle bei; wir unterschei- den an demselben eine äussere Fläche, eine Schläfen- und Augenhöhlenfläche; es ist mit vier Fortsätzen versehen; mit einem Stirnfortsatz, einem Schläfenfortsatz, mit einem an den grossen Flügel des Keilbeins reichenden; endlich

*) Auch Georrroy St. H. Abbildung ist nach einem Nilkrocodil gemacht, wo doch die Löcher deutlich vorhanden sind.

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mit einem Fortsatz, der sich mit dem Oberkiefer verbindet.” Es scheint zuwider, den so deutlich vor uns liegenden Jochbogen nicht für diesen, sondern für etwas ganz ande- res erklärt zu sehen. Und man hat in der That Mühe, sich mit dieser Ansicht zu befreunden. Ehe ich derselben beitrete, sei mir eine Voruntersuchung, die Mehrzahl der Stirnbeine betreffend, erlaubt. Das Stirnbein ist nach Cuvier im einfachsten Zustand ein einfacher Knochen. Im vollkommensten besteht es aus 6 Stücken. Beim Krocodil werden 5 Stirnbeine angenommen.

Worauf gründet sich aber die Annahme einer Mehr- zahl von Stirnbeinen ? Etwa auf die Entwicklungsgeschichte dieses Knochens bei den höhern Thieren? Diese lehrt uns, dass das Stirnbein sich aus 2 seitlichen Hälften nicht aber aus mehreren Stücken bilde.

So wird wohl die Function dieser Stirnbeine entschei- den, mit welchem Recht man eine Mehrzahl derselben an- nehme. Allein auch in dieser Beziehung herrscht Willkühr und Unbestimmtheit. So wird bei den nackten Amphibien das frontale medium, von Cuvırr ethmoideum genannt, während den Amphibien das Siebbein wohl auch gänzlich abgesprochen wird. Und bei den Fischen werden in der Regel 6 Stirnbeine angenommen, wo jedoch von dem grossen f. medium ausgesagt wird, dass es zur Bildung des Schä-

dels wenig beitrage.

Meines Erachtens geht aus dem Angeführten deutlich hervor, dass man nur desswegen so viele Stirnbeine an- nimmt, weil man die vorgefundenen Stücke nicht anders

zu deuten weiss.

Georrroy setzt daher mit Fug und Recht die durch willkührliche Bestimmung ihrer Function und natürlichen Verbindung entfremdeten Knochenstücke wieder in ihre

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Rechte ein.*) Was daher bei den Autoren für frontale anterius gilt, erklärt er für Siebbein. Dieses liegt. zwi- schen Thränen- und Stirnbein gerade wie die Papierplatte beim Menschen zwischen Thränenbein und Oberkiefer liegt. Dass dieser Knochen aus der Augenhöhle heraustritt, wird so wenig als im Thränenbein befremden, da ja bei meh- reren Säugethieren Jdasselbe Verhalten statt findet.

Beim Menschen wird der äussere Augenhöhlenrand zum grössern Theile vom Jochbein gebildet; beim Krocodil geschieht diess durch das sogenannte frontale posterius. Muss diess nicht das Jochbein sein? Wenn aber frontale poster. eigentliches Jochbein ist, so kann der bis jetzt da- für gehaltene Jochbogen nur ein Theil des Oberkiefers sein. Aber, wird man einwenden, ein Oberkiefer, der bis ans Schläfenbein reicht, hat kein Aralogon in der Thier- reihe, lässt also auch keine Reduction zu. Es sind aber in der That 2 Arten von Säugthieren bekannt, wo der Oberkiefer nicht nur bis ans Schläfenbein reicht, sondern sogar mit dem Schuppentheil desselben verwachsen ist. Diess findet man nämlich bei Cavia porcellus, bei einer andern Art hat es Meczken beobachtet. GEoFrrrkoY nennt das sogenannte Jochbein beim Krocodil, ein Knochenstück, das nach vorn und innen an das Thränenbein, nach aussen an das Zahnstück des Oberkiefers, nach hinten an das Jugale spurium (cotyleal) grenzt, adorbital, welches er für einen Theil des Oberkiefers ansieht. Dass es vom Oberkiefer getrennt erscheint, kann theils als ein Stehen- bleiben auf einer frühern Entwicklungsstufe betrachtet wer- den, theils findet es sein Analogon bei den Vögeln, wo man diess am deutlichsten bei den Hühnerarten gewahr wird. Hier besteht z. B. beim Auerhahn der Oberkiefer

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*) Annales des sciences naturelles. Tom. LII. 1824. pag. 253. 15

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aus 2 gänzlich getrennten Stücken, aus dem Zwischen- kiefer und dem hintern Oberkieferbein. Letzteres stellt eine längliche dünne Platte dar, die aus 2 untereinander in einem stumpfen Winkel verbundenen Aesten, einem obern vordern, dem Nasenfortsatz, und einem hintern un- tern, dem Jochfortsatz, besteht. *)

An einer Pfauenhenne fand ich noch ein drittes, etwa einen halben Zoll langes, schmales, an beiden Enden zuge- spitztes, völlig getrenntes Knochenstück, welches mit sei- nem hintern Ende an den Nasenfortsatz des Oberkiefers, mit seinem obern Rande an den untern Rand der Nasen- beine, mit seinem vordern Ende an den untern Ast des Zwischenkiefers grenzt. Bei Meleagris ist dieses Knochen- stück nur noch am Nasenfortsatz des Oberkiefers getrennt, in seinem übrigen Theil dagegen mit dem Nasenbein und dem Zwischenkiefer verwachsen. Es unterscheidet sich aber durch seine Durchsichtigkeit noch deutlich von den 2 zuletzt genannten Knochen. Bei den Vögeln reicht nur der Oberkiefer bis ans jugale spurium, gerade wie beim Krocodil das adorbital an das jugale spurium (cotyleal Geoffr.) grenzt. Beim Auerhahn tritt noch das Jochbein hinzu, welches zwischen den beiden Knochenstücken wie eingeschiftet erscheint. Dieses Jochbein scheint dem Pfau und Putter gänzlich zu fehlen, und der Bogen durch Ober- kiefer und jugale spurium allein gebildet zu sein. Auch Bradypus hat blos Fortsätze im Oberkiefer und Schläfen- knochen, ohne ein Jochbein zu besitzen. Die Ueberein- stimmung zwischen dem sogenannten Jochbogen der Vögelund dem beim Krocodil könnte aber, wenigstens in Beziehung auf Stückzahl und Connexion der betreffenden Knochen- stücke untereinander, in der That nicht grösser sein, und

der Umstand, dass beim Krocodil das jugale spurium

*) Mexers. vergl. Anat. zweiter Theil, zweite Abtheilung.

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(cotyleal Geoffroy) mit dem Quadratknochen verwächst, erklärt sich leicht aus der verschiedenen Bestimmung. Beim Krocodil ist Behufs der nöthigen Festigkeit des Kiefer- gerüstes das jugale spurium mit dem Quadratbein und dieses mit dem Schädel unbeweglich verbunden, und das Oberkieferstück (adorbital) von verhältnissmässiger Stärke. Beim Vogel sind die genannten Stücke artikulirt, weil die Function derselben auf die Bewegung des Oberschnabels berechnet ist.

Nun werden wir das adorbitale des Krocodils nicht mehr, wie die Compendien, als Jochbein, und die durch die genannten Knochenstücke gebildete Brücke nicht mehr als Analogon des Jochbogens der Säugthiere deuten, weil beim Krocodil und Vogel keine Kaumuskeln sich hier an- heften und die Verbindung der einzelnen Knochen unter sich andere Verhältnisse als bei den Säugthieren darbietet.

Suchen wir daher den Jochbogen, da wo derselbe den Kaumuskeln zum Insertionspunkt dient, wo ferner seine Bildung dem Gesetz der Connexion entspricht.

Halten wir einen Vogelschädel gegen den eines Kro- eodils, so wird die Aehnlichkeit wirklich überraschen. Der eigentliche Jochbogen beim erstern liegt, wie beimKrocodil, oben am Schädel und wird durch eine Verbindung des Stirnbeins mit dem Schläfenbein gebildet. Ob die Ent- wicklungsgeschichte beim Vogel ein Rudiment eines geson- derten Jochbeins nachweist, müssen fernere Untersuchun- gen lehren. Indessen ist diess nicht einmal nothwendig, wie wir bei Bradypus gesehen haben, wo eine Jochbrücke ohne Jochbein vorkömmt.

Bei Krocodil und Vogel ist der Jochbogen im Falle der Verkümmerung, daher die geringe Entwicklung des Temporalmuskels, das gänzliche Fehlen des Masseters. Dass beim Vogel das von mir als Jochbogen gedeutete Stück den untern Bogen nicht erreicht, wie beim Krocodil

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das frontale posterius nach unten noch mit dem adorbi- tale sich verbindet, ist blosse Dimensionsverschiedenheit, obgleich beim Auerhahn beide Theile sich einander bedeu- tend näher rücken es ändert an der Hauptsache nichts. Auf dieselbe Weise erreicht bei den Hühnervögeln das Thränenbein den untern Bogen nicht, während es bei an- dern Vögeln sehr stark entwickelt, mit demselben sich fest verbindet. *)

Das knöcherne Gehörorgan.

Georrror liefert in den Annales des siences naturelles 1824 pag. 245, in einer Abhandlung über die Zusammen- setzung des Schädels bei Menschen und Thieren eine aus. führliche Beschreibung des Krocodilschädels.

Um zu beweisen, dass dasjenige Stück, welches für rupeal erklärt, nicht ein Theil der pars squamosa des Hinterhauptsbeins sei, wofür es bis dahin genommen wor- den, führt er folgendes an.

„Ich habe hier ausschliesslich das Prinzip der Connexion zu Rathe gezogen, um zu erfahren, was dasselbe über die Anordnung der knöchernen Elemente an der Basis cranii bestimmen würde. Es ergaben sich hieraus folgende Re- sultate:

Das Hinterhauptsloch wird in seinem Umfang immer gebildet: oben durch die beiden obern Hinterhauptsbeine,

*) Erst nachdem ich obiges niedergeschrieben hatte, habe ich Gelegenheit gehabt, den Schädel eines Papagei frisch zu unter- suchen. Und hier wird es bis zur Evidenz klar, dass dervon mir als Jochbogen gedeutete Theil wirklich dieser sei. Hier kommt nämlich ein sehr starker Masseter vor, welcher vom untern Rande des die Augenhöhle nach unten umgren- zenden Jochbeins entspringt. In dem durch das Jochbein und dem Schläfenfortsatz gebildeten Loche entsteht der Temporalis ganz auf dieselbe Weise wie bei den Hühner- vögeln.

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(sur-oceipitaux), zur Seite durch die beiden äussern, (ex. oceipitaux), und unten durch das untere Hinterhauptsbein, (sous-occipital). Da nun auf jeder Seite ein äusseres und ein oberes Hinterhauptsbein vorkommt, so habe ich nur die Wahl zwischen der einen oder der andern der beiden fol-

genden Propositionen.

Entweder ist das obere verkümmert oder abortiv ge- worden und die äussern Hinterhauptsbeine sind sich bis zu ih- rer gegenseitigen Vereinigung entgegengewachsen. Oder jedes äussere hat sich frühzeitig mit dem angrenzenden obern vereinigt und ist mit ihm zu einem einzigen Stück ver- schmolzen. Ich nehme von den beiden genannten mögli- chen Fällen den letztern an, wozu mich das Verhalten der Muskeln bestimmte. Ich sah nämlich die 5 Paar Muskeln, welche von den Halswirbeln an die Hinterhauptsbeine gehen, und welche ihre Insertionspunkte zwischen den obern und äussern Hinterhauptsbeinen theilen, sich auf dieselbe Weise auf beiden Seiten vertheilen. Einer von diesen Muskeln setzte sich besonders an die obere Linie der Vereini-

gung fest.

Da ich durch meine Untersuchungen in Beziehung auf dieses Felsenbein zu Resultaten gelangt bin, welche von denjenigen Georrroy’s in mancher Beziehung abweichend sind, so sehe ich mich veranlasst, die Gründe, die er für

seine Behauptung anführt, in Kürze vorauszuschicken.

Das Felsenbein, welches er bald rupeal, bald ro- chet nennt, liegt als ein unpaares Knochenstück in der Mitte an der hintern Wand des Schädels. Es ist nach oben von dem ebenfalls unpaaren Scheitelbein, zur Seite oben von den Schlafbeinen, unten in der Mitte von den obern Hinterhauptsbeinen, und seitlich von diesen von den äussern

Hinterhauptsbeinen begrenzt.

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Einem einzigen Felsenbein entspricht eine einfache Paukenhöhle, welche in der Substanz des rupedal ausge- höhlt ist und von einem Trommelfell zum andern reicht.

Die dritte Abtheilung des knöchernen Gehörorgans oder das Labyrinth fehlt dem Krocodil eben so wenig wie die beiden ersten Abtheilungen. Aber in ihrer Function von der Paukenhöhle verschieden, liegt dieses Labyrinth nicht in der Mittellinie. Unten auf beiden Seiten sieht man die breite Oeffnung, welche der Fusstritt des Steigbügels verschliesst. Der Raum ist in der Substanz der 3 Kno- chen, nämlich des Felsenbeins, des grossen Keilbeinflügels und des äussern Hinterhauptbeins ausgehöhlt. Die halb- zirkelförmigen Kanäle befinden sich aber im Innern des rupeal allein. Alles diess existirt auf der rechten wie auf der linken Seite.

Die ganze äussere Fläche des rupedal ist eben so wenig zufällig wie das Felsenbein der andern Thiere, in- dem man in dem einfachen Felsenbein des Krocodils an seinem obern Winkel einen starken Vorsprung bemerkt, welcher dem processus mastoideus entspricht und ebenfalls Muskelinsertionspunkt ist.“ Ich gestehe aufrichtig, dass mir Georrroy’s Darstellung, die er leicht durch eine Ab- bildung hätte anschaulicher machen können, unklar geblie- ben ist, und, da ich meine Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht in der Ausdehnung anstellen konnte, wie diess hätte geschehen müssen, um hierüher entscheiden zu können, so werde ich in folgendem bloss wiedergeben, was ich in Beziehung auf das knöcherne Gehörorgan an einem einzigen Exemplar habe entdecken können.

Durch das foramen magnum sieht man zu beiden Seiten 2 ovale Körper, die man wenigstens auf den ersten Blick für die beiden Felsenbeine ansehen könnte. Unter- sucht man sie aber genauer, so erscheinen sie als hohle, aus dünnen Knochenwänden bestehende Anschwellungen,

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welche mit dem äussern Gehörgang in Verbindung stehen. Sie sind in der That nichts anders als die, auf höchst merkwürdige Weise in die. Schädelhöhle gelangten Pauken- blasen der Säugthiere. Georrroy seheint keine Kenntniss von denselben gehabt zu haben. Auch lässt seine Beschrei- bung der Paukenhöhle und des Labyrinths nicht vermuthen, dass er etwa irgend einen andern Theil von diesen in die obengenannten Bullae osseae verlegt habe. Auf welche Weise dieselben in die Schädelhöhle gelangt seien, davon nachher.

Von einem Paukenring zum andern geht ein ziemlich geräumiger Gang durch die Substanz des rupeal ; Gsorrroy’s Paukenhöhle, seule chambre a air, seule caisse, auch fond de la caisse sans limites. Dieser Gang ist von der Schädel- höhle gänzlich abgeschlossen. Die hintere Wand desselben bildet eben das rupeal, nach vorn ist er begrenzt durch einen Vorsprung mit2 ovalen Oeffnungen, *) welche Georrrox wahrscheinlich für die halbzirkelförmigen Kanäle hält. Die beiden ebengenannten ovalen Oeffnungen halte ich für die fenestrae ovales des vestibulums der in der Mittellinie theilweise verschmolzenen Felsenbeine. Doch ist diess blose Vermuthung, welche, da der Schädel nicht zerstört werden durfte, auf folgendes gegründet ist:

liegen diese ovalen Oeffnungen in einer Ebene mit dem Paukenfell,

entspricht ihre Entfernung genau der Länge der Columella, welche je vom Paukenfell zum ovalen Loch sich erstreckt.

30 endlich sind diese ovalen Oeffnungen der Pauken- höhle zugewandt, und stehen mit dieser in direkter Ver-

”) Ich gelangte zu dieser Ansicht, indem ich in der Mitte des rupeal ein Loch bohrte. Eine zweite Oeffnung wurde oben in der Mitte des Scheitelbeins gemacht, um das nöthige Licht auf den Gegenstand fallen zu lassen.

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bindung, was von den Bogengängen nicht gilt, wenn wir mit GEorrroy dieses ovale Loch für Zwischenraum ZWISEHEH: den Bogengängen betrachten wollten.

Anlangend das einfache rupdal an der hintern Wand des Schädels, so betrachte ich dasselbe als die zwei ver- schmolzenen Warzentheile des Schläfenbeins beider Seiten: denn erstens sind die Muskelinsertionspunkte für den sterno- cleidomastrideus nicht einfach, wie Georrroy angibt, son- dern doppelt. Zweitens lässt sich der oft berührte Gang von einem Paukenring zum andern, welcher von GEoFFRoY als Paukenhöhle betrachtet wird, einfach als die zu einem einfachen Kamal vereinigten Zellen der beiden Warzentheile deuten. Dennoch erscheint das ganze Verhalten dieses knöchernen Gehörorganes als eine, den Krocodilschädel vor allen übrigen Thieren auszeichnende Anomalie.

Da es aber die Aufgahe der vergleichenden Anatomie ist, die vom regelmässigen Typus abweichenden Fälle auf normale Bildung zu reduziren, so sei es mir gestattet, durch Nachfolgendes zur Lösung dieser Aufgabe das Mei- nige beizutragen.

Betrachtet man den Krocodilschädel im Allgemeinen, so ist leicht einzusehen, dass die Natur alle zu Gebot ste- henden Mittel angewendet hat, um den Kinnladen die dem Thiere zu seinef Existenz nöthige Stärke zu gewähren. Der Quadratknochen, welcher übrigens noch fast ganz nach dem Typus der übrigen Eierleger gebildet ist, bei diesen aber beweglich erscheint, ist mit dem Hirnschädel fest ver- wachsen. Das jugale spurium vermehrt durch seine feste Verbindung mit dem Quadratknochen die Stärke desselben. Dem nämlichen Zweck entspricht die verhältnissmässige Stärke des Adorbitalknochens, der ansehnlichen Gaumen- beine und des os Zrans versum zwischen dem Oberkie- fer und dem ebenfalls sehr stark entwickelten Flügelbein. Und es ist allerdings nicht zu läugnen, dass. das Krocodil

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durch das angegebene Verhalten der genannten Theile sich eben so weit von den übrigen Eierlegern entfernt, als es sich in dieser Beziehung der Bildung bei den Säugthieren annähert.

Andererseits ist es aber nicht zu verkennen, wie das- selbe durch die Kleinheit des Hirnschädels den beiden untersten Klassen um eben so viel wieder näher gerückt erscheint. Entsprechend nämlich der verhältnissmässig ge- ringen Entwicklung des Gehirns zum Rückenmark, wodurch die beiden untern Klassen ausgezeichnet sind, erscheint auch der Behälter des nur ein Ganglion darstellenden Ge- hirns des Krocodils von ausnehmend geringem Umfang, so dass sein cranium zwischen den mächtig entwickelten Kinnladen gleichsam versteckt, von den ältern Beobachtern wohl gänzlich übersehen wurde.

Hier verdient es aber besonders unsere Aufmerksam- keit, wie entschieden die Natur den, durch die ganze grosse Abtheilung der Wirbelthiere waltenden Typus, festzuhalten strebte, indem sie bei dem Aufbau des so auffallend klei- nen Craniums dennoch dieselbe Zahl, ja sogar dieselbe Verbindung der bei den höhern Wirbelthieren den Hirn- schädel constituirenden Elemente in Anwendung zu brin- gen wusste.

Eine natürliche unausweichliche Folge dieses Festhal- tens an dem allgemeinen Typus ist wohl unstreitig die, dass bei der Vertheilung der acht Schädelknochen auf ei- nen so äusserst kleinen Raum, mancher von diesen, theils nur geringen Umfang erlangen konnte, theils von dem An- theil an der Bildung des Craniums theilweise ausgeschlos. sen, oder endlich ganz aus seiner Lage verdrängt werden musste. So erscheint das Scheitelbein, obgleich in seiner genesis paarig, als ein einfaches ganz schmales Knochen- stück, wodurch die angrenzenden Schlafschuppen weiter nach oben gerücktund einander hedeutend genähert werden.

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Auf dieselbe Weise zeigt sich das obere Hinterhaupts- bein, welches das foramen magnum nach oben begrenzt, durch das rupedal an seiner Entwicklung gehindert, fast abortiv.

Vom Antheil an der Bildung des Craniums ausge- schlossen erscheinen die Schläfenbeine. Thränenbein und Siebbein treten aus der Augenhöhle heraus. Am meisten ins Gedränge kommen jedoch die Felsenbeine, welche in Folge der gegenseitigen Annäherung der Schläfenbeine bis zu theilweiser Verschmelzung aneinander gerückt sind. Finden wir nun, dass die einzelnen Schädelknochen, so wie die einzelnen Abtheilungen eines und desselben Knochens in derselben Ordnung einander begrenzen, welche die Na- tur bei den bis jetzt untersuchten Wirbelthieren beobach- tet, so ist meines Erachtens auch leicht einzusehen, wie die bullae osseae, auf den ersten Blick wenigstens so ganz gegen die Ordnung der Dinge in der thierischen Oecono- mie, in die Schädelhöhle hineingelangt sind. Sie konnten, zwischen Gehörgang und Felsenbein befindlich, bei der hohen Lage der Schläfenbeine am Schädel und bei der be- deutenden gegenseitigen Annäherung derselben nur in der

Schädelhöhle selbst Platz greifen.

Die elhealhar

Die ungewöhnliche Lage derselben in dem Keilbein brachte mich anfangs auf den Gedanken, dass dieselben so weit nach hinten gerückt seien, um von dem Kehldeckel— oder was ich damals für diesen ansah verschlossen wer- den zu können. Der Lage nach entsprechen sie vollkom- men einander, so, dass wenn man unten die Zunge an ih- rer Wurzel nur etwas in die Höhe schob, die Rachenenge mit den choanis zugleich gänzlich verschlossen zu werden schien. Dieses könne im Leben so vermuthete ich durch die Heber des Zungenbeins geschehen. Doch war

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das Verschliessen der cAoan® nicht nöthig, um die Aus- sage glaubwürdiger Beobachter aus dem’ Mechanismus die- ser Theile zu erklären. Ist nämlich die Beobachtung, dass die Krocodile um zu athmen, nur die Spitze der Schnauze über dem Wasser zu halten brauchen, richtig, so ist es hinreichend, dass nur auf irgend eine Weise das Wasser abgehalten werde, in den Rachen zu fliessen. Diesen Zweck erfüllte der Kehldeckel (Zungenbeinkörper) dadurch, dass er bei dem Mangel beweglicher Lippen den Rachen genau verschloss, so, dass mir derselbe hauptsächlich diesem Dienste gewidmet erschien, da er durch seine Stellung so- wohl als durch seine verhältnissmässige Grösse zum Kehl- kopf selbst, zur Verschliessung dieses letztern nicht ge- eignet schien.

Damit war aber das ungewöhnliche Verhalten der choan® nicht erklärt. Sie sind verhältnissmässig klein, und befinden sich in dem Körper des Keilbeins, statt dass sie, wie beim Menschen und den übrigen Säugthie- ren, zur Seite und oben durch die Flügelfortsätze und dem Keilbeinkörper, nach unten durch die horyzontalen Theile der Gaumenbeine begrenzt sind, Sie sind ferner durch eine knöcherne Scheidewand in 2 Hälften getheilt; aber diese wird nicht, wie bei jenen, durch die Pflugschaar gebildet.

Die Autoren geben hierüber keinen Aufschluss. GEorrroy führt bloss an, dass das Keilbein hohl sei, um, behufs des längern Aufenthalts unter dem Wasser, 2 grosse Luftbe- hälter zu bilden, welche zur Verlängerung der Nasenhöhle ‘dienten, Cüuvıer beschreibt diese Höhlen ausführlich, ohne die Oeffnungen derselben zu deuten.

Unter allen Schädeln, die ich in dieser Beziehung ver- glich, schien mir der menschliche, wegen der aufrechten Stellung der Flügelfortsätze, noch am ehesten geeignet, die-

ses Räthsel zu lösen. Ich dachte mir die processus ptery=

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goidei statt in senkrechter Stellung in einer vollkommen wagrechten, die innern Platten der Flügelbeine in dem Maas vergrössert wie beim Krocodil. Auf diese Weise ka- men die Flügelgruben statt nach hinten nach oben zu ste- hen. Oberkiefer und Gaumenbeine mussten, um mit den Flügelfortsätzen in natürlicher Verbindung zu bleiben, sich senken, und somit mussten die choane® sich schliessen, oder vielmehr ganz verschwinden, indem nämlich der hin- tere Rand der Gaumenbeine auf die untere Fläche des Keilbeinkörpers zu liegen kam. Um mir diess alles recht zu vergegenwärtigen, nahm ich die Flügelfortsätze mit den Oberkiefern ganz hinweg, und ich war überrascht, in den Oeffnungen der Keilbeinhöhlen des Menschen die analoga der choan® beim Krocodil zu erblicken. Der Unter- schied, dass die Keilbeinhöhlen beim Menschen von der Nasenhöhle getrennt erscheinen, da diese beim Krocodil ohne Unterbrechung durch den Keilbeinkörper bis zu den beiden Oeffnungen (choane) sich erstreckt, fällt ganz weg, so bald man sich an die Bildung der Keilbeinhöhlen beim Menschen erinnert. Diese werden nämlich durch die cornua sphenoidalia von der Nasenhöhle abgeschieden. Ohne die Keilbeinhörner bildete die Nasenhöhle mit den Keilbeinhöhlen einen ununterbrochenen Gang, gerade wie beim Krocodil. Denkt man sich daher die cornua sphe= noidalia beim Menschen weiter nach unten gerückt, so bleiben die Keilbein-Höhlen mit der Nasenhöhle in direkter Verbindung, und die Oeffnungen kommen sodann wie beim Krocodil an die untere Fläche des Keilbeinkörpers zu lie- gen, ohne dass das Gesetz der Gonnexion die geringste

Störung erleidet.

D. 20. Jan. 1841 trägt Herr Prof. Mırscher seine Untersuchungen über den Bau der Carinaria mediterranea vor. Der Verfasser hatte während seines Aufenthaltes in

237

Nizza Gelegenheit, diesen in. mehrfacher Beziehung so inte- ressanten und nur mangelhaft bekannten Mollusken lebend zu beobachten und frisch zu seciren, und zugleich in hin- reichender Anzahl zu sammeln, um später die Anatomie desselben zu vervollständigen. Da die sehr in’s Einzelne eingehenden und über alle Systeme sich verbreitenden Un- tersuchungen nicht wohl im Auszuge gegeben werden kön- nen und ohne Abbildungen kaum verständlich sein dürften, so zieht es der Verfasser vor, hier auf eine in Bälde ander- wärts zu veröffentlichende Mittheilung derselben zu verweisen.

D. 2. Dec. 1840. Mittheilungen von Herrn Prof. Jung über die von ihm näher untersuchten Orang-Outang-Schä- del des Wiesbadener Museum’s, an welchen er wesentliche Verschiedenheiten, namentlich im Zahnbau und in der Be- schaffenheit der eriste gefunden hat, so dass er vermuthet, dieselben gehören wenigstens 2 verschiedenen Arten an.

D. 6. Jan. 1841 hält Herr Prof. Jung einen Vortrag über die Bildung des Schädels bei Idioten. Derselbe schickt vorerst eine allgemeine Uebersicht der hauptsächlichsten Deformitäten des Schädels voraus und bezeichnet deren Einfluss auf die Seelenthätigkeiten; er stellt sodann zwei verschiedene Hauptformen von Schädelmissbildung auf, wel- che mit Unterdrückungen der Seelenthätigkeiten oder mit Blödsinn verbunden sind, und giebt eine nähere Beschrei- hung derselben. Bei der ersten Form liegt der Fehler ursprünglich im Gehirn oder dessen Häuten; dasselbe ist desorganisirt oder mit Wasser übergossen und. der Schä- del wird secundär ausgedehnt. Oder aber die Ursache liegt zunächst in der Schaale des Gehirns, die zu früh ver- knöhert, zu dick wird und das Gehirn gleichsam erdrückt. Diese letztere Form wird als die die eigentliche Idiotie charakterisirende bezeichnet und vorzüglich darauf aufmerk-

238

sam gemacht, dass bei derselben ein auffallendes thierisches Zurückweichen des Hinterhauptsloches stattfindet. Der Vor- trag wird durch Vorzeigung einer Anzahl charakteristischer Schädel aus dem anatomischen Museum erläutert.

Sitzung den 7. Dez. 1841. Hr. Prof. Fıscner über die unwillkührliche, fliegende Bewegung der Blendungsbilder der Sonne.

Das Phänomen zeigt sich am schönsten, wenn man bei sehr dunstiger Atmosphäre einige volle, feste Blicke in die gedämpfte Sonne thut. Dann fliegen, wohin man blickt, ganze Schwärme verschieden gefärbter Sonnenkugeln auf, welche mit gehaltener, dem Blick entfliehender Bewegung bald aufwärts steigen, bald niedersinken, bald nach dieser bald nach jener Richtung das Gesichtsfeld durchziehen. Sind sie aus dem Gesichtsfeld verschwunden, oder ist das Auge müde geworden sie zu verfolgen und blickt anders- wohin, so fliegt der gleiche Schwarm wieder auf, nur etwa mit veränderter Farbe, und durchzieht das Gesichtsfeld wieder in der gleichen Richtung und mit der gleichen Ge- schwindigkeit und fährt fort bis zu seinem Verlöschen.

Diese unwillkührliche, dem Blick entfliehende Bewe- gung sieht so täuschend einem objektiven, von dem Blick unabhängigen Fliegen gleich, dass ungebildete Beobachter diese Sonnenkugeln unfehlbar für ein wirkliches Meteor nehmen müssen. In dem Rheinthal, dessen duftige Son- nenuntergänge besonders günstige Gelegenheit zur Erzeu- gung der Erscheinung bieten, geschieht es daher von Zeit zu Zeit, dass das Volk darauf aufmerksam wird und dann schaarenweise zu dem eben so wunderbaren, als prächtigen Schauspiel zusammenströmt. In früheren Zeiten erregte die Erscheinung noch ungleich grösseres Aufsehen. Ihrer erwähnt unter Andern J. J. ScHEucHzEr in seiner Natur- geschichte des Schweitzerlandes, herausgegeben von J. G.

239

Surzer, Zürich 1746. IH. Thl. p. 338 f. als ungewöhnlicher, in der Schweiz 1719 im Heumonat aus der Luft gefallener bulle oder Bläschen. Es ist diess, fügt Schzuchzer bei, völlig die gleiche Luftgeschichte, die Anno 1553 den 21. Brachmonat zu Sculs im Engadin ist bemerkt und in unse- rer Meteorologia Helvetica p. 96 ist beschrieben worden. Derselbe giebt p. 340 f. fernere Nachricht von Luftbläs- chen oder vielfarbigen Kugeln, welche vom 1.— 20. Heu- monat 1721 im Züricher Gebiet vom Himmel gefallen. In- dessen hatte SchEucHzer die Subjektivität der Erscheinung gleich vermuthet und sich bei einer eigenen Beobachtung den 11. Heumonat 1722 gänzlich davon überzeugt; wäh- rend noch im Jahr 1816 ein Schwedischer Naturforscher, Acnarıus, das freilich nicht selbst beobachtete Phänomen fliegender Sonnenkugeln, das in dem Dorfe Biscopsberga vorgekommen, in Girserrs Annalen 52, 235 als wirkliche Meteore beschrieb, worüber er jedoch von Herrn P. Merıan von Göttingen aus unterm 7. Mai 1816 in GiLzerts Annal. 52, 342 zurecht gewiesen wurde.

Dass die Erscheinung eine subjektive ist, davon kann man sich sogleich überzeugen, wenn man nur hin und her blickt oder sich umdreht, indem die Sonnenkugeln im Allgemeinen dem Blicke folgen, sonach im Auge und nicht draussen in der Wirklichkeit sind. Allein innerhalb dieser allgemeinen Abhängigkeit von dem Blick benehmen sie sich wieder mit einer merkwürdigen Unabhängigkeit der Bewe- gung, indem sie sich beständig dem Blicke entziehen und ihm, wenn er sie verfolgt, mit einer stätigen, gleichförmi- gen Bewegung voraneilen; worin nun eben ihre unwill- kührliche fliegende Bewegung besteht. Der Grund dieser Bewegung ergiebt sich aus. folgender Beobachtung: dass wenn man den Blick an irgend einem gegenständlichen . Punkte fixirt, die Sonnenkugeln sofort ebenfalls zum Ste- hen kommen, sich aber immer seitwärts ausserhalb des

240

Blickes halten und zwar immer nach der Richtung, nach der sie fliegen. Es erhellt hieraus: dass das durch die Sonne geblendete Auge die Blendungsstelle nicht mehr zum Fixiren braucht, sondern durch eine unwillkührliche Wen- dung eine andere frische Stelle der Netzhaut hervorkehrt. Natürlich müssen bei dieser Wendung die der geblendeten Netzhautstellen entsprechenden Sonnenkugeln in der ent- gegengesetzten Richtung aus dem Blick entweichen. Im Entweichen aber verfolgt man sie mit dem Blick, d.h. man bringt sie oder die ihnen entsprechende Blendungsstelle der Netzhaut wieder in die Augen etc., das aber geht nicht an, und das Auge macht daher wieder die unwillkühr- liche, die Sonnenkugeln zum Entweichen bringende, Wen- dung u. s. £.

Aus dem gleichen Grunde erklärt sich dann auch die Entstehung einer Mehrheit von Sonnenkugeln, indem das Auge, so wie eine Netzhautstelle geblendet ist, eine zweite, dritte der Sonne zukehrt, und eben damit so viele Blen- dungsbilder erzeugt, als es während des auf die Sonne

gerichteten Blickes Wendungen macht.

Sitzung vom-5. Jan. 1842. Prof. Fr. Fıscuer über die chromatischen Erscheinungen der Blen- dungsbilder.

In Beziehung auf die subjektiven Farberscheinungen der Blendungsbilder werden 2 Klassen unterschieden: die Farbenbilder und die Glanzbilder, wovon jene an matten Farben, diese an glänzenden Lichtern erzeugt wer- den. Es sind diess 2 wesentlich verschiedene Arten von Blendungen, indem sie folgende 4 Unterschiede zeigen:

1. Die Farbenbilder haben subjektiv oder im dunkeln Auge die entgegengesetzte, die Glanzbilder die gleiche Farbe mit dem blendenden Gegenstande.

2. Blickt man dagegen auf einen "hellen objektiven

241 Grund, so nehmen die Glanzbilder ‘die. entgegengesetzte Farbe an, während das subjektive Farbenbild sich gleich bleibt. i

3. Die Glanzbilder zeigen den Farbenwechsel, den man seit Görse Abklingen nennt, während die Farben- bilder sich bis zu ihrem Verlöschen gleich bleiben.

4. Nur bei den Glanzbildern zeigt sich die Verdre- hung des Auges, welche bei den Sonnenbildern als Fliegen erscheint, während die Farbenbilder ihren Ort im Ge- sichtsfelde nicht verändern.

Aus diesen Unterschieden wird im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen geschlossen: dass das verkehrte Far- benbild der geringere Grad der Blendung ist, als das di- rekte Glanzbild. Zu den Farbenbildern gehören, ausser den Nachbildern der eigentlichen Farben, auch die Nach- bilder von Schwarz und Weiss, die sich bei der Biendung ganz wie Farben und nicht wie Hell und Dunkel verhal- ten. Zu den Glanzbildern hingegen rechnet der Vortra- gende folgende Erscheinungen. Schon bei den Farben, wie bei Schwarz und Weiss mischt sich, wenn sie glänzen und intensiverer Beleuchtung ausgesetzt werden, neben dem Farbenbild ein Glanzbild ein. Als ein Glanzbild verhält sich ferner das Nachbild von Hell, z. B. von hellen Fenster- scheiben. Eigenthümliche Glanzbilder endlich sind die Nach- bilder von Kerzen- und Lampenlicht, so wie die Sonnen- bilder, wobei aber wieder das Bild des reinen Sonnenlichts sich anders verhält, als das des gefärbten.

D. 18. Nov. 1840 trägt Herr Dr. C. Vocr, als Gast anwesend, die Hauptresultate seiner in Gemeinschaft mit Herrn Acassız angestellten Untersuchungen über die Ent- wicklung der Fische, in’s Besondere der Forellen mit. Vergleiche das seitdem über diesen Gegenstand im Druck erschienene Werk: Histoire nat. des poissons d’eau douce

16

242

de U’Europe centrale par L. AgassizT. I. Embryologie

des Salmones par C. Vogt. Neuchätel 1342. Derselbe theilt ferner seine Beobachtungen über

die färbende Ursache des Schnees mit (Cf. Bibliotheque

universelle.)

D. 31. März 1841 theilt Herr Prof. Scuönsgzın aus ei- nem Briefe des Herrn Prof. Jäscer in Stuttgardt eine Be- obachtung von auffallenden Electrieitäts-Erscheinungen bei einem Menschen mit. Bei demselben sollen sich nämlich, z. B. wenn er die Strümpfe auszieht, nicht bloss deutliche electerische Funken entwickeln, es sollen sogar ziemlich starke Erschütterungen, electrischen Schlägen ähnlich, be- sonders bei Kopfweh und nach unterdrückter Hautausdün- stung eintreffen und sich nicht allein dem Kranken, son-

dern auch dem Arzte, z. B. beim Pulsfühlen, fühlbar machen.

243

VI. MEDICIN

D. 17. Febr. 1841 hält Herr Dr. Brenner einen Vor- tragüber dasVerhältniss der somatischen oder vegetativen Krankheiten zu den Seelenstö- rungen.

Der Verfasser führt zuerst an, dass sich zwei Theo- rien über das Wesen und die nächste Ursache der Seelen- störungen schroff gegenüberstehen, deren eine jene in der Seele selbst, die andere aber nur in dem Körper finden will; er deutet dann die wichtigsten einzelnen Ansichten kurz an und erwähnt der Vermittlungsversuche zwischen diesen Theorien. Hierauf setzt er das zeitliche Verhalten vegetativer Krankheiten zu den Seelenstörungen auseinan- der und weist unter Anderm nach:

1. Dass Störungen der leiblichen Gesundheit dem Wahnsinne oft vorausgehen, immer mit seinem Eintreten vorhanden seien; dass im weitern Verlaufe oft dieser ohne jene bestehe und dass beide sehr oft gleichzeitig auf- hören.

2. Dass bei Untersuchung der Leichen Wahnsinniger gewöhnlich Anomalien in den Gentralorganen des Nerven- systems aufgefunden werden; dass diese oft der Art seien, dass sie keinen Einfluss auf das leibliche Befinden haben können und dass alle bei Irren aufgefundenen Desorgani- sationen auch ohne von Wahnsinn begleitet zu werden vorkommen.

In Beziehung auf die Entstehung der Seelenstörungen bemerkt er, dass alle krankmachenden Ursachen überhaupt auch zu Ursachen des Wahnsinns werden können, dass

kein Unterschied zwischen psychischen und somatischen

24A

Schädlichkeiten gemacht werden könne, dass die Gelegen- heitsursachen des Wahnsinns sowohl, als die vorbereiten- den, oder Anlage bedingenden Verhältnisse auf den ganzen Menschen wirken, und ebensowohl somatische Krankheit mit Seelenstörung zu erzeugen vermögen.

Auf diese Angaben sich stützend, widerlegt der Ver- fasser die Ansicht, nach welchen die somatischen Krank- heiten bei Irren zufällig oder Wirkung des Wahnsinnes sein sollen; er erklärt sich aber auch nicht mit den Soma- tikern einverstanden, nach welchen die Seele im Wahn- sinne gesund sein solle, und hält auch die gemachten Ver- mittlungsversuche für verunglückt.

Nach seiner Ansicht muss hei dem Studium der See- lenstörung, von der Seele, insofern diese als letzter Grund des Seelenlebens gedacht wird, abstrahirt und nur das empirisch zu erforschende Seelenleben und sein Verhalten untersucht werden. Das Seelenleben besteht in Thätigkei- ten, nämlich dem Erkennen (Wahrnehmen und Denken) und dem Wirken (Handeln und Sprechen), und diese sind bei Seelenstörung entweder getrennt oder qualitativ verändert. Hemmung der psychischen Functionen liegt dem Blödsinn und den ihm verwandten Formen zu Grunde und ist die Folge von meist gröbern materiellen Veränderungen im Nervensysteme. Bei der Verrücktheit bestehen wahre psychische Krankheitsprocesse, die der Verfasser als Irrwahr- nehmen, Irrdenken und Irrhandeln bezeichnet. Diese müs- sen nothwendig, wie jeder Krankheitsprocess überhaupt, mit materiellen Veränderungen verknüpft sein. Die bis jetzt aufgefundenen Entartungen im Nervensysteme gehö- ren aber nicht den psychischen Krankheitsvorgängen selbst an, sondern erzeugen nur die diesen angehörigen Meta- morphosen, und sind, wie überhaupt die mit dem Irresein auftretenden negativen Krankheiten, als entfernte Ursachen der Verrücktheit zu betrachten.

245

Schliesslich wird noch erwähnt, dass die Vegetations- krankheiten überdiess je nach ihrem Sitze und ihrer Natur oft das Thema des Wahns darbieten, oder die Irren zu gewissen Handlungen bestimmen und endlich die Stimmung‘ derselben bedingen.

D. AS. August und 16. Sept. 1840. Vortrag von Hrn. Dr. C. STRECcKEISEn über die Anwendung des kalten Was- sers als Heilmittel überhaupt und über die Kaltwasserheil-

anstalt in Gräfenberg insbesondere.

AUSZUG

aus dem Berichte des medizinischen Vereins

I)

über das Verhältniss des Cretinismus im Kanton Basel-Stadttheil.

Die schweizerische naturforschende Gesellschaft fasste. bei ihrer Versammlung in Freiburg im Jahr 1840 den Be- schluss, eine Statistik des Gretinismus in der Schweiz auf- zunehmen, und beauftragte hiemit zunächst die einzelnen Kantonalgesellschaften, welchen sie zu diesem Behufe ein Verzeichniss von 145 verschiedenen Fragen mittheilte, die bei der vorzunehmenden Untersuchung herücksichtigt wer- den sollten. Die hiesige naturforschende Gesellschaft über- wies diese Arbeit an den medizinischen Verein, welcher sich ihr in der Weise unterzog, dass jedes einzelne Mit- glied die Untersuchung eines bestimmten Quartiers: über- nahm ; die hiebei gewonnenen Resultate wurden sonach zu- sammengetragen und zur besseren Uebersicht mit Berück- sichtigung der vorgelegten Fragen, in eine Tabelle verei- nigt. Wir entnehmen daraus folgende Hauptergebnisse, zu

246

deren richtigem Verständniss wir bemerken, dass zwischen den niederern und höheren Graden von Blödsinn, oder zwi- schen Blödsinn und eigentlichem Cretinismus nicht unter- schieden worden ist, weil dieses der Natur der Sache nach für unausführbar gehalten wurde.

Die Bevölkerung des Kantons Basel-Stadttheil beträgt ungefähr 24,000 Seelen, wovon 22,000 auf die Stadt und die übrigen 2000 auf die 3, auf dem rechten Rheinufer liegenden Landgemeinden fallen. Die Bevölkerung der Stadt hat besonders in den letzten 10 Jahren beträchtlich zuge- nommen, was jedoch nicht dem Ueberwiegen der Gebur- ten über die Sterbefälle, sondern der vermehrten Einwan- derung zuzuschreiben ist, wie aus einer Vergleichung der Tauf- und Sterberegister hervorgeht. Die 6 letzten Jahre geben folgendes Verhältniss:

Im Jahr 1835 wurden geboren 528; starben 461.

I SIE N aa

SIR SS N

Ra 1938 a % 569; 5 547.

3) % 5 563; 5 593.

ES ee:

330255 00, Ad Also im Laufe von 6 Jahren 46 mehr gestorben als geboren.

Unter der Gesammtbevölkerung von 24,000 Seelen fanden sich 64 Blödsinnige von verschiedenen Graden, näm- lich 35 männliche und 29 weibliche, also auf 375 Einwoh- ner 1 Blödsinniger oder etwas über Y,%. Hievon kommen allein auf die Gemeinde Kleinhüningen mit 465 Einwohnern 24 Blödsinnige, 14 männliche und 10 weibliche, also etwas mehr als 5%. Es bleiben daher für die übrigen 23,535 Bewohner nur 40 Blödsinnige oder ungefähr % %. Diese Angaben mögen wohl um ein ziemliches unter der wahren Wirklichkeit stehen, indem anzunehmen ist, dass manche

Blödsinnige von geringerem Grade, namentlich Kinder, bei

247

denen der Blödsinn noch nicht deutlich ausgesprochen war, der Aufmerksamkeit entgangen sind.

In Beziehung auf. das Alter zeigen sich folgende Verhältnisse:

Zwischen dem 1. u. 5. Jahr finden wir 1 Blödsinnigen.

5 5 5 AO 3 ie 5: x suv3102 ,u5r165 08, M seu.5 = 5 5 RD a 28 % 2 50120. MUR AN Ss REN: Zr 5 51.340: an60:0% B, zenta

Es ist hiebei besonders auffallend, dass unsere Tabel- ien nur 4 Blödsinnige unter dem 10ten Jahr aufweisen; es wäre jedoch nicht nur gewagt, sondern ganz sicher unwahr, wenn man daraus schliessen wollte, dass bei uns der Blöd- sinn gewöhnlich erst in den späteren Jahren sich entwickle; jenes Resultat darf vielmehr als einen Beweis betrachtet werden, dass die meisten jüngeren Blödsinnigen, bei denen das Uebel noch nicht vollständig ausgebildet und daher weniger offenkundig war, bei der Aufnahme übergangen worden sind.

Ueber die Lebensperiode, in welcher der Blöd- sinn aufgetreten ist, so wie über die muthmasslichen ur- sächlichen Momente sind die Angaben nur unvollstän- dig. Fünf waren von Jugend auf blödsinnig; einer vom dritten Monate an in Folge von Gehirnleiden; bei einem wurde der Blödsinn im zweiten Jahr bemerkt, bei eilfen trat er in der Zahnperiode auf; bei einem im sechsten Lebensjahr in Folge eines Falles; bei einem im dreizehnten Jahr und endlich bei einem erst im zweiündzwanzigsten. Erbliche Anlage zeigt sich nur in 24 Fällen; in sechs Familien sind zwei Geschwister blödsinnig, in zweien sind es drei und bei einer Familie dehnt sich das Uebel sogar auf vier Geschwister aus; hiezu kömmt noch ein Fall, wo die Mutter und ihr unehliches Kind als blödsinnig aufge-

248

zählt werden, deren Tante, Oheim und Grossvater, letz- terer nur in leiehtem Grade, ebenfalls mit dem Uebel be- haftet waren.

Der Grad, den der Blödsinn erreicht hat, ist sehr verschieden und im Allgemeinen schwer zu bestimmen; von den 64 aufgezählten Fällen sind nur 25 als vollständig blödsinnig zu bezeichnen; bei 38 ist Schwerhörigkeit in höherem oder geringerem Grade vorhanden, 52 leiden an Sprachschwierigkeit, nur 4 sind eigentlich taubstumm.

In Beziehung auf die Verbindung des Blödsinns mit anderweitigen krankhaften Affeetionen, weisen die Tabellen nach, dass von den 64 Blödsinnigen, 21 mehr oder weni- ger mit Kröpfen behaftet sind; 4 mit anderen Anschwel- lungen, 6 mit Atrophie, 8 mit Lähmung, 5 mit Fallsucht, 6 mit Convulsionen ohne nähere Bezeichnung ihres Cha- racters, 6 mit Rhachitis, 15 mit Scrofeln, 1 mit Geschwü- ren, 1 mit Flechten, 2 mit Grind.

Im Allgemeinen geht aus dieser. Untersuchung hervor, dass der Blödsinn bei uns nicht eigentlich mit endemi- schem Character auftritt und dass der wahre Cretinismus, wie er in den hohen Alpenthälern vorkömmt, bei uns nicht, oder wenigstens nur bei sehr. wenigen Individuen zu finden ist. Der wahre Cretinismus pflegt sich schon in frühester Kindheit in seiner ganz bestimmten Form auszu- sprechen, während in der Regel sich der Blödsinn bei uns nur ganz allmählig: entwickelt, erst als blosse körperliche und geistige Schwäche erscheint und nur nach und nach einen höhern Grad gewinnt, welcher sich als ein Zurück- bleiben und eine allgemeine Unvollständigkeit der geistigen und körperlichen Entwicklung charakterisirt und womit sich allerdings, wie beim Cretinismus, Kropf, Taubstumm- heit etc. etc. verbinden können.

Nur in der Gemeinde Kleinhüningen gestaltet sich das Verhältniss anders. Obgleich dort ebenfalls eigentliche

249

Cretins, ‘wie sie z. B. im Kanton Wallis angetroffen wer- den, nicht vorkommen, so ist doch die Zahl der in ver- schiedenem Grade an Blödsinn Leidenden (24), verglichen mit der Einwohnerzahl (465), sehr auffallend und die An- nahme, dass in dieser Gemeinde eine locale Disposition zum Blödsinn vorwalte, gewiss nicht ungegründet Klein: hüningen ist der am tiefsten gelegene Ort der Schweiz, liegt übrigens frei im offenen Thalbecken des Rheins, in der Nähe einiger sumpfiger Arme des Rheins. Die Be- wohner nähren sich von Ackerbau und Fischfang und sind im Ganzen eher wohlhabend, aber mit einer auffallenden Anlage zur Krüppelhaftigkeit behaftet; die Weiber zeich- nen sich durch Hässlichkeit und Kröpfe aus, welche letz- tern auch den Männern nicht abgehen; die Männer sind öfter plump und schwerfällig an Körper und Geist.

In den übrigen Landgemeinden, so wie in der Stadt lässt sich eine solche Prädisposition zum Blödsinn nicht eigentlich wahrnehmen. Die Lage ‘der Stadt ist frei und den Winden ausgesetzt, der Boden trocken, das Wasser gut und im Ueberfluss ; unter den Bewohnern herrscht im Durchschnitt grosser Wohlstand ; die Entblössung, die Noth der grossen Städte, besonders der grossen Fabrickstädte, kennt man hier nicht. Die Nahrung ist verhältnissmässig gut und reichlich, der Fleischverkauf, im Vergleiche mit andern Städten des Continents, stark, ungefähr 14 Loth täglich auf den Kopf. Die Wohnungen sind mehrentheils, nament- lich bei den Bemittelteren, geräumig und in der Regel sehr reinlich.. Trotz dieser günstigen Verhältnisse kann man nicht sagen, dass die Bevölkerung zu den gesunderen und kräftigeren zu zählen wäre. - Wenige Familien sind von den Scropheln in einer ihrer vielfältigen Formen verschont; die höheren und mittleren Stände bleiben durch anhaltende Sorge und grosse Pflege von ihren ärgsten Ausbreitungen, so wie auch vom Uebel des Blödsinnes, das so einig damit

250

verbunden ist, grösstentheils verschont; ihre meisten Opfer sind in der ärmeren Klasse zu suchen. Ein grosser Theil der dieser letzten Classe angehörigen Bewohner beschäftigt sich mit Fabrickarbeiten und ist, wenn auch im geringerem Grade als gewöhnlich, mit allen Uebeln und Krankheiten des Standes der Fabrickarbeiter behaftet. Meistens schwäch- lich heirathen sie oft sehr jung und leben kümmerlich und unordentlich ; die Kinder werden schlecht genährt und ver- pflegt, bringen ihre ersten Jahre meistens in dumpfer Stu- benluft, in Federbetten zu; Kaffee und Kartoffeln sind ihre geisti- gen und körperlichen Kräfte fehlt; daher so wenige Kin-

Hauptnahrung, Bewegung, frische Luft, Uebung der

der, die blühend, gesund und kräftig aussehen, so viele, die geistig und körperlich zurückbleiben. Hier sind unsere meisten Blödsinnigen zu finden.

Für die Erziehung der Kinder geschieht im Allgemei- nen Vieles; d. h. die Kinder werden frühzeitig zur Schule gehalten ; Kleinkinderschulen nehmen sie schon im frühsten Alter auf.

Ob das Uebel im Zunehmen oder Abnehmen begriffen sei, darüber lässt sich vor der Hand nichts bestimmen, da aus früheren Zeiten keine statistischen Angaben hierüber vorhanden sind; für die Gemeinde von Kleinhüningen be- merkt jedoch der dortige Pfarrer, dass eher eine Abnahme desselben wahrzunehmen sei, und schreibt dieses einer Verbesserung der Lebensweise der Bewohner zu.

YIII. VERSCHIEDENES.

D. 18. Nov. und 2. Dec. 1840 Herr Rathsherr Prrer Merıan, Nachrichten über die naturhistorischen Museen in den rheinischen Städten. Der Referent beschreibt die naturhistorischen Sammlungen in Strass- burg, Mannheim, Mainz, Wisbaden, Bonn, Neu- wied,Frankfurt,Darmstadt,Heidelberg,Karls- ruhe und Freiburg im Breisgau, die er auf einer Rhein- reise im Oktober d. J. besucht hat, mit Benutzung ge- druckter Nachrichten über Entstehung und Umfang der einzelnen Museeen, wo er solche sich hat verschaffen kön-

nen. Die Mittheilungen eignen sich zu keinem Auszug.

D. 3. Febr. 1841. Herr Rathsherr Prrer Merıan be- richtet über den Fortgang unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen im Laufe des Jahrs 1840. Der Bericht über das Jahr 1841 ist in der Geschichte der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen 1841 S. 139 abgedruckt.

D. 2. Febr. 1842. Herr Pfarrer Ueserın, Mittheilung über Farbenbildung an gefrornen Fensterscheiben.

252

ÖFFENTLICHE VORTRÄGE.

Auf Veranstaltung der naturforschenden Gesellschaft wurden in den drei verflossenen Wintern öffentliche Vor- träge für ein gemischtes Publikum veranstaltet, die sehr zahlreich besucht worden sind. Es sind folgende:

Im Winter 1839 auf 1840.

Hr. Rathsherr P. Merian, über die Erhebung der Gebirge. » Prof. Schöngem, über Electricität und Galvanismus.

» Prof. Meısner, über Pflanzengeographie.

Im Winter 13540 auf 1841.

Hr. Prof. Mıescher, über Infusorien. » Prof. Rup. Merıan, über die Entfernung der Fixsterne. » Dr. L. Inuorr, über die Sitten der Ameisen.

Im Winter 1841 auf 1842.

Hr. Prof. F. Fıscuer, über den Unterricht der Taubstummen. » Prof. Scuöngem, über die galvanische Eisensäule und

über Electricität als bewegende Kraft.

f 253

VERZEICHNISS DER MITGLIEDER der naturforschenden Gesellschaft

ın BASEL.

EHRENMITGLIEDER.

Herr Dr. BuckLann in Oxford (aufgenommen 1839.)

Danıerr, Prof. in London (1839.)

Joun Wırnıam Herscntr, Baronet in Slough (1839.) Frıepricun MerıAn, Pfarrer in Basel (1833.) Rıc#arp Puıuıpps, Prof. in London (1839.) Waratstone, Prof. in London (1839.)

ORDENTLICHE uno FREIE MITGLIEDER.

Herr Curıstor BernouLnı, Prof. (1817.)

Franz Bernourzı, Med. Dr. (1840.)

J. J. Bersovrer, Phil. Dr. (1826.)

L. Bernovrrı-Bär (1840.)

Meıcnior Berrı, Architekt (1834.)

Acmırzes Bıscuorr (1840.)

Bıscnorr -Enınger (1841.) = Bıscuorr -Iserın (1840.)

J. J. Bıscuorr - Kestner (1830.)

Hıer. Bıscuorr -Respinger, Stadtrath (1838.) Börcer, Sohn (1839.)

Friepricn Brenner, Med. Dr. (1830.) Acnınues Burcksarpr (1840.)

Aıgrecht BurckuArpr, Rathsherr (1839.) Aucust Burckuarpr, Med. Dr. (1834.)

154

Herr Curistor Buncruanor, Med. Dr. (1834.)

J. J. Burernanpr, Stadtrath (1838.) Hieronymus BurckmAaRrDT (1538.)

Ruvorr Burernarpr, Med. Dr. (1839.) Wirnerm Burcrmarnor -Forcarr (1840.) Bexeoicr Carıst (1840.)

Eckrın, Mechaniker (1841.)

Frieprıcn Fıscher, Prof. (1834.) Heinrich Frey, S. M. C., Rector (1834.) J. G. Fünstengerger-DesAry (1839.) EovArn Geiey (1843.)

WirHELM GEiGY, Öberst.

Ent. GENGENBAcH, S. M. C. (1839.) Envann Haas (1827.)

C. F. Hacengacn, Vater; Prof: (1817.) Eovarn Hacensach, Med. Dr. (1832.) Friepricn HacensAcn, Apotheker (1829.)

Lupwıg HAnDMann (1839.)

Micnaen HÄMMERLIN (1840.)

Jar. Heinuicner, Architekt (1834.) AnpreAs Hevster, Rathsherr (1830.) Friepricn Hevster (1817.)

Franz Hınpervann (1842.)

Lupw. Innorr,, Med. Dr. (1826.) Apramam Iserin-Iserin, Stadtrath (1837.) Isaac Iserın-Burckuanpr (1817.) Heınr. Iseriv, Med. Dr. (1833,)

C. G. June, Prof. (1825.)

EvcnAar. Kinoie , Pfarrer (1842.)

J. Kürstemwer, Conrector (1835.) Anpr. La Rocne (1840.)

German La Roche , Deputat (1817.) Arsert Lorz (1841 )

Ruoporr Maas, Med. Dr. (1838.)

155

Herr Frıieor. Meisner, Prof. (1828.)

EmAnverL Meran, Apotheker (1839.) H. Merıan - VonperMönzz (1843.) J. J. Meran - BureruAnpr (1822.) NıcorAus Merıan (1835.)

Perer Merian, Rathsherr (1819.) Ruvorr Merian, Prof. (1324.) Sımuen Merıan (1840.)

J. J. Misc, Prof. (1819.)

Lupw. Mırsc, Med. Dr. (1834.) Frıeor. Miescher, Prof. (1837.) Sau. Minper, Rathsherr (1830.) Curistıan Münch, Pfarrer (1835.) J. M. Nusser , Med. Dr. (1830.) WirueLm Oser (1838$.)

OswAro -Horrmann (1839.)

Eman. PAssavant, Sohn (1841.) Run. Preiswerk, Cand. (1833.) Eman. Raırzanp, Med. Dr. (1830.) Auc. RıccensAcuh (1842.)

Eman. Roscner, Med. Dr. (1817.) Wırs. Runpr, Cand. (1834.) Ferix Sarasın, Rathsherr (1826.) J. J. Scummorın (1840.)

Cu. F. Scuönsem, Prof. (1828.) von SEckEnporrr, Baron (1838.) Franz Seun (1838.)

Curistor Socın, Cand. (1833.) Carr. von Speyr, J. U. D. (1840.) Curistor StArnenın, Sohn (1830.) Ben. Srarueuın -Bıscuorr (1836.) BALrtH. STAERELIN - Curısr (1839.) Aug. STAERELIN - Vıscurr (1837.) J. J. Staeuetin, Prof. (1830.)

256

Herr

Herr

Enır SrtacueLın, Med. Dr. (1841.)

J. J. Stentin, Architekt (1838.)

J. Sreınnann (1838.)

SuLgrr -Heuster (1840.)

Run. Surger (1842.)

Eu Tuvurneısen (1840.)

GOTTLIEB TuuRnEiısen (1839.)

Dr. Trırer (1842.)

J. J. Urseum, Pfarrer (1835.)

CArı, VıscHEr-Merıan (1843.)

Wiruerm Vischer, Prof. (1838.)

Von Brunn, Pfarrer (1842 )

ANDREAS WERTHEMANN - VonperMüntt (1834.) Curistoru Weiss, Cand. (1343.)

W. M. L. pe Werte, Prof. .(1838.)

L. de Werte, Med. Dr. (1838.)

Hıer. WıerLann, Alt-Dreierherr (1838.) J. Wysert, Med. Dr. (1838.)

Carr Zımmeruin (1839.)

CORRESPONDIRENDE MITGLIEDER.

Lovis Acassız, Prof. in Neufchatel (1836.) Bıper, Med. Dr. in Langenbruck (1839.)

DucrorTAy DE Bramviree, Prof. am Jardin des plantes

in Paris (1838.)

Kırı Lupwıc Brume, Dr. Med., Director des Reichs-

herbariums in Leyden (1842.)

Cnartes Bover, in Fleurier, Kant. Neufchatel (1840.) ALEXANDER Braun, Prof. der Naturgeschichte in Carls-

ruhe (1836.) BrAyzev in London (1839.) Brescher, Prof. der Med. in Paris: (1837.)

257 Herr An. Broncnsart, Prof.am Jardin des plantes in Paris (1836.) Barunner, Prof. der Chemie in Bern (1835.) Hekınr. Burr, Prof. der Chemie in Giessen (1330.) Tuonmas Cooper, Esq. in London (1839.) NicorAus Dazusuın in Efringen (1838.) Auc. De 1A Rıve, Prof. der Physik in Genf (1836.) Aporese De Lesserr in Paris (1839.) Derrwirter, Med. Dr. in Hellertown in. Pensylvanıen (1836.) Ferıx Dvnar, Prof. der Botanik in Montpellier (1836.) Jos# ErızaLpe, Med. Dr. in Cadix (1833.) Tomas Everır, Esq. in London (1839.) Micu. Faravar, Prof. der Chemie in London (1836.) Fr. Frey-Herose, Oberst in Aarau (1835.) Gassıor, Esq. in London (1839.) Gowpins-Bırp, Dr. in London (1839.) Tomas Grauam, Prof. der Chemie in Glasgow (1836.) Grove in London (1839.) C.F. Gurt, Prof. an der k. Thierarzneischule in Berlin (1838.) Rup. Hansarr, Pfarrer in Gachnang (1818.) JAEGER, Prof. in Stuttgart (1839.) E. In Tuurn, Dr. in Schaffhausen (1837.) Jon. Kerticer, Schulinspektor in Liestal (1837.) NH. Kunze, Dr. Prof. der Botanik in Leipzig (1838.) Lorwısc, Dr. Prof. in Zürich (1838.) C.F. Pu. von MArrıus, Prof. der Botanik in München (1838.) J. J. Mitt, Dr. in Bubendorf (1839.) J. B. Meıson, Dr. in Birmingham (1839.) Ernst Meyer, Prof. der Botanik in Königsberg (1838.) Em. Meyer, Dr. Med. in Batavia (1841:) Piunrr Meyer, Dr. in Batavia (1841.) 17

Herr Mırser, Prof. am Jardin des Plantes in Paris- (1836,)

Huco Mour, Prof. der Botanik in Tübingen (1836.) Mour, Dr. in Coblenz (1839.)

Movceor, Dr. in Bruyeres (1838.)

MowArt, Dr. Med. in England (1830 )

Müter, Dr. Prof. in Leyden (1842.)

Prienincer, Dr. Prof. in Stuttgart (1838.)

C.'G. C. ReımwArpt, Dr. Med. Prof. in Leyden (1842.)

Rırs, Missionär an der afrikanisch. Goldküste (1840.)

Rısso, Dr. Prof. in Nizza (1839.)

J. Roerrer, Prof. der Botanik in Rostock (1826.)

Frıepr. Ryumer, Med. Dr. in Amerika (1830.)

Dan. Schenker, Th. Lic. Pfarrer in Schaffhausen (1839.)

Ruo. Scumz, Prof. der Naturgeschichte in Zürich (1835.)

von SCHLECHTENDAL, Prof. der Botanik in Halle (1838.)

ScHLEGEL, Dr. CGonservator am k. niederl. Museum in Leyden (1842.)

J. L. ScnorxL£in, Prof. in Berlin (1839.)

P. F. von SıesoLp, Prof. in Leyden (1842.)

J. R. SuurtrLewortu in Bern (1836.)

KArı STREcKEISEN, Dr. Med. in Batavia (1837.) EpvArD STRECKEISEN, in Meiringen (1839.)

BernuArn Studer, Prof. in Bern (1835.)

Tennminegx, Prof. Director am k. niederl. Museum in Leyden (1842.)

An. Tscuupy, Dr. von Glarus (1839.)

Frieor. A. WaArchxer, Prof. der Chemie in Carlsruhe (1836.)

Warkıns in London (1839.)

Ben. WörrrLın, schweizer. Consul in Mexiko (1840.) Heınr. Wyprer, Med. Dr. in Bern (1830.)

259 --BEAMTETE für die Jahre 1842 bis 1844.

Präsident: Herr Rathsherr P. MerıAn. Vicepräsident: Prof. Frıeor. Fischer. Sekretär: Dr. Innorr.

Vicesekretär: Dr. Iseuım.

260

GESCHENKE

an das naturwissenschaftliche Museum,

während der Jahre 1841 und 1842.

l. Geldbeiträge.

Von löbl. gemeinnützigen Gesellschaft Jahresbeiträge Tur’4s1und 2a RB Fr. 400. - ebenderselben, ausserordentl. Beitrag für 1842 - 200. - d.Leidhausev.Hrn.Ben. Burckhardt-Bernoullisel. = 450.

- Herrn Rathsherr Peter Merian zur Verwendung für die Bibliothek für 1841 und 4242 ._____ - 400.

Fr. 1150.

2. Geschenke für die zoologische Sammlung.

Von den Herren Rathsherrn Peter Merian u. Prof. Rudolf Merian: Simia Satyrus.

Von Hrn. Prof. J. J. Mieg:

Crocodilus Lucius , Skelett und Haut.

Von Hrn. Ben. Wölfflin, schweiz. Consul in Mexiko: Didelphis Opossum, g', 2 und Junges; 25 St. Vögel; Co-= libris, mit Nestern und Eiern; einige Süsswasser Conchy- lien u. A. m., sämmtlich aus Mexiko.

Von Hrn. Baumann:

24 St. Colibris ; 25 andere Vögel-aus Brasilien; Papagai aus Neu-Holland; eine Sammlung von Insekten und Conchylien aus Brasilien.

Von Hrn. Missionar Riis:

60 Vögel von der afrikanischen Goldküste; eine Anzahl Con- chylien von St. Thomas in Westindien.

Von Hrn. Prof. J. Röper in Rostock:

Eine beträchtliche Anzahl Vögel, namentlich Wasservögel von der Küste der Ostsee.

Von Hrn. Franz Seul:

Verschiedene Meeresconchylien und Landconchylien aus der Umgegend von Basel.

261

Von Hrn. Rathsherr Albrecht Burckhardt: Eine Sammlung von Unionen und Anodonten aus dem Kan- ton Bern. Von Hrn. Eman. Meyer, Med. Dr.: 2 Larus bei Coblenz geschossen; eine japanische Ente; Vo- gel aus Brasilien. Von Hrn. Imhoff-Forcart: Colymbus stellatus, bei Basel geschossen. Von Hrn. J. Steinmann: Icrochordus javanicus Lacep. Von Hrn. Rathsherr Sam. Minder: Drei ganz junge Pfauen; junger Wachtelkönig; ein Perlhahn. Von Hrn. Minder-Zäslin: Ausgezeichnetes Exemplar eines männlichen Pfauen. Von Hrn. Deputat G. Laroche: Mumie einer Katze. Von Hrn. Prof. Miram in Wilna: Nest von Parus pendulinus. Von Hrn. Dr. Ludwig Mieg: Grosses Horn von Rähinoceros indicus ; einige Conchylien. Von löbl. Missionshaus: Manis macrura Esxl., grosse Eidechse, Schmetterlinge aus Guinea; verschiedene Insekten von Aquapim an der Goldküste. Von Hrn. Cand. C. R. Preiswerk: Halirhoe aus dem rothen Meer; Helix haemastoma. Von Hrn. Dr. Christoph Burckhardt: Picus minor d‘; 19 St. Conchylien aus Brasilien. Von Hrn. Rudolf Birrmann, Sohn: 7 St. brasilian. Landconchylien. Von Hrn. Rathsherr Peter Merian: 7 Vögel aus Ostindien; 33 St. Landconchylien von den Phi- lippinen. Von Hrn. T. R. Ingalls aus Nordamerika. 16 Arten in 85 Exemplaren Süsswasserconchylien aus Nord- amerika. Von Hrn. Prof. Meisner: 16 Arten europäischer Landconchylien. - Von Hrn. Shuttleworth in Bern: Einige exotische Landconchylien.

262

Von Hrn. Prof. Miescher:

Einige Mollusken aus dem Mittelmeer.

Von Hrn. Dr. Carl Streckeisen:

37 Arten in 78 Exempl. Vögel aus Java; einige Conchylien aus Holland.

Von Hrn. Eduard Bolli in Fernambuck:

Schlangen und Früchte in Weingeist aus Fernambuck. Von Hrn. Carl Respinger in Havannah: Gorgonien und Schwämme aus den westindischen Meeren; Rhinoceroshorn. Von Hrn. Eduard Burckhardät-Schrickel: Ein junger männlicher Dammhirsch. Von Hrn. Hofstetter in Neudorf: Aquila brachydactyla bei Neudorf geschossen. Von Hrn. J. v. Charpentier, Salinendirector in Bex: 26 Arten europäischer Landconchylien:

Vond. Herren Dr. Christoph Burckhardt u. Rathsherr Peter Merian. 42 Arten in 170 Exempl. Land- und Süsswasserconchylien aus Corsika.

Von Hrn. Cand. Friedrich Oser:

Eine Schlange von Neu-Orleans.

Von d. Herren Rathsh. Peter Merian u. Rathsh. Albrecht Burckhardt. 180 Arten und Abarten europäischer und exotischer Helices in mehr als 300 Exemplaren.

Von Hrn. Sebastian Böhrlin:

Falco palumbarius S.

Von Hrn. Prof. Eckert:

Tetrao Lagopus im Uebergangskleide.

Von Hrn. Debary-Sarasin:

Colymbus glacialis bei Basel geschossen.

Von Hrn. Präparator Andreas Schneider: 4 Falco apivorus, jung; ein Hamburger Zwerghahn; Oedic= nemus crepitans und Gallinula chloropus aus dem Ei.

Von Hrn. Heinr. Leuba:

Ein ausgestopftes Hündchen.

Von Hrn. Walliser, Schreiner: Mus musculus, weiss.

Von Hrn. Pfarrer Uebelin:

Mus musculus, weiss gefleckt.

263

3. Für die Mineralien- und Petrefacten- Sammlung.

Von Hrn. Franz Zäslin: Ein Fischabdruck in buntem Sandstein von Dägerfelden bei Basel, und einige andere Versteinerungen. Von Hrn. Prof. J. Röper in Rostock: Petrefacten von Sternberg in Mecklenburg. Von Ern. v. Alberti, Salinendirector in Rottweil: 19 St. Petrefacten aus dem Würtembergischen Muschelkalk. Von Hrn. P. Vischer-Passavant: Stufe von gediegen Silber aus Mexiko. Von Ern. Dr. Christoph Burckhardt: Verschiedene Versteinerungen aus der Gegend von Basel. Von Hrn. Franz Seul: Petrefacten aus der Gegend von Basel. Von Hrn. August Risgenbach: Verschiedene Petrefacten aus der Gegend von Basel und Neuchatel. Von Hrn. Oswald-Hoffmann: Rippe eines /Vofhosaurus in Muschelkalk vom Rothen Haus; Versteinerungen aus den Appenzeller Alpen. Von Hrn. Dr. Eman. Meyer: Bruchstück eines Wallfischknochens zu Neudorf bei Basel gefunden. Von Hrn. Rathsherr Peter Merian: 20 Arten Petrefacten von St. Cassian in Tyrol; einige Ver- steinerungen aus dem Kanton Appenzell; 106 St. Versteine- rungen aus der Kreide und dem Uebergangsgebirge von Sach- sen, Böhmen und Schlesien; Versteinerungen von Pruntrut; eine Folge von Tertiär Petrefacten aus dem Mainzer Becken. Von Hrn. Dr. C. Streckeisen: Eine Sammlung von Gebirgsarten aus Böhmen. Von Hrn. Dr. Ludwig Mieg: Versteinerungen aus der Gegend von Basel. Von Hrn. Dr. Bieder in Langenbruck: Petrefacten aus der Umgegend von Langenbruck. Von Hrn. Bischoff-Kestner: Versteinerungen aus dem blauen /Veocomien Mergel von Neuchatel.

264

Von Hrn. Niel. Däublin in Efringen: Ein 8 Fuss langer Stosszahn des Mammuth Elephanten, bei Istein gefunden.

Von Hrn. Pagnard, Professeur a lecole normale in Pruntrut, Sammlung von Petrefacten aus dem Portlandkalk der Umge- gend von Pruntrut.

A Für die naturhistorische Bibliothek.

Von Hrn. Dr. Mougeot, Vater in Bruyeres: -Innales de la societe d’ Emulation du Dep. des Vosges. IE NG Von dem Mannheimer Verein für Naturkunde: 7r. und Sr. Jahresbericht des Vereins. Von Hrn. Dr. C. Streckeisen: Zeichnungen von Infusorien nach Ehrenberg in stark ver- grössertem Massstabe, 8 Blätter. Drei Ansichten und geognost. Karten von Gegenden Böhmens. Reuss, die Umgebungen von Teplitz und Bilin. 1840. Von Frau Thurneysen -Fäsch: Stedmann voyage a Surinam. 3 Thle. Von der industriellen Gesellschaft in Mülhausen: Bulletin de la societe industrielle de Mulhouse. NP.66—76 Von Hrn. Dr. Stiebel in Frankfurt a. M.: Stiebel, die Grundformen der Infusorien in den Heilquellen. Von Hrn. Dr. Buckland in Oxford: Adress at the anniversary meeting of the geological Society at London. 1840. Von Hrn. Dr. Jaquot in Plombieres: Jaquot dissertation sur les eaux minerales de Plom- bieres. 1835. Von Hrn. Prof. Schönbein: Schönbein Beobachtungen über die elektrischen Wirkungen des Zitteraals. 4841. Von Hrn. Prof. Röper in Rostock: v. Blücher Untersuchung der Soolquellen bei Sulz. 1829. Von Hrn. Prof. Miescher: Treutler Observationes ad Helminthologiam humanı corporis. 1793. Von Hrn. Prof. Chavannes in Lausanne: Notice historigue sur le Musee cantonal du Canton de Faud. 1841.

265

Von Hrn. Fiscal R. Burckhardt: Ladeveze sur les eaux minerales de Saint- Galmier. 1838. Von löbl. Staats - Kanzlei: Abhandlungen aus der Naturlehre der K. Schwedischen Aka- demie der Wissenschaften. 41 Bde. 1749—83. A4nnuaire du Dep. du Haut-.Rhin pour 1812. Von Hrn. Cand. C. Rud. Preiswerk: Milne- Edwards, Elemens de Zoologie. 4 vol. 1840—42. Leonhard, Lehrbuch der Geognosie und Geologie. 1835. Cuvdier regme animal, accomp. de planches. Reptiles par Duvernoy. Von Hrn. Appellationsgerichtschreiber L. A. Burckhardt, J.U.D.: L. A. Burckhardt, der Kanton Basel, 1841. Von Hrn. Prof. Jäger in Stuttgardt: G. Jäger, über den Werth der Naturwissenschaften für die formelle Bildung der Jugend. 1841. Von Hrn. Rathsherr Peter Merian: Viollet artesische Brunnen, übersetzt v. Bruckmann. 1842. Rolland du Roguan, Description des coquilles fossiles de la famille des Rudistes. 1841. Leonhard, Geologie oder Naturgeschichte der Erde. Är. Bd. Hericart de Thury , Catacombes de Paris. 1815. Leop. v. Buch über Productus und Leptaena. 1842 und eine Anzahl kleiner naturhistorischer Schriften. Von Hrn. Ulr. Schnell- Christ: Redi experimenta circa generationem Insectorum. 1671. Von Hrn. Prof. Leuckart in Freiburg im Br.: Leuckart observationes de zoophytis corallis. 1841. Von Hrn. Dr. R. H. Rohatzsch in München: Hope,Abhandlung über die Schlagadergeschwulstd.Aorta.1841. Sicherste Methode die Anwesenheit des Arseniks auszumit- . teln. 1842. Von Hrn. Prof. Eman. Linder: Beckmann, physikalisch-ökonomische Bibliothek. 20 Bde. Von der Societe Yaudoise des sciences natur elles : Bulletin de la Societe Vaudoise. N. 1—3.

266

DIE

VERLEGUNG DES BOTANISCHEN GARTENS.

Bei der Erbauung des neuen Spitals im Areal des ehemaligen markgräflichen Pallastes wurde der Wunsch rege auch den an- stossenden botanischen Garten mit der neuen Anstalt vereinigen zu können. In Folge desselben kam zwischen der Erziehungs- behörde und dem Stadtrath ein Vertrag über die Verlegung der botanischen Anstalt zu Stande, welcher den 7. August 1838 die Genehmigung des Grossen Raths erhielt. Aus dem von der Com- mission für den botanischen Garten im Dez. 1842 erstatteten Schlussbericht über die geschehene Verlegung entheben wir nachstehende Notizen.

Gegen die Uebergabe des alten botanischen Gartens mit sämmtlichen zugehörigen Gebäulichkeiten, worüber unser erster Bericht S. S6 einige Angaben enthält, wurde von ]. Spitalpfleg- amt das Schneider’sche Gut, unmittelbar vor dem Aeschenthor angekauft. Es besitzt einen Flächeninhalt von 3 Juchart, 247 Ruthen, 90 Fuss Schw. Mss. Derselbe wurde durch 1. akademi- sche Gesellschaft um 1, Juchart oder 133 Ruthen, 33 Fuss ver- mehrt, welche sie von einem anstossenden Gute um den Preis von 1000 Schw.Fr. erkaufte. Das ganze Areal der neuen Anstalt beträgt also 3 Juch. 351 R. oder fast 4 Juchart Schw. Mss.

Zur Einfassung des Raumes wurden längs den beiden Seiten Mauern aufgeführt. Ein eisernes Gitter schliesst den Garten längs der vordern der Strasse zugekehrten Seite ab, ein blosser Haag den vorspringenden hintern Theil. Ein bereits vorhande- nes kleines Gebäude in der rechten Ecke der Vorderseite wurde zur Gärtnerswohnung, ein anderes zur Linken zu einem Wasch- haus und Holzschopf eingerichtet. Im mittlern Raum zwischen

267

beiden, doch in einigem Abstande von der Strasse wurde die Amtswohnung für den Professor der Botanik neu aufgeführt. Es umfasst dieselbe nebst einem gewöhnlichen Keller, einen sehr geräumigen Keller zur Aufbewahrung von Pflanzen; im Erdgeschoss nebstKüche und kleinem Esszimmer drei geräumige Zimmer für das Auditorium, die botanische Bibliothek und die Pflanzensammlungen; im ersten Stock sechs Wohnzimmer und ein Kabinet. Es ist ein freundliches wohnliches Gebäude, von gefälligem äussern Ansehen. In der Mitte des Gartens be- findet sich ein vom Abwasser des Brunnens genährtes Wasser- bassin, mit Wassergräben zu beiden Seiten, zur Aufbewahrung von Sumpfpflanzen. Diese sämmtlichen Bauten und Einrichtun- gen wurden vertragsgemäss durch 1. Pflegamt des Spitals ausge- führt. Dasselbe hatte ferner eine Summe von Fr. 5000 für die eigentliche Garteneinrichtung ausgesetzt. Man reichte jedoch mit derselben nicht aus, weil das Erdreich eine gründlichere Umarbeitung erforderte, als nach dem ersten Ueberschlag war angenommen worden. Die zu diesem Zwecke noch ferrer er- forderlichen Fr. 2500, wurden zur Hälfte aus dem Universitäts- fond, zur Hälfte durch die h. Regierung gedeckt.

Ferner wurde in Folge des abgeschlossenen Vertrags durch 1. Stadtrath ein laufender Brunnen mit einem Helbling Wasser und Brunnirog von Solothurner Stein aufgeführt. Dieselbe Be- hörde hat alsBeitrag an die Unterhaltung des Gartens eine Sum- me von Fr. 600 jährlich ausgesetzt.

Endlich wurde ein geräumiges aus drei Abtheilungen Kalt- haus, Temperierthaus und Warmhaus bestehendes Gewächshaus erbaut, dessen Einrichtung sehr befriedigend ausgefallen ist. Zu den Kosten desselben hatte die h. Regierung einen Beitrag von Fr. 4000, 1. Stadtrath Fr. 2000, 1. gemeinnützige Gesellschaft ebenfalls Fr. 2000 ausgesetzt, und bei einer veranstalteten Sub- scription wurden zu diesem Zwecke eine Summe von Fr. 5865 unterzeichnet, so dass für die Ausführung eine Summe von Fr. 13865 zu Gebote stand.

Bereits im Spätjahr 1838 konnte der hintere Theil des alten Gartens der Spitalbehörde eingeräumt werden. Im Frühjahr 1839 wurde das alte Areal vollständig geräumt und definitiv abgetre- ten. Zu Ende desselben Jahrs konnte das neue Gewächshaus bezogen werden. Im Juli 1840 fand der Einzug des Directors, der Bibliothek und der Sammlungen in das neue Local statt.

268

Die sämmtlichen Einrichtungen wurden im Jahr 1844 und theil- weise erst im Laufe des Jahrs 1842 vollendet.

Wir dürfen unsere Befriedigung ausdrücken über die Art und Weise, wie bei dieser Gelegenheit durch vielseitige Mitwirkung von Behörden und Partikularen die Verjüngung und Erweiterung einer wissenschaftlichen Anstalt zu Stande gekommen ist, für welche in den Jahren 1777—80 die Regierung und der sel. LACHENAL so bedeutende Anstrengungen gemacht haben. Als einer andern schönen Unternehmung unserer Zeit die Verlegung unserer An- stalt nothwendig wurde, geht sie in vervollkommneter Gestalt auf die Nachkommen über, und gibt ihnen erfreuliche Kunde von der Ächtung für das was die Vorfahren zum Frommen der Wissenschaft gegründet haben.

269

BEITRÄGE

für das Gewächshaus ım neuen botanischen

Garten. Von Eh. Regierung v2... u net Fr. 4000. Vomlohl. Staderacthr 2ER er »s 2000. Von löbl. gemeinnützigen Gesellschaft _--- = 2000.

Fr. 8000.

Ferner von folgenden Partikularen:

Herr Stadtrath Bischoff-Respinger -------- Fr. 240. Rathsherr Peter Merian ___--------- - 200. Oberst Vischer-Preiswerk ______-_.--_ : 200. Bqduard Merian... 2 22 re ER - 100. D. Forcart- Merian. 2.2.0, 0 E - 440. Borcart- Iselint sm = 1409 Rathsherr Felix Sarasin _--.-.-------- = 460. —Balth> Thurneysen 1 Um el ... 41800. 7 Bischoff Bischoff - 2.2.0222 222222 » 4160.

Jete.Emilie kinder 220 N = 200.

Herr Rathsherr Elias Burckhardt __-______ - 400. Stadtrathspräsident Heussler ___.--__ . 70. Daniel Heussler ____:_:_--_-_-.... - 4140. Vischer - Valentin2.2 2.2 mr m 2 Ser -e 400. —ı(Staehelin- Christ" 222 an Dana De na ze 400. —Keller-Paravicini_- 2.2.2.2... mn: = 283. Sam. Merian-Merian -----_----___. - 140. —=Mben (Christ a Un a . 70.

Frau Burckhardt-Hoffmann ___.---------- = 4140. Rosine Burckhardt _-_-----__-----_- . In Herr Bischoff-Kestner ______-___--__---_. = 40. Merian Forecast wu. ak - 100. ==) SBern om IE DENE NEE RE - 35. Pfarrer Friedr. Merian ------------- - 100.

Uebertrag Fr. 2859.

270°

Uebertrag Fr

Herr Vondermühll-Burckhardt ______--_--- = Dreierherr Burckhardt _______--.-_._ z

»Huber» Apotheker 22 222.2 en 2

= Sisiber- Bischoff - 222. ZP IRA M 2 z

Dr. Iebernoulli +... 2227-2722 =

= nPrarrer Kraus pen. 22 ueL227, =

—INGeIgy/-Preiswerkzen er er 2 2

—uIselin-Porcartz.. 2 Nr mrmnl, 1 _ z

ZW Iselin- Christ. 22 IE N z

—: Peter Bischoff-Buxtorf___-_______-_ = Leonh. Heussler- Thurneysen______-__- z

—iUB.Obermeyer: 2.2... se z

Gedeon Burckhardt ------_____._____ -

Oberst-Lieutenant W. Bischoff ____-__ z

Apotheker Hagenbach ___-.--__--.--_ z

Rathsherr Burckhardt- Imhof __.--__.. =

-——..Iselin- Burckhardt 9a 1U a2 Tara e

Wielandt-Rottmann.-.---.--_-22_-____._ z

H. Gemuseus--Respinger --___---__--. z

-S=JlohusRissenbach 222 2 En 2772 r

= Iselin- Wettstein?= 27r 8 2 PIE z

Vondermühll- Hoffmann ___.-_-----.-- 2

Ze Bischoff-Iselin222.2. FI EIER ITIET

Frau Vischer-Borcartı 22222. 2 BEN IF aT SEE = Jsiz=Bsther ‚Korean et . Herr .J. .J- Burckhardt Rrey2l 2 2 Ira 2272287 E —+ Apotheker Wettstein=. (er zur 22272 -

—» Jen aMerian- Burckhardt Er ar Seine z

Frau Streckeisen-Gaesar -__-____-_-_-____ - Unsenanntazl.n 22222 02R 28 22 z Herr Stadtrath Christ-Bischoff ____-_.--.-__ - —: J Preiswerk-Burckhardt::________-_ >

Dr.-Hagenbach , Vater222_._2_2r 827 _ =

—* Dr. -Raillard- =... 2 ei EL 22] z

Christoph Merian-Burckhardt__--.___ z

E. Thurneysen-Paravicini _-__------ z

Mieg-Hoseha- en na dt 3

Christoph de J. J. Burckhardt : z

Uebertrag Fr.

. 2859. 140. 160.

W m MC MD oo m 0 DD 5

. 50

271,

Uebertrag Fr. 4308. 50

Frau Thurneysen-Faesch __-_-______- NIE 702 Herr Cand. Preiswerk - Fürstenberger______ 16. -—— (Rectomsbarochesı er Zu a an ne 8... de Rathsherr Andr. Heussler __--____._ 050, Jsfr. Salome Vischer) 2. 22 2 wma 222 =. 400. Frau Preiswerk-Iselin -_.___-_----.-... £ 50. Herr Fürstenberger -Debary _-_---------- > 16. Bürgermeister C. Burckhardt ___.---_- -. 4140. ‚Sulger-iStaehelin u - ni. 22222202 .1% , A : D. Burckhardt-Forcart __--_-__--_. . 414. #5 Burckhardt Korcart 2........2.22. - 414. enProtaWWischerz u. au Bulle £ 14. —-, sDrABudw. De Wette... 22 2e ı 2 un! - 35. Prof. De Wette ____.--. LEARN ER » 80. —Prot=-ARud.2 Meran - 420. Ben. Burckhardt-Bernouli_.-__----.-_ = 100. = Dr>,Christoph“Burckhardt 2. 2.0 222 .- 1. —ı BriedesHeussier a Se ee = 35. Tseln SRaroches 3 en x 16. Paravicini-Preiswerk -------------- z 16. u lselinDebaryız una. nee rer s 16. u Nbesiselin-Iselin. al ea ra z 16. Werthemann-Vondermühll_-.__--_-.. = 10. Carl Zimmerlin Sa 02 So ME - 14. = Helix? Sarasın), Vater zu re s 35. #Ronus- Gemuseust A Zur 2 22 gen ar 2 1A. Nic. Bernoulli- Obermeyer BERNER IRRE = 16. Prof Briedr. Rischer - .. um. s 14. Passavant-Streckeisen-------------. = 35. m oser-Kallmer\ .._\... 12 \ - 14. 2 1Socin-Krey, sun... 2. al z 14. Obersthelfer Linder________-____.--- = 44. Wilh. Burckhardt-Forcart ___-----_-- = 40. Je. Gone. Rapp a min - 35. dC. Burckhardt-Vischer _-- ---------- = 16. = Vischer& Passayana a 2,2 Neusnı = 4100. B. Staehelin-Merian _____---------- = 14. DB. Werthemann-Burckhardt -------- z 21.

Uebertrag Fr. 5728. 50

272 Uebertrag Fr. 5728. 50

Ungenannt:+ Mur... HIER Bam .- 1. Herr Vondermühll-Bischoff_____---_---__ . U Ben. Staehelin-Bischoff _-__-_-_... . 21. Antistes®I.2Burckhardt.. sea: E 7.— Pfarren sWiollebr 22: . ey 2 IN 2er » 7. —-sNic-ABruderlinv- Zee. HI EEE 5 7. Aug. Laroche-Burckhardt _-------.- ee 1.— Christ. Buxtorf-Preiswerk __-------- = 7. Oberst-Lieutenant Andr. Werthemann = 17. 50

Fr. 5865.

Ausserdem wurden unterzeichnet für ein einfaches Denkmal zu Ehren LAcHENAL’s, von

Hrn. Rathsherr Felix Sarasin _--___-_-____ Fr. 40. Vondermühll-Burckhardt _-___-__-_--- = 24. —. Je, @. Dhurneysenner 2 _ ee >18-

Fr. 72.